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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 

für 


Sächsische  Greschichte 


und 


Alterthumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrath. 


Fünfter  Band. 
Mit    einer    Karte. 


Dresden  1884. 

Wilhelm  Baensch  Verlagshandlung. 


^■^ 


THE  GEITY  CENTER 


Inhalt. 


Seite 

I.  Die  HandelsAvege  Inner  -  Deutschlands  im  16.,  17.  und 
18.  Jahrhundert  und  ihre  Beziehungen  zu  Leipzig.  Von 
Oberlehrer  Dr.  Hermann  Heller  in  Rochlitz 1 

II.  Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum 
Jahre  1346.  Von  Professor  Dr.  Hermann  Knothe  in 
Dresden 7.3 

III.  Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.    Von  Professor 

Dr.  J.  0.  Opel  in  Halle 116 

IV.  Der  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Johann  Friedrich  dem 
Mittlern  und  dem  Geithainer  Pfarrer  Ambrosius  Roth. 
Von  Oberstlieut.  a.  D.    Freiherrn  A.  von  Welck  in  Basel  142 

Literatur 155 

V.  Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550  bis 
1551.     Von  Oberlehrer  Dr.  S.  Issleib  in  Bautzen      .     .     .  177 

VI.  Die  verschlackten  "Wälle  in  der  Oberlausitz.  Von  Pastor 
Friedr.  Senf  in  Laugwitz  bei  Brieg 227 

VII.  Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  über  den  schmal- 
kaldischen  Krieg.     Von  Dr.  Georg  Schepss,  Studienlehrer 

am  K.  Gymnasium  zu  Würzburg 239 

Literatur 260 

VIII.  Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550  bis 

1551.     Von  Oberlehrer  Dr.  S.  Issleib  in  Bautzen  (Schluss)  273 
IX.  Die  Stadt  Bautzen  im  Banne  des  Bischofs  von  Meissen  1431. 
Von  Prof.  Dr.  Hermann  Knothe  in  Dresden 309 

X.  Die  Briefe  Valentin  Einers.  Ein  Beitrag  zur  Reforma- 
tionsgeschichte.    Vom  Herausgeber 321 

Literatur 335 

Register 345 


Besprochene  Schriften. 

Seit» 

Aster,  Aus  des  Klosters  Mllilenfurth  vergangener  Zeit  (Steche)  171 
Bacbmann,  Deutsche  Reichsgeschichte  Band  I  (Ermisch)  .     .     .  155 

Bartsch,  Sachs.  Kleidcrorduungen  (Erniisch) 260 

Bernau,  Album  der  Burü'en  und  Schlösser  im    Konitrr.    Böhmen 

(Knothe) 267 

Deumer,  Der  recht!  Anspruch  Böhmen-Österreichs  auf  die  Ober- 
lausitz (Knothe) 340 

Groessler  u.  Sommer,  Chronicoa  Islebiense  (Schum)      ....  261 
Hassel  u.  Graf  Vitzthum  v.  Eckstädt,  Zur    Gesch.   des  Türkeu- 

kriegs  1683   (v.  Schimpft) 156 

Kolde,  Analecta  Lutherana  (G.  Müller) 337 

Lindau,  Lucas  Cranach  (Wernicke)       335 

Pfütze,  Heimathskunde  von  Bautzen  (Knothe) 340 

Poeschel,  Eine  erzgebirgische  Gelehrtenfamilie  (Ermisch)      .     .  263 

V.  Renner,  AVien  im  Jahre  1683  (v.  SchimpflT) 166 

Roesch,  Glück  auf!  (Ermisch) 265 

Schröder,  Der  Kampf  um  Wien  1683  (v.  Schimpff) 162 

Steche,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler Sachsens  Heft  II  (Sommer) 167 

Das  Kriegsjahr  1683  (v.  Schimpft') 164 

Der  Entsatz  von  Wien  1(583  (v.  Schimpft) 160 

Freibergs  Berg-  und  Hüttenwesen  (Heydenreich) 265 


I. 

Die  Handelswege  Inner -Deutschlands 

im  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert    und   ihre 

Beziehungen  zu  Leipzig. 

Nach  archivalisehen  Quellen  bearbeitet 


von 

Hermann  Heller 


Die  einzelnen  Tlieile  der  Erdoberfläche,  die  Länder, 
lassen  sich  den  Organismen  der  lebenden  Geschöpfe  ver- 
gleichen. „Wie  in  den  Arterien  und  Nerven  dieser  Lebens- 
kraft und  Blut  pulsieren,  so  bewegt  sich  in  den  Ebenen, 
Thälern  und  Gebirgspässen,  längs  der  Flussläufe  und 
Küstenlinien  jener  die  menschliche  Bevölkerung. . .  Und  wie 
im  Körper  der  lebenden  Geschöpfe  da,  wo  sich  mehrere 
Adern  oder  Nervenzweige  vereinigen,  ein  wichtiger  Knoten- 
punkt des  Organismus  entsteht,  so  müssen  auch  diejenigen 
Erdflecke,  auf  welche  viele  natürliche  Verkehrskanäle  hin- 
zielen, Sammelorte  der  Bevölkerung,  Kreuz-  und  Brenn- 
punkte des  Verkehrs  der  Menschen  werden"').  —  So 
spiegelt  sich  in  der  ganzen  Rolle,  welche  eine  wichtige 
Stadt  in  der  Geschichte  gespielt  hat,  und  in  der  Bedeu- 
tung, Richtung  und  Art  ihres  Handels  insbesondere  die 
geographische  Lage  oder  Weltstellung  derselb  n  ab. 

Li  Deutschland  zeigt  sich  das  deutlich  bei  Nürn- 
berg,  das  während  des  Mittelalters  und  noch  im  16.  Jahr- 
hunderte am  Kreuzungspunkte  zweier  Hauptverkehrswege 
des  mittleren  Europa  lag.  Von  diesen  führte  der  eine'') 
vom  adriatischen  Meere  her  im  Etschthale  herauf,  quer 
durch  das  Innthal,  im  Lech-  und  Rednitzthale  herab  und 

')  J.  G.  Kohl,  Die  geogr.  Lage  der  Hauptstädte  Europas 
(Leipzig  1874).     Vorwort, 

-)  Kutzeii,  Das  deutsche  Land  (Berlin  1880),  236. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     V.  1.  2.  1 


2  Hermann  Heller: 

weiter  nördlich  durch  die  Passagen  des  Frankenwakles 
und  Werrathales,  wälu-end  der  andere,  von  SO.  lier- 
kommend,  von  den  Donauwinkeln  bei  Passau  und  Regens- 
burg-  über  Nürnberg-  auf  die  Mainmündung-  zielte.  So 
nahm  diese  Stadt  in  Bezug  auf  die  Punkte  Augsburg 
und  Venedig  im  S.,  Erfurt  und  Leipzig,  Magdeburg  und 
Braunschweig,  Hamburg  und  Lübeck  im  N.,  Regensburg 
und  Wien  im  O.,  Frankfurt  und  Köln  im  W.  eine  zen- 
trale Stellung  ein  und  musstc  für  diese  so  bedeutsamen 
Verkehrsorte  ein  unentbehrlicher  gemeinsamer  Zwischen- 
markt werden. 

In  noch  höherem  Grade  kam  eine  günstige  Weltstellung 
Frankfurt  a.  M.  zu  statten,  wo  nicht  nur  Main-,  Ober- 
rhein- und  Unterrheinstrasse  zusammenliefen,  sondern  auch 
ein  wichtiger  Verkehrsweg  von  der  Weser  her  und  die, 
Rhein-  und  Eibmitte  verbindende,  viel  bewanderte  Quer- 
strassc  zwischen  Harz-  und  Thüringerwald ,  Rhön  und 
Vogelsberg  einmündete,  so  dass  jene  Stadt  im  unteren 
Mainthale  frühzeitig  den  Verkehr  zwischen  dem  N.  und 
S.,  O.  und  W.  Deutschlands  vermitteln  konnte. 

Bei  keiner  Stadt  des  deutschen  Reiches  kommt  jedoch 
die  vorthcilhafte  geographische  Lage  in  so  auffallender 
und  nachhaltiger  Weise  zur  Geltung  als  bei  Leipzig,  das 
seiner  vorzüglichen  Weltstellung  zufolge  durch  das  blutige 
Ringen,  das  zu  verschiedenen  Zeiten  auf  seinen  Fluren 
ringsum  stattfand,  ebenso  wie  durch  die  Grossartigkeit  der 
friedlichen  Geschäfte,  welche  seit  Jahrhunderten  in  dieser 
Stadt  abgewickelt  oder  von  ihr  aus  eingeleitet  wurden, 
einen  durch  die  ganze  Welt  verbreiteten  Ruf  erringen 
und  behaupten  sollte. 

In  dem  stumpfen  Winkel  gelegen,  welchen  die  Pleisse 
und  Partlie  in  ihrem  Zusammenflusse  bilden,  war  das 
ehemals  l)efestigte  Leipzig  ^)  im  N.  durch  die  moorigen 
Parthenwiesen,  im  W.  durch  die  von  zahlreichen  Wasser- 
läufen durchkreuzte  Aue  der  Pleisse  und  weissen  Elster 
gesichert,  während  geringere  Bodensenkungen  im  S.  und 
NO.  (im  Rietzschkegebiet)  dem  festen  Platze  weitere  be- 
queme Deckung  gaben.  Erbaut  im  Mittelpunkte  eines 
reichen  Ackerbaudistriktes,  der  sich  frühzeitig  dicht  be- 
völkerte, inusste  Leipzig,  das  die  bequemsten  Übergänge 
über  die  Pleissen-  und  Parthenaue  aufzuweisen  hatte,  um 


*)  0.  Delitzch,  Leipzigs  Lage  in:    E.  Hasse,    Ijeipzig   und 
seine  Umgebung  (1878). 


Die  Handelswege  Iiiiier-DeutschlaiKls  im  Ifi. — 18.  Jahrh.  etc.        3 

so  rascher  der  gescliäftliche  Mittelpunkt  der  zahlreichen 
Dörfer  und  Städtchen  desselben  werden,  als  hier  —  im 
Leipziger  Tertiärbecken  —  die  Formation  des  Bodens 
die  Anlegung-  von  Verkehrswegen  an  der  weissen  Elster, 
Pleisse  nud  Parthe  lierab,  ja  auch  von  der  Mulde  herüber, 
besonders  begünstigte. 

Diese  vortheilhaften  Verhältnisse  bezüglich  der  geo- 
graphischen Lage  dieser  Stadt  wiederholen  sich  aucli  in 
weiteren  Kreisen.  Da  die  Gebirgsburg  Böhmen,  Avelche 
ohnedies  von  einem  fremden  Volksstamme  bewohnt  wird, 
dem  Verkehr  nach  dem  O.  Europas  starke  Hindernisse 
bereitete  und  längs  der  Nord-  und  Ostsee  zaidreiche  Ge- 
wässer die  Anlegung  von  bequemen  Strassenzügen  hemmten, 
so  mussten  die  Hauptverkehrswege  Norddeutschlands,  ja 
Zentraleuropas,  am  Nordfusse  des  deutschen  Berglandes^ 
wo  Leipzig,  ungefähr  gleichweit  von  beiden  Enden  desselben 
entfernt,  seine  Stelle  hat,  sich  hinziehen.  Da  ferner  der  Ver- 
kehr „sich  wie  eine  Flüssigkeit  von  den  Höhen  in  die 
Tiefen  herabsenkt" ^),  die  höchsten  Spitzen  umgeht,  die 
Gebirge  in  ihren  tiefsten  Einsenkungen  überschreitet  und 
in  bestimmten,  theils  vorgefundenen,  theils  selbst  ge- 
schaffenen Betten  strömt,  um  sich  schliesslich  in  den  grossen 
Becken  der  Länder  zu  sammeln,  so  war  Leipzig  auch 
der  geeignetste  Platz,  der  die  Handelsstrassen,  welche 
aus  dem  bergigen  Süden  nach  dem  ebenen  Norddeutsch- 
land führten,  bequem  beherrschen  konnte.  Denn  gerade 
in  den  Umgebungen  dieser  Stadt  reicht  die  norddeutsche 
Tiefebene  am  weitesten  nach  S.  hinauf:  Leipzig  liegt 
ungefähr  in  der  Mitte  jenes  Tieflandsbusens  der  mittleren 
Elbe,  der  sich  zwischen  den  Absenkungen  des  Harzes, 
des  Thüringerwaldes  und  des  Erzgebirges  in  das  mittel- 
deutsche Gebirgsland  hineiubuchtet.  Durch  diesen  führte 
aber  von  jenem  Strome  her  ebenso  der  kürzeste  Weg 
aus  dem  nordöstlichen  Tieflande  in  die  jenseit  des  Ge- 
birges in  südwestlicher  Richtung  gelegenen  Ebenen  des 
oberen  Main  und  der  oberen  Donau,  wie  in  west- 
licher Richtung  über  Thüringen  hin  zu  dem  grossen 
V'erkehrsthale  des  unteren  Main  und  mittleren  Rhein. 
Andererseits  kreuzte  sich  hier  ein  Strassenzug,  der  vom 
Niederrhein  her  die  Gebirge  im  N.  umging  und  auf  be- 
quemen und  ebenen  Pfaden  nach  einem  südöstlichen  Ziele 
leitete,  mit  jenen  Handelszügen,  die  aus  dem  Gebiete  der 

*)  B.  Cotta,  Deutschlands  Boden  etc.  (Leipzig  1854),  18. 

1* 


4  Hermann  Heller: 

oberen  Elbe  und  oberen  Oder  dem  mittleren  oder  nord- 
westlichen Deutschland  zustrebten.  —  Dazu  kommt  ^)  der 
Niederungsbucht  zwischen  dem  Harz  und  dem  Erzgebirge, 
der  Elbe  und  dem  Thüringerwalde,  als  deren  kommer- 
zielles Zentrum  Leipzig,  wo  die  Strassen  von  O.  und 
W.  sich  zusamnienneigen ,  ebenso  folgerichtig  bezeichnet 
werden  kann,  wie  etwa  Prag  als  Hauptstadt  Böhmens, 
noch  der  bedeutsame  Umstand  zu  gute,  dass  sie  seit  der 
beträclitlichen  Erweiterung  der  deutschen  Grenzen  gegen 
NO.  hin  von  allen  frei  geöffneten  Niederungen  die  der 
wahren  Mitte  Deutschlands  nächste  ist,  folglich  an  Stelle 
dieser  durch  die  leidige  Bodenerhebung  rings  um  das 
Fichtelgebirgo  her  benachtheiligten  (legend  einzig  ge- 
schickt erscheint  zur  Erziehung  einer  den  gesamten 
Verkehr  auf  sich  lenkenden  deutschen  Zentralstadt.  Denn 
betrachten  wir  Leipzigs  Lage  innerhalb  der  politischen 
Grenzen  des  deutschen  Reiches,  so  finden  wir,  dass  uns 
der  Meridian  dieser  Stadt  nach  45  Meilen  zwischen 
Rostock  und  Wustrow  an  die  See  und  damit  an  die 
Nordgrenze  des  Reiches,  nach  55  Meilen  aber  zwischen 
Reichenhall  und  Tegernsec  an  die  Südgrenze  führt,  während 
der  Leipziger  Parallel  in  56  Meilen  südlich  von  Kalisz 
die  Ostgrenze,  in  58  Meilen  bei  Krefeld  die  Westgrenze 
erreicht.  —  Sodann  liegt  Leipzig  auf  Linien,  welche  man 
von  der  Rheinmünduno-  nach  Breslau,  von  Hamburg  nach 
Wien,  von  Danzig  nach  Strassburg  zieht,  soAvie  auf  dem 
kürzesten  Wege  zwischen  dem  schlesisclien  und  west- 
fälischen Lidustriebezirke,  zwischen  Berlin  und  der  Oder- 
mündung einerseits  und  Nürnberg  und  dem  Bodensee 
andererseits. 

Ein  solcher  natürlicher  Knotenpunkt  von  Strassen 
zwischen  O.  und  W.,  N.  und  S.  und  nach  wiclitigen 
Zielen  hin,  insonderheit  zwischen  dem  Mittellaufe  zweier 
so  bedeutender  und  durch  SchiflPfalu't  von  jelier  so  be- 
lebter Ströme,  wie  Rhein  und  Elbe  es  sind,  musste  bei 
der  Wahl  eines  kommerziellen  Mittelpunktes  von  Deutsch- 
land den  Sieg  davontragen.  Zwar  hat  dieser  deutsche 
Zentralhandelsplatz  Leipzig  später,  als  das  politische  Ge- 
samtband des  Reiches  immer  schwächer,  die  innere  Kon- 
zentration der  grossen  Militärstaaten  aber  immer  stärker 
wurde    und    die  Verkehrsgebiete    sich    dem   entsprechend 


*)  A.  Kirchhoff,  (fber  flie  Lafrenverhiiltiiisse  der  Stadt  Halle. 
(Mitteil.  d.  Vereins  f.  Erdkunde  /u  Halle  a.  S.  1877,  88). 


Die  Haiidelswege  Inner-Deutschlaiids  im  16 — 18.  Jabrh.  etc.        5 

sonderten,  den  üsterreichischen  und  preussischen  Spezial- 
handelszentren  Wien  und  Berlin  nicht  mehr  die  Wage 
zu  halten  vermocht ;  das  aber,  wozu  Leipzig  dui'ch  seine 
günstige  Lage  im  Herzen  des  Reiches  unbedingt  berufen 
war,  konnte  mau  ihm  weder  im  SO.  noch  im  NO.  des- 
selben bestreiten:  Leipzig  blieb  die  ganze  Neuzeit  hin- 
durch das  kommerzielle  Zentrum  des  inneren,  des 
mittleren  Deutschlands  und  das  um  so  sicherer,  als 
seine  Messen  ihre  Bedeutung  fortgesetzt  behaupteten  und 
es  zum  dauernden  Stapelplatze  der  industriellen  Erzeug- 
nisse des  Erzgebirges,  der  Lausitz  und  des  Vogtlandes 
machten.  Können  wir  darum  der  Leipziger  „Kaufmann- 
schaft und  Kramerinnung"  auch  nicht  voll  und  ganz  zu- 
stimmen, wenn  diese  in  ihren  Handelsberichten  im  IG., 
besonders  aber  im  17.  und  18.  Jahrhundert  wiederholt 
hervorkehren,  „in  ihrer  Stadt  müssten  die  Handelsstrassen 
von  ganz  Deutschland  wie  in  einem  Zentrum  zusammen- 
laufen"^ SC)  müssen  wir  doch  als  unbestreitbare  Thatsache 
anerkennen,  dass  sich  hier  von  der  die  Veränderung  der 
Handelsrichtung  bestimmenden  Zeit  des  Columbus  an  bis 
in  unser  Jahrhundert  herein  die  wichtigsten  Verkehrs- 
linien Inner-Deutschlands  konzentrierten. 

Diesen  Gesichtspunkt  haben  wir  festziüialten,  wenn 
wir  uns  vornehmen,  im  folgenden  die  Handelswege 
Inner-Deutschlands  im  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert 
—  unter  besonderer  Benutzung  der  Stapelakten  (Abtheil. 
XLV)  des  Leipziger  Rathsarchivs  —  einer  eingehenden 
Betrachtung  zu  unterwerfen. 


Das  16.  Jahrhundert. 

Zu  der  Zeit,  als  Antwerpen  der  Hauptmarkt  des 
Welthandels  im  nordwestlichen  Europa  war,  nahm  die 
Messstadt  Frankfurt  a.  M.  eine  vermittelnde  Stellung 
im  westlichen  Mitteldeutschland  ein.  Über  diese  Stadt 
bewegten  sich  die  den  Rhein  aufwärts  gehenden  Waren- 
züge vermittelst  des  Mains  nach  Würzburg,  Bamberg  und 
Nürnberg,  oder  mit  Benutziuig  des  Neckarthaies  zu  den 
durch  Leinenweberei  auso-ezeichneteu  schwäbischen  »Städten 
Ulm,  Memmingen  und  Augsburg,  oder  auf  der  sog.  Berg- 


6  Hermann  Heller: 

Strasse  über  Dtirnistcidt,  Heidelberg  etc.  nach  der  Schweiz 
und  nach  Frankreich  liineiu.  Im  NO.  führte  Frankfurt 
seine  HandelsHnien  über  Giessen  und  Marburg  ins  West- 
fälische, über  Kassel,  Münden,  Göttingeu  ins  Weser- 
gebiet und  über  Fulda  und  Eisenach  ins  Thüringische 
und  Meissnische  **). 

Diese  hohe  kommerzielle  Bedeutung  verdankte  Frank- 
furt besonders  dem  glücklichen  Umstände,  dass  in  jenem 
Zeiträume,  wo  der  ostindische  Warenzug  von  Lissabon 
mit  dem  nordeuropäischen  in  Antwerpen  sich  vereinigte, 
der  Rheinverkehr  seine  grösste  Mächtigkeit  erreichte  und 
der  Rheinstrom  trotz  aller  Fesseln,  welche  Stapelrechte 
und  Zölle  ihm  anlegten,  sich  als  der  wichtigste  Verkehrs- 
weg des  deutschen  Reiches  behauptete.  Sie  inusste  zum 
grossen  Theile  schwinden,  als  nach  Vernichtung  Antwerpens 
und  der  flandrischen  Niederlande  überhaupt  durch  spani- 
schen Absolutismus  (1575)  Amsterdam  Welthandelsplatz 
wurde  und  holländischer  Egoismus  dem  deutschen  Handel 
die  Rheinmündungen  sperrte. 

Östlich  von  Frankfurt  a.  M.  waren  es  namentlich  die 
drei  Städte  Erfurt,  Halle  und  Leipzig,  welche  am 
Ausgange  des  Mittelalters  dem  deutschen  Durchfuhrhandel 
vom  Donau-,  wie  vom  Rheingebiete  her  Ruhepunkte 
boten.  Alle  drei  zeichneten  sich  zugleich  durch  rege 
Gewerbthätigkeit  aus;  doch  war  von  ilnien  nur  Leipzig 
bestimmt;  in  der  Folgezeit  der  hervorragende  Mittelpunkt 
des   eigentlichen  mitteldeutschen  Handels  zu  werden. 

tJber  Erfurt,  das  schon  zur  Zeit  Karls  des  Grossen 
den  Verkehr  zwischen  Deutschen  und  Sorben  vermittelte, 
bewegte  sich  der  wichtige  Warenzug,  welcher  von  Nürn- 
berg aus  Hausgeräth ,  Eisen  -  und  Kramwaren  nach 
Braunschweig  und  Niedersachsen  führte  und  aus  den 
Hansastädten  englische  luid  nordische  \A"aren  zurück- 
brachte —  soweit  man  nicht  den  Rhein -Mainweg  über 
Antwerpen  vorzog.  Über  Erfurt  ging  sodann  jene  hoch- 
wichtige Strasse,  welche  von  Frankfurt  a.  M.  über  Eisenach 
ins  Eibgebiet  und  darüber  hinaus  bis  nach  Schlesien  und 
Polen  hin  sich  erstreckte. 

Die  Handelsbedeutung  von  Halle,  hervorgerufen 
durch  die  Ergiebigkeit  der  dortigen  Salinen,  wurde  nament- 
lich durch  die  Wasserstrasse  der  Saale  imterstützt,  welche 
die  Verbindung  mit    den  nordwestlich  sitzenden  Sachsen, 


•)  Falke,  Gesch.  des  deutschen  Handels  U,  47  (Leipzig  1859). 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  16. — 18.  Jahrh.  etc.       7 

mit  den  Ländern  der  Havel  und  Spree,  wie  mit  Magde- 
burg in  ununterbrochener  Lebhaftigkeit  erhielt.  Anderer- 
seits vertrieb  man  auf  den  schon  früh  vorhandenen  Salz- 
wegen über  Torgau  in  die  Lausitz  und  nach  Böhmen, 
und  über  Zeitz  in  das  Vogtland  und  nach  Franken 
Heu  und  Hafer,  Seilerarbeiten  und  Geräthschaften  aus  Holz 
und  Eisen  von  Halle  aus  nach  dem  O.  und  SO.  des  Reiches. 

Leipzigs  erstes  Aufstreben  knüpft  sich  an  den 
Namen  Dietrichs  von  Landsberg,  der  den  dahin  handeln- 
den Kaufleuten  unbedingte  Sicherheit  für  ihre  Personen 
und  Güter,  selbst  für  den  Fall  eines  Krieges  mit  ihren 
Landesherren,  versprach  (1268).  In  dem  Leipziger  „Mess- 
privileg" von  1268  heisst  es :  „Omnes  mercimonia  habere 
volentes  vel  habentes,  undecunque  fueriiit,  mercatores, 
etiamsi  nos  cum  dominis  dictorum  mercatorum  manifestam 
guerram  habere  contigerit,  in  ipsa  nostra  civitate  non 
molestabimus".  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  H.  8,  5.  Vrgl.  Röscher, 
Syst.  d.  Volkswirthsch.  III,  121,  1881.)  _  Seit  1388  wuchs 
Leipzigs  Handel  bedeutend  durch  die  Verbindung, 
in  welche  Leipzig  mit  Nürnberg  und  Augsburg  trat, 
deren  venezianisch -genuesische  Waren  es  weiter  nach  N, 
verbreiten  half. 

Um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  bewegte  sich  be- 
reits der  Transithandel  aus  Polen  und  Schlesien 
über  Leipzig:  die  Nürnberger  vertrieben  Gewürze, 
Sammete,  Seidenstoffe,  Schmuckgegenstände  etc.  über 
Leipzig  nach  Schlesien  und  Polen  und  brachten  von  dort 
Metalle,  Leinwand,  Wachs  und  Schlachtvieh  auf  dem- 
selben Wege  zurück.  So  vermittelte  Leipzig  bereits  am 
Ausgange  des  15.  Jahrhunderts  den  hauptsächlichsten  Ver- 
kehr zwischen  dem  S.  und  dem  NO.  des  Reiches  und 
den  östlichen  slavischen  Völkern  in  ähnlicher  Weise  wie 
Frankfurt  a.  M.  zwischen  Oberdeutschland  und  dem 
Niederrheingebiete,  zwischen  Deutschland  und  Frankreich. 

Diese  gleichartige  Bedeutung  beider  Plätze^  jenes 
nach  O.,  dieses  nach  W.  hin,  regte  naturgemäss  zu  inniger 
Verbindung  beider  über  Thüringen  und  dessen  betrieb- 
same Städte  an,  so  dass  dieselben  bald  als  die  Hände 
erschienen'),  durch  welche  der  Handel  des  O.  und  W. 
quer  durch  Inner-Deutschland  hindurch  sich  fest  zusammen- 
schlang, während  andererseits  wieder  Augsburg  und  Nürn- 
berg die  Handelsrichtung  aus  Italien  auf  Leipzig  fortführten. 


')  Falke,  Gesch.  des  deutschen  Handels  II,  52  ff. 


3  Hennanii  TI(!ller: 

Su  hatte  Leipzig-  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
seine  beiden  Nachbarstädte  und  Nebenbuhlerinnen  Halle 
und  Erfurt  in  der  Haudelsvermittelung  nach  N.  und 
O.,  wie  in  den  Aveitgreifenden  Handelsverbindungen  nacli 
S.  und  W.  überflügelt.  Der  Stadt  Erfurt  konnte  das 
viel  freier  und  vortheilhafter  placierte  Leipzig  den  Rang 
in  der  Beherrschung  der  Verkehrsrichtungen  Zcntral- 
deutschlands  um  so  leichter  ablaufen,  als  nach  der  Ein- 
fülu'ung  des  Indigos  und  der  Cochenille  der  Handel  mit 
den  thüringischen  Farbstoffen  V.'aid  und  Kermes  für  jene 
Stadt  seine  Bedeutung  verlor. 

Mit  Halle  war  Leipzig  schon  frühzeitig  in  feindselige 
Berührung  gekommen,  da  diese  Stadt  ebenfalls  im  Leip- 
ziger Tertiärbecken  lag  und  demzufolge  in  den  Verkehrs- 
wegen mit  Leipzig  konkurrierte.  Allein  da  Halle  infolge 
der  versumpften  Elstermündungen  schwierigere  Saale- 
übergänge aufwies  und  zu  weit  vom  Fusse  des  Gebirges 
entfernt  lag  *),  so  konnte  Leipzig  mit  leichter  Mühe  den 
Warenzug  von  Süddeutschland  auffangen  und  an  sich 
nehmen.  Halle  blieb  auf  den  Betrieb  seiner  Salinen 
beschränkt.  Der  früher  blühende  Vermlttelungshandel 
dieser  Stadt  von  S.  und  vSO.  nach  N.  und  NÖ.  aber 
wurde  nunmehr  von  Leipzig  betrieben.  Selbst  die  ur- 
alten Salzstrassen  von  Halle  gegen  O.  über  Eilen- 
burg und  Torgau  oder  Breitenfeld  und  Würzen  in  die 
Lausitz  und  nach  Böhmen,  und  gegen  SO.  über 
Liebenau  und  Zeitz,  durch  das  Vogtland  auf  Bai- 
reuth  und  in  die  fränkischen  Gegenden")  wurden  dem 
Verkehre  Leipzigs,  das  seit  1458  auch  mit  einem  Neu- 
jahrsmarkte ausgestattet  war,  mehr  und  mehr  dienstbar 
gemacht. 

Von  Halle  ergingen  Klagen  über  Klagen.  Auf  Ver- 
anlassung der  Hallenser  befahl  Kaiser  Friedrich  IH.  1469 
die  Wiedereinstellung  des  erst  1466  von  ihm  bestätigten 
Leipziger  Neujahrsmarktes  '").  Doch  kaiserliche  Mandate 
konnten  nicht  auf  die  Dauer  den  Gang  des  Handels  be- 
stimmen; Leipzigs  vortheilhafte  Lage,  der  Gewerbfleiss 
und  die  beharrliche  Strebsamkeit  seiner  Bewohner,  die 
landesväterliche    Fürsorge    des    damals    mächtigsten  Kur- 


•)  0.  Deutsch,  Leipzigs  Lage  (a.  a.  ü.). 

')  Falke,  Gesch.  des  deutschen  Handels  II,  54. 

'")  Vergl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  8.     Nr.  .S.31   und  3.32,  398  und 


427—129,   432—434. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  16.— 18.  Jahrh.  etc.       9 

fürsten  im  Reiche  drangen  dennoch  durch.  Kaiser 
Maximilian  I.  erhob  1497  mid  1507  nicht  nur  die  Jahr- 
märkte Leipzigs  zu  Neujahr,  Jubihite  und  Michaelis  zu 
Reichsmessen,  sondern  beschenkte  diese  Stadt  auch 
mit  einem  glänzenden  Stapel-  und  Niederlagsrecht, 
indem  er  verordnete,  „dass  hinfüro  kein  Markt,  keine  Messe 
oder  Niederlage  innerhalb  15  Meilen  rings  um  die  Stadt 
(d.  h.  in  den  Bisthümern  Magdeburg,  Halberstadt,  Merse- 
burg, Naumburg  und  Meissen)  aufgerichtet  oder  gehalten 
werden  solle",  und  indem  er  alle  zum  Nachtheil  Leipzigs 
bisher  bestandenen  Privilegien,  namentlich  auch  das  Er- 
furter Stapelrecht,  für  ungiltig  erklärte"). 

Dieser  Leipziger  Stapel-  und  Niederlagsgerechtigkeit 
zufolge  mussten  alle  Handelsartikel,  mit  Ausnahme  des 
Holzes,  der  Bausteine  und  der  in  Sachsen  erzeugten 
Feldfrüchte,  sobald  sie  den  Bezirk  von  15  Meilen  in 
der  Runde  berührten,  „auf  den  ordentlichen  Strassen" 
—  Zollstrassen  —  nach  Leipzig  gebracht  und  hier  min- 
destens drei  Tage  zum  Verkaufe  ausgeboten  werden,  ehe 
man  sie  weiter  transportieren  durfte. 

Als  hierauf  noch  im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts  eine 
Anzahl  Kaufleute  aus  Antwerpen,  vor  der  Grausamkeit 
Herzog  Albas  flüchtend,  nach  Leipzig  übersiedelte,  als 
eine  Menge  Tuchweber  und  andere  Gewerbsleute  sich 
hierher  zogen,  blühte  diese  Stadt  mehr  und  mehr  zum 
Hauptmarkte  des  gewerbreichen  Obersachsen  empor,  riss 
dieser  Handelsplatz  auf  Kosten  seiner  weit  älteren  Kon- 
kurrenten Erfurt,  Halle,  Naumburg,  Zeitz  und  Merseburg 
den  Verkehr  Inner-Deutschlands  an  sich,  konzentrierten 
sich  die  wichtigsten  Handelsstrassen  des  ganzen  innern 
Deutschlands  auf  Leipzig. 

War  Leipzig  von  jetzt  ab  die  Aufgabe  zugefallen, 
den  Verkehr  Deutschlands  gegen  NO.  einerseits  und 
gegen  SW.  andererseits   zu  vermitteln,   so   musste  es   in 


")  Karl  V.  versah  diese  Vergünstigung  1521  noch  mit  dem  wich- 
tigen Zusätze,  „dass  die  Strassen  durch  alle  Lande  des  heiligen 
römischen  Kelches  zu  und  von  den  Leipziger  Markt  und  Niederlage 
durch  keinerlei  Sache  versperret,  desgleichen  die  Waaren  und  Güter, 
so  zu  und  von  den  bestimmten  Märkten  gehen,  nicht  aufgehalten, 
verhindert  und  rechtlich  arrestirt  werden  sollen  —  alles  bei  Ver- 
meidung der  Reichsacht  und  Aberacht,  auch  bei  Pön  des  Laud- 
friedensbvuchs  und  50  Mark  löthigen  Goldes".  Leipziger  Raths- 
archiv  XLV.  13.  1,  fol.  85  ff',  und  XLV.  A  Ib,  fol.  8b.  —  Alle  unter 
XLV  folgenden  Zitate  beziehen  sich  auf  dieses  Archiv. 


10  Hermann  Heller: 

seinem  besonderen  Interesse  liegen,  auch  die  Handels- 
strassen nach  jenen  Riehtung'en  hin  frühzeitig  sicher  zu 
stellen.  Aus  diesem  Grunde  erklärt  sich  die  peinliche 
Fürsorge,  mit  welcher  diese  Stadt  im  Verein  mit  ihrem 
Lundesherru  über  die  Aufrecliterhaltung  der  wichtigsten 
Verkehrsader  Kursachsens,  der  sogenannten  hohen  Land- 
strasse, wachte,  welche  aus  Schlesien,  Polen  und  Russ- 
land im  O.  durch  die  Lausitz  in  das  Kurfürstenthum  ein- 
trat, dann  über  Grossenliain  und  Oschatz  nach  Leipzig 
führte  und  von  hier  aus  über  Nürnberg  nach  dem  S., 
über  Frankfurt  a.  M.  nach  dem  SW.  zog,  während  sie 
in  Sachsen  verschiedene  Abzweigungen  nach  Böhmen 
entsandte  ^^). 

Der  Handelsweg  des  mittleren  Deutschland  vom 
Rheine  her  über  Eisenach,  Erfurt,  Leipzig  und  Grossen- 
hain durch  die  Lausitz  (über  Bautzen  und  Görlitz) 
nach  Schlesien  und  Polen  ist  uralt;  denn  schon  am 
Ausgange  des  13.,  noch  zuverlässiger  aber  gleich  zu  An- 
fange des  14.  Jahrhunderts  Avurde  die  sogenannte  via 
regia  Lusatiae  oder  strata  regia,  wie  sie  in  einem  Ver- 
trage Markgraf  Heinrichs  mit  Bischof  Konrad  von  Meissen 
vom  22.  Mai  1252  genannt  wird  *^),  öfters  befahren. 
In  einer  Urkunde  vom  25.  August  1308  wird  „der  Durch- 
zoll" zu  Görhtz    zuerst   erwähnt,    aber  schon    als    ein  seit 


'^)  Falke,  Die  Geschichte  des  Kurfürsten  August  von  Sachsen 
in  volksAvirthschaftlicher  Beziehung  (Leipzig  1868),  267  ft'.  Dieser 
weit  ausgespannte  Verkehrsweg  verband  in  seinen  entferntesten 
Endpunkten  die  Ostsee  und  ihre  Küstenländer  mit  Italien,  dem 
Mittelländischen  Meere  und  Kleinasien ,  und  war  deshalb  für  das 
innere  Deutschland,  wo  seine  einzelneu  Strassenzüge  am  dich- 
testen sich  zusammendrängten ,  von  eminenter  Bedeutung.  Denn 
wenn  auch  die  alte  Weltstrasse  der  Gewürze,  der  Verbindungsweg 
zwischen  der  indischen  Welt  und  Europa,  seit  der  Entdeckung  der 
neuen  Seewege  atlantische  liahnen  eingeschlagen  und  in  Lissabon 
einen  neuen  Mittelpunkt  für  Europa  geschaften  hatte,  so  geschah 
dies  doch  nicht  auf  einmal  und  in  durc^hschlagender  Weise;  denn 
nicht  ohne  hartnäckigen  Widerkampf  liessen  sich  die  Venezianer 
den  Handel  über  die  Levante  aus  den  Händen  reissen.  Die  alte 
Verbindung  zwischen  den  Gewürzlanden  und  dem  voralpischen  Eu- 
ropa über  Kleinasien,  Ägypten  und  Italien  bestand  fort  und  konnte 
im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts  um  so  sicherer  aufrecht  erhalten 
werden,  als  sie  in  jenem  Zeiträume  durch  einen  lebhaften  Austausch 
deutscher  und  italienischer  Industrieartikel  noch  besonders  belebt 
wurde. 

'*)  Schönwälder,  Die  hohe  Landstrasse  durch  die  Oberlausitz 
im  Mittelalter,  im  N.  Lausitz.  Magazin  LVI,  342. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  1 6. — 18.  Jahrb.  etc.      1 1 

langer  Zeit  bestehender^*).  Im  Jahre  1341  verordnete 
König  Johann  von  Böhmen  infolge  eines  zwischen  Görlitz 
und  Zittau  ausgebrochenen  Wegestreites  **),  dass  alle 
Fuhrleute,  welche  aus  Polen,  Schlesien  und  Böhmen  nach 
Sachsen  etc.  fuhren,  Görlitz  passieren  und  namentlich 
den  Beiweg  über  Friedland  meiden  sollten.  Dieses  Pri- 
vileg bestätigte  Karl  IV.  1 356  und  1 377,  indem  er  den 
Weg  über  Schönberg  und  Seidenberg  untersagte  und  nur 
die  Strasse  über  I^auban,  Görlitz  und  Zittau  nach  Böhmen 
gestattete  *®),  während  König  Wenzel  in  einem  Schreiben 
an  die  Zittauer  vom  Jahre  1419  den  bequemeren  Salzweg 
aus  Sachsen  über  Waltersdorf  und  Reichenberg  verbot 
und  auf  „die  alte  Strasse"  aus  Meissen  über  Königsbrück, 
Kamenz,  Budissin,  Zittau,  Gabel  und  Weiss wasser  nach 
Prag  verwies. 

Wichtiger  als  diese  vereinzelten  Bestimmungen  sind 
zwei  Verträge,  die  Markgraf  Wilhelm  mit  Breslau  (1399) 
und  Krakau  (1404)  abschloss,  in  welchen  er  den  Bürgern 
dieser  Städte  gegen  gewisse,  von  jedem  mit  Waren  be- 
ladenen  Wagen  zu  Hayn,  Oschatz  und  Grimma  zu 
entrichtende  Zölle  sichere  Fahrt  durch  seine  Lande  ver- 
sprach"). 

Als  hierauf  polnische  Fuhrleute,  wohl  theilweise  aus 
Furcht  vor  den  Hussitenstürmen,  nach  N.  hin  abwichen 
und  unter  dem  Schutze  des  Herzogs  Johannes  von  Schle- 
sien ihren  Weg  über  Sag  an  und  Priebus  in  Schi,  ein- 
schlugen, bestimmte  König  Georg  Podiebrad  von  Böhmen 
auf  Veranlassung  der  in  ihren  Privilegien  gekränkten 
Görlitzer  —  auf  einer  Tagfalirt  zu  Glogau  am  20.  Mai 
1462  — ,  dass  diejenigen  Fuhrleute,  „so  den  Queis 
rührten",  von  Polen  und  Schlesien  auf  Lauban,  Görlitz, 
Budissin,  Kamenz,  Königsbrück,  Hayn,  Oschatz,  Grimma 
oder  Eilenburg  nach  Meissen,  Thüringen  und  Sachsen 
fahren  sollten'^).  —  Davon  wurde  zugleich  Kurfürst 
Friedrich  der  Sanftmüthige  von  Sachsen  in  Kenntnis 
gesetzt. 

Letzterer  erliess  infolgedessen  und  auf  besondere  Ver- 
anlassung der  Lausitz  er  Sechsstädte:  Görlitz,  Zittau, 

'*)  Falke,  Zur  Gesch.  der  hohen  Laudstrasse  in  Sachsen,   in 
V.  Webers  Archiv  für  Sachs.  Gesch.  TU.  117. 
'*)  XLV.  A.  16a,  fol.  1. 
'«)  Falke   a.  a.  0.  119. 
")  Ebenda  121. 
'»)  XLY.  A.  17. 


12  llurmauu  Heller: 

Bautzen,  Kamenz,  Löbau  und  Lauban,  iür  die  eine 
unveränderte  Einlialtung  des  alten  Strasseuzuges  zur 
Lebensfrage  geworden  war,  eine  Strassen-  und  Zoll- 
ordnung, welche  den  spateren  Verhandlungen  vielfach  zu 
Grunde  gelegt  wurde '^). 

Als  man  zu  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  unter  dem 
Verwände,  als  brauchten  nach  König  Georgs  Spruch  von 
1462  nur  diejenigen  Fuhrleute,  „so  den  Qu  eis  rühren", 
die  geordnete  Heerstrasse  über  Lauban,  Görlitz,  Bautzen, 
Königsbrück,  Kamenz  etc.  zu  benutzen,  abermals  von 
Breslau  über  Liegnitz,  Sprottau,  Sagan,  Priebus,  Mus- 
kau, Spremberg,  Senftenberg,  Liebenwerde,  Beigern, 
Torgau,  Eilenburg  etc.  aus  Schlesien  nach  Meissen  etc. 
zu  gelangen  suchte'"),  erklärte  im  Jahre  1503  König 
Wladislaw  von  Böhmen  und  Ungarn  auf  Veranlassung 
des  Sechsstädtebundes*'),  dass  alle  Fuhr-  und  Handels- 
leute, welche  aus  Polen  über  Breslau  und  aus  den 
schlesischen  Landorten  Seh weidnitz,  Jauer  etc.  über  Lö- 
wenberg „in  die  äusseren  Lande"  Meissen,  Thüringen, 
und  Sachsen  oder  wiederum  zurück  führen,  den  Queis  un- 
bedingt berühren  müssten  und  ihren  Weg  von  Breslau 
über  Neumarkt,  Liegnitz,  llaynau,  Bunzlau,  Naumburg 
(oder  Lauban),  Görlitz,  Budissin,  Kamenz,  Königsbrück, 
Hayn,  Merschwitz  (Fähre  a.  d.  Elbe),  Oschatz,  Dahlen, 
Eulenburg  (Eilenburg)  oder  Grimm  (Grimma)  nach  I^eip- 
zig  zu  nehmen  hätten,  damit  „die  hohe  Landstrasse" 
in  ihrem  Gange  bliebe  und  die  daran  liegenden  Ort- 
schaften keine  Schädigung  ihrer  Interessen  erlitten.  „Das 
müsse",  so  notifizierte  der  Böhmenkönig  bald  darauf  dem 
Herzog  Georg  von  Sachsen,  „auch  im  Interesse  Meissens, 
namentlich  Leipzigs  liegen,  das,  da  der  Verkehr  zwischen 
Breslau  und  Polen  einerseits  und  , Welschland'  (Italien) 
andererseits  ein  bedeutender  sei,  nicht  wünschen  könne, 
dass  die  Commercien  schliesslich  über  JMagdeburg 
durch  Niedersachsen  geführt  Avürden.  Dieser  Fall  könne 
aber    leicht    eintreten,    wenn    man     den    Nebenweg    von 


")  In  derselben  lieisst  es:  „Alles  Gut  und  Kaufmannschaft, 
Oas  von  Polen,  Schlesien,  nehmlicli  Breslau,  j^cn  Thüringen,  Franken, 
Meissen  oder  Sachsen  geht,  soll  geführt  werden  auf:  Lauban,  Görlitz, 
Budissin,  Kamenz,  Köiiigsbriuk,  Hayn,  Oschatz,  Grimma  oder  Eilen- 
burg, Leijizig  und  wiederum."  Falke,  Zur  Gesch.  der  hohen 
Landstrasse  in  Sachsen,  124. 

")  Ebenda  129. 

^'}  XLV.  A.  lüa,  foi.  2li. 


Die  HandelsTvege  Inner-Deiitschlands  im  16.— IS.Jahrh.  etc.       13 

Breslau  über  Parchwitz,  Kotzenau,  Sprottau,  Sagan, 
Priebus,  Muskau,  Spremberg,  Raschen,  Sallgast,  Finster- 
walde, Dobrilugk,  Übigau,  Torgau  und  Eilenburg  nach 
Leipzig  beibehalte." 

So  erlangte  die  sogenannte  hohe  Landstrasse,  welche 
aus  Polen  und  Schlesien  durch  die  Oberlausitz 
am  Nordrande  der  mitteldeutschen  Gebirgsachse  nach 
Leipzig  zog,  ja  theil weise  sogar  schon  die  durch  die 
Ebenen  der  Niederlausitz  nach  dem  Innern  Deutsch- 
lands führende  Niederstrasse,  feste  Gestalt  und  dauern- 
den Bestand.  Zugleich  erscheint  von  jetzt  an  regelmässig 
Breslau  als  der  östliche  Ausgangspunkt  der  Lausitzer 
Strasse,  und  dadurch  gewinnt  diese  selbst  für  Mittel- 
deutschland eine  erhöhte  Bedeutung.  Denn  jene  merk- 
würdige Oderstadt  war  schon  damals  der  natürliche  Zen- 
tralpunkt und  der  Haupthandelsplatz  der  grossen  östlichen 
Tieriandsbucht  an  den  Sudeten,  als  welche  Schlesien  seinem 
grössten  Theile  nach  betrachtet  werden  muss.  Hier  bei 
Breslau  war  der  schiffbare  Oderstrom  mit  Tragfähigkeit 
für  grössere  Lasten,  hier  ein  Durchgangspunkt  der  Ver- 
kehrslinien von  der  Nord-  und  Ostsee  her  durch  die  mäh- 
rische Pforte  hindurch  nach  dem  Gebiete  der  Donau  und 
oberen  Weichsel,  nach  Wien  und  Krakaii  hin,  sowie  in 
der  diese  durchschneidenden  Richtung  von  O.  nach  W., 
von  Polen  nach  Böhmen  hin,  von  dessen  gangbarsten  und 
belebtesten  Pässen  durch  die  Sudeten  die  Stadt  in  ziem- 
lich gleicher  Entfernung  lag^^). 

Die  Städte  Breslau  und  Frankfurt  a.  O.  klagten 
über  den  Abbruch,  den  sie  durch  die  das  Handelsgebiet 
der  Oder  durchziehenden  Leipziger  erlitten.  Sie  schlössen 
einen  Niederlagsvergleich  mit  einander  ab,  demzufolge 
sie  ihre  Waren  in  Zukunft  nicht  über  Leipzig,  sondern 
vermittelst  der  Oder  über  Stettin,  Stralsund, 
Lübeck  und  Lauenburg  „in  deutsche  und  welsche 
Lande",  nach  Brabant,  Flandern  und  in  andere  nieder- 
ländische Provinzen  verführen  und  den  Handel  zwischen 
Polen,  Reussen  (Russen)  und  Litthauern  einerseits  und 
Deutsclien  und  AA'elschen  andererseits  nur  dann  gestatten 
wollten,  wenn  er  sich  durch  ihre  Vermittelung  vollzöge, 
das  heisst  wenn  die  Handelsartikel  in  Breslau  und  Frank- 
furt a.  O.  niedergelegt  würden.  Brandenburg  und  Böhmen 
bestätigten    diesen  Vertrag.     Herzog  Georg   von  Sachsen 


')  Kutzen,  Das  deutsche  Land,  523. 


14  Hermaun  Heller: 

brachte  es  jedocli  in  Verbindung  mit  Leipzig  und  den 
Sechsstädten  beim  böhmischen  Hofe  dahin,  dass  derselbe 
den  der  Leipziger  Stapelstrasse  nachtheiligen  Niederlags- 
vergleich 1513  wieder  kassierte  und  die  Breslauer  auf- 
forderte, ihre  Handlung  nach  den  Seestädten  und  den 
Niederlanden  in  Zukunft  nicht  anders  als  vermittelst  der 
hohen  Landstrasse  über  Leipzig  zu  betreiben.  —  Schon 
im  Jahre  vorher,  1512,  hatte  Sachsen  im  Verein  mit 
Pommern  luid  Polen  auf  dem  Tay-e  zu  Fraustadt 
festgestellt,  dass  auch  die  Waren  aus  Pommern  und 
dem  nordöstlichen  Polen,  nachdem  sie  über  Posen, 
Kosten,  Fraustadt,  Gross-Glogau,  Sagan  nach  Görlitz  in 
die  Oberlausitz  gekommen,  die  hohe  Strasse  auf  Leipzig 
passieren  sollten. 

Damit  war  aber  die  Angelegenheit  nicht  erledigt. 
1528  wussten  die  Breslauer  in  Verbindung  mit  dem  Mark- 
grafen von  Brandenburg  bei  König  Ferdinand  von  Böh- 
men ein  Mandat  auszuwirken,  demzufolge  sie  nicht  nur 
vermittelst  der  Oderschiffahrt  über  Frankfurt  a.  O. 
nach  Lübeck  und  Hamburg,  sondern  auch  zu  Lande  über 
Prag  nach  Nürnberg  handeln  durften.  Zwar  vermochte 
auch  diesmal  Herzog  Georg  den  Böhmenkönig  zu  be- 
wegen, dass  dieser  die  Breslauer  in  einer  besonderen  Ver- 
ordnung von  1530  wieder  auf  die  hohe  Landstrasse  durch 
die  Oberlausitz  verwies,  doch  konnte  er  dadurch  die  an- 
gedeuteten Verkehrsrichtungen  nicht  vollständig  beseitigen. 
Die  von  den  Süddeutschen  und  Hanseaten  schon  in  früheren 
Zeiten  angebahnten  Handelswege  aus  Polen  und  Schlesien 
über  Prag  nach  Nürnberg  und  über  Frankfurt  a.  O.  nach 
Hamburg  und  Lübeck  bestanden  auch  im  16.  Jahrhundert 
fort.  Denn  1545  zeigte  Herzog  Friedrich  von  Liegnitz 
dem  Herzog  Moritz  von  Sachsen  an'''),  dass  er  in  seiner 
Stadt  Frankenstein  50  Wagen  Kaufmannsgtiter  aus  Nürn- 
berg angetroffen,  die  nicht  den  vorgeschriebenen  A^eg 
über  Leipzig  und  die  „Sechsstädte"  passiert  hätten,  sondern 
über  Prag  und  Frankenstein  nach  Breslau  gefahren  wären. 

Wie  die  von  Breslau  nach  den  Seestädten  dirigierten 
Güter  vermittelst  der  Oder  bequem  ihren  Bestimmungsort 
erreichten,  so  strömten  die  Nürnberger  Waren  durch 
das  Thor  von  Cham  und  Taus,  jene  ziemlich  breite,  tiefe 
und  gangbare  Gebirgslücke  in  der  Mitte  des  Böhmer- 
waldes, nach  Böhmen  hinein,  gingen  im  Thale  der  Beraun 

»)  XLV.  A.  17. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  16.— 18.  Jahrh.  etc.      15 

über  Pilsen  nach  Frag-  und  gelangten  von  hier  aus  mit 
Benutzung  des  oberen  Elbthales  über  Könio-o-rätz  und  der 
Einsenkungen  zwischen  dem  Riesengebirge  und  der 
höheren  südlichen  Partie  der  Sudeten  über  Trautenau 
und  Landshut  oder  Nachod  und  Glatz  nach  Breslau. 

Zwischen  diesen  beiden  Handelsrichtungen  bewegte 
sich  aber  nach  wie  vor  der  Hauptwarenstrom  aus  Schle- 
sien und  Polen  von  Breslau  über  Leipzig  nach  Nürnberg 
und  Frankfurt  a.  M.  Er  mied  die  sumpfigen  Fluss- 
niederungen im  N.  und  umging  die  böhmische  Gebirgs- 
burg  im  S,,  um  sich  in  mächtiger  Stärke  quer  durch 
Inner-Deutschland  zu  ergiessen. 

Der  Handelsweg  von  Leipzig  nach  Nürnberg 
zog  sich  in  der  bequemen  Passage  hin,  welche  zwischen 
dem  Fichtelgebirge  und  dem  Thüringerwalde  über  den 
breiten  und  abgerundeten  Kamm  des  verhältnismässio- 
niedrigen  Frankenwaldes  sich  darbietet,  wo  sowohl  von 
Franken  als  auch  von  Sachsen  her  die  Ebenen  tief  in 
das  Gebirge  einschneiden  und  zwischen  den  Tiefungen 
des  Mains  und  der  Ebene  von  Leipzig  eine  allgemeine 
Verengung  der  mitteldeutschen  Gebirgsmasse  stattfindet^*). 
Er  führte  also  von  Leipzig  aus  in  der  Richtung  der 
heutigen  sächsisch-bayerischen  Staatsbahn  über  Altenburg 
ins  Quellgebiet  der  Pleisse,  durch  die  Höhen  des  Vogt- 
landes nach  Plauen  und  Hof,  über  das  Plateau  des 
Frankenwaldes  nach  Kulrabach  und  von  hier  aus  in  den 
Thälern  und  Passagen  des  Mains  und  der  Regnitz,  durch 
welche  die  Natur  Beziehungen  dieser  Flüsse  zur  Donau 
im  S.  angebahnt  hat,  nach  Nürnberg  hinauf.  —  Auf  dieser 
Strasse  holten  schon  1471  die  Regensburger  Häringe, 
Honig,  Tuch,  Wollengarn,  Rauchwerk  aus  dem  euro- 
päischen Norden  und  Nordosten  herbei^^).  1521  gab 
Herzog  Johann  (der  spätere  Kurfürst  Johann  der  Be- 
ständige) von  Weimar  aus  dem  Zwick  au  er  Rat  he  be- 
kannt*^), dass  er  die  süddeutschen  Fuhrleute,  welche  die 
von  Hof  über  Plauen,  Zwickau  oder  Werdau,  Altenburg 
und  Borna  nach  Leipzig  führende  Handelsstrasse  verlassen 
würden,  mit  hohen  Strafen  belegen  wolle.  Diese  Verord- 
nung wurde  1551,  als  Nürnberger  und  Regensburger 
Fuhrleute  von  Hof  aus  auf  einer  viel  weniger  bequemen, 


'*)  Kutzen,  Das  deutsche  Land,  228. 

^')  Falke,  Zur  Gesch.  der  hohen  Landstrasse  in  Sachsen,  122. 

*«)  XLV.  A.  U. 


16  Hermann  Heller: 

längs  der  Saale  und  Aveissen  Elster  nordwärts  ziehenden 
Strasse  über  Sclileiz,  Gera,  Ziitz  und  Pegau  nach  Leipzig 
zu  gelano;en  suchten,  wiederholt  und  verschärft. 

Um  dieselbe  Zeit  wurde  auch  der  Haudelsweg 
von  Leipzig  nach  Frankfurt  a.  M.  fixiert  und  so  das 
System  der  sogenannten  hohen  Strasse  raelirseitig  aus- 
gebildet. 1541  erHessen  die  sächsisclieu  Fürsten  ein 
Strassenmandat  *"),  demzufolge!  die  hohe  oder  Oberstrasse 
von  Leipzig  nach  dem  Rheinstrom  über  Weissenfeis, 
Eckartsberga,  Buttelstedt,  Erfurt,  Eisenach  oder  Kreuz- 
burg führen  sollte.  Sie  fiel  mit  jener  wichtigen  Naturbahn 
zusanimen,  die  sich  im  N.  des  Fichtelgebirges  und  Thü- 
ringcrwaldes,  der  Rhön  und  des  Spessart  von  der  Elbe 
zur  Saale  zieht,  zwischen  den  äussersten  Ausläufern  des 
Harzes  und  Tiüiringerwaldes  im  lim-  und  Hörseithal 
hinüber  zur  Werra  geht  und  von  da  zwischen  Rhön  und 
Vogelsberg  hindurch  über  Fulda,  den  374  m  hohen  Pass 
von  Schlüchtern,  Gelnhausen  und  Hanau  mit  der  Kinzig 
ins  Mündungsgebiet  des  Mains  ausläuft,  wo  Frankfurt 
die  gesamte  Bewegung  des  Verkehrs  von  Westdeutsch- 
land beherrschte. 

Als  König  Ferdinand  und  Herzog  Georg  1537  die 
alte  Erbeinigung  zwischen  Böhmen  und  Sachsen  erneuer- 
ten, wurde  auch  der  ungehinderte  Lauf  des  Handels 
zwischen  diesen  beiden  Ländern,  die  eine  grosse  Strecke 
an  einander  grenzten,  mit  verabredet.  Böhmen  war  zwar 
infolge  seiner  allseitigen  Umgebung  von  unbequemen 
Höhenzügen  uuil  Gebirgen  nicht  zu  einem  Transitgebiet 
für  den  A\'elthandel  geeignet.  Wie  die  mächtigen  Ströme 
Donau  und  Oder  an  dem  grossen  böhmischen  Gcbirgs- 
(juadrate  vorbeiflossen,  so  bewegten  sich  auch  die  grossen 
Verkehrsströmungen  in  diesen  Flussthälern  und  den  gang- 
baren Ebenen,  welche  die  gewaltige,  weit  ins  nördliche 
Flachland  hinausragende  böhmische  Gebirgsburg  um- 
lagern, an  Böhmen  vorbei.  Allein  die  von  der  Natur  in 
dem  Rande  des  böhmischen  Kessellandes  ausgearbeiteten 
Thore  l)ewirkten  doch,  wie  schon  weiter  oben  angedeutet, 
den  Eintritt  wichtiger  Zweige  des  Welthandels  in  das 
Böhmerland.  —  AA'ie  durch  die  zwischen  Böhmerwald 
und  mährischem  Zug  vorhandene  Depression  von  Freistadt 
von  Linz  lier,  so  beweuten  sich  durch  die  Pässe  des 
mährischen     Bergrückens     von    Wien     her    südländische 


')  XLV.  A.  16a,  fol.  7. 


>-• 


t)ie  Handelswege  Inner-Beutschlaafls  im  Ifi. — JB.Jahrh.  etc.       17 

Waren  nacli  Prag.  Von  hier  aus  gingen  sie  entweder 
durcli  jene  grosse  Bodensenke  zwischen  Riesen-  und  Ei-z- 
gubirge,  durch  welche  die  Elbe  am  nördlichen  Zipfel  des 
Landes  alle  Gewässer  aus  dem  Löhmischen  „Kessel"  heraus- 
fuhrt und  wo. neben  dem  tiefen  Einschnitte  dieses  Stromes 
selbst  eine  Menge  anderer  Depressionen  eintreten,  oder 
man  transportierte  sie  durch  die  Passagen  von  Eger, 
Avelche  an  der  Nordwestecke  des  bölnnischen  Quadrates 
da  entstanden  sind,  wo  die  krystallinischen  Schiefer-  und 
Granitmassen  des  Böhmerwaldes,  Fichtel-  und  Erzge- 
birges zusammentreffen,  um  sie  dann  im  Neisse-  und  Eib- 
thal, in  den  Mulden-  und  Pleissenniederungen  auf  bequemen 
Pfaden  quer  durch  das  innere  Deutsehland  zu  verbreiten. 
So  kam  es,  dass  neben  dem  wichtigen  Strassen  zuge  im 
O.  Böhmens,  der  von  Prag  aus  im  Iserthal  nordwärts 
fühlte  und  dann,  die  Hauptmasse  des  Riesengebiri;es  im 
W.  umgehend,  durch  das  passagenreiche  Hügelland  der 
Oberlausitz  über  Re  ichenberg  und  Zittau  auf  Gör- 
litz leitete,  schon  frühzeitio-  eine  zweite  Handels- 
Strasse  im  W.  des  Landes  sich,  ausbildete,  die  von 
P  r  a  g  a  u  s  über  S  c  h  1  a  n ,  S  a  a  z ,  E 1  b  o  g  e  n  und  E  g  e  r 
im  Egerthale  hinaufzog  und  nach  Umgehung  des  Fichtel- 
gebirges theils  hn  Mainthal  westwärts,  theils  im  Elster- 
und  Saalethal  nordwärts  sich  fortsetzte.  Zwischen  beiden 
vermittelte  schliesslich  eine  di'itte  Strasse,  die,  da  das 
enge  Elbthul  bis  ins  vorige  Jahrhundert  hinein  für  den 
Verkehr  ganz  unzugänglich  war,  von  Te plitz  aus 
zwischen  dem  eigentlichen  Erzgebirge  und  Elbsandstein- 
Hebiroe  hindurch  —  über  den  NoUendorfer  Pass  — 
nach  Pirna  und  Dresden  führte,  den  direkten  Ver- 
kehr zwischen  Prag  und  den  mitteldeutschen  Elbstädten^^). 
Als  der  Verkehr  Inner-Deutschlands  in  Leipzig  ein 
neues  Zentrum  gewann,  wurden  sogar  die  passartigen 
Kammscharten  des  Erzgebirges,  die  flach  in  den  Scheitel 
desselben    eingesenkt    erscheinen    und    darum    häufig    ge- 


^')  hl  der  von  Kurfürst  Friedrich  1462  verfügten  neuen 
Strassen-  und  Zollordnung  heisst  es:  „Alle  Wagen  mit  Gütern  aus 
der  Mark,  Lausitz,  aus  Berlin,  Stettin  und  anderen  Orten  sollen  auf 
Herzberg,  durch  den  Hajni,  auf  Lommatzsch,  Meissen,  Dresden, 
Pirna,  Freiberg  und  andere  Gebirgsstädte  fahren ,  desgl.  sollen  alle 
Salzwägen  der  ,Hinterstädte'  und  Schlesiens  und  die,  welche  Oschatz 
berühren,  durch  den  Hayn  auf  Dresden,  Pirna,  Stolpen,  Neustadt, 
Bischofswerda,  Schluckenau  gebracht  werden."  Falke,  Ziu-  Gesch. 
der  hohen  Landstrasse  in  Sachsen,  125. 

Neues  Archiv  !.  S.  G.  u.  A.     V.  1.  2.  2 


18  Hermann  llfllcr: 

riugere  BesclnverlicJikeitcu  vei  ur.'^aclieii  als  StrjiSf;cii,  Avolchc 
in  westöstlicher  RicJitung"  auf  dem  nördlichen  Gcbirgsab- 
liangc  angelegt  sind  und  hier  über  tiefe,  steile  und  felsige 
'rhaleinselniittc  füliren,  vim  den  Tlandclszügen  überschritten. 
Im  Laufe  des  16.  Jahrlumderts  entwickelte  sich  eine 
llandelsstrasse,  die  von  Prag  aus  in  gerader  nordwestlicher 
Direktion  nach  dem  Herzen  Deutschlands  zielte.  Sie  führte 
unter  dem  Namen  der  hohen  Strasse  aus  Italien  und 
Ungarn  durch  Ost  erreich,  Mähren  und  Böhmen 
über  Wien  und  P|rag,  von  Prag  aus  über  Schlau,  Saaz 
und  Kommotau  zu  dem  Sebastiansberger  Passe  und  dann, 
einem  kurfürstlichen  Mandate  vom  4.  Mai  1643  zufolge, 
mit  Bi'initzung  des  Zschopau-,  Cliemnitz-  imd  Pleisscthalcs, 
ül)er  Iveitzenha^^u,  INIaiienberg,  ZschopaU;  Chenmitz, 
Penig,  Alten-Mörbitz,  Frohburg  imd  Borna  nach  Leipzig. 

Eine  weitere  Ausbildung  wurde  dem  mitteldeutschen 
Strassensystem  mit  seinem  Ilauptstapel  zu  Leipzig  durch 
Kurfürst  August  zu  thcil;  unter  ihm  nahm  neben  dem 
Transitverkehr  auch  der  sächsische  Biimenhandel  mit  Ge- 
treide, Wolle,  Garn,  Leinwand,  Holz,  Silber,  Kupfer, 
Blei,  Zinn,  Salz,  Salpeter,  Mühlsteinen  etc.  einen  mächtigen 
Aufschwung. 

Kurfürst  August  knüpfte  eine  direkte  Verbindung 
Kursachsens  mit  Holland  an,  auf  das  nach  dem  Nieder- 
gange Antwerpens  und  Lissabons  der  Welthandel  mehr 
und  mehr  überging.  So  entstand  eine  neue  Handelsstrasse 
Lmer- Deutschlands,  welche,  den  Harz  und  das  ^A'^eser- 
gebirge  in  einem  gegen  N.  gerichteten  Bogen  umgehend, 
von  Leipzig  über  Halle,  Ascherslebcn,  Halberstadt,  Wolfen- 
büttel (oder  Brauuschweig)  und  Lingen  führte  und  von 
hier  aus  südlich  vom  Bourtanger  Moor  und  den  unpassier- 
baren Sümpfen  des  Twistes  als  holländische  Strasse 
über  Nordhorn  und  Neuenhaus  a.  d.  Vechte  nach  Schwoll 
(Zwolle)  in  der  Nähe  der  Zuidersec  leitete.  Sie  Hess  zu- 
gleich die  gewerbreichen  Städte  AA^estfalens  und  der  braun- 
schweigisch-lüneburgischeu  Lande,  wie  Paderborn,  Soest, 
Hamm,  Münster,  Minden,  Hildesheim,  Göttingen,  Braun- 
schweig etc.,  an  dem  Verkehre  Inner-Deutschlands  leb- 
haften Antheil  gewinnen.  —  In  Thüringen  gestattete  Kur- 
fürst August  am  4.  August  1560  einheimischen  Fuhrleuten, 
welche  Waid  etc.  nach  dem  Rheiustrora  führten  und  Wein, 
Kastanien  und  Nüsse  von  dort  zurückbrachten,  neben  der 
hohen  Strasse  von  Frankfurt  a.  M.  über  Eisenach  (oder 
Kreuzbiiig),  Erfurt,  Buttelstedt,  Eckartsberga,  Naumburg 


l)ie  Handelswege  iniier-Deutschlaiids  im  16. — 18.  Jahrh.  etc.       19 

und  Weissenfeis  auch  den  vom  Eiclisfelde  im  Unstrut- 
thale  zwischen  Hainich  und  Hainleite  ostwärts  führenden 
Weg  über  Mühlhausen,  Langensalza,  Tennstedt, 
Weissensee  und  Sachsenburg  zu  benutzen^'*).  Dieses  Zu- 
geständnis -war  um  so  wichtiger,  als  dadurch  neben  der 
schon  früher  bestehenden  Verkehrslinie  von  Magdeburg 
und  Halle  durch  die  goldene  Aue  über  Nord  hausen,  GÖt- 
tingeu  und  Westfalen  ein  direkter  Handelsweg  von  Leipzig 
über  JMühlhausen,  Wanfried  a.  d.  AVerra,  Kassel  und  K("tln 
nach  den  Niederlanden  freigegeben  wurde. 

Mit  um  so  grösserer  Zähigkeit  suclite  aber  die  kur- 
fürstliche Regierung  den  Bestand  der  hohen  Strasse  im  O. 
von  Leipzig  zu  wahren.  Als  im  Jahre  1559  in  den 
kaiserlichen  Erblanden  ein  neuer  Zoll  eingeführt  und  da- 
durch der  Viehhandel  aus  Polen  und  Schlesien  durch  die 
Lausitz  nach  Sachsen  etc.  fast  unmöglich  gemacht  wurde'"), 
schickte  der  Kurfürst  auf  Anregung  Leipzigs  eine  Gesandt- 
schaft an  den  Kaiser,  um  denselben  zu  erinnern,  dass  in 
den  Erbeinungen  zwischen  Sachsen  und  Böhmen  auch 
der  gegenseitige  Schutz  der  Handelsstrassen,  speziell  der 
Strasse  aus  Polen  und  Schlesien  über  Lauban,  Görlitz, 
Bautzen,  Kamenz,  Königsbrück,  Hayn,  Oschatz,  Grimma 
(oder  Eilenburg),  Leipzig  etc.  nach  Saclisen,  Thüringen 
und  Meissen,  stets  bedacht  gewesen  sei,  dass  aber  diese 
wichtige  Strasse  ,.unbebauet''  bleiben  werde,  wenn  man  sie 
in  Schlesien  und  der  Lausitz  mit  neuen  Zöllen  belaste. 
Denn  dadurch  würden  die  polnischen  Viehhändler  ver- 
anlasst, ihren  Markt  von  Brieg  nach  Posen  zu  verlegen 
und  die  Viehherden  von  dort  aus  über  Berlin,  Branden- 
burg, Zerbst,  Bernburg  und  Eisleben  gehen  zu  lassen,  so 
dass  dieselben  erst  zu  Nebra  und  Eckartsberga  kur- 
sächsisches Geljiet  berührten,  Avährend  sie  bisher  von 
Königsbrück  oder  Hayn  aus  quer  durch  Sachsen  bis  Butt- 
städt  gezogen  seien").  Unter  solciien  Umständen  werde 
nicht  nur  der  Viehmarkt  zu  Döbeln,  wo  sich  die  säch- 
sischen Bergstädte  bisher  mit  Schlachtvieh  versorgten,  ganz 
aufhören,  sondern  auch  der  Tuchhandel  Sachsens  nach 
Poleii,  der  einen  hohen  Transitzoll  in  der  Lausitz  und 
in  Schlesien  nicht  zu  tragen  vermöge,  durch  den  märkischen 
zu  Grunde  gerichtet  Averden,  ganz  abgesehen  davon,  dass 


*•)  Falke,  Uescli.  des  Kurf.  August  vou  Sachsen  etc ,  270. 

*")  Kbeiida  268. 

»')  XLV.  A.  ir.n.  und  XLY.   A.  17. 

2* 


20  Hermann  Heller: 

ein  grosser  Theil  der  Nürnberge)-;  Frankfurter  und  Ant- 
werpener (lüter,  welche  bisher  über  Leipzig'  und  Breslau 
nach  Polen  gingen,  in  Zukunft  über  Wittenberg  und  durch 
die  Mark  (Brandenburg)  daliin  verführt  werden  könnte. 
—  Zugleich  erlie.ss  der  Kurfürst  in  dieser  Angelegenheit 
ein  Abraahnungssclu'eiben  an  den  Kurfürsten  von  Branden- 
burg, damit  dieser  den  Polen  sein  Land  sperre  und  sie 
auf  die  hohe  Strasse  dui'ch  die  Oberlausitz  verweise,  wenn 
sie  mit  dem  „Reiche"  verkehren  wollten. 

Mit  solchen  Vorstellungen  konnte  jedocii  Kurfürst 
August  weder  beim  Kaiser  noch  beim  Kurfürsten  von 
Brandenburg  viel  erreichen.  Der  neu  errichtete  schlesische 
Zoll  blieb  fortbestehen.  Zwar  erliessen  Kaiser  Rudolf  IL  und 
Kurfürst  Augu.st  wiederholt —  namentlich  1577  und  1589  — 
Mandate,  in  denen  sie  die  strikte  Innehaltung  der  hohen 
Landstrasse  von  Brieg  und  Breslau  durch  die  Oberlausitz 
nach  Leipzig  streng  anbefohlen.  Allein  alles  dies  ver- 
mochte nicht,  dem  seit  undenklichen  Zeiten  geübten  Um- 
fahren der  geordneten  Landstrasse  ein  Ziel  zu  setzen. 
Der  Warenverkehr  suchte  sich  nach  Avie  vor  die  Wege, 
die  am  wenigsten  mit  Abgaben,  mit  Zöllen  und  Geleiten 
belastet  waren.  —  Einem  Bericht  aus  Bautzen  vom  22. 
April  1594  zufolge^'')  vermieden  polnische  Fuhrleute  die 
hohe  Strasse  durch  die  Oberlausitz  ganz  und  zogen  über 
Parchwitz,  Kotzenau,  Sagan  und  Priebus  durch  die 
Niederlausitz  auf  Magdeburg.  —  Breslau  und  das 
schlesische  Herzogsgeschlecht  von  Sagan  und  Liegnitz 
leisteten  dem  Abweichen  von  der  Leipziger  Stapelstrasse 
mächtigen  Vorschub.  So  kam  es,  dass  am  Ausgange  des 
16.  Jahrhunderts  neben  der  hohen  Strasse  von  Breslau 
durch  die  Oberlausitz  und  der  niederen  Strasse  von 
Breslau  durch  die  Niederlausitz  auf  Leipzig  eine  zweite 
Nieder  Strasse  sich  herausbildete,  die  sich  bei  Finster- 
walde von  der  alten  Niederstrasse  abzweigte  und  in 
ziemlich  gerader  nordwestlicher  Richtung  auf  Magdeburg 
an  der  mittleren  Elbe  führte.  —  Bereits  im  Jahre  1615 
sah  sich  Kaiser  Matthias  als  Herr  von  Böhmen  und  der 
Lausitz  veranlasst'''*),  dem  Landvogt  der  Niederlausitz  den 
Befehl  zu  ertheilen,  dass  er  auf  Einhaltung  der  rechten 
Niederstrasse  über  Muskau  und  Spremberg  nach  Leipzig 
achte  und  das  Abweichen  auf  Magdeburg  verhindere. 


")  XLV.  A.  16a,  fol.  16, 
")  XLV.  A.  17. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlaiuls  im  16. — 18.  Jahrh.  etc.       21 

Die  Oberlausitzer  Städte  Budissiii,  Görlitz,  Lauban 
und  Kamenz  hatten  nicht  ganz  Unrecht,  wenn  sie  dem 
Leipziger  Rathe  am  20.  August  1594  zu  bedenken  gaben''*), 
dass  bei  fortgesetzter  Abweichung  der  Fuhrleute  von  der 
liohen  Strasse  auf  den  Magdeburger  Weg  der  uralte 
polnische  Handel  sich  immer  stärker  von  Leipzig  auf 
Magdeburg  ziehen  werde.  Denn  von  jetzt  ab  bewegten 
sich  die  Güterzüge  wie  auf  der  hohen  Hauptstrasse  über 
Leipzig  auch  auf  der  Strasse  über  Magdeburg  aus  Polen 
ins  Innere  DeutschLands.  Magdeburg  selbst  aber  nahm 
nunmehr  trotz  kurfürstlich-sächsischer  und  kaiserlich-böh- 
mischer Strassenverbote  neben  Leipzig  eine  selbstthätig 
vermittelnde  Stellung  zwischen  Niederdeutschland  oder  dem 
unteren  Elb-  und  Wesergebiete  einerseits  und  Schlesien 
und  Polen  oder  dem  oberen  Oder-  und  Wcichselgebiete 
andererseits  im  mittleren  Deutschland  ein.  Dazu  war 
diese  »Stadt  um  so  leichter  geeignet,  als  sie  im  mittleren 
Eibgebiet  gerade  da  liegt,  wo  dieser  Strom  in  seinem 
bisherigen  Laufe  die  westlichste  Biegung  nach  Deutsch- 
land hinein,  nach  den  nordöstlichen  Harzabsenkungen, 
macht,  und  wo  ältere,  feste  Gesteinsschichten  (der  Fläming) 
aus  der  Sand-  und  Lehmbedekung  der  Ebene  hervortreten. 
So  konnte  hier  die  bequemste  und  nächste  Verbindungs- 
linie zwischen  dem  transalbiugischen  NO.  und  O.  und 
dem  niederrheinischen  W.  Deutschlands  hergestellt  werden. 
Andererseits  machte  die  Lage  an  einer  ausgezeichneten 
Wasserbahn,  der  Elbe,  die  in  gleicher  Richtung  Land- 
bahnen nach  sich  zog,  Magdeburg  geschickt,  N.  und  S. 
mit  einander  zu  verknüpfen. 

Im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts,  wo  sich  die  Verkehrs- 
wege Inner-Deutschlands  allseitig  ausbildeten,  begann  man 
auch  die  Flüsse,  die  natürlichsten  Verkehrsbahnen,  dem 
Handel  dienstbar  zu  machen. 

Bereits  in  der  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  hatte 
Böhmen  eine  lebhafte  Schiffahrt  auf  der  Elbe  über 
Magdeljurg  nach  Hamburg  eröffnet.  Demzufolge  erhielten 
Dresden  und  Wittenberg  Niederlagsprivilegien^^).  Unter 
König  Ferdinand  begegnen  wir  sogar  dem  Plane,  die 
Hauptwasserader  Böhmens  und  des  östlichen  Inner-Deutsch- 
lands, die  Elbe,  mit  der  Hauptflussader  Schlesiens  und 
der  Mark  Brandenburg,  mit  der  Oder,  in  Verbindung 


")  XLV.  A.  16a.  fol.  16. 

^^)  Falke,  Zur  Gesch.  der  hohen  Landstrasse  in  Sachsen,  12.S. 


22  lleniianu  Heller: 

zu  isctKen^®)  und  dadurch  die  deutschen  Nortlseeküsten 
und  die  südöstlichen  Gegenden  des  Reichs  auch  durch 
einen  Wasserweg  au  einander  zu  knüpfen. 

Am  7,  Juni  1548  meUlete  der  Böhinenkönig  Ferdinand 
dem  sächsischen  Kurfürsten  Moritz''),  dass  er  mit  Joachim 
von  Brandenburg  berathen  liabe,  wie  künftighin  die  Waren 
aus  den  Niederhinden  und  dir  See  vermittelst  der 
Oder  und  Elbe  durch  Brandenburg  und  Sachsen  bis 
nach  Schlesien  und  Böhmen  heraufgeführt  werden  könnten. 
Für  den  7.  Oktober  1548  aber  setzte  er  eine  Tagfahrt 
zu  Frankfurt  a.  O.  an,  auf  der  diese  Frage  von  dm 
Interessenten  einer  weiteren  Beratung  unterworfen  werden 
sollte.  In  Frankfurt  zerscidugen  sich  jedoch  die  Verhand- 
lungen schliesslich  —  am  8.  und  9.  Oktober  — ,  da  die 
kurfürstlich  sächsischen  Abgesandten  auf  Anregung  Leipzigs, 
das  in  allzu  folgerichtiger  Anwendung  seiner  Privilegien 
auch  die  Elbschitfahrt  zwischen  Dresden  und  Magdeburg 
in  seinen  Stapel  hineinziehen  wollte,  den  Wünschen  der 
böhmischen  und  brandenburgischeu  Vertreter  gegenüber 
geltend  machten,  dass  eine  Schiffahrt  auf  der  Oder  und 
Elbe  und  ihren  NebenHüssen  nur  Brandenl)urg  und  Böhmen 
Vortheil  bringe,  während  die  Bewohner  Sachsens  und  seine 
Handwerker  in  den  Städten  insbesondere  dadurch  gewisse 
Privilegien  und  Nutzungen  verlören,  deren  Verlust  durch 
den  billigeren  l*reis  der  Waren,  die  etwa  auf  der  Elbe 
ankämen,  nicht  ausgeglichen  werden  könne. 

Für  Sachsen  speziell  konnte  der  Eibstrom  eben  nie 
in  dem  Masse  Verkehrsader  werden,  wie  etwa  die  Oder 
für  Schlesien,  da  die  sächsische  Ebene,  welche  in  ihrem 
grösseren,  nach  NW.  verlaufenden  Theile  von  der  Elbe 
durchflössen  wird,  gegen  SW.  iiin  durch  die  weit  frucht- 
Ijarere  Tiefiandsbucht  von  Leipzig  sich  vergrössrrt,  die 
den  Handel  von  N.  und  S.,  O.  und  ^^^  auf  sich  lenkte. 
Das  geht  auch  daraus  hervor,  dass  nocli  heute  die  eigent- 
liche Eibniederung  wesentlich  geringer  bevölkert  ist  als 
das  Gebiet  zwischen  Mulde  und  Saale,  in  dessen  Zentrum 
Leipzig  liegt. 

Auch  die  Tagfahrt  von  Frank  iiut  a.  C).  am 
1.  Februar  1556  viu'lief  resultatlos,  da  Kurfürst  iVugust 
von  Sachsen  und  Herzog  Otto  von  Brauuschweig  gar 
keine  Vertreter  dahin  schickten,  si>ndern  dieser  im  Interesse 


»«)  XLV.  D.  1. 

")  Falke,  Gesch.  des  Kurf.  August  von  Sachsen  etc.,  261  fl'. 


Die  Ilaiidelswege  Iinier-Deutsclilaiicls  im  in. — 18.  Jalirli.  etc.       23 

Lüneburgs,  jener  im  Interesse  Leipzigs  schriftlich  ge^^en 
die  Errichtung  einer  Oder-Elbschiffahrt  protestierte.  Kur- 
fürst August  hob  in  seinem  Proteste,  in  dem  er  sich  zu- 
gleicli  auf  Moritzens  Bedenken  von  1548  berief,  besonders 
hervor,  eine  freie  Schiffahrt  auf  der  Oder  und  Elbe 
werde  die  Zerrüttung  der  liohen  Landstrasse  aus  Polen 
und  Schlesien  durch  die  Oberlausitz  etc.  zur  Folge  haben 
und  die  Stadt  Leipzig  in  ihren  vom  Kaiser  verliehenen 
Stapel-  und  Messprivilegien  schädigen.  —  Als  dem  gegenüber 
die  kaiserlichen  Abgeordneten  geltend  machten,  dass  die 
Elbe  ein  „flumen  publicum"  sei,  der  nach  dem  „jus  gentium" 
durch  keine  städtischen  Vorrechte  beschränkt  "werden  könne, 
berief  sich  der  Kurfürst  August  auf  die  zwischen  Sachsen, 
Polen,  Pommern,  Hessen  und  Braunschweig  der  Strassen 
halber  abgeschlossenen  Verträge,  an  denen  er  festhalten 
müsse. 

Als  Böhmen  1571  die  Elb-  und  Oderschiffahrt  von 
neuem  anregte^*),  schien  Kurfürst  August  —  der  ja  eiust 
selbst  den  abenteuerlichen  Plan  einer  Wasser  Verbindung 
Sachsens  mit  Lissabon  gehegt,  um  dadurch  den  ge- 
samten Pfefferhandel  für  Obersachsen  und  Niederdeutsch- 
land,  für  Polen,  Böhmen,  Schlesien,  Osterreich  und  Ungarn, 
in  seine  Hand  zu  bringen  und  Leipzig  direkten  Antheil 
am  Welthandel  zu  verschaffen  —  anfangs  nicht  abgeneigt, 
den  Elbhandel  gegen  Erstattung  der  üblichen  Zölle  (28 
an  der  Zahl  auf  der  Strecke  von  Dresden  bis  Hamburg!) 
zu  gestatten.  Allein  Lüneburg,  das  sich  in  seinem  Stapel- 
rechte  nicht  schädigen  lassen  wollte,  bekämpfte  auf  dem 
Tage  zu  Magdeburg  am  29,  April  1571  ganz  entschie- 
den eine  Eröffnung  dos  Eibstromes.  Es  wollte,  den 
Pönalmandaten  Kaiser  Maximilians  IL  vom  6.  August 
1569  und  vom  30.  März  1570  zum  Trotz,  sogar  die 
Schiffahrt  zwischen  Magdeburg  und  Hamburg  verhindern. 
Wie  Lünebiu'g  und  die  Herzöge  von  Braunschweig  unten, 
so  traten  schliesslich  auch  Leipzig  und  der  Kurfürst  von 
Sachsen  weiter  oben  gegen  eine  ungehinderte  Elb-  und 
Oderschiffahrt  auf,  weil  dadurch  der  Getreidehaudel  über 
Frankfurt  a.  O.  und  Magdeburg  direkt  in  die  Niederlande 
geleitet  werde,  Magdeburg  den  gesamten  Verkehr  mit 
der  Äfark  beherrschen  und  Böhmen  den  Handel  von  den 
wichtigsten  Theilen  Deutschlands  nicht  nur,  sondern  auch 
von    Dänemark,    Norwegen,  Schweden,  Livland,    Polen. 


^«)  XLY.  D.  5. 


24  Hermann  Heller: 

Moskau  (d.  i.  Russhmd),  von  den  Niederlanden,  von  Eng- 
land, Frankreich,  Spanien  nnd  Italien  auf  die  Niederlage 
zu  Prag  lenken  könne.  —  Da  die  kaiserlich  höhmischen 
Gesandten  Sachsens  Bedenken  widerlegten,  so  ersuchte 
Kurfürst  August  den  Rath  der  Stadt  Leipzig  durch  ein 
Reskript  vom  22.  Juni  1571  um  ein  endgiltiges  Gutachten 
in  dieser  Angelegenheit,  „damit  er  nicht  ohne  Grund  nur 
für  und  für  das  alte  Lied  singen  müsse".  In  diesem  Schreiben 
gedachte  zwar  Kurfürst  August  mit  aller  Achtung  der 
Privilegien  Leipzigs;  zugleich  forderte  er  jedoch  darin  die 
Leipziger  auf,  die  Vortheile  einer  freien  Schiffahrt,  ..welche 
von  Zeit  der  Sündfluth  jedem  immer  erlaubt  gewesen  sei," 
ohne  Rückhalt  klar  darzulegen.  Die  Antwort  hieraufscheint 
leider  verloren  gegangen  zu  sein;  denn  in  den  Leipziger 
Stapelakten  ist  sie  nirgends  zu  finden.  Wir  können  sie 
jedoch  ergänzen  durch  die  „Rationes  pro  et  contra  die 
Elbschiffiilirt ",  Avelche  Leipzig  1590  Christian  l,  der 
ebenfalls  gegen  die  Eibschiffahrt  eiferte,  übermittelte'^'). 
Darin  führten  die  Leipziger  aus,  dass  eine  Schift'ahrt  auf 
der  Elbe  Sachsen  zwar  in  mannigfacher  Beziehung  zu- 
träglich sei,  da  man  vermittelst  derselben  die  schweren 
Waren,  namentlich  die  der  Bergwerke,  mit  leichteren 
Unkosten  und  in  grösseren  Massen  auf  dem  Elbstromc 
fortbringen  könne.  Doch  falle  dieser  geringe  Vortheil  nicht 
ins  Gewicht  deni  grossen  Schaden  gegenüber,  den  die 
Eröffnung  der  Elb-  und  Oderschiffahrt  für  das  ganze 
Land  im  Gefolge  habe.  Denn  bei  Freigebung  des  Eib- 
verkehrs würden  viele  Waren  vermittelst  der  Havel, 
Spree  und  Oder  in  die  Mark,  nach  Pommern,  Prenssen, 
Polen  und  Schlesien,  dann  die  Elbe  herauf  nach  Böhmen, 
Mähren,  in  die  Lausitz  etc.  gebracht  werden  und  mit  ihrer 
Zu-  und  Abfuhr  weder  die  kursächsischen  Lande  berühren, 
noch  die  Leipzig(-r  Messen  besuchen.  Ebenso  würden 
die  Kaufleute  aus  Thüringen,  Franken,  Hessen,  Bayern, 
Schwaben  und  Niedersachsen  sich  von  Leipzig  und  Kur- 
sachson  wegwenden  und  ihre  Bedürfnisse  in  den  Eib- 
städten decken,  wodurch  nur  Magdeburg  gewinnen  könne. 
Sollte  sicli  der  Kurfürst  dennoch  zur  Elbschiffahrt  ver- 
stehen, was  man  aber  nicht  hotten  wollte  —  schrieben  die 
Leipziger  weiter  — ,  so  möge  er  wenigstens  darauf  achten, 
dass  man  dieselbe  mit  Mass  betreibe  und  ausser  Steinern 
imd  Holz    nur    Salz,    Ess waren  und  Getränke  verschiffe. 


")  XLV.  D.  2.     Sodann:  XLV.  A.  le,  fol.  .33  ff. 


Die  Haudelswegelnner-Deutschlands  im  1 6.— 18.  Jahrh.  etc.        25 

So  blieb  zwar  scliliesslich  der  Plan  Kurbrandenburgs 
und  Bölimens,  die  Elbe  und  Oder  vermittelst  der  Havel 
und  Spree  und  besonderer  Kanäle  in  einander  zu  leiten 
und  sie  von  den  Fesseln  der  Stapelrecbte  Leipzigs, 
Magdeburgs,  Lüneburgs  und  Hamburgs  und  den  zahl- 
leicben  und  hohen  Zöllen  zu  befreien,  für  die  nächste  Zeit 
auf  sich  beruhen.  Allein  die  natürliche,  in  den  Strasseu- 
verhältnissen  Lmer  -  Deutschlands  begründete  Sachlage 
bUeb  *°),  dass  Leipzig,  trotz  seines  willenskräftigen  und 
geübten  Handelsgeistes,  trotz  der  Bemühungen  und  Proteste 
seiner  Kurfürsten,  nach  wie  vor  „die  Elbe  ausserhalb 
seiner  Mauern  vorbeifliessen"  und  die  Güterfrachten  von 
Böhmen  nach  Niedersachsen  und  umgekehrt,  wenn  auch 
unter  mannigfachen  Beschränkungen,  auf  diesem  Flusse 
befördern  sehen  musste.  Als  der  grösste  Strom,  der^  von 
der  Quelle  bis  zur  Mündung  nur  dem  Gebiete  Deutsch- 
lands angehörend,  das  freie  Meer  erreicht,  musste  die 
Elbe  eine  hohe  Bedeutung  für  den  Gesamthandel  des 
Reiches  erlangen.  —  Hatte  sich  der  Kurfürst  von  Branden- 
burg schon  auf  dem  Magdeburger  Tage  von  1571  dem 
Kaiser  verpfliclitet*'),  „in  seinen  Landen  den  Pass  auf  der 
Elbe,  Havel  und  Spree  12  Jahre  hindurch  zuzulassen" 
und  zur  besseren  Beförderung  der  Waren  die  Schleusen 
dieser  Flüsse  in  baulichem  Wesen  zu  erhalten,  so  suchte 
jetzt  —  1593  —  auch  Dresden  ^')  Hamburger  Roh- 
zucker vermittelst  der  ElbschifFahrt  zu  sich  zu  ziehen. 
Selbst  Pirna  behauptete  1593  dem  Administrator  Friedrich 
Wilhelm  von  Sachsen  gegenüber  seine  Niederlage  an  der 
Elbe,  indem  es  erklärte,  dass  ihm  dieselbe  von  König- 
Johann  von  Böhmen  bereits  1325  (wo  die  Stadt  noch  böh- 
misches Krongut  war)  durch  eine  besondere  Urkunde 
bestätigt  worden  sei'^^). 

Da  die  beim  Transport  zu  überwindenden  Schwierig- 
keiten von  jeher  auf  den  Preis  der  Handelsgüter  wesent- 
lich zurückwirkten  oder,  was  auf  das  Gleiche  hinausläuft, 
die  Richtung  mit  anzeigten,  welche  die  Waren  bei  ihrer 
Versendung  nach  ihrem  Bestimmungsorte  einschlugen,  so 
musste  schliesslich  die  flüssige  Bahn,  weil  sie  —  wenigstens 
so  lange  es  keine  Eisenbahn  gab  —  der  bequemste  und 
billigste  Verkehrsweg  war,  den  Vorzug  gewinnen. 


*•)  Falke,  Gesch.  des  deutschen  Handels  II,  58. 

*')  XLV.  D.  .S. 

*»)  XLV.  A.  1  b,  fol.  eo. 

")  XLV.  A.  Ib,  fol.  80.    Vgl.  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  11,  -S  387  ff. 


2Q  HtMuiaiiii   Ilellur: 

A\  (.:iiu  al)cr  L'iü  Handelszweig-  dauenul  an  dieselbe 
gebunden  war,  so  galt  dies  vom  Holzhandel.  Schon  im 
16.  Jahrhundert  wurden  im  mittleren  l)(;utsehland  eine 
Menge  Floss anstaltc u  auf  der  Klbe  und  ihren  Neben- 
Hüssen  Saale,  Mulde,  Elster,  Pleisse  und.  Weisseritz  ein- 
gerichtet und  durch  Kurfürst  August  zum  Vertrieb  des 
Holzes  in  Sachsen  und  nacii  auswärts  eiuer  gründliehen 
Reorganisation  unterworfen.  Das  galt  besonders  von  der 
El b flösse  mit  ihren  nauj)thäfen  zn  Pirna,  Dresden  und 
Meissen  und  der  Saaleflösse  mit  ihrer  bedeutenden 
Flussschwemnie  zu  Corbetha,  zu  deren  Beförderung  Kur- 
fürst August  sogar  mehrfache  Vergleiche  mit  auswärtigen 
Mächten,  besonders  mit  Magdeburg  und  Halle,  abschloss. 
Daneben  erlangte  aber  auch  die  Muldenflösse,  die 
ihren  Hauptholzmarkt  zu  Grimma  hatte,  hohe  Bedeutung 
für  den  Holzhandel  des  inneren  Deutschlands.  Selbst  die 
Elsterflösse,  die  1574  zum  Besten  der  Städte  Zeitz, 
Leipzig  und  Merseburg  angelegt  wurde  und  sich  von 
Crossen  im  Zeitzischen  in  einem  besonderen  Flossgraben 
fortsetzte,  der  sicli  bei  Pegau  in  den  Arm  von  Leipzig 
und  den  von  Lützen-^Merseljurg  theilte,  beförderte  grosse 
llolzmassen  aus  dem  bergigen  und  waldreichen  Süden 
nach  dem  Zentrum  Deutschlands  und  darüber  hinaus  in 
<lie  norddeutschen  Ebenen.  —  Alle  diese  HolzHössen, 
welche  dem  Verkelire  Inncr-Dcutschlands  einen  nicht  un- 
l>edeutendeu  PLindelszweig  zuführten,  blieben  der  Haupt- 
sache nach  in  Thätigkeit,  bis  die  sächsisch-thüringischen 
^^^vldun'i•en  uelichtet  wai'cn,  die  Steinkohlen  das  Holz  als 
Feuerungsmaterial  ersetzten  und  die  Eisenbahnen  den 
Transport  desselben  noch  mehr  erleichterten  und  beschleu- 
nigten. 

Hatte  Leipzig  im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts  einer 
freien  Schiffahrt  auf  (hir  Elbe  und  Oder  und  deren  Neben- 
flüssen (Havel  und  Spree)  sich  liartnäckig  widersetzt, 
weil  dadurch  die  Produkte  des  deutsehen  Südens  und 
Südostens  an  seinen  Mauern  vorbei  nach  den  Seestädten 
im  N.  Deutschlands  verführt  werden  konnten,  so  musste 
es  um  so  mehr  in  seinem  Interesse  liegen,  die  Land- 
handelswege nach  jener  Richtung  hin,  nach  Danzig  und 
Lübeck,  Hamburg  und  Bremen,  Lüneburg  und  Magde- 
burg, in  sein  Strassennetz  hereinzuziehen. 

Bisher  hatten  die  Oberdeutschen,  besf)nders  die  Nürn- 
berger und  Augsburger,  welche  noch  das  ganze  16.  Jahr- 
hundert  hindurch    mit   den   Hansastädten   der   Nord-  und 


Die  Haudelswege  Iimer-Deutschlanils  im  1 6.— 18.  Jalirli.  etc.       ^7 

Ostsee  in  Wechselbeziehung  standen,  die  nordischen  Roh- 
produkte theils  über  Antwerpen ,  wie  die  Fugger  das 
schwedische  KupfVr,  theils  unmittellnir  aus  den  Bezugs- 
ländern über  Frankfurt  a.  O.,  Breslau  und  Prag,  theils 
aber  auch  durch  die  wendischen  Städte  über  P^rfurt  zu 
sich  gezogen.  Bei  dieser  Stadt  vereinigten  sich  noch 
immer  die  Handelslinien:  1)  von  Magdeburg  über  Aschers- 
leben, Mansfeld;Kindelbrück  undWeissensee,  2)  von  Lübeck 
und  Hamburg  im  Ilmenau-  und  Isethal  über  Lüneburg, 
Ülzen,  Gifliorn,  Braunsclnveig,  Halberstadt,  Sangerhausen, 
Sachsenburg,  Kindelbrück  —  ostwärts  vom  Harz  —  und 
3)  von  Bremen  und  Emden  über  Minden,  Göttingen,  Nord- 
hausen mid  Weissensee  —  westwärts  von  diesem  Ge- 
birge — ,  um  von  hier  aus  4)  im  Thale  der  Gera  aufwärts 
ziehend,  an  dem  728  m  hohen  Passe  von  Oberhof  über 
den  Thüringerwald  zu  leiten  und  sich  dann  mit  Benutzung' 
des  Itz-,  Main-  und  Regnitzthales  über  Suhl,  Schlcusingen, 
Eisfeld,  Coburg  und  Bamberg  nach  Nürnberg  fortzusetzen. 
—  Diese  wichtigen  Verkehrslinien  über  Leipzig  zu  führen, 
war  am  Ausgange  des  16.  Jahrhunilerts,  avo  diese  Stadt 
das  entschiedenste  LbergeAvicht  über  ihre  Nachbarinnen 
und  Nebenbuhlerinnen  sowohl  im  Handel  nach  W.  wie 
nach  S.  und  O.  i^ewonnen  hatte,  das  Hauptbestrehen  der 
mitteldeutschen  Handelsmetropole.  Als  darum  der  Rath 
zu  Erfurt  noch  L59U  verlangte *\),  dass  die  Waren,  welche 
von  Lüneburg,  jenem  Vermittelungsplatze  des  unteren 
Eibgebietes,  nach  Nürnberg  und  von  dort  wieder  zurück 
geführt  wurden,  in  Erfurt  unbedingt  Niederlage  halten 
sollten,  erhob  Leipzig  krcäftigen  und  erfolgreichen  Wider- 
spruch. Es  beschwerte  sich  unterm  25.  Juli  1590  beim 
Kurfürsten,  dass  Erfurt  immer  noch  den  direkten  Ver- 
kehr zwischen  Lüneburg  und  Nürnberg  vermitteln  wolle, 
während  doch  jetzt  von  Rechts  wegen  alle  Waren  aus 
den  Seestädten  über  Leipzig  nach  dem  Süden  etc.  trans- 
portiert werden  müssten.  Es  forderte  diesen  auf,  die 
Strasse  von  Lüneburg  über  Erfurt,  nach  Nürnberg,  so- 
weit sie  durch  kursächsisches  Gebiet  führe,  was  auf  der 
Strecke  von  Sangerhausen  über  Sachsenburg  nach  Weissen- 
see der  Fall  sei,  zu  sperren.  Erfurt  erklärte  zwar  1593^*), 
„dass  es  keine  mehrere  Niederlage  und  Stapel,  als  bisher 
gewöhnlich,  exigiere'".     Allein  Leipzig    kehrte    sich   nicht 


**;  XLV.  A.   1  bt  f'>l    42. 
")  XLV.  A.  1  d,  fol.  23. 


28  ITermanii  Heller: 

dtirau,  sondern  führte  nunmehr  seine  Hundelslinien  selb- 
ständig bis  Lüneburg,  Hamburg  und  Lübeck  im  N., 
Danzig  und  Königsberg  im  NO.,  Braunschweig  und  Bremen 
im  N^\'.  So  lenkte  Leipzig  3  neue  Verkehrswege  auf 
seinen  Markt,  auf  denen  in  der  Folge  die  lebhaftesten 
Handelsbeziehungen  zwischen  den  grossen  Hafenstädten 
des  deutschen  Nordens  und  dem  Herzen  Mitteldeutsch- 
lands unterhalten  werden  sollti  n.  Der  eine  dieser  Handels- 
wege führte  von  Leipzig  aus,  dem  Laufe  der  Elbe 
folgend,  nordwärts  über  Landsberg.  Köthen,  Kalbe,  Salze 
nach  Magdeburg  und  von  hier  aus,  die  Ohre  und 
Ilmenau  entlang,  über  Ülzen  nach  Lüneburg,  Ham- 
burg und  Lübeck.  Der  zweite  bewegte  sich,  die  Elbe 
auf  der  bequemsten  Strecke  zwischen  Torgau  und  Witten- 
berg, wo  schon  der  Fläming  an  den  Strom  herantritt,  über- 
schreitend, in  nordöstlicher  Richtung  über  Düben,  Kem- 
berg,  Wittenberg,  Treuenbrietzen  und  Colin-Berlin 
nach  Danzig.  Der  dritte  aber  zog  in  der  Richtung  der 
mittleren  Saale,  der  Oker,  Aller  und  unteren  Weser  über 
Halle,  Aschersleben undBraunschweig  nach  Bremen. 

Konnte  Leipzig  die  alte  Handelsstrasse,  welche  von 
Lübeck  und  Hamburg  über  Lüneburg,  Braunschweig  und 
Erfurt  direkt  nach  Nürnberg  führte,  auch  nicht  vollständig 
und  für  immer  beseitigen,  so  wusste  es  doch  zu  bewirken, 
dass  von  jetzt  ab  die  Hauptwarenzüge  aus  dem  Nord- 
und  Ostseegebiete  über  seinen  Markt  sich  beM'cgten.  — 
Wie  rasch  sich  übrigens  der  Verkehr  auf  den  neu  er- 
worbenen  Handelswegen  belebte,  geht  daraus  hervor,  dass 
wir  in  den  Stapelakten  **'^  bereits  vom  \.  Juni  1593  eine 
Beschwerde  des  Leipziger  Ratlies  finden,  worin  sich  dieser 
über  die  hohen  Zölle  beklagte,  ..welche  auf  der  Leipzig- 
Lüneburger  Strasse  exigieret  würden". 

Die  Begründung  dieser  Handelsstrassen  nach  dem 
deutschen  INIeere  und  nach  ILimbni'g  und  I>remcn  ins- 
besondere war  für  Leipzig  und  ganz  Imier-Deutschland 
um  So  bedeutungsvoller,  als  im  17.  Jahrhundert  diese 
beiden  Städte  neben  Köln  a.  Rh.  die  Haupteingangsthore 
wurden,  durch  welche  sich  die  holländischen  und  eng- 
lischen Warenströme  nach  Deutschland  lierein  bewegten. 
Denn  als  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  spanischer 
Absolutismus  in  Antwerpen  wie  in  Lissabon  den  Handel 
aufs  Gründlichste    vernichtete    und  Holland    und   Eng- 


*•)  XLV.  A.  ib,  fol.  li 


Die  Haiulelswege  Iiiner-Deutscblaiids  im  KS.—l.S.  Jahrli.  etc.       29 

land  zu  Beherrschern  des  Weltverkehrs  sich  empor- 
schwangen; als  im  Laute  des  17.  Jahrhunderts  der  Rhein- 
strom, durch  Sperrung  seiner  Mündungen  in  eine  Sack- 
gasse verwandelt,  seine  Bedeutung  als  Welthandelsstrasse 
für  Deutschland  verlor  und  durcli  dies  alles  der  Schwer- 
punkt des  deutschen  Handels  aus  dem  SAA'.  des  Reiches 
nach  dessen  NW.  verlegt  wurde:  da  mussten  auch  die  Han- 
delsstädte des  inneren  Deutschlands,  allen  voran  Leipzig,  ihre 
hauptsächlichsten  fremdländischen  Waren  über  Bremen 
und  Hamburg  beziehen.  In  diesen  beiden  Hafenstädten 
der  deutschen  Nordseeküste  konnte  eine  imgehinderte  Ver- 
mittelung  zwischen  den  Handelsmächten  England  und 
Holland  einerseits  und  dem  deutschen  Reiche,  sowie  der 
ihm  angrenzenden  Schweiz  und  den  südöstlichen  slavischen 
Ländern  andererseits  stattfinden.  Sie  waren  in  einer  Zeit, 
wo  das  deutsche  Reich  verarmt  und  entvölkert,  politisch 
und  sittlich  verfallen  darnirderlag  —  im  30jährigen  Kriege 
und  darnach  —  und  von  einer  freien,  selbständigen  Be- 
theiligung desselben  am  Welthandel  nicht  die  Rede  sein 
konnte ,  die  Marktplätze ,  über  welche  England  und 
Holland  ihre  asiatischen  und  amerikanischen  Waren  und 
die  Erzeugnisse  des  eigenen  vielseitigm  Gewerbfleisses 
bis  in  das  Herz  Deutschlands  hinein  vertrieben  und  auf 
umgekehrtem  ^^'ege  die  Produkte  des  Reiches  wieder 
herauszogen,  um  sie  in  anderen  Erdtheilen  mit  grossem 
Vortheile  für  sich  zu  verwerthen. 

Das  im  Herzen  von  Deutschland  gelegene  Leipzig 
war  jetzt  in  den  Stand  gesetzt,  den  Verkehr  im  Lmern 
des  deutschen  Reiches  nach  allen  Seiten  hin  zu  beherrschen. 
Denn  zu  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  vereinigten  sich 
in  seinen  Auen  nicht  nur  die  wichtigen  Handelswege  von 
Frankfurt  a.  M.  über  Eisenach,  Erfurt  und  Naumburg, 
von  Nürnberg  und  Bamberg  über  Hof  und  Altenburg, 
von  Breslau  und  Dresden,  von  Wien  und  Frag, 
sondern  auch  die  Handelshnien  von  Wittenberg-Berlin- 
Danzig,  von  Magdeburg- Lüneburg-Hamburg,  von 
Halle -Braunschweig-Bremen,  von  Halle-Nord- 
hausen-Göttingen und  vonMerseburg-Mühlhausen- 
Kassel. 

Wenn  nun  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts 
infolge  der  Bemühungen  der  Fürsten  und  ihrer  Verträge 
auf  allen  Verkehrswegen  des  Reiches  eine  vorher  nie  ge- 
kannte Sicherheit  herrschte,  so  galt  dies  von  diesen 
Handelsstrassen    des   inneren  Deutschlands,   wo  Kurfürst 


30  Ilpimann  Holler: 

iVugust  von  Sachsen  die  Strassenkörper  mit  den  Dämmen, 
Gräben  etc.  in  stets  braiiclibarem  Zustande  erliielt  und 
durch  die  Einrichtungen  „des  lebendigen  (jcleites"  jeden 
Strassenraubunmöglicii  nuichte,  in  ganz  besonderer  Weise^ '). 
Wurde  auch  durch  die  mit  dem  auf  Ueiscn  gewährten 
Schutz  (sahnis  coyidadus)  verbundene  Geldentschädigung 
fpedagiuni)  in  den  Geleit-  und  ßeigeleitstätten  und  diu'ch 
die  über  das  ganze  Land  verbreiteten  Zölle  der  Binnen- 
handel etwas  verthcuert  und  verzögert,  so  hielt  man  doch 
in  jener  Zeit  an  den  hei'gebrachten  Zöllen  und  sonstigen 
Abgaben  fest  und  Hess  die  Tarife  nicht  erhöhen.  Der 
auf  den  damaligen  Reichstagen  herrschende  Konservativis- 
mus n)achte  sich  insofern  auch  auf  kommerziellem  Gebiete 
geltend.  Die  Zollerhöhungen,  welche  Kaiser  F(^rdinand  I. 
und  Maximilian  IL  in  ihren  Erblanden  vornahmen,  sind 
als  vereinzelte  Ausnahmen  zu  betrachten. 

\\'enn  etwas  die  Benutzung  der  von  Natur  richtigsten 
Verkehrswege  Inner-Dcutschlands  hennnte,  so  waren  dies 
nur  die  mittelalterlichen  Stapelrechte,  die  das  16.  Jahr- 
hundert hindurch  durch  das  g'anze  Reich  mit  überall 
gleichmässiger  Wucht  auf  dem  inländischen  Handel  lasteten. 
Denn  wenn  auch  jeder  des  anderen  Strassen-  und  Stapel- 
rechte bekämpfte,  so  war  doch  niemand  geneigt  mit  Auf- 
hebung und  Minderung  seiner  eigenen  Privilegien  den 
Anfang  zu  machen. 


ö 


IL 

Das  17.  Jahrliuudert. 

Das  17.  Jahrhundert  brachte  in  Bezug  auf  Zölle, 
Stapelrechte  etc.  keine  Erleichterung ,  sondern  erhöhte 
eher  den  Druck,  der  bisher  schon  den  Verkehr  erschwert 
hatte.  Die  ununterbrochenen  Kriege,  die  das  Gesamt- 
vermögen der  deutschen  Nation  verringerten  und  einen 
grossen    Theil    der    fleissigen  Hände    und    fähigen  Köpfe 

*')  Veigl.  auch  Röscher,  Die  deutsche  Nationalökonomie  an 
der  Grenzscheide  des  Iß.  und  17.  Jahrh.  (Abhandlung  d.  philosoph.- 
histor.  Klasse  d.  Konigl.  säclis.  Gesellschaft  d.  Wissenschaften.  IV.) 
„Der  Handel  Deutschlands  gewann  in  der  letzten  Hälfte  des  1«.  Jahrh. 
auch  durch  die  grössere  Sicherheit  der  meisten  Strassen  im  Innern." 


Die  Hamlelswe«re  Iniier-Dentschlands  im  16.— IB.Jnhrli.  etc.       31 


'C 


dem  GeAverbe  und  Handelsleben  entzogen;  die  unter  ver- 
schiedenen Namen  neu  errichteten  Zollschranken,  welche 
die  Miniatursouveränität  der  kleinen  und  kleinsten  Fiirsten 
und  Grossen  als  ein  Hoheitsrecht  in  Anspruch  nalan,  be- 
schränkten und  henuuten  den  Handel  Inner-Deutschlands 
zeitweilig  nach  allen  Richtungen  hin.  —  Der  unheilvolle 
30jährige  deutsche  Krieg,  der  Deutschland  in  seiner  Kultur- 
entwickelung um  200  Jahre  zurückwarf,  übte  auch  auf 
die  Verkehrsverhältnisse  des  inneren  Deutschlands  einen 
sehr  nichtheiligen  Einfluss  aus.  Doch  fristete  der  Handel 
hier,  wo  die  Kurfürsten  von  Sachsen  und  Brandenburg; 
wie  Hiimburg  und  Bremen  im  N.  und  Frankfurt  a.  M. 
im  W.;  durch  eine  zwischen  Österreich  und  Schweden 
schwankende  Politik  jahrelange  Einquartierungen  fremder 
Truppen  fernhielten  und  eine  gänzliche  Verwüstung  und 
Verarmung  des  Landes  verhinderten,  innuer  noch  ein 
friedlicheres  Dasein  als  in  vielen  anderen  Gegenden  des 
Reiches.  In  Leipzig,  wo  selbst  feindliche  Heerführer,  wie 
z.  B.  Torstensou;  in  richtiger  Erkenntnis  ihres  eigenen 
Interesses  ihn  gegen  die  naclitheiligen  Folgen  des  Krieges 
zu  schützen  suchten,  konnte  er  auch  in  jener  drangsals- 
vollen Zeit  als  „des  Landes  bestes  Asylum  und  armer 
Verjagter,  Dürftiger  und  Kranker  Apothek  und  Brod- 
kammer" bezeichnet  werden. 

Zwar  gab  es  während  des  grossen  deutschen  Krieges 
Zeiten,  in  denen  Leipzig  in  seiner  Stellung  als  Handels- 
metropole Inner-Deutschlands  ernstlich  bedroht  wurde. 
Denn  als  die  Stadt  1633  in  die  Hände  Wallensteins  fiel, 
legten  die  Hamburger  ihre  für  Thüringen  bestimmten 
Waren  wieder  in  Erfurt  nieder,  statt  in  Leipzig,  und 
führten  sie  von  Erfurt  nach  Nürnberg;  Prag  und  Wien**), 
während  1644,  als  feindliche  Krieger  den  Weg  nach 
Leipzig  sperrten,  schlesische  und  Lausitzer  Fuhrleute  von 
Görlitz  aus  über  Prag  nach  Nürnberg  zu  gelangen 
suchten*'*).  Allein  die  ihm  von  Seiten  seiner  Kurfürsten 
nach  dem  Kriege  bewiesene  verdoppelte  Gunst  und  Für- 
sorge setzten  es  bald  wieder  in  den  Stand^  die  Handels- 
richtungen, welche  seine  vortheilhafte  Lage  und  der  kauf- 
männische Verstand  seiner  Einwohner  ihm  vorgeschrieben 
hatten,  nicht  nur  von  neuem  zu  befestigen,  sondern  auch 
immer  weiter  auszubilden.     So    wurde  Leipzig   gar    bald 


*»)  XLV.  B.  9.    (Bericht  aus  Hamburg  sub  dato  20.  Okt.  1640.) 
*»)  X[.V.  A.  16b,  fol.  3. 


32  Hermann  Heller: 

wieder  ein  grosses  maningfaltiges  Lager  für  alle  fremden 
und  iiiläüdisclien  Warun,  von  deneu  es  jene  aus  dem 
germanischen  NW.  über  Hamburg  und  Bremen  oder 
aus  dem  romaniscbeu  8W.  über  Frankfurt  a.  M.  und 
Nürnberg  oder  endlich  aus  dem  slavisclien  O.  über 
Breslau  und  Frag,  Danzig  und  Berlin  an  sich  zog, 
diese  aber  in  den  sächsischen  Gewerbsgebieten:  in  der 
Lausitz,  im  Erzgebirge,  im  Vogtlande  und  in  Thüringen, 
Welche  Geu'enden  damals  wahre  Arbeits-  und  \'orraths- 
kammern  Liner -Deutschlands  waren,  sammelte,  um  sie 
dann  in  grösstem  Massstabe  über  das  ganze  Deutschland, 
nach  Polen,  Russland,  nach  der  Türkei,  der  Levante  etc. 
zu  vertreiben.  Seine  Messen  vermittelten  in  der  Folgezeit 
in  noch  viel  höherem  Grade  als  die  von  F^rankfurt  a.  O. 
den  Verkehr  zwischen  dem  germanisch-slavischen  O.  und 
dem  germanisch-romanischen  W.  Zentraleuropas. 

Gleichzeitig  erfolgte  aber  auch  in  SO.  Tind  NO. 
Deutschlands  eine  Neubelebuns  des  Handels  und  Ver- 
kehrs,  wobei  hier  Brandenburg,  dort  Osterreich  neue 
Verkehrsmittelpunkte  und  neue  Flandelswege,  die  theil- 
weise  auch  das  innere  Deutschland  kreuzen  mussten,  für 
sich  zu  gewinnen  suchten.  So  entspann  sich  in  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  ein  reger  Wettkampf  zwischen 
Sachsen -Leipzig,  Brandenburg -Preussen  und  Böhmen- 
Österreich  auf  konnnerziellem  Gebiete,  der  zur  Begrün- 
duni»-  neuer  Verkehrswe":e  zu  Wasser  und  zu  Lande  im 
mittleren   Flb-  und  Odergebiete  führte. 

Leipzig  hielt  dabei  an  dem  mit  seiner  Stapelgerechtig- 
keit verbundenen  Strassenzwange  fest.  Aus  diesem  Grunde 
widersetzte  es  sich  der  von  dem  Magdeburger  Admini- 
strator Herzog  August  1051  beabsichtigt(.'n  Schiffbar- 
machung  der  Saale  von  Flalle  bis  zur  Mündung 
in  die  Elbe*"),  wodurch  man  eine  direkte  Wasserver- 
bindung zwischen  Halle  und  Handiurg  über  Magdeburg 
herbeiführen  wollte,  ebenso  energisch,  wie  der  von  Herzog 
Ernst  dem  Frommen  von  Gotha  1658  und  dann  wieder 
16()6 — 1667  prätendierten  Unstrut-Saaleschiffahr t 
(aus  der  Unstrut  in  die  Saale  bis  Halle),  die  namentlich 
dem  Thüringischen  Fruchthandel  dienstbar  gemacht  werden 
sollte,  wegen  der  in  der  Unstrut  und  Saale  zahlreich  sich 
vorfindenden  Sandbänke  aber  schliesslich  von  selbst  un- 
terblieb. 


»«)  XLY.  D.  1,  fol.  1  ff. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  16.— 18.  Jahrb.  etc.       33 

Selbst  als  Böhmen  1661  abermals  eine  Erleich- 
terung der  Eibschiffahrt  anstrebte*'),  indem  es 
auf  Verminderung  der  Eibzölle,  deren  es  damals  auf  der 
Strecke  von  Prag  bis  Hamburg  48  gab,  wie  auf  Be- 
schränkung des  Leipziger  und  Lüneburger,  des  Magde- 
burger und  Hamburger  Stapelrechtes  drang,  leistete  Leip- 
zig, das  jetzt  ein  „Emporium  Pragense"  in  weiterer  Ferne 
ebenso  sehr  fürchtete,  wie  bei  der  projektierten  Unstrut- 
und  SaaleschiflPahrt  eine  ausgedehnte  Hallische,  Naum- 
bui'ger  und  Erfurter  Niederlage  in  seiner  unmittelbaren 
Nähe,  hartnäckigen  und  erfolgreichen  Widerstand. 

Durch  neue  kurfürstliche  und  kaiserliche  Strassen- 
mandate  suchte  es  den  Bestand  seiner  fünf  wichtigsten 
Haupt-Heer-  und  Stapelstrassen: 

1)  aus  Schlesien,  Poleu  und  Russland, 

2)  aus  Böhmen,  Oesterreich,  Ungarn  und  Italien, 

3)  aus  Thüringen,  Hessen  und  den  Rheinländern, 

4)  aus  Hamburg  und  den  übrigen  Seestädten, 
.">)  aus  Baireuth,  Bayern  und  der  Lombardei 

zu  sichern.  Allein  durch  das  alles  konnte  Leipzig  nicht 
verhindern ,  dass  neben  diesen  stark  frequentierten  Han- 
delsstrassen auch  im  17.  Jahrhundert  neue  Verkehrswege 
im  Innern  Deutschlands  sich  ausbildeten,  die  zwar  den 
Leipziger  Stapel  nicht  berührten,  doch  aber  dem  prak- 
tischen Bedürfnis  in  zweckentsprechender  Weise  dienten. 
Bereits  1651  ging  schlesische  und  Lausitzer 
Leinwand  nach  Dresden*^),  um  von  hier  aus  ver- 
mittelst der  Elbe  nach  Hamburg  verführt  zu  werden. 
Polnisches  Rauchleder  und  polnische  Wolle  wurden  nebst 
Breslauer  Farbenröthe,  Talg,  grobem  und  feinem  Tuche 
über  Dresden  gegen  Annaberg,  Marienberg,  Schneeberg 
etc.  gebracht,  um  dort  gegen  Zinn,  Blech,  blaue  Farbe 
und  allerlei  Handarbeiten  vertauscht  zu  werden,  die  auf 
demselben  Wege  gegen  NO.  zurückgingen.  16G0  brachte 
man  Waren  von  Dresden*^)  über  Zwickau,  Jena  und 
Naumburg  nach  Frankfurt  a.  M.  1665  klagten  die  Leip- 
ziger wieder,  dass  polnisches  Rauchleder  über  Dresden 
nach  Freiberg,  Annaberg,  Schneeberg,  Chemnitz,  Zwickau 
etc.  transportiert  würde,  Spitzen,  Zinn,  Bleche  etc.  aber 
auf  demselben  Wege  zurückgingen. 


*')  XLV.  D.  3. 

"}  XLV.  A.  le. 

")  XLV.  A.  Id,  fol.  Ul. 

Neues  Ardiiv  f.  S.  G.  u.  A.  Y.  1.  2. 


34  Hermann  Heller: 

So  belebte  sich  in  der  zweiten  Hälfte  fies  17.  Jahr- 
hunderts jene  alte  Landstrasse  in  der  Richtung  von  Dresden 
über  Freiberg,  Chemnitz,  Zwickau  und  Reichenl)!\cli  i.  V. 
wieder,  die  von  den  von  Frankfurt  a.  O.  über  Königs- 
brück,  durch  das  Erzgebirge  und  das  Vogtland  nach 
Nürnberg  ziehenden  Kaufleuten  schon  im  Mittelalter  be- 
fahren worden  war^^j. 

Diese  Handelsroute  verknüpfte  die  Querverbindtuigen 
zwischen  Sachsen  und  iiühnien  am  Nordrande  des  hölRTen 
Erzgebirges  in  ähnlicher  AA^eise,  wie  es  durch  die  Eger- 
linie  im  S.  des  sächsisch-böhmischen  Grenzwalles  geschali. 
Ihre  Bedeutung  für  den  Handel  Inner-Deutschlands  lag 
besonders  darin,  dass  man  von  ihren  westlichen  End- 
stationen Zwickau  und  Reichenbach  aus  auf  kürzestem 
Wege  sowohl  nach  Frankfurt  a.  M.  als  auch  nach  Nürn- 
berg gelangen  konnte.  Freilich  verursachten  bei  ihrer 
Benutzung  viele  natürliche  Hindernisse  dem  Passanten 
mancherlei  Beschwerden,  wenigstens  noch  während  des 
17.  und  18.  Jahrhunderts. 

Andererseits  suchten  iin  O.  Leipzigs  polnische  und 
schlesische  Kaufleute  einen  neuen  Handelsweg  nach  den 
Seestädten  zu  gewinnen.  In  der  irrigen  Meinung,  dass 
nach  dem  Passus  in  Joh,  Georgs  I.  Strassenmandat  vom 
24.  Februar  1()53:  „alle  Fuhrleute,  welche  aus  Polen  und 
Schlesien  in  unsere  Lande  Sachsen,  Thüringen  und 
Meissen  konmien,  müssen  sich  der  hohen  Strasse  auf 
Leipzig  bedienen",  nur  diejenigen  Kaufleute,  welche  nach 
Kursachsen  zogen,  nicht  aber  diejenigen,  welche  sich 
nach  Niodersachsen  begaben  und  mit  den  Seestädten 
Handel  trieben^*),  über  Görlitz,  Bautzen,  Kamenz  und 
Königsbrück  nach  Leipzig  reisen  sollten,  „bebaueten" 
sie  weder  die  hohe  Strasse,  welche  über  Görlitz  und 
Grossenhain,  noch  die  Niederstrasse,  welche  über  Muskau 


*')  Markgraf  Wilhelm  von  Meissen  erwähnte  Jen  Weg  aus  der 
Lausitz  über  I)resclen ,  Freiberg  etc.  in  den  Verträa:en  mit  Breslau 
(1.^99)  und  Krakau  (1404).  In  der  Strassen-  und  Zollordnung  von 
]4«2  bestimmte  Kurfürst  Friedrich:  Von  Budissin  sollen  die  Wagen, 
die  gen  Frauken  wollen,  gehen  auf  Bischofswerda,  Dresden,  Freiberg, 
Chemnitz,  Zwickau,  Vogtsberg  und  fort  gen  Franken,  und  auf  dem 
Tage  zu  Fraustadt  (15.  Aug.  1512)  bekannte  der  Rath  zu  Chemnitz, 
dass  die  Strasse  aus  Schlesien  von  Breslau  und  (Jlogau  nie  anders 
als  auf  Görlitz,  Budissin,  Dresden,  Freiberg,  Chemnitz,  Zwickau, 
Hof  und  also  fürder  gegen  Nürnberg  gegangen  sei.  Falke,  Zur 
Geschichte  der  hohen  Landstrasse,  121,124,140. 

»»)  XLV.  A.  17. 


Die  Han(lelswege]lnner-Dentschlanfls  im  Ifi  — IS.Jahrh.  etc.      35 

und  Spremberg"  nach  Leipzig  führte.  Sie  fuhren  viel- 
mehr*^), wie  sclion  am  Ausgange  des  16.  Jahrhunderts 
oft  geschehen,  von  Sag  an  über  Kottbus,  Luckau,  Dahme, 
Jüterbogk,  Niemegk,  Loburg,  Magdeburg  und  Garde- 
legen  nach  Lüneburg  oder  suchten  auf  einem  noch  kür- 
zeren Wege*');  der  von  Breslau  über  Crossen,  Frank- 
furt a.  O.  und  Berlin  „unterwärts  durch  die  Mark"  zog, 
nach  Hamburg  zu  gelangen.  Kursachsen  remonstrierte 
dagegen  wiederholt  beim  Kaiser,  erreichte  jedoch  dadurch 
um  so  weniger  etwas,  als  dieser  jetzt,  wo  die  Lausitzen 
nicht  mehr  zu  seinen  Erblanden  zählten,  kein  besonderes 
Interesse  daran  hatte,  deren  Zollstrassen  in  ihrem  Bestände 
zu  wahren. 

Den  Weg  von  Breslau  über  Frankfurt  a.O,  und 
Berlin  nach  Hamburg,  der  schon  von  der  Natur  durch 
das  alte  Oderthal,  in  dem  jetzt  Spree,  Havel  und  untere 
Elbe  ihre  Wasser  zur  Nordsee  führen,  angebahnt  worden 
war,  konnte  Leipzig  um  so  weniger  abstellen,  als  er  den 
15 meiligen  Umkreis  seiner  Stapelgerechtigkeit  nicht  be- 
rülirte  und  von  dem  jetzt  mächtig  aufstrebenden  Branden- 
burg besonders  gefördert  wurde.  War  schon  Kurfürst 
Joachim  IL  von  Brandenburg  in  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts  eifrig  bemüht  gewesen,  die  Verbindung 
seiner  Länder  mit  den  Seehäfen  und  den  grossen  Stapel- 
pl'ätzen  des  deutschen  Binnenlandes  zu  erleichtern,  ins- 
besondere durch  Schiff barmachung  der  mittleren  Oder, 
der  Spree,  Havel  und  unteren  Elbe  —  er  begann  nach 
Schiffbarmachung  der  Spree  auch  schon  den  Havel  Oder- 
kanal  1603*®)  — ,  so  wurde  er  jetzt,  wo  sich  ein  Haupt- 
warenzug von  Breslau  bis  in  die  Gregend  von  Frank- 
furt a.  O.  zu  Wasser,  von  da  zu  Lande  bis  an  die  Spree 
und  dann  wieder  zu  Wasser  über  Berlin  oder  auch  zu 
Lande  über  Crossen,  Frankfurt  a.  O.,  Fürstenwalde, 
Berlin  und  Fehrbellin  nach  Hamburg  und  Lübeck  be- 
wegte, in  diesem  Streben  noch  bei  weitem  übertreffen  von 
dem  grossen  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm.  Dieser  Fürst 
brachte  in  den  sechziger  Jahren  des  17.  Jahrhunderts  das 
Projekt  einer  Kanalverbindung  zwischen  Oder  und  Spree, 
an  dessen  Verwirklichung  sein  Vorfahr  Joachim  IL  ver- 
geblich gearbeitet  hatte,  zur  endlichen  Ausführung.  Er 
benutzte    dabei,   von  Müllrose    ab,    das    untere  Thal    der 


»)  XLV.  A.  17. 

*•)  Röscher,  System  der  Volkswirthschaft,  354. 


36  Hennaiin  Heller: 

Sclilaube,  das  iu  vorhistori^clier  Zeit  zum  Abflüsse  der 
Oder  uach  der  Spree  diente,  und  glich  die  Terrainunter- 
schiede durch  neun  Schleusen  aus.  Die  Bedeutung-  dieses 
AA'erkes  war  um  so  grösser,  als  durch  diesen  sogenannten 
neuen  Graben  oder  märkischen  Durchstich,  wie 
man  den  Fried rich-^Vilhelmskanal  in  den  Urkunden 
gewöhnlich  bezeichnete,  nicht  nur  Oder  und  Spree  in 
einander  geleitet  wurden,  sondern  zugleich  eine  ununter- 
brochene Wasser  Verbindung  zwischen  Breslau  im  oberen 
Odergebiete  und  Hamburg  an  der  Unterelbe  auf  kürzestem 
Wege  hergestellt  ward.  Das  wussten  auch  schon  die 
Zeitgenossen  des  grossen  Kurfürsten  gehörig  zu  würdigen. 
Im  Jahre  1669  berichtete  man  nach  Leipzig^'),  der  Trans- 
port der  schlesischen  Gai-ne  von  Breslau  auf  der  Oder, 
dem  Friedrich-Wilhelmskanal,  der  Spree,  Havel  und  unteren 
Elbe  nach  Hamburg  komme  bedeutend  billiger  zu  stehen 
als  die  Landfracht  über  Leipzig;  über  Magdeburg  oder 
selbst  über  Frankfurt  a.  O.;  denn  der  Wasserweg  von 
BreslaiT  über  Berlin  nach  Hamburg  sei  nicht  nur  bedeutend 
kürzer  als  die  kostspielige  „grosse  Heerstrasse"  über  Leip- 
zig, sondern  führe  auch  noch  früher  zum  Ziele  als  die 
sogenannte  kleine  Heerstrasse  über  Magdeburg  oder  über 
Frankfurt  a.  O.  „Dazu  komme  noch"  —  so  schrieb  man 
aus  Görlitz  am  öl,  Oktober  1669 '^j  — ,  „dass  man  bei 
Benutzung  des  , neuen  Grabens'  aus  der  Ost-  in  die  ,West- 
see*  (Nordsee)  gelangen  könne,  ohne  den  danischen  Sund, 
dessen  Benutzung  oft  Schwierigkeiten  mit  sich  bringe, 
berühren  zu  müssen". 

Kein  Wunder,  wenn  unter  solchen  Umständen  die 
Schlesier  und  insonderheit  die  Breslauer  (laut  Bericht  vom 
15.  Dezember  1671)*®)  von  der  hohen  Strasse  über  Leip- 
zig nach  Hamburg  —  trotz  zugestandener  Zollermässigun- 
gen —  nicht  viel  wissen  wollten  und  mehr  als  der  vierte 
Thcil  der  polnisch -scldesischen  Waren  ^"),  welche  sonst 
nach  Leipzig  kamen,  von  jetzt  ab  vermittelst  der  Oder, 
des  „märkischen  Durchschnitts",  der  Spree,  Havel  und 
Unterelbe   über  Berlin  nach  Hamburg  gebracht  wurde. 

Was  Leipzig  dadurch  verlor,  das  kam  der  branden- 
burgischen Capitale  an  der  Spree,  deren  Handelsrichtungen 


")  XLV.  A.  ic,  fol.  197  ff. 

»»)  XLV.  C.  1. 

*•)  XLV.  C.  1. 

"')  XLV.  A.  le,  fol.  204  ff. 


Die  Haiulelswege  Inner-Deutschlands  im  Ifi. — 18.  Jahrh.  etc.      37 

sich  jetzt  auf  Havel,  Spree  und  Elbe  aufwärts  nach  Sachsen 
und  Böhmen,  niederwärts  nach  ^Magdeburg;  Lüneburg, 
Hamburg  und  Lübeck,  auf  der  Oder  aufwärts  nach 
Schlesien  und  Polen,  abwärts  nach  Stettin  und  Pommern 
erstreckten,  in  besonderem  Masse  zu  gute.  Berlin  gewann 
nunmehr  eine  selbständige  Bedeutung  für  Handel  und 
Gewerbe  und  beherrschte  in  Zukunft  mit  Leipzig  einen 
Theil  der  Handelsstrassen  im  nördlichen  Inner-Deutschland. 
Dazu  war  diese  Stadt  sehr  wohl  geeignet,  weil  sie  wie 
Leipzig  durch  eine  vortreffliche  geographische  Lage  aus- 
gezeichnet ist.  War  durch  die  Spree  der  ganze  Süden 
Brandenburgs,  sowie  ein  Theil  Sa-  hsens  und  Schlesiens, 
durch  die  obere  Havel  der  Norden  der  Mark  und  ein 
Theil  Mecklenburgs,  durch  die  untere  Havel  aber  die  Alt- 
mark auf  Berlin  hingewiesen,  so  machte  es  seine  günstige 
Position  zwisclien  Elbe  und  Oder  zur  Mittelstation  zwischen 
Frankfurt  a.  O.  und  ^Magdeburg.  Seine  zentrale  Stellung 
endlich  auf  der  150  Meilen  langen  Verkehrslinie  der  Oder 
(bis  Frankfurt),  des  Friedrich- Wilhelmskanals,  df  r  Spree, 
Havel  und  unteren  Elbe  bestimmte  es  zum  natürliclien 
Vermittelungsplatze  zwischen  dem  Hauptmarkte  der  oberen 
Oder,  Breslau,  und  dem  grossen  Stapelplatze  der  unteren 
Elbe,  Hamburg. 

Je  mehr  Brandenburg  bestrebt  war,  den  schlesiscli- 
polnischen  Handel  über  Berlin  nach  der  Nordsee  zu  leiten, 
desto  mehr  suchte  Leipzig  den  Verkehr  auf  seiner  wich- 
tigsten Stapelstrasse,  von  Hamburg  über  Lüne- 
burg und  Magdeburg  herein  nach  Kursachsen, 
in  seiner  bisherigen  Mächtigkeit  zu  erhalten  und  vor  jed- 
weder Beschränkung  zu  bewahren.  Das  zeigte  sich  be- 
sonders in  der  Glückstädter  Zollangelegenheit  im 
letzten  Viertel  des  17.  Jahrhunderts •*')• 

Als  nämlich  Dänemark  1676 — 1678  und  dann  aber- 
mals 1690  mit  dem  Gedanken  umging,  bei  der  holsteini- 
schen Festung  Glückstadt  an  der  Unterelbe  eine  neue 
Zollstätte  zu  errichten,  setzte  Leipzig,  von  dem  dadurch 
arg  bedrohten  Hamburg  um  seinen  Beistand  angegangen, 
seinem  Kurfürsten  wiederholt,  namentlich  am  11.  November 
1676  und  am  28.  August  1690,  auseinander,  dass  durch 
jenen  prätendierten  Elbzoll  nicht  bloss  Hamburg,  sondern 
auch  Sachsen  geschädigt  werde;  „denn  alle  Zölle  kränkten 
die    Handlung".      ^'N'enn    bisher    die    meisten    Commercia 

»')  XLV.  D.  i. 


38  Hermann  Heller: 

aus  eleu  kaiserlichen  Erblauden,  aus  Sclilesien,  Polen  etc. 
nach  Nieder  Sachsen,  Spanien,  England,  Dänemark,  Liv- 
land,  „Moskau"  und  vornehmlich  nach  Holland  über 
Leipzig-  und  Hamburg  vermittelst  des  Eibstromes  trans- 
portiert worden  seien,  so  würden  sich  die  Kaufleute  bei 
einem  neuen  Aufschlag  der  Waren  an  der  Eibmündung 
hüten,  die  Messen  zu  Leipzig,  Naumburg  und  Frankfurt 
a.  O.  fernerhin  „zu  bauen".  Denn  sobald  die  Güter  in 
Hamburg  sich  vertheuerten ,  müssten  sie  auch  in  Leipzig 
im  Preise  steigen,  weil  die  Leipziger  Handlung  von  der 
Hamburger  dependiere.  Die  AA^aren  direkt  aus  Hol- 
land über  Schwoll  (Zwolle)  oder  Köln  zu  beziehen, 
sei  nicht  gut  durchführbar,  weil  einmal  nicht  alle  Waren 
von  Holland,  sondern  auch  viele  von  England  über  Ham- 
burg kämen,  ferner  aber  der  weite  Landweg  von  Schwoll 
aus  ebenso  wie  der  Weg  über  Köln  mit  Benutzung  des 
Rheinstromes  zu  langwierig  und  zu  kostspielig  sei.  Zudem 
liege  bei  Gebrauch  des  letzteren  die  Gefahr  nahe,  dass 
die  Handlung  auf  Frankfurt  a.  M.  abgelenkt  werde.  Den 
Verkehr  mit  Holland  und  England  aber  nur  über 
Brauns chw ei g  und  Bremen  zu  unterhalten,  sei  sehr 
gefährlich,  weil  sich  dann  der  Handel  überhaupt  leicht 
nach  Braunschweig  ziehen  könne.  Denn  diese  Stadt  sei 
„zu  Wasser  und  zu  Lande  günstig  situiert"  —  sie  liegt 
am  Übergangspunkte  der  grossen  nördlichen  Handels- 
strasse vom  Khein  zur  Elbe  über  die  vereinigte  I^übeck- 
Hamburger  Strasse,  die  von  hier  aus  in  mehreren  Armen 
nach  dem  S.  und  SW.  leitete,  und  an  der  früher  schiff- 
baren Oker  —  und  halte  seit  1675  resp.  1681  (bald 
nach  der  Unterwerfung  der  Stadt  durch  Herzog  Rudolf 
August)  auch  zwei  UniversabJahresmessen  ab.  —  Durch 
derartige  Vorstellungen  gewann  Leipzig  den  Kurfürsten 
von  Sachsen ,  der  in  dieser  Sache  als  Kreisoberster  von 
Obersachsen  ein  gewichtiges  Wort  mitzusprechen  hatte, 
für  sein  und  Hamburgs  Interesse.  Und  als  zuletzt  (am 
17.  August  1690)  die  Stadt  Hamburg  in  einer  Petition 
an  den  Kaiser  ausführte,  durch  den  Glückstädter  Elbzoll 
werde  mit  Hamburg  auch  ganz  Ober-  und  Niedersachsen 
Schaden  erleiden  und  der  König  von  Dänemark  einen 
grösseren  Einfluss  im  Reiche  gewinnen;  gegen  O.,  S. 
und  W.  sei  Deutschland  von  festen  Landmassen  umgeben 
und  niu'  im  N.  grenze  es  an  das  Meer;  das  Baltische 
Meer  mit  seinen  Ausgängen  werde  jedoch  schon  von 
Dänemark    beherrscht    und    der  Weserstrom    mit   harten 


Die  Handelswege  Inner-Deutsclilands  im  16.— 18.  Jahrh.  etc.      39 

Zöllen  belastet;  die  Elbe  bleibe  als  einzige  Luftröhre  des 
Reiches  gegen  NW.  hin  übrig:  da  widersetzte  sich  auch 
der  deutsche  Reichstag  dem  freventlichen  Beginnen  Däne- 
marks. So  wurde  die  ganze  Glückstädter  Zollfrage,  die 
so  viel  Staub  aufgewirbelt  hatte,  zum  Vortheil  Hamburgs 
und  Leipzigs  erledigt  und  der  Bestand  der  Hamburg- 
Leipziger  Handelsstrasse  von  neuem  gesichert. 

So  offen  und  energisch  Leipzig  in  dieser  Angelegen- 
heit für  einen  ungehinderten  Verkehr  auf  der  Unterelbe, 
namentlich  zwischen  Hamburg  und  der  Nordsee,  eintrat, 
so  lebhaft  beklagte  es  sich  über  die  frequente  Schiff- 
fahrt, die  um  jene  Zeit  —  1681  ff.®*)  —  auf  der 
Mittelelbe  zwischen  Pirna-Dresden  einerseits  und 
Magdeburg  andererseits  betrieben  wurde.  Im  Hin- 
blick auf  die  beträchtlichen  Massen  von  sächsischer,  Lau- 
sitzer, böhmischer  und  schlesischer  Leinwand,  welche  in 
Pirna  und  Dresden  aufgestapelt  und  von  dort  auf  der  Elbe 
direkt  nach  Hamburg  verführt  wurden  —  ohne  Leipzig  zu 
berühren  — ,  im  Hinblick  auf  die  bedeutenden  Mengen  von 
spanischen  Weinen,  Juchten,  Spezereien,  Fischen  und  an- 
deren Stapelwaren,  welche  aus  den  nordischen  Seestädten 
per  Schiff*  nach  jenen  sächsischen  Eibstädten  zurückgingen, 
um  von  hier  aus  den  Bedarf  Böhmens,  Mährens  und  Öster- 
reichs zu  decken**^),  konnten  die  Leipziger  ein  lebhaftes 
Bedauern  darüber  nicht  unterdrücken,  dass  ihre  Stadt  nicht 
auch  an  einem  schiffbaren  Flusse  oder  „an  einem  solchen 
Passe  läge,  wo  niemand  vorbeipassieren  könnte"***). 

Ernstlicher  als  durch  diese  Vorgänge  sollte  Leipzig, 
ja  das  ganze  mittlere  Deutschland,  im  Bestände  seiner 
Handelsstrassen  gefährdet  werden,  als  um  1680  im  mitt- 
leren Eibgebiete  eine  grosse  Pest  ausbrach,  die  die 
Warenzüge  einige  Jahre  ganz  aus  jener  Gegend  ver- 
scheuchte, und  theilweise  für  die  Dauer  in  neue  Bahnen 
lenkte. 

Bereits  am  7.  Januar  1681  musste  Kurfürst  Johann 
Georg  HI.  von  Sachsen  wegen  der  in  Leipzig  und  anderen 
mitteldeutschen  Ortschaften  herrschenden  „Contagion" 
für  die  von  Breslau  durch  Kursachsen  gegen 
Oberdeutschland  handelnden  Kaufleute  eine  neue 


")  XLV.  A.  le,  fol.  204. 

«*)  XLV.  G.  <;b,  fol.  44  und  46  („Bericht  an  die  kursächs.  Re- 
gierung sub  dato  Leipzig,  am  23.  März  1681"  fol,  .37— 131). 

•*)  XLV.  A.  le,  fol.  204  („Ursachen  der  abnehmendeu  Hand- 
lung und  gekränkten  Niederlage,  1681"). 


40  Hermann  Heller: 

Reiseroute  aufstellen,  welche  in  Bezug  auf  die  Pest  ge- 
fahrlos zu  passieren  war.  Sie  führte  mit  Umgehung 
Leipzigs  und  der  in  Meissen  an  der  sogenannten  hohen 
Strasse  gelegenen  Ortschaften  von  Breslau  auf  Lissa, 
Neumarkt,  Liegnitz,  Hayna  (Haynau),  Bunzlau,  Görlitz, 
Reichenbach,  Bautzen,  Ortrand,  Strehla,  Diiben,  Delitzsch, 
Merseburg,  Naumburg,  Jena  etc.  —  In  demstdben  Jahre 
musste  es  der  Kurfürst  wegen  der  in  Sachsen  hausenden 
Pest  den  Oberlaii sitzer  Leinwandhändlern  naclisehen,  dass 
sie  ihre  Manufakturen,  die  sie  sonst  auf  den  Eibstrom 
oder  nach  Leipzig  brachten,  nach  Berlin  verführten**). 
Bald  darauf  sperrte  Böhmen  den  Verkehr  mit  dem 
Vogtlande«'). 

Die  grösste  Gefahr  drohte  jedoch  die  Contagion  der 
von  Hamburg  über  Leipzig  nach  Nürnberg  führen- 
den Heerstrasse  zu  bringen**'). 

Li  Bayern,  Bamberg,  Ansbach -Baireuth  und  Nürn- 
berg verbot  man  wegen  der  Pest  1682  den  Besuch  der 
Leipziger  Michaelismesse.  Am  4.  November  1682  schrieb 
die  bayerische  Regierung  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen, 
auf  der  von  Nürnberg  über  Bamberg,  Coburg,  Saalfeld, 
Camburg,  Naumburg  und  Lützen  nach  Leipzig  führenden 
Ordinarstrasse  müssten  die  infizierten  Orte  Camburg, 
Naumburg  und  Lützen  umfahren  und  an  deren  Stelle 
Jena,  Eisenberg  und  Zeitz  in  die  Route  aufgenommen 
werden.  Zugleich  erbat  sie  sich  Aufschluss  darüber,  ob 
man  Bedenken  gegen  diese  zum  Theil  veränderte  Land- 
strasse von  Leipzig  nach  Nürnberg  trage;  welche  Be- 
wandtnis es  mit  der  Contagion  in  Leipzig,  Naumburg, 
Camburg  und  Lützen  habe;  ob  es,  um  ein  Einschleppen 
der  Pest  von  Niedersachsen  aus,  wo  noch  mehr  Orte  in- 
fiziert seien  als  in  Obersachsen,  zu  verhindern,  nicht  ge- 
rathen  erscheine,  die  Waren  aus  dem  pestfreien  Holland, 
Danzig  und  Hamburg  durch  die  bis  dato  noch  nicht  in- 
fizierten lüneburgischen  und  braunschweigischen  Lande 
zu  führen;  welche  Orte  Niedersachsens  infiziert  seien, 
welche  Vorsichtsmassregeln  man  dort  gegen  die  Seuche 
getrofi'en,  und  wie  man  die  angesteckten  Orte  zu  umgehen 
gedenke.  Denn  wenn  Sachsen  keine  pestfreie  Strasse 
von   Nürnberg   über  Leipzig   nach  Hamburg   aus- 


«>)  XLV.  A.  16b,  fol.  1  ff. 
")  XLV.  A.  13,  fol.  12. 
•')  Ebenda. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  16. — 18.  Jahrh.  etc.      41 

findig    inachen    könne,    bemerkte    Kurbayern    in    seinem 
Sclireiben  weiter,   so  werde  man  in  Zukunft  Leipzig  gar 
nicht  mehr  berühren,  wenn  man   zwischen  Hamburg  und 
Nürnberg  verkehre,  sondern  eine  neue  pestfreie  Route 
Aveiter  im  W,  suchen.     Diese  sollte  —  nach  einem  eben- 
falls unterm  4.  November  1682  datierten  Schreiben  Bayerns 
an  Braunschweig-Lüneburg  und  Hamburg  —  von  Nürn- 
berg aus  mit  Benutzung  des  Regnitz-,  Main-  und  Werra- 
thales  über  Bamberg,  Coburg,  f^isfeld,  Tliemar,  Wa- 
sungen,  Marksuhl,  Allendorf  und  Witzenhausen    zwischen 
dem    thüringischen    und    liessischen   Berglande    hinführen, 
dann    unter   theilweiser  Benutzung   des  Leinethaies  über 
Göttingen,     Northeim,    Gandersheira     und    Hildesheim 
zwischen    dem  Harz-    und    dem  Wesergebirge    hindurch- 
gehen und  endlich   über  Peine,  Celle  und  Winsen  in  der 
norddeutsclien   Tiefebene   Hamburg   erreichen.     Um    eine 
derartige  Verlegung  der  belebtesten  Handelsstrasse  Inner- 
Deutschlands zu  verhindern,  setzte  Leipzig  alle  Hebel  in 
Bewegung.     Bereits   unterm   30  November    1682    machte 
es    der  Regierung  zu  Ansbach -Baireuth  Vorschläge,   wie 
man  künftighin  unter  Beibehaltung  der  wichtigsten  Strasse, 
die   seit   vielen  Jahren  von  Hamburg    über  Leipzig  nach 
Nürnberg  führe  und  den  Handel  der  Ansbachschen  Lande 
nicht  nur,  sondern  ganz  Deutschlands  begünstige,  Personen 
und  Waren  ohne  Gefahr  der  Contagion  aus  Niedersachsen 
„ins  Reich"    bringen   könne,    indem  es  verschiedene  neue 
pestfreie  Routen  fixierte,  welche  für  die  nächste  Zeit  von 
Leipzig  sowohl  nach  Nürnberg  wie  nacli  Hamburg  führen 
sollten.     Die   Strasse    von    Leipzig    nach    Hamburg 
sollte    während    der    Contagion    entweder   in    gerader 
nordwestlicher  Richtung  über  Landsberg,  Bernburg,  Gross- 
wanzleben,   Weferlingen,    Vorsfelde,    Wittingen,    Wieren, 
Bienenbüttel,    Lüneburg    und    Winsen    oder,    wenn    die 
lüneburgischen  Lande    geschlossen   wären,    in    einem  ^öst- 
lichen Bogen  über  Dessau  und  Rosslau  oder  Düben,  Kem- 
berg    und    Wittenberg,     ferner    über    Alt- Brandenburg, 
Wusterhausen,  Kyritz,  Neustadt,  Wittenburg,  Buchen  und 
Bergedorf,    also    durch    Brandenburg    und   Mecklenburg, 
ziehen.      Die    Route    von    Leipzig    nach    Nürnberg 
wollte  man  über  Zwenkau,  Langendorf,  Gera  nach  Schleiz 
und  von  hier  aus  entweder  über  Gefeil,  Hof,  Münchberg, 
Gefrees,    Berneck,    Baireuth,    Kreussen    und   Gräfenberg 
oder,  wenn  auf  dieser  Strasse    „der   tiefen  Wege  halber" 
grosse  Frachtwagen  nicht  gut  fortkommen  könnten,  über 


42  Hermann  Heller: 

Nordlialben,  Cronacli,  Lichtenfels,  StafFelstein ,  Bamberg, 
Forchheim  und  Erlangen  lenken.  Diese  neuen  Routen, 
berichtete  der  Leipziger  Ratli  weiterliin,  könne  man  ohne 
alle  Gefahr  befahren,  da  Leipzig  selbst  von  der  Seuche 
befreit  sei  und  etwaige  noch  infizierte  Orte  in  Ober-  und 
Niedersachsen  streng  abgesperrt  würden.  Deshalb  müsse 
die  baireuthische  Regierung  dahin  zu  wirken  suchen,  dass 
nicht  nur  die  alte  Strasse  von  Hamburg  über  Leipzig 
nach  Nürnberg  beibehalten,  sondern  auch  der  rigorose 
Bann  aufgehoben  und  das  Offnen  der  Pässe  von  neuem 
vorgenommen  werde. 

Am  ",'9.  Dezember  1682  ersuclite  die  säclisische  Re- 
gierung auf  Anregung  Leipzigs  auch  Kurbayern,  „von 
der  neuerlich  in  Vorschlag  gebrachten  Route  Nürnberg 
via  Göttingen- Harn  bürg  abzustehen  und  Kursachsen 
nicht  auszuschliessen  von  dem  gemeinsamen  Verkehre, 
an  dem  es  wie  Bayern  seit  undenklichen  Zeiten  theil- 
genommen  habe".  Denn  wenn  man  die  Waren  von 
Hamburg,  Nürnberg  und  Frankfurt  a.  M.  nicht  mehr  über 
Leipzig  bringe,  dann  werde  dem  Handel  des  sächsischen 
Landes  der  Todesstoss  gegeben.  Auf  den  vom  Leipziger 
Rathe  in  Vorschlag  gebrachten  Routen  zwischen  Leipzig 
und  Nürnberg,  Leipzig  und  Hamburg  könne  man  alle 
noch  infizierten  Orte  bequem  umgehen.  Zudem  würden 
in  Leipzig  ankommende  verdächtige  Personen  und  Waren 
strengstens  untersucht,  ehe  man  sie  weiter  gehen  lasse. 

Hierauf  salien  Bayern  und  seine  süddeutschen  Nach- 
barstaaten von  der  Benutzung  der  Strasse  über  Eisfeld 
und  Göttingen,  wobei  Kursachsen  umfahren  worden  wäre, 
ab  und  acceptierten  die  von  Leipzig  vorgeschhigenen  pest- 
fieien  Routen  von  Hamburg  über  Leipzig  nach  Nürnberg, 
die  neben  den  alten  Ordinarstrassen  einstweilen  zu  Recht 
bestehen  sollten.  Nur  wünschte  Bayern,  dass  beim  Trans- 
port der  Waren  und  Personen  auf  der  neuen  Heerstrasse 
die  grösste  Vorsicht  angewendet  würde;  denn  an  eine 
vollständige  Aufhebung  des  Bannes  könnte  man  erst  dann 
denken,  wenn  die  Pest  ganz  verschwunden  sei  Ungehin- 
dert sollten  in  Bayern  nur  eingehen:  Eisenwerk,  Kupfer, 
Zinn,  Messing,  Blei  und  Erz,  während  Federn,  Betten, 
gebrauchte  Leinwand,  Pelzwerk,  Leder,  Hausrath  einer 
besondern  Quarantäne  unterworfen  werden  inüssten,  ehe 
sie  Einlas«  fänden.  Kaufleute  aus  Augsburg,  Nürnberg 
etc.  aber,  welche  von  Leipzig,  Hambui-g,  Danzig,  Braun- 
ßchweig,  Lüneburg  etc.  kamen,  hatten  den  obrigkeitlichen 


Die  Haiulelswege  Inner-Deutschlauds  im  16.— 18.  Jahrb.  etc.      43 

Nachweis  beiziibiiugen,  dass  sie  40  Tage  lang  mit  keinem 
infizierten  Orte  in  Berührung  gekommen  waren,  wenn  sie 
Bayern  passieren  wollten. 

Die  mannigfachen  Auswege,  welche  man  den  Fuhr- 
leuten während  der  Contagion  in  Inner- Deutschland  ge- 
statten musste,  hatten  theilweise  auch  in  der  Folgezeit 
Bestand. 

Die  Lausitzer  Le'inwandhändler  wollten  auch 
nach  Beseitigung  der  Pest  von  dem  Wege  über  Leipzig 
nach  Hamburg  nichts  wissen**),  indem  sie  vorgaben^ 
Lüneburg  lasse  ohne  Quarantäne  niemand  passieren. 
Leipzig  wies  ihnen  in  einer  Eingabe  an  den  Kurfürsten 
vom  21.  April  1682  einen  Weg  von  Leipzig  über  Zerbst, 
Loburg,  Genthin,  Havelberg,  Perleberg,  Neustadt  und 
Bergedorf  an,  auf  welchem  täglich  von  Leipzig  aus  Kauf- 
mannsgüter, insonderheit  aber  neben  den  Landtuchen  die 
Leinwände  von  Kolditz,  Rochlitz,  Mittweida,  Hartha, 
Leisnig,  Waldheim,  Döbeln,  Geringswalde,  Freiberg,  Hart- 
mannsdorf, Lengenfeld,  Augustusburg,  Wolkenstein, 
Zschopau  etc.  nach  Hamburg  gebracht  würden.  Zugleich 
gab  es  den  Lausitzern  zu  verstehen,  dass  sie  über  den 
Lieferungskontrakten  mit  den  Hamburgern  und  Englän- 
dern die  solidere  Kundschaft  der  Schweizer  und  „derer 
im  Reiche"  nicht  vernachlässigen  möchten,  damit  diese 
sich  schliesslich  nicht  ganz  von  Sachsen  weggewöhnten 
und  ihre  Bedürfnisse  nur  noch  in  dem  jetzt  mit  der  Lau- 
sitz konkurrierenden  Schwaben  und  Bayern  befriedigten. 
Denn  da  nach  Ausweis  der  gedruckten  Liste  der  hollän- 
disch-ostindischen Kompagnie  alljährlich  viele  tausend 
Stück  Leinwand  auf  die  nordischen  Märkte  gebracht 
würden,  so  könne  leicht  einmal  der  Fall  eintreten,  dass 
die  Lausitzer  Leinwand  auf  diesen  keinen  Absatz  meiir 
finde.  —  Die  Kaufleute  von  Görlitz,  Budissin  und  Mark- 
lissa  kehrten  sieh  jedoch  nicht  an  die  von  Leipzig  aus 
gemachten  Vorstellungen,  sondern  sandten  —  einer  Be- 
schwerde der  Leipziger  vom  20.  Oktober  1682  zufolge®^)  — 
ihre  Leinwand  fortgesetzt  über  Berlin  nach  Hamburg 
und  nahmen  dort  süsse  Weine,  Jucliten,  Indigo,  Tabak, 
Spezereien  etc.  „nur  zu  Nutz  und  Frommen  einiger  Ham- 
burger und  englischer  Faktoren,  welche  eine  direkte  Ver- 
bindung mit  dem  Bestimmungsorte  anzuknüpfen  suchten''^ 


«•)  XLV.  G.  6a,  fol.  9.3  S. 
•')  XLV.  A.  le,  fol.  217. 


44  ITermann  Heller: 

in  Rückfracht;  wenn  sie  aber  llire  ^A'^aren  nach  Südwest- 
deutschland  und  nacli  der  Schweiz  verführten,  so  brachten 
sie  dieselben  niclit  über  Leipzig",  sondern  Hessen  sie  über 
Prag  nach  Nürnberg,  Augsburg  etc.  gehen. 

In  demselben  Jahre  ordinierten  auch  die  Polen  „ins 
Reich"  '%  dass  man  die  Güter  von  da  und  absonderlich 
aus  Nürnberg  nicht  über  Leipzig,  sondern  über  Berlin 
oder  Frankfurt  a.  O.  und  Posen  nach  Polen  ver- 
senden solle.  Und  wenn  die  Polen  dennoch  auf  Leipzig 
kamen,  so  mngingen  sie  wegen  des  Bautzener  Zolles  die 
privilegierte  hohe  Heerstrassc,  welche  von  Breslau  aus 
über  den  Queis  und  durch  die  Oberlausitz  nach  Leipzig 
führte,  und  fuhren,  einen  weiten  Umweg  nicht  scheuend, 
von  Lemberg,  Lublin  und  Krakau  in  der  Richtung  über 
Posen,  Meseritz,  Frankfurt  a.  O.,  Müllrose,  Beeskow, 
Lublin,  Luckau,  Herzberg,  Torgau  und  Eilenburg. 

Diese  Abweichungen  von  den  althergebrachten  Zoll- 
und  Handelsstrassen  konnte  Kurfürst  Johann  Georg  HL 
von  Sachsen  auch  nicht  dadurch  verhindern,  dass  er 
1684"),  wo  „die  leidige  Contagion"  nicht  melir  zu  fürchten 
war,  den  Bann  von  derselben  förmlicli  aufhob;  dass  er 
„die  Passage  der  ins  Reich  geltenden  Leinwand"  über 
Prag  und  Nürnberg,  welche  Johann  Georg  I.  1644,  als 
Leipzig  von  feindlichen  Truppen  besetzt  war,  durch  eine 
Interimskonzession  gestattet  liatte,  verbot  und  nur  diejenigen 
Oberlausitzer  Waren,  welche  in  dem  benachbarten  Böhmen 
selbst  konsumiert  werden  sollten,  über  Prag  gehen  lassen 
wollte;  dass  er  endlich  das  Mandat  bezüglich  der  hohen 
Strasse  aus  Polen  und  Schlesien  nacli  Meissen,  Thüringen 
und  Sachsen  erneuerte  und  den  Fuhrleuten,  welche  den 
Queis  nicht  berührten,  auch  die  Benutzung  der  nach 
Leipzig  führenden  Niederstrasse  von  Sagan  über  Muskau, 
Spremberg,  Liebenwerde,  Torgau  und  P^ilenburg  offiziell 
gestattete'^). 

Bereits  1687  beschwerten  sich  die  Leipziger  von 
neuem'*),  dass  von  Breslau  und  Zittau  aus  Leinwand 
über  Prag  ins  Reich  und  gegen  Italien  gebracht 
werde;    dass'*)   Görlitz,    Zittau  und  Bautzen    ihre  Güter 


'«)  XLV.  G.  Ca,  fol.  110. 
")  XLV.  A.  16b,  fol.  1. 

'*)  Vergl.  auch  Schönwälder,  Die  hohe   Laiidstrasse  durch 
die  Oberlausitz  im  Mittelalter,  N.  Lausitz.  Mau.  LVI,  354. 
'»)  XLV.  G.  6a,  186  (Leipzig,  am  2.  Dezember  1687). 
'*)  Ebenda. 


Die  Handelswege  Iniier-Deutschlands  im  16. — 18.  Jahrh.  etc.      45 

über  Berlin  nach  Hamburg  scliicktcn.  1696  aber 
klao'ten  sie,  dass'*)  die  schlesische  Leinwand-  und  Schleier- 
handluug,  welche  vornuils  durch  Sachsen  gegangen,  seit 
der  anno  1680  entstandenen  Contagion  entweder  über 
Prag  ins  Reich  oder  über  Frankfurt  a.  O.  und  Ber- 
lin nach  Hamburg  gezogen  worden  sei.  Denn  was  von 
Breslau,  Liegnitz,  Hirschberg,  Landshut,  Schmiedeberg 
etc.  komme,  bewege  sich  jetzt  (1696),  wenn  nicht  über 
Prag  nach  Nürnberg  etc.,  entweder  zu  Wasser  auf  der 
Oder,  dem  Friedrich -Wilhelmskanai,  der  Spree,  Havel 
und  unteren  Elbe,  oder  zu  Laude  über  Freistadt  und 
Glogau  oder  Löwen])erg '*),  Sagan,  Dürr  -  Naumburg 
(a.  Bober),  ferner  über  Crossen,  Frankfurt  a.  O.,  Berlin, 
Fehrbellin,  Wusterhausen,  Kyritz,  Neustadt,  Wittenburg, 
Buchen  und  Bergedorf  nach  Hamburg. 

Andererseits  suchte  das  mächtig  aufstrebende  Reichen- 
bach  im  Vogt  lande")  nebeif  den  sächsischen  Tuchen 
aus  Hainichen,  Rosswein,  Öderan,  Chemnitz,  Zschopau, 
Stollberg,  Zwickau,  Marienberg  auch  schlesische  Tuche 
—  statt  über  Leipzig  —  auf  dem  näheren  Wege  über 
Dresden,  Freiberg,  Chemnitz  und  Zvnckau  zu  sich  zu 
ziehen  und,  einer  Beschwerde  des  Leipziger  Rathes  vom 
7.  April  1683  zufolge'^),  eine  direkte  Handels  Verbindung 
mit  Hamburg  über  Halle  und  Magdeburg  —  also  wieder 
mit  Umgehung  Leipzigs  —  zu  gewinnen.  Kurfürst 
Johann  Georg  III.  liess  zwar  auf  Leipzigs  Betreiben 
sub  dato  Dresden,  am  26.  April  1684  an  die  Reichen- 
bacher Kunstfärber  und  vogtländischen  Handelsleute  den 
Befehl  ergehen,  ihre  Waren,  zu  denen  besonders  Farbe 
gehörte,  in  Zukunft  wieder  in  Leipzig  und  nicht  über 
Magdeburg  und  Halle  in  Hamburg  zu  holen.  Allein  noch 
1687  ging  —  den  „Gravamina  der  Leipziger  Kaufmann- 
schaft au  den  Ratli"  zufolge'^)  —  Tabak  von  Hamburg 
über  Magdeburg,  Halle,  Merseburg,  Weissenfeis  und  Zeitz 
oder  Eisleben,  Naumburg  und  Gera  nach  Reichenbach, 
Zwickau,  Chemnitz  und  ins  Gebirge,  während  Bleche  auf 
demselben  Wege  nach  Hamburg -gebracht  wurden. 


")  XLV.  G.  6c,  fol.  1  ff. 

'•)  XLV.  A.  16b. 

")  Ebenda. 

'«)  XLV.  A.  le,  fol.  238  (Befehl  vom  26.  April  1686,  dass  die 
Reichenbächer  Kunstfärber  und  Handelsleute  ihre  Farbe  und 
Waren  in  Leipzig  holen  sollen). 

'»)  XLV.  G.  6a,  fol.  186—194  (Leipzig,  am  2.  Dez.  1687). 


46  HermRnii  HpIIpf; 

Leipzig  konnte  diese  von  seinem  Stapel  abweicliende 
Verkehrsrichtung  im  SW.  ebenso  wenig  beseitigen,  wie 
seinerzeit  die  Handelsstrasso  von  Breslau  über  Frankfurt 
a.  O.  und  Berlin  im  NO. ;  denn  seitdem  Magdeburg  und 
Halle  zu  dem  politisch  massgebenden  Brandenburg-Preussen 
gehörten,  hatten  sich  diese  Städte  und  ihr  Verkehr  der 
wohlwollenden  Fürsorge  ihres  Landesherrn  ebenso  sehr 
zu  erfreuen,  wie  Leipzig  und  sein  Handel  der  des  säch- 
sischen Kurfürsten.  Ja  im  letzten  Dezennium  des  17.  Jahr- 
hunderts suchte  Kurfürst  Friedrich  HL  von  Brandenburg 
(der  spätere  König  Friedrich  L  von  Prcussen)  „aus  be 
sonderer  Fürsorge  für  seine  Stadt  Halle"  den  Handel 
aus  Thüringen,  selbst  von  Franken  und  vom  Vogtland(^ 
her,  über  Halle  und  Magdeburg  nach  der  Mark  und  nach 
Hamburg  hin  noch  mehr  zu  beleben,  indem  er  das  schon 
wiederholt  aufgetauchte  Projekt,  die  Saale  schiffbar 
zu  machen  und  so  eine  ununterbrochene  Wasserverbin- 
dung zwischen  Halle  und  Magdeburg  herzustellen,  schliess- 
lich verwirklichte. 

Von  den  Hamburgern  wesentlich  unterstützt,  begann 
Friedrich  HI.  1694  mit  dem  Schleusenbau  in  der  so- 
genannten Magdeburgischen  Saale  (zwischen  Halle  und 
der  Mündung)  *").  Durch  dieses  Vorhaben  Kurbranden- 
burgs sah  sich  Leipzig  in  seiner  Stapelgerechtigkeit  schwer 
verletzt;  in  seinem  Handel  arg  bedroht.  In  seiner  Noth 
nahm  es  seine  Zuflucht  zu  seinem  Landesherrn.  In  einem 
ausführlichen  Bericht  über  die  heikle  Sache  vom  21.  Fe- 
bruar 1695  setzte  es  diesem  auseinander,  warum  man  eine 
Saaleschiffahrt  und  damit  verbundene  Hallische  Nieder- 
lage sächsischerseits  in  keinem  Falle  gestatten  dürfe. 
„Während  bisher",  so  berichtete  der  Leipziger  Rath  dem 
Kurfürsten,  „Leipzig  nicht  nur  das  Herz  von  den  um- 
liegenden Landen  war,  sondern  auch  Polen,  Schlesien, 
Böhmen,  Mähren,  Österreich,  Bayern,  Schwaben,  Franken, 
Thüringen,  Niedersachsen,  Pommern  hier  ihre  Waren 
holten,  so  würden  bei  Oestattung  der  Saaleschiffahrt  die 
Manufakturen  und  Kommerzien  in  die  kurbrandenbur- 
gischen  Lande  gezogen  werden,  wozu  schon  der  märkische 
Durchschnitt  aus  der  Oder  in  die  Spree,  die  neuerlich 
errichteten  Messen  zu  Magdeburg,  die  clurch  ganz  Branden- 
burg mit  grossen  Kosten  erbauten  Fabriken  und  endlich 
die  seit  einigen  Jahren  bestehende  Niederlage  von  Weinen, 

•»)  XLV.  D.  2. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  16.— 18.  Jahrb.  etc.      47 

Fiscliwaren,  anlialtischer  AVoile  etc.  zu  Halle  Veranlas- 
sung- gegeben.  Snl)al(]  die  Hallisclie  Scliiflfalirt  in  stand 
gesetzt  sei,  werde  man  nicht  nur  Holz,  Hallisches  Salz, 
Wettiner  Kohlen  mit  besserer  Menage  nach  Hamburg, 
Holland,  nach  der  Mark,  nach  Pommern  und  Preussen 
vertreiben,  sondern  auch  allerhand  AVaren  aus  Hamburg, 
Holland,  aus  der  Mark  etc.  auf  dem  billigeren  AA'asser- 
wege  über  INIagdeburg  nach  Halle  bringen,  mit  dem  Leip- 
zig, das  seine  fremdländischen  Waren  per  Achse  beziehe, 
dann  nicht  mehr  konkurrieren  könne.  Habe  man  schon 
jetzt  niederländische  imd  anhaltische  Wolle,  vogtländische 
Eisen-  und  Blechwaren  und  sächsische  Leinwand,  nament- 
lich aus  Hohenstein,  direkt  nach  Halle  geführt,  so  werde, 
wenn  eine  ununterbrochene  Schiffahrt  zwischen  Hamburg 
und  Halle  hergestellt  sei,  der  ganze  Harz,  Thüringen  und 
das  Vogtland,  ja  selbst  Franken  und  das  Erzgebirge, 
dauernd  an  den  Markt  von  Halle  gekettet  werden.  Des- 
halb dürfe  man  die  Hallische  SaaleschifFahrt  um  keinen 
Preis  gestatten." 

Mit  richtigem  Blick  erkannte  Leipzig  die  Gefahr,  die 
ihm  von  Halle,  das  mit  seinen  Verkehrswegen  konkurrierte 
und  vor  ihm  die  Lage  an  einem  schiffbaren,  zum  Ozean 
führenden  Gewässer  voraus  hatte,  in  der  Leitung  des  inner- 
deutschen Verkehrs,  namentlich  im  W.  und  SW.,  drohte. 

Der  Kurfürst  von  Sachsen  richtete  hierauf  in  dieser 
Angelegenheit  ein  Abmahnungsschreiben  an  Friedrich  LH. 
von  Brandenburg,  erhielt  jedoch  von  diesem  (Colin 
a.  d.  Spree,  am  2L  Mai  1696)  zur  Antwort:  Handel  und 
Wandel  zu  treiben,  sei  „jure  gentium"  einem  jeden  er- 
laubt ;  er  (der  Kurfürst  von  Brandenburg)  könne  in  seinem 
Magdeburger  Territorio  solche  Anstalten  treffen,  wodurch 
die  Salus  et  utilitas  publica  im  Handel  und  Wandel  be- 
fördert werde. 

,, Sollten  aber",  so  heisst  es  dann  iu  dem  interessanten  Schrift- 
stücke wörtlich,  „Ew.  Lbd.  etwa  auf  das  kayserl.  Privilegium  ihrer 
Stadt  Leipzig  das  Ansehen  haben,  darinnen  deroselben  drey  Jahr- 
märkte, Stapel  und  Niederlage  confirmiret  wurden,  so  ist  wohl  nichts 
weniger  als  dieses  anhero  applicabel.  Denn  wir  begehren  nichts  von 
denen  drey  Jahrmärk;eu,  Messen  und  Niederlagen,  worauf  bemelte 
Stadt  Leipzig  innerhalb  15  Meilen  das  jus  prohibendi  prätendiret; 
wir  intendiren  auch  nicht,  diejenigen,  welche  die  obberührten  drey 
Jahrmärkte  oder  Niederlagen  besuchen  wollen,  mit  ihrer  Haab  und 
Gütern  in  Zu-  und  Abziehen  aufzuhalten,  zu  verhindern,  zu  beschä- 
digen oder  ihnen  die  Strassen  zu  sperren,  noch  sonst  etwas  einzu- 
führen, so  den  vorgemelten  Jahrmärkten  und  Niederlagen  zu  Abbruch 
und  Schmälerung  gereichen  möchte.     Dass  wir   aber  den  Saalstrohm 


48  il ermann  Heller: 

in  Unserem  Ilerzogtlium  Magdeburg  ad  navigandnm  darum  nicht 
sollten  instruiren  können,  weil  Leipzig  drey  Messen  oder  Nieder- 
lagen des  Jahres  hat,  solches  ist  dermassen  unerlindlich,  dass  wir 
nimmermehr  glauben  können,  dass  Ew.  Lbd.  ihm  iemals  dergl.  irriges 
Principium  werden  beibringen  lassen." 

Zwar  klagte  Leipzig'  am  15.  September  1697  seinem 
Kiiriürsten  abermals:  Wenn  die  SaaleschifFahrt  vollständig 
eingerichtet  sei,  werde  Magdeburg  den  gesamten  Ge- 
treideliandcl  Inner-Deiitschlands  auf  sich  lenken  und  mit 
Halle  den  Hauptv(;rkchr  der  sächsisch-thüringischen  Länder 
nach  Hambury;  vermitteln.  Allein  es  erreichte  damit 
ebenso  wenig  wie  seiner  Zeit  mit  seinen  Klagen  gegen 
den  brandenburnischen  Durchstich  zwischen  Oder  und 
Spree  und  die  Eröffnung  der  Schiffahrt  aus  der  mittleren 
Oder  in  die  Spree,  Havel  und  untere  Elbe:  die  Saale- 
schifFahrt begann  sich  Icräftig  zu  entwickeln.  1699  raussten 
es  die  Leipziger  ruhig  geschehen  lassen*'),  dass  die  Ham- 
burger und  Magdeburger  Thran,  Honig  und  viele  andere 
Güter  die  Elbe  und  Saale  herauf  nach  Halle  und  von  dort 
weiter  zu  ^Vasser  auf  die  Petri-Pauli-Messe  zu  Naiuiiburg 
brachten. 

So  erlangten  neben  den  alten  Landhandelsstrassen, 
die  ihren  Hauptstapel  in  Leipzig  hatten,  in  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  auch  die  ncugebalmten  Wasser- 
wege ihre  kommerzielle  Bedeutung  und  sicherten  Berlin 
und  Halle,  vor  allen  Dingen  aber  Magdeburg,  das,  schon 
lange  bedeutend  durch  seinen  Getreide-  und  Holzhandel, 
jetzt  auch  im  Handel  mit  Kolonialwaren  sich  hervorthat, 
eine  hervorragende  Stelkmg  im  Handel  Liner- Deutschlands 
neben  Leipzig.  — 

Wenn  wir  alle  diese  Handelswege  Inner-Deutschlands, 
welche  im  Laufe  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  zur  Geltung 
kamen,  in  ihrer  Gosamthoit  unter  einander  vergleichen, 
so  haben  wir  einen  wesentlichen  Unterschied  zu  machen 
zwischen  den  Verkelirswegen ,  welche  über  das  unebene 
Hochland  führten,  und  denjenigen,  welche  im  flachen 
Tieflande  hinzogen.  In  den  bergigen  Landschaften 
des  innern  Deutschlands,  wo  das  Fortkommen  oft 
nur  mittelst  gewisser  einzelner  Passagen  möglich  war, 
führten  die  Wege  häufig  nur  innerhalb  schmaler  Grenzen 
hin,  so  dass  ein  Abweichen  von  denselben  nach  links 
und    rechts    nur    selten  vorkommen    konnte.     Daher    die 


')  XLV.  A.  le,  fol.  242—255. 


Die  Hanclelswege  Inner-Deutschlands  im  16.— 18.  Jahrh.  etc.      49 

vereinzelten  Abweichungen  von  den  Leipziger  Stapelstrassen 
von  Frankfurt  a,  M.,  Nürnberg  und  Prag,  soweit  sich 
dieselben  nicht  in  der  Ebene  hinzogen,  im  Laufe  des 
17.  Jahrhunderts!  —  In  den  flachen  Niederungen  des 
nördlichen  Inner-Deutschlands  dagegen  fanden  solclie  Be- 
schränkungen des  Verkehrs  nicht  statt,  wenn  man  nicht 
etwa  Bruch-  und  Sumpfötriche  in  Betracht  zieht,  denen 
auf  Umwegen  leicht  auszuweichen  war.  Daher  die  grosse 
Mannigfaltigkeit  der  Handelslinien  im  norddeutschen  Tief- 
lande schon  während  des  17.  Jahrhunderts! 

Indem  das  Tiefland  Inner-Deutschlands  im  Gegensatz 
zu  seinen  Gebirgsgegenden  durch  geringere  Individuali- 
sierung des  Bodens  ausgezeichnet  ist  und  deshalb  für  die 
Wahl  der  Verkehrswege  von  jeher  eine  grössere  Freiheit 
gestattete,  so  wird  die  Untersuchung,  die  Richtung  der 
Handelsbahuen  in  ihren  Uranfängen  auf  einfache  Grund- 
ursachen zurückzuführen,  etwas  erschwert.  Es  scheint 
sogar  zuweilen,  als  ob  bei  ihrer  Anlage  Willkür  und 
Laune  obgewaltet  hätten.  Dieser  Schein  schwindet  indess, 
wenn  man  sie  einer  wiederholten  vergleichenden  Betrach- 
tung unterzieht.  Als  natürliche  Verkehrsbahnen  des  Tief- 
landes kommen  in  erster  Linie  die  Flüsse  in  Frage,  die 
gemäss  der  BeschaflPenheit  ihrer  Uferstriche  zugleich  An- 
siedlungen  zu  Handels-  und  Verkehrszwecken  begünstigten. 
Das  Bedürfnis  wechselseitiger  Abhängigkeit  jeuer  Plätze 
bei  steigender  Wichtigkeit,  das  Bedürfnis  von  Stapelplätzen 
im  Innern  des  Landes  veranlasste  dann  die  Anlage  von 
Strassen  sowohl  in  der  Richtung  nach  diesen  wie  zwischen 
ihnen  selbst. 

Wenn  diese  alten  Landstrassen  der  Ebene  zu- 
weilen in  weiten  Bögen  und  Krümmungen  von  der  geraden 
Linie  abweichen,  olnie  dass  Berge,  Gewässer  oder  sonstige 
Hindernisse  sichtbar  werden,  die  solches  als  nothwendig 
erscheinen  lassen,  so  kann  man  hierin  nicht  eine  wunder- 
liche Laune  der  früheren  Bewohner,  welche  die  Strassen 
ursprünglich  anlegten,  erblicken.  Vielmehr  ergibt  sich 
bei  genauerer  Untersuchung  dieser  eigenartigen  Erschei- 
nung, dass  an  Stellen,  au  denen  vielleicht  gegenwärtig 
innerhalb  der  Bögen  ■  und  Krümmungen  zur  Seite  der 
alten  Handelsstrassen  fruchtbarer  Ackerboden  sich  aus- 
dehnt, einst  undurchdringliches  Sumpf-  und  Bruchland  zu 
finden  war  oder  selbst  grössere  oder  kleinere  Gewässer 
standen,  deren  altes  Bett  jetzt  kaum  noch  durch  wahr- 
nehmbare Vertiefungen  angedeutet  wird.    Am  deutlichsten 

üeues  Axciliv  1.  S.  U.  u.  A.     V.  1.  2.  * 


50  TTormiiiiii  Heller: 

zeio"t  sich  das  in  Ost-  und  AVostliavellaiul  und  in  Zauclio- 
Belzig  in  der  Mark  P)randenl)iirg-.  —  In  den  älteren  ge- 
schichtlichen Zeiten  bildeten  die  alten,  von  O.  nach  W. 
gerichteten  Flusslänfe  mit  ihren  Versumpfungen,  Lachen 
und  Seen  ein  wesentliches  Hindernis  für  den  Verkehr; 
nur  wenige  Übergänge  hatten  dieselben  aufzuweisen. 
Jetzt  sind  sie  meist  durch  Kanalisierung  und  Trocken- 
legung für  den  Anbau  gewonnen  worden.  Gleichwohl 
lassen  sich  die  alten  Ül)ergangspunkte  thirch  die  an  ge- 
eigneten vStellen  angelegten  Städte  mit  ilircn  Brücken, 
Dämmen,  Befestigungswerken  auch  heute  noch  recht  deut- 
lich erkennen. 


iir. 

Das  18.  Jahrhundert. 

Die  Abhäni;io;keit  von  holländischem  (xelde,  englischer 
Gewerbekraft  und  iVan/ösischer  Modeherrschaft,  in  die 
ganz  Deutschland  mit  dem  Anfange  des  17.  Jahrliunderts, 
vor  allen  Dingen  aber  durch  den  .^iOjnhrigen  Krieg  ge- 
rathen  war,  machte  sich  auch  im  18.  Jahrhundert  noch 
bemerkbar.  Hamburg  und  Bremen  verharrten  zunächst 
noch  im  Anschhisse  an  die  beiden  herrschenden  Handels- 
mächte Holland  und  England.  Zugleich  entspann  sich 
jedoch  mit  dem  Beginne  des  18.  Jahrhunderts  ein  un- 
mittelbarer, reger  Verkehr  Hamburgs  mit  Frankreich, 
das  seinen  Kolonien  eine  freiere  Bewegung  gewährt  und 
dadtn'ch  das  Wachsthum  imd  die  Produktionskraft  der- 
selben ausnehmend  erAvcitert  hatte.  Hamburger  Schiile 
l)esuchten  in  grosser  Anzahl  Bordeaux  und  andere  fran- 
zösische Häfen  mid  holten  dort  ausser  französischen  Weinen, 
deren  Genuss  in  Norddeutsch laud  jetzt  innner  allgemeiner 
wurde  und  den  Khcinwein  v>  rdrängte,  Zucker,  Kaffee, 
Indigo  imd  andere  Kolonialwaren ,  f(;rner  Fabrikate, 
namentlich  Luxus  -  und  Galanteriewaren.  Daneben  hob 
sich  Hamburgs  Industrie,  und  da  diese  Stadt  die  Erzeug- 
uisse  derselben  billiger  zu  iiefei*n  vermochte  als  das  mit 
Abgaben  belastete  Holland,  so  konnte  Hamburg  bald  in 
Portugal  und  Spanien,  in  Frankreich  und  selbst  auf  dem 
altbestrittenen  Felde  des  Nordostens  mit  jenem  konkurrieren. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlaiuls  im  16.— 18.  Jahrb.  etc.      51 

Dieser  Bezug  der  Kolonialwaren  auf  geradem  Wege 
und  auf  eigene  Rechnung,  der  in  innigster  Verbindung 
stand  mit  dem  unmittelbaren  Absätze  deutscher  Gewerbs- 
erzeugnisse, hatte  natürlich  wieder  eine  ausserordentliclie 
Rückwirkung  auf  den  Handel  Hamburgs  und  theilweise 
auch  Bremens  und  ihre  Wege  ins  Innere  des  deutschen 
Reiches  zur  Folge:  der  holländische  Kolonialhandel  wurde 
immer  mehr  von  O.  nach  W.  zurückgedrängt.  Dafür 
bewegten  sich  jetzt  die  Warenströme  von  Hamburg  und 
Bremen  aus  strahlenförmig  in  südlicher,  südöstlicher  und 
südwestlicher  Richtung  nach  Deutschland  herein. 
Bremen  liandelte  über  Verden  und  Celle,  Minden  und 
Münden  im  Wesergebiet  bis  nach  Obersaclisen  und  ins 
rheinische  Oberdeutschland  herauf,  ferner  durch  Westfalen 
bis  in  die  seither  ganz  an  Holland  gebundenen  nieder- 
rlieinischen  Gegenden.  Hamburg  hingegen  versandte 
seine  Waren  entweder  über  Lüneburg  nnd  Brauuschweig 
oder  (an  der  Elbe  und  Saale  herauf)  über  Magdeburg 
und  Halle,  Leipzig  und  Dresden,  durch  das  aufblühende 
sächsische  Industriegebiet  hindurch,  bis  Böhmen,  Franken, 
Bayern,  Schwaben,  ja  bis  in  die  Schweiz  hinein,  oder 
vertrieb  sie  mittelst  der  Havel  und  Spree,  durch  die 
mecklenburgischen  Lande  und  brandenburgischen  Marken 
hindurch  nach   Pommern,  Schlesien  und  Polen. 

Dazu  trat  im  18.  Jahrhundert  auch  das  Mittelmeer 
durch  das  mächtig  emporstrebende  Tri  est  wieder  in  engere 
Verbindung  mit  dem  inneren  und  nördlichen  Deutschland. 
So  entstanden  jetzt  direkte  Handelswege  zwischen  den 
deutschen  Nordseestädten  und  diesem  Hafenplatze  des 
deutschen  Südens.  —  Diese  führten  ebenso  wie  der 
Haupt  Warenstrom  Hamburgs  über  die  wichtigste  Handels- 
stadt des  inneren  Deutschlands,  über  Leipzig,  das,  vor 
allen  deutschen  Handelsplätzen  ausgezeichnet  durch  die 
kaufmännische  Gewandtheit  und  Thätigke:t,  durch  die 
Feinheit  der  Sitte  und  des  Geistes  seiner  Bewohner,  jetzt 
erst  recht  ein  Sammelplatz  für  die  Arbeiten  und  Erzeug- 
nisse der  Hände  und  des  Geistes  wurde.  Mit  dem  An- 
fange des  18.  Jahrhunderts  erwählte  der  deutsche  Buch- 
handel immer  mehr  das  günstig  gelegene  Leipzig,  dessen 
Messen  jetzt  A^^eltruf  erlangten,  zu  seinem  Hauptsitze, 
während  in  Meissen  eine  Porzellanfabrik  erstand,  in  Chem- 
nitz die  Baumwollenweberei  in  Flor  kam  und  die  ge- 
samte sächsische  Industrie  im  Laufe  des  18.  Jahr- 
hunderts  einen  Aufschwung    nahm,    wie    er   andei'swo    in 


52  Hermann  Heller: 

Deutschland,  Berlin  etwa  ausgenommen,  nirgends  erreicht 

wurde. 

Diese  Umstände  machen  es  begreiflich,  warum  auch 
im  18.  Jahrhundert  die  Haupthandidsstrassen  Inner-Deutsch- 
lands  durch  Kursachsen  führen  und  in  dessen  Handels- 
metropole Leipzig  ihren  wichtigsten  Kreuzungspunkt  finden 
mussten.  Diese  Stadt  beherrschte  fortgesetzt  die  Haupt- 
handelswege nach  Hamburg,  Frankfurt  a.  M.  und 
Nürnberg  nicht  nur,  sondern  suchte  auch  die  wichtigen 
Zweigbahnen,  welche  den  Hamburger  Verkehr  im 
Spree-  und  Oderthal  und  den  Bremenschen  Handel  im 
"\A''esergebiet  mit  dem  Hauptwarenzuge  im  Eibgebiet 
verknüpften,  in  seinen  Stapel  zu  ziehen  und  das  gewerb- 
fleissige  Schlesien  im  SO.,  das  produktenreiche  Böhmen 
im  S.  und  das  rührige  Thüringen  im  SAV.  dauernd  an 
seinen  Markt  zu  ketten. 

Aus  diesem  Grunde  wurden  zunächst  170'2  — 1705  auf 
Veranlassung  Leipzigs  zwischen  dem  Dresdener  und  A\'iener 
Hofe  Berathungen  „bez  ilg  li  ch  Wied  erhers tellung  der 
liohen  Strasse  aus  Polen  und  Schlesien  durch  die 
Oberlausitz  nach  Leipzig  etc."  gepflogen"),  wobei 
man  sein  Augenmerk  namentlich  auf  Beseitigung  der 
Abwege  durch  die  INIark  Brandenburg  richtete.  Man 
scheute  sich  jedoch,  Verfügungen  zu  treffen,  die  Preuasen, 
das  „den  neuen  Graben"  geschaff'en  hatte,  um  den  polnisch- 
schlesischen  Warenstrom  über  Berlin  nach  Hambui-g  zu 
leiten,  verletzen  konnten,  weil  dieser  Staat  ein  zu  mäch- 
tiger Nachbar  war.  Deshalb  verbot  man  in  dem  Strassen- 
mandat  vom  2.  Januar  1706,  in  dem  die  hohe  Strasse 
von  Breslau  über  Görlitz  und  Grosseuhain  nach  Leipzig 
von  neuem  fixiert  wurde,  nur  die  Bei-  und  Nebenwege 
in  der  Niederlausitz.  Es  gingen  daher,  wie  in  den  beiden 
letzten  Dezennien  des  17.  Jahrhunderts,  auch  in  der 
ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  viele  Waren  aus  Polen 
und  Schlesien  über  Frankfurt  a.  O.  und  Berlin 
oder  über  Magdeburg  nach  Hamburg  und  wieder 
zurück.  In  einer  Denkschrift  des  Geleitsmannes  Haus- 
mann vom  12.  Dezember  1710:  „Über  die  Ursachen  des 
Rückganges  des  Leipziger  Handels **''),'•  wurde  hervorge- 
hoben, dass  die  meisten  Güter  aus  Polen  und  Schlesien, 
ja  selbst  aus  Österreich  und  Böhmen^  besonders  Garne, 
Leinwand  und  Schleier,  Röthe,  Wolle,  Wachs  und  Häute, 

")  XLV.  A.  17.      »»)  XLV.  G.  6c,  fol.   28.J. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  16.— 18.  Jahrh.  etc.     53 

österreicliisclie  und  ungarische  Weine  etc.,  zu  Lande  bis 
Breslau  und  dann  zu  Wasser  bis  Hamburg  gebraclit 
würden,  während  man  Fastenspeisen,  Ol,  Zucker,  Ge- 
würze, Spezcreien,  Tabalce,  süsse  Weine,  Farbehölzer  etc. 
auf  demselbi-n  Wege  von  unten  herauf  transportierte.  — 
Wenn  hierauf  König  August  II.  (der  Starke)  den  Ober- 
geleitskomraissar  Lucius  im  Interesse  Leipzigs  1711  dahin 
anwies*^),  dass  die  Durchgangsaccise  auf  Wein,  Ol;  Fisch- 
waaren  etc.  herabzusetzen  sei,  dass  Güter,  die  Leipzig 
nur  passierten,  um  auf  diesem  Wege  nach  Hamburg  zu 
gelangen,  dort  nicht  erst  niedergelegt  werden  sollten,  so 
vermochte  er  zwar  dadurch  den  Verkehr  der  Sachsen 
näher  wohnenden  Hirschberger,  Schmiedeberger  etc.  für 
einige  Zeit  wieder  auf  Leipzig  zu  lenken;  das  entfernter 
liegende  industriereiche  Oberschlesien  aber  handelte  nach 
wie  vor  über  Frankfurt  und  Berlin  nach  den  Seestädten. 
Andere  Schlesier  führten  ihre  ^^'aren  auf  der  Nieder- 
strasse durch  die  Niederlausitz  über  Muskau,  Spremberg, 
Grossräschen ,  Hohenbuckow,  Dahme,  Jüterbogk  und 
Niemegk  nach  Magdeburg.  1703  passierten  allein  im  Monat 
Juni  32  Wagen  mit  210  Pferden  den  Ort  Dahme  «^). 

Nach  einem  Bericht  aus  Bautzen  vom  25.  Juli  1723^**) 
suchten  die  schlesischen  Fuhrleute  entweder  von  Breslau 
über  Freistadt,  Crossen,  Frankfurt  a.  O.,  Berlin,  Fehr- 
bellin,  Neustadt  a.  d.  Dosse,  Wittenberge,  Lenzen,  Neu- 
haus und  Bergedorf  oder  von  Hirschberg  über  Bunzlau, 
Muskau,  Spremberg,  Finsterwalde,  Dobrilugk,  Jüterbogk, 
Treuenbrietzen,  Magdeburg,  Gardelegen,  Ülzen,  Lüneburg 
und  Winsen  nach  Hamburg  zu  gelangen. 

Als  hierauf  der  Kurfürst  von  Sachsen  (Dresden  am 
20.  August  1727)  Leipzig  aufforderte*'),  Mittel  und  Wege 
anzugeben,  „wie  man  den  schädlichen  brandenburgischen 
Graben  vor  Preussen  und  dem  Kaiser  beseitigen  könne," 
erklärte  selbst  diese  über  ihre  Handelsprivilegien  sonst  so 
eifersüchtig  wachende  Stadt  (am  20.  September  1727): 
der  neue  Graben  sei  nun  einmal  im  Schwange  und  könne 
darum  nicht  wieder  beseitigt  werden;  Leipzig  vermöge 
in  dieser  Angelegenheit  um  so  weniger  etwas  gegen 
Preussen  oder  gar  gegen  den  Kaiser  zu  unternehmen,  als 
durch  jenes  Werk  sein  Stapeldistrikt  nicht  verletzt  werde. 
—  Preussen  bemerkte  hierzu  ^*),    es    begreife    nicht,    Avie 


8 


")  XLY.  A.  16b.     »5)  XLV.  G.  6c,  fol.  12.      '•)  XLV.  A.  20,  fol.  75. 
")  XLV.  C.  1.     ")  XLV.  C.  i. 


54  Hermauii  Heller: 

Sachsen  noch  eui  Gravanien  gegen  den  neuen  Graben 
vorbringen  könne,  nachdem  derselbe  bereits>  60 — 70  Jahre 
in  Gebrauch  gewesen  sei. 

Nachdom  Schlesien  in  den  Besitz  Preussens  überge- 
gangen war,  verordnete  Friedrich  II.  geradezu  (Glogau,  am 
23.  Februar  1747)^®),  dass  die  schlesischen  Waren,  besonders 
Leinwand,  in  Zukunft  nicht  zu  Lande,  sondern  zu  Wasser 
auf  der  Oder  (von  Parchwitz  an),  dem  Friedricli-Wilhelms- 
kanal,  der  Spree,  Havel  und  unteren  Elbe  spediert  werden 
sollten. 

Als  sich  Leipzig  1752  bei  Hamburg  l)ekhigte,  weil 
dasselbe  die  schlesischen  Garne  etc.  niclit  auf  der  ordent- 
liclien  Landstrasse  über  Leipzig  bezogt*'),  entgegnete  diese 
Stadt,  sie  habe  mit  der  Direktion  der  schlesischen  Garn- 
sendung nichts  zu  tliun,  da  die  schlesischen  Waren  franco 
bis  Hamburg  oder  wenigstens  bis  Lüneburg  gebracht 
würden. 

Da  die  Gegend  am  Elbübergange  von  Merschwitz 
1  läufig  versumpfte  und  in  Grossenhain  ein  ausserordent- 
lich hoher  Zoll  zu  entrichten  war,  wichen  sogar  Fuhr- 
leute, welche  aus  Schlesien  schon  bis  in  die  Oberlausitz 
hereingekommen  waren,  nach  rechts  ab"')  und  suchten 
von  Kamenz  aus  auf  der  sog.  Ort  rander  Nieder- 
strasse,  die  während  der  „Contagion"  gestattet  war, 
über  Ortrand,  Strehla  und  Würzen  oder  über  Mühlberg 
und  Eilenburg  nach  Leipzig  zu  gelungen.  Die  kur- 
sächsische Regierung  verbot  die  Benutzung  dieser  Strasse 
und  Hess  die  Zuwiderhandelnden,  auch  wenn  sie  Grossen- 
hain von  Görlitz  aus  über  Hoyerswerda,  Senftenberg  und 
WahrenbrtU'k  in  weiterem  Bogen  umfuhren,  wiederholt 
bestrafen.  In  dem  Strassenmandat  vom  30.  Dezember 
1712  machte  sie  nur  das  eine  Zugeständnis,  dass  sie 
^'^'urzen,  wo  sich  nacli  Trockenlegung  der  sumpfigen 
Niederungen  endlich  günstigere  Muldenübergänge  gebildet 
hatten,  offiziell  in  die  Reiseroute  aufnahm  und  dadurch 
die  bisher  in  grossem  Bogen  über  Eilenburg  oder  Grimnuv 
führende  hohe  Strasse  aus  Polen  und  Schlesien  nach 
Leipzig  um  ein   Wesentliches  \  erkürzte. 

Durch  diese  unnachsichtliche  Strenge  wurde  aber  die 
Sache  nur  verscliliinmert.  Denn  jetzt  berührten  die  Schlesier 
und  Böhmen  theilweise  Leipzig  gar  nicht,  sondern  fuhren 
(1714 1  von  der  hohen  Strasse  entweder  über  Bautzen  und 


»)  XLV.  G.  6e,  toi.  38.     '")  XLV.  A.  27.     »'j  XLV.  A.  16b. 


Die  Ihuulclswege  Inner-Deutschlaiuls  iin  10. — 18.  Jahrb.  etc.       55 

Hoyerswerda  oder  Über  Kameuz  und  Senftenberg  nacli 
der  Niederstrasse,  welche,  von  Muskau  und  Sprerabeig' 
herkommend,  über  Finsterwahle ,  Sonneuwalde,  Dahmc 
und  Jüterbogk  nach  Magdeburg  und  Hamburg  fülirte. 
Die  Oberhiusitzer  protegierten  diese  Abweichung  von  der 
ordentlichen  Zollstrasse,  indem  sie,  einem  Berichte  des 
Bautzener  Zollamtes  vom  16.  September  1722  zufolge, 
erklärten,  mau  dürfe  für  die  Seestädte  bestimmtes,  nur 
durchgehendes  Gut  weder  auf  die  hohe  Strasse  über 
örosseuhain  noch  auf  die  Niederstrasse  über  Muskau  und 
Spremberg  zwingen  wollen,  sondern  müsse  demselben 
auch  den  ^Veg  von  Lauban  und  Görlitz  über  Budissin, 
Kamenz,  Scnftenberg,  Finsterwalde,  Sonnenwalde,  Dahme, 
Jüterbogk  etc.  gestatten;  denn  gerade  diese  Strasse  setze 
sich  in  der  brandenburgischen  Route  fort,  auf  der  sich 
die  berlinisch-böhmische  Handlung  in  der  Richtung  auf 
Dresden  und  Zittau  bewege,  und  habe  darum  schon  jetzt 
eine  hohe  Bedeutung '**). 

Auf  Leipzigs  Drängen  erliess  zwar  der  Kurfürst  hierauf 
(am  24.  Dezember  1722)  ein  neues  Strassenmandat*'),  dem- 
zufolge die  schlesisch-polnischen  Fuhrleute ,  gleichviel  ob 
sie  ihre  ^A'aren  auf  die  Leipziger  und  Nauraburger 
Messen  oder  nach  Hamburg  und  in  die  Seestädte  brachten, 
.,wenn  sie  den  Queis  einmal  passiert  liatten," 
die  hohe  Strasse  über  Görlitz,  Grosseuhain  und  Leipzig 
benutzen  sollten,  diejenigen  aber,  „welche  den  Queis 
nicht  berührten,"  sondern  gleich  anfänglich  auf  der 
Niederstrasse  von  Priebus,  Muskau  und  Spremberg  nach 
Sachsen  herein  kamen,  entweder  auf  der  Niederstrasse 
über  Spremberg,  Fiusterwalde,  Dobrilugk,  Torgau  und 
Eilenburg  oder  auf  der  hohen  Strasse  übei'  Grossenhain, 
Oschatz  etc.,  in  keinem  Falle  aber  auf  dem  Schleifwege 
über    Senftenberg,    Finsterwalde,    Dahme,    Niemegk   etc. 

•*)  „Da  nach  Hamburg  destinirte  Güter,  so  den  Queis  nicht 
berühren,-'  führten  die  Öberlausitzer  aus,  „gleich  über  Sagau  ins 
Brandenburgische  gehen,  also  weder  Budissin,  Kainenz,  Hoyerswerda 
und  Senfteuberg,  noch  Muskau  und  Spremberg  berühren,  so  würde 
man  den  Gütern,  so  den  Queis  berühren,  verhältnissmässig  zu 
viel  Lasten  aufbürden,  wenn  man  den  Strassenzwang  auf  sie  an- 
wenden wollte.  Wenn  man  diesen  nicht  wenigstens  den  Weg  über 
Bautzen  und  Kamenz,  Hoyerswerda  und  Senftenberg  nach  der  Nieder- 
strasse freigebe,  so  könnten  dieselben  leicht  zu  Wasser  über  Frank- 
furt a.  0.  und  Berlin  oder  auch  auf  weiter  östlich  gelegenen  Land- 
strassen nach  Hamburij;  transportiert  werden,  so  dass  sie  Kursachsen 
gar  nicht  mehr  berührt^en."    XLV,  A.  17  und  XLV.  A,  20,  fol.  1 10—121. 

'^)  XLV.  A.  17. 


56  Hermann  Heller: 

fahren  dürften.  Allein  schon  im  nächsten  Jahre  (1723) 
klagten  die  Löhauer  und  Bautzener  wieder:  ^^'enn  man 
die  Strasse  von  Hoyerswerda  und  Senftenberg,  die  nicht 
nur  billiger,  sondern  aucli  bedeutend  kürzer  sei ,  als  die 
hohe  Strasse  über  Grossenhain,  Oschatz  und  Würzen  nach 
Leipzig,  nicht  concediere,  so  werde  der  Verkehr  der  Ober- 
lausitz mit  Hamburg  erlahmen  und  ganz  in  die  Hände 
der  böhmischen  und  schlesischen  Kaufleute  übergehen, 
die  die  Hamburger  Waren  auf  der  kürzeren  Nieder- 
strasse über  Harburg,  Winsen,  Lünebui'g,  Ülzen,  Gifiioru, 
Gardelegen,  Eogätz  (Eibübergang),  Burg,  Niemegk,  Dahme, 
Grossräschen,  Spremberg,  Sagan,  Klitschdorf  am  Queis 
billiger  ins  Land  bringen  könnten.  —  Da  der  Kurfürst, 
seinem  eignen  Geständnis  zufolge  (vom  31.  Juli  1723)^*), 
den  Strassenzwang  extra  territorinm  nicht  durchführen 
konnte,  so  musste  er  schliesslich  auch  über  Karaenz  und 
Senftenberg,  Bautzen  und  Hoyerswerda  böhmische  Glas- 
waren, schlesische  und  Lausitzer  Leinwand  ^^)  nach 
Lüneburg  und  Hamburg,  süsse  Weine,  Fleischgut  und 
andere  Waren  aber  auf  demselben  Wege  nach  Schlesien, 
Böhmen  und  Dresden  gehen  lassen.  Ja  er  musste  sogar 
geschehen  lassen,  dass  in  der  Folge  noch  ein  dritter  Ab- 
weg in  der  Oberlausitz  entstand"^),  der  von  Görlitz  aus 
im  Neissethalc  über  Rothenburg  nach  Muskau 
führte  und  sich  dann  ebenfalls  auf  der  Niederstrasse  über 
Spremberg,  Raschen,  Finsterwalde,  Dahme,  Jüterbogk  und 
Niemegk  direkt  nach  Hamburg  fortsetzte. 

Als  die  sächsische  Regierung  1752  auf  Anregung- 
Leipzigs  nochmals  versuchte,  diese  „Schleifwege"  in  der 
Ober-  und  Niederlausitz  abzustellen,  machte  der  Görlitzer 
Stadtrath  unterm  27  März  1753  geltend  *') :  seit  der 
Annektierung  Schlesiens  durch  Friedrich  H.  sei  die  hohe 
Strasse  ins  Hintertreffen  gekommen,  habe  sich  das  Fuhr- 
werk auf  derselben  um  ein  Drittel  vermindert,  da  die 
preussische  Regierung  die  schlesischen  Kaufleute  entweder 
zur  Schiffahrt  auf  der  Oder  anhalte  oder,  wenn  diese 
wegen  des  Eises  oder  des  zu  niediigen  Wasserstandes 
nicht  ermöglicht  wäre,  zur  Benutzung  der  Strasse  über 
Crossen  durch  die  Mittelmark  und  das  Mecklenburgische 
aufmuntere,  alte  Strassenakten  und  Kompaktaten  aber 
durchaus  nicht  agnoszieren  wolle.  Durch  Zwangsmass- 
regeln könne  man  die  sclilesisclicn  Fuhrleute  nicht  auf  der 


••)  XLV.  A.  17.     '»)XLV.  A.  20.      »•)  XLV.  A.  16b.     »')  Ebenda. 


Die  Handelswege  Iiiner-Deiitschlands  im  1 6. — 1 8.  Jahrli.  etc.      57 

liohen  Strasse  erhalten,  da  dieselben  oft  schon  in  Sclilesien 
selbst  von  ihr  abwichen.  Man  müsse  vielmehr  zunächst 
eine  Verständigung  mit  dem  preussischen  Hofe  herbei- 
zuführen suchen.  Hätten  es  d(^ch  die  schlesischen  Kauf- 
leute ihren  Fuhrleuten  geradezu  verboten,  Sachsen  zu 
passieren,  wenn  sie  dort  angehalten  werden  und  besondere 
Abgaben  in  den  Zollstätten  entrichten  sollten  I  Daher 
komme  es,  dass  diese  bei  etwaigen  Zurechtweisimgen  sich 
oft  renitent  zeigten  und  mit  der  Drohung,  die  Lausitz 
nie  wieder  berühren,  sondern  durch  Brandenburg  und 
Lüneburg  nach  Hamburg  fahren  zu  wollen,  davonjagten. 
—  Trotz  alledem  gehe  aber  immer  noch  das  meiste 
schlesische  Gut  durch  die  Oberlausitz  und  die  sächsischen 
Lande  nach  Leipzig.  Die  schlesischen  Handelsleute  hätten 
sogar  Vorstellungen  gegen  die  Oderpassage  und  den  Weg 
über  Crossen  und  durch  die  Mittelmark  erhoben,  weil  der 
Oderstrom  in  seinem  mittleren  Laufe  wegen  des  wechsel- 
vollen Wasserstandes  nicht  zu  allen  Jahreszeiten  schiffbar 
sei  und  man  darum  nicht  immer  wissen  könne,  ob  die  ihm 
anvertrauten  Waren  auch  zu  rechter  Zeit  an  Ort  und 
Stelle  gelangten,  die  Strasse  über  Crossen  und  durch  die 
Mittehiiark  aber  durch  ausserordentlich  sandige  Gegenden 
führe,  die  das  Fortkommen  sehr  erschwerten. 

1733  erliess  der  Kurfürst  von  Sachsen  auch  ein  Mandat 
zum  Schutze  der  alten  Messstrass  e  ®*)j  welche  von 
Leipzig  über  Eilenburg,  Torgau,  Herzberg,  Schlieben, 
Luckau,  Lübben,  Beeskow  und  Müllrose  nach  Frank- 
furt a.  O.  führte  und  die  sich  namentlich  seit  1680 
(„seit  der  Contagion")  besonders  belebt  hatte.  Er  wollte 
dadurch  dem  Abweichen  W^ittenbergischer  Fuhrleute  von 
Leipzig  über  Wittenberg,  Treuenbrietzen ,  Beelitz  und 
Köpenik  nach  Frankfurt  a.  O.  ein  Ziel  setzen.  Da- 
gegen erhob  jedoch  Preussen,  das  sich  durch  jenes  kur- 
fürstlich-sächsische Strassenmandat  in  seinen  Zolleinnahmen 
geschädigt  sah,  erfolgreichen  Einspruch  (1735).  So  bestand 
neben  der  Route  durch  die  Niederlausitz  auch  der  7  Meilen 
weitere  Weg  durch  die  Mark  als  Handelsstrasse  zwischen 
Frankfurt  a.  O.  und  Leipzig  fort.  —  Weiter  im  S.  aber 
verkehrten  Lissa,  Fraustadt, Glogau  und  Grünberg,  Züllichau, 
Schwiebus  und  Crossen  über  Sorau  und  Spremberg 
oder  Guben  und  Cottbus,  Finsterwalde,  Dobrilugk, 
Torgau  und  Eilenburg  mit  Leipzig*^). 


•»)  XLV.  C.  11.      •»)  XLY.  A.  19. 


5S  Uuniiaiiii  Heller: 

1703  berichtete  man  aus  Leipzig,  dass  sogar  zwei  Fuhr- 
leute aus  der  Gegend  zwischen  Freiberg  und  Oschatz 
Leipzig  umfahren  und  Butter,  Grütze,  Käse  und  Blecli 
über  Oschatz,  AA'urzen,  iMlenburg,  Delitzsch  etc.  nach 
Magdeburg  gebracht  hätten'"").  Dieses  ^Vegcs  bedienten 
sich  (nach  einem  Zeugnis  aus  dem  Jahre  1~05)  auch 
oft  Fuhrleute  aus  Leisnig,  Döbeln,  Rosswein,  ^littweida, 
Chenniitz,  AValdheini.  wenn  sie  nicht  vorzogen,  über 
Strehla  und  Jüterbogk  nach  !Niedersachsen  zu  gelangen. 
Als  Leipzig  diesen  direkten  AVeg  aus  IS^iedersachsen  und 
dem  Auhaltisclien,  auf  dem  namentlich  Wolle  nach  S. 
zu  transportiert  wurde,  bei  Delitzsch  sperren  wollte,  be- 
schwerten sich  die  Tuchmacher  aus  Rosswein,  Döbeln, 
Freiberg,  Leisnig,  Waldheim  und  Mittweida  darüber  beim 
Kurfürsten  von  Sachsen.  Dieser  verwies  sie  jedoch  auf 
die  ordentliche  Landstrasse,  welche  aus  Lübeck  durchs 
Mecklenburgische  und  die  Altmark  über  Ciross-Zerljst, 
Dessau  tmd  Delitzsch  nach  Leipzig  führt'.  Dessenunge- 
achtet bestand  der  Weg  aus  Niedersachsen  durch 
die  Amter  Delitzcsh,  Eilen  bürg  und  Leisnig  — 
der  alte  Salzweg  —  nach  Stollberg  fort.  Denn  10 
Jahre  später  (1715)  berichtete  das  Leipziger  Geleits- 
amt*"'), dass  brandenburgische  Wollwagen,  von  Dahme 
kommend,  bei  Strehla  über  die  Elbe  gegangen  und  dann 
über  Oschatz  nach  Döbeln,  Leisnig,  Rosswein,  Wald- 
heim etc.  gefahren  seien. 

Besonders  aber  umfahren  die  Freib  erger,  einem  Be- 
richt aus  Leipzig  vom  26.  Juni  1717  zufolge  *"*),  Leipzig, 
wenn  sie  Wolle  aus  Niedersachsen  oder,  wie  dies  1731 
geschah '""'),  Baumwolle,  Heringe,  Stockfische,  brasilianisches 
Holz  etc.  aus  Magdeburg  über  Bernburg ,  Delitzsch, 
Wölkau,  Eilenburg,  Oschatz,  Rosswein  zu  sich  zogen. 
Sie  stützten  sich  dabei  auf  einen  kurfürstlichen  Befehl  vom 
■?6.  Januar  1715  '"*),  demzufolge  die  nach  Magdeburg 
haudelnden  Freiberger  Bürger  „nicht  zur  Ungebühr  be- 
schwert werden  sollten".  Als  hierauf  Leipzig  den  Kur- 
lursten  ernstlich  zu  bewegen  suchte,  diesen  Bei  weg  von 
Freiberg  über  Delitzsch  nach  Magdeburgc  in  für  allemal  zu 
l)eseitigen,  erklärten  die  Freiberger  in  einem  Schreiben 
an    den  Landesherrn    vom    7.  Juni   1755:   Wenn  man  die 


""•)  XLV.  A.  (i,  fol.  45.       "")  XLV.  A.  (i,  toi.  -280 
'»»)  XLV.  A.  lg,  fol.  231.         '»»j  XLV.  G.  ßd,  fol.  96. 
"")  XLV.  A.  28,  fol.  113b. 


Die  HanJclswege  Inner- Deutschlaiuls  im  1(>. — 18.  .lahrh.  etf.      ^{) 

Lei})ziger  Stapelgerechtigkeit  in  ihrem  vollen  Umfange 
bestehen  lassen  wolle,  so  gereiche  das  i.iir  anderen  Kom- 
munen zum  Nachtheil;  denn  dann  werde  man  zwar  eine 
Generalniedcrlage,  aber  auch  eine  ungemeine  Vermehrung 
der  Transportkosten  erzielen.  In  keinem  Falle  al)er  lasse 
sich  dieselbe  auf  die  Stadt  Freiberg  applizieren,  da  das 
Freiberger  Niederlagsrecht  179  Jahre  älter  sei  als  das 
Leipziger.  Bereits  Markgraf  Fridericus  Admorsus  habe 
der  Stadt  Freiberg  anno  1318  das  Piivileg,  eine  Nieder- 
lage zu  halten  und  nach  Böhmen  zu  handeln,  gegeben'""), 
welche  Vergünstigung  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albreclit 
1470'"'*)  und  dann  auch  Herzog  Heinrich  1539  bestätigten, 
indem  sie  verordneten :  „AVas  die  Freybeiger  von  anderen 
Enden  fuhren  und  bringen,  woran  das  sei,  zu  der  Stadt 
Nothdurft  und  Nuz,  das  soll  ohne  Zoll  und  Gleithe  dahin 
geführet  werden".  Freiberg  wolle,  führte  man  weiter 
aus ,  seine  Waren  auf  dem  nächsten  Wege  beziehen. 
Wenn  man  behaupte,  durch  das  Abweichen  seiner  Fuhr- 
leute von  der  privilegierten  Heerstrasse  Avürden  die  Ge- 
leitseinnahmeu  geschädigt,  so  könne  Freiberg  dem  gegen- 
über noch  das  besondere  landesherrliche  Privilegium  Mark- 
gi-af  Friedrichs:  „Propter  gratuita  et  remuneratione  digna 
civium  in  Vriberg  merita"  de  anno  1291'"')  zur  Geltung 
bringen,  vermöge  dessen  seine  Güter — ge^ien  Vorzeigung  von 
Freipässen  —  bei  der  Aus-  und  Einfuhr  aller  Orten  zoll- 
frei passieren  dürften.  Und  wenn  man  1715  und  dann  aber- 
mals 1740  Freiberger  Fuhrleute,  welche  von  Magdeburg 
kamen,  angehalten  und  mit  schweren  Geldstrafen  belegt 
habe,  weil  sie  nicht  über  Leipzig  gefahren,  so  sei  doch 
kurfürstlicherseits  seiner  Zeit  verordnet  worden,  dass  man 
dieselben  bis  zur  kurfürstlichen  Hauptresolution  in  dieser 
Sache  nicht  zur  Ungebühr  beschweren  lasse.  —  Leipzig 
suchte  zwar  diese  Einwände  in  einem  Berichte  au  die 
Regierung  (s'ib  dato  Leipzig  am  24.  Nov.  1755)  nach 
Möglichkeit  zu  entkräften,  indem  es  behauptete,  dass 
Freiberg,  wie  die  Städte  Marienberg,  Schneeberg,  Anna- 
berg, Herzberg  und  Weissenfeis,  nur  dann  besondere  Ver- 
günstigungen bezüglich  der  Zölle,  Geleite  und  Accisc 
genösse,  wenn  es  seine  Waren  in  Leipzig  selbst  kaufte, 
nicht  aber  wenn  es  dieselben  von  anderen  Orten  über 
lieipzig    brächte.    —    Der    Kurfürst    scheint    sieh   jedoch 


'"*)  Coil.  (lipl.  Sax.  reg.  U,  t2,  52.        '•«)  Ebenda  267. 
"")  Ebenda  34. 


PQ  Hermann  Heller: 

schliesslich  zu  Freihergs  Gunsten  entschieden  zu  haben. 
Mit  voller  Klarheit  lässt  sich  das  aus  den  Leipziger 
Stapelakten  allerdings  nicht  ersehen. 

Wie  im  O.,  so  suchte  Leipzig  auch  im  AA'.  die  zahl- 
reichen Handelslinicn,  welche  die  in  nord- südlicher  Rich- 
tung sich  bewegenden  Hauptwarenströme  Inner- Deutsch- 
lands   Im  Laufe    des  18.  Jahrhunderts    mit  einander  ver- 
knüpften ,    bei    seinem    v^tapil    zu    erhalten.      Zu    diesem 
Zwecke  erliess  König  August  IL,  der  die  Bestrebungen  der 
Leipziger  im  Interesse  der  kurfürstlichenZoUintraden  lebhaft 
unterstützte,  unterm  9.  August  1697  schon  ein  besonderes 
Strassenmandat'**®),    um    die   hohe  Strasse    oder  soge- 
nannte   Bergstrasse    über  Plauen,   Zwickau,  Alten- 
burg und  Borna-Hohendorf  nach  Leipzig,  die  seit  der 
„Contagion"  cinigermassen  ausser  Brauch  gekommen  war, 
von  neuem  zu  beleben.    --    Die  Regensburger  und  Nürn- 
berger  Fulnleute  wandten  jedocli    beim    Leipziger    Rathe 
ein,  dass  auf  d-esem  ^A^ege  wegen  der  engen  Geleise  mit 
breiten  Wägen  nur   schwer    fortzukommen    sei,    und    be- 
nutzten  darum    neben    der  Bergstrasse    über  Plauen   und 
Zwickau  noch  eine    zweite  Strasse,    welche    von    Regens- 
burg   aus    im  Naabthale    nordwärts    führte,    das    Fichtel- 
gebirge in  der  Richtung  von  Falkenberg  über  Mitterteich 
und  Arzb;'rg  nach  Hof  im  O.  umging  und  dann  entweder 
iin  Elsterthale    über  Gera,    Langendorf   und    Zwenkau 
öder  im  Saalethale    über    Naumburg,  Weissenfeis    und 
Lützen  nach  Leipzig  zog.     Man  hielt  zwar  1700  und  1703 
verschiedene  süddeutsche  Fuhrleute,   welche    diesen  Weg 
l)efuhren,  an,  scheute  sich   jedoch,   dieselben    ernstlich  zu 
bestrafen,    weil  man   befürclitete,   dass    sie    dann  Sachsen 
und  speziell   Leipzig  ganz  meiden   könnten.     Als  jedoch 
nach  einer  abermaligen  Erneuerung   des  Mandats    bezüg- 
lich   der    Bergstrasse    idier    Plauen,    Zwickau    etc.    nach 
Leipzig    im  Jahre    1708  Regensburger   Fuhrleute    hervor- 
kehrten, die  sächsische  Bergstrasse  sei  mehr  nur  ein  Post- 
weg,  auf  dem    man,  da  Berg    und    Thal    oft  wechselten, 
starker    Schnee    und    grosse    Steine    häufig    di''    Passage 
sperrten     und     mächtige     Überschwemmungen     zuAveilen 
geradezu  Stillliegen  geböten,  mit  l.ohen  und  weiten  Karren 
kaum   fortkommen    könnte,    erklärte    Leipzig:    durch   die 
Verfügung  von   1708  und  vorher  sei   nichts  Neues   in  die 
AVeit  gesetzt  worden,  sondern  nur  der  Versuch  gemacht, 

"")  XLV.  A.  U. 


Die  Handelswege  Iiiner-Deutschlands  im  16. — 18.  Jahrb.  etc       CA 

die  durch  Kriegsunruhen  (Deutschlands  Kriege  mit  Frank- 
reich am  Ausgange  des  17.  und  zu  Anfange  des  18.  Jahr- 
hunderts und  die  damit  verbundenen  kaiserlichen  Ein- 
fuhrverljote  auf  französische  Waren)  und  Contagionsjahre 
ausser  Brauch  gesetzte  Heerstrassc  wieder  zu  beleben. 
Die  Landstrasse  von  Hof  über  Plauen,  Zwickau  etc.  sei 
von  Alters  her  von  Frachtwagen  frequentiert  worden. 
Wenn  übrigens  die  Fuhrleute  von  Frankfurt  a.  M.  und 
Wien  trotz  der  Berge  und  steinigten  Wege  vorwärts 
strebten,  so  würden  wohl  auch  die  Regensburger  bei 
einiger  Vorsicht  etwaige  Hindernisse  überwinden  können; 
auch  die  Schleifwege  hätten  Felsen  und  Bergt-,  namentlich 
zwischen  Hof  und  Gera,  und  Überschwemmungen,  nament- 
lich im  Elsterthal  bei  Gera,  aufzuweisen. 

Neben  dieser  sogenannten  Berg-  oder  Poststrasse, 
welche  von  Regensburg  über  Falkenberg,  Mitterteich  und 
Arzberg  im  O.  des  Fichtelgebirges  und  von  Nürnberg 
über  Gräfenlerg,  Kreussen^  Baireuth,  Berneck ,  Gefrees 
und  Münchberg  im  W.  desselben  nach  Hof  führte  und 
von  hier  aus  über  Plauen  und  Mylau  nach  Reichenbacli 
und  Werdau  oder  Zwickau  zog,  um  schliesslich  über 
Altenburg  und  Borna  in  Leipzig  einzumünden,  wurde  in 
einem  kurfürstlich -sächsischen  Erlass  vom  4.  Oktober 
1715'"^)  auch  die  schon  durch  langjährige  Observanz  ein- 
geführte und  namentlich  von  Fuhrleuten  aus  der  Schweiz, 
aus  Memmingen,  Augsburg,  und  Nürnberg  fleissig  be- 
fahrene sogenannte  JenensischeoderNieder-Strasse 
geduldet.  Sie  führte  von  Nürnberg  aus  im  Regnitz-, 
Main-  und  Saalethal  nach  Leipzig  und  berührte  dabei 
die  Orte  Erlangen,  Forchheim,  Bamberg,  Gräfenthal, 
Saalfeld,  Rudolstadt,  Jena,  Dornburg,  Naumburg  und 
Lützeu.  Sie  war  etwas  weiter  als  die  erstcre,  wurde  aber 
„wegen  ihrer  ebenen  Wege"  gern  benutzt.  —  Da  auch 
der  Weg,  welcher  in  der  Richtung  der  weissen  Elster 
von  Hof  über  Gefeil,  Schleiz,  Aunia,  Gera,  Zeitz  und 
Pegau  nordwärts  leitete,  trotz  kurfürstlicher  Strassenver- 
bote  bestehen  blieb,  so  vermittelten  schliesslich  3  Strassen 
den  Verkehr  zwischen  dem  Donaugebiet  im  S.  und  der 
Pleissenstadt  im  Zentrum  Inner- Deutschlands. 

Von  Hamburg  her   aber  bewegten   sich    die  Waren- 


109', 


')  XLV.  A.  lg,  fol.  178.  (] 'euksclirift  aus  dem  Leipziger 
Geleitsamt  „über  das  Leipziger  Stapelrecht  und  die  ordentl.  Land- 
strassen"  —  vom  13.  März  1716.) 


62  Hermann  llt-Hcr: 

ströme  an  der  Elbe  und  Saale  herauf  entweder  über 
Harburg,  Lüneburj^,  Ülzen,  Gifhoi-n,  Gardelegen,  Magde- 
burg, Kalbe,  Kötlien,  Zörbig  und  Landsberg,  oder  mit 
Umgehl  mg  Magdeburgs  auf  dem  etwas  weiteren  Wege 
von  Gardelegen  über  Rogiitz,  Burg,  Loburg,  Zerbst, 
Dessau  und  Delitzsch  nach  der  inner-deutschen  Handels- 
metropole. 

Hier,  wo  die  Handelslinien  der  oberen  Saale,  der 
weissen  Elster,  der  Pleisse  und  selbst  der  Mulde  zusammen- 
liefen, um  sich  dann  in  den  wichtigen  Verkehrswegen, 
der  unteren  Saale  und  Elbe  fortzusetzen,  war  der  ge- 
eignetste Punkt,  die  aus  dem  SW.  und  NW.  Deutsch- 
lands herbeieilenden  Warenzüge  aufzufangen  und  fest- 
zuhalten. Leipzig  war  sich  dessen  voll  und  ganz  bewusst 
und  suchte  darum ,  sich  stützend  auf  sein  altes  Stapel- 
und  Niederlagsrecht,  alle  Handelswege,  welche  schon  am 
Ausgange  des  17.  Jahrhunderts  im  \V.  der  Stadt  aus 
dem  Erzgebirge,  aus  dem  Vogt-,  Böhmer-  und  Franken- 
lande über  Naumburg  und  Halle  etc.  nach  Magdeburg 
und  Niedersachsen  angebahnt  worden  waren,  als  schädliche 
Schleifwege  zu  beseitigen.  Das  wurde  ihm  freilich  sehr 
schwer  gemacht  und  gelang  nur  zu  einem  ganz  kleinen 
Theile.  Denn  je  mehr  sich  die  Warenströme  der  eigent- 
lichen Breite  des  Leipzig  -  Halleschen  Tieflandsbusens 
näherten,  desto  leichter  konnten  sie  in  zahlreichen  Adern 
auseinanderstrahlen. 

Schon  aus  dem  Jahre  1699  wird  uns  berichtet""), 
dass  gebirgische  Fuhrleute  aus  Zwi'  kau,  Stollberg,  Schnee- 
berg etc.,  aus  dem  sehönburgischen  Hohnstein,  Waiden- 
burg etc.  Leinwand,  Bleche,  Farben  etc.  über  Altenburg, 
Lützen  und  Zoschen  nach  Halle  und  Magdeburg  führten 
und  von  dort  spanische  Weine ,  Juchtenballen ,  Fische, 
Heringe,  Thran,  Gewürzwaren,  Tabak,  Spezereien,  Honig, 
auch  Zerbster  und  Dessauer  Wolle  eti-.  auf  demselben 
Wege  wieder  mit  zurücknahmen.  Erzgebirgische  Hammer- 
herren, vogtländische  und  Regensburger  Fuhrleute  brachten 
Bleche  und  Farbe,  Stahl,  Kupferwasser,  Vitriol,  steierische 
und  andere  Waren,  sowie  Potasche,  Butter  und  Hirse 
über  Gera,  Zeitz,  Naumburg,  Freiburg,  Eisleben  und 
Aschersleben  nach  Magdebui'g,  Braunschweig  und  Berlin, 
nach  Bremen  und  Hamburg  und  luden  dort  Fische, 
Tabake,    süsse   Weine  etc.    wieder    ein.    —  Leipzig,    das 


"•)  XLV.  A.  le,  fol.  241  Ö'. 


Die  Ilandelswege  Iiiner-Dentsclilands  im  16. — IS.Jahrh.  etc.       63 

seinen  Transithandd  zwischen  Nürnberg  und  Regensburg 
im  8,  und  Hamburg  und  Bremen  im  N.  nicht  auf  Naum- 
burg und  Halle  übergehen  lassen  wollte,  suchte  beide 
Wege  zu  sperren.  Das  gelang  ihm  jedoch  nicht-  Denn 
1708  klagte  es  von  neuum,  dass  1)  ein  Beiweg  von  Halle 
über  Lützen,  Pegau,  Altenburg,  Glauchau  und  Zwickau 
führe,  der  sich  dann  durchs  Vogtland  bis  ins  Baireuthische 
und  Böhmische  fortsetze  und  namentlich  den  Salz-,  Gre- 
treide-,  Blech-,  Arsenik-  und  Farbehandel  vermittele,  und 
2)  bei  Aschersleben  ein  Beiweg  aus  dem  Brandenburgischen 
in  die  sächsischen  Lande  falle,  auf  dem  man  viele  Kauf- 
mannsgüter über  Freiburg  und  Langensalza  ins  westliche 
Thüringen  oder  über  Freiburg  und  Naumburg  auf  Nürn- 
berg, Augsburg,  Ulm- Memmingen  bringe. 

Besonders  ging  viel  Wolle  aus  Quedlinburg, 
Osterwiek  etc.  am  Ostabhange  des  Harzes  und  aus  dem 
Anhaltischen  über  Aschersleben  oder  Bernburg, 
Halle,  Lützen,  Pegau,  Altenburg  etc.  in  die  sächsischen 
Tuchfabriken  zu  Frankenberg ,  Chemnitz ,  Hainichen, 
Öderan  etc.  (1708)'").  Als  Leipzig  das  verhindern  wollte, 
wandten  sich  Quedlinburg  im  N.  und  Zwickau  im  S. 
mit  einer  Klagschrift  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen,  in 
der  beide  den  Weg  von  Quedlinl»urg,  Stassfurt,  Bernburg 
und  Aschersleben  über  Halle,  Lützen,  Pegau  und  Alten- 
burg als  uralt  bezeichneten.  Quedlinburg  insbesondere 
liob  in  seiner  Beschwerde  hervor,  dass  auf  dieser  Strasse 
seit  alten  Zeiten  AA'olle,  Heringe,  Branntwein  etc.  ins 
Oster-  und  Vogtland  transportiert  worden  seien;  dass 
schon  Kaiser  Lothar  die  Quedlinburger  mit  wichtigen 
Handelsprivilegien  bedacht  habe.  Nicht  jede  Strasse 
müsse  nothwendig  auf  Leipzig  iühren;  man  könne  doch 
die  Fuhrleute  niclit  zwingen  wollen,  mehrere  Meilen  um- 
zufahren, um  dort  hohe  Imposten  auf  Pferde,  AA'agen  und 
Güter  abzustatten.  —  Die  kurfürstliche  Regierung  ver- 
Avies  zwar  (unterm  13.  Dezember  1713)  auf  Betreiben 
Leipzigs,  das  auf  dem  Wege  über  Halle,  Lützen,  Pegau, 
Altenburg  etc.  nur  Salz  und  Viktualien,  nicht  aber  staffel- 
bare Kaufmannsgüter  gehen  lassen  wollte,  Quedlinburg 
und  Zwickau  auf  die  rechte  Heerstrasse  von  Quedlinburg 
über  Aschersleben,  Halle,  Leipzig,  Borna  und  Altenburg 
nach  Zwickau,  die  nur  um  ein  weniges  länger  sei  als 
der  verbotene  Beiweg.     Allein    damit    war    nicht  viel  er- 


'")  XLV.  A.  lg,  fol.  22. 


64  Hermann  Heller: 

reicht ;  denn  als  der  Leipziger  Gcleitsreitcr  iin  Juli  und 
August  1715  im  Stift  Merseburg  Quedliuburger  Woll- 
wagen, welche  von  ILiUe  direkt  nach  Reichenbach  i.  V. 
gehen  sollten,  auiuiltcn  wollte,  ward  er  von  der  dortigen 
Obrigkeit  nicht  respektiert.  1716  klagte  Leipzig  immer 
noch"*),  dass  aus  dem  Gebirge  ein  Beiweg  über  Schnee- 
berg, Zwickau,  Altenburg,  Pegau,  Lätzen  nach  Halle  und 
Magdeburg  führe,  auf  dem  aUtäglich  Salz,  Getreide, 
Bleche,  Zinne,  Kupfer,  blaue  Farbe,  Leinwand,  ferner 
österreichische  und  böhmische,  Augsburger,  Regensburger 
und  Nürnberger  ^A^aren  nordwärts  gingen,  wähfend  Güter 
aus  Hamburg,  Niedersachsen  und  Magdeburg,  aus  Holland 
und  Braun.schweig  auf  demselben  Wege  ins  Reich  ver- 
trieben würden;  dass  Handelsartikel  aus  Ponuuern,  Preussen 
und  der  Mark,  welche  sonst  von  Berlin  über  Treuen- 
brietzen,  AA'ittenberg,  Kemberg  und  Düijen  nach  Leipzig 
kamen,  von  Berlin  aus  auf  Brandenburg,  Dessau,  Halle, 
Lauchstädt ,  Freiburg  und  Gleina  oder  über  Stassfurt, 
Aschersleben,  Mansfeld,  Eisleben,  Schraplau  und  Steigra 
nach  Naumburg  sich  bewegten  und  von  hier  aus  über 
Gera,  Schleiz  und  Hof  nach  Nürnberg,  Regensburg,  Ulm, 
Memmingen  und  Italien  gingen. 

Neben  diesen  Verkehrslinien  aus  dem  Erzgebirge, 
Vogt- ,  Böhmer-  und  Frankenlande  über  A 1 1  e  n  b  u  r  g 
und  Halle,  Naumburg  und  Eis  leben  nach  Magde- 
burg und  Berlin,  welche  am  Ausgange  des  17.  Jahr- 
hunderts angebahnt  worden  waren  und  in  den  ersten 
Decennien  des  18.  Jahrhunderts  trotz  kurfürstlich-säch- 
sischer Pöualmandate  festen  Bestand  gewannen,  belebte 
sich  im  Laufe  des  18.  Jahrhunderts  auch  jene  alte  Handels- 
strasse im  westlichen  Inner-Deutschland  wieder,  die  den 
Thüringerwald  an  seinem  bequemsten  Passe  (von  Ober- 
hof) überschritt  und  einen  direkten  Verkehr  zwischen  der 
unteren  Elbe  und  dem  oberen  Main-  und  Donaugebiet 
über  Erfurt  vermittelte. 

Bereits  am  25.  September  1708  berichtete  die  Leip- 
ziger Kaufmannschaft'"),  dass  Potasche  und  Eisenwaren, 
auf  denen  in  Sachsen  ein  hoher  Zoll  liege,  aus  dem  Vogt-, 
Böhmer-  und  Bayerlande  nach  Erfurt  gingen  und  von 
dort  aus  entweder  über  Wanfried  a.  d.  A\'erra  vermittelst 
der  Weserschiflahrt  nach  Bremen  und  Holland  oder  über 


"*)  XLV.  A.  lg,  fitl.  168  1111(1  anderweit  in  diesem  Aktenstücke. 
"»)  XLV.  A.  lg,  toi.  22. 


Die  Handelswege  Inuer-Deutschlauds  im  16.— 18.  Jalirh.  etc.      G5 

Magdeburg  nach  Hamburg,  Spanien  etc.  gebracht  würden.  Im 
Jahre  1715  aber  wurde  die  Wunderslebener  Strasse 
—  so  ward  jetzt  dieser  von  Hamburg  über  Erfurt  nach 
Nürnberg  ziehende  Handelsweg  nach  einem  nördlich 
von  Erfurt  gelegenen  kursächsisehen  Dorfe  genannt  — 
schon  als  Hauptstrasse  betrachtet  "■*),  da  sich  auf  ihr  nicht 
nur  Hamburger  und  Nürnberger  Güter  auf-  und  ab- 
bewegteu;  sondern  auch  WeinkarreU;  welche  aus  Franken 
über  Fürth  (Schweinfurt)  a.  M.  oder  vom  Rheine  her 
über  Frankfurt  a.  M.,  Hanau,  Schlüchtern,  Fulda,  Eise- 
nach etc.  herkamen  und  nach  den  brandenburgischen 
Landen  gingen,  sie  benutzten.  Nach  einem  Berieht  des 
Leipziger  Rathes  an  den  Kurfürsten  vom  2J-.  August 
1715  "■')  waren  in  diesem  Jahre  allein  innerhalb  dreier 
Monate  loUO  Karren  mit  3500  Pferden  von  Hamburg 
über  Braunschweig,  Goslar,  Halberstadt,  Aschersleben, 
Mansfeld,  Sangerhausen,  Sachsenburg,  Weissensee,  Wun- 
dersleben, Erfurt,  Eisfeld  und  Coburg  nach  Franken  und 
wieder  zurück  gegangen.  Leipzig  schmerz  le  das  um  so 
mehr,  als  es  bei  der  weiten  Entfernung  der  Wunderslebener 
Strasse  (12  Meilen)  nicht  viel  zu  deren  Beseitigung  unter- 
nehmen konnte. 

Auch  die  Elbe-  und  Saaleschiffahrt  bestanden 
im  18.  Jahrhundert  fort'**').  Es  wurden  Waren  aus 
dem  Gebirge,  ^^'ie  Kupfer,  Zinn,  Blech,  Eisen,  Blaufarbe, 
Leinwand  vermittelst  der  Eibschiffahrt  über  Magdeburg 
nach  Lüneburg,  Hamburg,  Lübeck  und  Bremen  verführt, 
während  mau  Spezereien,  Gewürze,  holländische  Käse, 
Fischwaren,  Talg,  Thrau,  Leder,  euglische  und  hollän- 
dische Tücher  etc.  von  unten  herauf  vermittelst  der  Elbe 
nach  Böhmen,  Mähren,  Österreich,  Polen,  Ungarn  etc. 
versandte. 

Leipzig  hielt  einen  freien  Eibverkehr  von  unten 
herauf  bis  Magdeburg  für  zweckmässig,  weil  es  da- 
durch seine  Waren  bequemer  und  wohlfeiler  erlangen 
konnte  als  per  Achse.  Darum  erhob  es  im  Verein  mit 
Hamburg  kräftigen  imd  erfolgreichen  Widerspruch,  als 
Altona  1725  zur  Errichtung  eines  Holzhafens  schritt 
und  zu  diesem  Behufe  einen  400  Fuss  langen  und  150 
Fuss  breiten  Sauddamm  in  die  Unterelbe  hineinführen 
wollte,  der  eine  Verengung  der  Passage  und  Ver- 
schlemmung    des  Strombettes    im   Gefolge    gehabt    hätte. 


"*)XLV.A.6,fol.236.      "*)  Ebenda  lol. 259.      "»JXLV.D.I,  fol.ö9. 

lüeues  ArcliiT  1.  S.  ü.  u.  A.     V.  i.  i.  ^ 


fiß  Hermann  Heller : 

Auf  der  Strecke  vuu  Mugcleburg  bis  Dresden 
aber,  also  innerhalb  ihres  Stapeldistriktes,  wollten  die 
Leipziger  aucli  im  18.  Jahrhundert  von  einer  freien  Elb- 
schiffahrt  niehts  wissen.  Plier  snUten,  wie  auf  der  Saale 
und  dem  Hallischcn  Schleusenbau,  nur  Viktualien,  Salz, 
Baumaterialien,  Kohlen,  überliaupt  nur  gröbere  Waren, 
transportiert  werden.  Es  widersetzte  sich  daher  Leipzig 
stets  den  wiederholten  Versuchen  Böhmens  (Österreichs) 
und  Prcussens,  die  Elbe  von  den  lästigen  Zöllen  und 
Stapelrechten  zu  befreien  und  eine  bequeme,  ungehinderte 
Schiffahrt  auf  derselben  zu  ermögliclien. 

Als  17.^2  Magdeburg  '"),  unterstützt  von  den  säch- 
sischen Eibstädten,  die  mittlere  Elbe  dem  Banne  des  Leipziger 
Stapelrechts  entziehen  woUte  und  1733  Kail  VI.  in  seiner 
Eigenschaft  als  König  von  Böhmen  beim  Kurfürsten 
Fi'iedrich  August  die  V"erfrachtung  der  böhmischen  Glas- 
waren auf  der  Elbe  durcli  Sachsen  hindurch  anregte, 
führte  der  Leipziger  Rath  in  einem  gutachtlichen  Berichte 
an  den  Kurfürsten  aus"^),  dass  durch  eine  freie  Elbschifl'- 
fahrt  der  ganze  Garn-  und  Leinwandhandel  Schlesiens, 
der  Lausitz  und  selbst  des  Erzgebirges,  der  bisher  in 
der  Hauptsache  über  Leipzig  gegangen,  von  da  abge- 
lenkt und  direkt  auf  Hamburg  geleitet  werde;  dass  durch 
einen  ungeliinderten  Eibverkehr  ausser  Dresden  nur  Böhmen 
und  Brandenburg  zu  gcAvinnen  hätten.  Plabe  Böhmen 
schon  früher,  namentlicli  1571  und  1660,  wilderholt  ver- 
sucht, durch  eine  freie  ElbschifFaln-t  den  Handel  von  den 
Avichtigsten  Theilcn  Deutschlands  nicht  nur,  sondern  aucli 
von  Dänemark,  Norwegen,  Schweden,  Livland,  Polen, 
Moskau  etc.  etc.  auf  die  Niederlage  von  Prag  zu  ziehen, 
so  sei  das  jetzt  um  so  mehr  zu  l)efürchten,  als  ihm  gegen- 
wärtig sein  inniger  Zusammenhang  mit  den  kaiserlichen 
Erblanden  und  Reichen,  Karls  VI.  tiefe  Einsicht  in  das 
Commercium  und  seine  Sorge  für  dessen  Aufl)lühen,  end- 
lich die  zu  Wien  errichtete  orientalische  Kompagnie  und 
der  lebhafte  Seeverkehr  Triests  vortrefflich  dabei  zu 
statten  kämen.  Das  brandenburgische  Magd^'burg  aber 
werde  durch  eine  befreite  Schiffahrt  auf  der  Elbe  den 
gesamten  Getreidcliandel  aus  Sachsen  ziehen  und  nach  den 
Niederlanden  und  den  Seestädten  hin  vermitteln.  So  müsse 
durch    eine    freie   ElbschifTahrt    die    Leipziger   Messe    zu 

'")  Bieder mauii,  I'as  Stapelrecht  etc.  (Vierteljalirssclirift 
für  Volkswirthscliaft  etc.,  herausgegeben  von  E.  Wiss,  LXXIl.  Berlin 
1881),  13.        "»)  XLV.  D.  5. 


Die  Haiiflelswege  Tnner-Deutschlandsim  ic». — IP.  Jahrb.  etc.      67 

Grunde  gericlitet  werden,  aller  Handel  Inner-Deutschlands 
auf  Prag  im  S.  luid  Magdeburg  im  N.  von  Kursachsen 
übergehen  und  jenes  zum  kommerziellen  Zentrum  der 
böhmisch- kaiserlichen  Lande ;  dieses  zum  Verkehrsmittel- 
punkte Niedersachsens  sich  ausbilden.  —  Aus  diesen 
Gründen  dürfe  man  einen  ungehinderten  Elbhandel  um 
keinen  Preis  gestatten.  Der  Kaiser  Karl  VI.  könne  den- 
selben durch  Sachsen  um  so  weniger  erzwingen  wollen, 
als  er,  wie  seine  Vorgänger,  Leipzigs  Stapel-  und  Nieder- 
lagsprivilegien bestätigt  habe,  die  freie  Schiffahrt  der 
Elbe  von  Dresden  bis  Magdeburg  aber  „in  den  Begriff 
der  15  Meilen"  falle- 

Da  stellte  die  Kaufmannschaft  zu  Magdeburg  in 
einem  besonderen  Scliriftchen,  das  sich  betitelte:  „Wider- 
legung des  Leipziger  Stapelrechts,"  1748,  die  Behauptungen 
auf:  1)  das  Leipziger  Stapelrecht  könne  unmöglich  ausser- 
halb des  sächsischen  Gebietes  gelten,  und  2)  „die  15  Meilen" 
seien  so  zu  verstehen,  dass  die  Peripherie  eines  um 
Leipzig  gedachten  Kreises,  innerhalb  derer  jenes  Zwangs- 
recht gelte,  15  Meilen  betrage "'*). 

Leipzig  widerlegte  zwar  diese  Auffassung  in  schlagen- 
der, überzeugender  Weise.  Allein  jetzt  nahm  sich  die 
preussische  Regierung  ihrer  Stadt  Magdeburg  an  und  er- 
griff" gegen  Leipzigs  Stapelrecht  eine  für  dessen  Handel 
recht  empfindliche  Repressalie,  indem  sie  auf  den  Leip- 
ziger Durchgangshandel  durch  das  Magdeburgische  und 
Halberstädtische  hohe  Transitozölle  legte,  die  von  1755 
an  mit  aller  Strenge  erhoben  wurden. 

Fast  gleichzeitig  —  1752  und  1753  —  nahm  auch 
Maria  Theresia  in  ihren  Staaten  eine  Zollerhöhung  auf 
Konsum-  und  Durchfuhrhandel  um  fast  100  Prozent  vor  *^") 
und  erschwerte  dadurch  den  Verkehr  Leipzigs  mit  den 
österreichisch -ungarischen  Landen  überhaupt,  wie  den 
Lausitzer  Leinwandhandel  nach  Böhmen  hinein  insbe- 
sondere. 

Hatte  diese  Einführung  des  Schutzzoll-  oder 
Prohibitivsystems  in  Preussen  und  Osterreich  für 
Sachsen,  den  wichtigsten  Staat  des  mittleren  Deutschlands, 
den  Nachtheil,  dass  es  dadurch  in  der  Ausfuhr  seiner 
meisten  und  besten  Handelsartikel,  seiner  Webereien,  seiner 

"»)  Veigl.  auch  ßoscher,  System  der  Volkswirthschaft  III, 
nach  dessen  Ausführung  schon  im  Jahre  1730  Zweifel  darüber 
auftauchen,  ob  „die  15  Meilen'  radial  oder  diametral  zu  ver- 
stehen seien. 


fiß  Hermann  IloUer: 

Porzellan-  und  Metalk;rzeu^nisse,  nach  rechts  und  links 
gellindert  und  nanientlicli  im  direkten  Verkehr  mit  der 
Ostsee  gehemmt  wurde,  so  verdankte  es  doch  auch  wieder 
der  Unfähigkeit,  sich  wie  seine  grossen  Nachbarstaaten 
selbständig  abzuschliessen,  seine  hohe  Bedeutung  als  ver- 
mittelnde Kraft  zwischen  der  Europa  beherrschenden 
Bildung  des  Westens  und  dem  stets  bedürftigen  Osten, 
zwischen  den  seefahrenden  Völkern  des  germanischen 
Nordens  und  den  ackerbautreibenden  Bewohnern  des 
deutschen  Binnenlandes,  sowie  endlich  die  ununterbrochene 
Anregung  und  Bewegung  der  eigenen  Volksthätigkeit. 
Unabhängig  von  einer  launischen  und  veränderlichen 
Leitung  von  oben,  konnten  sich  hier  in  der  zweiten 
Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  Handel  und  Industrie  zu 
einer  Blüthe  ausbilden,  die  man  sonst  in  Deutschland,  die 
Nordseeliäfen  Hamburg  und  Bremen  etwa  ausgenommen, 
nirgends  entdeckte. 

Um  das  sächsische  Commercium  aus  aller  Dependenz 
der  vorliegenden  kurbrandenburgischeu  Lande  zu  setzen, 
befahl  der  Kurfürst  im  Mai  1755'^'),  dass  die  sächsischen 
Eibstädte  Dresden,  Pirna  und  Schandau  die  aus  den 
Seestädten  kommenden  Material-  und  andere  stafFelbare 
Waren  künftighin  nicht  auf  der  Elbe,  sondern  über 
Leipzig  bezögen.  Dieser  Ort  selbst  aber  sollte  seine 
Güter  weder  zu  Wasser  über  Magdeburg  noch  zu  Lande 
auf  der  alten,  durchs  Kurbrandeaburgische  führenden 
Heerstrasse,  sondern  —  bis  zur  Fertigstellung  einer  neu 
zu  bauenden  Frachtroute  über  den  Harz**^)  —  auf  der 
sogenannten  Duderstädter  Strasse  einbringen.  Dies 
war  ursprünglich  ein  alter  Verkehrsweg  zwischen  Braun- 
schweig und  Süddeutschland,  der  am  westlichen  Fusse 
des  Harzes  entlang  über  Hahausen  und  Seesen,  Osterode 
und  Duderstadt  nach  dem  S.  ging'";.  Von  Leipzig  aus 
führte  diese  Strasse  über  Merseburg,  Mühlhausen,  Duder- 
stadt, Seesen  und  Lutter  am  Barenberge  und  setzte  sich 
dann  über  Braunschweig  nach  Hamburg  fort.  Sie  war 
bisher  —  von  Mühlhausen  aus  —  namenthch  von  Mühl- 
hausener,  Langensalzaer,  Eisenacher,  Erfurter,  Schmal- 
kaldener  und  Nürnberger  Frachtwagen  öfter  befahren 
worden.     Da  man  jedoch  bei  ihrer  Benutzung  den  Harz 


'»)  XLV.  G.  6e,  fol.  141  ff.  '»')  XLV.  D.  6.  '")  XLV.  A.  --'Sa. 
'")  H.  Guthe,  Die  Lande  Braunschweig  uiul  Hannover  (Hannover 
1866),  260. 


Die  Handelswege  Inner-Deutschlands  im  Ifi.— 18.  Jahrb.  etc.      69 

in  einem  grossen  südwestlichen  Bogen,  also  auf  weitem 
Umwege,  umfahren  musste,  wenn  mau  von  Leipzig  nach 
Hamburg  gelangen  wollte,  so  scheuten  sich  die  Leipziger, 
diese  „Detourstrasse"  ohne  weiteres  in  Gebrauch  zu 
ziehen.  Bei  Eröffnung  des  kurfürstlichen  Befehls  er- 
ört-rten  sie  darum,  ob  es  nicht  besser  sei,  die  Waren 
von  Bremen  aus  zu  Wasser  auf  der  Weser,  Aller  und 
Oker  über  Celle,  Braunschweig  und  Wolfenbüttel 
gehen  zu  lassen  und  erst  von  dort  aus  zu  Lande  zu  be- 
ziehen. Und  als  man  dabei  zu  der  Überzeugung  kam, 
dass  dies  nicht  gut  durchführbar  sei,  weil  einmal  in  Ham- 
burg eine  importantere  Handlung  bestehe  als  in  Bremen, 
und  ausserdem  Aller  und  Oker  nicht  immer  navigabel 
seien  —  heutzutage  ist  die  Oker  gar  nicht  mehr  zu  be- 
fahren, die  SchifFbarkeit  der  Aller  aber  beginnt  erst  bei 
Celle  — ,  war  Leipzig  nicht  abgeneigt,  seine  Hamburger 
Waren,  trotz  der  hohen  brandenburgischen  Imposten, 
auch  fernerhin  über  INIagdeburg  zu  dirigieren.  Der  Kur- 
fürst verwies  es  zwar  unterm  25.  Juli  1755  abermals  auf 
die  sogenannte  Detourstrasse,  die  zu  jeder  Zeit  praktikabel 
sei  und  jetzt  in  ziendich  kurzer  Zeit  von  Leipzig  über 
Merseburg,  Allstedt,  Wallhausen,  Rossla,  Rottleberode, 
Neustadt,  Sach.swerfen,  Scharzfeld,  Herzberg,  Osterode^ 
Gittelde,  Seesen,  Lutter  am  Barenberge,  Salzgitter,  Braun- 
schweig und  Gifliorn  nach  Hamburg  führe.  Allein  schon 
am  15.  August  1755  erklärte  der  Leipziger  ßath  dem 
Kurfürsten  gegenüber,  dass  man  den  Verkehr  mit  Magde- 
burg und  den  brandenburgisch-preussischen  Landen  über- 
liaupt  nicht  ganz  aufgeben  könne,  da  viel  Rauchwerk, 
polnische  Wolle  und  rohe  Häute  von  Danzig  nach  Leip- 
zig kämen,  seidene  und  wollene  Waren  von  Leipzig  nach 
Danzig  gingen,  der  Weg  nach  Danzig  aber  durch 
preussische  Lande,  nämlich  über  Eilen  bürg,  Wittenberg, 
Berlin,  Stargard  etc.,  führe.  Den  Verkelir  zwischen 
Leipzig  und  Danzig  über  Lüneburg  und  Lübeck 
zu  leiten,  sei  nicht  rathsam,  weil  dann  der  Waren- 
transport ausserordentlich  verlangsamt  und  die  Fracht 
wegen  der  hohen  Spesen  im  Danziger  und  Lübecker 
Hafen  und  wegen  des  hohen  Fuhrlohnes  von  Lübeck  über 
Lüneburg  und  Braunschweig  mindestens  noch  einmal  so 
theuer  zu  stehen  käme  als  auf  dem  Landwege  von  Danzig 
über  Berlin  nach  Leipzig. 

Wie    der    Weg    nach    Danzig,    so    fülire    auch    der 
natürllcliste  Handelsweg  nach  Krakau,  Warschau, 


70  licnnann  Heller: 

Lublin  etc.  durch  preussische  Lande,  durch  Schlesien. 
Auf  einer  etwaigen  neuen  Strasse  durch  Böhmen, 
Mähren  und  das  in  Österreichisch- Schlesien  gelegene 
Fürstentluun  Teschen  nach  Polen  zu  handeln'**), 
erfordei'e  wegen  des  grossen  Umweges  zu  hohe  Transport- 
kosten. Dazu  bestehe  jetzt  auch  in  den  österreichischen 
Staaten  ein  hoher  Transitzoll,  der  die  Passage  wesentlich 
erschwere.  Überdies  könne  man  auch  aus  Schlesien,  der 
Mark  Brandenburg  und  dem  Königreiche  Preussen  kom- 
mende Waren,  namentlich  ßreslauer  Farbenröthe,  sara- 
ländischen  Bernstein  und  Magdeburger  Rübensaat,  nicht 
entbehren.  Wenn  man  den  Verkehr  mit  den  preussischen 
Landen  ganz  abbreche  und  die  polnischen  Waren  auf 
Umwegen  beziehe,  dann  liege  die  Gefahr  nahe,  dass  Leip- 
zig den  Handel  mit  Danzig  und  Polen  überhaupt  ganz 
verliere  und  durch  Berlin,  das  den  Landweg  benutzen 
und  wie  Sachsen  seidene  und  wollene  Waren  fabri- 
zieren könne,  in  den  Hintergrund  gedrängt  werde.  Denn 
schon  jetzt  könnten  die  in  Königsberg,  Danzig,  Berlin 
und  Magdeburg  geladenen  Güter  mit  leichter  Mühe 
über  Halle  und  Eisleben  nach  dem  S.  und  W.  Deutsch- 
lands, nach  Nürnberg  und  Frankfurt  a.  M.,  gebracht 
werden. 

Hierauf  gestattete  die  kursächsische  Regierung  am 
13.  September  1755  '**j,  dass  polnische  Wolle,  welche  für 
sächsische  Fabrikanten  bestimmt  war,  gleichviel,  ob  sie 
aus  brandenburgischen  Landen  komme  oder  nicht,  ebenso 
Breslauer  Farbenröthe,  preussischer  Bernstein  und  Bran- 
denburger Rübensaat  frei  jjassieren  könnten,  während  sie 
alle  übrigen  ausländischen  Waren ,  welche  über  Magde- 
burg und  durch  die  brandcnburgisch-preussischen  Lande 
gingen,  mit  einem  proportionierten  Parifikationsimpost 
belegen  wollte,  um  sie  in  gleich  hohen  Preis  mit  den  auf 
der  „Detourstrasse"  bezogenen  Gütern  zu  bringen. 

Unterdessen  hatte  man  auch  den  Anfang  gemacht, 
die  neue  Harzstrasse,  welche  von  Leipzig  über  Merse- 
burg, Querfurt,  Rossla,  Stolberg,  Hasselfelde,  Braun- 
lage, Harzburg,  Wolfenbüttel  und  Braunschweig  nach 
Hamburg  führte  und  5 — 6  Meilen  kürzer  war  als  die 
„Detourstrasse",  mit  Frachtwagen  zu  befahren.  Diese 
sogenannte  Leipziger  Harzstrasse  traf  in  Hasselfeldc 
mit    einer    östlich    vom    Brocken    von    Nordhausen    nach 


'")  XLV.  A.  29.      '";  XLV.  A.  23b. 


nie  Handelswege  Inuer-DeutscAilanils  im  16. — 18.  Jahrh.  etc.      71 

Wernigerode  über  den  Harz  fülirenden  Strasse  zusammen, 
die  schon  Albert  von  Stade  anführt '^^). 

Weil  jedoch  wegen  lang  anhaltender  nasser  Wittermig 
die  „Detourstrasse"  ebenso  wie  die  noch  im  Bau  begriffene 
Harzstrasse  nur  sehr  schwer  zu  passieren  waren,  so  musste 
die  sächsische  Regierung  am  20.  September  1755  auch 
die  Magdeburger  Strasse  wieder  frei  geben,  so 
dass  sich  von  jetzt  ab  die  Hamburger  Waren  auf  drei 
Wegen    nach    Leipzig    und    dem    mittleren    Deutschland 


Herauf  bewegten. 


Allein  die  Warenzüge  konnten  nicht  bleibend  auf 
Bahnen  erhalten  werden,  die  nur  auf  Umwegen  zum  Ziele 
führten  und  denen  die  Natur  selbst  die  grössten  Hinder- 
nisse bereitete.  Die  neue  Harzstrasse  konnte  ebenso  wenig 
wie  die  weite  „Detourstrasse"  dauernde  Bedeutung  für 
den  Verkehr  Inner- Deutschlands  beanspruchen.  Bereits 
1780  sahen  sich  die  Leipziger  veranlasst,  bezüglich  der 
von  Hamburg  nach  Leipzig  und  viceversa  führenden 
Harz-  oder  neuen  Strasse  an  den  Kurfürsten  von 
Sachsen  zu  berichten,  dass  '■'')  dieselbe  bei  schlechtem 
Wetter,  namentlich  im  W^inter,  Geradezu  unfahrbar 
sei,  und  dass  man  darum  trotz  des  hohen  preussischen 
Transitzolles  auf  der  alten  Magdeburger  Strasse  billiger 
fahre. 

Mit  der  Wiederbelebung  der  Magdeburger  Strasse 
von  Leipzig  aus  nahm  auch  der  Eibhandel  —  trotz  der 
Proteste  Leipzigs  —  wieder  grössere  Dimensionen  an. 
Da  die  sachsisciieu  Elbstädte,  besonders  Dresden,  dem 
Kurfürsten  wiederholt  vorstellten,  dass  bei  fortgesetzter 
Sperrung  der  Elbe  der  Dresdner  Potasche-  und  Leinwand- 
handel zu  Grrundo  gehen  müsse,  erliess  dieser  unterm 
2L  Mai  1756  ein  Reskript  *^^),  wonach  das  Leipziger 
Stapelrecht  fernerhin  keine  Anwendung  mehr  finden  sollte 
auf  den  Bezug  \on  Materialien  für  Rechnung  inländischer 
Fabrikanten. 

Der  siebenjährige  Krieg,  der  noch  in  demselben  Jahre 
begann,  machte  faktisch  dem  Leipziger  Stapelreeht  ein 
Ende.  Die  näheren  Wege,  welche  der  Verkehr  während 
desselben,  zum  Theil  unter  dem  Schutze  des  damals  in 
Sachsen  gebietenden  Feindes,  suchte  und  fand,  waren 
auch   nach    dem    wieder   hergestellten  Frieden   ihm    nicht 


'*•)  Guthe,  Die  Laude  ßrauaschweig  und  llauuover,  284. 
')  XLV.  A.  26.       "»j  Biedermanu,  Das  Stapelrecht  etc.,  18. 


72     Hermann  Heller:  Die  ITaiulelewege  Inner-Deutschlands  etc. 

so  leicht  wieder  zu  verscliliessen.  Der  Handel  dieser 
Stadt  verfiel  jedoch  damit  nicht.  Leipzig  hehauptete  sich 
als  wichtigster  kommei'ziellcr  Zentralplatz  des  inneren 
Deutschlands,  wo  die  Haupthandelsstrassen  aus  N.  und  S-, 
O.  und  W.,  wie  sie  sich  im  Laufe  von  300  Jahren  her- 
ausgebildet hatten,  zusammenliefen,  das  ganze  18.  Jahr- 
hundert hindurch.  Liclem  es  jetzt  erkannte,  „dass  Freiheit 
die  wahre  Seele  der  Handlung  sei",  wusste  es  selbst  eine 
befreite  Elbe-  und  Saaleschiffahrt,  gegen  die  es 
bisher  immer  heftig  protestiert  hatte,  sich  dienstbar  zu 
machen.  Denn  als  Könio-  Friedrich  Auffust  L  ("der  Ge- 
rechte)  am  21.  September  1807  vom  Leipziger  Rathe 
Bericht  darüber  erforderte,  was  wohl  die  Leipziger  Kauf- 
mannschaft zu  einem  freien  Eibhandel  sagen  würde,  erging 
von  den  Kramermeistern  und  Handelsdeputierten  ein  Gut- 
achten, worin  es  hiess  '**),  dass  der  freie  Eibhandel  nicht 
nur  eine  Wohlthat  für  Sachsen  im  allgemeinen,  sondern 
auch  für  Leipzig  speziell  sei:  durch  die  Eibschiffahrt 
könne  man  die  von  Hamburg  zu  beziehenden  Güter  zu 
Wasser  bis  Torgau  oder  auch  bis  Halle  bringen,  wodurch 
man  nicht  nur  viel  Zeit,  sondern  auch  grosse  Transport- 
kosten spare. 

Erst  um  die  Mitte  unseres  Jahrhunderts  sollte  Halle, 
diese  alte  Pforte  Thüringens,  aus  seiner  günstigen  Stellung 
zum  Tliüringfcr  Naclibarlande  in  demselben  Masse  Nutzen 
ziehen,  wie  er  Leipzig  als  Stapelplatz  der  industriellen 
Erzeugnisse  des  Erzgebirges,  der  Lausitz  und  des  Vogt- 
landes schon  lange  zu  Tlieil  geworden  war.  Erst  im 
19.  Jahrhundert,  als  der  Eisenbahnbau  seine  Segnungen 
g.  Itend  machte,  konnte  Halle  als  siebenstrahliger  Eisen- 
bahnstern sich  Leipzig  ebenbürtig  zur  Seite  stellen  und 
als  zweites  Zentrum  des  dampfbeflügelten  Virkehi's  im 
Herzen  Inner-Deutschlands  die  Leitung  des  Handels  nach 
W.  und  SW.  in  ähnlicher  Weise  überkommen,  wie  sie 
Leipzig  nach  dem  O.  und  SO.  ausübte. 


'»)  XLV.  D.  8. 


II. 

Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen 
bis  zum  Jahre  1346. 


Von 
Herraann  Knothe. 


von  Bautzen,  der  alten  Hauptstadt  des  ülarkgrafen- 
thuras  Oberlausitz,  giebt  es  zur  Zeit  noch  keine  den  An- 
forderungen der  Gegenwart  irgend  entsprechende  G"C- 
schichte.  Die  vollständige  Spezialgescliichte  einer  Stadt 
wird  allerdings  nur  ein  langjähriger  Bewohner  derselben 
zu  schreiben  vermögen;  dagegen  dürfte  die  älteste,  dunkelste 
und  doch  in  gewissem  Sinne  wichtigste  Geschichte  gerade 
einer  Landeshauptstadt  auch  von  jemand  dargestellt 
werden  können,  der  sich  seit  Jahren  eingehend  mit  der 
Geschichte  des  Landes  beschäftigt  hat.  Wir  werden 
daher  in  Nachstehendem  stets  zugleich  auf  die  Bedeutung 
hinzuweisen  haben,  welche  zu  den  verscliiedenen  Zeiten 
die  Stadt  Bautzen,  als  Sitz  der  Landesbehörden,  für  das 
ganze  Land  Oberlausitz  gehabt  hat. 

Dass  der  Landstricli  zwischen  dem  Queiss  im  Osten 
und  dem  Pulsnitzflusse  im  Westen,  d.  h.  die  nachmalige 
Oberlausitz,  schon  vor  den  Sorben  wenden  von  einem 
anderen  und  zwar  germanischen  Volksstamme  bewohnt 
worden  sei,  gilt  längst  als  erwiesen.  Als  solchen  be- 
zeichnet man  jetzt  allgemein  die  Semnonen.  Von  ihrem 
Schalten  speziell  in  der  Oberlausitz  giebt  es  keinerlei 
historische  Kunde.  Möglich  aber,  ja  sogar  wahrscheinlich 
ist  es,  dass  von  ihnen  die  gerade  in  diesem  Lande  so 
zahlreichen  sooenannten  Schanzen  herstammen.  Dieselben 
dienten  keineswegs  zu  Kultus-,  sondern  lediglich  zu  Ver- 


7  [  Hermann  Knuthe: 

tlicidigiingszwecken.  In  ihnen  pflegten  die  Umwohner 
l)ei  (Iroheudor  Gefahr,  namentlich  bei  plötzliclien  feind- 
üclien  Überfällen,  sich  seihst  und  ihre  wcrth vollste  Habe 
zu  bergen  und  zu  vertheidigeu.  Ein  nach  strategischen 
Gesichtspunkten  angelegtes  „System"  von  Schanzen  hat 
es  nicht  gegeben').  Ebensowenig  sind  sie  irgend  ständig 
bewohnt  gewesen;  es  haben  also  auch  keine  (Holz-)  Burgen 
darauf  gestanden.  Die  Bezeichnung  als  castra,  castella, 
Burgberge  erhielten  sie  von  sjüitercn  Geschlechtern  nur 
deshalb,  weil  sie  einstmals  allerdings  die  Stelle  der  nach- 
maligen Steinburgen  vertraten,  nämlich  um  vor  den 
Feinden  zu  „bergen"^). 

Ebenso  dürften  von  den  Semnonen  herriUnen  die  einen 
der  unzähligen  aufgefundenen  Aschenurnen,  während  andere 
jedenfalls  erst  den  slavischen  Milzenern  angehören.  Nur 
hat  man  bis  jetzt  sichere  Uiitersch(_;idungsmerkmalc  zwi- 
schen beiden  noch  nicht  festzustellen  vermocht- 

Im  Verlaufe  der  Völkerwanderungen  verliessen  auch 
die  Semnonen  iine  bisherige  Heiniath.  In  das  leer  ge- 
wordene Land  rückte  im  6.  oder  7.  Jahrhundert  von 
Osten  her  der  slavische  Stamm  der  Milzener  ein  und 
nahm  Besitz  von  den  schon  früher  bebauten  Wohn- 
plätzen. Auch  ihnen  werden  die  bereits  vorgefundenen 
Schanzen  dieselben  Dienste  geleistet  haben ,  wie  ilu'en 
Vorgängern.  Die  Ausdehnung  ihrer  Ansiedlungen  lässt 
sich,  bei  einiger  Vorsicht,  aus  den  noch  jetzt  erhaltenen 
slavischen  Ortsnamen  ziendich  sicher  nachweisen^).  Es 
war  einmal  ein  schmaler  offener  Landstrich  zwischen 
dichten  Waldungen  im  Süden  und  im  Norden,  von  Lauban 
und  Görlitz  bis  gegen  Löbau  hin,  und  von  da  bis  gegen 
Kamenz  das  weite,  ebene  oder  doch  nur  wellige  Gebiet 
rings  um  das  nachmalige  Bautzen.  Den  dortigen  leichten, 
sandigen  Boden  vermochten  sie  mit  ihrem  schwachen 
Holzpfiuge  leicht  zu  bebauen.  Nur  etwa  in  den  Fluss- 
thälern  lockte  die  AVenden  auch  der  fettere  Marschboden 
theils  stromaid'wärts  bis  in  die  südlichen  waldbedeckten 
Gebii-ge,  theils  stroraal)wilrts  in  die  nördlichen  sandigen 
Heiden  zu  neuen  Ansiedlungen.  In  diesem  Zentrum  des 
alten   Wendeidandes    liegen    noch   heute   die    kleinen    sla- 


')  Oskar  Schuster,  Die  alten  Heidenschanzen  Deutsch- 
lands (Dresden  18fi9). 

^)  Knothe,  Rechtsgeschichte  der  Oberlausitz  (1877),  9  tlg. 

*)  Knothe,  Zur  Geschichte  der  Germanisation  in  der  Ober- 
lausitz: in  V.  Webers  Archiv  für  die  sächs.  Gesch.  N.  F.  11,  2G6  flg. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  134('.   75 

vischen  Dörfer,  umgeben  von  den  zugehörigen  Fluren 
und  Wcäldchen,  dicht  gedrängt  aneinander. 

Die  Milzener  standen,  wie  alle  nördlichen  Slaven- 
stämme,  unter  Stanimeshäuptern  oder  Fürsten  und  einem 
kriegerischen  Adel.  Alles  übrige  Volk,  obgleich  nach 
seinen  Pflichten  geschieden  in  mehrere  Klassen,  war 
hörig,  gehörte  theils  dem  Fürsten,  theils  dem  Adel'') 
und  hatte  an  dem  Boden,  den  es  bebaute,  keinerlei  Eigeu- 
thumsrecht.  Derselbe  war  Eigenthum  der  Gutsherren. 
Dem  Fürsten  blieben  zum  eignem  Besitz  zahlreiche 
Domänen,  theils  Dörfer  mit  Höfen  oder  Vorwerken, 
theils  vor  allem  die  grossen  Waldungen  im  Norden  vor- 
behalten. 

Nach  allgemeiner  slavischer  Sitte  schuf  sich  jeder 
Stamm  eine  gemeinsame  Stammesfeste.  Sie  war  der 
Sitz  des  Landesfürsten  und  seiner  Beamten  und  die  all- 
gemeine Zufluchtsstätte  bei  eigentlicher  Kriegsgefahr. 
Darum  war  auch  das  ganze  Land  zum  Schutz  und  Unter- 
halt derselben  verpflichtet.  Daher  hatten  alle  Dörfer 
nöthigenfalls  dahin  Baudienste  zu  thun  und  ein  regel- 
mässiges „Wachkorn"  zum  Unterhalt  der  dasigen  Be- 
satzung an  den  Landesherrn  einzuliefern*).  Das  Ein- 
sammeln dieser  Abgaben  stand  den  Supanen  zu,  welche 
ebensoAvohl  die  Richter  als  die  Steuerbeamten  in  den 
einzelnen,  aus  mehreren  Dörfern  bestehenden  Gerichts- 
und Steuerbezirken  waren®). 

Zu  dieser  ihrer  Stammesfeste  erkoren  sich  die  Mil- 
zener einen  fast  genau  in  der  Mitte  jenes  Zentrums  ihrer 
Ansiedlungen  gelegenen,  im  Westen  und  Norden  ganz 
steil  zur  Spree  abfallenden  Basaltfels,  an  welchen  sich 
gegen  Osten  ein  breiteres  Plateau  schllesst  —  das  jetzige 
Bautzen.  Wir  wissen  nicht,  ob  dieser  unstreitig  schon 
durch  die  Natur  selbst  festeste  Punkt  der  ganzen  Gegend 
auch  bereits  bei  den  Semnonen  eine  gleiche  Bedeutung 
gehabt  habe.  Der  Umstand,  dass  auf  dem  gerade  gegen- 
über liegenden  Protsclienberge  am  linken  Spreeufer  sich 
eine  und  zwar  ziemlich  unbedeutende  (jetzt  völlig  abge- 
tragene) Schanze  befand,  scheint  dagegen  zu  sprechen. 
Demnach   hätten   erst    die   Milzener    das  jetzige    Bautzen 


*)  Knothe,    Die     verschiedenen    Klassen    slavischer  Höriger 
in  den  Wettinischen  Landen,  in  dieser  Zeitschrift  IV,  1  flg. 
')  Knothe,  Rechtsgeschichte,  5  flg. 
*)  Diese  Zeitschrilt  lY,  5. 


7C)  HermaiiTi  Knothe: 

angelef^t  und  zum  Mittelpunkte  ihrer  Herrschaft  gemacht. 
Auf  dem  steil  abfallenden,  noch  überdies  durch  tiefen 
Graben  gegen  Osten  hin  geschützten  Fels  entstand  die 
jedenfalls  nur  hölzerne  Wohnung  des  Landesherrn ;  war 
doch  auch  die  929  für  den  neugeschaffenen  Markgrafen 
von  Meissen  aufgeführte  deutsche  Burg  an  der  Triebisch 
und  Elbe  nur  ein  Holzbau.  Auf  dem  östlichen,  ebenfalls 
durch  das  .Spreethal  zum  theil  geschützten  Plateau  lag 
die  Stadt,  d.  h.  die  Wohnungen  theils  der  laudesherrlichen 
Beamten,  der  ritterlichen  Besatzung,  der  unentbehrlichen 
Handwerker,  Kaufleute,  Oastwirthe  und  sonstiger  Ein- 
wohner. Das  unmittelbar  unterhalb  der  Stadt  im  Thalc 
der  Spree  gelegene  Dorf  Seidau  stand  wohl  schon  in 
altslavischer  Zeit  ebenso  wie  später  unmittelbar  unter 
dem  Landesherrn.  Au  mehreren  Stellen  in  der  Nähe  der 
Stadt  finden  sich  grosse  Urnenfelder,  wo  die  heidnischen 
Wenden  die  Asche  ihrer  Tntcn  beisetzten.  Bei  Öhna 
(im  N.  von  Bautzen )  gab  es  eine  Kultusstätte  des  Flins  ') 
und  auf  den  höchsten  Punkten  der  südlich  gelegenen, 
noch  heute  dicht  bewaldeten  Bergketten  wurden  der  Biele- 
bog,  d.  h.  der  weisse,  gute  Gott,  und  der  Czernebog,  der 
schwarze,  böse  Gott,  verehrt. 

Diese  Stammesburg  oder  Hauptstadt  des  Milzener- 
landes  nun  erhielt  den  Namen  Budissln.  Bischof  Tliiet- 
mar  von  Merseburg  (gestorben  1018),  von  welchem  dieser 
Name  zuerst  genannt  wird,  schreibt  ihn  Budusin,  Chro- 
nisten und  Urkunden  des  12.  und  13.  Jahrhunderts 
Budesin,  Budisin,  Budyssin]  mindestens  seit  dem  14.  Jahr- 
hundert wurde  er  wenigstens  gesprochen  auch  Baudissin  *), 
später  Bautzen,  welche  Form  des  Namens  seit  1868  auch 
die  offizielle  Schreibweise  geworden  ist.  Was  der  Name 
aber  bedeute,  darüber  sind,  ganz  abgesehen  von  den 
Erklärungsversuchen  der  älteren  Historiker^),  selbst 
gegenwärtig  die  gelehrten  Slavisten  noch  keineswegs 
völlig  einig.  Der  Form  nacli  Ist  das  Wort  das  Adjektiv 
von  einem  weiblichen  Personennamen  Budym,  welcher 
den  männlichen  Personennamen  Budych  oder  Buduch 
voraussetzt.  Der  Stamm  hud  aber  bedeutet  den  einen 
zufolge:  gern  bauen,  den  andern  zufolge:  wecken,  so 
dass  die  Adjektivform  Budisin  dasjenige  bezeichnen  würde, 

»)  Laus.   Mag.  VI  (1827),  177  und  315  flg. 

*)  Knothe,  Gesch.  des  Oberlausitzer  Adels  (1879),  108. 

*)  Vgl.  ü.  r>.  bei  Carpzov,  Ehrentempel  I,  242. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  ir>i6,  77 

was    „der    Gernbauenden" ,    beziclientlich    „der  Weckerin" 
eigen  ist,  also:  Budischljurg*"). 

Aus  dem  ganzen  etwa  dreihundertjährigen  Zeitraum 
nationalslavisciier  Herrs^chaft  in  der  jetzigen  Oberlausitz 
giebt  es  keine  einzige  zuverlässige  NacLriclit  über  die 
dasigen  Wenden.  Unter  den  mehr  als  300  gesammelten 
Volksliedern  derselben  befindet  sich  nur  ein  einziges  von 
historischem  Inhalt  ").  Es  erzählt,  wie  „die  Sorben"  dreimal 
gegen  „die  Deutschen,  von  deren  Sprache  sie  kein  einziges 
Wörtlein  verstanden",  ins  Feld  gezogen  seien  und  dreimal 
„sehr  grossen  Sieg  errungen"  hätten,  und  wie  darauf 
jedesmal  „der  König",  der  persönlich  nicht  mit  im  Kriege 
gewesen,  seine  Krieger  beschenkt  habe  mit  neuen,  präch- 
tigen Kleidern,  mit  Sanmit  und  Scharlach  roth,  mit  Gold- 
füchsen und  blitzenden  Schwertern.  Diese  über  die 
Deutschen  errungenen  Siege  dürften  sich  auf  die  Einfälle 
beziehen,  welche  im  9.  Jahrhundert  von  den  vereinigten, 
östlich  der  Saale  wohnenden  Sorbenwenden  nach  Thüringen 
mit  günstigem  Erfolge  unternommen  wurden.  Und  eben 
diese  Einfälle  waren  es,  welche  darauf  im  10.  Jahrhundert 
die  allmähliche  Unterwerfung  der  Wenden  durch  die 
Deutschen  bis  an  den  Queiss  im  Osten  zur  Folge  hatten  '"''j. 

'")  Vgl.  Brouisch,  Laus.  Mag.  XX  (1842).  84.  Hulakovsky, 
Laus.  Mag.  XXXVII  (IS^^iO),  497.  Schmaler,  Die  slavischen  Orts- 
namen in  der  Oberlausitz  (1867),  12.  (Just.  Hey,  Die  slavischen 
Ortsnamen  des  Kgr.  Sachsen  (188H),  4.^^.  Prof.  Dr.  Ptuhl  nach  briet- 
lichen  Miitheiluugen. 

")  Haupt  und  Schmaler,  Volkslieder  der  ^Yeuden  (1840) 
I,  32  Nr.  IV. 

'*)  Als  leere  Fabeln  erweisen  sich  dem  bisherigen  zufolge 
alle  die  verschiedenen  Angaben  der  älteren  Historiker,  z.  B.  dass 
im  Jahre  495  die  Sorbenweuden  ein  festes  Schloss  auf  dem  Prot- 
schenbergo  cibaut  haben,  welches  805  nach  einer  siegreichen  Schlacht 
unter  Karls  des  Grossen  Sohne  Ludwig  (dem  Frommen)  und  Herzog 
Witte kind  von  Sachsen  geschleift  worden  sei,  worauf  sich  807  die 
Wenden  auf  dem  jetzigen  Schlossberge  angesiedelt  hätten,  (so  noch 
Böhlaud,  Schicksale  der  Oberlausitz  und  ihrer  Hauptstadt  ßudissin 
(1831)  5.  16  flg.),  —  oder  da&s  das  Schloss  auf  dem  Piotscheuberge 
schon  im  7.  Jahrhundert  und  zwar  durch  Markgraf  Eadbod  auf- 
geführt worden,  die  Stadt  aber  erst  im  9.  Jahrhundert  von  den 
j^fachfolgern  Karls  des  Grossen  angelegt  sei  (Grosser,  Merk- 
würdigkeiten III,  57),  —  oder  dass  die  Stadt  um  882  von  einem 
mährischen  oder  slavischen  Fürsten  Budissintius  oder  Budislaus 
ihren  Anfang  genommen  und  ihren  Namen  erhalten  habe  (so  noch 
Wilke,  Chronik  der  Stadt  Budissin  [1843],  l2).  Verschiedene  Sagen 
über  die  Erbauung  von  Bautzen  und  über  den  Protschenberg  sind 
gesammelt  bei  Haupt,  Sagenbuch  der  Oberlausitz,  Lausitz.  Mag. 
XL  (1863),  :i03  flg. 


7(|!  Hermann  Kiiothe: 

Nacliflem  der  deutsche  König  Heinrich  I.  (928) 
die  Slaveu  zwischen  Saale  und  Elbe  unterjocht  und,  um 
dieselben  im  Zaume  zu  halten,  die  Mark  Meissen  angelegt 
hatte,  „brachte  er  von  Meissen  aus  auch  die  Milzener  unter 
seine  Botraässigkeit  und  zwang  sie,  Zins  zu  entrichten'"'). 
Diese  erste,  wie  es  scheint  932  erfolgte  Unterwerfung 
nöthigte  dieselben  wohl  nur,  die  Oberherrlichkeit  des 
deutschen  Königs  anzuerkennen;  im  übrigen  verblieben 
ihnen  wahrscheinlicli  ihre  eignen  Fürsten,  eigene  Ver- 
waltung, eignes  Kecht.  Erst  Markgraf  Ekkehard  II. 
von  Meist^en  (985—1002)  „beraubte  die  Milzener  ihrer 
althergebrachten  Freiheit  und  machte  sie  zu  Knechten", 
was  jedenfalls  heissen  soll:  er  machte  die  Deutschen  zur 
einzig  herrschenden  Nation  im  Lande  Milsca  und  ver- 
leibte dieses  völlig  dem  deutschen  Reiche  ein. 

Von  der  hierbei  gewiss  erfolgten  längeren  oder 
kürzeren  Belagerung  und  blutigen  Eroberung  der  Stammes- 
feste Bautzen  giebt  keine  Chronik,  kein  Volkslied  Kunde. 
AVir  wissen  nicht,  ob  wenigstens  die  nach  und  nach  im 
Interesse  der  Wenden  ausgeschmückte  Sage  vom  Drohm- 
berge  (auch  Thron-  und  Kronberg  genannt)  bei  Eben- 
dörfel,  eine  Stunde  südlich  von  Bautzen,  in  Verbindung 
damit  zu  setzen  sei  '^).  Danach  sassen  dort  einst  auf 
sieben  Steinen  sieben  „Wendenkönige"  und  hielten  Rath, 
wie  sie  die  Deutschen  schlügen  und  die  Freiheit  er- 
kämpften. Sie  selbst  fielen  sämtlich  in  der  darauf  folgenden 
Schlacht;  aber  ihre  Völker  siegten  und  begruben  die 
Könige  mit  den  goldenen  Kronen  auf  dem  Haupte  unter 
jenen  sieben  Steinen,  die  noch  heute  auf  der  Höhe  des 
j.Thronbergs"  oder  „Kronbergs"  zu  sehen  sind. 

Das  eroberte  Milzenerland  war  also  jetzt  ein  Bestand- 
tlieil  des  deutschen  Reiches  geworden  und  ward  nach 
der  damals  herschenden  Eintheilung  desselben  in  Gaue 
nun  „Gau  Milsca"  genannt.  Der  Markgraf  von  Meissen, 
der  bereits  des  Reiches  Graf  in  den  Gauen  Dalaminza 
(Meissen)  und  Nisani  (^Dresden)  war,  wurde  Graf  auch 
in   dem   Gaue    oder   Lande   Milsca'*).      So    ward    die 

")  In  Betreu"  der  auf  die  allgemeine  Laudesgeschichte  bezüg- 
lichen Angaben  verweisen  wir  für  das  Folgende  auf  unseren  Auf- 
satz: „Die  politischen  Beziehungen  zwischen  der  Oberlausitz  und 
Meissen"  in  v.  Webers  Arch.  f  d.  sächs.  Gesch.  XII,  275  Üg.,  wo 
die  Belegstellen  abgedruckt  sind. 

'*)  Haupt,  Sagenbuch  der  Lausitz.   Laus. Magaz. XL (1863), 278. 

'^)  Belegstellen  für  diese  Benennungen  in  v.  Webers  Arch.  i. 
d.  sächs.  Gesch.  N.  F.  1,  64,  Anmerk.  4. 


Zur  älteste»  Geschichte  der  Stallt  Bautzen  bis  zum  J.  ir,46.  79 

nachmalige  Oberlausitz  ein  Pertinenzstück  der  Markgraf- 
schaft Meissen.  Die  bisherio^en  national-wendischen  Fürsten 
wurden  beseitigt;  in  ihre  Rechte  trat  der  deutsche  König 
oder  dessen  Stellvertreter,  der  Markgraf  von  Meissen. 
Diejenigen  wendischen  Adligen,  welche  die  Herrschaft 
der  Deutschen  ehrlieh  anerkannten,  behielten  ihre  Güter, 
aber  jetzt  nach  deutschem  Lehnrecht.  Die  übrigen 
Güter  wurden  deutschen,  zumeist  wohl  meissnischen  oder 
thüringischen  Kriegern,  zu  Lehn  gegeben  zum  Lohn  für 
ihre  Dienste  bei  Eroberung  des  Landes  und  zum  Im- 
zaumhalten  der  eben  erst  unterjochten  wendischen  Be- 
völkerung. Sie  werden  einfach  Besitz  ero-rifFen  haben 
von  den  Gütern,  Höfen,  Dörfern  ihrer  wendischen  Vor- 
besitzer. Die  Landbevölkerung  selbst  blieb  ganz  in  der 
früheren  Hörigkeit  oder  Unfreiheit;  sie  leistete  dem  neuen 
Landesherrn  und  den  neuen  Gutsherren  dieselben  Ab- 
gaben und  Dienste,  wie  den  früheren;  sie  hatte  also  nur 
die  Herren  gewecliselt.  In  der  Burg  zu  Bautzen  waltete 
jetzt  ein  deutscher,  ritterlicher  Statthalter  des  Markgrafen 
von  Meissen  (wenigstens  später  praefectus  oder  castelfanus 
de  Biidissin  genannt)  mit  seiner  deutschen  Besatzung. 
Schon  jetzt  oder  doch  nicht  viel  später  wurde  eine 
grössere  Anzahl  deutscher  Lehnsmänner  veranlasst,  sich 
zu  umso  sichrerem  Schutze  der  Burg  dicht  unter  derselben 
auf  dem  sogenannten  Burg  lehn  anzubauen,  und  erhielt 
dafür  Dörfer  in  der  Nähe  von  Bautzen  als  Dienstlehen. 
Dies  Burglehn  mit  seinen  ritterlichen  Bewohnern  hat 
stets  lediglich  vmter  der  Jurisdiktion  des  Präfekten 
(später  des  Landvogts),  nie  unter  der  der  Stadtbe- 
hörde gestanden.  Die  Herren  des  Landes  waren  jetzt 
Christen;  gewiss  wurde  daher  alsbald  auch  in  Bautzen 
eine  erste  christliche  Kapelle  oder  Kirche,  die  erste 
im  Lande,  und  zwar  auf  dem  höchsten  Punkte  der  Stadt 
erbaut.  Wenigstens  die  Bewohner  der  Hauptstadt  werden 
sich  haben  müssen  taufen  lassen.  Seitdem  wurden  die 
heidnischen  Friedhöfe  geschlossen,  und  die  Toten  nicht 
mehr  verbrannt,  sondern  auf  dem  Kirchhofe  rings  um 
die  Kirche  beo^raben. 

Nur  wenige  Jahrzehnte  aber  dauerte  diese  erste 
meissnisehe  Epoche.  Als  1002  sowohl  Kaiser  Otto  HL 
als  Markgraf  Ekkehard  von  Meissen  gestorben  waren, 
hielt  Herzog  Boleslaw  Chrobry  von  Polen  die  Ge- 
legenheit für  günstig,  sich  ein  grosses  Slavenreich  zu 
gründen    und    mindestens    wieder    alles    das    altslavische 


gQ  Hennaiiu  Kuothe :] 

Land  bis  ;iii  diu  Saale  zurück  zu  erobern,  wobei  er  sich 
der  Sympathien,  ja  der  thiltigcn  Mitwirkung  der  noch 
durchaus  slavischen  Landbevölkerung-  versichert  halten 
dürfte.  Von  1002—1018  währten  die  Kriege  zwischen 
ihm  und  dem  neuerwählten  Könige  Heinrich  IL  von 
Deutschland.  Zu  wiederholten  Malen  ward  in  dieser 
Zeit  gerade  Bautzen  bald  von  den  Polen,  bald  von  den 
Deutschen  belagert  und  theils  durch  Sturm  genommen, 
theils  durch  K"a])itulation  übergeben.  Der  Besitz  der 
Landesfeste  entschied  über  den  Besitz  des  ganzen  Landes. 
Infolge  dessen  wurde  nach  und  nach  der  Gau  oder  das  Land 
Milsca  auch  als  Gau  oder  Land  Budissin  bezeichnet'^). 

Eben  diese  von  Bischof  Thietmar  von  Merseburg 
eingehend  behandelten  Kriege  gegen  die  Polen  sind  es, 
in  welchen  zum  ersten  Mal  beim  Jahre  1002  die  Stadt 
(urhs  oder  auch  civitas)  Budusin  namentlich  erwähnt  und 
bei  Gelegenheit  einer  Belagerung  durch  König  Heinrich  H. 
einigermassen  beschrieben  wird'*).  Danach  bestand 
die  eigentliche  Stadt  noch  immer  lediglich  aus  Holz- 
häusern; denn  von  dem  deutschen  Heere  ward  „bereits 
Feuer  herbeigebracht",  um  sie  zu  verbrennen,  als  Mark- 
graf Gunzelin  von  Meissen  dies  verbot.  Sie  war  mit 
„Mauern"  umgeben,  d.  h.  wahrscheinlich  einem  Walle  mit 
Holzplanken  hinter  einem  Graben.  Eines  Tages  hatten 
„die  in  der  Stadt"  yurhani)  einen  Ausfall  versucht,  wurden 
aber  zurückgetrieben  und  namentlich  von  einem  deutschen 
Krieger,  Namens  Hemuza  „bis  fast  an  die  Mauern  ver- 
folgt"'; da  ward  derselbe  von  einem  halben  Mühlstein 
auf  den  Kopf  getroffen  und  sein  Leichnam  in  die  Stadt 
hinein^^ezogen.  Es  gab  auch  Bastionen  (propugnacula) 
in  der  Umwallung.  Von  einer  derselben  zielte  eines 
Tages  ein  Bogenschütze  auf  König  Heinrich  selbst,  traf 
aber  nur  dessen  Nebenmann,  Bis  an  die  Spree  hinab 
wüthete  damals  der  Einzelkampf.  Ein  deutscher  Krieger, 
Namens  Tammo,  leistete,  im  Flusse  stehend,  den  Feinden 
lange  Zeit  tapferen  Widerstand,  bis  er  endlich  auf  den 
schlüpfrigen  Steinen  ausrutschte,  hinstürzte  und  nun  trotz 
seines  vorzüglichen  Brustharnisches  erlegt  ward. 

In    einem    zu    Bautzen    am    30.  Januar    1018    ab- 
geschlossenen Frieden  musste  endlich  König  Heinrich  IL 


'•)  Belegstellen  in  v.  Webers  Arch.  f.  d.  sächs.  Gesch.  N.  F.  I 
65,  Aniuerk.  ö.  u.  6. 

")  Tbiotmar,  Mou.  Germ,  List.  SS.  III,  793. 


^ur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.   gl 

das  Milzenerland  definitiv  an  Boleslaw  Clirobry  abtreten. 
Zu  den  Friedeusbedingungen  gehörte,  dass  der  verwitwete 
Polenherzog  des  verstoi-benen  Markgrafen  von  Meissen 
Tochter  Namens  Oda  zur  Gemahlin  erhalten  solle.  Schon 
am  Abende  des  vierten  Tages  darauf  ward  dieselbe  zu 
Seitschen  *"*),  bis  wohin  er  ihr  entgegen  gezogen  war,  feier- 
lichst bei  Fackelschein  ihm  übergeben  und  dann  in  Bautzen 
mit  ihm  vermählt-  So  hielt  denn,  wenigstens  auf  kurze 
Zeit,  einmal  wieder  ein  Landesherr,  und  zwar  nebst  Ge- 
mahlin, zu  Bautzen  Hof.  Nach  Boleslaws  Tode  (1024) 
erfolgten  neue  Kriege  zwischen  dessen  Sohne  Mieczislaw 
luid  König  Konrad  If.,  in  welchen  letzterer  (1029)  auch 
Bautzen  vergeblich  belagerte,  ersterer  aber  endlich  Stadt 
und  Land  wieder  an  die  Markgrafen  von  Meissen 
abtreten  musste. 

Von  den  etwaigen  Veränderungen,  welche  diese  mit 
kurzen  Unterbrechungen  29  Jahre  währende  Herrschaft 
der  Polen  theils  in  den  Verhältnissen  des  ganzen  Landes, 
theils  in  Bautzen  selbst  zur  Folge  o-ehabt  habe,  wissen 
wir  nichts.  Die  kirchlichen  Zustände  blieben  jeden- 
falls, da  Boleslaw  Christ  war,  davon  unberül)rt.  Ja  es 
scheint,  dass  eine  sehr  alte  Kapelle  auf  dem  Schlosse  mit 
alten  (Fresko-)  Gemälden,  gelegen  an  der  Mauer  gegen 
die  Spree  hin-,  welche  erst  1605  völlig  abgebrochen  ward, 
von  ihm  herrührte;  wenigstens  fand  man  bei  Wegräumung 
des  Schuttes  auch  einen  Stein  mit  dem  polnischenWappen '  ®). 

Diese  zweite  meissnische  Epoche  für  das  Land  Bu- 
dissin  dauerte  auch  nur  45  Jahre.  Da  in  den  bekannten 
Investiturstreitigkeiten  zwischen  Kaiser  Heinrich  IV.  und 
den  sächsischen  Grossen  sich  der  Markgraf  Egbert  von 
Meissen  zu  den  letzteren  hielt,  so  sprach  ihm  der  Kaiser 
1076  die  Mark  Meissen  samt  dem  zugehörigen  Gau  Milsca 
ab  und  übergab  sie  dem  getreuen  Herzog  Wratislaw 
von  Böhmen.  Dieser  aber  übertrug  die  Vertheidigung 
und  Verwaltung  dieser  neuerworbenen  Länder  dem  tap- 
feren Grafen  Wiprecht  von  Groitzsch  und  überliess  dem- 
selben 1086  nebst  der  Hand  seiner  eigenen  Tochter  Judith, 
als  deren  Mitgift,  den  Niessnutz  der  beiden  Gaue  Milsca 
und  Nisani.  So  kam  denn  die  nachmalige  Überlausitz 
1076  zum   ersten  Male  unter  Böhmen.     Wiprecht  musste 


")  Siehe  v.  Webers  Archiv  f.  d.  sächs.  Gesch.  XII,  27y  An- 
merkung 11. 

'•)  Knauthe,  Weud.  Kirchen-Gesch.  (1767)  29. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  \i.  A.    V.  i.  2.  6 


82  Hermann  Knothe: 

zwar  (1110  oder  1112)  jene  beiden  Länder  an  Kaiser 
Heinrich  V.  abtreten,  um  seinen  ältesten  Sohn,  AViprecht 
den  jüngeren,  aus  der  Gefangenschaft  des  Kaisers  loszu- 
kaufen, und  letzterer  gab  dieselben  sofort  seinem  Günst- 
ling Graf  Iloyer  von  Mansfeld,  von  welchem  das  ober- 
lausitzische  Hoyerswerde  wenigstens  seinen  deutschen 
Namen  erhalten  zu  haben  scheint.  Als  aber  dieser  1115 
in  der  Schlacht  am  Welfisholze  gefallen  war,  erhielt 
Wiprecht  der  ältere  seine  Länder  zurück  und  vererbte 
bei  seinem  Tode  (1124)  das  Land  Budissin  an  seinen  jün- 
geren Sohn  Heinrich  von  G  r  o  i  t  z  s  c  h.  Nach  dessen  kinder- 
losem Tode  1135  gab  Kaiser  Konrad  III.  jedenfalls  auch 
das  Land  Budissin  an  Markgraf  Konrad  den  Grossen 
von  Meissen  zurück. 

Wiprecht  von  Groitzsch  residierte  mindestens  für  ge- 
wöhnlich zu  Bautzen;  wenigstens  starb  daselbst  am 
17.  Dezember  1109  seine  Gemahlin  Judith,  wurde  aber 
in  dem  von  Wiprecht  gestifteten  Kloster  zu  Pegau  mit 
grosser  Feierlichkeit  beigesetzt.  Auch  Heinrich  von 
Groitzsch  dürfte  sich  wesentlich  in  Bautzen  aufgehalten 
haben.  Spuren  ihres  Waltens  scheinen  sie  aber  nicht 
zurückgelassen  zu  haben. 

Nur  etwa  20  Jahre  dauerte  die  nunmehr  dritte  Epoche 
ineissnischer  Herrscliaft.  Erst  jetzt  erfahren  wir  auch 
urkundlich,  dass,  wie  dies  gewiss  schon  immer  der  Fall 
gewesen  war,  als  oberster  Landesbeamter  der  castellanus 
de  Budissin  fungierte.  Nur  von  dem  allerletzten  lernen 
wir  auch  den  Namen,  Tlieodoricus,  kennen;  er  befand 
sich  unter  den  zahlreichen  Zeugen,  als  Älarkgraf  Konrad 
der  Grosse  1156  über  die  beiden  Klöster  Gerbstädt  bei 
Eisleben  und  Lauterberg  bei  Halle  Anordnungen  traf, 
unmittelbar  bevor  er  in  letzteres  eintrat,  um  den  Rest 
seiner  Tage  daselbst  zu  verbringen.  —  Markgraf  Konrad 
war  mit  Bischof  Meinhard  von  Meissen  darüber  in  Streit 
gerathen,  ob  auch  die  zahlreichen  Güter  und  Unterthanen, 
welche  das  Bisthum  Meissen  nach  und  nach  in  der  jetzigen 
Oberlausitz  erworben  hatte^"),  verpflichtet  seien,  zu  dem 
Bau  und  Unterhalt  der  Landesfeste  Bautzen  beizutragen. 
Obwohl  dieselben  der  Kirche  zu  Meissen  „geeignet"  waren, 
entschied  1144  Kaiser  Konrad  III.  dennoch,  dass  von  den 
Dörfern  des  Domstiftes  diejenigen  „im  Lande  Milsca  drei 


*")  Vergl.  Knothe,  Die  Besitzungen  des  Bisthums  Meissen  in 
der  Oberlausitz,  in  v.  "Webers  Arch.  f.  d.  sächs.  Gesch.   VI,  159  flg. 


2ur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.  83 

Stuben  auf  der  Burg  Bautzen  bauen  und  den  all- 
gemeinen Wachdienst  nach  Landessitte  thun",  dass  dagegen 
diejenigen  im  Lande  Zagost  (besonders  wohl  in  der  eigent- 
lich zu  Böhmen  gehörigen,  aber  von  einem  dasigen  Herr- 
scher dem  Bisthum  Meissen  geschenkten  Herrschaft  Seiden- 
berg) von  dem  Bau  auf  der  markgräflichen  Burg  völlig 
frei  sein,  den  Wachdienst  aber  ebenfalls  leisten  sollten. 
Vielleicht  hatte  den  Aulass  zu  diesem  Streit  der  eben 
damals  nöthig  gewordene  Neu-  oder  Umbau  der  Burg 
gegeben  ^*). 

Sofort  nach  dem  Tode  Markgraf  Konrads  von  Meissen 
gab  Kaiser  Friedrich  I.  (1158)  das  Land  Budissin,  welches 
trotz  alles  Wechsels  der  Besitzer  den  Charakter  eines 
Eeichslehens  nicht  verloren  hatte,  an  König  Wladislaus  H. 
von  Böhmen,  der  ihm  soeben  gegen  Polen  erfolgreiche 
Hilfe  geleistet  hatte  und  ein  gleiches  auch  gegen  Mailand 
thun  sollte.  So  gelangte  die  jetzige  Oberlausitz  ein  zweites 
Mal  unter  böhmische  Herrschaft.  Gerade  diese  Epoche 
ist  für  die  innere  Entwickelung  des  Landes  von  der 
allergrössten  Bedeutung  gewesen,  wie  sich,  obwohl  es  an 
direkten  Nachrichten  fehlt,  doch  aus  den  nach  und  nach 
als  zu  Recht  bestehend  auftretenden  neuen  Einrichtungen 
deutlich  ergiebt.  Das  Land  wurde  jetzt  nach  den  im 
Königreich  Böhmen  hergebrachten  Verfassungs Verhältnissen 
umgestaltet. 

Als  Stellvertreter  des  Landesherrn  und  Inhaber  der 
obersten  Militär-  und  Administrativgewalt  blieb  zwar  der 
castellanus  oder,  wie  er  jetzt  auch  heisst,  'praefectus, 
deutsch:  Burggraf  von  Budissin,  welcher  vom  König 
stets  aus  dem  böhmischen  Herrenstande  erwählt  zu 
werden  pflegte"'^'').  Die  oberste  Gerichtsgewalt  aber  übte 
ein  königlicher  Landrichter  (judex  oder  advocatus  terrae)] 
er   war    der   zweithöchste   königliche   Beamte    und    hatte 


*')  Das  Schloss  zu  Bautzen  wird  die  Ortenburg  genannt, 
eine  Benennung,  von  welcher  bis  jetzt  niemand  recht  weiss,  seit  wann 
sie  aufgekommen  und  wie  sie  zu  erklären  sei.  In  Urkunden  ist 
sie  uns  niemals  begegnet  (Wilke  12  freilich  behauptet,  dieser 
Name  „komme  in  frühester  Zeit  vor").  Von  ganz  ungereimten  Er- 
klärungen völlig  zu  schweigen,  wollen  die  einen  den  Namen  von 
Dorothea,  die  anderen  von  Othin,  Bronisch  (Laus.  Mag. 
XLVI.  1869.  172)  von  Ortwin,  Haupt  (Laus.  Magaz.  XL.  1863. 
305)  von  „Ort"  in  der  Bedeutung:  Spitze  oder  Grenze  (Grenzburg) 
ableiten. 

'=')  Das  Verzeichnis  derselben:  K  not  he,  Rechtsgeschichte 
12  flg. 

6* 


g4  Hermann  Knotlie; 


seine  Aratswohuung  wohl  ohenso  wie  der  Kastellan  auf 
der  königlichen  Burg.  Als  sonstige  Beamte  werden  er- 
Avähnt  die  villici,  Verwalter  der  königlichen  Domänen,  imd 
die  nwitii,  Frohnbotcn.  Als  solche  Domänen  haben  wir 
zu  betrachten  die  grossen,  nun  „königlichen"  Heiden  im 
Norden  und  Nordwesten  von  Bautzen  und  im  Norden  von 
Görlitz,  den  „Königslug",  einen  Wald  bei  Hoycrswerde, 
den  Kottmarsberg  bei  Löbau,  gewiss  ebenso  auch  die 
erst  in  dieser  Zeit  neu  angelegtun  oder  umgestalteten  Ort- 
schaften Königsbrück,  Königswarthe,  Königshain  bei  Gör- 
litz, Königsteich  (jetzt  Niederkaina)  bei  Bautzen. 

Nach  böhmischem  Vorbild  wurden  jetzt  auch  in  der 
Oberlausitz,  zumal  im  Norden  derselben,  eine  Anzahl 
grosser  Güterkomplexe  geschaffen,  deren  Lehnsinhaber 
einen  höheren  Rang  als  der  übrige  Lehnsadel  besassen. 
Dieselben  hiessen  „Herren",  durften  sich  des  pluralis  ma- 
jestaticus  („Wir")  bedienen,  waren  frei  von  der  landes- 
herrlichen Bede  und  übten  in  ihren  „Herrschaften" 
nicht  nur  die  niedere,  sondern  auch  die  obere  Gerichts- 
barkeit, und  zwar  nicht  bloss  über  die  slavische  hörige 
Landbevölkerung,  sondern  auch  über  ihre  mehr  oder 
minder  zahlreichen  Aftervasallen,  denen  sie  einzelne  ihrer 
Dörfer  zu  Lehn  ausgethan  hatten.  Als  solche  Herr- 
schaften werden,  freilich  zum  Theil  erst  im  Laufe  des 
14.  Jahrlmnderts,  erwähnt:  Hoycrswerde,  Kamenz,  Nesch- 
witz^  Ruhland,  ßariith,  Kittlitz,  Muskau,  Penzig  (Seiden- 
berg, Marklissa).  Noch  heute  führen  davon  Hoycrswerde, 
Muskau,  das  erst  später  hinzugekommene  Königsbrück 
und  Reibersdorf  (durch  Übertragung  von  Seidenberg)  die 
Bezeichnung  als  „Standesherrschaften"  und  haben  man- 
cherlei Vorrechte  vor  den  übrigen  Rittergütern. 

Gegen  Ende  des  12.  und  Anfang  des  13.  Jahrhun- 
derts suchten  nun  die  böhmischen  Könige  ebenso  wie  in 
ihr  Hauptland  Böhmen,  so  auch  in  das  Nebenland  Bu- 
dissin  zahlreiche  Einwanderer  aus  dem  westlicheren 
Deutschland  herbeizuziehen.  Sie  wiesen  in  der  Oberlausitz 
den  einen  derselben  an  der  uralten  Ilandelsstrasse  aus 
Thüringen  und  Meissen  nach  Schlesien  und  Polen,  jetzt 
„die  königliche  Strasse"  (via  regia)  genannt,  geeignete 
Plätze  an  zur  Anlegung  deutscher  Städte.  So  erscheinen 
seit  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  ausser  der  Hauptstadt 
Bautzen  auch  Königsbrück,  Löbau,  Weissenberg,  Reichen- 
bach, Görlitz,  Lauban  als  neue,  und  zwar  „königliche" 
Städte.      Dem    Beispiele    der    Landesherren    folgten    die 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.  85 

Grossgrundbesitzer.  Die  Herren  von  Vesta  schufen  Ka- 
menz,  die  Herren  von  Scliönburg  Bernstadt,  die  Bischöfe 
von  Meissen  Bischofswerde  zu  deutschen  Städten  um. 
Andere  Züge  jener  deutschen  Einwanderer  wurden  theils 
in  den  nur  spärlich  bewohnten  nördlichen  Heiden,  theils  in 
den  so  gut  wie  völlig  unbewohnten  südlichen  Waldgebirgen 
angesiedelt.  So  entstanden  z.  B.  rings  um  Kamenz,  nörd- 
lich wie  südlich  von  Görlitz  und  Lauban,  besonders  öst- 
lich von  Bischofswerde  und  südlich  von  Löbau  höchst 
zahlreiche  neue,  deutsch  benannte  und  deutsch  sprechende 
Dörfer  mit  einer  freien  deutschen  Bauernschaft, 
Avelche  ihre  Hufen  für  Geld  käuflich  erworben  hatte 
und  im  Gegensatz  zu  den  slavischen  Hörigen  sie  zu 
Erbe  b.sass.  Dem  Beispiel  der  Grossgrundbesitzer 
folgten  alsbald  aucli  die  kleineren  Gutsbesitzer  und  rich- 
teten viele  ihre  Dörfer  nach  deutscher  Weise  ein,  be- 
setzten die  einzelnen  Hufen  theils  mit  fremden  Deutschen, 
theils  mit  slavischen  Eingeborenen,  welche  hierdurch  nun 
ebenfalls  frei  wurden,  das  heisst  ihren  Grund  und  Boden 
zu  Erbrecht  erhielten.  AVer  sein  Gut  zu  deutschem 
Hechte  besass,  zahlte  festen  Zins  in  Geld  und  leistete 
nur  wenige,  ebenfalls  fest  bestimmte  Spann-  oder  Hand- 
dienste. So  begann  gerade  erst  unter  der  Herrschaft  der 
böhmischen  Könige  in  der  Oberlausitz  die  allmähliche 
und  zwar  durchaus  friedliche  Gerraanisation  des 
Landes.  Die  Städte  und  die  neu  angelegten  Dörfer 
waren  und  blieben  (meist)  deutsch  und  schoben  deutsche 
Sprache,  Kultur  und  Sitte  mehr  und  mehr  siegreich  vor 
gegen  das  slavisch  gebliebene  Zentrum,  nämlich  die 
nächste  Umgebung  von  Bautzen.  AA''ohl  eben  mit  diesem 
Zuwachs  an  Bevölkerung  und  mit  der  Besiedelung  so 
vielen  bisher  unbebauten  Terrains  im  Lande  hing  eine 
neue  Administrativeintheilung  desselben  zusammen. 
Die  bisherige,  in  „Burgwarte",  wurde  aufgehoben  und 
w'as  nicht  zu  den  oben  besprochenen  grossen  Herrschaften 
oder  zu  den  bischöflich  meissnischen  Besitzungen  gehörte, 
sondern  unmittelbar  unter  der  Verwaltung  der  Krone 
stand,  in  eine  Anzahl  Gerichts-  und  Administrativbezirke 
getheilt  mit  Vögten  (advocati)  als  Beamten  und  mit  den 
neuen  königlichen  Städten  Löbau,  Reichenbach,  Weissen- 
berg,  Görlitz,  Laubau  als  Mittelpunkten.  Der  Vogt  zu 
Bautzen  aber  nahm  jedenfalls  die  Stellung  eines  obersten 
Richters,  des  Landrichters  im  Landgerichte,  ein. 

Nach  altem  deutschen  Brauche  fand  in  jedem  beson- 


86  Hermann  Knothe: 

deren  Lande  oder  Gaue  7Ai  gewissen  Zeiten,  meist  dreimal 
des  Jahres,  an  althergebrachter  Stätte  Landesversammlung 
oder  Landding   (provinciale  placitum,  Judicium   generale) 
statt-     Auf   demselben   hatten   regelmässig    zu   erscheinen 
der   Adel    des    gesamten    Landes,    Vertreter    der    könig- 
lichen Städte,  in  slavischen  Ländern  sogar  die  wendischen 
Supane  oder  Dorf'richter.     Auf  dem  Landding  pflegte  der 
Landesherr  entweder  persönlich  oder  durch  seinen  Statt- 
halter den  Versammelten  des  Landes  Nothdurft  darzulegen, 
die  von  ihm   etwa   getroffenen  Anordnungen  mitzutheilen 
und    sich    die  Zustimmuug    zu    denselben    zu   verschaffen. 
Darauf  wurden    aber   auch  Rechtsgeschäfte  aller  Art  er- 
ledigt,  Lehn    ertheilt,    Klagen    einzelner    durch    aus   der 
Versammlung  ernannte  Schoppen  verhört  und  entschieden, 
besonders  Kriminalfälle,  welclie  lediglich  vor  dies  oberste 
Landesgericht  gehörten,  zum  rechtlichen  Austrag  gebracht. 
In  den  Kriminalsachen  der  wendischen  Landbevölkerung, 
welche  noch  immer  nicht  deutsch  verstand,  versahen  den 
Schöppendienst  die  wendischen  Supane,  welche  auch  der 
deutschen  Sprache   mächtig   sein  mussten  und  welche  die 
auf  dem  Landding  gepflogenen  Verhandlungen,  gefassten 
Beschlüsse,  erlassenen  Befehle  der  Landbevölkerung  ihrer 
Supanie  dann  zu  „referieren"  hatten.    So  bildete  denn  das 
Landding  die  berathende  und  beschliessende  Versammlung 
des    ganzen  Landes  und   zugleich    den  obersten  Landes- 
gerichtshof.    Auch    in   der    Oberlausitz    sind    daraus    die 
nachmaligen    drei    regelmässigen    („willkürlichen",    d.    h. 
durch   die  Willkür    des  Landes  festgesetzten)  Landtage 
und  das  sogenannte  j?^cZ<c«w??i  ordinarium  hervorgegangen. — 
Abgehalten  wurden  hier  die  Landdinge  auf  dem  Schlosse 
zu  Bautzen,  als  der  alten  Landesfeste.    Von  zwei  solchen 
Landdingen  aus  dieser  böhmischen  Zeit,    nämlich  in  den 
Jahren  1228  und  1249^*),  haben   wir   urkundliche   Nach- 
richt.    Beide  Male  führte  König  Wenzel  I.  selbst  in  dem 
Landgerichte  den  Vorsitz  (consedentes,  jpresidentes)    über 
die  „gesammten  Barone   und  Edlen,   wie  es  Brauch  ist"; 
er  Hess    die  von  den  Parteien  vorgetragenen  Streitsachen 
(beide  Male  um  liegendes  Gut)  durch  gekorene  Schoppen 
untersuchen  und  bestätigte  und  befestigte  darauf  das  von 
denselben  gefundene  Urtheil. 

Ebenso    wie    für    die    oberste   Administrativbehörde, 
war  die  Stadt  Bautzen   längst   bereits  Sitz    auch  für  die 


»)  Köhler,  Cod.  Lus.  42.    Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  1,  131. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.  87 

oberste  kirchliche  Behörde  dos  Landes.  Die  allererste 
Erwähuung  eines  Geistlichen  zu  Bautzen  nennt  denselben 
(1216):  Nicolaus  „archidiacouus"  des  Landes  Budissin''*). 
Von  Meissen  aus  war  die  Herrschaft  der  Deutschen  und 
mit  derselben  auch  das  Christenthuni  in  die  Oberlausitz 
gekonnneu.  So  blieb  denn  das  Land  trotz  alles  Wechsels 
der  Landesherren  stets  unter  dem  bischöflichen  Stuhle  zu 
Meissen.  Der  Zusammenhang  mit  der  Mutterkirche  scheint 
schon  damals  auch  dadurch  unterhalten  worden  zu  sein, 
dass  der  oberste  Geistliche  zu  Bautzen,  der  Pfarrer  der 
Stadt,  zugleich  Domherr  zu  Meissen  zu  sein  pflegte.  Jener 
Nicolaus  wenigstens  war  es.  Das  erste  christliche  Kirchlein 
zu  Budissin  mochte  sich  wohl  längst  als  unzureichend  er- 
wiesen haben.  Es  soll  Johannes  dem  Täufer  gewidmet 
gewesen  sein.  Chronikalischen  Angaben  zufolge  wurde 
dasselbe  durch  Bischof  Benno  von  Meissen  1074  zur  Pfarr- 
kirche zu  St.  Petri  umgebaut.  Auch  die  1076  von 
demselben  Bischof  neugegründete  Kirche  zu  Göda  war 
den  Aposteln  Petrus  und  Paulus  gcAvidraet.  Es  ist  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  jenem  Bau  von  1074  noch  die 
romanischen  Rundbogenfenster  in  der  jetzigen  katho- 
lischen Sakristei  in  Bautzen  angehören,  wie  sich  auch 
von  jener  Gödaer  Kirche  vom  Jahre  1076  noch  einzelne 
Reste  romanischen  Stiles  erhalten  liaben^^).  Die  jetzige 
Hauptkirche  zu  Bautzen  dagegen  ist  in  gothischem  Stil 
aufgeführt.  Meissner  Nachrichten  zufolge  ^^)  wurde  dieser 
abermalige  völlige  Umbau  1213  unter  Bischof  Bruno  IL, 
der  übrigens  kein  Oberlausitzer,  kein  Herr  von  Baruth, 
sondern  ein  Herr  von  Borsendorf  wai"'^'),  begonnen.  Am 
24.  Juni  122  P*)  weihte  der  Bischof  die  Kirche  aufs  neue 
ein.  Die  betreffende  Urkunde  selbst  schweigt  zwar  dar- 
über, wem  die  Kirche  gewidmet  war;  aber  aus  späteren 
Urkunden  ergiebt  sich,  dass  sie  nicht  bloss  den  Apostel 
Petrus,  sondern  zugleich  Johannes  den  Täufer  zu 
Patronen  hatte ^'^J. 


^*)  Köhler,  Cod.  Lus.  Anhang  52,  und  Cod.  dipl.  Sax.  reg. 
II.  1,  8i. 

**)  V.  Webers  Archiv  f.  d.  sächs.  Gesch.  V,  80  und  82. 

**)  Calles,  Series  episc.  Misn.  IM. 

=")  Cod.  dipl  Sax.  reg.  II.  1,  XYIII. 

'^^)  Cod.  Lus.  27.  Besonders  in  den  Eigennamen  korrekter  ab- 
gedruckt in  den  „Statuten  des  CoUegiatstifts  St.  Petri  in  Budissin  von 
F.  P[rihonsky]  (Bud.  1858)  2. 

*»)  Cod.  Lus.  47  (1237):  Ecelesia  sancti  Johannis  baptistae  bea- 
tique  Petri  apostoli  in  Budesin.    Vergl.  ebenda  135  (1293).  256  (1324). 


88  Hermann  Knothe: 

Dieser  Umbau  hing  auf  das  Engste  mit  einer  Um- 
gestaltung des  gesamten  Kirclienwesens  sowohl  in  der 
Stadt  als  im  Lande  Budissin  zusannnen,  welche  der  Bisehof 
bezweckte.  Die  Bautzner  Kirche  sollte  für  alle  Zeiten 
auch  dem  Range  nach  die  erste  des  ganzen  Landes  werden; 
an  die  Stelle  der  blossen  Stadtpfarrei  Bautzen  sollte  ein 
Kollegiatstift  mit  einem  Propst  an  der  Spitze  und  sechs 
andern  Kanonikern  treten,  und  dieser  Propst  sollte  von 
nun  an  das  Archidiakonat  über  die  nachmalige  Ober- 
lausitz verwalten  ^^).  Eine  derartige  Stiftskirche  brauchte 
vor  allem  ein  eigenthüralich  gestaltetes  Chor  mit  den 
Chorstühlen  der  Kanoniker.  Darum  hebt  der  Bischof  in 
der  schon  erwähnten  Dedikationsurkunde  hervor,  er  habe 
die  Bautzner  Kirche  eingeweiht,  „nachdem  er  Kanoniker 
an  derselben  augestellt  und  das  Chor  von  neuem  auf- 
geführt habe".  —  Durch  diese  Erhebung  der  Stadtkirche 
zur  Kollegiatkirche  verlor  nun  freilich  die  Bürgerschaft 
die  freie  Verfügung  über  dieselbe.  Die  später  in  ge- 
legentlichen Klageschriften  gegen  das  Domkapitel  aus- 
gesprochene Behauptung^*},  dass  die  Peterskirche  ursprüng- 
lich von  der  Stadt  erbaut  worden  und  deren  Eigenthum 
gewesen  sei,  beruhte  daher  wohl  völlig  auf  Wahrheit. 

Dem  Bischof  Bruno  sollte  aus  seiner  neuen  und  segens- 
reichen Stiftung  zunächst  vielerlei  Verdruss  und  Sorge 
erwachsen.  Zum  ersten  Propst  des  Stiftes  Bautzen  war, 
jedenfalls  vom  Bischof  selbst,  der  Meissner  Dompropst 
Dietrich  (Theodoricus)  ernannt  worden;  allein  dieser  nahm 
die  ihm  zugedachte  Stellung  entweder  gar  nicht  an  oder 
verzichtete  alsbald  darauf  (praepositura  —  ex  resignatione  — 
Theodorici,  Misnensis  majoris praepositi,  coeperat  —  vacare). 
So  hatte    der  Bischof  den   Meissner  Domherrn  Nicolaus 


'")  Mau  hat  in  Zweifel  ziehen  wollen,  dass  es  in  der  Ober- 
lausitz überhaupt  ein  Archidiakonat  gegeben  liabe(Espe  in  den 
Berichten  der  deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig  [l'^.Sfi]  40  flg.).  Allein 
abgesehen  von  der  schon  (S.  87)  angeführten  Urkunde  von  1-.'16 
heisst  es  in  einer  Urkunde  Uruno's  II.  vom  25.  Februar  1222  (Cod. 
Lus.  30  flg.)  ausdrücklich:  prepositus  idem  archidiaconatus  per  totam 
terram  Budissincnscm  cttram  gerit,  und  bei  Oriindung  des  Klosters 
Marienstern  durch  die  Herren  von  Kainenz  (1248)  betonten  dieselben, 
dass  durch  die  Inkorporierung  einiger  Pfarreien  in  das  neue  Kloster 
cpiscopus  diocesanus  sive  archidiaconus  eorum  jure  inJiis  parochiis 
non  priventtir  (Laus.  Magaz.  XLIII  [1866],  384).  Später  allerdings 
scheint  der  Titel  eines  Archidiaconus  von  Bautzen  nicht  mehr  vor- 
zukommen; aber  der  Propst  von  Bautzen  übte  alle  Rechte  und 
Pflichten  eines  solchen.  Verel.  Beiträge  zur  Sachs.  Kirchengesch.  II,  33  flg. 

»')  Vergl.  Laus.  Magaz.  XXX VI  (1860),  192. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.  89 

(wahrsclieinlic'li  denselbeu,  welcher  1216  als  Archidiakonus 
vou  Bautzen  erwähnt  ward)  ernannt.  Allein  die  Bautzner 
Kanoniker  wollten  denselben  nicht  anerkennen,  da  er  sein 
Amt  „infolge  ihm  zu  theil  gewordener  Schenkung"  (ex 
donatione)  in  Anspruch  nehme,  während  doch  nach  der 
Analogie  des  Kollegiatstifts  zu  Würzen  den  Kanonikern 
das  Recht  zustehe,  ihren  Propst  selbst  zu  wählen.  Zu- 
gleich aber  begehrten .  sie  neben  dem  Propst  auch  einen 
Dekan  und  ausserdem  eine  Vermehrung  ihres  Kapitels 
um  noch  vier  andere  Mitglieder,  so  dass  sich  deren  Zahl 
zusammen  auf  zwölf  belaufen  sollte.  Erst  eine  Kommission 
Meissner  Domherren  vermittelte  zwischen  ihnen  und  dem 
Bischof  dahin  ^*),  dass  sie  zwar  den  ihnen  gegebenen 
Nicolaus  zum  Propst  auuelnnen  wollten,  aber  für  die  Zu- 
kunft ihren  Propst  selbst  sollten  wählen  dürfen.  Und 
zwar  sollten  sie  infolge  eines  späteren  Vergleichst^)  den- 
selben jedesmal  aus  der  Zahl  der  Meissner  Domherren, 
den  Dekan  aber  aus  ihrer  eignen  Mitte  wählen;  den 
Scholasticus  und  Custos  dagegen  sollte  der  Bischof 
ernennen,  im  übrigen  aber  sollte  Aufrücken  von  den 
niederen  in  die  höheren  Präbenden  stattfinden^*). 

Die  Dotierung  so  vieler  geistlicher  Stellen  an  ein 
imd  derselben  Kirche  war  für  den  Bischof  keine  leichte 
Aufgabe.  Den  Grundstock  bildeten  unstreitig  das  Pfarrgut 
und  die  sonstigen  Einkünfte  des  bisherigen  Stadtpfarrers. 
Es  ist  mit  Unrecht  behauptet  worden  ^^),  Bischof  Bruno 
habe  alle  die  neuen  Pfründen  aus  seinem  persönlichen 
Vermögen  geschaffen.  Vielmehr  überwies  derselbe  dem 
neuen  Stifte  zu  Bautzen  nur  von  den  Gütern  des  Dom- 
stifts Meissen  und  mit  ausdrücklicher  Genehmigung  des 
dasigen  Kapitels  einmal  das  ganze  Dorf  Schmiedefeld 
(N.  von  Stolpen)  mit  allen  Revenuen,  sodann  den  Bischofs- 
zehnten  von  Kunnersdorf  bei  Löbau.  Von  den  verschie- 
denen Hufen  (mansi)  oder  Bauergütern  zu  Schmiedefeld 
erhielt  unter  anderen  der  Dekan  vier  (und  ausserdem 
noch  eine  in  Kaina),  der  Custos  und  der  Scholasticus  je 
zwei  **);  d.  h.  sie  bezogen  den  von  den  betreffenden  Bauern 
für  jede  Hufe   zu  entrichtenden  Erbzins,  welcher  in  der 

3»)  Biscliöfliche  Urk.  vom  25.  Februar  1222.     Cod.  Lus.  29  flg. 
")  Urk.  vom  25.  September  1225.     Cod.  Lus.  36  tig. 
'*)  Urk.  vom  19.  Februar  1223  (nicht  vom  19.  Dezember  1222). 
Cod.  Lus.  35. 

**)  Carpzov,  Ehrentemp.  I,  246.    Wilke,  Bautzen  19. 
")  Cod.  Lus.  30. 


90  Hermann  Knothe: 

Regel  eine  Mark  Silber  (etwa  42  Mark  heutigen  Geldes) 
betrug.  Von  sonstigen  Schenkungen  des  Bisehofs  Bruno 
erfahren  wir  nichts.  Erst  sein  Nachfolger,  Bischof  Hein- 
rich, schenkte  1237^')  zu  Gunsten  der  in  der  Bautzner 
Kirche  errichteten  Altäre  des  seligen  Jakobus,  des  heiligen 
Kicolaus  und  der  seligen  Elisabeth  den  Bischofszehnten 
von  den  Dörfern  Litten  (NO.  von  Bautzen)  und  Briesing 
(N.  von  Niedergurig).  ~  "Wohl  aber  dürfte  sich  an  der 
Ausstattung  des  neuen  Kollcgiatstifts  auch  der  damalige 
Landesherr  der  Oberlausitz,  König  Wenzel  von  Böhmen, 
direkt  betheiligt  haben.  Wie  wir  aus  einer  Urkunde  vom 
21.  September  1240**)  gelegentlich  erfahren,  hatte  er  dem- 
selben „von  gewissen  einst  ihm  gehörigen  Äckern,  ge- 
legen bei  der  Stadt  Bautzen",  Zehnten  angewiesen.  Hier- 
mit dürfte  (unter  anderem)  das  Gut  Königsteich  (piscina 
regis)  in  Niederkaina  gemeint  sein***),  welches  „seit  der 
ersten  Stiftung  der  Kirche  zu  Bautzen  und  mit  Geneh- 
migung und  gutem  Willen  der  Fürsten"  dem  Domkapitel 
stets  den  „vollen"  Zehnten,  d.  h.  wirklich  den  zehnten 
Theil  von  allen  Erträgnissen  des  Gutes,  liefern  musste**"). 
Bereitwilligst  hatte  übrigens  der  König,  jedenfalls  auf 
Bitten  des  Bischofs,  schon  1220^'),  also  noch  vor  der 
faktischen  Eröffnung  des  Kollegiatstiftes,  „die  Kirche  zu 
Bautzen  mit  allen  zu  derselben  gehörigen  Personen  und 
Gegenständen  in  seinen  königlichen  Schutz  genommen" 
und  zugleich  gestattet,  Avenn  etwa  jemand  von  seinen 
Edlen  und  Vasallen  „drei  bis  vier  Hufen  oder  auch  Gärten, 
Bauplätze  oder  Häuser  zu  seinem  Seelenheile  der  genannten 
Kirche  überweisen  wolle",  so  solle  dies  als  Ausstattung 
derselben  gelten  und,  obgleich  eigentlich  Lehngut,  doch 
„Eigenthura"  der  Kirche  werden.  —  Und  so  mögen  denn 


»')  Cod.  I.us.  47. 

'*)  Ebenda  48  und  Erben,  Regesta  IJoheni.  I,  4G8,  wo  als 
Jahr  1240,  der  Monat  aber  irrthümlicli  als  der  Oktober  angegeben  ist. 

ä»)  Cod.  Lus.  119  flg. 

*»)  Erben,  Reg.  Boh.  T,  r)52,  führt  (nach  Palat'ky,  Ital.  Reise 
32)  eine  Urkunde  vom  29.  Oktober  1247  an,  worin  Papst  inuocenz  IV. 
von  Lyon  aus  dem  Bischöfe  von  Meissen  befiehlt,  die  vom  Könige 
von  Böhmen  der  Kirche  zu  Bautzen  gemachte  Stiftung,  nämlich  einen 
Propst  und  zwölf  Kanoniker,  die  er  de  honis  propriis  mit  hinläng- 
lichen Einkünften  versehen  liabe,  zu  bestätigen.  —  "Wir  vermögen 
kein  Urtheil  über  den  Anlass  dieser  Urkunde  zu  fällen;  jedenfalls 
aber  steht  der  Inhalt  mit  den  thatsächlichen  Verhältnissen  nicht  ira 
Einklang. 

*')  Cod.  Lus.  26. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.     91 

dem  Bautzner  .Stifte  auch  von  Seiten  des  Adels  einzelne 
Schenkungen  in  der  Nähe  und  Ferne  zugeflossen  sein, 
über  welche  keine  besonderen  Urkunden  existieren.  Hierzu 
gehörten  wohl  z.  B.  die  „drei  Hufen  im  Dorfc  AYawitz", 
(N.  von  Hochkirch),  in  deren  Besitz  sich  das  Stift  schon 
vor  1228^^)  befunden  hatte,  ferner  eine  Hufe  zu  Reichen- 
bach, welche  (vor  1240)  dem  Kapitel  durch  den  könig- 
lichen Landrichter  widerrechtlich  entzogen  worden  war^'), 
hierzu  sicher  die  fünf  Malter  Bischofszehnt  in  Preititz 
(W.  von  Niedcrgurig),  welche  1250*^)  Konrad  von  Musch- 
witz  (Mutscitz)  zu  seinem  und  seiner  Frauen  Jutta  Seelen- 
heil schenkte.  —  Das  Meiste  und  Beste  aber  that  die 
neue  Stiftung  selbst,  um  durch  verständige  Finanz vvirth- 
schaft  ihren  Besitz  und  dadurch  ihre  Einkünfte  zu  ver- 
mehren. Schon  1226  war  das  Kapitel  im  stände,  von 
dem  Stifte  Grossenhain  den  demselben  orehörio-en,  aber  zu 
entfernt  gelegenen  Bischofszehnten  in  dem  Burgwart  Loga 
(S.  von  Neschwitz)  um  37  Mark  Silber  zu  erwerben; 
1236  gestattete  ihm  abermals  Bischof  Heinrich  „in  Betracht 
der  dürftigen  Besoldungen  an  der  Kirche  zu  Bautzen" 
bis  zu  300  Schock  (Garben)  von  dem  an  einzelne  Adlige 
verleimten  Bischofszehnt  käuflich  an  sich  zu  bringen,  und 
1240  erlaubte  ihm  König  Wenzel,  „Erbe  zu  kaufen,  wann 
und  wo  es  ihm  zweckmässig  erscheinen  werde"''*).  — 
Vielfach  waren  es,  damals  wie  später,  einzelne  Kano- 
niker des  Stiftes  selbst,  welche,  zumeist  vornehmen  Fa- 
milien angehörig,  ihr  persönliches  Vermögen  dazu  ver- 
wendeten, um  ihrem  Kapitel  neue  Besitzungen  zuzuführen. 
So  erkaufte  1261*®)  der  Kanonikus  Priztan  von  seinem 
Verwandten  (consanguineus)  Merozlaus  für  das  Stift  den 
Bischofszehnten  zu  Malsitz  (N.  von  Bautzen),  Kaina,  Burk 
und  China  [Kaina]  que  Borsewitz  vocatur  (?),  zusammen 
6  Malter  4  Scheffel  in  Scheffeln  und  14  Schock,  nach 
alter  Sitte  in  Garben,  sowie  den  Geldzins  von  gewissen 
Gärtnern  in  jenen  Dörfern. 

Wie  an  Mitteln  zum  Unterhalt  der  neuen  Kanoniker, 
fehlte  es  anfangs  auch  an  Wohnungen  zur  Unterbringung 


")  Cod.  Lus.  43. 

*')  Cod.  Lus.  48  in  sinnentstellendem  Abdruck.  Statt :  qui  pro 
te  o&latus  exstitit  minus  juste,  heisst  es  vielmehr:  qui  jjer  f e  a&latus 
exstitit. 

")  Ebenda  81. 

**)  Ebenda  38.  46.  69.  48  flg. 

**)  Ebenda  83,  wo  die  Eigennamen  vielfach  falsch  abgedruckt  sind. 


92  Hermann  Kuothe: 

derselben.  WalirsclKÜiilich  bildete  ursprünglich  der  bis- 
herige Pfarrhof  mehr  oder  weniger  die  gemeinsame  Woh- 
nung für  alle.  In  einer  Urkunde  ohne  Jahr")  richtete 
Bischof  Bruno  IL  an  seine  gesamte  Diözese  Meissen  die 
Bitte  und  Mahnung,  „zum  Bau  einer  Konventswohnung 
(claustrwn)  und  zu  sonstigen  kirchlichen  Nebenbedürf- 
nissen, woran  die  Kirche  zu  Bautzen  Mangel  leide",  milde 
Beihilfe  zu  gewähren,  vnid  verhiess  allen  denen,  welche 
dies  thun  würden,  einen  bestimmten  Ablass.  1240'*) 
kaufte  der  Canonicus  Custos,  Magister  Herbord,  für  sein 
Geld  „einen  Hof,  gelegen  bei  dem  alten  [?  Pfarr-]  Hofe", 
den  König  Wenzel,  als  der  Grundherr  der  Stadt  Bautzen, 
nun  dem  Stifte  zu  vollem  Eigenthum  überliess  und  von 
allem  Stadtrecht  eximierte,  und  1245*^)  erwarb  das  Kajntel 
selbst  um  13  Mark  Silber  von  dem  Kittur  Bernhard  (11.) 
von  Kamenz  einen  demselben  gehörigen  Hof  nebst  Garten, 
jedenfalls  bisher  dessen  Absteigequartier  in  der  Stadt 
Bautzen.  So  entstanden  auch  erst  nach  und  nach  die 
jetzigen,  dicht  aneinander  stehenden  Kapitelgebäude  mit 
den  Einzelwohnungen  wenigstens  für  die  obersten  Prä- 
bendeninhaber. 

Es  erschien  uns  zweckmässig,  bei  dieser  Gelegenheit 
darauf  hinzuweisen,  wie  selbst  nachmals  reich  gewordene 
geistliche  Stifter  in  der  Regel  anfangs  nur  über  sehr  be- 
schränkte Mittel  verfügten,  und  wie  zwar  geistliche  wie 
weltliche  Behörden  und  fromme  Spenden  einzelner  Gläu- 
biger den  Grund  legten,  aber  nur  eigene  Sparsamkeit 
und  verständige  Verwaltung  den  späteren  Wohlstand 
herbeigeführt  haben.  —  Nur  die  Gründung  übrigens  und 
die  erste  Konsolidierung  des  l^autzner  Kollegiatstiftes, 
nicht  aber  seine  weitere  Geschichte  haben  wir  hier  dar- 
zustellen. 

Mit  dieser  Gründung  des  Kollegiatstiftes  zu  Bautzen 
stand  nun  jedenfalls  im  Zusannnenhang,  obgleich  darüber 
urkundliche  Zeugnisse  fehlen,  die  Eintheilung  des  gesamten 
Landes  in  gewisse  kirchliche  Sprengel,  welche  sämt- 
lich dem  Propste  zu  Bautzen,  als  dem  Archidiakonus  des 
Landes,  unterstcdlt  waren.  Als  solche  S})rengel  zählt  nun  die 
freilich  erst  in  späteren  Redaktionen  uns  bekannte  Meissner 
„Bisthumsmatrikel"    den    des  Propstes,    den   des  Dekans 


*')  Cod.  Lus.  40. 
*•)  Ebenda  57. 
")  Ebenda  68. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.     9,^ 

und  die  der  Erzpriester  in  den  neuen  Städten  Görlitz, 
Löbau,  Lauban,  Reiclienbacb,  Kamenz,  Biscbofswerde 
und  Seidenberg  auf^"). 

Mochte  nun  durcli  die  Gründung  des  Kollegiatstiftes 
zu  Bautzen  der  kirchbche  Sinn  auch  des  umwohnenden 
Adels  besonders  angeregt  worden  sein,  oder  wollten  zumal 
die  ritterlichen  Burgmanneu,  wie  sie  mit  ihren  Burglehn- 
häusern nicht  unter  Stadtrecht  standen,  so  auch  in  kirch- 
licher Beziehung  nicht  länger  unter  der  Stadt-,  jetzt  Stifts- 
kirche stehen,  kurz,  der  benachbarte  Adel  (Christianus 
longus  de  Landiskrone,  miles  honestus,  et  quidam  alii  milites 
de  territorio)  gründete  mittels  freiwilliger  Beiträge  (de  ele- 
mosinis)  theils  in  barem  Gelde,  theils  in  regelmässigen 
Naturalleistungen  aus  ihren  Gütern,  sich  jetzt  eine  eigene, 
dem  heiligen  Georg  geweihte  Kapelle  auf  der  Burg 
Bautzen.  Dieselbe  befindet  sich  in  dem  breiten,  massigen 
Thurme  über  dem  Hauptthore  der  Burg,  und  da  sie  kaum 
erst  später  in  denselben  eingebaut  sein  kann,  so  möchten 
•wir  vermuthen,  dass  dieser  Thurm  selbst  eben  damals  auf- 
geführt wurde.  Die  in  äusserst  zierlicher  Gothik  aus- 
geführte, jetzt  nur  ziemlich  schwer  zugängliche  Kapelle 
wurde  ebenfalls  noch  von  Bischof  Bruno  II.  am  26.  Ok- 
tober 1225  (nicht  1221)  feierlichst  eingeweiht.  Die  dar- 
über ausgestellte  Urkunde  lehrt  uns  als  Zeugen  die  Namen 
nicht  nur  der  umwohnenden  Ritterschaft,  sondern  auch 
der  neuen  Bautzner  Domherren  kennen^'). 


*")  Vgl.  Knot,he,  üutersuchuugen  über  die  Meissner  Bisthums- 
matrikel,  Laus.  Magaz.  LVl  (1880),  278  flg.  Posse,  Die  Markgrafen 
von  Meisseu  und  das  Haus  Wettin  (1881),  404  flg. 

*')  Die  Urkunde  ist  zuerst,  aber  sehr  fehlerhaft,  abgedruckt 
bei  Köhler,  Cod.  Lus.  33,  besser  Laus.  Magaz.  XXXV  (1859),  .345, 
faksimiliert  Laus.  Magaz.  XXXIII  (1857),  Beilage  H.  Allerdings 
spricht  dieselbe  von  der  capella  sancti  Georgii  in  claustro  Budesi- 
nensi,  weshalb  Neumann  (Laus.  Magaz.  1859,  344)  meint,  dieselbe  habe 
sich  gar  nicht  auf  der  Burg,  sondern  im  Domkapitel  befunden.  Allein 
auf  dem  Rücken  der  Urkunde  steht  deutlich:  in  Castro.  Der  Kon- 
zipient  hatte  sich  also  nur  im  Kontext  verschrieben.  An  diese 
Kapelle  knüpfen  sich  noch  andere  Unklarheiten  (vergl.  über  dieselben 
Laus.  Magaz.  XXXV  [1859J,  194  flg.).  Da  sie  zur  landesherrlichen 
Burg  gehörte,  so  stand  das  Patronatsrecht  über  dieselbe  dem  Landes- 
herrn zu.  König  Johann  von  Böhmen  aber  hatte  dasselbe  dem  Ritter 
Albert  von  Nostitz  zu  Lehn  gegeben.  Dieser  nun  überliess  es  1327 
erblich  dem  Domstift  Bautzen"^  und  zwar  zu  Gunsten  einer  von  seinem 
Freunde,  dem  verstorbenen  Propst  Bernhard  von  Leipa,  neu  gestif- 
teten Präbende.  Da  nun  sowohl  der  König  dies  genehmigte,  als 
auch  der  bisherige  „Rektor"  (Altarist]  der  Kapelle  vermocht  wurde, 
auf  dieses  sein  geistliches  Lehn  zu  verzichten,  so  „unierte"  Bischof 


Q4  Hermann  Knothe: 

Kurze  Zeit  darauf  entstand  in  Bautzen  auch  ein 
Kloster'**)  der  besonders  bei  der  Bürgerschalt  der 
Städte  allbeliebten  Franziskaner  (Minoriten,  Minner- 
brüder; Barfüsser).  Jedenfalls  unrichtig  ist  die  Nacli- 
richt,  dass  dieselben  schon  1218  sich  daselbst  nieder- 
gelassen hätten.  Kichtiger  vielleicht  verlegen  Bautzner 
Chroniken  die  „Gründung"  des  Bautzner  Klosters  in  das 
Jahr  1239,  womit  die  Angabe  der  Franziskaner  zu  Görlitz, 
dass  dieselbe  1240  erfolgt  sei^*),  ziemlich  übereinstimmt. 
Fälschlich  aber  schreibt  dieselbe  Quelle  die  Gründung 
„dem  INlarkgrafen  von  Brandenburg"  zu,  während  doch 
die  Brandenburger  Askanier  erst  1254  in  den  Besitz  der 
jetzigen  Oberlausitz  gelangten.  Möglich  ja  wahrscheinlich 
dagegen  ist  die  damit  verbundene  Angabe,  dass  „die 
Edlen  von  Pannewitz"  zur  Anlegung  gewisser  Baulich- 
keiten einen  Garten  geschenkt  haben  ^*).  Wie  anderwärts 
war  es  vornehmlich  die  Bürgerschaft,  welche  durch  milde 
Beiträge  die  Mittel  zum  Klosterbau  beschaffte.  Die  erste 
sichere  Kunde  erhalten  wir  durch    eine  Urkunde  Papst 


Witego  von  Meissen  die  Burgkapelle  mit  der  betreffenden  Präbende 
am  Domstift  dergestalt,  dass  der  jedesmalige  Inhaber  der  Präbende 
stets  auch  zugleich  die  mit  dem  Kirchendienst  an  der  Kapelle  ver- 
bundenen Einkünfte  beziehen  solle  (Cod.  Lus.  264 — 268,  vgl.  .3.31 
bis  337).  In  all  diesen  Urkunden  wird  nun  „die  Kapelle  auf  der 
Burg"  stets  als  die  „Marienkapelle"  bezeichnet.  Wir  können 
durchaus  nicht  glauben,  dass  diese  Marienkapelle  von  jener  Georgs- 
kapelle verschieden  sei;  wenigstens  fehlt  jede  Nachricht  über  die 
neue  Gründung  einer  solchen.  So  bleibt  nur  die  Annahme  übrig,  dass 
die  Burgkapelle  statt  des  ursprünglichen  Patrons,  des  Ritters  Georg, 
im  Laufe  der  Zeit  die  Jungfrau  Älaria  zur  Schutzheiligen  erhalten 
habe,  ähnlich  wie  auch  die  Pfarrkirche  zu  Kamenz  ursprünglich  den 
Aposteln  Philippus  und  Jakobus  geweiht  worden  war,  später  aber 
stets  als  Marienkirche  erscheint  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  7,  XV).  — 
1354  eigneten  Nicolaus  von  Taubenheim  und  Ulrich  von  Kopperitz 
8  Mark  Jahreszins  dem  Altar  „der  Kapelle  in  der  Burg  zu  Bautzen" 
(Oberlaus.  Urk.-Verz.  I,  61).  Das  Altar  sollten  die  Stifter  allezeit 
zu  vergeben  und  zu  verleihen  haben.  Dies  deutet  also  auf  die  Grün- 
dung eines  neuen  Altars  und  die  Anstellung  eines  besonderen  Kap- 
lans an  demselben.  1359  stifteten  Heinrich,  Nicolaus  u.  Ulrich  v.  Kop- 
peritz „aufs  neue"  8  Mk.  Zins  für  die  Kapelle  des  Schlosses  Budissin 
(Domarchiv,  lib.  fundat.  pag.  C.)  u.  1400  Niclas  u.  Merten  Bischofswerd, 
Bürger  zu  Budissin,  2  Schock  Zins  u.  Getreide  „zur  Pfründe  auf  dem 
Schloss  zur  St.  Gürgenkapelle"  (ebenda  pag.  CXXXVI). 

**)    Edelmann,  Das  Franziskanerkloster  in  Bautzen,   Laus. 
Magaz.  XLIX  (1872),  1  flg. 

")  N.  Script,  rer.  Lus.  I,  275  Anmerk. 
")  Laus.  Mag.  XLIX  (1872),  7. 


Zur  ältesten  Geschictte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J,  1346.     95 

Innocenz  IV.  aus  Lyon  vom  6.  Mai  1248"),  worin  der- 
selbe erklärt;  wie  er  vernommen,  hätten  der  Provinzial- 
minister  „und  die  Brüder  des  Minoriteuordens  zu  Bautzen 
eine  Kirche  nebst  anderen  nöthigen  Grebäuden  aufzuführen 
begonnen"  (coeperunt),  und  „zur  Vollendung  dieser  Ge- 
bäude" (pi'o  hujusmodi  aedißciis  co7is%immandis),  sowie  zu 
sonstigem  Unterhalte  der  Brüder  nun  zu  milden  Beiträgen 
und  Unterstützungen  auffordert;  daher  gewährt  er  allen, 
die  hierzu  hilfreiche  Hand  leisten  würden,  40  Tage  Ablass. 
Damals  also  war  die  Kirche  und  die  übrigen  Kloster- 
o-ebäude  noch  keineswegs  vollendet.  Der  Glaube  der  Zeit 
veranlasste  übrigens  alsbald  sehr  viele  nicht  nur  aus  der 
Bürgerschaft  der  Stadt,  sondern  auch  aus  dem  Adel  der 
Umgegend,  sich  in  den  doppelt  heiligen  Räumen  des  Klosters 
begraben  zu  lassen.  Ein  langes  Verzeichnis  der  daselbst 
Bestatteten,  freilich  erst  aus  dem  Jahre  1345^**)  und  ohne 
Angabe  der  Todesjahre,  lehrt  uns  die  Nanien  zahlreicher 
ältester  Bürgerfamilien  von  Bautzen  kennen. 


König  Wenzel  1.  von  Böhmen  hatte  schon  um  1244 
seine  Tochter  Beatrix  mit  Markgraf  Otto  III.  von  Bran- 
denburg aus  dem  Hause  Askanien  vermählt;  aber  erst 
Wenzels  Sohn  und  Nachfolger,  Ottokar  IL,  über  Hess, 
wahrscheinlich  alsbald  nach  seinem  Regierungsantritt 
(1253),  anstatt  der  bei  böhmischen  Prinzessinnen  üblichen 
Aussteuer  von  10000  Mark  Silber,  seinem  Schwager 
pfandweise  das  Land  Budissin*').  Seitdem  stand  also  das 
Land  bis  1319  unter  den  Brandenburger  Askaniern. 
1268  theilten  die  beiden  Linien  derselben  fast  alle  ihre 
Länder,  so  auch  die  nachmalige  Oberlausitz,  unter  ein- 
ander. Das  Löbauer  Wasser  bildete  die  Grenzen  zwischen 
der  westlichen  Hälfte,  jetzt  „Land  Budissin"  im  engern 
Sinne,  und  der  östlichen,  dem  „Lande  Görlitz".  Ersteres 
kam  an  die  Stendal'sche  oder  Johanneische,  letzteres  an 
die  SalzwedeFsche  oder  Ottonische  Linie. 

Alsbald  nach  dem  Übergange  der  Oberlausitz  an 
Brandenburg  war  von  dem  neuen  Herrscher  eine  nicht 
unwesentliche  Veränderung  in  der  Verwaltung  des 
Landes    vorgenommen    worden.     Die    bisherigen   Einzel- 

**)  Laus.  Mag.  XLIX  (1872),  36. 

5«)  Cod.  Lus.  354  flg. 

*')  Knothe,  Eechtsgesch.  21,  Anmerk.  2. 


9Ö  Hermann  Knothe : 

vögte  in  den  kleineren  Städten  (S.  85)  wurden  beseitigt, 
ebenso  der  bisherige  Landricliter  zu  Bautzen  und  die  ge- 
samnite  Militär-,  Administrativ-  und  Justizgewalt  im  Lande 
einem  einzigen  obersten  Beamten  übertragen,  der  nun  den 
Titel  Landvogt  ((ulvocatus  oder  judex  territorü,  advocatus 
oder  judex  provt'ncialis)  fülirte.  Diese  „Landvogteiver- 
fassung"^*),  welche  in  der  j\lark  Brandenburg  schon 
längst  bestand,  ist  seitdem  auch  in  der  Oberlausitz  in 
Geltung  geblieben  bis  auf  neueste  Zeiten. 

Nur  vor  den  Landvogt  und  dessen  Vogtsger i cht 
oder  Landgericht  e;ehörten  fortan  alle  Rechtssachen 
des  Adels,  sowie  allo  Kriminalsachen  auch  der  Bürger 
in  den  einzelnen  Städten,  ja  selbst  der  Bauern,  soweit 
dieselben  nicht  unter  den  grossen  Herrschaften  mit  eigner 
Obergerichtsbarkeit  standen.  —  Seit  der  Theilung  von 
1268  gab  es  nun  in  jeder  der  beiden  Landeshälften  einen 
besonderen  Landvogt  mit  besonderem  Vogtsding  oder 
Landgericht.  Der  Landvogt  von  Bautzen  residierte  auf 
dem  dasigen  Schlosse,  der  von  Görlitz  auf  dem  erst  jetzt 
erbauten  Vogtshofe. 

Als  zweithöchster  landesherrlicher  Beamter  erscheint 
jetzt  der  Münzmeister  (monetär ins) "^^  Bisher  hatte  es 
in  der  Oberlausitz  keine  besondere  Pi'ägstätte  der  damals 
noch  allgemein  üblichen  silbernen  Hohlpfennige  (Brakteaten) 
und  daher  auch  keine  besonderen  Landesmünzen  gegeben; 
man  rechnete  allgemein  nach  bölimischen  Pfennigen.  Alle 
solche  Hohlpfennige  nun  pflegten  häufig,  oft  mehrmals 
im  Jahre,  ausser  Kurs  gesetzt  und  dafür  neue  ausge- 
geben zu  werden;  so  mussten  denn  die  alten  und  zwar 
stets  mit  Verlust  immer  und  immer  wieder  umgewechselt 
werden.  Die  Brandenburger  Herrscher  wollten  jedenfalls 
ihren  Oberlausitzer  Unterthanen  wenigstens  nicht  zu- 
muthen,  diesen  Umtausch  jedesmal  in  der  fernen  Mark 
Brandenburg  (Stendal)  zu  vollziehen.  Das  sehr  einträg- 
liche Geschäft  dieser  Umprägung  und  Einwechselung  der 
Münzen  wurde  meist  einem  angesehenen  Bürger  der  be- 
treffenden ]\Iünzstadt  zu  Lehn  gegeben.  Dieser  Lehns- 
inhaber, der  Münzmeister,  galt,  als  Verwalter  eines  landes- 
herrlichen Regals ,  für  einen  landesherrlichen  Beamten 
und  war  als  solcher  von  allen  städtischen  Abgaben  frei. 


*»)  Ausführlicher  dargestellt:  Knothe,  Rechtsgesch.  2.3  fg. 
Die  Reihenfolge  der  Bautzner  Landvögte  bis  1346,  ebendas.  24. 
60.  105. 

")  Ebendas.  5S  flg. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.  97 

Mit  der  Münze  war  aber,  wenigstens  in  der  Ober- 
lausitz, zugleich  aucli  die  Verwaltung  der  ebenfalls  dem 
Landeslierrn  zustehenden  Zölle  im  Lande  verbunden. 
Bei  der  Theilung  von  1268  ward  festgesetzt;  dass  Münze 
und  Zoll  in  der  ganzen  Oberlausitz  den  beiden  Linien 
Brandenburg  gemeinsam  gehören  und  dass  die  Münz- 
stätte ein  Jahr  in  Bautzen,  das  andere  in  Görlitz  aufge- 
schlagen werden  solle.  Bald  aber  erscheinen  in  beiden 
Städten  besondere  Münzstätten  und  Münzmeister,  und  so 
rechnete  man  nun  theils  nach  Budissiner  theils  nach  Gör- 
litzer Pfennigen  oder  Silber.  — Namentlich  wird  zu  Bautzen 
zuerst  1284  ein  Münzmeister  Otto  (magister  monetae  Bu- 
dissinensis  oder  monetarius  de  Budissin)  erwähnt. 

Erst  seit  der  Zeit  der  Brandenburger  Herrscher  er- 
halten wir  nun  auch  über  die  Bürgerschaft  und  das  städti- 
sche "\^'esen  zu  Bautzen  nähere  Nachricht.  Die  selbst- 
verständlichen Rechte  einer  deutsclien  Stadt,  als:  die  eigene 
Wahl  des  Rathes,  die  Aburtheilung  der  in  der  Stadt  vor- 
kommenden Rechtshändel  niederer  Art  vor  dem  städti- 
schen Erbgericht  und  dessen  Stadtschöppen,  die  Markt- 
gerechtigkeit etc.,  besass  natürlich  auch  Bautzen  schon 
längst.  Erst  wenn  eine  Stadt  neue  Privilegien  erlangte, 
durch  welche  die  Rechte  anderer,  meist  des  Landesherrn 
selbst,  beeinträchtigt  wurden,  mussten  hierüber  nun  auch 
schriftliche  Urkunden  ausgestellt  werden.  Die  Branden- 
burger besassen  die  Oberlausitz  nur  als  Pfand;  bald 
konnte  dasselbe  wieder  eingelöst  werden.  Es  galt  daher 
die  Zeit  zu  nützen  und  daraus  so  viel  finanziellen  Ertrag 
als  möglich  zu  ziehen.  So  verkauften  sie  denn  willig 
jeder  der  freien  Städte,  welche  sie  darum  ersuchte,  die 
mannigfaltigsten  Privilegien.  Freilich  wurden  hierdurch 
die  Rechte  des  Landesherrn  und  dessen  Stellvertreters, 
des  Landvogtes,  für  immer  geschmälert;  aber  es  flössen 
schöne  Summen  baren  Geldes  in  die  Kasse  der  Branden- 
burger Herrscher. 

Aus  diesen  und  anderen  Urkunden  lernen  wir  nun 
zuerst  eine  grosse  Menge  von  Namen  Bautzner  Bürger 
und  zugleich  die  verschiedenartigen  Elemente  kennen, 
aus  denen  die  dasige  Bürgerschaft  zusammengesetzt  war. 
Da  finden  wir  denn,  wie  in  allen  oberlausitzischen  Städten, 
natürlich  auch  Bürger  wendischer  Nationalität,  *  z.  B.  Pri- 
hicz  slavus ,  Seysch  slavus  civis  Budisinensis  et  Friczko 
ejus  filius  *'°).     Es    ist    bezeichnend ,    dass ,    während    der 

•")  Cod.  Lus.  35-4. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.   V.    i.  2.  7 


98  Hermann  Knothe: 

Vater  hier  einen  noch  wendischen  Namen  führt,  der  Sohn 
bereits    einen     völlig'    deutschen    erhalten    hat.       Da    be- 
^^egncn  wir  ferner  Einwandrern  aus  der  Nahe  und  Ferne, 
so  Fhuningen,  welche  den  Namen  der  alten  Ileimath  als 
Familiennamen    fortführen:     Ladowicus     VLemlngiis ,     wohl 
Bürg-ermeister   der   Stadt  (Cod.  Lus.   107  v.  J.  1281)  und 
wohl    identisch    mit    dem   Fleiningus,    der  1282  (Cod.  L. 
87  u.   110;    beide   Urkunden   gehören   in   das  Jahr  1282) 
genannt  wird,  Andreas  Flamingi,  Nicolaus  Flamingi  (Cod. 
Lus.  355),    so  Diethmar    und  dessen  Sohue  Heinrich  von 
Bischofswerde  (1282  Cod.  L.  82),  den  Staunnvätein  einer 
berühmten   Bautzner  Patrizierfamilic ,    Konrad  von  Löbau 
(1282),  Heinrich  von  Elstra  (1293),  Hermann  von  Jockrim, 
Heinmann  von  Oldenborch,    Johannes  Königsbrück ,    Jo- 
hann von  Sagan,    Rüdegcr  von  Schluckenau  (1280),    Al- 
bert von  Schweinerden  (1296),  Henc/.il  von   Kaina  etc.  — 
Ferner  stossen  wir  auf  eine  Menge  Handwerker  und  son- 
stige   Geschäftsleute,    so:    Hermamnis    insütor,    d.h.   der 
Krämer  (1282),  Conradits  instltor ,   Tylo  crarner,  Henricus 
crarner^'^);    Cristianns ,    Apecz ,    Bertlwklus  textores ,    d.  h. 
Tuchmacher;    Wernerus,    Nicolaus  pistores,  d   h.  Bäcker; 
Bentzho   sellator,  d.  h.  der  Sattler;  Petrus  hrasiator,  d.  h 
der  Brauer;  KU  sartor,  der  Schneider,  Johannes  hammer- 
smit  etc.  —  Als  sonstige  älteste  Familien  Bautzens  führen 
wir   noch   an:     Ursus  (Bär),    Slichting,    Glück  (Fortuna), 
Golthmann,   Vleurig,   Puntzel,  Papkese,  Rosenkranz,  Mitt- 
woch   (Quartaferia),    Schuffler    (später   Scheufler)   etc.  — 
Ausser    dieser    eigentlichen   Bürgerschaft   wohnten,    wenn 
nicht  schon  im  13.,    so   doch   sicher   im    14.  Jahrhundert, 
in    der    Stadt    auch    mehrere    Judenfamilien    als    Schutz- 
bürger.    Sie    trieben    wie    in    anderen    Städten    lediglich 
Wuchergeschäfte,  an  denen  es  bei  der  Menge  des  umwoh- 
nenden, zum  Theil  armen  Adels  nicht  gefehlt  haben  wird. 
Sie    hatten    sich    in    der  jetzigen  Iläringsgasse  angebaut, 
welche  daher,   mindestens  noch  im    16.  Jahrhundert,    die 
Jüdengassc  (Jodingasse)  hiess'**). 


•')  Die  interessanten,  1.381  den  Krämern  vom  Rathe  ertheilten 
Artikel  abgedruckt  hei  Wilke  24  tig. 

")  Von  ihrem  Treiben  und  ihrer  etwaigen  Vertreibung  hat  sich 
keinerlei  Nachricht  erhalten.  (Knothe,  Zur  Gesch.  der  Juden  in 
der  Überlausitz,  in  dieser  Zeitschr.  II,  53.)  Wenn  in  dem  Bautzner 
„Eidbuch"  vom  Jahre  lö.')2  unter  dem  Kapitel  „Stadtzoll"  auch  die 
Bemerkung  steht:  „Ein  itzlich  Jude,  Mann,  Weib  und  Kinder  1  Gro- 
schen," so  ist  dies  keineswegs  dahin  zu  verstehen,  als  ob  noch  damals 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.  99 

Die  erste  Erwähnung  des  Rathes  zu  Bautzen  fällt 
in  das  Jahr  1280.  Die  Bezeichnuno-en  für  denselben  sind 
anfangs  noch  schwankend:  nos  hurgenses  clicti  de  Budessin 
(1280),  mogister  civium  et  omnes  jurati  civitatis  in  Budesin 
(1296),  nos  consules  civitatis  Budesinensis  (1303)®'^).  Auch 
die  Schoppen ,  d.  h.  die  speziell  mit  der  Rechtsprechung 
beauftragten  Rathniannen,  treten  1280  zuerst  urkundlich 
auf:  omnes  schahini  de  Budessin ;  scabini  universitatis  Bu- 
desynensis  (1283)®^).  Wohl  von  Anfang  an  bestand,  wie 
wenigstens  in  den  übrigen  freien  Städten  der  Oberlausitz, 
der  Rath  aus  dem  Bürgermeister  und  zwölf  Rathmannen, 
von  denen  sieben  Schoppen  waren. 

Das  älteste  bekannte  Stadtsiegel  hängt  an  einer 
Urkunde  vom  23.  Juli  1283  im  Hauptstaatsarchiv  zu 
Dresden  (Origin.  1048);  dasselbe  zeigt  ein  hohes,  ganz 
offenes  Thor  mit  drei  Zinnen  und  zu  beiden  Seiten  des- 
selben zwei  Thürme,  deren  jeder  ebenfalls  mit  drei  Zinnen 
und  sogenannten  Mauerstrichen  versehen  ist.  Es  trägt 
die  Umschrift:   Sigilluni  hurgensium,  de  Budisin^''). 

Das  Rathhaus,  bisher  auch  nur  ein  Holzbau,  wurde 
den  Chroniken  zufolge  in  demselben  Jahre  1213,  in  wel- 
chem man  den  Umbau  der  Peterskirche  begann,  in  einen 
steinernen  verwandelt.  Es  trennte  unmittelbar  den  Kirch- 
hof vom  Marktplatz. 

Alle  Grerichtsbarkeit  ward  ursprünglich  lediglich  im 
Namen  des  Landesherrn  ausgeübt.  Auch  das  städtische 
Gericht  war  daher  ein  landesherrliches.  Der  Richter  des- 
selben war  landesherrlicher  Beamter;  nur  die  das  Recht 
findenden  Schoppen  mussten  stets  der  Zahl  der  Rathsherren 
angehören.  Fast  überall  war  das  Gericht  durch  den  Lan- 
desherrn entweder  an  einen  Ritterraässigen  oder  auch  an 
einen  Bürger  erblich  verliehen.  So  hiess  derselbe  Erb- 
richter  und  das  städtische  Gericht  selbst  Erbgericht. 
Von  den  Erträgnissen  desselben  bezog  der  Erbrichter  ein 
Drittel  für  sich;  die  beiden  anderen  Drittel  lieferte  er  an 
den  Landesherrn,  in  der  Oberlausitz  an  den  Landvogt 
ab.  Die  Stadtkasse  hatte  von  dem  Erbgericht  ursprüng- 
lich keinerlei  finanziellen  Vortheil.     In  Bautzen  hatte  das 


Juden  ständig  in  Bautzen  gelebt  hätten ;  vielmehr  war  dies  der  Durch- 
gangszoll für  die  die  Stadt  passierenden  Juden. 

«»)  Cod.  Lus.  102.  152.  17.S. 

**)  Ebenda  104.  112. 

**)  Vgl.  Knothe,  Das  Landeswappen  der  Oberlausitz,  in  dieser 
Zeitschrift  III,  111  flg. 


100  Hermann  Knothe: 

Erbgericlit  keinerlei  Gerichtsgewalt  über  das  Burglehn  und 
dessen  ritterliche  Bewohner;  dieselben  gehörten  lediglich  vor 
das  Landgericht  des  Landvogts.  Ebensowenig  standen  die 
Geistlichen  und  deren  Wohnungen  auf  dera  Kapite-l  unter 
Stadtrecht,  sondern  unter  der  geistlichen  Gerichtsbarkeit 
des  Bischofs  von  Meissen.  Schon  1240  eximierte  l^önig 
Wenzel  I.  von  Böhmen  ein  von  einem  Bautzner  Dom- 
herrn erkauftes  grösseres  Haus  (curia)  zu  Gunsten  des 
Domkapitels  „von  dem  Stadtrecht"  ^'^),  d.  h.  von  der  Ju- 
risdiction des  Erbgerichts  und  ebenso  von  allen  städti- 
schen Abgaben  und  Diensten. 

Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  dass  jede  Stadt  im 
Laufe  der  Zeit  sowohl  die  Befugnisse  ihres  Erbgerichts 
und  somit  ihre  Gerichtsgewalt  zu  erweitern  als  auch 
andere  Rechte  zu  erwerben  suchte,  durch  welche  die 
Einkünfte  der  Stadtkasse  erhöht  wurden.  Wir  zählen 
im  folgenden  die  betreffenden  landesherrlichen  Privilegien 
für  Bautzen  nach  diesen  beiden  Richtungen  hin  auf  und 
zwar  nicht  bloss  aus  der  Zeit  der  Brandenburger,  sondern 
zugleich  aus  der  Regierung  König  Johanns  von  Böhmen, 
an  welchen  nach  dem  Tode  Markgraf  Woldemars  von 
Brandenburg  zunächst  die  westliche  Hälfte  der  Ober- 
lausitz, nämlich  das  „Land  Budissin"  im  engeren  Sinne, 
wieder  gelangte®^), 

AA'^esentliche  Veränderungen  in  der  Verfassung  dieses 
Landes  hat  König  Johann  nicht  vorgenommen.  •  Das- 
selbe hatte  sofort  nach  Woldemars  Tode  Abgeordnete  nach 
Prag  gesendet  und  dem  Könige  den  Wunsch  ausgedrückt, 
jetzt,  da  durch  das  Aussterben  der  Askanier  in  Branden- 
burg die  einstige  Verpfändung  hinfällig  geworden  sei, 
wieder  mit  dem  Königreich  Böhmen  vereinigt  zu  werden. 
Ganz  besonderen  Eifer  hatte  hierbei  die  Stadt  Bautzen 
an  den  Tag  gelegt.  Lifolge  dieses  freiwilligen  Wieder- 
anschlusses des  Landes  Budissin  an  Böhmen  versprach 
somit  der  König,  hierüber  hocherfreut,  den  31.  August 
ISIO***),    nicht    nur    für    sich   und   alle   seine  Nachfolger, 


")  Cod.  Lus.  57. 

•')  Knothe,  Rechtsgeschichte  der  Oberlausitz  65 flg. 

*')  Cod.  Lus.  228,  230:  Amplius  auteni,  ut  fida  et  merito  com- 
mendanda  et  extollenda  preconiis  dilectorum  nostrorura  fidelium, 
burgeusium  civitatis  Budissinensis,  fidelitatis  eximietas  eo  specia- 
liorum  insigniatur  juxta  nostre  regie  munificencio  liberalitatem  pre 
ceteris  libertatum,  beneficiorum  et  graciarum  muneribus,  quo  ipsos 
pre  ceteris  ad  nostre  celsitudinis  gloriam  ampliandam  novimus  inhyasse 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.    101 

dass  das  ganze  Land  nie  mehr  von  der  Krone  Böhmen 
getrennt  werden  solle,  sondern  bestätigte  und  vermehrte 
auch  bereitwilligst  sowohl  der  Ritterschaft  als  der  Stadt 
Bautzen  ihre  Privilegien, 

In  Betreff  also  der  städtischen  Gerichtsbarkeit 
erneuerten  die  Markgrafen  Otto  und  Konrad  ®^)  1282 
(nicht:  1262)  den  Bürgern  von  Bautzen  das  „Recht,  wel- 
ches auch  vor  den  Fürsten  hinlänglich  und  deutlich  er- 
wiesen worden  sei,  das  Recht  nämlich,  dass,  was  immer 
für  Gewaltthätigkeiten,  Beleidigungen,  Verletzungen,  Ver- 
wundungen, Mord,  Diebstahl,  Raub,  durch  irgend  welche 
Vasallen  innerhalb  der  Stadt  Bautzen  oder  ausser- 
halb deren  Mauern  und  innerhalb  der  Stadtgrenzen,  welche 
in  der  Landessprache  Flurzäune. genannt  würden,  verübt 
würden,  für  immer  in  der  genannten  Stadt  abgeurtheilt  wer- 
den sollten."  Diese  Urkunde  beweist  auch  für  Bautzen,  dass 
so  mancher  Brauch  längst  schon,  ungeschrieben,  zu  Recht 
bestand,  ehe  er  gelegentlich  einmal  bei  erneuten  Streitig- 
keiten auch  schriftlich  fixiert  ward.  Es  handelte  sich  im 
vorliegenden  Falle  um  das  wichtigste  Recht  der  Stadt- 
behörde, offenen  Frevel  in  der  eignen  Stadt  oder  deren 
Flurzäunen  auch  ahnden  zu  dürfen  durch  ihr  eignes 
städtisches  Gericht.  Die  Lehnsträger  des  Landesherrn, 
d.  h.  im  wesentlichen  der  Adel,  hatten  ihren  Gerichts- 
stand lediglich  vor  dem  Landvogt  und  dessen  Landge- 
richt, bei  welchem  ebenfalls  Adlige  als  Schoppen  fungierten. 
Nur  wenn  sie  in  der  Stadt  und  innerhalb  deren  Flur- 
zäune frevelten,  konnten  sie  vor  das  städtische  Gericht 
gezogen  werden  und  mussten  daselbst  Recht  leiden.  Gerade 
für  Bautzen,  wo  so  viel  Adlige  verkehrten,  theils  als  ständig 
ansässig  auf  dem  Burglehn,  theils  in  den  mannigfachsten 
Geschäften  auf  der  Burg  oder  in  der  Stadt,  war  diese 
Exemption,  welche  nach  und  nach  auch  den  übrigen 
freien  Sechsstädten  verliehen  ward,  von  grösster  Bedeu- 
tung gegenüber  dem  übermüthigen,  trotzigen  und  oft  an- 
getrunkenen Adel.  —  1304''")  ertheilten  die  Markgrafen 
Otto    und   Woldemar  der   Bürgerschaft    das    Privilegium, 


et  laboriosis  conatibus  insudasse,  et  ut  eciam  ex  eo  specialis  com- 
modi  fructum  consequantur  et  obtineant,  quod  sub  titulo  dicte  civi- 
tatis Budissinensis  tota  raarchia  predicta  discretivo  nomine  se  tanquam 
a  digniori  gaudet  nuncupari,  ipsam  civitatem  Budissiu  et  ejus  bur- 
genses  in  perpetuum  talium  libertatum  privilegiis  insignimus,  quod  etc. 

»»)  Ebenda  86. 

'•)  Cod.  Lus.  186. 


JQ2  Hermann  Knothe: 

dass   niemand   einen    Bürger   der    Stadt    anderswo,    als 
vor  seinem  Er  bricht  er  verklagen  dürfe,  es  sei  denn, 
dass   er   „unfuget"  auf  dem  Lande  und  auf  frischer  That 
erwischt  oder  nocli  an  demselben  Tage  berufen  wird,   in 
welchem  Falle    er    sich    vor    dem  Landvogt    und    dessen 
Landgericht    zu    verantworten    habe.      Ursprünglich    ge- 
hörten   auch    die   Bürger    der   Städte    in   allen   grösseren 
Kriminalsachen   vor   den  Landvogt  und  das  Landgericht, 
welches  allein  den  Blutbann  besasa.    Von  jetzt  an  waren 
die   Bürger   von  Bautzen  völlig  cximiert  von  dem  Land- 
gericht, ausser  wenn  sie  ausserhalb  der  Stadt  und  ihrer  Flur- 
zäune Kriminalvergehen  verübten.  —  Obgleich  nun  infolge 
dieser  beiden  Privilegien  das  städtische  Erbgericht  selbst 
sogar  den  Blutbann  besass,  gehörten  doch  gewisse  Ei  des - 
abnahmen  noch  immer  vor  den  Landvogt.   Erst  1310") 
gab  Markgraf  Woldemar  den  Bürgern  und  zwar  zunächst 
nur  auf  die  Dauer  eines  Jahres  die  Freiheit,  „dass,  wenn 
zwischen    ihnen  Wortgezänke    entständen,    woraus  Eides- 
leistungen   sich    ergeben    könnten",    aber    die  Streitenden 
sich  unter  einander  wieder  verglichen  hätten,  „der  Land- 
vogt  in   dieser  Angelegenheit  nicht  als  Richter  auftreten, 
sondern  in  diesem  Falle  ebenso  wie  die  Streitenden  davon 
abstehen  (cessare)  solle".  —   Als  sich,    wie  bereits  mitge- 
theilt  wurde  (S.  100),  1319  die  westliche  Landeshälfte  frei- 
willig wieder  unter  die  Krone  Böhmen  gestellt  hatte,  be- 
gnadete König  Johann  die  Stadt  Bautzen  damit'"''),   dass 
alle   Landgüter,    welche    die    Kommun    selbst    oder    ein- 
zelne    ihrer    Bürger    innerhalb    einer    halben    Meile 
rings  um  die  Stadt  theils  schon  zu  Recht  besässen,  theils 
künftig    besitzen    würden,    zu   Erbe    und  Eigen    liegen 
und  bei  Besitzwechsel  von  dem  Erbrichter  der  Stadt  ver- 
reicht werden   sollten.     Alle  Landgüter,    auch  diejenigen, 
welche  einzelne  Bürger  erworben  hatten,  waren  ursprüng- 
lich Lehn,  fielen  daher  nach  dem  Tode  des  Lehninhabers 
an   die   Lehnshand   zurück   und   mussten   von    den   männ- 
lichen Nachkommen   des  Verstorbenen   erst  neu  gerauthet 
und  gegen  übliche  Abgaben  ihnen  aufs  neue  zu  Lehn  ge- 
reicht werden.     Von  jetzt  an  durfte  sowohl  die  Kommun 
als  einzelne  Bürger,  zunächst  innerhalb  der  halben  Meile, 
Landgüter  zu  Erbrecht  an  sich  brhigen;    Erbe   aber  fiel 
nicht   an    den    Laudesherrn    zurück,    sondern   konnte    an 


")  Cod.  Lus.  197. 
)  Ebenda  230. 


12 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.       103 

weibliche  wie  an  männliche  Nachkommen  vererbt  und 
auch  sonst  frei  verkauft  oder  V(3rtauscht  werden,  und  die 
Verreichung  fand  nicht  mehr  vor  dem  Landesherrn  oder 
dessen  Stellvertreter,  dem  Landvogt,  sondern  vor  dem 
Erbrichter  statt.  Da  diese  Güter  nun  völlig  zur  Stadt, 
nicht  mehr  zum  „Lande",  gehörten,  so  stand  auf  denselben 
auch  alle  Gerichtsbarkeit  ebenfalls  dem  Erbgerichte  zu. 
So  erweiterten  sich  also  hiermit  die  Fliirzäune  und  die 
Gerichtsgewalt  der  Stadt.  —  Kaum  einen  Monat  später 
(22.  Sept.  1319)  verkaufte  nun  König  Johann  der  Stadt 
um  150  Schock  Prager  Groschen  auch  nocli  die  bisher 
in  die  landesherrliche  Kasse  geflossenen  zwei  Drittel 
der  Erträgnisse  aus  dem  Bautzner  Erbgericht '^).  Seit- 
dem flössen  also  diese  zwei  Drittel  in  die  städtische  Kasse. 
—  Das  Dorf  Burk  (N.  von  Bautzen)  lag  weiter  als  eine 
halbe  Meile  von  der  Stadt.  Dennoch  erlaubte  1329  '*) 
der  König  dem  Bürger  Hermann  von  Seifersdorf,  wel- 
cher daselbst  acht  Hufen  besass,  dass  er  bei  ausserordent- 
lichen, dem  gesamten  Lande  auferlegten  Steuern  dafür 
keine  „Landbede"  entrichten,  sondern  mit  der  Stadt 
schössen  dürfe-  Hierdurch  hatte  die  Bürgerschaft  in- 
sofern Vortheil,  als  die  von  der  Stadt  und  deren  Gütern 
aufzubringende  Steuersumme  jetzt  auch  von  den  acht 
Gütern  in  Burk  mit  zu  tragen  war.  —  Die  ausserhalb  der 
halben  Meile  gelegenen  Güter  der  Bürger  blieben  Lehn 
und  fielen  daher,  wenn  die  Besitzer  keine  männliche  Er- 
ben hinterliessen ,  an  den  Landesherrn.  Oft  genug  nun 
pflegte  dieser  oder  der  Landvogt  solche  „auf  dem  Falle 
stehende"  Leimgüter  schon  bei  Lebzeiten  der  Inhaber 
anderweit  zu  verleihen.  Da  begnadete  1339  '*J  König- 
Johann  die  Stadt  Bautzen,  dass  solche  Lehn  guter  ihrer 
Bürger  nicht  bereits  anderweit  vergeben  werden  soll- 
ten ausser  mit  ausdrücklicher  Genehmigung  und  gutem 
Willen  der  dermaligen  Inhaber.  —  Wie  werthvoll  zumal 
diese  Privilegien  hinsichtlich  der  einzelnen  Bürgern  ge- 
hörigen Lehngüter  in  jener  Zeit  waren,  ersieht  man  z.  B. 
daraus,  dass  Kaiser  Karl  IV.  1350"*)  den  Bürgern  von 
Löbau  auf  deren  Bitten  „die  besondere  Gnade  erwies", 
dass  auch  sie  alle  theils  schon  erworbenen,  theils  noch 
zu  erwerbenden  Lehngüter  „zu  gleichem  Recht,   wie  die 

";  Cod.  Lus.  2.31. 

'♦)  Ebenda  27.3. 

")  Ebenda  329. 

'«)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  7,  230. 


104  Hermann  Kiiothe: 

Bürger  von  Bautzen"  besitzen  sollten,  und  König  Johann 
selbst  verlieh  schon  1340 '")  den  Bürgern  von  Irautenau 
und  Königinhof  in  Böhmen,  als  er  sie  von  dem  bisherigen 
altböhmischen  Zudenrechte  befreite,  „Bautzner  Recht"  und 
bestimmte,  dass  sie  die  bei  ihnen  künftig  vorkonniienden 
Rechtsfälle  nach  „Bautzner  und  Glatzer  Recht"  behandeln 
dürften. 

Ebenso  wie  nach  Erweiterung  der  eignen  Oerichts- 
gewalt  strebte  besonders  im  Mittelalter  jede  Stadt  auch 
nach  Vermehrung  der  städtischen  Einnahmen  und 
suchte  in  dieser  Richtung  Vergünstigungen  von  Seiten 
der  Landesherren  sich  zu  erwirken.  12<'^2*'*)  schenkten 
die  Markgrafen  Johann,  Otto  und  Konrad  von  Branden- 
burg „aus  reiner  Zuneigung  zu  ihrer  Stadt  Bautzen"  der- 
selben „alle  Güter  in  Ottelwitz"  zu  Erbe  und  Eigen  als 
Viehweide*"),  „um  darauf  all  ihr  Vieh  zu  weiden". 
Dieses  Ottelwitz  hatte  bis  dahin  jedenfalls  unmittelbar 
unter  dem  Schloss  gestanden;  jetzt,  wo  alle  dazu  gehörigen 
Felder  zur  städtischen  Viehweide  umgewandelt  wurden, 
hörte  es  natürlich  auf,  als  ein  besonderes  Dorl  zu  be- 
stehen, und  wird  daher  nie  mehr  erwähnt.  Da  ursprüng- 
lich die  meisten  wohlhabenden  Bürger  in  den  Städten 
zugleich  auch  die  Landwirthschaft  betrieben,  so  finden 
wir  auch  bei  den  oberlausitzischen  Städten  überall  grosse 
und  nahgelegene  Viehweiden  für  das  Stadtvieh.  —  Bisher 
hatten  die  landesherrlichen  Behörden  von  aUen  denen, 
welche  ihre  Waren  nacli  Bautzen  auf  den  Wochenmarkt 
brachten  (es  werden  namentlich  erwähnt:  Pferde,  Kühe, 
Schweine,  Töpfe,  Schüsseln,  Pech)  einen  Zoll  erhoben. 
1282  verkauften  die  Markgrafen  Otto  und  Konrad  diesen 
MarktzoU  um  70  Mark  Silber  der  Stadt,  „zu  grosser 
Erleichterung  sowohl  für  die  Stadt  als  das  ganze  Land 
Budissin".  Es  scheint,  als  ob  man  ursprünglich  beab- 
sichtigt habe,  dass  einzelne  Landgüter  für  ihre  regel- 
mässig auf  den  Markt  zu  schickenden  Verkaufsgegen- 
stände sich  von  jedem  Zoll  völlig  freikaufen  sollten  durch 
einen  Beitrag  zu  der  an  die  Landesherren  abzuzahlenden 
Kaufsumme  ^°);    allein    in    dem   „Eidbuche"  von    Bautzen 


")  Sommer,  Topographie  von  Böhmen  XV,  71. 

")  Cod.  Lus.  96. 

'»)  Später  ward  auf  diese  Viehweide  der  Galgen  gesetzt. 

•")  Cod.  Lus.  110:  Volumus  itaque,  quod,  quicunque  ea  libertate 
frui  perpetuis  temporibus  vohierint  et  gaudere,  quod  hi  debent  aliqua 
de  suis  bonis  addere,  per  que  nobis  data  pecunia  persolvatur.    Sin 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  I3i6.    105 

aus   dem  Jahre  1532   finden  wir   ein  besonderes   Kapitel 
„Register  über  der  Stadt  Zoll";  der  Marktzoll  wurde  also 
seitdem  zum  Besten  der  Stadtkasse  erhoben.    Von  diesem 
Marktzoll  unterschieden  war  der  D  u  r  c  h  g  a  n  g  s  z  o  1 1 ,  welchen 
nach   wie   vor  alle  Kaufraannsgüter  beim  Passieren  einer 
Stadt  an  die  landesherrliche  Kasse  zu  entrichten  hatten***). 
Erst    1323    wurde    Kamenz    und    wohl    gleiclizeitig   auch 
Löbau   von    diesem   Durchgangszoll   in   allen  Städten  des 
„Landes    Budissin"    im    engeren   Sinne    des  Worts   durch 
König  Johann  befreit"). —  1284*-^)  gestatteten  dieselben 
Markgrafen    für   empfangene    10   Mark   Silber   der    Stadt 
Bautzen,  ein  Kaufhaus  (domiim  mercatoricDn)  zu  errich- 
ten, das  erste  in  der  Oberlausitz,  und  die  Revenuen  davon 
zu  eignem  Nutzen   zu  verwenden.     Hierdurch  wurde  der 
Detailverkauf  geregelt  und  erleichtert.    Statt  der  bisherigen 
offenen   Buden    auf  dem   Markte   und  auf  der  vStrasse  er- 
hielten die  Verkäufer  jetzt  geschützte  Stände;  die  Käufer 
hatten  bequemere  Auswahl,  und  die  Marktmeister  konnten 
um    so    leichter    das    zu    entrichtende   Standgeld    für    die 
Stadtkasse  erheben. —  Die  städtische  Mühle  war  ausser- 
halb   der    Stadt    gelegen    und    steuerte    daher    mit    dem 
„Lande",    d.  h.    mit    den    Lehngütern.       Da    genehmigte 
1304*^)  Markgraf  Otto,  dass  die  Bürgerschaft  von  Bautzen 
„künftig  keine  l.andbede  von  der  Mühle  und  von  anderen 
Gütern,    von  denen  sie  den  ,Schoss'  in   der  Stadt  geben, 
entrichten    sollten".      Als    städtisches    Eigenthum    niusste 
die    Mühle    ohnehin    von    der    Stadt    versteuert    werden; 
jetzt    ward    einer    doppelten  Versteuerung   derselben   vor- 
gebeugt. —  1307  *^)   erlaubten   die  Markgrafen  Otto  und 
\Voldemar,    „dass  alle,  die  da  kaufen  und  verkaufen  [in 
der    Stadt],    die    sollen    mit  den  Bürgern  schössen  imd 
wachen".      Hierdurch    wurden    alle    diejenig'en,    welche 
(ständig)  in    der    Stadt  Handelsgeschäfte   betrieben,    auch 
ohne   das   Bürgerrecht   zu  besitzen,   zu  den  Pflichten  der 
Bürger   augehalten,   nämlich  zu  den  städtischen  Abgaben 
und   dem    damals  noch  allen  Bürgern  abwechselnd  oblie- 
genden Wachdienste.     Die  gleichzeitig  erlassene    Bestim- 


autem,  dabunt  teloneum  suum  forense,  quod  antea,  quam  ista  nostra 
empcio  fieret,  dare  universaliter  consueverunt. 

")  Knothe,  Rechtsgeschichte  der  Oberlausitz  63. 

")  Cod.  dipL  Sax.  reg.  II.  7,  9  u.  21  für  Kamenz,  2.31  für  Löbau. 

")  Cod.  Lus.  117. 

**)  Ebenda  177. 

")  Ebenda  187. 


106  Hermann  Knothe: 

mung ,  „dass  kein  Mann  soll  Mist  aus  der  Stadt 
führen,  der  nicht  Bürger  ist,  er  thue  es  denn  mit  der 
Bürger  A\'illcn",  verstehen  wir  so,  dass  der  für  die  Land- 
wirthschaft  so  wichtige  Dünger  nicht  etwa  solle  an 
Bauern  auf  den  Dörfern  verkauft  werden  ^°).  —  Bautzen 
besass  keinen  Stadtwald,  aus  welchem  es  den  sowohl  für 
den  Häuserbau  als  zur  Feuerung  nothigen  Holzbedarf 
ohne  weiteres  beziehen  konnte.  Da  bestiitigte  1309  ^') 
Markgraf  Woldemar  den  Bürgern  „alle  Freiheit,  in  der 
landi'shcrrlichen  Heide  des  Landes  Budissin  Holz 
zu  schlagen,  eine  Freiheit,  welche  sie  schon  von  alten 
Zeiten  her  gehabt  haben";  nur  auf  den  ebenfalls  landes- 
lierrlichen,  aber  jetzt  dem  Lutlier  von  Schreibersdorf  (auf 
Neschwitz)  zu  Lehn  gegebenen  Heiden  sollten  sie  niclit 
schlagen  dürfen,  ausser  mit  dessen  ausdrücklicher  Be- 
willigung. Ob  und  was  sie  für  das  so  bezogene  Holz 
zu  entrichten  hatten,  wird  nicht  speziell  erAvähnt.  —  Auch 
der  Salzverkauf  gehörte  zu  den  landesherrlichen  Regalien. 
Da  gestattete  1335  ^*)  König  Johann,  um  der  Stadt  eine 
besondere  Gnade  zu  erweisen,  „den  Bürgern  und  jedem 
einzelnen,  welcher  in  der  Stadt  Bautzen  wohne  und  da- 
selbst seinen  Wohnsitz  habe",  dass  sie  und  ihre  Nach- 
kommen für  alle  Zeiten  von  dem  Salzverkaafe  (a  camhio 
salis)  frei  sein  sollten.  Darum  solle  niemand  von  des 
Königs  Beamten  künftig  dieser  Begnadigung  zuwider- 
handeln. Dies  kann  offenbar  nur  soviel  heissen,  dass 
künftig  die  Bürger  ihren  Salzbedarf  nicht  mehr  wie  bisher 
ausschliesslich  in  der  (verhältnismässig  theuren)  landes- 
herrlichen Salzniederlage  zu  kaufen  brauchten,  sondern 
denselben,  woher  sie  immer  wollten,  beziehen  dürften. 
Erst  1355^«)  verlieh  Kaiser  Karl  IV.  der  Stadt  „den 
S  a  l  z  m  a  r  k  t "  (forum  seit  vendicioncm  salis)  und  erlaubte, 
dass  der  Gewinn  daraus  von  dem  Käthe  zum  Nutzen  der 
Stadt  verwendet  werde. 

Der  oben  (S.  105)  erwähnte,  allen  Bürgern  obliegende 
Wachdienst  Avurde  später  in  eine  von  jedem  Hause  an 
die  Stadtkasse  zu  entrichtende  feste  Geldabgabe  ver- 
wandelt, von  welcher  nur  die  Rathsherren  und  die  (eben- 
falls erst  später  eingeführten)  Stadtältesten  befreit  waren. 

•')  Eine  ähnliche  Bestimmung   in   einem  Statut  von  Stadthagen 
(Schaumburg-Lippe).    Löher's    Archival.  Zeitschr.  VIII,  217   (S  9). 
»')  Cod.  Lus.  192. 
»»)  Ebenda  309. 
»•)  Oberlaus.  Urk.-Verz.  I,  64  No.  .322. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.        107 

Im  Jahre  1532  ^")  belief  sich  die  Summe  desselben  auf 
11  Schock  33  Gr.  3  Pf. —  Zu  den  ältesten  Rechten  jeder 
Stadt  gehörte;  mindestens  in  der  Oberlausitz,  auch  das 
Bierbrauen  der  Hausbesitzer.  Auf  ihm  beruhte  neben 
dem  Betriebe  der  Handwerke  ganz  besonders  der  Wohl- 
stand der  Städte.  Nach  und  nach  ward,  um  Feuersgefahr 
zu  vermeiden,  dies  Recht  nur  auf  die  grösseren,  mit  den 
dazu  nöihigen  Räumlichkeiten  ausgestatteten  Häuser  be- 
schränkt. In  Bautzen  belief  sich  1532  die  Anzahl  dieser 
„Bierhöfe"  auf  103.  Jeder  derselben  durfte  nur  eine  be- 
stimmte Anzahl  von  Bieren  im  Jahre  brauen ;  damals 
wurden  in  Bautzen  jährlich  759  Biere  gebraut.  Nach 
der  Anzahl  der  Biere,  die  jeder  ßierhof  zu  brauen  be- 
rechtigt war,  wurde  er  nun  auch  versteuert,  nämlich  mit 
6  Gr.  von  jedem.  Ausserdem  hatte  man  8  Gr.  von  jedem 
Biere  als  „Wassergeld  in  des  Rathes  Kammer'^  zu  ent- 
richten, da  das  nöthige  Wasser  mittels  kunstreicher  Wasser- 
werke aus  der  Spree  bis  zur  Höhe  der  Stadt  emporgeführt 
werden  musste.  —  In  den  hier  erwähnten  Registern  über 
das  Wachgeld  und  die  Bierhöfe  werden  die  einzelnen 
Häuser  nach  den  Gassen  einzeln  aufgeführt.  Die  am 
frühesten  namhaft  gemachte  Gasse  ist  die  Hundsgasse 
(plathea  canum),  in  welcher  1296^')  auf  drei  verschiedenen 
„Gärten''  ein  Zins  von  zusammen  10  Schilling  der  Ma- 
rienkirche zugewiesen  Avard. 

Neben  den  ältesten  städtischen  Einnahmequellen 
fügen  wir  auch  noch  einige  regelmässige  Abgaben  bei, 
Avelche,  obwohl  in  den  Urkunden  der  von  uns  zu  behan- 
delnden Zeit  nocli  nicht  namentlich  erwähnt,  doch  bis  in 
die  Anfänge  des  städtischen  Wesens  zurückreichen.  — 
Von  jedem  Hause  war  eine  Grundsteuer  an  den  Grund- 
herrn, hier  also  den  Landesherrn,  zu  entrichten,  welche 
(ebenso  wie  in  Löbau  ***)  „das  Wurzgeld"  hiess.  Wir 
kennen  dasselbe  ebenfalls  erst  aus  einem  Verzeichnis 
vom  Jahre  1532  ^').  Danach  betrug  diese  Abgabe  nur 
1,  2  oder  3  Pfennige,  höchstens  1  Groschen  vom  Hause. 
Die  Summe  dieses  „auf  das  Schloss",  d.  h.  an  den  Land- 
vogt, abzuführenden  Wurzgeldes  belief  sich  damals  auf 
2  Schock  15  Gr.  3  Heller.  Befreit  davon  waren  ebenfalls 
die    Rathsherren    und    die    Stadtältesten.   —    Ausserdem 


'*)  Eidbuch  von  Bautzen. 

")  Cod.  Lus.  152. 

")  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  7,  2.32 flg.;  254 flg. 

")  Eidbuch. 


108  Hermann  Kiiothe; 

hatte  jede  laudcslienliclie  Stadt  in  der  Oberlausitz  schon 
seit  ältester  Zeit  jülirlich  eine  (ursprünglich  einzige)  regel- 
mässige und  in  eine  feste  Summe  al)gerundete  Steuer  auf- 
zubringen, genannt  „die  Rente*'«  Dieselbe  betrug  für 
Bautzen  90  Schock  Groschen.  Diese  sich  gleichbleibenden 
und  sicher  eingehenden  Summen  pflegten  nun  die  stete 
geldbedürftigen  Landesherren  oftmals  an  reiche  Adlige, 
die  ihnen  Geld  vorgeschossen  hatten,  zu  verpfänden.  Und 
so  hatte  auch  Bautzen  oftmals  seine  Kento  an  böhmische 
Herren  abzuführen^*).--  Die  ausserordentlichen  Steuern, 
an  denen  es  alsbald  auch  nicht  fehlte,  pflegten  zwischen 
der  Regierung  und  dem  Lande  meist  alljährlich  verein- 
bart zu  werden.  Seit  dem  Absehluss  des  Sechsstädte- 
bundes (134())  wurde  den  Städten  jedesmal  eine  runde 
Summe,  abgesondert  von  der  Ritterschaft,  auferlegt  und 
ihnen  selbst  überlassen,  wie  sie  dieselbe  unter  sich  auf- 
bringen wollten.  Nach  und  nach  vereinbarten  dieselben 
untereinander  eine  sogenannte  „Quote",  wonach  z.  B. 
auf  Bautzen  von  jeder  den  Städten  abverlangten  Gesamt- 
summe jedesmal    7»«   entfielen**). 

Mit  den  Einkünften  der  früheren  Pfarrei  Bautzen 
hatte  das  nunmehrige  Kollegiatstift  natürlich  auch  alle 
Obliegenheiten  derselben  übernommen.  Mancher  derselben 
gcbtihrend  nachzukommen,  scheint  aber  denn  doch  so  leicht 
nicht  gewesen  zu  sein.  In  die  Pfarrkirche  zu  Bautzen 
waren  nicht  bloss  die  Bewohner  der  Stadt,  sondern  auch 
all  der  wendischen  Dorfschaften  weit  in  der  Runde  ein- 
gepfarrt.  Um  diesen  Beichte  zu  hören  oder  die  letzte 
Oelung  reichen  zu  können,  musste  der  Stadtpfarrer  wen- 
disch verstehen.  Da  aber  die  Kanoniker  der  Anciennität 
nach  aus  den  niederen  in  die  besser  dotierten  Präbenden 
aufrückten ,  so  mochte  oft  der  Fall  eintreten ,  dass  der 
Stadtpfarrer  des  Wendischen  unkundig  war.  Dies  halten 
wir  für  den  Hauptgrund,  weshalb  im  Jahre  1293  eine 
neue  Pfarrkiche,  die  Marienkirche  vor  der  Stadt,  d.  h. 
auf  dem  Salzmarkte,  erbaut  ward.  Da  „das  Kollatur- 
recht  über  dieselbe  samt  allen  Rechten  und  Einkünften 
dem  Kapitel  zustehen  sollte",  so  werden  selbstverständlich 
auch  die  Kosten  dieser  Gründung  lediglich  vom  Kapitel 
zu  tragen  gewesen  sein,  nur  dass  sich  dasselbe  sowohl 
mit    der    Bürgerschaft,    als    mit   dem   Franziskanerkloster 

•')  Knothe,  Rechtsgeschichte  102,  Anmerk.  8. 
•*}  Ebenda  127. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.    109 

darüber  verständigt  liatte,  wie  sich  aus  der  Gründungs- 
urkunde*®) ergiebt.  Der  Pfarrer  au  der  Marienkirche  sollte 
hiernach  nur  die  etwaigen  Messgelder  (missales  denarios) 
für  sich  behalten,  liingegen  alle  Opfergeldcr,  „Sp^zial- 
pfennige",  Begräbnisgelder  und  Vermächtnisse  „ohne  allen 
Abzug"  an  das  Kapitel  abliefern.  Er  hat  alle  nächtlichen 
Besuche  bei  Kranken  und  Sterbenden  sowohl  in  den  Vor- 
städten, als  auf  den  Dörfern  zu  übernehmen.  Deshalb 
muss  er  sowohl  deutsch  als  wendisch  verstehen.  Sollte  er 
aber  doch  etwa  des  Wendischen  nicht  mächtig  sein,  so 
soll  er  sich  „einen  wendischen  Gehülfen  halten"  (sclavicwn 
socium  secum  ohtinehit).  Für  solche  Nachtgänge  darf  er 
einen  bis  zwei  Pfennige  für  sich  behalten ,  das  Übrige 
aber  muss  er  ebenfalls  dem  [Stadt-]  Pfarrer  abliefern. 
Predigten  soll  er  in  der  Marienkirche  nicht  halten  ausser 
am  Kirchweihfeste.  Seine  Messe  soll  er  täglich  „wie  an 
einer  Kapelle"  (more  capeUe)  beim  ersten  Läuten  im  Klo- 
ster und  zwar  „kurz''  lesen  und  dann  die  Versammelten 
auffordern,  ,,zu  ihrer  Pfarrkirche,  d.  h.  zur  Stiftskirche 
zu  eilen".  Übrigens  soll  er  an  Sonn-  und  Feiertagen 
beim  Hochamt  und  bei  der  Vesper  und  auch  an  anderen 
Tagen,  so  oft  er  will,  in  dem  Chor  der  Stiftskirche  er- 
scheinen, wo  ihm  ein  Platz  im  Chorgestühl  und  zwar  über 
den  vicarii  temporales  äuge  wiesen  werden  wird. 

Nach  alledem  war  also  die  neue  Marienkirche  wesent- 
lich für  die  Wenden  in  den  Vorstädten  und  auf  den 
Dörfern  bestimmt;  sie  war  nicht  eigentlich  eine  Pfarr-, 
sondern  nur  eine  Filialkirche;  der  Pfarrer  war  angestellt 
vom  Kapitel  und  lediglich  im  Dienste  desselben,  ohne 
selbst  Kanoniker  zu  sein.  Noch  in  demselben  Jahre  am 
26.  Juni  1293 ''')  verlieh  der  eben  in  Bautzen  anwesende 
Bischof  Heinrich  von  Merseburg  und  am  15.  Juli****)  auch 
der  Landesbischof  Bernhard  von  Meissen  allen  denen,  welche 
an  gewissen  Tagen  die  Marienkirche  besuchen,  sowie  denen, 
welche  „zum  Bau,  zu  dem  kirchlichen  Schmuck  (orna- 
menta)  und  sonstigen  Bedürfnissen"  derselben  beitragen 
würden,  40  Tage  Ablass.  Aus  einer  am  25.  Juni  auch 
der  J.Pfarrkirche  in  Bautzen",  d.  h.  der  Stiftskirche ,  von 
dem  Bischof  von  Merseburg  verliehenen  Ablassurkunde 
und   aus    der    fast   wörtlich  gleichlautenden  des  ebenfalls 

")  Cod.  Lus.  137:    cum  civibus  ibidem  de   ordinacione   ecclesie 
sancte  Marie  site  ante  civitatem  —  convenimus. 
•')  Ebenda  140. 
•»)  Ebenda  141. 


110  Hermann  Knothe : 

zufällii^  anwesenden  „Bi'iiclcr  Yvan,  Bischof  von  Lace- 
clänion"  (in  partibus)  vom  7.  Juni  1294'*'')  erfahren  wir 
übrigens,  dass  auch  in  der  Stiftskirche  sowohl  deutscli 
als  wendisch  g-epredi"-t  zai  werden  pHegte.  1296  '""j  finden 
wir  auch  eine  erste  Stiftung  zum  Besten  der  neuen  Ma- 
rienkirche verzeichnet.  Es  kauften  nämlich  Heinrich  von 
Bodow,  der  frühere  Pfarrer  an  der  „Stadtkirche",  und 
Petrus,  Kaplan  des  Stiftspropstes,  10  Schillinoe  Jahres- 
zins auf  drei  Gärten  in  der  Huudsgasse  mit  der  Bestimm- 
ung, dass  derselbe,  allerdings  erst  nach  ihrem  Tode,  an 
die  Marienkirche  fallen  solle.  —  Andere  Stiftungen  waren 
von  Laien  gemacht  worden.  Es  deutet  auf  ein  gewisses 
Misstrauen  des  Rathes  gegen  das  Kapitel,  dass  über  diese 
von  ersterem  eine  besondere  Urkunde  unter  dem  5.  Nov. 
1303'"')  ausgestellt  wurde,  ,, damit  jene  Einkünfte  nicht 
etwa  künftig  möchten  abgeändert  werden".  Demzufolge 
hatte  eine  „Frau  aus  Halle"  (domina  de  HalUs)  der  Ma- 
rienkirche ein  Talent  Silber  zugewendet,  welches  auf  dem 
Hause  eines  Heinrich  von  Elstra  stand,  und  ausserdem 
sechs  Stein  Inselt  auf  zwei  Fleischbänken  in  der  Stadt 
zu  Zwecken  der  Beleuchtung  ausgesetzt.  Ferner  hatte 
Cuno  von  Teichnitz  (nicht:  Thitevitz)  ein  Talent  auf  dem 
Gute  Teichnitz  zum  Kirchenbau  und  ausserdem  12  Hühner 
und  zwei  Malter  Korn  wie  Hafer  für  den  Pfarrer  bestimmt. 
Ebenso  hatten  „die  von  Teichnitz  für  ihren  Bruder  und 
dessen  Frau"  die  Frühmesse  in  der  Marienkirche  ge- 
stiftet, welche  der  Pfarrer  stets,  sobald  bei  den  Franzis- 
kanern die  Frühglocke  geläutet  wird,  an  dem  heiligen 
Kreuzaltar  halten  sollte.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass 
der  liath  hierbei  gerade  die  Marienkirche  als  „unsere 
Pfarrkirche  in  Bautzen"  bezeichnet.  Während  Insher 
zwischen  dem  Domkapitel  und  den  Franziskanern  der 
Stadt  wenigstens  äusserlich  noch  ein  gutes  Einvernehmen 
bestanden  zu  haben  scheint,  —  sonst  wäre  bei  der  Grün- 
dung der  Marienkirche  nicht  der  Lektor  des  Klosters  zu- 
gezogen worden  (habito  sano  et  provido  consilio  fratis  C[on- 
radij  dicti  de  Kyna,  lectoris  tipud  )ios  in  Budissin)  —  so 
brachen  bald  darauf  schlinniie  Streitigkeiten  zwischen 
denselben    aus.     Wie    in    anderen  Städten    missbrauchten 


•')  Ebenda  1.39,  145:  omnibus  vere  penitentibus  et  confessis, 
qui  ad  sermoneni  plebaiii  vel  vicarii  sui  theutonice  vel  slavice  pro- 
ponendum  —  confluxeriiit. 

"">)  Ebenda  152. 

'»')  Cod.  Lu9.  172. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.        Hl 

auch  zu  Bautzen  die  Franziskaner  ihren  Einfluss  im 
Beichtstuhl  und  am  Krankenbette  dazu ,  um  ihre  Beicht- 
kinder zu  bestimmen,  sich  im  Kloster  begraben  zu  lassen 
und  demselben  Vermächtnisse  zuzuwenden.  Unter  dem 
31.  März  1295  '°^)  erliess  Bischof  Bernliard  von  Meissen 
ein  Mandat,  dass  niemand,  weder  Mann  noch  Weib,  die 
Stifts-  utid  Pfarrkirche  zu  Bautzen  in  ihren  Rechten 
schädigen  solle;  obgleich  es  jedermann  freistehe,  sich 
seine  Begräbnisstätte  frei  zu  wählen,  doch  alle  Rechte 
der  Pfarrkirche  vorbehalten,  so  solle  niemand  bei  Strafe 
des  Bannes  weder  Kranke  noch  Gresunde  zu  einem  Be- 
gräbnis an  fremden  Orten  oder  zu  Errichtung  von  Testa- 
menten oder  zum  Genuss  der  Sakramente  wider  die  ka- 
nonischen Bestimmungen  verlocken.  —  Obgleich  die  Fran- 
ziskaner zu  Bautzen  nicht  ausdrücklich  genannt  werden, 
konnte  dies  Mandat  doch  bloss  gegen  diese  gerichtet  sein. 
Bald  daraufnahm  der  Streit  einen  akuteren  Charakter 
an.  Auf  einer  mit  dem  Klerus  des  Landes  zu  Bautzen 
abgehaltenen  Synode  hatte  der  damalige  Propst  Dietrich 
(oder  Tylemaun)  und  ausser  ihm  der  zumeist  betheiligte 
Stadtpfarrer  Konrad,  sowie  der  Pfarrer  Petrus  in  Beru- 
stadt  sich  heftig  gegen  die  Übergriffe  der  Franziskaner 
zu  Bautzen  in  die  Rechte  der  Pfarrgeistlichkeit  ausge- 
sprochen. Die  Franziskaner  erblickten  hierin  eine  öffent- 
liche Schmähung  ihres  Ordens,  und  da  Papst  Nikolaus  III. 
erst  kürzlich  alles  öffentliche  Lehren  und  Predigen  gegen 
die  von  ihm  hinsichtlich  der  Franziskaner  erlassenen  Be- 
stimmungen bei  Strafe  des  Bannes  verboten  hatte,  so  spra- 
chen der  frühere  Guardian  Werner,  der  Lektor  Konrad, 
Johann  von  Sommerfeld,  Witego  von  Rausendorf,  sämt- 
lich Bautzner  Minoriten,  sowie  der  Lektor  Johann  von 
Görlitz  über  jene  drei  ^^'eltgeistliche  den  Bann  aus.  We- 
gen dieses  ihnen  angethanen  „Unrechts''  verhängte  nun 
auch  Propst  Dietrich  seinerseits  den  Bann  über  obige 
fünf  Franziskaner  und  über  alle,  welche  mit  denselben 
irgend  verkehren  würden.  Bischof  Bernhard  beschied 
die  Parteien  vor  sich  und  mahnte  zu  gütlichem  Aus- 
gleich. Man  vereinigte  sich,  den  Streit  durch  Schieds- 
richter erledigen  zu  lassen.  Vor  dem  Pfarrer  Johann 
von  Görlitz  und  dem  Pfarrer  Heinrich  von  Kamenz,  beide 
Erzpriester,  und  dem  Bruder  Johann  von  Magdeburg  und 


I01\ 


*)  Cod.  Lus.  130.    Die  Urkunde  ist  nicht  in  das  Jahr  1290  zu 
setzen,  da  Bernhard  damals  noch  gar  nicht  Bischof  von  Meissen  war. 


112  Hermann  Knotbe: 

Bruder  Heinrich  von  Halli-,  beide  Lektoren  des  Franzis- 
kanerordens, gaben  am  25.  Oktober  1295'"^)  zu  Bautzen 
beide  Parteien  schriftlich  und  niündUeh  ilire  Erklärungen 
ab.  Die  Parochialgeistlichen  mussten  die  Gerechtsame 
des  Ordens  anerkennen  und  hoben  den  verhängten  Bann, 
als  ungültig  (irritam  fidsse),  wieder  auf.  Die  Franzis- 
kaner erkannten  ebenfalls  an,  dass  jedermann  mindestens 
einmal  im  Jahre  bei  seinem  Pfarrgeistlichen  zu  beichten 
habe,  und  versprachen,  dass  sie  niemand  daran  hindern, 
auch  niemand  zur  Wahl  seines  Begräbnisortes  bestimmen 
wollten,  und  hoben,  da  nach  der  Versicherung  der  Gegen- 
partei eine  Schmähung  ihres  Ordens  nicht  beabsichtigt 
gewesen  sei,  auch  ihrerseits  den  Bann  wieder  auf.  Alle 
diese  Erklärungen  sollten  nun  auch  durch  die  gesamte 
Pfarrgeistlichkeit  des  Landes  öffentlich  abgekündigt  wer- 
den. So  war  der  Friede  wenigstens  auf  Zeit  wiederher- 
gestellt. Wohl  um  durch  die  Menge  verheissener  geist- 
licher Gnaden  die  Bevölkerung  von  der  Klosterkirche  ab- 
und  in  die  Pfarrkirche  zu  ziehen,  suchte  sich  das  Kapitel 
unmittelbar  nachher  eine  Menge  Ablassbriefe  für  die  Pe- 
terskirchc  zu  verschaffen,  so  1296  von  Bischof  Dietrich 
von  Olmütz,  1298  von  Bischof  Volrad  von  Brandenburg 
und  1299  von  Erzbisehof  Burchard  von  Magdeburg  '"^). 
—  Seit  1344  aber  finden  wir  das  Domstift  in  förm- 
lichem Rechtsstreit  mit  dem  Kloster  begriffen.  Obgleich 
den  Franziskanern  aller  Orten  gestattet  war,  auch  Laien 
in  ihren  Klöstern  zu  bestatten,  so  hatten  sie  doch  dafür 
jedesmal  an  den  betreffenden  Pfarrer  die  sogenannte 
jportio  canonica,  d.  h.  den  vierten  Theil  der  Begräbnis- 
gebühren,  ubzuentrichten.  Dessen  aber  hatten  sich  die 
Bautzner  Franziskaner  seit  langer  Frist  geweigert.  So 
erhob  denn  jetzt  das  Domstift  rechtliche  Klage  gegen 
dieselben,  und  nach  längeren  in  aller  Form  geistlichen 
Prozessverfahrens  geführten  Verhandlungen  verurtheilte 
unter  dem  1.  März  1345'"*)  ein  speziell  hierfür  einge- 
setztes geistliches  Gericht  zu  Breslau  das  Kloster  zur 
Zahlung  von  50  Mark  Prager  Groschen,  als  dem  Betrage 
der  dem  Domstift  vorenthaltenen  'portio  canonica,  sowie 
ziu|  Tragung  aller  Prozesskosten.  —  Spätere  Differenzen 
zwischen  der  Stifts-  und  der  Klostergeistlichkeit  zu  Bau- 
tzen liegen  ausserhalb  der  uns  hier  gesteckten  Grenzen. 

•0»)  Cod.  Lus.  150. 

'«*)  Ebenda  15.3.  156.  163. 

">*)  Ebenda  347  flg. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.    113 

Um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  wiithete  bekannt- 
lich in  den  meisten  Ländern  Europas  die  fürchterliche 
Pest,  genannt  der  schwarze  Tod.  Aller  Orten  pre- 
digten Scharen  fanatischer  Geissler  Busse,  aber  zu- 
gleich auch  Ausrottung  der  Ungläubigen.  Fast  überall 
beschuldigte  der  Hass  des  armen  Volkes  die  durch  Wu- 
cher reich  gewordenen  Juden  der  Vergiftung  der  Brun- 
nen. So  erfolgten  in  den  meisten  Städten  auch  der  Nach- 
barländer, z.  B.  Böhmens,  Schlesiens,  Meissens,  traurige 
Judenverfolgungen.  Ebenso  dürfte  es  wohl  auch  in 
Bautzen  hergegangen  sein;  wenigstens  berichten  Chro- 
niken bei  dem  Jahre  1349  die  Anwesenheit  von  Geiss- 
lern  in  der  Stadt.  Und  von  1356  bis  1359  wird  in  den 
Breslauer  Stadtreehnungen  '"")  mehrfach  ein  Jude  „.Jacob 
de  Budessin"  erwähnt,  der  diesen  Beinamen  nicht  führen 
würde,  wenn  er  nicht  von  Bautzen  nach  Breslau  über- 
gesiedelt wäre. 

Von  dem  Schulwesen  zu  Bautzen  erfahren  wir  bis 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  soviel  als  nichts.  Die  Grün- 
dung einer  besonderen  Präbende  des  „Scholasticus"  am 
Domstift  stand  gewiss  in  keinerlei  Beziehung  zu  dem 
Unterricht  der  städtischen  Jugend.  Und  dennoch  dürfte 
das  KoUegiatstift  nicht  ohne  EinÜuss  geblieben  sein  auf 
die  Errichtung  auch  einer  Stadtschule.  Je  feierlicher  sich 
an  einer  Kirche  der  Gottesdienst  gestaltete,  desto  mehr 
bedurfte  man  auch  der  Chorschüler  für  den  Gesang  und 
die  Begleitung  bei  Leichenbegängnissen.  In  demselben 
Masse,  als  sich  das  städtische  Wesen  mehr  und  mehr 
entwickelte ,  brauchte  aber  auch  der  Rath  eines  des  La- 
teinischen kundigen  Schulrektors  zum  Übersetzen,  wie  zum 
Anfertigen  der  damals  noch  allgemein  lateinisch  abge- 
fassten  Urkunden.  Fast  in  allen  oberlausitzischen  Städten 
versah  in  ältester  Zeit  der  Schulrektor  zugleich  den  Dienst 
eines  Stadtschreibers.  Nur  einen  solchen  rector  scolarum 
in  Budissin  namens  Petrus  lernen  wir  als  Zeuge  in  einer 
Schenkungsurkunde  für  das  Domstift  vom  24  Juni  1331 
kennen  '"'j.  —  Über  das  Recht,  den  Rektor  anzustellen, 
hatte  es  zwischen  dem  Kapitel  und  dem  Rathe  schon  seit 
lange  Streit  gegeben.  Eine  von  Kaiser  Karl  IV.  wegen 
dieser  und   anderer  Differenzen    nach  Bautzen    gesendete 


**')  L.  0 eisner,   Schles.  Urkunden  zur  Geschichte  der  Juden: 
Archiv  für  Kunde  Österreich.  Geschichtsquellen  XXXI,  111.  120.  127. 
"*')  Domarchiv  Bautzen. 

Neues  Airhiv  f.  >S.  (i.  u.  A.    V.  1.  2.  8 


114  Hermann  Knothe: 

Kommission  entschied  und  der  Kaiser  bestätigte  darauf 
hin  1364*"*),  dass  die  Wahl  eines  Schuh-ektors  dem  Ka- 
pitel zustehe,  und  dass  dieses  einen  geeigneten  Mann 
„anzunehmen"  habe,  welcher  dem  ,, Schulamte  vorzustehen 
vermöge  und  sowohl  der  Kirche  als  den  Knaben  oder 
Schülern  nützlich  sei,  imd  dieselben  zweckgemäss  in  Wissen- 
schaft (scientia)  und  Sitten  unterweisen  könne,  und  dass 
die  Knaben  oder  Schüler  gehalten  seien,  an  allen  Fest- 
tagen bei  der  Messe  und  der  Vesper  lediglich  in  der 
Stiftskirche  anwesend  zu  sein".  —  Sehr  spezielle  und  in- 
teressante Nachrichten  über  die  Einrichtung  der  Bautzner 
Stadtschule  enthält  die  „Budissinische  Schulordnung 
und  Gewohnheit"  vom  Jahre   1418  '"**). 

Ein  Hospital,  wesentlich  für  die  mit  ansteckenden 
Krankheiten  Behafteten,  war  schon  frühzeitig  und  zwar, 
wie  üblich,  ausserhalb  der  Stadt  errichtet  worden.  Die 
Seelsorge  daselbst  wurde  1293  dem  Pfarrer  an  der  Ma- 
rienkirche übertragen*'").  Die  darin  befindliche  Kapelle 
soll  dem  heiligen  Geiste  geweiht  gewesen  sein'").  1345"''*) 
genehmigte  König  Johann  von  Böhmen  auf  Bitten  der 
Bürgerschaft,  dass  dieselbe  „für  das  Hospital  zum  Unter- 
halt der  Kranken  8  Schock  Prager  Groschen  Jahreszins" 
kaufen  und  erwerben  dürfe,  wo  und  von  wem  sie  wolle. 
Aber  der  Gottesdienst  in  der  „Kapelle  bei  den  Aussätzigen 
ausserhalb  der  Mauern  der  Stadt  Bautzen,  obgleich  sie 
längst  schon  erbaut  und  geweiht",  hatte  aufgehört,  weil 
es  ihr  an  Einkünften  fehlte.  Da  stiftete  der  Domherr 
Gustos,  namens  Simon,  gewisse  Revenuen  für  dieselbe, 
welche  Kaiser  Karl  iV.  1350  "^j  der  Kapelle  eignete, 
und  seitdem  erhielt  sie  nun  einen  besonderen  Hospital- 
geistlichen (rectorem).  — 

So  beschaffen  waren  die  staatlichen,  die  städtischen,  die 
kirchlichen  und  die  allgemeinen  kulturellen  Verhältnisse  in 
der  Stadt  Bautzen,  als  dieselbe  1340  mit  den  fünf  übrigen 
freien  oder  königlichen  Städten  der  nachmaligen  Oberlausitz 


»»«)  Oberlaus.  Urk.-Verz.  I,  80  No.  395.  Der  auf  die  Schulen 
bezügliche  Passus  abgedruckt  in  der  „Ober).  Naclilese"  (1771)  92: 
Etwas  von  der  alten  Schule  —  zu  Budissin  —  von  Christ.  Knauthe. 

"»•)  überlaus.  Nachlese  1771  94  tig.     Wilke,    Budissin  134  flg. 

"")  Cod.  Lus.  137:  curam  etiam  in  hospitali  tantum  habebit  in- 
lirmorum. 

'")  Laus.  Magaz.  1859.  290. 

"»)  Cod.  Lus.  365. 

"*)  Domarchiv  Bautzen,  Matricula  IL  5. 


Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Bautzen  bis  zum  J.  1346.    115 

den  bekannten  Sechsstädtebund  abschloss*'*).  Derselbe 
war  zunächst  nur  ein  Akt  berechtigter  Nothwehr  gegen- 
über dem  räuberischen  Adel  des  Landes,  welcher  durch 
unaufhörliclie  „Strassenplackerei"  sowohl  die  einzelnen 
Städte  auf  das  empfindlichste  schädigte,  als  auch  den  ge- 
samten Transitohandel  durch  das  Land  untergrub.  Kaiser 
Karl  IV.  aber  bestätigte  nicht  nur  jenen  Bund,  sondern 
ertheilte  demselben  zugleich  die  weitgehendsten  Befug- 
nisse; ja  er  setzte  ganz  eigentlich  ihn  zum  Hüter  des 
Rechts  und  des  Gesetzes,  der  Ordnung  und  des  Friedens 
im  ganzen  Lande.  Hierdurch  erlangte  er  erst  seine  poli- 
tische Bedeutung.  Alsbald  bildete  die  Korporation  der 
Sechsstädte  neben  der  Ritterschaft  den  zweiten ,  völlig 
gleichberechtigten  „Stand"  im  Lande.  Die  weitere  Ent- 
wickelung  der  gesamten  Landesverfassung  basiert  auf  der 
Gründung  des  Sechsstädtebuudes. 

Durch  denselben  erlangte  aber  auch  die  Stadt  Bautzen 
eine  erhöhte  Bedeutung.  Sie  ward  der  Vorort  des  Bun- 
des. Alle  an  die  Gesamtheit  der  Sechsstädte  gerichteten 
Schreiben  pflegten  von  dem  Bürgermeister  zu  Bautzen 
eröffnet  und  nach  gemeinsamer  Berathung  mit  den  übrigen 
Städten  von  ihm  beantwortet  und  mit  der  Stadt  Siegel 
bekräftigt  zu  werden.  So  beginnt,  wie  für  das  ganze 
Land,  auch  für  die  Stadt  Bautzen  mit  dem  Jahre  1346 
eine  neue  Epoche. 


•'*)  Vgl.  Knothe,  Rechtsgeschichte  85 flg. 


III. 

Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig, 

Von 

J.  0.  Opel. 


Als  der  Begründer  der  Oper  zu  Leipzig  hat  sich  der 
kursächsischc  KapcUmeister  K  i  k  o  l  a  u  s  Adam  S  t  r  u  ii  g  k 
(Strunck),  der  äheste  Solm  eines  sehr  bekannten  Mu- 
sikers und  Organisten  in  Braunschweig  Delphin  Strungk, 
einen  Namen  gemacht.  Nikolaus  Adam  Strungk  that  sich 
schon  als  junger  Mann  durch  sein  Geigenspiel  liervor  und 
erhielt  daher  in  einem  Alter  von  20  Jahren  die  Stelle 
eines  „ersten  Violons"  in  der  Kapelle  zu  \^^olfenbüttel. 
Später  machte  er  eine  Reise  nach  Wien,  spielte  vor  dem 
Kaiser  Leopold  und  wurde  dafür  unter  anderem  mit  einer 
goldenen  Kette  und  dem  kaiserlichen  Bildnis  beschenkt. 
Darauf  finden  wir  ihn  in  Hannover  und  in  Hamburg,  wo 
er  1678  und  1680  mehrere  Opern  zur  Aufführung  ge- 
bracht hat ').  Nach  einiger  Zeit  zog  ihn  der  Herzog  von 
Hannover,  der  ihm  ein  Kanonikat  zu  Einbeck  überwies, 
an  sich  und  nahm  ihn  mit  auf  eine  Reise  nach  Italien. 
Hier  übte  er  sich  mehrere  Jahre  lang  bei  ausgezeichneten 
Meistern  auf  dem  Klavier  und  der  Geige  und  ti'at  bei 
seiner  Rückkehr  abermals  in  Wien  vor  dem  Kaiser  als 
Klaviervirtuos  auf,  was  ihm  eine  zweite  Kette  einbrachte. 
In  Dresden  erhielt  er  endlich  (1688)  durch  den  Kurfürsten 
Johann  Georg  III.  eine  feste  Anstellung,  und  zwar  zuerst 
als  VizekapeUmeister  und  dann  als  wirklicher  Kapell- 
meister. 


')  Mattheson,  Grundlage  einer  Ehrenpforte,  353.    Weller, 
Annalen  II,  263  tig. 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  117 

Nachdem  auch  in  Braunschweig  im  Jahre  1691  ein 
Opernhaus  erbaut  war,  welches  zur  Laurentiimesse  dieses 
Jahres  eröffnet  wurde,  fasste  der  KapeUmeister  Strungk 
den  ganz  zeitgemässen  Plan,  in  der  berühmten  Handels- 
und Messstadt  Leipzig  diese  Neuerung  einer  Oper  gleich- 
falls einzuführen.  Zu  diesem  Behufe  liess  er  sich  von 
dem  Kurfürsten  Johann  Georg  IV.  unter  dem  10.  Jimi 
1692  ein  Privilegium  zur  Errichtuno-  eines  deutschen 
Singspiels  auf  10  Jahre  ertheilen,  welches  am  15,  Sep- 
tember 1694  von  dem  Kurfürsten  Friedricli  August  be- 
stätigt wurde.  Diesem  Privilegium  zufolge  sollte  Strungk 
auf  seine  und  seiner  Grcsellschafter  (Consortcn)  Unkosten 
ein  Singspiel  errichten,  aber  nur  fremde  Musiker  in  dem- 
selben verwenden  und  das  Ganze  auch  unter  fremde 
Leitung  stellen.  Die  letzte  auffällige  Bedingung  mag  der 
Kurfürst  hinzugefügt  haben,  um  es  seinem  Vizekapell- 
meister unmöglich  zu  machen,  seinen  nächsten  Amts- 
pflichten in  Dresden,  wo  er  auch  für  die  Oper  zu  arbeiten 
hatte,  etwas  abzubrechen.  Durch  die  erste  Bedingung 
aber  hoifte  man  fremde  Musiker  in  das  Land  zu  ziehen 
und  Leipzig  gewissermassen  zu  einer  Pflanzschule  tüch- 
tiger Musiker  zu  machen.  Gerade  aus  diesen  Opern- 
sängern gedachte  der  Kurfürst  die  erledigten  Stellen  in 
seiner  eigenen  Kapelle  wieder  zu  besetzen.  Strungks 
Wohlstand  scheint  sich  jedoch  durch  die  Errichtung  des 
Opernhauses  nicht  erhöht  zu  haben^  sondern  er  setzte, 
wenigstens  nach  seiner  Versicherung^),  bei  dem  Unternehmen 
sogar  sein  ganzes  Vermögen  zu.  Um  so  begreiflicher  ist 
daher  sein  Bemühen,  seinen  Vermögensverhältnissen  in 
anderer  Weise  wieder  aufzuhelfen.  Unter  dem  28.  Juli 
1699  erhielt  Strungk  auf  seinen  Antrag  ein  neues 
Privilegium.  Man  übertrug  ihm  die  Oberaufsicht  über 
alle  Kapellen  in  den  kursächsischen  Amtsstädten  und 
Dörfern  und  beauftragte  ihn,  in  den  einzelnen  Ämtern 
bestimmte  Persönlichkeiten  als  Direktoren  einzusetzen  und 
die  von  ihnen  zusammengebrachten  Kapellen  mit  gewissen 
Vorrechten  auszustatten.  Diese  Kapellen  sollten  in  Zu- 
kunft ausschliesslich  bei  allen  Hochzeiten  und  Ehren- 
gelagen aufspielen  dürfen,  Dorffiedler  und  ähnliche 
Musikanten  aber  nicht  mehr  geduldet  werden.  Dem  An- 
schein nach  war  es  der  Regierung  hierbei  nicht  eben  um 


*)  Fürstenau,  Zur  Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters 
zu  Dresden  I,  315;  II,  14. 


118  J.  0.  Opel: 

die  Hebung  der  Musik  zu  tUun,  sondern  ihr  Hauptzweck 
war  ein  fiskalischer.  Man  hoffte,  dass  durch  diese  pri- 
vilegierten Kapellmeister  von  jedem  Feste,  an  welchem 
sie  aufzuwarten  hatten,  12  Groschen  bis  zu  einem  Thaler 
zur  kurfürstlichen  Kammer  gezahlt  werden  könnte. 
Strungk  gedachte  jedenfalls  iiieraus  auch  persönlichen 
Vortheil  zu  ziehen.  Wie  lange  diese  letztere  Einrichtung 
gewährt  hat,  vermögen  wir  nicht  anzugeben:  grossen  Ge- 
winn scheint  jedoch  Strungk  bei  seinem  bald  erfolgten 
Tode  (1700)  nicht  aus  derselben  gezogen  zu  haben. 

Zuucächst  musste  der  rührige  Mann  auf  die  Errich- 
tung eines  Opernhauses  bedacht  sein.  Zu  diesem  Behufe 
knifpfte  er  Verhandlungen  an  wegen  eines  Platzes  und 
eines  Hofes  im  Brühl,  der  eine  Länge  von  84  Ellen  von 
der  Stadtmauer  an  besass  und  neben  dem  Rathsziinmer- 
hofe  'j-elegen  war-  Besitzerin  dieses  Grundstückes,  auf 
dem  auch  Gebäude  standen,  war  Anna  Margaretha  Sieg- 
fried, Witwe  eines  Bürgers  Daniel  Siegfried. 

Am  24.  Januar  1693  wurde  von  beiden  Paiteien  ein 
Vertrag  dahin  vereinbart,  dass  Strungk  und  seine  (ienossen, 
Dr.  Heinrich  Friedrich  Glaser   und  der  kurfürstlich 
mainzisohe  Architekt  Girolamo  Sartorio,  den  bezeich- 
neten Platz  zur  Erbauung  eines  Opernhauses  auf  10  Jahre 
gegen    eine    jährliche    Entschädigung    von    :-'00    Thalern 
mietheten.    Zu  jeder  der  drei  Messen  hatten  Strungk  und 
seine  Mitpächter  100  Thaler  zu  zahlen,  verpfändeten  aber 
schon  im  voraus   bei   nicht  erfolgter  Zahlung   ihr  Opern- 
haus mit  allem  Inventar  und  sogar  der  Garderobe.    Kamen 
die  Aufführungen  einmal  nicht  zu  stände,  z.  B.  in  Kriegs- 
zeiten, so  musste  Strungk  demungeachtet  die  volle  Miethe 
entrichten;  nur  wenn  Pest  oder  „einfallende  üble  Zeiten" 
die  Vorstellungen  unmöglich  machten,   sollte  dieselbe  auf 
die  Hälfte  herabgesetzt  werden.    Der  Kontrakt  trat  Ostern 
1693  in  Kraft.     Nach  Ablauf  der    festgesetzten  10  Jahre 
hatte    Strungk    das    Opernhaus    abzubrechen,    den    Platz 
wieder    in  den  frühern  Stand  zu  setzen    und  insonderheit 
auch   ein  Seitengebäude   und  Ställe  wieder    einrichten   zu 
lassen    und   in    diesem  Zustande  Ostern  1703    das  Ganze 
wieder    zu    übergeben.      Auf    dieser    Grundlage    ist    am 
24.  Januar  1693    ein  Vertrag  zwischen  der  Witwe  Anna 
Margaretha   Siegfried   einerseits   und    dem    Kapellmeister 
Strungk    nebst    seinen  beiden  bereits  genannten  Genossen 
andererseits    unterzeichnet   und    darauf   auch    vom    Rathe 
iaestätigt  worden.     (Vgl.  Beilage  I.) 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  119 

Der  Bau  des  Hauses  wurde  sofort  in  Angriff  ge- 
nommen, aber  vom  Rathe  auf  die  Einsprache  eines  be- 
nachbarten Hansbesitzers  Laub  schon  im  Februar  eine 
Zeit  lang  wieder  unterbrochen.  Das  Haus  war  81  '/2  Ellen 
lang,  2872  Ellen  und  2  Zoll  breit  und  22  Ellen  hoch  und 
lag  hinter  dem  Mossbachischen  Wolmhause  im  Hofe.  Man 
scheint  den  BaU;  nachdem  die  Einsprache  jenes  Nachbars 
zurückgewiesen  war,  mit  ziemlich  grosser  Eilfertigkeit 
betrieben  zu  haben,  denn  schon  im  September  1694  hatte 
sich  derselbe  um  eine  halbe  Elle  verschoben;  und  im  Jahre 
1709  wird  uns  das  Opernhaus  als  ziemlich  baufällig  be- 
zeichnet. Die  Kosten,  welche  Strungk  auf  dasselbe  ver- 
wendet hat,  sollen  gegen  10000  Thaler  betragen  haben. 
Die  Eröffnung  der  Oper  fand  am  8.  Mai  1693  statt,  der 
Bau  des  Hauses  hat  also  ungefähr  drei  Monate  in  An- 
spruch genommen. 

Obwohl  schon  in  dieser  ersten  Pachtperiode  mancherlei 
Streitigkeiten  zwischen  der  Verpächterin  und  Strungk 
entstanden  waren,  so  kam  es  doch  im  Jahre  1703  zu 
einer  Verlängerung  des  Kontrakts  auf  5  oder  10  Jahre; 
an  die  Stelle  des  im  Jahre  1700  verstorbenen  Kapell- 
meisters trat  seine  Witwe  Christine  Strungk.  Noch  immer 
hatte  auch  der  Landbaumeister  Sartorio  theil  an  dem 
Vertrage.  Die  Bedingungen  des  neuen  Vertrages  lauten 
zum  Theil  noch  schärfer,  als  die  des  frühern.  Die  Pächter 
mussten  den  vollen  Pachtbetrag  in  zwei  Terminen,  Ostern 
und  Michaelis,  entrichten.  Zahlten  sie  nicht  rechtzeitig, 
so  hatte  die  Verpächterin  das  Recht,  nach  Ablauf  des 
Sonnabends  in  der  Zahlwoche  das  Opernhaus  mit  „genüg- 
samen Schlössern"  zu  verschliessen  und  nicht  elier  wieder 
zu  eröffnen,  bis  die  Miethe  nebst  Zinsen  und  Unkosten 
an  sie  abgeführt  war.  Erkühnten  sich  die  Pächter,  ohne 
Erlaubnis  der  Frau  Siegfried  das  Haus  zu  eröffnen,  so 
verfielen  sie  in  eine  neue  Strafe  von  50  Thalern.  Ausser- 
dem sicherte  sich  die  Verpächterin  Freibillets  zu  jeder 
Vorstellung  für  sich,  ihre  Familie  und  vier  andere  Per- 
sonen und  endlich  auch  noch  für  ihren  Rechtsbeistand 
Dr.  Quirin  Pöckel  und  seine  Familie.  Allen  diesen  Per- 
sonen musste  eine  besondere  Loge  eingeräumt  werden. 
(Vergl.  Beilage  IL) 

Nach  dem  Tode  der  Witwe  des  Kapellmeisters  Strungk 
und  des  Landbaumeisters  Sartorio  (April  1707)  war  das 
Opernhaus  ziemlich  ein  Jahr  lang  verwaist,  da  die  Kinder 
der   Verstorbenen  sich   von  der  Erbschaft   losgesagt  und 


120  J-  0.  Opel: 

mündlicli  und  schriftlich  erklärt  hatten,  duss  sie  mit  dieser 
ganzen  (Jpernsache  nichts  zu  schaffen  haben  wollten. 
AA^ihrsclieinlich  weigerten  sich  hauptsächlich  die  Strungk'- 
schen  Erben,  ohne  weiteres  das  Erbe  ihrer  Eltern  an- 
zutreten, denn  die  Besitzerin  des  Platzes,  Anna  Margaretha 
Siegfried,  nahm  nicht  nur  t  ine  rückständige  Jahresmiethe 
von  300  Tlialern  in  xVnspruch,  sondern  forderte  auch  die 
Tilgung  der  seit  15  Jahren  aufgelaufenen  Schulden  für 
Kostgeld,  Wohnungsmiethe  und  andere  von  ihr  befriedigte 
Bedürfnisse.  Es  ist  also  anzunehmen,  dass  die  Sänger 
und  Schauspieler  gewöhnlich  im  vordem  Hause  der  Frau 
Siegfried  Aufnahme  fanden.  Da  auf  diese  Weise  die 
Rechtsverhältnisse  zwischen  beiden  Parteien  verwickelter 
wurden,  kündigte  Frau  Siegfried  ]\!ichaelis  1707  den 
ganzen  Kontrakt,  so  dass  derselbe  nach  der  hierüber 
schon  im  voraus  getroffenen  Verehd:)arung  Ostern  1708 
gelöst  wurde.  Darauf  entscldoss  sich  ein  Schwiegersohn 
des  verstorbeneu  Kapellmeisters  Strungk,  Samuel  Ernst 
Döbricht,  eine  ganz  neue  Vereinbarung  mit  der  Besitzerin 
einzugehen  und  bot  ihr  für  die  Benutzung  des  Hauses 
während  der  Oster-  und  Michaelisraesse  je  100  Thaler;  in 
der  Neujahrsmesse  wollte  er  dagegen  das  Haus  ohne  Ent- 
schädigung benutzen.  Da  diese  Anträge  wahrscheinlich 
zurückgewiesen  wurden,  kam  Döbricht  im  April  1708 
vielleicht  von  AVolfenbüttel,  wo  wir  ihn  im  Dezember  1707 
antreffen,  selbst  nach  Leipzig  und  erhöhte  sein  Gebot  für 
die  Zeit  der  Ostermesse  auf  150  Thaler. 

Demungeachtet  erreichte  Döbricht  damals  seinen 
Zweck  nicht,  sondern  der  Rechtskandidat  Johann  Fried- 
rich Sartorio  trat  für  seineu  verstorbenen  Vater  in  den 
Kontrakt  ein  (11.  Aprd  1708).  In  welcher  Weise  sieh 
die  Strungk'schen  Erben  an  dem  ganzen  Unternehmen 
in  dieser  Zeit  weiter  betheiligten,  ist  nicht  ganz  klar. 
Dieser  jüngere  Sartorio  hatte  übrigens  den  Kurfürsten 
schon  wiederholt  gebeten,  ihm  das  freie  Opern-  und 
Komödienspielen  zu  gestatten  und  ihm  zugleich  das  Pri- 
vilegium seines  Vaters  zu  erneuern,  besonders  aber  scheint 
es  ihm  auf  eine  uneingeschränkte  Bewilligung,  Schauspiele 
im  Opernhause  in  und  nach  der  Messe  aufführen  zu 
dürfen,  angekommen  zu  sein.  Nach  dem  einem  solchen 
Gesuche  vom  5.  Februar  1708  beiliegenden  Kauf  vertrage 
hatte  er  den  Antheil  seines  Vaters  für  1800  Thaler  von 
seiner  Mutter,  Emerentia  Gertrud  geb.  v.  "VN^indheim,  an 
sich    gebracht    und  wollte  sich  nun  bemühen,    dem  nach 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  121 

dem  Absterben  seines  Vaters  ganz  zerfallenen  Opernwesen 
wieder  aufzuhelfen.  Sartorio  begründete  seine  Bitte  an 
den  Kurfürsten  auch  mit  der  Versicherung,  dass  das 
Fortbestehen  der  Oper  der  Stadt  Leipzig  zur  Ehre  ge- 
reichen werde. 

Durch  Sartorius'  Eintritt  in  den  Kontrakt  wurde  die 
grosse  Gefahr,  welche  über  dem  Hause  und  der  Oper 
überhaupt  schwebte^  überwunden.  Denn  Frau  Siegfried 
hatte  sogar  mit  der  Niederreissung  des  Hauses  gedroht, 
so  dass  sich  Döbricht  zur  Wahrung  seines  Rechtes  sowohl 
an  den  Kurfürsten  Friedrich  August,  als  an  den  Rath 
von  Leipzig  wenden  musste.  In  seiner  Eingabe  beschwerte 
sich  der  genannte  Schwiegersohn  Strungk's  darüber,  dass 
die  Besitzerin  sich  des  ganzen  Hauses,  dessen  Erbauung 
seinem  Schwiegervater  gegen  10000  Thaler  gekostet  habe, 
glaube  anmassen  zu  dürfen.  Ferner  wollte  sie  während 
der  Ostermesse  1708  die  Benutzung  des  Hauses  gegen 
die  Erlegung  von  150  Thalern  nicht  gestatten,  weil  in 
Jahr  und  Tag  wegen  der  übeln  Zeiten  nicht  wäre  gespielt 
worden  und  ihr  also  300  Thaler  rückständig  geblieben 
waren.  Döbricht  behauptete  nicht  nur,  Leipzig  würde 
auf  diese  Weise  einer  Zierde  beraubt,  sondern  er  käme 
auch  selbst  zu  Schaden,  da  er  bereits  fremde  Tänzer  und 
Tänzerinnen  von  Braunschweig,  Hannover  und  Hamburg 
verschrieben  hätte. 

Der  Rath  verbot  hierauf  der  Besitzerin,  das  Haus 
niederzureissen  oder  sich  auch  nur  an  demselben  zu  ver- 
greifen: es  sollte  vielmehr  durchaus  in  dem  vorgefundenen 
Zustande  belassen  werden.  Diesen  Mahnungen  ist  Fi  au 
Siegfried  jedenfalls  gefolgt,  besonders  nachdem  der  jüngere 
Sartorio  Pächter  des  Grundstücks  geworden  war,  der  viel- 
leicht auch  die  Ansprüche  der  Besitzerin  an  die  Strungk- 
schen  Erben  befriedigte.  Sartorio  ersuchte  darauf  den 
Rath  um  die  Bestätigung  seines  Abkommens  mit  der  Frau 
Siegfried  und  hat  sie  jedenfalls  erhalten.  Erst  unter  dem 
8.  September  1710  unterschrieb  auch  Samuel  Ernst  Dö 
bricht  den  Vertrag  als  neu  angenommener  Mitinteressent; 
nach  dem  Jahre  1713  aber  wurde  das  ganze  Abkommen, 
Avie  es  vor  20  Jahren  getroffen  war,  dahin  abgeändert, 
dass  die  Erlaubnis  zur  Benutzung  des  Gebäudes  nur  auf 
ein  Jahr  ertheilt  wurde.  Noch  immer  scheinen  die 
Familien  Strungk  und  Döbricht  die  Leitimg  des  ganzen 
Unternehmens  in  den  Händen  gehabt  zu  haben:  Samuel 
Ernst  Döbricht  aus  Dahme  trat  indessen  1716  sein  Recht 


122  J   0.  Opel: 

an  dem  Hause  au  seine  beiden  Schwägerinnen  Dorothea 
Maria  Brauns  geb.  Strungk  und  ihre  Scliwester  Elisa- 
beth Katharine  Strungk  ab.  Im  Jahre  1719  war  das 
Opernhaus  sehr  baufälhg  und  es  erliob  sicli  nun  ein 
Streit  darüber,  wem  die  Verpflichtung  der  Wiederher- 
steUung  obhege.  Da  mit  diesem  Jahre  überhaupt  die  Vor- 
steUungen  ihr  Ende  erreichten,  wollte  niemand  das  Haus 
abbrechen,  so  dass  Samuel  Ernst  Döbricht  mit  Ernst 
Gottlob  Siegfried,  jedenfalls  einem  Soluie  der  gena-.nten 
Besitzerin  des  Hofes,  im  Jahre  1725  noch  im  Prozess  lag. 

Später  hat  sich  der  Rath  selbst  ins  Mittel  geschlagen 
und  das  Haus  wieder  hergestellt,  welches  endlich  von  dem 
Vorsteher  des  Waisenhauses  erworben  wurde^). 

Über  den  Musiker,  welchem  Strungk  in  dem  ersten 
Jahrzehnt  die  Leitung  der  Oper  übertragen  hat,  und 
über  die  Sänger,  welche  damals  an  ihr  gewirkt  haben, 
vermögen  wir  keine  genügende  Auskunft  zu  erthcilen. 
Von  1702  bis  1704  aber  führte  der  aus  Magdeburg- 
gebürtige  Student  der  Rechte  Georg  Philipp  Telemann, 
wenn  wir  anders  seinen  eigenen  Worten  glauben  dürfen, 
die  Oberleitung.  Von  1704  an  war  „Melchior  Hotfmann 
Musikdirektor  an  der  neuen  Kirche,  am  Collegium  Mu- 
sicum  und  auch  an  der  Oper".  Und  wenn  wir  Fürstenau 
recht  verstehen,  hat  HofFmann  aucli  dies  letzte  Amt  bis 
zu  seinem  Tode  (1728)  bekleidet,  und  somit  würde  dann 
die  musikalische  Leitung  der  Leipziger  Oper  während 
der  längsten  Dauer  ihres  Bestehens  ihm  anheimgegeben 
gewesen  seiu^). 

Erst  im  zweiten  Jahrzehnt  des  Leipziger  Singspiels 
treten  zahlreichere  Namen  von  Sängern,  besonders  Stu- 
denten, und  Sängerinnen  hervor.  ^\'^ahrscheinlich  aber 
haben  auch  schon  früher  hauptsächlich  Studenten  die 
Männerrollen  gesungen;  in  Frauenrollen  ist  damals  die 
Frau  eines  Lehrers  an  der  Thomasschule,  Paul  Thiemich, 
thätig  gewesen.  Dass  Studenten  an  der  Oper  mitgewirkt 
haben,  war  schon  längst  bekannt:  in  einer  im  Jahre  1725 
erschienenen  Beschreibung  Leipzigs  ist  sogar  noch  von 
dem  grossen  Opernhause  im  Brühl  die  Rede,  „darinnen 
alle    Messen     von     denen     unter     denen    Studenten    be- 


*)  Vgl.  auch  Blüuiner,  Geschiclite  des  Theaters  in  Leipzig, 
S.  .S2— 36,  dessen  Angaben  etwas  abweichen. 

*)  Fürstenau,  Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters  zu 
Dresden  II,  15,  101. 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  123 

findlichen    Virtuosen     die     schönsten    Opern     präsentiert 
werden"*). 

Nach  dem  Tode  des  Kapellmeisters  Strung-k  (20.  Sep- 
tember 1700)  finden  Avir  seine  Kinder  und  die  Sänger- 
familie Döbricht  im  Besitze  von  Hauptrollen,  und  auch 
die  Namen  der  damals  mitwirkenden  Studenten  sind  zum 
Theil  bekannt.  Wir  liaben  diese  Namen  einer  Samm- 
lung®) von  27  Operntexten  entnommen,  von  denen  die 
meisten  für  die  Leipziger  Oper  zusammengestellt  und 
mehrere  mit  den  Namen  und  dem  Rollenfache  der  Sänger 
und  Sängerinnen  bezeichnet  sind.  Ein  Opernbesucher 
hat  diese  Texte  offenbar  bei  den  Aufführungen  benutzt 
und  die  Namen  der  ausführenden  Künstler  und  die  Stim- 
men, in  welchen  ihre  Rollen  lagen,  hinzugefügt. 

Das  erste  Singspiel,  welches  in  dem  neuen  Opern- 
hause gegeben  wurde,  war  eine  Alceste.  Sie  ging  in  der 
Ostermesse  1693  (8.  Mai)  über  die  Bühne.  Den  Text 
derselben  hatte  der  bereits  erwähnte  Lehrer  der  Tliomas- 
schule  Paul  Thiemich  nach  einem  italienischen  Original 
des  Aurelio  Aureli  zusammengestellt  und  Strungk  in 
Musik  gesetzt.  Thiemichs  Gattin  wirkte  in  dieser  Oper 
als  Sängerin  mit.  Der  Kurfürst  Johann  Georg  IV. 
wohnte  der  Eröffnung  der  Oper  selbst  bei ').  Hierauf 
wurden  "bis  zum  Jahre  1719  jährlich  gewöhnlich  drei, 
bisweilen  aber  auch  mehr  Opern  aufgeführt.  In  den 
Jahren  1703  und  1704  konnten  die  regelmässigen  Besucher 
aller  Messen  je  sechs,  1710  sogar  neun  Opern  hören. 
Man  wechselte  also  auch  bereits  während  einer  Messe 
mit  den  Stücken.  Das  Opernhaus  an  sich  stand  in  der 
Schätzung  der  Kunstfreunde  nicht  sehr  hoch.  Dagegen 
wirkten  im  zweiten  Jahrzehnt  des  Bestehens  der  Oper 
einige  ausgezeichnete  Sänger  und  Sängerinnen  an  der- 
selben. Von  dvn  letzteren  gehörten  damals  mehrere  zu 
den  Familien  Strungk  und  Döbricht,  die  in  sehr  nahe 
verwandtschaftliche  Bezielumgen  zu  einander  getreten 
waren,    nachdem  Samuel   Ernst   Döbricht,   jedenfalls    ein 


*)  Das  in  ganz  Europa  berühmte  galante  und  sehenswürdige 
Königliche  Leipzig  1725. 

*)  Der  Band  trägt  die  äussere  Aufschrift:  Opern  und  Pastorelle 
auf  den  Schauplätzen  zu  Oettingen,  Leipzig,  Rudelstat,  Naumburg 
und  Hamburg  vorgestellt  (Ga.  302)  und  ist  Eigenthum  der  Gym- 
nasialbibliothek zu  Merseburg. 

')Fürstenau,  Geschichte  der  Musik  und  des  Theaters  zu 
Dresden  I,  319. 


124  J-  0-  ^^Pel: 

Sohn  des  einst  in  Halle  und  Weisseufels  angestellten 
Kammcrinusikers  Daniel  Döbricht,  sicli  mit  Philippine 
Strungk,  einer  Tochter  des  verstorbenen  Kapellmeisters, 
verheirathet  hatte.  Da  diese  als  „Mad.  Pli.  Döhrichten" 
die  Sopraurolle  des  Askanius  im  Aneas  während  der 
Ostermesse  1705  sang,  wird  die  Verlicirathung-  schon 
einige  Zeit  vorher  stattgefmiden  haben.  Neben  ihr  wirkte 
damals  in  demselben  Singspiele  ihre  Schwester  „Elisabeth 
Strungken"  als  Lavinia  und  zugleich  zwei  Schwestern 
Döbrichts,  Johanna  und  Christiane  Döbricht.  Die  letztere 
sang  die  Rolle  der  Camilhi;  der  Liebhaberin  des  Askanius, 
welchen  ihre  Schwägerin  darstellte,  und  ausserdem  die 
der  Venus,  die  erstere  die  des  Cupido.  So  waren  also 
damals  nicht  weniger  als  vier  Frauenrollen  in  den  Händen 
von  Mitgliedern  dieser  beiden  Familien.  Beide  Schwestern 
Döbricht  gehörten  dieser  Operngesellschaft  auch  im  Jahre 
1706  an,  wo  während  der  Peter- Paulsraesse  in  Naum- 
burg a.  S.  ein  Telemaque  aufgeführt  wurde.  Nach  dem 
Rollen  Verzeichnisse,  in  welches  beide  mit  Vor-  und  Zu- 
namen eingetragen  sind  ,  waren  sie  mit  Sopranrollen  be- 
dacht; ihre  Schwägerin  Lieschen  (Elisabeth  Strungk)  sang 
damals  Kalypso,  deren  Nymphe  Eucharis  Christiane  Dö- 
bricht war,  während  der  Sänger  Döbricht  die  im  Alt 
liegende  Rolle  des  Neptun  hatte.  Die  beiden  Schwestern 
Döbricht  und  Elisabeth  Strungk  waren  an  der  Oper  zu 
Leipzig  auch  noch  1708  und  1709  beschäftigt  und  sind 
wahrscheinlich  noch  länger,  wenn  auch  vielleicht  mit 
Unterbrechung,  an  derselben  thätig  gewesen.  Zur  Neu- 
jahrsmesse 1709  finden  wir  den  Namen  Döbricht  nur 
hinter  einer  Tenorrolle,  Ostern  1709  erscheint  derselbe 
Name  hinter  einer  MännerroUc  im  Alt,  der  Name  „Dö- 
bricliten"  hinter  einer  Männerrolle  im  Diskant.  Ausserdem 
aber  traten  in  demselben  Stücke  Mario  nur  noch  zwei 
Frauen  auf,  welche  als  Ludwigin  und  Lieschen  bezeichnet 
werden.  In  der  letzteren  erblicken  wir  die  bereits  er- 
Avähnte  Elisabeth  Strungk  und  in  der  ersteren  werden 
wir  eine  der  Schwestern  Döbricht  vor  uns  haben,  wahr- 
scheinlich Christiane,  welche  sich  mit  dem  Sänger  Ludwig, 
der  schon  Weihnachten  und  Ostern  1704  in  Altrollen 
in  Leipzig  aufgetreten  war,  verheirathet  hatte.  Johanna 
Eleonore  Döbricht  wurde  im  Jahre  1713  die  Gattin  des 
Kapellmeisters  und  Kiüegsraths  Hesse  in  Darmstadt  *)  und 


')  Vgl.  auch  Fürstenau  II,  133. 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  125 

gehörte  zu  den  berühmtesten  Sängerinnen  ihrer  Zeit. 
Eine  dritte  Schwester,  wahrscheinlich  die  jüngste,  mit 
dem  Konzertmeister  Siraonetti  in  Braunschweig  verhei- 
rathet,  erwarb  sich  als  Opernsängerin  in  Braunschweig 
gleichfalls  grosse  Anerkennung®). 

Es  ist  sehr  leicht  möglich,  dass  der  Bruder  dieser 
Sängerinnen,  Samuel  Ernst  Döbricht,  dem  seiner  nahen 
Verwandtschaft  mit  der  Familie  Strungk  wegen  an  dem 
Gedeihen  der  Oper  so  viel  gelegen  sein  musste,  während 
dieser  Zeit  auch  einen  grossen  Einfluss  auf  die  Leitung 
der  Oper  besessen  hat  und  vielleicht  sogar  zeitweise  Di- 
rektor derselben  gewesen  ist,  wie  Grerber  behauptet  hat. 
Allein  etwas  bestimmtes  vermögen  wir  hierüber  nicht  mit- 
zutheilen,  und  die  Behauptung  Gerbers,  dass  Döbricht  ein 
„berühmter  Akteur  und  fertiger  Bassist"  gewesen  sei, 
muss  dahin  berichtigt  werden,  dass  in  den  von  uns  ein- 
gesehenen Rollen  Verzeichnissen  der  Name  „Döbricht"  nur 
hinter  Männerrollen  im  Alt  und  Tenor  erscheint. 

So  trat  also  Philippine  Strungk  (geb.  Döbriclit)  1704 
und  1705  in  Sopranrollen  auf.  Ausserdem  aber  finden 
wir  in  derselben  Stimme  noch  die  Sängerinnen  Christiane 
Döbricht  (1705,  170G,  1708)  und  Johanne  (Mad.  Joh.  D.) 
in  denselben  Jahren,  und  ohne  Angabe  eines  Vornamens 
eine  Künstlerin  „Döbrichten",  „Döbrichtin"  1704,  1708, 
1709.  Ferner  begegnen  wir  im  Jahre  1704  einer  Sopran- 
sängeriu  Köder  (Ködern),  in  demselben  Jahre  und  auch 
1706  trat  in  derselben  Stimme  die  Sängerin  Decker  auf. 
Ausserdem  erscheinen  im  Sopran  noch  die  Namen  Lotti'") 
(B.  Lotti,  1708  und  1709),  Benedicte  (1706),  Pechuel 
(1708,  1709),  Wagner  (1709);  Herl .  ..  (1709)  und  Lud- 
wigin (1709). 

Unter  den  Altistinnen  scheint  ein  so  grosser  Wechsel 
in  diesen  Jahren  nicht  stattgefunden  zu  haben.  Wir  ver- 
mögen als  solche  die  bereits  mehrmals  erwähnte  Elisabeth 
Katharina  Strungk  (Lieschen)  in  den  Jahren  1704,  1706, 
1708  und  1709  nachzuweisen.  Ausserdem  erscheinen  im 
Alt  noch  die  Namen  Döbricht,  Ludwig  (1704),  Schürmann 
(1706),  Schütze  (1704,  1705)  und  Krohn.  Die  beiden 
ersten  Namen  bezeichnen,  wie  schon  ausgeführt  ist,  jeden- 
falls Männer,  und  wahrscheinlich  auch  der  dritte. 


•)  Ygl.  Gerber,  Lexikon  I,  346;  II,  522. 

'*)  Wahrscheinlich  die  1717  in  Dresden  auftretende  Sopranistin 
Santa  Nella  Lotti,  Fürstenau  a.  a.  0.  II,  105. 


126  J-  0-  Opel: 

Als  Tenoristen  waren  längere  Zeit  an  der  Oper 
Luther  (1704—1708)  und  Knöchel  (1704-1709)  beschäf- 
tigt. Sie  hatten  sich  so  in  die  Rollen  getheilt,  dass  der 
erstere  die  lyrisch-sentimentalen,  der  letztere  die  komisch- 
possenhaften  darstellte.  Der  erstere  i.st  jedenfalls  identisch 
mit  dem  Studenten  Friedrich  Martin  Luther  aus  Erfurt, 
welcher  im  Jahre  1704  immatrikuliert  wurde").  Die 
Liebe  zur  Musik  war  also  in  dem  späten  Nachkommen 
des  Reformators  so  mächtig,  dass  er  wahrscheinlich  wäh- 
rend seiner  ganzen  Studienzeit  in  Leipzig  eins  der  Haupt- 
fächer in  der  Oper  vertrat. 

An  Knöchels  Stelle,  den  wir  imter  den  damaligen 
Leipziger  Studenten  nicht  nachzuweisen  vormögen,  findet 
sich  1708  und  1709  Grinitz  (Krinitz).  Ein  Studiosus 
Johann  Christoph  Grenitz  wurde  in  Leipzig  1708  im- 
matrikuliert. Er  war  aus  Weissenfeis  gebürtig  und  ist 
jedenfalls  der  ebengenannte  Opernsänger.  Bekannter  als 
diese  studentisclien  Opernsänger  ist  der  bereits  erwähnte 
Georg  Philipp  Teleraann  geworden,  ein  Predigerssohn 
aus  Magdeburg,  welcher  1701  mit  der  Absicht,  juristische 
Studien  zu  treiben,  nach  Leipzig  gekommen  war,  aber 
schon  1702  einen  studentischen  Musikverein  begründete 
und  in  dieser  Zeit  seiner  eigenen  Versicherung  nach  die 
musikalische  Leitung  der  Oper  bekam.  Er  trat  aber 
auch  als  Sänger  in  Tenorrollen  auf  und  zwar  in  der 
Neujahrsmesse  1704  zusanmien  mit  ßendler,  einem  andern 
Leipziger  Studenten,  Luther,  Ludwig  und  Knöchel;  er 
sang  damals  den  verliebten  Schäfer  Eristeus  im  lachenden 
Demokritus  und  in  der  Ostermesse  1704  den  römischen 
Bürgermeister  Domitius  im*,Cajus  Caligula".  Allein  Tele- 
raann ist  damals  und  noch  später  für  die  lieipziger 
Oper  auch  als  Komponist  thätig  gewesen;  seiner  eigenen 
Versicherung  nach  hat  er  einige  zwanzig  Stücke,  und  zu 
manchen  noch  die  Texte,  für  Leipzig  geliefert  '^).  Li 
dem  Rollenverzeichnis  des  Caligula  (1704)  ist  neben  Tele- 
mann  der  Name  Langmaass  eingetragen.  Wir  halten 
diesen  Sänger  für  einen  Leipziger  Studenten  gleiches 
Namens,  welcher  sechs  Jahre  auf  der  Universität  zu- 
gebracht haben  soll  und  im  Jahre  1710  einen  Ruf  nach 
Eisenach  als  Kammerverwalter  und  Bassist  erhielt.    Dieser 


' ')  Diese  Nachweisungen  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Raths 
Dr.  Meltzer  in  Leipzig. 

'*)  Israel,  Frankfurter  Konzertchronik  S.  7. 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  127 

Gottfried  Langmaass  hat  sich  auch  als  Komponist  bekannt 
gemacht  Im  Jahre  1706  sang  er  noch  als  Mitglied  derselben 
Operngesellschaft  in  der  zur  Peter- Paulsmesse  in  Naum- 
burg a.  S.  aufgeführten  Telemach.  —  Im  Narcissus  gab  zur 
Neujahrsmesse  1709  die  lyrische  Tenorrolle  Seladon  ein 
gewisser  Jacobi,  in  dem  wir  vielleicht  einen  Studenten 
Georg  Jacobi  aus  Oberwiukel  erblicken  dürfen,  welcher 
1706  die  Universität  Leipzig  bezog.  Doch  wurde  auch 
schon  ein  Jahr  früher  ein  anderer  Träger  dieses  Namens, 
Daniel  Jacobi  aus  Erfurt,  immatrikuliert.  Von  einem 
andern  Tenoristen  Rehm,  welcher  1706  im  Belesus  und 
Arbacus  auftrat,  wissen  wir  ebenso  wenig  wie  von  dem 
im  gleichen  Jahre  erscheinenden  Tenoristen  Sauer. 

Während  dieser  Jahre  (1704  — 1709)  und  wahrschein- 
lich schon  vorher  gehörte  ferner  der  als  Bassist  und  Schau- 
spieler später  mit  Ehi'en  genannte  Bendler  *^)  dieser 
Operngesellschaft  an.  Auch  er  war  ein  Mitglied  des  von 
Telemann  begründeten  studentischen  Musikvereins,  und 
zwar  eins  der  ausgezeichnetsten.  Telemann  hat  seiner 
und  eines  andern  Studenten  Petzhold  noch  später  gedacht 
als  „ungemeiner  Bassisten  und  Akteurs  in  Wolfenbüttel 
und  Hamburg".  Möglicherweise  war  er  ein  Sohn  des 
Kantors  und  Schulkollegen  Johann  Philipp  Bendeler  zu 
Quedlinburg,  welcher  über  die  Orgel  geschrieben  hat. 
Ferner  sang  Michaelis  1704  in  der  Oper  Germanikus  die 
Basstitelrolle  Grunwaldt,  jedenfalls  ein  und  dieselbe  Per- 
sönlichkeit mit  dem  Vizekapellmeister  und  Kammermusikus 
Gottfried  Grunewald  (Grünewald)  in  Weissenfeis  (1709). 
Ein  anderer  Bassist  der  Leipziger  Oper,  Feetz  (1708, 
1709),  hatte  an  diesem  kunstsinnigen  Hofe  ebenfalls  eine 
Anstellung  gefunden:  Johann  Heinrich  Feetz  (Fitze,  Fetze, 
Fretz?)  war  1706 — 1709  Kammerrausikus  und  Sekretär 
in  ^A^eissenfels.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  hat  er  also 
beide  Amter  in  Leipzig  und  in  Weissenfeis  zu  gleicher 
Zeit  bekleidet.  Zu  den  genannten  Basssängern  treten 
noch  die  uns  unbekannten  Rennert  (1704  — 1706)  und 
Florus  (Michaelis  1704)  hinzu,  die  wir  auch  als  Leipziger 
Studenten  nicht  nachzuweisen  vermögen. 

Als  Altist  ist  im  Rollen  Verzeichnisse  des  1706  in 
Naumburg  gegebenen  Telemach  noch  Schürma[nn]  ge- 
nannt. Wir  sehen  in  ihm  George  Kaspar  Schürmann, 
welcher  zuerst  in  Hamburg  als  Kirchen-  und  Opernsänger 

'*)  Kneschke,  Zur  Geschichte  des  Theaters  und  der  Musik 
in  Leipzig,  174. 


128  J-  0-  ^Pel  = 

aufgetreten  war,  dann  nach  Braunschweig  ging,  eine 
Studienreise  nach  Italien  unternahm  und  1702  meiningi- 
scher  Hofkapellmeister  wurde.  Von  der  Leipziger  Oper 
scheint  er  sich  auch  bald  wieder  losgelöst  zu  haben,  denn 
wir  begegnen. ihm  schon  1707  in  Braunschweig  wieder. 
Da  Schürmann  selbst  einen  Teleinach  komponiert  hatte, 
sang  er  vielleicht  in  Naumburg  in  seinem  eigenen  Stücke. 

Zur  Neu  Jahrsmesse  1702  wurde  Galathca,  eine  Pasto- 
relle, aufgeführt.  Der  Verfasser  erklärt  in  einem  Vor- 
worte, Text  und  Musik  bereits  vor  vier  Jahren  zu  Leip- 
zig, aber  für  einen  andern  Schauplatz,  verfertigt  zu  haben. 
Indessen  die  Auffülu'ung  unterblieb  damals.  Darauf  ent- 
schuldigt sich  der  Musiker,  wenn  „die  Musik  nicht  nach 
derjenigen  Delikatesse  schmecken  sollte,  die  sonst  auf 
dergleichen  Theatern  vorgetragen  wird".  Er  würde  das 
meiste  geändert  haben,  wenn  ihn  daran  nicht  andere  Be- 
schäftigungen gehindert  hätten.  Die  Oper  zählt  zehn 
Personen;' unter  ihnen  findet  sich  auch  Jupiter,  ferner 
Palas,  die  Göttin  der  Schäfer,  und  Ceres,  die  Göttin  der 
Früchte.  Ferner  enthält  das  Singspiel  drei  Balletts,  welche 
von  Schäferinnen,  von  Cyklopen  und  von  Göttern,  Schäfern 
und  Schäferinncin  getanzt  werden. 

In  der  Micliaelismesse  1703  gab  man  einen  Ulysses 
als  Oper.  Eine  Verwandlung  in  derselben  zeigt  uns  das 
Zimmer  der  Penelope  mit  einem  Bette.  Perseus  und 
Androracda  ging  in  der  Neujahrsmesse  1704  über  die 
Bühne.  Dem  Personenverzeichnisse  sind  hier  zum  ersten 
Male  die  Namen  der  Sänger  beigefügt.  Cepheus,  König 
in  Äthiopien,  wurde  von  Ben d  1er,  Perseus  von  Luther, 
Phineus,  Liebhaber  der  Andromeda,  von  Ludwig,  Le- 
porio,  lustiger  Rath  des  Cepheus,  von  Knöchel  gesungen. 
Die  Rolle  des  Morpheus,  welcher  auf  besonderer  Maschine 
der  Andromeda  den  Perseus  gefesselt  vorstellte,  wurde 
von  Döbricht,  und  Jupiter  im  Göttersaale  von  Bcndler 
dargestellt.  Unter  den  Verwandlungen  eischien  auch  hier 
ein  Schlafzimmer  mit  einem  Bett.  Cassiopeia,  die  Ge- 
mahlin des  Cepheus,  fand  ihre  Vertreterin  in  Lieschen 
(Elisabeth  Kath.  Strungk)  und  Andromeda  in  einer  uns 
unbekannten  Sängerin  Rödern. 

Das  Personenverzeiclmis  des  während  der  Neujahrs- 
messe 1704  aufgeführten  lachenden  Demokritus  geben  wir 
vollständig  wieder: 

B[assus].     Demokritus,  B endler. 

T[enor].    Lysimaclius,  König  der  Abderiten,  Luther. 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  l29 

A[ltus].    Arbai'es,  sein  geheimer  Rath,  Ludwig. 

A[ltus].     Des  Lysimachus  Schwester,  Lieschen. 

C[antus].     Cosmirus,  Prinz  der  Abderiten,  Ködern. 

C[antus].     Olinda,  eine  Bäuerin,  Philipp  ine  (geb.  Struncli). 

T[enor].     Eristeus,  verliebt  in  Olinden,  Telemann. 

A[ltus].    Macrina,  eine  Matrone  und  Wärterin  der  Rosinda,  Döbricht 

T[enor].     Des  Demokritus  Diener,  Knöchel. 

Zur  Osterinesse  1705  wurde  Aneas  gegeben,  dessen 
Personenverzeichnis  wir  noch  anführen  wollen: 

1)  Trojaner:  Aneas,  Lutherus.  Askanius  Julus, 
der  Camilla  Liebhaber,  Mad.  Joh[anna]  Döbrichten. 
Ilioneus,  der  Heerführer  des  Aneas,  Rennert.  2.  La- 
teiner: Latinus,  Langmaass.  Lavinia,  Elisabeth 
Struncken.  Turnus,  Döbricht.  Camilla,  Christ[iane] 
Döbrichten.  Celsus,  des  Königs  Latinus  Sohn,  Knöchel. 
Birena,  der  Lavinia  Amme,  Schütze.  Nisus,  des  Celsus 
Diener,  Götze.  Ferner  erscheinen  vier  Gottheiten: 
T[enor] :  Fatum  »Knöchel;  C [antus] :  Venus,  C  h  r  i  s  t  [i  a  n  e] 
Döbricht;  B[assus]:  Vulkanus,  Rennert;  C[antus]: 
Cupido,  Joh[anna]  Döbricht.  Auch  drei  Cyklopen 
kommen  in  dem  Stücke  noch  vor.  Schon  die  erste  Scene 
war  reich  an  seltsamen  Schaustücken.  Am  gestirnten 
Himmel  erblickte  man  das  Fatum,  auf  der  Erde  das  Kriegs- 
heer des  Aneas,  auf  der  See  die  Flotte.  Das  Fatum 
schrieb  und  verleibte  Aneas  dem  Buche  der  Ewigkeit 
ein.  Auch  Venus  war  schon  in  der  ersten  Scene  eine 
bedeutende  Rolle  zugetheilt. 

Besonders  reichhaltig  an  Sehenswürdigkeiten  war 
die  in  der  Peter- Paulsmesse  1706  zu  Naumburg  a.  S. 
zur  Darstellung  kommende  Oper  Telemaque.  Sobald  die 
„Courtine"  aufgezogen  wurde,  liess  sich  von  oben  ein 
ganzes  aus  Wolken  bestehendes  Th«ater  herunter,  in 
welchem  Jupiter,  Venus  und  Cupido  sassen.  In  der 
zweiten  Scene  ging  das  Theater  wieder  in  die  Höhe,  und 
es  verwandelte  sich  alles  in  Meer,  auf  welchem  Neptun 
mit  seinem  Wagen  und  Seepferden,  in  der  Hand  den 
Dreizack  haltend,  erschien. 

Der  ersten  oder  sentimentalen  Haupthandhmg  steht 
meistens  eine  komische  oder  possenhafte  Nebenhandlung, 
welche  gewöhnlich  Dienern  zugewiesen  ist,  gegenüber. 
So  ist  es  auch  in  Atalanta  oder  den  verirrten  Liebhabern 
der  Fall,  deren  Verfasser  in  einem  Vorberichte  sich  ver- 
wahrt, dass  seine  Fabel  nur  eine  Übersetzung  der  italie- 
nischen Oper  Le  rivali  concordi  sei.     Die   lustige  Person 

Neues  Arohiv  1".  S.  G.  u.  A.    V.  1.  2.  9 


130  J.  0.  Opel: 

Straton    äussert    hier    ihren    Ärger    ül)cr     hesclnverliche 
Botengänge  in  einer  Arie,  wie  folgt: 

„Nur  Laufen  und  Rennen,  Das  luit  man  zu  Lohn,  i^on^t  kiiegt 
man  bei  Hofe  Nichts  weiter  davon.  Stets  .Arbeit  und  l'hige  Bei 
Nacht  und  bei  Tape;  Und  thut  man  es  sehen,  So  muss  man  docli 
oftmals  Die  Finger  verbrennen.  Nur  Laufen  und  Rennen  Das  hat 
man  zu  Lohn,  Sonst  träort  man  bei  Mofe  Nichts  weiter  davon." 

Bisweilen  trügt  die  Sprache  und  Ausdrucksweise,  be- 
sonders in  den  komischen  Ivfdlcn,  ein  unverkennbar  obor- 
sächsisches  (Gepräge.  Lorax,  der  Bediente  des  Theseus, 
singt  in  derselben  Atalanta  die  Ari«-: 

„Liebe,  du  machst  mich  noch  toll,  Im  Ki^iifc  verirret,  Verriukt 
und  verwirret,  Kann  ich  bald  nicht  seilen,  Wohin  ich  mich  drehen 
Und  wenden  mehr  soll .  .  .,  Indessen  ach  weh!  So  kribelt  und  krabelt, 
So  zibelt  und  zabclt  Mir  alles  im  M.agen,  Und  kann  es  nicht  sagen, 
Wie  ich  es  versteh." 

Dieser  Possenhaftigkeit  tritt  freilich  in  diesem  wie 
fast  in  allen  anderen  von  uns  eingesehenen  Stücken  ein 
gewisser  volksthUralicher,  elegischer  Ton  in  Emptindung 
und  Ausdruck  ziemlich  unvermittelt  gegenüber.  So  singt 
Phädra  in  derselben  Atalanta: 

„Ich  kann  nicht  wanken  In  meiner  Treu,  AVas  mich  entzündet 
und  was  mich  bindet,  Bleibt  den  Gedanken  Doch  täglich  neu." 

Sehr  stark,  ja  übertrieben  und  grobianisch  ist  jener 
biudeske  Zug  in  der  bereits  olien  erAvähnten  Galathea, 
so  dass  der  Cyklop  bisweilen  geradezu  in  die  Rolle  des 
Maus  Wurst  lallt.  Der  in  Galathea  verliel^te,  aber  von 
ilir  verschmähte  Polyphem  bramarbasiert  mit  seiner  Stärke 
in  der  ersten  Scene  des  zweiten  Aktes: 

„Mein  starker  Arm  verlacht  Die  Menschen  und  die  Götter, 
Des  Jupiter  sein  Donnerwetter,  Das  wird  von  mir  nicht  sehr  geacht. 
Vor  seinen  harten  Keilen  Erschreck  ich  fast  nicht  mehr,  Als  vor 
der  Kinder  Ptitsche- Pfeilen.  Auf  mein  Geheisse  muss  das  Heer  der 
Sterne  schimmern ,  Das  Wasser  von   den  Fischen   wimmern"  u.  s.  f. 

Über  die  Zurücksetzung,  Avclche  ihm  von  Galathea 
zu  tlieil  wird,  beklagt  er  sich  mit  den  Worten: 

„Sie  konnte  keinen  würdigern  Galan  Als  mich  erkiesen:  So 
aber  siebet  sie  nach  kleinen  Zwergen  Und  labt  sich  noch  an  solchen 
Quiirgen"  u.  s.  f. 

Eine  zweite  komisehe  Rolle  ist  in  diesem  Stücke 
PaduUus,  welcher  ebenfalls  für  Galathea  entbrannt  ist. 
Sie  ist  im  ganzen  massvoller  gehalten,  nähert  sich  aber 
der  des  Hans  Wurst  noch  mehr.  Auch  Padullus  sieht  sich  von 
Galathea  getäuscht   oder  wenigstens  zurückgewiesen   und 


Die  ersten  Jahrzehnte  iler  Oper  zu  Leipzig.  131 

macht  seinein  Arger    zuerst   in    einer  loseren  rytlimischen 
Reihe  und  dann  in  einer  Arie  Luft: 

„Seht,  was  Cupido  thut,  Der  kleine  Fiuifzehnhut ,  Bald  hat 
er  uns  geschossen,  Bald  veisset  er  viel  andre  Possen,  Dergleichen 
man  ofte  nicht  vernuith't.  Seht,  was  Cupido  thut,  Der  kleine  Funf- 
zehnhut." 

In  einer  andern  8cenc,  die  sich  weniger  frei  vom 
Unziemlichen  hält,  lässt  er  sicli  verlauten: 

„Ja,  ja,  die  Hekuba  Sitzt  mir  im  Herzen  da.  Die  plagt  mich, 
es  ist  Schand  und  Sünde,  Der  Henker  steh  die  Marter  aus,  Wo  ich 
nicht  bald  ein  Messer  tinde  Und  schneide  diese  Dirne  raus,  So  geh 
ich  vor  mein  Leben  keine  Laus,  Ja,  ja"  u.  s.  f. 

Einige  Scenen  weiter  unten  geht  dieser  Humor  in 
die  Posse  über.  Da  man  aus  dem  zerrissenen  Schleier 
der  Galathea  schliessen  zu  müssen  glaubt,  dass  auch  die 
Schäferin   von  Polyphem    zerrissen    ist,    erklärt  Padullus: 

„Weil  ich  noch  den  Tod  der  Schäferin  nicht  kann  vergessen. 
Wie  sie  der  grobe  Kerl  gefressen,  So  muss  ich  die  Tragödie  Von 
dieser  (Jalathe  Euch  präsentieren  Und  also  noch  ihr  Grabmal  helfen 
zieren." 

Während  einer  Arie  entnimmt  er  darauf  seinem  Schieb- 
sacke eine  Puppe  (Galathea),  ein  gi-osses  geschnitztes  Bild 
mit  einer  Larve  (PoIyphem\  einen  langen  Weberbaum, 
eine  Wasserkanne,  eine  Schossbank  und  beginnt  die  ganze 
(jreschichte  darzustellen  imd  also  auch  die  verschiedenen 
Personen  durch  den  (iesang  zu  charakterisieren.  Da  seine 
eigene  Rolle  jedenfalls  im  Tenor  oder  im  Baryton  lag, 
bestand  also  ein  Hauptreiz  der  Scene  darin,  dass  der 
Sänger  in  den  Bass  heruntergehen  und  auch  den  Diskant 
erklimmen  musste.  Wenn  er  sich  aber  in  den  mittleren 
Lagen  bewegte,  stellte  er  Ulysses  dar. 

Die  Vorstellung  beginnt  mit  der  Weisung  an  die 
Zuhörer : 

„Das  ist  der  grosse  Riese,  Und  das  die  Galathe,  sein  Zu- 
fremüse.  Ich  will  Ulysses  sein,  Ihr  Leute  nehmet  recht  des  Spieles 
Inhalt  ein." 

Padullus  als  Polyphem:  „Mit  deinen  Burschen  bin  ich  fertig, 
Nun  sei  auch  du  Dergleichen  Tractements  gewärtig,  Ich  fresse  dich, 
und  diese  noch  dazu."  —  Ulysses:  „Ach!  Dass  ihr  mich  doch  so 
erschrecket.  Ihr  habt  ja  dieses  Mal  genug.  Und  weil  ein  guter 
Trunk  Auf  einen  guten  Bissen  schmecket,  So  rieth  ich  euch,  ihr 
thätet  mir  Bescheid." 

Der  Riese  thut  darauf  Bescheid,  d.  h.  Padullus  füllt 
dem  Bilde  durch  einen  Trichter  den  Inhalt  der  Kanne 
in  den  Hals,    und  es    beginnt  darauf  ein  Duett  zwischen 

9* 


132  J-  ^.  Hpel: 

Polyplieiu  und  Galathea,  in  flcin  Padullu.s  natürlich  beide 
Stimmen  zu  i^ingen  hat.  Darauf  folgt  ein  anderes  zwischen 
Ul3'8ses  und  Polypheni: 

Ulysses:  ..Herr  Polyplienins,  tlmt  es  nicht."  —  Polypliem: 
„Neiu,  nein,  ich  bin  darauf  erpicht."  —  Ulysses:  ^So  gönnt 
mir  doch  nur  dieses  Glücke,  Und  lasset  mir  ein  Bein  zurücke. "  — 

Ich  thu'  es  Ich  bin 

Ulysses  midPolyphem:  „Nein,  ^^eiu,'^^-  ^,,^,3^  ^^  nicht.  f;:;p^^^ 

zu  sehr  darauf  erpicht." 

Diesen  letzten  Text  werten  ist  die  Bemerkung  bei- 
gefügt, dass  der  Sänger  thue,  als  wenn  er  zwei  Stininieu 
auf  einmal  singen  wolle!  Natürlich  bohrt  nun  l'adullus- 
Ulysses  dem  Bilde  auch  das  Auge  aus  und  scldiesst 
darauf  seine  nuisikalische  Burleske  mit  der  Versicherung: 

„So  bin  ich  gut  davor,  dass  er  mich  nirgends  tindo.  Ihr  Leute 
helfet  mir  vor  Freude  lachen.  Der  Kerl,  der  ■v\'ill  noch  nicht  erwachen. 
Oligleicli  der  Staar  ilun  schon  gestochen  ist,  Ich  gehe  fort  und 
schlepp  ihn  auf  den  Mist." 

Damit  schlieset  der  zweite  Akt  und  in  der  ersten 
Sccnc  des  folgenden  singt  Acis,  Galatheas  Geliebter, 
mit  einem  Lorbeerkranze  im  Arme  sein  Klagelied  ül)er 
Galatheas  Geschick.  Das  Stück  schliesst  mit  einem 
Chorliede,  auf  welches  ein  Ballet  der  Schäfer  und  Schä- 
ferinnen folgt. 

Auch  andere  Texte  verrathcn  in  ihrer  S])rache  und 
ihrer  Darstcllungsform  ihre  obersächsische  Herkunft,  und 
besonders  der  komische  Thcil  streift  bisweilen  geradezu 
das  Gebiet  der  Leipziger  Lokalj)osse.  So  lässt  sich  in 
Cyniras  und  Irene,  aufgeführt  zur  Ostermesse  1708,  der 
lustige  Diener  Neopompus,  das  Gegenbild  seines  Herrn 
Leonidas,  also  vernehmen: 

„Weil  ich  nicht  weiss,  "V\o  meine  Iphis  ist  geblieben,  Jetzt  geh 
ich  aus,  sie  aufzusuchen,  Und  finde  ich  sie  nicht,  Ist  mir  von  lauter 
Briegelkuchen  Die  Mahlzeit  zugericht.  Allein  Was  seh  ich  vor  ein 
Dorf?  Es  sieht  wie  Meckern  aus.  Doch  nein,  Ich  irre  mich,  Es  ist 
ganz  sicherlich  Das  liebe  Kunuewitz:  Da  muss  ich  in  die  Pfiaumeu 
gehu." 

Die  Beständigkeit  und  die  eheliche  Treue  der  Pene- 
lope  bilden  den  Inhalt  der  in  der  Michaelismesse  1703 
aufgeführten  Oper  Ulysses,  deren  Personen  natürlich 
nichts  Griechisches  ausser  den  Ueroennamen  an  sich  tragen, 
während  Charakter  und  Stimmung  derselben  durchaus 
dem  Zeitgeschmacke  angehören.  Auch  liier  sind  die 
Gegensätze   nicht   im  geringsten   ausgeglichen   oder  auch 


Die  ersten  Jalirzelinte  der  Oper  zu"  Leipzig.  133 

nur  vermittelt.     Wir  liöreii  die  von  dem  Gatten  getrennte 
Dulderin  klagen: 

„Mein  Entzücken,  meine  Kuli,  Liebster  Schatz,  wo  bleibest 
du?  Warum  linderst  du  doch  nicht  Meine  Schmerzen,  Angst  und 
Sehnen?  Komm  und  wisch  die  bittern  Thränen  Von  dem  blassen 
Angesicht." 

Elvinda  aber,  Ihre  Tochter,  tröstet  die  auf  dem  Bette 
sitzende  Mutter: 

„Liebste  Mutter,  weinet  nicht.  Denn  die  Schmerzen,  so  euch 
drücken,  Brechen  auch  mein  Herz  in  Stücken  Und  benetzen  dies 
Gesicht,  Liebste  Mutter,  weinet  nicht." 

Auch  hier  ist  in  die  ernste  Handlung  eine  scherzhafte 
verwebt,  deren  Trägerin  Filena,  die  Dienerin  der  Königin, 
und  Gildo,  der  Diener  des  Ulysses,  shid,  die  denkbar 
grössten  Gegensätze  zu  den  ersteren.  Filena  spricht  sich 
über  die  Männer  aus: 

„In  Summa,  die  verliebten  Aften  Sind  alle  keinen  Dreier  werth. 
Bald  wollen  sie  nach  Marthchen  galten,  Bald  haben  sie  den  Sinn 
nach  Käthchen  hingekehrt.  Da  heisst  es  denn;  mein  Hühnchen, 
Lämmchen,  Schätzchen,  Mein  Marcipan,  mein  Zuckerplätzchen"  u.  s.  f. 

Und  Gildo  erklärt  dieser  Filena  seine  Liebe  in  der 

Arie : 

„Du  Fliegenklatsche  aller  Grillen,  Du  Löschpapier  der  Traurig- 
keit, Wenn  wiltu  dessen  Wunsch  erfüllen,  Der  sich  zu  eigen  dir 
anbeut.  Du  Honigpemme  süsser  Freuden,  Ach  wende  doch  einmal 
mein  Leiden"  u.  s.  f. 

Da  das  Gesetz  des  Landes  bestimmt,  dass  die  Königin 
bei  den  Leichenfeierlichkeiten  für  den  verstorbenen  Ge- 
mahl eine  neue  Ehe  eingehen  musS;  so  veranlasst  Penelope 
Ariene,  Prinzessin  von  Memphis,  sich  für  Arconte,  den 
vSohn  eines  grossen  Königs  auszugeben,  der  Penelope  auf 
seinen  Thron  erheben  will.  Dafür  soll  sie  später  mit 
Lutezio  vermählt  werden,  welcher  freilich  Penelope  selbst 
zu  erhalten  wünscht.  Bei  diesen  Feierlichkeiten  naht 
sich  Ulysses  der  Penelope  in  einer  Verkleidung,  erweckt 
aber  demungeachtet  in  der  Königin  eine  sehr  lebhafte 
Erinnerung  an  den  angeblich  verstorbenen  Gemahl.  Die 
ganze  erste  Scene  wird  durch  eine  Instrumentalmusik  von 
„Haubois,  Flöten  und  Violinen"  beschlossen.  Penelope 
erwählt  sich  übrigens  Ulysses  von  neuem  zuiu  Gemahl 
und  König,  welcher  indessen  die  Hand  derselben  erst 
annimmt,  nachdem  er  sich  davon  überzeugt  hat,  dass  sie 
ihm  immer  treu  geblieben  ist. 


o' 


In   dem  laclieiulen  Dcinokriltis,  wclolier  1704  wülirend 
der  NeujnlirsiiK'Sse    über    die  Biilnu'    ^ing,    wird    dem    in 
der  Zurückgezogeidieit  und  Kntluiltsundveit  lel>enden  Pliilo- 
soplien    der     lustige    und    sclnnurotzeriselie    Diener    Telo 
ireji'enüber  bestellt.     Das  Stück   war  in  Wien  bereits  zwei- 
mal  in  italienisclu-r  Sprache  gegeben  worden.     Das  RuUen- 
vcrzeiclmis    enthält    ntuni    Stinumni.     Die    beiden    Sopran- 
stimmen  sind  (Jlinda,  einer  Bäuerin,  und  Cosmirus,   dem 
Prinzen  der  Abderiten,    zwei  Liebenden,    zuertheilt.     Da 
beide    Namen    mit    C[antusJ    bezeichnet    sind    und    hinter 
Cosmirus  der  Name  Kiklcrn  (Rüderin)  eingetragen   ist,  so 
wurde  die  letztere  Rolle    wahrscheinlich    auch    von    einer 
Frauenstimme  gesungen.    Neben  den  zwei  Sopranen  stehen 
drei  Altrollen:  Macrina,  eine  Matrone  und   Wärterin   der 
(Clinda,    gesungen  von  Frau  Döbiiclit;  Resinda   ist  Lies- 
chen (Striuick)  übertragen,  und  Arbaces  sang  der  Sänger 
Ludwig.    Unter  den  drei  Tenören  hatte  Luther  den  König 
der  Abderiten,  Lysimachus,  darzustellen,  Telennmn  den  in 
Olinden    verliebten    Schäfer    Eriateus    und    Knöchel    den 
Diener   Demokrits,    Telo,      Die   einzige   Bassrolle    ist    die 
des   Demokrit,    welche   Bendler    sang.      Die   Tänze    sind 
Köchen,  Kavalieren  und  —  Bären  zuertheilt. 

Auch  in  dem  zur  Ostermesse  1704  aufgeführten  Cajus 
Caligula  hatte  eine  Sängerin  eine  Älännerrolle  Claudius 
im  Sopran  zu  singen.  Telemann  wirkte  in  dieser  Oper 
Zinn  letzten  Male,  und  zwar  in  einer  Tenorrolle  mit. 
Auffällig  ist  eine  Entschuldigung  des  Verfassers  des 
Textbuches,  weil  er  sich  der  Worte  Geschick,  Ver- 
hängnis, Götter  und  ähnlicher  Ausdrücke  ziemlich  häufig 
l)ediente.  Er  versichert,  dass  diese  Worte  von  dem  Sitze 
der  Musen  herkommen,  nicht  aber  von  der  Meinung  des 
Herzens,  und  will  sich  aul'  diese  Weise  schon  im  voraus 
gegen  die  Angritfe  der  theologischen  Gegner  der  Oper 
decken. 

Aus  den  späteren  Aufführungen  gedenken  wir  noch 
der  Oper  Adonis,  welche  in  der  Charwoche  1708  geboten 
wurde.  Hier  finden  sich  zwei  Tenöre,  ein  lyrischer  imd 
ein  Tenoibuttü,  drei  Bässe,  zwei  Sopran-  und  eine  Altrollc. 
Die  Besetzung  der  Stinmien  ist  folgende:  im  Tenor  er- 
scheinen Luther  und  Krienitz  (Grinitz),  im  Bass  Lang- 
raaass  in  zwei  Rollen  und  Fetz,  im  Alt  Frau  Strungk, 
ira  Sopran  Christ.  Döbriclit  und  Frau  Joh.  Döbricht. 
Diese  Oper  bot  durch  ihre  Ausstattung  ganz  besondere 
Reize.     Gleich    zu    Bc'iinn    des    Stückes    liess    sich  Venus 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  135 

auf  einer  Wolke    auf  die    Erde   nieder,    luid   zwar   unter 
dem  Gesänge  der  Strophe: 

„Angenehmste  Zephyr- Winde,  bringet  meine  Seufzer  bin,  Tragt, 
ach  traget  sie  geschwinde,  doch  gelinde:  Wo  i<:li  in  Gedanken  bin 
(Da  (•apo)." 

Darauf  beschwört  Venus  den  greisen  Proteus,  ihr 
kund  zu  tliun,  wie  es  ihr  mit  Adonis  noch  ergehen  werde. 
Proteus  erscheint  ihr  zuerst  in  Gestalt  eines  Greises,  dann 
als  Feuerflamme,  als  Bär,  als  Blumentopf  und  zeigt  sicli 
ihr  endlich  in  seiner  wahren  Gestalt. 

In  einer  der  letzten  Scenen  erscheint  das  Theater  als 

ein    Rosengarten    mit    zahlreichen    weissen    Rosen.      Die 

Schäfer  bringen  auf  einem  grünen  Lager  den  toten  Adonis, 

welcher   zum    Schluss    in    einen    Stock    mit    rothen  Rosen 

verwandelt  wird;  Venus  heftet  sich  darauf  eine  Rose  auf 

die  Brust  und  erhebt  sich  mit  einer  Arie:  „Schönste  Rose, 

meine  Lust"  u.  s.  f.   in   die  Luft.     Das  Ganze   beschliesst 

ein    Chorhed.     Der    Verfasser    des   Textbuches    hat    sicli 

sichtlich   bemüht,   den  ersteren  Theil  seiner  Fabel  in  ein 

anmuthiges,   zierliches   und    duftiges  Gewand    zu  kleiden. 

Um  so  mehr  fällt  die  plebejische,  ja  rohe  und  abgeschmackte 

Abfassung  desjenigen  Theiles  auf,  in  welchem  der  lustige 

Schäfer  Gelon  auftritt,    dem  die  Rolle  des  Weiberfeindes 

zuertheilt  ist: 

,, Sollt  ich  die  Ehstandshosen  flicken,  Und  Ktimmel  in  die 
Suppe  knicken"  u.  s.  f. 

In  ganz  ähnlicher  Weise  ist  die  Oper  der  Michaelis- 
messe 1708,  Cosroes,  gestaltet,  welche  mit  einem  Chor- 
liede  und  einem  Ballet  schliesst.  Zu  den  besonderen 
Sehenswürdigkeiten  dieser  nur  sieben  Hauptrollen  ent- 
haltenden Oper  gehörten  fünf  sogenannte  Entreen,  in 
welchen  Kavaliere,  Gärtner,  Blumentöpfe,  einige  maskierte 
Personen  und  ein  grosses  Ballet  vorgeführt  werden.  Der 
Text  gewinnt  an  einigen  Stellen  eine  ansprechende  Ein- 
fachheit und  eine  gewisse  volksthündiche  Weichheit.  Die 
Worte  eines  Duetts  lauten: 

„Ich  hin  dein,  Du  bist  mein  Bis  in  den  Tod.  Unsre  Seelen 
Kennt  kein  Quälen  Trotz  aller  Noth.  Ich  hin  dein,  Du  bist  mein 
Bis  in  den  Tod." 

Die  nachfolgende  Strophe  könnte  einem  volksmässigen 
Liede  entnommen  seni: 

„Wenn  ich  dich  noch  werde  sehen,  Sag  ich  tausend  gute  Nacht, 
Wird  es  aber  nicht  geschehen,  Ach!  so  denke,  dass  ich  sei  Mit  ganz 
unverfälschter  Treu  In  die  dunkle  Gruft  üebracht." 


136  J.  (^-  f^pel: 

Die  Kolle  der  lustigen  Person  ist  freillcli  auch  in 
diesem  Stücke  nicht  feiner  gehalten.  In  tler  zehnten  Seene 
des  zweiten  Aktes  hat  dieselhe,  hier  Kidello  genannt,  zu 
singen:  „Viel  lieber  ohne  Geld,  als  actäonisieret  sein"  u. s. f. 

Noch   possenhafter    geberdet   sich  Mopsus,   der    faule 

Diener   in  der  Oper  der  Neujahrsniesse   1709  (Narcissus); 

ja  er  hat  sich  geradezu  in  den  Harlekin  oder  Hans  A\'urst 

des    Volkstheaters    verwandelt.      Schon    im    ersten    Akte 

wird  er  von  den  Jägern    in    einem   KäHg    auf  die  Rühne 

gebracht  und  fleht  zu  den  Göttern: 

„Ihr  Elemente,  rettet  doch  Herr  Mopsiiin  ans  dem  Ilninleloch. 
Du  Göttin  in  der  Luft,  Dn  Göttin  in  der  Gruft,  Erbarme  dich  doch 
über  mich  Und  reisse  mich  aus  diesem  Joch." 

Darauf  wird  er  von  Geistern  ähnlich  wie  Hans  Wurst 
im  Faust  gefoppt,  schlägt  sie  aber  in  die  Flucht.  Später 
erscheint  er  in  einem  Rezitativ  als  Zigeuner: 

„Wir  Zigeuner  kommen  aus  das  Land,  Wo  die  Crocodille 
ist"  u   3.  f. 

Darauf  giebt  er  eine  Arie  zum  besten,  deren  Eingangs- 
worte lauten: 

„Was  thut  der  Deutsche  nicht  vors  Geld?  Ich  konnte  keines 
mehr  gewinnen,  Drum  musst  ich  auf  'was  andres  sinnen." 

Auch  hier  kommen  Chorgesänge  vor.  In  Acontius 
und  Cythippe  (Neujahrsniesse  1709)  führte  der  etwas 
zahmer  gehaltene  Diener  den  Namen  Xanthias.  Dem 
Charakter  nach  gleicht  er  dem  vorigen  ziemlieh  voll- 
ständig, wie  sich  aus  einer  Arie  ergiebt: 

„Guter  Haber  —  muntre  Pferde,  Fetter  Dünger  —  reiche  Saat. 
Schönes  Futter  —  Fette  Hühner,  Reich  Gescheniie  —  hurt'ge  Diener. 
Wo  die  Herrschaft  selber  knickt  Und  die  alten  Kittel  nickt,  Wo 
von  aussen  grosser  Staat,  Aber  Schmalhans  auf  dem  Heerde,  Ach 
da  regt  man  Hand  und  Fuss  Eher  nicht,  als  bis  man  muss." 

Die  letzte  Arie  des  Xanthias,  ziemlich  am  Schluss 
des  Stückes,  behandelt  dasselbe  Thema: 

„Geld,  Geld,  Geld  Ist  der  beste  Trost  der  Welt.  Ei,  wie  wird 
mein  Mädchen  lachen.  Wenn  ihr  Spass-  und  Liel)sgalan  Sie  mit  an- 
genehmen Sachen  Durcli  das  Geld  versorgen  kann." 

Der  Schlusschorgesang  wird  durch  Einzelstinunen 
unterbrochen,  zuletzt  folgt  ein  Mohrenbnllet. 

In  de)'  O.stermesse  1709  gab  es  eine  italienische 
Oper  Mario,  in  Avelcher  auch  die  meisten  Arien  italieniscli 
gesungen  wurden,  da  sich  der  Bearbeiter  des  Textes  ver- 
geblich bemühte,  die  kurze  und  prägnante  Fassung  des 
Textes  im  üeut.^clion  wicdei-zuoeben.     Die  burleske  Seite 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  137 

des  Ganzen  scheint  indessen  dem  Texte  nach  deutsche 
Erfindung  gewesen  zu  sein.  Dem  Tenorbutib,  Jacobi  mit 
Namen,  entspricht  eine  ähnlich  gehahene  weibliche  Sopran- 
rolle, welche  aber  wahrscheinlich  auch  von  einem  Manne 
(Pecliuel)  gesungen  wurde.  Diese  komische  Dienerin 
Blesa  empfiehlt  sich  der  numidisclien  Prinzessin  Dalinda 
folo;endermassen : 

„Patienza.  Ich  bin  von  ungemeinen  Gaben.  Betrachtet  mich 
nur  wohl.  Mein  ganzes  ^Yesen  ist  galant.  Was  meine  Augen  sehn, 
Das  machet  auch  die  Hand.  Ich  fechte  einen  Fingerhut  Trotz  dem 
berühmtsten  Schneider,  Ich  tiicke  wunderschöne  Kleider  Und  schicke 
mich  vor  euch  recht  unvergleichlich  gut." 

Bisweilen  hat  freilich  der  Verfasser  des  Textbuches 
das  Italienische  in  gröblichster  Weise  parodiert;  so,  wenn 
er  die  Worte  „Adorata  mia  chiavetta  Tu  saresti  una 
sposetta  A  proposito  per  me"  —  wiedergiebt: 

„Angenehmer  Zuckerstengel,  Ausbund  aller  schönen  Engel, 
Dich  erwähl'  ich  mir  zur  Braut." 


Beilagen. 

(Akten  des  Stadtraths  zu  Leipzig  XXIY.  A.7a,  Vol.  I,  fol.  47.) 

I. 

Zu  wissen,  denen  es  zu  wissen  von  uöthen.  Nachdem  die 
sämtl.  Moßbachische  Erben  von  den  Churfürstl.  Sachs.  Capellmeister 
Herrn  Nicolaus  Adam  Struncken,  daß  sie  ihm  den  in  ihren  väter- 
lichen Hause  in  Brühl  allhier  zu  Leipzig  liegenden  Platz  und  Hoff 
auf  Vier  und  Achtzig  Ellen  in  der  Länge  von  der  Stadtmauer  an 
zu  rechnen  und  die  ganze  Breite  des  Raumes  vermiethen,  auch 
darauff  ein  Opern-Hauß  zu  sezen  und  aufzuführen  vei'willigen  möchten, 
unterschiedlich  angegangen  und  ersuchet  worden  sein,  die  Moßbachi- 
schen  Erben  auch  solchen  an  sie  bescheheneu  Suchen  auf  gewisse 
Maße  stattgegeben:  Alß  ist  zwischen  Ihnen  und  Herrn  Nikolaus 
Adam  Struncken  nebst  dessen  Consorten  oder  Mitt- Interessenten, 
Nahmentl.  Herrn  Doct.  Heinrich  Friedrich  Glaser  und  Herrn  Girolamo 
Sartorio  und  allen  derselben  Erben  und  Erbuehmern  nachiblgender 
Contract  abgeredet  und  geschlossen:  Nehmlich  es  vermiethen  ge- 
dachte Moßbachische  Erben  vorbenahmten  ihren  Plaz  und  Hof  in 
ihren  allhier  in  Brühl  habenden  Hause  Herrn  Nikolaus  Adam  Struncken 
und  Herrn  Doct.  Heinrich  Friedrich  Glaßern  wie  auch  Herrn  Giro- 
lamo Sartorio  auf  Zehen  Jahr  lang  zu  dem  Ende,  daß  er  ein  Ge- 
bäude zum  Opern-  oder  Comoedien-Spiel  auf  seine  und  seiner  Mit- 
interessenten Unkosten  dahin  bringen  und  aufführen  lassen,  solches 
auch  seiner  profession  nach  gebührend  nuzen  und  gebrauchen  möge, 
iedoch  daJi  dadurch  dem  Vorder-Gebäude  an  Licht  oder  sonsten 
kein  Nachtheil  oder  Abbruch  geschehen,  noch  auch  übrigens  den 
ganzen  Hause  einige  Servitut,  auf  was  Weise  auch  solches  wäre, 
aufgebürdet  werden.     Dahingegen   verspricht   Herr  Nicolaus  Adam 


138  J.  0.   Oppl: 

Struiuk  und  Herr  Docf.  lleiniicli  Frioilricli  (Uaser,  wie  auch  Herr 
Girolamo  Sartorio,  einer  vor  alle  und  alle  vor  einen,  also  ein  ied- 
weder  in  soliduni  mit  Begehung:  der  MarUtfreiheit  und  ihrer  ordent- 
lichen Obrigkeit,  woiil  erinelten  .Mdliliachischen  Krheu  alle  Jahre 
Dreyhnudert  Rthlr.  guter,  unverufener,  groben  Miinz-iorten,  und  zwar 
iede  Leipziger  ilesse  Ein  Hundert  Thlr.  künftige  Ustermesse  damit 
den  Aniung  zu  machen  und  also  bis  uml  auf  die  Leipziger  Xeu  jahrs- 
niesse,  wenn  man  s(luoii>en  wird  170:5,  inclusive  darmit  zu  continuiren, 
banr  und  nach  ^Ve(•hselree]lt  zu  erstatten  und  einznliefern ,  auch 
daß  dieser  Miethzinß  iedesmahl  richtig  bezahlt  werden  sollte,  mit 
ihren  gesanimten  Yerniögen  liegend  und  fahrend,  wo  solches  anzu- 
tretien,  insonderheit  den  erbaueten  Opern  -  liauße  samt  allen  dazu 
gehörigen  Kleidungen,  Mobilien,  uml  allen  anderen  illatis  et  invectis, 
welches  alles  hiermit  zum  ausdrücklichen  Unterpfande  oingesezet 
wird,  beständig  zustehen  und  zuhafi'ten,  ingleichen  allen  und  jeden 
Schaden  und  Üefahr,  so  gedachten  Moßbachischen  Hause  bei  Er- 
bauung dieses  Opernhauses  oder  auch  nach  solchen  aufgeführten 
Bau  und  durch  dessen  Occasion  vermittelst  Unglücksfällen,  so  durch 
die  Herren  Interessenten  und  die  ihrigen  verursachet  oder  sonsten 
auf  einerley  Weise  Zeit  wehrenden  dieses  Contracts  entstehen  und 
widerfahren  möchten ,  vor  sich  zu  tragen  und  hierfür  allenthalben 
liehorige  Erstattung  denen  Moßbachischen  Erben  zu  tliun;  auch 
solchenfalls  unerachtet  die  Opern  nicht  praesentiret  werden  könnten, 
den  völligen  Miethzins  wie  oben  erwehnet,  abzutragen,  auch  dafern 
einige  einfallende  üble  Zeiten,  insonderheit  Pest,  und  zwar  nur 
alleine  in  dieser  Stadt,  nicht  aber  wegen  anderer  angränzenden 
Orten,  welches  doch  üott  gnädigl.  verhüten  wolle,  berühretes  Opern- 
Hauß  zu  gebrauchen  und  zu  nuzen  verhindern  würden,  nichts  desto- 
weniger  mit  solches  Miethzinses  Abgabe  zu  continuiren,  iedoch  die 
Moßbachischen  Erben  auf  diesen  begebenden  Fall,  iede  Messe  mit 
50  llthli.  Miethzinses  sich  begnügen  zu  lassen,  welche  Condition 
aber  wieder  (weiter?)  nicht  zu  extendiren,  als  so  lange  solches  Uebel 
wirklich  über  diese  Stadt  verhänget  werden  sollte,  wovon  aber  aus- 
genommen seyn  soll,  daß,  so  durch  Gottes  Verhängniß  sich  auch 
Krieü'  entspinnen  sollte,  dennoch  in  solchen  Fall,  alh;  Messe  besagte 
Hundert  Rthlr.  völlig  sollen  abgetragen  werden.  Weiln  denn  von 
beyden  Theilen  zugleich  beliebt  und  verspro(dien  worden,  daß  solcher 
Mieth-Contract  in  Ostern  dieses  I693ten  Jahres  seineu  Anfang  und 
Obligation  gewinnen,  also  auch  unverändert  bis  nach  goendigten 
10  Jahren  fest  und  unverl)rüchlich  gehalten,  sowohl  alle  künftige 
solches  Moßl)achischen  Hauses  Besitzern,  daferne  über  VerholYen 
einige  Aenderung  oder  Alienation  vorgehen  möchte,  diesen  Mieth- 
Contract  ebenmäßig  auszuhalten  angewiesen,  solch  Hauß  auch  anderer 
Oestalt  nicht  als  "cum  hoc  onere  contimiande  localitionis  (?!i  con- 
ductionis  veräußert  werden  sollen.  Also  wird  zwar  Herrn  Struncken 
und  dessen  Mitt-Interessenten  frey  gelassen,  bey  Ablauf  dieser  Zehen 
Pacht-Jahre  solch  Opern -Hauß  "wiederum  einzureisen  und  wegzu- 
führen. Es  verpüichteu  sich  aber  dieselben  sammt  und  sonders  bey 
Eingangs  Verschriebener  Versicherung,  daß  also  dann  sie  auf  ihre 
Kosten  den  Plaz  wiederum  in  jezigen  Stand  sezen,  und  dergleichen 
Seiten- Gebäude  und  Ställe,  wie  es  aniezo  zu  befinden,  dahin  bauen 
lassen  und  solches  auf  Ostern  1703  ganz  fertig  dahin  liefern,  auch 
zu  solchem  End«;  vor  Abtragung  des  Opern-Hauses  gnugsame  Caution 
bestellen  sollen  und  wollen,  oder  daß  in  widrigen  fall  das  Opern- 
llauß  den  (irund-  und  Eigenthums  Herrn  heimfallen  und  verbleiben 


Die  ersten  Jalirzehiite  dtu'  Oper  zu  Leipzig.  139 

soll,  um  (lieser  ürsadie  willen  ilenn  alsofort  ein  Abriß  dieser  Ge- 
bäiule  zu  verfertigen  und  denen  Molihachisohen  Erben  einzuhändigen 
ist.  Wie  denn  auch  beyde  Theile  hiermit  allen  und  ieden  Rechts- 
Wohlthaten,  insonderheit  dem  benefirio  L.  .3.  locat.  conduct.  itemque 
Excussionis  et  divisioiiis  oder  der  Theilung,  und  daß  erstlich  der 
Prinzipal  (ontraheute  müsse  ausgeklagt  werden,  der  Beredung  des 
Scheinhandels,  Iiithums,  der  Verlezuiig  über  die  Helfte  und  höhern 
Werths,  und  allen  andern,  wie  sie  Nahmen  haben  mögen,  wißendl. 
und  wohll)edächtig  renunciret  haben  wollen.  Treulich  sonder  Üe- 
t'ehrde.  IJlu  kundlich  mit  allerseits  Contrahenten  Nahmen  und  l'et- 
s(;haft  unterschrieben  und  besiegelt. 

Datum  Leipzig  den  24.  Januarij  Ao.  1693. 

Uieronymo  Sartorio  L.  S.  Nicolaus  A  dam  Strun  gk, 

Architecto.  Churfürstl.  Capellmeister. 

Vorstehenden  Contract  gelobet  nach  allen  seinen  pnncten  und 
Inhalten  als  neuer  Interesseute  zu  eriullen. 
Leipzig  den  11.  April  1708. 

Johann  Friedrich  Sartorio. 

Vorstehenden  Contract  gelobet  als  neu  angenommener  Mitt- 
Interessente  nach  allen  seinen  Clausulen  und  Inhalte  praecise  zu 
erfüllen.     Leipzig  den  8.  Septb.  1710. 

Samuel  Ernst  Dö bricht. 

Anna  Margaretha  Siegfriedin. 

Dr.  George  Quirin  Pöckel 

curat,  nomine  der  Fr.  Siegfriedui. 

IL 

Demnach  der  zwischen  Frau  Annen  Margarethen  Siegfriedin, 
Verpachterin  an  einen,  dem  gewesenen  Königl.  Pohl.  Capellmeister 
Herrn  Adam  Struncken,  nunmehr  sei.,  und  Herrn  Hieronimo  Sartorio, 
Churfürstl.  Mainz.  Land -Baumeistern,  Pachter  am  andern  Theile, 
zeither  gewehrte  Pachtcontract  über  den  in  der  Frau  Siegfriedin 
Hause  lietindl.  Plaz  und  Hoff  auf  die  mit  Glück  und  Segen  herbei- 
nahende Ostern  des  170.Sten  Jahres  zu  Ende  läuft,  zeithero  aber 
zwischen  ietzbenannten  Contrahenten  nnterschiedl.  Irrungen  ent- 
standen, welche  theils  abzuthun,  theils  auch  diesen  Contract  weiter 
zu  prolongiren  vor  nöthig  erachtet  worden,  inmittelst  aber  der  Herr 
Capellmeister  sei.  verstorben,  an  dessen  Stelle  hingegen  dessen 
hinterbliebene  Wittbe,  Frau  Christine  Strunckin  in  diesen  und  vorigen 
Contract  getreten,  als  haben  sich  allerseits  jetztbenannte  Contrahenten 
vor  sich,  ihre  Erben  und  Nachkommen,  aufs  neue  folgender  Gestalt 
verglichen.     Nehmlich  es  soll 

1)  und  zuvorderst  der  zwischen  der  Fr.  Siegfriedin  und  deren 
Curatore  an  einen,  Herr  Capellmeister  Struncken  und  Herrn  Bau- 
meister Sartorio  am  andern  Theile  untern  27.  Januarij  Anno  1693 
aufgerichtete  Pacht-Contract,  außer  was  in  dieser  neuen  Prolongation 
und  Zusaz  ausdrücklich  geändert  worden,  auch  künftighin  in  allen 
Puncten,  Clausulen,  Inhalt  und  Meinung  zum  Fundament  gesetzt 
sein  und  bleiben.     Gestalt 

2)  Denn  Fr.  Christine  Strunckin  solchen  nicht  allein  von  Wort 
zu  Wort  gelesen  und  verstanden  zu  haben  cum  Curatore  hiermit 
bekennt,  sondern  auch  sich  darzu  in  allen  Stücken,  absonderlich 
aber  zu  der  verschriebenen  Bezahlung  des  Opern  Miethzinses  nach 


140         .  J.  0.  Opel: 

Wechselreeht  niul  l.ey  Geliorsam  ihrer  eigenen  Persolin  mit  inul 
nebst  Herrn  Sartorio  samt  nntl  sonders,  amh  mit  liegehimg  der 
AnstiucLt,  als  oh  sie  nur  ihren  Antheil  /ii  bezahlen  schuldig  wäre, 
hiermit  vor  sich  ihre  Erben  und  Erbnehmern,  und  mit  Einwillitrnng 
ihres  Herrn  Cursitoris  verbindlich  macliet. 

3)  Soll  dieser  Contract  aberniaiils  auf  zehen  Jahr  lang,  als  von 
künftige  Ostern  ]70;{  bis  wieder  dahin  1713  gel.  Gott!  verlängert 
^ein  und  gehalten  werden,  iedoch  einen  ieden  von  denen  Contra- 
henten  Ireysteheu,  bey  zu  Ende  Laufung  der  ersten  fünf  Jahr  den 
Contract  ein  halb  Jahr  vorher  aufzukündigen.     Ob  es  nun 

4)  wohl    künftighin    bey    den    alten   l'acht-Gelde    der  .HOO  'l'hlr. 
jährl.  Pachtgeldes   in   guten   unverrnll'enen    edictmässigen    und    nicht 
unter  zwey  gute  Groschen  haltigen  Münz  Sorten  verbleibet,  so  sollen 
doch  solche  300  Thlr.   alle   halbe  Jahre   als  Ostern-  und  Michaelis- 
messe   mit    löO  Thlr.    nach   Wechselrechte    und    bey  Porsülinlichen 
Gehorsam    und  wenigstens   die   erste   Mcßwoche    100  Thlr.   und    die 
andere  die  übrigen  50  Thlr.  abgetragen  und  bezahlet  werden  ,  oder 
111  deren  Entstehung  die  Frau  Siegfriedin  Macht  haben,  nicht  allein 
nach  Wechselrecht  und   mit  Persöhnlichen  Gehorsam   zu  verfahren, 
sondern  auch  allsofort  nach  Ablauf  des  Sonnabends  in  der  Zahhvoche 
das  Opern -Hauß  jirnpria   autoritate   mit   gnugsamen  Schlossern  zu 
verschließen   und  keinen   von    denen  Interessenten   der  Opern  oder 
von  ihren  dependirenden  Personen   hinein  zu  lassen,   bis  sie   dieses 
verfallenen  Opern-Zinses  halber  an  Capital,  Interesse  und  Unkosten, 
da  deren    über  Yermuthen   verursacht  werden  sollten,  gänzlich  be- 
friedigt   sei,    gestalt    denn    die  Frau  Capellmeister   Struncken  cum 
Curatore  und  Herrn  Sartorio   sich  ausdrücklich  verbindlich  machen, 
die  Frau   Siegfriedin    an    solcher   Verschließung  in  geringsten   und 
unter  was  vor  praetext  es  sei,  nicht  zu  hindern,  weniger  das  Opern- 
Laus   ohne    ihre  Bewilligung  de  facto  zu   eröffnen,  oder  so  sie  der- 
gleichen   sich   unterfangen   würden,   der   Frau    Siegfriedin    über  den 
schuldigen   Opern -Zinß   noch  50  Tiilr.    als   eine   auf   selliige  Messe 
wüllkührl.   verglichene  Strafte  ebenfalls  nach  Wechselrechr  alsofort 
zu  bezahlen. 

5)  Verspricht  die  Frau  Capellmeistern  und  Herr  Sartorio  der 
Frau  öiegfriedin  über  sie  und  ihre  Familie  alle  Abende  4  Persohnen 
frey  und  ohne  Bezahlung  durch  die  Entr(:'e  iedoch  ohne  Ertheilung 
derer  sonst  gewöhnlichen  Pillets  einzulassen,  auch  hierüber  noch 
deren  Curatorem  Herrn  Doct.  Georg  Qiiirin  Pockelu  nebst  seiner 
P'amilie  durch  die  Entröe  ohne  Entgeld  frey  einzulassen,  auch  ihnen 
eine  vacante  logie  einzuräumen.     Es  wird  aber 

6)  Denen  Interessenten  gleich  zeithero  geschehen  auch  künftig- 
hin vermiethet,  durch  der  Frau  Siegfriedin  ihre  kleine  Hof-Thür, 
so  lange  Opern  praesentiret  werden,  aus  und  einzugehen,  es  sollen 
aber  dieselben  dargegen  auch  schuldig  sein,  die  Frau  Siegfrieden 
nebst  ihrer  Familie  ei)onfalls  hierdnrdi  pa'^s-  und  repassiren  zu 
lassen. 

7)  Was  aber  die  etwa  vorfallende  Alienution  des  Siegfriedischeii 
Hauses  und  die  ihr  von  denen  Oper-Interessenten  versprochene  Auf- 
banung  derer  auf  solchen  Plaze  hiebevor  gestandenen  Seiten  Gebäude 
und  Stalle  betriftt,  so  verbleibet  es  dieses  Puncts  halber  bei  voriger 
Verschreibung,  dergestalt,  daß  solche  Gebäude  entweder  bey  ab- 
laufenden 5  Jahren,  wenn  nehml.  gebührende  Aufkündigung  geschieht, 
Ostern  1708  oder  bei  Ablauft'  der  Zehen  Jahre  Ostern  171.3  gel.  Gott 
ganz  fertig  stehen.  ' 


Die  ersten  Jahrzehnte  der  Oper  zu  Leipzig.  141 

Wie  nun  hiermit  allerseits  Coutrahenten,  nachdem  ihnen  dieser 
Contract  von  ihren  Herrn  Curatoribus  und  Beyständen  deutl.  vor- 
gelesen, expliciret  und  der  Inhalt  verständiget  worden,  allenthalben 
einig  und  zufrieden  sind,  also  ist  derselbe  auch  von  ihnen  und  deren 
Weibes-Persohnen  Curatoribus  dreifach  unterschrieben  und  besiegelt, 
auch  einen  iedweden  Theil  ein  vollzogen  Exemplar  zugestellet 
worden,  soll  auch  EE.  Hochweiser  Rath  alhier  noch  vor  heran 
nahender  Osterniesse  zur  Confirmation  vorgetragen  werden,  nichts 
destoweniger  auch,  in  dessen  Entstehung  seine  verbindl.  Kraft  und 
Wirkung  behalten,  oder  der  H.  Sartorio  und  Frau  Struncken  zum 
würcklichen  Oper-Bpiel  vor  erfolgter  Confirmation  nicht  admittiret 
werden,  zu  weichen  Ende  sie  denn  allen  und  jeden  zu  statten  kom- 
menden Kechts-Wohlthaten,  als  da  sind  Miß-  oder  nicht  Verstandes, 
Betrugs,  Zwangs,  üeberredung,  Yervortheilung,  über  oder  unter  die 
Helfi'te,  und  daß  eine  Weibes-Persohn  sich  nicht  zum  Persöhnl.  Ge- 
horsam verbindl.  machen  könne ,  und  allen  andern  wie  die  Nahmen 
haben  mögen,  sich  hiermit  ausdrücklich  begeben,  und  darüber  tran- 
sigiret  haben  wollen,  alles  treulich  sonder  Arglist  und  Gefehrde. 
Leipzig  den  19.  Martij  1703. 

(L.  S.)     Christina  Struncken. 
(L.  S.)     Christian  Haarh  außen 

curat,  nomine  der  Frau  Strunck. 
(L.  S.)     Hieronymo  Sartorio, 
Prim.  Arch,  Di  S.  A.  E.  di  Magonto  E. 

Vorstehenden  Contract  gelobe  als  neuer  Interessent  nach  allen 
seinen  Punkten  und  Inhalten  zu  erfüllen. 
Leipzig  den  11.  Aprilis  1708. 

Johann  Friedrich  S  a  r  t  o  r  i  o. 

Vorstehenden  Contract  gelobt  als  neu  angenommener  Mit-In- 
teressente  nach  allen  seinen  Clausulen  und  Inhalten  praecise  zu 
erfüllen.     Leipzig  den  8.  Sept.  1710. 

Samuel  Ernst  Döbricht, 
Anna  Margaret  ha  Siegfriedin, 
Dr.  Georg  Quirin  Pöckel, 
curat,  nomine  der  Frau  Siegfriedin. 


IV. 

Der  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Johann 

Friedrich  dem  Mittlern  und  dem  Geithainer 

Pfarrer  Ambrosius  Roth. 

Von 

A.  V.  W(>lck. 


Ueuu  cla,s  IG.  Jaluliundcrl  als  eines  der  wiclitigstcu 
1111(1  zugleich  verhängnisvollsten  für  die  Geschichte  der 
sächsischen  Lande  zu  hctrachten  ist,  so  sind  es  in  der 
Hauptsache  die.  Nanicu  der  Kurfürsten  Johann  Friedrich 
des  Grossnüithigen  und  Moritz,  des  Herzogs  Johann  Frie- 
drich des  Mittlern  und  des  Kurfürsten  August,  um  die 
sich  die  Ereignisse  gruppieren,  Ereignisse,  die  mehr  oder 
weniger  aus  religiösen,  der  Reformation  ihren  Ursprung 
verdankenden,  j\leinungs-  und  Glaubensverschiedenneiten 
entspringend,  auf  blutgetränkten  Schlachtfeldern  ihre  Ent- 
scheidung fanden  mit  der  Gefangennchmung  des  Kurfür- 
sten Johann  Friedrich  des  Grossmüthigen  und  20  Jahre 
später  mit  (h;r  des  Herzogs  Johann  Friedrieh  des  INIittlern 
und  mit  der  1547  rechtlich  festgesetzten,  1567  aber  erst 
eigentlich  faktisch  und  für  alle  Zeiten  durcligefiihrtcn 
Übertragung  der  Kurwürde  und  der  Kurlandc  an  die 
jüngere  Ivinie  des  Hauses  .Sachsen. 

^^'enn  schon  das  Schicksal  des  Kurfürsten  Johann 
Friedrich  des  Grossmüthigen,  der  zufolge  der  Schlacht  bei 
Mühlbcrg  Land  und  Würde  verlor  und  5  Jahre  lang  der 
Gefangene  des  Kaisers  blieb,  ein  überaus  trauriges,  so  hatte 


Briefweclisel  zwisclien  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  und  Ambr.  Kotli.       143 

sein  Solin  Johann  Friedrich  der  ^Mittlere  noch  viel  härter 
unter  der  Ungunst  des  Kricgsgeschlckes  zu  leiden.  Ob 
und  inwieweit  er  sein  Los  selbst  verschuldet,  sei  hier  niclit 
erörtert.  Die  Thatsache  war,  dass  er  am  13.  April  1567, 
dem  Sonntag  ^Nliscric.  Dom.,  dem  Tage  der  Scldacht  von 
Mühlberg,  in  Gotha  kapitulieren  musste  und  von  seinem 
Vetter,  dem  Kurfürsten  August;  gefangen  genommen  wurde. 
Derselbe  übergab  ihn  den  drei  im  Feldlager  anAvcsenden 
kaiserliclien  Kommissaren  —  Graf  Otto  von  Eberstein, 
Christoph  von  Carlowitz  und  Fabian  von  8chönaich  — ,  und 
bereits  am  15.  Aiuil  ward  der  Herzog  in  die  Gefangen- 
schaft nacii  Osterreich  abgeführt,  in  der  er  28  Jahre,  d.  i. 
bis  zu  seinem  Tode,  sclimachten  sollte. 

Bock  ')  gieljt  genau  die  Personen  an,  die  ihn  begleiten 
durften,  und  nennt  untcj'  diesen  auch  den  Prädikanten 
Ambrosius  Roth "),  der  allerdings  nur  bis  Anfang  des  fol- 
genden Jahres  bei  dem  gefangenen  Herzog  verblieb,  der 
aber  einen  hervorragenden  Einfluss  auf  denselben  zu  ge- 
winnen wusste.  Nach  den  verschiedenen  Nachrichten,  die 
uns  vorliegen  aus  der  Zeit,  welche  Roth  in  der  Umgebung 
des  Herzogs  zubrachte,  will  es  uns  beinahe  scheinen,  als 
habe  er  seitens  des  Kurfüisten  August  eine  Instruktion 
erhalten,  daliin  gehend,  bei  dem  fürstlichen  (lefangenon 
zu  erwirken,  dass  derselbe  Busse  thue  und  vor  allem  rück- 
haltslos sein  Unrecht  eingestehe  und  anerkenne,  dass  er 
jetzt  nur  verdiente  Strafe  erdulde.  Diese  Annahme  steht 
der  Ansicht  Ortloflfs^)  entgegen,  nach  welcher  Kurfürst 
August  an  Roths  Vorgehen  unbetheiligt  wäre.  Doch  halten 
wir  es  nicht  für  wahrscheinlich,    dass  M.  Roth  einem  tief 


')  Beck,  Johaini  Friedruh  der  Mittlere  II,  L'.  Vergl.  Ürtloff, 
Gesch.  der  Grnmbachisclieii  Händel  IV,  207. 

*)  Ambros.  Roth,  geh.  1528  zu  Mittweidn,  war  l.')ö5 — 1557  Kantor 
in  Chemnitz,  15.ö7 — 156.'>  Diakonus  in  Leisnig  und  1563 — 1567  Dia- 
konus  und  Freitagsprediger  an  der  Nikolaikirche  zu  Chemnitz.  Nach- 
dem er  1567 — 68  den  gefangenen  Herzog  als  Seelsorger  hegleitet 
hatte,  wobei  er  sich  des  Kaisers  Gunst  erworben  zu  haben  scheint 
(v.  Langenn,  Christoph  v.  Carlowitz  .319,  vergl  .S2('),  erhielt  er  das 
vakante  Pfarrlehn  zu  Geithain ;  dass  er  Pfarrer  zu  Gotha  gewesen,  wie 
Beck  a.  a.  0.  II,  13  behauptet,  ist  ein  Irrthum.  Roth  starb  am  lt. 
August  1570  zu  Germersheim,  wohin  er  kurz  vorher  als  Hofprediger 
der  Elisabeth,  der  Gemahlin  des  Pfalzgrafen  Johann  Casimir,  ge- 
kommen war.  Vergl.  Aufzeichnungen  im  Rathsarchiv  zu  Geithain 
(Acta,  alte  Nachrichten  über  G.  enthaltend,  de  anno  1511);  Möller, 
Theatr.  Freiberg,  chron.  I,  275 flg.  Kreyssig,  Album  der  evang.-luth. 
Geistlichkeit  im  Königreich  Sachsen  (Dresden  18S.3)  2i»0. 

»)  a.  a.  0.  IV,  27ö. 


144  A.  V.  Wflck: 

uuglückliclieu  uud  diibei  ausser* )rtlentlicli  i'ruiumeii  iiud  für 
die  damalige  Zeit  auch  theologisch  gelehrten  Fürst(Mi  aus 
eigener  Initiative  so  schroff'  und  strafend  entgegenge- 
treten sei,  wie  or  es  thatsächlich  gcthan  hat,  uud  zwar 
hauptsächlich  durch  die  an  den  Herzog  gerichtete  „Er- 
uudniung"  vom  1(5.  Oktober,  die  Ortloff  auszüglich  niit- 
theilt  luid  die  sich  nebst  der  darauf  erfolgten  Aiitwf)rt  des 
Herzogs  vom  19.  Oktober  löß?  abschriftlich  im  Haupt- 
staatsarchiv  zu  Dresden  lielindct^).  Als  Beweis  fiir  un- 
sere Auffassung  iiihren  wir  al)er  hau})tsächli(ih  den  Um- 
stand IUI,  dass  nach  der  Rückkehr  Roths  nach  Sachsen, 
Avelclie  l)creits  im  »Januar  ii^iiS  erfolgte,  sich  ein  durchaus 
fi-oundschaftli  -her  Verkehr  zwischen  diinseHx  n  einerseits 
luid  dem  Herzog  uud  seiner  Gemahlin  undreiseits  ent- 
wickelte, ja,  dass  Roth  sogar  die  Vermittlerrolle  zwischen 
dem  Herzog  und  seiner  Familie  übcinahm.  In  keinem 
der  uns  bekannten  Briefe  des  M.  Roth  an  den  Herzog 
aber  findet  sich  ein  l^eweis  dafüi',  dass  er  thatsächlich 
denselben  für  einen  argen  Verbrecher  halte,  der  noch 
dazu  unbussfertig  sei,  wie  er  dies  in  seiner  „Ermahnung" 
unzweideutig  ausspricht;  sondern  ausnahmslos  zeigt  er  in 
denselben  Anhänglichkeit  uud  aufrichtige  Verehrung.  Und 
dass  der  Herzog  selbst  einen  derartigen  Eindruck  von 
dieser  „Ermahnung"  erhielt,  nämlich  den  Eindruck,  dass 
dieselbe  in  anderer  Auftrage  geschrieben  sei,  geht  aus 
seiner  Antwort  hervor,  in  welcher  er  sagt:  das  christliche 
Verhalten  sei  ganz  copiose  mit  sonderlichen  Anzeigen 
versehen,  die  von  Roth  nicht  herrühren  möchten  etc. 
(cfr.  Ortloff  a.  a.  O.  IV,  277). 

Ist  unsere  Anschauung  aber  begründet,  so  dürfte 
daraus  zu  folgern  sein,  dass  Kurfürst  August  das  unbe- 
dingte Schuldbekenntnis  seines  Vetters  zu  seiner  eigenen 
Gewissensberuhigung  herbeizuführen  wünschte,  da  nicht 
wohl  anziniehmen  ist,  dass  ihm  wirklich  das  Seelenheil 
de»  gefangenen  Herzogs  am  Herzen  gelegen  habe. 

Leider  ist  von  dem  Briefwechsel  zwischen  M.  Roth 
und    dem   Herzog    und    seiner   Gemahlin    nur   sehr  wenig 


*)  Lokat  7186:  M.  Ambrosius  Ermanniig,  so  au  den  gefangenen 
Hertzog  Johann  Friedrichen  zu  Sachsen  etc.  als  S.  F.  G.  damals  zu- 
georduetten  Prtulicant  zur  begertten  Absolution  u.  conimunion  wegen 
des  wieder  die  Kay.  Maj.  und  Churf.  Augusten  zu  Sachsen,  noch  in 
hertzen  tragenden  Unwillens  gethan,  zusambt  S.  F.  G.  darauf  mit 
eignen  hende  gegebenen  schrifftlichen  Antwort.  Vergl.  Ortloff 
a.  a.  U.  275  Üg. 


Briefwechsel  zwischen  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  und  Ambr.  Eoth.    145 

noch  vorbanden.  In  dem  städtischen  Archiv  zu  Geithain, 
wohin  M.  Roth  nach  seiner  Rückkehr  aus  Osterreich  als 
Pfarrer  kam,  befinden  sich  in  Abschrift  ein  Brief  der 
Herzogin  EHsabeth  an  Roth,  dessen  Original  wir  nicht 
erlangen  konnten,  und  das  Brucbstück  eines  Briefes  des 
Herzogs  an  Roth^),  dessen  Original  nebst  einigen  andern 
im  herzoglichen  Haus-  und  Staatsarchiv  zu  Coburg  (sub 
A.  I,  32  a,  Nr.  91)  vorhanden  ist.  Dieselben,  nämlich  drei 
Schreiben  Roths  an  Johann  Friedrich  und  zwei  Konzepte 
des  letzteren,  wurden  uns  mit  der  dankenswerthesten  Be- 
reitwilligkeit von  dem  herzoglichen  Staatsministerium  zur 
Benutzung  überlassen,  und  wir  lassen  sie  nachstehend  fol- 
gen®). Sie  dürften,  abgesehen  von  der  Beleuchtung  des 
Verhältnisses  zwischen  Johann  Friedrich  und  dem  M.Roth, 
worauf  es  uns  hauptsächlich  ankam,  manches  Interessante 
für  den  Historiker  bieten,  namentlich  auch  über  die  kirch- 
lichen Kämpfe  wider  die  Flacianer.  —  Der  oben  erwähnte, 
bruchstückweise  bereits  gedruckte  Brief  ist  nochmals  auf- 
genommen, thoils  weil  er  uns  jetzt  vollständig  vorlag, 
theils  weil  die  Kopie  im  Geithainer  Archiv  vielfach  un- 
genau ist. 


No.  1.    tteithain  1568  Mai  2. 

Mag.  Amhrosius  Roth  an  Hersog  Johann  Friedrich. 

Adresse : 
Dem  durchlauchtigsten  hochgebornen  Fürsten  unnd  Hern,  Hern  Hans 
Fridrichen   dem   andern,  Hertzogen   zu  Sachsen   etc.    itzo   zu  Pres- 

burgk  in  Huugarn  haftende,  meinem  gnedigen  Hern. 
(Von  andrer  Hand:)  Mir  uberantworthet  worden  zu  Presburck, 

erbrochen  den  30.  May  1568.     Presburgk. 
Gnade  unnd  Friede  samptt  aller  seligen  Wolfartt  unnd  recht 
bestendigen  Tröste,   von  Gott  dem  himlischen  Vatter  durch   seinen 
geliebten  Sohn  unsern  einigen  Gnadenquell  Jesum  Christum.    Amen. 


*)  Hiernach  sind  diese  beiden  Schreiben  abgedruckt  in  den  Mit- 
theilungen des  K.  Sachs.  Vereins  zur  Erforschung  und  Erhaltung 
der  vaterländischen  Alterthümer  H  (1842),  74 ff. 

*)  Bei  der  Entzifferung  derselben,  die  namentlich  bezüglich  der 
Schreiben  des  Herzogs  sehr  schwierig  war,  haben  wir  uns  der  ein- 
gehendsten Unterstützung  des  Herrn  Realschuldirektor  Dr.  Mating- 
Sammler  zu  erfreuen  gehabt.  —  (Eine  nochmalige  Kollation  mit  den 
Originalen,  die  nur  wenige  Stellen  unklar  Hess,  ermöglichte  die 
daukenswerthe  Gefälligkeit  des  herzoglichen  Staatsmiuisteriums.  Die 
vielfach  korrigierten  Konzepte  sind  ebenso  wie  die  Präsentations- 
vermerke auf  den  Schreiben  Roths  durchweg  von  der  zierlichen  Hand 
Johann  Friedrichs.     D.  Red.) 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    V.  1.  2.  10 


146  A.  V.  Welck: 

Weil  ich  gleich  itzo,  durchlauchtigster  hochgeborner  Fürst  unnd 
gnediger  Herr,  durch  Briefszeigern,  unseren  Bürgern  alhier  zu 
Geitthan,  zul'ellige  und  gar  gewisse  Botschaft  zu  E.  F.  G.  haben 
kuntte,  hab  ichs  aus  sorgteltiger  Erw.  nicht  untturlassen  kunnt,  mit 
solchem  kurtzen  Briefleni  E.  F.  G.  unterthenigst  zu  ersuchen  unnd 
Derselben  Ziistandt  an  Gesuntbeit  des  Leibes  unnd  andern  Gelegen- 
heitten,  den  Hern  Commissarium,  der  mir  frembde  unnd  unbekantt, 
unnd  alle  E.  F.  G.  zugcordentte  Dienere,  wie  ich  sie  beisammen  an 
F.  F.  G.  Dinsten  hintter  mir  gelassen  belaiigendtt,  zu  erkundigen. 
Vorsehe  mich  untterthenigst,  E.  F.  G.  werde  nicht  allein  gnedigs 
Gefallen  ob  solches  meines  Schreiben  tragen,  sondern  gnedigst  mit 
der  Kay.  Mjtt.  Vorwissen  unnd  allergnedigstem  Nachlassen  mir  wider 
respoudiren,  unnd  von  allen  denen  unnd  andern  Dingen,  die  ich 
uuhmer  gerne  wissen  möchtte,  Bericht  geben  kunnen,  will  auchhiemit 
zum  uiitterthenigsten  daruinb  gebetten  haben. 

Ich  habe  noch  bis  auf  diese  Stunde  zu  E.  F.  G.  Gemahl  unnd 
derselben  junge  Hern  selbst  nicht  vorraisen  kunnen,  von  wegen  meiner 
Condition,  die  ich  habe  beziehen  unnd  annehmen  müssen,  unnd  der 
Investitur,  dazu  itzo  den  Sontag  Jubilate  künftig  (wil  Gott)  gewartte, 
habe  es  aber  in  zweien  Schreiben  gar  gewis  zugesagtt,  weil  man 
weder  an  der  Kay.  Mjtt.,  noch  an  des  Churf.  von  Sa.  hsen  Hofe  Be- 
denken daran  hatt,  aufs  lörderlicliste  als  ichs  hinfurt  schicken  kan 
zu  vorrichtten,  sage  es  auch  biemit  E.  F.  G.  selbst  zu,  das  ichs  lenger 
nach  gehalttner  Investitur  nicht  wil  autschielien  oder  untterlassen, 
dan  in  allem,  w^as  mir  müglich  und  thuelich,  E.  F.  G.  untteithenigst 
zu  wilfaren,  bin  ich  schuldiger  l'tiicht  nach  geneigt  unnd  bevlissen 

Des  Hern  Avenarii  Bettbuchlem  ')  hab  ich  in  der  grossen  Eile 
besser  unnd  gescbinücktter  gebunden  nicht  haben  kunnen,  bitte  noch, 
E.  F.  G.  wollen  meinen  untterthenigen  gutten  Willen  daran  erkennen 
unnd  solches  Buchlein  vleissig  practiciren,  so  wirdt  sie  h  der  effectus 
zu  recbtter  Zeitt  freudenreicher  ereugen  den  es  E.F.  G.  hie  in  dem  und 
dortt  in  jenem  Leben  Gott  dem  Hern  gnujL'sam  wirdt  vordancken  kunnen. 

An  bequemem  Tröste  wirdt  es  E.  F.  G.  zu  keiner  Zeitt  manjreln, 
weil  ich  weis  E.  F.  G.  stetten  Vleiß  mit  Lesen,  Betten  unnd  anderer 
gottliches  Wortts  Ubunge,  zweivele  auch  nicht,  mein  Successor  werde 
in  seinem  Amptt  E.  F.  G.  besser  unnd  nützlicher  sein,  den  ich  in 
meiner  Einfaldt  unnd  Ungeschicklikeit  immermelir  bette  werden 
kunnen,  hab  darumb,  weil  er  schon  bestellet  unnd  angenohmen  war, 
als  ich  anheim  kam,  desto  lieber  mein  Stirn  dazu  geben  unnd  solche 
Contirmation  nicht  hintterziehen  helffen  wollen. 

Daruinb  untterlasse  ich  billich  itzo  alle  Trostbriefe,  die  mir 
sousten  mit  hinein  zu  heften  hette  gebüren  wollen,  unnd  bevehle 
E.  F.  G.  Gott  dem  Vatter  alles  Trosts  unnd  aller  Barmherzigkeit, 
er  wolle  E.  F.  G.  in  gutter  Leibsgesuntheit  Sterken  (?)  unnd  es  mit 
E.  F.  G.  Custodi  also  schicken,  das  es  zu  seines  Nahmens  Ehre,  gutter 
Befriedung  des  ganzen  Komischen  Reichs,  unnd  E.  F.  G.  unnd  der- 
selben gcliebtten  Ehegemahl  unnd  jungen  Herschaftten  zeittlichen 
unnd  ewigen  Freuden,  wie  ers  vors  Beste  erkennet,  gereiche. 

')  Gemeint  ist  das  Büchlein:  Christliche  Gebet  für  alle  Not  vnd 
stende  der  gantzen  Christenheit  /  ausgeteilet  auff  alle  tag  in  der 
Wochen  zusprechen  /  sampt  gemeinen  Dancksagungen  /  auch  Morgen 
vnnd  Abentsegen.  Gestellet  vnd  aus  heiliger  Göttlicher  Schritft  zu- 
Samen  gezogen  /  Durch  M.  Johann  Avenariura.  Gedruckt  zu  Dreßden 
durch  Matthes  Stöckel.     1568.     8». 


Briefwechsel  zwischen  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  und  Ambr.Roth.    147 

Ich  habe  die  vergangene  Wochen  soviel  mit  E.  F.  G.  abermals 
im  Traum  zu  handeln  gehabtt,  das  ich  nicht  weis,  was  ich  sei  draus 
colligiren,  hotf  aber  des  besten  in  allen  Dingen. 

Neues  weis  ich  nichts ,  one  das  die  Flacianer  untter  E.  F.  G. 
Hern  Brüdern  Hertzog  Wilhelm  *)  freies  receptum  bekhomen  haben, 
da  grünen  sie  unnd  stehen  itzo  wider  in  voller  Blutte.  Man  hat 
aber  ein  CoUoquiura  mit  inen  angesteldt  zu  Zeitz,  das  gehet  itzo 
primo  May  an,  was  darauf  erfolgen  wirdtt,  wirdtt  die  Zeitt  geben, 
Got  helpfe,  das  es  seiner  Kirchen  zum  besten  gereiche.     Amen. 

Dat.  Geitthan,  Sontags  Misericordias  domini,  welcher  ist  der 
2.  May  des  itzt  lauflenden  68ten.  E.  F.  G. 

untterthenigster  unnd  gehorsamer 
Ambrosius  Rote,  pastor  ibid. 

Ists  müglich,  so  bitt  ich  E.  F.  G.  untterthenigst  umb  ein  kleines 
Brieflein  zur  Andtwortt. 

No.  2.    Pressburg:  1568  Mai  30. 

Herzog  Johann  Friedrich  an  Mag.  Ambrosius  Roth. 

Copey  an  Er  Ambrosien  Rot  meinem  gewesenen  zugeordnethen  Meiß- 
nischen  Predicanthen  itzo  Pfarrer  zum  Geythen.     Den  .30.  May  im 

1568.     Bressburck. 
Wirdicher  lieber  andechtiger.     Ich    habe  Euer    an    mich   ge- 
thanes    Schreyben    untherm    datho    Geythen    Sontags    Misericordias 
Domini  den  2.  May  alhir  von  meinem  itzigen  Commissario  Er  Jacob 
Mordacksen  den  30.  desselben  entfangen  und  verlesen. 

Und  sehe  gantzs  gerne,  das  mich  doch  einmal  einer  in  meiner 
Beschwerung  und  Trübsal  aus  den  Landen  besuchen  und  an  mich 
gedenken  thut.  Tue  mich  derhalben  gegen  Euch  bedancken  Euers 
Schreybens  und  Trostes.  So  sollet  Ir  mich  auch  Gott  Lob  und 
Danck  von  guther  Gesundheit  wissen,  nach  Gelegenheyt  der  Sachen 
und  nach  meinen  itzigen  Zusthande;  die  andern,  so  bey  mir,  werden 
Euch  auch  wol  beantworthen  mit  des  Comissarien  Vorwyssen. 

Nachdem  ich  den  verner  aus  Eurem  Schreyben  veruemen 
thue,  das  Ir  noch  nicht  bey  meiner  freundlichen  lyben  Gemahel  ge- 
wesen seydt,  wie  den  sie  mir  dasselb  auch  in  kurtzs  geschrieben, 
so  habe  ich  deren  halben  gleich  ein  Verwundern  gehapt;  weyl  ich 
aber  nunmer  Euer  Ursachen,  das  Ir  ein  ander  Pfar  zu  bezihen  ge- 
hapt, veriiomen,  bin  ich  dester  bass  zufriden,  wil  mich  aber  zu  Euch 
gentzlich  versehen,  Ir  werdet  dem  vorleben  und  itzigen  eurem  Er- 
bithen  nach  setzen,  wil  auch  verhoffen,  Ir  werdet  nunmer  albereyt, 
weyl  der  Termin  Jubilate  furuber,  bey  meiner  freundlichen  lieben 
Gemahel  gewest  sein. 

Das  Ir  mir  des  Avenarii  ßetbüchlein  uberschicket  hapt,  das 
thue  ich  mich  gegen  Euch  auch  bedancken  (wiewol  es  an  dem,  das 
ich  weders  Büchlein  noch  euer  Schreyben  gesehen,  sondern  es  ist 
noch  beim  Yicecantzler);  wen  ichs  aber,  wils  Gott,  dermal  eins  be- 
kum,  wyl  ich  wol  sehen,  was  daran  ist,  und  Euch  alsdan  dancken. 
So  bin  ich,  Gott  lob  und  Danck,  auch  widerumb  mit  einem 
guthen  Predicher  versehen,   des  ich  wol  zufriden   bin,  wiewol  mir 


»)  Herzog  Johann  Wilhelm  zu  Sachsen.    Vgl.  Preger,  Flacius 
Illyricus  II,  302. 

10* 


148  A.  V.  Wekk: 

die  Zeit  etwas  lang  wart  eher  er  ankam,  hab  also  an  Gottlies  Wort 
nnd  Trost  keinen  Mangel  Gott  sey  Lob,  dantk  euch  auch,  das  Ir 
myr  in  habt  helfen  dester  eher  herausser  Tordeni(?). 

Das  auch  die  Flacianer  bey  meinem  Brudere  widerumb  stark 
einnistelu,  das  hab  ich  vor  diss  veniomen,  und  ist  mir  nicht  lib, 
aber  des  tröste  ich  mich,  das  in  Gott  ein  Pftoc:klchi  gesteckt,  darüber 
sie  nicht  durllen,  und  ist  gleichwol  über  das  an  dem,  das  sie  be- 
ginnen unther  einander  seihest  uneiiis  zu  werden,  so  ist  in  seyder 
Eurem  Abreyssen  durch  Gottes  Genad  ein  Specklein  auf  die  Fallen 
gebunden,  daran  sie  erwürgen  darffen,  wie  mich  ir  Thuu  ansihet,  und 
alle  Gelegenheydt  und  Umbstendt,  so  ist  mit  inen  gleich  wie  ein 
Licht,  das  auf  einem  Leuchtlier  verleschen  wyl,  das  noch  einmal 
zuletzst  sich  erholet,  ein  Glantzs  gibt,  also  seyndt  auch  diss  ir 
bescbeiß  in  meinen  Augen  sein(?).  Ich  bor  auch,  sie  sollen  ein 
Schmeheschrift  wider  mich  haben  aussgehen  lassen,  sed  paciencia, 
es  hat  alss  sein  Zeit. 

Mein  beste  Kurtzsweyl,  die  ich  hab,  ist  mit  Babtista  Clauch, 
wil  kein  gut  thun,  weyl  er  wider  ein  Bart  hat*);  sonst  ist  Kurtzs- 
weyl theuer.  Ich  hab  auch  in  der  Bibel  procediret  und  bin  durchs 
alte  Testamei.t  und  durchs  newe  halb,  hotle  halt  hindurch  zu 
kummeu.  Und  hab  auch  solches  auf  Kuer  Schreyben  zur  Antwort 
nicht  verlialtlien  wollen.  Befel  mich  in  Euer  Gebet  und  wil  zu  Gott 
meinem  Beysthandt  hoÖen,  Er  werde  mein  Sache  zu  seinem  Lob 
und  Ehren  und  meiner  und  der  meinen  Selen  Heyl  und  Selichkeyt, 
auch  zuvorderst  zu  seiner  Kirchen  Nntzs  Wolfart  und  Gedeyen  aller 
genedichst  richten,  wie  es  im  gefellig  ist,  und  thue  Euch  hiemit 
Got  befehlen.     Datum. 

Auf  der  Rückseite  des  Konzepts: 
Copey  an  Ambrosien  llotheu  den  30.  May  gestellet  und  den  10.  Junii 

ausgangen. 
Presburck  1568. 

No.  3.    Geithain  1568  Auff.  17. 

Mag.  Ämbrosius  Both  an  Herzog  Johann  Friedrich. 

Adresse  tvie  hei  No.  1 
(Von  andrer  Hand.)  Einkummen  den  9.  Septhembris  zu  Bressburck 

in  Ungern  1568. 

Meine  gantz  willigste,  schuldige,  gehorsame  und  unttv.rthenigste 
Dinste,  sampt  meinen  unnd  meiner  Pusillen  lieben  Vatter  Unser, 
sindt  E.  F.  G.  in  Untterthenigkeit  allezeit  bereit. 
Durchlauchtigster  hochgeborner  Fürst  unnd  gnediger  Her. 
Weill  ich  wider  gewisse  Bottschaft  zu  E.  F.  G.  bei  diesem  Briefs- 
zeigern unserem  bürgern  alhier  zu  Geitthan  habe,  kau  ichs  nicht 
untterlasseu,  mus  E.  F.  G.  wider,  wieviel  ich  auch  sonsten  zu  schaffen 


»)  „Clauch  —  hat"  ist  am  Rande  zugefügt;  daher  ist  fraglich, 
ob  das  Komma  vor  oder  hinter  Clauch  zu  setzen  ist.  —  Den  Namen 
Bapt.  Clauch  haben  wir  sonst  nicht  gefunden.  Nach  Chr.  Ferd. 
Schulze,  Elisabeth  (Gotha  18.32)  87  hut  der  Herzog  einen  Hofnarren 
mit  in  seiner  Custodie  gehabt,  der  aber  Godel  geheissen  hat  (siehe 
auch  Grüner,  Einige  zur  Geschichte  Johann  Friedrichs  des  Mittlern 
gehörige,  mit  Urkunden  belegte  Nachrichten,  505).  Moglicherweise 
war  Clauch  ein  Spitzname  desselben. 


Briefwechsel  zwischen  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  und  Ambr.Eoth.  149 

habe,  mit  einem  unttertheiiigen  Schrieftlein  besuchen,  unnd  berichtte 
hiemit,  das  ich  den  18.  Juiiii  zu  Weinmar  gewesen,  E.  F.  G.  Gemahl 
unnd  jungen  Herren  besucht  unnd  alles  das  treulich  geleistet  habe, 
was  mir  meiner  Zusage  nach,  zu  nottwendigen  Berichtt  von  E.  F.  G. 
Gesundtheitt  unnd  anderer  Gelegenheitt,  Zustande,  sanftter  Ge- 
duldt  unnd  wolangefangener  Busse  etc  "")  hatt  gebüren  wollen, 
daran  den  E.  F.  G.  nicht  allein  gar  gnediges  Gefallen  getragen, 
sondern  mit  Tröste  sich  augenscheinlich  dermassen  wider  erquicktt, 
erfreuett  unnd  erigirt  hatt,  das  ichs  selbst  vor  meine  Person  nicht 
genugsam  kan  dem  lieben  Gotte  vordancken.  Ire  F.  G.  waren  warlich 
sehr  kleinlaut  unnd  hinfellig  worden,  hatte  seider  meiner  Heimkunft 
kar  (sie)  keine  Botschaft  gehabtt,  ob  Ire  F.  G.  gleich  hinein  geschrieben, 
war  doch  keine  Anttwortt,  wie  noch  bis  auf  diese  Stunde  Irer  F.  G. 
wider  zukhomen,  unnd  gingen  die  Reden  so  seltzam,  wunderlich, 
unnd  doch  also  artig  gefiddert,  das  ichs  selbst  des  meistenteils  hette 
glauben  müssen,  wen  ich  nicht  aller  Sachen  Gelegenheitten  also 
wol  gewust,  unnd  selbst  bei  E.  F.  G.  gewesen  were. 

Hertzog  Hans  (  asiniirus  bettet  mir  sein  Gebettlein  vor  E.  F.  G. 
Gesuntheit,  Wolfartt  unnd  Enttledigung,  so  hertzlich  unnd  mit  so 
gutten  Wörttlein,  in  rechtter  gutter  Ordnung  aufs  Kürtztte  gestellet, 
das  mir  die  Augen  drüber  übergingen.  Hertzog  Fridrich  begerett,  ich 
soltteE.  F.  G.  auch  sein  Gebett,  Gehorsam  kegen  der  Fraw  Mutter 
unnd  grossen  Lust  zum  Studiren,  so  er  einen  Paedagogum  bekneme, 
zuschreiben  unnd  vormelden.  Hertzog  Hanss  Ernst  hebett  die  Hend- 
lein auf  zum  Gebett  unnd  ob  er  wol  die  Wortt  nicht  machen  kan, 
ist  doch  kein  Zweivell,  das  Lallen  gefalle  Gott  im  Himmel  wol,  unnd 
die  Erhorung  werde  sich  zu  rechtter  Zeitt  ereugen. 

Wie  es  sonsten  an  Hertzog  Wilhelms  Hoft'  zugehe  in  Politicis, 
weis  ich  keinen  Bericht.  In  Theologicis  schweben  entpor  Kosinus  unnd 
Ireneus,  die  machen  zu  Weinmar  das  unesseste  ,''s«c)  Ding,  davon  nicht 
kan  genug  geschrieben  werden.  Alexius  ist  wider  zu  Aldenburg  in 
sein  Ampt  restituirt  worden ,  macht  auch  sehr  eigenwillisch  Ding, 
ist  möglich,  er  werde  kürtzlich  wider  absatteln  müssen.  "Wolfius  ist 
wider  zu  Kala,  unnd  wie  ich  bericht  worden,  sol  der  von  Holbrun, 
M.  Jonas  Franck,  auch  wider  gehöht  werden.  Sie  haben  neue  Con- 
demnationes  unnd  Confutationes  gestellet,  darauf  Hertzog  Wilhelm 
gedenckt  zu  exequirn,  ist  sehr  sorglich,  dürfte  ime  wol  damit  ein 
gross  Unglück  zuziehen. 

Zum  Colloquio  wollen  sie  nicht,  habens  nun  zu  zweien  mahlen 
abgeschrieben,  erstlich  sich  gefristet  mit  des  Hertzogen  Abwesen, 
es  gebure  inen  nicht,  durftens  auch  nicht  thun,  ehe  der  Her  zu 
Lande  wider  anheim  kheme.  Zum  andern  mahl,  do  schon  der  Hertzog 
wider  vorhanden ,  mangelts  inen  an  Leutten ,  die  sich  kuntten  zu 
CoUocutoren  gebrauchen  lassen,  sie  wollen  Elacium  unnd  Hashusium 
vorschieben,  die  wil  man  dabei  nicht  wissen.  Darauf  ists  von  un- 
serm  gnedigsten  Heren  dem  Churfursten  gar  abgeschaft  worden, 
das  man  auf  unserem  Willen  hinfurtt  nicht  mehr  bedacht  ist,  ferner 
mit  inen  einig  CoUoquium  oder  Disputation  zu  haltten,  sondern  Gotte 
will  man  sie  übergeben  sein  lassen,  der  wirdtt  zu  rechtter  Zeitt 
drein  sehen  unnd  irem  Geiliern  steuern.  Sie  die  Flacianer  samlen 
sich  itzundt  alle  untter  Hertzog  Wilhelms  Fliegel  unnd  pellirn  (?), 
thun  in  Bahn  alle  die,  so  inen  zuwider  sein  unnd  ihrer  Faction  nicht 
subscribiren  wollen. 


'")  Die  gesperrten  Worte  sind  im  Original  unterstrichen. 


150  A.  V.  Welck: 

Die  Uriiversitet  Jena  wirdt  jemmerlicli  wider  dissipirt,  weil 
weder  Professor  noch  Discipiil  unsersteils  alda  kan  geduldet  werden. 
Ach  es  ist  so  ein  Elendt,  das  kein  Wunder  were,  das  im  Lande  ein 
Aufstehen  drüber  würde,  unnd  Gott  weis,  wie  es  noch  geratten  werde. 
Man  ist  allenthalben  spaltig  unnd  uneinig,  viel  redlicher  Leutte 
unnd  frommer  Hertzen  lernen  den  Geist  kennen  unnd  setzen  sich 
dawider  heimlich  unnd  öffentlich.  Wir  im  Churfürstenthumb  niussens 
leiden,  das  sie  itzt  auf  allen  Cantzeln  in  Düringen  uns  nominatim 
daranirn,  unnd  sich  alleine  die  recht  evangelischen  Prediger  unnd 
Hertzog  Wilhelm  den  einigen  recht  evangelischen  Fürsten  rhumen. 
Aber  das  Werck  lobt  selbst  seinen  Meister,  die  Früchtte  zeugen 
vom  Baum  unnd  welche  der  Geist  Gottes  treibtt,  die  sindt  Gottes 
Kinder.     Dabei  las  ichs  wenden. 

Es  hatt  mir  E.  F.  G.  Gemahl  auch  ein  Trostbrief  lein  an  E.  F.  G. 
lauttende,  mit  eigner  Handt  geschrieben,  zugeschickt,  gnedig  be- 
gerende,  ich  wolle  dasselbe  mit  diesem  Botten  zu  E.  F.  G.  vorfertigen, 
glaube  genzlich,  weil  es  ein  Trostbrief  lein  ist,  es  solle  nichts  Fehr- 
liches  oder  Bedenckliches  drhmen  stehen,  habe  es  derowegen  mitte 
zu  meinem  Brief  beigclegtt,  das  es  der  Her  Comraissarius  sehe  unnd 
E.  F.  G.  anttwortte.  Kan  E.  F.  G.  drauf  anttwortten,  das  Briefszeiger 
gewisse  Botschaft  wider  herausliringet,  mag  vorwar  E.  F.  G.  Gemahl 
nichts  gewuuschters  noch  frölichers  in  diesen  Zeitten  vviderfaren. 

Ich  hatte  mir  zur  Neustadt  eine  Arbeit  furgenohmen  in  das 
Psalterium,  vor  E.  F.  G.  sehr  dinstlich,  kan  sie  aber  itziger  Zeit 
nicht  continuirn,  hilft  mir  Gott  wider  zu  Rhue,  das  ichs  alhie  zu 
Schwancke  bringe,  wil  ich  sehen  das  ich  kan  E.  F.  G.  eine  Proba  davon 
zuschicken.  Untterdes  bevehl  ich  E.  F.  G.  weittcr  dem  almechtigen 
ewigen  Gott  in  seinen  vetterlichen  Schutz  an  Leib  unnd  Sehl  unnd 
bitte  hertzlich  umb  die  freudenreiche  Zeit,  darinnen  wir  einander 
hie  zu  Lande  wider  sehen  unnd  Gott  sein  Te  Deum  laudamus  vor 
entpfangene  Wolthatten  singen  sollen.  Mehr  zu  schreiben  hab  ich 
nicht  Zeit,  bitt  untterthenig,  E.  F.  G.  wollen  dis  wunige  unnd  un- 
ordenttliche  in  Gnaden  erkennen  unnd  mein  gnediger  Her  auch  in 
der  Custodi  (so  lang  (iott  will)  sein  unnd  l)leiben. 

Dat  Geitthan  Dinstags  nach  assumtionis  Marie,  welcher  ist  der 
17.  August  des  68ten. 

E.  F.  G. 
unttertheuigster  unnd  gehorsamster 
Ambrosius  Rodt,  pastor 

No.  4.    Pressbiirg  1568  Sept.  15. 

Herzog  Johann  Friedrich  an  Mag.  Anibr.  Roth. 

Copey  an  Ambrosien  Roth  Pfarern  zum  Geythen  den  10.  Septembris 

1568  zu  Pressburck. 
Wyrdicher,  lieber  andechtigcr  und  besonder.  Wir  haben  Euer 
an  uns  gethanes  Schreyben  unther  datho  Geythen  den  17.  Augusti 
alhir  von  unserm  uns  von  der  Key.  Mag.  zugeordnethen  Commissario 
Er  Jacob  Mordaxen  den  9.  Septendiriss  entt'angen  und  verlesen,  auch 
Euer  Meinung  daraus  vernomen.  Und  vermercken  sonderlich  von 
Euch  zu  Genaden,  das  Ir  dermaleins  seydt  Euer  Zusage  nachknm- 
men  und  unser  arme  bethrubte  und  thrauriche  Gemahel  und  Kinder 
besucht  und  gethrohst  habt,  den  18.  Junii,  thun  uns  gegen  Euch 
solches  zum  hochstheu   bedancken,  und  machen  uns  aller  Zweyfel 


Briefwechsel  zwischen  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  und  Ambr.Roth.    151 

keinen,  Ir  wei'det  unser  freundliches  liebes  Gemahel  und  Kindern  in 
guther  Gesundheyt  (ob  sie  gleich  bekümmert)  gefunden  haben,  auch 
wie  wir  aus  Euerm  Schreyben  vermercken  thuen,  das  Ir  innen  unsern 
Zusthandt  berichthet  habet.  Weyl  wir  den  daraus,  wie  Ir  unsern 
armen  verlassenen  Haufen  und  Economiam  funden  hapt,  verstehen, 
so  vernemen  wir,  Gottlob,  daraus  doch  so  vil,  das  darinnen  in  dem 
grossen  Thoben  und  Wüthen  des  Sathans  und  der  bösen  Welt  unser 
lieber  Her  Gott  Euch  sein  schwaches  Christliches  Kirchlein  bey  den 
armen  verlassenen  geringen  und  einsamen,  so  von  dem  grosen  bralen, 
Wuthen  und  Toben  des  Sathans  Kirche  unther  den  Flacianern,  so 
nur  sich  zum  höchsten  bemuhen,  des  Hern  Weinberck  zu  verwusthen, 
untherdrückt,  noch  aufrecht  Euch  gezeiget  hat.  Dafür  wir  Gott 
billich  dancken  und  wissen  aus  seinem  Wort  gewiss.  Er  werde  seiner 
Christen  Gebet  nicht  unerhört  lassen,  welches  Gebet  dan  durch  die 
Wolcken  dringen  und  lest  nicht  nach,  bis  es  für  Gottes  Angesicht 
kumpt.  Ecclesiast.  35  ")•  Und  seindt  der  ungezweyfethen  Hoffnung, 
unser  Her  und  Gott  werde  sich  dermaleins  auch  wider  herumb 
wenden  und  uns  sein  gnedich  Angesicht  wider  sehen  lassen,  ut  in 
Trenis  Jeremiae  3.  Eins  aber  wissen  wir,  was  wir  Gottlob  nun  fast 
gewout  und  erlithen  haben,  das  solches  andern  noch  für  sich  haben 
ir  Kneuelein  abzuwinden. 

Wir  thun  uns  auch  gegen  Euch  bedancken,  das  Ir  uns  unser 
freundlichen  lieben  Gemahel  Schreyben  habt  zugeschickt,  und  nachdem 
nichts  darinnen  so  wenich  als  in  dem  Euern,  so  unsers  Erachthens 
verdechtich,  so  wollen  wir  uns  nicht  versehen,  das  es  einichen  Mangel 
deshalben  haben  werde,  wie  wir  Euch  den  das  Schreyben  und  Ant- 
wort an  unser  freundliche  hertzliebe  Gemabel  auch  thue  wider  zu- 
schicken mit  gnedichem  Gesinnen,  solches  Ir  L.  zuzuschicken,  und 
wollen  Euch  ermanet  haben  und  gebethen,  Ir  wollet  unser  fr.  libe 
Gemahel  mit  Schriffthen  thrösten,  sie  auch  wider  die  Flacianer  helfen 
mit  Gottes  Wort  sterken. 

Dass  Euch  auch  unser  Sohne  gefallen  in  Bethen  und  iren  Cate- 
chismo,  gefellet  uns  nicht  übel,  hoffen  sollen  bass  fortfaren.  Aber 
einen  Praeceptorem  inen  zuzuordnen  itziger  Zeit  ist  bedencklichen, 
und  so  es  geschehen  sei,  so  muss  ein  ander  Gelegenheyt  haben,  den 
die  Flacianer  nichts  leeren,  sondern  alle  Uneinickeit  stifthen  und  an- 
richthen,  seindt  rechte  Barbari  nach  irem  meister  Matths  Unflat.  Wie 
den  ir  unruich  Werck  noch  klar  am  Tage  und  wol  zu  sehen  ist. 
Darumb  wie  gehört  (?)  noch  zur  Zeit  nicht  ratsam  sein  wyl,  so  seindt 
sie  noch  junck,  kunnen  in  ein  jar  nichts  verseumen.  Aber  do  Ir 
irgendt  Botschaft  zu  innen  habt,  so  entpythet  unser  f.  üben  Gemahel, 
sie  sol  sich  nicht  zu  hart  kummern,  sondern  weil  sie  und  die  Kinder 
auch  wir  seibist  an  unsern  Herren  Gott  einen  vil  bessern  Vather 
haben,  denn  sie  an  mir  gehapt  haben,  so  sollen  sie  Im  verthrauen, 
den  Er  ist  almechtig,  hat  alles  in  seinen  Henden  und  kan  vom 
Toth  erethen  als  die  im  feurichen  Offen.  Dan.  2.  Wollet  auch  ver- 
melden mein  Kleynen,  sie  sollen  fleyssig  bethen  und  iren  Catechismum 
wol  lernen,  auch  irer  Fraw  Muther  gehorsam  sein,  so  wird  sie  unser 
Her  Gott  desther  eher  erhören,  alsdan  kan  ich  inen  was  Schönes 
mitbringen.  Und  hab  keinen  Zweyfel,  weyl  meine  und  ander  Kinder 
bethen,  unser  Her  Gott  werde  desther  eher  den  Flacianern  mit  irem 
Anhang  steiern  und  weren,  wie  sie  den  durch  ir  Gebet  dem  Teuffei 
sein  Furnemen  in  den  Flacianer  gewiss   brechen  und  aufhalthen, 

")  Sirach  Cap.  35  v.  21. 


152  A-  V.  Welck: 

den  Gottes  Wort  nicht  ligen  kan,  so  hat  man  aiuh  ein  schön  Exempel 
in  ander  Buch  der  Xronica  von  dem  Gebet  der  Kinder  zur  ztythen 
des  Köniches  Josaphat  cai)ite  20. 

Der  Flacianer  Znsthande  hören  wir  der  massen  nicht  grerne  und 
sonderlich,  das  sie,  wie  Ir  uns  anzeiget,  die  Kirchen  und  Schullen 
also  zuruthen  thun  nun  zum  andern  Mal.  Wolan  unser  Herr  Gott 
wyrdt  in  die  Lenge  nicht  zusehen  und  ist  ir  Ruth  zu  der  Straf  schon 
gebunden,  nur  das  unser  Herr  Gott  als  ein  gnedicher  Gott  noch  auf- 
helt  und  sihet,  ob  sie  sich  bekeren  wollen.  Es  ist  schadt,  das  das 
wolgefest  und  ordeniliih  Wesen  in  Religion-  und  Profansachen  so 
dissipiret  und  verwnsthet  wirdet  unserm  Hern  Gott  und  seiner  Kirchen 
zu  Unehren  und  Nachtheyl,  auch  Landen  und  Lcuthen  zu  grossem 
Vertherben,  sed  Dens  est  longanimis  et  potest  multa  pati,  suo  tarnen 
tempore  evigilat  ut  ebrius  a  vino  (psalmo  78),  den  gehet  es  übel  zu, 
wir  besorgen,  es  werde  den  Gottlosen  und  Flacianern  alzu  frühe 
kunimen,  ir  Stur.dt  ist  in  Warheyt  nicht  weyt,  denkt  an  uns. 

Eures  Lrbythens  der  Arbeyt  halben  in  Psalther  thun  wir  uns 
auch  I)edancken"  und  rerhofien  das  Werck,  ob  Gott  wyl,  zu  sehen. 
Euer  erstes  Schreyben  und  Büchlein  haben  wir  noch  nicht  gesehen. 
Mit  unser  Arbeyt  sindt  wir  nun  lenger  denn  ein  Monat  fertig  gewesen. 

Welches  wir  Euch  zur  Antwort  auf  Euer  Schreyben  nicht 
haben  verhalthen  wollen,  und  nachdem  al  unser  Yerthrauen  zu  un- 
serm Gott  und  Vather  wir  haben,  so  haben  wir  keinen  Zweyfel,  Er 
wirds  wol  machen.  Und  weyl  ir  sehet,  dass  die  Flacianer  gewaldich 
sich  wider  Gott  und  sein  Wort  auflenen  mit  Lugen  und  ander  Stück- 
lein, so  einen  zu  Händen  kummen,  auch  unser  armen  Gemahel  hart 
sonder  Zweyfel  zusetzen,  so  wollen  wir  Euch  gebeten  haben,  ir 
wollet  sie  aus  Gottes  Wort  throsthen ,  auch  sie  wider  die  Flacianer 
Sterken.  Das  wollen  wir  widerumb  Euch  beschulden  und  habe  ichs 
Euch  nicht  verhaltheu  wollen.  Thue  Euch  hirmit  Gott  befeien  und 
wollet  unser  in  Eurem  Gebet  auch  nicht  vergessen. 

Actum  ut  supra. 

Aiif  der  Bückseite  des  Konzepts: 
(opey  an  mein  freundtliche  Übe  Gemahel  und  den  Pfarer  zu  Geythen 
den  15.  Septembris  15G8  .jar  zu  Bressburck  in  Ungern. 

No.  5.    GeithaiM  15G8  Dcc.  12. 

Mag.  Anihrosius  Bothe  an  Hersog  Johann  Friedrich. 

Adresse  wie  hei  No.  1. 
Ankummen  den  ll.(?)  Januarii  15(59. 

Ein  glückseliges,  freudenreiches,  friedtliches  unnd  gesegnettes 
Neue  Jar  gebe  uns  allen  Gott  der  himlische  Vatter  umb  seines  lieben 
Sohns  Jhesu  Christi  unsers  lieben  Immanuelgens  willen.     Amen. 

Durchlauchtigster  hochgeborner  Fürst  und  gnediger  Herr.  Auf 
E.  F.  G.  nechstes  gnediges  Bevehelen  unnd  Begeren  hab  ich  treulich 
unnd  untterthenigst  nicht  aliein  E.  F.  G.  Schreiben  nach  Weinmar 
zu  meiner  gnedigen  Frauen  E.  F.  G.  geliebtesten  Gemahl  vorfertigt, 
sondern  auch  mit  Trösten  unnd  Ermahnen  alles  zum  vleissigsten 
nach  höchsten  Vormugen  vorrichtet:  befinde  auch  aus  Irer  F.  G. 
Schreiben,  das  Ire  F.  G.  nur  wol  drauf  sich  zufrieden  hab  geben 
kunnen,  lernet  den  Geist,  von  welchem  die  Flacianer  getrieben 
werden,  kennen,  unnd  sich  gar  vorsichtig,  wanne  itzo  zu  trauen  sein 
muge,  umbsehen. 


Briefwechsel  zwischen  Joh.  Friedr.  d.  Mittl.  und  Ambr.  Roth.    153 

Dienet  Gott  neben  den  jungen  Hern  unnd  zugeordnetten  Hof- 
gesinde im  Gebett  vleissig  und  unablessig,  unnd  warttet  in  grosser 
Geduldt  zu  rechtter  Zeitt  gewünschter  Freude  unnd  göttlichen  Hülti'e, 
davor  ich  den  selbst  Gott  dem  himlischen  Vatter  zum  höchsten 
dantke,  unnd  bitte,  das  er  Ire  F.  G.,  also  wie  er  angefangen  hatt, 
ferner  stercken  unnd  bestendig  bis  ans  Ende  erhaltten  wolle. 

Es  hatt  mir  auch  Ir  F.  G.  widerumb  ein  Schreiben  vortrauet 
unnd  zugeschickt  an  E.  F.  G.  lauttendtt,  welches  E.  F.  G.  vom  Hern 
Commissario  neben  diesen  meinen  treulicli  wirdt  zugestellet  werden, 
daraus  werden  E.  F.  G.  sonder  Zweivell  aufs  allergewisseste  be- 
richttet  werden,  von  alle  deme  was  Sie  von  Irer  Gemahl  unnd  jungen 
Herschaft  Gesundtheit  unnd  anderen  Zustande  zu  wissen  wünschen 
unnd  begereu. 

Neues  weis  ich  nichtts,  den  das  itzo  mit  den  Flacianern  (hette 
schir  gesagt  Fallacianern)  zu  Aldenbnrg  CoUoqnium  schrieftlich  aiso 
vortrauet,  "vorschwiegen  unnd  in  stiller  voreidetter  Geheime  gehaltten 
wirdt,  das  man  von  keinen  Teill  nichtts  erfharen  khan,  was  gehandeldt 
worden  sey  oder  noch  gehandeldt  werde.  Wir  hoffen  alle  des  besten 
unnd  bitten,  das  es  zu  guttem  Ende  lauffen  müge. 

Ich  war  zwar  zu  unsers  gnedigsten  Hern  des  Churfuisten  von 
Sachsen  etc.  Hofferedtten  unnd  Predigern  bescheiden,  das  ich  zu  Al- 
denburgk  den  xxiiii.  Octobris  bei  inen  sein  soltte,  aber  gleich  an  sol- 
chem Tage  schicktte  mir  Gott  der  Her  seinen  Angelum  percutientem, 
der  fast  den  gantzen  Sommer  untter  uns  alhier  in  der  Gemeine  ge- 
wandeldt  hatte,  auch  ins  Pfarhaus,  das  ich  balde  drei  Pacienten 
unnd  folgentt  in  dreien  Tagen  nach  einander  jhe  einen  Tag  eine 
Leiche  hatte,  unnd  liss  sich  das  "Wetter  so  trübe  an,  das  iderman 
dachte,  es  würde  nun  alles  bundt  übergehen,  aber  Gott  der  treue 
Vatter  erhörette  mein  unnd  meiner  Kirchkinder  unnd  vieler  frommer 
guthertzigen  bekantten  unnd  benachbartten  Freunde  Gebett  unnd 
mittleidiges  Seufftzen  unnd  Flehen,  unnd  bevhal  dem  Yerderber  als- 
balde  wider  das  Schwerdtt  einzustecken ,  das  es  bei  solchen  dreien 
Leichen  meiner  Schwester  unnd  zweier  Töchtterlehi  bliebe,  unnd  gab 
mir  hernach  den  14.  Novemb.  wider  einen  jungen  Sohn  dakegen. 
Das  ist  der  Beuttepfenning,  den  ich  mitte  aus  dem  Hungerlande 
heimbracht  habe,  Gott  der  Almechtige  stercke  ferner  Mutter  unnd 
Kindt  unnd  uns  alle  mitteiuander  unnd  erfreue  uns  wider,  nachdem 
wir  so  lang  Unglück  leiden.  Die  Freudentage,  die  ich  daheim  ge- 
habtt  habe  dis  Jar  über,  seider  ich  wider  heimkhomeu  bin,  sindt 
zimlich,  Nomen  Domini  sit  benedictum.  Es  wil  unnd  kau  doch  nicht 
anders  sein.  Wir  Christen  müssen  Creutzhern  sein  unnd  in  man- 
cherley  Leiden  dem  Hern  Christo  gleichförmig  werden. 
Creutz,  Trübsal,  Elendt,  ..\ngst  unnd  Nott 
Ist  stetts  der  Christen  Himmelbrodtt. 

Doch  haben  wir  den  Trost  gewis.  Leiden  wir  mitte,  so  soln 
wir  auch  mitte  zur  Herligkeitt  erhoben  werden,  welche  so  gros  unnd 
unausprechlich  ist,  das  ir  der  gantzen  Weldt  Leiden  auf  einen  Klum- 
pen zusamen  geschmeltzet  nicht  ist  zu  vergleichen  Rom.  8. 

Ich  predige  itztt  den  Syrach  unnd  mus  in  immer  mitte  prac- 
ticiren.  Gleich  in  meiner  Creutzwochen  hatte  ich  den  Textt  vor  mir 
cap.  4:  Die  Weisheitt  erhöhet  ihre  Kinder  etc.  unnd  wer  sich  zu  ir 
heldtt,  der  wirdtt  sicher  wohnen  etc.  Unnd  ob  sie  zum  ersten  sich 
anders  kegen  im  stellet  unnd  macht  ime  angst  unnd  bange  unnd 
prüfett  in  mit  iren  Rutten,  unnd  vorsuchtt  in  mitt  irer  Züchtigung, 
bis  sie  befindet,  das  er  one  Falsch  sey:  so  wirdt  sie  dan  wider  zu 


154  A.  V.  Welck: 

ime  khomen  auf  dem  rechten  Wege,  und  in  erfrewen  unnd  wirdt 
im  offenbaren  alle  ire  Geheiinnus  etc. 

Der  Textt  tröstette  mich  wider  unnd  erinnevtte  mich  unsers 
Hern  Gottes  Weise,  das  ers  keinen  seiner  Kinder  schenckett,  er  setztt 
sie  alle  auf  die  Prob  ins  Feuer  der  Trubsall  Syr.  2  cap.  Wen  er 
wil  zu  Ehren  bringen,  den  machtt  er  vor  zu  Schanden,  wen  er  wil 
in  Himinell  heben,  den  stöst  er  zuvor  in  die  Helle,  stecktt  in  eine 
Zeittlang  dem  grossen  Walfisch  unnd  Leviathan  in  Rachen,  das  er 
in  wol  in  der  TiefTe  des  Mehrs,  in  allem  Schlam  unnd  Kotte  umb- 
herlurett,  aber  wen  er  meinet,  er  habe  uns  schon  gar  verdauett  und 
aufgerieben,  nins  er  uns  lebendig  und  in  grossen  Ehren  aufs  truckne 
Landt  widergeben,  wie  mit  Jona  ist  geschehen.  Er  stellet  sich  wol 
mürrisch  kegen  uns,  vorbirgtt  sich  eine  Zeittlang  hintter  das  Ge- 
gitter,  unnd  macht  uns  so  angst  und  bang,  heldt  uns  auch  so  hartt 
untter  seiner  Kutten  uniul  Züchtigung,  das  einer  meinet,  er  sey  gar 
feyndt  unnd  uns  zuwider.  Aber  wen  man  ime  ausheMt  in  der  prob, 
lest  er  sich  in  eittel  Freudenglantz  wider  sehen  und  entptinden. 

Ich  hatte  mirs  gar  gewis  vorgesatzet,  E.  F,  G.  itzo  zum  we- 
nigsten eine  Decadem  psalmorum  zur  Prob  hinein  zu  schicken,  ist 
aber  mit  diesen  meinen  Hauscreutz  unnd  Betrübniss  vorhindertt 
worden.  Fristet  mir  Gott  mein  Leben  unnd  gibtt  wider  Luft,  wie 
er  angefangen  hatt  und  wie  Ime  genzlich  zucetrauen,  so  sols  mit 
nechster  Botschaft  geschehen.  Untter  des  wolle  mich  E.  F.  G.  gne- 
digst  entschuldigt  hallten,  unnd  sich  der  andren  paraphrasium ,  die 
Sie  zur  Hundt  hat,  gebraueben. 

Das  Bettbüchlein  Avenarii  wirdt  villeicht  noch  zu  Hoffe  auf- 
gehaltten  unnd  zu  seiner  Zeitt  E.  F.  G.  zugefertigt  werden.  Es  hat 
aber  des  Hern  Commissarien  eheliche  Hauswirttin  auch  ein  Exemplar 
bekhomcn,  wil  E.  F.  G.  die  Mühe  drauf  wenden  und  es  durchlesen 
unnd  probiren,  kan  sie  es  des  ürtts  alle  Stunden  bekhomen  Ge- 
fellts  alsdan  E.  F.  G.,  so  will  ich  zum  nechsten  (wil  Gott)  wider  ein 
ander  E.Kemplar  hinein  schicken. 

Soviel  hatt  mir  itzo  in  schuldiger  Untterthenigkeitt  E.  F.  G. 
zu  schreiben  unnd  zu  berichtten  gebüren  wollen,  bitt  E.  F.  G.  wollen 
ir  solche  meine  arme  Dinste  gnedigst  gefallen  lassen,  in  wolange- 
fangener  Buss  fortschreitten,  im  Gebett  nicht  müde,  noch  in  der 
Geduldt  auflessig  werden,  so  wirdtt  Gott  (one  allen  Zweivell)  zu 
rechtter  Zeitt  uns  das  „Revertere,  revertere,  Sunamitis,  revertere, 
revertere  ut  intueamur  te"  '*)  in  gewünschten  Freuden  unnd  an 
gewünschten  Ortten  singen  lassen: 

Wen  wir  heim  fahren  aus  dem  Elende  etc. 
Gott  dem  Vatter  alles  Trosts  unnd  aller  Geduldtt  thue  ich  untter- 
thenigst  E.  F.  G.  sampt  allen  Diener  bevehleu  unnd  ergeben. 

Datum  Geitthann  Sontags  nach  Nicolai,  welcher  ist  der  12.  De- 
cember  anno  etc.  (iSten. 

E.  F.  G. 
untterthenigster  unnd  gehorsamster 

Ambrosius  Rodt 
pfarher  daselbst.- 

'»)  Hohelied  Cap.  6.  v.  12. 


Literatur. 


Deutsche  Reichsgeschiclite  im  Zeitalter  Friedrich  III.  und  Max  I. 

Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  österreichischen  Staaten- 
geschichte. Von  Dr.  Adolph  Bachinann,  Prof.  der  österreichischen 
Geschichte  an  der  Universität  zu  Prag.  Erster  Band.  Leipzig, 
Veit  &  Comp.  1884.    XIV,  636  SS.    8«. 

Das  vorliegende  Wei'k  gehört  eigentlich  nicht  zu  denen ,  die 
an  dieser  Stelle  zu  besprechen  sind;  der  Stoff,  den  es  behandelt, 
ist  kein  speziell  sächsischer,  sondern  ein  allgemeiner.  Aber  das 
letzte  Jahrhundert  des  Mittelalters  ist  für  die  Geschichte  Sachsens 
von  so  hoher  Bedeutung,  und  es  ist  bisher  so  \\'enig  geschehen,  um 
diese  Bedeutung  in  das  richtige  Licht  zu  setzen,  dass  uns  wenigstens 
ein  kurzer  Hinweis  auf  Bachmanns  Werk  geboten  erschien,  um  so 
mehr,  als  zu  seinen  reichsten  Quellen  das  gemeinschaftliche  Ernesti- 
nische  Archiv  zu  Weimar  und  das  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden 
gehören,  die  der  Verfasser  schon  für  frühere  Publikationen  (vergl. 
unsere  Besprechungen  in  dieser  Zeitschrift  I,  20."}  und  IV,  354)  fleissig 
benutzt  hat. 

Im  Vordergrunde  des  Bildes,  das  Bachmann  in  seinem  ersten 
Bande  von  den  recht  verwickelten  Beziehungen  und  Verhältnissen 
der  Glieder  des  deutschen  Reiches  unter  einander  und  zu  den  Ober- 
häuptern des  Reiches  und  der  Kirche  während  der  Jahre  1461 — 1468 
mit  einer  von  vollkommener  Beherrschung  des  Stoffes  zeugenden 
Schärfe  entrollt,  stehen  ausser  dem  Kaiser  Friedrich  III.  und  dem 
Papst  Pius  II.  vor  allen  der  Böhmenkönig  Georg  Podiebrad,  Mark- 
graf Albrecht  (Achilles)  von  Brandenburg  und  Herzog  Ludwig  von 
Bayern-Landshut;  dieWettiner  spielen  neben  ihnen  unreine  neben- 
sächliche Rolle.  Es  ist  dies  auch  leicht  begreiflich.  Der  Bruder- 
krieg zwischen  Kurfürst  Friedrich  II.  und  dem  begabteren  und  that- 
kräftigeren  Herzog  Wilhelm  und  seine  Folgen,  zu  denen  nament- 
lich langjährige  Irrungen  mit  Böhmen  gehörten,  hatten  eine  tief- 
gehende Erschöpfung  und  ein  lebhaftes  Bedürfnis  nach  Frieden 
hinterlassen.  Durch  die  Egerer  Verträge  von  1459  und  durch 
Familienverbindungen  war  mit  dem  Böhmenkönige  ein  Bündnis  ge- 
schlossen worden,  das  sich  von  festerer  Dauer  erwies  als  die  meisten 
Verbindungen  jener  Zeit,  in  der  mit  Verträgen  nur  zu  oft  ein  leicht- 
fertiges Spiel  getrieben  wurde.  Auch  mit  dem  Kaiser  und  den 
Hänsern  Witteisbach  und  Hohenzollern  bestanden  Verträge  und 
Verschwägerungen;  namentlich  zu  dem  letzeren,  dessen  politische 
Seele  Markgraf  Albrecht  Achilles  war,  waren  die  Beziehungen  sehr 


156  Literatur. 

inniorer  Xatur.  "Wenn  trotzdem  flie  Wettiner  in  dem  Kampfe  zwi- 
schen dem  Markgrafen  und  dem  Herzog  Ludwig  von  IJaycrn,  der  in 
den  ersten  Jahren  des  behandelten  Zeitraumes  vor  allem  das  In- 
teresse fesselt,  sich  durchaus  zurücklialtend  benahmen  und  ihre 
Thätigkeit  fast  durchweg  einen  vermittelnden  Charakter  trug,  so  ist 
eben  besonders  jenes  tief  empfundene  Friedensbedürfnis  der  Grund 
davon.  .A.u(h  in  den  Differenzen  zwischen  Georg  von  l^öhmen  und 
Brandenburg  wegen  der  N'iederlausitz  und  später,  als  der  lange  vor- 
bereitete Kampf  der  Kurie  mit  dem  Bühme;d<öniire  zum  Ausbruch  kam, 
sind  sie  es,  die  mit  mehr  oder  weniger  Erfolg  immer  von  neuem  sich 
bemühen,  auszugleichen  und  zu  vermitteln.  Entsprach  diese  Politik 
vielleiclit  vorzugsweise  der  Eigenart  des  Kurfürsten  Friedrich,  so 
hat  doch  auch  sein  heissbUitigerer  Bruder  sich  ihr  völlig  ange- 
schlossen und  nach  Frieilriclis  Tode  (7.  September  146.3)  vererbte 
sie  sich  auf  seine  Söhne  Ernst  und  Albrecht.  Über  die  Politik 
dieser  letzteren  dem  ßöhmenkönige  gegenüber  hat  Ref.  im  1.  und 
2.  Bande  dieses  Archivs  bereits  eingeliende  Untersuchungen  ver- 
öffentlicht; ihre  Resultate  stimmen,  soweit  sie  für  diesen  Band  in 
Betracht  kommen,  vollkommen  mit  denen  Bachraanns  überein. 

Wenn  somit  in  der  politischen  licschichte  Sachsens  die  be- 
handelten Jahre  nicht  eben  ein  spannendes  Interesse  für  sich  be- 
anspruchen können,  so  ist  ihre  Behandlung  doch  auch  vom  Stand- 
punkte des  sächsischen  Spezialhistorikers  aus  sehr  dankenswerth. 
Im  einzelnen  wird  sich  wahrscheinlich  hier  und  da  noch  ein  Zug 
dem  Bilde  hinzufügen  lassen;  im  grossen  und  ganzen  wird  dasselbe 
sich  dadurch  schwerlich  ändern. 

Vom  allgemeinen  Standpunkte  ans  wird  man  Bachmanns  Arbeit 
zweifellos  als  eine  der  vortrefflichsten  Monographien  zur  Geschichte 
des  späteren  Mittelalters  bezeichnen  müssen.  Sie  beruht  auf  einem 
überaus  ausgedehnten  archivalischen  Material,  das  mit  grosser  Ge- 
wissenhaftigkeit und  Sorgfalt  durchgearbeitet  ist.  Wenn  man  hier 
und  da  den  Wunsch  nach  etwas  grösserer  Übersichtlichkeit  der 
(Gruppierung  empfindet,  so  darf  man  nicht  übersehen,  wie  ausser- 
ordentlich schwierig  gerade  in  dieser  Beziehung  die  Aufgabe  war: 
die  verworrenen  Verhältnisse  des  Reiches,  das  Überwiegen  partikularer 
Interessen,  das  fast  vollständige  Fehlen  einer  Zentralgewalt  machen 
es  nahezu  unmöglich,  eine  „Reichsgeschichte"  jener  Periode  zu 
schreiben.  Mit  Spannung  sehen  wir  der  Fortsetzung  des  verdienst- 
lichen Werkes  entgegen;  für  die  Geschichte  Sachsens  wird  nament- 
lich der  nächste  Band  voraussichtlich  viel  Neues  bieten. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

I.  Zur  Geschichte  rtes  Türkenkrieges  im  Jalire  168S.  Die  Be- 
theiligung der  kursächsischen  Truppen  an  demselben.  Von 
Dr.  P.  Hassel,  K.  S.  Geheimer  Regierunusrath  und  Direktor 
des  llaupt-Staats-Archivs,  und  Graf  Vitzthum  von  Eckstädt, 
Major  im  K.  S.  Generalstab.  Mit  zwei  Plänen.  Dresden, 
W.  Baensch.  1883.  VI,  184  SS.  8». 
II.  Der  Entsatz  von  Wien  am  12.  September  168.3,  Aus  einer 
kriegshistorischen  Studie.  Berlin,  W.  Baensch.  1883.  XIV, 
120  SS.  8». 
IIL  Der  Kampf  um  Wien  16H3.  Sein  Verlauf  und  seine  Bedeu- 
tung für  die  Geschiclite  des  Festuncrskriegs.  Von  (i.  Schröder, 
Generalmajor  z.  D.,  vormals  im  Ingenieur-Korps.  Mit  einer 
Tafel.     Berlin,  Mittler  &  Sohn.     1883.   78  SS.     8». 


Literatur.  157 

IV.  Das  Kriegsjahr  1683.  Nach  Akten  und  anderen  authenti- 
schen (Quellen  dargestellt  in  der  AbtheilungfiirKriegsoeschichte 
des  k.  k.  Kriegsarchivs.  Mit  6  Tafeln.  Wien,  Verlag  des 
k.  k.  Generalstabes.  1883.  XI,  34u  «S.  8». 
V.  Wien  im  Jahre  1683.  Geschichte  der  zweiten  Belagerung 
der  Stadt  durch  die  Türken  im  Rahmen  der  Zeitereiguisse. 
Aus  Anlass  der  zweiten  Säcularfeier  verlasst  im  Auftrage 
des  Gemoinderathes  der  k.  k.  Reichshaupt-  und  Residenzstadt 
Wien.  Von  Victor  von  Reiinei'.  Mit  zahlreichen  Abbildungen. 
Wien,  R.  von  Waldheim. 1S83.     XVII,  488  «S.     i». 

Wenige  Tage,  bevor  unter  dem  Jubel  Tausender  auf  dem 
Niederwalde  das  stolze  Siegesdenkraal  am  Rbein  enthüllt  ward, 
beging  die  alte  Kaiserstadt  an  der  Donau  die  zweite  feäkularfeier 
ihrer  Befreiung  aus  der  im  unvergesslichen  Jahre  1683  sie  schwer  be- 
drohenden Türkengefahr. 

Wohl  in  Hinblick  auf  die  unverkennbaren  Beziehungen,  in 
welchen  beide  Feste  zu  einander  stehen,  von  denen  eins  wie  das 
andere  der  Erinnerung  an  die  siegreiche  Bekämpfung  und  Nieder- 
werfung deutscher  Erbfeinde  gewidmet  ist,  bezeichnet  die  kriegs- 
geschichtliche Abtheilung  des  österreichischen  Kriegsarchivs  gleich 
in  der  Einleitung  ihrer  Jubelschrift  Wien  als  die  „Wacht  an  der 
Donau"  und  nimmt  damit  lür  diese  Stadt  einen  Ehrentitel  in  An- 
spruch, der  in  allen  deutschen  Herzen  einen  freudigen  Anklang 
findet.  Denn  die  rege  Tiieilnahme  aller  deutschen  Lande  für  die 
Wiener  Feier  bekunden  schon  die  durch  dieselben  veranlassten 
zahlreichen  Erscheinungen  auf  dem  Felde  der  Litteratur,  von  denen 
wir  im  nachstehenden  nur  die  bedeutenderen  oder  unser  engeres 
sächsisches  Vaterland  zunächst  interessierenden  einer  kurzen  Be- 
sprechung zu  unterziehen  versuchen. 

I.  ist  aus  dem  erfreulichen  Zusammenwirken  zweier  berufener 
Kräfte  entstanden ,  indem  der  gelehrte  Direktor  des  Hauptstaats- 
archivs zu  Dresden  die  politischen  Verwickelungen,  welche  dem 
Kriege  von  1683  vorangingen  und  denselben  veranlassten,  der  andere 
Verfasser  aber,  ein  bisher  litterarisch  zwar  noch  nicht  bekannter, 
aber  der  Aufgabe  vollkommen  gewachsener  Generalstabsoffizier  aus 
einem  seit  Jahrhunderten  mit  den  Geschicken  Sachsens  eng  ver- 
knüpften Geschlecht,   die   kriegerischen  Ereignisse   selbst  schildert. 

Weniger  allgemein  bekannt,  als  die  auf  religiösem  Fanatismus 
begründete  unersättliche  Eroberungspolitik  des  osmanischen  Reiches 
und  als  die  gewissenlosen  Ränke  und  Intriguen ,  vermittels  deren 
Ludwig  XIV.  seine  Macht  zu  vergrössern  und  seine  hochfliegenden 
Pläne  zu  verwirklichen  strebte ,  ziehen  besonders  die  S.  9  fi'.  treff- 
lich dargestellten  ungarisch-siebenbürgischen  Zustände  unsere  Auf- 
merksamkeit auf  sich.  Die  Ungarn  befanden  sich  damals  noch  tief 
in  dem  vielleicht  heute  noch  nicht  ganz  beendeten  Durchgangs- 
prozess  vom  nomadischen  Reitervolke,  als  welches  sie  seiner  Zeit  der 
Schrecken  Europas  nicht  minder  gewesen  waren,  als  später  die  Os- 
manen,  zum  sesshaften  Kulturvolke.  Noch  mehr  als  in  der  Gegen- 
wart hassten  die  Magyaren,  den  Deutschen;  ihre  Versuche,  das 
lockere  Band,  das  sie  an  Österreich  knüpfte,  zu  zerreissen,  er- 
innern an  den  noch  im  Gedächtnisse  unserer  Zeitgenossen  lebenden 
von  1848  und  1849.  Kein  Wunder,  dass  diesem  unruhigen,  gewalt- 
thätigen  Volke   die  Türken  trotz  des  schonungslosen  Druckes,  den 


158  Literatur. 

sie  über  dasselbe  verbangten,  sympathischer  erschienen,  als  die  deut- 
schen und  slaviscben  Völker  des  Kaiserrei.  hs.  Selbst  die  mit  diesen 
und  der  ganzen  Kultur  des  Westens  gemeinsame  christliche  Re- 
ligion hatte  ihre  vcrbiudeiule  Kraft  durch  die  infolge  der  Refor- 
mation eingetretene  kirchliche  Spaltung  wesentlich  verloren,  be- 
sonders da  der  gänzlich  unter  dem  Einflüsse  der  Jesuiten  stehende 
Kaiser  Leopold  gegen  die  von  dem  katholischen  Glauben  abge- 
fallenen Ungarn  mit  ebensoviel  Harte,  als  Ungeschick  verfuhr.  Es 
gehurt  die  tilinde  Voreingenommenheit  eines  Konvertiten  wie  Onno 
Klopp  dazu,  um  gerade  über  diesen  Funkt  in  seinem,  die  Zustände 
jener  Zeit  so  eingehend  behandelnden  Werke  „Das  Jahr  1683  und 
der  folgende  grosse  Türkenkrieg"  üücbtig  hinweg  zu  gehen.  Um 
so  mehr  müssen  wir  es  der  vorliegenden  Schrift  Dank  wissen  ,  dass 
sie  die  systematische  Verfolgung  der  ungarischen  Protestanten, 
durch  welche  ein  Ijobkowitz  die  Alleinherrschaft  der  römisch-katho- 
lischen Kirche  herbeizuführen  und  damit  eine  wesentliche  Bedingung 
für  die  Aufrichtung  des  Einheitsstaates  zu  erfüllen  glaubte,  als  eine 
Hauittnrsache  des  Wiederausbruches  der  revolutionären  Bewegung 
in  Ungarn  bezeichnet. 

Zu  mild  vielleicht,  wenn  auch  mehr  in  Rücksicht  auf  gewisse 
glänzende  persönliche  Eigenschaften,  die  bei  seinen  Zeitgenossen 
eine  ungewöhnliche  Theilnabme  für  seine  an  das  Romanhafte  streifende 
Thaten  erweckte,  ist  der  Hauptheld  jener  Kämpfe  zwischen  Ungarn 
und  dem  Kaiserreiche,  Emmerich  Tököly'),  beurtheilt.  Gerade  die 
höhere,  zunächst  von  deutschen  Lehrern  erworbene  Bildung  dieses 
Mannes  mö(  hte  dessen  Treulosigkeit,  Zweideutigkeit  und  Wort- 
brüohigkeit  im  Vergleiche  mit  anderen  hall)  barbarischen  Partei- 
führern seiner  Zeit  und  seines  Volkes  in  minder  versöhnlichem 
Lichte  erscheinen  lassen. 

Die  Krzählung  der  diplomatischen  Verhandlungen,  durch  welche 
der  Polenkönig  Sobieski  zum  Anschlüsse  an  Österreich  und  zu  der 
so  erfolgreichen  Betheiligung  am  Türkenkriege  gewonnen  ward,  giebt 
zu  einer  kurzen  Bemerkung  Veranlassung. 

Es  ist  bekannt,  dass  Johann  HI.  Sobieski  seine  Wahl  zum 
Könige  ganz  wesentlich  der  französischen  Unterstützung  verdankte. 
Seine  geistreiche,  aber  ränkevolle,  ehrgeizige  und  von  schnöder  Geld- 
gier beherrscht!!  Gattin  Marie  Kasimire,  die  Tochter  des  Marquis 
de  la  Grange  d'Arquien,  war  Französin.  Sie  empfing  notorisch  ein 
ansehnliches  Jabresgehalt  von  Ludwig  XIV.,  für  welches  sie  ihren 
Gatten,  der  stark  unter  ihrem  Einflüsse  stand,  für  die  Zwecke  Frank- 
reichs bearbeitete.  Der  Mann  ihrer  Schwester,  Marquis  de  Bethune, 
war  französischer  Gesandter  am  polnischen  Hofe.  Aber  während 
die  Geldspenden  Ludwigs  mit  der  Zeit  dem  unersättlichen  Geize 
der  Königin  nicht  melir  zu  genügen  im  stände  waren,  fühlte  sich 
deren  iiiitelkeit  dadurch  schwer  verletzt,  dass  Ludwig  dem  immer 
drinuender  werdenden  Verlangen  derselben,  ihren  Vater  zum  Herzog 
und  Pair  von  Frankreich  zu  erheben,  einen  dauernden,  stummen 
Widerstand  entgegensetzte.  Diese  Verletzung  persönlicher  Interessen 
brai  hte  zunächst  eine  Wendung  in  der  Politik  des  p(dnischen  Königs- 
hauses hervor,  die  durch  ein  auf  S.  77  erwähntes  Ereignis  bis  zum 
Bruche  desselben  mit  Frankreich  geführt  ward.  Es  gelangten 
nämlich  die  geheimen  Berichte  des  französischen  Gesandten  Marquis 
de  Vitry,    des  Nachfolgers    Bethunes,    an   Ludwig  XIV.,    sowie   ein 

')  Nur  V.  schreibt  diesen  Xamen  Thököly. 


Literatur.  159 

Briefwechsel  Vitrys  mit  dem  polnischen  Kronschatzmeister  Grafen 
Morszcyn  in  die  Hände  des  Königs  Johann.  Allerdings  ist  der  Inhalt 
dieser  Schreiben  ihrem  Wortlaute  nach  nie  bekannt  geworden, 
Onno  Klopp  führt  jedoch  (a.  a.  0.  S.  16«)  das  Wichtigste  ans  dem- 
selben nach  dem  Auszüge  aus  den  Berichten  Contarinis,  des  vene- 
zianischen Gesandten  in  Wien,  an.  Es  mochte  nicht  sowohl  der  tiefe 
Blick  in  die  Bestechlichkeit  aller  seiner  Umgebungen  sein,  welche 
den  Zorn  Sobieskis  in  so  hohem  Grade  erregte  —  die  Käuflichkeit 
war  ja  in  Polen  längst  die  Regel,  nicht  die  Ausnahme  — ,  es  waren 
die  wenig  schmeichelhaften  Bemerkungen  über  seine  Person  und 
besonders  die  Massregeln,  die  man  bereits  in  Aussicht  auf  seinen 
Tod  vorbereitete,  um  nicht  einen  seiner  Söhne,  sondern  einen  franzö- 
sischen Prinzen  auf  den  polnischen  Thron  zu  bringen. 

Solche  persönliche  Gründe  entschieden  zu  Gunsten  des  schwer- 
bedrängten Kaiserstaates  in  dem  Gemüth  des  Königs.  Im  Reichs- 
tag, dessen  Zustimmung  zur  Bestätigung  des  am  31.  März  1683 
zwischen  Österreich  und  Polen  geschlossenen  Allianzvertrages  noch 
erforderlich  war  und  in  dem  der  französische  Einfluss  sich  noch 
stark  geltend  machte,  überwog  endlich  der  Gedanke  an  die  eigene 
Gefahr;  denn  es  war  in  diesem  Augenblicke  noch  nicht  klar  zu  er- 
kennen, ob  die  gewaltigen,  türkischen  Kriegsrüstungen  gegen  Öster- 
reich oder  Polen  gerichtet  waren. 

Der  uneigennützigste  Verbündete  des  Kaisers  war  bekanntlich 
neben  dem  Kurfürsten  von  Bayern,  welcher  ein  Hilfskorps  von  etwa 
800U  Mann  sendete,  der  Kurfürst  Johann  Georg  HI.  von  Sachsen, 
der  mit  seinem  ganzen,  für  die  damaligen  Verhältnisse  beträchtlichen 
Kriegsheer  von  10454  Mann  inkl.  S194  Reitern  und  mit  16  Geschützen 
zur  Hilfe  der  bedrängten  Reichshauptstadt  herbeieilte.  In  welche 
peinliche  Lage  der  ritterliche  Fürst  gleich  nach  dem  möglichst  be- 
schleunigten Abmärsche  des  Hilfskorps  durch  die  Nichterfüllung  der 
sächsischerseits  gestellten,  gewiss  nicht  unbilligen  Forderungen  des 
kostenfreien  Durchmarsches  durch  die  kaiserlichen  Lande  versetzt 
wurde,  wird  erst  recht  klar,  wenn  man  die  Schwierigkeiten  berück- 
sichtigt, welche  die  Stände  des  eigenen  Landes  den  Geldbewilligungen 
für  den  Unterhalt  des  Heeres  entgegenstellten  (vergl.  I.  S.  luT),  und 
die  auf  engherzige,  politische  und  konfessionelle  Vorurtheile  be- 
gründete Unpopularität,  welche  sich  in  Sachsen  gegen  das  Rettungs- 
werk zu  Gunsten  des  die  protestantischen  Glaul)ensgenossen  so  hart 
bedrängenden  Kaisers  unverholen  kundgab  (vergl.  I.  S.  117). 

In  der  That  erscheint  die  Uneigennützigkeit  Johann  Georgs 
geradezu  rührend,  wenn  er,  um  seinem  so  wenig  zur  geringsten  Ge- 
genleistung bereitwilligen  Kaiser  beizustehen ,  Verfügung  erlässt 
(I.  S.  124),  nicht  nur  seine  Hoflialtung  auf  das  äusserste  zu  beschränken, 
sondern  auch  einen  Theil  seiner  Erbländer  unterpfändlich  zu  ver- 
setzen. Wenn  man  sich  von  vielen  Seiten  Mühe  gegeben  hat,  die 
tiefe  Verstimmung  des  ehrlichen  Kurfürsten  beim  glücklichen  Aus- 
gange des  grossen  Rettungswerkes  mit  einer  ihm  vom  Kaiser  zu- 
gefügten persönlichen  Beleidigung  oder  einer  Benachtheiligung  bei 
Vertheilung  der  Beute  zu  erklären,  so  triüt  man  damit  gewiss  nicht 
das  Rechte.  Sie  war  ganz  einfach  das  Resultat  der,  die  Existenz 
seines  mühsam  gebildeten  Heeres  ernst  bedrohenden  (vergl.  I.  Anh.  IV, 
Bericht  des  GFM.  v.  d.  Goltz)  Verweigerung  aller  Subsistenzmittel, 
zu  welcher  sich  noch  die  durchius  unerwiesenen  Beschuldigungen 
gegen  die  Disziplin  der  Sachsen  bei  ihrem  Anmärsche  gesellten, 
welchen  nach  Onno  Klopp  (S.  290)  die  Plünderung  von  Dörfem  und 


160  Literatur. 

die  Misshamllung  von  katholischen  Priestern  zum  Vorwurfe  gemacht 
wurden. 

Der  beschrtänkte  Raum,  der  der  gegenwärtigen  Besprechung 
zugemessen  ist,  gestattet  uns  leider  nicht,  auf  diemilitärische  Be- 
sclireibung  der  Entsatzschlacht,  welche  bereits  früher  in  der  "Wissen- 
schaftlichen Beilage  zur  Leipziger  Zeitung,  Jahrgang  1864  Nr.  6 
bis  8,  einen  sachkundigen  Darsteller  gefunden  hatte,  hier  näher 
einzugehen;  wir  können  dieselbe  jedoch  als  sehr  gelungen  be- 
zeichnen. 

Zu  einer  mehr  nebensächlichen  Bemerkung  des  Herrn  Ver- 
fassers fühlen  wir  uns  aber  veranlasst,  unserer  besonderen  Zustim- 
mung Ausdruck  zu  geben.  Sie  betriü't  die  Anordnung  des  Kurfürsten 
Johann  Georg,  für  seine  ausrückende  Infanterie  die  Piken  zurück- 
zulassen, welche  S.  115  für  ein  Zeugnis  „von  dem  unbefangenen 
militärischen  Urtheil"  des  kriegserfahrenen  Fürsten  erklärt  wird. 
Dieser  Massregel  zufolge  war  die  sächsische  Infanterie  die  einzige 
in  dem  bei  Wien  kämpfenden  christlichen  Heere,  welche  ausschliess- 
lich mit  Feuergewehren  bewaffnet  war.  Es  war  dieser  Schritt,  so 
schwer  dies  uns  in  der  Gegenwart  glaublich  erscheinen  mag,  bei 
der  zu  jener  Zeit  noch  allgemein  herrschenden  Scheu  vor  der 
Übermacht  der  Reiterei,  insbesondere  der  türkischen,  und  bei  der 
geringen  Vollkommenheit,  an  welcher  damals  noch  das  Infanterie- 
gewehr litt,  als  ein  kühn  reformatorischer  zu  betrachten.  Die  Eman- 
zipation des  Fussvolkes  von  der  Pike  ist  für  die  Taktik  von  ähn- 
licher Wichtigkeit,  wie  einige  Jahrzehnte  später  die  Einführung  des 
eisernen  Ladestockes  und  des  Feuerschlosses  oder  die  des  Hinter- 
laders in  der  Gegenwart.  Berücksichtigt  man,  mit  wie  vielen  Vor- 
urtheilen  die  letztere  zu  kämpfen  hatte,  bevor  man  sich  in  allen 
europäischen  Heeren  von  ihren  so  klar  einleuchtenden  Vorzügen  zu 
überzeugen  vermochte,  erwägt  man,  welchem  harten  Widerstände 
dergleichen  Reformen  gerade  in  militärischen  Kreisen  zu  begegnen 
pflegen ,  so  wird  man  mit  dem  Verfasser  auch  in  dieser  Massregel 
dem  auf  dem  Felde  der  Erfahrung  erworbenen  klaren  Blicke  des 
Fürsten  die  verdiente  Bewunderung  zollen. 

Das  Buch  ist  mit  einer  Übersichtskarte  ausgestattet,  auf  der 
die  Anmarsch-  und  die  Rückmarschlinie  der  Sachsen  mit  Angabe 
der  Etappen,  sowie  die  damalige  Grenze  zwischen  den  kaiserlichen 
und  den  unter  türkischer  Überherrschaft  stehenden  Landen  einge- 
zeichnet sind;  man  vermisst  dagegen  einen  Kilometermassstab.  Ein 
Sclilachtplan  und  das  Porträt  Johann  Georgs  III.  sind  Nachbildungen 
älterer  Stiche  des  Kgl.  Kupferstichkabinetts   zu  Dresden. 

II.  Im  Gegensatze  zu  L,  dessen  politischer  Theil  dem  militä- 
rischen im  Umfange  ziemlich  gleich  kommt,  beschränkt  sich  II. 
seinem  Titel  entsprechend  last  bloss  auf  die  Schilderung  der  Er- 
eignisse vor  Wien.  Trotzdem  ist  die  Schrift  keineswegs  von  nur 
militärischem  Interesse.  Der  Verfasser  bekundet  bei  Schilderung 
der  hervorragenden  Persönlichkeiten  und  bei  Beleuchtung  der  auf 
dem  Kampfplatze  auftretenden  Heere,  besonders  des  türkischen  und 
des  noch  zum  guten  Theil  auf  iler  Grundlage  mittelalterlicher  Zu- 
stände mehr  improvisierten  als  organisierten  polnischen  Heeres, 
umfassende,  auf  eingehendem  Quellenstudium  basierte  Kenntnisse. 
Dabei  ist  Stil  und  Darstellung  sehr  ansprediend;  eine  gewisse  Wärme 
des  Ausdruckes  verräth,  dass  der  Verfasser  mit  voller  Liebe  an 
seine  Aufgabe  herangegangen  ist.    Auch  nach  dem   an  erster  Stelle 


Literatur.  161 

aufgeführtem  Werke  wird  man  daher  II,  noch  mit  Interesse  und  Be- 
friedigung lesen. 

Sehr  viel  Mühe  verwendet  der  Verfasser  darauf,  die  Ordre 
de  Bataille  der  auf  dem  Kampfplatze  auftretenden  Armeen  fest- 
zustellen und  die  Etats  der  einzelnen  Kontingente  des  christ- 
lichen Heeres  nachzuweisen ,  wobei  die  Namen  sämtlicher  Stabs- 
offiziere, bei  dem  sächsischen  Korps  selbst  die  der  Kompagnie-  und 
Schwadronsfiihrer,  erscheinen. 

Die  auf  S.  87  anhebende  Schlachtrelation  bietet  zwar,  wie  bei 
der  oftmaligen  iiearbeitung  desselben  Stoffes  kaum  anders  zu  er- 
warten ist,  nicht  eben  Neues,  es  muss  jedoch  ausdrücklich  der  grossen 
Unparteilichkeit  des  Verfassers  lobende  Anerkennung  gezollt  werden. 
Denn  wenn  er  einerseits  die  Tapferkeit  rühmt,  mit  der  die  Deut- 
schen des  linken  Flügels  und  des  Zentrums  dem  ungestümen  An- 
dränge der  besten  türkischen  Truppen  zum  Trotze  in  dem  schwierigen 
Gelände  Schritt  vor  Schritt  Boden  gewinnen,  so  wird  er  nicht  minder 
dem  glänzenden  Elan  gerecht,  mit  dem  Sobieskis  Reiterschaaren  auf 
dem  rechten  Flügel  die  bisher  fast  für  unüberwindlich  gehaltene 
türkische  Kavallerie  aus  dem  Felde  schlagen.  Der  Verfasser  ent- 
rollt vor  unseren  Augen  ein  in  den  lebhaftesten  Farben  gemaltes 
Bild  halborientalischer,  grotesker  Pracht,  wenn  er  uns  die  „unter 
dem  Dröhnen  der  Kesselpauken"  und  Hörnerschall  zur  attaque  en 
muraille  vorgehenden  Hussaren  mit  ihren  „vom  Winde  bewegten 
buntseidenen  Fähnlein  der  Lanzen",  ihren  wehenden  Reiherbüschen 
und  dem  Glanz  der  bei  den  Offizieren  vergoldeten  Rüstungen,  auf 
edlen,  reich  gesdimückten  und  gezäumten  Pferden  vorführt.  Es 
wurde  hier  auf  dem  rechten  Flügel  des  Christenheeres  in  der  That 
ein  Reitergefecht  fast  ohne  Beispiel  in  der  Geschichte  geliefert, 
denn  wenn  auch  von  den  ursprünglich  84  000  Berittenen  des  türki- 
schen Heeres,  welche  II.  auf  Seite  72  nachrechnet  und  von  denen 
mit  Recht  behauptet  wird,  dass  Europa  eine  solche  Reitermasse 
weder  vorher  seit  den  Eroberungszügen  der  Hunnen,  Magyaren  und 
Mongolen,  noch  später  wieder  gesehen  habe,  nur  die  grosse  Hälfte 
—  der  Verfasser  schätzt  sie  B.  105  auf  50000  Pfei'de  —  auf  dem 
linken  Flügel  Kara  Mustafas  gekämpft  hat,  so  prallten  hier  doch 
vielleicht  mit  der  zur  Unterstützung  der  Polen  herbeieilenden  Ka- 
vallerie des  christlichen  Zentrums  70  000  Reiter  auf  einander. 

Dass  die  türkische  Kavallerie  hier  ihren  alten  Ruf  nicht  be- 
währte und  dass  die  Tataren  und  namentlich  die  christlichen  Hilfs- 
truppen der  Türken,  Walachen,  Moldauer,  Ungarn,  sich  höchst  un- 
zuverlässig bewiesen  und  theilweise  ohne  Schwertschlag  den  Kampf- 
platz verlassen  haben  mögen ,  scheint  keinem  Zweifel  unterworfen. 
Dagegen  vermögen  wir  dem  Verfasser  nicht  beizupflichten,  wenn  er 
S.  105  ff.  den  Ibrahim  Pascha  von  Buda  so  ohne  weiteres,  nur  auf 
die  Beschuldigungen  Kara  Mustafas,  der  auf  ihn  und  andere  seiner 
Feinde  die  eigene  schwere  Schuld  abwälzte  (vergl.  IV.  S.  274  ff.  Die 
Hinrichtung  Ibrahims  wird  hier  ein  empörender  Gewaltakt  genannt. 
Onno  Klopp  a.  a.  0.  S.  336),  und  die  Berichte  des  englischen  Ge- 
sandtschaftssekretärs Rycaut  hin,  des  offenbaren  Verrathes  und  der 
absichtlichen  Feldflucht  anklagt.  Diese  Frage,  deren  Erörterung 
durch  die  zwei  Tage  nach  der  Schlacht  erfolgte  Hinrichtung  Ibra- 
hims und  seiner  Anhänger  unmöglich  gemacht  wurde,  ist  bis  auf 
den  heutigen  Tag  eine  offene  geblieben.  Der  selbst  schuldbeladene 
Kara  Mustafa  ist  Kläger  und  Richter  in  einer  Person,  und  der  der 
Sache  ganz  fernstehende  Engländer  scheint,  wie  noch   heutzutage 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    V.  1.  2.  11 


162  Literntnr. 

viele  seiner  Landsleute  über  die  Verliältnissu  fremder  Länder  und 
Völker  zu  thun  pflegen,  sein  absprechendes  Urtheil  ohne  sorgfältige 
Prüfung  der  Quellen,  aus  denen  er  sein  "Wissen  geschöpft,  abge- 
geben zu  haben. 

III.  Es  möchte  scheinen,  als  oh  neben  I.  und  II.  das  in  ziemlich 
kleinem  Format  nur  80  Seiten  umfassende  ^Ycrk  des  (Jeneralniajors 
Schröder  nur  die  iJedeutung  einer  Wiederliolung  jener  crsteren  beiden 
in  abgekürzter  Form  in  Anspruch  nehmen  könne.  Dem  ist  jedoi  h 
nicht  so;  denn  es  wird  hier  die  in  1.  und  II.  nur  ganz  heiläutig  be- 
rührte festungskriegsgescbichtlicbe  Seite  der  grossen  TSegebenheit 
mehr  in  den  Vordergrund  gerürkt.  Sclion  aus  dem  beschrankten 
Umfange  des  Huches  lilsst  sich  indessen  scliliessen,  dass  der  Inlialt 
nicht  mit  Details,  die  ausnahmslos  für  den  Ingenieur  von  Fach 
Interesse  bieten  könnten,  überladen  ist. 

Xach  einer  kurzen  Beschreibung  Wiens  als  Festung,  seiner 
Werke  und  Vertheidigungsmittel,  entwirft  uns  der  fachkuiulige  Ver- 
fasser, gestützt  auf  eine  flüchtige  topographische  Skizze,  auf  welcher 
für  uns  wenigstens  die  Zeichnung  der  .Vngrift'sfront  und  des  x\ngriff's- 
feldes  Interesse  bietet,  ein  Bild  von  denn  Verfahren  der  Türken  bei 
der  Belagerung.  Den  Bedingunuen  jeder  Offensive,  „Terrain  gewinnen, 
uiul  das  Gewonnene  beliaupten",  suchten  die  Ilalbbarbareu ,  welche 
von  Abstecken  und  Trazieren  damals  noch  keinen  Begrilt  hatten, 
sondern  dabei  mehr  einem  aus  langer  kriegerischer  Erfahrung  im 
Festungskriege  erworbenen  Instinkte  folgten,  durch  ein  anscheineml 
ziemlich  regelloses,  aber  keineswegs  der  Umsicht  und  des  Geschickes 
entbehrendes  Vorgehen  mit  der  Approche  zu  entsprechen.  Ihr  rein 
empirisches  Verfahren  war  auf  die  grosse  Anzahl  der  ihnen  zu  Ge- 
bote stehenden  Truppen  sowohl,  als  der  Arbeiter  begründet,  zu 
welchen  letzteren  sie  sich  ausnahmslos  der  lierdenweise  zusammen- 
getriebenen Christensklaven  bedienten,  deren  Willfahrigkeit  zu  der 
im  heftigsten  Feuer  der  Belagerten  aiiszufüluenden  schweren  und 
gefährlichen  Erdarbeit  durch  die  gewaltsamsten  Mittel,  Bastonade 
und  grausame  Hinrichtungen,  erzwungen  wurde. 

Für  den  Militär  ist  es  höchst  interessant,  auf  alten  Plänen,  wie 
solche  z.  B.  IV,.  beigegeben  sind,  das  Gewirr  von  Annäberungswegen, 
welche  ,, ihren  Lauf  wie  das  "Wasser  nehmen,  das  nach  einem  starken 
Gewitterregen  auf  einer  fast  horizontalen  Fläche  sich  verläuft",  zu 
betrachten.  Die  Ai^prochen  sind  nach  der  Quere  des  AngrifTsfeldes 
von  den  ungewöhnlich  zahlreichen  Parallelen  gekreuzt,  welche  in 
der  durchschnittlichen  Entfernung  von  10  zu  10  m  von  einander  an- 
gelegt, dem  Gruiulrisse  des  ganzen  AngrifTsfeldes  das  Ansehen  eines 
undichten  und  uuregelmässigen  Gewehes  geben. 

Noch  geschickter  und  erfahrener  als  in  dem  oberirdischen  Bc- 
lagerungskriege  zeigten  sich  die  Tüiken  in  dem  unterirdischen. 
Es  war  eine  Folge  des  chronischen  Geldmangels,  an  dem  Österreich 
zu  allen  Zeiten  gelitten  hat,  dass  trotz  der  dem  Kaiserstaate  schon 
so  lange  drohenden  Gefahr  für  die  Befestigung  der  Hauptstadt  so 
wenig  gethan  worden  war.  Nach  der  ersten  vergeblichen  Belagerung 
Wiens  1529  war  die  veraltete  ]Mauerl)efe5tigung  der  Stadt  in  der 
langen  Bauperiode  von  1G40  bis  1670  durch  eine  bastionierte  Um- 
wallung ersetzt  worden,  aber  schon  während  der  Ausfülu'ung 
derselben  hatte  man  die  ausgestamieue  Gefahr  vergessen,  un(l 
selbst  noch  nach  dem  Ausbruche  des  Krieges  168.'S  hielt  man  sich 
i)i  Wien   durch  die  Grenzfestungen   in  Ungarn,   Kaab   und  Komorn, 


Literatur.  163 

Tcnigsteris  für  dieses  Jahr  hinlänglich  gesichert.  Die  gröbste  Ver- 
nachlässigung, der  man  sich  schuldig  machte,  war,  wie  in  III.  S.  45 
richtig  bemerkt  wird ,  der  gänzliche  Mangel  eines  vorbereiteten 
Minenfeldes.  Xoch  unbegreiflicher  ist  es,  dass  man  die  Stadt  selbst 
dann,  als  die  Gefahr  für  dieselbe  ganz  unzweifelhaft  wurde,  zwar 
mit  Besatzung,  Widerstands-  und  Lebensmitteln  zur  Genüge  versah, 
aber  der  Minenre  so  wenig  gedachte,  dass  man  bei  der  Vertheidigung 
an  ihrer  Stelle  sich  mit  Handwerkern  aller  Art  behelfen  rausste. 
Daher  haben  denn  auch  die  41  Minen,  welche  die  Türken  während 
der  61  Tage  der  Belagerung  spielen  liesseu,  den  Werken  Wiens 
viel  mehr  Schaden  zugefügt  und  den  Bewohnern  viel  mehr  Schrecken 
eingeflöst,  als  die  100000  Kanonenschüsse,  welche  von  den  türkischen 
Batterien  abgefeuert  wurden. 

Erst  auf  Seite  60  kommt  der  Verfasser  auf  die  zur  Befreiung 
der  bedrängten  Hauptstadt  ergriffenen  strategischen  Massregeln  zu 
sprechen;  der  l'eschreibung  der  Schlacht  am  12.  September  sind 
nur  4 '/»Seiten  gewidmet.  Sie  bildet  mithin  bloss  die  mehr  neben- 
sächliche Ergänzung  zu  der  der  Belagerung  und  Vertheidigung, 
eine  weise  Beschränkung,  für  die  man  dem  Verfasser  bei  dem,  nach 
jener  Richtung  hin  so  reichlich  vorliegenden  Material  nur  Dank 
wissen  kann. 

Dagegen  vermögen  wir  uns  einer  Behauptung  des  Verfassers, 
in  welcher  derselbe  allerdings  mit  der  Mehrzahl  der  auf  den  Gegen- 
stand eingehenden  Autoren  im  Einklänge  steht,  nur  bedingt  anzu- 
schliessen.  Er  sagt  auf  Seite  7.3:  ,,Die  Ausnutzung  des  grossen 
Sieges  war  nicht  ganz  diejenige ,  die  sie  hätte  sein  können",  und 
knüpft  daran  einen  Tadel  Sobieskis,  dessen  im  Gegensatze  zu  Loth- 
ringens Rathschlägen  unnöthige  Vorsicht  einer  schnellen  und  wirk- 
sameren Verfolgung  des  fliehenden  Feindes  Einhalt  geboten  haben 
soll.  Diese  Ansicht  beruht  zumeist  auf  der  ziemlich  allgemein  ver- 
breiteten, mehr  dem  militärischen  Stolze  der  christlichen  Sieger 
schmeichelhaften,  als  auf  Wahrheit  begründeten  Voraussetzung,  dass 
die  Schlacht  am  12.  September  nicht  bloss  mit  dem  Zurückschlagen 
der  Türken  aus  ihrer  Stellung,  der  Eroberung  des  Lagers  und  des 
Angriffsfeldes,  also  der  Befreiung  Wiens,  sondern  auch  mit  der 
gänzlichen  Auflösung  des  Osmanenheeres  geendet  habe.  Alle  vor- 
liegenden Thatsachen  widersprechen  jedoch  dieser  Behauptung. 
Man  fürchtete  sogar  am  Abende  der  Schlacht,  der  Rückzug  der 
Türken  könne  nur  eine  Kriegslist  sein,  und  liess  das  siegreiche  Heer 
die  ganze  Nacht  unter  den  W^affen  stehen,  ohne  dass  man  nur  den 
Wienfluss  zu  überschreiten  wagte.  Mögen  die  unbotmässigen  tatari- 
schen Reiter  sich  auf  der  Flucht  zerstreut  haben,  das  eigentliche 
türkische  Heer  zog  sich  zunächst  nur  etwa  eine  Meile  weit,  also 
hinter  die  Schwechat  zurück,  zuverlässige  und  unparteiische  Bericht- 
erstatter, wie  der  venezianische  Resident  Contarini,  bestätigen  ,,in 
leidlicher  Ordnung".  Wenn  man  Sobieski  den  Vorwurf  macht,  seiner 
Reiterei  sich  zur  sofortigen  Verfolgung  nicht  ausgiebiger  bedient  zu 
haben  —  die  Krongarde  und  einige  andere  Abtheilungen  gingen 
schon  am  Tage  nach  der  Schlacht  wieder  zu  diesem  Zwecke  vor 
(vergl.  II.  S.  111)  — ,  so  vergisst  man  wohl  den  Zustand  in  Berück- 
sichtigung zu  ziehen,  in  welchem  sich  eine  Kavallerienach  viertägigem 
Marsche  durch  den  Wiener  Wald  ohne  Futter  und  unter  den 
schwierigsten  Witterungsverhältnissen  und  nach  einem  so  heissen 
Kampfe,  wie  am  12.  September,  uothwendiger  Weise  befunden  haben 
mnss. 

11* 


164  Literatur. 

IV.  Das  von  der  AbtUeilung  für  Kriegsgeschichte  des  k.  k. 
Kriegsarchivs  bearbeitete,  mit  trefflichen  riäiien  und  Illustrationen 
reich  ausgestattete  Werk  ist,  wie  uns  in  Berücksichtigung  der  der 
Darstellung  zu  Gebote  gestandenen  Mittel  jeder  Art  nicht  wunder 
nehmen  kann,  als  ein  wertli voller  Beitrag  zu  der  Geschichte  des 
österreichisclien  Staates  zu  betrachten.  IJes  offiziösen  Charakters 
des  Buches  muss  selbstverständlich  der  Leser  beständig  eingedenk 
bleiben,  wenn  er  auch  mit  uns  wenigstens  das  Streben  nach  mög- 
lichster Objektivität  gern  anerkennen  wird. 

Die  politische  Lage  des  Kaiserstaates  beim  Ausbruche  des 
Krieges  1683  nur  flüchtig  berührend,  giebt  uns  die  Sclirift  einen 
sehr  sorgfältig  bearbeiteten  llberblick  der  damals  Österreich  zu  Ge- 
bote stehenden  Streitkräfte  und  der  Vertbeilung  derselben,  und  geht 
dann  zur  Darstellung  des  leider  vom  Hofkriegsrathe  zu  Wien  mehr, 
als  von  dem  einsichtigen  Herzoge  von  Lothringen  als  Oberbefehls- 
haber geleiteten  Feldzuges  zwischen  Wien  und  Raab  ül)er,  der,  da 
er  nicht  einmal  den  Vormarsch  des  türkischen  Heeres  zu  verzögern 
im  Stande  war,  in  III.  S.  16  sehr  zutreffend  eine  ICO  km  lange,  nutz- 
lose Promenade  längs  der  Donau  genannt  wird.  Fällt  dieser  kurze 
Feldzug  ganz  aus  dem  Bereiche  unserer  Betrachtung,  so  wird  es 
dem  Rezensenten  um  so  schwerer,  die  zweckmässigen  Massregeln 
des  Herzogs  von  Lothringen  zur  Erhöhung  der  Widerstandsfähig- 
keit Wiens  und  dessen  treffliche  Operationen  auf  dem  linken  Donau- 
ufer während  der  Belagerung  zur  Deckung  gegen  die  Unternehmungen 
Tökölvs  unberücksichtiut  zu  lassen. 

In  dem  „Der  Anmarsch  der  Hilfstruppen"  überschriebeuen  Ab- 
schnitte wird  S.  112  der  während  des  Anmarsches  der  Sachsen 
zwischen  dem  Kurfürsten  Johann  Georg  und  dem  kaiserlichen  Hofe 
in  Passau  geführten  Unterhandlungen  Erwähnung  gethan.  Wir 
finden  hier  in  der  Kürze  alles  das  bestätigt,  was  über  diesen  Ge- 
genstand in  grösserer  Ausführlichkeit  in  I.  zu  finden  ist,  wenn  wir 
auch  die  volle  Würdigung  der  Schwierigkeiten,  mit  denen  der  Kur- 
fürst zu  kämpfen  hatte,  in  IV.  vermissen. 

Die  Belagerung  Wiens  wird  von  S.  120  bis  230  mit  einer  Aus- 
führlichkeit behandelt,  die  uns  ein  höchst  anschauliches  Bild  jener 
grossartigen  Begebenheit  gewährt.  In  der  That  glaubt  man  sich, 
wenn  man  den  Muth,  die  Ausdauer,  die  Selbstverleugnung,  welche 
die  Belagerten  der  Tapferkeit,  Schlauheit  und  fanatischen  Todes- 
verachtung der  türkischen  Schaaren  entgegensetzten,  sich  vorstellig 
macht,  aus  dem  genusssüchtigen,  leichtlebigen  Wien  in  eine  belagerte 
Stadt  des  heroischen  Alterthums  versetzt.  Nicht  ohne  Stolz  auf 
unser  engeres  Vaterland,  welches  sich  beim  Entsätze  in  so  glänzender 
Weise  betheiligte,  finden  wir  auch  unter  den  Männern,  deren  Lei- 
stungen das  Generalstabswerk  unter  den  Vertheidigern  rülimeiid 
hervorhebt,  zwei  sächsische  Landsmänner.  Der  eine  ist  der  in  der 
Geschichte  der  Festungsbaukunst  hochgeschätzte  Gerberssohn  aus 
Leisnig,  der  Ingeuieur-Oberstlieutenant  Georg  Rümpler.  der,  bei  einem 
Ausfalle  schwer  verwundet,  am  2.  August  sein  rühmliches  Leben 
endete;  der  andere,  Michael  Mied,  wird  als  ausgezeichneter  Artillerie- 
offizier genannt.  Noch  vor  der  Belagerung  waren  demselben  bei 
einer  Schiessprobe  beide  Hände  weggerissen  worden,  was  ihn  nicht 
abhielt,  in  der  schweren  Prüfungszeit  treffliche  Dienste  zu  leisten. 

Die  Entsatzschlacht  des  12.  Septembers  wird  von  S.  231  bis  273 
geschildert;  der  Rest  des  Buches  ist  den  Ereignissen  nach  der 
Schlacht  bis  zum  Ende   des  Feldzuges   1683  gewidmet. 


Literatur.  165 

Da  Kaiser  Leopold  sich  von  seiner  ursprünglir-hen  Idee,  den  Ober- 
befehl über  das  verbündete  Heer  in  eigner  Person  zu  übernehmen, 
glücklicherweise  noch  in  letzter  Stunde  hatte  abbringen  lassen,  so  war 
derselbe  ganz  natürlich  dein,  dem  Range  nach  vornehmsten  Fürsten, 
dem  Könige  von  Polen  zugefallen.  Es  gehört  nicht  zu  den  erfreulich- 
sten P>scbeinungen  der  Gegenwart,  dass  sich  die  leidige  Eifersucht 
zwischen  den  verschiedenen  Nationalitäten  auch  in  der  historischen 
Forschung  ein  Gefechtsfeld  zu  finden  bestrebt.  Es  wird  niemandem 
einfallen ,  irgendwie  in  Zweifel  zu  setzen,  dass  die  Disposition  zu 
den  der  Schlacht  vorangehenden  Operationen,  wie  zu  dieser  selbst 
lediglich  aus  dem  Kopfe  des  Herzogs  Karl  von  Lothringen  hervor- 
ging, dass  dieser  als  die  Seele  des  grossen  Hauptquartiers,  wie  man 
sich  heutzutage  ausdrücken  M-ürde,  zu  bezeichnen  ist.  Aber  man 
vergesse  dabei  nicht,  dass  Sobieski  der  verantwortliche  (Jberbefehls- 
haber  war,  und  dass  sich  in  seiner  Umgebung  noch  viele  andere 
Stim&ien,  keineswegs  bloss  polnisclie,  hören  Hessen,  welche  mit  Loth- 
ringens Vorschlägen  nicht  einverstanden  waren.  Man  machte  geltend, 
dass  ein  Überschreiten  der  Donau  unterhalb  Wiens,  statt  oberhalb, 
an  und  für  sich  mehr  und  grössere  Chancen  zum  Siege  biete;  die 
Türken  würden  dann  mit  umgekehrter  Front  fechten  oder  infolge 
der  gefährlichen  Bedrohung  ihrer  Rückzugslinie  vielleicht  sogar  die 
Belagerung  ohne  Kampf  aufgeben  müssen.  Der  Übergang  über  den 
Wiener  Wald  in  mehreren  getrennten  Kolonnen  unter  gleichzeitiger 
Linksschwenkung,  eine  zumal  für  das  aus  so  wenig  einheitlichen 
Bestandtheilen  zusammengesetzte  Heer  sehr  bedenkliche  Bewegung, 
welche  bei  den  einfachsten  Gegenmassregeln  des  Feindes  für  die 
Christen  halte  verhängnisvoll  werden  können,  fand  nicht  ohne  Schein 
der  Berechtigung  manchen  Widerspruch. 

Und  doch  folgte  Sobieski  den  Rath schlagen  des  bescheidenen  und 
erfahrenen  Mannes,  der  ihm  einst  bei  der  Königswahl  als  Mitbewerber 
um  den  polnischen  Thron  gegenüber  gestanden  hatte  uud^der,  wie 
aus  allen  seinen  bisherigen  Massregeln  erhellt,  seinen  Kriegsplan 
längst  ins  Auge  gefasst  und  vorbereitet  hatte.  Dieser  aber  gründete 
sich  auf  die  richtige  Beurtbeilung  seines  barbarischen  Gegners,  der 
mit  echter  Tigernatur  die  sichere  Beute,  die  er  bereits  mit  der 
wuchtigen  Pranke  gefasst  zu  haben  glaubte,  nicht  einmal  für  einen 
Augenblick  loslassen  wollte  und  alle  Rathschläge  seiner  Paschas, 
die  Pässe  des  Gebirges  zu  verhauen  und  hartnäckig  zu  vertheidigen, 
die  Belagerung  zu  vertagen  und  statt  mit  dem  Rücken  an  die  noch 
widerstandsfähige  Festung  gelehnt,  das  Heer  in  einer  Stellung  hinter 
dem  Wientiusse  zu  konzentrieren,  in  den  Wind  schlug.  Bestätigte 
sich  aber  diese,  wie  es  der  Erfolg  zeigte,  zutreffende  Voraussetzung 
des  Lothringers,  so  boten  sich  in  dem  bergigen,  durchschnittenen 
und  bedeckten  Gelände  westlich  von  W^ien  den  christlichen  Waffen 
sicherere  Bürgschaften  für  den  Sieg,  als  östlich  in  der  Donauebene. 
Denn  auf  die  Überlegenheit  der  deutschen  Infanterie  über  die  türki- 
sche, auf  die  grössere  Beweglichkeit  und  Disziplin  derselben  und 
auf  die  einsichtigere  Benutzung  des  Terrains  seitens  ihrer  Führer 
rechnete  der  seiner  Zeit  hierin  weit  vorauseilende  Feldherr,  und 
wirklich  sehen  wir  in  dem  zähe  und  hinhaltend  geführten  Infanterie- 
gefecht des  linken  Flügels  und  des  Zentrums,  welches  das  Debou- 
chieren  und  den  Aufmarsch  der  polnischen  Reiterei  auf  dem  rechten 
Flügel,  der  allein  die  endliche  Entscheidung  bringen  konnte,  ermög- 
lichte, das  Bid  einer  beinahe  modernen  Schlacht. 

Dies  alles  ist  unbestritten  das  hohe,   unsterbliche  Verdienst 


]ß(3  liiteratur. 

des  Herzogs ,  das  nicht  minder  unleugbare  des  Königs  Sobieski  aber 
ist  es,  die  genialen  Entwürfe  mit  Verleugiuing  seines  sonst  doch 
nicht  geringen  Selbstgefühls  angenommen  und  zur  Ausführung 
gebracht  zu  haben.  Und  so  wird  denn  auch  der  im  redlichen 
Zusammenwirken  beider  Helden  wohlerworbene  Ruhm  für  alle  Zeiten 
ihr   unantastbares  Gemeingut   bleiben. 

Ein  recht  auftallendes  Versehen  ist  der  sonst  so  aufmorksamen 
Redaktion  des  Buches  entschlüpft,  indem  S.  265  unter  den  zurück- 
gebliebenen türkischen  Geschützen  „ein  aus  dem  Jahre  1652  stam- 
mendes, das  unter  Sigismund  August  König  von  Polen  und  Kurfürst 
von  Sachsen  gegossen  wurde",  aufgeführt  wird. 

V.  Das  im  Umfange  dem  Generalstabswerke  ziemlich  gleich- 
kommende und  wie  dieses  in  trefflicher  äusserer  Ausstattung  sich 
als  Festschrift  kennzeichnende  Werk  ist  im  Auftrage  des  Gemeinde- 
rathes  der  k.  k.  Reichsliaupt-  und  Residenzstadt  Wien  verfasst  und 
herausgegeben. 

Wie  jenes  ist  auch  dieses  Buch  mit  zahlreichen  Illustrationen 
geziert.  Dass  der  Inhalt  beider  Werke  sich  zum  grossen  Theile 
deckt,  ist  selbstverständlich;  wenn  auch  V.  seine  Aufgabe  der  Natur 
der  Sache  nach  mehr  auf  dem  politischen  und  kulturgeschichtlichen, 
IV.  mehr  auf  dem  militärischen  Gebiete  zu  lösen  strebt. 

In  der  langen,  glänzenden  Reihe  der  um  die  Vertheidigung 
Wiens  hochverdienten,  treftlichen  Krieger  und  Bürger,  welche  uns 
Renners  gewandte  Feder  mit  patriotischer  Begeisterung  vorführt, 
begrüssen  wir  neben  Rümpler  und  Mied,  die  auch  hier  ihr  Ehren- 
denkmal finden,  als  sächsische  Landslente  noch  einen  zweiten  tu'aven 
Artillerieoffizier,  Christof  Zimmermann,  und  den  vielbelobten  Dr.  jur. 
utr.  Hocke,  „der  sich  als  Stadtschreiber  während  der  Belagerung 
unvergängliche  Verdiente  erworben".  Letzterem  wurde  erst  1687 
durch  Verleihung  des  Titels  eines  k.  k.  Rathes  eine  Belohnung  für 
seine  dem  Gemeinwohl  so  erspriessliche  Thätigkeit. 

Die  Beschreibung  der  Entscheidungschlacht  beginnt  erst  auf 
S.  428  und  füllt  etwa  zehn  Seiten.  Wenn  wir  auch  innerhalb  dieses 
engen  Rahmens  der  Betheiligung  des  sächsischen  Korps  und  dessen 
Leistungen  das  gebührenele  Lob  entsprechend  zugemessen  finden, 
vermögen  wir  uns  dagegen  mit  dem  Urtheile  des  Verfassers  über 
das  im  grellen  Gegensatze  zu  dem  Verhalten  anderer  Reichsfürsten 
so  uneigennützige  Benehmen  Johann  Georgs  111.  durchaus  nicht 
befriedigt  zu  erklären.  Möchten  die  österreichischen  Geschichts- 
schreiber dem  unter  1.  aufgeführten  Werke  und  insbesondere  dem 
Abschnitte  desselben  von  S.  107  bis  128  ihre  volle  Aufmerksamkeit 
zuwenden ! 

Es  erübrigt  bloss  noch,  beiläufig  zu  erwähnen,  dass  wir  von 
einer  Vergleichung  der  in  den  besprochenen  Werken  sehr  verschieden 
l)erechneten  Stärke-  und  Verlustzahlen  absehen  zu  können  geglaubt 
haben.  Die  Kriegsstatistik  ist  eine  Wissenschaft  ganz  neuen  Datums, 
und  das  Bemühen  unserer  Autoren,  die  in  älteren  Quellen  angegebenen, 
oft  absichtlich  gefälschten  Zahlen  auch  nur  auf  annähernde  \yahrheit 
zu  ergänzen  oder  zu  reduzieren,  stösst  auf  grosse  Schwierigkeiten, 
welche  man  je  nach  dem  verschiedenen  Standpunkte,  bisweilen  ziem- 
lich willkürlich,  zu  erledigen  versucht.  Es  kann  daher  kaum  über- 
raschen, dass  z.  B.  in  III.  auf  S.  66  die  Stärke  der  beiderseitigen 
Streitkräfte  in  der  Ersatzscblacht  nahezu  gleichgeschätzt  wird, 
■während  nach  IV.  auf  christlicher  Seite  76000,  auf  türkischer  nach 


Literatur.  167 

Abzug  der  in  den  Laufgräben  zurückgebliebenen,  noch  107  000  Mann 
an  der  Schlacht  kämpfend  theilnahmon,  I.  aber  (S.  152)  die  Stärke 
der  in  der  Sdilachtliiüe  stehenden  Türken  sicher  zu  hoch  zu  130000 
Mann,  .,et\va  doppelt  soviel  als  das  Entsatzheer",  berechnet. 

Dresden.  Ü.  v.  SchiinpÖ'. 

Beschroibeiule  Dar.stelhiug  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
des  König:reichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  Königl.  Staats- 
regierunsf  herausgegeben  vom  K.  S.  Alterthumsverein.  Zweites 
Heit:  Auitshauptmannschaft  Dippoldiswaldc  Bearbeitet  von 
Dr.  R.  Steche.  Dresden,  C.  C.  Meinhold  &  Söhne  (Komm.)  1883. 
80  SS.     8". 

Dem  vor  länger  als  Jahresfrist  erschienenen  ersten  Heft  des 
obigen  Werkes  ist  jetzt  das  zweite  Heft:  Amtshauptmanuschuft 
Dippoldiswalde  gefolgt.  Wir  sahen  erwartungsvoll  demselben  ent- 
gegen ,  du  wir  uns  bereits  am  ersten  Hefte  erfreuten  und  es  im 
allgemeinen  Interesse  liegen  muss,  den  Bestand  und  Zustand  der 
älteren  Bau-  uiul  Kunstdenkmäler  sobald  als  möglich  festgestellt  zu 
sehen.  Die  Klagen  über  Yerniclitungen,  Veränderungen  und  Ver- 
äusserungen  dieser  Denkmäler  sind  wohl  begründet,  und  es  ist  hohe 
Zeit,  sich  wenigstens  wissenschaftlich  ihrer  anzunehmen,  bevor  es 
zu  spät  ist.  Welche  Reihenfolge  in  der  Aufnahuu  und  Bearbeitung 
stattzufinden  hat,  muss  man  füglich  dem  Hurausgeber  überlassen, 
der  am  besten  zu  beurtheilen  im  stände  ist,  ob  eine  Gruppe  ab- 
schlussfähig geworden  ist. 

Da  dem  Hefte  eine  kunststatistische  Übersicht  nicht  beigegeben 
ist,  so  sei  es  gestattet,  eine  solche  mit  nachfolgender  Besprechung 
zu  verbinden. 

Die  Amtshauptmannschaft  Dippoldiswalde  grenzt  an  die  von 
Pirna  und  reicht  bis  zur  böhmischen  Grenze.  Trotz  dieser  Nach- 
barschaft mit  slavischen  Gebieten  finden  sich  nur  äusserst  wenig 
slavische  Orte.  Die  meisten  Ortsnamen  sind  so  modern,  dass  man 
auch  keine  Bau-  und  Kunstdenkmäler  von  höherem  Alter  erwarten 
kann.  Und  in  iler  That  finden  sich  in  dem  vorliegenden  Heft  nur 
zwei  ältere  Kirchen,  diejenigen  in  Dippoldiswalde  selbst;  aber  auch 
diese  reichen  nicht  weiter  zurück,  als  bis  in  die  erste  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts.  Von  ihnen  ist  die  Nikolaikirche  fast  unversehrt 
auf  uns  gekommen,  von  der  Marienkirche,  die  auch  dem  h.  Laurentius 
geweiht  war,  nur  das  untere  Stück  des  Thurmes.  Beide  Bauwerke 
sind  in  ihrer  Art  hoch  interessant  als  Beispiele  des  Cbergaugsstyles 
aus  dem  romanischen  in  den  gothischen.  Man  erkennt  in  ihnen 
noch  den  Grundcharakter  der  basilikalen  Anlage,  welche  aber  bereits 
gothische  Elemente  aufgenouunen  bat,  um  dem  überkommenen  neuen 
Reiz  zu  geben.  Der  Verfasser  führt  die  Kirche  zu  Wechselburg 
(Zschillen)  vergleichend  an,  wir  uei-ien  uns  aber  mehr  zu  der  An- 
nahme, dass  die  Xikolaikirche  zu  Dippoldiswalde  (den  Rest  des 
romanischen  Theils  der  Marienkirche  einschliesslich)  eine  grössere 
Ideen -Yerwandbchaft  zeigt  mit  der  berühmten  Klosterkirche  zu 
Memleben  in  Thüringen  (siehe  das  eben  im  Druck  begriffene  Heft 
, Kreis  Eckartsberga'-  der  „Beschreibenden  Darstellung  der  älteren 
Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz  Sachsen").  Beide  sind  nämlich 
von  ganz  gleichem  Alter,  während  die  Wechselburger  Kirche  -iO 
bis  50  Jahre  früher   gegründet  wurde   und   daher  mehr  romanische 


168  Literatur. 

Elemente  aufzuweisen  vermag,  als  die  Memleber  und  die  DippoUlis- 
walder.  In  beiden  letzteren  sind  die.  Spilzbogen-Arkaden  des  Schifi'es 
mit  ihrer  rechtwinklis;en  Abtreppung  genau  nach  derselben  Kegel 
über  dem  inneren  Viertel  konstruiert,  die  kleinen  romanischen  Fenster 
im  oberen  Li»  htgaden  ganz  gleich  disponiert  und  die  Apsis  bereits 
ebenfalls  polygonal  geschlossen:  in  Memleben  halbacht-,  in  Dippoldis- 
walde  halbzehneckig,  in  Wecbselburg  aber  haUdcreisiürmig.  Diese 
reizende  und  edle  kleine  Nikolaikirche  zu  Dippoldiswalde  gehört 
zu  dem  Schönsten  und  Interessantesten  der  ganzen  Amtshauptmann- 
schaft. Wahrscheinlich  hat  diese  Kirche  auch  einen  Westthurm  er- 
halten sollen,  T\-ic  die  sehr  bedeutende  jMauerverstärknnü-  am  be- 
treftenden  Orte  andeuten  dürfte.  Die  mitgetheilten  Zeichnungen 
rühren  von  einem  zuverlässigen  Zeichner  her  und  befriedigen  in 
jeder  Hinsicht  durch  ihre  VortreÖlichkeit. 

Die  übrigen  Kirchen  der  Amtshauptraannschaft  stammen,  was 
zahlreiche  Brände  veranlasst  haben  sollen,  sämtlich  aus  der  Zeit  vom 
Ende  des  15.  bis  zum  18.  Jahrhundert,  ein  paar  sogar  aus  der  Neuzeit. 
Höchst  malerisch  erscheint  die  kleine  Kirche  in  Höckendorf,  umsomehr 
als  sie  von  Künstlerhand  keck  skizziert  ist.  Ob  diese  Kirche  roma- 
nische Details  zeigt,  wie  man  angiebt,  kann,  da  solche  nicht  bei- 
gebracht sind,  nicht  bestätigt  werden.  Bei  der  Seltenheit  des  ro- 
manischen Elementes  in  hiesiger  Gegend  hätte  sich  eine  weitere 
Besprechung  und  die  Beifügung  der  betreti'enden  Zeichnungen  wohl 
verlohnt. 

Die  Oegend  enthält  mehrere  Burgen,  welche  in  den  ältesten 
Zeiten  der  nahen  Landesgrenze  Schutz  geben  sollten  oder  auch 
—  als  Raubschlösser  dienten.  Sie  gingen  grösstentheils  in  Schlössern 
des  späteren  Mittelalters  auf  und  sind  in  ihren  früheren  Grundrissen 
jetzt  wohl  schwer  zu  verfolgen.  Immerhin  wäre  der  Versuch  eines 
solchen  Nachweises  für  die  Geschichte  des  ßurgenbaues  nicht  un- 
wichtig und  ebensowenig  ohne  kulturhistorisches  Interesse.  Ein 
paar  Ansichten  sind  beigebracht,  die  aber  alle  das  16.  und  17.  Jahr- 
hundert dokumentieren.  Nur  vom  Lauenstein  ist  ein  Grundriss 
beigefügt,  der  zwar  auch  spätere  Um-  und  Neubauten  verräth,  jedoch 
deutlich  den  südlichen  Vorhof  von  dem  nördlich  belegenen  eigent- 
lichen Schloss-  und  Burghof  unterscheiden  lässt. 

Auch  diesem  Hefte  sind  ein  paar  Dilichsche  Städteansichten 
beigefügt,  welches  ein  treues  Abbild  des  Zustandes  von  Dippoldis- 
walde und  Franeustein  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts 
geben.  Diese  nicht  ohne  Peinlichkeit  aufgenommenen  Städteansichten, 
wenn  sie  gleich  mit  perspektivischen  Mängeln  behaftet  sind,  die 
namentlich  auf  dem  Frauensteinischen  Piospekt  autl'allen ,  hatten 
gewiss  zur  Zeit  eine  grosse  Porträtähnlichkeit,  welche  ja  auch  die 
nicht  viel  späteren  Merianschen  Ansichten  besitzen,  und  sehen  wir 
desshalb  gern  in  den  folgenden  Heften  weiteren  derartigen  Bei- 
fügungen entgegen. 

Dippoldiswalde  war  nach  dem  Dilichschen  Bilde  mit  .Mauern 
und  Thürmen  umfasst,  die  das  Schloss  mit  einschlössen  und  es 
entsprach  diese  Art  der  Fortifikation  den  Bedürfnissen  des  Mittel- 
alters. Frauenstein  dagegen  scheint  einer  gleichen  Verwahrung  ent- 
behrt zu  haben,  und  nur  das  hochgelegene  ältere  Schloss,  die  Burg, 
war  stark  befestigt. 

Von  Dippoldiswalde  wird  im  vorliegenden  Heft  auch  das  Rath- 
haus  besprochen,  dessen  Architektur  dem  Beginn  der  Renaissance 
angehört  und  zwei  schöne  Statuen  der  Mutter  Gottes  und  des  h.  Lau- 


Literatur.  1 69 

rentius  zeigt.  Aiuli  die  Profangebäude  daselbst  enthalten  Renaissance, 
die  nicht  ohne  hübsche  Details  ist,  jedoch  in  den  so  oft  bemerk- 
baren Fehler  verfällt,  dass  in  den  Ornamonttheilen  grosse  schwülstige 
Formen  neben  zierlichem  Rankenwerk  einhergehen:  ganz  besonders 
ist  dieser  aller  ästhetischen  Regeln  bare  Übelstand  aus  der  Photo- 
graphie, Beilage  V,  zu  ersehen. 

Die  anderen  Stadt-  und  die  Landkirchen  dieser  Amtshaupt- 
mannschaft sind  im  Besitze  vieler  älterer  Ausschmückungs- Gegen- 
stände, die  auf  ebenso  alte  oder  noch  viel  ältere  Kirchen  hinweisen 
müssen,  welche  letztere  aber  verschwunden  sind  und  jetzt  grössten- 
theils  nüchterne  Formen  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  angenommen 
haben.  Im  Hefte  erwähnt,  aber  nicht  abgebildet,  sind  Altarschreine 
aus  dem  Ende  des  l.'i.  oder  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  in 
Burkersdorf.  lippoldiswalde,  Döbra,  Fürstenan,  Geising,  Glashütte, 
Hennersdorf,  Höckendorf,  Liebenau,  Ruppendorf  und  Seifersdoi-f. 
Einige  derselben  sind  freilich  als  „beschädigt"  angegeben.  Sehr 
interessant  sind  die  durch  gute  Zeichnungen  dargestellten  vier  ge- 
malten Tafeln  (S,  36)  aus  der  Kirche  zu  Glashütte.  S.  Martinus 
auf  der  einen  Tafel,  reich  in  Hermelin-Mantel  und  mit  Federbarett 
gekleidet,  von  sehr  jugendlicher  Gestalt,  zerschneidet  seinen  werth- 
voUen  Mantel  zu  Gunsten  eines  zwergähnlichen  ganz  unbekleideten 
Krüppels,  welcher,  obschon  nur  ein  Drittel  so  hoch  als  Martin,  mit 
Vollbart  versehen  ist.  Sehr  merkwürdig  ist  der  der  Maria  erscheinende 
Engel,  indem  er  die  Verkündigung  anf  eine  höchst  naive  Weise  in 
einem  versiegelten  Briefe  überbringt.  Die  vier  Figuren  (die  vierte 
ist  nämlich  ein  h.  Laurentius,  der  in  hiesiger  Gegend  sehr  beliebt 
gewesen  sein  muss)  sind  mit  stilvollem  Faltenwurf  ihrer  Mäntel  ver- 
sehen und  von  schönem  spätgothischem  Ornament  überdacht.  Von 
gleichem  Interesse  ist  der  nach  einem  Ölbilde  photographierte  schöne 
Kopf  eines  Donators  (nicht  eines  Heiligen,  wie  vermuthet  wird) 
aus  der  Nikolaikirche  von  Dippoldiswalde.  Das  Schönste  im  Hefte 
dürfte  der  in  reichster  und  edelster  Renaissance  ausgeführte  und 
durch  mehrere  Photographien  verdeutlichte  grosse  Altar  in  der 
Kirche  zu  Lauenstein  sein,  welcher  dem  in  den  sächsichen  Landen 
mehrfach  beschäftigten  Bildhauer  Nosseni  oder  dessen  Schule  zu- 
geschrieben wird,  also  aus  der  zweiten  Hälfte  des  IG.  Jahrhunderts 
stammt.  Er  ist  vom  feinsten  Pirnaischen  Sandstein  ausgeführt  und 
noch  sehr  gut  erhalten.  Die  Gruppierung  des  Ganzen,  die  Archi- 
tektur, die  Details  und  die  Ornamente,  die  fein  modellierten  Skul- 
pturen, soweit  man  sie  aus  der  Photographie  entnehmen  kann,  zeugen 
von  Besonnenheit  und  geläutertem  Geschmack,  wenn  auch  die 
Stellungen  und  Bewegungen  in  den  Figuren  etwas  outriert  genannt 
werden  dürfen,  wodurch  freilich  dem  grossen  Publikum  das  Ver- 
ständnis der  Darstellung  erheblich  erleichtert  und  dem  Laien  ge- 
waltig imponiert  wird.  Gleich  prächtig,  wenn  auch  wohl  zuletzt 
zugefügt,  sind  die  beiden  Porträtstatuen  der  Stifter,  eines  Herrn 
von  Bünau  und  dessen  Gemahlin,  einer  geb.  von  Schleinitz.  Zwei 
Meisterstücke  von  Schlosserarbeit  in  Form  von  Thüreu,  nach  der 
Rückseite  des  Altares  führend,  erhöhen  den  Schmuck  sehr  wesentlich. 

Aus  derselben  Zeit  vermuthlich  ist  die  Kanzel  zu  Lauenstein 
und  der  Taufstein  daselbst.  Der  Kauzeldeckel  dagegen  gehört  einer 
späteren  Zeit  an.  Derselbe  wird  echt  realistisch  durch  zwei  aus 
dem  Pfeiler  hervorwachsende  Menschenhände  in  seiner  wagrechten 
Lage  erhalten.  —  Die  übrigen  Taufsteine  der  Amtshauptmannschaft 
folgen  der  zopfigen  Renaissance  in  höherem  oder  geringerem  Grade. 


170  Literatur. 

Unter  den  Keldien  worden  mclirer«'  in  den  üblichen  Formen 
aus  dem  Endo  des  lü.  oder  Besinn  des  lO.  .lahrliundcrts  erwähnt, 
diu  anderen  in  einer  grösseren  Anzahl  gehören  denn  17.  und  ]8.  Jahr- 
hundert an.  Nicht  ein  einziger  schien  der  Abbildung  wcrth.  Ebenso- 
wenig  entliiilt   die  Anitshauptmannschaft  Erhebliches  an  Kruzifixen. 

Den  erwähnten  zaliheiclien  liiänden  in  den  Städten  und  Dorlcrn 
ist  es  wohl  zuzuschreiben,  dass  scdir  wenig  frühmittelalterliche 
(jlocken  aufgeiuhrt  werden  konnten,  mindestens  ist  in  dortigen 
Distrikten  nichts  von  ambulanten  (llockengiessern  der  Neuzeit  be- 
kannt, wie  in  Thiiringen,  welche  die  Üemeinden  um  die  schonen 
wohlklingenden  (ilocken  bringen,  um  ihre  eigenen  h'abrikate  aufzu- 
drängen. Ein  paar,  ohne  Angabe,  ob  mit  Majuskel-  oder  Minuskel- 
Inschriften,  scheinen  unter  die  älteren  zu  gehören;  datierte  aus 
dem  18.  oder  14.  Jahrhundert  fehlen  wohl  ganz  und  gar.  Wieiler- 
holt  bitten  wir  um  Erwähnung  luunentlich  der  allerältesten  Glocken, 
thcils  wegen  ihrer  AVichtigkeit  für  die  (icschichte,  theils  damit  die 
(iemeinden  nndir  Werth  auf  alte  Glocken  zu  legen  beginnen,  was 
eben  dadurch  erleichtert  und  erreicht  wird,  dass  man  tlbev  ihre 
Schätze  ötfentlich  spricht.  Hierzu  ist  aber  auch  nöthig,  dass  deren 
Inschriften  diplomatisch  genau  abgebildet  und  wo  möglich  erklärt 
werden.  Die  meisten  Glocken  sind  hier  aus  dem  IG.  und  17.  Jahr- 
hundert; ^'Incklicherweise  gehören  dieser  Periode  äusserst  tüchtige 
Giesserfamiiien  an,  unter  denen  die  Hilligers  aus  Freiberg  alle  die 
anderen  überstrahlen. 

Bei  Bes])rec!nnig  der  Glocken  bringt  der  Veriasser,  was  einen 
ganz  besondern  Beifall  verdient,  zur  Sprache,  dass  der  von  dem 
Kurfürsten  Friedrich  dem  Weisen  erwählte  Wahlspruch  v.  d.  m.  i.  e., 
d.  h. ;  veibum  domiiü  manet  in  aeteinum,  auf  einer  Glocke  zu 
Glashütte  am  frühesten,  nämlii  h  152C>,  angebracht  worden  zu  sein 
scheint.  In  lateinischer  S(irache  sieht  man  ihn  bis  in  das  17.  Jahr- 
hundert hinein,  dann  (vom  Ende  des  IG.  Jahrhunderts  ab)  erscheint 
er  auch  deutsch.  In  lateinischer  heisst  es  stets  „dominus-*,  in  deut- 
scher stets  „Gott".  Auch  in  der  Provinz  Sachsen  sieht  man  ihn 
sehr  früh  verwerthet,  z.  B.  an  Holzfuchwerken  von  üsterwiek  vom 
Jahre  15.SÜ  und  15:>4  ,  am  Thortluiim  zu  Hett<,tedt  vom  Jahre  1537. 

Bei  Besprechung  der  Marienkirche  zu  Dippoldiswalde  (S.  12) 
wird  jener  Längsrillen  und  Rundmarken  besonders  gedacht, 
welche  sich  an  einer  Fiizahl  von  Kir(dienp ortalen  an  allen  Orten, 
so  auch  hier,  vorfinden,  und  folgt  in  einer  Anmerkung  eine  weitere 
Besprechung  dieser  „Zeichen" ,  theilweise  unter  Erwähnung  der 
einschlägigen  Literatur  in  Zeitschriften  und  selliständigen  Werken, 
denen  wir  iiocdi  einige  Jahrgänge  des  Korrespondenzblattes  der  Alter- 
tlinmsvereine  Deutschlands  (1877,  :..');  1880,  79;  1881,  51  und  (!1  ; 
1882,  80)  hinzufügen  wollen.  Vielfältig  wird  aber  diesen  Dingen 
auf  eine  nicht  unbedenkliche  Weise  eine  grössere  AVichtigkeit 
zugesprochen,  als  ihnen  zuzukommen  scheint.  Zunächst  kann  von 
„heidnischen",  ,.])rähistorisciien"  Zcdchen  gar  nicht  die  Rede  sein, 
da  sie  an  den  Bauwerken  des  späteren  Mittelalters  vcn'kommen:  so 
hier  nach  Fortnahnie  der  frühgothischen  Säulen  eines  Bortals;  aber 
auch  sogar  an  Frührenaissancetheilen  finden  sie  sich.  Ebenso  darf 
ihnen  wohl  kaum  ein  mystischer  Beweggrund  zugeschrieben  werden, 
ila  sie  eine  viel  zu  rohe,  beliebige  Form  und  Grösse  haben.  Terner 
kann  wohl  auch  weniger  von  einer  Entstehung  durch  Muthwillen 
gesprochen  werclen,  da  durch  diese  Rillen  ja  weiter  nichts  erreicht 
^ird,  als  eine  Verunzierung  von  Architekturtheilen  der  Monumental- 


Literatur.  171 

bauten.  Dann  kann  die  speziell  angeführte  Himmelsgegend  in  deren 
Anbringung  als  ein  „nicht  unwichtiges  Motiv"  nicht  zugestanden 
werden,  wenn  sich  diese  Zeichen  am  häutigsten  an  Westportalen, 
selten  auf  der  Südseite  und  gar  nicht  auf  (1er  Nordseite  vortinden 
sollen.  Auch  möchte  in  völlige  Abrede  zu  stellen  sein,  dass  bei  der 
Anbringung  der  Zeichen  gewisse  Gebete  gesprochen,  Votive  oder 
Opfer  etc.  vorgenommen  wurden,  wozu  ein  völlig  unpassender  Ort 
gewählt  sein  dürfte  und  dafür  Beweise  schwerlich  beizubringen  sein 
werden.  Bei  Erklärung  dieser  Zeichen  waltet  eine  mächtige  Illusion 
vor.  Heutzutage  kommt  es  freilich  nicht  mehr  vor,  dass  die  Rillen 
ausgeführt  werden,  weil  einestheils  die  Polizei  es  verhindert,  hierzu 
die  Thürpfosten  der  Kirchthüren  zu  benutzen,  anderntheils  die  Leute 
sich  andrer  Hilfsmittel  zu  ihren  Zwecken  bedienen.  Und  so  er- 
scheinen sie  1  äthselhaft,  weil  man  ihre  Entstehung  nicht  kennt.  Sie 
sind  nichts  anderes,  als  die  Folgen  von  oft  wiederholten  Schärfungen 
der  Schneide-  oder  Hauwerkzeuge,  der  Beile,  Meisel,  Hacken  etc. 
Da  dieses  Wetzen  durch  Stoss  und  Zug  geschieht,  erklärt  sich 
durchweg  ihre  fast  lothrechte  Stellung  und  ihr  keilförmiges  Prohl, 
die  Anbringung  nur  in  konstanter  Höhe  und  die  vorhergegangene 
Ebenung  des  rauhen  Sandsteins.  Dass  die  Anfertigung  oft  an 
Kirchthüren  geschehen,  ist  entweder  zufällig,  oder  weil  daselbst 
besserer  Sandstein  gefuiulen  worden;  denn  auch  an  Gartenzaun- 
pfosten, Sitzplatten,  tindet  man  diese  Rillen,  sofern  die  Steinmasse 
sich  hierzu  eignete.  Jetzt  gebraucht  man  feinere  „Hand-^Yetzsteine". 
Die  kreisrunden  Gruben  rühren  ähnlich  von  Löftelbohrern  her. 
Man  darf  nur  einfach  Handwerker  und  Tagelöhner  fragen,  um  die 
Bestätigung  dessen  zu  hören. 

Das  vorliegende  Heft  ist  ebenso  hübsch  ausgestattet  als  das 
erste;  vou  grossem  Werth  sind  die  Lichtdruckbilder. 

Schreitet  das  Unternehmen  in  die  westlicheren  und  nördlicheren 
Gegenden  des  Königreichs,  so  sehen  wir  nach  eigener .  Erfahrung 
und  Anschauung  zahlreicheren  älteren  Bau-  und  Kunstdeukmälern 
entgegen,  und  so  wünschen  wir  wiederholt  den  Heften  eine  rasche 
Folge. 

"Wernigerode.  Gustav  Sommer. 

Ans  des  Klosters  Mildenfurth  verg^angener  Zeit  von  Oeorg  Aster. 

Gera,   Bornschein   &    i^ebe   (Leipzig,   A.  Kaiser,  in  Komm.)  1882. 
13  Tafeln  in  Farbendruck  und  2'/3  Bogen  Text.    Fol. 

Bei  einer  derartigen  kunsthistorischen  Unternehmung  ist  .es  in 
erster  Linie  geboten,  sich  des  vorhandenen  Materials  zu  versichern. 
Das  Unterlassen  dieses  Gebotes  seitens  des  Verfassers  ist  für  ihn 
verhängnisvoll  geworden. 

Als  Quellen  seines  Werkeheus  nennt  er  Limmers  Geschichte 
des  Vogtlandes,  Kronfelds  Landeskunde  des  Grossherzogthums 
Sachsen-Weimar-Eisenach,  sowie  einen  novellistischen  Beitrag 
des  Dr.  R.  Lange.  Ein  Blick  in  Puttrichs  weit  bekanntes  Werk 
über  die  Denkmale  der  Baukunst  des  Mittehilters  in  Sachsen  würde 
den  Veifasser  belehrt  haben,  dass  Puttrich  im  Jahre  1850  in  dem 
I.  Band,  Serie  Reuss,  auf  Seite  5—9  und  auf  Tafeln  3—5  die  Reste 
der  Praemonstratenser-Klosterkirche  zu  Mildenfurth  sehr  sorgfältig 
und  eingehend  besprochen  hat.  Puttrichs  textliche  und  illustrative 
Behandlung  des  Thema  übertrifft  jene  Asters  in  jeder  Beziehung. 
Puttrich  l)ietet  neben  dem  rekonstruierten  Grundrisse  eijiy  vortrelV- 


17'2  Literatur. 

liehe  perspektivische  Innenansicht,  einen  geometrischen  Langensehnitt 
unii  wichtige,  die  Bauzeit  cliarakterisierende  Details  (zum  Beispiel  die 
Erklariinsen  der  Lisoncii).  Innenansicht,  Längsschnitt  und  auch 
wichtige  Details  iehlon  in  der  Asterschen  Verüftentlichung.  Es  tritt 
hinzu,  dass  der  Verfasser  das  Lilngsschift' als  aus  vier  Mitteljoclien 
errichtet  rekonstruiert,  während  Pnttri.hs  Grundriss  mit  Uec'ht  nur 
drei  Mitteljoche  aufweist.  Dem  Asterschen  Texte  mangelt  die 
wissens(  haftliche  Genauigkeit,  welche  wir  zu  fordern  hereclitigt  und 
an  welche  wir  jetzt  erfreuliclierweise  gewöhnt  sind,  l^ie  hreite 
novellistische  Behandlung  der  Orünfhing  des  Klosters  durcli  Heinrich 
den  Reichen  fnacli  Aster  den  „Frommen")  ist  hei  einer  derartigen 
Verüftentlichung  unstatthaft;  die  architektonischen  Bezeichnungen 
sind  unzureichend  und  laienhaft,  die  Bezeichnung  Kleehlattbogen 
zum  Beispiel  scheint  dem  Verfasser  unbekannt  zu  sein,  und  wenn 
er  sagt,  dass  sich  an  die  Krenzgänge  Bäume  anschliesseu,  welche 
später  als  „Speisesaal  Refektorium  und  Zellen"  benutzt  wurden,  so 
beweist  dies,  dass  er  iiiier  die  Bezeichnung  Refektorium  falsch  unter- 
richtet ist:  unter  dem  „Speisesaal"  dürfte  wohl  der  Kapitelsaal  zu 
verstehen  sein.  All  das  Gesagte  erzeugt  im  Leser  gerechtfertigtes 
Misstrauen. 

Die  Vollendung  des  Baues  fällt  nicht,  wie  der  Verfasser  mittheilt, 
„um  die  Jahre  1210  oder  1220",  sondern,  wie  die  Architekturtheile 
ergeben,  in  die  Zeit  von  1250.  Anerkennenswerth  ist  bezüglich  des 
illustrativen  Theiles  die  Wiedergabe  der  Kreuzgang- Anlage  und  der 
Befestigungsmauer  mit  Thürmen,  welche  das  Kloster  umgab.  Der 
Massstab  der  lUustratiunen  ist  bei  den  meisten  Tafeln  zu  gross 
gegriöen,  hingegen  ist  das  wichtigste  Detail,  jenes  der  Lösung  der 
Ecklisenen,  nicht  berücksichtigt.  Die  lithographische  Wiedergabe 
der  Kapitale  und  die  farbigen  Blätter  entsprechen  durchaus  nicht 
den  berechtigten  Anforderungen  der  Jetztzeit,  und  die  Ansicht  des 
Theiles  der  ehemaligen  Kirche ,  welcher  jetzt  als  Herrenhaus  dient, 
ist  für  das  Erkennen  des  alten  Baues  bei  Weitem  nicht  so  charak- 
teristisch gewählt,  wie  dieser  es  verdient  und  wie  ihn  Puttrich  schon 
1850  uns  trefflich  vorgeführt  hat. 

Dresden.  K.  Steche. 


Uebersicht  über  neuerdings  erschienene  Schriften  und 
Aufsätze    zur    sächsisch -thiiringischen   Geschichte    und 

Alterthumskunde. 


Altendortt'i  H.  Die  Kirche  in  Priessnitz  und  ihre  Kunstschätze: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung  1884.  No.  7  S.  37{lg. 

^e/t/c,  Ad.  Erzherzogin  Marie  Antoinette  (geboren  10.  Jänner  1858, 
gestorben  13.  April  1883).  Ein  Gedenkblatt.  Separatabdruck  aus 
dem  XIII.  Bande  des  literar.  Jahrbuches  „Die  Dioskuren".  Wien 
1884.     27  SS.   8». 


Literatur.  173 

Bettin,  Ad.  König  Albert  als  FelJheiT.  Sein  Wirken  im  deutsch- 
französischen  Kriege  von  1870/71.  Mit  dem  Portrait  Sr.  Maj.  in 
Lichtdruck.     3.  Aufl.     Dresden,  Höckner.  1884.     47  SS.  8". 

Buchtvald.  Die  Bedeutimg  der  Zwickauer  ßathsschulbibliothek  für 
das  Studium  der  Reformationszeit:  Zeitschr.  für  kirchl.  Wissen- 
schaft 1883.  Heft  12. 

Burkhardt,  C.  A.  H.     Urkundenbuch  der  Stadt  Arnstadt  704—1495. 

gNamens  des  Vereins  f.  thüring.  Geschichte  und  Alterthumskunde 

herausgegeben.      (A.  u.  d.  T.:    Thüringische    Geschichtsquellen. 

Neue  Folge.   I.Band.   Der  ganzen  Folge  4.  Band.)   Jena,  Fischer. 

1«83.     X.     503  SS.  8°. 

—  Geschichte  des  Gewerbevereins  zu  Wt-imar  l«3o — 1883.  Fest- 
schrift zur  Feier  des  fünfzigjährigen  Jubiläums  im  Auftrage  des 
Vereins  quellenmässig  bearbeitet.     Weimar  1883.     85  SS.  8". 

Distel,  Theod.  Nachträgliche  Bemerkungen  über  den  Kunsttischler 
Hans  Schiiferstein  zu  Dresden :  Zeitschr.  f.  Museologie  u.  Antiqui- 
täteu-kunde.    Jahrg.  VII  (1884)  No.  1  B.  3  flg. 

—  Urteil  des  Grossherzogs  Franz  von  Toskana  über  Dresden  (157  7): 
ebenda  S. 4. 

—  Nachrichten  über  den  Hofbildhauer  Lorenzo  Mattielli:  ebenda 
No.  4  S.  26. 

Einiges    über    den    kursächsischen    Hofmaler   Friedrich    Bercht 

(1575flg.):  ebenda  No.  5  S.  34flg. 

—  Eine  Rechtsunterweisung  Dittrich  von  Bocksdorfs:  Zeitschrift  der 
Savigny-Stiftung.    IV.     Germ.  Abth.  S.  234. 

Dittrich,  Max.  Das  Kg).  Sachs,  1.  Husarenregiment  No.  18.  Ein 
Jubiläums -Gedenkblatt:  Wissensch.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung 
1884.     No.  16  S.  149—152. 

Diintzer,  Heinr.  Goethes  Eintritt  in  Weimar.  Mit  Benutzung  un- 
gedruckter Quellen  dargestellt.  Leipzig,  Ed.  Wartig.  1883. 
XVL     223  SS.  8». 

—  Goethe  und  die  Bibliotheken  zu  Weimar  und  Jena:  Centralblatt 
für  Bibliothekwesen,    Jahrg.  I  (1884).  B.  89—105. 

Göpfert,  Roh.  Die  Entwickelung  des  Postwesens  in  Zittau,  Aus 
Anlass  des  Einzugs  in  das  neue  Postgebäude  zusammengestellt. 
Zittau  1883.     32  SS.  8». 

Görner,  H.  Die  Einführung  der  Reformation  in  der  Diöcese  Pirna, 
nebst  einem  Auszuge  aus  den  Visitationsacten  von  1555,  das 
Einkommen  der  Pfarreien,  Schulen  und  Kirchen  betr.  Pirna, 
Eberlein.  (1883).    2  BU.     80  SS.  8«. 

Grössler.  Inscriptiones  Islebienses.  Die  Inschriften  der  Stadt  Eis- 
leben, gesammelt,  übers,  u,  erläutert.  2.  Aufl.  Eisleben,  Mäh- 
uert.    IV.     108  SS.  8». 

Gurlitt,  Com.  Die  Entwicklung  der  Architektur  in  Sachsen  am  Hofe 
der  beiden  Auguste:  Wissensch.  Beilage  der  Leipz.  Ztg.  1884. 
No.  13  S.  7.3—76. 

Hertel,  Gust.  Die  ältesten  Lehnbücher  der  Magdeburgischen  Erz- 
bischöfe. Herausgegeben  von  der  Historischen  Commission  der 
Provinz  Sachsen.  (A.  u.  d.  T:  Geschichtsquellen  der  Provinz 
Sachsen  und  angrenzender  Gebiete  Bd.  XVI.)  Halle,  Hendel, 
1883.  .XXVI.  444  SS.  8». 

Hoppe.  Über  die  Stadtkirche  in  Meiningen.  Eine  archäologische 
Studie.     Meiniugen,  Keysuer.  1883.     28  SS.  und  23  Taf.  8°. 


174  I.iteratur. 

lli/iiiatciit,  Mü.r.  Eiiiigo  uubcscliriebcno  l'^iiiblattilnu  kc  dos  !.">.  Jahr- 
hunderts :  Centralblatt  für  Bibliothekwesen.  Jahrgang  I  (1884). 
S.  151  — 154. 

Jiicobi,  IT.  Im  sächsischen  Oberland  ztir  Reformationszeit:  Wissen- 
schaft!. Beilage  zur  Lcipz.  Ztg.  1883  No.  98,  99.  S.  581—584, 
589— 59.S. 

Jacobs,  Ed.  Geschichte  der  in  der  Preussischen  Provinz  Sachsen 
vereinigten  Gebiete.  l.~3.  Lieferung.  Gotha,  F.  A.  Perthes. 
188:^.     240  SS.   8". 

Korschdt.  Kriegsereipuisse  der  Oberlausitz  zur  Zeit  des  baierischen 
Erbfolgekriegcs :   N.Lausitz,  Magazin    Bd.  LIX  S.  29ß     31.3. 

V.  Krosüß.  Konrad.  Urkundenbuch  der  Familie  von  Krosigk.  Eine 
Sammlung  von  Regesten,  Urkunden  und  sonstigen  Nailirichten 
zur  Geschichte  der  Herren  von  Krosigk  und  ihrer  Besitzungen. 
Im  Auftrage  der  Familie  von  Krosigk  gesammelt  und  heraus- 
gegeben. Zweites  Heft.  Halle  a.  S.,  IL  W.  S<  hmidt.  ISS.'J. 
S.  77—208.    8". 

hier,  L.  Fünf  Briefe  K.  Fr.  Kretschinanns  an  C.  A.  Böttiger:  Neues 
Lausitz.  Magazin    Bd.  LIX   S.  338—345. 

Lohe,  Ernst.  Handbuch  des  Königl.  Sächsischen  Etat-,  Kassen-  u. 
Rechnungswesens  mit  Einschluss  der  Staatshaushaltskontrole. 
Leipzig,  Veit  u.  Co.  1884.  X,  802  SS.  [S.  673— 7.30:  Geschicht- 
liche Entwickelung  der  Staatshaushaltskontrole  in  Sachsen.] 

Moräwck,  C.  Gottl.  Die  Kirche  zu  St.  Petri  und  Pauli  in  Zittau 
nebst  Kachrichten  iiber  das  sonst  dattei  befindliche  Franziskancr- 
kloster.  Geschichtliche  Erinnerungsblatter  aus  dem  kirchlichen 
Leben  der  Stadt.     Zittau  (Selbstverlag)  1882.     122  SS.  8". 

(Petzhold,  J.)  Aus  dem  Correspondenzkreise  von  Theologen  mit  dem 
König  Jiibann  von  Sachsen  :  Neuer  Anzeiger  für  Bibliographie. 
Jahrgang  1884.  Heft  2  S.  47—60.     Heft  3  S.  85—90. 

Pocschel,  Joh.  M.  Christian  Lehmann's  Schriften  und  ihre  Bedeu- 
tung für  das  sächsische  Obererzgebirge:  Wissenschaftl.  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung  1883.  No.  96  S.  569— 574. 

—  Die  ältesten  Nacbrichten  ülier  das  Bergstädtlein  Scheiiienberg: 
Glückauf.   Jahrbuch  für  das  Erzgebirge.  Jahrg.  I  (1884)  S.  60—70. 

—  M.  Christian  Lelimanns  Kriegschronik:  ebenda  S.  125 — 132. 

—  Das  Cadner  Scharmützel:  ebenda  S.  133—137. 

—  Über  den  Ursprung  des  Namens  Eiterlein:  ebenda  S.  109 flg. 

—  Eine  Elrzgebirgische  Gelehrtenfamilie.  Beitrag  z.  Kultnrgesch. 
d.  17.  Jahrb.    Leipzig,  Fr.  Wilh.  Grunow.    Ib83.    XI.    180  SS.   8". 

Pohle,  Frdr.  Wilh.  Chronik  von  Loschwitz.  Auf  Grund  von  amt- 
lichen Quellen  und  mit  Benutzung  des  Königl.  Sachs.  Haupt- 
staatsarcliivs,  de-«  Rathsarchivs  der  Königl.  Haupt-  und  Residenz- 
stadt Dresden,  sowie  der  Königl.  Bibliothek  zusammengestellt 
und  bearbeitet.  Heft  III.  Dresden,  Albaiuis'sche  Buchdruckerei. 
1884.     S.  105—160.     8". 

(Rösch,  H.)     Zwei    Liederbücher.     Eine    Skizze    zur  Kenntniss  der 
Volkslieder    im    Erzgebirge:     Glückauf!     Jahrbuch   für  das  Erz- 
gebirge.    Jahrg.  I  (1884)  S.  16—55. 
(Einzelne  Volkslieder  ebenda  S.  14  flg.,  56—59,  96—98,  133—138). 

—  Christian  Lehmanns  historischer  Schauplatz  des  Erzgebirges.  Ein 
Quellenwerk  für  erzgebirg.  Heimathskunde:   ebenda  S.  99 — 124. 

Schlobach,  0.  Die  Südgrenze  des  Dobrilugker  Klostergebietes,  mit 
Karte:     N.Lausitz.  Magazin.    Bd.  LIX  S.  228—231. 


Literatur.  175 

Schumann,  Ä.  Gotliaische  Schriftsteller.  XI.  Friedrich  Bercrer. 
Xli.  H.  Th.  Habicht:  Petzholdt's  Neuer  Anzeiger  für  Biblio- 
graphie und  Bibliothekwissenschaft.     1883.     S.  276—28.3. 

Zöllner,  W.  Das  Handwerk  der  Fleischhauer  zu  Chemnitz.  Fest- 
schrift zu  der  am  4.  und  5.  Decemher  188."  stattfindenden  Ein- 
weihung des  neuen  Schlacht-  und  Viehhofes.   Chemnitz.   .S."  SS.  8*. 

Das  indirekte  Abg-abenwesen  im  Königreich  Sachsen  seit  der  Be- 
gründung des  Uentschen  Zollvereins.  Denkschrift  der  Königlich 
Sächsischen  Zoll-  und  Steuer-Direction  am  Schluss  ihres  fünfzig- 
jährigen Bestehens  am  1.  Januar  1884.  Mit  sechs  Tabellen. 
Leipzig,  Veit  &  Comp.  1884.     71   SS.  8". 

Die  Landrentenbank  im  Königrniche  Sachsen.  Festschrift  zur  Feier 
des  am  I.Januar  1881  zu  begehenden  Jul>ilä\uns  des  fünfzigjährigen 
Bestehens  dieser  .Anstalt.  Herausgcgclien  von  der  Königlichen 
Land-,  Landeskultur-  und  Altersrentenbank-Verwaltung.  Dresden 
188.3.     66  SS.  8". 

Freibergs  Berg-  und  Hüttenwesen.  Eine  kurze  Darstellung  der 
orographischen,  geologischen,  historischeu,  technischen  und  ad- 
ministrativen Veihältnisse.  Herausgegeben  durch  den  Berg- 
männischen Verein  zu  Freiberg.  Mit  10  Tafeln.  Freiberg,  Graz 
und  Gerlach  (Ed.  Stcttner).     1883.     VIII.     284  SS.  8". 

Herzog  Ernst's  des  P^rommen  Special-  vnd  somlerbabrer  Bericht, 
Wie  nechst  Göttlicher  Verleihung  die  Knaben  und  Mägdlein  auff 
den  Dorß'schafteu  vnd  in  den  Städten  die  vnter  dem  vnturstcn 
Hauifen  der  Schul -Jugend  begrifl'ene  Kinder  im  Fürstenthumb 
Gotha  kurtz  vnd  nützlich  vnterrichtet  werden  können  viul  sollen. 
Gotha  1662.  Mit  kritisch  -  historis!  heu  und  sachlichen  Er- 
läuterungen von  Jul.  Müller.  (.\.  u.  d.  T. :  Sammlung  selten  gewor- 
dener pädagogischer  Schriften  früherer  Zeit.  Herausg.  von  A.  Israel 
und  Job.  Müller.    10.  Heft.)    Zschopau,  Raschke.  1883.  136  SS.  8". 

Die  Stadt  Pausa  und  ihre  nächste  Umgebung.  Herausgegeben  vom 
Verein  für  ürtskunde.  2.  Lieferung.  Mit  einer  Ansicht  vom 
Bade  Pausa.     Plauen,  Kell  (Comm.).    Pausa  1883.     S.  49—96.  8". 


Beiträge  zur  sächsischen  Kircliengeschichte,  herausgegeben  im  Auf- 
trage der  „Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte"  von 
Franz  Dibelius  und  Gotthard  Lechler.  Zweites  Heft.  Leipzig, 
Job.  Ambr.  Barth.  1883.  8". 

Inhalt:  Kahnis,  Die  geschichtlichen  "Wendepunkte  der  evange- 
lisch-lutherischen Landeskirche  des  Königreichs  Sachsen.  Knothe, 
Die  Erzpriester  in  der  Oberlausitz.  Seifert,  Wo  hat  Luther  am 
Pfingstsonntage  (25.  Mai)  1539  in  Leipzig  gepredigt?  Königsdörffer, 
Memorabilien  der  Kirchfahrt  Langbenncu-sdorf  bei  Freiberg  aus 
dem  16.  und  17.  Jahrhundert.  G.  v.  Hirschfeld,  Die  Beziehungen 
Luthers  und  seiner  Gemahlin  Katharina  von  Bora  zur  Familie 
von  Hirschfeld.     Dibelius,  Luther  in  Dresden.     Miszellen. 

Mittheilioigen  des  Alterthumsvereins  zu  Flauen  i.  V.  Dritte  Jahres- 
schrift auf  d.  J.    1882  —  1883.     Herausgegeben  von  Joh.  Müller. 
Plauen,  Neiipert  (Komm.).     1883.  8". 
Inhalt:   Joh.  Müller.   Urkunden   und  Urkundenauszüe    zur  Ge- 


176  Literatur. 

schichte  Plaiieub  und  des  Vogllandes  v.  J.  132y— 135G.  W.l''ischer. 
Kardinal  Herzog  Christian  August  zu  Sachsen -Zeitz  und  die 
Deutschordensballei  Thüringen.  C.  v.  R.,  Beiträge  zur  Geschichte 
des  vogtländischen  Adels  (1.  Die  v.  Reinsdorf,  v.  Tlioss  und 
V.  Weischlitz).  v.  Zezschwitz,  Nachrichten  aus  dem  Pfarrarchiv  zu 
Wohlbach.  Joh.  Müller,  Zum  400jähngen  Jubiläum  des  erblichen 
Anfalls  der  Herrschaft  Plauen  an  die  Krone  Sachsen  (Festvortrag 
am  2.  Mai  1882). 

Mittheihingen  des  Vereins  für  die  Geschichte  und  AUerthumskunde 
von  Erfurt.     Heft  11.     Erfurt,  Villaret  (Komm.).  1883.     8». 

Inhalt:  Werneburg,  Beiträge  zur  thüringischen  (Jeschichte.  Böck- 
ner, Peterskloster  zu  Erfurt.  Erlandsen ,  Beiträge  zum  Peters- 
kloster.  Werneburg,  Über  das  Erfurter  Stadtsiegel,  v.  Tettau, 
Übersichtliche  Zusammenstellung  der  in  Erfurt  und  dessen  Um- 
gebung gefundenen  vorgeschichtlichen  Gegenstände, 

Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüringische  Geschichte  und  Altertums- 
kunde. N.  P\  Bd.  HI.  Der  ganzen  Folge  11.  Band.  Heft  4.  Jena, 
G.  Fischer.   1883.     8". 

Inhalt:  Berth.  Schmidt,  Arnold  von  Quedlinburg  und  die  älte- 
sten Nachrichten  zur  Geschichte  des  Reussischen  Hauses.  Genast, 
Aus  drei  Jahrhunderten  der  Armbrustschützengesellschaft  in 
Weimar.  Miscellen :  Mitzschke,  Der  Name  Alm(e)rich  für  das 
Dorf  Altenburg  bei  Naumburg  a  S.  Anemüller,  Geschwinde  Scrifft 
Hertzog  Johans  P^rüdrichs  des  mittlem  ...  an  die  Graven  zw 
Mansfelt  ihrer  Theologen  und  Druckerey  halben.  Ders.,  Zeitung 
von  der  Churfürstl.  persecution  Anno  1566. 


V. 


Magdeburgs  Belagerung 
durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 1551'). 


Von 

S.  Issleib. 


Die  Belagerung  Magdeburgs  *)  durch  Moritz  von 
Sachsen  schloss  sich  eng  an  die  Belagerung  Braunschweigs 
durch  Herzog  Heinrich  d.  J.  von  Wolfen  büttel  an. 

Der  Kampf  des  Herzogs  gegen  Braunschweig  war 
ein  Ausbruch  tiefgewurzelten ,  alten  Hasses.  Ihretwegen 
war  Heinrich  (1542)  durch  die  Häupter  des  schmalkaldi- 
sclien  Bundes  von  Land  und  Leuten  vertrieben  worden^) 
und  seine  Rückkehr  (1547)  hatte  keine  Aussöhnung  her- 
beigeführt. Der  rührige  Eifer,  mit  welchem  Herzog 
Heinrich  seit  1548  neben  dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg und  dem  Erzbiscliof  von  Magdeburg  ein  energisches 


')  Verg].  die  Abhandlung  in  dieser  Zeitschrift  IV,  273  flg. : 
Magdeburg  und  Moritz  von  Sachsen  bis  zur  Belagerung  der  Stadt 
(September  1550). 

^)  Bes  selmeier,  Gründlicher  Bericht  des  magdeburgischen 
Krieges  etc.  (1552);  M  er  ekel,  Warhafi'tiger,  aussführlicher  und 
gründlicher  Bericht  etc.  (Dasselbe  bei  Hortleder  II.  4.  Kap.  18  u. 
19.  S.119t  u.  1224.)  Pomarius  185.  —  Bisher  hat  man  die  Belagerung 
Magdeburgs  meist  nach  den  Berichten  Besselmeiers  und  Merckels 
dargestellt;  allein  sie  enthalten  viele  Unrichtigkeiten. 

^)  Vergl.  des  Verfassers  Arbeiten  in  den  Mittheilungen  des 
Königl.  sächsischen  Alterthumsvereines  XXVI  (1877),  1  flg.  und  in 
V.  Webers  Archiv  für  die  sächsische  Geschichte  N.  F.  V  (1878), 
97  flg. 

Neues  Arohiv  f.  K.  (!   ii.  A.    V.     3.  12 


178  S-  Issleib: 

Vorgehen  gegen  Magdeburg  betrieb*),  erklärt  sich  wesent- 
hch  aus  seiner  Stellung  zu  Braunschweig.  Nach  seiner 
Meinung  bestärkte  Magdeljurgs  Standlml'tigkeit  den  wider- 
setzlichen Sinn  der  Braunschweiger,  und  nach  seiner  Über- 
zeug"ung  wurde  mit  der  Unterwerfung  und  Bestrafung 
Magdeburgs  auch  der  Trotz  seiner  lutherischen  Unter- 
thanen  gebrochen. 

Während  nun  die  Berathungen  über  die  magdeburgi- 
sche Achtsexekution  von  einer  Tagsatzung  zur  andern 
wanderten,  steigerte  sich  das  missliche  Verhältnis  zwischen 
ihm  und  Braunschweig  bis  zur  Unerträglichkeit.  Ver- 
letzende Ausfälle  und  beschimpfende  Plünderungen  von 
Seiten  der  Bürger  nöthigten  zur  rächenden  Rüstung. 
Um  alle  alten  und  neuen  „Frevel"  derselben  gebührend 
zu  ahnden,  suchte  Heinrich  durch  auswärtige  Hilfe  seine 
dürftige  Macht  zu  verstärken  *).  Er  bat  den  Kurfürsten 
von  Sachsen  um  200  Pferde  und  zwei  Fähnlein  Knechte 
und  den  Markgrafen  Albrecht  von  Brandenburg-Kulmbach 
um  einen  „eilenden  Reiterdienst";  um  Mannschaft  zu  Fuss 
und  Ross  ging  er  den  Kurfürsten  von  Brandenburg, 
Herzog  Erich  von  Braunschweig,  die  Bischöfe  von  Würz- 
burg und  Bamberg  und  andere  Herren  an.  Allein  statt 
Hilfe  liefen  Vertröstungen,  Entschuldigungen  und  Ab- 
mahnungen ein;  nur  der  jugendliche  Herzog  Georg  von 
Mecklenburg  erschien  in  Heinrichs  Nähe. 

Kaum  hatte  die  Belagerung  Braunschweigs  (Anfang- 
Juli  1550)  begonnen,  da  erschienen  kaiserliche  Mandate, 
welche  Einstellung  aller  Feindseligkeiten  und  den  Besuch 
des  augsburgischen  Reichstages  „zur  gütlichen  und  recht- 
lichen Vergleichung"  geboten.  Kaiserlichem  Wunsche  ge- 
mäss bemühten  sicli  auch  die  Kurfürsten  von  Sachsen 
und  Brandenburg,  zwischen  der  Stadt  und  dem  Herzoge 
zu  verhandeln'*),  zumal  es  in  ilireni  Interesse  lag,  wenn 
die  vor  Braunschweig  entzündete  Kriegsfackel  an  gleichem 
Orte  wieder  erlosch').  Unter  dem  Scheine  des  Gehorsams 
gegen  den  Kaiser,  in  Wahrheit  aber  wegen  Mangels  an 
Mannschaft    und    Geld   hob   Herzog   Heinrich  am  8.  Sep- 

*)  Vergl.  diese  Zeitschrift  IV,  287.  290  flg. 

*)  A.  V.  Druffel,  Beiträge  zur  Reichsgeschichte  1546 — 51,  I. 
Briefe  und  Akten  zur  Gescliichte  des  KJ.  Jahrhunderts.  (München 
1873.)     No.  438.     Joh.  Voigt,    Markgraf  Albrecht    Alcibiades    224. 

•)  Dresdener  Hauptstaatsarchiv  Loc.  9151,  Magdeburgische  Be- 
lagerung, Buch  II.  Bl.  4'>2. 

')  Vergl.  diese  Zeitschrift  IV^,  .312  flg. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   179 

teraber  1550  die  erfolglose  Belagerung  wieder  auf.  Die 
herzoglichen  und  städtischen  Truppen  wurden  entlassen. 
Da  nun  gewann  Herzog  Georg  zehn  Fähnlein  Knechte 
(etwa  3000  Mann)  und  200  Reiter  ^j,  um  angeblich  einen 
unterbrochenen  Streit  wegen  unberücksichtigter  Erban- 
sprüche mit  seinem  Bruder  Johann  Albrecht  und  mit 
seinem  Vetter  Herzog  Heinrich  auszufechten ").  Von 
Braunschweig  aus  führte  er  seine  Mannschaft  in  das  Stift 
Halberstadt  und  von  da  in  das  Erzstift  Magdeburg  (am 
16.  September  1550).  Zu  statten  kam,  dass  es  dem  leb- 
haften Wunsche  des  Kaisers  entsprach,  die  Achter  zu 
belästigen  und  zu  schädigen;  verlockend  war  es,  den 
Magdeburgern  eine  Anzahl  besetzter  Stiftsgüter  zu  ent- 
reissen  und  den  geplanten  Zug  gegen  Bruder  und  Vetter 
durch  leichterworbene  Beutegelder  zu  fördern'"). 

Am  17.  September  überfiel  Herzog  Georg  den  erz- 
stiftischen,  von  magdeburgischen  Truppen  besetzten  Ort 
Wanzleben  (südwestlich  von  Magdeburg).  Der  Flecken 
wurde  geplündert  und  eingeäschert,  allein  der  dreimalige 
Sturm  gegen  das  Scliloss  von  der  Besatzung  tapfer  ab- 
geschlagen. Am  folgenden  Tage  nahm  man  Dreileben 
und  brandschatzte  die  Nachbardörfer.  Arg  schilderten 
Augenzeugen  das  Treiben  der  raublustigen  Landsknechte. 
Die  geschädigten  Magdeburger  rückten  nun  unter  Führung 
des  Grafen  Albreclit  von  Mansfeld  in  das  Feld"),  wagten 
es  aber  nicht,  den  Feind  in  seiner  vortheilhaften  Stellung 


')  Die  Angaben  schwanken  zwischen  3  —  5000  Knechten  und 
2—300  Reitern.  Loc.  9151,  II,  34  flg.;  vergl.  Loc.  8502,  Churf. 
Moritzen  Schriften  an  Sr.  Churf.  Gu.  Bruder  Hertzog  Augustum 
1546—52,  Bl.  55. 

«)  Die  Kunde  von  Herzog  Georgs  Truppenwerbung  gab  wenig- 
stens dem  Bruder  und  Vetter,  sowie  deren  Verbündeten,  dem  Markgrafen 
Hans  von  Küstrin  und  den  Herzögen  von  Pommern  willkommenen 
Grund,  Mannschaften  zusammen  zu  ziehen.  Dem  Kaiser  gegenüber  ent- 
schuldigten sie  unter  diesem  bequemen  Verwände  ihre  kaiserfeindlichen 
Rüstungen.  Vergl.  Druffel  I,  No.  563;  Forschungen  zur  deutschen 
Geschichte  X,  195,  Briefe  von  Johann  Sleidanus  an  den  Kardinal 
Jean  du  Bellay  vom  13.  Dezember  IsöO,  mitgetheilt  von  L.  Geiger. 

'")  Über  Grund  und  Urheberschaft  des  herzoglichen  Zuges  in 
das  Elhgebiet  kamen  allerlei  Gerüchte  in  Umlauf.  Ich  habe  nicht 
linden  können,  dass  Praktiken  Heinrichs  von  Braunschweig -Wolfen- 
büttel, oder  des  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen,  oder  des  magdebur- 
gischen Domkapitels  (vergl.  Besselmeier  etc.),  oder  Eifer  für 
Exekution  der  Reichsacht  den  Herzog  G^org  in  die  Nähe  Magdeburgs 
geführt  haben. 

")  Pomarius  187. 

12* 


180  S.  Issleib: 

anzugreifen  und  kehrten  thateulos  in  die  Stadt  zurück. 
Darauf  wurden  die  Bauern  der  Unig-egend  mit  Waffen, 
Pferden  und  RUstwag-en  in  die  Stadt  entboten  und  die 
lieihcn  der  wehrhaften  Bürger  durch  Söklner  vom  braun- 
.schweigischeu  Behigerungsheere  zu  weiteren  Unternehmun- 
gen verstärkt. 

Währenddem  marschierte  Herzog  Georg  von  Dr ei- 
leben aus  durch  die  dörferrciclio  Börde  nach  dem  Kloster 
Hiller  sieben  im  Amte  Wolmirstedt  Indem  er  sich 
der  Altmark  näherte,  war  anzunehmen,  er  werde  mit  den 
erpressten  und  erbeuteten  Barschaften  das  Erzstift  ver- 
lassen. Da  führten  die  Magdeburger  eine  andere  Wendung 
der  Dinge  herbei.  Auf  die  zahlreichen  Bitten  beraubter 
und  flüchtiger  Landbewohner  hin  beschlossen  sie,  „den 
Feind  von  dannen  zu  jagen".  Zwar  malmten  die  Grafen 
Albrecht  von  Mansfeld  und  Christian  von  Oldenburg, 
Hans  von  Heideck,  Klaus  Berner  und  Kaspar  Pflug  von 
diesem  Unternehmen  ab,  weil  Herzog  (xeorg  geübtere 
Leute  beisammen  habe;  allein  der  unbesonnene  Bürger- 
muth  entschied,  Sonntag,  den  21.  September  zwischen 
2  und  3  Uhr  nachmittags'^)  zogen  zwölf  Fähnlein  Bürger, 
Landsknechte  und  Bauern  mit  drei  lieitergeschwadern 
(zusammen  wohl  5000  Mann)  unter  Führung  des  „vor- 
jährigen" Bürgermeisters  Georg  Geiücke  aus;  es  folgten 
die  Wagenburg,  die  ßüst-  und  Rennwagen,  die  Rollwagen 
mit  Doppelhaken  und  elf  Stück  Feldgeschütze.  Während 
der  Naclit  rastete  die  Mannschaft  bei  A\"olmirstedt  im 
freien  Felde  (zwei  Meilen  von  Magdeburg).  Am  folgen- 
den Morgen,  ungefähr  zwei  Stunden  vor  Tagesanbruch'^), 
schickte  sie  sich  an,  das  mcckleubuigische  Lager  zu  über- 
rumpeln. Zu  spät !  Durch  zuverlässige  Kundschaft  vom 
Vorhaben  der  Gegner  unterrichtet,  erwartete  Herzog  Georg 
die  Magdeburger  vor  dem  Dorfe  Hillcrsleben  und 
brachte  durch  geschickte  Anordnungen  den  Städtern  in 
kurzer  Zeit  eine  vollständige  Niederlage  bei.  Gegen 
1500  Mann  fielen")  und  800  Mann  ungefähr  geriethen  in 
Gefangenschaft.  Bürger  und  Bürgerssöhne  wurden  geschont 
• —    sie   erkauften   ihre   Freiheit  je   nach   Stand   und  Ver- 


'*)  Loc.  9151,  11,  31  flg.  luul  Besselmeier,  Merckel, 
Ponuirius  etc. 

'»)  M  er  ekel  giebt  7  Uhr  an. 

'*)  Die  Zahl  der  Gefallenen  wird  von  lOOJ  bis  in  die  3000  an- 
gegeben. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.    18t 

mögen  durch  ein  Lösegeld  von  60 — 300  Mark  ^•')  — ; 
jämmerlich  dagegen  ging  man  mit  den  armen  Bürgern 
und  mit  dem  Landvolke  um.  Ohne  Schwertstreich  ergab 
sich  nun  der  feste,  mit  Proviant  und  Munition  reich  ver- 
sehene Ort  Wolmirstedt.  —  Tags  darauf  Hess  Herzog 
Georg  die  erbeutete  Wagenburg,  die  Rüst-  und  Renn- 
wagen, Geschütze  und  Fahnen  im  Dorfe  Hillersleben  auf- 
reihen'"), und  zwei  Tage  später  (am  25.  September)  rückte 
er  nach  Schönebeck  (südlich  von  Magdeburg)  vor,  um 
das  Städtchen  zu  besetzen  „und  sein  Heil  gegen  die 
Städter  fortan  zu  suchen". 

Überaus  schnell  verbreitete  sich  die  Kunde  von  dem 
vsiegreichen  Gefechte  bei  Hillersleben  (oder  Neuhai - 
densleben).  Die  Entscheidungsschlacht  manches  ansehn- 
lichen Krieges  hat  kaum  grösseres  Aufsehen  erregt,  als 
dieser  glückliclie  Kampf  des  mecklenburgischen  Herzogs 
gegen  die  geächteten  jMagdeburger  (am  22.  September  1550). 

In  jenen  Septembertagen  schickte  sich  Kurfürst  Moritz 
an,  den  Reichstag  zu  besuchen.  Zwei  Monate  hatte  er 
den  drängenden  Kaiser  hingehalten;  allein  mit  Aufhebung 
der  braunscliweigischen  Belagerung  fiel  der  letzte  triftige 
Entschuldigungsgrund  dahin.  Die  Abreise  wurde  auf 
den  26.  September  festgesetzt^*).  Schon  hatten  die  kur- 
fürstlichen Räthe,  das  Hofgesinde  und  die  Hofwagen 
Dresden  verlassen  —  der  Hofstaat  rückte  bis  Nürnberg 
vor'^)  — ,  als  die  Stif'tslande  durch  den  Anzug  des  Her- 
zogs von  Mecklenburg  beunruhigt  wurden.  Sofort  ver- 
tagte Moritz  die  Reise  nach  Augsburg;  denn  seltsam 
konnte  sich  die  nächste  Zukunft  anlassen.  Nicht  allein 
der  mecklenburgische  „Gardhaufen",  die  beiden  Stifter  und 
Magdeburg,  sondern  auch  die  politische  Lage  von  ganz 
Norddeutschland  und  die  Pläne  des  Kaisers  gegen  die 
„Rebellen"  waren  in  das  Auge  zu  fassen.  Dazu  kam 
des  Kurfürsten  antikaiserliches  Verhältnis  zu  Frankreich. 
Gerade  damals  peinigte  ihn  Tag  und  Nacht  die  Sorge, 
der  an  König  Heinrich  H.  geschickte  Unterhändler  möge 


'*)  Pomarius  191. 

"')  Die  Wagenburg  schenkte  er  später  dem  Kurfürsten  von 
Sachsen,  die  Fähnlein  übersandte  er  dem  Kaiser  und  die  Feldge- 
schütze behielt  er  für  sich, 

")  C.  A.  Cornelius,  Churfürst  Moritz  gegenüber  der  Fürsten- 
versch-xörung  i  d.  J.  1530—51  iMünchcn  18(57),  34,  Brief  des  Kur- 
fürsten Moritz  an  Wilhelm  von  Schachten  und  Simon  Bing,  Weideuhan 
am  24.  September  1550. 

'»)  Loc.  9151,  II,  Bl.  462,  473. 


182  S.  Issleib: 

„niedergeworfen"  und  die  Verhandlung  mit  Frankreich 
verrathen  worden  sein.  Das  Verweilen  im  Hcimathlande 
erschien  durchaus  nothwendig,  zumal  seine  Person  bereits 
in  Anspruch  genommen  wurde. 

Sobald  nämlich  Herzog  Georg  in  den  Stiftsgebieten 
einrückte,  baten  „die  Verordneten  des  Domkapitels  von 
Magdeburg  und  Halberstadt"  unter  Berufung  auf  den 
letzten  kaisi-rlichen  Befehl  den  Kurfürst(;n  als  „Schutzherrn 
der  verlassenen  und  herrenlosen  Stifter"  um  Hilfe*®). 
Unverzüglich  wurde  daher  Joachim  von  Gersdorf  (am 
20.  September)  mit  dem  Auftrage  abgefertigt,  über  die 
Pläne  des  Herzogs  von  Mecklenburg  genaue  Erkundigungen 
einzuziehen  und  die  Weij-führuni»;  des  Krieg-svolkes  von  ihm 
zu  fordern.  Wenige  Stunden  darauf,  als  dem  Kurfürsten 
klar  war,  er  könne  sein  ferneres  Ausbleiben  vom  Reichs- 
tage mit  dem  „Gardhaufen"  aufs  beste  entschuldigen  und 
aus  der  ganzen  Sache  für  sich  selbst  mancherlei  Vorthcile 
ziehen,  entsandte  er  Jakob  von  der  Schulenburg,  um  über 
eine  Zusammenkunft  mit  Herzog  Georg  zu  verhandeln 
und  den  Fürsten  unter  Umständen  zu  berathen.  Schulen- 
burg traf  im  mecklenburgischen  Lager  ein,  als  der  Herzog 
soeben  die  Magdeburger  bei  Hillersleben  geschlagen  hatte 
und  nach  Wolmirstedt  vorzurücken  im  Begriffe  stand 
(am  22.  September).  Aufgefordert,  begleitete  der  sächsi- 
sche Gesandte  den  siegesfreudigeu  Fürsten.  Ein  lebhaftes 
Gespräch  über  das  glorreiche  Gefecht  und  über  Kurfürst 
Moritz  kürzte  den  Ritt.  Auf  die  angebrachte  Werbuno- 
ging  der  Herzog  bereitwillig  ein  vuid  gab  schiiftlich  zu 
erkennen^"),  dass  er  mit  dem  Kurfürsten  zusammenkommen 
und  mit  ihm  über  alle  Dinge,  an  denen  ihnen  beiden 
gelegen  sei,  reden  wolle.  Zugleich  erholte  er  sich  Raths 
über  sein  ferneres  Verhalten  gegen  die  Magdeburger. 
Moritz  bestimmte  den  Ort  der  Zusammenkunft  und  gab 
seinen  Wünschen  hinsichtlich  Magdeburgs  Ausdruck. 
Georg  versprach  darauf,  ohne  Vorwissen  des  Kurfürsten 
sich  in  keine  Verhandlung  mit  den  Achtern  einzulassen 
und  ohne  seine  Zustiunnun"'  keinen  Vertrag-  abzuschliessen. 

Mittlerweile  hatten  sich  die  Stiftsstände  in  Stassfurt 
versammelt,  um  über  ihre  Rüstung,  über  Stellung  und 
Haltung  zu  Herzog  Georg  und  über  Wiedereinnahme  der 
an    die  Magdeburger    verlorenen  Stiftsgüter   zu    berathen. 


'•)  Loc.  9151,  II,  ßl.  .33  ftg. 

»")  Brief  vom  23.  September  1550,  Loc.  9151,  II,  Bl.  68. 


Magdeburgs  Belagerung  durcli  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.    183 

Kurfürst  Moritz  ermahnte  sie,  ihre  aufgebotene  Mannschaft 
nicht  gegen  das  mecklenburgische  Kriegsvolk  zu  gebrau- 
chen; Herzog  Georg  liabe  die  Exekution  der  Acht  be- 
gonnen und  den  Magdeburgern  bereits  einen  grossen  Theil 
der  Stiftshcäuser  entrissen;  bei  Vermeidung  aller  Feind- 
seligkeiten gegen  den  Herzog  sollten  sie  allein  die  Orte 
besetzen,  welche  noch  in  den  Händen  der  Magdeburger 
seien. 

Vom  Kurfürsten  von  Brandenburg  lief  damals  die 
Nachricht  ein,  er  werde  jederzeit  bereit  sein,  im  Vereine 
mit  Moritz  dem  Erzstifte  und  Stifte  Schutz  und  Entsatz 
7Ai  leisten^')  und  zur  Verhütung  weiterer  Irrungen  den 
mecklenburgischen  Bruderzwist  in  Güte  beizulegend^). 

Am  30.  September  oder  1.  Oktober '^■^)  fand  die  Zu- 
sammenkunft des  sächsischen  Kurfürsten  mit  Herzog  Georg 
jedenfalls  zu  Barbi  statt.  Über  die  Verhandlungen  beider 
o-iebt  das  Dresdener  Archiv  keinen  Aufschluss ;  doch  wurde 
man,  wie  es  scheint,  bald  handelseinig.  Vom  2. — 4.  Oktober 
verweilte  dann  Moritz  im  herzoglichen  Quartiere  zu 
Schönebeck  und  „brachte  das  Kriegsvolk  an  sicli"  ^*). 
Die  Knechte  schwuren  vorläufig  auf  drei  Monate,  und  der 
Kurfürst  versprach  Musterung  und  Zahlung  innerhalb  eines 
halben  Monats.  Herzog  Georg  behielt  vorläufig  eine  unab- 
hängige Stellung  und  freie  Verfügung  über  seine  200  Reiter. 
In  seinen  Händen  blieben  auch  die  eroberten  Amter  Wanz- 
leben, Dreileben  und  Wolmirstedt'"). 

Kurfürst  Moritz  freute  sich  des  Vortheiles,  den  „weid- 
lichen   Haufen"    von     fast    5000    Mann^*^)    ohne    grosse 


2')  Brief  vom  25.  September  aus  Grymnitz,  Loc.  9151,  II,  Bl.  79. 

")  Kurfürst  Joachim  bat  Moritz,  aufs  eiligste  Käthe  nach 
Tangermnntle  abzufertigen,  Loc.  9151,  II,  74,  Brief  aus  Schönebeck 
vom  30.  September.  Nach  D ruffei  I,  No._563  scheint  in  Tanger- 
münde verhandelt  worden  zu  sein. 

'*)  Loc.  8-198  „Handschreiben  des  Kurfürsten  Moritz  an  seine 
Gemahlin  Agnes,  1547-53^  Brief  von  Barbi  am  1.  Oktober  1550. 
Vgl.  Gottfried  Aug.  Arndt,  Nonnulla  de  ingenio  et  moribus  Mauritii 
principis  electoris  Saxoniae.     Lips.  1806.    4". 

^*)  Weder  Markgraf  Hans  von  Küstrin,  noch  Markgraf  Albrecht 
von  Brandenburg-Ivulmbach,  noch  auch,  so  viel  ersichtlich,  Kurfürst 
Joachim  waren  anwesend,  wie  Besselmeier,  Merckel  und  nach 
ihnen  Pomarius  und  alle  späteren  Geschichtsschreiber  angeben. 
Besselmeier  und  Merckel  haben  eine  Reihe  von  Unrichtigkeiten  in 
den  Oktobermonat  hineingetragen. 

**)  Trotz  vieler  Verhandlungen  mit  dem  Domkapitel  behielt  er 
sie  bis  zu  seinem  Tode   (vor  Frankfurt  am  Main  am  13.  Juli  1552). 

*•)  Täglich  hatte  sich  die  Mannschaft  verstärkt. 


184  S.  Issleib: 

Scliwierigkeiten  gewonnen  zu  haben.  Zog  ein  „trübes 
Wetter"  daher,  so  traf  es  ihn  nicht  ungeschützt.  Ver- 
fügbar war  das  kleine  Heer  gegen  INIagdeburg,  verfügbar 
gegen  jeden  Feind,  verfügbar  für  und  gegen  den  Kaiser. 
Überdies  kostete  die  Unterhaltung  des  Kriegsvolkes,  wie 
Moritz  an  seine  Gemahlin  und  an  hessische  Vertraute 
schrieb,  vorerst  „keinen  Batzen,  da  er  etliche  PfafFengulden 
vorgefunden  habe"  ^'). 

Nahe  lag,  dass  der  kriegslustige  Kurfürst  unmittelbar 
nach  Annahme  des  Kriegsvolkes  den  mecklenburgischen 
Sieg  bei  llillersleben  ausnutzen  und  gegen  Magdeburg 
vorrücken  werde;  allein  (!r  überwies  die  Knechte  dem 
Herzog  Georg  nebst  Jakob  von  der  Schulenburg  mit  der 
AVeisung,  in  Schönebeck  vorläufig  still  zu  liegen  und  eilte 
selbst  nach  Leipzig.  Dui'ch  kluge  Erwägungen  Avurde 
sein  kriegerischer  Ehrgeiz  gezügelt,  denn  die  Mannschaft 
war  nicht  stark  genug,  Magdeburg  im  kühnen  Sturme  zu 
nehmen;  eine  Belagerung  aber  erforderte  umsichtige  Vor- 
bereitung. Zu  beachten  war  ferner,  dass  der  Leipziger 
Landtag  von  1548  dem  Kurfürsten  in  betreff  Magdebux'gs 
bestimmte  Beschränkungen  auferlegt  hatte.  Wollte  er  die 
Sympathien  der  Unterthancn  niclit  gänzlich  verscherzen, 
so  durfte  er  keinesweirs  rücksichtslos  gegen  die  Land- 
stände  den  Weg  der  Gewalt  eigenmächtig  einschlagen. 
Dazu  kam,  dass  der  Kreistag  von  Jüterbogk  die  Exe- 
kution der  Acht  au  Kaiser  und  Keich  verwiesen  hatte. 
Nach  Beschluss  der  Reichsstände  aber  sollte  am  o.  November 
mit  Magdeburg  zu  Augsburg  verhandelt  werden^*). 
Keinesfalls  wollte  Moritz  ohne  Wissen  und  Einwilligung 
des  Kaisers  den  Exekutionskrieg  eröffnen  Das  diplomati- 
sche Spiel  begann. 

Mit  berechneter,  dienstbeflissener  Eile  berichtete 
Moritz^*)  an  den  Kaiser  über  den  „mecklenburgischen 
Gardhaufen"   und    über    den    Einfall    in   die    Stiftsgebiete, 


*')  Brief  an  seine  Gemahlin  vom  1.  Oktolier,  vergl.  Anmerk.  23 
und  Cornelius  .34  und  40:  Moritz'  Briefe  an  Wilhelm  von  Schachten 
und  Simon  Binq;,  datiert  Leipzig,  am  (">.  Oktobei'  und  Torgau,  am 
12.  November  l.'iüO. 

='»)  Vergl.  diese  Zeitschrift  IV,  315. 

*°)  Loc.  10188,  „Schreiben  von  meinem  gniuligsten  Herrn  an 
die  verordneten  Rjith  zu  Augsburg  l'i'iO",  Bl.  147.  Am  24.  September 
kam  der  ersU\  Brief  in  Sachen  ^Magdeburgs  an.  —  Loc.  0151, 11,  Bl.  70, 
Brief  an  den  Kaiser  aus  Leipzig  vom  25.  September,  Bl.  154,  Brief 
aus  Schönebeck  vom  2.  Oktober,  Bl.  217,  Brief  aus  Leipzig  vom 
6.  Oktober.    (Der  letzte  Brief  bei  Druffel  I,  Xo.  498.) 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.    185 

über  die  Aufforderung  des  Domkapitels  zuui  Schutze  der 
Stifter,  über  den  Sieg  bei  Hillersleben  und  über  seine 
Absiebt,  mit  dem  Herzog  von  Mecklenburg  zusammen- 
kommen und  das  Kriegsvolk  Zusammenbalten  zu  wollen, 
damit  es  „weder  Magdeburg,  noch  kaiserlichen  Feinden 
anhängig  werde".  Wenige  Tage  später  zeigte  er  an, 
dass  ihm  die  Knechte  auf  drei  Monate  geschworen  hätten; 
er  entschuldigte  sich  wegen  der  Verzögerung  des  Reichs- 
tagsbesuches und  bat  um  kaiserliche  Resolution,  woraus 
zu  ersehen  sei,  ob  der  Kaiser  die  Knechte  gegen  Magde- 
burg gebrauchen  wolle  oder  nicht.  Im  Falle  der  Ver- 
zichtleistung wollte  Moritz  das  Kriegsvolk  zur  Vermeidung 
vergeblicher  Unkosten  noch  vor  x\blauf  des  Monats  beur- 
lauben. Wenig  stimmte  eine  Briefstelle,  wonach  er  zur 
Verhütung  von  Weitläufigkeiten  das  von  etlichen  sächsi- 
schen Kreisständen  gemäss  des  Jüterbogkschen  Abschiedes 
in  Leipzig  niedergelegte  Geld  zur  Zahlung  eines  halb- 
monatlichen Soldes  verwendet  und  eine  weitere,  zu  glei- 
chem Zwecke  nötige  Summe  vorgesteckt  habe,  mit  Be- 
merkungen in  anderen  Schreiben  überein ^"). 

Voll  gespannter  Erwartung  blickte  der  Kurfürst  den 
kaiserlichen  EntSchliessungen  entgegen.  Was  seine  Person 
anging,  gedachte  er  „zu  lavieren,  so  gut  er  könne".  Auf 
den  Reichstag  wollte  er  nicht  eher  ziehen,  als  Ins  er  ge- 
nau wisse,  „wohin  alle  Winde  wehen"  würden.  Falls  der 
Kaiser  den  Krieg  gegen  Magdeburg  selbst  zu  führen 
bereit  sei,  wollte  er  ihm  die  Knechte  nur  dann  überlassen, 
wenn  er  Geld  und  gute  Worte  gebe,  „sonst  steche  er  den 
Magdeburgern  keine  Maus".  Gesetzt,  der  Kaiser  komme 
nicht  nach  Norddeutschland,  so  hoffte  Moritz  vom  magde- 
burgischen Handel,  „es  solle  eine  Gans  daraus  werden"**). 

In  Auo-sburo^  lief  die  erste  kurfürstliche  Nachricht  am 
24.  September  ein*'^),  mid  unverzüglich  setzte  der  sächsi- 
sche Rath  Franz  Kram  den  kaiserlichen  Rath  Granvella 
(Bischof  von  Arras)  vom  Zuge  des  Herzogs  Georg  gegen 
das  Stift  Halberstadt  in  Kenntnis.  Verwundert  fragte  Gran- 
vella, „wie  Herzog  Georg  zu  dieser  Kriegsübung  komme"; 
denn  so  viel  ihm  bewusst  sei,  habe  der  Herzog  sein  Ver- 
mögen erhalten  und  habe  mit  dem  Stifte  Halberstadt 
„nichts  in    Ungutem    zu   thun".     Mit   dem   Erbieten,    die 


*")  Siehe  vorige  Seite. 

*')  Vergl.  Bemerkung  27. 

")  Loc.  10188.  „Schriefften,  so  die  Kethe  etc.  1550",  Bl.  177  flg. 


186  S.  Issleib: 

Angelegenlieit  au  den  Kaiser  bringen  zu  wollen,  entliess  er 
den  kurfürstliclien  Katli'^). 

Am  27.  September,  nachmittags  3  Uhr,  meldete  dann 
Kram :  Der  Herzog  von  Mecklenburg  sei  aus  dem  Stifte 
Halberstadt  in  das  magdeburgische  Gebiet  vorgerückt  und 
habe  die  Städter  bei  Hillersleben  geschlagen.  Sein  Herr, 
Kurfürt  Moritz,  habe  entbieten  lassen,  das  Kriegsvolk  bei 
einander  zu  halten  etc.  Sobald  Granvella  die  Siegesbotschaft 
gehört,  begab  er  sich  eiligst  zum  Kaiser  und  berichtete 
zurückgekehrt:  „Derselbe  habe  den  gänzlich  unvorher- 
gesehenen Fall  mit  höchster  Freude  vernonuncn;  er  danke 
dem  Kurfürsten  für  die  schnelle  INlittheilung  der  fröhlichen 
Zeitung  und  begehre,  unin  möge  Herzog  Georg,  der  sich 
endlich  der  Achtsexekution  gegen  Magdeburg  mit  Ernst 
und  zugleich  init  grossem  Glücke  unterstanden  habe,  fort- 
rücken, die  Achtergüter  einnehmen  und  sein  Heil  ferner 
versuchen  lassen."  Auf  die  Frage,  Avie  sich  der  Kurfürst 
verhalten  solle,  beeilte  sich  Granvella,  darauf  bezügliche 
Erkundigungen  einzuziehen.  Der  Kaiser  Hess  zu  erkennen 
geben,  „er  wolle  nichts  lieber,  als  dass  der  Kurfürst  in 
Auosburo-  anwesend  wäre,  befinde  derselbe  aber  infolge 
des  mecklenburgischen  Sieges,  dass  es,  um  die  Stadt  zu 
erobern  oder  um  die  Rebellen  auf  andere  Weise  zu  ge- 
bührlichem und  schuldigem  Gehorsam  zu  bringen,  nützlich 
erscheine,  so  solle  er  dem  Herzoge  Georg  förderlich  und 
behilflich  sein  und  noch  etliche  Tage  in  der  Heimath 
verweilen.  Die  Güter,  welche  der  Kui fürst  den  Magde- 
burgern abgewinne,  sollten  ihm  sein  und  bleiben.  Den 
städtischen  Abgeordneten  jedoch''*),  welche  wegen  er- 
gangener Citation  nach  Augsburg  abgeschickt  werden 
würden,  möge  man  auf  alle  Fälle  freien  und  sicheren  Pass 
gewähren".  —  Eine  baldige  Eroberung  Magdeburgs  be- 
zweifelnd, gab  Granvella  den  persönlichen  Rath,  der 
Kurfürst  möchte  weder  Zeit  noch  Geld  nutzlos  opfern 
und  lieber  so  bald  als  möglich  auf  dem  Reichstage  er- 
erscheinen. 

Stracks  eilte  darauf  Kram  zum  Könige  Ferdinand, 
der    sich    bereits    zur    Vesper    begeben    hatte.     Auch    ihn 


")  Die  Halberstädter  Stiftsliorren  hatten  sich  auch  sofort  au 
den  Kaiser  gewendet.  Umc-chend  M'urden  Mandate  mit  dem  Befehle, 
das  ICriogsvolk  zu  zerstreuen,  ausirel'ertigt,  jedoch  nicht  abgesendet, 
sobalil  die  Nachricht  einlief,  Herzog  Georg  sei  nach  dem  „Achter- 
gebiete" gezogen. 

»*)  Yergl.  diese  Zeitschrift  IV,  315. 


Magtleburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   187 


versetzte  die  unerwartete  Siegesnachriclit  in  freudige 
Stimmung-,  und  sofort  war  er  bereit,  noch  am  Abende  mit 
dem  Kaiser  zu  reden,  da  man  die  „günstige  Gelegenheit" 
gegen  Magdeburg  uiögHchst  ausbeuten  müsse.  —  Zwei 
Tage  später  (früh  am  29.  September)  traf  Christof  von 
Carlo witz  in  Augsburg  ein^^),  begab  sich  zu  Granvella, 
überreichte  ein  kurfürstliches  Schreiben  vom  25.  Sep- 
tember***) und  erbat  Magdeburgs  halber  eine  bündige 
Erklärung.  Allein  nicht  umgehend,  wie  erwartet,  erhielt 
er  Bescheid.  Der  Kaiser  berieth  sich  zuvor  mit  König- 
Ferdinand  und  einigen  vertrauten  Personen.  Erst  am 
2.  Oktober  empfing  Carlowitz  Antwort'*').  Karl  V.  Hess 
den  Kurfürsten  Moritz  autfordern,  das  Kriegsvolk  in 
seinem  (des  Kaisers)  Namen  zu  gebrauchen  und  sich 
Magdeburgs  zu  bemächtigen.  Er  war  zufrieden,  dass  die 
erstürmte  Stadt  dem  Kriegsvolke  preisgegeben  werde,  und 
dass  der  Kurfürst  sie  so  lange  behalte;  bis  ihm  entweder 
vom  Kaiser  oder  von  der  Stadt  ein  zweimonatlicher  Sold 
für  5000  Knechte  erlegt  worden  sei.  Um  Moritz  zur 
Achtsexekution  anzuspornen,  gab  er  zu  erwägen,  wie  be- 
schwerlich für  die  gehorsamen  Nachbarn  Magdeburgs  ein 
gewaltiger  Reichskrieg-  gegen  die  Achter  sein  werde. 
Schwendi  sollte^*)  im  Namen  des  Kaisers  der  magde- 
burgischen Kriegshandlang  beiwohnen  und  die  sächsischen 
Kreisstände  zur  Unterstützung  anhalten.  Carlowitz  wurde 
aufgefordert,  die  eröffneten  Mittheilungen  so  schnell  als 
möglich  an  den  Kurfürsten  gelangen  zu  lassen  und  das 
Eintreffen  eines  kaiserlichen  Schreibens  in  Aussicht  zu 
stellen  '^). 

•")  Loc.  9151,  II,  Bl.  1.^2.  Er  war  mit  dem  Hofstaate  und  mit 
den  anderen  kurfürstlichen  Käthen  bis  Nürnberg  gezogen. 

36)  Vergl.  Anmerkung  29. 

")  Loc.  9151,  II,  Bl.  2.37,  Brief  vom  .S.Oktober  „früh  eilend 
Augsburg"  mit  der  Aufschrift:  „cito,  cito,  citissime  zu  höchst  eignen 
Händen  von  niemand  zu  erbrechen". 

ä»)  Vergl.  Druffel  I,  No.  507,  Schwendi  verliess  Augsburg  erst 
am  18.  Oktober. 

*»)  Das  Schreiben,  datiert  vom  3.  Oktober,  hat  v.  Langenn  I, 
445  benutzt.  Die  Bemerkung  Druffel s  I,  No.  498,  „dieser  Brief 
kreuzte  ein  kaiserliches  Schreiben,  Oktober  3",  ist  unrichtig. 
Nach  Loc.  9151,  II,  Bl.  241  (Carlowitz'  Brief  vom  6.  Oktober)  war 
zwar  das  kaiserliche  Schreiben  „bis  auf  das  Unterschreiben  fertig", 
aber  nach  Bl.  256  üg.  am  11.  Oktober  noch  nicht  unterschrieben, 
ebensowenig  Schwendi  abgefertigt.  Die  Abreise  Schwendis  erfolgte 
erst  am  18.  Oktober  und  der  kaiserliche  Brief  vom  3.  Oktober  kam 
endlich  am  27.  Oktober  im  Feldlager  vor  Magdeburg  an.    Darnach 


188  S.  Issleib: 

Trotz  der  Eile  hatte  Carlowitz  mancherlei  gegen  die 
Vorschläge  einzuwenden.  Seiner  JMeinung  nach  mochte 
sich  unter  derartigen  Bedingungen  niemand  gern  in  grosse 
Gefahren  und  Unkosten  stecken.  Er  missbilligte  die  Preis- 
gebung der  eroberten  Stadt  an  das  Kriegsvolk,  wodurch 
die  Kriegskostenerstattung  von  Seiten  der  Achter  hin- 
fällig werde,  und  bat  in  betreff  des  zweimonatlichen  Soldes, 
nicht  bloss  auf  Erobei'ung,  sondern  auch  auf  Belagerung 
Bedacht  zu  nelmien.  Geflissentlich  fragte  er,  warum  man 
nicht  das  in  Jiiterbogk  von  den  beiden  sächsischen  Kreisen 
bewilligte  Geld  gegen  Magdeburg  gebrauchen  wolle,  zumal 
die  Stände  jetzt,  wo  das  Kriegsvolk  so  nahe  vor  der  Thüre 
liege,  zur  Erlegung  des  Geldes  sehr  leicht  zu  bringen 
seien.  Granvella  erwiderte,  man  wisse,  dass  die  sächsi- 
schen Kreise  insgesamt  nur  dann  ihren  Antheil  erlegen 
wollten,  wenn  auch  die  andern  Kreise  Geld  geben  wür- 
den'"); diesen  jedoch  könne  vor  dem  Termine  der  an- 
beraumten magdeburgischen  Verhandlung,  die  unter  allen 
Umständen  stattfinden  solle,  keine  Zahlung  zugemuthet 
werden.  Verlange  man  die  Verabreichung  des  sächsischen 
Ständegeldes,  so  würde  der  Kaiser  die  Verbindlichkeit  hin- 
sichtlich des  zweimonatlichen  Soldes  für  seine  Person  aller- 
dings zurückweisen.  Eins  werde  gegen  das  andere  fallen. 
Der  Kurfürst  möoe  wählen.  —  Im  Verlaufe  weiterer  Unter- 
redung  gab  Granvella  keine  Auskunft  über  erforderliche 
Kelterei  und  Artillerie  und  entliielt  sich  jeglicher  Erklärung 
darüber,  wie  es  gehalten  werden  solle,  wenn  der  Kurfürst 
seine  Schuldigkeit  thue  und  die  Stadt  nicht  erobere.  Un- 
geachtet vieler  Bemühungen  aucli  an  den  folgenden  Tagen 
erlangte  Carlowitz  keine  vortheilhaftere  kaiserliche  Keso- 
lution.  Seine  Ausstellungen  trugen  ihm  von  selten  des 
römischen  Königs  nur  die  Bemerkung  ein:  „wer  gewinnen 
wolle,  der  müsse  etwas  dagegen  einsetzen"  *M.  Am  kaiser- 
lichen Hofe  erwartete  man,  Kurfürst  Moritz  werde  mit 
den  gemachten  Vorschlägen  zufrieden  auf  seine  Kosten 
der  Achtsexekution  mit  Eifer  nachsetzen.  Wie  irrte  man 
in  dieser  Hinsicht! 


sollte  Moritz  „die  Staflt  mittlerweile  innehaben  und  abzutreten  nicht 
schuldig  sein,  bis  die  zweimonatliche  liesoldung  durch  einen  künftigen 
Erzbiscliof  von  Magdeburii'  oder  sonst  völlig  erlebt  und  bezalilt  sei". 
Hiernach  lautete  das  schriftliche  Versprechen  anders  als  das  münd- 
liche vom  2.  Oktober.  Druffel  I,  Xo.  517  ist  auf  den  2.  Oktolier 
zu  setzen. 

*")  Vergl.  diese  Zeitschrift  IV,  .308. 

")  Loc.  9151,  ir,  lil.  241.    Brief  vom  G.  Oktober. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.    189 

Christof  von  Carlowitz  brachte  die  Unterredung  mit 
GranveHa  (vom  2.  Oktober)  zu  Pai^ier  und  entsandte  sein 
Schreiben  in  höchster  Eile.  Dringend  bat  er,  der  Kurfürst 
möge,  sobald  sichere  Hoffnung  vorhanden  sei,  die  Stadt 
zu  erobern  oder  sonst  zu  gewinnen,  mit  Vorvvissen  edicher 
der  Vornehmsten  seiner  Lande  ohne  Zaudern  an  das 
Werk  schreiten  und  später  erst  die  Bewilligung  seiner 
Landstände  einholen.  Glimpflich  und  mit  gnädigem  Willen 
des  Kaisers  könne  er  sich  dann  auch  des  Reichstagsbe- 
suches entschlagen  oder  die  Reise  doch  möglichst  hinaus- 
schieben. 

Immer  hatte  Carlowitz  dem  energischen  Vorgehen 
gegen  die  gefähi-liche  Eibstadt  das  Wort  geredet,  schon 
„um  ein  gutes  Verhältnis  mit  dem  Kaiser  zu  erhalten" ; 
jetzt  feuerte  er  in  der  That  zu  einer  Unternehmung  gegen 
Magdeburg  an.  Weit  hinter  ihm  blieben  in  dieser  Be- 
ziehung die  anderen  kurfürstlichen  Räthe  in  Augsburg 
zurück;  fast  ängstlich  mahnten  sie  zur  bedächtigen  Vor- 
sicht ^^).  Auf  die  früheren  Berathungen  der  „Landräthe", 
auf  die  Bedenken  des  Leipziger  Landtages  und  auf  den 
Abschied  von  Jüterbogk  verweisend  warnten  sie,  die  Aclits- 
vollstreckung  auf  eigne  Faust  zu  unternehmen,  denn  nach 
Ihrer  Meinung  koste  die  Exekution  viel  Mannschaft  und 
Geld,  sie  könne  dem  Kurfürsten  und  seinen  Landen  grosse 
Gefahren  bringen  und  den  Verdacht  zuziehen,  als  halte 
er  es  mit  den  Katholiken.  Er  solle  sich  der  Achtsvoll- 
streckung nur  nach  gemeinsamem  Beschlüsse  des  Kaisers 
und  aller  Stände  auf  Kosten  des  Reiches  unterziehen. 

Die  heimkehrenden  Räthe  Dr.  Fachs  und  Dr.  Mord- 
eisen hoben  gleichfalls  in  einem  Schreiben  aus  Nürnberg 
die  Beschlüsse  der  Land-  und  Kreisstände  hervor,  wider- 


")  Loc.  9151,  II,  Bl.  132,  133,  147  flg.  (Briefe  des  Dr.  Fachs 
und  Mordeisen  vom  28.— .'.0  September,  datiert  von  Nürnberg  und 
Gräfenberg),  und  Loc.  10  188  „Schriften  der  Räthe  von  Augsburg 
1550",  Bl.  145,  147  flg.,  Briefe  von  Osse,  Könneritz,  Kneut- 
lingen  und  Kram.  —  Kram  bemerkte:  „es  bedürfe  gutes  Glückes, 
Aufsehens  und  Bedachtes,  er  könne  leiden,  dass  Dr.  Fachs  jetzt  beim 
Kurfürsten  wäre,  es  wäre  weidlich  was  Tapferes  darum  zu  geben". 
.1  u  1.  T  r  a  u  g  0 1 1  Jakob  von  K  ö  n  n  e  r  i  t  z  giebt  in  soiner  Abhandlung : 
Weigerung  der  Leipziger  Pätterschaft  etc.  in  v.  Webers  Archiv  für 
sächsische  Geschichte  IV  (1866),  Anmerkung  128  als  Ausstellungsort 
des  Briefes  von  Mord  eisen  und  Fachs  (vom  30.  September) 
Dresden  an,  es  muss  aber  heissen  Gräfenberg  (zwischen  Nürn- 
berg und  Bayreuth).  In  dieser  Abhandlung  finden  sich  noch  viele 
andere  Unrichtigkeiten. 


190  S-  Issleib: 

rietheu  Krieg  iiiul  empfahlen  Verhandlung.  Der  Kurfürst 
möge  sich  an  den  Beschluss  der  Reichsstände  vom  26.  Sep- 
tember halten"")  und  zunächst  Güte  walten  lassen.  Viel- 
leicht gelinge  es,  den  Grafen  Albrecht  von  Mansfeld  der 
Stadt  „abzustricken",  die  städtische  Kriegspartei  zu  sciiwä- 
chen  und  die  Friedliebenden  zu  ermuthigen.  Das  Aus- 
bleiben vom  Reichstage  könne  wohl  noch  durch  andere 
Gründe  als  durch  Magdeburg  gerechtfertigt  werden. 

Fast  unwiderstehlich  wurde  Kurfürst  Moritz  in  die 
Bahn  der  Verhandlung  gedrängt.  Und  nicht  bloss  durch 
die  Mehrheit  seiner  Räthe !  Fürst  Georg  von  Anhalt  er- 
schien bereits  am  27.  September  von  Merseburg  aus  in 
Leipzig  und  knüpfte  die  ersten  Fäden  friedliclier  Ver- 
handlung an^^).  Moritz  räumte  ihm  die  Stelle  eines  Ver- 
mittlers ein,  und  schnell  kehrte  der  Fürst  nach  Merseburg 
zurück,  um  dem  Magdeburger  Stadtrathe  unverzüglich 
Verhandlung  entbieten  zu  lassen*^).  Ohne  grosse  Bedenken 
gingen  die  Rathsherren  auf  den  Antrag  des  wohlwollen- 
den Fürsten  ein  und  übersandten  für  seine  Unterhändler 
„sicheres  Geleit  in  allewege".  Darauf  eilten  der  fürstliche 
Kanzler  Johann  Riptsch  und  Oswald  Rot  nach  Magdeburg 
und  begannen  die  Verhandlungen  am  Nachmittage  des 
2.  Oktober.  Sie  riethen  den  Magdeburgern  vor  allem 
infolge  der  stattgefundenen  Leipziger  Unterredung  (vom 
27.  September),  sich  mit  einem  unterthänigcn  Gesuche 
unmittelbar  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen  zu  wenden 
und  ausserdem  gütliche  Verhandlung,  welche  man  von 
anderer   Seite    anknüpfen   werde,    nicht   auszuschlagen^"). 

Am  Nachmittage  des  folgenden  Tages  erklärten  die 
Magdeburger,  sie  könnten  sich  nur  dann  in  Verhandlung 
einlassen,  wenn  ihnen  das  reine  und  lautere  Wort  Gottes, 
sowie  alle  Privilegien  vmd  Freiheiten  garantiert  würden. 
Da  der  Feind  vor  der  Stadt  liege  und  sie  nicht  wüssten, 
was  daraus  erfolge  —  denn  ein  Fürst  sei  zum  Kriegs- 
volke gekommen  und  habe  es  auf  etliche  Monate  schwören 


**)  Derselbe  setzte  die  Verliandluiig  mit  Magdeburg  auf  den 
3.  >iovember  fest. 

")  Loc.  9151,  II,  Bl.  52,  82  Hg. 

**)  Noch  in  derselben  Nacht  jaste  ein  reitender  Bote  von 
Merseburg  nach  Magdeburg;  ein  zweiter  folgte  dem  ungeduldig  er- 
warteten in  der  ersten  Frühe  des  .30   Septembers. 

*')  Faclis  und  Carlowitz  schrieben  am  28.  September  von  Nürn- 
berg aus  an  Ilcinricli  Alemann  und  Dr.  Levin  von  Emden,  Loc.  9151, 
II,  Bl.  13(;. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   191 

lassen^')  — ,  so  trügen  sie  Bedenken  zu  verhandeln.  In- 
dessen der  Fürst  von  Anhalt  möge  Mittel  vorschlagen, 
welche  ihre  Lehre  und  Privilegien  verbürgen  würden^*). 
Auf  diese  Antwort  hin  entsandte  Georg  von  Anhalt 
am  4.  Oktober  einen  weiteren  Boten,  um  die  Magdeburger 
nochmals  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen  zu  verweisen 
und  ihnen  eindringlich  zu  Gemüth  zu  führen,  zwischen 
Religion  und  Profansachen  zu  unterscheiden:  in  Profan- 
sachen seien  alle  Christen  der  ordentlichen  Obrigkeit 
Gehorsam  schuldig,  nur  das  göttliche  Wort  stehe  nicht 
in  der  Menschen  Macht  und  Willen ,  das  werde  allein 
durch  Gottes  Kraft  und  Geist  in  aller  Herzen  wunderbar 
erhalten  etc.  Der  Bote  und  das  ihm  anvertraute  fürstliche 
Schreiben  gelangten  nicht  nach  Magdeburg.  Herzog- 
Georg  von  Mecklenburg  war  gegen  den  Befehl  des  Kur- 
fürsten Moritz  von  Schönebeck  aufgebrochen  und  mit  dem 
Kriegsvolke  an  die  Stadt  herangerückt.  Stürmischen  und 
ungeduldigen  Gemüthes  begann  er  ein  keckes,  wildes  und 
wüstes  Treiben,  verführte  das  zuchtlose  Volk  zu  unbeson- 
nenen und  nutzlosen  Gefechten,  liess  brandschatzen,  plün- 
dern, rauben  und  gab  Jakob  von  der  Schulenburg  zu 
bitteren  Klagen  Anlass*^).  Als  der  erwähnte  anhaltinische 
Bote  sich  der  Stadt  näherte,  sprengten  mecklenburgische 
Reiter  gegen  ihn  an,  beraubten  ihn  des  Wappens  und 
aller  Papiere  und  schleppten  ihn  vor  den  Pierzog  Georg. 
Dieser  erbrach  das  fürstliche  Schreiben  an  die  Magde^ 
burger,  las  es  und  gab  es  zurück.  Da  niemand  verordnet 
wurde,  welcher  den  Boten  bis  an  das  Stadtthor  geleitete, 
so  sah  er  sich  genöthigt,  unerledigten  Auftrages  nach 
Merseburg    zurückzukehren.      Zum    Glücke    hatte    dieser 


*■)  Sie  wussten  wohl  in  der  That  nicht,  dass  Moritz  das  Kriegs- 
volk gewonnen  hatte. 

*')  Bürgermeister  Alemann  und  Dr.  Emden  Mollten  nicht  ad 
partem,  sondern  zur  Vermeidung  von  Verdacht  nur  in  Gegenwart 
einer  Rathsperson  reden.  Die  „im  Vertrauen"  angesprochenen 
Theologen  bezogen  sich  auf  des  üathes  Antwort.  Am  1.  Oktober 
1550  (Mittwoch  nach  Michaelis)  erliessen  die  Magdeburger,  um  über- 
triebene, feindliche  Gerüchte  zu  widerlegen  und  grosse  Besorgnisse, 
sowie  ängstliche  Befürchtungen  zu  beseitigen,  einen  ,, wahrhaften 
Bericht"  über  die  Schlacht  bei  Hillersleben  Sie  bezeugten  darin 
ihre  Standhaftigkeit  gegen  den  römischen  Antichristen,  Interim  und 
Konzil,  ihre  Beharrlichkeit  in  der  reinen  Lehre  und  ihren  Muth  in 
Zeiten  der  Noth.  Po  mar  ins  203  und  Hortleder  II,  Buch  4, 
Kap.  8,  S.  1091. 

")  Loc.  9151,  II,  Bl.  149  Üg. 


192  S.  Issleib: 

Zwischenfall  keine  längere  Störung  zur  Folge,  sondern 
besclileuniote  nur  die  andererseits  beschlossene  und  dem 
Stadtrathe  bereits  angekündigte  Thätigkeit.  Herzog 
Augustus  von  Sachsen  gesellte  seine  Bemühung  zu  der 
des  Fürsten  von  Anhalt.  Sein  unbekannter  Vermittler 
—  jedenfalls  war  es  Klaus  Berner  —  brachte  von  Seiten 
der  Magdeburger  die  Erklärung  ein,  „sie  könnten  leiden, 
dass  sich  der  Fürst  von  Anhalt  zu  ihnen  begebe".  Infolge 
dessen  fand  am  7.  Oktober  zu  Grosssalza  zwischen  Augu- 
stus und  Georg  von  Anhalt  eine  Berathung  statt,  und 
tags  darauf  eilte  der  Auhaltiner  nach  Magdeburg,  ohne 
jedoch  zu  erreichen,  was  er  gewollt.  Die  Magdeburger 
stellten  ihre  Angelegenheit  als  eine  hochwichtige  Sache 
dar,  welche;  abgesehen  von  städtischen  Interessen,  nicht 
allein  Gottes  Wort,  sondern  auch  die  Freiheit  aller  Deut- 
schen betreffe.  Ohne  Wissen  ihrer  Verbündeten,  „der 
Fürsten,  Städte  und  Stände  christlicher  Religion",  wollten 
sie  sich  in  keine  Handlung  einlassen.  Georg  nahm  nur 
die  vertröstende  Versicherung  mit  von  dannen,  man  werde 
ihn  des  weiteren  verständigen,  sobald  der  Rath  der  Ver- 
bündeten eingeholt  sei^"). 

Inzwischen  waren  die  ersten  Meldunoen  der  kui-fürst- 

Cd 

liehen  Käthe  von  Augsburg  in  Leipzig  eingetroffen  ^  )- 
Sobald  Moritz  erfahren,  dass  er  das  Kriegsvolk  im  Namen 
des  Kaisers  bei  einander  behalten  und  die  Stadt  in  seine 
Gewalt  bringen  sollte,  erhob  er  sich  mit  dem  heimge- 
kehrten Kath  Dr.  Fachs  und  rückte,  zumal  dringend  von 
seinem  Brüder  gebeten,  dem  Schauplatze  seiner  künftigen 
Thaten  nahe.  Der  Kanzler  Dr.  Mordeisen  begab  sich  nach 
Dresden  und  bereitete  die  Berufung  des  Landtages  für 
Ende  Oktober  nach  Torgau  vor. 

Am  IL  Oktober  ritt  Kurfürst  Moritz  in  Barbi  ein; 
abends  nahte  Kurfürst  Joachim  von  Brandenburg.  Um 
beide  versammelten  sich  Herzog  Augustus,  Herzog  Georg 


5»)  Loc.  9151,  ir,  131.170,  177,  180;  Briefe  Herzogs  Augustus 
vom  0.,  7.  und  9.  Olctober.  Verirl.  Drui'fel  I,  No.  516,  Marillac  an 
König  Heinrich  H.  (28.  Olctober).  Unter  den  Verbündeten  \varen 
Markgraf  Hans  von  Küstrin  und  sein  Anhang  gemeint. 

*')  Ivrams  Brief  vom  28.  September  langte  am  4.  Oktober  in 
Leipzig  an  (Loc.  10188,  Bl.  147).  Am  5.  u.  6.  Oktober  weilte  Moritz 
noch  in  dieser  Stadt,  vergl.  Brief  an  seine  (iemablin  vom  .">.  Oktol)er 
(Loc.  8498,  Handschreiben  etc.)  und  Anmerkung  29,  —  Carlowitz' 
Brief  vom  li.  Oktober  „früh  eilend"  lief  am  8.  Oktober  in  Gross- 
salza ein. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   193 

von  Mecklenburg-  und  Fürst  Georg  von  Anhalt,  der  Dekan 
des  Erzstiftes  (Graf  Ernst  von  Mansfeld)  und  eine  Anzahl 
Vertreter  des  Domkapitels  und  der  Stiftsstände'''^).  jNIülie- 
volle  Geschäfte  nahmen  jetzt  mehrere  Tage  in  Anspruch*^). 
Zunächst  verhandelten  die  Kurfürsten  mit  dem  Dom- 
kapitel und  den  Stiftsständen  über  die  vorläufige  Unter- 
haltung des  Kriegsvolkes,  über  die  Statthalterschaft  des 
künftigen  Erzbischofs  Markorafen  Friedrich  und  über 
Entschädigung  des  Herzogs  von  Mecklenburg  für  Ab- 
tretung der  eroberten  Stiftshäuser.  Gegen  die  Statthalter- 
schaft des  Markgrafen  Friedrich  vrurde  von  Seiten  der 
Stiftsvertretung  nichts  eingewendet^^);  aber  mit  Ent- 
schiedenheit sträubte  sie  sich  gegen  eine  Abfindungssumme, 
welche  Herzog  Georg  gezahlt  werden  sollte;  denn  ge- 
flissentlich suchte  sie  den  Verdacht  fernzuhalten  oder  zu 
vernichten,  als  hätte  man  vom  Vorhaben  des  Herzogs 
gegen  Magdeburg  gewusst^'').  Hinsiclitlich  des  Kriegs- 
volkes fand  auch  keine  mühelose  Einigung  statt.  Die 
Vertreter  des  Domkapitels  und  der  Stiftsstände  wollten 
die  Truppen  nur  mit  beiden  Kurfürsten  gemeinsam  unter- 
halten; wogegen  diese  erklärten,  ohne  kaiserliche  Ermäch- 
tigung und  ohne  Zustimmung  ihrer  Landstände  in  der 
Magdeburger  Sache  nichts  mehr  als  bisher  thun  zu  können. 
Bis  zur  Ankunft  kaiserlicher  Resolution,  die  innerhalb 
eines  halben  Monats  erfolgen  werde,  sollte  das  Erzstift 
für  die  Besoldung  des  Kriegsvolkes  Sorge  tragen.  Schliess- 
lich wurde  den  Stiftständen  die  Bezahlung  eines  halb- 
monatüchen  Soldes  für  6000  Knechte  und  800  Reiter  auf- 
erlegt. Hierauf  richteten  beide  Theile  ilir  Augenmerk 
auf  Magdeburg.  Ein  Waffenstillstand  wurde  verkündet, 
und  der  mecklenburgische  Kanzler  Dr.  Scheiring  entbot 
die  Magdeburger  unter  Darbietung  sicheren  Geleites  zur 
Verhandlung.  Graf  Albrecht  von  Mansfeld  und  Hans 
von  Heideck  sollten  mit  Abgeordneten  des  Rathes  und  der 
Gemeine  am  folgenden  Tage  (13.  Oktober)  um  9  Uhr 
früh  im  Lager  erscheinen. 

*^)  Letztere  hatten  kurz  vorher  den  Grafen  Johann  Georg  von 
Mansl'eld  und  den  Domherrn  von  Wallwitz  mit  einem  Hilfegesuch 
an  den  Kaiser  gesendet.  Nach  Carlowitz'  Brief  vom  20.  Oktober 
erschienen  sie  am  17.  Oktober  in  Augsburg.  Loc.  9151,  II,  Bl.  256 
bis  276.     Po  mar  ins  280  irrt  in  der  Datierung. 

**)  Loc.  9151,  II,  Bl.  18.3  fig. 

**)  Man  bat  König  Ferdinand  um  Verwendung  beim  Kaiser 
wegen  der  Statthalterschaft  des  Markgrafen,  Loc,  9151,  II,  Bl.  296. 

")  Vergl.  D  ruf  fei  I,  No.  507. 

Neues  Archiv  f.  S.  Ü.  ii.  A.   V.  3.  13 


194  S-  Issleib: 

Dr.  Scheiring  geg-enUber  tadelten  die  Magdeburger 
die  verübten  Oewalttliaten  des  Kricgsvolkes,  stellten  in 
Abrede,  dass  sie  Rebellen  seien,  und  behaupteten,  ihre 
Sache  botreffe  das  heilige  Evangelium  und  die  Freiheit 
deutscher  Nation.  Sie  könnten  sich  weder  auf  das  päpst- 
liche Interim  noch  auf  andere  Menschensatzung  einlassen. 
Dr.  Scheiring  sollte  die  Kurfürsten  ersuchen,  dass  sie 
nichts  gegen  Gottes  Wort  und  ,.gemeiiie  Libertät"  vor- 
nähmen, vielmehr  alle  undiegenden,  evangelischen  Fürsten 
und  vStände  zu  einer  gemeinsamen  Berathung  zusammen- 
beriefen, an  der  sie  (die  Magdeburger)  theilnehmen  wollten. 
Wegen  der  völligen  Unsicherheit  vor  der  Stadt  trugen 
die  Magdeburger  Bedenken,  ti'otz  kurfürstlichen  Geleits 
Abgeordnete  zu  schicken. 

In  einer  schriftlichen  Antwort  entkräfteten  darauf  die 
Kurfürsten  die  gegen  das  Kriegsvolk  erhobenen  Klagen 
imd  beschuldigten  die  Magdeburger  der  Urheberschaft 
aller  entstandenen  Kriegsbeschwerden.  Mit  dem  Kaiser, 
nicht  mit  ihnen,  sollten  sie  ausfechten,  ob  sie  Rebellen 
seien  oder  nicht.  So  wenig  wie  die  Magdeburger  wollten 
sie  vom  Worte  Gottes  abfallen.  Aber  an  Magdeburg  sei 
das  Wort  Gottes  nicht  gebunden;  dasselbe  werde  bestehen 
und  bleiben,  wenn  Magdeburg  längst  gestürzt  und  zerstört, 
wenn  Himmel  und  Erde  vergangen  seien.  An  der  „Libertät 
des  Reiches"  sei  ihnen  als  Kurfürsten  weit  mehr  als  den 
Magdeburgern  gelegen;  sie  bestehe  nicht  in  Ungehorsam 
oder  Willkür.  Es  werde  keineswegs  das  Evangelium 
erlöschen  und  die  deutsche  Freilieit  unterdrückt,  wenn 
diu  Magdeburger  ihrer  Rebellion  und  begangenen  Frevel 
halber  bestraft  würden.  Seit  eJahrcn  müsse  das  Evange- 
lium ihrer  Sünden  und  Unthaten  St  hutz  und  vScheindeckel 
sein. 

Ungeachtet  dieser  rügenden  Auseinandersetzungen 
waren  doch  die  Kurfürsten  gewillt,  das  überschickte  Geleit 
zu  verlängern,  und  jedem  Boten,  der  nach  Augsburg 
gesendet  werden  sollte,  freies  imd  sicheres  Geleit  zu  ge- 
währen. Allein  niemand  erschien  im  Lager,  kein  Bote 
nahte,  tun  nach  Augsburg  zu  eilen.  Da  verständigten 
sich  die  Kurfürsten  mit  den  Vertretern  des  Erzstiftes  über 
ein  Schreiben  an  Kaiser  Karl  V.  und  an  König  Ferdinand. 
Der  Inhalt  beider,  fast  gleichhiutender  Briefe,  bietet  wenig 
neues.     Nach  genauer  Angabe  der  liegenden  Verhältnisse 


60 


)  Loc.  9151,  n,  m.  20ß  11g.,  Drnffel  I,  No.  502. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.    195 

baten  sie  um  kaiserliche  und  königliche  Unterstützung 
und  um  Hilfe  der  Keichsstände,  da  jetzt  die  beste  Gelegen- 
heit sei,  die  gehorsamen  Stände  des  Reiches  zu  schützen 
und.  die  Achter  zum  Gehorsam  zu  bringen.  Versäume 
man  die  günstige  Zeit,  so  würden  die  Magdeburger  den 
Kopf  hocli  aufrichten,  und  ihr  Muth  werde  gewaltig  wachsen, 
wenn  die  begonnene  Belagerung  durch  Vernachlässigung 
wieder  aufgehoben  werden  müsse.  Das  schädige  die  Stifter 
Magdeburg  und  Halberstadt,  benachtheilige  das  ganze 
Reich  und  schmälere  das  kaiserliche  Ansehen.  An  Oarlo- 
witz  schrieb  Kurfürst  Moritz,  er  sei  mit  den  kaiserlichen 
Erklärungen  vom  2.  Oktober  keineswegs  zufrieden,  sondern 
fordere  anderen  und  besseren  Bescheid,  sonst  müsse  er 
ernstlich  daran  denken,  sich  aus  der  oanzen  Sache  zu 
ziehen"'). 

Auch  die  Rüstungen  in  Norddeutschland  wurden  nicht 
ausser  Acht  gelassen.  Die  Kurfürsten  forderten  die  Her- 
zöge von  Mecklenburg  und  Pommern,  Markgrafen  Hans, 
Herzog  Franz  Otto  von  Lüneburg  und  einige  Seestädte 
auf''*),  die  angenommenen  Knechte  und  Reiter  verlaufen 
und  verreiten  zu  lassen  und  den  Achtern,  gegen  welche 
das  Kriegsvolk  des  Herzogs  Georg  einzig  und  allein  ge- 
braucht werde,  in  keiner  Weise  Vorschub  zu  leisten. 
Indem  man  einerseits  den  Herzogen  von  Mecklenburg  die 
Hand  zur  Beilegung  der  brüderlichen  und  vetterlichen 
Irrungen  bot,  ersuciite  man  andererseits  Karl  V.,  durch 
jSIandate  Herzog  Heinrich  von  Mecklenburg  und  Hans 
von  Küstrin  von  krieiicrischen  Gedanken  abzubringen^-'). 
Ein  „offener  Brief"  an  die  Einwohner  und  Bürger  Magde- 
burgs mit  Unterschrift  und  Siegel  beider  Kurfürsten  (vom 
lö.  Oktober),  welcher  gegen  Sicherung  der  Religion  und 
des  Eigenthums  und  gegen  Gewährung  doppelten  Ersatzes 
für  jeden  Verlust  zum  Abfall  vom  „verstockten  und  kriegs- 


ä')  Druffel  I,  516,  No.  503,  Bischof  von  Arras  an  Königin 
Maria,  Augsburg  am  13.  Oktober:  „Täglich  erwartet  man  Nachricht, 
ob  Moritz  unter  den  angebotenen  Bedingungen  die  Belagerung 
Magdeburgs  übernimmt". 

**j  Loc.  9151,  II,  Bl.  2:0  flg.  Kurfürst  Joachim  hatte  schon 
den  Vertrauten  Adam  Trott  an  den  Markgrafen  Hans  und  nach 
Mecklenburg  geschickt,  um  sagen  zu  lassen,  wie  es  um  das  Kriegs- 
volk stehe;  vergl.  Bl.  151.  Brief  an  Moritz,  Brandenburg  am  4.  Ok- 
tober l.ööO. 

*')  Der  Kaiser  war  dazu  bereit.  (Loc.  9151,  H,  Bl.  220.)  Schwendi 
überschickte  die  Mandate  später  von  Torgau  aus.  (Drutfell,  No.  522, 
vergl,  514  und  526.) 

13* 


196  S.  Tssleib: 

süchtigen  Ruth"  und  zur  Ergebung  aufi'ordertc,  wurde 
wohl  nicht  in  die  Stadt  hefördert*^").  Der  vom  Domkapitel 
und  den  Stiitsständen  den  Kurfürston  übergebcne  Vertrags- 
entwurf, wonach  das  Kriegsvolk  nach  xA.blauf  eines  halben 
Monats  bis  zur  bewilligten  Kcichshilfe  von  ihnen  gemein- 
sam unterhalten  und  das  gesamte  städtische  Eigentlumi 
nach  Eroberung  dt-r  Stadt  bei  Wahrung  aller  hergebrachten 
Rechte  des  Erzbisehofs,  Kapitels  und  Klerus  unter  sie 
getheilt  werden  sollte,  wurde  nicht  vollzogen'"'). 

Nachdem  Kurfürst  Moritz  Johann  Jlilicher  als  Obrist 
über  die  zehn  mecklenburgischen  Fähnlein  gesetzt  und 
die  Knechte  durch  zwei  Fähnlein  und  200  Reiter  aus  dem 
Erzstifte  verstärkt  hatte,  nahm  er  auch  Herzog  Georg  mit 
seinen  200  Reitern  in  Dienst-  Gleichen  Tages  (16.  Oktober) 
ging  er  mit  dem  Domkapitel  das  Stift  Halberstadt  um  Geld 
und  Mannschaft  an  mid  erbat  vom  Herzog  Philipp  von  Lüne- 
burg 1000  Schanzgräber'*''). 

Trotz  der  auffälligen  Zurückhaltung  der  Magdeburger 
wünschten  doch  beide  Kurfürsten  die  Verhandlung  in  Fluss 
zu  bringen,  zumal  nach  einem  eingelaufenen  Briefe  Christofs 
von    Carlo witz    weder   auf  kaiserliche,    noch    auf   Reichs- 
hilfe  vorerst   mit  Bestimmtheit   gerechnet  werden  konnte. 
Es  wurde  daher  Dr.  Scheiring  in  aller  Frühe  des  17.  Ok- 
tobers zum  zweiten  Male  nach  Magdeburg  geschickt,  um 
abermals  Verordnete    in    das  Lager  zu  fordern'*^).    Wohl 
sechsmal    im    Laufe    des    Tages    um    Antwort    anhaltend, 
wurde    er    von   Stunde   zu   Stunde,   und   endlich    auf   den 
folgenden  Tag  vertröstet.    Als  er  dann  mit  einem  Briefe 
an  die  Kurfürsten  im  Lager  ankam,  waren    beide   davon 
geritten,  der  eine  nach  Wittenberg,  der  andere  nach  Branden- 
burg.   Ihrer  Verabredung  gemäss  wollten  sie  günstigenfalls 
bald    wieder    vor    Magdeburg    eintreffen.      Dr.    Scheiring 
l)egab  sich  nach  Wittenberg,  überlieferte  das  Rathsschrei- 
ben    und    berichtete   über  seinen  Aufenthalt  in  der  Stadt. 
Aus  allem  war  zu  entnehmen,  dass  die  INIagdeburger  güt- 
liche Verhandlung  nicht  gänzlich  zurückweisen  und  gegen 
genügende  Garantie  persönlicher  Sicherheit  im  Lager  er- 
scheinen wollten.     Umgehend  gab  daher  Moritz  Joachim 
von   Brandenburg   vom   Stand    der  Dinge  Nachricht    und 


•»)  Loc.  9151,  II,  Bl.  328. 

•')  Vgl.  Hoffmann,  Geschichte  der  Stadt  Magdeburg.  II,  274. 

«')  Loc.  9151,  n,  Bl.  22.3,  2:55,  442  flg. 

")  Loc.  0151,  II,  Bl.  .S39  flg. 


Magdeburgs  Belagernug  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.    197 

kündigte  seine  baldige  Wiederankunft  im  Lager  an.  Die 
Zeit  war  kostbar.  Sclinell  wurden  die  nötliigen  Vorberei- 
tungen getroffen,  und  auf  Vorschlag  Herzogs  Augustus 
Graf  Christof  von  Oldenburg,  Klaus  Berner  ***)  und  der 
lüneburgische  Kanzler,  Dr.  Holstein,  ein  Magdeburger  von 
Geburt,  als  geeignete  „Mittelspersonen"   ausersehen. 

Am  26.  Oktober  ***),  drei  Tage  später  als  beabsichtigt, 
traf  Moritz  wiederum  im  Feldlager  vor  Magdeburg  ein. 
Dr.  Scheiring  war  vorausgeschickt  worden,  um  die  Magde- 
burger zu  einer  Unterredung,  die  spätestens  in  der  Frühe 
des  andern  Tag-es  zwischen  Stadt  und  Schanze  stattfinden 
sollte,  einzuladen.  Äloritz  Avünschte  vor  Ankunft  des 
kaiserlichen  Kommissars  von  Schwendi,  welcher  am 
18.  Oktober  Augsburg  verlassen  hatte,  abzuschliessen. 
Nur  zu  bald  aber  musste  er  sich  überzeugen,  dass  er  es 
mit  Personen  zu  thun  hatte,  welche  vom  Ernste  bedeutungs- 
schwerer Entscheidungen  völlig  durchdrungen  waren  und 
von  denen  er  raschen  Schrittes  unmöglich  durchgreifende 
Erfolge  erringen  konnte.  Zur  Absendung  von  Al)geordneten 
in  das  Lager  konnten  sich  die  Magdeburger  vorläufig  nicht 
entschliessen,  aber  sie  bewilligten  Verhandlung  in  der  Stadt. 
Kurfürst  Moritz  war  mit  diesem  kargen  Ergebnisse  wenig 
zufrieden,  jedoch  überwand  er  seinen  Unwillen  und  stattete 
für  die  zugestandene  Unterhandlung  seine  Vertrauensper- 
sonen mit  Listruktionen  auf  das  Sorgfältigste  aus.  Sie 
sollten  unter  anderem  anzeigen,  dass  der  Kaiser  befohlen 
habe,  die  Knechte  zusammenzuhalten  und  zu  verstärken, 
und  dass  dieser  die  begonnene  Belagerung  allein  oder  mit 
Reichshilfe  beharrlich  ausführen  werde.  Auf  Entsatz  sei 
kaum  zu  rechnen,  weil  alle  Kurfürsten,  Fürsten  und  die 
vornehmsten  Städte  des  Reiches  mit  dem  Kaiser  ausgesöhnt 
seien.  Sie  sollten  die  Gefahren  und  Unkosten  eines 
Krieges,  sowie  die  Herbeiführung  fremdländischer  Truppen 
vermeiden'*'').  Unversöhnbche  Hartnäckigkeit  gebe  zur 
Zerrüttung  der  Religion  und  des  Reiches  Veranlassung. 
Der  Kurfürst  von  Sachsen  sei  wie  der  Kurfürst  von 
Brandenburg  fest  entschlossen,  beim  reinen  Evangelium 
und   der    augsburgischen    Konfession    zu   bleiben,    nur  in 


•*)  Loc.  8502.  Churfürst  Moritzen  schriftenn  an  Sr.  Churf.  G. 
Bruder  Hertzog  Augustum  \^i6 — 52,  Bl.  71. 

•*)  Loc.  9151,  II,  Bl.  350  flg. 

««)  Loc.  10188,  Schriften,  so  die  Räte  etc.  Bl.  179.  Kram  aus 
Augsburg  (19.  Oktober):  „Die  Spanier  haben  sondere  Lust  und  Ver- 
langen in  die  sächsischen  Lande  zu  ziehen". 


198  S.  Issleib: 

ein  allgemeines,  freies  und  cliristliclies  Konzil  zu  willigen 
und  die  Stadt  mit  dem  Kaiser  zu  ver[>lelchen.  Zu  diesem 
Zwecke  möchten  sich  diu  Magdeburger  in  seinen  (INIoritz') 
Schutz  hegeben,  ihm  die  Stadt  mit  Munition  und  Vor- 
räthen  anvertrauen  und  eine  Besatzung,  die  beiden  Theilen 
schwören  solle,  aufnehmen.  Dagegen  wolle  er  ilmen 
Religion,  Privilegien  und  Festung  erhalten,  Leib  und 
Gut  schützen,  sie  mit  dem  Domkapitel  und  dem  künftigen 
Erzbischofe  abfinden  und  versöhnen,  aus  der  Reichsacht 
befreien  und  in  die  kaiserliche  Gnade  zurückführen.  Für 
den  Fall  der  Kaiser  nach  vergeblichen  Aussöhnungsver- 
surhen  Magdeburg  bekriegen  wolle,  sei  der  Kurfürst  er- 
bötig, die  Stadt  im  überlieferten  Zustande  wieder  abzu- 
treten. Als  Unterpfand  von  Treu  und  Glaube  sollten 
beiderseits  Geiseln  und  genügende  Versicherungen  gegeben 
werden.  Versäume  man  die  zur  Verhandlung  noch  gün- 
stige Gelegenheit,  so  werde  in  Zukunft  wohl  nie  wieder 
eine  gleicli  günstige  Gelegenheit  zu  erlangen  sein. 

Graf  Christof  von  Oldenburg  und  Klaus  Berner  be- 
gaben  sich  am  27.  Oktober*")  in  die  Stadt  und  begannen 
die  Verhandlung.  Kurfürst  Moritz  erwartete  baldigen 
Erfolg  und  guten  Ausgang.  Als  sich  aber  die  Berathun- 
gen  in  die  Länge  zogen  und  mühsam  dahin  wanden, 
suchte  er  den  trägen  Gang  der  städtischen  Erwägungen 
zu  beschleunigen  und  entsandte  Dr.  Scheiring  und  Dr. 
Holstein,  um  neben  den  beiden  anderen  Unterhändlern 
durch  besonnene  Erbietungen  und  milde  Vorschläge  auf 
vertrauensvolle  Entschliessungen  hinzuwirken.  Lidessen 
die  bisherige  Aktion  wurde  durch  diesen  Schritt  eher 
gelähmt  als  gefördert.  Verabredetermassen  sollten  Gi*af 
Christof  von  Oldenburg  und  Klaus  Berner  am  28.  Oktober 
früh  acht  Uhr  von  dem  verhandelnden  Bürgerausschusse 
Antwort  erhalten;  aber  zu  ihrem  Erstaunen  zeigte  sich 
zur  bestimmten  Zeit  niemand  auf  der  ^Malstätte,  und  erst 
ziemlich  verspätet  traf  eine  befremdende  Entschuldigung 
ein.  Schliesslich  erfuhren  sie,  dass  ausser  ihnen  die  ge- 
nannten Doktoren  mit  dem  Rathe  verhandelten.  Besorgt, 
„ein  Handel  könne  den  andern  umstossen",  stellten  sie 
ihre  Thätigkeit  ein  und  wandten  sich  an  den  Kurfürsten. 
Derselbe  befahl,  sich  mit  Dr,  Holstein  zu  vergleichen  und 
emsig  fortzufahren.     Li  einer  fast  abgerungenen,    schrift- 


•')  An  diesem  Tage   endlich   lanjrte  das  kaiserliche  Schreiben 
vom  3.  Oktober  an,  (Loc.  9151,  II,  Hl.  29.3),  vergl.  oben  Anmerkung  .S9. 


Magdeburgs  Belagerung  durcli  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   199 

liehen  Erklärung-  endlich  dankten  die  Magdeburger  dem 
Kurfürsten  von  Sachsen  für  die  Erbietungen  hinsichtlicli 
der  Religion,  Privilegien  etr.  und  hofften,  er  werde  sie 
mit  dem  Kaiser  aussöhnen,  auch  etliche  Tausend  Gulden 
zur  Erlegung  der  unumgänglichen  Strafsumme  vorstrecken. 
Die  stiftischen  Flocken,  Dörfer  und  Güter  wollten  sie 
wieder  abtreten,  aber  den  magdeburgischen  Domherren 
keinen  Wohnsitz  in  der  Stadt  zugestehen.  Der  Übergabe 
der  Stadt  und  der  Aufnahme  einer  Besatzung  abgeneigt, 
vermieden  sie,  den  kurfürstlichen  Schutz  für  begehrens- 
w^erth  zu  erachten.  In  Anerkennung  der  kurfürstlichen 
Erklärung  jedoch  (beim  reinen  Worte  Gottes  und  der 
augsburgischen  Konfession  bleiben  zu  wollen),  erboten  sie 
sich,  in  gefahrvollen  Zeiten  auf  kurfürstlicher  Seite  zu 
stehen.  Bereit,  für  das  Woit  Gottes  Leib  und  Blut  ein- 
zusetzen, wollten  sie  einer  Zusammenkunft  der  Kurfürsten 
von  Sachsen  und  Brandenburg  mit  Herzog  Augustus  von 
Sachsen  und  anderen  evangelischen  Fürsten,  Herren  und 
Städten  zum  Zwecke  öffentlichen  Bekenntnisses  für  die 
evangelische  Lehre  beiwohnen.  Dort  sollte  auch  über 
zeitliche  Dinge  billig  gehandelt  werden. 

Ehe  diese  Antwort  im  Feldlager  anlangte,  hatte  sich 
hier  eine  vielgeschäftige  Thätigkeit  entfaltet.  Der  Kur- 
fürst von  Brandenburg  war  eingetroffen  und  ^larkgraf 
Albrecht  von  Brandenburg -Kulmbach  einer  Einladung 
zufolge  angekommen;  Vertreter  des  Domkapitels  und  der 
Stiftsstände  liatten  sich  eingefunden,  und  aus  der  Stadt 
hatte  sich  Hans  von  Heideck  ihnen  zugesellt'^*).  Man 
mühte  sich  ab,  einen  Vertrag  zu  formulieren,  welcher  allen 
Interessenten  der  magdeburgischen  Angelegenheit  Genüge 
leiste,  also  den  Kaiser  und  beide  Kurfürsten,  Domkapitel 
und  Magdeburg'  nebst  Gesinnuno-s<>;enossen  zufriedenstelle. 

Es  wird  sich  empfehlen,  aus  der  reichen  Anzahl  von 
Entwürfen  den  hervorzuheben,  welcher  Hans  von  Heideck 
vor  der  Rückkehr  in  die  Stadt  eingehändigt  wurde  "^), 
und  auf  den  man  später  mehrfach  zurückkam. 


*')  Herzog  Augustus  war  in  Torgau,  um  den  Landtag  bis  zur 
Ankunft  des  Bruders  zunächst  in  Münzsachen  zu  beschäftigen.  Haus 
von  Heideck  ass  mit  Moritz,  dem  Markgrafen  Albrecht  etc.  das 
Mittagsbrot.  Loc.  9151,  II,  Bl.  .367,  .Si'8.  Moritz'  Brief  an  seinen 
Bruder  (vom  27.  Oktober)  auch  bei  Druff el  I,  Xo.  515. 

«»)  Loc.  9151,  11,  Bl.  419  und  9152,  V,  2.38,  248  und  2G4.  Der 
zuletzt  angegebene  Entwurf  findet  sich  bei  Cornelius  41  und 
Pomarius  228, 


200  S.  Issleib; 

Darnach  sollte  sich  die  Stadt  Ijeiden  Kurfürsten  von 
Sachsen  und  Brandenburg,  sowie  drei  Fürsten  (man 
dachte  au  Herzog  Augustus  und  an  die  Markgrafen  Hans 
und  Albrecht  von  Brandenburg)  und  dem  zukünftigen 
Erzbischof  (Markgrafen  Friedrich)  neben  dem  Stifte  zu 
Gnaden  ergeben  und  huldigen.  Dagegen  wollten  die  ge- 
nannten Fürsten  den  Magdeburgern  das  reine  Wort  Gottes 
gemäss  der  angsburgischen  Konfession,  alle  wohlherge- 
brachtcn  Privilegien ,  Freiheiten  und  Gerechtigkeiten, 
Festung,  Güter  und  Gefälle,  Leib  und  Gut  erhalten  und 
beschirmen,  die  Stadt  nach  erfolgter  Ergebung  aus  der 
Acht  befreien  und  mit  dem  Kaiser  unter  folgenden  Be- 
dingungen aussöhnen:  Es  sollte  Magdebur.,  (wie  vordem 
Fürsten,  Stände  und  Städte  des  Reiches)  vor  dem  Kaiser 
einen  Fussfall  thun,  16  Stück  Büchsen  liefern  und  bis  in 
die  ICOOÜO  Gulden  behufs  Aussöhnung  und  Befreiung 
der  infolge  der  Acht  bisher  eingezogenen  und  vergebenen 
Güter  und  Privilegien  bezahlen'").  Dem  Domkapitel  und 
Erzstifte  sollten  alle  Flecken,  Dörfer  vmd  das  gesamte 
Einkommen  (Ri-nten,  Zinsen  etc.)  wieder  eingeräumt  und 
durch  kurfürstliche  und  fürstliehe  Verhandlungen  über 
die  beiderseits  zugefügten  Schäden,  über  Wohnsitz  der 
Domherren  und  des  Klerus  in  der  Stadt  und  über  den 
katholischen  Gottesdienst  im  Dome  und  in  anderen  magde- 
burgischen Kirchen  entschieden  werden.  Bis  zur  Aus- 
söhnung mit  dem  Kaiser  und  bis  zur  Vollziehung  der 
Kapitulation  sollten  die  ^Magdeburger  eine  Besatzung, 
welche  beiden  Theilen  schwören,  aber  nur  auf  lürstliche 
Kosten  unterhalten  werden  sollte,  aufnehmen.  Die  Ver- 
wendung beim  Kaiser  sollte  sobald  als  möglich  stattfinden. 
Im  Falle  die  Aussöhnung  mit  dem  Kaiser  nicht  erfolge, 
sollte  die  Besatzung  wieder  aus  der  Stadt  geschafft  und 
diese  den  Bürgermeistern  und  ßathsherren  ungeschädigt 
zugestellt  werden. 

Beachtenswerth  ist,  dass  Markgraf  Hans  mit  in  den 
Handel  gezogen  werden  sollte,  da  man  sich  des  Vortheiles 
seiner  Betheiligung  Avohl  bewusst  war.  Sein  Name  hatte 
guten  Klang  in  ^lagdeburg,  und  er  adein  konnte 
alle  besorglichen  Bewegungen  in  Norddeutschland  mit 
Leichtigkeit  zügeln  und  fesseln.  Schade  nur,  dass  es  so 
langer  Zeit  und  so  zwingender  Umstände  bedurfte,  diesen 
schwer  zugänglichen  und  vorsichtigen  Charakter  zu  gewinnen. 

")  Kurfürsten  und  Fürsten  wollten  diese  Summen  vorstrecken. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—61.   201 

In  welcher  Weise  Hans  von  Heideck  seinen  persön- 
lichen Einfluss  in  der  Stadt  hinsichtlich  der  über- 
gebenen  Yertragsartilvol  verwerthete,  wissen  wir  nicht"). 
Der  grosse  „Praktikant"  verliess  bald  darauf  Magdeburg, 
um  ihren  Entsatz  bei  Fürsten  und  Städten  mit  regem 
Eifer  zu  betreiben. 

Die  Magdeburger  gingen  auf  den  von  Heideck  vor- 
gelegten Vertragsentwurf  nicht  ein,  auch  die  fortgesetzten, 
mühevollen  Verhandlungen  der  Doktoren  Scheiring  und 
Holstein  erfreuten  sich  keines  befriedigenden  Ergebnisses. 
Misstrauisch  —  wie  sie  waren  —  glaubten  die  Bürger 
nicht  an  eine  strenge  Uneigennützigkeit  der  Fürsten  und 
blieben  vorläufig  bei  ihrer  an  den  Grafen  von  Oldenburg 
übergebenen,  schriftlichen  Antwort  stehen.  Sie  setzten 
grosse  Hoffnung  auf  ihre  „Verbündeten"  und  wollten  zu- 
nächst abwarten,  wie  sich  die  Dinge  auf  dem  Reichstage 
anlassen  würden.  Der  ganze  Handel  stockte  und  musste 
einer  späteren  Zeit  überlassen  werden. 

Am  verdriesslichsten  war  die  Erfolglosigkeit  der 
Verhandlungen  für  den  Kurfürsten  Moritz.  Mit  herben 
Worten  soll  er  neben  dem  Markgrafen  Albrecht  die  Achter 
getadelt  und  harte  Ausdrücke  gegen  sie  ausgestossen 
haben.  „Sein  Schelten  war  greulich  und  schrecklich  zu 
hören",  entnehmen  wir  dem  Berichte  eines  Unbekannten, 
„er  hiess  die  Magdeburger  ehrlose,  treulose  und  meineidige 
Leute'-'  ■'^). 

Die  nächste  Folge  der  verfehlten  Einigungs-  und 
Friedensversuche  war  nun,  dass  der  Waffenstillstand  endete 
und  die  Feindseligkeiten  gegen  die  Stadt  von  neuem  und 
heftiger   begannen.      Die   in   Magdeburg    dienenden    oder 


")  Nach  Cornelius  40  (Moritz  an  Wilhelm  von  Schachten 
und  Simon  Bing,  Torgau,  am  12.  November  lööO)  hielt  es  Moritz  für 
das  Beste,  die  Stadt  ergebe  sich  auf  die  gestellten  Bedingungen  hin, 
dann  stehe  der  Handel  auf  ganzen  Füssen.  Auf  die  Dauer  werde 
sich  Magdeburg  nicht  halten  könr.en;  bekomme  es  aber  „Ratlzahu" 
(der  Kaiser),  so  werde  er  ,,alle  setzen,  wie  sie  reiten  sollten-'  etc. 

")  Loc.  8775  oder  Loc.  91  ö2  „Die  Belagerung  Magdeburgs 
belangend  l.ö50".  (Ohne  Blattzahl.)  Bericht  vom  29.  Oktober.  Der 
unbekannte  Verfasser  schreibt:  ,,Nuu  thut  er  (Moritz)  den  frommen 
Leuten  Gewalt  und  Unrecht  an,  sie  haben  niemanden  verraten,  noch 
auf  die  Fleischbank  geopfert,  sie  haben  keinen  Eid  gebrochen,  noch 
sind  sie  niemandem  treulos  geworden".  —  (Hinweis  auf  die  braun- 
schweigischen  Händel  1545  und  auf  den  sclimalkaldischen  Krieg.) 
—  „In  Summa:  Das  ist  die  Ursache,  dass  sie  MesspfaÖ'en  mit  ihren 
Messen  nicht  haben  noch  annehmen  wollen,  darum  müssen  sie  leiden 
und  herhalten." 


202  S.  Issleib: 

ansässigen  kurfürstlichen  Unterthanen  wurden  abberufen. 
Miin  traf  Anordnungen,  dem  Belagerungskriege  einen 
ernster^'U  Charakter  zu  geben,  und  Kurfürst  Moritz  setzte 
sich  in  Bereitschaft,  seinen  Landstanden  die  Zustimmung, 
Genehmigung  und  JMitwirkung  zur  Achtsexekution  abzu- 
gewinnen. 

Am  2.  November  kam  er  in  Torgau  an''),  wo  ihn 
seit  nielu'eren  Ta<ren  von  Sclnvendi  und  Abo;eordnete  des 
l)omka})itels  und  der  Stiflsstände  erwarteten,  ersterer,  um 
im  Namen  des  Kaisers  zur  Fortsetzung  der  magdeburgi- 
sclien  Belagerung  angelegentlichst  zu  ermuntern,  letztere, 
um  in  inständigster  Weise  die  Hilfe  des  Kurfürsten  und 
seiner  Landschaft  gegen  Magdeburg  zu  erbitten. 

Die  Laudtagsverhandlungen  über  ^Magdeburg  dauerten 
vom  3.  bis  IL  November.  Der  Kurfürst  Hess  den  Land- 
ständen das  Gesuch  der  Stiftsstände  vorlegen  und  die 
Werbung  dos  kaiserlichen  Kommissars  bekannt  machen 
zum  Zwecke  eingehender  Berathung,  „wie  die  Magdeburger 
Fehde  zu  beendigen  und  wie  Friede  und  Ruhe  im  sächsi- 
sehen  Kreise  wieder  herzusttdlen  sei".  Ohne  mit  der 
eigenen  Meinung  lange  zurückzuhalten,  trat  er  für  das 
Recht  und  die  Nothwendigkeit  eines  Krieges  gegen 
Magdeburg  ein.  Li  der  Proposition  und  in  den  folgenden 
Schriften  belcuchttte  er  den  Ungehorsam  der  Stadt  gegen 
jede  Obrigkeit,  die  verübten  Vergewaltigungen  im  »Stifte, 
die  ruchlosen  Frevel  gegen  die  Landbevölkerung,  die 
Belästigungen  des  Adels  und  der  Grafen,  die  Angriffe 
gegen  die  säclisischen  Theologen,  die  Sclnnähungen  durch 
Spottgedichte,  Lieder  und  Schandgemälde,  den  Bruch 
des  allgemeinen  I^andfricdcns  und  den  Trotz  gegen  die 
xAnordnunii-en  des  Reiches.  Mit  Nachdruck  hob  er  hervor, 
es  handle  sich  bei  Magdeburg  nicht,  wie  man  vorgebe, 
um  die  Religion,  sondern  um  den  Profanfrieden,  den  er 
als  Kurfürst  des  Reiches,  als  sächsischer  Kreisobrist  und 
als  Sehutzherr  der  Stifter  aufrecht  erhalten  müsse.  Zu 
Gunsten  seiner  Lande  und  der  Nachbarländer  habe  er 
das  Kriegsvolk  an  sich  gebracht,  den  Achtern  Vermitte- 
lung  und  milde  A^ertragsartikel,  auch  sicheres  Geleit  nach 
Augsburg   angeboten.      Er    betonte,   dass    der   Kaiser  ihm 


")  Loc.  9^555,  Landtag  zu  Torgau  1.5Ö0,  Lof.  9151,  U,  151.298, 
Schweiidis  Werbung,  IJl.  ;^>7ft,  Werbung  von  selten  des  Domkapitels, 
der  Prälaten,  Grafen,  liitterschaft  und  Stände  des  Erzstiftos  Magile- 
burg  etc ,  I)ruffel  I,  No.  52l',  Scliwendis  Brief  an  den  Kaiser  vom 
7.  I^ovember. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  15;  0—51 .    203 

die  Aclitsexekution  übertragen  habe,  und  crnialintu  ernst- 
lich, in  betreff  der  Religion  nicht  den  ausgestreuten 
Lügen,  sondern  seinen  kurlüistlichen Versicheiungen  und 
Ausschreiben  zu  tilauben. 


Als  die  Magdeburger  während  der  Landtagssitzungen 
(um  10.  November)  in  das  sächsische  Amt  Plötzkau  ein- 
fielen und  das  dortige  Kloster  heimsuchten,  benutzte 
Moritz  diesen  feindlichen  Überfall,  um  zu  erweisen,  dass 
die  magdeburgische  Sache  Profansarhe  sei,  und  stellte 
zuletzt  einen  direkten  Antrag  auf  Hilfe  der  Landschaft 
gegen   Magdeburg    durch  Verlängeriuig   der  Tranksteuer. 

Der  persönlichen  Gewandtheit  und  Entschiedenlnit 
des  Kurfüisten  gelang  es  indessen  nicht,  die  Landstände 
seinem  Willen  gefügig  zu  machen  und  zum  Kampfe 
gegen  Magdeburg  fortzureissen.  Auf  den  Leipziger 
Landtag  von  LoiS  und  auf  die  Tage  von  Eisleben, 
Halle  und  Jüterbogk  verweisend,  widerriethen  sie  Ge- 
walt gegen  Magdeburg  zu  gebrauchen  und  mehr  als 
andere  Reichsstände  zu  thun.  Von  den  zu  Augsburg 
versammelten  Reichsständen  werde  Magdeburgs  Aussöh- 
nung mit  dem  Kaiser  gewünscht.  Der  Kurfürst  solle  sie 
herbeiführen  und  Versiclierung  der  Religion  vom  Kaiser 
auszuwirken  suclicn.  Man  möge  die  Acht  suspendieren 
und  in  Güte  verhandeln.  Werde  nach  vergeblicher  Ver- 
handlung von  allen  Reichsständen  der  Krieg  beschlossen, 
dann  möge  der  Kurfürst  seinen  Reichsantheil  leisten. 
Ohne  Noth  aber  solle  die  Stadt  nicht  ruiniert  und  mit 
dem  Schwerte  unterworfen  werden.  Durch  die  veröffent- 
lichten Schmäh-  und  Spottschril'ten  sei  bisher  keine  Gefahr 
für  den  gemeinen  Mann  entstanden,  kein  'Unterthan  sei 
durch  sie  abwendig  gemacht  worden.  Die  Schädigungen 
der  Kriegsknechte  und  der  Überfall  von  Plötzkau  seien 
erst  durch  das  feindliche  Vorrücken  der  Trupjien  veran- 
lasst worden.  Werde  jemand  (dme  Grund  den  Kurfürsten 
und  seine  Lande  beschweren,  so  würden  sie  sich  als  treue 
Untertlianen  erzeigen ;  sie  hofften  aber,  der  Kurfürst  werde 
nichts  thun,  was  ihn  in  einen  gefährlichen  oder  unberechen- 
baren Krieg  verwickeln  könne.  Durch  Deputierte  der 
Landschaft  möge  er  mit  Abgeordneten  Magdeburgs  über 
die  Aussöhnung  mit  dem  Kaiser  und  über  die  Herstellung 
des  Landfriedens  verhandeln  lassen ;  solches  werde  wenig- 
stens die  Achter  von  Einfällen  in  Kursachsen  abhalten 
und  einen  Waffenstillstand  herbeiführen. 

Im   Abschiede    des  Landtages    (vom    11.  November) 


204  S.  Issleili: 

erklärte  nun  der  Kurfürst,  dass  er  mit  seinen  Ständen 
im  Verlangen  nach  Rulie  und  Frieden  einig-  sei  und  eine 
Verhandlung  mit  den  Achtern  von  ihrer  Seite  wohl  leiden 
könne.  Zu  diesem  Zwecke  möchten  sie  sich  mit  „Personen 
und  Instruktionen  gefasst  nuu-hen".  Klar  liege  aber  am 
Tage,  wie  sich  die  Magdeburger  gegen  Kaiser,  Erzbischof', 
Domkapitel,  Fürsten,  Nachbarn  und  gegen  ihn  erzeigt 
hätten.  Niemand  könne  ihre  Halsstarrigkeit  loben.  Wür- 
den sie  ferner  in  ihrer  Hartnäckigkeit  verharren  und 
müsse  er  sie  dann  wegen  verübter  Thaten  strafen,  so 
versehe  er  sich  zu  seinen  Ständen,  dass  sie  als  treue 
Unterthanen  ihr  Veimögen  zur  Beschützung  seiner  Lande 
und  Leute  und  zur  Erlangung  gebührlicher  Entschädigung 
daransetzen  würden.  Niemand  möge  sich  in  die  beschwer- 
lichen Praktiken,  von  denen  man  allgemein  höre,  einlassen; 
jeder  möge  bedenken,  welcher  Gefahr  er  sich  dadurch 
aussetze. 

Statt  nun  nach  Wunsch  und  Erwartung  des  Kur- 
fürsten Deputierte  zu  wählen  und  für  sie  Instruktionen 
zu  entwerfen^  gingen  die  Stände  unmittelbar  nach  ertheiltem 
Abschiede  auseinander.  Kurfürst  Moritz  sah  sich  geuö- 
thigt,  von  den  zufällig  Zurückgebliebenen  etliche  zwanzig 
aufzufordern,  namens  der  sächsischen  Landschaft  mit 
Magdeburg  zu  verhandeln.  Am  20.  November  sollten  sie 
zu  Bitterfeld  zusammentreten.  Dr.  Fachs  und  der  vom 
Reichstage  zurückgekehrte  Oberhauptmann  des  Leipziger 
Kreises,  Erasnuis  von  Könneritz,  wurden  befohlen,  die 
Leitung  dieser  Verhandlungen  als  Kommissare  zu  über- 
nehmen. 

Das  Ergebnis  des  Torgauer  Landtages  war,  wie  er- 
sichtlich, für  den  Kurfürsten  wenig  erfreulich  und  zufrieden- 
stellend. Vereinsamt  stand  er  inmitten  seiner  Unterthanen, 
die  fast  ohne  Unterschied,  voll  Abneigung  und  Misstrauen 
gegen  den  Kaiser,  mit  Magdeburg  symjjathisierten.  l\ück- 
sichtslos  gegen  schwerwiegende,  persönliche  Interessen  des 
Kurfürsten,  verwiesen  sie  seinen  politischen  Ehrgeiz  der 
Religion  und  der  deutschen  Freiheit  wegen  in  beengende 
Schranken.  In  keiner  l>eziehung  gefördert,  thürmten  sich 
für  ihn  zu  vereitelten  lloftnun^en  nur  neue  Schwierig- 
kelten.  jMoritz  empfand  damals  das  Peinliche  seiner 
Lage,  aber  trotzdem  Hess  er  sich  wenig  beirren;  Stillstand 
trat  in  seiner  rastlosen  Geschäftigkeit  nicht  ein.  Ungc- 
schreckt  durch  Hemmnisse  und  Hindernisse  setzte  er 
alle  Hebel  ein,  um  in  seinen  Plänen  vorwärts  zu  gelangen, 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  205 

Von  seinen  Ständen  so  gut  wie  verlassen,  versuchte 
er,  beim  Kaiser  bessere  Erfolge  zu  erringen  In  einer 
Reihe  von  Briefen  nach  Augsburg  liegt  die  dringende 
Bitte  um  schleunige  Hilfe  ausgesprochen^^).  Moritz  ver- 
sicherte, mit  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  und  den 
Stiftsständen  das  Mögliche  geleistet  zu  haben  und  unter 
keiner  Bedingung  allein  oder  mit  einigen  Reichsständen 
die  Achtsexokution  vollziehen  zu  können;  selbst  die  beiden 
Scächsischen  Kreise  seien  nicht  im  Stande,  die  Kriegslasten 
ohne  bedeutende  Beihilfe  zu  tragen.  Nicht  6000  Knechte 
und  800  Reiter,  sondern  mindestens  8000  Knechte  und 
1000 — 1200  Reiter  erfordere  die  Umlagerung  Magdeburgs 
auf  beiden  Eibufern.  Die  Stadt  sei  eine  starke  Festung 
und  habe  für  lange  Zeit  Proviant  und  Munition.  Nöthigen- 
falls  müsse  die  Reichshilfe  für  einige  Jahre  festgesetzt 
werden.  Lässige  und  unzureichende  Unterstützung  habe 
für  Kaiser  und  Reich  Schimpf,  für  die  Nachbarn  Gefahr 
und  Nachtheil  zur  Folge.  An  der  Stadt  Münster  habe 
man  erfahren,  wie  lange  verstockte  Bürger  bis  zum  äusser- 
sten  auszuhalten  vermöchten.  Der  gemeine  Mann  hänge 
an  Magdeburg;  weder  im  Stifte  noch  in  Brandenburg 
oder  Sachsen  seien  für  Geld  und  Monatszahlung  Schanz- 
gräber aufzubringen.  In  Mecklenburg  würden  Knechte 
und  Reiter  versammelt,  allen  Vermuthungen  nach  zum 
Entsätze  von  Magdeburg.  Das  Kriegsvolk  vor  der  Stadt 
müsse  verstärkt  und  jedweder  Entsatz  verhindert  werden. 
Die  Auslagen,  welche  er  mit  dem  Stifte  schon  einen 
ganzen  Monat  getragen,  könne  er  nicht  mehr  bestreiten, 
ohne  sich  gänzlich  zu  erschöpfen.  Seine  Unterthanen 
verweigerten  jeden  Beistand.  Der  Kaiser  möge  auf 
alle  Fälle  Geld  senden.  Wolle  er  für  seine  Person 
nichts  thun ,  noch  den  Reichsvorratli  verbrauchen,  so 
möge  er  wenigstens  bis  zur  Bewilligung  einer  neuen 
Reichsanlage  150 — 200  000  Gulden  vom  Reichsvorrathe 
vorschiessen  und  innerhalb  eines  halben  Monats  nach 
Sachsen  schicken.  Bis  hahin  wolle  er  (Moritz)  mit 
dem  Stifte  die  Knechte  zusammenhalten  und  noch  durch 
fünf  Fähnlein  verstärken.  Weiter  hinaus  wisse  er 
keinen  Rath.  ■ —  Um  quälenden  Verlegenheiten  vor- 
zubeugen, wiederholte  er,  von  Ungeduld  gepeinigt,  in 
jedem  Schreiben,  der  Kaiser  solle  ihn  in  der  Exekutions- 


'*)  Loc.  915J,  II,  Bl.  298  flg.,  480.    Vergl.  Druffel  I,  No.  522, 
Schwendis  Bericht  an  den  Kaiser  vom  7.  November  1550  aus  Torgau. 


206  S.  Issleib: 

saclie  nicht  stecken  lassen.  Allein  selbst  den  äiisscrsten 
Anstrengungen  gelang  es  nicLt,  einen  beschwerliclien 
Verzug  zu  kürzen. 

In  Fülle  ergingen  um  jene  Zeit  Gerüchte  über  das 
erwcähnte  Kriegsvolk  in  Mecklenburg  und  Niedersachsen '*). 
Grössere  V'erwickehuiücn  schienen  sich  deutlicher  vorzu- 
bereiten.  Aus  einem  ruliiiren  Abwarten  konnten  nur 
Nachtlieile  entspringen;  unerlässlich  waren  rasche  und 
wirksame  Schritte.  Lazarus  von  Schwendi  befand  sich 
im  Besitze  kaiserlicher  Mandate,  welche  jede  Ansammlung 
von  Knechten  und  Reitern  verboten"*).  Sie  wurden  jetzt 
in  Eile  an  die  Herzöge  von  Mecklenburg  und  an  den 
Markgrafen  Hans  von  Küstrin  gesendet.  Kurfürst  Moritz 
selbst  wandte  sich  Mitte  November  an  die  Herzöge  von 
Preussen,  Mecklenburg  und  Ponmiern  und  warnte  vor 
Praktiken  und  neuen  Bündnissen.  Nach  Aufzählung- 
aller  Ereignisse  seit  der  Belagerung  Braunschweigs  und 
nach  ausführlicher  Darlegunj;  aller  wissenswerthen  Ver- 
hältnisse  bat  er,  den  falschen  Nachrichten  seiner  agitatori- 
schen (iegner  keinen  Glauben  zu  schenken  und  sieh  der 
Achter  in  keiner  Weise  anzunehmen.  Da  jetzt  neben  dem 
Kaiser  die  Reichsstände  für  nöthig  hielten,  das  Kriegs- 
volk vor  Magdeburg  zu  unterhalten  und  zu  verstärken, 
so  sei  leicht  zu  ei achten,  ge^en  wen  derjenige  handle, 
welcher  Magdeburg  zu  entsetzen  unternehmen  werde. 
Zulezt  ersuchte  Moritz  die  Herzoge,  freundlichst  anzuzeigen, 
„was   eines    neuen  Bündnisses  halber   an  sie  gelangt  sei". 

Kaum  wohl  erwartete  Moritz  schnelle  und  aufhellende 
Auskunft  hervorzulocIceU;  oder  einen  sofortigen  Umschwung 
der  Dinge  herbeizufühi-en;  aber  er  hoti'te  durch  seine 
sachgemässen  Aufklarungen  allen  geheimnisvollen  Unter- 
nehmungen Halt  zu  gebieten  und  unbefugte,  störende 
Einmischungen  in  die  magdeburgische  Angelegenheit  i'ern- 
zuhalten.  Das  stand  bei  ihm  fest  (bereits  hatte  er  sich 
gegen  Schwendi  dahin  ausgesprochen):  Hills-  und  Entsatz- 
truppen wollte  er  auf  alle  Fälle  diesseits  oder  jenseits  der 
Elbe  zurückschlagen  oder  auseinander  treiben,  mochten 
gleich  Hurien  vom  Adel  geprahlt  haben,  mit  dem  Kriegs- 
volke vor  Magdeburg  die  Martiusgans  essen  zu  wollen'"). 

")  Loc.  9151,  II,  Bl.  1.^0,  IV,  Bl.  283  ilg. ;  Druffd  I,  No.  522. 

"■•)  Druft'el  I,  No.  52-,  Marillai;  an  K'Öiiig  Heinrich  IL,  Augs- 
Imrg,  am  11.  Novembi'v  1550:  „Den  Markgrafen  Johann  hat  der 
Kaiser  ernstlich  aut'gt't'oidert,  von  Praktiken  abzusehen". 

")  Loc.  9151,  II,  151.  508  flg. 


Magdeburgs  Uelagerung  durch  Moritz  von  Sachseu  1550—51.  207 

Bald  nahte  der  in  Torgau  festg-esetzte  Tag  von 
Bitterfeld  "*).  Die  beiden  kurfürstlichen  Kommissare, 
neun  Mitglieder  der  Ritterschaft  und  die  Gesandten  einiger 
Städte  erschienen.  Vor  lauter  Bedenklichkeiten  aber  und 
Unlust  kam  man  gar  nicht  zur  Verhandlung.  Die  Depu- 
tierten sträubten  sich,  im  Namen  der  gesaraten  Landschaft 
irgend  welche  Entschliessungen  zu  fassen  und  baten  die 
Bevollmächtigten,  sie  beim  Kurfürsten  'günstig  zu  ent- 
schuldigen. Sobald  ihnen  dann  Moritz  von  Wittenbero 
aus,  obschon  im  Tone  merklichen  Unwillens,  freistellte, 
zu  bleiben  oder  nicht,  zogen  sie  vor,  auseinanderzugelien. 
Kläglich  scheiterte  der  Versuch  einer  ständischen  Ver- 
handlung mit  Magdeburg.  Vergeblich  wurde  ausserdem 
Dr.  Kitzing  zu  einer  Zusammenkunft  von  Fürsten,  Grafen, 
Adel  und  Städten  nach  Lüneburg  abgefertigt'^).  Zu 
Schanden  wurden  gleichfalls  die  ernstlichen  Bemühungen, 
den  magdeburgischen  Handel  durch  Vermittelung  des 
]\larkgrafen  Hans  gütlich  beizulegen.  Dieser  sah  die 
Elbfcste  als  eine  Schutzmauer  der  Religion  und  der  deut- 
schen Freiheit  an  und  wollte  keinesfalls  —  sollte  er  gleich 
dabei  zu  Grunde  gehen  —  die  Unterwerfung  des  luthe- 
rischen Bollwerkes  zulassen.  Auf  seine  Gegenvorschläge 
aber  konnte  Moritz  unmöglich  eingehen,  er  hätte  sonst 
die  ergiifFenen  Zügel  gänzlich  aus  der  Hand  geben  und 
seine  jahrelang  betriebene  Politik  völlig  fallen  lassen 
müssen*").  Nach  allen  fruchtlosen  Bemühungen  nun  war 
er  entschlossen,  an  Stelle  der  Verhandlung  und  der  ver- 
mittelnden Güte  durch  Zwang  zu  wirken. 

Am  24.  November  1550  brach  er  in  Wittenberg  auf 
und  zog  mit  vier  Fähnlein  Knechten,  250  Reitern  und 
drei  Gescliützen  gegen  Magdeburg,  wo  in  seiner  Abwesen- 
heit zwei  Blockhäuser  gebaut  und  feste  Schanzen  auf- 
geworfen WT'rden  waren.  Das  erste  Blockhaus  (am 
5.  November  begonnen)  befand  sich  oberhalb  des  Dorfes 
Buckau  im  freien  Felde  ungefähr  2()00  Schritte  von  der 
Stadt  und  Ijarg  zwei  Fähnlein  Knechte  unter  dem  Obrist 
Sebastian    von    Wallwitz*').     Das    zweite    Blockhaus, 


")  Loc.  91 5-2,  acta  1550,  und  Loc.  915P.,  Magdeburgisclie  Händel 
so  merentheils  bei  Dr.  Mordeisen  etc.  a.  1550— ö7,  Bl.  2  fig. 

")  Instruktion  im  Loc.  9151 ,  II,  El.  47).  Johannes  Voigt, 
Fürsteubund  etc.,  in  v.  Raumers  histor.  Taschenbuche  (1857)  S.  87. 

'")  Johannes  Voigt,  Fürstenlnuid  85. 

")  Das  eine  Fähnlein  hatte  der  Graf  von  Mansfeld,  das  andere 
das  Erzstift  aufgeboten.     Vergl  Besselmeier. 


208  S.  Issleib: 

im  Felde  vor  Ilarsdorf,  uiiTnittelbar  bei  DIesdorf  und  un- 
gefähr 220U  Schritte  von  jMiigdcbur^^,  hielt  Georg  W^acht- 
nieister  mit  einem  Fähnlein  und  hundert  Reitern  besetzt. 
Das  übrige  Kriegsvolk  hatte  am  17.  November  das  Feld- 
lager an  der  Elbe  oberhalb  der  Stadt  bei  Fermerslebcn 
verlassen  und  hei  Diesdorf,  der  Stadtmitte  so  ziemlich 
gegenüber,  ein  neues  Lager  aufgeschlagen.  Seitdem  war 
vor  dem  ülrichsthore  der  Tummelplatz  zahlreicher  glück- 
licher und  unglücklicher  Gefechte^  über  Avelciie  insgesamt 
Besselmeier,  ein  Bürger  Magdeburgs,  in  unermüdlicher  und 
zum  Teil  fast  ergötzlicher  Weise  berichtet  hat. 

Kurfürst  Moritz  näherte  sich  Magdeburg  von  der 
Wittenberger  Eibseite,  nahm  im  Anmärsche  das  feste 
Zollhaus  an  der  Eibbrücke  ein,  jagte  die  Gegner  in  die 
Stadt  ^'^)  und  rastete  im  Dorfe  Krakau.  Am  Zollhaus- 
platze Hess  er  dann  den  Bau  eines  dritten  Block- 
hauses für  ein  Fähnlein  sächsischer  Knechte  beginnen, 
legte  zwei  Fähnlein  mit  hundert  Reitern  in  das  Dorf 
Krakau  und  fülute  den  Rest  der  Mannschaft  über  die 
Elbe  in  das  Feldlager  bei  Diesdorf. 

Folgenden  Tages  (am  28.  November),  abends  halb 
neun  Uhr,  liess  er  zunächst  einen  Scheinangriff  auf  das 
Sudeuburgerthor  unternehmen.  Die  Knechti;  liefen  an, 
warfen  Fechkränze  über  die  Mauer,  wechselten  eine 
Anzahl  Schüsse  und  zogen  sich  bald  wieder  zurück.  Zwei 
Stunden  später,  als  es  im  Feldn  allenthalben  still  geworden 
war,  glückte  dann  ein  tretllich  geplanter  Anschlag  gegen 
die  Neustadt,  welche  nur  durch  Graben,  Wall  und  Mauer 
von  der  Altstadt  getrennt  war.  Heimlich  wurden  die 
Stadtmauern  eistiegen,  die  Wachen  überrumpelt  und  die 
Thorc  erbrochen.  Ehe  die  überraschten  Bürger  *■*)  zu 
irgend  welcher  geregelten  Gegenwehr  gelangten,  war  die 
Neustadt  erstürmt.  Im  wilden  Strassenkampfe  wurden 
viele  Einwohner  erstochen  und  die  in  ihren  Häusern  ge- 
fangen genommenen  meist  aus  ihren  Wohnsitzen  verwiesen. 
In  roher  ^^^eise  plünderte  die  Mannschaft.  Die  Mehrzahl 
der  Flüchtlinge  und  Vertriebenen  fand  Aufnahme  in  der 
Altstadt,  von  wo  aus  in  derselben  Nacht  noch  ein  Versuch 


")  Fast  wäre  er  von  einer  Kanonenkugel  getroffen  worden. 

")  Im  Lanfe  des  Tages  war  ein  neuer  Stiultrath  gewählt  und 
darauf  „errosse  Gastung  und  Sclilarnji"  gehalten  worden  Die  liürger 
hatten  sich,  jast  alle  „toll  uid  voll",  (lern  Schlafe  ergeben,  als  die 
Feinde  den  Überfall  unternahmen. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.  209 

gemacht  wurde,  die  eroberte  Neustadt  den  Flammen  preis- 
zugeben und  den  Feind  aus  der  gefährlichen  Nachbar- 
schaft zu  vertreiben.  Das  entzündete  Feuer  verzehrte 
nur  den  nach  der  Altstadt  zu  gelegenen  kleineren  Stadt- 
theil,  der  übrige  grössere  wurde  von  den  standhaften 
Bclagerungstruppen  in  eine  wahre  Festung  umgewandelt. 
Herzog  Georg  quartierte  sich  in  der  Neustadt  ein,  und 
Kurfürst  Moritz  stieg  später,  so  oft  er  vor  Magdeburg  er- 
schien, hier  ab.  Um  zu  verhüten,  dass  der  Feind  weitere 
vortheilliafte  Stützpunkte  gegen  die  Altstadt  gewinne, 
begannen  die  Magdeburger  gleich  am  29,  November,  die 
Sudenburg  niederzubrennen  und  dem  Erdboden  gleichzu- 
machen*'^). Alle  Einwohner  mussten  nach  der  Altstadt 
übersiedeln.  Die  wehrhaften  Bürger  der  beiden  Vorstädte 
vertheilte  der  Stadtrath  unter  die  Fähnlein  der  gemietheten 
Knechte.  Magdeburg  zählte  damals  ungefähr  2300  Söldner, 
300  Reiter  und  eine  Anzahl  Bürgerfähnlein.  Alemann 
Ebeling  befehligte  das  Fussvolk,  die  Reiter  kommandierte 
Rittmeister  Hans  von  Wolf,  und  Reiterfähnrich  war  (Christof 
Alemann.  Am  2.  Dezember  schwuren  Büro-er,  Knechte 
und  Reiter  auf  dem  Marktplatze  den  Eid  der  Treue. 
Graf  Albrecht  von  Mansfeld  und  sein  Sohn  Karl  waren 
Zeugen  dieser  feierlichen  Handlung*^).  Unmittelbar  darauf 
wurde  auf  Rath  des  genannten  Grafen  Albrecht  die  Elbe 
gegen  die  Neustadt  hin  durch  starke  Ketten  und  mächtige 
Balken  abgesperrt;  man  vermauert-  auch  die  offenen 
Pforten  nach  dem  Strome,  brachte  Blendungen  auf  den 
Wällen  an,  schaffte  Geschütze  auf  die  Dom-  und  Kirch- 
thürme,  errichtete  Pallisaden  und  zog  im  Felde  vor  der 
Stadt  Laufgräben,  damit  der  Feind  nicht  „stracks  gegen 
die  Mauern  anlaufen  und  anreiten  könne". 

Während  des  mehrtägigen  Aufenthaltes  vor  Magde- 
burg ordnete  Kurfürst  Moritz  den  Bau  von  Schanzen  an, 
welche  von  einem  Blockliause  zum  andern  führen  sollten, 
eine  Arbeit,  die  aus  ^Mangel  an  Schanzgräbern  erst  spät 
der  Vollendung  entgegenging.  Das  Kriegsvolk,  damals 
aus  18  F^ähnlein  Knechten  und  800  Reitern  bestehend, 
suchte  er  möglichst  zu  verstärken  und  die  Ächter  von  der 

'*)  Beachte  Drulfel  1,  537,  No.  533.  Das  Schreiben  Schwendis 
an  den  Kaiser  ist  auf  den  30.  November  angesetzt,  dem  Inhalte  nach 
kann  es  aber  erst  am  1.  Dezember  geschrieben  sein. 

")Merckel:  „Diese  Herren  haben  keine  Besoldung  noch 
Uiiterlialt  vom  Käthe  gehabt,  sondern  um  ihr  Geld  gezehrt,  haben 
sich    wider   den  Feind   allein    mit  Rathsclilägen  gebrauchen  lassen." 

Neues  Archiv  f.  S.  (1.  u.  A.     V.  3.  14; 


210  S-  Issleib: 

Aussenwelt  melir  und  niclir  abzusperren.  Über  alle  noth- 
wendi^en  und  zweckdienlichen  Alastinabnien  verständigte 
er  sich  mit  dem  anwesenden  Kurfürsten  von  Brandenburg 
und  Schwondi  und  fasste  herzhafte  Entschlüsse  gegen  das 
Kricgsvolk^^),  welches  unter  dem  Grafen  Voli-ad  von  Maiis- 
feld  und  Hans  von  Heideck  „zu  Gottes  EhrC;  Erhaltung 
der  Freiheiten  deutscher  Nation,  des  Adels  Förderung  und 
des  Volkes  Wohlfahrt,  zur  Wahrung  von  Ruhe,  Frieden, 
Ehrbarkeit  und  aus  anderen  trefflichen  Ursachen"  in  die 
Stifte  Bremen  und  Verden  gezogen  war*'). 

Rasche  That  war  unstnütio;  nöthio-.  Wenn  demun- 
geachtet  der  kurfürstliche  Auf1)ruch  nach  Niedersachsen 
sich  zwei  volle  Wochen  hinausschob,  so  hatte  dieser  Ver- 
zug seine  triftigen  Gründe.  Ehe  Moritz  an  das  kühne, 
ja  gefährliche  Wagnis  schritt,  „die  Knechte  zu  trennen", 
traf  er  die  sorgfältigsten  Vorkehrungen  zur  Sicherung 
seines  Landes  und  zur  ungestörten  Aufrechterhält  ung  der 
magdeburgischen  Belagerung.  Die  Vasallen  des  Leipzigei' 
Kreises  mahnte  er  zui'  Kriegsbereitschaft  und  entbot  den 
Stiftsadel  von  Magdeburg  und  Halberstadt,  sowie  die 
Harzgrafen  in  das  Lager  vor  Magdeburg  **).  Durch 
öffentliche  Ausschreiben  brachte  er  die  Pflichten,  welche 
die  sächsischen  Kreissfände  dem  allgemeinen  Landfrieden 
schuldeten,  in  Erinnerung;  eine  Reihe  Fürsten  ersuchte 
er,  weder  die  „vergarderten  Knechte",  noch  Magdeburg 
zu  unterstützen;  zuverlässige  Kundschafter  wurden  ent- 
sandt, um  über  Stärke  und  Pläne  der  Gegner  Klarheit 
zu  verschaffen **),  und  Männer  von  erprobter  Geschicklich- 
keit sollten  sich  dem  schwererreichbaren  Hauptanführer **") 


««)  Druffel  I,  No.  531   und  TiST. 

")  Es  verlautete,  die  Mani:sr]iaft  verstärke  sich  von  Tag  zu 
Tag,  habe  die  Stadt  Verden  genommen  und  befestige  sie  mit  emsiger 
Sorgfalt;  Rotenburg  werde  belagert,  man  wolle  Magdeburg  zur  Hilfe 
kommen.  Ivundschafter  gaben  du^.  Starke  .des  Haufens  auf  70(iO  bis 
8U00  Knechte  nud  700  bis  800  Reiter  an.  Über  das  Kriegsvolk  vergl. 
Loc.  'J151,  IV,  Bl.  283  flg. 

'*)  Loc.  9152.  Churfürstlich  sächsischer  Lehenleute  Vorweige- 
rung der  Hülft'e  wider  Magdeburg. 

*")  Berichtet  wurde:  Sit!  halten  gute  Wacht  in  ihrem  Felde, 
mit  grosser  Mühe  erlangen  Kundschafter  Zutritt.  Sie  haben  keinen 
Pfennig  Geld,  der  Herzog  von  Preussen  und  die  Seestädte,  besonders 
Bremen,  bringen  die  Kosten  auf     Druffel  T,  Xo.  533  u.  540,  Anm.  2. 

"')  Kurfürst  Moritz  und  Joachim  fragten  dreimal  bei  den  Füh- 
rern des  Kriegsvolkes  an,  wessen  man  sich  zu  versehen  iiabe.  Ein- 
mal verweigerten  sie  Gehör,  zweimal  gaben  sie  völlig  ungenügende 
Antworten.     Vergl.  Loc.  9151,  II,  Bl.  570. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  211 

des  Kriegsvolkes,  Hans  von  Heideck,  auf  Umwegen 
nähern  und  geheime  Verhandlungen  betreiben '■*').  Mit 
Hessen  schloss  er  ein  Bündnis  ab **"■')  und  berietli  (am  5. 
Dezember)  mit  den  landgräflichen  Geschäftsträgern  Simon 
Bing  und  Wilhelm  von  Scliachten;  „wie  wohl  die  hohen 
Personen  dieser  Nation  einander  näher  zu  bringen  sein 
möchten" "'').  Er  erwartete  ferner  die  Ankunft  des 
Markgrafen  Albrecht ''^)  (die  auch  in  wenigen  Tagen  er- 
folgte), und  sah  den  Entscheidungen  der  Reichsstände  über 
die  beantragten  Geldbewilligungen,  über  das  Oberfeldlierrn- 
amt  und  über  die  erbetene  Mitwirkung  des  Kaisers 
gegen  das  Kriegsvolk  im  Stifte  Bremen  und  Verden  ent- 
gegen **").  

Unterbrechen  wir  hier  die  weitere  Angabe  der  Er- 
eignisse in  Norddeutschland,  um  an  dieser  Stelle  zur 
Vervollständigung  des  Gesamtbildes  die  Vorgänge  auf 
dem  Reichstage  zu  Augsburg,  soweit  sie  Magdeburg  und 
Moritz  von  Sachsen  betrefien,  in  kurzem  Zusammenhano-e 
vorzulülu'en. 

Magdeburg  hatte  den  Kaiser  und  die  Reichsstände 
seit  September  beschäftigt.  Damals  vereinbarten  beide 
Theile  einen  Termin  für  friedliche  Verhandlungen.  Ab- 
geordnete der  „Rebellen"  sollten  am  3.  November,  wie 
Avir  wissen,  auf  dem  Reichstage  erscheinen  und  ihre 
„Irrungen"  zum  Austrage  bringen.  Kaum  war  das  Cita- 
tionsschreiben  abgeschickt,  so  hörte  man  vom  Einfalle 
Herzogs  Georg  von  Mecklenburg  in  die  Stiftsgebiete,  von 
seinem  Siege   über    die  Achter   und   von   den  vorläufigen 


*')  Loc.  9152:  „Etzliche  an  Dr.  Komerstadt  ausgegangene 
schreiben  in  allerlei  Sachen  a.  1550",  Bl.  13,  14,  Schreiben  vom 
28.  November  1550  aus  Wittenberg:  „Es  wäre  gut,  dass  man  die  Dinge 
nicht  verachte  und  auf  Mittel  und  Wege  so  viel  menschlich  und 
möglich  trachte,  dass  der  Kuriürst  mit  den  iiundesveiwandten  Magde- 
burgs, wo  es  des  Kaisers  halben  nicht  ööentlich  sieb  thun  lasse,  im 
tieheimen  sich  vergleiche,  dazu  der  Graf  von  Oldenburg  zu  ge- 
brauchen etc. 

**)  Cornelius  4.S,  \Yittenberger  Verhandlungen. 

'^)  Nai  h  Moritz'  Meinung  dirigierten  die  Gegner  ihren  Handel 
nicht  auf  den  rechten  Weg. 

«*)  Loc.  9151,  II,  Bl.  319.  Albrecht  war  im  Schreiben,  datiert 
Blassenburg  am  20.  November,  gewillt  zu  kommen  und  hielt  für  gut, 
dass  Äloritz  das  Amt  eines  obersten  Feldherrn  vor  Magdeburg  an- 
nehme, wenn  es  ihm  angetragen  werde,  l'ann  solle  er  seiner  nicht 
vergessen,  damit  er  auch  noch  zum  Raufen  kommen  möchte. 

'')  Loc.  9152,   Magdeburgische  und  Bremische  Handlung  1550. 

14* 


212  S-  Issleib: 

Schritten  dos  Kurfürsten  von  Saclisen.  Gewaltlg'es  Auf- 
sehen machten  die  unerwarteten  Ereignisse.  Alle  Welt 
war  gespannt,  wohinaus  die  Dinge  wollten,  und  welche 
Stellung  der  Kaiser  vor  allem  zu  den  Vorfällen  nehmen 
werde.  Nun  ennäehtiirte  Kai-1  V.  den  Kurlursten  von 
Sachsen,  das  mecklenburgische  Kriegsvolk  zusannnenzu- 
halteu  und  die  Unterwerfung  der  Stadt  durch  Güte  oder 
Zwang  zu  versuchen;  gleichzeitig  aher  gebot  er,  den 
Ächtern  freies  und  sicheres  Geleit  nach  Augsburg  zum 
anberaumten  Verhandlungstermine  zu  geben,  ^^'ar  bis 
dahin  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  das  Glück  nicht 
günstig,  so  rausste  sich  dann  in  Augsbiu-g  entscheiden, 
ob  friedliche  Vereinbarung  möglich,  oder  ob  ein  Exekutions- 
krieg nöthig  sei. 

Im  allgemeinen  war  Abneigung  gegen  Krieg,  obschon 
unendlich  viel  davon  gesprochen  wurde'-"*).  Eine  Anzahl 
Reichsstände  „Hessen  sich  hören,  sie  wollten  lieber  zwanzig, 
dreissig  und  mehr  tausend  Gulden  den  Achtern  zur  Aus- 
söhnung mit  dem  Kaiser  geben,  als  es  zum  Kriege  kommen 
lassen".  Vor  Krieg  scheuten  die  Protestanten  zurück  aus 
Furcht,  der  Kaiser  würde  nach  Unterwerfung  und  Bestra- 
fung Magdeburgs  alle  Gegner  des  Interims  und  Konzils 
als  Aufrührer  und  Rebellen  betrachten.  Katholische 
Reichsstände,  vor  allen  die  Kurfürsten  von  Mainz  und 
Trier,  widersprachen  einer  Achtsexekution  durch  den 
Kaiser,  damit  er  nicht  allzumächtig  und  gefährlich  in 
Deutschland  werde.  Wenn  die  Achter  den  angesetzten 
Termin  nicht  besuchen,  oder  sich  „unbillig  erweisen" 
würden,  dann  wollten  sie  ihrerseits  zur  „Kontinuierung"  der 
begonnen.n  Achtsexekution  unter  Leitung  des  Kurfürsten 
von  Sachsen  beisteuern. 

Der  nach  Magdeburg  entsandte  Reichsbote  langte  am 
24.  Oktober  mit  Antwort  in  Augsburg  an,  nach  welcher 
wegen  der  Unsicherheit  vor  der  Stadt  kein  magdebuigi- 
scher  Bürger  zu  bewegen  sei,  sich  nach  Augsburg  ab- 
fertigen zu  lassen**').  Werde  aber  das  Kriegsvolk  entfernt 
und  neues  Geleit  „auf  Hinterbringen"^*}  zugeschickt,  dann 


")  Loc.  10188,  Schriften  so  die  Käthe  von  Augsburg  etc.  1550. 
Bl.  179. 

"')  Hervorgehoben  wurde :  Der  Herzog  von  Mecklenburg  habe 
in  (duem  Schreiben  erklärt,  dass  er  die  Feindseligkeiten  auf  Befehl 
des  Kaisers  und  Reiches  begonnen  habe. 

")  Es  sollte  also  die  Bewilligung  und  Genehmigung  der  Stadt 
zu  den  Festsetzungen  der  lleicbsstände  eingeholt  werden  dürfen. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  vou  Sachsen  1550—51 .  213 

sollte  die  Entsendung  von  Bcvollmäclitigten  erfolgen.  Der 
Kaiser  Hess  den  Reichsständen  die  Antwort  vorlegen  und 
das  „nngescliickte  Ansuchen  und  Begehren  der  Rebellen" 
geflissentlich  tadeln.  Es  fehlte  zwar  nicht  an  solchen,  die 
zu  entschiddigen  suchten,  ahcr  die  Mehrzahl  der  Reichs- 
stände war  unzufrieden  mit  der  Haltung  der  Magdeburger. 
Von  verschiedenen  Seiten  drängte  man  zum  Kriege  gegen 
die  Rebellen,  sobald  der  Kaiser  ihre  Bestrafung  ernstlich 
forderte.  Schon  hatten  unter  dei-  Hand  in  den  ausschlag- 
gebenden Kreisen  Beeinflussungen  und  Beredungen  nach 
dieser  Hinsicht  stattgefunden,  jetzt  setzte  man  in  wirk- 
samer Weise  kräftige  Mittel  in  Bewegung,  um  die  vor- 
handene Friedensneigung  zu  bemeistern  und  kriegerischen 
Eifer  zu  beleben.  Vortreiflich  diente  dazu  die  Werbung 
der  anwesenden  Stiftsgesandten  und  das  eingelaufene  Ge- 
such der  Kurfürsten  von  Sachsen  und  Brandenburg  nebst 
den  Vertretern  des  Erzstiftes  Magdeburg^^)  um  Unter- 
stützung und  Hilfe  gegen  die  halsstarrigen  und  wider- 
setzlichen Ächter.  In  hervorragender  Weise  entfaltete 
Christof  von  Carlowitz  seine  bekannte  Geschäftigkeit  und 
bewährte  Geschicklichkeit,  um  im  Interesse  seines  Herrn 
einzelne  Reichsstände  für  Ul)ernahrae  der  Exekutions- 
kosten von  Seiten  des  Reiches  zu  bearbeiten.  Ende  Ok- 
tober begannen  die  schwerfälligen  Verhandlungen  über 
Reichshilfe  und  dauerten  trotz  wiederholter  Impul-e  von 
Seiten  des  Kurfürsten,  der  Stiftsstände  und  des  kaiserliehen 
Kommissars  von  Schwendi  fast  volle  zwei  Monate. 

So  sehr  der  Kaiser  die  Züchtigung  der  Rebellen 
wünschte,  so  wenig  wollte  er  sich  selbst  „der  Reputation 
halber  in  Kosten  und  Gefahren  stecken".  Seine  an- 
dauernde Kränklichkeit  und  seine  kaum  verdeckbare 
Geldverlegenheit  gestatteten  ihm  nicht,  kriegerische  Ge- 
danken zu  nähren.  Es  sollten  die  Reichsstände  die 
Lasten  des  Exekutionskrieges  tragen.  Leicht  war  der 
Kurfürstenrath  —  ausser  Pfalz,  welches  sich  auffällig  ab- 
sonderte'"") —  für  Erhaltung  und  Verstärkung  des  Kriegs- 
volkes vor  Magdeburg  aus  Reichsmitteln  und  für  Ver- 
gleicliung  über  den  Feldherrn,  über  Befehlsleute,  Kriegs- 
räthe  etc.  zu  gewinnen,  wenn  nur  vermieden  ward,  dass 
der  Kaiser  in  eigner  Person  den  Krieg  führe.  Ganz 
anders    der    Fürstenrath    und    die    „gemeinen    Stände"! 


»«)  Schreüieu  vom  13.  Oktober. 
'»»)  Druffel  I,  No.  Ö2'i  und  525. 


214  S.  Issleib: 

Hier  bestand  die  Melirzalil  zunüclist  darauf,  die  Krieys- 
Lürde  nicht  dem  Reiche,  sondern  dem  Kaiser  aiifzuhidcn. 
Er  habe  mit  Bestrafunf^  der  Ivebellen  (1546)  den  Anfang 
gemacht,  und  ihm  allein  gebühre  es,  „die  Reli([uicu  der 
Rebellen"  zu  züclitigen;  er  sei  „prineipaliter  verletzt, 
lädiert,  offendicrt  und  beleidigt"  und  habe  Magdeburg  in 
die  Acht  erkliiit,  ihm  solle  der  Krieg  gänzlich  anheim- 
gestellt, allerhöfhstens  eine  „Beihilfe"  zugestanden  werden. 
—  Schwer  wurde  der  leidenscliaftliche  Widerstand  der 
Opposition  gebrochen'"*),  und  allmählich  erst  siegte  die 
Meinung  der  INIinderheit,  welclie  in  Übereinstiumiung  mit 
dem  Kurfürstenrathe  zu  verhindern  suchte,  dass  der 
Kaiser  zu  Felde  ziehe '°^). 

Zähe  Bemühungen  thätiger  Personen  arbeiteten  darauf 
hin,  den  Kurfürsten  von  Sachsen  zum  „Generalobristen" 
des  von  ihm  bereits  begonnenen  Exekutionskrieges  zu 
befördern.  Gewichtigen  Beurtheilern  erschien  er  als  die 
geeignetste  Person,  um  Kaiser  und  Reich  zu  vertreten. 
Als  Erzmarschall  und  Kurfürst  nahm  er,  wie  man  hervor- 
hob, eine  hervorragende  und  achtunggebietende  Stellung 
ein.  Trotz  seiner  Jugend  war  er  in  Kricgshändeln  geübt 
und  erfahren;  unverdrossen,  emsig,  anschlägig  und  herz- 
haft hatte  er  sich  schon  in  wichtigen  Dingen  gezeigt;  er 
verfügte  über  bewährte  Kriegsräthe  und  Ilauptleute, 
über  einen  „stattlichen  Adel"  und  über  eine  vortreffliche 
Ritterschaft,  für  ansehnlich  galt  sein  Anhang.  Wie  kein 
anderer  kannte  er  als  „anrainende]*  Fürst"  Pässe,  Wege 
und  Stege  im  Achtergebiete;  Belagerungsgeschütze  und 
Munition  konnte  er  mit  geringen  Kosten  vor  Magdeburg 
schaffen.  Von  ihm  war  zu  erwarten,  dass  er  in  kürzester 
Zeit    und    mit   erträglichen   Hilfsmitteln    die  Magdeburger 


'"')  Ungestüm  verlangten  kaiserliche  Kriegsiülirnng:  der 
Deutschmeister,  Herzog  Heinrich  vmi  Braunschweiü',  der  Herzog  von 
Jülich  und  etliche  Bischöfe.  Der  Deutschmeister  hotVte  dann  wieder 
nach  Preussen  zu  kommen,  Herzog  Heinrich  wünschte  (ausser  kaiser- 
lichem Dienst)  Bestrafung  Brauns(;hweigs,  der  Herzog  von  Jülich 
agitierte  zu  Gunsten  der  jungen  Herzöge  von  Weimar  gegen  Moritz, 
und  die  Bischöfe  wollten  ganz  Sachsen  dem  Interim  und  dem  Papste 
unterwerfen. 

'"*)  Loc.  9152.  Magdehurgische  und  Bremische  Handlung  1550, 
I>oo.  10189,  Summarischer  AnszuLf  und  Innhalt  derer  Briefe,  so  die 
Käthe  an  Kurfürsten  JMoritzen  obgelien  Iahen  etc.  1550;  eben- 
daselbst ein  Buch  von  Dr.  Franz  Grammen  und  Lorenz  Ulmann 
etc.  1550.  Vergl.  Loc.  10  695,  Dr.  Franz  Crammens  Zeituiigsbuch  an 
Dr.  Komerstadt  1551. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   215 

zum  Gehorsam  bringen  werde.  Vortheilliaft  war,  dass 
der  Kaiser  gegen  den  Kurfürsten  von  Sachsen  nielits 
einzuwenden  hatte.  Längst  waren  ja  seine  Entschlicssun- 
gen  den  Empfehlungen  der  Stände  vorausgeeilt.  Ganz 
im  Sinne  des  Kurfürsten  beantragte  er,  nachdem  dessen 
ergebnislose  Oktoberveriiandhuiiren  bekannt  Geworden 
waren,  „eilende  und  beharrliclie  Hilfe"  auf  zwei,  drei 
Jahre;  auch  forderte  er  auf  Grund  zahlreicher,  kurfürst- 
licher Bittschreiben  150000  Gulden  zur  Bezaldung  und 
Verstärkung  des  Kriegsvolkes  und  INIonatsgelder  für  den 
Unterhalt  von  8000  Knechten  und  1000  Reitern  bis  zur 
Eroberung  Magdeburgs.  Die  entstandeneu  und  künftig 
entstellenden  Kriegskosten  sollten  durch  eine  neue  Reichs- 
kontribution gedeckt  werden.  Solchem  Ansinnen  aller- 
dings widersprachen  von  vornherein  und  mit  aller  Ent- 
schiedenheit die  in  diesem  Punkte  einniüthio'cn  Reichs- 
stände.  Eine  unwillige  x4.blelniung  der  kaiserlichen 
Forderung  erfolgte.  Mit  vorwurfsvoller  Umständlichkeit 
und  beredter  Offenheit  wurden  die  beschwerliclien  Reichs- 
lasten zusammengestellt,  welche  bis  dahin  schon  den 
Reichsständen  einer  unerträglichen  Bürde  gleich  auferlegt 
seien.  Auf  das  allerbestimmteste  verlangte  man,  die 
Reichshilfe  solle  vom  erlegten  ,.Vorrath"  geleistet  werden. 
Kräftig  breitete  der  Kaiser  seine  schirmende  Hand  über 
den  gefährdeten  Vorrath  aus'^^j;  aber  vor  der  begehr- 
lichen Zudringlichkeit  aller  opferscheuen  Rcichsstände 
wusste  er  das  „Kleinod",  welches  nach  ihrer  Ansicht  doch 
nur  gegen  Türken  und  Franzosen  Verwendung  finden 
sollte,  nicht  zu  retten.  Gegen  Zusicherung  einer  späteren 
Wiedererstattung  musste  er  den  gesamten  Vorrath  darbieten. 
Dies  letzte,  mühsam  entwundene  Zugeständnis  —  den 
Vorrath  zu  ersetzen  —  verleitete  nun  wieder  die  Stände 
zu  kargender  Sparsamkeit  Kleinmeisterlich  suchten  sie 
die  Besoldung  des  Kriegsvolkes  und  die  kurfürstliche 
Bestellung  ,.auf  das  allergeringste"  anzusetzen.  Zahlreiche 
Stimmen  Avidersprachen  der  Absendung  von  150 000 Gulden, 
etliche  sagten  sogar  (auf  den  Kurfürsten  von  Sachsen 
hindeutend),  „wenn  man  den  Krieg  nur  darum  angefangen 


'"*)  Nach  seiner  Ansicht  war  es  höchst  unbillig  und  weder 
rathsam  noch  dienlich,  wegen  einer  einzigen  rebellischen  Stadt  die 
Gelder  anzugreifen,  durch  welche  dem  ganzen  Reiche  deutscher 
Nation  trefflicher  Nutzen  erwachsen  könne.  Krams  Ausdruck  zufolge 
wollte  er  „den  Sperling  nicht  aus  der  Faust  lassen", 


216  S.  Issleib: 

habe,  um  sich  zu  bereichern  und  den  eigenen  Vortheil 
zum  Nachtheile  des  Reiches  zu  betreiben,  so  wollten  sie 
nicht  einen  Pfennig  dazugeben";  ja,  Leute,  „von  denen 
sichs  die  sächsischen  Räthe  nicht  versahen",  intrijxuierten 
und  warfen  durch  gehässiges  Spiel  den  Kiu-fürsten  jNIoritz 
länger  als  es  noth  that  auf  die  Folter  ungeduldiger  Er- 
wartung, ^lehr  noch !  Seitdem  der  Kaiser  den  Unter- 
halt von  8000  Knechten  und  1000  Reitern  auf  einige 
Jahre  verlangte,  ^da  hatten  die  Gesellen  im  Fürstenrathe 
keine  Lust  mehr  zum  Kriege".  In  den  Meinungen  ein- 
zelner vollzog  sich  ein  auffallender  Umschwung.  Hitzige 
Eiferer  ernüchterten  und  „solche,  welche  des  Konzils  und 
Literims  Avegen  gern  einen  Krieg  in  Sachsen  geführt 
hätten",  hegten  unerwartet  friedliche  Gedanken.  Um  die 
Langwierigkeit  der  Auslagen  zu  beschränken,  wünschte 
man  beschleunigte  Kürzung  des  eröffneten  Krieges  und 
eifrig  wurde  erörtert,  welch  beschwerliche  Schädigungen 
dem  Reiche  aus  einem  jaln-elangen  Exekutionskriege  er- 
wachsen könnten, 

Ln  Sinne  versöhnlicher  Mässigung  wurde  der  Kaiser 
um  Milderung  der  vorgelegten  Kapitulationsartikel  '"^) 
angegangen.  Aber  damals  Avar  Karl  V.  noch  nicht  zu 
bewegen,  seine  Forderungen  herabzusetzen  und  zu  Gunsten 
der  Rebellen  eine  Anzahl  Artikel  abzuändei'n.  Trotz 
aller  beachtenswerthen  Gegenvorschläge  bestand  er  auf 
bedingungsloser  Ergebung  der  Achter  auf  Gnade  und 
Ungnade,  auf  Fussfall  und  Abbitte,  auf  Entsagung  aller 
Bündnisse,  Gehorsam  gegen  das  Reichs- Kammergericht 
und  gegen  alle  Beschlüsse  der  Reichstage  (auch  in  betreff 
des  Interims),  auf  Restituierung  des  Domkapitels,  Klerus 
und  künftigen  Erzbischofs  nach  den  Entscheidungen  des 
Kammer<^erichtes,  auf  Schleifung  der  Festung  und  all- 
zeitiger Öffnung  der  Stadt  für  kaiserliches  Kriegsvolk, 
auf  Zahlung  von  200000  Gulden,  Lieferung  von  24  Stück 
Geschützen  mit  Munition  und  GeräthscJiaften  und  auf 
Anerkennung  aller  durch  den  Kaiser  erfolgten  Konfis- 
kationen, Vergleichungen  etc. 

Hinsichtlich  der  Kapitulationsartikel  zurückgewiesen, 


'"*)  Loc.  9152,  Magdebnrgische  und  Bremische  Handlung,  B1.21. 
(12.  November);  Loc  91.5.3,  Mairdoburffische  Handlunp-  l-^äO,  Bl.  .38, 
42,  .376.  Die  KapitulationsartiUel  wurden  bereits  am  25.  Oktober 
dem  Kurfürsten  von  Sacbsen  zugeschickt  (vergl.  Loc.  915.3,  Magde- 
burgische Sachen,  so  bei  Dr.  Mordeisen  etc.  Bl.  87) ;  aber  (Um-  Kur- 
fürst sollte  damals  noch  in  seinem  Mamen  handeln. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550  -51.   217 

rückten  nun  die  Stände  mit  einem  weiteren  Anliegen, 
durch  die  Trnppenanliäufungen  im  Stifte  Bremen  und 
Verden  veranlasst,  hervor.  Der  Kaiser  sollte  für  seine 
Person  als  Haupt  und  Herr  des  Reiches  das  Kriegsvolk 
vor  Magdeburg  verstärken,  falls  fremde  Potentaten  oder 
deutsche  Fürsten  und  Städte  sich  unterstehen  würden, 
die  Ächter  zu  retten.  Zur  Genüge  war  die  Aufmerksam- 
keit Karls  V.  durch  Kurfürst  ]\Ioritz  auf  Niederdcutscli- 
land  gelenkt  worden'"^);  und  Schwendis  umständliche 
Berichte  liatten  ohne  Unterlass  gemalmt,  die  gefahrvollen 
norddeutschen  Gährungen  nicht  zu  unterschätzen,  ein 
mächtiges,  schnell  und  weit  um  sich  greifendes  Feuer, 
dessen  Funken  durcli  ganz  Deutschland  fliegen  möchten, 
könne  entzündet  werden.  Der  Kaiser,  vom  Ernste  der 
Situation  überzeugt,  war  gewillt,  die  Opfer  für  etwaige 
Entsatzversuche  mit  den  Reichsständen  zu  tragen'"*^). 
Die  Verhandlungen  darüber  rückten  freilich  in  gewohnter 
Weise  nur  langsam  vorwärts,  kaum  wurden  sie  durch 
die  Nachricht  von  der  Einnahme  der  Neustadt  beschleu- 
nigt '"'').  Ehe  man  überhaupt  mit  allen  Vereinbarungen 
ins  reine  kam,  war  die  zweite  Dezemberhälfte  heran- 
gerückt. 

Der  magdeburgischc  Exekutionskrieg  Avurde  endlich 
Moritz  von  Sachsen  als  „oberstem  Feldh.auptmann"  im 
Namen  des  Kaisers  und  Reiches  übertragen.  Die  Stände 
bewilligten  100000  Gulden  für  die  bisherigen  zweimonat- 
liehen  Kriegskosten  und  60000  Gulden  für  jeden  folgen- 
den Monat  '°^).  Das  Geld  sollte  vom  „Vorrath"  genommen 
und  von  den  „Legestädten"  Nürnberg,  Speier  und  Köln 
verabreiclit  werden.  Für  den  Fall,  dass  die  magdeburgische 
Belagerung  länger  dauere,  als  der  Vorrath  reiche,  sollten 
die  Reichsstäntle  verpflichtet  sein,  weitere  Hilfe  zu  ge- 
währen.    Über  Erstattung  des  Vorrathes  und  Fortsetzung 


'"*)  Loc.  9151,  II,  Bl.  559.  Unter  dem  2i.  November  gebot 
der  Kaiser  allen  Reichsständen,  besonders  den  beiden  sächsischen 
Kreisen,  zusammengelaufenes  und  vergardertes  Kriegsvolk  zu  trennen. 

'»«)  Druffel  I,  No.  5.3B,  vergl.  No  5.S9. 

'"j  Loc.  10189.  Summarischer  Auszug  etc.,  Bl.  81.  Die  Spanier 
waren  mit  Moritz  zufrieden,  andere  tadelten  (Bl.  123)  die  weitläufige 
Belagerung  etc.,  es  fielen  allerlei  „spitze  Redensarten". 

"")  Loc.  9151,  II,  Bl.  62.S  flg.  Nach  Schwendis  Schreiben  vom 
.SO.  Dezember  an  den  Kurfürsten  sollte  die  Zahlung  der  monatlichen 
60 ('00  Gulden  am  18.  Dezember  beginnen.  Erinnern  wir  uns,  dass 
das  Domkapitel  von  Magdeburg  die  Kosten  des  halben  Monats  (vom 
2. — 17.  Oktober)  tragen  wollte. 


218  S.  Issleib: 

der  Belagerung-  sollte  vom  1.  April  1551  an  in  Nürnberg 
verhandelt  werden.  Unterstehe  sicli  jemand  iieimlich  oder 
öft'entlich,  in  eigner  Person  oder  durch  andere  die  Achter 
zu  entsetzen,  so  sollten  dies  Kaiser  und  Keichsstände  ver- 
hindern und   die  Unkosten  zu  gleichen  Hälften  tragen. 

Als  am  16.  Dezember  die  Reichshilfe  so  gut  wie 
gesichert  Avar'"^),  erneuerte  der  Kaiser  das  Achtsmandat 
gegen  Magdeburg,  foiderte  alle  Kriegsleute  auf,  binnen 
vierzehn  Tagen  den  städtischen  Dienst  zu  verlassen  und 
verbot  allen  Keichsständen,  Magdeburg  zu  unterstützen""). 
Allein  erst  am  Schlüsse  aller  Verhandlungen  (am  27.  De- 
zember) theilte  er  dem  Kurfllrsten  iNloritz  mit,  unter 
welchen  Bedingungen  er  „den  Befehl  eines  obersten  Feld- 
hauptmannes im  Namen  des  Kaisers  und  Reiches"  über- 
nehmen solle'").  Das  kaiserliche  Schreiben  traf  den 
Kurfürsten  nicht  in  seinem  Lande,  auch  nicht  vor  j\Iagde- 
burg,  sondern  im  Feldlager  vor  Verden  an. 


AVir  kennen  den  Entschluss  Moritz',  gegen  die  Knechte 
im  Stifte  Bremen  und  Verden  ziehen  zu  wollen,  und  kennen 
die  Gründe,  welche  die  Ausführung  des  Planes  verzögerten. 
Um  Mitte  Dezember  aber  drängten  die  Umstände  zum 
Aufbruche  ""■').  Ohne  die  längst  ersehnten  kaiserlichen 
Nachrichten  abzuwarten,  entnahm  er  den  Belagerungs- 
truppen sieben  Fähnlein  Knechte,  350  Reiter  und  erforder- 
liche Artillei'ie  und  Hess  die  auserlesene  Mannschaft  (am 
17.  Dezember)  in  der  Richtung  nach  Verden  vorrücken; 
er  selbst  folgte  mit  dem  Markgraien  Albrecht  tags  darauf"'^), 

">»)  Vergl    Dniffel  I,  No.  5  Iß  (Ic.  Dezember). 

"")  Am  i:5.  Dezember  vorötientlichteii  Domkapitel  und  Stifts- 
stäude  eine  äusserst  heftige  Klagsclirift  gegen  die  Magdeburger. 
Diese  verllieidigten  sicli  in  einer  geharniscditen  Entgegnung  vom 
gleichen  Tage;  Pomarius  lü()  und  13:?;  Hortleder  II,  limh  IV, 
Kap.  lü,  8.  1 1 12  —  kaiserliches  Mandat  vom  1«.  Dezember,  Kap.  r2, 
S.  1140  und  Lo.-.  91.')]  ,  II,  Bl.  .Oti.  König  Ferdinand  schrieb  am 
22  Dezember  an  die  böhmischen  Stände,  „dass  sie  dem  magdeburgi- 
schen Werke  zuwider  nichts  thun  sollten". 

'")  Loc.  1Ü1S9,  Suujmarischer  Auszug  etc,  lil.  HO. 

"*)  Der  Kurfürst  entfaltete  in  allem  Energie  und  Umsicht, 
obgleich  ihn  hin  und  Avieder  allerlei  Hedenklichkeiten  i)eschlichen. 

"*)  IjOc.  1)152,  Etzliche  an  Dr.  Komerstadt  ausgegangene 
schreiben  lö50,  Bl.  40.  Bisher  hat  man  immer  nach  Bessel- 
meier  den  1:).  Dezember  angegeben.  }sach  Moritz"  Brief  an 
seine  üemahlin ,  datiert  Magdeburg- Neustadt,  am  IT.  Dezember, 
wollte  er  den  ^Iagdeburgern  hinsiclitliidi  des  Entsatzes  r.i.ht  wenig 
schädlich  sein,  Loc.  84'.)8  „Handschreiben"  und  Arndt  I,  No.  LS. 


Magdeburffs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.  219 

bedinkliclic  Käthe,  un\vilHo;e  Untci'tlianen,  einen  tadelnden 
Adel  und  ein  sclnvaclies  B!i)kadekorps  zurücklassend"*). 
Die  Leitung  der  Belagei'ung  Avährend  seiner  Abwesenheit 
vertraute  er  dem  kaiserlichen  Kommissar  von  Schwendi, 
dem  Herzog"  Georg  von  Mecklenburg  und  einigen  Kriegs- 
rätlien  an. 

Ehe  wir  dem  ausrückenden  Kurfürsten  auf  seinem 
Zuge  folgen,  ist  es  unerlässlich,  zuvor  auf  dessen  b'jkanntes 
eigenliändiges  Schreiben  zu  verweisen,  welches  er  vor 
seinem  Aufbruche  aus  d^m  Lager  vor  Magdeburg  an 
seine  hessischen  Vertrauten  Bing  und  Schachten  ent- 
sandte'**). Dasselbe  knüpfte  an  die  geheimen  Besprech- 
ungen in  Wittenberg  (am  5.  Dezember)  an,  gewählt  einen 
Einblick  in  die  Plane  des  Kurfürsten  und  klärt  uns  in 
erwünschter  Weise  über  die  Haltuno;  der  Gegner  auf. 
Moritz  versicherte  in  seinem  Briefe,  dass  er  nothgedrungen 
handeln  müsse,  denn  der  Kaiser  werde  den  Kriegshaufen 
im  Bisthum  Verden  keinesfalls  dulden.  „Ich  finde  in  dem 
ganzen  Werke",  fuhr  er  fort'"'),  „nichts  Beschwerlicheres, 
denn  das  grosse  Misstrauen.  Wird  nun  dem  nicht  ge- 
holfen,  so  w^oUte  ich  wohl  sagen:  Gott  gebe  unserm 
Deutschland  gute  Nacht.  JNIeine  Gesellen  und  ich  müssen 
einen  Herrn  haben,  der  uns  den  Kücken  hält,  und  auf 
welche  Seite  wir  auch  gerathen,  so  wollen  wir  unserm 
Gegeutheil  aufs  wenigste  das  Spiel  verderben,  wo  nicht 
die  Karten  gar  zerreissen.  Das  zeige  ich  Euch  darum 
air,  dass  Ihr  Tag  und  Nacht  auf  diese  Dinge  denket, 
damit    man   den  Handel   in   ein    recht  Vertrauen  bringen 


"*)  Loc.  10189,  Summarischer  Auszug  etc.,  Bl.  101  und  109. 
Der  Kaiser  und  Christof  von  Carlowitz  hätten  lieber  gesehen,  wenn 
Moritz  nicht  nach  Verden  gezogen  wäre  (Carlowitz'  Jiriefe  vom  16. 
und  17.  Dezember!.  Beide  wünschten,  er  solle  sich  und  das  Kriegs- 
volk nicht  in  unnöthige  Gefahr  begeben  und  ,.uicht  zu  gärh  oder 
liitzig  oder  kurzräthig  sein,  sondern  alle  Dinge  mit  guter  Vernunft, 
Uath  und  Bethicht  angreifen,  auch  seine  Person  in  guter  Hut  und 
Acht  halten,  damit  er  nicht  an  Leib,  Namen  und  Beruf  Schaden  oder 
Verkleirerung  erleide".  Bei  den  Ständen  möchte  es  Unwillen  er- 
regen, besorgten  sie,  dass  der  Kurfürst  „ohne  ihr  Vorwissen  das  beste 
Volk  hinweggenommen  habe  und  in  ein  fremdes  und  ziemlich  weit- 
gelegenes Land  reise  und  also  Belagerung  und  Volk  in  Gefahr 
setze"  etc. 

'")  Nach  Cornelius  -21  schrieb  er  am  gleichen  Tage  einen 
gleichlautenden  Brief  an  den  Herzog  Hans  Albrecht  von  Mecklenburg. 
Klaus  Berner  wunle  am  22.  Dezember  an  den  Markgrafen  Hans  von 
Küstrin  abgeschickt. 

"")  Cornelius  il.  Johannes  Voigt,  Fürstenbund  93, 


220  S.  Issleib: 

mög-e,  denn  wird  man  mir  nicht  trauen,  so  bin  ich  nicht 
viel  nütz  bei  der  Sache." 

Die   Absclu'Ift   des   Briefes   wanderte    an    alle  Haupt- 
personen des  „geheimen  Bundes" :  an  Klaus  Berner,  Georg 
von  Reckerod    etc.,    an    einzelne  Städte,    an   die  Herzöge 
von  Mecklenburg   und  Preussi-n   und  an  den  Markgrafen 
Hans.     Durcli    diesen  Brief  und  durch  den  Unterhändler 
Klaus  Berner   wurde  Wilhehn    von  Scliachten  veranhisst, 
seinen  Bruder  Heinrich  an  Hans  von  lleideck  abzusenden, 
um    in   seinem    Namen    dem    „grossen    Praktikanten"   den 
Inhalt   des    kurfürstlichen  Schreibens    zu  übermitteln  und 
aus    den    vertraulichen    Wittenberger    Unterredungen    fol- 
gendes zu  erötfnen :  „Kurfürst  IMoritz  habe  in  A^'ittenberg 
sein    Vorhaben    gegen    Magdeburg    entscliuldigt    und    die 
P)esorgnis    ausgesprochen,    dass    ihm    deshalb    von    seinen 
^Mdersaciiern     eine     unerträgliche     Kappe     angestrichen 
werde;   allein    er   habe    sieh   in   der  Sache   zur  Zeit  noch 
nicht    weiter    vertieft,    als    dass   er    nach  drei  Monaten 
wieder  frei    dastehen   könne.     Konnne    es   unterdessen   zu 
einem  Vertrage  mit  Magdeburg,  wold  und  gut,  so  wolle 
er  alsbald  von  seinem  Beginnen  abstehen  und  sich  alsdann 
nach   dem   richten,    was    von   anderen   mit   ihm    dem   ge- 
raeinen "^A'esen  und  dem  Vaterlande  zum  besten  beschlossen 
werde.     In  betreff  der  Älagdeburger  habe  Moritz  auf  der 
Forderung    bestanden,    dass    er    selbst   einer    der    Herren 
sein    wolle,    denen    sie    sich    ergeben    sollten.     Die    Stadt 
müsse  eine  Besatzung  aufm  hmcn,  auf  dass  man  dadurch 
dem    grossen    Vogel    (dem    Kaiser)    genug    thäte.      Über 
Stärke   und   Zeit   der  Besatzung   Hesse  sich  Peinigung  fin- 
den'").    Ohne   eine   solche   Vergleichung    mit    der    Stadt 
werde    das    Gemeine    mit    dem    Besonderen    in    deutscher 
Nation   verderben.     Wollte    man    ihm   Glauben   schenken, 
so   sollte   man   bei  ihm  Glauben  finden.     Wollte  man  das 
aber    nicht    und    ihm    ferner    zusetzen,    so    wolle  er  dann 
sehen,  dass  er  etwas  bleiljen  möchte  und  sollte  er  darum 
in  den  Kaiser    und    in   die  Königin  ^larie   gar    kriechen, 
welches  er  doch  sonst  ungern   thäte,    denn  er  wollte  sich 
also    nicht    fressen    lassen.      Über    seine    jungen    Vettern 


'")  Hier  wird  auch  schon  eine  „geheime  Versicherung"  ange- 
deutet, zu  deren  Ausstellung  Moritz  erbötig  sein  werde,  vor  allem 
wegen  der  gegenseitig  zugefügten  Schäden  (zwischen  Magdeburg  und 
den  Pfaffen).  Magdeburg  sollte  nicht  mehr  als  1200  Mann  Besatzung 
fiufnehraen. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  221 

(die  Herzöge  von  Weimar)  liabe  ei  geäussert,  er  wolle 
rund  liandeln.  Handlang  sei  ihrethalben  bei  ihm  ange- 
zettelt"**), er  wis!?e  aber  nicht,  obs  Ernst  oder  Betrug  sei. 
Wäre  es  Ernst,  so  wollte  er  von  Grund  aus  handeln. 
Und  sei  das  der  ganze  Text,  sie  sollten  sich  keine  Ge- 
danken machen,  von  ihm  die  Kurwürde  wieder  zu  er- 
langen. Wollten  sie  sonst  mit  ihm  vertragen  sein,  so 
wolle  er  sie  dem  geraeinen  Handel  zum  besten  nicht  aus- 
schliessen  und  die  Erledigung  ihres  Vaters  mit  Fleiss  be- 
fördern, damit  die  Zwietracht  zwischen  ihnen  destoweniger 
das  gemeine  Werk  hindern  möchte." 

Wie  bedeutungsvoll  der  kurfürstliche  Schritt  und  wie 
wichtio-  die  Senduntr  ^'N'ilhelms  von  Schachten  an  Heideck 
war,  davon  werden  wir  uns  bald  überzeugen  können. 
Begleiten  wir  aber  zunächst  den  Kurfürsten  von  Sachsen 
auf  seinem  Kriegszuge  gegen  Verden. 

Von  Magdeburg-Neustadt  aus"®)  ritt  ]\L)ritz  mit  einem 
„reisigen  Zuge"  unter  Leonhard  Kotze  und  Georg  Wacht- 
meister in  zwei  Tagen  —  seine  vorausgeschickten  Truppen 
überholend  —  über  Helmstedt  und  Fallersieben  nach 
Burgdorf  im  Lüneburgischen,  drei  Meilen  südlich  von 
Celle;  wo  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig,  aus  Augs- 
burg herbeigeeilt,  mit  550  Reitern  und  i;000  Knechten 
zu  ihm  stiess  '^^)  —  er  war  der  einzige  Fürst  der  beiden 
sächsischen  Kreise,  welcher  Zuzug  und  Hilfe  leistete.  In 
Burgdorf  rastete  ]\Ioritz  vom  20.  — 22.  Dezember,  weil 
seine  Knechte  wegen  der  abscheulichen  Wege  nur  langsam 
nachrücken  konnten.  Während  dieses  unfreiwilligen 
Aufenthaltes,  welcher  dazu  benutzt  wurde,  um  zahlreiche 
Kundschiafter  auszuschicken  und  Proviant  herbeizuschaffen, 
trafen  aus  dem  Lager  vor  Magdeburg  zwei  bedenkliche 
Unglücksbotschaften  nacheinander  ein. 

Der  Abzug  des  Kurfürsten  hatte  die  Belagerten  zu 
kühner  Unternehmungslust  ermuntert'^').  In  der  Frühe 
des  19.  Dczeml)ers  zv»nschen  vier  und  fünf  Uhr  waren 
sie  zwisch.en  den  beiden  Lagerstätten  Buckau  und  Dies- 
dorf  kühn  hindurch  gezogen  und  hatten  das  Dorf  Gross- 
ottersleben,   in  welchem  der  Stiftsadel  mit  seinen  Dienst- 


'")  Siehe  diese  Zeitschrift  IV,  .314. 

"•)  Loc.  9152,  Etzliche  an  Dr.Komerstadt  ausgegangene  Schreiben 
1550,  ßl.  40  fig. 

"»)  Loc.  9151,  II,  P.l.  576. 

'*')  Loc.  9151,  II,  BI.  615  flg.  Von  Liliencron,  historische 
Volkslieder  IV,  Xo.  ;-89. 


222 


S.  Issleib: 


mannen  unter  Johann  von  Aschenburg  lug,  überfallen ''^■^). 
V(.ni  Glücke  begünstigt,  hatten  sie  225  Gefangene  (darunter 
o2  Herren  vom  Adel),  263  gute  Pferde  und  die  schön- 
gestickte Hauptfahne  des  Erzstiftes  mit  dem  Bilde  des 
li(;ili"en  Mauritius  nach  der  Stadt  gebracht.  Am  andern 
Mor'o-en  gegen  sechs  Uhr  waren  dann  die  ^lagcL-burger 
in  das  Feld  gerückt,  um  der  schwachen  Belagerungs- 
mannschal t  zuzusetzen;  und  liatten  den  rauflustigen  und 
rachedurstigen  Herzog  Georg  von  l\L;cklenburg  sclmell 
in  ein  hitziges  Scharmützel  verwickelt.  Durch  zwei 
Schüsse  in  den  linken  Arm  und  in  das  rechte  Bein  ver- 
warn det,  war  Georg  mit  seinem  stürzenden  Rosse  zu 
Boden  gefallen  und  von  stadtischen  Knechten  umringt 
worden."  Nach  matter  Gegenwehr,  die  ihn  noch  einen 
It'icliten  Stich  in  den  Schenkel  einbrachte,  hatte  er  sich 
dem  Ritter  Kilian  von  Altenburg  ergeben  müssen  und 
war  dann  unter  endlosem  Jubel  als  Gefangener  in  die 
Stadt  gebracht  worden'"). 

Von  diesen  beiden  Unfällen  benachrichtigt  uncl  uni 
Hilfe  gebeten,  schickte  Moritz  einen  Theil  seiner  Reiterei 
von  Burgdorf  aus  zurück  und  beeilte  sich,  die  Vasallen 
des  Leipziger  Kreises  vor  Magdeburg  zu  verwenden. 
Mit  aller  Bestimmtheit  jedoch  verweigerten  dieselben  einen 
Zug  gegen  die  Stadt  un  1  Hessen  den  Landesherrn  •— 
fast  war  es  unerhört  —  in  seiner  schwierigen  Lage  im 
Stiche'"'^). 


'*^)  Nach  Besselmeier  hüten  Reiter  uml  Knechte  weisse 
Hemden'  über  Kleidini«.'  und  Rüstung  angezogen  —  eine  Kriegslist 
zur  Winterszeit. 

'^^)  Ilidie  Freude  eifulUo  Magdeburg.  Die  Geschütze  aut 
Wällen  und  Thürmen  wurden  abgefeuert  und  alle  Glotken  geläutet. 
Sellist  die  grosse  Glocke  der  Domkirclie  tönte  nach  dreijäbiigem 
Schweinen  mächtig  über  das  feindliche  Lager.  Die  Haft  des  Herzogs 
war  ehrenvoll.  Ziuiächst  wurde  er  in  der  Kämmerei  geheilt,  am 
1.  Januar  ir;.jl  siedelte  er  in  das  Haus  des  Käuiinerers  Moritz  Alc- 
luanu  über.  Bürger  hielten  vor  seinem  durch  eiserne  Fensterstangen 
und  Thüren  wohl  verwahrten  Gemache  Wacht.  Zu  Zeiten  durite 
ihn  Joachim  von  Gersdorf  sehen.  „Zu  Augsburg  war  gross  Froh- 
locken üliir  Aschenburiis  und  Her/.oir  Georgs  Niederlage"  (Kram 
am  2.  Jan.  lö.')l.  Loc.  10  i«^,  Siunniarisdier  Auszug  etc.  Ml.  159,  Kit ). 
Weffen  der  beiden  glücklichen  Aa.>fälle  verlangten  die  niaijdeburgi- 
schen  Reiter  und  Knechte  einen  Monatssold  und  vollen  Sold  des 
laufenden  Monats.  Meuterei  entstand.  Graf  Albrecht  gestand  als 
Unterhändler  einen  halben  Monatssold  und  den  Deginn  eines  neuen 
Mor.ats  zu. 

'-*)  Näln.Tes  in  v.  Webers  Archiv  für  die  sächsische  Gescbich'c 
IV,   123  (1006*.      Die    Abhandlung    des    Jul.    Traugott    Jakob    von 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 5].  223 

Montag,  den  22.  Dezember,  setzte  Moritz  mit  Herzog 
Heinrich  und  Markgrafen  Albreclit  s.;inen  Zug  bis  Es  sei 
an  der  Aller  fort.  Aus  den  spärlich  fliessenden  Nach- 
richten erfahren  wir,  dass  in  Essel  die  Kundschaft  einlief, 
„der  Feind  ziehe  den  Kurfürstlichen  unter  die  Augen". 
In  Schlachtordnung  aufgestellt,  erwartete  man  den  Gegner; 
allein  die  ganze  Sache  erwies  sich  als  blinder  Lärm. 
Während  des  darauffolgenden  Marselies  nach  Walsrode 
war  der  Kurfürst  unausgesetzt  auf  eine  Begegnung  mit 
dem  Feinde  gefasst;  aber  niemand  nahte '•^^i-  Die  Truppen 
nahmen  in  ^^^dsrode  Quartier.  Als  daranf  in  der  Nacht 
zum  25.  Dezember  eine  „Zeitung"  meldete,  von  Verden 
aus  werde  ein  Überfall  beabsichtigt,  erhob  sich  Moritz 
um  Mitternacht  vom  Lager  und  liess  die  Mannschaft 
alarmieren,  um  dem  Feinde  in  vortheilhafter  Stellung  „den 
Kopf  zu  bieten".  Jedoch  auch  zum  andern  Male  blieben 
die  Gegner  fern,  und  ungestört  rasteten  die  Truppen  am 
Christtage.  Gänzlich  aus  der  Luft  gegriffen  war  aller- 
dings das  Gerüciit  von  einem  geplanten  Überfalle  nicht. 
Die  60  Reiter  und  200  Knechte  der  Grafen  von  der  Lippe 
und  von  Hoya,  welche  zu  Rethera  an  der  Aller  lagen  und 
dem  Kurfürsten  zuziehen  wollten,  wurden  in  der  That 
überfallen,  jedoch  der  grössere  Theil  der  Mannschaft 
rettete  sich  nach  Walsrode,  wohin  sie  schon  tags  vorher 
gefordert  waren.  Um  Mitternacht  des  25.  Dezembers 
wurde  wiederum  eine  Warnung  vor  einem  Überfalle  ein- 
gebracht, und  wiederum  rückte  Kurfürst  Moritz  in  das 
Feld.  Als  er  jedoch  abermals  bis  acht  Uhr  morgens  die 
Gegner  in  Schhxehtordnung  vergebens  erwartet  hatte,  rief 
er  beherzt  aus:  „wollen  die  Feinde  nicht  zu  uns,  so  wollen 
wir  zu  ihnen",  und  liess  gegen  Verden  marschieren; 
„Läufer  und  Reiter  rückten  bis  hait  an  die  Stadt".  Ein 
vorausgeschickter  Trompeter  '^"j  musste  „den  hellen  Haufen" 
in  Verden  auffordern,  „die  Fähnlein  von  Stund  an  abzu- 
reissen  und  auseinander  zu  laufen".  A^'eigerung  wurde 
mit    Reichsstrafe    bedroht,     Gehorsam    stellte    Sicheiheit 


Könneritz  enthält  in  der  ersten  Hälfte  zahlreiche  Ungenaiiigkeiten 
und  lässt  in  der  zweiten  Hälfte  durch  urgenügciKle  Veiwerthung 
wichtiger  Aktenstücke  sorgfältige  Gründliclikcit  vermissen.  Loc.  9152, 
acta,  Landtags-  ur.d  andere  Händel  1Ö47 — 15  7. 

'^')  Der  Kurfürst  überantwortete  im  freien  F'elde  dem  Adel 
die  Fahnen  mit  den  Worten  :  „dabei  werdet  Ihr  halten  wie  ehrliche 
Gesellen  und  sie  nicht  verlassen,  Ihr  werdet  denn  dabei  erstochen". 

'=">)  Loc.  9151,  n,  Bl.  572. 


224  S.  Issleib: 

des  Leibes  und  riiites,  Bestallun<]i;  von  Kaisers  und  Reichs 
wegen  und  den  Unterhalt  ehrlicher  Kriegsleute  in  Aussieht. 

Noch  ehe  der  Trompeter  Antwort  erhielt,  nahte  Mark- 
graf Alhreeht,  verlangte  Gehör  und  eröfFn  :te  den  er- 
schienenen Verordneten  das,  was  sie  bereits  vernoninien. 
Darauf  erbaten  die  Führer  und  Hauplle  ite  bis  isuin  an- 
dern Tage  (27,  Deyeinber)  Bedenkzeit,  um  die  Sache  an 
die  Knechte  gelangen  zu  lassen''^').  Als  dann  um  Mittag 
des  folgenden  Tages  Markgraf  Albrecht  wiederum  nahte 
und  durch  seir.en  Diencsr  Antwort  verlangte,  Hessen  sie 
vorgeben,  schon  einem  Herrn  geschworen  zu  haben,  und 
zugleich  ihr  Befremden  über  das  mark-riitliche  Angebot, 
wodurch  sie  zu  Schelmen  und  unehrliclien  Leuten  werden 
würden ,  zum  Ausdruck  bringen.  Dem  Diener  erklärte 
man  kurz  und  bündig:  „wollten  sie  nicht  ein  blaues 
Auge  davon  bringen,  so  möchten  sie  sich  packen"  '**). 

Derartig  abgefertigt  brach  ^loritz  mit  seiner  Mann- 
schaft in  der  Richtung  nach  Ijangwedel  (eine  Meile 
nördlich  vun  A' erden)  auf,  um  den  Rass  nach  Bremen  zu 
verlegen.  An  Verden  vorüber  marschierend,  wurde  er 
zweimal  vom  Feinde  angegriffen ;  aber  zweimal  wurden 
die  Gegner  „zum  Thore  hineingestochen";  ihr  bester  Haupt- 
mann, ein  märkischer  Edelmann,  gerieth  in  Gefangen- 
schaft. Bei  Dauelsen  "^®)  bezog  der  Kurfürst  (am  28.  De- 
zember) ein  festes  Lager,  um  von  dieser  wichtigen  Stelle 
aus  Verden  zu  berennen  und  dem  „christlichen  Hau''en" 
hinsichtlich  der  Proviantzufuhr  und  der  Verstärkung  durch 
Zuzüglei'  so  viel  als  möglich  Abbruch  zu  thun.  Er  hoflfte 
mit  dtm  Feinde,  welcher  sicherer  Kundschaft  nach  nicht 
mehr  als  (iüOO  Knechte  und  250  Reiter  zählte  und  Manuel 
an  Proviant,  Geld,  Geschütz,  Munition  und  Montierung  litt, 
bald  fertig  zu  werden.  Gern  wäre  der  Kurfürst  auch  voui 
linken  Allerufer  dem  Feinde  nahe  gekommen;  allein  er 
wagte  nicht,  seine  Streitkräfte  zu  theilen  und  erheblicher 
Gefahr  auszusetzen''^").  Überdies  konnte  das  jenseitige  Ufer 
wegen  des  hohen  Wasserstandes  schwer  erreicht  werden; 
in  vieler  Hinsielit  machlen  sich  auch  unter  den  kurlürst- 
lichen  Truppen  die  Beschwerden  der  lästigen  Winterzeit 
geltend.  Die  Operationen  gegen  die  „vergarderten  Knechte" 
beschränkten  sich  somit  läundich  auf  das  Gebiet  des  rechten 


'*')  Nach  Allgaben  später  Gerangciier  geschah  es  nicht. 
'*')  „Die  Buben   gaben  böse  Worte  aus",  berichtete  Markgraf 
Albrecht.  '")   Loc.  9151,  Hl,  Bl    :5. 

'*")  Loc.  9151,  II,  BI.  .j79  (Brief  an  den  Kaiser  vom  2.  Jan.  1551.) 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  225 

Allerufers.  Zu  grossen  Thaten  ist  es  nicht  gekommen. 
Der  Feind  behauptete  durchweg  die  Defensive.  Die  Tage 
vergingen,  man  trat  aus  dem  alten  in  ein  neues  Jahr. 

Über  die  geheimen  Verhandlungen  jener  Tage  er- 
fahren wir  äusserst  wenig;  doch  wird  berichtet,  dass  durch 
Vermittelung  des  Markgrafen  Albrecht  in  Abwesenheit 
Heidecks  eine  vertrauliche  Unterredung  zwischen  Moritz 
und  dem  Heideckschen  Kanzler  Christof  Arnold  statt- 
fand*^'), gemäss  welcher  der  Kurfürst  den  magdeburgi- 
schen Krieg  zu  gutem  Vertrage  bringen,  den  Landgrafen 
von  Hessen  und  den  vormaligen  Kurfürsten  erledigen, 
Gottes  Wort  befördern  und  des  Vaterlandes  Freiheiten 
erhalten  wollte.  Arnold  sollte  die  kurfürstlichen  Erklä- 
rungen an  Heideck,  an  etliche  Fürsten  und  an  Magde- 
burg gelangen  lassen. 

Ungeachtet  dieser  Unterredung  forderte  Moritz  am 
5.  Januar  1551  das  vergarderte  Kriegsvolk  im  Tone 
ernsten  Gebotes  auf,  seinen  Herrn  zu  nennen;  vergebens. 
Die  Übersendung  einer  Anzahl  Artikel  endlich  brach 
einer  zweitägigen  Verhandlung  Bahn  und  beendete  die 
Verden'sche  Kriegshandlung  am  7.  Januar  durch  einen 
Vertrag  *^^).  Alle  Haupt-  und  Befehlsleute  verpflichteten 
sich,  innerhalb  dreier  Monate *^^)  weder  gegen  Kaiser  und 
König,  noch  gegen  Moritz  von  Sachsen;,  Heinrich  und  Erich 
von  Braunschweig,  Anton  von  Oldenburg,  noch  gegen  das 
Stift  Bremen  oder  gegen  die  „magdeburgische  Expedition" 
zu  dienen  und  das  Kriegsvolk  mit  „zugeschlagenen  Fähn- 
lein" davonzufüliren  und  innerhalb  drei,  vier  Tagen  zwi- 
schen Verden  und  Bremen  verlaufen  zu  lassen.  Gegen 
Zusicherung  völliger  Amnestie  wurden  alle  Gefangenen 
freigegeben.  Viele  Offiziere  und  Knechte  traten  in  kur- 
fürstliche Dienste,  vor  allem  der  grosse  Praktikant  Heideck 
und  sein  Kanzler  Christof  Arnold,  beide  ausersehen,  zwi- 
schen dem  Kurfürsten  und  Magdeburg  zu  verhandeln"*). 


'*')  Loc.  9153,  Christofen  Arnolts  vertraulicher  Bericht  etc. 
Bl.  7.  Vergl.  Cornelius  55  und  Job.  Voigt,  Fürstenbund  102; 
auch  Loc.  7281,  Französische  Verbundnisse  Bl.  40. 

'")  Loc.  9151,  II,  Bl.  582  flg. 

'*')  Merck  el  giebt  G  Monate  an. 

"*)  Loc.  10189,  Summarischer  Auszug  etc.  Bl.  2.3  (Carlowitz' 
Brief  an  Moritz,  vom  14.  November  1550).  Längst  hatte  Moritz  den 
geächteten  von  Heideck  als  ein  brauchbares  Werkzeug  erkannt. 
Seinetwegen  musste  Carlowitz  beim  Kaiser  Erkundigungen  einziehen, 
unter  welchen  Bedingungen  eine  Aussöhnung  Heidecks  möglich  sei. 
Carlowitz   schrieb:    würde   sich  Heideck  zu   stattlichen  Diensten  er- 

Xeues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     V.  3  15 


226  S.  Issleib:    Magdeburgs  Belagerung  etc. 


Folgenden  Tags  (8.  Januar)  erstattete  Moritz  dem 
Kaiser  über  die  Verdener  Handlung  Bericht '^■^),  doch 
nur  im  allgemeinen  und  nicht  völlig  sachgemäss.  Durch 
bestimmte  Gründe  bewogen,  schwieg  er  über  einzelne 
Punkte,  und  Markgraf  Hans  legte  einige  Wochen  später 
(jewicht  darauf,  dass  der  mit  den  Hauptleutcn  geschlossene 
Vertrag  dem  Kaiser  nicht  zugeschickt  worden  sei''*'). 

Wann  der  Kurfürst  den  Rückmarsch  von  Verden  nach 
Magdeburg-Neustadt  antrat,  und  wann  er  im  Lager  ein- 
traf,   lässt    sich    nicht    ganz    genau    angeben.      Aus    der 
Datierung    mehrerer    Briefe    geht    hervor,    dass    er    am 
14.  Januar  1551  in  Keustadt  an  der  Leine  verweilte''"). 
Merckel     setzt     die    Rückkehr    auf    den    18.  Januar    um 
10  Uhr  früh  an.     Es  mag  dies  richtig  sein,  denn  in  vier 
Tagen  (vom  14. — 18.  Jan.)  war  die  Route  von  Neustadt  über 
Burgdorf  nach   Magdeburg   zurückzulegen.     Besselmeiers 
Angabe  (25.  Jan.)  ist  unrichtig,  denn  am  24.  Jan.  befand 
sich   der  Kurfürst  bereits  im  Lager  vor  Magdeburg  *'*). 
Der    siegreiche   Fürst  wurde    „von   den   Kriegsleuten 
in  allen  Lagern  mit  vielen  Freudenschüssen  empfangen". 
Er    brachte    sieben  "^)   neugeworbene  Fähnlein    und    zum 
Erstaunen    aller    den    Anführer    des  Verdischen    Haufens, 
Hans  von  Heideck,  mit.     Bisherige  „Feinde  wurden  jetzt 
Lagerfreundc".       Der    Kaiser,    „ganz    fröhlich    über  den 
glücklichen  Zug  gegen  Verdciu"  ""),  dankt(;  dem  Kurfürsten 
verbindlichst  für  den  bisher  erwiesenen  Eifer,  lobte  seine 
Neigung   zum  Frieden   im    heiligen    Reiche   und    erklärte, 
„ihn  Iiinfüro  mit  weiteren  Gnaden  bedenken  zu  wollen"  '"). 
König  Ferdinand   und    sein  Sohn  Maxinülian  gratulierten 
in  anerkennender  Weise  zur  Verdeutschen  Viktoria"^). 
(Sclüuss  folgt.) 

bieten  und  andere  getreuliche  capitula  bewilligen,  so  sollte  er  aus- 
zusöhnen sein,  und  das  könne  wohl  täglich  erhalten  werden. 

'^5)  Loc.  9151,  II,  lil  605.  Vergl  Moritz'  Brief  an  seine  Ge- 
mahlin vom  9.  Januar  (Loc.  8498,  Handschreiben);  darin  gab  er  den 
Verdener  Kriegshaufen  15  Fähnlein  stark  an. 

"«)  Joh.  Voigt,   Fiirstenbund  114. 

'*')  Loc.  9151,  III,  Bl.  8  und  21.  Brief  an  den  Kaiser  und  an 
die  Städte  Lübeck,  Iliunbiirg  und  Lüneburg. 

'"*)  Loc.  '.»151,  111,  Bl.  39,  Moritz'  Brief  an  das  Kapitel  zu 
Halle  vom  2-1.  Januar  1551   aus  Magdeburg-Keustadt. 

'*')  Merckel  und  Besselineier  geben  vier  Fähnlein  an. 

'")  So  schrieb  Carlowitz  am  19.  Januar  1551,  Loc.  10189, 
Summarischer  Auszujr  etc.,  Bl.  192. 

'*')  Loc.  9151,  III,  Bl.  lOß,  Kaiserl.  Schreiben  vom  25,  Feb.  1551- 
*)  Loc.  10189,  Summarischer  Auszug  etc.,  Bl.  69. 


ua\ 


VI. 

Die  verschlackten  Wälle  in  der  Oberlausitz. 


Von 

Fried  r.  Senf. 


Seit  Jahren  beschäftigt  sicli  die  Forschung  lebhaft 
mit  den  Befestigungswerken,  welclie  die  Vorzeit  auch  in 
Deutschland  zurückliess.  Besonders  wimmelt  die  Ober- 
lausitz von  alten  Schanzen.  Man  zählt  ihrer  gegen  hundert'). 

Der  Form  nach  zerfallen  unsere  Schanzen  in  Bogen- 
oder  Hakenschanzen,  die  einen  bachumflossenen  steilen 
Felsvorsprung  vom  offenen  Lande  abscheiden,  und  in 
Ringschanzen,  oval  oder  rund,  die  gewöhnlich  Höhen 
krönen^  zuweilen  in  Sümpfen  liegen.  Dann  erhielt  häufig 
die  Schüttung  eine  Substruktion  von  Holzwerk,  die  im 
Grade  ihrer  Beschwerung  immer  tiefer  einsank,  schliesslich 
aber  ein  festes  Fundament  darbot. 

Dem  Material  nach  unterscheiden  wir  Erd-  und 
Steinschanzen.  ]\Tan  nahm  zum  Bau,  was  am  nächsten 
und  bequemsten  zur  Hand  lag. 

Die  meist  bedeutenden  Erdwerke,  deren  Stirnhöhe  bis 
60  Fuss,  deren  äusserer  Böschungswinkel  bis  45  Grad 
steigt,  haben  ihre  Konturen  und  Abdachuugsflächen  nicht 
selten  bis  heute  vollständig  bewahrt.  Es  nimmt  dies  nicht 
weiter  Wunder,  wenn  man  hört,  dass  die  aufgeschüttete 
Erde   mit    Balken  und   Brettern  festgeschlagen  und   fest- 


')  Über  sie  schrieben  zuletzt  0.  Schuster:  „Die  alten  Heideu- 
schanzen  Deutschlands"  (Dresden  1869)  und  Andree:  „Wendische 
Wanderstudien"  (Stuttgart  1874). 

15* 


228  Friedr.  Senf: 

gestampft  wurde.  So  Lericlitet  Ibraliiiii  ibn  Jak  üb,  ein 
spanisclier  Jude,  der  als  Arzt  oder  Sekretär  sich  l>ei  der 
sarazenischen  Gesandtschaft  aus  Afrika  befand,  die  im 
Frühliuo-  973  in  Merseburg  am  Hofe  Otto  I.  erschien,  um 
dem  weltberühmten  Kaiser  Geschenke  darzubringen  und 
Ehrfurcht  zu  bezeigen.  Das  arabische  Manuskript  seiner 
Reisebeschreibung  wurde  auszugsweise  einem  geographi- 
schen Sammelwerke  einverleibt,  das  vor  einigen  Jahren 
in  Konstantinopel  ans  Licht  trat*). 

Aber  dieses  Ortes  haben  wir  es  nur  mit  den  Stein- 
schanzen  zu  thun,  sogar  nur  mit  den  verschlackten  unter 
ihnen.  Die  verscldackten  Wälle  sind  ein  Problem,  das  die 
Alterthumsforschung  bisher  vergeblich  zu  lösen  versuchte. 
Auch  die  vorjährige  Versamndung  der  Fachmänner,  die 
in  Trier  stattfand,  kam  erneut  auf  das  schwierige  Thenuv 
zurück,  ohne  einen  Abschluss  der  Frage  zu  erzielen. 

So  darf  ich  mir  wohl  erlauben,  endlich  die  Ergebnisse 
zu  veröflPentlichen ,  die  bei  genauer  Untersuchung  der 
oberlausitzer  Schlackenwälle  mir  zufielen.  Flüchtig  legte 
ich  sie  dar  in  einem  Vortrage,  den  ich  vor  einigen  Jahren 
in  Berlin  vor  einem  nicht  archäologisch  gebildeten  Publi- 
kum zu  halten  hatte.  Da  niemand,  wie  es  scheint,  meine 
Resultate  weiter  trug  und  zur  Besprechung  brachte,  muss 
ich  wohl  wagen,  mit  den  nachfolgenden  Zeilen  in  den 
Kreis  Kundiger  einzutreten. 

Jänkeudorf  bei  Görlitz,  mein  früherer  Wohnort,  lag 
nicht  weit  von  den  vier  verschlackten  Wällen  der  Ober- 
lausitz. Der  Strom-  d.  h.  Steilberg  bei  Weissenberg,  der 
Schafberg  bei  Löbau,  der  Rothstein  bei  Reichenbach,  die 
Landskrone  schauten  täglich  zu  uns  herüber.  Im  Jänken- 
dorfer  Pfarrgarten  war  ein  kleiner  Zierberg  eirichtet  aus 
den  verschiedenen  Steinarten  der  ganzen  Umgegend,  unter 
ihnen  Schlacken  vom  Stromberge  mit  deutlichen  Ilolzring- 
eindrücken,  die  mich  zunächst  nach  jener  Höhe  lockten, 
von  dort  weiter.  Das  Geheimnis  der  Schlacken  fesselte 
mich  bald  nicht  weniger,  als  die  drei  grossen  Urnenfelder 
meiner  Flur  und  die  vielen  andtnen  der  näheren  Nach- 
barschaft. Nachgrabungen  in  der  Strombergschanze  und 
achtsame  Besichtigung  des  Befundes  brachten  mich  auf 
einen  Versuch  der  richtigen  Räthsellösung,  der  immer  wieder 
neue  Bestätigung  fand,  so  oft  ich  später  die  zuverlässigen 


*)  Jahrbücher    des    Vereins    für    Meklenburg.   Geschichte    und 
Alterthum  XLV,  7. 


Die  verschlackten  Wälle  in  der  Oberlansitz.  229 

Fuüdbericlite    sorgfältiger  Durcbforsclier   der  Sclilacken- 
wälle  einsah. 

Professor  Virchow  berichtet  über  seine  Untersuchung 
der  Stromberg-schanze  in  der  Sitzung  der  Berliner  Gesell- 
schaft etc.  vom   14.  Mai  1870  folgendermassen'^): 

Der  umwallte  Raum  bildet  ein  unregelmässiges  Halboval  von 
73  und  41  Schritt  Durchmesser.  Der  Wall  ist  von  sehr  verschiedener 
Höhe.  Nach  Süden  zu  verflacht  er  sich,  nach  Westen  steigt  er  all- 
mählig  bis  zu  einer  Höhe  von  ?> — 5  Fuss  an,  gegen  Nord-Osten  wird 
er  noch  etwas  höher.  Äusserlich  ist  er  mit  kurzem  Rasen  und  da- 
runter mit  schwLirzer  Erde  bedeckt.  Nach  aussen  fällt  er  steil  ab, 
nach  innen  ist  er  sanft  abschüssig. 

Wir  untersuchten  die  Beschallen heit  des  Bodens  und  des  Walles 
an  acht  Stellen.  Innerhalb  des  Raumes  fand  sich  nichts  als  schwarze 
Erde  und  zahlreiche  r  o  t  h  e  Basaltstücke  *). 

An  dem  freien  Rande,  in  der  Nähe  des  Signalsteines,  kamen 
kleine  Holzkohlenstücke,  rothgebrannte  Erde  und  äusserlich 
durch  Feuer  geröthete  Basaltstücke  zu  Tage.  Am  südwestlichen 
Rande  stiessen  wir  auf  eine  grosse  Brandstelle  mit  zahlreichen, 
bis  über  faustgrossen  Stücken  von  noch  fester  Eichen  kohle,  welche 
zwischen  grossen,  äusserlich  geschwärzten  Basaltstücken,  von 
schwarzer  Erde  bedeckt,  bis  zu  einer  Tiefe  von  zwei  Fuss  lagen, 
ohne  dass  jedoch  die  Steine  erhebliche  Brandspuren  zeigten. 
Nach  Norden  bestand  der  Wall  gleichfalls  aus  Erde  und  Steinen, 
zwischen  denen  jedoch  poröse  Schlacken  vorkamen.  An  der 
nordöstlichen  Ecke  lag  sehr  schwarze  Erde;  die  Steine  waren 
gebrannt,  stellenweise  sogar  porös.  Gegen  Nordnordwest  dagegen, 
also  in  der  Richtung  gegen  den  Sattel  des  Berges  hin,  fand  sich  in 
längerer  Erstreckung  der  eigentliche  verschlackte  Theil. 

Es  ergab  sich  daher  sofort,  dass  die  Beschaflenheit  des  Walles 
nicht  in  allen  Theilen  gleich  ist,  dass  derselbe  vielmehr  nur  da, 
wo  er  gegen  den  Sattel  gerichtet  ist,  unter  einer  dünnen  Erdkrume 
in  vollkommen  gebranntem  Zustande  sich  befindet.  Weiterhin,  an 
den  Seitentheilen  des  Berges,  kommt  allmählig  immer  mehr  Erde 
hinzu,  und  obwohl  auch  hier  Basaltstücke  immer  noch  die  Hauptmasse 
bilden,  so  zeigen  sie  doch  keineswegs  so  starke  Brandspuren,  dass 
man  daraus  die  Bezeichnung  eines  Schlackenwalles   ableiten  könnte. 

Wir  konzentrierten  daher  unsere  Arbeit  wesentlich  auf  den 
nordwestlichen  Punkt,  wo  ich  einen  vollkommenen  Jhirchschnitt 
durch  die  ganze  Dicke  des  Walles  machen  Hess.  Es  war  dies  mit 
grossen  Schwierigkeiten  verbunden,  da  die  Massen  überaus  fest  zu- 
sammenhielten. Die  Kohärenz,  namentlich  in  der  Tiefe,  war 
so  gross,  dass  es  einer  höchst  anstrengenden  Arbeit  bedurfte,  um 
nur  zunächst  einen  Durchschnitt  von  drei  bis  vier  Fuss  Breite  zu 
erlangen. 

Der  Wall  zeigte  an  dieser  Stelle  an  der  Basis  eine  Breite  von 
15  Fuss  und  eine  Höhe  von  4  bis  5  Fuss  über  dem  natürlichen 
Felsboden.  Zu  ober  st  unter  dem  Rasen  und  von  humoser  Erde 
durchsetzt,   lagen  lose,  theils  unveränderte,  theils  gebrannte 


*)  Zeitschrft.  für  Ethnologie  H  (1870),  261  flg. 
*)  Mir  begegneten  auch  Scherben,  einer  mit  zackigem  Wellen- 
ornament, und  Knochen. 


230  Friear.  Senf: 

Hasaltstücke  in  grosser  Menge;  in  der  Tiefe  von  1 '/2  bis  2  Fuss 
kam,  wie  es  in  Peran  [Bretagne]  nnd  in  nianrlien  der  scliottischen 
Lilasburgen  beoliaclitet  ist,  ein  ;iusammen  hängender  Kern  von 
Brandmassen,  die  fast  durchweg,  jedoch  verschieden  fest  zu- 
sammenhingen. Dieser  Kern  liatte  sehr  verschiedene  Breiten  und  Höhen. 
An  einer  Stelle  war  er  nahezu  4  Fuss  l)r(dt  >uid  ^'/j  bis  ^^  Fuss  hoch, 
so  dass  er  nach  völliger  .Blosslegung  wie  eine  miulitige  gebackene 
Mauer  aussah,  allein  sehr  bald  verschmälerte  sich  diese  Mauer  und 
lief  in  eine  Art  Spitze  aus,  neben  welcher  sich  jedoch  schon  wieder 
der  Anfang  einer  neuen  Mauer  zeigte.  Nach  der  äusseren 
Seite  des  Walles  war  der  Brand  otVcnbar  stärker  gewesen,  denn  hier 
waren  die  Massen  stellenweise  völlig  geschmolzen  und  geflossen. 

Wir  haben  uns  erlaubt,  die  für  unsere  Ansicht  wich- 
tichtigen,  BoweisAA'orte  durch  Sperrdruck  hervorzuheben, 
und  geben  aus  dem  weiteren  Berichte  noch  eine  Auswalil 
bedeutsamer  Stellen  in  abgekürzter  Form: 

Innerhalb  der  gebrannten  Masse  selbst  waren  zahlreiche  kleinere 
und  grössere,  meist  län glich ecki g  e  Höhlungen  oder  Lücken, 
von  denen  ein  grosser  Tlieil  dadurch  entstanden  sein  muss,  dass 
Holz  zwischen  die  Steine  gesteckt  nnd  durch  den  Brand  zerstört 
worden  ist.  An  zahlreichen  dieser  Höhlungen  zeigte  die  innere 
Oberfläche  deutlich  die  Abdrücke  von  Holzstü  ckcn.  Ja,  wir 
fanden  mitten  in  einem  grossen  zusammengebackenen  Klumpen  in 
einer  tiefen,  gangartig-en  Aushöhlung  einige  Esslötlei  voll  pulveriger 
Holzkohle,  so  dass  für  uns  auch  nicht  der  leiseste  Zweifel  blieb, 
dass  sich  zwischen  den  Steinen  Holz  befunden  hat. 

Hie  schmelzende  Masse  ist  in  Spalten  und  Zerklüftungen  des 
Holzes  eingedrungen.  Solche  Spalten  entstehen  soM-ohl  durch  das 
einfache  Austrocknen,  als  namentlich  bei  Yerkohlung  im  Feuer. 
Es  sind  aber  fast  sämtliche  llöblnngen  an  den  Strnmberg-Schlacken 
ihrer  Gestalt  nach  nicht  auf  natürliche  Formen  der  Äste  oder  Stämme 
zu  beziehen,  sondern  sie  zeigen  vielmehr  künstlich  gespaltene 
oder  durchhauene  Holzstücke,  in  der  Regel  wahre  Holz- 
scheite mit  ganz  glatten  Längstiächen  und  schräg  oder  rechtwinkelig 
daran  stossenden  Endflächen.  An  einer  solchen  gehauenen  Endfläche 
sieht  man  noch  ganz  feine,  faserige  Vorsprünge,  zerrissenen  Holz- 
fasern entsprechend.  Solche  Zeichnungen  linden  sich  in  aller  mög- 
lichen Abwechselung,  stellenweis  mit  solcher  Zartheit  der  Linien, 
dass  dadurch  alles  wiedergegeben  wird,  was  in  Beziehung  auf  das 
AViedergeben  von  Holzkolile  möglich  ist.  Eine  grössere  Schlacken- 
höhlung zeigt  eine  rechtwinkelig  anschliessende  Endfläche,  auf 
welcher,  theils  durch  verschiedene  Färbung,  theils  durch  eine  ge- 
wisse Unebenheit  charakterisiert,  die  Ringe  eines  Baumstammes  oder 
Astes  deutlich  zu  sehen  sind. 

Das  zerschlagene  Holz,  mit  dem  die  Steinmassen  des  Walles 
durchsteckt  waren,  ist  durch  den  Brand  zerstört  und  seine  Asche  ist 
in  die  schmelzende  Masse  mit  aufgenommen.  So  entstanden  die 
Höhlungen,  deren  Innenflächen  freilich  nur  hier  nnd  da  eiijenthüm- 
liche  weissliche  nnd  gelbliche  ,  möglicherweise  durch  Aschentheile 
gefärbte  Heschläge  zeigen.  Stellenweise  ist  die  AVand  der  Höhlung 
in  wirklichen  Fluss  gerathen;  meist  war  sie  nur  soweit  geschmolzen, 
dass  sie  in  die  Spalten  und  Klüfte  des  Holzes  eindrang  und  Abgüsse 
derselben  bildete. 


B 


Die  verschlackten  Wälle  in  der  Oberlausitz.  231 

Die  Basaltstücke  selbst  zeigen  alle  Grade  der  Feuerwirkunir. 
Einige  sind  nur  äusserlich  bis  auf  einige  Linien  gerötbet  und  oft 
gesprungen;  in  anderen  sieht  man  auf  BrucliÜächen  ganz  feine  und 
vereinzelte  Blasenräume;  andere  sind  ganz  und  gar  grossblasig,  wie 
lümstein.  Zuweilen  sieht  man  alle  diese  Zustände  hinter  einander 
in  demselben  Stücke,  welches  am  Ende  in  einen  Fluss  übergeht,  der 
in  Bänder-  und  Tropfenform  erstarrt  ist. 

Wir  fanden  nicht  selten  in  Tropfenform  heruntergeflossene  und 
so  erstarrte  Theile,  allein  das  Geschmolzene  und  Gebrannte  war 
offenbar  nicht  bloss  Basalt.  Vielmehr  zeigten  gerade  solche  in  Fluss 
"erathene  Tbeile  oft  genug  neben  der  eigentlichen  Basaltmasse  noch 
eine  besondere  Zwischensubstanz.  Es  ist  dies  eine  rothe,  häufig 
sehr  brüchige,  stellenweis  sehr  kompakte  Sul)Stanz,  in  welcher  kleinere 
und  grössere  Quarzstücke  eingeschlossen  sind,  auch  etwa  einmal  ein 
zerschlagener  und  gebrannter  Feuerstein.  Schon  Glocker  meint, 
dass  in  manche  blasige  Basaltstücke  Stücke  von  der  Beschaffenheit 
uml  Farbe  rother  Ziegel  und  in  manche  Ziegelstücke  umgekehrt 
auch  kleine  eckige  Basaltstücke  eingemengt  seien.  Wir  haben  offenbar 
Lehm  vor  uns,  der  als  Bindemittel  angew^endet  ist  und  in  den  die 
Holzscheite  eingelegt  wurden.  Es  sind  daher  bei  dem  Brande  nicht 
bloss  Basaltstücke  zum  Schmelzen  gekommen,  sondern  es  ist  auch 
der  Lehm  gebrannt  worden.  So  erklärt  sich  wahrscheinlich  die 
grosse  Feinheit  der  Zeichnung,  welche  die  Innenfläche  der  geschil- 
derten Höhlungen  darbot. 

Zur  Vervollständigung  des  Befundes  am  Stromberge  habe  ich 
nur  noch  zu  berichten,  dass  sich  hier  ein  ähnliches  Verhältnis  zeigt, 
wie  es  von  Geslin  in  Peran  unter  der  Bezeichnung  von  Öfen,  four- 
naise,  beschrieben  ist.  Die  Brandmasse  bildete  gewisse  Herde 
von  beträchtlicher  Grösse,  deren  Zwischenräume  mit  weniger  oder 
gar  nicht  gebrannten  Steinen  gefüllt  waren.  Im  Innern  dieser  Herde 
gab  es  stellenweise  grössere  Höhlen,  1  bis  1 '/a  Fuss  hoch  und  so 
tief,  dass  ich  den  ganzen  Arm  in  ausgestreckter  Haltung  hineinbringen 
konnte.  Dieselben  waren  theils  ganz  leer,  theils  mit  losem,  grau- 
rothem  Bramlschutt  gefüllt.  Ihre  Wandungen  erschienen  stets  in 
hohem  Grade  verschlackt.  Gegen  die  Aussenseite  des  Walles 
zu  war  die  Schmelzung  und  Verglasung  meist  stärker,  doch 
reichte  die  Schlacke  nicht  bis  unter  die  Erdkrume,  vielmehr  fand 
sich  unter  dieser  ein  loserer  rothgebranuter  lehmiger  Schutt. 
Gegen  die  Innenseite  des  Walles  zu  schlössen  sich  an  den  harten 
Kern  grosse,  künstlich  aufgeschichtete  Basaltblöcke  an,  deren 
oft  grosse  Zwischenräume  von  gebranntem  Gius  eingenommen  waren. 
Diese  Eigenthünilichkeiten  dürften  mehr  als  alles  andere  beweisen, 
dass  es  sich  um  eine  absichtliche  Anlage  handelt,  welche  ge- 
brannt werden  sollte. 

Man  darf  wolil  vorzielien  zu  sagen :  welche  gebrannt 

wurde. 

Wir  resümieren  aus  diesen  Mittlieilungen :  Die  Er- 
scheinungen der  Feuerwirkung  steigen  gegen  die  Tiefe 
des  Walles.  Die  vollkommensten  Schmelzprodukte  liegen 
in  seinem  Kern,  nicht  durchaus  in  seiner  ganzen  Länge, 
nur  in  grösseren  Nestern.  Dort  erheben  sich  zur  Seite 
der  kompakten  Schmelzmasse  künstlich  geschichtete  Steine, 


232  Friedr.  Senf: 

die  Spuren  von  Trockenmauern.  AVo  förmlicher  Lavafluss 
eintrat,  zeigt  er  Holzabdrückc,  Längs-  und  Kopf'abdrücke 
von  Balken  und  Scheiten.  Das  Holz  selbst  ist  bis  auf 
Kohlenreste  verschwunden,  was  auf  bequemen  Luftzutritt 
während  der  Verbrennung  schliessen  lässt,  also  auf  grössere 
Hohlräume,  von  denen  zuweilen  noch  geringe  Keste  übrig. 
Die  Lava  entstand  durch  Schmelzung  besonders  von  Stein- 
grus,  Sand,  Leiun,  die  zugleich  mit  dem  Holze  in  den 
Wall  eingebracht  wurden.  Grossere  Steine  sind  selten 
zer-,  meist  nur  an-,  natürlich  auch  zusammengeschmolzen. 
Ihr  gewöhnliches  Bindematerial  ist  der  Grusschmelz,  aus 
dem  sie  mit  noch  scharfen  Konturen  losbrechen.  Der 
dünnflüssigste  Theil  der  Lava  ergoss  sieh  durch  die 
Zwischenräume  der  lose  geschichteten  Steine  bergab  nach 
der  Aussenseite  des  Walles,  an  der  er  herunterfloss,  nach 
unten  sich  häufend. 

Die  Lösung  des  Räthsels  scheint  mir  nun  folgende  zu 
sein:  Alle  verschlackten  Wälle  waren  käse  mattiert. 
Die  einzelnen  Kasematten,  die  nahe  an  einander  stiessen, 
unterkellerten  gewöhnlich  den  ganzen  Wall.  Ihre  Thür- 
öffnungen,  zuweilen  noch  an  Steinschichtungen  erkennbar, 
schauten  nach  dem  Sehanzen-Planum  und  lassen,  weil  dort 
die  Glut  des  späteren  Feuers  schnell  verflog,  nur  geringere 
Brandspuren  wahrnehmen.  Wo  irgend  eine  Schanze  er- 
baut werden  sollte,  begann  man  auf  ihrer  ganzen  Linie 
mit  Errichtung  der  Kasematten.  Nur  etwa  die  Einfahrt 
blieb  davon  frei,  auch  flach  verlaufende  Enden.  Die 
Seitenraauern  der  Kasematten  wurden  von  Steinen  ge- 
schichtet und  deren  Zwischenräume  mit  Grus  und  Lehm 
erfüllt.  Mit  den  gleichen  Materialien  beschüttete*)  und 
dichtete  man  gegen  den  von  oben  herabdringenden 
Regen  die  Kasemattendecke.  Aus  starken  Holzlagen,  be- 
schlagenen Balken,  blossen  Scheiten  gebildet,  war  sie  auch 
der  schwersten  Belastung  gewachsen.  Wohnlicher  noch 
gestalteten  sich  diese  Parterreräumlichkeiten  der  Schanzen, 
wenn  man  auch  Fussboden  und  Seitenwände  von  Holz 
konstruierte,  womit  man  damals  nicht  zu  sparen  brauchte. 

Erst  nach  vöUiger  Fertigstellung  der  Kasematten  be- 
gann  die  nun   um   so  schneller  emporsteigende  Schanzen- 


*)  Die  Lelimschicht,  welche  sich  in  einer  Tiefe  von  1  m  80  cm 
unter  der  Krone  des  Steinringes  von  Otzenhausen  hinzieht,  besitzt 
eine  Mächtigkeit  von  80  cm.  Vergl.  den  Bericht  über  die  Versamm- 
lung etc.  von  1883  zu  Trier  S.  72  und  87. 


Die  verschlackten  Wälle  in  der  Oberlausitz.  233 

schüttung,  die  jene  unter  sich  begrub.  Alle  Steinschanzen 
ruhten  auf  solchen  Unterbauten,  ebenso  alle  Erclschanzen. 
Diese  Holzbauten  gingen  niclit  alle  in  Feuer  auf.  Wenn 
es  aber  geschah,  so  mussten  die  trockenen  in  den  Stein- 
wällen eine  gewaltige  Glut  entwickeln  und  vor  und  im  Zu- 
sammensturz die  oben  geschilderten  Schmelzerscheinungen 
hervorrufen.  Hingegen  konnte  das  erdfeuchte  Holz  der 
Erdwällc;  langsam  glimmend,  bedeutendere  Feuerwirkungen 
gar  nicht  erzeugen,  sogar  nicht  einmal  vollständig  ver- 
brennen. Man  findet  dann  in  den  zusammenorebrochenen 
Kasematten,  wie  Virchow  vom  Vorwalle  der  Landskrone 
berichtet,  Knochen  von  Rintl,  Schwein  etc.;  grössere  Brand- 
oder Herdstellen,  an  welchen  ganz  grosse  Stücke  von 
Eichenkohle  liegen;  Klumpen  von  rohem,  gebranntem 
Lehm;  in  reicher  Anzahl  Urnenscherben,  Rand-,  Mittel-, 
Bodenstücke,  trotz  ihrer  grossen  Mannigfaltigkeit  alle 
vom  Burgwalltypus  mit  Wellen-,  Nagel-,  Schnurenornament. 

Oft  wird  auch  sorgfältige  Untersuchung  zwischen 
Balkenkohle  und  Herdfeuerresten  nicht  recht  zu  scheiden 
vermögen.  Ebenso  schwierig  ist  es,  wenn  Fundstücke, 
wie  die  eben  erwähnten,  in  höheren  Lagen  unserer  be- 
deutenderen Eid  wälle  begegnen,  mit  Sicherheit  zu  be- 
stimmen, ob  nur  Mahlzeitspuren  der  Schanzarbeiter  vor- 
liegen, oder  Anzeigen  einer  Kasematte  zweiter  Etage,  was 
gar  nicht  undenkbar. 

Ein  Erdtrichter  in  der  halben  Höhe  der  Innenseite 
des  mächtigen  Niethener  Erdwalles  scheint  auf  den  Zu- 
sammensturz eines  früheren  Hohlraumes  hinzudeuten.  In  den 
Erdwällen  von  Melaune  bei  Reichenbach  und  Niemen  bei 
Ohlau  lassen  sich  Kasemattenbrände  deutlich  nachweisen. 
Kaum  fraglich  ist  solch  ein  Brand  im  Schmoritzwalle  bei 
Bautzen.  Allerdings  sind  die  Granitplatten  nur  theilweis 
vom  Feuer  geröthet,  aber  Granit  war  schwerer  zu  rösten 
und  zu  schmelzen  als  Basalt,  Diorit  etc.,  auch  machten 
plattenförmige  Steine  einen  stärkeren  Holzeinbau  über- 
flüssig. Solche  Unterschiede,  die  auf  verschwenderischer 
oder  sparsamer  Holz  Verwendung,  auf  Vermoderung  oder 
Verbrennung,  langsamer  oder  schneller,  jener  Holztheile, 
auf  leichter  oder  schwerer  Schmelzbarkeit  dir  Gesteinart, 
auf  grösserem  oder  kleinerem  Format  der  einzelnen  Steine 
beruhen,  werden  bei  Nachprüfung  meiner  Ansicht  Avohl 
zu  beachten  sein. 

Schliesslich  wird  sich  immer  wieder  als  Resultat  er- 
geben :  Kasemattierung. 


234  Friedr.  Senf: 

Aber  zu  welclieni  Zwecke?  Zu  einem  so  wichtigen, 
(lass  mit  der  Vernichtung-  seiner  Erreiehhjukeit;  mit  der 
zuftilligen  oder  absiclitlichen  Verbrennung  der  Kasematten, 
ein  Hauptzweck  der  Schanze  verniclitet  wurde.  Unbrauch- 
barmachung der  Kasematten  bedeutet  soviel  als  Unbrauch- 
bannach'uig  der  Schanze.  Ein  Eroberer,  der  die  erstürmtm 
Schanzen  nicht  dauernd  besetzt  halten  konnte  oder  wollte, 
nahm  dem  bekriegten  Volke  .seine  festen  Zufluchts-  und 
Stützpunkte,  ■wenn  er  die  Brandfackel  an  die  Kasematten 
legte,  deren  A\'iederherstellung  viel  schwieriger  war,  als 
ihre  ursprüngliche  Herstellung,  besonders  nach  Eintritt 
kompakter  Vei'schlackung. 

In  vereinzelten  FälK-n  diente  wohl  eine  kleine  Schanze 
zur  Station  für  einen  ^^'achtposten,  etwas  grössere  ver- 
tlieidigten  eine  Furt  oder  schützten  eine  Strasse.  So  hat 
die  alte  via  regia  von  Rhein  und  Elbe  zur  Oder  zwischen 
Bautzen  und  Görlitz  bt>i  Schöps  zwei  einst  feste  Schutz-  resp. 
Sperrschauzen,  die  noch  heute  stehen  Sonst  aber,  der 
grossen  Mehrzahl  nach,  sind  die  Schanzen  in  erster  Linie 
Fluchtburgen,  Bauernburgen,  Avie  sie  noch  heute  in 
Kurland  heissen ;  ein  Name,  der  früher  auch  in  Thüringen 
und  Hessen  üblich  war.  Die  Annales  Laurissenses*^)  (zum 
Jahr  774^  erwälmen  eine  Buriaburg  bei  Fritzlar. 

In  Kriegsläuften  flüchtete  beim  Nahen  der  Feinde  die 
ländliche  Bevölkerung  in  ihre  Fluchtburg,  die  mitten  im 
Orte  lag,  so  P^bersbach  bei  Görlitz,  oder  dicht  daneben,  so 
Melaune  bei  Reichenbach,  oder  zwischen  mehreren  Ortschaf- 
ten, bis  heute  gemeinschaftlicher  Besitz,  so  Stromberg  bei 
Weissenberg.  Die  drei  genannten  kleineren  Schutzwällc, 
einer  vom  andern  zwei  Stimden  entfernt,  bezeichnen  den 
Rand  des  offenen  ebenen  Landes.  A^'eiter  rückwärts  nach 
den  höheren  Ijcrgen  hin  vcrgrössern  sich  die  Schanzendimen- 
sionen oft  bedeutend.  Die  Niethener  umfasst  ein  ansehn- 
liches Ackerfeld.  Auf  den  Bergen  selbst  aber,  auf  dem 
Ijöbauer  und  deuBautzcnrrn,  deren  dichte  Bewaldung  srhon 
guten  Schutz  gab,  erreichen  die  ^yälle,  als  ultima  refugia, 
die  grösste  Geräumigkeit.  DerLöbauer  umschliesst  zwanzig 
Morgen  Landes.  Je  zahlreichere  Volkshaufen  von  feind- 
lichen Horden  nach  den  Beri>-eu  iiin  und  auf  sie  hinauf  jre- 
drängt  werden  konnten,  desto  geräumigere  Schutzwerke 
mussten  zu  ihrem  Empfange  bereit  stehen  mit  dem  Planum 
für  die  Herden,  mit  den  Kasematten  besonders  für  Frauen 


•)  Mon.  Geriiian.  bist.  SS.  I,  152. 


Die  verschlackten  Wälle  in  der  Oberlausitz.  235 

und  Kinder.  Der  Einzug-  erfolgte  bei  den  SicLelscluinzcn 
an  den  niedrig  verlaufenden  Wallenden,  bei  den  Ring- 
sclianzen  gewöhnlich  auf  einer  schmalen  Falirstrasse, 
welche  den  Wall  schneidet,  nicht  selten  an  zwei  gegen- 
überliegenden Stellen.  Die  Herden  bedurften  auch  der 
Weide  wegen  eines  bequemen  Aus-  und  Eintriebes.  Das 
zum  Leben  nöthige  Wasser  lieferte  meist  ein  naher  Bach, 
auch  wohl  ein  künstlicher  Teich'),  eine  Zisterne  oder 
ihrer  zwei,  wie  im  Schmoritz-  oder  Hochsteinringe,  wohl 
auch  ein  Brunnen,  der  wenigstens  noch  in  der  Sage  vor- 
handen zu  sein  pflegt. 

Wie  oft  und  lange  einzelne  exponierte  Schanzen  be- 
setzt fjehalten  werden  mussten,  beweist  die  von  Melaune. 
Das  Kochen  unzähliger  Mahlzeiten  erfüllte  ihr  Inneres 
mit  mächtigen  Aschen-  und  Kohlensehichten,  die  durch 
die  vorsorgende  Hand  des  Menschen,  der  für  den  nächsten 
Krieg  sich  einen  wohnlichen  Aufenthalt  schaffen  wollte, 
immer  Avieder  geebnet  und  mit  Erde  überschüttet  worden 
sind.  Allein  im  Winter  1839  wairden  600  Fuder  Schanzen- 
planum  abgefahren,  um  Wiesen  zu  verbessern.  Dabei 
fand  man  Thierknochen  und  ganze  Scheffel  verkohlten 
Getreides,  Weizen,  Roggen,  Gerste,  Hirse.  Von  den 
Speichertöpfen  waren  noch  Stücke  vorhanden.  Der  Brand, 
der  bei  Erstürmung  der  Feste  jene  Speisevorräthe  zugleich 
verdarb  und  konservierte,  war  von  so  starker  Glut^  dass 
er  ziegelrothe  Lehmstücke  und  geschmolzene  Eisenklumpen 
zurückliess. 

Wie  grosse  Volksmengen  bei  den  Schanzen  längere 
Zeit  festgehalten  Avurden ,  bezeugt  der  Schmoritzwall. 
Sichtlich  boten  die  Kasematten  dieser  grossartigen  Berge- 
stätte keine  ausreichende  Unterkunft,  jedenfalls  nicht  den 
Männern.  Darum  hat  man  dem  Ringwalle  noch  drei 
halbmondförmige  vorgelegt.  Sie  erhöhten  allerdings  die 
Vertheidigungsfähigkeit  des  Hauptwalles  *),  sie  gewährten 
allerdings  den  weidenden  Herden  bei  drohender  Gefahr 
schnellen  Eintrieb  und  vorläufige  Sicherheit,  aber  es 
standen  auch  in  den  von  ihnen  umschlossenen  Räumen 
die  Hütten  fertio-  für  Aufnahme  der  Vertheidiffnnffsmann- 
Schäften  aus  den  einzelnen  Gehöften  und  Dörfern.  Bei 
Tage  und  bei  Nacht  an  diese  Vorwerke  gefesselt,  bedurften 

')  Vergl.  Verhandlungen  zu  Trier,  S.  72. 

*)  Schon  der  Vorwall  ^var  schwer  zu  erobern,  da  mittels  seiner 
vom  Hauptwalle  aus  gedeckten  Intervalle  der  stürmende  Feind  leicht 
flankiert  werden  konnte. 


236  Friedr.  Senf: 


sie    des   AA^ettcrsclmtzes.     Die   Taciteischen    Scliiltlcrunfjen 
von  der  Ab<>'eliärtetheit  unsererVorfaliven  sind  wahrscheinlich 


o 


tendenziös  übertrieben.  Vielleicht  beherbergten  diese  Hütten 
nicht  nur  Männer,  sondern  aiicli,  wenigstens  bei  Tage, 
deren  Frauen  und  Kinder,  die  das  Gewunnicl  im  Ring- 
innern  so  lange  als  möglich  mieden.  Die  zahlieichen 
Wohnbauten  existieren  jetzt  natürlicii  nur  noch  in  Trüm- 
mern, als  kleinere  oder  grössere  Steiniiaufen.  Genaue 
Untersuchung  ergab  immer  wieder  das  nngedoutete  Resultat. 
Das  eine  Mal  ein  Fussboden  von  plattenartigen  Steinen, 
zwischen  die  sich  vereinzelte  Scherben-,  Knochen-,  Kf)hlen- 
stückchen  eingeschoben  hatten,  die  eine  Platte  vom  Koch- 
feuer halb  durchröstet.  Ein  anderes  Mal  entblössten  wir 
die  geschichteten  Steine  des  Einganges  der  Hütte,  die 
letzten  Reste  ihrer  dereinstigen  Trockenmauern.  Von  der 
Hüttendecke  war  nur  der  Steinhaufen  übrig,  der  einst  die 
Balkenlage  überhügelte.  Es  begegneten  auch  zuckerhut- 
förmifje  Bauten  nach  Weise  unserer  Köhlerhütten,  erkenn- 
bar  an  den  untersten  Schutzplatten,  die  noch  heute,  einen 
Kreis  bildend,  dessen  Zentrum  sie  sich  zuneigen,  aus  dem 
Boden  aufragen.  Der  spitz  zulaufende  einstige  Holzbau 
trug  zum  Wetterschutz  einen  Mantel  von  Lehm  und  Steinen. 

Hvmderte  von  zusammengefallenen  Hütten  **)  liegen 
am  Mittelberge,  an  dem  der  Weg  von  Wuischke  zum 
Czerneboli  hinaufsteigt.  Gegen  das  Land  hin  schützte 
ein  massiger  Wall  diesen  Sammelplatz  der  von  fernher 
zum  Nationalheiligthum  wallfahrtenden  Festgäste,  die  zum 
Theil  dort  auch  nächtigten.  Nicht  nur  die  Fundstücke, 
die  Andree  aus  jenen  Steinhaufen  erhob,  auch  die  Mühl- 
steine, die  andere  fanden,  bew^eisen  deutlich,  dass  wir 
Wohnungstrümmer  vor  uns  haben  und  nicht  Gräber,  wie 
man  ohne  zureichenden  Grund  bisher  annahm.  Selbst 
ein  vereinzeltes  Grab  w'ürde  nicht  viel  beweisen,  nur  etwa, 
dass  ein  Toter  zurückbleiben  kann,  wo  Lebende  in  grösse- 
rer Anzahl  zusammenzuströmen  pflegen.  Dieselbe  Beweis- 
kraft haben  Gräber  in  und  bei  Schanzen.  Jene  kolossalen 
Wälle   werden   dadurch   nicht  zu  Friedliofeinfriedigungen. 

Eingehendere  Abweisung  verdient  der  Gedanke,  als 
könnten  unsere  A\'älle  zu  Kultnszwecken  erbaut  worden 
sein.  Ohne  Zweifel  wurden  sie  hierzu  benutzt,  aber  sie 
wurden  dazu  nicht  erbaut,  ebensowenig  als  unsere  heutigen 
Festunsren.  Zu  Kultushandluno-en  fühlte  man  sich  gedrängt 


»)  Andree  a.  a.  0.  119. 


Die  verschlackten  Wälle  in  der  Oberlausitz.  237 

in  den  Zeiten  der  Bedrängnis  und  Belagerung,  auch  wenn 
diese  nicht  mit  festhchen  Zeiten  zusammenfielen.  Beson- 
ders aber  mochte  das  ersterbende  Heidenthum  jene  durch 
Thaten  und  Opfer  der  Väter  geheiligten  Stätten,  zumal 
die  versteckt  liegenden,  mit  Vorliebe  zu  Kidtusübungen 
aufsuclicn.  Darauf  deutet  das  zweifellose  Faktum,  dass 
in  einigen  Schanzen,  so  in  der  bei  Nieda  a.  d.  Wittig, 
christliche  Kapellen  lagen.  Man  liebte  die  heidnischen 
Heiligthümer  unter  christlichen  zu  begraben.  Als  die 
ersten  Sächsischen  Kaiser  die  Wallburgen  der  überwun- 
denen Wenden  mit  einer  Besatzung  und  einem  Priester 
versahen,  erbaute  dieser  natürlich  möglichst  bald  eine 
Kapelle  und  zwar  da,  wo  sie  am  sichersten  lag. 

Als  unbezweifelter  Opferwall  gilt  der  Burgwall  bei 
Schlieben '").  Die  Durchsieht  des  Fundberichtes  ergiebt 
eine  oft  und  lange  besetzte  Fluchtburg,  wie  die  von  Melaune; 
nicht  einen,  sondern  zahlreiche  mit  gebrannten  Lehmplatten 
gepflasterte  Herde,  doch  nicht  Opfer-,  sondern  Kochherde; 
auf  3  bis  4  Ellen  tief  Knochen,  nicht  ausscldiesslich  von 
Opfer-,  sondern  von  allen  luöglichen  Thieren,  zahmen  tmd 
wilden;  Pferd,  Rind,  Schwein,  Ziege,  Hund,  Hirsch,  Elen, 
Reh,  Biber,  Vogel,  Fisch;  ganze  Lagen  gerösteten  Getreides, 
Weizen,  Erbsen,  Hirse  etc.;  zur  Zerkleinerung  dieses 
Proviantes  Reib-  und  Mahlsteine;  massenhafte  Scherben 
von  Koch-  und  Essgeschirr;  Spielzeug  für  kleine  Kinder; 
für  Frauen  Spinnwlrtel,  Weberschiffchen,  Käh-  und  Haar- 
nadeln, Kämme,  Fingerringe;  für  Männer  Pfriemen,  Pfeile, 
Dolche,  Streitäxte;  Kohlen  und  Asche,  Knochen,  Scherben 
etc.  zu  Tausenden  von  Fuhren  gehäuft.  Wer  das  liest, 
denkt  nur  noch  an  eine  von  grossen  Menschenmengen 
erfüllte  Fluchtburg,  die  längere  Belagerungen  aushielt, 
zuweilen  auch  mit  stürmender  Hand  erobert  wurde,  wobei 
in  Flammen  aufging,  was  brennbar  war.  Nach  r.nserer 
oben  entwickelten  Anschauung  werden  auch  Opferfeuer 
ihren  Beitrag  geliefert  haben  zu  den  vorhandenen  Aschen- 
und  Kohlenmassen,  aber  doch  nur  einen  geringeren. 

Zum  Schlüsse  noch  eine  kui'ze  chronologische  Bemer- 
kung. Von  den  Scherben  mit  Burgwalltypus,  die  später- 
zeitlich sind  und  bei  uns  auf  der  Grenze  zwischen  Heiden- 
und  Christenthum  liegen,  darum  auch  auf  der  Oberfläche 
der  Schanzen,  darf  man  natürlich  nur  auf  deren  letzte 
Vertheidiger  schliessen,  nicht  etwa  auf  ihre  ersten  Erbauer. 


*)  Preusker,  Blicke  in  die  vaterländische  Vorzeit,  III,  99. 


238        Senf:  Die  verschlackten  Wälle  in  der  Oberlausitz. 

Die  keltisclien  Gold-  und  Silbcrmüuzen  in  böhmischen, 
alterthüniliclie  Scherben  in  den  tieferen  Lagen  deutscher 
Schanzenwällc  weisen  vielen  dieser  Bauten  eine  frühere 
Zeit  an.  Ibrahim  ibn  Jakub  scheint  zu  berichten,  dass 
die  Slaven  in  jener  Zeit  drohender  Kriegsbedrängnis 
neue  Schanzen  erricliteten,  es  fragt  sich  aber,  ob  er  genau 
'sah,  oder  ob  er  Verstärkungsbauten  mit  Neubauten  ver- 
wechselte. Germanischen  Ursprung  wird  man  beimessen 
müssen  Schanzen  bei  Orten  mit  Namen  wie  Nimtsch, 
Nimbsch,  Nimptsch,  Niemen,  Niehmen,  Niemegk,  Niemitsch, 
Niemitz,  Niemetz,  NclmiitZ;  das  heisst  Deutschdorf.  Die 
bedeutenden  deutschen  Volkstheile,  welciic  bei  der  sogen. 
Völkerwanderung  zurückblieben  und  wie  Inseln  von 
den  nachdringenden  slavischen  Volksmengen  umfluthet 
wurden,  bedurften  gegen  etwaige  Überfluthung  schützender 
Zentralpunkte.  Die  älteren  Schanzen  sind  natürlich  von 
einem  Volke  auf  das  andere  übergegangen,  und  die  Nach- 
folger im  Besitz  besserten  am  Werke  ihrer  Vorgänger. 
Jeder  Fortschritt  in  den  AngriiTsmitteln ,  den  die  Zeiten 
mit  sich  brachten,  bedingte  einen  Fortschritt  in  den  Ver- 
theidigungsvorrichtungen. 

Aber  wir  haben  hier  nicht  die  Frage  nach  der  Ent- 
stehung der  Schanzen  zu  beantworten ,  unsere  Aufgabe 
war  lediglich,  das  Räthsel  der  verschlackten  Steinwälle 
seiner  Lösung  näher  zu  führen.  Nur  zur  Erreichung 
dieses  Zieles  zogen  wir  die  Erdwälle  mit  in  unsere  Unter- 
suchung hinein,  weil  auch  sie  gleiche  innere  Struktur, 
Spuren  früherer  Kasemattierung,  zeigen. 


VII. 

"Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  über 
den  schmalkaldischen  Krieg. 

Yon 

Georg  Schepss. 


Das  in  der  Übersclirift  genannte  Werk  steht  in  der 
Papierhandschrift  I,  2  (Lat.)  in  4"  No.  39  der  Fürstlich 
Ottingen -Wallersteinschen  Bibliothek  zu  Maihingen  ')  und 
ist  nicht  nur  Inedituni,  sondern  auch  Unikum^).  Es  ist  die 
autographische  Reinschrift  des  Dichters,  die  er  um  Weih- 
nachten 1594  anfertigte  und  sodann  dem  Fürstabt  von 
Kempten  widmete.  Die  Handschrift,  25  cm  hoch,  17  cm 
breit,  umfasst  94  Blätter  und  zeichnet  sich  durch  hübsches 
Äussere  (Rothlederband  mit  Goldschnitt),  sowie  durch 
schöne  Schriftzüge  aus;  auf  die  vier  Federzeichnungen,  mit 
welchen  Hamerer  sein  Werk  ausstattete  (Bl.  1,  7,  61,  82), 
werde  ich   unten  zurückkommen.     Ein  früherer   Besitzer, 


')  Th.  V.  Kern  in  den  Nachrichten  von  der  historischen  Kom- 
mission bei  der  kgl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  (Beilage  zu 
Sybels  historischer  Zeitschrift)  Jahrgang  III  (18^2),  Stück  4,  107—135, 
und  W.  Wattenbach  im  Neuen  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere 
deutsche  Geschichte  VII  (1882),  171—186  haben  über  die  geschieht- 
liehen  Handschriften  dieser  Bibliothek  Bericht  erstattet,  wobei  beiden 
jedoch  gerade  Hamerer  entging. 

'-)  Weder  G,  Voigt,  Die  Geschichtsschreibung  des  schmal- 
kaldischen Krieges  (Abh.  der  kgl.  Sachs. Gesellschaft  der  Wissenschaften 
XVI),  noch  Dahlmann-Waitz,  Grässe,  Fabricius,  Jöcher,  Bayle,  Moreri, 
Ersch  &  Gruber,  Zedier,  Brunet,  Aljg.  deutsche  ßiogr.,  Druffel,  Lang 
(Sybels  Histor.  Ztschr.  1883)  etc.  erwähnen  das  Epos. 


240  Georg  Schepss  : 

Juriskousultus  Joli.  Leonh.  Geisius,  liat  seinen  Namen  mit 
dem  Datum   „29.  Jan.   1665"  auf  Blatt  l  eingetragen. 

Hamerer  hat  sein  Epos  in  zwei  Bücher  getheilt, 
von  welchen  das  erste  in  1799  Hexametern  dem  Jahre 
1546,  das  zweite  in  1027  Versen  dem  Jahre  1547  gilt; 
ich  werde  mich  indessen  der  fortlaufenden  Zählung  (Vers 
1 — 2826)  bedienen.  Das  Gedicht  ganz  zu  veröffentlichen 
würde  sich  kaum  verlohnen ;  ich  unterziehe  es  im  folgen- 
den einer  eingehenden  Würdigung  und  tlieile  im  Anhang 
geeignete  Proben  aus  dem  Original  mit  (vom  Ganzen 
etwa  ein  Achtel),  Avobei  ich  namentlich  den  zweiten  Theil, 
d.  h.  das  hellum  Saxonicum,  berücksichtige. 

Über  die  Person  des  Dichters')  linden  wir  ziem- 
lich viele  Anhaltspunkte  in  dem  vollständigen  Tit<l  des 
Werkes  und  in  der  Vorrede,  die  er  als  Wiclnmng  gerichtet 
hat  an  den  reverendissimum  illustrissimumque  jmncipem  ac 
(Joviniurn  dorn.  Joannem  Adaiiutm  ahhatem  Campidonensem*). 
Der  volle  Titel  lautet:  De  hello  Germanico  a  Divo  CaroloV. 
Cat'snre  Moximo  foeliciter  gesto  anno  humanae  salutis  1546 
lihrl  duo  conscripti  carmine  heroi'co  a  Philippo  Jacoho 
Hamerer  Constantiend  Acroniano^)  U(triusque)  J(uris) 
D(octore).    Constantiae   1595. 


*)  Den  Herren  Pfarrer  Böll  und  Rentner  Poinsignon  in  Konstanz, 
Arcliivralh  Dr.  Hartfelder  in  Karlsruhe,  Oberbihliothekar  Pr.  S.  Riezler 
in  München  und  Archivrath  Dr.  Bauniann  in  D..natieschingen  sei  für 
ihre  wenn  auch  im  allgemeinen  resultatlosen  freundlichen  liemühungen, 
iiber  den  verscholleneu  Dichter  noch  weitere  Anhaltspunkte  beizu- 
bringen, mein  aufrichtiger  Dank  ausgesprochen.  —  Pf.  Böll  schreibt 
mir,  der  Name  Hamerer  sei  ihm  in  Ivonstanzer  und  Überlinger  Ur- 
kunden des  15.  und  16.  Jahrhunderts  mehrfach  vorgekommen,  niemals 
jedoch  unser  Phil.  Jak.  Hamerer;  das  „Inventar"  eines  Pfarrers  Ha- 
merer saec.  17.  sah  Böll  in  Überlingen;  im  17.  Jahrhundert  lebte 
im  Benediktincrkloster  zu  Weingarten  ein  Pater  Hamerer,  der  schrift- 
stellerisch thätig  war.  Archivrath  Ilartfelder  theilt  mu-  mit,  dass 
ein  Leonhard  Hamerer  1617  zu  Konstanz  einen  deutschen  Sermon 
und  Glückwunscli  herausgegeben  hat,  den  er  gehalten,  als  König 
Ferdinand  die  Stadt  besuchte.  Einen  Balthasar  Hamerer,  der  lü2G 
einen  Salcits  conductus  in  coclum  scti  ars  böte  moriendi  und  1630  zu 
KnwA{'A.\\zUuodecimfriictus  lignivitac  herausgab,  linde  ich  in  Hyde,Bibl. 
Bodleiana  320  und  im  Katalog  der  Zürcher  Bibl.  v.  J.  1744.  I,  495. 

*)  Die  erste  der  vier  Federzeichnungen  zeigt  das  Familien- 
wappen des  Fürstabtes  Johann  Adam,  der  ein  „Kenner  von  Almen- 
dingen" war  und  von  1594—1607  regierte,  vereinigt  mit  dem  Wappen 
der  Abtei  Kempten,  siehe  IIa  ggenmüUer,  Geschichte  der  Stadt 
Kempten  H,  109  —  124;  Siebmacher-Weigolsches  Wappenbuch  I.  Theil, 
tab.  13  und  116,  Supplem.  VH,  tab.  30. 

*)  La>us  Acronianus  =  Überlin^ersee,  Bodensee.  —  Von  anderen 
Acroniani,    die    als    Dichter    auftraten    und    beiläufig    Zeitgenossen 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  241 

Aus  der  gesprächigen ,  in  Prosa  gehaltenen  Vorrede 
erfahren  wir  folgendes: 

Huius  tarn  illustris  belli  et  non  minus  gloriosi  quam  expeditio 
olim  Heracliaiia  *)  fuit  adversus  Cosdroam  Persarum  regem  hystoricam 
descriptioiiem  .  .  .  cum  pgo  hinc  inde  variis  in  libris  legende  pervol- 
verem,  cogitavi  non  abs  re  fore,  si  ego  quamquam  homo  afflictus, 
longinquo  morbo  paene  confectus  intraque  privatos  parietes  quarto 
iam  anno  quasi  ergastulo  inclusus  tempus  et  horas  a  morbo  liberas 
licet  tristes  et  aerumnosas  calami  et  iiigenii  labore  eluderem  hancque 
illustrem  belli  Gerraanici  sive  Smacaldici  (sie)  Saxonicique  hystoriam 
carmine  beroico  describerem  ....  Conlecto  carraine  cogitavi,  apud 
quem  deponerem;  incidit  opportune  Vestrae  Celsitudinis  nomen, .... 
quod  illustrissima  Vestra  Celsitudo  duos  meos  affines  sororios  Domi- 
iiicum  Hochreu  tin  er  um  et  Eustachium  Haslachium')  in  aula  sua 
liberalissimo  foveat  (!t  ad  amplissima  munia  in  regimine  suo  adbibeat, 
inde  ut  grati  aliquam  animi  signiticationem  .  .  .  edereni  xeniique  loco 
et  gratul  ation  is  ad  venerabile  illustrissimae  Vestrae  Celsitudinis 
comobium  transmitterem  .  .  .  .,  ut  me  infirmura  humilemque  homuu- 


Hamerers  sind,  nenne  ich:  Conrad  Dinner  (in  Reutlingers  Überlinger 
Chronik  „Dymer"),  der  1561  am  Würzburger  Gymnasium  wirkte 
(Keller,  Progr.  der  Würzburger  Studienanstalt  1850,  p.  9);  Beatus 
Bishalm,  geb.  1566,  später  Franziskaner  zu  Würzburg  (siehe  Archiv 
des  historischen  Vereins  für  ünterfranken  XV,  1,  203  flg.).  Vom 
Konstanzer  Dichter  Pedioneus,  der  gleichfalls  den  schmalkaldischen 
Krieg  besans/,  wird  weiter  unten  die  Rede  sein.  Über  burleske  lateinisch- 
deutsche Disticha  de  Schmalkaldorum  balneo,  die  sich  in  Reut- 
lingers handschriftlicher  Überlinger  Chronik  (saec.  XVI/XVII)  Bd.  XVI, 
I.Hälfte,  Blatt  26  vorfinden,  siehe  BoU,  Zeitschrift  für  die  Gesch. 
des  Oberrheins  XXXII  (1881),  .370.  —  Lorenz,  Beitrag  zur  Gesch. 
des  schmalkaldischen  Kriegs  I  (Königsb.  Dis?.  1876),  3ü  sucht  auch 
den  Anonymus  Menckenianus  (prot.)  „um  Konstanz  herum". 

*)  Vergl.  Allhang  V.  430.  Die  Zurückführung  des  von  Kosroe 
geraubten  heiligen  Kreuzes  nach  Jerusalem  durch  Kaiser  Heraclius 
ist  ein  im  späteren  Mittelalter  öfters  behandelter  Stotl';  siehe  Ebert, 
Litter aturgesch.  H,  142. 

')  Nach  Haggenmüller  11, 109  wurden  1594  Georg  von  Langeu- 
eck  und  Dominik  Hohenreitinger,  Doktor  der  Rechte,  um  Mittfästen 
nach  Rom  gesendet,  um  die  päpstliche  Bestätigung  der  Wahl  Johann 
Adams  zum  Fürstabt  einzuholen ;  ihre  Bewerbung  und  die  Verleihung 
der  Regalien  durch  den  Kaiser  zog  sich  in  die  Länge,  so  dass  unser 
Dichter  mit  seiner  gratulatio  (siehe  oben  den  Text  der  Vorrede) 
nicht  allzusehr  post  festuni  kam.  Poinsignon  schreibt  mir:  In  Gregor 
Mangolds  handschriftlicher  Konstanzer  Chronik  (p.  1178)  findet  sich 
im  Verzeichnisse  der  beim  Sturm  der  Spanier  auf  Konstanz  am 
6.  August  1548  Gefallenen  ein  Dominicus  Hochreutiner,  welcher  der 
Patrizierzunft  zur  Katze  angehört  hatte.  Dies  könnte  etwa  der  Gross- 
vater unseres  Domiuikus  gewesen  sein.  Pf.  Böll  macht  mich  auf- 
merksam auf  die  Schriften  des  Vereins  für  Geschichte  des  Bodensees 
1880,  102,  wo  unter  den  protestantischen  Pfarrern  zu  Arbon 
für  1560—1563  ein  Hans  Hochreutiner  von  St.  Gallen  auftritt,  der 
1563  von  Arbon  vertrieben  wurde  und  1567  als  Pfarrer  in  Grabs 
vorkommt.    Den  Namen  Haslach  findet  man  noch  jetzt  in  Immenstadt. 

Neues  Arohiv  f.  S.  G.  u.  A.     V.  3.  ^ß 


242  Georg  Schepss: 

cionem  sibi  prout  sororios  mens  sit  habitura  commendatnm.  Datum 
Constantiae  in  ipsis  feriis  natalitiis  Anno  1594.  lleverendissimae  lU. 
Vestrae  Celsit.  luuuilis  sacellanus*)   riiil.   Jac.  Hamerer  D(octor). 

Dass  er  ein  pauper  vates  sei,  weiss  Ilaiiicrer  am 
Sclilusse  des  Gedichtes  (V.  2822)  noch  einmal  in  Erhme- 
rung  zu  rufen,  und  wir  wollen  hoticn,  dass  Johann  Adam, 
der  sonst  so  freigebige  Mann,  die  Anspitdung  in  Gnaden 
verstanden  habe.  Seine  Kenntnisse  als  Doktor  juris  ge- 
ziemend hervortreten  zu  lassen,  bemüht  siel»  Hamerer 
durch  reichliche  Citate  aus  dem  kanonischen  Recht,  die 
er  seiner  Vonede  einverleibt  hat;  man  findet  diese  Stellen 
in  Richters  Ausgabe  des  corp.  im-,  canonici  (1839)  I, 
574,  799,  770,  647,  774,  816  flg.,  826.  Das  Streben  Hamerers 
ist  hierbei  darauf  gericlitet,  den  schmalkaldischon  Krieg 
als  einen  nothwendigen,  gerechten  und  verdienstvollen  hin- 
zustellen, wie  dies  schon  in  der  Vorrede  der  italienischen 
Ausgabe  des  Avila  und  auch  in  den  Denkwürdigkeiten 
und  Briefen  des  Kaisers  selbst  geschieht.  So  lesen  wir 
unter  anderem : 

Non  ignoravit  ntiqne  imperator,  quod  siio  imperatorio  miuieri 
conipfiteret  Bomanam  ecchsium  det'endoro  .  .  .  Hella  cnini  pro  ec- 
clesia  suscepta  et  contra  cxconiniunicatos  veluti  haereticos  meritoria 
sunt. 

Nach  dem  Mitgetheilten  befremdet  es  nicht,  wenn  wir 

von  dem  Dichter  durchweg  den  klerikal-katholisclien 

Standpunkt   vertreten   sehen;    an  heftigen  Ausfällen  auf 

die  Protestanten  lasst  es  Hamerer  dabei  nicht  fehlen.     So 

lieisst  es  in  der  Vorrede  Blatt  3b: 

plus  aequo  omnibus  iuiperatoiis  . .  incredibilis  tlomentia  iniiotuit, 
qua  erga  rebelles  ;ul  se  denuo  conversos  usus  est,  cum  potius  acer- 
bissima  hostium  delicta  et  laesae  maiestatis  crhnina  non  nisi  severis- 
siinis  exquisüissimisqiie  tormcntis  expiari  debuissent. 

Auf  Blatt  4  der  Voi'rede  Avird  gegen  die  sacrilegi 
raptorcs  geeifert,  wie  in  V.  2786  gegen  die  fcri  latrones; 
dazu  kommt  in  V.  27C8  abwechselungshalber  damnata 
faex  latronum  und  2780  monstra  falsatae  fidei-  Die  exor- 
zistische Stelle,  in  welcher  sich  Hamerer  über  Luther  aus- 
lässt,  siehe  unten  im  Anhang  V.  35—40.     Förmlich  über- 


")  Das  Wort  in  der  Bedeutung  Capcllnntcs  zu  nehmen,  scheint 
mir  bedenklich.  In  der  ersten  der  von  Du  Cange  s  v.  Sacellanus 
ansgehobenen  Stellen  wird  lö31  ein  sacxdlnnus  genannt,  der  „legum 
doctor"  ist.  Vielleicht  dachte  Hamerer,  als  er  diesen  Ausdruck 
wählte,  an  eine  Stellung,  wie  sie  etwa  Barnabas  Bustus  inne  hatte 
als  hiiitoriographus  Ilispanns  (coroiiista),  Dr.  tiieol.  und  Angehöriger 
des  kaiserl.  sacellum  (=  Hofkapelle),  s.  Voigt  622,  641. 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  243 

rascht  ist  man,  wenn  es  Hamerer  V.  2295  über  sich  gewinnt, 
den  Kurfürsten  Joliann  Friedrich  sacra  verba  prophetae 
liören  zu  lassen  oder  wenn  er  demselben  in  V.  2456  ein 
honestum  vulnus  zugesteht,  nachdem  er  ihn  in  V.  2393 
victimn  pinguis  genannt  hat. 

Mit  der  Verunglimpfung  der  Gegner  geht  sklavische 
Bewunderung  alles  dessen,  was  Karl  V.  that,  Hand  in 
Hand ;  gleich  Avila  ist  Hamerer  bestrebt,  den  günstigen 
Ausgang  lediglich  der  Kriegsvirtuosität  des  Kaisers  zuzu- 
schreiben, hinter  Avelchem  Alba  gänzlich  in  den  Schatten 
zu  treten  hat.  Den  Gipfelpunkt  erreichen  die  dem  Kaiser 
gespendeten  Lobsprüche  in  dem  am  Schlüsse  des  Gedichtes 
angebrachten  Panegyrikus  von  V.  2762  an,  in  welchem 
dreimal  ausgerufen  wird :  Carole,  divinis  dignissime  honori- 
hus  heros.  Die  immer  wiederkehrende  Verherrlichung 
des  kaiserlichen  Muthes  und  „Zornes"  ist  indes  nicht  ge- 
rade geschmackvoll  zu  nennen,  und  kompromittiert  hat 
Hamerer  wider  Willen  den  Carolus  Maximus  —  der 
Positiv  hierzu  ist  Karl  der  Grosse  —  auch  da,  wo  er 
ihn  in  die  unmittelbare  Gesellschaft  der  Leichenräuber 
bringt,  siehe  Anhang  V.  2525. 

Eine  gewisse  Verdrossenheit  über  seine  eigenen  ge- 
krönten Zeitgenossen  scheint  Hamerer  V.  433  flg.  und 
V.  2815  auszudrücken. 

Treten  wir  jetzt  der  Kriegsgeschichte  im  allge- 
meinen näher,  so  erkennen  wir  unschwer  die  Unselb- 
ständigkeit Hamerers.  Als  seine  Hauptquelle  benutzte  er 
die  durch  GuiUaume  van  Male  (=  Malinaeus,  künftig 
,jMal/'  von  mir  abgekürzt)  veranstaltete  freie  lateinische 
Übersetzung  der  berühmten  spanischen  Kommentare  des 
Don  Luis  de  Avila*').  Man  kann  geradezu  sagen,  dass 
Hamerers  Hauptarbeit  darin  bestand,  Mal.  in  Verse  um- 
zusetzen. Von  Mal.  existieren,  wie  in  Clement,  Biblioth. 
curieuse  H  (1751),  290  dargethan  wird,  zwei  nur  in 
Kleinigkeiten  auseinandergehende  Autwerpener  Ausgaben 
vom  Jahr  1550.  Das  Exemplar  der  Würzburger  Uni- 
versitäts-Bibliothek, das  ich  benutzte,  ist  eines  der  zweiten 
Sorte,  hat  aber  das  diesem  Drucke  eigene  Bild  für  Blatt  1 
nicht  mehr.  Wie  sehr  sich  Hamerer  von  seiner  Ausgabe 
des  Mal.  abhängig  njacht,  lässt  sich  schon  aus  folgenden 
Beispielen  ersehen:    die    dem  Druck   beigegebenen  Holz- 


')  Über  Mal.  S.Voigt  596  flg.  R.  Lorenz,  Beitrag  zur  Geschichte 
des  schmalkaldischen  Kriegs  II   (Prog.  von  Gumbinnen  188'0,  -  ^S- 


16' 


244  Georg  Schepss: 

schnitte  „Aufstellung  bei  Ingolstadt"  und  „Schlacht  bei 
Mühlberg"'")  zeiclmet  Hanierer  getreu  nach;  auch 
die  beigedruckte  Erklärung  Caatiorum  difpositio  quae 
Carolus  V.  Caes.  Äug.  et  S)nalcaldici  ad  Ingolstadium  hahiiere 
an.  1540  wird  abgeschrieben  und  zwar  mit  der  Lesart 
Smalcald.,  während  Ilanierer  ausserdem  nur  Smacald. 
schreibt.  Der  Oberst  der  neapolitanischen  (iarde,  Herzog 
von  Castrovillar  (Herzog  Philipp  von  Braunschweig  bei 
Hortleder  H,  514  schreibt  „Kastrolill.";  vgl.  Viglius  van 
Zwichem  ed.  Drutt'el  211,  „Dux  Castrivallae")  ist  bei  Mal. 
118a  zu  Castronilarus  geworden,  was  Hamerer  arglos 
(V.  2348)  aufnimmt.  Den  einzigen  unvollständigen  Hexa- 
meter, den  ich  bei  Hamerer  bemerkt  habe,  kann  man 
sofort  richtig  ergänzen,  wenn  man  die  betreflende  Parallel- 
stelle bei  Mal.  aufschlägt;  Hamerer  hat  nändich  V.  2332: 
Nee  peditum  expectat  long  ins  a  st,  —  vor  longius  setze 
man  iegiones  ein,  was  bei  Mal.   117  b  steht. 

Sowohl  die  Thatsachen  und  den  allgemeinen 
Gang  der  Erzählung,  als  auch  ein  gut  Theil  der 
Phraseologie  nimmt  Hamerer  aus  Mal.  herüber. 
Hat  man  die  Einleitungsverse  (bis  72)  hinter  sich, 
so  kann  man  Blatt  für  Blatt  die  sachliche  und 
sprachliche  Übereinstimniung  Hamerers  mit  Mal. 
nachweise  n. 

Bei  der  übergrossen  Zahl  von  Fällen,  wo  sich  Wieder- 
benutzung der  Diktion  des  Mal.  findet,  verweise  ich  hier 
der  Kürze  halber  nur  auf  Anhang  V.  94  f.,  297,  335,  374, 
2451,  wo  Hamerer  den  von  mir  in  der  Anmerkung  mit- 
getheilteu  Prosatext  besonders  ausgiebig  ausbeutet. 

Von  dem  Gang  der  Erzählung  weicht  Hamerer  selten 
ab;  einmal  springt  er  von  Mal.  30a  auf  19a,  um  bald 
zu  30  zurückzukehren ;  ein  ander  Mal  nutzt  er  zwischen 
Blatt  105  und  106  bereits  Blatt  1 10  aus ,  und  indem  er 
Blatt  117  b  paraphrasiert,  nimmt  er  Ausdrücke  von  12(5  a 
zu  Hilfe.  Dagegen  ist  hervorzuheben,  dass  Hame- 
rer vieles,    was    Mal.   bietet,   völlig    weglässt.     Bei 


'")  Ol)  die  Fedei'zeichmuiff,  die  Hamerer  Bl.  ><2  bietet,  „Capitu- 
lation  des  Kurfürsten  Johann  Friedrich",  ihr  Vorbild  in  einem  Holz- 
schnitt hat,  weiss  iih  nicht  zu  sagen.  In  ziemlich  grossen  Figuren 
tritt  uns  folgendes  Bild  entgegen:  links  der  Kaiser  und  sein  Gefolge, 
sämtlicli  beritten ;  rechts  der  lüufürst  zu  Fuss,  in  der  linken  Hand 
den  Helm  haltend,  die  rechte  Hand  auf  diu  Brust  gelegt,  die  Augen 
zum  Kaiser  emporgeschlageu.  (Holzschnitte  in  spanischen  und  fran- 
zösischen Ausgaben  des  Avila  erwähnt  Voigt  592  und  598). 


Dr.  Phil.  Jak.  Haitierers  Heldengedicht  etc.  245 

manclier  von  diesen  Lücken  darf  man  wohl  die  Absicht 
erkennen,  Dinge  zu  unterdrücken,  die  in  Avila  und 
Mal.  standen  und  Ärgernis  erregt  hatten").  Während 
auf  diese  Weise  die  stirps  Austriaca'^)  (V.  282o)  und 
speziell  KönigFerdinand '■'*),  während  Bayern'*),  Konstanz'*) 
und  Kempten'*)  siclitlich  geschont  sind,  wird  den  Branden- 
burgern die  Erzählung  der  ärgerlichen  Rochlitzer  Affaire  ") 
nicht  erspart  und  der  Pfalzgraf  Friedrich  II. '*j  erfährt 
dieselbe  maliziöse  Behandlung  wie  bei   Avila. 

Übergangen  sind  von  Hamerer  imter  anderen  fol- 
gende Einzelangaben  und  Raisonnements  des  Mal.:  p]iniges 
zur  Vorgeschichte  Gehörige  Blatt  l — 5;  Verrath  in  der 
Ehrenberger  Klause  10;  Castelalto  10;  Verwahrungsbrief 
des  Kurfürsten  und  Landgrafen  11  ;  Weg  der  Kaiserlichen 
durch  Tirol  13;  Martiana  Sylva  15;  Zurücklassung  des 
Pyrrhus  Colonna  in  Regensburg  16;  Monacum  17**); 
Stärke  der  päpstlichen  Truppen  18;  strategische  Kritik  23; 
Entschuldigung  des  Kaisers  wegen  Truppenaufstellung  32; 
Streitfrage,  ob  Schertels  oder  des  Landgrafen  Rath  der 
klügere  war  33;  Alba  gegen  die  Schweizer  35;  angebliche 
Muthlosigkeit  der  Bündischen  36;  Schwierigkeit  bei  der 
Spionage  40;  drei  Kohorten  in  Neuburg  41;  strategische 
Fehler  41;  erschwerter  Marsch  Bürens  42;  Vorgehen  der 
hessischen  Reiter  49  ;  übliche  Marschordnung  49;  Absicht, 
die  Bündischen  sofort  anzugreifen  50;  Hispanicum  exemplar 
55;  strategische  Fehler  56;  Digression  über  Cäsar  60; 
Betheuerungen  der  Rothenburger  81;  Selbstmord  90; 
Friedensbedingungen  und  Schluss  des  1.  Buches  93 — 95; 
—  Zwickau,  Prinzessinnen  96;  Strassburgs  Unterwerfung  1  Ol ; 
Selbständigkeit  des  Kriegs  von  1547  102  flg.;  Joachim  Rius 
115;   Aufstellung  der  Truppen  118;   Moral  121;  Verlust- 

")  Voigt  608,  610. 

'*)  Gelegentlich  sei  erwähnt,  dass  zur  Zeit,  als  Hamerer  schrieb, 
den  bischöflichen  Stuhl  zu  Konstanz  ein  Erzherzog  von  Österreich 
(Andreas  1589 — 1600)  einnahm. 

'*)  Voigt  609,  Anm.   66. 

'*)  VoigteiO.  Lorenz,  Diss.  44,  53;  Progr.5,  12,  20.  Mauren- 
brecher, Karl  V.  und  die  deutschen  Prot.    102. 

")  Konstanz  wurde  1548  in  die  Acht  erklärt  wegen  Nichtan- 
nahme des  Interims. 

J')  Haggenmüller  II,  25 — 61;  die  protestantische  Altstadt,  mit 
den  Äbten  stets  im  Streit,  schloss  sich  1535  dem  schmalkaldischen 
Bund  an. 

")  Voigt  610. 

")  Voigt  611. 

")  Lorenz,  Progr.  von  Gumbinnen  (1880),  16. 


246  Georg  Sdiepss: 

Ziffern  123;  Odysseevers  124;  Cäsar  128;  Gesandtschaft 
vom  Dnjepr  131;  Heinrich  von  Braunschweifij  132;  Ver- 
gleich der  gegenseitigen  Streitkräfte  132;  die  genauere 
Aufzählung  der  mit  PhilipjD  vereinbarten  Friedensbeding- 
ungen 136,  siehe  dagegen  V.  2734  Hg.;  Lachen  Philipps 
139;   unbenutzt   bleibt   auch    der  Schluss  von   140  b — 144. 

Oftmals  Uisst  Hamerer  die  Zahlenangabe  des  Mal. 
weg,  und  wo  er  Zahlen  giebt,  stimmen  sie  nicht  immer 
zu  denen  bei  Mal.'*") ;  manchmal  mag  die  Schwierigkeit, 
die  ungefügen  Zahlen  im  Hexameter  unterzubringen,  hieran 
die  einzige  Schuld  tragen ;  ungeschickt  war  Hamerer  in 
der  Wiedergabe  von  Mal.  18  a:  von  den  daselbst  erwähnten 
Zahlen  10000+700+200  (päpstliche  Hülfstruppen)  maclit 
er  keinen  Gebrauch  mid  nennt  nur  den  letzten  noch  dazu- 
geliörigen  Posten  „100  Reiter"  (V.  215).  Wie  Avila  und 
Mal.  umgeht  auch  Hamerer  die  Daten,  aber  V.  1300 
steht  unlateinisch  Jamque  Dccemhrales  guintae  lUnxere 
calendae  (Mal.  73).  Nicht  zu  loben  ist  der  Wechsel  in 
der  Benennung  einiger  Städte ;  so  heisst  Regensburg  bald 
ImhripoUs,  bald  Ratispona^  bald  FeginopoUs  oder  Regens- 
purgum;  Ingolstadt  heisst  neben  Ingolstadium  auch  Ängli- 
polis ;  für  Nürnberg  steht  V.  1950  die  kühne  Bezeichnung 
Mons  Neronis'^^).  V^erschwommen  sind  zuweilen  die  An- 
gaben über  die  Kommandanten ;  der  Caesar  verdunkelt 
alle  andern;  manchmal  wird  übrigens  statt  Caesar  auch 
gesagt  Romuleus  (und  Romnlus)  heros  oder  auch  Rex 
(681,  717,  792),  welch  letzterer  Titel  eigentlich  Ferdinand 
zukäme. 

Gewann  man  seither  die  Anschauung,  dass  Hamerer 
sich  im  ganzen  von  Mal.  mehr  als  billig  abhängig  gemacht 
hat,  so  müssen  wir  doch  im  folgenden  einige  Stellen  er- 
Avähnen,  an  welchen  Hamerer  Angaben  bietet,  die  ent- 
Aveder  bei  Mal.  gar  nicht  stehen  oder  aber  sicli  zu 
dieser  Hauptquelle  Hamerers  in  bewusstem 
Widerspruch  befinden.  Was  Hamerer  in  seiner 
Vorrede  behauptet,    dass  er  variis  in  libris  gelesen  habe, 

»»)  Währemi  Mal.  die  Stärke  tU-s  bünd.  Heeres  anf  80  000  Mann 
angiebt,  nennt  Hameier  (V.  140)  100000,  vgl,  Voigt  (i93,  755.  Siehe 
ferner  Lorenz,  Diss.  4t;,  l'rogr.  21. 

*')  S.  Meisterlin  (in  Hegels  Deutschen  Städtechroniken  HI,  48) 
liefürwortet  diese  Etymologie  von  Nürnberg.  Auch  Mal.  liebt  die 
Antikisierung  der  Ortsnamen,  vgl.  Lorenz,  Progr.  2.  Über  Marae- 
ranns  siehe  Voigt  (!.".".  —  Pedioneus  macht  aus  Scliertel  Sertorius, 
aus  Büren  Pyrrhus,  eine  Künstelei,  die  ihm  den  Spott  seines  Zeitge-. 
nosseu,   des  Anonymus  Menckenianus,  eingetragen  hat  (Voigt  727). 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  HeldeugedicLt  etc.  247 

ist  demnach  nicht  anzuzweifehi,  wenn  sich  auch  vielleicht 
die  lihri  auf  Flugblätter  und  kurze  Relationen  reduzieren 
lassen;  mitunter  scheint  Hamcrcr  auch  einen  oder  den 
andern  ketzerischen  Bericlit  vor  sich  gehabt  zu  haben. 
Ein  Plus  oder  eine  Abweichung  gegenüber  Mal.  finde  ich  bei 
Hamerer:  V.  188,  wo  er  erzählt,  Karl  V.  habe  anfäng- 
lich durch  einen  persönlichen  Zweikampf  mit  Johann 
Friedrich  von  Sachsen  den  Krieg  beilegen  wollen ;  bei  Mal. 
16  b  flg.  sucht  man  vergebens  nach  einer  ähnlichen  An- 
gabe. In  V.  633  nennt  Haiuerer  als  bündische  Führer  (lieros) 
Isenhurgiacus,  comes  et  Biichlingins  aiidax;  Mal.  39b  spricht 
nur  vom  „Aldenburgius"  (Viglius  ed.  DrufFel  94,  100: 
Beichlingen;  Sleidan  [1555]  303  a:  BichHngus;  Anonym. 
Menckcn.  III,  1431:  Beuchlingen;  vgl.  Voigt  699).  In 
V.  901  erwähnt  Hamerer  die  am  5.  Oktober  vorgefallene 
schwere  Verwundung  Alb  er ts  von  Lüneburg,  deren 
]\lal.  54  b  nicht  gedenkt  (s.  u.  a.  Viglius  1-14).  Die  Mit- 
theilung in  V.  2295  von  des  Kurfürsten  Verweilen  beim 
Gottesdienst  verraisst  man  bei  Mal.  116a,  sie  steht  je- 
doch z.  B.  bei  Sleidan  (1555)  320  b  und  bei  dessen  Exzerptor 
Lambertus  Hortensius  (1560)  184;  vgl.  Voigt  712,  715.  In 
V.  2372  nennt  Hamerer  „Schwinhardica  neraora";  Mal. 
119  b  hat  diese  Angabe  nicht,  siehe  aber  z.  B.  Haus  Bau- 
manns (Hortleder)  Brief  vom  12.  Mai  1547.  Naturgemäss 
kann  bei  Mal.  nichts  über  die  späteren  T baten  des 
Kurfürsten  Moritz  stehen;  Hamerer  dagegen  kommt 
in  V.  2501  flg.  auf  dieselben  zu  sprechen.  Selbständige 
Zuthat  von  Hamerer  sind  auch  die  in  V.  4H  flg.  (vgl.  indes 
Mal.  19)  und  in  dem  grossen  Panegyrikus  am  Schluss  des 
Gedichts  enthaltenen  Hinweise  auf  die  Züge  des  Alexander 
und  Cäsar,  wie  auf  die  übrigen  Kriege  Karls  V. 

Zu  diesen  Verschiedenheiten  kommt  weiterhin  manches 
Einschiebsel  bei  Hamerer,  das  nur  dem  künstlerischen 
Zwecke  dienen  soll  und  keinerlei  historischen  Werth  hat; 
hierher  gehört  unter  anderem  der  zornige  Monolog  des 
Kaisers  von  V.  227  an,  dem  sich  ein  Vergleich  des  Kaisers 
mit  einem  venator  anschliesst.  In  V.  433  ereifert  sich 
Hamerer  darüber,  dass  die  Könige  zu  seiner  Zeit  nicht 
mehr  die  eigenhändige  Führung  der  Kriege  übernähmen, 
und  stellt  ihnen  Karl  V.  als  Muster  auf.  In  V.  698  flg. 
variiert  Hamerer  das  horazische  Thema  „Integer  vitae". 
In  V.  1772  flg.  wird  Karl  in  vollem  Ornat  auf  dem  Throne 
sitzend  geschildert;  in  V.  2566  erscheint  als  günstiges  Pro- 
gnostiken ein  Adler  zu  Häupten  der  Spanier;  einen  selb- 


248  Georg  Schepss: 

ständigen  Vergleich  sehe  man  Anhang  2507  flg.;  des  Vcr- 
«»•leichs  mit  Ileruclius- Kosroe  wurde  schon  oben  in  An- 
racrkung  6  gedacht.  —  Während  in  den  soeben  zusammen- 
gestellten Passagen  reine  Zuthaten  vorliegen,  hat  Hanierer 
in  folgenden  Fällen  Andeutungen,  die  Mal.  gab,  nur  weiter 
ausgeführt:  V.  445  flg.  wird  Älal.  -50 a  velut  imhres  breit 
variiert  und  792  flg.  ein  Exkurs  über  Podagra  gemacht, 
vgl.  Mal.  48  b.  l"m  doch  auch  gemäss  damaliger  Sitte 
(direkte)  Reden*'^)  einzuflechten,  hat  Ilamerer  409  flg., 
728  flg.,  '843  flg.  und  öfter  die  Angaben  bei  Ual.  29b, 
45  b,  52  a  etc.  weiter  ausgeführt.  Am  bemerkenswerthesten 
ist  hierbei,  dass  er  einmal  die  Worte  des  i\Ial.  120a  ea 
oratione  cohortatus ,  quam  in  tali  occasione  animis  in'ditum 
excitandis  convenire  sciehat,  in  der  ^A^eise  umgestaltet, 
dass  er  eine  Rede  aus  Lucan  einschmuo;f>;elt.  Zu  den 
poetischen  Zuthaten  gehört  auch  der  mythologische  Apparat, 
auf  den  ich  alsbald  zurückkommen   werde. 

Indem  ich  jetzt  die  Prüfung  des  Gedichtes  nach 
seiner  künstlerischen  Seite  hin  beginne,  scheint  es  mir 
angemessen,  zuerst  ein  paar  Bemerkungen  über  des  Dichters 
Sprache  an  und  für  sich  zu  machen.  Dass  er  sich 
gerne  an  Mal.  anlehnt,  wurde  schon  oben  gesagt;  bisweilen 
sind  seltnere  Ausdrücke,  die  er  bei  Mal.  voifand,  nicht 
eben  glücklich  in  alltäglichere  umgewandelt;  so  hat  Mal. 
17  b  aeneator,  Hamerer  aber  macht  V.  199  flg  einen  certus 
minister  .  .  Inßans  tuham  daraus.  Unser  Versiflkator  ge- 
fällt sich  darin,  statt  der  gewöhnlichen  Nomina  lieber  Patro- 
nymika  zu  setzen  wie  Brandenhurgiades,  Buranidcs,  Has- 
sides, Lanoides'^^).  Archaismen  wie  der  Plural  der  dritten 
Deklination  auf  eis,  der  Gen.  PI.  auf  tim  statt  iitm  oder 
onim,  der  Abi.  queis,  induperator ,  ipsus ,  viele  Inf.  Pass. 
auf  ier  sollen  grösseren  Nachdruck  und  Feierlichkeit  ver- 
leihen; daneben  finden  sich  aber  entschiedene  Fehler  Avie 
1500  torihus  statt  toris,  1532  victrici  Marte,  186  campis 
victricihus ,  529  tripli  statt  triplici,  1625  colititros.  Sehr 
beliebt  sind  Adjektive  auf  hundus.  Statt  der  Kardinalien 
treten  oftmals  die  für  vornehmer  gehaltenen  Distributiva  und 
statt  eins,  eormn  das  Possessiv  snus  ein,  wie  das  im  Mittel- 
alter Brauch  war.  Unani>enehm  fällt  auch  sehr  häutiy;  das 
Plusquamperfekt  auf  an   Stellen,    wo   Perf.   oder  Imperf. 


")  Voigt  627,  669,  670;  Lorenz,  Diss.  42,  Progr.  20,  22. 
*')  Vielleicht  hat  Haraerer  diese  Liebhaberei  speziell  von  Pedio- 
neus  angenommen. 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  249 

stehen  sollten**);  hieran  wie  an  manchem  Inf.  Perfekti 
trägt  wohl  der  Zwang  des  Metrums  die  Schuld.  Mit 
solchen  Erscheinungen  stimmt  es,  dass  gegen  die  consecutio 
temporum  viele  Verstösse  begangen  werden.  Zu  Buranide 
fehlt  1682  die  Präp.  „a",  zu  teUure  432  „m";  conicere  ist 
falsch  konstruiert  2685  und  dergleichen  mehr. 

Von  dem  Kunstmittel  der  Allitteration  macht 
Hamerer  gern  Gebraucli,  so  V.  295,  785,  929,  1145, 
1363flg.,  1606,  1699,  1722,  1724,  1737flg.,  1751,  1797,2132, 
2254,  2302,  2664  flg.,  2762. 

Metrische  Ungenauigkeiten  kommen  nicht  zu  häufif 
vor.  Am  Versschluss  stehen  in  den  2826  Versen: 
102  mal  Formen  von  hostis,  53  mal  arma,  50  mal  urhe(m), 
26  mal  altus,  24  mal  heros^  19  mal  ipse,  je  17  mal  aree(m), 
arva,  bellum  und  Ilassus,  je  14  mal  phalanges  und  agri  etc. 

Von  klassischen  Mustern  hat  Hamerer  namentlich 
Lucan*^)  und  Vergil  benutzt;  ersteren  nennt  er  selbst  in 
seiner  Vorrede  als  sein  Vorbild  und  in  der  That  hat  er 
ihn  (besonders  das  VII.  Buch)  reichlich  ausgeschrieben 
Einen  wunderlichen  Eindruck  macht  dabei  die  Wahr- 
nehmung, dass  Hamerer  ganze  Sätze  des  von  Lucan 
glühend  gehassten  Cäsar  wortgetreu  herübernimmt  und 
sie  seinem  hochgefeierten  Karl  in  den  Mund  legt.  Einige 
Versschlüsse  hat  sich  Hamerer  offenbar  aus  Lucan  ange- 
wöhnt, so  senatus,  Iherus,  lacertus,  latehrae,  ienehrae,  rxdna, 
cohortesj  vianipli;  auch  den  beliebten  Versanfang  Agmina 
verdankt  er  dem  Lucan.  Dazu  kommt  die  Anwendung 
von  Lieblingsausdrücken  des  Lucan,  wie  ira,  damnahis, 
Lyaeus,  sonipes,  cornipes,  quadripes,  Ceres  =  frumentum.  — 
Dass  auch  Vergil  benutzt  ist,  wird  jedem,  der  die  grenzen- 
lose Verehrung  kennt,  welche  dieser  Dichter  genoss,  als 
selbstverständlich  erscheinen;  nur  ganz  gelegentlich  wird 
auch  Horaz  und  Ovid  berücksichtigt.  Ich  werde  im  Anhang 
auf  die  wichtigeren  dieser  Originalstellen  nur  kurz  hin- 
weisen, indem  ich  mich  für  den  vorliegenden  Fall  behufs 
Raumersparnis  nicht  entschliessen  kann,  der  sonst  so  be- 
herzigenswerten Forderung  nachzukommen,  die  Huemer 
in  der  Phil.  Rundschau  1881,  960  stellt,  wo  er  räth,  unter 
den  Text  humanistischer  Dichter  stets  die  Belegstellen  aus 
den  antiken  Dichtern  zu  setzen. 


**)  Umgekehrt  liest  man  V.  626  dahat^  wo  dederat  nothwendig  ist. 
**)  Über    Thiofrid    (vita    Willibrordi),    einen    Nachahmer  des 
Lucan,  s.  Rhein.  Mus.  1883,  Heft  1. 


250  Georg  Schepss: 

Um  dais  lieroische  Pathos  zu  .steigern,  wendet  Ilanie- 
rer  einen  wolilassortierten  niytliologischen  ^leehauLs- 
niu.s  und  klassische  Szenerien  an;  wir  sehen  unter  andenn: 
Aetna,  Bacchus,  Bellona,  Ceres,  Circaea  ars,  Eos,  Erehus, 
Eurus,  Ilerculea  Ivjdra,  Hercules,  Ida,  Jovis  Stella,  Lyaeus, 
Lybici  ihacones,  Mavors  und,  wenn  es  des  Versniasses  lialber 
gerade  sein  muss,  auch  einf'acli  Mars,  Medusa,  Oceaniis, 
Olympus,  Orcus,  Parcae,  Parthi,  Phoehus,  Poenus,  Stygiae 
fammae,  Tarpesia  rupes,  Tartara,  TJiessalicae  herbae, 
Titan,   Vestales,    Vidcanus. 

Die  in  der  Kriegsgeschichte  zu  nennenden  Völker- 
und  Städtenanien  tragen  woniögHch  das  antike  Gewand; 
Haiierer  spricht,  wie  dies  theilweise  allerdings  auch  schon 
JNlal.  thut,  von  AUnhroges,  Ausonü,  Emporia  Aloeni,  IJercinia 
sdca,  Hespcria ,  Histrica  rura,  Iherus,  Tnsubres,  Ister, 
Menapius,  Nemetum  tirhs,  Pannones,  Sicamber ;  vgl.  auch 
üben  S.  246  nebst  Anmerkung  21. 

Die  Offiziere,  darunter  auch  solche  von  tieferen  Rang- 
stufen, werden  mit  Vorliebe  heroes  genannt;  daneben 
figurieren  dynasta  und  gymnasta.  Auch  für  die  Waffen 
sucht  Hamerer  thunlichst  nach  klassischem  Anstrich  und 
spricht  von:  fulmina  Martis  rotis  vecta,  Mavortia  tormenta, 
Martia  fulmhia  tormeutls  explosa  cavis,  ignivomae  fauces, 
Vulcania  tela,  Vidcania  techna,  Vidcana  machina,  catapulta, 
aera  (PL);  globus ,  sphaera,  glans;  sclopxts,  bombarda ; 
acinaces,  sarissa  etc. 

Es  gilt  von  Hamerer  dasselbe,  was  Voigt  072  über 
Oliviero^")  (Alamagna)  sagt,  dass  nämlich  bei  ihm  aus 
kleineu  Scharmützeln  homerische  Schlachten  werden.  Neben 
bombastischen  Stellen  wie  2159,  wo  für  die  einfache  Mani- 
pulation des  Frühstückens  gesagt  wird  „Cereris  viunera'^') 
Sacra  assumuuf^ , begegnen  auch  solche,  deren  Überschwäug- 
lichkeit  leicht  Lügen  gestraft  werden  kann;  so  heisst  es 
V.  312,  die  Verschanzungen  seien  caelo  assurgentia  ge- 
wesen, Avährend  Älal.  27  fig.  viel  von  der  zu  geringen  Höhe 
derselben    zu   berichten    weiss.     Dass  die  Zahlen  unserem 


*")  Audi  der  Götter-  iiiul  Dämonenapparat  ist  bei  Oliviero  sehr 
ausijebilik't,  und  die  bei  Hamerer  so  übermässig  oft  auftroteiuU;  ira 
erscheint  bei  Oliviero  als  symbolische  Figiu  ;  vgl.  indessen  die  oben 
zusammengestellten  Entlehnungen  aus  Luean  p.  249. 

*')  Das  in  V.  508  vorkommende  ..muiiera  Hacchi"  ist  bei  mittel- 
alterlichen Dichtern  beliebt,  s.  Maximian  eleg.  ed.  Wernsdorl'  I, 
163;  Kcbasis  captivi  ed.  E  Voigt  Y.  ()3-2;  Apollonius  Tyr.  metr.  ed. 
Dümmler  V.  7ö9;    Boethius  De  consol.  phil.  ed.  Peiper  39  v.  6. 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  251 

Dlcliter  viel  Mühe  machen ,  ist  schon  erwähnt  worden ; 
geradezu  barock  und  geschmacklos  müssen  aber  Angaben 
genannt  werden  wie  597  flg.,  2340  flg.,  siehe  Anhang. 
Unschöne  Ausführlichkeit  bemerkt  man  V.  2504  flg.  in 
der  Behandlung  des  Gelynchten. 

Vergleicht  man  Hamerer  mit  seinem  I-andsmann 
Pedioneus^*),  der  1547  drei  Gesänge  über  den  schmal- 
kaldisclicn  Krieg  zu  liefern  versprach,  "während  nur  einer 
davon  gedruckt  ist^^),  so  muss  zugestanden  werden,  dass 
der  Vergleich  zu  Gunsten  Hamerers  ausfällt.  Mag  immer- 
hin Hamerer  einige  Kleinigkeiten  (etwa  das  freilich  schon 
durch  Vergil  bekannte  ausis  [=  durch  AVagnisse],  Formen 
auf  ides-ades,  Schilderung  eines  Wolkcnbruchs  [Hamerer 
455  flg.])  aus  dem  Werkchen  des  Pedioneus  im  Auge  ge- 
habt liaben,  so  ist  doch  im  ganzen  seine  Unabhängigkeit 
von  demselben  zweifellos.  Pedioneus  giebt  in  seinen  961 
Versen  stofl'lich  nicht  mehr,  als  Hamerer  in  den  ersten 
578  Versen,  und  gegenüber  dem  ermüdenden  mythologischen 
Übermass  und  visionären  Schwulst  bei  Pedioneus  wirken 
Hamerers  schlichtere  Verse  förmlich  w^ohlthätig. 


Anhang'"). 


T    1     527  •  8 

1  Tempus  erat,  Stygiis  cum  flammis  arserat  orbis    4G9  ;  v'g  2, 203! 

Arctous;  veteris  (lamiiaverat  ocia  pacis  l  3,  so. 

Teuto,  subit  rabies  ininianisque  Haeresis  onines 

Infecit  popnlos,  violata  lege  Deorum  .... 
15  Desertoque  Erebo  terras  Belloiia  revisit  l  1,  565. 

Et  gentem  in  gentem  furiosis  concitat  armis 

Et  patribus  gnatos  et  natas  matribus  hostes  l  2,  149. 

Reddidit  .... 
35  Heu  tantum  unus  homo  potuit  producere  eladem 

Excusso  Christi  iugo  positoque  cucuUo? 

Heu  quod  (sie)  noii  vivus  terrae  est  absoiptus  hiatu? 

Cur  11011  in  siliccm  conversus  (es)t  arte  Medusae? 

Aut  non  es  medijs  ustus  fornacibus  Aetnae, 


=")  Voigt  1?A. 

2')  Der  Uiiiv.-Bibl.  Leipzig  danke  ich  hiermit  für  die  zeitweise 
Überlassung  des  seltenen  Druckes. 

'*)  Abkürzungen :  L  =  Lucans  Pharsalia,  Vg  =  Vergils  Aeneis; 
wenn  die  Ähnlichkeit  einen  besonders  hohen  Grad  erreicht  oder 
völlige  Gleichheit  vorliegt,  setze  ich  L!  Vg! 


252  Georg  Schepss: 

40  Ante  tuuin  toto  quam  diditur  orbe  veneimm?  .  .  . 
50  Qiialiter  arreptis  olim  rivilibus  armis 

Poinpeius  socero  belluni  coinmoverat  atrox  .... 
56  Tandem  Magnus  erat  comprcssus  Caesaris  arniis 

Pellaeusque  puer  gladio  illi  cnlla  recidit  ....  l«  g,  eo7. 

69  Causa  iubet  inelior  superos  speiare  setundos  .... 
73  Praeses  eras  sceleris  Sa.xo  Friderice  nefandi 

Et  vafer  in  foedus  venit  Landt'gravius  (su)  Hassus 
lö  Du.v  alter,  magnus  fraudisque  dolique  niagister; 

Jnnxit  opes  princeps  qui  sanra  Palatia  Rhiüii 

Possidet,  auxiliiim  t'ert  Wirtcmbergicus  lierns. 

Inque  hoc  consensere  nefas  iion  segnius  Urbes  Mai.  ih. 

Romuleae,  ([uarum  futrtvt  Vindelica  princeps 
80  Augusta  infoelix  aiitiquae  prodiga  famae, 

Et  te  nee  socias  pudet  Uhna  adinngere  dextras, 

Quae  poteras  Aquilas  gazis  servare  vel  una  .... 
89  Interea  Caesar  lielgarum  regna  teneliat  Mai.  2  b. 

Atque  Katisponani  Traiecto  tendere  pergit  .... 
'.14  —  Jieginopolim  venit  mansurus  ad  Istri  Mal.  5  b. 

Ripam*'j,  Boiariae  in  gremio  et  tellure  iacentem  .... 
188  Tarn  patriae  sitibundus  erat  cupidnsque  salutis, 

Cum  duce  quod  cnperet  causam  tinire  duello 

Dux  ipsß  et  vitae  reliquas  servare  cohortes  .... 
227  Caesar  ut  aspexit  cristata  casside  gentes  Mai.  i8b. 

Armatis  in  equis :  ,,Et  quid  non  currimns,  inquit, 

„Et  gentem  invisam  districto  tollinius  ense? 
•2H0  „An  dubitanius  adhucV     numerus  nuni  territat  hostisV 

„Sunt  aninii  r.obis,  stant  lorti  pectore  vires 

„Invictae,  ncc  enim  nos  Martia  fulniina  terrent 

„Tormentis  explosa  cavis;  corrunipite  ferro!" 

Dixit  et  extensa  fervorem  prodidit  hasta 
2H6  Flexilibusque  suam  dctexit  cursibus  iram. 

Qualis  ubi  in  silvis  currit  venator  apricis 

Et  vibrat  erecta  ( ircum  venabuhi  de.xtra, 

Quicquid  post  alnos  videt  et  quod  percipit  aure 

Credit  aprnm  et  praedani  parteis  sectatur  in  omnes 
210  Impatiens,  donec  recidat  iugulanda  sub  ictum  .... 
294  Hoc  viso  .Mbanus  totas  se  etiundere  vires  Mai.  23. 

Cogitat  et  celeri  Cursore  in  castra  referri 

Id  iubet;  agniinibus  Caesar  mox  sistere  inssis 

Pro  castris  aciem  struit*')  atque  intirma  locorum 

Fluminis  ad  ripam  carrorum  pondere  munit  .... 
33.^  Tympana  dant  sonitum  et  mox  listula  clamat  acute;     Mai. 2«. 

Conseruere  manus  atque  ol)via  acinace  sternunt, 

Et  tribus  amissis  sociis  in  castra  revertunt'*)  .... 
373  Jamque  acies  clare  quo  staret  in  ordine  visa. 

Praebebat  speciem  cnrvatae  in  cornna  lunae")  .... 
424  Sic  domuit  Gallos  invicto  Marte  feroces  Mni.  30. 

Julius,  extreraos  subiecit  in  orbe  Britannos, 


*')  Mal.  5b  ad  Istri  ripam. 

")  Mal.  23  b  pro  castris  aciem  instruit. 

")  Mal.  26  a  tribus  amissis  incolumes  in  castra  reversi  sunt, 

'*)  Mal.  27  b  in  cornua  cnrvatae  lunae  speciem  praeberet, 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  253 

Sic  generum  oppressit  bellis  civilibus  hosten»; 

Sic  quoque  longinquos  Macedo  penetravit  ad  Indos 

Atque  indefesso  siiperavit  milite  Taurum 

Caucaseasque  alpes  uec  iion  Memphitica  regna; 
4.'i0  Sic  quoque  Cosdioam  conipressit  Heraclius  hosteiii; 

Sic  quoque  praesenti  pacavit  numiue  (Jallum 

Carolus  et  cepit  Lybica  tellurc  Tunetum. 

Nee  mirum  toties  quod  tanta  talenta  profundunt 

Incassum  Reges,  alieno  praeside  belli 
435  Praefecto,  iiostri:  non  servura  subditus  audit; 

Ipsi  adeant  gentes  sibi  concilientque  rebelies 

Nee  minus  ad  bellum  quam  se  fornacibus  aptent, 

Atque  erit  ad  causas  Deus  iiidulgentior  aequas  .... 
H5  Qualis  ubi  densis  se  involvit  nubibus  aether 

Et  saliente  graves  ceciderunt  graiidiue  iiiinbi^*),  wai.  30. 

Sic  densi  cecidere  globi  sub  valla  frequenter, 

Nee  secus  ac  largi  resolutis  nubibus  imbres 

Descendunt  et  humum  complent  pluvialibus  undis  .... 
556  Altera  sphaera  vigens  praetoria  castra  subivit,  uui.  36. 

Perforat  et  medium  penetrale,  ubi  regia  stabat 

Sponda  instrata  thoro  plenis  tumefactaque  plumis  .... 
597  Tot  iuerant  glandes,  nato  fluxere  quot  anni  Mal.  38. 

Salvatore,  quater  centum  si  iunxeris  illis  .... 
669  — V  \j  Haec  scriptis  adiungitur  uua  coronis:  Mai.  41. 

„Vos  modo  vos,  Urbes,  thesauros  promite  cryptis ; 

„Omnia  sufficiunt,  nisi  nos  quod  deficit  aurum: 

„lloc  date;  quod  reliquum  est,  iio^tris  committite  dextris ; 

„Nos  Aquilas  dabimus  victas  hostemque  superbum."  .... 
698  Integer  haud  metuit  Parthorum  tela  veneno     Hör.  1,  oarm.  22. 

lUita,  Thessalicas  speruit  beue  couscius  herbas 
700  Inque  Deo  fidens  Circaea  aconitha  vorare 

Audet  et  in  solo  sua  vitae  stamina  ])onit 

Numine  et  ad  placituni  credit  se  vivere  Divum 

Atque  mori  superum  quando  stata  meta  cucurrit  .... 
753  — \jyj  — uu  —  vicit  tarnen  improbus  omnem  Mai.46,  VgGeorg2,  145. 

Duriciem  labor  .... 
784  Consilium  mutat,  methodum  qua  includeret  hostem    Mal.  48. 

Invenit  et  victu  vicinis  nndique  villis 

Quaerendo  arceret  .... 
792  Nodosa  et  Regem  coepit  vexare  podagra 

Regibus  infestus  morbus  tabesque  tyrannis 

Propria  .  ea  articulos  diris  cruciatibus  angit, 
795  Elicit  Herculibus  lachrimas  muresque  timere 

Cogit  et  exiguos  aliquando  horrere  catellos; 

Ergo  vehit  lectus  Regem  portatilis  alte  ....  Mai.  48  b. 

897  —  —  ast  luxit  iuvenes  impensius  hostis 

Illustres  quosdam  claraque  propagiue  cretos: 

Brunswicensis  erat  casus  lachrimosior  uuus 
900  Principis  innumeris  confosso  corpore  plagis-, 

Alter  erat  Luuenburgi  ducis  inclyta  proles  .  .  .  • 
929  Fit  via  vi,  auspicio  succedunt  vota  secunda  ....     vg  2,  494. 

942  Istri  iamque  iugis  surgebat  lucifer  Idae  ....  Vgi  2,  801. 


**)  Pseudo-Lucan  ad  Pisonem  V.  57 :  cum  grandine  nimbos. 


254  Georg  Schepss: 

985  Persequitnr  fiigientem  hostern  velncior  Euro  uai.  r.s. 

Miles  equis,  campus  tremit  et  tellure  soluta, 

Qiuiiitus  Bistuiiio  torquetur  tiirliiiie  imlvis  L!  4,  7C7. 

Aera  mibe  sua  texit  traxitqiie  teiiebras,  Li  4,  7gs. 

Sigiiaque  consequitur  longo  praeeiu;tia  passu 
990  Jamqne  iiistat  tergis:  funduntur  Signa  qnaterna, 

Plurinia  pars  capitur  ....  Mai.  öst). 

11-10  Fausta  sab  haet;  veuiuut  in  castrum  nuncia  Regi,    Mai.  ü7. 

liella  in  Saxonicis  terris  confecta  seoundis 

Votis,  indigenas  doniitos  et  Marte  coactos, 

.\gniina  Fcrdnando  sese  opponentia  fratri 

Manricioque  diui  vi  victa  et  acinace  caesa, 
1145  Hosque  duces  tota  prope  iam  diiione  potiri. 

Caesar  nt  haec  didicit,  simul  haec  resciret  ut  bostis, 

Publica  laetitiae  totis  mox  edure  castris 

Instituit  Signa  et  magno  torraenta  cavari*') 

Conressit  nnmero  et  smiitu  vastoque  lioatu 
1150  Hostibiis  indicium  dedit  et  sua  gaudia  pandit  .... 
I2;!ö  Plurinia  huiuaiiis  antehac  incognita  niensis    Mai.  tü  Li  o,  ii6. 

Dirijuiit  miles,  dunio:s  carpebat  agestres,  l:  g,  u7. 

Vulsit  ab  ignotis  dnbias  radicibns  herbas  Li  c,  iia. 

In  petudum  ceciditque  cibos  et  gramina  orudo  li  6,  iii. 

Arripuit  morsu  segetunique  apprendere  culmos 

Coepit  ft  bis  rabiem  ventris  saturarc  latrantis  .... 
1301  Et  sna  castra  niovet  per  amira  silentia  noctis...  Mai.73Vg2,'<:öj. 

1325  Alter  ab  advcrso  tunnüus  surgebat  in  altum  . . .  .    Mai.74,  L3,  37'>. 
1579  Nemo  qnidem  stricto  me*')  iure  absolvere  iudex      Mai.  S4. 

Quibit,  at  bis  lachrimis  veniam  dabis,  optime  Princeps  ....  Vg2,i4.'). 
1750  Haec  ubi  dicta  domum  referebant  oratores,     Mai.  92;  Vg2,  790. 

Ancipiti  cives")  trepidant  terrore  per  urbom 

Conciliumque  vocant,  repletur  Curia  lectis 

Sensaque  conscripti  dixerunt  turbida  patres. 

Omnia  dum  raptim  peragitquu  vovetque  senatus, 
1755  Constitit  in  medio  Circaea  absconditus  arte 

Schertelus  patruinque  notat  sibi  noxia  vota 

Inque  hominem  raagica  rursus  conversus  ab  arte 

Prosilit  in  medium  et  mortales  exhibet  artus 

Et  nil  cunctatus  vocem  prorujtit  in  istani: 
1760  „Grandia  scrutari  scio  vos  molimina  rerum 

„Pangendumque  recens  agitis  cum  Caesare  foedus 

„Et  vultis  recte  capiat  ne  damna  cavere 

„Puldica  res,  ergo  curas  non  improbo  vcstras; 

„lias  ne  interpellera,  me  mox  ex  moenibus  istis 
1765  „Ejiciam,  patni  vos  ergo  valete  penates." 

Dixit  et  erupit,  celerans  vestigia,  portis 

üccultisque  viis  Cantonum  in  rura  recessit. 

Post  Ulli  iam  votis  clausit  decreta  senatus, 

Ulmaai  legati  gressu  venere  retlexo 


'•)  Dies  Freudenschiessen  zu  Ehren  des  Sieges  bei  Friedberg 
fand  am  8.  November  statt,  siehe  Viglius'  Tagebuch  8.  November 
und  Lorenz,  Progr.  von  Gumbinnen  (1880)  0- 

*')  Es  spricht  der  Pialzgraf  Friedrich. 

*'j  Das  heisst  die  Augsburger. 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  255 

1770  Jamque  siiam  facta  est  recitare  liceucia  causam. 
Aurato  Caesar  solio  consederat  alte 
Ostro  constrato  textisque  in  margine  genimis, 
Conspicuus  mytra  chlamyderaque  indutus  equestrem, 
Sceptra  premens  dextra,  gestans  poma  aiirea  laeva, 

1775  Ornamenta  sacrae  Imperialia  Maiestatis  .... 

1796  Jamque  resurrexit  patria  pax  integra  tota, 

Solum  hyberna  vetaiit  in  praesens  poscere  poenas 
A  ducibus  sceleris  meritasque  infligere  mulctas; 
Sed  mox  vere  novo  iam  bella  sepulta  virescunt. 

(Hier  schliesst  Buch  I;    Buch  H  beginnt:) 

1800  Caesar  in  Ulmensi  dum  agit  hybernacula  circo  Mai.  95. 

Dumque  rebellantes  Romanis  fascibus  ürbes 

Restituit  i>acemque  instanrat  legibus  alraani: 

Saxo  recollectis  percurrit  viribus  omne 

In  patria  ditione  solum  et  quaecunque  subegit 
1805  Oppida  Ferdnaiidus,  repotito  Marte  recepit  .... 
1811  Thumsernumque  dolis  instructum  atque  arte  Pelasga  . . .  Vgi  2,102. 
1959  Jamque  Norinbergae  succossit  raoenibus  hospes  Mai.  102. 

Caesar,  quem  recipit  gestu  plaudente  senatus ....  l  7,  i,s. 

2295  Saxo,  dum  medio  transibat  Humine  Caesar,  Mal.  116. 

Audiit  ex  ambone  sui  sacra  verba  prophetae 

Nilque  minus  fieri  secura  mente  putavit 

Quam  fluvio  Caesar  sese  ut  committeret  alto. 

Ast  ubi  tentari  facinus  praegraude  videl)at, 
2300  Formido  incessit  meutern  subitoque  tumultu 

Dat  sua  terga  fugae,  spes  baec  erat  una  salutis, 

Nee  Milburganum  munivit  milite  castrum  .... 
2.336  In  bifidam  cunctas  aciem  diviserat  alas  Mai.  117. 

Caesar,  prima  quater  centum  levioriitus  armis 

Conspicuos  equites  tenuit,  quos  duxerat  heros 

Antonius  Toletanus  Lanoide^')  iuncto; 
2.S40  Pannonum  erant  totidem,  toties  sed  iungito  deuos 

Quot  digitos  habet  una  manus;  pars  aliera  gentis 

Istius  ad  Torgam,  quo  tum  ]iroperaverat  hostis, 

Exploratum  abiit  primo  sub  lumine  solis  .... 
2354  Ordine  continue  primo  processerat  hostis,  Mai.  118. 

Saxo  suas  circum  turmas  equitaverat  ipse 

Quaeque  necesse  piitat,  iubet  iniperat  ordinat  acer. 

Pulveris  is  primum  deceptus  nube  suborti 

Solum  suspicieus  aciei  Signa  prioris 

Caesareum  post  illa  sequi  non  credidit  agmen, 
2360  Sed  Torgam  accelerare  putat,  praeverteret  ut  se. 

Hinc  spes  aucta  sua  est,  facili  et  sese  impete  sperat 

Fusurnm  Albanum,  lateri  sed  qui  astitit  una 

Crucius  iiispexit  motus  attentius  omnes: 

„Cede  loco  princeps,  ait,  atque  sequentia  signa 
2365  „Aspice";  —  conversus  Saxo  videt  ordine  longo 

Caesareum  ire  agmen  iuxtaque  astare  Tetrarcham 

AUobrogum  Regemque  suos  praecedere  binos 

Ex  se  patre  satos;  vexilla  id  picta  docebant. 


S9 


)  Voigt  660  flg. 


256  Georg  Schepss: 

His  consteriiatus  sigiiis  mutaverat  omne 
2370  Consilium  Torgae  intraiidae  rieque  fidere  niuris 

Viilt  satis  intirmis:  se  raox  uiedio  agmiiie  misrut 

At(|ue  iter  attoiiitus  nemoia  ad  Seh winhardica  tlectit,  — 

Non  procul  illa  aberaiit,  —  spemquo  lianc  in  pcvtore  nutrit 

Se  reliquiim  latitarc  diem  securius  illis 
2375  In  silvis  i^osse,  ast  ubi  nox  iam  sole  sepulto 

Iiigrueiet,  Wittenbergam  se  iiifene  sub  arcem; 

Impediunt  silvam  dispersae  liinc  iiide  paliides 

Angustae  et  colles ;  haec  rebus  idoiiea  Saxo 

Esse  suis  ratus,  ut  conatis  exitus  esset 
2o80  Promptior,  ingeiitem  adversas  iiimittit  in  alas 

Bombardistarum  luuuerum  glandesque  voraentuni; 

ücyus  it  miles  maiidataque  iortiter  implet. 

Haec  iiiter  Caesar  iam  signa  priora  prehendit 

Astantcsque  monet  coetus  et  talibus  iufit: 
2385  ,Mile?,  adest  toties  optitae  copia  pugiiae!  m  7,  251. 

„Nil  opus  est  votis,  iam  fatum  accersite  ferro!  li  7,  252. 

„In  raanibus  vestris,  quantus  sit  Caesar,  habetis.  ia  7.  253. 

„Haec  lux  monstrabit  clare  qui  iustius  arma  li  7,  25s). 

„Sunii)S('rit,  ista*")  dies  victum  factura  noientem  est.        li  7,  2fio. 
2390  „Non  datur  hinc  reditus,  miles,  nisi  l'udimus  hostem: 

,,Si  pro  me  patriam  ferro  tlammaque  petistis,  Li  7,  264. 

„Nunc  pugnate  truces  gladiosque  exolvite  culpa!  li  7,  262. 

„Victima  pinguis  erit  nobis  liic  Saxo  sub  armis 

„Aut  cum  laude  cadam  manesque  sub  aethera  mittani. 
2395  „Ite  per  ignavos  populos  famosaque  regna  li  7,  277. 

„Kt  primo  ferri  motu  prosternite  gentem!"  Li  7,  278. 

Dixit  et  Albanus  iamiam  moturus  in  liostem; 

„Irruo  Caesar,  ait,  reducem  aut  me  funus  liabebis 

„Aut  me  victorem  cum  capto  Saxone  cernes  .  .  .  ." 
2409  Praecipitique  gradu  iam  cunctum  Caesaris  agmen     li  7,4%. 

In  densos  agitur  cuneos  perque  arma  per  hostem  li  7,  4ü7. 

Quaerit  iter,  qua  torta  graves  lorica  catenas  Li  7,  498. 

Opponit  tutoque  latot  sub  tegmine  pectus  Li  7,  499. 

Nil  tarnen  hie  tutum  satis,  est  ad  viscera  ferro 

Hac  quoque  perventum,  calet  omne  a  Caesare  IVrrum..  li  7.  .">oo, :)03. 
2422  Saxonicus  eunctis  petitur  cruor:  inde  sagittae,       Li  7,  511. 

lüde  faces  et  saxa  volaut,  spatioque  solutae  li  7,  512. 

Aeris,  et  calido  liquefactae  pondere  glandes  ....         Li  7,  r)i:5. 
2447  Hos  inter  venit  Albanus  praefulgidus  armis  Mai.  121. 

In  niveis  auro  caelatis  puniceoque 

Insigni  ex  hunu'ris  et  equo  spadice  recumbens, 
2450  Trii  phaleris  sparsum  ostentans  i)er  membra  cruorem 

Vuluere  difl'usum  .  Caesar  quem  dum  excijjit,  ecce 

Nuncius  att'ertur  de  capto  Saxone  faustus*'). 

Mox  Frisio  provectus  equo  (hnlucitur  ipse, 

Ferrata  armatus  tuuica  tlioraceqiie  nigro 
2455  Hanc  super  inducto  loris  post  terga  rcvincto, 

Yulnere  maxilla  in  laeva  foedatus  honesto; 


*")  Handschr.  iste. 

•';  Mal.  121b  Caesar  dum  .  .  .  Albanum  excipit,  ecce  de  capto 
Saxone  nuiuius  laetus  aftcrtur. 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  257 

Caesare  iam  coram  positus  descendere  certat 

Cornipede  eque  sua  maniram  deponere  dextra. 

Caesar  iit  aspexit  cicatricem  et  corpus  obaesum 
2460  Saxonis  ac  astu  et  sudore  flueiitia  membra 

Aridaque  ora  siti  fessosque  ut  anhelitus  artus 

Arctio,r  urgeret  —  ceii  clementissimus*^)  ipse  est  — 

Descensu  interdicit  equi  manicamque  reiecit. 

lUe  Caput  nudus  Germano  idiomate  Regem 
2465  AfFatus:  „Me  nunc  tibi,  clementissime  Caesar, 

„Captivum  dixit,  statuo"  nee  plura  locutus. 

Caesar  ad  haec:  „Tandem  didicisti  dicere  Caesar 

„Jam  victus  ?  sie  me  solitus  non  ante  vocare, 

,,Qui  tibi  dicebar  Gandaviis  Carolus  unum, 
2470  „Nunc  merito  sors  ista  tuo  tibi,  Saxo  süperbe, 

,  übvenit  et  fastu  inflatum  demittere  cristas 

„Compulit  ac  victum  nostris  te  tradidit  armis**)." 

His  dictis  siluit  defixaque  lumina  terrae 

Saxo  bumeris  pressis  tenuit  stupidusque  sedebat 
2475  Et  gemitum  ex  imo  deduxit  pectore  magnum  ....  Vg  i,  485. 

2492  Mauricius  Saxo,  qui  (Jaesaris  arma  secutus  Mai.  122. 

Dum  profugos  longe  furibundus  fertur  in  hostes, 

Prodit  eques  sclopumque  retro  post  terga  subindit 
2495  Perfodere  attentans  iaculata  viscera  glande: 

Nondum  ast  venenmt  supremi  tempora  fati 

Dumque  rota  silicem  tri^'it,  non  emicat  ignis ;  Mai.  123 

Sic  ex  fortuito  casu  servata  periclo 

Extremo  sua  vita  fuit,  quae  proxima  fato 
2500  Jam  fuit  et  tenui  pendebat  prodita  filo. 

Servatus  tarnen  est  ad  non  nisi  perüda  facta, 

Tunc  ubi  collusit  Gallo  corruptus  et  auro  a 

Caesare  desciscens  Alemannica  prodidit  arva. 

Corripuere  equitem  comites  ducis,  bic  rapit  aure, 
2505  nie  pede,  ille  manu,  correptaque  corpore  toto 

Dilacerant  membra  atque  animam  de  pectore  trudunt. 

Qualis  ubi  iiulomitus  vaccam  leo  corripit  ungue 

Et  collo  arreptain  sternit  sugitque  cruorem 

Sanguine  iainque  satur  carnem  discerpit  et  ossa 
2510  Frustaque  ludendo  parteis  dispergit  in  omnes, 

Sic  quoque  discerptum  dift'uso  hinc  inde  cruore 

Disiecit  corpus  miles  sannisque  secando 

lUusit  truncisque  afMnxit  scommata  membris  .... 
2525  Jamque  inhiat  spoliis  et  depraedatur  onustos  Mal.  i?4 

Carros  bellator  quisque  et  pars  sqnalida  caeno 

Vestimenta  virum  scrutatur  collaque  circum 

Exolvunt  torques  rapiuntque  monilia  tlavo 

Fusa  auro,  nudant  latera  et  pugione  soluta 


**)  Siehe  Voigt  601:  ,,Es  ist  bekannt,  dass  dem  Kaiser  der 
Gedanke  nicht  fern  lag,  dem  gefangenen  Johann  Friedrich  den  Kopf 
abschlagen  zu  lassen".  Vgl.  Mocenigo  bei  Voigt  656  und  Mauren- 
brecher, Karl  V.  und  die  deutschen  Prot.  142. 

**)  Zu  Johann  Friedrichs  Geschichte  siehe  jetzt  auch  Schnorr 
von  Carolsfeld  in  seinem  Archiv  für  Literaturgeschichte  1882, 
p.  177  flg.  (Erasmus  Alberus). 

17 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  ii.  A.  V.  3 


258  Georg  Schepss: 

2530  Argouti  giavido  gemmatosque  muliquc  iloxtris 

Absciiuluiit  iligitos.     Habet  et  sua  praemia  Caesar, 

Ingentem  aniioiuin  cunmliun  bellique  paratuni  .... 
2563  Iiisuper  ad  littus  viciiia  !)estia  silva 

Prodigiosa  lupiis  prodit  nianibusfiue  propimiuat 
2565  Militis;  hie  (oto  laiiiavit  corpore  iiioiistriiii), 

Hispauaeque  super  volitabnt  vertice  geiitis 

Ales  Sacra  Jovi  longiun  et  superastitit  illi  .... 
2604  Contiscautur  opes  quascuiique  Elector  habebat**); 

Tormentorum  ingens  minierus  conflatur  in  luiuin; 

Gota  solo  aequatur  millis  snperabilis  armis; 

Restituuntnr  ii,  qiios  hello  ceperat  ante; 

Diix  trahitur  captus  quauunnque  it  Caesar  in   Aulam; 

Sacroriim  in  raptus  Caesar  praedasque  bonorum  et 
2610  Relligioiüs  opus  sibi  iura  ferenda  reservat. 

His  aninium  adversis  uunquam  deniiserat  altum       l-j,  34i  flg. 

Saxo,  st'd  immoto  toleravit  pectore  casus 

Quoslibet,  afflicta  et  maior  vult  sorte  videri .  ...    Ovid,  met.  6,  195. 
2682  Heu  nihil  invitis  fas  quenquani  tidere  Divis!  Vgi  2,  402. 

Quidiiam  te,  Hasse,  niovet  vel  qui  te  spiritus  augit,        mjiI.  i34. 

Ut  iam  Romano  spem  totam  in  Rege  salutis 
2685  Conjicias'^  tumidis  qui  dixti  saepius  ante 

Buccis  vel  centum  passurum  in  corpore  uiortes 

Quam  cadere  ante  pedes  Romani  Caesaris  unquara  .... 
2731  „More  tarnen  nostro**)  totum  hoc  aholemus  et  imis    Mai.  i38. 

„Orantnm  precibus  facinus  dimittimus  ingens 

„Et  capitis  nnilctam  meritae  decretaque  mortis. 

„Hiiec  tarnen  observanda  tibi  mandata  capesses: 
2735  „Tuque  cliensque  tuus  mihi  sacramenta  vovete, 

„Cuncta  voluntati  porro  permittite  nostrae, 

„lnq\ie  manus  nostras  bis  dedas  oppida  bina, 

„Munitosque  locos  ac  omnia  dirue  castra, 

„Bis  centum  tradas  rhoedis  tormenta  reposta, 
2740  ., Tuque  aurum  mulctae  persolvas  nomine  iiissum. 

,,[nque  tua  quisqnis  residet  ditione  virorum 

„Nobilium  iuramento  mihi  rite  cavebunt, 

„Tu  si  quando  fide  rursum  decesseris,  ut  te 

,,Captivum  statuant  Romani  ad  Caesaris  Aulam." 
27-15  Jani([ue  pavimento  prostratum  se  erigit  llassus 

Albanumque  sequi  iussus  concessit  in  arcem, 

Qua  fuit  haud  pauco  detentus  tempore  vinclis**). 
2766  Quis  non  llerculeos  dicatque  car.atque  labores? 

ÜDUS  ai)  excidio  patriam  tu,  Carole  Dive, 

Servasti,  oppressa  damnata  faece  latronum  .... 
2776  Elieu,  si  superi  non  hat-c  tua,  Carole,  iusta 

Bella  secundassent  addendo  robur  ab  alto 

Atque  negavissent  oppresso  hunc  hoste  triumplium, 

Quäle  Chaos  foret  haec  tellusV  quae  forma  pcnatum?  .... 


**)  Die  Verse  2604 — 2609  haben  am  Rande  die  Nummern  1 — 6; 
sie  enthalten  das  Wesentlichste  der  dem  Kurfürsten  auferlegten 
Friedensbedingungen;  Mal.  128b  flg. 

**)  Es  spricht  der  Kaiser  zum  Landgrafen  Philip]). 

*»)  Maur en breche r  1-45. 


Dr.  Phil.  Jak.  Hamerers  Heldengedicht  etc.  259 

279.3  Te  nemo  sub  sole  fuit  magis  inclytus,  ante 

Te  cunctos  vincis  nuncque  est  tibi  nemo  secundns, 
2795  Nemo  magis  virtute  poteiis  aut  fortior  annis ; 

Hoc  sensit  Tiircus  de  Pannonis  erbe  fugatus, 

Sensit  item  Gallus  Papiensi  captus  in  horto. 

Subque  iugum  ductus  sensit  tua  numina  Poentis 

Romanusque  pater  contra  te  foederis  author. 
2800  Sensere  innumerae  gentcs    quas  conspicit  Ortus 

Et  sol  Occiduus,  Septentrio  Meridiesque; 

Arma  apud  Antipodas  tua  longe  dissitus  Indus 

Vidit  et  extimuit;  quas  tu  mansuescere  gentes 

Fecisti  vitam  ducentes  more  ferarum; 
2805  Sensit  et  invictum  toties  Germania  nunquam 

Glarius  ac  quando  coniunctis  viribus  arma 

Tota  fere  intulerat  tibi,  Saxoiie  et  Hasside  captis  .... 
2812  Jamque  tuis  armis  laetatur  pace  recepta 

Teuto  nee  ingratus  dignos  tibi  libat  honores, 

Jamque  optat  caelo  redivivum  labier  alto 
2815  Imperiique  Sacri  fessis  succurrere  rebus, 

Atque  utinam  posses,  sed  nobis  te  invidet  aether  .... 
2822  Teque  quidem  pauper  descripsit  carmine  vates 

Heroo  meritisque  tuis  expressit  honores, 

Concussum  inde  cupit  lamam  proferre  per  orbem 

Et  primam  Austriacae  stirpis  celebrare  columuam 
2826  Plus  ultraque  suos  apud  insinuare  nepotes. 


17'- 


Literatur. 


Sächsische  Klelderordmingen  aus  der  Zeit  von  1450  bis  1750. 
Von  01)erlelirer  L.  Bartsch,  Erste  und  zweite  Hälfte.  (.39.  und 
40.  Bericht  über  die  Köiiic:).  Realschule  I.  0.  nebst  Progymnasium 
zu  Annaberg.)  Annaberg,  1882  und  188.3.  28  und  40  SS.  4o. 
Unter  der  Fluth  der  jährlich  erscheinenden  Programmabhand- 
lungen findet  sich  verhältnismässig  wenig  wissenschaftlich  Brauch- 
bares; es  ersclieint  daher  geradezu  als  Ptiicht,  derartige  Ausnahme- 
fälle hervorzuheben,  um  so  mehr,  als  die  Programmliteratur  eine 
sehr  kurzlebige  zu  sein  pflegt,  so  gut  wie;  gar  nicht  in  den 
Buchhandel  kommt  und  weiteren  Kreisen  ,  selbst  denen  der  Fach- 
gelehrten, in  vielen  Fällen  überhaupt  nicht  bekannt  wird.  Die 
i)eiden  vorstehend  genannten  Programme,  auf  die  wir  hier,  wenn 
auch  nur  in  aller  Kürze,  aufmerksam  machen,  gehören  zweifellos  zu 
denjenigen,  von  denen  man  bedauern  müsste ,  wenn  sie  das  allge- 
meine Schicksal  theilten.  Jeder,  der  sich  mit  Verwaltungs-  und 
Sittengeschichte,  insbesondere  mit  Städtewesen  beschäftigt,  kennt 
die  interessante  Erscheinung  auf  dem  Gebiete  der  Luxuspolizei,  die 
den  Gegenstand  des  Verfassers  bildet,  weiss  aber  aucdi,  mit  welcher 
Mühe  es  verbunden  ist,  das  Material  einigermassen  vollständig  zu- 
sammenzubringen. Der  Verfasser  hat  sich  diese  Mühe  nicht  ver- 
driesen  lassen;  er  hat  im  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden,  sowie  in 
verschiedenen  Stadtarchiven  und  Bibliotheken  eine  grosse  Menge 
handschriftlichen  wie  gedruckten  Materials  ausfindig  gemacht  und 
durchgearbeitet,  zeigt  sich  auch  in  der  bisherigen  Literatur  nicht  un- 
bewandert. Um  so  mehr  hat  sich  Referent  darüber  gewundert,  dass 
der  Codex  diplomaticns  Saxoniae  regiae  nicht  ausgiebiger  benutzt 
wurde;  so  wären  z.  B.  die  I,  9  tlg.  erwähnten  Leipziger  und  Dresdner 
Verortlnungen  über  die  Spitzenscbulie  sicher  eher  nach  den  korrekten 
Drucken  des  Cod.  dipl.  (IL  5,  223.  8,  2.37  u.  333)  als  nach  Chro- 
niken mitzutbeüen  gewesen;  ebenso  fand  sich  hier  (II,  22()  flg.) 
reicheres  Material  über  den  durch  die  Kleiderordnung  veranlassten 
Aufstand  der  Leipziger  Studenten;  gar  nicht  erwähnt  fand  ich  die 
Leipziger  Polizeiordnung  von  1463  (a.  a.  0.  8,  294  flg.).  Das  die 
Stadt  Freiberg  betreffende  urkundliclie  Material  hat  B.  nachträg- 
lich in  einem  Aufsatze  (Mittiicilungen  des  Freil)erger  Alterthums- 
vereins  XX,  1  flg.),  der  im  Übrigen  nicht  viel  mehr  als  die  Pro- 
gramme enthält,  nach  dem  Cod.  dipl.  11,  12  bearbeitet.  Abgesehen 
von  dies(!r  kleinen  Ausstellung  verdient  der  Fleiss  und  die  Sorg- 
falt des  Verfassers  alle  Anerkennung;  auch  dass  er  die  poetische 
Literatur  namentlich   des  17.  Jahrhunderts  ausgiebig  verwandt   hat, 


Literatur.  261 

sowie  dass  er  auf  Gruml  eiugeheuder  kostüingeschichtlicher  Studien 
die  sonst  schwer  verständlichen  Einzelbestimiuungen  sachgemäss  er- 
läutert, ist  sehr  dankenswertli.  Jedenfalls  wird  die  sächsische 
Spezialgeschichte  erheblichen  Nutzen  aus  den  beiden  Arbeiten 
ziehen,  und  man  wird  wohlthun,  sie  auch  für  allgemeinere  Z^vecke 
nicht  zu  übersehen. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Chronicon  Islebiense.  Eisleber  Stadt  -  Chronik  aus  den  Jahren 
15B0 — 1738.  Nach  der  Urschrift  mit  erklärenden  Anmerkungen 
und  einem  Ürtsregister  herausgegeben  von  Dr.  Hermann  Groessler, 
Gymnasial- Oberlehrer,  und  Friedrich  Sommer,  Rektor  a.  D.  zu 
Eisleben.     Eisleben,  0.  Mäbnert  (Komm.).  18s2,   VIII  u.  296  SS.  8». 

Die  grossen  gewaltsamen  Bewegungen,  von  denen  im  Laufe  der 
Vergangenheit  die  politische  und  wirthschaltliche  Entwickelung 
unseres  deutschen  Vaterlandes  ergriffen  ui;d  erschüttert  wurde,  sind 
ebenso  wenig  wie  die  friedlichen  Umbildungen  an  keinem  auch  der 
kleinsten  landschaftlichen  Kreise  je  spurlos  vorüber  gegangen;  als 
lebendige  Glieder  des  Ganzen  haben  letztere  an  den  Fortschritten 
und  Rückschlägen,  die  das  Geschick  der  Gesamtheit  aufzuweisen  hat, 
zu  allen  Zeiten  theilgenommen;  nur  Stärke  und  weitere  Wirkungen 
dieser  Theihiahme  fallen  und  fielen  nach  den  individuellen  Verhält- 
nissen gerade  in  Deutschland  besonders  verschieden  aus  Es  ver- 
lohnt und  empfiehlt  sich  daher,  die  grossen  Bewegungen  zu  ihrem 
besseren  Verständnis  stets  in  den  einzelnen  Ausläufern  bis  in  die 
engeren  Wirkungssphären  zu  verfolgen  und  an  konkreten  und  um 
so  schärfer  sich  abhebenden  Thatsachen  in  möglichst  einfachen  Ver- 
hältnissen zu  beobachten;  auch  der  Geschichtsforscher  niuss  als 
Anatom  arbeiten  und  sich  in  mikroskopische  Untersuchungen  ein- 
lassen, um  das  verzweigte  Nervensystem  und  die  Funktionen  einzelner 
Organe,  wie  die  krankhaften  Erscheinungen  im  Volkskörper  zu  er- 
kennen und  zu  bestimmen.  Dankbar  wird  es  daher  immer  anerkannt, 
wenn  chronikaleoder  annalistische  Aufzeichnungen  über  die  Schicksale 
kleinei'er  Landstädte  und  Landschaften  aus  den  ersten  Jahrhunderten 
der  sogenannten  Neuzeit  an  das  Licht  gezogen  und  der  Öfi'entlichkeit 
übergeben  werden;  noch  pulsierte  damals  auch  in  diesen  Organen 
ein  selbständiges  politisches  and  eigenartiges  wirthschaftliches  Leben ; 
neue  gewaltige  Gährungselemente  werden  durch  die  Kirchenrefor- 
mation und  den  grossen  Religionskrieg  des  17.  Jahrhunderts  in  das- 
selbe hineingeworfen. 

Ist  auch  der  Gesichtskreis  der  Verfasser  solcher  tagebuchartiger 
Chroniken  zumeist  kein  allzuweiter,  so  haben  dieselben  wenigstens 
keine  Veranlassung,  die  Dinge  anders  darzustellen,  als  wie  sie  sich 
vor  ihren  Augen  ent-  oder  abwickelten;  sie  standen  den  Ereignissen 
zumeist  so  nahe,  dass  Irrthümer  und  Versehen  nicht  gut  möglich 
waren.  Vereinzelt  wird  in  solchen  Aufzeichnungen  auch  über  die 
Vorgänge  der  nächsten  Umgebung  hinaus  auf  in  der  Landschaft  und 
Provinz  vorkommende  Vorfälle  und  Ereignisse  gegriffen,  von  fernher 
drohendes  Unheil  schon  im  Herannahen  beobachtet  und  geschildert 
und  werden  grössere  allgemeine  Bewegungen,  die  den  Wohnsitz  des 
Aufzeichnenden  berührten,  dann  auch  in  ihrer  ^\eiterentwicklung 
bis  zu  irgend  einer  Krisis.  die  sich  bald  in  geringerer,  bald  in  grösserer 
Entfernung  vollzieht,  verfolgt.  In  solchen  Fällen  beruht  die  Kennt- 
nis   des    Berichterstatters   freilich    zumeist    auf   Hörensagen,    wenn 


262  Literatur. 

hinter  den  Mittbeiluiip-eii  vielleiclit  auch  Augenzeugen  als  Gewährs- 
männer stehen;  in  der  Zeit  des  30jährigen  Krieges  sind  es  mehr- 
fach wohl  schon  Zeitungsnachricliteu,  um  die  die  ursprünglich  nur 
auf  den  engsten  Kreis  beschränkten  Schihierungen  ergänzt  und  er- 
weitert werden. 

Solcher  .\rt  sind  die  Materialien,  die  der  um  die  Geschichte 
der  Grafschaft  Mansfeld  so  sehr  verdiente  Hermann  Groessler 
in  Eisleben  in  Gemeinschaft  mit  F.  Sommer  daselbst  unter  dem 
Namen  Chronicon  Islebiense  jüngst  auf  eifrene  Kosten  heraus- 
gegeben hat.  Die  Glaubwiu-digkeit  der  vorliegenden  Kompilation 
wird  noch  durch  den  Umstand  erhöht,  dass  es  die  jeweiligen 
Stadtschreiber  und  Stadtvögte,  also  die  vornehmsten  Glieder  des 
städtischen  Beamtenthumes  sind ,  aus  deren  Feder  die  Haupt- 
abschnitte des  Werkes  flössen;  mehr  als  einmal  ist  sogar  akteii- 
mässiges  Material  in  die  unmittelbar  im  Zusammenliange  mit  den 
Ereignissen  entworfenen  Schilderungen  eingeHochten.  1  ie  verschie- 
denen Berichte  bewegen  sich  zwar  keineswegs  in  gleichmässiger 
Stärke  und  Fassung;  bunt  wechseln  ausführliche  Darstellunsren 
geringfügiger  und  unbedeutender  Vorgänge  mit  kurzen  Notizen  über 
wichtige  und  folgenschwere  Ereignisse;  auch  ganz  sorgfältig  und 
chronologisch  genau  schliessen  sich  die  einzelnen  zu  verscliiedenen 
Zeiten  entstandenen  Abschnitte  nicht  an  einander  an;  hier  und  da 
triftt  man  auf  Nachträge,  anderes  geht  auf  Sonderaufzeichnungen 
zurück,  die  mehr  zufällig  mit  dem  anderen  Material  in  einen  Band 
vereinigt  worden  sind :  so  sind  einzelne  Jahre  ganz  und  gar  in  den 
Berichten  nicht  erwähnt,  und  vor|allem  besteht  zwischen  den  Jaliren  1539 
und  1547  eine  Lücke,  die  bei  den  Beziehungen  der  Grafschaft  Mans- 
feld und  der  Stadt  Eisleben  zur  Reformation  und  zu  den  Refor- 
matoren recht  schmerzli(di  auft'ällt.  Auch  eine  Fortsetzung  des  Werkes 
über  das  Jahr  1G77  hinaus  bis  1738  lässt  sich  nur  vermuthungsweise 
annehmen  :  was  die  Publikation  aus  diesem  letzteren  Zeiträume  bringt, 
gehört  nicht  der  einzigen  erhaltenen,  lange  verschollenen  und  erst 
neuerdings  wieder  der  Bergschul-Bibliothek  in  Eisleben  zugefülirten 
Original-Handschrift  an,  sondern  ist  aus  einer  anderen  (^)iielle  ent- 
nommen und  setzt  sich  nur  aus  ungefähr  zwei  Druckseiten  umfassenden 
Notizen  ül)er  verschiedene  Feuersbrünste  zusanimen.  Am  Wichtigsten 
und  Interessantesten  ist  jedenfalls  hieriregen  das,  was  uns  die  Chronik 
über  die  Heimsuchung  der  Grafschaft  Mansfeld  durch  den  HO  jährigen 
Krieg  und  die  mit  demselben  in  Zusannnenhang  stellenden  militärischen 
Operationen  der  kaiserlichen,  schwedischen  und  sächsischen  Heere 
bringt.  Schwer  hat  die  Grafschaft  und  ihre  Hauptstadt  damals  zu 
leiden  gehabt,  aber  doch  ist  nicht  alle  Kraft  vernichtet  worden; 
dank  den  Bemühungen  des  Stadtvogtes  Hans  Mörder,  der  selbst  unter 
den  Verfassern  der  Chronik  eine  hervorragende  Stelle  einnimmt  und 
der  allein  von  ihnen  allen,  wenn  auch  nicht  gerade  allzu  glücklich, 
die  frühere  Vergangenheit  Eislebens  darzustellen  versucht  hat,  haben 
sich  Stadt  und  Bürgerschaft  bald  wieder  in  geordnetere  und  ruhigere 
Verhältnisse  eingelebt  und  die  geschlagenen  Wunden  zu  heilen 
getrachtet. 

Doch  auch  die  früheren  wie  späteren  Theile  der  Chronik  bieten 
viel  Anziehendes  und  für  allerlei  historische  Forschunsfen  werthvoUes 
Material.  Eislebens  Stellung  selbst,  wie  nicht  minder  die  der  Graf- 
schaft Mansfeld,  ist  das  16.  und  ]7.  Jahrhundert  hindurch  eine 
durchaus  nicht  bedeutungslose  gewesen;  die  Eigenthümlicbkeiten 
des  Landes  und  der  Leute,  die  sich  in  vielen  Stücken  noch  bis  auf 


Literatur.  263 

tleu  hfcutigei)  Tag  erhalten  haben,  treten  in  jener  Zeit  no»  h  schärfer 
und  deutlicher  hervor,  aber  trotz  aller  Eigenart  klingt  überall  ein 
echter  deutscher  Volksgeist  hindurch.  Mehr  als  uns  sonst  aus 
ähnlichen  Quellen  erinnerlich  ist,  ist  die  vorliegende  Chronik  reich 
an  schönen  Zeugnissen  gegenseitigen  Beispringens  der  Städte  inner- 
halb der  Grafschaft  und  der  benachbarten  Landschaften  in  Zeiten  der 
Noth  und  Gefahr;  treulich  rühmen  die  Chronisten  die  nach  ver- 
heerenden Fenersbrünsteii  und  Epidemien  ihrer  Stadt  gewordene 
fremde  Beihilfe.  Doch  unterlassen  sie  auch  nicht,  pünktlich  über 
die  Art  und  Weise  Rechnung  zu  legen,  wie  man  gegebenen  Falles 
sich  nach  aussen  hin  wieder  erkenntlich  bewies;  über  das,  was  der 
Stadt  und  den  Bürgern  durch  den  grossen  Krieg  an  Schaden  und 
Yerlust  erwuclis,  hat  man  nicht  minder  Jahr  für  Jahr  streng  Buch 
geführt;  die  aufgenommenen  Spezifikationen,  die  man  bei  der  Aus- 
gabe am  Sclilusse  der  Chronik  einheitlich  zusammengestellt  hat, 
füllen  nicht  weniger  als  .SO  Druckseiten! 

Was  die  Betheiligung  der  beiden  Heransgeber  an  der  Ver- 
öffentlichung des  Werkes  angebt,  so  ist  die  Herstellung  des  'I'extes 
nach  der  Originalhandsclirift  von  beiden  gemeinsam  besorgt  worden. 
Dass  sie  es  sich  so  viel  Zeit  und  Mühe  haben  kosten  lassen,  die 
Orthographie  des  Originales  in  den  unbedeutendsten  Kleinigkeiten 
getreu  wiederzugeben,  werden  ihnen  weniger  Leser  danken,  als  sie 
erwarten;  der  Gewinn,  der  aus  jenem  Verfahren  für  die  Erkenntnis 
der  Sprach-Entwicklung  und  der  Wandlungen  in  der  Rechtschreibung 
erwachsen  soll,  wiegt  doch  kaum  die  Unbequemlichkeiten  auf,  die 
die  regellose  Anwendung  grosser  Anfangsbucbstaben  bei  Pronomen, 
Adjektiven,  Adverbien,  Präpositionen  und  Konjunktionen  dem  Be- 
nutzer bereitet.  AVährend  ferner  das  Ortsregister  Sommers  Werk 
ist,  verdanken  wir  die  werthvoUen  historischen,  sprachlichen  und 
topographischen  An.merkungen  der  sachkundigen  und  bewährten 
Hand  Groesslers.  Leider  werden  diese  schätzbaren  Beigaben  im 
weiteren  Verlaufe  der  Ausgabe  recht  spärlich;  freilich  sollte,  wie 
die  Wiedergabe  der  nicht  auf  Eisleben  und  Mansfeld  bezüglichen 
Nachrichten  durch  kleineren  Druck  zeigt,  dem  ganzen  eine  besondere 
lokale  Färbung  gegeben  werden;  demnach  wäre  es  geboten  gewesen, 
gerade  die  auf  die  Ereignisse  des  oOjährigen  Krieges  bezüglichen 
Stellen  mit  Noten  zu  bedenken  und  von  hier  aus  auf  den  Znsammen- 
hang mit  dem  allgemeinen  Gange  des  Kampfes  aufhellend  hinzu- 
weisen: wie  solche  lokale  Quellen  auch  für  die  allgemeine  Geschiclite 
werthvoUes  Material  bringen ,  so  ist  und  bleibt  es  Aufgabe  der 
Herausgeber  derselben  bei  solcher  Gelegenheit  Kenntnisse  allgemeiner 
Natur  dem  Leserkreise  m  der  engeren  Heiraath  zuzuführen. 

Halle  a.  S.  Wilh.  Schum. 

1.  Eine  Erzgebirgische  GrelehrtenfamiHe.  Beitrag  zur  Kultur- 
geschichte des  17.  Jahrhunderts.  Von  Dr.  Johannes  Poeschel. 
Leipzig,  Fr.  VV.  Grunow,  1883.  XII,  180  SS.  8".  Mit  einem  Stamm- 
baum. 

II.  Glück  auf!  Ein  Jahrbuch  für  das  Erzgebirge  und  seine  Freunde. 
Herausgegeben  von  Hugo  Rösch.  Erster  Jahrgang  1884. 
Leipzig,  Carl  Reissner,  188.3.     VIK,  185  SS.  8*. 

Es  ist  bekannt,  dass  unter  den  Quellen  unserer  vaterländischen 
Geschichte  die  Chroniken  eine  verhältnismässig  untergeordnete  Rolle 
spielen;  die  mittelalterliche  Historiographie  kennt  wenige  derartige 


264  Literatur. 

Werke,  bei  denen  ein  meissnisrlier  ürsprnnq;  nacliweisl)ar  ist,  und 
wenn  auch  im  16.  Jalirhnndert  eine  grosse  Schrt'il)selijj;keit  entfaltet 
■wurde,  so  sind  die  Erzeugnisse  derselben  zum  jrrössten  Theil  weder 
als  Geschichtsquellen  noch  als  Literaturdenkmäler  von  irgend  wel- 
chem Belang.  Lisbesondere  fehlt  es  an  städtischen  Chroniken  und 
verwandten  Aufzeichnungen,  wie  sie  das  von  der  historischen  Kom- 
mission in  München  herausgegebene  Sammelwerk,  die  „Chroniken 
der  Deutschen  Städte",  aus  Nord-  und  Süddeutschland  in  so  reichem 
Maasse  bringen;  die  wenigen  gleichzeitigen  Aufzeichnungen,  die  uns 
aus  dem  Iß.  Jahrhundert  bekannt  geworden  sind,  harren  meist  iiO(  h  der 
Veroftentlichung.  Mit  der  Vergangenheit  y,ber  begann  man  erst  im 
17.  Jahrhundert  sich  in  "einiLfermassen  wissensihaftlichcr  \\'eise  zu 
beschäftigen;  Werke  wie  Wecks  Chronik  von  Dresden,  Sclmeiilers 
Chronicon  Lipsiense,  Möllers  Theatrum  Freibergenso  Chronicum  u.  a., 
zeichnen  sich  durch  das  Streben  aus,  durch  archivalische  Forschung 
für  die  Stadtgeschichte  eine  sichere  Grundlage  zu  gewinnen. 

Bei  dieser  Sachlage  muss  man  dem  Verfasser  Dank  wissen, 
dass  er  es  unternommen  hat,  das  Andenken  eines  der  beachtens- 
werthesten  Chronisten  des  17.  Jahrhunderts  zu  erneuern.  Mag.  Christ. 
Lehmann,  der  den  Mittelpunkt  von  Poschels  Schriftchen  bildet,  ist 
eine  in  mehr  als  einer  Hinsicht  anziehende  Persönlichkeit.  Geboren 
1611  in  Königswalde  bei  Annabcrg,  verbrachte  er  den  grössten  Theil 
seines  Lebens  (KIP.S — 1688)  als  Pfarrer  in  dem  Bergstädtchen  Schei- 
benberg. Der  in  den  bescheidensten  Verhältnissen  lebende,  durch 
seine  Berufspflichten,  die  er  theilweise  in  sehr  schwerer  Zeit  und 
stets  sehr  gewissenhaft  erfüllte,  vielfach  in  Anspruch  genommene 
Mann  besass  neben  einem  stark  ausgeprägten  Heimathsgefühl  einen 
überaus  lebendigen  Wissensdrang,  eine  scharfe  Beobachtungsgabe 
und  einen  nie  ermüdenden  Fleiss.  Von  jungen  Jahren  an  suchte  er 
sich  über  alles  zu  unterrichten,  was  in  näherer  oder  ferner  Bezie- 
hung zu  seinem  Ileimathlande  stand.  Es  ist  bei  seinen  Verhältnissen 
geradezu  erstaunlich,  eine  wie  grosse  Belesenheit  er  si(h  nach  und 
nach  zu  erwerben  wusste;  aber  das  Beste  in  seinen  KoUektaneen 
war  nicht  das,  was  er  aus  Büchern  entnahm,  sondern  das,  was  er 
auf  vielen  Wanderungen  durch  die  heimathlichen  Berge  durch  eigene 
Beobachtung  oder  aus  dem  Munde  von  Keich  und  Arm  erfuhr.  Dass 
er  hauptsächlich  solche  Quellen  benutzt,  verleiht  seinen  Werken 
die  Frische  und  Unmittelbarkeit,  die  uns  noch  heute  anspricht,  und 
giebt  ihnen  ausserdem  einen  fortdauernden  Werth  nicht  bloss  literar- 
geschichtlicher  Art. 

Von  Lehmanns  zahlreichen  Schriften,  die  wir  hauptsächlich  aus 
einem  Briefe  seines  gleichnamigen  Sohnes  von  17<)o  keniuni,  ist  nur 
eine  gedruckt  worden,  nämlich  der  „Historische  Schauplatz  derer 
natürlichen  Merkwürdigkeiten  in  dem  Meissnischen  Ober-Ertzgebirge". 
Es  wurde  nacli  des  Verfassers  Tode  von  seinen  Söbnen,  dem  Kon- 
sistorialpräsidenten  Theodosius  Lehmann,  dem  Görlitzer  Archidiaconus 
M.  Immanuel  L.  und  dem  Freiberger  Superintendenten  Job.  Chri- 
stian L.,  über  welche  der  Verfasser  uns  zahlreiche  biographische 
Details  bringt,  fortgesetzt  und  von  dem  letztgenannten  im  Jahre 
1699  herausgegeben.  Dass  die  Verlagshandlnng,  Friedrich  Lanckiscdiens 
Erben  in  Leipzig,  im  Jahre  1717  eine  neue  Titelausgabe  ohne  An- 
gabe des  Verfassernamens  veranstaltete,  in  welcher  der  die  Wid- 
mung enthaltende  Bogen  a  fehlt,  während  sie  im  ültrigen  mit  der 
ersten  Ausgabe  völlig  identisch  ist,  siheint  Pose  hei  entgangen  zu 
sein.    Der  vollständige  Titel  dieser  2.  Ausgabe  lautet:  „Ausführliche 


Literatur.  265 

Beschreihunff  des  Meissnisfhen  Ober-Eitzsebürges,  Nach  seiner 
Lage,  Gestalt,  Bergen,  Thälern,  Felsen,  Flüssen,  Brunnen,  warmen 
Bädern,  "Wäldern,  Lands-Art,  P'rücliten,  Wildbahne,  wie  auch  ange- 
merckte  Zustände  der  Elemente,  Himmels -Zeichen,  Witterung  und 
allerhand  curiösen  Begebenheiten  gefertiget,  auch  mit  schönen  Ku- 
pffern  und  nöthigen  Figuren  geziret  von  Einem  Freunde  des  Ertz- 
gebürges.  Leipzig  bey  Friedrich  Lanckischens  Erben,  1747".  Das 
Werk  ist  noch  jetzt  eine  reiche  Quelle  für  die  Kenntnis  von  Land 
und  Volk  des  Erzgebirges  im  17.  Jahrhundert.  Der  Verfasser  theilt 
manche  Proben  aus  demselben  mit;  andere  finden  sich  in  einem 
Aufsatze  von  II.  Rösch  auf  S.  99 flg.  der  unter  IL  genannten  Schrift. 
Aus  dem  reichen  literarischen  Nachlasse  Lehmanns  hat  sicli  bis 
jetzt  nur  eine  Schrift,  nämlich  die  ,, Kriegs-Chronik  der  Teutschen", 
eine  sehr  umfangreiche  Handschrift  der  Königl.  Bibliothek  zu  Dresden, 
auffinden  lassen;  über  zwei  Drittel  derselben  behandeln  den  dreissig- 
jährigen  Krieg,  und  dieser  Theil  ist  von  nicht  geringem  Interesse, 
da  der  Verfasser  vielfach  als  Augenzeuge  schildert.  Die  hier  und 
im  ^.Jahrbuch"  S.  125  flg.  mitgetheilten  Proben  rechtfertigen  den 
Wunsch,  dass  die  Handschrift  mehr  als  bisher  benutzt  werden 
möchte.  Ausserdem  hat  L.  noch  eine  Kirchen -Historie,  eine  Berg- 
Chronik,  eine  „Moral-Chronik",  „Hundert  Teutsche  Episteln"  und 
,, Annales"  hinterlassen.  Endlich  macht  Pöschel  darauf  aufmerksam, 
dass  auch  eine  abschriftlich  noch  vorhandene  kleine  Schrift  über 
Scheibenberg,  aus  der  er  im  „.Jahrbuch"  S.  (iO  flg.  einiges  mittheilt, 
höchst  wahrscheinlich  von  L.  herrühre.  Es  wäre  erfreulich,  wenn 
es  gelingen  sollte,  noch  das  eine  oder  andere  der  angeführten  Werke 
zu  entdecken. 

,  Man  muss  dem  fleissigen  Schriftchen  Pöschels  das  Zeugnis 
ausstellen,  dass  es  ein  sehr  beachtenswerther  und  in  durchaus  wissen- 
schaftlichem Sinne  gehaltener  Beitrag  zur  sächsischen  Gelehrten - 
und  Kulturgeschichte  ist. 

Über  den  Inhalt  des  unter  IL  genannten  „Jahrbuchs",  zu  dem 
wohl  der  emsig  thätige  Erzgebirgsverein  den  Anstoss  gegeben  hat, 
haben  wir  im  Vorstehenden  schon  einige  JMittheilungen  gemacht. 
Die  übrigen  Artikel  desselben  gehören  weniger  in  das  Gebiet,  welches 
die  an  dieser  Stelle  zu  gebenden  Referate  zu  berücksichtigen  haben. 
Wir  heben  unter  denselben  einen  längeren  vom  Herausgeber  ver- 
fassten  Aufsatz  „Zwei  Liederbücher.  Eine  Skizze  zur  Kenntnis  des 
Volksliedes  im  Erzgebirge"  hervor,  der  entschieden  Sachverständnis 
verräth;  doch  müssen  wir  es  dem  Literarhistoriker  überlassen, 
darüber  und  über  die  einzelnen  mitgetheilten  Bergreigen  und  Volks- 
lieder —  unter  denen  namentlich  das  S.  13.3  flg.  abgedruckte  Lied 
vom  Cadner  Su^harmützel  beachtenswerth  ist  —  zu  urtheilen,  wie 
wir  den  Dialektforscber  auf  den  Beitrag  von  E.  Stiehler- Buchholz, 
Die  Fremdwörter  des  westerzgebirgischen  Dialektes,  aufmerksam 
machen.  Im  Ganzen  macht  auch  das  „Jahrbuch"  einen  wohlthuend 
frischen  Eindruck,  und  wir  wünschen  ihm  einen  glücklichen  Fortgang. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Freibergs  Berg-  und  Hüttenwesen,  Eine  kurze  Darstellung  der 
orographischen,  geologischen,  historischen,  technischen  und  ad- 
ministrativen Verhältnisse,  herausgegeben  durch  den  Bergmänni- 
schen Verein  zu  Freiberg.  Mit'^lO  Taf.  Freiberg,  Craz  &  Ger- 
lach (Ed.  Stettner).  188.B.  VIII,  284  SS.  8«. 

Dieses  Werk,   ursprünglich   eine  Festschrift  zum  zweiten  all' 


266  Literatur. 

•reiiiciiieu  Jiergmaiiustage,  der  1883  in  Dresden  stattfand  und  mit 
welehem  eine  eingehende  Hesirhtigung  des  Freiberger  Bergreviers 
verbunden  war,  l)ietet  eimni  wichtigen  Beitrag  zur  sächsischen  Hei- 
niatliskunde  und  üeschidite ,  insbesondere  zum  ersten  Male  unter 
Berüclvsii  htigung  der  neuesten,  im  Freiberger  Berg-  und  Hütten- 
wesen getroffenen  technischen  Errungenschalten.  Dass  der  aus 
Berg-  und  Ilüttenbeamten  und  ans  Dozenten  der  Bergakademie  be- 
stehende rBergniännisclie  Verein'"  zu  Freiberg  die  Arbeit  in  die  Hand 
hat,  gereirlit  dem  Hnclie  nur  zur  Kinpfehlung. 
Die  Fülle  des  gebotenen  Stoßes  erhellt  am  besten  aus  dem 
nachstehenden  Inhaltsverzeichnis : 

A.  Bergbau.  I.  Oberbergrat  C.H.Müller:  Allgemeines  über 
die  natürlichen  Veiliältnisse  des  Freiberger  Bergreviers  (orogra- 
phische,  klimatische,  geologische  und  Erzlagerstätten-Verhältnisse). 
II.  Oberbergrat  V.  H.  Müller:  Geschichtliches  über  den  Freiberger 
Bergbau.  JII.  Betriebsdirektor  A.  Th.  Tittel,  Bergrat  C.  H.  Borne- 
mann, Berginspektor  C.  A.  Sickel  und  Betriebsdirektor  E.W.  Nenbert. 
Technische  Verhältnisse.  Grubenbetrieb  im  Allgemeinen.  StöUn 
Schachtanlagen.  Strecken,  Abbau,  Gewinnung,  Förderung  und  Wetter. 
Aulbereitung.  IV.  Betriebsdirektor  A.  Th.  Tittel:  Bergwerksbesitzer. 
Grubenverwaltung.  Revierverband.  Kevierinstitute.  Arbeiterver- 
hältnisse.  V.  Bergamtsdirektor  Leuthold  und  Professor  Stclzner : 
Staatsbehörden   und  Staatsanstalten   für    Bergbau   und  Hüttenwesen. 

B.  Hüttenwesen.  Oberbergrat  G.  Merbach:  Die  Freiberger 
Hütten.  Geschichtliches.  Muldener  Hütte.  Ilalsbrückner  Hütte. 
Schrotfabrik.  Hüttenlaboratorium.  Allgemeines  über  Betriebsumfang. 
Arbeiter  Verhältnisse,  Knappschaftskassen. 

Von  hervorragendem  historischem  Interesse  ist  ausser  dem 
Aufsatz  von  Professor  Stelzner,  welcher  Seite  223  flg.  im  ,\nschluss 
an  die  Arbeiten  von  Reich  die  Geschichte  der  Freiberger  Berg- 
akademie giebt  und  bis  zum  Jahre  l88;-5  fortführt,  und  ausser  der 
Abhandlung  von  Oberbcrgrath  Merbach,  in  welcher  in  summarischer 
Form  eine  Geschichte  des  Freiberger  Hüttenwesens  bis  zur  Errich- 
tung der  Generalscbmelzadministration  1710,  von  da  ausfülirlicher 
bis  zur  Gegenwart  geliefert  wird  (Seite  24:)  flg.),  insondciheit  der 
längere  Aufsatz  von  Oberbergrat  C.  H.  Müller:  „Geschichtliches 
über  den  Freil)erger  Berebau".  Auf  Grund  einer  sehr  verbreiteten 
Literaturkenntnis  und  speziell  unter  Benutzung  der  vom  Jahre  1524  an 
erhaltenen  Grnbenausbeuten  und  der  vom  Jalire  1529  an  vorhanderen 
gedruckten  Ausbeutbogen  wird  eine  Geschichte  der  einzelnen  Gruben 
geliefert,  die  jedesmalige  Ursache  des  Steigens  oder  Fallens  des 
jährlichen  Silberausbringens  entwickelt  und  so  auf  Grund  eines 
umfangreichen  statistischen  Materials,  von  dem  die  Benennungen 
der  Gruben  auch  sprachliches  Interesse  haben,  die  langbewährte 
Lebensfähigkeit  des  Freiberger  Bergbaues  gezeigt,  durch  wehdie  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  dem  Lande  circa  9  587  427  Pfund  Silber  im 
Gesamtwertlie  von  8.5.3  Vj  Millionen  Mark  Reichswiihrung,  ausserdem 
nicht  genau  bestimmbare  Mengen  von  Blei,  Kupfer  und  anderen 
Produkten  aus  den  Tiefen  des  Gebirges  zugeführt  worden  sind. 

Irrthümlich  wird  Seite  48  das  Jahr  1175  als  Gründungsjahr  der 
Stadt  Freiberg  angegeben.  Vgl.  hierüber  Hubert  Ermisch  im  Frei- 
berger ürkundenbuch  Band  I,  Seite  X.\.  Der  Verfasser  des  Theatrum 
Freibergense  wird  fälschlich  Moller  genannt,  während  er  in  Wahr- 
heit Möller  heisst  (vgl.  z.  B.  Ermisch  a.  a.  0.  S.  XIV,  Anm.  Kl).  Dem 
J)onatsthurm   gebührt  nicht   das  ihm  von  Müller  zugewiesene  Alter, 


Literatur.  267 

vgl.  Heucliler  in  den  Mittheilungen  des  Freiberger  Altertliumsvereins 
III,  ?01  flg. 

Als  abschliessend  kann  die  Abhandlung  Müllers  nicht  betrachtet 
werden.  Es  ist  mit  gutem  Grund  zu  hoffen,  dass  der  zweite  Band 
des  Freiberger  TJrkundenbuches  auch  für  die  ältere  Geschiclite  des 
Freiberger  Bergbaues  neues  Material  zugänglich  machen  wird.  I'as 
Verhältnis  des  Freiberger  Berg-  und  Hüttenwesens  zur  Stadtgeschichte 
Freibergs  wird  ebenfalls  nur  selten  berührt.  Aber  wie  jede  neuere 
wissenschaftliche  Arbeit  über  die  von  der  Geschichtsschreibung  un- 
serer Tage  nur  allzu  lange  vernachlässigte  Geschichte  des  Freiberger 
Bergbaues  hochwillkommen  ist,  so  auch  besonders  diese  gediegene 
Abhandlung  Müllers,  welcher  die  reiche  praktische  Erfahrung  des 
Verfassers   zu   besonderem  Vortheile  gereicht  hat. 

Zehn  Tafeln  mit  Karten  und  tabellarischen  Übersichten  erläutern 
das  ganze  von  der  Verlagsbuchhandlung  vortrefflich  ausi^estattete 
Werk.  Nur  ist  zu  bedauern,  dass  die  sehr  instruktive,  von  Ober- 
bergrath  H.  Müller  entworfene  Übersichtskarte  der  Gruben  und  Erz- 
gänge in  der  Umgegend  von  Freiberg  nicht  in  Übereinstimmuna;  mit 
der  geologischen  Spezialkarte  von  Sachsen,  bez.  der  Sektion  Freiijerg, 
im  Massstab  1  :?50no  (statt  1:3.3000)  angefertigt  ist. 

Freiberg.  Eduard  irleydenreich. 

Album  der  Burgen  und  Schlösser  im  Königreich  Böhmen.  Von 
Friedrich  Bernau.  Erster  Band.  Saaz,  Gebrüder  Butter.  1881. 
490  SS.     Querfolio. 

Bei  den  vielfachen  Beziehungen,  welche  das  ganze  Mittelalter 
hindurch  zwischen  den  Ländern  Meissen  und  Oberlansitz  einerseits 
und  zwischen  einzelnen  Herren  und  Kittern  Böhmens  andrerseits  be- 
standen, stösst  die  deutsche  und  speciell  die  sächsiche  Geschichts- 
forschung sehr  häufig  auf  böhmische  Oertlichkeiten,  besonders  Burgen, 
über  deren  Lage,  sowie  auf  Persönliclikeiten,  ülier  deren  Familien- 
verhältnisse sie  vergeblich  nach  Auskunft  umschaut.  In  dieser  Hin- 
sicht dürfen  wir  obiges  Werk  als  eine  wahre  Fundgrube  von  zu- 
verlässigen Nachrichten,  theils  über  oft  länsrst  in  Trümmer  zerfallene 
und  bis  auf  den  Namen  verschollene  Örtlichkeiten,  theils  über  ganze 
mächtige  Adelsgeschlechter  Böhmens  und  einzelne  hervorragende 
Persönlichkeiten  des  Landes  bezeichnen  und  dasselbe,  als  Ergebnis 
umfassendster  und  mühsamster  Detailstudien,  zur  Benutzung  empfehlen. 
Neben  dem  rein  historisclien  Zweck  verfolgt  aber  der  Verfasser  mit 
ganz  besonderem  Fleisse  auch  noch  den  kunsthistorischen  und  be- 
absichtigt „alle  heute  noch  als  Herrschafts-  oder  Amtssitze  und  auch 
die  sonstigen,  in  der  Regel  wenigstens  in  Resten  noch  dastehenden 
Burgen  und  die  anderweitigen  Schlossbauten  ,  soweit  solclie  künst- 
lerisches, archäologisches  oder  geschichtliches  Interesse  bieten,  in 
einer  Reihe  naturgetreuer  Abbildungen  nicht  nur  der  ganzen  Ülyekte, 
sondern  auch  einzelne  bemerkenswerthe  Partien  und  Bestandtheile 
derselben  zu  vereinigen".  So  enthält  denn  das  Werk  zahlreiche, 
von  B.  Kutina  in  Prag  nach  der  Natur  gezeichnete  Abbildungentheils 
ganzer  Burgen,  Schlösser  oder  deren  Ruinen  (in  Tondruck),  theils 
einzelner  Portale  derselben,  Bögen,  Capitäle,  Fensterkonstruktionen, 
Wappen  von  Besitzern,  Wandgemälde  und  sonstiger  Alterthümer 
(in  Holzschnitt).  Der  Historiker  findet  darin  nicht  nur  die  Reihen- 
folge der  Burgbesitzer,  sondern  häufig  ganze  Genealogien  alt- 
berühmter Ilerrengeschlechter.     Ein   sehr  sorgfältiges  Register    er- 


268  Literatur. 

k'iclitert  das  Siu  hen  nach  den  einzelnen  Ortlichkeiten,  Familien, 
Personen.  Wir  würden  uns  freuen,  wenn  diese  unsere  Anzeige 
dazu  l)eitra<ion  sollte,  auch  in  weiteren  Kreisen  dem  Werke  dank- 
bare Benutzung  und  tür  den  zweiten  Tlieil  zahlreiche  Abnehmer 
zuzuwenden. 

Dresden.  Knothe. 


Uebersicht   über   neuerdings  erschienene  Schriften  und 
Aufsätze   zur    sächsisch -thiiringischen   Geschichte    und 

Alterthumskunde. 


AnemüUer,  Ernst.  Sigebotus  verlorene  Vita  l'aulinae:  Wattenbachs 
Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichts- 
kunde Bd.  X  (1884)   lieft  1   S.  9—34. 

Bein,  Louis.  Die  Industrie  des  sächsichen  Voigtlandes.  Wirth- 
schaitsgesihichtliche  Studie.  Zweiter  Theil.  Die  Textil-Industrie. 
Leipzig",  Dunker  &  Humblot.    1884.  XII.  556  SS.  mit  24  Tabellen.  8". 

Biedermann,  K.  Zwei  berühmte  Leipziger  aus  dem  17.  Jahrhundert: 
Wi'Stermanns  .Monatsliefte  Bd.  ör,  (1884)  S.  36.3— :',70. 

Bode ,  W.  A.  Dürers  Bild  des  Kurfürsten  Friedrich  von  Sachsen, 
genannt  der  Weise:  Jahrbuch  der  KOnigl.  Preuss.  Kunstsamm- 
lungen Bd.  V  Heft  2  (1881)  S.  .57— ß2. 

1).,  F.  Ruformationsgeschichtliche  Guriosa.  Die  Flacianer-Kanone: 
Allgem.  ev.-luth.   Kirchenzeitung  1884  Xo.  27  S.  (527  Hg. 

Deumcr,  H.  Der  lechtliche  Anspruch  Böhmen-Österreichs  auf  das 
Königl.  Sachs.  Markgrafthum  Oberlausitz.  Eine  staatsrechtliche 
Deduction  unter  Benutzung  archivalischer  Quellen.  Leipzig,  Liebes- 
kind.    1881.      VlII.  79  SS.  8". 

Distel,  Th.  Arbeiten  der  Goldschmiede  Dietmar  Koett  (1 4(1(5),  Diet- 
rich Hültermaiin  und  Johann  Keser  (lö8''.),  Matthes  Karl  (1587), 
Georg  Beierla  und  Friedrich  Andres  (1602  flg.):  Zeitschrift  für 
Museologie  VII  (18S4)  Xo.  fi  S.  4.3. 

—  Jagdbeute  des  Kurfürsten  Johann  Georg  I.:  ebd.  Xo.  9  S.  68. 

—  Das  Reskript  wetzen  der  Sperlinge  an  der  Kreuzkirche  zu  Dres- 
den: ebd.  Xo.  lo'^S.  74  flg. 

—  Achtserkläruntr  Ernsts  von  Reihitzschs  (Beihilfe  beim  Strassen- 
raub  1555):  ebd.  Xo.  11   S.  83  flg. 

—  (jeschenke  Kurfürst  Augusts  zur  .\nibraser  Sjunmlung:  Zeitschr. 
für  bildende  Kunst  Bd.  XIX  (1884)  Heft  9  S.  .302  Hg. 

JJittrich,  Max.  General  von  Fabrice.  1834.  1.  Juli  1884.  Ein 
Lebensbild.     Dresden,  Warnatz  und  Lehmann.     1884.     59  SS.  8". 

—  Das  Königl.  Sachs.  1.  Ilnsarenretriment  Xo.  18:  AVissenschaftliche 
Beilage  der  Leipzigc^r  Zeitung  188  t  Xo.  26  S.  149—152. 

Franke.     Der  obersächsische  Dialekt.    (Programm  der  Realschule  zu 

Leisnig  1884.1     4:i  SS.  4». 
Friedensburg,   Walter.     Zur  Vorgeschichte  des  Gotha-Torgauischen 

Bündnisses  der  Evangelischen  1525 — 1526.    Mit  archival.  Beilagen. 

Marburg,  Ehvert.     1884.     2  BU.  140  SS.  8». 
Frydrychoioicz ,    Born.     Die    Vorgänge    zu    Thorn    im    Jahre    1724: 

Zeitschr.  d.  VVestpreuss.  Geschichtsvereins  Heft  XI  (1884)  S.  72—97. 


liiteratur.  269 

Genth,  Ad.  Zur  Badereise  des  Kurfürsten  August  vou  Sachsen  nach 
Eltville  im  Mai  1584::  Nachtrag  zu  dessen  Schrift  „Geschichte  des 
Kurortes  Schwalbach".  3.  Aufl.  Wiesbaden  1884.  S.  1—11  (vgl. 
desselben  Geschichte  des  Kurortes  Schwalbach.  3.  Aufl.  Wiesbaden 
1881.    S.  19—25). 

(Grässe.)  Zwei  unbekannte  Werke  des  Malers  E.  Dietrich:  Zeit- 
schrift für  Museologie  VII.  (1884)  No.  15  S.  116  flg. 

Gurlitt,  Com.  Sächsische  Förder-  und  Lehrstätten  des  Gewerbes: 
Gewerbeschau  (Sachs.  Gew.-Ztg.)  XVI  (1881)  No.  l  S.  2—5. 
No.  3  S.  18—22. 

—  Paul  Büchner.  Ein  Baumeister  der  Renaissance  (1531 — 1607): 
Deutsches  Kunstblatt  1884.     No,  1.3,  14.  S.  97—100,  105  flg. 

Hassel,  Faul.  Die  Grundzüge  der  Politik  des  Kurfürsten  Johann 
Georg  III.:  Wisseuschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1884. 
No.  38,  39  S.  221-224,  229—231. 

V.  Hirschfcld ,  Georg.  Geschichte  der  Sächsisch-Ascanischen  Kur- 
fürsten, ihre  Grabstätten  in  der  ehemaligen  Franziskaner-Kirche  zu 
Wittenberg,  die  Überführung  ihrer  Gebeine  in  die  dortige  Schloss- 
kirche und  die  Stammtafeln  ihres  Geschlechts:  Vierteljahrsschrift 
für  Heraldik,  Sphragistik  u.  Genealogie.  Jahrg.  XII  (1884)  Heft  2 
S.  215—308. 

Hultsch,  Frdr.  Zur  Erinnerung  an  Dr.  Chr.  Ernst  Aug.  Gröbel, 
Rector  der  lüeuzschule.  Gedächtnissrede,  in  der  Aula  der  Kreuz- 
si:hule  gehalten  am  28.  Jan.  1884.  Dresden,  Zahn  und  Jaensch. 
1»84.     31  SS.  8». 

Jacob,  Gurt.  Der  liistorische  Festzug  in  Torgau  am  12.  Novbr.  1883 
zur  Feier  des  400  jährigen  Geburtstages  Dr.  Martin  Luthers,  ent^ 
worfen  und  illustriert  von  W.  Wollschläger.  Im  .\uftrage  des 
Comites  herausgegeben  und  beschrieben.  Torgau,  Fr.  Jacob. 
1884.     44  SS.   15  Taf.  4». 

Jacobs,  Ed.  Geschichte  der  in  der  Preussischen  Provinz  Sachsen 
vereinigten  Gebiete.  4.-6.  Lief.  Gotha,  F.  A.  Perthes.  18^4.  S. 
241—480.  8". 

Jihn.  Der  Feldzug  1761  in  Schlesien  und  Sacbsen:  Mittheilungen 
des  k.  k.  Kriegs-Archivs.    Jahrg.  18^4  Heft  II  S.  125—194. 

Kaiverau,  G.  Der  Briefwechsel  des  Justus  Jonas.  Gesammelt  und 
bearbeitet  (A.  u.  d.  T. :  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen 
und  angrenzender  Gebiete.  Herausgegeben  von  der  historischen 
Kommission  der  Provinz  Sachsen.  Bd.  XVII.)  1.  Hälfte.  Halle. 
Hendel.    1884.     XVI.  447  SS.  8". 

Kliiikhardt.  Berieht  über  den  Stand  der  Gemeindeangelegenheiten 
der  Stadt  Reichenbach  i.  V.  in  dem  Jahre  1882,  nebst  einem 
geschichtlichen  Überblicke  über  die  Entwickelung  der  Stadt. 
(Reichenbach,  1883.)     2  Bll.  48  SS.   8». 

Knotlie,  Herrn  Die  Febde  der  Birken  von  Lämberg  mit  Kurfürst 
Friedrich  dem  Sanltmüthigen  von  Sachsen  :  Mittheilungen  des  Nord- 
böhmischen Excursions-Clubs.     VH  (1884)  S.  177—182. 

Koch,  Ernst.  Triller- Sagen.  Ein  Beitrag  zur  urkundlichen  Ge- 
schichte des  sächsischen  Prinzeiiraulies  und  seiner  Wirkungen. 
I.  Teil,  nie  vermeintliche  Abstammung  der  Saalfeld  -  Sanger- 
häusischen  und  anderer  Triller  von  dem  Retter  des  Prinzen 
Albrecht.     Meiningen,  Keyssuer.    1884.    XVL  111  SS.  8». 

Lindau,  M.  B.  Geschichte  der  Königl.  Haupt-  und  Residenzstadt 
Dresden    von    den   ältesten  Zeiten   bis   zur    Gegenwart.     2.  verb. 


270  Literatur. 

Aufl.  Mit  molneren  colorirten  AbbikUuigen,  zahlreiclien  Illustra- 
tionen in  Lichtdruck,  Karten  und  Plänen.  Lief.  1 — 4.  Dresden, 
K.  V.  Grumbküw.     1884.     S.   1—208.  8«. 

Ijvhe,  J.  und  Lohe,  J£.  Geschichte  der  Kirchen  und  Schulen  des 
lierzogthnnis  Sachsen-Altciihnrg  auf  Grund  der  Kirchen -Galerie 
bearbeitet.     1.  Lief.     Altenbnrg,  Bonde.    1884.     «4  SS.  8». 

Mnchatschek,  Ed.  Geschichte  der  Bischüle  des  Hochstiftes  Meissen 
in  chronologischer  Reihenfolge.  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Kultur- 
]feschichte  der  Mark  Meissen  und  des  Herzog-  und  Kurfursten- 
thums  Sachsen.  Nacii  dem  „Codex  diploniaticus  Saxoniae  regiue", 
anderen  glaubwürdigen  Quellen  und  bewährten  Geschichtswerken. 
Dresden,  C.  C.  Meinhold  u.  Söhne.    1884.     4  Bll.  846  SS.  8». 

V.  Mansherg.  Staats-  und  Heerwesen  der  Republik  Polen  zur  Zeit 
der  Konigswahl  Augusts  II.  Kurfürsten  von  Sachsen  1697:  Wissen- 
schaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1884  No.  49,  öO  S.  290—292, 
293  —  297. 

(I\4zholdt,  J.)  Aus  dem  Korrespondenzkreise  von  Theologen  mit 
dem  König  Johann  von  Sachsen  (Fortsetzung  und  Schluss); 
Neuer  Anzeiger  für  Bibliographie  1884.  Heft  4—6  S.  133— l.^g, 
169—171,   189—194. 

Richter,  Bernh.  Über  Konrektor  Moritz  Döring,  den  Dicliter  des 
Bergmannsgrusses.  Ein  Beitrag  zur  sächs.  Dichter-  und  Ge- 
lehrtengeschichte. Freiberg,  Graz  &  Gerlacii  (Komm.).  1884. 
52  SS.  4«. 

Böäselmülhr,  A.  W.  Gottfried  Arnold  als  Kirchen -Historiker, 
Mystiker  und  geistlicher  Liederdichter.  (Programm  der  K.  Real- 
schule L  0.  zu  Annaberg).     Annaberg.     1884.     34  SS.  4». 

Bothe,  L.  Historische  Nachrichten  von  der  Stadt  Zeitz.  2.  Heft. 
Zeitz  (Langenberg).     l884.    133  SS.  8». 

Schlomku,  Ernst.  Kurfürst  Moritz  und  Heinrich  H.  von  Frankreich 
von  1550  bis  1552.     Halle,  Niemeyer.     1884.     46  SS.  8». 

Schneider,  Ulrich.  Aus  dem  Vogtland.  Eine  alte  Stadtrechnung 
[von  Scliöneck]:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leijiziger  Zeitung 
1884  No.  40  S.  236—238. 

üchnorr  von  Carolsfeld,  Franz.  Katalog  der  Handschriften  der 
Königl.  ööentlichen  Bibliotliek  zu  Dresden.  Im  Auftrage  der 
Generaldirtiktion  der  Königl.  Sammlungen  für  Kunst  und  Wissen- 
schaft bearbeitet.  Zweiter  Baiul  (enthaltend  die  Abteilungen  J— M). 
Leipzig.  Teubner.     1883.     VIII.  588  SS.  8». 

üchottin,  lieinJt.  Die  Slaveu  in  Thüringen  (Progr.  des  Gymnas.  zu 
Bautzen. j     Bautzen  1884.     28  SS.  4». 

Sckwcrtfeger ,  0.  König  Johann  von  Sachsen  als  Vorkämpfer  für 
Wahrheit  und  Recht.  Reden  und  Sprüche  aus  20  Jahren  Seines 
parlamentarischen  Wirkens.  Sachlich  geordnet  und  erläutert, 
auch  mit  Verzeichniss  der  Prinzlichen  Referate  und  Separatvota, 
sowie  einem  Anhange  „Zeitgenössischer  Urtheile-  vers.  u.  heraus- 
gegeben.    Dresden,  Warnatz  u.  Lehmann.    1884.    XV.  224  SS.  8». 

Sichert,  Jos.  Über  den  Streifzug  Tliielmann's  im  Feldzuge  1813. 
Nach  Acten  des  k.  k.  Kriegs- Archivs:  Mitteilungen  des  k.  k. 
Kriegsarchivs.     Jahrg.  1883.     S.  180— 205. 

Steche.,  R.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  K.  Staats- 
regierung herausgegeben  vom  K.  Sächsischen  Altertliumsverein. 
Drittes  Heft:  Amtshauptmannschaft  Freiberg.  Dresden,  C.  C. 
Meinhüld  u.  Sohne.     1884.     129  SS    8». 


Literatur.  271 

V.  Süssmilch,  M.  Wanderungen  im  Erzgebirge:  Wisseuschaftl.  Bei- 
luge der  Leipz.  Zeitung  ISS-i.  N0/16— 18  S.  89—92,  97  —  100, 
101—106.     No.  GO— 64  S.  355—358,  361—367,  373—380. 

Theile.  Der  Brunnen  der  Burg  Stolpen:  Über  Berg  und  Thal  YII 
(1884)  No.  6  S.  23-5-240. 

ThürJieim,  Graf  A.  Eine  Denkschrift  des  österreichischen  Ge- 
schäftsträgers am  chursächsischen  Hofe  zu  Dresden  Freiherrn 
Franz  Leopold  von  Metzburg  au  Kaiser  Josef  II. :  Mittheilungen 
des  Instituts  für  Österreich.  Geschichtsforschung  Bd.  V  (1884) 
Heft  3  S.  410—4.38. 

Weissenhorn,  J.  G.  Herrn.  Acten  der  Erfurter  Universität.  (A.  u. 
d.  T. :  Geschichtsijuellen  der  Provinz  Sachsen  und  angrenzender 
Gebiete.  Herausgegeben  von  der  historischen  Kommission  der 
Provinz  Sachsen.  Bd.  VIII).  II.  Theil.  Mit  vier  in  Farbendruck 
wiedergegebenen  Bildern  und  Wappentafeln.  Halle,  Hendel.  1884. 
XX,  560  SS.  4». 

Wenck,  K.  Zur  Entstehungsgeschichte  der  Reinhardsbrunner  His- 
torien u.  der  Erfurter  Peterschronik:  Wattenbichs  Neues  Archiv 
d.  Gesellsch.  f.  ältere  deutsche  Geschichtsk.  Bd.  X  (1884)  S.  95—1.38. 

Wendt,  Geo.  Die  Germanisierung  der  Länder  östlich  der  Elbe. 
Teil  I.  780  —  1137.  (Beilage  zum  Programm  der  Kgl.  Ritter- 
Akademie  zu  Liegnitz.)     Liegnitz.    1884.     91   SS.  8". 

Wildeuhahn,  J.  Vortrag  über  Christian  Felix  Weisse  aus  Anna- 
berg.    Annaberg,  Graser.     1884.     39  SS.  8». 

Wülcker,  lernst.  Luthers  Stellung  zur  kursächsischen  Kanzleisprache: 
Germania.    Neue  Reihe.  XVI.  (XXVHI.)  Jahrg  (1883)  S.  191—214. 

—  Reichstag  und  Reichsregiment  zu  Anfang  der  Reformationszeit: 
Preussische  Jahrbücher  Bd.  LIII  (1884)  Heft  4  S.  335—360. 

W [ustmann] ,  G.  Das  Freischiessen  zu  Leipzig  im  Juli  1559. 
Nach  einem  gleichzeitigen  amtlichen  Bericht  zum  erstenmale 
herausgegeben.     Leipzig,  E.  A.  Seemann.     1884.     VI.   63  iSS.  8". 

Altes  und  Neues  aus  dem  kirchliciien  Leben  der  Parochien  Altmitt- 
weida,  Crossen,  Erlau,  Frankenau,  Mittweida,  Ottendorf,  Ringe- 
thal, Rossau,  Seifersbacli,  Tanneberg.  Den  Gemeinden  darge- 
boten von  ihren  Geistlichen.     Frankenberg   1883.     32  SS.  8". 

Die  landeskundliche  Litteratur  für  Nordthüriiigen,  den  Harz  und 
den  provinzialsächsischen  wie  anhaltisciien  Tiieil  an  der  nord- 
deutschen Tiefebene.  Herausgegeben  vom  Verein  für  Erdkunde 
zu  Halle.     Halle,  Tausch  u.  Grosse.     1884.     174  SS.  8». 

Die  Feier  des  175.  Jahrestages  vom  Eintritt  des  Sächsischen  4.  In- 
fanterie-Regiments No.  103  in  Sächsische  Dienste:  Allgemeine 
Militär-Ztg.     1884.     No.  54  S.  425—427. 

Die  150jährige  Jubiläumsfeier  des  Königl.  Sachs.  1-  Husaren-Regi- 
ments No.  18.  AUgem.  Militär -Ztff.  ]b84  No.  31  S.  241—244 
(vergl.  No.  38  S.  297—299). 

Festschrift  zur  hundertjährigen  Jubelfeier  der  Erziehungsanstalt 
Schnepfenthal  1884.    Leipzig;  (Brockhaus).  1884.  VIII.  255  SS.  fol. 

Geschichte  von  Cabarz  und  Tabarz  mit  dem  Iiiselsberg.  2.  Auti. 
Friedrichroda  1883.     80  SS.  12». 

Nachrichten  über  Penig.  Zur  Erinnerung  an  die  vor  fünfzig  Jahren 
erfolgte  Einführung  der  allgem.  Städteordnuug  in  Penig.  Penig 
1883.     68  SS.  8». 

Zum  50jährigen  Dienstjubiläum  des  Generals  der  Kavallerie  von 
Fabrice.     Militär-Wochenblatt  1884  No.  55  Sp.  10D9— 1104. 


272  Literatur. 

Mittheüunqcn ,  Neue ,  aus  dem  Gebiete  historisch  -  antiquarischer 
Forschungen.  Im  Nann^n  des  mit  der  k.  Universität  Halle- 
Wittenberg  verbundenen  Tluiringiscli  -  Sächsischen  Vereins  für 
Erforschung  des  vaterländischen  Alterthums  und  Erhaltung 
seiner  Denkmale.  Herausgegeben  von  dem  Sekretär  desselben 
J.  0.  Opel.     Bd.  XVI.     Halle  188.3.  S». 

Inhalt:  Nande,  Die  Fälschung  der  ältesten  Reinhardsbrunner 
Urkunden.  Burkluirdt,  Regesten  zur  Geschichte  der  Stadt  Weimar. 
Küstermann,  Altgeographische  und  topographische  Streifzüge 
durch  das  Horhstift  Merseburg.  Mitzschke,  Erdmann  Xeunieister 
und  sein  Bibraischer  Brunnengast.  Hirt,  Zur  Geschichte  der 
K.  privilegierten  Zeitungen  in  Halle.  Grössler,  Wo  sassen  die 
Weriner  iler  lex  Tluiringorum  und  die  ihnen  benachbarten 
Ileruler?  ü.  Küstermann,  Urkundliche  Nachrichten  über  Merse- 
burger Kapellen  und  Kirchen.  Rothc,  Die  theatralischen  Auf- 
führungen  der   Stiftsscbüler   zu   Zeitz    im   10.,    17.  u.  18.  Jahrb. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Auhaltische  Geschichte  und  Alter- 
tJiumskunde.     Band  III.   Heft  9.     Dessau,  1884.  8". 

Inhalt:  Becker,  Geschichte  des  Dorfes  Wilsleben  (Schluss). 
lireymann,  Mittheihingen  über  die  Klosterkirche  in  Ilecklingen. 
Hosäus,  Kürst  Johann  Georg  II.  von  Anhalt-Dessau  vor  Wien. 
Gröpler,  Verzeichnis  derjenigen  Bücher,  welche  aus  der  Gern- 
roder  Stiftsbibliothek  in  die  frühere  Bernburger  Landesbiblinthek 
und  aus  letzterer  in  die  gegenwärtige  Anhaltische  Behörden- 
bibliothek zu  Dessau  übergegangen  sind.  K.  Schulze,  Schrift- 
stücke aus  dem  Archive  der  Stadt  Gernrode.  Hosäns,  Poetische 
Findlinge,    v.  Röder,  Einiges  über  die  Harzgeroder  Schützengilde. 

Dasselbe  Bd.  IV.    Heft  1.     Dessau  1884.  8«. 

Inhalt:  Stier,  Regesten  aus  Lutluus  Briefen,  Anhalt  u.  dessen 
Fürsten  betr.  Krause,  Diederich  von  dem  Werder.  Hosäus, 
Aus  den  Briefen  Friedrich  Johann  Kochlitz'  an  Friedricii  Schneider. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichts-  und  AUertJiumsknnde  zu 
Kahla  und  lioda.     Zweiten  Bandes  4.  Heft.     Kahia    i-81.  8". 

Inhalt :  Dr.  Lobe,  Die  adeliche  Familie  der  Puster.  Lobe, 
Sup.,  Die  Grafen  von  Ürlamünde.  Lommer,  Das  Wappen  der 
Grafen  von  ürlamünde  und  ihrer  Städte  ürlamünde,  V^'eimar 
und  Magdala.  Dietrich,  Zur  Geschichte  des  Pietismus  in  unse- 
rem Herzogthunie.  Dr.  Lobe,  Beitrag  zur  Gesidiicbte  des  Wein- 
baues in  unserm  Westkreise  vor  der  Mitte  des  H>.  Jabrlmnderts. 
Lobe,  Sup.,  Die  Gottesackerkirclie  in  Kahla.    Kleine  Mittheilungen. 

Mittlieilnngen  vt'Vi  Freihcrqer  AltertJimnsverein.  Herausgegeben 
von  Heinrich  Gerlach.  Heft  2().  IS^H.  Mit  Bildern  aus  Frei- 
bergs Vergangenheit.     Freiberg  i.  S.  1884.  8". 

Inhalt:  Bartsch,  Die  säihsischen  Klcideronlnungen  unter  Be- 
zugnahme auf  Freibcrger  Verhältnisse.  Hingst,  Ein  Freiberger 
Steuerregister  aus  dem  J;ihre  l.'>16  (^ScliUiss).  Heydenreicli,  Das 
Freiberger  Urkundenbucb.  Knauth ,  Die  Sage  von  Tristan  und 
Isolde  und  ilire  p;ietische  Behandlung,  insbesondere  durch 
Heinrich  von  Freiberg.  Gerlacli,  Bilder  aus  Freibergs  Ver- 
gangenheit (No.  2  und  3.  Beschert  Glück  Fundgrube  und  das 
Halsbrückner  Amalgamierwcrk  18.30). 


VIII. 


Magdeburgs  Belagerung 
durch  Moritz  von  Sachsen  1550—1551, 


Von 

S.  Issleib. 

(Scbluss.) 


Kurfürst  Moritz  nahm  infolge  des  glücklichen  Ver- 
dener Feldzuges  eine  vortheilhafte ,  ja  bedeutende  Stel- 
lung ein.  Seine  diplomatische  Gewandtheit  und  seine 
kriegerische  Entschlossenheit  hatten  ihm  in  Monatsfrist 
das  politische  und  militärische  Übergewicht  in  Nord- 
deutschland verschafft;  sein  Ansehen  hatte  an  Stärke  und 
seine  Lage  an  Sicherheit  gewonnen.  Die  angestrengten 
Bundesunternehmungen  waren  gelähmt,  die  Kraft  der 
geheimen  Praktiken  gebrochen,  und  die  Hoffnung  der 
Magdeburger  auf  Entsatz  lag  darnieder.  Mit  verstärkten 
Truppen  umlagerte  der  Kurfürst  in  der  Würde  eines 
Reichsfeldherrn  Magdeburg,  des  Reiches  Schwert  als 
schneidige  Waffe  gegen  jedermann  mit  festem  Griffe  in 
der  Hand  haltend.  Gemindert  war  für  ihn  die  drückende 
Fülle  unbequemer  Schwierigkeiten,  hoffnungsvoller  und 
entschiedener  konnte  er  seinem  Ziele  zusteuern. 

Unmittelbar  nach  der  Rückkehr  in  das  Feldlager 
vor  Magdeburg  verwies  der  Kurfürst  die  entnommenen 
sieben  Fähnlein  niederländischer  Knechte  mit  den  350 
Reitern  wieder  in  die  Neustadt.  Die  drei  Fähnlein  ober- 
ländischer Knechte,  welche  während  des  Verdener  Zuges 
in   der  Neustadt  gelegen    hatten,    zogen    mit    den  sieben 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     V.  i.  18 


274  S.  Issleih: 

Fähnlein  neugcworbener  Knechte  und  mit  300  Reitern  in 
das  freie  Fehl,  um  unweit  Grossottersleben  zwischen  den 
beiden  schon  bekannten  Blockhäusern  ein  Lager  auf- 
zuschlafjen. 

^laodeburo;  sollte  nunmelir  auf  ernste  Weise  be- 
drängt  zu  erfolgreicher  Verhaudhuig  gezwungen  werden. 
Aber  vor  der  Hand  hinderte  eine  dreiwöchentliche  grim- 
mige Kälte  am  Baue  neuer  Blockhäuser  und  Schanzen^), 
und  Mitte  Februar  richtete  ein  mächtiges  Hochwasser 
mit  Treibeis  grossen  Schaden  im  Lager  an.  Erst  Anfang 
März  konnten  die  Arbeiten  wieder  beginnen.  Dann  wurde 
eine  grosse  Schanze  mit  Blockhaus  beim  Rottersdorfer 
Teiche  nach  Lemsdorf  zu  angelegt  und  eine  zweite  bei 
den  Steinkuhlen  (oder  Steingruben)  in  der  Nähe  von 
Schrotdorf  in  Angriff  genommen.  Der  früher  begonnene 
Laufo-raben  mit  hohem  Schutzwalle  von  der  Buckauer 
Schanze  nach  der  Neustadt  "wurde  fortgesetzt  und  der 
Plan  gefasst,  die  Elbe  ober-  und  unterhalb  der  Stadt  ab- 
zusperren. 

Ob  die  Ausführung  aller  Entwürfe  aber  nöthig  sei, 
und  ob  der  Kurfürst  die  Leitung  der  Belagerung  bis  zur 
Einnahme  der  Stadt  behalten  werde,  hing  von  den  Ver- 
handlungen mit  Älagdeburg  und  von  den  Vereinbarungen 
mit  den  „Bundesfürsten"  ab.  Fassen  wir  beide  Punkte 
näher  ins  Auge! 

Die  Anstrengungen,  welche  Moritz  vor  dem  Verdener 
Zuge  machte,  um  sich  Markgrafen  Hans  und  seinem  An- 
hange zu  nähern,  hat  man  für  „Spiegelfechterei"  gehalten; 
aber  sie  waren  es  nicht.  Auch  nach  der  Zertrennung 
des  Gardliaufens  blieb  der  Kurfürst  entschlossen,  sich 
vom  Kaiser  loszusagen  und  mit  jenen  zu  verständigen. 
Freilicli  war  Moritz  wie  kein  anderer  bedacht,  den  Über- 
gang aus  dem  einen  in  das  andere  Lager  mit  grösster 
Vorsicht  zu  vollziehen.  Zunächst  kam  es  ihm  darauf  an, 
über  seine  Person  und  über  die  Bclagerungstruppen  zur 
rechten  Zeit  frei  verfügen  zu  können. 


')  Anfang  Februar  war  die  alte  Elbe  so  hart  zugefroren,  dass 
die  P'.isdecke  die  schwersten  Lastwagen  trug.  Diesen  Umstand  be- 
nutzten die  Städter,  um  die  Belagenmgsmannschaft  auf  dem  rechten 
Elhufcr  im  JJlockhause  und  im  Dorfe  Krakau  unaufhörlich  zu  be- 
lästigen. Zu  ihrem  Schutze  musste  Moritz  ein  Fähnlein  aus 
AVittenberg  und  eins  aus  Leipzig  heranziehen  und  später,  als  sich 
die  Verstärkung  unzureicliend  erwies,  noch  zwei  Fähnlein  vom 
linken  Flbufer  an  die  gefährdete  Stelle  senden. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  275 

Das  kaiserliche  Schreiben  vom  27.  Dezember  1550^) 
hatte  ihm  das  Amt  eines  Reichsfeldherrn  für  die  ganze 
Dauer  der  Belagerung  übertragen;  allein  der  Kurfürst 
wollte  sich  seiner  Pläne  wegen  auf  unbestimmte  Zeit 
nicht  mehr  binden.  Von  Neustadt  an  der  Leine  aus  er- 
klärte er  (am  14.  Januar  1551),  die  Würde  eines  Reichs- 
feldherrn „über  die  allbereit  drei  verlaufenen  Monate  nur 
noch  drei  Alonate  übernehmen  zu  wollen",  so  lange  habe 
ihm  das  Kriegs volk  geschworen  und  so  lange  habe  er  für 
seine  Person  Zahlung  zugesagt.  Beachten  wir  weiter!  In 
dieser  Zeit  sollte  auch  zur  Verhütung  umständlicher  Schwie- 
rigkeiten nichts  am  Dienstverhältnisse  der  Knechte  und 
Reiter  geändert  und  kein  neuer  Eid  auf  Kaiser  und 
Reich  geleistet  werden^).  Ihm  verpflichtet  sollte  die 
Mannschaft  für  Kaiser  und  Reich  kämj)fen,  und  von  ihm 
sollte  sie  aus  Reichsmitteln  Zahlung  erhalten.  In  drei 
Monaten  also  wollte  der  Kurfürst  frei  sein  von  kaiser- 
lichen Verpflichtungen;  in  dieser  Zeit  hoffte  er  zur  Einig- 
ung mit  den  verbtlndeten  Fürsten  und  zur  Erledigung 
der  magdeburgischen  Angelegenheit  gelangen  zu  können. 

Hinsichtlich  Magdeburgs  hatten  sich  schon  vor  Ver- 
den brauchbare  Fäden  in  die  Hand  des  Kurfürsten  ge- 
legt. Ein  gemeinsames  Gesuch  der  drei  Städte  Hamburg, 
Lübeck  und  Lüneburg,  in  welchem  sie  um  gütliche  Ver- 
handlung warben,  war  am  26.  Dezember  1550  einge- 
laufen*). Durch  die  genannten  Städte  ersucht,  hatten 
sich  auch  die  Herzöge  Heinrich  und  Johann  Albrecht 
von  Mecklenburg  und  Markgraf  Hans  von  Brandenburg 
zu  Magdeburgs  Gunsten  an  Moritz  gewendet*).  Damals 
lud  der  Kurfürst  die  Vertreter  der   drei   Städte    in    das 


^)  Loc.  10189,  Summarischer  Auszug  etc.,  Bl.  140.  Vergl.  in 
dieser  Zeitschrift  V,  218. 

*)  Der  Kaiser  wünschte  Vereidigung  des  Kriegsvolkes  auf  Kaiser 
und  Reich.     S.  Brief  Loc.  10  189.  Bl.  140. 

*)  Loc.  9151,  III,  Bl.  1  flg.  Das  Gesuch,  datiert  vom  LS.  De- 
zember, an  Moritz  und  den  Kurfürsten  Joachim  von  Brandenburg  ge- 
richtet, war  von  Lüneburg  aus  über  Magdeburg- Neustadt  befördert 
worden. 

*)  Der  Brief  der  Herzöge  von  Mecklenburg,  datiert  Güstrow  am 
heiligen  Christtage  1550,  erreichte  den  Kurfürsten  am  8.  Januar 
1551.  Der  Brief  des  Markgrafen  liegt  nicht  vor,  aber  aus  dem 
Schreiben  Lippolds  von  Klitzing  (Loc.  9151,  III,  Bl.  m,  datiert  Gross- 
salza  am  7.  Januar  1551)  geht  hervor,  dass  auch  er  mit  Wissen 
Magdeburgs  gütliche  Verhandlung  vorgeschlagen  hat.  Am  16.  Januar 
bat  Hannover  für  Magdeburg  (Bl.  59).     Vergl.   Druffel  I,  No.  560. 

18* 


276  S.  Issleib: 

Feldlager  vor  Verden  ein.  Er  wollte  mit  ihnen  ver- 
handeln, „doch  so,  dass  kaiserlicher  Majestät  und  den 
Reichsständen  nicht  vorgegriftcn  werde".  Darauf  baten 
die  Abgeordneten  der  Städte  um  eine  Malstatt  in  der 
Nähe  INIagdeburos,  auf  der  auch  der  Kurfürst  von  Branden- 
burg erscheinen  könne,  und  Kurfürst  Moritz  war  bereit, 
sich  mit  Joachim  ins  Einvernehmen  zu  setzen. 

Nach  seiner  Rückkehr  in  das  Lager  vor  Magdeburg 
berief  er  dann  mit  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  im 
Interesse  Magdeburgs  die  hundclsbereiten  Fürsten  und 
Städte  zu  einer  Tagsatzung  zusammen.  Kaum  jedoch  war 
dies  geschehen,  so  erschien  „ein  Buch",  höchst  anzüglich 
gegen  den  Kurfürsten  von  Sachsen*^).  Der  gehässige  In- 
iuiit  der  unzeitigen  Flugschrift  erregte  den  Zorn  des  schwer 
beleidigten  Fürsten;  auch  Joachim  von  Brandenburg 
tadelte  das  „Machwerk"  bitter  und  scharf,  Markgraf  Hans 
rühmte  es  nicht,  und  „alle  verständigen  Leute  meinten, 
dass  der  heilige  Geist  der  Dichter  des  Buciies  nicht  ge- 
wesen sei".  Um  nun  auf  Magdeburg  einen  strafenden 
Druck  auszuüben,  Hessen  die  Kurfürsten  die  anberaumte 
Zusammenkunft  wieder  abschreiben.  Die  Annäherungs- 
versuche zwischen  den  Fürsten  Avurden  jedoch  nicht  auf- 
gegeben; trotz  der  herrschenden  Verstimmung  behielt 
man  „die  höheren  und  nöthigeren  Sachen  im  Auge''. 

Rühmliche    Tiiätii^keit    entfaltete    damals    Hans    von 


't~i 


Heideck    und   der   kurbrandenburiiische   Vertraute    Adam 


ö' 


Trott'),  um  eine  persönliche  Begegnung  des  Kurfürsten 
Moritz  und  des  Markgrafen  Hans  zu  W(;ge  zu  bringen. 
Seitdem  der  Kaiser  durch  Nikolaus  von  Könneritz  (an- 
fangs   Januar)^)    den   Markgrafen    von    „geheimen,    auf- 

*)  Das  „Buch''  hat  sich  bis  jetzt  in  Dresden  nicht  finden  lassen. 
Aus  dem  Schreiben  Sclnvendi's  an  Moritz  vom  5.  März  1551  (Loc.  i»151, 
III,  Bl.  IBfi)  ist  aber  zu  ersehen,  (biss  Moritz  seines  kurfürstlichen 
Titels  für  unwürdig  erachtet  und  beschuldigt  wurde,  er  habe  seinen 
Vetter  und  Vater,  den  lobliclien  und  treuen  Kurtursten,  wider  alle 
menschlichen  und  natürlichen  Rechte  von  Land  und  Leuten  ver- 
trieben. Der  „Dichter  des  Schandbuches"  unterstand  sich,  die  kur- 
fürstlichen Unterthanen  zu  verlietzen  und  zum  Ungehorsam  aufzu- 
fordern. Er  schalt  die  Wittenberger  Theologen  und  nannte  sie 
,Morizianer",  welche  einer  neuen  Ketzerei  anhängig,  ihr  Amt  un- 
recht gebrauchten  und  ihrem  Herrn  die  "Wahrheit  nicht  sagen 
dürften;  ihrer  keiner  habe  den  Kurfürsten  zur  Rede  gesetzt,  dass  er 
seinem  Vetter  und  Bruder  Land  und  Leute  wider  Gott  und  Recht 
vorhalte  etc. 

')  Loc.  9151,  lir,  Bl.  124;  Joh.  Voigt,  Fürstenbund  107. 

»)  Druffel  I,  No.  5(50,  563,  5r,7. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   277 

rülirerischcn  und  lanclfriedbrüchigen  Praktiken"  unter 
Androhung-  „schwerer  Ungnade"  abgemahnt  und  „Ge- 
horsam wie  in  weltlichen  so  auch  in  geistlichen  Dingen" 
gefordert  hatte,  seitdem  bekämpfte  er  sein  Misstrauen 
gegen  IMoritz  und  war  endlich  gewillt,  sich  ihm  auf 
Grund  der  vielfachen  Erbietungen  und  Betheuerungen  zu 
nähern. 

Sicher  geleitet  erschien  Marko-raf  Hans  am  20.  Fe- 
bruar  1551  in  Dresden*).  Hauptzweck  der  Zusammen- 
kunft war  die  Bundessache;  die  magdeburgische  Ange- 
legenheit bildete  nur  das  äussere  Gewand,  welches  die 
bedeutungsvollen  geheimen  Verhandlungen  der  Öffentlich- 
keit verhüllte.  Unter  vier  Augen  im  Gemache  allein  er- 
öffneten sich  beide  Fürsten  einander  überaus  vorsichtig  und 
zögernd.  Nach  längerem  Zwiegespräche  aber  handels- 
einig, verständigten  sie  sich  über  Vertheidigung  der 
Religion  und  der  Freiheiten  des  Reiches,  über  Befreiung 
der  gefangenen  Fürsten  und  Beilegung  des  magdeburgi- 
schen Krieges.  Gegenseitige  Verpflichtungsurkunden  wur- 
den ausgestellt'").  Kurfürst  Moritz  versprach  in  der 
seinigen  (am  20.  Februar),  dem  augsburgischen  Bekennt- 
nisse treu  bleiben,  gegen  das  tridentiner  Konzil  mit  andern 
Fürsten  und  Ständen  protestieren,  zur  Erhaltung  der 
wahren  Religion  augsburgischer  Konfession  und  zum 
Schutze  der  deutschen  Freiheit  in  ein  Defensivbündnis 
sich  einlassen  und  durch  Eid,  Brief  und  Siegel  verpflichten 
zu  wollen.  Er  war  entschlossen,  den  kaiserlichen 
Dienst  zu  verlassen  und  sich  nach  Verlauf  der  drei 
noch  bindenden  Dienstmonate  (welche  in  sechs  Wochen 
endeten)  weder  dem  Kaiser,  noch  dem  römischen  Könige 
weiter  zu  verpflichten,  vorausgesetzt,  dass  die  jungen 
Herren  von  Weimar  sich  mit  ihm  und  anderen  Poten- 
taten, Fürsten  und  Ständen  zu  Gunsten  ihres  Vaters  ein- 
lassen und  ihre  Irrungen  zu  gebührlichem  Austrage 
stellen  würden ^^).    Magdeburg  sollte,  sofern  es  die  früher 


*)  Log.  7281,  Französische  Verbundnisse,  Bl.  40;  Job.  Voigt, 
Fürstenbund  110;  v.  Langenn  I,  467;  Ranke  V,  150.  Die  Unter- 
redung der  Fürsten  ist  auf  den  20.,  nicht  auf  den  27.  Februar  zu 
setzen,  wozu  v.  Langenn  IT,  323  verleiten  könnte.  Vergl.  Joh. 
Voigt,  Anmerkung  194 

'")  Loa.  7277.  Marggrafien  Johannsen  hendel  mit  Churfürst 
Moritzen  a.  1548—53,  Bl.  3,  5,  abgedruckt  bei  Druffel  I,  No.  586/87. 

")  Woldemar  Wenck,  Kurfürst  Moritz  und  die  Ernestiner 
in  den  Jahren  1551  und  1552,  in  den  Forschungen  zur  dentschen 
Geschichte  XIl,  3  (1872). 


278  S.  Issleib: 

gestellte  kaiserliche  Kapitulation  oder  einen  vom  Mark- 
grafen vorgt'sclila^enen  Vertrag  anneinnen,  aber  den 
Kaiser  damit  nicht  mehr  zufrieden  stellen  würde,  nicht 
verlassen  und  bei  der  wahren  Religion  geschützt  werden. 

Eine  ähnliche  Obligation  stellte  tags  darauf  Markgraf 
Hans  aus.  Vor  allen»  übernahm  er,  die  Ernestiner  und 
Albertiner  auszusöhnen  und  die  Herzöge  von  Weimar 
für  das  Bündnis  zu  gewinnen,  mit  den  Herzögen  von 
Mecklenburg,  Preussen,  Pommern  und  anderen  Fürsten 
zu  verhandeln  und  nach  eingeholter  Zustimmung  in  ihrem 
Namen  mit  Moritz  abzuschliessen.  Hans  von  Hei  deck 
sollte  bei  diesen  Verhandlungen  als  Unterhändler  ge- 
braucht'■')    und   Frankreichs    Beistand   erworben   werden. 

Am  21.  Februar  schritten  auch  die  Rdthe  beider 
Fürsten  zur  Vereinbarung  der  Vertragsartikel,  welche 
INIarkgraf  Hans  den  Magdeburgern  zur  Annahme  vor- 
schlagen sollte^  ^).  Die  Räthe  des  Markgrafen  legten  zwei 
Entwürfe  vor:  die  kaiserliche  Kapitulation  in  milderer 
Form  und  eine  Wiederholung  der  am  28.  Oktober  1550 
im  Feldlager  vor  Magdeburg  ausgearbeiteten  Vorschläge^  ^), 
nur  insofern  abgeändert,  als  die  stiftischen  und  städtischen 
Schäden  gegeneinander  aufgehoben,  das  Kriegs volk 
so  schnell  als  möglich  beurlaubt  und  keine  Besatzung 
in  die  Stadt  gelegt  werden  sollte.  Die  sächsischen  Räthe 
verlangten  ganz  besonders,  es  sollten  die  Magdeburger 
das  hohe  Misstrauen  aufgeben,  die  Veröffentlichung  und 
Verbreitung  von  Schmähbüchern,  Liedern  und  Gemälden 
verbieten  und  hinsiclitlich  der  Religion  sich  wie  die 
anderen  Stände  der  augsburgischen  Konfession  verhalten. 
An  Ergebung  in  kaiserliche  Gnade  und  Ungnade  fest- 
haltend, em])fahlen  sie  die  Einreichung  eines  Gesuches  an 
die  Reichsstände  um  Fürbitte    beim    Kaiser.     Magdeburg 


'^)  Um  jene  Zeit  verwendete  sich  Moritz  für  Heideck,  um  ihn 
ans  der  Acht  zu  befreien.  Der  Kaiser  verlangte  Fussfall  und  Ab- 
bitte. —  Am  kaiserlichen  Hofe  besorgte  man,  lleideck  worde  im 
heimlichen  Einverständnisse  mit  den  Feinden  die  „Gelegenheit  des 
Kurfiirsten  nur  auslernen".  Loc.  10189,  Summarisclier  Auszug  etc. 
Bl.  250,  261  und  Verzeiciuiis,  was  von  SchriÖten  auf  dem  Reichstage 
zu  Augsburg  a.  1.Ö50/51  gelesen  wortlen,  Bl.  .3(>;  Druffel  I,  No.  6()8. 

'*)  Loc.  9153,  Magdeburgische  Ilanndlung  wegen  der  Stadt 
aussunnung  vnd  ergebung  1551,  Bl.  3.  Von  kurfürstlicher  Seite 
nahmen  an  den  Beratluingen  theil:  Älordeisen,  Fachs  und  P'.rnst 
von  Miltitz,  von  markgrätlicher  Seite:  Ileinricli  von  Pack  (Bock?), 
Dr.  Franz  Naumann  und  der  Kanzler  Dr.  Adrian. 

")  Voriges  lieft  dieser  Zeitschrift  p.  200. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  279 

sollte  ferner  nicht  nur  dem  Kaiser  sondern  auch  dem 
Kurfürsten  von  Sachsen  als  Schutzherrn  der  Stifter  und 
der  Stadt  jederzeit  offen  stehen.  Bis  zur  Bestätigung  des 
neuen  Erzbischofs  ihm  (Moritz)  und  dem  Kurfürsten  von 
Brandenburg  anvertraut,  sollte  sie  später  den  recht- 
mässigen Erzbischof  als  Herrn  und  den  Kurfürsten  Moritz 
als  Schutzfürsten  anerkennen.  Erst  nach  Beendigung  des 
Handels  sollte  die  Entlassung  des  Kriegsvolkes  stattfinden. 

Umständlich  verglichen  die  Räthe  ihre  beiderseitigen 
Vorschläge,  und  mehrfach  wurden  die  meisten  Artikel  in 
veränderte  Eorm  und  Fassung  gebracht,  ohne  dass  man 
den  schliesslichen  Vereinbarungen  bindende  Kraft  gab. 
Auf  einer  Zusammenkunft  in  Zerbst  (6.  März)  erst  sollte 
die  Magdeburgische  Sache  mit  Vorwissen  der  Stiftsstände 
und  in  Gegenwart  der  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
Brandenburg  und  des  Markgrafen  Hans  endgiltig  abge- 
handelt werden. 

Nach  diesen  Abmachungen  verliess  Markgraf  Hans 
Dresden  (22.  Februar)^*)  und  theilte  den  Magdeburgern 
mit,  dass  er  ihretwegen  in  Unterhandlung  stehe.  Die 
Stadt  übertrug  ihm  die  Rolle  des  Vermittlers  und  über- 
sandte auf  seinen  Wunsch  sicheres  Geleite  ^'^).  Am  4.  März 
wurde  der  Markgraf  in  Magdeburg  erwartet;  aber  der 
angekündigte  Besuch  unterblieb^'). 

In  Zerbst^*)  wurde  zunächst  vereinbart,  „der  Mark- 
graf solle  bei  den  Magdeburgern  ansuchen,   wie  weit  sie 


'S)  Loc.  9151,  III,  Bl.  122.  Am  23.  Februar,  Montags  nach 
Reminiscere,  bat  Markgraf  Hans  (bewogen  durch  die  Geldnoth  seines 
Bruders  Joachim)  den  Kurfürsten  Moritz,  Verabredetermassen  fort- 
zufahren und  wegen  Vorstreckung  der  100000  ü.  den  Handel  nicht 
zu  unterdrücken. 

'«)  J oh.  Voifrt,  Fürstenbund  186,  Anm.  198.  Unrichtig  ist  S.113, 
dass  der  Markgraf  bald  in  Wittenberg,  bald  in  Dessau  etc.  verweilte. 

")  Pomarius  299—302. 

")  Loc.  915.3,  Magdeb.  Handlung  etc.  1551,  Bl.  3  flg.  Kurfürst 
Joachim  schickte  Eustachius  von  Schlieben  und  Dr.  Strassen,  er 
selbst  wollte  in  wenigen  Tagen  nachkommen.  —  Am  5.  März  erfuhr 
Schwendi  von  der  anberaumten  Zerbster  Tagsatzung.  Verwundert 
darüber  machte  er  dem  Kurfürsten  Moritz  Vorwürfe,  dass  weder  der 
Kaiser  noch  er  davon  benachrichtigt  sei,  und  wollte  „zu  diesen 
Sachen  nicht  blind  sein".  Er  warnte  vor  Magdeburg  und  ihrem 
Anhange;  denn  sie  würden  sich  heute  oder  morgen  unterstehen, 
den  alten  Kurfürsten  oder  seinen  Sohn  wieder  einzusetzen,  Moritz 
zu  bekriegen  und  zu  verjagen  etc.  Am  6.  März  schrieb  er:  es  ge- 
höre sich  wahrlich,  dass  Kaiser  und  Reich  von  der  gütlichen  Ver- 
handlung in  Kenntnis  gesetzt  würden.  Der  Kaiser  habe  zu  bewil- 
ligen und  abzuschlagen;  der  Herr  komme  vor  dem  Knecht  etc.     Im 


280  S.  Issleib: 

sich  auf  die  kaiserliche  Kapituhition  einlassen  wollten". 
Als  derselbe  aber  auch  ganz  bestimmte  und  bindende 
Erklärungen  über  die  von  ihm  (in  Dresden)  vorge- 
schlagenen Artikel  verlangte,  weigerten  sich  die  Vertreter 
des  Domkapitels,  auf  eigne  Verantwortung  hin  die  mark- 
gräflichen Artikel  anzunehmen.  In  Folge  dessen  bean- 
tragte der  ]\Iarkoraf  eine  Aveitere  Zusaumicnkunft  in  Kalbe, 
wo  die  beiden  Kurfürsten  und  die  Verordneten  des  Dom- 
kapitels berathen  und  beschliessen  sollten.  Für  den  Fall 
dort  keine  Einigung  erzielt  werde,  sollte  ein  übergebener 
Brief  und  das  städtische  Geleit  nach  Magdeburg  gesendet 
werden. 

Auch  in  Kalbe  wurde  (am  17.  März)^")  erfolglos 
verhandelt,  da  die  Vertreter  des  Domkapitels  durchweg 
an  der  kaiserlichen  Kapitulation  festhielten  und,  beeinflusst 
durch  Schwendi ,  ohne  Wissen  des  Kaisers  nichts  be- 
schliessen wollten.  Verabredetermassen  wurde  nun  dem 
Markgrafen  Bericht  erstattet  und  sein  in  Zerbst  über- 
gebener Brief  nebst  Geleit  nach  ]\Iagdeburg  geschickt''"). 

Höchst  unzufrieden  war  Markgraf  Hans;  die  nutzlose 
Verhandlung  gab  ihm  allerlei  zu  denken.  „Es  ist  be- 
dacht worden",  schrieb  er  an  Moritz '•^^),  „dass  die  Dinge 
mit  Vorwissen  des  Kaisers  abgehandelt  werden  sollten 
und  nuissten;  doch  wäre  es  richtiger  und  besser  gewesen, 
die  Sache  zuvor  mit  den  Magdeburgern  abzuhandeln  und 
sich  ihres  endlichen  Willens  zu  erkundigen,  als  anfangs 
beim  Kaiser  Erklärung  zu  fordern;  denn  es  sei  nicht  zu 
denken,  dass  der  Kaiser  sein  Gemüth  eher  erklären  werde, 
er  wisse  denn  zuvor,  was  die  Magdeburger  thun  wollten. 
Er  (Hans)  verstehe  es  aber  dahin  gerichtet,  dass  man  ihn 
mit  solcher  Handlung  höflich  ins  Winterfeld  weisen  möchte. 


Hinblick  auf  die  vielen  Werbungen  des  Markgrafen  Hans  und 
anderer  um  Knechte  und  Reiter  und  auf  die  Hilfegesuche  derselben 
bei  fremden  Potentaten  meinte  er,  die  ganze  Handlung  sei  nur 
Scheinliandhuig ;  man  gebe  Frieden  vor  und  suche  Ivrieg.  Er  bat 
den  Kurfürsten,  der  Belagerung  ernstlich  nachzusetzen.  (Loc.  9151, 
in,  131.  LSfi). 

'»)  Loc.  9153,  Magdeburgische  Handlung  etc.  Bl.  3  flg. 

*")  Kurfürst  Joachim  und  die  Vertreter  des  Kapitels  baten  den 
Kaiser,  dem  Ivmfürsten  Moritz  das  ausgelegte  Geld  zu  erstatten,  den 
Sold  rechtzeitig  zu  schicken  und  die  Reichsstände  in  Nürnberg  zur 
Continuierunu  des  Exekutionskrieges  zu  vermögen. 

^')  Loc.  7277,  Marggraffen  Johannsen  Handel  etc.  Bl.  7,  Brief 
datiert  Kressen  am  27.  März  l').il.Charficitag  (eigenhändig).  Druffel  I, 
No.  609,  Job.  Voigt,  Fürsteubuud  117. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   281 

Noch  mehr  wundere  er  sich  darüber,  dass  man  die  Sache 
auf  Bewilligung  der  PfafFen  schiebe;  denn  obschon  nach 
seiner  Meinung  beim  Kaiser  die  verabredeten  Artikel  zu 
erhalten,  so  Aväre  nicht  zu  erwarten,  dass  die  BaalspfafFen 
sie  gern  bewilligen  würden"  ^^).  —  In  demselben  Briefe 
zeigte  Hans  an,  dass  die  jimgen  Landgrafen  von  Hessen 
Theilnahme  am  Bunde  zugesagt  hätten  und  dass  die 
Ernestiner  bereit  seien  „auf  gebührliche  Ausgleicliung 
ihrer  Verhältnisse  mit  Moritz  einzugehen  und  zur  Befrei- 
ung ihres  Vaters  dem  Bündnisse  beizutreten".  Damit 
sah  er  die  hauptsächlichste  Bedingung  ihrer  Dresdener 
Abmachungen  erfüllt  und  forderte  nun  von  Moritz  „als 
Christ  und  Bekenner  seines  Wortes,  der  seinem  Taufbimde 
treu  bleiben  w^olle,  auf  Mittel  und  Wege  zu  denken,  wie 
er  von  den  bisherigen  Händeln  abkomme  und  sich  über 
die  jetzt  ablaufenden  drei  Monate  mit  dem  Kaiser  auf 
nichts  weiter  einlasse".  Der  Markgraf  war  der  Ansicht: 
„die  rechte  Probe  treuer  Bundesgesinnung  werde  der 
Kurfürst  erst  dann  bestehen,  wenn  er  sich  zu  Ostern 
kaiserlichem  Dienste  entziehe". 

Diese  Probe  hat  Moritz  nicht  bestanden,  aber  er 
meinte  es  ehrlicher  mit  der  Bundessache,  als  der  miss- 
trauische  Markgraf  glaubte.  Denn  kaum  hatte  dieser  am 
22.  Februar  Dresden  verlassen,  so  schrieb  der  Kurfürst 
—  schon  mehrfach  war  es  geschehen  —  an  Carlowitz  in 
Augsburg^*),  dass  er  nicht  gesonnen  sei,  länger  als  sechs 
Monate  —  also  bis  zum  2.  April  —  in  kaiserlichen  Diensten 
zu  bleiben.  Ohne  eine  Andeutung  von  irgend  welchen 
Verpflichtungen  fallen  zu  lassen,  klagte  er  wie  bisher  so 
oft  über  lässige  Bezahlung^^),   über   die    Säumigkeit  be- 


'*)  Der  Brief  fährt  fort:  „aus  Ursachen,  dass  sie  Kinder  ihres 
Vaters  des  Teufels  seien,  der  ein  Lügner  und  Mörder,  ein  Geist 
des  Unfriedens  und  Wüthens  vom  Anfange  an  gewesen  sei  und  der 
Lust  habe,  in  der  Christen  Blut  zu  baden.  Ungern  möchten  solche 
geistliche  Väter  sehen ,  dass  Bekenner  der  wahren  christlichen 
Religion  und  der  augsburgischen  Konfession  in  guter  Ruhe  und 
Frieden  bleiben,  viel  lieber  wollten  sie  sehen,  dass  wir  alle  auf  dem 
Kopf  stünden  und  sie  in  unserem  und  der  Christen  Blut  bis  in  die 
Ohren  wie  in  einem  lustigen  Wildbade  baden  möchten". 

")  Loc.  9151,  III,  Bl.  72  flg.  Vergl.  Brief  vom  14.  Jan.  Bl.  8,  (21). 
=")  Loc.  9151,  III,  Bl.  36  flg.  Erst  am  21.  Januar  1551  hatte 
der  kaiserl.  Pfennigmeister  von  Haller  die  vom  Reichstage  be- 
willigten 100,000  fl.  Kriegskosten  nach  Leipzig  gebracht;  von  den 
bewilligten  Monatsgeldern  (ä  60,000  ä.)  war  Ende  Februar  noch 
kein  Pfennig  bezahlt  (Bl.  136).  Haller  hatte  strengsten  Befehl,  das 
Geld  nur  dem  Kurfürsten  (oder  dessen  Befehlshabern)  und  dem  Dom- 


282  S.  Issleib: 

trefFs  seiner  „Bestallung"**),  über  die  noch  nicht  erfolgte 
„Versicherung-*'*)  seiner  ausgelegten  und  vorgestreckten 
Gelder"  etc.  Als  vornehmste  Ursache,  sich  kaiserlichem 
Dienste  entschlagen  zu  müssen,  gab  er  die  landgräfliche 
Sache;  an;  denn  sollte  er  gemäss  seiner  eingegangenen 
Verpflichtung  mit  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg  ein- 
gefordert werden,  so  könne  er  nicht  an  beiden  Orten,  vor 
Magdeburg  und  in  Kassel,  sein*'). 

Carlowitz,  über  den  beharrlichen  Entschluss  des  Kur- 
fürsten verAvundert,  verniuthete  eine  ablenkende  Wendung 
der  Dinge  und  bemühte  sich,  rathend  zu  warnen.    Seiner 


kapitel  zu  verabreichen  und  von  beiden  Quittung  und  Recognition 
in  Empfang  zu  nehmen.  Dadurch  wurden  weitläufige  Schreiljereieu 
veranlasst,  die  bis  in  den  Februar  hinein  dauerten.  Moritz  fand 
Ursa(lie,_  über  unberechtigtes  Misstranen  zu  klagen. 

^^)  Über  die  „Bestallung"  wurde  seit  Ende  November  1550  ver- 
handcdt  (Loo.  9151,  11,  Bl.  490).  Moritz  wünschte  den  Krieg  ganz 
selbständig  zu  führen;  alle  Ämter  sollten  aus  Reichsmitteln  be- 
zahlt, aber  von  ihm  besetzt  werden.  Er  beanspruchte  als  Ruichs- 
feldherr  monatlich  .S502  tl.  Am  kaiserl.  Hofe  gedachte  man  ihn  ein- 
fach mit  der  „Ehre"  eines  Reichsfeldherrn  abzutinden,  da  der  Krieg 
zum  Theil  im  Interesse  Sachsens  geführt  werde,  und  weil  der  Kur- 
fürst als  Schutzherr  der  Stifter  etwas  zu  thun  schuldig  sei  (Loc. 
10  189,  Summarischer  Auszug,  Bl.  118);  allein  jNloritz  bestand  auf 
herkömmlicher  Bestallung.  Am  2.5.  Februar  bewilligte  der  Kaiser 
endlich  .3000  Ü.  Monatsgelder;  über  andere  Punkte  aber  kam  man 
nicht  ins  Reine.  Ganz  besonders  sträubte  sich  der  Kaiser  gegen 
Annahme  des  Markcrafen  Albrecbt  als  Oberstlieutenant  etc.  (Loc. 
10  189,  Summarischer  Auszug  etc.  Bl.  212,  Loc.  9151,  Ilt,  Bl.  21,72, 
106,  291  tig.,  Loc.  915.3,  Nürnbergische  Handlung  etc.  Bl.  22  flg. 
D  ruf  fei  I,  No.  591  u.  608.)  —  Über  das  Verhältnis  Schwendi's 
zum  Markgrafen  Albrecht  vergl.  Joh.  Voigt,  Markgraf  Albrecht 
221  und  1) ruffei  I,  No.  891. 

^")  Schon  der  Bestallungsentwnrf  vom  November  1550  enthielt 
das  Verlangen  einer  Versicherung,  dass  für  rückständige  Zahlung 
entweder  die  Stifter  Magdeburg  und  Ilalberstadt  nebst  den  Städten 
Halle,  Erfurt  und  Mül;lhansen  oder  die  Reichsstädte  wie  Nürnberg, 
Frankfurt  a.  M.  etc.  haften  sollten.  Seit  Februar  1551  forderte  der 
Kurfürst  ohne  Unterlass  Versicherung  für  seine  geliehenen  Gelder, 
deren  Summe  er  am  18.  März  auf  250,000  fli.  und  am  26.  Mai  (nach 
der  Zusendung  von  Reichsgeldern)  auf  160,000  tl.  angab.  Der  Kaiser 
wollte  keine  besondere,  sondern  nur  die  herkümmli(he  Ver- 
sicherung durch  den  Bestallbrief  geben.  In  fast  zahllosen  Briefen 
bildete  die  Versicherung  einen  Hauptjiunkt.  Der  Kurfürst  drohte 
sogar:  „da  er  sein  ausgelegtes  Geld  nicht  wieder  bekommen  sollte, 
müsste  er  sich  dessen  selber  erholen  ,  es  pehe  gleich  über  Pfaft'en 
und  Mönche".  Loc.  9161,  III,  Bl.  72,  38S  flg.,  IV,  Bl.  45;  Loc.  9153, 
Nürnbergische  Ilandhing  etc.  Bl.  22. 

^')  Loc.  9151,  III,  Bl.  99. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51 .  283 


Ansicht  nach**)  war  niemandem  auf  der  Welt  mehr  als 
dem  Kurfürsten  daran  gelegen,  dass  Magdeburg  gezücli- 
tigt  und  gedemütliigt  werde^**).  Der  Kurfürst  sollte,  so 
lange  wenigstens  der  Vorrath  dauere,  das  Kriegsvolk 
nicht  aus  den  Händen  lassen;  er  habe  schon  so  vieles 
gewagt  und  überwunden,  und  der  Sieg  sei  unzweifelhaft. 
Nichts  Erwünschteres  könne  in  der  jetzigen  sorgenvollen 
Zeit  begegnen,  als  vor  allen  anderen  Kurfürsten,  Fürsten 
und  Ständen  mit  so  ehrlichem  Titel  auf  des  Reiches  Un- 
kosten ein  solches  Kriegsvolk  ohne  sonderliche  Landes- 
beschwerung in  seinen  Händen  zu  haben.  Er  möge  vor- 
sichtig sein,  denn  wolle  er  d^in  Kriege  nicht  länger  als 
sechs  JMonate  vorstehen,  so  würde  man  es  zuletzt  zu- 
frieden sein.  Nicht  genug!  "VA^enige  Tage  darauf  bat  er 
inständig,  vor  Ende  des  Krieges  den  Oberbefehl  nicht 
aus  den  Händen  zu  lassen.  Allein  Moritz  blieb  zunächst 
bei  seinem  Vorsatze.  Noch  am  18.  März  wiederholte  er 
seine  Gründe  und  erklärte  von  neuem,  nicht  länger  "als 
sechs  Monate  dienen  zu  wollen ^")^ 

Als  dieser  kurfürstliche  Brief  am  25.  März  in  Augs- 
burg ankam,  lag  der  Kaiser  „am  Podagra  schwach  dar- 
nieder" und  Hess  keine  fremde  Person  vor  sich.  Auch 
Granvella  war  vieler  Geschäfte  halber  nicht  zu  sprechen. 
Aus  einer  Unterredung  Carlowitz'  mit  dem  kaiserlichen 
Eathe  Pfitzing  ergab  sich,  dass  man  den  Kurfürsten,  wolle 
er  wegen  der  rückständigen  Gelder  und  deren  Versicher- 
ung oder  wegen  der  hessischen  Obligation  oder  aus  an- 
deren Gründen  den  Oberbefehl  nicht  länger  behalten, 
Avider  seinen  Willen  nicht  weiter  belästigen  werde. 

Carlowitz  überliess  nun  zwar  dem  hohen  Ermessen 
des  Kurfürsten,  was  er  thun  wolle,  aber  er  rieth  für  seine 
Person,  den  Oberbefehl  zu  behalten,  sobald  er  hinsichtlich 
der  geUehenen  Gelder  durch  den  Bestallbrief  genügend 
gesichert  werde,  zumal  in  wenigen  Tagen  über  Fortsetz- 
ung des  Krieges  und  Beschaffung  von  Geld  der  Reichstag 
in    Nürnberg    berathe.      Überdies    gab    er    zu    beachten, 


")  Brief  vom  8.  März,  Loc.  10189,  Suinmar.  Auszug,  Bl.  240. 

")  Vergl.  diese  Zeitschrift  IV  (1883),   295. 

»»)  Loc.  9151,  III,  Bl.  93,  99.  Seltsam  in  der  That,  wenn  man 
beachtet,  dass,  durch  ihn  veranlasst,  tags  vorher  (am  17.  März)  der 
Kurfürst  von  Brandenburg  und  das  Domkapitel  von  Kalbe  aus  den 
Kaiser  dringend  um  ,.Continuatiou"  des  Exekutionskrieges  er- 
suchten. (Siehe  Anmerk.  20.)  Eine  derartige  Haltung  gehört  so 
ganz  zum  Charakter  des  Kurfürsten. 


284  S.  Issleib: 

(liis.s  der  Kurfürst  mit  seinem  KriegsvolUc,  sofern  das 
Geld  später  nicht  rechtzeitig  verabreiclit  werde  oder  im 
Falle  sich  ein  Todesfall  ereigne  —  auf  den  kranken 
Kaiser  hindeutend  — ,  die  Reichsstände  zur  bewilligten 
Bezahlung  leicht  bringen  könne. 

Inzwischen  war  ein  Sclireiben  des  Kaisers  (vom 
25.  Februar)  in  Magdeburg-Neustadt  (am  19.  März)  ein- 
gelaufen, worin  er  für  die  „Zertrennung  des  verdischen 
Haufens"  dankte  und  sicli  endlich  über  das  Feldherrn- 
arat,  über  die  geforderten  3000  fl.  monatlicher  Staats- 
gelder und  über  andere  Dinge  erklärte.  —  Alles  wirkte 
nun  zusammen:  die  kaiserliche  Zuschrift,  die  ernstlichen 
Vorstellungen  Christofs  von  Carlowitz,  die  stockenden  und 
zunächst  aussichtslosen  magdel)urgischen  Verhandlungen 
und  die  noch  völlig  imfertigen,  überaus  schwankenden 
und  unsicheren  Bundesverhältnisse.  Kein  Wunder,  wenn 
sich  Moritz  entschloss,  den  Oberbefehl  vor  Magdeburg 
zu  behalten.  Aber  heben  wir  hervor,  er  bemühte  sich 
in  ein  Dienstverhältnis  zu  treten,  welches  nach  monat- 
licher Kündigung  gelöst  werden  konnte.  Zu  diesem 
Zwecke  wandte  er  sich  persönlich  an  den  Kaiser^'); 
gleichzeitig  erhielt  Carlowitz  Weisung,  allen  Fleiss  an- 
zuwenden und  einmonat  liehe  Kündigung  auszu- 
wirken. Jedem  Theile  sollte  es  von  Monat  zu  Monat  frei- 
stehen, das  bestehende  Dienstverhältnis  zu  lösen.  Mit 
gewissem  Kechte  konnte  daher  der  Kurfürst  am  1.  April 
an  seinen  Schwager,  den  Landgrafen  AA'ilhelm  von  Hessen, 
schreiben:  ..alle  Stunde  stehe  er  seiner  Dienste  halben 
frei  und  wolle  auf  nichts  warten,  denn  auf  einen  guten 
Beschluss  aller  Sachen"'*).  Ähnliche  Erklärungen  mag 
er  dem  Markgrai'en  Hans  gegeben  haben''). 

Viel  lag  an    der  Nürnberger  Rcichstagsverhandlung, 
welche  am   1.  April    ihren   Anfang    nahm'*).     Eingehend 


«')  Lnc.  9151,  Iir,  in.  lOß.  Schreiben  aus  Dresflen  vom  26.  März 
1551;  vergl.  D  ruf  fei  I,  No.  fi()8.  Moritz  hielt  daran  fest,  dass  vor 
allem  die  landgräfiiche  Sache  im  Wej?e  liejre,  die  an  der  Ausübung 
des  Oberbefehls  hind(!rn  niöclite,  „ungeachtet,  dass  die  kaiserlielie 
Majestät  ihn  dieser  Ubligation  entnehmen  wollte".  (Kaiserl.  Urief 
vom  25.  Februar).  Vergl.  v.  L  angenn  II,  321 ;  Joh.  Voigt,  Fürsten- 
bund 116;  Druffel  I,  No.  649. 

")  C.  A.Cornelius,  Churfürst  Moritz  gegenüber  der  Fürsten- 
verschwörung 1550 — 51  (Münclien  1867),  50. 

**)  AVas  Joh.  Voigt,  Fürstenbund  1.37,  in  einem  späteren  Zu- 
sammenhange mittheilt,  gehört  wohl   hierher! 

*')  Loc.  9153.   Nürnbergische  Handlung  und  Abschied,  Bl.  1  tig. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  285 

berietlien  die  Reichsstände  über  Erstattung  des  ange- 
griffenen Vorratlies  und  über  Fortsetzung  der  Belagerung 
Magdeburgs.  Eine  längere  Prüfung  der  Einnahmen  und 
Ausgaben  der  „Legestädte"  ergab,  dass  mit  Hilfe  der 
noch  vorhandenen  Barscliaften  und  der  sicheren  Aus- 
stände der  Exekutionskrieg  bis  zum  2.  August  aufrecht 
erhalten  werden  konnte^").  Vereinten  Anstrengungen  ge- 
lang zuletzt  die  AusAvirkung  eines  günstigen  Reiclisab- 
schiedes.  Am  4.  und  5.  Mai  wurde  beschlossen,  den 
Vorrath  zu  ersetzen  und  jede  Lücke  des  neu  bewilligten 
später  auszufüllen.  Die  erste  Hälfte  des  zu  ergänzenden 
Vorrathes  sollte  den  1.  August  bezahlt  und  die  zweite 
Hälfte,  vorausgesetzt,  dass  die  Belagerung  Magdeburgs 
bis  zum  1.  Dezember  1551  dauere,  den  I.Januar  1552  ent- 
richtet werden.  Die  Belagerung  wollte  man  wie  bisher 
monatlich  mit  60,000  fl.  continuieren.  Nach  Eroberung 
Magdeburgs  sollten  die  städtischen  Güter  angegriffen  und 
zur  Erstattung  des  Vorrathes  mit  verwendet  werden;  das 
Fehlende  sollten  die  Reichsstände  besetzen ^*^). 

Der  Antrag  der  sächsischen  Räthe,  eine  höhere 
Monatssumme  als  60,000  fl.  zu  bewilligen,  blieb  unbe- 
rücksichtigt^").    Der  Kaiser  schlug  vielmehr  zum  wieder- 


Kurfürst Moritz  liess  sich  durch  Carlowitz  und  Abraham  von  Ein- 
siedel  vertreten.  Carlowitz  wünschte  mit  diesem  Auftrage  verschont 
zu  bleiben  (Bl.  22),  weil  er  länger  als  dreissig  Wochen  von  seinem 
Hause  abwesend  und  zum  Reden  gar  nicht  geschickt  sei.  Dazu 
gehörten  Leute,  die  „Harre  halten",  heftig  anhalten  und  darauf 
dringen  könnten;  Dr.  Kneutlingen  sei  dazu  tauglich;  aber  er  müsse 
Dr.  Osse  oder  Franz  Kram  bei  sich  haben.  Bei  Granvella  fördere 
es  mehr,  wenn  er  sehe,  dass  man  sich  der  Sache  ernstlich  annehme 
und  üeissig  hin  und  wider  postiere.  So  richte  auch  einer  allezeit 
mehr  aus,  der  frisch  von  der  Handlung  daher  komme  und  bald 
wieder  wegeile,  denn  ein  anderer,  der  allewege  still  liege  und  allein 
auf  anderer  Leute  Bericht  handeln  müsse. 

*^)  Der  ßeichsvorrath  betrug  761  696  fl. ;  die  sicheren  Anlagen 
wurden  auf  592  9.S0  fl.  angegeben.  Eingenommen  waren  in  Köln, 
Speier  und  Nürnberg  465 S76  fl.,  ausgegeben  340150  fl.  (100000  fl. 
Kriegskosten,  4  Mouatsbeträge  ä  600U0  fl.  und  150  fl.  kleinere  Be- 
träge). Die  Baarschaft  betrug  demnach  125  226  ü.  und  die  weitere, 
sichere  Anlage  127  554  fl.,  somit  verfügte  man  noch  über  252  780  fl. 
Baarschaft  und  sichere  Anlage  des  alten  Vorrathes. 

**)  Am  25.  Mai  fand  die  Veröffentlichung  des  Reichsabschiedes 
und  des  Mandates  wegen  Erlegung  des  Eeichsvorrathes  statt. 
Loc.  915.3,  Magdeburgische  Handlung  wegen  der  Stadt  aussunung 
vnd  ergebunge,  a.  1551. 

*')  Ein  Schreiben  Moritz',  Joachims  v.  Brandenburg  und  Hein- 
richs von  Braunschweig  vom  2.  Mai  aus  dem  Lager  vor  Magdeburg 


28G  S.  Issleib: 

liolten  Male  vor'^),  nach  Vollendung  der  Blockhäuser, 
Schanzen,  Schifisbrücken  und  Wasserbauten  das  Kriegs- 
volk nach  und  nach,  die  Reiter  bis  auf  700  und  die 
Knechte  bis  auf  7000  Mann,  zu  verrinnern  und  den  bisher 
allzureichlich  gezahlten  Sold  zu  kürzen,  dann  könne  von 
den  monatlichen  (50,000  fl.  noch  etwas  zur  Ersetzung  der 
(geliehenen  Gelder  nut  gemacht  werden. 

Die  Nürnberger  Verhandlungen  stellten  den  Kur- 
fürsten Moritz  nicht  in  allen  Stücken  zufrieden,  trotzdem 
war  es  von  Wichtigkeit,  dass  die  fernere  Leitung  des 
neugesicherten  Keicliskrieges  in  seiner  Hand  lag.  Es 
Hess  sich  in  der  That  auch  manches  verschmerzen  in  Rück- 
sicht des  bedeutenden  Vortheiles,  dass  er  in  jenen  Tagen, 
als  die  Nürnberger  Beschlüsse  erkämpft  wurden,  die  Be- 
lagerungstruppen von  neuem  sechs  Monate  für  sich  gewann. 

Die  Zeit;  für  welche  die  Söldner  geschworen,  ging 
anfangs  Mai  zu  Ende**);  neue  Bestallung  und  Vereidig- 
ung musste  erfolgen.  Kaum  aber  konnte  sie  jetzt  anders 
als  im  Namen  des  Kaisers  und  Reiches  stattfinden:  Karl  V. 
hatte  längst  darum  gebeten,  und  das  Kriegsvolk  selbst 
wünschte  den  Reichsdienst,  da  kurfürstliche  Dienste  mit 
„leichter  Münze",  kaiserliche  und  Keichsdienste  herkömm- 
lich mit  „schwerer  Münze"  bezahlt  wurden.  Dieser  Um- 
stand war  von  Bedeutung  und  fiel  bei  der  widrigen 
Geldnoth  doppelt  ins  Gewicht.  Kurfürst  Moritz  beutete 
ihn  in  seinem  Interesse  aus.  Er  führte  dem  kaiserlichen 
Kommissar  Schwendi  die  ansehnliche  Erhöhung  der 
monatlichen  Unkosten  zu  Gemüthe,  wenn  der  Sold  künftig 
in  schwerer  Münze  entrichtet  werde^");  er  brachte  in 
Anschlag,  dass  die  seitherige  Geldverlegenheit  durch  die 
vom  Kaiser  und  vom  Kriegsvolke  geforderte  Abänderung 
nur  gesteigert  werde,  und  hielt  die  Erneuerung  des  alten 
Dienstverhältnisses  für  den  geeignetsten  Ausweg,  um 
grössere  Unannehmlichkeiten  zu  vermeiden.  AA'ohl  oder 
übel!  Schwendi  wies  unter  den  obwaltenden  peinlichen 
Veriiältnissen  den  Vorschlag  nicht  zurück.  Und  von 
kurfürstliciier  Seite  konnte  der  Schritt  mit  Fug  und  Recht 


an  die  Reichsstäiide  zur  Beförderung  des  Exekutinnskrieges  wurde 
nicht  ül)erant\vortet,  da  es  zu  spät  eintraf;  Loc.  1)151,  HI,  Bl.  227 
und  d1b?>,  Nünibergisclic  Handlmig  nie.  Bl.  91. 

5»;  Loi-.  10189,  Suminarischor  Auszug,  Bl.  258  11g.;  vergl. 
Druffel  I,  No.  648  (25.  iMai  1551). 

»•)  Loc.  9151,  III,  Bl.  222  Hg.  2ylfig.;  Druffel I,  No.  G45,  648,  650. 

*»)  Der  Thaler  galt  dann  zwei  bis  fünf  Groschen  weniger. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.  287 

geschehen:  laut  erhaltener  Bestallung  waren  die  Knechte 
verpflichtet,  Moritz  so  lange  er  ihrer  bedürfe  auch  über 
die  sechs  Monate  hinaus  um  leichte  Münze  zu  dienen. 
Unwillig  darüber  wollten  sich  allerdings  die  Knechte 
nicht  mustern  lassen,  fluchend  liefen  sie  in  Rotten  zu- 
sammen und  versuchten  zu  meutern.  Der  Kurfürst  sah 
sich  genöthigt,  am  4.  Mai  in  den  „Ring"  zu  gehen,  den 
Knechten  die  vorjährige  Bt'stallung  vorzuhalten  und 
„öffentlich"  von  ihnen  zu  verlangen,  sich  der  früheren 
Bestallung  gemäss  zu  verhalten.  Nach  aufgeregten  Ver- 
handlungen schwuren  die  Knechte,  w^eitere  sechs  Monate 
um  leichte  Münze  dienen  zu  wollen;  darauf  wurden  sie  ge- 
mustert und  bezahlt^^).  So  ersparte  Moritz  dem  Reiche  Geld- 
verluste, erhielt  die  Belagerung  aufrecht  und  —  was  das  Wich- 
tigste war  —  vergewisserte  sich  fernerhin  des  Kriegsvolkes. 

Kaum  jedoch  hatte  er  die  Neustadt  verlassen,  so 
wurde  es  unruhig  im  gesamten  Lager.  Allgemeine  Er- 
bitterung herrschte  über  die  Neuerung,  in  fürstlicher 
Bestallung  Kaiser  und  Reich  um  leichte  Münze  dienen 
zu  sollen.  Alles  drohte  und  schrie  nach  Geld,  kaiser- 
licher Bestallung  und  schwerer  Münze*^).  Meuterei  tobte 
am  9.  und  10.  Mai.  Schwendi  durfte  sich  nicht  sehen 
lassen,  und  sein  Quartier  wurde  arg  heimgesucht.  Nur 
mit  grosser  Mühe  stillte  Markgraf  Albrecht  den  tumultua- 
rischen  Aufruhr. 

Es  würde  zu  weit  führen,  hier  der  Feindschaft  des 
Markgrafen  Albrecht  und  Schwendi's  nachzugehen^'^)  und 
eine  eingehende  Schilderung  des  Lagerlebens  zu  geben. 
Nur  so  viel  mag  angedeutet  werden,  es  herrschte  im 
Lager  „viel  Unrath,  Unordnung,  UnpünktUchkeit,  Nach- 
lässigkeit, Unsicherheit  und  Zuchtlosigkeit";  kaum  war 
in  Anwesenheit  des  Oberfeldherrn  „leidliche  Ordnung"  zu 
bemerken.  Fremdes  Gesinde,  Boten,  Kundschafter  und 
„Praktiker",  welche  die  Mannschaft  abtrünnig  zu  machen 
suchten,  zogen  im  Lager  ein  und  aus. 

Was  die  Belagerungsarbeiten  betrifft,  so  wurde  die 
Einschliessung  Magdeburgs  Ende  Mai  vollendet.  Der 
oben  erwähnte,  fast  zwei  Stunden  lange  Laufgraben  mit 
Schutzwall  umschloss  die  Stadt  von  der  Buckauer  Schanze 


*')  Die  Musterung  vollzog  von  Schwendi  und  Hans  von  Diskau. 

*^)  Loc.  9151,  lY,  Bl.  170  flg. 

")  7281  Französische  Verbündnisse  Bl.  G9,  Loc.  9151,  II, 
Bl.  302,  IV,  2  flg.  Vergl.  Joh.  Voigt,  Markgraf  Albrecht  240; 
Pomarius  ?,i2  und  Merckel. 


288  S.  Issleib: 

bis  zur  Neustadt;  auf  der  Ostseite  sperrten  die  Zoll- 
sclianze  und  die  Befestigungen  von  Krakau.  Der  Kur- 
fürst hatte  im  März  grosse  ScliifFe  herbeischaffen,  be- 
mannen, mit  Geschützen  ausrüsten  und  im  Strome  vor 
Anker  legen  lassen.  Spater  hatte  er  ober-  und  unterhalb 
der  Stadt  vom  Buckauer  Blockhause  und  von  der  Neu- 
stadt aus  zwei  Schiffbrücken  nach  den  Eibwerdern  ge- 
schlagen, auf  diesen  zwei  Blockhäuser  errichtet  und  beide 
durch  je  100  Kneclite  besetzt;  zwei  andere  Blockhäuser 
waren  gegenüber  auf  dem  rechten  Eibufer  erbaut  und 
zwei  Fähnlein  Knechte  hineingelegt  worden.  Von  den 
Blockhäusern  aus  konnte  die  P21be  durch  Geschütze 
vöUiü:  beherrscht  werden.  Auf  Befehl  des  Kurfürsten 
waren  auch  grosse  und  kleine  Schiffe  mit  Mannschaft  aus 
Ober-  und  Niedersachsen  zusammengebracht  worden,  um 
ober-  und  unterhalb  der  Stadt  mit  den  Feinden  nöthioen- 
falls  zu  Scharmützeln  und  nach  Bedürfnis  von  Blockhaus 
zu  Blockhaus  Kriegsvolk  überzusetzen  sowie  Proviant 
herbeizuschaffen.  Im  Mai  schlug  man  dann  kurfürstlicher 
Anordnung  gemäss  zwischen  den  Blockhäusern  am  Ufer 
und  auf  den  Werdern  starke  Pfähle  in  das  '^A'^ asser  und 
„hing  von  Pfahl  zu  Pfahl  grosse  lange  Flossbäume,  durch 
schwere  Ketten  verknüpft,  überquer  aneinander,  also  dass 
zwischen  den  Blockhäusern  und  den  geankerten  grossen 
Schiffen  nichts  durchkommen  konnte".  —  Auf  diese  Weise 
wurde  Magdeburg  zu  Wasser  und  zu  Land  eingeschlossen. 
Mit  Absicht  waren  die  Lager^*),  die  Blockhäuser 
(neun  an  Zahl)  und  die  Schanzen  meist  ausser  Schuss- 
weite von  der  Stadt  errichtet  und  angelegt  worden,  da 
Majjdeburo;  auf  Wunsch  des  Kaisers^*)  nicht  durch  kost- 
spieliges  Geschützfeuer  demolirt  und  mit  Sturm  gcnoiumen, 
sondern  durch  Einschliessung  zur  Ergebung  genöthigt  wer- 
den sollte'*'*).  Die  Belagerungsmannscliaft  betrug  im  Mai 
26  Fähnlein  Kneclite  (fast  9000  Maim)  und  1300  Reiter*'). 
Das  oberländische    Lager   zählte    7    Fähnlein    und    gegen 


'*)  Die  beiden  Haaptlager  waren  das  oberländische  bei  Fermers- 
leben  oberhalb  der  Stadt,  seit  einigen  Wochen  wieder  von  Diesdorf 
und  Lemsdort'  aus  dahin  verlegt,  und  das  niederländische  Lager  in 
der  Neustadt. 

**)  Loc.  ]01«9,  Summarischer  Auszug  etc.  Bl.  224. 

*")  Immerhin  wurden  ,.über  hundert  Geschütze  auf  Rädern" 
verwendet;  von  der  Neustadt  vor  allem  uml  von  der  ZoHscluin/e 
aus  erfolgte  die  ßeschiessung  der  Stadt. 

*')  200  Heiter  dienten  seit  Anfang  Mai  in  kurfürstlicher  Be- 
stallung. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  289 

500  Reiter,  in  der  Neustadt  lagen  10  Fähnlein  und  450 
Reiter  und  im  Lager  von  Krakau  3  Fähnlein  und  einige 
Reitergescliwader.  Die  übrige  Mannschaft  befand  sich  in 
den  Blockhäusern  und  auf  den  Schiffen.  Im  oberländi- 
schen Lager  hatte  Markgraf  Albrecht,  in  der  Neustadt 
Sclnvendi  und  in  Krakau  Johann  von  Münchhausen 
Quartier. 

Magdeburg  selbst  war  in  gutem  Belagerungszustande**). 
Merckel  und  Besselmeier  rühmen  in  hohem  Grade  die 
Tapferkeit  und  Standhaftigkeit  der  Bürger  und  Söldner. 
Das  Bewusstsein,  für  das  reine  Wort  Glottes  und  das 
augsburgische  Bekenntnis  zu  streiten,  verlieh  nicht  nur 
Glaubensmuth  und  Eifer,  sondern  erfüllte  auch  alle  mit 
der  festen  Zuversicht,  Gott  werde  sie  nicht  verlassen*^). 
Reichen  Trost  spendeten  die  Theologen,  und  himmUsche 
Zeichen  und  Wunderdinge  ermunterten  zur  Ausdauer. 
Im  allgemeinen  herrschte  Eintracht,  Opferfreudigkeit  und 
Beständigkeit  unter  der  Bevölkerung;  aber  es  gab  auch 
unruhige  Köpfe  und  „verjagte  Herren,  so  die  Luft  nicht 
allenthalben  wohl  leiden  können".  Neben  der  Anerkenn- 
ung, welche  die  gleichzeitigen  Berichterstatter  zollen, 
klagen  sie  doch  auch  über  Masslosigkeit,  Übermuth  und 
Habsucht  der  Bürger  und  Söldner.  Mehrfach  meuterten 
die  Truppen  und  Hessen  sich  rohe  Exzesse  zu  Schulden 
kommen.  Unruhig  wurde  das  ärmere  Volk;  sobald  der 
Mangel  an  Lebensmitteln  fühlbar  war.  Von  den  Bürgern 
wünschte  die  eine  Partei  Frieden,  die  andere  (an  ihrer 
Spitze  die  Theologen  und  fremden  Gäste)  Vertheidigung 
bis  zum  äussersten.  Sobald  von  den  Einsichtigeren  Ent- 
satz für  unmöglich  gehalten  wurde,  neigte  der  Rath  zur 
Verhandhing  und  suchte  unter  ehrenvollen  Bedingungen 
die  Stadt  aus  ihrer  hohen  Notli  zu  befreien. 

Zuletzt  war  in  Kalbe  (am  17.  März  1551)  über 
Magdeburg  verhandelt  worden.  Über  die  Erfolglosig- 
keit der  Zusammenkunft  war  Markgraf  Hans  auf  das 
Höchste  erbittert;  aber  Moritz  glaubte,  „die  Magdeburger 
Sache  werde  zur  rechten  Zeit  auch  ihren  Weg  finden^"); 
für  seine  Person  „feierte  er  nicht,  einen  Vertrag  mit  der 
Stadt  zu  bekommen".  Durch  seine  Bemühungen  geschah 
es,  dass  ihn  endlich  die  Achter    (am  17.  April)  um  Ver- 


**)  Weiteres  siehe  bei  Merckel,  Besselmeier  u.  Pomarius. 

*»;  Lilien  er on  IV,,  No.  587—589. 

*")  Cornelius  58,  Brief  vom  1.  April  1551. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     V.  4.  19 


290  S.  Issleib: 

•\vendung  beim  Kaiser  und  den  Reiclisständen  und  um 
Angabe  der  Artikel,  durcli  welche  sie  in  kaiserliche 
Gnade  gelangen  könnten,  baten.  Sie  waren  bereit,  zwei 
oder  drei  Personen  an  ihn  abzuschicken.  Das  Gesuch 
der  Magdeburger  langte  in  Dresden  an,  als  eben  der 
Stadtsekretär  Heinrich  IMerckel  von  Lüneburof  aus  dort 
eintraf.  Dieser  war  seit  September  1550  in  Sendungen 
für  Magdeburg  an  den  norddeutschen  Höfen  und  in  den 
Seestädten  thätig  gewesen.  Jetzt  brachte  ihn  Hans  von 
Heideck  nach  Dresden,  wo  er  vom  Kurfürsten  beauftragt 
wurde,  mit  Joachim  von  Gersdorf  nach  Magdeburg  zu 
reiten  und  dahin  zu  wirken,  dass  an  einem  bestimmten 
Tage  vier  Kathspersonen  in  den  krakauischen  Werder 
kommen  möchten.  Nach  einer  Abwesenheit  von  32  Wochen 
erreichte  Merckel  Magdeburg  am  27.  April.  Fünf  Tage 
später  (am  2.  Mai)  war  Kurfürst  Moritz  in  der  Neustadt 
und  suchte  die  Truppen  für  sich  zu  gewinnen.  Am  6.  Mai 
fand  dann  eine  Zusammenkunft  mit  dem  Bürg^ermeister 
Gericke,  dem  Stadtsekretär  Dr.  Levin  von  Emden,  dem 
Kaths-  und  Bauherrn  Arnold  Hoppe  und  dem  Stadt- 
sekretär Merckel  statt.  Nach  längerer  gegenseitiger  Aus- 
sprache und  Berathung  erhielten  die  Magdeburger  hin- 
sichtlich der  Keligion  beruliigcnde  Versiciierungen.  Über 
die  voi'gelegten  und  eingehend  besprochenen  Artikel  wurde 
darauf  in  der  Stadt  überaus  zwiespältig  verhandelt;  — 
am  heftigsten  eiferten  die  Theologen  gegen  den  Kurfürsten 
von  Sachsen.  Die  endlich  beschlossene  Antwort  über- 
brachte Merckel  am  12.  Mai  nach  Naumburg,  wo  Moritz 
mit  den  jungen  Herren  von  Weimar  Verhandlungen 
pflogt'). 

Auf  Grund  der  Magdeburger  Erbietungen ^^)  be- 
mühte sich  der  Kurfürst  weltliclie  und  geistliche  Dinge 
auseinanderzuhalten  und  die  Bürger  zur  Denuitii  zu 
ermahnen.  Seinem  Rathe  gemäss  sollten  sich  die  Magde- 
burger dem  Kaiser  auf  Gnade  und  Ungnade  ergeben, 
einen  Fussfall  thun,  100  000  fl.  zahlen,  eine  Besatzung 
aufni'hmen  und  wie  andere  evangelische  lleichsstände 
das  Konzil  beschicken.  Für  Erhaltung  ihrer  Festungs- 
werke wolle  er  sich  verwenden.  jNIit  der  Erkläriu^ig,  dass 
auf  die  jetzigen  Erbietungen  hin  beim  Kaiser  wenig  HofF- 


*')  W.  "Wenck,  Kurfürst  Moritz  und  die  Ernestiner  S.  11. 
**)  Loc.    9153,    Magdeburgisclie    llaudluun;    wegen    der    Stadt 
aussunuiig  und  ergebung  1E51,  151.  47,  5.".     Poraarius  3.38. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.  291 

nung  zum  Vertrage  sei,  entliess  der  Kurfürst  den  Stadt- 
sekretär. 

Wenige  Tage  darauf  (am  22.  Mai)  wurden  die  in 
Dresden  begonnenen  Bundesverbandlungen  in  Torgau 
forto-esetzt*^).  In  Person  waren  erschienen  Kurfürst  Moritz, 
Markgraf  Hans,  Herzog  Jobann  Albrecbt  von  Mecklen- 
burg und  Landgraf  ^^'ilbelm  von  Hessen;  andere  Fürsten 
hatten  Vertreter  geschickt.  Die  Punkte  der  Dresdner 
Abmachungen :  treues  und  offenes  Bekenntnis  der  augs- 
burgischen  Konfession,  Vertheidigung  der  Freiheiten 
des  Vaterlandes  und  Erledigung  der  gefangenen  Fürsten, 
behielten  ferner  bindende  Kraft.  Die  Irrungen  zwischen 
Albertinern  und  Ernestinern  sollte  Mai'koraf  Hans  auf 
Grund  der  kurfürstlichen  Bewilligungen  und  der  herzog- 
lichen Erbietungen  in  Naumburg  ausgleichen.  Im  Falle 
keine  Einigung  der  sächsischen  Häuser  herbeigeführt 
werde,  sollten  sich  die  anwesenden  und  die  vertretenen 
Fürsten  von  neuem  betagen.  Dann  sollten  die  Herzöge 
von  Weimar,  wenn  sie  dem  Bunde  nicht  beitreten  würden, 
zu  einer  Neutralitätserklärung  genöthigt  oder  im  Weiger- 
ungsfalle als  Feinde  betrachtet  werden  etc.  Weil  man 
auswärtige  Hilfe  für  nothwendig  hielt,  so  wurde  am 
25.  j\lai  für  Friedrich  von  Reifenberg,  für  den  ßhein- 
grafen  Philipp  und  Georg  von  Reckerod  eine  Instruktion 
ausgefertigt,  mit  der  sie  sich  au  den  französischen  Hof 
begeben  sollten.  Alle  weiteren  und  bindenden  Verein- 
barungen wurden  von  dieser  Sendung  abhängig  gemacht. 

Ohne  Zweifel  ist  in  Torgau  auch  Magdeburg  zur 
Sprache  gekommen.  Im  Interesse  des  Bundes  wünschten 
wohl  einige  baldige  Erledigung  der  Sache.  Ganz  anders 
Markgraf  Hans!  Am  4.  Juni  schrieb  er  an  Moritz ^^): 
„Er  möge  aus  allerlei  Gründen,  die  sich  nicht  schreiben 
liessen,  mit  der  Magdeburger  Handluns;  zögern,  bis  Reifen- 
berg  aus  Frankreich  zurückkomme.  Sei  Reifenberg  da, 
dann  werde  der  Markt  den  Kauf  lernen.  Viele  gute 
Leute  würden  sich  nicht  brauchen  und  viele  ohne  Warte- 
geld nicht  aufhalten  lassen;  aber  Wartegeld  geben  und 
nicht  wissen,  was  Reifenberg  bringe,  sei  beschwerlich^'. 
Welch'  andere  Stellung  als  früher  nahm  jetzt  der  Mark- 


5*)  Joh.  Voigt,  Fürsteilbund  122;  Cornelius  60;  W.  Wenck, 
Kurfürst  Moritz  und  die  Evnestiner  17. 

**)  Loc.  7277,  Markgrafen  Johaunsen  hendel  etc.  Bl.  9  (Brief 
aus  Küstrin);  D  ruf  fei  I,  No.  658. 

19* 


292  S.  Issleib: 

graf  zu  Magdeburg  einl  Um  des  Bundes  willen  also 
sollte  fortan  die  Belagerung  in  die  Länge  gezogen  und 
das  Kriegsvolk  vor  Älagdeburg  auf  Kosten  des  Reiches 
für  Bundeszwecke  weiter  unterhalten  werden. 

Für  Moritz  bedurfte  es  keiner  j\Iahnun<i"  zur  Zöerer- 
ung;  fern  lag  ihm  Übereilung.  Ausser  den  Bundesinter- 
essen verfolgte  er  ja  ganz  persönliche,  und  diese  waren 
erst  durch  „weitläulige  Traktaten"  zu  erreichen.  Wenig 
zufriedengestellt  durch  die  seitherige  Opferwilligkeit  der 
Achter,  wollte  er  sich  in  kein  Gespräch  und  in  keine 
Verhandlung  niehr  mit  ihnen  einlassen,  bevor  sie  nicht 
eine  bestinnnte  Erklärung  hinsichtlich  der  Übergabe  und 
der  Besatzung  der  Stadt  abgegeben  hätten;  er  wollte 
auch  dann  erst  Fürbitte  an  den  Kaiser  oder  an  die 
Reichsstände  gelangen  lassen^^). 

Der  emsigen  Thätigkeit  Christof  Arnolds,  des 
Kanzlers  Hans  von  Heideck,  war  es  zu  verdanken,  dass 
am  24.  und  25.  Juni  weitere  Verhandlungen  in  Pirna 
stattfanden^'*).  Hier  berücksichtigte  man  alle  Punkte  der 
kaiserlichen  Kapitulation  und  eröffnete  zugleich  den  ge- 
heimen Verhandlungen,    welche    Hans   von    Heideck 


*')  Moritz'  Brief  an  Christof  Arnold,  Heideck's  Kanzler,  vom 
3.  Juni;  Loc.  9151,  III,  Bl.  348;  vergl.  Bl.  322  und  l'oniarins  354. 
Nach  Druffel  I,  No.  (".50  hatte  bereits  der  Kurfürst  am  2(5.  Mai 
den  Kaiser  um  Linderuni.':  der  Kapitulationsartikel  angegangen. 

»«)  Loc.  9153,  Magdehurgische  Handlung  etc.  1551,  Bl.  57  flg. 
Loc.  9152,  Magdehurgische  Handlung  etc.  Bl.  250  flg.  Vergl.  Bessel- 
meicr,  Merckel,  I'omarius  3()(;,  374.  Aus  Magdeburg  erscliienen 
■wiederum  Bürgermeister  Gericke,  Dr.  Levin  von  Emden,  Arnold  Hoppe 
und  Heinrich  Merckel.  Dem  Kurfürsten  standen  zur  Seite  Dr  Mord- 
eisen, Dr.  Komerstadt  und  Christof  von  Carlowitz,  welcher  vom  Reichs- 
tage zurückgekehrt  war.  —  Markgraf  A  Ibrecht  hatte  von  Christof 
Arnold  erfahren,  dass  die  Magdeburger  dem  Kurfürsten  Erbhul- 
digung  leisten,  jedocli  keine  Besatzung  anfnelimen  wollten,  und 
dass  Fürsten  und  Vertraute  den  Handel  verbürgen  sollten.  (Loc. 
9151,  HI,  Bl.  390  u.  464).  Infolge  dessen  rieth  er  Moritz,  sich 
vorzusehen,  „dass  ihm  nirbt  ein  Hälmlein  durch  den  Mund  gezogen 
werde".  Koch  vor  Ablauf  dreier  Monate  würden  die  Achter  andere 
Bedingungen  annehmen;  wenn  die  Schalken  wieder  zu  ihm  kämen, 
dann  solle  er  ihnen  kein  gutes  Wort  geben.  Schwendi  ermahnte 
am  17.  Juni  etc.  (Bl.  513,  528,  547,  570),  auf  des  Kaisers  und  Kelches 
Reputation  zu  acht((n ;  doch  solle  der  Kurfürst  „ilie  Handlung  nicht 
gänzlich  aus  den  Händen  kommen  lassen  und  den  Achtern  die  HoÜ- 
nnng  eines  guten  und  leidlichen  Vertrages  nicht  abschneiden".  Das 
Domkapitel  bat  um  Wahrung  seiner  Rechte,  um  Erstattung  der 
Güter  und  wollte  Grafen  Albrecht  von  Mansfeld  vom  Vertrage  aus- 
geschlossen wissen. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.   293 

und  Christof  Arnold  führen  sollten,  Bahn*').  Die  städti- 
schen Abgeordneten  bewilligten  Ergebung  in  kaiserliche 
Gnade  und  Ungnade,  doch  so,  dass  zuvor  eine  schrift- 
liche Versicherung  gegeben  werde,  die  Ungnade  solle 
fallen,  sobald  der  Fussfall  gethan  und  Abbitte  geleistet 
sei.  Die  Pfaffen  sollten  in  der  Stadt  keine  Aufnahme 
finden.  Die  Ausgleichung  der  Irrungen  zwischen  dem 
Erzbischofe,  dem  Kapitel  und  der  Stadt  sollte  Kurfürst 
Moritz  als  kaiserlicher  Kommissar  übernehmen  und  alle 
Schäden  gegenseitig  aufheben,  Schleifung  der  Festung 
wurde  auf  das  Entschiedenste  zurückgewiesen,  nicht  allein 
wegen  der  hohen  Abtragungssumme,  sondern  vielmehr  in 
Rücksicht  drohender  Türkengefahren.  Dem  Kaiser  wollte 
man  im  Frieden  die  Stadt  öffnen,  ungefähr  30  000  Gulden 
Strafe  zahlen  und  gegen  12  Stück  Büchsen  (aber  keine 
Kartliaunen  und  Schlangen)  liefern.  Alle  konfiszierten 
Güter  und  verliehenen  Gerechtigkeiten  sollten  zurücker- 
stattet werden.  Gegen  Aufnahme  einer  Besatzung,  wor- 
auf der  Kurfürst  das  Hauptgewicht  legte,  sträubte  man 
sich,  denn  Magdeburg  werde  dadurch  zu  Grunde  gerichtet. 
Wiederholt  mahnte  der  Kurfürst,  in  unerlässlichen 
Dingen  nachgiebig  zu  sein  und  sich  gegen  den  Kaiser 
und  gegen  etliche  Fürsten  deraüthig  zu  erweisen.  Schrift- 
lich sollten  die  Magdeburger  eingestehen,  dass  ihnen  die 
kaiserliche  Ungnade  herzlich  leid  sei,  damit  „leidliche 
Milderung"  erlangt  werden  könne.  Zunächst  gnädig  gegen 
Magdeburgs  Standhaftigkeit**^),  war  Moritz  einige  Wochen 
später  über  des  Stadtrathes  Antwort  vom  26.  Juli*^)  in 
dem  Grade  unwillig,  dass  er  zur  grossen  Freude  Scliwen- 
di's    diese     neben    einem    offenen    Zettel    wieder    zurück- 


*^)  Loc.  10  695,  Dr.  Franz  Krammens  Zeitimgsbuch  (ohne  An- 
gabe der  Blätter)  und  10189,  M.  Franz  Krammens  Schreiben  etc.  1551 
Bl.  31  (Druffel  I,  No  GO?,).  Des  Kaisers  Kämmerer  und  andere  Per- 
sonen iällten  allerlei  verdriessliche  Urtheile,  weil  der  Kurfürst  den  Hei- 
deck im  Lande  dulde  und  sogar  als  Oberbauptmann  in  Leipzig  einge- 
setzt, auch  seinen  Sekretär  Arnold  als  Verwalter  in  Eilenburg  angestellt 
habe.  Nach  Bl.  36/37  (Druffel  T,  No.  668)  betrieb  Kram  bei  Granvella 
Heidecks  Aussöhnung.  Ileidecksollte  ein  bestimmtes  Zeichen  geben,  wo- 
durch zu  erkennen,  dass  er  des  Kaisers  Huld  würdig  sei.  Er  sollte  den 
Grafen  von  Mansfeld  oder  einen  andern  angesehenen  Rebellen  fangen, 
oder  Magdeburg  zur  Ergebung  bereden.  Man  hatte  den  Verdacht, 
Heideck  sei  besser  französisch  als  kaiserlich,  und  besorgte,  er  werde 
den  Kurfürsten  betrügen,  darum  wünschte  man  ihn  lieber  weit  weg  etc. 

")  Loc.  9151,  III,  Bl.  570/71,  Briefe  an  Schwendi  und  Kur- 
fürsten Joachim. 

")  Pomarius  374. 


294  S.  Issleib: 

schickte"^')-  Die  Magdeburger  und  ihre  Parteigänger 
sollten  irren,  wenn  sie  glaubten,  „einen  Frieden  nacli 
ihrem  Gefallen  zu  erlangen""'),  namentlich  seitdem  der 
Kurfürst  vom  Kaiser  eine  gewaltige  Handhabe  gegen 
die  Stadt  erworben  hatte. 

Unaufhörlich  diang  Moritz  beim  Kaiser  —  schon 
kennen  wir  die  Art  und  Weise  —  auf  pünktliche  Be- 
zahlung, auf  Erstattung  der  geliehenen  Gelder  oder  auf 
Versicherung  der  Summen;  unablässig  forderte  er  „rich- 
tigen Bescheid,  bei  wem  er  sich  seine  Auslagen  erholen 
könne".  Lange  zögerte  Karl  V.  mit  einer  bestimmten 
Erklärung.  Er  wusste  in  der  That  nicht  recht,  wie  er 
den  Kurfürsten  zufrieden  stellen  sollte;  denn  aus  eigenen 
Mitteln  wollte  er  keinen  Pfennig  vergüten  und  sonst 
scheute  er  wegen  misslicher  oder  doch  unbequemer  Folgen 
jedes  andere  Mittel.  Erst  als  der  „Himmel  sich  ringsum 
zu  trüben"  begann  imd  zahlreiche  Gerüchte  meldeten, 
man  versuche  den  Kurfürsten  vom  Kaiser  abzubringen'*"'^), 
entschloss  er  sich  (Ende  Juni)  ein  „Übriges  zu  thun". 
Auf  Krams  Vorschlag"^)  und  Schwendi's  Antrag  war  er 
zufrieden ,  dass  Moritz  Magdeburg  nacli  Eroberung 
oder  Ergebung  so  lange  innebehalte,  bis  er  aller  zur 
Exekution  verwendeten  Ausgaben  gänzlich  zufriedenge- 
stellt   sei'*^).     Auf   dem    nächsten    Reichstage    hoffte    der 

«")  Loc.  9153,  Magdelnirgische  Haiuüinig  etc.  Bl.  93.  Moritz 
verfolgte  den  doppelten  Zweck:  einen  Druck  auf  die  Magdeburger 
ansuzüben  und  die  unilaut'ojiden  Friedens-  und  Uundesgerücbte  dem 
Kaiser  und  Schwendi  gcgenidier  Lügen  zu  strafen  Im  Briefe  an 
den  Kaiser  (vom  22.  September)  hob  er  die  Zurücksendung  der  magde- 
burgischen Antwort  ausdrücklich  hervor.  Loc.  9152,  V,  BI.  188; 
Druffel  I,  No.  754. 

•')  Loc.  9151,  IV,  Bl.  63,  Bericht  Heinrichs  von  Braunschweig 
vom  14.  Juli  1551. 

"I  Loc.  9151,  III,  Bl.  390,  vergl.  424. 

")  Loc.  10189,  M.  Franz  Krammens  Schreiben  etc.  1551  Bl.  44, 
Brief  vom  29.  Juni  1551.  ^Vährend  einer  langen  Unterredung  mit 
Arras  meinte  Kram  :  „Sollte  dem  Kurfürsten  recht  und  Avohl  geholfen 
werden,  so  müsse  das  Erzbisthum  Magdeburg  darüber  eine  Feder 
lassen".  Arras  entgegnete:  „er  Avisse  auch  keinen  andern  Weg,  wie 
der  Kurfürst  sonst  zu  seinem  geliehenen  (ielde  kommen  möchte"  etc. 

"*)  Das  kaiserliclie  Schreiben,  eine  Antwort  auf  Moritz' Schreiben 
vom  2().  Mai  (Druffel  I,  No.  65u),  ist  datiert  Augsburg  am  25.  Juni. 
Es  liegt  in  den  Originalen  als  No.  11434,  eine  Abschrift  findet 
sich  Loc.  9152,  Belagerung  Magdeburgs  1551,  BI.  120;  I)r\iffel  f, 
No.  673  bietet  Granvella's  Entwurf.  Brief  und  Zusicherung  Karls  V. 
wurde  am  26.  April  1576  von  Ma.ximilian  II.  zu  Wien  erneuert,  die 
kaiserliche  Zuschrift  ist  datiert  Ilegensburg  am  1.  September  1576, 
Loc.  9152,  VI,  120. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.  295 

Kaiser  durcbziisetzen,  dass  die  kurfürstlichen  Auslagen  von 
den  Reiclisständen  gedeckt  würden;  doch  sollte  Moritz  bis 
dahin  durch  Truppenentlassung  und  Soldermässigung  soviel 
als  möglich  von  den  60  000  fl.  Monatsgelder  ersparen ^^). 
Zur  vorgeschlagenen  Milderung  der  Kapitulationsartikel 
verhielt  sich  Karl  V.  noch  ablehnend"''),  weil  Magdeburg 
wegen  der  trotzigen  und  muthwilligen  Hartnäckigkeit  weit 
härtere  Strafe  verdiene.  Allerhöclistens  möge  Moritz  die 
Ächter  „vertrösten  und  versichern",  die  kaiserliche  Un- 
gnade solle  sich  nach  Ergebung  in  Gnade  und  Ungnade, 
nach  FussfjxU  und  Abbitte  nicht  weiter  erstrecken  als  „in 
den  Artikeln  gemeldet  werde".  Von  ihren  Privilegien 
sollten  sie  behalten,  was  noch  nicht  vergeben  und  dem 
Erzbischof  und  Domkapitel  unschädlich  sei.  Die  Schleif- 
ung der  Festung  sollte  wenigstens  begonnen  und  dann 
erst  in  eine  Geldstrafe  umgewandelt  werden.  Aussöhnung 
und  Begnadigung  sollte  sich  auf  Rath,  Prädikanten  und 
Bürger,  nicht  aber  auf  Hans  von  Heideck,  Albrecht  von 
Mansfeld  nebst  Söhnen  oder  auf  das  Kriegsvolk  er- 
strecken. In  Religionssachen  sollte  sich  Magdeburg  nach 
den  sächsischen  Kreisen  richten.  An  der  Restitution  des 
Erzbischofs  und  Klerus  wurde  festgehalten  etc.^'). 

Dr.  Franz  Kram  schickte  das  kaiserliche  Schreiben 
(vom  25.  Juni)  am  1.  Juli  nach  Sachsen*'*')  mit  dem  Be- 
merken, der  Kurfürst  werde  am  besten  sehen,  wo  der 
Schuh  drücke;  er  möge  aber  die  kaiserliche  Vertröstung 
nicht  in  den  Wind  schlagen,  denn  sie  werde  ein  guter 
Anfang  und  Vorwand  zum  künftigen  Besitze  der  Stadt 
sein.  Wolle  er  noch  mehr  erreichen,  dann  möge  er 
schmieden,  so  lange  das  Eisen  heiss  sei ;  denn  der  Kaiser 
stehe  jetzt  mit  Krieg  auf  und  lege  sich  mit  Krieg  nieder. 
Man  frage  zur  Zeit  wenig  darnach  —  ergänzte  er  später 
— ,  ob  der  Kurfürst  etliche  Artikel  des  magdeburgischen 
Primats   bekäme,   man   wolle    nur    kein    Geld    ausgeben; 


«*)  Dem  Domkapitel  wurde  vom  Kaiser  befohlen:  „ungeachtet 
der  Exceptionen  und  Entschuldigungen"  die  Kosten  für  die  Schanz- 
gräber und  Artillerie  zu  tragen.  Loc.  10189,  M.  Franz  Krammens 
Schreiben  etc.  lööl  Bl.  50  und  10G95,  Dr.  Franz  Krammens  Zeit- 
ungsbuch,  Augsburg  am  1.  Juli;  Druff el  I,  No.  681. 

6«)  Vergl.  Brief  vom  26.  Mai,  D  ruf  fei  I,  No.  650. 

")  Loc.  9152,  V,  Bl.  205,  2H0,  262;  vergl.  Druffel  I,  No.  764, 
Anm.  1.  Nach  dem  Schreiben  vom  11.  August  (No.  708)  blieb  der 
Kaiser  bei  seiner  Ansicht  stehen. 

**)  Loc.  10189,  M.  Franz  Krammens  Schreiben  etc.  1551  Bl.  50, 
56,  66,  u.  10695,  Dr.  Krammens  Zeitungsbuch;  Druffel  I,  No.  681  etc. 


296  S.  Issleib: 

daher  möge  er  die  Zeiten  benutzen,  das  Stift  zu  satteln 
und  7A\  fassen"*). 

Sobald  Moritz  diese  Nachrichten  erhalten  hatte,  be- 
eilte er  sich,  dem  Kaiser  weitere  Zugeständnisse  abzu- 
nöthigen,  indem  er  vorstellig  wurde'"),  wie  ungewiss  die 
Bewilligung  des  Reichstages  und  wie  unzureichend  eine 
Versicherung  durch  Magdeburg  sei;  seine  Ausgaben 
mehrten  sich  täglich,  während  die  Stadt  durch  die  Be- 
lagerung mehr  und  mehr  veranne.  Der  Kaiser  möge 
das  Stift  veranlassen,  für  die  Bezahlung  in  bestimmter 
Frist  einzustehen  oder  Städte,  Häuser  und  Ämter  als 
Pfand  zu  überliefern.  Das  Erzstift,  dem  alles  an  der 
Eroberung  Magdeburgs  liegen  müsse,  könne  das  Geld 
von  den  Keichsständen  leichter  als  er  zurückerhalten.  — 
In  Augsburg  wunderte  man  sich  zunächst  über  die  neue 
Forderung,  aber  Verlegenheit  zwang  zur  Nachgiebigkeit. 
Schwendi  erhielt  anfangs  August  Befehl,  das  Erzstift  zur 
Willfährigkeit  anzuhalten"). 

Magdeburg,  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  seit  dem 
Eintreffen  des  kaiserlichen  Schreibens  vom  25.  Juni  so 
gut  wie  preisgegeben,  blieb  nicht  lange  im  Unklaren  dar- 
über und  rausste  nothgedrungen  in  eine  nachgiebigere 
Haltung  eintreten.  Dank  der  Thätigkeit  Heideck's  und 
Arnold's  wurde  das  bisherige  Misstrauen  endlich  gemildert 
und  eine  aufrichtigere  Annäherung  herbeigeführt.  Sobald 
der  Kurfürst  am  30.  August  im  Lager  vor  Magdeburg 
erschien''^),  suchte  der  Magistrat  um  Verhandlung  nach. 
Mit  Bewilligung  des  Kurfürsten  zogen  darauf  Heideck 
und  Arnold  in  die  Stadt  (am  4.  September)  und  ver- 
handelten zwei  Tage  mit  dem  regierenden  ßath'').  Am 
6.  September  traten  alle  drei  Käthe  (der  regierende,  alte 
und  überalte);  die  Hundertmänner  und  Innungsmeister  in 


•»)  Vergl.  hierzu  Loc.  10189,  Bl.  55;  Druffel  I,  N"o.  688. 

'»)  Brief,  datiert  Radeberg,  14.  Juli  1551.  Loc.  9153  (8775), 
Magdehurgische  Sachen,  so  merentheils  bei  Dr.  Mordeisen  gewesen 
1550/51,  Bl.  237;  Druffel  I,  Xo.  689. 

'M  Im  Septeiuber  begannen  Moritz'  Verhandlungen  mit  den 
Stiftsständen.  Damals  schätzte  der  Kurfürst  sein  geliehenes  Geld 
auf  240  00'!  fl.  Die  Stiftsstände  erboten  sich,  ihm  und  seinen  Erben 
110000  fl.  in  drei  Terminen  zu  bezahlen  und  mit  Gütern,  Ämtern  etc. 
zu  haften.  Man  wurde  sobald  nicht  haiulelseinig.  I.oc.  9152,  Magde- 
burgs Belagerung  1550,  Bl.  10;  vertrl.  Druffel  I,  No.  766. 

")  Merckel  und  Pom  arius"397. 

")  Loc.  915.3,  Magdeburgische  Handlungen  etc.  Bl.  111  flg.; 
Pomarius  398. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  297 

die  Berathung  über  Annahme  der  kaiserlichen  Kapitnlation, 
Aufnahme  einer  Besatzung  und  über  die  Erbliuldigung 
ein.  Nach  langen  und  heftigen  Dehatten  erhielt  der 
regierende  Rath  die  Vollmacht,  mit  dem  Kurfürsten  von 
Sachsen  abzuhandeln.  Derselbe  beschied  am  9.  September 
eine  Deputation  des  Rathes,  der  Bürgerschaft  und  des 
Kriegsvolkes  in  das  Quartier  des  Obristen  Wolf  Tief- 
stetter  im  Blockhause  bei  den  Steinkuhlen*^). 

Den  öffentlichen  Verhandlungen,  welche  Moritz  als 
Oberfeldherr  des  Kaisers  und  Reiches  leitete,  wurden  die 
kaiserlichen  Artikel  zu  Grunde  gelegt;  über  Besatzung, 
Huldigung  und  geheime  Zusagen  sprach  Heideck  mit  den 
Deputierten  abgesondert.  Eine  Anzahl  kaiserlicher  Artikel 
erlangten  jetzt  bedingungslose  Annahme,  bei  anderen 
wurde  Milderung  oder  gänzlicher  Wegfall  erbeten.  Mit 
der  Erklärung,  ohne  kaiserliche  Bewilligung  nicht  ab- 
schliessen  zu  können,  forderte  Moritz  die  Magdeburger 
auf,  sich  so  zu  verhalten,  dass  Kaiser  und  Reichsstände 
zur  Milde  und  Gnade  bewogen  würden. 

In  die  geheimen  Verhandlungen  über  Besatzung, 
Huldigung  und  Zusagen  sehen  wir  nicht  ganz  klar.  Be- 
stimmten Aufzeichnungen  entnehmen  wir,  dass  die  Magde- 
burger einen  Monat  lang  1000—1200  Knechte  (in  'kur- 
fürstlicher Besoldung)  aufnehmen"),  und  nach  sicherer 
Abhandlung  dem  Kurfürsten  huldigen  wollten'";.  Er- 
legung gewisser  Steuern  schlugen  sie  nicht  gänzlich  aus, 
obgleich  sie  betonten,  unter  dem  Erzbischofe  Albrecht 
abgabenfrei  gewesen  zu  sein.  In  Gegenwart  Heideck's 
gab  Moritz  der  Deputation  die  Versicherung,  er  meine 
es  wohl  mit  der  Stadt  und  wolle  Heideck's  Zusagen  halten. 
Zuletzt  redete  Schwendi  mit  den  Abgeordneten  über  die 
kaiserlichen  Artikel,  gab  beruliigende  Versicherungen  und 
sagte  persönliche  Verwendung  beim  Kaiser  zu"). 

Am  10.   und  11.  September   war   Heideck   wiederum 


'*)  Unter  den  zwölf  Abgeordneten  befanden  sich  die  vier  von 
früher  bekannten  Bürger;  das  Kriegsvolk  veitrat  Oberst  Ebeling 
und  Rittmeister  von  Wolf  Mit  Moritz  erscbienen  Graf  Johann 
Georg  von  Mansfeld,  Heideck  und  Arnold,  Mordeisen  und  Carlowitz. 

'5)  Verg.  Pomarius  410. 

")  Sie  wollten  lieber  unter  einem  evangelischen  weltlichen 
Fürsten,  der  sie  beim  Worte  Gottes  lasse,  als  unter  dem  Kapitel 
stehen. 

")  Pomarius  40G. 


298  S.  Issleib: 

in  der  Stadt' ^),  und  ara  16.'®)  überbrachte  Merckel  die 
Antwort  der  Magdeburger  nach  Moritzburg.  La  ganzen 
damit  einverstanden  setzte  nun  Moritz  einen  neuen  Ver- 
handhnigstag  auf  Michaelis  in  Wittenberg  an  inid 
übersandte  eine  Kopie  der  Magdeburger  Erklärungen  au 
Schwendi  mit  dem  dringenden  Verlangen,  beim  Kaiser 
sich  für  einen  Vertrag  zu  verwenden',  damit  man  nicht 
wegen  Geldnumgels  gezwungen  werde,  mit  Schimpf  und 
Schande  von  der  Belagerung  abzustehen*'").  Von  Leipzig 
aus  wandte  er  sich  selbst  an  Karl  V.  (am  22.  September**'), 
und  gab  an,  was  von  den  Magdeburgern  zu  erlangen  und 
nicht  zu  erlangen  sei.  Im  Anschlüsse  an  einen  Brief  der 
Ächter  und  an  eine  Beschwerdeschrift  über  etliche  Ar- 
tickeP'^)  erwies  der  Kurfürst  in  ausführliclier  Breite, 
dass  Milde  am  Platze  und  wegen  vieler  Übelstände  im 
Lager  die  Beendigung  des  Krieges  geradezu  nothwendig 
sei.  Voraussichtlich  würde  sich  das  Kriegsvolk  vor  er- 
folgter  Bezahlung  gar  nicht  trennen  lassen,  vielmehr  in 
lästiger  Weise  Zahlung  suchen*^).     Er  selbst  könne  nichts 


")  Loc.  9151,  IV,  in.  308  fls,^  Nicht  am  19.  September,  wie 
Merckel,  Besseimcier  uikI  Pomarius  41.5  anceben,  sondern 
am  12.  September  verhandelte  Mtirküraf  Albrecht  mit  dem  ge- 
fangenen Herzog  Georg  von  Mecklenburg  im  oft'enen  Felde  (in  Gegen- 
wart Merckels)  über  die  Wiederalitretung  der  Orte  Waiizleben,  Droi- 
leben  und  Wolmirstedt  an  das  Domkapitel.  Die  Sache  zerschlug 
sich,  weil  das  Kapitel  bloss  8000  ü.  „Ergötzunc"  geben  M'ollte. 
Yergl.  Loc.  9152,  V,  Bl.   1  flg.;  Druffel  I,  Xo.  67-4,  A.  5. 

'»)  Nicht  am  19.  September,  wie  Besselmeier  angiebt,  s. 
Loc.  9l5'i,  Magdeburg.  Handlung  etc.  1551,  1!1.   120  flg. 

«")  Loc.  9151,  IV,  Bl.  Hie.  flg.  (Moritzburg  am  17.  September), 
Loc.  9152,  Y,  Bl.  17;  Druffel  1,  No.  755/6  u.  7ßl.  Schwendi  war 
empört  über  den  Stolz  und  Trotz  der  Magdeburger  und  höclist  un- 
gehalten über  die  Nacbsiiht,  welclie  man  gegen  sie  übe;  der 
Umschwung  in  Schwendi's  Stimmung,  den  Druffel  I,  No.  755,  A.  1. 
betont,  erklärt  sich  aus  einer  überaus  scharfen  Antwort  des  Kur- 
fürsten :  entweder  sollte  Scliwendi  Geld  oder  eine  gnädige  und  er- 
trägliche kaiserliche  Resolution  verschaflcn  etc. 

•')  Loc.  9152,  V,  Bl.  188,  915.%  Magdcb.  Handlung  etc.  Bl.  2.3, 
33;  Druffel  I,  No.  754  u.  689. 

«*)  Loc.  915.3,  Magdeb.  Handlung  etc.  Bl.  122  flg.  Im  Scli reibe  u 
an  den  Kaiser  (vom  20.  August,  Bl.  143)  bekannten  die  Magde- 
burger, dass  iluien  die  kaiserliche  UuLMiade  leid  sei,  und  l)aten,  die 
Ungnade  fallen  zu  lassen  und  die  Kapitulation  in  etlichen  hoch- 
beschwerlichen und  uriertüllbaren  Artikeln  zu  mildern.  Die  Be- 
schwerdeschrift behaiulelte  Fussfall  und  Abbitte,  Schleifung  der 
Festung,  Strafsumme,  Geschütz  und  kontiszierte  Güter. 

")  Moritz  entschuldigte  schon  hier  seine  späteren  Anordnungen 
und  Massnahmen. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  299 

melir  vorstrecken,  und  die  Stiftsstände  klagten,  dass 
niemand  Geld  leihen  wolle  ^^).  Überdies  könne  der  Reiclis- 
vorrath  zu  nothwendigeren  und  nützlicheren  Dingen  ver- 
wendet werden  als  zur  Eroberung  Magdeburgs.  Die 
Punkte  der  ma<;deburo;ischen  Beschwerdeschrift  eingehend 
erörternd,  bat  er  wiederholt  um  kaiserliche  Grossmuth. 
Seine  Käthe  erhielten  Weisung,  vor  allem  bei  Granvella 
„für  Magdeburg  zu  sollicitiren"*^). 

In  die  Zwischenzeit  von  Absendung  des  kurfürstlichen 
Schreibens  bis  zur  Ankunft  der  kaiserlichen  Erwiderung 
fielen  die  auf  IMichaelis  anberaumten  ^A'ittenberger 
Verhandlungen  und  die  allbekannten  Bundesberath- 
ungen  zu  Lochau.  Mit  Absicht  sollten  die  örtlich  ge- 
trennten Verhandlungen  zeitlich  zusammenfallen. 

In  Wittenberg  auf  dem  Schlosse ^°j  wurde  über 
die  kaiserlichen  Artikel,  da  man  Resolution  von  Augs- 
burg erwartete,  nur  beiläufig  verhandelt,  tagelang  dagegen 
über  Religion  und  Privilegien,  über  das  Kriegsvolk,  über 
Huldigung  und  die  dem  Kurfürsten  zu  bewilligenden 
„Nutzungen".  Huldigung  wollten  die  Magdeburger  dem 
Kurfürsten  für  immer,  nicht  für  bestimmte  Zeit  leisten, 
er  sollte  ihr  Landesherr  sein  und  sie  voin  Erzbischofe 
und  Domkapitel  befreien**').  Heeresfolge  wollten  sie 
nicht  leisten,  doch  in  Kriegszeiten  sich  zum  Schutze  der 
Stadt  verwenden  lassen.  Ihr  Kriegs  volle  sollte  laut 
kurfürstlicher  Vertröstung  frei  und  unbehelligt  abziehen 
dürfen.  Hinsichtlich  der  „Nutzungen  und  jährlichen  Er- 
götzung" näherte  man  sich  nur  ganz  allmählich.  Gegen 
Freiheit  von  allen   andern   Steuern  und  Abgaben  wollten 


")  Über  Geldnoth  und  deren  Folgen  Loc.  9152,  V,  Bl.  136  flg. 
Moritz  liess  die  Musterung  mit  Absicht  „stillstehen". 

»*)  Loc.  (tl5.'i,  Magdeb.  Handlung  etc.  Bl.  169. 

•«)  Loc.  9152,  Y,  Bl.  40;  915.3,  Magdeb.  Handlung  etc.  Bl.  276  flg. 
und  Magdeburg.  Händel,  so  merentheüs  bei  Dr.  Mordeisen  etc. 
1550—57",  Bl.  127.  —  Die  Magdeburger  hatten  am  23.  nicht  am  29. 
September,  ■wie  Pomarius  415  angiebt,  die  Stadt  verlassen.  Das 
Domkapitel  ersuchte  am  16.  September  (Loc.  9152,  V,  Bl.  1)  Moritz, 
in  Wittenberg  der  ihnen  vom  Kaiser  zugesagten  völligen  Kesti- 
tution  zu  gedenken.  Der  Kurfüist  entgegnete  hart,  es  sei  ihm 
nicht  zuwider,  wenn  das  Domkapitel  beim  Kaiser  die  Vertröstung  in 
Erinnerung  bringe,  sie  sollten  ihn  mit  bedrohlicben  Schreiben  ver- 
schonen, denn  er  habe  ohne  YorMÜssen  des  Kaisers  noch  nichts  ge- 
handelt etc. 

")  Dies  konnte  allerdings  nur  mit  Zustimmung  des  Kaisers 
und  der  Stiftsstände  erfolgen. 


300  S-  Isslcil): 

die  stildtisclicn  Abg'cordncten  nur  eine  „Elbnutzniessung" 
und  eine  Jahresrente  von  lOCO  fl.  zugestehen.  Die  kur- 
fürstlichen Räthe  verlangten  6000  fl.  jährlich,  sowie 
„Steuer-  und  Zollcrhöhung  für  fremde  Getränke,  einhei- 
niisehe  Bicrf  und  für  alle  Waaren,  welche  auf  der  Elbe 
verschifft  und  in  der  Stadt  vertrieben"  würden.  Am  3. 
Oktober  boten  die  Magdel)urger  gegen  Steuer-  und  Zollfrei- 
heit ein  Jahroeld  von  3000  fl.;  aber  auf  Befeld  des 
Kurfürsten  wurde    zunächst   „kein    Abschied   gemacht""*). 

InLochau*^)  wurden  die  Bundesfürsten  anfangs  Ok- 
tober infolge  ihrer  früheren  Abmachungen  ziemlich  rasch 
einig  über  Heeresstärke,  Geschütz  und  Geld;  über  Defen- 
sive oder  OflTensive  des  Bundes  aber  gingen  die  Meinungen 
auseinander.  Der  anwesende  fianzösische  Gesandte  Jean 
de  Fresse  (Fraxineus),  Bischof  von  Bayonue,  wollte  sich 
nur  auf  ein  OfFensivbündnis  einlassen,  Markgraf  Hans 
dagegen  bestand  auf  ein  Defensivbündnis.  Erst  nach 
erregten  Debatten,  besonders  zwischen  Hans  und  Moritz, 
wurde  am  3.  Oktober  ein  OfFensivbündnis  beschlossen. 
An  der  Abendtafel  aber  fiel  wiederum  Wort  gegen  Wort, 
bis  das  erhitzte  Gespräch  die  Fürsten  entzweite.  Gereizt 
erhob  sich  Markgraf  Hans  vom  Sitze,  begab  sich  in  seine 
Gemächer  und  ritt  frühmorgens  am  4.  Oktober  bei  Fackel- 
schein mit  den  Vollmachten  des  Herzogs  von  Preussen, 
Heinrichs  von  Mecklenburg  und  Franz  von  Lüneburg 
„wie  die  Katze  von  der  Böne"  davon""').  Der  Fürsten- 
bund war  gesprengt.  Die  Zurückgebliebenen  aber  Hessen 
„das  Werk  nicht  sitzen"  und  betrauten  den  Markgrafen 
Albrecht,  welcher  jetzt  dem  Bunde  in  freierer  Stellung 
als    „unverpflichtet"     beitrat     —     bisher    hatte    Markgraf 


"')  In  Angsliurg  wurde  viel  von  einem  nbrrcst'hIos?enen  Ver- 
trage geredet,  auch  diejenigen  waren  fast  froli  darühev,  welche  Irülier 
alle  Magdeburger  tot  haben  wollten.  Loc.  10  695,  Dr.  Fr.  Kram- 
mens  Zeitungsbuch,  und  10189,  M.  Franz  Kramniens  Schreiben  etc. 
15)1  131.  HO;  Druffel  I,  No.  772. 

")  Joli.  Voigt,  Fürstenbund  140;  von  Langenn  I,  48.3; 
Druffel  I,  No.  77.3/4. 

'")  Loc.  7277,  Markgrafen  Johannsen  hendel  etc.  Bl.  16; 
Druffel  I,  No.  782.  Jedenfalls  wollte  Markgraf  Hans  in  Rücksicht 
einer  englischen  Sendung  nicht  allzusehr  an  Frankreich  ge- 
kettet sein.  Am  17.  Juli  war  sein  Sekretär  Hans  Fuess  nach  Eng- 
land aufgebrochen  und  am  7.  September  in  London  angekommen, 
hatte  sich  an  Johann  a  Lasco  gewendet  und  war  durch  dessen  Ver- 
mittelung  an  den  Hof  gelangt.  Über  die  Verhandlungen  siehe  Loc. 
9145,  Hessische  entledigung  I,  Bl.  690  flg. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  301 

Hans  seine  Theilnalime  verhindert  — ,  mit  einer  Bundes- 
sendung nach  Frankreich^'). 

Was  Magdeburg  betrifft,  so  versprach  Moritz,  einen 
Vertrag  zu  schHessen,  wonach  ihm  die  Stadt  billig  Dank 
sagen  sollte.  Den  Verbündeten  sollte  sie  im  Falle  der 
Bedrängnis  als  Zufluchtsort  offen  stehen.  Von  den  etwaigen 
Bundeseroberungen  wurden  die  Stadt  und  die  Stifter 
Magdeburg- Halberstadt  ausgeschlossen  und  dem  Kur- 
fürsten von  Sachsen  zur  Wiedererlangung  seines  geliehenen 
Geldes  nebst  Interessen   vorbehalten. 

Bald  darauf  lief  —  es  war  am  10.  Oktober  —  die 
kaiserliche  Antwort  ein''^).  Karl  V.  hatte  sich  schweren 
Herzens  entschlossen,  die  Kapitulationsartikel  zu  mildern. 
Er  hatte  die  Geldstrafe  von  200000  fl.  auf  50000  fl.  er- 
mässigt  und  dem  Reichs vorrathe  zugewiesen,  statt  24 
Mauerbrecher  sollten  12  Feldgeschütze  geliefert  werden. 
Beim  Fuss falle  aber  sollten  die  Magdeburger  offen  be- 
kennen, dass  sie  durch  ihre  ßebellion  in  kaiserliche  Un- 
gnade gefallen  seien.  Betreffs  Schleifung  der  Festung 
verwies  der  Kaiser  auf  seine  frühere  Erklärung.  Über 
Besatzung  und  spätere  Öffnung  der  Stadt  bestimmte  er: 
Kurfürst  Moritz  sollte  zunächst  als  Reichsfeldherr  mit 
beträchtlichem  Kriegsvolke  in  die  Stadt  einrücken  und 
sie,  so  lange  als  rathsam  und  nothwendig  sei,  innebehalten. 
Nach  dieser  Zeit***)  sollten  die  Magdeburger  hinsichtlich 
der  Öffnung  der  Thore  wie  alle  Unterthanen  des  Reiches 
verpflichtet  sein.  Gänzliche  Aufhebung  der  Konfiskationen 
bewilligte  der  Kaiser  nicht,  weil  schon  „Brief  und  Siegel" 
an  Personen  gegeben,  waren*'').  Aber  nach  Ergebung 
der  Stadt  wollte  er  Moritz  zum  Kommissare  ernennen, 
um  wegen  der  Konfiskationen  mit  den  Betreffenden  zu 
verhandeln.  Amnestie  wurde  allen  Bürgern  und  ordent- 
lichen Dienern,  nicht  aber  zugleich  den  „Verwandten  und 
Anhängern  insgemein"  gewährt.  Das  Krieg svolk  sollte 
ohne  Vorbehalt  aus  der  Stadt  geschafft  werden  und  nach 

•')  Nach  Mitte  Oktober  reiste  er  über  Hessen  nach  Frankreich. 
Loc.  9152,  V,  Bl.  120  flg.  (Briefe  vom  13.  u.  15.  Oktober);  Druffel  I, 
No.  795  u.  797. 

")  Schieibeii  vom  1.  Oktober,  Loc.  9153,  Magdeburg.  Hand- 
hing  etc.  1551,  Bl.  386  und  Magdeb.  Händel  etc.  Bl.  75,  86,  106-, 
Druffel  1,  No.  764. 

")  Kaiser  und  Reichsstände  sollten  je  nach  der  Haltung  Magde- 
burgs darüber  bestimmen. 

"*)  Ein  Verzeichnis  der  konfiszierten  Güter  etc.  war  beigelegt. 
Yergl.  Merckel    und  Pomarius. 


302  S-  Issleib: 

seinem  Abzüge  in  den  „Gcwalirsain"  gebührende  Strafe 
empfangen.  Es  sollte  nur  dünn  Verzeiliung  erhalten, 
wenn  die  kaiserlichen  Mandate  —  die  Abforderuiig  aus 
der  Stadt  betreticnd^^)  —  vom  Rathe  vorenthalten  wor- 
den seien.  Dann  aber  sollte  die  Mannschaft  sclnyören, 
in  Ewigkeit  nicht  wieder  gegen  Kaiser,  Reich  und  Oster- 
reich-Biirgund  zu  dienen.  Betont  wurde  die  Befreiung 
des  Hi-rzogs  Georg  von  j\lecklenl)urg  ohne  Lösegehl. 
Moritz  sollte  nach  erfolgter  Einnahme  der  Stadt  das 
Kriegsvolk  bezahlen  und  zertrennen,  Empörungen  und 
Vcrgardcrungen  verhindern  und  verhüten,  dass  gegen  die 
Kneclite  ein  Reichsstand  den  andern  gebrauche^**).  Zu- 
letzt sprach  der  Kaiser  die  Hoffnung  aus,  der  Kurfürst 
werde  sich  von  ihm  nicht  abwenden  lassen.  Schwendi 
erhielt  Befehl"'),  über  einige  Punkte  mit  Moritz  persön- 
lich zu  reden,  die  Abdankung  und  Zertrennung  des 
Kriegsvolkes  durchzusetzen  und  darüber  zu  wachen,  dass 
es  weder  Frankreich  noch  einem  Reichsfürsten  zugeführt 
werde"*).  r3en  Kurfürsten  sollte  er  dahin  beeinflussen, 
dass  er  sich  „ehrenhaft  halte",  nicht  zu  sehr  den  eigenen 
Vortheil  suche  und  nicht  darauf  ausgehe,  Magdeburg  in 
seine  Gewalt  zu  brini>en.  Die  Stadt  sollte  sich  Kaiser 
und  Reich  und  nicht  dem  Kurfürsten  ergeben"®).  Heideck 
sollte  erst  dann  ausgesöhnt  werden,  wenn  hinreichender 
Grund  dazu  vorhanden  sei;  nur  dem  Kurfürsten  zu  Ge- 
fallen   sei    bisher    durch     die    Finger    gesehen     worden. 


»5)  Am  6.  Februar  erschien  ein  kaiserlicher  Heroki  mit  den 
kaiserlichen  Mandaten  vor  Magdeburg.  Wie  Merck el  uudPoma- 
rins  288  überliefern,  so  gestattete  der  Magistrat  keine  Unterredung 
mit  dem  Kriegsvolke. 

»»)  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig  bat  am  12.  Oktober, 
seine  Sache  mit  üraunsclnveig  in  guter  Acht  zu  haben,  wenn  es 
/um  Abzüge  des  Kriegsvolkes  komme.  Moritz  rieth,  sich  nicht  zu 
besorgen,  er  und  das  Kriegsvolk  seien  noch  unbezahlt  „Wo  er 
aber  Geld  sein  wolle  und  der  Leute  bedürfe,  so  wolle  er  sie  alle 
auf  Wolfrnbnttel  zuführen  oder  weisen;  denn  es  sei  zu  befürchten, 
wo  den  Sachen  kein  ander  Mass  getroffen,  das  Kriegsvolk  werde  auf- 
fahren wie  der  Teufel". 

»')  Druffel  I,  No.  766.  Über  die  Randnotiz  von  Seld's  Hand 
(Anni.  1)  findet  man  Aufschluss  in  den  Unterredungen  zwischen 
üranvellii.  und  Carlowitz,  am  2b.  Oktober  1550,  Loc.  '.)]5l,  II,  151.  265. 

"j  Über  die  französischen  Praktiken  sollte  Schwendi  mit  Carlo- 
witz reden.  Besondere  Anweisungen  hatte  er  noch  über  die  land- 
gräfliche Sache  erhalten. 

"»j  Kram  berichtete  am  6.  Oktober  von  seltsamen  Reden,  die 
in  Augsburg  gefallen  waren.     Siehe  Anm.  88. 


Magdeburgs  Belagerung  durcli  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.  303 

Magdeburgs  Ergebung  sollte  auf  alle  Fälle,  selbst  vermöge 
hoher  Vertröstungen  beschleunigt  werden.  —  Schwendi 
eilte  sofort^""),  kaiserlichem  Befehle  zu  folge,  zum  Kurfürsten; 
aber  beider  Unterredung  entzieht  sich  jeder  Kunde.  Den 
Magdeburgern  übersandte  Moritz  einen  Auszug  der  kaiser- 
lichen Resohition^"^),  worauf  sie  nur  noch  Ausstellungen 
an  den  Punkten  über  Schleifung  der  Festung,  Konfis- 
kationen und  über  das  Kriegsvolk  hatten. 

Wir  nähern  uns  nunmehr  dem  Ende  der  Magde- 
burger Belagerung.  Am  2.  November  brach  Kurfürst 
Moritz  in  Wittenberg  auf,  um  die  Stadt  einzunehmen'"''^). 
Die  letzten  Verhandlungen,  welche  Heideck  in  Gang 
brachte,  erreichten  im  Blockhause  bei  den  Steinkuhlen 
ihren  Abschluss^"^). 

Es  wurde  vereinbart^"'*):  Kurfürst  Moritz  sollte  die 
Stadt  auf  Grund  der  gemilderten  kaiserlichen  Kapitulation 
„auf-  und  annehmen"  —  der  Ausdruck  „Ergebung"  wurde 
verniieden^*'^).  Alle  Bürger  sollten  dem  Kaiser,  dem 
Reiche  und  (kaiserlicher  Bewilligung  gemäss)  dem  Kur- 
fürsten von  Sachsen  huldigen.  Gegen  Erhaltung  der 
wahren  Religion,  der  Privilegien  und  der  Festung  wollten 
sie  durch  Gesandte  vor  dem  Kaiser  einen  Fussfall  thun, 
ihre  Rebellion  bekennen,  um  Verzeihung  und  Absolution 
von  der  Acht  demüthig  bitten,  allen  antikaiserlichen  Bünd- 
nissen entsagen,  dem  Kammergerichte  und  den  Reichsab- 
schieden gehorchen,  die  Gerechtigkeiten  und  Ansprüche 
des   Erzbischofs,   Kapitels   etc.   nach    kammergerichtlicher 


"">)  Am  11.  Oktober  war  er  in  Köthen;  Loc.  9152,  V,  Bl.  110. 

"")  Loc.  9151,  II,  Bl.  434,  Magdeburgisclie  Erbieten  auf  kaiser- 
liche Resolution,  Loc.  9158,  Magdeb.  Handlung  1551,  Bl.  401. 

'"^j  Moritz  lud  seinen  Bruder  ein,  in  das  Lager  zu  kommen. 
„Ich  reite  itzuud  nach  Magdeburg"  —  schrieb  er  am  2.  November 
eigenhändig  —  „die  Stadt  einzunehmen,  wie  aber  mit  Reitern  und 
Knechten  der  Zahlung  halben  gehandelt  werden  wird,  das  giebt  die 
Zeit.  Ich  denke  aber,  wir  werden  ausfahren  wie  der  Teufel,  der  lässt 
allemal  ein  Geschrei  hinter  sich.  Thüringische  Hühner  essen  wir 
auch  gern,  es  steht  aber  auf  fernerem  Bedenken.  E.  L.  verstehe 
mich  wohl"  etc.  Loc.  8502,  Churf.  Moritzens  Schreiben  an  Augustum 
a.   1547—1551,  Bl.   28. 

'"*)  Schwendi  wohnte  den  Verhandlungen  zum  Theil  bei. 

*"*)  Merckel  hat  die  Kapitulationsartikel  nacli  den  früheren 
und  letzten  Verhandlungen  und  nach  den  Bedenken  der  Reichs- 
stände in  Augsburg  vom  2.  November  1551  zusammengestellt. 

">*)  Loc.  9152,  V,  Bl.  266,  „das  Wort  Ergebung  ist  letzlich 
ausgelassen" ;  Moritz  bewilligte,  dass  sich  die  Stadt  „nicht  ergebe", 
sondern  mit  ihm  „vertrage". 


304  S.  Issleib: 

Entsclieidung  anerkennen,  eine  Besatzung  aufnelinien^*^") 
und  in  Zukunl't  dem  Kaiser  die  Stadt  wie  die  andern 
Untertliancn  des  Reiches  öffnen,  50  ÜUÜ  fl.  zahlen,  12  Ge- 
schütze liefern  und  in  Sachen  der  Konfiskationen  und 
Schädigungen  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  als  kaiserlichem 
Kommissare  Verhandlung  gestatten. 

Im  „geheimen  Vertrage"'"')  erklärte  und  versicherte 
Kurfürst  JMoritz:  die  Magdeburger  sollten  bei  der  wahren 
christlichen  Religion  ohne  allen  menschlichen  Zusatz,  bei 
ihrem  Bekenntnisse  und  bei  ihren  Ceremonien  bleiben  und 
wider  den  Antichristen,  den  Papst  zu  Rom,  mit  seinen 
Kardinälen  etc.,  auch  wider  das  jetzige  und  künftige 
päpstliche  Konzil  geschützt  werden;  sie  sollten  Festung, 
Privilegien  etc.  und  ihr  sächsisches  Recht  behalten.  Die 
besetzten  Güter  des  Erzbischofs,  des  Domkapitels  etc. 
wollte  der  Kurfürst  an  sich  nehmen  und  den  Stadtrath 
von  allen  Ansprüchen  und  Forderungen  wegen  dieser 
Güter  und  deren  Einnahmen,  sowie  wegen  aller  Abnutz- 
ungen, Expensen,  Kosten  und  Schäden  für  inmier  erledigen, 
auch  gegen  jedermann  veigangener  Dinge  und  des  jetzigen 
Kriegs  halben  in  und  ausserhalb  Rechtens  vertreten.  Er 
wollte  verfugen,  dass  Aveder  Dompfaffen  noch  Mönchen, 
noch  der  Klerisei  gestattet  werde,  in  der  Stadt  zu  wohnen 
und  daselbst  ihre  Al)götterei,  Messen  und  Gesänge  zu 
treiben.  Rath  und  Bürger,  Verwandte,  Diener  und  Pfarr- 
kirchen sollten  wieder  in  den  Besitz  aller  konfiszierten, 
Güter  etc.  innerhalb  und  ausserhalb  der  Stadt  gelangen, 
und  alle  Retardaten  sollten  eingefordert  werden.  In  Zu- 
kunft sollte  Magdeburg  (eignem  Wunsche  gemäss)  dem 
Kurfürsten  zugethan  und  nach  gebührlichem  Fussfalle, 
Abtragung  der  Strafgelder  und  Lieferung  der  Geschütze 
in  keinem  andern  Punkte  dem  Kaiser  weiter  verbunden 
sein,  sondern  ilir  Augenmerk  allein  auf  den  Kurfürsten 
von  Sachsen  als  ihrem  Erbherrn  richten'"*^. 


'*')  Diese  wollte  Moritz  unterhalten.  Loc.  9153,  Christof  Ar- 
nolds vertraulicher  Bericht,  El.  2. 

'«')  Loc.  yi63,  Magdeb.  Handlung  etc.  1550—52,  iil.  287,  aus- 
gestellt am  31.  Dezember  1551. 

'"«)  Am  12.  Juli  15G2  befreite  Ferdinand  I.  Magdeburg  von  der 
Acht,  erliess  Fussfall  und  Schleifung  der  Festung  sowie  10000  ü. 
Strafüfelder  und  verwies  die  Stadt  in  Betretf  der  Geschütze  an  den 
Kurfürsten  von  Brandenburg;  Loc.  Ulii2,  VI,  vergl.  Merckel, 
Kapitulationsartikel  und  Kopei  der  Absolution.  1552  begannen  die 
Tripartitsverhandlungen  und  1580  endlich  wurde  ^tagdeburg  wieder 
dem  Lrzbischofe  zugewiesen. 


Magdeburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550 — 51.   305 

Dem  Kr iegs Volke'"*)  bewilligte  Moritz  freien  und 
sicheren  Abzug  in  den  „Gewahrsani"  und  gestand  zu, 
alle  Knechte  als  Kriegsleute  ansehen  zu  wollen.  Wie 
berichtet  wird,  lehnten  sie  eine  Aussöhnung  mit  dem 
Kaiser  unter  der  Bedingung,  zeitlebens  nicht  gegen  ihn 
zu  dienen,  ab.  Den  Grafen  von  Mansfeld  und  Schwarz- 
burg sowie  Kaspar  Pflug  wurde  freier  Abzug  aus  der 
Stadt  gewährt. 

Nachdem  am  6.  November  alle  Dinge  abgehandelt 
waren^^"),  Hess  der  Stadtratli  in  der  Frühe  des  folgenden 
Tages  das  Kriegsvolk  auf  den  Neumarkt  fordern,  durch 
Hans  von  Heideck  das  kurfürstliche  Geleit  verlesen  und 
die  Mannschaft  durch  Ebeling  Alemann  im  ßinge 
abdanken.  Herzog  Georg  und  alle  Gefangenen  wurden 
ohne  Lösegeld  der  Haft  entlassen  und  um  zehn  Uhr  mit 
klingendem  Spiele  und  sechzehnfachem  Trompetenge- 
schmetter in  der  Neustadt  empfangen"^).  Am  8.  No- 
vember fand  die  Bezahlung  der  Knechte  statt.  Als  sich 
dieselbe  in  die  Länge  zog,  Hess  der  Kurfürst  „umschlagen 
und  ausrufen",  alle  Kriegsleute  sollten  von  Stund  an  ge- 
rüstet aus  der  Stadt  ziehen.  Der  Nichtbezahlung  wegen 
verweigerten  viele  den  Gehorsam.  Sofort  Hess  Moritz 
mit  Ablauf  des  Friedstandes  drohen,  und  nun  war  die 
Mannschaft  binnen  einer  Stunde  versammelt  und  marsch- 
fertig. Um  vier  Uhr  nachmittags  zogen  gegen  2000 
Knechte  und  130  Reiter  „gute,  kecke  und  versuchte  Leute'^ 
mit  Wehr  und  Waffen,  aber  ohne  Spiel  und  Klang,  die 
Fähnlein  zusammengewickelt  und  von  Reitergeschwadern 
überwacht,  nach  Schönebeck  davon^^^),  wo  sie  dann  andern 
Tages  völlig  bezahlt  und  zum  Theil  von  Herzog  Georg 
von  Mecklenburg  angeworben  wurden. 

Sobald  das  magdeburgische  Kriegsvolk  die  Stadt 
verlassen  hatte,  zogen  fünf  kurfürstliche  Fähnlein  unter 
Wolf  Tiefstetter,  Georg  Wachtmeister,  Hans  v.  Diskau  etc. 


•<"•)  Log.  9152,  V,  Bl.  211,  279;  Loc.  9153,  Magdeb.  Hand- 
lung etc.  1551,  Bl.  410  üg. 

"*)  Besselmeier,  Merckel,  Pomarius  416.  Der  summa- 
rische Bericht  im  Loc.  9152,  Y,  Bl.  302  stimmt  vom  30.  August  an 
mit  Merckel  wörtlich  überein. 

'")  Die  in  Grossottersleben  verlorene  Keiterfabne  wurde 
nebst  einem  Landsknechtfähulein  zurückgegeben  Liliencron  IV, 
No.  588,  31. 

"*)  Merckel:  „dadurch  viel  Wirthe  und  Bürger  unbezahlt 
geblieben". 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.   V.  4.  20 


306  S-  Issleib: 

ein;  ein  sechstes  Fälmlein  bcwaclitc  die  Zollsclianze^-"). 
Am  9.  Novcinher  rückten  dann  die  übrigen  zwanzig" 
Fähnlein  und  alle  lieitLrgescli'wader  in  Schlachtordnung 
an  die  Stadt  heran.  Die  zehn  Fähnlein  niederländischer 
Knechte  und  fast  alle  Reiter  blieben  am  Graben  vor  dem 
Ulrichthore,  die  oberländischen  Knechte  dagegen  mar- 
schierten in  die  Stadt  und  besetzten  die  Gassen  bis  an 
den  Markt.  Diesen  selbst,  auf  welchem  sich  die  Bürger 
versammelten,  umstellten  die  tags  zuvor  eingerückten  fünf 
Fähnlein. 

Gegen  ein  Uhr  mitta^^s  erschien  Moritz  vor  der  Stadt 
und  hielt,  nachdem  ihm  die  drei  Käthe  den  Stadtschlüssel 
überbracht  hatten^  ^*),  mit  glänzendem  Gefolge  und  zwei 
Reitergeschwadern  seinen  Einzug^ ^*).  Vortrefflich  Hessen 
sich  die  Trompeter  hören,  allenthalben  schössen  die  Haken- 
schützen ab,  die  Kanonen  donnerten  von  den  ^\'ällen,  und 
alle  Glocken  läuteten.  Vor  dem  Rathhause  hielt  der  Zug. 
Darauf  huldigte  die  ganze  Stadtgemeinde  dem  Kaiser, 
dem  Reiche  und  dem  Kurfürsten  von  Sachsen^ ^^).  Nach 
der  Huldigung  erzeigte  sich  der  Kurfürst  ganz  gnädig, 
reichte  entblössten  Hauptes  jeder  Rathsperson  vom  Pferde 
herab  die  Hand,  liess  Frieden  umblasen  und  kehrte  im 
Hause  des  Hieronymus  Denart  ein.  Kurze  Zeit  darauf 
verliessen  die  oberläudischen  Knechte  wieder  die  Stadt 
und  zogen  mit  der  Mannschaft  vor  dem  Ulrichsthore  in 
ihre  Lager  zurück;  die  fünf  andern  Fähnlein  blieben  als 
Besatzung  in  Magdeburg ^^'). 


'")  Der  Graf  von  Schwarzburg  und  Kaspar  Pflug  machten  sich 
in  der  Nacht  davon;  Albredit  von  Mansfeld  blieb  noch  einige  Tage 
in  der  Stadt,  weil  sein  Weib,  dui'ch  einen  Schuss  in  den  Schenkel 
getrofl'en,  darniederlag. 

"*)  So  Loc.  9152,  V,  Bl.  224,  242,  246,  282  etc.;  Loc.  9153, 
Magdcb.  Handlung  etc.  Bl.  41ß  (Bericht  an  den  Kaiser  vom 
12.  November).  Es  wird  auch  überliefert,  dass  der  Stadtschlüssel 
erst  auf  dem  Markte  überreicht  worden  sei,  z.  B.  Loc.  9152,  V, 
Bl.  30t.  Besselmeier  (1552)  und  Merckel  erwähnen  diesen  Akt 
gar  nicht. 

"*)  Herzog  Augustus,  Herzog  Georg  von  Mecklenburg,  Schwendi, 
Grafen  und  Herren  ritten  an  der  Seite  des  Kurfürsten. 

"*)  Auf  Grund  des  kaiserl.  Briefes  vom  25.  Juni  (ob.  S.  294/5) 
liess  Moritz  schwören,  dass  die  Magdeburger  ihn  für  ihren  rechten 
Herrn  jederzeit  erkennen  und  halten  wollten,  bis  der  Kaiser  und  er 
die  Stndt  an  andere  Herrschaften  weisen  würden.  —  Die  Huldigungs- 
form findet  sich  Loc.  9)52,  V,  Bl.  300  und  Loc.  9153,  Magdcb. 
Handlung  etc.  Bl.  427.     Merckels  Aufzeichnung  ist  wortgetreu. 

'")  Loc.  9152,  V,  Bl.  282  flg. 


Magileburgs  Belagerung  durch  Moritz  von  Sachsen  1550—51.  307 

An  demselben  Tage  wurde  noch  auf  dem  Rathhause 
der  Revers  überreicht,  in  welchem  Bürgermeister,  Raths- 
raannen  und  Innungsmeister  gelobten,  die  gemilderte 
kaiserliche  Kapitulation  in  allen  Artikeln  halten  und  der 
Huldigung  gemäss  leben  zu  wollen^  ^  ^).  Sie  erkannten 
auch  geheimer  Versclireibung  gemäss  den  Kurfürsten 
als  ihren  Erbherrn  an  und  ersuchten  ihn,  sie  der  Kapitu- 
lation halben  zu  vertreten  und  mit  dem  Kaiser  auszu- 
söhnen^^®). Der  „geheime  Vertrag"  wurde  damals  noch  nicht 
unterschrieben  und  besiegelt,  da  der  Kurfürst  Bedenken 
trug,  ihn  in  jenen  Tagen  schon  aus  der  Hand  zu  geben^^^'). 
Aber  er  versprach,  „die  erste  Gelegenheit  nicht  versäumen, 
ihn  in  eigener  Person  vollziehen  und  seine  Zusagen  fürst- 
lich und  christlich  halten  zu  wollen;  man  solle  kein  Miss- 
trauen setzen"  ^^^). 

An  den  beiden  folgenden  Tagen  Hess  der  Kurfürst 
Geschütz  und  Munition  inventieren^^^)  und  berichtete  an 
den  Kaiser  über  die  Einnahme  und  Huldig-uno;  der  Stadt. 
Mit  der  dringenden  Bitte  um  Zusendung  von  Geld  erbot 
er  sich,  wegen  der  unruhigen  Zeiten  das  „auserlesene  und 
nun  aneinandergewölmte"  Kriegsvolk  zusammenzuhalten, 
damit  es  niemand  an  sich  ziehen  könne.  Er  wollte  die 
Knechte  noch  einige  Wochen  vertrösten  und  sie  veran- 
lassen, das  erschöpfte  Erzstift  zu  verlassen  und  an  an- 
dern Orten  die  rückständige  Zahlung  zu  erwarten.  Am 
13.  November^ ^^)  versprach  er  dem  Kriegsvolke  sichere 
Zahlung  bis  zum  17.  Januar  1552  unter  der  Bedingung: 
bezahle  er  und  nicht  das  Reich,  dann  sollten  ihm  alle 
zur  Erlangung  seines  ausgelegten  Geldes  behilflich  sein. 
Hans  von  Diskau  und  Georg  Wachtmeister   wurden    be- 


"*)  Revers  vom  9.  November  unter  Urkunden  etc.  No.  11  444 
und  im  Loc.  9152,  V,  Bl.  295. 

"»)  Loc.  9152,  V,  Bl.  297.  Vergl.  9153,  Christof  Arnolds  ver- 
traulicher Bericht  etc.  Bl.  1,  7. 

•2")  „Weil  der  Personen  im  Rathe  und  in  der  Stadt  viele  seien, 
derhalben  zu  besorgen,  es  möchte  ihm,  wo  der  Nebenvertrag  offenbar 
werde,  in  vielen  Wegen  zu  Unehren  gerathen". 

'*')  Am  31.  Dezember  1551  wurde  die  „geheime  Yersicherung" 
ausgefertigt. 

'*^)  Dieser  Aufgabe  unterzogen  sich  der  Hofmarschall  Heinrich 
von  Schönberg,  der  Oberstzeugmeister  Hans  von  Diskau  und  zwei 
Stadträthe.  Man  fand  vor:  102  Geschütze  auf  Rädern,  74  Mörser 
(Montier),  6  Seipentinen,  505  Doppelhaken,  32 '/a  Ctr.  Pulver  etc. 
Loc.  9152,  V,  281. 

'")  Loc.  9152,  VI,  Bl.  1  flg.  Loc.  9153,  Magdeburg.  Hand- 
lung etc.  Bl.  470. 

20* 


308  S.  Issleib:   Magdeburgs  Belagerung  etc. 

auftragt,  das  Kriegsvolk  aus  dem  Stifte  zu  führen,  Müld- 
hausen  und  Eri'urt  ein/Aincliinen  und  bis  zur  Entrichtung 
des  Soldes  besetzt  zu  halten.  Gegen  Abend  desselben 
Tages  ^'^^)  wurden  auch  alle  Pfarrer  und  Prediger  in 
Sturms  Behausung  vor  die  kurfiirstliclien  Käthe  Fachs, 
Carlowitz,  Mordeisen  und  Gersdorf  beschieden  und  ernst- 
lich ermahnt,  sich  in  Zukunft  anders  als  bisher  zu  ver- 
halten. Trotzdem  Magister  Gallus  im  Namen  seiner 
Amtsgenossen  eine  fast  unbescheidene  FreimUthigkeit  an 
den  Tag  legte,  so  blieben  doch  alle  Prädikautcn  unan- 
gefochten; Dr.  Erasmus  Alberus  allein  musste  auf  kur- 
fürstlichen Wunsch  die  Stadt  verlassen,  denn  „er  habe  es 
zu  grob  gemacht,  dass  es  billig  kein  Bauer  leiden  sollte". 
Am  15.  November  ritt  Moritz  von  Magdeburg  nach 
Wittenberg,  und  zwei  Tage  spater  zog  das  Kriegsvolk 
aus  den  Feldlagern  davon^ '•*").  —  Durch  geschickte  Täusch- 
ung verbarg  der  Kurfürst  dem  Kaiser  und  dem  in  Magde- 
burg weilenden  Kommissare  Schwendi  sein  und  seiner 
Verbündeten  feindliches  Vorhaben  noch  monatelang.  Erst 
Mitte  Januar  1552  wurde  auf  dem  Jagdschlosse  Cham- 
bord  bei  Blois  Heinrichs  II.  von  Frankreich  Vertrag  mit 
den  deutschen  Fürsten  abgeschlossen^^"),  und  zehn  Tage 
später  verliess  Lazarus  von  Schwendi  Magdeburg  mit  der 
zuversichtlichen  Hoffnung,  „es  sollten  noch  alle  Sachen 
zwischen  dem  Kaiser  und  dem  Kurfürsten  in  gute  Richtig- 
keit gerathen'""'^'). 


'»')  Loc.  9152,  V,  222,  306  etc.     Merckel,  Pomarius  422. 

'^^)  Am  20.  November  rückte  das  Fähnlein  von  der  Zollschanze 
noch  in  die  Stadt. 

'")  Job.  Voigt,  Fürstenbund  154;  Ranke  V,  IGi. 

'")  Bl.  11152,  YI,  Bl.  307,  Brief  an  Moritz,  datiert  Mansfeld  am 
26.  Januar  1552. 


IX. 

Die  Stadt  Bautzen 
im  Banne  des  Bischofs  von  Meissen  1431. 

Von 

Hermann  Knothe. 


Aus  nachstellender,  bisher  nicht  gekannter  Urkunde  ^) 
Kaiser  Siegmunds  vom  1.  September  1431  geht  hervor, 
dass  sich  damals  und  zwar  schon  seit  längerer  Zeit  die 
Stadt  Bautzen  im  Banne  des  Landesbischofs  Johann  IV. 
von  Meissen  befand,  eine  Thatsache,  deren  sonst  nirgends, 
auch  nicht  in  den  Chroniken  der  Stadt  Erwähnung  ge- 
schieht. 

Sigmund  von  gots  gnaden  Römischer  vnd  zu  Hungern,  zu 
Beheim  etc.  kiinig. 

Erwirdiger  fürst  vnd  über  andechtiger.  Als  wir  deiner  andacht 
von  vnser  Üben  getr[uw]en  burgermeister,  ratmanne,  j  gemeyn,  arm 
vnd  rieh,  vnser  stat  Budissin  wegen  geschriben  vnd  dich  gebeten 
haben,  daz  du  sy  von  sulcher  zinse  |  wegen,  so  sy  dir  jerlich  zu 
geben  päichtig  sein,  nit  bekumern,  sunder  die  sach  also  gütlich  auf 
ettliche  zeit  ansteen  lassen  |  sottest,  biß  sich  die  leuffe,  die  yzund 
layder  sein,  ein  kleins  gestillet  betten,  wann  si  doch  erkenten,  daz 
sy  deiner  andacht  sulch  zinße  schuldig  wern  vnd  die  ouch  gerne 
zalen  wolten,  wann  es  got  schikte,  daz  sy  zu  besserm  staten  [sie] 
quemen,  also  haben  vns  nu  die  obgenanten  burgermeister  vnd 
rat[m]anne  zu  Budussin  geschriben,  wie  du  sy  über  sulch  vnser 
schreiben,    so   wir   dir    dann   dorumb  getan   haben,   habst  pa[nn]en 

')  Hauptst.-Arch.  Loc.  4409  „Achts-Sachen  ao  1518—1582" 
Blatt  la.  Originalschreiben  auf  Papier,  durch  Zusammenbrechen 
vielfach  beschädigt;  ein  Stück  völlig  abgerissen,  so  dass  auf  den 
letzten  vier  Zeilen  jedesmal  die  ersten  6—7  Silben  fehlen;  das 
Ganze  endlich  auf  anderes  Papier  aufgezogen. 


310  Hermann  Knothe : 

lassen  vnd  in  alle  sacrament  der  kirchen  verboten  vnd  nidergelegt 
vnd  sy  also  von  aniechten  der  heiligen  kirchen  so  gröblich  gesun- 
dert,  daz  sy  die  toten  verschiden  leicbnam  nit  begraben  türren  vnd 
ouch  dio  leut,  die  yzund  (U)  vast  gemeynlicli  mit  krankheit  vnd 
onraacht  ires  leibs  von  verhengnuß  des  alrnechtigen  gots  sein  ge- 
vallen,  doran  groß  sawmnnß  vnd  schaden  erapfahen.  Das  vns  doch 
zumol  von  dir  niisfellet  vnd  oucli  nit  dein  beweget,  nachdem  vnd 
wir  merken,  daz  das  in  disen  sweren  leiiffen  der  cristeiibeit  znmol 
schedlich  sein  mochte,  wo  man  das  in  zeiten  nit  vuterqueme.  Nacli- 
dem  vnd  dor  (sie)  laider  täglichs  swerlich  zu  schaffen  gewinnet, 
dorumb  so  begern  wir  noch  von  deiner  andacht  mit  sunderlichem 
ticiße,  (Uiz  dn  wellest  ansehen  sulch  schaden  vnd  verderbniß,  die 
sy  durch  cristensglauben  willen  den  ketzern  zu  widersteen  empfan- 
gen haben,  neuilich  daz  sy  sich  mit  bawen  vnd  soldner  zu  halten 
so  sere  geblost  habn,  daz  si  sulch  schuld,  als  sy  denn  gerne  teten, 
nit  aufrichten  kiinnon,  als  sy  gern  teten,  sunder  daz  dieselb  dein 
andacht  sy  auß  sulcliem  panne,  dorein  du  sy  getan  hast,  gancz  vnd 
gar  lassest  vnd  mit  yn  ein  mitleidung  vnd  gedult  habest  vnd  sulch 
sache  also  auf  ettlich  zeit  aufslahen  wellest,  biß  sich  die  leuffe 
ver[endern  vndj  ....  werden  vnd  zu  besserm  stat  komen  mögen, 
wann  wir  uns  alsdann  gerne  dorein  legen  vnd  .  .  .  .,  domit  dein 
andacht  ein  ausrichtung  und  ein  gut  benügen  von  yn  haben  sulle. 
Hirinn  welle  sich  [deine  andacht  willig]  vinden  lassen,  als  des  ein 
notdurft  ist  vnd  Avir  dir  des  wol  getrawen.  Doran  tut  vns  dein 
andacht  ....  vnd  wolgevallen,  die  wir  gen  dir  in  gut  nit  vergessen 
wellen.  Geben  zu  Nuremberg  am  ....  Gilgen  tag  vnßer  riebe 
des  Ilungrischen  etc.  im  XLV,  des  Römischen  im  XXI  vnd  des 
Behmi  ....  [jjaren. 

Ad  mandatum  domini  regis 
Caspar  Sligk. 

Als  Grund,  weshalb  der  Bischof  die  Stadtgemeindc 
Bautzen  ,i^-ebannt  habe,  giebt  das  kaiserliche  Schreiben 
zwar  ausdrücklich  an,  dass  es  geschehen  sei  „von  solcher 
Zinse  wegen,  so  sie  demselben  jährlich  zu  geben  pflich- 
tig"  sei;  was  dies  aber  für  Zinsu  gewesen,  bedarf  immer- 
hin einer  Untersuchung.  Der  sogenannte  „Bischofszins", 
jener  Geldzins,  welcher  von  jedem  Altare  in  der  Diöcese 
an  den  Bischof  zu  entrichten  war,  kann  darunter  nicht 
verstanden  werden,  denn  dieser  wurde  nicht  von  der 
Bürgerschaft  der  Städte,  sondern  von  den  Pfarrern  und 
Altaristen,  und  nicht  an  die  städtische  Behörde,  den  Rath, 
sondern  an  die  geistliche,  in  Bautzen  an  den  Dompropst, 
abgeführt.  Ebensowenig  war  es  der  sogenannte  „Bischofs- 
zchnt",  jener  Getreidezins,  welcher  ursprünglich  von  jeder 
Hufe  bebauten  Landes  an  den  Bischof  gegeben  werden 
musste;  denn  dieser  war,  wenigstens  in  der  Oberlausitz, 
wegen  der  Schwierigkeit,  ihn  einzusammeln  und  zu  Gelde 
zu  machen,  längst  schon  von  dem  Bisthum  Meissen 
theils     an     einzelne     geistliche     Stifter     verschenkt     oder 


Die  Stadt  Bautzen  im  Banne  des  Bischofs  von  Meissen  1431.  311 

verkauft,  tlieils  an  einzelne  Rittergutsbesitzer  zu  Lehn 
ausgethan  worden^).  Wohl  aber  könnte  man  versucht 
sein,  an  jene  Reichssteuer  zu  denken,  welche  der  Reichs- 
tag zu  Frankfurt  am  Main  (den  3.  Dezember  1427) 
zur  Ausrüstung  eines  neuen  Reichsheeres  gegen  die  Hus- 
siten  für  ganz  Deutschland  angeordnet  hatte.  Diesem 
Reichstagsschlusse  zufolge  sollten  nämlich  alle  Personen 
geistlichen  wie  weltlichen  Standes,  männlichen  wie  weib- 
lichen Geschlechts,  welche  das  fünfzehnte  Lebensjahr  über- 
schritten hätten,  je  nach  ihrem  Range  und  Vermögen  eine 
Steuer  erlegen,  zu  deren  Hauptkollektoren  in  jedem  Lande 
die  betreffenden  Bischöfe  eingesetzt  waren*).  Auch  in 
der  Oberlausitz  war  (1428)  diese  Steuer  von  dem  Bischöfe 
von  Meissen  ausgeschrieben  worden.  Von  der  Stadt 
Görlitz  wissen  wir,  dass  sie  sich  anfangs  weigerte,  die- 
selbe bei  der  damaligen  Hussitennoth  zu  entrichten,  dass 
ihr  der  Bischof  deshalb  zuerst  mit  dem  Banne  drohte 
und  ihn  darauf  auch  wirklich  über  sie    verhängte*),    und 


==)  Vgl.  V.  Webers  Arch.  f.  d.  sächs.  Gesch.  VI,  161  flg. 

')  Palacky,  Geschichte  von  Böhmen  III,  2,  456.  In  dem  Cod. 
dipl.  Sax.  reg.  II,  .3,  12  flg.  befindet  sich  ein  Bruchstück  von  dem 
„Einnahmeregister  über  die  infolge  eines  Steuerausschreibens  des 
Bischof  Johann  eingegangenen  Gelder"  aus  dem  Jahre  14:28.  Es 
sind  wesentlich  Geistliche,  aber  auch  einzelne  Gutsbesitzer,  Dorf- 
bewohner, Städter,  sowie  ganze  Ortschaften,  deren  Steuerbeträge  auf- 
geführt werden.    Aus  der  Oberlausitz  werden  keine  erwähnt. 

*)  Görlitzer  Rathsrechnungen,  Manuskript  des  Rathsarchivs  zu 
Görlitz,  Heft  1427—28.  (1428  Woche  vor  dem  11.  Aprü):  Unsers 
hern  des  bisschoffs  böte  von  Miessin,  der  syner  gnaden  brive 
brochte  von  des  geldis  wegen,  das  man  einfurdert,  zu  vertrin- 
ken III  gr.  —  Mathis  Geiseler  [Rathsherr]  kein  Nurenberg  zu 
czerunge  zu  den  knrfurstin  umb  hulffe  wedir  die  ketczer,  zu  irzeln 
deser  stad  anefechtunge  von  ketczern,  [und]  von  des  geldis  wegen, 
das  der  cardinal  [Johann,  Bischof  von  Olmütz]  und  kurfurstn  zu 
Frankinfurd  am  Mayen  gesaczt  haben,  das  der  bisschoff  zu  Meissen 
von  uns  furderte  kein  ßudissin  zu  gebin.  Hans  Ulrichsdorff 
[Rathsherr]  zu  unserm  hern  dem  bischofife  uff  den  Stolpen  von  des 
gehles  wegen  mit  dem  erzpriester,  das  der  cardinal  und  kurfursten 
gesaczt  haben,  und  das  her  kein  Budissin  furderte  zu  geben  by 
dem  banne,  zu  underichten,  das  wirs  also  us  der  stad  nicht 
geben  weidin.  —  (Woche  vor  dem  25.  April):  Eynem  boten  zu 
unserm  hern  dem  bisscholfe  kein  dem  Stolpen,  als  her  meine  hern 
[den  Rath  zu  Görlitz]  und  unse  land  manete  by  dem  banne, 
das  geld  noch  anslage  der  kurfurstin  zu  geben,  das  das  XIIII  tage 
ofgehaben  ist.  —  (Woche  vor  dem  9.  Mai):  Gutschin  kein  dem  Stol- 
pen zu  unserm  hern  dem  bisschoffe  von  der  pristerschaft,  den  mannen 
und  von  der  stad  wegen,  den  ban  ufzusloen  und  abezuthun,  von 
des  geldes  wegen,  das  man  kein  Budissin  legen  sulde.  —  (Woche  vor 
dem  30.  Mai):   Einem    boten   kein  dem  Stolpen,  als  man  von  dicz 


b 


312  Hermann  Knotlie: 

dass  sich  der  Rath  endlich  doch  genöthigt  sah,  den  auf 
die  Stadt  entfallenden  Steuerbetrag  von  142  Schock 
Grosehen  nach  Stolpeu  an  den  Biscliof  zu  schicken^). 
Wie  sich  in  dieser  Angelegenheit  die  Stadt  Bautzen  ver- 
halten habe,  erfahren  wir  nicht.  Der  über  sie  von  dem 
Bischof  ausgesprochene  Bann,  von  welchem  unsere  Urkunde 
handelt,  kann  aber  nicht  durch  die  etwaige  Verweiger- 
ung oder  saumselige  Ablieferung  jener  (einmaligen)  Reichs- 
steuer veranlasst  worden  sein,  da  diese  unmöglich  als 
,.jährlich  dem  Bischof  zu  gebende  Zinse''  bezeichnet 
werden  konnte.  Vielmehr  lagen  für  die  Stadt  Bautzen 
ganz  bestimmte  Verhältnisse  vor,  welche  sie  in  der  That 
zur  Entrichtung  eines  regelmässigen  Jahreszinses  an  den 
Bischof,  beziehentlich  an  das  Domkapitel  zu  Meissen  ver- 
pflichteten. 

Jede  der  freien,  d.  h.  unmittelbar  unter  dem  Landes- 
herrn stehenden  Städte  der  Oberlausitz  zahlte  als  ur- 
sprünglich einzige  Steuer  an  denselben  eine  sich  gleich- 
bleibende abgerundete  Summe,  welche  man  im  dreizehn- 
ten und  anfangs  des  vierzehnten  Jahrhunderts  ordinaria 
pensio,  die  „reclite  Rente"  oder  die  „Guide"  nannte. 
Diese  runden  Summen,  auf  deren  pünktliches  Eingehen 
man  rechnen  konnte,  eigneten  sich  nun  ganz  vorzüglich 
dazu,  den  Gläubigem  des  Landesherrn  pfandweis  abge- 
treten, d.  h.  bis  zur  Auszahlung  der  betreiFenden  Sclmld- 
summe,  als  Zinsbetrag  für  diese,  überwiesen  zu  werden"). 
Nun  hatte  Kaiser  Karl  IV.  von  Heinrich  von  Kittlitz, 
Herrn  auf  Baruth  bei  Bautzen  und  auf  Muskau,  dessen 
niederlausitzische  Herrschaft  Lieberose  um  1300  Schock 
Prager  Münze  erkauft  und  demselben  (14.  Mai  1371), 
anstatt  diese  Summe  baar  zu  zahlen,  die  üblichen  zehn- 
prozentigen  Zinsen,  nämlich  „130  Schock  jährlicher  Guide 
auf  seinen  [des  Kaisers]  Zinsen,  Zöllen  und  Gefällen  zu 
Bautzen,  beides  in  der  Stadt  und  auf  dem  Lande",  pfand- 
weise   und    erblich    verschrieben'').     Diese   Verschreibung 


lanrlis  wegen  und  meinen  hevn  zu  Gorlicz  von  der  stad  wegen  ein 
antwort  geben  sulde,  ab  wir  im  das  houjitgeld  kein  dem  Stolpen 
geben  und  antworten  weiden  ad  er  nicht,  VI  gr.  —  (Um 
Neujahr):  Eyrem,  der  die  a  bsolucio  brochte  von  Budissin,  IUI  gr. 

*)  Oberlausitzer  Provinzialblätter,  Stück  V,  140. 

*)  Beispiele:  Knothe,  Rechtsgeschichte  der  Oberlausitz  102, 
Anmerk. 

')  Grundmann,  Gollectanea  II,  132  flg.  (Manuskript  im 
Hauptst.-Arch.) 


Die  Stadt  Bautzen  im  Banne  des  Bischofs  von  Meissen  1431.  313 

hatte  (22.  Mai  1371)  der  erst  zehnjährige,  aber  bereits  zum 
König  von  Böhmen  gekrönte  Sohn  des  Kaisers,  König  Wen- 
zel; auch  seinerseits  bestätigt,  und  auch  der  E,ath  zu  Bautzen 
hatte  (24.  Januar  1371  oder  wohl  vielmehr  1372)  dem  Hein- 
rich von  Kittlitz^)  und  zugleich  dessen  „Eidam"  Thimo  von 
Kolditz  gelobt,  jene  130  Schock  jährlichen  Zinses,  die 
„auf  ihre  Stadt  verwiesen*^'  worden  seien,  so  lange  zu 
zahlen,  bis  die  1300  Schock  Kaufgeld  für  Lieberose  von 
dem  Kaiser  oder  dessen  Nachfolgern  auf  dem  böhmischen 
Throne  würden  erlegt  worden  sein^).  Letzteres  war  nicht 
geschehen,  und  so  war  denn  jene  Kente  von  130  Schock 
nach  Heinrichs  von  Kittlitz  Tode  auf  dessen  Söhne  ver- 
erbt, von  denen  der  älteste,  Johann,  von  1393 — 1398 
Bischof  von  IMeissen  war  und  nach  seiner  freiwilligen 
Resignation  bis  zu  seinem  Tode  (Februar  1408)  in  Bautzen 
lebte.  Jedenfalls  nicht  ohne  sein  spezielles  Betreiben  ge- 
schah es  nun,  dass  sein  Bruder  Otto  von  Kittlitz  die 
jetzt  in  dessen  Pfandbesitz  befindliche  Rente  von  130  Schock 
auf  der  Stadt  Bautzen  dem  neuen  Bischof  von  Meissen, 
Thimo  von  Kolditz,  dem  Neffen  der  Brüder  von  Kitt- 
litz, und  zwar  nicht  bloss  dem  Bischöfe,,  sondern  auch 
„seinen  Nachkommen,  Bischöfen  zu  Meissen,  und  den 
ehrsamen  Propst,  Dechant,  Kapitel  und  Gestift  der  Kirche 
zu  Meissen"  überwies.  König  Wenzel  genehmigte  (,11.  Mai 
1400)  diese  Übertragung '"\  und  Bürgermeister  und  Rath 
von  Bautzen  gelobten  {15.  November  1401)  ihrerseits, 
diesen  „Zins",  wie  der  König  befohlen,  nun  jährlich  zu 
Michaelis  „ohne  alle  Widerrede"  an  den  Bischof  zu  zah- 
len^ ').  Die  Brüder  von  Kittlitz  und  ebenso  ihr  Neffe, 
Bischof  Thimo,  bezweckten  mit  diesem  Geldgeschäft  eine 
möglichst  sichere  Kapitalanlage  für  das  Bisthum;  die 
wohlgeordneten  Finanzen  der  Stadt  Bautzen  waren  allen 
hinlänglich    bekannt,    und    zu    pünktlicher    Zahlung    ver- 

*)  Vergl.  über  ihn  und  seine  Familie  Knothe,  Geschichte  des 
Oberlausitzer  Adels  295  tlg. 

')  Oberlausitzer  Urkunden -Verzeichnis  I,  89,  No.  440. 

'»)  Grundraann,  Collect.  11,  1.32  flg.  —  Das  Oberlaus.  Urk.- 
Verz.  I,  15.S,  No.  759  setzt  diese  Urkunde  auf  Freitag  vor  Laetare 
(14.  Mai)  1401,  kennt  aber  deren  Wortlaut  nicht,  Pelzel,  Wen- 
zel II.  401  dagegen  ebenfalls  auf  den  11.  Mai  1400.  —  Irrig  giebt 
das  Urk.-Verz.  I,  155,  No.  774an:  „Thimo  Bischof  zu  Meissen  weiset 
die  IHO  Schock  jährlichen  Zins  auf  der  Stadt  Budissin  an  Johann 
von  Kittlitz.  Stolpen,  Mittwoch  nach  St.  Francisci  1402".  Es  ist 
dies  jedenfalls  eine  Umkehrung  der  Thatsachen.  Die  betreffende 
Urkunde  ist  auch  nicht  mehr  ihrem  W^ortlaut  nach  bekannt. 

")  Cod.  dipL  Sax.  reg.  II,  2,  296. 


314  Hermann  Kuothe; 

])fliclitetc  die  Stadt  noch  folgende  Klausel  in  ihrem  Gelob- 
briefe :  „Und  soll  die  Bezahlung  nicht  irren  keinerlei 
Kummer,  Ansprache,  Verbot,  geistliches  oder  weltliches 
Gericht  oder  keine  andere  Irrung,  wie  man  die  mit  sonder- 
lichen Worten  mag  benennen";  sollte  der  Rath  aber  sich 
säumig  erweisen,  so  dürfe  der  Bischof,  beziehentlich  das  Ka- 
pitel vierzehn  Tage  nach  Michaelis  „die  unbezahlte  Summe 
aufnehmen  bei  Christen  oder  Juden  auf  der  Stadt  Scha- 
den" und  deren  bewegliches  wie  unbewegliches  Gut  „be- 
kümmern oder  angreifen  und  anfahen  ohne  Widerrede". 
So  war  denn  seit  1401  die  Stadt  Bautzen  in  der  That, 
wie  es  in  dem  oben  abgedruckten  kaiserlichen  Schreiben 
(1431)  heisst,  „dem  Bischof  Zinse  jährlich  zu  geben 
pf  licht  ig",  und  sie  wird  dieselben  auch  sicher  gezahlt 
liabtn  (^Stadtrechnungen  sind  nicht  mehr  vorhanden),  bis 
die  Drangsale  der  Hussitenkriege  es  ihr,  auf  Zeit,  völlig 
unmöglich  machten. 

Seit  dem  Jahre  1423  war  zunächst  das  südlich  ge- 
legene Zittau  den  Einfällen  der  hu  ssi  tischen  Horden 
fortwälu-end  ausgesetzt.  Die  übrigen  Sechsstädte  hatten 
der  gefährdeten  Bundesstadt  ansehnliche  Kontingente  theils 
an  Bürgern,  theils  an  geworbenen  Söldnern  zu  Hülfe 
geschickt,  welche  nun  darin  eine  starke,  ständige  Gar- 
nison bildeten.  Ausserdem  mussten  von  den  Oberlau- 
sitzern  bald  hier  bald  da  Beobachtungskorps  aufgestellt, 
befreundeten  böhmischen  Herren  Unterstützung  gesendet, 
später  dem  mit  Kursachsen  eingegangenen  Bündnis  Folge 
geleistet  werden.  Von  dem  starken  oberlausitzisclu-n 
Hülfsheere  (die  Stadt  Görlitz  allein  hatte  nur  an  Rei- 
tern 250  Mann  gestellt)  kehrten  aus  der  Schlacht  bei 
Aussig  (I42G)  nur  wenige  zurück.  Im  Jahre  1427  hatten 
die  Ilussiten  zwar  die  wohl  befestigten  und  von  starker 
Besatzung  vertheidigten  Städte  Zittau  und  Görlitz  nicht 
einzunehmen  vermocht,  aber  die  offenen  Landstädtchen 
Hirschfelde  und  Ostritz,  sowie  das  Kloster  Marienthal 
ausgebrannt  und  dai'auf  auch  Lauban  eingeäschert  und 
dessen  Einwohnerschaft  abgemordet.  1428  waren  neue 
Raubzüge  der  Hussiten  zwar  durch  die  für  die  Oberlau- 
sitzer  siegreichen  Gefechte  bei  Kratzau  und  Machendorf 
zurückgewiesen  worden;  aber  1429  belagerte  ein  grosses 
Heer  der  Ketzer  die  Landeshauptstadt  Bautzen  selbst, 
schoss  dieselbe  mittels  feuriger  Pfeile  in  Brand  und  rüstete 
eben  zum  Sturm,  so  dass  ihr  endlicher  Abzug  mit  Geld 
erkauft  werden  musste. 


Die  Stadt  Bautzen  im  Banne  des  Bischofs  von  Meissen  1431.  315 

Mitten  in  solcher  Kriegsnoth  hatte  nun  der  ßath  zu 
Bautzen  seinen  Jahreszins  von  120  Schock  an  den  Bischof 
von  Meissen  nicht  mehr  entrichten  können.  Er  hatte 
seine  Verpflichtung  dazu  auch  jetzt  anerkannt,  nur  für 
den  Augenblick  um  Bewilhgung  eines  Aufschubes  gebeten 
und  sich  in  seiner  Bedrängnis  endlich  sogar  an  den  Kai- 
ser gewendet;  dass  derselbe  jene  Bitte  bei  dem  Bischöfe 
unterstützen  möge.  Dieser  hatte  auch  in  der  That  ihm 
„ein  Schreiben  darob  gethan".  Allein  anstatt  den  er- 
betenen Aufschub  zu  gewähren,  bis  die  Stadt,  „wenn  es 
Gott  schickte,  dass  sie  in  einen  besseren  Status  käme", 
hatte  der  Bischof  sie  „bannen  lassen",  die  Spendung  der 
Sakramente,  ja  sogar  die  kirchliclie  Beerdigung  der  Toten 
verboten.  Der  ßath  hatte  darauf  dem  Kaiser  diese 
neue  Noth  geklagt,  und  so  richtete  denn  dieser  den 
1.  September  1431  von  dem  Reichstage  zu  Nürnberg  aus 
an  den  Bischof  das  oben  abgedruckte  Schreiben,  in  wel- 
chem er  sein  entschiedenes  Missfallen  über  dessen  Vorgehen 
ausspricht,  die  Säumnis  des  Rathes  mit  der  Nothwendig- 
keit,  nzu  bauen  [die  eingeäscherte  Stadt]  und  Söldner  zu 
halten",  völlig  gerechtfertigt  erklärt  und  von  dem  Bischof 
»begehrt"",  den  Bann  aufzuheben  und  sich  mit  der  Zahlung 
des  Zinses  zu  gedulden. 

Der  damalige  Bischof  von  Meissen  war  Johann 
Hofmann  (1427—1451),  derselbe,  welcher  1408,  als  die 
hussitischen  Unruhen  zuerst  an  der  Universität  Prag  be- 
gannen, Rektor  derselben  gewesen,  und  als  König  Wenzel 
die  Forderung  der  Czüchen  bestätigte,  dass  künftig  in 
allen  Universitätsangelegenheiten  die  böhmische  „Nation" 
für  sich  allein  eben  soviel  Stimmen  haben  solhi,  als  die 
übrigen  drei  Nationen  zusammen,  mit  der  Melirzahl  der 
Studenten  und  Dozenten  (1409)  von  Prag  av eggezogen 
und  darauf  der  erste  Rektor  an  der  neuerrichteten  Uni- 
versität Leipzig  geworden  war^^).  Wohl  waren  bei  den 
wiederholten  Raubzügen  der  Hussiten  in  das  meissnische 
Land  auch  die  bischöflich  meissnischen  Güter  arg  ver- 
wüstet worden;  wohl  mochte  das  Ausbleiben  des  Michaelis- 
zinses aus  Bautzen  die  Finanzverlegenheiten  des  Dom- 
stiftes erhöhen;  aber  hart  crsclieint  das  Verfahren  des 
Bischofs,  mitten  in  der  Kriegsnoth  das  Geld  von  der 
so   schwer    heimgesuchten   Stadt    mittels   des  Bannes   ein- 


12)  Yergl.  Machatschek,  Geschichte  der  Bischöfe  des  Hoch- 
stifts Meissen  (1884)  386  flg. 


316  Hermann  Knothe: 

zutreiben,  denn  doch  und  zwar  umsoniehr,  da  der  Bischof 
selbst  (1429)  vor  den  Hussiten  aus  seiner  Diözese  nach 
Hildesheim  floh'^j.  Auf  diese  Abwesenheit  des  Bischofs 
bezieht  sich  nun  wohl  auch  der  Ausdruck  in  dem  kaiser- 
lichen Schreiben,  dass  derselbe  die  Stadt  habe  „bannen 
lassen".  Wir  dürfen  also  annehmen,  dass  der  (nicht 
mehr  vorhandene)  Bannbrief  nicht  vor  dem  Jahre  1429 
werde  ausgegangen  sein. 

Wie  lange  nun  die  Stadt  Bautzen  sich  noch  im  Banne 
befunden  habe,  und  unter  welchen  Verhältnissen  derselbe 
wieder  aufgehoben  worden  sei,  haben  wir  nicht  ermitteln 
können.  Dass  der  Rath  alsbald  werde  die  rückständigen 
Zinsen  wieder  haben  zahlen  können,  glauben  wir  nicht. 
Im  Jalire  1430  hatte  Bernstadt  vor  einem  feindlichen 
Heere  kapitulieren  müssen,  und  Reichenbach  war  nur 
durch  eiligst  herbeigeführte  Oberlausitzer  Truppen  gerettet 
worden.  Im  Februar  1431  aber  belagerten  die  Hus- 
siten abermals  Bautzen  selbst,  welches  sich  diesmal 
tapfer  vertheidigte.  Dafür  bemächtigten  sich  die  Feinde 
(27.  Februar)  der  Stadt  Löbau  und  machten  diese  unter 
Zurücklassung  einer  starken  Besatzung  zu  dem  festen 
Platze,  von  welchem  aus  sie  fortwährend  Raubzüge  in 
das  umliegende  Land  unternehmen  konnten.  Da  musste 
denn  jetzt  ein  oberlausitzisclies  Heer  die  Stadt  Löbau  bela- 
gern, welches  endlich  (12.  August)  die  Hussiten  zum  Abzug 
nöthigte.  Aber  noch  mehrere  Jaiire  hindurch  mussten 
gerade  die  beiden  Städte  Bautzen  und  Görlitz  nun  auf 
ihre  Kosten  und  durch  ihre  Bürger  und  Söldner  Löbau 
besetzt  halten,  weil  die  sehwache,  ohnehin  von  den  Feinden 
ausgesogene  Bürgerschaft  einem  neuen  Angrift'  nicht  würde 
gewachsen  gewesen  sein"). 

Nach  den  Hussitenkriegen  aber  hat  Bautzen  seinen 
Jahreszins  an  den  Bischof  wieder  regelmässig  abgeführt. 
Der  Bischof  Johann  VI.  von  Salhausen  berichtet'*),  wie 
das  Domstift  Mcisscn  früher  „auf  der  Stadt  Budissin  auch 
100  Schock  Zinse  (danach  wäre  die  Summe  also  herab- 
gemindert worden)  wiederkaufsAveise  stehen  gehabt",  die 
aber  bisher  nur  „nach  schwarzer  (d.  h.  unterwerthiger) 
Münze"  bezahlt  worden  seien,  und  wie  er  die  Stadt  „dahin 
gebracht  habe,  die  Hauptsumme  abzulösen".  Dies 
dürfte  im  Jahre  1493  geschehen  sein;    wenigstens    besagt 

'»)  Ebendas.  .391. 

'*)  Cod.  dipl.  Saxoii.  reg.  II,  7,  XXXVI  flg. 

")  Gercken,  Stolpen  665. 


Die  Stallt  Bautzen  im  Banne  des  Bischofs  von  Meissen  1431.  317 

das  Regest  einer  nicht  melir  vorhandenen  Urkunde*^), 
König  Wladislaus  von  Böhmen  habe  unter  dem  15.  Januar 
1493  „dem  Rathe  zu  Budissin  erlaubt,  130  Schock  jcähr- 
licher  Zinse  beim  Stifte  Meissen  abzulösen".  Seitdem 
war  also  Bautzen  seines  Bischofszinses  ledig. 

Wir  vermögen  nicht   zu   entscheiden,   ob   und   inwie- 
weit   mit     diesem    über    Bautzen    verhängten    Banne    die 
Thatsache  in  Zusammenhang  steht,  dass  gerade  in  dieser 
dem    Bischöfe    von  Meissen    voraussichtlich    damals   nicht 
günstig    gesinnten   Stadt    im    Jahre    1429    eine    formelle 
Klage  gegen  das  bischöfliche  Amt  und   zwar   von   einem 
ausländischen  Geistlichen  anhängig  gemacht  wurde.     Der 
Offizial   des    Bischofs   (welcher    letztere    also   wohl    selbst 
nicht  mehr   in   seiner  Diözese   anwesend    war)    hatte    den 
Pfarrer  Stephan  Heller  zu  Kirchhain  in  der  Niederlausitz 
exkommuniziert;  dieser  aber  erklärte  sich  für  völlig  schuld- 
los   und    Hess    daher   den   19.  Mai  1429   „in  dem   Hause 
des    Baulzner    Bürgers    Nikolaus    Cziseler"    durch    einen 
Notar   vor   Zeugen    eine    Schrift  aufsetzen,    mittels   deren 
er  von  dem  bischöflich  meissnischen  Offizial  an  den  Er z- 
bischof  von  Magdeburg  appellierte.     Und  da  der 
Pfarrer  Stephan,   als    Kläger,    den    Bischof   oder    dessen 
Offizial  „wenigstens  am  Orte  seiner  gewöhnlichen  Residenz" 
in  Sicherheit   nicht   aufsuchen  konnte,  so  wurde   das  Ori- 
ginal dieser  Appellationsschrift   an    den  Kirchthüren  von 
St.  Petri  zu  Bautzen  angeschlagen,   und  nachdem  es  da- 
selbst  eine  Zeit   lang,   nämlich    „während    des   Absingens 
der   Vesper    bis    zum    Completorium",    gehangen,    wieder 
abgenommen  und  an  dessen  Stelle  eine   beglaubigte  Ab- 
schrift   zurückgelassen.     Das    Original    wurde    darauf  an 
den  Erzbischof  gesendet,    welcher    die  Appellation    gegen 
das    bischöflich    meissnische    Amt    annahm    und    endlich 
(19.  November  1429)  den  Bischof  Johann  IV.  peremtoriscli 
und  unter    Androhuno;   interdicti   ab   inqressu   ecclesiae  ac 
snspensione  ex  divinis   in  Person  vor    sein  geistliches  (ae- 
richt  zu  Magdeburg  zitierte").   Hierdurch  ward  von  Seiten 
des  Erzbischofs   der  schon   alte   Anspruch  aufs  neue  er- 
hoben, dass  das  Bisthum  Meissen   ein   Suffraganbis- 
thum  der  Erzdiözese  Magdeburg,  nicht  aber  ein  exemtes, 
d.  h.  unmittelbar  unter   der   päpstlichen   Kurie  stehendes 
Bisthum  sei.     Der   Streit   ward  von   letzterer   endlich   zu 


'«)  Oberlausitzer  Urkunden-Verzeichnis  III,  18b. 
"}  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  3,  21  und  24. 


318  Hermann  Knothe: 

Gunsten  des  Bischofs  von  Mcissen  entscliicdcn  und  jetzt 
(20.  September  1431)  der  Erzbiscliof  Günther  von  Magde- 
burg behufs  Publikation  der  betreffenden  Entscheidung 
nach  Meissen  vorgeladen  und  diese  Zitation  an  den  Kirchen 
zu  Eilenburg  und  üelitsch,  welche  Stildte  zur  Erzdiözese 
Magdeburg  gehörten,  angeschlagen'*'). 

In  ganz  ähnlicher  Weise  wie  Bautzen  hatte  übrigens 
auch  Görlitz  eine  jährliche  Rente  an  das  Domstift 
Meissen  zu  entrichten.  Kaiser  Karl  IV.  hatte,  wir  wissen 
nicht  in  welchem  Jahre,  seinem  bereits  oben  (S.  312) 
erwähnten  Kauimermeister  Thimo  von  Kolditz  das 
Schloss  Hartenberg  bei  Hirschberg  in  Schlesien  für 
1200  Schock  Prager  Münze  abgekauft  und  ihm  anstatt 
der  Kaufsumme  den  jälndichen  Zinsbetrag  derselben; 
nämlich  120  Schock,  „in  und  auf  seinen  Zinsen  zu  Görlitz 
in  der  Siadt"  pfandweis  und  erblich  verschrieben.  Nach 
des  Kaisers  Tode  hatte  dessen  Sohn,  König  Wenzel  (Juli 
1379),  diese  Verpfändung  dom  Thimo  von  Kolditz  aus- 
drücklich bestätigt.  Nun  hatten  später  die  Söhne  des 
letzteren,  Thimo  und  Albrecht  von  Kolditz,  diese 
Rente  dem  Domkapitel  zu  Meissen,  dessen  Bischof 
damals  Thimo  der  Sohn  war*^),  ebenfalls  pfandweis  weiter 
verkauft,  was  König  Wenzel  (14.  September  1408)  ge- 
nehmigte'^ "j,  worauf  nun  auch  der  Ratli  zu  Görlitz  (18.  Ok- 
tober 1408)  auf  Befehl  des  Königs  gelobte,  jene  Rente 
halbjährig  zu  Walpurgis  und  St.  Galli  an  das  Domstif't 
abzuführen^').  Und  so  Avurdc  denn  diese  „des  Bischofs 
Rente"  von  der  Stadt  selbst  mitten  in  den  hussitischen 
Kriegsnöthen  den  Rathsrechnungen  zufolge  noch  1427 
und  1428  nach  dem  um  der  Reichssteuer  willen  verhängten 
Banne,  ebenso  1429,  wenn  auch  nicht  immer  pünktlich 
und  vollständig;  erlegt.  Wahrscheinlich  aber  hatte  die 
Ritterschaft  des  Weichbilds  jene  Reichssteuer  noch  nicht 
gezahlt  und  war  deshalb  im  Banne  verblieben.  Jetzt 
aber  bedurfte  die  Stadt  des  tapfereu  Armes  des  Adels 
zur  Vertheidigung  gegen  die  nahenden  Hussiten.  Am 
16.  März  1431   erliess  daher   Bischof  Johann  IV.  an  alle 


")  Ebendas.  31. 

'»)  Irrig  wird  N.  Lausitz.  Mag;,iz.  LV  (1879),  331  der  Bischof 
Thimo  als  Sohn  „Volrads  von  Kolditz"  bezeichnet. 

*")  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  2,  342.  Oberlausitzer  Urkunden- 
Verzeichnis  I,  166,  No.  835. 

*')  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  11,  2,  344.  Das  Urk.-Verz.  I,  168, 
No.  848  setzt  diesen  Gelobbrief  auf  den  24.  Februar  1409. 


Die  Stadt  Bautzen  im  Banne  des  Bischofs  von  Meissen  1431.  319 

Pfarrer  des  erzpriesterlichen  Stuliles  Görlitz  ein  Schreiben, 
durch  welches  er  alle  von  ihm  selbst  oder  von  seinem 
Offizial  gegen  wen  immer  ergangene  Interdiktsentenzen 
(interdicti  sententias)  „suspendiert"  und  den  davon  Be- 
troffenen gestattet,  „in  die  Stadt  Görlitz  zu  flüchten,  um 
niit  christ-katholischem  Eifer  diesen  Platz  und  die  dasige 
Bevölkerung  gegen  die  Angriffe  der  abtrünnigen  Hussiten 
vertheidigen  zu  helfen"^^).  Nun  hatte  die  Stadt  Görlitz 
und  einzelne  ihrer  Bürger,  um  die  zur  ununterbrochenen 
Kriegsführung  nothwendigen  Gelder  zu  beschaffen,  von 
einzelnen  geistlichen  wie  weltlichen  Personen  grössere  oder 
kleinere  Suramen  aufnehmen  müssen,  für  welche  die  fälli- 
gen Zinsen  nicht  immer  pünktlich  gezahlt  werden  konnten''^). 
Kaiser  Siegmund  hatte  daher  (29.  September  1431)  der 
Stadt  ein  Moratorium  auf  drei  Jahre  ertheilt^'^).  Dennoch 
waren  an  verschiedenen  Orten  des  Auslandes  einzelne 
Bürger  wegen  der  rückständigen  Zinsen  verklagt,  ja  in 
Haft  genommen  worden.  Da  wendete  sich  der  ßath  an 
Papst  Eugen  IV.,  und  dieser  beauftragte  (4,  Februar  1433) 
den  Kardinal  Nikolaus,  sich  über  diese  Angelegenheit  zu 
informieren  und,  wo  nöthig,  der  bedrängten  Stadt  durch 
Androhung  und  Verhängung  geistlicher  Strafen  wenigstens 
einige  Linderung,  d.  h.  Gewährung  eines  Aufschubs  für 
die  fälligen  Zinszahlungen,  zu  verschaffen^*). 

Um  so  auffälliger  muss  es  erscheinen,  dass  eben  zu 
derselben  Zeit  (6.  April  1433)  Prokop  „der  Kommissar 
des  bischöflich  meissnischen  Hofes''  von  Stolpen  aus 
dem  „Prediger  zu  Görlitz^  den  Befehl  ertheilte,  von  dem 
Rathe  und  der  Stadtgemeinde  peremtorisch  binnen  sechs 
Tagen  die  Zahlung  von  70  Schock  Groschen  rückstän- 
digen Zinses  an  den  Bischof  zu  verlangen,  widrigenfalls 
er  die  gesarate  Stadt  und  alle  Einwohner  derselben 
hiermit  exkommuniziere  und  „den  Ort  Görlitz"  mit 
dem  Interdikt  belege,  so  dass  keinerlei  Sakramente 
daselbst  administriert,  auch  die  Verstorbenen  nicht  kirch- 


")  Urk.-Yerz.  II,  28  d. 

*')  Ein  Schreiben  von  der  Ritterschaft  des  Görlitzer  Weich- 
bildes und  von  dem  Rathe  der  Stadt  an  den  Kaiser  (1431  im  Monat 
März)  schildert  in  anschaulicher  Weise  die  damalige  Lage  der 
Stadt  und  des  ganzen  Landes;  abgedruckt  bei  Xeumann,  Geschichte 
von  Görlitz   173  flg. 

-*)  Abgedruckt  N.  Laus.  Magaz.  LVII  (1881),  150,  Anmerk.; 
lebendige  Schilderung  der  Kriegsnoth. 

^')  Urk.-Verz   II,  33  f. 


320  Hermann  Knotlie :   Die  Stadt  Bautzen  etc. 

lieh  begraben  Averclen  dürften^").  Da  sprach  endlich 
(14.  Oktober  143o)  „Johannes  Plussk,  Propst  zu  Leipzig", 
also  ein  Geistliclier  der  Diöcese  Merseburg,  wir  wissen 
nicht  auf  wessen  Befehl,  „die  Görlltzer  von  der  Exkomnm- 
nikationssentenz  wieder  los"^'),  und  den  G.  August  1431 
bestätigte  auch  das  Konzil  zu  Basel  das  der  Stadt  Görlitz 
ertheilte  kaiserliche  Moratorium. 

Nach  Beendigung  der  traurigen  Hussitenkriege  kam 
nun  Görlitz  nicht  nur  seinen  sonstigen  Verpflichtungen 
wieder  treulich  nach,  sondern  zahlte  auch  dem  ßisciiofe 
zu  Meissen  wieder  seine  Rente  von  120  Schock.  Freilich 
musste  derselbe  gelegentlich  auch  darum  mahnen.  So  befahl 
den  17.  August  1445  der  bischöfliche  Vikar  Friedrich  den 
Pfarrern  (divinorum  rectorihus)  zu  Görlitz,  „von  der  Kanzel 
aus"  die  liathsherren  zu  ermahnen^  die  rückständigen  bi- 
schöflichen Zinsen  zu  erledigen^®),  und  den  30.  Mai  1454„be- 
gehrte"  Bischof  Kaspar  an  Rathund  Stadt  Görlitz,  ihm  seine 
Rente  in  Gold  und  Groschen,  nicht  aber  in  (unterwerthigen 
Görlitzer)  Pfennigen  auszurichten^**).  Schon  damals  scheint 
der  Bischof  eine  Ablösung  der  Rente  gewünscht  zu  haben; 
wenigstens  gestattete  (12.  April  1457)  König  Ladislaus 
von  Böhmen  dem  Rathe,  ,,die  königliche  Rente  von  dem 
Meissner  Kapitel  um  1200  Schock  zurückzukaufen"^*'). 
Endlich  (24.  April  1458)  verstand  sich  der  Bischof  dazu, 
der  Stadt  von  den  120  Schock  „königlicher  Jahrrente" 
20  Schock  nachzulassen*'),  und  um  wenigstens  den  steten 
Differenzen  wegen  ufitcrwerthiger  Münze  abzuhelfen,  „ver- 
trug sich  (1.  März  1493)  Bischof  Johann  von  Salhausen 
mit  dem  Rathe  wegen  der  königlichen  Jahrrente  der 
120  Sciiock,  die  nachlier  alle  Jahre  mit  100  Schock  be- 
zahlt worden,  auf  jährlich  135  ungarische  Gulden  an 
gutem  Golde"''-^).  Allein  1564  (10.  Mai)  musste  Johann  IX. 
von  Haugwitz,  der  letzte  meissnische  Bischof,  abermals 
mahnen,  dass  ihm  die  zuständige  Jahrrente  anstatt  in 
Münze  in  ungarischen  Gtdden  erlegt  werden  solle''). 
Wie  lange  Görlitz  diese  Rente  noch  fortgezahlt  habe, 
wissen  wir  nicht. 


*»)  Ebendas.  II,  .S4b.  Nach  Machatscli  ek,  (Geschiclite  der 
Bischöfe  von  Meissen  402)  hätte  nicht  l'roknp,  sondern  der  bischöf- 
liche Generalvikar  Gastnieister  dies  Interdikt  verhängt. 

*')  Ebendas.  II,  ö5  a.  Der  Wortlaut  der  Urkunde  ist  nicht  bekannt. 

»«)  Urk.-Verz.  11,59  f.    ^*)  Ebendas.  II,  71  g.    »*»)  Ebendas.  II,  80e. 

*')  Ebendas.  II,  83 d.  ")  Ebendas  111.  20c.  Vergl.  Gercken, 
Stolpen  665.     ")  Urk.-Verz.  UI,  201  f. 


X. 

Die  Briefe  Valentin  Einers. 
Ein  Beitrag  zur  Reformationsgeschichte, 

Von 

H.  Ermisch. 


Über  die  Anfänge  der  Reformation  in  der  Stadt 
Freiberg  sind  bis  jetzt  nur  wenige  vereinzelte  Nachrichten 
bekannt  geworden^);  und  doch  ist  es  von  besonderem 
Interesse,  diese  Anfänge  zu  verfolgen,  weil  die  neue  Lelire 
hier  unter  ganz  eigenartigen  Verhältnissen  sich  verbrei- 
tete und  die  elementare  Macht  der  reformatorischen  Ideen 
ganz  besonders  deutlich  zur  Erscheinung  gelangte.  Über 
die  interessanteste  hierher  gehörige  Episode,  die  Flucht 
der  Herzogin  Ursula  von  Münsterberg  aus  dem  Jung- 
frauenkloster zu  Freiberg  (1528),  haben  wir  bereits  früher 
einen  längeren  Aufsatz  veröffentlicht^).  Bei  dieser  Ge- 
legenheit wiesen  wir  schon  auf  einige  Schriftstücke  hin, 
die  wir  nachstehend  mittheilen  ^);  dass  dieselben  den  Ab- 
druck in  hohem  Grade  verdienen,  wird  wohl  niemand 
in  Abrede  stellen,  der  von  ihrem  Inhalt  Kenntnis  ge- 
nommen hat. 


')  Vergl.  ausser  den  bekannten  Werken  von  Möller,  "Wilisch, 
Benseier  namentlich  Ulbricht,  Geschichte  der  Reformation  in 
Freiberg  (Leipzig  18.37)  und  Seidemann,  Dr.  Jacob  Schenk  (Leip- 
zig 1875),  S.  1  flg.  88  ög. 

=*)  Diese  Zeitschrift  III,  290  flg. 

*)  Ebenda  III,  296,  vergl.  313.  Einen  dieser  Briefe  erwähnt  be- 
reits Weller,  Altes  aus  allen  Theilen  der  Geschichte  I  (1762),  175; 
auch  Georg  Müller,  Mag.  Stephan  Roth,  in  den  Beiträgen  zur 
Sächsischen  Kirchengeschichte  I  (1882),  55  und  60. 

Neues  Archiv  1".  S.  G.  u.  A.  V.  4.  21 


322  II-  Ermisch: 

Die  sechs  Schreiben  stammen  aus  einer  neuerdings 
mehrfach  benutzten,  aber  bei  weitem  noch  nicht  er- 
schöpften Quelle  zur  Reformationsgeschichte,  aus  dem  in 
der  liathsschulbibliothek  zu  Zwickau  befindlichen  reich- 
lialtigen  Briefwechsel  des  Mag.  Stephan  Roth.  Roth, 
der  vorher  in  Zwickau  und  Joaehimstiial  Schuhektor 
gewesen  war,  widmete  sich  während  der  Jahre  1523  bis 
1527  in  Wittenberg  dem  persönlichen  Verkehr  mit  Luther, 
dem  Studium  und  der  litterarisclien  Thätigkeit;  1528  wurde 
er  Stadtschreiber  und  später  Rathsherr  in  seiner  Vater- 
stadt Zwickau^).  Zu  den  zahlreichen  lutherischen  Ge- 
sinnungsgenossen, mit  welchen  Roth  korrespondierte,  ge- 
hörte auch  der  Freiberger  Maler  Valentin  Einer. 
Leider  wissen  wir  über  ihn  ausser  dem,  was  in  seinen 
Briefen  steht,  so  gut  wie  nichts  weiter,  als  dass  er  am 
3.  Juli  1509  das  Bürgerrecht  in  Freiberg  erhielt^);  er 
wohnte  daselbst  vor  dem  Kreutzthor").  Nach  dem  Jahre 
1527  kommt  er  meines  Wissens  niclit  mehr  vor.  Über 
seine  künstlerische  Thätigkeit  ist  durchaus  nichts  bekannt; 
dass  er  mit  Lucas  Cranach  befreundet  war,  kann  man 
aus  der  Nachschrift  zu  No.  3  sehliessen.  Sein  Siegel,  das 
besonders  gut  an  dem  Briefe  No.  2  erhalten  ist,  zeigt  im 
Schilde  das  Zeichen  1— Li  und  darüber  die  Anfangsbuch- 
staben seines  Namens  i  V  E.  Der  Roth'sche  Briefwechsel 
enthält,  so  viel  ich  weiss,  sieben  Briefe  dieses  Mannes, 
von  denen  wir  jedoch  nur  sechs  mittheilen,  da  der  siebente 
vom  28.  Oktober  1527  ')  von  geringerem  Interesse  ist*). 
Leider  schrieb  der  Freiberger  Maler  eine  wahrhaft  ent- 
setzliche Handschrift,  die  selbst  einem  geübten  Auge  viele 

*)  Näheres  über  ihn    bei  Georg  Müller  a.  a.  ü.  43  flg. 

*)  Freiberuer  llatlisarchiv,  j\latrit;iila  civiiim,  fol  49b:  Meister 
Valentinun  Eidner  moler  S"  pust  viaitacionis  Marie.  Vergl.  Wer- 
iiicl<e  Zur  (Jesthiciite  der  Maleriiiuuiig  in  Freibei'g,  in  den  Mitth. 
des  Freib.  Alterthumsvereins  XVII,  2.S. 

•)  Walten  Einer  moler  czu  Freybergk  vorn  Creutzthor  lautet 
die  Unterschi iit  eines  Uriei'es  vom  28.  Oktober  1527. 

')  Ik'zeicliiiet  mit  E  6S. 

')  Während  jene  ü  liriefe  an  lloth  nach  Wittenberg  gesandt 
wurden,  sucht  ihn  die  Aufschrift  des  7.  Briefes  schon  in  Zwickau 
(itzunder  czu  Zcwidcaw);  er  hielt  sicli  dort  also  auch  schon  vor 
Alltritt  seiner  Stelle  als  Stadtschreiber  (15.  l"'ebruar  1528)  auf.  —  Den 
nicht  uninteressanten  Schluss  des  letzterwähnten  Briefes  theilen  wir 
hier  mit,  ohne  indessen  eine  Erklärune:  zu  versuchen:  Auch  ßo 
haben  dy  von  Czwiykau  uns  eyn  predigcr  uff  den  thum  czitge- 
schickt.  Ret  er  euch  yedoclit,  so  loer  her  uns  nit  luorden.  Man 
solde  yn  mit  plaulzoi  vom  jiredickstul  wcrffen,  er  kan  den,  vuxchs- 
schtvantz  wul  streichen. 


Die  Briefe  Valentin  Einers.  323 

Eäthsel  zu  lösen  giebt  und  hier  und  da  geradezu  als 
unleserlich  bezeichnet  werden  muss.  Aber  durch  den 
Inhalt  der  Schreiben  wird  man  für  die  Mühe  der  Ent- 
zifferung reichlich  belohnt.  Wir  lernen  aus  ihnen  einen 
jener  mannhaften  Vertreter  der  neuen  Lehre  kennen,  die 
den  Angriffen  um  ihrer  Überzeugung  willen  kühn  die 
Stirn  boten;  mit  offenem  Blick  und  gesundem  Urtheil  — 
das  er  gelegentlich  in  die  Form  der  Ironie  kleidet 
(so  ist  der  Anfang  von  No.  6  zu  verstehen)  —  verfolgt 
er  die  litterarischen  Erscheinungen  der  Zeit,  ja  er  giebt 
selbst  zu  solchen  die  Anregung. 

Zur  Erläuterung  der  Schreiben  werfen  wir  zunächst 
einen  flüchtigen  Blick  auf  die  Verhältnisse,  die  sie  be- 
rühren, 

Herzog  Heinrich,  der  bekanntlich  in  Freiberg  re- 
sidierte, war  von  vorn  herein  der  Reformation  durchaus 
nicht  abgeneigt.  Wir  wissen,  dass  er  die  gegen  Luther 
gerichtete  Bulle  Exsurge  Domiue  vom  15.  Juni  1520  lebhaft 
missbilligte "),  dass  er  schon  früh  einen  lutherisch  gesinnten 
Hofprediger  auf  dem  Schlosse  hatte  (No.  4  S-  332  oben), 
bereits  Ende  1524  eine  deutsche  Messe  dort  lesen  Hess 
(No.  3),  ja  sogar  schon  Hand  an  die  Einkünfte  des  Dom- 
kapitels zu  legen  wagte  (No.  3).  Allein  die  drückenden 
Verhältnisse,  unter  denen  Heinrich  lebte,  waren  mächtiger 
als  er;  die  Einkünfte  seines  kleinen  Ländchens  reichten 
nicht  entfernt  für  den  Unterhalt  seines  Hauses  und  Hofes 
aus,  er  bedurfte  dringend  der  Zuschüsse  von  seinem  Bruder 
Georg,  und  dieser  war  einer  der  aufrichtigsten  und  energisch- 
sten Vertreter  der  alten  Lehre.  So  befand  sich  Heinrich  in 
einer  misslichen  Doppelstellung:  persönlich  der  Refor- 
mation geneigt,  musste  er  mit  Rücksicht  auf  seinen  Bruder 
ihr  entgegentreten.  Einer  beurtheilt  dies  Verhältnis  in 
mehreren  seiner  Briefe  (No.  1,  3,  4)  ganz  richtig;  wieder- 
holt spricht  er  die  Hoffnung  aus,  dass  der  Herzog  noch 
ganz  auf  Seite  der  lutherisch  Gesinnten  treten  werde,  was 
ja  später  auch  geschehen  ist.  Dem  Einflüsse  Georgs  ist 
es  zuzuschreiben,  dass  die  nächste  Umgebung  des  Her- 
zogs aus  eifrigen  Gegnern  der  Lehre  Luthers  bestand'"). 
Vor  allem  war  der  Hofmeister  Rudolf  von  Bünau  ihr 
sehr    feindselig    gesinnt '');     ihm     vor    allem,     „unserm 

*)  Sei  de  mann  a.  a.  0.2. 
'")  Ulbricht  a.  a.  0.  16. 

")  Sehr  deutlich  geht  dies  aus  den  Akten  über  die  1529  vor- 
genommene   Visitation    des    im    Gebiete  des    Kurfürsten    belegenen 

21* 


324  H.  Ermisch: 

Tyrannen",  gieLt  Einer  die  Schuld,  dass  der  Herzog  nicht 
wage,  sich  offen  7Air  lutherischen  Lehre  zu  bekennen  (No.  1). 
Ebenso  standen  die  Kanzler  des  Herzogs,  Dr.  Wolf  Stehlin 
(bis  1525)  und  sein  Nachfolger  Georg  von  Rothschütz 
(1525 — 1533)  '*),  entschieden  auf  dem  Boden  der  alten 
Lehre.  Einer  von  beiden  war  sogar,  wenn  wir  eine 
Wenduno;  in  dem  unter  No.  6  raitüetheiltcn  Briefe  richtio; 
verstehen,  litterarisch  für  dieselbe  thätig;  er  veröffentlichte 
1525  ein  Büchlein  von  der  Beichte,  das  mit  Enisers  Vor- 
wissen gedruckt  und  von  Herzog  Georg  empfohlen  Avurde. 
Dieses  vermuthlich  gegen  Luthers  Schrift  von  der  Beichte 
(von  welcher  1525  ein  neuer  Abdruck  erschien)  gerichtete 
Schriftchen  nachzuweisen,  ist  mir  nicht  gelungen. 

Weit  entschiedener  als  Heinrich  bekannte  sich  seine 
Gemahlin  Katharina  zur  neuen  Lehre,  obwohl  sie  anfangs 
zu  ihren  Gegnerinnen  gehört  hatte '^).  Sie  stand  mit  den 
Evangelischgesinnten  in  Freiberg,  namentlich  auch  mit 
unserem  Einer  (No.  1),  in  vielfacher  persönlicher  Beziehung. 
Aber  offen  mit  ihrem  Bekenntnis  hervorzutreten,  durfte 
auch  sie  nicht  wagen:  als  Stephan  Roth  sie  durch  Einer 
bitten  Hess,  ihr  seine  Übersetzung  der  Luther'schen  Aus- 
legung des  fünften  Psalms  widmen  zu  dürfen,  lehnte  sie 
dies  ab,  weil  sie  besorgt  war,  „sie  möchte  einen  ungnädigen 
Herren  erlangen  und  an  Herzog  Georg  dergleichen" ; 
sie  will  überhaupt  nicht,  „dass  ein  Mensch  wissen  solle, 
dass  sie  auf  die  Lehre  getreten  sei"  (No.  1).  Die  Über- 
setzung, die  1525  erschien,  war  dann  dem  Zwickauer 
Bürgermeister  Hermann  Mülpfort  gewidmet^'). 

Trotz  dieser  mannigfachen  Hindernisse  hatte  sich 
schon  früh  eine  schnell  anwachsende  lutherische  Gemeine 
—  Einer  bezeichnet  sie  wiederholt  als  die  „christlichen 
Brüder"  —  in  Freiberg  gesammelt.  Als  ihren  Prediger 
nenntElner  in  einem  Schreiben  vom  9.  Oktober  1524  (No.  2) 
den  Franziskaner  Lorenz  Sörer  (Soranus),  der  sich  zur 
lutherischen    Lehre    bekannte,    ohne    doch   eigentlich    aus 


Städtchens  Brandis  bei  Grimma,  dessen  Erbherr  Rudolf  von  Bünau 
war,  hervor.  Vergl.  Grossmaini,  lUe  Visitations-Akten  der  Diözese 
Grimma  (Leipzig  187.3)  169  flg. 

")  Vergl.  über  sie  Seidemann  a.  a.  0.  92  und  die  dort  ange- 
gebene Literatur. 

'*)  Vergl.  den  Brief  Johann  Friedrichs  an  sie  von  1525  Juli  8 
bei  Seidemann,  Dr.  Jacob  Schenk  121,  und  dazu  unten  No.  5:  alßo 
fyndt  sy  ir  gnade  ist  der  ewangelischen  lere  getvessen,  alßo  grosse 
lost  had  ir  gnade  itzonder  dortzn. 

")  Der  vollständige  Titel  bei  Georg  Müller  a.  a.  0.  60. 


Die  Briefe  Valentin  Einers.  325 

dem  Kloster  auszutreten*^).  Eine  Predigt  von  ihm  über 
die  Lutlier'sche  Auslegung  des  22.  (nicht  des  21.)  Psalms 
gab  Einer  Anlass,  Stephan  Roth  um  eine  Übersetzung 
desselben  zu  bitten.  Roth  erfüllte  seine  Bitte  und  wid- 
mete seine  Arbeit  dem  Einer,  der  sich  ohne  Bedenken 
bereit  erklärte,  die  Widmung  anzunehmen:  „ich  will  es 
wohl  vertreten  gegen  meinen  gnädigen  Herrn,  ob  ich 
darum  angesprochen  würde"  (No.  2)  '®). 

Wie  stark  sicli  die  lutherische  Partei  trotz  der  Ver- 
folgungen, denen  ihre  Anhänger  ausgesetzt  waren  —  Einer 
selbst  schwebte  wiederholt  in  Lebensgefahr:  „ich  liab 
sollen  zwier  verbrannt  und  einmal  enthaupt  worden  sein" 
(No.  3)  — ,  bereits  Ende  1524  fühlte,  geht  daraus  hervor, 
dass  es  damals  zu  heftigen  Angriffen  gegen  die  Anhänger 
der  alten  Lehre  kam.  Dieselben  richteten  sich  nament- 
lich gegen  das  Kapitel;  insbesondere  kam  es  wiederholt 
zu  Exzessen  gegen  den  Domherrn  Sebastian  Küchenmeister, 
welcher  in  der  —  dem  Kollegiatstift  inkorporierten  — 
Peterskirche,  zweifellos  in  einem  der  neuen  Richtung  sehr 
feindlichen  Sinne,  predigte.  Sie  hatten  zur  Folge,  dass 
der  neugewählte  Dechaut  Balthasar  von  Ragewitz  ")  sich 
an  den  bei  Herzog  Georg  sehr  einflussreichen  Meissner 
Domherrn  und  Propst  zu  Bautzen,  Dr.  Nikolaus  von  Heinitz, 
wandte;  dieser  trug  seine  hauptsächlich  gegen  Lorenz 
Sörer  gerichteten  Klagen  dem  Bischof  Johann  VH.  vor, 
der  sie  dann  wieder  an  Herzog  Greorg  gelangen  Hess. 
Man  erzählte  sich,  dass  die  Dompfaffen  ihrer  Bitte  um 
Schutz  durch  ein  Geschenk  von  300  Gulden  an  den  Herzog 
und  den  Hofmeister  von  Bünau  besonderen  Nachdruck 
gegeben  hätten.  Herzog  Georg,  welcher  kurz  vorher  das 
überaus  scharfe  Mandat  Karls  V.  gegen  Luther  und  seine 
Lehre  (vom  15.  Juli  1524)  veröffentlicht  hatte  *^),  wurde 
durch  diese  Vorgänge  in  grossen  Zorn  versetzt,  der  sich 

'*)  Über  andere  lutherisch  gesinnte  Freiberger  Mönche,  die 
Brüder  Dominicus  und  Stephan  Bayer  und  Johann  Behme,  vergl. 
Seidemann  a.  a.  0.  2  üg. 

")  Auch  diese  Übersetzung  erschien  1525,  vergl.  G-.Mü  11  er  a.a.O. 

")  Vergl.  Möller  I,  204.  Einer  nennt  ihn  in  seinem  Briefe 
irrthümlich  Gertwitz.  Ein  Joh.  Gertewitz  war  nach  Möller  I,  208 
in  den  Jahren  1508 — 1520  Domherr  zu  Freiberg. 

")  Crudele  mandatum  Ccsaris  vidgavit  dux  Georgius,  sed 
nondum  multa  eft'ecit  quarnqucmi  dito  aut  fres  sunt  occisi,  scilicet 
{•psis  provocantihus.  Aus  einem  Briete  Luthers  von  1524  September  1 
bei  Kolde,  Analecta  56.  Das  Mandat  bei  Förstern ann,  Neues 
TTrkundeubuch  I,  204  flg.,  vergl.  Köstlin,  Martin  Luther  (2.  Aufl.)  I 
(1883),  636. 


326  H.  p]rmisdi: 

besonders  gegen  Lorenz  Sörer  richtete.  Nachdem  ein 
Versuoli,  den  kühnen  Mönch  gefangen  zu  nelinien  und 
nach  Stolpen  zu  bringen,  misslungen  war,  begab  sich  der 
Herzog  am  7.  Dezember  ^  ®)  selbst  nach  Freiberg.  Dass 
Herzog  Heinrich  gerade  nicht  anwesend  war,  war  vielleicht 
kein  blosser  Zufall.  Georg  entbot  den  Loi-enz  Sörer  vor 
sich,  und  es  kam  zwischen  ihnen  zu  einer  überaus  hef- 
tigen Szene,  die  für  die  Charakteristik  beider  Männer 
von  hohem  Interesse  ist;  den  leidenschaftlichen  Drohungen 
des  Herzogs  setzte  der  Mönch  hartnackigen  Widerstand 
entgegen.  Auch  der  Freiberger  Bürgermeister  Hans 
Hausmann,  ein  Bruder  des  bekannten  lutherischen  Pfarrers 
Nicolaus  Hausmann  in  Zwickau,  musste  des  Herzogs  Un- 
willen empfinden.  An  vierzig  Personen  wurden  des  Landes 
verwiesen  und  in  Gewahrsam  gesetzt. 

Alles  dies  berichtet  Einer  in  dem  inhaltreichen  Schrei- 
ben vom  11.  Dezember  1524  (No.  4).  Eine  andere  Quelle 
über  diese  Vorgtänge  ist  der  an  dieselbe  Adresse  gerichtete 
Brief  des  Freibergers  Sigmund  Treutweyn,  eines  Seifen- 
sieders^"), aus  dem  wir  das  Wesentlichste  ebenfalls  mit- 
theilen; er  ist  besonders  deshalb  beachtenswerth,  weil  er 
zeigt,  wie  die  Herzogin  Katharina  sofort  ihre  schützende 
Hand  über  den  gefährdeten  Prediger  ausbreitete. 

Georgs  Strenge  sclieint  denn  auch  ihren  Zweck  voll- 
ständig verfehlt  zu  haben.  Einer  meldet  in  demselben 
Briefe:  „Die  Evangelien  werden  sehr  angenommen  sein 
vmter  den  Laien"  und  berichtet  wenige  Wochen  später 
triumphierend,  Herzog  Heinrich  habe  ihren  Prediger  — 
also  jedenfalls  den  Lorenz  Sörer  —  „bestätigt  mit  einem 
fürstlichen  Briefe  und  Siegel  das  Evangelium  zu  predigen", 
worüber  die  ,. Pfaffen  und  Mönche"  und  der  Hofmeister 
überaus  aufgebracht  seien  (No.  5). 

Lorenz  Sörer  erfreute  sich  auch  noch  später  der 
Gunst  des  Herzogs.  Als  letzterer  im  August  1525  ver- 
nahm, der  Prediger  solle  „weggefordert  werden",  befahl 
er  dem  Käthe  zu  Freiberg,  dies  keinesfalls  zu  dulden"'). 
Noch  Ende  des  folgenden  Jahres  weilte  Sörer  in  seinem 
Kloster  und  predigte  in  evangelischem  Sinne ;  der  Kanzler 

'•)  Am  Mittwoch  conceptionis  Marie.  Aber  Mariae  Empfängnis 
(8.  Dezember)  llel  lö24  auf  einen  Donnerstag;  es  wird  also  wohl 
ein  „vor"  zu  ergänzen  sein. 

'")  Sigismondus  Treutweyn  war  am  28.  Dezember  1523  Bürger 
zu  Freiberg  geworden.    Matr.  civ.  Frib.  fol.  fH. 

=")  Mein  Freib.  Urkundenbuch  I  (Cod.  dipl.  Sa.K.  reg.  11, 12),  sn. 


Die  Briefe  Yalentin  Einers.  327 

des  Herzogs,  Georg  von  Rothschütz,  suchte  ihn  vergeblich 
umzustimmen  *^). 

In  schroffem  Gegensatze  hierzu  steht  nun  freilich 
Avieder  das  Verhalten  Heinrichs  während  der  ersten 
Monate  des  Jahres  1525.  Fast  in  denselben  Tagen,  in 
welche  jene  Freiberger  Auftritte  fallen,  war  zu  Meldorf 
in  Dithmarschen  der  Augustiner  Heinrich  von  Zütphen 
seinem  Drange,  der  Lehre  Luthers  neue  Anhänger  zu 
werben,  zum  Opfer  gefallen;  er  wurde  auf  Antrieb  der 
Meldorfer  Mönche  in  grausamer  Weise  umgebracht '*'). 
Sein  Martyrium  machte  gewaltiges  Aufsehen;  Luther 
verfasste  bekanntlich  über  dasselbe  eins  seiner  zündenden 
Sendschreiben.  Diese  „neue  Legende  vom  Heinerico  in 
Dittmar"  gelangte  auch  nach  Freiberg  und  wurde  dort 
öffentlich  vorgelesen;  es  erregte  dies  den  stürmischen 
Unwillen  der  altgläubigen  Partei,  und  diesmal  gelang  es 
derselben  bei  Herzog  Heinrich  ihren  Willen  durchzusetzen. 
Verhaftungen  und  Verweisungen  in  Menge  erfolgten : 
„also  hob  die  Asche  s.  Heinerici  an  das  Kreuz  all  hier  zu 
Freiberg";  die  Gesänge  und  die  Predigten  in  den  Kirchen 
wurden  wieder  verboten  (No.  6). 

Den  Grund  dieser  plötzlichen  Reaktion  dürfen  wir 
wohl  im  Bauernkriege  suchen,  der  im  April  und  Mai  in 
Thüringen  tobte  und  auch  die  sächsischen  Lande  zu  be- 
drohen schien. 

Es  ist  begreiflich,  dass  diese  Reaktion  fortdauerte,  als 
der  Aufstand  blutig  unterdrückt  war ;  fehlte  es  doch  nicht 
an  Stimmen,  welche  die  Hauptschuld  an  demselben  Luther 
und  seiner  Lehre  aufbürdeten.  So  erging  denn  am  28.  Juni 
1525  jene  strenge  Verordnung  des  Herzogs  Heinrich, 
welche  dem  Rathe  anbefahl,  der  Gemeinde  alle  Belei- 
digungen gegen  Priester  und  Ordenspersonen  auf  das 
Ernsteste  zu   untersagen  ^*).     Ihr    schlössen    sich    in    den 


'*)  Vergl.  dieSchreiben  desselben  bei  Wilisch,  Cod.  dipl.  185  Hg. 
und  in  der  Sammlung  vermischter  Nachrichten  I,  22fi  flg.  Dazu  Seide- 
mann, Dr.  Jakob  Schenk  4.  Dass  Sörer  in  der  Zwischenzeit  im  Bar- 
füsserkloster  zu  Zwickau  gewesen  (Herzog,  Chronik  von  Zwickau  11, 
208.  Seide  mann  a.  a.  0.  3),  ist  unter  diesen  Umständen  unwahr- 
scheinlich; es  handelt  sich  vielleicht  um  einen  Namensvetter.  Ob 
dieser  oder  unser  Sörer  später  Pfarrer  in  Reichenbach  und  dann 
an  der  Katharinenkirche  zu  Zwickau  war,   lassen  wir  dahingestellt. 

'*)  Vergl.  über  ihn  zuletzt  Köstlin,  Martin  Luther,  2.  Aufl.,  II 
(1883),  653  flg. 

")  Möller  I,  214.  "Wilisch  I,  83.  Benseier  588.  Seide- 
mann, Dr.  Jacob  Schenk  3.    Das  Original  -war   nicht  aufzufinden. 


328  H.  Ermisch: 

nächsten  Jahren  ähnliche,  zum  Theil  noch  nicht  bekannte 
Befehle  an,  auf  die  wir  vielleicht  bei  einer  anderen  Gelegen- 
heit zurückkommen  werden. 

Wir  hissen  nunmehr  den  Wortlaut  der  Briefe  Einers 
folgen. 

No.  1.    (1524  Februar  0.) 
Nach  dem  Original  in  der  Bathsschulbibliothek  zu  Zwickau  (D.  157). 

Meynen  gantz  willigen  diiist  alleczeit   czuvor.     Gunstiger  wir- 

diger  her  magister  uiul   priuler  in  Christo.     Ewer  uiul   ewers   wibs 

gesundtheith  uiul  wolgehen  irfar  ich    allewegk    gerne  :c.     Wirdiger 

her  magister.     Nachdem   ir   mir   schreybt   von   wegen   des    fünften 

psalmen  tzu  vordeutzschen  und  unser  hertzogyn  zcu  schreyben,  wo 

e.  w.  wost,  alß  yrer  gnaden  gfeligk  wer,  w.  h.  und  bruder,  ich  hab 

mich  ewerthhalben  geliißen   und   an   yr  gnade   supplecyrth,    so    hat 

mir  yr  gnade  laßen  ansagen,  sy  thar  mit  nicht  nit;  wen   es  an  irer 

gnaden  gelegen,    wer   ir   gnaden    ser   tzu   dangk  und  angenem  von 

e.  w.;  wen  sich  ir  gnad  nit  bessorgt,  sy  mocht  eyn  ungenadigen  hern 

erlangen    und    an    hertzick    (sie)    Jorgenn    dergleichen.     So    lest  sy 

e.   w.    guttlichen    dancken;  wost   ir    gnade    sost   e.    w.    czu    dynen, 

thet  sy  gernne,  und  lest  ir  gnade  euch  pitten,  ir  woldet  ja  nymant 

dovon  sagen  und  heymlich  halden,  uf  das  ir  gnade  ungemelt  pleyb; 

sunder   wenne    der    psalm    vordeutzsch    wirt,    mocht    sy   yn    gerne 

haben.     Auch,    w.    h.    magister,    unßer    thiran    ist    der    hoffmeister, 

das  sich   dy  fursten  (d.  h.  Fürstin)    ser    noch    forcht    und  wil   nit, 

das  eyn  mensch  wissen  sal,  das  sy  oft' dy  lere  getrethen  ist.    Wo  (?) 

es   mit   der   tzeit    ir    gnade    stercker    ym    glauben    werde,   wil   sy 

dornach    von    e.   w.    gerne    in    czuschriefften    von   euch    annemen. 

Ire  gnade  hoft",   got  werde  yren  hern    noch    erlauchten.     Wen    der 

hoft'meister  nit  wer,  so  hetts  gar  keyn  fei  k.     Auch,  w.  h,  magister, 

ich  pyt  euch,  ir  wolt  gedult  tragen   mit  mir;  ich   wil   ewer  w.   nit 

vorgessen  mit  der  vorerunge,    wy   ich   euch   haben   tzugeschryben. 

Wen    ewer    wyrden    ich    woste    tzu    dynen,   wer    ich   geneigk    unde 

willick  myt  meynem  armen  vormogen.     Ewer  lantzman  lest  euch  vil 

gutts  nachsagen  und  euch   lassen  alle  cristliche  bruder  fruntlichen 

gruessen,  und  grusset  mir  ewer  hausfraw.  Geben  am  tage  Dorothe  1524. 

Valten  Einer  maier 
e.  w.  prüder  in  Cristo. 

Aufschrift:  Ann  denn  wirdigen  hern  magistro  Rodt  burger  czu 
Wittenborgk  seynen  lieben  hern  und  pnulcr  yn  Cristo 
czu  banden. 

No.  2.    (1524  October  9.) 

Nach  dem  Original  ebenda^fO.  15). 

Gnad  und  fryd  yn  Cristo.     Wirdiger  her  magister  Steffan.    Es 

hat  unßer  predisrcr  Lorencius  ordinis  minorum   alhy  czu  Freybergk 

den  21.  psalmen"^ geprediget,   den  doctor  Martinus  gemacht  hat  ynn 

latein  außgelegt:    „Meyn    got,  worumme  hastu  mich  verlassen?"") 


**)  Es  ist  dies  nicht  der  ^i.,  sondern  der  22.  Psalm. 


Die  Briefe  Valentin  Einers.  329 

Unßer  eyner  aber  10  haben  (ließen  psalm  behertziget  und  den  predyger 
gepetten  iinß  scliriefftlich  yn  deutscli  soll  geben.  So  saut  er,  es 
seyn  ym  tzii  schwer  und  muest  vyl  weylle  dartzu  haben.  So  ißt  an 
ewer  wirde  meyn  frundtliche  und  demutige  pette  umbe  gottes  willen 
und  den  lohn  von  got  gewartthen  unß  czu  Freybergk  czum  tröste 
dyeßen  psalraen  auß  dem  latein  ynß  deutsch  bryngen  und  uns 
solcher  gehabte  rauhe  euch  nith  beschweren  laßen  und  meyner  bette 
geczweygen  (sie).  Das  wil  ich  mit  meynen  cristlichen  brudern  kegen 
got  vorbitten  und  unßers  armen  vormogens  dorneben  zcu  vordynen 
geflyessen  seyn.  Dormit  got  befollen.  Geben  Suntagk  nach  Fran- 
cisse^') 1524. 

E.  w.  a.  i.  C.  Valentin  Einer  maier 
czu  Freybergk. 
Aufschrift:    Dem  wirdigen  hern  magistro   Steffan  Roth  burger  czu 

Wittenbergk  meyn  geübten  bruder  yn  Cristo  frundtlichen 

geschryeben. 

No.  3.    (1524  Noyember  30.) 

Nach  dem  Original  ebenda  (0.  13). 

Meynen  gantz  willigen  dinst  czu  befor.  Wirdiger  her  magister, 
gunstiger  lieber  her  und  bruder  in  Cristo.  Ewer  schreyben  an  mich 
gethan  hab  ich  vorlessen.  Deß  mir  e.  w.  den  psalmen  czuschreybet, 
spur  ich  gar  keyn  gebrechen.  Es  hat  auch  nit  noth,  wil  got,"  ich 
wil  es  wol  vortretten  kegen  m.  g.  h.,  ab  ich  dorumbe  angesprochen 
worde.  So  bedanck  ich  mich  kegen  ewer  w.  hochlich  der  gehabte 
muhe  gethan,  und  ich  pit  euch,  ir  weit  den  lohn  von  got  gewerttig 
seyn,  denn  ich  kanß  e.  w.  nit  vonnige.  Ich  hoffe  czu  got,  "es  werde 
sich  vil  daranß  bessern.  Ich  hab  auß  der  gnade  gottes  eyn  solchs 
hert[z]lich  begyr  dornach  gehabt,  das  ich  mich  auß  den  willen  gottes 
irwuegk  (d.  h.  erkühnte)  e.  w.  czu  schreyben,  wywol  ich  ewer  nit 
künde  habe  gehabt.  Wo  ich  aber  euch  wosste  und  den  ewern  czu 
dynen,  byn  ich  mit  meynem  armen  vermögen  geneigt  und  willigk 
mit  leyb  und  gut  czu  dynenn.  Bit  ich  e.  w.  meyn  eynöellig  schreyben 
vor  gut  ansehen  und  forder,  ir  wolt  mir  czu  erkennen  geben,  was 
euch  gelibt  und  last  czu  eynem  gemelle  (d.  h.  Gemälde)  bettet  und 
schreibts  mirß  czu  mallenn,  so  wil  ich  euch  widerumbe  czu  eyner 
vorerunge  machen  und  czu  eyner  kundtschaift  alßo  domit  e.  w.  czu 
voreren.  Ich  wolt  es  euch  gernne  mit  gelde  vorerunge  thuen,  weis 
got,  ich  habs  nit  ym  vermögen.  E.  w.  vorwundert  euch,  das  ir  euch 
understanden  hab  den  psalmen  czu  vordeutschen.  Es  ist  der  wille 
gottes,  nit  ewer  aber  meyner.  Ich  hoffe,  got  werde  unß  nach  alhy 
czu  Freibergk  unßern  g.  h.  und  unß  erleuchten.  Wen  am  negsten 
Dinstage  vor  Andre  (November  29)  hat  m.  g.  h.  eyn  deutzsche  messe 
laßen  syngen  czum  hoffe,  auch  hat  seyn  g.  achthundert  fi.  czynß  von 
wegen  des  capittels  von  der  Mitweide  yngenommen.  Meher  sal  e.  w. 
wissen,  es  hat  an  eynem  cleynen  geffelilt,  so  hetten  sich  dy  thumhern 
muessen  leyden  unde  weren  gestormt  worden.  Dem  Sebastian  Koch- 
meister hat  man  yn  (sie)  czu  s.  Peter  den  predickstuel  czugenagelt 
und  eyn  wage  mit  eynem  voxchsschwanz  und  kuzagel  üben  ubir 
ynn  yn  den  predigstul  gehengk  Sontagk  vor  Katherinam  (November  20) 
und  Sontagk  vor  Andre  (November  27)  eyn  raben  oben  an  den  pre- 

*°)  Geben  —  Francisse  ist  doppelt  geschrieben. 


380  IT.  Krmis(]i: 

dickstiiel  genagelt  iiiul  dortzii  gescliryeben:  „Pfaft"  leugk  iiit  und 
sag  dy  worheit".  Des  hab  ich  ewer  w.  nit  czn  iiovalia  können 
erhalaen,  und  ist,  got  sey  gedanckt,  vil  lynder  worden,  den  es 
gewessen  ist.  Ich  hab  sollen  /.wir  vorbrent  und  eyn  mal  enthabt 
worden  seyn.  Ich  hoff,  got  wirt  seyn  heiliges  wort  uns  geben  und 
nit  netnen:  des  helftt  uns  kegen  got  erbitten,  ßo  wollen  wir  got 
fleissigk  auch  vor  eucli  bitten,  das  uns  got  allen  gnedegk  sey.  Amen. 
G.  h.,  man  bitt  got  vor  mich  armen  sunder.  Es  grusset  euch  meyn 
hausfrauhe.  Es  grussen  euch  alle  cristliche  bruder  alhy  czu  Frey- 
bergk  und  wollen  alle  got  vor  euch  bitten,  das  ir  es  selickliche 
wolendet,  das  ir  habt  angefangen,  got  gebe  uns  czur  selickeitt.  Off 
dy  nt'gste  schrifft  so  will  ich  Sigmunden^')  grussen  und  e.  w.  ent- 
worth  schreyben.  Seyt  got  befollen.  Geben  eylendt  am  tage  Andre  1524. 

Valten  Einer  maier 
e.  g.  b.  i.  (J. 
Grust  mir  den  hern  magister  doctor  Martinum  Luther.  Grust 
mir  meynen  gelibten  bruder  heru  Lucas  von  Cranach  maier  und 
alle  cristlichen  bruder  ynn  der  gemein.  E.  w.  sich  czu  mir  vorsehen, 
das  ich  dy  epistel  noch  czuschriefft  des  psalms  sehen  wil  lasßen  oft" 
glawbeu  ic. 

Aufschrift:  Dem  wirdigen  hern  magistro  Stephan  Kodt  von  Zcwickau 
seynem  lieben  hern  und  bruder  in  Cristo  frundtlich 
geschryben. 

No.  4.    (1524  Dezember  11.) 

Nach  dem  Original  ebenda  (0.  14). 
Bruderliche  liebe  in  Cristo  Jeßu  und  dy  gnade  gottes,  wirdiger 
gunstiger  lieher  her  magister,  seyn  mit  euch  und  den  ewern  allc- 
weg  czuvor.  Vil  gelybter  bruder.  Ewer  schreiben  an  mich  getlian 
hab  ich  vorlessen  von  des  mißl)rauch  im  canon*').  So  sagk  ich,  das 
so  spottins  und  lecherlich  ist,  alß  ich  al  meyn  lebtage  gebort  und 
gcdeßen,  und  sy  sagen  noch,  wy  eyn  liciligk  dyngk  umbe  dy  messe 
seyn  und  got  eyn  lebendigk  öfter  tluien  vor  dy  lebyg<!n  und  tbotten 
ym  fegfcMher.  Ich  irfarß  gerne,  das  irs  alßo  mit  ewern  thuemherrn 
macht,  ist  tausentmol  besser,  dy  kirche  aber  thum  stehe  wnst,  wen 
das  man  got  alßo  sol  lestern  und  solche  grosse  unerhc  thuen  und 
abgottereyn  anbetten,  seynt  wir  nichts  besser  alß  dy  beiden  mit  der 
weisse  und  erger,  das  got  geclagt  sey,  das  wir  alßo  jemmerlich  ver- 
bleut und  vortiut  seyn  worden.  Ich  gethraw  und  gleub,  got  werde 
uns  gnedig  seyn  und  seyn  barmherczickeit  mitteylen,  das  es  bey 
unß  alßo  geschehe.  Wol  got,  das  dißer  canon  alßo  gedrock  unde 
under  das  volg  außgynge,  das  dy  armen  leihen  auch  vorstunden  den 
grossen  mißbrauch  unde  lesterunge  gottes  in  der  messe  gebracht 
werde. 

W.  her  magister  und  gelibter  bruder,  ir  bedorffet  eucli  nicht 
besorgen  von  mir,  das  euch  czu  iiachteil  gedeyben  sol.  1  Hessen 
psalmen  sal  nymandts   czu   banden   komen   auß  meyner  handt,   ane 

*')  Wohl  der  Seifensieder  Sigmund  Treutiveyn,  vergl.  An- 
merkung zu  No.  4. 

")  Der  Brief  hccog  sich  wohl  auf  die  verschiedenen  Vorgänge, 
die  zur  Atifliehung  der  Messe  und  sonstigen  alten  Ktiltformen  in 
der  Stiftskirche  zu  Wittenberg  fidirten'  Vergl.  Köstlin,  Leben 
Luthers.    2.  Aufl.  I,  5G0  flg. 


Die  Briefe  Valentin  Einers.  331 

das  ich  yn  uuder  den  brudern  lessen.  Got  sey  gedaugk,  ich  byu 
alßo  gross  erfraiult,  das  diesser  psalm  deutsch  aulJgehet;  wil  got, 
er  wirt  vil  frucht  gebaren,  -wen  er  sucht  dy  gwussen  ßo  tief,  wer 
es  beherciget,  das  eynem  dy  äugen  ubirgehen.  0  wolt  got,  das 
unser  g.  h.  alhy  erlaucht  worde,  M-ywol  seyn  f.  g.  wer  gut,  wen 
seyn  g.  h.  bruder  h.  Jurge  thet. 

W.  h.  magister  unde  bruder.  Wist  das  der  sathan  iczunder 
das  wort  gottes  aber  eynnemen  (?)  wil  unde  gar  eyn  grossen  stoß 
erlitten.  Nemlich  es  ist  unßer  dechant  von  Gertwitz  (sie)  alhy  czu 
Freyberg  geczogon  kej'n  Meysseu  czu  doctor  Heynicz,  dornach  dy 
dz[w]ey  synt  vor  den  pischoff  czu  Meysen  und  der  pischotf  mit  yn 
vor  hercziigk  Jörgen  geczogen  und  unßern  prediger  den  graben 
monch  Lorenczen  vorclagt,  wy  er  das  aide  testament  predige  und 
werfie  dy  ceremonia  der  kirchen  nider  und  lert,  man  sul  deutsch 
teutfen,  meß  leßen,  syngen  alß  czu  deutsch,  was  man  in  der  kirche 
handelt,  und  vorwerfle  den  canon  und  aplas  bruderschaft  beicht  und 
den  babst,  der  sey  der  entecrist  und  vorfure  das  folg.  Alßo  ist  h. 
Jorge  keyn  Freybergk  komen  an  Mitwoch  [vor  ?]  concepcionis  Marie 
{Dezember  7?)  und  hab  dießen  bruder  Lorentz  vor  sich  gefordert 
und  yn  gefraget,  wer  yn.hab  erlaubt  in  seynem  lande,  das  er  dy 
ketzerey  auflPricht  und  vorfur  das  volck,  wen  sein  g.  und  u.  g.  h. 
seyn  gehitder  synt  eynß  und  wollen  sich  halden  des  contract  (?)  und 
beschluß,  der  bey  keysßer  fursten  und  herren  czu  Wormß  gemacht 
worden  ist.  Alßo  liat  der  fürst  den  prediger  gescholden  eyn  schalgk 
keczer  buffe  verretther  schalgk  eyn  lutherischen  boschwicht  und  es 
sey  keyn  gut  order  yn  im,  wen  er  habe  czu  "Witten bergk  yn  der 
keczer  grueb  den  gift  auß  der  bestien  Martino  gesogen  und  gelert, 
und  mit  den  henden  otf  einander  vor  dem  maule  (?)  geschlagen  und 
gesagt,  er  torst  yn  baldt  außreytten  (?),  wen  der  doctor  sey  fol  teuifel, 
so  hab  er  auch  eynen  yn  yme,  und  er  sol  solcher  prediget  abstellen. 
Wo  aber  nit,  ßall  er  ym  yn  .3  furstenthum  nit  tzu  weit  seyn  und 
wolle  eyn  solchs  weßen  mit  ym  anfahen,  das  man  über  3  hundert 
jar  sol  von  dem  fursten  adir  mo[n]che  (?)  sagen,  und  wolle  in  lassen 
brennen,  mit  czangen  reissen  und  bratten  und  allerley  peyn  anlegen, 
dy  er  yhe  gehört  und  erdencken  mag;  und  yn  mit  solchen  Schelt- 
wort gescholden,  das  schände  und  czu  vil  ist  czu  schreyben.  Und 
wu  er  yn  alßo  eyn  weille  hat  gescholden,  darnach  hat  er  den  doctor 
Martinum  auch  alßo  gescholden  und  gesaget,  wenne  [er]  den  kecze- 
rischen  schalgh  und  buife  hette  abir  wer  yn  seyn  gebitten,  er  wolle 
ym  nach  vyl  erger  peyn  anlenen  und  alle,  dy  seiner  lere  nachtollgen, 
dy  wolte  er  in  cappen  (?)  henken  laßen.  Alßo  hat  mir  der  Lorencius 
unßer  prediger  selber  gesagt,  das  sich  der  hertzogk  alßo  ergrymet 
hett,  das  ym  der  gest  off  beyden  seilten  ist  gewest  gleich  wen  yn 
die  hynfallende  suchten  berurth  und  sich  ubir  der  sach  erczornet, 
das  ym  dy  spräche  entfallen  war  bey  Vz  virtell  stunde,  das  bruder 
Lorentz  meynt,  der  troff'  het  yn  beru[r]th.  Entlich  war  des  fursten 
befel,  er  sal  nymmer  predigen;  wolle  er  des  babist  satzunge  nach 
alden  gebrauch  und  gewonheitten  predigen,  das  sal  er  macht  haben. 
Alßo  hat  er  geantwort,  er  wolle  predigen  das  evangelium  dy  heilige 
Schrift  und  rein  1er  wye  vor;  wo  er  nit  alßo  sal  predigen,  so  wolle 
er  styllen  schweygen.  So  hat  der  fürst  gesagt,  er  lege  dy  schrieft 
schalcklich  auß,  s.  g.  habe  auch  Paulum  geleßen,  er  sey  czu  scharff 
und  vorstehe  yn  nit  und  er  woll  yn  außlegen,  er  wer  eyn  buffe 
und  het  eyn  ruch  angesicht  und  hart  (?)  alß  dy  schalgke  alle  und 
das  folg  lauft  ym  nach,  das  woll  s.  g.  nit  leyden.      So  hat  yme  der 


332  H.  Ermisch: 

Prediger  geantworth:  s.  g.  hab  auch  eyiuien  of  dem  sclilosse,  dem 
das  volg  iiachlaiiffe  und  wol  also  vil  von  ym  sage,  alß  von  mir, 
Do  hat  der  forste  keyn  antworth  geben.  Nnhe  stehet  dy  sache, 
biß  m.  g.  h.  ynheinß  werde,  und  wy  es  do  bleylien  aber  gemacht 
■wirt,  wil  ich  euch  wyder  wissen  lau  dorch  schryft.  Auch  hat  man 
den  monch  achtage  vor  conceptionis  Marie  {Dezember  1)  czu  gast 
gebetten,  der  pharrer  im  jungfrauhendoster  mit  ym  czu  essen  und 
ist  bestelt  eyn  wagen  vorm  thor  und  sechs  reitter,  wenn  er  esse, 
so  woklen  sy  yn  gefangen  haben  und  eyn  kncbel  inß  maul  czu 
binden  und  älßo  off  den  Stolppen  gefurt  han.  Alßo  hats  got  wider 
wendet  durch  eyn  gerben  (??),  das  sy  nit  haben  können  schaffen. 
Diß  alß  auß  bruderliche  lyebe  hab  ichs  euch  nit  können  vorhalden  :c. 
Bit  got  vor  mich,  das  wil  ich  wider  thuen.  Got  gebe  euch  seyn 
gnade  und  fryden.  Amen.  Es  grusset  euch  ewer  lantzman  unde 
ewer  haußfraw  mitsampt  den  ewer.  Er  was  sehr  erffraudt  ewers 
grüß  unde  wen  es  e.  w.  ser  wol  gynge,  erfur  er  gernne.  Es  grussen 
euch  alle  cristliche  bruder  jc.  Geben  Sontagk  vor  Lucie  15'34  czu 
Freybergk.  Valten  Einer  moler 

e.  g.  b.  i.  Christo. 

Dy  evangelien  werden  ser  angenomen  seyn  under  den  leyhen  (?) 

und  (?)  dy *°)  wen  es  ist ^'')  dy  fragen  (?)  nach  den  ewan- 

gelien.  Das  scheiden  von  herzogk  Jörgen  hat  1 '/»  stunde  gewerth. 
Item  hab  gehört  unßer  thum])haften  haben  herczogk  Jörgen  unde 
unßerm  hothneister  alß  S  hundert  fl.  gebe,  das  s.  g.  sollen  sy  schotzen 
und  hanthaben  vor  solcher  lere  5C. 

Beilage.  W.  her  magister.  Meher  salt  ir  wissen,  das  her  Jorge 
unßern  burgermeister,  der  ist  magister  Haußmans  bruder  czu  Czwickaw, 
alßo  schentlichenn  und  anßgericht,  das  schände  ist,  und  hat  den 
magister  eyn  ketzerischen  schalgk  geheissen  und  der  magister  rieht 
alle  kcczerey  an  czu  Czwickau.  Auch  hat  Heinrich  von  Bunaw  unßer 
hoffmeister  alhy  czu  Freybergk  den  groben  monch  eyneu  Pickardischen 
schalgk  unde  buffen  gesscholden.  Er  hab  ym  befoUen  an  stat 
m.  g.  h.  das  ewangelium  czu  predigen  und  nit  deutsch  meß  tauffe 
nach  gesenge  aufrichten.  Auch  hat  her  Jorge  etlichen  purgern  das 
landt  vorpotten  unde  sollen  etzliclie  yn  gehorßam  gehen  ;  welcher 
das  nit  thuen  wil,  der  sal  das  landt  reumen.  Dy  czal  alß  bey 
40  perßon.  Auch  hat  eyner  von  s.  Annapergk  gesaget,  er  hab  eyn 
laßen  czu  der  stauppen  schlahen,  das  er  den  prediger  off  s.  Anna- 
perge  hat  heyßen  lygen,  das  er  das  ewangelium  valsch  hat  auß- 
geleith.  Nyt  weiß  ich,  wy  es  wirt  czugehen  werden,  wenne  unßer 
g.  h.  heimkouien  wirth.  Ich  pit  e.  w.  mir  nit  vorargen  alßo  vil 
schrieff  an  euch  gethan  unde  pit  mich  nit  sunderlich  czu  melden, 
off  das   es  nit   vor  m    g.  h.   kommen  mochte  jc. 

Valentin  Einer. 

ÄnmerTcung.  Über  dieselben  Vorgänge  berichtet  ein  Schreiben 
des  Seifensieders  Sigcmwult  Treuttiocyn  zu  Freiberg  von  1534  De- 
zember 10.  an  Stephan  Both   (ebenda  0.  i5j,  in  ivelchcm  es  heisst: 

Wist  auch,  das  herczogk  Jörg  alhir  czu  Freybergk  ist  ge- 
west  unnd  den  munch  angetast  mit  harten  scharffen  werten  durch 
antragen  etzlicher  tluimhern,  yhn  auch  bedrawet  mit  solcher  unnd 
solcher   pen    czu    straffen,    das    auch    für    keyner    alßot  (sie)  ge- 

*•)  Ziuei  unleserliche  Worte. 
»»)  vuber  (?) 


Die  Briefe  Valentin  Einers.  333 

strafft  sol  seyn  worden,  alß  er  yn  woU  mit  füren  laßen  jc.  Aber 
der  munch  ist  gestanden,  das  sy  sich  vorwundert  haben,  und  dem 
fursten  alles  vorlegt  genugsamlicb  und  alßot,  das  yn  der  hoffmeyster 
hat  heyßen  schweygen  und  gesagt,  er  sal  wissen,  das  er  mit  eynem 
landesfursten  rede  und  nicht  mit  eynem  pawernn  :c.  Der  herczogk 
Heynrich  waß  nicht  eynheiinsch.  Dorumb  do  jungker  Jörg  von 
Dreßen  wegk  kaum  (sie),  vorhort  dy  herczogin  auch  den  munch,  wy  es 
im  gangen  wer,  und  schreyb  eylendes  irem  g.  hernn,  uff  das  ire 
schritft  er  kom  dan  herczogk  Jorge,  uff  das  es  dem  munch  keyn 
gefehr  mocht  tragen.  Dan  sy  helt  seher  über  yra  und  ist  eyne  gute 
cristin.  Was  aber  vor  eyne  antwort  ist  worden,  ist  mir  noch  vor- 
porgen  :c. 

No.  5.    (1525  Januar  8.) 

Nadt,  dem  Original  ebenda  (D.  156). 

Frundtschafft  und  alles  gutte  czu  befior.  Gunstige  wirdiger 
her  magister  und  bruder  in  Cristo.  Ich  bedanck  mich  fruntlich  ewer 
gehabten  muhe  und  des  geschengk  von  e.  w.  sehr  angeuem  und  czu 
dancke  ist  ewer  dobey  czu  dencken;  und  got  für  euch  pitten  wir 
teglich,  [so  wirj  schuldigk  czu  thuen  synth  (?),  mit  vleiß,  wil  got 
(ich  wil  mich  auch  der  gebur  halden)  mit  gesunth.  E.  w.  sal  wissen, 
das  m.  g.  h.  hat  unssern  prediger  bestettiget  mit  eynem  fürstlichen 
bryeffe  und  sygil  das  ewangelium  czu  predigen,  das  den  unsser 
pfaffen  und  munch  wutthen  unde  thoben  mit  viel  drawhen  wortten 
und  m.  g.  h.  hoffmeister  sich  vormist  yn  czu  vortreyben  und  ßolts 
yn  gleichs  eyn  schloss  kosten.  So  hat  got  m.  g.  h.  gemal  erlaucht, 
alßo  fyndt  sy  ir  gnade  ist  der  ewangelischen  lere  gewessen,  alßo 
grosse  lost  hat  ir  gnade  iczonder  dortzu,  wenne  sy  hat  auch  diessen 
psalmen  angenoraeu.  Got  der  bestetige  sy.  Sost  wieß  ich  nichts 
nawhes,  sunder  e.  w.  sey  got  befollen  und  grusset  mir  ewer  hauß- 
frawhe.  Sost  was  ich  e.  w.  czu  dynen  meynes  armen  vormogens 
weiß,  fyndt  ir  mich  willigk  ic.  Geben  Sontagk  nach  der  h.  3  Konige 
tagk  1525.  E.  w.  a.  Walten  Einer 

moler  czu  Freybergk. 
Aufschrift:    Dem  wirdigen  hern  magistro  Stcffan  Rodt   czu  Witten- 

bergk  meynen    gunstigen    lieben   hern    und    bruder  yn 

Cristo   yn   czu  handen. 

No.  6.    (1525  Mai  C.) 

Nach  dem  Original  ebenda  (D.  160  aj. 

Gnad  und  fryde  yn  Cristo  Jesu.  Wirdiger  her  magister  und 
fruntlicher  lieber  bruder.  Ewer  gessuntheit  mit  sampt  ewer  frauhen 
und  wolgehen  byn  ich  erfrawhct  und  gerne  alleczeit  erfare.  W.  h. 
und  bruder.  Alhy  schick  ich  euch  eyn  buchleyn,  das  da  sehr  gut 
und  nottzbar  e.  w.  von  der  beicht  seyn  wirt  und  euch  und  den 
andern  cristlichen  brudern  grosse  frucht  darauß  kommen  und  bessern 
werden,  wo  es  e.  w.  yn  mitteilet  deses  buchleyn  und  da  eyn  rechten 
grundt  auß  der  heiligen  schriefft  der  vetter  erlessen  und  allen 
cristlichen  volgk  czu  gut  und  selickeit  und  bessrunge  unßers  lebens. 
Ist  außgangen  durch  unßern  kenczler  ann  m.  g.  h.  hoffe.  Ist  vor- 
deutsch und  yn  den  drock  außgangen  mit  bewost  des  hochgelertten 
maus  Bock  Emßers  czu  Dreßden  und  vorhofie  e.  w.  von  mir  groß- 
dancklich  czu  eyner  vorerunge  und  geschencke  angeneme  sey,  alß 
ich  verhoffe,  wenne  es  ist  groß  goldis  wirdick,  kan  e.  w.  ermeßsen, 


334  H.  Ermisch:  Die  Briefe  Valentin  FJliiers. 

und  borczuck  Jörg  yn  seynen  stedte  betl'ollen  dem  armen  schwachen 
gewissen  czu  trost,  das  sy  yre  sele  und  leip  nit  yn  dy  ferlichkeit 
geben  mocht,  als  der  iiauhe  lerer  M.  Luther  vornemen  lest  goth 
und  seynen  nei/sten  czu  beichten  und  nit  dem  piiester  und  also 
czum  teuÜ'el  faren  muesten.  Und  pit  e.  \v.,  ir  wolt  es  umbe  meynet- 
willen  nit  (V)  behalden,  wen  ir  wert  etwas  darauß  erkennen,  das 
euch  grosse  frucbt  bringen  wirth  :c.  Auch  habt  gedolt,  was  ich  auch 
geredt  iiabe  wil  ich  mich  zcu  eyner  vorerunge  redlich  bewissen, 
wil  got  das  ich  lebe  mit  gessundt. 

Sost  weiß  ich  nichts  nauhis  czu  schreyben,  denne  das  unßer 
t'urst  und  hotVmeister  hetitick  czu  der  tyraney  gieiflen.  Es  hat 
eyner  dy  nauhe  legende  gelessen  öffentlich  vom  lieinerio  in  Dittmar 
vorschiilen.  Der  hat  d.  M.  L.  schrieff't  vorschworen  czu  lessen,  es 
sey  alt  abir  nawhe  testament,  und  dy  da  czugehort  haben,  lest  man 
holen  und  ynsetczen.  Auch  eyne  frome  Schwester,  dy  denn  krancken 
hat  das  wort  gottes  gelessen  und  getrost,  der  hat  man  dy  Stadt 
vorpotten.  Alßo  hol)  dy  asehe  s.  Heinerici  an  das  creutze  alhy  czu 
Freyl)ergk.  Man  vorpeut  dy  geistliche  psalm  und  gesenge  yn  der 
kirchen,  auch  das  predigen,  alleyne  das  ewangelium  des  frides  czu 
predige  ist  geiiutten,  das  nit  auftruhr  macht  und  uneynickeith  und 
dy  leuthe  nit  straff  aber  speciticirt  (nie)  und  eyniek  bieyben.  Sy 
können  nit  leyden,  das  der  heiliek  sal  genanth  werden,  er  ist  alß 
eyn  ketczer  vorbranth,  so  sey  der  M.  Luther  auch  ein  ketzer  und 
ist  noch  nit  erkent  von  bebistiicher  heilickeyt.  Wen  M.  L.  hat 
den  heiligen  bischoff  Benno  eynen  aldeii  teuffei  gesrlioldeii  *'),  der 
da  vom  hobst  und  der  h  cristlieheii  kirchen  mit  allen  ereii  erhaben 
und  got  eyn  gefallen  daran  gethan.  Auch  thar  man  keyns  von  s. 
ileinrici  legende  des  nauhen  merterer  veyl  haben,  ist  nit  (V)  unß 
vorpotten,  und  hat  unßer  vil  ynß  register  gesattz,  dy  man  wil 
ynsetczen,  und  alle  dy  dem  Luther  anliennick  syiit  aber  dem  ewan- 
gilo,  dy  muesßenn  alle  ketzer  und  Pickardeii  genenth  seyn,  dy  ge- 
dencken  dy  herschafft  alle  außczurothen  und  vortreyben.  W.  h. 
und  bruder,  bit  got  vor  unß  armen  geff'angen  under  dem  wuttrich 
Pharaou,  das  uns  got  uiißern  glauben  wolle  stercken  mereii  unde 
czu  hulffe  komen,  off  das  wir  Gristuin  bekennen  und  nit  vorleucken 
dorflen.     Ich  glaub  got  dem  almeclitigen,  er  wirth  unß  gnedick  seyn. 

Ich   hat  sost   des   narnwerck   vil   czu 

schreyben,  das  unser  mangnatten  (?)  vorgeben,  das  ich  umb  kiirtz 
willen  lasse  anstehen  ic.  Grust  mir  ewere  haußfrawhtdi  und  alle 
cristliche  bruder.  Seit  got  belVolleii.  Ich  bor  e.  w.  hab  den  5.  psalm 
verdeutsch;  ich  mocht  yn  gerne  haben,  wenne  er  außgehen  wirth. 
Geben  am  tage  Johannis  ante  portam  lö25.       Valten  Einer  maier 

e.  g.  b.  w.  d. 

Seit  goth  befoUen  yn  seyn  schütz. 
Äufschriit:    Dem  wirdigen  hern  magistro  Steffano  Roth  itzunder  iiin 
Wittheiibergk  seynen  lieben  heim  und  bruder  in  Cristo. 

i  *')  Bezieht  sich  auf  Luthers  1534  erschienene  Schrift  „Wider 

den  neuen  Abgott  und  alten  Teufel,  der  zu  Meissen  soll  erhoben 
werden'"''.     Vcrgl.  Köstlin  a.  a.   0.  1,  679. 


Literatur. 


Lucas  Cranach.     Ein  Lebensbild  aus  dem  Zeitalter  der  Reformation. 

Von    M.   B.  Lindau.     Mit   einem    Bildnis    des    Lucas    Cranach. 

Leipzig,  Veit  &  Comp.     188.3.     -402  SS.     8». 

Wenn  der  Verfasser  am  Schlüsse  seines  Vorwortes  die  Absicht 
ausspricht,  „den  Kunstleistungen  Cranach's  nicht  bloss,  sondern  vor 
Allem  auch  den  Umständen  und  Ereignissen  seines  Lebens  mit 
allen  ihren  interessanten  Beziehungen  zu  den  hervorragendsten  Ge- 
nossen seiner  Zeit  mit  Sorgsamkeit  nachzugehen,  ihn  gewissermassen 
zum  Mittelpunkte  einer  Schilderung  seiner  Zeit  und  ihres  mächtigen 
Ringens  nach  Lit-ht  und  Wahrheit  zu  machen",  so  ist  er  diesem 
Bedürfnis  in  befriedigender  Weise  gerecht  geworden.  Der  Kunst- 
forscher und  Kulturhistoriker  und  nicht  minder  der  Liebhaber 
genealogischer  Untersuchungen  wird  mit  hohem  Interesse  den  mit 
grossem  Fleisse  und  in  anregender  Sprache  geschriebenen  Aus- 
führungen Lindau's  folgen  und  ihm  für  die  zahlreichen  Aufschlüsse 
dankbar  sein.  Wenn  sich  Referent  gestattet,  an  diese  oder  jene 
Äusserung  und  Mittheilung  Bemerkungen  anzuknüpfen ,  so  ge- 
schieht dies  keineswegs  in  der  Meinung,  den  Werth  des  Werkes  be- 
einträchtigen zu  wollen,  sondern  lediglich  die  Fülle  des  verarbeiteten 
Materials  hat  ihm  Veranlassung  geboten,  hier  und  da  von  seinen 
Kenntnissen  in  der  Fachliteratur  Gebrauch  zu  machen. 

Cranachs  Werke  anlangend,  so  vervollständige  ich  die  Angaben, 
dass  ausser  dem  Bilde  in  Glogau  (1518)  noch  mehrere  andere  in 
Schlesien  erhalten  sind.  Schultz,  Gescliichte  der  Breslauer  Maler- 
innung (1866)  Ö.  10  gedenkt  derselben  ohne  sie  zu  behandeln,  da 
seine  Schrift  mit  dem  Jahre  1523  abschliesst.  Nach  Luchs,  Bildende 
Künstler  in  Schlesien  (Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte 
Schlesiens  V,  13)  haben  beide  Cranach  vieles  für  Breslau  tiemalt 
oder  in  ihrer  Werkstatt  malen  lassen.  Ihre  Arbeiten  in  der  Eli- 
sabethkirche sind  in  desselben  „Denkmälern"  (Index)  nachgewiesen, 
ander3S  befindet  sich  in  der  Gemäldegalerie  des  Frovinzialmuseums  ; 
die  bekannte  ,, Madonna  unter  Tannen"  im  Dom,  mit  dem  G.'schen 
Monogramm  versehen,  ein  ganz  ausgezeichnetes  und  zugleich  mehr- 
fach eigenthümliches  Werk  des  älteren  Meisters,  hat  Büscbing  in 
den  „Wöchentlichen  Nachrichten"  besprochen,  und  in  einem  kleinen 
Kupferstich  widergegeben.  —  v.  Prittwitz  in  „Schlesiens  Vorzeit" 
37.  Bericht  S.  237  berichtet,  dass  vor  1818  Rektor  Manso  und  Pro- 
fessor Rhode  auf  der  Bibliothek  zu  St.  Maria  Magdalena  unter 
einem  Bücherbret  zwei  sofort  als  Lucas  Cranachs  angesprochene  Por- 


336  Literatur. 

träts  Melanchthons  und  Luthers,  letzteres  in  zwei  Stücke  gespalten, 
entdeckt  hätten.     Diese  heiden  restaurierte  Maler  Wizani   (f   1818). 

(S.  4.)  Ileintze,  die  deutschen  Familiennamen  (Halle  1883) 
S.  30  hält  Sunders  für  die  ursprüngliche  iNamensform.  Im  ältesten 
liürgerkatalog  von  Görlitz  habe  icli  einen  Sunder  von  Cranach  ge- 
funden (Hans  Sunder  von  Crannach  taschner  III  aol.  1530)  und 
über  ihn  bereits  1880  im  Anzeiger  des  Germanischen  Museums 
Mittlieilung  gemacht.  Seiner  untergeordneten  Lebensstellung  unge- 
achtet, scheint  er  doch  zur  Verwandtschaft  des  Malers  zu  gehören. 

(S.  7,  Z.  4.)  Seit  1373  lässt  sich  in  Liegnitz  eine  liürger- 
familie  in  Urkunden  verfolgen,  die  Cranch,  Kranch,  aber  auch  Cranich 
geschrieben  wird. 

(S.  33,  Z.  4.)  Korberger  ist  wohl  in  Koburger  zu  verbessern. 
(Vergl.  S.  80,  Anm.  2.) 

(S.  50,  3.  Absatz.)  Auch  schlesische  Familien  haben  nach  der 
Nobiiitierung  den  schlichten  früheren  Namen  ohne  Zusatz  beibehalten. 
Als  Beispiel  erwähne  ich  die  Tscherning  und  Scheps  von  Bunzlau, 
welche  letztere  sich  erst  ziemlich  spät  „von  Löweneck"  schrieben, 
was  mit  dem  S.  53  von  Z.  20  ab  Gesagten  völlig  stimmt. 

(S.  88,  Z.  18.)  „Sarch"  bedeutet  in  der  Regel  ein  zur  Aufnahme 
von  Märtyrergebeinen  bestimmtes  Behältnis  (capsa) ,  aber  auch  die 
Predella  eines  Altarwerks.  Georg  Sürlin  in  Ulm  begann  im  Früh- 
jahr 1474  einen  ,, Sarch  zu  einer  „Tafel"  zu  arbeiten  (Beyer  und 
Pressel,  Münsterblätter  III/IV,  81);  in  einem  Kontrakte  der  Stadt 
Liegnitz  mit  dem  iireslauer  Maler  Nik.  Schmied,  der  1481  einen 
Flügelaltar  herstellen  soll,  heisst  es:  der  sarg,  do  dy  toffel  offe 
stehn  sal,  sal  an  dritahalber  den  lioch  sein,  mit  5  halbin  gesnetin 
bilden  (Ueliqnienbüsten).     Liegn.  Stadtbach  III  fol.  17. 

(S.  91,  Z.  15.)  Ähnliche  Raritäten  wie  die  dort  angeführten 
besass  die  Marien brüderschaft  der  Bürger  in  der  Pfarrkirche  zu 
Schweidnitz  seit  1464.  Fin  Verzeicimis  derselben  habe  ich  im 
„Anzeiger  des  Germanischen  Museums"  1879  Sp.  270  veröftentlicbt. 

(S.  93,  Z.  21.)  In  den  Missivenbüchern  von  Görlitz  findet  sich 
ein  Brief  an  die  Fürstenbrüder  Friedrich  und  Johann,  worin  der 
dortige  Magistrat  seine  Bereitwilligkeit  ausspricht,  den  städtischen 
Werkmeister  Konrad  Pfluger  zeitweise  zur  Beaufsichtigung  eines 
nicht  näher  bezeichneten  Baues  abzugeben.  (24.  Sept.  149ö.)  Es 
wird  die  Stiftskirche  zu  Wittenberg  gemeint  sein.  Iö04  weilt  der- 
selbe Architekt  in  Meissen  und  arbeitet  an  der  AUirechtsburg. 

(S.  107,  Z.  5  V.  u.)  suntus  (?)  erkläre  ich  für  sumtus  (sumptua). 
—  Ein  Brief  von  Hess  an  Spalatin  d.  d,  Öls  13.  April  1517  ent- 
hält die  Stelle:  Festem  Wittenbergae  grassari  er,  Lucae  pictoris 
epistola  cognovi  (Zeitschrift  f.  Gesch.  Schlesiens  XII,  415). 

(S.  121,  Z.  1.)  Über  den  „sterbenden  Christus"  ist  zu  ver» 
gleichen  Wustmann,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Malerei  in  Leipzig 
(1879)  S.  2  Hg. 

(S.  149,  Z.  13.)  Es  wäre  von  Interesse  festzustellen,  ob  der 
Anstifter  des  Studentenauflaufs  mit  dem  späteren  Breslauer  Bischöfe 
Balthasar  von  Promnitz  (1539—62)  identisch  sein  sollte. 

(S.  205,  Z.  6.)  Die  von  Bor  nennen  sich  jedenfalls  nach  der 
slavischen  ürtsbezeichnung  --  Wald  (vergl.  Waldau).  In  Schlesien 
kommen  vor:  1263  Heinrich  de  Borowe,  1277  Barth,  von  Borow, 
Berthold  von  Borow  seit  1278 — 93,  ein  Untertruchsess  Bora  1276 
(Griüihagen,   Regesten  zur   schlesischen    Geschichte    II,   Nr.   1516). 


Literatur.  337 

"Was  die  S.  210  (unten)  behandelte  schlesische  Familie  betrifft,  so 
müsste  ein  Vergleich  des  Wappens  ergeben,  ob  sie  mit  der  Sippe 
von  Katharina  eines  Stammes.  1481  besassen  Gebrüder  von  Boraw 
Kesselsdorf  bei  Löwenberg,  das  jedenfalls  nach  dem  Beinamen  des 
Geschlechtes  benannt  ist.  Übrigens  heisst  1293  ein  Vorwerk  bei 
Bunzlau  hereditas ,  qiie  vocatur  Kessil.  Im  Bunzlauer  Weichbilde 
kommen  vor:  1517  Konrad  von  Kessel  auf  Kl.  Krauschen,  1545  Kunze 
von  Boraw  ebenda  und  auf  Schwiebendorf,  1682  ein  Hauptmann  von 
Kessel  auf  Oberschunl'eld.  (Wernicke,  Chronik  von  Bunzlau.  1884. 
S.  158,  205,  383). 

(S.  217 ,  Z.  5  v.  u.)  „Zschmaßchen"  heisst  heute  bei  den 
Kürschnern  Zmaschen  und  bedeutet  Lammfelle.  In  den  Statuten 
über  das  Meisterstück  der  Kürschner  in  Bunzlau  (1589)  steht  u.  a. : 
„Er  soll  von  5  Tschmochen  einen  Kinderpelz  oder  Schäublein 
machen."  Im  Wendischen  der  Lausitz  ist  smoska  =  kleines  Lamm- 
fell, im  Polnischen  lautet  das  Wort  smuzyk. 

(S.  255,  Z.  4  v.  u.)  Die  fragliche  Venus  hängt  gegenwärtig  in 
der  Gemäldesammlung  des  Germanischen  Museums. 

(S.  321 ,  Z.  9  V.  u.)  In  der  Stiftskirche  zu  Lorch  a.  d.  Rems 
ist  unter  anderen  Darstellungen  hohenstaufischer  Herrscher  eine 
Abbildung  zu  sehen,  wie  Konradiu  in  Gegenwart  des  Papstes  und 
des  Anjou  durch  das  Fallbeil  hingerichtet  wird.  Otte's  archäolo- 
gisches Wörterbuch  S.  66  bringt  eine  Enthauptungsmaschine  nach 
einem  Holzschnitt  vom  Jahre  1514. 

(S.  364,  Z.  4  V.  u.)  Für  „Latron"  schlage  ich  die  Namensform 
Lodron  vor. 

Der  S.  374  erwähnte  Maler  Hans  Krell  (auch  Krel  geschrieben) 
erwarb  1534  in  Freiberg  Bürgerrecht  (vergl.  meine  Beiträge  zur 
Geschichte  der  dortigen  Malerinnung  in  den  Mittheilungen  vom 
Freiberger  Alterthumsverein  XVII,  24  flg.)  Weiter  handeln  von 
ihm  Wustmann  a.  a.  0.  S.  42  flg.  Vergl.  auch  Zeitschr.  f.  Museo- 
logie  1882  No.  12  und  Anzeiger  f.  Kunde  der  deutschen  Vorzeit 
1882  No.  ö. 

Bunzlau  i.  Schi.  E.  Wernicke. 

Analecta  Lutherana.  Briefe  und  Aktenstücke  zur  Geschichte 
Luthers.  Zugleich  ein  Supplement  zu  den  bisherigen  Samm- 
lungen seines  Briefwechsels.  Herausgegeben  von  Theodor  Eolde. 
Gotha,  F.  A.  Perthes.     1883.     XVI  u.    479  SS.    8». 

Verfasser,  der  schon  in  seinen  früheren  Publikationen  werth- 
volle  Dokumente  zur  sächsischen  Geschichte  veröffentlicht  hat,  bietet 
in  dem  vorliegendem  Bande  eine  Reihe  überaus  wichtiger  und  in- 
teressanter Briefe  und  Aktenstücke.  Zahlreiche  Archive  und  Biblio- 
theken Deutschlands,  Hollands  und  Englands  und  der  Schweiz  haben 
reiche  Ausbeute  geliefert.  Sachsen  ist  nur  durch  die  Zwickauer 
Rathsschulbibliothek  vertreten ,  allerdings  mit  einigen  sehr  hübschen 
Sachen,  die,  aus  der  Briefsamralung  Stephan  Roths  stammend, 
neue  Beweise  für  die  innige  Verbindung  von  Wittenberg  und  Zwickau 
liefern.  Aus  den  angrenzenden  Gebieten  ist  zu  nennen  Gotha,  Zerbst 
und  die  von  Wallenberg'sche  Kirchenbibliothek  zu  Landeshut  in 
Schlesien.  Aus  letzterer  stammt  gleich  das  erste  Stück  des  Buches, 
ein  wichtiger  Brief  Tetzels  an  Dekan  und  Kapitel  zu  Bautzen,  der, 
ähnlich  einem  in  der  Anmerkung  beigefügten  Schreiben  an  den 
Bath  zu  Görlitz,  uns  einen  interessanten  Einblick  in  das  Zeremoniell 
und    das   Auftreten   des    Ablasskommissars   gestattet.     Über    seine 

Neues  Archiv  f.  ö.  G.  u.  A.  V,  4.  22 


338  Literatur. 

Erfolge  berichtet  übrigens  eingehend,  was  Körner  in  seiner  Mono- 
graphie über  Tetzel  übersehen  hat,  Kaemmol  in  seinem  Johann  Hass 
(Dresden  lb74),  120,  2;>1  A.  15  und  Uoetze  in  seiner  Monographie  über 
den  Meistersilnger  Adam  Puschmann  von  Görlitz,  wo  bereits  eine  Stelle 
aus  dem  Tetzel'schen  Briefe  an  den  Görlitzer  Kath  mitgetheilt  ist 
(Neues  Lausitzisches  Magazin  LIIl  [l«77j,  61,  A.  5).  NNekhe  Be- 
denken das  Gebahren  l'etzels  auch  bei  streng  kirchlich  gesinnten 
Leuten  erregte,  geht  aus  dem  Urtheile  eines  der  energischsten  Ver- 
treter der  römischen  Kirche  in  Görlitz  hervor,  cf.  Kaemmel  a.  a.  0. 
121  auf  Grund  von  Hass'  handschriftl.  Annalen  lU,  6.  Als  die 
Perle  in  seiner  Bedeutung  für  die  Reformationsgeschichte  des  König- 
reichs Sachsen  mochte  Uef.  des  Justus  Jonas  Bericht  an  Georg  von 
Anhalt  über  die  Leipziger  Keformation  im  Jahre  15:^9  bezeichnen, 
welcher  eine  Keihe  von  Dunkelheiten  und  Schwierigkeiten  beseitigt. 
Der  bekannte  Streitpunkt,  in  welcher  Kirche  Lutber  gepredigt  habe, 
wird  hier  endgiltig  zu  Grünsten  der  Thomaskirche  entschieden  und 
damit  Sebastian  Fröscheis  erst  noch  kürzlich  angezweifelter  Bericht 
bestätigt.  Auch  die  Predigt  von  Herzog  Heinrichs  Hofprediger, 
Paul  Lmdenau,  findet  nun  ihre  Stelle:  er  hielt  am  ersten  Pttngst- 
tage  die  Frühpredigt  in  der  Thomaskirche.  Er  ist  übrigens  auch 
mit  dem  „prediger  zu  freibergk"  (308)  gemeint,  was  im  Register 
(475)  zu  ergänzen  ist.  Eine  ganze  Reihe  von  Aktenstacken  be- 
ziehen sich  auf  Zwickau.  An  der  Spitze  steht  ein  Brief  des  dortigen 
Predigers  Egranus  an  Luther,  in  welchem  jener  den  Reformator  be- 
glückwünscht, ungefährdet  aus  Zwickau  entronnen  zu  sein.  Eine 
Ausführung  der  vom  Verfasser  in  der  „Allgemeinen  deutschen  Bio- 
graphie" gegebenen  Lebensskizze  dieser  Proteusnatur  wäre  sehr 
erwünscht;  liegt  doch  auch  in  Zwickau  reiches  Material,  wie  denn 
Kaemmel  a.  a.  0.  48,  215  tig.  manches  Unbekannte,  auch  in  Bezug 
auf  Literatur  bietet.  Die  S.  169  abgedruckte  Nachschrift  Luthers 
zu  einem  Briefe  an  den  Rath  zu  Zwickau  findet  sich  bereits  bei 
Hildebrand,  Archiv  für  Parochialgeschichte  I,  1  (Zwickau  1834),  25, 
mit  geringen  Abweichungen  bezüglich  der  Orthographie  und  Inter- 
punktion, wie  der  einzigen  abweichenden  Lesart:  den  stoltzen 
JBothen  u.  s.  w.  In  derselben  Zeitschrift  findet  sich  noch  S.  277 
ein  Schreiben  zweier  Zwickauer  Rathsherren  an  Luther,  das  der 
Beachtung  werth  ist,  weil  es  für  den  Gang  jenes  misslichen  Streites 
nicht  unwichtig  ist.  Da  die  Zeitschrift  sehr  selten  ist,  so  mag  es 
hier  noch  einmal  abgedruckt  werden. 

„Unser  ganz  willige  Dienst  Muglichs  Vleis  zuvor.  Hochgelarter, 
Achtbar  Würdiger  lieber  Herr  Doctor.  E.  A.  geschreyben,  be- 
langende die  Enturlaubung  Her  Lorentzen*  des  Predigers  zw  Sant 
katlierin,  haben  wir  itzund  zu  Torgaw  entpfangen;  weill  wir  aber 
dis  orts  mit  geschefften  beladen,  haben  wir  E.  A.  nicht,  wie  wir 
gerne  wollten,  Richtige  und  gehürliche  Antwort  geben  mugen ;  Vns 
beschwert  aber  und  befrembdet  nicht  wenig  Ewer  gethan  Schrift, 
vnd  seint  vngezweifl'elt  so  E.  A.  gelegeuheit  sainpt  allen  umbstenden 
bericht,  Ir  wurdt  vnser  mit  Ewerin  fast  schwinden  schreiben  ver- 
schont haben,  dan  wir  veimittelst  gottlicher  Hulf  vnd  gnaden  auch 
gerne  wultcn  leben  und  handeln,  das  Gott  wohlgefällig,  vns  seelig- 
lich  vnd  vor  der  Welt  nicht  zu  strafen  seyn  sollt;  wir  müssen  aber 
dis  vnd  ander  schreiben,  so  an  uns  und  wider  vns  beschieht,  in 
Ansehung  das  wir  an  der  schmach,  vnter  dem  Namen  des  heyligen 
wort  Gotts  und  soll  das  heylige  Evangelium  gepredigt  heissen,  ge- 
dulilen;  so  wir  aber  vnsers  Regiments  Entledigung  haben  mochten, 


Literatur.  339 

solt  uns  nicht  hoch  entkegen  seyn,  pfarrer  vnd  prediger,  wie  ihr 
Vorhaben  ist,  zu  überantworten,  Vnsers  Ermessens,  so  unser  handel 
solt,  wie  wir  begeren  vnd  bitten  zu  Verhör  kommen.  Es  soll  schein- 
lich befunden  werden,  das  wir  solcher  Enturlaubung  fug  haben,  wie 
dem,  so  wollen  wir  E.  A.  schreyben  Andern  unsern  Freunden  auch 
zustellen;  ob  E.  A.  weiter  zu  schreyben  von  notten,  soll  Euch  weiter 
vuser  entschuldigung  vnverhalten  bleiben,  dan  E.  A.  vnd  Würden 
als  vnserm  günstigen  hern  zu  dienen,  seint  wir  willige  vnd  geüissen. 
Dat.  Mittwoch  nach  Reminiscere.     Anno  domini  XXXI. 

E.  A.  vnd  Würden 
Willige  Laurentius  Bernsprung  Mgst.  vnd  Herrmann  Mühlpfort 
der  Eitere.     Beyde  Bürger  zu  Zwickau  itzt  zu  Torgau. 

Dem  Achtbaren  Hochgelarten   vnd  würdigen  Herrn  Martino  Luther, 

heiliger  und  evangelischer  Schrift  Doctor.    Unserm  besondern 

günstigen  Herrn  und  Freund." 

Zu  den  Jahren  1536  und  1537  verdienen  noch  einige  Dokumente 
Beachtung,  welche  Fabian  im  Anhange  zu  seinem  M.  Petrus  Plateanus 
(Programm  des  Gymnasiums  zu  Zwickau  1878,  S.  26)  aus  dem 
Zwickauer  Rathsarchiv  publiziert  hat.  Zunächst  ein  Urtheil  Luther's 
„in  Sachen  Baj'ers  wider  den  Rath  zu  Zwickau",  ausgestellt  „1536 
Montags  nach  S.  Magdalene" ,  in  welchem  darauf  gedrungen  wird, 
„das  man  die  zwey  regiment  weltlich  vnnd  geistlich,  ja  wohl  vnder- 
scheide,  vnnd  ja  nicht  ynn  einander  menge".  Ebenda  findet  sich 
auch  ein  Schreiben  des  Rathes  an  Luther  von  „Dornstags  nach 
Letare  Anno  dni.  1537".  Zugleich  verweist  Referent  auf  die  von 
Fabian  S.  27  Üg.  abgedruckte,  von  Melanchthon,  Jonas,  Bugenhageu 
und  Cruciger  unter  Assistenz  von  Bayer  und  Plateanus  abgefasste 
Schulordnung,  welche  bei  dem  regen  Interesse  Luthers  für  die 
Zwickauer  Verhältnisse  sicher  nicht  ohne  seine  Billigung  entstanden 
sein  wird.  Bei  der  Lektüre  des  von  Melanchthon  und  Jonas  unter- 
zeichneten Begleitschreibens  an  den  Zwickauer  Rath  (Fabian  a.  a.  0. 
S.  28)  wird  man  namentlich  in  einer  Stelle  über  die  Thätigkeit  des 
Satans  lebhaft  an  Lutlier'schen  Stil  erinnert.  Auch  Nicolaus  Haus- 
manns liebenswürdige  Persönlichkeit  wird  uns  mehrfach  vorgeführt, 
sein  Bild  bereichert.  Man  sieht  aus  verschiedenen  Briefen,  wie  hoch 
ihn  Luther  schätzte.  Einzufügen  ist  auf  S.  141  Luthers  Briefchen 
an  ihn  ex  eremo  vom  30.  Juni  1530,  diesem  an  Lutherbriefen  so 
fruchtbaren  Tage,  in  welchem  Hausmann  die  Nachricht  erhält,  dass 
die  Übersetzung  des  Jeremia  beendet  und  Ezechiel  in  Angriff  ge- 
nommen sei  (abgedruckt  bei  Schirrmacher,  Briefe  und  Akten  S.  85). 
Aus  den  übrigen  Dokumenten,  welche  die  politische,  künstlerische, 
literarische  und  religiöse  Bewegung  der  Zeit  in  reicher  Abwechselung 
vorführen ,  ist  als  besonders  beachtenswerth  hervorzuheben  der 
Reisebericht  des  Musculus,  in  welchem  der  Gottesdienst  in  Eisenach 
und  Wittenberg  bis  ins  Einzelste  vorgeführt  wird. 

So  sind  die  verschiedensten  Gebiete  Sachsens  mit  höchst  in- 
teressanten Nachrichten  bedacht.  Während  einzelne  Personen  zum 
ersten  Male  auftauchen,  wird  das  Bild  anderer  mit  neuen  Strichen 
versehen  und  abgerundet.  Jedenfalls  stellt  auch  dieses  Buch  wieder 
einen  Schritt  weiter  dar  auf  der  Bahn  der  vom  Verfasser  eifrig  an- 
gestrebten und  erfolgreich  angebahnten  „wissenschaftlichen  Geschichte 
der  Reformation  in  den  sächsischen  Ländern". 

Dresden.  Georg  Müller. 

22* 


340  Literatur. 

Heimatskuude  Ton  Bautzen  und  Umgegend.  Ein  Beitrag  zur  Er- 
gänzung und  Belebung  des  geofjrnphischen  uiul  goSLhic'itlichen 
üuterriclits.  Für  die  oberen  Klassen  der  Volksschulen  und  die 
unteren  und  mittleren  Klassen  höherer  Schulanstalten.  Von  Oswald 
Pfütze,  Seminaroberlehrer  in  Bautzen.  Mit  einer  Karte  von  11. 
Böhme.     Bautzen,  Monse.     1884.     60  SS.     8». 

Mit  Vergnügen  weisen  wir  auf  dieses  kleine,  billige  Büchlein 
hin,  das  natürlich  weder  die  geographische  noch  die  historische 
Wissenschaft  bereichern  will,  aber  den  pädagogischen  Zweck,  den 
der  Verfasser,  ein  erfahrener  Schulmann,  damit  verfolgt,  sicher  auch 
erreichen  dürlte.  Mit  weiser  Beschränkung  giebt  derselbe  von  der 
allgemeinen  Geschichte  des  Landes  Oberlausitz  nur  das  zur  Orien- 
tierung Nothwendigste  und  zwar  mit  Benutzung  der  neuesten  wissen- 
schaftlichen Untei'suchungen  ülier  dieselbe;  nur  die  Jahrzalilen  958 
für  die  Erbauung  der  Ortenburg  und  1207  für  die  Gründung  des 
Domkapitels  zu  Bautzen  sind  veralteten  Schriften  entlehnt.  In 
zweckmässiger  Weise  werden  die  geschichtlichen  Daten  meist  in  die 
Beschreibung  der  wichtigsten  Gebäude  und  Denkmäler  der  Stadt 
Bautzen  eingewebt.  Von  S.  .38  an  wird  die  Bodengestaltung  des 
gesamten  Landes,  endlich  „die  Bewässerung"  und  das  Klima  des- 
selben anschaulich  und  überall  durch  charakteristische  Schilderungen 
belebt  behandelt.  Eine  den  grössten  Theil  der  sächsischen  Ober- 
lausitz umfassende,  sehr  zweckmässig  gearbeitete  Spezialkarte  er- 
läutert zumal  den  geographischen  Theil  der  Schrift.  Wir  theilen 
vollständig  die  Ansicht  des  Verfassers,  dass  eine  solche  bereits  in 
der  Volksschule  betriebene  Heimathskunde,  ganz  abgesehen  von  dem 
Wissensstoffe,  den  sie  bietet,  die  Liebe  zu  iler  engsten  Heimath  bei 
der  Jugend  wesentlich  fördern  müsse. 

Dresden.  Knothe. 

Der  rechtliche  Anspruch  Böhmeu-Österrcichs  auf  das  Köui^L 
Sachs.  Mark^räfthuiu  Oberlausitz.  Eine  staatsrechtliche  De- 
duction.  Von  Dr.  jur.  lioinricli  Üeumer.  Leipzig,  Liebeskind. 
1884.  Vlir,  79  SS.  8". 
Die  vielurastrittene  Frage,  ob  die  Bestimmungen  des  Traditions- 
rezesses  von  1635  —  nämlich  dass  (1.)  die  (sächsische)  Oberlausitz 
ein  Lehn  der  Krone  Böhmen  sein  und  bleiben  solle,  dass  (2.)  letztere 
gewisse  kirchenpolitische  Hechte  in  jenem  Lande  auszuüben  befugt 
sei,  und  vor  allem  dass  (3.)  die  Krone  Böhmen  eventuell  ein  Heim- 
falls- beziehentlich  Wiedereinlösungsrecht  auf  die  Oberlausitz  habe  — 
noch  gegenwärtig  zu  Recht  bestehen,  hat  durch  obige  Schrift  eine 
neue  und,  wie  es  uns  wenigstens  scheinen  will,  höchst  umsichtige, 
klare  und  überzeugende  Behandlung  erfahren.  Als  Nicht-Jurist 
massen  wir  uns  ein  Urtheil  über  das  Materielle  der  Beweisführung 
nicht  an,  beschränken  uns  vielmehr  darauf,  den  Gang  der  Unter- 
suchung und  die  Resultate,  zu  denen  der  Verfasser  gelangt,  in 
kurzen  Sätzen  zu  skizzieren.  —  Durch  die  Inkorporation  der  Ober- 
(und  Nieder-)  Lausitz  in  das  Königreich  Böhmen  von  Seiten  Kaiser 
Karls  IV.  wurde  dieselbe  1355  eine  Provinz  Böhmens.  1635  wurde 
sie  an  Kursachsen  erblich,  doch  als  Lehn  der  Krone  Böhmen  ab- 
getreten. Hieraus  ergab  sich  für  den  Kurfürsten  von  Sachsen  das 
„Zweinaturenverhältnis",  dass  er  für  Sachsen  Vasall  des  deutschen 
Reichs,  als  Markgraf  der  Oberlausitz  aber  Vasall  von  Böhmen  war. 
Dies  Verhältnis  wurde  dadurch  nicht  aufgehoben,  dass  1806  das 
bisherige  Kurfürstenthum,  seitdem  Königreich  Sachsen,  die  Souverän!- 


Literatur.  341 

tat  erlangte  und  dem  Rheinbunde  beitrat.  Der  König  ward  Souverän 
nur  für  die  sächsischen  „Erblande",  blieb  aber  für  die  nur  durch 
Personalunion  mit  letzteren  verbundene  Oberlausitz  Vasall  der  Krone 
Böhmen.  In  der  Wiener  Kongressakte  von  1815  verzichtete  der 
Kaiser  von  Österreich  auf  seine  Souveränitätsrechte  über  die  Nieder- 
lausitz und  über  den  von  Sachsen  an  Preussen  abgetretenen  Theil 
der  Oberlausitz  zu  Gunsten  des  Königs  von  Preussen,  behielt  sich 
also  über  den  sächsisch  gebliebenen  Theil  der  Oberlausitz  seine 
Souveränitätsrechte  vor.  Die  sächsische  Verfassungsurkunde  von 
1831  erklärte  das  Königreich  Sachsen  für  einen  unter  einer  Ver- 
fassung vereinigten,  uiitheilbaren  Staat.  Hiernach  war  der  König 
jetzt  Souverän  nicht  mehr  bloss  in  den  Erblanden,  sondern  auch 
in  der  Oberlausitz;  letztere  stand  mit  den  Erblanden  nicht  mehr  in 
blosser  Personalunion,  sondern  war  denselben  inkorporiert;  der  König 
von  Sachsen  hatte  aufgehört,  für  die  Oberlausitz  Vasall  der  Krone 
Böhmen  zu  sein.  „Es  muss  jedem  Staate  das  Recht  zugesprochen 
werden,  sich  seiner  kontraktmässig  eingegangenen  Verpflichtungen 
für  entbunden  zu  halten,  sobald  die  Entwicklung  desselben  durch 
die  strikte  Befolgung  eines  vielleicht  theilweise  antiquierten  Vertrags 
gehemmt  werden  würde."  Mit  den  oberlausitzischen  Ständen  aber 
schloss  die  sächsische  Regierung  den  Partikularvertrag  von  18.34, 
wonach  die  Oberlausitz  die  Verfassung  des  Königreichs  Sachsen 
annahm,  aber  nur  unter  der  Bedingung  des  „Fortgenusses  der  mit 
der  neuen  Verfassung  des  Königreichs,  sowie  der  in  der  gegenwär- 
tigen Urkunde  ausgedrückten  Rechte".  Würde  sie  sich  also  dermal- 
einst nicht  mehr  des  Fortgenusses  dieser  Rechte  erfreuen  können, 
so  würde  sie  aus  dem  Staatsverbande  des  Königreichs  Sachsen  aus- 
scheiden und  wieder  zu  ihrer  alten  Partikularverfassung  zurück- 
kehren; d.  h.  sollte  nach  einem  etwaigen  Erlöschen  des  Sächsisch- 
Albertinischen  Mannsstammes  Böhmen  von  seinem  Einlösungsrechte 
Gebrauch  machen,  so  würde  die  sächsische  Oberlausitz  allerdings 
wieder  an  Böhmen  kommen,  aber  unter  ihrer  früheren  Partikular- 
verfassung. Die  österreichische  Regierung  nun  hat  ihrerseits  schon 
bald  nach  1831  gegen  die  Einverleibung  der  Oberlausitz  in  den 
Staatsverband  des  Königreichs  Sachsen  protestiert,  auch  späterhin 
wiederholt  das  eventuelle  Heimfalls-  und  das  Aufsichtsrecht  in 
Sachen  der  katholischen  Konfession  über  die  Oberlausitz  geltend 
gemacht.  Eine  Deklaration  sowohl  der  sächsischen  als  der  öster- 
reichischen Regierung  von  1845  erledigte  die  Streitfrage  nicht,  son- 
dern vereinbarte  nur  einen  „Waffenstillstand"  zwischen  den  einander 
widerstreitenden  Ansichten.  Durch  seinen  Eintritt  in  den  nord- 
deutschen Bund  und  später  in  das  deutsche  Reich  erklärte  Sachsen, 
dass  die  Bundes-,  beziehentlich  Reichsverfassung  sich  auch  über 
Sachsen  erstrecke.  Bundesgesetze  aber  gehen  den  Landesgesetzen 
vor.  Durch  eine  etwaige  Einlösung  der  Oberlausitz  von  Seiten 
Österreichs  oder  durch  einen  Heimfall  an  letzteren  Staat  würde 
nun  aber  das  deutsche  Reichsgebiet  vermindert  werden.  Dazu  be- 
dürfte es  eines  Verfassungsänderungs-Gesetzes  durch  die  Reichs- 
regierung und  den  deutschen  Reichstag.  Das  deutsche  Reich  aber 
würde  sich  nicht  für  gebunden  erachten,  die  Verpflichtungen,  welche 
früher  einmal  von  einem  Einzelstaat  gegen  Dritte  eingegangen 
worden  sind,  zu  erfüllen,  wenn  die  Erfüllung  derselben  Eingriffe  in 
die  Rechte  des  Reichs  involvieren  würden.  Das  Königreich  Sachsen 
hat  sich  zwar  verbindlich  gemacht,  eventuell  die  Oberlausitz  wieder 
an  Österreich  abzutreten,  ist  aber  jetzt  hierzu  ausser  Stande,  sofern 


342  Literatur, 

das  deutsche  Reich  hierzu  seine  Genehmigung  nic-ht  ertheilt ;  dieses 
aber. ist  keineswegs  verpflichtet,  dieselbe  zu  ertheilen.  übrigens 
hat  Österreich  auch  gegen  die  durch  die  Reichsverfassung  bewirkte 
Änderung  in  dem  staatsrechtlichen  Verhältnis  der  Oberlausitz  zu 
der  Krone  Böhmen  nicht  protestiert;  es  darf  also  angenommen 
werden,  dass  Österreich  auf  sein  Heimfallsrecht  verzichtet  habe. 
Sollte  aber  nach  einem  etwaigen  Erlöschen  des  Albertinischen  Manns- 
stammes in  Sachsen  die  Oberlausitz  an  Hessen-Darmstadt,  als  den  zu- 
folge des  Traditionsrezesses  von  1635  nächst- berechtigten  Agnaten 
fallen,  so  stände  einer  Succession  dieses  Hauses  nichts  entgegen, 
da  hierdurch  die  Reichsverfassung  nicht  alterirt,  d.  h.  kein  Stück 
deutschen  Landes  .an  einen  ausserdeutschen  Staat  abgetreten  würde. 
Das  Schutzrecht  Österreichs  über  die  katholischen  Stifter  in  der 
Oberlausitz  muss  dagegen  als  noch  zu  Recht  bestehend  gelten,  da 
die  Reichsverfassung  nichts  enthält,  wonach  dies  unzulässig  wäre.  — 
Hoffen  wir  vor  allem,  dass  die  Eventualität,  um  welche  sich  die  ganze, 
von  uns  kurz  skizzierte  Untersuchung  bewegt,  nämlich  das  etwaige 
Erlöschen  des  Sächsisch-Albertinischen  Mannsstammes,  niemals  ein- 
treten möge! 

Dresden.  Knothe. 

Uebersicht  über  neuerdings  erschienene  Schriften  und 
Aufsätze   zur    sächsisch -thüringischen   Geschichte    und 

Alterthumskunde. 

Bachmann,   Joh.    Anarg   Heinrich   Herr   zu   Wildenfels,    als  Verf. 

des   Liedes:   „0  Herre   Gott,  dein  göttlich  Wort":     Zeitschr.  f. 

kirchl.  Wissenschaft  Jahrg.  IV  (1883)  S.  UO— 148. 
Bauch,  G.    Die  Vertreibung  des  Johannes  Rhagius  Aesticampianus 

aus  Leipzig:  Archiv  für  Litteraturgeschichte  Bd.  XIII  (1884)  Heft  1 

S.  1—33. 
Berge,  B.    Der  Steinkohlenbau    bei   Zwickau:    Festschrift  für  den 

10.  sächsisclien  Feuerwehrtag  (Zwickau  1884.     8").     S.  05—71. 
Distel,  Th.    Leipziger   Schöffenspruch    auf  verschärfte  Todesstrafe 

(1599):   Zeitschr.  f.  Museologie  u.   Antiquitätenkunde  Jahrg.  VII 

(1884)  No.   16  S.  123  flg. 

—  Der  berühmteste  Färber  Deutschlands:  Ebenda  S.  124. 

—  Nachrichten  zu  Ernst  Rrotulis  Stammbaum  des  Hauses  Sachsen 
(1563):  Ebenda  No.  17  S.  132. 

—  Nachrichten  über  den  jNIaler  Sebalt  zu  Leisnig   (1515):    Ebenda. 

—  Zwei  Künstler  unter  Kurfürst  Friedrich  dem  Sanftmüthigen:  Ebenda 
No.  18  S.  1.S9. 

—  Zur  Biographie  des  Hofpredigers  Joh.  Weiss  (1552) :  Ebenda  S.  140. 

—  Zur  Baugeschichte  derKircho  zuPenig(1514):  Ebenda  No.20.S.  156. 
IJohmIce,  Emil.     M.    Georg  Lani,   Coli.    Tertius    der    Nikolaischule 

1684—1696:  Studia  Nicolaitana,  dem  scheidenden  Rektor  Herrn 
Prof.  Dr.  Theodor  Vogel  dargebracht  von  dem  Lehrerkollegium 
der  Nikolaischule  zu  Leipzig  (Leipzig  1884)  S.  113—145. 

Erbstein,  Jul.  und  Alb.  Das  Königliche  Grüne  Gewölbe  zu  Dresden. 
Mit  Abbildungen.    Dresden,  W.  Baensch.    1884.    XIX,  212  SS.    8». 

Fiedler,  Ottomar.  Die  Kntwickelung  der  Feucrlöschanstalten  der 
Stadt  Zwickau:  Festschrift  für  den  10.  sächsischen  Feuerwehrtag 
(Zwickau  188  t.     8").    S.  45—64. 


Literatur.  843 

Hantzsch,  A.  Geschichte  der  Schule  des  Dorfes  Plauen.  Eiu  Bei- 
trag zur  Gesch.  des  sächs.  Landschulwesens:  Sächsische  Schul- 
zeitung 1884  No.  34,  35,  37,  38,  40.  S.  .363—366,  373—377, 
391—395,  .399—403,  419—424. 

Immisch,  H.  Deutsche  Antwort  eines  sächsischen  Wenden.  Der 
Panslavismus  unter  den  sächsischen  Wenden  mit  russischem  Gelde 
betrieben  und  zu  den  Wenden  in  Preussen  hinübergetragen. 
Leipzig,  J.  C.  Hinrichs  (Komm.).    1884.     IV,  156  SS.     8». 

Israel,  Aug.  l>ie  pädagogischen  Bestrebungen  Erhartl  Weigels 
(1653— 1699  Professor  der  Mathematik  zu  Jena).  Ein  Beitrag  zur 
Gesch.  der  pädagogischen  Zustände  im  17.  Jahrhundert.  Zscho- 
pau,  Raschke.     1884.     59  SS.     8». 

Kögel,  Budolf.  Göthes  Leipziger  Lieder  in  ältester  Gestalt:  Studia 
Nicolaitana,  dem  scheidenden  Rektor  Herrn  Prof.  Dr.  Theodor 
Yogel  dargebracht  von  dem  Lehrerkollegium  der  Nikolaischule 
zu  Leipzig  (Leipzig   1884)  S.  89—111. 

Lobe,  J.  und  Lohe,  E.  Geschichte  der  Kirchen  und  Schulen  des 
Herzogthums  Sachsen-Altenburg  auf  Grund  der  Kirchen-Galerie 
bearbeitet.    2.  Lieferung.    Altenburg,  0  Bonde.  1884.  S.  65-128.  8». 

Moratvelc,  C.  G.  Jahrbuch  der  Geschichte  der  Armbrust-  und 
Büchsen-Schützen-Gesellschaft  zu  Zittau  mit  theilweiser  Beziehung 
auf  die  Schützen- Gesellschaften  der  Oberlausitz,  Böhmens  und 
Schlesiens.  Eine  Fest-  und  Denkschrift  zum  300jährigen  Ver- 
fassungs  -  Jubiläum  der  Schützen  -  Gesellschaft  zu  Zittau  vom 
29.  Juni  bis  1.  Juli  1884.  Im  Auftrage  des  Festcomites  verfasst. 
Zittau.     1884.     4  Bll.     135  SS.     8». 

Moser,  0.  Zwei  vergessene  Künstler-Originale:  Wisseuschaftl.  Bei- 
lage der  Leipz.  Zeitung  1884.    No.  75  S.  447  flg. 

Muther,  E.  Sachsens  Kunstleben  im  sechzehnten  Jahrhundert: 
Grenzboten.     Jahrg.  1884  No.  40  S.  21—30,  No.  41  S.  79—89. 

PfetzholdtJ,  J.  Glückwunschkarten  von  Mitgliedern  des  Königl. 
Sächs.  Hofes:  Neuer  Anzeiger  für  Bibliographie.  Jahrg.  1884 
Heft  10  S.  313—316. 

Bentseh,  Joh.  Georg.  Geschichte  der  Kirche  und  Kirchfahrt  Kitt- 
litz.    Bautzen  und  Löbau.     1884.     VII,  80  SS.     8". 

Schmidt,  Gustav.  Urkundenbuch  des  Hochstifts  Halberstadt  und 
seiner  Bischöfe.  Zweiter  Theil.  1236—1303.  Mit  6  Siegeltafeln. 
(A.n.  d.  T.:  Publikationen  aus  den  K.  Preussischen  Staatsarchiven. 
21.  Band).    Leipzig,  Hirzel.  1884.     III,  671  SS.     8». 

Spitta,  Philipp.  Über  die  Beziehungen  Sebastian  Bachs  zu  Christian 
Friedrich  Hunold  und  Mariane  von  Ziegler.  (Historische  und 
philologische  Aufsätze.  Festgabe  an  Ernst  Curtius  zum  2.  Sep- 
tember 1884.     Berlin,  Asher.     1884).     32  SS.     8». 

Steche,  B.  Bauliches  über  die  Albrechtsburg  zu  Meissen :  Wissen- 
schaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1884  No.  76.  S.  449—453. 

Zemmrich,  H.     Abriss  der  Geschichte  der  Stadt  Zwickau:  Festschrift 

für  den  10.  sächsischen  Feuerwehrtag  (Zwickau  1884;  8°).   S.  1 — 44. 
Zimmermann,  K.  E.     Ai\s    Annabergs   Vergangenheit.     Annaberg, 

Rudolph  &  Dieterici.     1885.    26  SS.    8«. 
Ein  historisch-allegorisches  Gemälde  G.  v.  Kügelgen's  zum  Jahre  1884: 

Wisseuschaftl.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.   1884  No.  78  S.  465—468. 
Erinnerungen    aus    dem   russischen  Feldzuge  im  Jahre  1812   (nach 

dem  Tagebuche  eines  sächsischen  Offiziers):  Ebenda  No.  80 — 83 

S.  473—476,  481—484,  489—496. 


344  Literatur. 

Festschrift  zur  Einweihung  des  "Wettiner  Gymnasiums  zu  Dresden 
am  17.  Oktober  1884.     Dresden.     XII,  27  SS.     8°. 

Zwei  Besuche  Friedrichs  des  Grossen  am  Herzoglichen  Hofe  zu 
Gotha  während  des  siebenjährigen  Krieges:  Militär- Wochenblatt. 
1884.     No.  73  Sp.  1451—1458. 


Mitteilungen  des  Alterthumsvereins  zu  Plauen  i.  V.  Vierte  Jahres- 
schrift auf  d.  J.  188.3 — 84.  Herausgegeben  von  Dr.  phil.  Joh. 
Müller.     Planen  1884.     8». 

Inhalt:  Joh.  Müller,  Urkunden  und  ürkundenauszüge  zur  Ge- 
schichte Plauens  und  des  Yogtlandes  v.  J.  1165 — 185R  (Nachträge 
zu  der  Sammlung  in  der  1. — 3.  Jahresschrift).  Derselbe,  Er- 
gänzende Nachweise  und  Berichtigungen  zu  der  Urkundensamm- 
lung in  der  1.  — 3.  Jahresschrift.  C.  v.  R.,  Beiträge  zur  Geschichte 
des  vogtländischen  Adels:  1.  Die  von  Reinsdorf,  von  Thoss  und 
von  Weischlitz  (Schlnss).  C.  v.  R.,  Ein  Duell  im  16.  Jahrb. 
Joh.  Müller,  Der  grosse  Brand  Plauens  i.  J.  1548  und  der  "Wieder- 
aufbau der  Stadt.  A.  v.  W.,  Rückblicke  auf  Sachsens  Kämpfe 
um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  der  Reformation. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  AnJiaUische  Geschichte  und  Alter- 
thumskunde.    Band  IV.   Heft  2.     Dessau  1884.     8«. 

Inhalt:  Schulze,  Bedeutung  der  Namen  der  auf  dem  anhaltischen 
Harze  befindlichen  Gewässer,  Berge,  Thäler,  Forst-  und  Feldorte, 
Ortschaften,  Wüstungen  u.  s.  w.  Maurer,  Nachgrabungen  bei  der 
Klosterkirche  zu  Frose.  Hosäus,  Aus  den  Briefen  Friedr.  Joh. 
Rochlitz'  an  Friedr.  Schneider. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte.  IV.  Jahr- 
buch für  1882—83.     Chemnitz  1884.     8». 

Inhalt:  Kirchnei",  Adam  Andrea  und  das  Chemnitzer  Lyceum 
in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts.  Mating-Sammler, 
Das  Chronicon  Cbemnicense.  Derselbe,  Stadt  und  Kloster  Chem- 
nitz bis  zur  Erwerbung  durch  die  Wettiner.  Ulile,  Urkunden 
zur  Geschichte  von  Chemnitz  im  Schmalkaldischen  Kriege.  Kirch- 
ner, Philipp  Jakob  Spener  in  Chemnitz. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meissen.  Des 
ersten  Bandes  3.  Heft.     Meissen  1884.     8«. 

Inhalt:  Hey,  Die  slawischen  Ortsnamen  der  Meissner  Gegend. 
Bartsch,  Die  Lieder  des  Markgrafen  Heinrichs  des  Erlauchten. 
Fürst  zu  Hohenlohe-Waldenburg,  Über  den  Judenkopf  als  Helm- 
schmuck der  Markgrafen  von  Meissen.  Peter,  Die  Ptiege  der 
deutschen  Poesie  auf  den  sächsichen  Fürstenschulen  im  zweiten 
Viertel  des  vorigen  Jahrhunderts.  Langer,  Kritik  der  Quellen 
zur  Geschichte  des  h.  Benno,  vornehmlich  der  Vita  Bennonis. 

Zeitschrift  des  Vereins  für  Thilringische  Geschichte  und  Alter- 
thumshinde.  Nene  Folge.  Btl.  IV.  (Der  ganzen  Folge  12.  Band.) 
Heft  1  und  2.     Jena  1884.     8». 

Inhalt:  Einert,  Crotus  Rubianus.  Lippert,  Beiträge  zur  ältesten 
Geschichte  der  Thüringer.  Erich  Schmidt,  Untersuchung  der 
Chronik  des  St.  Peterklosters_  zu  Erfurt.  Wenck,  Liber  Croni- 
corum  (Krfordensis).  Koch,  Über  das  angebliclie  Stift  Graba. 
Miszellen:  v.  Thüna,  Eine  Saalfelder  Grabschrift.  Wenck,  Ein 
Handschriftenkatalog  des  Klosters  Reinhardsbrunn  vom  Jahre  1614. 
Literar.  Mittheilungen. 


Register. 


Adrian,  branclenb.  Kanzler  278. 

Alba,  Herzog  v.  243.   252  ff. 

Alberus,  Erasmus  .308. 

Albrecht,  Mkgr.  von  Branclenb. - 
Culmbach  178.  18.3.  199  f.  211. 
218.  22.3  ff.  282.  287  ff.  292. 
298.  300. 

Alemann,  Chrph  ,  magdeb.  Fähn- 
rich 209. 

—  Ebeling,  magdeb.  Oberst  209. 
297.  305. 

—  Heinrich,  magdeb.  Bürgermstr. 
190  f. 

Altenborg  15.  29.  60  ff. 

V.  Altenburg,  Kilian  222. 

Anhalt  s.  Georg. 

Annaberg  33.  59.  332. 

Anton,  Grf.  v.  Oldenburg  225. 

Antwerpen  5  f.  9.  27. 

Arnold,  Chrph.,  Kanzler  225. 292 f. 

296  f. 
V.  Aschenburg,  Joh.  222. 
Aschersleben  18,  27  f.  62  fl". 
Augsburg   2.   5.   7.   26.   42  f.    61. 

63  f. 

—  Reichstag  178.  181  ff. 
August,   Kurf.   V.  Sachsen   18  ff. 

22  f.  26.  .30. 192.  197.  199  f.  306. 

—  IL,  s.  Friedr.  August. 
Augustusburg  43. 
Aussig,  Schlacht  bei  314. 
de  Avila,  Don  Luis  242  ff 

Baireuth  8.  33.  40  f.  61. 

Bamberg  27.  29.  61.  178. 

Barbi   183.  192. 

Basel,  Konzil  320. 

Bautzen  10  ff.  19.  21.  34.  40.  43  f. 

53.  55  f.  73  ff.  309  ff. 
Bayern  33.  40  ff.  51. 
Beatrix,  Mkgrtiu  v.  Braudeub.  95. 


Bendler,  Sänger  127  f.  134, 
Benno,  Bisch,  v.  Meissen  87. 
Beraun  14, 

Berlin  17.  19.  28  f.  32.  35  ff.  40. 
43  ff  4H.  52  f.  55.  62.  64.  69  f. 

Berner,  Klaus  180.  192.  197  f.  21 9 f, 
Bernhard,  Bisch,  v.  Meissen  109. 
Bernspruug,Laur.,  in  Zwickau339. 
Bernstadt  85.  111.  316. 
Besselmeier  208. 
Bing,  Sim.,  hess.  Geschäftsträger 

211.  219. 
Bischofswerde  17.  34.  85.  93. 
V.  — ,  Heinr,  98. 
Bishalm,  Beatus  241. 
Bitterfeld  204.  207. 
V.  Bock,  Heinr.  278. 
V.  Bodow,  Heinr.  HO. 

Böhmen  3.  8.  10.  13  ff.  s.  Ferdi- 
nand, Georg,  Johann, Ladislaus, 
Ottokar,  Wenzel,  Wladislav, 
Wratislav. 

Boleslav  Chrobry,  Hrz.  v,  Polen 
79.  81. 

V.  Bor,  Bora,  Familie  336  f. 

Borna  15.  18.  60  f.  63. 

Borsewitz,  s.  Kaina. 

Brandenburg  13  f.  17.  19  ff.  64. 
94  ff.  s.  Albrecht,  Beatrix, 
Friedrich,  Friedr.  Wilhelm, 
Joachim,  Johann,  Konrad,  Otto, 
Volrad,  Woldemar. 

Braunschweig  18.  27  ff.  38.  42. 
51.  62.  64  f.  68  ff.  116.  125. 
177  ff",  s.  Erich,  Heinrich, 
Otto,  Rud.  August. 

Bremen  26  ff.  31  f.  38.  50  f.  62  ff. 
68  f.  210  f.  217  fl'. 

Breslau  11  ff.  20.  27.  29.  32  ff.  113. 

Briesing  b.  Niedergurig  90. 


84  n 


Rofrister. 


Bruno  II,  Bisch,  v.  Meissen  87  ft'. 
92  f. 

Buckau  b.  Masdeburff  207.   221. 

V.  liiiiiau,  Rud.,  Hofmeister  des 
Hz.  Heinrich  '523.  325  f.  328. 3.3.3. 

Biinzlau  12.   40.  5.3. 

Bnrchard,  Erzbisch,  v,  Magde- 
burg 112. 

Burgdorf  b.  Lüneburg  221  f. 

Burk  b.  Bautzen  91.  10.3. 

V.  Carlowitz,  Chrph.    187  ff.  192. 

195  f.    213.   219.   22.'>.    281  ff. 

292.  297.  .302.  .308. 
Chambord  b.  Blois  308. 
Chemnitz  18.  33  f.  45.  51.  58.  G3. 
Christian  I.,  Kurf.  v.  Sachsen  24. 
(Christoph,  Grf.  v.  Oldenburg  180. 

197  f.  201. 
Colditz  43. 
V.  Colditz,  Albrecht  318. 

—  Thimo  313.  318.  s.  Meissen. 
Cranach,  Lucas  322.  330.  335  ff. 
Crossen  35.  45.  53.  56  f. 
Cottbus  35.  57. 

Czerneboh  b.  Bautzen  236. 

Dahlen  12. 

Dahme  35.  5.3.  55  f.  58. 

Dänemark  37  ff. 

Danzig  26    28  f.  32.  40.  42.  69  f. 

Delitzsch  40    58.  62.  318. 

Dessau  41.  58.  62.  64. 

Diesdorf  b.  Magdeburg  208.  221. 

Dietrich,  Dompropst  zuMeissen  88. 

—  V.  Landsberg  7. 

—  Bisch.  V.  01m ütz  112. 
Dinner,  Konr.,  in  Würzburg  241. 
Dippoldiswalde  167  ff. 

V.  Diskau,  Hans  305.  .307. 
Döbeln  19.  43.  58 
Döbricht,  Familie  120  ff. 
Dobrilugk  13.  53.  55.  57. 
Dreileben  b.  Magdeb.  179  f.  183. 

298. 
Dresden  17.  21  ff.  25  f.   29.   33  f. 

39.   45.    51.   55  f.   66.    68.    71. 

116  f. 

Ebeling  s.  Alemann. 
Ebersbach  b.  Görlitz  234. 
Egbert,  Markgr.  v.  Meissen  81. 
Eger  17. 

Eilenburg  8.  11  ff.  19.  44.  54  f. 
57  f.  69.  318. 


V.  Einsiedel,  Abrah.  285. 

Eisenach  6.  10.  16.  18.  29.  65.  68. 

Eisleben  10.  45.  62.   64.  70.  261  ff. 

Ekkehard  IL,  Mkgr.  v.  Meissen  78f. 

Elbe,  Schiffarth  21  ff.  33  ff  66  ff. 
71  f. 

Einer,  Valentin,  Maler  in  Frei- 
berg .321   ff". 

FilsterÜösse  26. 

V.  Elstra,  Ileinr.  98.  110. 

V.  Emden,  Levin,  1  'r.  1 90  f.  290. 292. 

Emser  324.  33.3. 

England  28  f.  38.  43.  50. 

Erfurt  2.  6.  8  ff.  16.  18.  27.  20. 
31.  3.3.  64  f,  68. 

Erich,  Hzg.  v.  Braunschweig  178. 

Ernst d.  Fromme,  Hzg.  v.  Gotha 32. 

—  Kurf.  V.  Sachsen  59. 
Eugen  IV.  Papst  319. 

Fachs,  Dr.  Ludw.  189.    192.  204. 

278.  308. 
Falkenberg  60  f. 
Feetz,  J.  H,  Sänger  u.  Musikus  127. 
Fehrbellin  35.  45.  53. 
Ferdinand,    Kg.    v.    Böhmen    14. 

16.  21.  .30.  186  ff.   193  f.  226. 
Fermersleben  b.  Magdeburg  208. 
Finsterwalde  13.  20.  53. 
Flämingen  98. 
Frankenberg  63. 
Frankfurt  a.  M.  2.  5  ff.  10.  15  f. 

18.  20.    31  ff.   38.    42.   49.  52. 

61.  65.  70. 

—  a.  0.  13  f.  22  f.  27.  34  f.  36  ff. 
44  ff'.  52  f.  55.  57. 

Frankreich    50.    61.    181    f.    278. 

291.  300  ff',  s.  Heinrich. 
Franz   Otto,    Hzg.    zu    Lüneburg 

195.  300. 
Freiberg  i.  S.    17.   33  f.   43.   45. 

58  ff".  265  ff.  321   ff. 
de  Fresse,  Jean  (Fraxineus),  Bisch. 

V.  Bayonne  .300. 
Friedrich  L,  Kaiser  83. 

—  III,  Kaiser  8. 

—  Mkgr.  V.  Brandenb.  193. 

—  Hzg.  V.  Liegnitz  14. 

—  I.,  König  V.  Preussen  46  f. 

—  II.,  König  V.  Preussen  54.  56. 

—  d.  Freid.,  Mkgr.  v.  Meissen  59. 

—  n.,  Kurf.   V.  Sachsen  11.   17. 
Friedrich     .\ugust    I.,     Kurf.     v. 

Sachsen  53.  60.  117. 


Register. 


847 


Friedrich    August    IL,    Kurf,  v. 

Sachsen  66.  155  f. 

I.,  König  V.  Sachsen  72. 

Friedrich  Wilhelm,  Kurf.  v.  Bran- 

denb.  .35. 
,  Hz.    V.    Weimar,     Admi- 

nistr.  25. 
Friedrich-Wilhelms  -  Kanal  36  f. 

45.  54. 
Fürstenwalde  35.  55  ff. 

Gallus,  Mag.  308. 
Gardelegen  35.  53.  56.  62. 
Georg,  Fürst  v.  Anhalt  190  ff. 

—  König  von  Böhmen  11  f. 

—  Hz.     V.    Meklenburg    178    ff. 
298.  302.  305  f. 

—  Hz.  V.  Sachsen  12  ff.  16.  323  ff. 
Gera  16.  41.  45.  60  ff.  69. 
Gericke,  G.,  Bürgermstr.  v.  Mag- 

deb.  180.  290.  292. 
Geringswalde  43. 
V.   Gersdorf,    Joachim    182.    222. 

290.  308. 
Gifhorn  27.  56.  62.  69. 
Glaser,  Dr.  H.  F.  118.  137  f. 
Glashütte  169. 
Glatz  15.  Glatzer  Recht  104. 
Glauchau  63. 
Glogau  14.  34.  45.  57. 
Göda  b.  Bautzen  87. 

Görlitz  10  ff.  84  f.  93  ff.  97.  111. 

311  f.  314.  316.  318  ff. 
Goslar  65. 

Göttingen  18  f.  27.  29.  41  f. 
Granvella,  Bisch,  v.  Arras  185  ff. 

283.   285.  293  f.  299.  302. 

Grimma  11  f.  19.  26.  54. 
Grinitz  (Grenitz),  J.  Chrph.,  Sän- 
ger 126.  134. 

Groitzsch  s.  Heinrich,  Wieprecht. 
Grossenhain  10  ff.  17.  19.  34.  52. 

55  f.  91. 
Grossottersleben  b.  Magdeb.  221. 

274. 
Grosssalza  192. 
Grunewald,  Gottfr.,  Musiker  127. 

Günther,  Erzbisch,  v.  Magdeburg 

318. 
Gunzelin,  Mkgr.  v.  Meissen  80. 

Hainichen  45.  63. 
Halberstadt  18.  27.  65.  179.  185  f. 
196. 


Halle  6  ff.  18  f.  28  f.  32  f  45  ff. 

51.  62  ff.  70.   72. 
V.  Haller,  kais.  Pfeunigmstr.  281. 
Hamburg  14.  2.3.  26  ff.  ]16.  275. 
Hamerer,  Phil.  Jac.  239  ff. 
Hannover  116. 
Harsdorf  b.  Magdeb.  208. 
Hartenberg  h.  Hirschberg  (Schles.) 

318. 
Hausmann,  Geleitsmann  52. 

—  Hans,  Bürgermeister  in  Frei- 
berg 326.  332. 

—  Nie,  Pfarrer  in  Zwickau  326. 
332.  339. 

Havel  35  ff. 

V.  Heideck,  Hans   180.    193.   199. 

201.  210  f.   220  f.   225  f.  276. 

278.  290. 292  f.  295  ff.  302  f.  305. 
V.  Heinitz,  Dr.  Nicol.  325.  .331. 
Heinrich  I.,  deutscher  König  78. 

—  H.,  Kaiser  80. 

—  HI.,  Kaiser  81. 

—  IV.,  Kaiser  82. 

—  Hz.   V.   Braunschweig     177   f. 
221.  223.  225.  285.  302. 

—  II.,  Kg.  V.  Frankreich  181.  308. 

—  V.  Groitzsch  82. 

—  Hzg.  V.  Mecklenburg  179.  195. 
275.  300. 

—  Bisch.  V,  Meissen  90  f. 

—  d.  Erl.,  Mkgr.  v.  Meissen  10. 

—  Bisch.  V.  Merseburg  109. 

—  d.  Fr.,  Hzg.  V.  Sachsen  59. 323 ff. 
Heller,  Steph.,  Pfarrer  zu  Kirch- 
hain 319. 

Helmstedt  198. 

Herbord,  Domherr  zu  Bautzen  92. 
Herzberg  17.  44.  57.  59.  69. 
Hesse,  Kapellmstr.  u.  Kriegsrath 

in  Darmstadt  124. 
Hessen  33.  211.  281  f.  s.  Philipp, 

Wilhelm. 
Hillersleben,  Kloster  180  ff.  184  ff. 

191. 
Hirschfelde  (Ob.-Laus.)  314. 
Hochreutiner,  Domin.  241. 
Hof  15.  29.  34.  41.  60-^f.  64. 
Hoffmann,  Melch.,  Musikdir.  122. 
Hofmann  s.  Johann. 
Holland  18.  28  f.  38.40.47.  50  f.  64. 
Holstein, Dr.,  lüneb.Kanzler  197 f. 

201. 
Hoppe,  magdeb.  Rathsherr  290. 

292. 
V.  Hoya,  Grafen  223. 


348 


Register. 


Hoyerswerde  54  ß.  82.  84. 
Ilussiten  310  ff. 

Jänkeiulorf  b.  Görlitz  228. 
Ibrahim  ibn  Jakiib  22S.  238. 
Jena  33.  40.  61. 
Iniiocenz  IV.,  Papst  90.  95. 
Joachim  IL,  Ivurf.  v.  Brandenburg 

22.  3.T   177  f.  183.  192.  19f',  f. 

199  f.    SO.'S.    210.    213.    275  f. 

279  f.  285. 
V.  Jockrim,  Herrn.  98. 
Johann,  Kön.  v.  Böhmen  11.  93. 

100  flf.  114. 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg  104. 

—  Mkgr.  V.  Brandenb. -Küstrin 
179.  18.3.  192.  195.  200.  206  f. 
219  f.  226.  274  ff.  284.  289. 
291.  300  f. 

—  III.  (v.KittIitz),Bisch.v.Meissen 
313. 

—  IV.  (IIofmann\Bisch.  v.Meissen 
309  ff. 

—  VI.  (v.  Salhausen),  Bisch,  v. 
Meissen  316.  320. 

—  VII.  (v.  Schleinitz),  Bisch,  v. 
Meissen  325.  331. 

—  IX.  (v.  Haugwitz),  Bisch,  v. 
Meissen  320. 

—  III.  Sobieski,  König  von  Polen 
1.58  ft'. 

—  (d.  Best.),  Kurf.  v.  Sachsen  15. 

—  Hz.  V.  Sagan   11.  98. 
Johann  Adam',  Fürstabt  v.  Kemp- 
ten 240  ff. 

Johann    Albrecht,    Erzbisch,    v. 

Magdeb.  177. 
Hz.  V.   Mecklenburg    179. 

219.  275.  291. 
Johann  Friedrich,  Kf.  v.  Sachsen 

221.  225.  24.3.  247.  252. 
Johann  Georg  I.,  Kf.  v.  Sachsen 

34.  44. 

—  IL,  Kf.  V.  Sachsen  39  f.  44 f.  1 1 G. 

—  IIL,  Kf.  V.  Sachsen  159  ft". 

—  IV.,  Kf.  V.  Sachsen  117.  12.'?. 
Italien  18.  33.  44.  64. 

Juden   11.3. 

Judith,   böhm.    Prinzessin,   Gem. 

Wipreclits   v.  Groitzsch    81  f. 
Jülicher,  Joh.,  Obrist  196. 
Jüterbogk  35.  53.  55  f.  58.  184  f. 

188  f. 

Kaina  89.  91. 


V.  Kaina,  Conradus  110. 

V.  — ,  Henzil  98. 

Kalbe  28.  62.  280.  289. 

Kamenz  11  f.   19.    21.   34.  54  ff. 

84  f.  93.  10.5.  111. 
V.  Kamenz,  Herren  88. 

—  Bernhard  II.  92. 

Karl  IV.,  Kaiser  11.  106.  113  ff. 
312  f.  318. 

—  V.,   Kaiser   9.   178   ff.    242   ff. 
274  ff.  325. 

—  VI.,  Kaiser  66  f. 
Kaspar,  Bisch,  v.  Meissen  320. 
Katharina,    Gem.  Hz.   Heinrichs 

V.  Sachsen  324.  326.  328.  333. 
Kempten  s.  Joh.  Adam. 
V.  Kessel,  Familie  337. 
Kitzin g,  Dr.  207. 
Kittlitz,  Herrschaft  84. 
V.  Kittlitz,  Heinricli  312  f. 

—  Johann  s.  Meissen. 

—  Otto  31.3. 
Klitschdorf  a.  Qu.  5«. 
Kneutlingen,  Dr.  285. 
Knöchel,  Sänger  126.  128  f  134. 
Komcrstadt,  Dr.  292. 
KönigsbriUk  11  f.  19.  .34.  84.  98. 
V.  Könneritz,  Erasmus  204. 

—  Nicol.  276. 

Konrad  IL,  deutscher  König  81. 

—  IIL,  Kaiser  82. 

—  Markgr.  v.  Brandenburg  101. 
104. 

—  (d.  Gr.),  Markgr.  v.  Meissen  82  f. 

—  Bisch.  V.  Meissen  10. 
V.  Kopperitz,  Heinr.  94. 

—  Nicol.  94. 

—  Ulrich  94. 

Kottmarsberg  b.  Löbau  84. 
Kotze,  Leonh.  221. 
Krakau  11.  3  t.  44.  69. 

—  b.  Magdeb.  20'<.  274.  288  f. 
Kram,  Franz,  sächs.  Rath  18 1  f. 

189.   192.  285.  293  ff. 
Kratzau  314. 
Krell,  Hans,  Maler  337. 
Küchenmeister,  Seb.,  Domherr  in 

Freiberg  325.  329. 
Kunnersdorf  b.  Löbau  89. 

Ladishuis,  Kg.  v.   Böhmen  320. 
Landskrone b.  Görlitz  93.  2-?8.  233. 
Landstrasse,  hohe  10  fi". 
Langmaas,    Gottfr.,    Sänger  126. 
129.  134. 


Register. 


349 


Langwedel  b.  Verden  224. 
Laubanllf.  19. 2 1.55. 8  4  f.  93.314. 
Lauenstein  169. 
Lauterberg  b.  Halle  82. 
Lehmann,  Christ.,  Mag.  264  f. 
V.  Leipa,  Bernh.,   Dompropst  in 

Bautzen  93. 
Leipzig   1  tf.   116  ff.    184  f.    190. 

192.  338.  s.  Plussk. 
Leisnig  43.  58. 
Lemsdorf  b.  Magdeb.  274. 
Lengenfeld  43. 

Leopold  L,  Kaiser  116.  157  ff. 
Lieberose  312  f. 

Liegnitz  12.  40.  45.  s.  Friedrich. 
.  Lindenau,  Paul  338. 
V.  d.  Lippe,  Grafen  223. 
Litten  b.  Bautzen  90. 
Löbau  12.  56.  84  f.  93.   98.    103. 

105.   107.  316. 
Lochau  299  f. 
Loga  b.  Neschwitz  91. 
Lommatzscli  17. 
Lothar,  Kaiser  63. 
Lotti,  S.  K,  Säncerin  125. 
Lübeck   13  f.   26"ff.   35.    37.    65. 

69.  275. 
Lucan  248  fl". 

Lucius,  Übergeleitskommissar  53. 
Ludwig,  Sänger  124  f.  128  f. 
Lüneburg  23.   26  ff.    33.   35.   37. 

41   ff.  51.    53  f.   56  f.   62.   65. 

69.  275.  s.  Franz  Otto,  Philipp. 
Luther,  F.  M.,  Sänger  12G.  128  f. 

134. 
Luther,  Martin  322  ff   337  ff. 

Machendorf  314. 

Magdeburg  12.  19  ff.  177  ff.  273  ff. 

317.  s.  Burchard,  Günther,  Joh. 

Albrecht, 
van  Male,  Guillaume  (Malinaeus) 

243  ff. 
Malsitz  n.  Bautzen  91. 
Mansfeld  27.  64  f.  .305. 
V.  Mansfeld,  Graf  Albrecht  179  f. 

190.   193.  209.  222.  292  f.  295. 

306. 

—  Grf.  Ernst  193. 

—  Grf.  Hoyer  82. 

—  Grf.  Johann  Georg    193.   297. 

—  Grf.  Karl  209. 

—  Grf.  Volrad  210. 
Maria  Theresia  67. 
Marienberg  18.  33.  45.  59. 


Marienstern,  Kloster  88. 

Marien thal,  Kl.  314. 

Marklissa  43.  84. 

Matthias,  Kaiser  20. 

Maximilian  L,  Kaiser  9. 

—  II.,   Kaiser  23.  30.  206. 

Meinhard,    Bisch,  v.  Meissen  82. 

Meissen  17.  26.  51.  Mark  u. 
Markgrafen  78  ff.  s.  Dietrich, 
Egbert,  Ekkehard,  Friedrich, 
Gunzelin,  Heinrich,  Konrad, 
Oda,  Wilhelm.  Stift  310  fl". 
Bischöfe  85.  100  s.  Benno, 
Bernhard,  Bruno,  Heinrich, 
Johann,  Kaspar,  Meinhard, 
Thimo,  Witego. 

Meklenburg  s.  Georg,  Heinrich, 
Joh.  Albrechl. 

Melaune  b.   Reichenbach  233  ff. 

Meldorf  (Dithmarschen)  327. 

Merckel,  Heinr.,  magdeb.  Stadt- 
schreiber 289  ff. 

Merseburg  9.  26.  29.  40.  45.  68  ff. 
190  f.  228.  s.  Heinrich. 

Mieczislav,  Hz   v.  Polen  81. 

Mied,  Mich.,  österr.  Oftizier  164. 

Mildenfurth  171  f. 

V.  Miltitz,  Ernst  278. 

Milzener,  Gau  Milsca  74  ff. 

Mittweida  43.  5H.  329. 

Mordeisen,  Dr.  189.  192.  278. 
292.  297.  308. 

Moritz,  Knrf.  v.  Sachsen  14.  22  f. 
177  ff.  254  ff".  273  ft. 

Mühlberg  54.  255. 

Mühlhausen  19.  29.  68. 

Muldenflösse  26. 

Mülpfort,  Herrn.,  Bürgermeister 
in  Zwickau  324.  339. 

V.  Münchhausen  289. 

V.  Muschwitz,  Konr.  91.  Jutta  s. 
Gem.  91. 

Muskau  12  f.  20.  34.  44.  53. 55  f.  84. 

Mylau  61. 

Naumann,  Dr.  Franz  278. 
Naumburg  9.    12.  18.  29.  33.  38. 
40.  45.  48.    60  ff.    129.    290  f. 
Neschwitz  84. 
Neuhaldensleben  181. 
Nicolaus  III,  Papst  111. 

—  Archidiac.  v.  Bautzen  87  f. 

—  Kardinal  319. 
Niederkaina  b.  Bautzen  84.  90. 
Nieder  Strasse  13.  20.  33.  44.  53.55. 


350 


Register. 


Niemen  bei  Ohlau  233. 

Niethoner  Krdwall  233  f. 

V.  Nostitz,  Alb.  93. 

Nürnberg  1.  5-   7.   10.   14  f.  26  f. 

29.    31   f.    3i.    40  ff.    52.    60  f. 

63  ff.  68.  70.  283  ff. 

Oberlaiisitz  11  ff.  73  ff.  115.  226  ff. 

310  ff.  340  f. 
Oda  V.  Meisst'u  81. 
Öderan  45.  63. 

Odorsiliiffahrt    13  f.    21  ff.   35  ff, 
Öhna  b.  Bautzen   76. 
V.  Oldenborch,  Ileiiimanii  98. 
Oldenburg  s.  Anton,  Christoph. 
Olnnitz  s.  Dietrich  112. 
Ortenburg  b.  Bautzen  83. 
Ortrand  40.  54. 

Oschatz  10  ff.    17.  19.  55  f.  58. 
V.  Osse,  Mekh.  285. 
Österreich  18.  32  f.  39.  52.  67. 
Ostritz  314. 

Ottehvitz  b.  Bautzen  104. 
Otto  I.,  ICaiser  228. 

—  III,  Kaiser  79. 

—  III.,  Markgr.  v.  Brandenb.  95. 

—  IV.,  Markgr.  v.  Brandenb.  101. 
104  f. 

—  IIz.  V.  Braunschweig  22. 
Ottokar  IL,  Kg.  v.  Böhmen  95. 

V.  Pannewitz  94, 

Pedioneus  241.  251. 

Pegau  16.  26.  Gl.  63  f. 

Penig  18. 

Pfitzing,  kaiserl.  Rath  283. 

1  ttug,  Kasp.  180.  305  f. 

Pfiuger,  Konr.,  Architekt  336. 

Philipp,   Landgr.  v.  Hessen  225. 
2.-)2  ff. 

—  Hz.  V.  Lüneburg  196. 

—  Rbeingraf  291. 
Pirna  17.  25  f.  39.  68. 
Flauen  i.  V.   15.  60  f. 
Plützkau,  Kloster  203. 
PlusskjJoh , Propst zuLeipzig320. 
Pöckel,  Dr.  Quirin  119.  139  ff. 
Polen  7.  10  ff'.  s.Boleslav,  Johann, 

Mieczislav. 
Pommern  14.  37.  51.  64. 
Portugal  50. 
Prag  11.  14  ff  27.  29.  31  ff.  44  f. 

49.  66  f. 
Preititz  b.  Niedergurig  91. 


Preussen    s.    Friedrich,    Friedr. 

Wilhelm. 
Priztan,  Domherr  in  Bautzen  91. 

Queis,  der  11  f.  44.  55. 

V.  Racfewitz,   Balth.,   Dechant  zu 

Freiberg  325.  331. 
V.  Rausendorf,  Witego  111. 
V.  Reckerod,  Georg  220.  291. 
Reibersdorf  84. 
Reicheid)ach i.V.  34.45.61.64.327. 

—  b.  Königsbrück  40.  84  f.  91. 
93.  31«. 

V.  Reifenberg,  Friedr.  291. 

Reitzenhayn  18. 

Rethem  a.  d.  Aller  223. 

Riptsch,  Job.,  anhält.  Kanzler  190. 

Rochlitz  43. 

Rosswein  45,  58. 

Rot,  Oswald  190. 

Roth,  Stephan  322  ff.   337. 

V.  Rothschütz,  Georg,  Kanzler  des 
Hz.  Heinrich  324.  327.  333? 

Rothstein  b.  Reichenbach  228. 

Rudolf  IL,  Kaiser  20. 

Rudolf  August,  Hzg.  v.  Braun- 
schweig 38. 

Rumple r,  Georg,  Oberstlieutenant 
164. 

Russland  10.  13.  32  f.  38. 

Saaleeösse26.  Saaleschift'ahrt32f. 

46  ff.  65  ff.  72. 
Sachsen    s.    August,     Christian, 

Ernst,  Friedr.,  Friedr.   Aug., 

Georg,  lleinr.,   Johann,    Joh. 

Friedr.,  Joh.  Georg,  Katharina, 

Moritz,  Wilhelm. 
Sachsenburg  19.  27.  65. 
Sagan    11    ff.    20.    35.    44   f.    56. 

s.  Johann. 
V.  Salhausen,  Joh.    s.  Meissen. 
Sartorio.  Emerentia  Gertrud  geb. 

V.  Windheim  120. 

—  Girolamo,  Architekt  118  f. 
137  ff. 

—  Joh.  Friedr.    120  f.    139.   141. 
V.  Schachten,  Heinr.  220. 

—  Wilh.,  hess.  Geschäftsträger 
211.  219  ff. 

Scbafberg  b.  Löbau  228.  234. 
Schandau  68. 

Scheiring,  Dr.,  meklenb.  Kanzler 
193  f.'  196  ff.  200. 


Register. 


351 


V.  Schleinitz  s.  Johann. 

Sclileitz  16.  41.  61.  64. 

Schlesien  7.  10  flf. 

Schlieben  57.  237. 

Schliickenau  17.  98. 

Schmalkald.  Krieg  239  ff. 

SchmiedefelJ    b.  Stolpen  89. 

Schmoritzwall  b.  Bautzen  233  ff. 

Schneeberg  33.  59.  62.  64. 

Schönberg  11. 

V.  — ,  Heinr.,  Hofmarschall  307. 

V.  Schönburg  85. 

Schönebeck  181.  183  f.  191. 

Schöps  b.  Görlitz  2.34. 

V.  Schreibersdorf,  Luther  106. 

Schrotdorf  b.  Magdeb.  274. 

V.   d.    Schulenburg,    Jacob    182. 

184.  191. 
Schürmann,    Gr.  K.,    Sänger  125. 

127  f. 
V.  Schwarzburg,  Grafen  .305  f. 
V.  Schweinerden,  Alb.  98. 
Schweiz  43  f.  51. 
V.   Schwendi,  Lazarus    187.    197. 

202.  208.  210.  21.3.   217.    276. 

279  ff. 
Schwinhardica   nemora  247.  256. 
Seidau  b.  Bautzen  76. 
Seidenberg  11.  83  f.  9.3. 
V.  Seifersdorf,  Heinr.  103. 
Semnonen  73  ff. 
Siegfried,  Anna  Marg.,  in  Leipz. 

118  ff.  139  ff. 

Siegmund,  Kaiser   .309.  315.  319. 

Simonetti,  Concertmstr.  in  Braun- 
schweig 125. 

Sobieski  s.  Johann. 

V.  Sommerfeld,  Joh.,  zu  Bautzen 
111. 

Sörer(Soranus),  Lorenz 324ff.  3.38. 

Spanien  38    50.  65. 

Spree  35  ff. 

Spremberg  12  f.  20.  35.  44.  53. 
55  ff. 

Stassfurt  63  f.  182. 

Stehlin,  Dr.  Wolf,  Kanzler  des 
Hz.  Heinrich  .324.  333? 

Stettin  13.  17.  37.  64. 
Stollberg  45.  58.  62.  70. 
Stolpen  17.  311  f.  319. 
Strehla  40.  54.  58. 
Stromberg  b.  Weissenberg  228  ff. 
Strungk,  Nie.  Ad.,  Kapellmeister 
und  seine  Familie   116  ff. 


V.  Taubenheim,  N.  94. 

Teicbnitz  HO. 

Telemann,   Geo.  Ph.,   Sänger   u. 

Musiker  122.  126  f.  129.  1.34. 
Tetzel  337  f. 
Theodericus   castellanus  de   Bu- 

dissin  82. 
Thiemich,  Paul  122  f. 
Thimo  (v.Colditz),  Bisch,  v.  Meis- 

sen  313.  3l8. 
Tiefstetter,Wolf,  Oberst  297.  305. 
Tököly,  Emmerich  158. 
Torgau  7  f.  12  f.   28.  44.  55.  57. 

72.  192.  202  ff.  291. 
Trautenau  15.  104. 
Treuenbrietzen  28.  53.  57.  69. 
Treutwein,  Sigism.  326.  3.30.  332. 
Trott,  Adam,  brandenb.  Rath  276. 
Türkei  32.  156  ff. 

Ülzen  27  f.  53.  56.  62. 
Ungarn  18.  33.  s.  Wladislaw. 
Unstrut  32  f. 

Verden  51.  210  f.  217  ff. 

Vergilius  249  ff. 

V.  Vesta  85. 

Virchow,  Prof.  Dr.  229  fl'. 

Vogtland  7  ff. 

Vogtsberg  34. 

Volrad,  bisch,  v.  Brandenburg  1 12. 

Wachtmeister,    Georg   208.    221. 

305.  307. 
Waldheim  43   58. 
V.  Wallwitz,  Seb.  207. 
Walsrode  223. 
Wanzleben    b.    Magdeburg    179. 

1«.3.  298. 
Warschau  69. 
Wawitz  b.  Hochkirch  91. 
Weimar  s.  Friedr.  Wilhelm. 
Weissenberg  84  f. 
Weissenfeis  16.  19.  45.  59  f.  127. 
Wenzel,  deutscher  König  11.  31.3. 

315.  318. 

—  I,,  König  V.  Böhmen  86.  90  ff. 
95.  100. 

Wien  29.  31.  61.  156  ff. 
Wilhelm,  Landgr.  v.  Hessen  284. 
291. 

—  (L),  Markgr.  v.  Meissen  11.  34. 

—  HI.,  Hrz.  V.  Sachsen  155  f. 
Wiprecht  v.  Groitzsch  81  f. 

—  d.  J.  V.  Groitzsch  82. 


352 


Register. 


Witego,  Bisch,  v.  Meissen  94 
Wittenberg  20  f.  28  f.  41.  57 'g-I 
ßi».  298  f.  322.  .Sm  ■      ■ 

Witten biu-},'  41.  45.  207. 
Wizani,  Maler  .336. 
Wladislav,  König   v.  Böhmen    n 

Ungarn  12.  317. 
—  IL,  König  V.  Böhmen  83. 
Wolclemar,    Mkgr.    v.    Bran.lenb. 

100  ft:  105  f. 
V.  Wolf,  Hans,  mgdb.  Rittmeister 

209.  297. 
Wolken  stein  43. 
Woimirstedt  180  if.  298. 


Wratislaw,   Hz.  v.  Böh 
Würzl)nrg  178. 
Wiirzen  8.  51.  56.  58 


men  81. 


Zagost,  Land  8.3. 
^eitz  7  ü:  16.  26.  45.  61  f. 
Aerbst  19.  43.  62.  279  f. 
Zittau  11.  17.    44.  314.  " 
Zschopau  18.  43.  45. 
Zütplien,  Heinrich  von  327 
Zwenkau  41.  60. 
Zwickau  15.    33  f.   45.  60  ff.  322 
327.  .332.  337  ff. 


334. 


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