,,,_,;,.,.,,,,;:, ,^^,|||||||
Neues Archiv
für
Sächsische Greschichte
und
Alterthumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrath.
Fünfter Band.
Mit einer Karte.
Dresden 1884.
Wilhelm Baensch Verlagshandlung.
^■^
THE GEITY CENTER
Inhalt.
Seite
I. Die HandelsAvege Inner - Deutschlands im 16., 17. und
18. Jahrhundert und ihre Beziehungen zu Leipzig. Von
Oberlehrer Dr. Hermann Heller in Rochlitz 1
II. Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum
Jahre 1346. Von Professor Dr. Hermann Knothe in
Dresden 7.3
III. Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. Von Professor
Dr. J. 0. Opel in Halle 116
IV. Der Briefwechsel zwischen Herzog Johann Friedrich dem
Mittlern und dem Geithainer Pfarrer Ambrosius Roth.
Von Oberstlieut. a. D. Freiherrn A. von Welck in Basel 142
Literatur 155
V. Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 bis
1551. Von Oberlehrer Dr. S. Issleib in Bautzen . . . 177
VI. Die verschlackten "Wälle in der Oberlausitz. Von Pastor
Friedr. Senf in Laugwitz bei Brieg 227
VII. Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht über den schmal-
kaldischen Krieg. Von Dr. Georg Schepss, Studienlehrer
am K. Gymnasium zu Würzburg 239
Literatur 260
VIII. Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 bis
1551. Von Oberlehrer Dr. S. Issleib in Bautzen (Schluss) 273
IX. Die Stadt Bautzen im Banne des Bischofs von Meissen 1431.
Von Prof. Dr. Hermann Knothe in Dresden 309
X. Die Briefe Valentin Einers. Ein Beitrag zur Reforma-
tionsgeschichte. Vom Herausgeber 321
Literatur 335
Register 345
Besprochene Schriften.
Seit»
Aster, Aus des Klosters Mllilenfurth vergangener Zeit (Steche) 171
Bacbmann, Deutsche Reichsgeschichte Band I (Ermisch) . . . 155
Bartsch, Sachs. Kleidcrorduungen (Erniisch) 260
Bernau, Album der Burü'en und Schlösser im Konitrr. Böhmen
(Knothe) 267
Deumer, Der recht! Anspruch Böhmen-Österreichs auf die Ober-
lausitz (Knothe) 340
Groessler u. Sommer, Chronicoa Islebiense (Schum) .... 261
Hassel u. Graf Vitzthum v. Eckstädt, Zur Gesch. des Türkeu-
kriegs 1683 (v. Schimpft) 156
Kolde, Analecta Lutherana (G. Müller) 337
Lindau, Lucas Cranach (Wernicke) 335
Pfütze, Heimathskunde von Bautzen (Knothe) 340
Poeschel, Eine erzgebirgische Gelehrtenfamilie (Ermisch) . . 263
V. Renner, AVien im Jahre 1683 (v. SchimpflT) 166
Roesch, Glück auf! (Ermisch) 265
Schröder, Der Kampf um Wien 1683 (v. Schimpff) 162
Steche, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler Sachsens Heft II (Sommer) 167
Das Kriegsjahr 1683 (v. Schimpft') 164
Der Entsatz von Wien 1(583 (v. Schimpft) 160
Freibergs Berg- und Hüttenwesen (Heydenreich) 265
I.
Die Handelswege Inner -Deutschlands
im 16., 17. und 18. Jahrhundert und ihre
Beziehungen zu Leipzig.
Nach archivalisehen Quellen bearbeitet
von
Hermann Heller
Die einzelnen Tlieile der Erdoberfläche, die Länder,
lassen sich den Organismen der lebenden Geschöpfe ver-
gleichen. „Wie in den Arterien und Nerven dieser Lebens-
kraft und Blut pulsieren, so bewegt sich in den Ebenen,
Thälern und Gebirgspässen, längs der Flussläufe und
Küstenlinien jener die menschliche Bevölkerung. . . Und wie
im Körper der lebenden Geschöpfe da, wo sich mehrere
Adern oder Nervenzweige vereinigen, ein wichtiger Knoten-
punkt des Organismus entsteht, so müssen auch diejenigen
Erdflecke, auf welche viele natürliche Verkehrskanäle hin-
zielen, Sammelorte der Bevölkerung, Kreuz- und Brenn-
punkte des Verkehrs der Menschen werden"'). — So
spiegelt sich in der ganzen Rolle, welche eine wichtige
Stadt in der Geschichte gespielt hat, und in der Bedeu-
tung, Richtung und Art ihres Handels insbesondere die
geographische Lage oder Weltstellung derselb n ab.
Li Deutschland zeigt sich das deutlich bei Nürn-
berg, das während des Mittelalters und noch im 16. Jahr-
hunderte am Kreuzungspunkte zweier Hauptverkehrswege
des mittleren Europa lag. Von diesen führte der eine'')
vom adriatischen Meere her im Etschthale herauf, quer
durch das Innthal, im Lech- und Rednitzthale herab und
') J. G. Kohl, Die geogr. Lage der Hauptstädte Europas
(Leipzig 1874). Vorwort,
-) Kutzeii, Das deutsche Land (Berlin 1880), 236.
Neues Archiv f. S. G. u. A. V. 1. 2. 1
2 Hermann Heller:
weiter nördlich durch die Passagen des Frankenwakles
und Werrathales, wälu-end der andere, von SO. lier-
kommend, von den Donauwinkeln bei Passau und Regens-
burg- über Nürnberg- auf die Mainmündung- zielte. So
nahm diese Stadt in Bezug auf die Punkte Augsburg
und Venedig im S., Erfurt und Leipzig, Magdeburg und
Braunschweig, Hamburg und Lübeck im N., Regensburg
und Wien im O., Frankfurt und Köln im W. eine zen-
trale Stellung ein und musstc für diese so bedeutsamen
Verkehrsorte ein unentbehrlicher gemeinsamer Zwischen-
markt werden.
In noch höherem Grade kam eine günstige Weltstellung
Frankfurt a. M. zu statten, wo nicht nur Main-, Ober-
rhein- und Unterrheinstrasse zusammenliefen, sondern auch
ein wichtiger Verkehrsweg von der Weser her und die,
Rhein- und Eibmitte verbindende, viel bewanderte Quer-
strassc zwischen Harz- und Thüringerwald , Rhön und
Vogelsberg einmündete, so dass jene Stadt im unteren
Mainthale frühzeitig den Verkehr zwischen dem N. und
S., O. und W. Deutschlands vermitteln konnte.
Bei keiner Stadt des deutschen Reiches kommt jedoch
die vorthcilhafte geographische Lage in so auffallender
und nachhaltiger Weise zur Geltung als bei Leipzig, das
seiner vorzüglichen Weltstellung zufolge durch das blutige
Ringen, das zu verschiedenen Zeiten auf seinen Fluren
ringsum stattfand, ebenso wie durch die Grossartigkeit der
friedlichen Geschäfte, welche seit Jahrhunderten in dieser
Stadt abgewickelt oder von ihr aus eingeleitet wurden,
einen durch die ganze Welt verbreiteten Ruf erringen
und behaupten sollte.
In dem stumpfen Winkel gelegen, welchen die Pleisse
und Partlie in ihrem Zusammenflusse bilden, war das
ehemals l)efestigte Leipzig ^) im N. durch die moorigen
Parthenwiesen, im W. durch die von zahlreichen Wasser-
läufen durchkreuzte Aue der Pleisse und weissen Elster
gesichert, während geringere Bodensenkungen im S. und
NO. (im Rietzschkegebiet) dem festen Platze weitere be-
queme Deckung gaben. Erbaut im Mittelpunkte eines
reichen Ackerbaudistriktes, der sich frühzeitig dicht be-
völkerte, inusste Leipzig, das die bequemsten Übergänge
über die Pleissen- und Parthenaue aufzuweisen hatte, um
*) 0. Delitzch, Leipzigs Lage in: E. Hasse, Ijeipzig und
seine Umgebung (1878).
Die Handelswege Iiiiier-DeutschlaiKls im Ifi. — 18. Jahrh. etc. 3
so rascher der gescliäftliche Mittelpunkt der zahlreichen
Dörfer und Städtchen desselben werden, als hier — im
Leipziger Tertiärbecken — die Formation des Bodens
die Anlegung- von Verkehrswegen an der weissen Elster,
Pleisse nud Parthe lierab, ja auch von der Mulde herüber,
besonders begünstigte.
Diese vortheilhaften Verhältnisse bezüglich der geo-
graphischen Lage dieser Stadt wiederholen sich aucli in
weiteren Kreisen. Da die Gebirgsburg Böhmen, Avelche
ohnedies von einem fremden Volksstamme bewohnt wird,
dem Verkehr nach dem O. Europas starke Hindernisse
bereitete und längs der Nord- und Ostsee zaidreiche Ge-
wässer die Anlegung von bequemen Strassenzügen hemmten,
so mussten die Hauptverkehrswege Norddeutschlands, ja
Zentraleuropas, am Nordfusse des deutschen Berglandes^
wo Leipzig, ungefähr gleichweit von beiden Enden desselben
entfernt, seine Stelle hat, sich hinziehen. Da ferner der Ver-
kehr „sich wie eine Flüssigkeit von den Höhen in die
Tiefen herabsenkt" ^), die höchsten Spitzen umgeht, die
Gebirge in ihren tiefsten Einsenkungen überschreitet und
in bestimmten, theils vorgefundenen, theils selbst ge-
schaffenen Betten strömt, um sich schliesslich in den grossen
Becken der Länder zu sammeln, so war Leipzig auch
der geeignetste Platz, der die Handelsstrassen, welche
aus dem bergigen Süden nach dem ebenen Norddeutsch-
land führten, bequem beherrschen konnte. Denn gerade
in den Umgebungen dieser Stadt reicht die norddeutsche
Tiefebene am weitesten nach S. hinauf: Leipzig liegt
ungefähr in der Mitte jenes Tieflandsbusens der mittleren
Elbe, der sich zwischen den Absenkungen des Harzes,
des Thüringerwaldes und des Erzgebirges in das mittel-
deutsche Gebirgsland hineiubuchtet. Durch diesen führte
aber von jenem Strome her ebenso der kürzeste Weg
aus dem nordöstlichen Tieflande in die jenseit des Ge-
birges in südwestlicher Richtung gelegenen Ebenen des
oberen Main und der oberen Donau, wie in west-
licher Richtung über Thüringen hin zu dem grossen
V'erkehrsthale des unteren Main und mittleren Rhein.
Andererseits kreuzte sich hier ein Strassenzug, der vom
Niederrhein her die Gebirge im N. umging und auf be-
quemen und ebenen Pfaden nach einem südöstlichen Ziele
leitete, mit jenen Handelszügen, die aus dem Gebiete der
*) B. Cotta, Deutschlands Boden etc. (Leipzig 1854), 18.
1*
4 Hermann Heller:
oberen Elbe und oberen Oder dem mittleren oder nord-
westlichen Deutschland zustrebten. — Dazu kommt ^) der
Niederungsbucht zwischen dem Harz und dem Erzgebirge,
der Elbe und dem Thüringerwalde, als deren kommer-
zielles Zentrum Leipzig, wo die Strassen von O. und
W. sich zusamnienneigen , ebenso folgerichtig bezeichnet
werden kann, wie etwa Prag als Hauptstadt Böhmens,
noch der bedeutsame Umstand zu gute, dass sie seit der
beträclitlichen Erweiterung der deutschen Grenzen gegen
NO. hin von allen frei geöffneten Niederungen die der
wahren Mitte Deutschlands nächste ist, folglich an Stelle
dieser durch die leidige Bodenerhebung rings um das
Fichtelgebirgo her benachtheiligten (legend einzig ge-
schickt erscheint zur Erziehung einer den gesamten
Verkehr auf sich lenkenden deutschen Zentralstadt. Denn
betrachten wir Leipzigs Lage innerhalb der politischen
Grenzen des deutschen Reiches, so finden wir, dass uns
der Meridian dieser Stadt nach 45 Meilen zwischen
Rostock und Wustrow an die See und damit an die
Nordgrenze des Reiches, nach 55 Meilen aber zwischen
Reichenhall und Tegernsec an die Südgrenze führt, während
der Leipziger Parallel in 56 Meilen südlich von Kalisz
die Ostgrenze, in 58 Meilen bei Krefeld die Westgrenze
erreicht. — Sodann liegt Leipzig auf Linien, welche man
von der Rheinmünduno- nach Breslau, von Hamburg nach
Wien, von Danzig nach Strassburg zieht, soAvie auf dem
kürzesten Wege zwischen dem schlesisclien und west-
fälischen Lidustriebezirke, zwischen Berlin und der Oder-
mündung einerseits und Nürnberg und dem Bodensee
andererseits.
Ein solcher natürlicher Knotenpunkt von Strassen
zwischen O. und W., N. und S. und nach wiclitigen
Zielen hin, insonderheit zwischen dem Mittellaufe zweier
so bedeutender und durch SchiflPfalu't von jelier so be-
lebter Ströme, wie Rhein und Elbe es sind, musste bei
der Wahl eines kommerziellen Mittelpunktes von Deutsch-
land den Sieg davontragen. Zwar hat dieser deutsche
Zentralhandelsplatz Leipzig später, als das politische Ge-
samtband des Reiches immer schwächer, die innere Kon-
zentration der grossen Militärstaaten aber immer stärker
wurde und die Verkehrsgebiete sich dem entsprechend
*) A. Kirchhoff, (fber flie Lafrenverhiiltiiisse der Stadt Halle.
(Mitteil. d. Vereins f. Erdkunde /u Halle a. S. 1877, 88).
Die Haiidelswege Inner-Deutschlaiids im 16 — 18. Jabrh. etc. 5
sonderten, den üsterreichischen und preussischen Spezial-
handelszentren Wien und Berlin nicht mehr die Wage
zu halten vermocht ; das aber, wozu Leipzig dui'ch seine
günstige Lage im Herzen des Reiches unbedingt berufen
war, konnte mau ihm weder im SO. noch im NO. des-
selben bestreiten: Leipzig blieb die ganze Neuzeit hin-
durch das kommerzielle Zentrum des inneren, des
mittleren Deutschlands und das um so sicherer, als
seine Messen ihre Bedeutung fortgesetzt behaupteten und
es zum dauernden Stapelplatze der industriellen Erzeug-
nisse des Erzgebirges, der Lausitz und des Vogtlandes
machten. Können wir darum der Leipziger „Kaufmann-
schaft und Kramerinnung" auch nicht voll und ganz zu-
stimmen, wenn diese in ihren Handelsberichten im IG.,
besonders aber im 17. und 18. Jahrhundert wiederholt
hervorkehren, „in ihrer Stadt müssten die Handelsstrassen
von ganz Deutschland wie in einem Zentrum zusammen-
laufen"^ SC) müssen wir doch als unbestreitbare Thatsache
anerkennen, dass sich hier von der die Veränderung der
Handelsrichtung bestimmenden Zeit des Columbus an bis
in unser Jahrhundert herein die wichtigsten Verkehrs-
linien Inner-Deutschlands konzentrierten.
Diesen Gesichtspunkt haben wir festziüialten, wenn
wir uns vornehmen, im folgenden die Handelswege
Inner-Deutschlands im 16., 17. und 18. Jahrhundert
— unter besonderer Benutzung der Stapelakten (Abtheil.
XLV) des Leipziger Rathsarchivs — einer eingehenden
Betrachtung zu unterwerfen.
Das 16. Jahrhundert.
Zu der Zeit, als Antwerpen der Hauptmarkt des
Welthandels im nordwestlichen Europa war, nahm die
Messstadt Frankfurt a. M. eine vermittelnde Stellung
im westlichen Mitteldeutschland ein. Über diese Stadt
bewegten sich die den Rhein aufwärts gehenden Waren-
züge vermittelst des Mains nach Würzburg, Bamberg und
Nürnberg, oder mit Benutziuig des Neckarthaies zu den
durch Leinenweberei auso-ezeichneteu schwäbischen »Städten
Ulm, Memmingen und Augsburg, oder auf der sog. Berg-
6 Hermann Heller:
Strasse über Dtirnistcidt, Heidelberg etc. nach der Schweiz
und nach Frankreich liineiu. Im NO. führte Frankfurt
seine HandelsHnien über Giessen und Marburg ins West-
fälische, über Kassel, Münden, Göttingeu ins Weser-
gebiet und über Fulda und Eisenach ins Thüringische
und Meissnische **).
Diese hohe kommerzielle Bedeutung verdankte Frank-
furt besonders dem glücklichen Umstände, dass in jenem
Zeiträume, wo der ostindische Warenzug von Lissabon
mit dem nordeuropäischen in Antwerpen sich vereinigte,
der Rheinverkehr seine grösste Mächtigkeit erreichte und
der Rheinstrom trotz aller Fesseln, welche Stapelrechte
und Zölle ihm anlegten, sich als der wichtigste Verkehrs-
weg des deutschen Reiches behauptete. Sie inusste zum
grossen Theile schwinden, als nach Vernichtung Antwerpens
und der flandrischen Niederlande überhaupt durch spani-
schen Absolutismus (1575) Amsterdam Welthandelsplatz
wurde und holländischer Egoismus dem deutschen Handel
die Rheinmündungen sperrte.
Östlich von Frankfurt a. M. waren es namentlich die
drei Städte Erfurt, Halle und Leipzig, welche am
Ausgange des Mittelalters dem deutschen Durchfuhrhandel
vom Donau-, wie vom Rheingebiete her Ruhepunkte
boten. Alle drei zeichneten sich zugleich durch rege
Gewerbthätigkeit aus; doch war von ilnien nur Leipzig
bestimmt; in der Folgezeit der hervorragende Mittelpunkt
des eigentlichen mitteldeutschen Handels zu werden.
tJber Erfurt, das schon zur Zeit Karls des Grossen
den Verkehr zwischen Deutschen und Sorben vermittelte,
bewegte sich der wichtige Warenzug, welcher von Nürn-
berg aus Hausgeräth , Eisen - und Kramwaren nach
Braunschweig und Niedersachsen führte und aus den
Hansastädten englische luid nordische \A"aren zurück-
brachte — soweit man nicht den Rhein -Mainweg über
Antwerpen vorzog. Über Erfurt ging sodann jene hoch-
wichtige Strasse, welche von Frankfurt a. M. über Eisenach
ins Eibgebiet und darüber hinaus bis nach Schlesien und
Polen hin sich erstreckte.
Die Handelsbedeutung von Halle, hervorgerufen
durch die Ergiebigkeit der dortigen Salinen, wurde nament-
lich durch die Wasserstrasse der Saale imterstützt, welche
die Verbindung mit den nordwestlich sitzenden Sachsen,
•) Falke, Gesch. des deutschen Handels U, 47 (Leipzig 1859).
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16. — 18. Jahrh. etc. 7
mit den Ländern der Havel und Spree, wie mit Magde-
burg in ununterbrochener Lebhaftigkeit erhielt. Anderer-
seits vertrieb man auf den schon früh vorhandenen Salz-
wegen über Torgau in die Lausitz und nach Böhmen,
und über Zeitz in das Vogtland und nach Franken
Heu und Hafer, Seilerarbeiten und Geräthschaften aus Holz
und Eisen von Halle aus nach dem O. und SO. des Reiches.
Leipzigs erstes Aufstreben knüpft sich an den
Namen Dietrichs von Landsberg, der den dahin handeln-
den Kaufleuten unbedingte Sicherheit für ihre Personen
und Güter, selbst für den Fall eines Krieges mit ihren
Landesherren, versprach (1268). In dem Leipziger „Mess-
privileg" von 1268 heisst es : „Omnes mercimonia habere
volentes vel habentes, undecunque fueriiit, mercatores,
etiamsi nos cum dominis dictorum mercatorum manifestam
guerram habere contigerit, in ipsa nostra civitate non
molestabimus". (Cod. dipl. Sax. reg. H. 8, 5. Vrgl. Röscher,
Syst. d. Volkswirthsch. III, 121, 1881.) _ Seit 1388 wuchs
Leipzigs Handel bedeutend durch die Verbindung,
in welche Leipzig mit Nürnberg und Augsburg trat,
deren venezianisch -genuesische Waren es weiter nach N,
verbreiten half.
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts bewegte sich be-
reits der Transithandel aus Polen und Schlesien
über Leipzig: die Nürnberger vertrieben Gewürze,
Sammete, Seidenstoffe, Schmuckgegenstände etc. über
Leipzig nach Schlesien und Polen und brachten von dort
Metalle, Leinwand, Wachs und Schlachtvieh auf dem-
selben Wege zurück. So vermittelte Leipzig bereits am
Ausgange des 15. Jahrhunderts den hauptsächlichsten Ver-
kehr zwischen dem S. und dem NO. des Reiches und
den östlichen slavischen Völkern in ähnlicher Weise wie
Frankfurt a. M. zwischen Oberdeutschland und dem
Niederrheingebiete, zwischen Deutschland und Frankreich.
Diese gleichartige Bedeutung beider Plätze^ jenes
nach O., dieses nach W. hin, regte naturgemäss zu inniger
Verbindung beider über Thüringen und dessen betrieb-
same Städte an, so dass dieselben bald als die Hände
erschienen'), durch welche der Handel des O. und W.
quer durch Inner-Deutschland hindurch sich fest zusammen-
schlang, während andererseits wieder Augsburg und Nürn-
berg die Handelsrichtung aus Italien auf Leipzig fortführten.
') Falke, Gesch. des deutschen Handels II, 52 ff.
3 Hennanii TI(!ller:
Su hatte Leipzig- zu Anfang des 16. Jahrhunderts
seine beiden Nachbarstädte und Nebenbuhlerinnen Halle
und Erfurt in der Haudelsvermittelung nach N. und
O., wie in den Aveitgreifenden Handelsverbindungen nacli
S. und W. überflügelt. Der Stadt Erfurt konnte das
viel freier und vortheilhafter placierte Leipzig den Rang
in der Beherrschung der Verkehrsrichtungen Zcntral-
deutschlands um so leichter ablaufen, als nach der Ein-
fülu'ung des Indigos und der Cochenille der Handel mit
den thüringischen Farbstoffen V.'aid und Kermes für jene
Stadt seine Bedeutung verlor.
Mit Halle war Leipzig schon frühzeitig in feindselige
Berührung gekommen, da diese Stadt ebenfalls im Leip-
ziger Tertiärbecken lag und demzufolge in den Verkehrs-
wegen mit Leipzig konkurrierte. Allein da Halle infolge
der versumpften Elstermündungen schwierigere Saale-
übergänge aufwies und zu weit vom Fusse des Gebirges
entfernt lag *), so konnte Leipzig mit leichter Mühe den
Warenzug von Süddeutschland auffangen und an sich
nehmen. Halle blieb auf den Betrieb seiner Salinen
beschränkt. Der früher blühende Vermlttelungshandel
dieser Stadt von S. und vSO. nach N. und NÖ. aber
wurde nunmehr von Leipzig betrieben. Selbst die ur-
alten Salzstrassen von Halle gegen O. über Eilen-
burg und Torgau oder Breitenfeld und Würzen in die
Lausitz und nach Böhmen, und gegen SO. über
Liebenau und Zeitz, durch das Vogtland auf Bai-
reuth und in die fränkischen Gegenden") wurden dem
Verkehre Leipzigs, das seit 1458 auch mit einem Neu-
jahrsmarkte ausgestattet war, mehr und mehr dienstbar
gemacht.
Von Halle ergingen Klagen über Klagen. Auf Ver-
anlassung der Hallenser befahl Kaiser Friedrich IH. 1469
die Wiedereinstellung des erst 1466 von ihm bestätigten
Leipziger Neujahrsmarktes '"). Doch kaiserliche Mandate
konnten nicht auf die Dauer den Gang des Handels be-
stimmen; Leipzigs vortheilhafte Lage, der Gewerbfleiss
und die beharrliche Strebsamkeit seiner Bewohner, die
landesväterliche Fürsorge des damals mächtigsten Kur-
•) 0. Deutsch, Leipzigs Lage (a. a. ü.).
') Falke, Gesch. des deutschen Handels II, 54.
'") Vergl. Cod. dipl. Sax. reg. II, 8. Nr. .S.31 und 3.32, 398 und
427—129, 432—434.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16.— 18. Jahrh. etc. 9
fürsten im Reiche drangen dennoch durch. Kaiser
Maximilian I. erhob 1497 mid 1507 nicht nur die Jahr-
märkte Leipzigs zu Neujahr, Jubihite und Michaelis zu
Reichsmessen, sondern beschenkte diese Stadt auch
mit einem glänzenden Stapel- und Niederlagsrecht,
indem er verordnete, „dass hinfüro kein Markt, keine Messe
oder Niederlage innerhalb 15 Meilen rings um die Stadt
(d. h. in den Bisthümern Magdeburg, Halberstadt, Merse-
burg, Naumburg und Meissen) aufgerichtet oder gehalten
werden solle", und indem er alle zum Nachtheil Leipzigs
bisher bestandenen Privilegien, namentlich auch das Er-
furter Stapelrecht, für ungiltig erklärte").
Dieser Leipziger Stapel- und Niederlagsgerechtigkeit
zufolge mussten alle Handelsartikel, mit Ausnahme des
Holzes, der Bausteine und der in Sachsen erzeugten
Feldfrüchte, sobald sie den Bezirk von 15 Meilen in
der Runde berührten, „auf den ordentlichen Strassen"
— Zollstrassen — nach Leipzig gebracht und hier min-
destens drei Tage zum Verkaufe ausgeboten werden, ehe
man sie weiter transportieren durfte.
Als hierauf noch im Laufe des 16. Jahrhunderts eine
Anzahl Kaufleute aus Antwerpen, vor der Grausamkeit
Herzog Albas flüchtend, nach Leipzig übersiedelte, als
eine Menge Tuchweber und andere Gewerbsleute sich
hierher zogen, blühte diese Stadt mehr und mehr zum
Hauptmarkte des gewerbreichen Obersachsen empor, riss
dieser Handelsplatz auf Kosten seiner weit älteren Kon-
kurrenten Erfurt, Halle, Naumburg, Zeitz und Merseburg
den Verkehr Inner-Deutschlands an sich, konzentrierten
sich die wichtigsten Handelsstrassen des ganzen innern
Deutschlands auf Leipzig.
War Leipzig von jetzt ab die Aufgabe zugefallen,
den Verkehr Deutschlands gegen NO. einerseits und
gegen SW. andererseits zu vermitteln, so musste es in
") Karl V. versah diese Vergünstigung 1521 noch mit dem wich-
tigen Zusätze, „dass die Strassen durch alle Lande des heiligen
römischen Kelches zu und von den Leipziger Markt und Niederlage
durch keinerlei Sache versperret, desgleichen die Waaren und Güter,
so zu und von den bestimmten Märkten gehen, nicht aufgehalten,
verhindert und rechtlich arrestirt werden sollen — alles bei Ver-
meidung der Reichsacht und Aberacht, auch bei Pön des Laud-
friedensbvuchs und 50 Mark löthigen Goldes". Leipziger Raths-
archiv XLV. 13. 1, fol. 85 ff', und XLV. A Ib, fol. 8b. — Alle unter
XLV folgenden Zitate beziehen sich auf dieses Archiv.
10 Hermann Heller:
seinem besonderen Interesse liegen, auch die Handels-
strassen nach jenen Riehtung'en hin frühzeitig sicher zu
stellen. Aus diesem Grunde erklärt sich die peinliche
Fürsorge, mit welcher diese Stadt im Verein mit ihrem
Lundesherru über die Aufrecliterhaltung der wichtigsten
Verkehrsader Kursachsens, der sogenannten hohen Land-
strasse, wachte, welche aus Schlesien, Polen und Russ-
land im O. durch die Lausitz in das Kurfürstenthum ein-
trat, dann über Grossenliain und Oschatz nach Leipzig
führte und von hier aus über Nürnberg nach dem S.,
über Frankfurt a. M. nach dem SW. zog, während sie
in Sachsen verschiedene Abzweigungen nach Böhmen
entsandte ^^).
Der Handelsweg des mittleren Deutschland vom
Rheine her über Eisenach, Erfurt, Leipzig und Grossen-
hain durch die Lausitz (über Bautzen und Görlitz)
nach Schlesien und Polen ist uralt; denn schon am
Ausgange des 13., noch zuverlässiger aber gleich zu An-
fange des 14. Jahrhunderts Avurde die sogenannte via
regia Lusatiae oder strata regia, wie sie in einem Ver-
trage Markgraf Heinrichs mit Bischof Konrad von Meissen
vom 22. Mai 1252 genannt wird *^), öfters befahren.
In einer Urkunde vom 25. August 1308 wird „der Durch-
zoll" zu Görhtz zuerst erwähnt, aber schon als ein seit
'^) Falke, Die Geschichte des Kurfürsten August von Sachsen
in volksAvirthschaftlicher Beziehung (Leipzig 1868), 267 ft'. Dieser
weit ausgespannte Verkehrsweg verband in seinen entferntesten
Endpunkten die Ostsee und ihre Küstenländer mit Italien, dem
Mittelländischen Meere und Kleinasien , und war deshalb für das
innere Deutschland, wo seine einzelneu Strassenzüge am dich-
testen sich zusammendrängten , von eminenter Bedeutung. Denn
wenn auch die alte Weltstrasse der Gewürze, der Verbindungsweg
zwischen der indischen Welt und Europa, seit der Entdeckung der
neuen Seewege atlantische liahnen eingeschlagen und in Lissabon
einen neuen Mittelpunkt für Europa geschaften hatte, so geschah
dies doch nicht auf einmal und in durc^hschlagender Weise; denn
nicht ohne hartnäckigen Widerkampf liessen sich die Venezianer
den Handel über die Levante aus den Händen reissen. Die alte
Verbindung zwischen den Gewürzlanden und dem voralpischen Eu-
ropa über Kleinasien, Ägypten und Italien bestand fort und konnte
im Laufe des 16. Jahrhunderts um so sicherer aufrecht erhalten
werden, als sie in jenem Zeiträume durch einen lebhaften Austausch
deutscher und italienischer Industrieartikel noch besonders belebt
wurde.
'*) Schönwälder, Die hohe Landstrasse durch die Oberlausitz
im Mittelalter, im N. Lausitz. Magazin LVI, 342.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 1 6. — 18. Jahrb. etc. 1 1
langer Zeit bestehender^*). Im Jahre 1341 verordnete
König Johann von Böhmen infolge eines zwischen Görlitz
und Zittau ausgebrochenen Wegestreites **), dass alle
Fuhrleute, welche aus Polen, Schlesien und Böhmen nach
Sachsen etc. fuhren, Görlitz passieren und namentlich
den Beiweg über Friedland meiden sollten. Dieses Pri-
vileg bestätigte Karl IV. 1 356 und 1 377, indem er den
Weg über Schönberg und Seidenberg untersagte und nur
die Strasse über I^auban, Görlitz und Zittau nach Böhmen
gestattete *®), während König Wenzel in einem Schreiben
an die Zittauer vom Jahre 1419 den bequemeren Salzweg
aus Sachsen über Waltersdorf und Reichenberg verbot
und auf „die alte Strasse" aus Meissen über Königsbrück,
Kamenz, Budissin, Zittau, Gabel und Weiss wasser nach
Prag verwies.
Wichtiger als diese vereinzelten Bestimmungen sind
zwei Verträge, die Markgraf Wilhelm mit Breslau (1399)
und Krakau (1404) abschloss, in welchen er den Bürgern
dieser Städte gegen gewisse, von jedem mit Waren be-
ladenen Wagen zu Hayn, Oschatz und Grimma zu
entrichtende Zölle sichere Fahrt durch seine Lande ver-
sprach").
Als hierauf polnische Fuhrleute, wohl theilweise aus
Furcht vor den Hussitenstürmen, nach N. hin abwichen
und unter dem Schutze des Herzogs Johannes von Schle-
sien ihren Weg über Sag an und Priebus in Schi, ein-
schlugen, bestimmte König Georg Podiebrad von Böhmen
auf Veranlassung der in ihren Privilegien gekränkten
Görlitzer — auf einer Tagfalirt zu Glogau am 20. Mai
1462 — , dass diejenigen Fuhrleute, „so den Queis
rührten", von Polen und Schlesien auf Lauban, Görlitz,
Budissin, Kamenz, Königsbrück, Hayn, Oschatz, Grimma
oder Eilenburg nach Meissen, Thüringen und Sachsen
fahren sollten'^). — Davon wurde zugleich Kurfürst
Friedrich der Sanftmüthige von Sachsen in Kenntnis
gesetzt.
Letzterer erliess infolgedessen und auf besondere Ver-
anlassung der Lausitz er Sechsstädte: Görlitz, Zittau,
'*) Falke, Zur Gesch. der hohen Laudstrasse in Sachsen, in
V. Webers Archiv für Sachs. Gesch. TU. 117.
'*) XLV. A. 16a, fol. 1.
'«) Falke a. a. 0. 119.
") Ebenda 121.
'») XLY. A. 17.
12 llurmauu Heller:
Bautzen, Kamenz, Löbau und Lauban, iür die eine
unveränderte Einlialtung des alten Strasseuzuges zur
Lebensfrage geworden war, eine Strassen- und Zoll-
ordnung, welche den spateren Verhandlungen vielfach zu
Grunde gelegt wurde '^).
Als man zu Anfange des 16. Jahrhunderts unter dem
Verwände, als brauchten nach König Georgs Spruch von
1462 nur diejenigen Fuhrleute, „so den Qu eis rühren",
die geordnete Heerstrasse über Lauban, Görlitz, Bautzen,
Königsbrück, Kamenz etc. zu benutzen, abermals von
Breslau über Liegnitz, Sprottau, Sagan, Priebus, Mus-
kau, Spremberg, Senftenberg, Liebenwerde, Beigern,
Torgau, Eilenburg etc. aus Schlesien nach Meissen etc.
zu gelangen suchte'"), erklärte im Jahre 1503 König
Wladislaw von Böhmen und Ungarn auf Veranlassung
des Sechsstädtebundes*'), dass alle Fuhr- und Handels-
leute, welche aus Polen über Breslau und aus den
schlesischen Landorten Seh weidnitz, Jauer etc. über Lö-
wenberg „in die äusseren Lande" Meissen, Thüringen,
und Sachsen oder wiederum zurück führen, den Queis un-
bedingt berühren müssten und ihren Weg von Breslau
über Neumarkt, Liegnitz, llaynau, Bunzlau, Naumburg
(oder Lauban), Görlitz, Budissin, Kamenz, Königsbrück,
Hayn, Merschwitz (Fähre a. d. Elbe), Oschatz, Dahlen,
Eulenburg (Eilenburg) oder Grimm (Grimma) nach I^eip-
zig zu nehmen hätten, damit „die hohe Landstrasse"
in ihrem Gange bliebe und die daran liegenden Ort-
schaften keine Schädigung ihrer Interessen erlitten. „Das
müsse", so notifizierte der Böhmenkönig bald darauf dem
Herzog Georg von Sachsen, „auch im Interesse Meissens,
namentlich Leipzigs liegen, das, da der Verkehr zwischen
Breslau und Polen einerseits und , Welschland' (Italien)
andererseits ein bedeutender sei, nicht wünschen könne,
dass die Commercien schliesslich über JMagdeburg
durch Niedersachsen geführt Avürden. Dieser Fall könne
aber leicht eintreten, wenn man den Nebenweg von
") In derselben lieisst es: „Alles Gut und Kaufmannschaft,
Oas von Polen, Schlesien, nehmlicli Breslau, j^cn Thüringen, Franken,
Meissen oder Sachsen geht, soll geführt werden auf: Lauban, Görlitz,
Budissin, Kamenz, Köiiigsbriuk, Hayn, Oschatz, Grimma oder Eilen-
burg, Leijizig und wiederum." Falke, Zur Gesch. der hohen
Landstrasse in Sachsen, 124.
") Ebenda 129.
^'} XLV. A. lüa, foi. 2li.
Die HandelsTvege Inner-Deiitschlands im 16.— IS.Jahrh. etc. 13
Breslau über Parchwitz, Kotzenau, Sprottau, Sagan,
Priebus, Muskau, Spremberg, Raschen, Sallgast, Finster-
walde, Dobrilugk, Übigau, Torgau und Eilenburg nach
Leipzig beibehalte."
So erlangte die sogenannte hohe Landstrasse, welche
aus Polen und Schlesien durch die Oberlausitz
am Nordrande der mitteldeutschen Gebirgsachse nach
Leipzig zog, ja theil weise sogar schon die durch die
Ebenen der Niederlausitz nach dem Innern Deutsch-
lands führende Niederstrasse, feste Gestalt und dauern-
den Bestand. Zugleich erscheint von jetzt an regelmässig
Breslau als der östliche Ausgangspunkt der Lausitzer
Strasse, und dadurch gewinnt diese selbst für Mittel-
deutschland eine erhöhte Bedeutung. Denn jene merk-
würdige Oderstadt war schon damals der natürliche Zen-
tralpunkt und der Haupthandelsplatz der grossen östlichen
Tieriandsbucht an den Sudeten, als welche Schlesien seinem
grössten Theile nach betrachtet werden muss. Hier bei
Breslau war der schiffbare Oderstrom mit Tragfähigkeit
für grössere Lasten, hier ein Durchgangspunkt der Ver-
kehrslinien von der Nord- und Ostsee her durch die mäh-
rische Pforte hindurch nach dem Gebiete der Donau und
oberen Weichsel, nach Wien und Krakaii hin, sowie in
der diese durchschneidenden Richtung von O. nach W.,
von Polen nach Böhmen hin, von dessen gangbarsten und
belebtesten Pässen durch die Sudeten die Stadt in ziem-
lich gleicher Entfernung lag^^).
Die Städte Breslau und Frankfurt a. O. klagten
über den Abbruch, den sie durch die das Handelsgebiet
der Oder durchziehenden Leipziger erlitten. Sie schlössen
einen Niederlagsvergleich mit einander ab, demzufolge
sie ihre Waren in Zukunft nicht über Leipzig, sondern
vermittelst der Oder über Stettin, Stralsund,
Lübeck und Lauenburg „in deutsche und welsche
Lande", nach Brabant, Flandern und in andere nieder-
ländische Provinzen verführen und den Handel zwischen
Polen, Reussen (Russen) und Litthauern einerseits und
Deutsclien und AA'elschen andererseits nur dann gestatten
wollten, wenn er sich durch ihre Vermittelung vollzöge,
das heisst wenn die Handelsartikel in Breslau und Frank-
furt a. O. niedergelegt würden. Brandenburg und Böhmen
bestätigten diesen Vertrag. Herzog Georg von Sachsen
') Kutzen, Das deutsche Land, 523.
14 Hermaun Heller:
brachte es jedocli in Verbindung mit Leipzig und den
Sechsstädten beim böhmischen Hofe dahin, dass derselbe
den der Leipziger Stapelstrasse nachtheiligen Niederlags-
vergleich 1513 wieder kassierte und die Breslauer auf-
forderte, ihre Handlung nach den Seestädten und den
Niederlanden in Zukunft nicht anders als vermittelst der
hohen Landstrasse über Leipzig zu betreiben. — Schon
im Jahre vorher, 1512, hatte Sachsen im Verein mit
Pommern luid Polen auf dem Tay-e zu Fraustadt
festgestellt, dass auch die Waren aus Pommern und
dem nordöstlichen Polen, nachdem sie über Posen,
Kosten, Fraustadt, Gross-Glogau, Sagan nach Görlitz in
die Oberlausitz gekommen, die hohe Strasse auf Leipzig
passieren sollten.
Damit war aber die Angelegenheit nicht erledigt.
1528 wussten die Breslauer in Verbindung mit dem Mark-
grafen von Brandenburg bei König Ferdinand von Böh-
men ein Mandat auszuwirken, demzufolge sie nicht nur
vermittelst der Oderschiffahrt über Frankfurt a. O.
nach Lübeck und Hamburg, sondern auch zu Lande über
Prag nach Nürnberg handeln durften. Zwar vermochte
auch diesmal Herzog Georg den Böhmenkönig zu be-
wegen, dass dieser die Breslauer in einer besonderen Ver-
ordnung von 1530 wieder auf die hohe Landstrasse durch
die Oberlausitz verwies, doch konnte er dadurch die an-
gedeuteten Verkehrsrichtungen nicht vollständig beseitigen.
Die von den Süddeutschen und Hanseaten schon in früheren
Zeiten angebahnten Handelswege aus Polen und Schlesien
über Prag nach Nürnberg und über Frankfurt a. O. nach
Hamburg und Lübeck bestanden auch im 16. Jahrhundert
fort. Denn 1545 zeigte Herzog Friedrich von Liegnitz
dem Herzog Moritz von Sachsen an'''), dass er in seiner
Stadt Frankenstein 50 Wagen Kaufmannsgtiter aus Nürn-
berg angetroffen, die nicht den vorgeschriebenen A^eg
über Leipzig und die „Sechsstädte" passiert hätten, sondern
über Prag und Frankenstein nach Breslau gefahren wären.
Wie die von Breslau nach den Seestädten dirigierten
Güter vermittelst der Oder bequem ihren Bestimmungsort
erreichten, so strömten die Nürnberger Waren durch
das Thor von Cham und Taus, jene ziemlich breite, tiefe
und gangbare Gebirgslücke in der Mitte des Böhmer-
waldes, nach Böhmen hinein, gingen im Thale der Beraun
») XLV. A. 17.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16.— 18. Jahrh. etc. 15
über Pilsen nach Frag- und gelangten von hier aus mit
Benutzung des oberen Elbthales über Könio-o-rätz und der
Einsenkungen zwischen dem Riesengebirge und der
höheren südlichen Partie der Sudeten über Trautenau
und Landshut oder Nachod und Glatz nach Breslau.
Zwischen diesen beiden Handelsrichtungen bewegte
sich aber nach wie vor der Hauptwarenstrom aus Schle-
sien und Polen von Breslau über Leipzig nach Nürnberg
und Frankfurt a. M. Er mied die sumpfigen Fluss-
niederungen im N. und umging die böhmische Gebirgs-
burg im S,, um sich in mächtiger Stärke quer durch
Inner-Deutschland zu ergiessen.
Der Handelsweg von Leipzig nach Nürnberg
zog sich in der bequemen Passage hin, welche zwischen
dem Fichtelgebirge und dem Thüringerwalde über den
breiten und abgerundeten Kamm des verhältnismässio-
niedrigen Frankenwaldes sich darbietet, wo sowohl von
Franken als auch von Sachsen her die Ebenen tief in
das Gebirge einschneiden und zwischen den Tiefungen
des Mains und der Ebene von Leipzig eine allgemeine
Verengung der mitteldeutschen Gebirgsmasse stattfindet^*).
Er führte also von Leipzig aus in der Richtung der
heutigen sächsisch-bayerischen Staatsbahn über Altenburg
ins Quellgebiet der Pleisse, durch die Höhen des Vogt-
landes nach Plauen und Hof, über das Plateau des
Frankenwaldes nach Kulrabach und von hier aus in den
Thälern und Passagen des Mains und der Regnitz, durch
welche die Natur Beziehungen dieser Flüsse zur Donau
im S. angebahnt hat, nach Nürnberg hinauf. — Auf dieser
Strasse holten schon 1471 die Regensburger Häringe,
Honig, Tuch, Wollengarn, Rauchwerk aus dem euro-
päischen Norden und Nordosten herbei^^). 1521 gab
Herzog Johann (der spätere Kurfürst Johann der Be-
ständige) von Weimar aus dem Zwick au er Rat he be-
kannt*^), dass er die süddeutschen Fuhrleute, welche die
von Hof über Plauen, Zwickau oder Werdau, Altenburg
und Borna nach Leipzig führende Handelsstrasse verlassen
würden, mit hohen Strafen belegen wolle. Diese Verord-
nung wurde 1551, als Nürnberger und Regensburger
Fuhrleute von Hof aus auf einer viel weniger bequemen,
'*) Kutzen, Das deutsche Land, 228.
^') Falke, Zur Gesch. der hohen Landstrasse in Sachsen, 122.
*«) XLV. A. U.
16 Hermann Heller:
längs der Saale und Aveissen Elster nordwärts ziehenden
Strasse über Sclileiz, Gera, Ziitz und Pegau nach Leipzig
zu gelano;en suchten, wiederholt und verschärft.
Um dieselbe Zeit wurde auch der Haudelsweg
von Leipzig nach Frankfurt a. M. fixiert und so das
System der sogenannten hohen Strasse raelirseitig aus-
gebildet. 1541 erHessen die sächsisclieu Fürsten ein
Strassenmandat *"), demzufolge! die hohe oder Oberstrasse
von Leipzig nach dem Rheinstrom über Weissenfeis,
Eckartsberga, Buttelstedt, Erfurt, Eisenach oder Kreuz-
burg führen sollte. Sie fiel mit jener wichtigen Naturbahn
zusanimen, die sich im N. des Fichtelgebirges und Thü-
ringcrwaldes, der Rhön und des Spessart von der Elbe
zur Saale zieht, zwischen den äussersten Ausläufern des
Harzes und Tiüiringerwaldes im lim- und Hörseithal
hinüber zur Werra geht und von da zwischen Rhön und
Vogelsberg hindurch über Fulda, den 374 m hohen Pass
von Schlüchtern, Gelnhausen und Hanau mit der Kinzig
ins Mündungsgebiet des Mains ausläuft, wo Frankfurt
die gesamte Bewegung des Verkehrs von Westdeutsch-
land beherrschte.
Als König Ferdinand und Herzog Georg 1537 die
alte Erbeinigung zwischen Böhmen und Sachsen erneuer-
ten, wurde auch der ungehinderte Lauf des Handels
zwischen diesen beiden Ländern, die eine grosse Strecke
an einander grenzten, mit verabredet. Böhmen war zwar
infolge seiner allseitigen Umgebung von unbequemen
Höhenzügen uuil Gebirgen nicht zu einem Transitgebiet
für den A\'elthandel geeignet. Wie die mächtigen Ströme
Donau und Oder an dem grossen böhmischen Gcbirgs-
(juadrate vorbeiflossen, so bewegten sich auch die grossen
Verkehrsströmungen in diesen Flussthälern und den gang-
baren Ebenen, welche die gewaltige, weit ins nördliche
Flachland hinausragende böhmische Gebirgsburg um-
lagern, an Böhmen vorbei. Allein die von der Natur in
dem Rande des böhmischen Kessellandes ausgearbeiteten
Thore l)ewirkten doch, wie schon weiter oben angedeutet,
den Eintritt wichtiger Zweige des Welthandels in das
Böhmerland. — AA'ie durch die zwischen Böhmerwald
und mährischem Zug vorhandene Depression von Freistadt
von Linz lier, so beweuten sich durch die Pässe des
mährischen Bergrückens von Wien her südländische
') XLV. A. 16a, fol. 7.
>-•
t)ie Handelswege Inner-Beutschlaafls im Ifi. — JB.Jahrh. etc. 17
Waren nacli Prag. Von hier aus gingen sie entweder
durcli jene grosse Bodensenke zwischen Riesen- und Ei-z-
gubirge, durch welche die Elbe am nördlichen Zipfel des
Landes alle Gewässer aus dem Löhmischen „Kessel" heraus-
fuhrt und wo. neben dem tiefen Einschnitte dieses Stromes
selbst eine Menge anderer Depressionen eintreten, oder
man transportierte sie durch die Passagen von Eger,
Avelche an der Nordwestecke des bölnnischen Quadrates
da entstanden sind, wo die krystallinischen Schiefer- und
Granitmassen des Böhmerwaldes, Fichtel- und Erzge-
birges zusammentreffen, um sie dann im Neisse- und Eib-
thal, in den Mulden- und Pleissenniederungen auf bequemen
Pfaden quer durch das innere Deutsehland zu verbreiten.
So kam es, dass neben dem wichtigen Strassen zuge im
O. Böhmens, der von Prag aus im Iserthal nordwärts
fühlte und dann, die Hauptmasse des Riesengebiri;es im
W. umgehend, durch das passagenreiche Hügelland der
Oberlausitz über Re ichenberg und Zittau auf Gör-
litz leitete, schon frühzeitio- eine zweite Handels-
Strasse im W. des Landes sich, ausbildete, die von
P r a g a u s über S c h 1 a n , S a a z , E 1 b o g e n und E g e r
im Egerthale hinaufzog und nach Umgehung des Fichtel-
gebirges theils hn Mainthal westwärts, theils im Elster-
und Saalethal nordwärts sich fortsetzte. Zwischen beiden
vermittelte schliesslich eine di'itte Strasse, die, da das
enge Elbthul bis ins vorige Jahrhundert hinein für den
Verkehr ganz unzugänglich war, von Te plitz aus
zwischen dem eigentlichen Erzgebirge und Elbsandstein-
Hebiroe hindurch — über den NoUendorfer Pass —
nach Pirna und Dresden führte, den direkten Ver-
kehr zwischen Prag und den mitteldeutschen Elbstädten^^).
Als der Verkehr Inner-Deutschlands in Leipzig ein
neues Zentrum gewann, wurden sogar die passartigen
Kammscharten des Erzgebirges, die flach in den Scheitel
desselben eingesenkt erscheinen und darum häufig ge-
^') hl der von Kurfürst Friedrich 1462 verfügten neuen
Strassen- und Zollordnung heisst es: „Alle Wagen mit Gütern aus
der Mark, Lausitz, aus Berlin, Stettin und anderen Orten sollen auf
Herzberg, durch den Hajni, auf Lommatzsch, Meissen, Dresden,
Pirna, Freiberg und andere Gebirgsstädte fahren , desgl. sollen alle
Salzwägen der ,Hinterstädte' und Schlesiens und die, welche Oschatz
berühren, durch den Hayn auf Dresden, Pirna, Stolpen, Neustadt,
Bischofswerda, Schluckenau gebracht werden." Falke, Ziu- Gesch.
der hohen Landstrasse in Sachsen, 125.
Neues Archiv !. S. G. u. A. V. 1. 2. 2
18 Hermann llfllcr:
riugere BesclnverlicJikeitcu vei ur.'^aclieii als StrjiSf;cii, Avolchc
in westöstlicher RicJitung" auf dem nördlichen Gcbirgsab-
liangc angelegt sind und hier über tiefe, steile und felsige
'rhaleinselniittc füliren, vim den Tlandclszügen überschritten.
Im Laufe des 16. Jahrlumderts entwickelte sich eine
llandelsstrasse, die von Prag aus in gerader nordwestlicher
Direktion nach dem Herzen Deutschlands zielte. Sie führte
unter dem Namen der hohen Strasse aus Italien und
Ungarn durch Ost erreich, Mähren und Böhmen
über Wien und P|rag, von Prag aus über Schlau, Saaz
und Kommotau zu dem Sebastiansberger Passe und dann,
einem kurfürstlichen Mandate vom 4. Mai 1643 zufolge,
mit Bi'initzung des Zschopau-, Cliemnitz- imd Pleisscthalcs,
ül)er Iveitzenha^^u, INIaiienberg, ZschopaU; Chenmitz,
Penig, Alten-Mörbitz, Frohburg imd Borna nach Leipzig.
Eine weitere Ausbildung wurde dem mitteldeutschen
Strassensystem mit seinem Ilauptstapel zu Leipzig durch
Kurfürst August zu thcil; unter ihm nahm neben dem
Transitverkehr auch der sächsische Biimenhandel mit Ge-
treide, Wolle, Garn, Leinwand, Holz, Silber, Kupfer,
Blei, Zinn, Salz, Salpeter, Mühlsteinen etc. einen mächtigen
Aufschwung.
Kurfürst August knüpfte eine direkte Verbindung
Kursachsens mit Holland an, auf das nach dem Nieder-
gange Antwerpens und Lissabons der Welthandel mehr
und mehr überging. So entstand eine neue Handelsstrasse
Lmer- Deutschlands, welche, den Harz und das ^A'^eser-
gebirge in einem gegen N. gerichteten Bogen umgehend,
von Leipzig über Halle, Ascherslebcn, Halberstadt, Wolfen-
büttel (oder Brauuschweig) und Lingen führte und von
hier aus südlich vom Bourtanger Moor und den unpassier-
baren Sümpfen des Twistes als holländische Strasse
über Nordhorn und Neuenhaus a. d. Vechte nach Schwoll
(Zwolle) in der Nähe der Zuidersec leitete. Sie Hess zu-
gleich die gewerbreichen Städte AA^estfalens und der braun-
schweigisch-lüneburgischeu Lande, wie Paderborn, Soest,
Hamm, Münster, Minden, Hildesheim, Göttingen, Braun-
schweig etc., an dem Verkehre Inner-Deutschlands leb-
haften Antheil gewinnen. — In Thüringen gestattete Kur-
fürst August am 4. August 1560 einheimischen Fuhrleuten,
welche Waid etc. nach dem Rheiustrora führten und Wein,
Kastanien und Nüsse von dort zurückbrachten, neben der
hohen Strasse von Frankfurt a. M. über Eisenach (oder
Kreuzbiiig), Erfurt, Buttelstedt, Eckartsberga, Naumburg
l)ie Handelswege iniier-Deutschlaiids im 16. — 18. Jahrh. etc. 19
und Weissenfeis auch den vom Eiclisfelde im Unstrut-
thale zwischen Hainich und Hainleite ostwärts führenden
Weg über Mühlhausen, Langensalza, Tennstedt,
Weissensee und Sachsenburg zu benutzen^'*). Dieses Zu-
geständnis -war um so wichtiger, als dadurch neben der
schon früher bestehenden Verkehrslinie von Magdeburg
und Halle durch die goldene Aue über Nord hausen, GÖt-
tingeu und Westfalen ein direkter Handelsweg von Leipzig
über JMühlhausen, Wanfried a. d. AVerra, Kassel und K("tln
nach den Niederlanden freigegeben wurde.
Mit um so grösserer Zähigkeit suclite aber die kur-
fürstliche Regierung den Bestand der hohen Strasse im O.
von Leipzig zu wahren. Als im Jahre 1559 in den
kaiserlichen Erblanden ein neuer Zoll eingeführt und da-
durch der Viehhandel aus Polen und Schlesien durch die
Lausitz nach Sachsen etc. fast unmöglich gemacht wurde'"),
schickte der Kurfürst auf Anregung Leipzigs eine Gesandt-
schaft an den Kaiser, um denselben zu erinnern, dass in
den Erbeinungen zwischen Sachsen und Böhmen auch
der gegenseitige Schutz der Handelsstrassen, speziell der
Strasse aus Polen und Schlesien über Lauban, Görlitz,
Bautzen, Kamenz, Königsbrück, Hayn, Oschatz, Grimma
(oder Eilenburg), Leipzig etc. nach Saclisen, Thüringen
und Meissen, stets bedacht gewesen sei, dass aber diese
wichtige Strasse ,.unbebauet'' bleiben werde, wenn man sie
in Schlesien und der Lausitz mit neuen Zöllen belaste.
Denn dadurch würden die polnischen Viehhändler ver-
anlasst, ihren Markt von Brieg nach Posen zu verlegen
und die Viehherden von dort aus über Berlin, Branden-
burg, Zerbst, Bernburg und Eisleben gehen zu lassen, so
dass dieselben erst zu Nebra und Eckartsberga kur-
sächsisches Geljiet berührten, Avährend sie bisher von
Königsbrück oder Hayn aus quer durch Sachsen bis Butt-
städt gezogen seien"). Unter solciien Umständen werde
nicht nur der Viehmarkt zu Döbeln, wo sich die säch-
sischen Bergstädte bisher mit Schlachtvieh versorgten, ganz
aufhören, sondern auch der Tuchhandel Sachsens nach
Poleii, der einen hohen Transitzoll in der Lausitz und
in Schlesien nicht zu tragen vermöge, durch den märkischen
zu Grunde gerichtet Averden, ganz abgesehen davon, dass
*•) Falke, Uescli. des Kurf. August vou Sachsen etc , 270.
*") Kbeiida 268.
»') XLV. A. ir.n. und XLY. A. 17.
2*
20 Hermann Heller:
ein grosser Theil der Nürnberge)-; Frankfurter und Ant-
werpener (lüter, welche bisher über Leipzig' und Breslau
nach Polen gingen, in Zukunft über Wittenberg und durch
die Mark (Brandenburg) daliin verführt werden könnte.
— Zugleich erlie.ss der Kurfürst in dieser Angelegenheit
ein Abraahnungssclu'eiben an den Kurfürsten von Branden-
burg, damit dieser den Polen sein Land sperre und sie
auf die hohe Strasse dui'ch die Oberlausitz verweise, wenn
sie mit dem „Reiche" verkehren wollten.
Mit solchen Vorstellungen konnte jedocii Kurfürst
August weder beim Kaiser noch beim Kurfürsten von
Brandenburg viel erreichen. Der neu errichtete schlesische
Zoll blieb fortbestehen. Zwar erliessen Kaiser Rudolf IL und
Kurfürst Augu.st wiederholt — namentlich 1577 und 1589 —
Mandate, in denen sie die strikte Innehaltung der hohen
Landstrasse von Brieg und Breslau durch die Oberlausitz
nach Leipzig streng anbefohlen. Allein alles dies ver-
mochte nicht, dem seit undenklichen Zeiten geübten Um-
fahren der geordneten Landstrasse ein Ziel zu setzen.
Der Warenverkehr suchte sich nach Avie vor die Wege,
die am wenigsten mit Abgaben, mit Zöllen und Geleiten
belastet waren. — Einem Bericht aus Bautzen vom 22.
April 1594 zufolge^'') vermieden polnische Fuhrleute die
hohe Strasse durch die Oberlausitz ganz und zogen über
Parchwitz, Kotzenau, Sagan und Priebus durch die
Niederlausitz auf Magdeburg. — Breslau und das
schlesische Herzogsgeschlecht von Sagan und Liegnitz
leisteten dem Abweichen von der Leipziger Stapelstrasse
mächtigen Vorschub. So kam es, dass am Ausgange des
16. Jahrhunderts neben der hohen Strasse von Breslau
durch die Oberlausitz und der niederen Strasse von
Breslau durch die Niederlausitz auf Leipzig eine zweite
Nieder Strasse sich herausbildete, die sich bei Finster-
walde von der alten Niederstrasse abzweigte und in
ziemlich gerader nordwestlicher Richtung auf Magdeburg
an der mittleren Elbe führte. — Bereits im Jahre 1615
sah sich Kaiser Matthias als Herr von Böhmen und der
Lausitz veranlasst'''*), dem Landvogt der Niederlausitz den
Befehl zu ertheilen, dass er auf Einhaltung der rechten
Niederstrasse über Muskau und Spremberg nach Leipzig
achte und das Abweichen auf Magdeburg verhindere.
") XLV. A. 16a, fol. 16,
") XLV. A. 17.
Die Handelswege Inner-Deutschlaiuls im 16. — 18. Jahrh. etc. 21
Die Oberlausitzer Städte Budissiii, Görlitz, Lauban
und Kamenz hatten nicht ganz Unrecht, wenn sie dem
Leipziger Rathe am 20. August 1594 zu bedenken gaben''*),
dass bei fortgesetzter Abweichung der Fuhrleute von der
liohen Strasse auf den Magdeburger Weg der uralte
polnische Handel sich immer stärker von Leipzig auf
Magdeburg ziehen werde. Denn von jetzt ab bewegten
sich die Güterzüge wie auf der hohen Hauptstrasse über
Leipzig auch auf der Strasse über Magdeburg aus Polen
ins Innere DeutschLands. Magdeburg selbst aber nahm
nunmehr trotz kurfürstlich-sächsischer und kaiserlich-böh-
mischer Strassenverbote neben Leipzig eine selbstthätig
vermittelnde Stellung zwischen Niederdeutschland oder dem
unteren Elb- und Wesergebiete einerseits und Schlesien
und Polen oder dem oberen Oder- und Wcichselgebiete
andererseits im mittleren Deutschland ein. Dazu war
diese »Stadt um so leichter geeignet, als sie im mittleren
Eibgebiet gerade da liegt, wo dieser Strom in seinem
bisherigen Laufe die westlichste Biegung nach Deutsch-
land hinein, nach den nordöstlichen Harzabsenkungen,
macht, und wo ältere, feste Gesteinsschichten (der Fläming)
aus der Sand- und Lehmbedekung der Ebene hervortreten.
So konnte hier die bequemste und nächste Verbindungs-
linie zwischen dem transalbiugischen NO. und O. und
dem niederrheinischen W. Deutschlands hergestellt werden.
Andererseits machte die Lage an einer ausgezeichneten
Wasserbahn, der Elbe, die in gleicher Richtung Land-
bahnen nach sich zog, Magdeburg geschickt, N. und S.
mit einander zu verknüpfen.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts, wo sich die Verkehrs-
wege Inner-Deutschlands allseitig ausbildeten, begann man
auch die Flüsse, die natürlichsten Verkehrsbahnen, dem
Handel dienstbar zu machen.
Bereits in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts hatte
Böhmen eine lebhafte Schiffahrt auf der Elbe über
Magdeljurg nach Hamburg eröffnet. Demzufolge erhielten
Dresden und Wittenberg Niederlagsprivilegien^^). Unter
König Ferdinand begegnen wir sogar dem Plane, die
Hauptwasserader Böhmens und des östlichen Inner-Deutsch-
lands, die Elbe, mit der Hauptflussader Schlesiens und
der Mark Brandenburg, mit der Oder, in Verbindung
") XLV. A. 16a. fol. 16.
^^) Falke, Zur Gesch. der hohen Landstrasse in Sachsen, 12.S.
22 lleniianu Heller:
zu isctKen^®) und dadurch die deutschen Nortlseeküsten
und die südöstlichen Gegenden des Reichs auch durch
einen Wasserweg au einander zu knüpfen.
Am 7, Juni 1548 meUlete der Böhinenkönig Ferdinand
dem sächsischen Kurfürsten Moritz''), dass er mit Joachim
von Brandenburg berathen liabe, wie künftighin die Waren
aus den Niederhinden und dir See vermittelst der
Oder und Elbe durch Brandenburg und Sachsen bis
nach Schlesien und Böhmen heraufgeführt werden könnten.
Für den 7. Oktober 1548 aber setzte er eine Tagfahrt
zu Frankfurt a. O. an, auf der diese Frage von dm
Interessenten einer weiteren Beratung unterworfen werden
sollte. In Frankfurt zerscidugen sich jedoch die Verhand-
lungen schliesslich — am 8. und 9. Oktober — , da die
kurfürstlich sächsischen Abgesandten auf Anregung Leipzigs,
das in allzu folgerichtiger Anwendung seiner Privilegien
auch die Elbschitfahrt zwischen Dresden und Magdeburg
in seinen Stapel hineinziehen wollte, den Wünschen der
böhmischen und brandenburgischeu Vertreter gegenüber
geltend machten, dass eine Schiffahrt auf der Oder und
Elbe und ihren NebenHüssen nur Brandenl)urg und Böhmen
Vortheil bringe, während die Bewohner Sachsens und seine
Handwerker in den Städten insbesondere dadurch gewisse
Privilegien und Nutzungen verlören, deren Verlust durch
den billigeren l*reis der Waren, die etwa auf der Elbe
ankämen, nicht ausgeglichen werden könne.
Für Sachsen speziell konnte der Eibstrom eben nie
in dem Masse Verkehrsader werden, wie etwa die Oder
für Schlesien, da die sächsische Ebene, welche in ihrem
grösseren, nach NW. verlaufenden Theile von der Elbe
durchflössen wird, gegen SW. iiin durch die weit frucht-
Ijarere Tiefiandsbucht von Leipzig sich vergrössrrt, die
den Handel von N. und S., O. und ^^^ auf sich lenkte.
Das geht auch daraus hervor, dass nocli heute die eigent-
liche Eibniederung wesentlich geringer bevölkert ist als
das Gebiet zwischen Mulde und Saale, in dessen Zentrum
Leipzig liegt.
Auch die Tagfahrt von Frank iiut a. C). am
1. Februar 1556 viu'lief resultatlos, da Kurfürst iVugust
von Sachsen und Herzog Otto von Brauuschweig gar
keine Vertreter dahin schickten, si>ndern dieser im Interesse
»«) XLV. D. 1.
") Falke, Gesch. des Kurf. August von Sachsen etc., 261 fl'.
Die Ilaiidelswege Iinier-Deutsclilaiicls im in. — 18. Jalirli. etc. 23
Lüneburgs, jener im Interesse Leipzigs schriftlich ge^^en
die Errichtung einer Oder-Elbschiffahrt protestierte. Kur-
fürst August hob in seinem Proteste, in dem er sich zu-
gleicli auf Moritzens Bedenken von 1548 berief, besonders
hervor, eine freie Schiffahrt auf der Oder und Elbe
werde die Zerrüttung der liohen Landstrasse aus Polen
und Schlesien durch die Oberlausitz etc. zur Folge haben
und die Stadt Leipzig in ihren vom Kaiser verliehenen
Stapel- und Messprivilegien schädigen. — Als dem gegenüber
die kaiserlichen Abgeordneten geltend machten, dass die
Elbe ein „flumen publicum" sei, der nach dem „jus gentium"
durch keine städtischen Vorrechte beschränkt "werden könne,
berief sich der Kurfürst August auf die zwischen Sachsen,
Polen, Pommern, Hessen und Braunschweig der Strassen
halber abgeschlossenen Verträge, an denen er festhalten
müsse.
Als Böhmen 1571 die Elb- und Oderschiffahrt von
neuem anregte^*), schien Kurfürst August — der ja eiust
selbst den abenteuerlichen Plan einer Wasser Verbindung
Sachsens mit Lissabon gehegt, um dadurch den ge-
samten Pfefferhandel für Obersachsen und Niederdeutsch-
land, für Polen, Böhmen, Schlesien, Osterreich und Ungarn,
in seine Hand zu bringen und Leipzig direkten Antheil
am Welthandel zu verschaffen — anfangs nicht abgeneigt,
den Elbhandel gegen Erstattung der üblichen Zölle (28
an der Zahl auf der Strecke von Dresden bis Hamburg!)
zu gestatten. Allein Lüneburg, das sich in seinem Stapel-
rechte nicht schädigen lassen wollte, bekämpfte auf dem
Tage zu Magdeburg am 29, April 1571 ganz entschie-
den eine Eröffnung dos Eibstromes. Es wollte, den
Pönalmandaten Kaiser Maximilians IL vom 6. August
1569 und vom 30. März 1570 zum Trotz, sogar die
Schiffahrt zwischen Magdeburg und Hamburg verhindern.
Wie Lünebiu'g und die Herzöge von Braunschweig unten,
so traten schliesslich auch Leipzig und der Kurfürst von
Sachsen weiter oben gegen eine ungehinderte Elb- und
Oderschiffahrt auf, weil dadurch der Getreidehaudel über
Frankfurt a. O. und Magdeburg direkt in die Niederlande
geleitet werde, Magdeburg den gesamten Verkehr mit
der Äfark beherrschen und Böhmen den Handel von den
wichtigsten Theilen Deutschlands nicht nur, sondern auch
von Dänemark, Norwegen, Schweden, Livland, Polen.
^«) XLY. D. 5.
24 Hermann Heller:
Moskau (d. i. Russhmd), von den Niederlanden, von Eng-
land, Frankreich, Spanien nnd Italien auf die Niederlage
zu Prag lenken könne. — Da die kaiserlich höhmischen
Gesandten Sachsens Bedenken widerlegten, so ersuchte
Kurfürst August den Rath der Stadt Leipzig durch ein
Reskript vom 22. Juni 1571 um ein endgiltiges Gutachten
in dieser Angelegenheit, „damit er nicht ohne Grund nur
für und für das alte Lied singen müsse". In diesem Schreiben
gedachte zwar Kurfürst August mit aller Achtung der
Privilegien Leipzigs; zugleich forderte er jedoch darin die
Leipziger auf, die Vortheile einer freien Schiffahrt, ..welche
von Zeit der Sündfluth jedem immer erlaubt gewesen sei,"
ohne Rückhalt klar darzulegen. Die Antwort hieraufscheint
leider verloren gegangen zu sein; denn in den Leipziger
Stapelakten ist sie nirgends zu finden. Wir können sie
jedoch ergänzen durch die „Rationes pro et contra die
Elbschiffiilirt ", Avelche Leipzig 1590 Christian l, der
ebenfalls gegen die Eibschiffahrt eiferte, übermittelte'^').
Darin führten die Leipziger aus, dass eine Schift'ahrt auf
der Elbe Sachsen zwar in mannigfacher Beziehung zu-
träglich sei, da man vermittelst derselben die schweren
Waren, namentlich die der Bergwerke, mit leichteren
Unkosten und in grösseren Massen auf dem Elbstromc
fortbringen könne. Doch falle dieser geringe Vortheil nicht
ins Gewicht deni grossen Schaden gegenüber, den die
Eröffnung der Elb- und Oderschiffahrt für das ganze
Land im Gefolge habe. Denn bei Freigebung des Eib-
verkehrs würden viele Waren vermittelst der Havel,
Spree und Oder in die Mark, nach Pommern, Prenssen,
Polen und Schlesien, dann die Elbe herauf nach Böhmen,
Mähren, in die Lausitz etc. gebracht werden und mit ihrer
Zu- und Abfuhr weder die kursächsischen Lande berühren,
noch die Leipzig(-r Messen besuchen. Ebenso würden
die Kaufleute aus Thüringen, Franken, Hessen, Bayern,
Schwaben und Niedersachsen sich von Leipzig und Kur-
sachson wegwenden und ihre Bedürfnisse in den Eib-
städten decken, wodurch nur Magdeburg gewinnen könne.
Sollte sicli der Kurfürst dennoch zur Elbschiffahrt ver-
stehen, was man aber nicht hotten wollte — schrieben die
Leipziger weiter — , so möge er wenigstens darauf achten,
dass man dieselbe mit Mass betreibe und ausser Steinern
imd Holz nur Salz, Ess waren und Getränke verschiffe.
") XLV. D. 2. Sodann: XLV. A. le, fol. .33 ff.
Die Haudelswegelnner-Deutschlands im 1 6.— 18. Jahrh. etc. 25
So blieb zwar scliliesslich der Plan Kurbrandenburgs
und Bölimens, die Elbe und Oder vermittelst der Havel
und Spree und besonderer Kanäle in einander zu leiten
und sie von den Fesseln der Stapelrecbte Leipzigs,
Magdeburgs, Lüneburgs und Hamburgs und den zahl-
leicben und hohen Zöllen zu befreien, für die nächste Zeit
auf sich beruhen. Allein die natürliche, in den Strasseu-
verhältnissen Lmer - Deutschlands begründete Sachlage
bUeb *°), dass Leipzig, trotz seines willenskräftigen und
geübten Handelsgeistes, trotz der Bemühungen und Proteste
seiner Kurfürsten, nach wie vor „die Elbe ausserhalb
seiner Mauern vorbeifliessen" und die Güterfrachten von
Böhmen nach Niedersachsen und umgekehrt, wenn auch
unter mannigfachen Beschränkungen, auf diesem Flusse
befördern sehen musste. Als der grösste Strom, der^ von
der Quelle bis zur Mündung nur dem Gebiete Deutsch-
lands angehörend, das freie Meer erreicht, musste die
Elbe eine hohe Bedeutung für den Gesamthandel des
Reiches erlangen. — Hatte sich der Kurfürst von Branden-
burg schon auf dem Magdeburger Tage von 1571 dem
Kaiser verpfliclitet*'), „in seinen Landen den Pass auf der
Elbe, Havel und Spree 12 Jahre hindurch zuzulassen"
und zur besseren Beförderung der Waren die Schleusen
dieser Flüsse in baulichem Wesen zu erhalten, so suchte
jetzt — 1593 — auch Dresden ^') Hamburger Roh-
zucker vermittelst der ElbschifFahrt zu sich zu ziehen.
Selbst Pirna behauptete 1593 dem Administrator Friedrich
Wilhelm von Sachsen gegenüber seine Niederlage an der
Elbe, indem es erklärte, dass ihm dieselbe von König-
Johann von Böhmen bereits 1325 (wo die Stadt noch böh-
misches Krongut war) durch eine besondere Urkunde
bestätigt worden sei'^^).
Da die beim Transport zu überwindenden Schwierig-
keiten von jeher auf den Preis der Handelsgüter wesent-
lich zurückwirkten oder, was auf das Gleiche hinausläuft,
die Richtung mit anzeigten, welche die Waren bei ihrer
Versendung nach ihrem Bestimmungsorte einschlugen, so
musste schliesslich die flüssige Bahn, weil sie — wenigstens
so lange es keine Eisenbahn gab — der bequemste und
billigste Verkehrsweg war, den Vorzug gewinnen.
*•) Falke, Gesch. des deutschen Handels II, 58.
*') XLV. D. .S.
*») XLV. A. 1 b, fol. eo.
") XLV. A. Ib, fol. 80. Vgl. Cod. dipl. Sax. reg. 11, -S 387 ff.
2Q HtMuiaiiii Ilellur:
A\ (.:iiu al)cr L'iü Handelszweig- dauenul an dieselbe
gebunden war, so galt dies vom Holzhandel. Schon im
16. Jahrhundert wurden im mittleren l)(;utsehland eine
Menge Floss anstaltc u auf der Klbe und ihren Neben-
Hüssen Saale, Mulde, Elster, Pleisse und. Weisseritz ein-
gerichtet und durch Kurfürst August zum Vertrieb des
Holzes in Sachsen und nacii auswärts eiuer gründliehen
Reorganisation unterworfen. Das galt besonders von der
El b flösse mit ihren nauj)thäfen zn Pirna, Dresden und
Meissen und der Saaleflösse mit ihrer bedeutenden
Flussschwemnie zu Corbetha, zu deren Beförderung Kur-
fürst August sogar mehrfache Vergleiche mit auswärtigen
Mächten, besonders mit Magdeburg und Halle, abschloss.
Daneben erlangte aber auch die Muldenflösse, die
ihren Hauptholzmarkt zu Grimma hatte, hohe Bedeutung
für den Holzhandel des inneren Deutschlands. Selbst die
Elsterflösse, die 1574 zum Besten der Städte Zeitz,
Leipzig und Merseburg angelegt wurde und sich von
Crossen im Zeitzischen in einem besonderen Flossgraben
fortsetzte, der sicli bei Pegau in den Arm von Leipzig
und den von Lützen-^Merseljurg theilte, beförderte grosse
llolzmassen aus dem bergigen und waldreichen Süden
nach dem Zentrum Deutschlands und darüber hinaus in
<lie norddeutschen Ebenen. — Alle diese HolzHössen,
welche dem Verkelire Inncr-Dcutschlands einen nicht un-
l>edeutendeu PLindelszweig zuführten, blieben der Haupt-
sache nach in Thätigkeit, bis die sächsisch-thüringischen
^^^vldun'i•en uelichtet wai'cn, die Steinkohlen das Holz als
Feuerungsmaterial ersetzten und die Eisenbahnen den
Transport desselben noch mehr erleichterten und beschleu-
nigten.
Hatte Leipzig im Laufe des 16. Jahrhunderts einer
freien Schiffahrt auf (hir Elbe und Oder und deren Neben-
flüssen (Havel und Spree) sich liartnäckig widersetzt,
weil dadurch die Produkte des deutsehen Südens und
Südostens an seinen Mauern vorbei nach den Seestädten
im N. Deutschlands verführt werden konnten, so musste
es um so mehr in seinem Interesse liegen, die Land-
handelswege nach jener Richtung hin, nach Danzig und
Lübeck, Hamburg und Bremen, Lüneburg und Magde-
burg, in sein Strassennetz hereinzuziehen.
Bisher hatten die Oberdeutschen, besf)nders die Nürn-
berger und Augsburger, welche noch das ganze 16. Jahr-
hundert hindurch mit den Hansastädten der Nord- und
Die Haudelswege Iimer-Deutschlanils im 1 6.— 18. Jalirli. etc. ^7
Ostsee in Wechselbeziehung standen, die nordischen Roh-
produkte theils über Antwerpen , wie die Fugger das
schwedische KupfVr, theils unmittellnir aus den Bezugs-
ländern über Frankfurt a. O., Breslau und Prag, theils
aber auch durch die wendischen Städte über P^rfurt zu
sich gezogen. Bei dieser Stadt vereinigten sich noch
immer die Handelslinien: 1) von Magdeburg über Aschers-
leben, Mansfeld;Kindelbrück undWeissensee, 2) von Lübeck
und Hamburg im Ilmenau- und Isethal über Lüneburg,
Ülzen, Gifliorn, Braunsclnveig, Halberstadt, Sangerhausen,
Sachsenburg, Kindelbrück — ostwärts vom Harz — und
3) von Bremen und Emden über Minden, Göttingen, Nord-
hausen mid Weissensee — westwärts von diesem Ge-
birge — , um von hier aus 4) im Thale der Gera aufwärts
ziehend, an dem 728 m hohen Passe von Oberhof über
den Thüringerwald zu leiten und sich dann mit Benutzung'
des Itz-, Main- und Regnitzthales über Suhl, Schlcusingen,
Eisfeld, Coburg und Bamberg nach Nürnberg fortzusetzen.
— Diese wichtigen Verkehrslinien über Leipzig zu führen,
war am Ausgange des 16. Jahrhunilerts, avo diese Stadt
das entschiedenste LbergeAvicht über ihre Nachbarinnen
und Nebenbuhlerinnen sowohl im Handel nach W. wie
nach S. und O. i^ewonnen hatte, das Hauptbestrehen der
mitteldeutschen Handelsmetropole. Als darum der Rath
zu Erfurt noch L59U verlangte *\), dass die Waren, welche
von Lüneburg, jenem Vermittelungsplatze des unteren
Eibgebietes, nach Nürnberg und von dort wieder zurück
geführt wurden, in Erfurt unbedingt Niederlage halten
sollten, erhob Leipzig krcäftigen und erfolgreichen Wider-
spruch. Es beschwerte sich unterm 25. Juli 1590 beim
Kurfürsten, dass Erfurt immer noch den direkten Ver-
kehr zwischen Lüneburg und Nürnberg vermitteln wolle,
während doch jetzt von Rechts wegen alle Waren aus
den Seestädten über Leipzig nach dem Süden etc. trans-
portiert werden müssten. Es forderte diesen auf, die
Strasse von Lüneburg über Erfurt, nach Nürnberg, so-
weit sie durch kursächsisches Gebiet führe, was auf der
Strecke von Sangerhausen über Sachsenburg nach Weissen-
see der Fall sei, zu sperren. Erfurt erklärte zwar 1593^*),
„dass es keine mehrere Niederlage und Stapel, als bisher
gewöhnlich, exigiere'". Allein Leipzig kehrte sich nicht
**; XLV. A. 1 bt f'>l 42.
") XLV. A. 1 d, fol. 23.
28 ITermanii Heller:
dtirau, sondern führte nunmehr seine Hundelslinien selb-
ständig bis Lüneburg, Hamburg und Lübeck im N.,
Danzig und Königsberg im NO., Braunschweig und Bremen
im N^\'. So lenkte Leipzig 3 neue Verkehrswege auf
seinen Markt, auf denen in der Folge die lebhaftesten
Handelsbeziehungen zwischen den grossen Hafenstädten
des deutschen Nordens und dem Herzen Mitteldeutsch-
lands unterhalten werden sollti n. Der eine dieser Handels-
wege führte von Leipzig aus, dem Laufe der Elbe
folgend, nordwärts über Landsberg. Köthen, Kalbe, Salze
nach Magdeburg und von hier aus, die Ohre und
Ilmenau entlang, über Ülzen nach Lüneburg, Ham-
burg und Lübeck. Der zweite bewegte sich, die Elbe
auf der bequemsten Strecke zwischen Torgau und Witten-
berg, wo schon der Fläming an den Strom herantritt, über-
schreitend, in nordöstlicher Richtung über Düben, Kem-
berg, Wittenberg, Treuenbrietzen und Colin-Berlin
nach Danzig. Der dritte aber zog in der Richtung der
mittleren Saale, der Oker, Aller und unteren Weser über
Halle, Aschersleben undBraunschweig nach Bremen.
Konnte Leipzig die alte Handelsstrasse, welche von
Lübeck und Hamburg über Lüneburg, Braunschweig und
Erfurt direkt nach Nürnberg führte, auch nicht vollständig
und für immer beseitigen, so wusste es doch zu bewirken,
dass von jetzt ab die Hauptwarenzüge aus dem Nord-
und Ostseegebiete über seinen Markt sich beM'cgten. —
Wie rasch sich übrigens der Verkehr auf den neu er-
worbenen Handelswegen belebte, geht daraus hervor, dass
wir in den Stapelakten **'^ bereits vom \. Juni 1593 eine
Beschwerde des Leipziger Ratlies finden, worin sich dieser
über die hohen Zölle beklagte, ..welche auf der Leipzig-
Lüneburger Strasse exigieret würden".
Die Begründung dieser Handelsstrassen nach dem
deutschen INIeere und nach ILimbni'g und I>remcn ins-
besondere war für Leipzig und ganz Imier-Deutschland
um So bedeutungsvoller, als im 17. Jahrhundert diese
beiden Städte neben Köln a. Rh. die Haupteingangsthore
wurden, durch welche sich die holländischen und eng-
lischen Warenströme nach Deutschland lierein bewegten.
Denn als gegen Ende des 16. Jahrhunderts spanischer
Absolutismus in Antwerpen wie in Lissabon den Handel
aufs Gründlichste vernichtete und Holland und Eng-
*•) XLV. A. ib, fol. li
Die Haiulelswege Iiiner-Deutscblaiids im KS.—l.S. Jahrli. etc. 29
land zu Beherrschern des Weltverkehrs sich empor-
schwangen; als im Laute des 17. Jahrhunderts der Rhein-
strom, durch Sperrung seiner Mündungen in eine Sack-
gasse verwandelt, seine Bedeutung als Welthandelsstrasse
für Deutschland verlor und durcli dies alles der Schwer-
punkt des deutschen Handels aus dem SAA'. des Reiches
nach dessen NW. verlegt wurde: da mussten auch die Han-
delsstädte des inneren Deutschlands, allen voran Leipzig, ihre
hauptsächlichsten fremdländischen Waren über Bremen
und Hamburg beziehen. In diesen beiden Hafenstädten
der deutschen Nordseeküste konnte eine imgehinderte Ver-
mittelung zwischen den Handelsmächten England und
Holland einerseits und dem deutschen Reiche, sowie der
ihm angrenzenden Schweiz und den südöstlichen slavischen
Ländern andererseits stattfinden. Sie waren in einer Zeit,
wo das deutsche Reich verarmt und entvölkert, politisch
und sittlich verfallen darnirderlag — im 30jährigen Kriege
und darnach — und von einer freien, selbständigen Be-
theiligung desselben am Welthandel nicht die Rede sein
konnte , die Marktplätze , über welche England und
Holland ihre asiatischen und amerikanischen Waren und
die Erzeugnisse des eigenen vielseitigm Gewerbfleisses
bis in das Herz Deutschlands hinein vertrieben und auf
umgekehrtem ^^'ege die Produkte des Reiches wieder
herauszogen, um sie in anderen Erdtheilen mit grossem
Vortheile für sich zu verwerthen.
Das im Herzen von Deutschland gelegene Leipzig
war jetzt in den Stand gesetzt, den Verkehr im Lmern
des deutschen Reiches nach allen Seiten hin zu beherrschen.
Denn zu Anfange des 17. Jahrhunderts vereinigten sich
in seinen Auen nicht nur die wichtigen Handelswege von
Frankfurt a. M. über Eisenach, Erfurt und Naumburg,
von Nürnberg und Bamberg über Hof und Altenburg,
von Breslau und Dresden, von Wien und Frag,
sondern auch die Handelshnien von Wittenberg-Berlin-
Danzig, von Magdeburg- Lüneburg-Hamburg, von
Halle -Braunschweig-Bremen, von Halle-Nord-
hausen-Göttingen und vonMerseburg-Mühlhausen-
Kassel.
Wenn nun in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
infolge der Bemühungen der Fürsten und ihrer Verträge
auf allen Verkehrswegen des Reiches eine vorher nie ge-
kannte Sicherheit herrschte, so galt dies von diesen
Handelsstrassen des inneren Deutschlands, wo Kurfürst
30 Ilpimann Holler:
iVugust von Sachsen die Strassenkörper mit den Dämmen,
Gräben etc. in stets braiiclibarem Zustande erliielt und
durch die Einrichtungen „des lebendigen (jcleites" jeden
Strassenraubunmöglicii nuichte, in ganz besonderer Weise^ ').
Wurde auch durch die mit dem auf Ueiscn gewährten
Schutz (sahnis coyidadus) verbundene Geldentschädigung
fpedagiuni) in den Geleit- und ßeigeleitstätten und diu'ch
die über das ganze Land verbreiteten Zölle der Binnen-
handel etwas verthcuert und verzögert, so hielt man doch
in jener Zeit an den hei'gebrachten Zöllen und sonstigen
Abgaben fest und Hess die Tarife nicht erhöhen. Der
auf den damaligen Reichstagen herrschende Konservativis-
mus n)achte sich insofern auch auf kommerziellem Gebiete
geltend. Die Zollerhöhungen, welche Kaiser F(^rdinand I.
und Maximilian IL in ihren Erblanden vornahmen, sind
als vereinzelte Ausnahmen zu betrachten.
\\'enn etwas die Benutzung der von Natur richtigsten
Verkehrswege Inner-Dcutschlands hennnte, so waren dies
nur die mittelalterlichen Stapelrechte, die das 16. Jahr-
hundert hindurch durch das g'anze Reich mit überall
gleichmässiger Wucht auf dem inländischen Handel lasteten.
Denn wenn auch jeder des anderen Strassen- und Stapel-
rechte bekämpfte, so war doch niemand geneigt mit Auf-
hebung und Minderung seiner eigenen Privilegien den
Anfang zu machen.
ö
IL
Das 17. Jahrliuudert.
Das 17. Jahrhundert brachte in Bezug auf Zölle,
Stapelrechte etc. keine Erleichterung , sondern erhöhte
eher den Druck, der bisher schon den Verkehr erschwert
hatte. Die ununterbrochenen Kriege, die das Gesamt-
vermögen der deutschen Nation verringerten und einen
grossen Theil der fleissigen Hände und fähigen Köpfe
*') Veigl. auch Röscher, Die deutsche Nationalökonomie an
der Grenzscheide des Iß. und 17. Jahrh. (Abhandlung d. philosoph.-
histor. Klasse d. Konigl. säclis. Gesellschaft d. Wissenschaften. IV.)
„Der Handel Deutschlands gewann in der letzten Hälfte des 1«. Jahrh.
auch durch die grössere Sicherheit der meisten Strassen im Innern."
Die Hamlelswe«re Iniier-Dentschlands im 16.— IB.Jnhrli. etc. 31
'C
dem GeAverbe und Handelsleben entzogen; die unter ver-
schiedenen Namen neu errichteten Zollschranken, welche
die Miniatursouveränität der kleinen und kleinsten Fiirsten
und Grossen als ein Hoheitsrecht in Anspruch nalan, be-
schränkten und henuuten den Handel Inner-Deutschlands
zeitweilig nach allen Richtungen hin. — Der unheilvolle
30jährige deutsche Krieg, der Deutschland in seiner Kultur-
entwickelung um 200 Jahre zurückwarf, übte auch auf
die Verkehrsverhältnisse des inneren Deutschlands einen
sehr nichtheiligen Einfluss aus. Doch fristete der Handel
hier, wo die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg;
wie Hiimburg und Bremen im N. und Frankfurt a. M.
im W.; durch eine zwischen Österreich und Schweden
schwankende Politik jahrelange Einquartierungen fremder
Truppen fernhielten und eine gänzliche Verwüstung und
Verarmung des Landes verhinderten, innuer noch ein
friedlicheres Dasein als in vielen anderen Gegenden des
Reiches. In Leipzig, wo selbst feindliche Heerführer, wie
z. B. Torstensou; in richtiger Erkenntnis ihres eigenen
Interesses ihn gegen die naclitheiligen Folgen des Krieges
zu schützen suchten, konnte er auch in jener drangsals-
vollen Zeit als „des Landes bestes Asylum und armer
Verjagter, Dürftiger und Kranker Apothek und Brod-
kammer" bezeichnet werden.
Zwar gab es während des grossen deutschen Krieges
Zeiten, in denen Leipzig in seiner Stellung als Handels-
metropole Inner-Deutschlands ernstlich bedroht wurde.
Denn als die Stadt 1633 in die Hände Wallensteins fiel,
legten die Hamburger ihre für Thüringen bestimmten
Waren wieder in Erfurt nieder, statt in Leipzig, und
führten sie von Erfurt nach Nürnberg; Prag und Wien**),
während 1644, als feindliche Krieger den Weg nach
Leipzig sperrten, schlesische und Lausitzer Fuhrleute von
Görlitz aus über Prag nach Nürnberg zu gelangen
suchten*'*). Allein die ihm von Seiten seiner Kurfürsten
nach dem Kriege bewiesene verdoppelte Gunst und Für-
sorge setzten es bald wieder in den Stand^ die Handels-
richtungen, welche seine vortheilhafte Lage und der kauf-
männische Verstand seiner Einwohner ihm vorgeschrieben
hatten, nicht nur von neuem zu befestigen, sondern auch
immer weiter auszubilden. So wurde Leipzig gar bald
*») XLV. B. 9. (Bericht aus Hamburg sub dato 20. Okt. 1640.)
*») X[.V. A. 16b, fol. 3.
32 Hermann Heller:
wieder ein grosses maningfaltiges Lager für alle fremden
und iiiläüdisclien Warun, von deneu es jene aus dem
germanischen NW. über Hamburg und Bremen oder
aus dem romaniscbeu 8W. über Frankfurt a. M. und
Nürnberg oder endlich aus dem slavisclien O. über
Breslau und Frag, Danzig und Berlin an sich zog,
diese aber in den sächsischen Gewerbsgebieten: in der
Lausitz, im Erzgebirge, im Vogtlande und in Thüringen,
Welche Geu'enden damals wahre Arbeits- und \'orraths-
kammern Liner -Deutschlands waren, sammelte, um sie
dann in grösstem Massstabe über das ganze Deutschland,
nach Polen, Russland, nach der Türkei, der Levante etc.
zu vertreiben. Seine Messen vermittelten in der Folgezeit
in noch viel höherem Grade als die von F^rankfurt a. O.
den Verkehr zwischen dem germanisch-slavischen O. und
dem germanisch-romanischen W. Zentraleuropas.
Gleichzeitig erfolgte aber auch in SO. Tind NO.
Deutschlands eine Neubelebuns des Handels und Ver-
kehrs, wobei hier Brandenburg, dort Osterreich neue
Verkehrsmittelpunkte und neue Flandelswege, die theil-
weise auch das innere Deutschland kreuzen mussten, für
sich zu gewinnen suchten. So entspann sich in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts ein reger Wettkampf zwischen
Sachsen -Leipzig, Brandenburg -Preussen und Böhmen-
Österreich auf konnnerziellem Gebiete, der zur Begrün-
duni»- neuer Verkehrswe":e zu Wasser und zu Lande im
mittleren Flb- und Odergebiete führte.
Leipzig hielt dabei an dem mit seiner Stapelgerechtig-
keit verbundenen Strassenzwange fest. Aus diesem Grunde
widersetzte es sich der von dem Magdeburger Admini-
strator Herzog August 1051 beabsichtigt(.'n Schiffbar-
machung der Saale von Flalle bis zur Mündung
in die Elbe*"), wodurch man eine direkte Wasserver-
bindung zwischen Halle und Handiurg über Magdeburg
herbeiführen wollte, ebenso energisch, wie der von Herzog
Ernst dem Frommen von Gotha 1658 und dann wieder
16()6 — 1667 prätendierten Unstrut-Saaleschiffahr t
(aus der Unstrut in die Saale bis Halle), die namentlich
dem Thüringischen Fruchthandel dienstbar gemacht werden
sollte, wegen der in der Unstrut und Saale zahlreich sich
vorfindenden Sandbänke aber schliesslich von selbst un-
terblieb.
»«) XLY. D. 1, fol. 1 ff.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16.— 18. Jahrb. etc. 33
Selbst als Böhmen 1661 abermals eine Erleich-
terung der Eibschiffahrt anstrebte*'), indem es
auf Verminderung der Eibzölle, deren es damals auf der
Strecke von Prag bis Hamburg 48 gab, wie auf Be-
schränkung des Leipziger und Lüneburger, des Magde-
burger und Hamburger Stapelrechtes drang, leistete Leip-
zig, das jetzt ein „Emporium Pragense" in weiterer Ferne
ebenso sehr fürchtete, wie bei der projektierten Unstrut-
und SaaleschiflPahrt eine ausgedehnte Hallische, Naum-
bui'ger und Erfurter Niederlage in seiner unmittelbaren
Nähe, hartnäckigen und erfolgreichen Widerstand.
Durch neue kurfürstliche und kaiserliche Strassen-
mandate suchte es den Bestand seiner fünf wichtigsten
Haupt-Heer- und Stapelstrassen:
1) aus Schlesien, Poleu und Russland,
2) aus Böhmen, Oesterreich, Ungarn und Italien,
3) aus Thüringen, Hessen und den Rheinländern,
4) aus Hamburg und den übrigen Seestädten,
.">) aus Baireuth, Bayern und der Lombardei
zu sichern. Allein durch das alles konnte Leipzig nicht
verhindern , dass neben diesen stark frequentierten Han-
delsstrassen auch im 17. Jahrhundert neue Verkehrswege
im Innern Deutschlands sich ausbildeten, die zwar den
Leipziger Stapel nicht berührten, doch aber dem prak-
tischen Bedürfnis in zweckentsprechender Weise dienten.
Bereits 1651 ging schlesische und Lausitzer
Leinwand nach Dresden*^), um von hier aus ver-
mittelst der Elbe nach Hamburg verführt zu werden.
Polnisches Rauchleder und polnische Wolle wurden nebst
Breslauer Farbenröthe, Talg, grobem und feinem Tuche
über Dresden gegen Annaberg, Marienberg, Schneeberg
etc. gebracht, um dort gegen Zinn, Blech, blaue Farbe
und allerlei Handarbeiten vertauscht zu werden, die auf
demselben Wege gegen NO. zurückgingen. 16G0 brachte
man Waren von Dresden*^) über Zwickau, Jena und
Naumburg nach Frankfurt a. M. 1665 klagten die Leip-
ziger wieder, dass polnisches Rauchleder über Dresden
nach Freiberg, Annaberg, Schneeberg, Chemnitz, Zwickau
etc. transportiert würde, Spitzen, Zinn, Bleche etc. aber
auf demselben Wege zurückgingen.
*') XLV. D. 3.
"} XLV. A. le.
") XLV. A. Id, fol. Ul.
Neues Ardiiv f. S. G. u. A. Y. 1. 2.
34 Hermann Heller:
So belebte sich in der zweiten Hälfte fies 17. Jahr-
hunderts jene alte Landstrasse in der Richtung von Dresden
über Freiberg, Chemnitz, Zwickau und Reichenl)!\cli i. V.
wieder, die von den von Frankfurt a. O. über Königs-
brück, durch das Erzgebirge und das Vogtland nach
Nürnberg ziehenden Kaufleuten schon im Mittelalter be-
fahren worden war^^j.
Diese Handelsroute verknüpfte die Querverbindtuigen
zwischen Sachsen und iiühnien am Nordrande des hölRTen
Erzgebirges in ähnlicher AA^eise, wie es durch die Eger-
linie im S. des sächsisch-böhmischen Grenzwalles geschali.
Ihre Bedeutung für den Handel Inner-Deutschlands lag
besonders darin, dass man von ihren westlichen End-
stationen Zwickau und Reichenbach aus auf kürzestem
Wege sowohl nach Frankfurt a. M. als auch nach Nürn-
berg gelangen konnte. Freilich verursachten bei ihrer
Benutzung viele natürliche Hindernisse dem Passanten
mancherlei Beschwerden, wenigstens noch während des
17. und 18. Jahrhunderts.
Andererseits suchten iin O. Leipzigs polnische und
schlesische Kaufleute einen neuen Handelsweg nach den
Seestädten zu gewinnen. In der irrigen Meinung, dass
nach dem Passus in Joh, Georgs I. Strassenmandat vom
24. Februar 1()53: „alle Fuhrleute, welche aus Polen und
Schlesien in unsere Lande Sachsen, Thüringen und
Meissen konmien, müssen sich der hohen Strasse auf
Leipzig bedienen", nur diejenigen Kaufleute, welche nach
Kursachsen zogen, nicht aber diejenigen, welche sich
nach Niodersachsen begaben und mit den Seestädten
Handel trieben^*), über Görlitz, Bautzen, Kamenz und
Königsbrück nach Leipzig reisen sollten, „bebaueten"
sie weder die hohe Strasse, welche über Görlitz und
Grossenhain, noch die Niederstrasse, welche über Muskau
*') Markgraf Wilhelm von Meissen erwähnte Jen Weg aus der
Lausitz über I)resclen , Freiberg etc. in den Verträa:en mit Breslau
(1.^99) und Krakau (1404). In der Strassen- und Zollordnung von
]4«2 bestimmte Kurfürst Friedrich: Von Budissin sollen die Wagen,
die gen Frauken wollen, gehen auf Bischofswerda, Dresden, Freiberg,
Chemnitz, Zwickau, Vogtsberg und fort gen Franken, und auf dem
Tage zu Fraustadt (15. Aug. 1512) bekannte der Rath zu Chemnitz,
dass die Strasse aus Schlesien von Breslau und (Jlogau nie anders
als auf Görlitz, Budissin, Dresden, Freiberg, Chemnitz, Zwickau,
Hof und also fürder gegen Nürnberg gegangen sei. Falke, Zur
Geschichte der hohen Landstrasse, 121,124,140.
»») XLV. A. 17.
Die Han(lelswege]lnner-Dentschlanfls im Ifi — IS.Jahrh. etc. 35
und Spremberg" nach Leipzig führte. Sie fuhren viel-
mehr*^), wie sclion am Ausgange des 16. Jahrhunderts
oft geschehen, von Sag an über Kottbus, Luckau, Dahme,
Jüterbogk, Niemegk, Loburg, Magdeburg und Garde-
legen nach Lüneburg oder suchten auf einem noch kür-
zeren Wege*'); der von Breslau über Crossen, Frank-
furt a. O. und Berlin „unterwärts durch die Mark" zog,
nach Hamburg zu gelangen. Kursachsen remonstrierte
dagegen wiederholt beim Kaiser, erreichte jedoch dadurch
um so weniger etwas, als dieser jetzt, wo die Lausitzen
nicht mehr zu seinen Erblanden zählten, kein besonderes
Interesse daran hatte, deren Zollstrassen in ihrem Bestände
zu wahren.
Den Weg von Breslau über Frankfurt a.O, und
Berlin nach Hamburg, der schon von der Natur durch
das alte Oderthal, in dem jetzt Spree, Havel und untere
Elbe ihre Wasser zur Nordsee führen, angebahnt worden
war, konnte Leipzig um so weniger abstellen, als er den
15 meiligen Umkreis seiner Stapelgerechtigkeit nicht be-
rülirte und von dem jetzt mächtig aufstrebenden Branden-
burg besonders gefördert wurde. War schon Kurfürst
Joachim IL von Brandenburg in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts eifrig bemüht gewesen, die Verbindung
seiner Länder mit den Seehäfen und den grossen Stapel-
pl'ätzen des deutschen Binnenlandes zu erleichtern, ins-
besondere durch Schiff barmachung der mittleren Oder,
der Spree, Havel und unteren Elbe — er begann nach
Schiffbarmachung der Spree auch schon den Havel Oder-
kanal 1603*®) — , so wurde er jetzt, wo sich ein Haupt-
warenzug von Breslau bis in die Gregend von Frank-
furt a. O. zu Wasser, von da zu Lande bis an die Spree
und dann wieder zu Wasser über Berlin oder auch zu
Lande über Crossen, Frankfurt a. O., Fürstenwalde,
Berlin und Fehrbellin nach Hamburg und Lübeck be-
wegte, in diesem Streben noch bei weitem übertreffen von
dem grossen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Dieser Fürst
brachte in den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts das
Projekt einer Kanalverbindung zwischen Oder und Spree,
an dessen Verwirklichung sein Vorfahr Joachim IL ver-
geblich gearbeitet hatte, zur endlichen Ausführung. Er
benutzte dabei, von Müllrose ab, das untere Thal der
») XLV. A. 17.
*•) Röscher, System der Volkswirthschaft, 354.
36 Hennaiin Heller:
Sclilaube, das iu vorhistori^clier Zeit zum Abflüsse der
Oder uach der Spree diente, und glich die Terrainunter-
schiede durch neun Schleusen aus. Die Bedeutung- dieses
AA'erkes war um so grösser, als durch diesen sogenannten
neuen Graben oder märkischen Durchstich, wie
man den Fried rich-^Vilhelmskanal in den Urkunden
gewöhnlich bezeichnete, nicht nur Oder und Spree in
einander geleitet wurden, sondern zugleich eine ununter-
brochene Wasser Verbindung zwischen Breslau im oberen
Odergebiete und Hamburg an der Unterelbe auf kürzestem
Wege hergestellt ward. Das wussten auch schon die
Zeitgenossen des grossen Kurfürsten gehörig zu würdigen.
Im Jahre 1669 berichtete man nach Leipzig^'), der Trans-
port der schlesischen Gai-ne von Breslau auf der Oder,
dem Friedrich-Wilhelmskanal, der Spree, Havel und unteren
Elbe nach Hamburg komme bedeutend billiger zu stehen
als die Landfracht über Leipzig; über Magdeburg oder
selbst über Frankfurt a. O.; denn der Wasserweg von
BreslaiT über Berlin nach Hamburg sei nicht nur bedeutend
kürzer als die kostspielige „grosse Heerstrasse" über Leip-
zig, sondern führe auch noch früher zum Ziele als die
sogenannte kleine Heerstrasse über Magdeburg oder über
Frankfurt a. O. „Dazu komme noch" — so schrieb man
aus Görlitz am öl, Oktober 1669 '^j — , „dass man bei
Benutzung des , neuen Grabens' aus der Ost- in die ,West-
see* (Nordsee) gelangen könne, ohne den danischen Sund,
dessen Benutzung oft Schwierigkeiten mit sich bringe,
berühren zu müssen".
Kein Wunder, wenn unter solchen Umständen die
Schlesier und insonderheit die Breslauer (laut Bericht vom
15. Dezember 1671)*®) von der hohen Strasse über Leip-
zig nach Hamburg — trotz zugestandener Zollermässigun-
gen — nicht viel wissen wollten und mehr als der vierte
Thcil der polnisch -scldesischen Waren ^"), welche sonst
nach Leipzig kamen, von jetzt ab vermittelst der Oder,
des „märkischen Durchschnitts", der Spree, Havel und
Unterelbe über Berlin nach Hamburg gebracht wurde.
Was Leipzig dadurch verlor, das kam der branden-
burgischen Capitale an der Spree, deren Handelsrichtungen
") XLV. A. ic, fol. 197 ff.
»») XLV. C. 1.
*•) XLV. C. 1.
"') XLV. A. le, fol. 204 ff.
Die Haiulelswege Inner-Deutschlands im Ifi. — 18. Jahrh. etc. 37
sich jetzt auf Havel, Spree und Elbe aufwärts nach Sachsen
und Böhmen, niederwärts nach ^Magdeburg; Lüneburg,
Hamburg und Lübeck, auf der Oder aufwärts nach
Schlesien und Polen, abwärts nach Stettin und Pommern
erstreckten, in besonderem Masse zu gute. Berlin gewann
nunmehr eine selbständige Bedeutung für Handel und
Gewerbe und beherrschte in Zukunft mit Leipzig einen
Theil der Handelsstrassen im nördlichen Inner-Deutschland.
Dazu war diese Stadt sehr wohl geeignet, weil sie wie
Leipzig durch eine vortreffliche geographische Lage aus-
gezeichnet ist. War durch die Spree der ganze Süden
Brandenburgs, sowie ein Theil Sa- hsens und Schlesiens,
durch die obere Havel der Norden der Mark und ein
Theil Mecklenburgs, durch die untere Havel aber die Alt-
mark auf Berlin hingewiesen, so machte es seine günstige
Position zwisclien Elbe und Oder zur Mittelstation zwischen
Frankfurt a. O. und ^Magdeburg. Seine zentrale Stellung
endlich auf der 150 Meilen langen Verkehrslinie der Oder
(bis Frankfurt), des Friedrich- Wilhelmskanals, df r Spree,
Havel und unteren Elbe bestimmte es zum natürliclien
Vermittelungsplatze zwischen dem Hauptmarkte der oberen
Oder, Breslau, und dem grossen Stapelplatze der unteren
Elbe, Hamburg.
Je mehr Brandenburg bestrebt war, den schlesiscli-
polnischen Handel über Berlin nach der Nordsee zu leiten,
desto mehr suchte Leipzig den Verkehr auf seiner wich-
tigsten Stapelstrasse, von Hamburg über Lüne-
burg und Magdeburg herein nach Kursachsen,
in seiner bisherigen Mächtigkeit zu erhalten und vor jed-
weder Beschränkung zu bewahren. Das zeigte sich be-
sonders in der Glückstädter Zollangelegenheit im
letzten Viertel des 17. Jahrhunderts •*')•
Als nämlich Dänemark 1676 — 1678 und dann aber-
mals 1690 mit dem Gedanken umging, bei der holsteini-
schen Festung Glückstadt an der Unterelbe eine neue
Zollstätte zu errichten, setzte Leipzig, von dem dadurch
arg bedrohten Hamburg um seinen Beistand angegangen,
seinem Kurfürsten wiederholt, namentlich am 11. November
1676 und am 28. August 1690, auseinander, dass durch
jenen prätendierten Elbzoll nicht bloss Hamburg, sondern
auch Sachsen geschädigt werde; „denn alle Zölle kränkten
die Handlung". ^'N'enn bisher die meisten Commercia
»') XLV. D. i.
38 Hermann Heller:
aus eleu kaiserlichen Erblauden, aus Sclilesien, Polen etc.
nach Nieder Sachsen, Spanien, England, Dänemark, Liv-
land, „Moskau" und vornehmlich nach Holland über
Leipzig- und Hamburg vermittelst des Eibstromes trans-
portiert worden seien, so würden sich die Kaufleute bei
einem neuen Aufschlag der Waren an der Eibmündung
hüten, die Messen zu Leipzig, Naumburg und Frankfurt
a. O. fernerhin „zu bauen". Denn sobald die Güter in
Hamburg sich vertheuerten , müssten sie auch in Leipzig
im Preise steigen, weil die Leipziger Handlung von der
Hamburger dependiere. Die AA^aren direkt aus Hol-
land über Schwoll (Zwolle) oder Köln zu beziehen,
sei nicht gut durchführbar, weil einmal nicht alle Waren
von Holland, sondern auch viele von England über Ham-
burg kämen, ferner aber der weite Landweg von Schwoll
aus ebenso wie der Weg über Köln mit Benutzung des
Rheinstromes zu langwierig und zu kostspielig sei. Zudem
liege bei Gebrauch des letzteren die Gefahr nahe, dass
die Handlung auf Frankfurt a. M. abgelenkt werde. Den
Verkehr mit Holland und England aber nur über
Brauns chw ei g und Bremen zu unterhalten, sei sehr
gefährlich, weil sich dann der Handel überhaupt leicht
nach Braunschweig ziehen könne. Denn diese Stadt sei
„zu Wasser und zu Lande günstig situiert" — sie liegt
am Übergangspunkte der grossen nördlichen Handels-
strasse vom Khein zur Elbe über die vereinigte I^übeck-
Hamburger Strasse, die von hier aus in mehreren Armen
nach dem S. und SW. leitete, und an der früher schiff-
baren Oker — und halte seit 1675 resp. 1681 (bald
nach der Unterwerfung der Stadt durch Herzog Rudolf
August) auch zwei UniversabJahresmessen ab. — Durch
derartige Vorstellungen gewann Leipzig den Kurfürsten
von Sachsen , der in dieser Sache als Kreisoberster von
Obersachsen ein gewichtiges Wort mitzusprechen hatte,
für sein und Hamburgs Interesse. Und als zuletzt (am
17. August 1690) die Stadt Hamburg in einer Petition
an den Kaiser ausführte, durch den Glückstädter Elbzoll
werde mit Hamburg auch ganz Ober- und Niedersachsen
Schaden erleiden und der König von Dänemark einen
grösseren Einfluss im Reiche gewinnen; gegen O., S.
und W. sei Deutschland von festen Landmassen umgeben
und niu' im N. grenze es an das Meer; das Baltische
Meer mit seinen Ausgängen werde jedoch schon von
Dänemark beherrscht und der Weserstrom mit harten
Die Handelswege Inner-Deutsclilands im 16.— 18. Jahrh. etc. 39
Zöllen belastet; die Elbe bleibe als einzige Luftröhre des
Reiches gegen NW. hin übrig: da widersetzte sich auch
der deutsche Reichstag dem freventlichen Beginnen Däne-
marks. So wurde die ganze Glückstädter Zollfrage, die
so viel Staub aufgewirbelt hatte, zum Vortheil Hamburgs
und Leipzigs erledigt und der Bestand der Hamburg-
Leipziger Handelsstrasse von neuem gesichert.
So offen und energisch Leipzig in dieser Angelegen-
heit für einen ungehinderten Verkehr auf der Unterelbe,
namentlich zwischen Hamburg und der Nordsee, eintrat,
so lebhaft beklagte es sich über die frequente Schiff-
fahrt, die um jene Zeit — 1681 ff.®*) — auf der
Mittelelbe zwischen Pirna-Dresden einerseits und
Magdeburg andererseits betrieben wurde. Im Hin-
blick auf die beträchtlichen Massen von sächsischer, Lau-
sitzer, böhmischer und schlesischer Leinwand, welche in
Pirna und Dresden aufgestapelt und von dort auf der Elbe
direkt nach Hamburg verführt wurden — ohne Leipzig zu
berühren — , im Hinblick auf die bedeutenden Mengen von
spanischen Weinen, Juchten, Spezereien, Fischen und an-
deren Stapelwaren, welche aus den nordischen Seestädten
per Schiff* nach jenen sächsischen Eibstädten zurückgingen,
um von hier aus den Bedarf Böhmens, Mährens und Öster-
reichs zu decken**^), konnten die Leipziger ein lebhaftes
Bedauern darüber nicht unterdrücken, dass ihre Stadt nicht
auch an einem schiffbaren Flusse oder „an einem solchen
Passe läge, wo niemand vorbeipassieren könnte"***).
Ernstlicher als durch diese Vorgänge sollte Leipzig,
ja das ganze mittlere Deutschland, im Bestände seiner
Handelsstrassen gefährdet werden, als um 1680 im mitt-
leren Eibgebiete eine grosse Pest ausbrach, die die
Warenzüge einige Jahre ganz aus jener Gegend ver-
scheuchte, und theilweise für die Dauer in neue Bahnen
lenkte.
Bereits am 7. Januar 1681 musste Kurfürst Johann
Georg HI. von Sachsen wegen der in Leipzig und anderen
mitteldeutschen Ortschaften herrschenden „Contagion"
für die von Breslau durch Kursachsen gegen
Oberdeutschland handelnden Kaufleute eine neue
") XLV. A. le, fol. 204.
«*) XLV. G. <;b, fol. 44 und 46 („Bericht an die kursächs. Re-
gierung sub dato Leipzig, am 23. März 1681" fol, .37— 131).
•*) XLV. A. le, fol. 204 („Ursachen der abnehmendeu Hand-
lung und gekränkten Niederlage, 1681").
40 Hermann Heller:
Reiseroute aufstellen, welche in Bezug auf die Pest ge-
fahrlos zu passieren war. Sie führte mit Umgehung
Leipzigs und der in Meissen an der sogenannten hohen
Strasse gelegenen Ortschaften von Breslau auf Lissa,
Neumarkt, Liegnitz, Hayna (Haynau), Bunzlau, Görlitz,
Reichenbach, Bautzen, Ortrand, Strehla, Diiben, Delitzsch,
Merseburg, Naumburg, Jena etc. — In demstdben Jahre
musste es der Kurfürst wegen der in Sachsen hausenden
Pest den Oberlaii sitzer Leinwandhändlern naclisehen, dass
sie ihre Manufakturen, die sie sonst auf den Eibstrom
oder nach Leipzig brachten, nach Berlin verführten**).
Bald darauf sperrte Böhmen den Verkehr mit dem
Vogtlande«').
Die grösste Gefahr drohte jedoch die Contagion der
von Hamburg über Leipzig nach Nürnberg führen-
den Heerstrasse zu bringen**').
Li Bayern, Bamberg, Ansbach -Baireuth und Nürn-
berg verbot man wegen der Pest 1682 den Besuch der
Leipziger Michaelismesse. Am 4. November 1682 schrieb
die bayerische Regierung an den Kurfürsten von Sachsen,
auf der von Nürnberg über Bamberg, Coburg, Saalfeld,
Camburg, Naumburg und Lützen nach Leipzig führenden
Ordinarstrasse müssten die infizierten Orte Camburg,
Naumburg und Lützen umfahren und an deren Stelle
Jena, Eisenberg und Zeitz in die Route aufgenommen
werden. Zugleich erbat sie sich Aufschluss darüber, ob
man Bedenken gegen diese zum Theil veränderte Land-
strasse von Leipzig nach Nürnberg trage; welche Be-
wandtnis es mit der Contagion in Leipzig, Naumburg,
Camburg und Lützen habe; ob es, um ein Einschleppen
der Pest von Niedersachsen aus, wo noch mehr Orte in-
fiziert seien als in Obersachsen, zu verhindern, nicht ge-
rathen erscheine, die Waren aus dem pestfreien Holland,
Danzig und Hamburg durch die bis dato noch nicht in-
fizierten lüneburgischen und braunschweigischen Lande
zu führen; welche Orte Niedersachsens infiziert seien,
welche Vorsichtsmassregeln man dort gegen die Seuche
getrofi'en, und wie man die angesteckten Orte zu umgehen
gedenke. Denn wenn Sachsen keine pestfreie Strasse
von Nürnberg über Leipzig nach Hamburg aus-
«>) XLV. A. 16b, fol. 1 ff.
") XLV. A. 13, fol. 12.
•') Ebenda.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16. — 18. Jahrh. etc. 41
findig inachen könne, bemerkte Kurbayern in seinem
Sclireiben weiter, so werde man in Zukunft Leipzig gar
nicht mehr berühren, wenn man zwischen Hamburg und
Nürnberg verkehre, sondern eine neue pestfreie Route
Aveiter im W, suchen. Diese sollte — nach einem eben-
falls unterm 4. November 1682 datierten Schreiben Bayerns
an Braunschweig-Lüneburg und Hamburg — von Nürn-
berg aus mit Benutzung des Regnitz-, Main- und Werra-
thales über Bamberg, Coburg, f^isfeld, Tliemar, Wa-
sungen, Marksuhl, Allendorf und Witzenhausen zwischen
dem thüringischen und liessischen Berglande hinführen,
dann unter theilweiser Benutzung des Leinethaies über
Göttingen, Northeim, Gandersheira und Hildesheim
zwischen dem Harz- und dem Wesergebirge hindurch-
gehen und endlich über Peine, Celle und Winsen in der
norddeutsclien Tiefebene Hamburg erreichen. Um eine
derartige Verlegung der belebtesten Handelsstrasse Inner-
Deutschlands zu verhindern, setzte Leipzig alle Hebel in
Bewegung. Bereits unterm 30 November 1682 machte
es der Regierung zu Ansbach -Baireuth Vorschläge, wie
man künftighin unter Beibehaltung der wichtigsten Strasse,
die seit vielen Jahren von Hamburg über Leipzig nach
Nürnberg führe und den Handel der Ansbachschen Lande
nicht nur, sondern ganz Deutschlands begünstige, Personen
und Waren ohne Gefahr der Contagion aus Niedersachsen
„ins Reich" bringen könne, indem es verschiedene neue
pestfreie Routen fixierte, welche für die nächste Zeit von
Leipzig sowohl nach Nürnberg wie nacli Hamburg führen
sollten. Die Strasse von Leipzig nach Hamburg
sollte während der Contagion entweder in gerader
nordwestlicher Richtung über Landsberg, Bernburg, Gross-
wanzleben, Weferlingen, Vorsfelde, Wittingen, Wieren,
Bienenbüttel, Lüneburg und Winsen oder, wenn die
lüneburgischen Lande geschlossen wären, in einem ^öst-
lichen Bogen über Dessau und Rosslau oder Düben, Kem-
berg und Wittenberg, ferner über Alt- Brandenburg,
Wusterhausen, Kyritz, Neustadt, Wittenburg, Buchen und
Bergedorf, also durch Brandenburg und Mecklenburg,
ziehen. Die Route von Leipzig nach Nürnberg
wollte man über Zwenkau, Langendorf, Gera nach Schleiz
und von hier aus entweder über Gefeil, Hof, Münchberg,
Gefrees, Berneck, Baireuth, Kreussen und Gräfenberg
oder, wenn auf dieser Strasse „der tiefen Wege halber"
grosse Frachtwagen nicht gut fortkommen könnten, über
42 Hermann Heller:
Nordlialben, Cronacli, Lichtenfels, StafFelstein , Bamberg,
Forchheim und Erlangen lenken. Diese neuen Routen,
berichtete der Leipziger Ratli weiterliin, könne man ohne
alle Gefahr befahren, da Leipzig selbst von der Seuche
befreit sei und etwaige noch infizierte Orte in Ober- und
Niedersachsen streng abgesperrt würden. Deshalb müsse
die baireuthische Regierung dahin zu wirken suchen, dass
nicht nur die alte Strasse von Hamburg über Leipzig
nach Nürnberg beibehalten, sondern auch der rigorose
Bann aufgehoben und das Offnen der Pässe von neuem
vorgenommen werde.
Am ",'9. Dezember 1682 ersuclite die säclisische Re-
gierung auf Anregung Leipzigs auch Kurbayern, „von
der neuerlich in Vorschlag gebrachten Route Nürnberg
via Göttingen- Harn bürg abzustehen und Kursachsen
nicht auszuschliessen von dem gemeinsamen Verkehre,
an dem es wie Bayern seit undenklichen Zeiten theil-
genommen habe". Denn wenn man die Waren von
Hamburg, Nürnberg und Frankfurt a. M. nicht mehr über
Leipzig bringe, dann werde dem Handel des sächsischen
Landes der Todesstoss gegeben. Auf den vom Leipziger
Rathe in Vorschlag gebrachten Routen zwischen Leipzig
und Nürnberg, Leipzig und Hamburg könne man alle
noch infizierten Orte bequem umgehen. Zudem würden
in Leipzig ankommende verdächtige Personen und Waren
strengstens untersucht, ehe man sie weiter gehen lasse.
Hierauf salien Bayern und seine süddeutschen Nach-
barstaaten von der Benutzung der Strasse über Eisfeld
und Göttingen, wobei Kursachsen umfahren worden wäre,
ab und acceptierten die von Leipzig vorgeschhigenen pest-
fieien Routen von Hamburg über Leipzig nach Nürnberg,
die neben den alten Ordinarstrassen einstweilen zu Recht
bestehen sollten. Nur wünschte Bayern, dass beim Trans-
port der Waren und Personen auf der neuen Heerstrasse
die grösste Vorsicht angewendet würde; denn an eine
vollständige Aufhebung des Bannes könnte man erst dann
denken, wenn die Pest ganz verschwunden sei Ungehin-
dert sollten in Bayern nur eingehen: Eisenwerk, Kupfer,
Zinn, Messing, Blei und Erz, während Federn, Betten,
gebrauchte Leinwand, Pelzwerk, Leder, Hausrath einer
besondern Quarantäne unterworfen werden inüssten, ehe
sie Einlas« fänden. Kaufleute aus Augsburg, Nürnberg
etc. aber, welche von Leipzig, Hambui-g, Danzig, Braun-
ßchweig, Lüneburg etc. kamen, hatten den obrigkeitlichen
Die Haiulelswege Inner-Deutschlauds im 16.— 18. Jahrb. etc. 43
Nachweis beiziibiiugen, dass sie 40 Tage lang mit keinem
infizierten Orte in Berührung gekommen waren, wenn sie
Bayern passieren wollten.
Die mannigfachen Auswege, welche man den Fuhr-
leuten während der Contagion in Inner- Deutschland ge-
statten musste, hatten theilweise auch in der Folgezeit
Bestand.
Die Lausitzer Le'inwandhändler wollten auch
nach Beseitigung der Pest von dem Wege über Leipzig
nach Hamburg nichts wissen**), indem sie vorgaben^
Lüneburg lasse ohne Quarantäne niemand passieren.
Leipzig wies ihnen in einer Eingabe an den Kurfürsten
vom 21. April 1682 einen Weg von Leipzig über Zerbst,
Loburg, Genthin, Havelberg, Perleberg, Neustadt und
Bergedorf an, auf welchem täglich von Leipzig aus Kauf-
mannsgüter, insonderheit aber neben den Landtuchen die
Leinwände von Kolditz, Rochlitz, Mittweida, Hartha,
Leisnig, Waldheim, Döbeln, Geringswalde, Freiberg, Hart-
mannsdorf, Lengenfeld, Augustusburg, Wolkenstein,
Zschopau etc. nach Hamburg gebracht würden. Zugleich
gab es den Lausitzern zu verstehen, dass sie über den
Lieferungskontrakten mit den Hamburgern und Englän-
dern die solidere Kundschaft der Schweizer und „derer
im Reiche" nicht vernachlässigen möchten, damit diese
sich schliesslich nicht ganz von Sachsen weggewöhnten
und ihre Bedürfnisse nur noch in dem jetzt mit der Lau-
sitz konkurrierenden Schwaben und Bayern befriedigten.
Denn da nach Ausweis der gedruckten Liste der hollän-
disch-ostindischen Kompagnie alljährlich viele tausend
Stück Leinwand auf die nordischen Märkte gebracht
würden, so könne leicht einmal der Fall eintreten, dass
die Lausitzer Leinwand auf diesen keinen Absatz meiir
finde. — Die Kaufleute von Görlitz, Budissin und Mark-
lissa kehrten sieh jedoch nicht an die von Leipzig aus
gemachten Vorstellungen, sondern sandten — einer Be-
schwerde der Leipziger vom 20. Oktober 1682 zufolge®^) —
ihre Leinwand fortgesetzt über Berlin nach Hamburg
und nahmen dort süsse Weine, Jucliten, Indigo, Tabak,
Spezereien etc. „nur zu Nutz und Frommen einiger Ham-
burger und englischer Faktoren, welche eine direkte Ver-
bindung mit dem Bestimmungsorte anzuknüpfen suchten''^
«•) XLV. G. 6a, fol. 9.3 S.
•') XLV. A. le, fol. 217.
44 ITermann Heller:
in Rückfracht; wenn sie aber llire ^A'^aren nach Südwest-
deutschland und nacli der Schweiz verführten, so brachten
sie dieselben niclit über Leipzig", sondern Hessen sie über
Prag nach Nürnberg, Augsburg etc. gehen.
In demselben Jahre ordinierten auch die Polen „ins
Reich" '% dass man die Güter von da und absonderlich
aus Nürnberg nicht über Leipzig, sondern über Berlin
oder Frankfurt a. O. und Posen nach Polen ver-
senden solle. Und wenn die Polen dennoch auf Leipzig
kamen, so mngingen sie wegen des Bautzener Zolles die
privilegierte hohe Heerstrassc, welche von Breslau aus
über den Queis und durch die Oberlausitz nach Leipzig
führte, und fuhren, einen weiten Umweg nicht scheuend,
von Lemberg, Lublin und Krakau in der Richtung über
Posen, Meseritz, Frankfurt a. O., Müllrose, Beeskow,
Lublin, Luckau, Herzberg, Torgau und Eilenburg.
Diese Abweichungen von den althergebrachten Zoll-
und Handelsstrassen konnte Kurfürst Johann Georg HL
von Sachsen auch nicht dadurch verhindern, dass er
1684"), wo „die leidige Contagion" nicht melir zu fürchten
war, den Bann von derselben förmlicli aufhob; dass er
„die Passage der ins Reich geltenden Leinwand" über
Prag und Nürnberg, welche Johann Georg I. 1644, als
Leipzig von feindlichen Truppen besetzt war, durch eine
Interimskonzession gestattet liatte, verbot und nur diejenigen
Oberlausitzer Waren, welche in dem benachbarten Böhmen
selbst konsumiert werden sollten, über Prag gehen lassen
wollte; dass er endlich das Mandat bezüglich der hohen
Strasse aus Polen und Schlesien nacli Meissen, Thüringen
und Sachsen erneuerte und den Fuhrleuten, welche den
Queis nicht berührten, auch die Benutzung der nach
Leipzig führenden Niederstrasse von Sagan über Muskau,
Spremberg, Liebenwerde, Torgau und P^ilenburg offiziell
gestattete'^).
Bereits 1687 beschwerten sich die Leipziger von
neuem'*), dass von Breslau und Zittau aus Leinwand
über Prag ins Reich und gegen Italien gebracht
werde; dass'*) Görlitz, Zittau und Bautzen ihre Güter
'«) XLV. G. Ca, fol. 110.
") XLV. A. 16b, fol. 1.
'*) Vergl. auch Schönwälder, Die hohe Laiidstrasse durch
die Oberlausitz im Mittelalter, N. Lausitz. Mau. LVI, 354.
'») XLV. G. 6a, 186 (Leipzig, am 2. Dezember 1687).
'*) Ebenda.
Die Handelswege Iniier-Deutschlands im 16. — 18. Jahrh. etc. 45
über Berlin nach Hamburg scliicktcn. 1696 aber
klao'ten sie, dass'*) die schlesische Leinwand- und Schleier-
handluug, welche vornuils durch Sachsen gegangen, seit
der anno 1680 entstandenen Contagion entweder über
Prag ins Reich oder über Frankfurt a. O. und Ber-
lin nach Hamburg gezogen worden sei. Denn was von
Breslau, Liegnitz, Hirschberg, Landshut, Schmiedeberg
etc. komme, bewege sich jetzt (1696), wenn nicht über
Prag nach Nürnberg etc., entweder zu Wasser auf der
Oder, dem Friedrich -Wilhelmskanai, der Spree, Havel
und unteren Elbe, oder zu Laude über Freistadt und
Glogau oder Löwen])erg '*), Sagan, Dürr - Naumburg
(a. Bober), ferner über Crossen, Frankfurt a. O., Berlin,
Fehrbellin, Wusterhausen, Kyritz, Neustadt, Wittenburg,
Buchen und Bergedorf nach Hamburg.
Andererseits suchte das mächtig aufstrebende Reichen-
bach im Vogt lande") nebeif den sächsischen Tuchen
aus Hainichen, Rosswein, Öderan, Chemnitz, Zschopau,
Stollberg, Zwickau, Marienberg auch schlesische Tuche
— statt über Leipzig — auf dem näheren Wege über
Dresden, Freiberg, Chemnitz und Zvnckau zu sich zu
ziehen und, einer Beschwerde des Leipziger Rathes vom
7. April 1683 zufolge'^), eine direkte Handels Verbindung
mit Hamburg über Halle und Magdeburg — also wieder
mit Umgehung Leipzigs — zu gewinnen. Kurfürst
Johann Georg III. liess zwar auf Leipzigs Betreiben
sub dato Dresden, am 26. April 1684 an die Reichen-
bacher Kunstfärber und vogtländischen Handelsleute den
Befehl ergehen, ihre Waren, zu denen besonders Farbe
gehörte, in Zukunft wieder in Leipzig und nicht über
Magdeburg und Halle in Hamburg zu holen. Allein noch
1687 ging — den „Gravamina der Leipziger Kaufmann-
schaft au den Ratli" zufolge'^) — Tabak von Hamburg
über Magdeburg, Halle, Merseburg, Weissenfeis und Zeitz
oder Eisleben, Naumburg und Gera nach Reichenbach,
Zwickau, Chemnitz und ins Gebirge, während Bleche auf
demselben Wege nach Hamburg -gebracht wurden.
") XLV. G. 6c, fol. 1 ff.
'•) XLV. A. 16b.
") Ebenda.
'«) XLV. A. le, fol. 238 (Befehl vom 26. April 1686, dass die
Reichenbächer Kunstfärber und Handelsleute ihre Farbe und
Waren in Leipzig holen sollen).
'») XLV. G. 6a, fol. 186—194 (Leipzig, am 2. Dez. 1687).
46 HermRnii HpIIpf;
Leipzig konnte diese von seinem Stapel abweicliende
Verkehrsrichtung im SW. ebenso wenig beseitigen, wie
seinerzeit die Handelsstrasso von Breslau über Frankfurt
a. O. und Berlin im NO. ; denn seitdem Magdeburg und
Halle zu dem politisch massgebenden Brandenburg-Preussen
gehörten, hatten sich diese Städte und ihr Verkehr der
wohlwollenden Fürsorge ihres Landesherrn ebenso sehr
zu erfreuen, wie Leipzig und sein Handel der des säch-
sischen Kurfürsten. Ja im letzten Dezennium des 17. Jahr-
hunderts suchte Kurfürst Friedrich HL von Brandenburg
(der spätere König Friedrich L von Prcussen) „aus be
sonderer Fürsorge für seine Stadt Halle" den Handel
aus Thüringen, selbst von Franken und vom Vogtland(^
her, über Halle und Magdeburg nach der Mark und nach
Hamburg hin noch mehr zu beleben, indem er das schon
wiederholt aufgetauchte Projekt, die Saale schiffbar
zu machen und so eine ununterbrochene Wasserverbin-
dung zwischen Halle und Magdeburg herzustellen, schliess-
lich verwirklichte.
Von den Hamburgern wesentlich unterstützt, begann
Friedrich HI. 1694 mit dem Schleusenbau in der so-
genannten Magdeburgischen Saale (zwischen Halle und
der Mündung) *"). Durch dieses Vorhaben Kurbranden-
burgs sah sich Leipzig in seiner Stapelgerechtigkeit schwer
verletzt; in seinem Handel arg bedroht. In seiner Noth
nahm es seine Zuflucht zu seinem Landesherrn. In einem
ausführlichen Bericht über die heikle Sache vom 21. Fe-
bruar 1695 setzte es diesem auseinander, warum man eine
Saaleschiffahrt und damit verbundene Hallische Nieder-
lage sächsischerseits in keinem Falle gestatten dürfe.
„Während bisher", so berichtete der Leipziger Rath dem
Kurfürsten, „Leipzig nicht nur das Herz von den um-
liegenden Landen war, sondern auch Polen, Schlesien,
Böhmen, Mähren, Österreich, Bayern, Schwaben, Franken,
Thüringen, Niedersachsen, Pommern hier ihre Waren
holten, so würden bei Oestattung der Saaleschiffahrt die
Manufakturen und Kommerzien in die kurbrandenbur-
gischen Lande gezogen werden, wozu schon der märkische
Durchschnitt aus der Oder in die Spree, die neuerlich
errichteten Messen zu Magdeburg, die clurch ganz Branden-
burg mit grossen Kosten erbauten Fabriken und endlich
die seit einigen Jahren bestehende Niederlage von Weinen,
•») XLV. D. 2.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16.— 18. Jahrb. etc. 47
Fiscliwaren, anlialtischer AVoile etc. zu Halle Veranlas-
sung- gegeben. Snl)al(] die Hallisclie Scliiflfalirt in stand
gesetzt sei, werde man nicht nur Holz, Hallisches Salz,
Wettiner Kohlen mit besserer Menage nach Hamburg,
Holland, nach der Mark, nach Pommern und Preussen
vertreiben, sondern auch allerhand AVaren aus Hamburg,
Holland, aus der Mark etc. auf dem billigeren AA'asser-
wege über INIagdeburg nach Halle bringen, mit dem Leip-
zig, das seine fremdländischen Waren per Achse beziehe,
dann nicht mehr konkurrieren könne. Habe man schon
jetzt niederländische imd anhaltische Wolle, vogtländische
Eisen- und Blechwaren und sächsische Leinwand, nament-
lich aus Hohenstein, direkt nach Halle geführt, so werde,
wenn eine ununterbrochene Schiffahrt zwischen Hamburg
und Halle hergestellt sei, der ganze Harz, Thüringen und
das Vogtland, ja selbst Franken und das Erzgebirge,
dauernd an den Markt von Halle gekettet werden. Des-
halb dürfe man die Hallische SaaleschifFahrt um keinen
Preis gestatten."
Mit richtigem Blick erkannte Leipzig die Gefahr, die
ihm von Halle, das mit seinen Verkehrswegen konkurrierte
und vor ihm die Lage an einem schiffbaren, zum Ozean
führenden Gewässer voraus hatte, in der Leitung des inner-
deutschen Verkehrs, namentlich im W. und SW., drohte.
Der Kurfürst von Sachsen richtete hierauf in dieser
Angelegenheit ein Abmahnungsschreiben an Friedrich LH.
von Brandenburg, erhielt jedoch von diesem (Colin
a. d. Spree, am 2L Mai 1696) zur Antwort: Handel und
Wandel zu treiben, sei „jure gentium" einem jeden er-
laubt ; er (der Kurfürst von Brandenburg) könne in seinem
Magdeburger Territorio solche Anstalten treffen, wodurch
die Salus et utilitas publica im Handel und Wandel be-
fördert werde.
,, Sollten aber", so heisst es dann iu dem interessanten Schrift-
stücke wörtlich, „Ew. Lbd. etwa auf das kayserl. Privilegium ihrer
Stadt Leipzig das Ansehen haben, darinnen deroselben drey Jahr-
märkte, Stapel und Niederlage confirmiret wurden, so ist wohl nichts
weniger als dieses anhero applicabel. Denn wir begehren nichts von
denen drey Jahrmärk;eu, Messen und Niederlagen, worauf bemelte
Stadt Leipzig innerhalb 15 Meilen das jus prohibendi prätendiret;
wir intendiren auch nicht, diejenigen, welche die obberührten drey
Jahrmärkte oder Niederlagen besuchen wollen, mit ihrer Haab und
Gütern in Zu- und Abziehen aufzuhalten, zu verhindern, zu beschä-
digen oder ihnen die Strassen zu sperren, noch sonst etwas einzu-
führen, so den vorgemelten Jahrmärkten und Niederlagen zu Abbruch
und Schmälerung gereichen möchte. Dass wir aber den Saalstrohm
48 il ermann Heller:
in Unserem Ilerzogtlium Magdeburg ad navigandnm darum nicht
sollten instruiren können, weil Leipzig drey Messen oder Nieder-
lagen des Jahres hat, solches ist dermassen unerlindlich, dass wir
nimmermehr glauben können, dass Ew. Lbd. ihm iemals dergl. irriges
Principium werden beibringen lassen."
Zwar klagte Leipzig' am 15. September 1697 seinem
Kiiriürsten abermals: Wenn die SaaleschifFahrt vollständig
eingerichtet sei, werde Magdeburg den gesamten Ge-
treideliandcl Inner-Deiitschlands auf sich lenken und mit
Halle den Hauptv(;rkchr der sächsisch-thüringischen Länder
nach Hambury; vermitteln. Allein es erreichte damit
ebenso wenig wie seiner Zeit mit seinen Klagen gegen
den brandenburnischen Durchstich zwischen Oder und
Spree und die Eröffnung der Schiffahrt aus der mittleren
Oder in die Spree, Havel und untere Elbe: die Saale-
schifFahrt begann sich Icräftig zu entwickeln. 1699 raussten
es die Leipziger ruhig geschehen lassen*'), dass die Ham-
burger und Magdeburger Thran, Honig und viele andere
Güter die Elbe und Saale herauf nach Halle und von dort
weiter zu ^Vasser auf die Petri-Pauli-Messe zu Naiuiiburg
brachten.
So erlangten neben den alten Landhandelsstrassen,
die ihren Hauptstapel in Leipzig hatten, in der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts auch die ncugebalmten Wasser-
wege ihre kommerzielle Bedeutung und sicherten Berlin
und Halle, vor allen Dingen aber Magdeburg, das, schon
lange bedeutend durch seinen Getreide- und Holzhandel,
jetzt auch im Handel mit Kolonialwaren sich hervorthat,
eine hervorragende Stelkmg im Handel Liner- Deutschlands
neben Leipzig. —
Wenn wir alle diese Handelswege Inner-Deutschlands,
welche im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts zur Geltung
kamen, in ihrer Gosamthoit unter einander vergleichen,
so haben wir einen wesentlichen Unterschied zu machen
zwischen den Verkelirswegen , welche über das unebene
Hochland führten, und denjenigen, welche im flachen
Tieflande hinzogen. In den bergigen Landschaften
des innern Deutschlands, wo das Fortkommen oft
nur mittelst gewisser einzelner Passagen möglich war,
führten die Wege häufig nur innerhalb schmaler Grenzen
hin, so dass ein Abweichen von denselben nach links
und rechts nur selten vorkommen konnte. Daher die
') XLV. A. le, fol. 242—255.
Die Hanclelswege Inner-Deutschlands im 16.— 18. Jahrh. etc. 49
vereinzelten Abweichungen von den Leipziger Stapelstrassen
von Frankfurt a, M., Nürnberg und Prag, soweit sich
dieselben nicht in der Ebene hinzogen, im Laufe des
17. Jahrhunderts! — In den flachen Niederungen des
nördlichen Inner-Deutschlands dagegen fanden solclie Be-
schränkungen des Verkehrs nicht statt, wenn man nicht
etwa Bruch- und Sumpfötriche in Betracht zieht, denen
auf Umwegen leicht auszuweichen war. Daher die grosse
Mannigfaltigkeit der Handelslinien im norddeutschen Tief-
lande schon während des 17. Jahrhunderts!
Indem das Tiefland Inner-Deutschlands im Gegensatz
zu seinen Gebirgsgegenden durch geringere Individuali-
sierung des Bodens ausgezeichnet ist und deshalb für die
Wahl der Verkehrswege von jeher eine grössere Freiheit
gestattete, so wird die Untersuchung, die Richtung der
Handelsbahuen in ihren Uranfängen auf einfache Grund-
ursachen zurückzuführen, etwas erschwert. Es scheint
sogar zuweilen, als ob bei ihrer Anlage Willkür und
Laune obgewaltet hätten. Dieser Schein schwindet indess,
wenn man sie einer wiederholten vergleichenden Betrach-
tung unterzieht. Als natürliche Verkehrsbahnen des Tief-
landes kommen in erster Linie die Flüsse in Frage, die
gemäss der BeschaflPenheit ihrer Uferstriche zugleich An-
siedlungen zu Handels- und Verkehrszwecken begünstigten.
Das Bedürfnis wechselseitiger Abhängigkeit jeuer Plätze
bei steigender Wichtigkeit, das Bedürfnis von Stapelplätzen
im Innern des Landes veranlasste dann die Anlage von
Strassen sowohl in der Richtung nach diesen wie zwischen
ihnen selbst.
Wenn diese alten Landstrassen der Ebene zu-
weilen in weiten Bögen und Krümmungen von der geraden
Linie abweichen, olnie dass Berge, Gewässer oder sonstige
Hindernisse sichtbar werden, die solches als nothwendig
erscheinen lassen, so kann man hierin nicht eine wunder-
liche Laune der früheren Bewohner, welche die Strassen
ursprünglich anlegten, erblicken. Vielmehr ergibt sich
bei genauerer Untersuchung dieser eigenartigen Erschei-
nung, dass an Stellen, au denen vielleicht gegenwärtig
innerhalb der Bögen ■ und Krümmungen zur Seite der
alten Handelsstrassen fruchtbarer Ackerboden sich aus-
dehnt, einst undurchdringliches Sumpf- und Bruchland zu
finden war oder selbst grössere oder kleinere Gewässer
standen, deren altes Bett jetzt kaum noch durch wahr-
nehmbare Vertiefungen angedeutet wird. Am deutlichsten
üeues Axciliv 1. S. U. u. A. V. 1. 2. *
50 TTormiiiiii Heller:
zeio"t sich das in Ost- und AVostliavellaiul und in Zauclio-
Belzig in der Mark P)randenl)iirg-. — In den älteren ge-
schichtlichen Zeiten bildeten die alten, von O. nach W.
gerichteten Flusslänfe mit ihren Versumpfungen, Lachen
und Seen ein wesentliches Hindernis für den Verkehr;
nur wenige Übergänge hatten dieselben aufzuweisen.
Jetzt sind sie meist durch Kanalisierung und Trocken-
legung für den Anbau gewonnen worden. Gleichwohl
lassen sich die alten Ül)ergangspunkte thirch die an ge-
eigneten vStellen angelegten Städte mit ilircn Brücken,
Dämmen, Befestigungswerken auch heute noch recht deut-
lich erkennen.
iir.
Das 18. Jahrhundert.
Die Abhäni;io;keit von holländischem (xelde, englischer
Gewerbekraft und iVan/ösischer Modeherrschaft, in die
ganz Deutschland mit dem Anfange des 17. Jahrliunderts,
vor allen Dingen aber durch den .^iOjnhrigen Krieg ge-
rathen war, machte sich auch im 18. Jahrhundert noch
bemerkbar. Hamburg und Bremen verharrten zunächst
noch im Anschhisse an die beiden herrschenden Handels-
mächte Holland und England. Zugleich entspann sich
jedoch mit dem Beginne des 18. Jahrhunderts ein un-
mittelbarer, reger Verkehr Hamburgs mit Frankreich,
das seinen Kolonien eine freiere Bewegung gewährt und
dadtn'ch das Wachsthum imd die Produktionskraft der-
selben ausnehmend erAvcitert hatte. Hamburger Schiile
l)esuchten in grosser Anzahl Bordeaux und andere fran-
zösische Häfen mid holten dort ausser französischen Weinen,
deren Genuss in Norddeutsch laud jetzt innner allgemeiner
wurde und den Khcinwein v> rdrängte, Zucker, Kaffee,
Indigo imd andere Kolonialwaren , f(;rner Fabrikate,
namentlich Luxus - und Galanteriewaren. Daneben hob
sich Hamburgs Industrie, und da diese Stadt die Erzeug-
uisse derselben billiger zu iiefei*n vermochte als das mit
Abgaben belastete Holland, so konnte Hamburg bald in
Portugal und Spanien, in Frankreich und selbst auf dem
altbestrittenen Felde des Nordostens mit jenem konkurrieren.
Die Handelswege Inner-Deutschlaiuls im 16.— 18. Jahrb. etc. 51
Dieser Bezug der Kolonialwaren auf geradem Wege
und auf eigene Rechnung, der in innigster Verbindung
stand mit dem unmittelbaren Absätze deutscher Gewerbs-
erzeugnisse, hatte natürlich wieder eine ausserordentliclie
Rückwirkung auf den Handel Hamburgs und theilweise
auch Bremens und ihre Wege ins Innere des deutschen
Reiches zur Folge: der holländische Kolonialhandel wurde
immer mehr von O. nach W. zurückgedrängt. Dafür
bewegten sich jetzt die Warenströme von Hamburg und
Bremen aus strahlenförmig in südlicher, südöstlicher und
südwestlicher Richtung nach Deutschland herein.
Bremen liandelte über Verden und Celle, Minden und
Münden im Wesergebiet bis nach Obersaclisen und ins
rheinische Oberdeutschland herauf, ferner durch Westfalen
bis in die seither ganz an Holland gebundenen nieder-
rlieinischen Gegenden. Hamburg hingegen versandte
seine Waren entweder über Lüneburg nnd Brauuschweig
oder (an der Elbe und Saale herauf) über Magdeburg
und Halle, Leipzig und Dresden, durch das aufblühende
sächsische Industriegebiet hindurch, bis Böhmen, Franken,
Bayern, Schwaben, ja bis in die Schweiz hinein, oder
vertrieb sie mittelst der Havel und Spree, durch die
mecklenburgischen Lande und brandenburgischen Marken
hindurch nach Pommern, Schlesien und Polen.
Dazu trat im 18. Jahrhundert auch das Mittelmeer
durch das mächtig emporstrebende Tri est wieder in engere
Verbindung mit dem inneren und nördlichen Deutschland.
So entstanden jetzt direkte Handelswege zwischen den
deutschen Nordseestädten und diesem Hafenplatze des
deutschen Südens. — Diese führten ebenso wie der
Haupt Warenstrom Hamburgs über die wichtigste Handels-
stadt des inneren Deutschlands, über Leipzig, das, vor
allen deutschen Handelsplätzen ausgezeichnet durch die
kaufmännische Gewandtheit und Thätigke:t, durch die
Feinheit der Sitte und des Geistes seiner Bewohner, jetzt
erst recht ein Sammelplatz für die Arbeiten und Erzeug-
nisse der Hände und des Geistes wurde. Mit dem An-
fange des 18. Jahrhunderts erwählte der deutsche Buch-
handel immer mehr das günstig gelegene Leipzig, dessen
Messen jetzt A^^eltruf erlangten, zu seinem Hauptsitze,
während in Meissen eine Porzellanfabrik erstand, in Chem-
nitz die Baumwollenweberei in Flor kam und die ge-
samte sächsische Industrie im Laufe des 18. Jahr-
hunderts einen Aufschwung nahm, wie er andei'swo in
52 Hermann Heller:
Deutschland, Berlin etwa ausgenommen, nirgends erreicht
wurde.
Diese Umstände machen es begreiflich, warum auch
im 18. Jahrhundert die Haupthandidsstrassen Inner-Deutsch-
lands durch Kursachsen führen und in dessen Handels-
metropole Leipzig ihren wichtigsten Kreuzungspunkt finden
mussten. Diese Stadt beherrschte fortgesetzt die Haupt-
handelswege nach Hamburg, Frankfurt a. M. und
Nürnberg nicht nur, sondern suchte auch die wichtigen
Zweigbahnen, welche den Hamburger Verkehr im
Spree- und Oderthal und den Bremenschen Handel im
"\A''esergebiet mit dem Hauptwarenzuge im Eibgebiet
verknüpften, in seinen Stapel zu ziehen und das gewerb-
fleissige Schlesien im SO., das produktenreiche Böhmen
im S. und das rührige Thüringen im SAV. dauernd an
seinen Markt zu ketten.
Aus diesem Grunde wurden zunächst 170'2 — 1705 auf
Veranlassung Leipzigs zwischen dem Dresdener und A\'iener
Hofe Berathungen „bez ilg li ch Wied erhers tellung der
liohen Strasse aus Polen und Schlesien durch die
Oberlausitz nach Leipzig etc." gepflogen"), wobei
man sein Augenmerk namentlich auf Beseitigung der
Abwege durch die INIark Brandenburg richtete. Man
scheute sich jedoch, Verfügungen zu treffen, die Preuasen,
das „den neuen Graben" geschaff'en hatte, um den polnisch-
schlesischen Warenstrom über Berlin nach Hambui-g zu
leiten, verletzen konnten, weil dieser Staat ein zu mäch-
tiger Nachbar war. Deshalb verbot man in dem Strassen-
mandat vom 2. Januar 1706, in dem die hohe Strasse
von Breslau über Görlitz und Grosseuhain nach Leipzig
von neuem fixiert wurde, nur die Bei- und Nebenwege
in der Niederlausitz. Es gingen daher, wie in den beiden
letzten Dezennien des 17. Jahrhunderts, auch in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts viele Waren aus Polen
und Schlesien über Frankfurt a. O. und Berlin
oder über Magdeburg nach Hamburg und wieder
zurück. In einer Denkschrift des Geleitsmannes Haus-
mann vom 12. Dezember 1710: „Über die Ursachen des
Rückganges des Leipziger Handels **''),'• wurde hervorge-
hoben, dass die meisten Güter aus Polen und Schlesien,
ja selbst aus Österreich und Böhmen^ besonders Garne,
Leinwand und Schleier, Röthe, Wolle, Wachs und Häute,
") XLV. A. 17. »») XLV. G. 6c, fol. 28.J.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im 16.— 18. Jahrh. etc. 53
österreicliisclie und ungarische Weine etc., zu Lande bis
Breslau und dann zu Wasser bis Hamburg gebraclit
würden, während man Fastenspeisen, Ol, Zucker, Ge-
würze, Spezcreien, Tabalce, süsse Weine, Farbehölzer etc.
auf demselbi-n Wege von unten herauf transportierte. —
Wenn hierauf König August II. (der Starke) den Ober-
geleitskomraissar Lucius im Interesse Leipzigs 1711 dahin
anwies*^), dass die Durchgangsaccise auf Wein, Ol; Fisch-
waaren etc. herabzusetzen sei, dass Güter, die Leipzig
nur passierten, um auf diesem Wege nach Hamburg zu
gelangen, dort nicht erst niedergelegt werden sollten, so
vermochte er zwar dadurch den Verkehr der Sachsen
näher wohnenden Hirschberger, Schmiedeberger etc. für
einige Zeit wieder auf Leipzig zu lenken; das entfernter
liegende industriereiche Oberschlesien aber handelte nach
wie vor über Frankfurt und Berlin nach den Seestädten.
Andere Schlesier führten ihre ^^'aren auf der Nieder-
strasse durch die Niederlausitz über Muskau, Spremberg,
Grossräschen , Hohenbuckow, Dahme, Jüterbogk und
Niemegk nach Magdeburg. 1703 passierten allein im Monat
Juni 32 Wagen mit 210 Pferden den Ort Dahme «^).
Nach einem Bericht aus Bautzen vom 25. Juli 1723^**)
suchten die schlesischen Fuhrleute entweder von Breslau
über Freistadt, Crossen, Frankfurt a. O., Berlin, Fehr-
bellin, Neustadt a. d. Dosse, Wittenberge, Lenzen, Neu-
haus und Bergedorf oder von Hirschberg über Bunzlau,
Muskau, Spremberg, Finsterwalde, Dobrilugk, Jüterbogk,
Treuenbrietzen, Magdeburg, Gardelegen, Ülzen, Lüneburg
und Winsen nach Hamburg zu gelangen.
Als hierauf der Kurfürst von Sachsen (Dresden am
20. August 1727) Leipzig aufforderte*'), Mittel und Wege
anzugeben, „wie man den schädlichen brandenburgischen
Graben vor Preussen und dem Kaiser beseitigen könne,"
erklärte selbst diese über ihre Handelsprivilegien sonst so
eifersüchtig wachende Stadt (am 20. September 1727):
der neue Graben sei nun einmal im Schwange und könne
darum nicht wieder beseitigt werden; Leipzig vermöge
in dieser Angelegenheit um so weniger etwas gegen
Preussen oder gar gegen den Kaiser zu unternehmen, als
durch jenes Werk sein Stapeldistrikt nicht verletzt werde.
— Preussen bemerkte hierzu ^*), es begreife nicht, Avie
8
") XLY. A. 16b. »5) XLV. G. 6c, fol. 12. '•) XLV. A. 20, fol. 75.
") XLV. C. 1. ") XLV. C. i.
54 Hermauii Heller:
Sachsen noch eui Gravanien gegen den neuen Graben
vorbringen könne, nachdem derselbe bereits> 60 — 70 Jahre
in Gebrauch gewesen sei.
Nachdom Schlesien in den Besitz Preussens überge-
gangen war, verordnete Friedrich II. geradezu (Glogau, am
23. Februar 1747)^®), dass die schlesischen Waren, besonders
Leinwand, in Zukunft nicht zu Lande, sondern zu Wasser
auf der Oder (von Parchwitz an), dem Friedricli-Wilhelms-
kanal, der Spree, Havel und unteren Elbe spediert werden
sollten.
Als sich Leipzig 1752 bei Hamburg l)ekhigte, weil
dasselbe die schlesischen Garne etc. niclit auf der ordent-
liclien Landstrasse über Leipzig bezogt*'), entgegnete diese
Stadt, sie habe mit der Direktion der schlesischen Garn-
sendung nichts zu tliun, da die schlesischen Waren franco
bis Hamburg oder wenigstens bis Lüneburg gebracht
würden.
Da die Gegend am Elbübergange von Merschwitz
1 läufig versumpfte und in Grossenhain ein ausserordent-
lich hoher Zoll zu entrichten war, wichen sogar Fuhr-
leute, welche aus Schlesien schon bis in die Oberlausitz
hereingekommen waren, nach rechts ab"') und suchten
von Kamenz aus auf der sog. Ort rander Nieder-
strasse, die während der „Contagion" gestattet war,
über Ortrand, Strehla und Würzen oder über Mühlberg
und Eilenburg nach Leipzig zu gelungen. Die kur-
sächsische Regierung verbot die Benutzung dieser Strasse
und Hess die Zuwiderhandelnden, auch wenn sie Grossen-
hain von Görlitz aus über Hoyerswerda, Senftenberg und
WahrenbrtU'k in weiterem Bogen umfuhren, wiederholt
bestrafen. In dem Strassenmandat vom 30. Dezember
1712 machte sie nur das eine Zugeständnis, dass sie
^'^'urzen, wo sich nacli Trockenlegung der sumpfigen
Niederungen endlich günstigere Muldenübergänge gebildet
hatten, offiziell in die Reiseroute aufnahm und dadurch
die bisher in grossem Bogen über Eilenburg oder Grimnuv
führende hohe Strasse aus Polen und Schlesien nach
Leipzig um ein Wesentliches \ erkürzte.
Durch diese unnachsichtliche Strenge wurde aber die
Sache nur verscliliinmert. Denn jetzt berührten die Schlesier
und Böhmen theilweise Leipzig gar nicht, sondern fuhren
(1714 1 von der hohen Strasse entweder über Bautzen und
») XLV. G. 6e, toi. 38. '") XLV. A. 27. »'j XLV. A. 16b.
Die Ihuulclswege Inner-Deutschlaiuls iin 10. — 18. Jahrb. etc. 55
Hoyerswerda oder Über Kameuz und Senftenberg nacli
der Niederstrasse, welche, von Muskau und Sprerabeig'
herkommend, über Finsterwahle , Sonneuwalde, Dahmc
und Jüterbogk nach Magdeburg und Hamburg fülirte.
Die Oberhiusitzer protegierten diese Abweichung von der
ordentlichen Zollstrasse, indem sie, einem Berichte des
Bautzener Zollamtes vom 16. September 1722 zufolge,
erklärten, mau dürfe für die Seestädte bestimmtes, nur
durchgehendes Gut weder auf die hohe Strasse über
örosseuhain noch auf die Niederstrasse über Muskau und
Spremberg zwingen wollen, sondern müsse demselben
auch den ^Veg von Lauban und Görlitz über Budissin,
Kamenz, Scnftenberg, Finsterwalde, Sonnenwalde, Dahme,
Jüterbogk etc. gestatten; denn gerade diese Strasse setze
sich in der brandenburgischen Route fort, auf der sich
die berlinisch-böhmische Handlung in der Richtung auf
Dresden und Zittau bewege, und habe darum schon jetzt
eine hohe Bedeutung '**).
Auf Leipzigs Drängen erliess zwar der Kurfürst hierauf
(am 24. Dezember 1722) ein neues Strassenmandat*'), dem-
zufolge die schlesisch-polnischen Fuhrleute , gleichviel ob
sie ihre ^A'aren auf die Leipziger und Nauraburger
Messen oder nach Hamburg und in die Seestädte brachten,
.,wenn sie den Queis einmal passiert liatten,"
die hohe Strasse über Görlitz, Grosseuhain und Leipzig
benutzen sollten, diejenigen aber, „welche den Queis
nicht berührten," sondern gleich anfänglich auf der
Niederstrasse von Priebus, Muskau und Spremberg nach
Sachsen herein kamen, entweder auf der Niederstrasse
über Spremberg, Fiusterwalde, Dobrilugk, Torgau und
Eilenburg oder auf der hohen Strasse übei' Grossenhain,
Oschatz etc., in keinem Falle aber auf dem Schleifwege
über Senftenberg, Finsterwalde, Dahme, Niemegk etc.
•*) „Da nach Hamburg destinirte Güter, so den Queis nicht
berühren,-' führten die Öberlausitzer aus, „gleich über Sagau ins
Brandenburgische gehen, also weder Budissin, Kainenz, Hoyerswerda
und Senfteuberg, noch Muskau und Spremberg berühren, so würde
man den Gütern, so den Queis berühren, verhältnissmässig zu
viel Lasten aufbürden, wenn man den Strassenzwang auf sie an-
wenden wollte. Wenn man diesen nicht wenigstens den Weg über
Bautzen und Kamenz, Hoyerswerda und Senftenberg nach der Nieder-
strasse freigebe, so könnten dieselben leicht zu Wasser über Frank-
furt a. 0. und Berlin oder auch auf weiter östlich gelegenen Land-
strassen nach Hamburij; transportiert werden, so dass sie Kursachsen
gar nicht mehr berührt^en." XLV, A. 17 und XLV. A, 20, fol. 1 10—121.
'^) XLV. A. 17.
56 Hermann Heller:
fahren dürften. Allein schon im nächsten Jahre (1723)
klagten die Löhauer und Bautzener wieder: ^^'enn man
die Strasse von Hoyerswerda und Senftenberg, die nicht
nur billiger, sondern aucli bedeutend kürzer sei , als die
hohe Strasse über Grossenhain, Oschatz und Würzen nach
Leipzig, nicht concediere, so werde der Verkehr der Ober-
lausitz mit Hamburg erlahmen und ganz in die Hände
der böhmischen und schlesischen Kaufleute übergehen,
die die Hamburger Waren auf der kürzeren Nieder-
strasse über Harburg, Winsen, Lünebui'g, Ülzen, Gifiioru,
Gardelegen, Eogätz (Eibübergang), Burg, Niemegk, Dahme,
Grossräschen, Spremberg, Sagan, Klitschdorf am Queis
billiger ins Land bringen könnten. — Da der Kurfürst,
seinem eignen Geständnis zufolge (vom 31. Juli 1723)^*),
den Strassenzwang extra territorinm nicht durchführen
konnte, so musste er schliesslich auch über Karaenz und
Senftenberg, Bautzen und Hoyerswerda böhmische Glas-
waren, schlesische und Lausitzer Leinwand ^^) nach
Lüneburg und Hamburg, süsse Weine, Fleischgut und
andere Waren aber auf demselben Wege nach Schlesien,
Böhmen und Dresden gehen lassen. Ja er musste sogar
geschehen lassen, dass in der Folge noch ein dritter Ab-
weg in der Oberlausitz entstand"^), der von Görlitz aus
im Neissethalc über Rothenburg nach Muskau
führte und sich dann ebenfalls auf der Niederstrasse über
Spremberg, Raschen, Finsterwalde, Dahme, Jüterbogk und
Niemegk direkt nach Hamburg fortsetzte.
Als die sächsische Regierung 1752 auf Anregung-
Leipzigs nochmals versuchte, diese „Schleifwege" in der
Ober- und Niederlausitz abzustellen, machte der Görlitzer
Stadtrath unterm 27 März 1753 geltend *') : seit der
Annektierung Schlesiens durch Friedrich H. sei die hohe
Strasse ins Hintertreffen gekommen, habe sich das Fuhr-
werk auf derselben um ein Drittel vermindert, da die
preussische Regierung die schlesischen Kaufleute entweder
zur Schiffahrt auf der Oder anhalte oder, wenn diese
wegen des Eises oder des zu niediigen Wasserstandes
nicht ermöglicht wäre, zur Benutzung der Strasse über
Crossen durch die Mittelmark und das Mecklenburgische
aufmuntere, alte Strassenakten und Kompaktaten aber
durchaus nicht agnoszieren wolle. Durch Zwangsmass-
regeln könne man die sclilesisclicn Fuhrleute nicht auf der
••) XLV. A. 17. '»)XLV. A. 20. »•) XLV. A. 16b. »') Ebenda.
Die Handelswege Iiiner-Deiitschlands im 1 6. — 1 8. Jahrli. etc. 57
liohen Strasse erhalten, da dieselben oft schon in Sclilesien
selbst von ihr abwichen. Man müsse vielmehr zunächst
eine Verständigung mit dem preussischen Hofe herbei-
zuführen suchen. Hätten es d(^ch die schlesischen Kauf-
leute ihren Fuhrleuten geradezu verboten, Sachsen zu
passieren, wenn sie dort angehalten werden und besondere
Abgaben in den Zollstätten entrichten sollten I Daher
komme es, dass diese bei etwaigen Zurechtweisimgen sich
oft renitent zeigten und mit der Drohung, die Lausitz
nie wieder berühren, sondern durch Brandenburg und
Lüneburg nach Hamburg fahren zu wollen, davonjagten.
— Trotz alledem gehe aber immer noch das meiste
schlesische Gut durch die Oberlausitz und die sächsischen
Lande nach Leipzig. Die schlesischen Handelsleute hätten
sogar Vorstellungen gegen die Oderpassage und den Weg
über Crossen und durch die Mittelmark erhoben, weil der
Oderstrom in seinem mittleren Laufe wegen des wechsel-
vollen Wasserstandes nicht zu allen Jahreszeiten schiffbar
sei und man darum nicht immer wissen könne, ob die ihm
anvertrauten Waren auch zu rechter Zeit an Ort und
Stelle gelangten, die Strasse über Crossen und durch die
Mittehiiark aber durch ausserordentlich sandige Gegenden
führe, die das Fortkommen sehr erschwerten.
1733 erliess der Kurfürst von Sachsen auch ein Mandat
zum Schutze der alten Messstrass e ®*)j welche von
Leipzig über Eilenburg, Torgau, Herzberg, Schlieben,
Luckau, Lübben, Beeskow und Müllrose nach Frank-
furt a. O. führte und die sich namentlich seit 1680
(„seit der Contagion") besonders belebt hatte. Er wollte
dadurch dem Abweichen W^ittenbergischer Fuhrleute von
Leipzig über Wittenberg, Treuenbrietzen , Beelitz und
Köpenik nach Frankfurt a. O. ein Ziel setzen. Da-
gegen erhob jedoch Preussen, das sich durch jenes kur-
fürstlich-sächsische Strassenmandat in seinen Zolleinnahmen
geschädigt sah, erfolgreichen Einspruch (1735). So bestand
neben der Route durch die Niederlausitz auch der 7 Meilen
weitere Weg durch die Mark als Handelsstrasse zwischen
Frankfurt a. O. und Leipzig fort. — Weiter im S. aber
verkehrten Lissa, Fraustadt, Glogau und Grünberg, Züllichau,
Schwiebus und Crossen über Sorau und Spremberg
oder Guben und Cottbus, Finsterwalde, Dobrilugk,
Torgau und Eilenburg mit Leipzig*^).
•») XLV. C. 11. •») XLY. A. 19.
5S Uuniiaiiii Heller:
1703 berichtete man aus Leipzig, dass sogar zwei Fuhr-
leute aus der Gegend zwischen Freiberg und Oschatz
Leipzig umfahren und Butter, Grütze, Käse und Blecli
über Oschatz, AA'urzen, iMlenburg, Delitzsch etc. nach
Magdeburg gebracht hätten'""). Dieses ^Vegcs bedienten
sich (nach einem Zeugnis aus dem Jahre 1~05) auch
oft Fuhrleute aus Leisnig, Döbeln, Rosswein, ^littweida,
Chenniitz, AValdheini. wenn sie nicht vorzogen, über
Strehla und Jüterbogk nach !Niedersachsen zu gelangen.
Als Leipzig diesen direkten AVeg aus IS^iedersachsen und
dem Auhaltisclien, auf dem namentlich Wolle nach S.
zu transportiert wurde, bei Delitzsch sperren wollte, be-
schwerten sich die Tuchmacher aus Rosswein, Döbeln,
Freiberg, Leisnig, Waldheim und Mittweida darüber beim
Kurfürsten von Sachsen. Dieser verwies sie jedoch auf
die ordentliche Landstrasse, welche aus Lübeck durchs
Mecklenburgische und die Altmark über Ciross-Zerljst,
Dessau tmd Delitzsch nach Leipzig führt'. Dessenunge-
achtet bestand der Weg aus Niedersachsen durch
die Amter Delitzcsh, Eilen bürg und Leisnig —
der alte Salzweg — nach Stollberg fort. Denn 10
Jahre später (1715) berichtete das Leipziger Geleits-
amt*"'), dass brandenburgische Wollwagen, von Dahme
kommend, bei Strehla über die Elbe gegangen und dann
über Oschatz nach Döbeln, Leisnig, Rosswein, Wald-
heim etc. gefahren seien.
Besonders aber umfahren die Freib erger, einem Be-
richt aus Leipzig vom 26. Juni 1717 zufolge *"*), Leipzig,
wenn sie Wolle aus Niedersachsen oder, wie dies 1731
geschah '""'), Baumwolle, Heringe, Stockfische, brasilianisches
Holz etc. aus Magdeburg über Bernburg , Delitzsch,
Wölkau, Eilenburg, Oschatz, Rosswein zu sich zogen.
Sie stützten sich dabei auf einen kurfürstlichen Befehl vom
■?6. Januar 1715 '"*), demzufolge die nach Magdeburg
haudelnden Freiberger Bürger „nicht zur Ungebühr be-
schwert werden sollten". Als hierauf Leipzig den Kur-
lursten ernstlich zu bewegen suchte, diesen Bei weg von
Freiberg über Delitzsch nach Magdeburgc in für allemal zu
l)eseitigen, erklärten die Freiberger in einem Schreiben
an den Landesherrn vom 7. Juni 1755: Wenn man die
""•) XLV. A. (i, fol. 45. "") XLV. A. (i, toi. -280
'»») XLV. A. lg, fol. 231. '»»j XLV. G. ßd, fol. 96.
"") XLV. A. 28, fol. 113b.
Die HanJclswege Inner- Deutschlaiuls im 1(>. — 18. .lahrh. etf. ^{)
Lei})ziger Stapelgerechtigkeit in ihrem vollen Umfange
bestehen lassen wolle, so gereiche das i.iir anderen Kom-
munen zum Nachtheil; denn dann werde man zwar eine
Generalniedcrlage, aber auch eine ungemeine Vermehrung
der Transportkosten erzielen. In keinem Falle al)er lasse
sich dieselbe auf die Stadt Freiberg applizieren, da das
Freiberger Niederlagsrecht 179 Jahre älter sei als das
Leipziger. Bereits Markgraf Fridericus Admorsus habe
der Stadt Freiberg anno 1318 das Piivileg, eine Nieder-
lage zu halten und nach Böhmen zu handeln, gegeben'""),
welche Vergünstigung Kurfürst Ernst und Herzog Albreclit
1470'"'*) und dann auch Herzog Heinrich 1539 bestätigten,
indem sie verordneten : „AVas die Freybeiger von anderen
Enden fuhren und bringen, woran das sei, zu der Stadt
Nothdurft und Nuz, das soll ohne Zoll und Gleithe dahin
geführet werden". Freiberg wolle, führte man weiter
aus , seine Waren auf dem nächsten Wege beziehen.
Wenn man behaupte, durch das Abweichen seiner Fuhr-
leute von der privilegierten Heerstrasse Avürden die Ge-
leitseinnahmeu geschädigt, so könne Freiberg dem gegen-
über noch das besondere landesherrliche Privilegium Mark-
gi-af Friedrichs: „Propter gratuita et remuneratione digna
civium in Vriberg merita" de anno 1291'"') zur Geltung
bringen, vermöge dessen seine Güter — ge^ien Vorzeigung von
Freipässen — bei der Aus- und Einfuhr aller Orten zoll-
frei passieren dürften. Und wenn man 1715 und dann aber-
mals 1740 Freiberger Fuhrleute, welche von Magdeburg
kamen, angehalten und mit schweren Geldstrafen belegt
habe, weil sie nicht über Leipzig gefahren, so sei doch
kurfürstlicherseits seiner Zeit verordnet worden, dass man
dieselben bis zur kurfürstlichen Hauptresolution in dieser
Sache nicht zur Ungebühr beschweren lasse. — Leipzig
suchte zwar diese Einwände in einem Berichte au die
Regierung (s'ib dato Leipzig am 24. Nov. 1755) nach
Möglichkeit zu entkräften, indem es behauptete, dass
Freiberg, wie die Städte Marienberg, Schneeberg, Anna-
berg, Herzberg und Weissenfeis, nur dann besondere Ver-
günstigungen bezüglich der Zölle, Geleite und Accisc
genösse, wenn es seine Waren in Leipzig selbst kaufte,
nicht aber wenn es dieselben von anderen Orten über
lieipzig brächte. — Der Kurfürst scheint sieh jedoch
'"*) Coil. (lipl. Sax. reg. U, t2, 52. '•«) Ebenda 267.
"") Ebenda 34.
PQ Hermann Heller:
schliesslich zu Freihergs Gunsten entschieden zu haben.
Mit voller Klarheit lässt sich das aus den Leipziger
Stapelakten allerdings nicht ersehen.
Wie im O., so suchte Leipzig auch im AA'. die zahl-
reichen Handelslinicn, welche die in nord- südlicher Rich-
tung sich bewegenden Hauptwarenströme Inner- Deutsch-
lands Im Laufe des 18. Jahrhunderts mit einander ver-
knüpften , bei seinem v^tapil zu erhalten. Zu diesem
Zwecke erliess König August IL, der die Bestrebungen der
Leipziger im Interesse der kurfürstlichenZoUintraden lebhaft
unterstützte, unterm 9. August 1697 schon ein besonderes
Strassenmandat'**®), um die hohe Strasse oder soge-
nannte Bergstrasse über Plauen, Zwickau, Alten-
burg und Borna-Hohendorf nach Leipzig, die seit der
„Contagion" cinigermassen ausser Brauch gekommen war,
von neuem zu beleben. -- Die Regensburger und Nürn-
berger Fulnleute wandten jedocli beim Leipziger Rathe
ein, dass auf d-esem ^A^ege wegen der engen Geleise mit
breiten Wägen nur schwer fortzukommen sei, und be-
nutzten darum neben der Bergstrasse über Plauen und
Zwickau noch eine zweite Strasse, welche von Regens-
burg aus im Naabthale nordwärts führte, das Fichtel-
gebirge in der Richtung von Falkenberg über Mitterteich
und Arzb;'rg nach Hof im O. umging und dann entweder
iin Elsterthale über Gera, Langendorf und Zwenkau
öder im Saalethale über Naumburg, Weissenfeis und
Lützen nach Leipzig zog. Man hielt zwar 1700 und 1703
verschiedene süddeutsche Fuhrleute, welche diesen Weg
l)efuhren, an, scheute sich jedoch, dieselben ernstlich zu
bestrafen, weil man befürclitete, dass sie dann Sachsen
und speziell Leipzig ganz meiden könnten. Als jedoch
nach einer abermaligen Erneuerung des Mandats bezüg-
lich der Bergstrasse idier Plauen, Zwickau etc. nach
Leipzig im Jahre 1708 Regensburger Fuhrleute hervor-
kehrten, die sächsische Bergstrasse sei mehr nur ein Post-
weg, auf dem man, da Berg und Thal oft wechselten,
starker Schnee und grosse Steine häufig di'' Passage
sperrten und mächtige Überschwemmungen zuAveilen
geradezu Stillliegen geböten, mit l.ohen und weiten Karren
kaum fortkommen könnte, erklärte Leipzig: durch die
Verfügung von 1708 und vorher sei nichts Neues in die
AVeit gesetzt worden, sondern nur der Versuch gemacht,
"") XLV. A. U.
Die Handelswege Iiiner-Deutschlands im 16. — 18. Jahrb. etc CA
die durch Kriegsunruhen (Deutschlands Kriege mit Frank-
reich am Ausgange des 17. und zu Anfange des 18. Jahr-
hunderts und die damit verbundenen kaiserlichen Ein-
fuhrverljote auf französische Waren) und Contagionsjahre
ausser Brauch gesetzte Heerstrassc wieder zu beleben.
Die Landstrasse von Hof über Plauen, Zwickau etc. sei
von Alters her von Frachtwagen frequentiert worden.
Wenn übrigens die Fuhrleute von Frankfurt a. M. und
Wien trotz der Berge und steinigten Wege vorwärts
strebten, so würden wohl auch die Regensburger bei
einiger Vorsicht etwaige Hindernisse überwinden können;
auch die Schleifwege hätten Felsen und Bergt-, namentlich
zwischen Hof und Gera, und Überschwemmungen, nament-
lich im Elsterthal bei Gera, aufzuweisen.
Neben dieser sogenannten Berg- oder Poststrasse,
welche von Regensburg über Falkenberg, Mitterteich und
Arzberg im O. des Fichtelgebirges und von Nürnberg
über Gräfenlerg, Kreussen^ Baireuth, Berneck , Gefrees
und Münchberg im W. desselben nach Hof führte und
von hier aus über Plauen und Mylau nach Reichenbacli
und Werdau oder Zwickau zog, um schliesslich über
Altenburg und Borna in Leipzig einzumünden, wurde in
einem kurfürstlich -sächsischen Erlass vom 4. Oktober
1715'"^) auch die schon durch langjährige Observanz ein-
geführte und namentlich von Fuhrleuten aus der Schweiz,
aus Memmingen, Augsburg, und Nürnberg fleissig be-
fahrene sogenannte JenensischeoderNieder-Strasse
geduldet. Sie führte von Nürnberg aus im Regnitz-,
Main- und Saalethal nach Leipzig und berührte dabei
die Orte Erlangen, Forchheim, Bamberg, Gräfenthal,
Saalfeld, Rudolstadt, Jena, Dornburg, Naumburg und
Lützeu. Sie war etwas weiter als die erstcre, wurde aber
„wegen ihrer ebenen Wege" gern benutzt. — Da auch
der Weg, welcher in der Richtung der weissen Elster
von Hof über Gefeil, Schleiz, Aunia, Gera, Zeitz und
Pegau nordwärts leitete, trotz kurfürstlicher Strassenver-
bote bestehen blieb, so vermittelten schliesslich 3 Strassen
den Verkehr zwischen dem Donaugebiet im S. und der
Pleissenstadt im Zentrum Inner- Deutschlands.
Von Hamburg her aber bewegten sich die Waren-
109',
') XLV. A. lg, fol. 178. (] 'euksclirift aus dem Leipziger
Geleitsamt „über das Leipziger Stapelrecht und die ordentl. Land-
strassen" — vom 13. März 1716.)
62 Hermann llt-Hcr:
ströme an der Elbe und Saale herauf entweder über
Harburg, Lüneburj^, Ülzen, Gifhoi-n, Gardelegen, Magde-
burg, Kalbe, Kötlien, Zörbig und Landsberg, oder mit
Umgehl mg Magdeburgs auf dem etwas weiteren Wege
von Gardelegen über Rogiitz, Burg, Loburg, Zerbst,
Dessau und Delitzsch nach der inner-deutschen Handels-
metropole.
Hier, wo die Handelslinien der oberen Saale, der
weissen Elster, der Pleisse und selbst der Mulde zusammen-
liefen, um sich dann in den wichtigen Verkehrswegen,
der unteren Saale und Elbe fortzusetzen, war der ge-
eignetste Punkt, die aus dem SW. und NW. Deutsch-
lands herbeieilenden Warenzüge aufzufangen und fest-
zuhalten. Leipzig war sich dessen voll und ganz bewusst
und suchte darum , sich stützend auf sein altes Stapel-
und Niederlagsrecht, alle Handelswege, welche schon am
Ausgange des 17. Jahrhunderts im \V. der Stadt aus
dem Erzgebirge, aus dem Vogt-, Böhmer- und Franken-
lande über Naumburg und Halle etc. nach Magdeburg
und Niedersachsen angebahnt worden waren, als schädliche
Schleifwege zu beseitigen. Das wurde ihm freilich sehr
schwer gemacht und gelang nur zu einem ganz kleinen
Theile. Denn je mehr sich die Warenströme der eigent-
lichen Breite des Leipzig - Halleschen Tieflandsbusens
näherten, desto leichter konnten sie in zahlreichen Adern
auseinanderstrahlen.
Schon aus dem Jahre 1699 wird uns berichtet""),
dass gebirgische Fuhrleute aus Zwi' kau, Stollberg, Schnee-
berg etc., aus dem sehönburgischen Hohnstein, Waiden-
burg etc. Leinwand, Bleche, Farben etc. über Altenburg,
Lützen und Zoschen nach Halle und Magdeburg führten
und von dort spanische Weine , Juchtenballen , Fische,
Heringe, Thran, Gewürzwaren, Tabak, Spezereien, Honig,
auch Zerbster und Dessauer Wolle eti-. auf demselben
Wege wieder mit zurücknahmen. Erzgebirgische Hammer-
herren, vogtländische und Regensburger Fuhrleute brachten
Bleche und Farbe, Stahl, Kupferwasser, Vitriol, steierische
und andere Waren, sowie Potasche, Butter und Hirse
über Gera, Zeitz, Naumburg, Freiburg, Eisleben und
Aschersleben nach Magdebui'g, Braunschweig und Berlin,
nach Bremen und Hamburg und luden dort Fische,
Tabake, süsse Weine etc. wieder ein. — Leipzig, das
"•) XLV. A. le, fol. 241 Ö'.
Die Ilandelswege Iiiner-Dentsclilands im 16. — IS.Jahrh. etc. 63
seinen Transithandd zwischen Nürnberg und Regensburg
im 8, und Hamburg und Bremen im N. nicht auf Naum-
burg und Halle übergehen lassen wollte, suchte beide
Wege zu sperren. Das gelang ihm jedoch nicht- Denn
1708 klagte es von neuum, dass 1) ein Beiweg von Halle
über Lützen, Pegau, Altenburg, Glauchau und Zwickau
führe, der sich dann durchs Vogtland bis ins Baireuthische
und Böhmische fortsetze und namentlich den Salz-, Gre-
treide-, Blech-, Arsenik- und Farbehandel vermittele, und
2) bei Aschersleben ein Beiweg aus dem Brandenburgischen
in die sächsischen Lande falle, auf dem man viele Kauf-
mannsgüter über Freiburg und Langensalza ins westliche
Thüringen oder über Freiburg und Naumburg auf Nürn-
berg, Augsburg, Ulm- Memmingen bringe.
Besonders ging viel Wolle aus Quedlinburg,
Osterwiek etc. am Ostabhange des Harzes und aus dem
Anhaltischen über Aschersleben oder Bernburg,
Halle, Lützen, Pegau, Altenburg etc. in die sächsischen
Tuchfabriken zu Frankenberg , Chemnitz , Hainichen,
Öderan etc. (1708)'"). Als Leipzig das verhindern wollte,
wandten sich Quedlinburg im N. und Zwickau im S.
mit einer Klagschrift an den Kurfürsten von Sachsen, in
der beide den Weg von Quedlinl»urg, Stassfurt, Bernburg
und Aschersleben über Halle, Lützen, Pegau und Alten-
burg als uralt bezeichneten. Quedlinburg insbesondere
liob in seiner Beschwerde hervor, dass auf dieser Strasse
seit alten Zeiten AA'olle, Heringe, Branntwein etc. ins
Oster- und Vogtland transportiert worden seien; dass
schon Kaiser Lothar die Quedlinburger mit wichtigen
Handelsprivilegien bedacht habe. Nicht jede Strasse
müsse nothwendig auf Leipzig iühren; man könne doch
die Fuhrleute niclit zwingen wollen, mehrere Meilen um-
zufahren, um dort hohe Imposten auf Pferde, AA'agen und
Güter abzustatten. — Die kurfürstliche Regierung ver-
Avies zwar (unterm 13. Dezember 1713) auf Betreiben
Leipzigs, das auf dem Wege über Halle, Lützen, Pegau,
Altenburg etc. nur Salz und Viktualien, nicht aber staffel-
bare Kaufmannsgüter gehen lassen wollte, Quedlinburg
und Zwickau auf die rechte Heerstrasse von Quedlinburg
über Aschersleben, Halle, Leipzig, Borna und Altenburg
nach Zwickau, die nur um ein weniges länger sei als
der verbotene Beiweg. Allein damit war nicht viel er-
'") XLV. A. lg, fol. 22.
64 Hermann Heller:
reicht ; denn als der Leipziger Gcleitsreitcr iin Juli und
August 1715 im Stift Merseburg Quedliuburger Woll-
wagen, welche von ILiUe direkt nach Reichenbach i. V.
gehen sollten, auiuiltcn wollte, ward er von der dortigen
Obrigkeit nicht respektiert. 1716 klagte Leipzig immer
noch"*), dass aus dem Gebirge ein Beiweg über Schnee-
berg, Zwickau, Altenburg, Pegau, Lätzen nach Halle und
Magdeburg führe, auf dem aUtäglich Salz, Getreide,
Bleche, Zinne, Kupfer, blaue Farbe, Leinwand, ferner
österreichische und böhmische, Augsburger, Regensburger
und Nürnberger ^A^aren nordwärts gingen, wähfend Güter
aus Hamburg, Niedersachsen und Magdeburg, aus Holland
und Braun.schweig auf demselben Wege ins Reich ver-
trieben würden; dass Handelsartikel aus Ponuuern, Preussen
und der Mark, welche sonst von Berlin über Treuen-
brietzen, AA'ittenberg, Kemberg und Düijen nach Leipzig
kamen, von Berlin aus auf Brandenburg, Dessau, Halle,
Lauchstädt , Freiburg und Gleina oder über Stassfurt,
Aschersleben, Mansfeld, Eisleben, Schraplau und Steigra
nach Naumburg sich bewegten und von hier aus über
Gera, Schleiz und Hof nach Nürnberg, Regensburg, Ulm,
Memmingen und Italien gingen.
Neben diesen Verkehrslinien aus dem Erzgebirge,
Vogt- , Böhmer- und Frankenlande über A 1 1 e n b u r g
und Halle, Naumburg und Eis leben nach Magde-
burg und Berlin, welche am Ausgange des 17. Jahr-
hunderts angebahnt worden waren und in den ersten
Decennien des 18. Jahrhunderts trotz kurfürstlich-säch-
sischer Pöualmandate festen Bestand gewannen, belebte
sich im Laufe des 18. Jahrhunderts auch jene alte Handels-
strasse im westlichen Inner-Deutschland wieder, die den
Thüringerwald an seinem bequemsten Passe (von Ober-
hof) überschritt und einen direkten Verkehr zwischen der
unteren Elbe und dem oberen Main- und Donaugebiet
über Erfurt vermittelte.
Bereits am 25. September 1708 berichtete die Leip-
ziger Kaufmannschaft'"), dass Potasche und Eisenwaren,
auf denen in Sachsen ein hoher Zoll liege, aus dem Vogt-,
Böhmer- und Bayerlande nach Erfurt gingen und von
dort aus entweder über Wanfried a. d. A\'erra vermittelst
der Weserschiflahrt nach Bremen und Holland oder über
"*) XLV. A. lg, fitl. 168 1111(1 anderweit in diesem Aktenstücke.
"») XLV. A. lg, toi. 22.
Die Handelswege Inuer-Deutschlauds im 16.— 18. Jalirh. etc. G5
Magdeburg nach Hamburg, Spanien etc. gebracht würden. Im
Jahre 1715 aber wurde die Wunderslebener Strasse
— so ward jetzt dieser von Hamburg über Erfurt nach
Nürnberg ziehende Handelsweg nach einem nördlich
von Erfurt gelegenen kursächsisehen Dorfe genannt —
schon als Hauptstrasse betrachtet "■*), da sich auf ihr nicht
nur Hamburger und Nürnberger Güter auf- und ab-
bewegteu; sondern auch WeinkarreU; welche aus Franken
über Fürth (Schweinfurt) a. M. oder vom Rheine her
über Frankfurt a. M., Hanau, Schlüchtern, Fulda, Eise-
nach etc. herkamen und nach den brandenburgischen
Landen gingen, sie benutzten. Nach einem Berieht des
Leipziger Rathes an den Kurfürsten vom 2J-. August
1715 "■') waren in diesem Jahre allein innerhalb dreier
Monate loUO Karren mit 3500 Pferden von Hamburg
über Braunschweig, Goslar, Halberstadt, Aschersleben,
Mansfeld, Sangerhausen, Sachsenburg, Weissensee, Wun-
dersleben, Erfurt, Eisfeld und Coburg nach Franken und
wieder zurück gegangen. Leipzig schmerz le das um so
mehr, als es bei der weiten Entfernung der Wunderslebener
Strasse (12 Meilen) nicht viel zu deren Beseitigung unter-
nehmen konnte.
Auch die Elbe- und Saaleschiffahrt bestanden
im 18. Jahrhundert fort'**'). Es wurden Waren aus
dem Gebirge, ^^'ie Kupfer, Zinn, Blech, Eisen, Blaufarbe,
Leinwand vermittelst der Eibschiffahrt über Magdeburg
nach Lüneburg, Hamburg, Lübeck und Bremen verführt,
während mau Spezereien, Gewürze, holländische Käse,
Fischwaren, Talg, Thrau, Leder, euglische und hollän-
dische Tücher etc. von unten herauf vermittelst der Elbe
nach Böhmen, Mähren, Österreich, Polen, Ungarn etc.
versandte.
Leipzig hielt einen freien Eibverkehr von unten
herauf bis Magdeburg für zweckmässig, weil es da-
durch seine Waren bequemer und wohlfeiler erlangen
konnte als per Achse. Darum erhob es im Verein mit
Hamburg kräftigen imd erfolgreichen Widerspruch, als
Altona 1725 zur Errichtung eines Holzhafens schritt
und zu diesem Behufe einen 400 Fuss langen und 150
Fuss breiten Sauddamm in die Unterelbe hineinführen
wollte, der eine Verengung der Passage und Ver-
schlemmung des Strombettes im Gefolge gehabt hätte.
"*)XLV.A.6,fol.236. "*) Ebenda lol. 259. "»JXLV.D.I, fol.ö9.
lüeues ArcliiT 1. S. ü. u. A. V. i. i. ^
fiß Hermann Heller :
Auf der Strecke vuu Mugcleburg bis Dresden
aber, also innerhalb ihres Stapeldistriktes, wollten die
Leipziger aucli im 18. Jahrhundert von einer freien Elb-
schiffahrt niehts wissen. Plier snUten, wie auf der Saale
und dem Hallischcn Schleusenbau, nur Viktualien, Salz,
Baumaterialien, Kohlen, überliaupt nur gröbere Waren,
transportiert werden. Es widersetzte sich daher Leipzig
stets den wiederholten Versuchen Böhmens (Österreichs)
und Prcussens, die Elbe von den lästigen Zöllen und
Stapelrechten zu befreien und eine bequeme, ungehinderte
Schiffahrt auf derselben zu ermögliclien.
Als 17.^2 Magdeburg '"), unterstützt von den säch-
sischen Eibstädten, die mittlere Elbe dem Banne des Leipziger
Stapelrechts entziehen woUte und 1733 Kail VI. in seiner
Eigenschaft als König von Böhmen beim Kurfürsten
Fi'iedrich August die V"erfrachtung der böhmischen Glas-
waren auf der Elbe durcli Sachsen hindurch anregte,
führte der Leipziger Rath in einem gutachtlichen Berichte
an den Kurfürsten aus"^), dass durch eine freie Elbschifl'-
fahrt der ganze Garn- und Leinwandhandel Schlesiens,
der Lausitz und selbst des Erzgebirges, der bisher in
der Hauptsache über Leipzig gegangen, von da abge-
lenkt und direkt auf Hamburg geleitet werde; dass durch
einen ungeliinderten Eibverkehr ausser Dresden nur Böhmen
und Brandenburg zu gcAvinnen hätten. Plabe Böhmen
schon früher, namentlicli 1571 und 1660, wilderholt ver-
sucht, durch eine freie ElbschifFaln-t den Handel von den
Avichtigsten Theilcn Deutschlands nicht nur, sondern aucli
von Dänemark, Norwegen, Schweden, Livland, Polen,
Moskau etc. etc. auf die Niederlage von Prag zu ziehen,
so sei das jetzt um so mehr zu l)efürchten, als ihm gegen-
wärtig sein inniger Zusammenhang mit den kaiserlichen
Erblanden und Reichen, Karls VI. tiefe Einsicht in das
Commercium und seine Sorge für dessen Aufl)lühen, end-
lich die zu Wien errichtete orientalische Kompagnie und
der lebhafte Seeverkehr Triests vortrefflich dabei zu
statten kämen. Das brandenburgische Magd^'burg aber
werde durch eine befreite Schiffahrt auf der Elbe den
gesamten Getreidcliandel aus Sachsen ziehen und nach den
Niederlanden und den Seestädten hin vermitteln. So müsse
durch eine freie ElbschifTahrt die Leipziger Messe zu
'") Bieder mauii, I'as Stapelrecht etc. (Vierteljalirssclirift
für Volkswirthscliaft etc., herausgegeben von E. Wiss, LXXIl. Berlin
1881), 13. "») XLV. D. 5.
Die Haiiflelswege Tnner-Deutschlandsim ic». — IP. Jahrb. etc. 67
Grunde gericlitet werden, aller Handel Inner-Deutschlands
auf Prag im S. luid Magdeburg im N. von Kursachsen
übergehen und jenes zum kommerziellen Zentrum der
böhmisch- kaiserlichen Lande ; dieses zum Verkehrsmittel-
punkte Niedersachsens sich ausbilden. — Aus diesen
Gründen dürfe man einen ungehinderten Elbhandel um
keinen Preis gestatten. Der Kaiser Karl VI. könne den-
selben durch Sachsen um so weniger erzwingen wollen,
als er, wie seine Vorgänger, Leipzigs Stapel- und Nieder-
lagsprivilegien bestätigt habe, die freie Schiffahrt der
Elbe von Dresden bis Magdeburg aber „in den Begriff
der 15 Meilen" falle-
Da stellte die Kaufmannschaft zu Magdeburg in
einem besonderen Scliriftchen, das sich betitelte: „Wider-
legung des Leipziger Stapelrechts," 1748, die Behauptungen
auf: 1) das Leipziger Stapelrecht könne unmöglich ausser-
halb des sächsischen Gebietes gelten, und 2) „die 15 Meilen"
seien so zu verstehen, dass die Peripherie eines um
Leipzig gedachten Kreises, innerhalb derer jenes Zwangs-
recht gelte, 15 Meilen betrage "'*).
Leipzig widerlegte zwar diese Auffassung in schlagen-
der, überzeugender Weise. Allein jetzt nahm sich die
preussische Regierung ihrer Stadt Magdeburg an und er-
griff" gegen Leipzigs Stapelrecht eine für dessen Handel
recht empfindliche Repressalie, indem sie auf den Leip-
ziger Durchgangshandel durch das Magdeburgische und
Halberstädtische hohe Transitozölle legte, die von 1755
an mit aller Strenge erhoben wurden.
Fast gleichzeitig — 1752 und 1753 — nahm auch
Maria Theresia in ihren Staaten eine Zollerhöhung auf
Konsum- und Durchfuhrhandel um fast 100 Prozent vor *^")
und erschwerte dadurch den Verkehr Leipzigs mit den
österreichisch -ungarischen Landen überhaupt, wie den
Lausitzer Leinwandhandel nach Böhmen hinein insbe-
sondere.
Hatte diese Einführung des Schutzzoll- oder
Prohibitivsystems in Preussen und Osterreich für
Sachsen, den wichtigsten Staat des mittleren Deutschlands,
den Nachtheil, dass es dadurch in der Ausfuhr seiner
meisten und besten Handelsartikel, seiner Webereien, seiner
"») Veigl. auch ßoscher, System der Volkswirthschaft III,
nach dessen Ausführung schon im Jahre 1730 Zweifel darüber
auftauchen, ob „die 15 Meilen' radial oder diametral zu ver-
stehen seien.
fiß Hermann IloUer:
Porzellan- und Metalk;rzeu^nisse, nach rechts und links
gellindert und nanientlicli im direkten Verkehr mit der
Ostsee gehemmt wurde, so verdankte es doch auch wieder
der Unfähigkeit, sich wie seine grossen Nachbarstaaten
selbständig abzuschliessen, seine hohe Bedeutung als ver-
mittelnde Kraft zwischen der Europa beherrschenden
Bildung des Westens und dem stets bedürftigen Osten,
zwischen den seefahrenden Völkern des germanischen
Nordens und den ackerbautreibenden Bewohnern des
deutschen Binnenlandes, sowie endlich die ununterbrochene
Anregung und Bewegung der eigenen Volksthätigkeit.
Unabhängig von einer launischen und veränderlichen
Leitung von oben, konnten sich hier in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts Handel und Industrie zu
einer Blüthe ausbilden, die man sonst in Deutschland, die
Nordseeliäfen Hamburg und Bremen etwa ausgenommen,
nirgends entdeckte.
Um das sächsische Commercium aus aller Dependenz
der vorliegenden kurbrandenburgischeu Lande zu setzen,
befahl der Kurfürst im Mai 1755'^'), dass die sächsischen
Eibstädte Dresden, Pirna und Schandau die aus den
Seestädten kommenden Material- und andere stafFelbare
Waren künftighin nicht auf der Elbe, sondern über
Leipzig bezögen. Dieser Ort selbst aber sollte seine
Güter weder zu Wasser über Magdeburg noch zu Lande
auf der alten, durchs Kurbrandeaburgische führenden
Heerstrasse, sondern — bis zur Fertigstellung einer neu
zu bauenden Frachtroute über den Harz**^) — auf der
sogenannten Duderstädter Strasse einbringen. Dies
war ursprünglich ein alter Verkehrsweg zwischen Braun-
schweig und Süddeutschland, der am westlichen Fusse
des Harzes entlang über Hahausen und Seesen, Osterode
und Duderstadt nach dem S. ging'";. Von Leipzig aus
führte diese Strasse über Merseburg, Mühlhausen, Duder-
stadt, Seesen und Lutter am Barenberge und setzte sich
dann über Braunschweig nach Hamburg fort. Sie war
bisher — von Mühlhausen aus — namenthch von Mühl-
hausener, Langensalzaer, Eisenacher, Erfurter, Schmal-
kaldener und Nürnberger Frachtwagen öfter befahren
worden. Da man jedoch bei ihrer Benutzung den Harz
'») XLV. G. 6e, fol. 141 ff. '»') XLV. D. 6. '") XLV. A. --'Sa.
'") H. Guthe, Die Lande Braunschweig uiul Hannover (Hannover
1866), 260.
Die Handelswege Inner-Deutschlands im Ifi.— 18. Jahrb. etc. 69
in einem grossen südwestlichen Bogen, also auf weitem
Umwege, umfahren musste, wenn mau von Leipzig nach
Hamburg gelangen wollte, so scheuten sich die Leipziger,
diese „Detourstrasse" ohne weiteres in Gebrauch zu
ziehen. Bei Eröffnung des kurfürstlichen Befehls er-
ört-rten sie darum, ob es nicht besser sei, die Waren
von Bremen aus zu Wasser auf der Weser, Aller und
Oker über Celle, Braunschweig und Wolfenbüttel
gehen zu lassen und erst von dort aus zu Lande zu be-
ziehen. Und als man dabei zu der Überzeugung kam,
dass dies nicht gut durchführbar sei, weil einmal in Ham-
burg eine importantere Handlung bestehe als in Bremen,
und ausserdem Aller und Oker nicht immer navigabel
seien — heutzutage ist die Oker gar nicht mehr zu be-
fahren, die SchifFbarkeit der Aller aber beginnt erst bei
Celle — , war Leipzig nicht abgeneigt, seine Hamburger
Waren, trotz der hohen brandenburgischen Imposten,
auch fernerhin über INIagdeburg zu dirigieren. Der Kur-
fürst verwies es zwar unterm 25. Juli 1755 abermals auf
die sogenannte Detourstrasse, die zu jeder Zeit praktikabel
sei und jetzt in ziendich kurzer Zeit von Leipzig über
Merseburg, Allstedt, Wallhausen, Rossla, Rottleberode,
Neustadt, Sach.swerfen, Scharzfeld, Herzberg, Osterode^
Gittelde, Seesen, Lutter am Barenberge, Salzgitter, Braun-
schweig und Gifliorn nach Hamburg führe. Allein schon
am 15. August 1755 erklärte der Leipziger ßath dem
Kurfürsten gegenüber, dass man den Verkehr mit Magde-
burg und den brandenburgisch-preussischen Landen über-
liaupt nicht ganz aufgeben könne, da viel Rauchwerk,
polnische Wolle und rohe Häute von Danzig nach Leip-
zig kämen, seidene und wollene Waren von Leipzig nach
Danzig gingen, der Weg nach Danzig aber durch
preussische Lande, nämlich über Eilen bürg, Wittenberg,
Berlin, Stargard etc., führe. Den Verkelir zwischen
Leipzig und Danzig über Lüneburg und Lübeck
zu leiten, sei nicht rathsam, weil dann der Waren-
transport ausserordentlich verlangsamt und die Fracht
wegen der hohen Spesen im Danziger und Lübecker
Hafen und wegen des hohen Fuhrlohnes von Lübeck über
Lüneburg und Braunschweig mindestens noch einmal so
theuer zu stehen käme als auf dem Landwege von Danzig
über Berlin nach Leipzig.
Wie der Weg nach Danzig, so fülire auch der
natürllcliste Handelsweg nach Krakau, Warschau,
70 licnnann Heller:
Lublin etc. durch preussische Lande, durch Schlesien.
Auf einer etwaigen neuen Strasse durch Böhmen,
Mähren und das in Österreichisch- Schlesien gelegene
Fürstentluun Teschen nach Polen zu handeln'**),
erfordei'e wegen des grossen Umweges zu hohe Transport-
kosten. Dazu bestehe jetzt auch in den österreichischen
Staaten ein hoher Transitzoll, der die Passage wesentlich
erschwere. Überdies könne man auch aus Schlesien, der
Mark Brandenburg und dem Königreiche Preussen kom-
mende Waren, namentlich ßreslauer Farbenröthe, sara-
ländischen Bernstein und Magdeburger Rübensaat, nicht
entbehren. Wenn man den Verkehr mit den preussischen
Landen ganz abbreche und die polnischen Waren auf
Umwegen beziehe, dann liege die Gefahr nahe, dass Leip-
zig den Handel mit Danzig und Polen überhaupt ganz
verliere und durch Berlin, das den Landweg benutzen
und wie Sachsen seidene und wollene Waren fabri-
zieren könne, in den Hintergrund gedrängt werde. Denn
schon jetzt könnten die in Königsberg, Danzig, Berlin
und Magdeburg geladenen Güter mit leichter Mühe
über Halle und Eisleben nach dem S. und W. Deutsch-
lands, nach Nürnberg und Frankfurt a. M., gebracht
werden.
Hierauf gestattete die kursächsische Regierung am
13. September 1755 '**j, dass polnische Wolle, welche für
sächsische Fabrikanten bestimmt war, gleichviel, ob sie
aus brandenburgischen Landen komme oder nicht, ebenso
Breslauer Farbenröthe, preussischer Bernstein und Bran-
denburger Rübensaat frei jjassieren könnten, während sie
alle übrigen ausländischen Waren , welche über Magde-
burg und durch die brandcnburgisch-preussischen Lande
gingen, mit einem proportionierten Parifikationsimpost
belegen wollte, um sie in gleich hohen Preis mit den auf
der „Detourstrasse" bezogenen Gütern zu bringen.
Unterdessen hatte man auch den Anfang gemacht,
die neue Harzstrasse, welche von Leipzig über Merse-
burg, Querfurt, Rossla, Stolberg, Hasselfelde, Braun-
lage, Harzburg, Wolfenbüttel und Braunschweig nach
Hamburg führte und 5 — 6 Meilen kürzer war als die
„Detourstrasse", mit Frachtwagen zu befahren. Diese
sogenannte Leipziger Harzstrasse traf in Hasselfeldc
mit einer östlich vom Brocken von Nordhausen nach
'") XLV. A. 29. '"; XLV. A. 23b.
nie Handelswege Inuer-DeutscAilanils im 16. — 18. Jahrh. etc. 71
Wernigerode über den Harz fülirenden Strasse zusammen,
die schon Albert von Stade anführt '^^).
Weil jedoch wegen lang anhaltender nasser Wittermig
die „Detourstrasse" ebenso wie die noch im Bau begriffene
Harzstrasse nur sehr schwer zu passieren waren, so musste
die sächsische Regierung am 20. September 1755 auch
die Magdeburger Strasse wieder frei geben, so
dass sich von jetzt ab die Hamburger Waren auf drei
Wegen nach Leipzig und dem mittleren Deutschland
Herauf bewegten.
Allein die Warenzüge konnten nicht bleibend auf
Bahnen erhalten werden, die nur auf Umwegen zum Ziele
führten und denen die Natur selbst die grössten Hinder-
nisse bereitete. Die neue Harzstrasse konnte ebenso wenig
wie die weite „Detourstrasse" dauernde Bedeutung für
den Verkehr Inner- Deutschlands beanspruchen. Bereits
1780 sahen sich die Leipziger veranlasst, bezüglich der
von Hamburg nach Leipzig und viceversa führenden
Harz- oder neuen Strasse an den Kurfürsten von
Sachsen zu berichten, dass '■'') dieselbe bei schlechtem
Wetter, namentlich im W^inter, Geradezu unfahrbar
sei, und dass man darum trotz des hohen preussischen
Transitzolles auf der alten Magdeburger Strasse billiger
fahre.
Mit der Wiederbelebung der Magdeburger Strasse
von Leipzig aus nahm auch der Eibhandel — trotz der
Proteste Leipzigs — wieder grössere Dimensionen an.
Da die sachsisciieu Elbstädte, besonders Dresden, dem
Kurfürsten wiederholt vorstellten, dass bei fortgesetzter
Sperrung der Elbe der Dresdner Potasche- und Leinwand-
handel zu Grrundo gehen müsse, erliess dieser unterm
2L Mai 1756 ein Reskript *^^), wonach das Leipziger
Stapelrecht fernerhin keine Anwendung mehr finden sollte
auf den Bezug \on Materialien für Rechnung inländischer
Fabrikanten.
Der siebenjährige Krieg, der noch in demselben Jahre
begann, machte faktisch dem Leipziger Stapelreeht ein
Ende. Die näheren Wege, welche der Verkehr während
desselben, zum Theil unter dem Schutze des damals in
Sachsen gebietenden Feindes, suchte und fand, waren
auch nach dem wieder hergestellten Frieden ihm nicht
'*•) Guthe, Die Laude ßrauaschweig und llauuover, 284.
') XLV. A. 26. "»j Biedermanu, Das Stapelrecht etc., 18.
72 Hermann Heller: Die ITaiulelewege Inner-Deutschlands etc.
so leicht wieder zu verscliliessen. Der Handel dieser
Stadt verfiel jedoch damit nicht. Leipzig hehauptete sich
als wichtigster kommei'ziellcr Zentralplatz des inneren
Deutschlands, wo die Haupthandelsstrassen aus N. und S-,
O. und W., wie sie sich im Laufe von 300 Jahren her-
ausgebildet hatten, zusammenliefen, das ganze 18. Jahr-
hundert hindurch. Liclem es jetzt erkannte, „dass Freiheit
die wahre Seele der Handlung sei", wusste es selbst eine
befreite Elbe- und Saaleschiffahrt, gegen die es
bisher immer heftig protestiert hatte, sich dienstbar zu
machen. Denn als Könio- Friedrich Auffust L ("der Ge-
rechte) am 21. September 1807 vom Leipziger Rathe
Bericht darüber erforderte, was wohl die Leipziger Kauf-
mannschaft zu einem freien Eibhandel sagen würde, erging
von den Kramermeistern und Handelsdeputierten ein Gut-
achten, worin es hiess '**), dass der freie Eibhandel nicht
nur eine Wohlthat für Sachsen im allgemeinen, sondern
auch für Leipzig speziell sei: durch die Eibschiffahrt
könne man die von Hamburg zu beziehenden Güter zu
Wasser bis Torgau oder auch bis Halle bringen, wodurch
man nicht nur viel Zeit, sondern auch grosse Transport-
kosten spare.
Erst um die Mitte unseres Jahrhunderts sollte Halle,
diese alte Pforte Thüringens, aus seiner günstigen Stellung
zum Tliüringfcr Naclibarlande in demselben Masse Nutzen
ziehen, wie er Leipzig als Stapelplatz der industriellen
Erzeugnisse des Erzgebirges, der Lausitz und des Vogt-
landes schon lange zu Tlieil geworden war. Erst im
19. Jahrhundert, als der Eisenbahnbau seine Segnungen
g. Itend machte, konnte Halle als siebenstrahliger Eisen-
bahnstern sich Leipzig ebenbürtig zur Seite stellen und
als zweites Zentrum des dampfbeflügelten Virkehi's im
Herzen Inner-Deutschlands die Leitung des Handels nach
W. und SW. in ähnlicher Weise überkommen, wie sie
Leipzig nach dem O. und SO. ausübte.
'») XLV. D. 8.
II.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen
bis zum Jahre 1346.
Von
Herraann Knothe.
von Bautzen, der alten Hauptstadt des ülarkgrafen-
thuras Oberlausitz, giebt es zur Zeit noch keine den An-
forderungen der Gegenwart irgend entsprechende G"C-
schichte. Die vollständige Spezialgescliichte einer Stadt
wird allerdings nur ein langjähriger Bewohner derselben
zu schreiben vermögen; dagegen dürfte die älteste, dunkelste
und doch in gewissem Sinne wichtigste Geschichte gerade
einer Landeshauptstadt auch von jemand dargestellt
werden können, der sich seit Jahren eingehend mit der
Geschichte des Landes beschäftigt hat. Wir werden
daher in Nachstehendem stets zugleich auf die Bedeutung
hinzuweisen haben, welche zu den verscliiedenen Zeiten
die Stadt Bautzen, als Sitz der Landesbehörden, für das
ganze Land Oberlausitz gehabt hat.
Dass der Landstricli zwischen dem Queiss im Osten
und dem Pulsnitzflusse im Westen, d. h. die nachmalige
Oberlausitz, schon vor den Sorben wenden von einem
anderen und zwar germanischen Volksstamme bewohnt
worden sei, gilt längst als erwiesen. Als solchen be-
zeichnet man jetzt allgemein die Semnonen. Von ihrem
Schalten speziell in der Oberlausitz giebt es keinerlei
historische Kunde. Möglich aber, ja sogar wahrscheinlich
ist es, dass von ihnen die gerade in diesem Lande so
zahlreichen sooenannten Schanzen herstammen. Dieselben
dienten keineswegs zu Kultus-, sondern lediglich zu Ver-
7 [ Hermann Knuthe:
tlicidigiingszwecken. In ihnen pflegten die Umwohner
l)ei (Iroheudor Gefahr, namentlich bei plötzliclien feind-
üclien Überfällen, sich seihst und ihre wcrth vollste Habe
zu bergen und zu vertheidigeu. Ein nach strategischen
Gesichtspunkten angelegtes „System" von Schanzen hat
es nicht gegeben'). Ebensowenig sind sie irgend ständig
bewohnt gewesen; es haben also auch keine (Holz-) Burgen
darauf gestanden. Die Bezeichnung als castra, castella,
Burgberge erhielten sie von sjüitercn Geschlechtern nur
deshalb, weil sie einstmals allerdings die Stelle der nach-
maligen Steinburgen vertraten, nämlich um vor den
Feinden zu „bergen"^).
Ebenso dürften von den Semnonen herriUnen die einen
der unzähligen aufgefundenen Aschenurnen, während andere
jedenfalls erst den slavischen Milzenern angehören. Nur
hat man bis jetzt sichere Uiitersch(_;idungsmerkmalc zwi-
schen beiden noch nicht festzustellen vermocht-
Im Verlaufe der Völkerwanderungen verliessen auch
die Semnonen iine bisherige Heiniath. In das leer ge-
wordene Land rückte im 6. oder 7. Jahrhundert von
Osten her der slavische Stamm der Milzener ein und
nahm Besitz von den schon früher bebauten Wohn-
plätzen. Auch ihnen werden die bereits vorgefundenen
Schanzen dieselben Dienste geleistet haben , wie ilu'en
Vorgängern. Die Ausdehnung ihrer Ansiedlungen lässt
sich, bei einiger Vorsicht, aus den noch jetzt erhaltenen
slavischen Ortsnamen ziendich sicher nachweisen^). Es
war einmal ein schmaler offener Landstrich zwischen
dichten Waldungen im Süden und im Norden, von Lauban
und Görlitz bis gegen Löbau hin, und von da bis gegen
Kamenz das weite, ebene oder doch nur wellige Gebiet
rings um das nachmalige Bautzen. Den dortigen leichten,
sandigen Boden vermochten sie mit ihrem schwachen
Holzpfiuge leicht zu bebauen. Nur etwa in den Fluss-
thälern lockte die AVenden auch der fettere Marschboden
theils stromaid'wärts bis in die südlichen waldbedeckten
Gebii-ge, theils stroraal)wilrts in die nördlichen sandigen
Heiden zu neuen Ansiedlungen. In diesem Zentrum des
alten Wendeidandes liegen noch heute die kleinen sla-
') Oskar Schuster, Die alten Heidenschanzen Deutsch-
lands (Dresden 18fi9).
^) Knothe, Rechtsgeschichte der Oberlausitz (1877), 9 tlg.
*) Knothe, Zur Geschichte der Germanisation in der Ober-
lausitz: in V. Webers Archiv für die sächs. Gesch. N. F. 11, 2G6 flg.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 134('. 75
vischen Dörfer, umgeben von den zugehörigen Fluren
und Wcäldchen, dicht gedrängt aneinander.
Die Milzener standen, wie alle nördlichen Slaven-
stämme, unter Stanimeshäuptern oder Fürsten und einem
kriegerischen Adel. Alles übrige Volk, obgleich nach
seinen Pflichten geschieden in mehrere Klassen, war
hörig, gehörte theils dem Fürsten, theils dem Adel'')
und hatte an dem Boden, den es bebaute, keinerlei Eigeu-
thumsrecht. Derselbe war Eigenthum der Gutsherren.
Dem Fürsten blieben zum eignem Besitz zahlreiche
Domänen, theils Dörfer mit Höfen oder Vorwerken,
theils vor allem die grossen Waldungen im Norden vor-
behalten.
Nach allgemeiner slavischer Sitte schuf sich jeder
Stamm eine gemeinsame Stammesfeste. Sie war der
Sitz des Landesfürsten und seiner Beamten und die all-
gemeine Zufluchtsstätte bei eigentlicher Kriegsgefahr.
Darum war auch das ganze Land zum Schutz und Unter-
halt derselben verpflichtet. Daher hatten alle Dörfer
nöthigenfalls dahin Baudienste zu thun und ein regel-
mässiges „Wachkorn" zum Unterhalt der dasigen Be-
satzung an den Landesherrn einzuliefern*). Das Ein-
sammeln dieser Abgaben stand den Supanen zu, welche
ebensoAvohl die Richter als die Steuerbeamten in den
einzelnen, aus mehreren Dörfern bestehenden Gerichts-
und Steuerbezirken waren®).
Zu dieser ihrer Stammesfeste erkoren sich die Mil-
zener einen fast genau in der Mitte jenes Zentrums ihrer
Ansiedlungen gelegenen, im Westen und Norden ganz
steil zur Spree abfallenden Basaltfels, an welchen sich
gegen Osten ein breiteres Plateau schllesst — das jetzige
Bautzen. Wir wissen nicht, ob dieser unstreitig schon
durch die Natur selbst festeste Punkt der ganzen Gegend
auch bereits bei den Semnonen eine gleiche Bedeutung
gehabt habe. Der Umstand, dass auf dem gerade gegen-
über liegenden Protsclienberge am linken Spreeufer sich
eine und zwar ziemlich unbedeutende (jetzt völlig abge-
tragene) Schanze befand, scheint dagegen zu sprechen.
Demnach hätten erst die Milzener das jetzige Bautzen
*) Knothe, Die verschiedenen Klassen slavischer Höriger
in den Wettinischen Landen, in dieser Zeitschrift IV, 1 flg.
') Knothe, Rechtsgeschichte, 5 flg.
*) Diese Zeitschrilt lY, 5.
7C) HermaiiTi Knothe:
angelef^t und zum Mittelpunkte ihrer Herrschaft gemacht.
Auf dem steil abfallenden, noch überdies durch tiefen
Graben gegen Osten hin geschützten Fels entstand die
jedenfalls nur hölzerne Wohnung des Landesherrn ; war
doch auch die 929 für den neugeschaffenen Markgrafen
von Meissen aufgeführte deutsche Burg an der Triebisch
und Elbe nur ein Holzbau. Auf dem östlichen, ebenfalls
durch das .Spreethal zum theil geschützten Plateau lag
die Stadt, d. h. die Wohnungen theils der laudesherrlichen
Beamten, der ritterlichen Besatzung, der unentbehrlichen
Handwerker, Kaufleute, Oastwirthe und sonstiger Ein-
wohner. Das unmittelbar unterhalb der Stadt im Thalc
der Spree gelegene Dorf Seidau stand wohl schon in
altslavischer Zeit ebenso wie später unmittelbar unter
dem Landesherrn. Au mehreren Stellen in der Nähe der
Stadt finden sich grosse Urnenfelder, wo die heidnischen
Wenden die Asche ihrer Tntcn beisetzten. Bei Öhna
(im N. von Bautzen ) gab es eine Kultusstätte des Flins ')
und auf den höchsten Punkten der südlich gelegenen,
noch heute dicht bewaldeten Bergketten wurden der Biele-
bog, d. h. der weisse, gute Gott, und der Czernebog, der
schwarze, böse Gott, verehrt.
Diese Stammesburg oder Hauptstadt des Milzener-
landes nun erhielt den Namen Budissln. Bischof Tliiet-
mar von Merseburg (gestorben 1018), von welchem dieser
Name zuerst genannt wird, schreibt ihn Budusin, Chro-
nisten und Urkunden des 12. und 13. Jahrhunderts
Budesin, Budisin, Budyssin] mindestens seit dem 14. Jahr-
hundert wurde er wenigstens gesprochen auch Baudissin *),
später Bautzen, welche Form des Namens seit 1868 auch
die offizielle Schreibweise geworden ist. Was der Name
aber bedeute, darüber sind, ganz abgesehen von den
Erklärungsversuchen der älteren Historiker^), selbst
gegenwärtig die gelehrten Slavisten noch keineswegs
völlig einig. Der Form nacli Ist das Wort das Adjektiv
von einem weiblichen Personennamen Budym, welcher
den männlichen Personennamen Budych oder Buduch
voraussetzt. Der Stamm hud aber bedeutet den einen
zufolge: gern bauen, den andern zufolge: wecken, so
dass die Adjektivform Budisin dasjenige bezeichnen würde,
») Laus. Mag. VI (1827), 177 und 315 flg.
*) Knothe, Gesch. des Oberlausitzer Adels (1879), 108.
*) Vgl. ü. r>. bei Carpzov, Ehrentempel I, 242.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. ir>i6, 77
was „der Gernbauenden" , beziclientlich „der Weckerin"
eigen ist, also: Budischljurg*").
Aus dem ganzen etwa dreihundertjährigen Zeitraum
nationalslavisciier Herrs^chaft in der jetzigen Oberlausitz
giebt es keine einzige zuverlässige NacLriclit über die
dasigen Wenden. Unter den mehr als 300 gesammelten
Volksliedern derselben befindet sich nur ein einziges von
historischem Inhalt "). Es erzählt, wie „die Sorben" dreimal
gegen „die Deutschen, von deren Sprache sie kein einziges
Wörtlein verstanden", ins Feld gezogen seien und dreimal
„sehr grossen Sieg errungen" hätten, und wie darauf
jedesmal „der König", der persönlich nicht mit im Kriege
gewesen, seine Krieger beschenkt habe mit neuen, präch-
tigen Kleidern, mit Sanmit und Scharlach roth, mit Gold-
füchsen und blitzenden Schwertern. Diese über die
Deutschen errungenen Siege dürften sich auf die Einfälle
beziehen, welche im 9. Jahrhundert von den vereinigten,
östlich der Saale wohnenden Sorbenwenden nach Thüringen
mit günstigem Erfolge unternommen wurden. Und eben
diese Einfälle waren es, welche darauf im 10. Jahrhundert
die allmähliche Unterwerfung der Wenden durch die
Deutschen bis an den Queiss im Osten zur Folge hatten '"''j.
'") Vgl. Brouisch, Laus. Mag. XX (1842). 84. Hulakovsky,
Laus. Mag. XXXVII (IS^^iO), 497. Schmaler, Die slavischen Orts-
namen in der Oberlausitz (1867), 12. (Just. Hey, Die slavischen
Ortsnamen des Kgr. Sachsen (188H), 4.^^. Prof. Dr. Ptuhl nach briet-
lichen Miitheiluugen.
") Haupt und Schmaler, Volkslieder der ^Yeuden (1840)
I, 32 Nr. IV.
'*) Als leere Fabeln erweisen sich dem bisherigen zufolge
alle die verschiedenen Angaben der älteren Historiker, z. B. dass
im Jahre 495 die Sorbenweuden ein festes Schloss auf dem Prot-
schenbergo cibaut haben, welches 805 nach einer siegreichen Schlacht
unter Karls des Grossen Sohne Ludwig (dem Frommen) und Herzog
Witte kind von Sachsen geschleift worden sei, worauf sich 807 die
Wenden auf dem jetzigen Schlossberge angesiedelt hätten, (so noch
Böhlaud, Schicksale der Oberlausitz und ihrer Hauptstadt ßudissin
(1831) 5. 16 flg.), — oder da&s das Schloss auf dem Piotscheuberge
schon im 7. Jahrhundert und zwar durch Markgraf Eadbod auf-
geführt worden, die Stadt aber erst im 9. Jahrhundert von den
j^fachfolgern Karls des Grossen angelegt sei (Grosser, Merk-
würdigkeiten III, 57), — oder dass die Stadt um 882 von einem
mährischen oder slavischen Fürsten Budissintius oder Budislaus
ihren Anfang genommen und ihren Namen erhalten habe (so noch
Wilke, Chronik der Stadt Budissin [1843], l2). Verschiedene Sagen
über die Erbauung von Bautzen und über den Protschenberg sind
gesammelt bei Haupt, Sagenbuch der Oberlausitz, Lausitz. Mag.
XL (1863), :i03 flg.
7(|! Hermann Kiiothe:
Nacliflem der deutsche König Heinrich I. (928)
die Slaveu zwischen Saale und Elbe unterjocht und, um
dieselben im Zaume zu halten, die Mark Meissen angelegt
hatte, „brachte er von Meissen aus auch die Milzener unter
seine Botraässigkeit und zwang sie, Zins zu entrichten'"').
Diese erste, wie es scheint 932 erfolgte Unterwerfung
nöthigte dieselben wohl nur, die Oberherrlichkeit des
deutschen Königs anzuerkennen; im übrigen verblieben
ihnen wahrscheinlicli ihre eignen Fürsten, eigene Ver-
waltung, eignes Kecht. Erst Markgraf Ekkehard II.
von Meist^en (985—1002) „beraubte die Milzener ihrer
althergebrachten Freiheit und machte sie zu Knechten",
was jedenfalls heissen soll: er machte die Deutschen zur
einzig herrschenden Nation im Lande Milsca und ver-
leibte dieses völlig dem deutschen Reiche ein.
Von der hierbei gewiss erfolgten längeren oder
kürzeren Belagerung und blutigen Eroberung der Stammes-
feste Bautzen giebt keine Chronik, kein Volkslied Kunde.
AVir wissen nicht, ob wenigstens die nach und nach im
Interesse der Wenden ausgeschmückte Sage vom Drohm-
berge (auch Thron- und Kronberg genannt) bei Eben-
dörfel, eine Stunde südlich von Bautzen, in Verbindung
damit zu setzen sei '^). Danach sassen dort einst auf
sieben Steinen sieben „Wendenkönige" und hielten Rath,
wie sie die Deutschen schlügen und die Freiheit er-
kämpften. Sie selbst fielen sämtlich in der darauf folgenden
Schlacht; aber ihre Völker siegten und begruben die
Könige mit den goldenen Kronen auf dem Haupte unter
jenen sieben Steinen, die noch heute auf der Höhe des
j.Thronbergs" oder „Kronbergs" zu sehen sind.
Das eroberte Milzenerland war also jetzt ein Bestand-
tlieil des deutschen Reiches geworden und ward nach
der damals herschenden Eintheilung desselben in Gaue
nun „Gau Milsca" genannt. Der Markgraf von Meissen,
der bereits des Reiches Graf in den Gauen Dalaminza
(Meissen) und Nisani (^Dresden) war, wurde Graf auch
in dem Gaue oder Lande Milsca'*). So ward die
") In Betreu" der auf die allgemeine Laudesgeschichte bezüg-
lichen Angaben verweisen wir für das Folgende auf unseren Auf-
satz: „Die politischen Beziehungen zwischen der Oberlausitz und
Meissen" in v. Webers Arch. f d. sächs. Gesch. XII, 275 Üg., wo
die Belegstellen abgedruckt sind.
'*) Haupt, Sagenbuch der Lausitz. Laus. Magaz. XL (1863), 278.
'^) Belegstellen für diese Benennungen in v. Webers Arch. i.
d. sächs. Gesch. N. F. 1, 64, Anmerk. 4.
Zur älteste» Geschichte der Stallt Bautzen bis zum J. ir,46. 79
nachmalige Oberlausitz ein Pertinenzstück der Markgraf-
schaft Meissen. Die bisherio^en national-wendischen Fürsten
wurden beseitigt; in ihre Rechte trat der deutsche König
oder dessen Stellvertreter, der Markgraf von Meissen.
Diejenigen wendischen Adligen, welche die Herrschaft
der Deutschen ehrlieh anerkannten, behielten ihre Güter,
aber jetzt nach deutschem Lehnrecht. Die übrigen
Güter wurden deutschen, zumeist wohl meissnischen oder
thüringischen Kriegern, zu Lehn gegeben zum Lohn für
ihre Dienste bei Eroberung des Landes und zum Im-
zaumhalten der eben erst unterjochten wendischen Be-
völkerung. Sie werden einfach Besitz ero-rifFen haben
von den Gütern, Höfen, Dörfern ihrer wendischen Vor-
besitzer. Die Landbevölkerung selbst blieb ganz in der
früheren Hörigkeit oder Unfreiheit; sie leistete dem neuen
Landesherrn und den neuen Gutsherren dieselben Ab-
gaben und Dienste, wie den früheren; sie hatte also nur
die Herren gewecliselt. In der Burg zu Bautzen waltete
jetzt ein deutscher, ritterlicher Statthalter des Markgrafen
von Meissen (wenigstens später praefectus oder castelfanus
de Biidissin genannt) mit seiner deutschen Besatzung.
Schon jetzt oder doch nicht viel später wurde eine
grössere Anzahl deutscher Lehnsmänner veranlasst, sich
zu umso sichrerem Schutze der Burg dicht unter derselben
auf dem sogenannten Burg lehn anzubauen, und erhielt
dafür Dörfer in der Nähe von Bautzen als Dienstlehen.
Dies Burglehn mit seinen ritterlichen Bewohnern hat
stets lediglich vmter der Jurisdiktion des Präfekten
(später des Landvogts), nie unter der der Stadtbe-
hörde gestanden. Die Herren des Landes waren jetzt
Christen; gewiss wurde daher alsbald auch in Bautzen
eine erste christliche Kapelle oder Kirche, die erste
im Lande, und zwar auf dem höchsten Punkte der Stadt
erbaut. Wenigstens die Bewohner der Hauptstadt werden
sich haben müssen taufen lassen. Seitdem wurden die
heidnischen Friedhöfe geschlossen, und die Toten nicht
mehr verbrannt, sondern auf dem Kirchhofe rings um
die Kirche beo^raben.
Nur wenige Jahrzehnte aber dauerte diese erste
meissnisehe Epoche. Als 1002 sowohl Kaiser Otto HL
als Markgraf Ekkehard von Meissen gestorben waren,
hielt Herzog Boleslaw Chrobry von Polen die Ge-
legenheit für günstig, sich ein grosses Slavenreich zu
gründen und mindestens wieder alles das altslavische
gQ Hennaiiu Kuothe :]
Land bis ;iii diu Saale zurück zu erobern, wobei er sich
der Sympathien, ja der thiltigcn Mitwirkung der noch
durchaus slavischen Landbevölkerung- versichert halten
dürfte. Von 1002—1018 währten die Kriege zwischen
ihm und dem neuerwählten Könige Heinrich IL von
Deutschland. Zu wiederholten Malen ward in dieser
Zeit gerade Bautzen bald von den Polen, bald von den
Deutschen belagert und theils durch Sturm genommen,
theils durch K"a])itulation übergeben. Der Besitz der
Landesfeste entschied über den Besitz des ganzen Landes.
Infolge dessen wurde nach und nach der Gau oder das Land
Milsca auch als Gau oder Land Budissin bezeichnet'^).
Eben diese von Bischof Thietmar von Merseburg
eingehend behandelten Kriege gegen die Polen sind es,
in welchen zum ersten Mal beim Jahre 1002 die Stadt
(urhs oder auch civitas) Budusin namentlich erwähnt und
bei Gelegenheit einer Belagerung durch König Heinrich H.
einigermassen beschrieben wird'*). Danach bestand
die eigentliche Stadt noch immer lediglich aus Holz-
häusern; denn von dem deutschen Heere ward „bereits
Feuer herbeigebracht", um sie zu verbrennen, als Mark-
graf Gunzelin von Meissen dies verbot. Sie war mit
„Mauern" umgeben, d. h. wahrscheinlich einem Walle mit
Holzplanken hinter einem Graben. Eines Tages hatten
„die in der Stadt" yurhani) einen Ausfall versucht, wurden
aber zurückgetrieben und namentlich von einem deutschen
Krieger, Namens Hemuza „bis fast an die Mauern ver-
folgt"'; da ward derselbe von einem halben Mühlstein
auf den Kopf getroffen und sein Leichnam in die Stadt
hinein^^ezogen. Es gab auch Bastionen (propugnacula)
in der Umwallung. Von einer derselben zielte eines
Tages ein Bogenschütze auf König Heinrich selbst, traf
aber nur dessen Nebenmann, Bis an die Spree hinab
wüthete damals der Einzelkampf. Ein deutscher Krieger,
Namens Tammo, leistete, im Flusse stehend, den Feinden
lange Zeit tapferen Widerstand, bis er endlich auf den
schlüpfrigen Steinen ausrutschte, hinstürzte und nun trotz
seines vorzüglichen Brustharnisches erlegt ward.
In einem zu Bautzen am 30. Januar 1018 ab-
geschlossenen Frieden musste endlich König Heinrich IL
'•) Belegstellen in v. Webers Arch. f. d. sächs. Gesch. N. F. I
65, Aniuerk. ö. u. 6.
") Tbiotmar, Mou. Germ, List. SS. III, 793.
^ur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. gl
das Milzenerland definitiv an Boleslaw Clirobry abtreten.
Zu den Friedeusbedingungen gehörte, dass der verwitwete
Polenherzog des verstoi-benen Markgrafen von Meissen
Tochter Namens Oda zur Gemahlin erhalten solle. Schon
am Abende des vierten Tages darauf ward dieselbe zu
Seitschen *"*), bis wohin er ihr entgegen gezogen war, feier-
lichst bei Fackelschein ihm übergeben und dann in Bautzen
mit ihm vermählt- So hielt denn, wenigstens auf kurze
Zeit, einmal wieder ein Landesherr, und zwar nebst Ge-
mahlin, zu Bautzen Hof. Nach Boleslaws Tode (1024)
erfolgten neue Kriege zwischen dessen Sohne Mieczislaw
luid König Konrad If., in welchen letzterer (1029) auch
Bautzen vergeblich belagerte, ersterer aber endlich Stadt
und Land wieder an die Markgrafen von Meissen
abtreten musste.
Von den etwaigen Veränderungen, welche diese mit
kurzen Unterbrechungen 29 Jahre währende Herrschaft
der Polen theils in den Verhältnissen des ganzen Landes,
theils in Bautzen selbst zur Folge o-ehabt habe, wissen
wir nichts. Die kirchlichen Zustände blieben jeden-
falls, da Boleslaw Christ war, davon unberül)rt. Ja es
scheint, dass eine sehr alte Kapelle auf dem Schlosse mit
alten (Fresko-) Gemälden, gelegen an der Mauer gegen
die Spree hin-, welche erst 1605 völlig abgebrochen ward,
von ihm herrührte; wenigstens fand man bei Wegräumung
des Schuttes auch einen Stein mit dem polnischenWappen ' ®).
Diese zweite meissnische Epoche für das Land Bu-
dissin dauerte auch nur 45 Jahre. Da in den bekannten
Investiturstreitigkeiten zwischen Kaiser Heinrich IV. und
den sächsischen Grossen sich der Markgraf Egbert von
Meissen zu den letzteren hielt, so sprach ihm der Kaiser
1076 die Mark Meissen samt dem zugehörigen Gau Milsca
ab und übergab sie dem getreuen Herzog Wratislaw
von Böhmen. Dieser aber übertrug die Vertheidigung
und Verwaltung dieser neuerworbenen Länder dem tap-
feren Grafen Wiprecht von Groitzsch und überliess dem-
selben 1086 nebst der Hand seiner eigenen Tochter Judith,
als deren Mitgift, den Niessnutz der beiden Gaue Milsca
und Nisani. So kam denn die nachmalige Überlausitz
1076 zum ersten Male unter Böhmen. Wiprecht musste
") Siehe v. Webers Archiv f. d. sächs. Gesch. XII, 27y An-
merkung 11.
'•) Knauthe, Weud. Kirchen-Gesch. (1767) 29.
Neues Archiv f. S. G. \i. A. V. i. 2. 6
82 Hermann Knothe:
zwar (1110 oder 1112) jene beiden Länder an Kaiser
Heinrich V. abtreten, um seinen ältesten Sohn, AViprecht
den jüngeren, aus der Gefangenschaft des Kaisers loszu-
kaufen, und letzterer gab dieselben sofort seinem Günst-
ling Graf Iloyer von Mansfeld, von welchem das ober-
lausitzische Hoyerswerde wenigstens seinen deutschen
Namen erhalten zu haben scheint. Als aber dieser 1115
in der Schlacht am Welfisholze gefallen war, erhielt
Wiprecht der ältere seine Länder zurück und vererbte
bei seinem Tode (1124) das Land Budissin an seinen jün-
geren Sohn Heinrich von G r o i t z s c h. Nach dessen kinder-
losem Tode 1135 gab Kaiser Konrad III. jedenfalls auch
das Land Budissin an Markgraf Konrad den Grossen
von Meissen zurück.
Wiprecht von Groitzsch residierte mindestens für ge-
wöhnlich zu Bautzen; wenigstens starb daselbst am
17. Dezember 1109 seine Gemahlin Judith, wurde aber
in dem von Wiprecht gestifteten Kloster zu Pegau mit
grosser Feierlichkeit beigesetzt. Auch Heinrich von
Groitzsch dürfte sich wesentlich in Bautzen aufgehalten
haben. Spuren ihres Waltens scheinen sie aber nicht
zurückgelassen zu haben.
Nur etwa 20 Jahre dauerte die nunmehr dritte Epoche
ineissnischer Herrscliaft. Erst jetzt erfahren wir auch
urkundlich, dass, wie dies gewiss schon immer der Fall
gewesen war, als oberster Landesbeamter der castellanus
de Budissin fungierte. Nur von dem allerletzten lernen
wir auch den Namen, Tlieodoricus, kennen; er befand
sich unter den zahlreichen Zeugen, als Älarkgraf Konrad
der Grosse 1156 über die beiden Klöster Gerbstädt bei
Eisleben und Lauterberg bei Halle Anordnungen traf,
unmittelbar bevor er in letzteres eintrat, um den Rest
seiner Tage daselbst zu verbringen. — Markgraf Konrad
war mit Bischof Meinhard von Meissen darüber in Streit
gerathen, ob auch die zahlreichen Güter und Unterthanen,
welche das Bisthum Meissen nach und nach in der jetzigen
Oberlausitz erworben hatte^"), verpflichtet seien, zu dem
Bau und Unterhalt der Landesfeste Bautzen beizutragen.
Obwohl dieselben der Kirche zu Meissen „geeignet" waren,
entschied 1144 Kaiser Konrad III. dennoch, dass von den
Dörfern des Domstiftes diejenigen „im Lande Milsca drei
*") Vergl. Knothe, Die Besitzungen des Bisthums Meissen in
der Oberlausitz, in v. "Webers Arch. f. d. sächs. Gesch. VI, 159 flg.
2ur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 83
Stuben auf der Burg Bautzen bauen und den all-
gemeinen Wachdienst nach Landessitte thun", dass dagegen
diejenigen im Lande Zagost (besonders wohl in der eigent-
lich zu Böhmen gehörigen, aber von einem dasigen Herr-
scher dem Bisthum Meissen geschenkten Herrschaft Seiden-
berg) von dem Bau auf der markgräflichen Burg völlig
frei sein, den Wachdienst aber ebenfalls leisten sollten.
Vielleicht hatte den Aulass zu diesem Streit der eben
damals nöthig gewordene Neu- oder Umbau der Burg
gegeben ^*).
Sofort nach dem Tode Markgraf Konrads von Meissen
gab Kaiser Friedrich I. (1158) das Land Budissin, welches
trotz alles Wechsels der Besitzer den Charakter eines
Eeichslehens nicht verloren hatte, an König Wladislaus H.
von Böhmen, der ihm soeben gegen Polen erfolgreiche
Hilfe geleistet hatte und ein gleiches auch gegen Mailand
thun sollte. So gelangte die jetzige Oberlausitz ein zweites
Mal unter böhmische Herrschaft. Gerade diese Epoche
ist für die innere Entwickelung des Landes von der
allergrössten Bedeutung gewesen, wie sich, obwohl es an
direkten Nachrichten fehlt, doch aus den nach und nach
als zu Recht bestehend auftretenden neuen Einrichtungen
deutlich ergiebt. Das Land wurde jetzt nach den im
Königreich Böhmen hergebrachten Verfassungs Verhältnissen
umgestaltet.
Als Stellvertreter des Landesherrn und Inhaber der
obersten Militär- und Administrativgewalt blieb zwar der
castellanus oder, wie er jetzt auch heisst, 'praefectus,
deutsch: Burggraf von Budissin, welcher vom König
stets aus dem böhmischen Herrenstande erwählt zu
werden pflegte"'^''). Die oberste Gerichtsgewalt aber übte
ein königlicher Landrichter (judex oder advocatus terrae)]
er war der zweithöchste königliche Beamte und hatte
*') Das Schloss zu Bautzen wird die Ortenburg genannt,
eine Benennung, von welcher bis jetzt niemand recht weiss, seit wann
sie aufgekommen und wie sie zu erklären sei. In Urkunden ist
sie uns niemals begegnet (Wilke 12 freilich behauptet, dieser
Name „komme in frühester Zeit vor"). Von ganz ungereimten Er-
klärungen völlig zu schweigen, wollen die einen den Namen von
Dorothea, die anderen von Othin, Bronisch (Laus. Mag.
XLVI. 1869. 172) von Ortwin, Haupt (Laus. Magaz. XL. 1863.
305) von „Ort" in der Bedeutung: Spitze oder Grenze (Grenzburg)
ableiten.
'=') Das Verzeichnis derselben: K not he, Rechtsgeschichte
12 flg.
6*
g4 Hermann Knotlie;
seine Aratswohuung wohl ohenso wie der Kastellan auf
der königlichen Burg. Als sonstige Beamte werden er-
Avähnt die villici, Verwalter der königlichen Domänen, imd
die nwitii, Frohnbotcn. Als solche Domänen haben wir
zu betrachten die grossen, nun „königlichen" Heiden im
Norden und Nordwesten von Bautzen und im Norden von
Görlitz, den „Königslug", einen Wald bei Hoycrswerde,
den Kottmarsberg bei Löbau, gewiss ebenso auch die
erst in dieser Zeit neu angelegtun oder umgestalteten Ort-
schaften Königsbrück, Königswarthe, Königshain bei Gör-
litz, Königsteich (jetzt Niederkaina) bei Bautzen.
Nach böhmischem Vorbild wurden jetzt auch in der
Oberlausitz, zumal im Norden derselben, eine Anzahl
grosser Güterkomplexe geschaffen, deren Lehnsinhaber
einen höheren Rang als der übrige Lehnsadel besassen.
Dieselben hiessen „Herren", durften sich des pluralis ma-
jestaticus („Wir") bedienen, waren frei von der landes-
herrlichen Bede und übten in ihren „Herrschaften"
nicht nur die niedere, sondern auch die obere Gerichts-
barkeit, und zwar nicht bloss über die slavische hörige
Landbevölkerung, sondern auch über ihre mehr oder
minder zahlreichen Aftervasallen, denen sie einzelne ihrer
Dörfer zu Lehn ausgethan hatten. Als solche Herr-
schaften werden, freilich zum Theil erst im Laufe des
14. Jahrlmnderts, erwähnt: Hoycrswerde, Kamenz, Nesch-
witz^ Ruhland, ßariith, Kittlitz, Muskau, Penzig (Seiden-
berg, Marklissa). Noch heute führen davon Hoycrswerde,
Muskau, das erst später hinzugekommene Königsbrück
und Reibersdorf (durch Übertragung von Seidenberg) die
Bezeichnung als „Standesherrschaften" und haben man-
cherlei Vorrechte vor den übrigen Rittergütern.
Gegen Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhun-
derts suchten nun die böhmischen Könige ebenso wie in
ihr Hauptland Böhmen, so auch in das Nebenland Bu-
dissin zahlreiche Einwanderer aus dem westlicheren
Deutschland herbeizuziehen. Sie wiesen in der Oberlausitz
den einen derselben an der uralten Ilandelsstrasse aus
Thüringen und Meissen nach Schlesien und Polen, jetzt
„die königliche Strasse" (via regia) genannt, geeignete
Plätze an zur Anlegung deutscher Städte. So erscheinen
seit Anfang des 13. Jahrhunderts ausser der Hauptstadt
Bautzen auch Königsbrück, Löbau, Weissenberg, Reichen-
bach, Görlitz, Lauban als neue, und zwar „königliche"
Städte. Dem Beispiele der Landesherren folgten die
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 85
Grossgrundbesitzer. Die Herren von Vesta schufen Ka-
menz, die Herren von Scliönburg Bernstadt, die Bischöfe
von Meissen Bischofswerde zu deutschen Städten um.
Andere Züge jener deutschen Einwanderer wurden theils
in den nur spärlich bewohnten nördlichen Heiden, theils in
den so gut wie völlig unbewohnten südlichen Waldgebirgen
angesiedelt. So entstanden z. B. rings um Kamenz, nörd-
lich wie südlich von Görlitz und Lauban, besonders öst-
lich von Bischofswerde und südlich von Löbau höchst
zahlreiche neue, deutsch benannte und deutsch sprechende
Dörfer mit einer freien deutschen Bauernschaft,
Avelche ihre Hufen für Geld käuflich erworben hatte
und im Gegensatz zu den slavischen Hörigen sie zu
Erbe b.sass. Dem Beispiel der Grossgrundbesitzer
folgten alsbald aucli die kleineren Gutsbesitzer und rich-
teten viele ihre Dörfer nach deutscher Weise ein, be-
setzten die einzelnen Hufen theils mit fremden Deutschen,
theils mit slavischen Eingeborenen, welche hierdurch nun
ebenfalls frei wurden, das heisst ihren Grund und Boden
zu Erbrecht erhielten. AVer sein Gut zu deutschem
Hechte besass, zahlte festen Zins in Geld und leistete
nur wenige, ebenfalls fest bestimmte Spann- oder Hand-
dienste. So begann gerade erst unter der Herrschaft der
böhmischen Könige in der Oberlausitz die allmähliche
und zwar durchaus friedliche Gerraanisation des
Landes. Die Städte und die neu angelegten Dörfer
waren und blieben (meist) deutsch und schoben deutsche
Sprache, Kultur und Sitte mehr und mehr siegreich vor
gegen das slavisch gebliebene Zentrum, nämlich die
nächste Umgebung von Bautzen. AA''ohl eben mit diesem
Zuwachs an Bevölkerung und mit der Besiedelung so
vielen bisher unbebauten Terrains im Lande hing eine
neue Administrativeintheilung desselben zusammen.
Die bisherige, in „Burgwarte", wurde aufgehoben und
w'as nicht zu den oben besprochenen grossen Herrschaften
oder zu den bischöflich meissnischen Besitzungen gehörte,
sondern unmittelbar unter der Verwaltung der Krone
stand, in eine Anzahl Gerichts- und Administrativbezirke
getheilt mit Vögten (advocati) als Beamten und mit den
neuen königlichen Städten Löbau, Reichenbach, Weissen-
berg, Görlitz, Laubau als Mittelpunkten. Der Vogt zu
Bautzen aber nahm jedenfalls die Stellung eines obersten
Richters, des Landrichters im Landgerichte, ein.
Nach altem deutschen Brauche fand in jedem beson-
86 Hermann Knothe:
deren Lande oder Gaue 7Ai gewissen Zeiten, meist dreimal
des Jahres, an althergebrachter Stätte Landesversammlung
oder Landding (provinciale placitum, Judicium generale)
statt- Auf demselben hatten regelmässig zu erscheinen
der Adel des gesamten Landes, Vertreter der könig-
lichen Städte, in slavischen Ländern sogar die wendischen
Supane oder Dorf'richter. Auf dem Landding pflegte der
Landesherr entweder persönlich oder durch seinen Statt-
halter den Versammelten des Landes Nothdurft darzulegen,
die von ihm etwa getroffenen Anordnungen mitzutheilen
und sich die Zustimmuug zu denselben zu verschaffen.
Darauf wurden aber auch Rechtsgeschäfte aller Art er-
ledigt, Lehn ertheilt, Klagen einzelner durch aus der
Versammlung ernannte Schoppen verhört und entschieden,
besonders Kriminalfälle, welclie lediglich vor dies oberste
Landesgericht gehörten, zum rechtlichen Austrag gebracht.
In den Kriminalsachen der wendischen Landbevölkerung,
welche noch immer nicht deutsch verstand, versahen den
Schöppendienst die wendischen Supane, welche auch der
deutschen Sprache mächtig sein mussten und welche die
auf dem Landding gepflogenen Verhandlungen, gefassten
Beschlüsse, erlassenen Befehle der Landbevölkerung ihrer
Supanie dann zu „referieren" hatten. So bildete denn das
Landding die berathende und beschliessende Versammlung
des ganzen Landes und zugleich den obersten Landes-
gerichtshof. Auch in der Oberlausitz sind daraus die
nachmaligen drei regelmässigen („willkürlichen", d. h.
durch die Willkür des Landes festgesetzten) Landtage
und das sogenannte j?^cZ<c«w??i ordinarium hervorgegangen. —
Abgehalten wurden hier die Landdinge auf dem Schlosse
zu Bautzen, als der alten Landesfeste. Von zwei solchen
Landdingen aus dieser böhmischen Zeit, nämlich in den
Jahren 1228 und 1249^*), haben wir urkundliche Nach-
richt. Beide Male führte König Wenzel I. selbst in dem
Landgerichte den Vorsitz (consedentes, jpresidentes) über
die „gesammten Barone und Edlen, wie es Brauch ist";
er Hess die von den Parteien vorgetragenen Streitsachen
(beide Male um liegendes Gut) durch gekorene Schoppen
untersuchen und bestätigte und befestigte darauf das von
denselben gefundene Urtheil.
Ebenso wie für die oberste Administrativbehörde,
war die Stadt Bautzen längst bereits Sitz auch für die
») Köhler, Cod. Lus. 42. Cod. dipl. Sax. reg. II. 1, 131.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 87
oberste kirchliche Behörde dos Landes. Die allererste
Erwähuung eines Geistlichen zu Bautzen nennt denselben
(1216): Nicolaus „archidiacouus" des Landes Budissin''*).
Von Meissen aus war die Herrschaft der Deutschen und
mit derselben auch das Christenthuni in die Oberlausitz
gekonnneu. So blieb denn das Land trotz alles Wechsels
der Landesherren stets unter dem bischöflichen Stuhle zu
Meissen. Der Zusammenhang mit der Mutterkirche scheint
schon damals auch dadurch unterhalten worden zu sein,
dass der oberste Geistliche zu Bautzen, der Pfarrer der
Stadt, zugleich Domherr zu Meissen zu sein pflegte. Jener
Nicolaus wenigstens war es. Das erste christliche Kirchlein
zu Budissin mochte sich wohl längst als unzureichend er-
wiesen haben. Es soll Johannes dem Täufer gewidmet
gewesen sein. Chronikalischen Angaben zufolge wurde
dasselbe durch Bischof Benno von Meissen 1074 zur Pfarr-
kirche zu St. Petri umgebaut. Auch die 1076 von
demselben Bischof neugegründete Kirche zu Göda war
den Aposteln Petrus und Paulus gcAvidraet. Es ist nicht
unwahrscheinlich, dass jenem Bau von 1074 noch die
romanischen Rundbogenfenster in der jetzigen katho-
lischen Sakristei in Bautzen angehören, wie sich auch
von jener Gödaer Kirche vom Jahre 1076 noch einzelne
Reste romanischen Stiles erhalten liaben^^). Die jetzige
Hauptkirche zu Bautzen dagegen ist in gothischem Stil
aufgeführt. Meissner Nachrichten zufolge ^^) wurde dieser
abermalige völlige Umbau 1213 unter Bischof Bruno IL,
der übrigens kein Oberlausitzer, kein Herr von Baruth,
sondern ein Herr von Borsendorf wai"'^'), begonnen. Am
24. Juni 122 P*) weihte der Bischof die Kirche aufs neue
ein. Die betreffende Urkunde selbst schweigt zwar dar-
über, wem die Kirche gewidmet war; aber aus späteren
Urkunden ergiebt sich, dass sie nicht bloss den Apostel
Petrus, sondern zugleich Johannes den Täufer zu
Patronen hatte ^'^J.
^*) Köhler, Cod. Lus. Anhang 52, und Cod. dipl. Sax. reg.
II. 1, 8i.
**) V. Webers Archiv f. d. sächs. Gesch. V, 80 und 82.
**) Calles, Series episc. Misn. IM.
=") Cod. dipl Sax. reg. II. 1, XYIII.
'^^) Cod. Lus. 27. Besonders in den Eigennamen korrekter ab-
gedruckt in den „Statuten des CoUegiatstifts St. Petri in Budissin von
F. P[rihonsky] (Bud. 1858) 2.
*») Cod. Lus. 47 (1237): Ecelesia sancti Johannis baptistae bea-
tique Petri apostoli in Budesin. Vergl. ebenda 135 (1293). 256 (1324).
88 Hermann Knothe:
Dieser Umbau hing auf das Engste mit einer Um-
gestaltung des gesamten Kirclienwesens sowohl in der
Stadt als im Lande Budissin zusannnen, welche der Bisehof
bezweckte. Die Bautzner Kirche sollte für alle Zeiten
auch dem Range nach die erste des ganzen Landes werden;
an die Stelle der blossen Stadtpfarrei Bautzen sollte ein
Kollegiatstift mit einem Propst an der Spitze und sechs
andern Kanonikern treten, und dieser Propst sollte von
nun an das Archidiakonat über die nachmalige Ober-
lausitz verwalten ^^). Eine derartige Stiftskirche brauchte
vor allem ein eigenthüralich gestaltetes Chor mit den
Chorstühlen der Kanoniker. Darum hebt der Bischof in
der schon erwähnten Dedikationsurkunde hervor, er habe
die Bautzner Kirche eingeweiht, „nachdem er Kanoniker
an derselben augestellt und das Chor von neuem auf-
geführt habe". — Durch diese Erhebung der Stadtkirche
zur Kollegiatkirche verlor nun freilich die Bürgerschaft
die freie Verfügung über dieselbe. Die später in ge-
legentlichen Klageschriften gegen das Domkapitel aus-
gesprochene Behauptung^*}, dass die Peterskirche ursprüng-
lich von der Stadt erbaut worden und deren Eigenthum
gewesen sei, beruhte daher wohl völlig auf Wahrheit.
Dem Bischof Bruno sollte aus seiner neuen und segens-
reichen Stiftung zunächst vielerlei Verdruss und Sorge
erwachsen. Zum ersten Propst des Stiftes Bautzen war,
jedenfalls vom Bischof selbst, der Meissner Dompropst
Dietrich (Theodoricus) ernannt worden; allein dieser nahm
die ihm zugedachte Stellung entweder gar nicht an oder
verzichtete alsbald darauf (praepositura — ex resignatione —
Theodorici, Misnensis majoris praepositi, coeperat — vacare).
So hatte der Bischof den Meissner Domherrn Nicolaus
'") Mau hat in Zweifel ziehen wollen, dass es in der Ober-
lausitz überhaupt ein Archidiakonat gegeben liabe(Espe in den
Berichten der deutschen Gesellschaft zu Leipzig [l'^.Sfi] 40 flg.). Allein
abgesehen von der schon (S. 87) angeführten Urkunde von 1-.'16
heisst es in einer Urkunde Uruno's II. vom 25. Februar 1222 (Cod.
Lus. 30 flg.) ausdrücklich: prepositus idem archidiaconatus per totam
terram Budissincnscm cttram gerit, und bei Oriindung des Klosters
Marienstern durch die Herren von Kainenz (1248) betonten dieselben,
dass durch die Inkorporierung einiger Pfarreien in das neue Kloster
cpiscopus diocesanus sive archidiaconus eorum jure inJiis parochiis
non priventtir (Laus. Magaz. XLIII [1866], 384). Später allerdings
scheint der Titel eines Archidiaconus von Bautzen nicht mehr vor-
zukommen; aber der Propst von Bautzen übte alle Rechte und
Pflichten eines solchen. Verel. Beiträge zur Sachs. Kirchengesch. II, 33 flg.
»') Vergl. Laus. Magaz. XXX VI (1860), 192.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 89
(wahrsclieinlic'li denselbeu, welcher 1216 als Archidiakonus
vou Bautzen erwähnt ward) ernannt. Allein die Bautzner
Kanoniker wollten denselben nicht anerkennen, da er sein
Amt „infolge ihm zu theil gewordener Schenkung" (ex
donatione) in Anspruch nehme, während doch nach der
Analogie des Kollegiatstifts zu Würzen den Kanonikern
das Recht zustehe, ihren Propst selbst zu wählen. Zu-
gleich aber begehrten . sie neben dem Propst auch einen
Dekan und ausserdem eine Vermehrung ihres Kapitels
um noch vier andere Mitglieder, so dass sich deren Zahl
zusammen auf zwölf belaufen sollte. Erst eine Kommission
Meissner Domherren vermittelte zwischen ihnen und dem
Bischof dahin ^*), dass sie zwar den ihnen gegebenen
Nicolaus zum Propst auuelnnen wollten, aber für die Zu-
kunft ihren Propst selbst sollten wählen dürfen. Und
zwar sollten sie infolge eines späteren Vergleichst^) den-
selben jedesmal aus der Zahl der Meissner Domherren,
den Dekan aber aus ihrer eignen Mitte wählen; den
Scholasticus und Custos dagegen sollte der Bischof
ernennen, im übrigen aber sollte Aufrücken von den
niederen in die höheren Präbenden stattfinden^*).
Die Dotierung so vieler geistlicher Stellen an ein
imd derselben Kirche war für den Bischof keine leichte
Aufgabe. Den Grundstock bildeten unstreitig das Pfarrgut
und die sonstigen Einkünfte des bisherigen Stadtpfarrers.
Es ist mit Unrecht behauptet worden ^^), Bischof Bruno
habe alle die neuen Pfründen aus seinem persönlichen
Vermögen geschaffen. Vielmehr überwies derselbe dem
neuen Stifte zu Bautzen nur von den Gütern des Dom-
stifts Meissen und mit ausdrücklicher Genehmigung des
dasigen Kapitels einmal das ganze Dorf Schmiedefeld
(N. von Stolpen) mit allen Revenuen, sodann den Bischofs-
zehnten von Kunnersdorf bei Löbau. Von den verschie-
denen Hufen (mansi) oder Bauergütern zu Schmiedefeld
erhielt unter anderen der Dekan vier (und ausserdem
noch eine in Kaina), der Custos und der Scholasticus je
zwei **); d. h. sie bezogen den von den betreffenden Bauern
für jede Hufe zu entrichtenden Erbzins, welcher in der
3») Biscliöfliche Urk. vom 25. Februar 1222. Cod. Lus. 29 flg.
") Urk. vom 25. September 1225. Cod. Lus. 36 tig.
'*) Urk. vom 19. Februar 1223 (nicht vom 19. Dezember 1222).
Cod. Lus. 35.
**) Carpzov, Ehrentemp. I, 246. Wilke, Bautzen 19.
") Cod. Lus. 30.
90 Hermann Knothe:
Regel eine Mark Silber (etwa 42 Mark heutigen Geldes)
betrug. Von sonstigen Schenkungen des Bisehofs Bruno
erfahren wir nichts. Erst sein Nachfolger, Bischof Hein-
rich, schenkte 1237^') zu Gunsten der in der Bautzner
Kirche errichteten Altäre des seligen Jakobus, des heiligen
Kicolaus und der seligen Elisabeth den Bischofszehnten
von den Dörfern Litten (NO. von Bautzen) und Briesing
(N. von Niedergurig). ~ "Wohl aber dürfte sich an der
Ausstattung des neuen Kollcgiatstifts auch der damalige
Landesherr der Oberlausitz, König Wenzel von Böhmen,
direkt betheiligt haben. Wie wir aus einer Urkunde vom
21. September 1240**) gelegentlich erfahren, hatte er dem-
selben „von gewissen einst ihm gehörigen Äckern, ge-
legen bei der Stadt Bautzen", Zehnten angewiesen. Hier-
mit dürfte (unter anderem) das Gut Königsteich (piscina
regis) in Niederkaina gemeint sein***), welches „seit der
ersten Stiftung der Kirche zu Bautzen und mit Geneh-
migung und gutem Willen der Fürsten" dem Domkapitel
stets den „vollen" Zehnten, d. h. wirklich den zehnten
Theil von allen Erträgnissen des Gutes, liefern musste**").
Bereitwilligst hatte übrigens der König, jedenfalls auf
Bitten des Bischofs, schon 1220^'), also noch vor der
faktischen Eröffnung des Kollegiatstiftes, „die Kirche zu
Bautzen mit allen zu derselben gehörigen Personen und
Gegenständen in seinen königlichen Schutz genommen"
und zugleich gestattet, Avenn etwa jemand von seinen
Edlen und Vasallen „drei bis vier Hufen oder auch Gärten,
Bauplätze oder Häuser zu seinem Seelenheile der genannten
Kirche überweisen wolle", so solle dies als Ausstattung
derselben gelten und, obgleich eigentlich Lehngut, doch
„Eigenthura" der Kirche werden. — Und so mögen denn
»') Cod. I.us. 47.
'*) Ebenda 48 und Erben, Regesta IJoheni. I, 4G8, wo als
Jahr 1240, der Monat aber irrthümlicli als der Oktober angegeben ist.
ä») Cod. Lus. 119 flg.
*») Erben, Reg. Boh. T, r)52, führt (nach Palat'ky, Ital. Reise
32) eine Urkunde vom 29. Oktober 1247 an, worin Papst inuocenz IV.
von Lyon aus dem Bischöfe von Meissen befiehlt, die vom Könige
von Böhmen der Kirche zu Bautzen gemachte Stiftung, nämlich einen
Propst und zwölf Kanoniker, die er de honis propriis mit hinläng-
lichen Einkünften versehen liabe, zu bestätigen. — "Wir vermögen
kein Urtheil über den Anlass dieser Urkunde zu fällen; jedenfalls
aber steht der Inhalt mit den thatsächlichen Verhältnissen nicht ira
Einklang.
*') Cod. Lus. 26.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 91
dem Bautzner .Stifte auch von Seiten des Adels einzelne
Schenkungen in der Nähe und Ferne zugeflossen sein,
über welche keine besonderen Urkunden existieren. Hierzu
gehörten wohl z. B. die „drei Hufen im Dorfc AYawitz",
(N. von Hochkirch), in deren Besitz sich das Stift schon
vor 1228^^) befunden hatte, ferner eine Hufe zu Reichen-
bach, welche (vor 1240) dem Kapitel durch den könig-
lichen Landrichter widerrechtlich entzogen worden war^'),
hierzu sicher die fünf Malter Bischofszehnt in Preititz
(W. von Niedcrgurig), welche 1250*^) Konrad von Musch-
witz (Mutscitz) zu seinem und seiner Frauen Jutta Seelen-
heil schenkte. — Das Meiste und Beste aber that die
neue Stiftung selbst, um durch verständige Finanz vvirth-
schaft ihren Besitz und dadurch ihre Einkünfte zu ver-
mehren. Schon 1226 war das Kapitel im stände, von
dem Stifte Grossenhain den demselben orehörio-en, aber zu
entfernt gelegenen Bischofszehnten in dem Burgwart Loga
(S. von Neschwitz) um 37 Mark Silber zu erwerben;
1236 gestattete ihm abermals Bischof Heinrich „in Betracht
der dürftigen Besoldungen an der Kirche zu Bautzen"
bis zu 300 Schock (Garben) von dem an einzelne Adlige
verleimten Bischofszehnt käuflich an sich zu bringen, und
1240 erlaubte ihm König Wenzel, „Erbe zu kaufen, wann
und wo es ihm zweckmässig erscheinen werde"''*). —
Vielfach waren es, damals wie später, einzelne Kano-
niker des Stiftes selbst, welche, zumeist vornehmen Fa-
milien angehörig, ihr persönliches Vermögen dazu ver-
wendeten, um ihrem Kapitel neue Besitzungen zuzuführen.
So erkaufte 1261*®) der Kanonikus Priztan von seinem
Verwandten (consanguineus) Merozlaus für das Stift den
Bischofszehnten zu Malsitz (N. von Bautzen), Kaina, Burk
und China [Kaina] que Borsewitz vocatur (?), zusammen
6 Malter 4 Scheffel in Scheffeln und 14 Schock, nach
alter Sitte in Garben, sowie den Geldzins von gewissen
Gärtnern in jenen Dörfern.
Wie an Mitteln zum Unterhalt der neuen Kanoniker,
fehlte es anfangs auch an Wohnungen zur Unterbringung
") Cod. Lus. 43.
*') Cod. Lus. 48 in sinnentstellendem Abdruck. Statt : qui pro
te o&latus exstitit minus juste, heisst es vielmehr: qui jjer f e a&latus
exstitit.
") Ebenda 81.
**) Ebenda 38. 46. 69. 48 flg.
**) Ebenda 83, wo die Eigennamen vielfach falsch abgedruckt sind.
92 Hermann Kuothe:
derselben. WalirsclKÜiilich bildete ursprünglich der bis-
herige Pfarrhof mehr oder weniger die gemeinsame Woh-
nung für alle. In einer Urkunde ohne Jahr") richtete
Bischof Bruno IL an seine gesamte Diözese Meissen die
Bitte und Mahnung, „zum Bau einer Konventswohnung
(claustrwn) und zu sonstigen kirchlichen Nebenbedürf-
nissen, woran die Kirche zu Bautzen Mangel leide", milde
Beihilfe zu gewähren, vnid verhiess allen denen, welche
dies thun würden, einen bestimmten Ablass. 1240'*)
kaufte der Canonicus Custos, Magister Herbord, für sein
Geld „einen Hof, gelegen bei dem alten [? Pfarr-] Hofe",
den König Wenzel, als der Grundherr der Stadt Bautzen,
nun dem Stifte zu vollem Eigenthum überliess und von
allem Stadtrecht eximierte, und 1245*^) erwarb das Kajntel
selbst um 13 Mark Silber von dem Kittur Bernhard (11.)
von Kamenz einen demselben gehörigen Hof nebst Garten,
jedenfalls bisher dessen Absteigequartier in der Stadt
Bautzen. So entstanden auch erst nach und nach die
jetzigen, dicht aneinander stehenden Kapitelgebäude mit
den Einzelwohnungen wenigstens für die obersten Prä-
bendeninhaber.
Es erschien uns zweckmässig, bei dieser Gelegenheit
darauf hinzuweisen, wie selbst nachmals reich gewordene
geistliche Stifter in der Regel anfangs nur über sehr be-
schränkte Mittel verfügten, und wie zwar geistliche wie
weltliche Behörden und fromme Spenden einzelner Gläu-
biger den Grund legten, aber nur eigene Sparsamkeit
und verständige Verwaltung den späteren Wohlstand
herbeigeführt haben. — Nur die Gründung übrigens und
die erste Konsolidierung des l^autzner Kollegiatstiftes,
nicht aber seine weitere Geschichte haben wir hier dar-
zustellen.
Mit dieser Gründung des Kollegiatstiftes zu Bautzen
stand nun jedenfalls im Zusannnenhang, obgleich darüber
urkundliche Zeugnisse fehlen, die Eintheilung des gesamten
Landes in gewisse kirchliche Sprengel, welche sämt-
lich dem Propste zu Bautzen, als dem Archidiakonus des
Landes, unterstcdlt waren. Als solche S})rengel zählt nun die
freilich erst in späteren Redaktionen uns bekannte Meissner
„Bisthumsmatrikel" den des Propstes, den des Dekans
*') Cod. Lus. 40.
*•) Ebenda 57.
") Ebenda 68.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 9,^
und die der Erzpriester in den neuen Städten Görlitz,
Löbau, Lauban, Reiclienbacb, Kamenz, Biscbofswerde
und Seidenberg auf^").
Mochte nun durcli die Gründung des Kollegiatstiftes
zu Bautzen der kirchbche Sinn auch des umwohnenden
Adels besonders angeregt worden sein, oder wollten zumal
die ritterlichen Burgmanneu, wie sie mit ihren Burglehn-
häusern nicht unter Stadtrecht standen, so auch in kirch-
licher Beziehung nicht länger unter der Stadt-, jetzt Stifts-
kirche stehen, kurz, der benachbarte Adel (Christianus
longus de Landiskrone, miles honestus, et quidam alii milites
de territorio) gründete mittels freiwilliger Beiträge (de ele-
mosinis) theils in barem Gelde, theils in regelmässigen
Naturalleistungen aus ihren Gütern, sich jetzt eine eigene,
dem heiligen Georg geweihte Kapelle auf der Burg
Bautzen. Dieselbe befindet sich in dem breiten, massigen
Thurme über dem Hauptthore der Burg, und da sie kaum
erst später in denselben eingebaut sein kann, so möchten
•wir vermuthen, dass dieser Thurm selbst eben damals auf-
geführt wurde. Die in äusserst zierlicher Gothik aus-
geführte, jetzt nur ziemlich schwer zugängliche Kapelle
wurde ebenfalls noch von Bischof Bruno II. am 26. Ok-
tober 1225 (nicht 1221) feierlichst eingeweiht. Die dar-
über ausgestellte Urkunde lehrt uns als Zeugen die Namen
nicht nur der umwohnenden Ritterschaft, sondern auch
der neuen Bautzner Domherren kennen^').
*") Vgl. Knot,he, üutersuchuugen über die Meissner Bisthums-
matrikel, Laus. Magaz. LVl (1880), 278 flg. Posse, Die Markgrafen
von Meisseu und das Haus Wettin (1881), 404 flg.
*') Die Urkunde ist zuerst, aber sehr fehlerhaft, abgedruckt
bei Köhler, Cod. Lus. 33, besser Laus. Magaz. XXXV (1859), .345,
faksimiliert Laus. Magaz. XXXIII (1857), Beilage H. Allerdings
spricht dieselbe von der capella sancti Georgii in claustro Budesi-
nensi, weshalb Neumann (Laus. Magaz. 1859, 344) meint, dieselbe habe
sich gar nicht auf der Burg, sondern im Domkapitel befunden. Allein
auf dem Rücken der Urkunde steht deutlich: in Castro. Der Kon-
zipient hatte sich also nur im Kontext verschrieben. An diese
Kapelle knüpfen sich noch andere Unklarheiten (vergl. über dieselben
Laus. Magaz. XXXV [1859J, 194 flg.). Da sie zur landesherrlichen
Burg gehörte, so stand das Patronatsrecht über dieselbe dem Landes-
herrn zu. König Johann von Böhmen aber hatte dasselbe dem Ritter
Albert von Nostitz zu Lehn gegeben. Dieser nun überliess es 1327
erblich dem Domstift Bautzen"^ und zwar zu Gunsten einer von seinem
Freunde, dem verstorbenen Propst Bernhard von Leipa, neu gestif-
teten Präbende. Da nun sowohl der König dies genehmigte, als
auch der bisherige „Rektor" (Altarist] der Kapelle vermocht wurde,
auf dieses sein geistliches Lehn zu verzichten, so „unierte" Bischof
Q4 Hermann Knothe:
Kurze Zeit darauf entstand in Bautzen auch ein
Kloster'**) der besonders bei der Bürgerschalt der
Städte allbeliebten Franziskaner (Minoriten, Minner-
brüder; Barfüsser). Jedenfalls unrichtig ist die Nacli-
richt, dass dieselben schon 1218 sich daselbst nieder-
gelassen hätten. Kichtiger vielleicht verlegen Bautzner
Chroniken die „Gründung" des Bautzner Klosters in das
Jahr 1239, womit die Angabe der Franziskaner zu Görlitz,
dass dieselbe 1240 erfolgt sei^*), ziemlich übereinstimmt.
Fälschlich aber schreibt dieselbe Quelle die Gründung
„dem INlarkgrafen von Brandenburg" zu, während doch
die Brandenburger Askanier erst 1254 in den Besitz der
jetzigen Oberlausitz gelangten. Möglich ja wahrscheinlich
dagegen ist die damit verbundene Angabe, dass „die
Edlen von Pannewitz" zur Anlegung gewisser Baulich-
keiten einen Garten geschenkt haben ^*). Wie anderwärts
war es vornehmlich die Bürgerschaft, welche durch milde
Beiträge die Mittel zum Klosterbau beschaffte. Die erste
sichere Kunde erhalten wir durch eine Urkunde Papst
Witego von Meissen die Burgkapelle mit der betreffenden Präbende
am Domstift dergestalt, dass der jedesmalige Inhaber der Präbende
stets auch zugleich die mit dem Kirchendienst an der Kapelle ver-
bundenen Einkünfte beziehen solle (Cod. Lus. 264 — 268, vgl. .3.31
bis 337). In all diesen Urkunden wird nun „die Kapelle auf der
Burg" stets als die „Marienkapelle" bezeichnet. Wir können
durchaus nicht glauben, dass diese Marienkapelle von jener Georgs-
kapelle verschieden sei; wenigstens fehlt jede Nachricht über die
neue Gründung einer solchen. So bleibt nur die Annahme übrig, dass
die Burgkapelle statt des ursprünglichen Patrons, des Ritters Georg,
im Laufe der Zeit die Jungfrau Älaria zur Schutzheiligen erhalten
habe, ähnlich wie auch die Pfarrkirche zu Kamenz ursprünglich den
Aposteln Philippus und Jakobus geweiht worden war, später aber
stets als Marienkirche erscheint (Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, XV). —
1354 eigneten Nicolaus von Taubenheim und Ulrich von Kopperitz
8 Mark Jahreszins dem Altar „der Kapelle in der Burg zu Bautzen"
(Oberlaus. Urk.-Verz. I, 61). Das Altar sollten die Stifter allezeit
zu vergeben und zu verleihen haben. Dies deutet also auf die Grün-
dung eines neuen Altars und die Anstellung eines besonderen Kap-
lans an demselben. 1359 stifteten Heinrich, Nicolaus u. Ulrich v. Kop-
peritz „aufs neue" 8 Mk. Zins für die Kapelle des Schlosses Budissin
(Domarchiv, lib. fundat. pag. C.) u. 1400 Niclas u. Merten Bischofswerd,
Bürger zu Budissin, 2 Schock Zins u. Getreide „zur Pfründe auf dem
Schloss zur St. Gürgenkapelle" (ebenda pag. CXXXVI).
**) Edelmann, Das Franziskanerkloster in Bautzen, Laus.
Magaz. XLIX (1872), 1 flg.
") N. Script, rer. Lus. I, 275 Anmerk.
") Laus. Mag. XLIX (1872), 7.
Zur ältesten Geschictte der Stadt Bautzen bis zum J, 1346. 95
Innocenz IV. aus Lyon vom 6. Mai 1248"), worin der-
selbe erklärt; wie er vernommen, hätten der Provinzial-
minister „und die Brüder des Minoriteuordens zu Bautzen
eine Kirche nebst anderen nöthigen Grebäuden aufzuführen
begonnen" (coeperunt), und „zur Vollendung dieser Ge-
bäude" (pi'o hujusmodi aedißciis co7is%immandis), sowie zu
sonstigem Unterhalte der Brüder nun zu milden Beiträgen
und Unterstützungen auffordert; daher gewährt er allen,
die hierzu hilfreiche Hand leisten würden, 40 Tage Ablass.
Damals also war die Kirche und die übrigen Kloster-
o-ebäude noch keineswegs vollendet. Der Glaube der Zeit
veranlasste übrigens alsbald sehr viele nicht nur aus der
Bürgerschaft der Stadt, sondern auch aus dem Adel der
Umgegend, sich in den doppelt heiligen Räumen des Klosters
begraben zu lassen. Ein langes Verzeichnis der daselbst
Bestatteten, freilich erst aus dem Jahre 1345^**) und ohne
Angabe der Todesjahre, lehrt uns die Nanien zahlreicher
ältester Bürgerfamilien von Bautzen kennen.
König Wenzel 1. von Böhmen hatte schon um 1244
seine Tochter Beatrix mit Markgraf Otto III. von Bran-
denburg aus dem Hause Askanien vermählt; aber erst
Wenzels Sohn und Nachfolger, Ottokar IL, über Hess,
wahrscheinlich alsbald nach seinem Regierungsantritt
(1253), anstatt der bei böhmischen Prinzessinnen üblichen
Aussteuer von 10000 Mark Silber, seinem Schwager
pfandweise das Land Budissin*'). Seitdem stand also das
Land bis 1319 unter den Brandenburger Askaniern.
1268 theilten die beiden Linien derselben fast alle ihre
Länder, so auch die nachmalige Oberlausitz, unter ein-
ander. Das Löbauer Wasser bildete die Grenzen zwischen
der westlichen Hälfte, jetzt „Land Budissin" im engern
Sinne, und der östlichen, dem „Lande Görlitz". Ersteres
kam an die Stendal'sche oder Johanneische, letzteres an
die SalzwedeFsche oder Ottonische Linie.
Alsbald nach dem Übergange der Oberlausitz an
Brandenburg war von dem neuen Herrscher eine nicht
unwesentliche Veränderung in der Verwaltung des
Landes vorgenommen worden. Die bisherigen Einzel-
**) Laus. Mag. XLIX (1872), 36.
5«) Cod. Lus. 354 flg.
*') Knothe, Eechtsgesch. 21, Anmerk. 2.
9Ö Hermann Knothe :
vögte in den kleineren Städten (S. 85) wurden beseitigt,
ebenso der bisherige Landricliter zu Bautzen und die ge-
samnite Militär-, Administrativ- und Justizgewalt im Lande
einem einzigen obersten Beamten übertragen, der nun den
Titel Landvogt ((ulvocatus oder judex territorü, advocatus
oder judex provt'ncialis) fülirte. Diese „Landvogteiver-
fassung"^*), welche in der j\lark Brandenburg schon
längst bestand, ist seitdem auch in der Oberlausitz in
Geltung geblieben bis auf neueste Zeiten.
Nur vor den Landvogt und dessen Vogtsger i cht
oder Landgericht e;ehörten fortan alle Rechtssachen
des Adels, sowie allo Kriminalsachen auch der Bürger
in den einzelnen Städten, ja selbst der Bauern, soweit
dieselben nicht unter den grossen Herrschaften mit eigner
Obergerichtsbarkeit standen. — Seit der Theilung von
1268 gab es nun in jeder der beiden Landeshälften einen
besonderen Landvogt mit besonderem Vogtsding oder
Landgericht. Der Landvogt von Bautzen residierte auf
dem dasigen Schlosse, der von Görlitz auf dem erst jetzt
erbauten Vogtshofe.
Als zweithöchster landesherrlicher Beamter erscheint
jetzt der Münzmeister (monetär ins) "^^ Bisher hatte es
in der Oberlausitz keine besondere Pi'ägstätte der damals
noch allgemein üblichen silbernen Hohlpfennige (Brakteaten)
und daher auch keine besonderen Landesmünzen gegeben;
man rechnete allgemein nach bölimischen Pfennigen. Alle
solche Hohlpfennige nun pflegten häufig, oft mehrmals
im Jahre, ausser Kurs gesetzt und dafür neue ausge-
geben zu werden; so mussten denn die alten und zwar
stets mit Verlust immer und immer wieder umgewechselt
werden. Die Brandenburger Herrscher wollten jedenfalls
ihren Oberlausitzer Unterthanen wenigstens nicht zu-
muthen, diesen Umtausch jedesmal in der fernen Mark
Brandenburg (Stendal) zu vollziehen. Das sehr einträg-
liche Geschäft dieser Umprägung und Einwechselung der
Münzen wurde meist einem angesehenen Bürger der be-
treffenden ]\Iünzstadt zu Lehn gegeben. Dieser Lehns-
inhaber, der Münzmeister, galt, als Verwalter eines landes-
herrlichen Regals , für einen landesherrlichen Beamten
und war als solcher von allen städtischen Abgaben frei.
*») Ausführlicher dargestellt: Knothe, Rechtsgesch. 2.3 fg.
Die Reihenfolge der Bautzner Landvögte bis 1346, ebendas. 24.
60. 105.
") Ebendas. 5S flg.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 97
Mit der Münze war aber, wenigstens in der Ober-
lausitz, zugleich aucli die Verwaltung der ebenfalls dem
Landeslierrn zustehenden Zölle im Lande verbunden.
Bei der Theilung von 1268 ward festgesetzt; dass Münze
und Zoll in der ganzen Oberlausitz den beiden Linien
Brandenburg gemeinsam gehören und dass die Münz-
stätte ein Jahr in Bautzen, das andere in Görlitz aufge-
schlagen werden solle. Bald aber erscheinen in beiden
Städten besondere Münzstätten und Münzmeister, und so
rechnete man nun theils nach Budissiner theils nach Gör-
litzer Pfennigen oder Silber. — Namentlich wird zu Bautzen
zuerst 1284 ein Münzmeister Otto (magister monetae Bu-
dissinensis oder monetarius de Budissin) erwähnt.
Erst seit der Zeit der Brandenburger Herrscher er-
halten wir nun auch über die Bürgerschaft und das städti-
sche "\^'esen zu Bautzen nähere Nachricht. Die selbst-
verständlichen Rechte einer deutsclien Stadt, als: die eigene
Wahl des Rathes, die Aburtheilung der in der Stadt vor-
kommenden Rechtshändel niederer Art vor dem städti-
schen Erbgericht und dessen Stadtschöppen, die Markt-
gerechtigkeit etc., besass natürlich auch Bautzen schon
längst. Erst wenn eine Stadt neue Privilegien erlangte,
durch welche die Rechte anderer, meist des Landesherrn
selbst, beeinträchtigt wurden, mussten hierüber nun auch
schriftliche Urkunden ausgestellt werden. Die Branden-
burger besassen die Oberlausitz nur als Pfand; bald
konnte dasselbe wieder eingelöst werden. Es galt daher
die Zeit zu nützen und daraus so viel finanziellen Ertrag
als möglich zu ziehen. So verkauften sie denn willig
jeder der freien Städte, welche sie darum ersuchte, die
mannigfaltigsten Privilegien. Freilich wurden hierdurch
die Rechte des Landesherrn und dessen Stellvertreters,
des Landvogtes, für immer geschmälert; aber es flössen
schöne Summen baren Geldes in die Kasse der Branden-
burger Herrscher.
Aus diesen und anderen Urkunden lernen wir nun
zuerst eine grosse Menge von Namen Bautzner Bürger
und zugleich die verschiedenartigen Elemente kennen,
aus denen die dasige Bürgerschaft zusammengesetzt war.
Da finden wir denn, wie in allen oberlausitzischen Städten,
natürlich auch Bürger wendischer Nationalität, * z. B. Pri-
hicz slavus , Seysch slavus civis Budisinensis et Friczko
ejus filius *'°). Es ist bezeichnend , dass , während der
•") Cod. Lus. 35-4.
Neues Archiv f. S. G. u. A. V. i. 2. 7
98 Hermann Knothe:
Vater hier einen noch wendischen Namen führt, der Sohn
bereits einen völlig' deutschen erhalten hat. Da be-
^^egncn wir ferner Einwandrern aus der Nahe und Ferne,
so Fhuningen, welche den Namen der alten Ileimath als
Familiennamen fortführen: Ladowicus VLemlngiis , wohl
Bürg-ermeister der Stadt (Cod. Lus. 107 v. J. 1281) und
wohl identisch mit dem Fleiningus, der 1282 (Cod. L.
87 u. 110; beide Urkunden gehören in das Jahr 1282)
genannt wird, Andreas Flamingi, Nicolaus Flamingi (Cod.
Lus. 355), so Diethmar und dessen Sohue Heinrich von
Bischofswerde (1282 Cod. L. 82), den Staunnvätein einer
berühmten Bautzner Patrizierfamilic , Konrad von Löbau
(1282), Heinrich von Elstra (1293), Hermann von Jockrim,
Heinmann von Oldenborch, Johannes Königsbrück , Jo-
hann von Sagan, Rüdegcr von Schluckenau (1280), Al-
bert von Schweinerden (1296), Henc/.il von Kaina etc. —
Ferner stossen wir auf eine Menge Handwerker und son-
stige Geschäftsleute, so: Hermamnis insütor, d.h. der
Krämer (1282), Conradits instltor , Tylo crarner, Henricus
crarner^'^); Cristianns , Apecz , Bertlwklus textores , d. h.
Tuchmacher; Wernerus, Nicolaus pistores, d h. Bäcker;
Bentzho sellator, d. h. der Sattler; Petrus hrasiator, d. h
der Brauer; KU sartor, der Schneider, Johannes hammer-
smit etc. — Als sonstige älteste Familien Bautzens führen
wir noch an: Ursus (Bär), Slichting, Glück (Fortuna),
Golthmann, Vleurig, Puntzel, Papkese, Rosenkranz, Mitt-
woch (Quartaferia), Schuffler (später Scheufler) etc. —
Ausser dieser eigentlichen Bürgerschaft wohnten, wenn
nicht schon im 13., so doch sicher im 14. Jahrhundert,
in der Stadt auch mehrere Judenfamilien als Schutz-
bürger. Sie trieben wie in anderen Städten lediglich
Wuchergeschäfte, an denen es bei der Menge des umwoh-
nenden, zum Theil armen Adels nicht gefehlt haben wird.
Sie hatten sich in der jetzigen Iläringsgasse angebaut,
welche daher, mindestens noch im 16. Jahrhundert, die
Jüdengassc (Jodingasse) hiess'**).
•') Die interessanten, 1.381 den Krämern vom Rathe ertheilten
Artikel abgedruckt hei Wilke 24 tig.
") Von ihrem Treiben und ihrer etwaigen Vertreibung hat sich
keinerlei Nachricht erhalten. (Knothe, Zur Gesch. der Juden in
der Überlausitz, in dieser Zeitschr. II, 53.) Wenn in dem Bautzner
„Eidbuch" vom Jahre lö.')2 unter dem Kapitel „Stadtzoll" auch die
Bemerkung steht: „Ein itzlich Jude, Mann, Weib und Kinder 1 Gro-
schen," so ist dies keineswegs dahin zu verstehen, als ob noch damals
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 99
Die erste Erwähnung des Rathes zu Bautzen fällt
in das Jahr 1280. Die Bezeichnuno-en für denselben sind
anfangs noch schwankend: nos hurgenses clicti de Budessin
(1280), mogister civium et omnes jurati civitatis in Budesin
(1296), nos consules civitatis Budesinensis (1303)®'^). Auch
die Schoppen , d. h. die speziell mit der Rechtsprechung
beauftragten Rathniannen, treten 1280 zuerst urkundlich
auf: omnes schahini de Budessin ; scabini universitatis Bu-
desynensis (1283)®^). Wohl von Anfang an bestand, wie
wenigstens in den übrigen freien Städten der Oberlausitz,
der Rath aus dem Bürgermeister und zwölf Rathmannen,
von denen sieben Schoppen waren.
Das älteste bekannte Stadtsiegel hängt an einer
Urkunde vom 23. Juli 1283 im Hauptstaatsarchiv zu
Dresden (Origin. 1048); dasselbe zeigt ein hohes, ganz
offenes Thor mit drei Zinnen und zu beiden Seiten des-
selben zwei Thürme, deren jeder ebenfalls mit drei Zinnen
und sogenannten Mauerstrichen versehen ist. Es trägt
die Umschrift: Sigilluni hurgensium, de Budisin^'').
Das Rathhaus, bisher auch nur ein Holzbau, wurde
den Chroniken zufolge in demselben Jahre 1213, in wel-
chem man den Umbau der Peterskirche begann, in einen
steinernen verwandelt. Es trennte unmittelbar den Kirch-
hof vom Marktplatz.
Alle Grerichtsbarkeit ward ursprünglich lediglich im
Namen des Landesherrn ausgeübt. Auch das städtische
Gericht war daher ein landesherrliches. Der Richter des-
selben war landesherrlicher Beamter; nur die das Recht
findenden Schoppen mussten stets der Zahl der Rathsherren
angehören. Fast überall war das Gericht durch den Lan-
desherrn entweder an einen Ritterraässigen oder auch an
einen Bürger erblich verliehen. So hiess derselbe Erb-
richter und das städtische Gericht selbst Erbgericht.
Von den Erträgnissen desselben bezog der Erbrichter ein
Drittel für sich; die beiden anderen Drittel lieferte er an
den Landesherrn, in der Oberlausitz an den Landvogt
ab. Die Stadtkasse hatte von dem Erbgericht ursprüng-
lich keinerlei finanziellen Vortheil. In Bautzen hatte das
Juden ständig in Bautzen gelebt hätten ; vielmehr war dies der Durch-
gangszoll für die die Stadt passierenden Juden.
«») Cod. Lus. 102. 152. 17.S.
**) Ebenda 104. 112.
**) Vgl. Knothe, Das Landeswappen der Oberlausitz, in dieser
Zeitschrift III, 111 flg.
100 Hermann Knothe:
Erbgericlit keinerlei Gerichtsgewalt über das Burglehn und
dessen ritterliche Bewohner; dieselben gehörten lediglich vor
das Landgericht des Landvogts. Ebensowenig standen die
Geistlichen und deren Wohnungen auf dera Kapite-l unter
Stadtrecht, sondern unter der geistlichen Gerichtsbarkeit
des Bischofs von Meissen. Schon 1240 eximierte l^önig
Wenzel I. von Böhmen ein von einem Bautzner Dom-
herrn erkauftes grösseres Haus (curia) zu Gunsten des
Domkapitels „von dem Stadtrecht" ^'^), d. h. von der Ju-
risdiction des Erbgerichts und ebenso von allen städti-
schen Abgaben und Diensten.
Es lag in der Natur der Sache, dass jede Stadt im
Laufe der Zeit sowohl die Befugnisse ihres Erbgerichts
und somit ihre Gerichtsgewalt zu erweitern als auch
andere Rechte zu erwerben suchte, durch welche die
Einkünfte der Stadtkasse erhöht wurden. Wir zählen
im folgenden die betreffenden landesherrlichen Privilegien
für Bautzen nach diesen beiden Richtungen hin auf und
zwar nicht bloss aus der Zeit der Brandenburger, sondern
zugleich aus der Regierung König Johanns von Böhmen,
an welchen nach dem Tode Markgraf Woldemars von
Brandenburg zunächst die westliche Hälfte der Ober-
lausitz, nämlich das „Land Budissin" im engeren Sinne,
wieder gelangte®^),
AA'^esentliche Veränderungen in der Verfassung dieses
Landes hat König Johann nicht vorgenommen. • Das-
selbe hatte sofort nach Woldemars Tode Abgeordnete nach
Prag gesendet und dem Könige den Wunsch ausgedrückt,
jetzt, da durch das Aussterben der Askanier in Branden-
burg die einstige Verpfändung hinfällig geworden sei,
wieder mit dem Königreich Böhmen vereinigt zu werden.
Ganz besonderen Eifer hatte hierbei die Stadt Bautzen
an den Tag gelegt. Lifolge dieses freiwilligen Wieder-
anschlusses des Landes Budissin an Böhmen versprach
somit der König, hierüber hocherfreut, den 31. August
ISIO***), nicht nur für sich und alle seine Nachfolger,
") Cod. Lus. 57.
•') Knothe, Rechtsgeschichte der Oberlausitz 65 flg.
*') Cod. Lus. 228, 230: Amplius auteni, ut fida et merito com-
mendanda et extollenda preconiis dilectorum nostrorura fidelium,
burgeusium civitatis Budissinensis, fidelitatis eximietas eo specia-
liorum insigniatur juxta nostre regie munificencio liberalitatem pre
ceteris libertatum, beneficiorum et graciarum muneribus, quo ipsos
pre ceteris ad nostre celsitudinis gloriam ampliandam novimus inhyasse
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 101
dass das ganze Land nie mehr von der Krone Böhmen
getrennt werden solle, sondern bestätigte und vermehrte
auch bereitwilligst sowohl der Ritterschaft als der Stadt
Bautzen ihre Privilegien,
In Betreff also der städtischen Gerichtsbarkeit
erneuerten die Markgrafen Otto und Konrad ®^) 1282
(nicht: 1262) den Bürgern von Bautzen das „Recht, wel-
ches auch vor den Fürsten hinlänglich und deutlich er-
wiesen worden sei, das Recht nämlich, dass, was immer
für Gewaltthätigkeiten, Beleidigungen, Verletzungen, Ver-
wundungen, Mord, Diebstahl, Raub, durch irgend welche
Vasallen innerhalb der Stadt Bautzen oder ausser-
halb deren Mauern und innerhalb der Stadtgrenzen, welche
in der Landessprache Flurzäune. genannt würden, verübt
würden, für immer in der genannten Stadt abgeurtheilt wer-
den sollten." Diese Urkunde beweist auch für Bautzen, dass
so mancher Brauch längst schon, ungeschrieben, zu Recht
bestand, ehe er gelegentlich einmal bei erneuten Streitig-
keiten auch schriftlich fixiert ward. Es handelte sich im
vorliegenden Falle um das wichtigste Recht der Stadt-
behörde, offenen Frevel in der eignen Stadt oder deren
Flurzäunen auch ahnden zu dürfen durch ihr eignes
städtisches Gericht. Die Lehnsträger des Landesherrn,
d. h. im wesentlichen der Adel, hatten ihren Gerichts-
stand lediglich vor dem Landvogt und dessen Landge-
richt, bei welchem ebenfalls Adlige als Schoppen fungierten.
Nur wenn sie in der Stadt und innerhalb deren Flur-
zäune frevelten, konnten sie vor das städtische Gericht
gezogen werden und mussten daselbst Recht leiden. Gerade
für Bautzen, wo so viel Adlige verkehrten, theils als ständig
ansässig auf dem Burglehn, theils in den mannigfachsten
Geschäften auf der Burg oder in der Stadt, war diese
Exemption, welche nach und nach auch den übrigen
freien Sechsstädten verliehen ward, von grösster Bedeu-
tung gegenüber dem übermüthigen, trotzigen und oft an-
getrunkenen Adel. — 1304''") ertheilten die Markgrafen
Otto und Woldemar der Bürgerschaft das Privilegium,
et laboriosis conatibus insudasse, et ut eciam ex eo specialis com-
modi fructum consequantur et obtineant, quod sub titulo dicte civi-
tatis Budissinensis tota raarchia predicta discretivo nomine se tanquam
a digniori gaudet nuncupari, ipsam civitatem Budissiu et ejus bur-
genses in perpetuum talium libertatum privilegiis insignimus, quod etc.
»») Ebenda 86.
'•) Cod. Lus. 186.
JQ2 Hermann Knothe:
dass niemand einen Bürger der Stadt anderswo, als
vor seinem Er bricht er verklagen dürfe, es sei denn,
dass er „unfuget" auf dem Lande und auf frischer That
erwischt oder nocli an demselben Tage berufen wird, in
welchem Falle er sich vor dem Landvogt und dessen
Landgericht zu verantworten habe. Ursprünglich ge-
hörten auch die Bürger der Städte in allen grösseren
Kriminalsachen vor den Landvogt und das Landgericht,
welches allein den Blutbann besasa. Von jetzt an waren
die Bürger von Bautzen völlig cximiert von dem Land-
gericht, ausser wenn sie ausserhalb der Stadt und ihrer Flur-
zäune Kriminalvergehen verübten. — Obgleich nun infolge
dieser beiden Privilegien das städtische Erbgericht selbst
sogar den Blutbann besass, gehörten doch gewisse Ei des -
abnahmen noch immer vor den Landvogt. Erst 1310")
gab Markgraf Woldemar den Bürgern und zwar zunächst
nur auf die Dauer eines Jahres die Freiheit, „dass, wenn
zwischen ihnen Wortgezänke entständen, woraus Eides-
leistungen sich ergeben könnten", aber die Streitenden
sich unter einander wieder verglichen hätten, „der Land-
vogt in dieser Angelegenheit nicht als Richter auftreten,
sondern in diesem Falle ebenso wie die Streitenden davon
abstehen (cessare) solle". — Als sich, wie bereits mitge-
theilt wurde (S. 100), 1319 die westliche Landeshälfte frei-
willig wieder unter die Krone Böhmen gestellt hatte, be-
gnadete König Johann die Stadt Bautzen damit'"''), dass
alle Landgüter, welche die Kommun selbst oder ein-
zelne ihrer Bürger innerhalb einer halben Meile
rings um die Stadt theils schon zu Recht besässen, theils
künftig besitzen würden, zu Erbe und Eigen liegen
und bei Besitzwechsel von dem Erbrichter der Stadt ver-
reicht werden sollten. Alle Landgüter, auch diejenigen,
welche einzelne Bürger erworben hatten, waren ursprüng-
lich Lehn, fielen daher nach dem Tode des Lehninhabers
an die Lehnshand zurück und mussten von den männ-
lichen Nachkommen des Verstorbenen erst neu gerauthet
und gegen übliche Abgaben ihnen aufs neue zu Lehn ge-
reicht werden. Von jetzt an durfte sowohl die Kommun
als einzelne Bürger, zunächst innerhalb der halben Meile,
Landgüter zu Erbrecht an sich brhigen; Erbe aber fiel
nicht an den Laudesherrn zurück, sondern konnte an
") Cod. Lus. 197.
) Ebenda 230.
12
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 103
weibliche wie an männliche Nachkommen vererbt und
auch sonst frei verkauft oder V(3rtauscht werden, und die
Verreichung fand nicht mehr vor dem Landesherrn oder
dessen Stellvertreter, dem Landvogt, sondern vor dem
Erbrichter statt. Da diese Güter nun völlig zur Stadt,
nicht mehr zum „Lande", gehörten, so stand auf denselben
auch alle Gerichtsbarkeit ebenfalls dem Erbgerichte zu.
So erweiterten sich also hiermit die Fliirzäune und die
Gerichtsgewalt der Stadt. — Kaum einen Monat später
(22. Sept. 1319) verkaufte nun König Johann der Stadt
um 150 Schock Prager Groschen auch nocli die bisher
in die landesherrliche Kasse geflossenen zwei Drittel
der Erträgnisse aus dem Bautzner Erbgericht '^). Seit-
dem flössen also diese zwei Drittel in die städtische Kasse.
— Das Dorf Burk (N. von Bautzen) lag weiter als eine
halbe Meile von der Stadt. Dennoch erlaubte 1329 '*)
der König dem Bürger Hermann von Seifersdorf, wel-
cher daselbst acht Hufen besass, dass er bei ausserordent-
lichen, dem gesamten Lande auferlegten Steuern dafür
keine „Landbede" entrichten, sondern mit der Stadt
schössen dürfe- Hierdurch hatte die Bürgerschaft in-
sofern Vortheil, als die von der Stadt und deren Gütern
aufzubringende Steuersumme jetzt auch von den acht
Gütern in Burk mit zu tragen war. — Die ausserhalb der
halben Meile gelegenen Güter der Bürger blieben Lehn
und fielen daher, wenn die Besitzer keine männliche Er-
ben hinterliessen , an den Landesherrn. Oft genug nun
pflegte dieser oder der Landvogt solche „auf dem Falle
stehende" Leimgüter schon bei Lebzeiten der Inhaber
anderweit zu verleihen. Da begnadete 1339 '*J König-
Johann die Stadt Bautzen, dass solche Lehn guter ihrer
Bürger nicht bereits anderweit vergeben werden soll-
ten ausser mit ausdrücklicher Genehmigung und gutem
Willen der dermaligen Inhaber. — Wie werthvoll zumal
diese Privilegien hinsichtlich der einzelnen Bürgern ge-
hörigen Lehngüter in jener Zeit waren, ersieht man z. B.
daraus, dass Kaiser Karl IV. 1350"*) den Bürgern von
Löbau auf deren Bitten „die besondere Gnade erwies",
dass auch sie alle theils schon erworbenen, theils noch
zu erwerbenden Lehngüter „zu gleichem Recht, wie die
"; Cod. Lus. 2.31.
'♦) Ebenda 27.3.
") Ebenda 329.
'«) Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, 230.
104 Hermann Kiiothe:
Bürger von Bautzen" besitzen sollten, und König Johann
selbst verlieh schon 1340 '") den Bürgern von Irautenau
und Königinhof in Böhmen, als er sie von dem bisherigen
altböhmischen Zudenrechte befreite, „Bautzner Recht" und
bestimmte, dass sie die bei ihnen künftig vorkonniienden
Rechtsfälle nach „Bautzner und Glatzer Recht" behandeln
dürften.
Ebenso wie nach Erweiterung der eignen Oerichts-
gewalt strebte besonders im Mittelalter jede Stadt auch
nach Vermehrung der städtischen Einnahmen und
suchte in dieser Richtung Vergünstigungen von Seiten
der Landesherren sich zu erwirken. 12<'^2*'*) schenkten
die Markgrafen Johann, Otto und Konrad von Branden-
burg „aus reiner Zuneigung zu ihrer Stadt Bautzen" der-
selben „alle Güter in Ottelwitz" zu Erbe und Eigen als
Viehweide*"), „um darauf all ihr Vieh zu weiden".
Dieses Ottelwitz hatte bis dahin jedenfalls unmittelbar
unter dem Schloss gestanden; jetzt, wo alle dazu gehörigen
Felder zur städtischen Viehweide umgewandelt wurden,
hörte es natürlich auf, als ein besonderes Dorl zu be-
stehen, und wird daher nie mehr erwähnt. Da ursprüng-
lich die meisten wohlhabenden Bürger in den Städten
zugleich auch die Landwirthschaft betrieben, so finden
wir auch bei den oberlausitzischen Städten überall grosse
und nahgelegene Viehweiden für das Stadtvieh. — Bisher
hatten die landesherrlichen Behörden von aUen denen,
welche ihre Waren nacli Bautzen auf den Wochenmarkt
brachten (es werden namentlich erwähnt: Pferde, Kühe,
Schweine, Töpfe, Schüsseln, Pech) einen Zoll erhoben.
1282 verkauften die Markgrafen Otto und Konrad diesen
MarktzoU um 70 Mark Silber der Stadt, „zu grosser
Erleichterung sowohl für die Stadt als das ganze Land
Budissin". Es scheint, als ob man ursprünglich beab-
sichtigt habe, dass einzelne Landgüter für ihre regel-
mässig auf den Markt zu schickenden Verkaufsgegen-
stände sich von jedem Zoll völlig freikaufen sollten durch
einen Beitrag zu der an die Landesherren abzuzahlenden
Kaufsumme ^°); allein in dem „Eidbuche" von Bautzen
") Sommer, Topographie von Böhmen XV, 71.
") Cod. Lus. 96.
'») Später ward auf diese Viehweide der Galgen gesetzt.
•") Cod. Lus. 110: Volumus itaque, quod, quicunque ea libertate
frui perpetuis temporibus vohierint et gaudere, quod hi debent aliqua
de suis bonis addere, per que nobis data pecunia persolvatur. Sin
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. I3i6. 105
aus dem Jahre 1532 finden wir ein besonderes Kapitel
„Register über der Stadt Zoll"; der Marktzoll wurde also
seitdem zum Besten der Stadtkasse erhoben. Von diesem
Marktzoll unterschieden war der D u r c h g a n g s z o 1 1 , welchen
nach wie vor alle Kaufraannsgüter beim Passieren einer
Stadt an die landesherrliche Kasse zu entrichten hatten***).
Erst 1323 wurde Kamenz und wohl gleiclizeitig auch
Löbau von diesem Durchgangszoll in allen Städten des
„Landes Budissin" im engeren Sinne des Worts durch
König Johann befreit"). — 1284*-^) gestatteten dieselben
Markgrafen für empfangene 10 Mark Silber der Stadt
Bautzen, ein Kaufhaus (domiim mercatoricDn) zu errich-
ten, das erste in der Oberlausitz, und die Revenuen davon
zu eignem Nutzen zu verwenden. Hierdurch wurde der
Detailverkauf geregelt und erleichtert. Statt der bisherigen
offenen Buden auf dem Markte und auf der vStrasse er-
hielten die Verkäufer jetzt geschützte Stände; die Käufer
hatten bequemere Auswahl, und die Marktmeister konnten
um so leichter das zu entrichtende Standgeld für die
Stadtkasse erheben. — Die städtische Mühle war ausser-
halb der Stadt gelegen und steuerte daher mit dem
„Lande", d. h. mit den Lehngütern. Da genehmigte
1304*^) Markgraf Otto, dass die Bürgerschaft von Bautzen
„künftig keine l.andbede von der Mühle und von anderen
Gütern, von denen sie den ,Schoss' in der Stadt geben,
entrichten sollten". Als städtisches Eigenthum niusste
die Mühle ohnehin von der Stadt versteuert werden;
jetzt ward einer doppelten Versteuerung derselben vor-
gebeugt. — 1307 *^) erlaubten die Markgrafen Otto und
\Voldemar, „dass alle, die da kaufen und verkaufen [in
der Stadt], die sollen mit den Bürgern schössen imd
wachen". Hierdurch wurden alle diejenig'en, welche
(ständig) in der Stadt Handelsgeschäfte betrieben, auch
ohne das Bürgerrecht zu besitzen, zu den Pflichten der
Bürger augehalten, nämlich zu den städtischen Abgaben
und dem damals noch allen Bürgern abwechselnd oblie-
genden Wachdienste. Die gleichzeitig erlassene Bestim-
autem, dabunt teloneum suum forense, quod antea, quam ista nostra
empcio fieret, dare universaliter consueverunt.
") Knothe, Rechtsgeschichte der Oberlausitz 63.
") Cod. dipL Sax. reg. II. 7, 9 u. 21 für Kamenz, 2.31 für Löbau.
") Cod. Lus. 117.
**) Ebenda 177.
") Ebenda 187.
106 Hermann Knothe:
mung , „dass kein Mann soll Mist aus der Stadt
führen, der nicht Bürger ist, er thue es denn mit der
Bürger A\'illcn", verstehen wir so, dass der für die Land-
wirthschaft so wichtige Dünger nicht etwa solle an
Bauern auf den Dörfern verkauft werden ^°). — Bautzen
besass keinen Stadtwald, aus welchem es den sowohl für
den Häuserbau als zur Feuerung nothigen Holzbedarf
ohne weiteres beziehen konnte. Da bestiitigte 1309 ^')
Markgraf Woldemar den Bürgern „alle Freiheit, in der
landi'shcrrlichen Heide des Landes Budissin Holz
zu schlagen, eine Freiheit, welche sie schon von alten
Zeiten her gehabt haben"; nur auf den ebenfalls landes-
lierrlichen, aber jetzt dem Lutlier von Schreibersdorf (auf
Neschwitz) zu Lehn gegebenen Heiden sollten sie niclit
schlagen dürfen, ausser mit dessen ausdrücklicher Be-
willigung. Ob und was sie für das so bezogene Holz
zu entrichten hatten, wird nicht speziell erAvähnt. — Auch
der Salzverkauf gehörte zu den landesherrlichen Regalien.
Da gestattete 1335 ^*) König Johann, um der Stadt eine
besondere Gnade zu erweisen, „den Bürgern und jedem
einzelnen, welcher in der Stadt Bautzen wohne und da-
selbst seinen Wohnsitz habe", dass sie und ihre Nach-
kommen für alle Zeiten von dem Salzverkaafe (a camhio
salis) frei sein sollten. Darum solle niemand von des
Königs Beamten künftig dieser Begnadigung zuwider-
handeln. Dies kann offenbar nur soviel heissen, dass
künftig die Bürger ihren Salzbedarf nicht mehr wie bisher
ausschliesslich in der (verhältnismässig theuren) landes-
herrlichen Salzniederlage zu kaufen brauchten, sondern
denselben, woher sie immer wollten, beziehen dürften.
Erst 1355^«) verlieh Kaiser Karl IV. der Stadt „den
S a l z m a r k t " (forum seit vendicioncm salis) und erlaubte,
dass der Gewinn daraus von dem Käthe zum Nutzen der
Stadt verwendet werde.
Der oben (S. 105) erwähnte, allen Bürgern obliegende
Wachdienst Avurde später in eine von jedem Hause an
die Stadtkasse zu entrichtende feste Geldabgabe ver-
wandelt, von welcher nur die Rathsherren und die (eben-
falls erst später eingeführten) Stadtältesten befreit waren.
•') Eine ähnliche Bestimmung in einem Statut von Stadthagen
(Schaumburg-Lippe). Löher's Archival. Zeitschr. VIII, 217 (S 9).
»') Cod. Lus. 192.
»») Ebenda 309.
»•) Oberlaus. Urk.-Verz. I, 64 No. .322.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 107
Im Jahre 1532 ^") belief sich die Summe desselben auf
11 Schock 33 Gr. 3 Pf. — Zu den ältesten Rechten jeder
Stadt gehörte; mindestens in der Oberlausitz, auch das
Bierbrauen der Hausbesitzer. Auf ihm beruhte neben
dem Betriebe der Handwerke ganz besonders der Wohl-
stand der Städte. Nach und nach ward, um Feuersgefahr
zu vermeiden, dies Recht nur auf die grösseren, mit den
dazu nöihigen Räumlichkeiten ausgestatteten Häuser be-
schränkt. In Bautzen belief sich 1532 die Anzahl dieser
„Bierhöfe" auf 103. Jeder derselben durfte nur eine be-
stimmte Anzahl von Bieren im Jahre brauen ; damals
wurden in Bautzen jährlich 759 Biere gebraut. Nach
der Anzahl der Biere, die jeder ßierhof zu brauen be-
rechtigt war, wurde er nun auch versteuert, nämlich mit
6 Gr. von jedem. Ausserdem hatte man 8 Gr. von jedem
Biere als „Wassergeld in des Rathes Kammer'^ zu ent-
richten, da das nöthige Wasser mittels kunstreicher Wasser-
werke aus der Spree bis zur Höhe der Stadt emporgeführt
werden musste. — In den hier erwähnten Registern über
das Wachgeld und die Bierhöfe werden die einzelnen
Häuser nach den Gassen einzeln aufgeführt. Die am
frühesten namhaft gemachte Gasse ist die Hundsgasse
(plathea canum), in welcher 1296^') auf drei verschiedenen
„Gärten'' ein Zins von zusammen 10 Schilling der Ma-
rienkirche zugewiesen Avard.
Neben den ältesten städtischen Einnahmequellen
fügen wir auch noch einige regelmässige Abgaben bei,
Avelche, obwohl in den Urkunden der von uns zu behan-
delnden Zeit nocli nicht namentlich erwähnt, doch bis in
die Anfänge des städtischen Wesens zurückreichen. —
Von jedem Hause war eine Grundsteuer an den Grund-
herrn, hier also den Landesherrn, zu entrichten, welche
(ebenso wie in Löbau ***) „das Wurzgeld" hiess. Wir
kennen dasselbe ebenfalls erst aus einem Verzeichnis
vom Jahre 1532 ^'). Danach betrug diese Abgabe nur
1, 2 oder 3 Pfennige, höchstens 1 Groschen vom Hause.
Die Summe dieses „auf das Schloss", d. h. an den Land-
vogt, abzuführenden Wurzgeldes belief sich damals auf
2 Schock 15 Gr. 3 Heller. Befreit davon waren ebenfalls
die Rathsherren und die Stadtältesten. — Ausserdem
'*) Eidbuch von Bautzen.
") Cod. Lus. 152.
") Cod. dipl. Sax. reg. II. 7, 2.32 flg.; 254 flg.
") Eidbuch.
108 Hermann Kiiothe;
hatte jede laudcslienliclie Stadt in der Oberlausitz schon
seit ältester Zeit jülirlich eine (ursprünglich einzige) regel-
mässige und in eine feste Summe al)gerundete Steuer auf-
zubringen, genannt „die Rente*'« Dieselbe betrug für
Bautzen 90 Schock Groschen. Diese sich gleichbleibenden
und sicher eingehenden Summen pflegten nun die stete
geldbedürftigen Landesherren oftmals an reiche Adlige,
die ihnen Geld vorgeschossen hatten, zu verpfänden. Und
so hatte auch Bautzen oftmals seine Kento an böhmische
Herren abzuführen^*).-- Die ausserordentlichen Steuern,
an denen es alsbald auch nicht fehlte, pflegten zwischen
der Regierung und dem Lande meist alljährlich verein-
bart zu werden. Seit dem Absehluss des Sechsstädte-
bundes (134()) wurde den Städten jedesmal eine runde
Summe, abgesondert von der Ritterschaft, auferlegt und
ihnen selbst überlassen, wie sie dieselbe unter sich auf-
bringen wollten. Nach und nach vereinbarten dieselben
untereinander eine sogenannte „Quote", wonach z. B.
auf Bautzen von jeder den Städten abverlangten Gesamt-
summe jedesmal 7»« entfielen**).
Mit den Einkünften der früheren Pfarrei Bautzen
hatte das nunmehrige Kollegiatstift natürlich auch alle
Obliegenheiten derselben übernommen. Mancher derselben
gcbtihrend nachzukommen, scheint aber denn doch so leicht
nicht gewesen zu sein. In die Pfarrkirche zu Bautzen
waren nicht bloss die Bewohner der Stadt, sondern auch
all der wendischen Dorfschaften weit in der Runde ein-
gepfarrt. Um diesen Beichte zu hören oder die letzte
Oelung reichen zu können, musste der Stadtpfarrer wen-
disch verstehen. Da aber die Kanoniker der Anciennität
nach aus den niederen in die besser dotierten Präbenden
aufrückten , so mochte oft der Fall eintreten , dass der
Stadtpfarrer des Wendischen unkundig war. Dies halten
wir für den Hauptgrund, weshalb im Jahre 1293 eine
neue Pfarrkiche, die Marienkirche vor der Stadt, d. h.
auf dem Salzmarkte, erbaut ward. Da „das Kollatur-
recht über dieselbe samt allen Rechten und Einkünften
dem Kapitel zustehen sollte", so werden selbstverständlich
auch die Kosten dieser Gründung lediglich vom Kapitel
zu tragen gewesen sein, nur dass sich dasselbe sowohl
mit der Bürgerschaft, als mit dem Franziskanerkloster
•') Knothe, Rechtsgeschichte 102, Anmerk. 8.
•*} Ebenda 127.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 109
darüber verständigt liatte, wie sich aus der Gründungs-
urkunde*®) ergiebt. Der Pfarrer au der Marienkirche sollte
hiernach nur die etwaigen Messgelder (missales denarios)
für sich behalten, liingegen alle Opfergeldcr, „Sp^zial-
pfennige", Begräbnisgelder und Vermächtnisse „ohne allen
Abzug" an das Kapitel abliefern. Er hat alle nächtlichen
Besuche bei Kranken und Sterbenden sowohl in den Vor-
städten, als auf den Dörfern zu übernehmen. Deshalb
muss er sowohl deutsch als wendisch verstehen. Sollte er
aber doch etwa des Wendischen nicht mächtig sein, so
soll er sich „einen wendischen Gehülfen halten" (sclavicwn
socium secum ohtinehit). Für solche Nachtgänge darf er
einen bis zwei Pfennige für sich behalten , das Übrige
aber muss er ebenfalls dem [Stadt-] Pfarrer abliefern.
Predigten soll er in der Marienkirche nicht halten ausser
am Kirchweihfeste. Seine Messe soll er täglich „wie an
einer Kapelle" (more capeUe) beim ersten Läuten im Klo-
ster und zwar „kurz'' lesen und dann die Versammelten
auffordern, ,,zu ihrer Pfarrkirche, d. h. zur Stiftskirche
zu eilen". Übrigens soll er an Sonn- und Feiertagen
beim Hochamt und bei der Vesper und auch an anderen
Tagen, so oft er will, in dem Chor der Stiftskirche er-
scheinen, wo ihm ein Platz im Chorgestühl und zwar über
den vicarii temporales äuge wiesen werden wird.
Nach alledem war also die neue Marienkirche wesent-
lich für die Wenden in den Vorstädten und auf den
Dörfern bestimmt; sie war nicht eigentlich eine Pfarr-,
sondern nur eine Filialkirche; der Pfarrer war angestellt
vom Kapitel und lediglich im Dienste desselben, ohne
selbst Kanoniker zu sein. Noch in demselben Jahre am
26. Juni 1293 ''') verlieh der eben in Bautzen anwesende
Bischof Heinrich von Merseburg und am 15. Juli****) auch
der Landesbischof Bernhard von Meissen allen denen, welche
an gewissen Tagen die Marienkirche besuchen, sowie denen,
welche „zum Bau, zu dem kirchlichen Schmuck (orna-
menta) und sonstigen Bedürfnissen" derselben beitragen
würden, 40 Tage Ablass. Aus einer am 25. Juni auch
der J.Pfarrkirche in Bautzen", d. h. der Stiftskirche , von
dem Bischof von Merseburg verliehenen Ablassurkunde
und aus der fast wörtlich gleichlautenden des ebenfalls
") Cod. Lus. 137: cum civibus ibidem de ordinacione ecclesie
sancte Marie site ante civitatem — convenimus.
•') Ebenda 140.
•») Ebenda 141.
110 Hermann Knothe :
zufällii^ anwesenden „Bi'iiclcr Yvan, Bischof von Lace-
clänion" (in partibus) vom 7. Juni 1294'*'') erfahren wir
übrigens, dass auch in der Stiftskirche sowohl deutscli
als wendisch g-epredi"-t zai werden pHegte. 1296 '""j finden
wir auch eine erste Stiftung zum Besten der neuen Ma-
rienkirche verzeichnet. Es kauften nämlich Heinrich von
Bodow, der frühere Pfarrer an der „Stadtkirche", und
Petrus, Kaplan des Stiftspropstes, 10 Schillinoe Jahres-
zins auf drei Gärten in der Huudsgasse mit der Bestimm-
ung, dass derselbe, allerdings erst nach ihrem Tode, an
die Marienkirche fallen solle. — Andere Stiftungen waren
von Laien gemacht worden. Es deutet auf ein gewisses
Misstrauen des Rathes gegen das Kapitel, dass über diese
von ersterem eine besondere Urkunde unter dem 5. Nov.
1303'"') ausgestellt wurde, ,, damit jene Einkünfte nicht
etwa künftig möchten abgeändert werden". Demzufolge
hatte eine „Frau aus Halle" (domina de HalUs) der Ma-
rienkirche ein Talent Silber zugewendet, welches auf dem
Hause eines Heinrich von Elstra stand, und ausserdem
sechs Stein Inselt auf zwei Fleischbänken in der Stadt
zu Zwecken der Beleuchtung ausgesetzt. Ferner hatte
Cuno von Teichnitz (nicht: Thitevitz) ein Talent auf dem
Gute Teichnitz zum Kirchenbau und ausserdem 12 Hühner
und zwei Malter Korn wie Hafer für den Pfarrer bestimmt.
Ebenso hatten „die von Teichnitz für ihren Bruder und
dessen Frau" die Frühmesse in der Marienkirche ge-
stiftet, welche der Pfarrer stets, sobald bei den Franzis-
kanern die Frühglocke geläutet wird, an dem heiligen
Kreuzaltar halten sollte. Es ist bemerkenswerth, dass
der liath hierbei gerade die Marienkirche als „unsere
Pfarrkirche in Bautzen" bezeichnet. Während Insher
zwischen dem Domkapitel und den Franziskanern der
Stadt wenigstens äusserlich noch ein gutes Einvernehmen
bestanden zu haben scheint, — sonst wäre bei der Grün-
dung der Marienkirche nicht der Lektor des Klosters zu-
gezogen worden (habito sano et provido consilio fratis C[on-
radij dicti de Kyna, lectoris tipud )ios in Budissin) — so
brachen bald darauf schlinniie Streitigkeiten zwischen
denselben aus. Wie in anderen Städten missbrauchten
•') Ebenda 1.39, 145: omnibus vere penitentibus et confessis,
qui ad sermoneni plebaiii vel vicarii sui theutonice vel slavice pro-
ponendum — confluxeriiit.
"">) Ebenda 152.
'»') Cod. Lu9. 172.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. Hl
auch zu Bautzen die Franziskaner ihren Einfluss im
Beichtstuhl und am Krankenbette dazu , um ihre Beicht-
kinder zu bestimmen, sich im Kloster begraben zu lassen
und demselben Vermächtnisse zuzuwenden. Unter dem
31. März 1295 '°^) erliess Bischof Bernliard von Meissen
ein Mandat, dass niemand, weder Mann noch Weib, die
Stifts- utid Pfarrkirche zu Bautzen in ihren Rechten
schädigen solle; obgleich es jedermann freistehe, sich
seine Begräbnisstätte frei zu wählen, doch alle Rechte
der Pfarrkirche vorbehalten, so solle niemand bei Strafe
des Bannes weder Kranke noch Gresunde zu einem Be-
gräbnis an fremden Orten oder zu Errichtung von Testa-
menten oder zum Genuss der Sakramente wider die ka-
nonischen Bestimmungen verlocken. — Obgleich die Fran-
ziskaner zu Bautzen nicht ausdrücklich genannt werden,
konnte dies Mandat doch bloss gegen diese gerichtet sein.
Bald daraufnahm der Streit einen akuteren Charakter
an. Auf einer mit dem Klerus des Landes zu Bautzen
abgehaltenen Synode hatte der damalige Propst Dietrich
(oder Tylemaun) und ausser ihm der zumeist betheiligte
Stadtpfarrer Konrad, sowie der Pfarrer Petrus in Beru-
stadt sich heftig gegen die Übergriffe der Franziskaner
zu Bautzen in die Rechte der Pfarrgeistlichkeit ausge-
sprochen. Die Franziskaner erblickten hierin eine öffent-
liche Schmähung ihres Ordens, und da Papst Nikolaus III.
erst kürzlich alles öffentliche Lehren und Predigen gegen
die von ihm hinsichtlich der Franziskaner erlassenen Be-
stimmungen bei Strafe des Bannes verboten hatte, so spra-
chen der frühere Guardian Werner, der Lektor Konrad,
Johann von Sommerfeld, Witego von Rausendorf, sämt-
lich Bautzner Minoriten, sowie der Lektor Johann von
Görlitz über jene drei ^^'eltgeistliche den Bann aus. We-
gen dieses ihnen angethanen „Unrechts'' verhängte nun
auch Propst Dietrich seinerseits den Bann über obige
fünf Franziskaner und über alle, welche mit denselben
irgend verkehren würden. Bischof Bernhard beschied
die Parteien vor sich und mahnte zu gütlichem Aus-
gleich. Man vereinigte sich, den Streit durch Schieds-
richter erledigen zu lassen. Vor dem Pfarrer Johann
von Görlitz und dem Pfarrer Heinrich von Kamenz, beide
Erzpriester, und dem Bruder Johann von Magdeburg und
I01\
*) Cod. Lus. 130. Die Urkunde ist nicht in das Jahr 1290 zu
setzen, da Bernhard damals noch gar nicht Bischof von Meissen war.
112 Hermann Knotbe:
Bruder Heinrich von Halli-, beide Lektoren des Franzis-
kanerordens, gaben am 25. Oktober 1295'"^) zu Bautzen
beide Parteien schriftlich und niündUeh ilire Erklärungen
ab. Die Parochialgeistlichen mussten die Gerechtsame
des Ordens anerkennen und hoben den verhängten Bann,
als ungültig (irritam fidsse), wieder auf. Die Franzis-
kaner erkannten ebenfalls an, dass jedermann mindestens
einmal im Jahre bei seinem Pfarrgeistlichen zu beichten
habe, und versprachen, dass sie niemand daran hindern,
auch niemand zur Wahl seines Begräbnisortes bestimmen
wollten, und hoben, da nach der Versicherung der Gegen-
partei eine Schmähung ihres Ordens nicht beabsichtigt
gewesen sei, auch ihrerseits den Bann wieder auf. Alle
diese Erklärungen sollten nun auch durch die gesamte
Pfarrgeistlichkeit des Landes öffentlich abgekündigt wer-
den. So war der Friede wenigstens auf Zeit wiederher-
gestellt. Wohl um durch die Menge verheissener geist-
licher Gnaden die Bevölkerung von der Klosterkirche ab-
und in die Pfarrkirche zu ziehen, suchte sich das Kapitel
unmittelbar nachher eine Menge Ablassbriefe für die Pe-
terskirchc zu verschaffen, so 1296 von Bischof Dietrich
von Olmütz, 1298 von Bischof Volrad von Brandenburg
und 1299 von Erzbisehof Burchard von Magdeburg '"^).
— Seit 1344 aber finden wir das Domstift in förm-
lichem Rechtsstreit mit dem Kloster begriffen. Obgleich
den Franziskanern aller Orten gestattet war, auch Laien
in ihren Klöstern zu bestatten, so hatten sie doch dafür
jedesmal an den betreffenden Pfarrer die sogenannte
jportio canonica, d. h. den vierten Theil der Begräbnis-
gebühren, ubzuentrichten. Dessen aber hatten sich die
Bautzner Franziskaner seit langer Frist geweigert. So
erhob denn jetzt das Domstift rechtliche Klage gegen
dieselben, und nach längeren in aller Form geistlichen
Prozessverfahrens geführten Verhandlungen verurtheilte
unter dem 1. März 1345'"*) ein speziell hierfür einge-
setztes geistliches Gericht zu Breslau das Kloster zur
Zahlung von 50 Mark Prager Groschen, als dem Betrage
der dem Domstift vorenthaltenen 'portio canonica, sowie
ziu| Tragung aller Prozesskosten. — Spätere Differenzen
zwischen der Stifts- und der Klostergeistlichkeit zu Bau-
tzen liegen ausserhalb der uns hier gesteckten Grenzen.
•0») Cod. Lus. 150.
'«*) Ebenda 15.3. 156. 163.
">*) Ebenda 347 flg.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 113
Um die Mitte des 14. Jahrhunderts wiithete bekannt-
lich in den meisten Ländern Europas die fürchterliche
Pest, genannt der schwarze Tod. Aller Orten pre-
digten Scharen fanatischer Geissler Busse, aber zu-
gleich auch Ausrottung der Ungläubigen. Fast überall
beschuldigte der Hass des armen Volkes die durch Wu-
cher reich gewordenen Juden der Vergiftung der Brun-
nen. So erfolgten in den meisten Städten auch der Nach-
barländer, z. B. Böhmens, Schlesiens, Meissens, traurige
Judenverfolgungen. Ebenso dürfte es wohl auch in
Bautzen hergegangen sein; wenigstens berichten Chro-
niken bei dem Jahre 1349 die Anwesenheit von Geiss-
lern in der Stadt. Und von 1356 bis 1359 wird in den
Breslauer Stadtreehnungen '"") mehrfach ein Jude „.Jacob
de Budessin" erwähnt, der diesen Beinamen nicht führen
würde, wenn er nicht von Bautzen nach Breslau über-
gesiedelt wäre.
Von dem Schulwesen zu Bautzen erfahren wir bis
Mitte des 14. Jahrhunderts soviel als nichts. Die Grün-
dung einer besonderen Präbende des „Scholasticus" am
Domstift stand gewiss in keinerlei Beziehung zu dem
Unterricht der städtischen Jugend. Und dennoch dürfte
das KoUegiatstift nicht ohne EinÜuss geblieben sein auf
die Errichtung auch einer Stadtschule. Je feierlicher sich
an einer Kirche der Gottesdienst gestaltete, desto mehr
bedurfte man auch der Chorschüler für den Gesang und
die Begleitung bei Leichenbegängnissen. In demselben
Masse, als sich das städtische Wesen mehr und mehr
entwickelte , brauchte aber auch der Rath eines des La-
teinischen kundigen Schulrektors zum Übersetzen, wie zum
Anfertigen der damals noch allgemein lateinisch abge-
fassten Urkunden. Fast in allen oberlausitzischen Städten
versah in ältester Zeit der Schulrektor zugleich den Dienst
eines Stadtschreibers. Nur einen solchen rector scolarum
in Budissin namens Petrus lernen wir als Zeuge in einer
Schenkungsurkunde für das Domstift vom 24 Juni 1331
kennen '"'j. — Über das Recht, den Rektor anzustellen,
hatte es zwischen dem Kapitel und dem Rathe schon seit
lange Streit gegeben. Eine von Kaiser Karl IV. wegen
dieser und anderer Differenzen nach Bautzen gesendete
**') L. 0 eisner, Schles. Urkunden zur Geschichte der Juden:
Archiv für Kunde Österreich. Geschichtsquellen XXXI, 111. 120. 127.
"*') Domarchiv Bautzen.
Neues Airhiv f. >S. (i. u. A. V. 1. 2. 8
114 Hermann Knothe:
Kommission entschied und der Kaiser bestätigte darauf
hin 1364*"*), dass die Wahl eines Schuh-ektors dem Ka-
pitel zustehe, und dass dieses einen geeigneten Mann
„anzunehmen" habe, welcher dem ,, Schulamte vorzustehen
vermöge und sowohl der Kirche als den Knaben oder
Schülern nützlich sei, imd dieselben zweckgemäss in Wissen-
schaft (scientia) und Sitten unterweisen könne, und dass
die Knaben oder Schüler gehalten seien, an allen Fest-
tagen bei der Messe und der Vesper lediglich in der
Stiftskirche anwesend zu sein". — Sehr spezielle und in-
teressante Nachrichten über die Einrichtung der Bautzner
Stadtschule enthält die „Budissinische Schulordnung
und Gewohnheit" vom Jahre 1418 '"**).
Ein Hospital, wesentlich für die mit ansteckenden
Krankheiten Behafteten, war schon frühzeitig und zwar,
wie üblich, ausserhalb der Stadt errichtet worden. Die
Seelsorge daselbst wurde 1293 dem Pfarrer an der Ma-
rienkirche übertragen*'"). Die darin befindliche Kapelle
soll dem heiligen Geiste geweiht gewesen sein'"). 1345"''*)
genehmigte König Johann von Böhmen auf Bitten der
Bürgerschaft, dass dieselbe „für das Hospital zum Unter-
halt der Kranken 8 Schock Prager Groschen Jahreszins"
kaufen und erwerben dürfe, wo und von wem sie wolle.
Aber der Gottesdienst in der „Kapelle bei den Aussätzigen
ausserhalb der Mauern der Stadt Bautzen, obgleich sie
längst schon erbaut und geweiht", hatte aufgehört, weil
es ihr an Einkünften fehlte. Da stiftete der Domherr
Gustos, namens Simon, gewisse Revenuen für dieselbe,
welche Kaiser Karl iV. 1350 "^j der Kapelle eignete,
und seitdem erhielt sie nun einen besonderen Hospital-
geistlichen (rectorem). —
So beschaffen waren die staatlichen, die städtischen, die
kirchlichen und die allgemeinen kulturellen Verhältnisse in
der Stadt Bautzen, als dieselbe 1340 mit den fünf übrigen
freien oder königlichen Städten der nachmaligen Oberlausitz
»»«) Oberlaus. Urk.-Verz. I, 80 No. 395. Der auf die Schulen
bezügliche Passus abgedruckt in der „Ober). Naclilese" (1771) 92:
Etwas von der alten Schule — zu Budissin — von Christ. Knauthe.
"»•) überlaus. Nachlese 1771 94 tig. Wilke, Budissin 134 flg.
"") Cod. Lus. 137: curam etiam in hospitali tantum habebit in-
lirmorum.
'") Laus. Magaz. 1859. 290.
"») Cod. Lus. 365.
"*) Domarchiv Bautzen, Matricula IL 5.
Zur ältesten Geschichte der Stadt Bautzen bis zum J. 1346. 115
den bekannten Sechsstädtebund abschloss*'*). Derselbe
war zunächst nur ein Akt berechtigter Nothwehr gegen-
über dem räuberischen Adel des Landes, welcher durch
unaufhörliclie „Strassenplackerei" sowohl die einzelnen
Städte auf das empfindlichste schädigte, als auch den ge-
samten Transitohandel durch das Land untergrub. Kaiser
Karl IV. aber bestätigte nicht nur jenen Bund, sondern
ertheilte demselben zugleich die weitgehendsten Befug-
nisse; ja er setzte ganz eigentlich ihn zum Hüter des
Rechts und des Gesetzes, der Ordnung und des Friedens
im ganzen Lande. Hierdurch erlangte er erst seine poli-
tische Bedeutung. Alsbald bildete die Korporation der
Sechsstädte neben der Ritterschaft den zweiten , völlig
gleichberechtigten „Stand" im Lande. Die weitere Ent-
wickelung der gesamten Landesverfassung basiert auf der
Gründung des Sechsstädtebuudes.
Durch denselben erlangte aber auch die Stadt Bautzen
eine erhöhte Bedeutung. Sie ward der Vorort des Bun-
des. Alle an die Gesamtheit der Sechsstädte gerichteten
Schreiben pflegten von dem Bürgermeister zu Bautzen
eröffnet und nach gemeinsamer Berathung mit den übrigen
Städten von ihm beantwortet und mit der Stadt Siegel
bekräftigt zu werden. So beginnt, wie für das ganze
Land, auch für die Stadt Bautzen mit dem Jahre 1346
eine neue Epoche.
•'*) Vgl. Knothe, Rechtsgeschichte 85 flg.
III.
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig,
Von
J. 0. Opel.
Als der Begründer der Oper zu Leipzig hat sich der
kursächsischc KapcUmeister K i k o l a u s Adam S t r u ii g k
(Strunck), der äheste Solm eines sehr bekannten Mu-
sikers und Organisten in Braunschweig Delphin Strungk,
einen Namen gemacht. Nikolaus Adam Strungk that sich
schon als junger Mann durch sein Geigenspiel liervor und
erhielt daher in einem Alter von 20 Jahren die Stelle
eines „ersten Violons" in der Kapelle zu \^^olfenbüttel.
Später machte er eine Reise nach Wien, spielte vor dem
Kaiser Leopold und wurde dafür unter anderem mit einer
goldenen Kette und dem kaiserlichen Bildnis beschenkt.
Darauf finden wir ihn in Hannover und in Hamburg, wo
er 1678 und 1680 mehrere Opern zur Aufführung ge-
bracht hat '). Nach einiger Zeit zog ihn der Herzog von
Hannover, der ihm ein Kanonikat zu Einbeck überwies,
an sich und nahm ihn mit auf eine Reise nach Italien.
Hier übte er sich mehrere Jahre lang bei ausgezeichneten
Meistern auf dem Klavier und der Geige und ti'at bei
seiner Rückkehr abermals in Wien vor dem Kaiser als
Klaviervirtuos auf, was ihm eine zweite Kette einbrachte.
In Dresden erhielt er endlich (1688) durch den Kurfürsten
Johann Georg III. eine feste Anstellung, und zwar zuerst
als VizekapeUmeister und dann als wirklicher Kapell-
meister.
') Mattheson, Grundlage einer Ehrenpforte, 353. Weller,
Annalen II, 263 tig.
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 117
Nachdem auch in Braunschweig im Jahre 1691 ein
Opernhaus erbaut war, welches zur Laurentiimesse dieses
Jahres eröffnet wurde, fasste der KapeUmeister Strungk
den ganz zeitgemässen Plan, in der berühmten Handels-
und Messstadt Leipzig diese Neuerung einer Oper gleich-
falls einzuführen. Zu diesem Behufe liess er sich von
dem Kurfürsten Johann Georg IV. unter dem 10. Jimi
1692 ein Privilegium zur Errichtuno- eines deutschen
Singspiels auf 10 Jahre ertheilen, welches am 15, Sep-
tember 1694 von dem Kurfürsten Friedricli August be-
stätigt wurde. Diesem Privilegium zufolge sollte Strungk
auf seine und seiner Grcsellschafter (Consortcn) Unkosten
ein Singspiel errichten, aber nur fremde Musiker in dem-
selben verwenden und das Ganze auch unter fremde
Leitung stellen. Die letzte auffällige Bedingung mag der
Kurfürst hinzugefügt haben, um es seinem Vizekapell-
meister unmöglich zu machen, seinen nächsten Amts-
pflichten in Dresden, wo er auch für die Oper zu arbeiten
hatte, etwas abzubrechen. Durch die erste Bedingung
aber hoifte man fremde Musiker in das Land zu ziehen
und Leipzig gewissermassen zu einer Pflanzschule tüch-
tiger Musiker zu machen. Gerade aus diesen Opern-
sängern gedachte der Kurfürst die erledigten Stellen in
seiner eigenen Kapelle wieder zu besetzen. Strungks
Wohlstand scheint sich jedoch durch die Errichtung des
Opernhauses nicht erhöht zu haben^ sondern er setzte,
wenigstens nach seiner Versicherung^), bei dem Unternehmen
sogar sein ganzes Vermögen zu. Um so begreiflicher ist
daher sein Bemühen, seinen Vermögensverhältnissen in
anderer Weise wieder aufzuhelfen. Unter dem 28. Juli
1699 erhielt Strungk auf seinen Antrag ein neues
Privilegium. Man übertrug ihm die Oberaufsicht über
alle Kapellen in den kursächsischen Amtsstädten und
Dörfern und beauftragte ihn, in den einzelnen Ämtern
bestimmte Persönlichkeiten als Direktoren einzusetzen und
die von ihnen zusammengebrachten Kapellen mit gewissen
Vorrechten auszustatten. Diese Kapellen sollten in Zu-
kunft ausschliesslich bei allen Hochzeiten und Ehren-
gelagen aufspielen dürfen, Dorffiedler und ähnliche
Musikanten aber nicht mehr geduldet werden. Dem An-
schein nach war es der Regierung hierbei nicht eben um
*) Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters
zu Dresden I, 315; II, 14.
118 J. 0. Opel:
die Hebung der Musik zu tUun, sondern ihr Hauptzweck
war ein fiskalischer. Man hoffte, dass durch diese pri-
vilegierten Kapellmeister von jedem Feste, an welchem
sie aufzuwarten hatten, 12 Groschen bis zu einem Thaler
zur kurfürstlichen Kammer gezahlt werden könnte.
Strungk gedachte jedenfalls iiieraus auch persönlichen
Vortheil zu ziehen. Wie lange diese letztere Einrichtung
gewährt hat, vermögen wir nicht anzugeben: grossen Ge-
winn scheint jedoch Strungk bei seinem bald erfolgten
Tode (1700) nicht aus derselben gezogen zu haben.
Zuucächst musste der rührige Mann auf die Errich-
tung eines Opernhauses bedacht sein. Zu diesem Behufe
knifpfte er Verhandlungen an wegen eines Platzes und
eines Hofes im Brühl, der eine Länge von 84 Ellen von
der Stadtmauer an besass und neben dem Rathsziinmer-
hofe 'j-elegen war- Besitzerin dieses Grundstückes, auf
dem auch Gebäude standen, war Anna Margaretha Sieg-
fried, Witwe eines Bürgers Daniel Siegfried.
Am 24. Januar 1693 wurde von beiden Paiteien ein
Vertrag dahin vereinbart, dass Strungk und seine (ienossen,
Dr. Heinrich Friedrich Glaser und der kurfürstlich
mainzisohe Architekt Girolamo Sartorio, den bezeich-
neten Platz zur Erbauung eines Opernhauses auf 10 Jahre
gegen eine jährliche Entschädigung von :-'00 Thalern
mietheten. Zu jeder der drei Messen hatten Strungk und
seine Mitpächter 100 Thaler zu zahlen, verpfändeten aber
schon im voraus bei nicht erfolgter Zahlung ihr Opern-
haus mit allem Inventar und sogar der Garderobe. Kamen
die Aufführungen einmal nicht zu stände, z. B. in Kriegs-
zeiten, so musste Strungk demungeachtet die volle Miethe
entrichten; nur wenn Pest oder „einfallende üble Zeiten"
die Vorstellungen unmöglich machten, sollte dieselbe auf
die Hälfte herabgesetzt werden. Der Kontrakt trat Ostern
1693 in Kraft. Nach Ablauf der festgesetzten 10 Jahre
hatte Strungk das Opernhaus abzubrechen, den Platz
wieder in den frühern Stand zu setzen und insonderheit
auch ein Seitengebäude und Ställe wieder einrichten zu
lassen und in diesem Zustande Ostern 1703 das Ganze
wieder zu übergeben. Auf dieser Grundlage ist am
24. Januar 1693 ein Vertrag zwischen der Witwe Anna
Margaretha Siegfried einerseits und dem Kapellmeister
Strungk nebst seinen beiden bereits genannten Genossen
andererseits unterzeichnet und darauf auch vom Rathe
iaestätigt worden. (Vgl. Beilage I.)
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 119
Der Bau des Hauses wurde sofort in Angriff ge-
nommen, aber vom Rathe auf die Einsprache eines be-
nachbarten Hansbesitzers Laub schon im Februar eine
Zeit lang wieder unterbrochen. Das Haus war 81 '/2 Ellen
lang, 2872 Ellen und 2 Zoll breit und 22 Ellen hoch und
lag hinter dem Mossbachischen Wolmhause im Hofe. Man
scheint den BaU; nachdem die Einsprache jenes Nachbars
zurückgewiesen war, mit ziemlich grosser Eilfertigkeit
betrieben zu haben, denn schon im September 1694 hatte
sich derselbe um eine halbe Elle verschoben; und im Jahre
1709 wird uns das Opernhaus als ziemlich baufällig be-
zeichnet. Die Kosten, welche Strungk auf dasselbe ver-
wendet hat, sollen gegen 10000 Thaler betragen haben.
Die Eröffnung der Oper fand am 8. Mai 1693 statt, der
Bau des Hauses hat also ungefähr drei Monate in An-
spruch genommen.
Obwohl schon in dieser ersten Pachtperiode mancherlei
Streitigkeiten zwischen der Verpächterin und Strungk
entstanden waren, so kam es doch im Jahre 1703 zu
einer Verlängerung des Kontrakts auf 5 oder 10 Jahre;
an die Stelle des im Jahre 1700 verstorbenen Kapell-
meisters trat seine Witwe Christine Strungk. Noch immer
hatte auch der Landbaumeister Sartorio theil an dem
Vertrage. Die Bedingungen des neuen Vertrages lauten
zum Theil noch schärfer, als die des frühern. Die Pächter
mussten den vollen Pachtbetrag in zwei Terminen, Ostern
und Michaelis, entrichten. Zahlten sie nicht rechtzeitig,
so hatte die Verpächterin das Recht, nach Ablauf des
Sonnabends in der Zahlwoche das Opernhaus mit „genüg-
samen Schlössern" zu verschliessen und nicht elier wieder
zu eröffnen, bis die Miethe nebst Zinsen und Unkosten
an sie abgeführt war. Erkühnten sich die Pächter, ohne
Erlaubnis der Frau Siegfried das Haus zu eröffnen, so
verfielen sie in eine neue Strafe von 50 Thalern. Ausser-
dem sicherte sich die Verpächterin Freibillets zu jeder
Vorstellung für sich, ihre Familie und vier andere Per-
sonen und endlich auch noch für ihren Rechtsbeistand
Dr. Quirin Pöckel und seine Familie. Allen diesen Per-
sonen musste eine besondere Loge eingeräumt werden.
(Vergl. Beilage IL)
Nach dem Tode der Witwe des Kapellmeisters Strungk
und des Landbaumeisters Sartorio (April 1707) war das
Opernhaus ziemlich ein Jahr lang verwaist, da die Kinder
der Verstorbenen sich von der Erbschaft losgesagt und
120 J- 0. Opel:
mündlicli und schriftlich erklärt hatten, duss sie mit dieser
ganzen (Jpernsache nichts zu schaffen haben wollten.
AA^ihrsclieinlich weigerten sich hauptsächlich die Strungk'-
schen Erben, ohne weiteres das Erbe ihrer Eltern an-
zutreten, denn die Besitzerin des Platzes, Anna Margaretha
Siegfried, nahm nicht nur t ine rückständige Jahresmiethe
von 300 Tlialern in xVnspruch, sondern forderte auch die
Tilgung der seit 15 Jahren aufgelaufenen Schulden für
Kostgeld, Wohnungsmiethe und andere von ihr befriedigte
Bedürfnisse. Es ist also anzunehmen, dass die Sänger
und Schauspieler gewöhnlich im vordem Hause der Frau
Siegfried Aufnahme fanden. Da auf diese Weise die
Rechtsverhältnisse zwischen beiden Parteien verwickelter
wurden, kündigte Frau Siegfried ]\!ichaelis 1707 den
ganzen Kontrakt, so dass derselbe nach der hierüber
schon im voraus getroffenen Verehd:)arung Ostern 1708
gelöst wurde. Darauf entscldoss sich ein Schwiegersohn
des verstorbeneu Kapellmeisters Strungk, Samuel Ernst
Döbricht, eine ganz neue Vereinbarung mit der Besitzerin
einzugehen und bot ihr für die Benutzung des Hauses
während der Oster- und Michaelisraesse je 100 Thaler; in
der Neujahrsmesse wollte er dagegen das Haus ohne Ent-
schädigung benutzen. Da diese Anträge wahrscheinlich
zurückgewiesen wurden, kam Döbricht im April 1708
vielleicht von AVolfenbüttel, wo wir ihn im Dezember 1707
antreffen, selbst nach Leipzig und erhöhte sein Gebot für
die Zeit der Ostermesse auf 150 Thaler.
Demungeachtet erreichte Döbricht damals seinen
Zweck nicht, sondern der Rechtskandidat Johann Fried-
rich Sartorio trat für seineu verstorbenen Vater in den
Kontrakt ein (11. Aprd 1708). In welcher Weise sieh
die Strungk'schen Erben an dem ganzen Unternehmen
in dieser Zeit weiter betheiligten, ist nicht ganz klar.
Dieser jüngere Sartorio hatte übrigens den Kurfürsten
schon wiederholt gebeten, ihm das freie Opern- und
Komödienspielen zu gestatten und ihm zugleich das Pri-
vilegium seines Vaters zu erneuern, besonders aber scheint
es ihm auf eine uneingeschränkte Bewilligung, Schauspiele
im Opernhause in und nach der Messe aufführen zu
dürfen, angekommen zu sein. Nach dem einem solchen
Gesuche vom 5. Februar 1708 beiliegenden Kauf vertrage
hatte er den Antheil seines Vaters für 1800 Thaler von
seiner Mutter, Emerentia Gertrud geb. v. "VN^indheim, an
sich gebracht und wollte sich nun bemühen, dem nach
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 121
dem Absterben seines Vaters ganz zerfallenen Opernwesen
wieder aufzuhelfen. Sartorio begründete seine Bitte an
den Kurfürsten auch mit der Versicherung, dass das
Fortbestehen der Oper der Stadt Leipzig zur Ehre ge-
reichen werde.
Durch Sartorius' Eintritt in den Kontrakt wurde die
grosse Gefahr, welche über dem Hause und der Oper
überhaupt schwebte^ überwunden. Denn Frau Siegfried
hatte sogar mit der Niederreissung des Hauses gedroht,
so dass sich Döbricht zur Wahrung seines Rechtes sowohl
an den Kurfürsten Friedrich August, als an den Rath
von Leipzig wenden musste. In seiner Eingabe beschwerte
sich der genannte Schwiegersohn Strungk's darüber, dass
die Besitzerin sich des ganzen Hauses, dessen Erbauung
seinem Schwiegervater gegen 10000 Thaler gekostet habe,
glaube anmassen zu dürfen. Ferner wollte sie während
der Ostermesse 1708 die Benutzung des Hauses gegen
die Erlegung von 150 Thalern nicht gestatten, weil in
Jahr und Tag wegen der übeln Zeiten nicht wäre gespielt
worden und ihr also 300 Thaler rückständig geblieben
waren. Döbricht behauptete nicht nur, Leipzig würde
auf diese Weise einer Zierde beraubt, sondern er käme
auch selbst zu Schaden, da er bereits fremde Tänzer und
Tänzerinnen von Braunschweig, Hannover und Hamburg
verschrieben hätte.
Der Rath verbot hierauf der Besitzerin, das Haus
niederzureissen oder sich auch nur an demselben zu ver-
greifen: es sollte vielmehr durchaus in dem vorgefundenen
Zustande belassen werden. Diesen Mahnungen ist Fi au
Siegfried jedenfalls gefolgt, besonders nachdem der jüngere
Sartorio Pächter des Grundstücks geworden war, der viel-
leicht auch die Ansprüche der Besitzerin an die Strungk-
schen Erben befriedigte. Sartorio ersuchte darauf den
Rath um die Bestätigung seines Abkommens mit der Frau
Siegfried und hat sie jedenfalls erhalten. Erst unter dem
8. September 1710 unterschrieb auch Samuel Ernst Dö
bricht den Vertrag als neu angenommener Mitinteressent;
nach dem Jahre 1713 aber wurde das ganze Abkommen,
Avie es vor 20 Jahren getroffen war, dahin abgeändert,
dass die Erlaubnis zur Benutzung des Gebäudes nur auf
ein Jahr ertheilt wurde. Noch immer scheinen die
Familien Strungk und Döbricht die Leitimg des ganzen
Unternehmens in den Händen gehabt zu haben: Samuel
Ernst Döbricht aus Dahme trat indessen 1716 sein Recht
122 J 0. Opel:
an dem Hause au seine beiden Schwägerinnen Dorothea
Maria Brauns geb. Strungk und ihre Scliwester Elisa-
beth Katharine Strungk ab. Im Jahre 1719 war das
Opernhaus sehr baufälhg und es erliob sicli nun ein
Streit darüber, wem die Verpflichtung der Wiederher-
steUung obhege. Da mit diesem Jahre überhaupt die Vor-
steUungen ihr Ende erreichten, wollte niemand das Haus
abbrechen, so dass Samuel Ernst Döbricht mit Ernst
Gottlob Siegfried, jedenfalls einem Soluie der gena-.nten
Besitzerin des Hofes, im Jahre 1725 noch im Prozess lag.
Später hat sich der Rath selbst ins Mittel geschlagen
und das Haus wieder hergestellt, welches endlich von dem
Vorsteher des Waisenhauses erworben wurde^).
Über den Musiker, welchem Strungk in dem ersten
Jahrzehnt die Leitung der Oper übertragen hat, und
über die Sänger, welche damals an ihr gewirkt haben,
vermögen wir keine genügende Auskunft zu erthcilen.
Von 1702 bis 1704 aber führte der aus Magdeburg-
gebürtige Student der Rechte Georg Philipp Telemann,
wenn wir anders seinen eigenen Worten glauben dürfen,
die Oberleitung. Von 1704 an war „Melchior Hotfmann
Musikdirektor an der neuen Kirche, am Collegium Mu-
sicum und auch an der Oper". Und wenn wir Fürstenau
recht verstehen, hat HofFmann aucli dies letzte Amt bis
zu seinem Tode (1728) bekleidet, und somit würde dann
die musikalische Leitung der Leipziger Oper während
der längsten Dauer ihres Bestehens ihm anheimgegeben
gewesen seiu^).
Erst im zweiten Jahrzehnt des Leipziger Singspiels
treten zahlreichere Namen von Sängern, besonders Stu-
denten, und Sängerinnen hervor. ^\'^ahrscheinlich aber
haben auch schon früher hauptsächlich Studenten die
Männerrollen gesungen; in Frauenrollen ist damals die
Frau eines Lehrers an der Thomasschule, Paul Thiemich,
thätig gewesen. Dass Studenten an der Oper mitgewirkt
haben, war schon längst bekannt: in einer im Jahre 1725
erschienenen Beschreibung Leipzigs ist sogar noch von
dem grossen Opernhause im Brühl die Rede, „darinnen
alle Messen von denen unter denen Studenten be-
*) Vgl. auch Blüuiner, Geschiclite des Theaters in Leipzig,
S. .S2— 36, dessen Angaben etwas abweichen.
*) Fürstenau, Geschichte der Musik und des Theaters zu
Dresden II, 15, 101.
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 123
findlichen Virtuosen die schönsten Opern präsentiert
werden"*).
Nach dem Tode des Kapellmeisters Strung-k (20. Sep-
tember 1700) finden Avir seine Kinder und die Sänger-
familie Döbricht im Besitze von Hauptrollen, und auch
die Namen der damals mitwirkenden Studenten sind zum
Theil bekannt. Wir liaben diese Namen einer Samm-
lung®) von 27 Operntexten entnommen, von denen die
meisten für die Leipziger Oper zusammengestellt und
mehrere mit den Namen und dem Rollenfache der Sänger
und Sängerinnen bezeichnet sind. Ein Opernbesucher
hat diese Texte offenbar bei den Aufführungen benutzt
und die Namen der ausführenden Künstler und die Stim-
men, in welchen ihre Rollen lagen, hinzugefügt.
Das erste Singspiel, welches in dem neuen Opern-
hause gegeben wurde, war eine Alceste. Sie ging in der
Ostermesse 1693 (8. Mai) über die Bühne. Den Text
derselben hatte der bereits erwähnte Lehrer der Tliomas-
schule Paul Thiemich nach einem italienischen Original
des Aurelio Aureli zusammengestellt und Strungk in
Musik gesetzt. Thiemichs Gattin wirkte in dieser Oper
als Sängerin mit. Der Kurfürst Johann Georg IV.
wohnte der Eröffnung der Oper selbst bei '). Hierauf
wurden "bis zum Jahre 1719 jährlich gewöhnlich drei,
bisweilen aber auch mehr Opern aufgeführt. In den
Jahren 1703 und 1704 konnten die regelmässigen Besucher
aller Messen je sechs, 1710 sogar neun Opern hören.
Man wechselte also auch bereits während einer Messe
mit den Stücken. Das Opernhaus an sich stand in der
Schätzung der Kunstfreunde nicht sehr hoch. Dagegen
wirkten im zweiten Jahrzehnt des Bestehens der Oper
einige ausgezeichnete Sänger und Sängerinnen an der-
selben. Von dvn letzteren gehörten damals mehrere zu
den Familien Strungk und Döbricht, die in sehr nahe
verwandtschaftliche Bezielumgen zu einander getreten
waren, nachdem Samuel Ernst Döbricht, jedenfalls ein
*) Das in ganz Europa berühmte galante und sehenswürdige
Königliche Leipzig 1725.
*) Der Band trägt die äussere Aufschrift: Opern und Pastorelle
auf den Schauplätzen zu Oettingen, Leipzig, Rudelstat, Naumburg
und Hamburg vorgestellt (Ga. 302) und ist Eigenthum der Gym-
nasialbibliothek zu Merseburg.
')Fürstenau, Geschichte der Musik und des Theaters zu
Dresden I, 319.
124 J- 0- ^^Pel:
Sohn des einst in Halle und Weisseufels angestellten
Kammcrinusikers Daniel Döbricht, sicli mit Philippine
Strungk, einer Tochter des verstorbenen Kapellmeisters,
verheirathet hatte. Da diese als „Mad. Pli. Döhrichten"
die Sopraurolle des Askanius im Aneas während der
Ostermesse 1705 sang, wird die Verlicirathung- schon
einige Zeit vorher stattgefmiden haben. Neben ihr wirkte
damals in demselben Singspiele ihre Schwester „Elisabeth
Strungken" als Lavinia und zugleich zwei Schwestern
Döbrichts, Johanna und Christiane Döbricht. Die letztere
sang die Rolle der Camilhi; der Liebhaberin des Askanius,
welchen ihre Schwägerin darstellte, und ausserdem die
der Venus, die erstere die des Cupido. So waren also
damals nicht weniger als vier Frauenrollen in den Händen
von Mitgliedern dieser beiden Familien. Beide Schwestern
Döbricht gehörten dieser Operngesellschaft auch im Jahre
1706 an, wo während der Peter- Paulsraesse in Naum-
burg a. S. ein Telemaque aufgeführt wurde. Nach dem
Rollen Verzeichnisse, in welches beide mit Vor- und Zu-
namen eingetragen sind , waren sie mit Sopranrollen be-
dacht; ihre Schwägerin Lieschen (Elisabeth Strungk) sang
damals Kalypso, deren Nymphe Eucharis Christiane Dö-
bricht war, während der Sänger Döbricht die im Alt
liegende Rolle des Neptun hatte. Die beiden Schwestern
Döbricht und Elisabeth Strungk waren an der Oper zu
Leipzig auch noch 1708 und 1709 beschäftigt und sind
wahrscheinlich noch länger, wenn auch vielleicht mit
Unterbrechung, an derselben thätig gewesen. Zur Neu-
jahrsmesse 1709 finden wir den Namen Döbricht nur
hinter einer Tenorrolle, Ostern 1709 erscheint derselbe
Name hinter einer MännerroUc im Alt, der Name „Dö-
bricliten" hinter einer Männerrolle im Diskant. Ausserdem
aber traten in demselben Stücke Mario nur noch zwei
Frauen auf, welche als Ludwigin und Lieschen bezeichnet
werden. In der letzteren erblicken wir die bereits er-
Avähnte Elisabeth Strungk und in der ersteren werden
wir eine der Schwestern Döbricht vor uns haben, wahr-
scheinlich Christiane, welche sich mit dem Sänger Ludwig,
der schon Weihnachten und Ostern 1704 in Altrollen
in Leipzig aufgetreten war, verheirathet hatte. Johanna
Eleonore Döbricht wurde im Jahre 1713 die Gattin des
Kapellmeisters und Kiüegsraths Hesse in Darmstadt *) und
') Vgl. auch Fürstenau II, 133.
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 125
gehörte zu den berühmtesten Sängerinnen ihrer Zeit.
Eine dritte Schwester, wahrscheinlich die jüngste, mit
dem Konzertmeister Siraonetti in Braunschweig verhei-
rathet, erwarb sich als Opernsängerin in Braunschweig
gleichfalls grosse Anerkennung®).
Es ist sehr leicht möglich, dass der Bruder dieser
Sängerinnen, Samuel Ernst Döbricht, dem seiner nahen
Verwandtschaft mit der Familie Strungk wegen an dem
Gedeihen der Oper so viel gelegen sein musste, während
dieser Zeit auch einen grossen Einfluss auf die Leitung
der Oper besessen hat und vielleicht sogar zeitweise Di-
rektor derselben gewesen ist, wie Grerber behauptet hat.
Allein etwas bestimmtes vermögen wir hierüber nicht mit-
zutheilen, und die Behauptung Gerbers, dass Döbricht ein
„berühmter Akteur und fertiger Bassist" gewesen sei,
muss dahin berichtigt werden, dass in den von uns ein-
gesehenen Rollen Verzeichnissen der Name „Döbricht" nur
hinter Männerrollen im Alt und Tenor erscheint.
So trat also Philippine Strungk (geb. Döbriclit) 1704
und 1705 in Sopranrollen auf. Ausserdem aber finden
wir in derselben Stimme noch die Sängerinnen Christiane
Döbricht (1705, 170G, 1708) und Johanne (Mad. Joh. D.)
in denselben Jahren, und ohne Angabe eines Vornamens
eine Künstlerin „Döbrichten", „Döbrichtin" 1704, 1708,
1709. Ferner begegnen wir im Jahre 1704 einer Sopran-
sängeriu Köder (Ködern), in demselben Jahre und auch
1706 trat in derselben Stimme die Sängerin Decker auf.
Ausserdem erscheinen im Sopran noch die Namen Lotti'")
(B. Lotti, 1708 und 1709), Benedicte (1706), Pechuel
(1708, 1709), Wagner (1709); Herl . .. (1709) und Lud-
wigin (1709).
Unter den Altistinnen scheint ein so grosser Wechsel
in diesen Jahren nicht stattgefunden zu haben. Wir ver-
mögen als solche die bereits mehrmals erwähnte Elisabeth
Katharina Strungk (Lieschen) in den Jahren 1704, 1706,
1708 und 1709 nachzuweisen. Ausserdem erscheinen im
Alt noch die Namen Döbricht, Ludwig (1704), Schürmann
(1706), Schütze (1704, 1705) und Krohn. Die beiden
ersten Namen bezeichnen, wie schon ausgeführt ist, jeden-
falls Männer, und wahrscheinlich auch der dritte.
•) Ygl. Gerber, Lexikon I, 346; II, 522.
'*) Wahrscheinlich die 1717 in Dresden auftretende Sopranistin
Santa Nella Lotti, Fürstenau a. a. 0. II, 105.
126 J- 0- Opel:
Als Tenoristen waren längere Zeit an der Oper
Luther (1704—1708) und Knöchel (1704-1709) beschäf-
tigt. Sie hatten sich so in die Rollen getheilt, dass der
erstere die lyrisch-sentimentalen, der letztere die komisch-
possenhaften darstellte. Der erstere i.st jedenfalls identisch
mit dem Studenten Friedrich Martin Luther aus Erfurt,
welcher im Jahre 1704 immatrikuliert wurde"). Die
Liebe zur Musik war also in dem späten Nachkommen
des Reformators so mächtig, dass er wahrscheinlich wäh-
rend seiner ganzen Studienzeit in Leipzig eins der Haupt-
fächer in der Oper vertrat.
An Knöchels Stelle, den wir imter den damaligen
Leipziger Studenten nicht nachzuweisen vormögen, findet
sich 1708 und 1709 Grinitz (Krinitz). Ein Studiosus
Johann Christoph Grenitz wurde in Leipzig 1708 im-
matrikuliert. Er war aus Weissenfeis gebürtig und ist
jedenfalls der ebengenannte Opernsänger. Bekannter als
diese studentisclien Opernsänger ist der bereits erwähnte
Georg Philipp Teleraann geworden, ein Predigerssohn
aus Magdeburg, welcher 1701 mit der Absicht, juristische
Studien zu treiben, nach Leipzig gekommen war, aber
schon 1702 einen studentischen Musikverein begründete
und in dieser Zeit seiner eigenen Versicherung nach die
musikalische Leitung der Oper bekam. Er trat aber
auch als Sänger in Tenorrollen auf und zwar in der
Neujahrsmesse 1704 zusanmien mit ßendler, einem andern
Leipziger Studenten, Luther, Ludwig und Knöchel; er
sang damals den verliebten Schäfer Eristeus im lachenden
Demokritus und in der Ostermesse 1704 den römischen
Bürgermeister Domitius im*,Cajus Caligula". Allein Tele-
raann ist damals und noch später für die lieipziger
Oper auch als Komponist thätig gewesen; seiner eigenen
Versicherung nach hat er einige zwanzig Stücke, und zu
manchen noch die Texte, für Leipzig geliefert '^). Li
dem Rollenverzeichnis des Caligula (1704) ist neben Tele-
mann der Name Langmaass eingetragen. Wir halten
diesen Sänger für einen Leipziger Studenten gleiches
Namens, welcher sechs Jahre auf der Universität zu-
gebracht haben soll und im Jahre 1710 einen Ruf nach
Eisenach als Kammerverwalter und Bassist erhielt. Dieser
' ') Diese Nachweisungen verdanke ich der Güte des Herrn Raths
Dr. Meltzer in Leipzig.
'*) Israel, Frankfurter Konzertchronik S. 7.
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 127
Gottfried Langmaass hat sich auch als Komponist bekannt
gemacht Im Jahre 1706 sang er noch als Mitglied derselben
Operngesellschaft in der zur Peter- Paulsmesse in Naum-
burg a. S. aufgeführten Telemach. — Im Narcissus gab zur
Neujahrsmesse 1709 die lyrische Tenorrolle Seladon ein
gewisser Jacobi, in dem wir vielleicht einen Studenten
Georg Jacobi aus Oberwiukel erblicken dürfen, welcher
1706 die Universität Leipzig bezog. Doch wurde auch
schon ein Jahr früher ein anderer Träger dieses Namens,
Daniel Jacobi aus Erfurt, immatrikuliert. Von einem
andern Tenoristen Rehm, welcher 1706 im Belesus und
Arbacus auftrat, wissen wir ebenso wenig wie von dem
im gleichen Jahre erscheinenden Tenoristen Sauer.
Während dieser Jahre (1704 — 1709) und wahrschein-
lich schon vorher gehörte ferner der als Bassist und Schau-
spieler später mit Ehi'en genannte Bendler *^) dieser
Operngesellschaft an. Auch er war ein Mitglied des von
Telemann begründeten studentischen Musikvereins, und
zwar eins der ausgezeichnetsten. Telemann hat seiner
und eines andern Studenten Petzhold noch später gedacht
als „ungemeiner Bassisten und Akteurs in Wolfenbüttel
und Hamburg". Möglicherweise war er ein Sohn des
Kantors und Schulkollegen Johann Philipp Bendeler zu
Quedlinburg, welcher über die Orgel geschrieben hat.
Ferner sang Michaelis 1704 in der Oper Germanikus die
Basstitelrolle Grunwaldt, jedenfalls ein und dieselbe Per-
sönlichkeit mit dem Vizekapellmeister und Kammermusikus
Gottfried Grunewald (Grünewald) in Weissenfeis (1709).
Ein anderer Bassist der Leipziger Oper, Feetz (1708,
1709), hatte an diesem kunstsinnigen Hofe ebenfalls eine
Anstellung gefunden: Johann Heinrich Feetz (Fitze, Fetze,
Fretz?) war 1706 — 1709 Kammerrausikus und Sekretär
in ^A^eissenfels. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat er also
beide Amter in Leipzig und in Weissenfeis zu gleicher
Zeit bekleidet. Zu den genannten Basssängern treten
noch die uns unbekannten Rennert (1704 — 1706) und
Florus (Michaelis 1704) hinzu, die wir auch als Leipziger
Studenten nicht nachzuweisen vermögen.
Als Altist ist im Rollen Verzeichnisse des 1706 in
Naumburg gegebenen Telemach noch Schürma[nn] ge-
nannt. Wir sehen in ihm George Kaspar Schürmann,
welcher zuerst in Hamburg als Kirchen- und Opernsänger
'*) Kneschke, Zur Geschichte des Theaters und der Musik
in Leipzig, 174.
128 J- 0- ^Pel =
aufgetreten war, dann nach Braunschweig ging, eine
Studienreise nach Italien unternahm und 1702 meiningi-
scher Hofkapellmeister wurde. Von der Leipziger Oper
scheint er sich auch bald wieder losgelöst zu haben, denn
wir begegnen. ihm schon 1707 in Braunschweig wieder.
Da Schürmann selbst einen Teleinach komponiert hatte,
sang er vielleicht in Naumburg in seinem eigenen Stücke.
Zur Neu Jahrsmesse 1702 wurde Galathca, eine Pasto-
relle, aufgeführt. Der Verfasser erklärt in einem Vor-
worte, Text und Musik bereits vor vier Jahren zu Leip-
zig, aber für einen andern Schauplatz, verfertigt zu haben.
Indessen die Auffülu'ung unterblieb damals. Darauf ent-
schuldigt sich der Musiker, wenn „die Musik nicht nach
derjenigen Delikatesse schmecken sollte, die sonst auf
dergleichen Theatern vorgetragen wird". Er würde das
meiste geändert haben, wenn ihn daran nicht andere Be-
schäftigungen gehindert hätten. Die Oper zählt zehn
Personen;' unter ihnen findet sich auch Jupiter, ferner
Palas, die Göttin der Schäfer, und Ceres, die Göttin der
Früchte. Ferner enthält das Singspiel drei Balletts, welche
von Schäferinnen, von Cyklopen und von Göttern, Schäfern
und Schäferinncin getanzt werden.
In der Micliaelismesse 1703 gab man einen Ulysses
als Oper. Eine Verwandlung in derselben zeigt uns das
Zimmer der Penelope mit einem Bette. Perseus und
Androracda ging in der Neujahrsmesse 1704 über die
Bühne. Dem Personenverzeichnisse sind hier zum ersten
Male die Namen der Sänger beigefügt. Cepheus, König
in Äthiopien, wurde von Ben d 1er, Perseus von Luther,
Phineus, Liebhaber der Andromeda, von Ludwig, Le-
porio, lustiger Rath des Cepheus, von Knöchel gesungen.
Die Rolle des Morpheus, welcher auf besonderer Maschine
der Andromeda den Perseus gefesselt vorstellte, wurde
von Döbricht, und Jupiter im Göttersaale von Bcndler
dargestellt. Unter den Verwandlungen eischien auch hier
ein Schlafzimmer mit einem Bett. Cassiopeia, die Ge-
mahlin des Cepheus, fand ihre Vertreterin in Lieschen
(Elisabeth Kath. Strungk) und Andromeda in einer uns
unbekannten Sängerin Rödern.
Das Personenverzeiclmis des während der Neujahrs-
messe 1704 aufgeführten lachenden Demokritus geben wir
vollständig wieder:
B[assus]. Demokritus, B endler.
T[enor]. Lysimaclius, König der Abderiten, Luther.
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. l29
A[ltus]. Arbai'es, sein geheimer Rath, Ludwig.
A[ltus]. Des Lysimachus Schwester, Lieschen.
C[antus]. Cosmirus, Prinz der Abderiten, Ködern.
C[antus]. Olinda, eine Bäuerin, Philipp ine (geb. Struncli).
T[enor]. Eristeus, verliebt in Olinden, Telemann.
A[ltus]. Macrina, eine Matrone und Wärterin der Rosinda, Döbricht
T[enor]. Des Demokritus Diener, Knöchel.
Zur Osterinesse 1705 wurde Aneas gegeben, dessen
Personenverzeichnis wir noch anführen wollen:
1) Trojaner: Aneas, Lutherus. Askanius Julus,
der Camilla Liebhaber, Mad. Joh[anna] Döbrichten.
Ilioneus, der Heerführer des Aneas, Rennert. 2. La-
teiner: Latinus, Langmaass. Lavinia, Elisabeth
Struncken. Turnus, Döbricht. Camilla, Christ[iane]
Döbrichten. Celsus, des Königs Latinus Sohn, Knöchel.
Birena, der Lavinia Amme, Schütze. Nisus, des Celsus
Diener, Götze. Ferner erscheinen vier Gottheiten:
T[enor] : Fatum »Knöchel; C [antus] : Venus, C h r i s t [i a n e]
Döbricht; B[assus]: Vulkanus, Rennert; C[antus]:
Cupido, Joh[anna] Döbricht. Auch drei Cyklopen
kommen in dem Stücke noch vor. Schon die erste Scene
war reich an seltsamen Schaustücken. Am gestirnten
Himmel erblickte man das Fatum, auf der Erde das Kriegs-
heer des Aneas, auf der See die Flotte. Das Fatum
schrieb und verleibte Aneas dem Buche der Ewigkeit
ein. Auch Venus war schon in der ersten Scene eine
bedeutende Rolle zugetheilt.
Besonders reichhaltig an Sehenswürdigkeiten war
die in der Peter- Paulsmesse 1706 zu Naumburg a. S.
zur Darstellung kommende Oper Telemaque. Sobald die
„Courtine" aufgezogen wurde, liess sich von oben ein
ganzes aus Wolken bestehendes Th«ater herunter, in
welchem Jupiter, Venus und Cupido sassen. In der
zweiten Scene ging das Theater wieder in die Höhe, und
es verwandelte sich alles in Meer, auf welchem Neptun
mit seinem Wagen und Seepferden, in der Hand den
Dreizack haltend, erschien.
Der ersten oder sentimentalen Haupthandhmg steht
meistens eine komische oder possenhafte Nebenhandlung,
welche gewöhnlich Dienern zugewiesen ist, gegenüber.
So ist es auch in Atalanta oder den verirrten Liebhabern
der Fall, deren Verfasser in einem Vorberichte sich ver-
wahrt, dass seine Fabel nur eine Übersetzung der italie-
nischen Oper Le rivali concordi sei. Die lustige Person
Neues Arohiv 1". S. G. u. A. V. 1. 2. 9
130 J. 0. Opel:
Straton äussert hier ihren Ärger ül)cr hesclnverliche
Botengänge in einer Arie, wie folgt:
„Nur Laufen und Rennen, Das luit man zu Lohn, i^on^t kiiegt
man bei Hofe Nichts weiter davon. Stets .Arbeit und l'hige Bei
Nacht und bei Tape; Und thut man es sehen, So muss man docli
oftmals Die Finger verbrennen. Nur Laufen und Rennen Das hat
man zu Lohn, Sonst träort man bei Mofe Nichts weiter davon."
Bisweilen trügt die Sprache und Ausdrucksweise, be-
sonders in den komischen Ivfdlcn, ein unverkennbar obor-
sächsisches (Gepräge. Lorax, der Bediente des Theseus,
singt in derselben Atalanta die Ari«-:
„Liebe, du machst mich noch toll, Im Ki^iifc verirret, Verriukt
und verwirret, Kann ich bald nicht seilen, Wohin ich mich drehen
Und wenden mehr soll . . ., Indessen ach weh! So kribelt und krabelt,
So zibelt und zabclt Mir alles im M.agen, Und kann es nicht sagen,
Wie ich es versteh."
Dieser Possenhaftigkeit tritt freilich in diesem wie
fast in allen anderen von uns eingesehenen Stücken ein
gewisser volksthUralicher, elegischer Ton in Emptindung
und Ausdruck ziemlich unvermittelt gegenüber. So singt
Phädra in derselben Atalanta:
„Ich kann nicht wanken In meiner Treu, AVas mich entzündet
und was mich bindet, Bleibt den Gedanken Doch täglich neu."
Sehr stark, ja übertrieben und grobianisch ist jener
biudeske Zug in der bereits olien erAvähnten Galathea,
so dass der Cyklop bisweilen geradezu in die Rolle des
Maus Wurst lallt. Der in Galathea verliel^te, aber von
ilir verschmähte Polyphem bramarbasiert mit seiner Stärke
in der ersten Scene des zweiten Aktes:
„Mein starker Arm verlacht Die Menschen und die Götter,
Des Jupiter sein Donnerwetter, Das wird von mir nicht sehr geacht.
Vor seinen harten Keilen Erschreck ich fast nicht mehr, Als vor
der Kinder Ptitsche- Pfeilen. Auf mein Geheisse muss das Heer der
Sterne schimmern , Das Wasser von den Fischen wimmern" u. s. f.
Über die Zurücksetzung, Avclche ihm von Galathea
zu tlieil wird, beklagt er sich mit den Worten:
„Sie konnte keinen würdigern Galan Als mich erkiesen: So
aber siebet sie nach kleinen Zwergen Und labt sich noch an solchen
Quiirgen" u. s. f.
Eine zweite komisehe Rolle ist in diesem Stücke
PaduUus, welcher ebenfalls für Galathea entbrannt ist.
Sie ist im ganzen massvoller gehalten, nähert sich aber
der des Hans Wurst noch mehr. Auch Padullus sieht sich von
Galathea getäuscht oder wenigstens zurückgewiesen und
Die ersten Jahrzehnte iler Oper zu Leipzig. 131
macht seinein Arger zuerst in einer loseren rytlimischen
Reihe und dann in einer Arie Luft:
„Seht, was Cupido thut, Der kleine Fiuifzehnhut , Bald hat
er uns geschossen, Bald veisset er viel andre Possen, Dergleichen
man ofte nicht vernuith't. Seht, was Cupido thut, Der kleine Funf-
zehnhut."
In einer andern 8cenc, die sich weniger frei vom
Unziemlichen hält, lässt er sicli verlauten:
„Ja, ja, die Hekuba Sitzt mir im Herzen da. Die plagt mich,
es ist Schand und Sünde, Der Henker steh die Marter aus, Wo ich
nicht bald ein Messer tinde Und schneide diese Dirne raus, So geh
ich vor mein Leben keine Laus, Ja, ja" u. s. f.
Einige Scenen weiter unten geht dieser Humor in
die Posse über. Da man aus dem zerrissenen Schleier
der Galathea schliessen zu müssen glaubt, dass auch die
Schäferin von Polyphem zerrissen ist, erklärt Padullus:
„Weil ich noch den Tod der Schäferin nicht kann vergessen.
Wie sie der grobe Kerl gefressen, So muss ich die Tragödie Von
dieser (Jalathe Euch präsentieren Und also noch ihr Grabmal helfen
zieren."
Während einer Arie entnimmt er darauf seinem Schieb-
sacke eine Puppe (Galathea), ein gi-osses geschnitztes Bild
mit einer Larve (PoIyphem\ einen langen Weberbaum,
eine Wasserkanne, eine Schossbank und beginnt die ganze
(jreschichte darzustellen imd also auch die verschiedenen
Personen durch den (iesang zu charakterisieren. Da seine
eigene Rolle jedenfalls im Tenor oder im Baryton lag,
bestand also ein Hauptreiz der Scene darin, dass der
Sänger in den Bass heruntergehen und auch den Diskant
erklimmen musste. Wenn er sich aber in den mittleren
Lagen bewegte, stellte er Ulysses dar.
Die Vorstellung beginnt mit der Weisung an die
Zuhörer :
„Das ist der grosse Riese, Und das die Galathe, sein Zu-
fremüse. Ich will Ulysses sein, Ihr Leute nehmet recht des Spieles
Inhalt ein."
Padullus als Polyphem: „Mit deinen Burschen bin ich fertig,
Nun sei auch du Dergleichen Tractements gewärtig, Ich fresse dich,
und diese noch dazu." — Ulysses: „Ach! Dass ihr mich doch so
erschrecket. Ihr habt ja dieses Mal genug. Und weil ein guter
Trunk Auf einen guten Bissen schmecket, So rieth ich euch, ihr
thätet mir Bescheid."
Der Riese thut darauf Bescheid, d. h. Padullus füllt
dem Bilde durch einen Trichter den Inhalt der Kanne
in den Hals, und es beginnt darauf ein Duett zwischen
9*
132 J- ^. Hpel:
Polyplieiu und Galathea, in flcin Padullu.s natürlich beide
Stimmen zu i^ingen hat. Darauf folgt ein anderes zwischen
Ul3'8ses und Polypheni:
Ulysses: ..Herr Polyplienins, tlmt es nicht." — Polypliem:
„Neiu, nein, ich bin darauf erpicht." — Ulysses: ^So gönnt
mir doch nur dieses Glücke, Und lasset mir ein Bein zurücke. " —
Ich thu' es Ich bin
Ulysses midPolyphem: „Nein, ^^eiu,'^^- ^,,^,3^ ^^ nicht. f;:;p^^^
zu sehr darauf erpicht."
Diesen letzten Text werten ist die Bemerkung bei-
gefügt, dass der Sänger thue, als wenn er zwei Stininieu
auf einmal singen wolle! Natürlich bohrt nun l'adullus-
Ulysses dem Bilde auch das Auge aus und scldiesst
darauf seine nuisikalische Burleske mit der Versicherung:
„So bin ich gut davor, dass er mich nirgends tindo. Ihr Leute
helfet mir vor Freude lachen. Der Kerl, der ■v\'ill noch nicht erwachen.
Oligleicli der Staar ilun schon gestochen ist, Ich gehe fort und
schlepp ihn auf den Mist."
Damit schlieset der zweite Akt und in der ersten
Sccnc des folgenden singt Acis, Galatheas Geliebter,
mit einem Lorbeerkranze im Arme sein Klagelied ül)er
Galatheas Geschick. Das Stück schliesst mit einem
Chorliede, auf welches ein Ballet der Schäfer und Schä-
ferinnen folgt.
Auch andere Texte verrathcn in ihrer S])rache und
ihrer Darstcllungsform ihre obersächsische Herkunft, und
besonders der komische Thcil streift bisweilen geradezu
das Gebiet der Leipziger Lokalj)osse. So lässt sich in
Cyniras und Irene, aufgeführt zur Ostermesse 1708, der
lustige Diener Neopompus, das Gegenbild seines Herrn
Leonidas, also vernehmen:
„Weil ich nicht weiss, "V\o meine Iphis ist geblieben, Jetzt geh
ich aus, sie aufzusuchen, Und finde ich sie nicht, Ist mir von lauter
Briegelkuchen Die Mahlzeit zugericht. Allein Was seh ich vor ein
Dorf? Es sieht wie Meckern aus. Doch nein, Ich irre mich, Es ist
ganz sicherlich Das liebe Kunuewitz: Da muss ich in die Pfiaumeu
gehu."
Die Beständigkeit und die eheliche Treue der Pene-
lope bilden den Inhalt der in der Michaelismesse 1703
aufgeführten Oper Ulysses, deren Personen natürlich
nichts Griechisches ausser den Ueroennamen an sich tragen,
während Charakter und Stimmung derselben durchaus
dem Zeitgeschmacke angehören. Auch liier sind die
Gegensätze nicht im geringsten ausgeglichen oder auch
Die ersten Jalirzelinte der Oper zu" Leipzig. 133
nur vermittelt. Wir liöreii die von dem Gatten getrennte
Dulderin klagen:
„Mein Entzücken, meine Kuli, Liebster Schatz, wo bleibest
du? Warum linderst du doch nicht Meine Schmerzen, Angst und
Sehnen? Komm und wisch die bittern Thränen Von dem blassen
Angesicht."
Elvinda aber, Ihre Tochter, tröstet die auf dem Bette
sitzende Mutter:
„Liebste Mutter, weinet nicht. Denn die Schmerzen, so euch
drücken, Brechen auch mein Herz in Stücken Und benetzen dies
Gesicht, Liebste Mutter, weinet nicht."
Auch hier ist in die ernste Handlung eine scherzhafte
verwebt, deren Trägerin Filena, die Dienerin der Königin,
und Gildo, der Diener des Ulysses, shid, die denkbar
grössten Gegensätze zu den ersteren. Filena spricht sich
über die Männer aus:
„In Summa, die verliebten Aften Sind alle keinen Dreier werth.
Bald wollen sie nach Marthchen galten, Bald haben sie den Sinn
nach Käthchen hingekehrt. Da heisst es denn; mein Hühnchen,
Lämmchen, Schätzchen, Mein Marcipan, mein Zuckerplätzchen" u. s. f.
Und Gildo erklärt dieser Filena seine Liebe in der
Arie :
„Du Fliegenklatsche aller Grillen, Du Löschpapier der Traurig-
keit, Wenn wiltu dessen Wunsch erfüllen, Der sich zu eigen dir
anbeut. Du Honigpemme süsser Freuden, Ach wende doch einmal
mein Leiden" u. s. f.
Da das Gesetz des Landes bestimmt, dass die Königin
bei den Leichenfeierlichkeiten für den verstorbenen Ge-
mahl eine neue Ehe eingehen musS; so veranlasst Penelope
Ariene, Prinzessin von Memphis, sich für Arconte, den
vSohn eines grossen Königs auszugeben, der Penelope auf
seinen Thron erheben will. Dafür soll sie später mit
Lutezio vermählt werden, welcher freilich Penelope selbst
zu erhalten wünscht. Bei diesen Feierlichkeiten naht
sich Ulysses der Penelope in einer Verkleidung, erweckt
aber demungeachtet in der Königin eine sehr lebhafte
Erinnerung an den angeblich verstorbenen Gemahl. Die
ganze erste Scene wird durch eine Instrumentalmusik von
„Haubois, Flöten und Violinen" beschlossen. Penelope
erwählt sich übrigens Ulysses von neuem zuiu Gemahl
und König, welcher indessen die Hand derselben erst
annimmt, nachdem er sich davon überzeugt hat, dass sie
ihm immer treu geblieben ist.
o'
In dem laclieiulen Dcinokriltis, wclolier 1704 wülirend
der NeujnlirsiiK'Sse über die Biilnu' ^ing, wird dem in
der Zurückgezogeidieit und Kntluiltsundveit lel>enden Pliilo-
soplien der lustige und sclnnurotzeriselie Diener Telo
ireji'enüber bestellt. Das Stück war in Wien bereits zwei-
mal in italienisclu-r Sprache gegeben worden. Das RuUen-
vcrzeiclmis enthält ntuni Stinumni. Die beiden Sopran-
stimmen sind (Jlinda, einer Bäuerin, und Cosmirus, dem
Prinzen der Abderiten, zwei Liebenden, zuertheilt. Da
beide Namen mit C[antusJ bezeichnet sind und hinter
Cosmirus der Name Kiklcrn (Rüderin) eingetragen ist, so
wurde die letztere Rolle wahrscheinlich auch von einer
Frauenstimme gesungen. Neben den zwei Sopranen stehen
drei Altrollen: Macrina, eine Matrone und Wärterin der
(Clinda, gesungen von Frau Döbiiclit; Resinda ist Lies-
chen (Striuick) übertragen, und Arbaces sang der Sänger
Ludwig. Unter den drei Tenören hatte Luther den König
der Abderiten, Lysimachus, darzustellen, Telennmn den in
Olinden verliebten Schäfer Eriateus und Knöchel den
Diener Demokrits, Telo, Die einzige Bassrolle ist die
des Demokrit, welche Bendler sang. Die Tänze sind
Köchen, Kavalieren und — Bären zuertheilt.
Auch in dem zur Ostermesse 1704 aufgeführten Cajus
Caligula hatte eine Sängerin eine Älännerrolle Claudius
im Sopran zu singen. Telemann wirkte in dieser Oper
Zinn letzten Male, und zwar in einer Tenorrolle mit.
Auffällig ist eine Entschuldigung des Verfassers des
Textbuches, weil er sich der Worte Geschick, Ver-
hängnis, Götter und ähnlicher Ausdrücke ziemlich häufig
l)ediente. Er versichert, dass diese Worte von dem Sitze
der Musen herkommen, nicht aber von der Meinung des
Herzens, und will sich aul' diese Weise schon im voraus
gegen die Angritfe der theologischen Gegner der Oper
decken.
Aus den späteren Aufführungen gedenken wir noch
der Oper Adonis, welche in der Charwoche 1708 geboten
wurde. Hier finden sich zwei Tenöre, ein lyrischer imd
ein Tenoibuttü, drei Bässe, zwei Sopran- und eine Altrollc.
Die Besetzung der Stinmien ist folgende: im Tenor er-
scheinen Luther und Krienitz (Grinitz), im Bass Lang-
raaass in zwei Rollen und Fetz, im Alt Frau Strungk,
ira Sopran Christ. Döbriclit und Frau Joh. Döbricht.
Diese Oper bot durch ihre Ausstattung ganz besondere
Reize. Gleich zu Bc'iinn des Stückes liess sich Venus
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 135
auf einer Wolke auf die Erde nieder, luid zwar unter
dem Gesänge der Strophe:
„Angenehmste Zephyr- Winde, bringet meine Seufzer bin, Tragt,
ach traget sie geschwinde, doch gelinde: Wo i<:li in Gedanken bin
(Da (•apo)."
Darauf beschwört Venus den greisen Proteus, ihr
kund zu tliun, wie es ihr mit Adonis noch ergehen werde.
Proteus erscheint ihr zuerst in Gestalt eines Greises, dann
als Feuerflamme, als Bär, als Blumentopf und zeigt sicli
ihr endlich in seiner wahren Gestalt.
In einer der letzten Scenen erscheint das Theater als
ein Rosengarten mit zahlreichen weissen Rosen. Die
Schäfer bringen auf einem grünen Lager den toten Adonis,
welcher zum Schluss in einen Stock mit rothen Rosen
verwandelt wird; Venus heftet sich darauf eine Rose auf
die Brust und erhebt sich mit einer Arie: „Schönste Rose,
meine Lust" u. s. f. in die Luft. Das Ganze beschliesst
ein Chorhed. Der Verfasser des Textbuches hat sicli
sichtlich bemüht, den ersteren Theil seiner Fabel in ein
anmuthiges, zierliches und duftiges Gewand zu kleiden.
Um so mehr fällt die plebejische, ja rohe und abgeschmackte
Abfassung desjenigen Theiles auf, in welchem der lustige
Schäfer Gelon auftritt, dem die Rolle des Weiberfeindes
zuertheilt ist:
,, Sollt ich die Ehstandshosen flicken, Und Ktimmel in die
Suppe knicken" u. s. f.
In ganz ähnlicher Weise ist die Oper der Michaelis-
messe 1708, Cosroes, gestaltet, welche mit einem Chor-
liede und einem Ballet schliesst. Zu den besonderen
Sehenswürdigkeiten dieser nur sieben Hauptrollen ent-
haltenden Oper gehörten fünf sogenannte Entreen, in
welchen Kavaliere, Gärtner, Blumentöpfe, einige maskierte
Personen und ein grosses Ballet vorgeführt werden. Der
Text gewinnt an einigen Stellen eine ansprechende Ein-
fachheit und eine gewisse volksthündiche Weichheit. Die
Worte eines Duetts lauten:
„Ich hin dein, Du bist mein Bis in den Tod. Unsre Seelen
Kennt kein Quälen Trotz aller Noth. Ich hin dein, Du bist mein
Bis in den Tod."
Die nachfolgende Strophe könnte einem volksmässigen
Liede entnommen seni:
„Wenn ich dich noch werde sehen, Sag ich tausend gute Nacht,
Wird es aber nicht geschehen, Ach! so denke, dass ich sei Mit ganz
unverfälschter Treu In die dunkle Gruft üebracht."
136 J. (^- f^pel:
Die Kolle der lustigen Person ist freillcli auch in
diesem Stücke nicht feiner gehalten. In tler zehnten Seene
des zweiten Aktes hat dieselhe, hier Kidello genannt, zu
singen: „Viel lieber ohne Geld, als actäonisieret sein" u. s. f.
Noch possenhafter geberdet sich Mopsus, der faule
Diener in der Oper der Neujahrsniesse 1709 (Narcissus);
ja er hat sich geradezu in den Harlekin oder Hans A\'urst
des Volkstheaters verwandelt. Schon im ersten Akte
wird er von den Jägern in einem KäHg auf die Rühne
gebracht und fleht zu den Göttern:
„Ihr Elemente, rettet doch Herr Mopsiiin ans dem Ilninleloch.
Du Göttin in der Luft, Dn Göttin in der Gruft, Erbarme dich doch
über mich Und reisse mich aus diesem Joch."
Darauf wird er von Geistern ähnlich wie Hans Wurst
im Faust gefoppt, schlägt sie aber in die Flucht. Später
erscheint er in einem Rezitativ als Zigeuner:
„Wir Zigeuner kommen aus das Land, Wo die Crocodille
ist" u 3. f.
Darauf giebt er eine Arie zum besten, deren Eingangs-
worte lauten:
„Was thut der Deutsche nicht vors Geld? Ich konnte keines
mehr gewinnen, Drum musst ich auf 'was andres sinnen."
Auch hier kommen Chorgesänge vor. In Acontius
und Cythippe (Neujahrsniesse 1709) führte der etwas
zahmer gehaltene Diener den Namen Xanthias. Dem
Charakter nach gleicht er dem vorigen ziemlieh voll-
ständig, wie sich aus einer Arie ergiebt:
„Guter Haber — muntre Pferde, Fetter Dünger — reiche Saat.
Schönes Futter — Fette Hühner, Reich Gescheniie — hurt'ge Diener.
Wo die Herrschaft selber knickt Und die alten Kittel nickt, Wo
von aussen grosser Staat, Aber Schmalhans auf dem Heerde, Ach
da regt man Hand und Fuss Eher nicht, als bis man muss."
Die letzte Arie des Xanthias, ziemlich am Schluss
des Stückes, behandelt dasselbe Thema:
„Geld, Geld, Geld Ist der beste Trost der Welt. Ei, wie wird
mein Mädchen lachen. Wenn ihr Spass- und Liel)sgalan Sie mit an-
genehmen Sachen Durcli das Geld versorgen kann."
Der Schlusschorgesang wird durch Einzelstinunen
unterbrochen, zuletzt folgt ein Mohrenbnllet.
In de)' O.stermesse 1709 gab es eine italienische
Oper Mario, in Avelcher auch die meisten Arien italieniscli
gesungen wurden, da sich der Bearbeiter des Textes ver-
geblich bemühte, die kurze und prägnante Fassung des
Textes im üeut.^clion wicdei-zuoeben. Die burleske Seite
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 137
des Ganzen scheint indessen dem Texte nach deutsche
Erfindung gewesen zu sein. Dem Tenorbutib, Jacobi mit
Namen, entspricht eine ähnlich gehahene weibliche Sopran-
rolle, welche aber wahrscheinlich auch von einem Manne
(Pecliuel) gesungen wurde. Diese komische Dienerin
Blesa empfiehlt sich der numidisclien Prinzessin Dalinda
folo;endermassen :
„Patienza. Ich bin von ungemeinen Gaben. Betrachtet mich
nur wohl. Mein ganzes ^Yesen ist galant. Was meine Augen sehn,
Das machet auch die Hand. Ich fechte einen Fingerhut Trotz dem
berühmtsten Schneider, Ich tiicke wunderschöne Kleider Und schicke
mich vor euch recht unvergleichlich gut."
Bisweilen hat freilich der Verfasser des Textbuches
das Italienische in gröblichster Weise parodiert; so, wenn
er die Worte „Adorata mia chiavetta Tu saresti una
sposetta A proposito per me" — wiedergiebt:
„Angenehmer Zuckerstengel, Ausbund aller schönen Engel,
Dich erwähl' ich mir zur Braut."
Beilagen.
(Akten des Stadtraths zu Leipzig XXIY. A.7a, Vol. I, fol. 47.)
I.
Zu wissen, denen es zu wissen von uöthen. Nachdem die
sämtl. Moßbachische Erben von den Churfürstl. Sachs. Capellmeister
Herrn Nicolaus Adam Struncken, daß sie ihm den in ihren väter-
lichen Hause in Brühl allhier zu Leipzig liegenden Platz und Hoff
auf Vier und Achtzig Ellen in der Länge von der Stadtmauer an
zu rechnen und die ganze Breite des Raumes vermiethen, auch
darauff ein Opern-Hauß zu sezen und aufzuführen vei'willigen möchten,
unterschiedlich angegangen und ersuchet worden sein, die Moßbachi-
schen Erben auch solchen an sie bescheheneu Suchen auf gewisse
Maße stattgegeben: Alß ist zwischen Ihnen und Herrn Nikolaus
Adam Struncken nebst dessen Consorten oder Mitt- Interessenten,
Nahmentl. Herrn Doct. Heinrich Friedrich Glaser und Herrn Girolamo
Sartorio und allen derselben Erben und Erbuehmern nachiblgender
Contract abgeredet und geschlossen: Nehmlich es vermiethen ge-
dachte Moßbachische Erben vorbenahmten ihren Plaz und Hof in
ihren allhier in Brühl habenden Hause Herrn Nikolaus Adam Struncken
und Herrn Doct. Heinrich Friedrich Glaßern wie auch Herrn Giro-
lamo Sartorio auf Zehen Jahr lang zu dem Ende, daß er ein Ge-
bäude zum Opern- oder Comoedien-Spiel auf seine und seiner Mit-
interessenten Unkosten dahin bringen und aufführen lassen, solches
auch seiner profession nach gebührend nuzen und gebrauchen möge,
iedoch daJi dadurch dem Vorder-Gebäude an Licht oder sonsten
kein Nachtheil oder Abbruch geschehen, noch auch übrigens den
ganzen Hause einige Servitut, auf was Weise auch solches wäre,
aufgebürdet werden. Dahingegen verspricht Herr Nicolaus Adam
138 J. 0. Oppl:
Struiuk und Herr Docf. lleiniicli Frioilricli (Uaser, wie auch Herr
Girolamo Sartorio, einer vor alle und alle vor einen, also ein ied-
weder in soliduni mit Begehung: der MarUtfreiheit und ihrer ordent-
lichen Obrigkeit, woiil erinelten .Mdliliachischen Krheu alle Jahre
Dreyhnudert Rthlr. guter, unverufener, groben Miinz-iorten, und zwar
iede Leipziger ilesse Ein Hundert Thlr. künftige Ustermesse damit
den Aniung zu machen und also bis uml auf die Leipziger Xeu jahrs-
niesse, wenn man s(luoii>en wird 170:5, inclusive darmit zu continuiren,
banr und nach ^Ve(•hselree]lt zu erstatten und einznliefern , auch
daß dieser Miethzinß iedesmahl richtig bezahlt werden sollte, mit
ihren gesanimten Yerniögen liegend und fahrend, wo solches anzu-
tretien, insonderheit den erbaueten Opern - liauße samt allen dazu
gehörigen Kleidungen, Mobilien, uml allen anderen illatis et invectis,
welches alles hiermit zum ausdrücklichen Unterpfande oingesezet
wird, beständig zustehen und zuhafi'ten, ingleichen allen und jeden
Schaden und Üefahr, so gedachten Moßbachischen Hause bei Er-
bauung dieses Opernhauses oder auch nach solchen aufgeführten
Bau und durch dessen Occasion vermittelst Unglücksfällen, so durch
die Herren Interessenten und die ihrigen verursachet oder sonsten
auf einerley Weise Zeit wehrenden dieses Contracts entstehen und
widerfahren möchten , vor sich zu tragen und hierfür allenthalben
liehorige Erstattung denen Moßbachischen Erben zu tliun; auch
solchenfalls unerachtet die Opern nicht praesentiret werden könnten,
den völligen Miethzins wie oben erwehnet, abzutragen, auch dafern
einige einfallende üble Zeiten, insonderheit Pest, und zwar nur
alleine in dieser Stadt, nicht aber wegen anderer angränzenden
Orten, welches doch üott gnädigl. verhüten wolle, berühretes Opern-
Hauß zu gebrauchen und zu nuzen verhindern würden, nichts desto-
weniger mit solches Miethzinses Abgabe zu continuiren, iedoch die
Moßbachischen Erben auf diesen begebenden Fall, iede Messe mit
50 llthli. Miethzinses sich begnügen zu lassen, welche Condition
aber wieder (weiter?) nicht zu extendiren, als so lange solches Uebel
wirklich über diese Stadt verhänget werden sollte, wovon aber aus-
genommen seyn soll, daß, so durch Gottes Verhängniß sich auch
Krieü' entspinnen sollte, dennoch in solchen Fall, alh; Messe besagte
Hundert Rthlr. völlig sollen abgetragen werden. Weiln denn von
beyden Theilen zugleich beliebt und verspro(dien worden, daß solcher
Mieth-Contract in Ostern dieses I693ten Jahres seineu Anfang und
Obligation gewinnen, also auch unverändert bis nach goendigten
10 Jahren fest und unverl)rüchlich gehalten, sowohl alle künftige
solches Moßl)achischen Hauses Besitzern, daferne über VerholYen
einige Aenderung oder Alienation vorgehen möchte, diesen Mieth-
Contract ebenmäßig auszuhalten angewiesen, solch Hauß auch anderer
Oestalt nicht als "cum hoc onere contimiande localitionis (?!i con-
ductionis veräußert werden sollen. Also wird zwar Herrn Struncken
und dessen Mitt-Interessenten frey gelassen, bey Ablauf dieser Zehen
Pacht-Jahre solch Opern -Hauß "wiederum einzureisen und wegzu-
führen. Es verpüichteu sich aber dieselben sammt und sonders bey
Eingangs Verschriebener Versicherung, daß also dann sie auf ihre
Kosten den Plaz wiederum in jezigen Stand sezen, und dergleichen
Seiten- Gebäude und Ställe, wie es aniezo zu befinden, dahin bauen
lassen und solches auf Ostern 1703 ganz fertig dahin liefern, auch
zu solchem End«; vor Abtragung des Opern-Hauses gnugsame Caution
bestellen sollen und wollen, oder daß in widrigen fall das Opern-
llauß den (irund- und Eigenthums Herrn heimfallen und verbleiben
Die ersten Jalirzehiite dtu' Oper zu Leipzig. 139
soll, um (lieser ürsadie willen ilenn alsofort ein Abriß dieser Ge-
bäiule zu verfertigen und denen Molihachisohen Erben einzuhändigen
ist. Wie denn auch beyde Theile hiermit allen und ieden Rechts-
Wohlthaten, insonderheit dem benefirio L. .3. locat. conduct. itemque
Excussionis et divisioiiis oder der Theilung, und daß erstlich der
Prinzipal (ontraheute müsse ausgeklagt werden, der Beredung des
Scheinhandels, Iiithums, der Verlezuiig über die Helfte und höhern
Werths, und allen andern, wie sie Nahmen haben mögen, wißendl.
und wohll)edächtig renunciret haben wollen. Treulich sonder Üe-
t'ehrde. IJlu kundlich mit allerseits Contrahenten Nahmen und l'et-
s(;haft unterschrieben und besiegelt.
Datum Leipzig den 24. Januarij Ao. 1693.
Uieronymo Sartorio L. S. Nicolaus A dam Strun gk,
Architecto. Churfürstl. Capellmeister.
Vorstehenden Contract gelobet nach allen seinen pnncten und
Inhalten als neuer Interesseute zu eriullen.
Leipzig den 11. April 1708.
Johann Friedrich Sartorio.
Vorstehenden Contract gelobet als neu angenommener Mitt-
Interessente nach allen seinen Clausulen und Inhalte praecise zu
erfüllen. Leipzig den 8. Septb. 1710.
Samuel Ernst Dö bricht.
Anna Margaretha Siegfriedin.
Dr. George Quirin Pöckel
curat, nomine der Fr. Siegfriedui.
IL
Demnach der zwischen Frau Annen Margarethen Siegfriedin,
Verpachterin an einen, dem gewesenen Königl. Pohl. Capellmeister
Herrn Adam Struncken, nunmehr sei., und Herrn Hieronimo Sartorio,
Churfürstl. Mainz. Land -Baumeistern, Pachter am andern Theile,
zeither gewehrte Pachtcontract über den in der Frau Siegfriedin
Hause lietindl. Plaz und Hoff auf die mit Glück und Segen herbei-
nahende Ostern des 170.Sten Jahres zu Ende läuft, zeithero aber
zwischen ietzbenannten Contrahenten nnterschiedl. Irrungen ent-
standen, welche theils abzuthun, theils auch diesen Contract weiter
zu prolongiren vor nöthig erachtet worden, inmittelst aber der Herr
Capellmeister sei. verstorben, an dessen Stelle hingegen dessen
hinterbliebene Wittbe, Frau Christine Strunckin in diesen und vorigen
Contract getreten, als haben sich allerseits jetztbenannte Contrahenten
vor sich, ihre Erben und Nachkommen, aufs neue folgender Gestalt
verglichen. Nehmlich es soll
1) und zuvorderst der zwischen der Fr. Siegfriedin und deren
Curatore an einen, Herr Capellmeister Struncken und Herrn Bau-
meister Sartorio am andern Theile untern 27. Januarij Anno 1693
aufgerichtete Pacht-Contract, außer was in dieser neuen Prolongation
und Zusaz ausdrücklich geändert worden, auch künftighin in allen
Puncten, Clausulen, Inhalt und Meinung zum Fundament gesetzt
sein und bleiben. Gestalt
2) Denn Fr. Christine Strunckin solchen nicht allein von Wort
zu Wort gelesen und verstanden zu haben cum Curatore hiermit
bekennt, sondern auch sich darzu in allen Stücken, absonderlich
aber zu der verschriebenen Bezahlung des Opern Miethzinses nach
140 . J. 0. Opel:
Wechselreeht niul l.ey Geliorsam ihrer eigenen Persolin mit inul
nebst Herrn Sartorio samt nntl sonders, amh mit liegehimg der
AnstiucLt, als oh sie nur ihren Antheil /ii bezahlen schuldig wäre,
hiermit vor sich ihre Erben und Erbnehmern, und mit Einwillitrnng
ihres Herrn Cursitoris verbindlich macliet.
3) Soll dieser Contract aberniaiils auf zehen Jahr lang, als von
künftige Ostern ]70;{ bis wieder dahin 1713 gel. Gott! verlängert
^ein und gehalten werden, iedoch einen ieden von denen Contra-
henten Ireysteheu, bey zu Ende Laufung der ersten fünf Jahr den
Contract ein halb Jahr vorher aufzukündigen. Ob es nun
4) wohl künftighin bey den alten l'acht-Gelde der .HOO 'l'hlr.
jährl. Pachtgeldes in guten unverrnll'enen edictmässigen und nicht
unter zwey gute Groschen haltigen Münz Sorten verbleibet, so sollen
doch solche 300 Thlr. alle halbe Jahre als Ostern- und Michaelis-
messe mit löO Thlr. nach Wechselrechte und bey Porsülinlichen
Gehorsam und wenigstens die erste Mcßwoche 100 Thlr. und die
andere die übrigen 50 Thlr. abgetragen und bezahlet werden , oder
111 deren Entstehung die Frau Siegfriedin Macht haben, nicht allein
nach Wechselrecht und mit Persöhnlichen Gehorsam zu verfahren,
sondern auch allsofort nach Ablauf des Sonnabends in der Zahhvoche
das Opern -Hauß jirnpria autoritate mit gnugsamen Schlossern zu
verschließen und keinen von denen Interessenten der Opern oder
von ihren dependirenden Personen hinein zu lassen, bis sie dieses
verfallenen Opern-Zinses halber an Capital, Interesse und Unkosten,
da deren über Yermuthen verursacht werden sollten, gänzlich be-
friedigt sei, gestalt denn die Frau Capellmeister Struncken cum
Curatore und Herrn Sartorio sich ausdrücklich verbindlich machen,
die Frau Siegfriedin an solcher Verschließung in geringsten und
unter was vor praetext es sei, nicht zu hindern, weniger das Opern-
Laus ohne ihre Bewilligung de facto zu eröffnen, oder so sie der-
gleichen sich unterfangen würden, der Frau Siegfriedin über den
schuldigen Opern -Zinß noch 50 Tiilr. als eine auf selliige Messe
wüllkührl. verglichene Strafte ebenfalls nach Wechselrechr alsofort
zu bezahlen.
5) Verspricht die Frau Capellmeistern und Herr Sartorio der
Frau öiegfriedin über sie und ihre Familie alle Abende 4 Persohnen
frey und ohne Bezahlung durch die Entr(:'e iedoch ohne Ertheilung
derer sonst gewöhnlichen Pillets einzulassen, auch hierüber noch
deren Curatorem Herrn Doct. Georg Qiiirin Pockelu nebst seiner
P'amilie durch die Entröe ohne Entgeld frey einzulassen, auch ihnen
eine vacante logie einzuräumen. Es wird aber
6) Denen Interessenten gleich zeithero geschehen auch künftig-
hin vermiethet, durch der Frau Siegfriedin ihre kleine Hof-Thür,
so lange Opern praesentiret werden, aus und einzugehen, es sollen
aber dieselben dargegen auch schuldig sein, die Frau Siegfrieden
nebst ihrer Familie ei)onfalls hierdnrdi pa'^s- und repassiren zu
lassen.
7) Was aber die etwa vorfallende Alienution des Siegfriedischeii
Hauses und die ihr von denen Oper-Interessenten versprochene Auf-
banung derer auf solchen Plaze hiebevor gestandenen Seiten Gebäude
und Stalle betriftt, so verbleibet es dieses Puncts halber bei voriger
Verschreibung, dergestalt, daß solche Gebäude entweder bey ab-
laufenden 5 Jahren, wenn nehml. gebührende Aufkündigung geschieht,
Ostern 1708 oder bei Ablauft' der Zehen Jahre Ostern 171.3 gel. Gott
ganz fertig stehen. '
Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig. 141
Wie nun hiermit allerseits Coutrahenten, nachdem ihnen dieser
Contract von ihren Herrn Curatoribus und Beyständen deutl. vor-
gelesen, expliciret und der Inhalt verständiget worden, allenthalben
einig und zufrieden sind, also ist derselbe auch von ihnen und deren
Weibes-Persohnen Curatoribus dreifach unterschrieben und besiegelt,
auch einen iedweden Theil ein vollzogen Exemplar zugestellet
worden, soll auch EE. Hochweiser Rath alhier noch vor heran
nahender Osterniesse zur Confirmation vorgetragen werden, nichts
destoweniger auch, in dessen Entstehung seine verbindl. Kraft und
Wirkung behalten, oder der H. Sartorio und Frau Struncken zum
würcklichen Oper-Bpiel vor erfolgter Confirmation nicht admittiret
werden, zu weichen Ende sie denn allen und jeden zu statten kom-
menden Kechts-Wohlthaten, als da sind Miß- oder nicht Verstandes,
Betrugs, Zwangs, üeberredung, Yervortheilung, über oder unter die
Helfi'te, und daß eine Weibes-Persohn sich nicht zum Persöhnl. Ge-
horsam verbindl. machen könne , und allen andern wie die Nahmen
haben mögen, sich hiermit ausdrücklich begeben, und darüber tran-
sigiret haben wollen, alles treulich sonder Arglist und Gefehrde.
Leipzig den 19. Martij 1703.
(L. S.) Christina Struncken.
(L. S.) Christian Haarh außen
curat, nomine der Frau Strunck.
(L. S.) Hieronymo Sartorio,
Prim. Arch, Di S. A. E. di Magonto E.
Vorstehenden Contract gelobe als neuer Interessent nach allen
seinen Punkten und Inhalten zu erfüllen.
Leipzig den 11. Aprilis 1708.
Johann Friedrich S a r t o r i o.
Vorstehenden Contract gelobt als neu angenommener Mit-In-
teressente nach allen seinen Clausulen und Inhalten praecise zu
erfüllen. Leipzig den 8. Sept. 1710.
Samuel Ernst Döbricht,
Anna Margaret ha Siegfriedin,
Dr. Georg Quirin Pöckel,
curat, nomine der Frau Siegfriedin.
IV.
Der Briefwechsel zwischen Herzog Johann
Friedrich dem Mittlern und dem Geithainer
Pfarrer Ambrosius Roth.
Von
A. V. W(>lck.
Ueuu cla,s IG. Jaluliundcrl als eines der wiclitigstcu
1111(1 zugleich verhängnisvollsten für die Geschichte der
sächsischen Lande zu hctrachten ist, so sind es in der
Hauptsache die. Nanicu der Kurfürsten Johann Friedrich
des Grossnüithigen und Moritz, des Herzogs Johann Frie-
drich des Mittlern und des Kurfürsten August, um die
sich die Ereignisse gruppieren, Ereignisse, die mehr oder
weniger aus religiösen, der Reformation ihren Ursprung
verdankenden, j\leinungs- und Glaubensverschiedenneiten
entspringend, auf blutgetränkten Schlachtfeldern ihre Ent-
scheidung fanden mit der Gefangennchmung des Kurfür-
sten Johann Friedrich des Grossmüthigen und 20 Jahre
später mit (h;r des Herzogs Johann Friedrieh des INIittlern
und mit der 1547 rechtlich festgesetzten, 1567 aber erst
eigentlich faktisch und für alle Zeiten durcligefiihrtcn
Übertragung der Kurwürde und der Kurlandc an die
jüngere Ivinie des Hauses .Sachsen.
^^'enn schon das Schicksal des Kurfürsten Johann
Friedrich des Grossmüthigen, der zufolge der Schlacht bei
Mühlbcrg Land und Würde verlor und 5 Jahre lang der
Gefangene des Kaisers blieb, ein überaus trauriges, so hatte
Briefweclisel zwisclien Joh. Friedr. d. Mittl. und Ambr. Kotli. 143
sein Solin Johann Friedrich der ^Mittlere noch viel härter
unter der Ungunst des Kricgsgeschlckes zu leiden. Ob
und inwieweit er sein Los selbst verschuldet, sei hier niclit
erörtert. Die Thatsache war, dass er am 13. April 1567,
dem Sonntag ^Nliscric. Dom., dem Tage der Scldacht von
Mühlberg, in Gotha kapitulieren musste und von seinem
Vetter, dem Kurfürsten August; gefangen genommen wurde.
Derselbe übergab ihn den drei im Feldlager anAvcsenden
kaiserliclien Kommissaren — Graf Otto von Eberstein,
Christoph von Carlowitz und Fabian von 8chönaich — , und
bereits am 15. Aiuil ward der Herzog in die Gefangen-
schaft nacii Osterreich abgeführt, in der er 28 Jahre, d. i.
bis zu seinem Tode, sclimachten sollte.
Bock ') gieljt genau die Personen an, die ihn begleiten
durften, und nennt untcj' diesen auch den Prädikanten
Ambrosius Roth "), der allerdings nur bis Anfang des fol-
genden Jahres bei dem gefangenen Herzog verblieb, der
aber einen hervorragenden Einfluss auf denselben zu ge-
winnen wusste. Nach den verschiedenen Nachrichten, die
uns vorliegen aus der Zeit, welche Roth in der Umgebung
des Herzogs zubrachte, will es uns beinahe scheinen, als
habe er seitens des Kurfüisten August eine Instruktion
erhalten, daliin gehend, bei dem fürstlichen (lefangenon
zu erwirken, dass derselbe Busse thue und vor allem rück-
haltslos sein Unrecht eingestehe und anerkenne, dass er
jetzt nur verdiente Strafe erdulde. Diese Annahme steht
der Ansicht Ortloflfs^) entgegen, nach welcher Kurfürst
August an Roths Vorgehen unbetheiligt wäre. Doch halten
wir es nicht für wahrscheinlich, dass M. Roth einem tief
') Beck, Johaini Friedruh der Mittlere II, L'. Vergl. Ürtloff,
Gesch. der Grnmbachisclieii Händel IV, 207.
*) Ambros. Roth, geh. 1528 zu Mittweidn, war l.')ö5 — 1557 Kantor
in Chemnitz, 15.ö7 — 156.'> Diakonus in Leisnig und 1563 — 1567 Dia-
konus und Freitagsprediger an der Nikolaikirche zu Chemnitz. Nach-
dem er 1567 — 68 den gefangenen Herzog als Seelsorger hegleitet
hatte, wobei er sich des Kaisers Gunst erworben zu haben scheint
(v. Langenn, Christoph v. Carlowitz .319, vergl .S2('), erhielt er das
vakante Pfarrlehn zu Geithain ; dass er Pfarrer zu Gotha gewesen, wie
Beck a. a. 0. II, 13 behauptet, ist ein Irrthum. Roth starb am lt.
August 1570 zu Germersheim, wohin er kurz vorher als Hofprediger
der Elisabeth, der Gemahlin des Pfalzgrafen Johann Casimir, ge-
kommen war. Vergl. Aufzeichnungen im Rathsarchiv zu Geithain
(Acta, alte Nachrichten über G. enthaltend, de anno 1511); Möller,
Theatr. Freiberg, chron. I, 275 flg. Kreyssig, Album der evang.-luth.
Geistlichkeit im Königreich Sachsen (Dresden 18S.3) 2i»0.
») a. a. 0. IV, 27ö.
144 A. V. Wflck:
uuglückliclieu uud diibei ausser* )rtlentlicli i'ruiumeii iiud für
die damalige Zeit auch theologisch gelehrten Fürst(Mi aus
eigener Initiative so schroff' und strafend entgegenge-
treten sei, wie or es thatsächlich gcthan hat, uud zwar
hauptsächlich durch die an den Herzog gerichtete „Er-
uudniung" vom 1(5. Oktober, die Ortloff auszüglich niit-
theilt luid die sich nebst der darauf erfolgten Aiitwf)rt des
Herzogs vom 19. Oktober löß? abschriftlich im Haupt-
staatsarchiv zu Dresden lielindct^). Als Beweis fiir un-
sere Auffassung iiihren wir al)er hau})tsächli(ih den Um-
stand IUI, dass nach der Rückkehr Roths nach Sachsen,
Avelclie l)creits im »Januar ii^iiS erfolgte, sich ein durchaus
fi-oundschaftli -her Verkehr zwischen diinseHx n einerseits
luid dem Herzog uud seiner Gemahlin undreiseits ent-
wickelte, ja, dass Roth sogar die Vermittlerrolle zwischen
dem Herzog und seiner Familie übcinahm. In keinem
der uns bekannten Briefe des M. Roth an den Herzog
aber findet sich ein l^eweis dafüi', dass er thatsächlich
denselben für einen argen Verbrecher halte, der noch
dazu unbussfertig sei, wie er dies in seiner „Ermahnung"
unzweideutig ausspricht; sondern ausnahmslos zeigt er in
denselben Anhänglichkeit uud aufrichtige Verehrung. Und
dass der Herzog selbst einen derartigen Eindruck von
dieser „Ermahnung" erhielt, nämlich den Eindruck, dass
dieselbe in anderer Auftrage geschrieben sei, geht aus
seiner Antwort hervor, in welcher er sagt: das christliche
Verhalten sei ganz copiose mit sonderlichen Anzeigen
versehen, die von Roth nicht herrühren möchten etc.
(cfr. Ortloff a. a. O. IV, 277).
Ist unsere Anschauung aber begründet, so dürfte
daraus zu folgern sein, dass Kurfürst August das unbe-
dingte Schuldbekenntnis seines Vetters zu seiner eigenen
Gewissensberuhigung herbeizuführen wünschte, da nicht
wohl anziniehmen ist, dass ihm wirklich das Seelenheil
de» gefangenen Herzogs am Herzen gelegen habe.
Leider ist von dem Briefwechsel zwischen M. Roth
und dem Herzog und seiner Gemahlin nur sehr wenig
*) Lokat 7186: M. Ambrosius Ermanniig, so au den gefangenen
Hertzog Johann Friedrichen zu Sachsen etc. als S. F. G. damals zu-
georduetten Prtulicant zur begertten Absolution u. conimunion wegen
des wieder die Kay. Maj. und Churf. Augusten zu Sachsen, noch in
hertzen tragenden Unwillens gethan, zusambt S. F. G. darauf mit
eignen hende gegebenen schrifftlichen Antwort. Vergl. Ortloff
a. a. U. 275 Üg.
Briefwechsel zwischen Joh. Friedr. d. Mittl. und Ambr. Eoth. 145
noch vorbanden. In dem städtischen Archiv zu Geithain,
wohin M. Roth nach seiner Rückkehr aus Osterreich als
Pfarrer kam, befinden sich in Abschrift ein Brief der
Herzogin EHsabeth an Roth, dessen Original wir nicht
erlangen konnten, und das Brucbstück eines Briefes des
Herzogs an Roth^), dessen Original nebst einigen andern
im herzoglichen Haus- und Staatsarchiv zu Coburg (sub
A. I, 32 a, Nr. 91) vorhanden ist. Dieselben, nämlich drei
Schreiben Roths an Johann Friedrich und zwei Konzepte
des letzteren, wurden uns mit der dankenswerthesten Be-
reitwilligkeit von dem herzoglichen Staatsministerium zur
Benutzung überlassen, und wir lassen sie nachstehend fol-
gen®). Sie dürften, abgesehen von der Beleuchtung des
Verhältnisses zwischen Johann Friedrich und dem M.Roth,
worauf es uns hauptsächlich ankam, manches Interessante
für den Historiker bieten, namentlich auch über die kirch-
lichen Kämpfe wider die Flacianer. — Der oben erwähnte,
bruchstückweise bereits gedruckte Brief ist nochmals auf-
genommen, thoils weil er uns jetzt vollständig vorlag,
theils weil die Kopie im Geithainer Archiv vielfach un-
genau ist.
No. 1. tteithain 1568 Mai 2.
Mag. Amhrosius Roth an Hersog Johann Friedrich.
Adresse :
Dem durchlauchtigsten hochgebornen Fürsten unnd Hern, Hern Hans
Fridrichen dem andern, Hertzogen zu Sachsen etc. itzo zu Pres-
burgk in Huugarn haftende, meinem gnedigen Hern.
(Von andrer Hand:) Mir uberantworthet worden zu Presburck,
erbrochen den 30. May 1568. Presburgk.
Gnade unnd Friede samptt aller seligen Wolfartt unnd recht
bestendigen Tröste, von Gott dem himlischen Vatter durch seinen
geliebten Sohn unsern einigen Gnadenquell Jesum Christum. Amen.
*) Hiernach sind diese beiden Schreiben abgedruckt in den Mit-
theilungen des K. Sachs. Vereins zur Erforschung und Erhaltung
der vaterländischen Alterthümer H (1842), 74 ff.
*) Bei der Entzifferung derselben, die namentlich bezüglich der
Schreiben des Herzogs sehr schwierig war, haben wir uns der ein-
gehendsten Unterstützung des Herrn Realschuldirektor Dr. Mating-
Sammler zu erfreuen gehabt. — (Eine nochmalige Kollation mit den
Originalen, die nur wenige Stellen unklar Hess, ermöglichte die
daukenswerthe Gefälligkeit des herzoglichen Staatsmiuisteriums. Die
vielfach korrigierten Konzepte sind ebenso wie die Präsentations-
vermerke auf den Schreiben Roths durchweg von der zierlichen Hand
Johann Friedrichs. D. Red.)
Neues Archiv f. S. G. u. A. V. 1. 2. 10
146 A. V. Welck:
Weil ich gleich itzo, durchlauchtigster hochgeborner Fürst unnd
gnediger Herr, durch Briefszeigern, unseren Bürgern alhier zu
Geitthan, zul'ellige und gar gewisse Botschaft zu E. F. G. haben
kuntte, hab ichs aus sorgteltiger Erw. nicht untturlassen kunnt, mit
solchem kurtzen Briefleni E. F. G. unterthenigst zu ersuchen unnd
Derselben Ziistandt an Gesuntbeit des Leibes unnd andern Gelegen-
heitten, den Hern Commissarium, der mir frembde unnd unbekantt,
unnd alle E. F. G. zugcordentte Dienere, wie ich sie beisammen an
F. F. G. Dinsten hintter mir gelassen belaiigendtt, zu erkundigen.
Vorsehe mich untterthenigst, E. F. G. werde nicht allein gnedigs
Gefallen ob solches meines Schreiben tragen, sondern gnedigst mit
der Kay. Mjtt. Vorwissen unnd allergnedigstem Nachlassen mir wider
respoudiren, unnd von allen denen unnd andern Dingen, die ich
uuhmer gerne wissen möchtte, Bericht geben kunnen, will auchhiemit
zum uiitterthenigsten daruinb gebetten haben.
Ich habe noch bis auf diese Stunde zu E. F. G. Gemahl unnd
derselben junge Hern selbst nicht vorraisen kunnen, von wegen meiner
Condition, die ich habe beziehen unnd annehmen müssen, unnd der
Investitur, dazu itzo den Sontag Jubilate künftig (wil Gott) gewartte,
habe es aber in zweien Schreiben gar gewis zugesagtt, weil man
weder an der Kay. Mjtt., noch an des Churf. von Sa. hsen Hofe Be-
denken daran hatt, aufs lörderlicliste als ichs hinfurt schicken kan
zu vorrichtten, sage es auch biemit E. F. G. selbst zu, das ichs lenger
nach gehalttner Investitur nicht wil autschielien oder untterlassen,
dan in allem, w^as mir müglich und thuelich, E. F. G. untteithenigst
zu wilfaren, bin ich schuldiger l'tiicht nach geneigt unnd bevlissen
Des Hern Avenarii Bettbuchlem ') hab ich in der grossen Eile
besser unnd gescbinücktter gebunden nicht haben kunnen, bitte noch,
E. F. G. wollen meinen untterthenigen gutten Willen daran erkennen
unnd solches Buchlein vleissig practiciren, so wirdt sie h der effectus
zu recbtter Zeitt freudenreicher ereugen den es E.F. G. hie in dem und
dortt in jenem Leben Gott dem Hern gnujL'sam wirdt vordancken kunnen.
An bequemem Tröste wirdt es E. F. G. zu keiner Zeitt manjreln,
weil ich weis E. F. G. stetten Vleiß mit Lesen, Betten unnd anderer
gottliches Wortts Ubunge, zweivele auch nicht, mein Successor werde
in seinem Amptt E. F. G. besser unnd nützlicher sein, den ich in
meiner Einfaldt unnd Ungeschicklikeit immermelir bette werden
kunnen, hab darumb, weil er schon bestellet unnd angenohmen war,
als ich anheim kam, desto lieber mein Stirn dazu geben unnd solche
Contirmation nicht hintterziehen helffen wollen.
Daruinb untterlasse ich billich itzo alle Trostbriefe, die mir
sousten mit hinein zu heften hette gebüren wollen, unnd bevehle
E. F. G. Gott dem Vatter alles Trosts unnd aller Barmherzigkeit,
er wolle E. F. G. in gutter Leibsgesuntheit Sterken (?) unnd es mit
E. F. G. Custodi also schicken, das es zu seines Nahmens Ehre, gutter
Befriedung des ganzen Komischen Reichs, unnd E. F. G. unnd der-
selben gcliebtten Ehegemahl unnd jungen Herschaftten zeittlichen
unnd ewigen Freuden, wie ers vors Beste erkennet, gereiche.
') Gemeint ist das Büchlein: Christliche Gebet für alle Not vnd
stende der gantzen Christenheit / ausgeteilet auff alle tag in der
Wochen zusprechen / sampt gemeinen Dancksagungen / auch Morgen
vnnd Abentsegen. Gestellet vnd aus heiliger Göttlicher Schritft zu-
Samen gezogen / Durch M. Johann Avenariura. Gedruckt zu Dreßden
durch Matthes Stöckel. 1568. 8».
Briefwechsel zwischen Joh. Friedr. d. Mittl. und Ambr.Roth. 147
Ich habe die vergangene Wochen soviel mit E. F. G. abermals
im Traum zu handeln gehabtt, das ich nicht weis, was ich sei draus
colligiren, hotf aber des besten in allen Dingen.
Neues weis ich nichts , one das die Flacianer untter E. F. G.
Hern Brüdern Hertzog Wilhelm *) freies receptum bekhomen haben,
da grünen sie unnd stehen itzo wider in voller Blutte. Man hat
aber ein CoUoquiura mit inen angesteldt zu Zeitz, das gehet itzo
primo May an, was darauf erfolgen wirdtt, wirdtt die Zeitt geben,
Got helpfe, das es seiner Kirchen zum besten gereiche. Amen.
Dat. Geitthan, Sontags Misericordias domini, welcher ist der
2. May des itzt lauflenden 68ten. E. F. G.
untterthenigster unnd gehorsamer
Ambrosius Rote, pastor ibid.
Ists müglich, so bitt ich E. F. G. untterthenigst umb ein kleines
Brieflein zur Andtwortt.
No. 2. Pressburg: 1568 Mai 30.
Herzog Johann Friedrich an Mag. Ambrosius Roth.
Copey an Er Ambrosien Rot meinem gewesenen zugeordnethen Meiß-
nischen Predicanthen itzo Pfarrer zum Geythen. Den .30. May im
1568. Bressburck.
Wirdicher lieber andechtiger. Ich habe Euer an mich ge-
thanes Schreyben untherm datho Geythen Sontags Misericordias
Domini den 2. May alhir von meinem itzigen Commissario Er Jacob
Mordacksen den 30. desselben entfangen und verlesen.
Und sehe gantzs gerne, das mich doch einmal einer in meiner
Beschwerung und Trübsal aus den Landen besuchen und an mich
gedenken thut. Tue mich derhalben gegen Euch bedancken Euers
Schreybens und Trostes. So sollet Ir mich auch Gott Lob und
Danck von guther Gesundheit wissen, nach Gelegenheyt der Sachen
und nach meinen itzigen Zusthande; die andern, so bey mir, werden
Euch auch wol beantworthen mit des Comissarien Vorwyssen.
Nachdem ich den verner aus Eurem Schreyben veruemen
thue, das Ir noch nicht bey meiner freundlichen lyben Gemahel ge-
wesen seydt, wie den sie mir dasselb auch in kurtzs geschrieben,
so habe ich deren halben gleich ein Verwundern gehapt; weyl ich
aber nunmer Euer Ursachen, das Ir ein ander Pfar zu bezihen ge-
hapt, veriiomen, bin ich dester bass zufriden, wil mich aber zu Euch
gentzlich versehen, Ir werdet dem vorleben und itzigen eurem Er-
bithen nach setzen, wil auch verhoffen, Ir werdet nunmer albereyt,
weyl der Termin Jubilate furuber, bey meiner freundlichen lieben
Gemahel gewest sein.
Das Ir mir des Avenarii ßetbüchlein uberschicket hapt, das
thue ich mich gegen Euch auch bedancken (wiewol es an dem, das
ich weders Büchlein noch euer Schreyben gesehen, sondern es ist
noch beim Yicecantzler); wen ichs aber, wils Gott, dermal eins be-
kum, wyl ich wol sehen, was daran ist, und Euch alsdan dancken.
So bin ich, Gott lob und Danck, auch widerumb mit einem
guthen Predicher versehen, des ich wol zufriden bin, wiewol mir
») Herzog Johann Wilhelm zu Sachsen. Vgl. Preger, Flacius
Illyricus II, 302.
10*
148 A. V. Wekk:
die Zeit etwas lang wart eher er ankam, hab also an Gottlies Wort
nnd Trost keinen Mangel Gott sey Lob, dantk euch auch, das Ir
myr in habt helfen dester eher herausser Tordeni(?).
Das auch die Flacianer bey meinem Brudere widerumb stark
einnistelu, das hab ich vor diss veniomen, und ist mir nicht lib,
aber des tröste ich mich, das in Gott ein Pftoc:klchi gesteckt, darüber
sie nicht durllen, und ist gleichwol über das an dem, das sie be-
ginnen unther einander seihest uneiiis zu werden, so ist in seyder
Eurem Abreyssen durch Gottes Genad ein Specklein auf die Fallen
gebunden, daran sie erwürgen darffen, wie mich ir Thuu ansihet, und
alle Gelegenheydt und Umbstendt, so ist mit inen gleich wie ein
Licht, das auf einem Leuchtlier verleschen wyl, das noch einmal
zuletzst sich erholet, ein Glantzs gibt, also seyndt auch diss ir
bescbeiß in meinen Augen sein(?). Ich bor auch, sie sollen ein
Schmeheschrift wider mich haben aussgehen lassen, sed paciencia,
es hat alss sein Zeit.
Mein beste Kurtzsweyl, die ich hab, ist mit Babtista Clauch,
wil kein gut thun, weyl er wider ein Bart hat*); sonst ist Kurtzs-
weyl theuer. Ich hab auch in der Bibel procediret und bin durchs
alte Testamei.t und durchs newe halb, hotle halt hindurch zu
kummeu. Und hab auch solches auf Kuer Schreyben zur Antwort
nicht verlialtlien wollen. Befel mich in Euer Gebet und wil zu Gott
meinem Beysthandt hoÖen, Er werde mein Sache zu seinem Lob
und Ehren und meiner und der meinen Selen Heyl und Selichkeyt,
auch zuvorderst zu seiner Kirchen Nntzs Wolfart und Gedeyen aller
genedichst richten, wie es im gefellig ist, und thue Euch hiemit
Got befehlen. Datum.
Auf der Rückseite des Konzepts:
Copey an Ambrosien llotheu den 30. May gestellet und den 10. Junii
ausgangen.
Presburck 1568.
No. 3. Geithain 1568 Auff. 17.
Mag. Ämbrosius Both an Herzog Johann Friedrich.
Adresse tvie hei No. 1
(Von andrer Hand.) Einkummen den 9. Septhembris zu Bressburck
in Ungern 1568.
Meine gantz willigste, schuldige, gehorsame und unttv.rthenigste
Dinste, sampt meinen unnd meiner Pusillen lieben Vatter Unser,
sindt E. F. G. in Untterthenigkeit allezeit bereit.
Durchlauchtigster hochgeborner Fürst unnd gnediger Her.
Weill ich wider gewisse Bottschaft zu E. F. G. bei diesem Briefs-
zeigern unserem bürgern alhier zu Geitthan habe, kau ichs nicht
untterlasseu, mus E. F. G. wider, wieviel ich auch sonsten zu schaffen
») „Clauch — hat" ist am Rande zugefügt; daher ist fraglich,
ob das Komma vor oder hinter Clauch zu setzen ist. — Den Namen
Bapt. Clauch haben wir sonst nicht gefunden. Nach Chr. Ferd.
Schulze, Elisabeth (Gotha 18.32) 87 hut der Herzog einen Hofnarren
mit in seiner Custodie gehabt, der aber Godel geheissen hat (siehe
auch Grüner, Einige zur Geschichte Johann Friedrichs des Mittlern
gehörige, mit Urkunden belegte Nachrichten, 505). Moglicherweise
war Clauch ein Spitzname desselben.
Briefwechsel zwischen Joh. Friedr. d. Mittl. und Ambr.Eoth. 149
habe, mit einem unttertheiiigen Schrieftlein besuchen, unnd berichtte
hiemit, das ich den 18. Juiiii zu Weinmar gewesen, E. F. G. Gemahl
unnd jungen Herren besucht unnd alles das treulich geleistet habe,
was mir meiner Zusage nach, zu nottwendigen Berichtt von E. F. G.
Gesundtheitt unnd anderer Gelegenheitt, Zustande, sanftter Ge-
duldt unnd wolangefangener Busse etc "") hatt gebüren wollen,
daran den E. F. G. nicht allein gar gnediges Gefallen getragen,
sondern mit Tröste sich augenscheinlich dermassen wider erquicktt,
erfreuett unnd erigirt hatt, das ichs selbst vor meine Person nicht
genugsam kan dem lieben Gotte vordancken. Ire F. G. waren warlich
sehr kleinlaut unnd hinfellig worden, hatte seider meiner Heimkunft
kar (sie) keine Botschaft gehabtt, ob Ire F. G. gleich hinein geschrieben,
war doch keine Anttwortt, wie noch bis auf diese Stunde Irer F. G.
wider zukhomen, unnd gingen die Reden so seltzam, wunderlich,
unnd doch also artig gefiddert, das ichs selbst des meistenteils hette
glauben müssen, wen ich nicht aller Sachen Gelegenheitten also
wol gewust, unnd selbst bei E. F. G. gewesen were.
Hertzog Hans ( asiniirus bettet mir sein Gebettlein vor E. F. G.
Gesuntheit, Wolfartt unnd Enttledigung, so hertzlich unnd mit so
gutten Wörttlein, in rechtter gutter Ordnung aufs Kürtztte gestellet,
das mir die Augen drüber übergingen. Hertzog Fridrich begerett, ich
soltteE. F. G. auch sein Gebett, Gehorsam kegen der Fraw Mutter
unnd grossen Lust zum Studiren, so er einen Paedagogum bekneme,
zuschreiben unnd vormelden. Hertzog Hanss Ernst hebett die Hend-
lein auf zum Gebett unnd ob er wol die Wortt nicht machen kan,
ist doch kein Zweivell, das Lallen gefalle Gott im Himmel wol, unnd
die Erhorung werde sich zu rechtter Zeitt ereugen.
Wie es sonsten an Hertzog Wilhelms Hoft' zugehe in Politicis,
weis ich keinen Bericht. In Theologicis schweben entpor Kosinus unnd
Ireneus, die machen zu Weinmar das unesseste ,''s«c) Ding, davon nicht
kan genug geschrieben werden. Alexius ist wider zu Aldenburg in
sein Ampt restituirt worden , macht auch sehr eigenwillisch Ding,
ist möglich, er werde kürtzlich wider absatteln müssen. "Wolfius ist
wider zu Kala, unnd wie ich bericht worden, sol der von Holbrun,
M. Jonas Franck, auch wider gehöht werden. Sie haben neue Con-
demnationes unnd Confutationes gestellet, darauf Hertzog Wilhelm
gedenckt zu exequirn, ist sehr sorglich, dürfte ime wol damit ein
gross Unglück zuziehen.
Zum Colloquio wollen sie nicht, habens nun zu zweien mahlen
abgeschrieben, erstlich sich gefristet mit des Hertzogen Abwesen,
es gebure inen nicht, durftens auch nicht thun, ehe der Her zu
Lande wider anheim kheme. Zum andern mahl, do schon der Hertzog
wider vorhanden , mangelts inen an Leutten , die sich kuntten zu
CoUocutoren gebrauchen lassen, sie wollen Elacium unnd Hashusium
vorschieben, die wil man dabei nicht wissen. Darauf ists von un-
serm gnedigsten Heren dem Churfursten gar abgeschaft worden,
das man auf unserem Willen hinfurtt nicht mehr bedacht ist, ferner
mit inen einig CoUoquium oder Disputation zu haltten, sondern Gotte
will man sie übergeben sein lassen, der wirdtt zu rechtter Zeitt
drein sehen unnd irem Geiliern steuern. Sie die Flacianer samlen
sich itzundt alle untter Hertzog Wilhelms Fliegel unnd pellirn (?),
thun in Bahn alle die, so inen zuwider sein unnd ihrer Faction nicht
subscribiren wollen.
'") Die gesperrten Worte sind im Original unterstrichen.
150 A. V. Welck:
Die Uriiversitet Jena wirdt jemmerlicli wider dissipirt, weil
weder Professor noch Discipiil unsersteils alda kan geduldet werden.
Ach es ist so ein Elendt, das kein Wunder were, das im Lande ein
Aufstehen drüber würde, unnd Gott weis, wie es noch geratten werde.
Man ist allenthalben spaltig unnd uneinig, viel redlicher Leutte
unnd frommer Hertzen lernen den Geist kennen unnd setzen sich
dawider heimlich unnd öffentlich. Wir im Churfürstenthumb niussens
leiden, das sie itzt auf allen Cantzeln in Düringen uns nominatim
daranirn, unnd sich alleine die recht evangelischen Prediger unnd
Hertzog Wilhelm den einigen recht evangelischen Fürsten rhumen.
Aber das Werck lobt selbst seinen Meister, die Früchtte zeugen
vom Baum unnd welche der Geist Gottes treibtt, die sindt Gottes
Kinder. Dabei las ichs wenden.
Es hatt mir E. F. G. Gemahl auch ein Trostbrief lein an E. F. G.
lauttende, mit eigner Handt geschrieben, zugeschickt, gnedig be-
gerende, ich wolle dasselbe mit diesem Botten zu E. F. G. vorfertigen,
glaube genzlich, weil es ein Trostbrief lein ist, es solle nichts Fehr-
liches oder Bedenckliches drhmen stehen, habe es derowegen mitte
zu meinem Brief beigclegtt, das es der Her Comraissarius sehe unnd
E. F. G. anttwortte. Kan E. F. G. drauf anttwortten, das Briefszeiger
gewisse Botschaft wider herausliringet, mag vorwar E. F. G. Gemahl
nichts gewuuschters noch frölichers in diesen Zeitten vviderfaren.
Ich hatte mir zur Neustadt eine Arbeit furgenohmen in das
Psalterium, vor E. F. G. sehr dinstlich, kan sie aber itziger Zeit
nicht continuirn, hilft mir Gott wider zu Rhue, das ichs alhie zu
Schwancke bringe, wil ich sehen das ich kan E. F. G. eine Proba davon
zuschicken. Untterdes bevehl ich E. F. G. weittcr dem almechtigen
ewigen Gott in seinen vetterlichen Schutz an Leib unnd Sehl unnd
bitte hertzlich umb die freudenreiche Zeit, darinnen wir einander
hie zu Lande wider sehen unnd Gott sein Te Deum laudamus vor
entpfangene Wolthatten singen sollen. Mehr zu schreiben hab ich
nicht Zeit, bitt untterthenig, E. F. G. wollen dis wunige unnd un-
ordenttliche in Gnaden erkennen unnd mein gnediger Her auch in
der Custodi (so lang (iott will) sein unnd l)leiben.
Dat Geitthan Dinstags nach assumtionis Marie, welcher ist der
17. August des 68ten.
E. F. G.
unttertheuigster unnd gehorsamster
Ambrosius Rodt, pastor
No. 4. Pressbiirg 1568 Sept. 15.
Herzog Johann Friedrich an Mag. Anibr. Roth.
Copey an Ambrosien Roth Pfarern zum Geythen den 10. Septembris
1568 zu Pressburck.
Wyrdicher, lieber andechtigcr und besonder. Wir haben Euer
an uns gethanes Schreyben unther datho Geythen den 17. Augusti
alhir von unserm uns von der Key. Mag. zugeordnethen Commissario
Er Jacob Mordaxen den 9. Septendiriss entt'angen und verlesen, auch
Euer Meinung daraus vernomen. Und vermercken sonderlich von
Euch zu Genaden, das Ir dermaleins seydt Euer Zusage nachknm-
men und unser arme bethrubte und thrauriche Gemahel und Kinder
besucht und gethrohst habt, den 18. Junii, thun uns gegen Euch
solches zum hochstheu bedancken, und machen uns aller Zweyfel
Briefwechsel zwischen Joh. Friedr. d. Mittl. und Ambr.Roth. 151
keinen, Ir wei'det unser freundliches liebes Gemahel und Kindern in
guther Gesundheyt (ob sie gleich bekümmert) gefunden haben, auch
wie wir aus Euerm Schreyben vermercken thuen, das Ir innen unsern
Zusthandt berichthet habet. Weyl wir den daraus, wie Ir unsern
armen verlassenen Haufen und Economiam funden hapt, verstehen,
so vernemen wir, Gottlob, daraus doch so vil, das darinnen in dem
grossen Thoben und Wüthen des Sathans und der bösen Welt unser
lieber Her Gott Euch sein schwaches Christliches Kirchlein bey den
armen verlassenen geringen und einsamen, so von dem grosen bralen,
Wuthen und Toben des Sathans Kirche unther den Flacianern, so
nur sich zum höchsten bemuhen, des Hern Weinberck zu verwusthen,
untherdrückt, noch aufrecht Euch gezeiget hat. Dafür wir Gott
billich dancken und wissen aus seinem Wort gewiss. Er werde seiner
Christen Gebet nicht unerhört lassen, welches Gebet dan durch die
Wolcken dringen und lest nicht nach, bis es für Gottes Angesicht
kumpt. Ecclesiast. 35 ")• Und seindt der ungezweyfethen Hoffnung,
unser Her und Gott werde sich dermaleins auch wider herumb
wenden und uns sein gnedich Angesicht wider sehen lassen, ut in
Trenis Jeremiae 3. Eins aber wissen wir, was wir Gottlob nun fast
gewout und erlithen haben, das solches andern noch für sich haben
ir Kneuelein abzuwinden.
Wir thun uns auch gegen Euch bedancken, das Ir uns unser
freundlichen lieben Gemahel Schreyben habt zugeschickt, und nachdem
nichts darinnen so wenich als in dem Euern, so unsers Erachthens
verdechtich, so wollen wir uns nicht versehen, das es einichen Mangel
deshalben haben werde, wie wir Euch den das Schreyben und Ant-
wort an unser freundliche hertzliebe Gemabel auch thue wider zu-
schicken mit gnedichem Gesinnen, solches Ir L. zuzuschicken, und
wollen Euch ermanet haben und gebethen, Ir wollet unser fr. libe
Gemahel mit Schriffthen thrösten, sie auch wider die Flacianer helfen
mit Gottes Wort sterken.
Dass Euch auch unser Sohne gefallen in Bethen und iren Cate-
chismo, gefellet uns nicht übel, hoffen sollen bass fortfaren. Aber
einen Praeceptorem inen zuzuordnen itziger Zeit ist bedencklichen,
und so es geschehen sei, so muss ein ander Gelegenheyt haben, den
die Flacianer nichts leeren, sondern alle Uneinickeit stifthen und an-
richthen, seindt rechte Barbari nach irem meister Matths Unflat. Wie
den ir unruich Werck noch klar am Tage und wol zu sehen ist.
Darumb wie gehört (?) noch zur Zeit nicht ratsam sein wyl, so seindt
sie noch junck, kunnen in ein jar nichts verseumen. Aber do Ir
irgendt Botschaft zu innen habt, so entpythet unser f. üben Gemahel,
sie sol sich nicht zu hart kummern, sondern weil sie und die Kinder
auch wir seibist an unsern Herren Gott einen vil bessern Vather
haben, denn sie an mir gehapt haben, so sollen sie Im verthrauen,
den Er ist almechtig, hat alles in seinen Henden und kan vom
Toth erethen als die im feurichen Offen. Dan. 2. Wollet auch ver-
melden mein Kleynen, sie sollen fleyssig bethen und iren Catechismum
wol lernen, auch irer Fraw Muther gehorsam sein, so wird sie unser
Her Gott desther eher erhören, alsdan kan ich inen was Schönes
mitbringen. Und hab keinen Zweyfel, weyl meine und ander Kinder
bethen, unser Her Gott werde desther eher den Flacianern mit irem
Anhang steiern und weren, wie sie den durch ir Gebet dem Teuffei
sein Furnemen in den Flacianer gewiss brechen und aufhalthen,
") Sirach Cap. 35 v. 21.
152 A- V. Welck:
den Gottes Wort nicht ligen kan, so hat man aiuh ein schön Exempel
in ander Buch der Xronica von dem Gebet der Kinder zur ztythen
des Köniches Josaphat cai)ite 20.
Der Flacianer Znsthande hören wir der massen nicht grerne und
sonderlich, das sie, wie Ir uns anzeiget, die Kirchen und Schullen
also zuruthen thun nun zum andern Mal. Wolan unser Herr Gott
wyrdt in die Lenge nicht zusehen und ist ir Ruth zu der Straf schon
gebunden, nur das unser Herr Gott als ein gnedicher Gott noch auf-
helt und sihet, ob sie sich bekeren wollen. Es ist schadt, das das
wolgefest und ordeniliih Wesen in Religion- und Profansachen so
dissipiret und verwnsthet wirdet unserm Hern Gott und seiner Kirchen
zu Unehren und Nachtheyl, auch Landen und Lcuthen zu grossem
Vertherben, sed Dens est longanimis et potest multa pati, suo tarnen
tempore evigilat ut ebrius a vino (psalmo 78), den gehet es übel zu,
wir besorgen, es werde den Gottlosen und Flacianern alzu frühe
kunimen, ir Stur.dt ist in Warheyt nicht weyt, denkt an uns.
Eures Lrbythens der Arbeyt halben in Psalther thun wir uns
auch I)edancken" und rerhofien das Werck, ob Gott wyl, zu sehen.
Euer erstes Schreyben und Büchlein haben wir noch nicht gesehen.
Mit unser Arbeyt sindt wir nun lenger denn ein Monat fertig gewesen.
Welches wir Euch zur Antwort auf Euer Schreyben nicht
haben verhalthen wollen, und nachdem al unser Yerthrauen zu un-
serm Gott und Vather wir haben, so haben wir keinen Zweyfel, Er
wirds wol machen. Und weyl ir sehet, dass die Flacianer gewaldich
sich wider Gott und sein Wort auflenen mit Lugen und ander Stück-
lein, so einen zu Händen kummen, auch unser armen Gemahel hart
sonder Zweyfel zusetzen, so wollen wir Euch gebeten haben, ir
wollet sie aus Gottes Wort throsthen , auch sie wider die Flacianer
Sterken. Das wollen wir widerumb Euch beschulden und habe ichs
Euch nicht verhaltheu wollen. Thue Euch hirmit Gott befeien und
wollet unser in Eurem Gebet auch nicht vergessen.
Actum ut supra.
Aiif der Bückseite des Konzepts:
(opey an mein freundtliche Übe Gemahel und den Pfarer zu Geythen
den 15. Septembris 15G8 .jar zu Bressburck in Ungern.
No. 5. GeithaiM 15G8 Dcc. 12.
Mag. Anihrosius Bothe an Hersog Johann Friedrich.
Adresse wie hei No. 1.
Ankummen den ll.(?) Januarii 15(59.
Ein glückseliges, freudenreiches, friedtliches unnd gesegnettes
Neue Jar gebe uns allen Gott der himlische Vatter umb seines lieben
Sohns Jhesu Christi unsers lieben Immanuelgens willen. Amen.
Durchlauchtigster hochgeborner Fürst und gnediger Herr. Auf
E. F. G. nechstes gnediges Bevehelen unnd Begeren hab ich treulich
unnd untterthenigst nicht aliein E. F. G. Schreiben nach Weinmar
zu meiner gnedigen Frauen E. F. G. geliebtesten Gemahl vorfertigt,
sondern auch mit Trösten unnd Ermahnen alles zum vleissigsten
nach höchsten Vormugen vorrichtet: befinde auch aus Irer F. G.
Schreiben, das Ire F. G. nur wol drauf sich zufrieden hab geben
kunnen, lernet den Geist, von welchem die Flacianer getrieben
werden, kennen, unnd sich gar vorsichtig, wanne itzo zu trauen sein
muge, umbsehen.
Briefwechsel zwischen Joh. Friedr. d. Mittl. und Ambr. Roth. 153
Dienet Gott neben den jungen Hern unnd zugeordnetten Hof-
gesinde im Gebett vleissig und unablessig, unnd warttet in grosser
Geduldt zu rechtter Zeitt gewünschter Freude unnd göttlichen Hülti'e,
davor ich den selbst Gott dem himlischen Vatter zum höchsten
dantke, unnd bitte, das er Ire F. G., also wie er angefangen hatt,
ferner stercken unnd bestendig bis ans Ende erhaltten wolle.
Es hatt mir auch Ir F. G. widerumb ein Schreiben vortrauet
unnd zugeschickt an E. F. G. lauttendtt, welches E. F. G. vom Hern
Commissario neben diesen meinen treulicli wirdt zugestellet werden,
daraus werden E. F. G. sonder Zweivell aufs allergewisseste be-
richttet werden, von alle deme was Sie von Irer Gemahl unnd jungen
Herschaft Gesundtheit unnd anderen Zustande zu wissen wünschen
unnd begereu.
Neues weis ich nichtts, den das itzo mit den Flacianern (hette
schir gesagt Fallacianern) zu Aldenbnrg CoUoqnium schrieftlich aiso
vortrauet, "vorschwiegen unnd in stiller voreidetter Geheime gehaltten
wirdt, das man von keinen Teill nichtts erfharen khan, was gehandeldt
worden sey oder noch gehandeldt werde. Wir hoffen alle des besten
unnd bitten, das es zu guttem Ende lauffen müge.
Ich war zwar zu unsers gnedigsten Hern des Churfuisten von
Sachsen etc. Hofferedtten unnd Predigern bescheiden, das ich zu Al-
denburgk den xxiiii. Octobris bei inen sein soltte, aber gleich an sol-
chem Tage schicktte mir Gott der Her seinen Angelum percutientem,
der fast den gantzen Sommer untter uns alhier in der Gemeine ge-
wandeldt hatte, auch ins Pfarhaus, das ich balde drei Pacienten
unnd folgentt in dreien Tagen nach einander jhe einen Tag eine
Leiche hatte, unnd liss sich das "Wetter so trübe an, das iderman
dachte, es würde nun alles bundt übergehen, aber Gott der treue
Vatter erhörette mein unnd meiner Kirchkinder unnd vieler frommer
guthertzigen bekantten unnd benachbartten Freunde Gebett unnd
mittleidiges Seufftzen unnd Flehen, unnd bevhal dem Yerderber als-
balde wider das Schwerdtt einzustecken , das es bei solchen dreien
Leichen meiner Schwester unnd zweier Töchtterlehi bliebe, unnd gab
mir hernach den 14. Novemb. wider einen jungen Sohn dakegen.
Das ist der Beuttepfenning, den ich mitte aus dem Hungerlande
heimbracht habe, Gott der Almechtige stercke ferner Mutter unnd
Kindt unnd uns alle mitteiuander unnd erfreue uns wider, nachdem
wir so lang Unglück leiden. Die Freudentage, die ich daheim ge-
habtt habe dis Jar über, seider ich wider heimkhomeu bin, sindt
zimlich, Nomen Domini sit benedictum. Es wil unnd kau doch nicht
anders sein. Wir Christen müssen Creutzhern sein unnd in man-
cherley Leiden dem Hern Christo gleichförmig werden.
Creutz, Trübsal, Elendt, ..\ngst unnd Nott
Ist stetts der Christen Himmelbrodtt.
Doch haben wir den Trost gewis. Leiden wir mitte, so soln
wir auch mitte zur Herligkeitt erhoben werden, welche so gros unnd
unausprechlich ist, das ir der gantzen Weldt Leiden auf einen Klum-
pen zusamen geschmeltzet nicht ist zu vergleichen Rom. 8.
Ich predige itztt den Syrach unnd mus in immer mitte prac-
ticiren. Gleich in meiner Creutzwochen hatte ich den Textt vor mir
cap. 4: Die Weisheitt erhöhet ihre Kinder etc. unnd wer sich zu ir
heldtt, der wirdtt sicher wohnen etc. Unnd ob sie zum ersten sich
anders kegen im stellet unnd macht ime angst unnd bange unnd
prüfett in mit iren Rutten, unnd vorsuchtt in mitt irer Züchtigung,
bis sie befindet, das er one Falsch sey: so wirdt sie dan wider zu
154 A. V. Welck:
ime khomen auf dem rechten Wege, und in erfrewen unnd wirdt
im offenbaren alle ire Geheiinnus etc.
Der Textt tröstette mich wider unnd erinnevtte mich unsers
Hern Gottes Weise, das ers keinen seiner Kinder schenckett, er setztt
sie alle auf die Prob ins Feuer der Trubsall Syr. 2 cap. Wen er
wil zu Ehren bringen, den machtt er vor zu Schanden, wen er wil
in Himinell heben, den stöst er zuvor in die Helle, stecktt in eine
Zeittlang dem grossen Walfisch unnd Leviathan in Rachen, das er
in wol in der TiefTe des Mehrs, in allem Schlam unnd Kotte umb-
herlurett, aber wen er meinet, er habe uns schon gar verdauett und
aufgerieben, nins er uns lebendig und in grossen Ehren aufs truckne
Landt widergeben, wie mit Jona ist geschehen. Er stellet sich wol
mürrisch kegen uns, vorbirgtt sich eine Zeittlang hintter das Ge-
gitter, unnd macht uns so angst und bang, heldt uns auch so hartt
untter seiner Kutten uniul Züchtigung, das einer meinet, er sey gar
feyndt unnd uns zuwider. Aber wen man ime ausheMt in der prob,
lest er sich in eittel Freudenglantz wider sehen und entptinden.
Ich hatte mirs gar gewis vorgesatzet, E. F, G. itzo zum we-
nigsten eine Decadem psalmorum zur Prob hinein zu schicken, ist
aber mit diesen meinen Hauscreutz unnd Betrübniss vorhindertt
worden. Fristet mir Gott mein Leben unnd gibtt wider Luft, wie
er angefangen hatt und wie Ime genzlich zucetrauen, so sols mit
nechster Botschaft geschehen. Untter des wolle mich E. F. G. gne-
digst entschuldigt hallten, unnd sich der andren paraphrasium , die
Sie zur Hundt hat, gebraueben.
Das Bettbüchlein Avenarii wirdt villeicht noch zu Hoffe auf-
gehaltten unnd zu seiner Zeitt E. F. G. zugefertigt werden. Es hat
aber des Hern Commissarien eheliche Hauswirttin auch ein Exemplar
bekhomcn, wil E. F. G. die Mühe drauf wenden und es durchlesen
unnd probiren, kan sie es des ürtts alle Stunden bekhomen Ge-
fellts alsdan E. F. G., so will ich zum nechsten (wil Gott) wider ein
ander E.Kemplar hinein schicken.
Soviel hatt mir itzo in schuldiger Untterthenigkeitt E. F. G.
zu schreiben unnd zu berichtten gebüren wollen, bitt E. F. G. wollen
ir solche meine arme Dinste gnedigst gefallen lassen, in wolange-
fangener Buss fortschreitten, im Gebett nicht müde, noch in der
Geduldt auflessig werden, so wirdtt Gott (one allen Zweivell) zu
rechtter Zeitt uns das „Revertere, revertere, Sunamitis, revertere,
revertere ut intueamur te" '*) in gewünschten Freuden unnd an
gewünschten Ortten singen lassen:
Wen wir heim fahren aus dem Elende etc.
Gott dem Vatter alles Trosts unnd aller Geduldtt thue ich untter-
thenigst E. F. G. sampt allen Diener bevehleu unnd ergeben.
Datum Geitthann Sontags nach Nicolai, welcher ist der 12. De-
cember anno etc. (iSten.
E. F. G.
untterthenigster unnd gehorsamster
Ambrosius Rodt
pfarher daselbst.-
'») Hohelied Cap. 6. v. 12.
Literatur.
Deutsche Reichsgeschiclite im Zeitalter Friedrich III. und Max I.
Mit besonderer Berücksichtigung der österreichischen Staaten-
geschichte. Von Dr. Adolph Bachinann, Prof. der österreichischen
Geschichte an der Universität zu Prag. Erster Band. Leipzig,
Veit & Comp. 1884. XIV, 636 SS. 8«.
Das vorliegende Wei'k gehört eigentlich nicht zu denen , die
an dieser Stelle zu besprechen sind; der Stoff, den es behandelt,
ist kein speziell sächsischer, sondern ein allgemeiner. Aber das
letzte Jahrhundert des Mittelalters ist für die Geschichte Sachsens
von so hoher Bedeutung, und es ist bisher so \\'enig geschehen, um
diese Bedeutung in das richtige Licht zu setzen, dass uns wenigstens
ein kurzer Hinweis auf Bachmanns Werk geboten erschien, um so
mehr, als zu seinen reichsten Quellen das gemeinschaftliche Ernesti-
nische Archiv zu Weimar und das Hauptstaatsarchiv zu Dresden
gehören, die der Verfasser schon für frühere Publikationen (vergl.
unsere Besprechungen in dieser Zeitschrift I, 20."} und IV, 354) fleissig
benutzt hat.
Im Vordergrunde des Bildes, das Bachmann in seinem ersten
Bande von den recht verwickelten Beziehungen und Verhältnissen
der Glieder des deutschen Reiches unter einander und zu den Ober-
häuptern des Reiches und der Kirche während der Jahre 1461 — 1468
mit einer von vollkommener Beherrschung des Stoffes zeugenden
Schärfe entrollt, stehen ausser dem Kaiser Friedrich III. und dem
Papst Pius II. vor allen der Böhmenkönig Georg Podiebrad, Mark-
graf Albrecht (Achilles) von Brandenburg und Herzog Ludwig von
Bayern-Landshut; dieWettiner spielen neben ihnen unreine neben-
sächliche Rolle. Es ist dies auch leicht begreiflich. Der Bruder-
krieg zwischen Kurfürst Friedrich II. und dem begabteren und that-
kräftigeren Herzog Wilhelm und seine Folgen, zu denen nament-
lich langjährige Irrungen mit Böhmen gehörten, hatten eine tief-
gehende Erschöpfung und ein lebhaftes Bedürfnis nach Frieden
hinterlassen. Durch die Egerer Verträge von 1459 und durch
Familienverbindungen war mit dem Böhmenkönige ein Bündnis ge-
schlossen worden, das sich von festerer Dauer erwies als die meisten
Verbindungen jener Zeit, in der mit Verträgen nur zu oft ein leicht-
fertiges Spiel getrieben wurde. Auch mit dem Kaiser und den
Hänsern Witteisbach und Hohenzollern bestanden Verträge und
Verschwägerungen; namentlich zu dem letzeren, dessen politische
Seele Markgraf Albrecht Achilles war, waren die Beziehungen sehr
156 Literatur.
inniorer Xatur. "Wenn trotzdem flie Wettiner in dem Kampfe zwi-
schen dem Markgrafen und dem Herzog Ludwig von IJaycrn, der in
den ersten Jahren des behandelten Zeitraumes vor allem das In-
teresse fesselt, sich durchaus zurücklialtend benahmen und ihre
Thätigkeit fast durchweg einen vermittelnden Charakter trug, so ist
eben besonders jenes tief empfundene Friedensbedürfnis der Grund
davon. .A.u(h in den Differenzen zwischen Georg von l^öhmen und
Brandenburg wegen der N'iederlausitz und später, als der lange vor-
bereitete Kampf der Kurie mit dem Bühme;d<öniire zum Ausbruch kam,
sind sie es, die mit mehr oder weniger Erfolg immer von neuem sich
bemühen, auszugleichen und zu vermitteln. Entsprach diese Politik
vielleiclit vorzugsweise der Eigenart des Kurfürsten Friedrich, so
hat doch auch sein heissbUitigerer Bruder sich ihr völlig ange-
schlossen und nach Frieilriclis Tode (7. September 146.3) vererbte
sie sich auf seine Söhne Ernst und Albrecht. Über die Politik
dieser letzteren dem ßöhmenkönige gegenüber hat Ref. im 1. und
2. Bande dieses Archivs bereits eingeliende Untersuchungen ver-
öffentlicht; ihre Resultate stimmen, soweit sie für diesen Band in
Betracht kommen, vollkommen mit denen Bachraanns überein.
Wenn somit in der politischen licschichte Sachsens die be-
handelten Jahre nicht eben ein spannendes Interesse für sich be-
anspruchen können, so ist ihre Behandlung doch auch vom Stand-
punkte des sächsischen Spezialhistorikers aus sehr dankenswerth.
Im einzelnen wird sich wahrscheinlich hier und da noch ein Zug
dem Bilde hinzufügen lassen; im grossen und ganzen wird dasselbe
sich dadurch schwerlich ändern.
Vom allgemeinen Standpunkte ans wird man Bachmanns Arbeit
zweifellos als eine der vortrefflichsten Monographien zur Geschichte
des späteren Mittelalters bezeichnen müssen. Sie beruht auf einem
überaus ausgedehnten archivalischen Material, das mit grosser Ge-
wissenhaftigkeit und Sorgfalt durchgearbeitet ist. Wenn man hier
und da den Wunsch nach etwas grösserer Übersichtlichkeit der
(Gruppierung empfindet, so darf man nicht übersehen, wie ausser-
ordentlich schwierig gerade in dieser Beziehung die Aufgabe war:
die verworrenen Verhältnisse des Reiches, das Überwiegen partikularer
Interessen, das fast vollständige Fehlen einer Zentralgewalt machen
es nahezu unmöglich, eine „Reichsgeschichte" jener Periode zu
schreiben. Mit Spannung sehen wir der Fortsetzung des verdienst-
lichen Werkes entgegen; für die Geschichte Sachsens wird nament-
lich der nächste Band voraussichtlich viel Neues bieten.
Dresden. H. Ermisch.
I. Zur Geschichte rtes Türkenkrieges im Jalire 168S. Die Be-
theiligung der kursächsischen Truppen an demselben. Von
Dr. P. Hassel, K. S. Geheimer Regierunusrath und Direktor
des llaupt-Staats-Archivs, und Graf Vitzthum von Eckstädt,
Major im K. S. Generalstab. Mit zwei Plänen. Dresden,
W. Baensch. 1883. VI, 184 SS. 8».
II. Der Entsatz von Wien am 12. September 168.3, Aus einer
kriegshistorischen Studie. Berlin, W. Baensch. 1883. XIV,
120 SS. 8».
IIL Der Kampf um Wien 16H3. Sein Verlauf und seine Bedeu-
tung für die Geschiclite des Festuncrskriegs. Von (i. Schröder,
Generalmajor z. D., vormals im Ingenieur-Korps. Mit einer
Tafel. Berlin, Mittler & Sohn. 1883. 78 SS. 8».
Literatur. 157
IV. Das Kriegsjahr 1683. Nach Akten und anderen authenti-
schen (Quellen dargestellt in der AbtheilungfiirKriegsoeschichte
des k. k. Kriegsarchivs. Mit 6 Tafeln. Wien, Verlag des
k. k. Generalstabes. 1883. XI, 34u «S. 8».
V. Wien im Jahre 1683. Geschichte der zweiten Belagerung
der Stadt durch die Türken im Rahmen der Zeitereiguisse.
Aus Anlass der zweiten Säcularfeier verlasst im Auftrage
des Gemoinderathes der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt
Wien. Von Victor von Reiinei'. Mit zahlreichen Abbildungen.
Wien, R. von Waldheim. 1S83. XVII, 488 «S. i».
Wenige Tage, bevor unter dem Jubel Tausender auf dem
Niederwalde das stolze Siegesdenkraal am Rbein enthüllt ward,
beging die alte Kaiserstadt an der Donau die zweite feäkularfeier
ihrer Befreiung aus der im unvergesslichen Jahre 1683 sie schwer be-
drohenden Türkengefahr.
Wohl in Hinblick auf die unverkennbaren Beziehungen, in
welchen beide Feste zu einander stehen, von denen eins wie das
andere der Erinnerung an die siegreiche Bekämpfung und Nieder-
werfung deutscher Erbfeinde gewidmet ist, bezeichnet die kriegs-
geschichtliche Abtheilung des österreichischen Kriegsarchivs gleich
in der Einleitung ihrer Jubelschrift Wien als die „Wacht an der
Donau" und nimmt damit lür diese Stadt einen Ehrentitel in An-
spruch, der in allen deutschen Herzen einen freudigen Anklang
findet. Denn die rege Tiieilnahme aller deutschen Lande für die
Wiener Feier bekunden schon die durch dieselben veranlassten
zahlreichen Erscheinungen auf dem Felde der Litteratur, von denen
wir im nachstehenden nur die bedeutenderen oder unser engeres
sächsisches Vaterland zunächst interessierenden einer kurzen Be-
sprechung zu unterziehen versuchen.
I. ist aus dem erfreulichen Zusammenwirken zweier berufener
Kräfte entstanden , indem der gelehrte Direktor des Hauptstaats-
archivs zu Dresden die politischen Verwickelungen, welche dem
Kriege von 1683 vorangingen und denselben veranlassten, der andere
Verfasser aber, ein bisher litterarisch zwar noch nicht bekannter,
aber der Aufgabe vollkommen gewachsener Generalstabsoffizier aus
einem seit Jahrhunderten mit den Geschicken Sachsens eng ver-
knüpften Geschlecht, die kriegerischen Ereignisse selbst schildert.
Weniger allgemein bekannt, als die auf religiösem Fanatismus
begründete unersättliche Eroberungspolitik des osmanischen Reiches
und als die gewissenlosen Ränke und Intriguen , vermittels deren
Ludwig XIV. seine Macht zu vergrössern und seine hochfliegenden
Pläne zu verwirklichen strebte , ziehen besonders die S. 9 fi'. treff-
lich dargestellten ungarisch-siebenbürgischen Zustände unsere Auf-
merksamkeit auf sich. Die Ungarn befanden sich damals noch tief
in dem vielleicht heute noch nicht ganz beendeten Durchgangs-
prozess vom nomadischen Reitervolke, als welches sie seiner Zeit der
Schrecken Europas nicht minder gewesen waren, als später die Os-
manen, zum sesshaften Kulturvolke. Noch mehr als in der Gegen-
wart hassten die Magyaren, den Deutschen; ihre Versuche, das
lockere Band, das sie an Österreich knüpfte, zu zerreissen, er-
innern an den noch im Gedächtnisse unserer Zeitgenossen lebenden
von 1848 und 1849. Kein Wunder, dass diesem unruhigen, gewalt-
thätigen Volke die Türken trotz des schonungslosen Druckes, den
158 Literatur.
sie über dasselbe verbangten, sympathischer erschienen, als die deut-
schen und slaviscben Völker des Kaiserrei. hs. Selbst die mit diesen
und der ganzen Kultur des Westens gemeinsame christliche Re-
ligion hatte ihre vcrbiudeiule Kraft durch die infolge der Refor-
mation eingetretene kirchliche Spaltung wesentlich verloren, be-
sonders da der gänzlich unter dem Einflüsse der Jesuiten stehende
Kaiser Leopold gegen die von dem katholischen Glauben abge-
fallenen Ungarn mit ebensoviel Harte, als Ungeschick verfuhr. Es
gehurt die tilinde Voreingenommenheit eines Konvertiten wie Onno
Klopp dazu, um gerade über diesen Funkt in seinem, die Zustände
jener Zeit so eingehend behandelnden Werke „Das Jahr 1683 und
der folgende grosse Türkenkrieg" üücbtig hinweg zu gehen. Um
so mehr müssen wir es der vorliegenden Schrift Dank wissen , dass
sie die systematische Verfolgung der ungarischen Protestanten,
durch welche ein Ijobkowitz die Alleinherrschaft der römisch-katho-
lischen Kirche herbeizuführen und damit eine wesentliche Bedingung
für die Aufrichtung des Einheitsstaates zu erfüllen glaubte, als eine
Hauittnrsache des Wiederausbruches der revolutionären Bewegung
in Ungarn bezeichnet.
Zu mild vielleicht, wenn auch mehr in Rücksicht auf gewisse
glänzende persönliche Eigenschaften, die bei seinen Zeitgenossen
eine ungewöhnliche Theilnabme für seine an das Romanhafte streifende
Thaten erweckte, ist der Hauptheld jener Kämpfe zwischen Ungarn
und dem Kaiserreiche, Emmerich Tököly'), beurtheilt. Gerade die
höhere, zunächst von deutschen Lehrern erworbene Bildung dieses
Mannes mö( hte dessen Treulosigkeit, Zweideutigkeit und Wort-
brüohigkeit im Vergleiche mit anderen hall) barbarischen Partei-
führern seiner Zeit und seines Volkes in minder versöhnlichem
Lichte erscheinen lassen.
Die Krzählung der diplomatischen Verhandlungen, durch welche
der Polenkönig Sobieski zum Anschlüsse an Österreich und zu der
so erfolgreichen Betheiligung am Türkenkriege gewonnen ward, giebt
zu einer kurzen Bemerkung Veranlassung.
Es ist bekannt, dass Johann HI. Sobieski seine Wahl zum
Könige ganz wesentlich der französischen Unterstützung verdankte.
Seine geistreiche, aber ränkevolle, ehrgeizige und von schnöder Geld-
gier beherrscht!! Gattin Marie Kasimire, die Tochter des Marquis
de la Grange d'Arquien, war Französin. Sie empfing notorisch ein
ansehnliches Jabresgehalt von Ludwig XIV., für welches sie ihren
Gatten, der stark unter ihrem Einflüsse stand, für die Zwecke Frank-
reichs bearbeitete. Der Mann ihrer Schwester, Marquis de Bethune,
war französischer Gesandter am polnischen Hofe. Aber während
die Geldspenden Ludwigs mit der Zeit dem unersättlichen Geize
der Königin nicht melir zu genügen im stände waren, fühlte sich
deren iiiitelkeit dadurch schwer verletzt, dass Ludwig dem immer
drinuender werdenden Verlangen derselben, ihren Vater zum Herzog
und Pair von Frankreich zu erheben, einen dauernden, stummen
Widerstand entgegensetzte. Diese Verletzung persönlicher Interessen
brai hte zunächst eine Wendung in der Politik des p(dnischen Königs-
hauses hervor, die durch ein auf S. 77 erwähntes Ereignis bis zum
Bruche desselben mit Frankreich geführt ward. Es gelangten
nämlich die geheimen Berichte des französischen Gesandten Marquis
de Vitry, des Nachfolgers Bethunes, an Ludwig XIV., sowie ein
') Nur V. schreibt diesen Xamen Thököly.
Literatur. 159
Briefwechsel Vitrys mit dem polnischen Kronschatzmeister Grafen
Morszcyn in die Hände des Königs Johann. Allerdings ist der Inhalt
dieser Schreiben ihrem Wortlaute nach nie bekannt geworden,
Onno Klopp führt jedoch (a. a. 0. S. 16«) das Wichtigste ans dem-
selben nach dem Auszüge aus den Berichten Contarinis, des vene-
zianischen Gesandten in Wien, an. Es mochte nicht sowohl der tiefe
Blick in die Bestechlichkeit aller seiner Umgebungen sein, welche
den Zorn Sobieskis in so hohem Grade erregte — die Käuflichkeit
war ja in Polen längst die Regel, nicht die Ausnahme — , es waren
die wenig schmeichelhaften Bemerkungen über seine Person und
besonders die Massregeln, die man bereits in Aussicht auf seinen
Tod vorbereitete, um nicht einen seiner Söhne, sondern einen franzö-
sischen Prinzen auf den polnischen Thron zu bringen.
Solche persönliche Gründe entschieden zu Gunsten des schwer-
bedrängten Kaiserstaates in dem Gemüth des Königs. Im Reichs-
tag, dessen Zustimmung zur Bestätigung des am 31. März 1683
zwischen Österreich und Polen geschlossenen Allianzvertrages noch
erforderlich war und in dem der französische Einfluss sich noch
stark geltend machte, überwog endlich der Gedanke an die eigene
Gefahr; denn es war in diesem Augenblicke noch nicht klar zu er-
kennen, ob die gewaltigen, türkischen Kriegsrüstungen gegen Öster-
reich oder Polen gerichtet waren.
Der uneigennützigste Verbündete des Kaisers war bekanntlich
neben dem Kurfürsten von Bayern, welcher ein Hilfskorps von etwa
800U Mann sendete, der Kurfürst Johann Georg HI. von Sachsen,
der mit seinem ganzen, für die damaligen Verhältnisse beträchtlichen
Kriegsheer von 10454 Mann inkl. S194 Reitern und mit 16 Geschützen
zur Hilfe der bedrängten Reichshauptstadt herbeieilte. In welche
peinliche Lage der ritterliche Fürst gleich nach dem möglichst be-
schleunigten Abmärsche des Hilfskorps durch die Nichterfüllung der
sächsischerseits gestellten, gewiss nicht unbilligen Forderungen des
kostenfreien Durchmarsches durch die kaiserlichen Lande versetzt
wurde, wird erst recht klar, wenn man die Schwierigkeiten berück-
sichtigt, welche die Stände des eigenen Landes den Geldbewilligungen
für den Unterhalt des Heeres entgegenstellten (vergl. I. S. luT), und
die auf engherzige, politische und konfessionelle Vorurtheile be-
gründete Unpopularität, welche sich in Sachsen gegen das Rettungs-
werk zu Gunsten des die protestantischen Glaul)ensgenossen so hart
bedrängenden Kaisers unverholen kundgab (vergl. I. S. 117).
In der That erscheint die Uneigennützigkeit Johann Georgs
geradezu rührend, wenn er, um seinem so wenig zur geringsten Ge-
genleistung bereitwilligen Kaiser beizustehen , Verfügung erlässt
(I. S. 124), nicht nur seine Hoflialtung auf das äusserste zu beschränken,
sondern auch einen Theil seiner Erbländer unterpfändlich zu ver-
setzen. Wenn man sich von vielen Seiten Mühe gegeben hat, die
tiefe Verstimmung des ehrlichen Kurfürsten beim glücklichen Aus-
gange des grossen Rettungswerkes mit einer ihm vom Kaiser zu-
gefügten persönlichen Beleidigung oder einer Benachtheiligung bei
Vertheilung der Beute zu erklären, so triüt man damit gewiss nicht
das Rechte. Sie war ganz einfach das Resultat der, die Existenz
seines mühsam gebildeten Heeres ernst bedrohenden (vergl. I. Anh. IV,
Bericht des GFM. v. d. Goltz) Verweigerung aller Subsistenzmittel,
zu welcher sich noch die durchius unerwiesenen Beschuldigungen
gegen die Disziplin der Sachsen bei ihrem Anmärsche gesellten,
welchen nach Onno Klopp (S. 290) die Plünderung von Dörfem und
160 Literatur.
die Misshamllung von katholischen Priestern zum Vorwurfe gemacht
wurden.
Der beschrtänkte Raum, der der gegenwärtigen Besprechung
zugemessen ist, gestattet uns leider nicht, auf diemilitärische Be-
sclireibung der Entsatzschlacht, welche bereits früher in der "Wissen-
schaftlichen Beilage zur Leipziger Zeitung, Jahrgang 1864 Nr. 6
bis 8, einen sachkundigen Darsteller gefunden hatte, hier näher
einzugehen; wir können dieselbe jedoch als sehr gelungen be-
zeichnen.
Zu einer mehr nebensächlichen Bemerkung des Herrn Ver-
fassers fühlen wir uns aber veranlasst, unserer besonderen Zustim-
mung Ausdruck zu geben. Sie betriü't die Anordnung des Kurfürsten
Johann Georg, für seine ausrückende Infanterie die Piken zurück-
zulassen, welche S. 115 für ein Zeugnis „von dem unbefangenen
militärischen Urtheil" des kriegserfahrenen Fürsten erklärt wird.
Dieser Massregel zufolge war die sächsische Infanterie die einzige
in dem bei Wien kämpfenden christlichen Heere, welche ausschliess-
lich mit Feuergewehren bewaffnet war. Es war dieser Schritt, so
schwer dies uns in der Gegenwart glaublich erscheinen mag, bei
der zu jener Zeit noch allgemein herrschenden Scheu vor der
Übermacht der Reiterei, insbesondere der türkischen, und bei der
geringen Vollkommenheit, an welcher damals noch das Infanterie-
gewehr litt, als ein kühn reformatorischer zu betrachten. Die Eman-
zipation des Fussvolkes von der Pike ist für die Taktik von ähn-
licher Wichtigkeit, wie einige Jahrzehnte später die Einführung des
eisernen Ladestockes und des Feuerschlosses oder die des Hinter-
laders in der Gegenwart. Berücksichtigt man, mit wie vielen Vor-
urtheilen die letztere zu kämpfen hatte, bevor man sich in allen
europäischen Heeren von ihren so klar einleuchtenden Vorzügen zu
überzeugen vermochte, erwägt man, welchem harten Widerstände
dergleichen Reformen gerade in militärischen Kreisen zu begegnen
pflegen , so wird man mit dem Verfasser auch in dieser Massregel
dem auf dem Felde der Erfahrung erworbenen klaren Blicke des
Fürsten die verdiente Bewunderung zollen.
Das Buch ist mit einer Übersichtskarte ausgestattet, auf der
die Anmarsch- und die Rückmarschlinie der Sachsen mit Angabe
der Etappen, sowie die damalige Grenze zwischen den kaiserlichen
und den unter türkischer Überherrschaft stehenden Landen einge-
zeichnet sind; man vermisst dagegen einen Kilometermassstab. Ein
Sclilachtplan und das Porträt Johann Georgs III. sind Nachbildungen
älterer Stiche des Kgl. Kupferstichkabinetts zu Dresden.
II. Im Gegensatze zu L, dessen politischer Theil dem militä-
rischen im Umfange ziemlich gleich kommt, beschränkt sich II.
seinem Titel entsprechend last bloss auf die Schilderung der Er-
eignisse vor Wien. Trotzdem ist die Schrift keineswegs von nur
militärischem Interesse. Der Verfasser bekundet bei Schilderung
der hervorragenden Persönlichkeiten und bei Beleuchtung der auf
dem Kampfplatze auftretenden Heere, besonders des türkischen und
des noch zum guten Theil auf iler Grundlage mittelalterlicher Zu-
stände mehr improvisierten als organisierten polnischen Heeres,
umfassende, auf eingehendem Quellenstudium basierte Kenntnisse.
Dabei ist Stil und Darstellung sehr ansprediend; eine gewisse Wärme
des Ausdruckes verräth, dass der Verfasser mit voller Liebe an
seine Aufgabe herangegangen ist. Auch nach dem an erster Stelle
Literatur. 161
aufgeführtem Werke wird man daher II, noch mit Interesse und Be-
friedigung lesen.
Sehr viel Mühe verwendet der Verfasser darauf, die Ordre
de Bataille der auf dem Kampfplatze auftretenden Armeen fest-
zustellen und die Etats der einzelnen Kontingente des christ-
lichen Heeres nachzuweisen , wobei die Namen sämtlicher Stabs-
offiziere, bei dem sächsischen Korps selbst die der Kompagnie- und
Schwadronsfiihrer, erscheinen.
Die auf S. 87 anhebende Schlachtrelation bietet zwar, wie bei
der oftmaligen iiearbeitung desselben Stoffes kaum anders zu er-
warten ist, nicht eben Neues, es muss jedoch ausdrücklich der grossen
Unparteilichkeit des Verfassers lobende Anerkennung gezollt werden.
Denn wenn er einerseits die Tapferkeit rühmt, mit der die Deut-
schen des linken Flügels und des Zentrums dem ungestümen An-
dränge der besten türkischen Truppen zum Trotze in dem schwierigen
Gelände Schritt vor Schritt Boden gewinnen, so wird er nicht minder
dem glänzenden Elan gerecht, mit dem Sobieskis Reiterschaaren auf
dem rechten Flügel die bisher fast für unüberwindlich gehaltene
türkische Kavallerie aus dem Felde schlagen. Der Verfasser ent-
rollt vor unseren Augen ein in den lebhaftesten Farben gemaltes
Bild halborientalischer, grotesker Pracht, wenn er uns die „unter
dem Dröhnen der Kesselpauken" und Hörnerschall zur attaque en
muraille vorgehenden Hussaren mit ihren „vom Winde bewegten
buntseidenen Fähnlein der Lanzen", ihren wehenden Reiherbüschen
und dem Glanz der bei den Offizieren vergoldeten Rüstungen, auf
edlen, reich gesdimückten und gezäumten Pferden vorführt. Es
wurde hier auf dem rechten Flügel des Christenheeres in der That
ein Reitergefecht fast ohne Beispiel in der Geschichte geliefert,
denn wenn auch von den ursprünglich 84 000 Berittenen des türki-
schen Heeres, welche II. auf Seite 72 nachrechnet und von denen
mit Recht behauptet wird, dass Europa eine solche Reitermasse
weder vorher seit den Eroberungszügen der Hunnen, Magyaren und
Mongolen, noch später wieder gesehen habe, nur die grosse Hälfte
— der Verfasser schätzt sie B. 105 auf 50000 Pfei'de — auf dem
linken Flügel Kara Mustafas gekämpft hat, so prallten hier doch
vielleicht mit der zur Unterstützung der Polen herbeieilenden Ka-
vallerie des christlichen Zentrums 70 000 Reiter auf einander.
Dass die türkische Kavallerie hier ihren alten Ruf nicht be-
währte und dass die Tataren und namentlich die christlichen Hilfs-
truppen der Türken, Walachen, Moldauer, Ungarn, sich höchst un-
zuverlässig bewiesen und theilweise ohne Schwertschlag den Kampf-
platz verlassen haben mögen , scheint keinem Zweifel unterworfen.
Dagegen vermögen wir dem Verfasser nicht beizupflichten, wenn er
S. 105 ff. den Ibrahim Pascha von Buda so ohne weiteres, nur auf
die Beschuldigungen Kara Mustafas, der auf ihn und andere seiner
Feinde die eigene schwere Schuld abwälzte (vergl. IV. S. 274 ff. Die
Hinrichtung Ibrahims wird hier ein empörender Gewaltakt genannt.
Onno Klopp a. a. 0. S. 336), und die Berichte des englischen Ge-
sandtschaftssekretärs Rycaut hin, des offenbaren Verrathes und der
absichtlichen Feldflucht anklagt. Diese Frage, deren Erörterung
durch die zwei Tage nach der Schlacht erfolgte Hinrichtung Ibra-
hims und seiner Anhänger unmöglich gemacht wurde, ist bis auf
den heutigen Tag eine offene geblieben. Der selbst schuldbeladene
Kara Mustafa ist Kläger und Richter in einer Person, und der der
Sache ganz fernstehende Engländer scheint, wie noch heutzutage
Neues Archiv f. S. G. u. A. V. 1. 2. 11
162 Literntnr.
viele seiner Landsleute über die Verliältnissu fremder Länder und
Völker zu thun pflegen, sein absprechendes Urtheil ohne sorgfältige
Prüfung der Quellen, aus denen er sein "Wissen geschöpft, abge-
geben zu haben.
III. Es möchte scheinen, als oh neben I. und II. das in ziemlich
kleinem Format nur 80 Seiten umfassende ^Ycrk des (Jeneralniajors
Schröder nur die iJedeutung einer Wiederliolung jener crsteren beiden
in abgekürzter Form in Anspruch nehmen könne. Dem ist jedoi h
nicht so; denn es wird hier die in 1. und II. nur ganz heiläutig be-
rührte festungskriegsgescbichtlicbe Seite der grossen TSegebenheit
mehr in den Vordergrund gerürkt. Sclion aus dem beschrankten
Umfange des Huches lilsst sich indessen scliliessen, dass der Inlialt
nicht mit Details, die ausnahmslos für den Ingenieur von Fach
Interesse bieten könnten, überladen ist.
Xach einer kurzen Beschreibung Wiens als Festung, seiner
Werke und Vertheidigungsmittel, entwirft uns der fachkuiulige Ver-
fasser, gestützt auf eine flüchtige topographische Skizze, auf welcher
für uns wenigstens die Zeichnung der .Vngrift'sfront und des x\ngriff's-
feldes Interesse bietet, ein Bild von denn Verfahren der Türken bei
der Belagerung. Den Bedingunuen jeder Offensive, „Terrain gewinnen,
uiul das Gewonnene beliaupten", suchten die Ilalbbarbareu , welche
von Abstecken und Trazieren damals noch keinen Begrilt hatten,
sondern dabei mehr einem aus langer kriegerischer Erfahrung im
Festungskriege erworbenen Instinkte folgten, durch ein anscheineml
ziemlich regelloses, aber keineswegs der Umsicht und des Geschickes
entbehrendes Vorgehen mit der Approche zu entsprechen. Ihr rein
empirisches Verfahren war auf die grosse Anzahl der ihnen zu Ge-
bote stehenden Truppen sowohl, als der Arbeiter begründet, zu
welchen letzteren sie sich ausnahmslos der lierdenweise zusammen-
getriebenen Christensklaven bedienten, deren Willfahrigkeit zu der
im heftigsten Feuer der Belagerten aiiszufüluenden schweren und
gefährlichen Erdarbeit durch die gewaltsamsten Mittel, Bastonade
und grausame Hinrichtungen, erzwungen wurde.
Für den Militär ist es höchst interessant, auf alten Plänen, wie
solche z. B. IV,. beigegeben sind, das Gewirr von Annäberungswegen,
welche ,, ihren Lauf wie das "Wasser nehmen, das nach einem starken
Gewitterregen auf einer fast horizontalen Fläche sich verläuft", zu
betrachten. Die Ai^prochen sind nach der Quere des AngrifTsfeldes
von den ungewöhnlich zahlreichen Parallelen gekreuzt, welche in
der durchschnittlichen Entfernung von 10 zu 10 m von einander an-
gelegt, dem Gruiulrisse des ganzen AngrifTsfeldes das Ansehen eines
undichten und uuregelmässigen Gewehes geben.
Noch geschickter und erfahrener als in dem oberirdischen Bc-
lagerungskriege zeigten sich die Tüiken in dem unterirdischen.
Es war eine Folge des chronischen Geldmangels, an dem Österreich
zu allen Zeiten gelitten hat, dass trotz der dem Kaiserstaate schon
so lange drohenden Gefahr für die Befestigung der Hauptstadt so
wenig gethan worden war. Nach der ersten vergeblichen Belagerung
Wiens 1529 war die veraltete ]Mauerl)efe5tigung der Stadt in der
langen Bauperiode von 1G40 bis 1670 durch eine bastionierte Um-
wallung ersetzt worden, aber schon während der Ausfülu'ung
derselben hatte man die ausgestamieue Gefahr vergessen, un(l
selbst noch nach dem Ausbruche des Krieges 168.'S hielt man sich
i)i Wien durch die Grenzfestungen in Ungarn, Kaab und Komorn,
Literatur. 163
Tcnigsteris für dieses Jahr hinlänglich gesichert. Die gröbste Ver-
nachlässigung, der man sich schuldig machte, war, wie in III. S. 45
richtig bemerkt wird , der gänzliche Mangel eines vorbereiteten
Minenfeldes. Xoch unbegreiflicher ist es, dass man die Stadt selbst
dann, als die Gefahr für dieselbe ganz unzweifelhaft wurde, zwar
mit Besatzung, Widerstands- und Lebensmitteln zur Genüge versah,
aber der Minenre so wenig gedachte, dass man bei der Vertheidigung
an ihrer Stelle sich mit Handwerkern aller Art behelfen rausste.
Daher haben denn auch die 41 Minen, welche die Türken während
der 61 Tage der Belagerung spielen liesseu, den Werken Wiens
viel mehr Schaden zugefügt und den Bewohnern viel mehr Schrecken
eingeflöst, als die 100000 Kanonenschüsse, welche von den türkischen
Batterien abgefeuert wurden.
Erst auf Seite 60 kommt der Verfasser auf die zur Befreiung
der bedrängten Hauptstadt ergriffenen strategischen Massregeln zu
sprechen; der l'eschreibung der Schlacht am 12. September sind
nur 4 '/»Seiten gewidmet. Sie bildet mithin bloss die mehr neben-
sächliche Ergänzung zu der der Belagerung und Vertheidigung,
eine weise Beschränkung, für die man dem Verfasser bei dem, nach
jener Richtung hin so reichlich vorliegenden Material nur Dank
wissen kann.
Dagegen vermögen wir uns einer Behauptung des Verfassers,
in welcher derselbe allerdings mit der Mehrzahl der auf den Gegen-
stand eingehenden Autoren im Einklänge steht, nur bedingt anzu-
schliessen. Er sagt auf Seite 7.3: ,,Die Ausnutzung des grossen
Sieges war nicht ganz diejenige , die sie hätte sein können", und
knüpft daran einen Tadel Sobieskis, dessen im Gegensatze zu Loth-
ringens Rathschlägen unnöthige Vorsicht einer schnellen und wirk-
sameren Verfolgung des fliehenden Feindes Einhalt geboten haben
soll. Diese Ansicht beruht zumeist auf der ziemlich allgemein ver-
breiteten, mehr dem militärischen Stolze der christlichen Sieger
schmeichelhaften, als auf Wahrheit begründeten Voraussetzung, dass
die Schlacht am 12. September nicht bloss mit dem Zurückschlagen
der Türken aus ihrer Stellung, der Eroberung des Lagers und des
Angriffsfeldes, also der Befreiung Wiens, sondern auch mit der
gänzlichen Auflösung des Osmanenheeres geendet habe. Alle vor-
liegenden Thatsachen widersprechen jedoch dieser Behauptung.
Man fürchtete sogar am Abende der Schlacht, der Rückzug der
Türken könne nur eine Kriegslist sein, und liess das siegreiche Heer
die ganze Nacht unter den W^affen stehen, ohne dass man nur den
Wienfluss zu überschreiten wagte. Mögen die unbotmässigen tatari-
schen Reiter sich auf der Flucht zerstreut haben, das eigentliche
türkische Heer zog sich zunächst nur etwa eine Meile weit, also
hinter die Schwechat zurück, zuverlässige und unparteiische Bericht-
erstatter, wie der venezianische Resident Contarini, bestätigen ,,in
leidlicher Ordnung". Wenn man Sobieski den Vorwurf macht, seiner
Reiterei sich zur sofortigen Verfolgung nicht ausgiebiger bedient zu
haben — die Krongarde und einige andere Abtheilungen gingen
schon am Tage nach der Schlacht wieder zu diesem Zwecke vor
(vergl. II. S. 111) — , so vergisst man wohl den Zustand in Berück-
sichtigung zu ziehen, in welchem sich eine Kavallerienach viertägigem
Marsche durch den Wiener Wald ohne Futter und unter den
schwierigsten Witterungsverhältnissen und nach einem so heissen
Kampfe, wie am 12. September, uothwendiger Weise befunden haben
mnss.
11*
164 Literatur.
IV. Das von der AbtUeilung für Kriegsgeschichte des k. k.
Kriegsarchivs bearbeitete, mit trefflichen riäiien und Illustrationen
reich ausgestattete Werk ist, wie uns in Berücksichtigung der der
Darstellung zu Gebote gestandenen Mittel jeder Art nicht wunder
nehmen kann, als ein wertli voller Beitrag zu der Geschichte des
österreichisclien Staates zu betrachten. IJes offiziösen Charakters
des Buches muss selbstverständlich der Leser beständig eingedenk
bleiben, wenn er auch mit uns wenigstens das Streben nach mög-
lichster Objektivität gern anerkennen wird.
Die politische Lage des Kaiserstaates beim Ausbruche des
Krieges 1683 nur flüchtig berührend, giebt uns die Sclirift einen
sehr sorgfältig bearbeiteten llberblick der damals Österreich zu Ge-
bote stehenden Streitkräfte und der Vertbeilung derselben, und geht
dann zur Darstellung des leider vom Hofkriegsrathe zu Wien mehr,
als von dem einsichtigen Herzoge von Lothringen als Oberbefehls-
haber geleiteten Feldzuges zwischen Wien und Raab ül)er, der, da
er nicht einmal den Vormarsch des türkischen Heeres zu verzögern
im Stande war, in III. S. 16 sehr zutreffend eine ICO km lange, nutz-
lose Promenade längs der Donau genannt wird. Fällt dieser kurze
Feldzug ganz aus dem Bereiche unserer Betrachtung, so wird es
dem Rezensenten um so schwerer, die zweckmässigen Massregeln
des Herzogs von Lothringen zur Erhöhung der Widerstandsfähig-
keit Wiens und dessen treffliche Operationen auf dem linken Donau-
ufer während der Belagerung zur Deckung gegen die Unternehmungen
Tökölvs unberücksichtiut zu lassen.
In dem „Der Anmarsch der Hilfstruppen" überschriebeuen Ab-
schnitte wird S. 112 der während des Anmarsches der Sachsen
zwischen dem Kurfürsten Johann Georg und dem kaiserlichen Hofe
in Passau geführten Unterhandlungen Erwähnung gethan. Wir
finden hier in der Kürze alles das bestätigt, was über diesen Ge-
genstand in grösserer Ausführlichkeit in I. zu finden ist, wenn wir
auch die volle Würdigung der Schwierigkeiten, mit denen der Kur-
fürst zu kämpfen hatte, in IV. vermissen.
Die Belagerung Wiens wird von S. 120 bis 230 mit einer Aus-
führlichkeit behandelt, die uns ein höchst anschauliches Bild jener
grossartigen Begebenheit gewährt. In der That glaubt man sich,
wenn man den Muth, die Ausdauer, die Selbstverleugnung, welche
die Belagerten der Tapferkeit, Schlauheit und fanatischen Todes-
verachtung der türkischen Schaaren entgegensetzten, sich vorstellig
macht, aus dem genusssüchtigen, leichtlebigen Wien in eine belagerte
Stadt des heroischen Alterthums versetzt. Nicht ohne Stolz auf
unser engeres Vaterland, welches sich beim Entsätze in so glänzender
Weise betheiligte, finden wir auch unter den Männern, deren Lei-
stungen das Generalstabswerk unter den Vertheidigern rülimeiid
hervorhebt, zwei sächsische Landsmänner. Der eine ist der in der
Geschichte der Festungsbaukunst hochgeschätzte Gerberssohn aus
Leisnig, der Ingeuieur-Oberstlieutenant Georg Rümpler. der, bei einem
Ausfalle schwer verwundet, am 2. August sein rühmliches Leben
endete; der andere, Michael Mied, wird als ausgezeichneter Artillerie-
offizier genannt. Noch vor der Belagerung waren demselben bei
einer Schiessprobe beide Hände weggerissen worden, was ihn nicht
abhielt, in der schweren Prüfungszeit treffliche Dienste zu leisten.
Die Entsatzschlacht des 12. Septembers wird von S. 231 bis 273
geschildert; der Rest des Buches ist den Ereignissen nach der
Schlacht bis zum Ende des Feldzuges 1683 gewidmet.
Literatur. 165
Da Kaiser Leopold sich von seiner ursprünglir-hen Idee, den Ober-
befehl über das verbündete Heer in eigner Person zu übernehmen,
glücklicherweise noch in letzter Stunde hatte abbringen lassen, so war
derselbe ganz natürlich dein, dem Range nach vornehmsten Fürsten,
dem Könige von Polen zugefallen. Es gehört nicht zu den erfreulich-
sten P>scbeinungen der Gegenwart, dass sich die leidige Eifersucht
zwischen den verschiedenen Nationalitäten auch in der historischen
Forschung ein Gefechtsfeld zu finden bestrebt. Es wird niemandem
einfallen , irgendwie in Zweifel zu setzen, dass die Disposition zu
den der Schlacht vorangehenden Operationen, wie zu dieser selbst
lediglich aus dem Kopfe des Herzogs Karl von Lothringen hervor-
ging, dass dieser als die Seele des grossen Hauptquartiers, wie man
sich heutzutage ausdrücken M-ürde, zu bezeichnen ist. Aber man
vergesse dabei nicht, dass Sobieski der verantwortliche (Jberbefehls-
haber war, und dass sich in seiner Umgebung noch viele andere
Stim&ien, keineswegs bloss polnisclie, hören Hessen, welche mit Loth-
ringens Vorschlägen nicht einverstanden waren. Man machte geltend,
dass ein Überschreiten der Donau unterhalb Wiens, statt oberhalb,
an und für sich mehr und grössere Chancen zum Siege biete; die
Türken würden dann mit umgekehrter Front fechten oder infolge
der gefährlichen Bedrohung ihrer Rückzugslinie vielleicht sogar die
Belagerung ohne Kampf aufgeben müssen. Der Übergang über den
Wiener Wald in mehreren getrennten Kolonnen unter gleichzeitiger
Linksschwenkung, eine zumal für das aus so wenig einheitlichen
Bestandtheilen zusammengesetzte Heer sehr bedenkliche Bewegung,
welche bei den einfachsten Gegenmassregeln des Feindes für die
Christen halte verhängnisvoll werden können, fand nicht ohne Schein
der Berechtigung manchen Widerspruch.
Und doch folgte Sobieski den Rath schlagen des bescheidenen und
erfahrenen Mannes, der ihm einst bei der Königswahl als Mitbewerber
um den polnischen Thron gegenüber gestanden hatte uud^der, wie
aus allen seinen bisherigen Massregeln erhellt, seinen Kriegsplan
längst ins Auge gefasst und vorbereitet hatte. Dieser aber gründete
sich auf die richtige Beurtbeilung seines barbarischen Gegners, der
mit echter Tigernatur die sichere Beute, die er bereits mit der
wuchtigen Pranke gefasst zu haben glaubte, nicht einmal für einen
Augenblick loslassen wollte und alle Rathschläge seiner Paschas,
die Pässe des Gebirges zu verhauen und hartnäckig zu vertheidigen,
die Belagerung zu vertagen und statt mit dem Rücken an die noch
widerstandsfähige Festung gelehnt, das Heer in einer Stellung hinter
dem Wientiusse zu konzentrieren, in den Wind schlug. Bestätigte
sich aber diese, wie es der Erfolg zeigte, zutreffende Voraussetzung
des Lothringers, so boten sich in dem bergigen, durchschnittenen
und bedeckten Gelände westlich von W^ien den christlichen Waffen
sicherere Bürgschaften für den Sieg, als östlich in der Donauebene.
Denn auf die Überlegenheit der deutschen Infanterie über die türki-
sche, auf die grössere Beweglichkeit und Disziplin derselben und
auf die einsichtigere Benutzung des Terrains seitens ihrer Führer
rechnete der seiner Zeit hierin weit vorauseilende Feldherr, und
wirklich sehen wir in dem zähe und hinhaltend geführten Infanterie-
gefecht des linken Flügels und des Zentrums, welches das Debou-
chieren und den Aufmarsch der polnischen Reiterei auf dem rechten
Flügel, der allein die endliche Entscheidung bringen konnte, ermög-
lichte, das Bid einer beinahe modernen Schlacht.
Dies alles ist unbestritten das hohe, unsterbliche Verdienst
]ß(3 liiteratur.
des Herzogs , das nicht minder unleugbare des Königs Sobieski aber
ist es, die genialen Entwürfe mit Verleugiuing seines sonst doch
nicht geringen Selbstgefühls angenommen und zur Ausführung
gebracht zu haben. Und so wird denn auch der im redlichen
Zusammenwirken beider Helden wohlerworbene Ruhm für alle Zeiten
ihr unantastbares Gemeingut bleiben.
Ein recht auftallendes Versehen ist der sonst so aufmorksamen
Redaktion des Buches entschlüpft, indem S. 265 unter den zurück-
gebliebenen türkischen Geschützen „ein aus dem Jahre 1652 stam-
mendes, das unter Sigismund August König von Polen und Kurfürst
von Sachsen gegossen wurde", aufgeführt wird.
V. Das im Umfange dem Generalstabswerke ziemlich gleich-
kommende und wie dieses in trefflicher äusserer Ausstattung sich
als Festschrift kennzeichnende Werk ist im Auftrage des Gemeinde-
rathes der k. k. Reichsliaupt- und Residenzstadt Wien verfasst und
herausgegeben.
Wie jenes ist auch dieses Buch mit zahlreichen Illustrationen
geziert. Dass der Inhalt beider Werke sich zum grossen Theile
deckt, ist selbstverständlich; wenn auch V. seine Aufgabe der Natur
der Sache nach mehr auf dem politischen und kulturgeschichtlichen,
IV. mehr auf dem militärischen Gebiete zu lösen strebt.
In der langen, glänzenden Reihe der um die Vertheidigung
Wiens hochverdienten, treftlichen Krieger und Bürger, welche uns
Renners gewandte Feder mit patriotischer Begeisterung vorführt,
begrüssen wir neben Rümpler und Mied, die auch hier ihr Ehren-
denkmal finden, als sächsische Landslente noch einen zweiten tu'aven
Artillerieoffizier, Christof Zimmermann, und den vielbelobten Dr. jur.
utr. Hocke, „der sich als Stadtschreiber während der Belagerung
unvergängliche Verdiente erworben". Letzterem wurde erst 1687
durch Verleihung des Titels eines k. k. Rathes eine Belohnung für
seine dem Gemeinwohl so erspriessliche Thätigkeit.
Die Beschreibung der Entscheidungschlacht beginnt erst auf
S. 428 und füllt etwa zehn Seiten. Wenn wir auch innerhalb dieses
engen Rahmens der Betheiligung des sächsischen Korps und dessen
Leistungen das gebührenele Lob entsprechend zugemessen finden,
vermögen wir uns dagegen mit dem Urtheile des Verfassers über
das im grellen Gegensatze zu dem Verhalten anderer Reichsfürsten
so uneigennützige Benehmen Johann Georgs 111. durchaus nicht
befriedigt zu erklären. Möchten die österreichischen Geschichts-
schreiber dem unter 1. aufgeführten Werke und insbesondere dem
Abschnitte desselben von S. 107 bis 128 ihre volle Aufmerksamkeit
zuwenden !
Es erübrigt bloss noch, beiläufig zu erwähnen, dass wir von
einer Vergleichung der in den besprochenen Werken sehr verschieden
l)erechneten Stärke- und Verlustzahlen absehen zu können geglaubt
haben. Die Kriegsstatistik ist eine Wissenschaft ganz neuen Datums,
und das Bemühen unserer Autoren, die in älteren Quellen angegebenen,
oft absichtlich gefälschten Zahlen auch nur auf annähernde \yahrheit
zu ergänzen oder zu reduzieren, stösst auf grosse Schwierigkeiten,
welche man je nach dem verschiedenen Standpunkte, bisweilen ziem-
lich willkürlich, zu erledigen versucht. Es kann daher kaum über-
raschen, dass z. B. in III. auf S. 66 die Stärke der beiderseitigen
Streitkräfte in der Ersatzscblacht nahezu gleichgeschätzt wird,
■während nach IV. auf christlicher Seite 76000, auf türkischer nach
Literatur. 167
Abzug der in den Laufgräben zurückgebliebenen, noch 107 000 Mann
an der Schlacht kämpfend theilnahmon, I. aber (S. 152) die Stärke
der in der Sdilachtliiüe stehenden Türken sicher zu hoch zu 130000
Mann, .,et\va doppelt soviel als das Entsatzheer", berechnet.
Dresden. Ü. v. SchiinpÖ'.
Beschroibeiule Dar.stelhiug der älteren Bau- und Kunstdenkmäler
des König:reichs Sachsen. Auf Kosten der Königl. Staats-
regierunsf herausgegeben vom K. S. Alterthumsverein. Zweites
Heit: Auitshauptmannschaft Dippoldiswaldc Bearbeitet von
Dr. R. Steche. Dresden, C. C. Meinhold & Söhne (Komm.) 1883.
80 SS. 8".
Dem vor länger als Jahresfrist erschienenen ersten Heft des
obigen Werkes ist jetzt das zweite Heft: Amtshauptmanuschuft
Dippoldiswalde gefolgt. Wir sahen erwartungsvoll demselben ent-
gegen , du wir uns bereits am ersten Hefte erfreuten und es im
allgemeinen Interesse liegen muss, den Bestand und Zustand der
älteren Bau- uiul Kunstdenkmäler sobald als möglich festgestellt zu
sehen. Die Klagen über Yerniclitungen, Veränderungen und Ver-
äusserungen dieser Denkmäler sind wohl begründet, und es ist hohe
Zeit, sich wenigstens wissenschaftlich ihrer anzunehmen, bevor es
zu spät ist. Welche Reihenfolge in der Aufnahuu und Bearbeitung
stattzufinden hat, muss man füglich dem Hurausgeber überlassen,
der am besten zu beurtheilen im stände ist, ob eine Gruppe ab-
schlussfähig geworden ist.
Da dem Hefte eine kunststatistische Übersicht nicht beigegeben
ist, so sei es gestattet, eine solche mit nachfolgender Besprechung
zu verbinden.
Die Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde grenzt an die von
Pirna und reicht bis zur böhmischen Grenze. Trotz dieser Nach-
barschaft mit slavischen Gebieten finden sich nur äusserst wenig
slavische Orte. Die meisten Ortsnamen sind so modern, dass man
auch keine Bau- und Kunstdenkmäler von höherem Alter erwarten
kann. Und in iler That finden sich in dem vorliegenden Heft nur
zwei ältere Kirchen, diejenigen in Dippoldiswalde selbst; aber auch
diese reichen nicht weiter zurück, als bis in die erste Hälfte des
13. Jahrhunderts. Von ihnen ist die Nikolaikirche fast unversehrt
auf uns gekommen, von der Marienkirche, die auch dem h. Laurentius
geweiht war, nur das untere Stück des Thurmes. Beide Bauwerke
sind in ihrer Art hoch interessant als Beispiele des Cbergaugsstyles
aus dem romanischen in den gothischen. Man erkennt in ihnen
noch den Grundcharakter der basilikalen Anlage, welche aber bereits
gothische Elemente aufgenouunen bat, um dem überkommenen neuen
Reiz zu geben. Der Verfasser führt die Kirche zu Wechselburg
(Zschillen) vergleichend an, wir uei-ien uns aber mehr zu der An-
nahme, dass die Xikolaikirche zu Dippoldiswalde (den Rest des
romanischen Theils der Marienkirche einschliesslich) eine grössere
Ideen -Yerwandbchaft zeigt mit der berühmten Klosterkirche zu
Memleben in Thüringen (siehe das eben im Druck begriffene Heft
, Kreis Eckartsberga'- der „Beschreibenden Darstellung der älteren
Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen"). Beide sind nämlich
von ganz gleichem Alter, während die Wechselburger Kirche -iO
bis 50 Jahre früher gegründet wurde und daher mehr romanische
168 Literatur.
Elemente aufzuweisen vermag, als die Memleber und die DippoUlis-
walder. In beiden letzteren sind die. Spilzbogen-Arkaden des Schifi'es
mit ihrer rechtwinklis;en Abtreppung genau nach derselben Kegel
über dem inneren Viertel konstruiert, die kleinen romanischen Fenster
im oberen Li» htgaden ganz gleich disponiert und die Apsis bereits
ebenfalls polygonal geschlossen: in Memleben halbacht-, in Dippoldis-
walde halbzehneckig, in Wecbselburg aber haUdcreisiürmig. Diese
reizende und edle kleine Nikolaikirche zu Dippoldiswalde gehört
zu dem Schönsten und Interessantesten der ganzen Amtshauptmann-
schaft. Wahrscheinlich hat diese Kirche auch einen Westthurm er-
halten sollen, T\-ic die sehr bedeutende jMauerverstärknnü- am be-
treftenden Orte andeuten dürfte. Die mitgetheilten Zeichnungen
rühren von einem zuverlässigen Zeichner her und befriedigen in
jeder Hinsicht durch ihre VortreÖlichkeit.
Die übrigen Kirchen der Amtshauptraannschaft stammen, was
zahlreiche Brände veranlasst haben sollen, sämtlich aus der Zeit vom
Ende des 15. bis zum 18. Jahrhundert, ein paar sogar aus der Neuzeit.
Höchst malerisch erscheint die kleine Kirche in Höckendorf, umsomehr
als sie von Künstlerhand keck skizziert ist. Ob diese Kirche roma-
nische Details zeigt, wie man angiebt, kann, da solche nicht bei-
gebracht sind, nicht bestätigt werden. Bei der Seltenheit des ro-
manischen Elementes in hiesiger Gegend hätte sich eine weitere
Besprechung und die Beifügung der betreti'enden Zeichnungen wohl
verlohnt.
Die Oegend enthält mehrere Burgen, welche in den ältesten
Zeiten der nahen Landesgrenze Schutz geben sollten oder auch
— als Raubschlösser dienten. Sie gingen grösstentheils in Schlössern
des späteren Mittelalters auf und sind in ihren früheren Grundrissen
jetzt wohl schwer zu verfolgen. Immerhin wäre der Versuch eines
solchen Nachweises für die Geschichte des ßurgenbaues nicht un-
wichtig und ebensowenig ohne kulturhistorisches Interesse. Ein
paar Ansichten sind beigebracht, die aber alle das 16. und 17. Jahr-
hundert dokumentieren. Nur vom Lauenstein ist ein Grundriss
beigefügt, der zwar auch spätere Um- und Neubauten verräth, jedoch
deutlich den südlichen Vorhof von dem nördlich belegenen eigent-
lichen Schloss- und Burghof unterscheiden lässt.
Auch diesem Hefte sind ein paar Dilichsche Städteansichten
beigefügt, welches ein treues Abbild des Zustandes von Dippoldis-
walde und Franeustein in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts
geben. Diese nicht ohne Peinlichkeit aufgenommenen Städteansichten,
wenn sie gleich mit perspektivischen Mängeln behaftet sind, die
namentlich auf dem Frauensteinischen Piospekt autl'allen , hatten
gewiss zur Zeit eine grosse Porträtähnlichkeit, welche ja auch die
nicht viel späteren Merianschen Ansichten besitzen, und sehen wir
desshalb gern in den folgenden Heften weiteren derartigen Bei-
fügungen entgegen.
Dippoldiswalde war nach dem Dilichschen Bilde mit .Mauern
und Thürmen umfasst, die das Schloss mit einschlössen und es
entsprach diese Art der Fortifikation den Bedürfnissen des Mittel-
alters. Frauenstein dagegen scheint einer gleichen Verwahrung ent-
behrt zu haben, und nur das hochgelegene ältere Schloss, die Burg,
war stark befestigt.
Von Dippoldiswalde wird im vorliegenden Heft auch das Rath-
haus besprochen, dessen Architektur dem Beginn der Renaissance
angehört und zwei schöne Statuen der Mutter Gottes und des h. Lau-
Literatur. 1 69
rentius zeigt. Aiuli die Profangebäude daselbst enthalten Renaissance,
die nicht ohne hübsche Details ist, jedoch in den so oft bemerk-
baren Fehler verfällt, dass in den Ornamonttheilen grosse schwülstige
Formen neben zierlichem Rankenwerk einhergehen: ganz besonders
ist dieser aller ästhetischen Regeln bare Übelstand aus der Photo-
graphie, Beilage V, zu ersehen.
Die anderen Stadt- und die Landkirchen dieser Amtshaupt-
mannschaft sind im Besitze vieler älterer Ausschmückungs- Gegen-
stände, die auf ebenso alte oder noch viel ältere Kirchen hinweisen
müssen, welche letztere aber verschwunden sind und jetzt grössten-
theils nüchterne Formen des 17. und 18. Jahrhunderts angenommen
haben. Im Hefte erwähnt, aber nicht abgebildet, sind Altarschreine
aus dem Ende des l.'i. oder dem Anfange des 16. Jahrhunderts in
Burkersdorf. lippoldiswalde, Döbra, Fürstenan, Geising, Glashütte,
Hennersdorf, Höckendorf, Liebenau, Ruppendorf und Seifersdoi-f.
Einige derselben sind freilich als „beschädigt" angegeben. Sehr
interessant sind die durch gute Zeichnungen dargestellten vier ge-
malten Tafeln (S, 36) aus der Kirche zu Glashütte. S. Martinus
auf der einen Tafel, reich in Hermelin-Mantel und mit Federbarett
gekleidet, von sehr jugendlicher Gestalt, zerschneidet seinen werth-
voUen Mantel zu Gunsten eines zwergähnlichen ganz unbekleideten
Krüppels, welcher, obschon nur ein Drittel so hoch als Martin, mit
Vollbart versehen ist. Sehr merkwürdig ist der der Maria erscheinende
Engel, indem er die Verkündigung anf eine höchst naive Weise in
einem versiegelten Briefe überbringt. Die vier Figuren (die vierte
ist nämlich ein h. Laurentius, der in hiesiger Gegend sehr beliebt
gewesen sein muss) sind mit stilvollem Faltenwurf ihrer Mäntel ver-
sehen und von schönem spätgothischem Ornament überdacht. Von
gleichem Interesse ist der nach einem Ölbilde photographierte schöne
Kopf eines Donators (nicht eines Heiligen, wie vermuthet wird)
aus der Nikolaikirche von Dippoldiswalde. Das Schönste im Hefte
dürfte der in reichster und edelster Renaissance ausgeführte und
durch mehrere Photographien verdeutlichte grosse Altar in der
Kirche zu Lauenstein sein, welcher dem in den sächsichen Landen
mehrfach beschäftigten Bildhauer Nosseni oder dessen Schule zu-
geschrieben wird, also aus der zweiten Hälfte des IG. Jahrhunderts
stammt. Er ist vom feinsten Pirnaischen Sandstein ausgeführt und
noch sehr gut erhalten. Die Gruppierung des Ganzen, die Archi-
tektur, die Details und die Ornamente, die fein modellierten Skul-
pturen, soweit man sie aus der Photographie entnehmen kann, zeugen
von Besonnenheit und geläutertem Geschmack, wenn auch die
Stellungen und Bewegungen in den Figuren etwas outriert genannt
werden dürfen, wodurch freilich dem grossen Publikum das Ver-
ständnis der Darstellung erheblich erleichtert und dem Laien ge-
waltig imponiert wird. Gleich prächtig, wenn auch wohl zuletzt
zugefügt, sind die beiden Porträtstatuen der Stifter, eines Herrn
von Bünau und dessen Gemahlin, einer geb. von Schleinitz. Zwei
Meisterstücke von Schlosserarbeit in Form von Thüreu, nach der
Rückseite des Altares führend, erhöhen den Schmuck sehr wesentlich.
Aus derselben Zeit vermuthlich ist die Kanzel zu Lauenstein
und der Taufstein daselbst. Der Kauzeldeckel dagegen gehört einer
späteren Zeit an. Derselbe wird echt realistisch durch zwei aus
dem Pfeiler hervorwachsende Menschenhände in seiner wagrechten
Lage erhalten. — Die übrigen Taufsteine der Amtshauptmannschaft
folgen der zopfigen Renaissance in höherem oder geringerem Grade.
170 Literatur.
Unter den Keldien worden mclirer«' in den üblichen Formen
aus dem Endo des lü. oder Besinn des lO. .lahrliundcrts erwähnt,
diu anderen in einer grösseren Anzahl gehören denn 17. und ]8. Jahr-
hundert an. Nicht ein einziger schien der Abbildung wcrth. Ebenso-
wenig entliiilt die Anitshauptmannschaft Erhebliches an Kruzifixen.
Den erwähnten zaliheiclien liiänden in den Städten und Dorlcrn
ist es wohl zuzuschreiben, dass scdir wenig frühmittelalterliche
(jlocken aufgeiuhrt werden konnten, mindestens ist in dortigen
Distrikten nichts von ambulanten (llockengiessern der Neuzeit be-
kannt, wie in Thiiringen, welche die Üemeinden um die schonen
wohlklingenden (ilocken bringen, um ihre eigenen h'abrikate aufzu-
drängen. Ein paar, ohne Angabe, ob mit Majuskel- oder Minuskel-
Inschriften, scheinen unter die älteren zu gehören; datierte aus
dem 18. oder 14. Jahrhundert fehlen wohl ganz und gar. Wieiler-
holt bitten wir um Erwähnung luunentlich der allerältesten Glocken,
thcils wegen ihrer AVichtigkeit für die (icschichte, theils damit die
(iemeinden nndir Werth auf alte Glocken zu legen beginnen, was
eben dadurch erleichtert und erreicht wird, dass man tlbev ihre
Schätze ötfentlich spricht. Hierzu ist aber auch nöthig, dass deren
Inschriften diplomatisch genau abgebildet und wo möglich erklärt
werden. Die meisten Glocken sind hier aus dem IG. und 17. Jahr-
hundert; ^'Incklicherweise gehören dieser Periode äusserst tüchtige
Giesserfamiiien an, unter denen die Hilligers aus Freiberg alle die
anderen überstrahlen.
Bei Bes])rec!nnig der Glocken bringt der Veriasser, was einen
ganz besondern Beifall verdient, zur Sprache, dass der von dem
Kurfürsten Friedrich dem Weisen erwählte Wahlspruch v. d. m. i. e.,
d. h. ; veibum domiiü manet in aeteinum, auf einer Glocke zu
Glashütte am frühesten, nämlii h 152C>, angebracht worden zu sein
scheint. In lateinischer S(irache sieht man ihn bis in das 17. Jahr-
hundert hinein, dann (vom Ende des IG. Jahrhunderts ab) erscheint
er auch deutsch. In lateinischer heisst es stets „dominus-*, in deut-
scher stets „Gott". Auch in der Provinz Sachsen sieht man ihn
sehr früh verwerthet, z. B. an Holzfuchwerken von üsterwiek vom
Jahre 15.SÜ und 15:>4 , am Thortluiim zu Hett<,tedt vom Jahre 1537.
Bei Besprechung der Marienkirche zu Dippoldiswalde (S. 12)
wird jener Längsrillen und Rundmarken besonders gedacht,
welche sich an einer Fiizahl von Kir(dienp ortalen an allen Orten,
so auch hier, vorfinden, und folgt in einer Anmerkung eine weitere
Besprechung dieser „Zeichen" , theilweise unter Erwähnung der
einschlägigen Literatur in Zeitschriften und selliständigen Werken,
denen wir iiocdi einige Jahrgänge des Korrespondenzblattes der Alter-
tlinmsvereine Deutschlands (1877, :..'); 1880, 79; 1881, 51 und (!1 ;
1882, 80) hinzufügen wollen. Vielfältig wird aber diesen Dingen
auf eine nicht unbedenkliche Weise eine grössere AVichtigkeit
zugesprochen, als ihnen zuzukommen scheint. Zunächst kann von
„heidnischen", ,.])rähistorisciien" Zcdchen gar nicht die Rede sein,
da sie an den Bauwerken des späteren Mittelalters vcn'kommen: so
hier nach Fortnahnie der frühgothischen Säulen eines Bortals; aber
auch sogar an Frührenaissancetheilen finden sie sich. Ebenso darf
ihnen wohl kaum ein mystischer Beweggrund zugeschrieben werden,
ila sie eine viel zu rohe, beliebige Form und Grösse haben. Terner
kann wohl auch weniger von einer Entstehung durch Muthwillen
gesprochen werclen, da durch diese Rillen ja weiter nichts erreicht
^ird, als eine Verunzierung von Architekturtheilen der Monumental-
Literatur. 171
bauten. Dann kann die speziell angeführte Himmelsgegend in deren
Anbringung als ein „nicht unwichtiges Motiv" nicht zugestanden
werden, wenn sich diese Zeichen am häutigsten an Westportalen,
selten auf der Südseite und gar nicht auf (1er Nordseite vortinden
sollen. Auch möchte in völlige Abrede zu stellen sein, dass bei der
Anbringung der Zeichen gewisse Gebete gesprochen, Votive oder
Opfer etc. vorgenommen wurden, wozu ein völlig unpassender Ort
gewählt sein dürfte und dafür Beweise schwerlich beizubringen sein
werden. Bei Erklärung dieser Zeichen waltet eine mächtige Illusion
vor. Heutzutage kommt es freilich nicht mehr vor, dass die Rillen
ausgeführt werden, weil einestheils die Polizei es verhindert, hierzu
die Thürpfosten der Kirchthüren zu benutzen, anderntheils die Leute
sich andrer Hilfsmittel zu ihren Zwecken bedienen. Und so er-
scheinen sie 1 äthselhaft, weil man ihre Entstehung nicht kennt. Sie
sind nichts anderes, als die Folgen von oft wiederholten Schärfungen
der Schneide- oder Hauwerkzeuge, der Beile, Meisel, Hacken etc.
Da dieses Wetzen durch Stoss und Zug geschieht, erklärt sich
durchweg ihre fast lothrechte Stellung und ihr keilförmiges Prohl,
die Anbringung nur in konstanter Höhe und die vorhergegangene
Ebenung des rauhen Sandsteins. Dass die Anfertigung oft an
Kirchthüren geschehen, ist entweder zufällig, oder weil daselbst
besserer Sandstein gefuiulen worden; denn auch an Gartenzaun-
pfosten, Sitzplatten, tindet man diese Rillen, sofern die Steinmasse
sich hierzu eignete. Jetzt gebraucht man feinere „Hand-^Yetzsteine".
Die kreisrunden Gruben rühren ähnlich von Löftelbohrern her.
Man darf nur einfach Handwerker und Tagelöhner fragen, um die
Bestätigung dessen zu hören.
Das vorliegende Heft ist ebenso hübsch ausgestattet als das
erste; vou grossem Werth sind die Lichtdruckbilder.
Schreitet das Unternehmen in die westlicheren und nördlicheren
Gegenden des Königreichs, so sehen wir nach eigener . Erfahrung
und Anschauung zahlreicheren älteren Bau- und Kunstdeukmälern
entgegen, und so wünschen wir wiederholt den Heften eine rasche
Folge.
"Wernigerode. Gustav Sommer.
Ans des Klosters Mildenfurth verg^angener Zeit von Oeorg Aster.
Gera, Bornschein & i^ebe (Leipzig, A. Kaiser, in Komm.) 1882.
13 Tafeln in Farbendruck und 2'/3 Bogen Text. Fol.
Bei einer derartigen kunsthistorischen Unternehmung ist .es in
erster Linie geboten, sich des vorhandenen Materials zu versichern.
Das Unterlassen dieses Gebotes seitens des Verfassers ist für ihn
verhängnisvoll geworden.
Als Quellen seines Werkeheus nennt er Limmers Geschichte
des Vogtlandes, Kronfelds Landeskunde des Grossherzogthums
Sachsen-Weimar-Eisenach, sowie einen novellistischen Beitrag
des Dr. R. Lange. Ein Blick in Puttrichs weit bekanntes Werk
über die Denkmale der Baukunst des Mittehilters in Sachsen würde
den Veifasser belehrt haben, dass Puttrich im Jahre 1850 in dem
I. Band, Serie Reuss, auf Seite 5—9 und auf Tafeln 3—5 die Reste
der Praemonstratenser-Klosterkirche zu Mildenfurth sehr sorgfältig
und eingehend besprochen hat. Puttrichs textliche und illustrative
Behandlung des Thema übertrifft jene Asters in jeder Beziehung.
Puttrich l)ietet neben dem rekonstruierten Grundrisse eijiy vortrelV-
17'2 Literatur.
liehe perspektivische Innenansicht, einen geometrischen Langensehnitt
unii wichtige, die Bauzeit cliarakterisierende Details (zum Beispiel die
Erklariinsen der Lisoncii). Innenansicht, Längsschnitt und auch
wichtige Details iehlon in der Asterschen Verüftentlichung. Es tritt
hinzu, dass der Verfasser das Lilngsschift' als aus vier Mitteljoclien
errichtet rekonstruiert, während Pnttri.hs Grundriss mit Uec'ht nur
drei Mitteljoche aufweist. Dem Asterschen Texte mangelt die
wissens( haftliche Genauigkeit, welche wir zu fordern hereclitigt und
an welche wir jetzt erfreuliclierweise gewöhnt sind, l^ie hreite
novellistische Behandlung der Orünfhing des Klosters durcli Heinrich
den Reichen fnacli Aster den „Frommen") ist hei einer derartigen
Verüftentlichung unstatthaft; die architektonischen Bezeichnungen
sind unzureichend und laienhaft, die Bezeichnung Kleehlattbogen
zum Beispiel scheint dem Verfasser unbekannt zu sein, und wenn
er sagt, dass sich an die Krenzgänge Bäume anschliesseu, welche
später als „Speisesaal Refektorium und Zellen" benutzt wurden, so
beweist dies, dass er iiiier die Bezeichnung Refektorium falsch unter-
richtet ist: unter dem „Speisesaal" dürfte wohl der Kapitelsaal zu
verstehen sein. All das Gesagte erzeugt im Leser gerechtfertigtes
Misstrauen.
Die Vollendung des Baues fällt nicht, wie der Verfasser mittheilt,
„um die Jahre 1210 oder 1220", sondern, wie die Architekturtheile
ergeben, in die Zeit von 1250. Anerkennenswerth ist bezüglich des
illustrativen Theiles die Wiedergabe der Kreuzgang- Anlage und der
Befestigungsmauer mit Thürmen, welche das Kloster umgab. Der
Massstab der lUustratiunen ist bei den meisten Tafeln zu gross
gegriöen, hingegen ist das wichtigste Detail, jenes der Lösung der
Ecklisenen, nicht berücksichtigt. Die lithographische Wiedergabe
der Kapitale und die farbigen Blätter entsprechen durchaus nicht
den berechtigten Anforderungen der Jetztzeit, und die Ansicht des
Theiles der ehemaligen Kirche , welcher jetzt als Herrenhaus dient,
ist für das Erkennen des alten Baues bei Weitem nicht so charak-
teristisch gewählt, wie dieser es verdient und wie ihn Puttrich schon
1850 uns trefflich vorgeführt hat.
Dresden. K. Steche.
Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur sächsisch -thiiringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
Altendortt'i H. Die Kirche in Priessnitz und ihre Kunstschätze:
Wissenschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung 1884. No. 7 S. 37{lg.
^e/t/c, Ad. Erzherzogin Marie Antoinette (geboren 10. Jänner 1858,
gestorben 13. April 1883). Ein Gedenkblatt. Separatabdruck aus
dem XIII. Bande des literar. Jahrbuches „Die Dioskuren". Wien
1884. 27 SS. 8».
Literatur. 173
Bettin, Ad. König Albert als FelJheiT. Sein Wirken im deutsch-
französischen Kriege von 1870/71. Mit dem Portrait Sr. Maj. in
Lichtdruck. 3. Aufl. Dresden, Höckner. 1884. 47 SS. 8".
Buchtvald. Die Bedeutimg der Zwickauer ßathsschulbibliothek für
das Studium der Reformationszeit: Zeitschr. für kirchl. Wissen-
schaft 1883. Heft 12.
Burkhardt, C. A. H. Urkundenbuch der Stadt Arnstadt 704—1495.
gNamens des Vereins f. thüring. Geschichte und Alterthumskunde
herausgegeben. (A. u. d. T.: Thüringische Geschichtsquellen.
Neue Folge. I.Band. Der ganzen Folge 4. Band.) Jena, Fischer.
1«83. X. 503 SS. 8°.
— Geschichte des Gewerbevereins zu Wt-imar l«3o — 1883. Fest-
schrift zur Feier des fünfzigjährigen Jubiläums im Auftrage des
Vereins quellenmässig bearbeitet. Weimar 1883. 85 SS. 8".
Distel, Theod. Nachträgliche Bemerkungen über den Kunsttischler
Hans Schiiferstein zu Dresden : Zeitschr. f. Museologie u. Antiqui-
täteu-kunde. Jahrg. VII (1884) No. 1 B. 3 flg.
— Urteil des Grossherzogs Franz von Toskana über Dresden (157 7):
ebenda S. 4.
— Nachrichten über den Hofbildhauer Lorenzo Mattielli: ebenda
No. 4 S. 26.
Einiges über den kursächsischen Hofmaler Friedrich Bercht
(1575flg.): ebenda No. 5 S. 34flg.
— Eine Rechtsunterweisung Dittrich von Bocksdorfs: Zeitschrift der
Savigny-Stiftung. IV. Germ. Abth. S. 234.
Dittrich, Max. Das Kg). Sachs, 1. Husarenregiment No. 18. Ein
Jubiläums -Gedenkblatt: Wissensch. Beilage der Leipz. Zeitung
1884. No. 16 S. 149—152.
Diintzer, Heinr. Goethes Eintritt in Weimar. Mit Benutzung un-
gedruckter Quellen dargestellt. Leipzig, Ed. Wartig. 1883.
XVL 223 SS. 8».
— Goethe und die Bibliotheken zu Weimar und Jena: Centralblatt
für Bibliothekwesen, Jahrg. I (1884). B. 89—105.
Göpfert, Roh. Die Entwickelung des Postwesens in Zittau, Aus
Anlass des Einzugs in das neue Postgebäude zusammengestellt.
Zittau 1883. 32 SS. 8».
Görner, H. Die Einführung der Reformation in der Diöcese Pirna,
nebst einem Auszuge aus den Visitationsacten von 1555, das
Einkommen der Pfarreien, Schulen und Kirchen betr. Pirna,
Eberlein. (1883). 2 BU. 80 SS. 8«.
Grössler. Inscriptiones Islebienses. Die Inschriften der Stadt Eis-
leben, gesammelt, übers, u, erläutert. 2. Aufl. Eisleben, Mäh-
uert. IV. 108 SS. 8».
Gurlitt, Com. Die Entwicklung der Architektur in Sachsen am Hofe
der beiden Auguste: Wissensch. Beilage der Leipz. Ztg. 1884.
No. 13 S. 7.3—76.
Hertel, Gust. Die ältesten Lehnbücher der Magdeburgischen Erz-
bischöfe. Herausgegeben von der Historischen Commission der
Provinz Sachsen. (A. u. d. T: Geschichtsquellen der Provinz
Sachsen und angrenzender Gebiete Bd. XVI.) Halle, Hendel,
1883. .XXVI. 444 SS. 8».
Hoppe. Über die Stadtkirche in Meiningen. Eine archäologische
Studie. Meiniugen, Keysuer. 1883. 28 SS. und 23 Taf. 8°.
174 I.iteratur.
lli/iiiatciit, Mü.r. Eiiiigo uubcscliriebcno l'^iiiblattilnu kc dos !.">. Jahr-
hunderts : Centralblatt für Bibliothekwesen. Jahrgang I (1884).
S. 151 — 154.
Jiicobi, IT. Im sächsischen Oberland ztir Reformationszeit: Wissen-
schaft!. Beilage zur Lcipz. Ztg. 1883 No. 98, 99. S. 581—584,
589— 59.S.
Jacobs, Ed. Geschichte der in der Preussischen Provinz Sachsen
vereinigten Gebiete. l.~3. Lieferung. Gotha, F. A. Perthes.
188:^. 240 SS. 8".
Korschdt. Kriegsereipuisse der Oberlausitz zur Zeit des baierischen
Erbfolgekriegcs : N.Lausitz, Magazin Bd. LIX S. 29ß 31.3.
V. Krosüß. Konrad. Urkundenbuch der Familie von Krosigk. Eine
Sammlung von Regesten, Urkunden und sonstigen Nailirichten
zur Geschichte der Herren von Krosigk und ihrer Besitzungen.
Im Auftrage der Familie von Krosigk gesammelt und heraus-
gegeben. Zweites Heft. Halle a. S., IL W. S< hmidt. ISS.'J.
S. 77—208. 8".
hier, L. Fünf Briefe K. Fr. Kretschinanns an C. A. Böttiger: Neues
Lausitz. Magazin Bd. LIX S. 338—345.
Lohe, Ernst. Handbuch des Königl. Sächsischen Etat-, Kassen- u.
Rechnungswesens mit Einschluss der Staatshaushaltskontrole.
Leipzig, Veit u. Co. 1884. X, 802 SS. [S. 673— 7.30: Geschicht-
liche Entwickelung der Staatshaushaltskontrole in Sachsen.]
Moräwck, C. Gottl. Die Kirche zu St. Petri und Pauli in Zittau
nebst Kachrichten iiber das sonst dattei befindliche Franziskancr-
kloster. Geschichtliche Erinnerungsblatter aus dem kirchlichen
Leben der Stadt. Zittau (Selbstverlag) 1882. 122 SS. 8".
(Petzhold, J.) Aus dem Correspondenzkreise von Theologen mit dem
König Jiibann von Sachsen : Neuer Anzeiger für Bibliographie.
Jahrgang 1884. Heft 2 S. 47—60. Heft 3 S. 85—90.
Pocschel, Joh. M. Christian Lehmann's Schriften und ihre Bedeu-
tung für das sächsische Obererzgebirge: Wissenschaftl. Beilage
der Leipziger Zeitung 1883. No. 96 S. 569— 574.
— Die ältesten Nacbrichten ülier das Bergstädtlein Scheiiienberg:
Glückauf. Jahrbuch für das Erzgebirge. Jahrg. I (1884) S. 60—70.
— M. Christian Lelimanns Kriegschronik: ebenda S. 125 — 132.
— Das Cadner Scharmützel: ebenda S. 133—137.
— Über den Ursprung des Namens Eiterlein: ebenda S. 109 flg.
— Eine Elrzgebirgische Gelehrtenfamilie. Beitrag z. Kultnrgesch.
d. 17. Jahrb. Leipzig, Fr. Wilh. Grunow. Ib83. XI. 180 SS. 8".
Pohle, Frdr. Wilh. Chronik von Loschwitz. Auf Grund von amt-
lichen Quellen und mit Benutzung des Königl. Sachs. Haupt-
staatsarcliivs, de-« Rathsarchivs der Königl. Haupt- und Residenz-
stadt Dresden, sowie der Königl. Bibliothek zusammengestellt
und bearbeitet. Heft III. Dresden, Albaiuis'sche Buchdruckerei.
1884. S. 105—160. 8".
(Rösch, H.) Zwei Liederbücher. Eine Skizze zur Kenntniss der
Volkslieder im Erzgebirge: Glückauf! Jahrbuch für das Erz-
gebirge. Jahrg. I (1884) S. 16—55.
(Einzelne Volkslieder ebenda S. 14 flg., 56—59, 96—98, 133—138).
— Christian Lehmanns historischer Schauplatz des Erzgebirges. Ein
Quellenwerk für erzgebirg. Heimathskunde: ebenda S. 99 — 124.
Schlobach, 0. Die Südgrenze des Dobrilugker Klostergebietes, mit
Karte: N.Lausitz. Magazin. Bd. LIX S. 228—231.
Literatur. 175
Schumann, Ä. Gotliaische Schriftsteller. XI. Friedrich Bercrer.
Xli. H. Th. Habicht: Petzholdt's Neuer Anzeiger für Biblio-
graphie und Bibliothekwissenschaft. 1883. S. 276—28.3.
Zöllner, W. Das Handwerk der Fleischhauer zu Chemnitz. Fest-
schrift zu der am 4. und 5. Decemher 188." stattfindenden Ein-
weihung des neuen Schlacht- und Viehhofes. Chemnitz. .S." SS. 8*.
Das indirekte Abg-abenwesen im Königreich Sachsen seit der Be-
gründung des Uentschen Zollvereins. Denkschrift der Königlich
Sächsischen Zoll- und Steuer-Direction am Schluss ihres fünfzig-
jährigen Bestehens am 1. Januar 1884. Mit sechs Tabellen.
Leipzig, Veit & Comp. 1884. 71 SS. 8".
Die Landrentenbank im Königrniche Sachsen. Festschrift zur Feier
des am I.Januar 1881 zu begehenden Jul>ilä\uns des fünfzigjährigen
Bestehens dieser .Anstalt. Herausgcgclien von der Königlichen
Land-, Landeskultur- und Altersrentenbank-Verwaltung. Dresden
188.3. 66 SS. 8".
Freibergs Berg- und Hüttenwesen. Eine kurze Darstellung der
orographischen, geologischen, historischeu, technischen und ad-
ministrativen Veihältnisse. Herausgegeben durch den Berg-
männischen Verein zu Freiberg. Mit 10 Tafeln. Freiberg, Graz
und Gerlach (Ed. Stcttner). 1883. VIII. 284 SS. 8".
Herzog Ernst's des P^rommen Special- vnd somlerbabrer Bericht,
Wie nechst Göttlicher Verleihung die Knaben und Mägdlein auff
den Dorß'schafteu vnd in den Städten die vnter dem vnturstcn
Hauifen der Schul -Jugend begrifl'ene Kinder im Fürstenthumb
Gotha kurtz vnd nützlich vnterrichtet werden können viul sollen.
Gotha 1662. Mit kritisch - historis! heu und sachlichen Er-
läuterungen von Jul. Müller. (.\. u. d. T. : Sammlung selten gewor-
dener pädagogischer Schriften früherer Zeit. Herausg. von A. Israel
und Job. Müller. 10. Heft.) Zschopau, Raschke. 1883. 136 SS. 8".
Die Stadt Pausa und ihre nächste Umgebung. Herausgegeben vom
Verein für ürtskunde. 2. Lieferung. Mit einer Ansicht vom
Bade Pausa. Plauen, Kell (Comm.). Pausa 1883. S. 49—96. 8".
Beiträge zur sächsischen Kircliengeschichte, herausgegeben im Auf-
trage der „Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte" von
Franz Dibelius und Gotthard Lechler. Zweites Heft. Leipzig,
Job. Ambr. Barth. 1883. 8".
Inhalt: Kahnis, Die geschichtlichen "Wendepunkte der evange-
lisch-lutherischen Landeskirche des Königreichs Sachsen. Knothe,
Die Erzpriester in der Oberlausitz. Seifert, Wo hat Luther am
Pfingstsonntage (25. Mai) 1539 in Leipzig gepredigt? Königsdörffer,
Memorabilien der Kirchfahrt Langbenncu-sdorf bei Freiberg aus
dem 16. und 17. Jahrhundert. G. v. Hirschfeld, Die Beziehungen
Luthers und seiner Gemahlin Katharina von Bora zur Familie
von Hirschfeld. Dibelius, Luther in Dresden. Miszellen.
Mittheilioigen des Alterthumsvereins zu Flauen i. V. Dritte Jahres-
schrift auf d. J. 1882 — 1883. Herausgegeben von Joh. Müller.
Plauen, Neiipert (Komm.). 1883. 8".
Inhalt: Joh. Müller. Urkunden und Urkundenauszüe zur Ge-
176 Literatur.
schichte Plaiieub und des Vogllandes v. J. 132y— 135G. W.l''ischer.
Kardinal Herzog Christian August zu Sachsen -Zeitz und die
Deutschordensballei Thüringen. C. v. R., Beiträge zur Geschichte
des vogtländischen Adels (1. Die v. Reinsdorf, v. Tlioss und
V. Weischlitz). v. Zezschwitz, Nachrichten aus dem Pfarrarchiv zu
Wohlbach. Joh. Müller, Zum 400jähngen Jubiläum des erblichen
Anfalls der Herrschaft Plauen an die Krone Sachsen (Festvortrag
am 2. Mai 1882).
Mittheihingen des Vereins für die Geschichte und AUerthumskunde
von Erfurt. Heft 11. Erfurt, Villaret (Komm.). 1883. 8».
Inhalt: Werneburg, Beiträge zur thüringischen (Jeschichte. Böck-
ner, Peterskloster zu Erfurt. Erlandsen , Beiträge zum Peters-
kloster. Werneburg, Über das Erfurter Stadtsiegel, v. Tettau,
Übersichtliche Zusammenstellung der in Erfurt und dessen Um-
gebung gefundenen vorgeschichtlichen Gegenstände,
Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertums-
kunde. N. P\ Bd. HI. Der ganzen Folge 11. Band. Heft 4. Jena,
G. Fischer. 1883. 8".
Inhalt: Berth. Schmidt, Arnold von Quedlinburg und die älte-
sten Nachrichten zur Geschichte des Reussischen Hauses. Genast,
Aus drei Jahrhunderten der Armbrustschützengesellschaft in
Weimar. Miscellen : Mitzschke, Der Name Alm(e)rich für das
Dorf Altenburg bei Naumburg a S. Anemüller, Geschwinde Scrifft
Hertzog Johans P^rüdrichs des mittlem ... an die Graven zw
Mansfelt ihrer Theologen und Druckerey halben. Ders., Zeitung
von der Churfürstl. persecution Anno 1566.
V.
Magdeburgs Belagerung
durch Moritz von Sachsen 1550 — 1551').
Von
S. Issleib.
Die Belagerung Magdeburgs *) durch Moritz von
Sachsen schloss sich eng an die Belagerung Braunschweigs
durch Herzog Heinrich d. J. von Wolfen büttel an.
Der Kampf des Herzogs gegen Braunschweig war
ein Ausbruch tiefgewurzelten , alten Hasses. Ihretwegen
war Heinrich (1542) durch die Häupter des schmalkaldi-
sclien Bundes von Land und Leuten vertrieben worden^)
und seine Rückkehr (1547) hatte keine Aussöhnung her-
beigeführt. Der rührige Eifer, mit welchem Herzog
Heinrich seit 1548 neben dem Kurfürsten von Branden-
burg und dem Erzbiscliof von Magdeburg ein energisches
') Verg]. die Abhandlung in dieser Zeitschrift IV, 273 flg. :
Magdeburg und Moritz von Sachsen bis zur Belagerung der Stadt
(September 1550).
^) Bes selmeier, Gründlicher Bericht des magdeburgischen
Krieges etc. (1552); M er ekel, Warhafi'tiger, aussführlicher und
gründlicher Bericht etc. (Dasselbe bei Hortleder II. 4. Kap. 18 u.
19. S.119t u. 1224.) Pomarius 185. — Bisher hat man die Belagerung
Magdeburgs meist nach den Berichten Besselmeiers und Merckels
dargestellt; allein sie enthalten viele Unrichtigkeiten.
^) Vergl. des Verfassers Arbeiten in den Mittheilungen des
Königl. sächsischen Alterthumsvereines XXVI (1877), 1 flg. und in
V. Webers Archiv für die sächsische Geschichte N. F. V (1878),
97 flg.
Neues Arohiv f. K. (! ii. A. V. 3. 12
178 S- Issleib:
Vorgehen gegen Magdeburg betrieb*), erklärt sich wesent-
hch aus seiner Stellung zu Braunschweig. Nach seiner
Meinung bestärkte Magdeljurgs Standlml'tigkeit den wider-
setzlichen Sinn der Braunschweiger, und nach seiner Über-
zeug"ung wurde mit der Unterwerfung und Bestrafung
Magdeburgs auch der Trotz seiner lutherischen Unter-
thanen gebrochen.
Während nun die Berathungen über die magdeburgi-
sche Achtsexekution von einer Tagsatzung zur andern
wanderten, steigerte sich das missliche Verhältnis zwischen
ihm und Braunschweig bis zur Unerträglichkeit. Ver-
letzende Ausfälle und beschimpfende Plünderungen von
Seiten der Bürger nöthigten zur rächenden Rüstung.
Um alle alten und neuen „Frevel" derselben gebührend
zu ahnden, suchte Heinrich durch auswärtige Hilfe seine
dürftige Macht zu verstärken *). Er bat den Kurfürsten
von Sachsen um 200 Pferde und zwei Fähnlein Knechte
und den Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach
um einen „eilenden Reiterdienst"; um Mannschaft zu Fuss
und Ross ging er den Kurfürsten von Brandenburg,
Herzog Erich von Braunschweig, die Bischöfe von Würz-
burg und Bamberg und andere Herren an. Allein statt
Hilfe liefen Vertröstungen, Entschuldigungen und Ab-
mahnungen ein; nur der jugendliche Herzog Georg von
Mecklenburg erschien in Heinrichs Nähe.
Kaum hatte die Belagerung Braunschweigs (Anfang-
Juli 1550) begonnen, da erschienen kaiserliche Mandate,
welche Einstellung aller Feindseligkeiten und den Besuch
des augsburgischen Reichstages „zur gütlichen und recht-
lichen Vergleichung" geboten. Kaiserlichem Wunsche ge-
mäss bemühten sicli auch die Kurfürsten von Sachsen
und Brandenburg, zwischen der Stadt und dem Herzoge
zu verhandeln'*), zumal es in ilireni Interesse lag, wenn
die vor Braunschweig entzündete Kriegsfackel an gleichem
Orte wieder erlosch'). Unter dem Scheine des Gehorsams
gegen den Kaiser, in Wahrheit aber wegen Mangels an
Mannschaft und Geld hob Herzog Heinrich am 8. Sep-
*) Vergl. diese Zeitschrift IV, 287. 290 flg.
*) A. V. Druffel, Beiträge zur Reichsgeschichte 1546 — 51, I.
Briefe und Akten zur Gescliichte des KJ. Jahrhunderts. (München
1873.) No. 438. Joh. Voigt, Markgraf Albrecht Alcibiades 224.
•) Dresdener Hauptstaatsarchiv Loc. 9151, Magdeburgische Be-
lagerung, Buch II. Bl. 4'>2.
') Vergl. diese Zeitschrift IV^, .312 flg.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 179
teraber 1550 die erfolglose Belagerung wieder auf. Die
herzoglichen und städtischen Truppen wurden entlassen.
Da nun gewann Herzog Georg zehn Fähnlein Knechte
(etwa 3000 Mann) und 200 Reiter ^j, um angeblich einen
unterbrochenen Streit wegen unberücksichtigter Erban-
sprüche mit seinem Bruder Johann Albrecht und mit
seinem Vetter Herzog Heinrich auszufechten "). Von
Braunschweig aus führte er seine Mannschaft in das Stift
Halberstadt und von da in das Erzstift Magdeburg (am
16. September 1550). Zu statten kam, dass es dem leb-
haften Wunsche des Kaisers entsprach, die Achter zu
belästigen und zu schädigen; verlockend war es, den
Magdeburgern eine Anzahl besetzter Stiftsgüter zu ent-
reissen und den geplanten Zug gegen Bruder und Vetter
durch leichterworbene Beutegelder zu fördern'").
Am 17. September überfiel Herzog Georg den erz-
stiftischen, von magdeburgischen Truppen besetzten Ort
Wanzleben (südwestlich von Magdeburg). Der Flecken
wurde geplündert und eingeäschert, allein der dreimalige
Sturm gegen das Scliloss von der Besatzung tapfer ab-
geschlagen. Am folgenden Tage nahm man Dreileben
und brandschatzte die Nachbardörfer. Arg schilderten
Augenzeugen das Treiben der raublustigen Landsknechte.
Die geschädigten Magdeburger rückten nun unter Führung
des Grafen Albreclit von Mansfeld in das Feld"), wagten
es aber nicht, den Feind in seiner vortheilhaften Stellung
') Die Angaben schwanken zwischen 3 — 5000 Knechten und
2—300 Reitern. Loc. 9151, II, 34 flg.; vergl. Loc. 8502, Churf.
Moritzen Schriften an Sr. Churf. Gu. Bruder Hertzog Augustum
1546—52, Bl. 55.
«) Die Kunde von Herzog Georgs Truppenwerbung gab wenig-
stens dem Bruder und Vetter, sowie deren Verbündeten, dem Markgrafen
Hans von Küstrin und den Herzögen von Pommern willkommenen
Grund, Mannschaften zusammen zu ziehen. Dem Kaiser gegenüber ent-
schuldigten sie unter diesem bequemen Verwände ihre kaiserfeindlichen
Rüstungen. Vergl. Druffel I, No. 563; Forschungen zur deutschen
Geschichte X, 195, Briefe von Johann Sleidanus an den Kardinal
Jean du Bellay vom 13. Dezember IsöO, mitgetheilt von L. Geiger.
'") Über Grund und Urheberschaft des herzoglichen Zuges in
das Elhgebiet kamen allerlei Gerüchte in Umlauf. Ich habe nicht
linden können, dass Praktiken Heinrichs von Braunschweig -Wolfen-
büttel, oder des Kurfürsten Moritz von Sachsen, oder des magdebur-
gischen Domkapitels (vergl. Besselmeier etc.), oder Eifer für
Exekution der Reichsacht den Herzog G^org in die Nähe Magdeburgs
geführt haben.
") Pomarius 187.
12*
180 S. Issleib:
anzugreifen und kehrten thateulos in die Stadt zurück.
Darauf wurden die Bauern der Unig-egend mit Waffen,
Pferden und RUstwag-en in die Stadt entboten und die
lieihcn der wehrhaften Bürger durch Söklner vom braun-
.schweigischeu Behigerungsheere zu weiteren Unternehmun-
gen verstärkt.
Währenddem marschierte Herzog Georg von Dr ei-
leben aus durch die dörferrciclio Börde nach dem Kloster
Hiller sieben im Amte Wolmirstedt Indem er sich
der Altmark näherte, war anzunehmen, er werde mit den
erpressten und erbeuteten Barschaften das Erzstift ver-
lassen. Da führten die Magdeburger eine andere Wendung
der Dinge herbei. Auf die zahlreichen Bitten beraubter
und flüchtiger Landbewohner hin beschlossen sie, „den
Feind von dannen zu jagen". Zwar malmten die Grafen
Albrecht von Mansfeld und Christian von Oldenburg,
Hans von Heideck, Klaus Berner und Kaspar Pflug von
diesem Unternehmen ab, weil Herzog (xeorg geübtere
Leute beisammen habe; allein der unbesonnene Bürger-
muth entschied, Sonntag, den 21. September zwischen
2 und 3 Uhr nachmittags'^) zogen zwölf Fähnlein Bürger,
Landsknechte und Bauern mit drei lieitergeschwadern
(zusammen wohl 5000 Mann) unter Führung des „vor-
jährigen" Bürgermeisters Georg Geiücke aus; es folgten
die Wagenburg, die ßüst- und Rennwagen, die Rollwagen
mit Doppelhaken und elf Stück Feldgeschütze. Während
der Naclit rastete die Mannschaft bei A\"olmirstedt im
freien Felde (zwei Meilen von Magdeburg). Am folgen-
den Morgen, ungefähr zwei Stunden vor Tagesanbruch'^),
schickte sie sich an, das mcckleubuigische Lager zu über-
rumpeln. Zu spät ! Durch zuverlässige Kundschaft vom
Vorhaben der Gegner unterrichtet, erwartete Herzog Georg
die Magdeburger vor dem Dorfe Hillcrsleben und
brachte durch geschickte Anordnungen den Städtern in
kurzer Zeit eine vollständige Niederlage bei. Gegen
1500 Mann fielen") und 800 Mann ungefähr geriethen in
Gefangenschaft. Bürger und Bürgerssöhne wurden geschont
• — sie erkauften ihre Freiheit je nach Stand und Ver-
'*) Loc. 9151, 11, 31 flg. luul Besselmeier, Merckel,
Ponuirius etc.
'») M er ekel giebt 7 Uhr an.
'*) Die Zahl der Gefallenen wird von lOOJ bis in die 3000 an-
gegeben.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 18t
mögen durch ein Lösegeld von 60 — 300 Mark ^•') — ;
jämmerlich dagegen ging man mit den armen Bürgern
und mit dem Landvolke um. Ohne Schwertstreich ergab
sich nun der feste, mit Proviant und Munition reich ver-
sehene Ort Wolmirstedt. — Tags darauf Hess Herzog
Georg die erbeutete Wagenburg, die Rüst- und Renn-
wagen, Geschütze und Fahnen im Dorfe Hillersleben auf-
reihen'"), und zwei Tage später (am 25. September) rückte
er nach Schönebeck (südlich von Magdeburg) vor, um
das Städtchen zu besetzen „und sein Heil gegen die
Städter fortan zu suchen".
Überaus schnell verbreitete sich die Kunde von dem
vsiegreichen Gefechte bei Hillersleben (oder Neuhai -
densleben). Die Entscheidungsschlacht manches ansehn-
lichen Krieges hat kaum grösseres Aufsehen erregt, als
dieser glückliclie Kampf des mecklenburgischen Herzogs
gegen die geächteten jMagdeburger (am 22. September 1550).
In jenen Septembertagen schickte sich Kurfürst Moritz
an, den Reichstag zu besuchen. Zwei Monate hatte er
den drängenden Kaiser hingehalten; allein mit Aufhebung
der braunscliweigischen Belagerung fiel der letzte triftige
Entschuldigungsgrund dahin. Die Abreise wurde auf
den 26. September festgesetzt^*). Schon hatten die kur-
fürstlichen Räthe, das Hofgesinde und die Hofwagen
Dresden verlassen — der Hofstaat rückte bis Nürnberg
vor'^) — , als die Stif'tslande durch den Anzug des Her-
zogs von Mecklenburg beunruhigt wurden. Sofort ver-
tagte Moritz die Reise nach Augsburg; denn seltsam
konnte sich die nächste Zukunft anlassen. Nicht allein
der mecklenburgische „Gardhaufen", die beiden Stifter und
Magdeburg, sondern auch die politische Lage von ganz
Norddeutschland und die Pläne des Kaisers gegen die
„Rebellen" waren in das Auge zu fassen. Dazu kam
des Kurfürsten antikaiserliches Verhältnis zu Frankreich.
Gerade damals peinigte ihn Tag und Nacht die Sorge,
der an König Heinrich H. geschickte Unterhändler möge
'*) Pomarius 191.
"') Die Wagenburg schenkte er später dem Kurfürsten von
Sachsen, die Fähnlein übersandte er dem Kaiser und die Feldge-
schütze behielt er für sich,
") C. A. Cornelius, Churfürst Moritz gegenüber der Fürsten-
versch-xörung i d. J. 1530—51 iMünchcn 18(57), 34, Brief des Kur-
fürsten Moritz an Wilhelm von Schachten und Simon Bing, Weideuhan
am 24. September 1550.
'») Loc. 9151, II, Bl. 462, 473.
182 S. Issleib:
„niedergeworfen" und die Verhandlung mit Frankreich
verrathen worden sein. Das Verweilen im Hcimathlande
erschien durchaus nothwendig, zumal seine Person bereits
in Anspruch genommen wurde.
Sobald nämlich Herzog Georg in den Stiftsgebieten
einrückte, baten „die Verordneten des Domkapitels von
Magdeburg und Halberstadt" unter Berufung auf den
letzten kaisi-rlichen Befehl den Kurfürst(;n als „Schutzherrn
der verlassenen und herrenlosen Stifter" um Hilfe*®).
Unverzüglich wurde daher Joachim von Gersdorf (am
20. September) mit dem Auftrage abgefertigt, über die
Pläne des Herzogs von Mecklenburg genaue Erkundigungen
einzuziehen und die Weij-führuni»; des Krieg-svolkes von ihm
zu fordern. Wenige Stunden darauf, als dem Kurfürsten
klar war, er könne sein ferneres Ausbleiben vom Reichs-
tage mit dem „Gardhaufen" aufs beste entschuldigen und
aus der ganzen Sache für sich selbst mancherlei Vorthcile
ziehen, entsandte er Jakob von der Schulenburg, um über
eine Zusammenkunft mit Herzog Georg zu verhandeln
und den Fürsten unter Umständen zu berathen. Schulen-
burg traf im mecklenburgischen Lager ein, als der Herzog
soeben die Magdeburger bei Hillersleben geschlagen hatte
und nach Wolmirstedt vorzurücken im Begriffe stand
(am 22. September). Aufgefordert, begleitete der sächsi-
sche Gesandte den siegesfreudigeu Fürsten. Ein lebhaftes
Gespräch über das glorreiche Gefecht und über Kurfürst
Moritz kürzte den Ritt. Auf die angebrachte Werbuno-
ging der Herzog bereitwillig ein vuid gab schiiftlich zu
erkennen^"), dass er mit dem Kurfürsten zusammenkommen
und mit ihm über alle Dinge, an denen ihnen beiden
gelegen sei, reden wolle. Zugleich erholte er sich Raths
über sein ferneres Verhalten gegen die Magdeburger.
Moritz bestimmte den Ort der Zusammenkunft und gab
seinen Wünschen hinsichtlich Magdeburgs Ausdruck.
Georg versprach darauf, ohne Vorwissen des Kurfürsten
sich in keine Verhandlung mit den Achtern einzulassen
und ohne seine Zustiunnun"' keinen Vertrag- abzuschliessen.
Mittlerweile hatten sich die Stiftsstände in Stassfurt
versammelt, um über ihre Rüstung, über Stellung und
Haltung zu Herzog Georg und über Wiedereinnahme der
an die Magdeburger verlorenen Stiftsgüter zu berathen.
'•) Loc. 9151, II, ßl. .33 ftg.
»") Brief vom 23. September 1550, Loc. 9151, II, Bl. 68.
Magdeburgs Belagerung durcli Moritz von Sachsen 1550 — 51. 183
Kurfürst Moritz ermahnte sie, ihre aufgebotene Mannschaft
nicht gegen das mecklenburgische Kriegsvolk zu gebrau-
chen; Herzog Georg liabe die Exekution der Acht be-
gonnen und den Magdeburgern bereits einen grossen Theil
der Stiftshcäuser entrissen; bei Vermeidung aller Feind-
seligkeiten gegen den Herzog sollten sie allein die Orte
besetzen, welche noch in den Händen der Magdeburger
seien.
Vom Kurfürsten von Brandenburg lief damals die
Nachricht ein, er werde jederzeit bereit sein, im Vereine
mit Moritz dem Erzstifte und Stifte Schutz und Entsatz
7Ai leisten^') und zur Verhütung weiterer Irrungen den
mecklenburgischen Bruderzwist in Güte beizulegend^).
Am 30. September oder 1. Oktober '^■^) fand die Zu-
sammenkunft des sächsischen Kurfürsten mit Herzog Georg
jedenfalls zu Barbi statt. Über die Verhandlungen beider
o-iebt das Dresdener Archiv keinen Aufschluss ; doch wurde
man, wie es scheint, bald handelseinig. Vom 2. — 4. Oktober
verweilte dann Moritz im herzoglichen Quartiere zu
Schönebeck und „brachte das Kriegsvolk an sicli" ^*).
Die Knechte schwuren vorläufig auf drei Monate, und der
Kurfürst versprach Musterung und Zahlung innerhalb eines
halben Monats. Herzog Georg behielt vorläufig eine unab-
hängige Stellung und freie Verfügung über seine 200 Reiter.
In seinen Händen blieben auch die eroberten Amter Wanz-
leben, Dreileben und Wolmirstedt'").
Kurfürst Moritz freute sich des Vortheiles, den „weid-
lichen Haufen" von fast 5000 Mann^*^) ohne grosse
2') Brief vom 25. September aus Grymnitz, Loc. 9151, II, Bl. 79.
") Kurfürst Joachim bat Moritz, aufs eiligste Käthe nach
Tangermnntle abzufertigen, Loc. 9151, II, 74, Brief aus Schönebeck
vom 30. September. Nach D ruffei I, No._563 scheint in Tanger-
münde verhandelt worden zu sein.
'*) Loc. 8-198 „Handschreiben des Kurfürsten Moritz an seine
Gemahlin Agnes, 1547-53^ Brief von Barbi am 1. Oktober 1550.
Vgl. Gottfried Aug. Arndt, Nonnulla de ingenio et moribus Mauritii
principis electoris Saxoniae. Lips. 1806. 4".
^*) Weder Markgraf Hans von Küstrin, noch Markgraf Albrecht
von Brandenburg-Ivulmbach, noch auch, so viel ersichtlich, Kurfürst
Joachim waren anwesend, wie Besselmeier, Merckel und nach
ihnen Pomarius und alle späteren Geschichtsschreiber angeben.
Besselmeier und Merckel haben eine Reihe von Unrichtigkeiten in
den Oktobermonat hineingetragen.
**) Trotz vieler Verhandlungen mit dem Domkapitel behielt er
sie bis zu seinem Tode (vor Frankfurt am Main am 13. Juli 1552).
*•) Täglich hatte sich die Mannschaft verstärkt.
184 S. Issleib:
Scliwierigkeiten gewonnen zu haben. Zog ein „trübes
Wetter" daher, so traf es ihn nicht ungeschützt. Ver-
fügbar war das kleine Heer gegen INIagdeburg, verfügbar
gegen jeden Feind, verfügbar für und gegen den Kaiser.
Überdies kostete die Unterhaltung des Kriegsvolkes, wie
Moritz an seine Gemahlin und an hessische Vertraute
schrieb, vorerst „keinen Batzen, da er etliche PfafFengulden
vorgefunden habe" ^').
Nahe lag, dass der kriegslustige Kurfürst unmittelbar
nach Annahme des Kriegsvolkes den mecklenburgischen
Sieg bei llillersleben ausnutzen und gegen Magdeburg
vorrücken werde; allein (!r überwies die Knechte dem
Herzog Georg nebst Jakob von der Schulenburg mit der
AVeisung, in Schönebeck vorläufig still zu liegen und eilte
selbst nach Leipzig. Dui'ch kluge Erwägungen Avurde
sein kriegerischer Ehrgeiz gezügelt, denn die Mannschaft
war nicht stark genug, Magdeburg im kühnen Sturme zu
nehmen; eine Belagerung aber erforderte umsichtige Vor-
bereitung. Zu beachten war ferner, dass der Leipziger
Landtag von 1548 dem Kurfürsten in betreff Magdebux'gs
bestimmte Beschränkungen auferlegt hatte. Wollte er die
Sympathien der Unterthancn niclit gänzlich verscherzen,
so durfte er keinesweirs rücksichtslos gegen die Land-
stände den Weg der Gewalt eigenmächtig einschlagen.
Dazu kam, dass der Kreistag von Jüterbogk die Exe-
kution der Acht au Kaiser und Keich verwiesen hatte.
Nach Beschluss der Reichsstände aber sollte am o. November
mit Magdeburg zu Augsburg verhandelt werden^*).
Keinesfalls wollte Moritz ohne Wissen und Einwilligung
des Kaisers den Exekutionskrieg eröffnen Das diplomati-
sche Spiel begann.
Mit berechneter, dienstbeflissener Eile berichtete
Moritz^*) an den Kaiser über den „mecklenburgischen
Gardhaufen" und über den Einfall in die Stiftsgebiete,
*') Brief an seine Gemahlin vom 1. Oktolier, vergl. Anmerk. 23
und Cornelius .34 und 40: Moritz' Briefe an Wilhelm von Schachten
und Simon Binq;, datiert Leipzig, am (">. Oktobei' und Torgau, am
12. November l.'iüO.
='») Vergl. diese Zeitschrift IV, 315.
*°) Loc. 10188, „Schreiben von meinem gniuligsten Herrn an
die verordneten Rjith zu Augsburg l'i'iO", Bl. 147. Am 24. September
kam der ersU\ Brief in Sachen ^Magdeburgs an. — Loc. 0151, 11, Bl. 70,
Brief an den Kaiser aus Leipzig vom 25. September, Bl. 154, Brief
aus Schönebeck vom 2. Oktober, Bl. 217, Brief aus Leipzig vom
6. Oktober. (Der letzte Brief bei Druffel I, Xo. 498.)
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 185
über die Aufforderung des Domkapitels zuui Schutze der
Stifter, über den Sieg bei Hillersleben und über seine
Absiebt, mit dem Herzog von Mecklenburg zusammen-
kommen und das Kriegsvolk Zusammenbalten zu wollen,
damit es „weder Magdeburg, noch kaiserlichen Feinden
anhängig werde". Wenige Tage später zeigte er an,
dass ihm die Knechte auf drei Monate geschworen hätten;
er entschuldigte sich wegen der Verzögerung des Reichs-
tagsbesuches und bat um kaiserliche Resolution, woraus
zu ersehen sei, ob der Kaiser die Knechte gegen Magde-
burg gebrauchen wolle oder nicht. Im Falle der Ver-
zichtleistung wollte Moritz das Kriegsvolk zur Vermeidung
vergeblicher Unkosten noch vor x\blauf des Monats beur-
lauben. Wenig stimmte eine Briefstelle, wonach er zur
Verhütung von Weitläufigkeiten das von etlichen sächsi-
schen Kreisständen gemäss des Jüterbogkschen Abschiedes
in Leipzig niedergelegte Geld zur Zahlung eines halb-
monatlichen Soldes verwendet und eine weitere, zu glei-
chem Zwecke nötige Summe vorgesteckt habe, mit Be-
merkungen in anderen Schreiben überein ^").
Voll gespannter Erwartung blickte der Kurfürst den
kaiserlichen EntSchliessungen entgegen. Was seine Person
anging, gedachte er „zu lavieren, so gut er könne". Auf
den Reichstag wollte er nicht eher ziehen, als Ins er ge-
nau wisse, „wohin alle Winde wehen" würden. Falls der
Kaiser den Krieg gegen Magdeburg selbst zu führen
bereit sei, wollte er ihm die Knechte nur dann überlassen,
wenn er Geld und gute Worte gebe, „sonst steche er den
Magdeburgern keine Maus". Gesetzt, der Kaiser komme
nicht nach Norddeutschland, so hoffte Moritz vom magde-
burgischen Handel, „es solle eine Gans daraus werden"**).
In Auo-sburo^ lief die erste kurfürstliche Nachricht am
24. September ein*'^), mid unverzüglich setzte der sächsi-
sche Rath Franz Kram den kaiserlichen Rath Granvella
(Bischof von Arras) vom Zuge des Herzogs Georg gegen
das Stift Halberstadt in Kenntnis. Verwundert fragte Gran-
vella, „wie Herzog Georg zu dieser Kriegsübung komme";
denn so viel ihm bewusst sei, habe der Herzog sein Ver-
mögen erhalten und habe mit dem Stifte Halberstadt
„nichts in Ungutem zu thun". Mit dem Erbieten, die
*") Siehe vorige Seite.
*') Vergl. Bemerkung 27.
") Loc. 10188. „Schriefften, so die Kethe etc. 1550", Bl. 177 flg.
186 S. Issleib:
Angelegenlieit au den Kaiser bringen zu wollen, entliess er
den kurfürstliclien Katli'^).
Am 27. September, nachmittags 3 Uhr, meldete dann
Kram : Der Herzog von Mecklenburg sei aus dem Stifte
Halberstadt in das magdeburgische Gebiet vorgerückt und
habe die Städter bei Hillersleben geschlagen. Sein Herr,
Kurfürt Moritz, habe entbieten lassen, das Kriegsvolk bei
einander zu halten etc. Sobald Granvella die Siegesbotschaft
gehört, begab er sich eiligst zum Kaiser und berichtete
zurückgekehrt: „Derselbe habe den gänzlich unvorher-
gesehenen Fall mit höchster Freude vernonuncn; er danke
dem Kurfürsten für die schnelle INlittheilung der fröhlichen
Zeitung und begehre, unin möge Herzog Georg, der sich
endlich der Achtsexekution gegen Magdeburg mit Ernst
und zugleich init grossem Glücke unterstanden habe, fort-
rücken, die Achtergüter einnehmen und sein Heil ferner
versuchen lassen." Auf die Frage, Avie sich der Kurfürst
verhalten solle, beeilte sich Granvella, darauf bezügliche
Erkundigungen einzuziehen. Der Kaiser Hess zu erkennen
geben, „er wolle nichts lieber, als dass der Kurfürst in
Auosburo- anwesend wäre, befinde derselbe aber infolge
des mecklenburgischen Sieges, dass es, um die Stadt zu
erobern oder um die Rebellen auf andere Weise zu ge-
bührlichem und schuldigem Gehorsam zu bringen, nützlich
erscheine, so solle er dem Herzoge Georg förderlich und
behilflich sein und noch etliche Tage in der Heimath
verweilen. Die Güter, welche der Kui fürst den Magde-
burgern abgewinne, sollten ihm sein und bleiben. Den
städtischen Abgeordneten jedoch''*), welche wegen er-
gangener Citation nach Augsburg abgeschickt werden
würden, möge man auf alle Fälle freien und sicheren Pass
gewähren". — Eine baldige Eroberung Magdeburgs be-
zweifelnd, gab Granvella den persönlichen Rath, der
Kurfürst möchte weder Zeit noch Geld nutzlos opfern
und lieber so bald als möglich auf dem Reichstage er-
erscheinen.
Stracks eilte darauf Kram zum Könige Ferdinand,
der sich bereits zur Vesper begeben hatte. Auch ihn
") Die Halberstädter Stiftsliorren hatten sich auch sofort au
den Kaiser gewendet. Umc-chend M'urden Mandate mit dem Befehle,
das ICriogsvolk zu zerstreuen, ausirel'ertigt, jedoch nicht abgesendet,
sobalil die Nachricht einlief, Herzog Georg sei nach dem „Achter-
gebiete" gezogen.
»*) Yergl. diese Zeitschrift IV, 315.
Magtleburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 187
versetzte die unerwartete Siegesnachriclit in freudige
Stimmung-, und sofort war er bereit, noch am Abende mit
dem Kaiser zu reden, da man die „günstige Gelegenheit"
gegen Magdeburg uiögHchst ausbeuten müsse. — Zwei
Tage später (früh am 29. September) traf Christof von
Carlo witz in Augsburg ein^^), begab sich zu Granvella,
überreichte ein kurfürstliches Schreiben vom 25. Sep-
tember***) und erbat Magdeburgs halber eine bündige
Erklärung. Allein nicht umgehend, wie erwartet, erhielt
er Bescheid. Der Kaiser berieth sich zuvor mit König-
Ferdinand und einigen vertrauten Personen. Erst am
2. Oktober empfing Carlowitz Antwort'*'). Karl V. Hess
den Kurfürsten Moritz autfordern, das Kriegsvolk in
seinem (des Kaisers) Namen zu gebrauchen und sich
Magdeburgs zu bemächtigen. Er war zufrieden, dass die
erstürmte Stadt dem Kriegsvolke preisgegeben werde, und
dass der Kurfürst sie so lange behalte; bis ihm entweder
vom Kaiser oder von der Stadt ein zweimonatlicher Sold
für 5000 Knechte erlegt worden sei. Um Moritz zur
Achtsexekution anzuspornen, gab er zu erwägen, wie be-
schwerlich für die gehorsamen Nachbarn Magdeburgs ein
gewaltiger Reichskrieg- gegen die Achter sein werde.
Schwendi sollte^*) im Namen des Kaisers der magde-
burgischen Kriegshandlang beiwohnen und die sächsischen
Kreisstände zur Unterstützung anhalten. Carlowitz wurde
aufgefordert, die eröffneten Mittheilungen so schnell als
möglich an den Kurfürsten gelangen zu lassen und das
Eintreffen eines kaiserlichen Schreibens in Aussicht zu
stellen '^).
•") Loc. 9151, II, Bl. 1.^2. Er war mit dem Hofstaate und mit
den anderen kurfürstlichen Käthen bis Nürnberg gezogen.
36) Vergl. Anmerkung 29.
") Loc. 9151, II, Bl. 2.37, Brief vom .S.Oktober „früh eilend
Augsburg" mit der Aufschrift: „cito, cito, citissime zu höchst eignen
Händen von niemand zu erbrechen".
ä») Vergl. Druffel I, No. 507, Schwendi verliess Augsburg erst
am 18. Oktober.
*») Das Schreiben, datiert vom 3. Oktober, hat v. Langenn I,
445 benutzt. Die Bemerkung Druffel s I, No. 498, „dieser Brief
kreuzte ein kaiserliches Schreiben, Oktober 3", ist unrichtig.
Nach Loc. 9151, II, Bl. 241 (Carlowitz' Brief vom 6. Oktober) war
zwar das kaiserliche Schreiben „bis auf das Unterschreiben fertig",
aber nach Bl. 256 üg. am 11. Oktober noch nicht unterschrieben,
ebensowenig Schwendi abgefertigt. Die Abreise Schwendis erfolgte
erst am 18. Oktober und der kaiserliche Brief vom 3. Oktober kam
endlich am 27. Oktober im Feldlager vor Magdeburg an. Darnach
188 S. Issleib:
Trotz der Eile hatte Carlowitz mancherlei gegen die
Vorschläge einzuwenden. Seiner JMeinung nach mochte
sich unter derartigen Bedingungen niemand gern in grosse
Gefahren und Unkosten stecken. Er missbilligte die Preis-
gebung der eroberten Stadt an das Kriegsvolk, wodurch
die Kriegskostenerstattung von Seiten der Achter hin-
fällig werde, und bat in betreff des zweimonatlichen Soldes,
nicht bloss auf Erobei'ung, sondern auch auf Belagerung
Bedacht zu nelmien. Geflissentlich fragte er, warum man
nicht das in Jiiterbogk von den beiden sächsischen Kreisen
bewilligte Geld gegen Magdeburg gebrauchen wolle, zumal
die Stände jetzt, wo das Kriegsvolk so nahe vor der Thüre
liege, zur Erlegung des Geldes sehr leicht zu bringen
seien. Granvella erwiderte, man wisse, dass die sächsi-
schen Kreise insgesamt nur dann ihren Antheil erlegen
wollten, wenn auch die andern Kreise Geld geben wür-
den'"); diesen jedoch könne vor dem Termine der an-
beraumten magdeburgischen Verhandlung, die unter allen
Umständen stattfinden solle, keine Zahlung zugemuthet
werden. Verlange man die Verabreichung des sächsischen
Ständegeldes, so würde der Kaiser die Verbindlichkeit hin-
sichtlich des zweimonatlichen Soldes für seine Person aller-
dings zurückweisen. Eins werde gegen das andere fallen.
Der Kurfürst möoe wählen. — Im Verlaufe weiterer Unter-
redung gab Granvella keine Auskunft über erforderliche
Kelterei und Artillerie und entliielt sich jeglicher Erklärung
darüber, wie es gehalten werden solle, wenn der Kurfürst
seine Schuldigkeit thue und die Stadt nicht erobere. Un-
geachtet vieler Bemühungen aucli an den folgenden Tagen
erlangte Carlowitz keine vortheilhaftere kaiserliche Keso-
lution. Seine Ausstellungen trugen ihm von selten des
römischen Königs nur die Bemerkung ein: „wer gewinnen
wolle, der müsse etwas dagegen einsetzen" *M. Am kaiser-
lichen Hofe erwartete man, Kurfürst Moritz werde mit
den gemachten Vorschlägen zufrieden auf seine Kosten
der Achtsexekution mit Eifer nachsetzen. Wie irrte man
in dieser Hinsicht!
sollte Moritz „die Staflt mittlerweile innehaben und abzutreten nicht
schuldig sein, bis die zweimonatliche liesoldung durch einen künftigen
Erzbiscliof von Magdeburii' oder sonst völlig erlebt und bezalilt sei".
Hiernach lautete das schriftliche Versprechen anders als das münd-
liche vom 2. Oktober. Druffel I, Xo. 517 ist auf den 2. Oktolier
zu setzen.
*") Vergl. diese Zeitschrift IV, .308.
") Loc. 9151, ir, lil. 241. Brief vom G. Oktober.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 189
Christof von Carlowitz brachte die Unterredung mit
GranveHa (vom 2. Oktober) zu Pai^ier und entsandte sein
Schreiben in höchster Eile. Dringend bat er, der Kurfürst
möge, sobald sichere Hoffnung vorhanden sei, die Stadt
zu erobern oder sonst zu gewinnen, mit Vorvvissen edicher
der Vornehmsten seiner Lande ohne Zaudern an das
Werk schreiten und später erst die Bewilligung seiner
Landstände einholen. Glimpflich und mit gnädigem Willen
des Kaisers könne er sich dann auch des Reichstagsbe-
suches entschlagen oder die Reise doch möglichst hinaus-
schieben.
Immer hatte Carlowitz dem energischen Vorgehen
gegen die gefähi-liche Eibstadt das Wort geredet, schon
„um ein gutes Verhältnis mit dem Kaiser zu erhalten" ;
jetzt feuerte er in der That zu einer Unternehmung gegen
Magdeburg an. Weit hinter ihm blieben in dieser Be-
ziehung die anderen kurfürstlichen Räthe in Augsburg
zurück; fast ängstlich mahnten sie zur bedächtigen Vor-
sicht ^^). Auf die früheren Berathungen der „Landräthe",
auf die Bedenken des Leipziger Landtages und auf den
Abschied von Jüterbogk verweisend warnten sie, die Aclits-
vollstreckung auf eigne Faust zu unternehmen, denn nach
Ihrer Meinung koste die Exekution viel Mannschaft und
Geld, sie könne dem Kurfürsten und seinen Landen grosse
Gefahren bringen und den Verdacht zuziehen, als halte
er es mit den Katholiken. Er solle sich der Achtsvoll-
streckung nur nach gemeinsamem Beschlüsse des Kaisers
und aller Stände auf Kosten des Reiches unterziehen.
Die heimkehrenden Räthe Dr. Fachs und Dr. Mord-
eisen hoben gleichfalls in einem Schreiben aus Nürnberg
die Beschlüsse der Land- und Kreisstände hervor, wider-
") Loc. 9151, II, Bl. 132, 133, 147 flg. (Briefe des Dr. Fachs
und Mordeisen vom 28.— .'.0 September, datiert von Nürnberg und
Gräfenberg), und Loc. 10 188 „Schriften der Räthe von Augsburg
1550", Bl. 145, 147 flg., Briefe von Osse, Könneritz, Kneut-
lingen und Kram. — Kram bemerkte: „es bedürfe gutes Glückes,
Aufsehens und Bedachtes, er könne leiden, dass Dr. Fachs jetzt beim
Kurfürsten wäre, es wäre weidlich was Tapferes darum zu geben".
.1 u 1. T r a u g 0 1 1 Jakob von K ö n n e r i t z giebt in soiner Abhandlung :
Weigerung der Leipziger Pätterschaft etc. in v. Webers Archiv für
sächsische Geschichte IV (1866), Anmerkung 128 als Ausstellungsort
des Briefes von Mord eisen und Fachs (vom 30. September)
Dresden an, es muss aber heissen Gräfenberg (zwischen Nürn-
berg und Bayreuth). In dieser Abhandlung finden sich noch viele
andere Unrichtigkeiten.
190 S- Issleib:
rietheu Krieg iiiul empfahlen Verhandlung. Der Kurfürst
möge sich an den Beschluss der Reichsstände vom 26. Sep-
tember halten"") und zunächst Güte walten lassen. Viel-
leicht gelinge es, den Grafen Albrecht von Mansfeld der
Stadt „abzustricken", die städtische Kriegspartei zu sciiwä-
chen und die Friedliebenden zu ermuthigen. Das Aus-
bleiben vom Reichstage könne wohl noch durch andere
Gründe als durch Magdeburg gerechtfertigt werden.
Fast unwiderstehlich wurde Kurfürst Moritz in die
Bahn der Verhandlung gedrängt. Und nicht bloss durch
die Mehrheit seiner Räthe ! Fürst Georg von Anhalt er-
schien bereits am 27. September von Merseburg aus in
Leipzig und knüpfte die ersten Fäden friedliclier Ver-
handlung an^^). Moritz räumte ihm die Stelle eines Ver-
mittlers ein, und schnell kehrte der Fürst nach Merseburg
zurück, um dem Magdeburger Stadtrathe unverzüglich
Verhandlung entbieten zu lassen*^). Ohne grosse Bedenken
gingen die Rathsherren auf den Antrag des wohlwollen-
den Fürsten ein und übersandten für seine Unterhändler
„sicheres Geleit in allewege". Darauf eilten der fürstliche
Kanzler Johann Riptsch und Oswald Rot nach Magdeburg
und begannen die Verhandlungen am Nachmittage des
2. Oktober. Sie riethen den Magdeburgern vor allem
infolge der stattgefundenen Leipziger Unterredung (vom
27. September), sich mit einem unterthänigcn Gesuche
unmittelbar an den Kurfürsten von Sachsen zu wenden
und ausserdem gütliche Verhandlung, welche man von
anderer Seite anknüpfen werde, nicht auszuschlagen^").
Am Nachmittage des folgenden Tages erklärten die
Magdeburger, sie könnten sich nur dann in Verhandlung
einlassen, wenn ihnen das reine und lautere Wort Gottes,
sowie alle Privilegien vmd Freiheiten garantiert würden.
Da der Feind vor der Stadt liege und sie nicht wüssten,
was daraus erfolge — denn ein Fürst sei zum Kriegs-
volke gekommen und habe es auf etliche Monate schwören
**) Derselbe setzte die Verliandluiig mit Magdeburg auf den
3. >iovember fest.
") Loc. 9151, II, Bl. 52, 82 Hg.
**) Noch in derselben Nacht jaste ein reitender Bote von
Merseburg nach Magdeburg; ein zweiter folgte dem ungeduldig er-
warteten in der ersten Frühe des .30 Septembers.
*') Faclis und Carlowitz schrieben am 28. September von Nürn-
berg aus an Ilcinricli Alemann und Dr. Levin von Emden, Loc. 9151,
II, Bl. 13(;.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 191
lassen^') — , so trügen sie Bedenken zu verhandeln. In-
dessen der Fürst von Anhalt möge Mittel vorschlagen,
welche ihre Lehre und Privilegien verbürgen würden^*).
Auf diese Antwort hin entsandte Georg von Anhalt
am 4. Oktober einen weiteren Boten, um die Magdeburger
nochmals an den Kurfürsten von Sachsen zu verweisen
und ihnen eindringlich zu Gemüth zu führen, zwischen
Religion und Profansachen zu unterscheiden: in Profan-
sachen seien alle Christen der ordentlichen Obrigkeit
Gehorsam schuldig, nur das göttliche Wort stehe nicht
in der Menschen Macht und Willen , das werde allein
durch Gottes Kraft und Geist in aller Herzen wunderbar
erhalten etc. Der Bote und das ihm anvertraute fürstliche
Schreiben gelangten nicht nach Magdeburg. Herzog-
Georg von Mecklenburg war gegen den Befehl des Kur-
fürsten Moritz von Schönebeck aufgebrochen und mit dem
Kriegsvolke an die Stadt herangerückt. Stürmischen und
ungeduldigen Gemüthes begann er ein keckes, wildes und
wüstes Treiben, verführte das zuchtlose Volk zu unbeson-
nenen und nutzlosen Gefechten, liess brandschatzen, plün-
dern, rauben und gab Jakob von der Schulenburg zu
bitteren Klagen Anlass*^). Als der erwähnte anhaltinische
Bote sich der Stadt näherte, sprengten mecklenburgische
Reiter gegen ihn an, beraubten ihn des Wappens und
aller Papiere und schleppten ihn vor den Pierzog Georg.
Dieser erbrach das fürstliche Schreiben an die Magde^
burger, las es und gab es zurück. Da niemand verordnet
wurde, welcher den Boten bis an das Stadtthor geleitete,
so sah er sich genöthigt, unerledigten Auftrages nach
Merseburg zurückzukehren. Zum Glücke hatte dieser
*■) Sie wussten wohl in der That nicht, dass Moritz das Kriegs-
volk gewonnen hatte.
*') Bürgermeister Alemann und Dr. Emden Mollten nicht ad
partem, sondern zur Vermeidung von Verdacht nur in Gegenwart
einer Rathsperson reden. Die „im Vertrauen" angesprochenen
Theologen bezogen sich auf des üathes Antwort. Am 1. Oktober
1550 (Mittwoch nach Michaelis) erliessen die Magdeburger, um über-
triebene, feindliche Gerüchte zu widerlegen und grosse Besorgnisse,
sowie ängstliche Befürchtungen zu beseitigen, einen ,, wahrhaften
Bericht" über die Schlacht bei Hillersleben Sie bezeugten darin
ihre Standhaftigkeit gegen den römischen Antichristen, Interim und
Konzil, ihre Beharrlichkeit in der reinen Lehre und ihren Muth in
Zeiten der Noth. Po mar ins 203 und Hortleder II, Buch 4,
Kap. 8, S. 1091.
") Loc. 9151, II, Bl. 149 Üg.
192 S. Issleib:
Zwischenfall keine längere Störung zur Folge, sondern
besclileuniote nur die andererseits beschlossene und dem
Stadtrathe bereits angekündigte Thätigkeit. Herzog
Augustus von Sachsen gesellte seine Bemühung zu der
des Fürsten von Anhalt. Sein unbekannter Vermittler
— jedenfalls war es Klaus Berner — brachte von Seiten
der Magdeburger die Erklärung ein, „sie könnten leiden,
dass sich der Fürst von Anhalt zu ihnen begebe". Infolge
dessen fand am 7. Oktober zu Grosssalza zwischen Augu-
stus und Georg von Anhalt eine Berathung statt, und
tags darauf eilte der Auhaltiner nach Magdeburg, ohne
jedoch zu erreichen, was er gewollt. Die Magdeburger
stellten ihre Angelegenheit als eine hochwichtige Sache
dar, welche; abgesehen von städtischen Interessen, nicht
allein Gottes Wort, sondern auch die Freiheit aller Deut-
schen betreffe. Ohne Wissen ihrer Verbündeten, „der
Fürsten, Städte und Stände christlicher Religion", wollten
sie sich in keine Handlung einlassen. Georg nahm nur
die vertröstende Versicherung mit von dannen, man werde
ihn des weiteren verständigen, sobald der Rath der Ver-
bündeten eingeholt sei^").
Inzwischen waren die ersten Meldunoen der kui-fürst-
Cd
liehen Käthe von Augsburg in Leipzig eingetroffen ^ )-
Sobald Moritz erfahren, dass er das Kriegsvolk im Namen
des Kaisers bei einander behalten und die Stadt in seine
Gewalt bringen sollte, erhob er sich mit dem heimge-
kehrten Kath Dr. Fachs und rückte, zumal dringend von
seinem Brüder gebeten, dem Schauplatze seiner künftigen
Thaten nahe. Der Kanzler Dr. Mordeisen begab sich nach
Dresden und bereitete die Berufung des Landtages für
Ende Oktober nach Torgau vor.
Am IL Oktober ritt Kurfürst Moritz in Barbi ein;
abends nahte Kurfürst Joachim von Brandenburg. Um
beide versammelten sich Herzog Augustus, Herzog Georg
5») Loc. 9151, ir, 131.170, 177, 180; Briefe Herzogs Augustus
vom 0., 7. und 9. Olctober. Verirl. Drui'fel I, No. 516, Marillac an
König Heinrich H. (28. Olctober). Unter den Verbündeten \varen
Markgraf Hans von Küstrin und sein Anhang gemeint.
*') Ivrams Brief vom 28. September langte am 4. Oktober in
Leipzig an (Loc. 10188, Bl. 147). Am 5. u. 6. Oktober weilte Moritz
noch in dieser Stadt, vergl. Brief an seine (iemablin vom .">. Oktol)er
(Loc. 8498, Handschreiben etc.) und Anmerkung 29, — Carlowitz'
Brief vom li. Oktober „früh eilend" lief am 8. Oktober in Gross-
salza ein.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 193
von Mecklenburg- und Fürst Georg von Anhalt, der Dekan
des Erzstiftes (Graf Ernst von Mansfeld) und eine Anzahl
Vertreter des Domkapitels und der Stiftsstände'''^). jNIülie-
volle Geschäfte nahmen jetzt mehrere Tage in Anspruch*^).
Zunächst verhandelten die Kurfürsten mit dem Dom-
kapitel und den Stiftsständen über die vorläufige Unter-
haltung des Kriegsvolkes, über die Statthalterschaft des
künftigen Erzbischofs Markorafen Friedrich und über
Entschädigung des Herzogs von Mecklenburg für Ab-
tretung der eroberten Stiftshäuser. Gegen die Statthalter-
schaft des Markgrafen Friedrich vrurde von Seiten der
Stiftsvertretung nichts eingewendet^^); aber mit Ent-
schiedenheit sträubte sie sich gegen eine Abfindungssumme,
welche Herzog Georg gezahlt werden sollte; denn ge-
flissentlich suchte sie den Verdacht fernzuhalten oder zu
vernichten, als hätte man vom Vorhaben des Herzogs
gegen Magdeburg gewusst^''). Hinsiclitlich des Kriegs-
volkes fand auch keine mühelose Einigung statt. Die
Vertreter des Domkapitels und der Stiftsstände wollten
die Truppen nur mit beiden Kurfürsten gemeinsam unter-
halten; wogegen diese erklärten, ohne kaiserliche Ermäch-
tigung und ohne Zustimmung ihrer Landstände in der
Magdeburger Sache nichts mehr als bisher thun zu können.
Bis zur Ankunft kaiserlicher Resolution, die innerhalb
eines halben Monats erfolgen werde, sollte das Erzstift
für die Besoldung des Kriegsvolkes Sorge tragen. Schliess-
lich wurde den Stiftständen die Bezahlung eines halb-
monatüchen Soldes für 6000 Knechte und 800 Reiter auf-
erlegt. Hierauf richteten beide Theile ilir Augenmerk
auf Magdeburg. Ein Waffenstillstand wurde verkündet,
und der mecklenburgische Kanzler Dr. Scheiring entbot
die Magdeburger unter Darbietung sicheren Geleites zur
Verhandlung. Graf Albrecht von Mansfeld und Hans
von Heideck sollten mit Abgeordneten des Rathes und der
Gemeine am folgenden Tage (13. Oktober) um 9 Uhr
früh im Lager erscheinen.
*^) Letztere hatten kurz vorher den Grafen Johann Georg von
Mansl'eld und den Domherrn von Wallwitz mit einem Hilfegesuch
an den Kaiser gesendet. Nach Carlowitz' Brief vom 20. Oktober
erschienen sie am 17. Oktober in Augsburg. Loc. 9151, II, Bl. 256
bis 276. Po mar ins 280 irrt in der Datierung.
**) Loc. 9151, II, Bl. 18.3 fig.
**) Man bat König Ferdinand um Verwendung beim Kaiser
wegen der Statthalterschaft des Markgrafen, Loc, 9151, II, Bl. 296.
") Vergl. D ruf fei I, No. 507.
Neues Archiv f. S. Ü. ii. A. V. 3. 13
194 S- Issleib:
Dr. Scheiring geg-enUber tadelten die Magdeburger
die verübten Oewalttliaten des Kricgsvolkes, stellten in
Abrede, dass sie Rebellen seien, und behaupteten, ihre
Sache botreffe das heilige Evangelium und die Freiheit
deutscher Nation. Sie könnten sich weder auf das päpst-
liche Interim noch auf andere Menschensatzung einlassen.
Dr. Scheiring sollte die Kurfürsten ersuchen, dass sie
nichts gegen Gottes Wort und ,.gemeiiie Libertät" vor-
nähmen, vielmehr alle undiegenden, evangelischen Fürsten
und vStände zu einer gemeinsamen Berathung zusammen-
beriefen, an der sie (die Magdeburger) theilnehmen wollten.
Wegen der völligen Unsicherheit vor der Stadt trugen
die Magdeburger Bedenken, ti'otz kurfürstlichen Geleits
Abgeordnete zu schicken.
In einer schriftlichen Antwort entkräfteten darauf die
Kurfürsten die gegen das Kriegsvolk erhobenen Klagen
imd beschuldigten die Magdeburger der Urheberschaft
aller entstandenen Kriegsbeschwerden. Mit dem Kaiser,
nicht mit ihnen, sollten sie ausfechten, ob sie Rebellen
seien oder nicht. So wenig wie die Magdeburger wollten
sie vom Worte Gottes abfallen. Aber an Magdeburg sei
das Wort Gottes nicht gebunden; dasselbe werde bestehen
und bleiben, wenn Magdeburg längst gestürzt und zerstört,
wenn Himmel und Erde vergangen seien. An der „Libertät
des Reiches" sei ihnen als Kurfürsten weit mehr als den
Magdeburgern gelegen; sie bestehe nicht in Ungehorsam
oder Willkür. Es werde keineswegs das Evangelium
erlöschen und die deutsche Freilieit unterdrückt, wenn
diu Magdeburger ihrer Rebellion und begangenen Frevel
halber bestraft würden. Seit eJahrcn müsse das Evange-
lium ihrer Sünden und Unthaten St hutz und vScheindeckel
sein.
Ungeachtet dieser rügenden Auseinandersetzungen
waren doch die Kurfürsten gewillt, das überschickte Geleit
zu verlängern, und jedem Boten, der nach Augsburg
gesendet werden sollte, freies imd sicheres Geleit zu ge-
währen. Allein niemand erschien im Lager, kein Bote
nahte, tun nach Augsburg zu eilen. Da verständigten
sich die Kurfürsten mit den Vertretern des Erzstiftes über
ein Schreiben an Kaiser Karl V. und an König Ferdinand.
Der Inhalt beider, fast gleichhiutender Briefe, bietet wenig
neues. Nach genauer Angabe der liegenden Verhältnisse
60
) Loc. 9151, n, m. 20ß 11g., Drnffel I, No. 502.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 195
baten sie um kaiserliche und königliche Unterstützung
und um Hilfe der Keichsstände, da jetzt die beste Gelegen-
heit sei, die gehorsamen Stände des Reiches zu schützen
und. die Achter zum Gehorsam zu bringen. Versäume
man die günstige Zeit, so würden die Magdeburger den
Kopf hocli aufrichten, und ihr Muth werde gewaltig wachsen,
wenn die begonnene Belagerung durch Vernachlässigung
wieder aufgehoben werden müsse. Das schädige die Stifter
Magdeburg und Halberstadt, benachtheilige das ganze
Reich und schmälere das kaiserliche Ansehen. An Oarlo-
witz schrieb Kurfürst Moritz, er sei mit den kaiserlichen
Erklärungen vom 2. Oktober keineswegs zufrieden, sondern
fordere anderen und besseren Bescheid, sonst müsse er
ernstlich daran denken, sich aus der oanzen Sache zu
ziehen"').
Auch die Rüstungen in Norddeutschland wurden nicht
ausser Acht gelassen. Die Kurfürsten forderten die Her-
zöge von Mecklenburg und Pommern, Markgrafen Hans,
Herzog Franz Otto von Lüneburg und einige Seestädte
auf''*), die angenommenen Knechte und Reiter verlaufen
und verreiten zu lassen und den Achtern, gegen welche
das Kriegsvolk des Herzogs Georg einzig und allein ge-
braucht werde, in keiner Weise Vorschub zu leisten.
Indem man einerseits den Herzogen von Mecklenburg die
Hand zur Beilegung der brüderlichen und vetterlichen
Irrungen bot, ersuciite man andererseits Karl V., durch
jSIandate Herzog Heinrich von Mecklenburg und Hans
von Küstrin von krieiicrischen Gedanken abzubringen^-').
Ein „offener Brief" an die Einwohner und Bürger Magde-
burgs mit Unterschrift und Siegel beider Kurfürsten (vom
lö. Oktober), welcher gegen Sicherung der Religion und
des Eigenthums und gegen Gewährung doppelten Ersatzes
für jeden Verlust zum Abfall vom „verstockten und kriegs-
ä') Druffel I, 516, No. 503, Bischof von Arras an Königin
Maria, Augsburg am 13. Oktober: „Täglich erwartet man Nachricht,
ob Moritz unter den angebotenen Bedingungen die Belagerung
Magdeburgs übernimmt".
**j Loc. 9151, II, Bl. 2:0 flg. Kurfürst Joachim hatte schon
den Vertrauten Adam Trott an den Markgrafen Hans und nach
Mecklenburg geschickt, um sagen zu lassen, wie es um das Kriegs-
volk stehe; vergl. Bl. 151. Brief an Moritz, Brandenburg am 4. Ok-
tober l.ööO.
*') Der Kaiser war dazu bereit. (Loc. 9151, H, Bl. 220.) Schwendi
überschickte die Mandate später von Torgau aus. (Drutfell, No. 522,
vergl, 514 und 526.)
13*
196 S. Tssleib:
süchtigen Ruth" und zur Ergebung aufi'ordertc, wurde
wohl nicht in die Stadt hefördert*^"). Der vom Domkapitel
und den Stiitsständen den Kurfürston übergebcne Vertrags-
entwurf, wonach das Kriegsvolk nach xA.blauf eines halben
Monats bis zur bewilligten Kcichshilfe von ihnen gemein-
sam unterhalten und das gesamte städtische Eigentlumi
nach Eroberung dt-r Stadt bei Wahrung aller hergebrachten
Rechte des Erzbisehofs, Kapitels und Klerus unter sie
getheilt werden sollte, wurde nicht vollzogen'"').
Nachdem Kurfürst Moritz Johann Jlilicher als Obrist
über die zehn mecklenburgischen Fähnlein gesetzt und
die Knechte durch zwei Fähnlein und 200 Reiter aus dem
Erzstifte verstärkt hatte, nahm er auch Herzog Georg mit
seinen 200 Reitern in Dienst- Gleichen Tages (16. Oktober)
ging er mit dem Domkapitel das Stift Halberstadt um Geld
und Mannschaft an mid erbat vom Herzog Philipp von Lüne-
burg 1000 Schanzgräber'*'').
Trotz der auffälligen Zurückhaltung der Magdeburger
wünschten doch beide Kurfürsten die Verhandlung in Fluss
zu bringen, zumal nach einem eingelaufenen Briefe Christofs
von Carlo witz weder auf kaiserliche, noch auf Reichs-
hilfe vorerst mit Bestimmtheit gerechnet werden konnte.
Es wurde daher Dr. Scheiring in aller Frühe des 17. Ok-
tobers zum zweiten Male nach Magdeburg geschickt, um
abermals Verordnete in das Lager zu fordern'*^). Wohl
sechsmal im Laufe des Tages um Antwort anhaltend,
wurde er von Stunde zu Stunde, und endlich auf den
folgenden Tag vertröstet. Als er dann mit einem Briefe
an die Kurfürsten im Lager ankam, waren beide davon
geritten, der eine nach Wittenberg, der andere nach Branden-
burg. Ihrer Verabredung gemäss wollten sie günstigenfalls
bald wieder vor Magdeburg eintreffen. Dr. Scheiring
l)egab sich nach Wittenberg, überlieferte das Rathsschrei-
ben und berichtete über seinen Aufenthalt in der Stadt.
Aus allem war zu entnehmen, dass die INIagdeburger güt-
liche Verhandlung nicht gänzlich zurückweisen und gegen
genügende Garantie persönlicher Sicherheit im Lager er-
scheinen wollten. Umgehend gab daher Moritz Joachim
von Brandenburg vom Stand der Dinge Nachricht und
•») Loc. 9151, II, Bl. 328.
•') Vgl. Hoffmann, Geschichte der Stadt Magdeburg. II, 274.
«') Loc. 9151, n, Bl. 22.3, 2:55, 442 flg.
") Loc. 0151, II, Bl. .S39 flg.
Magdeburgs Belagernug durch Moritz von Sachsen 1550—51. 197
kündigte seine baldige Wiederankunft im Lager an. Die
Zeit war kostbar. Sclinell wurden die nötliigen Vorberei-
tungen getroffen, und auf Vorschlag Herzogs Augustus
Graf Christof von Oldenburg, Klaus Berner ***) und der
lüneburgische Kanzler, Dr. Holstein, ein Magdeburger von
Geburt, als geeignete „Mittelspersonen" ausersehen.
Am 26. Oktober ***), drei Tage später als beabsichtigt,
traf Moritz wiederum im Feldlager vor Magdeburg ein.
Dr. Scheiring war vorausgeschickt worden, um die Magde-
burger zu einer Unterredung, die spätestens in der Frühe
des andern Tag-es zwischen Stadt und Schanze stattfinden
sollte, einzuladen. Äloritz Avünschte vor Ankunft des
kaiserlichen Kommissars von Schwendi, welcher am
18. Oktober Augsburg verlassen hatte, abzuschliessen.
Nur zu bald aber musste er sich überzeugen, dass er es
mit Personen zu thun hatte, welche vom Ernste bedeutungs-
schwerer Entscheidungen völlig durchdrungen waren und
von denen er raschen Schrittes unmöglich durchgreifende
Erfolge erringen konnte. Zur Absendung von Al)geordneten
in das Lager konnten sich die Magdeburger vorläufig nicht
entschliessen, aber sie bewilligten Verhandlung in der Stadt.
Kurfürst Moritz war mit diesem kargen Ergebnisse wenig
zufrieden, jedoch überwand er seinen Unwillen und stattete
für die zugestandene Unterhandlung seine Vertrauensper-
sonen mit Listruktionen auf das Sorgfältigste aus. Sie
sollten unter anderem anzeigen, dass der Kaiser befohlen
habe, die Knechte zusammenzuhalten und zu verstärken,
und dass dieser die begonnene Belagerung allein oder mit
Reichshilfe beharrlich ausführen werde. Auf Entsatz sei
kaum zu rechnen, weil alle Kurfürsten, Fürsten und die
vornehmsten Städte des Reiches mit dem Kaiser ausgesöhnt
seien. Sie sollten die Gefahren und Unkosten eines
Krieges, sowie die Herbeiführung fremdländischer Truppen
vermeiden'*''). Unversöhnbche Hartnäckigkeit gebe zur
Zerrüttung der Religion und des Reiches Veranlassung.
Der Kurfürst von Sachsen sei wie der Kurfürst von
Brandenburg fest entschlossen, beim reinen Evangelium
und der augsburgischen Konfession zu bleiben, nur in
•*) Loc. 8502. Churfürst Moritzen schriftenn an Sr. Churf. G.
Bruder Hertzog Augustum \^i6 — 52, Bl. 71.
•*) Loc. 9151, II, Bl. 350 flg.
««) Loc. 10188, Schriften, so die Räte etc. Bl. 179. Kram aus
Augsburg (19. Oktober): „Die Spanier haben sondere Lust und Ver-
langen in die sächsischen Lande zu ziehen".
198 S. Issleib:
ein allgemeines, freies und cliristliclies Konzil zu willigen
und die Stadt mit dem Kaiser zu ver[>lelchen. Zu diesem
Zwecke möchten sich diu Magdeburger in seinen (INIoritz')
Schutz hegeben, ihm die Stadt mit Munition und Vor-
räthen anvertrauen und eine Besatzung, die beiden Theilen
schwören solle, aufnehmen. Dagegen wolle er ilmen
Religion, Privilegien und Festung erhalten, Leib und
Gut schützen, sie mit dem Domkapitel und dem künftigen
Erzbischofe abfinden und versöhnen, aus der Reichsacht
befreien und in die kaiserliche Gnade zurückführen. Für
den Fall der Kaiser nach vergeblichen Aussöhnungsver-
surhen Magdeburg bekriegen wolle, sei der Kurfürst er-
bötig, die Stadt im überlieferten Zustande wieder abzu-
treten. Als Unterpfand von Treu und Glaube sollten
beiderseits Geiseln und genügende Versicherungen gegeben
werden. Versäume man die zur Verhandlung noch gün-
stige Gelegenheit, so werde in Zukunft wohl nie wieder
eine gleicli günstige Gelegenheit zu erlangen sein.
Graf Christof von Oldenburg und Klaus Berner be-
gaben sich am 27. Oktober*") in die Stadt und begannen
die Verhandlung. Kurfürst Moritz erwartete baldigen
Erfolg und guten Ausgang. Als sich aber die Berathun-
gen in die Länge zogen und mühsam dahin wanden,
suchte er den trägen Gang der städtischen Erwägungen
zu beschleunigen und entsandte Dr. Scheiring und Dr.
Holstein, um neben den beiden anderen Unterhändlern
durch besonnene Erbietungen und milde Vorschläge auf
vertrauensvolle Entschliessungen hinzuwirken. Lidessen
die bisherige Aktion wurde durch diesen Schritt eher
gelähmt als gefördert. Verabredetermassen sollten Gi*af
Christof von Oldenburg und Klaus Berner am 28. Oktober
früh acht Uhr von dem verhandelnden Bürgerausschusse
Antwort erhalten; aber zu ihrem Erstaunen zeigte sich
zur bestimmten Zeit niemand auf der ^Malstätte, und erst
ziemlich verspätet traf eine befremdende Entschuldigung
ein. Schliesslich erfuhren sie, dass ausser ihnen die ge-
nannten Doktoren mit dem Rathe verhandelten. Besorgt,
„ein Handel könne den andern umstossen", stellten sie
ihre Thätigkeit ein und wandten sich an den Kurfürsten.
Derselbe befahl, sich mit Dr, Holstein zu vergleichen und
emsig fortzufahren. Li einer fast abgerungenen, schrift-
•') An diesem Tage endlich lanjrte das kaiserliche Schreiben
vom 3. Oktober an, (Loc. 9151, II, Hl. 29.3), vergl. oben Anmerkung .S9.
Magdeburgs Belagerung durcli Moritz von Sachsen 1550—51. 199
liehen Erklärung- endlich dankten die Magdeburger dem
Kurfürsten von Sachsen für die Erbietungen hinsichtlicli
der Religion, Privilegien etr. und hofften, er werde sie
mit dem Kaiser aussöhnen, auch etliche Tausend Gulden
zur Erlegung der unumgänglichen Strafsumme vorstrecken.
Die stiftischen Flocken, Dörfer und Güter wollten sie
wieder abtreten, aber den magdeburgischen Domherren
keinen Wohnsitz in der Stadt zugestehen. Der Übergabe
der Stadt und der Aufnahme einer Besatzung abgeneigt,
vermieden sie, den kurfürstlichen Schutz für begehrens-
w^erth zu erachten. In Anerkennung der kurfürstlichen
Erklärung jedoch (beim reinen Worte Gottes und der
augsburgischen Konfession bleiben zu wollen), erboten sie
sich, in gefahrvollen Zeiten auf kurfürstlicher Seite zu
stehen. Bereit, für das Woit Gottes Leib und Blut ein-
zusetzen, wollten sie einer Zusammenkunft der Kurfürsten
von Sachsen und Brandenburg mit Herzog Augustus von
Sachsen und anderen evangelischen Fürsten, Herren und
Städten zum Zwecke öffentlichen Bekenntnisses für die
evangelische Lehre beiwohnen. Dort sollte auch über
zeitliche Dinge billig gehandelt werden.
Ehe diese Antwort im Feldlager anlangte, hatte sich
hier eine vielgeschäftige Thätigkeit entfaltet. Der Kur-
fürst von Brandenburg war eingetroffen und ^larkgraf
Albrecht von Brandenburg -Kulmbach einer Einladung
zufolge angekommen; Vertreter des Domkapitels und der
Stiftsstände liatten sich eingefunden, und aus der Stadt
hatte sich Hans von Heideck ihnen zugesellt'^*). Man
mühte sich ab, einen Vertrag zu formulieren, welcher allen
Interessenten der magdeburgischen Angelegenheit Genüge
leiste, also den Kaiser und beide Kurfürsten, Domkapitel
und Magdeburg' nebst Gesinnuno-s<>;enossen zufriedenstelle.
Es wird sich empfehlen, aus der reichen Anzahl von
Entwürfen den hervorzuheben, welcher Hans von Heideck
vor der Rückkehr in die Stadt eingehändigt wurde "^),
und auf den man später mehrfach zurückkam.
*') Herzog Augustus war in Torgau, um den Landtag bis zur
Ankunft des Bruders zunächst in Münzsachen zu beschäftigen. Haus
von Heideck ass mit Moritz, dem Markgrafen Albrecht etc. das
Mittagsbrot. Loc. 9151, II, Bl. .367, .Si'8. Moritz' Brief an seinen
Bruder (vom 27. Oktober) auch bei Druff el I, Xo. 515.
«») Loc. 9151, 11, Bl. 419 und 9152, V, 2.38, 248 und 2G4. Der
zuletzt angegebene Entwurf findet sich bei Cornelius 41 und
Pomarius 228,
200 S. Issleib;
Darnach sollte sich die Stadt Ijeiden Kurfürsten von
Sachsen und Brandenburg, sowie drei Fürsten (man
dachte au Herzog Augustus und an die Markgrafen Hans
und Albrecht von Brandenburg) und dem zukünftigen
Erzbischof (Markgrafen Friedrich) neben dem Stifte zu
Gnaden ergeben und huldigen. Dagegen wollten die ge-
nannten Fürsten den Magdeburgern das reine Wort Gottes
gemäss der angsburgischen Konfession, alle wohlherge-
brachtcn Privilegien , Freiheiten und Gerechtigkeiten,
Festung, Güter und Gefälle, Leib und Gut erhalten und
beschirmen, die Stadt nach erfolgter Ergebung aus der
Acht befreien und mit dem Kaiser unter folgenden Be-
dingungen aussöhnen: Es sollte Magdebur., (wie vordem
Fürsten, Stände und Städte des Reiches) vor dem Kaiser
einen Fussfall thun, 16 Stück Büchsen liefern und bis in
die ICOOÜO Gulden behufs Aussöhnung und Befreiung
der infolge der Acht bisher eingezogenen und vergebenen
Güter und Privilegien bezahlen'"). Dem Domkapitel und
Erzstifte sollten alle Flecken, Dörfer vmd das gesamte
Einkommen (Ri-nten, Zinsen etc.) wieder eingeräumt und
durch kurfürstliche und fürstliehe Verhandlungen über
die beiderseits zugefügten Schäden, über Wohnsitz der
Domherren und des Klerus in der Stadt und über den
katholischen Gottesdienst im Dome und in anderen magde-
burgischen Kirchen entschieden werden. Bis zur Aus-
söhnung mit dem Kaiser und bis zur Vollziehung der
Kapitulation sollten die ^Magdeburger eine Besatzung,
welche beiden Theilen schwören, aber nur auf lürstliche
Kosten unterhalten werden sollte, aufnehmen. Die Ver-
wendung beim Kaiser sollte sobald als möglich stattfinden.
Im Falle die Aussöhnung mit dem Kaiser nicht erfolge,
sollte die Besatzung wieder aus der Stadt geschafft und
diese den Bürgermeistern und ßathsherren ungeschädigt
zugestellt werden.
Beachtenswerth ist, dass Markgraf Hans mit in den
Handel gezogen werden sollte, da man sich des Vortheiles
seiner Betheiligung Avohl bewusst war. Sein Name hatte
guten Klang in ^lagdeburg, und er adein konnte
alle besorglichen Bewegungen in Norddeutschland mit
Leichtigkeit zügeln und fesseln. Schade nur, dass es so
langer Zeit und so zwingender Umstände bedurfte, diesen
schwer zugänglichen und vorsichtigen Charakter zu gewinnen.
") Kurfürsten und Fürsten wollten diese Summen vorstrecken.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—61. 201
In welcher Weise Hans von Heideck seinen persön-
lichen Einfluss in der Stadt hinsichtlich der über-
gebenen Yertragsartilvol verwerthete, wissen wir nicht").
Der grosse „Praktikant" verliess bald darauf Magdeburg,
um ihren Entsatz bei Fürsten und Städten mit regem
Eifer zu betreiben.
Die Magdeburger gingen auf den von Heideck vor-
gelegten Vertragsentwurf nicht ein, auch die fortgesetzten,
mühevollen Verhandlungen der Doktoren Scheiring und
Holstein erfreuten sich keines befriedigenden Ergebnisses.
Misstrauisch — wie sie waren — glaubten die Bürger
nicht an eine strenge Uneigennützigkeit der Fürsten und
blieben vorläufig bei ihrer an den Grafen von Oldenburg
übergebenen, schriftlichen Antwort stehen. Sie setzten
grosse Hoffnung auf ihre „Verbündeten" und wollten zu-
nächst abwarten, wie sich die Dinge auf dem Reichstage
anlassen würden. Der ganze Handel stockte und musste
einer späteren Zeit überlassen werden.
Am verdriesslichsten war die Erfolglosigkeit der
Verhandlungen für den Kurfürsten Moritz. Mit herben
Worten soll er neben dem Markgrafen Albrecht die Achter
getadelt und harte Ausdrücke gegen sie ausgestossen
haben. „Sein Schelten war greulich und schrecklich zu
hören", entnehmen wir dem Berichte eines Unbekannten,
„er hiess die Magdeburger ehrlose, treulose und meineidige
Leute'-' ■'^).
Die nächste Folge der verfehlten Einigungs- und
Friedensversuche war nun, dass der Waffenstillstand endete
und die Feindseligkeiten gegen die Stadt von neuem und
heftiger begannen. Die in Magdeburg dienenden oder
") Nach Cornelius 40 (Moritz an Wilhelm von Schachten
und Simon Bing, Torgau, am 12. November lööO) hielt es Moritz für
das Beste, die Stadt ergebe sich auf die gestellten Bedingungen hin,
dann stehe der Handel auf ganzen Füssen. Auf die Dauer werde
sich Magdeburg nicht halten könr.en; bekomme es aber „Ratlzahu"
(der Kaiser), so werde er ,,alle setzen, wie sie reiten sollten-' etc.
") Loc. 8775 oder Loc. 91 ö2 „Die Belagerung Magdeburgs
belangend l.ö50". (Ohne Blattzahl.) Bericht vom 29. Oktober. Der
unbekannte Verfasser schreibt: ,,Nuu thut er (Moritz) den frommen
Leuten Gewalt und Unrecht an, sie haben niemanden verraten, noch
auf die Fleischbank geopfert, sie haben keinen Eid gebrochen, noch
sind sie niemandem treulos geworden". — (Hinweis auf die braun-
schweigischen Händel 1545 und auf den sclimalkaldischen Krieg.)
— „In Summa: Das ist die Ursache, dass sie MesspfaÖ'en mit ihren
Messen nicht haben noch annehmen wollen, darum müssen sie leiden
und herhalten."
202 S. Issleib:
ansässigen kurfürstlichen Unterthanen wurden abberufen.
Miin traf Anordnungen, dem Belagerungskriege einen
ernster^'U Charakter zu geben, und Kurfürst Moritz setzte
sich in Bereitschaft, seinen Landstanden die Zustimmung,
Genehmigung und JMitwirkung zur Achtsexekution abzu-
gewinnen.
Am 2. November kam er in Torgau an''), wo ihn
seit nielu'eren Ta<ren von Sclnvendi und Abo;eordnete des
l)omka})itels und der Stiflsstände erwarteten, ersterer, um
im Namen des Kaisers zur Fortsetzung der magdeburgi-
sclien Belagerung angelegentlichst zu ermuntern, letztere,
um in inständigster Weise die Hilfe des Kurfürsten und
seiner Landschaft gegen Magdeburg zu erbitten.
Die Laudtagsverhandlungen über ^Magdeburg dauerten
vom 3. bis IL November. Der Kurfürst Hess den Land-
ständen das Gesuch der Stiftsstände vorlegen und die
Werbung dos kaiserlichen Kommissars bekannt machen
zum Zwecke eingehender Berathung, „wie die Magdeburger
Fehde zu beendigen und wie Friede und Ruhe im sächsi-
sehen Kreise wieder herzusttdlen sei". Ohne mit der
eigenen Meinung lange zurückzuhalten, trat er für das
Recht und die Nothwendigkeit eines Krieges gegen
Magdeburg ein. Li der Proposition und in den folgenden
Schriften belcuchttte er den Ungehorsam der Stadt gegen
jede Obrigkeit, die verübten Vergewaltigungen im »Stifte,
die ruchlosen Frevel gegen die Landbevölkerung, die
Belästigungen des Adels und der Grafen, die Angriffe
gegen die säclisischen Theologen, die Sclnnähungen durch
Spottgedichte, Lieder und Schandgemälde, den Bruch
des allgemeinen I^andfricdcns und den Trotz gegen die
xAnordnunii-en des Reiches. Mit Nachdruck hob er hervor,
es handle sich bei Magdeburg nicht, wie man vorgebe,
um die Religion, sondern um den Profanfrieden, den er
als Kurfürst des Reiches, als sächsischer Kreisobrist und
als Sehutzherr der Stifter aufrecht erhalten müsse. Zu
Gunsten seiner Lande und der Nachbarländer habe er
das Kriegsvolk an sich gebracht, den Achtern Vermitte-
lung und milde A^ertragsartikel, auch sicheres Geleit nach
Augsburg angeboten. Er betonte, dass der Kaiser ihm
") Loc. 9^555, Landtag zu Torgau 1.5Ö0, Lof. 9151, U, 151.298,
Schweiidis Werbung, IJl. ;^>7ft, Werbung von selten des Domkapitels,
der Prälaten, Grafen, liitterschaft und Stände des Erzstiftos Magile-
burg etc , I)ruffel I, No. 52l', Scliwendis Brief an den Kaiser vom
7. I^ovember.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 15; 0—51 . 203
die Aclitsexekution übertragen habe, und crnialintu ernst-
lich, in betreff der Religion nicht den ausgestreuten
Lügen, sondern seinen kurlüistlichen Versicheiungen und
Ausschreiben zu tilauben.
Als die Magdeburger während der Landtagssitzungen
(um 10. November) in das sächsische Amt Plötzkau ein-
fielen und das dortige Kloster heimsuchten, benutzte
Moritz diesen feindlichen Überfall, um zu erweisen, dass
die magdeburgische Sache Profansarhe sei, und stellte
zuletzt einen direkten Antrag auf Hilfe der Landschaft
gegen Magdeburg durch Verlängeriuig der Tranksteuer.
Der persönlichen Gewandtheit und Entschiedenlnit
des Kurfüisten gelang es indessen nicht, die Landstände
seinem Willen gefügig zu machen und zum Kampfe
gegen Magdeburg fortzureissen. Auf den Leipziger
Landtag von LoiS und auf die Tage von Eisleben,
Halle und Jüterbogk verweisend, widerriethen sie Ge-
walt gegen Magdeburg zu gebrauchen und mehr als
andere Reichsstände zu thun. Von den zu Augsburg
versammelten Reichsständen werde Magdeburgs Aussöh-
nung mit dem Kaiser gewünscht. Der Kurfürst solle sie
herbeiführen und Versiclierung der Religion vom Kaiser
auszuwirken suclicn. Man möge die Acht suspendieren
und in Güte verhandeln. Werde nach vergeblicher Ver-
handlung von allen Reichsständen der Krieg beschlossen,
dann möge der Kurfürst seinen Reichsantheil leisten.
Ohne Noth aber solle die Stadt nicht ruiniert und mit
dem Schwerte unterworfen werden. Durch die veröffent-
lichten Schmäh- und Spottschril'ten sei bisher keine Gefahr
für den gemeinen Mann entstanden, kein 'Unterthan sei
durch sie abwendig gemacht worden. Die Schädigungen
der Kriegsknechte und der Überfall von Plötzkau seien
erst durch das feindliche Vorrücken der Trupjien veran-
lasst worden. Werde jemand (dme Grund den Kurfürsten
und seine Lande beschweren, so würden sie sich als treue
Untertlianen erzeigen ; sie hofften aber, der Kurfürst werde
nichts thun, was ihn in einen gefährlichen oder unberechen-
baren Krieg verwickeln könne. Durch Deputierte der
Landschaft möge er mit Abgeordneten Magdeburgs über
die Aussöhnung mit dem Kaiser und über die Herstellung
des Landfriedens verhandeln lassen ; solches werde wenig-
stens die Achter von Einfällen in Kursachsen abhalten
und einen Waffenstillstand herbeiführen.
Im Abschiede des Landtages (vom 11. November)
204 S. Issleili:
erklärte nun der Kurfürst, dass er mit seinen Ständen
im Verlangen nach Rulie und Frieden einig- sei und eine
Verhandlung mit den Achtern von ihrer Seite wohl leiden
könne. Zu diesem Zwecke möchten sie sich mit „Personen
und Instruktionen gefasst nuu-hen". Klar liege aber am
Tage, wie sich die Magdeburger gegen Kaiser, Erzbischof',
Domkapitel, Fürsten, Nachbarn und gegen ihn erzeigt
hätten. Niemand könne ihre Halsstarrigkeit loben. Wür-
den sie ferner in ihrer Hartnäckigkeit verharren und
müsse er sie dann wegen verübter Thaten strafen, so
versehe er sich zu seinen Ständen, dass sie als treue
Unterthanen ihr Veimögen zur Beschützung seiner Lande
und Leute und zur Erlangung gebührlicher Entschädigung
daransetzen würden. Niemand möge sich in die beschwer-
lichen Praktiken, von denen man allgemein höre, einlassen;
jeder möge bedenken, welcher Gefahr er sich dadurch
aussetze.
Statt nun nach Wunsch und Erwartung des Kur-
fürsten Deputierte zu wählen und für sie Instruktionen
zu entwerfen^ gingen die Stände unmittelbar nach ertheiltem
Abschiede auseinander. Kurfürst Moritz sah sich geuö-
thigt, von den zufällig Zurückgebliebenen etliche zwanzig
aufzufordern, namens der sächsischen Landschaft mit
Magdeburg zu verhandeln. Am 20. November sollten sie
zu Bitterfeld zusammentreten. Dr. Fachs und der vom
Reichstage zurückgekehrte Oberhauptmann des Leipziger
Kreises, Erasnuis von Könneritz, wurden befohlen, die
Leitung dieser Verhandlungen als Kommissare zu über-
nehmen.
Das Ergebnis des Torgauer Landtages war, wie er-
sichtlich, für den Kurfürsten wenig erfreulich und zufrieden-
stellend. Vereinsamt stand er inmitten seiner Unterthanen,
die fast ohne Unterschied, voll Abneigung und Misstrauen
gegen den Kaiser, mit Magdeburg symjjathisierten. l\ück-
sichtslos gegen schwerwiegende, persönliche Interessen des
Kurfürsten, verwiesen sie seinen politischen Ehrgeiz der
Religion und der deutschen Freiheit wegen in beengende
Schranken. In keiner l>eziehung gefördert, thürmten sich
für ihn zu vereitelten lloftnun^en nur neue Schwierig-
kelten. jMoritz empfand damals das Peinliche seiner
Lage, aber trotzdem Hess er sich wenig beirren; Stillstand
trat in seiner rastlosen Geschäftigkeit nicht ein. Ungc-
schreckt durch Hemmnisse und Hindernisse setzte er
alle Hebel ein, um in seinen Plänen vorwärts zu gelangen,
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 205
Von seinen Ständen so gut wie verlassen, versuchte
er, beim Kaiser bessere Erfolge zu erringen In einer
Reihe von Briefen nach Augsburg liegt die dringende
Bitte um schleunige Hilfe ausgesprochen^^). Moritz ver-
sicherte, mit dem Kurfürsten von Brandenburg und den
Stiftsständen das Mögliche geleistet zu haben und unter
keiner Bedingung allein oder mit einigen Reichsständen
die Achtsexokution vollziehen zu können; selbst die beiden
Scächsischen Kreise seien nicht im Stande, die Kriegslasten
ohne bedeutende Beihilfe zu tragen. Nicht 6000 Knechte
und 800 Reiter, sondern mindestens 8000 Knechte und
1000 — 1200 Reiter erfordere die Umlagerung Magdeburgs
auf beiden Eibufern. Die Stadt sei eine starke Festung
und habe für lange Zeit Proviant und Munition. Nöthigen-
falls müsse die Reichshilfe für einige Jahre festgesetzt
werden. Lässige und unzureichende Unterstützung habe
für Kaiser und Reich Schimpf, für die Nachbarn Gefahr
und Nachtheil zur Folge. An der Stadt Münster habe
man erfahren, wie lange verstockte Bürger bis zum äusser-
sten auszuhalten vermöchten. Der gemeine Mann hänge
an Magdeburg; weder im Stifte noch in Brandenburg
oder Sachsen seien für Geld und Monatszahlung Schanz-
gräber aufzubringen. In Mecklenburg würden Knechte
und Reiter versammelt, allen Vermuthungen nach zum
Entsätze von Magdeburg. Das Kriegsvolk vor der Stadt
müsse verstärkt und jedweder Entsatz verhindert werden.
Die Auslagen, welche er mit dem Stifte schon einen
ganzen Monat getragen, könne er nicht mehr bestreiten,
ohne sich gänzlich zu erschöpfen. Seine Unterthanen
verweigerten jeden Beistand. Der Kaiser möge auf
alle Fälle Geld senden. Wolle er für seine Person
nichts thun , noch den Reichsvorratli verbrauchen, so
möge er wenigstens bis zur Bewilligung einer neuen
Reichsanlage 150 — 200 000 Gulden vom Reichsvorrathe
vorschiessen und innerhalb eines halben Monats nach
Sachsen schicken. Bis hahin wolle er (Moritz) mit
dem Stifte die Knechte zusammenhalten und noch durch
fünf Fähnlein verstärken. Weiter hinaus wisse er
keinen Rath. ■ — Um quälenden Verlegenheiten vor-
zubeugen, wiederholte er, von Ungeduld gepeinigt, in
jedem Schreiben, der Kaiser solle ihn in der Exekutions-
'*) Loc. 915J, II, Bl. 298 flg., 480. Vergl. Druffel I, No. 522,
Schwendis Bericht an den Kaiser vom 7. November 1550 aus Torgau.
206 S. Issleib:
saclie nicht stecken lassen. Allein selbst den äiisscrsten
Anstrengungen gelang es nicLt, einen beschwerliclien
Verzug zu kürzen.
In Fülle ergingen um jene Zeit Gerüchte über das
erwcähnte Kriegsvolk in Mecklenburg und Niedersachsen '*).
Grössere V'erwickehuiücn schienen sich deutlicher vorzu-
bereiten. Aus einem ruliiiren Abwarten konnten nur
Nachtlieile entspringen; unerlässlich waren rasche und
wirksame Schritte. Lazarus von Schwendi befand sich
im Besitze kaiserlicher Mandate, welche jede Ansammlung
von Knechten und Reitern verboten"*). Sie wurden jetzt
in Eile an die Herzöge von Mecklenburg und an den
Markgrafen Hans von Küstrin gesendet. Kurfürst Moritz
selbst wandte sich Mitte November an die Herzöge von
Preussen, Mecklenburg und Ponmiern und warnte vor
Praktiken und neuen Bündnissen. Nach Aufzählung-
aller Ereignisse seit der Belagerung Braunschweigs und
nach ausführlicher Darlegunj; aller wissenswerthen Ver-
hältnisse bat er, den falschen Nachrichten seiner agitatori-
schen (iegner keinen Glauben zu schenken und sieh der
Achter in keiner Weise anzunehmen. Da jetzt neben dem
Kaiser die Reichsstände für nöthig hielten, das Kriegs-
volk vor Magdeburg zu unterhalten und zu verstärken,
so sei leicht zu ei achten, ge^en wen derjenige handle,
welcher Magdeburg zu entsetzen unternehmen werde.
Zulezt ersuchte Moritz die Herzoge, freundlichst anzuzeigen,
„was eines neuen Bündnisses halber an sie gelangt sei".
Kaum wohl erwartete Moritz schnelle und aufhellende
Auskunft hervorzulocIceU; oder einen sofortigen Umschwung
der Dinge herbeizufühi-en; aber er hoti'te durch seine
sachgemässen Aufklarungen allen geheimnisvollen Unter-
nehmungen Halt zu gebieten und unbefugte, störende
Einmischungen in die magdeburgische Angelegenheit i'ern-
zuhalten. Das stand bei ihm fest (bereits hatte er sich
gegen Schwendi dahin ausgesprochen): Hills- und Entsatz-
truppen wollte er auf alle Fälle diesseits oder jenseits der
Elbe zurückschlagen oder auseinander treiben, mochten
gleich Hurien vom Adel geprahlt haben, mit dem Kriegs-
volke vor Magdeburg die Martiusgans essen zu wollen'").
") Loc. 9151, II, Bl. 1.^0, IV, Bl. 283 ilg. ; Druffd I, No. 522.
"■•) Druft'el I, No. 52-, Marillai; an K'Öiiig Heinrich IL, Augs-
Imrg, am 11. Novembi'v 1550: „Den Markgrafen Johann hat der
Kaiser ernstlich aut'gt't'oidert, von Praktiken abzusehen".
") Loc. 9151, II, 151. 508 flg.
Magdeburgs Uelagerung durch Moritz von Sachseu 1550—51. 207
Bald nahte der in Torgau festg-esetzte Tag von
Bitterfeld "*). Die beiden kurfürstlichen Kommissare,
neun Mitglieder der Ritterschaft und die Gesandten einiger
Städte erschienen. Vor lauter Bedenklichkeiten aber und
Unlust kam man gar nicht zur Verhandlung. Die Depu-
tierten sträubten sich, im Namen der gesaraten Landschaft
irgend welche Entschliessungen zu fassen und baten die
Bevollmächtigten, sie beim Kurfürsten 'günstig zu ent-
schuldigen. Sobald ihnen dann Moritz von Wittenbero
aus, obschon im Tone merklichen Unwillens, freistellte,
zu bleiben oder nicht, zogen sie vor, auseinanderzugelien.
Kläglich scheiterte der Versuch einer ständischen Ver-
handlung mit Magdeburg. Vergeblich wurde ausserdem
Dr. Kitzing zu einer Zusammenkunft von Fürsten, Grafen,
Adel und Städten nach Lüneburg abgefertigt'^). Zu
Schanden wurden gleichfalls die ernstlichen Bemühungen,
den magdeburgischen Handel durch Vermittelung des
]\larkgrafen Hans gütlich beizulegen. Dieser sah die
Elbfcste als eine Schutzmauer der Religion und der deut-
schen Freiheit an und wollte keinesfalls — sollte er gleich
dabei zu Grunde gehen — die Unterwerfung des luthe-
rischen Bollwerkes zulassen. Auf seine Gegenvorschläge
aber konnte Moritz unmöglich eingehen, er hätte sonst
die ergiifFenen Zügel gänzlich aus der Hand geben und
seine jahrelang betriebene Politik völlig fallen lassen
müssen*"). Nach allen fruchtlosen Bemühungen nun war
er entschlossen, an Stelle der Verhandlung und der ver-
mittelnden Güte durch Zwang zu wirken.
Am 24. November 1550 brach er in Wittenberg auf
und zog mit vier Fähnlein Knechten, 250 Reitern und
drei Gescliützen gegen Magdeburg, wo in seiner Abwesen-
heit zwei Blockhäuser gebaut und feste Schanzen auf-
geworfen WT'rden waren. Das erste Blockhaus (am
5. November begonnen) befand sich oberhalb des Dorfes
Buckau im freien Felde ungefähr 2()00 Schritte von der
Stadt und Ijarg zwei Fähnlein Knechte unter dem Obrist
Sebastian von Wallwitz*'). Das zweite Blockhaus,
") Loc. 91 5-2, acta 1550, und Loc. 915P., Magdeburgisclie Händel
so merentheils bei Dr. Mordeisen etc. a. 1550— ö7, Bl. 2 fig.
") Instruktion im Loc. 9151 , II, El. 47). Johannes Voigt,
Fürsteubund etc., in v. Raumers histor. Taschenbuche (1857) S. 87.
'") Johannes Voigt, Fürstenlnuid 85.
") Das eine Fähnlein hatte der Graf von Mansfeld, das andere
das Erzstift aufgeboten. Vergl Besselmeier.
208 S. Issleib:
im Felde vor Ilarsdorf, uiiTnittelbar bei DIesdorf und un-
gefähr 220U Schritte von jMiigdcbur^^, hielt Georg W^acht-
nieister mit einem Fähnlein und hundert Reitern besetzt.
Das übrige Kriegsvolk hatte am 17. November das Feld-
lager an der Elbe oberhalb der Stadt bei Fermerslebcn
verlassen und hei Diesdorf, der Stadtmitte so ziemlich
gegenüber, ein neues Lager aufgeschlagen. Seitdem war
vor dem ülrichsthore der Tummelplatz zahlreicher glück-
licher und unglücklicher Gefechte^ über Avelciie insgesamt
Besselmeier, ein Bürger Magdeburgs, in unermüdlicher und
zum Teil fast ergötzlicher Weise berichtet hat.
Kurfürst Moritz näherte sich Magdeburg von der
Wittenberger Eibseite, nahm im Anmärsche das feste
Zollhaus an der Eibbrücke ein, jagte die Gegner in die
Stadt ^'^) und rastete im Dorfe Krakau. Am Zollhaus-
platze Hess er dann den Bau eines dritten Block-
hauses für ein Fähnlein sächsischer Knechte beginnen,
legte zwei Fähnlein mit hundert Reitern in das Dorf
Krakau und fülute den Rest der Mannschaft über die
Elbe in das Feldlager bei Diesdorf.
Folgenden Tages (am 28. November), abends halb
neun Uhr, liess er zunächst einen Scheinangriff auf das
Sudeuburgerthor unternehmen. Die Knechti; liefen an,
warfen Fechkränze über die Mauer, wechselten eine
Anzahl Schüsse und zogen sich bald wieder zurück. Zwei
Stunden später, als es im Feldn allenthalben still geworden
war, glückte dann ein tretllich geplanter Anschlag gegen
die Neustadt, welche nur durch Graben, Wall und Mauer
von der Altstadt getrennt war. Heimlich wurden die
Stadtmauern eistiegen, die Wachen überrumpelt und die
Thorc erbrochen. Ehe die überraschten Bürger *■*) zu
irgend welcher geregelten Gegenwehr gelangten, war die
Neustadt erstürmt. Im wilden Strassenkampfe wurden
viele Einwohner erstochen und die in ihren Häusern ge-
fangen genommenen meist aus ihren Wohnsitzen verwiesen.
In roher ^^^eise plünderte die Mannschaft. Die Mehrzahl
der Flüchtlinge und Vertriebenen fand Aufnahme in der
Altstadt, von wo aus in derselben Nacht noch ein Versuch
") Fast wäre er von einer Kanonenkugel getroffen worden.
") Im Lanfe des Tages war ein neuer Stiultrath gewählt und
darauf „errosse Gastung und Sclilarnji" gehalten worden Die liürger
hatten sich, jast alle „toll uid voll", (lern Schlafe ergeben, als die
Feinde den Überfall unternahmen.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 — 51. 209
gemacht wurde, die eroberte Neustadt den Flammen preis-
zugeben und den Feind aus der gefährlichen Nachbar-
schaft zu vertreiben. Das entzündete Feuer verzehrte
nur den nach der Altstadt zu gelegenen kleineren Stadt-
theil, der übrige grössere wurde von den standhaften
Bclagerungstruppen in eine wahre Festung umgewandelt.
Herzog Georg quartierte sich in der Neustadt ein, und
Kurfürst Moritz stieg später, so oft er vor Magdeburg er-
schien, hier ab. Um zu verhüten, dass der Feind weitere
vortheilliafte Stützpunkte gegen die Altstadt gewinne,
begannen die Magdeburger gleich am 29, November, die
Sudenburg niederzubrennen und dem Erdboden gleichzu-
machen*'^). Alle Einwohner mussten nach der Altstadt
übersiedeln. Die wehrhaften Bürger der beiden Vorstädte
vertheilte der Stadtrath unter die Fähnlein der gemietheten
Knechte. Magdeburg zählte damals ungefähr 2300 Söldner,
300 Reiter und eine Anzahl Bürgerfähnlein. Alemann
Ebeling befehligte das Fussvolk, die Reiter kommandierte
Rittmeister Hans von Wolf, und Reiterfähnrich war (Christof
Alemann. Am 2. Dezember schwuren Büro-er, Knechte
und Reiter auf dem Marktplatze den Eid der Treue.
Graf Albrecht von Mansfeld und sein Sohn Karl waren
Zeugen dieser feierlichen Handlung*^). Unmittelbar darauf
wurde auf Rath des genannten Grafen Albrecht die Elbe
gegen die Neustadt hin durch starke Ketten und mächtige
Balken abgesperrt; man vermauert- auch die offenen
Pforten nach dem Strome, brachte Blendungen auf den
Wällen an, schaffte Geschütze auf die Dom- und Kirch-
thürme, errichtete Pallisaden und zog im Felde vor der
Stadt Laufgräben, damit der Feind nicht „stracks gegen
die Mauern anlaufen und anreiten könne".
Während des mehrtägigen Aufenthaltes vor Magde-
burg ordnete Kurfürst Moritz den Bau von Schanzen an,
welche von einem Blockliause zum andern führen sollten,
eine Arbeit, die aus ^Mangel an Schanzgräbern erst spät
der Vollendung entgegenging. Das Kriegsvolk, damals
aus 18 F^ähnlein Knechten und 800 Reitern bestehend,
suchte er möglichst zu verstärken und die Ächter von der
'*) Beachte Drulfel 1, 537, No. 533. Das Schreiben Schwendis
an den Kaiser ist auf den 30. November angesetzt, dem Inhalte nach
kann es aber erst am 1. Dezember geschrieben sein.
")Merckel: „Diese Herren haben keine Besoldung noch
Uiiterlialt vom Käthe gehabt, sondern um ihr Geld gezehrt, haben
sich wider den Feind allein mit Rathsclilägen gebrauchen lassen."
Neues Archiv f. S. (1. u. A. V. 3. 14;
210 S- Issleib:
Aussenwelt melir und niclir abzusperren. Über alle noth-
wendi^en und zweckdienlichen Alastinabnien verständigte
er sich mit dem anwesenden Kurfürsten von Brandenburg
und Schwondi und fasste herzhafte Entschlüsse gegen das
Kricgsvolk^^), welches unter dem Grafen Voli-ad von Maiis-
feld und Hans von Heideck „zu Gottes EhrC; Erhaltung
der Freiheiten deutscher Nation, des Adels Förderung und
des Volkes Wohlfahrt, zur Wahrung von Ruhe, Frieden,
Ehrbarkeit und aus anderen trefflichen Ursachen" in die
Stifte Bremen und Verden gezogen war*').
Rasche That war unstnütio; nöthio-. Wenn demun-
geachtet der kurfürstliche Auf1)ruch nach Niedersachsen
sich zwei volle Wochen hinausschob, so hatte dieser Ver-
zug seine triftigen Gründe. Ehe Moritz an das kühne,
ja gefährliche Wagnis schritt, „die Knechte zu trennen",
traf er die sorgfältigsten Vorkehrungen zur Sicherung
seines Landes und zur ungestörten Aufrechterhält ung der
magdeburgischen Belagerung. Die Vasallen des Leipzigei'
Kreises mahnte er zui' Kriegsbereitschaft und entbot den
Stiftsadel von Magdeburg und Halberstadt, sowie die
Harzgrafen in das Lager vor Magdeburg **). Durch
öffentliche Ausschreiben brachte er die Pflichten, welche
die sächsischen Kreissfände dem allgemeinen Landfrieden
schuldeten, in Erinnerung; eine Reihe Fürsten ersuchte
er, weder die „vergarderten Knechte", noch Magdeburg
zu unterstützen; zuverlässige Kundschafter wurden ent-
sandt, um über Stärke und Pläne der Gegner Klarheit
zu verschaffen **), und Männer von erprobter Geschicklich-
keit sollten sich dem schwererreichbaren Hauptanführer **")
««) Druffel I, No. 531 und TiST.
") Es verlautete, die Mani:sr]iaft verstärke sich von Tag zu
Tag, habe die Stadt Verden genommen und befestige sie mit emsiger
Sorgfalt; Rotenburg werde belagert, man wolle Magdeburg zur Hilfe
kommen. Ivundschafter gaben du^. Starke .des Haufens auf 70(iO bis
8U00 Knechte nud 700 bis 800 Reiter an. Über das Kriegsvolk vergl.
Loc. 'J151, IV, Bl. 283 flg.
'*) Loc. 9152. Churfürstlich sächsischer Lehenleute Vorweige-
rung der Hülft'e wider Magdeburg.
*") Berichtet wurde: Sit! halten gute Wacht in ihrem Felde,
mit grosser Mühe erlangen Kundschafter Zutritt. Sie haben keinen
Pfennig Geld, der Herzog von Preussen und die Seestädte, besonders
Bremen, bringen die Kosten auf Druffel T, Xo. 533 u. 540, Anm. 2.
"') Kurfürst Moritz und Joachim fragten dreimal bei den Füh-
rern des Kriegsvolkes an, wessen man sich zu versehen iiabe. Ein-
mal verweigerten sie Gehör, zweimal gaben sie völlig ungenügende
Antworten. Vergl. Loc. 9151, II, Bl. 570.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 211
des Kriegsvolkes, Hans von Heideck, auf Umwegen
nähern und geheime Verhandlungen betreiben '■*'). Mit
Hessen schloss er ein Bündnis ab **"■') und berietli (am 5.
Dezember) mit den landgräflichen Geschäftsträgern Simon
Bing und Wilhelm von Scliachten; „wie wohl die hohen
Personen dieser Nation einander näher zu bringen sein
möchten" "''). Er erwartete ferner die Ankunft des
Markgrafen Albrecht ''^) (die auch in wenigen Tagen er-
folgte), und sah den Entscheidungen der Reichsstände über
die beantragten Geldbewilligungen, über das Oberfeldlierrn-
amt und über die erbetene Mitwirkung des Kaisers
gegen das Kriegsvolk im Stifte Bremen und Verden ent-
gegen **").
Unterbrechen wir hier die weitere Angabe der Er-
eignisse in Norddeutschland, um an dieser Stelle zur
Vervollständigung des Gesamtbildes die Vorgänge auf
dem Reichstage zu Augsburg, soweit sie Magdeburg und
Moritz von Sachsen betrefien, in kurzem Zusammenhano-e
vorzulülu'en.
Magdeburg hatte den Kaiser und die Reichsstände
seit September beschäftigt. Damals vereinbarten beide
Theile einen Termin für friedliche Verhandlungen. Ab-
geordnete der „Rebellen" sollten am 3. November, wie
Avir wissen, auf dem Reichstage erscheinen und ihre
„Irrungen" zum Austrage bringen. Kaum war das Cita-
tionsschreiben abgeschickt, so hörte man vom Einfalle
Herzogs Georg von Mecklenburg in die Stiftsgebiete, von
seinem Siege über die Achter und von den vorläufigen
*') Loc. 9152: „Etzliche an Dr. Komerstadt ausgegangene
schreiben in allerlei Sachen a. 1550", Bl. 13, 14, Schreiben vom
28. November 1550 aus Wittenberg: „Es wäre gut, dass man die Dinge
nicht verachte und auf Mittel und Wege so viel menschlich und
möglich trachte, dass der Kuriürst mit den iiundesveiwandten Magde-
burgs, wo es des Kaisers halben nicht ööentlich sieb thun lasse, im
tieheimen sich vergleiche, dazu der Graf von Oldenburg zu ge-
brauchen etc.
**) Cornelius 4.S, \Yittenberger Verhandlungen.
'^) Nai h Moritz' Meinung dirigierten die Gegner ihren Handel
nicht auf den rechten Weg.
«*) Loc. 9151, II, Bl. 319. Albrecht war im Schreiben, datiert
Blassenburg am 20. November, gewillt zu kommen und hielt für gut,
dass Äloritz das Amt eines obersten Feldherrn vor Magdeburg an-
nehme, wenn es ihm angetragen werde, l'ann solle er seiner nicht
vergessen, damit er auch noch zum Raufen kommen möchte.
'') Loc. 9152, Magdeburgische und Bremische Handlung 1550.
14*
212 S- Issleib:
Schritten dos Kurfürsten von Saclisen. Gewaltlg'es Auf-
sehen machten die unerwarteten Ereignisse. Alle Welt
war gespannt, wohinaus die Dinge wollten, und welche
Stellung der Kaiser vor allem zu den Vorfällen nehmen
werde. Nun ennäehtiirte Kai-1 V. den Kurlursten von
Sachsen, das mecklenburgische Kriegsvolk zusannnenzu-
halteu und die Unterwerfung der Stadt durch Güte oder
Zwang zu versuchen; gleichzeitig aher gebot er, den
Ächtern freies und sicheres Geleit nach Augsburg zum
anberaumten Verhandlungstermine zu geben, ^^'ar bis
dahin dem Kurfürsten von Sachsen das Glück nicht
günstig, so rausste sich dann in Augsbiu-g entscheiden,
ob friedliche Vereinbarung möglich, oder ob ein Exekutions-
krieg nöthig sei.
Im allgemeinen war Abneigung gegen Krieg, obschon
unendlich viel davon gesprochen wurde'-"*). Eine Anzahl
Reichsstände „Hessen sich hören, sie wollten lieber zwanzig,
dreissig und mehr tausend Gulden den Achtern zur Aus-
söhnung mit dem Kaiser geben, als es zum Kriege kommen
lassen". Vor Krieg scheuten die Protestanten zurück aus
Furcht, der Kaiser würde nach Unterwerfung und Bestra-
fung Magdeburgs alle Gegner des Interims und Konzils
als Aufrührer und Rebellen betrachten. Katholische
Reichsstände, vor allen die Kurfürsten von Mainz und
Trier, widersprachen einer Achtsexekution durch den
Kaiser, damit er nicht allzumächtig und gefährlich in
Deutschland werde. Wenn die Achter den angesetzten
Termin nicht besuchen, oder sich „unbillig erweisen"
würden, dann wollten sie ihrerseits zur „Kontinuierung" der
begonnen.n Achtsexekution unter Leitung des Kurfürsten
von Sachsen beisteuern.
Der nach Magdeburg entsandte Reichsbote langte am
24. Oktober mit Antwort in Augsburg an, nach welcher
wegen der Unsicherheit vor der Stadt kein magdebuigi-
scher Bürger zu bewegen sei, sich nach Augsburg ab-
fertigen zu lassen**'). Werde aber das Kriegsvolk entfernt
und neues Geleit „auf Hinterbringen"^*} zugeschickt, dann
") Loc. 10188, Schriften so die Käthe von Augsburg etc. 1550.
Bl. 179.
"') Hervorgehoben wurde : Der Herzog von Mecklenburg habe
in (duem Schreiben erklärt, dass er die Feindseligkeiten auf Befehl
des Kaisers und Reiches begonnen habe.
") Es sollte also die Bewilligung und Genehmigung der Stadt
zu den Festsetzungen der lleicbsstände eingeholt werden dürfen.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz vou Sachsen 1550—51 . 213
sollte die Entsendung von Bcvollmäclitigten erfolgen. Der
Kaiser Hess den Reichsständen die Antwort vorlegen und
das „nngescliickte Ansuchen und Begehren der Rebellen"
geflissentlich tadeln. Es fehlte zwar nicht an solchen, die
zu entschiddigen suchten, ahcr die Mehrzahl der Reichs-
stände war unzufrieden mit der Haltung der Magdeburger.
Von verschiedenen Seiten drängte man zum Kriege gegen
die Rebellen, sobald der Kaiser ihre Bestrafung ernstlich
forderte. Schon hatten unter dei- Hand in den ausschlag-
gebenden Kreisen Beeinflussungen und Beredungen nach
dieser Hinsicht stattgefunden, jetzt setzte man in wirk-
samer Weise kräftige Mittel in Bewegung, um die vor-
handene Friedensneigung zu bemeistern und kriegerischen
Eifer zu beleben. Vortreiflich diente dazu die Werbung
der anwesenden Stiftsgesandten und das eingelaufene Ge-
such der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg nebst
den Vertretern des Erzstiftes Magdeburg^^) um Unter-
stützung und Hilfe gegen die halsstarrigen und wider-
setzlichen Ächter. In hervorragender Weise entfaltete
Christof von Carlowitz seine bekannte Geschäftigkeit und
bewährte Geschicklichkeit, um im Interesse seines Herrn
einzelne Reichsstände für Ul)ernahrae der Exekutions-
kosten von Seiten des Reiches zu bearbeiten. Ende Ok-
tober begannen die schwerfälligen Verhandlungen über
Reichshilfe und dauerten trotz wiederholter Impul-e von
Seiten des Kurfürsten, der Stiftsstände und des kaiserliehen
Kommissars von Schwendi fast volle zwei Monate.
So sehr der Kaiser die Züchtigung der Rebellen
wünschte, so wenig wollte er sich selbst „der Reputation
halber in Kosten und Gefahren stecken". Seine an-
dauernde Kränklichkeit und seine kaum verdeckbare
Geldverlegenheit gestatteten ihm nicht, kriegerische Ge-
danken zu nähren. Es sollten die Reichsstände die
Lasten des Exekutionskrieges tragen. Leicht war der
Kurfürstenrath — ausser Pfalz, welches sich auffällig ab-
sonderte'"") — für Erhaltung und Verstärkung des Kriegs-
volkes vor Magdeburg aus Reichsmitteln und für Ver-
gleicliung über den Feldherrn, über Befehlsleute, Kriegs-
räthe etc. zu gewinnen, wenn nur vermieden ward, dass
der Kaiser in eigner Person den Krieg führe. Ganz
anders der Fürstenrath und die „gemeinen Stände"!
»«) Schreüieu vom 13. Oktober.
'»») Druffel I, No. Ö2'i und 525.
214 S. Issleib:
Hier bestand die Melirzalil zunüclist darauf, die Krieys-
Lürde nicht dem Reiche, sondern dem Kaiser aiifzuhidcn.
Er habe mit Bestrafunf^ der Ivebellen (1546) den Anfang
gemacht, und ihm allein gebühre es, „die Reli([uicu der
Rebellen" zu züclitigen; er sei „prineipaliter verletzt,
lädiert, offendicrt und beleidigt" und habe Magdeburg in
die Acht erkliiit, ihm solle der Krieg gänzlich anheim-
gestellt, allerhöfhstens eine „Beihilfe" zugestanden werden.
— Schwer wurde der leidenscliaftliche Widerstand der
Opposition gebrochen'"*), und allmählich erst siegte die
Meinung der INIinderheit, welclie in Übereinstiumiung mit
dem Kurfürstenrathe zu verhindern suchte, dass der
Kaiser zu Felde ziehe '°^).
Zähe Bemühungen thätiger Personen arbeiteten darauf
hin, den Kurfürsten von Sachsen zum „Generalobristen"
des von ihm bereits begonnenen Exekutionskrieges zu
befördern. Gewichtigen Beurtheilern erschien er als die
geeignetste Person, um Kaiser und Reich zu vertreten.
Als Erzmarschall und Kurfürst nahm er, wie man hervor-
hob, eine hervorragende und achtunggebietende Stellung
ein. Trotz seiner Jugend war er in Kricgshändeln geübt
und erfahren; unverdrossen, emsig, anschlägig und herz-
haft hatte er sich schon in wichtigen Dingen gezeigt; er
verfügte über bewährte Kriegsräthe und Ilauptleute,
über einen „stattlichen Adel" und über eine vortreffliche
Ritterschaft, für ansehnlich galt sein Anhang. Wie kein
anderer kannte er als „anrainende]* Fürst" Pässe, Wege
und Stege im Achtergebiete; Belagerungsgeschütze und
Munition konnte er mit geringen Kosten vor Magdeburg
schaffen. Von ihm war zu erwarten, dass er in kürzester
Zeit und mit erträglichen Hilfsmitteln die Magdeburger
'"') Ungestüm verlangten kaiserliche Kriegsiülirnng: der
Deutschmeister, Herzog Heinrich vmi Braunschweiü', der Herzog von
Jülich und etliche Bischöfe. Der Deutschmeister hotVte dann wieder
nach Preussen zu kommen, Herzog Heinrich wünschte (ausser kaiser-
lichem Dienst) Bestrafung Brauns(;hweigs, der Herzog von Jülich
agitierte zu Gunsten der jungen Herzöge von Weimar gegen Moritz,
und die Bischöfe wollten ganz Sachsen dem Interim und dem Papste
unterwerfen.
'"*) Loc. 9152. Magdehurgische und Bremische Handlung 1550,
I>oo. 10189, Summarischer AnszuLf und Innhalt derer Briefe, so die
Käthe an Kurfürsten JMoritzen obgelien Iahen etc. 1550; eben-
daselbst ein Buch von Dr. Franz Grammen und Lorenz Ulmann
etc. 1550. Vergl. Loc. 10 695, Dr. Franz Crammens Zeituiigsbuch an
Dr. Komerstadt 1551.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 215
zum Gehorsam bringen werde. Vortheilliaft war, dass
der Kaiser gegen den Kurfürsten von Sachsen nielits
einzuwenden hatte. Längst waren ja seine Entschlicssun-
gen den Empfehlungen der Stände vorausgeeilt. Ganz
im Sinne des Kurfürsten beantragte er, nachdem dessen
ergebnislose Oktoberveriiandhuiiren bekannt Geworden
waren, „eilende und beharrliclie Hilfe" auf zwei, drei
Jahre; auch forderte er auf Grund zahlreicher, kurfürst-
licher Bittschreiben 150000 Gulden zur Bezaldung und
Verstärkung des Kriegsvolkes und INIonatsgelder für den
Unterhalt von 8000 Knechten und 1000 Reitern bis zur
Eroberung Magdeburgs. Die entstandeneu und künftig
entstellenden Kriegskosten sollten durch eine neue Reichs-
kontribution gedeckt werden. Solchem Ansinnen aller-
dings widersprachen von vornherein und mit aller Ent-
schiedenheit die in diesem Punkte einniüthio'cn Reichs-
stände. Eine unwillige x4.blelniung der kaiserlichen
Forderung erfolgte. Mit vorwurfsvoller Umständlichkeit
und beredter Offenheit wurden die beschwerliclien Reichs-
lasten zusammengestellt, welche bis dahin schon den
Reichsständen einer unerträglichen Bürde gleich auferlegt
seien. Auf das allerbestimmteste verlangte man, die
Reichshilfe solle vom erlegten ,.Vorrath" geleistet werden.
Kräftig breitete der Kaiser seine schirmende Hand über
den gefährdeten Vorrath aus'^^j; aber vor der begehr-
lichen Zudringlichkeit aller opferscheuen Rcichsstände
wusste er das „Kleinod", welches nach ihrer Ansicht doch
nur gegen Türken und Franzosen Verwendung finden
sollte, nicht zu retten. Gegen Zusicherung einer späteren
Wiedererstattung musste er den gesamten Vorrath darbieten.
Dies letzte, mühsam entwundene Zugeständnis — den
Vorrath zu ersetzen — verleitete nun wieder die Stände
zu kargender Sparsamkeit Kleinmeisterlich suchten sie
die Besoldung des Kriegsvolkes und die kurfürstliche
Bestellung ,.auf das allergeringste" anzusetzen. Zahlreiche
Stimmen Avidersprachen der Absendung von 150 000 Gulden,
etliche sagten sogar (auf den Kurfürsten von Sachsen
hindeutend), „wenn man den Krieg nur darum angefangen
'"*) Nach seiner Ansicht war es höchst unbillig und weder
rathsam noch dienlich, wegen einer einzigen rebellischen Stadt die
Gelder anzugreifen, durch welche dem ganzen Reiche deutscher
Nation trefflicher Nutzen erwachsen könne. Krams Ausdruck zufolge
wollte er „den Sperling nicht aus der Faust lassen",
216 S. Issleib:
habe, um sich zu bereichern und den eigenen Vortheil
zum Nachtheile des Reiches zu betreiben, so wollten sie
nicht einen Pfennig dazugeben"; ja, Leute, „von denen
sichs die sächsischen Räthe nicht versahen", intrijxuierten
und warfen durch gehässiges Spiel den Kiu-fürsten jNIoritz
länger als es noth that auf die Folter ungeduldiger Er-
wartung, ^lehr noch ! Seitdem der Kaiser den Unter-
halt von 8000 Knechten und 1000 Reitern auf einige
Jahre verlangte, ^da hatten die Gesellen im Fürstenrathe
keine Lust mehr zum Kriege". In den Meinungen ein-
zelner vollzog sich ein auffallender Umschwung. Hitzige
Eiferer ernüchterten und „solche, welche des Konzils und
Literims Avegen gern einen Krieg in Sachsen geführt
hätten", hegten unerwartet friedliche Gedanken. Um die
Langwierigkeit der Auslagen zu beschränken, wünschte
man beschleunigte Kürzung des eröffneten Krieges und
eifrig wurde erörtert, welch beschwerliche Schädigungen
dem Reiche aus einem jaln-elangen Exekutionskriege er-
wachsen könnten,
Ln Sinne versöhnlicher Mässigung wurde der Kaiser
um Milderung der vorgelegten Kapitulationsartikel '"^)
angegangen. Aber damals Avar Karl V. noch nicht zu
bewegen, seine Forderungen herabzusetzen und zu Gunsten
der Rebellen eine Anzahl Artikel abzuändei'n. Trotz
aller beachtenswerthen Gegenvorschläge bestand er auf
bedingungsloser Ergebung der Achter auf Gnade und
Ungnade, auf Fussfall und Abbitte, auf Entsagung aller
Bündnisse, Gehorsam gegen das Reichs- Kammergericht
und gegen alle Beschlüsse der Reichstage (auch in betreff
des Interims), auf Restituierung des Domkapitels, Klerus
und künftigen Erzbischofs nach den Entscheidungen des
Kammer<^erichtes, auf Schleifung der Festung und all-
zeitiger Öffnung der Stadt für kaiserliches Kriegsvolk,
auf Zahlung von 200000 Gulden, Lieferung von 24 Stück
Geschützen mit Munition und GeräthscJiaften und auf
Anerkennung aller durch den Kaiser erfolgten Konfis-
kationen, Vergleichungen etc.
Hinsichtlich der Kapitulationsartikel zurückgewiesen,
'"*) Loc. 9152, Magdebnrgische und Bremische Handlung, B1.21.
(12. November); Loc 91.5.3, Mairdoburffische Handlunp- l-^äO, Bl. .38,
42, .376. Die KapitulationsartiUel wurden bereits am 25. Oktober
dem Kurfürsten von Sacbsen zugeschickt (vergl. Loc. 915.3, Magde-
burgische Sachen, so bei Dr. Mordeisen etc. Bl. 87) ; aber (Um- Kur-
fürst sollte damals noch in seinem Mamen handeln.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 -51. 217
rückten nun die Stände mit einem weiteren Anliegen,
durch die Trnppenanliäufungen im Stifte Bremen und
Verden veranlasst, hervor. Der Kaiser sollte für seine
Person als Haupt und Herr des Reiches das Kriegsvolk
vor Magdeburg verstärken, falls fremde Potentaten oder
deutsche Fürsten und Städte sich unterstehen würden,
die Ächter zu retten. Zur Genüge war die Aufmerksam-
keit Karls V. durch Kurfürst ]\Ioritz auf Niederdcutscli-
land gelenkt worden'"^); und Schwendis umständliche
Berichte liatten ohne Unterlass gemalmt, die gefahrvollen
norddeutschen Gährungen nicht zu unterschätzen, ein
mächtiges, schnell und weit um sich greifendes Feuer,
dessen Funken durcli ganz Deutschland fliegen möchten,
könne entzündet werden. Der Kaiser, vom Ernste der
Situation überzeugt, war gewillt, die Opfer für etwaige
Entsatzversuche mit den Reichsständen zu tragen'"*^).
Die Verhandlungen darüber rückten freilich in gewohnter
Weise nur langsam vorwärts, kaum wurden sie durch
die Nachricht von der Einnahme der Neustadt beschleu-
nigt '"''). Ehe man überhaupt mit allen Vereinbarungen
ins reine kam, war die zweite Dezemberhälfte heran-
gerückt.
Der magdeburgischc Exekutionskrieg Avurde endlich
Moritz von Sachsen als „oberstem Feldh.auptmann" im
Namen des Kaisers und Reiches übertragen. Die Stände
bewilligten 100000 Gulden für die bisherigen zweimonat-
liehen Kriegskosten und 60000 Gulden für jeden folgen-
den Monat '°^). Das Geld sollte vom „Vorrath" genommen
und von den „Legestädten" Nürnberg, Speier und Köln
verabreiclit werden. Für den Fall, dass die magdeburgische
Belagerung länger dauere, als der Vorrath reiche, sollten
die Reichsstäntle verpflichtet sein, weitere Hilfe zu ge-
währen. Über Erstattung des Vorrathes und Fortsetzung
'"*) Loc. 9151, II, Bl. 559. Unter dem 2i. November gebot
der Kaiser allen Reichsständen, besonders den beiden sächsischen
Kreisen, zusammengelaufenes und vergardertes Kriegsvolk zu trennen.
'»«) Druffel I, No. 5.3B, vergl. No 5.S9.
'"j Loc. 10189. Summarischer Auszug etc., Bl. 81. Die Spanier
waren mit Moritz zufrieden, andere tadelten (Bl. 123) die weitläufige
Belagerung etc., es fielen allerlei „spitze Redensarten".
"") Loc. 9151, II, Bl. 62.S flg. Nach Schwendis Schreiben vom
.SO. Dezember an den Kurfürsten sollte die Zahlung der monatlichen
60 ('00 Gulden am 18. Dezember beginnen. Erinnern wir uns, dass
das Domkapitel von Magdeburg die Kosten des halben Monats (vom
2. — 17. Oktober) tragen wollte.
218 S. Issleib:
der Belagerung- sollte vom 1. April 1551 an in Nürnberg
verhandelt werden. Unterstehe sicli jemand iieimlich oder
öft'entlich, in eigner Person oder durch andere die Achter
zu entsetzen, so sollten dies Kaiser und Keichsstände ver-
hindern und die Unkosten zu gleichen Hälften tragen.
Als am 16. Dezember die Reichshilfe so gut wie
gesichert Avar'"^), erneuerte der Kaiser das Achtsmandat
gegen Magdeburg, foiderte alle Kriegsleute auf, binnen
vierzehn Tagen den städtischen Dienst zu verlassen und
verbot allen Keichsständen, Magdeburg zu unterstützen"").
Allein erst am Schlüsse aller Verhandlungen (am 27. De-
zember) theilte er dem Kurfllrsten iNloritz mit, unter
welchen Bedingungen er „den Befehl eines obersten Feld-
hauptmannes im Namen des Kaisers und Reiches" über-
nehmen solle'"). Das kaiserliche Schreiben traf den
Kurfürsten nicht in seinem Lande, auch nicht vor j\Iagde-
burg, sondern im Feldlager vor Verden an.
AVir kennen den Entschluss Moritz', gegen die Knechte
im Stifte Bremen und Verden ziehen zu wollen, und kennen
die Gründe, welche die Ausführung des Planes verzögerten.
Um Mitte Dezember aber drängten die Umstände zum
Aufbruche ""■'). Ohne die längst ersehnten kaiserlichen
Nachrichten abzuwarten, entnahm er den Belagerungs-
truppen sieben Fähnlein Knechte, 350 Reiter und erforder-
liche Artillei'ie und Hess die auserlesene Mannschaft (am
17. Dezember) in der Richtung nach Verden vorrücken;
er selbst folgte mit dem Markgraien Albrecht tags darauf"'^),
">») Vergl Dniffel I, No. 5 Iß (Ic. Dezember).
"") Am i:5. Dezember vorötientlichteii Domkapitel und Stifts-
stäude eine äusserst heftige Klagsclirift gegen die Magdeburger.
Diese verllieidigten sicli in einer geharniscditen Entgegnung vom
gleichen Tage; Pomarius lü() und 13:?; Hortleder II, limh IV,
Kap. lü, 8. 1 1 12 — kaiserliches Mandat vom 1«. Dezember, Kap. r2,
S. 1140 und Lo.-. 91.')] , II, Bl. .Oti. König Ferdinand schrieb am
22 Dezember an die böhmischen Stände, „dass sie dem magdeburgi-
schen Werke zuwider nichts thun sollten".
'") Loc. 1Ü1S9, Suujmarischer Auszug etc, lil. HO.
"*) Der Kurfürst entfaltete in allem Energie und Umsicht,
obgleich ihn hin und Avieder allerlei Hedenklichkeiten i)eschlichen.
"*) IjOc. 1)152, Etzliche an Dr. Komerstadt ausgegangene
schreiben lö50, Bl. 40. Bisher hat man immer nach Bessel-
meier den 1:). Dezember angegeben. }sach Moritz" Brief an
seine üemahlin , datiert Magdeburg- Neustadt, am IT. Dezember,
wollte er den ^Iagdeburgern hinsiclitliidi des Entsatzes r.i.ht wenig
schädlich sein, Loc. 84'.)8 „Handschreiben" und Arndt I, No. LS.
Magdeburffs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 — 51. 219
bedinkliclic Käthe, un\vilHo;e Untci'tlianen, einen tadelnden
Adel und ein sclnvaclies B!i)kadekorps zurücklassend"*).
Die Leitung der Belagei'ung Avährend seiner Abwesenheit
vertraute er dem kaiserlichen Kommissar von Schwendi,
dem Herzog" Georg von Mecklenburg und einigen Kriegs-
rätlien an.
Ehe wir dem ausrückenden Kurfürsten auf seinem
Zuge folgen, ist es unerlässlich, zuvor auf dessen b'jkanntes
eigenliändiges Schreiben zu verweisen, welches er vor
seinem Aufbruche aus d^m Lager vor Magdeburg an
seine hessischen Vertrauten Bing und Schachten ent-
sandte'**). Dasselbe knüpfte an die geheimen Besprech-
ungen in Wittenberg (am 5. Dezember) an, gewählt einen
Einblick in die Plane des Kurfürsten und klärt uns in
erwünschter Weise über die Haltuno; der Gegner auf.
Moritz versicherte in seinem Briefe, dass er nothgedrungen
handeln müsse, denn der Kaiser werde den Kriegshaufen
im Bisthum Verden keinesfalls dulden. „Ich finde in dem
ganzen Werke", fuhr er fort'"'), „nichts Beschwerlicheres,
denn das grosse Misstrauen. Wird nun dem nicht ge-
holfen, so w^oUte ich wohl sagen: Gott gebe unserm
Deutschland gute Nacht. JNIeine Gesellen und ich müssen
einen Herrn haben, der uns den Kücken hält, und auf
welche Seite wir auch gerathen, so wollen wir unserm
Gegeutheil aufs wenigste das Spiel verderben, wo nicht
die Karten gar zerreissen. Das zeige ich Euch darum
air, dass Ihr Tag und Nacht auf diese Dinge denket,
damit man den Handel in ein recht Vertrauen bringen
"*) Loc. 10189, Summarischer Auszug etc., Bl. 101 und 109.
Der Kaiser und Christof von Carlowitz hätten lieber gesehen, wenn
Moritz nicht nach Verden gezogen wäre (Carlowitz' Jiriefe vom 16.
und 17. Dezember!. Beide wünschten, er solle sich und das Kriegs-
volk nicht in unnöthige Gefahr begeben und ,.uicht zu gärh oder
liitzig oder kurzräthig sein, sondern alle Dinge mit guter Vernunft,
Uath und Bethicht angreifen, auch seine Person in guter Hut und
Acht halten, damit er nicht an Leib, Namen und Beruf Schaden oder
Verkleirerung erleide". Bei den Ständen möchte es Unwillen er-
regen, besorgten sie, dass der Kurfürst „ohne ihr Vorwissen das beste
Volk hinweggenommen habe und in ein fremdes und ziemlich weit-
gelegenes Land reise und also Belagerung und Volk in Gefahr
setze" etc.
'") Nach Cornelius -21 schrieb er am gleichen Tage einen
gleichlautenden Brief an den Herzog Hans Albrecht von Mecklenburg.
Klaus Berner wunle am 22. Dezember an den Markgrafen Hans von
Küstrin abgeschickt.
"") Cornelius il. Johannes Voigt, Fürstenbund 93,
220 S. Issleib:
mög-e, denn wird man mir nicht trauen, so bin ich nicht
viel nütz bei der Sache."
Die Absclu'Ift des Briefes wanderte an alle Haupt-
personen des „geheimen Bundes" : an Klaus Berner, Georg
von Reckerod etc., an einzelne Städte, an die Herzöge
von Mecklenburg und Preussi-n und an den Markgrafen
Hans. Durcli diesen Brief und durch den Unterhändler
Klaus Berner wurde Wilhehn von Scliachten veranhisst,
seinen Bruder Heinrich an Hans von lleideck abzusenden,
um in seinem Namen dem „grossen Praktikanten" den
Inhalt des kurfürstlichen Schreibens zu übermitteln und
aus den vertraulichen Wittenberger Unterredungen fol-
gendes zu erötfnen : „Kurfürst IMoritz habe in A^'ittenberg
sein Vorhaben gegen Magdeburg entscliuldigt und die
P)esorgnis ausgesprochen, dass ihm deshalb von seinen
^Mdersaciiern eine unerträgliche Kappe angestrichen
werde; allein er habe sieh in der Sache zur Zeit noch
nicht weiter vertieft, als dass er nach drei Monaten
wieder frei dastehen könne. Konnne es unterdessen zu
einem Vertrage mit Magdeburg, wold und gut, so wolle
er alsbald von seinem Beginnen abstehen und sich alsdann
nach dem richten, was von anderen mit ihm dem ge-
raeinen "^A'esen und dem Vaterlande zum besten beschlossen
werde. In betreff der Älagdeburger habe Moritz auf der
Forderung bestanden, dass er selbst einer der Herren
sein wolle, denen sie sich ergeben sollten. Die Stadt
müsse eine Besatzung aufm hmcn, auf dass man dadurch
dem grossen Vogel (dem Kaiser) genug thäte. Über
Stärke und Zeit der Besatzung Hesse sich Peinigung fin-
den'"). Ohne eine solche Vergleichung mit der Stadt
werde das Gemeine mit dem Besonderen in deutscher
Nation verderben. Wollte man ihm Glauben schenken,
so sollte man bei ihm Glauben finden. Wollte man das
aber nicht und ihm ferner zusetzen, so wolle er dann
sehen, dass er etwas bleiljen möchte und sollte er darum
in den Kaiser und in die Königin ^larie gar kriechen,
welches er doch sonst ungern thäte, denn er wollte sich
also nicht fressen lassen. Über seine jungen Vettern
'") Hier wird auch schon eine „geheime Versicherung" ange-
deutet, zu deren Ausstellung Moritz erbötig sein werde, vor allem
wegen der gegenseitig zugefügten Schäden (zwischen Magdeburg und
den Pfaffen). Magdeburg sollte nicht mehr als 1200 Mann Besatzung
fiufnehraen.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 221
(die Herzöge von Weimar) liabe ei geäussert, er wolle
rund liandeln. Handlang sei ihrethalben bei ihm ange-
zettelt"**), er wis!?e aber nicht, obs Ernst oder Betrug sei.
Wäre es Ernst, so wollte er von Grund aus handeln.
Und sei das der ganze Text, sie sollten sich keine Ge-
danken machen, von ihm die Kurwürde wieder zu er-
langen. Wollten sie sonst mit ihm vertragen sein, so
wolle er sie dem geraeinen Handel zum besten nicht aus-
schliessen und die Erledigung ihres Vaters mit Fleiss be-
fördern, damit die Zwietracht zwischen ihnen destoweniger
das gemeine Werk hindern möchte."
Wie bedeutungsvoll der kurfürstliche Schritt und wie
wichtio- die Senduntr ^'N'ilhelms von Schachten an Heideck
war, davon werden wir uns bald überzeugen können.
Begleiten wir aber zunächst den Kurfürsten von Sachsen
auf seinem Kriegszuge gegen Verden.
Von Magdeburg-Neustadt aus"®) ritt ]\L)ritz mit einem
„reisigen Zuge" unter Leonhard Kotze und Georg Wacht-
meister in zwei Tagen — seine vorausgeschickten Truppen
überholend — über Helmstedt und Fallersieben nach
Burgdorf im Lüneburgischen, drei Meilen südlich von
Celle; wo Herzog Heinrich von Braunschweig, aus Augs-
burg herbeigeeilt, mit 550 Reitern und i;000 Knechten
zu ihm stiess '^^) — er war der einzige Fürst der beiden
sächsischen Kreise, welcher Zuzug und Hilfe leistete. In
Burgdorf rastete ]\Ioritz vom 20. — 22. Dezember, weil
seine Knechte wegen der abscheulichen Wege nur langsam
nachrücken konnten. Während dieses unfreiwilligen
Aufenthaltes, welcher dazu benutzt wurde, um zahlreiche
Kundschiafter auszuschicken und Proviant herbeizuschaffen,
trafen aus dem Lager vor Magdeburg zwei bedenkliche
Unglücksbotschaften nacheinander ein.
Der Abzug des Kurfürsten hatte die Belagerten zu
kühner Unternehmungslust ermuntert'^'). In der Frühe
des 19. Dczeml)ers zv»nschen vier und fünf Uhr waren
sie zwisch.en den beiden Lagerstätten Buckau und Dies-
dorf kühn hindurch gezogen und hatten das Dorf Gross-
ottersleben, in welchem der Stiftsadel mit seinen Dienst-
'") Siehe diese Zeitschrift IV, .314.
"•) Loc. 9152, Etzliche an Dr.Komerstadt ausgegangene Schreiben
1550, ßl. 40 fig.
"») Loc. 9151, II, P.l. 576.
'*') Loc. 9151, II, BI. 615 flg. Von Liliencron, historische
Volkslieder IV, Xo. ;-89.
222
S. Issleib:
mannen unter Johann von Aschenburg lug, überfallen ''^■^).
V(.ni Glücke begünstigt, hatten sie 225 Gefangene (darunter
o2 Herren vom Adel), 263 gute Pferde und die schön-
gestickte Hauptfahne des Erzstiftes mit dem Bilde des
li(;ili"en Mauritius nach der Stadt gebracht. Am andern
Mor'o-en gegen sechs Uhr waren dann die ^lagcL-burger
in das Feld gerückt, um der schwachen Belagerungs-
mannschal t zuzusetzen; und liatten den rauflustigen und
rachedurstigen Herzog Georg von l\L;cklenburg sclmell
in ein hitziges Scharmützel verwickelt. Durch zwei
Schüsse in den linken Arm und in das rechte Bein ver-
warn det, war Georg mit seinem stürzenden Rosse zu
Boden gefallen und von stadtischen Knechten umringt
worden." Nach matter Gegenwehr, die ihn noch einen
It'icliten Stich in den Schenkel einbrachte, hatte er sich
dem Ritter Kilian von Altenburg ergeben müssen und
war dann unter endlosem Jubel als Gefangener in die
Stadt gebracht worden'").
Von diesen beiden Unfällen benachrichtigt uncl uni
Hilfe gebeten, schickte Moritz einen Theil seiner Reiterei
von Burgdorf aus zurück und beeilte sich, die Vasallen
des Leipziger Kreises vor Magdeburg zu verwenden.
Mit aller Bestimmtheit jedoch verweigerten dieselben einen
Zug gegen die Stadt un 1 Hessen den Landesherrn •—
fast war es unerhört — in seiner schwierigen Lage im
Stiche'"'^).
'*^) Nach Besselmeier hüten Reiter uml Knechte weisse
Hemden' über Kleidini«.' und Rüstung angezogen — eine Kriegslist
zur Winterszeit.
'^^) Ilidie Freude eifulUo Magdeburg. Die Geschütze aut
Wällen und Thürmen wurden abgefeuert und alle Glotken geläutet.
Sellist die grosse Glocke der Domkirclie tönte nach dreijäbiigem
Schweinen mächtig über das feindliche Lager. Die Haft des Herzogs
war ehrenvoll. Ziuiächst wurde er in der Kämmerei geheilt, am
1. Januar ir;.jl siedelte er in das Haus des Käuiinerers Moritz Alc-
luanu über. Bürger hielten vor seinem durch eiserne Fensterstangen
und Thüren wohl verwahrten Gemache Wacht. Zu Zeiten durite
ihn Joachim von Gersdorf sehen. „Zu Augsburg war gross Froh-
locken üliir Aschenburiis und Her/.oir Georgs Niederlage" (Kram
am 2. Jan. lö.')l. Loc. 10 i«^, Siunniarisdier Auszug etc. Ml. 159, Kit ).
Weffen der beiden glücklichen Aa.>fälle verlangten die niaijdeburgi-
schen Reiter und Knechte einen Monatssold und vollen Sold des
laufenden Monats. Meuterei entstand. Graf Albrecht gestand als
Unterhändler einen halben Monatssold und den Deginn eines neuen
Mor.ats zu.
'-*) Näln.Tes in v. Webers Archiv für die sächsische Gescbich'c
IV, 123 (1006*. Die Abhandlung des Jul. Traugott Jakob von
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 — 5]. 223
Montag, den 22. Dezember, setzte Moritz mit Herzog
Heinrich und Markgrafen Albreclit s.;inen Zug bis Es sei
an der Aller fort. Aus den spärlich fliessenden Nach-
richten erfahren wir, dass in Essel die Kundschaft einlief,
„der Feind ziehe den Kurfürstlichen unter die Augen".
In Schlachtordnung aufgestellt, erwartete man den Gegner;
allein die ganze Sache erwies sich als blinder Lärm.
Während des darauffolgenden Marselies nach Walsrode
war der Kurfürst unausgesetzt auf eine Begegnung mit
dem Feinde gefasst; aber niemand nahte '•^^i- Die Truppen
nahmen in ^^^dsrode Quartier. Als daranf in der Nacht
zum 25. Dezember eine „Zeitung" meldete, von Verden
aus werde ein Überfall beabsichtigt, erhob sich Moritz
um Mitternacht vom Lager und liess die Mannschaft
alarmieren, um dem Feinde in vortheilhafter Stellung „den
Kopf zu bieten". Jedoch auch zum andern Male blieben
die Gegner fern, und ungestört rasteten die Truppen am
Christtage. Gänzlich aus der Luft gegriffen war aller-
dings das Gerüciit von einem geplanten Überfalle nicht.
Die 60 Reiter und 200 Knechte der Grafen von der Lippe
und von Hoya, welche zu Rethera an der Aller lagen und
dem Kurfürsten zuziehen wollten, wurden in der That
überfallen, jedoch der grössere Theil der Mannschaft
rettete sich nach Walsrode, wohin sie schon tags vorher
gefordert waren. Um Mitternacht des 25. Dezembers
wurde wiederum eine Warnung vor einem Überfalle ein-
gebracht, und wiederum rückte Kurfürst Moritz in das
Feld. Als er jedoch abermals bis acht Uhr morgens die
Gegner in Schhxehtordnung vergebens erwartet hatte, rief
er beherzt aus: „wollen die Feinde nicht zu uns, so wollen
wir zu ihnen", und liess gegen Verden marschieren;
„Läufer und Reiter rückten bis hait an die Stadt". Ein
vorausgeschickter Trompeter '^"j musste „den hellen Haufen"
in Verden auffordern, „die Fähnlein von Stund an abzu-
reissen und auseinander zu laufen". A^'eigerung wurde
mit Reichsstrafe bedroht, Gehorsam stellte Sicheiheit
Könneritz enthält in der ersten Hälfte zahlreiche Ungenaiiigkeiten
und lässt in der zweiten Hälfte durch urgenügciKle Veiwerthung
wichtiger Aktenstücke sorgfältige Gründliclikcit vermissen. Loc. 9152,
acta, Landtags- ur.d andere Händel 1Ö47 — 15 7.
'^') Der Kurfürst überantwortete im freien F'elde dem Adel
die Fahnen mit den Worten : „dabei werdet Ihr halten wie ehrliche
Gesellen und sie nicht verlassen, Ihr werdet denn dabei erstochen".
'=">) Loc. 9151, n, Bl. 572.
224 S. Issleib:
des Leibes und riiites, Bestallun<]i; von Kaisers und Reichs
wegen und den Unterhalt ehrlicher Kriegsleute in Aussieht.
Noch ehe der Trompeter Antwort erhielt, nahte Mark-
graf Alhreeht, verlangte Gehör und eröfFn :te den er-
schienenen Verordneten das, was sie bereits vernoninien.
Darauf erbaten die Führer und Hauplle ite bis isuin an-
dern Tage (27, Deyeinber) Bedenkzeit, um die Sache an
die Knechte gelangen zu lassen''^'). Als dann um Mittag
des folgenden Tages Markgraf Albrecht wiederum nahte
und durch seir.en Diencsr Antwort verlangte, Hessen sie
vorgeben, schon einem Herrn geschworen zu haben, und
zugleich ihr Befremden über das mark-riitliche Angebot,
wodurch sie zu Schelmen und unehrliclien Leuten werden
würden , zum Ausdruck bringen. Dem Diener erklärte
man kurz und bündig: „wollten sie nicht ein blaues
Auge davon bringen, so möchten sie sich packen" '**).
Derartig abgefertigt brach ^loritz mit seiner Mann-
schaft in der Richtung nach Ijangwedel (eine Meile
nördlich vun A' erden) auf, um den Rass nach Bremen zu
verlegen. An Verden vorüber marschierend, wurde er
zweimal vom Feinde angegriffen ; aber zweimal wurden
die Gegner „zum Thore hineingestochen"; ihr bester Haupt-
mann, ein märkischer Edelmann, gerieth in Gefangen-
schaft. Bei Dauelsen "^®) bezog der Kurfürst (am 28. De-
zember) ein festes Lager, um von dieser wichtigen Stelle
aus Verden zu berennen und dem „christlichen Hau''en"
hinsichtlich der Proviantzufuhr und der Verstärkung durch
Zuzüglei' so viel als möglich Abbruch zu thun. Er hoflfte
mit dtm Feinde, welcher sicherer Kundschaft nach nicht
mehr als (iüOO Knechte und 250 Reiter zählte und Manuel
an Proviant, Geld, Geschütz, Munition und Montierung litt,
bald fertig zu werden. Gern wäre der Kurfürst auch voui
linken Allerufer dem Feinde nahe gekommen; allein er
wagte nicht, seine Streitkräfte zu theilen und erheblicher
Gefahr auszusetzen''^"). Überdies konnte das jenseitige Ufer
wegen des hohen Wasserstandes schwer erreicht werden;
in vieler Hinsielit machlen sich auch unter den kurlürst-
lichen Truppen die Beschwerden der lästigen Winterzeit
geltend. Die Operationen gegen die „vergarderten Knechte"
beschränkten sich somit läundich auf das Gebiet des rechten
'*') Nach Allgaben später Gerangciier geschah es nicht.
'*') „Die Buben gaben böse Worte aus", berichtete Markgraf
Albrecht. '") Loc. 9151, Hl, Bl :5.
'*") Loc. 9151, II, BI. .j79 (Brief an den Kaiser vom 2. Jan. 1551.)
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 225
Allerufers. Zu grossen Thaten ist es nicht gekommen.
Der Feind behauptete durchweg die Defensive. Die Tage
vergingen, man trat aus dem alten in ein neues Jahr.
Über die geheimen Verhandlungen jener Tage er-
fahren wir äusserst wenig; doch wird berichtet, dass durch
Vermittelung des Markgrafen Albrecht in Abwesenheit
Heidecks eine vertrauliche Unterredung zwischen Moritz
und dem Heideckschen Kanzler Christof Arnold statt-
fand*^'), gemäss welcher der Kurfürst den magdeburgi-
schen Krieg zu gutem Vertrage bringen, den Landgrafen
von Hessen und den vormaligen Kurfürsten erledigen,
Gottes Wort befördern und des Vaterlandes Freiheiten
erhalten wollte. Arnold sollte die kurfürstlichen Erklä-
rungen an Heideck, an etliche Fürsten und an Magde-
burg gelangen lassen.
Ungeachtet dieser Unterredung forderte Moritz am
5. Januar 1551 das vergarderte Kriegsvolk im Tone
ernsten Gebotes auf, seinen Herrn zu nennen; vergebens.
Die Übersendung einer Anzahl Artikel endlich brach
einer zweitägigen Verhandlung Bahn und beendete die
Verden'sche Kriegshandlung am 7. Januar durch einen
Vertrag *^^). Alle Haupt- und Befehlsleute verpflichteten
sich, innerhalb dreier Monate *^^) weder gegen Kaiser und
König, noch gegen Moritz von Sachsen;, Heinrich und Erich
von Braunschweig, Anton von Oldenburg, noch gegen das
Stift Bremen oder gegen die „magdeburgische Expedition"
zu dienen und das Kriegsvolk mit „zugeschlagenen Fähn-
lein" davonzufüliren und innerhalb drei, vier Tagen zwi-
schen Verden und Bremen verlaufen zu lassen. Gegen
Zusicherung völliger Amnestie wurden alle Gefangenen
freigegeben. Viele Offiziere und Knechte traten in kur-
fürstliche Dienste, vor allem der grosse Praktikant Heideck
und sein Kanzler Christof Arnold, beide ausersehen, zwi-
schen dem Kurfürsten und Magdeburg zu verhandeln"*).
'*') Loc. 9153, Christofen Arnolts vertraulicher Bericht etc.
Bl. 7. Vergl. Cornelius 55 und Job. Voigt, Fürstenbund 102;
auch Loc. 7281, Französische Verbundnisse Bl. 40.
'") Loc. 9151, II, Bl. 582 flg.
'*') Merck el giebt G Monate an.
"*) Loc. 10189, Summarischer Auszug etc. Bl. 2.3 (Carlowitz'
Brief an Moritz, vom 14. November 1550). Längst hatte Moritz den
geächteten von Heideck als ein brauchbares Werkzeug erkannt.
Seinetwegen musste Carlowitz beim Kaiser Erkundigungen einziehen,
unter welchen Bedingungen eine Aussöhnung Heidecks möglich sei.
Carlowitz schrieb: würde sich Heideck zu stattlichen Diensten er-
Xeues Archiv f. S. G. u. A. V. 3 15
226 S. Issleib: Magdeburgs Belagerung etc.
Folgenden Tags (8. Januar) erstattete Moritz dem
Kaiser über die Verdener Handlung Bericht '^■^), doch
nur im allgemeinen und nicht völlig sachgemäss. Durch
bestimmte Gründe bewogen, schwieg er über einzelne
Punkte, und Markgraf Hans legte einige Wochen später
(jewicht darauf, dass der mit den Hauptleutcn geschlossene
Vertrag dem Kaiser nicht zugeschickt worden sei''*').
Wann der Kurfürst den Rückmarsch von Verden nach
Magdeburg-Neustadt antrat, und wann er im Lager ein-
traf, lässt sich nicht ganz genau angeben. Aus der
Datierung mehrerer Briefe geht hervor, dass er am
14. Januar 1551 in Keustadt an der Leine verweilte''").
Merckel setzt die Rückkehr auf den 18. Januar um
10 Uhr früh an. Es mag dies richtig sein, denn in vier
Tagen (vom 14. — 18. Jan.) war die Route von Neustadt über
Burgdorf nach Magdeburg zurückzulegen. Besselmeiers
Angabe (25. Jan.) ist unrichtig, denn am 24. Jan. befand
sich der Kurfürst bereits im Lager vor Magdeburg *'*).
Der siegreiche Fürst wurde „von den Kriegsleuten
in allen Lagern mit vielen Freudenschüssen empfangen".
Er brachte sieben "^) neugeworbene Fähnlein und zum
Erstaunen aller den Anführer des Verdischen Haufens,
Hans von Heideck, mit. Bisherige „Feinde wurden jetzt
Lagerfreundc". Der Kaiser, „ganz fröhlich über den
glücklichen Zug gegen Verdciu" ""), dankt(; dem Kurfürsten
verbindlichst für den bisher erwiesenen Eifer, lobte seine
Neigung zum Frieden im heiligen Reiche und erklärte,
„ihn Iiinfüro mit weiteren Gnaden bedenken zu wollen" '").
König Ferdinand und sein Sohn Maxinülian gratulierten
in anerkennender Weise zur Verdeutschen Viktoria"^).
(Sclüuss folgt.)
bieten und andere getreuliche capitula bewilligen, so sollte er aus-
zusöhnen sein, und das könne wohl täglich erhalten werden.
'^5) Loc. 9151, II, lil 605. Vergl Moritz' Brief an seine Ge-
mahlin vom 9. Januar (Loc. 8498, Handschreiben); darin gab er den
Verdener Kriegshaufen 15 Fähnlein stark an.
"«) Joh. Voigt, Fiirstenbund 114.
'*') Loc. 9151, III, Bl. 8 und 21. Brief an den Kaiser und an
die Städte Lübeck, Iliunbiirg und Lüneburg.
'"*) Loc. '.»151, 111, Bl. 39, Moritz' Brief an das Kapitel zu
Halle vom 2-1. Januar 1551 aus Magdeburg-Keustadt.
'*') Merckel und Besselineier geben vier Fähnlein an.
'") So schrieb Carlowitz am 19. Januar 1551, Loc. 10189,
Summarischer Auszujr etc., Bl. 192.
'*') Loc. 9151, III, Bl. lOß, Kaiserl. Schreiben vom 25, Feb. 1551-
*) Loc. 10189, Summarischer Auszug etc., Bl. 69.
ua\
VI.
Die verschlackten Wälle in der Oberlausitz.
Von
Fried r. Senf.
Seit Jahren beschäftigt sicli die Forschung lebhaft
mit den Befestigungswerken, welclie die Vorzeit auch in
Deutschland zurückliess. Besonders wimmelt die Ober-
lausitz von alten Schanzen. Man zählt ihrer gegen hundert').
Der Form nach zerfallen unsere Schanzen in Bogen-
oder Hakenschanzen, die einen bachumflossenen steilen
Felsvorsprung vom offenen Lande abscheiden, und in
Ringschanzen, oval oder rund, die gewöhnlich Höhen
krönen^ zuweilen in Sümpfen liegen. Dann erhielt häufig
die Schüttung eine Substruktion von Holzwerk, die im
Grade ihrer Beschwerung immer tiefer einsank, schliesslich
aber ein festes Fundament darbot.
Dem Material nach unterscheiden wir Erd- und
Steinschanzen. ]\Tan nahm zum Bau, was am nächsten
und bequemsten zur Hand lag.
Die meist bedeutenden Erdwerke, deren Stirnhöhe bis
60 Fuss, deren äusserer Böschungswinkel bis 45 Grad
steigt, haben ihre Konturen und Abdachuugsflächen nicht
selten bis heute vollständig bewahrt. Es nimmt dies nicht
weiter Wunder, wenn man hört, dass die aufgeschüttete
Erde mit Balken und Brettern festgeschlagen und fest-
') Über sie schrieben zuletzt 0. Schuster: „Die alten Heideu-
schanzen Deutschlands" (Dresden 1869) und Andree: „Wendische
Wanderstudien" (Stuttgart 1874).
15*
228 Friedr. Senf:
gestampft wurde. So Lericlitet Ibraliiiii ibn Jak üb, ein
spanisclier Jude, der als Arzt oder Sekretär sich l>ei der
sarazenischen Gesandtschaft aus Afrika befand, die im
Frühliuo- 973 in Merseburg am Hofe Otto I. erschien, um
dem weltberühmten Kaiser Geschenke darzubringen und
Ehrfurcht zu bezeigen. Das arabische Manuskript seiner
Reisebeschreibung wurde auszugsweise einem geographi-
schen Sammelwerke einverleibt, das vor einigen Jahren
in Konstantinopel ans Licht trat*).
Aber dieses Ortes haben wir es nur mit den Stein-
schanzen zu thun, sogar nur mit den verschlackten unter
ihnen. Die verscldackten Wälle sind ein Problem, das die
Alterthumsforschung bisher vergeblich zu lösen versuchte.
Auch die vorjährige Versamndung der Fachmänner, die
in Trier stattfand, kam erneut auf das schwierige Thenuv
zurück, ohne einen Abschluss der Frage zu erzielen.
So darf ich mir wohl erlauben, endlich die Ergebnisse
zu veröflPentlichen , die bei genauer Untersuchung der
oberlausitzer Schlackenwälle mir zufielen. Flüchtig legte
ich sie dar in einem Vortrage, den ich vor einigen Jahren
in Berlin vor einem nicht archäologisch gebildeten Publi-
kum zu halten hatte. Da niemand, wie es scheint, meine
Resultate weiter trug und zur Besprechung brachte, muss
ich wohl wagen, mit den nachfolgenden Zeilen in den
Kreis Kundiger einzutreten.
Jänkeudorf bei Görlitz, mein früherer Wohnort, lag
nicht weit von den vier verschlackten Wällen der Ober-
lausitz. Der Strom- d. h. Steilberg bei Weissenberg, der
Schafberg bei Löbau, der Rothstein bei Reichenbach, die
Landskrone schauten täglich zu uns herüber. Im Jänken-
dorfer Pfarrgarten war ein kleiner Zierberg eirichtet aus
den verschiedenen Steinarten der ganzen Umgegend, unter
ihnen Schlacken vom Stromberge mit deutlichen Ilolzring-
eindrücken, die mich zunächst nach jener Höhe lockten,
von dort weiter. Das Geheimnis der Schlacken fesselte
mich bald nicht weniger, als die drei grossen Urnenfelder
meiner Flur und die vielen andtnen der näheren Nach-
barschaft. Nachgrabungen in der Strombergschanze und
achtsame Besichtigung des Befundes brachten mich auf
einen Versuch der richtigen Räthsellösung, der immer wieder
neue Bestätigung fand, so oft ich später die zuverlässigen
*) Jahrbücher des Vereins für Meklenburg. Geschichte und
Alterthum XLV, 7.
Die verschlackten Wälle in der Oberlansitz. 229
Fuüdbericlite sorgfältiger Durcbforsclier der Sclilacken-
wälle einsah.
Professor Virchow berichtet über seine Untersuchung
der Stromberg-schanze in der Sitzung der Berliner Gesell-
schaft etc. vom 14. Mai 1870 folgendermassen'^):
Der umwallte Raum bildet ein unregelmässiges Halboval von
73 und 41 Schritt Durchmesser. Der Wall ist von sehr verschiedener
Höhe. Nach Süden zu verflacht er sich, nach Westen steigt er all-
mählig bis zu einer Höhe von ?> — 5 Fuss an, gegen Nord-Osten wird
er noch etwas höher. Äusserlich ist er mit kurzem Rasen und da-
runter mit schwLirzer Erde bedeckt. Nach aussen fällt er steil ab,
nach innen ist er sanft abschüssig.
Wir untersuchten die Beschallen heit des Bodens und des Walles
an acht Stellen. Innerhalb des Raumes fand sich nichts als schwarze
Erde und zahlreiche r o t h e Basaltstücke *).
An dem freien Rande, in der Nähe des Signalsteines, kamen
kleine Holzkohlenstücke, rothgebrannte Erde und äusserlich
durch Feuer geröthete Basaltstücke zu Tage. Am südwestlichen
Rande stiessen wir auf eine grosse Brandstelle mit zahlreichen,
bis über faustgrossen Stücken von noch fester Eichen kohle, welche
zwischen grossen, äusserlich geschwärzten Basaltstücken, von
schwarzer Erde bedeckt, bis zu einer Tiefe von zwei Fuss lagen,
ohne dass jedoch die Steine erhebliche Brandspuren zeigten.
Nach Norden bestand der Wall gleichfalls aus Erde und Steinen,
zwischen denen jedoch poröse Schlacken vorkamen. An der
nordöstlichen Ecke lag sehr schwarze Erde; die Steine waren
gebrannt, stellenweise sogar porös. Gegen Nordnordwest dagegen,
also in der Richtung gegen den Sattel des Berges hin, fand sich in
längerer Erstreckung der eigentliche verschlackte Theil.
Es ergab sich daher sofort, dass die Beschaflenheit des Walles
nicht in allen Theilen gleich ist, dass derselbe vielmehr nur da,
wo er gegen den Sattel gerichtet ist, unter einer dünnen Erdkrume
in vollkommen gebranntem Zustande sich befindet. Weiterhin, an
den Seitentheilen des Berges, kommt allmählig immer mehr Erde
hinzu, und obwohl auch hier Basaltstücke immer noch die Hauptmasse
bilden, so zeigen sie doch keineswegs so starke Brandspuren, dass
man daraus die Bezeichnung eines Schlackenwalles ableiten könnte.
Wir konzentrierten daher unsere Arbeit wesentlich auf den
nordwestlichen Punkt, wo ich einen vollkommenen Jhirchschnitt
durch die ganze Dicke des Walles machen Hess. Es war dies mit
grossen Schwierigkeiten verbunden, da die Massen überaus fest zu-
sammenhielten. Die Kohärenz, namentlich in der Tiefe, war
so gross, dass es einer höchst anstrengenden Arbeit bedurfte, um
nur zunächst einen Durchschnitt von drei bis vier Fuss Breite zu
erlangen.
Der Wall zeigte an dieser Stelle an der Basis eine Breite von
15 Fuss und eine Höhe von 4 bis 5 Fuss über dem natürlichen
Felsboden. Zu ober st unter dem Rasen und von humoser Erde
durchsetzt, lagen lose, theils unveränderte, theils gebrannte
*) Zeitschrft. für Ethnologie H (1870), 261 flg.
*) Mir begegneten auch Scherben, einer mit zackigem Wellen-
ornament, und Knochen.
230 Friear. Senf:
Hasaltstücke in grosser Menge; in der Tiefe von 1 '/2 bis 2 Fuss
kam, wie es in Peran [Bretagne] nnd in nianrlien der scliottischen
Lilasburgen beoliaclitet ist, ein ;iusammen hängender Kern von
Brandmassen, die fast durchweg, jedoch verschieden fest zu-
sammenhingen. Dieser Kern liatte sehr verschiedene Breiten und Höhen.
An einer Stelle war er nahezu 4 Fuss l)r(dt >uid ^'/j bis ^^ Fuss hoch,
so dass er nach völliger .Blosslegung wie eine miulitige gebackene
Mauer aussah, allein sehr bald verschmälerte sich diese Mauer und
lief in eine Art Spitze aus, neben welcher sich jedoch schon wieder
der Anfang einer neuen Mauer zeigte. Nach der äusseren
Seite des Walles war der Brand otVcnbar stärker gewesen, denn hier
waren die Massen stellenweise völlig geschmolzen und geflossen.
Wir haben uns erlaubt, die für unsere Ansicht wich-
tichtigen, BoweisAA'orte durch Sperrdruck hervorzuheben,
und geben aus dem weiteren Berichte noch eine Auswalil
bedeutsamer Stellen in abgekürzter Form:
Innerhalb der gebrannten Masse selbst waren zahlreiche kleinere
und grössere, meist län glich ecki g e Höhlungen oder Lücken,
von denen ein grosser Tlieil dadurch entstanden sein muss, dass
Holz zwischen die Steine gesteckt nnd durch den Brand zerstört
worden ist. An zahlreichen dieser Höhlungen zeigte die innere
Oberfläche deutlich die Abdrücke von Holzstü ckcn. Ja, wir
fanden mitten in einem grossen zusammengebackenen Klumpen in
einer tiefen, gangartig-en Aushöhlung einige Esslötlei voll pulveriger
Holzkohle, so dass für uns auch nicht der leiseste Zweifel blieb,
dass sich zwischen den Steinen Holz befunden hat.
Hie schmelzende Masse ist in Spalten und Zerklüftungen des
Holzes eingedrungen. Solche Spalten entstehen soM-ohl durch das
einfache Austrocknen, als namentlich bei Yerkohlung im Feuer.
Es sind aber fast sämtliche llöblnngen an den Strnmberg-Schlacken
ihrer Gestalt nach nicht auf natürliche Formen der Äste oder Stämme
zu beziehen, sondern sie zeigen vielmehr künstlich gespaltene
oder durchhauene Holzstücke, in der Regel wahre Holz-
scheite mit ganz glatten Längstiächen und schräg oder rechtwinkelig
daran stossenden Endflächen. An einer solchen gehauenen Endfläche
sieht man noch ganz feine, faserige Vorsprünge, zerrissenen Holz-
fasern entsprechend. Solche Zeichnungen linden sich in aller mög-
lichen Abwechselung, stellenweis mit solcher Zartheit der Linien,
dass dadurch alles wiedergegeben wird, was in Beziehung auf das
AViedergeben von Holzkolile möglich ist. Eine grössere Schlacken-
höhlung zeigt eine rechtwinkelig anschliessende Endfläche, auf
welcher, theils durch verschiedene Färbung, theils durch eine ge-
wisse Unebenheit charakterisiert, die Ringe eines Baumstammes oder
Astes deutlich zu sehen sind.
Das zerschlagene Holz, mit dem die Steinmassen des Walles
durchsteckt waren, ist durch den Brand zerstört und seine Asche ist
in die schmelzende Masse mit aufgenommen. So entstanden die
Höhlungen, deren Innenflächen freilich nur hier nnd da eiijenthüm-
liche weissliche nnd gelbliche , möglicherweise durch Aschentheile
gefärbte Heschläge zeigen. Stellenweise ist die AVand der Höhlung
in wirklichen Fluss gerathen; meist war sie nur soweit geschmolzen,
dass sie in die Spalten und Klüfte des Holzes eindrang und Abgüsse
derselben bildete.
B
Die verschlackten Wälle in der Oberlausitz. 231
Die Basaltstücke selbst zeigen alle Grade der Feuerwirkunir.
Einige sind nur äusserlich bis auf einige Linien gerötbet und oft
gesprungen; in anderen sieht man auf BrucliÜächen ganz feine und
vereinzelte Blasenräume; andere sind ganz und gar grossblasig, wie
lümstein. Zuweilen sieht man alle diese Zustände hinter einander
in demselben Stücke, welches am Ende in einen Fluss übergeht, der
in Bänder- und Tropfenform erstarrt ist.
Wir fanden nicht selten in Tropfenform heruntergeflossene und
so erstarrte Theile, allein das Geschmolzene und Gebrannte war
offenbar nicht bloss Basalt. Vielmehr zeigten gerade solche in Fluss
"erathene Tbeile oft genug neben der eigentlichen Basaltmasse noch
eine besondere Zwischensubstanz. Es ist dies eine rothe, häufig
sehr brüchige, stellenweis sehr kompakte Sul)Stanz, in welcher kleinere
und grössere Quarzstücke eingeschlossen sind, auch etwa einmal ein
zerschlagener und gebrannter Feuerstein. Schon Glocker meint,
dass in manche blasige Basaltstücke Stücke von der Beschaffenheit
uml Farbe rother Ziegel und in manche Ziegelstücke umgekehrt
auch kleine eckige Basaltstücke eingemengt seien. Wir haben offenbar
Lehm vor uns, der als Bindemittel angew^endet ist und in den die
Holzscheite eingelegt wurden. Es sind daher bei dem Brande nicht
bloss Basaltstücke zum Schmelzen gekommen, sondern es ist auch
der Lehm gebrannt worden. So erklärt sich wahrscheinlich die
grosse Feinheit der Zeichnung, welche die Innenfläche der geschil-
derten Höhlungen darbot.
Zur Vervollständigung des Befundes am Stromberge habe ich
nur noch zu berichten, dass sich hier ein ähnliches Verhältnis zeigt,
wie es von Geslin in Peran unter der Bezeichnung von Öfen, four-
naise, beschrieben ist. Die Brandmasse bildete gewisse Herde
von beträchtlicher Grösse, deren Zwischenräume mit weniger oder
gar nicht gebrannten Steinen gefüllt waren. Im Innern dieser Herde
gab es stellenweise grössere Höhlen, 1 bis 1 '/a Fuss hoch und so
tief, dass ich den ganzen Arm in ausgestreckter Haltung hineinbringen
konnte. Dieselben waren theils ganz leer, theils mit losem, grau-
rothem Bramlschutt gefüllt. Ihre Wandungen erschienen stets in
hohem Grade verschlackt. Gegen die Aussenseite des Walles
zu war die Schmelzung und Verglasung meist stärker, doch
reichte die Schlacke nicht bis unter die Erdkrume, vielmehr fand
sich unter dieser ein loserer rothgebranuter lehmiger Schutt.
Gegen die Innenseite des Walles zu schlössen sich an den harten
Kern grosse, künstlich aufgeschichtete Basaltblöcke an, deren
oft grosse Zwischenräume von gebranntem Gius eingenommen waren.
Diese Eigenthünilichkeiten dürften mehr als alles andere beweisen,
dass es sich um eine absichtliche Anlage handelt, welche ge-
brannt werden sollte.
Man darf wolil vorzielien zu sagen : welche gebrannt
wurde.
Wir resümieren aus diesen Mittlieilungen : Die Er-
scheinungen der Feuerwirkung steigen gegen die Tiefe
des Walles. Die vollkommensten Schmelzprodukte liegen
in seinem Kern, nicht durchaus in seiner ganzen Länge,
nur in grösseren Nestern. Dort erheben sich zur Seite
der kompakten Schmelzmasse künstlich geschichtete Steine,
232 Friedr. Senf:
die Spuren von Trockenmauern. AVo förmlicher Lavafluss
eintrat, zeigt er Holzabdrückc, Längs- und Kopf'abdrücke
von Balken und Scheiten. Das Holz selbst ist bis auf
Kohlenreste verschwunden, was auf bequemen Luftzutritt
während der Verbrennung schliessen lässt, also auf grössere
Hohlräume, von denen zuweilen noch geringe Keste übrig.
Die Lava entstand durch Schmelzung besonders von Stein-
grus, Sand, Leiun, die zugleich mit dem Holze in den
Wall eingebracht wurden. Grossere Steine sind selten
zer-, meist nur an-, natürlich auch zusammengeschmolzen.
Ihr gewöhnliches Bindematerial ist der Grusschmelz, aus
dem sie mit noch scharfen Konturen losbrechen. Der
dünnflüssigste Theil der Lava ergoss sieh durch die
Zwischenräume der lose geschichteten Steine bergab nach
der Aussenseite des Walles, an der er herunterfloss, nach
unten sich häufend.
Die Lösung des Räthsels scheint mir nun folgende zu
sein: Alle verschlackten Wälle waren käse mattiert.
Die einzelnen Kasematten, die nahe an einander stiessen,
unterkellerten gewöhnlich den ganzen Wall. Ihre Thür-
öffnungen, zuweilen noch an Steinschichtungen erkennbar,
schauten nach dem Sehanzen-Planum und lassen, weil dort
die Glut des späteren Feuers schnell verflog, nur geringere
Brandspuren wahrnehmen. Wo irgend eine Schanze er-
baut werden sollte, begann man auf ihrer ganzen Linie
mit Errichtung der Kasematten. Nur etwa die Einfahrt
blieb davon frei, auch flach verlaufende Enden. Die
Seitenraauern der Kasematten wurden von Steinen ge-
schichtet und deren Zwischenräume mit Grus und Lehm
erfüllt. Mit den gleichen Materialien beschüttete*) und
dichtete man gegen den von oben herabdringenden
Regen die Kasemattendecke. Aus starken Holzlagen, be-
schlagenen Balken, blossen Scheiten gebildet, war sie auch
der schwersten Belastung gewachsen. Wohnlicher noch
gestalteten sich diese Parterreräumlichkeiten der Schanzen,
wenn man auch Fussboden und Seitenwände von Holz
konstruierte, womit man damals nicht zu sparen brauchte.
Erst nach vöUiger Fertigstellung der Kasematten be-
gann die nun um so schneller emporsteigende Schanzen-
*) Die Lelimschicht, welche sich in einer Tiefe von 1 m 80 cm
unter der Krone des Steinringes von Otzenhausen hinzieht, besitzt
eine Mächtigkeit von 80 cm. Vergl. den Bericht über die Versamm-
lung etc. von 1883 zu Trier S. 72 und 87.
Die verschlackten Wälle in der Oberlausitz. 233
schüttung, die jene unter sich begrub. Alle Steinschanzen
ruhten auf solchen Unterbauten, ebenso alle Erclschanzen.
Diese Holzbauten gingen niclit alle in Feuer auf. Wenn
es aber geschah, so mussten die trockenen in den Stein-
wällen eine gewaltige Glut entwickeln und vor und im Zu-
sammensturz die oben geschilderten Schmelzerscheinungen
hervorrufen. Hingegen konnte das erdfeuchte Holz der
Erdwällc; langsam glimmend, bedeutendere Feuerwirkungen
gar nicht erzeugen, sogar nicht einmal vollständig ver-
brennen. Man findet dann in den zusammenorebrochenen
Kasematten, wie Virchow vom Vorwalle der Landskrone
berichtet, Knochen von Rintl, Schwein etc.; grössere Brand-
oder Herdstellen, an welchen ganz grosse Stücke von
Eichenkohle liegen; Klumpen von rohem, gebranntem
Lehm; in reicher Anzahl Urnenscherben, Rand-, Mittel-,
Bodenstücke, trotz ihrer grossen Mannigfaltigkeit alle
vom Burgwalltypus mit Wellen-, Nagel-, Schnurenornament.
Oft wird auch sorgfältige Untersuchung zwischen
Balkenkohle und Herdfeuerresten nicht recht zu scheiden
vermögen. Ebenso schwierig ist es, wenn Fundstücke,
wie die eben erwähnten, in höheren Lagen unserer be-
deutenderen Eid wälle begegnen, mit Sicherheit zu be-
stimmen, ob nur Mahlzeitspuren der Schanzarbeiter vor-
liegen, oder Anzeigen einer Kasematte zweiter Etage, was
gar nicht undenkbar.
Ein Erdtrichter in der halben Höhe der Innenseite
des mächtigen Niethener Erdwalles scheint auf den Zu-
sammensturz eines früheren Hohlraumes hinzudeuten. In den
Erdwällen von Melaune bei Reichenbach und Niemen bei
Ohlau lassen sich Kasemattenbrände deutlich nachweisen.
Kaum fraglich ist solch ein Brand im Schmoritzwalle bei
Bautzen. Allerdings sind die Granitplatten nur theilweis
vom Feuer geröthet, aber Granit war schwerer zu rösten
und zu schmelzen als Basalt, Diorit etc., auch machten
plattenförmige Steine einen stärkeren Holzeinbau über-
flüssig. Solche Unterschiede, die auf verschwenderischer
oder sparsamer Holz Verwendung, auf Vermoderung oder
Verbrennung, langsamer oder schneller, jener Holztheile,
auf leichter oder schwerer Schmelzbarkeit dir Gesteinart,
auf grösserem oder kleinerem Format der einzelnen Steine
beruhen, werden bei Nachprüfung meiner Ansicht Avohl
zu beachten sein.
Schliesslich wird sich immer wieder als Resultat er-
geben : Kasemattierung.
234 Friedr. Senf:
Aber zu welclieni Zwecke? Zu einem so wichtigen,
(lass mit der Vernichtung- seiner Erreiehhjukeit; mit der
zuftilligen oder absiclitlichen Verbrennung der Kasematten,
ein Hauptzweck der Schanze verniclitet wurde. Unbrauch-
barmachung der Kasematten bedeutet soviel als Unbrauch-
bannach'uig der Schanze. Ein Eroberer, der die erstürmtm
Schanzen nicht dauernd besetzt halten konnte oder wollte,
nahm dem bekriegten Volke .seine festen Zufluchts- und
Stützpunkte, ■wenn er die Brandfackel an die Kasematten
legte, deren A\'iederherstellung viel schwieriger war, als
ihre ursprüngliche Herstellung, besonders nach Eintritt
kompakter Vei'schlackung.
In vereinzelten FälK-n diente wohl eine kleine Schanze
zur Station für einen ^^'achtposten, etwas grössere ver-
tlieidigten eine Furt oder schützten eine Strasse. So hat
die alte via regia von Rhein und Elbe zur Oder zwischen
Bautzen und Görlitz bt>i Schöps zwei einst feste Schutz- resp.
Sperrschauzen, die noch heute stehen Sonst aber, der
grossen Mehrzahl nach, sind die Schanzen in erster Linie
Fluchtburgen, Bauernburgen, Avie sie noch heute in
Kurland heissen ; ein Name, der früher auch in Thüringen
und Hessen üblich war. Die Annales Laurissenses*^) (zum
Jahr 774^ erwälmen eine Buriaburg bei Fritzlar.
In Kriegsläuften flüchtete beim Nahen der Feinde die
ländliche Bevölkerung in ihre Fluchtburg, die mitten im
Orte lag, so P^bersbach bei Görlitz, oder dicht daneben, so
Melaune bei Reichenbach, oder zwischen mehreren Ortschaf-
ten, bis heute gemeinschaftlicher Besitz, so Stromberg bei
Weissenberg. Die drei genannten kleineren Schutzwällc,
einer vom andern zwei Stimden entfernt, bezeichnen den
Rand des offenen ebenen Landes. A^'eiter rückwärts nach
den höheren Ijcrgen hin vcrgrössern sich die Schanzendimen-
sionen oft bedeutend. Die Niethener umfasst ein ansehn-
liches Ackerfeld. Auf den Bergen selbst aber, auf dem
Ijöbauer und deuBautzcnrrn, deren dichte Bewaldung srhon
guten Schutz gab, erreichen die ^yälle, als ultima refugia,
die grösste Geräumigkeit. DerLöbauer umschliesst zwanzig
Morgen Landes. Je zahlreichere Volkshaufen von feind-
lichen Horden nach den Beri>-eu iiin und auf sie hinauf jre-
drängt werden konnten, desto geräumigere Schutzwerke
mussten zu ihrem Empfange bereit stehen mit dem Planum
für die Herden, mit den Kasematten besonders für Frauen
•) Mon. Geriiian. bist. SS. I, 152.
Die verschlackten Wälle in der Oberlausitz. 235
und Kinder. Der Einzug- erfolgte bei den SicLelscluinzcn
an den niedrig verlaufenden Wallenden, bei den Ring-
sclianzen gewöhnlich auf einer schmalen Falirstrasse,
welche den Wall schneidet, nicht selten an zwei gegen-
überliegenden Stellen. Die Herden bedurften auch der
Weide wegen eines bequemen Aus- und Eintriebes. Das
zum Leben nöthige Wasser lieferte meist ein naher Bach,
auch wohl ein künstlicher Teich'), eine Zisterne oder
ihrer zwei, wie im Schmoritz- oder Hochsteinringe, wohl
auch ein Brunnen, der wenigstens noch in der Sage vor-
handen zu sein pflegt.
Wie oft und lange einzelne exponierte Schanzen be-
setzt fjehalten werden mussten, beweist die von Melaune.
Das Kochen unzähliger Mahlzeiten erfüllte ihr Inneres
mit mächtigen Aschen- und Kohlensehichten, die durch
die vorsorgende Hand des Menschen, der für den nächsten
Krieg sich einen wohnlichen Aufenthalt schaffen wollte,
immer Avieder geebnet und mit Erde überschüttet worden
sind. Allein im Winter 1839 wairden 600 Fuder Schanzen-
planum abgefahren, um Wiesen zu verbessern. Dabei
fand man Thierknochen und ganze Scheffel verkohlten
Getreides, Weizen, Roggen, Gerste, Hirse. Von den
Speichertöpfen waren noch Stücke vorhanden. Der Brand,
der bei Erstürmung der Feste jene Speisevorräthe zugleich
verdarb und konservierte, war von so starker Glut^ dass
er ziegelrothe Lehmstücke und geschmolzene Eisenklumpen
zurückliess.
Wie grosse Volksmengen bei den Schanzen längere
Zeit festgehalten Avurden , bezeugt der Schmoritzwall.
Sichtlich boten die Kasematten dieser grossartigen Berge-
stätte keine ausreichende Unterkunft, jedenfalls nicht den
Männern. Darum hat man dem Ringwalle noch drei
halbmondförmige vorgelegt. Sie erhöhten allerdings die
Vertheidigungsfähigkeit des Hauptwalles *), sie gewährten
allerdings den weidenden Herden bei drohender Gefahr
schnellen Eintrieb und vorläufige Sicherheit, aber es
standen auch in den von ihnen umschlossenen Räumen
die Hütten fertio- für Aufnahme der Vertheidiffnnffsmann-
Schäften aus den einzelnen Gehöften und Dörfern. Bei
Tage und bei Nacht an diese Vorwerke gefesselt, bedurften
') Vergl. Verhandlungen zu Trier, S. 72.
*) Schon der Vorwall ^var schwer zu erobern, da mittels seiner
vom Hauptwalle aus gedeckten Intervalle der stürmende Feind leicht
flankiert werden konnte.
236 Friedr. Senf:
sie des AA^ettcrsclmtzes. Die Taciteischen Scliiltlcrunfjen
von der Ab<>'eliärtetheit unsererVorfaliven sind wahrscheinlich
o
tendenziös übertrieben. Vielleicht beherbergten diese Hütten
nicht nur Männer, sondern aiicli, wenigstens bei Tage,
deren Frauen und Kinder, die das Gewunnicl im Ring-
innern so lange als möglich mieden. Die zahlieichen
Wohnbauten existieren jetzt natürlicii nur noch in Trüm-
mern, als kleinere oder grössere Steiniiaufen. Genaue
Untersuchung ergab immer wieder das nngedoutete Resultat.
Das eine Mal ein Fussboden von plattenartigen Steinen,
zwischen die sich vereinzelte Scherben-, Knochen-, Kf)hlen-
stückchen eingeschoben hatten, die eine Platte vom Koch-
feuer halb durchröstet. Ein anderes Mal entblössten wir
die geschichteten Steine des Einganges der Hütte, die
letzten Reste ihrer dereinstigen Trockenmauern. Von der
Hüttendecke war nur der Steinhaufen übrig, der einst die
Balkenlage überhügelte. Es begegneten auch zuckerhut-
förmifje Bauten nach Weise unserer Köhlerhütten, erkenn-
bar an den untersten Schutzplatten, die noch heute, einen
Kreis bildend, dessen Zentrum sie sich zuneigen, aus dem
Boden aufragen. Der spitz zulaufende einstige Holzbau
trug zum Wetterschutz einen Mantel von Lehm und Steinen.
Hvmderte von zusammengefallenen Hütten **) liegen
am Mittelberge, an dem der Weg von Wuischke zum
Czerneboli hinaufsteigt. Gegen das Land hin schützte
ein massiger Wall diesen Sammelplatz der von fernher
zum Nationalheiligthum wallfahrtenden Festgäste, die zum
Theil dort auch nächtigten. Nicht nur die Fundstücke,
die Andree aus jenen Steinhaufen erhob, auch die Mühl-
steine, die andere fanden, bew^eisen deutlich, dass wir
Wohnungstrümmer vor uns haben und nicht Gräber, wie
man ohne zureichenden Grund bisher annahm. Selbst
ein vereinzeltes Grab w'ürde nicht viel beweisen, nur etwa,
dass ein Toter zurückbleiben kann, wo Lebende in grösse-
rer Anzahl zusammenzuströmen pflegen. Dieselbe Beweis-
kraft haben Gräber in und bei Schanzen. Jene kolossalen
Wälle werden dadurch nicht zu Friedliofeinfriedigungen.
Eingehendere Abweisung verdient der Gedanke, als
könnten unsere A\'älle zu Kultnszwecken erbaut worden
sein. Ohne Zweifel wurden sie hierzu benutzt, aber sie
wurden dazu nicht erbaut, ebensowenig als unsere heutigen
Festunsren. Zu Kultushandluno-en fühlte man sich gedrängt
») Andree a. a. 0. 119.
Die verschlackten Wälle in der Oberlausitz. 237
in den Zeiten der Bedrängnis und Belagerung, auch wenn
diese nicht mit festhchen Zeiten zusammenfielen. Beson-
ders aber mochte das ersterbende Heidenthum jene durch
Thaten und Opfer der Väter geheiligten Stätten, zumal
die versteckt liegenden, mit Vorliebe zu Kidtusübungen
aufsuclicn. Darauf deutet das zweifellose Faktum, dass
in einigen Schanzen, so in der bei Nieda a. d. Wittig,
christliche Kapellen lagen. Man liebte die heidnischen
Heiligthümer unter christlichen zu begraben. Als die
ersten Sächsischen Kaiser die Wallburgen der überwun-
denen Wenden mit einer Besatzung und einem Priester
versahen, erbaute dieser natürlich möglichst bald eine
Kapelle und zwar da, wo sie am sichersten lag.
Als unbezweifelter Opferwall gilt der Burgwall bei
Schlieben '"). Die Durchsieht des Fundberichtes ergiebt
eine oft und lange besetzte Fluchtburg, wie die von Melaune;
nicht einen, sondern zahlreiche mit gebrannten Lehmplatten
gepflasterte Herde, doch nicht Opfer-, sondern Kochherde;
auf 3 bis 4 Ellen tief Knochen, nicht ausscldiesslich von
Opfer-, sondern von allen luöglichen Thieren, zahmen tmd
wilden; Pferd, Rind, Schwein, Ziege, Hund, Hirsch, Elen,
Reh, Biber, Vogel, Fisch; ganze Lagen gerösteten Getreides,
Weizen, Erbsen, Hirse etc.; zur Zerkleinerung dieses
Proviantes Reib- und Mahlsteine; massenhafte Scherben
von Koch- und Essgeschirr; Spielzeug für kleine Kinder;
für Frauen Spinnwlrtel, Weberschiffchen, Käh- und Haar-
nadeln, Kämme, Fingerringe; für Männer Pfriemen, Pfeile,
Dolche, Streitäxte; Kohlen und Asche, Knochen, Scherben
etc. zu Tausenden von Fuhren gehäuft. Wer das liest,
denkt nur noch an eine von grossen Menschenmengen
erfüllte Fluchtburg, die längere Belagerungen aushielt,
zuweilen auch mit stürmender Hand erobert wurde, wobei
in Flammen aufging, was brennbar war. Nach r.nserer
oben entwickelten Anschauung werden auch Opferfeuer
ihren Beitrag geliefert haben zu den vorhandenen Aschen-
und Kohlenmassen, aber doch nur einen geringeren.
Zum Schlüsse noch eine kui'ze chronologische Bemer-
kung. Von den Scherben mit Burgwalltypus, die später-
zeitlich sind und bei uns auf der Grenze zwischen Heiden-
und Christenthum liegen, darum auch auf der Oberfläche
der Schanzen, darf man natürlich nur auf deren letzte
Vertheidiger schliessen, nicht etwa auf ihre ersten Erbauer.
*) Preusker, Blicke in die vaterländische Vorzeit, III, 99.
238 Senf: Die verschlackten Wälle in der Oberlausitz.
Die keltisclien Gold- und Silbcrmüuzen in böhmischen,
alterthüniliclie Scherben in den tieferen Lagen deutscher
Schanzenwällc weisen vielen dieser Bauten eine frühere
Zeit an. Ibrahim ibn Jakub scheint zu berichten, dass
die Slaven in jener Zeit drohender Kriegsbedrängnis
neue Schanzen erricliteten, es fragt sich aber, ob er genau
'sah, oder ob er Verstärkungsbauten mit Neubauten ver-
wechselte. Germanischen Ursprung wird man beimessen
müssen Schanzen bei Orten mit Namen wie Nimtsch,
Nimbsch, Nimptsch, Niemen, Niehmen, Niemegk, Niemitsch,
Niemitz, Niemetz, NclmiitZ; das heisst Deutschdorf. Die
bedeutenden deutschen Volkstheile, welciic bei der sogen.
Völkerwanderung zurückblieben und wie Inseln von
den nachdringenden slavischen Volksmengen umfluthet
wurden, bedurften gegen etwaige Überfluthung schützender
Zentralpunkte. Die älteren Schanzen sind natürlich von
einem Volke auf das andere übergegangen, und die Nach-
folger im Besitz besserten am Werke ihrer Vorgänger.
Jeder Fortschritt in den AngriiTsmitteln , den die Zeiten
mit sich brachten, bedingte einen Fortschritt in den Ver-
theidigungsvorrichtungen.
Aber wir haben hier nicht die Frage nach der Ent-
stehung der Schanzen zu beantworten , unsere Aufgabe
war lediglich, das Räthsel der verschlackten Steinwälle
seiner Lösung näher zu führen. Nur zur Erreichung
dieses Zieles zogen wir die Erdwälle mit in unsere Unter-
suchung hinein, weil auch sie gleiche innere Struktur,
Spuren früherer Kasemattierung, zeigen.
VII.
"Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht über
den schmalkaldischen Krieg.
Yon
Georg Schepss.
Das in der Übersclirift genannte Werk steht in der
Papierhandschrift I, 2 (Lat.) in 4" No. 39 der Fürstlich
Ottingen -Wallersteinschen Bibliothek zu Maihingen ') und
ist nicht nur Inedituni, sondern auch Unikum^). Es ist die
autographische Reinschrift des Dichters, die er um Weih-
nachten 1594 anfertigte und sodann dem Fürstabt von
Kempten widmete. Die Handschrift, 25 cm hoch, 17 cm
breit, umfasst 94 Blätter und zeichnet sich durch hübsches
Äussere (Rothlederband mit Goldschnitt), sowie durch
schöne Schriftzüge aus; auf die vier Federzeichnungen, mit
welchen Hamerer sein Werk ausstattete (Bl. 1, 7, 61, 82),
werde ich unten zurückkommen. Ein früherer Besitzer,
') Th. V. Kern in den Nachrichten von der historischen Kom-
mission bei der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften (Beilage zu
Sybels historischer Zeitschrift) Jahrgang III (18^2), Stück 4, 107—135,
und W. Wattenbach im Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere
deutsche Geschichte VII (1882), 171—186 haben über die geschieht-
liehen Handschriften dieser Bibliothek Bericht erstattet, wobei beiden
jedoch gerade Hamerer entging.
'-) Weder G, Voigt, Die Geschichtsschreibung des schmal-
kaldischen Krieges (Abh. der kgl. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften
XVI), noch Dahlmann-Waitz, Grässe, Fabricius, Jöcher, Bayle, Moreri,
Ersch & Gruber, Zedier, Brunet, Aljg. deutsche ßiogr., Druffel, Lang
(Sybels Histor. Ztschr. 1883) etc. erwähnen das Epos.
240 Georg Schepss :
Juriskousultus Joli. Leonh. Geisius, liat seinen Namen mit
dem Datum „29. Jan. 1665" auf Blatt l eingetragen.
Hamerer hat sein Epos in zwei Bücher getheilt,
von welchen das erste in 1799 Hexametern dem Jahre
1546, das zweite in 1027 Versen dem Jahre 1547 gilt;
ich werde mich indessen der fortlaufenden Zählung (Vers
1 — 2826) bedienen. Das Gedicht ganz zu veröffentlichen
würde sich kaum verlohnen ; ich unterziehe es im folgen-
den einer eingehenden Würdigung und tlieile im Anhang
geeignete Proben aus dem Original mit (vom Ganzen
etwa ein Achtel), Avobei ich namentlich den zweiten Theil,
d. h. das hellum Saxonicum, berücksichtige.
Über die Person des Dichters') linden wir ziem-
lich viele Anhaltspunkte in dem vollständigen Tit<l des
Werkes und in der Vorrede, die er als Wiclnmng gerichtet
hat an den reverendissimum illustrissimumque jmncipem ac
(Joviniurn dorn. Joannem Adaiiutm ahhatem Campidonensem*).
Der volle Titel lautet: De hello Germanico a Divo CaroloV.
Cat'snre Moximo foeliciter gesto anno humanae salutis 1546
lihrl duo conscripti carmine heroi'co a Philippo Jacoho
Hamerer Constantiend Acroniano^) U(triusque) J(uris)
D(octore). Constantiae 1595.
*) Den Herren Pfarrer Böll und Rentner Poinsignon in Konstanz,
Arcliivralh Dr. Hartfelder in Karlsruhe, Oberbihliothekar Pr. S. Riezler
in München und Archivrath Dr. Bauniann in D..natieschingen sei für
ihre wenn auch im allgemeinen resultatlosen freundlichen liemühungen,
iiber den verscholleneu Dichter noch weitere Anhaltspunkte beizu-
bringen, mein aufrichtiger Dank ausgesprochen. — Pf. Böll schreibt
mir, der Name Hamerer sei ihm in Ivonstanzer und Überlinger Ur-
kunden des 15. und 16. Jahrhunderts mehrfach vorgekommen, niemals
jedoch unser Phil. Jak. Hamerer; das „Inventar" eines Pfarrers Ha-
merer saec. 17. sah Böll in Überlingen; im 17. Jahrhundert lebte
im Benediktincrkloster zu Weingarten ein Pater Hamerer, der schrift-
stellerisch thätig war. Archivrath Ilartfelder theilt mu- mit, dass
ein Leonhard Hamerer 1617 zu Konstanz einen deutschen Sermon
und Glückwunscli herausgegeben hat, den er gehalten, als König
Ferdinand die Stadt besuchte. Einen Balthasar Hamerer, der lü2G
einen Salcits conductus in coclum scti ars böte moriendi und 1630 zu
KnwA{'A.\\zUuodecimfriictus lignivitac herausgab, linde ich in Hyde,Bibl.
Bodleiana 320 und im Katalog der Zürcher Bibl. v. J. 1744. I, 495.
*) Die erste der vier Federzeichnungen zeigt das Familien-
wappen des Fürstabtes Johann Adam, der ein „Kenner von Almen-
dingen" war und von 1594—1607 regierte, vereinigt mit dem Wappen
der Abtei Kempten, siehe IIa ggenmüUer, Geschichte der Stadt
Kempten H, 109 — 124; Siebmacher-Weigolsches Wappenbuch I. Theil,
tab. 13 und 116, Supplem. VH, tab. 30.
*) La>us Acronianus = Überlin^ersee, Bodensee. — Von anderen
Acroniani, die als Dichter auftraten und beiläufig Zeitgenossen
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 241
Aus der gesprächigen , in Prosa gehaltenen Vorrede
erfahren wir folgendes:
Huius tarn illustris belli et non minus gloriosi quam expeditio
olim Heracliaiia *) fuit adversus Cosdroam Persarum regem hystoricam
descriptioiiem . . . cum pgo hinc inde variis in libris legende pervol-
verem, cogitavi non abs re fore, si ego quamquam homo afflictus,
longinquo morbo paene confectus intraque privatos parietes quarto
iam anno quasi ergastulo inclusus tempus et horas a morbo liberas
licet tristes et aerumnosas calami et iiigenii labore eluderem hancque
illustrem belli Gerraanici sive Smacaldici (sie) Saxonicique hystoriam
carmine beroico describerem .... Conlecto carraine cogitavi, apud
quem deponerem; incidit opportune Vestrae Celsitudinis nomen, ....
quod illustrissima Vestra Celsitudo duos meos affines sororios Domi-
iiicum Hochreu tin er um et Eustachium Haslachium') in aula sua
liberalissimo foveat (!t ad amplissima munia in regimine suo adbibeat,
inde ut grati aliquam animi signiticationem . . . edereni xeniique loco
et gratul ation is ad venerabile illustrissimae Vestrae Celsitudinis
comobium transmitterem . . . ., ut me infirmura humilemque homuu-
Hamerers sind, nenne ich: Conrad Dinner (in Reutlingers Überlinger
Chronik „Dymer"), der 1561 am Würzburger Gymnasium wirkte
(Keller, Progr. der Würzburger Studienanstalt 1850, p. 9); Beatus
Bishalm, geb. 1566, später Franziskaner zu Würzburg (siehe Archiv
des historischen Vereins für ünterfranken XV, 1, 203 flg.). Vom
Konstanzer Dichter Pedioneus, der gleichfalls den schmalkaldischen
Krieg besans/, wird weiter unten die Rede sein. Über burleske lateinisch-
deutsche Disticha de Schmalkaldorum balneo, die sich in Reut-
lingers handschriftlicher Überlinger Chronik (saec. XVI/XVII) Bd. XVI,
I.Hälfte, Blatt 26 vorfinden, siehe BoU, Zeitschrift für die Gesch.
des Oberrheins XXXII (1881), .370. — Lorenz, Beitrag zur Gesch.
des schmalkaldischen Kriegs I (Königsb. Dis?. 1876), 3ü sucht auch
den Anonymus Menckenianus (prot.) „um Konstanz herum".
*) Vergl. Allhang V. 430. Die Zurückführung des von Kosroe
geraubten heiligen Kreuzes nach Jerusalem durch Kaiser Heraclius
ist ein im späteren Mittelalter öfters behandelter Stotl'; siehe Ebert,
Litter aturgesch. H, 142.
') Nach Haggenmüller 11, 109 wurden 1594 Georg von Langeu-
eck und Dominik Hohenreitinger, Doktor der Rechte, um Mittfästen
nach Rom gesendet, um die päpstliche Bestätigung der Wahl Johann
Adams zum Fürstabt einzuholen ; ihre Bewerbung und die Verleihung
der Regalien durch den Kaiser zog sich in die Länge, so dass unser
Dichter mit seiner gratulatio (siehe oben den Text der Vorrede)
nicht allzusehr post festuni kam. Poinsignon schreibt mir: In Gregor
Mangolds handschriftlicher Konstanzer Chronik (p. 1178) findet sich
im Verzeichnisse der beim Sturm der Spanier auf Konstanz am
6. August 1548 Gefallenen ein Dominicus Hochreutiner, welcher der
Patrizierzunft zur Katze angehört hatte. Dies könnte etwa der Gross-
vater unseres Domiuikus gewesen sein. Pf. Böll macht mich auf-
merksam auf die Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees
1880, 102, wo unter den protestantischen Pfarrern zu Arbon
für 1560—1563 ein Hans Hochreutiner von St. Gallen auftritt, der
1563 von Arbon vertrieben wurde und 1567 als Pfarrer in Grabs
vorkommt. Den Namen Haslach findet man noch jetzt in Immenstadt.
Neues Arohiv f. S. G. u. A. V. 3. ^ß
242 Georg Schepss:
cionem sibi prout sororios mens sit habitura commendatnm. Datum
Constantiae in ipsis feriis natalitiis Anno 1594. lleverendissimae lU.
Vestrae Celsit. luuuilis sacellanus*) riiil. Jac. Hamerer D(octor).
Dass er ein pauper vates sei, weiss Ilaiiicrer am
Sclilusse des Gedichtes (V. 2822) noch einmal in Erhme-
rung zu rufen, und wir wollen hoticn, dass Johann Adam,
der sonst so freigebige Mann, die Anspitdung in Gnaden
verstanden habe. Seine Kenntnisse als Doktor juris ge-
ziemend hervortreten zu lassen, bemüht siel» Hamerer
durch reichliche Citate aus dem kanonischen Recht, die
er seiner Vonede einverleibt hat; man findet diese Stellen
in Richters Ausgabe des corp. im-, canonici (1839) I,
574, 799, 770, 647, 774, 816 flg., 826. Das Streben Hamerers
ist hierbei darauf gericlitet, den schmalkaldischon Krieg
als einen nothwendigen, gerechten und verdienstvollen hin-
zustellen, wie dies schon in der Vorrede der italienischen
Ausgabe des Avila und auch in den Denkwürdigkeiten
und Briefen des Kaisers selbst geschieht. So lesen wir
unter anderem :
Non ignoravit ntiqne imperator, quod siio imperatorio miuieri
conipfiteret Bomanam ecchsium det'endoro . . . Hella cnini pro ec-
clesia suscepta et contra cxconiniunicatos veluti haereticos meritoria
sunt.
Nach dem Mitgetheilten befremdet es nicht, wenn wir
von dem Dichter durchweg den klerikal-katholisclien
Standpunkt vertreten sehen; an heftigen Ausfällen auf
die Protestanten lasst es Hamerer dabei nicht fehlen. So
lieisst es in der Vorrede Blatt 3b:
plus aequo omnibus iuiperatoiis . . incredibilis tlomentia iniiotuit,
qua erga rebelles ;ul se denuo conversos usus est, cum potius acer-
bissima hostium delicta et laesae maiestatis crhnina non nisi severis-
siinis exquisüissimisqiie tormcntis expiari debuissent.
Auf Blatt 4 der Voi'rede Avird gegen die sacrilegi
raptorcs geeifert, wie in V. 2786 gegen die fcri latrones;
dazu kommt in V. 27C8 abwechselungshalber damnata
faex latronum und 2780 monstra falsatae fidei- Die exor-
zistische Stelle, in welcher sich Hamerer über Luther aus-
lässt, siehe unten im Anhang V. 35—40. Förmlich über-
") Das Wort in der Bedeutung Capcllnntcs zu nehmen, scheint
mir bedenklich. In der ersten der von Du Cange s v. Sacellanus
ansgehobenen Stellen wird lö31 ein sacxdlnnus genannt, der „legum
doctor" ist. Vielleicht dachte Hamerer, als er diesen Ausdruck
wählte, an eine Stellung, wie sie etwa Barnabas Bustus inne hatte
als hiiitoriographus Ilispanns (coroiiista), Dr. tiieol. und Angehöriger
des kaiserl. sacellum (= Hofkapelle), s. Voigt 622, 641.
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 243
rascht ist man, wenn es Hamerer V. 2295 über sich gewinnt,
den Kurfürsten Joliann Friedrich sacra verba prophetae
liören zu lassen oder wenn er demselben in V. 2456 ein
honestum vulnus zugesteht, nachdem er ihn in V. 2393
victimn pinguis genannt hat.
Mit der Verunglimpfung der Gegner geht sklavische
Bewunderung alles dessen, was Karl V. that, Hand in
Hand ; gleich Avila ist Hamerer bestrebt, den günstigen
Ausgang lediglich der Kriegsvirtuosität des Kaisers zuzu-
schreiben, hinter Avelchem Alba gänzlich in den Schatten
zu treten hat. Den Gipfelpunkt erreichen die dem Kaiser
gespendeten Lobsprüche in dem am Schlüsse des Gedichtes
angebrachten Panegyrikus von V. 2762 an, in welchem
dreimal ausgerufen wird : Carole, divinis dignissime honori-
hus heros. Die immer wiederkehrende Verherrlichung
des kaiserlichen Muthes und „Zornes" ist indes nicht ge-
rade geschmackvoll zu nennen, und kompromittiert hat
Hamerer wider Willen den Carolus Maximus — der
Positiv hierzu ist Karl der Grosse — auch da, wo er
ihn in die unmittelbare Gesellschaft der Leichenräuber
bringt, siehe Anhang V. 2525.
Eine gewisse Verdrossenheit über seine eigenen ge-
krönten Zeitgenossen scheint Hamerer V. 433 flg. und
V. 2815 auszudrücken.
Treten wir jetzt der Kriegsgeschichte im allge-
meinen näher, so erkennen wir unschwer die Unselb-
ständigkeit Hamerers. Als seine Hauptquelle benutzte er
die durch GuiUaume van Male (= Malinaeus, künftig
,jMal/' von mir abgekürzt) veranstaltete freie lateinische
Übersetzung der berühmten spanischen Kommentare des
Don Luis de Avila*'). Man kann geradezu sagen, dass
Hamerers Hauptarbeit darin bestand, Mal. in Verse um-
zusetzen. Von Mal. existieren, wie in Clement, Biblioth.
curieuse H (1751), 290 dargethan wird, zwei nur in
Kleinigkeiten auseinandergehende Autwerpener Ausgaben
vom Jahr 1550. Das Exemplar der Würzburger Uni-
versitäts-Bibliothek, das ich benutzte, ist eines der zweiten
Sorte, hat aber das diesem Drucke eigene Bild für Blatt 1
nicht mehr. Wie sehr sich Hamerer von seiner Ausgabe
des Mal. abhängig njacht, lässt sich schon aus folgenden
Beispielen ersehen: die dem Druck beigegebenen Holz-
') Über Mal. S.Voigt 596 flg. R. Lorenz, Beitrag zur Geschichte
des schmalkaldischen Kriegs II (Prog. von Gumbinnen 188'0, - ^S-
16'
244 Georg Schepss:
schnitte „Aufstellung bei Ingolstadt" und „Schlacht bei
Mühlberg"'") zeiclmet Hanierer getreu nach; auch
die beigedruckte Erklärung Caatiorum difpositio quae
Carolus V. Caes. Äug. et S)nalcaldici ad Ingolstadium hahiiere
an. 1540 wird abgeschrieben und zwar mit der Lesart
Smalcald., während Ilanierer ausserdem nur Smacald.
schreibt. Der Oberst der neapolitanischen (iarde, Herzog
von Castrovillar (Herzog Philipp von Braunschweig bei
Hortleder H, 514 schreibt „Kastrolill."; vgl. Viglius van
Zwichem ed. Drutt'el 211, „Dux Castrivallae") ist bei Mal.
118a zu Castronilarus geworden, was Hamerer arglos
(V. 2348) aufnimmt. Den einzigen unvollständigen Hexa-
meter, den ich bei Hamerer bemerkt habe, kann man
sofort richtig ergänzen, wenn man die betreflende Parallel-
stelle bei Mal. aufschlägt; Hamerer hat nändich V. 2332:
Nee peditum expectat long ins a st, — vor longius setze
man iegiones ein, was bei Mal. 117 b steht.
Sowohl die Thatsachen und den allgemeinen
Gang der Erzählung, als auch ein gut Theil der
Phraseologie nimmt Hamerer aus Mal. herüber.
Hat man die Einleitungsverse (bis 72) hinter sich,
so kann man Blatt für Blatt die sachliche und
sprachliche Übereinstimniung Hamerers mit Mal.
nachweise n.
Bei der übergrossen Zahl von Fällen, wo sich Wieder-
benutzung der Diktion des Mal. findet, verweise ich hier
der Kürze halber nur auf Anhang V. 94 f., 297, 335, 374,
2451, wo Hamerer den von mir in der Anmerkung mit-
getheilteu Prosatext besonders ausgiebig ausbeutet.
Von dem Gang der Erzählung weicht Hamerer selten
ab; einmal springt er von Mal. 30a auf 19a, um bald
zu 30 zurückzukehren ; ein ander Mal nutzt er zwischen
Blatt 105 und 106 bereits Blatt 1 10 aus , und indem er
Blatt 117 b paraphrasiert, nimmt er Ausdrücke von 12(5 a
zu Hilfe. Dagegen ist hervorzuheben, dass Hame-
rer vieles, was Mal. bietet, völlig weglässt. Bei
'") Ol) die Fedei'zeichmuiff, die Hamerer Bl. ><2 bietet, „Capitu-
lation des Kurfürsten Johann Friedrich", ihr Vorbild in einem Holz-
schnitt hat, weiss iih nicht zu sagen. In ziemlich grossen Figuren
tritt uns folgendes Bild entgegen: links der Kaiser und sein Gefolge,
sämtlicli beritten ; rechts der lüufürst zu Fuss, in der linken Hand
den Helm haltend, die rechte Hand auf diu Brust gelegt, die Augen
zum Kaiser emporgeschlageu. (Holzschnitte in spanischen und fran-
zösischen Ausgaben des Avila erwähnt Voigt 592 und 598).
Dr. Phil. Jak. Haitierers Heldengedicht etc. 245
manclier von diesen Lücken darf man wohl die Absicht
erkennen, Dinge zu unterdrücken, die in Avila und
Mal. standen und Ärgernis erregt hatten"). Während
auf diese Weise die stirps Austriaca'^) (V. 282o) und
speziell KönigFerdinand '■'*), während Bayern'*), Konstanz'*)
und Kempten'*) siclitlich geschont sind, wird den Branden-
burgern die Erzählung der ärgerlichen Rochlitzer Affaire ")
nicht erspart und der Pfalzgraf Friedrich II. '*j erfährt
dieselbe maliziöse Behandlung wie bei Avila.
Übergangen sind von Hamerer imter anderen fol-
gende Einzelangaben und Raisonnements des Mal.: p]iniges
zur Vorgeschichte Gehörige Blatt l — 5; Verrath in der
Ehrenberger Klause 10; Castelalto 10; Verwahrungsbrief
des Kurfürsten und Landgrafen 11 ; Weg der Kaiserlichen
durch Tirol 13; Martiana Sylva 15; Zurücklassung des
Pyrrhus Colonna in Regensburg 16; Monacum 17**);
Stärke der päpstlichen Truppen 18; strategische Kritik 23;
Entschuldigung des Kaisers wegen Truppenaufstellung 32;
Streitfrage, ob Schertels oder des Landgrafen Rath der
klügere war 33; Alba gegen die Schweizer 35; angebliche
Muthlosigkeit der Bündischen 36; Schwierigkeit bei der
Spionage 40; drei Kohorten in Neuburg 41; strategische
Fehler 41; erschwerter Marsch Bürens 42; Vorgehen der
hessischen Reiter 49 ; übliche Marschordnung 49; Absicht,
die Bündischen sofort anzugreifen 50; Hispanicum exemplar
55; strategische Fehler 56; Digression über Cäsar 60;
Betheuerungen der Rothenburger 81; Selbstmord 90;
Friedensbedingungen und Schluss des 1. Buches 93 — 95;
— Zwickau, Prinzessinnen 96; Strassburgs Unterwerfung 1 Ol ;
Selbständigkeit des Kriegs von 1547 102 flg.; Joachim Rius
115; Aufstellung der Truppen 118; Moral 121; Verlust-
") Voigt 608, 610.
'*) Gelegentlich sei erwähnt, dass zur Zeit, als Hamerer schrieb,
den bischöflichen Stuhl zu Konstanz ein Erzherzog von Österreich
(Andreas 1589 — 1600) einnahm.
'*) Voigt 609, Anm. 66.
'*) VoigteiO. Lorenz, Diss. 44, 53; Progr.5, 12, 20. Mauren-
brecher, Karl V. und die deutschen Prot. 102.
") Konstanz wurde 1548 in die Acht erklärt wegen Nichtan-
nahme des Interims.
J') Haggenmüller II, 25 — 61; die protestantische Altstadt, mit
den Äbten stets im Streit, schloss sich 1535 dem schmalkaldischen
Bund an.
") Voigt 610.
") Voigt 611.
") Lorenz, Progr. von Gumbinnen (1880), 16.
246 Georg Sdiepss:
Ziffern 123; Odysseevers 124; Cäsar 128; Gesandtschaft
vom Dnjepr 131; Heinrich von Braunschweifij 132; Ver-
gleich der gegenseitigen Streitkräfte 132; die genauere
Aufzählung der mit PhilipjD vereinbarten Friedensbeding-
ungen 136, siehe dagegen V. 2734 Hg.; Lachen Philipps
139; unbenutzt bleibt auch der Schluss von 140 b — 144.
Oftmals Uisst Hamerer die Zahlenangabe des Mal.
weg, und wo er Zahlen giebt, stimmen sie nicht immer
zu denen bei Mal.'*") ; manchmal mag die Schwierigkeit,
die ungefügen Zahlen im Hexameter unterzubringen, hieran
die einzige Schuld tragen ; ungeschickt war Hamerer in
der Wiedergabe von Mal. 18 a: von den daselbst erwähnten
Zahlen 10000+700+200 (päpstliche Hülfstruppen) maclit
er keinen Gebrauch mid nennt nur den letzten noch dazu-
geliörigen Posten „100 Reiter" (V. 215). Wie Avila und
Mal. umgeht auch Hamerer die Daten, aber V. 1300
steht unlateinisch Jamque Dccemhrales guintae lUnxere
calendae (Mal. 73). Nicht zu loben ist der Wechsel in
der Benennung einiger Städte ; so heisst Regensburg bald
ImhripoUs, bald Ratispona^ bald FeginopoUs oder Regens-
purgum; Ingolstadt heisst neben Ingolstadium auch Ängli-
polis ; für Nürnberg steht V. 1950 die kühne Bezeichnung
Mons Neronis'^^). V^erschwommen sind zuweilen die An-
gaben über die Kommandanten ; der Caesar verdunkelt
alle andern; manchmal wird übrigens statt Caesar auch
gesagt Romuleus (und Romnlus) heros oder auch Rex
(681, 717, 792), welch letzterer Titel eigentlich Ferdinand
zukäme.
Gewann man seither die Anschauung, dass Hamerer
sich im ganzen von Mal. mehr als billig abhängig gemacht
hat, so müssen wir doch im folgenden einige Stellen er-
Avähnen, an welchen Hamerer Angaben bietet, die ent-
Aveder bei Mal. gar nicht stehen oder aber sicli zu
dieser Hauptquelle Hamerers in bewusstem
Widerspruch befinden. Was Hamerer in seiner
Vorrede behauptet, dass er variis in libris gelesen habe,
»») Währemi Mal. die Stärke tU-s bünd. Heeres anf 80 000 Mann
angiebt, nennt Hameier (V. 140) 100000, vgl, Voigt (i93, 755. Siehe
ferner Lorenz, Diss. 4t;, l'rogr. 21.
*') S. Meisterlin (in Hegels Deutschen Städtechroniken HI, 48)
liefürwortet diese Etymologie von Nürnberg. Auch Mal. liebt die
Antikisierung der Ortsnamen, vgl. Lorenz, Progr. 2. Über Marae-
ranns siehe Voigt (!.".". — Pedioneus macht aus Scliertel Sertorius,
aus Büren Pyrrhus, eine Künstelei, die ihm den Spott seines Zeitge-.
nosseu, des Anonymus Menckenianus, eingetragen hat (Voigt 727).
Dr. Phil. Jak. Hamerers HeldeugedicLt etc. 247
ist demnach nicht anzuzweifehi, wenn sich auch vielleicht
die lihri auf Flugblätter und kurze Relationen reduzieren
lassen; mitunter scheint Hamcrcr auch einen oder den
andern ketzerischen Bericlit vor sich gehabt zu haben.
Ein Plus oder eine Abweichung gegenüber Mal. finde ich bei
Hamerer: V. 188, wo er erzählt, Karl V. habe anfäng-
lich durch einen persönlichen Zweikampf mit Johann
Friedrich von Sachsen den Krieg beilegen wollen ; bei Mal.
16 b flg. sucht man vergebens nach einer ähnlichen An-
gabe. In V. 633 nennt Haiuerer als bündische Führer (lieros)
Isenhurgiacus, comes et Biichlingins aiidax; Mal. 39b spricht
nur vom „Aldenburgius" (Viglius ed. DrufFel 94, 100:
Beichlingen; Sleidan [1555] 303 a: BichHngus; Anonym.
Menckcn. III, 1431: Beuchlingen; vgl. Voigt 699). In
V. 901 erwähnt Hamerer die am 5. Oktober vorgefallene
schwere Verwundung Alb er ts von Lüneburg, deren
]\lal. 54 b nicht gedenkt (s. u. a. Viglius 1-14). Die Mit-
theilung in V. 2295 von des Kurfürsten Verweilen beim
Gottesdienst verraisst man bei Mal. 116a, sie steht je-
doch z. B. bei Sleidan (1555) 320 b und bei dessen Exzerptor
Lambertus Hortensius (1560) 184; vgl. Voigt 712, 715. In
V. 2372 nennt Hamerer „Schwinhardica neraora"; Mal.
119 b hat diese Angabe nicht, siehe aber z. B. Haus Bau-
manns (Hortleder) Brief vom 12. Mai 1547. Naturgemäss
kann bei Mal. nichts über die späteren T baten des
Kurfürsten Moritz stehen; Hamerer dagegen kommt
in V. 2501 flg. auf dieselben zu sprechen. Selbständige
Zuthat von Hamerer sind auch die in V. 4H flg. (vgl. indes
Mal. 19) und in dem grossen Panegyrikus am Schluss des
Gedichts enthaltenen Hinweise auf die Züge des Alexander
und Cäsar, wie auf die übrigen Kriege Karls V.
Zu diesen Verschiedenheiten kommt weiterhin manches
Einschiebsel bei Hamerer, das nur dem künstlerischen
Zwecke dienen soll und keinerlei historischen Werth hat;
hierher gehört unter anderem der zornige Monolog des
Kaisers von V. 227 an, dem sich ein Vergleich des Kaisers
mit einem venator anschliesst. In V. 433 ereifert sich
Hamerer darüber, dass die Könige zu seiner Zeit nicht
mehr die eigenhändige Führung der Kriege übernähmen,
und stellt ihnen Karl V. als Muster auf. In V. 698 flg.
variiert Hamerer das horazische Thema „Integer vitae".
In V. 1772 flg. wird Karl in vollem Ornat auf dem Throne
sitzend geschildert; in V. 2566 erscheint als günstiges Pro-
gnostiken ein Adler zu Häupten der Spanier; einen selb-
248 Georg Schepss:
ständigen Vergleich sehe man Anhang 2507 flg.; des Vcr-
«»•leichs mit Ileruclius- Kosroe wurde schon oben in An-
racrkung 6 gedacht. — Während in den soeben zusammen-
gestellten Passagen reine Zuthaten vorliegen, hat Hanierer
in folgenden Fällen Andeutungen, die Mal. gab, nur weiter
ausgeführt: V. 445 flg. wird Älal. -50 a velut imhres breit
variiert und 792 flg. ein Exkurs über Podagra gemacht,
vgl. Mal. 48 b. l"m doch auch gemäss damaliger Sitte
(direkte) Reden*'^) einzuflechten, hat Ilamerer 409 flg.,
728 flg., '843 flg. und öfter die Angaben bei Ual. 29b,
45 b, 52 a etc. weiter ausgeführt. Am bemerkenswerthesten
ist hierbei, dass er einmal die Worte des i\Ial. 120a ea
oratione cohortatus , quam in tali occasione animis in'ditum
excitandis convenire sciehat, in der ^A^eise umgestaltet,
dass er eine Rede aus Lucan einschmuo;f>;elt. Zu den
poetischen Zuthaten gehört auch der mythologische Apparat,
auf den ich alsbald zurückkommen werde.
Indem ich jetzt die Prüfung des Gedichtes nach
seiner künstlerischen Seite hin beginne, scheint es mir
angemessen, zuerst ein paar Bemerkungen über des Dichters
Sprache an und für sich zu machen. Dass er sich
gerne an Mal. anlehnt, wurde schon oben gesagt; bisweilen
sind seltnere Ausdrücke, die er bei Mal. voifand, nicht
eben glücklich in alltäglichere umgewandelt; so hat Mal.
17 b aeneator, Hamerer aber macht V. 199 flg einen certus
minister . . Inßans tuham daraus. Unser Versiflkator ge-
fällt sich darin, statt der gewöhnlichen Nomina lieber Patro-
nymika zu setzen wie Brandenhurgiades, Buranidcs, Has-
sides, Lanoides'^^). Archaismen wie der Plural der dritten
Deklination auf eis, der Gen. PI. auf tim statt iitm oder
onim, der Abi. queis, induperator , ipsus , viele Inf. Pass.
auf ier sollen grösseren Nachdruck und Feierlichkeit ver-
leihen; daneben finden sich aber entschiedene Fehler Avie
1500 torihus statt toris, 1532 victrici Marte, 186 campis
victricihus , 529 tripli statt triplici, 1625 colititros. Sehr
beliebt sind Adjektive auf hundus. Statt der Kardinalien
treten oftmals die für vornehmer gehaltenen Distributiva und
statt eins, eormn das Possessiv snus ein, wie das im Mittel-
alter Brauch war. Unani>enehm fällt auch sehr häutiy; das
Plusquamperfekt auf an Stellen, wo Perf. oder Imperf.
") Voigt 627, 669, 670; Lorenz, Diss. 42, Progr. 20, 22.
*') Vielleicht hat Haraerer diese Liebhaberei speziell von Pedio-
neus angenommen.
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 249
stehen sollten**); hieran wie an manchem Inf. Perfekti
trägt wohl der Zwang des Metrums die Schuld. Mit
solchen Erscheinungen stimmt es, dass gegen die consecutio
temporum viele Verstösse begangen werden. Zu Buranide
fehlt 1682 die Präp. „a", zu teUure 432 „m"; conicere ist
falsch konstruiert 2685 und dergleichen mehr.
Von dem Kunstmittel der Allitteration macht
Hamerer gern Gebraucli, so V. 295, 785, 929, 1145,
1363flg., 1606, 1699, 1722, 1724, 1737flg., 1751, 1797,2132,
2254, 2302, 2664 flg., 2762.
Metrische Ungenauigkeiten kommen nicht zu häufif
vor. Am Versschluss stehen in den 2826 Versen:
102 mal Formen von hostis, 53 mal arma, 50 mal urhe(m),
26 mal altus, 24 mal heros^ 19 mal ipse, je 17 mal aree(m),
arva, bellum und Ilassus, je 14 mal phalanges und agri etc.
Von klassischen Mustern hat Hamerer namentlich
Lucan*^) und Vergil benutzt; ersteren nennt er selbst in
seiner Vorrede als sein Vorbild und in der That hat er
ihn (besonders das VII. Buch) reichlich ausgeschrieben
Einen wunderlichen Eindruck macht dabei die Wahr-
nehmung, dass Hamerer ganze Sätze des von Lucan
glühend gehassten Cäsar wortgetreu herübernimmt und
sie seinem hochgefeierten Karl in den Mund legt. Einige
Versschlüsse hat sich Hamerer offenbar aus Lucan ange-
wöhnt, so senatus, Iherus, lacertus, latehrae, ienehrae, rxdna,
cohortesj vianipli; auch den beliebten Versanfang Agmina
verdankt er dem Lucan. Dazu kommt die Anwendung
von Lieblingsausdrücken des Lucan, wie ira, damnahis,
Lyaeus, sonipes, cornipes, quadripes, Ceres = frumentum. —
Dass auch Vergil benutzt ist, wird jedem, der die grenzen-
lose Verehrung kennt, welche dieser Dichter genoss, als
selbstverständlich erscheinen; nur ganz gelegentlich wird
auch Horaz und Ovid berücksichtigt. Ich werde im Anhang
auf die wichtigeren dieser Originalstellen nur kurz hin-
weisen, indem ich mich für den vorliegenden Fall behufs
Raumersparnis nicht entschliessen kann, der sonst so be-
herzigenswerten Forderung nachzukommen, die Huemer
in der Phil. Rundschau 1881, 960 stellt, wo er räth, unter
den Text humanistischer Dichter stets die Belegstellen aus
den antiken Dichtern zu setzen.
**) Umgekehrt liest man V. 626 dahat^ wo dederat nothwendig ist.
**) Über Thiofrid (vita Willibrordi), einen Nachahmer des
Lucan, s. Rhein. Mus. 1883, Heft 1.
250 Georg Schepss:
Um dais lieroische Pathos zu .steigern, wendet Ilanie-
rer einen wolilassortierten niytliologischen ^leehauLs-
niu.s und klassische Szenerien an; wir sehen unter andenn:
Aetna, Bacchus, Bellona, Ceres, Circaea ars, Eos, Erehus,
Eurus, Ilerculea Ivjdra, Hercules, Ida, Jovis Stella, Lyaeus,
Lybici ihacones, Mavors und, wenn es des Versniasses lialber
gerade sein muss, auch einf'acli Mars, Medusa, Oceaniis,
Olympus, Orcus, Parcae, Parthi, Phoehus, Poenus, Stygiae
fammae, Tarpesia rupes, Tartara, TJiessalicae herbae,
Titan, Vestales, Vidcanus.
Die in der Kriegsgeschichte zu nennenden Völker-
und Städtenanien tragen woniögHch das antike Gewand;
Haiierer spricht, wie dies theilweise allerdings auch schon
JNlal. thut, von AUnhroges, Ausonü, Emporia Aloeni, IJercinia
sdca, Hespcria , Histrica rura, Iherus, Tnsubres, Ister,
Menapius, Nemetum tirhs, Pannones, Sicamber ; vgl. auch
üben S. 246 nebst Anmerkung 21.
Die Offiziere, darunter auch solche von tieferen Rang-
stufen, werden mit Vorliebe heroes genannt; daneben
figurieren dynasta und gymnasta. Auch für die Waffen
sucht Hamerer thunlichst nach klassischem Anstrich und
spricht von: fulmina Martis rotis vecta, Mavortia tormenta,
Martia fulmhia tormeutls explosa cavis, ignivomae fauces,
Vulcania tela, Vidcania techna, Vidcana machina, catapulta,
aera (PL); globus , sphaera, glans; sclopxts, bombarda ;
acinaces, sarissa etc.
Es gilt von Hamerer dasselbe, was Voigt 072 über
Oliviero^") (Alamagna) sagt, dass nämlich bei ihm aus
kleineu Scharmützeln homerische Schlachten werden. Neben
bombastischen Stellen wie 2159, wo für die einfache Mani-
pulation des Frühstückens gesagt wird „Cereris viunera'^')
Sacra assumuuf^ , begegnen auch solche, deren Überschwäug-
lichkeit leicht Lügen gestraft werden kann; so heisst es
V. 312, die Verschanzungen seien caelo assurgentia ge-
wesen, Avährend Älal. 27 fig. viel von der zu geringen Höhe
derselben zu berichten weiss. Dass die Zahlen unserem
*") Audi der Götter- iiiul Dämonenapparat ist bei Oliviero sehr
ausijebilik't, und die bei Hamerer so übermässig oft auftroteiuU; ira
erscheint bei Oliviero als symbolische Figiu ; vgl. indessen die oben
zusammengestellten Entlehnungen aus Luean p. 249.
*') Das in V. 508 vorkommende ..muiiera Hacchi" ist bei mittel-
alterlichen Dichtern beliebt, s. Maximian eleg. ed. Wernsdorl' I,
163; Kcbasis captivi ed. E Voigt Y. ()3-2; Apollonius Tyr. metr. ed.
Dümmler V. 7ö9; Boethius De consol. phil. ed. Peiper 39 v. 6.
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 251
Dlcliter viel Mühe machen , ist schon erwähnt worden ;
geradezu barock und geschmacklos müssen aber Angaben
genannt werden wie 597 flg., 2340 flg., siehe Anhang.
Unschöne Ausführlichkeit bemerkt man V. 2504 flg. in
der Behandlung des Gelynchten.
Vergleicht man Hamerer mit seinem I-andsmann
Pedioneus^*), der 1547 drei Gesänge über den schmal-
kaldisclicn Krieg zu liefern versprach, "während nur einer
davon gedruckt ist^^), so muss zugestanden werden, dass
der Vergleich zu Gunsten Hamerers ausfällt. Mag immer-
hin Hamerer einige Kleinigkeiten (etwa das freilich schon
durch Vergil bekannte ausis [= durch AVagnisse], Formen
auf ides-ades, Schilderung eines Wolkcnbruchs [Hamerer
455 flg.]) aus dem Werkchen des Pedioneus im Auge ge-
habt liaben, so ist doch im ganzen seine Unabhängigkeit
von demselben zweifellos. Pedioneus giebt in seinen 961
Versen stofl'lich nicht mehr, als Hamerer in den ersten
578 Versen, und gegenüber dem ermüdenden mythologischen
Übermass und visionären Schwulst bei Pedioneus wirken
Hamerers schlichtere Verse förmlich w^ohlthätig.
Anhang'").
T 1 527 • 8
1 Tempus erat, Stygiis cum flammis arserat orbis 4G9 ; v'g 2, 203!
Arctous; veteris (lamiiaverat ocia pacis l 3, so.
Teuto, subit rabies ininianisque Haeresis onines
Infecit popnlos, violata lege Deorum ....
15 Desertoque Erebo terras Belloiia revisit l 1, 565.
Et gentem in gentem furiosis concitat armis
Et patribus gnatos et natas matribus hostes l 2, 149.
Reddidit ....
35 Heu tantum unus homo potuit producere eladem
Excusso Christi iugo positoque cucuUo?
Heu quod (sie) noii vivus terrae est absoiptus hiatu?
Cur 11011 in siliccm conversus (es)t arte Medusae?
Aut non es medijs ustus fornacibus Aetnae,
=") Voigt 1?A.
2') Der Uiiiv.-Bibl. Leipzig danke ich hiermit für die zeitweise
Überlassung des seltenen Druckes.
'*) Abkürzungen : L = Lucans Pharsalia, Vg = Vergils Aeneis;
wenn die Ähnlichkeit einen besonders hohen Grad erreicht oder
völlige Gleichheit vorliegt, setze ich L! Vg!
252 Georg Schepss:
40 Ante tuuin toto quam diditur orbe veneimm? . . .
50 Qiialiter arreptis olim rivilibus armis
Poinpeius socero belluni coinmoverat atrox ....
56 Tandem Magnus erat comprcssus Caesaris arniis
Pellaeusque puer gladio illi cnlla recidit .... l« g, eo7.
69 Causa iubet inelior superos speiare setundos ....
73 Praeses eras sceleris Sa.xo Friderice nefandi
Et vafer in foedus venit Landt'gravius (su) Hassus
lö Du.v alter, magnus fraudisque dolique niagister;
Jnnxit opes princeps qui sanra Palatia Rhiüii
Possidet, auxiliiim t'ert Wirtcmbergicus lierns.
Inque hoc consensere nefas iion segnius Urbes Mai. ih.
Romuleae, ([uarum futrtvt Vindelica princeps
80 Augusta infoelix aiitiquae prodiga famae,
Et te nee socias pudet Uhna adinngere dextras,
Quae poteras Aquilas gazis servare vel una ....
89 Interea Caesar lielgarum regna teneliat Mai. 2 b.
Atque Katisponani Traiecto tendere pergit ....
'.14 — Jieginopolim venit mansurus ad Istri Mal. 5 b.
Ripam*'j, Boiariae in gremio et tellure iacentem ....
188 Tarn patriae sitibundus erat cupidnsque salutis,
Cum duce quod cnperet causam tinire duello
Dux ipsß et vitae reliquas servare cohortes ....
227 Caesar ut aspexit cristata casside gentes Mai. i8b.
Armatis in equis : ,,Et quid non currimns, inquit,
„Et gentem invisam districto tollinius ense?
•2H0 „An dubitanius adhucV numerus nuni territat hostisV
„Sunt aninii r.obis, stant lorti pectore vires
„Invictae, ncc enim nos Martia fulniina terrent
„Tormentis explosa cavis; corrunipite ferro!"
Dixit et extensa fervorem prodidit hasta
2H6 Flexilibusque suam dctexit cursibus iram.
Qualis ubi in silvis currit venator apricis
Et vibrat erecta ( ircum venabuhi de.xtra,
Quicquid post alnos videt et quod percipit aure
Credit aprnm et praedani parteis sectatur in omnes
210 Impatiens, donec recidat iugulanda sub ictum ....
294 Hoc viso .Mbanus totas se etiundere vires Mai. 23.
Cogitat et celeri Cursore in castra referri
Id iubet; agniinibus Caesar mox sistere inssis
Pro castris aciem struit*') atque intirma locorum
Fluminis ad ripam carrorum pondere munit ....
33.^ Tympana dant sonitum et mox listula clamat acute; Mai. 2«.
Conseruere manus atque ol)via acinace sternunt,
Et tribus amissis sociis in castra revertunt'*) ....
373 Jamque acies clare quo staret in ordine visa.
Praebebat speciem cnrvatae in cornna lunae") ....
424 Sic domuit Gallos invicto Marte feroces Mni. 30.
Julius, extreraos subiecit in orbe Britannos,
*') Mal. 5b ad Istri ripam.
") Mal. 23 b pro castris aciem instruit.
") Mal. 26 a tribus amissis incolumes in castra reversi sunt,
'*) Mal. 27 b in cornua cnrvatae lunae speciem praeberet,
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 253
Sic generum oppressit bellis civilibus hosten»;
Sic quoque longinquos Macedo penetravit ad Indos
Atque indefesso siiperavit milite Taurum
Caucaseasque alpes uec iion Memphitica regna;
4.'i0 Sic quoque Cosdioam conipressit Heraclius hosteiii;
Sic quoque praesenti pacavit numiue (Jallum
Carolus et cepit Lybica tellurc Tunetum.
Nee mirum toties quod tanta talenta profundunt
Incassum Reges, alieno praeside belli
435 Praefecto, iiostri: non servura subditus audit;
Ipsi adeant gentes sibi concilientque rebelies
Nee minus ad bellum quam se fornacibus aptent,
Atque erit ad causas Deus iiidulgentior aequas ....
H5 Qualis ubi densis se involvit nubibus aether
Et saliente graves ceciderunt graiidiue iiiinbi^*), wai. 30.
Sic densi cecidere globi sub valla frequenter,
Nee secus ac largi resolutis nubibus imbres
Descendunt et humum complent pluvialibus undis ....
556 Altera sphaera vigens praetoria castra subivit, uui. 36.
Perforat et medium penetrale, ubi regia stabat
Sponda instrata thoro plenis tumefactaque plumis ....
597 Tot iuerant glandes, nato fluxere quot anni Mal. 38.
Salvatore, quater centum si iunxeris illis ....
669 — V \j Haec scriptis adiungitur uua coronis: Mai. 41.
„Vos modo vos, Urbes, thesauros promite cryptis ;
„Omnia sufficiunt, nisi nos quod deficit aurum:
„lloc date; quod reliquum est, iio^tris committite dextris ;
„Nos Aquilas dabimus victas hostemque superbum." ....
698 Integer haud metuit Parthorum tela veneno Hör. 1, oarm. 22.
lUita, Thessalicas speruit beue couscius herbas
700 Inque Deo fidens Circaea aconitha vorare
Audet et in solo sua vitae stamina ])onit
Numine et ad placituni credit se vivere Divum
Atque mori superum quando stata meta cucurrit ....
753 — \jyj — uu — vicit tarnen improbus omnem Mai.46, VgGeorg2, 145.
Duriciem labor ....
784 Consilium mutat, methodum qua includeret hostem Mal. 48.
Invenit et victu vicinis nndique villis
Quaerendo arceret ....
792 Nodosa et Regem coepit vexare podagra
Regibus infestus morbus tabesque tyrannis
Propria . ea articulos diris cruciatibus angit,
795 Elicit Herculibus lachrimas muresque timere
Cogit et exiguos aliquando horrere catellos;
Ergo vehit lectus Regem portatilis alte .... Mai. 48 b.
897 — — ast luxit iuvenes impensius hostis
Illustres quosdam claraque propagiue cretos:
Brunswicensis erat casus lachrimosior uuus
900 Principis innumeris confosso corpore plagis-,
Alter erat Luuenburgi ducis inclyta proles . . . •
929 Fit via vi, auspicio succedunt vota secunda .... vg 2, 494.
942 Istri iamque iugis surgebat lucifer Idae .... Vgi 2, 801.
**) Pseudo-Lucan ad Pisonem V. 57 : cum grandine nimbos.
254 Georg Schepss:
985 Persequitnr fiigientem hostern velncior Euro uai. r.s.
Miles equis, campus tremit et tellure soluta,
Qiuiiitus Bistuiiio torquetur tiirliiiie imlvis L! 4, 7C7.
Aera mibe sua texit traxitqiie teiiebras, Li 4, 7gs.
Sigiiaque consequitur longo praeeiu;tia passu
990 Jamqne iiistat tergis: funduntur Signa qnaterna,
Plurinia pars capitur .... Mai. öst).
11-10 Fausta sab haet; veuiuut in castrum nuncia Regi, Mai. ü7.
liella in Saxonicis terris confecta seoundis
Votis, indigenas doniitos et Marte coactos,
.\gniina Fcrdnando sese opponentia fratri
Manricioque diui vi victa et acinace caesa,
1145 Hosque duces tota prope iam diiione potiri.
Caesar nt haec didicit, simul haec resciret ut bostis,
Publica laetitiae totis mox edure castris
Instituit Signa et magno torraenta cavari*')
Conressit nnmero et smiitu vastoque lioatu
1150 Hostibiis indicium dedit et sua gaudia pandit ....
I2;!ö Plurinia huiuaiiis antehac incognita niensis Mai. tü Li o, ii6.
Dirijuiit miles, dunio:s carpebat agestres, l: g, u7.
Vulsit ab ignotis dnbias radicibns herbas Li c, iia.
In petudum ceciditque cibos et gramina orudo li 6, iii.
Arripuit morsu segetunique apprendere culmos
Coepit ft bis rabiem ventris saturarc latrantis ....
1301 Et sna castra niovet per amira silentia noctis... Mai.73Vg2,'<:öj.
1325 Alter ab advcrso tunnüus surgebat in altum . . . . Mai.74, L3, 37'>.
1579 Nemo qnidem stricto me*') iure absolvere iudex Mai. S4.
Quibit, at bis lachrimis veniam dabis, optime Princeps .... Vg2,i4.').
1750 Haec ubi dicta domum referebant oratores, Mai. 92; Vg2, 790.
Ancipiti cives") trepidant terrore per urbom
Conciliumque vocant, repletur Curia lectis
Sensaque conscripti dixerunt turbida patres.
Omnia dum raptim peragitquu vovetque senatus,
1755 Constitit in medio Circaea absconditus arte
Schertelus patruinque notat sibi noxia vota
Inque hominem raagica rursus conversus ab arte
Prosilit in medium et mortales exhibet artus
Et nil cunctatus vocem prorujtit in istani:
1760 „Grandia scrutari scio vos molimina rerum
„Pangendumque recens agitis cum Caesare foedus
„Et vultis recte capiat ne damna cavere
„Puldica res, ergo curas non improbo vcstras;
„lias ne interpellera, me mox ex moenibus istis
1765 „Ejiciam, patni vos ergo valete penates."
Dixit et erupit, celerans vestigia, portis
üccultisque viis Cantonum in rura recessit.
Post Ulli iam votis clausit decreta senatus,
Ulmaai legati gressu venere retlexo
'•) Dies Freudenschiessen zu Ehren des Sieges bei Friedberg
fand am 8. November statt, siehe Viglius' Tagebuch 8. November
und Lorenz, Progr. von Gumbinnen (1880) 0-
*') Es spricht der Pialzgraf Friedrich.
*'j Das heisst die Augsburger.
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 255
1770 Jamque siiam facta est recitare liceucia causam.
Aurato Caesar solio consederat alte
Ostro constrato textisque in margine genimis,
Conspicuus mytra chlamyderaque indutus equestrem,
Sceptra premens dextra, gestans poma aiirea laeva,
1775 Ornamenta sacrae Imperialia Maiestatis ....
1796 Jamque resurrexit patria pax integra tota,
Solum hyberna vetaiit in praesens poscere poenas
A ducibus sceleris meritasque infligere mulctas;
Sed mox vere novo iam bella sepulta virescunt.
(Hier schliesst Buch I; Buch H beginnt:)
1800 Caesar in Ulmensi dum agit hybernacula circo Mai. 95.
Dumque rebellantes Romanis fascibus ürbes
Restituit i>acemque instanrat legibus alraani:
Saxo recollectis percurrit viribus omne
In patria ditione solum et quaecunque subegit
1805 Oppida Ferdnaiidus, repotito Marte recepit ....
1811 Thumsernumque dolis instructum atque arte Pelasga . . . Vgi 2,102.
1959 Jamque Norinbergae succossit raoenibus hospes Mai. 102.
Caesar, quem recipit gestu plaudente senatus .... l 7, i,s.
2295 Saxo, dum medio transibat Humine Caesar, Mal. 116.
Audiit ex ambone sui sacra verba prophetae
Nilque minus fieri secura mente putavit
Quam fluvio Caesar sese ut committeret alto.
Ast ubi tentari facinus praegraude videl)at,
2300 Formido incessit meutern subitoque tumultu
Dat sua terga fugae, spes baec erat una salutis,
Nee Milburganum munivit milite castrum ....
2.336 In bifidam cunctas aciem diviserat alas Mai. 117.
Caesar, prima quater centum levioriitus armis
Conspicuos equites tenuit, quos duxerat heros
Antonius Toletanus Lanoide^') iuncto;
2.S40 Pannonum erant totidem, toties sed iungito deuos
Quot digitos habet una manus; pars aliera gentis
Istius ad Torgam, quo tum ]iroperaverat hostis,
Exploratum abiit primo sub lumine solis ....
2354 Ordine continue primo processerat hostis, Mai. 118.
Saxo suas circum turmas equitaverat ipse
Quaeque necesse piitat, iubet iniperat ordinat acer.
Pulveris is primum deceptus nube suborti
Solum suspicieus aciei Signa prioris
Caesareum post illa sequi non credidit agmen,
2360 Sed Torgam accelerare putat, praeverteret ut se.
Hinc spes aucta sua est, facili et sese impete sperat
Fusurnm Albanum, lateri sed qui astitit una
Crucius iiispexit motus attentius omnes:
„Cede loco princeps, ait, atque sequentia signa
2365 „Aspice"; — conversus Saxo videt ordine longo
Caesareum ire agmen iuxtaque astare Tetrarcham
AUobrogum Regemque suos praecedere binos
Ex se patre satos; vexilla id picta docebant.
S9
) Voigt 660 flg.
256 Georg Schepss:
His consteriiatus sigiiis mutaverat omne
2370 Consilium Torgae intraiidae rieque fidere niuris
Viilt satis intirmis: se raox uiedio agmiiie misrut
At(|ue iter attoiiitus nemoia ad Seh winhardica tlectit, —
Non procul illa aberaiit, — spemquo lianc in pcvtore nutrit
Se reliquiim latitarc diem securius illis
2375 In silvis i^osse, ast ubi nox iam sole sepulto
Iiigrueiet, Wittenbergam se iiifene sub arcem;
Impediunt silvam dispersae liinc iiide paliides
Angustae et colles ; haec rebus idoiiea Saxo
Esse suis ratus, ut conatis exitus esset
2o80 Promptior, ingeiitem adversas iiimittit in alas
Bombardistarum luuuerum glandesque voraentuni;
ücyus it miles maiidataque iortiter implet.
Haec iiiter Caesar iam signa priora prehendit
Astantcsque monet coetus et talibus iufit:
2385 ,Mile?, adest toties optitae copia pugiiae! m 7, 251.
„Nil opus est votis, iam fatum accersite ferro! li 7, 252.
„In raanibus vestris, quantus sit Caesar, habetis. ia 7. 253.
„Haec lux monstrabit clare qui iustius arma li 7, 25s).
„Sunii)S('rit, ista*") dies victum factura noientem est. li 7, 2fio.
2390 „Non datur hinc reditus, miles, nisi l'udimus hostem:
,,Si pro me patriam ferro tlammaque petistis, Li 7, 264.
„Nunc pugnate truces gladiosque exolvite culpa! li 7, 262.
„Victima pinguis erit nobis liic Saxo sub armis
„Aut cum laude cadam manesque sub aethera mittani.
2395 „Ite per ignavos populos famosaque regna li 7, 277.
„Kt primo ferri motu prosternite gentem!" Li 7, 278.
Dixit et Albanus iamiam moturus in liostem;
„Irruo Caesar, ait, reducem aut me funus liabebis
„Aut me victorem cum capto Saxone cernes . . . ."
2409 Praecipitique gradu iam cunctum Caesaris agmen li 7,4%.
In densos agitur cuneos perque arma per hostem li 7, 4ü7.
Quaerit iter, qua torta graves lorica catenas Li 7, 498.
Opponit tutoque latot sub tegmine pectus Li 7, 499.
Nil tarnen hie tutum satis, est ad viscera ferro
Hac quoque perventum, calet omne a Caesare IVrrum.. li 7. .">oo, :)03.
2422 Saxonicus eunctis petitur cruor: inde sagittae, Li 7, 511.
lüde faces et saxa volaut, spatioque solutae li 7, 512.
Aeris, et calido liquefactae pondere glandes .... Li 7, r)i:5.
2447 Hos inter venit Albanus praefulgidus armis Mai. 121.
In niveis auro caelatis puniceoque
Insigni ex hunu'ris et equo spadice recumbens,
2450 Trii phaleris sparsum ostentans i)er membra cruorem
Vuluere difl'usum . Caesar quem dum excijjit, ecce
Nuncius att'ertur de capto Saxone faustus*').
Mox Frisio provectus equo (hnlucitur ipse,
Ferrata armatus tuuica tlioraceqiie nigro
2455 Hanc super inducto loris post terga rcvincto,
Yulnere maxilla in laeva foedatus honesto;
*") Handschr. iste.
•'; Mal. 121b Caesar dum . . . Albanum excipit, ecce de capto
Saxone nuiuius laetus aftcrtur.
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 257
Caesare iam coram positus descendere certat
Cornipede eque sua maniram deponere dextra.
Caesar iit aspexit cicatricem et corpus obaesum
2460 Saxonis ac astu et sudore flueiitia membra
Aridaque ora siti fessosque ut anhelitus artus
Arctio,r urgeret — ceii clementissimus*^) ipse est —
Descensu interdicit equi manicamque reiecit.
lUe Caput nudus Germano idiomate Regem
2465 AfFatus: „Me nunc tibi, clementissime Caesar,
„Captivum dixit, statuo" nee plura locutus.
Caesar ad haec: „Tandem didicisti dicere Caesar
„Jam victus ? sie me solitus non ante vocare,
,,Qui tibi dicebar Gandaviis Carolus unum,
2470 „Nunc merito sors ista tuo tibi, Saxo süperbe,
, übvenit et fastu inflatum demittere cristas
„Compulit ac victum nostris te tradidit armis**)."
His dictis siluit defixaque lumina terrae
Saxo bumeris pressis tenuit stupidusque sedebat
2475 Et gemitum ex imo deduxit pectore magnum .... Vg i, 485.
2492 Mauricius Saxo, qui (Jaesaris arma secutus Mai. 122.
Dum profugos longe furibundus fertur in hostes,
Prodit eques sclopumque retro post terga subindit
2495 Perfodere attentans iaculata viscera glande:
Nondum ast venenmt supremi tempora fati
Dumque rota silicem tri^'it, non emicat ignis ; Mai. 123
Sic ex fortuito casu servata periclo
Extremo sua vita fuit, quae proxima fato
2500 Jam fuit et tenui pendebat prodita filo.
Servatus tarnen est ad non nisi perüda facta,
Tunc ubi collusit Gallo corruptus et auro a
Caesare desciscens Alemannica prodidit arva.
Corripuere equitem comites ducis, bic rapit aure,
2505 nie pede, ille manu, correptaque corpore toto
Dilacerant membra atque animam de pectore trudunt.
Qualis ubi iiulomitus vaccam leo corripit ungue
Et collo arreptain sternit sugitque cruorem
Sanguine iainque satur carnem discerpit et ossa
2510 Frustaque ludendo parteis dispergit in omnes,
Sic quoque discerptum dift'uso hinc inde cruore
Disiecit corpus miles sannisque secando
lUusit truncisque afMnxit scommata membris ....
2525 Jamque inhiat spoliis et depraedatur onustos Mal. i?4
Carros bellator quisque et pars sqnalida caeno
Vestimenta virum scrutatur collaque circum
Exolvunt torques rapiuntque monilia tlavo
Fusa auro, nudant latera et pugione soluta
**) Siehe Voigt 601: ,,Es ist bekannt, dass dem Kaiser der
Gedanke nicht fern lag, dem gefangenen Johann Friedrich den Kopf
abschlagen zu lassen". Vgl. Mocenigo bei Voigt 656 und Mauren-
brecher, Karl V. und die deutschen Prot. 142.
**) Zu Johann Friedrichs Geschichte siehe jetzt auch Schnorr
von Carolsfeld in seinem Archiv für Literaturgeschichte 1882,
p. 177 flg. (Erasmus Alberus).
17
Neues Archiv f. S. G. ii. A. V. 3
258 Georg Schepss:
2530 Argouti giavido gemmatosque muliquc iloxtris
Absciiuluiit iligitos. Habet et sua praemia Caesar,
Ingentem aniioiuin cunmliun bellique paratuni ....
2563 Iiisuper ad littus viciiia !)estia silva
Prodigiosa lupiis prodit nianibusfiue propimiuat
2565 Militis; hie (oto laiiiavit corpore iiioiistriiii),
Hispauaeque super volitabnt vertice geiitis
Ales Sacra Jovi longiun et superastitit illi ....
2604 Contiscautur opes quascuiique Elector habebat**);
Tormentorum ingens minierus conflatur in luiuin;
Gota solo aequatur millis snperabilis armis;
Restituuntnr ii, qiios hello ceperat ante;
Diix trahitur captus quauunnque it Caesar in Aulam;
Sacroriim in raptus Caesar praedasque bonorum et
2610 Relligioiüs opus sibi iura ferenda reservat.
His aninium adversis uunquam deniiserat altum l-j, 34i flg.
Saxo, st'd immoto toleravit pectore casus
Quoslibet, afflicta et maior vult sorte videri . ... Ovid, met. 6, 195.
2682 Heu nihil invitis fas quenquani tidere Divis! Vgi 2, 402.
Quidiiam te, Hasse, niovet vel qui te spiritus augit, mjiI. i34.
Ut iam Romano spem totam in Rege salutis
2685 Conjicias'^ tumidis qui dixti saepius ante
Buccis vel centum passurum in corpore uiortes
Quam cadere ante pedes Romani Caesaris unquara ....
2731 „More tarnen nostro**) totum hoc aholemus et imis Mai. i38.
„Orantnm precibus facinus dimittimus ingens
„Et capitis nnilctam meritae decretaque mortis.
„Hiiec tarnen observanda tibi mandata capesses:
2735 „Tuque cliensque tuus mihi sacramenta vovete,
„Cuncta voluntati porro permittite nostrae,
„lnq\ie manus nostras bis dedas oppida bina,
„Munitosque locos ac omnia dirue castra,
„Bis centum tradas rhoedis tormenta reposta,
2740 ., Tuque aurum mulctae persolvas nomine iiissum.
,,[nque tua quisqnis residet ditione virorum
„Nobilium iuramento mihi rite cavebunt,
„Tu si quando fide rursum decesseris, ut te
,,Captivum statuant Romani ad Caesaris Aulam."
27-15 Jani([ue pavimento prostratum se erigit llassus
Albanumque sequi iussus concessit in arcem,
Qua fuit haud pauco detentus tempore vinclis**).
2766 Quis non llerculeos dicatque car.atque labores?
ÜDUS ai) excidio patriam tu, Carole Dive,
Servasti, oppressa damnata faece latronum ....
2776 Elieu, si superi non hat-c tua, Carole, iusta
Bella secundassent addendo robur ab alto
Atque negavissent oppresso hunc hoste triumplium,
Quäle Chaos foret haec tellusV quae forma pcnatum? ....
**) Die Verse 2604 — 2609 haben am Rande die Nummern 1 — 6;
sie enthalten das Wesentlichste der dem Kurfürsten auferlegten
Friedensbedingungen; Mal. 128b flg.
**) Es spricht der Kaiser zum Landgrafen Philip]).
*») Maur en breche r 1-45.
Dr. Phil. Jak. Hamerers Heldengedicht etc. 259
279.3 Te nemo sub sole fuit magis inclytus, ante
Te cunctos vincis nuncque est tibi nemo secundns,
2795 Nemo magis virtute poteiis aut fortior annis ;
Hoc sensit Tiircus de Pannonis erbe fugatus,
Sensit item Gallus Papiensi captus in horto.
Subque iugum ductus sensit tua numina Poentis
Romanusque pater contra te foederis author.
2800 Sensere innumerae gentcs quas conspicit Ortus
Et sol Occiduus, Septentrio Meridiesque;
Arma apud Antipodas tua longe dissitus Indus
Vidit et extimuit; quas tu mansuescere gentes
Fecisti vitam ducentes more ferarum;
2805 Sensit et invictum toties Germania nunquam
Glarius ac quando coniunctis viribus arma
Tota fere intulerat tibi, Saxoiie et Hasside captis ....
2812 Jamque tuis armis laetatur pace recepta
Teuto nee ingratus dignos tibi libat honores,
Jamque optat caelo redivivum labier alto
2815 Imperiique Sacri fessis succurrere rebus,
Atque utinam posses, sed nobis te invidet aether ....
2822 Teque quidem pauper descripsit carmine vates
Heroo meritisque tuis expressit honores,
Concussum inde cupit lamam proferre per orbem
Et primam Austriacae stirpis celebrare columuam
2826 Plus ultraque suos apud insinuare nepotes.
17'-
Literatur.
Sächsische Klelderordmingen aus der Zeit von 1450 bis 1750.
Von 01)erlelirer L. Bartsch, Erste und zweite Hälfte. (.39. und
40. Bericht über die Köiiic:). Realschule I. 0. nebst Progymnasium
zu Annaberg.) Annaberg, 1882 und 188.3. 28 und 40 SS. 4o.
Unter der Fluth der jährlich erscheinenden Programmabhand-
lungen findet sich verhältnismässig wenig wissenschaftlich Brauch-
bares; es ersclieint daher geradezu als Ptiicht, derartige Ausnahme-
fälle hervorzuheben, um so mehr, als die Programmliteratur eine
sehr kurzlebige zu sein pflegt, so gut wie; gar nicht in den
Buchhandel kommt und weiteren Kreisen , selbst denen der Fach-
gelehrten, in vielen Fällen überhaupt nicht bekannt wird. Die
i)eiden vorstehend genannten Programme, auf die wir hier, wenn
auch nur in aller Kürze, aufmerksam machen, gehören zweifellos zu
denjenigen, von denen man bedauern müsste , wenn sie das allge-
meine Schicksal theilten. Jeder, der sich mit Verwaltungs- und
Sittengeschichte, insbesondere mit Städtewesen beschäftigt, kennt
die interessante Erscheinung auf dem Gebiete der Luxuspolizei, die
den Gegenstand des Verfassers bildet, weiss aber aucdi, mit welcher
Mühe es verbunden ist, das Material einigermassen vollständig zu-
sammenzubringen. Der Verfasser hat sich diese Mühe nicht ver-
driesen lassen; er hat im Hauptstaatsarchiv zu Dresden, sowie in
verschiedenen Stadtarchiven und Bibliotheken eine grosse Menge
handschriftlichen wie gedruckten Materials ausfindig gemacht und
durchgearbeitet, zeigt sich auch in der bisherigen Literatur nicht un-
bewandert. Um so mehr hat sich Referent darüber gewundert, dass
der Codex diplomaticns Saxoniae regiae nicht ausgiebiger benutzt
wurde; so wären z. B. die I, 9 tlg. erwähnten Leipziger und Dresdner
Verortlnungen über die Spitzenscbulie sicher eher nach den korrekten
Drucken des Cod. dipl. (IL 5, 223. 8, 2.37 u. 333) als nach Chro-
niken mitzutbeüen gewesen; ebenso fand sich hier (II, 22() flg.)
reicheres Material über den durch die Kleiderordnung veranlassten
Aufstand der Leipziger Studenten; gar nicht erwähnt fand ich die
Leipziger Polizeiordnung von 1463 (a. a. 0. 8, 294 flg.). Das die
Stadt Freiberg betreffende urkundliclie Material hat B. nachträg-
lich in einem Aufsatze (Mittiicilungen des Freil)erger Alterthums-
vereins XX, 1 flg.), der im Übrigen nicht viel mehr als die Pro-
gramme enthält, nach dem Cod. dipl. 11, 12 bearbeitet. Abgesehen
von dies(!r kleinen Ausstellung verdient der Fleiss und die Sorg-
falt des Verfassers alle Anerkennung; auch dass er die poetische
Literatur namentlich des 17. Jahrhunderts ausgiebig verwandt hat,
Literatur. 261
sowie dass er auf Gruml eiugeheuder kostüingeschichtlicher Studien
die sonst schwer verständlichen Einzelbestimiuungen sachgemäss er-
läutert, ist sehr dankenswertli. Jedenfalls wird die sächsische
Spezialgeschichte erheblichen Nutzen aus den beiden Arbeiten
ziehen, und man wird wohlthun, sie auch für allgemeinere Z^vecke
nicht zu übersehen.
Dresden. H. Ermisch.
Chronicon Islebiense. Eisleber Stadt - Chronik aus den Jahren
15B0 — 1738. Nach der Urschrift mit erklärenden Anmerkungen
und einem Ürtsregister herausgegeben von Dr. Hermann Groessler,
Gymnasial- Oberlehrer, und Friedrich Sommer, Rektor a. D. zu
Eisleben. Eisleben, 0. Mäbnert (Komm.). 18s2, VIII u. 296 SS. 8».
Die grossen gewaltsamen Bewegungen, von denen im Laufe der
Vergangenheit die politische und wirthschaltliche Entwickelung
unseres deutschen Vaterlandes ergriffen ui;d erschüttert wurde, sind
ebenso wenig wie die friedlichen Umbildungen an keinem auch der
kleinsten landschaftlichen Kreise je spurlos vorüber gegangen; als
lebendige Glieder des Ganzen haben letztere an den Fortschritten
und Rückschlägen, die das Geschick der Gesamtheit aufzuweisen hat,
zu allen Zeiten theilgenommen; nur Stärke und weitere Wirkungen
dieser Theihiahme fallen und fielen nach den individuellen Verhält-
nissen gerade in Deutschland besonders verschieden aus Es ver-
lohnt und empfiehlt sich daher, die grossen Bewegungen zu ihrem
besseren Verständnis stets in den einzelnen Ausläufern bis in die
engeren Wirkungssphären zu verfolgen und an konkreten und um
so schärfer sich abhebenden Thatsachen in möglichst einfachen Ver-
hältnissen zu beobachten; auch der Geschichtsforscher niuss als
Anatom arbeiten und sich in mikroskopische Untersuchungen ein-
lassen, um das verzweigte Nervensystem und die Funktionen einzelner
Organe, wie die krankhaften Erscheinungen im Volkskörper zu er-
kennen und zu bestimmen. Dankbar wird es daher immer anerkannt,
wenn chronikaleoder annalistische Aufzeichnungen über die Schicksale
kleinei'er Landstädte und Landschaften aus den ersten Jahrhunderten
der sogenannten Neuzeit an das Licht gezogen und der Öfi'entlichkeit
übergeben werden; noch pulsierte damals auch in diesen Organen
ein selbständiges politisches and eigenartiges wirthschaftliches Leben ;
neue gewaltige Gährungselemente werden durch die Kirchenrefor-
mation und den grossen Religionskrieg des 17. Jahrhunderts in das-
selbe hineingeworfen.
Ist auch der Gesichtskreis der Verfasser solcher tagebuchartiger
Chroniken zumeist kein allzuweiter, so haben dieselben wenigstens
keine Veranlassung, die Dinge anders darzustellen, als wie sie sich
vor ihren Augen ent- oder abwickelten; sie standen den Ereignissen
zumeist so nahe, dass Irrthümer und Versehen nicht gut möglich
waren. Vereinzelt wird in solchen Aufzeichnungen auch über die
Vorgänge der nächsten Umgebung hinaus auf in der Landschaft und
Provinz vorkommende Vorfälle und Ereignisse gegriffen, von fernher
drohendes Unheil schon im Herannahen beobachtet und geschildert
und werden grössere allgemeine Bewegungen, die den Wohnsitz des
Aufzeichnenden berührten, dann auch in ihrer ^\eiterentwicklung
bis zu irgend einer Krisis. die sich bald in geringerer, bald in grösserer
Entfernung vollzieht, verfolgt. In solchen Fällen beruht die Kennt-
nis des Berichterstatters freilich zumeist auf Hörensagen, wenn
262 Literatur.
hinter den Mittbeiluiip-eii vielleiclit auch Augenzeugen als Gewährs-
männer stehen; in der Zeit des 30jährigen Krieges sind es mehr-
fach wohl schon Zeitungsnachricliteu, um die die ursprünglich nur
auf den engsten Kreis beschränkten Schihierungen ergänzt und er-
weitert werden.
Solcher .\rt sind die Materialien, die der um die Geschichte
der Grafschaft Mansfeld so sehr verdiente Hermann Groessler
in Eisleben in Gemeinschaft mit F. Sommer daselbst unter dem
Namen Chronicon Islebiense jüngst auf eifrene Kosten heraus-
gegeben hat. Die Glaubwiu-digkeit der vorliegenden Kompilation
wird noch durch den Umstand erhöht, dass es die jeweiligen
Stadtschreiber und Stadtvögte, also die vornehmsten Glieder des
städtischen Beamtenthumes sind , aus deren Feder die Haupt-
abschnitte des Werkes flössen; mehr als einmal ist sogar akteii-
mässiges Material in die unmittelbar im Zusammenliange mit den
Ereignissen entworfenen Schilderungen eingeHochten. 1 ie verschie-
denen Berichte bewegen sich zwar keineswegs in gleichmässiger
Stärke und Fassung; bunt wechseln ausführliche Darstellunsren
geringfügiger und unbedeutender Vorgänge mit kurzen Notizen über
wichtige und folgenschwere Ereignisse; auch ganz sorgfältig und
chronologisch genau schliessen sich die einzelnen zu verscliiedenen
Zeiten entstandenen Abschnitte nicht an einander an; hier und da
triftt man auf Nachträge, anderes geht auf Sonderaufzeichnungen
zurück, die mehr zufällig mit dem anderen Material in einen Band
vereinigt worden sind : so sind einzelne Jahre ganz und gar in den
Berichten nicht erwähnt, und vor|allem besteht zwischen den Jaliren 1539
und 1547 eine Lücke, die bei den Beziehungen der Grafschaft Mans-
feld und der Stadt Eisleben zur Reformation und zu den Refor-
matoren recht schmerzli(di auft'ällt. Auch eine Fortsetzung des Werkes
über das Jahr 1G77 hinaus bis 1738 lässt sich nur vermuthungsweise
annehmen : was die Publikation aus diesem letzteren Zeiträume bringt,
gehört nicht der einzigen erhaltenen, lange verschollenen und erst
neuerdings wieder der Bergschul-Bibliothek in Eisleben zugefülirten
Original-Handschrift an, sondern ist aus einer anderen (^)iielle ent-
nommen und setzt sich nur aus ungefähr zwei Druckseiten umfassenden
Notizen ül)er verschiedene Feuersbrünste zusanimen. Am Wichtigsten
und Interessantesten ist jedenfalls hieriregen das, was uns die Chronik
über die Heimsuchung der Grafschaft Mansfeld durch den HO jährigen
Krieg und die mit demselben in Zusannnenhang stellenden militärischen
Operationen der kaiserlichen, schwedischen und sächsischen Heere
bringt. Schwer hat die Grafschaft und ihre Hauptstadt damals zu
leiden gehabt, aber doch ist nicht alle Kraft vernichtet worden;
dank den Bemühungen des Stadtvogtes Hans Mörder, der selbst unter
den Verfassern der Chronik eine hervorragende Stelle einnimmt und
der allein von ihnen allen, wenn auch nicht gerade allzu glücklich,
die frühere Vergangenheit Eislebens darzustellen versucht hat, haben
sich Stadt und Bürgerschaft bald wieder in geordnetere und ruhigere
Verhältnisse eingelebt und die geschlagenen Wunden zu heilen
getrachtet.
Doch auch die früheren wie späteren Theile der Chronik bieten
viel Anziehendes und für allerlei historische Forschunsfen werthvoUes
Material. Eislebens Stellung selbst, wie nicht minder die der Graf-
schaft Mansfeld, ist das 16. und ]7. Jahrhundert hindurch eine
durchaus nicht bedeutungslose gewesen; die Eigenthümlicbkeiten
des Landes und der Leute, die sich in vielen Stücken noch bis auf
Literatur. 263
tleu hfcutigei) Tag erhalten haben, treten in jener Zeit no» h schärfer
und deutlicher hervor, aber trotz aller Eigenart klingt überall ein
echter deutscher Volksgeist hindurch. Mehr als uns sonst aus
ähnlichen Quellen erinnerlich ist, ist die vorliegende Chronik reich
an schönen Zeugnissen gegenseitigen Beispringens der Städte inner-
halb der Grafschaft und der benachbarten Landschaften in Zeiten der
Noth und Gefahr; treulich rühmen die Chronisten die nach ver-
heerenden Fenersbrünsteii und Epidemien ihrer Stadt gewordene
fremde Beihilfe. Doch unterlassen sie auch nicht, pünktlich über
die Art und Weise Rechnung zu legen, wie man gegebenen Falles
sich nach aussen hin wieder erkenntlich bewies; über das, was der
Stadt und den Bürgern durch den grossen Krieg an Schaden und
Yerlust erwuclis, hat man nicht minder Jahr für Jahr streng Buch
geführt; die aufgenommenen Spezifikationen, die man bei der Aus-
gabe am Sclilusse der Chronik einheitlich zusammengestellt hat,
füllen nicht weniger als .SO Druckseiten!
Was die Betheiligung der beiden Heransgeber an der Ver-
öffentlichung des Werkes angebt, so ist die Herstellung des 'I'extes
nach der Originalhandsclirift von beiden gemeinsam besorgt worden.
Dass sie es sich so viel Zeit und Mühe haben kosten lassen, die
Orthographie des Originales in den unbedeutendsten Kleinigkeiten
getreu wiederzugeben, werden ihnen weniger Leser danken, als sie
erwarten; der Gewinn, der aus jenem Verfahren für die Erkenntnis
der Sprach-Entwicklung und der Wandlungen in der Rechtschreibung
erwachsen soll, wiegt doch kaum die Unbequemlichkeiten auf, die
die regellose Anwendung grosser Anfangsbucbstaben bei Pronomen,
Adjektiven, Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen dem Be-
nutzer bereitet. AVährend ferner das Ortsregister Sommers Werk
ist, verdanken wir die werthvoUen historischen, sprachlichen und
topographischen An.merkungen der sachkundigen und bewährten
Hand Groesslers. Leider werden diese schätzbaren Beigaben im
weiteren Verlaufe der Ausgabe recht spärlich; freilich sollte, wie
die Wiedergabe der nicht auf Eisleben und Mansfeld bezüglichen
Nachrichten durch kleineren Druck zeigt, dem ganzen eine besondere
lokale Färbung gegeben werden; demnach wäre es geboten gewesen,
gerade die auf die Ereignisse des oOjährigen Krieges bezüglichen
Stellen mit Noten zu bedenken und von hier aus auf den Znsammen-
hang mit dem allgemeinen Gange des Kampfes aufhellend hinzu-
weisen: wie solche lokale Quellen auch für die allgemeine Geschiclite
werthvoUes Material bringen , so ist und bleibt es Aufgabe der
Herausgeber derselben bei solcher Gelegenheit Kenntnisse allgemeiner
Natur dem Leserkreise m der engeren Heiraath zuzuführen.
Halle a. S. Wilh. Schum.
1. Eine Erzgebirgische GrelehrtenfamiHe. Beitrag zur Kultur-
geschichte des 17. Jahrhunderts. Von Dr. Johannes Poeschel.
Leipzig, Fr. VV. Grunow, 1883. XII, 180 SS. 8". Mit einem Stamm-
baum.
II. Glück auf! Ein Jahrbuch für das Erzgebirge und seine Freunde.
Herausgegeben von Hugo Rösch. Erster Jahrgang 1884.
Leipzig, Carl Reissner, 188.3. VIK, 185 SS. 8*.
Es ist bekannt, dass unter den Quellen unserer vaterländischen
Geschichte die Chroniken eine verhältnismässig untergeordnete Rolle
spielen; die mittelalterliche Historiographie kennt wenige derartige
264 Literatur.
Werke, bei denen ein meissnisrlier ürsprnnq; nacliweisl)ar ist, und
wenn auch im 16. Jalirhnndert eine grosse Schrt'il)selijj;keit entfaltet
■wurde, so sind die Erzeugnisse derselben zum jrrössten Theil weder
als Geschichtsquellen noch als Literaturdenkmäler von irgend wel-
chem Belang. Lisbesondere fehlt es an städtischen Chroniken und
verwandten Aufzeichnungen, wie sie das von der historischen Kom-
mission in München herausgegebene Sammelwerk, die „Chroniken
der Deutschen Städte", aus Nord- und Süddeutschland in so reichem
Maasse bringen; die wenigen gleichzeitigen Aufzeichnungen, die uns
aus dem Iß. Jahrhundert bekannt geworden sind, harren meist iiO( h der
Veroftentlichung. Mit der Vergangenheit y,ber begann man erst im
17. Jahrhundert sich in "einiLfermassen wissensihaftlichcr \\'eise zu
beschäftigen; Werke wie Wecks Chronik von Dresden, Sclmeiilers
Chronicon Lipsiense, Möllers Theatrum Freibergenso Chronicum u. a.,
zeichnen sich durch das Streben aus, durch archivalische Forschung
für die Stadtgeschichte eine sichere Grundlage zu gewinnen.
Bei dieser Sachlage muss man dem Verfasser Dank wissen,
dass er es unternommen hat, das Andenken eines der beachtens-
werthesten Chronisten des 17. Jahrhunderts zu erneuern. Mag. Christ.
Lehmann, der den Mittelpunkt von Poschels Schriftchen bildet, ist
eine in mehr als einer Hinsicht anziehende Persönlichkeit. Geboren
1611 in Königswalde bei Annabcrg, verbrachte er den grössten Theil
seines Lebens (KIP.S — 1688) als Pfarrer in dem Bergstädtchen Schei-
benberg. Der in den bescheidensten Verhältnissen lebende, durch
seine Berufspflichten, die er theilweise in sehr schwerer Zeit und
stets sehr gewissenhaft erfüllte, vielfach in Anspruch genommene
Mann besass neben einem stark ausgeprägten Heimathsgefühl einen
überaus lebendigen Wissensdrang, eine scharfe Beobachtungsgabe
und einen nie ermüdenden Fleiss. Von jungen Jahren an suchte er
sich über alles zu unterrichten, was in näherer oder ferner Bezie-
hung zu seinem Ileimathlande stand. Es ist bei seinen Verhältnissen
geradezu erstaunlich, eine wie grosse Belesenheit er si(h nach und
nach zu erwerben wusste; aber das Beste in seinen KoUektaneen
war nicht das, was er aus Büchern entnahm, sondern das, was er
auf vielen Wanderungen durch die heimathlichen Berge durch eigene
Beobachtung oder aus dem Munde von Keich und Arm erfuhr. Dass
er hauptsächlich solche Quellen benutzt, verleiht seinen Werken
die Frische und Unmittelbarkeit, die uns noch heute anspricht, und
giebt ihnen ausserdem einen fortdauernden Werth nicht bloss literar-
geschichtlicher Art.
Von Lehmanns zahlreichen Schriften, die wir hauptsächlich aus
einem Briefe seines gleichnamigen Sohnes von 17<)o keniuni, ist nur
eine gedruckt worden, nämlich der „Historische Schauplatz derer
natürlichen Merkwürdigkeiten in dem Meissnischen Ober-Ertzgebirge".
Es wurde nacli des Verfassers Tode von seinen Söbnen, dem Kon-
sistorialpräsidenten Theodosius Lehmann, dem Görlitzer Archidiaconus
M. Immanuel L. und dem Freiberger Superintendenten Job. Chri-
stian L., über welche der Verfasser uns zahlreiche biographische
Details bringt, fortgesetzt und von dem letztgenannten im Jahre
1699 herausgegeben. Dass die Verlagshandlnng, Friedrich Lanckiscdiens
Erben in Leipzig, im Jahre 1717 eine neue Titelausgabe ohne An-
gabe des Verfassernamens veranstaltete, in welcher der die Wid-
mung enthaltende Bogen a fehlt, während sie im ültrigen mit der
ersten Ausgabe völlig identisch ist, siheint Pose hei entgangen zu
sein. Der vollständige Titel dieser 2. Ausgabe lautet: „Ausführliche
Literatur. 265
Beschreihunff des Meissnisfhen Ober-Eitzsebürges, Nach seiner
Lage, Gestalt, Bergen, Thälern, Felsen, Flüssen, Brunnen, warmen
Bädern, "Wäldern, Lands-Art, P'rücliten, Wildbahne, wie auch ange-
merckte Zustände der Elemente, Himmels -Zeichen, Witterung und
allerhand curiösen Begebenheiten gefertiget, auch mit schönen Ku-
pffern und nöthigen Figuren geziret von Einem Freunde des Ertz-
gebürges. Leipzig bey Friedrich Lanckischens Erben, 1747". Das
Werk ist noch jetzt eine reiche Quelle für die Kenntnis von Land
und Volk des Erzgebirges im 17. Jahrhundert. Der Verfasser theilt
manche Proben aus demselben mit; andere finden sich in einem
Aufsatze von II. Rösch auf S. 99 flg. der unter IL genannten Schrift.
Aus dem reichen literarischen Nachlasse Lehmanns hat sicli bis
jetzt nur eine Schrift, nämlich die ,, Kriegs-Chronik der Teutschen",
eine sehr umfangreiche Handschrift der Königl. Bibliothek zu Dresden,
auffinden lassen; über zwei Drittel derselben behandeln den dreissig-
jährigen Krieg, und dieser Theil ist von nicht geringem Interesse,
da der Verfasser vielfach als Augenzeuge schildert. Die hier und
im ^.Jahrbuch" S. 125 flg. mitgetheilten Proben rechtfertigen den
Wunsch, dass die Handschrift mehr als bisher benutzt werden
möchte. Ausserdem hat L. noch eine Kirchen -Historie, eine Berg-
Chronik, eine „Moral-Chronik", „Hundert Teutsche Episteln" und
,, Annales" hinterlassen. Endlich macht Pöschel darauf aufmerksam,
dass auch eine abschriftlich noch vorhandene kleine Schrift über
Scheibenberg, aus der er im „.Jahrbuch" S. (iO flg. einiges mittheilt,
höchst wahrscheinlich von L. herrühre. Es wäre erfreulich, wenn
es gelingen sollte, noch das eine oder andere der angeführten Werke
zu entdecken.
, Man muss dem fleissigen Schriftchen Pöschels das Zeugnis
ausstellen, dass es ein sehr beachtenswerther und in durchaus wissen-
schaftlichem Sinne gehaltener Beitrag zur sächsischen Gelehrten -
und Kulturgeschichte ist.
Über den Inhalt des unter IL genannten „Jahrbuchs", zu dem
wohl der emsig thätige Erzgebirgsverein den Anstoss gegeben hat,
haben wir im Vorstehenden schon einige JMittheilungen gemacht.
Die übrigen Artikel desselben gehören weniger in das Gebiet, welches
die an dieser Stelle zu gebenden Referate zu berücksichtigen haben.
Wir heben unter denselben einen längeren vom Herausgeber ver-
fassten Aufsatz „Zwei Liederbücher. Eine Skizze zur Kenntnis des
Volksliedes im Erzgebirge" hervor, der entschieden Sachverständnis
verräth; doch müssen wir es dem Literarhistoriker überlassen,
darüber und über die einzelnen mitgetheilten Bergreigen und Volks-
lieder — unter denen namentlich das S. 13.3 flg. abgedruckte Lied
vom Cadner Su^harmützel beachtenswerth ist — zu urtheilen, wie
wir den Dialektforscber auf den Beitrag von E. Stiehler- Buchholz,
Die Fremdwörter des westerzgebirgischen Dialektes, aufmerksam
machen. Im Ganzen macht auch das „Jahrbuch" einen wohlthuend
frischen Eindruck, und wir wünschen ihm einen glücklichen Fortgang.
Dresden. H. Ermisch.
Freibergs Berg- und Hüttenwesen, Eine kurze Darstellung der
orographischen, geologischen, historischen, technischen und ad-
ministrativen Verhältnisse, herausgegeben durch den Bergmänni-
schen Verein zu Freiberg. Mit'^lO Taf. Freiberg, Craz & Ger-
lach (Ed. Stettner). 188.B. VIII, 284 SS. 8«.
Dieses Werk, ursprünglich eine Festschrift zum zweiten all'
266 Literatur.
•reiiiciiieu Jiergmaiiustage, der 1883 in Dresden stattfand und mit
welehem eine eingehende Hesirhtigung des Freiberger Bergreviers
verbunden war, l)ietet eimni wichtigen Beitrag zur sächsischen Hei-
niatliskunde und üeschidite , insbesondere zum ersten Male unter
Berüclvsii htigung der neuesten, im Freiberger Berg- und Hütten-
wesen getroffenen technischen Errungenschalten. Dass der aus
Berg- und Ilüttenbeamten und ans Dozenten der Bergakademie be-
stehende rBergniännisclie Verein'" zu Freiberg die Arbeit in die Hand
hat, gereirlit dem Hnclie nur zur Kinpfehlung.
Die Fülle des gebotenen Stoßes erhellt am besten aus dem
nachstehenden Inhaltsverzeichnis :
A. Bergbau. I. Oberbergrat C.H.Müller: Allgemeines über
die natürlichen Veiliältnisse des Freiberger Bergreviers (orogra-
phische, klimatische, geologische und Erzlagerstätten-Verhältnisse).
II. Oberbergrat V. H. Müller: Geschichtliches über den Freiberger
Bergbau. JII. Betriebsdirektor A. Th. Tittel, Bergrat C. H. Borne-
mann, Berginspektor C. A. Sickel und Betriebsdirektor E.W. Nenbert.
Technische Verhältnisse. Grubenbetrieb im Allgemeinen. StöUn
Schachtanlagen. Strecken, Abbau, Gewinnung, Förderung und Wetter.
Aulbereitung. IV. Betriebsdirektor A. Th. Tittel: Bergwerksbesitzer.
Grubenverwaltung. Revierverband. Kevierinstitute. Arbeiterver-
hältnisse. V. Bergamtsdirektor Leuthold und Professor Stclzner :
Staatsbehörden und Staatsanstalten für Bergbau und Hüttenwesen.
B. Hüttenwesen. Oberbergrat G. Merbach: Die Freiberger
Hütten. Geschichtliches. Muldener Hütte. Ilalsbrückner Hütte.
Schrotfabrik. Hüttenlaboratorium. Allgemeines über Betriebsumfang.
Arbeiter Verhältnisse, Knappschaftskassen.
Von hervorragendem historischem Interesse ist ausser dem
Aufsatz von Professor Stelzner, welcher Seite 223 flg. im ,\nschluss
an die Arbeiten von Reich die Geschichte der Freiberger Berg-
akademie giebt und bis zum Jahre l88;-5 fortführt, und ausser der
Abhandlung von Oberbcrgrath Merbach, in welcher in summarischer
Form eine Geschichte des Freiberger Hüttenwesens bis zur Errich-
tung der Generalscbmelzadministration 1710, von da ausfülirlicher
bis zur Gegenwart geliefert wird (Seite 24:) flg.), insondciheit der
längere Aufsatz von Oberbergrat C. H. Müller: „Geschichtliches
über den Freil)erger Berebau". Auf Grund einer sehr verbreiteten
Literaturkenntnis und speziell unter Benutzung der vom Jahre 1524 an
erhaltenen Grnbenausbeuten und der vom Jalire 1529 an vorhanderen
gedruckten Ausbeutbogen wird eine Geschichte der einzelnen Gruben
geliefert, die jedesmalige Ursache des Steigens oder Fallens des
jährlichen Silberausbringens entwickelt und so auf Grund eines
umfangreichen statistischen Materials, von dem die Benennungen
der Gruben auch sprachliches Interesse haben, die langbewährte
Lebensfähigkeit des Freiberger Bergbaues gezeigt, durch wehdie im
Laufe der Jahrhunderte dem Lande circa 9 587 427 Pfund Silber im
Gesamtwertlie von 8.5.3 Vj Millionen Mark Reichswiihrung, ausserdem
nicht genau bestimmbare Mengen von Blei, Kupfer und anderen
Produkten aus den Tiefen des Gebirges zugeführt worden sind.
Irrthümlich wird Seite 48 das Jahr 1175 als Gründungsjahr der
Stadt Freiberg angegeben. Vgl. hierüber Hubert Ermisch im Frei-
berger ürkundenbuch Band I, Seite X.\. Der Verfasser des Theatrum
Freibergense wird fälschlich Moller genannt, während er in Wahr-
heit Möller heisst (vgl. z. B. Ermisch a. a. 0. S. XIV, Anm. Kl). Dem
J)onatsthurm gebührt nicht das ihm von Müller zugewiesene Alter,
Literatur. 267
vgl. Heucliler in den Mittheilungen des Freiberger Altertliumsvereins
III, ?01 flg.
Als abschliessend kann die Abhandlung Müllers nicht betrachtet
werden. Es ist mit gutem Grund zu hoffen, dass der zweite Band
des Freiberger TJrkundenbuches auch für die ältere Geschiclite des
Freiberger Bergbaues neues Material zugänglich machen wird. I'as
Verhältnis des Freiberger Berg- und Hüttenwesens zur Stadtgeschichte
Freibergs wird ebenfalls nur selten berührt. Aber wie jede neuere
wissenschaftliche Arbeit über die von der Geschichtsschreibung un-
serer Tage nur allzu lange vernachlässigte Geschichte des Freiberger
Bergbaues hochwillkommen ist, so auch besonders diese gediegene
Abhandlung Müllers, welcher die reiche praktische Erfahrung des
Verfassers zu besonderem Vortheile gereicht hat.
Zehn Tafeln mit Karten und tabellarischen Übersichten erläutern
das ganze von der Verlagsbuchhandlung vortrefflich ausi^estattete
Werk. Nur ist zu bedauern, dass die sehr instruktive, von Ober-
bergrath H. Müller entworfene Übersichtskarte der Gruben und Erz-
gänge in der Umgegend von Freiberg nicht in Übereinstimmuna; mit
der geologischen Spezialkarte von Sachsen, bez. der Sektion Freiijerg,
im Massstab 1 :?50no (statt 1:3.3000) angefertigt ist.
Freiberg. Eduard irleydenreich.
Album der Burgen und Schlösser im Königreich Böhmen. Von
Friedrich Bernau. Erster Band. Saaz, Gebrüder Butter. 1881.
490 SS. Querfolio.
Bei den vielfachen Beziehungen, welche das ganze Mittelalter
hindurch zwischen den Ländern Meissen und Oberlansitz einerseits
und zwischen einzelnen Herren und Kittern Böhmens andrerseits be-
standen, stösst die deutsche und speciell die sächsiche Geschichts-
forschung sehr häufig auf böhmische Oertlichkeiten, besonders Burgen,
über deren Lage, sowie auf Persönliclikeiten, ülier deren Familien-
verhältnisse sie vergeblich nach Auskunft umschaut. In dieser Hin-
sicht dürfen wir obiges Werk als eine wahre Fundgrube von zu-
verlässigen Nachrichten, theils über oft länsrst in Trümmer zerfallene
und bis auf den Namen verschollene Örtlichkeiten, theils über ganze
mächtige Adelsgeschlechter Böhmens und einzelne hervorragende
Persönlichkeiten des Landes bezeichnen und dasselbe, als Ergebnis
umfassendster und mühsamster Detailstudien, zur Benutzung empfehlen.
Neben dem rein historisclien Zweck verfolgt aber der Verfasser mit
ganz besonderem Fleisse auch noch den kunsthistorischen und be-
absichtigt „alle heute noch als Herrschafts- oder Amtssitze und auch
die sonstigen, in der Regel wenigstens in Resten noch dastehenden
Burgen und die anderweitigen Schlossbauten , soweit solclie künst-
lerisches, archäologisches oder geschichtliches Interesse bieten, in
einer Reihe naturgetreuer Abbildungen nicht nur der ganzen Ülyekte,
sondern auch einzelne bemerkenswerthe Partien und Bestandtheile
derselben zu vereinigen". So enthält denn das Werk zahlreiche,
von B. Kutina in Prag nach der Natur gezeichnete Abbildungentheils
ganzer Burgen, Schlösser oder deren Ruinen (in Tondruck), theils
einzelner Portale derselben, Bögen, Capitäle, Fensterkonstruktionen,
Wappen von Besitzern, Wandgemälde und sonstiger Alterthümer
(in Holzschnitt). Der Historiker findet darin nicht nur die Reihen-
folge der Burgbesitzer, sondern häufig ganze Genealogien alt-
berühmter Ilerrengeschlechter. Ein sehr sorgfältiges Register er-
268 Literatur.
k'iclitert das Siu hen nach den einzelnen Ortlichkeiten, Familien,
Personen. Wir würden uns freuen, wenn diese unsere Anzeige
dazu l)eitra<ion sollte, auch in weiteren Kreisen dem Werke dank-
bare Benutzung und tür den zweiten Tlieil zahlreiche Abnehmer
zuzuwenden.
Dresden. Knothe.
Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur sächsisch -thiiringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
AnemüUer, Ernst. Sigebotus verlorene Vita l'aulinae: Wattenbachs
Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts-
kunde Bd. X (1884) lieft 1 S. 9—34.
Bein, Louis. Die Industrie des sächsichen Voigtlandes. Wirth-
schaitsgesihichtliche Studie. Zweiter Theil. Die Textil-Industrie.
Leipzig", Dunker & Humblot. 1884. XII. 556 SS. mit 24 Tabellen. 8".
Biedermann, K. Zwei berühmte Leipziger aus dem 17. Jahrhundert:
Wi'Stermanns .Monatsliefte Bd. ör, (1884) S. 36.3— :',70.
Bode , W. A. Dürers Bild des Kurfürsten Friedrich von Sachsen,
genannt der Weise: Jahrbuch der KOnigl. Preuss. Kunstsamm-
lungen Bd. V Heft 2 (1881) S. .57— ß2.
1)., F. Ruformationsgeschichtliche Guriosa. Die Flacianer-Kanone:
Allgem. ev.-luth. Kirchenzeitung 1884 Xo. 27 S. (527 Hg.
Deumcr, H. Der lechtliche Anspruch Böhmen-Österreichs auf das
Königl. Sachs. Markgrafthum Oberlausitz. Eine staatsrechtliche
Deduction unter Benutzung archivalischer Quellen. Leipzig, Liebes-
kind. 1881. VlII. 79 SS. 8".
Distel, Th. Arbeiten der Goldschmiede Dietmar Koett (1 4(1(5), Diet-
rich Hültermaiin und Johann Keser (lö8''.), Matthes Karl (1587),
Georg Beierla und Friedrich Andres (1602 flg.): Zeitschrift für
Museologie VII (18S4) Xo. fi S. 4.3.
— Jagdbeute des Kurfürsten Johann Georg I.: ebd. Xo. 9 S. 68.
— Das Reskript wetzen der Sperlinge an der Kreuzkirche zu Dres-
den: ebd. Xo. lo'^S. 74 flg.
— Achtserkläruntr Ernsts von Reihitzschs (Beihilfe beim Strassen-
raub 1555): ebd. Xo. 11 S. 83 flg.
— (jeschenke Kurfürst Augusts zur .\nibraser Sjunmlung: Zeitschr.
für bildende Kunst Bd. XIX (1884) Heft 9 S. .302 Hg.
JJittrich, Max. General von Fabrice. 1834. 1. Juli 1884. Ein
Lebensbild. Dresden, Warnatz und Lehmann. 1884. 59 SS. 8".
— Das Königl. Sachs. 1. Ilnsarenretriment Xo. 18: AVissenschaftliche
Beilage der Leipzigc^r Zeitung 188 t Xo. 26 S. 149—152.
Franke. Der obersächsische Dialekt. (Programm der Realschule zu
Leisnig 1884.1 4:i SS. 4».
Friedensburg, Walter. Zur Vorgeschichte des Gotha-Torgauischen
Bündnisses der Evangelischen 1525 — 1526. Mit archival. Beilagen.
Marburg, Ehvert. 1884. 2 BU. 140 SS. 8».
Frydrychoioicz , Born. Die Vorgänge zu Thorn im Jahre 1724:
Zeitschr. d. VVestpreuss. Geschichtsvereins Heft XI (1884) S. 72—97.
liiteratur. 269
Genth, Ad. Zur Badereise des Kurfürsten August vou Sachsen nach
Eltville im Mai 1584:: Nachtrag zu dessen Schrift „Geschichte des
Kurortes Schwalbach". 3. Aufl. Wiesbaden 1884. S. 1—11 (vgl.
desselben Geschichte des Kurortes Schwalbach. 3. Aufl. Wiesbaden
1881. S. 19—25).
(Grässe.) Zwei unbekannte Werke des Malers E. Dietrich: Zeit-
schrift für Museologie VII. (1884) No. 15 S. 116 flg.
Gurlitt, Com. Sächsische Förder- und Lehrstätten des Gewerbes:
Gewerbeschau (Sachs. Gew.-Ztg.) XVI (1881) No. l S. 2—5.
No. 3 S. 18—22.
— Paul Büchner. Ein Baumeister der Renaissance (1531 — 1607):
Deutsches Kunstblatt 1884. No, 1.3, 14. S. 97—100, 105 flg.
Hassel, Faul. Die Grundzüge der Politik des Kurfürsten Johann
Georg III.: Wisseuschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1884.
No. 38, 39 S. 221-224, 229—231.
V. Hirschfcld , Georg. Geschichte der Sächsisch-Ascanischen Kur-
fürsten, ihre Grabstätten in der ehemaligen Franziskaner-Kirche zu
Wittenberg, die Überführung ihrer Gebeine in die dortige Schloss-
kirche und die Stammtafeln ihres Geschlechts: Vierteljahrsschrift
für Heraldik, Sphragistik u. Genealogie. Jahrg. XII (1884) Heft 2
S. 215—308.
Hultsch, Frdr. Zur Erinnerung an Dr. Chr. Ernst Aug. Gröbel,
Rector der lüeuzschule. Gedächtnissrede, in der Aula der Kreuz-
si:hule gehalten am 28. Jan. 1884. Dresden, Zahn und Jaensch.
1»84. 31 SS. 8».
Jacob, Gurt. Der liistorische Festzug in Torgau am 12. Novbr. 1883
zur Feier des 400 jährigen Geburtstages Dr. Martin Luthers, ent^
worfen und illustriert von W. Wollschläger. Im .\uftrage des
Comites herausgegeben und beschrieben. Torgau, Fr. Jacob.
1884. 44 SS. 15 Taf. 4».
Jacobs, Ed. Geschichte der in der Preussischen Provinz Sachsen
vereinigten Gebiete. 4.-6. Lief. Gotha, F. A. Perthes. 18^4. S.
241—480. 8".
Jihn. Der Feldzug 1761 in Schlesien und Sacbsen: Mittheilungen
des k. k. Kriegs-Archivs. Jahrg. 18^4 Heft II S. 125—194.
Kaiverau, G. Der Briefwechsel des Justus Jonas. Gesammelt und
bearbeitet (A. u. d. T. : Geschichtsquellen der Provinz Sachsen
und angrenzender Gebiete. Herausgegeben von der historischen
Kommission der Provinz Sachsen. Bd. XVII.) 1. Hälfte. Halle.
Hendel. 1884. XVI. 447 SS. 8".
Kliiikhardt. Berieht über den Stand der Gemeindeangelegenheiten
der Stadt Reichenbach i. V. in dem Jahre 1882, nebst einem
geschichtlichen Überblicke über die Entwickelung der Stadt.
(Reichenbach, 1883.) 2 Bll. 48 SS. 8».
Knotlie, Herrn Die Febde der Birken von Lämberg mit Kurfürst
Friedrich dem Sanltmüthigen von Sachsen : Mittheilungen des Nord-
böhmischen Excursions-Clubs. VH (1884) S. 177—182.
Koch, Ernst. Triller- Sagen. Ein Beitrag zur urkundlichen Ge-
schichte des sächsischen Prinzeiiraulies und seiner Wirkungen.
I. Teil, nie vermeintliche Abstammung der Saalfeld - Sanger-
häusischen und anderer Triller von dem Retter des Prinzen
Albrecht. Meiningen, Keyssuer. 1884. XVL 111 SS. 8».
Lindau, M. B. Geschichte der Königl. Haupt- und Residenzstadt
Dresden von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. 2. verb.
270 Literatur.
Aufl. Mit molneren colorirten AbbikUuigen, zahlreiclien Illustra-
tionen in Lichtdruck, Karten und Plänen. Lief. 1 — 4. Dresden,
K. V. Grumbküw. 1884. S. 1—208. 8«.
Ijvhe, J. und Lohe, J£. Geschichte der Kirchen und Schulen des
lierzogthnnis Sachsen-Altciihnrg auf Grund der Kirchen -Galerie
bearbeitet. 1. Lief. Altenbnrg, Bonde. 1884. «4 SS. 8».
Mnchatschek, Ed. Geschichte der Bischüle des Hochstiftes Meissen
in chronologischer Reihenfolge. Zugleich ein Beitrag zur Kultur-
]feschichte der Mark Meissen und des Herzog- und Kurfursten-
thums Sachsen. Nacii dem „Codex diploniaticus Saxoniae regiue",
anderen glaubwürdigen Quellen und bewährten Geschichtswerken.
Dresden, C. C. Meinhold u. Söhne. 1884. 4 Bll. 846 SS. 8».
V. Mansherg. Staats- und Heerwesen der Republik Polen zur Zeit
der Konigswahl Augusts II. Kurfürsten von Sachsen 1697: Wissen-
schaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1884 No. 49, öO S. 290—292,
293 — 297.
(I\4zholdt, J.) Aus dem Korrespondenzkreise von Theologen mit
dem König Johann von Sachsen (Fortsetzung und Schluss);
Neuer Anzeiger für Bibliographie 1884. Heft 4—6 S. 133— l.^g,
169—171, 189—194.
Richter, Bernh. Über Konrektor Moritz Döring, den Dicliter des
Bergmannsgrusses. Ein Beitrag zur sächs. Dichter- und Ge-
lehrtengeschichte. Freiberg, Graz & Gerlacii (Komm.). 1884.
52 SS. 4«.
Böäselmülhr, A. W. Gottfried Arnold als Kirchen -Historiker,
Mystiker und geistlicher Liederdichter. (Programm der K. Real-
schule L 0. zu Annaberg). Annaberg. 1884. 34 SS. 4».
Bothe, L. Historische Nachrichten von der Stadt Zeitz. 2. Heft.
Zeitz (Langenberg). l884. 133 SS. 8».
Schlomku, Ernst. Kurfürst Moritz und Heinrich H. von Frankreich
von 1550 bis 1552. Halle, Niemeyer. 1884. 46 SS. 8».
Schneider, Ulrich. Aus dem Vogtland. Eine alte Stadtrechnung
[von Scliöneck]: Wissenschaftl. Beilage der Leijiziger Zeitung
1884 No. 40 S. 236—238.
üchnorr von Carolsfeld, Franz. Katalog der Handschriften der
Königl. ööentlichen Bibliotliek zu Dresden. Im Auftrage der
Generaldirtiktion der Königl. Sammlungen für Kunst und Wissen-
schaft bearbeitet. Zweiter Baiul (enthaltend die Abteilungen J— M).
Leipzig. Teubner. 1883. VIII. 588 SS. 8».
üchottin, lieinJt. Die Slaveu in Thüringen (Progr. des Gymnas. zu
Bautzen. j Bautzen 1884. 28 SS. 4».
Sckwcrtfeger , 0. König Johann von Sachsen als Vorkämpfer für
Wahrheit und Recht. Reden und Sprüche aus 20 Jahren Seines
parlamentarischen Wirkens. Sachlich geordnet und erläutert,
auch mit Verzeichniss der Prinzlichen Referate und Separatvota,
sowie einem Anhange „Zeitgenössischer Urtheile- vers. u. heraus-
gegeben. Dresden, Warnatz u. Lehmann. 1884. XV. 224 SS. 8».
Sichert, Jos. Über den Streifzug Tliielmann's im Feldzuge 1813.
Nach Acten des k. k. Kriegs- Archivs: Mitteilungen des k. k.
Kriegsarchivs. Jahrg. 1883. S. 180— 205.
Steche., R. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der K. Staats-
regierung herausgegeben vom K. Sächsischen Altertliumsverein.
Drittes Heft: Amtshauptmannschaft Freiberg. Dresden, C. C.
Meinhüld u. Sohne. 1884. 129 SS 8».
Literatur. 271
V. Süssmilch, M. Wanderungen im Erzgebirge: Wisseuschaftl. Bei-
luge der Leipz. Zeitung ISS-i. N0/16— 18 S. 89—92, 97 — 100,
101—106. No. GO— 64 S. 355—358, 361—367, 373—380.
Theile. Der Brunnen der Burg Stolpen: Über Berg und Thal YII
(1884) No. 6 S. 23-5-240.
ThürJieim, Graf A. Eine Denkschrift des österreichischen Ge-
schäftsträgers am chursächsischen Hofe zu Dresden Freiherrn
Franz Leopold von Metzburg au Kaiser Josef II. : Mittheilungen
des Instituts für Österreich. Geschichtsforschung Bd. V (1884)
Heft 3 S. 410—4.38.
Weissenhorn, J. G. Herrn. Acten der Erfurter Universität. (A. u.
d. T. : Geschichtsijuellen der Provinz Sachsen und angrenzender
Gebiete. Herausgegeben von der historischen Kommission der
Provinz Sachsen. Bd. VIII). II. Theil. Mit vier in Farbendruck
wiedergegebenen Bildern und Wappentafeln. Halle, Hendel. 1884.
XX, 560 SS. 4».
Wenck, K. Zur Entstehungsgeschichte der Reinhardsbrunner His-
torien u. der Erfurter Peterschronik: Wattenbichs Neues Archiv
d. Gesellsch. f. ältere deutsche Geschichtsk. Bd. X (1884) S. 95—1.38.
Wendt, Geo. Die Germanisierung der Länder östlich der Elbe.
Teil I. 780 — 1137. (Beilage zum Programm der Kgl. Ritter-
Akademie zu Liegnitz.) Liegnitz. 1884. 91 SS. 8".
Wildeuhahn, J. Vortrag über Christian Felix Weisse aus Anna-
berg. Annaberg, Graser. 1884. 39 SS. 8».
Wülcker, lernst. Luthers Stellung zur kursächsischen Kanzleisprache:
Germania. Neue Reihe. XVI. (XXVHI.) Jahrg (1883) S. 191—214.
— Reichstag und Reichsregiment zu Anfang der Reformationszeit:
Preussische Jahrbücher Bd. LIII (1884) Heft 4 S. 335—360.
W [ustmann] , G. Das Freischiessen zu Leipzig im Juli 1559.
Nach einem gleichzeitigen amtlichen Bericht zum erstenmale
herausgegeben. Leipzig, E. A. Seemann. 1884. VI. 63 iSS. 8".
Altes und Neues aus dem kirchliciien Leben der Parochien Altmitt-
weida, Crossen, Erlau, Frankenau, Mittweida, Ottendorf, Ringe-
thal, Rossau, Seifersbacli, Tanneberg. Den Gemeinden darge-
boten von ihren Geistlichen. Frankenberg 1883. 32 SS. 8".
Die landeskundliche Litteratur für Nordthüriiigen, den Harz und
den provinzialsächsischen wie anhaltisciien Tiieil an der nord-
deutschen Tiefebene. Herausgegeben vom Verein für Erdkunde
zu Halle. Halle, Tausch u. Grosse. 1884. 174 SS. 8».
Die Feier des 175. Jahrestages vom Eintritt des Sächsischen 4. In-
fanterie-Regiments No. 103 in Sächsische Dienste: Allgemeine
Militär-Ztg. 1884. No. 54 S. 425—427.
Die 150jährige Jubiläumsfeier des Königl. Sachs. 1- Husaren-Regi-
ments No. 18. AUgem. Militär -Ztff. ]b84 No. 31 S. 241—244
(vergl. No. 38 S. 297—299).
Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Erziehungsanstalt
Schnepfenthal 1884. Leipzig; (Brockhaus). 1884. VIII. 255 SS. fol.
Geschichte von Cabarz und Tabarz mit dem Iiiselsberg. 2. Auti.
Friedrichroda 1883. 80 SS. 12».
Nachrichten über Penig. Zur Erinnerung an die vor fünfzig Jahren
erfolgte Einführung der allgem. Städteordnuug in Penig. Penig
1883. 68 SS. 8».
Zum 50jährigen Dienstjubiläum des Generals der Kavallerie von
Fabrice. Militär-Wochenblatt 1884 No. 55 Sp. 10D9— 1104.
272 Literatur.
Mittheüunqcn , Neue , aus dem Gebiete historisch - antiquarischer
Forschungen. Im Nann^n des mit der k. Universität Halle-
Wittenberg verbundenen Tluiringiscli - Sächsischen Vereins für
Erforschung des vaterländischen Alterthums und Erhaltung
seiner Denkmale. Herausgegeben von dem Sekretär desselben
J. 0. Opel. Bd. XVI. Halle 188.3. S».
Inhalt: Nande, Die Fälschung der ältesten Reinhardsbrunner
Urkunden. Burkluirdt, Regesten zur Geschichte der Stadt Weimar.
Küstermann, Altgeographische und topographische Streifzüge
durch das Horhstift Merseburg. Mitzschke, Erdmann Xeunieister
und sein Bibraischer Brunnengast. Hirt, Zur Geschichte der
K. privilegierten Zeitungen in Halle. Grössler, Wo sassen die
Weriner iler lex Tluiringorum und die ihnen benachbarten
Ileruler? ü. Küstermann, Urkundliche Nachrichten über Merse-
burger Kapellen und Kirchen. Rothc, Die theatralischen Auf-
führungen der Stiftsscbüler zu Zeitz im 10., 17. u. 18. Jahrb.
Mittheilungen des Vereins für Auhaltische Geschichte und Alter-
tJiumskunde. Band III. Heft 9. Dessau, 1884. 8".
Inhalt: Becker, Geschichte des Dorfes Wilsleben (Schluss).
lireymann, Mittheihingen über die Klosterkirche in Ilecklingen.
Hosäus, Kürst Johann Georg II. von Anhalt-Dessau vor Wien.
Gröpler, Verzeichnis derjenigen Bücher, welche aus der Gern-
roder Stiftsbibliothek in die frühere Bernburger Landesbiblinthek
und aus letzterer in die gegenwärtige Anhaltische Behörden-
bibliothek zu Dessau übergegangen sind. K. Schulze, Schrift-
stücke aus dem Archive der Stadt Gernrode. Hosäns, Poetische
Findlinge, v. Röder, Einiges über die Harzgeroder Schützengilde.
Dasselbe Bd. IV. Heft 1. Dessau 1884. 8«.
Inhalt: Stier, Regesten aus Lutluus Briefen, Anhalt u. dessen
Fürsten betr. Krause, Diederich von dem Werder. Hosäus,
Aus den Briefen Friedrich Johann Kochlitz' an Friedricii Schneider.
Mittheilungen des Vereins für Geschichts- und AUertJiumsknnde zu
Kahla und lioda. Zweiten Bandes 4. Heft. Kahia i-81. 8".
Inhalt : Dr. Lobe, Die adeliche Familie der Puster. Lobe,
Sup., Die Grafen von Ürlamünde. Lommer, Das Wappen der
Grafen von ürlamünde und ihrer Städte ürlamünde, V^'eimar
und Magdala. Dietrich, Zur Geschichte des Pietismus in unse-
rem Herzogthunie. Dr. Lobe, Beitrag zur Gesidiicbte des Wein-
baues in unserm Westkreise vor der Mitte des H>. Jabrlmnderts.
Lobe, Sup., Die Gottesackerkirclie in Kahla. Kleine Mittheilungen.
Mittlieilnngen vt'Vi Freihcrqer AltertJimnsverein. Herausgegeben
von Heinrich Gerlach. Heft 2(). IS^H. Mit Bildern aus Frei-
bergs Vergangenheit. Freiberg i. S. 1884. 8".
Inhalt: Bartsch, Die säihsischen Klcideronlnungen unter Be-
zugnahme auf Freibcrger Verhältnisse. Hingst, Ein Freiberger
Steuerregister aus dem J;ihre l.'>16 (^ScliUiss). Heydenreicli, Das
Freiberger Urkundenbucb. Knauth , Die Sage von Tristan und
Isolde und ilire p;ietische Behandlung, insbesondere durch
Heinrich von Freiberg. Gerlacli, Bilder aus Freibergs Ver-
gangenheit (No. 2 und 3. Beschert Glück Fundgrube und das
Halsbrückner Amalgamierwcrk 18.30).
VIII.
Magdeburgs Belagerung
durch Moritz von Sachsen 1550—1551,
Von
S. Issleib.
(Scbluss.)
Kurfürst Moritz nahm infolge des glücklichen Ver-
dener Feldzuges eine vortheilhafte , ja bedeutende Stel-
lung ein. Seine diplomatische Gewandtheit und seine
kriegerische Entschlossenheit hatten ihm in Monatsfrist
das politische und militärische Übergewicht in Nord-
deutschland verschafft; sein Ansehen hatte an Stärke und
seine Lage an Sicherheit gewonnen. Die angestrengten
Bundesunternehmungen waren gelähmt, die Kraft der
geheimen Praktiken gebrochen, und die Hoffnung der
Magdeburger auf Entsatz lag darnieder. Mit verstärkten
Truppen umlagerte der Kurfürst in der Würde eines
Reichsfeldherrn Magdeburg, des Reiches Schwert als
schneidige Waffe gegen jedermann mit festem Griffe in
der Hand haltend. Gemindert war für ihn die drückende
Fülle unbequemer Schwierigkeiten, hoffnungsvoller und
entschiedener konnte er seinem Ziele zusteuern.
Unmittelbar nach der Rückkehr in das Feldlager
vor Magdeburg verwies der Kurfürst die entnommenen
sieben Fähnlein niederländischer Knechte mit den 350
Reitern wieder in die Neustadt. Die drei Fähnlein ober-
ländischer Knechte, welche während des Verdener Zuges
in der Neustadt gelegen hatten, zogen mit den sieben
Neues Archiv f. S. G. u. A. V. i. 18
274 S. Issleih:
Fähnlein neugcworbener Knechte und mit 300 Reitern in
das freie Fehl, um unweit Grossottersleben zwischen den
beiden schon bekannten Blockhäusern ein Lager auf-
zuschlafjen.
^laodeburo; sollte nunmelir auf ernste Weise be-
drängt zu erfolgreicher Verhaudhuig gezwungen werden.
Aber vor der Hand hinderte eine dreiwöchentliche grim-
mige Kälte am Baue neuer Blockhäuser und Schanzen^),
und Mitte Februar richtete ein mächtiges Hochwasser
mit Treibeis grossen Schaden im Lager an. Erst Anfang
März konnten die Arbeiten wieder beginnen. Dann wurde
eine grosse Schanze mit Blockhaus beim Rottersdorfer
Teiche nach Lemsdorf zu angelegt und eine zweite bei
den Steinkuhlen (oder Steingruben) in der Nähe von
Schrotdorf in Angriff genommen. Der früher begonnene
Laufo-raben mit hohem Schutzwalle von der Buckauer
Schanze nach der Neustadt "wurde fortgesetzt und der
Plan gefasst, die Elbe ober- und unterhalb der Stadt ab-
zusperren.
Ob die Ausführung aller Entwürfe aber nöthig sei,
und ob der Kurfürst die Leitung der Belagerung bis zur
Einnahme der Stadt behalten werde, hing von den Ver-
handlungen mit Älagdeburg und von den Vereinbarungen
mit den „Bundesfürsten" ab. Fassen wir beide Punkte
näher ins Auge!
Die Anstrengungen, welche Moritz vor dem Verdener
Zuge machte, um sich Markgrafen Hans und seinem An-
hange zu nähern, hat man für „Spiegelfechterei" gehalten;
aber sie waren es nicht. Auch nach der Zertrennung
des Gardliaufens blieb der Kurfürst entschlossen, sich
vom Kaiser loszusagen und mit jenen zu verständigen.
Freilicli war Moritz wie kein anderer bedacht, den Über-
gang aus dem einen in das andere Lager mit grösster
Vorsicht zu vollziehen. Zunächst kam es ihm darauf an,
über seine Person und über die Bclagerungstruppen zur
rechten Zeit frei verfügen zu können.
') Anfang Februar war die alte Elbe so hart zugefroren, dass
die P'.isdecke die schwersten Lastwagen trug. Diesen Umstand be-
nutzten die Städter, um die Belagenmgsmannschaft auf dem rechten
Elhufcr im JJlockhause und im Dorfe Krakau unaufhörlich zu be-
lästigen. Zu ihrem Schutze musste Moritz ein Fähnlein aus
AVittenberg und eins aus Leipzig heranziehen und später, als sich
die Verstärkung unzureicliend erwies, noch zwei Fähnlein vom
linken Flbufer an die gefährdete Stelle senden.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 275
Das kaiserliche Schreiben vom 27. Dezember 1550^)
hatte ihm das Amt eines Reichsfeldherrn für die ganze
Dauer der Belagerung übertragen; allein der Kurfürst
wollte sich seiner Pläne wegen auf unbestimmte Zeit
nicht mehr binden. Von Neustadt an der Leine aus er-
klärte er (am 14. Januar 1551), die Würde eines Reichs-
feldherrn „über die allbereit drei verlaufenen Monate nur
noch drei Alonate übernehmen zu wollen", so lange habe
ihm das Kriegs volk geschworen und so lange habe er für
seine Person Zahlung zugesagt. Beachten wir weiter! In
dieser Zeit sollte auch zur Verhütung umständlicher Schwie-
rigkeiten nichts am Dienstverhältnisse der Knechte und
Reiter geändert und kein neuer Eid auf Kaiser und
Reich geleistet werden^). Ihm verpflichtet sollte die
Mannschaft für Kaiser und Reich kämj)fen, und von ihm
sollte sie aus Reichsmitteln Zahlung erhalten. In drei
Monaten also wollte der Kurfürst frei sein von kaiser-
lichen Verpflichtungen; in dieser Zeit hoffte er zur Einig-
ung mit den verbtlndeten Fürsten und zur Erledigung
der magdeburgischen Angelegenheit gelangen zu können.
Hinsichtlich Magdeburgs hatten sich schon vor Ver-
den brauchbare Fäden in die Hand des Kurfürsten ge-
legt. Ein gemeinsames Gesuch der drei Städte Hamburg,
Lübeck und Lüneburg, in welchem sie um gütliche Ver-
handlung warben, war am 26. Dezember 1550 einge-
laufen*). Durch die genannten Städte ersucht, hatten
sich auch die Herzöge Heinrich und Johann Albrecht
von Mecklenburg und Markgraf Hans von Brandenburg
zu Magdeburgs Gunsten an Moritz gewendet*). Damals
lud der Kurfürst die Vertreter der drei Städte in das
^) Loc. 10189, Summarischer Auszug etc., Bl. 140. Vergl. in
dieser Zeitschrift V, 218.
*) Der Kaiser wünschte Vereidigung des Kriegsvolkes auf Kaiser
und Reich. S. Brief Loc. 10 189. Bl. 140.
*) Loc. 9151, III, Bl. 1 flg. Das Gesuch, datiert vom LS. De-
zember, an Moritz und den Kurfürsten Joachim von Brandenburg ge-
richtet, war von Lüneburg aus über Magdeburg- Neustadt befördert
worden.
*) Der Brief der Herzöge von Mecklenburg, datiert Güstrow am
heiligen Christtage 1550, erreichte den Kurfürsten am 8. Januar
1551. Der Brief des Markgrafen liegt nicht vor, aber aus dem
Schreiben Lippolds von Klitzing (Loc. 9151, III, Bl. m, datiert Gross-
salza am 7. Januar 1551) geht hervor, dass auch er mit Wissen
Magdeburgs gütliche Verhandlung vorgeschlagen hat. Am 16. Januar
bat Hannover für Magdeburg (Bl. 59). Vergl. Druffel I, No. 560.
18*
276 S. Issleib:
Feldlager vor Verden ein. Er wollte mit ihnen ver-
handeln, „doch so, dass kaiserlicher Majestät und den
Reichsständen nicht vorgegriftcn werde". Darauf baten
die Abgeordneten der Städte um eine Malstatt in der
Nähe INIagdeburos, auf der auch der Kurfürst von Branden-
burg erscheinen könne, und Kurfürst Moritz war bereit,
sich mit Joachim ins Einvernehmen zu setzen.
Nach seiner Rückkehr in das Lager vor Magdeburg
berief er dann mit dem Kurfürsten von Brandenburg im
Interesse Magdeburgs die hundclsbereiten Fürsten und
Städte zu einer Tagsatzung zusammen. Kaum jedoch war
dies geschehen, so erschien „ein Buch", höchst anzüglich
gegen den Kurfürsten von Sachsen*^). Der gehässige In-
iuiit der unzeitigen Flugschrift erregte den Zorn des schwer
beleidigten Fürsten; auch Joachim von Brandenburg
tadelte das „Machwerk" bitter und scharf, Markgraf Hans
rühmte es nicht, und „alle verständigen Leute meinten,
dass der heilige Geist der Dichter des Buciies nicht ge-
wesen sei". Um nun auf Magdeburg einen strafenden
Druck auszuüben, Hessen die Kurfürsten die anberaumte
Zusammenkunft wieder abschreiben. Die Annäherungs-
versuche zwischen den Fürsten Avurden jedoch nicht auf-
gegeben; trotz der herrschenden Verstimmung behielt
man „die höheren und nöthigeren Sachen im Auge''.
Rühmliche Tiiätii^keit entfaltete damals Hans von
't~i
Heideck und der kurbrandenburiiische Vertraute Adam
ö'
Trott'), um eine persönliche Begegnung des Kurfürsten
Moritz und des Markgrafen Hans zu W(;ge zu bringen.
Seitdem der Kaiser durch Nikolaus von Könneritz (an-
fangs Januar)^) den Markgrafen von „geheimen, auf-
*) Das „Buch'' hat sich bis jetzt in Dresden nicht finden lassen.
Aus dem Schreiben Sclnvendi's an Moritz vom 5. März 1551 (Loc. i»151,
III, Bl. IBfi) ist aber zu ersehen, (biss Moritz seines kurfürstlichen
Titels für unwürdig erachtet und beschuldigt wurde, er habe seinen
Vetter und Vater, den lobliclien und treuen Kurtursten, wider alle
menschlichen und natürlichen Rechte von Land und Leuten ver-
trieben. Der „Dichter des Schandbuches" unterstand sich, die kur-
fürstlichen Unterthanen zu verlietzen und zum Ungehorsam aufzu-
fordern. Er schalt die Wittenberger Theologen und nannte sie
,Morizianer", welche einer neuen Ketzerei anhängig, ihr Amt un-
recht gebrauchten und ihrem Herrn die "Wahrheit nicht sagen
dürften; ihrer keiner habe den Kurfürsten zur Rede gesetzt, dass er
seinem Vetter und Bruder Land und Leute wider Gott und Recht
vorhalte etc.
') Loc. 9151, lir, Bl. 124; Joh. Voigt, Fürstenbund 107.
») Druffel I, No. 5(50, 563, 5r,7.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 277
rülirerischcn und lanclfriedbrüchigen Praktiken" unter
Androhung- „schwerer Ungnade" abgemahnt und „Ge-
horsam wie in weltlichen so auch in geistlichen Dingen"
gefordert hatte, seitdem bekämpfte er sein Misstrauen
gegen IMoritz und war endlich gewillt, sich ihm auf
Grund der vielfachen Erbietungen und Betheuerungen zu
nähern.
Sicher geleitet erschien Marko-raf Hans am 20. Fe-
bruar 1551 in Dresden*). Hauptzweck der Zusammen-
kunft war die Bundessache; die magdeburgische Ange-
legenheit bildete nur das äussere Gewand, welches die
bedeutungsvollen geheimen Verhandlungen der Öffentlich-
keit verhüllte. Unter vier Augen im Gemache allein er-
öffneten sich beide Fürsten einander überaus vorsichtig und
zögernd. Nach längerem Zwiegespräche aber handels-
einig, verständigten sie sich über Vertheidigung der
Religion und der Freiheiten des Reiches, über Befreiung
der gefangenen Fürsten und Beilegung des magdeburgi-
schen Krieges. Gegenseitige Verpflichtungsurkunden wur-
den ausgestellt'"). Kurfürst Moritz versprach in der
seinigen (am 20. Februar), dem augsburgischen Bekennt-
nisse treu bleiben, gegen das tridentiner Konzil mit andern
Fürsten und Ständen protestieren, zur Erhaltung der
wahren Religion augsburgischer Konfession und zum
Schutze der deutschen Freiheit in ein Defensivbündnis
sich einlassen und durch Eid, Brief und Siegel verpflichten
zu wollen. Er war entschlossen, den kaiserlichen
Dienst zu verlassen und sich nach Verlauf der drei
noch bindenden Dienstmonate (welche in sechs Wochen
endeten) weder dem Kaiser, noch dem römischen Könige
weiter zu verpflichten, vorausgesetzt, dass die jungen
Herren von Weimar sich mit ihm und anderen Poten-
taten, Fürsten und Ständen zu Gunsten ihres Vaters ein-
lassen und ihre Irrungen zu gebührlichem Austrage
stellen würden ^^). Magdeburg sollte, sofern es die früher
*) Log. 7281, Französische Verbundnisse, Bl. 40; Job. Voigt,
Fürstenbund 110; v. Langenn I, 467; Ranke V, 150. Die Unter-
redung der Fürsten ist auf den 20., nicht auf den 27. Februar zu
setzen, wozu v. Langenn IT, 323 verleiten könnte. Vergl. Joh.
Voigt, Anmerkung 194
'") Loa. 7277. Marggrafien Johannsen hendel mit Churfürst
Moritzen a. 1548—53, Bl. 3, 5, abgedruckt bei Druffel I, No. 586/87.
") Woldemar Wenck, Kurfürst Moritz und die Ernestiner
in den Jahren 1551 und 1552, in den Forschungen zur dentschen
Geschichte XIl, 3 (1872).
278 S. Issleib:
gestellte kaiserliche Kapitulation oder einen vom Mark-
grafen vorgt'sclila^enen Vertrag anneinnen, aber den
Kaiser damit nicht mehr zufrieden stellen würde, nicht
verlassen und bei der wahren Religion geschützt werden.
Eine ähnliche Obligation stellte tags darauf Markgraf
Hans aus. Vor allen» übernahm er, die Ernestiner und
Albertiner auszusöhnen und die Herzöge von Weimar
für das Bündnis zu gewinnen, mit den Herzögen von
Mecklenburg, Preussen, Pommern und anderen Fürsten
zu verhandeln und nach eingeholter Zustimmung in ihrem
Namen mit Moritz abzuschliessen. Hans von Hei deck
sollte bei diesen Verhandlungen als Unterhändler ge-
braucht'■') und Frankreichs Beistand erworben werden.
Am 21. Februar schritten auch die Rdthe beider
Fürsten zur Vereinbarung der Vertragsartikel, welche
INIarkgraf Hans den Magdeburgern zur Annahme vor-
schlagen sollte^ ^). Die Räthe des Markgrafen legten zwei
Entwürfe vor: die kaiserliche Kapitulation in milderer
Form und eine Wiederholung der am 28. Oktober 1550
im Feldlager vor Magdeburg ausgearbeiteten Vorschläge^ ^),
nur insofern abgeändert, als die stiftischen und städtischen
Schäden gegeneinander aufgehoben, das Kriegs volk
so schnell als möglich beurlaubt und keine Besatzung
in die Stadt gelegt werden sollte. Die sächsischen Räthe
verlangten ganz besonders, es sollten die Magdeburger
das hohe Misstrauen aufgeben, die Veröffentlichung und
Verbreitung von Schmähbüchern, Liedern und Gemälden
verbieten und hinsiclitlich der Religion sich wie die
anderen Stände der augsburgischen Konfession verhalten.
An Ergebung in kaiserliche Gnade und Ungnade fest-
haltend, em])fahlen sie die Einreichung eines Gesuches an
die Reichsstände um Fürbitte beim Kaiser. Magdeburg
'^) Um jene Zeit verwendete sich Moritz für Heideck, um ihn
ans der Acht zu befreien. Der Kaiser verlangte Fussfall und Ab-
bitte. — Am kaiserlichen Hofe besorgte man, lleideck worde im
heimlichen Einverständnisse mit den Feinden die „Gelegenheit des
Kurfiirsten nur auslernen". Loc. 10189, Summarisclier Auszug etc.
Bl. 250, 261 und Verzeiciuiis, was von SchriÖten auf dem Reichstage
zu Augsburg a. 1.Ö50/51 gelesen wortlen, Bl. .3(>; Druffel I, No. 6()8.
'*) Loc. 9153, Magdeburgische Ilanndlung wegen der Stadt
aussunnung vnd ergebung 1551, Bl. 3. Von kurfürstlicher Seite
nahmen an den Beratluingen theil: Älordeisen, Fachs und P'.rnst
von Miltitz, von markgrätlicher Seite: Ileinricli von Pack (Bock?),
Dr. Franz Naumann und der Kanzler Dr. Adrian.
") Voriges lieft dieser Zeitschrift p. 200.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 279
sollte ferner nicht nur dem Kaiser sondern auch dem
Kurfürsten von Sachsen als Schutzherrn der Stifter und
der Stadt jederzeit offen stehen. Bis zur Bestätigung des
neuen Erzbischofs ihm (Moritz) und dem Kurfürsten von
Brandenburg anvertraut, sollte sie später den recht-
mässigen Erzbischof als Herrn und den Kurfürsten Moritz
als Schutzfürsten anerkennen. Erst nach Beendigung des
Handels sollte die Entlassung des Kriegsvolkes stattfinden.
Umständlich verglichen die Räthe ihre beiderseitigen
Vorschläge, und mehrfach wurden die meisten Artikel in
veränderte Eorm und Fassung gebracht, ohne dass man
den schliesslichen Vereinbarungen bindende Kraft gab.
Auf einer Zusammenkunft in Zerbst (6. März) erst sollte
die Magdeburgische Sache mit Vorwissen der Stiftsstände
und in Gegenwart der Kurfürsten von Sachsen und
Brandenburg und des Markgrafen Hans endgiltig abge-
handelt werden.
Nach diesen Abmachungen verliess Markgraf Hans
Dresden (22. Februar)^*) und theilte den Magdeburgern
mit, dass er ihretwegen in Unterhandlung stehe. Die
Stadt übertrug ihm die Rolle des Vermittlers und über-
sandte auf seinen Wunsch sicheres Geleite ^'^). Am 4. März
wurde der Markgraf in Magdeburg erwartet; aber der
angekündigte Besuch unterblieb^').
In Zerbst^*) wurde zunächst vereinbart, „der Mark-
graf solle bei den Magdeburgern ansuchen, wie weit sie
'S) Loc. 9151, III, Bl. 122. Am 23. Februar, Montags nach
Reminiscere, bat Markgraf Hans (bewogen durch die Geldnoth seines
Bruders Joachim) den Kurfürsten Moritz, Verabredetermassen fort-
zufahren und wegen Vorstreckung der 100000 ü. den Handel nicht
zu unterdrücken.
'«) J oh. Voifrt, Fürstenbund 186, Anm. 198. Unrichtig ist S.113,
dass der Markgraf bald in Wittenberg, bald in Dessau etc. verweilte.
") Pomarius 299—302.
") Loc. 915.3, Magdeb. Handlung etc. 1551, Bl. 3 flg. Kurfürst
Joachim schickte Eustachius von Schlieben und Dr. Strassen, er
selbst wollte in wenigen Tagen nachkommen. — Am 5. März erfuhr
Schwendi von der anberaumten Zerbster Tagsatzung. Verwundert
darüber machte er dem Kurfürsten Moritz Vorwürfe, dass weder der
Kaiser noch er davon benachrichtigt sei, und wollte „zu diesen
Sachen nicht blind sein". Er warnte vor Magdeburg und ihrem
Anhange; denn sie würden sich heute oder morgen unterstehen,
den alten Kurfürsten oder seinen Sohn wieder einzusetzen, Moritz
zu bekriegen und zu verjagen etc. Am 6. März schrieb er: es ge-
höre sich wahrlich, dass Kaiser und Reich von der gütlichen Ver-
handlung in Kenntnis gesetzt würden. Der Kaiser habe zu bewil-
ligen und abzuschlagen; der Herr komme vor dem Knecht etc. Im
280 S. Issleib:
sich auf die kaiserliche Kapituhition einlassen wollten".
Als derselbe aber auch ganz bestimmte und bindende
Erklärungen über die von ihm (in Dresden) vorge-
schlagenen Artikel verlangte, weigerten sich die Vertreter
des Domkapitels, auf eigne Verantwortung hin die mark-
gräflichen Artikel anzunehmen. In Folge dessen bean-
tragte der ]\Iarkoraf eine Aveitere Zusaumicnkunft in Kalbe,
wo die beiden Kurfürsten und die Verordneten des Dom-
kapitels berathen und beschliessen sollten. Für den Fall
dort keine Einigung erzielt werde, sollte ein übergebener
Brief und das städtische Geleit nach Magdeburg gesendet
werden.
Auch in Kalbe wurde (am 17. März)^") erfolglos
verhandelt, da die Vertreter des Domkapitels durchweg
an der kaiserlichen Kapitulation festhielten und, beeinflusst
durch Schwendi , ohne Wissen des Kaisers nichts be-
schliessen wollten. Verabredetermassen wurde nun dem
Markgrafen Bericht erstattet und sein in Zerbst über-
gebener Brief nebst Geleit nach ]\Iagdeburg geschickt''").
Höchst unzufrieden war Markgraf Hans; die nutzlose
Verhandlung gab ihm allerlei zu denken. „Es ist be-
dacht worden", schrieb er an Moritz '•^^), „dass die Dinge
mit Vorwissen des Kaisers abgehandelt werden sollten
und nuissten; doch wäre es richtiger und besser gewesen,
die Sache zuvor mit den Magdeburgern abzuhandeln und
sich ihres endlichen Willens zu erkundigen, als anfangs
beim Kaiser Erklärung zu fordern; denn es sei nicht zu
denken, dass der Kaiser sein Gemüth eher erklären werde,
er wisse denn zuvor, was die Magdeburger thun wollten.
Er (Hans) verstehe es aber dahin gerichtet, dass man ihn
mit solcher Handlung höflich ins Winterfeld weisen möchte.
Hinblick auf die vielen Werbungen des Markgrafen Hans und
anderer um Knechte und Reiter und auf die Hilfegesuche derselben
bei fremden Potentaten meinte er, die ganze Handlung sei nur
Scheinliandhuig ; man gebe Frieden vor und suche Ivrieg. Er bat
den Kurfürsten, der Belagerung ernstlich nachzusetzen. (Loc. 9151,
in, 131. LSfi).
'») Loc. 9153, Magdeburgische Handlung etc. Bl. 3 flg.
*") Kurfürst Joachim und die Vertreter des Kapitels baten den
Kaiser, dem Ivmfürsten Moritz das ausgelegte Geld zu erstatten, den
Sold rechtzeitig zu schicken und die Reichsstände in Nürnberg zur
Continuierunu des Exekutionskrieges zu vermögen.
^') Loc. 7277, Marggraffen Johannsen Handel etc. Bl. 7, Brief
datiert Kressen am 27. März l').il.Charficitag (eigenhändig). Druffel I,
No. 609, Job. Voigt, Fürsteubuud 117.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 281
Noch mehr wundere er sich darüber, dass man die Sache
auf Bewilligung der PfafFen schiebe; denn obschon nach
seiner Meinung beim Kaiser die verabredeten Artikel zu
erhalten, so Aväre nicht zu erwarten, dass die BaalspfafFen
sie gern bewilligen würden" ^^). — In demselben Briefe
zeigte Hans an, dass die jimgen Landgrafen von Hessen
Theilnahme am Bunde zugesagt hätten und dass die
Ernestiner bereit seien „auf gebührliche Ausgleicliung
ihrer Verhältnisse mit Moritz einzugehen und zur Befrei-
ung ihres Vaters dem Bündnisse beizutreten". Damit
sah er die hauptsächlichste Bedingung ihrer Dresdener
Abmachungen erfüllt und forderte nun von Moritz „als
Christ und Bekenner seines Wortes, der seinem Taufbimde
treu bleiben w^olle, auf Mittel und Wege zu denken, wie
er von den bisherigen Händeln abkomme und sich über
die jetzt ablaufenden drei Monate mit dem Kaiser auf
nichts weiter einlasse". Der Markgraf war der Ansicht:
„die rechte Probe treuer Bundesgesinnung werde der
Kurfürst erst dann bestehen, wenn er sich zu Ostern
kaiserlichem Dienste entziehe".
Diese Probe hat Moritz nicht bestanden, aber er
meinte es ehrlicher mit der Bundessache, als der miss-
trauische Markgraf glaubte. Denn kaum hatte dieser am
22. Februar Dresden verlassen, so schrieb der Kurfürst
— schon mehrfach war es geschehen — an Carlowitz in
Augsburg^*), dass er nicht gesonnen sei, länger als sechs
Monate — also bis zum 2. April — in kaiserlichen Diensten
zu bleiben. Ohne eine Andeutung von irgend welchen
Verpflichtungen fallen zu lassen, klagte er wie bisher so
oft über lässige Bezahlung^^), über die Säumigkeit be-
'*) Der Brief fährt fort: „aus Ursachen, dass sie Kinder ihres
Vaters des Teufels seien, der ein Lügner und Mörder, ein Geist
des Unfriedens und Wüthens vom Anfange an gewesen sei und der
Lust habe, in der Christen Blut zu baden. Ungern möchten solche
geistliche Väter sehen , dass Bekenner der wahren christlichen
Religion und der augsburgischen Konfession in guter Ruhe und
Frieden bleiben, viel lieber wollten sie sehen, dass wir alle auf dem
Kopf stünden und sie in unserem und der Christen Blut bis in die
Ohren wie in einem lustigen Wildbade baden möchten".
") Loc. 9151, III, Bl. 72 flg. Vergl. Brief vom 14. Jan. Bl. 8, (21).
=") Loc. 9151, III, Bl. 36 flg. Erst am 21. Januar 1551 hatte
der kaiserl. Pfennigmeister von Haller die vom Reichstage be-
willigten 100,000 fl. Kriegskosten nach Leipzig gebracht; von den
bewilligten Monatsgeldern (ä 60,000 ä.) war Ende Februar noch
kein Pfennig bezahlt (Bl. 136). Haller hatte strengsten Befehl, das
Geld nur dem Kurfürsten (oder dessen Befehlshabern) und dem Dom-
282 S. Issleib:
trefFs seiner „Bestallung"**), über die noch nicht erfolgte
„Versicherung-*'*) seiner ausgelegten und vorgestreckten
Gelder" etc. Als vornehmste Ursache, sich kaiserlichem
Dienste entschlagen zu müssen, gab er die landgräfliche
Sache; an; denn sollte er gemäss seiner eingegangenen
Verpflichtung mit dem Kurfürsten von Brandenburg ein-
gefordert werden, so könne er nicht an beiden Orten, vor
Magdeburg und in Kassel, sein*').
Carlowitz, über den beharrlichen Entschluss des Kur-
fürsten verAvundert, verniuthete eine ablenkende Wendung
der Dinge und bemühte sich, rathend zu warnen. Seiner
kapitel zu verabreichen und von beiden Quittung und Recognition
in Empfang zu nehmen. Dadurch wurden weitläufige Schreiljereieu
veranlasst, die bis in den Februar hinein dauerten. Moritz fand
Ursa(lie,_ über unberechtigtes Misstranen zu klagen.
^^) Über die „Bestallung" wurde seit Ende November 1550 ver-
handcdt (Loo. 9151, 11, Bl. 490). Moritz wünschte den Krieg ganz
selbständig zu führen; alle Ämter sollten aus Reichsmitteln be-
zahlt, aber von ihm besetzt werden. Er beanspruchte als Ruichs-
feldherr monatlich .S502 tl. Am kaiserl. Hofe gedachte man ihn ein-
fach mit der „Ehre" eines Reichsfeldherrn abzutinden, da der Krieg
zum Theil im Interesse Sachsens geführt werde, und weil der Kur-
fürst als Schutzherr der Stifter etwas zu thun schuldig sei (Loc.
10 189, Summarischer Auszug, Bl. 118); allein jNloritz bestand auf
herkömmlicher Bestallung. Am 2.5. Februar bewilligte der Kaiser
endlich .3000 Ü. Monatsgelder; über andere Punkte aber kam man
nicht ins Reine. Ganz besonders sträubte sich der Kaiser gegen
Annahme des Markcrafen Albrecbt als Oberstlieutenant etc. (Loc.
10 189, Summarischer Auszug etc. Bl. 212, Loc. 9151, Ilt, Bl. 21,72,
106, 291 tig., Loc. 915.3, Nürnbergische Handlung etc. Bl. 22 flg.
D ruf fei I, No. 591 u. 608.) — Über das Verhältnis Schwendi's
zum Markgrafen Albrecht vergl. Joh. Voigt, Markgraf Albrecht
221 und 1) ruffei I, No. 891.
^") Schon der Bestallungsentwnrf vom November 1550 enthielt
das Verlangen einer Versicherung, dass für rückständige Zahlung
entweder die Stifter Magdeburg und Ilalberstadt nebst den Städten
Halle, Erfurt und Mül;lhansen oder die Reichsstädte wie Nürnberg,
Frankfurt a. M. etc. haften sollten. Seit Februar 1551 forderte der
Kurfürst ohne Unterlass Versicherung für seine geliehenen Gelder,
deren Summe er am 18. März auf 250,000 fli. und am 26. Mai (nach
der Zusendung von Reichsgeldern) auf 160,000 tl. angab. Der Kaiser
wollte keine besondere, sondern nur die herkümmli(he Ver-
sicherung durch den Bestallbrief geben. In fast zahllosen Briefen
bildete die Versicherung einen Hauptjiunkt. Der Kurfürst drohte
sogar: „da er sein ausgelegtes Geld nicht wieder bekommen sollte,
müsste er sich dessen selber erholen , es pehe gleich über Pfaft'en
und Mönche". Loc. 9161, III, Bl. 72, 38S flg., IV, Bl. 45; Loc. 9153,
Nürnbergische Ilandhing etc. Bl. 22.
^') Loc. 9151, III, Bl. 99.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51 . 283
Ansicht nach**) war niemandem auf der Welt mehr als
dem Kurfürsten daran gelegen, dass Magdeburg gezücli-
tigt und gedemütliigt werde^**). Der Kurfürst sollte, so
lange wenigstens der Vorrath dauere, das Kriegsvolk
nicht aus den Händen lassen; er habe schon so vieles
gewagt und überwunden, und der Sieg sei unzweifelhaft.
Nichts Erwünschteres könne in der jetzigen sorgenvollen
Zeit begegnen, als vor allen anderen Kurfürsten, Fürsten
und Ständen mit so ehrlichem Titel auf des Reiches Un-
kosten ein solches Kriegsvolk ohne sonderliche Landes-
beschwerung in seinen Händen zu haben. Er möge vor-
sichtig sein, denn wolle er d^in Kriege nicht länger als
sechs JMonate vorstehen, so würde man es zuletzt zu-
frieden sein. Nicht genug! "VA^enige Tage darauf bat er
inständig, vor Ende des Krieges den Oberbefehl nicht
aus den Händen zu lassen. Allein Moritz blieb zunächst
bei seinem Vorsatze. Noch am 18. März wiederholte er
seine Gründe und erklärte von neuem, nicht länger "als
sechs Monate dienen zu wollen ^")^
Als dieser kurfürstliche Brief am 25. März in Augs-
burg ankam, lag der Kaiser „am Podagra schwach dar-
nieder" und Hess keine fremde Person vor sich. Auch
Granvella war vieler Geschäfte halber nicht zu sprechen.
Aus einer Unterredung Carlowitz' mit dem kaiserlichen
Eathe Pfitzing ergab sich, dass man den Kurfürsten, wolle
er wegen der rückständigen Gelder und deren Versicher-
ung oder wegen der hessischen Obligation oder aus an-
deren Gründen den Oberbefehl nicht länger behalten,
Avider seinen Willen nicht weiter belästigen werde.
Carlowitz überliess nun zwar dem hohen Ermessen
des Kurfürsten, was er thun wolle, aber er rieth für seine
Person, den Oberbefehl zu behalten, sobald er hinsichtlich
der geUehenen Gelder durch den Bestallbrief genügend
gesichert werde, zumal in wenigen Tagen über Fortsetz-
ung des Krieges und Beschaffung von Geld der Reichstag
in Nürnberg berathe. Überdies gab er zu beachten,
") Brief vom 8. März, Loc. 10189, Suinmar. Auszug, Bl. 240.
") Vergl. diese Zeitschrift IV (1883), 295.
»») Loc. 9151, III, Bl. 93, 99. Seltsam in der That, wenn man
beachtet, dass, durch ihn veranlasst, tags vorher (am 17. März) der
Kurfürst von Brandenburg und das Domkapitel von Kalbe aus den
Kaiser dringend um ,.Continuatiou" des Exekutionskrieges er-
suchten. (Siehe Anmerk. 20.) Eine derartige Haltung gehört so
ganz zum Charakter des Kurfürsten.
284 S. Issleib:
(liis.s der Kurfürst mit seinem KriegsvolUc, sofern das
Geld später nicht rechtzeitig verabreiclit werde oder im
Falle sich ein Todesfall ereigne — auf den kranken
Kaiser hindeutend — , die Reichsstände zur bewilligten
Bezahlung leicht bringen könne.
Inzwischen war ein Sclireiben des Kaisers (vom
25. Februar) in Magdeburg-Neustadt (am 19. März) ein-
gelaufen, worin er für die „Zertrennung des verdischen
Haufens" dankte und sicli endlich über das Feldherrn-
arat, über die geforderten 3000 fl. monatlicher Staats-
gelder und über andere Dinge erklärte. — Alles wirkte
nun zusammen: die kaiserliche Zuschrift, die ernstlichen
Vorstellungen Christofs von Carlowitz, die stockenden und
zunächst aussichtslosen magdel)urgischen Verhandlungen
und die noch völlig imfertigen, überaus schwankenden
und unsicheren Bundesverhältnisse. Kein Wunder, wenn
sich Moritz entschloss, den Oberbefehl vor Magdeburg
zu behalten. Aber heben wir hervor, er bemühte sich
in ein Dienstverhältnis zu treten, welches nach monat-
licher Kündigung gelöst werden konnte. Zu diesem
Zwecke wandte er sich persönlich an den Kaiser^');
gleichzeitig erhielt Carlowitz Weisung, allen Fleiss an-
zuwenden und einmonat liehe Kündigung auszu-
wirken. Jedem Theile sollte es von Monat zu Monat frei-
stehen, das bestehende Dienstverhältnis zu lösen. Mit
gewissem Kechte konnte daher der Kurfürst am 1. April
an seinen Schwager, den Landgrafen AA'ilhelm von Hessen,
schreiben: ..alle Stunde stehe er seiner Dienste halben
frei und wolle auf nichts warten, denn auf einen guten
Beschluss aller Sachen"'*). Ähnliche Erklärungen mag
er dem Markgrai'en Hans gegeben haben'').
Viel lag an der Nürnberger Rcichstagsverhandlung,
welche am 1. April ihren Anfang nahm'*). Eingehend
«') Lnc. 9151, Iir, in. lOß. Schreiben aus Dresflen vom 26. März
1551; vergl. D ruf fei I, No. fi()8. Moritz hielt daran fest, dass vor
allem die landgräfiiche Sache im Wej?e liejre, die an der Ausübung
des Oberbefehls hind(!rn niöclite, „ungeachtet, dass die kaiserlielie
Majestät ihn dieser Ubligation entnehmen wollte". (Kaiserl. Urief
vom 25. Februar). Vergl. v. L angenn II, 321 ; Joh. Voigt, Fürsten-
bund 116; Druffel I, No. 649.
") C. A.Cornelius, Churfürst Moritz gegenüber der Fürsten-
verschwörung 1550 — 51 (Münclien 1867), 50.
**) AVas Joh. Voigt, Fürstenbund 1.37, in einem späteren Zu-
sammenhange mittheilt, gehört wohl hierher!
*') Loc. 9153. Nürnbergische Handlung und Abschied, Bl. 1 tig.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 285
berietlien die Reichsstände über Erstattung des ange-
griffenen Vorratlies und über Fortsetzung der Belagerung
Magdeburgs. Eine längere Prüfung der Einnahmen und
Ausgaben der „Legestädte" ergab, dass mit Hilfe der
noch vorhandenen Barscliaften und der sicheren Aus-
stände der Exekutionskrieg bis zum 2. August aufrecht
erhalten werden konnte^"). Vereinten Anstrengungen ge-
lang zuletzt die AusAvirkung eines günstigen Reiclisab-
schiedes. Am 4. und 5. Mai wurde beschlossen, den
Vorrath zu ersetzen und jede Lücke des neu bewilligten
später auszufüllen. Die erste Hälfte des zu ergänzenden
Vorrathes sollte den 1. August bezahlt und die zweite
Hälfte, vorausgesetzt, dass die Belagerung Magdeburgs
bis zum 1. Dezember 1551 dauere, den I.Januar 1552 ent-
richtet werden. Die Belagerung wollte man wie bisher
monatlich mit 60,000 fl. continuieren. Nach Eroberung
Magdeburgs sollten die städtischen Güter angegriffen und
zur Erstattung des Vorrathes mit verwendet werden; das
Fehlende sollten die Reichsstände besetzen ^*^).
Der Antrag der sächsischen Räthe, eine höhere
Monatssumme als 60,000 fl. zu bewilligen, blieb unbe-
rücksichtigt^"). Der Kaiser schlug vielmehr zum wieder-
Kurfürst Moritz liess sich durch Carlowitz und Abraham von Ein-
siedel vertreten. Carlowitz wünschte mit diesem Auftrage verschont
zu bleiben (Bl. 22), weil er länger als dreissig Wochen von seinem
Hause abwesend und zum Reden gar nicht geschickt sei. Dazu
gehörten Leute, die „Harre halten", heftig anhalten und darauf
dringen könnten; Dr. Kneutlingen sei dazu tauglich; aber er müsse
Dr. Osse oder Franz Kram bei sich haben. Bei Granvella fördere
es mehr, wenn er sehe, dass man sich der Sache ernstlich annehme
und üeissig hin und wider postiere. So richte auch einer allezeit
mehr aus, der frisch von der Handlung daher komme und bald
wieder wegeile, denn ein anderer, der allewege still liege und allein
auf anderer Leute Bericht handeln müsse.
*^) Der ßeichsvorrath betrug 761 696 fl. ; die sicheren Anlagen
wurden auf 592 9.S0 fl. angegeben. Eingenommen waren in Köln,
Speier und Nürnberg 465 S76 fl., ausgegeben 340150 fl. (100000 fl.
Kriegskosten, 4 Mouatsbeträge ä 600U0 fl. und 150 fl. kleinere Be-
träge). Die Baarschaft betrug demnach 125 226 ü. und die weitere,
sichere Anlage 127 554 fl., somit verfügte man noch über 252 780 fl.
Baarschaft und sichere Anlage des alten Vorrathes.
**) Am 25. Mai fand die Veröffentlichung des Reichsabschiedes
und des Mandates wegen Erlegung des Eeichsvorrathes statt.
Loc. 915.3, Magdeburgische Handlung wegen der Stadt aussunung
vnd ergebunge, a. 1551.
*') Ein Schreiben Moritz', Joachims v. Brandenburg und Hein-
richs von Braunschweig vom 2. Mai aus dem Lager vor Magdeburg
28G S. Issleib:
liolten Male vor'^), nach Vollendung der Blockhäuser,
Schanzen, Schifisbrücken und Wasserbauten das Kriegs-
volk nach und nach, die Reiter bis auf 700 und die
Knechte bis auf 7000 Mann, zu verrinnern und den bisher
allzureichlich gezahlten Sold zu kürzen, dann könne von
den monatlichen (50,000 fl. noch etwas zur Ersetzung der
(geliehenen Gelder nut gemacht werden.
Die Nürnberger Verhandlungen stellten den Kur-
fürsten Moritz nicht in allen Stücken zufrieden, trotzdem
war es von Wichtigkeit, dass die fernere Leitung des
neugesicherten Keicliskrieges in seiner Hand lag. Es
Hess sich in der That auch manches verschmerzen in Rück-
sicht des bedeutenden Vortheiles, dass er in jenen Tagen,
als die Nürnberger Beschlüsse erkämpft wurden, die Be-
lagerungstruppen von neuem sechs Monate für sich gewann.
Die Zeit; für welche die Söldner geschworen, ging
anfangs Mai zu Ende**); neue Bestallung und Vereidig-
ung musste erfolgen. Kaum aber konnte sie jetzt anders
als im Namen des Kaisers und Reiches stattfinden: Karl V.
hatte längst darum gebeten, und das Kriegsvolk selbst
wünschte den Reichsdienst, da kurfürstliche Dienste mit
„leichter Münze", kaiserliche und Keichsdienste herkömm-
lich mit „schwerer Münze" bezahlt wurden. Dieser Um-
stand war von Bedeutung und fiel bei der widrigen
Geldnoth doppelt ins Gewicht. Kurfürst Moritz beutete
ihn in seinem Interesse aus. Er führte dem kaiserlichen
Kommissar Schwendi die ansehnliche Erhöhung der
monatlichen Unkosten zu Gemüthe, wenn der Sold künftig
in schwerer Münze entrichtet werde^"); er brachte in
Anschlag, dass die seitherige Geldverlegenheit durch die
vom Kaiser und vom Kriegsvolke geforderte Abänderung
nur gesteigert werde, und hielt die Erneuerung des alten
Dienstverhältnisses für den geeignetsten Ausweg, um
grössere Unannehmlichkeiten zu vermeiden. AA'ohl oder
übel! Schwendi wies unter den obwaltenden peinlichen
Veriiältnissen den Vorschlag nicht zurück. Und von
kurfürstliciier Seite konnte der Schritt mit Fug und Recht
an die Reichsstäiide zur Beförderung des Exekutinnskrieges wurde
nicht ül)erant\vortet, da es zu spät eintraf; Loc. 1)151, HI, Bl. 227
und d1b?>, Nünibergisclic Handlmig nie. Bl. 91.
5»; Loi-. 10189, Suminarischor Auszug, Bl. 258 11g.; vergl.
Druffel I, No. 648 (25. iMai 1551).
»•) Loc. 9151, III, Bl. 222 Hg. 2ylfig.; Druffel I, No. G45, 648, 650.
*») Der Thaler galt dann zwei bis fünf Groschen weniger.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 — 51. 287
geschehen: laut erhaltener Bestallung waren die Knechte
verpflichtet, Moritz so lange er ihrer bedürfe auch über
die sechs Monate hinaus um leichte Münze zu dienen.
Unwillig darüber wollten sich allerdings die Knechte
nicht mustern lassen, fluchend liefen sie in Rotten zu-
sammen und versuchten zu meutern. Der Kurfürst sah
sich genöthigt, am 4. Mai in den „Ring" zu gehen, den
Knechten die vorjährige Bt'stallung vorzuhalten und
„öffentlich" von ihnen zu verlangen, sich der früheren
Bestallung gemäss zu verhalten. Nach aufgeregten Ver-
handlungen schwuren die Knechte, w^eitere sechs Monate
um leichte Münze dienen zu wollen; darauf wurden sie ge-
mustert und bezahlt^^). So ersparte Moritz dem Reiche Geld-
verluste, erhielt die Belagerung aufrecht und — was das Wich-
tigste war — vergewisserte sich fernerhin des Kriegsvolkes.
Kaum jedoch hatte er die Neustadt verlassen, so
wurde es unruhig im gesamten Lager. Allgemeine Er-
bitterung herrschte über die Neuerung, in fürstlicher
Bestallung Kaiser und Reich um leichte Münze dienen
zu sollen. Alles drohte und schrie nach Geld, kaiser-
licher Bestallung und schwerer Münze*^). Meuterei tobte
am 9. und 10. Mai. Schwendi durfte sich nicht sehen
lassen, und sein Quartier wurde arg heimgesucht. Nur
mit grosser Mühe stillte Markgraf Albrecht den tumultua-
rischen Aufruhr.
Es würde zu weit führen, hier der Feindschaft des
Markgrafen Albrecht und Schwendi's nachzugehen^'^) und
eine eingehende Schilderung des Lagerlebens zu geben.
Nur so viel mag angedeutet werden, es herrschte im
Lager „viel Unrath, Unordnung, UnpünktUchkeit, Nach-
lässigkeit, Unsicherheit und Zuchtlosigkeit"; kaum war
in Anwesenheit des Oberfeldherrn „leidliche Ordnung" zu
bemerken. Fremdes Gesinde, Boten, Kundschafter und
„Praktiker", welche die Mannschaft abtrünnig zu machen
suchten, zogen im Lager ein und aus.
Was die Belagerungsarbeiten betrifft, so wurde die
Einschliessung Magdeburgs Ende Mai vollendet. Der
oben erwähnte, fast zwei Stunden lange Laufgraben mit
Schutzwall umschloss die Stadt von der Buckauer Schanze
*') Die Musterung vollzog von Schwendi und Hans von Diskau.
*^) Loc. 9151, lY, Bl. 170 flg.
") 7281 Französische Verbündnisse Bl. G9, Loc. 9151, II,
Bl. 302, IV, 2 flg. Vergl. Joh. Voigt, Markgraf Albrecht 240;
Pomarius ?,i2 und Merckel.
288 S. Issleib:
bis zur Neustadt; auf der Ostseite sperrten die Zoll-
sclianze und die Befestigungen von Krakau. Der Kur-
fürst hatte im März grosse ScliifFe herbeischaffen, be-
mannen, mit Geschützen ausrüsten und im Strome vor
Anker legen lassen. Spater hatte er ober- und unterhalb
der Stadt vom Buckauer Blockhause und von der Neu-
stadt aus zwei Schiffbrücken nach den Eibwerdern ge-
schlagen, auf diesen zwei Blockhäuser errichtet und beide
durch je 100 Kneclite besetzt; zwei andere Blockhäuser
waren gegenüber auf dem rechten Eibufer erbaut und
zwei Fähnlein Knechte hineingelegt worden. Von den
Blockhäusern aus konnte die P21be durch Geschütze
vöUiü: beherrscht werden. Auf Befehl des Kurfürsten
waren auch grosse und kleine Schiffe mit Mannschaft aus
Ober- und Niedersachsen zusammengebracht worden, um
ober- und unterhalb der Stadt mit den Feinden nöthioen-
falls zu Scharmützeln und nach Bedürfnis von Blockhaus
zu Blockhaus Kriegsvolk überzusetzen sowie Proviant
herbeizuschaffen. Im Mai schlug man dann kurfürstlicher
Anordnung gemäss zwischen den Blockhäusern am Ufer
und auf den Werdern starke Pfähle in das '^A'^ asser und
„hing von Pfahl zu Pfahl grosse lange Flossbäume, durch
schwere Ketten verknüpft, überquer aneinander, also dass
zwischen den Blockhäusern und den geankerten grossen
Schiffen nichts durchkommen konnte". — Auf diese Weise
wurde Magdeburg zu Wasser und zu Land eingeschlossen.
Mit Absicht waren die Lager^*), die Blockhäuser
(neun an Zahl) und die Schanzen meist ausser Schuss-
weite von der Stadt errichtet und angelegt worden, da
Majjdeburo; auf Wunsch des Kaisers^*) nicht durch kost-
spieliges Geschützfeuer demolirt und mit Sturm gcnoiumen,
sondern durch Einschliessung zur Ergebung genöthigt wer-
den sollte'*'*). Die Belagerungsmannscliaft betrug im Mai
26 Fähnlein Kneclite (fast 9000 Maim) und 1300 Reiter*').
Das oberländische Lager zählte 7 Fähnlein und gegen
'*) Die beiden Haaptlager waren das oberländische bei Fermers-
leben oberhalb der Stadt, seit einigen Wochen wieder von Diesdorf
und Lemsdort' aus dahin verlegt, und das niederländische Lager in
der Neustadt.
**) Loc. ]01«9, Summarischer Auszug etc. Bl. 224.
*") Immerhin wurden ,.über hundert Geschütze auf Rädern"
verwendet; von der Neustadt vor allem uml von der ZoHscluin/e
aus erfolgte die ßeschiessung der Stadt.
*') 200 Heiter dienten seit Anfang Mai in kurfürstlicher Be-
stallung.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 289
500 Reiter, in der Neustadt lagen 10 Fähnlein und 450
Reiter und im Lager von Krakau 3 Fähnlein und einige
Reitergescliwader. Die übrige Mannschaft befand sich in
den Blockhäusern und auf den Schiffen. Im oberländi-
schen Lager hatte Markgraf Albrecht, in der Neustadt
Sclnvendi und in Krakau Johann von Münchhausen
Quartier.
Magdeburg selbst war in gutem Belagerungszustande**).
Merckel und Besselmeier rühmen in hohem Grade die
Tapferkeit und Standhaftigkeit der Bürger und Söldner.
Das Bewusstsein, für das reine Wort Glottes und das
augsburgische Bekenntnis zu streiten, verlieh nicht nur
Glaubensmuth und Eifer, sondern erfüllte auch alle mit
der festen Zuversicht, Gott werde sie nicht verlassen*^).
Reichen Trost spendeten die Theologen, und himmUsche
Zeichen und Wunderdinge ermunterten zur Ausdauer.
Im allgemeinen herrschte Eintracht, Opferfreudigkeit und
Beständigkeit unter der Bevölkerung; aber es gab auch
unruhige Köpfe und „verjagte Herren, so die Luft nicht
allenthalben wohl leiden können". Neben der Anerkenn-
ung, welche die gleichzeitigen Berichterstatter zollen,
klagen sie doch auch über Masslosigkeit, Übermuth und
Habsucht der Bürger und Söldner. Mehrfach meuterten
die Truppen und Hessen sich rohe Exzesse zu Schulden
kommen. Unruhig wurde das ärmere Volk; sobald der
Mangel an Lebensmitteln fühlbar war. Von den Bürgern
wünschte die eine Partei Frieden, die andere (an ihrer
Spitze die Theologen und fremden Gäste) Vertheidigung
bis zum äussersten. Sobald von den Einsichtigeren Ent-
satz für unmöglich gehalten wurde, neigte der Rath zur
Verhandhing und suchte unter ehrenvollen Bedingungen
die Stadt aus ihrer hohen Notli zu befreien.
Zuletzt war in Kalbe (am 17. März 1551) über
Magdeburg verhandelt worden. Über die Erfolglosig-
keit der Zusammenkunft war Markgraf Hans auf das
Höchste erbittert; aber Moritz glaubte, „die Magdeburger
Sache werde zur rechten Zeit auch ihren Weg finden^");
für seine Person „feierte er nicht, einen Vertrag mit der
Stadt zu bekommen". Durch seine Bemühungen geschah
es, dass ihn endlich die Achter (am 17. April) um Ver-
**) Weiteres siehe bei Merckel, Besselmeier u. Pomarius.
*»; Lilien er on IV,, No. 587—589.
*") Cornelius 58, Brief vom 1. April 1551.
Neues Archiv f. S. G. u. A. V. 4. 19
290 S. Issleib:
•\vendung beim Kaiser und den Reiclisständen und um
Angabe der Artikel, durcli welche sie in kaiserliche
Gnade gelangen könnten, baten. Sie waren bereit, zwei
oder drei Personen an ihn abzuschicken. Das Gesuch
der Magdeburger langte in Dresden an, als eben der
Stadtsekretär Heinrich IMerckel von Lüneburof aus dort
eintraf. Dieser war seit September 1550 in Sendungen
für Magdeburg an den norddeutschen Höfen und in den
Seestädten thätig gewesen. Jetzt brachte ihn Hans von
Heideck nach Dresden, wo er vom Kurfürsten beauftragt
wurde, mit Joachim von Gersdorf nach Magdeburg zu
reiten und dahin zu wirken, dass an einem bestimmten
Tage vier Kathspersonen in den krakauischen Werder
kommen möchten. Nach einer Abwesenheit von 32 Wochen
erreichte Merckel Magdeburg am 27. April. Fünf Tage
später (am 2. Mai) war Kurfürst Moritz in der Neustadt
und suchte die Truppen für sich zu gewinnen. Am 6. Mai
fand dann eine Zusammenkunft mit dem Bürg^ermeister
Gericke, dem Stadtsekretär Dr. Levin von Emden, dem
Kaths- und Bauherrn Arnold Hoppe und dem Stadt-
sekretär Merckel statt. Nach längerer gegenseitiger Aus-
sprache und Berathung erhielten die Magdeburger hin-
sichtlich der Keligion beruliigcnde Versiciierungen. Über
die voi'gelegten und eingehend besprochenen Artikel wurde
darauf in der Stadt überaus zwiespältig verhandelt; —
am heftigsten eiferten die Theologen gegen den Kurfürsten
von Sachsen. Die endlich beschlossene Antwort über-
brachte Merckel am 12. Mai nach Naumburg, wo Moritz
mit den jungen Herren von Weimar Verhandlungen
pflogt').
Auf Grund der Magdeburger Erbietungen ^^) be-
mühte sich der Kurfürst weltliclie und geistliche Dinge
auseinanderzuhalten und die Bürger zur Denuitii zu
ermahnen. Seinem Rathe gemäss sollten sich die Magde-
burger dem Kaiser auf Gnade und Ungnade ergeben,
einen Fussfall thun, 100 000 fl. zahlen, eine Besatzung
aufni'hmen und wie andere evangelische lleichsstände
das Konzil beschicken. Für Erhaltung ihrer Festungs-
werke wolle er sich verwenden. jNIit der Erkläriu^ig, dass
auf die jetzigen Erbietungen hin beim Kaiser wenig HofF-
*') W. "Wenck, Kurfürst Moritz und die Ernestiner S. 11.
**) Loc. 9153, Magdeburgisclie llaudluun; wegen der Stadt
aussunuiig und ergebung 1E51, 151. 47, 5.". Poraarius 3.38.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 — 51. 291
nung zum Vertrage sei, entliess der Kurfürst den Stadt-
sekretär.
Wenige Tage darauf (am 22. Mai) wurden die in
Dresden begonnenen Bundesverbandlungen in Torgau
forto-esetzt*^). In Person waren erschienen Kurfürst Moritz,
Markgraf Hans, Herzog Jobann Albrecbt von Mecklen-
burg und Landgraf ^^'ilbelm von Hessen; andere Fürsten
hatten Vertreter geschickt. Die Punkte der Dresdner
Abmachungen : treues und offenes Bekenntnis der augs-
burgischen Konfession, Vertheidigung der Freiheiten
des Vaterlandes und Erledigung der gefangenen Fürsten,
behielten ferner bindende Kraft. Die Irrungen zwischen
Albertinern und Ernestinern sollte Mai'koraf Hans auf
Grund der kurfürstlichen Bewilligungen und der herzog-
lichen Erbietungen in Naumburg ausgleichen. Im Falle
keine Einigung der sächsischen Häuser herbeigeführt
werde, sollten sich die anwesenden und die vertretenen
Fürsten von neuem betagen. Dann sollten die Herzöge
von Weimar, wenn sie dem Bunde nicht beitreten würden,
zu einer Neutralitätserklärung genöthigt oder im Weiger-
ungsfalle als Feinde betrachtet werden etc. Weil man
auswärtige Hilfe für nothwendig hielt, so wurde am
25. j\lai für Friedrich von Reifenberg, für den ßhein-
grafen Philipp und Georg von Reckerod eine Instruktion
ausgefertigt, mit der sie sich au den französischen Hof
begeben sollten. Alle weiteren und bindenden Verein-
barungen wurden von dieser Sendung abhängig gemacht.
Ohne Zweifel ist in Torgau auch Magdeburg zur
Sprache gekommen. Im Interesse des Bundes wünschten
wohl einige baldige Erledigung der Sache. Ganz anders
Markgraf Hans! Am 4. Juni schrieb er an Moritz ^^):
„Er möge aus allerlei Gründen, die sich nicht schreiben
liessen, mit der Magdeburger Handluns; zögern, bis Reifen-
berg aus Frankreich zurückkomme. Sei Reifenberg da,
dann werde der Markt den Kauf lernen. Viele gute
Leute würden sich nicht brauchen und viele ohne Warte-
geld nicht aufhalten lassen; aber Wartegeld geben und
nicht wissen, was Reifenberg bringe, sei beschwerlich^'.
Welch' andere Stellung als früher nahm jetzt der Mark-
5*) Joh. Voigt, Fürsteilbund 122; Cornelius 60; W. Wenck,
Kurfürst Moritz und die Evnestiner 17.
**) Loc. 7277, Markgrafen Johaunsen hendel etc. Bl. 9 (Brief
aus Küstrin); D ruf fei I, No. 658.
19*
292 S. Issleib:
graf zu Magdeburg einl Um des Bundes willen also
sollte fortan die Belagerung in die Länge gezogen und
das Kriegsvolk vor Älagdeburg auf Kosten des Reiches
für Bundeszwecke weiter unterhalten werden.
Für Moritz bedurfte es keiner j\Iahnun<i" zur Zöerer-
ung; fern lag ihm Übereilung. Ausser den Bundesinter-
essen verfolgte er ja ganz persönliche, und diese waren
erst durch „weitläulige Traktaten" zu erreichen. Wenig
zufriedengestellt durch die seitherige Opferwilligkeit der
Achter, wollte er sich in kein Gespräch und in keine
Verhandlung niehr mit ihnen einlassen, bevor sie nicht
eine bestinnnte Erklärung hinsichtlich der Übergabe und
der Besatzung der Stadt abgegeben hätten; er wollte
auch dann erst Fürbitte an den Kaiser oder an die
Reichsstände gelangen lassen^^).
Der emsigen Thätigkeit Christof Arnolds, des
Kanzlers Hans von Heideck, war es zu verdanken, dass
am 24. und 25. Juni weitere Verhandlungen in Pirna
stattfanden^'*). Hier berücksichtigte man alle Punkte der
kaiserlichen Kapitulation und eröffnete zugleich den ge-
heimen Verhandlungen, welche Hans von Heideck
*') Moritz' Brief an Christof Arnold, Heideck's Kanzler, vom
3. Juni; Loc. 9151, III, Bl. 348; vergl. Bl. 322 und l'oniarins 354.
Nach Druffel I, No. (".50 hatte bereits der Kurfürst am 2(5. Mai
den Kaiser um Linderuni.': der Kapitulationsartikel angegangen.
»«) Loc. 9153, Magdehurgische Handlung etc. 1551, Bl. 57 flg.
Loc. 9152, Magdehurgische Handlung etc. Bl. 250 flg. Vergl. Bessel-
meicr, Merckel, I'omarius 3()(;, 374. Aus Magdeburg erscliienen
■wiederum Bürgermeister Gericke, Dr. Levin von Emden, Arnold Hoppe
und Heinrich Merckel. Dem Kurfürsten standen zur Seite Dr Mord-
eisen, Dr. Komerstadt und Christof von Carlowitz, welcher vom Reichs-
tage zurückgekehrt war. — Markgraf A Ibrecht hatte von Christof
Arnold erfahren, dass die Magdeburger dem Kurfürsten Erbhul-
digung leisten, jedocli keine Besatzung anfnelimen wollten, und
dass Fürsten und Vertraute den Handel verbürgen sollten. (Loc.
9151, HI, Bl. 390 u. 464). Infolge dessen rieth er Moritz, sich
vorzusehen, „dass ihm nirbt ein Hälmlein durch den Mund gezogen
werde". Koch vor Ablauf dreier Monate würden die Achter andere
Bedingungen annehmen; wenn die Schalken wieder zu ihm kämen,
dann solle er ihnen kein gutes Wort geben. Schwendi ermahnte
am 17. Juni etc. (Bl. 513, 528, 547, 570), auf des Kaisers und Kelches
Reputation zu acht((n ; doch solle der Kurfürst „ilie Handlung nicht
gänzlich aus den Händen kommen lassen und den Achtern die HoÜ-
nnng eines guten und leidlichen Vertrages nicht abschneiden". Das
Domkapitel bat um Wahrung seiner Rechte, um Erstattung der
Güter und wollte Grafen Albrecht von Mansfeld vom Vertrage aus-
geschlossen wissen.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 293
und Christof Arnold führen sollten, Bahn*'). Die städti-
schen Abgeordneten bewilligten Ergebung in kaiserliche
Gnade und Ungnade, doch so, dass zuvor eine schrift-
liche Versicherung gegeben werde, die Ungnade solle
fallen, sobald der Fussfall gethan und Abbitte geleistet
sei. Die Pfaffen sollten in der Stadt keine Aufnahme
finden. Die Ausgleichung der Irrungen zwischen dem
Erzbischofe, dem Kapitel und der Stadt sollte Kurfürst
Moritz als kaiserlicher Kommissar übernehmen und alle
Schäden gegenseitig aufheben, Schleifung der Festung
wurde auf das Entschiedenste zurückgewiesen, nicht allein
wegen der hohen Abtragungssumme, sondern vielmehr in
Rücksicht drohender Türkengefahren. Dem Kaiser wollte
man im Frieden die Stadt öffnen, ungefähr 30 000 Gulden
Strafe zahlen und gegen 12 Stück Büchsen (aber keine
Kartliaunen und Schlangen) liefern. Alle konfiszierten
Güter und verliehenen Gerechtigkeiten sollten zurücker-
stattet werden. Gegen Aufnahme einer Besatzung, wor-
auf der Kurfürst das Hauptgewicht legte, sträubte man
sich, denn Magdeburg werde dadurch zu Grunde gerichtet.
Wiederholt mahnte der Kurfürst, in unerlässlichen
Dingen nachgiebig zu sein und sich gegen den Kaiser
und gegen etliche Fürsten deraüthig zu erweisen. Schrift-
lich sollten die Magdeburger eingestehen, dass ihnen die
kaiserliche Ungnade herzlich leid sei, damit „leidliche
Milderung" erlangt werden könne. Zunächst gnädig gegen
Magdeburgs Standhaftigkeit**^), war Moritz einige Wochen
später über des Stadtrathes Antwort vom 26. Juli*^) in
dem Grade unwillig, dass er zur grossen Freude Scliwen-
di's diese neben einem offenen Zettel wieder zurück-
*^) Loc. 10 695, Dr. Franz Krammens Zeitimgsbuch (ohne An-
gabe der Blätter) und 10189, M. Franz Krammens Schreiben etc. 1551
Bl. 31 (Druffel I, No GO?,). Des Kaisers Kämmerer und andere Per-
sonen iällten allerlei verdriessliche Urtheile, weil der Kurfürst den Hei-
deck im Lande dulde und sogar als Oberbauptmann in Leipzig einge-
setzt, auch seinen Sekretär Arnold als Verwalter in Eilenburg angestellt
habe. Nach Bl. 36/37 (Druffel T, No. 668) betrieb Kram bei Granvella
Heidecks Aussöhnung. Ileidecksollte ein bestimmtes Zeichen geben, wo-
durch zu erkennen, dass er des Kaisers Huld würdig sei. Er sollte den
Grafen von Mansfeld oder einen andern angesehenen Rebellen fangen,
oder Magdeburg zur Ergebung bereden. Man hatte den Verdacht,
Heideck sei besser französisch als kaiserlich, und besorgte, er werde
den Kurfürsten betrügen, darum wünschte man ihn lieber weit weg etc.
") Loc. 9151, III, Bl. 570/71, Briefe an Schwendi und Kur-
fürsten Joachim.
") Pomarius 374.
294 S. Issleib:
schickte"^')- Die Magdeburger und ihre Parteigänger
sollten irren, wenn sie glaubten, „einen Frieden nacli
ihrem Gefallen zu erlangen""'), namentlich seitdem der
Kurfürst vom Kaiser eine gewaltige Handhabe gegen
die Stadt erworben hatte.
Unaufhörlich diang Moritz beim Kaiser — schon
kennen wir die Art und Weise — auf pünktliche Be-
zahlung, auf Erstattung der geliehenen Gelder oder auf
Versicherung der Summen; unablässig forderte er „rich-
tigen Bescheid, bei wem er sich seine Auslagen erholen
könne". Lange zögerte Karl V. mit einer bestimmten
Erklärung. Er wusste in der That nicht recht, wie er
den Kurfürsten zufrieden stellen sollte; denn aus eigenen
Mitteln wollte er keinen Pfennig vergüten und sonst
scheute er wegen misslicher oder doch unbequemer Folgen
jedes andere Mittel. Erst als der „Himmel sich ringsum
zu trüben" begann imd zahlreiche Gerüchte meldeten,
man versuche den Kurfürsten vom Kaiser abzubringen'*"'^),
entschloss er sich (Ende Juni) ein „Übriges zu thun".
Auf Krams Vorschlag"^) und Schwendi's Antrag war er
zufrieden , dass Moritz Magdeburg nacli Eroberung
oder Ergebung so lange innebehalte, bis er aller zur
Exekution verwendeten Ausgaben gänzlich zufriedenge-
stellt sei'*^). Auf dem nächsten Reichstage hoffte der
«") Loc. 9153, Magdelnirgische Haiuüinig etc. Bl. 93. Moritz
verfolgte den doppelten Zweck: einen Druck auf die Magdeburger
ansuzüben und die unilaut'ojiden Friedens- und Uundesgerücbte dem
Kaiser und Schwendi gcgenidier Lügen zu strafen Im Briefe an
den Kaiser (vom 22. September) hob er die Zurücksendung der magde-
burgischen Antwort ausdrücklich hervor. Loc. 9152, V, BI. 188;
Druffel I, No. 754.
•') Loc. 9151, IV, Bl. 63, Bericht Heinrichs von Braunschweig
vom 14. Juli 1551.
"I Loc. 9151, III, Bl. 390, vergl. 424.
") Loc. 10189, M. Franz Krammens Schreiben etc. 1551 Bl. 44,
Brief vom 29. Juni 1551. ^Vährend einer langen Unterredung mit
Arras meinte Kram : „Sollte dem Kurfürsten recht und Avohl geholfen
werden, so müsse das Erzbisthum Magdeburg darüber eine Feder
lassen". Arras entgegnete: „er Avisse auch keinen andern Weg, wie
der Kurfürst sonst zu seinem geliehenen (ielde kommen möchte" etc.
"*) Das kaiserliclie Schreiben, eine Antwort auf Moritz' Schreiben
vom 2(). Mai (Druffel I, No. 65u), ist datiert Augsburg am 25. Juni.
Es liegt in den Originalen als No. 11434, eine Abschrift findet
sich Loc. 9152, Belagerung Magdeburgs 1551, BI. 120; I)r\iffel f,
No. 673 bietet Granvella's Entwurf. Brief und Zusicherung Karls V.
wurde am 26. April 1576 von Ma.ximilian II. zu Wien erneuert, die
kaiserliche Zuschrift ist datiert Ilegensburg am 1. September 1576,
Loc. 9152, VI, 120.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 — 51. 295
Kaiser durcbziisetzen, dass die kurfürstlichen Auslagen von
den Reiclisständen gedeckt würden; doch sollte Moritz bis
dahin durch Truppenentlassung und Soldermässigung soviel
als möglich von den 60 000 fl. Monatsgelder ersparen ^^).
Zur vorgeschlagenen Milderung der Kapitulationsartikel
verhielt sich Karl V. noch ablehnend"''), weil Magdeburg
wegen der trotzigen und muthwilligen Hartnäckigkeit weit
härtere Strafe verdiene. Allerhöclistens möge Moritz die
Ächter „vertrösten und versichern", die kaiserliche Un-
gnade solle sich nach Ergebung in Gnade und Ungnade,
nach FussfjxU und Abbitte nicht weiter erstrecken als „in
den Artikeln gemeldet werde". Von ihren Privilegien
sollten sie behalten, was noch nicht vergeben und dem
Erzbischof und Domkapitel unschädlich sei. Die Schleif-
ung der Festung sollte wenigstens begonnen und dann
erst in eine Geldstrafe umgewandelt werden. Aussöhnung
und Begnadigung sollte sich auf Rath, Prädikanten und
Bürger, nicht aber auf Hans von Heideck, Albrecht von
Mansfeld nebst Söhnen oder auf das Kriegsvolk er-
strecken. In Religionssachen sollte sich Magdeburg nach
den sächsischen Kreisen richten. An der Restitution des
Erzbischofs und Klerus wurde festgehalten etc.^').
Dr. Franz Kram schickte das kaiserliche Schreiben
(vom 25. Juni) am 1. Juli nach Sachsen*'*') mit dem Be-
merken, der Kurfürst werde am besten sehen, wo der
Schuh drücke; er möge aber die kaiserliche Vertröstung
nicht in den Wind schlagen, denn sie werde ein guter
Anfang und Vorwand zum künftigen Besitze der Stadt
sein. Wolle er noch mehr erreichen, dann möge er
schmieden, so lange das Eisen heiss sei ; denn der Kaiser
stehe jetzt mit Krieg auf und lege sich mit Krieg nieder.
Man frage zur Zeit wenig darnach — ergänzte er später
— , ob der Kurfürst etliche Artikel des magdeburgischen
Primats bekäme, man wolle nur kein Geld ausgeben;
«*) Dem Domkapitel wurde vom Kaiser befohlen: „ungeachtet
der Exceptionen und Entschuldigungen" die Kosten für die Schanz-
gräber und Artillerie zu tragen. Loc. 10189, M. Franz Krammens
Schreiben etc. lööl Bl. 50 und 10G95, Dr. Franz Krammens Zeit-
ungsbuch, Augsburg am 1. Juli; Druff el I, No. 681.
6«) Vergl. Brief vom 26. Mai, D ruf fei I, No. 650.
") Loc. 9152, V, Bl. 205, 2H0, 262; vergl. Druffel I, No. 764,
Anm. 1. Nach dem Schreiben vom 11. August (No. 708) blieb der
Kaiser bei seiner Ansicht stehen.
**) Loc. 10189, M. Franz Krammens Schreiben etc. 1551 Bl. 50,
56, 66, u. 10695, Dr. Krammens Zeitungsbuch; Druffel I, No. 681 etc.
296 S. Issleib:
daher möge er die Zeiten benutzen, das Stift zu satteln
und 7A\ fassen"*).
Sobald Moritz diese Nachrichten erhalten hatte, be-
eilte er sich, dem Kaiser weitere Zugeständnisse abzu-
nöthigen, indem er vorstellig wurde'"), wie ungewiss die
Bewilligung des Reichstages und wie unzureichend eine
Versicherung durch Magdeburg sei; seine Ausgaben
mehrten sich täglich, während die Stadt durch die Be-
lagerung mehr und mehr veranne. Der Kaiser möge
das Stift veranlassen, für die Bezahlung in bestimmter
Frist einzustehen oder Städte, Häuser und Ämter als
Pfand zu überliefern. Das Erzstift, dem alles an der
Eroberung Magdeburgs liegen müsse, könne das Geld
von den Keichsständen leichter als er zurückerhalten. —
In Augsburg wunderte man sich zunächst über die neue
Forderung, aber Verlegenheit zwang zur Nachgiebigkeit.
Schwendi erhielt anfangs August Befehl, das Erzstift zur
Willfährigkeit anzuhalten").
Magdeburg, dem Kurfürsten von Sachsen seit dem
Eintreffen des kaiserlichen Schreibens vom 25. Juni so
gut wie preisgegeben, blieb nicht lange im Unklaren dar-
über und rausste nothgedrungen in eine nachgiebigere
Haltung eintreten. Dank der Thätigkeit Heideck's und
Arnold's wurde das bisherige Misstrauen endlich gemildert
und eine aufrichtigere Annäherung herbeigeführt. Sobald
der Kurfürst am 30. August im Lager vor Magdeburg
erschien''^), suchte der Magistrat um Verhandlung nach.
Mit Bewilligung des Kurfürsten zogen darauf Heideck
und Arnold in die Stadt (am 4. September) und ver-
handelten zwei Tage mit dem regierenden ßath''). Am
6. September traten alle drei Käthe (der regierende, alte
und überalte); die Hundertmänner und Innungsmeister in
•») Vergl. hierzu Loc. 10189, Bl. 55; Druffel I, N"o. 688.
'») Brief, datiert Radeberg, 14. Juli 1551. Loc. 9153 (8775),
Magdehurgische Sachen, so merentheils bei Dr. Mordeisen gewesen
1550/51, Bl. 237; Druffel I, Xo. 689.
'M Im Septeiuber begannen Moritz' Verhandlungen mit den
Stiftsständen. Damals schätzte der Kurfürst sein geliehenes Geld
auf 240 00'! fl. Die Stiftsstände erboten sich, ihm und seinen Erben
110000 fl. in drei Terminen zu bezahlen und mit Gütern, Ämtern etc.
zu haften. Man wurde sobald nicht haiulelseinig. I.oc. 9152, Magde-
burgs Belagerung 1550, Bl. 10; vertrl. Druffel I, No. 766.
") Merckel und Pom arius"397.
") Loc. 915.3, Magdeburgische Handlungen etc. Bl. 111 flg.;
Pomarius 398.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 297
die Berathung über Annahme der kaiserlichen Kapitnlation,
Aufnahme einer Besatzung und über die Erbliuldigung
ein. Nach langen und heftigen Dehatten erhielt der
regierende Rath die Vollmacht, mit dem Kurfürsten von
Sachsen abzuhandeln. Derselbe beschied am 9. September
eine Deputation des Rathes, der Bürgerschaft und des
Kriegsvolkes in das Quartier des Obristen Wolf Tief-
stetter im Blockhause bei den Steinkuhlen*^).
Den öffentlichen Verhandlungen, welche Moritz als
Oberfeldherr des Kaisers und Reiches leitete, wurden die
kaiserlichen Artikel zu Grunde gelegt; über Besatzung,
Huldigung und geheime Zusagen sprach Heideck mit den
Deputierten abgesondert. Eine Anzahl kaiserlicher Artikel
erlangten jetzt bedingungslose Annahme, bei anderen
wurde Milderung oder gänzlicher Wegfall erbeten. Mit
der Erklärung, ohne kaiserliche Bewilligung nicht ab-
schliessen zu können, forderte Moritz die Magdeburger
auf, sich so zu verhalten, dass Kaiser und Reichsstände
zur Milde und Gnade bewogen würden.
In die geheimen Verhandlungen über Besatzung,
Huldigung und Zusagen sehen wir nicht ganz klar. Be-
stimmten Aufzeichnungen entnehmen wir, dass die Magde-
burger einen Monat lang 1000—1200 Knechte (in 'kur-
fürstlicher Besoldung) aufnehmen"), und nach sicherer
Abhandlung dem Kurfürsten huldigen wollten'";. Er-
legung gewisser Steuern schlugen sie nicht gänzlich aus,
obgleich sie betonten, unter dem Erzbischofe Albrecht
abgabenfrei gewesen zu sein. In Gegenwart Heideck's
gab Moritz der Deputation die Versicherung, er meine
es wohl mit der Stadt und wolle Heideck's Zusagen halten.
Zuletzt redete Schwendi mit den Abgeordneten über die
kaiserlichen Artikel, gab beruliigende Versicherungen und
sagte persönliche Verwendung beim Kaiser zu").
Am 10. und 11. September war Heideck wiederum
'*) Unter den zwölf Abgeordneten befanden sich die vier von
früher bekannten Bürger; das Kriegsvolk veitrat Oberst Ebeling
und Rittmeister von Wolf Mit Moritz erscbienen Graf Johann
Georg von Mansfeld, Heideck und Arnold, Mordeisen und Carlowitz.
'5) Verg. Pomarius 410.
") Sie wollten lieber unter einem evangelischen weltlichen
Fürsten, der sie beim Worte Gottes lasse, als unter dem Kapitel
stehen.
") Pomarius 40G.
298 S. Issleib:
in der Stadt' ^), und ara 16.'®) überbrachte Merckel die
Antwort der Magdeburger nach Moritzburg. La ganzen
damit einverstanden setzte nun Moritz einen neuen Ver-
handhnigstag auf Michaelis in Wittenberg an inid
übersandte eine Kopie der Magdeburger Erklärungen au
Schwendi mit dem dringenden Verlangen, beim Kaiser
sich für einen Vertrag zu verwenden', damit man nicht
wegen Geldnumgels gezwungen werde, mit Schimpf und
Schande von der Belagerung abzustehen*'"). Von Leipzig
aus wandte er sich selbst an Karl V. (am 22. September**'),
und gab an, was von den Magdeburgern zu erlangen und
nicht zu erlangen sei. Im Anschlüsse an einen Brief der
Ächter und an eine Beschwerdeschrift über etliche Ar-
tickeP'^) erwies der Kurfürst in ausführliclier Breite,
dass Milde am Platze und wegen vieler Übelstände im
Lager die Beendigung des Krieges geradezu nothwendig
sei. Voraussichtlich würde sich das Kriegsvolk vor er-
folgter Bezahlung gar nicht trennen lassen, vielmehr in
lästiger Weise Zahlung suchen*^). Er selbst könne nichts
") Loc. 9151, IV, in. 308 fls,^ Nicht am 19. September, wie
Merckel, Besseimcier uikI Pomarius 41.5 anceben, sondern
am 12. September verhandelte Mtirküraf Albrecht mit dem ge-
fangenen Herzog Georg von Mecklenburg im oft'enen Felde (in Gegen-
wart Merckels) über die Wiederalitretung der Orte Waiizleben, Droi-
leben und Wolmirstedt an das Domkapitel. Die Sache zerschlug
sich, weil das Kapitel bloss 8000 ü. „Ergötzunc" geben M'ollte.
Yergl. Loc. 9152, V, Bl. 1 flg.; Druffel I, Xo. 67-4, A. 5.
'») Nicht am 19. September, wie Besselmeier angiebt, s.
Loc. 9l5'i, Magdeburg. Handlung etc. 1551, 1!1. 120 flg.
«") Loc. 9151, IV, Bl. Hie. flg. (Moritzburg am 17. September),
Loc. 9152, Y, Bl. 17; Druffel 1, No. 755/6 u. 7ßl. Schwendi war
empört über den Stolz und Trotz der Magdeburger und höclist un-
gehalten über die Nacbsiiht, welclie man gegen sie übe; der
Umschwung in Schwendi's Stimmung, den Druffel I, No. 755, A. 1.
betont, erklärt sich aus einer überaus scharfen Antwort des Kur-
fürsten : entweder sollte Scliwendi Geld oder eine gnädige und er-
trägliche kaiserliche Resolution verschaflcn etc.
•') Loc. 9152, V, Bl. 188, 915.% Magdcb. Handlung etc. Bl. 2.3,
33; Druffel I, No. 754 u. 689.
«*) Loc. 915.3, Magdeb. Handlung etc. Bl. 122 flg. Im Scli reibe u
an den Kaiser (vom 20. August, Bl. 143) bekannten die Magde-
burger, dass iluien die kaiserliche UuLMiade leid sei, und l)aten, die
Ungnade fallen zu lassen und die Kapitulation in etlichen hoch-
beschwerlichen und uriertüllbaren Artikeln zu mildern. Die Be-
schwerdeschrift behaiulelte Fussfall und Abbitte, Schleifung der
Festung, Strafsumme, Geschütz und kontiszierte Güter.
") Moritz entschuldigte schon hier seine späteren Anordnungen
und Massnahmen.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 299
melir vorstrecken, und die Stiftsstände klagten, dass
niemand Geld leihen wolle ^^). Überdies könne der Reiclis-
vorrath zu nothwendigeren und nützlicheren Dingen ver-
wendet werden als zur Eroberung Magdeburgs. Die
Punkte der ma<;deburo;ischen Beschwerdeschrift eingehend
erörternd, bat er wiederholt um kaiserliche Grossmuth.
Seine Käthe erhielten Weisung, vor allem bei Granvella
„für Magdeburg zu sollicitiren"*^).
In die Zwischenzeit von Absendung des kurfürstlichen
Schreibens bis zur Ankunft der kaiserlichen Erwiderung
fielen die auf IMichaelis anberaumten ^A'ittenberger
Verhandlungen und die allbekannten Bundesberath-
ungen zu Lochau. Mit Absicht sollten die örtlich ge-
trennten Verhandlungen zeitlich zusammenfallen.
In Wittenberg auf dem Schlosse ^°j wurde über
die kaiserlichen Artikel, da man Resolution von Augs-
burg erwartete, nur beiläufig verhandelt, tagelang dagegen
über Religion und Privilegien, über das Kriegsvolk, über
Huldigung und die dem Kurfürsten zu bewilligenden
„Nutzungen". Huldigung wollten die Magdeburger dem
Kurfürsten für immer, nicht für bestimmte Zeit leisten,
er sollte ihr Landesherr sein und sie voin Erzbischofe
und Domkapitel befreien**'). Heeresfolge wollten sie
nicht leisten, doch in Kriegszeiten sich zum Schutze der
Stadt verwenden lassen. Ihr Kriegs volle sollte laut
kurfürstlicher Vertröstung frei und unbehelligt abziehen
dürfen. Hinsichtlich der „Nutzungen und jährlichen Er-
götzung" näherte man sich nur ganz allmählich. Gegen
Freiheit von allen andern Steuern und Abgaben wollten
") Über Geldnoth und deren Folgen Loc. 9152, V, Bl. 136 flg.
Moritz liess die Musterung mit Absicht „stillstehen".
»*) Loc. (tl5.'i, Magdeb. Handlung etc. Bl. 169.
•«) Loc. 9152, Y, Bl. 40; 915.3, Magdeb. Handlung etc. Bl. 276 flg.
und Magdeburg. Händel, so merentheüs bei Dr. Mordeisen etc.
1550—57", Bl. 127. — Die Magdeburger hatten am 23. nicht am 29.
September, ■wie Pomarius 415 angiebt, die Stadt verlassen. Das
Domkapitel ersuchte am 16. September (Loc. 9152, V, Bl. 1) Moritz,
in Wittenberg der ihnen vom Kaiser zugesagten völligen Kesti-
tution zu gedenken. Der Kurfüist entgegnete hart, es sei ihm
nicht zuwider, wenn das Domkapitel beim Kaiser die Vertröstung in
Erinnerung bringe, sie sollten ihn mit bedrohlicben Schreiben ver-
schonen, denn er habe ohne YorMÜssen des Kaisers noch nichts ge-
handelt etc.
") Dies konnte allerdings nur mit Zustimmung des Kaisers
und der Stiftsstände erfolgen.
300 S- Isslcil):
die stildtisclicn Abg'cordncten nur eine „Elbnutzniessung"
und eine Jahresrente von lOCO fl. zugestehen. Die kur-
fürstlichen Räthe verlangten 6000 fl. jährlich, sowie
„Steuer- und Zollcrhöhung für fremde Getränke, einhei-
niisehe Bicrf und für alle Waaren, welche auf der Elbe
verschifft und in der Stadt vertrieben" würden. Am 3.
Oktober boten die Magdel)urger gegen Steuer- und Zollfrei-
heit ein Jahroeld von 3000 fl.; aber auf Befeld des
Kurfürsten wurde zunächst „kein Abschied gemacht""*).
InLochau*^) wurden die Bundesfürsten anfangs Ok-
tober infolge ihrer früheren Abmachungen ziemlich rasch
einig über Heeresstärke, Geschütz und Geld; über Defen-
sive oder OflTensive des Bundes aber gingen die Meinungen
auseinander. Der anwesende fianzösische Gesandte Jean
de Fresse (Fraxineus), Bischof von Bayonue, wollte sich
nur auf ein OfFensivbündnis einlassen, Markgraf Hans
dagegen bestand auf ein Defensivbündnis. Erst nach
erregten Debatten, besonders zwischen Hans und Moritz,
wurde am 3. Oktober ein OfFensivbündnis beschlossen.
An der Abendtafel aber fiel wiederum Wort gegen Wort,
bis das erhitzte Gespräch die Fürsten entzweite. Gereizt
erhob sich Markgraf Hans vom Sitze, begab sich in seine
Gemächer und ritt frühmorgens am 4. Oktober bei Fackel-
schein mit den Vollmachten des Herzogs von Preussen,
Heinrichs von Mecklenburg und Franz von Lüneburg
„wie die Katze von der Böne" davon""'). Der Fürsten-
bund war gesprengt. Die Zurückgebliebenen aber Hessen
„das Werk nicht sitzen" und betrauten den Markgrafen
Albrecht, welcher jetzt dem Bunde in freierer Stellung
als „unverpflichtet" beitrat — bisher hatte Markgraf
"') In Angsliurg wurde viel von einem nbrrcst'hIos?enen Ver-
trage geredet, auch diejenigen waren fast froli darühev, welche Irülier
alle Magdeburger tot haben wollten. Loc. 10 695, Dr. Fr. Kram-
mens Zeitungsbuch, und 10189, M. Franz Kramniens Schreiben etc.
15)1 131. HO; Druffel I, No. 772.
") Joli. Voigt, Fürstenbund 140; von Langenn I, 48.3;
Druffel I, No. 77.3/4.
'") Loc. 7277, Markgrafen Johannsen hendel etc. Bl. 16;
Druffel I, No. 782. Jedenfalls wollte Markgraf Hans in Rücksicht
einer englischen Sendung nicht allzusehr an Frankreich ge-
kettet sein. Am 17. Juli war sein Sekretär Hans Fuess nach Eng-
land aufgebrochen und am 7. September in London angekommen,
hatte sich an Johann a Lasco gewendet und war durch dessen Ver-
mittelung an den Hof gelangt. Über die Verhandlungen siehe Loc.
9145, Hessische entledigung I, Bl. 690 flg.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 301
Hans seine Theilnalime verhindert — , mit einer Bundes-
sendung nach Frankreich^').
Was Magdeburg betrifft, so versprach Moritz, einen
Vertrag zu schHessen, wonach ihm die Stadt billig Dank
sagen sollte. Den Verbündeten sollte sie im Falle der
Bedrängnis als Zufluchtsort offen stehen. Von den etwaigen
Bundeseroberungen wurden die Stadt und die Stifter
Magdeburg- Halberstadt ausgeschlossen und dem Kur-
fürsten von Sachsen zur Wiedererlangung seines geliehenen
Geldes nebst Interessen vorbehalten.
Bald darauf lief — es war am 10. Oktober — die
kaiserliche Antwort ein''^). Karl V. hatte sich schweren
Herzens entschlossen, die Kapitulationsartikel zu mildern.
Er hatte die Geldstrafe von 200000 fl. auf 50000 fl. er-
mässigt und dem Reichs vorrathe zugewiesen, statt 24
Mauerbrecher sollten 12 Feldgeschütze geliefert werden.
Beim Fuss falle aber sollten die Magdeburger offen be-
kennen, dass sie durch ihre ßebellion in kaiserliche Un-
gnade gefallen seien. Betreffs Schleifung der Festung
verwies der Kaiser auf seine frühere Erklärung. Über
Besatzung und spätere Öffnung der Stadt bestimmte er:
Kurfürst Moritz sollte zunächst als Reichsfeldherr mit
beträchtlichem Kriegsvolke in die Stadt einrücken und
sie, so lange als rathsam und nothwendig sei, innebehalten.
Nach dieser Zeit***) sollten die Magdeburger hinsichtlich
der Öffnung der Thore wie alle Unterthanen des Reiches
verpflichtet sein. Gänzliche Aufhebung der Konfiskationen
bewilligte der Kaiser nicht, weil schon „Brief und Siegel"
an Personen gegeben, waren*''). Aber nach Ergebung
der Stadt wollte er Moritz zum Kommissare ernennen,
um wegen der Konfiskationen mit den Betreffenden zu
verhandeln. Amnestie wurde allen Bürgern und ordent-
lichen Dienern, nicht aber zugleich den „Verwandten und
Anhängern insgemein" gewährt. Das Krieg svolk sollte
ohne Vorbehalt aus der Stadt geschafft werden und nach
•') Nach Mitte Oktober reiste er über Hessen nach Frankreich.
Loc. 9152, V, Bl. 120 flg. (Briefe vom 13. u. 15. Oktober); Druffel I,
No. 795 u. 797.
") Schieibeii vom 1. Oktober, Loc. 9153, Magdeburg. Hand-
hing etc. 1551, Bl. 386 und Magdeb. Händel etc. Bl. 75, 86, 106-,
Druffel 1, No. 764.
") Kaiser und Reichsstände sollten je nach der Haltung Magde-
burgs darüber bestimmen.
"*) Ein Verzeichnis der konfiszierten Güter etc. war beigelegt.
Yergl. Merckel und Pomarius.
302 S- Issleib:
seinem Abzüge in den „Gcwalirsain" gebührende Strafe
empfangen. Es sollte nur dünn Verzeiliung erhalten,
wenn die kaiserlichen Mandate — die Abforderuiig aus
der Stadt betreticnd^^) — vom Rathe vorenthalten wor-
den seien. Dann aber sollte die Mannschaft sclnyören,
in Ewigkeit nicht wieder gegen Kaiser, Reich und Oster-
reich-Biirgund zu dienen. Betont wurde die Befreiung
des Hi-rzogs Georg von j\lecklenl)urg ohne Lösegehl.
Moritz sollte nach erfolgter Einnahme der Stadt das
Kriegsvolk bezahlen und zertrennen, Empörungen und
Vcrgardcrungen verhindern und verhüten, dass gegen die
Kneclite ein Reichsstand den andern gebrauche^**). Zu-
letzt sprach der Kaiser die Hoffnung aus, der Kurfürst
werde sich von ihm nicht abwenden lassen. Schwendi
erhielt Befehl"'), über einige Punkte mit Moritz persön-
lich zu reden, die Abdankung und Zertrennung des
Kriegsvolkes durchzusetzen und darüber zu wachen, dass
es weder Frankreich noch einem Reichsfürsten zugeführt
werde"*). r3en Kurfürsten sollte er dahin beeinflussen,
dass er sich „ehrenhaft halte", nicht zu sehr den eigenen
Vortheil suche und nicht darauf ausgehe, Magdeburg in
seine Gewalt zu brini>en. Die Stadt sollte sich Kaiser
und Reich und nicht dem Kurfürsten ergeben"®). Heideck
sollte erst dann ausgesöhnt werden, wenn hinreichender
Grund dazu vorhanden sei; nur dem Kurfürsten zu Ge-
fallen sei bisher durch die Finger gesehen worden.
»5) Am 6. Februar erschien ein kaiserlicher Heroki mit den
kaiserlichen Mandaten vor Magdeburg. Wie Merck el uudPoma-
rins 288 überliefern, so gestattete der Magistrat keine Unterredung
mit dem Kriegsvolke.
»») Herzog Heinrich von Braunschweig bat am 12. Oktober,
seine Sache mit üraunsclnveig in guter Acht zu haben, wenn es
/um Abzüge des Kriegsvolkes komme. Moritz rieth, sich nicht zu
besorgen, er und das Kriegsvolk seien noch unbezahlt „Wo er
aber Geld sein wolle und der Leute bedürfe, so wolle er sie alle
auf Wolfrnbnttel zuführen oder weisen; denn es sei zu befürchten,
wo den Sachen kein ander Mass getroffen, das Kriegsvolk werde auf-
fahren wie der Teufel".
»') Druffel I, No. 766. Über die Randnotiz von Seld's Hand
(Anni. 1) findet man Aufschluss in den Unterredungen zwischen
üranvellii. und Carlowitz, am 2b. Oktober 1550, Loc. '.)]5l, II, 151. 265.
"j Über die französischen Praktiken sollte Schwendi mit Carlo-
witz reden. Besondere Anweisungen hatte er noch über die land-
gräfliche Sache erhalten.
"»j Kram berichtete am 6. Oktober von seltsamen Reden, die
in Augsburg gefallen waren. Siehe Anm. 88.
Magdeburgs Belagerung durcli Moritz von Sachsen 1550 — 51. 303
Magdeburgs Ergebung sollte auf alle Fälle, selbst vermöge
hoher Vertröstungen beschleunigt werden. — Schwendi
eilte sofort^""), kaiserlichem Befehle zu folge, zum Kurfürsten;
aber beider Unterredung entzieht sich jeder Kunde. Den
Magdeburgern übersandte Moritz einen Auszug der kaiser-
lichen Resohition^"^), worauf sie nur noch Ausstellungen
an den Punkten über Schleifung der Festung, Konfis-
kationen und über das Kriegsvolk hatten.
Wir nähern uns nunmehr dem Ende der Magde-
burger Belagerung. Am 2. November brach Kurfürst
Moritz in Wittenberg auf, um die Stadt einzunehmen'"''^).
Die letzten Verhandlungen, welche Heideck in Gang
brachte, erreichten im Blockhause bei den Steinkuhlen
ihren Abschluss^"^).
Es wurde vereinbart^"'*): Kurfürst Moritz sollte die
Stadt auf Grund der gemilderten kaiserlichen Kapitulation
„auf- und annehmen" — der Ausdruck „Ergebung" wurde
verniieden^*'^). Alle Bürger sollten dem Kaiser, dem
Reiche und (kaiserlicher Bewilligung gemäss) dem Kur-
fürsten von Sachsen huldigen. Gegen Erhaltung der
wahren Religion, der Privilegien und der Festung wollten
sie durch Gesandte vor dem Kaiser einen Fussfall thun,
ihre Rebellion bekennen, um Verzeihung und Absolution
von der Acht demüthig bitten, allen antikaiserlichen Bünd-
nissen entsagen, dem Kammergerichte und den Reichsab-
schieden gehorchen, die Gerechtigkeiten und Ansprüche
des Erzbischofs, Kapitels etc. nach kammergerichtlicher
"">) Am 11. Oktober war er in Köthen; Loc. 9152, V, Bl. 110.
"") Loc. 9151, II, Bl. 434, Magdeburgisclie Erbieten auf kaiser-
liche Resolution, Loc. 9158, Magdeb. Handlung 1551, Bl. 401.
'"^j Moritz lud seinen Bruder ein, in das Lager zu kommen.
„Ich reite itzuud nach Magdeburg" — schrieb er am 2. November
eigenhändig — „die Stadt einzunehmen, wie aber mit Reitern und
Knechten der Zahlung halben gehandelt werden wird, das giebt die
Zeit. Ich denke aber, wir werden ausfahren wie der Teufel, der lässt
allemal ein Geschrei hinter sich. Thüringische Hühner essen wir
auch gern, es steht aber auf fernerem Bedenken. E. L. verstehe
mich wohl" etc. Loc. 8502, Churf. Moritzens Schreiben an Augustum
a. 1547—1551, Bl. 28.
'"*) Schwendi wohnte den Verhandlungen zum Theil bei.
*"*) Merckel hat die Kapitulationsartikel nacli den früheren
und letzten Verhandlungen und nach den Bedenken der Reichs-
stände in Augsburg vom 2. November 1551 zusammengestellt.
">*) Loc. 9152, V, Bl. 266, „das Wort Ergebung ist letzlich
ausgelassen" ; Moritz bewilligte, dass sich die Stadt „nicht ergebe",
sondern mit ihm „vertrage".
304 S. Issleib:
Entsclieidung anerkennen, eine Besatzung aufnelinien^*^")
und in Zukunl't dem Kaiser die Stadt wie die andern
Untertliancn des Reiches öffnen, 50 ÜUÜ fl. zahlen, 12 Ge-
schütze liefern und in Sachen der Konfiskationen und
Schädigungen dem Kurfürsten von Sachsen als kaiserlichem
Kommissare Verhandlung gestatten.
Im „geheimen Vertrage"'"') erklärte und versicherte
Kurfürst JMoritz: die Magdeburger sollten bei der wahren
christlichen Religion ohne allen menschlichen Zusatz, bei
ihrem Bekenntnisse und bei ihren Ceremonien bleiben und
wider den Antichristen, den Papst zu Rom, mit seinen
Kardinälen etc., auch wider das jetzige und künftige
päpstliche Konzil geschützt werden; sie sollten Festung,
Privilegien etc. und ihr sächsisches Recht behalten. Die
besetzten Güter des Erzbischofs, des Domkapitels etc.
wollte der Kurfürst an sich nehmen und den Stadtrath
von allen Ansprüchen und Forderungen wegen dieser
Güter und deren Einnahmen, sowie wegen aller Abnutz-
ungen, Expensen, Kosten und Schäden für inmier erledigen,
auch gegen jedermann veigangener Dinge und des jetzigen
Kriegs halben in und ausserhalb Rechtens vertreten. Er
wollte verfugen, dass Aveder Dompfaffen noch Mönchen,
noch der Klerisei gestattet werde, in der Stadt zu wohnen
und daselbst ihre Al)götterei, Messen und Gesänge zu
treiben. Rath und Bürger, Verwandte, Diener und Pfarr-
kirchen sollten wieder in den Besitz aller konfiszierten,
Güter etc. innerhalb und ausserhalb der Stadt gelangen,
und alle Retardaten sollten eingefordert werden. In Zu-
kunft sollte Magdeburg (eignem Wunsche gemäss) dem
Kurfürsten zugethan und nach gebührlichem Fussfalle,
Abtragung der Strafgelder und Lieferung der Geschütze
in keinem andern Punkte dem Kaiser weiter verbunden
sein, sondern ilir Augenmerk allein auf den Kurfürsten
von Sachsen als ihrem Erbherrn richten'"*^.
'*') Diese wollte Moritz unterhalten. Loc. 9153, Christof Ar-
nolds vertraulicher Bericht, El. 2.
'«') Loc. yi63, Magdeb. Handlung etc. 1550—52, iil. 287, aus-
gestellt am 31. Dezember 1551.
'"«) Am 12. Juli 15G2 befreite Ferdinand I. Magdeburg von der
Acht, erliess Fussfall und Schleifung der Festung sowie 10000 ü.
Strafüfelder und verwies die Stadt in Betretf der Geschütze an den
Kurfürsten von Brandenburg; Loc. Ulii2, VI, vergl. Merckel,
Kapitulationsartikel und Kopei der Absolution. 1552 begannen die
Tripartitsverhandlungen und 1580 endlich wurde ^tagdeburg wieder
dem Lrzbischofe zugewiesen.
Magdeburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550 — 51. 305
Dem Kr iegs Volke'"*) bewilligte Moritz freien und
sicheren Abzug in den „Gewahrsani" und gestand zu,
alle Knechte als Kriegsleute ansehen zu wollen. Wie
berichtet wird, lehnten sie eine Aussöhnung mit dem
Kaiser unter der Bedingung, zeitlebens nicht gegen ihn
zu dienen, ab. Den Grafen von Mansfeld und Schwarz-
burg sowie Kaspar Pflug wurde freier Abzug aus der
Stadt gewährt.
Nachdem am 6. November alle Dinge abgehandelt
waren^^"), Hess der Stadtratli in der Frühe des folgenden
Tages das Kriegsvolk auf den Neumarkt fordern, durch
Hans von Heideck das kurfürstliche Geleit verlesen und
die Mannschaft durch Ebeling Alemann im ßinge
abdanken. Herzog Georg und alle Gefangenen wurden
ohne Lösegeld der Haft entlassen und um zehn Uhr mit
klingendem Spiele und sechzehnfachem Trompetenge-
schmetter in der Neustadt empfangen"^). Am 8. No-
vember fand die Bezahlung der Knechte statt. Als sich
dieselbe in die Länge zog, Hess der Kurfürst „umschlagen
und ausrufen", alle Kriegsleute sollten von Stund an ge-
rüstet aus der Stadt ziehen. Der Nichtbezahlung wegen
verweigerten viele den Gehorsam. Sofort Hess Moritz
mit Ablauf des Friedstandes drohen, und nun war die
Mannschaft binnen einer Stunde versammelt und marsch-
fertig. Um vier Uhr nachmittags zogen gegen 2000
Knechte und 130 Reiter „gute, kecke und versuchte Leute'^
mit Wehr und Waffen, aber ohne Spiel und Klang, die
Fähnlein zusammengewickelt und von Reitergeschwadern
überwacht, nach Schönebeck davon^^^), wo sie dann andern
Tages völlig bezahlt und zum Theil von Herzog Georg
von Mecklenburg angeworben wurden.
Sobald das magdeburgische Kriegsvolk die Stadt
verlassen hatte, zogen fünf kurfürstliche Fähnlein unter
Wolf Tiefstetter, Georg Wachtmeister, Hans v. Diskau etc.
•<"•) Log. 9152, V, Bl. 211, 279; Loc. 9153, Magdeb. Hand-
lung etc. 1551, Bl. 410 üg.
"*) Besselmeier, Merckel, Pomarius 416. Der summa-
rische Bericht im Loc. 9152, Y, Bl. 302 stimmt vom 30. August an
mit Merckel wörtlich überein.
'") Die in Grossottersleben verlorene Keiterfabne wurde
nebst einem Landsknechtfähulein zurückgegeben Liliencron IV,
No. 588, 31.
"*) Merckel: „dadurch viel Wirthe und Bürger unbezahlt
geblieben".
Neues Archiv f. S. G. u. A. V. 4. 20
306 S- Issleib:
ein; ein sechstes Fälmlein bcwaclitc die Zollsclianze^-").
Am 9. Novcinher rückten dann die übrigen zwanzig"
Fähnlein und alle lieitLrgescli'wader in Schlachtordnung
an die Stadt heran. Die zehn Fähnlein niederländischer
Knechte und fast alle Reiter blieben am Graben vor dem
Ulrichthore, die oberländischen Knechte dagegen mar-
schierten in die Stadt und besetzten die Gassen bis an
den Markt. Diesen selbst, auf welchem sich die Bürger
versammelten, umstellten die tags zuvor eingerückten fünf
Fähnlein.
Gegen ein Uhr mitta^^s erschien Moritz vor der Stadt
und hielt, nachdem ihm die drei Käthe den Stadtschlüssel
überbracht hatten^ ^*), mit glänzendem Gefolge und zwei
Reitergeschwadern seinen Einzug^ ^*). Vortrefflich Hessen
sich die Trompeter hören, allenthalben schössen die Haken-
schützen ab, die Kanonen donnerten von den ^\'ällen, und
alle Glocken läuteten. Vor dem Rathhause hielt der Zug.
Darauf huldigte die ganze Stadtgemeinde dem Kaiser,
dem Reiche und dem Kurfürsten von Sachsen^ ^^). Nach
der Huldigung erzeigte sich der Kurfürst ganz gnädig,
reichte entblössten Hauptes jeder Rathsperson vom Pferde
herab die Hand, liess Frieden umblasen und kehrte im
Hause des Hieronymus Denart ein. Kurze Zeit darauf
verliessen die oberläudischen Knechte wieder die Stadt
und zogen mit der Mannschaft vor dem Ulrichsthore in
ihre Lager zurück; die fünf andern Fähnlein blieben als
Besatzung in Magdeburg ^^').
'") Der Graf von Schwarzburg und Kaspar Pflug machten sich
in der Nacht davon; Albredit von Mansfeld blieb noch einige Tage
in der Stadt, weil sein Weib, dui'ch einen Schuss in den Schenkel
getrofl'en, darniederlag.
"*) So Loc. 9152, V, Bl. 224, 242, 246, 282 etc.; Loc. 9153,
Magdcb. Handlung etc. Bl. 41ß (Bericht an den Kaiser vom
12. November). Es wird auch überliefert, dass der Stadtschlüssel
erst auf dem Markte überreicht worden sei, z. B. Loc. 9152, V,
Bl. 30t. Besselmeier (1552) und Merckel erwähnen diesen Akt
gar nicht.
"*) Herzog Augustus, Herzog Georg von Mecklenburg, Schwendi,
Grafen und Herren ritten an der Seite des Kurfürsten.
"*) Auf Grund des kaiserl. Briefes vom 25. Juni (ob. S. 294/5)
liess Moritz schwören, dass die Magdeburger ihn für ihren rechten
Herrn jederzeit erkennen und halten wollten, bis der Kaiser und er
die Stndt an andere Herrschaften weisen würden. — Die Huldigungs-
form findet sich Loc. 9)52, V, Bl. 300 und Loc. 9153, Magdcb.
Handlung etc. Bl. 427. Merckels Aufzeichnung ist wortgetreu.
'") Loc. 9152, V, Bl. 282 flg.
Magileburgs Belagerung durch Moritz von Sachsen 1550—51. 307
An demselben Tage wurde noch auf dem Rathhause
der Revers überreicht, in welchem Bürgermeister, Raths-
raannen und Innungsmeister gelobten, die gemilderte
kaiserliche Kapitulation in allen Artikeln halten und der
Huldigung gemäss leben zu wollen^ ^ ^). Sie erkannten
auch geheimer Versclireibung gemäss den Kurfürsten
als ihren Erbherrn an und ersuchten ihn, sie der Kapitu-
lation halben zu vertreten und mit dem Kaiser auszu-
söhnen^^®). Der „geheime Vertrag" wurde damals noch nicht
unterschrieben und besiegelt, da der Kurfürst Bedenken
trug, ihn in jenen Tagen schon aus der Hand zu geben^^^').
Aber er versprach, „die erste Gelegenheit nicht versäumen,
ihn in eigener Person vollziehen und seine Zusagen fürst-
lich und christlich halten zu wollen; man solle kein Miss-
trauen setzen" ^^^).
An den beiden folgenden Tagen Hess der Kurfürst
Geschütz und Munition inventieren^^^) und berichtete an
den Kaiser über die Einnahme und Huldig-uno; der Stadt.
Mit der dringenden Bitte um Zusendung von Geld erbot
er sich, wegen der unruhigen Zeiten das „auserlesene und
nun aneinandergewölmte" Kriegsvolk zusammenzuhalten,
damit es niemand an sich ziehen könne. Er wollte die
Knechte noch einige Wochen vertrösten und sie veran-
lassen, das erschöpfte Erzstift zu verlassen und an an-
dern Orten die rückständige Zahlung zu erwarten. Am
13. November^ ^^) versprach er dem Kriegsvolke sichere
Zahlung bis zum 17. Januar 1552 unter der Bedingung:
bezahle er und nicht das Reich, dann sollten ihm alle
zur Erlangung seines ausgelegten Geldes behilflich sein.
Hans von Diskau und Georg Wachtmeister wurden be-
"*) Revers vom 9. November unter Urkunden etc. No. 11 444
und im Loc. 9152, V, Bl. 295.
"») Loc. 9152, V, Bl. 297. Vergl. 9153, Christof Arnolds ver-
traulicher Bericht etc. Bl. 1, 7.
•2") „Weil der Personen im Rathe und in der Stadt viele seien,
derhalben zu besorgen, es möchte ihm, wo der Nebenvertrag offenbar
werde, in vielen Wegen zu Unehren gerathen".
'*') Am 31. Dezember 1551 wurde die „geheime Yersicherung"
ausgefertigt.
'*^) Dieser Aufgabe unterzogen sich der Hofmarschall Heinrich
von Schönberg, der Oberstzeugmeister Hans von Diskau und zwei
Stadträthe. Man fand vor: 102 Geschütze auf Rädern, 74 Mörser
(Montier), 6 Seipentinen, 505 Doppelhaken, 32 '/a Ctr. Pulver etc.
Loc. 9152, V, 281.
'") Loc. 9152, VI, Bl. 1 flg. Loc. 9153, Magdeburg. Hand-
lung etc. Bl. 470.
20*
308 S. Issleib: Magdeburgs Belagerung etc.
auftragt, das Kriegsvolk aus dem Stifte zu führen, Müld-
hausen und Eri'urt ein/Aincliinen und bis zur Entrichtung
des Soldes besetzt zu halten. Gegen Abend desselben
Tages ^'^^) wurden auch alle Pfarrer und Prediger in
Sturms Behausung vor die kurfiirstliclien Käthe Fachs,
Carlowitz, Mordeisen und Gersdorf beschieden und ernst-
lich ermahnt, sich in Zukunft anders als bisher zu ver-
halten. Trotzdem Magister Gallus im Namen seiner
Amtsgenossen eine fast unbescheidene FreimUthigkeit an
den Tag legte, so blieben doch alle Prädikautcn unan-
gefochten; Dr. Erasmus Alberus allein musste auf kur-
fürstlichen Wunsch die Stadt verlassen, denn „er habe es
zu grob gemacht, dass es billig kein Bauer leiden sollte".
Am 15. November ritt Moritz von Magdeburg nach
Wittenberg, und zwei Tage spater zog das Kriegsvolk
aus den Feldlagern davon^ '•*"). — Durch geschickte Täusch-
ung verbarg der Kurfürst dem Kaiser und dem in Magde-
burg weilenden Kommissare Schwendi sein und seiner
Verbündeten feindliches Vorhaben noch monatelang. Erst
Mitte Januar 1552 wurde auf dem Jagdschlosse Cham-
bord bei Blois Heinrichs II. von Frankreich Vertrag mit
den deutschen Fürsten abgeschlossen^^"), und zehn Tage
später verliess Lazarus von Schwendi Magdeburg mit der
zuversichtlichen Hoffnung, „es sollten noch alle Sachen
zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten in gute Richtig-
keit gerathen'""'^').
'»') Loc. 9152, V, 222, 306 etc. Merckel, Pomarius 422.
'^^) Am 20. November rückte das Fähnlein von der Zollschanze
noch in die Stadt.
'") Job. Voigt, Fürstenbund 154; Ranke V, IGi.
'") Bl. 11152, YI, Bl. 307, Brief an Moritz, datiert Mansfeld am
26. Januar 1552.
IX.
Die Stadt Bautzen
im Banne des Bischofs von Meissen 1431.
Von
Hermann Knothe.
Aus nachstellender, bisher nicht gekannter Urkunde ^)
Kaiser Siegmunds vom 1. September 1431 geht hervor,
dass sich damals und zwar schon seit längerer Zeit die
Stadt Bautzen im Banne des Landesbischofs Johann IV.
von Meissen befand, eine Thatsache, deren sonst nirgends,
auch nicht in den Chroniken der Stadt Erwähnung ge-
schieht.
Sigmund von gots gnaden Römischer vnd zu Hungern, zu
Beheim etc. kiinig.
Erwirdiger fürst vnd über andechtiger. Als wir deiner andacht
von vnser Üben getr[uw]en burgermeister, ratmanne, j gemeyn, arm
vnd rieh, vnser stat Budissin wegen geschriben vnd dich gebeten
haben, daz du sy von sulcher zinse | wegen, so sy dir jerlich zu
geben päichtig sein, nit bekumern, sunder die sach also gütlich auf
ettliche zeit ansteen lassen | sottest, biß sich die leuffe, die yzund
layder sein, ein kleins gestillet betten, wann si doch erkenten, daz
sy deiner andacht sulch zinße schuldig wern vnd die ouch gerne
zalen wolten, wann es got schikte, daz sy zu besserm staten [sie]
quemen, also haben vns nu die obgenanten burgermeister vnd
rat[m]anne zu Budussin geschriben, wie du sy über sulch vnser
schreiben, so wir dir dann dorumb getan haben, habst pa[nn]en
') Hauptst.-Arch. Loc. 4409 „Achts-Sachen ao 1518—1582"
Blatt la. Originalschreiben auf Papier, durch Zusammenbrechen
vielfach beschädigt; ein Stück völlig abgerissen, so dass auf den
letzten vier Zeilen jedesmal die ersten 6—7 Silben fehlen; das
Ganze endlich auf anderes Papier aufgezogen.
310 Hermann Knothe :
lassen vnd in alle sacrament der kirchen verboten vnd nidergelegt
vnd sy also von aniechten der heiligen kirchen so gröblich gesun-
dert, daz sy die toten verschiden leicbnam nit begraben türren vnd
ouch dio leut, die yzund (U) vast gemeynlicli mit krankheit vnd
onraacht ires leibs von verhengnuß des alrnechtigen gots sein ge-
vallen, doran groß sawmnnß vnd schaden erapfahen. Das vns doch
zumol von dir niisfellet vnd oucli nit dein beweget, nachdem vnd
wir merken, daz das in disen sweren leiiffen der cristeiibeit znmol
schedlich sein mochte, wo man das in zeiten nit vuterqueme. Nacli-
dem vnd dor (sie) laider täglichs swerlich zu schaffen gewinnet,
dorumb so begern wir noch von deiner andacht mit sunderlichem
ticiße, (Uiz dn wellest ansehen sulch schaden vnd verderbniß, die
sy durch cristensglauben willen den ketzern zu widersteen empfan-
gen haben, neuilich daz sy sich mit bawen vnd soldner zu halten
so sere geblost habn, daz si sulch schuld, als sy denn gerne teten,
nit aufrichten kiinnon, als sy gern teten, sunder daz dieselb dein
andacht sy auß sulcliem panne, dorein du sy getan hast, gancz vnd
gar lassest vnd mit yn ein mitleidung vnd gedult habest vnd sulch
sache also auf ettlich zeit aufslahen wellest, biß sich die leuffe
ver[endern vndj .... werden vnd zu besserm stat komen mögen,
wann wir uns alsdann gerne dorein legen vnd . . . ., domit dein
andacht ein ausrichtung und ein gut benügen von yn haben sulle.
Hirinn welle sich [deine andacht willig] vinden lassen, als des ein
notdurft ist vnd Avir dir des wol getrawen. Doran tut vns dein
andacht .... vnd wolgevallen, die wir gen dir in gut nit vergessen
wellen. Geben zu Nuremberg am .... Gilgen tag vnßer riebe
des Ilungrischen etc. im XLV, des Römischen im XXI vnd des
Behmi .... [jjaren.
Ad mandatum domini regis
Caspar Sligk.
Als Grund, weshalb der Bischof die Stadtgemeindc
Bautzen ,i^-ebannt habe, giebt das kaiserliche Schreiben
zwar ausdrücklich an, dass es geschehen sei „von solcher
Zinse wegen, so sie demselben jährlich zu geben pflich-
tig" sei; was dies aber für Zinsu gewesen, bedarf immer-
hin einer Untersuchung. Der sogenannte „Bischofszins",
jener Geldzins, welcher von jedem Altare in der Diöcese
an den Bischof zu entrichten war, kann darunter nicht
verstanden werden, denn dieser wurde nicht von der
Bürgerschaft der Städte, sondern von den Pfarrern und
Altaristen, und nicht an die städtische Behörde, den Rath,
sondern an die geistliche, in Bautzen an den Dompropst,
abgeführt. Ebensowenig war es der sogenannte „Bischofs-
zchnt", jener Getreidezins, welcher ursprünglich von jeder
Hufe bebauten Landes an den Bischof gegeben werden
musste; denn dieser war, wenigstens in der Oberlausitz,
wegen der Schwierigkeit, ihn einzusammeln und zu Gelde
zu machen, längst schon von dem Bisthum Meissen
theils an einzelne geistliche Stifter verschenkt oder
Die Stadt Bautzen im Banne des Bischofs von Meissen 1431. 311
verkauft, tlieils an einzelne Rittergutsbesitzer zu Lehn
ausgethan worden^). Wohl aber könnte man versucht
sein, an jene Reichssteuer zu denken, welche der Reichs-
tag zu Frankfurt am Main (den 3. Dezember 1427)
zur Ausrüstung eines neuen Reichsheeres gegen die Hus-
siten für ganz Deutschland angeordnet hatte. Diesem
Reichstagsschlusse zufolge sollten nämlich alle Personen
geistlichen wie weltlichen Standes, männlichen wie weib-
lichen Geschlechts, welche das fünfzehnte Lebensjahr über-
schritten hätten, je nach ihrem Range und Vermögen eine
Steuer erlegen, zu deren Hauptkollektoren in jedem Lande
die betreffenden Bischöfe eingesetzt waren*). Auch in
der Oberlausitz war (1428) diese Steuer von dem Bischöfe
von Meissen ausgeschrieben worden. Von der Stadt
Görlitz wissen wir, dass sie sich anfangs weigerte, die-
selbe bei der damaligen Hussitennoth zu entrichten, dass
ihr der Bischof deshalb zuerst mit dem Banne drohte
und ihn darauf auch wirklich über sie verhängte*), und
==) Vgl. V. Webers Arch. f. d. sächs. Gesch. VI, 161 flg.
') Palacky, Geschichte von Böhmen III, 2, 456. In dem Cod.
dipl. Sax. reg. II, .3, 12 flg. befindet sich ein Bruchstück von dem
„Einnahmeregister über die infolge eines Steuerausschreibens des
Bischof Johann eingegangenen Gelder" aus dem Jahre 14:28. Es
sind wesentlich Geistliche, aber auch einzelne Gutsbesitzer, Dorf-
bewohner, Städter, sowie ganze Ortschaften, deren Steuerbeträge auf-
geführt werden. Aus der Oberlausitz werden keine erwähnt.
*) Görlitzer Rathsrechnungen, Manuskript des Rathsarchivs zu
Görlitz, Heft 1427—28. (1428 Woche vor dem 11. Aprü): Unsers
hern des bisschoffs böte von Miessin, der syner gnaden brive
brochte von des geldis wegen, das man einfurdert, zu vertrin-
ken III gr. — Mathis Geiseler [Rathsherr] kein Nurenberg zu
czerunge zu den knrfurstin umb hulffe wedir die ketczer, zu irzeln
deser stad anefechtunge von ketczern, [und] von des geldis wegen,
das der cardinal [Johann, Bischof von Olmütz] und kurfurstn zu
Frankinfurd am Mayen gesaczt haben, das der bisschoff zu Meissen
von uns furderte kein ßudissin zu gebin. Hans Ulrichsdorff
[Rathsherr] zu unserm hern dem bischofife uff den Stolpen von des
gehles wegen mit dem erzpriester, das der cardinal und kurfursten
gesaczt haben, und das her kein Budissin furderte zu geben by
dem banne, zu underichten, das wirs also us der stad nicht
geben weidin. — (Woche vor dem 25. April): Eynem boten zu
unserm hern dem bisscholfe kein dem Stolpen, als her meine hern
[den Rath zu Görlitz] und unse land manete by dem banne,
das geld noch anslage der kurfurstin zu geben, das das XIIII tage
ofgehaben ist. — (Woche vor dem 9. Mai): Gutschin kein dem Stol-
pen zu unserm hern dem bisschoffe von der pristerschaft, den mannen
und von der stad wegen, den ban ufzusloen und abezuthun, von
des geldes wegen, das man kein Budissin legen sulde. — (Woche vor
dem 30. Mai): Einem boten kein dem Stolpen, als man von dicz
b
312 Hermann Knotlie:
dass sich der Rath endlich doch genöthigt sah, den auf
die Stadt entfallenden Steuerbetrag von 142 Schock
Grosehen nach Stolpeu an den Biscliof zu schicken^).
Wie sich in dieser Angelegenheit die Stadt Bautzen ver-
halten habe, erfahren wir nicht. Der über sie von dem
Bischof ausgesprochene Bann, von welchem unsere Urkunde
handelt, kann aber nicht durch die etwaige Verweiger-
ung oder saumselige Ablieferung jener (einmaligen) Reichs-
steuer veranlasst worden sein, da diese unmöglich als
,.jährlich dem Bischof zu gebende Zinse'' bezeichnet
werden konnte. Vielmehr lagen für die Stadt Bautzen
ganz bestimmte Verhältnisse vor, welche sie in der That
zur Entrichtung eines regelmässigen Jahreszinses an den
Bischof, beziehentlich an das Domkapitel zu Meissen ver-
pflichteten.
Jede der freien, d. h. unmittelbar unter dem Landes-
herrn stehenden Städte der Oberlausitz zahlte als ur-
sprünglich einzige Steuer an denselben eine sich gleich-
bleibende abgerundete Summe, welche man im dreizehn-
ten und anfangs des vierzehnten Jahrhunderts ordinaria
pensio, die „reclite Rente" oder die „Guide" nannte.
Diese runden Summen, auf deren pünktliches Eingehen
man rechnen konnte, eigneten sich nun ganz vorzüglich
dazu, den Gläubigem des Landesherrn pfandweis abge-
treten, d. h. bis zur Auszahlung der betreiFenden Sclmld-
summe, als Zinsbetrag für diese, überwiesen zu werden").
Nun hatte Kaiser Karl IV. von Heinrich von Kittlitz,
Herrn auf Baruth bei Bautzen und auf Muskau, dessen
niederlausitzische Herrschaft Lieberose um 1300 Schock
Prager Münze erkauft und demselben (14. Mai 1371),
anstatt diese Summe baar zu zahlen, die üblichen zehn-
prozentigen Zinsen, nämlich „130 Schock jährlicher Guide
auf seinen [des Kaisers] Zinsen, Zöllen und Gefällen zu
Bautzen, beides in der Stadt und auf dem Lande", pfand-
weise und erblich verschrieben''). Diese Verschreibung
lanrlis wegen und meinen hevn zu Gorlicz von der stad wegen ein
antwort geben sulde, ab wir im das houjitgeld kein dem Stolpen
geben und antworten weiden ad er nicht, VI gr. — (Um
Neujahr): Eyrem, der die a bsolucio brochte von Budissin, IUI gr.
*) Oberlausitzer Provinzialblätter, Stück V, 140.
*) Beispiele: Knothe, Rechtsgeschichte der Oberlausitz 102,
Anmerk.
') Grundmann, Gollectanea II, 132 flg. (Manuskript im
Hauptst.-Arch.)
Die Stadt Bautzen im Banne des Bischofs von Meissen 1431. 313
hatte (22. Mai 1371) der erst zehnjährige, aber bereits zum
König von Böhmen gekrönte Sohn des Kaisers, König Wen-
zel; auch seinerseits bestätigt, und auch der E,ath zu Bautzen
hatte (24. Januar 1371 oder wohl vielmehr 1372) dem Hein-
rich von Kittlitz^) und zugleich dessen „Eidam" Thimo von
Kolditz gelobt, jene 130 Schock jährlichen Zinses, die
„auf ihre Stadt verwiesen*^' worden seien, so lange zu
zahlen, bis die 1300 Schock Kaufgeld für Lieberose von
dem Kaiser oder dessen Nachfolgern auf dem böhmischen
Throne würden erlegt worden sein^). Letzteres war nicht
geschehen, und so war denn jene Kente von 130 Schock
nach Heinrichs von Kittlitz Tode auf dessen Söhne ver-
erbt, von denen der älteste, Johann, von 1393 — 1398
Bischof von IMeissen war und nach seiner freiwilligen
Resignation bis zu seinem Tode (Februar 1408) in Bautzen
lebte. Jedenfalls nicht ohne sein spezielles Betreiben ge-
schah es nun, dass sein Bruder Otto von Kittlitz die
jetzt in dessen Pfandbesitz befindliche Rente von 130 Schock
auf der Stadt Bautzen dem neuen Bischof von Meissen,
Thimo von Kolditz, dem Neffen der Brüder von Kitt-
litz, und zwar nicht bloss dem Bischöfe,, sondern auch
„seinen Nachkommen, Bischöfen zu Meissen, und den
ehrsamen Propst, Dechant, Kapitel und Gestift der Kirche
zu Meissen" überwies. König Wenzel genehmigte (,11. Mai
1400) diese Übertragung '"\ und Bürgermeister und Rath
von Bautzen gelobten {15. November 1401) ihrerseits,
diesen „Zins", wie der König befohlen, nun jährlich zu
Michaelis „ohne alle Widerrede" an den Bischof zu zah-
len^ '). Die Brüder von Kittlitz und ebenso ihr Neffe,
Bischof Thimo, bezweckten mit diesem Geldgeschäft eine
möglichst sichere Kapitalanlage für das Bisthum; die
wohlgeordneten Finanzen der Stadt Bautzen waren allen
hinlänglich bekannt, und zu pünktlicher Zahlung ver-
*) Vergl. über ihn und seine Familie Knothe, Geschichte des
Oberlausitzer Adels 295 tlg.
') Oberlausitzer Urkunden -Verzeichnis I, 89, No. 440.
'») Grundraann, Collect. 11, 1.32 flg. — Das Oberlaus. Urk.-
Verz. I, 15.S, No. 759 setzt diese Urkunde auf Freitag vor Laetare
(14. Mai) 1401, kennt aber deren Wortlaut nicht, Pelzel, Wen-
zel II. 401 dagegen ebenfalls auf den 11. Mai 1400. — Irrig giebt
das Urk.-Verz. I, 155, No. 774an: „Thimo Bischof zu Meissen weiset
die IHO Schock jährlichen Zins auf der Stadt Budissin an Johann
von Kittlitz. Stolpen, Mittwoch nach St. Francisci 1402". Es ist
dies jedenfalls eine Umkehrung der Thatsachen. Die betreffende
Urkunde ist auch nicht mehr ihrem W^ortlaut nach bekannt.
") Cod. dipL Sax. reg. II, 2, 296.
314 Hermann Kuothe;
])fliclitetc die Stadt noch folgende Klausel in ihrem Gelob-
briefe : „Und soll die Bezahlung nicht irren keinerlei
Kummer, Ansprache, Verbot, geistliches oder weltliches
Gericht oder keine andere Irrung, wie man die mit sonder-
lichen Worten mag benennen"; sollte der Rath aber sich
säumig erweisen, so dürfe der Bischof, beziehentlich das Ka-
pitel vierzehn Tage nach Michaelis „die unbezahlte Summe
aufnehmen bei Christen oder Juden auf der Stadt Scha-
den" und deren bewegliches wie unbewegliches Gut „be-
kümmern oder angreifen und anfahen ohne Widerrede".
So war denn seit 1401 die Stadt Bautzen in der That,
wie es in dem oben abgedruckten kaiserlichen Schreiben
(1431) heisst, „dem Bischof Zinse jährlich zu geben
pf licht ig", und sie wird dieselben auch sicher gezahlt
liabtn (^Stadtrechnungen sind nicht mehr vorhanden), bis
die Drangsale der Hussitenkriege es ihr, auf Zeit, völlig
unmöglich machten.
Seit dem Jahre 1423 war zunächst das südlich ge-
legene Zittau den Einfällen der hu ssi tischen Horden
fortwälu-end ausgesetzt. Die übrigen Sechsstädte hatten
der gefährdeten Bundesstadt ansehnliche Kontingente theils
an Bürgern, theils an geworbenen Söldnern zu Hülfe
geschickt, welche nun darin eine starke, ständige Gar-
nison bildeten. Ausserdem mussten von den Oberlau-
sitzern bald hier bald da Beobachtungskorps aufgestellt,
befreundeten böhmischen Herren Unterstützung gesendet,
später dem mit Kursachsen eingegangenen Bündnis Folge
geleistet werden. Von dem starken oberlausitzisclu-n
Hülfsheere (die Stadt Görlitz allein hatte nur an Rei-
tern 250 Mann gestellt) kehrten aus der Schlacht bei
Aussig (I42G) nur wenige zurück. Im Jahre 1427 hatten
die Ilussiten zwar die wohl befestigten und von starker
Besatzung vertheidigten Städte Zittau und Görlitz nicht
einzunehmen vermocht, aber die offenen Landstädtchen
Hirschfelde und Ostritz, sowie das Kloster Marienthal
ausgebrannt und dai'auf auch Lauban eingeäschert und
dessen Einwohnerschaft abgemordet. 1428 waren neue
Raubzüge der Hussiten zwar durch die für die Oberlau-
sitzer siegreichen Gefechte bei Kratzau und Machendorf
zurückgewiesen worden; aber 1429 belagerte ein grosses
Heer der Ketzer die Landeshauptstadt Bautzen selbst,
schoss dieselbe mittels feuriger Pfeile in Brand und rüstete
eben zum Sturm, so dass ihr endlicher Abzug mit Geld
erkauft werden musste.
Die Stadt Bautzen im Banne des Bischofs von Meissen 1431. 315
Mitten in solcher Kriegsnoth hatte nun der ßath zu
Bautzen seinen Jahreszins von 120 Schock an den Bischof
von Meissen nicht mehr entrichten können. Er hatte
seine Verpflichtung dazu auch jetzt anerkannt, nur für
den Augenblick um Bewilhgung eines Aufschubes gebeten
und sich in seiner Bedrängnis endlich sogar an den Kai-
ser gewendet; dass derselbe jene Bitte bei dem Bischöfe
unterstützen möge. Dieser hatte auch in der That ihm
„ein Schreiben darob gethan". Allein anstatt den er-
betenen Aufschub zu gewähren, bis die Stadt, „wenn es
Gott schickte, dass sie in einen besseren Status käme",
hatte der Bischof sie „bannen lassen", die Spendung der
Sakramente, ja sogar die kirchliclie Beerdigung der Toten
verboten. Der ßath hatte darauf dem Kaiser diese
neue Noth geklagt, und so richtete denn dieser den
1. September 1431 von dem Reichstage zu Nürnberg aus
an den Bischof das oben abgedruckte Schreiben, in wel-
chem er sein entschiedenes Missfallen über dessen Vorgehen
ausspricht, die Säumnis des Rathes mit der Nothwendig-
keit, nzu bauen [die eingeäscherte Stadt] und Söldner zu
halten", völlig gerechtfertigt erklärt und von dem Bischof
»begehrt"", den Bann aufzuheben und sich mit der Zahlung
des Zinses zu gedulden.
Der damalige Bischof von Meissen war Johann
Hofmann (1427—1451), derselbe, welcher 1408, als die
hussitischen Unruhen zuerst an der Universität Prag be-
gannen, Rektor derselben gewesen, und als König Wenzel
die Forderung der Czüchen bestätigte, dass künftig in
allen Universitätsangelegenheiten die böhmische „Nation"
für sich allein eben soviel Stimmen haben solhi, als die
übrigen drei Nationen zusammen, mit der Melirzahl der
Studenten und Dozenten (1409) von Prag av eggezogen
und darauf der erste Rektor an der neuerrichteten Uni-
versität Leipzig geworden war^^). Wohl waren bei den
wiederholten Raubzügen der Hussiten in das meissnische
Land auch die bischöflich meissnischen Güter arg ver-
wüstet worden; wohl mochte das Ausbleiben des Michaelis-
zinses aus Bautzen die Finanzverlegenheiten des Dom-
stiftes erhöhen; aber hart crsclieint das Verfahren des
Bischofs, mitten in der Kriegsnoth das Geld von der
so schwer heimgesuchten Stadt mittels des Bannes ein-
12) Yergl. Machatschek, Geschichte der Bischöfe des Hoch-
stifts Meissen (1884) 386 flg.
316 Hermann Knothe:
zutreiben, denn doch und zwar umsoniehr, da der Bischof
selbst (1429) vor den Hussiten aus seiner Diözese nach
Hildesheim floh'^j. Auf diese Abwesenheit des Bischofs
bezieht sich nun wohl auch der Ausdruck in dem kaiser-
lichen Schreiben, dass derselbe die Stadt habe „bannen
lassen". Wir dürfen also annehmen, dass der (nicht
mehr vorhandene) Bannbrief nicht vor dem Jahre 1429
werde ausgegangen sein.
Wie lange nun die Stadt Bautzen sich noch im Banne
befunden habe, und unter welchen Verhältnissen derselbe
wieder aufgehoben worden sei, haben wir nicht ermitteln
können. Dass der Rath alsbald werde die rückständigen
Zinsen wieder haben zahlen können, glauben wir nicht.
Im Jalire 1430 hatte Bernstadt vor einem feindlichen
Heere kapitulieren müssen, und Reichenbach war nur
durch eiligst herbeigeführte Oberlausitzer Truppen gerettet
worden. Im Februar 1431 aber belagerten die Hus-
siten abermals Bautzen selbst, welches sich diesmal
tapfer vertheidigte. Dafür bemächtigten sich die Feinde
(27. Februar) der Stadt Löbau und machten diese unter
Zurücklassung einer starken Besatzung zu dem festen
Platze, von welchem aus sie fortwährend Raubzüge in
das umliegende Land unternehmen konnten. Da musste
denn jetzt ein oberlausitzisclies Heer die Stadt Löbau bela-
gern, welches endlich (12. August) die Hussiten zum Abzug
nöthigte. Aber noch mehrere Jaiire hindurch mussten
gerade die beiden Städte Bautzen und Görlitz nun auf
ihre Kosten und durch ihre Bürger und Söldner Löbau
besetzt halten, weil die sehwache, ohnehin von den Feinden
ausgesogene Bürgerschaft einem neuen Angrift' nicht würde
gewachsen gewesen sein").
Nach den Hussitenkriegen aber hat Bautzen seinen
Jahreszins an den Bischof wieder regelmässig abgeführt.
Der Bischof Johann VI. von Salhausen berichtet'*), wie
das Domstift Mcisscn früher „auf der Stadt Budissin auch
100 Schock Zinse (danach wäre die Summe also herab-
gemindert worden) wiederkaufsAveise stehen gehabt", die
aber bisher nur „nach schwarzer (d. h. unterwerthiger)
Münze" bezahlt worden seien, und wie er die Stadt „dahin
gebracht habe, die Hauptsumme abzulösen". Dies
dürfte im Jahre 1493 geschehen sein; wenigstens besagt
'») Ebendas. .391.
'*) Cod. dipl. Saxoii. reg. II, 7, XXXVI flg.
") Gercken, Stolpen 665.
Die Stallt Bautzen im Banne des Bischofs von Meissen 1431. 317
das Regest einer nicht melir vorhandenen Urkunde*^),
König Wladislaus von Böhmen habe unter dem 15. Januar
1493 „dem Rathe zu Budissin erlaubt, 130 Schock jcähr-
licher Zinse beim Stifte Meissen abzulösen". Seitdem
war also Bautzen seines Bischofszinses ledig.
Wir vermögen nicht zu entscheiden, ob und inwie-
weit mit diesem über Bautzen verhängten Banne die
Thatsache in Zusammenhang steht, dass gerade in dieser
dem Bischöfe von Meissen voraussichtlich damals nicht
günstig gesinnten Stadt im Jahre 1429 eine formelle
Klage gegen das bischöfliche Amt und zwar von einem
ausländischen Geistlichen anhängig gemacht wurde. Der
Offizial des Bischofs (welcher letztere also wohl selbst
nicht mehr in seiner Diözese anwesend war) hatte den
Pfarrer Stephan Heller zu Kirchhain in der Niederlausitz
exkommuniziert; dieser aber erklärte sich für völlig schuld-
los und Hess daher den 19. Mai 1429 „in dem Hause
des Baulzner Bürgers Nikolaus Cziseler" durch einen
Notar vor Zeugen eine Schrift aufsetzen, mittels deren
er von dem bischöflich meissnischen Offizial an den Er z-
bischof von Magdeburg appellierte. Und da der
Pfarrer Stephan, als Kläger, den Bischof oder dessen
Offizial „wenigstens am Orte seiner gewöhnlichen Residenz"
in Sicherheit nicht aufsuchen konnte, so wurde das Ori-
ginal dieser Appellationsschrift an den Kirchthüren von
St. Petri zu Bautzen angeschlagen, und nachdem es da-
selbst eine Zeit lang, nämlich „während des Absingens
der Vesper bis zum Completorium", gehangen, wieder
abgenommen und an dessen Stelle eine beglaubigte Ab-
schrift zurückgelassen. Das Original wurde darauf an
den Erzbischof gesendet, welcher die Appellation gegen
das bischöflich meissnische Amt annahm und endlich
(19. November 1429) den Bischof Johann IV. peremtoriscli
und unter Androhuno; interdicti ab inqressu ecclesiae ac
snspensione ex divinis in Person vor sein geistliches (ae-
richt zu Magdeburg zitierte"). Hierdurch ward von Seiten
des Erzbischofs der schon alte Anspruch aufs neue er-
hoben, dass das Bisthum Meissen ein Suffraganbis-
thum der Erzdiözese Magdeburg, nicht aber ein exemtes,
d. h. unmittelbar unter der päpstlichen Kurie stehendes
Bisthum sei. Der Streit ward von letzterer endlich zu
'«) Oberlausitzer Urkunden-Verzeichnis III, 18b.
"} Cod. dipl. Sax. reg. II, 3, 21 und 24.
318 Hermann Knothe:
Gunsten des Bischofs von Mcissen entscliicdcn und jetzt
(20. September 1431) der Erzbiscliof Günther von Magde-
burg behufs Publikation der betreffenden Entscheidung
nach Meissen vorgeladen und diese Zitation an den Kirchen
zu Eilenburg und üelitsch, welche Stildte zur Erzdiözese
Magdeburg gehörten, angeschlagen'*').
In ganz ähnlicher Weise wie Bautzen hatte übrigens
auch Görlitz eine jährliche Rente an das Domstift
Meissen zu entrichten. Kaiser Karl IV. hatte, wir wissen
nicht in welchem Jahre, seinem bereits oben (S. 312)
erwähnten Kauimermeister Thimo von Kolditz das
Schloss Hartenberg bei Hirschberg in Schlesien für
1200 Schock Prager Münze abgekauft und ihm anstatt
der Kaufsumme den jälndichen Zinsbetrag derselben;
nämlich 120 Schock, „in und auf seinen Zinsen zu Görlitz
in der Siadt" pfandweis und erblich verschrieben. Nach
des Kaisers Tode hatte dessen Sohn, König Wenzel (Juli
1379), diese Verpfändung dom Thimo von Kolditz aus-
drücklich bestätigt. Nun hatten später die Söhne des
letzteren, Thimo und Albrecht von Kolditz, diese
Rente dem Domkapitel zu Meissen, dessen Bischof
damals Thimo der Sohn war*^), ebenfalls pfandweis weiter
verkauft, was König Wenzel (14. September 1408) ge-
nehmigte'^ "j, worauf nun auch der Ratli zu Görlitz (18. Ok-
tober 1408) auf Befehl des Königs gelobte, jene Rente
halbjährig zu Walpurgis und St. Galli an das Domstif't
abzuführen^'). Und so Avurdc denn diese „des Bischofs
Rente" von der Stadt selbst mitten in den hussitischen
Kriegsnöthen den Rathsrechnungen zufolge noch 1427
und 1428 nach dem um der Reichssteuer willen verhängten
Banne, ebenso 1429, wenn auch nicht immer pünktlich
und vollständig; erlegt. Wahrscheinlich aber hatte die
Ritterschaft des Weichbilds jene Reichssteuer noch nicht
gezahlt und war deshalb im Banne verblieben. Jetzt
aber bedurfte die Stadt des tapfereu Armes des Adels
zur Vertheidigung gegen die nahenden Hussiten. Am
16. März 1431 erliess daher Bischof Johann IV. an alle
") Ebendas. 31.
'») Irrig wird N. Lausitz. Mag;,iz. LV (1879), 331 der Bischof
Thimo als Sohn „Volrads von Kolditz" bezeichnet.
*") Cod. dipl. Sax. reg. II, 2, 342. Oberlausitzer Urkunden-
Verzeichnis I, 166, No. 835.
*') Cod. dipl. Sax. reg. 11, 2, 344. Das Urk.-Verz. I, 168,
No. 848 setzt diesen Gelobbrief auf den 24. Februar 1409.
Die Stadt Bautzen im Banne des Bischofs von Meissen 1431. 319
Pfarrer des erzpriesterlichen Stuliles Görlitz ein Schreiben,
durch welches er alle von ihm selbst oder von seinem
Offizial gegen wen immer ergangene Interdiktsentenzen
(interdicti sententias) „suspendiert" und den davon Be-
troffenen gestattet, „in die Stadt Görlitz zu flüchten, um
niit christ-katholischem Eifer diesen Platz und die dasige
Bevölkerung gegen die Angriffe der abtrünnigen Hussiten
vertheidigen zu helfen"^^). Nun hatte die Stadt Görlitz
und einzelne ihrer Bürger, um die zur ununterbrochenen
Kriegsführung nothwendigen Gelder zu beschaffen, von
einzelnen geistlichen wie weltlichen Personen grössere oder
kleinere Suramen aufnehmen müssen, für welche die fälli-
gen Zinsen nicht immer pünktlich gezahlt werden konnten''^).
Kaiser Siegmund hatte daher (29. September 1431) der
Stadt ein Moratorium auf drei Jahre ertheilt^'^). Dennoch
waren an verschiedenen Orten des Auslandes einzelne
Bürger wegen der rückständigen Zinsen verklagt, ja in
Haft genommen worden. Da wendete sich der ßath an
Papst Eugen IV., und dieser beauftragte (4, Februar 1433)
den Kardinal Nikolaus, sich über diese Angelegenheit zu
informieren und, wo nöthig, der bedrängten Stadt durch
Androhung und Verhängung geistlicher Strafen wenigstens
einige Linderung, d. h. Gewährung eines Aufschubs für
die fälligen Zinszahlungen, zu verschaffen^*).
Um so auffälliger muss es erscheinen, dass eben zu
derselben Zeit (6. April 1433) Prokop „der Kommissar
des bischöflich meissnischen Hofes'' von Stolpen aus
dem „Prediger zu Görlitz^ den Befehl ertheilte, von dem
Rathe und der Stadtgemeinde peremtorisch binnen sechs
Tagen die Zahlung von 70 Schock Groschen rückstän-
digen Zinses an den Bischof zu verlangen, widrigenfalls
er die gesarate Stadt und alle Einwohner derselben
hiermit exkommuniziere und „den Ort Görlitz" mit
dem Interdikt belege, so dass keinerlei Sakramente
daselbst administriert, auch die Verstorbenen nicht kirch-
") Urk.-Yerz. II, 28 d.
*') Ein Schreiben von der Ritterschaft des Görlitzer Weich-
bildes und von dem Rathe der Stadt an den Kaiser (1431 im Monat
März) schildert in anschaulicher Weise die damalige Lage der
Stadt und des ganzen Landes; abgedruckt bei Xeumann, Geschichte
von Görlitz 173 flg.
-*) Abgedruckt N. Laus. Magaz. LVII (1881), 150, Anmerk.;
lebendige Schilderung der Kriegsnoth.
^') Urk.-Verz II, 33 f.
320 Hermann Knotlie : Die Stadt Bautzen etc.
lieh begraben Averclen dürften^"). Da sprach endlich
(14. Oktober 143o) „Johannes Plussk, Propst zu Leipzig",
also ein Geistliclier der Diöcese Merseburg, wir wissen
nicht auf wessen Befehl, „die Görlltzer von der Exkomnm-
nikationssentenz wieder los"^'), und den G. August 1431
bestätigte auch das Konzil zu Basel das der Stadt Görlitz
ertheilte kaiserliche Moratorium.
Nach Beendigung der traurigen Hussitenkriege kam
nun Görlitz nicht nur seinen sonstigen Verpflichtungen
wieder treulich nach, sondern zahlte auch dem ßisciiofe
zu Meissen wieder seine Rente von 120 Schock. Freilich
musste derselbe gelegentlich auch darum mahnen. So befahl
den 17. August 1445 der bischöfliche Vikar Friedrich den
Pfarrern (divinorum rectorihus) zu Görlitz, „von der Kanzel
aus" die liathsherren zu ermahnen^ die rückständigen bi-
schöflichen Zinsen zu erledigen^®), und den 30. Mai 1454„be-
gehrte" Bischof Kaspar an Rathund Stadt Görlitz, ihm seine
Rente in Gold und Groschen, nicht aber in (unterwerthigen
Görlitzer) Pfennigen auszurichten^**). Schon damals scheint
der Bischof eine Ablösung der Rente gewünscht zu haben;
wenigstens gestattete (12. April 1457) König Ladislaus
von Böhmen dem Rathe, ,,die königliche Rente von dem
Meissner Kapitel um 1200 Schock zurückzukaufen"^*').
Endlich (24. April 1458) verstand sich der Bischof dazu,
der Stadt von den 120 Schock „königlicher Jahrrente"
20 Schock nachzulassen*'), und um wenigstens den steten
Differenzen wegen ufitcrwerthiger Münze abzuhelfen, „ver-
trug sich (1. März 1493) Bischof Johann von Salhausen
mit dem Rathe wegen der königlichen Jahrrente der
120 Sciiock, die nachlier alle Jahre mit 100 Schock be-
zahlt worden, auf jährlich 135 ungarische Gulden an
gutem Golde"''-^). Allein 1564 (10. Mai) musste Johann IX.
von Haugwitz, der letzte meissnische Bischof, abermals
mahnen, dass ihm die zuständige Jahrrente anstatt in
Münze in ungarischen Gtdden erlegt werden solle'').
Wie lange Görlitz diese Rente noch fortgezahlt habe,
wissen wir nicht.
*») Ebendas. II, .S4b. Nach Machatscli ek, (Geschiclite der
Bischöfe von Meissen 402) hätte nicht l'roknp, sondern der bischöf-
liche Generalvikar Gastnieister dies Interdikt verhängt.
*') Ebendas. II, ö5 a. Der Wortlaut der Urkunde ist nicht bekannt.
»«) Urk.-Verz. 11,59 f. ^*) Ebendas. II, 71 g. »*») Ebendas. II, 80e.
*') Ebendas. II, 83 d. ") Ebendas 111. 20c. Vergl. Gercken,
Stolpen 665. ") Urk.-Verz. UI, 201 f.
X.
Die Briefe Valentin Einers.
Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte,
Von
H. Ermisch.
Über die Anfänge der Reformation in der Stadt
Freiberg sind bis jetzt nur wenige vereinzelte Nachrichten
bekannt geworden^); und doch ist es von besonderem
Interesse, diese Anfänge zu verfolgen, weil die neue Lelire
hier unter ganz eigenartigen Verhältnissen sich verbrei-
tete und die elementare Macht der reformatorischen Ideen
ganz besonders deutlich zur Erscheinung gelangte. Über
die interessanteste hierher gehörige Episode, die Flucht
der Herzogin Ursula von Münsterberg aus dem Jung-
frauenkloster zu Freiberg (1528), haben wir bereits früher
einen längeren Aufsatz veröffentlicht^). Bei dieser Ge-
legenheit wiesen wir schon auf einige Schriftstücke hin,
die wir nachstehend mittheilen ^); dass dieselben den Ab-
druck in hohem Grade verdienen, wird wohl niemand
in Abrede stellen, der von ihrem Inhalt Kenntnis ge-
nommen hat.
') Vergl. ausser den bekannten Werken von Möller, "Wilisch,
Benseier namentlich Ulbricht, Geschichte der Reformation in
Freiberg (Leipzig 18.37) und Seidemann, Dr. Jacob Schenk (Leip-
zig 1875), S. 1 flg. 88 ög.
=*) Diese Zeitschrift III, 290 flg.
*) Ebenda III, 296, vergl. 313. Einen dieser Briefe erwähnt be-
reits Weller, Altes aus allen Theilen der Geschichte I (1762), 175;
auch Georg Müller, Mag. Stephan Roth, in den Beiträgen zur
Sächsischen Kirchengeschichte I (1882), 55 und 60.
Neues Archiv 1". S. G. u. A. V. 4. 21
322 II- Ermisch:
Die sechs Schreiben stammen aus einer neuerdings
mehrfach benutzten, aber bei weitem noch nicht er-
schöpften Quelle zur Reformationsgeschichte, aus dem in
der liathsschulbibliothek zu Zwickau befindlichen reich-
lialtigen Briefwechsel des Mag. Stephan Roth. Roth,
der vorher in Zwickau und Joaehimstiial Schuhektor
gewesen war, widmete sich während der Jahre 1523 bis
1527 in Wittenberg dem persönlichen Verkehr mit Luther,
dem Studium und der litterarisclien Thätigkeit; 1528 wurde
er Stadtschreiber und später Rathsherr in seiner Vater-
stadt Zwickau^). Zu den zahlreichen lutherischen Ge-
sinnungsgenossen, mit welchen Roth korrespondierte, ge-
hörte auch der Freiberger Maler Valentin Einer.
Leider wissen wir über ihn ausser dem, was in seinen
Briefen steht, so gut wie nichts weiter, als dass er am
3. Juli 1509 das Bürgerrecht in Freiberg erhielt^); er
wohnte daselbst vor dem Kreutzthor"). Nach dem Jahre
1527 kommt er meines Wissens niclit mehr vor. Über
seine künstlerische Thätigkeit ist durchaus nichts bekannt;
dass er mit Lucas Cranach befreundet war, kann man
aus der Nachschrift zu No. 3 sehliessen. Sein Siegel, das
besonders gut an dem Briefe No. 2 erhalten ist, zeigt im
Schilde das Zeichen 1— Li und darüber die Anfangsbuch-
staben seines Namens i V E. Der Roth'sche Briefwechsel
enthält, so viel ich weiss, sieben Briefe dieses Mannes,
von denen wir jedoch nur sechs mittheilen, da der siebente
vom 28. Oktober 1527 ') von geringerem Interesse ist*).
Leider schrieb der Freiberger Maler eine wahrhaft ent-
setzliche Handschrift, die selbst einem geübten Auge viele
*) Näheres über ihn bei Georg Müller a. a. ü. 43 flg.
*) Freiberuer llatlisarchiv, j\latrit;iila civiiim, fol 49b: Meister
Valentinun Eidner moler S" pust viaitacionis Marie. Vergl. Wer-
iiicl<e Zur (Jesthiciite der Maleriiiuuiig in Freibei'g, in den Mitth.
des Freib. Alterthumsvereins XVII, 2.S.
•) Walten Einer moler czu Freybergk vorn Creutzthor lautet
die Unterschi iit eines Uriei'es vom 28. Oktober 1527.
') Ik'zeicliiiet mit E 6S.
') Während jene ü liriefe an lloth nach Wittenberg gesandt
wurden, sucht ihn die Aufschrift des 7. Briefes schon in Zwickau
(itzunder czu Zcwidcaw); er hielt sicli dort also auch schon vor
Alltritt seiner Stelle als Stadtschreiber (15. l"'ebruar 1528) auf. — Den
nicht uninteressanten Schluss des letzterwähnten Briefes theilen wir
hier mit, ohne indessen eine Erklärune: zu versuchen: Auch ßo
haben dy von Czwiykau uns eyn predigcr uff den thum czitge-
schickt. Ret er euch yedoclit, so loer her uns nit luorden. Man
solde yn mit plaulzoi vom jiredickstul wcrffen, er kan den, vuxchs-
schtvantz wul streichen.
Die Briefe Valentin Einers. 323
Eäthsel zu lösen giebt und hier und da geradezu als
unleserlich bezeichnet werden muss. Aber durch den
Inhalt der Schreiben wird man für die Mühe der Ent-
zifferung reichlich belohnt. Wir lernen aus ihnen einen
jener mannhaften Vertreter der neuen Lehre kennen, die
den Angriffen um ihrer Überzeugung willen kühn die
Stirn boten; mit offenem Blick und gesundem Urtheil —
das er gelegentlich in die Form der Ironie kleidet
(so ist der Anfang von No. 6 zu verstehen) — verfolgt
er die litterarischen Erscheinungen der Zeit, ja er giebt
selbst zu solchen die Anregung.
Zur Erläuterung der Schreiben werfen wir zunächst
einen flüchtigen Blick auf die Verhältnisse, die sie be-
rühren,
Herzog Heinrich, der bekanntlich in Freiberg re-
sidierte, war von vorn herein der Reformation durchaus
nicht abgeneigt. Wir wissen, dass er die gegen Luther
gerichtete Bulle Exsurge Domiue vom 15. Juni 1520 lebhaft
missbilligte "), dass er schon früh einen lutherisch gesinnten
Hofprediger auf dem Schlosse hatte (No. 4 S- 332 oben),
bereits Ende 1524 eine deutsche Messe dort lesen Hess
(No. 3), ja sogar schon Hand an die Einkünfte des Dom-
kapitels zu legen wagte (No. 3). Allein die drückenden
Verhältnisse, unter denen Heinrich lebte, waren mächtiger
als er; die Einkünfte seines kleinen Ländchens reichten
nicht entfernt für den Unterhalt seines Hauses und Hofes
aus, er bedurfte dringend der Zuschüsse von seinem Bruder
Georg, und dieser war einer der aufrichtigsten und energisch-
sten Vertreter der alten Lehre. So befand sich Heinrich in
einer misslichen Doppelstellung: persönlich der Refor-
mation geneigt, musste er mit Rücksicht auf seinen Bruder
ihr entgegentreten. Einer beurtheilt dies Verhältnis in
mehreren seiner Briefe (No. 1, 3, 4) ganz richtig; wieder-
holt spricht er die Hoffnung aus, dass der Herzog noch
ganz auf Seite der lutherisch Gesinnten treten werde, was
ja später auch geschehen ist. Dem Einflüsse Georgs ist
es zuzuschreiben, dass die nächste Umgebung des Her-
zogs aus eifrigen Gegnern der Lehre Luthers bestand'").
Vor allem war der Hofmeister Rudolf von Bünau ihr
sehr feindselig gesinnt ''); ihm vor allem, „unserm
*) Sei de mann a. a. 0.2.
'") Ulbricht a. a. 0. 16.
") Sehr deutlich geht dies aus den Akten über die 1529 vor-
genommene Visitation des im Gebiete des Kurfürsten belegenen
21*
324 H. Ermisch:
Tyrannen", gieLt Einer die Schuld, dass der Herzog nicht
wage, sich offen 7Air lutherischen Lehre zu bekennen (No. 1).
Ebenso standen die Kanzler des Herzogs, Dr. Wolf Stehlin
(bis 1525) und sein Nachfolger Georg von Rothschütz
(1525 — 1533) '*), entschieden auf dem Boden der alten
Lehre. Einer von beiden war sogar, wenn wir eine
Wenduno; in dem unter No. 6 raitüetheiltcn Briefe richtio;
verstehen, litterarisch für dieselbe thätig; er veröffentlichte
1525 ein Büchlein von der Beichte, das mit Enisers Vor-
wissen gedruckt und von Herzog Georg empfohlen Avurde.
Dieses vermuthlich gegen Luthers Schrift von der Beichte
(von welcher 1525 ein neuer Abdruck erschien) gerichtete
Schriftchen nachzuweisen, ist mir nicht gelungen.
Weit entschiedener als Heinrich bekannte sich seine
Gemahlin Katharina zur neuen Lehre, obwohl sie anfangs
zu ihren Gegnerinnen gehört hatte '^). Sie stand mit den
Evangelischgesinnten in Freiberg, namentlich auch mit
unserem Einer (No. 1), in vielfacher persönlicher Beziehung.
Aber offen mit ihrem Bekenntnis hervorzutreten, durfte
auch sie nicht wagen: als Stephan Roth sie durch Einer
bitten Hess, ihr seine Übersetzung der Luther'schen Aus-
legung des fünften Psalms widmen zu dürfen, lehnte sie
dies ab, weil sie besorgt war, „sie möchte einen ungnädigen
Herren erlangen und an Herzog Georg dergleichen" ;
sie will überhaupt nicht, „dass ein Mensch wissen solle,
dass sie auf die Lehre getreten sei" (No. 1). Die Über-
setzung, die 1525 erschien, war dann dem Zwickauer
Bürgermeister Hermann Mülpfort gewidmet^').
Trotz dieser mannigfachen Hindernisse hatte sich
schon früh eine schnell anwachsende lutherische Gemeine
— Einer bezeichnet sie wiederholt als die „christlichen
Brüder" — in Freiberg gesammelt. Als ihren Prediger
nenntElner in einem Schreiben vom 9. Oktober 1524 (No. 2)
den Franziskaner Lorenz Sörer (Soranus), der sich zur
lutherischen Lehre bekannte, ohne doch eigentlich aus
Städtchens Brandis bei Grimma, dessen Erbherr Rudolf von Bünau
war, hervor. Vergl. Grossmaini, lUe Visitations-Akten der Diözese
Grimma (Leipzig 187.3) 169 flg.
") Vergl. über sie Seidemann a. a. 0. 92 und die dort ange-
gebene Literatur.
'*) Vergl. den Brief Johann Friedrichs an sie von 1525 Juli 8
bei Seidemann, Dr. Jacob Schenk 121, und dazu unten No. 5: alßo
fyndt sy ir gnade ist der ewangelischen lere getvessen, alßo grosse
lost had ir gnade itzonder dortzn.
") Der vollständige Titel bei Georg Müller a. a. 0. 60.
Die Briefe Valentin Einers. 325
dem Kloster auszutreten*^). Eine Predigt von ihm über
die Lutlier'sche Auslegung des 22. (nicht des 21.) Psalms
gab Einer Anlass, Stephan Roth um eine Übersetzung
desselben zu bitten. Roth erfüllte seine Bitte und wid-
mete seine Arbeit dem Einer, der sich ohne Bedenken
bereit erklärte, die Widmung anzunehmen: „ich will es
wohl vertreten gegen meinen gnädigen Herrn, ob ich
darum angesprochen würde" (No. 2) '®).
Wie stark sicli die lutherische Partei trotz der Ver-
folgungen, denen ihre Anhänger ausgesetzt waren — Einer
selbst schwebte wiederholt in Lebensgefahr: „ich liab
sollen zwier verbrannt und einmal enthaupt worden sein"
(No. 3) — , bereits Ende 1524 fühlte, geht daraus hervor,
dass es damals zu heftigen Angriffen gegen die Anhänger
der alten Lehre kam. Dieselben richteten sich nament-
lich gegen das Kapitel; insbesondere kam es wiederholt
zu Exzessen gegen den Domherrn Sebastian Küchenmeister,
welcher in der — dem Kollegiatstift inkorporierten —
Peterskirche, zweifellos in einem der neuen Richtung sehr
feindlichen Sinne, predigte. Sie hatten zur Folge, dass
der neugewählte Dechaut Balthasar von Ragewitz ") sich
an den bei Herzog Georg sehr einflussreichen Meissner
Domherrn und Propst zu Bautzen, Dr. Nikolaus von Heinitz,
wandte; dieser trug seine hauptsächlich gegen Lorenz
Sörer gerichteten Klagen dem Bischof Johann VH. vor,
der sie dann wieder an Herzog Greorg gelangen Hess.
Man erzählte sich, dass die Dompfaffen ihrer Bitte um
Schutz durch ein Geschenk von 300 Gulden an den Herzog
und den Hofmeister von Bünau besonderen Nachdruck
gegeben hätten. Herzog Georg, welcher kurz vorher das
überaus scharfe Mandat Karls V. gegen Luther und seine
Lehre (vom 15. Juli 1524) veröffentlicht hatte *^), wurde
durch diese Vorgänge in grossen Zorn versetzt, der sich
'*) Über andere lutherisch gesinnte Freiberger Mönche, die
Brüder Dominicus und Stephan Bayer und Johann Behme, vergl.
Seidemann a. a. 0. 2 üg.
") Auch diese Übersetzung erschien 1525, vergl. G-.Mü 11 er a.a.O.
") Vergl. Möller I, 204. Einer nennt ihn in seinem Briefe
irrthümlich Gertwitz. Ein Joh. Gertewitz war nach Möller I, 208
in den Jahren 1508 — 1520 Domherr zu Freiberg.
") Crudele mandatum Ccsaris vidgavit dux Georgius, sed
nondum multa eft'ecit quarnqucmi dito aut fres sunt occisi, scilicet
{•psis provocantihus. Aus einem Briete Luthers von 1524 September 1
bei Kolde, Analecta 56. Das Mandat bei Förstern ann, Neues
TTrkundeubuch I, 204 flg., vergl. Köstlin, Martin Luther (2. Aufl.) I
(1883), 636.
326 H. p]rmisdi:
besonders gegen Lorenz Sörer richtete. Nachdem ein
Versuoli, den kühnen Mönch gefangen zu nelinien und
nach Stolpen zu bringen, misslungen war, begab sich der
Herzog am 7. Dezember ^ ®) selbst nach Freiberg. Dass
Herzog Heinrich gerade nicht anwesend war, war vielleicht
kein blosser Zufall. Georg entbot den Loi-enz Sörer vor
sich, und es kam zwischen ihnen zu einer überaus hef-
tigen Szene, die für die Charakteristik beider Männer
von hohem Interesse ist; den leidenschaftlichen Drohungen
des Herzogs setzte der Mönch hartnackigen Widerstand
entgegen. Auch der Freiberger Bürgermeister Hans
Hausmann, ein Bruder des bekannten lutherischen Pfarrers
Nicolaus Hausmann in Zwickau, musste des Herzogs Un-
willen empfinden. An vierzig Personen wurden des Landes
verwiesen und in Gewahrsam gesetzt.
Alles dies berichtet Einer in dem inhaltreichen Schrei-
ben vom 11. Dezember 1524 (No. 4). Eine andere Quelle
über diese Vorgtänge ist der an dieselbe Adresse gerichtete
Brief des Freibergers Sigmund Treutweyn, eines Seifen-
sieders^"), aus dem wir das Wesentlichste ebenfalls mit-
theilen; er ist besonders deshalb beachtenswerth, weil er
zeigt, wie die Herzogin Katharina sofort ihre schützende
Hand über den gefährdeten Prediger ausbreitete.
Georgs Strenge sclieint denn auch ihren Zweck voll-
ständig verfehlt zu haben. Einer meldet in demselben
Briefe: „Die Evangelien werden sehr angenommen sein
vmter den Laien" und berichtet wenige Wochen später
triumphierend, Herzog Heinrich habe ihren Prediger —
also jedenfalls den Lorenz Sörer — „bestätigt mit einem
fürstlichen Briefe und Siegel das Evangelium zu predigen",
worüber die ,. Pfaffen und Mönche" und der Hofmeister
überaus aufgebracht seien (No. 5).
Lorenz Sörer erfreute sich auch noch später der
Gunst des Herzogs. Als letzterer im August 1525 ver-
nahm, der Prediger solle „weggefordert werden", befahl
er dem Käthe zu Freiberg, dies keinesfalls zu dulden"').
Noch Ende des folgenden Jahres weilte Sörer in seinem
Kloster und predigte in evangelischem Sinne ; der Kanzler
'•) Am Mittwoch conceptionis Marie. Aber Mariae Empfängnis
(8. Dezember) llel lö24 auf einen Donnerstag; es wird also wohl
ein „vor" zu ergänzen sein.
'") Sigismondus Treutweyn war am 28. Dezember 1523 Bürger
zu Freiberg geworden. Matr. civ. Frib. fol. fH.
=") Mein Freib. Urkundenbuch I (Cod. dipl. Sa.K. reg. 11, 12), sn.
Die Briefe Yalentin Einers. 327
des Herzogs, Georg von Rothschütz, suchte ihn vergeblich
umzustimmen *^).
In schroffem Gegensatze hierzu steht nun freilich
Avieder das Verhalten Heinrichs während der ersten
Monate des Jahres 1525. Fast in denselben Tagen, in
welche jene Freiberger Auftritte fallen, war zu Meldorf
in Dithmarschen der Augustiner Heinrich von Zütphen
seinem Drange, der Lehre Luthers neue Anhänger zu
werben, zum Opfer gefallen; er wurde auf Antrieb der
Meldorfer Mönche in grausamer Weise umgebracht '*').
Sein Martyrium machte gewaltiges Aufsehen; Luther
verfasste bekanntlich über dasselbe eins seiner zündenden
Sendschreiben. Diese „neue Legende vom Heinerico in
Dittmar" gelangte auch nach Freiberg und wurde dort
öffentlich vorgelesen; es erregte dies den stürmischen
Unwillen der altgläubigen Partei, und diesmal gelang es
derselben bei Herzog Heinrich ihren Willen durchzusetzen.
Verhaftungen und Verweisungen in Menge erfolgten :
„also hob die Asche s. Heinerici an das Kreuz all hier zu
Freiberg"; die Gesänge und die Predigten in den Kirchen
wurden wieder verboten (No. 6).
Den Grund dieser plötzlichen Reaktion dürfen wir
wohl im Bauernkriege suchen, der im April und Mai in
Thüringen tobte und auch die sächsischen Lande zu be-
drohen schien.
Es ist begreiflich, dass diese Reaktion fortdauerte, als
der Aufstand blutig unterdrückt war ; fehlte es doch nicht
an Stimmen, welche die Hauptschuld an demselben Luther
und seiner Lehre aufbürdeten. So erging denn am 28. Juni
1525 jene strenge Verordnung des Herzogs Heinrich,
welche dem Rathe anbefahl, der Gemeinde alle Belei-
digungen gegen Priester und Ordenspersonen auf das
Ernsteste zu untersagen ^*). Ihr schlössen sich in den
'*) Vergl. dieSchreiben desselben bei Wilisch, Cod. dipl. 185 Hg.
und in der Sammlung vermischter Nachrichten I, 22fi flg. Dazu Seide-
mann, Dr. Jakob Schenk 4. Dass Sörer in der Zwischenzeit im Bar-
füsserkloster zu Zwickau gewesen (Herzog, Chronik von Zwickau 11,
208. Seide mann a. a. 0. 3), ist unter diesen Umständen unwahr-
scheinlich; es handelt sich vielleicht um einen Namensvetter. Ob
dieser oder unser Sörer später Pfarrer in Reichenbach und dann
an der Katharinenkirche zu Zwickau war, lassen wir dahingestellt.
'*) Vergl. über ihn zuletzt Köstlin, Martin Luther, 2. Aufl., II
(1883), 653 flg.
") Möller I, 214. "Wilisch I, 83. Benseier 588. Seide-
mann, Dr. Jacob Schenk 3. Das Original -war nicht aufzufinden.
328 H. Ermisch:
nächsten Jahren ähnliche, zum Theil noch nicht bekannte
Befehle an, auf die wir vielleicht bei einer anderen Gelegen-
heit zurückkommen werden.
Wir hissen nunmehr den Wortlaut der Briefe Einers
folgen.
No. 1. (1524 Februar 0.)
Nach dem Original in der Bathsschulbibliothek zu Zwickau (D. 157).
Meynen gantz willigen diiist alleczeit czuvor. Gunstiger wir-
diger her magister uiul priuler in Christo. Ewer uiul ewers wibs
gesundtheith uiul wolgehen irfar ich allewegk gerne :c. Wirdiger
her magister. Nachdem ir mir schreybt von wegen des fünften
psalmen tzu vordeutzschen und unser hertzogyn zcu schreyben, wo
e. w. wost, alß yrer gnaden gfeligk wer, w. h. und bruder, ich hab
mich ewerthhalben geliißen und an yr gnade supplecyrth, so hat
mir yr gnade laßen ansagen, sy thar mit nicht nit; wen es an irer
gnaden gelegen, wer ir gnaden ser tzu dangk und angenem von
e. w.; wen sich ir gnad nit bessorgt, sy mocht eyn ungenadigen hern
erlangen und an hertzick (sie) Jorgenn dergleichen. So lest sy
e. w. guttlichen dancken; wost ir gnade sost e. w. czu dynen,
thet sy gernne, und lest ir gnade euch pitten, ir woldet ja nymant
dovon sagen und heymlich halden, uf das ir gnade ungemelt pleyb;
sunder wenne der psalm vordeutzsch wirt, mocht sy yn gerne
haben. Auch, w. h. magister, unßer thiran ist der hoffmeister,
das sich dy fursten (d. h. Fürstin) ser noch forcht und wil nit,
das eyn mensch wissen sal, das sy oft' dy lere getrethen ist. Wo (?)
es mit der tzeit ir gnade stercker ym glauben werde, wil sy
dornach von e. w. gerne in czuschriefften von euch annemen.
Ire gnade hoft", got werde yren hern noch erlauchten. Wen der
hoft'meister nit wer, so hetts gar keyn fei k. Auch, w. h, magister,
ich pyt euch, ir wolt gedult tragen mit mir; ich wil ewer w. nit
vorgessen mit der vorerunge, wy ich euch haben tzugeschryben.
Wen ewer wyrden ich woste tzu dynen, wer ich geneigk unde
willick myt meynem armen vormogen. Ewer lantzman lest euch vil
gutts nachsagen und euch lassen alle cristliche bruder fruntlichen
gruessen, und grusset mir ewer hausfraw. Geben am tage Dorothe 1524.
Valten Einer maier
e. w. prüder in Cristo.
Aufschrift: Ann denn wirdigen hern magistro Rodt burger czu
Wittenborgk seynen lieben hern und pnulcr yn Cristo
czu banden.
No. 2. (1524 October 9.)
Nach dem Original ebenda^fO. 15).
Gnad und fryd yn Cristo. Wirdiger her magister Steffan. Es
hat unßer predisrcr Lorencius ordinis minorum alhy czu Freybergk
den 21. psalmen"^ geprediget, den doctor Martinus gemacht hat ynn
latein außgelegt: „Meyn got, worumme hastu mich verlassen?"")
**) Es ist dies nicht der ^i., sondern der 22. Psalm.
Die Briefe Valentin Einers. 329
Unßer eyner aber 10 haben (ließen psalm behertziget und den predyger
gepetten iinß scliriefftlich yn deutscli soll geben. So saut er, es
seyn ym tzii schwer und muest vyl weylle dartzu haben. So ißt an
ewer wirde meyn frundtliche und demutige pette umbe gottes willen
und den lohn von got gewartthen unß czu Freybergk czum tröste
dyeßen psalraen auß dem latein ynß deutsch bryngen und uns
solcher gehabte rauhe euch nith beschweren laßen und meyner bette
geczweygen (sie). Das wil ich mit meynen cristlichen brudern kegen
got vorbitten und unßers armen vormogens dorneben zcu vordynen
geflyessen seyn. Dormit got befollen. Geben Suntagk nach Fran-
cisse^') 1524.
E. w. a. i. C. Valentin Einer maier
czu Freybergk.
Aufschrift: Dem wirdigen hern magistro Steffan Roth burger czu
Wittenbergk meyn geübten bruder yn Cristo frundtlichen
geschryeben.
No. 3. (1524 Noyember 30.)
Nach dem Original ebenda (0. 13).
Meynen gantz willigen dinst czu befor. Wirdiger her magister,
gunstiger lieber her und bruder in Cristo. Ewer schreyben an mich
gethan hab ich vorlessen. Deß mir e. w. den psalmen czuschreybet,
spur ich gar keyn gebrechen. Es hat auch nit noth, wil got," ich
wil es wol vortretten kegen m. g. h., ab ich dorumbe angesprochen
worde. So bedanck ich mich kegen ewer w. hochlich der gehabte
muhe gethan, und ich pit euch, ir weit den lohn von got gewerttig
seyn, denn ich kanß e. w. nit vonnige. Ich hoffe czu got, "es werde
sich vil daranß bessern. Ich hab auß der gnade gottes eyn solchs
hert[z]lich begyr dornach gehabt, das ich mich auß den willen gottes
irwuegk (d. h. erkühnte) e. w. czu schreyben, wywol ich ewer nit
künde habe gehabt. Wo ich aber euch wosste und den ewern czu
dynen, byn ich mit meynem armen vermögen geneigt und willigk
mit leyb und gut czu dynenn. Bit ich e. w. meyn eynöellig schreyben
vor gut ansehen und forder, ir wolt mir czu erkennen geben, was
euch gelibt und last czu eynem gemelle (d. h. Gemälde) bettet und
schreibts mirß czu mallenn, so wil ich euch widerumbe czu eyner
vorerunge machen und czu eyner kundtschaift alßo domit e. w. czu
voreren. Ich wolt es euch gernne mit gelde vorerunge thuen, weis
got, ich habs nit ym vermögen. E. w. vorwundert euch, das ir euch
understanden hab den psalmen czu vordeutschen. Es ist der wille
gottes, nit ewer aber meyner. Ich hoffe, got werde unß nach alhy
czu Freibergk unßern g. h. und unß erleuchten. Wen am negsten
Dinstage vor Andre (November 29) hat m. g. h. eyn deutzsche messe
laßen syngen czum hoffe, auch hat seyn g. achthundert fi. czynß von
wegen des capittels von der Mitweide yngenommen. Meher sal e. w.
wissen, es hat an eynem cleynen geffelilt, so hetten sich dy thumhern
muessen leyden unde weren gestormt worden. Dem Sebastian Koch-
meister hat man yn (sie) czu s. Peter den predickstuel czugenagelt
und eyn wage mit eynem voxchsschwanz und kuzagel üben ubir
ynn yn den predigstul gehengk Sontagk vor Katherinam (November 20)
und Sontagk vor Andre (November 27) eyn raben oben an den pre-
*°) Geben — Francisse ist doppelt geschrieben.
380 IT. Krmis(]i:
dickstiiel genagelt iiiul dortzii gescliryeben: „Pfaft" leugk iiit und
sag dy worheit". Des hab ich ewer w. nit czn iiovalia können
erhalaen, und ist, got sey gedanckt, vil lynder worden, den es
gewessen ist. Ich hab sollen /.wir vorbrent und eyn mal enthabt
worden seyn. Ich hoff, got wirt seyn heiliges wort uns geben und
nit netnen: des helftt uns kegen got erbitten, ßo wollen wir got
fleissigk auch vor eucli bitten, das uns got allen gnedegk sey. Amen.
G. h., man bitt got vor mich armen sunder. Es grusset euch meyn
hausfrauhe. Es grussen euch alle cristliche bruder alhy czu Frey-
bergk und wollen alle got vor euch bitten, das ir es selickliche
wolendet, das ir habt angefangen, got gebe uns czur selickeitt. Off
dy nt'gste schrifft so will ich Sigmunden^') grussen und e. w. ent-
worth schreyben. Seyt got befollen. Geben eylendt am tage Andre 1524.
Valten Einer maier
e. g. b. i. (J.
Grust mir den hern magister doctor Martinum Luther. Grust
mir meynen gelibten bruder heru Lucas von Cranach maier und
alle cristlichen bruder ynn der gemein. E. w. sich czu mir vorsehen,
das ich dy epistel noch czuschriefft des psalms sehen wil lasßen oft"
glawbeu ic.
Aufschrift: Dem wirdigen hern magistro Stephan Kodt von Zcwickau
seynem lieben hern und bruder in Cristo frundtlich
geschryben.
No. 4. (1524 Dezember 11.)
Nach dem Original ebenda (0. 14).
Bruderliche liebe in Cristo Jeßu und dy gnade gottes, wirdiger
gunstiger lieher her magister, seyn mit euch und den ewern allc-
weg czuvor. Vil gelybter bruder. Ewer schreiben an mich getlian
hab ich vorlessen von des mißl)rauch im canon*'). So sagk ich, das
so spottins und lecherlich ist, alß ich al meyn lebtage gebort und
gcdeßen, und sy sagen noch, wy eyn liciligk dyngk umbe dy messe
seyn und got eyn lebendigk öfter tluien vor dy lebyg<!n und tbotten
ym fegfcMher. Ich irfarß gerne, das irs alßo mit ewern thuemherrn
macht, ist tausentmol besser, dy kirche aber thum stehe wnst, wen
das man got alßo sol lestern und solche grosse unerhc thuen und
abgottereyn anbetten, seynt wir nichts besser alß dy beiden mit der
weisse und erger, das got geclagt sey, das wir alßo jemmerlich ver-
bleut und vortiut seyn worden. Ich gethraw und gleub, got werde
uns gnedig seyn und seyn barmherczickeit mitteylen, das es bey
unß alßo geschehe. Wol got, das dißer canon alßo gedrock unde
under das volg außgynge, das dy armen leihen auch vorstunden den
grossen mißbrauch unde lesterunge gottes in der messe gebracht
werde.
W. her magister und gelibter bruder, ir bedorffet eucli nicht
besorgen von mir, das euch czu iiachteil gedeyben sol. 1 Hessen
psalmen sal nymandts czu banden komen auß meyner handt, ane
*') Wohl der Seifensieder Sigmund Treutiveyn, vergl. An-
merkung zu No. 4.
") Der Brief hccog sich wohl auf die verschiedenen Vorgänge,
die zur Atifliehung der Messe und sonstigen alten Ktiltformen in
der Stiftskirche zu Wittenberg fidirten' Vergl. Köstlin, Leben
Luthers. 2. Aufl. I, 5G0 flg.
Die Briefe Valentin Einers. 331
das ich yn uuder den brudern lessen. Got sey gedaugk, ich byu
alßo gross erfraiult, das diesser psalm deutsch aulJgehet; wil got,
er wirt vil frucht gebaren, -wen er sucht dy gwussen ßo tief, wer
es beherciget, das eynem dy äugen ubirgehen. 0 wolt got, das
unser g. h. alhy erlaucht worde, M-ywol seyn f. g. wer gut, wen
seyn g. h. bruder h. Jurge thet.
W. h. magister unde bruder. Wist das der sathan iczunder
das wort gottes aber eynnemen (?) wil unde gar eyn grossen stoß
erlitten. Nemlich es ist unßer dechant von Gertwitz (sie) alhy czu
Freyberg geczogon kej'n Meysseu czu doctor Heynicz, dornach dy
dz[w]ey synt vor den pischoff czu Meysen und der pischotf mit yn
vor hercziigk Jörgen geczogen und unßern prediger den graben
monch Lorenczen vorclagt, wy er das aide testament predige und
werfie dy ceremonia der kirchen nider und lert, man sul deutsch
teutfen, meß leßen, syngen alß czu deutsch, was man in der kirche
handelt, und vorwerfle den canon und aplas bruderschaft beicht und
den babst, der sey der entecrist und vorfure das folg. Alßo ist h.
Jorge keyn Freybergk komen an Mitwoch [vor ?] concepcionis Marie
{Dezember 7?) und hab dießen bruder Lorentz vor sich gefordert
und yn gefraget, wer yn.hab erlaubt in seynem lande, das er dy
ketzerey auflPricht und vorfur das volck, wen sein g. und u. g. h.
seyn gehitder synt eynß und wollen sich halden des contract (?) und
beschluß, der bey keysßer fursten und herren czu Wormß gemacht
worden ist. Alßo liat der fürst den prediger gescholden eyn schalgk
keczer buffe verretther schalgk eyn lutherischen boschwicht und es
sey keyn gut order yn im, wen er habe czu "Witten bergk yn der
keczer grueb den gift auß der bestien Martino gesogen und gelert,
und mit den henden otf einander vor dem maule (?) geschlagen und
gesagt, er torst yn baldt außreytten (?), wen der doctor sey fol teuifel,
so hab er auch eynen yn yme, und er sol solcher prediget abstellen.
Wo aber nit, ßall er ym yn .3 furstenthum nit tzu weit seyn und
wolle eyn solchs weßen mit ym anfahen, das man über 3 hundert
jar sol von dem fursten adir mo[n]che (?) sagen, und wolle in lassen
brennen, mit czangen reissen und bratten und allerley peyn anlegen,
dy er yhe gehört und erdencken mag; und yn mit solchen Schelt-
wort gescholden, das schände und czu vil ist czu schreyben. Und
wu er yn alßo eyn weille hat gescholden, darnach hat er den doctor
Martinum auch alßo gescholden und gesaget, wenne [er] den kecze-
rischen schalgh und buife hette abir wer yn seyn gebitten, er wolle
ym nach vyl erger peyn anlenen und alle, dy seiner lere nachtollgen,
dy wolte er in cappen (?) henken laßen. Alßo hat mir der Lorencius
unßer prediger selber gesagt, das sich der hertzogk alßo ergrymet
hett, das ym der gest off beyden seilten ist gewest gleich wen yn
die hynfallende suchten berurth und sich ubir der sach erczornet,
das ym dy spräche entfallen war bey Vz virtell stunde, das bruder
Lorentz meynt, der troff' het yn beru[r]th. Entlich war des fursten
befel, er sal nymmer predigen; wolle er des babist satzunge nach
alden gebrauch und gewonheitten predigen, das sal er macht haben.
Alßo hat er geantwort, er wolle predigen das evangelium dy heilige
Schrift und rein 1er wye vor; wo er nit alßo sal predigen, so wolle
er styllen schweygen. So hat der fürst gesagt, er lege dy schrieft
schalcklich auß, s. g. habe auch Paulum geleßen, er sey czu scharff
und vorstehe yn nit und er woll yn außlegen, er wer eyn buffe
und het eyn ruch angesicht und hart (?) alß dy schalgke alle und
das folg lauft ym nach, das woll s. g. nit leyden. So hat yme der
332 H. Ermisch:
Prediger geantworth: s. g. hab auch eyiuien of dem sclilosse, dem
das volg iiachlaiiffe und wol also vil von ym sage, alß von mir,
Do hat der forste keyn antworth geben. Nnhe stehet dy sache,
biß m. g. h. ynheinß werde, und wy es do bleylien aber gemacht
■wirt, wil ich euch wyder wissen lau dorch schryft. Auch hat man
den monch achtage vor conceptionis Marie {Dezember 1) czu gast
gebetten, der pharrer im jungfrauhendoster mit ym czu essen und
ist bestelt eyn wagen vorm thor und sechs reitter, wenn er esse,
so woklen sy yn gefangen haben und eyn kncbel inß maul czu
binden und älßo off den Stolppen gefurt han. Alßo hats got wider
wendet durch eyn gerben (??), das sy nit haben können schaffen.
Diß alß auß bruderliche lyebe hab ichs euch nit können vorhalden :c.
Bit got vor mich, das wil ich wider thuen. Got gebe euch seyn
gnade und fryden. Amen. Es grusset euch ewer lantzman unde
ewer haußfraw mitsampt den ewer. Er was sehr erffraudt ewers
grüß unde wen es e. w. ser wol gynge, erfur er gernne. Es grussen
euch alle cristliche bruder jc. Geben Sontagk vor Lucie 15'34 czu
Freybergk. Valten Einer moler
e. g. b. i. Christo.
Dy evangelien werden ser angenomen seyn under den leyhen (?)
und (?) dy *°) wen es ist ^'') dy fragen (?) nach den ewan-
gelien. Das scheiden von herzogk Jörgen hat 1 '/» stunde gewerth.
Item hab gehört unßer thum])haften haben herczogk Jörgen unde
unßerm hothneister alß S hundert fl. gebe, das s. g. sollen sy schotzen
und hanthaben vor solcher lere 5C.
Beilage. W. her magister. Meher salt ir wissen, das her Jorge
unßern burgermeister, der ist magister Haußmans bruder czu Czwickaw,
alßo schentlichenn und anßgericht, das schände ist, und hat den
magister eyn ketzerischen schalgk geheissen und der magister rieht
alle kcczerey an czu Czwickau. Auch hat Heinrich von Bunaw unßer
hoffmeister alhy czu Freybergk den groben monch eyneu Pickardischen
schalgk unde buffen gesscholden. Er hab ym befoUen an stat
m. g. h. das ewangelium czu predigen und nit deutsch meß tauffe
nach gesenge aufrichten. Auch hat her Jorge etlichen purgern das
landt vorpotten unde sollen etzliclie yn gehorßam gehen ; welcher
das nit thuen wil, der sal das landt reumen. Dy czal alß bey
40 perßon. Auch hat eyner von s. Annapergk gesaget, er hab eyn
laßen czu der stauppen schlahen, das er den prediger off s. Anna-
perge hat heyßen lygen, das er das ewangelium valsch hat auß-
geleith. Nyt weiß ich, wy es wirt czugehen werden, wenne unßer
g. h. heimkouien wirth. Ich pit e. w. mir nit vorargen alßo vil
schrieff an euch gethan unde pit mich nit sunderlich czu melden,
off das es nit vor m g. h. kommen mochte jc.
Valentin Einer.
ÄnmerTcung. Über dieselben Vorgänge berichtet ein Schreiben
des Seifensieders Sigcmwult Treuttiocyn zu Freiberg von 1534 De-
zember 10. an Stephan Both (ebenda 0. i5j, in ivelchcm es heisst:
Wist auch, das herczogk Jörg alhir czu Freybergk ist ge-
west unnd den munch angetast mit harten scharffen werten durch
antragen etzlicher tluimhern, yhn auch bedrawet mit solcher unnd
solcher pen czu straffen, das auch für keyner alßot (sie) ge-
*•) Ziuei unleserliche Worte.
»») vuber (?)
Die Briefe Valentin Einers. 333
strafft sol seyn worden, alß er yn woU mit füren laßen jc. Aber
der munch ist gestanden, das sy sich vorwundert haben, und dem
fursten alles vorlegt genugsamlicb und alßot, das yn der hoffmeyster
hat heyßen schweygen und gesagt, er sal wissen, das er mit eynem
landesfursten rede und nicht mit eynem pawernn :c. Der herczogk
Heynrich waß nicht eynheiinsch. Dorumb do jungker Jörg von
Dreßen wegk kaum (sie), vorhort dy herczogin auch den munch, wy es
im gangen wer, und schreyb eylendes irem g. hernn, uff das ire
schritft er kom dan herczogk Jorge, uff das es dem munch keyn
gefehr mocht tragen. Dan sy helt seher über yra und ist eyne gute
cristin. Was aber vor eyne antwort ist worden, ist mir noch vor-
porgen :c.
No. 5. (1525 Januar 8.)
Nadt, dem Original ebenda (D. 156).
Frundtschafft und alles gutte czu befior. Gunstige wirdiger
her magister und bruder in Cristo. Ich bedanck mich fruntlich ewer
gehabten muhe und des geschengk von e. w. sehr angeuem und czu
dancke ist ewer dobey czu dencken; und got für euch pitten wir
teglich, [so wirj schuldigk czu thuen synth (?), mit vleiß, wil got
(ich wil mich auch der gebur halden) mit gesunth. E. w. sal wissen,
das m. g. h. hat unssern prediger bestettiget mit eynem fürstlichen
bryeffe und sygil das ewangelium czu predigen, das den unsser
pfaffen und munch wutthen unde thoben mit viel drawhen wortten
und m. g. h. hoffmeister sich vormist yn czu vortreyben und ßolts
yn gleichs eyn schloss kosten. So hat got m. g. h. gemal erlaucht,
alßo fyndt sy ir gnade ist der ewangelischen lere gewessen, alßo
grosse lost hat ir gnade iczonder dortzu, wenne sy hat auch diessen
psalmen angenoraeu. Got der bestetige sy. Sost wieß ich nichts
nawhes, sunder e. w. sey got befollen und grusset mir ewer hauß-
frawhe. Sost was ich e. w. czu dynen meynes armen vormogens
weiß, fyndt ir mich willigk ic. Geben Sontagk nach der h. 3 Konige
tagk 1525. E. w. a. Walten Einer
moler czu Freybergk.
Aufschrift: Dem wirdigen hern magistro Stcffan Rodt czu Witten-
bergk meynen gunstigen lieben hern und bruder yn
Cristo yn czu handen.
No. 6. (1525 Mai C.)
Nach dem Original ebenda (D. 160 aj.
Gnad und fryde yn Cristo Jesu. Wirdiger her magister und
fruntlicher lieber bruder. Ewer gessuntheit mit sampt ewer frauhen
und wolgehen byn ich erfrawhct und gerne alleczeit erfare. W. h.
und bruder. Alhy schick ich euch eyn buchleyn, das da sehr gut
und nottzbar e. w. von der beicht seyn wirt und euch und den
andern cristlichen brudern grosse frucht darauß kommen und bessern
werden, wo es e. w. yn mitteilet deses buchleyn und da eyn rechten
grundt auß der heiligen schriefft der vetter erlessen und allen
cristlichen volgk czu gut und selickeit und bessrunge unßers lebens.
Ist außgangen durch unßern kenczler ann m. g. h. hoffe. Ist vor-
deutsch und yn den drock außgangen mit bewost des hochgelertten
maus Bock Emßers czu Dreßden und vorhofie e. w. von mir groß-
dancklich czu eyner vorerunge und geschencke angeneme sey, alß
ich verhoffe, wenne es ist groß goldis wirdick, kan e. w. ermeßsen,
334 H. Ermisch: Die Briefe Valentin FJliiers.
und borczuck Jörg yn seynen stedte betl'ollen dem armen schwachen
gewissen czu trost, das sy yre sele und leip nit yn dy ferlichkeit
geben mocht, als der iiauhe lerer M. Luther vornemen lest goth
und seynen nei/sten czu beichten und nit dem piiester und also
czum teuÜ'el faren muesten. Und pit e. \v., ir wolt es umbe meynet-
willen nit (V) behalden, wen ir wert etwas darauß erkennen, das
euch grosse frucbt bringen wirth :c. Auch habt gedolt, was ich auch
geredt iiabe wil ich mich zcu eyner vorerunge redlich bewissen,
wil got das ich lebe mit gessundt.
Sost weiß ich nichts nauhis czu schreyben, denne das unßer
t'urst und hotVmeister hetitick czu der tyraney gieiflen. Es hat
eyner dy nauhe legende gelessen öffentlich vom lieinerio in Dittmar
vorschiilen. Der hat d. M. L. schrieff't vorschworen czu lessen, es
sey alt abir nawhe testament, und dy da czugehort haben, lest man
holen und ynsetczen. Auch eyne frome Schwester, dy denn krancken
hat das wort gottes gelessen und getrost, der hat man dy Stadt
vorpotten. Alßo hol) dy asehe s. Heinerici an das creutze alhy czu
Freyl)ergk. Man vorpeut dy geistliche psalm und gesenge yn der
kirchen, auch das predigen, alleyne das ewangelium des frides czu
predige ist geiiutten, das nit auftruhr macht und uneynickeith und
dy leuthe nit straff aber speciticirt (nie) und eyniek bieyben. Sy
können nit leyden, das der heiliek sal genanth werden, er ist alß
eyn ketczer vorbranth, so sey der M. Luther auch ein ketzer und
ist noch nit erkent von bebistiicher heilickeyt. Wen M. L. hat
den heiligen bischoff Benno eynen aldeii teuffei gesrlioldeii *'), der
da vom hobst und der h cristlieheii kirchen mit allen ereii erhaben
und got eyn gefallen daran gethan. Auch thar man keyns von s.
ileinrici legende des nauhen merterer veyl haben, ist nit (V) unß
vorpotten, und hat unßer vil ynß register gesattz, dy man wil
ynsetczen, und alle dy dem Luther anliennick syiit aber dem ewan-
gilo, dy muesßenn alle ketzer und Pickardeii genenth seyn, dy ge-
dencken dy herschafft alle außczurothen und vortreyben. W. h.
und bruder, bit got vor unß armen geff'angen under dem wuttrich
Pharaou, das uns got uiißern glauben wolle stercken mereii unde
czu hulffe komen, off das wir Gristuin bekennen und nit vorleucken
dorflen. Ich glaub got dem almeclitigen, er wirth unß gnedick seyn.
Ich hat sost des narnwerck vil czu
schreyben, das unser mangnatten (?) vorgeben, das ich umb kiirtz
willen lasse anstehen ic. Grust mir ewere haußfrawhtdi und alle
cristliche bruder. Seit got belVolleii. Ich bor e. w. hab den 5. psalm
verdeutsch; ich mocht yn gerne haben, wenne er außgehen wirth.
Geben am tage Johannis ante portam lö25. Valten Einer maier
e. g. b. w. d.
Seit goth befoUen yn seyn schütz.
Äufschriit: Dem wirdigen hern magistro Steffano Roth itzunder iiin
Wittheiibergk seynen lieben heim und bruder in Cristo.
i *') Bezieht sich auf Luthers 1534 erschienene Schrift „Wider
den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meissen soll erhoben
werden'"''. Vcrgl. Köstlin a. a. 0. 1, 679.
Literatur.
Lucas Cranach. Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Reformation.
Von M. B. Lindau. Mit einem Bildnis des Lucas Cranach.
Leipzig, Veit & Comp. 188.3. -402 SS. 8».
Wenn der Verfasser am Schlüsse seines Vorwortes die Absicht
ausspricht, „den Kunstleistungen Cranach's nicht bloss, sondern vor
Allem auch den Umständen und Ereignissen seines Lebens mit
allen ihren interessanten Beziehungen zu den hervorragendsten Ge-
nossen seiner Zeit mit Sorgsamkeit nachzugehen, ihn gewissermassen
zum Mittelpunkte einer Schilderung seiner Zeit und ihres mächtigen
Ringens nach Lit-ht und Wahrheit zu machen", so ist er diesem
Bedürfnis in befriedigender Weise gerecht geworden. Der Kunst-
forscher und Kulturhistoriker und nicht minder der Liebhaber
genealogischer Untersuchungen wird mit hohem Interesse den mit
grossem Fleisse und in anregender Sprache geschriebenen Aus-
führungen Lindau's folgen und ihm für die zahlreichen Aufschlüsse
dankbar sein. Wenn sich Referent gestattet, an diese oder jene
Äusserung und Mittheilung Bemerkungen anzuknüpfen , so ge-
schieht dies keineswegs in der Meinung, den Werth des Werkes be-
einträchtigen zu wollen, sondern lediglich die Fülle des verarbeiteten
Materials hat ihm Veranlassung geboten, hier und da von seinen
Kenntnissen in der Fachliteratur Gebrauch zu machen.
Cranachs Werke anlangend, so vervollständige ich die Angaben,
dass ausser dem Bilde in Glogau (1518) noch mehrere andere in
Schlesien erhalten sind. Schultz, Gescliichte der Breslauer Maler-
innung (1866) Ö. 10 gedenkt derselben ohne sie zu behandeln, da
seine Schrift mit dem Jahre 1523 abschliesst. Nach Luchs, Bildende
Künstler in Schlesien (Zeitschrift des Vereins für Geschichte
Schlesiens V, 13) haben beide Cranach vieles für Breslau tiemalt
oder in ihrer Werkstatt malen lassen. Ihre Arbeiten in der Eli-
sabethkirche sind in desselben „Denkmälern" (Index) nachgewiesen,
ander3S befindet sich in der Gemäldegalerie des Frovinzialmuseums ;
die bekannte ,, Madonna unter Tannen" im Dom, mit dem G.'schen
Monogramm versehen, ein ganz ausgezeichnetes und zugleich mehr-
fach eigenthümliches Werk des älteren Meisters, hat Büscbing in
den „Wöchentlichen Nachrichten" besprochen, und in einem kleinen
Kupferstich widergegeben. — v. Prittwitz in „Schlesiens Vorzeit"
37. Bericht S. 237 berichtet, dass vor 1818 Rektor Manso und Pro-
fessor Rhode auf der Bibliothek zu St. Maria Magdalena unter
einem Bücherbret zwei sofort als Lucas Cranachs angesprochene Por-
336 Literatur.
träts Melanchthons und Luthers, letzteres in zwei Stücke gespalten,
entdeckt hätten. Diese heiden restaurierte Maler Wizani (f 1818).
(S. 4.) Ileintze, die deutschen Familiennamen (Halle 1883)
S. 30 hält Sunders für die ursprüngliche iNamensform. Im ältesten
liürgerkatalog von Görlitz habe icli einen Sunder von Cranach ge-
funden (Hans Sunder von Crannach taschner III aol. 1530) und
über ihn bereits 1880 im Anzeiger des Germanischen Museums
Mittlieilung gemacht. Seiner untergeordneten Lebensstellung unge-
achtet, scheint er doch zur Verwandtschaft des Malers zu gehören.
(S. 7, Z. 4.) Seit 1373 lässt sich in Liegnitz eine liürger-
familie in Urkunden verfolgen, die Cranch, Kranch, aber auch Cranich
geschrieben wird.
(S. 33, Z. 4.) Korberger ist wohl in Koburger zu verbessern.
(Vergl. S. 80, Anm. 2.)
(S. 50, 3. Absatz.) Auch schlesische Familien haben nach der
Nobiiitierung den schlichten früheren Namen ohne Zusatz beibehalten.
Als Beispiel erwähne ich die Tscherning und Scheps von Bunzlau,
welche letztere sich erst ziemlich spät „von Löweneck" schrieben,
was mit dem S. 53 von Z. 20 ab Gesagten völlig stimmt.
(S. 88, Z. 18.) „Sarch" bedeutet in der Regel ein zur Aufnahme
von Märtyrergebeinen bestimmtes Behältnis (capsa) , aber auch die
Predella eines Altarwerks. Georg Sürlin in Ulm begann im Früh-
jahr 1474 einen ,, Sarch zu einer „Tafel" zu arbeiten (Beyer und
Pressel, Münsterblätter III/IV, 81); in einem Kontrakte der Stadt
Liegnitz mit dem iireslauer Maler Nik. Schmied, der 1481 einen
Flügelaltar herstellen soll, heisst es: der sarg, do dy toffel offe
stehn sal, sal an dritahalber den lioch sein, mit 5 halbin gesnetin
bilden (Ueliqnienbüsten). Liegn. Stadtbach III fol. 17.
(S. 91, Z. 15.) Ähnliche Raritäten wie die dort angeführten
besass die Marien brüderschaft der Bürger in der Pfarrkirche zu
Schweidnitz seit 1464. Fin Verzeicimis derselben habe ich im
„Anzeiger des Germanischen Museums" 1879 Sp. 270 veröftentlicbt.
(S. 93, Z. 21.) In den Missivenbüchern von Görlitz findet sich
ein Brief an die Fürstenbrüder Friedrich und Johann, worin der
dortige Magistrat seine Bereitwilligkeit ausspricht, den städtischen
Werkmeister Konrad Pfluger zeitweise zur Beaufsichtigung eines
nicht näher bezeichneten Baues abzugeben. (24. Sept. 149ö.) Es
wird die Stiftskirche zu Wittenberg gemeint sein. Iö04 weilt der-
selbe Architekt in Meissen und arbeitet an der AUirechtsburg.
(S. 107, Z. 5 V. u.) suntus (?) erkläre ich für sumtus (sumptua).
— Ein Brief von Hess an Spalatin d. d, Öls 13. April 1517 ent-
hält die Stelle: Festem Wittenbergae grassari er, Lucae pictoris
epistola cognovi (Zeitschrift f. Gesch. Schlesiens XII, 415).
(S. 121, Z. 1.) Über den „sterbenden Christus" ist zu ver»
gleichen Wustmann, Beiträge zur Geschichte der Malerei in Leipzig
(1879) S. 2 Hg.
(S. 149, Z. 13.) Es wäre von Interesse festzustellen, ob der
Anstifter des Studentenauflaufs mit dem späteren Breslauer Bischöfe
Balthasar von Promnitz (1539—62) identisch sein sollte.
(S. 205, Z. 6.) Die von Bor nennen sich jedenfalls nach der
slavischen ürtsbezeichnung -- Wald (vergl. Waldau). In Schlesien
kommen vor: 1263 Heinrich de Borowe, 1277 Barth, von Borow,
Berthold von Borow seit 1278 — 93, ein Untertruchsess Bora 1276
(Griüihagen, Regesten zur schlesischen Geschichte II, Nr. 1516).
Literatur. 337
"Was die S. 210 (unten) behandelte schlesische Familie betrifft, so
müsste ein Vergleich des Wappens ergeben, ob sie mit der Sippe
von Katharina eines Stammes. 1481 besassen Gebrüder von Boraw
Kesselsdorf bei Löwenberg, das jedenfalls nach dem Beinamen des
Geschlechtes benannt ist. Übrigens heisst 1293 ein Vorwerk bei
Bunzlau hereditas , qiie vocatur Kessil. Im Bunzlauer Weichbilde
kommen vor: 1517 Konrad von Kessel auf Kl. Krauschen, 1545 Kunze
von Boraw ebenda und auf Schwiebendorf, 1682 ein Hauptmann von
Kessel auf Oberschunl'eld. (Wernicke, Chronik von Bunzlau. 1884.
S. 158, 205, 383).
(S. 217 , Z. 5 v. u.) „Zschmaßchen" heisst heute bei den
Kürschnern Zmaschen und bedeutet Lammfelle. In den Statuten
über das Meisterstück der Kürschner in Bunzlau (1589) steht u. a. :
„Er soll von 5 Tschmochen einen Kinderpelz oder Schäublein
machen." Im Wendischen der Lausitz ist smoska = kleines Lamm-
fell, im Polnischen lautet das Wort smuzyk.
(S. 255, Z. 4 v. u.) Die fragliche Venus hängt gegenwärtig in
der Gemäldesammlung des Germanischen Museums.
(S. 321 , Z. 9 V. u.) In der Stiftskirche zu Lorch a. d. Rems
ist unter anderen Darstellungen hohenstaufischer Herrscher eine
Abbildung zu sehen, wie Konradiu in Gegenwart des Papstes und
des Anjou durch das Fallbeil hingerichtet wird. Otte's archäolo-
gisches Wörterbuch S. 66 bringt eine Enthauptungsmaschine nach
einem Holzschnitt vom Jahre 1514.
(S. 364, Z. 4 V. u.) Für „Latron" schlage ich die Namensform
Lodron vor.
Der S. 374 erwähnte Maler Hans Krell (auch Krel geschrieben)
erwarb 1534 in Freiberg Bürgerrecht (vergl. meine Beiträge zur
Geschichte der dortigen Malerinnung in den Mittheilungen vom
Freiberger Alterthumsverein XVII, 24 flg.) Weiter handeln von
ihm Wustmann a. a. 0. S. 42 flg. Vergl. auch Zeitschr. f. Museo-
logie 1882 No. 12 und Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit
1882 No. ö.
Bunzlau i. Schi. E. Wernicke.
Analecta Lutherana. Briefe und Aktenstücke zur Geschichte
Luthers. Zugleich ein Supplement zu den bisherigen Samm-
lungen seines Briefwechsels. Herausgegeben von Theodor Eolde.
Gotha, F. A. Perthes. 1883. XVI u. 479 SS. 8».
Verfasser, der schon in seinen früheren Publikationen werth-
volle Dokumente zur sächsischen Geschichte veröffentlicht hat, bietet
in dem vorliegendem Bande eine Reihe überaus wichtiger und in-
teressanter Briefe und Aktenstücke. Zahlreiche Archive und Biblio-
theken Deutschlands, Hollands und Englands und der Schweiz haben
reiche Ausbeute geliefert. Sachsen ist nur durch die Zwickauer
Rathsschulbibliothek vertreten , allerdings mit einigen sehr hübschen
Sachen, die, aus der Briefsamralung Stephan Roths stammend,
neue Beweise für die innige Verbindung von Wittenberg und Zwickau
liefern. Aus den angrenzenden Gebieten ist zu nennen Gotha, Zerbst
und die von Wallenberg'sche Kirchenbibliothek zu Landeshut in
Schlesien. Aus letzterer stammt gleich das erste Stück des Buches,
ein wichtiger Brief Tetzels an Dekan und Kapitel zu Bautzen, der,
ähnlich einem in der Anmerkung beigefügten Schreiben an den
Bath zu Görlitz, uns einen interessanten Einblick in das Zeremoniell
und das Auftreten des Ablasskommissars gestattet. Über seine
Neues Archiv f. ö. G. u. A. V, 4. 22
338 Literatur.
Erfolge berichtet übrigens eingehend, was Körner in seiner Mono-
graphie über Tetzel übersehen hat, Kaemmol in seinem Johann Hass
(Dresden lb74), 120, 2;>1 A. 15 und Uoetze in seiner Monographie über
den Meistersilnger Adam Puschmann von Görlitz, wo bereits eine Stelle
aus dem Tetzel'schen Briefe an den Görlitzer Kath mitgetheilt ist
(Neues Lausitzisches Magazin LIIl [l«77j, 61, A. 5). NNekhe Be-
denken das Gebahren l'etzels auch bei streng kirchlich gesinnten
Leuten erregte, geht aus dem Urtheile eines der energischsten Ver-
treter der römischen Kirche in Görlitz hervor, cf. Kaemmel a. a. 0.
121 auf Grund von Hass' handschriftl. Annalen lU, 6. Als die
Perle in seiner Bedeutung für die Reformationsgeschichte des König-
reichs Sachsen mochte Uef. des Justus Jonas Bericht an Georg von
Anhalt über die Leipziger Keformation im Jahre 15:^9 bezeichnen,
welcher eine Keihe von Dunkelheiten und Schwierigkeiten beseitigt.
Der bekannte Streitpunkt, in welcher Kirche Lutber gepredigt habe,
wird hier endgiltig zu Grünsten der Thomaskirche entschieden und
damit Sebastian Fröscheis erst noch kürzlich angezweifelter Bericht
bestätigt. Auch die Predigt von Herzog Heinrichs Hofprediger,
Paul Lmdenau, findet nun ihre Stelle: er hielt am ersten Pttngst-
tage die Frühpredigt in der Thomaskirche. Er ist übrigens auch
mit dem „prediger zu freibergk" (308) gemeint, was im Register
(475) zu ergänzen ist. Eine ganze Reihe von Aktenstacken be-
ziehen sich auf Zwickau. An der Spitze steht ein Brief des dortigen
Predigers Egranus an Luther, in welchem jener den Reformator be-
glückwünscht, ungefährdet aus Zwickau entronnen zu sein. Eine
Ausführung der vom Verfasser in der „Allgemeinen deutschen Bio-
graphie" gegebenen Lebensskizze dieser Proteusnatur wäre sehr
erwünscht; liegt doch auch in Zwickau reiches Material, wie denn
Kaemmel a. a. 0. 48, 215 tig. manches Unbekannte, auch in Bezug
auf Literatur bietet. Die S. 169 abgedruckte Nachschrift Luthers
zu einem Briefe an den Rath zu Zwickau findet sich bereits bei
Hildebrand, Archiv für Parochialgeschichte I, 1 (Zwickau 1834), 25,
mit geringen Abweichungen bezüglich der Orthographie und Inter-
punktion, wie der einzigen abweichenden Lesart: den stoltzen
JBothen u. s. w. In derselben Zeitschrift findet sich noch S. 277
ein Schreiben zweier Zwickauer Rathsherren an Luther, das der
Beachtung werth ist, weil es für den Gang jenes misslichen Streites
nicht unwichtig ist. Da die Zeitschrift sehr selten ist, so mag es
hier noch einmal abgedruckt werden.
„Unser ganz willige Dienst Muglichs Vleis zuvor. Hochgelarter,
Achtbar Würdiger lieber Herr Doctor. E. A. geschreyben, be-
langende die Enturlaubung Her Lorentzen* des Predigers zw Sant
katlierin, haben wir itzund zu Torgaw entpfangen; weill wir aber
dis orts mit geschefften beladen, haben wir E. A. nicht, wie wir
gerne wollten, Richtige und gehürliche Antwort geben mugen ; Vns
beschwert aber und befrembdet nicht wenig Ewer gethan Schrift,
vnd seint vngezweifl'elt so E. A. gelegeuheit sainpt allen umbstenden
bericht, Ir wurdt vnser mit Ewerin fast schwinden schreiben ver-
schont haben, dan wir veimittelst gottlicher Hulf vnd gnaden auch
gerne wultcn leben und handeln, das Gott wohlgefällig, vns seelig-
lich vnd vor der Welt nicht zu strafen seyn sollt; wir müssen aber
dis vnd ander schreiben, so an uns und wider vns beschieht, in
Ansehung das wir an der schmach, vnter dem Namen des heyligen
wort Gotts und soll das heylige Evangelium gepredigt heissen, ge-
dulilen; so wir aber vnsers Regiments Entledigung haben mochten,
Literatur. 339
solt uns nicht hoch entkegen seyn, pfarrer vnd prediger, wie ihr
Vorhaben ist, zu überantworten, Vnsers Ermessens, so unser handel
solt, wie wir begeren vnd bitten zu Verhör kommen. Es soll schein-
lich befunden werden, das wir solcher Enturlaubung fug haben, wie
dem, so wollen wir E. A. schreyben Andern unsern Freunden auch
zustellen; ob E. A. weiter zu schreyben von notten, soll Euch weiter
vuser entschuldigung vnverhalten bleiben, dan E. A. vnd Würden
als vnserm günstigen hern zu dienen, seint wir willige vnd geüissen.
Dat. Mittwoch nach Reminiscere. Anno domini XXXI.
E. A. vnd Würden
Willige Laurentius Bernsprung Mgst. vnd Herrmann Mühlpfort
der Eitere. Beyde Bürger zu Zwickau itzt zu Torgau.
Dem Achtbaren Hochgelarten vnd würdigen Herrn Martino Luther,
heiliger und evangelischer Schrift Doctor. Unserm besondern
günstigen Herrn und Freund."
Zu den Jahren 1536 und 1537 verdienen noch einige Dokumente
Beachtung, welche Fabian im Anhange zu seinem M. Petrus Plateanus
(Programm des Gymnasiums zu Zwickau 1878, S. 26) aus dem
Zwickauer Rathsarchiv publiziert hat. Zunächst ein Urtheil Luther's
„in Sachen Baj'ers wider den Rath zu Zwickau", ausgestellt „1536
Montags nach S. Magdalene" , in welchem darauf gedrungen wird,
„das man die zwey regiment weltlich vnnd geistlich, ja wohl vnder-
scheide, vnnd ja nicht ynn einander menge". Ebenda findet sich
auch ein Schreiben des Rathes an Luther von „Dornstags nach
Letare Anno dni. 1537". Zugleich verweist Referent auf die von
Fabian S. 27 Üg. abgedruckte, von Melanchthon, Jonas, Bugenhageu
und Cruciger unter Assistenz von Bayer und Plateanus abgefasste
Schulordnung, welche bei dem regen Interesse Luthers für die
Zwickauer Verhältnisse sicher nicht ohne seine Billigung entstanden
sein wird. Bei der Lektüre des von Melanchthon und Jonas unter-
zeichneten Begleitschreibens an den Zwickauer Rath (Fabian a. a. 0.
S. 28) wird man namentlich in einer Stelle über die Thätigkeit des
Satans lebhaft an Lutlier'schen Stil erinnert. Auch Nicolaus Haus-
manns liebenswürdige Persönlichkeit wird uns mehrfach vorgeführt,
sein Bild bereichert. Man sieht aus verschiedenen Briefen, wie hoch
ihn Luther schätzte. Einzufügen ist auf S. 141 Luthers Briefchen
an ihn ex eremo vom 30. Juni 1530, diesem an Lutherbriefen so
fruchtbaren Tage, in welchem Hausmann die Nachricht erhält, dass
die Übersetzung des Jeremia beendet und Ezechiel in Angriff ge-
nommen sei (abgedruckt bei Schirrmacher, Briefe und Akten S. 85).
Aus den übrigen Dokumenten, welche die politische, künstlerische,
literarische und religiöse Bewegung der Zeit in reicher Abwechselung
vorführen , ist als besonders beachtenswerth hervorzuheben der
Reisebericht des Musculus, in welchem der Gottesdienst in Eisenach
und Wittenberg bis ins Einzelste vorgeführt wird.
So sind die verschiedensten Gebiete Sachsens mit höchst in-
teressanten Nachrichten bedacht. Während einzelne Personen zum
ersten Male auftauchen, wird das Bild anderer mit neuen Strichen
versehen und abgerundet. Jedenfalls stellt auch dieses Buch wieder
einen Schritt weiter dar auf der Bahn der vom Verfasser eifrig an-
gestrebten und erfolgreich angebahnten „wissenschaftlichen Geschichte
der Reformation in den sächsischen Ländern".
Dresden. Georg Müller.
22*
340 Literatur.
Heimatskuude Ton Bautzen und Umgegend. Ein Beitrag zur Er-
gänzung und Belebung des geofjrnphischen uiul goSLhic'itlichen
üuterriclits. Für die oberen Klassen der Volksschulen und die
unteren und mittleren Klassen höherer Schulanstalten. Von Oswald
Pfütze, Seminaroberlehrer in Bautzen. Mit einer Karte von 11.
Böhme. Bautzen, Monse. 1884. 60 SS. 8».
Mit Vergnügen weisen wir auf dieses kleine, billige Büchlein
hin, das natürlich weder die geographische noch die historische
Wissenschaft bereichern will, aber den pädagogischen Zweck, den
der Verfasser, ein erfahrener Schulmann, damit verfolgt, sicher auch
erreichen dürlte. Mit weiser Beschränkung giebt derselbe von der
allgemeinen Geschichte des Landes Oberlausitz nur das zur Orien-
tierung Nothwendigste und zwar mit Benutzung der neuesten wissen-
schaftlichen Untei'suchungen ülier dieselbe; nur die Jahrzalilen 958
für die Erbauung der Ortenburg und 1207 für die Gründung des
Domkapitels zu Bautzen sind veralteten Schriften entlehnt. In
zweckmässiger Weise werden die geschichtlichen Daten meist in die
Beschreibung der wichtigsten Gebäude und Denkmäler der Stadt
Bautzen eingewebt. Von S. .38 an wird die Bodengestaltung des
gesamten Landes, endlich „die Bewässerung" und das Klima des-
selben anschaulich und überall durch charakteristische Schilderungen
belebt behandelt. Eine den grössten Theil der sächsischen Ober-
lausitz umfassende, sehr zweckmässig gearbeitete Spezialkarte er-
läutert zumal den geographischen Theil der Schrift. Wir theilen
vollständig die Ansicht des Verfassers, dass eine solche bereits in
der Volksschule betriebene Heimathskunde, ganz abgesehen von dem
Wissensstoffe, den sie bietet, die Liebe zu iler engsten Heimath bei
der Jugend wesentlich fördern müsse.
Dresden. Knothe.
Der rechtliche Anspruch Böhmeu-Österrcichs auf das Köui^L
Sachs. Mark^räfthuiu Oberlausitz. Eine staatsrechtliche De-
duction. Von Dr. jur. lioinricli Üeumer. Leipzig, Liebeskind.
1884. Vlir, 79 SS. 8".
Die vielurastrittene Frage, ob die Bestimmungen des Traditions-
rezesses von 1635 — nämlich dass (1.) die (sächsische) Oberlausitz
ein Lehn der Krone Böhmen sein und bleiben solle, dass (2.) letztere
gewisse kirchenpolitische Hechte in jenem Lande auszuüben befugt
sei, und vor allem dass (3.) die Krone Böhmen eventuell ein Heim-
falls- beziehentlich Wiedereinlösungsrecht auf die Oberlausitz habe —
noch gegenwärtig zu Recht bestehen, hat durch obige Schrift eine
neue und, wie es uns wenigstens scheinen will, höchst umsichtige,
klare und überzeugende Behandlung erfahren. Als Nicht-Jurist
massen wir uns ein Urtheil über das Materielle der Beweisführung
nicht an, beschränken uns vielmehr darauf, den Gang der Unter-
suchung und die Resultate, zu denen der Verfasser gelangt, in
kurzen Sätzen zu skizzieren. — Durch die Inkorporation der Ober-
(und Nieder-) Lausitz in das Königreich Böhmen von Seiten Kaiser
Karls IV. wurde dieselbe 1355 eine Provinz Böhmens. 1635 wurde
sie an Kursachsen erblich, doch als Lehn der Krone Böhmen ab-
getreten. Hieraus ergab sich für den Kurfürsten von Sachsen das
„Zweinaturenverhältnis", dass er für Sachsen Vasall des deutschen
Reichs, als Markgraf der Oberlausitz aber Vasall von Böhmen war.
Dies Verhältnis wurde dadurch nicht aufgehoben, dass 1806 das
bisherige Kurfürstenthum, seitdem Königreich Sachsen, die Souverän!-
Literatur. 341
tat erlangte und dem Rheinbunde beitrat. Der König ward Souverän
nur für die sächsischen „Erblande", blieb aber für die nur durch
Personalunion mit letzteren verbundene Oberlausitz Vasall der Krone
Böhmen. In der Wiener Kongressakte von 1815 verzichtete der
Kaiser von Österreich auf seine Souveränitätsrechte über die Nieder-
lausitz und über den von Sachsen an Preussen abgetretenen Theil
der Oberlausitz zu Gunsten des Königs von Preussen, behielt sich
also über den sächsisch gebliebenen Theil der Oberlausitz seine
Souveränitätsrechte vor. Die sächsische Verfassungsurkunde von
1831 erklärte das Königreich Sachsen für einen unter einer Ver-
fassung vereinigten, uiitheilbaren Staat. Hiernach war der König
jetzt Souverän nicht mehr bloss in den Erblanden, sondern auch
in der Oberlausitz; letztere stand mit den Erblanden nicht mehr in
blosser Personalunion, sondern war denselben inkorporiert; der König
von Sachsen hatte aufgehört, für die Oberlausitz Vasall der Krone
Böhmen zu sein. „Es muss jedem Staate das Recht zugesprochen
werden, sich seiner kontraktmässig eingegangenen Verpflichtungen
für entbunden zu halten, sobald die Entwicklung desselben durch
die strikte Befolgung eines vielleicht theilweise antiquierten Vertrags
gehemmt werden würde." Mit den oberlausitzischen Ständen aber
schloss die sächsische Regierung den Partikularvertrag von 18.34,
wonach die Oberlausitz die Verfassung des Königreichs Sachsen
annahm, aber nur unter der Bedingung des „Fortgenusses der mit
der neuen Verfassung des Königreichs, sowie der in der gegenwär-
tigen Urkunde ausgedrückten Rechte". Würde sie sich also dermal-
einst nicht mehr des Fortgenusses dieser Rechte erfreuen können,
so würde sie aus dem Staatsverbande des Königreichs Sachsen aus-
scheiden und wieder zu ihrer alten Partikularverfassung zurück-
kehren; d. h. sollte nach einem etwaigen Erlöschen des Sächsisch-
Albertinischen Mannsstammes Böhmen von seinem Einlösungsrechte
Gebrauch machen, so würde die sächsische Oberlausitz allerdings
wieder an Böhmen kommen, aber unter ihrer früheren Partikular-
verfassung. Die österreichische Regierung nun hat ihrerseits schon
bald nach 1831 gegen die Einverleibung der Oberlausitz in den
Staatsverband des Königreichs Sachsen protestiert, auch späterhin
wiederholt das eventuelle Heimfalls- und das Aufsichtsrecht in
Sachen der katholischen Konfession über die Oberlausitz geltend
gemacht. Eine Deklaration sowohl der sächsischen als der öster-
reichischen Regierung von 1845 erledigte die Streitfrage nicht, son-
dern vereinbarte nur einen „Waffenstillstand" zwischen den einander
widerstreitenden Ansichten. Durch seinen Eintritt in den nord-
deutschen Bund und später in das deutsche Reich erklärte Sachsen,
dass die Bundes-, beziehentlich Reichsverfassung sich auch über
Sachsen erstrecke. Bundesgesetze aber gehen den Landesgesetzen
vor. Durch eine etwaige Einlösung der Oberlausitz von Seiten
Österreichs oder durch einen Heimfall an letzteren Staat würde
nun aber das deutsche Reichsgebiet vermindert werden. Dazu be-
dürfte es eines Verfassungsänderungs-Gesetzes durch die Reichs-
regierung und den deutschen Reichstag. Das deutsche Reich aber
würde sich nicht für gebunden erachten, die Verpflichtungen, welche
früher einmal von einem Einzelstaat gegen Dritte eingegangen
worden sind, zu erfüllen, wenn die Erfüllung derselben Eingriffe in
die Rechte des Reichs involvieren würden. Das Königreich Sachsen
hat sich zwar verbindlich gemacht, eventuell die Oberlausitz wieder
an Österreich abzutreten, ist aber jetzt hierzu ausser Stande, sofern
342 Literatur,
das deutsche Reich hierzu seine Genehmigung nic-ht ertheilt ; dieses
aber. ist keineswegs verpflichtet, dieselbe zu ertheilen. übrigens
hat Österreich auch gegen die durch die Reichsverfassung bewirkte
Änderung in dem staatsrechtlichen Verhältnis der Oberlausitz zu
der Krone Böhmen nicht protestiert; es darf also angenommen
werden, dass Österreich auf sein Heimfallsrecht verzichtet habe.
Sollte aber nach einem etwaigen Erlöschen des Albertinischen Manns-
stammes in Sachsen die Oberlausitz an Hessen-Darmstadt, als den zu-
folge des Traditionsrezesses von 1635 nächst- berechtigten Agnaten
fallen, so stände einer Succession dieses Hauses nichts entgegen,
da hierdurch die Reichsverfassung nicht alterirt, d. h. kein Stück
deutschen Landes .an einen ausserdeutschen Staat abgetreten würde.
Das Schutzrecht Österreichs über die katholischen Stifter in der
Oberlausitz muss dagegen als noch zu Recht bestehend gelten, da
die Reichsverfassung nichts enthält, wonach dies unzulässig wäre. —
Hoffen wir vor allem, dass die Eventualität, um welche sich die ganze,
von uns kurz skizzierte Untersuchung bewegt, nämlich das etwaige
Erlöschen des Sächsisch-Albertinischen Mannsstammes, niemals ein-
treten möge!
Dresden. Knothe.
Uebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur sächsisch -thüringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
Bachmann, Joh. Anarg Heinrich Herr zu Wildenfels, als Verf.
des Liedes: „0 Herre Gott, dein göttlich Wort": Zeitschr. f.
kirchl. Wissenschaft Jahrg. IV (1883) S. UO— 148.
Bauch, G. Die Vertreibung des Johannes Rhagius Aesticampianus
aus Leipzig: Archiv für Litteraturgeschichte Bd. XIII (1884) Heft 1
S. 1—33.
Berge, B. Der Steinkohlenbau bei Zwickau: Festschrift für den
10. sächsisclien Feuerwehrtag (Zwickau 1884. 8"). S. 05—71.
Distel, Th. Leipziger Schöffenspruch auf verschärfte Todesstrafe
(1599): Zeitschr. f. Museologie u. Antiquitätenkunde Jahrg. VII
(1884) No. 16 S. 123 flg.
— Der berühmteste Färber Deutschlands: Ebenda S. 124.
— Nachrichten zu Ernst Rrotulis Stammbaum des Hauses Sachsen
(1563): Ebenda No. 17 S. 132.
— Nachrichten über den jNIaler Sebalt zu Leisnig (1515): Ebenda.
— Zwei Künstler unter Kurfürst Friedrich dem Sanftmüthigen: Ebenda
No. 18 S. 1.S9.
— Zur Biographie des Hofpredigers Joh. Weiss (1552) : Ebenda S. 140.
— Zur Baugeschichte derKircho zuPenig(1514): Ebenda No.20.S. 156.
IJohmIce, Emil. M. Georg Lani, Coli. Tertius der Nikolaischule
1684—1696: Studia Nicolaitana, dem scheidenden Rektor Herrn
Prof. Dr. Theodor Vogel dargebracht von dem Lehrerkollegium
der Nikolaischule zu Leipzig (Leipzig 1884) S. 113—145.
Erbstein, Jul. und Alb. Das Königliche Grüne Gewölbe zu Dresden.
Mit Abbildungen. Dresden, W. Baensch. 1884. XIX, 212 SS. 8».
Fiedler, Ottomar. Die Kntwickelung der Feucrlöschanstalten der
Stadt Zwickau: Festschrift für den 10. sächsischen Feuerwehrtag
(Zwickau 188 t. 8"). S. 45—64.
Literatur. 843
Hantzsch, A. Geschichte der Schule des Dorfes Plauen. Eiu Bei-
trag zur Gesch. des sächs. Landschulwesens: Sächsische Schul-
zeitung 1884 No. 34, 35, 37, 38, 40. S. .363—366, 373—377,
391—395, .399—403, 419—424.
Immisch, H. Deutsche Antwort eines sächsischen Wenden. Der
Panslavismus unter den sächsischen Wenden mit russischem Gelde
betrieben und zu den Wenden in Preussen hinübergetragen.
Leipzig, J. C. Hinrichs (Komm.). 1884. IV, 156 SS. 8».
Israel, Aug. l>ie pädagogischen Bestrebungen Erhartl Weigels
(1653— 1699 Professor der Mathematik zu Jena). Ein Beitrag zur
Gesch. der pädagogischen Zustände im 17. Jahrhundert. Zscho-
pau, Raschke. 1884. 59 SS. 8».
Kögel, Budolf. Göthes Leipziger Lieder in ältester Gestalt: Studia
Nicolaitana, dem scheidenden Rektor Herrn Prof. Dr. Theodor
Yogel dargebracht von dem Lehrerkollegium der Nikolaischule
zu Leipzig (Leipzig 1884) S. 89—111.
Lobe, J. und Lohe, E. Geschichte der Kirchen und Schulen des
Herzogthums Sachsen-Altenburg auf Grund der Kirchen-Galerie
bearbeitet. 2. Lieferung. Altenburg, 0 Bonde. 1884. S. 65-128. 8».
Moratvelc, C. G. Jahrbuch der Geschichte der Armbrust- und
Büchsen-Schützen-Gesellschaft zu Zittau mit theilweiser Beziehung
auf die Schützen- Gesellschaften der Oberlausitz, Böhmens und
Schlesiens. Eine Fest- und Denkschrift zum 300jährigen Ver-
fassungs - Jubiläum der Schützen - Gesellschaft zu Zittau vom
29. Juni bis 1. Juli 1884. Im Auftrage des Festcomites verfasst.
Zittau. 1884. 4 Bll. 135 SS. 8».
Moser, 0. Zwei vergessene Künstler-Originale: Wisseuschaftl. Bei-
lage der Leipz. Zeitung 1884. No. 75 S. 447 flg.
Muther, E. Sachsens Kunstleben im sechzehnten Jahrhundert:
Grenzboten. Jahrg. 1884 No. 40 S. 21—30, No. 41 S. 79—89.
PfetzholdtJ, J. Glückwunschkarten von Mitgliedern des Königl.
Sächs. Hofes: Neuer Anzeiger für Bibliographie. Jahrg. 1884
Heft 10 S. 313—316.
Bentseh, Joh. Georg. Geschichte der Kirche und Kirchfahrt Kitt-
litz. Bautzen und Löbau. 1884. VII, 80 SS. 8".
Schmidt, Gustav. Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und
seiner Bischöfe. Zweiter Theil. 1236—1303. Mit 6 Siegeltafeln.
(A.n. d. T.: Publikationen aus den K. Preussischen Staatsarchiven.
21. Band). Leipzig, Hirzel. 1884. III, 671 SS. 8».
Spitta, Philipp. Über die Beziehungen Sebastian Bachs zu Christian
Friedrich Hunold und Mariane von Ziegler. (Historische und
philologische Aufsätze. Festgabe an Ernst Curtius zum 2. Sep-
tember 1884. Berlin, Asher. 1884). 32 SS. 8».
Steche, B. Bauliches über die Albrechtsburg zu Meissen : Wissen-
schaftl. Beilage der Leipziger Zeitung 1884 No. 76. S. 449—453.
Zemmrich, H. Abriss der Geschichte der Stadt Zwickau: Festschrift
für den 10. sächsischen Feuerwehrtag (Zwickau 1884; 8°). S. 1 — 44.
Zimmermann, K. E. Ai\s Annabergs Vergangenheit. Annaberg,
Rudolph & Dieterici. 1885. 26 SS. 8«.
Ein historisch-allegorisches Gemälde G. v. Kügelgen's zum Jahre 1884:
Wisseuschaftl. Beilage der Leipz. Zeitung. 1884 No. 78 S. 465—468.
Erinnerungen aus dem russischen Feldzuge im Jahre 1812 (nach
dem Tagebuche eines sächsischen Offiziers): Ebenda No. 80 — 83
S. 473—476, 481—484, 489—496.
344 Literatur.
Festschrift zur Einweihung des "Wettiner Gymnasiums zu Dresden
am 17. Oktober 1884. Dresden. XII, 27 SS. 8°.
Zwei Besuche Friedrichs des Grossen am Herzoglichen Hofe zu
Gotha während des siebenjährigen Krieges: Militär- Wochenblatt.
1884. No. 73 Sp. 1451—1458.
Mitteilungen des Alterthumsvereins zu Plauen i. V. Vierte Jahres-
schrift auf d. J. 188.3 — 84. Herausgegeben von Dr. phil. Joh.
Müller. Planen 1884. 8».
Inhalt: Joh. Müller, Urkunden und ürkundenauszüge zur Ge-
schichte Plauens und des Yogtlandes v. J. 1165 — 185R (Nachträge
zu der Sammlung in der 1. — 3. Jahresschrift). Derselbe, Er-
gänzende Nachweise und Berichtigungen zu der Urkundensamm-
lung in der 1. — 3. Jahresschrift. C. v. R., Beiträge zur Geschichte
des vogtländischen Adels: 1. Die von Reinsdorf, von Thoss und
von Weischlitz (Schlnss). C. v. R., Ein Duell im 16. Jahrb.
Joh. Müller, Der grosse Brand Plauens i. J. 1548 und der "Wieder-
aufbau der Stadt. A. v. W., Rückblicke auf Sachsens Kämpfe
um die Mitte des Jahrhunderts der Reformation.
Mitteilungen des Vereins für AnJiaUische Geschichte und Alter-
thumskunde. Band IV. Heft 2. Dessau 1884. 8«.
Inhalt: Schulze, Bedeutung der Namen der auf dem anhaltischen
Harze befindlichen Gewässer, Berge, Thäler, Forst- und Feldorte,
Ortschaften, Wüstungen u. s. w. Maurer, Nachgrabungen bei der
Klosterkirche zu Frose. Hosäus, Aus den Briefen Friedr. Joh.
Rochlitz' an Friedr. Schneider.
Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte. IV. Jahr-
buch für 1882—83. Chemnitz 1884. 8».
Inhalt: Kirchnei", Adam Andrea und das Chemnitzer Lyceum
in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Mating-Sammler,
Das Chronicon Cbemnicense. Derselbe, Stadt und Kloster Chem-
nitz bis zur Erwerbung durch die Wettiner. Ulile, Urkunden
zur Geschichte von Chemnitz im Schmalkaldischen Kriege. Kirch-
ner, Philipp Jakob Spener in Chemnitz.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meissen. Des
ersten Bandes 3. Heft. Meissen 1884. 8«.
Inhalt: Hey, Die slawischen Ortsnamen der Meissner Gegend.
Bartsch, Die Lieder des Markgrafen Heinrichs des Erlauchten.
Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg, Über den Judenkopf als Helm-
schmuck der Markgrafen von Meissen. Peter, Die Ptiege der
deutschen Poesie auf den sächsichen Fürstenschulen im zweiten
Viertel des vorigen Jahrhunderts. Langer, Kritik der Quellen
zur Geschichte des h. Benno, vornehmlich der Vita Bennonis.
Zeitschrift des Vereins für Thilringische Geschichte und Alter-
thumshinde. Nene Folge. Btl. IV. (Der ganzen Folge 12. Band.)
Heft 1 und 2. Jena 1884. 8».
Inhalt: Einert, Crotus Rubianus. Lippert, Beiträge zur ältesten
Geschichte der Thüringer. Erich Schmidt, Untersuchung der
Chronik des St. Peterklosters_ zu Erfurt. Wenck, Liber Croni-
corum (Krfordensis). Koch, Über das angebliclie Stift Graba.
Miszellen: v. Thüna, Eine Saalfelder Grabschrift. Wenck, Ein
Handschriftenkatalog des Klosters Reinhardsbrunn vom Jahre 1614.
Literar. Mittheilungen.
Register.
Adrian, branclenb. Kanzler 278.
Alba, Herzog v. 243. 252 ff.
Alberus, Erasmus .308.
Albrecht, Mkgr. von Branclenb. -
Culmbach 178. 18.3. 199 f. 211.
218. 22.3 ff. 282. 287 ff. 292.
298. 300.
Alemann, Chrph , magdeb. Fähn-
rich 209.
— Ebeling, magdeb. Oberst 209.
297. 305.
— Heinrich, magdeb. Bürgermstr.
190 f.
Altenborg 15. 29. 60 ff.
V. Altenburg, Kilian 222.
Anhalt s. Georg.
Annaberg 33. 59. 332.
Anton, Grf. v. Oldenburg 225.
Antwerpen 5 f. 9. 27.
Arnold, Chrph., Kanzler 225. 292 f.
296 f.
V. Aschenburg, Joh. 222.
Aschersleben 18, 27 f. 62 fl".
Augsburg 2. 5. 7. 26. 42 f. 61.
63 f.
— Reichstag 178. 181 ff.
August, Kurf. V. Sachsen 18 ff.
22 f. 26. .30. 192. 197. 199 f. 306.
— IL, s. Friedr. August.
Augustusburg 43.
Aussig, Schlacht bei 314.
de Avila, Don Luis 242 ff
Baireuth 8. 33. 40 f. 61.
Bamberg 27. 29. 61. 178.
Barbi 183. 192.
Basel, Konzil 320.
Bautzen 10 ff. 19. 21. 34. 40. 43 f.
53. 55 f. 73 ff. 309 ff.
Bayern 33. 40 ff. 51.
Beatrix, Mkgrtiu v. Braudeub. 95.
Bendler, Sänger 127 f. 134,
Benno, Bisch, v. Meissen 87.
Beraun 14,
Berlin 17. 19. 28 f. 32. 35 ff. 40.
43 ff 4H. 52 f. 55. 62. 64. 69 f.
Berner, Klaus 180. 192. 197 f. 21 9 f,
Bernhard, Bisch, v. Meissen 109.
Bernspruug,Laur., in Zwickau339.
Bernstadt 85. 111. 316.
Besselmeier 208.
Bing, Sim., hess. Geschäftsträger
211. 219.
Bischofswerde 17. 34. 85. 93.
V. — , Heinr, 98.
Bishalm, Beatus 241.
Bitterfeld 204. 207.
V. Bock, Heinr. 278.
V. Bodow, Heinr. HO.
Böhmen 3. 8. 10. 13 ff. s. Ferdi-
nand, Georg, Johann, Ladislaus,
Ottokar, Wenzel, Wladislav,
Wratislav.
Boleslav Chrobry, Hrz. v, Polen
79. 81.
V. Bor, Bora, Familie 336 f.
Borna 15. 18. 60 f. 63.
Borsewitz, s. Kaina.
Brandenburg 13 f. 17. 19 ff. 64.
94 ff. s. Albrecht, Beatrix,
Friedrich, Friedr. Wilhelm,
Joachim, Johann, Konrad, Otto,
Volrad, Woldemar.
Braunschweig 18. 27 ff. 38. 42.
51. 62. 64 f. 68 ff. 116. 125.
177 ff", s. Erich, Heinrich,
Otto, Rud. August.
Bremen 26 ff. 31 f. 38. 50 f. 62 ff.
68 f. 210 f. 217 fl'.
Breslau 11 ff. 20. 27. 29. 32 ff. 113.
Briesing b. Niedergurig 90.
84 n
Rofrister.
Bruno II, Bisch, v. Meissen 87 ft'.
92 f.
Buckau b. Masdeburff 207. 221.
V. liiiiiau, Rud., Hofmeister des
Hz. Heinrich '523. 325 f. 328. 3.3.3.
Biinzlau 12. 40. 5.3.
Bnrchard, Erzbisch, v, Magde-
burg 112.
Burgdorf b. Lüneburg 221 f.
Burk b. Bautzen 91. 10.3.
V. Carlowitz, Chrph. 187 ff. 192.
195 f. 213. 219. 22.'>. 281 ff.
292. 297. .302. .308.
Chambord b. Blois 308.
Chemnitz 18. 33 f. 45. 51. 58. G3.
Christian I., Kurf. v. Sachsen 24.
(Christoph, Grf. v. Oldenburg 180.
197 f. 201.
Colditz 43.
V. Colditz, Albrecht 318.
— Thimo 313. 318. s. Meissen.
Cranach, Lucas 322. 330. 335 ff.
Crossen 35. 45. 53. 56 f.
Cottbus 35. 57.
Czerneboh b. Bautzen 236.
Dahlen 12.
Dahme 35. 5.3. 55 f. 58.
Dänemark 37 ff.
Danzig 26 28 f. 32. 40. 42. 69 f.
Delitzsch 40 58. 62. 318.
Dessau 41. 58. 62. 64.
Diesdorf b. Magdeburg 208. 221.
Dietrich, Dompropst zuMeissen 88.
— V. Landsberg 7.
— Bisch. V. 01m ütz 112.
Dinner, Konr., in Würzburg 241.
Dippoldiswalde 167 ff.
V. Diskau, Hans 305. .307.
Döbeln 19. 43. 58
Döbricht, Familie 120 ff.
Dobrilugk 13. 53. 55. 57.
Dreileben b. Magdeb. 179 f. 183.
298.
Dresden 17. 21 ff. 25 f. 29. 33 f.
39. 45. 51. 55 f. 66. 68. 71.
116 f.
Ebeling s. Alemann.
Ebersbach b. Görlitz 234.
Egbert, Markgr. v. Meissen 81.
Eger 17.
Eilenburg 8. 11 ff. 19. 44. 54 f.
57 f. 69. 318.
V. Einsiedel, Abrah. 285.
Eisenach 6. 10. 16. 18. 29. 65. 68.
Eisleben 10. 45. 62. 64. 70. 261 ff.
Ekkehard IL, Mkgr. v. Meissen 78f.
Elbe, Schiffarth 21 ff. 33 ff 66 ff.
71 f.
Einer, Valentin, Maler in Frei-
berg .321 ff".
FilsterÜösse 26.
V. Elstra, Ileinr. 98. 110.
V. Emden, Levin, 1 'r. 1 90 f. 290. 292.
Emser 324. 33.3.
England 28 f. 38. 43. 50.
Erfurt 2. 6. 8 ff. 16. 18. 27. 20.
31. 3.3. 64 f, 68.
Erich, Hzg. v. Braunschweig 178.
Ernst d. Fromme, Hzg. v. Gotha 32.
— Kurf. V. Sachsen 59.
Eugen IV. Papst 319.
Fachs, Dr. Ludw. 189. 192. 204.
278. 308.
Falkenberg 60 f.
Feetz, J. H, Sänger u. Musikus 127.
Fehrbellin 35. 45. 53.
Ferdinand, Kg. v. Böhmen 14.
16. 21. .30. 186 ff. 193 f. 226.
Fermersleben b. Magdeburg 208.
Finsterwalde 13. 20. 53.
Flämingen 98.
Frankenberg 63.
Frankfurt a. M. 2. 5 ff. 10. 15 f.
18. 20. 31 ff. 38. 42. 49. 52.
61. 65. 70.
— a. 0. 13 f. 22 f. 27. 34 f. 36 ff.
44 ff'. 52 f. 55. 57.
Frankreich 50. 61. 181 f. 278.
291. 300 ff', s. Heinrich.
Franz Otto, Hzg. zu Lüneburg
195. 300.
Freiberg i. S. 17. 33 f. 43. 45.
58 ff". 265 ff. 321 ff.
de Fresse, Jean (Fraxineus), Bisch.
V. Bayonne .300.
Friedrich L, Kaiser 83.
— III, Kaiser 8.
— Mkgr. V. Brandenb. 193.
— Hzg. V. Liegnitz 14.
— I., König V. Preussen 46 f.
— II., König V. Preussen 54. 56.
— d. Freid., Mkgr. v. Meissen 59.
— n., Kurf. V. Sachsen 11. 17.
Friedrich .\ugust I., Kurf. v.
Sachsen 53. 60. 117.
Register.
847
Friedrich August IL, Kurf, v.
Sachsen 66. 155 f.
I., König V. Sachsen 72.
Friedrich Wilhelm, Kurf. v. Bran-
denb. .35.
, Hz. V. Weimar, Admi-
nistr. 25.
Friedrich-Wilhelms - Kanal 36 f.
45. 54.
Fürstenwalde 35. 55 ff.
Gallus, Mag. 308.
Gardelegen 35. 53. 56. 62.
Georg, Fürst v. Anhalt 190 ff.
— König von Böhmen 11 f.
— Hz. V. Meklenburg 178 ff.
298. 302. 305 f.
— Hz. V. Sachsen 12 ff. 16. 323 ff.
Gera 16. 41. 45. 60 ff. 69.
Gericke, G., Bürgermstr. v. Mag-
deb. 180. 290. 292.
Geringswalde 43.
V. Gersdorf, Joachim 182. 222.
290. 308.
Gifhorn 27. 56. 62. 69.
Glaser, Dr. H. F. 118. 137 f.
Glashütte 169.
Glatz 15. Glatzer Recht 104.
Glauchau 63.
Glogau 14. 34. 45. 57.
Göda b. Bautzen 87.
Görlitz 10 ff. 84 f. 93 ff. 97. 111.
311 f. 314. 316. 318 ff.
Goslar 65.
Göttingen 18 f. 27. 29. 41 f.
Granvella, Bisch, v. Arras 185 ff.
283. 285. 293 f. 299. 302.
Grimma 11 f. 19. 26. 54.
Grinitz (Grenitz), J. Chrph., Sän-
ger 126. 134.
Groitzsch s. Heinrich, Wieprecht.
Grossenhain 10 ff. 17. 19. 34. 52.
55 f. 91.
Grossottersleben b. Magdeb. 221.
274.
Grosssalza 192.
Grunewald, Gottfr., Musiker 127.
Günther, Erzbisch, v. Magdeburg
318.
Gunzelin, Mkgr. v. Meissen 80.
Hainichen 45. 63.
Halberstadt 18. 27. 65. 179. 185 f.
196.
Halle 6 ff. 18 f. 28 f. 32 f 45 ff.
51. 62 ff. 70. 72.
V. Haller, kais. Pfeunigmstr. 281.
Hamburg 14. 2.3. 26 ff. ]16. 275.
Hamerer, Phil. Jac. 239 ff.
Hannover 116.
Harsdorf b. Magdeb. 208.
Hartenberg h. Hirschberg (Schles.)
318.
Hausmann, Geleitsmann 52.
— Hans, Bürgermeister in Frei-
berg 326. 332.
— Nie, Pfarrer in Zwickau 326.
332. 339.
Havel 35 ff.
V. Heideck, Hans 180. 193. 199.
201. 210 f. 220 f. 225 f. 276.
278. 290. 292 f. 295 ff. 302 f. 305.
V. Heinitz, Dr. Nicol. 325. .331.
Heinrich I., deutscher König 78.
— H., Kaiser 80.
— HI., Kaiser 81.
— IV., Kaiser 82.
— Hz. V. Braunschweig 177 f.
221. 223. 225. 285. 302.
— II., Kg. V. Frankreich 181. 308.
— V. Groitzsch 82.
— Hzg. V. Mecklenburg 179. 195.
275. 300.
— Bisch. V, Meissen 90 f.
— d. Erl., Mkgr. v. Meissen 10.
— Bisch. V. Merseburg 109.
— d. Fr., Hzg. V. Sachsen 59. 323 ff.
Heller, Steph., Pfarrer zu Kirch-
hain 319.
Helmstedt 198.
Herbord, Domherr zu Bautzen 92.
Herzberg 17. 44. 57. 59. 69.
Hesse, Kapellmstr. u. Kriegsrath
in Darmstadt 124.
Hessen 33. 211. 281 f. s. Philipp,
Wilhelm.
Hillersleben, Kloster 180 ff. 184 ff.
191.
Hirschfelde (Ob.-Laus.) 314.
Hochreutiner, Domin. 241.
Hof 15. 29. 34. 41. 60-^f. 64.
Hoffmann, Melch., Musikdir. 122.
Hofmann s. Johann.
Holland 18. 28 f. 38.40.47. 50 f. 64.
Holstein, Dr., lüneb.Kanzler 197 f.
201.
Hoppe, magdeb. Rathsherr 290.
292.
V. Hoya, Grafen 223.
348
Register.
Hoyerswerde 54 ß. 82. 84.
Ilussiten 310 ff.
Jänkeiulorf b. Görlitz 228.
Ibrahim ibn Jakiib 22S. 238.
Jena 33. 40. 61.
Iniiocenz IV., Papst 90. 95.
Joachim IL, Ivurf. v. Brandenburg
22. 3.T 177 f. 183. 192. 19f', f.
199 f. SO.'S. 210. 213. 275 f.
279 f. 285.
V. Jockrim, Herrn. 98.
Johann, Kön. v. Böhmen 11. 93.
100 flf. 114.
— Mkgr. V. Brandenburg 104.
— Mkgr. V. Brandenb. -Küstrin
179. 18.3. 192. 195. 200. 206 f.
219 f. 226. 274 ff. 284. 289.
291. 300 f.
— III. (v.KittIitz),Bisch.v.Meissen
313.
— IV. (IIofmann\Bisch. v.Meissen
309 ff.
— VI. (v. Salhausen), Bisch, v.
Meissen 316. 320.
— VII. (v. Schleinitz), Bisch, v.
Meissen 325. 331.
— IX. (v. Haugwitz), Bisch, v.
Meissen 320.
— III. Sobieski, König von Polen
1.58 ft'.
— (d. Best.), Kurf. v. Sachsen 15.
— Hz. V. Sagan 11. 98.
Johann Adam', Fürstabt v. Kemp-
ten 240 ff.
Johann Albrecht, Erzbisch, v.
Magdeb. 177.
Hz. V. Mecklenburg 179.
219. 275. 291.
Johann Friedrich, Kf. v. Sachsen
221. 225. 24.3. 247. 252.
Johann Georg I., Kf. v. Sachsen
34. 44.
— IL, Kf. V. Sachsen 39 f. 44 f. 1 1 G.
— IIL, Kf. V. Sachsen 159 ft".
— IV., Kf. V. Sachsen 117. 12.'?.
Italien 18. 33. 44. 64.
Juden 11.3.
Judith, böhm. Prinzessin, Gem.
Wipreclits v. Groitzsch 81 f.
Jülicher, Joh., Obrist 196.
Jüterbogk 35. 53. 55 f. 58. 184 f.
188 f.
Kaina 89. 91.
V. Kaina, Conradus 110.
V. — , Henzil 98.
Kalbe 28. 62. 280. 289.
Kamenz 11 f. 19. 21. 34. 54 ff.
84 f. 93. 10.5. 111.
V. Kamenz, Herren 88.
— Bernhard II. 92.
Karl IV., Kaiser 11. 106. 113 ff.
312 f. 318.
— V., Kaiser 9. 178 ff. 242 ff.
274 ff. 325.
— VI., Kaiser 66 f.
Kaspar, Bisch, v. Meissen 320.
Katharina, Gem. Hz. Heinrichs
V. Sachsen 324. 326. 328. 333.
Kempten s. Joh. Adam.
V. Kessel, Familie 337.
Kitzin g, Dr. 207.
Kittlitz, Herrschaft 84.
V. Kittlitz, Heinricli 312 f.
— Johann s. Meissen.
— Otto 31.3.
Klitschdorf a. Qu. 5«.
Kneutlingen, Dr. 285.
Knöchel, Sänger 126. 128 f 134.
Komcrstadt, Dr. 292.
KönigsbriUk 11 f. 19. .34. 84. 98.
V. Könneritz, Erasmus 204.
— Nicol. 276.
Konrad IL, deutscher König 81.
— IIL, Kaiser 82.
— Markgr. v. Brandenburg 101.
104.
— (d. Gr.), Markgr. v. Meissen 82 f.
— Bisch. V. Meissen 10.
V. Kopperitz, Heinr. 94.
— Nicol. 94.
— Ulrich 94.
Kottmarsberg b. Löbau 84.
Kotze, Leonh. 221.
Krakau 11. 3 t. 44. 69.
— b. Magdeb. 20'<. 274. 288 f.
Kram, Franz, sächs. Rath 18 1 f.
189. 192. 285. 293 ff.
Kratzau 314.
Krell, Hans, Maler 337.
Küchenmeister, Seb., Domherr in
Freiberg 325. 329.
Kunnersdorf b. Löbau 89.
Ladishuis, Kg. v. Böhmen 320.
Landskrone b. Görlitz 93. 2-?8. 233.
Landstrasse, hohe 10 fi".
Langmaas, Gottfr., Sänger 126.
129. 134.
Register.
349
Langwedel b. Verden 224.
Laubanllf. 19. 2 1.55. 8 4 f. 93.314.
Lauenstein 169.
Lauterberg b. Halle 82.
Lehmann, Christ., Mag. 264 f.
V. Leipa, Bernh., Dompropst in
Bautzen 93.
Leipzig 1 tf. 116 ff. 184 f. 190.
192. 338. s. Plussk.
Leisnig 43. 58.
Lemsdorf b. Magdeb. 274.
Lengenfeld 43.
Leopold L, Kaiser 116. 157 ff.
Lieberose 312 f.
Liegnitz 12. 40. 45. s. Friedrich.
. Lindenau, Paul 338.
V. d. Lippe, Grafen 223.
Litten b. Bautzen 90.
Löbau 12. 56. 84 f. 93. 98. 103.
105. 107. 316.
Lochau 299 f.
Loga b. Neschwitz 91.
Lommatzscli 17.
Lothar, Kaiser 63.
Lotti, S. K, Säncerin 125.
Lübeck 13 f. 26"ff. 35. 37. 65.
69. 275.
Lucan 248 fl".
Lucius, Übergeleitskommissar 53.
Ludwig, Sänger 124 f. 128 f.
Lüneburg 23. 26 ff. 33. 35. 37.
41 ff. 51. 53 f. 56 f. 62. 65.
69. 275. s. Franz Otto, Philipp.
Luther, F. M., Sänger 12G. 128 f.
134.
Luther, Martin 322 ff 337 ff.
Machendorf 314.
Magdeburg 12. 19 ff. 177 ff. 273 ff.
317. s. Burchard, Günther, Joh.
Albrecht,
van Male, Guillaume (Malinaeus)
243 ff.
Malsitz n. Bautzen 91.
Mansfeld 27. 64 f. .305.
V. Mansfeld, Graf Albrecht 179 f.
190. 193. 209. 222. 292 f. 295.
306.
— Grf. Ernst 193.
— Grf. Hoyer 82.
— Grf. Johann Georg 193. 297.
— Grf. Karl 209.
— Grf. Volrad 210.
Maria Theresia 67.
Marienberg 18. 33. 45. 59.
Marienstern, Kloster 88.
Marien thal, Kl. 314.
Marklissa 43. 84.
Matthias, Kaiser 20.
Maximilian L, Kaiser 9.
— II., Kaiser 23. 30. 206.
Meinhard, Bisch, v. Meissen 82.
Meissen 17. 26. 51. Mark u.
Markgrafen 78 ff. s. Dietrich,
Egbert, Ekkehard, Friedrich,
Gunzelin, Heinrich, Konrad,
Oda, Wilhelm. Stift 310 fl".
Bischöfe 85. 100 s. Benno,
Bernhard, Bruno, Heinrich,
Johann, Kaspar, Meinhard,
Thimo, Witego.
Meklenburg s. Georg, Heinrich,
Joh. Albrechl.
Melaune b. Reichenbach 233 ff.
Meldorf (Dithmarschen) 327.
Merckel, Heinr., magdeb. Stadt-
schreiber 289 ff.
Merseburg 9. 26. 29. 40. 45. 68 ff.
190 f. 228. s. Heinrich.
Mieczislav, Hz v. Polen 81.
Mied, Mich., österr. Oftizier 164.
Mildenfurth 171 f.
V. Miltitz, Ernst 278.
Milzener, Gau Milsca 74 ff.
Mittweida 43. 5H. 329.
Mordeisen, Dr. 189. 192. 278.
292. 297. 308.
Moritz, Knrf. v. Sachsen 14. 22 f.
177 ff. 254 ff". 273 ft.
Mühlberg 54. 255.
Mühlhausen 19. 29. 68.
Muldenflösse 26.
Mülpfort, Herrn., Bürgermeister
in Zwickau 324. 339.
V. Münchhausen 289.
V. Muschwitz, Konr. 91. Jutta s.
Gem. 91.
Muskau 12 f. 20. 34. 44. 53. 55 f. 84.
Mylau 61.
Naumann, Dr. Franz 278.
Naumburg 9. 12. 18. 29. 33. 38.
40. 45. 48. 60 ff. 129. 290 f.
Neschwitz 84.
Neuhaldensleben 181.
Nicolaus III, Papst 111.
— Archidiac. v. Bautzen 87 f.
— Kardinal 319.
Niederkaina b. Bautzen 84. 90.
Nieder Strasse 13. 20. 33. 44. 53.55.
350
Register.
Niemen bei Ohlau 233.
Niethoner Krdwall 233 f.
V. Nostitz, Alb. 93.
Nürnberg 1. 5- 7. 10. 14 f. 26 f.
29. 31 f. 3i. 40 ff. 52. 60 f.
63 ff. 68. 70. 283 ff.
Oberlaiisitz 11 ff. 73 ff. 115. 226 ff.
310 ff. 340 f.
Oda V. Meisst'u 81.
Öderan 45. 63.
Odorsiliiffahrt 13 f. 21 ff. 35 ff,
Öhna b. Bautzen 76.
V. Oldenborch, Ileiiimanii 98.
Oldenburg s. Anton, Christoph.
Olnnitz s. Dietrich 112.
Ortenburg b. Bautzen 83.
Ortrand 40. 54.
Oschatz 10 ff. 17. 19. 55 f. 58.
V. Osse, Mekh. 285.
Österreich 18. 32 f. 39. 52. 67.
Ostritz 314.
Ottehvitz b. Bautzen 104.
Otto I., ICaiser 228.
— III, Kaiser 79.
— III., Markgr. v. Brandenb. 95.
— IV., Markgr. v. Brandenb. 101.
104 f.
— IIz. V. Braunschweig 22.
Ottokar IL, Kg. v. Böhmen 95.
V. Pannewitz 94,
Pedioneus 241. 251.
Pegau 16. 26. Gl. 63 f.
Penig 18.
Pfitzing, kaiserl. Rath 283.
1 ttug, Kasp. 180. 305 f.
Pfiuger, Konr., Architekt 336.
Philipp, Landgr. v. Hessen 225.
2.-)2 ff.
— Hz. V. Lüneburg 196.
— Rbeingraf 291.
Pirna 17. 25 f. 39. 68.
Flauen i. V. 15. 60 f.
Plützkau, Kloster 203.
PlusskjJoh , Propst zuLeipzig320.
Pöckel, Dr. Quirin 119. 139 ff.
Polen 7. 10 ff'. s.Boleslav, Johann,
Mieczislav.
Pommern 14. 37. 51. 64.
Portugal 50.
Prag 11. 14 ff 27. 29. 31 ff. 44 f.
49. 66 f.
Preititz b. Niedergurig 91.
Preussen s. Friedrich, Friedr.
Wilhelm.
Priztan, Domherr in Bautzen 91.
Queis, der 11 f. 44. 55.
V. Racfewitz, Balth., Dechant zu
Freiberg 325. 331.
V. Rausendorf, Witego 111.
V. Reckerod, Georg 220. 291.
Reibersdorf 84.
Reicheid)ach i.V. 34.45.61.64.327.
— b. Königsbrück 40. 84 f. 91.
93. 31«.
V. Reifenberg, Friedr. 291.
Reitzenhayn 18.
Rethem a. d. Aller 223.
Riptsch, Job., anhält. Kanzler 190.
Rochlitz 43.
Rosswein 45, 58.
Rot, Oswald 190.
Roth, Stephan 322 ff. 337.
V. Rothschütz, Georg, Kanzler des
Hz. Heinrich 324. 327. 333?
Rothstein b. Reichenbach 228.
Rudolf IL, Kaiser 20.
Rudolf August, Hzg. v. Braun-
schweig 38.
Rumple r, Georg, Oberstlieutenant
164.
Russland 10. 13. 32 f. 38.
Saaleeösse26. Saaleschift'ahrt32f.
46 ff. 65 ff. 72.
Sachsen s. August, Christian,
Ernst, Friedr., Friedr. Aug.,
Georg, lleinr., Johann, Joh.
Friedr., Joh. Georg, Katharina,
Moritz, Wilhelm.
Sachsenburg 19. 27. 65.
Sagan 11 ff. 20. 35. 44 f. 56.
s. Johann.
V. Salhausen, Joh. s. Meissen.
Sartorio. Emerentia Gertrud geb.
V. Windheim 120.
— Girolamo, Architekt 118 f.
137 ff.
— Joh. Friedr. 120 f. 139. 141.
V. Schachten, Heinr. 220.
— Wilh., hess. Geschäftsträger
211. 219 ff.
Scbafberg b. Löbau 228. 234.
Schandau 68.
Scheiring, Dr., meklenb. Kanzler
193 f.' 196 ff. 200.
Register.
351
V. Schleinitz s. Johann.
Sclileitz 16. 41. 61. 64.
Schlesien 7. 10 flf.
Schlieben 57. 237.
Schliickenau 17. 98.
Schmalkald. Krieg 239 ff.
SchmiedefelJ b. Stolpen 89.
Schmoritzwall b. Bautzen 233 ff.
Schneeberg 33. 59. 62. 64.
Schönberg 11.
V. — , Heinr., Hofmarschall 307.
V. Schönburg 85.
Schönebeck 181. 183 f. 191.
Schöps b. Görlitz 2.34.
V. Schreibersdorf, Luther 106.
Schrotdorf b. Magdeb. 274.
V. d. Schulenburg, Jacob 182.
184. 191.
Schürmann, Gr. K., Sänger 125.
127 f.
V. Schwarzburg, Grafen .305 f.
V. Schweinerden, Alb. 98.
Schweiz 43 f. 51.
V. Schwendi, Lazarus 187. 197.
202. 208. 210. 21.3. 217. 276.
279 ff.
Schwinhardica nemora 247. 256.
Seidau b. Bautzen 76.
Seidenberg 11. 83 f. 9.3.
V. Seifersdorf, Heinr. 103.
Semnonen 73 ff.
Siegfried, Anna Marg., in Leipz.
118 ff. 139 ff.
Siegmund, Kaiser .309. 315. 319.
Simonetti, Concertmstr. in Braun-
schweig 125.
Sobieski s. Johann.
V. Sommerfeld, Joh., zu Bautzen
111.
Sörer(Soranus), Lorenz 324ff. 3.38.
Spanien 38 50. 65.
Spree 35 ff.
Spremberg 12 f. 20. 35. 44. 53.
55 ff.
Stassfurt 63 f. 182.
Stehlin, Dr. Wolf, Kanzler des
Hz. Heinrich .324. 333?
Stettin 13. 17. 37. 64.
Stollberg 45. 58. 62. 70.
Stolpen 17. 311 f. 319.
Strehla 40. 54. 58.
Stromberg b. Weissenberg 228 ff.
Strungk, Nie. Ad., Kapellmeister
und seine Familie 116 ff.
V. Taubenheim, N. 94.
Teicbnitz HO.
Telemann, Geo. Ph., Sänger u.
Musiker 122. 126 f. 129. 1.34.
Tetzel 337 f.
Theodericus castellanus de Bu-
dissin 82.
Thiemich, Paul 122 f.
Thimo (v.Colditz), Bisch, v. Meis-
sen 313. 3l8.
Tiefstetter,Wolf, Oberst 297. 305.
Tököly, Emmerich 158.
Torgau 7 f. 12 f. 28. 44. 55. 57.
72. 192. 202 ff. 291.
Trautenau 15. 104.
Treuenbrietzen 28. 53. 57. 69.
Treutwein, Sigism. 326. 3.30. 332.
Trott, Adam, brandenb. Rath 276.
Türkei 32. 156 ff.
Ülzen 27 f. 53. 56. 62.
Ungarn 18. 33. s. Wladislaw.
Unstrut 32 f.
Verden 51. 210 f. 217 ff.
Vergilius 249 ff.
V. Vesta 85.
Virchow, Prof. Dr. 229 fl'.
Vogtland 7 ff.
Vogtsberg 34.
Volrad, bisch, v. Brandenburg 1 12.
Wachtmeister, Georg 208. 221.
305. 307.
Waldheim 43 58.
V. Wallwitz, Seb. 207.
Walsrode 223.
Wanzleben b. Magdeburg 179.
1«.3. 298.
Warschau 69.
Wawitz b. Hochkirch 91.
Weimar s. Friedr. Wilhelm.
Weissenberg 84 f.
Weissenfeis 16. 19. 45. 59 f. 127.
Wenzel, deutscher König 11. 31.3.
315. 318.
— I,, König V. Böhmen 86. 90 ff.
95. 100.
Wien 29. 31. 61. 156 ff.
Wilhelm, Landgr. v. Hessen 284.
291.
— (L), Markgr. v. Meissen 11. 34.
— HI., Hrz. V. Sachsen 155 f.
Wiprecht v. Groitzsch 81 f.
— d. J. V. Groitzsch 82.
352
Register.
Witego, Bisch, v. Meissen 94
Wittenberg 20 f. 28 f. 41. 57 'g-I
ßi». 298 f. 322. .Sm ■ ■
Witten biu-},' 41. 45. 207.
Wizani, Maler .336.
Wladislav, König v. Böhmen n
Ungarn 12. 317.
— IL, König V. Böhmen 83.
Wolclemar, Mkgr. v. Bran.lenb.
100 ft: 105 f.
V. Wolf, Hans, mgdb. Rittmeister
209. 297.
Wolken stein 43.
Woimirstedt 180 if. 298.
Wratislaw, Hz. v. Böh
Würzl)nrg 178.
Wiirzen 8. 51. 56. 58
men 81.
Zagost, Land 8.3.
^eitz 7 ü: 16. 26. 45. 61 f.
Aerbst 19. 43. 62. 279 f.
Zittau 11. 17. 44. 314. "
Zschopau 18. 43. 45.
Zütplien, Heinrich von 327
Zwenkau 41. 60.
Zwickau 15. 33 f. 45. 60 ff. 322
327. .332. 337 ff.
334.
GETTY CENTER LIBRARY ■"
3 3125 00701 2418
"^Zi
■■.liiÄ^^^^^^^^