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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  ArcMy 

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Sächsische  Geschichte 


und 


Alterthumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrath. 


Sechster  Band. 
Mit  dem  Wappen  des  Kurfürstenthums  Sachsen. 


Dresden  1885. 
Wilhelm  Baensch  Verlagshandlung. 


THE  GETTY  CENTER 
UBRARY 


Inhalt. 


Seite 

I.  Zur  Geschichte  des  Königlich  Sächsischen  Alterthums- 
vereins.    1825 — 1885.   Vom  Herausgeber 1 

II.  Das  Wappen  des  Kurfürstenthums  Sachsen  in  seiner 
historisch-topographischen  Bedeutung.  Von  R.  Freiherrn 
von  Mansberg  in  Dresden 51 

III.  Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  von 
Sachsen  und  Landgraf  Philipp  von   Hessen.     Mitgetheilt 

von  Dr.  W.  Friedensburg  in  Marburg 94 

Literatur 146 

IV.  Katharina  (Herzogin  von  Sachsen,  Gemahlin  Kurfürst 
Friedrichs  II.  von  Brandenburg)  und  ihr  Haus.  Von 
Archivar  Dr.  G.  Sello  in  Magdeburg 169 

V.  Die  Berka   von   der  Duba  auf  Mühlberg.    Von  Prof.  Dr. 

Hermann  Knothe  in  Dresden 190 

VI.  Moritz  von   Sachsen   gegen   Karl  V.   bis  zum  Kriegszuge 

1552.     Von  Überlehrer  Dr.  S.  Issleib  in  Bautzen     .     .    .     210 
VII.  Sächsische  Künstler  in  Görlitzer  Geschichtsquellen.     Zu- 
sammengestellt von  Dr.  E.  AVernicke  in  Bunzlau     .     .     .     251 
VIU.  Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  und 
die  Hennersdorfer  Kommission.     1747  — 1748.     Von  F.  S. 
Hark,  em.  Prediger  der  Brüdergemeine,  in  Niesky  (f)     .    264 
IX.  Kleinere  Mittheilungen 308 

1.  Die  Meldung  vom  Tode  und  der  Beisetzung  Melanch- 
thons  an  den  Kurfürsten  August.  Mitgetheilt  von 
Archivrath  Dr.  Th.  Distel  in  Dresden 308 

2.  Die  Rouvroy  -  Medaille  auf  die  Vertheidigung  von 
Oudenarde  im  Jahre  1814.  Mitgetheilt  von  Biblio- 
thekar P.  E.  Richter  in  Dresden 309 

3.  Kunstgeschichtliche  Notizen.  Mitgetheilt  von  Archiv- 
rath Dr.  Th.  Distel  in  Dresden 311 

Literatur 316 

Register 340 


Besprochene  Schriften. 

Seite 

Gross,  Die  Anfänge  des  ersten  thüring.  Landgrafengeschlechts 

(Baltzer) 325 

Heydenreich,  Bibliogr.  Repertorium  über  die  Geschichte  der  Stadt 

Freiberg  etc.  (Ermisch) 160 

V.   Hirschfekl,   Geschichte  der  Sachs. -Askanischen  Kurfürsten 

(Stier) 147 

Jacobs,  Geschichte  der  in  der  Preuss.  Provinz  Sachsen  ver- 
einigten Gebiete  (Ermisch) 146 

Ilgen  und  Vogel,  Geschichte  des  thüring.-hessischen  Erbfolge- 
krieges (Baltzer) 325 

Kolde,  Marthin  Luther.    Bd.  I.  (G.  Müller) 157 

Kramer,  August  Hermann  Francke  (G.  Müller) 158 

Machatschek,  Geschichte  der  Bischöfe   des  Hochstifts  Meissen 

(G.  Müller) 156 

Moschkau,  Oybin-Chronik  (Knothe) 338 

Naude,  Die  Fälschung  der  ältesten  Reinhardsbrunner  Urkunden 

(Baltzer) 325 

Richter,  0.,  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Dresden  (Knothe)    316 

Schlomka,    Kurfürst  Moritz   und  Heinrich  H.   von   Frankreich 

(Issleib)       337 

Schmidt,  Untersuchung  der  Chronik  des   St.  Petersklosters  zu 

Erfurt  (Baltzer) 325 

Schwarz,    Landgraf  Philipp   von   Hessen    und   die  Pack'schen 

Händel  (Kawerau) 319 

Steche,  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.  Heft  HL,  IV.,  V. 
(Sommer) 161.     321 

"Wenck,  Liber  Cronicorum  und  andere  Aufsätze  (Baltzer)    .     .    325 


Kiirsächsisclios  Wappen. 


^  ^1   fSt^ 


1748. 


1  I.amlfiniflliuiii 

TliüriiigtMi 

l-iC..')  (I1!I7). 


4  HerziiL'tliiim 

Jülich 

Kill). 


7  Ileizostliiim 
ICIKI. 


10  l-fBlzRiülscIiaft 

Sachsen 
142:>  diM». 


\'A  Maiksiiifthiiiii 

Nieth^ilniisilz 

l(i:i.'.. 


Ui  llcrrscliaft  zu 

l'h'isseii 
i.v2:>. 


I!)  «inifsdiaft 

BriMia 

1242  (142:». 


22  lirafsclmft 

Raveushcr^ 

IC>I(I. 


2  lli'izogtliiim 

Sachsen 

1425  (I2(;i). 


.")  llerzofithnm 

("h'vc 


Iiisiiiiiicu 

des 

j]  Erzuiarsclmll- 
Allllt's 

142.')  (1:'>TÖ). 


14  Maikiiiaftluini 

OlxMiaiisitz 

l(i:!.'>. 


IT  (iiafscliall 

Orhiiiiüiule 


2(1  linrtigraftlium 

eiib 

I.VJ.'), 


Alleiiburo- 


2:5  (iiatschaft 

Mark 

lUlO. 


:!  Marküiiiftlium 

Meisseii 
I2C,:). 


(>  Ilerzogtliuni 

He  lg 

naii! 


!l   lleizoftlmm 

Eiiueni 

KÜKI. 


12  rialzfriafscliaft 

Thüriiigeu 

I2SS.' 


15  Markgiaftham 

Landsberg 

II  !((■>. 


IS  Bniti^raftlinm 

Matideburg 

'  I54S. 


21  Ilensfhaft 

Eiseiibert»; 

1525. 


24 

H(\t2;alieii 

1525. 


I. 

Zur  Geschichte 

des 

Königlich  Sächsischen  Alterthumsvereins. 

1825—1885. 

Von 
Hubert  Erinisch. 


Mag-  die  politische  Geschichte  der  ersten  Jahrzehnte 
unseres  Jahrhunderts  auch  in  mancher  Hinsicht  wenig 
Befriedigung  gewähren,  für  die  Geschichte  des  geistigen 
Lebens  unseres  Volkes  war  diese  Zeit  doch  von  hoher  Be- 
deutung. Auf  den  verschiedensten  Gebieten  des  Wissens 
Avurden  damals  die  Fundamente  gelegt,  auf  denen  wir 
bis  auf  diesen  Tag  weiter  bauen;  der  Mörtel  aber,  der 
diese  Fundamente  zusammenhielt  und  ihnen  eine  Festig- 
keit verlieh,  die  sich  noch  heute  bewährt,  war  der  natio- 
nale Gedanke,  den  der  Kosmopolitismus  des  18.  Jahr- 
hunderts wohl  in  Schliunmer  versenkt,  aber  nicht  getötet, 
den  der  Kampf  gegen  den  fremden  Unterdrücker  zu 
neuem  bewussten  Leben  erweckt  hatte.  Die  Eomantiker 
waren  die  Vertreter  dieses  Gedankens  auf  dem  Gebiete 
der  Dichtkunst;  aber  auch  auf  die  wissenschaftliche 
Thätigkeit  wirkte  er  belebend  ein.  Karl  Friedrich  Eich- 
horn, der  Vater  der  deutschen  Rechtsgeschichte,  Jacob 
und  Wilhelm  Giimm,  die  Begründer  der  deutschen 
Sprachwissenschaft,  die  in  liebevoller  Hingabe  dem  Volks- 
Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    VI.  1.  2.  1 


2  Hubert  Ermisch: 

geist  in  all  seinen  Aeussermigen  nachzugehen  bestrebt 
waren,  der  Reichsfreiherr  vom  Stein,  der  durch  die  Stift- 
ung der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichts- 
kunde  den  Grundstein  zu  dem  grossen  Quellenwerke  der 
Monumenta  Germaniae  liistorica  und  damit  zu  eüier  neuen 
Behandlung  der  deutschen  Geschichte  legte,  waren  Männer, 
deren  wissenschaftliche  Thätigkeit  wurzelte  in  einem  tief- 
innigen Nationalgefühl,  wie  es  früher  gerade  bei  Ge- 
lehrten nur  selten  bemerkbar  gewesen  war.  Und  wie 
man  damals  erst  anfing,  das  deutsche  Nationalepos  der 
Nibelungen  und  die  Geheimnisse  der  alten  Volksrechte 
zu  verstehen,  so  wurde  man  sich  auch  damals  erst  der 
nationalen  Kunst  bewusst,  obwohl  schon  im  vorigen  Jahr- 
hundert (1771)  kein  Geringerer  als  Goethe  von  ihrem 
Geiste  beredtes  Zeugnis  abgelegt  hatte;  seine  Abhand- 
lung „Von  deutscher  Baukunst",  zu  der  ihn  bekanntlich 
der  Strassburger  Münster  begeistert  hatte,  darf  man  als 
einen  Vorläufer  der  Bewegung  ansehen,  die  Jahrzehnte 
später  sich  mächtig  Bahn  brach  und  in  welcher  wir  noch 
heute  stehen. 

1.   Die  Gründung  des  Vereins^). 

Es  ist  bezeichnend,  dass  gerade  diese  Bestrebungen 
von  vorn  herein  weitere  Kreise  in  ihre  Interessen  zu 
ziehen  suchten ;  sie  wurden  recht  eigentlich  das  Arbeits- 
feld der  wissenschaftlichen  Vereine,  die,  um  den  Anfang 
unseres  Jahrhunderts  noch  wenig  bekannt,  meist  seit  dem 


')  Die  Quellen  der  nachfolgenden  Darstellung,  deren  Anführ- 
ung im  einzelnen  unterbleiben  konnte,  sind  in  erster  Linie  die  im 
Archiv  des  Vereins  befindlichen  Akten  und  Protokolle,  ein  Bericht 
von  Klemm  über  das  1.  Jahrzehnt  des  Vereins  (im  1.  Heft  der  Mit- 
theilungen des  Königl.  Sachs.  Alterthumsvereins)  und  die  seit  1835 
theils  in  den  Mittheilungen,  theils  separat  erschienenen  gedruckten 
Jahresberichte.  Für  die  ältere  Geschichte  des  Vereins  bot  der 
Briefwechsel  Böttigers  und  Eberts  in  der  kgl.  öffentl.  Bibliothek 
einige  Nachrichten.  Was  sonst  benutzt  wurde,  haben  wir  an  der 
betreffenden  Stelle  angeführt. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alt erthuins Vereins,  1825—85.    3 

2.  und  3,  Jahrzehnt  desselben  sich  bildeten  und  an 
Zahl  und  Umfang  bis  zur  Gegenwart  stätig  zugenommen 
haben. 

Während  die  altehrwürdige  Deutsche  Gesellschaft 
in  Leipzig,  deren  Anfänge  bis  in  das  17.  Jahrhundert 
zurückreichen,  ihrem  Charakter  als  „Sprachgesellschaft" 
getreu  den  geschichtlichen  und  antiquarischen  Stoffen 
weniger  Interesse  entgegenbrachte,  war  in  Görlitz  schon 
im  Jahre  1779  ein  Verein  begründet  worden,  der  wenigstens 
einen  Theil  seiner  Thätigkeit  der  Erforschung  des  heimath- 
lichen  Alterthums  zuwandte,  die  „Oberlausitzer  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften".  Unter  Büschings  Leitimg 
entstand  in  Breslau  um  1819  ein  schlesischer  Alterthums- 
verein.  Wichtiger  aber  für  uns  wurde  der  Verein, 
welchen  am  3.  Oktober  1819  auf  dem  Schlosse  Saaleck 
eine  Anzahl  von  Freunden  vaterländischer  Alterthümer, 
an  ihrer  Spitze  der  Landrath  Lepsius,  der  Rektor  der 
Landesschule  Pforta  Konsistorialrath  Dr.  Ilgen  und  der 
Professor  an  derselben  Schule  Lange  zu  stiften  besclilossen 
hatten  und  der  sich  am  4.  April  1820  als  „Thüringisch- 
Sächsischer  Verein  für  Erforschung  des  vaterländischen 
Alterthums  und  Erhaltung  seiner  Denkmale"  konstituierte. 
Sein  Sitz  war  zuerst  Naumburg,  später  Halle. 

Die  Begründung  dieses  Verems  scheint  die  erste 
Anregung  zu  emem  ähnlichen  Unternehmen  im  König- 
reich Sachsen  gegeben  zu  haben.  Ein  Mann,  der  im 
geistigen  Leben  des  damaligen  Dresden  und  weit  über 
dessen  Mauern  hinaus  eine  hervorragende  Rolle  spielte, 
der  Hofrath  und  Oberaufseher  des  Antikenmuseums 
Karl  August  Böttiger  war  es,  der  den  Gedanken  zu- 
erst aussprach  und  dann  beharrlich  verfolgte,  so  dass 
der  Verein  in  ihm  seinen  ersten  Gründer  zu  ehren  hat. 
Ein  von  ihm  verfasster  Aufsatz  in  der  „Abendzeitung" 
vom  25.  Oktober  1819,  in  Avelchem  er  die  Stiftmig  des 
naumburgischen  Vereins  lebhaft  begrüsst,  weist  darauf 
hin,  wie  viel  auch  in  Sachsen  in  dieser  Hinsicht  noch 
zu  thun  sei,  und  schliesst  mit  den  Worten: 

1* 


4  Hubert  Erinisch: 

„Wollen  wir  uns  im  Köuigreiclie  Sachsen  nicht  auch  zu  einem 
Verein  für  Rath  und  That  in  Erforschung  und  Erhaltung  altdeutscher 
Denkmäler  und  Kunstleistuiigen  zusammenschliessen'?  Mit  Ver- 
gnügen werde  ich  im  Verein  mit  drei  andern  Männern ,  die  zu  nennen 
mir  jetzt  noch  nicht  erlaubt  ist,  vorläufige  Andeutungen,  Winke, 
Zixrechtweisungeu  —  besonders  wenn  sie  mir  schriftlich  zukommen  — 
zu  gemeinschaftlicher  Berathung  aufnehmen.  Eile  frommt  nirgends. 
Gut  Ding  will  Weile  haben.   Die  voreilige  Blüthe  trifft  der  Spatfrost". 

Noch  mehrere  Jahre  vergingen,  bevor  Böttigers  Pläne 
greifbare  Gestalt  bekamen ;  ein  bedauerlicher  Vorfall,  die 
Veräusserung  werthvoller  Glasgemälde  aus  der  Marien- 
kirche zu  Zwickau,  hat  wohl  den  letzten  Anstoss  dazu 
gegeben  '•*). 

Das  erste  Schriftstück,  das  uns  mit  Böttigers  Ab- 
sichten näher  bekannt  macht,  ist  eine  bisher  unbekannt 
gebliebene  umfangreiche  Denkschrift,  die  wir  in  den 
Akten  des  Vereins  auffanden;  dieselbe  ist  zweifellos  von 
Böttiger  verfasst,  obwohl  ausser  einigen  Bemerkungen 
nur  ein  Nachtrag  mit  dem  Datum  des  15.  April  1H24 
von  seiner  eigenen  Hand  herrührt.  Dieser  Aufsatz  be- 
zeichnet als  Zweck  des  zu  begründenden  Vereins  einen 
dreifachen:  er  solle  den  vaterländischen  Alterthümern  in 
Bau-  und  Bildwerken  nachforschen,  für  ihre  Erhaltung 
mid  Aufbewahrung  Sorge  tragen  und  Beschreibungen  und 
Abbildungen  davon  zur  allgemeineren  Kenntnis  bringen. 
Im  einzelnen  betont  er  sodann:  der  Verein  müsse  vor 
allem  wissen,  was  an  Denkmälern  noch  erhalten  sei; 
also  dieselbe  Frage,  deren  Lösung  jetzt  endlich  nach 
60  Jahren  in  Angriff  genommen  worden  ist,  die  Frage  der 
Inventarisation,  gehört  zu  den  ersten,  die  überhaupt  an- 
geregt wurden.  Als  Zeitgrenze  wurde  damals  das  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  angenommen.  Neben  den  Archi- 
varen und  Sammlungsbeamten  sollten  bei  dieser  Bestand- 
aufnahme hauptsächlich  die  Justiz-  und  Eentbeamten, 
Superintendenten  und  Ortsgeistlichen,  die  Mitglieder  der 
RathskoUegien  in  der  Provinz,    Gutsbesitzer  u.   a.    mit- 


*)  Vgl.  die  Rede  des  Prinzen  Johann.    Mittheil.  III  (Beil.  I). 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Säclis.  Alterthumsvereins.  1825—85.    5 

Avirkeii.  Die  Gegenstände,  auf  welche  sich  die  Nach- 
forschungen erstrecken  sollten,  wurden  eingehend  auf- 
gezählt. Was  die  Erhaltung  der  i^lterthümer  anlangt, 
so  habe  sich  jedes  Mitglied  des  Vereins  als  einen  wirk- 
lichen Konservator  anzusehen.  Der  Verein  als  solcher 
aber  müsse  Abbildungen  aufnehmen,  Nachgrabungen  und 
Restaurationen  ausführen  lassen  u.  s.  w.  Er  müsse  ferner, 
sobald  er  ein  Lokal  habe,  in  demselben  einen  Schrank 
mit  Schubfächern  für  bewegliche  Alterthümer  massigen 
Umfanges  anschaffen  und  Vorkehrungen  zum  Aufliängen 
von  Gemälden  treffen;  so  werde  von  selbst  eüi  vater- 
ländisches Museum  entstehen.  Ferner  müsse  der  Verein 
von  Zeit  zu  Zeit  Druckschriften  hei-ausgeben ,  anfangs 
nur  Jahresberichte,  später  eigene  Sozietätsschriften ;  „die 
Sache  selbst  fordert  oder  entschuldigt  das  grösste  Detail 
in  der  Forschung  und  Darstellung  mit  relativer  Wichtig- 
keit für  den,  der  die  Mittheilung  macht,  ist  aber  eben 
dadurch  auch  nicht  wohl  abzukürzen",  weshalb  sich  kern 
Verleger  finden  werde,  sondern  die  Schriften  auf  Kosten 
der  Gesellschaft  gedruckt  werden  müssten.  Die  Mit- 
gliederzahl des  Vereins  müsse  so  gross  als  möglich  sein; 
als  „gleichsam  geborne"  Mitglieder  seien  die  Geheimen 
ßäthe,  Chefs  und  Mitglieder  der  hohen  Landeskollegien, 
mehrere  Kunst-  und  Alterthumsfreunde  unter  den  höheren 
Militärs,  sämtliche  Kreis-  und  Amtshauptleute,  die 
eben  damals  in  Dresden  versammelten  Stände,  die  Amt- 
leute. Rentverwalter,  Bürgermeister,  Professoren  d(>r 
höheren  Lehranstalten,  Künstler  u.  s.  w.  anzusehen. 
Ein  permanenter  Ausschuss  in  Dresden  müsse  die  Leit- 
ung der  Geschäfte  besorgen;  die  erforderlichen  Fonds 
sollen  durch  Beiträge  aufgebracht  werden.  „Der  Verein 
würde  ein  totgeborenes  Kind  sein,  wenn  nicht  der  älteste 
der  jüngeren  Prinzen  unseres  allverehrten  Königshauses, 
wenn  nicht  Se.  Königl.  Holuut  der  Prinz  Friedrich  Herzog 
zu  Sachsen  seine  schirmende,  alles  beschützende  und 
leitende  Huld  uns  angedeihen  lässt  und  sich  selbst  herab- 
lässt,  den  wirklichen  Vorsitz  dabei  als  beständiger  Präsi- 


6  Hubert  Ermisch: 

dent  gnädigst  anzunehmen  .  .  .  Darin  läge  aucli  schon 
das  allerhöchste  Protektorium  Sr.  Majestät  des  Königs, 
und  der  sichernde  Name  einer  Königlichen  G-esellschaft 
könnte  nicht  fehlen". 

Auf  diesen  Aufsatz,  der  als  „Programm  und  Ein- 
ladung" veröffentlicht  werden  sollte,  bezieht  sich  ein  an 
Böttiger  gerichteter  Brief  des  bekannten  einflussreichen 
Kunstgelehrten  J.  Gr.  von  Qu  an  dt,  des  späteren  Begrün- 
ders des  sächsischen  Kunstvereins,  vom  12.  April  1824, 
in  welchem  er  seine  volle  Zustimmung  zu  dem  Plane 
Böttigers  ausspricht,  aber  freilich  auch  die  Besorgnis 
nicht  unterdrücken  kann,  dass  derselbe  „bei  seinen  lieben 
Landsleuten  wenig  Theilnahme  finden  werde;  demi  so 
betriebsam  und  kunstfleissig  sie  auch  sind,  so  fehlt  es 
ihnen  doch  an  Kunstsinn,  der  jedoch  durch  einen  solchen 
Verein  wohl  geweckt  werden  könnte".  Wenn  übrigens 
Quandt  bei  aUer  Bereitwilligkeit,  die  Zwecke  des  Ver- 
eins zu  fördern,  doch  mit  den  Worten  schloss:  „Allem 
die  Stellung,  welche  sie  mir  dabey  anweisen,  ist  so  wie 
die  Benennung,  womit  Sie  sie  bezeichnen,  sehi^  zwey- 
deutig  und  dunkel  und  doch  auch  wieder  anmassend 
klingend,  dass  ich  Sie  ersuchen  muss,  meinen  Namen 
nicht  mitzunennen"  u.  s.  w.,  so  liegt  darin  vielleicht  die 
Erklärung,  warum  die  Veröffentlichung  des  Aufrufs  da- 
mals unterblieb. 

Mit  noch  weitergehenden  Plänen  macht  uns  ein 
Schreiben  Böttigers  an  den  gelehrten  Bibliographen  A  d. 
Ebert,  der  damals  als  Bibliothekar  in  Wolfenbüttel  weilte, 
im  folgenden  Jahre  aber  nach  Dresden  zurückkehrte,  um 
1827  die  Leitung  der  königl.  öffentlichen  Bibliothek 
zu  übernehmen,  bekannt.  Er  schrieb  demselben  am 
15.  Aprü  1827: 

„Es  ist  in  Berathung,  einen  Verein  zur  Erhaltung  bildlicher 
(architektonischer  Denkmale,  Skiüptiu'en,  Glasmalereien,  alte  Ge- 
mälde u.  s,  w.)  Überreste  in  Sachsen  bis  zum  17.  Jahrhundert  zu 
stiften,  an  dessen  Spitze  sich  unser  herrlicher  Prinz  Friedrich  stellt. 
Da  sind  Sie  einer  von  den  gebornen    Sekretären  dazu.     Vielleicht 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.    7 

stiftet  Prinz  Johann  dann  einen  zweiten  Verein  für  alte  Chroniken 
und  Incunabehi.  In  welchen  Einklang  träte  damit  Ihr  Quellen- 
studium, Ihr  grosses  Werk  über  Sachsens  frühere  Cultur". 

Ebert  ging  begeistert  auf  diesen  Plan  ein  und  ent- 
wickelte in  einem  inlialtreiclien  Briefe  vom  27.  April, 
dessen  Wortlaut  wir  mit  Rücksicht  auf  den  Raum  leider 
nicht  niittheilen  können,  seine  Ansichten  von  den  grossen 
Aufgaben,  die  dieser  Doppelverein  zu  lösen  hätte. 

Nach  einem  Schreiben  des  Oberhofmeister  von  Miltitz 
an  Böttiger  vom  26.  Februar  1824  hatte  schon  damals 
Prinz  Johann  seine  Mitwirkung  hinsichtlich  des  „litera- 
risch -  paläographischen  Theiles  jener  vaterländischen 
Alterthumsforschergesellschaft"  zugesagt. 

Böttigers  Rührigkeit  gewann  für  seine  Idee  nunmehr 
bald  eifrige  und  einflussreiche  Förderer.  Neben  Quandt, 
dessen  anfängliches  Widerstreben  gegen  ein  Hervortreten 
mit  seinen  Namen  doch  zu  besiegen  gelang  und  dem 
Direktor  der  Kunstakademie  Professor  Fe rd.  Hart- 
mann  traten  vor  allem  einige  hochgestellte  Beamte  für 
dieselbe  ein:  der  Kabinetsminister  und  Staatssekretäi' 
Graf  Detlev  von  Einsiedel  (der  eben  damals  auch 
die  Oberleitimg  der  königl.  Sammlungen  übernommen 
hatte),  der  auch  als  feinsinniger  Dichter  unter  dem 
Namen  Arthur  von  Nordstern  bekannte  Konferenzmmister 
Gottlob  Adolf  Ernst  von  Nostiz  und  Jänkendorf, 
der  Wirkliche  Geheime  Rath  und  Präsident  G.  A.  Ernst 
Freiherr  von  Manteuffel,  endlich  der  Geh.  Finanzrath 
Gustav  von  Flotow.  Auf  ein  Gesuch,  welches  diese 
sieben  Männer  am  16.  Juli  1824  an  König  Friedrich 
August  richteten^),  genehmigte  derselbe  durch  Reskripte 
vom  30.  Oktober  1824  die  Gründung  des  „Verems  zur 
Erforschung  und  Erhaltung  vaterländischer  Alterthümer", 
gestattete  dem  Prinzen  Friedrich  August,  die  un- 
mittelbare Leitung  und  das  Direktorium  dieses  Vereins  zu 


*)  Ich  habe  den  Wortlaut  in  No.  (j  der  Wissenschaftl.  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung  von  1885  mitgetheilt. 


8  Hubert  Ermisch: 

übernelimeD,  uud  gewäluie  einen  Fonds  von  400  Tlialern 
zur  ersten  Einrichtung,  ein  Lokal  im  Brühischen  Palais 
und  Portofreiheit  für  die  Korrespondenzen  und  Sendungen 
des  Vereins. 

Am  19.  November  1824  fand  eine  erste  Sitzung  des 
„Ausschusses"  des  jungen  Vereins,  d.  h.  der  eben  ge- 
nannten Männer,  unter  Vorsitz  des  Prinzen  Friedrich 
August  statt.  Dabei  beschloss  man,  dass  die  Thätigkeit 
des  Vereins  sich  zwar  hauptsächlich  auf  die  vaterländi- 
schen Werke  der  bildenden  Künste  erstrecken,  dass  aber 
die  Erforschung  und  Erhaltung  schriftlicher  Alter- 
thümer  nicht  ausgeschlossen  sem  solle.  Damit  war  die 
Idee  eines  besonderen  Vereins  für  diesen  Zweck  auf- 
gegeben, und  eine  Folge  davon  war,  dass  der  Ausschuss 
nunmehr  die  Bitte  aussprach,  Prinz  Johann  möge  als 
Vizedirektor  an  dem  Verein  Antheil  nehmen,  eine  Bitte, 
die  bereitwilligst  gewährt  wurde.  Zum  Kassierer  und 
Rechnungsführer  des  Vereins  wurde  der  Hofsekretär 
K.  Gr.  Grohmann  ernannt. 

Am  19.  Januar  1825  waren  endlich  die  durch  Böttigers 
Kränklichkeit  vielfach  verzögerten  Vorarbeiten  beendet. 
Unter  diesem  Datum  erschien  die  „Bekanntmachung 
des  Königl.  Sachs.  Vereins  zur  Erforschung  und 
Erhaltung  vaterländischer  Alterthümer"  (Dres- 
den, 1825,  8^'),  in  welcher  die  Begründung  und  die  Ten- 
denz des  Vereins  dem  Publikum  mitgetheilt  wm-de;  bei- 
gefügt waren  die  mit  demselben  Datum  versehenen 
Statuten,  ein  Verzeichnis  der  Gegenstände,  welche  von 
den  Vereinsmitgliedern  vorzugsweise  zu  berücksichtigen 
seien,  endlich  eine  lithographierte  Zeichnung  der  goldenen 
Pforte  zu  Freiberg.  Den  19.  Januar  182  5  dürfen  wir 
also  wohl  als  den  eigentlichen  Gründungstag  des  Ver- 
eins bezeichnen. 

Betrachten  wii*  nun  jene  ältesten  Statuten,  Avelche 
vom  Wirkl.  Geh.  Rath  von  Manteuffel  (nach  dem  Vor- 
bilde der  Statuten  des  thüringisch-sächsischen  Vereins 
vom  4.  April  1820)  entworfen  sind,  etwas  näher,  so  be- 


Ziu-  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825 — 85.    9 

zeichnen  sie  als  den  Zweck  des  Vereins:  „vaterländische 
Alterthümer  zu  erforschen  und  zu  entdecken,  sie  ent- 
weder selbst  oder  durch  Abbildung-  zu  erhalten  und  für 
die  Nachkommen  aufzubewahren",  als  seinen  Wirkungs- 
kreis in  geographischer  Hinsicht  das  Königreich  Sachsen, 
hl  historischer  die  Zeit  bis  zum  Anfang  des  18.  Jahi^- 
hunderts.  Der  Sitz  des  Vereins  ist  Dresden;  doch  sollen 
auch  in  anderen  Städten  die  dort  wohnenden  Verehis- 
mitglieder  zu  engeren  Vereinigungen  zusammentreten. 
An  der  Spitze  stehen  das  Direktorium  und  der  Aus- 
schuss,  welch  letzterer  aus  den  obengenannten  Stiftern 
zusammengesetzt  ist  und  das  Recht  hat,  andere  Mit- 
glieder zu  kooptieren.  Der  Verein  soll  aus  ordentlichen 
und  Ehrenmitgliedern  bestehen.  Jedes  Mitglied  ver- 
pflichtet sich,  „nach  seinen  Kräften  und  Verhältnissen, 
ohne  Zwang,  zur  Beförderung  des  gemeinsamen  Zweckes 
beizutragen".  Jedes  ordentliche  Mitglied  soll  einen  frei- 
willig festzusetzenden,  jedoch  nicht  unter  1  Thaler  be- 
tragenden Beitrag  zahlen.  Die  Wahl  neuer  Mitglieder,  zu 
deren  Vorschlag  jedes  ordentliche  Mitglied  berechtigt  ist, 
geschieht  durch  das  Direktorium  und  den  Ausschuss;  als 
Ehrenmitglieder  können  auch  Ausländer  aufgenommen 
werden.  Der  Ausschuss  versammelt  sich  auf  Veranlass- 
ung des  Dü'ektoriums  so  oft  als  nöthig.  Alljährlich  soll 
wenigstens  eine  Versammlung  stattfinden,  an  Avelcher 
sämtliche  Mitglieder  theilnehmen  können;  dabei  sollen 
Mittheilungen  über  die  Vereinsthätigkeit  gemacht,  auch 
Aufsätze  einzelner  Mitglieder  vorgetragen  werden  u.  s.  \v. 
Wir  hal)en  uns  an  der  Wiege  unseres  Vereins  ab- 
sichtlich etwas  länger  aufgehalten;  gerade  die  ersten 
Anfänge  derartiger  Bildungen  pflegen  schon  deswegen 
von  besonderem  Interesse  zu  sein,  weil  sie  erkennen 
lassen,  ob  man  es  mit  nothwendigen  Ergebnissen  all- 
gemein wirkender  Ursachen  zu  thun  hat  oder  mit  dem 
Einfalle  irgend  eines  einzelnen,  ein  Unterschied,  der 
für  die  weitere  Entwickelung  eines  Vereins  von  weit- 
tragender Bedeutung  ist,   Dass  die  Entstehung  des  Alter- 


10  Hubert  Ermisch: 

thiimsvereins  eine  diircliaus  organisclie  war,  dafür  spricht 
neben  dem,  was  wir  schon  angeführt  haben,  noch  ein 
Umstand.  Während  unser  Verein  bereits  vorbereitet 
wurde,  konstituierte  sich  am  6.  August  1824  in  Leipzig 
ebenfalls  ein  „Sächsischer  Alterthumsverein",  der,  ur- 
sprünglich ein  Zweigverein  des  thüringisch -sächsischen 
Vereins  zu  Naumburg-Halle,  ähnliche  Zwecke  verfolgte, 
wie  der  Dresdner,  nur  dass  er  seine  Thätigkeit  nicht 
auf  Sachsen  beschränken  wollte,  sondern  allem,  was  dem 
deutschen  Alterthum  angehörte,  seine  Aufmerksamkeit 
zuwandte*).  Er  nahm  schnell  an  Mitgliederzahl  zu. 
Die  mehrfach  angestrebte  Vereinigung  mit  dem  Dresdner 
Alterthumsverein  kam  nie  zu  stände;  vielmehr  verband 
er  sich  im  Jahre  1827  mit  der  oben  erwähnten  Deutschen 
Gesellschaft  zu  Leipzig  zu  einer  „Deutschen  Gesellschaft 
zur  Erforschung  vaterländischer  Sprache  und  Alter- 
thum er",  in  welcher  Form  er  noch  heute  besteht. 

2.   Der  Verein  für  Erforschung  und  Erhaltung  vater- 
ländischer Alterthümer  von  1825  bis  1837. 

Mit  grossen  Erwartungen,  kühnen  Hoflfnmigen  war 
der  Verein  ins  Leben  getreten;  leider  entsprach  den- 
selben die  Thätigkeit,  die  er  in  den  ersten  12  Jahren 
seines  Bestehens  entwickelte,  nur  wenig,  und  ohne  die 
Geduld  und  Ausdauer  seiner  hohen  Direktoren  wäre  das 
Unternehmen  wohl  bald  wieder  im  Sande  verlaufen. 

Im  April  1825  kam  Ebert  nach  Dresden,  dem  der 
Ausschuss  die  Sekretariatsgeschäfte  zu  übertragen  be- 
schlossen hatte.  Wohl  brachte  dieser  vielseitig  kennt- 
nisreiche Mann,  der  auch  als  Mitglied  der  Frankfurter 
Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  erfolg- 
reich thätig  war,  grossen  Eifer  für  sein  neues  Amt  mit, 
andererseits  aber  auch  Eigenschaften,  durch  die  er  den 
Verein  vielfach  geschadet  hat. 


*)  Vgl.   Stübel  in  den  Mittheil,  der  Deutschen  Gesellschaft 
zu  Leipzig  VI,  28  flg. 


Zur  rj-eschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825— 8r>.   H 

Vor  allem  kam  es  darauf  an,  Mitglieder  zu  werben. 
In  einer  am  25.  Juni  1825  stattgehabten  Konferenz 
wurde  eine  Liste  von  57  Personen  aufgestellt,  die  zum 
Beitritt  eingeladen  werden  sollten:  höhere  Beamte,  Mili- 
tärs, Geistliche,  Gelehrte,  Künstler  und  Kunstfreunde. 
Allgemein  wurden  die  Einladungen  als  eine  hohe  Ehre 
begrüsst;  die  zugesicherten  Jahresbeiträge  waren  theil- 
weise  sehr  erheblich,  nur  wenige  beschränkten  sich  auf 
den  Minimalsatz  von  l  Thaler.  Bis  Anfang  1830  wuchs 
dann  die  Mitgliederzahl  auf  82;  1835  betrug  sie  79. 
Ausser  den  ordentlichen  ernannte  man  auch  Ehrenmit- 
glieder; das  erste  (1826)  war  Polizeisekretär  Schneider 
zu  Görlitz,  der  dem  Verein  mehrere  werthvolle  Geschenke 
gemacht  hatte. 

In  der  Leitung  des  Vereins  trat  während  dieser 
Zeit  nur  insofern  eine  Veränderung  ein,  als  seit  der  Er- 
hebung des  Prinzen  Friedrich  August  zum  Mitregenten 
Prinz  Johann  allein  das  Direktorium  führte  und  der 
Ausschuss  den  Geh.  Rath  und  Oberhofmeister  v.  Miltitz 
und  den  Hofrath  Hase,  dann,  als  von  Manteuffel  wegen 
seiner  Übersiedlung  nach  Frankfurt  a.'M.  aus  demselben 
ausschied  (1830),  den  Staatsminister  von  Lindenau  zu 
Mitgliedern  wählte;  nach  dem  Tode  Böttigers  (1835)  er- 
gänzte er  sich  durch  Oberhofprediger  von  Ammon,  Hof- 
rath Falkenstein  und  Geh.  Regierungsrath  Meissner. 
Die  Ausschusssitzungen  fanden  in  ziemlich  unregelmässigen 
Zwischenräumen  in  den  Gemächern  der  Prinzen  statt. 

Bald  nach  Gründung  des  Vereins  gelangten  zahl- 
reiche schriftliche  Mittheilungen  und  Anfragen,  Zeich- 
nungen und  Alterthümer  aller  Art  an  den  Ausschuss; 
dieselben  wurden  in  den  Sitzungen  besprochen  bez.  in 
den  Sammlungen  oder  dem  Archiv  des  Vereins  nieder- 
gelegt. Um  die  Bearbeitung  dieses  schätzbaren  Materials 
zu  erleichtern,  beschloss  der  Ausschuss  am  12.  August 
1826  die  Bildung  von  sechs  Sektionen  mit  eignen  Vor- 
ständen, nämlich  für  Archäologie  überhaupt  (Böttiger), 
für  Urkunden  und  Inschriften  (v.  Miltitz),  für  Malerei  und 


■[2  Hultert  Ermisch: 

Biklliauerkuiist  (v.  Quanclt),  für  Architektm^  (Oberlaud- 
banineister  Sclmricht),  für  Numismatik  (Hase)  und  für 
Handschriften  (Ebert).  xlllmonatlich  sollten  Konferenzen 
der  Vorsitzenden  stattfinden.  Aber  weder  dies  geschah, 
noch  entwickelten  die  Sektionen  überhaupt  eine  bemerk- 
bare Thätigkeit. 

Die  Herausgabe  von  Jahresschriften  oder  von  einer 
Zeitschrift,  die  Böttiger  schon  bei  Begründung  des  Ver- 
eins ins  Auge  gefasst  hatte  und  die  ein  dringendes  Be- 
dürfnis war  ^),  unterblieb  ebenfalls,  obwohl  der  Ausschuss 
bereits  am  17.  März  1827  die  Abfassung  emer  Publi- 
kation beschlossen  und  den  Sekretär  in  Gemeinschaft 
mit  dem  Bibliotheksekretär  Falkenstein  damit  beauf- 
tragt hatte. 

Ebenso  verging  Jahr  auf  Jahr,  ohne  dass  die  in 
den  Statuten  vorgeschriebene  allgemeine  Versammlung 
der  Mitglieder  berufen  worden  wäre. 

Man  empfand  wohl,  dass  auf  diesem  Wege  ein  Ge- 
deihen des  Vereins  nicht  zu  erwarten  war;  man  musste 
unbedingt  weitere  Kreise  in  das  Interesse  desselben  ziehen. 
In  diesem  Sinne  ergriff,  während  Böttiger  durch  Alter 
und  Kränklichkeit  mehr  und  mehr  der  Mitarbeit  ent- 
zogen wurde,  Ebert  die  Initiative.  Auf  seine  Anregimg 
genehmigte  der  Ausschuss  am  8.  Dezember  1828,  zu- 
nächst probeweise,  die  Veranstaltung  von  „Privatver- 
sammlungen" zu  Besprechung  wissenschaftlicher  Prägen 
auf  den  Gebieten  der  Geschichte  (unter  Leitung  von  Ebert), 
der  plastischen  Alterthümer  (Böttiger  und  Schuricht), 
der  Münzkunde  (Hase)  und  der  Malerei  (v.  Quandt  und 
Hartmann),  an  welchen  auch  Nichtmitglieder  theilnehmen 
konnten;  die  dabei  vorgetragenen  Abhandlungen  sollten 
dem  Sekretariat  übergeben  werden,  und  das  Direktorium 
behielt  sich  vor,  den  Verfasser  m  einzelnen  Fällen  durch 


')  „Wir  erregen  nicht  (his  Zutrauen  im  Publikum,  his  der 
Pressbengel  einmal  über  uns  gegangen."  Aus  einem  Briefe  des 
Baron  von  Miltitz  an  Böttiger  vom  9.  Dezemlier  1826. 


Zur  CTeschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.   13 

Remunerationen  oder  durch  Ertheilung  der  Mitgliedschaft 
zu  belohnen. 

Allein  auch  dieser  Plan  kam  nur  zum  kleinsten  Theil 
zur  Ausführung.  Am  13.  Dezember  1828  konstituierte 
sich  unter  Vorsitz  von  Ebert  die  „historische  Sektion"; 
sie  stellte  sich  als  Aufgabe  „die  gemeinschaftliche  Er- 
forschung der  sächsischen  Geschichte  und  Alterthümer 
bis  auf  das  Jahr  1763  herab".  Allwöchentlich  sollten 
Zusammenkünfte  auf  der  köuigi.  Bibliothek  stattfinden, 
in  denen  ein  kurzer  Aufsatz  verlesen  und  darüber  de- 
battiert werden  sollte. 

Diese  Versammlungen  von  „Freunden  der  sächsischen 
Geschichtsforschung",  an  denen  ausser  Ebert  Bibliothekar 
Falkenstein,  Inspektor  Frenzel,  Bibliothekssekretär  Gers- 
dorf, Hofrath  Hase,  Regierungssekretär  Jähnichen,  Finanz- 
seki'etär  Miller,  Oberhofmeister  v.  Miltitz,  R.  v.  Römer, 
Alb.  Schiffner,  K.  v.  Zehmen  u.  a.  theilnahmen,  vei- 
sprachen  anfangs  viel.  Unser  Vereinsarchiv  enthält  die 
sorgfältig  geführten  Protokolle  der  Sitzungen  und  die 
abgelieferten  Manuskripte,  die  beweisen,  dass  die  Sektion 
mit  wissenschaftlichem  Ernst  an  ihre  Aufgabe  ging. 
Leider  war  ihr  kein  langer  Bestand  beschieden.  Bis 
1830  hatten  37  Versammlungen  stattgefunden.  Da  trat 
zunächst  infolge  der  politischen  Ereignisse  eine  Pause 
ein;  während  derselben  kam  es  otfenbar  zu  manchen 
unliebsamen  Reibungen  zwischen  den  Mitgliedern,  an 
denen  wohl  Eberts  krankhaft  reizbarer  Zustand  die  Haupt- 
schuld trug.  Anfang  1832  machte  Ebert,  der  seiner  Auf- 
gabe, eine  Vereinspul)likation  zu  bearbeiten,  sich  noch 
immer  nicht  erledigt  hatte,  den  Vorschlag,  einen  Theil 
der  Arbeiten  der  Sektion  zu  veröffentlichen.  Dies  gab  An- 
lass  zu  neuen  Zerwürfnissen,  in  denen  Prinz  Johann  selbst 
zu  vermitteln  suchte;  unsere  Akten  cnthaltcMi  den  von 
ihm  eigenhändig  aufgesetzten  Entwurf  (Muer  neuen  Ge- 
schäftsordnung für  die  Sektion,  der  mannigfach  diskutiert 
und  umgestaltet  wurde,  aber  zu  enier  Wiederaufnahme 
ihrer  Thätigkeit  nicht  fülule.  — 


14  Hubert  Ermisch: 

Inzwischen  hatte  sich  der  Ausschuss  des  Vereins 
einer  Aufgabe  zugewandt,  die  von  der  höchsten  Bedeut- 
ung für  eine  gedeihliche  Thätigkeit  desselben  war.  Nach- 
dem in  einer  Sitzung  vom  14.  Januar  1828  beschlossen 
worden  war,  der  Verein  solle  sich  wegen  Erhaltung  der 
Denkmäler  vaterländischer  Kunst  und  Altertliums  sowohl 
mit  dem  Oberkonsistorium  als  auch  mit  den  Kreishaupt- 
leuten in  nähere  Verbindung  setzen  und  beide  Behörden 
ersuchen,  ihn  von  etwa  vorfallenden  Veränderungen  oder 
Reparaturen  in  Kenntnis  zu  setzen,  um  erforderlichen 
Falls  dabei  thätig  und  hilfreich  einschreiten  zu  können, 
^vurde  am  8.  Dezember  182S  der  Antrag  gestellt:  Seine 
Majestät  der  König  möge  ersucht  werden,  ein  Gesetz 
gegen  die  willkürliche  Zerstörung  und  Entfernung  der 
vorhandenen  Alterthümer  zu  erlassen.  Prinz  Johann 
selbst  übernahm  die  Motivierung  und  Ausarbeitung  des 
EntAVurfs.  Von  hohem  Interesse  ist  der  ausfühiiiche 
Aufsatz,  W' eichen  der  damals  28jährige  Prinz  bei  dieser 
Gelegenheit  verfasste;  ein  glänzender  Beweis  ebensowohl 
für  den  wissenschaftlichen  Ernst,  mit  dem  er  sich  in  den 
Stoff  vertiefte  —  bis  auf  Kaiser  Majorian  herab  verfolgt 
er  die  staatliche  Gesetzgebung  zu  Gunsten  der  Alter- 
thümer — ,  als  auch  für  die  ideale  Begeisterung,  deren 
Stempel  seine  gesamte  Thätigkeit  im  Alterthumsverein 
trug.  Da  indes  gerade  dieser  Entwurf  schon  an  einer 
anderen  Stelle  dieser  Zeitsclmft  **)  eingehende  Besprechung 
gefunden  hat,  so  beschränken  wir  uns  auf  wenige  Be- 
merkmigen.  Als  Vorbild  für  den  Gesetzentwurf  empfahl 
der  Prinz  namentlich  eine  grossherzogiich  hessische  Ver- 
ordnung vom  22.  Januar  1808,  welche  vor  allem  die 
Fertigung  eines  Verzeichnisses  der  vorhandenen  Monu- 
mente vorschrieb;  der  Prinz  bezeichnet  dieses  Inventar, 
das  seiner  Meinung  nach  durch  die  Gerichtsbehörden 
unter  Zuziehung   der    Geistlichen    aufgenommen  werden 


*)  von  Palkenstein,    Der  Alterthumsverein  und  das  neue 
Archiv  etc.,  in  dieser  Zeitschr.  I,  4  flg. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereius.  1825 — 85.   15 

könnte,  als  „Eckstein  des  ganzen  Gebäudes".  Ferner 
verlangte  er,  dass  an  Altertliümern  im  weitesten  Begriffe 
des  Wortes  keine  Veränderung  ohne  höhere  Genehmigung 
stattfinden  dürfe;  diese  Genehmigung  sollten  das  Ober- 
konsistorium, das  Geheime  Finanzkollegium  und  die  Landes- 
regierung ertheilen  können,  jedoch  nicht  olme  vorher  das 
Gutachten  des  Vereins  eingeholt  zu  haben.  In  Zweifels- 
fällen und  namentlich,  wenn  die  Behörden  mit  dem  Gut- 
achten des  Vereins  nicht  einverstanden  wären,  sollte 
Bericht  an  den  König  erstattet  werden. 

Diese  Denkschrift  wurde  am  22.  März  1830  dem 
Könige  überreicht,  stiess  jedoch  namentlich  bei  der  Landes- 
regierung wegen  der  darin  verlangten  Beschränkung  des 
Eigenthums,  der  Überlastung  der  Beamten  u.  a.  auf  leb- 
hafte Bedenken.  So  beschloss  denn  der  Verein  am 
7.  Oktober  1831,  den  Gesetzentwurf  einstweilen  auf  sich 
beruhen  zu  lassen,  jedoch  den  Grundsatz  festzuhalten, 
dass  die  Erhaltung  der  in  Sachsen  vorhandenen  Denk- 
mäler unter  die  unmittelbare  Aufsicht  und  den  Schutz 
des  Staates  zu  stellen  sei. 

Ausserdem  suchte  sich  der  Verein  nunmehr  ein  Organ 
zur  Erfüllung  derjenigen  Funktionen  zu  schaffen,  die  der 
Gesetzentwurf  dem  Staate  zuweisen  wollte.  Li  einer 
wenige  Tage  später,  am  10.  Oktober,  stattfindenden  Aus- 
schusssitzung legte  Herr  von  Quandt  einen  „Entwurf 
zur  Organisation  der  mit  dem  künstlerischen  Theile  be- 
auftragten 2.  Sektion  des  Königl.  Säclis.  Alterthums- 
vereius" vor.  Danach  soll  ein  Mitglied  des  Ausschusses 
beauftragt  werden,  für  Erforschung,  Bekanntmachung 
und  wo  möglich  Erhaltung  aller  kunstgeschichtiich  oder 
geschichtlich  werthvollen  Denkmale  und  Alterthümer  zu 
sorgen ;  ein  Sekretär  soll  ilim  zur  Seite  stehen.  Es  sollen 
ferner  jährlich  mindestens  12  Versammlungen  von  Künst- 
lern und  Kunstfreunden  stattfinden,  in  welchen  Mittheil- 
ungen  über  einschlagende  Gegenstände  gemacht,  Zeich- 
nungen vorgelegt,  Sammlungen  zu  Erhaltung  bestimmter 
Kunstdenkmäler  vei-anstaltet  weiden  etc.     Die  Kesultate 


16  Hubert  Ermisch: 

dieser  Versammlungen  legt  der  Sektionsvorstand  dem 
Direktorinm  vor,  macht  Vorschläge  über  Restam^ations- 
arbeiten  und  dergl.  mehr,  von  Quandt  wurde  zum  Vor- 
sitzenden, Hofrath  Hase  zum  Sekretär  der  Sektion  er- 
wälilt;  ausser  ihnen  machte  sich  auch  Prof.  Hartmann 
um  dieselbe  sehr  verdient. 

Die  Thätigkeit  dieser  kunstgeschichtlichen  Sektion, 
welche  zwischen  1831  und  1833  zehn  Sitzungen  abhielt, 
war,  wenn  wir  die  Summe  der  Leistungen  des  Vereins 
im  ersten  Dezennium  seines  Bestehens  ziehen,  jedenfalls 
die  erspriesslichste.  Eingeleitet  wurde  dieselbe  durch 
eine  den  „Alterthumsfreunden  in  Sachsen"  gewidmete 
kleine  Schrift  des  Herrn  von  Quandt  (Dresden  1831) 
„Hinweisungen  auf  Kunstwerke  aus  der  Vorzeit",  deren 
Ertrag  füi^  Vereinszwecke  bestimmt  war;  sie  enthält 
einen  in  vieler  Beziehung  beachtenswerthen  Bericht  über 
eine  archäologische  Reise  Quandts  durch  das  ganze  Land. 
Unter  anderen  weist  er  darin  auf  einen  in  der  Marien- 
kirche zu  Zwickau  befindlichen  Altar  hin,  den  acht  Ge- 
mälde des  Nürnberger  Meisters  Michael  Wohlgemuth, 
des  Lehrers  von  Albrecht  Düi'er,  zieren.  Bereits  bald 
nach  der  Begründung  des  Alterthums'vereins  war  Prinz 
Johann  auf  dieses  hochwichtige  Werk  aufmerksam  ge- 
worden und  hatte  eine  Kopierung  der  Gemälde  ver- 
anlasst, von  Quandt  war  es  dann,  der  den  Beschluss 
einer  Restauration  dieser  Bilder  auf  Kosten  des  Alter- 
thumsvereins  durchsetzte.  Nachdem  Prinz  Johann  durch 
semen  persönlichen  Einfluss  bei  Gelegenheit  eines  Besuchs 
der  Stadt  Zwickau  den  engherzigen  Widerspruch  einiger 
Bürger  zum  Schweigen  gebracht  hatte,  begab  sich  im 
Juli  1832  der  vom  Vereine  mit  der  Herstellung  der  Bilder 
beauftragte  rühmlichst  bekannte  Restaiu^ator  der  königl. 
Gemäldegallerie,  Inspektor  Renner,  selbst  nach  Zwickau 
und  holte  dort  die  Bilder  ab.  Eine  weitere  Untersuchung 
ergab,  dass  dieselben  zwar  sehr  beschmutzt,  auch  früher 
schon  einmal  übermalt  und  restauriert  worden  waren, 
aber   nur   wenig  wirkliche  Beschädigungen   zeigten.     In 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.  17 

wenigen  Monaten  war  die  Restauration  vollendet,  und  im 
November  wurden  die  Bilder  in  Zwickau  wieder  an  ihren 
Platz  gestellt.  Noch  vorher  liess  sie  Herr  von  Quandt 
durch  einen  geschickten  Zeichner,  Callmeyer,  abzeichnen, 
und  man  bescliloss  ün  Jahi-e  1835,  dieselben  lithogra- 
phieren zu  lassen:  es  vergingen  jedoch  noch  mehrere 
Jahre,  bevor  dieses  Werk,  dessen  Kosten  durch  eine 
Subskription  aufgebracht  wurden,  mit  begleitendem  Texte 
von  Quandt  im  Verlage  von  Rudolph  Weigel  in  Leipzig 
erschien '). 

Durch  die  Herstellung  der  Wohlgemuth' sehen  Bilder, 
die  einen  Aufwand  von  über  430  Thaler  verursacht  hatte, 
waren,  obwohl  grossmüthige  Gönner  des  Vereins  und  vor 
allem  dessen  erster  Dii-ektor  selbst  freigebig  dazu  bei- 
getragen hatten,  die  vorhandenen  Mittel  bis  auf  einen 
kleinen  Rest  erschöpft.  Die  Beiträge  waren  stets  sehr 
unregelmässig,  schliesslich  fast  gar  nicht  mehr  eingegangen; 
eine  eigentliche  Einforderung  derselben  scheint  man  des- 
wegen vermieden  zu  haben,  Aveil  der  Verein  ja  allerdings 
nach  aussen  hm  bis  zur  Wiederherstellung  der  Zwickauer 
Bilder  keine  Thätigkeit  gezeigt  hatte.  Eben  darum 
wurde  in  einem  längeren  Aufsatz  der  Leipziger  Zeitung 
(vom  20.  November  1832)  auf  jene  Restauration  hin- 
gewiesen und  Rechenschaft  über  die  Verwendung  der 
Gelder  des  Vereins  abgelegt ;  aber  zunächst,  wie  es  scheint, 
ohne  den  gewünschten  Erfolg.  Es  folgen  vielmehr  einige 
Jahre,  während  welcher  die  Vereinsthätigkeit  so  gut  wie 
vollständig  stockt. 

Da  das  Lokal  im  Zwinger,  welches  dem  Verein 
schon  vor  längerer  Zeit  statt  des  ursprünglich  ihm  ein- 
geräumten überwiesen  war,  anderweitig  gebraucht  wurde, 
wurden  die  Sammlungen  des  Vereins  an  die  königl. 
Bibliothek,   das   Staatsarcliiv,    das   grüne  Gewölbe,  das 


')  Die  Gemälde  des  Michael  Wohlgemuth  in  der  Frauenkirche 
zu  Zwickau;  im  Auftrage  des  K.  S.  Alterthumsvereins  herausge- 
geben von  Quandt.  Dresden  und  Leipzig,  in  Comni.  von  Kndnlph 
Weigel  [1839J  gr.  fol. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  VI.  1.  2.  2 


18  Hubert  Ermisch: 

liistorische  Museum  und  die  Porzellansammlung  —  unter 
Vorbehalt  der  Eigenthumsrechte  des  Vereins  —  vertheilt. 
So  scliien  der  Alterthumsverein  seiner  Auflösung  nahe 
zu  sein,  und  es  kann  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  die- 
jenigen Kreise,  die  für  die  Sache  selbst  Interesse  hatten, 
an  einen  Ersatz  für  denselben  dachten.  Im  Dresdener 
Anzeiger  vom  26.  Februar  1834  erschien  folgende  Be- 
kanntmachung : 

Mehre  Freunde  sächsischer   Kirnst  und   Geschichte  haben  ge- 
wünscht, regelmässige  Zusammenkünfte  zur  Besprechung  über  die- 
jenigen Gegenstände  zu  halten,  deren  Erläuterung,  Erhaltung  und 
Beschreibung   im  Interesse  der  vaterländischen  Geschichte  wichtig 
seyn  kann.  Die  Unterzeichneten  werden  sich  daher  am  künftigen  3.  März 
um  7  Uhr  abends  im  Locale  des  Herrn  Wokurka  im  Calberla'schen 
Hause  zum  ersten  Mal  versammeln  und  laden  die  verehrlichen  Mit- 
glieder des  Alterthum- Vereins   und  andere  Freunde  der  vaterlän- 
dischen Vorzeit  zur  Theilnaiime  an  jener  Zusammenkunft  hiermit  ein. 
Adv.  Erbstein.    Götz.    Prof.  Hartmann. 
Hofr.  Hase.     R.  Krüger.     Prof.  Krüger. 
Römer.    Alb.  Schiffner. 

Am  10.  März  1834  konstituierte  sich  dieser  „Verein 
der  sächsischen  Alterthumsfreunde".  Seine  Statuten, 
entworfen  von  E.  v.  Römer  auf  Neumark,  bezeichnen 
als  seinen  Zweck  „Aufsuchung,  Erhaltung,  Erläuterung 
und  Abbildung  historisch  oder  künstlerisch  wichtiger 
Denkmäler  der  vaterländischen  Vorzeit".  Jedes  Mitglied 
hat  einen  Jahresbeitrag  von  2  Thal  er  zu  entrichten. 
Allmonatlich  findet  eine  Versammlung,  am  10.  März  in 
der  Regel  die  Hauptversammlung  statt.  Die  bei  der- 
selben zu  wählenden  Vereinsbeamten  sind  der  Vorsitzende, 
der  Seki^etär  und  der  Kassierer.  Die  Zahl  der  Mitglieder 
war  nicht  sehr  gross ;  den  regen  Eifer  derselben  bekunden 
die  anspruchslosen,  mit  guten  Lithographien  geschmückten 
Jahresberichte,  die  der  Verein  1835,  183G  und  1837 
herausgegeben  hat.  Den  Vorsitz  führte  zuerst  R.  v.  Römer, 
dann  Dr.  Engelhardt,  schliesslich  Dr.  Dittmann,  das 
Sekretariat  Advokat  Erbstein,  später  Stadtgerichtsaktuar 
Noerner.  Die  innere  Erneuerung  der  Sophienkirche  zu 
Dresden,    der  Umbau   der  Marienkirche  zu  Dohua,  die 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825 — 85.  19 

Sclmitzwerke  im  Dom  zu  Freiberg,  die  Glasgemälde  in 
den  Kirchen  zu  Leuben  und  Glashütte  u.  a.  beschäftigte 
den  Verein,  der  trotz  geringer  Mittel  auch  hilfreiche 
Hand  leistete,  wo  er  konnte. 

Die  Begründung  dieses  Vereins  wurde  auch  für  den 
Königl.  Alterthumsverein,  der  übrigens  einen  Rivalen  in 
demselben  um  so  weniger  sah,  als  viele  seiner  Mitglieder 
auch  jenem  angehörten,  ein  Sporn  zu  neuer  Thätigkeit. 
Dazu  kam,  dass  am  13.  November  1834  der  Hofrath 
und  Oberbililiothekar  Ebert,  der  erste  Sekretär  des  Vereins, 
der  trotz  grosser  Verdienste  doch  schliesslich  ein  pein- 
liches Hemmnis  für  denselben  geworden  war,  nach  län- 
gerem Leiden  starb.  In  einer  Ausschusssitzung,  die  am 
7.  Januar  1835  nach  mehrjähriger  Pause  stattfand,  wurde 
Bibliothekar  Dr.  Klemm   zum  Vereinssekretär  ernannt. 

Gleichzeitig  legte  Prinz  Johann  einen  Entwurf  vor, 
der  von  neuem  Zeugnis  ablegte,  wie  er  nicht  müde  Avurde, 
die  Ziele,  die  jener  Gesetzentwurf  sich  gesteckt  hatte, 
zu  verfolgen.  Er  schlug  die  Begründung  von  Zweig- 
vereinen im  ganzen  Lande,  das  zu  diesem  Zwecke  in 
Bezirke  getheilt  werden  sollte,  vor;  diese  Zweigvereine 
sollten  die  Aufsicht  über  die  im  Bezirke  vorhandenen 
Alterthümer  übernehmen^). 

Bald  darauf  beschloss  der  Ausschuss  eine  gedruckte 
Mittheilung  an  alle  Mitglieder  und  die  Abhaltung  einer 
Generalversammlung.  Im  Juli  1835  erschien  das  von 
Dr.  Klemm  herausgegebene  erste  Heft  der  „Mittheil- 
ungen des  Königl.  Sachs.  Vereins  für  Erforsch- 
ung und  Erhaltung  der  vaterländischen  Alter- 
thümer" (in  2.  Auflage  1853),  welches  ausser  einer 
Übersicht  über  die  Schicksale  und  Leistungen  des  Vereins 
während  seines  ersten  Jahrzehnts  längere  Aufsätze  von 
K.  Preussker,  Alb.  Schiftner  und  Klemm  entliält.  Am 
4.  Dezember  1835  aber  fand  die  erste  allen  Mitgliedern 
des    Vereins    zugängliche    Generalversammlung    im 


»)  Der  ganze  Entwurf  Mitthcil.  I,  XIX  flg. 

2* 


20  Hubert  Ermisch: 

Reiclienbacli'sclien  Auclitoiium  im  Zwinger  statt;  ausser 
dem  Prinzen  und  dem  aus  aclit  Personen  bestehenden 
Ausschüsse  nahmen  13  ordentliche  Mitglieder  daran  theil. 
AVar  diese  Zahl  auch  kleüi,  so  war  die  Versammlung 
doch  das  erste  kräftige  Lebenszeichen,  das  der  Verein 
wieder  gab.  Man  ergänzte  den  Ausschuss,  beschloss 
mit  auswärtigen  Vereinen  in  Beziehung  zu  treten  und 
ernannte  zalilreiclie  ordentliche  und  Ehrenmitglieder ; 
unter  letzteren  befanden  sich  Freiherr  von  Aufsess,  Ober- 
bibliothekar Bechstein  in  Meiningen,  Sulpice  Boisseree 
in  München,  Geheimrath  Grenzer  in  Heidelberg,  die 
Gebrüder  Jacob  und  Wilhelm  Grimm,  Professor  Hottinger 
in  Zürich,  Professor  Massmann  in  München,  Professor 
Voigt  in  Königsberg.  Über  den  Plan  der  Gründung 
von  Zweigvereinen  wurde  viel  verhandelt,  aber  ohne 
bleibenden  Erfolg.  Der  wichtigste  Bescliluss  war,  die 
Sammlungen  wieder  zu  vereinigen. 

Um  dies  zu  können  und  zugleich  häufigere  Versamm- 
lungen der  Mitglieder,  in  denen  Vorträge  gehalten  werden 
und  Debatten  über  dieselben  stattfinden  sollten,  zu  ermög- 
lichen, bedurfte  der  Verein  vor  allem  meder  eines  Lokals. 
Zwar  räumte  ihm  Hofrath  Reichenbach  einige  Sclu^änke 
im  naturwissenschaftlichen  Museum  ein,  aber  diese  ge- 
nügten nicht.  Am  2.  April  1836  wurde  dem  Verein 
endlich  durch  königliche  Huld  die  ehemalige  Wohnung 
des  Hofbettmeisters  im  Parterre  des  Prinzenpalais  am 
Taschenberg  angewiesen ;  vor  beinahe  50  Jahren  hielt  er 
seinen  Einzug  in  das  Haus,  in  dem  er  noch  jetzt  tagt. 
Hier  wurden  demnächst  die  Sammlungen  des  Vereins 
aufgestellt  und  fanden  in  der  Folge  die  regelmässigen 
Zusammenkünfte  der  ordentlichen  Mitglieder  statt. 

So  birgt  das  Jahr  1835  mehr  als  einen  Keim  zu  einer 
neuen,  erfolgreicheren  Thätigkeit  des  Alterthumsvereins. 
Von  besonderer  Wichtigkeit  war  es,  dass  mit  dem  Ende 
desselben  die  Verhandlungen  mit  dem  Verein  von  säch- 
sischen Alterthumsfreimden  begamien,  welche  im  Februar 
1837  zu  einer  Vereinigung  beider  Vereine  fülu-ten. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825 — 85.  21 

3.  Der  König^l.  Säclisisclie  Alterthumsverein   bis   zur 
Niederlegung  des  Direktoriums  durch  Prinz  Joliann. 

1837-1855. 

Die  Vereinigung  des  Vereins  zur  Erforschung  und 
Erhaltung  der  vaterländischen  Alterthümer  mit  dem  Verein 
der  sächsischen  Alterthumsfreuude  war  nicht  allein  des- 
wegen für  ersteren  von  Bedeutung,  weil  die  Mitglieder- 
anzahl und  die  verfügbaren  Greldmittel  des  Vereins  einen 
erheblichen  Zuwachs  bekamen,  sondern  hauptsächlich 
darum,  weil  seine  Verfassung  eine  wesentliche  Änderung 
erfuhr;  sie  nahm  damals  die  Gestalt  an,  welche  sie, 
abgesehen  von  unbedeutenden  Änderungen,  bis  auf  den 
heutigen  Tag  beibehalten  hat.  Auch  der  Name  „König- 
lich Sächsischer  Alterthumsverein",  den  der  Verein 
noch  jetzt  führt,  wurde  seit  dem  Jahre  1Ö37  offiziell 
gebraucht,  wenngleich  neben  demselben  die  alte  weit- 
läufigere Bezeichnung  noch  häufig  —  auf  dem  Titel  der 
Vereinszeitschrift  bis  1869  —  angewandt  wurde. 

Die  neuen  Statuten  des  König!.  Sachs.  Altertimms- 
vereins, welche  am  3.  März  1837  die  königliche  Bestä- 
tigung erhielten,  sind  die  Grundlage  dieser  Verfassung. 
Wir  heben  aus  ihnen  nur  einiges  hervor.  Der  Wii'kungs- 
kreis  des  Vereins  soll  in  geographischer  Beziehmig  das 
Königreich  Sachsen,  in  historischer  die  Zeit  bis  zum 
westfälischen  Frieden  umfassen,  doch  soll  in  einzelnen 
Fällen  die  Berücksichtigung  anderer  Gegenden  und  Zeiten 
nicht  ausgeschlossen  sein:  eine  Bestimmung,  die  schon 
dui'ch  die  Stellung  Sachsens  in  der  Kunstgeschichte  des 
18.  Jahrhunderts  durchaus  geboten  war.  Der  Minimal- 
beitrag der  ordentlichen  Mitglieder  wurde  auf  2  Thaler 
festgesetzt;  nacli  einem  1849  gefassten  Beschlüsse  sollte 
eine  einmalige  Zahlung  von  mindestens  25  Thaler  von 
demselben  befreien.  Alle  Vereinsgeschäfte  soUeu  in 
regelmässigen  Monatsversammlungen  besprochen  werden. 
An  die  Stelle  des  Ausschusses  trat  ein  Direktorium,  an 
dessen  Spitze  der  Protektor  oder  Direktor  des  Vereins 


22  Hubert  Ermisch: 

stand;  die  übrigeu  Mitglieder  desselben,  der  Vizedirektor 
und  sein  Stellvertreter,  der  Sekretär  und  sein  Stell- 
vertreter und  der  Kassierer,  sollten  alljälirlicli  durcli 
absolute  Stimmenmehrlieit  gewählt  werden.  Jedes  Mit- 
glied hat  das  Recht,  neue  Mitglieder  zur  Aufnahme  vor- 
zuschlagen; die  Aufnahme  erfolgt  durch  Ballotement. 
In  eüiem  gedruckten  Berichte  soll  der  Verein  jährlich 
öffentlich  Rechenschaft  von  seiner  Thätigkeit  geben. 

Diese  Jahresberichte,  die  seit  1835  vollständig  vor- 
liegen^), bilden  eine  annalistische  Chronik  des  Vereins. 
Mit  Rücksicht  hierauf  glauben  wir,  die  weitere  Vereins- 
geschichte weniger  nach  der  chronologischen  Ordnung, 
als  nach  allgemeineren  Gesichtspunkten  darstellen  zu 
sollen,  und  geben  zunächst  die  äussere  Geschichte  des- 
selben, um  dann  auf  seine  wichtigsten  Leistungen  über- 
zugehen.    " 

Die  Zahl  der  ordentlichen  Mitglieder  (79  im  Jahre 
1835)  war  durch  die  Vereinigung  auf  131  gewachsen  und 
nahm  dann  rasch  zu,  bis  sie  im  Jahre  184G  mit  228  die 
höchste  Höhe  erreicht  hatte.  Unter  den  noch  heute  leben- 
den Mitgliedern  sind  es  neun,  deren  Aufnahme  in  dieser 
Zeit  erfolgte:  diese  Senioren  des  Vereins  sind  die  Herren 
Oberst  Peters  (1840),  Kantor  Schramm  (1842),  Staats- 
rainister  v.  Seebach  (1845),  Präsident  Nossky  (1846), 
Oberst  Andrich  (1847),  Prof.  Fürstenau  (1848),  Prof. 
Kade  (1850),  Geh.  Hofrath  Petzholdt  (1854)  und  Prof.  Dr. 
Hälmel  (1854).  Ausser  den  ordentlichen  besass  der  Verein 
(1838)  28  Ehrenmitglieder,  eine  Zalil,  die  dann  bis  auf 
53  (1847,  1854,  1855)  vermehrt  wurde.  Die  Aufnahme 
von  korrespondierenden  Mitgliedern  fand  erst  seit  1852 
statt. 

Das   oberste  Direktorium   des  Vereins  führte   auch 


»)  Die  Berichte  über  die  Jahre  1835/38,  1838/39,  1839/40, 
1840/41  (scämtlich  in  fol.)  und  1842/44  (8")  erschienen  in  beson- 
deren Heften;  die  übrigen  sind  in  die  „Mittheilungen"  des  Vereins 
aufgenommen  (vergl.  die  Übersicht  Mitth.  XXX,  8).  Seit  1879/80 
erscheinen  sie  als  Separatbeilage  des  „Neuen  Archivs*. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Altei'thumsvereins.  1825—85.  23 

fernerhin  derjenige,  der  vor  allen  dazu  berufen  war,  Prinz 
Johann.  Wenn  der  Verein  in  diesem  Zeitabsclmitte 
seine  Thätigkeit  zu  erfreulicher  Blüthe  entfaltet  hat,  so 
ist  dies  vor  allem  sein  Verdienst  gewesen,  und  es  war 
nur  ein  schwacher  Tribut  der  Dankbarkeit,  wenn  der 
Verein  am  Tage  des  silbernen  Ehejubiläums,  am  21.  No- 
vember 1847,  ihm,  dem  „Beschützer  der  vaterländischen 
Vorzeit",  eine  sinnige  Denkmünze,  die  Münzgraveur  Krie- 
ger ausgeführt  hatte,  überreichte.  Zum  Vizedirektor 
wählte  der  Verein  am  3.  März  1837  den  vielseitig  ver- 
dienten Forscher  auf  dem  Gebiete  der  sächsischen  Ge- 
schichte Geheimen  B,ath  Dr.  von  Langenn,  zu  dessen 
Stellvertreter  Herrn  von  Kömer  auf  Neumark;  der  bis- 
herige Sekretär  Bibliothekar  Dr.  Klemm  und  der  bis- 
herige Kassierer  Hofsekretär  Grohmann  wurden  wieder- 
gewählt und  zum  Stellvertreter  des  ersteren  Cand.  Alb. 
Schiffner  ernannt. 

Als  Herr  von  Langenn  1845  das  Direktorium  nicht 
weiter  fortführen  wollte,  trat  an  seine  Stelle  Appellations- 
rath  Dr.  von  Stieglitz;  ihm  folgte  1852  Regierungs- 
rath  Dr.  H.  W.  Schulz,  der  Vorstand  des  Antiken- 
kabinets,  welcher  letztere  seit  1844  an  Stelle  von  Römers 
bereits  Stellvertreter  des  Vizedirektors  gewesen  war, 
wozu  der  Verein  nunmehr  den  Hofrath  Dr.  Engelhardt 
wälüte. 

Im  Sekretariat  folgte  auf  Dr.  Klemm  im  Jahre  1841 
Dr.  Wilhelm  Schäfer,  der  seit  1839  schon  stellver- 
tretender Sekretär  gewesen  war:  ein  Mann  von  grossem 
Eifer  für  die  Sache  und  vielseitigem,  wenn  auch  nicht 
tief  gehendem  Wissen,  der  sich  um  den  Verein  zweifel- 
lose Verdienste  erworben  hat,  bis  bedauernswerthe  per- 
sönliche Verhältnisse  ihn  nöthigten,  1847  das  Sekretariat 
niederzulegen.  Man  beschloss  nach  seiner  Abdankung 
die  Stellen  eines  Bibliothekars  und  eines  Kustos  vom 
Sekretariat  abzuzweigen.  Erstere  wurde  dem  Archivar 
Erbstein,  letztere  dem  Oberlieutenant  Schreiber  über- 
tragen, zum  stellvertretenden  Bibliothekar  Prof.  Dr.  Löwe, 


24  Hubert  Ermisch: 

zum  stellvertretenden  Kustos  derMaler  Nortlius  ernannt. 
Zum  Sekretär  aber  wählte  der  Yerein  den  ApiDellations- 
gericlitsaktuar  Nossky ,  der  seit  1846  —  nach  dem  Finanz- 
archivregistrator  Segnitz  (1841—43)  und  dem  Amts- 
aktuar Pöschmann  (1843 — 46)  —  Stellvertreter  des 
Sekretärs  gewesen  war. 

Die  Kassengeschäfte  endlich  besorgten  als  Nachfolger 
von  Grohmann  von  1840—43  Hofrath  Dr.  Engelhardt, 
dann  bis  1849  Oberfiuanzeinnehmer  Nollau,  seit  diesem 
Jahre  Advokat  Gutbier.  Neu  geschaffen  wurde  1848 
das  Amt  eines  „Prograramatars",  dem  die  Herausgabe 
der  Yereinszeitschrift  zufiel;  es  wurde  damals  dem  Dr. 
Arnold  Schäfer  —  dem  spätem  bekannten  Bonner 
Professor  —  übertragen,  ging  dann  1850  an  den  stell- 
vertretenden Sekretär  und  Bibliothekar  Prof.  Dr.  Löwe 
über  und  blieb  seit  dessen  Tode  (1865)  mit  dem  Sekre- 
tariat vereinigt. 

Die  zwölf  jährlichen  Sitzungen,  welche  die  Statuten 
vorschrieben,  fanden,  meist  unter  Vorsitz  des  Prinzen 
Johann,  ziemlich  regelmässig  statt,  wenn  auch  namentlich 
während  des  Sommers  zuweilen  eine  derselben  ausfiel. 
Das  Versammlungslokal  blieb  die  schon  erwähnte  Räum- 
lichkeit im  Parterre  des  Prinzenpalais;  für  die  Sommer- 
sitzungen wurde  1841  ein  Zimmer  im  ersten  Stockwerke 
des  Palais  im  königl.  Grossen  Garten  eingerämnt,  wo 
1848  auch  die  Bibliothek  des  Vereins  aufgestellt  Avurde. 
Wie  rege  die  Veremsthätigkeit  und  wie  reichhaltig  meist 
die  Tagesordnung  iii  diesen  Sitzungen  war,  beweisen  die 
Protokolle.  Um  sie  nicht  lediglich  mit  geschäftlichen 
Angelegenheiten  auszufüllen  und  ihnen  ein  allgemeineres 
wissenschaftliches  Interesse  zu  geben,  wurde  1850  be- 
schlossen, dass  fortan  in  jeder  Sitzung  durch  ein  Mitglied 
ein  Vortrag  gehalten  werden  und  der  Gegenstand  des- 
selben vorher  öffentlich  bekannt  gemacht  werden  solle :  ein 
Brauch,  der  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  hat. 

Ausser  diesen  regelmässigen  Versammlungen  fanden 
auch  verschiedene  ausserordentliche  statt,  von  denen  mr 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825 — 85.  25 

liier  nur  zwei  erwähnen,  weil  sie  vor  allem  das  Bestreben 
des  Vereins  zeigen,  auch  weitere  Kreise  für  seine  Inter- 
essen zu  gewinnen.  Auf  Anregung  des  Dr.  Wilh.  Schäfer 
veranstaltete  der  Vereüi  am  24.  August  1844  um  5  Uhr 
Naclunittags  im  grossen  Saale  der  ersten  Etage  des  königl. 
Palais  im  Grossen  Garten  eine  Generalversammlung,  zu 
welcher  er  auch  zalilreiche  Nichtmitglieder,  Staatsbeamte, 
Gelehrte,  Künstler,  Kunstfreunde  u.  s.  w.  einlud;  gegen 
700  Karten  waren  ausgegeben  worden.  Der  Zweck  war, 
„die  wahre  Tendenz  des  Yei'eins  durch  Reden  und  si)e- 
zielle  Vorträge,  sowie  auch  durch  Vorlegung  von  Zeich- 
nungen und  Aufstellung  von  Alterthümern  offener  dar- 
zulegen". Die  stark  besuchte  Versammlung  eröffnete  der 
hohe  Direktor  des  Vereins  in  eigener  Person  mit  einer 
Rede,  in  welcher  er  die  bisherige  Thätigkeit  und  die 
Zwecke  des  Vereins  in  treffender  Weise  schilderte^"). 
Weitere  Vorträge  liieltenRegierungsrath  Dr.  H.W.  Schulz, 
Dr.  Schäfer  und  Appellationsgerichtsrath  Dr.  von  Stieglitz  ; 
eine  Aufführung  mittelalterlicher  Musikstücke  bildete  einen 
würdigen  Abschluss. 

Eine  andere  Gelegenheit  zu  öffentlichem  Hervortreten 
bot  dem  Verein  die  Feier  des  25  jährigen  Jubiläums,  die 
am  1(3.  Juli  1850  in  demselben  Lokale  stattfand.  Auch 
hier  war  es  Prinz  Johann  selbst,  der  die  Versammlung 
mit  geistreichen  und  warmen  Worten  eröffnete").  Ausser 
ihm  sprachen  Regierungsrath  Dr.  Schulz  über  die  Geschichte 
und  Bauart  der  Albrechtsburg  in  Meissen  und  Dr.  Arnold 
Schäfer  über  das  Verhältnis  der  Landgrafen  von  Thü- 
ringen zur  Poesie  ihrer  Zeit.  Musikdirektor  Kade  hatte 
in  feinsinniger  Weise  für  den  musikalischen  Theil  der 
Feier  gesorgt.  — 

Gehen  wir  nunmehr  spezieller  auf  die  Thätigkeit 
des  Vereins  über,  so  ist  dieselbe   auch   in  diesem  Zeit- 


'")  MittheiluBgen  etc.  III,  Beilage  1 ;  vergl.  v.  Falkenstein 
in  dieser  Zeitschrift  I,  7  tlg. 

")  Mittheilungen  etc.  IV,  17.  Vergl.  v.  Falkenstein  a. 
a.  0.  I,  9  flg. 


26  Hubert  Ermisch: 

abscliiiitt  seines  Wirkens  vorzugsweise  eine  konservierende 
gewesen ;  die  historische  Forschung  stand  noch  imniei-  im 
Hintergrunde.  Um  in  jener  Richtung  erfolgreich  wirken 
zu  können,  brauchte  der  Verein  vor  allem  zweierlei : 
Autorität  und  Geld.  Bereits  kurz  nach  der  neuen  Kon- 
stituierung des  Vereins  im  April  1837  wandte  er  sich 
auf  Antrag  des  Vizedirektors  von  Langenn  an  das  Ge- 
samtministerium mit  der  Bitte  um  eine  jährliche  Beihilfe 
„zu  Erhaltung  der  grösseren  Bauwerke  des  Altertimms 
in  ihrer  Integrität",  von  Langenn  wünschte,  dass  dem 
Verein  im  Zusammenhang  hiermit  eine  ähnliche  halb- 
amtliche Stellung  überwiesen  werden  möge,  wie  sie  der 
statistische  Verein  zu  jener  Zeit  besass.  Der  Antrag, 
der  damals  nicht  mehr  vor  die  Kammern  gebracht  werden 
konnte,  weil  das  Budget  der  Staatsausgaben  für  die 
nächste  Pinanzperiode  schon  festgestellt  war,  wurde  1839 
erneuert.  Auf  den  Wunsch  des  Ministeriums  des  Innern 
präzisierte  der  Verein  seine  Bitte  dahin,  dass  er  eine 
jährliche  Subvention  von  800  Thalern,  von  denen  300  Thaler 
für  die  Kreuzgäuge  des  Freiberger  Doms  verwandt  wer- 
den sollten,  erbat.  Allein  die  Kammer  lehnte  das  bezüg- 
liche Postulat  der  Regierung  ab^^),  und  spätere  Gesuche 
hatten  ebensowenig  Erfolg. 

So  war  der  Verein  lediglich  auf  seine  eignen  Kräfte 
angemesen,  und  wenn  man  dies  berücksichtigt,  so  wird 
man  seiner  Thätigkeit  nur  ein  glänzendes  Zeugnis  aus- 
stellen können. 

In  der  Sitzung  vom  7.  September  1838  hatte  Prof. 
Krüger  den  Antrag  gestellt,  der  Verein  möge  sich  an 
das  Kultusministerium  wenden,  um  die  Geistlichen  zur 
Aufnahme  von  Inventarien  der  in  ihren  Kirchen  vorhan- 
denen Alterthümer  zu  veranlassen;  dabei  wurde  von 
neuem  die  Nothwendigkeit  eines  Gesetzes  zum  Schutze 
der   Alterthümer    des    Landes    betont.      Die    in    dieser 


■»)  Vergl.  Landtagsakten  II [.  Al)th.  I,  644,  647.     I.  Abth.  II, 
31.5.    II.  Abth.  I,  501. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.  27 

Angelegenheit  niedergesetzte  Kommission,  welche  aus 
von  Langenn,  Klüger  und  dem  Appellationsgerichts- 
präsidenten  Meissner  bestand,  verschloss  sich  nicht  der 
Ansicht,  die  auch  früher  schon  Prinz  Johann  vertreten 
hatte,  dass  die  nothwendigste  Vorarbeit  jeder  umfang- 
reicheren konservierenden  Thätigkeit  die  Aufnahme  eines 
Inventars  über  die  im  Lande  und  namentlich  in  den  Kii'chen 
vorhandenen  Alterthümer  sei.  Um  zu  einem  solchen  zu 
gelangen,  schlug  man  den  Weg  vor,  der  später  wieder- 
holt in  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands  versucht 
worden  ist,  aber  immer  zu  den  gleichen,  unbefriedigenden 
Resultaten  geführt  hat:  man  versuchte  das  Inventar  durch 
Mittheilungen  von  Alterthumsfreuuden  ün  ganzen  Lande 
zu  Stande  zu  bringen.  Die  Herren  Meissner,  Krüger 
und  Freiherr  von  Odeleben  arbeiteten  eine  kleine  Brochüre 
aus,  welche  in  aller  Kürze  eine  Anleitung  zur  Beschreibmig 
von  Kü'chen  und  Idrchlichen  Gegenständen  aller  Art 
und  ein  hierzu  bestimmtes  Formular  enthielt.  Diese 
Brochüre  erschien  in  einer  Auflage  von  2000  Exemplaren 
unter  dem  Titel:  „Sendschreiben  des  Königlich  Sächsi- 
schen Alterthums -Vereins  an  die  Freunde  kirchlicher 
Alterthümer  im  Königreiche  Sachsen.  Mit  vier  litho- 
graphierten Blättern.  Dresden  1840",  und  wurde,  durch 
Vermittlung  des  königlichen  Kultusministeriums,  in  zahl- 
reichen Exemplaren  im  Lande  verbreitet;  Stadträthe, 
Kollatoren,  Kircheninspektoren,  namentlich  aber  die  Geist- 
lichen selbst  sollten  sich  dadurch  veranlasst  sehen,  Be- 
schreibungen ihrer  Kirchen  einzusenden.  In  der  Tliat 
gingen  eine  grosse  Menge  Beschreibungen,  Zeichnimgen 
und  dergl.  ein;  sie  bilden  einen  beträchtlichen  Tlieil 
unseres  Vereinsarchivs;  indes  dürfte  das  —  bisher  noch 
fast  gar  nicht  verwerthete  —  Material  sich  bei  näherer 
Prüfung  als  von  sehr  ungleichem  Wertlie  erweisen. 

Wurde  der  Zweck,  den  man  im  Auge  hatte,  so  auch 
nicht  vollständig  erreicht,  so  war  doch  das  Sendschreiben 
in  mehr  als  einer  Hinsicht  den  Vereinszwecken  förderlich : 
es   gewann   ihnen   eine  Menge   thätiger  Mitarbeiter   im 


28  Hubert  Ermisch: 

ganzen  Lande  und  gewährte  den  Mitgliedern  selbst  man- 
nigfache Anregung.  Nicht  zufällig  ist  es,  wenn  in  der- 
selben Zeit  die  Geschichte  des  Alterthumsmuseums 
beginnt. 

Zwar  besass  der  Verein  seit  seinen  ersten  Jahren 
eine  kleine  Sammlung  von  Alterthümern;  dieselbe  wurde 
jedoch,  wie  wir  oben  erwähnten,  im  Jahre  1832  in  Er- 
mangelung eines  geeigneten  Lokals  an  die  verschiedenen 
Dresdner  Museen  vertheilt.  Das  Bedürfnis  eines  aus- 
reichenden Sammlungsraumes  stellte  sich  fühlbarer  heraus, 
als  im  Jahre  1839  bei  Abtragung  der  Eartholomäus- 
kapelle  zu  Dresden  die  in  derselben  befindlichen  theil- 
weise  hochinteressanten  Kunstwerke  —  u.  a.  die  herr- 
liche Grablegung  Christi  aus  dem  Anfang  des  15.  Jahr- 
hunderts, die  man  vielleicht  als  das  schönste  Werk  unsers 
Museums  bezeichnen  kann  —  dem  Alterthumsverein  zur 
ferneren  Auf  bcAvahrung  überwiesen  wurden.  Durch  könig- 
liche Gnade  wm-de  dem  Verein  nunmehr  ein  geräiuniges 
Parterrelokal  des  Palais  im  königlichen  Grossen  Garten 
gewährt. 

Rasch  mehrte  sich  die  Sammlung,  namentlich  da  der 
Verein  seit  etwa  1841  sich  bereit  finden  liess,  kirchliche 
und  andere  Alterthümer,  für  deren  sichere  Aufbewahrung 
die  betreffende  Gemeinde  oder  der  Eigenthümer  keinen 
Raum  hatte,  unter  Vorbehalt  des  Eigenthumsrechtes  der 
bisherigen  Besitzer  im  Museum  aufzubewahren  ;  die  kaum 
50  Nummern,  mit  denen  1839  der  Grund  zum  Museum 
gelegt  war,  hatten  sich  in  5  Jahren  bereits  auf  700  ver- 
mehrt. Dies  schnelle  Wachsthum  wäre  unmöglich  ge- 
wesen, wenn  nicht  durch  Erlass  des  königlichen  Haus- 
ministeriums  vom  12.  Juli  1841  auch  die  übrigen  Parterre- 
lokalitäten des  Palais  dem  Vereine  überwiesen  worden 
wären. 

Zum  Oberaufseher  des  Museums  wurde  1841  Baron 
von  0 deichen  gewählt;  als  Kustos  fungierte  bis  1847 
Dr.  W.  Schäfer,  der  durch  den  Eifer,  mit  dem  er 
unermüdlich  im  Lande  nach  Alterthümern  herumstöberte. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.  29 

einen  wesentlichen  Antheil  am  Gedeihen  des  Museums 
hatte.  1847  ward  die  Oberleitung  des  Museums,  wie 
schon  bemerkt,  dem  Oberlieutenant  Schreiber,  dann 
1850  dem  Professor  K r ü g  e r  übertragen,  unter  welchen 
1847—1852  der  Maler  Nordhus  als  Kustos,  seit  1853 
der  Kupferstecher  Kejd  als  Inspektor  standen.  , 

Die  Altersbestimmung  und  die  Inventarisation  der 
Gegenstände  des  Museums  wurde  1840  einer  besonderen 
Kommission  des  Vereins  übertragen,  bei  Avelcher  nament- 
lich II.  V.  Römer  auf  Neumark,  Hofrath  Dr.  Klemm, 
Direktor  Frenzel,  Prof.  Dahl,  Prof.  Krüger,  Dr.  W.  Schäfer 
und  die  Maler  Otto  Wagner  und  ISFoi'dhus  sich  bethei- 
ligten und  m  welcher  seit  1843  der  Regierungsratli  Dr. 
H.  W.  Schulz  den  Vorsitz  führte.  Sie  löste  ihre  Auf- 
gabe zu  voller  Befriedigung,  so  dass  1845  die  Heraus- 
gabe eines  Katalogs  beantragt  werden  konnte.  Dr.  Schulz 
unterzog  sich  dieser  Arbeit,  die  allerdings  eine  Reihe 
von  Jahren  in  Anspruch  nahm;  erst  1852  erschien  der 
„Führer  durch  das  Museum  des  Königl.  Sachs.  Vereins 
zur  Erforschung  und  Erhaltung  vaterländischer  Alter- 
thümer  im  Königl.  Palais  des  Grossen  Gartens"'^),  eine 
sehr  verdienstvolle  Arbeit,  welche  die  Grundlage  der 
späteren  Neubearbeitungen  geblieben  ist. 

In  dem  Museum  hatte  sich  der  Verein  ein  unent- 
behrliches Hilfsmittel  für  seine  erhaltende  Thätigkeit  ge- 
schaffen. Gleichwohl  fehlte  es  ihm  auch  nicht  an  Geg- 
nern ;  man  machte  dem  Verein  den  Vorwurf,  er  beraube 
das  Land  seiner  Alterthümer  und  entkleide  die  Kirclien 
ihrer  Denkwürdigkeiten.  Wohl  mochte  der  Übereifer 
einzelner,  namentlich  des  Dr.  W.  Schäfer,  zu  derartigen 
Vorwürfen  vielfach  Anlass  geben;  aber  ein  Blick  auf 
die  sonstige  Thätigkeit  des  Vereins  hätte  jedem  zeigen 
können,  dass  dieselben  ungerechtfertigt  waren.  Prinz 
Johann  hatte  seit  dem  Bestehen  des  Vereins  unentwegt 
an   dem  Grundsatze   festgehalten,    dass   stets   in   erster 


»)  Mitth.  VI,  45  flg. 


30  Hubert  Ermisch: 

Linie  auf  eine  Erhaltung  der  Altertliümer  und  Kunst- 
werke an  ihrer  heimathlichen  Stätte  hinzuwirken  sei; 
§jne  Zentralisierung  derselben  lag  ihm  durchaus  fern; 
nur  dann,  wenn  sie,  wie  leider  so  oft,  sichtlich  dem 
Untergange  entgegen  gingen,  sollte  die  Überführung  in 
das  Dresdner  Museum  in  Vorschlag  gebracht  werden. 

So  liefei'n  denn  die  Protokolle  fast  jeder  Sitzung 
zahlreiche  Beweise  der  Fürsorge,  welche  der  Verein  den 
Alterthümern  und  Kunstwerken  im  ganzen  Lande  zu 
Theil  werden  Hess.  Aus  der  langen  Eeihe  von  Einzel- 
heiten, die  wir  hier  nennen  könnten,  sei  es  gestattet,  nur 
weniges  hervorzuheben. 

Wenden  wir  unsern  Blick  zunächst  an  diejenige 
Stätte  Sachsens,  die  dem  Historiker  wie  dem  Kunst- 
freunde stets  besonders  anziehend  sein  wird,  nach  Frei- 
berg. 

Hier  forderte  vor  allem  der  Dom  das  thätige  Ein- 
greifen des  Alterthumsvereins.  Der  aus  dem  Anfang 
des  1(3.  Jahrhunderts  stammende,  schöne  Kreuzgang,  der 
denselben  auf  der  Süd-  und  "Westseite  umgab,  war  be- 
reits Anfang  der  dreissiger  Jahre  dem  Einsturz  nahe, 
und  man  dachte  daran  ihn  abzutragen.  Prinz  Johann, 
der  lebhaftes  Interesse  an  demselben  nahm,  zog  Erkun- 
digungen darüber  ein:  ein  Brief  des  Bibliothekar  Dr. 
Klemm  an  Ebert  (vom  27.  Januar  1833),  welchen  dieser 
dem  Prinzen  übergab,  enthält  eine  traurige  Schilderung 
von  dem  Zustande  des  Bauwerks. 

Doch  vergingen  noch  mehrere  Jahre,  ohne  dass  etwas 
für  dasselbe  geschah.  Am  28.  Mai  1836  erliess  der 
Oberhofmarschall  von  ßeitzenstein  eine  Einladung  zur 
Unterzeichnung  von  Aktien  für  Erhaltung  des  Kreuz- 
gangs. Die  Stadt  hatte  sich  bereit  erklärt,  dem  zu  bilden- 
den Vereine,  wenn  derselbe  ein  Kapital  zusammenbringen 
würde,  mit  dessen  Hilfe  die  Kreuzgänge  nebst  der  Annen- 
und  der  Schönlebeschen  Begräbniskapelle  nicht  nur  gut 
und  tüchtig  wiederhergestellt,  sondern  auch  späterhin  in 
b{\ulichem  Wesen  erhalten  werden  könnten,    das   Dispo- 


Zur  Geschiclite  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825 — 85.  31 

sitions-  und  Benutzungsrecht  dieser  Gebäude  unter  Vor- 
behalt des  Eigenthums  an  denselben  und  einigen  weiteren 
Bedingungen  zu  überlassen.  Die  Kosten  der  Wieder- 
herstellung wurden  auf  600  Thaler,  das  ganze  erforder- 
liche Kapital  auf  1800—2000  Thaler  veranschlagt. 

Dieser  Aufruf,  der  in  allen  Theilen  des  Landes  den 
freudigsten  Anklang  fand,  hatte  den  Erfolg,  dass  bis 
zum  Jahre  1837  bereits  die  Summe  von  1543  Tlialer 
gezeichnet  und  grösstentheils  auch  eingezahlt  war;  sie 
vermehrte  sich  in  der  Folge  noch  erheblich.  Es  braucht 
kaum  hervorgehoben  zu  werden,  dass  an  der  Spitze  der 
Zeichner  der  König  und  die  sämtlichen  Prinzen  und 
Prinzessinnen  des  königlichen  Hauses  mit  bedeutenden 
Beiträgen  standen. 

Am  4.  November  1836  übergab  Herr  von  ßeitzen- 
stem  die  Angelegenheit  dem  Alterthums verein,  der  für 
dieselbe  eine  aus  den  Herren  von  Reitzenstein,  Kammer- 
herr Freiherr  von  Friesen,  Appellationsgerichtspräsident 
Meissner  in  Dresden,  Archidiaconus  Gühloff,  Eektor 
Rüdiger  und  Oberbergamtsarchitekt  Heuchler  in  Freiberg 
zusammengesetzte  Deputation  bildete,  welcher  später 
noch  Oberberghauptmann  Freiherr  von  Herder,  Biblio- 
thekar Dr.  Klemm  und  Hofsekretär  Grohmann  (als  Kas- 
sierer) beitraten.  Diese  Deputation  beschloss,  den  neu 
zu  erbauenden  Kreuzgang  zu  einem  Museum  für  Alter- 
thümer  der  Stadt  Freiberg  und  der  Freiberger  Gegend 
einzurichten;  in  dasselbe  sollten  vor  allem  die  in  der 
sogenannten  „Götzenkammer"  der  Domkirche,  sowie  auf 
den  Böden  der  anderen  Freiberger  Kirchen  und  der 
Kommungebäude  aufbewahrten  Gegenstände  aufgenommen 
werden. 

Bis  zum  Jahre  1842  waren  die  erforderlichen  Arbeiten, 
um  welche  sich  namentlich  der  Architekt  Heuchler  sehr 
verdient  gemacht   hatte,   ausgeführt'^);    der  Kreuzgang 


'*)  Für  Einzelheiten  vergl.  namentlich  die  beiden  von  Klemm 
und  Freiherrn  von  Friesen  verfassten   „Berichte  über  die  Be- 


32  Hubert  Ermisch: 

war  gerettet  und  in  ein  Museum  verwandelt  worden. 
Von  den  disponibeln  Geldern  blieb  nocli  ein  Kassen- 
bestand von  250  Thalern  übrig.  Die  Deputation  löste 
sich  auf;  an  ihrer  Stelle  ernannte  Prinz  Johann  ein  neues 
Comite  „für  die  Beaufsichtigung  des  Museums  in  den 
Freiberger  Domkreuzgängen". 

Leider  sollten  die  Freiberger  Kreuzgänge  dem  Vereine 
in  der  Folge  noch  so  manche  Sorge  bereiten.  Die  Feuch- 
tigkeit namentlich,  die  durch  nichts  zu  beseitigen  war, 
schädigte  das  Bauwerk  und  bedrohte  die  in  demselben 
aufgestellten  Alterthümer  in  hohem  Grade ;  ja  selbst 
das  herrlichste  Kunstwerk  des  Doms,  die  Goldene  Pforte, 
zeigte  ihren  verhängnisvollen  Einfluss.  In  den  Jahren 
1851  flg.  waren  wiederum  umfängliche  und  kostspielige 
Bauten  nöthig;  die  Alterthümer  aber  wanderten  im 
Jahre  1854  in  das  Dresdener  Yereinsmuseum,  dessen 
Zierde  sie  noch  heute  bilden. 

Seit  den  ersten  Jahren  des  Vereins  hatte  derselbe 
seine  Aufmerksamkeit  den  Ruinen  des  Klosters  AI tz eile 
zugewandt ;  schon  1826  hatte  Oberhofgerichtsrath  von  Zeh- 
men  dem  Vereüi  ein  chronologisches  Verzeiclmis  der  das 
Kloster  betreffenden  Urkunden  überreicht,  auch  waren 
schon  damals  topographische  Untersuchungen  auf  Grund 
alter  Pläne  vorgenommen  worden.  Was  in  der  Folge 
geschah,  war  hauptsächlich  der  Thätigkeit  des  Hofgärtner 
Schmidt  zu  danken,  der  auf  eigene  Kosten  Nachgrabungen 
veranstalten  liess  und  mancherlei  zu  Tage  förderte,  aber 
freilich  ohne  die  wünschenswerthe  Planmässigkeit  ver- 
fuhr. Erst  1838  nahm  sich  der  Verein  wieder  des  Klosters 
an  und  übertrug  die  Sorge  für  dasselbe  dem  Comite  für 
die  Freiberger  Kreuzgänge,  welches  den  Rentamtmann 
Ed.  Beyer  —  denselben,  der  1855  eine  treffliche  Geschichte 
des  Klosters  herausgegeben  hat  —  kooptierte  und  syste- 
matische Ausgrabungen  in  Angriff  nahm,  die  ein  neues 


grüudung  eines  Museums  vaterländischer  Alterthümer  und  Kunstwerke 
in  den  Kreuzgängen  des  Doms  zu  Freiberg".    Dresden  1837  und  1838. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825 — 85.  33 

1841  eingesetztes  Comite  fortsetzen  Hess.  Auch  zu  diesen 
Arbeiten  wurden  dem  Verein  von  höclister  Stelle  Unter- 
stützungen gewährt.  So  wurden  bis  zum  Jahre  1852 
zahlreiche  Alterthümer  zu  Tage  gefördert  und  für  ihre 
Erhaltung  gesorgt,  der  Plan  der  Klostergebäude  ziemlich 
festgestellt,  aucli  emzelne  Restaurationen  ausgeführt. 

Handelte  es  sich  hier  um  eine  altehrwürdige  Be- 
gräbnistätte  des  Hauses  Wettin,  so  sorgte  noch  in  einem 
anderen  Falle  der  Verein  für  die  angemessene  Unter- 
bringung der  sterblichen  Überreste  eines  Vorfahren  des- 
selben. Schon  1834  hatte  der  Verein  sächsischer  Alter- 
thumsfremide  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Ge- 
beine des  1307  ermordeten  Markgrafen  Diezmann  in 
der  Paulinerkirche  zu  Leipzig  in  durchaus  unwürdiger 
Weise  aufbewahrt  wurden.  Der  Alterthumsverein  nahm 
1838  die  Angelegenheit  wieder  auf;  auf  das  bereitwilligste 
ging,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  war,  König  Friedrich 
August  auf  die  gemachten  Vorschläge  em  und  übernahm 
die  gesamten  Kosten.  Professor  Rietschel  führte  in 
Cottaer  Sandstein  eine  Tumba  aus,  die,  mit  einer  von 
Prof.  Dr.  Grottfried  Herrmann  verfassten  Inschrift  ver- 
sehen, in  der  Mitte  des  Chors  der  Paulinerkirche  Auf- 
stellung fand.  In  feierlichster  Weise  wurde  sie  am 
17.  Dezember  1841  im  Namen  des  Vereins  durch  Kammer- 
herrn von  Friesen,  der  sich  besondere  Verdienste  um  das 
Zustandekommen  des  Grabmals  erworben  hatte,  den  Depu- 
tierten der  Universität  übergeben. 

Noch  eine  andere  Aufgabe  übernahm  unser  Verein 
als  Hinterlassenschaft  des  Vereins  der  Alterthumsfreunde. 
Veranlasst  durch  die  Schenkung  eines  Kapitals  von 
100  Thalern,  welche  das  von  Römer'sche  Gescldecht  im 
Jahre  1835  dem  letztern  „zu  AViederherstellung  eines 
derselben  würdigen,  einem  ölfentlichen  frommen  Zweck 
gewidmeten  Kunstwerkes  der  vaterländischen  Vorzeit, 
mit  besonderer  Berücksichtigung  des  erzgebü-gischen 
Kreises"  Übermacht  hatte,  hatte  der  genannte  Verein  sich 
entschlossen,  die  werthvollen  Altarbilder  der  Kirche  zu 

Neues  Archiv  f.  S.  Ü.  u.  A.     VI.  1.  2.  3 


34  Hubert  Ermisch: 

Buch  holz,  die  sich  ursprünglich  im  Franziskanerkloster 
zu  Annaberg  befanden,  auf  seine  Kosten  restaurieren  zu 
lassen.  Nach  jahrelangen  Verhandlungen,  die  ihren  Grund 
ebenso wolü  in  der  Mittellosigkeit  der  Gemeinde,  als  in 
dem  beschränkten  Misstrauen  einzelner  Glieder  derselben 
hatten,  gelangten  die  Gemälde  1837  nach  Dresden.  Hier 
ergab  sich,  dass  die  10  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts 
stammenden  Bilder  im  16.  Jahrhundert  fast  sämtlich 
vollständig  übermalt  und  die  ursprünglichen  Darstellungen 
in  protestantischem  Sinne  verändert  worden  waren.  Im 
Einverständnis  mit  der  Kircheninspektion  zu  Buchholz 
wurde  die  Übermalung  beseitigt  und  die  Restauration 
der  ursprünglichen  Bilder  durchgeführt,  eine  sehr  mühe- 
volle Arbeit,  welche  der  Maler  Fr,  L.  Lehmann  in  den 
Jahren  1838 — 1840  mit  grossem  Geschick  für  ein  Honorar 
von  270  Thaler  ausführte;  am  28.  Mai  1840  wurden  sie 
der  Kirche  zu  Buchholz  wieder  zugestellt. 

Wichtiger  und  folgenreicher  wurde  es,  dass  der  Verein 
seine  Aufmerksamkeit  auch  derjenigen  Stätte  zuwandte, 
die  für  die  Geschichte  wie  für  die  Kunstgescliichte  des 
Landes  eine  ganz  besonders  hohe  Bedeutung  hat,  der 
Stadt  Meis sen.  Gerade  ihre  hervorragendsten  Bauwerke, 
der  Dom  und  die  Albrechtsburg,  bedurften  dringend  einer 
sachverständigen  Fürsprache;  freilich  handelte  es  sich 
dabei  um  Aufgaben,  zu  deren  Lösung  die  Kräfte  des 
Vereins  weitaus  nicht  reichten,  er  musste  sich  darauf 
beschränken,  Anregungen  zu  geben,  nnd  diese  haben  ja 
bekanntlich  die  schönsten  Erfolge  erzielt.  Über  den  Dom 
gab  im  Auftrage  des  Vereins  Prof.  Gottfried  Semper  im 
Jahre  1843  ein  interessantes  Gutachten  ab ;  in  wie 
grossem  Sinne  er  seine  Aufgabe  auifasste,  bezeugt  der 
Umstand,  dass  er  die  Restauration  des  Domes  in  Ver- 
bindung mit  einer  Wiederherstellung  der  Albrechtsburg 
ausgeführt  wissen  wollte : 

Die  Kirche  könnte  aber  nur  dann  ihre  alte  Bedeutung  zum 
Theil  wieder  erlangen,  wenn  das  daran  stossende  Schloss,  die 
Stammburg  unsers  erhabenen  Königshauses,  aus  seiner  jetzigen  Er- 


Zi;r  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.  35 

niedrigling  wieder  zur  Fürstenwohnung  erhoben  würde.  Alsdann 
würde  Ein  Plan  die  Wiederherstellung  des  Schlosses  und  der  Kirche 
und  die  Vereinigung  heider  Denkmäler  zu  einem  Ganzen  umfassen. 
Aber  der  Umfang  eines  solchen  Planes  und  das  Durchdringen  des- 
selben in  allen  seinen  Bestandtheilen  setzt  bedeutende  Vorarbeiten 
u.  s.  w.  voraus. 

In  der  That  geschah  in  den  folgenden  Jahren,  nicht 
ohne  dass  der  Verein  noch  Aviederholt  sich  darum  be- 
mühte, mancherlei  für  den  Dom.  Dagegen  kam  die  Frage 
einer  Restanration  der  Albrechtsburg,  in  welcher  bekannt- 
lich seit  1710  die  Porzellanmanufaktur  betrieben  wurde, 
erst  später  in  Fluss.  Geheimrath  Dr.  von  Langenn,  der 
bereits  im  Jahre  1838  auf  die  ihr  drohenden  Grefahren, 
aufmerksam  gemacht  hatte  und  im  Jahre  1851,  als  man 
von  einer  beabsichtigten  Reparatur  des  Treppenthurmes 
hörte,  mit  einer  Besichtigung  des  Bauwerkes  beauftragt 
worden  war,  erstattete  am  12.  März  1851  einen  aus- 
führlichen Bericht  über  das  Ergebnis  derselben,  nach 
welchem  die  Zerstörung  des  herrlichen  Bauwerks  be- 
reits weit  vorgeschritten  und  gänzlicher  Verfall  des- 
selben zu  befürchten  war,  wenn  nicht  energische  Gegen- 
massregeln getroifen  würden.  Indessen  obwolil  der  Verein 
sich  möglichst  in  diesem  Sinne  bemühte,  obwohl  auch 
der  1852  in  Dresden  begründete  Gesaratverein  der 
deutschen  Geschichts-  und  Alterthumsvereine  ein  drin- 
gendes Gesuch  um  Erhaltung  der  Albrechtsburg  an  den 
König  richtete,  wurde  zunächst  doch  nur  wenig  erreicht; 
nicht  einmal  die  Aufstellung  eines  Pochwerks  mit  Dampf- 
betrieb, das  die  Festigkeit  des  Mauerwerks  in  liohem 
Grade  gefährde,  konnte  verhindert  werden  (1855). 

Ebenso  gelang  es  dem  Verein  nicht,  den  Abbruch 
der  bei  der  Afrakirche  gelegenen  v.  S chle in itz 'sehen 
Begräbniskapelle  (1854)  abzuwenden. 

So  Hessen  sich  noch  viele  andere  Einzelheiten  an- 
führen, welche  den  treuen  Eifer  des  Vereins  für  die  Er- 
haltung der  vaterländischen  Alterthümer  beweisen. 

Dieser  erhaltenden  Thätigkeit  des  Vereins  gegenüber 
tritt  die  eigentlich  forschende  mehr  in  den  Hintergrund; 

3* 


36  HulDert  Ermisch: 

jedoch  wäre  man  durchaus  im  Irrthum,  wollte  man  dies 
aus  prinzipiellen  Gründen  erklären.  Im  Gegentheil  bestand 
fortwährend  die  Auffassung,  dass  auch  Forschungen  auf 
dem  Gebiete  der  sächsischen  Geschichte  zu  den  Aufgaben 
des  Vereins  gehörten ;  namentlich  Prinz  Johann  hat  diese 
Aulfassung  in  den  verschiedeneu  von  uns  angeführten 
Eeden,  die  er  bei  festlichen  Anlässen  hielt,  scharf  betont. 
Indes  diese  Seite  der  Vereinsthätigkeit  äusserte  sich  haupt- 
sächlich nur  in  Vorträgen  über  historische  Gegenstände 
und  in  den  Aufsätzen  der  Vereinszeitschrift.  An  ersteren 
betheiligte  sich  auch  der  hohe  Vorsitzende  des  Vereins 
lebhaft ;  er  hielt  Vorträge  über  die  Wohnsitze  der  Deut- 
schen und  Slaven  am  linken  Eibufer,  über  die  Bauart 
slavischer  Dörfer,  über  das  Vorkommen  der  Slaven  in 
Franken,  über  eine  Bulle  Gregors  X.  für  die  Nonnen  zu 
Grimma,  referierte  über  ein  Werk  Landau's  „Die  Terri- 
torien in  Bezug  auf  ihre  Bildung  und  EntAvickelmig"  und 
dergl.  mehr.  Prinz  Johann  war  es  auch  hauptsächlich, 
der  1844  aus  Anlass  der  damals  erschienenen  Spracli- 
karte  Bernhardi's  den  Verein  bestimmte,  amtliche  Er- 
hebungen über  die  Grenzen  des  wendischen  Sprachgebiets 
in  der  Oberlausitz  zu  veranlassen  '^).  Als  1841  die  ge- 
schäftlichen Angelegenheiten  die  Sitzungen  vollständig 
auszufüllen  drohten,  wurde  auf  Antrag  des  Dr.  Dittmann 
beschlossen,  sogenannte  „historische  Sitzungen",  in  denen 
nur  Vorträge  gehalten  werden  sollten,  einzuführen;  jedoch 
hatte  diese  Einrichtung  keinen  Bestand:  Grössere  Publi- 
kationen historischen  Charakters  wurden  wiederholt  an- 
geregt, kamen  aber  nicht  zur  Ausführung.  So  beantragten 
von  Langem!  (1839)  und  später  Archivar  Erbstein  die 
Bearbeitung  eines  Diplomatarium  Saxonicum ;  hides  so  all- 
gemein diese  Aufgabe  als  eine  der  wichtigsten,  die  auf 
dem  Gebiete  der  sächsischen  Geschichte  zu  lösen  waren, 
anerkannt  wurde,  konnte  sich  der  Verein  doch  nicht  der 
Wahrnehmung  verschliessen,  dass  seine  Mittel  zur  Lösung 


'»)  Vergl.  Mittheilungen  III,   71  flg. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.  37 

derselben  bei  weitem  nicht  ausreichten,  und  beschränkte 
sich  darauf,  dem  Ministerium  des  Innern  die  Herausgabe 
eines  Urkundenwerks  zur  Erwägung  anheimzustellen. 
Dr.  Wilh,  Schäfer  beantragte  dann  1844,  der  Verein 
möge  mit  Unterstützung  der  Regierung  wenigstens  ein 
Inventarium  diplomaticum  Saxöniae  in  Angriff  nehmen, 
d.  h.  eine  handsclu-iftliche  Sammlung  der  in  den  Archiven 
der  Städte,  Ämter  u.  s.  av.  vorhandenen  urkundlichen  und 
chronikalischen  Xotizen  zur  sächsischen  Geschichte'®); 
allein  auch  dieser  Antrag  blieb  ohne  Folgen.  El)enso 
fand  ein  Antrag  des  Advokaten  Gautsch  auf  Begründung 
einer  Zeitschrift  für  sächsische  Geschichte  (1842)  keine 
Annahme ;  Gautsch  hat  dann  kurze  Zeit  auf  eigene  Kosten 
ein  „Archiv  für  sächsische  Geschichte'*  erscheinen  lassen. 
Ebenso  Hess  man  einen  Plan  zur  Herausgabe  von  Por- 
träts sächsischer  Fürsten  (1837 — 1839)  bald  wieder  fallen. 
Ein  späterer  Besclüuss,  die  historischen  Arbeiten  des 
Vereins  von  den  kunstgeschichtlichen  zu  trennen,  gab 
Anlass  zu  einer  beachtenswerthen  kleinen  Schrift  von 
Langenns  „Züge  aus  dem  Familienleben  der  Herzogin 
Sidonie  und  ihrer  fürstlichen  Verwandten  aus  dem  15. 
und  16.  Jahrhundert'',  die  als  erstes  Heft  der  „Mittheil- 
ungen des  Königl.  Sachs,  Alterthumsverein  historischen 
Inhalts"  erschien;  diese  Sammlung  wurde  jedoch  nicht 
fortgesetzt,  und  die  beabsichtigte  Publikation  bisher 
noch  unedierter  Briefe  sächsischer  Fürsten  unterblieb 
ebenfalls. 

Erwähnen  wir  schliesslich  noch,  dass  das  königliche 
Kultusministerium  im  Jahre  1853  den  Verein  um  eine 
Begutachtung  des  Atlas  zur  Geschichte  der  sächsischen 
Länder  von  M.  M.  Tutzschmami  ersuchte;  Appellations- 
rath  Dr.  von  Stieglitz  bearbeitete  dasselbe"). 

So  hat  der  Alterthumsverein  während  der  Jahre 
1837 — 1855  nach  allen  Seiten  liin   eine  rege  Thätigkeit 


'«)  Vergl.  Mittheilnngen  III,  60. 
")  Mittheilungen  VII,  23  Hg. 


38  Hubert  Eruiisch: 

entfaltet.  Das  Hauptverdienst  an  derselben  gebührt  der 
lebendigen  Tlieilnalime  seines  höchsten  Direktors.  Es 
war  daher  ein  sehr  naheliegender  Gedanke,  als  im 
Jahre  1851  Baurath  von  Quast  den  Prinzen  Johann  auf- 
forderte, bei  einer  im  August  1852  nach  Dresden  zu 
berufenden  Versammlung  deutscher  Geschichts-  und  Alter- 
thumsforscher,  welche  den  seit  Jahrzehnten  namentlich 
von  dem  als  Gründer  des  Nürnberger  Nationalmuseums 
hochverdienten  Freiherrn  Hans  von  und  zu  Aufsess  geheg- 
ten Plan  einer  Vereinigung  der  gesamten  in  Deutschland 
bestehenden  Geschichts-  und  Alterthumsvereine  zur  Aus- 
führung bringen  sollte,  das  Präsidium  zu  übernehmen. 
Der  Prinz  erklärte  sich  dazu  bereit,  und  sein  ^"erdienst 
ist  es  vor  allem,  wenn  diese  Versammlung,  die  in  den 
Tagen  vom  16.  bis  19.  August  1852  stattfand,  nicht, 
wie  mehrere  frühere  in  dieser  Richtung  gemachte  Ver- 
suche, resultatlos  verlief,  sondern  den  Grundstein  legte 
zum  Gesamtverein  der  deutschen  Geschichts- 
und Alterthumsvereine,  der  sich  dann  im  September 
desselben  Jahres  zu  Mainz  konstituierte.  So  bedeutungs- 
voll dieser  Vorgang  auch  war  und  so  ehrenvoll  die  Stell- 
ung, die  unser  Alterthumsverein  bei  demselben  einnahm, 
so  glauben  wir  doch  nicht  näher  darauf  eingehen  zu 
sollen,  da  er  der  Vereinsgeschichte  im  engeren  Sinne 
ferner  liegt'**).  Wir  erwähnen  nur  noch,  dass  das  Direk- 
torium des  Gesamtvereins  wie  die  Herausgabe  seines 
Organs,  des  „Korrespondenzblattes",  unserm  Verein  über- 
tragen wurde.  Auch  der  zAveiten  Versammlung  des  Ge- 
samtvereins, die  vom  13.  bis  16.  September  1853  in 
Nürnberg  tagte,  präsidierte  Prinz  Johann.  Das  er- 
schütternde Ableben  seines  königlichen  Bruders  hinderte 
ihn  am  Besuch  der  dritten,  im  September  1854  in  Münster 
stattfindenden  Versammlung,  bei  welcher  der  Dresdner 
Verein  das  Direktorium  trotz  der  allseitigen  dringenden 
Bitten  nicht  mehr  weiterführen  zu  können  erklärte. 


'  *)  Vgl.  den  Bericht  über  die  Versammlung.    Mitth.  VI,  109  flg. 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.  39 

4.    Der   Alterthuiusverein  unter  dem  Präsidium  des 
Prinzen  Georg.     1855—1885. 

Am  9.  August  1854  hatte  bekanntlich  ein  jäher  Tod 
dem  Lande  seinen  geliebten  Fürsten  entrissen.  Prinz 
Johann  bestieg  den  Thron  und  sah  sich  dadurch  genö- 
thigt,  das  Direktorium  des  Alterthumsvereins  niederzu- 
legen. Indes  die  Huld  des  hohen  Herrscherhauses  sollte 
dem  Verein  auch  in  der  Folgezeit  gewahrt  bleiben.  Auf 
die  Bitte  des  Vorstandes  erklärte  sich  Se.  Königi.  Hoheit 
Prinz  Georg  bereit,  das  Präsidium  des  Vereins  fortan 
zu  führen.  Am  22.  Januar  1855  übernahm  er  dasselbe 
in  einer  feierlichen  ausserordentlichen  Sitzung. 

Ein  Menschenalter  ist  seitdem  verflossen,  und  der 
Verein  kann  ebenso  stolz  darauf  sein  als  er  dankbar  da- 
für ist,  dass  während  dieser  drei  Jahrzehnte  sehi  hoher 
Präsident  mit  derselben  hingebenden  Pflichttreue  imd  mit 
demselben  tief  eindringenden  Sachverständnis  seine  Ar- 
beiten geleitet  hat,  wie  dies  während  eines  gleichen 
Zeitraums  sein  erlauchter  Vater  gethan.  Mit  seltenen 
Ausnahmen  hat  er  stets  persönlich  unsern  Sitzungen  zu 
präsidieren  geruht,  und  es  gab  keine  Frage  von  irgend 
welchem  Belang,  in  welcher  sein  kundiges  ürtheil  nicht 
zum  Wohl  der  Sache  eine  ausschlaggebende  Bedeutung 
gehabt  hätte.  Möge  seine  Leitung  noch  lange  dem  Ver- 
eüi  zum  Segen  gereichen. 

Dass  der  Verein  es  für  eine  theure  Ehrenpflicht  hielt, 
dem  geliebten  Herrscherhause  bei  Freud  und  Leid  Beweise 
seiner  innigen  Theilnahme  darzubringen,  ist  unter  diesen 
Umständen  nur  natürlich.  So  überreichte  er  bei  Ge- 
legenheit der  Vermählung  seines  hohen  Präsidenten  am 
4.  Juni  1859  demselben  eine  vom  Maler  Rolle  geschmack- 
voll ausgeführte  Votivtafel,  ebenso  bei  der  Jubelfeier 
des  unvergesslichen  Königs  Johann  im  Jahre  1872  eine 
Glückwunschadresse.  Noch  in  der  Erinnerung  aller  sind 
die  tiefgefühlten  Worte,  welche  am  8.  November  187;-] 
Geheimrath  von  Weber  dem  Gedächtnis  des  entschlafenen 


40  Hubert  Ermisch: 

Monarchen  widmete.  Und  eben  rüsteten  wir  nns  im 
verflossenen  Jahre,  die  silberne  Hochzeit  unseres  er- 
lanchten  Protektors  würdig  zu  begehen,  als  das  erschüt- 
ternde Dahinscheiden  seiner  hohen  Gemahlin  auch  den 
Verein  in  tiefe  Trauer  versetzte. 

Es  sei  uns  gestattet,  im  Übrigen  diese  zweite  Hälfte 
der  Vereinsgeschichte  nur  in  allgemeinen  Umrissen  an- 
zudeuten. Kein  bemerkbarer  Abschnitt  trennt  sie  von 
der  Gegenwart,  und  nur  ungern  behandeln  mr  Zeiten, 
die  noch  nicht  abgeschlossen  hinter  uns  liegen.  Zudem 
kennen  ja  alle  Yereinsmitglieder,  für  welche  diese  unsere 
Darstellung  vor  allem  bestimmt  ist,  grössere  oder  ge- . 
ringere  Theile  dieses  Zeitraumes  aus  eigener  Erfahrung. 
Möge,  vielleicht  beim  hundertjährigen  Jubiläum  des  Ver- 
eins, ein  Fortsetzer  unserer  Chronik  das  nachholen,  was 
wir  hier  glauben  unterlassen  zu  sollen. 

Dass  die  Ziele  unserer  Vereinsthätigkeit  immer  all- 
gemeinere Anerkennung  gefunden  haben,  beweist  vor 
allem  eine  bemerkenswerthe  Thatsache.  Kam  seiner 
Zeit  die  vom  Prinzen  Johann  vorgeschlagene  Gründung 
von  ZAveigvereinen  in  ganz  Sachsen  nicht  zur  Ausführ- 
ung, so  haben  die  letzten  Jahrzehnte  eüie  ganze  Reihe 
von  Alterthumsvereinen  in  verschiedenen  Theilen  des 
Landes  ins  Dasein  gerufen.  Es  bildeten  sich  solche  in 
Zwickau  (1857),  Freiberg  (1860),  Leisnig  (1866),  Leipzig 
(1867),  Dresden  (1869),  Chemnitz  (1872),  Plauen  (1873), 
Meissen  (1880).  Alle  traten  mit  unserem  Verein  in 
freundschaftliche  Verbindung;  einer  von  ihnen,  nämlich 
der  Freiberger  Altert humsver ein ,  dessen  Stifter,  der 
Buchdruckereibesitzer  H.  Gerlach,  sich  sehr  anerkennens- 
werthe  Verdienste  um  die  sächsische  Alterthumskunde 
und  besonders  um  seine  Stadt  erworben  hat,  wiu'de  auf 
seinen  Wunsch  sogar  als  Zweigverem  mit  dem  Kgl. 
Sachs.  Alterthumsverein  verbunden. 

Die  äussere  Verfassung  unseres  Vereins,  dessen  Mit- 
gliederzahl zwar  bis  1875  eine  Abnahme  (bis  auf  106) 
zeigte,  seitdem  aber  wieder  bedeutend  gewachsen  ist  und 


Zur  Geschichte  des  Kg\.  Sachs.  Alterthumsvereins.  1825—85.  41 

gegenwärtig*,  abgesehen  von  4  Ehrenmitgliedern  und  10 
korrespondierenden  Mitgliedern,  207  beträgt,  ist  während 
dieser  30  Jahre  dieselbe  geblieben.  Zwar  wurde  in 
Folge  der  Veränderung  des  Vereinsgesetzes  eine  Be- 
arbeitung neuer  Statuten  (vom  5.  Dezember  1870)  notli- 
wendig ;  indes  dieselben  änderten  die  ])isherigen  in  keinem 
Avesentlichen  Punkte.  Auf  Grund  dieser  Statuten,  in 
welchen  der  Verein  sich  juristische  Persönliclikeit  bei- 
gelegt hatte,  erfolgte  die  Eintragung  desselben  in  das 
Genossenschaftsregister  für  die  Stadt  Dresden. 

Was  den  Vorstand  anlangt,  so  machte  das  Ableben 
des  um  den  Verein  vielfach  verdienten  Geh.  Hofrath 
Dr.  H.  AV.  Schulz  (15.  Aprü  1855)  die  Neuwahl  eines 
I.  Direktors  —  so  wurde  der  bisherige  „Vizedirektor" 
bezeichnet,  während  der  hohe  Protektor  des  Vereins  sich 
fortan  Präsident  nannte  —  nothwendig.  Dieselbe  fiel 
auf  den  Oberbibliothekar  Hofrath  Dr.  Klemm,  der 
früher  bekanntlich  bereits  als  Sekretär  dem  Verein  nütz- 
lich gewesen  war;  als  IL  Dii^ektor  folgte  1856  auf  Hof- 
rath Dr.  Engelhardt  Legationsrath  von  Carlowitz- 
Maxen  und,  als  dieser  nach  wenigen  Monaten  starb, 
Generalmajor  a.  D.  Graf  von  Baudissin.  Als  Klemm 
eine  Wiederwahl  1863  ablehnte,  wurde  der  Wirkl.  Geh. 
Rath  und  Präsident  Dr.  von  Langenn,  der  früher 
schon  (1837 — 1845)  den  Verein  geleitet  hatte,  zum 
I.  Direktor  gewählt.  Nach  seinem  Tode  1868  trat  an 
seine  Stelle  der  Direktor  des  Hauptstaatsarchivs  Ministe- 
rialrath  Dr.  Karl  von  Weber,  der  seit  1864  als  Nach- 
folger des  Grafen  Baudissin  II.  Direktor  gewesen  war, 
während  der  Direktor  des  königl.  histor.  Museums  und 
anderer  Sammlungen  Prof.  Dr.  Hermann  Hettner  in 
diese  Stelle  gewählt  wurde.  1878  lehnten  beide  Direk- 
toren eine  Wiederwald  ab;  der  Verein  wählte  am 
4.  März  1878  zum  I.  Direktor  den  Generalmajor  von 
Carlowitz,  zum  IL  Direktor  den  Privatdozenten  am 
kgl.  Polytechnikum  Dr.  Steche. 

Das  Sekretariat   des  Veieins   versah   Appellations- 


42  Hubert  Ermisch: 

gericlitsratli  Nossky,  bis  er  1870  als  Präsident  an  das 
Ai)pellationsgericlit  zu  Bautzen  versetzt  wurde;  vierund- 
zwanzig Jahre  lang  liat  er,  den  wir  noch  heute  als  eines 
der  eifrigsten  Mitglieder  unseres  Vereins  kennen,  mit 
treuer  Hingabe  das  mühsamste  unter  den  Vereinsämtern 
verwaltet.  Als  sein  Stellvertreter  sowie  als  Bibliothekar 
und  Programmatar  fungierte  1855—1865  Prof.  Dr.  Löwe, 
dem  nach  dem  Tode  des  bisherigen  Vorstandes  der  Hand- 
zeichnungensammlung Grafen  von  Baudissin  (1864)  auch 
diese  übertragen  wurde.  In  all  seinen  Ämtern  folgte 
ihm  1865  der  Sekretär  beim  Hauptstaatsarchiv  Dr. 
Joh.  Falke,  der  1870  auch  das  Sekretariat  übernahm; 
ihm  folgte  1876  der  Archivar  am  Hauptstaatsarchiv 
Dr.  Posse,  1877  der  Verfasser  der  vorliegenden  Dar- 
stellung. 

Zum  Kassierer  wurden  1861  Advokat  Schmidt, 
1863  Dr.  jiir.  Edler  von  Querfurth,  1865  General- 
major von  Witzleben,  1873  Oberst  z.  D.  Andrich, 
1879  Bibliothekar  am  Ende  gewählt. 

Die  Oberaufsicht  über  das  Museum  endlich  Avurde 
1856,  nachdem  Prof.  Krüger,  der  sich  manches  Verdienst 
um  dasselbe  erworben  hatte,  wegen  Kränkliclikeit  sein 
Amt  niedergelegt,  dem  Historienmaler  Rolle,  1859  dem 
Baurath  Stapel,  1862  dem  Inspektor  des  kgl.  histor. 
Museums  Büttner  übertragen.  Die  Stelle  eines  In- 
spektors des  Alterthumsmuseams  bekleidet  seit  dem  Tode 
Keyls  (1870)  der  Feldwebel  a.  D.  Bobe. 

Von  den  12  jährlichen  Sitzungen  des  Vereins  waren 
während  der  Sommermonate  gewöhnlich  einige  ausge- 
fallen. Im  Jahre  1868  wurde  ihre  Zahl  endgültig  auf 
6  beschränkt.  Doch  wurde  seit  1878  in  jedem  Sommer 
ein  gemeinsamer  Ausflug  unternommen,  eine  Neuerung, 
deren  anregender  Einfluss  nicht  zu  verkennen  ist.  An 
Stelle  des  bisher  benutzten  Lokals  im  Parterre  des 
Prinzenpalais,  das  sich  mehr  imd  mehr  als  feucht  und 
auch  sonst  als  ungeeignet  erwiesen  hatte,  wurden  dem 
Verein  im  Jahre  1857  durch  königliche  Gnade  diejenigen 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthnmsvereins.  1825— 85.  43 

Eäume  überwiesen,  in  denen  er  noch  gegenwärtig  tagt; 
am  19.  Oktober  1857  fand  die  erste  Sitzung  in  den- 
selben statt.  Hierher  kamen  auch  die  Bibliothek,  das 
Archiv  und  die  Handzeichnungensammlung,  welche  letztere 
vor  kurzem  in  das  für  die  Zwecke  der  Inventarisation 
der  Alterthümer  bestimmte  Lokal  des  Polytechnikums 
übergesiedelt  ist. 

Auch  die  dem  Museum  überwiesenen  Eäume  im 
Palais  des  Grossen  Gartens  erwiesen  sich  bald  als  nicht 
mehr  ausreichend:  ein  erfreuliches  Zeichen  für  das  gedeih- 
liche Wachsthum  der  Sammlung,  die  gegenwärtig  gegen 
3000  Nummern  zählt.  Der  Raummangel  und  der  Ein- 
sturz des  Deckengewölbes  im  südwesthchen  Ecksaal  in 
der  Nacht  vom  17.  zum  18.  Mai  1859,  der  glücklicher 
Weise  keinen  erheblichen  Schaden  anrichtete,  veranlasste 
den  Verein,  den  König  um  Überlassung  der  Parterre- 
lokalitäten des  ehemaligen  Galeriegebäudes,  des  jetzigen 
Museum  Johanneum,  in  denen  bekanntlich  bis  zu  ihrer 
Übersiedlung  in  deu  Zwinger  die  Sammlung  der  Gips- 
abgüsse sich  befand,  zu  bitten;  doch  konnte  seinem  Ge- 
such nicht  stattgegeben  werden,  da  über  die  anderweitige 
Verwendung  dieser  Räume  bereits  Beschluss  gefasst  war. 
Übrigens  bewährte  auch  bei  dieser  Gelegenheit  der 
König  seine  so  oft  erprobte  gnädige  Gesinnung  gegen 
den  Verein,  indem  er  ihm  als  Beitrag  zu  den  durch  den 
Einsturz  des  Gewölbes  entstandenen  Hersti'llungskosten 
die  Summe  von  150  Thalern  zum   Geschenk  machte. 

Noch  erwähnen  wir  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  der 
Verein  im  Jalire  1877  zui'  Bearbeitung  eines  neuen 
„Führers"  durch  das  Museum  einen  durch  langjährige 
Thätigkeit  im  Germanischen  Museum  zu  Nürnberg  be- 
sonders gut  geschulten  Gelehrten,  Dr.  A.  von  Eye,  ge- 
wann; der  neue  Katalog  erschien  im  Jahre  1878.  — 

Die  Thätigkeit  des  Vereins  A\'urde  nach  wie  vor 
durch  das  Entgegenkommen  der  Staatsbehörden,  unter 
denen  ^vir  vor  allem  das  kgl.  Ministerium  des  Iiniern  und 
das  evangelisch- lutherische    Laudeskonsistorium  hervor- 


44  Hubert  Ermiscli: 

hel3en.  in  erfreulichster  Weise  gefördert,  xiuch  in  diesem 
Zeitraum  war  dieselbe  vorzugsweise  auf  die  Erhaltung 
der  Kunst-  und  Baudenkmäler  des  Landes  gerichtet. 

Die  Versammlung  der  deutschen  Geschichts-  und 
xllterthumsforscher,  die  1852  in  Dresden  tagte,  hatte 
dringend  die  Anstellung  von  Konservatoren  empfohlen. 
Einem  entsprechenden  Gesuch  des  Verwaltungsausschusses 
an  den  König  konnte  freilich  damals  nicht  stattgegeben 
werden;  allein  es  veranlasste  das  Kultusminist erimn,  dem 
Vereine  aus  seinem  Dispositionsfonds  Mittel  für  seine 
Zwecke  zur  Verfügung  zu  stellen,  und  seit  dem  Jahre 
1864  bewilligt  der  Landtag  eine  ständige  jährliche  Bei 
hülfe  von  300  Thalern. 

Von  neuem  kam  die  Frage  der  Anstellung  eines 
Konservators  in  Fluss,  als  am  23.  Januar  1876  das 
kgl.  Ministerium  des  Innern  dem  Verein  zur  Erwägung 
anheimgab,  welche  Massregeln  zur  Schonung  und  Er- 
haltung alter  Averthvoller  Baudenkmäler  zu  treffen  seien. 
Damals  sprach  sich  der  Verehi  gegen  die  Anstellung 
eines  einzelnen  Konservators  aus  und  empfahl  dagegen 
die  Einsetzung  einer  Kommission  für  diesen  Zweck; 
namentlich  aber  betonte  er  auch  bei  dieser  Gelegenheit 
die  Nothwendigkeit  der  Aufstellmig  emes  Liventars  der 
sächsischen  Alterthümer.  1880  wurde  der  Plan  der 
Inventarisation  wieder  aufgenommen;  Prof.  Dr.  Steche 
arbeitete  einen  speziellen  Entwurf  aus,  der  soAVohl  vom 
Verein  als  vom  Ministerium  des  Innern  gebilligt  wurde; 
die  Kosten  der  Inventarisation  übernahm  das  letztere. 
So  erschien  denn  im  Sommer  1882  das  erste  Heft  der 
„Beschreibenden  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen",  welches  die  Amts- 
hauptmannschaft  Pirna  behandelt ;  dasselbe  fand  allseitig 
nach  Inhalt  wie  nach  Ausstattung  eine  sehr  beifällige 
Aufnahme.  Das  Werk  ist  dann  rasch  fortgeschritten; 
1888  erschien  das  zweite,  1884  das  dritte  Heft  (Amts- 
hauptmannschaften Dippoldiswalde  und  Freiberg).  So  ist 
eine   hochwichtige   Aufgabe,    die    der   Verein   sich   seit 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Säclis.  Alterthumsvereins.  1825 — 85.  45 

seiner  Begründung  gestellt  hatte,  endlich  der  Lösung 
nahe. 

Aus  der  grossen  Menge  der  Einzelfälle,  in  welchen  der 
Verein  sich  während  der  letzten  Jahre  um  die  sächsischen 
Ä-lterthümer  Verdienste  erworben  hat,  heben  Avir  nur 
wenige  hervor. 

Unser  Blick  fällt  dabei  zunächst  auf  die  Albrechts- 
burg  in  Meissen.  Um  sie  hat  sich  der  Verein  vor  allem 
ein  grosses  Verdienst  erworben ;  denn  nicht  zum  wenigsten 
seinen  fort  und  fort  Aviederholten  Bemühungen  war  es  zu 
verdanken,  dass  das  Finanzministerium  sich  im  Jahre  lb57 
entschloss,  der  Ständeversammlung  ein  Postulat  von 
300000  Thalern  für  den  Neubau  einer  Porzellanmanu- 
faktur vorzulegen.  Auf  den  Wunsch  des  Ministeriums 
gab  damals  der  Verein  eine  kurze  Zusammenstellung  der 
für  den  historischen  und  architektonischen  Werth  der 
Albrechtsburg  geltend  zu  machenden  Momente,  die  zur 
Motivierung  der  Vorlage  dienen  sollte;  eine  Kommission, 
bestehend  aus  dem  Wirkl.  Geh.  Patli  Dr.  von  Langenn, 
dem  Hofrath  Dr.  Klemm,  dem  Baurath  Stapel  und  dem 
Historienmaler  Rolle,  bearbeitete  dieses  Gutachten ''■*). 
Das  Postulat  wurde  von  den  Ständen  genehmigt;  1864 
wurde  bekanntlich  die  Fabrik  verlegt,  Oberlandbaumeister 
Hänel  restaurierte  in  den  folgenden  Jahren  das  Schloss, 
und  1873  bewilligten  die  Stände  die  zur  Ausschmückung 
desselben  nöthigen  Summen.  Wenn  Sachsen  heute,  nach 
Beendigung  der  Herstellungsarbeiten,  mit  Avahrem  Stolz 
auf  das  herrliche  Bauwerk  blicken  kann,  so  verdankt  es 
das  theilweise  wenigstens  unserm  Verein. 

Auch  die  weiteren  Herstellungen  im  Dom  zu  Meissen 
erfreuten  sich  der  fortwährenden  Theilnalime  des  Ver- 
ems.  Dass  der  (neuerdings  restaurierte)  alte  Kreuzgang 
am  Franziskanerkloster  daselbst  zum  Theil  erhalten 
blieb  (185Ö),  ist  vorzugsweise  seinem  Einflüsse  zu 
danken.     Erwähnen   wir    endlich    an   dieser    Stelle    den 


«)  Es  ist  gedruckt  iu  den  MittheihiBgen  XI,  19  H^ 


46  Hubert  Ermisch: 

Ankauf  des  schönen  jetzt  im  Vereinsmuseum  aufgestellten 
xlltars  der  Afrakirche  (1878),  der  leider  in  die  Hände 
eines  Händlers  gelangt  und  nur  auf  diese  Weise  dem 
Yaterlande  zu  erhalten  war. 

In  Freiberg  wurde  in  den  Jahren  1861  und  1862 
ein  Theil  des  Domkreuzganges  abgebrochen  und  die  da- 
durch freigelegte  Goldene  Pforte  restauriert;  der  Frei- 
l)erger  Alterthumsverein  hatte  sich  dabei  sehr  thätig 
erwiesen.  Bei  den  nunmehr  gänzlich  veränderten  Ver- 
hältnissen besclüoss  unser  Verein  im  Jahre  18(33,  die 
Unterhaltung  der  Kreuzgänge  ferner  nicht  mehr  als  seine 
Aufgabe  anzusehen. 

Gelegentlich  des  Umbaues  der  Sophienkirche  zu 
Dresden  bot  der  Stadtrath  1863  dem  Verein  das  herr- 
liche Renaissanceportal ,  das  nicht  wieder  Verwendung 
fand,  zui'  Autliewahrung  an.  Da  eine  Aufnahme  des- 
selben in  das  Vereinsmuseum  nicht  wolil  möglich  war, 
so  dachte  man  an  die  Aufstellung  in  einem  der  zu 
Dresden  befindlichen  königlichen  Schlösser,  dann  an  der 
Annenkirche;  schliesslich  (1875)  wurde  es  bekanntlich 
am  Museum  Johanneum  untergebracht.  —  Ferner  leistete 
der  Verein  Beiträge  für  die  Erhaltung  des  Todtentanzes 
auf  dem  Neustädter  Kirchhof,  des  schönen  Portals  Sporer- 
gasse No.  2  u.  dgl.  m. 

Nur  kurz  berühren  wir  die  Herstellung  der  Cranach- 
sclien  Gemälde  in  der  Hauptkirche  zu  Schneeberg 
(1856)  und  eines  ebenfalls  Cranach'schen  Bildes  aus  der 
Schlosskapelle  zu  Augustusburg  (1859).  Die  Restau- 
ration des  Grabmals  des  Dehn-Rothfelser  in  Leuben, 
die  1877  auf  Kosten  des  Vereins  erfolgte,  ist  noch  in 
frischer  Erinnerung.  Die  Herstellung  der  interessanten 
1882  von  C.  Gurlitt  aufgefundenen  Sgraffito-Gemälde  an 
der  Kirche  zu  Klösterlein  bei  Aue  ist  beschlossen, 
aber  noch  nicht  ausgeführt. 

Werfen  wir  zum  Schlüsse  noch  einen  Blick  auf  die 
Thätigkeit  des  Vereins  in  Bezug  auf  die  Landesgeschichte. 

Die  Pflicht  der  Dankbarkeit  gebietet,  hier  an  erster 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthnmsvereius.  1825—85.  47 

Stelle  eines  Legates  zu  gedenken,  welches  dem  Verein 
im  Jahre  1863  zufiel.  Der  emeritierte  Pastor  Blüh  er, 
der  in  diesem  Jahre  starb,  ein  langjähriges  Vereinsmit- 
glied und  eifriger  Forscher  und  Sammler  auf  dem  Ge- 
biete der  vaterländischen  Geschichte,  insbesondere  der 
Geschichte  des  sächsischen  Erzgebirges  und  der  dort 
gelegenen  Ortschaften,  vermachte  dem  Verein  seine  hand- 
schriftlichen Sammlungen,  seine  reichhaltige  Bibliothek 
(mit  Ausnahme  der  darin  befindlichen  belletiistisclien 
und  theologischen  Schriften)  und  ein  Kapital  von  400 
Thalern,  mit  der  Bestimmung,  dass  dieses  Kapital  theils 
zur  Beschaffung  der  für  die  Asservierung  des  gedachten 
Nachlasses  an  Handschriften  und  Büchern  nöthigen 
Utensilien ,  theils  im  Falle  einer  wissenschaftlichen  Ver- 
werthung  der  Kollektaneen  des  Legatars  zur  Honorierung 
und  Drucklegung  der  gelieferten  Monographien  verwendet 
würde.  Einem  Wunsche  des  Verstorbenen  nachkommend, 
fasste  der  Verein  zunächst  die  Bearbeitung  einer  Ge- 
schichte der  Vaterstadt  desselben  Geyer  ins  Auge  und 
übertrug  dieselbe  dem  Bibliothekar  des  Vereins  Dr. 
Johannes  Falke,  der  sie  in  vorzüglicher  Weise  aus- 
führte •'"). 

Die  Zeitschrift  des  Vereins,  die  „Mittheilungen  des 
Kgl.  Sächsischen  Alterthumvereins",  von  welcher  wäh- 
rend des  von  uns  liehandelten  Zeitraums  23  Hefte  er- 
schienen, gewann  namentlich  unter  der  umsichtigen  Leit- 
ung von  Falke  mehr  und  mehr  Bedeutung  für  die  landes- 
geschichtliche Forschung;  allein  die  Mittel,  die  der  Ver- 
ein darauf  verAvenden  konnte,  waren  doch  zu  schwach 
und  die  Verbreitung  der  „Mittheilungen"  zu  gering, 
als  dass  sie  dem  oft  emi)fundenen  Mangel  eines  wirk- 
lichen Organs  für  die  sächsische  Geschichte  hätten  ab- 
helfen können.  3Iit  Freuden  war  es  daher  zu  begrüssen, 
als  im  Jahre  18G3  der  Direktor  des  Hauptstaatsarchivs 
Ministerialrath   Dr.  von  Weber   und  Prof.   Dr.   Wachs- 


^•)  Sie  erschien  1865  als  15.  Heft  der  „Miftheihmgeu". 


48  Huhert  Ermisch: 

muth  den  ersten  Band  eines  „Archivs  für  die  Sächsische 
Geschichte"  herausgaben.  Diese  Zeitschrift,  welche  von 
der  kgl.  Staatsregierung-  in  dankenswerthester  Weise 
unterstützt  wurde,  erschien  im  Verlage  von  Bernhard 
Tauchnitz  in  Leipzig  18  Jahre  lang  und  hat  sich  um  die 
Erforschung  der  sächsischen  Geschichte  grosse  Verdienste 
erworben.  Als  Geheimrath  Dr.  von  Weber  im  Jahre 
1878  sich  entschloss,  die  Redaktion  des  „Archivs",  die  er 
seit  1865  allein  geführt  hatte,  niederzulegen,  beantragte 
der  Verfasser  dieser  Zeilen  die  Verschmelzung  desselben 
mit  den  kurz  vorher  in  den  Verlag  von  Wilhelm  Baensch 
hierselbst  übergegangenen  „Mittheilungen",  und  dieser 
Antrag  fand  allgemeinen  Anklang.  Dank  dem  bereit- 
willigen Entgegenkommen  der  kgl.  Staatsregierung, 
welche  auch  dem  „Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte 
und  Alterthmnskunde"  ihre  Unterstützung  in  liberaler 
Weise  zusicherte,  gelangte  der  Verein  so  zu  emem  Organ, 
das  den  Interessen  der  sächsischen  Geschichtsforschung 
nach  allen  Seiten  hin  Eechnung  tragen  kann  und  also 
auch  diese  Seite  der  Vereinsthätigkeit  zu  neuer  Blüthe 
zu  bringen  verspricht. 

Auch  in  einer  andern  Richtung  hat  die  kgl.  Staats- 
regierung dem  Verein  die  Ausführung  eines  lang  ge- 
hegten Plans  in  dankenswerther  Weise  abgenommen. 
Wir  haben  früher  hervorgehoben,  dass  der  Verein  wieder- 
holt an  die  Herstellung  eines  sächsischen  Urkundenbuches 
gedacht  hat;  noch  1854  gelegentlich  eines  Gesuchs  an 
das  Kultusministerium  um  Gewährung  von  Geldmitteln 
für  die  Zwecke  des  Vereins  war  unter  diesen  die  Heraus- 
gabe geschichtlich  wichtiger  Urkunden  sächsischer  Archive 
und  chronologischer  Regesten  aufgeführt.  Indessen  hätten 
die  Mittel  des  Vereins  nicht  entfernt  zur  Ausführung 
eines  derartigen  Werkes  ausgereicht.  Hauptsächlich  auf 
Anregung  des  Staatsministers  Dr.  von  Falkenstein  be- 
schloss  daher  im  Jahre  1860  die  Staatsregierung  die 
Herstellung  eines  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae 
und  beauftragte    den   Hofrath  Dr.  Gersdorf  zu  Leipzig 


Zur  Geschichte  des  Kgl.  Sachs.  Alterthiimsvereins.  1825 — 85.  49 

mit  Herausgabe  desselben.  Der  erste  Band  des  Unter- 
nehmens erschien  1864;  gegenwärtig  liegen  12  Bände 
desselben  vor.  Hat  der  Verein  auch  unmittelbar  nichts 
mit  diesem  Werke  zu  thun  gehabt,  so  darf  man  ihn  doch 
unbedenklich  mit  zu  den  intellektuellen  Urheber  desselben 
zählen. 


Sechs  Dezennien  sind  in  diesem  Jahre  seit  der  Be- 
gründung des  Königlich  Sächsischen  Alterthumsvereins 
verflossen,  eine  Zeit,  die  für  unser  Vaterland  ebenso 
reich  war  an  geschichtlich  bedeutsamen  Ereignissen  wie 
an  Errungenschaften  auf  dem  Gebiete  des  geistigen 
Lebens.  An  diesen  letzteren  aber  darf  unser  Verein 
seinen  vollen  x\.ntheil  beanspruchen.  Seit  seinen  An- 
fängen lag  es  in  seinem  Wesen,  mehr  im  Stillen  zu 
schaifen,  als  in  die  Öffentlichkeit  hinauszutreten;  seine 
Wirksamkeit  ist  darum  wohl  manchmal  unterschätzt 
worden.  Aber  eben  deswegen  erschien  es  uns  als  eine 
Pflicht,  die  vielleicht  besser  schon  vor  zehn  Jahren  er- 
füllt Avorden  wäre,  darauf  hinzuweisen,  eine  wie  statt- 
liche Reihe  verdienstvoller  Leistungen  er  aufzuweisen 
hat;  und  wenn  wir  mehr  noch,  als  von  positiven  Leist- 
ungen, von  Anregungen  zu  berichten  hatten,  die  von  ihm 
ausgegangen  sind,  so  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  gerade 
solche  vor  allem  zum  Berufe  der  Geschichts-  und  Alte]'- 
thumsvereine  gehören,  deren  Mittel  ja  in  der  Regel  weder 
eine  umfangreiche  konservierende,  noch  eine  ausgedehnte 
publizierende  Thätigkeit  gestatten.  So  hat  er  sich  red- 
lich bemüht,  die  Aufgaben  zu  lösen,  die  ihm  bei  seiner 
Begründung  gestellt  worden  sind;  und  hochwiclitig  sind 
diese  Aufgaben:  denn,  um  ein  Wort  des  Prinzen 
Johann  zu  gebrauchen,  „wie  das  Gemütli  des  einzelnen 
Menschen  seine  reichsten  Schätze  aus  den  Erinnerungen 
seiner  Vergangenheit,  namentlich  aus  den  Jugenderinner- 
ungen schöpft,  so  beruht  das  Gemüthsleben  der  Völker 
grösstentheils  auf  dem  Andenken  an  seine  Vorzeit",  — 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VI.  1  2.  4 


50  Hubert  Ermisch :     Zur  Gesch.  des  K.  S.  Alterthumsvereins  etc. 

die   Pflege    des    Gemütlislebens    aber   ist  für    ein   Volk 
sicher  nicht  weniger  wichtig  als  für  den  Einzelnen. 

Wenn  der  Verein  so  mit  Befriedigung  auf  eine  er- 
spriessliche  Thätigkeit  zurückblicken  kann,  so  verdankt 
er  dies  vor  allem  der  Huld  des  hohen  Königshauses,  die 
ihm  stets  zu  Theil  wurde,  und  der  weisen  Leitung  seiner 
erlauchten  Präsidenten,  die  ihm  ein  fortwährender  Sporn 
zu  freudigem  Schaffen  gewesen  ist.  So  darf  er  es  denn 
auch  als  ein  gutes  Omen  für  die  Zukunft  begrüssen,  wenn 
sein  sechszigster  Stiftungstag  durch  den  Beitritt  Seiner 
Königlichen  Hoheit  des  Prinzen  Friedrich  August 
zu  einem  doppelt  wichtigen  Gedenktag  geworden  ist. 


n. 

Das  Wappen  des  Kurfürstenthums  Sachsen  in 
seiner  historisch-topographischen  Bedeutung. 

Von 
R.  Freiherrn  von  Mansberg. 


Eine  liistoiische  TopogTapliie  der  gesamten  thü- 
ringisch-meissnisch- sächsischen  Lande  kann,  wenn  sie 
einigermassen  erschöpfend  dargestellt  werden  soll,  wohl 
der  Gegenstand  eines  umfangreichen  Werkes,  indessen 
nicht  der  Zweck  vorliegender  Zeilen  sein.  Zur  Er- 
leichterung einer  übersichtlichen  Darstellung  sind  in 
hohem  Masse  die  Mittel  geeignet,  welche  die  Heraldik 
uns  bietet,  gerade  weil  dieselbe  eine  unentl)ehi-liche  Hilfs- 
wissenschaft ist  ebensowohl  füi'  die  Territorial-Geschichte, 
me  für  die  genealogische  Geschichte  der  Herrscher- 
häuser, mit  deren  Wappen  vorzugsweise  die  Heraldik 
sich  beschäftigt.  Im  vorliegenden  Falle  kommt  es  uns 
auf  genealogische  oder  kunsthistoiische  Unteisuchungen, 
zu  denen  das  beschriebene  Wappen  Anlass  bieten  könnte, 
nicht  an;  vielmehr  bieten  uns  die  nicht  gleich  im  Anfang 
entwickelten  13egriffe  derHeriscliaftswapix'u.  Amtswn ppen. 
Anspruchswappen  u.  s.  w.,  sodann  die  noch  später  üblich 
gewordene  Verehiigung  verschiedener  Wappen  zu  einem 
ein  geeignetes  Hilfsmittel,  um  an  der  Hand  der  Ge- 
schichte emes  Herrscherhauses  einen  Blick  auf  die  von 
demselben  zu  einem  Ganzen  vereinigten  Länder  zu  werfen. 

Wie  eine  liistorisch-topograi)hische  Karte  liegt  das 
grosse  Wappen    des   Kurfürstenthums   Sachsen  vor  uns 

4# 


52  R.  Freiherr  von  Mansberg: 

aufgeschlagen,  zeigt  uns  neben  uraltem  Stammbesitz  in 
den  Wappen  längst  erloschener  Geschlechter  die  von 
diesen  einstmals  besessenen  Gebiete,  welche  durch  eine 
lange  E,eihe  von  Helden  und  Staatsmännern  erworben 
und  zusammengefügt  wurden,  um  als  leuchtende  Ju- 
Avelen  in  der  Krone  des  Hauses  Wettin  zu  glänzen. 
Dem  Geschichtskundigen  redet  dieser  AVappenschüd  eine 
beredtere  Sprache,  als  das  bändereichste  Werk;  Glück 
und  Unglück,  Macht  und  Ohnmacht,  Glanz  und  Verfall 
künden  uns  diese  anscheinend  stummen  Zeugen  einer 
thatenreichen  Yergangenheit.  Sieben  Jahrhunderte  er- 
heben sich  vor  unsern  i^ugen  in  diesem  Wappenschild, 
der  uns  zurückführt  bis  in  jene  wilde  verwirrte  Zeit, 
welche  man  die  des  Faustrechts  genannt  hat,  die  doch 
so  überreich  an  poetischem  Zaubei-,  an  Begeisterung  für 
alles  Hohe,  Edle  und  Schöne  war,  dass  sie  die  herr- 
lichsten Blüthen  unserer  nationalen  Poesie  schuf,  wie  sie 
uns  nimmer  wohl  wiederkehren  werden.  Mit  jener  denk- 
würdigen Epoche,  in  welcher  die  grossen  historischen 
Geschlechter  dahinwelkten  wie  Gras,  die  beinahe  gleich- 
zeitig das  Ende  der  Hohenstaufen ,  Babenberger,  Zäh- 
ringer, Meranier,  Thüringer  sah,  mit  ihr  beginnt  eine 
ganz  neue  Ära  in  unserer  Geschichte,  sie  wurde  zum 
Ausgangspunkt  der  glänzenden  Laufbahn  mächtig  auf- 
strebender Geschlechter,  in  ihr  wurzeln  Grösse  und 
Macht  jener  für  Deutschland  an  Alter  wie  an  Ruhm 
gleich  ehrwürdigen  Häuser,  wie  des  von  Habsburg, 
Askanien,  Witteisbach  und  vor  allem  des  erlauchten 
Hauses  Wettin. 

In  heraldische  Details  uns  zu  vertiefen,  ist  nicht  die 
Absicht,  da  jene  nur  als  Mittel  zum  Zweck  dienen  sollen, 
überdies  hier  als  bekannt  vorausgesetzt  werden  küinien. 
Im  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  dem  Thema  bedarf 
es  jedoch  einer  allgemeinen  Vorbemerkung,  um  das 
Rechtsmoment  hervorzuheben  und  einigen  vor  kurzem 
noch  allgemein  verbreiteten  Anschauungen  entgegen  zu 
treten,  welche  durch  lange  Tradition  fast  geheiligt  er- 
scheinen. 

Wappen  und  Watfen  gehören  sprachlich  zusammen; 
nahezu  vollständig  deckten  sich  beide  Begrift'e  im  12.  Jahr- 
hundert unserer  Zeitrechnung.  Der  hohe  Adel,  wie  nicht 
minder  jeder  Gemeinfreie  und  der  gesamte  Dienstadel, 
jeder,  der  zur  Führung  der  Waffen  berechtigt  war. 
konnte   solche  verzieren,   nach   seinem  Vermögen,   nach 


Das  Wappen  des  Ki;rfürsteDtliuins  Sachsen  etc.  53 

seinem  Gescliinack,  und  tliat  dies  aucli;  aber  die  Orna- 
mentierung- lusste  auf  ästhetischer  Willkür,  die  ganz  un- 
hewusst  nach  dem  derzeit  herrschenden  Kunststil  sich 
richtete.  Als  bei  dem  buntgemischten  Bestände  der 
Theilnehmer  an  Kreuz-  und  anderen  Heereszügen,  ebenso 
wie  bei  den  urkundlich  zu  verbriefenden  Rechtsfragen  das 
Bedürfnis  einer  schärferen  Bekundung  der  Identität, 
nicht  bloss  des  Individuums,  sondern  der  gesamten  Sippe, 
immer  sfärker  hervortrat,  als  aus  diesem  Bedürfnis  die 
anfäuglich  nur  den  Besitz  andeutenden  Familiennamen 
entstanden,  da  mit  einem  Male  wird  es  hell  in  der  Ge- 
schichte unserer  Heimath.  Aus  dem  prähistorischen 
Nebel  treten  die  Geschlechter,  wie  ihre  Burgen  über 
dem  Nebel  der  Thäler  emporsteigen.  In  einer  Zeit  aber, 
^\o  die  AValfen  alles  galten,  mussten  auch  diese  schon 
äusserlich  die  Eigenthümlichkeit  ihres  Trägers  ])ekunden, 
ihre  Verzierung  wurde  eine  heraldische;  es  entstand  eine 
Heroldskunst,  eine  freie  Kunst,  in  ihren  Anfängen  flüssig, 
beweglich,  wie  die  noch  häufig  veränderten  Familien- 
namen, bald  immer  stabiler,  bestimmter,  nicht  nach  dem 
toten  Buchstaben  des  Gesetzes,  sondern  nach  gewissen 
lediglich  durch  das  Herkommen  und  den  Geschmack  fest- 
gestellten Kegeln.  Kein  AVappen  wurde  vei'liehen,  jedes 
willkürlich,  oift  mit  der  sinnigsten  Symbolik,  gewählt  und 
nach  Befinden,  doch  nie  planlos,  verändert,  bis  im  13.  Jahr- 
hundert derBegritf  des  Familienwappens  sich  fixiert  hatte; 
aber  selbst  dann  noch  wurden  Änderungen  oder  Ver- 
tauschungen vorgenommen,  z.  B.  wenn  die  Familie  sich 
in  verschiedene  Zweige  spaltete  oder,  wie  nicht  selten, 
bei  Besitzwechsel  auch  den  Namen  änderte. 

Alle  j(me  schön  ausgeschmückten  Berichte  über 
„Konferierung"  von  Wappen,  oft  mit  erstaunlicher  Detail- 
malerei, sind  ausnahmslos  Erfindungen  ehier  späteren 
Zeit,  welche  alles  auf  die  erst  im  15.  Jahrhundeit  alhnählig 
sich  entwickelnden  Verhältnisse  des  Briefadels  l)asierte. 
Es  war  das  jene  Zeit  der  mehr  und  mehr  verzopfenden 
Heroldsämter,  der  Magister  und  Doktoren  der  AVeltweis- 
lieit  mit  ihren  ungeheuerlichen  Entdeckungen  auf  dem 
Gebiete  der  Genealogie,  wo  Männer  von  anscheinend  stu- 
pender  Gelahrtheit  die  freie  Kunst  der  Heraldik  \'öllig  dis- 
kreditierten, sie  in  das  Prokrustesbett  verwickelter,  klein- 
licher, rein  äusserlicher  Schulregehi  spannten,  dabei  jedoch 
nie  um  die  |)liantasievollsten  Erklärungen  vcn'legen  Mai'on. 
Nur  in  solcher  Zeit,  wo  jedes  kulturhistorische  Verstand- 


54  R-  Freiherr  von  Maiisberg: 


nis  abhanden  gekommen  war.  konnte  den  Erfindnngen 
eines  Crantzius,  Stella  nnd  anderer  Geschichtsfälscher 
Glauben  beigemessen  werden,  konnte  eine  Sammlung  von 
Absurditäten,  wie  Rüxners  Tiirnierbuch,  entstehen.  Zwar 
sind  manche  der  dem  Mittelalter  imputierten  Wappen- 
sagen nicht  ohne  romantischen  Reiz  und  haben  oftmals 
einen  willkommenen  Vorwurf  für  die  bildende  Kunst  ge- 
liefert, aber  sie  bleiben  Sagen  und  eben  nur  Sagen,  die 
besser  verschwinden  sollten,  um  den  wahren  Hergang 
nicht  länger  zu  verschleiern.  Den  Verlust  an  Romantik 
brauchen  wir  um  so  weniger  zu  beklagen,  als  ja  das 
Mittelalter  daran  überreich  ist. 

Nachdem  der  Begriif  des  FamilienAvappens  sich  fixiert 
hatte,  konnte  naturgemäss  erst  durch  Übertragung  der 
eines  Herrschafts-  oder  Landeswappens  sich  bilden,  von 
dem  man  daher  füglicli  nicht  vor  Ausgang  des  13.  Jahr- 
hunderts reden  kann.  Erst  wenn  der  durch  Vererbung 
in  ein  mid  demselben  Hause  konstatierte  dauernde  Besitz 
eines  Schlosses  mit  dem  dazu  gehörigen  Geliiet  und  das 
ebenso  unverändert  beibehaltene  Wappen  beide  Dinge 
als  zwei  gewissermassen  zusammengehörige  Begritfe  er- 
scheinen liessen,  konnte  eins  das  andere  symbolisieren. 
Bei  der  migemeinen  Flüssigkeit  und  Beweglichkeit  des 
Territorialbesitzes  im  13.  und  selbst  noch  im  14.  Jahr- 
hundert ist  dies  ein  wohl  zu  beachtender  Punkt,  und 
stände  es  nur  zu  wünschen,  dass  man  in  späterer  Zeit 
bei  Feststellung  eines  Landeswappens  einer  grösseren 
Konsequenz  sich  befleissigt  hätte.  Statt  auf  den  ersten 
dauernden  Besitz  einei'  durcli  erbliches  Wappen  bereits 
kenntlichen  Familie  im  13.  Jahrhundert  zurück  zu  gehen. 
hat  man  häufig,  insbesondere  bei  Anfällen  durch  Erb- 
schaft, den  Schild  desjenigen  Geschlechts  als  Herrschafts- 
wappen betrachtet,  welches  im  jeweiligen  Besitz  un- 
mittelbar vor  der  eigenen  Erwerbung  sich  befand,  damit 
jedoch  die  Aufgabe  des  Historikers  sehr  erschwert.  Noch 
melu'  aber  haben  die  Begriffe  sich  verwirrt  durch  das 
immer  zunehmende  Gefallen  an  äusserem  Prunk  und 
an  Titeln,  welche  ohne  historischen  Rechtsgrund  ein 
Prätensions Wappen  dokumentieren  sollte.  Nichtsdesto- 
weniger steht  der  Begriif  des  Anspruchswappens  häufig 
auf  völlig  legalem  Boden ;  nicht  selten  war  es  das  Einzige, 
was  die  Erinnerung  an  ein  dem  betreffenden  Hause  zu- 
gefügtes schweres  Unrecht  auch  äusserlich  bewahrte. 

Bei  dem  zu  allen  Zeiten  im  deutschen  Volke  leben- 


Das  Wappen  des  Kurfürstenthuins  Sachsen  etc.  55 

digen  Eeclitsgefühl  hat  die  reclitliclie  Bedeutimg  der 
Wappen,  nachdem  sie  einmal  entstanden,  sehr  schnell 
sich  fixiert  und  im  14.  Jahrhundert  bereits  zu  lebhaften 
Streitigkeiten,  selbst  zu  blutigen  Fehden  geführt,  wie 
sich  urkundlich  konstatieren  lässt.  Damit  steht  die  eigen- 
thümliche  Erscheinung  im  Zusammenhang,  dass  sehr  früh 
schon  der  Begriff  eines  Amtswappens  sich  entwickelte. 
Insbesondere  waren  es  die  hohen  richterlichen  Würden 
eines  Pfalzgrafen  oder  Burggrafen,  später  die  einzelnen 
bevorzugten  Fürsten  verliehenen  Reichserzämter,  w^elche 
man  als  direkten  Ausfluss  dei-  Souveränität  des  Reichs- 
oberhauptes auch  äusserlich  schon  bemerkbar  zu  machen 
sich  bestrebte.  Dies  Streben  wurde  die  erste  Ursache 
zui-  Vereinigung  von  zwei  Wappen  in  einem  Schilde, 
doch  geschah  dies  zuerst  in  ganz  anderer  Weise,  als  es 
später  üblich  wurde;  man  legte  beide  Schilder  auf  ein- 
ander und  entfernte  dann  von  jedem  soviel,  dass  die 
Schildesfiguren  beider  noch  deutlich  erkennbar  blieben. 
Das  erste  bekannte  Beispiel  einer  solchen  Vereinigung 
zeigt  das  Siegel  eines  Wettiner  Fürsten  vom  Jahi-e  1206, 
das  des  Grafen  Dietrich  genannt  von  Sommersenburg, 
Sohn  des  Dedo  von  Rochlitz  und  Groitzsch^). 

Viel  später  erst  kommen  die  quadrierten  Schilde  auf, 
und  ist  es  in  dieser  Beziehung  erwähnenswerth,  dass  die 
gegen  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  angelegte  Züricher 
Wappenrolle  unter  587  Wappen  nur  ein  einziges  ent- 
hält, das  im  quadrierten  Schilde  die  Vereinigung  zweier 
Wappen  (hier  von  Castilien  und  Leon)  zeigt.  Zwar 
haben  mehrfach  Glieder  des  hohen  Adels  schon  im 
14.  Jahrhundert  neben  dem  eigentlichen  Familienwappen 
noch  andere  Schilde  zur  Bekundung  der  Landeshoheit 
(und  selbst  der  Lehenshoheit)  über  neu  erworbene  Ge- 
biete angenommen  und  auf  Siegeln  geführt;  dieselben 
sind  jedoch  nur  sphragistisch ,  nie  heraldisch  vereinigt, 
ebenso  behält  auf  allen  Denkmälern  oder  sonstigen  Er- 
zeugnissen der  Skulptur  und  Malerei  jeder  Schild  einzehi 
für  sich  seine  Form  und  Jk'deutung.  Erst  die  Spät- 
renaissance, das  beginnende  Barocco,  hat  hier  etwas 
Neues,  aber  nichts  Schönes  hervorgebracht,  indem  es 
Mode  wui'de.  eine  grössere  Zahl  von  Wappen  in  einem 
grossen    unförmlichen    Schilde    zu    vereinigen.      In    den 


')  Au  Oiiginal  No.   154  des  Königl.   llanpt- Staatsarchivs  zu 
Dresden  (künftig  zitiert  als  HStA.). 


56  R-  Freiherr  von  Mansberg: 

Sieg-eln  Wettiner  Fürsten  ist  diese  Mode  zuerst  kurz 
vor  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  durch  Herzog  Heinrich 
den  Frommen  und  seine  Söhne  zum  Ausdruck  gebracht'^). 

Dass  man  eine  solche  Anordnung  weder  vom  künstle- 
rischen noch  vom  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus 
gutheissen  kann,  liegt  auf  der  Hand.  Zwar  die  soge- 
nannten quadrierten  Schilde,  also  vier,  oder  mit  Hinzu- 
rechnung eines  Herzschildes  fünf  Plätze  kann  man  noch 
gelten  lassen;  stellt  man  jedoch  drei  oder  mein-  Wappen 
in  eine  Horizontalreihe  und  sodann  mehrere  solcher 
Horizontalreihen  über  einander,  so  wird  das  Verhältnis 
der  Dimensionen  ein  ganz  unnatürliches.  Die  ursprüng- 
liche Verzierung  der, Schilde,  die  Wurzel  der  Heraldik, 
konnte  nur  Bezug  nehmen  auf  eine  Fläche  von  melir 
oder  Avenig  abgerundet  dreieckiger  Form,  bei  welcher 
die  Höhe  nicht  unerheblich  die  Breite  übertraf,  und  auf 
Grundlage  dieses  Verhältnisses  sind  alle  Schildesfiguren 
entstanden.  Wird  nun  durch  die  obige  Anordnung  das 
Verhältnis  von  Höhe  zu  Breite  umgekehrt,  sollen  die 
auf  ein  höher,  als  breites  Dreieck  berechneten  Figuren 
nunmehr  einem  länglichen,  niedrigen  Viereck  angepasst 
werden,  so  müssen  viele  thatsächlich  zu  Karrikaturen 
und  ihre  Bedeutung  in  hohem  Masse  beeinträchtigt 
werden. 

Unter  gehöriger  Berücksichtigung  dieses  nicht  weg- 
zuleugnenden Übelstandes  in  jedem  speziellen  Falle  könnten 
immerhin  die  grossen  Wappenschilde  der  Regenten  des 
18.  Jahrhunderts  in  gewissem  Sinne  mit  historisch-topo- 
graphischen Karten  verglichen  werden,  weil  sie  meistens 
bei  annähernder  Vollständigkeit  die  verschiedenen  Ge- 
biete repräsentieren,  welche  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
unter  einem  Scepter  vereinigt  wurden;  und  so  mag  denn 
auch  unserer  Betrachtung  jenes  farbenprächtige  Bild  des 
Kurfürstenthums  Sachsen  aus  der  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  zu  Grunde  gelegt  werden'). 


^)  Allerdings  kommt  schon  1532  ein  solcher  zusammengesetzter 
Schild  im  kleinen  Sekretsiegel  des  Kurfürsten  Johann  Friedrich  vor, 
doch  ist  dessen  Staatssiegel  noch  von  der  älteren  Form  der  grossen 
Eeitersiegel,  die  einzelnen  Schilde  theils  auf  dem  Siegelfelde  (am 
Pferde),  theils  ringsum  im  kreisförmigen  Rand.  HStA.  No.  10666, 
10697,  10712,  10  716  a. 

*)  Unsere  Alibilduug  ist  entnommen  dem  „Wappenkalendei-  der 
durchleuchtigeu  Welt"  von  1748.  Vgl.  auch  0.  T.  v.  Hefner, 
Das  Wappenbuch  weyland  Siebmachers  Bd.  1 ,  Taf.  23—31 ,  Er- 
läuterungen S.  17  flg. 


Das  Wappen  des  Kxirfürsteiithnms  Sachsen  etc.  57 

Das  grosse  kiirfüistliclie  StaatsAvappen  bildete  eine 
Zusammenstellimg  von  25  einzelnen  Schildern  auf  2(1 
gleich  grossen  Plätzen,  indem  der  sogenannte  Herz- 
schild einen  Raum  von  zwei  Plätzen  einnahm.  Auf  oder 
über  dem  grossen  Schilde  befanden  sich  zehn  Kleinod- 
helme, welche  man  von  der  Mitte  aus,  abwechselnd  nach 
rechts  und  nach  links  fortschreitend,  bezeichnete.  Die 
Anordnung  der  einzelnen  Schilde  hatte  im  Allgemeinen 
nach  dem  Prinzip  stattgefunden,  dass  Titel  und  Rang 
der  durch  sie  sj'mbolisierten  Länder  für  die  Placierung 
massgebend  war,  indem  die  Bedeutung  der  Plätze  in 
jedem  zusammengesetzten  Wappen  von  rechts  nach  links 
und  von  oben  nach  unten  bemessen  wurde.  Den  in 
seiner  Bedeutung  am  höchsten  stehenden  Herzschild 
hatte  man  aus  ästhetischen  Gründen  in  die  nahezu  geo- 
metrische Mitte  gerückt.  Der  genaueren  Beschreibung 
überhebt  uns  das  beigefügte  Schema. 

Da  es  im  vorliegenden  Fall  auf  die  historisch-topo- 
graphische Bedeutung  der  einzelnen  Wappen  ankommt, 
so  können  wir  der  obigen  i^nordnung  nicht  folgen,  müssen 
vielmehr  eine  Trennung  nach  den  Landschaften  vor- 
nehmen und  sodann  die  dahin  gehörigen  Wappen  in  mög- 
lichst chronologischer  d.  h.  durch  die  Zeit  ihrer  An- 
oder Aufnahme  vom  Herrscherhause  bestimmten  Folge 
und  mit  Berücksichtigung  der  Dynastie,  welche  sie  ur- 
sprünglich führte,  besprechen.  Sieht  man  vom  schliess- 
lich besonders  zu  erwähnenden  Regalienschild  (No.  24) 
ab,  so  vertheilen  sich  obige  24  Wappen  nach  den  Land- 
schaften folgendermassen : 

Osterlaiul  und  Meissen: 

Eigentliclies  Stainiinvappcii   der  Markgrafen  des  Hauses  Wcttiii, 

erscheint  zuerst  1196,    versclnvindet  1265,  wieder  aulgeuDunueu 

13.51   (No.  15). 
Markg'rafthum  Meissen,  entstanden  1265  (No.  3). 
Clraf Schaft  Brena,  aufgenoninien  1425  aus  dem  askanischen  Schild. 

entstanden  vor  1242  (Mo.  19). 
Pleissneriand,  geschalten  und  aufgenoumien  vor  1525  (No.  16). 
Burggi'afthuni    Altenhurg,    aufgenonuncn    vor    1525,    entstanden 

Ende  des  12.  Jahrlntnderts  (No.  20). 

Tiiüriiigoii: 

Landgrafthum,  aufgenommen  1265,  zuer.st  nachweishar  1197 (No.  1). 

Grafschaft  Orlamünde  (Weimar),  aufgenommen  1351,  entstanden 
nach  1206  (No.  17). 

Eisenberg,  aufgenommen  1525  nach  einer  sonderbaren  Änderung 
des  Schihles  der  Eurggrafeu  von  Altenherg  (Xirchberg),  vor- 
kommend Anfang  des  14.  Jahrhunderts  (No.  21). 


58  i^-  Freiherr  von  Mansberg: 

Gefürstete  CTi-alschaft  Henneberg,  offiziell  im  Staatssiegel  auf- 
genommen erst  1660.  nl)wohl  schon  vorbei'  von  einigen  Herzögen 
von  Sachsen  geführt  seit  l."83,  entstanden  schon  im  12.  Jahr- 
hundert (No.  25). 


Sachseii-Wittenber 


o»  • 


A  s  k  a  n  i  s  c  h  -  s  ä  c  h  s  i  s  c  h  e  s  AV  a j)  p  e  n ,  aufgenommen  1425.  ent- 
standen 1261   (Xo.  2). 

Erzmarschallamt  (Kurfürstenthum) ,  aiifgenommen  1425,  ent- 
standen 1375  (No.  8,  11). 

Burggrafthum  Magdeburg,  geführt  von  1261  bis  1298,  wieder  auf- 
genommen nach  1535,    entstanden   im  18.  Jahrhundert  (No.  18). 

CTrafschaft  Barby,  aufgenommen  nach  1659,  entstanden  vielleicht  erst 
um  diesell)e  Zeit,  nach  einigen  schon  1497  (No.  26), 

Pfalzarrafthum  in  Saclisen: 

Pfalzsachsen,  aufgenommen  1425,  entstanden  im  12.  Jahrhundert 

(^0.  10). 
Pfalzthüringen,   eigentlich  ganz  dasselbe  wie  das   vorige,   aber 

von  einzelnen  Landgrafen  schon  früher  als   1425  geführt  ("1288 

und  1406)  fNo.  12). 

Sachsen-Laueiiburg : 

In  dem  Schilde  der  Herzöge  zu  Lauenl)urg  sind  die  Wappen  von 
Pfalzsachsen  und  Brena  als  Embleme  den  mythischen  Herzog- 
thümern  Westfalen  und  Engern  octroyiert,  aufgenommen 
1689  (No.  7,  9). 

Beanspruchte  Lande: 

Die  Herzogthümer  Jülich,  Cleve  und  Berg,  die  Grafschaften 
Ravensberg  und  Mark,  aufgenommen  als  Anspruchswappen 
nach  1609  (No.  4,  5,  6.  22,  23). 

Lausitz : 

Markgrafthum  Niederlausitz,  aufgenommen  nach  1635.  ent- 
standen im  14.  Jahrhundert. 

Markgrafthum  Ober  lau  sitz,  aufgenommen  nach  1635,  entstanden 
im  14,  Jahrhundert. 

Ein  volles  Jahrtausend  ist  nunmehr  entschwunden 
seit  jenen  Tagen,  da  das  Licht  des  Christenthums  mit 
der  germanischen  Kultur  aufging  in  dem  Gebiet  der 
Sorben  und  Siusler  zwischen  Saale  und  Mulde,  da  die 
mühsame  Abwehr  der  immer  weiter  nach  Westen  sich 
wälzenden  slavischen  Völkerfluthen  überging  in  einen 
planmässigen  Angriff,  in  deutsche  Eroberung,  um  schliess- 
lich das  slavische  Element  bis  dahin  zurückzudrängen, 
woher  es  gekommen,  bis  an  die  fernen  Gestade  der 
Weichsel.  Im  Jahre  839  geschieht  zum  ersten  Male  des 
ducatus  TJiorinfjubae  cum  mardiis  suis  Erwähnung,  und 
zehn  Jahre  später,  849,  tiitt  der  Name  Ihnes  Sorabiciis 


Das  Wappen  des  Kurfürsteiithums  Sachsen  etc.  59 

in  der  Geschichte  auf  ^).  Die  Ausrüstung  der  Gaug-rafen 
an  der  feindlichen  Grenze  mit  besonderer  Kriegs-  und 
anderer  Macht,  die  sich  im  Titel  eines  Herzogs  des 
Limes  Sorahicus  ausspricht,  ermöglichte  nach  entscheiden- 
den heissen  Kämpfen  die  feste  Begi'ündung  deutscher 
Herrschaft  in  dieser  östlichen  Mark  des  Reiches,  doch 
erlosch  der  Ducat  mit  dem  Tode  des  Herzogs  Burchard 
908,  die  Unterwerfung  der  Slaven  zwischen  Saale  und 
Mulde  scheint  vollzogen  gewesen  zu  sein,  Thüringen  mit 
seinen  Marken  ward  wieder  der  Botmässigkeit  des  Her- 
zogs der  Sachsen  unterworfen.  Allein  mit  der  einmal 
begonnenen  und  planmässig  immer  Aveiter  betriebenen 
Bekehrung  zum  Christenthum  ging  eine  weitere  politische 
Unterwerfung  und  Einverleibung  an  der  nach  Osten  sich 
hinausschiebenden  Grenze  Hand  in  Hand;  wie  der 
Bischof  mit  seiner  geistlichen  Pflanzung,  so  rückte  der 
Gau-  oder  Markgraf  mit  seinem  limes  nach  Osten  vor. 
Die  Merseburger  und  die  Zeitzer  Mark,  später  also  be- 
nannt nach  den  hier  gegründeten  Bisthümern,  hörten 
bald  auf,  die  Ostmark  des  Reiches  zu  sein,  seit  die  ge- 
waltigen Könige  der  Deutschen,  Heinrich  I.  und  Otto  I.. 
im  10.  Jahrhundert  theils  persönlich,  theils  durch  aus- 
erwählte tüchtige  Männer  die  Eroberungen  bis  an  die 
Elbe  und  selbst  darüber  hinaus  zu  erweitern  wussten 
und  hier  im  Lande  der  Dalaminzier  und  Milzenen  die 
Mark  Meissen  gründeten,  neben  der  nördlich  wohl  hun- 
dert Jahre  später  im  Lande  der  Liutitier  jene  Mark  er- 
scheint, auf  welche  anfangs  der  frühere  Name  der  Ost- 
mark sich  übertrug,  bis  sie  viel  später  den  Namen  der 
Lausitz  erhielt.  Der  Begriff  des  Osterlandes  umfasste 
noch  1183  Meissen  und  die  Niederlausitz,  allein  im 
13.  Jahrhundert  wird  der  Begrift'  auf  jenes  Gebiet  zwi- 
schen Saale,  Elbe  und  Mulde  beschränkt,  welches  nach 
dem  im  12.  Jahrhundert  von  Markgraf  Diezmann  er- 
bauten Schlosse^)  auch  Avohl  die  Mark  Landsberg 
genannt  wurde,  in  der  Hauptsaclie  der  Libegriif  der  alten 
Merseburger  Mark.  Diese  Mark  hat  man  dann  später 
das  nördliche  oder  eigentliche  Osterland  genannt,  nach- 
dem im  Laufe  des  14.  Jahrhundei-ts  aucli  die  B)egriffe 
des  Pleissnerlandes  und  des  Vogtlandes  in  dem  des  Oster- 
landes aufgegangen  waren. 

♦)  Zuerst  Ann.  Fnldenses  a.  a.  849  (Mon.  Gcrra.  hist.  SS.  I,  .^Bfi). 
*)  Chron.  M.  Ser.  (Mencke  II,  201):  Cnstrum  etiam  quod  Lan- 

disberg  dicitur  construxit. 


60  R-  Freiherr  von  Mansberg. 

In  der  Merseburger  Mark  stand  die  Wiege  unseres 
Königshauses.  Wie  und  wann  die  ursprünglichen  Stamm- 
besitzungen sich  gebiklet.  wie  durch  kaiserliche  Gunst 
oder  Vermittlung,  durch  das  Schwert  oder  durch  Kauf 
uud  Erbschaft  alles  sich  zusammenfügte,  wie  dann  Bene- 
iizialgut  mit  dem  Patrimonium  verschmolz,  über  das 
alles  fehlt  uns  im  Dunkel  der  Vorgeschichte  der  exakte 
Nachweis,  aber  thatsächlich  sehen  wir  schon  im  11.  Jahr- 
hundert ein  und  dasselbe  Haus  in  dem  erblichen  Besitz 
eines  ausgedehnten  Territoriums  im  Osterlande ,  das  mit 
seinen  Burgen  und  dem  dazu  gehörigen  Gebiet,  wie 
Zörbig-,  Eilenburg,  Brena,  AVettin,  Camburg,  Weissen- 
fels,  im  12.  Jahrhundert  einzelne  Glieder  unter  ebenso 
vielen  verschiedenen  Namen  erscheinen  lässt.  Nur  an 
die  Sprösslinge  eines  so  angesehenen  und  gerade  in  den 
betrettenden  Gauen  bereits  reich  begüterten  Geschlechts 
pflegte  der  Kaiser  die  höchsten  richterlichen  Würden 
und  die  Befehlshaberstellen  zum  Schutze  der  Reichs- 
grenzen zu  verleihen,  und  so  sehen  wir  denn  auch  im 
11.  Jahrhundert  schon  einzelne  Glieder  dieses  edlen 
osterländischen  Hauses  mit  der  markgräflichen  Würde 
bekleidet,  hides  erst  nach  dem  Zusammenbruch  der  aus- 
gedehnten Macht  des  comef  provincialifi  Hermann  von 
Winzenburg  erscheinen  die  östlichen  Marken  in  einem 
von  da  an  ununterbrochenen  erblichen  Besitz  des  Hauses, 
als  dessen  Gründer  man  gewohnt  ist  den  Markgrafen 
zu  betrachten,  den  die  Geschichte  Konrad  den  Grossen 
genannt  hat**). 

Markgraf  Konrad  hat  noch  kein  eigentliches  Wappen 
geführt,  ja  selbst  von  seinen  sechs  Söhnen  ist  keines 
bekannt  geworden.  Allerdings  zeigen  Siegel  Otto  des 
Reichen,  deren  über  720  Jahr  alte  Originalstanze  durch 
merkwürdigen  Zufall  im  vorigen  Jahrhundert  gefunden 
wurde ''),  bereits  eine  Verzierung  des  grossen  (norman- 
nischen) Schildes,  die  den  Ursprung  des  Wettiner  AVappens 
klar  genug  andeutet:  es  zeigen  sich  auf  der  allein  sicht- 
baren   linken    Seite    des    Schildes    zwischen    Rand   und 


^)  Für  die  ältere  Geschichte  des  Hauses  Wettin  vergl.  nament- 
lich Posse,  Die  Markgrafen  von  Meissen  und  das  Haus  "Wettin  bis 
zu  Kourad  dem  Grossen.     Leipzig  1881.  8". 

')  Am  rotlien  Thurm  hei  Halle,  jetzt  in  der  von  Ponickauschen 
Bibliothek  daselbst  beündlith.  Geprägt  sind  mit  dieser  Stanze  zAvei 
Siegel  an  den  Originalen  Nö,67  u,  90  (HStA.)  vom  Jahre  1161  u.  1185. 


Das  Wappen  des  Kixifürsteiithums  Sachsen  etc.  61 

Nabel  deutlich  die  Pfähle.  Unzweifelhaft  ist  aus  dieser 
Art  der  Schildesverzieruug  das  bereits  119G  auf  einem 
Reitersiegel  an  einer  Urkunde*)  Dietrich  des  Bedrängten 
(Otto  des  Eeichen  Sohn)  getüln-te  Wappen  entstanden. 
Wie  bei  allen  Theilungen  und  Spaltungen  der  Schilde 
war  die  Zahl  der  Theilungslinien  anfänglich  keine  fest- 
stehende; so  sind  auf  jenem  ersten  uns  bekannten  Siegel 

8  Pfähle,   auf  einem   anderen  vom   Jahre   1200  dagegen 

9  Pfähle  im  Schilde  angebracht.  Erst  seit  dem  Jahre  1205 
scheint  man  die  Zahl  der  Pfähle  dauernd  auf  zwei  be- 
schränkt zu  ]ia])en,  wie  sie  Heinrich  der  Erlauchte  stets 
bis  zum  letzten  Drittel  des  13.  Jahrhunderts  im  Schilde 
geführt  hat**).  Obschon  einzelne  Glieder  der  von  Kon- 
rads jüngeren  Söhnen  ausgegangenen  Zweige  des  Hauses 
AVettin  auch  andere  Schildesfiguren  adoptiert  haben,  so 
war  und  blieb  doch  der  einmal  als  Wappen  erkorene 
gespaltene  Schild  thatsächlich  das  ehizige  und  eigentliche 
Wappen  dei'  markgräflichen  Hauptlinie  des  Hauses  Wettin, 
er  ist  dementsprechend  mit  durchaus  historischer  Be- 
rechtigung zum  Sinnbild  des  Stammljesitzes,  zum  Wapjien 
des  alten  Osterlandes  geworden  und  würde  in  logischer 
Polge  für  unsere  Zeit  das  AVap])en  der  Ivreishauptmann- 
schaft  Leipzig  darstellen. 

Die  Zahl  der  uns  überkommenen  eigentlichen  Wappen- 
siegel aus  dem  12.  Jahrhundert  ist  verschwindend  klein, 
es  sind  ihrer  kaum  dreissig  bis  jetzt  in  Deutschland  be- 
kannt geworden^").  Nicht  ohne  Ehrfurcht  vermögen  wir 
daher  den  durch  Alter  wie  durch  Ruhm  seiner  Träger 
gleich  ehrwürdigen  Schild  der  Wettiner  zu  l)etrachten, 
dessen  Erinnerung  unser  Königshaus  noch  heute  in  den 
sogenannten  königlichen  Hausfarben  bewahrt,  der  in  die 
Wappen  der  drei  Hauptstädte  Dresden,  Leipzig,  Chemnitz 
übergegangen  ist,  freilich  mit  seinen  riclitigen  Farben 
nur  bei  Leipzig,  der  alten  osteriändischen  Stadt. 

Als  der  erhiuchte  Heiiiricli  nach  langem,  schwerem 
Erbfolgekriege  in  den  Besitz    des  Landgrafthums   "^Chü- 


«)  HStA.  Ulis-.  No.  112,  124,  125,  129. 

•)  Eine  gnt  ausgeführte  Aliljütlun":  zweier  Siegel  lleinricli  des 
Erlauchten  vom  .Jahre  1^2ö  und  124H  giel)t  Hörn,  Histoiische  Hand- 
hihliothek  von  Sachsen,  VlII. 

'")  Bckiniiit  sind  die  öffentlichen  Recherchen  nncli  solchen  seltenen 
Siegeln  z.  B.  in  dem  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit, 
von  Seiten  des  um  die  wissenschaftliche  Beliandlung  (U>r  Heraldik 
hochverdienten  Dr.  Friedrich  K.arl  Fürst  zu  Hidienlohe-Waldenljuig. 


62  R-  Freiherr  von  Mansberg: 

ringen  gelangt  war,  hat  er  den  bisherigen  markgräflichen 
Schild  mit  dem  an  Bedeutung  höher  stehenden  landgräf- 
lichen vertauscht,  hat  das  Thüringer  Wappenbild  an- 
genommen, da  es  noch  nicht  gewöhnlich  war,  zwei  Wappen 
zu  einem  zu  vereinigend^).  Allein  bei  der  bald  darauf 
von  ihm  vorgenommenen  Theilung  seiner  weitausgedehnten 
Lande  hat  Heinrich  ganz  im  Sinne  der  Zeit  die  Farben 
des  Schildes  verändert.  Während  der  in  den  westlichen 
Gebietstheilen ,  im  eigentlichen  Thüringen ,  durch  den 
ältesten  Sohn  Albert  zu  begründende  Zweig  ganz  sach- 
gemäss  das  Thüringer  Wappen  unverändert  beibehielt, 
ist  für  die  in  den  östlichen  Gebietstheilen,  Meissen  und 
Osterland,  gestiftete  Linie  jenes  Wappen  mit  einem 
Beizeichen  angenommen,  welches  Beizeichen  in  diesem 
Falle  in  einer  Änderung  der  Farben  gefunden  wurde. 
So  entstand  etwa  im  Jahre  1265  der  schwarze  Löwe  im 
goldenen  Felde,  der  nachgehends  zum  Bilde  des  Mark- 
grafthums  Meissen  ward.  Der  Meissner  Löwe  ist  mit- 
hin keine  ursprüngliche  Schildesfigur,  ist  der  Thüringer 
Löwe  mit  veränderten  Farben  ^'^). 

Das  alte  Helmkleinod  jedoch  behielten  Heinrich  und 
seine  Nachkommen  in  den  Marken  bis  zur  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  unverändert  bei,  während  die  in  Thü- 
ringen selbst  herrschenden  Wettiner  Fürsten  das  Thü- 
ringer Kleinod  auf  ihren  Helmen  geführt  haben.  Jene 
alte  Wettiner  Helmzier  ^^)  ist  von  ganz  eigenthümlicher 
Art,  sie  stellt  sich  als  hoher  litterlicher  Hut  (Chaperon) 
oder  auch  als  Stange  dar,  die  in  einem  Pfauenfederbusch 
endigt  und  seitwärts  mit  drei  Paar  (silbernen)  Lätzen 
behangen  ist.  So  findet  sich  das  Kleinod  auf  den  Siegeln, 
so  ist  es  farbig  (roth)  in  der  Züricher  Wappenrolle  dar- 
gestellt, so  wird  es  poetisch  beschrieben  im  Turnet  von 


")  Ausser  dein  erwähnten  einzelnen  Falle  des  Grafen  Dedo 
gen.  von  Sommersenburg  hat  kein  Wettiner  vor  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts mehr  als  ein  Wappen  gleichzeitig  geführt,  auch  keine 
Vereinigung  solcher,  selbst  nicht  sphragistisch,  vorgenommen. 

'  *)  Die  Mittheilung,  ob  solche  Folgerung  auf  Grund  sphragisti- 
schen  Materials  schon  anderweit  veröffentlicht,  würde  den  Verfasser 
dieses  zu  Dank  verpfli(;hten. 

'*)  Weil  einige  Glieder  des  dynastischen  Hauses,  welches  sich 
nach  Lobdaburg,  Leuchtenburg,  Arnshaug ,  Elsterberg  nannte,  eine 
ähnliche  Helmzier  geführt  haben,  so  haben  manche  den  Helm  Hein- 
rich des  Erlauchten  in  sonderbarem  Anachronismus  den  Arnshaugschen 
genannt,  da  doch  erst  die  andere  Gemahlin  seines  Enkels  Friedrich 
eine  Edle  von  Lobdaburg-Arnshaug  war. 


Das  Wappen  rles  Kwftirstenthums  Sachsen  etc.  63 

Nantlieyz  des  Konrad  von  Würzburg '  ^).  Als  jedoch  auf 
dem  berühmten  Fürstentage  zu  Budissin  im  Februar  des 
Jahres  13öU^*)  Kaiser  Karl  IV.  den  Söhnen  des  kurz 
zuvor  verblichenen  ernsthaften  Friedrich  alle  in  ihren 
Landen  ansässigen  Juden,  „des  heiligen  Römischen  Reichs 
Kammerknechte",  nebst  den  bisher  von  ihnen  dem  Kaiser 
und  Reiche  zu  leistenden  Diensten  und  zu  zahlenden  Ab- 
gaben verlieh  und  sie  mit  dem  Schutze  derselben  beauf- 
tragte, da  nahmen  die  fürstlichen  Brüder  eine  diese  aus- 
nahmsweise Gerechtsame  symbolisierende  Helmzier,  das 
bärtige  Rumpf  kleinod,  an,  dessen  Bedeutung  sich  bis  auf 
den  heutigen  Tag  noch  in  der  Bezeichnung  „Meissner 
Judenkopf"'  erhalten  hat^"). 

Zm:  selben  Stunde  jedoch,  wo  der  alte  Wettiner 
Helm  verschwand,  ist  der  Schild  wieder  in  Aufnahme 
gelangt  mid  seitdem  beibehalten,  wenn  man  ihn  auch 
später  nicht  an  den  gebührenden  Ehrenplatz  gestellt  hat. 
Da  derselbe  seine  historisch -topographische  Bedeutung 
IQ  gewissem  Sinne  verloren  hatte,  seitdem  das  Osterland 
bei  der  Theilung  der  albertinischen  und  ernestinischen 
Linie  völlig  zerissen  war,  so  ist  er  später  nicht  mehr  als  das 
markgräflich  osterländische  Wappen  angesprochen,  sondern 


'*)  Herausgegeben   von  H.   F.  Mass  mann,   Denkmäler   deut- 
scher Sprache  und  Literatur  I,  142  (v.  75—78): 
Der  margrave  iizer  Mishenlant 
Kam  da  alsam  die  werden  tuont, 
Ein  Stange  uf  sime  Uelme  stuonf 
Rieh  von  pfatven  vederin, 
Daz  kleinot  edel  nnde  fin 
Sack  man  do  verre  glesten, 
Den  Stil  biz  an  die  questen 
Nach  lioher  tvirde  solde 
Beivunden  ivas  mit  golde 
En-mitten  ging  daruemme 
Ein  schibe,  die  mit  kruemme 
Die  lichten  stangen  do  hesloz. 
Von  Silber  loas  sie  niergen  bloz, 
Wann  sie  verdecket  was  do  mite. 

Vergl.  meinen  Aufsatz  in  der  Avissenschaftl.  Beilage  zur  Leipziger 
Zeitung  1884,  No.  9n,  9H. 

'*)  Die  Urkunde  vom  6.  Februar  1350,  auszüglich  bei  Hörn, 
Friedrich  der  Streitbare,  389  Note  b.  Eine  Abschrift  im  llStA. 
No.  3208. 

'»)  Vergl.  zuletzt  Friedrich  Karl  Fürst  zu  lldlicnlohe-Walileii- 
burg  in  den  Mittheilunyen  des  N'ereins  für  Geschichte  der  Stadt 
Meissen,  3,  20  flg. 


64  R-  Freiherr  von  Mans1)erg: 

man  hat  ihn  nnr  noch  schlicht  als  Wappen  des  Fürsten- 
timms oder  gar  nur  der  Herrschaft  Lands!)  erg  be- 
zeichnet. Wenn  wir  auch  nicht  die  vielfach  ausgesprochene 
Ansicht  theilen  können,  dass  man  das  ältere  Markgi^af- 
thum  mit  Fleiss  habe  heruntersetzen  wollen,  um  Meissen 
desto  mehr  zu  erheben  und  diesem  allein  die  mai'kgräf- 
liche  Würde  vorzubehalten,  so  lässt  sich  doch  nicht  ver- 
kennen, dass  der  Schild  schon  als  altes  eigentliches 
Familienwappen  des  Fürstenhauses  keinen  untergeord- 
neten, sondern  den  Ehrenplatz  verdient  hätte.  Nur  der 
unvergleichliche  Kurfürst  August  hat  «eine  Ausnahme 
gemacht  und  pietätvoll  dem  Scliild  seiner  Ahnen  eine 
würdige  Stelle  angewiesen ;  er  findet  sich  auf  seinen 
Siegeln  oben  in  der  ersten  Reihe  neben  dem  von  Thü- 
ringen und  Meissen^').  Lediglich  in  den  verzopften 
Heroldsämtern  der  späteren  Zeit,  denen  historisches 
Verständnis  abhanden  gekommen  war,  Avird  wohl  die 
wahre  Ursache  für  die  unbedingt  zu  tadelnde  Placierung 
des  Scliildes  an  den  15.  Platz  im  grossen  Wappen  zu 
suchen  sein. 

Der  Grund  der  Wiederaufnahme  des  alten  Familien- 
schildes durch  die  fürstlichen  Brüder  im  Jahre  1351  ist 
ein  sehr  nahe  liegender.  Schon  war  es  üblich  geworden, 
bei  Erwerbung  wichtigen  neuen  Besitzes  diesem  durch 
Aufnahme  des  Wappens  auf  dem  Siegelfelde  Ausdruck 
zu  verleihen,  die  alten  Stammbesitzungen  aber  waren  in 
der  That  kurz  zuvor  erst  aufs  neue  d.  h.  zurück  er- 
worben. Seit  dem  im  Jahre  1291  erfolgten  Tode  des 
Markgrafen  Friedrich  Tutta  war  bekanntlich  der  alte 
Stammbesitz  in  fremde  Hände  gerathen.  Erst  Landgraf 
Friedrich  der  Ernsthafte  konnte  1347  die  Stammburg 
Landsberg  mit  zugehörigem  Gebiet  wieder  kaufen  vom 
Herzog  Magnus  von  Braunschweig,  der  sie  durch  seine 
Gemahlin  als  Allodialerbe  der  askanischen  Markgrafen 
von  Brandenburg  erworben  hatte;  an  Fiiedrichs  Söhne 
gelangte  dann  1350  das  alienierte  Burggrafthum  Zörbig 
zurück,  aber  erst  1402  hat  Markgraf  Wilhelm  endlich 
auch  die  Grafschaft  Eilenburg  aufs  neue  dem  Hause 
Wettin  erworben. 

Noch  ein  anderes  altes  wettinisches  Wappen  findet  sich 


")  Im  HStA.  mehrere  solcher  Siegel,  z.  B.  an  No.  11336  a-, 
(loch  hat  auch  Herzog  Moritz  vor  Erlaiigmig  der  Kurwürde  den 
Schild  ebenso  placiert,  ebenda  No.  11019. 


Das  Wappen  des  Kmfürstenthnms  Sachsen  etc.  65 

in  unserem  Hcliilde,  das  auch  einen  alten  Stammbesitz 
repräsentiert,  der  gleichfalls  und  zwar  auf  lange  Zeit  in 
fremde  Hände  geratlien  war,  bis  er  durch  eigenthüniliche 
Fügung  des  Schicksals  nach  135  Jahren  an  die  Nach- 
kommen der  ursprünglichen  Besitzer  zurückgelangen 
sollte.  Die  Grafschaft  Brena  hatte  bei  der  Theilung 
unter  Konrad  des  Grossen  Söhnen  Friedrich,  der  jüngste, 
erhalten,  und  bei  dem  durch  ihn  begründeten  Zweig  des 
Hauses  Wettin  ist  dieser  Stammbesitz  fünf  Generationen 
hindurch  geblieben;  allein  nach  dem  Tode  Ottos,  des 
letzten  Grafen  von  Brena,  betrachtete  König  Rudolf 
dessen  Hinterlassenschaft  als  erledigtes  Reichslehen,  das 
er  im  Jahr  1290  seinem  Schwiegersohn,  Herzog  Albert  II. 
von  Sachsen -Wittenberg,'  verlieh.  Erst  nach  dem  Er- 
löschen des  askanischen  Stammes  zu  Wittenberg  sollte 
dem  streitbaren  Friedrich  mit  dem  Herzogthum  Sachsen 
auch  das  alienierte  Familiengut  wieder  zu  theil  werden  ^  *). 
Friedrich  I.,  der  Stifter  der  Linie  zu  Brena,  scheint  noch 
kein  Wappen  geführt  zu  haben,  ein  Bildsiegel  seines 
gleichnamigen  Sohnes  vom  Jahre  1208 '  **)  zeigt  ohne  Schild 
auf  dem  Siegelfelde  einen  Greifen,  w^elches  Fabelthier 
bekanntlich  das  beliebte  Symbol  slavischer  Fürsten  war. 
Die  Ursache  der  Annahme  einer  solchen  bei  dem  deut- 
schen Adel  ausserordentlich  selten  vorkommenden  Schildes- 
figur  dürfte  deshalb  auf  eiuen  Zusammenhang  mit  den 
Interessen  und  Landen  slavischer  Fürsten  schliessen 
lassen,  und  in  der  That  brauchen  wir  im  vorliegenden 
Falle  nicht  weit  zu  suchen,  denn  die  Mutter  unseres 
Grafen  war  eine  Tochter  des  böhmischen  Herzogs  Die- 
pold'-^").  Die  beiden  letzten  Generationen  der  Grafen  von 
Brena  haben  jedoch  ein  anderes  Wappen  ado[)tiert,  die 
drei  insofern  bemerkenswerth  gewordenen  Seeblätter  •''), 


,  "*)  Aus  einer  Urkunde  des  röniiäclien  Königs  Albert  I.  d.  d. 
Nürnberg  2.  Dezember  1298  (HStA.  Orig.  1597)  erfahren  wir,  dass 
die  CTralschsft  J3rena  eine  sehr  betrüchtliche  Au.sdelinnng  in  Avost- 
östlicher  Richtung  besass,  denn  es  werden  als  dazu  gehörig  benannt 
die  Städte  Brena,  Bitterfeld,  Jessen  (Löften  steht  in  der  Urkunde, 
vernnithlich  ein  Schreibfehlerj,  Herzberg,  Schliebeu,  niitliin  wurde 
etwa  die  südliche  Hälfte  des  kleinen  Herzogthunis  Sachsen,  des 
späteren  Kurkreises,  durch   diesen  alten  Wettiner  Besitz   gebildet. 

'»)  HStA.  Urig.  N().   164,  17«,  199. 

'■">)  Vgl  Voigtel-Cohn.  Stanmitafeln  I.  Taf.  42,  59. 

=")  Siegel  von  1242  bis  1288  im  HStA.  Orig.  No.  380,  ;581,  414, 
685,  12-i6,  woraus  namentlich  die  Entstehung  (ler  cigenthümlichcn, 
später   h-rigerweise   als    Schröterhöj-ner    und  anderes    erklärten   Fi- 


Neucs  Archiv  f    S.  C.  ii.   A.     VI.  l.  2. 


6(3  R.  Freiherr  von  Mansberg: 

als  sie  später  irrthümlicherweise  zu  einem  Wappenbilde 
des  mj^thischen  Herzogthums  Engern  gestempelt  wurden. 
Als  Helmzier  erscheint  auf  den  Siegeln  der  Graten  von 
Brena  sowohl  ein  mit  Fähnlein  bestecktes  Hörnerkleinod, 
wie  einfache  Stangen  mit  Pfauenspiegeln,  welch'  letztere 
dann  in  Verbindung  mit  dem  askanischen  Hut  die  später 
komponierte  Helmzier  für  Eugern  bilden  mussten. 

Mit  Eücksicht  auf  die  beinahe  anderthalb  Jahr- 
Imnderte  dauernde  Vereinigung  dei  Grafschaft  Brena 
mit  dem  Herzogthum  Sachsen  hätte  man  ihr  Wappen  im 
historisch- topographischen  Sinne  nicht  von  der  Betracht- 
mig  der  askanischen  Herrschaften  trennen  dürfen,  aber 
es  scheint  auch  nicht  unberechtigt,  dasselbe  bei  der  Be- 
sprechung wieder  dahin  zu  weisen,  woher  es  kam  und 
wohin  es  ursprünglich  gehörte,  zum  alten  Osterland.| 

Zu  diesem  letzteren  wurde  seit  dem  Jalire  1382,  als 
die  Brüder  Balthasar  und  Wilhelm  I.  mit  den  beiden 
hinterlassenen  Söhnen  ihres  ältesten  Bruders  eine  defini- 
tive Theilung  der  wettinischen  Lande  vornahmen,  auch 
das  Pleissnerland  wie  der  den  Vögten  des  Reichs 
im  sogenannten  Vogtländischen  Kriege  1354- — 57  ent- 
rissene Theil  des  Vogtlandes  gerechnet.  Dieses  nunmehr 
südliches  Osterland  genannte  Gebiet  zwischen  Saale  und 
Mulde,  welches  etwa  dem  alten  Begriffe  der  Zeitzer 
Mark  entspricht,  gelangte  zu  Anfang  des  14.  Jahrhun- 
derts unter  die  Botmässigkeit  des  Hauses  Wettin,  nach- 
dem es  vorher  schon  längere  Zeit  als  unterpfändlicher 
Besitz  angesehen  worden  war.  Die  Verhältnisse  der 
erhobenen  Ansprüche  wie  der  Besitznahme  sind  etwas 
verwickelter  Natur,  ihre  Detailerörterung  würde  uns  hier 
jedenfalls  zu  weit  füliren'"),  auch  genügt  es,  sich  der 
Thatsache  zu  erinnern,  dass  die  berühmte  Schwaben- 
schlacht bei  Lucka  im  Jahre  1307  sowohl  den  Fort- 
bestand des  Hauses  Wettin,  wie  auch  das  Schicksal  des 
Pleissnerlandes  entschied.  Schon  im  Juni  13(J8  giebt 
sich  Friedrich  der  Gebissene  von  Altenburg  aus  den 
Titel  Dominus  terrae  Plyznensis,  den  seine  Nachkonnnen 
bis  zur  Erwerbung  der  herzoglichen  Würde  von  Sachsen 
hin  mid  wieder  gefülut  haben.     Zwar  wurde  noch  von 


guren  allmählich   aus    der   rein    ornamental    behandelten  Form  des 
Blattes  sich  ergiebt. 

*^)  Vgl.  namentlich  von  der  Gabelentz  in  den  Mittheilungen 
der  geschichts-  und  alterthumsfor sehenden  Gesellschaft  des  Oster- 
landes  zu  Altenburg,  Bd.  II,  IV  und  VII. 


Das  "Wappen  des  Kurfürstenthums  Sachsen  etc.  67 

König  Heinrich  VII.  der  Anspruch  des  Reichs  auf 
Wiedereinlösung-  des  Landes  festgehalten,  und  auch 
König  Ludwig  der  Bayer  versuchte  seit  1316  wieder- 
holentlich,  sein  Anrecht  an  das  Land  geltend  zu  machen, 
allein  beider  Bemühungen  blieben  ohne  wesentlichen  Er- 
folg. Im  Jahre  1329  nach  dem  Erlöschen  der  burggräf- 
lichen Dynastie  zu  Altenburg'-*)  ward  Markgraf  Friedrich 
der  Ernste  zu  Pavia  von  seinem  kaiserlichen  Schwieger- 
vater für  sich  und  seine  Nachkommen  ausdrücklich  mit 
dem  an  das  Reich  gefallenen  Burggrafenamte  und  den 
dazu  gehörigen  ßeichsgütern  belehnt;  von  einer  Wieder- 
emlösung  des  übrigen  Reichsgutes  ist  nie  mehr  die  Rede 
gewesen. 

Fast  zweihundert  Jahre  nach  dieser  Erwerbimg 
w^ard  erst  der  Schild  der  ehemaligen  Burggrafen  von 
Altenburg,  die  rothe  Rose  im  silbernen  Felde,  in  das 
kurfürstliche  Staatssiegel- ')  aufgenommen  und  gleichzeitig 
ein  die  Herrschaft  im  PI  eis  snerl  an  de  symbolisieren- 
des neu  komponiertes  Wappen,  der  gold-  und  silbergetheilte 
LöAve  im  blauen  Felde.  Warum  man  dieses  gerade  so 
und  nicht  anders  bestimmte,  ist  nirgends  urkundlich  an- 
gegeben, erst  in  späterer  Zeit  fabelte  man  von  Grafen 
von  Pleissen,  die  nie  existiert  haben.  Der  Löwe  war 
bekanntermassen  die  beliebteste  Schildesflgur  in  Thüringen 
wie  im  Osterlande,  ferner  gold  und  blau  (demnächst 
schwarz)  die  dort  bei  Entstehung  der  Wappen  am  häu- 
figsten gewählten  Farben;  es  lag  daher  ganz  nahe,  hier- 
auf bei  Schalf'ung  des  neuen  Wappens  Rücksicht  zu  nehmen, 
ebenso  aber  auch  auf  die  Wappen  der  zu  jener  Zeit  dort 
existierenden  edlen  Geschlechter,  es  musste  also  ein  noch 
nicht  vorhandenes  Wappen  geschaffen  werden.  Unzweifel- 
haft haben  Erwägungen  in  diesem  Sinne  die  ganz  eigen- 
thümliche  Bildung  des  Wappens  bestimmt,  das  nunmehr 
seit  drei  und  einem  halben  Jalirhundert  historische 
Existenzberechtigung  erlangt  hat  und  füglich  das  Wappen 
des  in  der  Kreishauptmannschaft  Zwickau  vereinigten 
ansehnlichen  Restes  vom  alten  Pleissnerland  und  Vogt- 
land repräsentieren  kann. 

Wenden  wir  uns  hienächst   zu  den  westlichen   Ge- 


^')  Über  die  Burggrafen  von  AlttMibui-g-  vgl.  Sammlung  ver- 
mischter Naclirichten  zur  Sachs.  Gesch.  li  (1768),  81. 

^*)  Grosses  schön  gestochenes  Reitersiegel  des  Kurfürsten  Jüluum 
vom  Jahre  1525  im  HStA.  an  Orig.  No.  10506,  10625. 

5* 


(38  R.  Freiherr  von  Mansberg: 

bieten,  so  muss  das  als  Thüilnger  Löwe  bekannte  Wappen- 
bild sogleich  in  die  Augen  fallen.  Die  saliscli-fränkischen 
Grafen,  von  denen  der  dritte  bekannte  Ludwig  im  Jahre 
lloU  als  Nachfolger  des  gestürzten  Hermann  von  Winzen- 
burg  in  Thüringen  vom  Kaiser  bestallt  wurde,  sollen 
auch  in  ihrem  ursprünglichen  Schild  die  fränkische  Her- 
kunft nicht  verleugnet,  d.  h.  die  einfache  Art  der  roth 
und  silbernen  Schildestheilung,  wie  die  meisten  Grafen  und 
Herren  in  Franken,  angenommen  haben,  die  man  noch 
m  Strichen  auf  den  Schilden  in  älteren  Siegeln  erkennen 
will  ^^j.  Erst  Hermann  I.  hat  die  anscheinend  der  Landes- 
sitte angepasste  Wahl  eines  Löwen  als  Schildesfigur  vor- 
genommen ,  auf  diesem  Löwen  aber  das  bisher  geführte 
Wappen  angebracht.  Nach  der  bisherigen  allgemeinen 
Annahme  galt  1209  als  Geburtsjahr  dieses  Löwen,  indes 
findet  sich  im  hiesigen  königlichen  Staatsarchiv  ein  Siegel 
Hermanns  vom  Jahre  1197,  das  bereits  den  Löwenschild 
zeigt '^'').  Die  Landgrafen  von  Thüringen  haben  den 
Löwen  ungekrönt  geführt,  wie,  abgesehen  von  den  Siegeln, 
ein  in  der  Elisabethkirche  zu  Marburg  bewahrter  Original- 
schild des  1241  verstorbenen  Landgrafen  Konrad^')  kon- 
statieren kann,  jedoch  ihre  Erben,  soAvohl  das  Haus  Wettin 
in  Thüringen,  wie  das  Haus  Brabant  in  Hessen,  haben 
dem  landgräflichen  Löwen  ein  Krönlein  aufgesetzt.  In 
den  Siegeln  Wettiner  Fürsten  erschemt  dies  Krönlein 
zuerst  1351  ■^'^)  als  praktisch  gewähltes  Beizeichen,  um 
dort,  wo  keine  Farben  anzubringen  waren,  den  Thüringer 
vom  Meissner  Löwen  sogleich  unterscheiden  zu  können. 
Wie  dei-  letztere  aus  dem  ersteren,  etwa  ums  Jahr  1265, 
hervorgegangen  ist,  haben  wü-  schon  oben  erwähnt.  Zu 
bemerken  bleibt,  dass  man  die  Balken  oder  Streifen  des 
thüringer  Löwen  seit  1492  auch  auf  den  Siegeln  durch 
Striche  angedeutet  hat.  Die  Anzahl  der  rothen  und 
silbernen  Balken  war,  wie  bei  allen  solchen  Schildes- 
theilungen, anfangs  keine  konstante,  nachgehends  sind 
gewöhnlich  4  rothe  und  4  silberne  in  den  sächsischen 
Darstellungen  angenommen,  während  man  in  Hessen 
diese  Zahlen  um  eins  erhöhte.  Das  Anbringen  der 
Helmzier   auf    den    Siegeln    Avurde    ein    erst    im  Laufe 


**)  Vgl.  (ralletti,  Geschichte  von  Thüringen  II,  159. 
*«)  HStA.  Orig.  No.  104. 

^')  Sehr  gelungene  Abhildnng  (farbig)  in  v.  Mayers   heraldi- 
schen Abcbuch  und  in  Hefners  Trachtenwerk. 
*^)  HStA.  Orig.  No.  4210,  5314. 


Das  Wappen  de??  Kuifürstenthums  Sachsen  etc.  69 

des  13.  Jahrliuiulerts  entstehender  Gebrauch,  der  sich 
noch  m  keinem  Siegel  der  alten  Landgrafen  findet;  erst 
aus  späterer  Zeit  wissen  wir,  dass  sie  ihren  Helm  mit 
st.vlisierten  Lindenzweigen  schmückten,  welche  durch  die 
Ornamentik  des  Mittelalters  zu  kühn  geschwungenen 
mit  goldenen  Laubstengeln  verzierten  Hörnern  wurden. 
Über  die  staatsrechtliche  Bedeutung  des  Landgraf- 
thunis  sind  die  Historiker  noch  keineswegs  einerlei  Mein- 
ung"'^^).  Ohne  auf  die  Kontroverse  einzugehen,  bemerken 
wir  nur,  dass  das  Landgrafthum  ein  vom  König  zu  Lehen 
gegebenes  Stück  seiner  unmittelbaren  Gerichtsgewalt 
war,  dessen  Hauptzweck  wohl  Erhaltung  des  Land- 
friedens in  einem  Gebiete  sein  sollte,  wo  kein  Herzog 
als  Mittelglied  zwischen  Reichsgewalt  und  Grafenamt 
stand.  Diese  zu  Anfang  des  12.  Jahrluniderts  aus  Grün- 
den innerer  Reichspolitik  neu  geschaffene  Institution 
musste  sich  den  Trümmern  der  alten  Gauverfassung  an- 
schliessen,  welche  in  das  neu  gebildete  System  der  ge- 
schlossenen Territorien  liineinragten,  mit  der  vollendeten 
Ausbildung  der  letzteren  jedoch  verschwanden.  Seitdem 
es  vielen  Grundherren  durch  königliche  Gunst  oder  durch 
Benutzung  der  verworrenen  Verhältnisse  unter  den  letzten 
Hohenstaufen  gelungen  war,  für  ihren  grossen  Besitz 
Befreiung  von  der  Grafengewalt  zu  erringen,  gewisser- 
massen  Allodialgrafschaften  zu  bilden,  in  welchen  die 
Grafenrechte  mit  Rücksicht  auf  Besitz  von  Grund  und 
Boden  gewährt  waren,  seitdem  hatte  sich  die  Ansicht 
Bahn  gebrochen,  dass  der  Besitz  der  Grafenrechte  über- 
haupt von  der  Herrschaft  über  Land  und  Leute  herzu- 
leiten sei.  Demgemäss  suchten  auch  die  kleineren  Grnnd- 
herren,  sofern  sie  nicht  die  hohe  Gerichtsbarkeit  erlangen 
konnten,  doch  die  gräfliche  Gerichtsbarkeit  lediglich  als 
eine  Beschwerde  ihrer  an  und  füi-  sich  reichsunmittel- 
baren Territorien,  als  eine  jurisdirfio  pyovhuiaUs  in 
territor/o  alicno  aufzufassen.  Wälu'end  also  von  unten 
d.  h.  von  Seiten  des  dem  Gei'ichtsbann  des  comes  pro- 
vinciol/s  unterworfenen  Dynasten  fortwährend  das  Be- 
streben sich  geltend  machte,  darzntliun.  dass  in  der  be- 
treifenden Gegend   das  Verhältnis  der  diesem   Gerichts- 


^')  Vgl.  insbesondere  W.  Frank,  Die  Landgrafscliaften  des  h. 
r.  Reichs,  Braun srdiweig-  187a,  und  die  diese  Studie  liekänijjfcnden 
Beiträge  des  T)r.  (iJustav  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsl)e  rg  in 
den  Forschungen  zur  deutschen  Cieschichte  XVI  (1876),  525  tlg. 


70  R-  Freiherr  von  Mansberg: 

bann  noch  unterworfenen  Niedergericlitslieiren  jedenfalls 
von  aller  Lelinsabhängigkeit  oder  Landsässigkeit  frei 
geblieben  sei,  zeigte  sich  von  oben  d.  h.  auf  Seiten  des 
vom  Kaiser  eingesetzten  comes  provincialis  naturgemäss 
das  Streben ,  nicht  bloss  die  gerichtsherrlichen  Eechte 
festzuhalten,  sondern  dieselben  zu  einer  immer  grösseren 
politischen  Macht  zu  erweitern,  wie  er  deren  zur  kräf- 
tigen Wahrung  des  Landfriedens  unbedingt  bedui'fte. 
Von  äusseren  Glücksumständen ,  namentlich  aber  vom 
Gewicht  der  Persönlichkeiten,  musste  der  Erfolg  solcher 
entgegenströmenden  Bemühungen  abhängen,  daher  auch 
das  Schicksal  der  verschiedenen  Landgrafschaften  des 
heil.  röm.  Reichs  eui  sehr  verschiedenes  gewoixlen  ist. 
Bei  der  immer  vollkommener  ausgebildeten  Territorial- 
verfassung waren  die  Landgrafen  schliesslich  vor  die 
Alternative  gestellt,  entweder  auf  die  Möglichkeit  ein- 
heitlicher energischer  Massj-egeln  zur  Wahrung  des  Land- 
friedens sowie  auf  die  Gerichtsbarkeit  in  fremden  Terri- 
torien völlig  zu  verzichten,  oder  aber  dort  selbst  Terri- 
torialherren zu  werden,  indem  sie  sich  die  selbständigen 
Grundherren  lehnbar  machten  und  deren  Gebiet  mit  ihrem 
ursprünglichen  Landbesitz  vereinigten.  In  vielen  Fällen 
hatte  sich  die  Frage  so  zugespitzt,  dass  nur  noch  das 
Schwert  entscheiden  konnte;  und  in  Thüringen  hat  das 
Schwert  entschieden. 

Seitdem  das  Landgrafthum  in  Thüringen  mit  der 
Macht  und  Würde  des  markgräflichen  Hauses  Wettin 
vereinigt  war,  konnte  über  das  Resultat  der  obigen  sich 
bekämpfenden  Strömungen  kaum  noch  ein  Zweifel  sein. 
Li  jener  Periode  indes,  wo  der  Kampf  um  die  Hege- 
monie zwischen  dem  Hause  Witteisbach  und  dem  mächtig 
aufstrebenden  der  Luxemburger  immer  grössere  Dimen- 
sionen annahm,  indem  England  und  Niederland.  Polen 
und  Ungarn  die  Partei  Kaiser  Ludwig  des  Bayern  er- 
griffen, während  Franzosen  und  Italiener  mit  den  Böhmen 
sich  einten,  so  dass  der  gigantische  Kampf  bald  das  ge- 
samte Europa  von  einem  Ende  zum  andern  durchraste, 
in  solcher  Zeit  fanden  die  unzufriedenen  Grafen  und 
Edlen  des  Thüringer  Landes  eine  passende  Gelegenheit, 
gänzlich  von  der  Botmässigkeit  des  Landgrafen  sich  zu 
befreien.  Von  dem  Erzbischof  von  Mainz  geleitet,  der 
die  aus  längstvergangener  Zeit  sich  schreiljenden  An- 
sprüche seines  Erzstiftes  nicht  vergessen  wollte,  trat 
eine  weitverzweigte  planmässige  Verschwörung   an   das 


Das  Wappen  des  Kurfüi'stentbums  Sachsen  etc.  71 

Licht  des  Tages,  an  deren  Spitze  die  mächtigen  Grafen 
von  Orlamünde  standen.  Friedrich,  der  ernsthafte  Land- 
graf, nur  von  der  volkreichen  Stadt  Erfurt  und  einem 
der  Schwarzl)urger  unterstützt,  nahm  ohne  Zögern  den 
geworfenen  Fehdeliandschuh  auf  und  mit  grimmigem  Ernst 
führte  er  den  Kampf  durch,  den  die  Geschichte  den 
Thüringer  Grafenkrieg  heisst.  Die  rauchenden  Ruinen 
der  verwüsteten  Städte  und  Dörfer,  die  Trümmer  der 
gebrochenen  Burgen  wurden  zum  S^mibol  für  den  Ruin 
der  Selbständigkeit  des  hohen  Adels  in  Thüringen.  Mit 
rücksichtsloser  Strenge  traf  des  Landgrafen  Zorn  die 
gedemüthigten  Grafen  und  Edlen,  vor  allem  wurde  der 
orlamündische  Löwe  für  immer  unschädlich  gemacht. 

Das  von  einem  Sohne  des  grossen  Askaniers,  Al- 
brecht des  Bären,  gestiftete  Haus  Orlamünde^^)  war 
im  13.  Jahrhundert  zum  Haupterben  der  fränkischen 
Lande,  des  letzten  Herzogs  von  Meranien,  geworden  und 
damit  an  Macht  und  iVnsehen  gewaltig  gestiegen.  Mit 
den  Königshäusern  Europas  verschwägert,  selbst  aus 
edlem  fürstlichem  Stamm  und  die  nächsten  Agnaten  der 
Herzöge  von  Sachsen  und  Lauenburg,  der  Markgrafen 
von  Brandenburg  und  der  Fürsten  von  Anhalt,  nannten 
diese  fürstlichen  Grafen  ein  Gebiet  ihr  Eigen  von  der 
Regnitz  l)is  zur  Unstrut,  das  ganze  Culmbacher  Land, 
das  heutige  Oberfürstenthum  Schwarzburg  zum  grössten 
Theil  und  ebenso  Theile  von  Weimar  und  iVltenburg  bis 
vor  die  Thore  von  Erfurt  umfassend.  Die  Chroniken- 
schreiber jener  Zeit  nennen  die  Grafen  praepotentes  comites, 
die  allermächtigst en  Grafen;  doch  all'  diese  Herrlichkeit 
brach  im  thüringischen  Grafenkriege  zusammen  wie  ein 
Kartenhaus.  Die  zu  Weimar  und  Plassenburg  herrschende 
Linie  musste  sich  als  Vasallen  dem  Landgrafen  unter- 
werfen, um  bald  alh^r  ilirer  Lehen  verlustig  zu  werden, 
während  die  eigentliche  Grafschaft  Orlamünde  schon 
1344  (gegen  eine  Leibrente)  an  den  Landgrafen  ab- 
getreten werden  musste.  Zwar  blieb  den  Grafen  noch 
eine  erkleckliche  Zalil  reichsunmittelbarer  zerstreuter 
Herrschaften,  die  jedoch  alle  nach  und  nach  dem  Land- 
grafen von  Thüiingen  oder  dem  Burggrafen  von  Nürn- 
berg für  geringe  Summen  lehnl)ar  gemaclit  wurden,  um 
schliesslich  in  furchtbarster    Geldnoth    verschleudert    zu 


ä»)  V«l.  C.  C.  Frhr.  v.  Reitzeustein,  Kegesten  der  (irafeu 
von  Orlamünde,  Baireuth  1871. 


72  R-  Freiherr  von  Maiisberg: 

werden.  Nicht  ohne  Wehmiith  kann  man  den  schnellen 
Verfall  dieses  einst  so  mächtigen  vornehmen  Hauses  ver- 
folgen. Die  Nachkommen  der  praepofentes  comites  ver- 
mochten sich  zu  Anfang  des  1.5.  Jahrhunderts  nicht  mehr 
gegen  ihre  israelitischen  Gläubiger  zu  halten.  Die  Saal- 
felder Juden  Zachäus  und  Lucas  wirkten  im  Jahre  1425 
bei  dem  markgTäflichen  Gerichte  zu  Weissenfeis  ein 
Executoriale  an  alle  Gerichte  aus  wegen  einer  Schuld- 
forderung von  4753  Gulden,  kraft  dessen  die  Herrschaft 
Gräfenthal  den  Grafen  gerichthch  genommen  und  den 
Juden  eingeräumt  wurde,  worauf  Kurfürst  Friedrich  der 
Streitbare  im  folgenden  Jahre  die  Herrschaft  von  „seinem 
Juden  Isaak  zu  Jena"  um  die  genannte  Summe  an  sich 
brachte.  Um  weiteren  gegen  sie  ergangenen  Zwangs- 
vollstreckungen zu  entgehen,  mussten  die  Grafen  in 
ganz  kurzen  Zwischenräumen  den  gesamten  ihnen  noch 
gebliebenen  Besitz  verschleudern,  theils  an  die  Burg- 
grafen von  Nürnberg,  theils  au  die  Grafen  von  Gleichen 
und  die  von  Schwarzburg.  Friedrich  von  Orlaraünde, 
nicht  mehr  Fürst  noch  regierender  Gi-af  oder  Herr,  son- 
dern einfacher  brandenburgischer  Beamter,  starb  im 
Jahre  1486  als  dei'  Letzte  seines  einst  so  hoch  stehen- 
den Hauses,  von  dem  nichts  mehr  zu  erben  war, 

Dass  die  Landgrafen  einen  so  ansehnlichen  Gewinn 
an  politischem  Ansehen,  wie  an  ausgedehntem  Güter- 
besitz auch  äusserlich  zu  bekunden  strebten,  darf  uns 
nicht  auffallen;  schon  Friedrich  der  Ernsthafte  nahm 
den  Titel  eines  Grafen  von  Orlamünde  an,  und  auf  den 
Siegeln  ^^)  seiner  Söhne  erscheint  1351  der  Löwe  der 
orlamündischen  Grafen.  Da  aber  dieser  genau,  selbst 
in  den  Farben,  mit  dem  meissuischen  übereinstimmte,  so 
wurde  als  Beizeichen  das  Feld  mit  Blättern  bestreut, 
wie  es  auf  den  Siegeln  bereits  1351  deutlich  erkennbar 
und  seitdem  so  geblieben  ist.  Eigenthümlich  ist  dann 
die  Erscheinung,  dass  erst  seit  dieser  Zeit  auch  einige 
Glieder  der  depossedierten  Familie  gleichfalls  jenes  Bei- 
zeichen annahmen  ^^). 

Das  an  den  21.  Platz  gestellte  Wappen  der  Herr- 
schaft Eisenberg  hätte  man  bei  Besprechung  der  oster- 
ländischen   Besitzungen    erwähnen    können,    wenn    diese 


Tafelu. 


»')  HStA.  Orig.  No.  4210,  5314. 

**)  Vgl.  die  den  Reitzen stein  sehen  Regesten  angehängten 


Das  Wappen  de.«  Knrfürstentlmm.s  Sachsen  etc.  78 

Bezeicliiiiuig  eine  riclitig-e  wäre.  Die  Stadt  Eisenberg 
im  Westkreis  des  heutigen  Herzogthums  Altenburg  ge- 
hörte zu  altem  wettinischen  Stanmibesitz  und  hätte 
als  solcher  keines  l)esonderen  Hervorhebens  bedurft,  da 
sie  unter  dem  Begriff  des  osterländischen  Wappens 
subsumiert  werden  konnte.  Die  sonderbare  Bezeichnung 
des  fraglichen  Schildes,  den  zuerst  Kurfürst  Johann  der 
Beständige  in  das  grosse  Staatssiegel  aufnahm,  ist  olfen- 
bar  Pseudonym  und  anscheinend  aus  Rücksicht  auf  die 
damals  und  bis  1799  noch  florierenden  Burggrafen  von 
Kirchberg  gewählt,  deren  Besitzungen  an  der  Saale  un- 
weit Eisenberg  lagen.  Ein  Zweig  derselben,  die  Burg- 
grafen von  Altenberg  (häufig  ÜTthümlicherweise 
mit  denen  von  Alten  bürg  verwechselt),  erlosch  im  Jahre 
1396  mit  dem  Burggrafen  Dietrich,  der  drei  Jahre  vor 
seinem  Tode  die  Herrschaft  oder,  wie  man  hin  und  wie- 
der auch  sagte,  das  Burggraftlumi  Altenberg  dem  Land- 
grafen von  Thüringen  um  1500  Schock  Freiberger  Groschen 
lehnspflichtig  machte^'').  Nachgehends  ist  dann  das  (h- 
niininhi  utile  der  Herrschaft  als  Lehnsbesitz  im  Wege 
des  Kaufs  aus  einer  Hand  in  die  andere  gegangen.  Die 
Burggrafen  von  Altenberg,  von  denen  sich  einige,  ver- 
muthlich  in  Gemässheit  cognatischer  Ansprüche  oder 
vormundschaftlicher  Rechte,  auch  Burggrafen  von  Orla- 
münde  nannten,  führten  einen  geschachteten  SchihP'),  der 
auf  den  Siegeln  der  Kurfürsten  Johann  und  Johann 
Eriedrich  in  einen  gerauteten  verwandelt  ist'^^),  in  solcher 
Form  und  mit  der  Bezeichnung  „Eisenberg"  auch  in 
einer  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  sauber  auf  Perga- 
ment ausgeführten  Wappensammlung  der  königlichen 
öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden  enthalten  ist.  Ganz 
ähnlich  und  mit  derselben  Bezeichnung  soll  sich  der 
Schild^")  auch  in  einem  sächsischen  Wappenbuch  im 
weimarischen  Gesammt-Archiv  befinden.  Weshalb  man 
später  aus  dem  geschachteten  oder  gerauteten  Schilde 
einen  Balkenschild  gemacht  hat,  ist  nicht  recht  verständ- 


*')  Die  bezügl.  Urkunden  gedruckt  bei  Hnrn,  Friedrich  der 
Streitbare,  693. 

*')  liei  tzenstein  1.  c.  giebt  Tafel  V  No.  6  und  7  zwei  Siegel 
vom  Jalire  1326-,  das  des  letzten  Jinrggrafcn  von  Altenberg  bei  Ave- 
mann,  Burggrafen  von  Kirchberg. 

**)  HStA.  Kasten  249,  2n3  und  2nn.  2ÖK. 

'"j  Vgl.  G.  P.  Hünn,  Des  Chur-  und  türstlidii'u  lliiiiscs  Surli^fn 
Wappen  und  Geschlechts  Untersuchung,  57. 


74  E.  Freiherr  Yon  Mansberg: 

lieh,  und  kann  als  blosse  Vermuthung-  nur  angeführt 
weiden,  dass,  da  das  Wappen  der  eigentlichen  Burg- 
grafen von  Kirchberg  schwarze,  hin  und  wieder  auch 
blaue  Pfähle  waren,  man  dieses  Wappen  absichtlich  mit 
der  Veränderung  adoptierte,  dass  für  die  Pfähle  Balken 
oder  statt  der  Spaltung  eine  Theilung  gesetzt,  mit  an- 
deren \A'orten  der  Schild  um  90  Grad  gedreht  Avurde^'). 
Im  19.  Jahrhundert  wird  gewöhnlich  als  Theil  von 
Thüringen  ein  Gebiet  betrachtet,  welches  niemals  dazu 
gehört  hat,  wenngleich  das  sächsische  Fürstenhaus  seit 
Ende  des  16.  Jahrhunderts  in  dessen  Besitz  sich  befand. 
Dies  sind  die  Lande  des  in  der  deutschen  Geschichte 
rühmlichst  bekannten  Hauses  der  Grafen  von  Henne- 
berg'*),  von  Avelchen  der  Zweig  zu  Schleusingen,  mit 
Berthold  dem  Weisen  im  Jahre  1310  in  den  Fürsten- 
stand erhoben^"),  sich  gefürstete  Grafen  nannte.  Die 
Linie  zu  Eömhild  erlosch  1549,  worauf  die  sachsen- 
ernestinischen  Herzöge  deren  Landestheil  im  Wege  des 
Kaufes  und  Tausches  von  den  Schwägern  des  letzten 
Grafen,  den  Grafen  von  Mansfeld,  an  sich  brachten. 
Die  weit  ansehnlicheren  Besitzungen  der  Linie  zu  Schleu- 
singen, welche  im  Jahre  1583  erlosch,  sollten  in  Gemäss- 
heit  der  1554  geschlossenen  Erbverbrüderung  ebenfalls 
an  die  erwähnten  Herzöge  fallen;  da  indes  Johann 
Friedrich  der  Mittlere  in  die  Reichsacht  und  aller  Lande, 
Rechte,  wie  auch  der  Anwartschaft  auf  Henneberg  ver- 
lustig erklärt  wurde,  so  ei4angte  Kurfürst  August  1573 
vom  Kaiser  Maximilian  IL  einen  Begnadigungsbrief, 
nach  welchem  dem  Kurhause  ^  1 2 ,  die  übrigen  ' ,  2  dem 
Hause  Weimar  in  Anwartschaft  gegeben  wurden.  Nach 
dem  Tode  des  letzten   Grafen,  Georg  Ernst,  Hess  Kur- 


'')  Für  die  Geschichte  dieser  eigenthümlichen  Wappenvertai;sch- 
nug  sind  zwei  Schilde  mir.  Etikette  am  Grabmal  Friedrich  des  Streit- 
baren im  Dome  zu  Meissen  von  liesonderem  Interesse,  doch  müssen 
wir  es  uns  versagen,  hier  näher  darauf  einzugehen. 

*')  Vgl.  .T.  "A.  Schult  es,  Diplomatische  Geschichte  des  gräti. 
Hauses  Henneberg,  Hildburghauseu  1791. 

^«j  Schuttes  1.  c.  II,  22:  ,, Diese  für  die  hennebergische  Ge- 
schichte so  merkwürdige  Standeserhebung  geschah  den  25.  Juli  1310 
auf  dem  Reichstag  zu  Frankfui't  in  Gegenwart  der  vornehmsten 
deutschen  Reichsfürsten,  deren  jeder  hierzu  seine  Einwilligung  er- 
theiltc.  Der  Graf  und  seine  Nachfolger  bekamen  zwar  dadurch  das 
Recht,  den  öffentlichen  Berathschlagimgen  und  den  Reichsgerichten 
mit  beizuwohnen ,  al)er  ihre  Lande  blieben  derwegen  immer  eine 
Grafschaft,  und  man  würde  sehr  irren,  wenn  mau  ihr  den  Titel  eines 
Fürstenthums  beilegen  wollte". 


Das  Wappen  des  Kixifürstenthums  Sachsen  etc.  75 

fürst  August  im  Namen  des  gesamten  sächsischen 
Hauses  von  den  hinterlassenen  Landen  Besitz  ergreifen 
und  ordnete  in  ebenso  geschickter  wie  allseitig  zufrieden- 
stellender Weise  die  Abfindung  der  noch  von  Hessen 
und  Würzburg  erhobenen  Ansprüche.  70  Jahre  lang 
blieb  das  Land  in  ungetheilter  Gemeinschaft ,  bis  am 
9.  August  1660  eine  definitive  Theilung  vorgenommen 
wurde,  in  welcher  das  Kurhaus  die  Ämter  und  Städte 
Schleusingen,  Suhl,  Kuhndorf  und  Benshausen  erhielt. 
Die  ernestinische  Landesportion  ist  nachgehends  noch 
mehrfach  getheilt  uud  wieder  stückweise  unter  einan- 
der ausgetauscht  worden  im  Zusammenhang  mit  den 
wiederholten  Theilungen  der  gesamten  Lande  dieser 
herzoglichen  Linien;  im  allgemeinen  aber  ist  das  heu- 
tige Herzogthum  Sachsen -Meiningen  zum  giössten  Theil 
aus  ehemaligem  hennebergischen  Lande  gebildet.  Da 
der  uralte  Rennstieg  oder  Reinweg  oben  auf  dem 
Kamme  des  Thürhiger  AValdes  viele  Jahrhunderte  hin- 
durch die  Grenze  zwischen  Franken  und  Thüiingen  dar- 
stellte, so  gehörten  die  gesamten  hennebergischen  Lande 
zu  Franken  und  politisch  bis  zur  Auflösung  des  deut- 
schen Reichs  zum  fränkischen  Kreise.  Bei  diesem  Kreise 
führten  nach  der  Theilung  die  Besitzer  der  Grafschaft 
drei  Stimmen  auf  Kreistagen,  nämlich  das  Kurhaus  eine, 
das  ernestinische  Haus  eine  und  endlich  wegen  der 
Herrschaft  Schmalkalden  auch  das  Haus  Hessen  eine 
Stimme.  Auf  dem  Reichstage  erhielt  das  Haus  Sachsen 
im  Jahre  1594  wegen  Hennebei'g  eine  Stimme  auf  der 
weltlichen  Bank  im  reichsfürstlichen  Kolleg;  l)ei  der 
Theilung  im  Jahre  1660  wurde  über  die  Führuug  dieses 
Reichs  Votums  ein  Alternations-Rezess  zwischen  dem  kur- 
und  fürstlichen  Hause  geschlossen,  der  nachgehends  noch 
mehrfach  geändert  wurde.  Sämtliche  sächsische  Linien 
nahmen  jedoch  gleichzeitig  im  Jahre  1660  Titel  und 
Wappen  von  Henneberg  an,  wenn  schon  einige  Herzöge 
bereits  früher  hin  und  wieder  beides  bemerklich  gemacht 
haben.  Das  Wappen  der  Grafen  von  Hennel)erg  ist 
sehr  alt  und  dürfte  schon  im  12.  Jahrhundcit  entstanden 
sein^");  dasselbe  Avar  ein  redendes  A\'appen.  eine  schwaize 
Henne  auf  grünem  Dreiberg.  — . 


*")  Schulte  s  1.  c.  gielit  zwar  iiiif  (\vv  l  ei  gefügten  Tab.  IX 
ein  Siegel  Pitppos  v.  H.  vom  .Talive  118fi,  dits  alier  nicht  das  s])ätcn' 
Wappen,  sondern  einen  Vogel  zeigt,  den  man  hernldisch  eher  für 
einen  Adler  (cum  alis  et  cauda  eapansis)  als  eine  Henne  halten  würde. 


76  R-  Freiherr  von  Mansberg^: 

Nachdem  wir  die  alten  Staramesbesitzung-en  des 
Hauses  Wettin,  das  frühzeitig  erworbene  Meissen  und 
das  nach  langem  Erbfolgekriege  errungene  Thüringen  an 
der  Hand  unseres  Wappenschildes  durchwandert,  führt 
uns  derselbe  zu  jenem  nördlicher  gelegenen  askanischen 
Lande,  welches  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  an  das 
land-  und  markgräfliche  Haus  kam,  in  seiner  Kleinheit 
zwar  keinen  grossen  materiellen  Machtgewinn  dar- 
stellte, dafür  aber  die  fürstliche  Würde  des  Hauses  mit 
neuem  Glänze  umgab  und  diese  Würde  dann  durch  die 
Herrschertugenden  ihrer  Träger  zu  solcher  Bedeutung 
erhob,  dass  seitdem  das  Fürstenhaus  selbst,  wie  die  ge- 
samten von  ihm  beherrschten  Gebiete,  mit  gerechtem 
Stolze  den  Namen  jenes  kleinen  Landes  tragen. 

Als  die  kaiserliche  Acht  und  Aberacht  den  stolzen 
Weifenherzog  getroffen,  als  man  das  gewaltige  Reich 
Heinrich  des.  Löwen  in  Trümmer  zu  schlagen  sich  be- 
mühte, hörte,  obwohl  die  Zerstückelung  nur  theilweise 
gelang,  der  Begriff  des  alten  Herzogthums  Sachsen  auf, 
denn  der  vom  Kaiser  im  Dezember  1180  zum  Herzog 
von  Sachsen  ernannte  Bernhard  von  Ballenstedt  war 
nicht  im  stände,  dem  nordischen  Löwen  auch  nur  eine 
Quadratmeile  seines  Gebietes  zu  entreissen.  Statt  dessen 
aber  setzten  sich  alle  früher  der  herzoglichen  Gewalt 
und  Gerichtsbarkeit  unterworfenen  geistlichen  und  welt- 
lichen Herren  in  völlige  Freiheit,  dergestalt,  dass  dem 
neuen  Herzog  nichts  blieb,  als  der  Titel  und  jener  aller- 
dings Ehrfurcht  erweckende  Name,  an  den  sich  alle 
die  ruhmvollen  Erinnerungen  des  alten  Herzogthums 
Sachsen,  an  die  Thaten  der  Brunonen  und  Ottonen,  der 
Billunger  und  Weifen  knüpften.  Die  herzogliche  Würde 
musste  auf  das  von  Bernhards  Vater,  Albrecht  dem  Bären, 
einst  den  Slaven  an  der  Mittelelbe  entrissene  und  mit 
Kolonisten  vom  Niederrhein  (1150—1190)  bevölkerte  Ge- 
biet gegründet  werden,  doch  war  dieses  in  der  That  so 
winzig,  dass  unter  Bernhards  Söhnen  der  ältere,  Heinrich, 
die  väterlichen,  später  nach  dem  Schlosse  Anhalt  ge- 
nannten Stammlande  vorzog  und  dem  jüngeren  Bruder, 
Albert  L,  das  kleine  Herzogthum  gern  überliess.  Dieser 
jedoch  erhielt  von  dem  Grafen  von  Schwerin  als  Preis 
geleisteten  Beistandes  das  einst  durch  Heinrich  den 
Löwen  unterworfene  Land  der  wendischen  Polaber  an 
der  Unterelbe,  welches  nach  dem  Schlosse  Lauenburg 
genannt  und   dem  Herzog  Johann,  ältestem  Sohne   AI- 


Das  Wappfii  des  Knifürstentimms  Saclisen  etc.  77 

berts  I.,  zu  theil  wurde,  der  hier  die  bis  Ende  des 
17.  Jahrhunderts  blühende  Linie  der  askanischen  Her- 
zöge von  Lauenburg-  stiftete. 

Albert  IL,  der  jüngere  Bruder  Johanns,  ward  der 
Gründer  des  Hauses  Sachsen -Wittenberg,  des  alier- 
jüngsten  Zweiges  der  Askanier,  der  indes  durch  Alberts 
staatsmännische  Gewandtheit  schnell  ui  seinem  Ansehen 
stieg  und  bald  die  älteren  Zweige  an  Bedeutung  w^it 
überstrahlte.  In  richtiger  Würdigung  der  politischen  Lage 
war  Albert  einer  der  drei  klugen  weltlichen  Fürsten ^^j, 
die  zuerst  der  aufgehenden  Sonne  des  Grafen  Rudolf 
von  Habsburg  sich  zuwandten,  ihn  zum  deutschen  König, 
zugleich  aber  seine  drei  Töchter  zu  ihren  Gemahlinnen 
kürten.  Das  verschaffte  allen  dreien  zunächst  die  könig- 
liche Anerkennung  eines  ihrem  Hause  gebührenden  Rechts 
zu  solcher  Wahl,  des  Kürrechts  oder  der  KurAvüi'de, 
doch  folgten  bald  noch  intensivere  Gunstbezeugungen  des 
königlichen  Schwiegervaters.  Die  hohe  Würde  eines 
Plälzgrafen  in  Sachsen  mit  dem  grössten  Theil  des  da- 
mit verbundenen  nicht  unansehnlichen  Benefizialgutes, 
w^elches  alles  das  Haus  Wettin  als  Erbe  der  damit  be- 
lehnt gewesenen  Landgrafen  von  Thüringen  in  Anspruch 
nahm,  ward  trotz  der  einst  Heinrich  dem  Erlauchten  er- 
theilten  kaiserlichen  Eventualbelehnung*-)  von  König 
Rudolf  seinem  Schwiegersohn,  Albert  von  Sachsen,  ver- 
liehen, und,  wiederum  auf  Kosten  des  Hauses  Wettin, 
erhielt  dersell)e  die  gesamte  Hinterlassenschaft  des 
kinderlos  verstorbenen  letzten  Grafen  von  Brena,  wie 
schon  oben  erwähnt  wurde.  Gleich  nach  dem  Tode  des 
Vaters,  Albert  L,  w^aren  die  Söhne  in  den  Besitz  der 
Benefizialgüter  des  Burggrafthums  Magdeburg  gelangt, 
welche  Würde  selbst  mit  allen  Gefällen  und  Gerichten, 
allen  Rechten  und  Nutzen  im  Jahre  1269  dem  Herzog 
Albert  von  Sachsen -Wittenberg  zu  theil  wurde.  Kurz, 
nur  wenige  Fürsten  dürften  (-inen  mit  Rücksicht  auf  den 
schmalen    ursprünglichen    Besitz    so    unverhältiiismässig 


")  Ludwig  der  Strenge  Pfalzgraf  Itei  lihein,  Otto  Markgraf 
von  Brandenburg,  Albert  Herzog  von  Sachsen. 

*'■')  Vgl.  die  Urkunde  Kaiser  Friedriclis  11.  d.  d.  Benevent 
30.  Juni  i242:  Notum  esse  volumiis  universis  quod  tibi  post  niGi-tcm 
avunculi  tili,  Hcurici  Landgravii  Thnrinijie,  duos  priiiclpdtus  nkos, 
videlicet  Laiidgrnviam  Thnringie  et  Comitidni  palniii  Sa.roiiic  et 
omnia  alia  feuda,  que  a  nobis  et  ab  Jniperio  icnct,  cum  ipsoruni^per- 
tinentiis  jure  contniimns  feodali ...   M e n  c  ke  SS.  rer.  üerni.  11 ,  8H7. 


78 


R.  Freiherr  von  Mansberg: 


grossen   realen  wie  idealen  Machtzuwachs  in  so  kurzer 
Zeit  errungen  haben,  wie  Herzog  Albert  II. 

Albert  war  nicht  nur  der  eigentliche  Schöpfer  des 
sächsischen  Staates  und  des  Kurf iirstenthums ,  sondern 
auch  der  des  askanisch- sächsischen  Wappens. 
Über  dies  Wappen  ist  soviel  geschrieben  und  noch  mehr 
gefabelt  worden,  dass  ein  etwas  weiter  gehender  histo- 
risch-heraldischer Exkurs  hier  wohl  gerechtfertigt  er- 
scheint, der  übrigens  alle  Märchen  erfindungsreicher 
Phantasten  unberührt  lassen  kann.  Zur  Übersicht  der 
Wappenvarietäten  im  Hause  der  Ballenstedter  (Askanier) 
diene  folgendes  Schema: 


Albrecht  der  Bär  f  1168 


Otto 

t  1198 

Markgraf  von 

Bi-andeuburg 


Hermann 

t  1176 

Graf  von 

Orlaraünde 


Bernhard 

t  1212 
1180  Herzog 
von   Sachsen. 


Balken 


Nachkommen 
Adler 


Sigfrid 


1 


1206 


Orlamünde 


Balken 


Heinrich 
t  1267 
Anhalt 


Albert  I. 
t  1260 
Sachsen 


Adler 

Nachkommen 
Löwe 


Balken  nebst 
halbem  Adler 

Nachkommen 

haben  im 
15.  Jahrb.-") 
dem  Ballen- 
stedtschen 
Schilde  das 
Beizeichen 
der  Witten- 
berger hinzu- 
gefügt, aber 
den  Adler 
ausserdem 
behalten. 


Balken 


Johann 

t  1285 

Lauenburg 


Albert  IL 

t  1298 
AVittenberg 


Balken  nebst 
halbem  Adler 
Balken  nelist    und  einem 
halbem  Adler    Beizeichen 


Nachkommen 
haben  das 
Wappen  der 
jüngeren  od. 
Witteuberger 
Linie  ange- 
nommen 


Nachkommen 
haben  das 
Wappen  mit 
Beizeichen, 
doch  ohne 
Adler  ge- 
führt. 


*')  Unter  den  vielen  bei  Beckmann,  Historie  des  Eürstenthums 
Anhalt  gegebenen  Anhaltschen  Siegeln  ist  das  erste  mit  dem  Rauten- 
kranz vom  Jahre  1468.  Der  Bär  erscheint  zuejst  auf  Siegeln  der 
Bernburger  Linie  1323.  Vgl.  auch  O.  T.  von  Hefner,  Wappen- 
buch'weiland  J.  Siebmaciiers  I,  43  der  Erläuterungen. 


Das  Wappen  des  Kurfürstenthums  Sachsen  etc.  79 

Bekanntermassen  ist  ein  auf  Urkunden  g-estützter 
strikter  Beweis  für  die  Motive  der  Wappenändermigen 
im  Mittelalter  nirgends  zu  erbringen,  da  die  Personen 
des  Herren-  oder  JRitterstandes ,  welche  eine  Mehrnng, 
Minderung-  oder  völlige  Änderung-  ihres  Wappens  vor- 
nahmen, niemals  die  Gründe  beurkundet  haben,  die  sie 
dazu  bestimmten.  Es  ist  deshalb  nur  möglich  auf  Grund 
des  vorhandenen  sphragistischen  Materials  und  an  der 
Hand  beglaubigter  Thatsachen  mehr  oder  mindei-  plau- 
sible Hypothesen  aufzustellen,  welche  mitunter  bis  zur 
Gewissheit  sich  erheben  können. 

Das  vielbesprochene  Beizeichen,  ein  über  den  g:anzen 
Doppelschild  schräglinks  (si)äter  schrägrechts)  gelegter 
ornamentierter  Schrägbalken ,  der  nach  einer  seltsamen 
Fabel  des  Canonicus  Krantz  zu  Hamburg  im  1(3.  Jalu'- 
hundert  den  Beinamen  des  Rauten  kränz  es  erhielt, 
erscheint  zum  ersten  Male  im  Jahre  1261*^)  auf  einem 
gemeinschaftlichen  Fusssiegel  der  Brüder  Johann  und 
iUbert.  Von  der  Ansicht  ausg-ehend,  dass  es  sich  bei 
xlimahme  dieses  Beizeichens  lediglich  um  eine  die  jüngere 
Linie  bekundende  Minderung-  des  Wappens  g-ehandelt 
habe,  halten  die  Vertreter  dieser  Ansicht  *')  den  soge- 
nannten Rauteukranz  für  ein  gewöhnliches,  häufig  vor- 
kommendes Beizeichen,  das  jedenfalls  und  stets  eine 
mindernde  Bedeutung  für  das  betreftende  Wappen  habe. 
Dieser  Anschauung  vermögen  wir  nicht  unbedingt  bei- 
zutreten, aber  ebensowenig  der  extremen  Deutung  an- 
derer^**), die  jenes  Beizeichen  als  etwas  ganz  Ausser- 
gewöhnliches,  ja  lediglich  Typisches  für  das  sächsische 
Wappen  betrachten.  Der  sogenannte  Rautenkranz  ist 
eine  zwar  selten,  aber  doch  hin  und  wieder  und  gerade 
bei  sächsisch-thüringischen  Geschleciitern  verkommende 
Schildesfigur.  Einen  gewellten  Schrägbalken,  über  den 
getheilten  Schild  gelegt,  führen  die  von  Redwitz  und  die 
Marschälle  von  Ebnet,  einen  ornamentierten  Schi'äg-l)alken 
genau  von  der  Foi-m  und  Farl)e  des  sächsischen  die  von 
Maschwitz  und  die  von  Wegeleben ,  auch  unter  dem 
schwäbischen  Adel  giebt  der  alte  Siebmacher  (ad  II,  96: 
Newenhrun)  ein  dem  sächsischen  fast  identisches  Wappen. 


*•)  HStA.  Oiig.  No.  ß09. 

*^)  Insbesondere  der  bekannte  (lenealogc  und  Hcraldiker  von 
Mülverstedt  zu  Magdeliurg. 

*°)  Fürst  zu  Hohenlolie- Waldenliuig,  ü.  T.  vouHefuer 
zu  München. 


80  R-  Freiherr  von  Mansberg: 

Überdies  zeigen  verschiedene  mittelalterliche  Siegel  ähn- 
liche Beizeichen  (z.  B.  Wernigerode,  Hartesrode,  Wefer- 
lingen  u.  a.),  vielleicht  sogar  früher,  als  das  sächsische 
mit  dieser  Figur ^').  Schon  aus  dieser  Thatsaclie  dürfte 
hervorgehen,  dass  der  Kautenkranz  nicht  wegen  des 
Herzogthums  angenommen  wurde,  denn  schwerlich 
würden  die  Herzöge  ein  so  bedeutungsvolles  Emblem 
den  Vasallen  vom  niedern  Adel  zu  führen  gestattet 
haben.  Wäre  andererseit  durchaus  nur  eine  Minderung, 
eine  Bezeichnung  der  jüngeren  Linie  mit  der  Annahme 
bezweckt  worden,  so  musste  dies  den  fürstlichen  Agnaten 
auf  jeden  Fall  noch  im  14.  Jahrhundert  bekannt,  und 
würde  von  den  nächstfolgenden  Generationen  das  Bei- 
zeichen in  seiner  ihm  beigelegten  Bedeutung  respektiert 
worden  sein;  alsdann  wird  es  aber  schwer  verständlich, 
weshalb  trotzdem  die  älteren  Linien,  erst  die  zu  Lauen- 
burg, später  auch  die  zu  Anhalt,  nachgehends  dasselbe 
Beizeichen  angenommen  haben,  das  sie  doch  seiner  Innern 
Natur  nach  gewiss  als  ihnen  nicht  zukommend  ansehen 
mussten.  Übrigens  scheint  die  Ändeiimg  des  sächsischen 
Wappens  zur  allgemeineren  Kenntnis  in  Deutschland 
überhaupt  erst  im  14.  Jahrhundert  gelangt  zu  sein,  wie 
denn  die  kurz  vor  Mitte  dieses  Jalirhunderts  angelegte 
Züricher  Wappenrolle  als  das  Wappen  von  ,.ßalisen" 
den  gespaltenen  Adler  und  Balkensehild  ohne  Rauten- 
kranz zeigt. 

Dass  der  herzoglichen  Linie  zu  Wittenberg  eine  in 
die  Augen  fallende  Unterscheidung  des  Wappens,  und 
zwar  nicht  bloss  von  dem  ihrer  Vettern  zu  Anhalt, 
wünschenswerth  sein  musste,  wird  um  so  erklärlicher 
durch  die  Thatsache.  dass  gerade  zu  jener  Zeit  mehrere 
edle  Geschlechter  im  östlichen  Harzgebiete  einen  ge- 
spaltenen Schild  mit  denselben  Figuren,  einen  halben 
Adler  vereint  mit  dem  Balkenschild,  führten,  nämlich  die 
Edlen  von  Barby,  die  Grafen  von  Falkenstein  und  das 
Haus  Querfurt,  dessen  ältester  Zweig  im  Besitz  des 
Burggrafthums  Magdeburg  sich  befand. 

Ohne  Andeutung  der  Farben,  wie  man  es  damals 
auf  allen  Siegeln  oder  sonstigen  plastischen  Darstellungen 
nicht  anders   kannte,   lag    die    Möglichkeit   unliebsamer 


*')  Vgl.  besonders  die  Kontroversen  der  Herren  von  Mülv er- 
ste dt  und  Fürst  Hohenlobe  tlber  diesen  Gegenstand  in  den 
Neuen  Mittheilunoen.     Bd.  XI.     Halle  1867. 


Das  Wappen  des  Kiirfürstenthums  Sachsen  etc.  81 

Verwechslung-  sehr  nahe,  welche  man  duixh  Annahme 
eines  auffälligen  Beizeichens  leicht  vermeiden  konnte. 
Das  13.  Jahrhundert,  und  theilweise  auch  noch  das  14., 
ist  sehr  reich  an  solchen  Wappenänderungen,  welche 
entweder  emen  neuen  bezw.  veränderten  Besitz  andeuten 
oder  zur  Unterscheidung  von  anderen  Familien  dienen 
sollten,  welche  ursprünglich  dieselben  Figui^en  zur  bleiben- 
den Verzierung  der  Schilde  erkoren  hatten.  Mit  der 
völligen  Fixierung  der  Wappen  wurde  die  Annahme  von 
Beizeichen  später  ganz  von  selbst  überflüssig,  seitdem 
zur  Bezeichnung  von  Herrschaft  oder  Anspruch  die  Ver- 
einigung mehrerer  AVappen,  wenigstens  der  vollständigen 
Schilde  auf  einem  Siegelfelde,  allgemeiner  in  Aufnahme 
kam.  Die  Ansicht,  dass  die  Wittenberger  Linie  mit  dem 
neuen  Wappen  das  nun  schon  in  der  dritten  Generation 
ilu-  gehörige  Herzogthum  habe  bezeichnen  wollen,  er- 
scheint uns  völlig  unhaltbar,  andererseits  ist  aber  absolut 
kein  Grund  erfindlich,  A\'eslialb  sie  das  von  der  Anhalter 
Linie  bereits  in  der  vorhergehenden  Generation  ange- 
nommene AVappen  hätte  nunmehr  auch  adoptieren  sollen; 
vielmehr  muss  man  aus  der  historischen  Sachlage  die 
Ansicht  gewinnen,  dass  mit  dem  neu  erkorenen  Wappen- 
bilde^  dem  Adler,  ein  neues  wichtiges  Besitzthum  hat 
l)ezeichnet  werden  sollen,  dass  jedoch  mit  der  Annahme 
dieser  neuen  Schildesfigur  ein  Beizeichen  notliwendig 
wurde,  um  das  neu  zusammengesetzte  AVappen  merkbar 
unterscheiden  zu  können  von  jenen  oben  erwähnten  mit 
gleichen  Schildesfiguren.  Wir  müssen  daher  die  Ent- 
stehung des  sächsischen  AVappcns  in  unmittelbaren  Zu- 
sammenhang mit  der  Erwerbung  des  Burggrafthunis 
Magdeburg  bringen. 

AVie  bei  allen  Hoch-  und  anderen  Stiftern  in  Deutsch- 
land ward  bei  Gründung  des  Erzbistlumis  Magdeburg 
im  Jahre  9(J8  dem  geistlichen  Oberhirten  ein  Vogt  zu- 
geordnet, der  nicht  bloss  mit  kräftigem  Arm  den  nöthigen 
weltlichen  Schutz  verleihen  sollte,  sondern  dem  auch  als 
höchstem  weltliclien  liichter  in  des  Kaisers  Xamen  der 
Gerichtsbann  in  cunem  grossen  Theile  des  nachmals  ei'st 
zum  weltlichen  Fürstenthum  gewordenen  Territoriums 
des  heiligen  Moritz  zustand,  insbesondere  auch  das 
Schiütheissenamt  in  den  beiden  Hauptstädten  ^Magdeburg 
und  Halle '*^).     Dieser  stets  aus   dynastischem  Adel   der 


*')  Vgl.  Prensdorff,  Über  die  älteren  Rurggrafeu  von  Magde- 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VI.  1.  2.  6 


82  R-  Freiherr  von  Mansberg: 

Gegend  ausgewählte  höchste  kaiserliche  Gerichtsbeamte, 
der  bald  co^nes  civitatis  oder  comes  urbaniis,  bald  pre- 
fectus  oder  castellanus  heisst,  seit  1159  auch  unter  dem 
latinisierten  TiteH;wr(/rö.m6s  vorkommt,  hatte  die  Vogtei 
nicht  nur  über  die  beim  Erzstift  zu  Lehen  gehenden 
Güter,  sondern  auch  über  die  meisten  dortigen  Klöster, 
demgemäss  verschiedene  Vasallen  als  Untervögte  bestellt. 
Dass  bei  der  Auswahl  der  Familie  für  eine  so  einfluss- 
reiche Stellung  der  Erzbischof  selbst  eüi  gewichtiges 
Wort  mitzureden  hatte,  liegt  auf  der  Hand  und  macht 
es  erklärlich,  dass  nach  und  nach  das  Burggrafthum  als 
ein  von  dem  Erzstift  abhängiges  Lehen  galt,  obwolü  die 
Kaiser,  unbekümmert  um  diese  Sachlage,  wiederholt  mit 
Würde  und  Amt  den  Bm'ggrafen  direkt  beliehen  haben, 
so  1348  Karl  IV.,  1425  Sigismund,  1547  Karl  V. 

So  unentbehrlich  der  weltliche  Schutz  anfangs  den 
Stiftern  selbst  erscheinen  musste,  so  wesentlich  änderte 
sich  diese  Anschauung  im  Laufe  der  Zeit,  denn  mit  dem 
weiteren  Zuwachs  an  Gütern,  insbesondere  aber  an  welt- 
licher Macht,  wurden  überall  die  ScMrm-  und  Kasten- 
vögte als  eine  mibequeme  Last  betrachtet,  die  man  nach 
und  nach,  namentlich  seit  Anfang  des  13.  Jahrhunderts, 
abzuschütteln  suchte.  Diu'ch  die  mittelalterliche  Ge- 
schichte aller  deutschen  Hochstifter  zieht  sich  das  deut- 
lich erkennbare  Streben,  durch  kluge  Massregelu  der 
Bischöfe,  Weisthümer  der  Dienstmannen,  Vermittlung 
der  Kaiser  oder  benachbarter  mächtiger  Herren,  haupt- 
sächlich aber  durch  Abkauf  oder  Ablösung  die  erblich 
gewordenen  vogteilichen  Rechte  zu  beseitigen  und  da- 
mit an  die  Stelle  der  ursprünglich  vom  Reich  einge- 
setzten oder  anerkannten  unabhängigen  Dynasten  ein- 
fache stiftische  Beamte  zu  bringen,  wobei  die  vielfach 
den  Hochstiftern  verliehenen  Grafenrechte  in  verschie- 
denen Gauen  oder  Theilen  derselben  wesentlich  unter- 
stützten. Sehr  erleichtert  wurde  dies  Streben  der  geist- 
lichen Herren  durch  das  stete  Geldbedürfnis  des  im 
Niedergänge  begriifenen  hohen  Adels,  den  wir  in  seiner 
grossen  Mehrzahl  durch  unaufhörliche  Fehden,  Kreuz- 
züge und  mangelhafte  Wirthschaft  emer  rapiden  Ver- 
armung entgegensteuern  sehen.    So  war  es  auch  mit  den 


bürg  (Forschungen  z.  D.  Gesch.  XII,  297  flg.)  nnfl  die  Anfsätze  von 
Holstein,  von  Mülverstedt  und  von  Arnstedt  in  den  Magde- 
burgischen Geschichtsblätteru  Band  VI  und  VII. 


Das  Wapppii  fies  Kurfürstenthuras  Sachsen  etc.  83 

Burggrafen  von  Magdeburg  aus  dem  Hause  Querfurt  der 
Fall.  Seit  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  berichtet  eine 
Reihe  von  Urkunden  über  Aufgeben  von  vogteilichen 
Eechten  und  Veräusserung  von  Beneflzialgütern,  wozu 
die  kräftigen  Erzbischöfe  Albrecht  und  Wilbrand  den 
Bui'ggrafen  Burchard  drängten.  Unter  seinem  Sohne 
wui'den  die  Transaktionen  auf  Überlassung  des  gesamten 
Burggrafthums  ausgedehnt,  für  welches  sich  in  der  Person 
des  benachbarten  Herzogs  von  Sachsen  nicht  bloss  ein 
zahlungsfähiger  Käufer,  sondern,  wie  in  ^delen  ähnlichen 
Fällen,  die  Wahrscheinlichkeit  bot,  später  gegen  ander- 
weite Geldopfer  oder  Überlassung  von  Titel  und  Bene- 
fizialgut  ganz  die  richterlichen  Befugnisse  an  das  Erz- 
stift zu  bringen.  Dabei  war  das  eben  entstandene  kleine 
Herzogthum  Sachsen  dem  mächtigen  Erzbisthum  gegen- 
über nicht  bedeutend  genug,  um  aus  den  Eechten  des 
Gerichtsbannes  die  Wurzel  späterer  Territorialhoheit  bil- 
den zu  können.  Der  Erfolg  zeigte,  dass  die  geistlichen 
Herren  sich  nicht  verrechnet  hatten;  nicht  drei  Jahr- 
zehnte nach  Übertragung  des  Burggrafthums  auf  die 
Herzöge  von  Sachsen  befand  sich  das  Erzstift  im  Be- 
sitze der  vogteilichen  Rechte,  der  Grafengedinge  und 
der  Schultheissenämter  in  Magdeburg,  wie  in  Halle. 

Wann  die  Verhandlungen  mit  Herzog.  Albert  I.  be- 
gonnen haben,  darüber  fehlt  uns  der  urkundliche  Nacli- 
Aveis,  aber  unmittelbar  nach  seinem  Tode  sehen  wir  die 
herzogliche  Witwe  Helena  mit  ihren  beiden  noch  mino- 
rennen Söhnen,  Johann  und  Albert  IL,  im  Besitze  der 
später  sogenannten  burggräflichen  Ämter  (Gommern, 
Elbenow,  Ranies.Gottow)  oder  des  Benefizialgutes,  welches 
ihnen  vermuthlich  der  geldbedürftige  Burggraf  l^ei-eits 
unterpfändlich  eingeräumt  hatte,  bevor  es  zur  definitiven 
Abtretung  kam,  denn  diese  scheint  erst  unmittelbar  nach 
dem  Tode  des  Burggrafen  1269  durch  dessen  gleich- 
namigen Sohn  unter  Vermitthmg  des  Erzbischofs  statt- 
gefunden zu  haben.  Dieser  letzte  wirkliche  Burggraf 
aus  querfurtischem  Stamm  nannte  sich  seitdem  quomlam 
oder  dictas  hurfjravius,  auch  nacli  dem  Schlosse  Rosen- 
burg, das  ihm,  wie  es  scheint,  vom  Erzstifte  als  Ent- 
schädigung eingeräumt  war,  um  nach  seinem  unbeerbten 
Tode  später  als  Lehen  den  Edlen  von  Barby  gereicht 
zu  werden. 

Als  Amtswappen  des  Buiggrnfthums  ward  scJion  im 
IB.  .Tahrlnnidert    der  Adler  geführt   (roth  in    silber   und 

6* 


84  B-  Freiherr  von  Mansberg; 

auch  umgekehrt).  AVeimgleich  nach  den  wenigen  bekannt 
gewordenen  Siegehi  die  burg-gräfliche  Linie  des  Hauses 
Querfurt  sonderbarerweise  den  Adler  niclit  geführt  zu 
haben  scheint,  so  haben  doch  gerade  die  in  Titel  und 
Wappen  Anspruch  auf  das  Burggrafthum  erhebenden 
anderen  Linien  dieses  Hauses  den  Adler  als  solches  An- 
spruchswappen dokumentiert  und  erst  in  späterer  Zeit, 
als  alle  x\nsprüche  aussichtslos  geworden,  wieder  fallen 
lassen,  Avährend  der  (roth  und  silbern  getheilte)  Balken- 
schild das  allen  Linien  gemeinsame  Stammeswappen 
war  und  l)is  zu  deren  Aussterben  beibehalten  ist,  sowohl 
von  den  Herren  zu  Querfurt  selbst,  wie  von  denen  zu 
Mansfeld  und  denen  zu  Schraplau^^).  Ebenso  haben  die 
Burggrafen  von  Magdeburg  aus  dem  Hause  Hardek  im 
14.  und  15.  Jahrhundert  den  Adler  mit  dem  Balkenschild 
vereint,  als  Wappen  des  Burggrafthum s  angenonmien^"), 
und  in  gleicher  Weise  ist  er  als  Symbol  für  diese  Würde 
im  zweiten  Drittel  des  16.  Jahrhunderts  in  das  Wappen 
des  Kurfürstenthums  Sachsen  gelangt. 

Durch  Vereinigung  dieses  burggräflichen  Adlers  mit 
dem  alten  Ballenstedtschen  Schilde  wurde  indessen  das 
AVappen  der  AVittenberger  Herzöge  (ohne  Angabe  der 
Farben)  ganz  genau  gleich  jenem,  mit  welchem  die 
Agnaten  der  ehemaligen  Burggrafen  ihre  Ansprüche  doku- 
mentierten, und  diese  Sachlage  eben  wird  die  neuen  In- 
haber des  Burggrafthums  zur  iinnahme  eines  auffälligen 
Beizeicheus  bewogen  haben.  Hierzu  wurde  ein  stili- 
sierter Laub  reis^^)  gewählt,  den  man  als  ornamentierten 
Schrägbalken  schräglinks  über  den  ganzen  Doppelschild 
legte,  später  über  den  Ballenstedter  allein,  den  es  ja 
vornehmlich  von  dem  Querfurter  zu  unterscheiden  galt. 
Seitdem  es  Mode  wurde,  die  Schrägbalken  überhaupt 
von  rechts  oben  nach  links  unten  zu  ziehen,  ist  auch  das 


*»)  Vgl.  V.  Mülverstedt's  Besprechung  der  burggräflichen 
Siegel  in  den  Magdeburgischen  Geschichtsblättern  VI  (1871). 

^")  Vgl,  Gebhardi,  Genealogische  Geschichte  der  erblichen 
Reichsstände  III,  274. 

^')  An  welche  Art  von  Blättern  man  dabei  gedacht  hat.  kann 
uns,  im  Grunde  genommen,  ganz  gieicligültig  sein,  aber  dass  es  ein 
Laub  reis  und  nur  ein  solcher,  geht  aus  der  Farbe  und  der  überall 
ähnlich  behandelten  Stylisieruug  heraldischer  Blätter  hervor.  Am 
Überzeugendsten  wirkt  in  dieser  Beziehung  die  Abbildung  eines 
schönen  sächsischen  Siegels  aus  den  Jahren  1315 — 1360,  welche 
Fürst  Hohen  lohe  in  den  Neuen  Mittheilungeu  XI  (18fi7)  zu 
S.  516  giebt. 


Das  Wappen  des  Kiirfürstenthmns  Sachsen  etc.  85 

säelisisclie  Beizeicheu  zu  einem  rechten  Schräg'balken 
geworden,  wenngleich  derselbe  noch  an  dem  Grabmal 
des  1418  verstorbenen  Herzogs  Rudolf  in  der  Schlosskirche 
zu  Wittenberg  schrägiinks  auf  der   Helmzier   erscheint. 

Der  unmittelbare  Zus^ammenhang  des  Beizeichens 
mit  der  Er\\erbung  des  Burggrafthums  Magdeburg  scheint 
noch  aus  anderen  Daten  hervorzugehen.  'Die  beiden 
herzoglichen  Brüder,  Johann  und  Albert,  erwarben  das- 
selbe, wenigstens  das  dazu  gehörige  Benefizialgut .  ge- 
meinschaftlich und  führen  auf  ihren  gemeinschaftlichen 
Siegeln  auch  das  erwählte  Beizeichen  (noch  1268);  als 
dasselbe  nachgehends  der  Wittenberger  Linie  allein  ver- 
blieb, siegeln  beide  Brüder^-)  so,  dass  Alberts  Siegel  in 
der  Legende  den  Titel  hin-gravhis  in  Mafjdhchitrr]/  und 
im  Schilde  das  Beizeichen  führt,  während  das  Siegel 
Johanns,  nicht  den  Titel,  aber  aucli  nicht  das  Beizeichen 
trägt.  Ül)erdies  hat  der  letzte  wirkliche  Biu;ggraf  aus 
dem  Querfmter  Stamm,  der  sich  urkundlich  qnoudam 
hurgraviiis  nennt,  sein  Wappen  ^^)  ebenfalls  mit  dem 
Eautenkranz  versehen  und  damit  offenbar  andeuten  wollen, 
dass  er  zum  Unterschied  von  seinen  bloss  leeren  An- 
s])ruch  erhebenden  Vettern^ ^)  derjenige  sei.  Avelcher  den 
dermaligen  faktischen  Inhabern  Würde  und  Besitz  al)- 
getreten  habe.  Wir  sehen  darin  ein  vollständiges  Ana- 
logon  zu  dem  oben  erwähntem  Vorgang  mit  dem  orla- 
mündischen  Wappen,  welches,  nachdem  es  die  Land- 
grafen von  Tliüringen  mit  einem  Beizeicheu.  den  ge- 
streuten Blättern,  versehen,  nunmehr  auch  in  dieser 
veränderten  Weise  von  den  Nachkommen  der  ehemaligen 
Besitzer  der  Grafschaft  Orlamünde  adoptiert  wurde. 

Wenn  der  burggräliiche  .Vdler  schon  in  der  folgen- 
den herzoglichen  Generation  wieder  aus  dem  sächsischen 
Wappen  verschwand,  so  liegt  der  Zusammeidiang  mit 
der  bereits  im  Jahre  1294  vorgenommenen  Veräusserung 


**)  Schon  Zollmann  hat  in  seinem  Erläuterten  sächsischen 
Hauptvvapi)pn  (1723)  die  hei  den  verschiedenen  Sieg-cl  der  Brüder  an 
einer  gemeinsrhnftlieh  ansgestellton  Krknn(h'  von  1273  gegeben  und 
auf  diese  seine  phantasiereiclie  Erkliiiung  gegründet. 

**)  Abhildung  auf  der  sphragistischen  T.eilage  zu  den  ]\ragde- 
hurgischeu  (Teschichtshhittern  \\   (lft71). 

^')  Von  diesen  Vettern  hat  sich  ein  Tituhir-Buriigraf  von  J\Iagde- 
hurg  in  der  meissnischen  üeschiclite  sehr  lienierklich  gemacht,  der 
nämlicli,  vvehher  1299  als  des  Königs  Wenzel  von  Böhmen  Statt- 
halter in  Meissen  und  im  Pleissnerlamle  (während  der  Verpfändung 
an  Böhmen)  erscheint. 


gß  R.  Freiherr  von  Mansberg: 

respektive  Verpfändung  des  Burggraftlnuns  nahe  genug  ^^). 
Zwar  hat  Herzog  Eudolf  I.  bald  wieder  das  Schloss 
Gommern  und  1343  den  Rest  der  Benefizialgüter  an 
seüi  Haus  zurückgebracht,  allein  der  letzte  Askanier, 
Albert  III.,  versetzte  abermals  die  burggräflichen  Ämter 
und  zwar  1419  an  den  Stadtrath  von  Magdeburg,  von 
dem  sie  über  hundert  Jahre  später  erst  das  Haus  Wettin 
wieder  zu  lösen  vermochte.  Zwischen  diesem  Hause 
und  dem  Erzstifte  erhob  sich  nach  der  Belehnung  Fried- 
rich des  Streitbaren  mit  dem  Burggrafthum  Magdeburg 
1425  ein  äusserst  langwieriger  Streit  wegen  des  Grafen- 
gedinges, der  erst  1579  in  dem  Eislebenschen  Tausch- 
rezess  seinen  Abschluss  fand. 

Als  Kleinod  führten  die  Herzoge  von  Sachsen  den 
ritterlichen  Hut  oder  Chaperon,  niedrig  und  breitkrämpig, 
daher  ohne  Aufstülpung.  In  einem  Siegel  Alberts  II. 
vom  Jahre  1293^®)  sind  die  Schildesfiguren  zum  ersten 
Male  auf  diesem  Hute  wiederholt,  merkwürdigerweise 
ohne  den  Rautenkranz.  Der  Hut  ist  später  immer  höher 
und  schliesslich  zu  einer  geki^önten  Säule  geworden,  an 
der  man  die  Schildesflguren  vollständig  wiederholte. 

Die  zwar  von  der  älteren  Linie  zu  Lauenburg  un- 
ausgesetzt bestrittenen  Vorrechte  bei  der  Wahl  eines 
römischen  Königs  wurden  in  der  goldenen  Bulle  Kaiser 
Karls  IV.  fixiert,  dem  Hause  Wittenberg  für  immer 
zugesprochen  und,  wie  bei  den  übrigen  Kurfürsten,  an 
die  Ertheilung  eines  sogenamiten  Reichs  er  zamt  es  ge- 
knüpft. Demgemäss  nennt  sich  Herzog  Rudolf  I.  seit- 
dem „des  Heil.  Rom.  Reichs  ubirsten  Marschalk",  doch 
erscheinen  die  Insignien  dafür  oder  das  Amtswappen 
erst  1375^^).     Sehr  viel  später  noch   kam   die  Bezeich- 


^')  Der  auf  blosse  Vermutliungen  gegründete  Versuch  von 
F.  "Winter  in  den  Neuen  Mittheilungen  X  (186H),  231  tig.  kann 
uns  nicht  davon  überzeugen,  dass  die  so  lange  Zeit  offiziell  als 
burggräfliche  Ämter  bezeichneten  Orte  in  gar  keinem  Zusammen- 
hang mit  dem  Burggraf enthum  gestanden  hätten.  In  der  Ver- 
pfändungsurkunde d.  d.  Wittenberg  19.  Dezcmlier  1419  (abgedruckt 
bei  Hörn,  Friedrich  der  Streitbare,  212)  nimmt  der  Herzog  aus- 
drücklich alles  aus,  was  von  seinen  Eltern  zu  dem  Schloss  und 
(lericht  Gommern  hinzugethan  (auch  „unser  Closter  zu  Ploczk")  „die 
hinfurder  zu  dem  eguanten  Slos  nicht  volgeu  sulleu".  Das  Kloster 
Plötzky  hat  also  nur  vorübergehend  in  Verbindung  mit  dem  Gericht 
Gommern  gestanden. 

««)  HStA.  Orig.  No.  1445. 

").  HStA.  Orig.  No.  4130. 


Das  Wappen  des  Kurfürstenthuras  Sachsen  etc.  87 

iiimg  iwinceps  elector  als  wii^klicher  permanenter  Titel 
auf;  noch  Friedrich  der  Streitbare  hat  sich  niemals  ur- 
kmidlich  so  genannt,  weil  man  die  Kurrechte  unter  dem 
Titel  Erzmarschall  begriifen  erachtete.  Warum  man 
hier  zwei  Schwerter  als  Amtswappen  wählte,  hat  uns 
schon  Hörn  völlig  zutrettend  mitgetheilt^*).  „Welchem- 
nach  wohl  gewiss  bleibet,  dass  man  Sächsischerseits  die 
Schwerdter  aus  keinem  anderen  Bewegniss  dupliret  und 
Creutzweis  über  einander  gelegt  alß  bloß  weil  es  zier- 
licher zu  lassen  schiene,  würde  auch  ausser  dem  genug 
geAvesen  seyn,  wenn  zu  Anzeige  des  Ertz-Marschall- 
Ambtes  nur  ein  einzelnes  erkieset  worden". 

Mit  dem  Herzogthum  Sachsen  fiel  Friedrich  dem 
Streitbaren  1425  über  die  Grrafschaft  Barl)y  die  Leims- 
hoheit zu,  welche  das  ^tift  Quedlinburg  1B59  dem  Herzog 
Eudolf  abgetreten  hatte.  Schon  Ende  des  iO.  Jahr- 
hunderts war  dem  Stifte  die  kaiserliche  Burgward  Bar- 
boie  geschenkt,  in  deren  Lehnbesitz  1194  ein  Walter 
von  Arnstem  erscheint,  dessen  jüngster  gleichnamiger 
Sohn  dort  den  Stamm  der  Edlen  von  Barby  gründete. 
Der  Besitz  dieser  Dynasten  vergrösserte  sich  durch 
weitere  Er\verl)ungen  und  Belehnungen  von  Seiten  des 
Erzbisthums  Magdeburg  ( 18o0  Eosenburg)  und  der 
Fürsten  von  Anhalt  (1334  Mühlingen),  sie  nennen  sich 
seit  1 334  Grafen  von  Mühlingen  und  seit  1 497,  in  welchem 
Jahre  Kaiser  Max  die  Herrschaft  Barl)y  zu  einer  Reichs- 
grafschaft erhol),  Grafen  von  Barby.  Als  solche  führten 
sie  eine  Kuriatstimme  im  westfälischen  Grafenkolleg 
sowie  eine"  Stimme  beim  obersächsischen  Kreise,  zu 
einem  Römermonat  hatten  sie  20  Gulden  zu  zahleu. 
Mit  dem  Tode  des  Grafen  August  Ludwig  am  17.  Ok- 
tober 1659  erlosch  das  gräfliche  Haus,  und  die  bezüg- 
lichen Lehnsherren  theilten  sich  nicht  ohne  einige  Diffe- 
i'enzen  in  die  ansehnliclie  Hinterlassenschaft.  Fvurfürst 
Johann  Georg  IL  von  Sachsen,  dem  die  eigentliche 
Grafschaft  Barby  zufiel,  liess  als  Symbol  derselben  ein 
redendes  Wappen,  zwei  gekrünnnte  Barben  (von  vier 
Röschen  begleitet  mit  Beziehung  auf  die  Herrscliaft 
Rosenburg),  dem  grossen  Schikle  des  Kurfürstentliums 
inkorporieren.  Dieses  Wapjjen.  welches  nach  einigen 
schon  1497  entstanden  sein  soll,  tindet  sich  mir  auf  dem 
Grabmal  des    letzten  Grafen    in   der  Johanniskirche   zu 


')  Leben  Friedlich  des  Streitbaren  573. 


88  R-  Freiherr  von  Mansberg : 

Barby^^),  ist  aber  in  Siegeln  nnd  dergleichen  niemals  V(>n 
den  Grafen  geführt  worden.  Das  eigentliche  Wappen 
derselben  war  der  Arnsteiner  xldler,  der  aus  unbekannten 
Gründen  längere  Zeit  (wie  es  scheint  von  1250 — 1350) 
mit  einem  Balkenschilde  vereint  wurde,  bis  die  Grafen 
zu  dem  erweislichen  Urwappen  der  Arnsteiner.  dem  ein- 
fachen Adler,  zurückkehrten,  der  Ende  des  16.  Jahrh. 
mit  einer  Rose  quadriert  wurde  wegen  Rosenburg. 

Das  Pf alzgrafthum  in  Sachsen  führt  uns,  hi so- 
weit man  bloss  den  Territorialbezirk  der  dazu  gehörigen 
Benefizialgüter  ins  Auge  fasst,  wieder  nach  dem  Norden 
von  Thüringen  zurück,  denn  hier  befand  sich  im  nach- 
maligen weimarischen  Amte  Allstedt  das  Grafengedinge 
der  kaiserlichen  Hauptpfalz  Altstede,  dem  die  übrigen 
sächsischen  Pfalzen  zu  Grona  (bei  Göttingen),  Werla 
(bei  Goslar),  Walhausen,  Lauchstedt,  Dornburg  u.  a, 
untergeordnet  waren.  Die  staatsrechtliche  Bedeutung 
des  Pfalzgrafthums  und  seine  Geschichte  sind  einiger- 
massen  verwickelter  Natur  und  lassen  sich  nicht  mit 
wenigen  Worten  erledigen"").  Im  allgemeinen  kann  man 
bemerken,  dass  zu  den  Hauptfunktioneu  der  Vorsitz  im 
obersten  Reichsgericht  des  alten  Herzogthums  Sachsen 
gehörte,  dass  überhaupt  l)ei  der  Würde  des  Pfalzgrafen 
immer  die  unmittelbare  amtliche  Vertretung  des  Kaisers, 
das  Vikariat,  in  den  Vordergrund  tritt,  namentlich  gegen- 
über den  Fürsten  und  dem  Landesherzog,  welch'  letzterem 
der  Pfalzgraf  ge Wissermassen  zur  Kontrolle  und  zum 
Hüter  der  Reichsdomänen  gesetzt  war.  Die  staatsrecht- 
liche Bedeutung  ward  in  dem  langen  Kaihpfe  König 
Heinrichs  IV.  mit  dem  sächsischen  Volke  gewaltig  er- 
schüttert und  noch  mehr  verwirrt  während  des  langen 
Interregnums  im  13.  Jahrhundert.  Da  nach  dem  Er- 
löschen des  pfalzgräflichen  Hauses  von  Sommersenbui'g 
nnd  Beseitigung  der  weltischen  Ansprüche  die  Land- 
grafen von  Thüringen  seit  der  kaiserlichen  Belehnung 
im  Jahre  1181  das  Pf  alzgrafthum  besassen.  so  nahm 
Heinrich  dei-  Erlauchte  als  Erbe  derselben  und  in  Ge- 


**)  Vgl.  Epitaphia  Barbejana  in  den  Magdeburger  Geschielits- 
blättern  III  (1869). 

«0)  Yg\.  E.  Gervais,  Geschichte  der  Pfalzgrafen  von  Sachsen, 
in  den  Neuen  Mittheilungen  IV-VI  (Halle  1840^-^1842).  Auch 
Heydenreich,  Entwurf  einer  Historie  der  Pfalzgrafen  (1740)  ist 
schätzenswerth  wegen  des  gebotenen  urkundlichen  Materials  und 
der,  wenn  auch  unschön  ausgeführten,  Siegel-  und  Münzabbildungen. 


Das  Wappen  des  Kurfürstentluiiiis  Sachsen  etc.  89 

mässlieit  kaiserliclier  Eventiialbeleliiimig'*')  solches  in  An- 
sprucl]  und  scheint  sicli  darin  auch  bis  zu  seinem  Lebens- 
ende behauptet  zu  lial)en,  wie  denn  noch  in  seinem  Todes- 
jahre 12^8  der  Enkel,  Friedrich  der  Gebissene,  als 
bezüglicher  Erbe  urkundlich  mit  Titel  und  Wappen  als 
comes  jKilatiniis  Saxonie  erscheint*^'-).  Allein  König  Ru- 
dolf belieb  seinen  Schwiegersohn,  Albert  von  Sachsen, 
mit  der  Pfalz  als  einem  erledigten  feadum  mciscnlinuut 
von  Eeichswegen ,  Avenngleich  das  Haus  Wettin  einen 
Theil  wenigstens  desBenelizialgutes  l)ehielt  (Lauchstedt**^) 
mit  Freiburg  und  Dornburg),  auch  1350  vom  Kaiser 
Karl  IV.  mit  der  Pfalz  zu  Lauchstedt  ausdrücklich  be- 
lehnt wurde.  Hieraus  ist  nachgehends  der  irrige  Begriff 
einer  Doppelpfalz,  der  zu  Sachsen  und  der  zu  Thürhigen, 
entstanden,  \rie  er  in  dem  voiliandenen  doppelten  Wappen 
zum  Ausdruck  kommt.  Der  pfalzgräfliche  Adler  scheint, 
nach  Münzen  zu  nrtheilen**^).  schon  das  Emblem  der 
Grafen  von  Sonmiersenburg  gebildet  zu  haben  und  kommt 
sogar  schon  auf  einem  Siegel  1181  vor,  auf  welchem  der 
Schild  des  zuerst  mit  dem  Pfalzgrafthum  belelmten  Land- 
grafen von  Thüringen  den  Adler  zeigt  **').  Mit  dem  Her- 
zogthum  Saclisen  erhielt  Friedrich  der  Streitbare  1425 
auch  das  Pfalzgrafen amt,  worauf  sich  später  das  bei 
einer  Thronerledigung  von  dem  Kurfürsten  von  Saclisen 
in  den  Ländern  sächsischen  Bechts  ausgeübte  Vikariat 
oder  Reichsverweseramt  stützte. 

Der  durch  Herzog  Johann  in  Lauenburg  gestiftete 
ältere  Zweig  des  askanisch- sächsischen  Hauses  ver- 
einigte mit  seinem  nachgehends  aucli  mit  dem  Witten- 
berger Beizeichen  versehenen  Faniilienschilde  das  Heri'- 
schafts-  oder  Landeswappen  von  Lauenburg,  zu  \\  elchem 
in  historisch  begründeter  Weise  das  springende  Ross  der 
Grafen  von  SchAverin  genommen  wurde,  aus  deren  Händen 
eben  Lauenburg  in  askanischen  Besitz  gelangt  war.  Da 
trotz   aller   in   jeder    Generation    wiederholten   Proteste 


"')  Vs'l.  oben  Note  42. 

''^)  Siegel  im  HStA.aii  Orig.  Xo.  1195,  abgebildet  bei  Hey  den - 
reich  1.  c.  No.  14. 

"')  Lauchstedt  wurde  anscheinend  in  Gemeinsclnxi'f  mit  der 
sogenannten  ^fark  Landsberil-  nach  1291  verpfändet,  iiclangte  an 
das  Erzstift  Magdcburti'  und  -wnrde  von  diesem  1444  (mit  Scliai)Ow) 
dem  liisthnm  Mcisebury  verkauft. 

")  Abbildung  der  Bracteaten  bei  Hej'denreich  1.  c.  No.  1—8 
der  Tafeln. 

''^)  Das  interessante  Siegel  Ludwigs  im  HStA.  au  Orig.  No,  85. 


90  R-  Freiherr  von  Mansberg: 

gegen  die  dem  jüngeren  ZAveige  ertheilte  Kurwürde  "*^) 
die  Lauenburger  nicht  zu  höheren  Ansehen  gelangen 
komiten,  S(j  erhoben  sie  wenigstens  energischen  Anspruch 
auf  alle  der  Wittenberger  Linie  verliehene  Lande  und 
AVürden  und  gaben  diesen  xlnspruch  auch  äusserlich 
i\.usdruck  durch  Annahme  aller  der  Wappen,  welche  die 
jüngere  Linie  auf  Grund  wirklichen  Besitzes  führte,  mit 
Ausnahme  natürlich  der  Insignien  des  Eeichserzamtes. 
zu  deren  Führung  in  jedem  Kurhaus  überhaupt  nur  ein 
einzelner,  der  regierende  Kurfürst  selbst,  berechtigt  war. 
Da  nun  für  die  politisch  nie  existierenden  Herzogthümer 
Engern  und  Westfalen  kein  AVappen  zu  finden  war, 
das  askanisch- sächsische  Haus  jedoch  mit  diesen  Titeln 
sich  schmückte,  obwohl  sie  in  keinem  kaiserlichen  Lehen- 
briefe enthalten  waren,  so  haben  die  Lauenburger  diesen 
mythischen  Herzogthümern  die  schon  üi  ihren  Wappen 
aufgenommenen  Schildesfiguren  des  Pfalzgrafthums  und 
der  Grafschaft  Brena  octroyiert  und  damit  eine  heillose 
Verwirrung  angerichtet ,  aus  der  sich  der  Heraldiker 
ohne  historische  Detailkenntnisse  noch  heute  nicht  heraus- 
zufinden vermag.  Je  weniger  die  Lauenburger  Herzöge 
in  der  Durchsetzung  ihrer  Erbansprüche  bei  dem  Aus- 
sterben agnatischer  Häuser  (wie  Brandenburg,  Sachsen) 
erreichten,  um  so  mehr  scheint  ihr  Bestreben  gestiegen 
zu  sein,  durch  deren  Titel  ohne  historischen  Rechtsgrund 
ihr  Ansehen  zu  steigern.  Das  Schweriner  Ross  in  ihrem 
Wappen  musste  zum  Wappenbilde  von  Niedersachsen 
erklärt  werden,  um  auch  auf  dieses  alte,  von  Bernhard 
von  Ballenstedt  hergeleitete  iVnsprüche  zu  erheben,  wäh- 
rend der  wittenbergische  Schild  die  Ansprüche  auf  die  ge- 
sammten  obersächsischen  Lande  darstellen  sollte.  Als  diese 
ebenso  titelreichen  wie  länderarmen  „Herzoge  zu  Ober - 
und  zu  Niedersachsen,  zu  Engern  und  West- 
falen" im  Jahre  1689  erloschen,  ergriffen  die  Herzoge 
von  Lüneburg  wieder  von  dem  ihrem  Ahnherrn  einst 
entrissenen  Ländchen  Lauenburg  Besitz  und  verglichen 
sich  deswegen  1697  mit  dem  Kurhause  Sachsen,  das  mit 
dem  letzten  Herzoge  von  Lauenburg  1670  eine  Erbver- 
brüderung geschlossen  und  daraufhin  die  Ijeiden  Phantasie- 
wappen von  Engern  und  Westfalen  in  seinen  Schild 
schon  aufgenommen  hatte. 

fl«)  Vgl.   Sachse,  Der   Streit   um   die  sächsische  Kurwiirde, 
in  V.  Webers  Archiv  für  die  Sachs.  Gesch.  V,  202  flg. 


Diis  Wappen  des  Kurfurstciithunis  Sachsen  etc.  91 

So  wenig'  die  Aufnahme  zweier  jedes  historischen 
Sinnes  entbehrender  Titelwappen  zu  billigen  ist,  so  un- 
zweifelhaft begründet  ist  die  Annahme  einer  Reihe  von 
fünf  Ansprnchswappen .  av eiche  sämtlich  dem  Schilde 
des  letzten  160U  verstorbenen  Herzogs  von  Cleve  ent- 
stammen. In  dessen  bedeutenden  Länderbesitz  theilten 
sich,  wiewohl  selbst  nicht  ohne  heftigen  langwährenden 
Streit.  Pfalzneuburg  und  Brandenburg,  wähi'end  das 
sächsische  Haus  leer  ausging.  Gleichwohl  hatte  schon  Her- 
zog Albert  der  Beherzte  1483  durch  Kaiser  Friedrich  III. 
eine  Anw^artschaft  auf  die  Jülich -Bergschen  Lande  er- 
halten, welche  später  durch  Kaiser  Maximilian  auf  die 
Sachsen  -  ernestinische  Linie  ausgedehnt  wurde,  und,  Be- 
zug nehmend  auf  diese  unbestreitbaren  kaiserlichen  An- 
wartschaften, war  1526  in  den  vom  Kaiser  ebenfalls 
wieder  l)estätigten  Ehepakten,  vor  der  Vermählung  des 
Kurfürsten  Joliann  Friedrich  mit  Sibjdla  von  Cleve.  die 
Erbfolge  des  sächsischen  Fürstenhauses  in  den  Jülich- 
Cleve- Bergschen  Landen  festgestellt  worden,  für 
den  Fall  des  Aussterbens  ihrer  Herzöge.  Seitdem  wurde 
das  kurfüi-stliche  Hans  auch  beständig  vom  Kaiser  mit 
jenen  Landen  belehnt,  ja  bei  dem  westfälischen  Frieden 
ist  in  einem  besonderen  Paragraphen  des  Artikels  4  das 
Becht  des  Hauses  anerkannt  und  verordnet  w^orden,  dass 
„diese  Sach  vor  Ihro  Kayl.  Maiestät  fordersamst  durch 
gütliche  oder  andere  billiche  Mittel  und  Eechts-P]-ocess 
außgemachet  werden  solle".  Das  kur-  und  fürstliche 
Haus  hat  nichts  destoweniger  keine  Quadratmeile  von 
den  ihm  rechtmässig  gebührenden  Landen,  sondern  bloss 
deren  Titel  und  Wappen  erlangt,  das  Ansprucliswai)pen 
ist  schliesslich  zu  einem  Gedächtniswappen  geworden, 
das  nur  die  Erinnerung  an  ein  dem  Fürstenhause  zuge- 
fügtes schw^eres  Unrecht  lebendig  erhalten  konnte"'). 

Die  in  unserem  Schilde  der  Zeit  ihrei'  Aufnahme 
nach  jüngsten  Wappen  sind  die  der  Markgrafthümer 
Nieder-  und  Oberlausitz.  Beide  Länder  haben  das 
eigenthümliche  Schicksal  gehabt,  niemals  selbständig  zu 
sein,  sondern  stets  Anliängsel  eines  gri'isseren  Staates  zu 
l)ilden.  Bekanntermassen  gehörte  die  Niederlausilz. 
deren  zuerst  107.5  ErAvähuung  geschieht,  zur  Mfirrltla 
orientaUs  und  kann  füglich  als  altwettinischer  Besitz 
betrachtet  werden,  der  erst  durch  die  Veräusserung  von 


')  Eine  Zusammenstellung  obig.  Daten  giebt  schon  H  ö  n  n  1  c.  25. 


92  R-  FieiheiT  von  Mansberg 


ö  ■ 


Markgraf  Dieziiiaiin  um  1303  in  fremde  Hände  gerieth. 
Nach  wecliselvollen  Schicksalen  hat  die  schlaue  Politik 
des  ländergierigen  Kaisers  Karl  IV.  beide  Länder  ver- 
eint zur  Krone  von  Böhmen  gebracht,  von  der  sie  be- 
kanntlich erst  1635  im  Frieden  zu  Prag  dem  Kurfürsten 
Johann  Georg  I.  abgetreten  wurden  als  Ersatz  für  die 
bei  dem  Beginne  des  dreissigj  ährigen  Krieges  im  Inter- 
esse des  Kaisers  aufgewendeten  Kriegskosten.  Die 
Wappen  der  Markgrafthümer  gehörten  keiner  dynasti- 
schen Familie  an,  sondern  sind  Städtewappen,  die  erst 
im  Laufe  des  14.  Jahrhunderts  entstanden ;  für  die 
Niederlausitz  nahm  man  das  Wappen  der  Stadt  Luckau, 
für  die  Oberlausitz  das  der  Stadt  Bautzen.  In  der  des 
Raumes  wegen  hier  nicht  näher  zu  erörterndeii  Geschichte 
der  beiden  Länder  ist  der  Grund  zu  suchen,  dass  auf 
den  Siegeln  böhmischer  Könige  im  15.  Jahrhundert  meist 
nur  das  Wappen  der  Mederlausitz  für  beide  Markgraf- 
thümer sich  findet  und  das  der  Oberlausitz  sehr  selten 
nur  vorkommt*^**). 

Zuletzt  weist  unser  grosser  Schild  auf  einem  Platze 
(24.)  noch  ein  leeres  Feld.  Aber  dasselbe  ist  nur  schein- 
bar leer,  denn  die  rothe  Farbe  ist  eben  seine  Schildes- 
figur,  entsprechend  der  rothen  oder  Blutfalme,  durch 
welche  die  Kaiser  bei  Ertheilung  der  grossen  Reichs- 
fahnenlehen**^)  symbolisch  die  Belehnung  mit  den  „Ge- 
richten über  Hals  und  Hand"  anzudeuten  pflegten.  AVegen 
dieser  Symbolik  hat  man  den  einfach  rothen  Schild  den 
der  Regalien  genannt  Seine  Aufnahme  in  die  Wappen 
verschiedener  alt  fürstlicher  Häuser  schreibt  sich  übri- 
gens erst  aus  der  Zeit  des  16.  Jahrhunderts  und  kam 
mit  Beginn  unseres,  des  19.  Jahrhunderts,  ganz  aus  der 
Mode. 

Wir  süid  am  Ende  unserer  historisch-topographischen 
Wanderung  und  Avieder   im  19.  Jahrhundert   angelangt. 


*')  Hinsichtlich  des  Wappens  der  OberLausitz  \gl.  Knothe  in 
dieser  Zeitschrift  III.  97  flg. 

*')  Solcher  Reichsfahnenlehen  gab  es  in  Sachsen  (Ober-  und 
Niedersachsen)  vor  Errichtung  des  Herzogthums  Braunschweig- 
Lünelmrg  1235  sieben,  wie  uns  schon  Eckard  von  Reppichau  im 
Sachsenspiegel  Buch  III,  Art.  62  mittheilt:  Scven  vanleu  siiif  öl- 
ine  lande  to  Sassen,  daf  herfochdum  to  sasscn  tmde  die  palentze, 
die  marke  to  hrandenhnrg ,  die  lantgrafscap  to  doringen,  die. 
marke  to  miscne,  die  marke  to  htsifz,  die  t/rafscap  ascliersJevc. 
Wie  man  sieht,  waren  schon  im  15.  Jahrhundert  vier  und  seit  1635 
fünf  von  diesen  Fahnenlihen  in  den  Händen  des  Hauses  Wettin. 


Das  Wappen  des  Kurfürst  Piit  Im  ins  Sachsen  etc.  93 

Verschwunden  ist  liente  das  farhenpräclitio-e  Bild  des 
alten  Kiiiiiirstontliums  Sachsen,  die  lleihe  glänzender 
Zeugen  einer  thatenreichen  Vergangenheit  ist  zusaninien- 
geschrinnpft  auf  den  einzigen  askanisch-sächsischen  Schild, 
das  Hoheitszeichen  des  jetzigen  Künigreichs.  Vergeblich 
si)ähen  \\ir  nach  dem  ehrwürdigen  Schild  der  Vv^ettiner, 
dem  Stammeswappen  unseres  Königshauses,  vergeblich 
suchen  wir  die  historischen  Löwen  von  Meissen  und 
Pleissen ;  herrlich  florieren  diese  Länder  unter  dem  säch- 
sischen Szepter,  weshalb  musste  ihr  altes  Smnbild  ver- 
schwinden? Weshalb  fehlt  m  dem  Wappen  des  König- 
reichs die  edle  Perle  seiner  Krone,  die  Oberlausitz? 
Sollte  das  äusserliche  Gedei^ken  einer  glorreichen  Ver- 
gangenheit nicht  mehr  angebracht  sein  in  dem  Zeitalter 
der  Elektrizität  und  des  Dampfes? 

Als  Kurfürst  Friedrich  August  der  Gerechte  den 
Königstitel  angenonmien,  erfolgte  am  29.  Dezember  1806 
eine  königliche  Verordnung")  über  Änderung  in  Titulatur 
und  Wappen,  in  welcher  es  heisst,  der  König  habe  für 
gut  befunden.  .,dass  die  in  Unserem  Namen  ausfertigenden 
Collegia  sich  vor  der  Hand  und  bis  auf  weitere 
Anordnung  ....  eines  Siegels,  in  welchem  Unser  bis- 
heriges Herzoglich -Sächsisches  Wappen  .  .  .  aufgenom- 
men .  .  .,  bedienen  ....  sollen".  Vorderhand  sind 
78  Jahre  verflossen,  möchte  doch  weitere  Anordnung 
i'echt  bald  erfolo-en! 


'")  Codex  Augusteus  Cont.  IJl.  J,  10. 


in. 


Beiträge   zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog 

Georg  von  Sachsen  und  Landgraf  Philipp  von 

Hessen.    1525—1527. 


Mitgetheilt  von 

W.  Friedensburg. 


Unter  dem  Titel  „Nachlese  einiger  zur  liessisclien 
Reformations- Historie  gehörigen  Urkunden  und  Brief- 
schaften" verötl'entlicht  Kuchenbecker  in  der  zehnten 
Sammlung  seiner  „Analecta  Hassiaca"  (1736)  S.  393  flg. 
eine  grössere  Zahl  von  Briefen  an  und  von  Landgraf 
Philipp  von  Hessen,  deren  Reihe  ein  Schreiben  Philipps 
an  den  Frauziskanerguardian  zu  Marburg,  Nikolaus 
Ferber,  aus  dem  Anfang  des  Jahres  1525  eröffnet,  in 
welchem  der  Landgraf  gegenüber  der  von  dem  Guardian 
an  ihn  gerichteten  Mahnung  an  der  alten  Kirche  fest- 
zuhalten, die  Gerechtigkeit  aus  dem  Glauben  als  Funda- 
ment der  Religion  hinstellt,  Christus  allein  als  Mittler 
zwischen  Gott  und  den  Menschen  anerkennt,  kurz,  sich 
bereits  deutlich  als  Anhänger  des  durcli  Luther  „wieder- 
gebrachten" Evangeliums  kundgiebt.  Ln  Hinblick  auf 
dieses  Schreiben  oedenkt  der  Herausoeher  in  der  Vor- 
rede  zur  zehnten  Sammlung  der  „Analecta"  eines  um 
dieselbe  Zeit  von  Philipp  mit  Herzog  Georg  von  Sachsen 
eigenhändig  gefidn-ten  Briefwechsels,  der  sich  im  „hessi- 
schen Hofarciiiv"  belinden  soll,  und  bemerkt  dazu,  dass, 
wenn  diese  Korrespondenz  einmal  an  das  Licht  treten 
sollte,  die  Welt  ob  der  tiefen  Einsicht  des  Landgrafen 
in  Glaubenssachen  werde  erstaunen  müssen. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.       95 

Von  den  Briefen^  welche  Kuchenbecker  hier  im  Auge 
hatte,  bekennt  später  Rommel,  er  habe  nur  zwei  der- 
selben auffinden  können');  er  hat  diese  unter  dem 
Jahresdatuni  1525  (welches  indes  nur  der  eine  trägt)  in 
dem  Urkundenband,  den  er  seiner  Geschichte  Landgraf 
Philipps  beigegeben,  aus  dem  damals  in  Kassel,  jetzt  in 
Marburg  befindlichen  hessischen  Archiv  veröffentlicht'''). 
Ausserdem  theilt  derselbe  Autor  in  den  Anmerkungen 
zum  dritten  Bande  seiner  Geschichte  von  Hessen  einen 
an  den  Landgrafen  gerichteten  Brief  Herzog  Georgs  aus 
dem  April  1525  mit,  welcher  ebenfalls  auf  die  religiöse 
Differenz  Bezug  nimmt  ^). 

Doch  ist  damit  der  Reichthum  des  Marburger  Archivs 
in  dieser  Beziehung  noch  nicht  völlig  erschöpft;  es  liegt 
dort  vielmehr  noch  ein  drittes  Schreiben  Philipps  an 
Georg  vom  22.  März  1526  vor.  Diese  Marburger  Archi- 
valien erfahren  nun  aber  eine  wesentliche  Ergänzung  und 
Bereicherung  aus  den  Religionsakten  des  Hauptstaats- 
archivs zu  Dresden.  Mit  Hilfe  derselben  ergiebt  sich 
eine  fortlaufende  Korrespondenz  zwischen  Philipp  und 
Georg  über  die  religiösen  Zeitfragen  zunächst  aus  den 
ersten  Monaten  des  Jahres  1525;  aber  der  Briefwechsel 
hierüber  wurde  dann  zu  Anfang  1526  nochmals  aufge- 
nommen, und  auch  aus  dem  letztgenannten  Jahre  liegt 
eine  Folge  von  Schreiben  und  Gegenschreiben  vor.  Ist 
nun  dieser  Briefwechsel  auch  insofern  erfolglos  geblieben, 
als  keiner  der  beiden  Korrespondenten  den  andern  zu 
seiner  Meinung  zu  bekehren  vermocht  hat,  so  bietet  er 
doch  ein  nicht  geringes  Interesse  dar. 

Es  kann  nicht  fehlen,  dass  in  einem  Briefwechsel 
wie  diesem,  dessen  Gegenstand  die  kostbarsten  Güter  des 
Lebens,  die  höclisten  Probleme,  welche  der  menschliche 
Geist  aufzustellen  vermag,  bilden,  Charakter  und  Sinnes- 
art beider  Männer  in  besonders  deutlichem  Lichte  sich 
uns  zeigen;  aber  auch  für  die  Zeitgeschichte  überhaupt 
können  wir  aus  diesen  Schriften  mancherlei  entnehmen, 
wie  dieselben  denn,  wenn  ich  mich  nicht  täusche,  einen 
vielleicht  nicht  ganz  unwichtigen  Beitrag  zum  richtigeren 
Verständnis  der  sogenannten  Packischen  Händel  liefern, 
insofern  wenigstens,   als    schon   aus    unseren  Dokumenten 


')  Geschichte  von  Hessen  HI,  Anmerkungen  S.  236. 
'^)  S.  3—10  (Nr.  2  u.  .^). 
*j  S.  221  üg. 


96  W.  Frierlensburg: 

die  völlige  Haltlosigkeit  der  Behauptung  erhellt,  auf 
welche  Ehses  sein  Werk  über  jene  Begebenheiten  ge- 
gründet hat,  der  Behauptung  nämlich,  dass  der  Land- 
graf gleich  von  seinem  Übertritt  an  sich  des  unversöhn- 
lichen Gegensatzes,  in  den  er  dadurch  zu  den  katholi- 
schen Mächten,  namentlicli  dem  Kaiser,  gerathen,  bewusst 
und,  von  der  Nothwendigkeit  eines  WafFenganges  über- 
zeugt, von  vornherein  nur  darauf  bedacht  gewesen  sei, 
den  günstigen  Augenblick  für  einen  solchen  zu  erspähen, 
um  alsdann  den  Kampf  zu  provozieren^). 

Die  Hauptbedeutung  dieser  Wechselschriften  aber 
möchte  ich  darin  suchen,  dass  hier,  in  dem  Augenblick 
wo  Katholizismus  und  Protestantismus  sich  endgiltig  von 
einander  scheiden,  die  beiden  Weltanschauungen,  welche 
ihnen  zu  Grunde  liegen,  in  engem  Rahmen  gleichsam 
plastisch  einander  gegenüber  treten,  die  welthistorischen 
Gegensätze,  welche  sie  in  sich  schliessen,  auf  engstem 
Räume  zusammentreffen,  um  sich  mit  einander  zu  messen. 
Es  sind  eben  die  Gegensätze,  welche  Ranke  als  charakte- 
ristisch für  die  Zeit  des  aufkommenden  Protestantismus 
hingestellt  hat^):  die  Gegensätze  zwischen  den  sogenannten 
guten  Werken  und  dem  mit  Liebe  verbundenen  Glauben, 
zwischen  der  äusseren  Kirche  mit  ihrer  ganzen  Hierarchie, 
ihren  Konzilien  und  Kirchenvätern,  mit  dem  Papstthum 
als  ihrem  Haupte  und  der  Kirche,  welche  Christus  ge- 
gründet hat  u.nd  deren  Haupt  nur  er  allein  ist;  vor  allem 
zwischen  Menschenlehre  und  Gotteswort  oder,  anders 
ausgedrückt,  zwischen  Autorität  und  Freiheit,  zwischen 
Unterwerfung  unter  die  Tradition  und  hingebendem  Ge- 
horsam gegen  die  lebendige  Stimme  des  Gewissens. 

Wir  lassen  daher  die  betreffenden  Briefe,  soweit  sie 
nicht  schon  durch  Rommel  bekannt  geworden  sind,  in 
wörtlichem  Abdruck  folgen^);  zum  besseren  Verständnis 
derselben  wird  aber  vor  allem  erforderlich  sein,  das  Ver- 
hältnis   zwischen    Herzog   Georg    und    Landgraf  Philipp 


i\ 


St.  Ehses,  Geschichte  der  Packischen  Händel  (1881);  s. 
insbes.  S.  20  flg.  Die  Schwächen  in  der  ganzen  Anlage  und  der  Argu- 
mentation dieses  Werkes  hat  besonders  zutreffend  Kawerau  dar- 
gelegt   in  dieser  Zeitschrift  IV  (188:^),  160  flg. 

*)  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation  II,  63  flg. 
(4.  Aufl.) 

*)  Der  Vollständigkeit  halber  füge  ich  die  gedruckten  (sowie 
die  fehlenden)  fJriefe,  jeden  an  seiner  Stelle,  in  kurzem  Regest  bei. 
Die  Orthographie  ist  nach  Massgabe  der  modernen  Editionsgrund- 
sätze vereinfacht. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.       9? 

kurz  zu  skizzieren  und  die  Umstände  darzulegen,  unter 
welclien  und  aus  welchen  dieser  Briefwechsel  hervorge- 
gangen ist. 

Unter ')  den  Fürsten  des  mit  Hessen  durch  Erbver- 
brüderung  engverknüpften  Hauses  Sachsen  scheint  Herzog 
Georg  bereits  das  besondere  Vertrauen  des  Vaters  Philipps, 
des  Landgrafen  Wilhelms  H.  des  Mittleren  von  Hessen, 
genossen  zu  haben,  der  ihn  in  seinem  Testamente  in  der 
Zahl  derjenigen  Fürsten  nannte,  bei  welchen  die  be- 
stellten Vormünder  des  hessischen  Landes  in  Nothfällen 
Rath  und  Hilfe  in  erster  Linie  suchen  sollten ;  auch  sollte, 
falls  der  hessische  Mannsstamm  ausgehe,  Georg  vor  den 
andern  Fürsten  seines  Hauses  als  Erbe  begrüsst  werden. 
Ist  dann  gleich  das  Testament  Wilhelms  nicht  zur  Aus- 
führung gekommen,  so  wurde  Georg  doch  nach  dem 
Tode  des  Landgrafen  nebst  seinen  Vettern  Kurfürst 
Friedrich  und  Herzog  Johann  von  Sachsen  zum  Ober- 
vormund ernannt.  Als  in  der  Folge  zwischen  der  vor- 
mundschaftlichen  Regierung  Hessens  unter  Ludwig  von 
Boyneburg  und  der  verwitweten  Landgräfin,  Anna  von 
Meklenburg,  Irrungen  ausbrachen,  war  es  vor  allen 
Georg,  welcher  das  Interesse  der  Landgräfin  vertrat  und 
ihr  zum  Siege  über  ihre  Gegner  und  zur  Regentschaft 
verhalf.  Damals,  im  Jahre  1515,  verlobte  die  Landgräfin 
ihre  Tochter  Elisabeth  mit  dem  ältesten  Sohne  Georgs. 
Drei  Jahre  später  wurde  der  Erbe  Hessens,  Landgraf 
Philipp,  in  seinem  vierzehnten  Lebensjahre  für  mündig 
erklärt;  bald  hernach,  1520,  hatte  er  eine  Zusammen- 
kunft mit  den  Herzögen  Johann  und  Georg  von  Sachsen, 
mit  welchen  er  die  alte  Erbverbrüderung  erneute.  Na- 
mentlich zu  Georg,  als  dem  Freunde  seines  Vaters  und 
seiner  Mutter,  trat  Philipp  in  ein  intimes  Verhältnis, 
welches  seinen  Ausdruck  auch  darin  fand,  dass  Georg 
dem  jungen  Landgrafen  im  Jahre  1523  seine  Tochter 
Christina  zur  Gattin  gab. 

Aber  die  Harmonie  zwischen  Schwiegervater  und 
Eidam  war  nicht  von  Dauer.  Die  Verhältnisse  erwiesen 
sich  mächtiger  als  alle  Bande  der  Verwandtschaft  und 
Pietät,  welche  beide  mit  einander  verknüpften.  Durch 
die  grosse  kirchliche  Spaltung,  welche  ganz  Deutschland 
in  zwei  Parteien  schied,  wurde  auch    die  anscheinend  so 


')  Vgl.   hierzu   Rommel,  Gesch.  von  Hessen,   Bd.  III,  sowie 
auch  die  unten  in  Nr.  17  abgedruckte  Instrulction. 

Neues  Aicliiv  f.  S.  G.  u.  .\.    VI.  1.  2.  7 


98  W.  Friedeiisburg: 

fest  begründete  Eintracht  zwischen  dem  Herzog  und  dem 
Landgrafen  schnell  gelöst 

Herzog  Georg,  ein  Mann  der  Autorität  und  Lieb- 
haber der  Ordnungen,  auf  welchen  das  mittelalterliche 
Staats-  und  Kirclienwesen  beruhte,  konnte  die  offene 
Auflehnung  Luthers,  dessen  Auftreten  er  anfangs  nicht 
ohne  Theilnahme  beobachtete,  gegen  die  katholische 
Kirche,  gegen  Satzungen  und  Einrichtungen,  welche  Jahr- 
hunderte lang  als  Richtschnur  für  Millionen  fast  unan- 
gefochten bestanden  hatten,  nicht  billigen;  er  vermochte 
dem  kühnen  Gedankeuflug  des  Mönchs  nicht  zu  folgen, 
die  unerschütterliche  Konsequenz,  mit  welcher  derselbe,  nur 
von  seinem  Gewissen  getrieben,  voranschritt,  nicht  zu 
begreifen;  er  witterte  daher  in  Luthers  Auftreten  nur 
Lüge,  Heuchelei  und  Überhebung  und  wandte  sich  aufs 
tiefste  verletzt  von  dessen  Thun  und  Treiben  ab;  ja  er 
fasste  einen  unauslöschlichen  Widerwillen  gegen  Luther, 
in  welchem  er  einen  persönlichen  Todfeind  zu  erblicken 
sich  bald  gewöhnte. 

Ganz  anders  Philipp  von  Hessen.  Schon  auf  dem 
Worraser  Reichstage  war  Luthers  Auftreten  nicht  ohne 
Eindruck  auf  ihn  geblieben;  er  sah  sich  veranlasst,  die 
Fragen,  welche  die  Zeit  bewegten,  selbständig  zu  über- 
denken und  zu  studieren;  im  Jahre  1524  legte  er  Melanch- 
thon,  den  er  zufällig  traf,  die  Frage  vor:  „ob  der  auch 
sündige,  der  das  Sakrament  des  Altars  nicht  nehme"®)? 
Melanchthon  versprach  ihn  schriftlich  zu  belehren  und 
übersandte  alsbald  seine  hieraufhin  abgefasste  und  dem 
Landgrafen  gewidmete  „Summa  der  Christlichen  leer,  die 
Gott  ytzundt  Avidderumb  der  weit  geben  hat"^),  worin  er 
in  kurzer,  meisterhafter  Darlegung  die  beiden  wichtigsten 
Streitpunkte,  von  der  Gerechtigkeit  durch  den  Glauben 
und  der  Verdienstlichkeit  der  sogenannten  guten  Werke, 
behandelte.  Es  scheint,  dass  es  diese  Schrift  gewesen  ist, 
welche  bei  Philipp  den  Ausschlag  gegeben  und  ihn  zum 
begeisterten   und    entschlossenen    Anhänger    der    „neuen" 


*)  Siehe  die  gleich  zu  erwähnende  Schrift  Melanchthon s.  Über 
die  Entstehung  derselben  sagt  M.  hier:  „E.  f.  g.  hies  mich,  ich 
solt  etwas  dauon  schreyben,  ab  der  auch  sundiget,  der  das  sacru- 
ment  des  altars  nicht  nheme"  (tu  jtisseras  ut  ad  te  perscriberein, 
peccaretnc  qui  Eucliaristia  non  utereturj. 

')  Wittenberg  1524.  4".  Lateinisch  unter  dem  Titel:  Ejaüome 
Benouatae  Ecdcsiasticae  Doctrinae  s.  1.  et  a.  8".  Beide  Fassungen 
in  Originalausgaben  auf  dem  Marburger  Staatsarchiv. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.       99 

Lehre  Luthers  gemacht  hat;  jedenfalls  sehen  wir  ihn  von 
jetzt  ab  sich  in  dieser  Eigenschaft  betliätigen^^')-  Dawar 
denn  freilich  der  Konflikt  mit  Herzog  Georg  unausbleib- 
licli.     Und  nicht  lange  Hess  derselbe  auf  sich  warten. 

Der  Herzog  hatte  missfällig  vermerkt,  dass  seine 
Lehnsleute,  die  Brüder  von  Minkwitz  auf  Sonnenwalde 
in  der  Lausitz,  einen  Priester  bei  sich  hatten,  der  die 
neue  Lehre  verkündete.  Er  erliess  ein  Abmahnungs- 
schreiben, welches  denn  auch  die  Entfernung  des  Priesters 
zur  Folge  hatte.  Bald  darauf  erfuhr  der  Herzog  aber, 
dass  die  von  Minkwitz  das  Übel  nur  ärger  gemacht, 
indem  sie  nämlich  jetzt  gar  einen  „ausgelaufenen"'  Mönch 
bei  sich  aufgenommen  hätten,  der  die  deutsche  Messe  bei 
ihnen  einrichtete,  die  Fastengebote  verletzte  u.  s.  w.,  so- 
dass sie  im  Begriff  schienen,  sich  von  der  katholischen 
Kirche  völlig  zu  trennen.  Der  Herzog  fasste  daraufliin 
alsbald  ein  zweites  Schreiben  an  die  Ungehorsamen  ab, 
welches  Christof  von  Polenz,  der  am  9.   Dezember    1524 


")  Die  letzte  landgräfliche  Bestätigung  eines  Klosters  ist  vom 
2.  Julil.ö23  (Romme  1  III,  Anm.  S.  226,  .32);  schon  am  26.  November 
desselben  Jahres  gewährte  Philipp  der  Gemeinde  Balhorn  in  Xieder- 
hessen  auf  ihr  Bitten  einen  der  kirchlichen  Neuerung  geneigten 
Prediger  (Heppe,  Kirchengesch.  beider  Hessen  I,  129).  Dass 
Philipp  die  Schriften  Lutliers  und  Melanchthons  eifrig  gelesen  hat, 
geht  aus  dem  schon  erwähnten  Schreiben  des  Franziskanerguardians 
Ferber  (welches  vom  9.  Januar  1525  datiert  ist)  hervor;  vgl.  Secken- 
dorff,  Commentarius  de  Lutheranismo  I,  296.  Die  hessische  Reim- 
chronik, welche  noch  dem  16.  Jahrhundert  angehört,  führt  die  Sinnes- 
änderung Philipps  wesentlich  auf  das  Studium  der  verdeutschten 
Bibel  zurück: 

„als  er  so  schön  in  teutscher  sprach 

die  bibel  wol  vertiret  sach, 

und  dieselbe  mit  fleis  durchlas, 

durch  gottes  hiüf  er  bald  genas, 

dass  er  das  herz  zur  Wahrheit  kahrt 

und  ivie  Faulus  bekehret  ward" 

(angeführt  Ronimel  III,  Anm.  S.  227).  Mit  der  Schrift,  welche  die 
Nürnberirer  l'röbste  unter  dem  2.".  Oktober  ].')21:  wider  den  Bischof 
von  Bamberg  ausgehen  Hessen,  zeigt  sich  Philipp  im  Anfang  des 
nächsten  Jaiires  bereits  vertraut,  s.  Rommel,  ürkundcnb.  Nr.  2, 
Seite  4.  Aus  dem  ebenhier  als  Nr.  1  abgedruckten  undatierten 
Schreiben  des  Landgrafen  an  seine  Mutter  (welche  am  10.  April 
1525  starb)  entnehmen  wir,  dass  Philipp  spätestens  im  Frühling 
1525  bereits  für  die  evangelische  Lehre  direkt  thätig  war  und  die- 
selbe durch  Prediger,  die  er  unihersandte,  verkünden  Hess.  —  Den 
Guardian  Ferber  fertigte  Philipp  mittels  des  erwälmten  Schreibens 
(Kuchenbecker,  Anal.  Ilass.  X,  .S93  —  396)  bereits  unter  dem 
18.  Januar  scharf  ab. 

7* 


100  W.  Friedensburg: 

in  Begleitung  von  zwei  Wagen  voll  Fussknecliten  vor 
Sonnenwalde  erschien,  den  Besitzern  übergab.  Sie  wur- 
den in  diesem  Schreiben  angewiesen,  den  ausgelaufenen 
Mönch  und  andere  Priester,  welche  sich  nicht  nach  den 
Vorschriften  der  christlichen  Kirche  halten  Avollten,  dem 
Bischof  von  Meissen  auszuliefern ,  sich  selbst  aber  am 
30.  Dezember  wegen  Ungehorsams  und  Verachtung  ilires 
Lehnsherrn  ihm  zur  Bestrafung  zu  stellen  ^^). 

Da  Georg  aber  voraussehen  mochte,  dass  er  auf 
diesem  Wege  nicht  leicht  ans  Ziel  gelangen  werde,  so 
suchte  er  den  Herren  von  Minkwitz  noch  auf  eine  andere 
Weise  beizukommen.  Einer  der  Brüder,  Nikolaus,  ge- 
wöhnlich Nickel  genannt,  hatte  sich  im  Jahre  1522  im 
Einverständnis  mit  Franz  von  Sickingen  befunden  und 
sür  denselben  im  Braunschweigischen  ein  Hilfskorps  ge- 
sammelt. Ehe  er  aber  noch  mit  seiner  Schar  zu  Sickingen 
ftossen  konnte,  war  er  durch  den  Landgrafen  von  Hessen 
abgeschnitten  worden,  der  seine  TrupjDen  zersprengte  und 
dann  in  hessische  Dienste  zog,  ihn  selbst  aber  gefangen 
nahm^^).  Später  erlangte  Nickel  vom  Landgrafen  die 
Freiheit  zurück,  musste  aber  versprechen,  sich  auf  Er- 
fordern alsbald  wieder  in  Haft  zu  stellen.  Dessen  ein- 
gedenk, beabsichtigte  nunmehr  Georg  seinen  Einfluss  auf 
den  Schwiegersohn  geltend  zu  machen  und  ersuchte  in 
einem  nicht  mehr  vorhandenen  Schreiben  den  Landgrafen, 
kraft  des  damaligen  Vorbehalts,  Nickel  wieder  zu  sich 
zu  entbieten. 

Aber  dem  Landgrafen  war  nicht  verborgen  geblieben, 
um  was  es  sich  handelte.  Unmöglich  konnte  er  dazu 
mitwirken  einen  Mann,  der  wegen  seiner  Anhänglicid^eit 
an  die  lutherische  Lehre  verfolgt  wurde,  ins  Verderben 
zu  stürzen.  Er  entschuldi<j;te  sich  daher  2;eo;en  seinen 
Schwiegervater,  er  könne  dessen  Begehren  nieiit  ent- 
sprechen, weil  er  etlichen  Fürsten  und  Edlen  zugesagt 
habe  Nickel  nicht  zu  mahnen;  auch  fürchte  er,  dieser 
werde  einer  etwaigen  Mahnung  nicht  Folge  leisten.  Aber 
auch  mit  dem  für  ihn  entscheidenden  Gesichtspunkt, 
vi^elcher  ihn  hinderte  Georg  gefällig  zu  sein,  hielt  Philipp 
nicht  zurück;    er  glaubte  sich  vielmehr  verpflichtet,    dem 


")  Vgl.  J.  Falke,  Nickel  von  Minkwitz,  in  v.  Webers  Archiv 
f.  d.  Sachs.  Gesch.  X,  280  flg.,  insbes.  285—290  (aus  Weimarer  Archi- 
valien).     S.  auch  Seckendorff  I,  278. 

-)  Ranke  11,  77.     Falke  a.  a.  0.  28:i  flg. 


i: 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     101 

Herzog  über  den  Standpunkt,  welchen  er  selbst  in  der 
Glaubenssaclie  einnähme,  keinen  Zweifel  zu  lassen.  So 
setzt  denn  hier  der  berühite  Briefwechsel  zwischen  den 
beiden  Fürsten  ein. 

Das  erste  Schreiben  des  Landgrafen,  welches  eben 
von  der  Angelegenheit  Nickels  von  Minkwitz  ausgeht, 
ist  von  Rommel  abgedruckt  worden ^^).  Es  trägt  nur 
das  Jahresdatum  1525;  Monats-  und  Tagesangabe  fehlen, 
lassen  sich  jedoch  unschwer  insoweit  ergänzen,  als  das 
Schreiben  den  ersten  Wochen  oder  Monaten  des  ge- 
nannten Jahres  mit  Sicherheit  zugewiesen  werden  kann. 
Da  nämlich  ein  ferneres  Schreiben  des  Landgrafen, 
welches  durcli  die  Entgegnung  Georgs  auf  den  ersten 
Brief  hervorgerufen  wurde,  das  Datum  des  11.  März 
trägt  ^*),  so  muss  dieser  erste  Brief  mehrere  Wochen 
früher,  also  in  den  Januar  oder  Februar  angesetzt  wer- 
den, womit  es  auch  in  bestem  Einklang  steht,  dass  die 
Irrung  zwischen  Georg  und  den  Herren  von  Minkwitz 
sich  im  Dezember  1524  und  in  den  ersten  Monaten  des 
folgenden  Jahres  abspielte^*). 

Wie  es  der  Anlass  des  Schreibens  mit  sich  brachte, 
geht  Philipp  von  der  Frage  der  Verbindlichkeit  der 
Klostergelübde  und  der  Verdienstlichkeit  der  äusseren 
Werke  aus.  Wir  sehen  hier,  auf  wie  fruchtbaren  Boden 
Melanchthons  Winke  gefallen  sind:  Gott  hat  uns  —  in 
der  heiligen  Schrift  —  so  viel  geboten,  dass  wir  damit 
genug  zu  schicken  haben  und  seiner  besonderen  Gnade 
bedürfen,  um  nur  die  Gebote,  welche  er  uns  gegeben, 
halten  zu  können;  daneben  bedarf  es  keiner  menschlichen 
Satzungen,  denn  unsere  Vernunft  ist  Thorheit    vor   Gott. 

Insbesondere  beschäftigt  den  Landgrafen  die  Messe, 
welche  ihm  ja  auch  den  ersten  Anlass  geboten  hatte,  sich 
an  Melanchthon  zu  wenden.  Inzwischen  war  seitens 
der  beiden  Pröbste  zu  St.  Sebald  und  St.  Lorenz  in 
Nürnberg,  welche  wegen  Abhaltung  der  Messe  in  deut- 
scher Sprache,  Ertheilung  des  Laienkelchs  u.  s.  w.  von 
dem  geistlichen  Oberen,  dem  Bischof  von  Bamberg,  zur 
Verantwortung  gezogen  waren,  eine  ausführliche  Rccht- 
fertigungsschrift  erschienen,  welche  es  vorzugsweise  mit 
dem   Abendmahl   und    den    Gründen,    weswegen    sie    die 


'^)  a.  a.  0.  No,  2  S.  3—6.     Unten  No.  2. 
'*)  Unten  No.  4. 
'*)  Falke  a.  a.  0. 


]^02  ^-  Friedensburg: 

Feier  desselben  verändert,  zu  thun  hatte  ^'').  Im  Hinblick 
auf  diese  Schrift  steht  denn  Philipp  nicht  an,  den  Mess- 
kanon, insofern  als  es  in  demselben  heisst,  der  Priester 
bringe  Gott  seinen  Sohn  Jesum  Christum  zum  Opfer,  für 
eine  Gotteslästerung  zu  erklären;  er  verweist  hierfür  den 
Herzog  auf  die  Darlegung  der  Nürnberger,  vor  allem  aber 
auf  die  heilige  Schrift  selbst.  Ihren  klaren  ^^^orten  möge 
Georg  folgen  und  sich  weder  durch  persönlichen  Hass 
(gegen  Luther)  irre  machen  lassen,  noch  auch  daran  An- 
stoss  nehmen,  wenn  ihm  diejenigen,  welche  Gottes  Wort 
verkündeten,  unansehnlich  und  verächtlich  vorkämen;  auf 
das  Werkzeug,  dessen  sich  Gott  bediene,  komme  nichts 
an;  gar  wohl  möge  dieser  auch  durch  thörichte  und  ver- 
achtete Leute  die  Gläubigen  zur  Seligkeit  führen.  — 

Der  Herzog  antwortete  sehr  bitter  ):  andere  hätten 
über  den  Landgrafen,  wie  dieser  selbst  schreibe,  soviel 
vermocht,  dass  er  zugesagt  habe  Minkwitz  nicht  zu 
mahnen  ^^j;  warum  denn  Philipp  lieber  habe  anderen  ge- 
fällig sein  wollen  als  ihm,  Herzog  Georg,  der  doch  — 
in  den  Zeiten  der  Vormundschaft  —  soviel  für  ihn  ge- 
than  und  es  für  nichts  geachtet  habe,  Fürsten  und  mäch- 
tige Herren  um  des  Landgrafen  Willen  sich  zu  Feinden 
zu  machen?  Wohl  habe  Georg  gewusst,  dass  sein  Eidam 
ihm  das  in  vollem  Masse  nie  werde  vergelten  können, 
aber  um  so  sicherer  habe  er  darauf  vertraut,  den  Land- 
grafen, wenn  er  demselben  einmal  mit  einer  kleinen  Bitte 
komme,  zur  Gewährung  bereit  zu  finden.  Aber  freilich, 
wie  aus  Philipps  Schreiben  ja  hervorgehe,  sei  der  von 
Minkwitz  sein  Bundesgenosse  (nämlich   in   der  Glaubens- 


'•)  Sie  erschien  unter  dem  Titel:  Grund  vnd  vrsacli  auß  der 
lieyligen  schrifft,  wie  vnd  Avarumb  die  .  .  .  Probst  zu  Nürnberg  die 
Mißbreuch  bey  der  heyligen  Messz  .  .  .  sanipt  .  .  .  andern  Cere- 
monien  abgestelt  .  .  .  haben.  Nürnberg  1524.  4".  Vgl.  Strobel, 
Miscellaneen  literarischen  Inhalts,  3.  Samml.  No.  2  (S.  48  flg.) 
„Yon  dem  Streit  der  Nürnbergischen  Pröbste  mit  dem  Bischof  zu 
Bamberg  im  Jahre  1524." 

")  S.  u.  No.  3.  Unsere  Vorlage,  das  eigenhändige  Konzept  des 
Herzogs,  ist  undatiert;  der  Brief  mag  Ende  Februar  anzusetzen 
sein,  da  (l.ie  Antwort  darauf  (No.  4)  vom  11.  März  datiert  ist. 

")  Übrigens,  fügt  der  Herzog  hinzu,  habe  ihm  neuerdings  ein 
hessischer  Beamter  geschrieben,  Philipp  gestehe  nicht  zu,  dass  er 
versprochen  habe,  Minkwitz  nicht  zu  mahnen.  Philipp  klärte  in 
seinem  nächsten  Briefe  (No.  4)  den  Widerspruch  auf:  er  habe  ver- 
sprochen Nickel  „nicht  leichtlich"  zu  mahnen ;  fehle  das  "Wort 
„leiclitlich"  in  seinem  ersten  Briefe  (wie  sich  das  hier  in  der  That 
nicht  findet),  so  sei  es  nur  versehentlich  ausgefallen. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     103 

saclie),  und  schon  der  selige  Kaiser  habe  gesagt;  es  sei 
böse,  Schweizer  mit  Schweizern  zu  schlagen! 

Dass  der  Landgrafsich  herausnimmt,  ihm  die  Bahnen 
zu  weisen,  auf  denen  er  wandeln  soll,  scheint  den  Herzog 
schwer  verdrossen  zu  haben.  Eures  Weibes  Vater,  ruft 
er  dem  Schwiegersohn  zu,  hat  schon  gewusst,  was  ihm 
zar  Seligkeit  noth  that,  ehe  ihr  auf  die  Welt  gekommen 
seid!  Und  wenn  Gott  es  zulasse,  werde  er  bis  an  sein 
Grab  dem  Evangelium  Cin-isti  und  Avas  dazu  gehöre, 
wie  das  die  christliche  Kirche  geordnet  und  angenommen 
habe,  anhängen.  Ganz  unnöthig  sei  es  aber  zumal,  dass 
Philipp  ihn  auf  die  Bibel  hinweise,  die  kenne  er  gar 
wohl  und  eben  in  ihr  lese  er  den  Spruch,  dass  man  den 
Baum  an  seinen  Früchten  erkennen  solle.  Was  aber 
seien  die  Früchte,  welche  Luthers  Auftreten  hervorge- 
bracht habe?  Abwerfen  aller  Zucht  und  Ordnung,  Un- 
gehorsam und  Gewaltthat,  Verletzung  der  heiligsten  Ge- 
lübde — ■  worin  ja  Luther  selbst,  der  drei  oder  vier 
Meineide  auf  dem  Gewissen  habe,  mit  rühmlichstem  Bei- 
spiel seinen  Anhängern  vorangehe!  Durch  nichts,  am 
wenigsten  durch  die  Bibel,  lasse  es  sich  rechtfertigen, 
dass  man  —  zumal  freiwillig  abgelegte  —  Gelübde  hinter- 
her breche.  Ein  Fürst ,  dem  seine  Unterthanen  eine 
Steuer  bewilligen  und  zusagen,  wolle  doch,  dass  sie  es 
ihm  hielten;  warum  solle  man  denn  nicht  halten,  was 
man  dem  frommen  alten  Gott  gelobt  habe? 

Überhaupt  aber  muss  Autorität  in  der  Welt  be- 
stehen; man  soll  der  Obrigkeit  unterthan  sein,  predigen 
schon  die  Apostel.  Nichts  ist  verderblicher,  als  wenn  ein 
jeder  sich  herausnimmt,  über  das  Herkommen  sich  eigen- 
mächtig hinwegzusetzen.  Darum  soll  man  auch  die 
Speiseverbote  der  Kirche,  auf  welche  ja  an  sich  selbst 
nicht  eben  viel  ankommt,  nicht  leichtfertig  übertreten, 
sondern  die  Satzungen  des  Papstes,  als  des  einen  durch 
Jahrhunderte  hergebrachten  Hauptes  der  Christenheit,  be- 
achten und  befolgen.  Ferner  aber  schreibt  sich  doch  auch 
die  Kenntnis  und  richtige  Auslegung  der  Bibel  nicht  erst 
von  Luther  und  dessen  Genossen  her,  sondern  schon  vor 
diesen  hat  es  erleuchtete  Männer  gegeben,  welche  die 
Richtigkeit  ihrer  Auffassung  auch  durch  den  heiligen 
Wandel,  den  sie,  ganz  im  Gegentheil  zu  Luther,  geführt, 
erwiesen  haben,  weshalb  ihnen  mehr  zu  glauben  ist  als 
diesem.  Und  wenn  schon  über  die  Auslegung  und  Be- 
deutuno;  von    Satzungen    und   Einrichtungen   der    Kirche 


104  W.  Friedensburg: 

Streit  und  Uneinigkeit  ausbricht,  so  ist  niemand  befugt 
dieselben  zu  deuten,  wenn  nicht  die  Kirche,  welche  sie 
geordnet  und  eingerichtet  hat,  denn  auch  wenn  ein  Fürst 
einen  Brief  ertheilt,  der  zu  Missverstand  Anlass  giebt, 
wird  er  nicht  wollen,  dass  irgend  ein  anderer  als  er  ihn 
auslege. 

Nur  mit  Kummer  und  Herzeleid  kann  daher  der 
Herzog  wahrnehmen,  wie  sein  Schwiegersohn  sich  von 
dem  Lügengeist  Martini  bestricken  lässt;  er  wünscht  leb- 
haft, dass  Philipp  auf  den  rechten  Weg  zurückkehre, 
und  räth  ihm  zu  dem  Ende  drino-end  an,  die  wider 
Luther  erschienenen  Schriften  zu  studieren. 

Übrigens  soll  der  Landgraf  nicht  glauben,  dass  er 
aus  Hass  gegen  Luther  spreche;  was  dieser  ihm  persön- 
lich zu  leide  gethan,  sei  längst  vergessen  und  vergeben; 
es  wäre  nur  zu  wünschen,  dass  der  Landgraf  ebenso 
vollständig  seinen  Feinden  aus  den  Zeiten  der  Regent- 
schaft und  der  Sickingenschen  Fehden  vergebe,  auch 
dem  Grafen  von  Nassau  die  Katzenelubogisclie  Erbschaft, 
welche  der  Kaiser  demselben  zuerkannt,  herausgebe; 
dann  werde  jedermann  sprechen,  er  sei  in  Wahrheit  ein 
evangelischer  Fürst! 

Ferner  aber:  habe  nicht  neben  andern  Reichsfürsten 
auch  Philipp  in  Worms  dem  Kaiser  zugesagt  beim  alten 
Glauben  zu  bleiben?  Wie  stehe  es  denn  nun  mit  diesem 
Versprechen  ? 

Doch,  Gott  sei  Dank,  ganz  lutherisch  scheine  der 
Landgraf  doch  noch  nicht  zu  sein;  wäre  er  das,  so  würde 
ihm  ja  die  Zusage,  welche  er  Nickel  von  Minkwitz  gegeben, 
ihn  nicht  zu  mahnen,  keineswegs  binden.  Der  Herzog 
beglückwünscht  daher  in  bitterem  Sarkasmus  den  Land- 
grafen dazu,  dass  dieser  auch  gegen  ihn  an  jener  Zu- 
sage festhalte.  Schliesslich  widerlegt  er  noch  Philipps 
Ansicht,  dass  ihm  nicht  zustehe,  die  Mönche  in  den 
Klöstern  festzuhalten,  da  dies  Gewissenssache  sei.  Er 
müsse  an  der  Jurisdiktion  über  die  Geistlichen  festhalten, 
meint  der  Herzog;  ihm  als  Landesherrn  sei  der  Schutz 
über  Juden  und  Heiden  zugewiesen;  da  müsse  er  sich  denn 
doch  auch  der  Geistlichen  annehmen,  welche  sicherlich 
nicht  geringer  seien  als  diese.  Wäre  er  freilich  nur  auf 
seinen  Vortheil  bedacht,  so  läge  ja  nichts  näher  als  die 
Klöster  einzuziehen  und  deren  Güter  zum  eigenen  Nutzen 
zu  verwenden.   — 

Der   Landgraf   Hess    sich    durch    den    unfreundlichen 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     105 

Ton  des  herzoglichen  Schreibens  nicht  absclirecken.  Er 
bedauere,  sagt  er  in  seiner  ausführlichen  Antwort  vom 
11.  März  '^),  dass  der  Herzog  seinen  Brief  so  übel  auf- 
genommen habe.  Der  Wohlthaten,  welclie  Georg  ihm 
erwiesen,  stets  eingedenk,  sei  er  gerne  bereit  sie  nach 
Kräften  zu  vergelten;  nur  das  müsse  der  Herzog  nicht 
verlangen,  dass  er  sich  an  menschliche  Gebräuche  und 
Einrichtungen  halte  und  die  dem  Irrthum  unterworfene 
menschliche  Vernunft  zur  Richtschnur  nehme.  Aus  der 
heiligen  Schrift  möge  man  ihn  des  Irrthums  überweisen, 
so  werde  er  von  seinem  Beginnen  ablassen.  Aber  freilich, 
auch  Luthern  gegenüber  M'oUe  ja  niemand  auf  Grund 
des  Gotteswortes  streiten,  sondern  man  halte  ihm  nur 
menschliche  Gebräuche  entgegen,  und  wenn  man  nicht 
weiter  könne,  so  solle  das  Schwert  helfen.  Selbst  zu 
einem  Konzilium  habe  niemand  den  ernstlichen  "Willen. 
Was  übrigens  Georg  im  Besonderen  betreffe,  so  wisse  er, 
der  Landgraf,  ganz  genau,  dass  der  Herzog  soviele  „Spitz- 
hüte" von  Mönchen  und  Pfaffen  um  sich  habe,  dass  die 
Wahrheit  nicht  zu  ihm  gelangen  könne;  daher  fühle  er 
sich  schuldig,  dem  Schwiegervater  die  wahre  Beschaffen- 
heit der  Dinge  auseinander  zu  setzen. 

Der  Landgraf  knüpft  daran  an,  dass  Georg  auf  die 
bösen  Früchte  hingewiesen,  welche  Luthers  Auftreten 
hervorgebracht  habe :  er  erinnert  den  Herzog,  dass  schon 
Paulus  die  Predigt  des  Evangeliums  als  die  Quelle  von 
Ärgernis  für  Juden  und  Heiden  erklärt  habe.  Luthern 
ins  Herz  zu  schauen,  vermöge  der  Herzog  aber  so  wenig 
wie  er,  der  Landgraf,  der  sich  deshalb  an  das  halte,  was 
Luther  lehre.  Und  wenn  er  nun  wahrnehme,  dass  dieser 
predige,  wir  sollen  an  Gott  glauben  und  Gott  allein  an- 
hängen, ihm  vertrauen,  ilm  lieben,  unsern  Nächsten  aber 
wie  uns  selbst  lieben,  so  scheine  ihm  das  in  Wahrheit 
christlich  zu  sein,  und  er  sehe  auch,  dass  vieler  Orten 
aus  Luthers  Lehre  gute  Frucht  erwachsen  sei,  während 
andererseits  aus  dem  Wandel  der  Geistlichkeit^  sowie  aus 
vielen  Einrichtungen  der  katholischen  Kirche  die  übelsten 
Früchte,  die  bösesten  iMissbräuche  sich  herleiten.  Philipp 
verbreitet    sich     dann    über     verschiedene     dieser    Miss- 


'»)  Unter  No.  4.  Wie  die  Nachschrift  besagt,  hat  Philipp  den 
Brief  zunächst  eigenhändig  abgefasst,  dann  aber,  in  der  Besorgnis, 
dass  er  schwer  leserlich  sein  werde,  durch  seinen  Geheinischreiber 
kopieren  lassen. 


106  W.  Friedensburg: 

brauche,  wie  dass  der  Papst  zu  binden  und  zu  lösen  be- 
anspruche und  die  Gabe  Gottes  um  Geld  verkaufe;  dass 
geboten  werde  diesen  oder  jenen  Tag  zu  fasten  oder  zu 
feiern  bei  einer  Todsünde,  im  Widerspruch  mit  unzwei- 
deutigen Weisungen  der  Bibel ;  dass  man  das  Sakrament 
des  Altars  nicht  in  der  Gestalt  gebe,  in  welcher  es  von 
Christus  eingesetzt  sei;  dass  man  zu  den  Heiligen  bete 
als  seien  sie  Gott  gleich;  dass  in  weltlichen  Dingen,  ins- 
besondere Geldsachen,  mit  dem  Banne  eingeschritten 
werde;  dass  man  mit  dem  Weihen  aller  möglichen  Gegen- 
stände Missbrauch  und  Aberglauben  treibe;  dass  man  in 
der  Kirche  statt  zu  singen  heule  wie  der  bÖse  Feind, 
ohne  den  Sinn  der  Worte  zu  kennen  u.  s.  w.  Auch  hält 
Philipp  daran  fest,  dass  man  den  Kanon  als  gottesläster- 
lich abthun  und  die  Messe  in  deutscher  Sprache  begehen 
müsse,  da  das  Volk  unmöglich  die  rechte  Andacht  haben 
könne,  wenn  der  Text  ihm  völlig  unverständlich  bleibe. 
Ausführlicher  spricht  er  über  die  Klostergelübde;  er 
glaubt  es  durchaus  rechtfertigen  zu  sollen,  wenn  dieselben 
gebrochen  werden.  Da  es  nicht  in  des  Menschen  Ge- 
walt steht,  sondern  eine  besondere  Gnade  von  Gott,  eine 
englische  Tugend ,  ist,  diese  Gelübde  halten  zu  können, 
so  ist  es  vermessen  sie  abzulegen;  wir  geloben  damit 
etwas,  was  nicht  unser  ist,  wir  streben  über  unsere  Natur 
hinaus.  Namentlich  ist  das  mit  dem  Gelübde  der  Keusch- 
heit der  Fall ;  hat  man  doch  auch  früher  den  Geistlichen 
keinen  Zwang  aufgelegt,  wie  überhaupt  den  Austritt  aus 
dem  Kloster  freigelassen.  Auch  auf  die  Speiseverbote 
kommt  der  Landgraf  nochmals  zurück;  hier  sei,  meint 
er,  Georg  schon  der  richtigen  Auffassung  nahe,  indem 
er  zugebe,  dass  im  Essen  an  sich  nicht  die  Sünde  liege, 
sondern  in  dem  frevelhaften  Übermuthe;  dann  aber  sei 
es  doch  klar,  dass  überhaupt  keine  Sünde  damit  ver- 
bunden sei,  wofern  man  es  nur  nicht  zur  Verachtung 
und  zum  Ärger  des  Nächsten  thue;  am  wenigsten  aber 
sei  zuzugeben,  dass  der  Papst  die  Gewalt  habe  willkür- 
lich anzuordnen,  dass  dieser  oder  jener  Tag  durch  Fasten 
begangen  werde.  Und  wie  werde  dies  Fasten  betrieben! 
Man  schlinge,  ehe  das  Fasten  beginne,  soviel  als  möglich 
in  sich  hinein,  dass  es  für  zwei  Mahlzeiten  überreichlich 
sei;  das  könne  er  nicht  Fasten  nennen,  es  sei  vielmehr 
Fressen. 

Im   übrigen    berichtigt    der   Landgraf,   dass    er    den 
Wormser  Tag    bereits    verlassen   gehabt,    als   der    Kaiser 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.    107 

die  Fürsten  zu  jener  von  Georg  erwälmten  Zusage  ver- 
anlasst habe.  Dem  Hinweis  des  letzteren,  der  Landgraf 
möge  doch,  ehe  er  andere  vom  persönlichen  Hass  ab- 
mahne, zuvor  seinen  eigenen  Feinden  vergeben,  bricht 
Philipp  durch  das  schlichte  Bekenntnis,  er  bitte  Gott 
alle  Tage  um  die  Gnade  seinen  Feinden  verzeihen  zu 
können,  die  Spitze  ab.  Im  Punkte  der  Jurisdiktion  über 
die  Geistlichen  habe  er  dem  Herzog  keinen  Vorwurf 
gemacht,  sondern  nur  gesagt,  es  sei  eine  Anmassung 
Georgs,  über  die  Gewissen  richten  zu  wollen.  Wenn 
dieser  aber  schreibe,  fügt  er,  nun  ebenfalls  nicht  ohne 
Sarkasmus,  hinzu,  dass  die  Geistliclien  niclit  geringer 
seien  als  Juden  und  Heiden,  so  habe  er  darin  völlig- 
Recht:  den  Juden  seien  jene  meist  im  Wucher  überlegen, 
dazu  unkeuscher  und  unbarmherziger  als  die  Heiden ! 

Dem  Wunsche  seines  Schwiegervaters,  auch  die 
Schriften  der  Widersacher  Luthers  zu  studieren ,  wird 
der  Landgraf  gern  nachkommen;  findet  er  darin,  was 
mit  der  Bibel  übereinstimmt,  so  wird  er  das  gewiss  be- 
herzigen; seinerseits  aber  bittet  er  wiederholt,  dass  auch 
der  Herzog  sich  in  erster  Linie  an  die  Bibel  halte;  er 
verlange  gar  nicht,  dass  Georg  Luthern  oder  Melanchthon 
oder  den  Nürnberger  Pröbsten  glaube,  aber  er  möge  das, 
was  diese  schreiben,  doch  einmal  mit  dem  Worte  Gottes 
zusammenhalten,  und  wenn  er  dann  finde,  dass  es  damit 
übereinstimme,  nun,  so  möge  ers  doch  annehmen;  andern- 
falls gewiss  nicht. 

Zum  Schluss  versichert  Philipp  den  Schwiegervater 
aufs  neue  seiner  grössten  Bereitwilligkeit  ihm  gefällig  zu 
sein;  wenn  dem  Herzog  daran  liege,  wolle  er  selbst 
Nickel  von  Minkwitz,  unter  der  Drohung  ihn  andernfalls 
zu  mahnen,  auffordern,  sich  gegen  seinen  Lehnsherrn  ge- 
bührlich zu  halten.  — 

Die  ausführliche,  durchweg  auf  Bibclstellen  be- 
gründete Darlegung  seines  Eidams  scheint  den  Herzog 
doch  etwas  in  Verlegenheit  gesetzt  zu  haben.  Er  mag 
wohl  gefühlt  haben,  dass  er  die  Einwürfe  und  Angriffe 
des  Landgrafen  wider  das  katholische  Kircluiisystem 
denn  doch  nicht  in  allen  Punkten  werde  widerlegen 
können.  So  suchte  er  sich  denn,  indem  er  zuvörderst 
die  Bibelzitate  Piiilipps  dadurch  abzuschwäclien  suchte, 
dass  er  vermerkte,  sie  seien  dem  durch  Ivuthcr  über- 
tragenen Texte  entnonunen,  im  übrigen    mit   einigen  aus- 


108  W.  Frieden sburg: 

weichenden  Bemerkungen  aus  der  Schlinge  zu  ziehen^'*): 
wenn  er  den  Landgrafen  zu  widerlegen  versuche,  meinte 
er,  werde  dieser  seine  Ausführungen  doch  nicht  beachten, 
sondern  glauben,  es  kommq  von  den  „Spitzhüten"  seiner 
Umgebung  lier ;  überdies  aber  seien  sie  beide  in  Gefahr, 
sich  durch  diesen  theologischen  Briefwechsel  in  den  Augen 
aller  Verständigen  lächerlich  zu  machen;  kurzum,  er 
lasse  die  Sache  auf  sich  beruhen  und  stelle  sie  Gott  an- 
heim:  nach  hundert  Jahren  werde  am  Tage  liegen,  Aver 
recht  und  wer  unrecht  habe  und  was  ein  jeglicher  iür 
ein  Spitzhut  sei!  — 

Auf  diese  Weise  sah  sich  denn  allerdings  der  Land- 
graf zum  Schweigen  gebracht.  Er  sandte  den  letzten 
Brief  Georgs  unter  dem  31.  März  an  den  jungen  Herzog 
Johann  Friedrich  von  Sachsen,  indem  er  dazu  nur  be- 
merkte, er  hätte  gewünscht,  dass  Georg  den  lateinischen 
Text  der  Bibel  zu  Rathe  gezogen;  so  würde  er  sich 
haben  überzeugen  können,  dass  Luther  „nicht  unrecht 
geschrieben  oder  verdeutscht"  habe"'^^).  Der  fromme 
Prinz  aber  entsetzte  sich  nicht  wenig  über  den  Herzog, 
der  in  seiner  letzten  Bemerkung  ja  geradezu  Gott  heraus- 
zufordern scheine.  Was  sei  das  überhaupt  für  ein  Glaube, 
der  erst  der  Erfahrung  bedürfe!  Es  sei  „fast  eine  er- 
schreckliche Schrift".  Gott  scheine  den  Herzog  verstockt 
zu  haben,  wie  einst  Pharao;  dennoch  möge  der  Land- 
graf, bittet  Johann  Friedrich,  noch  einen  Versuch  machen, 
den  Vetter  von  seinem  „papistischen  Vornehmen"  abzu- 
wenden^^). Schon  früher  hatte  Philipp  sowohl  dem 
Prinzen  als  auch  dessen  Vater  Herzog  Johann,  als  er 
am  20.  März  mit  ihnen  eine  Zusammenkunft  in  Kreuz- 
burg an  der  Werra  abhielt ^^),  seine  Schrift  vom  IL  März 
vorgelegt;  über  diese  schreibt  Johann  in  einem  Briefe 
an    seinen   Bruder,    den    Kurfürsten:    „der  Landgraf   hat 

=")  Unter  dem  20.  März  1525,  s.  ii.  No.  5. 

*')  d.  d.  Cassel  freitag  nach  letare  a.  1525.  Eigenhändiges 
Orig.  im  Weimarer  Gesamtarchiv.  Der  Prinz  möge,  bittet  Philipp, 
nicht  viel  Geschrei's  von  der  Sache  machen 

^*)  d.  d.  Weimar  eilend  dienstag  nach  judica  (4.  April)  1525; 
eigenh.  Orig.  im  Weimar.  Ges. -Archiv;  erwähnt  Seckeudorff  II,  35. 
Johann  Friedrich  schickt  zugleich  die  Schrift  Georgs  vom  20.  März 
wieder  zurück,  da  sie  nicht  unter  die  Leute  kommen  soll;  doch 
muss  er  zuvor  eine  (noch  in  Weimar  vorhandene)  Abschrift  seüiem 
Vater  übersandt  haben,  vgl.  Anm.  24. 

**)  Vgl.  meine  Abhandlung  „Zur  Vorgeschichte  des  Gotha- 
Torgauischen  Bündnisses  der  Evangelischen  1525 — 1526",  S.  40. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     109 

mich  eine  Schrift  zu  Kreuzbiirg  lesen  lassen,  wie  er 
Herzog  Jörgen  geschrieben,  die  da  aus  der  Schrift  wohl 
gegründet  war  und  unter  sechs  Blättern  nicht "'^^).  Luther 
aber  wurde  durch  Johann  Friedrich  von  den  Bemüli- 
ungen  des  Landgrafen,  Herzog  Georg  zu  gewinnen,  in 
Kenntnis  gesetzt,  Avorüber  er  am  11.  April  voll  Freude 
an  Amsdorf  schrieb  '^^).  Die  Entgegnung  Georgs  scheint 
man  ihm  nicht  mitgetheilt  zu  haben. 

Inzwischen  hatte  die  in  Oberdeutschland  ausge- 
brochene Erhebung  der  unteren  Volksschichten  begonnen 
auch  die  mittehleutschen  Gebiete  in  ihre  Kreise  zu  ziehen. 
Herzog  Georg,  bei  welchem  es  von  vornherein  feststand, 
dass  die  ganze  Bewegung  ausschliesslich  die  Frucht  und 
zwar  die  nothwendige  Frucht  des  „lutherischen  Evange- 
liums" sei^°),  blickte  misstrauisch  auf  den  Eidam,  der 
ja  in  dasselbe  Evangelium  „fast  verflissen"  erschien''^'). 
Da  war  er  denn  nicht  wenig  überrascht  vom  Landgrafen 
einen  Brief  zu  erhalten,  in  welchem  dieser  auf  die 
drohende  Gefalir  aufmerksam  machte  und,  wie  es  scheint, 
dem  Herzog  gemeinsame  Massregeln  zur  Bekcämpfung 
und  Unterdrückung   der   Bauern   vorschlug^*).     Auf  das 


-*)  (1.  d.  Weimar  freitag  nach  jiulica  (7.  April)  1525;  gedruckt 
Kolde,  Friedrich  der  Weise  und  die  Anfänge  der  Reformation  (50llo;. 
Zugleich  schickt  er  das  Schreiben  Gcor^is  vom  20.  März  abschriftlich 
ein,  welches  er  wohl  von  seinem  Sohne  erhalten  hatte. 

-*)  „Hessus  Christo  hicrificatus  ardet  pro  evangelio;  etiam 
ducem  Gcorgium  sollcäat  fortitcr;  sie  scribit  dux  noster  junior, 
qui  cum  eo  Crucehurgi  locutus  esi".  de  Wette,  Luthers  Briefe  und 
Sendschreiben  H,  CAi  Xo.  091  (d.  d.  Witemb.  3  post  jialmarum  = 
11.  April  1525).  —  Was  es  mit  dem  Berichte  Luthers  an  Spalatin 
vom  12.  Februar  (de  Wette  II,  O.^.S  No.  (582):  „diatiir  Hessus 
scripsissc  duci  Georyio  se  cum  ralatino  stataissc  ut  evangelio  locus 
fiat  in  ditione  sua,  victus  veritate"  (vul.  Spalatins  tJhronicon  bei 
Mencke  SS.  rer.  German.  II,  fi+2)  auf  sich  hat,  vermag  ich  nicht 
mit  Sicherheit  zu  sagen.  Ein  solches  Schreiben  des  Landgrafen  an 
Herzog  Georg  findet  sich  nicht  vor,  wurde  auch  in  den  Zusammen- 
hang der  von  uns  liier  gegebenen  Briefe  aus  dem  Anfang  des  Jalires 
1525  nicht  hineinpassen.  Man  wird  wolil  sagen  müssen,  dass  Luther, 
der  ja  auch  nur  von  einem  Gerücht  („dicitur  —  6cr/2^6'/sse'V  spriclit, 
nicht  genau  unterrichtet  Avar.  Ül)er  die  damaligen,  allerdings  engeren 
Beziehungen  zwischen  Philipp  und  Kurpfalz  vgl.  meine  angeführte 
Abhandlung  39  Anin.  2;  von  einer  förmlichen  Alirede  über  das 
Evangelium  zwischen  beiden  Fürsten  aiier  verlautet  nicdits. 

^")  Man  hätte  es  mit  Händen  greifen  können ,  dass  das  luthe- 
rische Evangelium  die  Frucht,  so  itzt  vor  Augen  ist,  bringen  musste, 
sagt  Georg.     Bommel  III,  Anm.  221    lig.  —  ^')  Ebenda. 

*)  (l.   d.   dienstag    nach    pahnarum  (11.   April);  der  Brief  ist 


2S\ 


110  W.  Friedensburg: 

Schreiben  Georgs  vom  20.  März  ist  Philipp  hier  augen- 
scheinlich nicht  zurückgekommen;  die  dringende,  gemein- 
same Gefahr  Hess  die  theoretischen  Erörterungen  und 
Auseinandersetzungen  zurücktreten;  auch  Georg,  welcher 
sich  in  seiner  Antwort  zwar  einiger  Ausfälle,  auf  die 
Lutheraner  nicht  zu  enthalten  vermochte,  verkannte  den 
Ernst  der  Lage  nicht  ^^),  und  wenige  Wochen  später 
sehen  wir  denn  in  der  That  beide  Fürsten  Seite  an 
Seite  die  Aufständischen  bekämpfen  und  besiegen. 

Doch  führte  diese  gemeinsame  Wirksamkeit  zu  keiner 
inneren  Annäherung  zwischen  den  beiden  Männern.  Je 
mehr  Georg  durch  die  Aufstände  der  Bauern  sich  in  der 
Überzeugung  von  der  Verwerflichkeit  des  Beginnens 
Luthers  und  seiner  Anhänger  bestärkte,  um  so  fester 
blieb  Philipp,  der  zwischen  dem  massvollen  Vorgehen 
Luthers  und  dem  wüsten  Radikalismus  eines  Münzer  und 
anderer  sehr  wohl  zu  unterscheiden  wusste.  So  wurden 
die  nahe  verwandten,  bisher  eng  l)efreundeten  Fürsten 
immer  weiter  auseinander  gerissen.  Georg  schloss  mit 
den  Gesinnungsgenossen  unter  den  Nachbarn  ein  Bündnis, 
welches  die  Vernichtung  der  Lutheraner  auf  sein  Pro- 
gramm setzte;  Philipp  andererseits  that  sich  mit  der 
Kurlinie  des  Hauses  Sachsen  zusammen  und  war  bemüht, 
die  durch  den  Bauernkrieg  erschütterte  Sache  der  An- 
hänger der  neuen  Lehre  dadurch  zu  befestigen  und  zu 
stärken,  dass  er  alle  evangelisch  gesinnten  Elemente 
unter  den  Reichsständen  zu  einem  von  Kursachsen  und 
ihm  geleiteten  Bunde  zusammenzuschliessen   versuchte^"). 

Zur  Förderung  dieser  Angelegenheit  begab  sich  der 
Landgraf  im  Februar  L526  nach  Gotha,  um  dort  eine 
Besprechung  mit  Kurfürst  Johann  von  Sachsen  abzu- 
halten, als  ihm  „von  etlichen  Personen"  die  Meldung 
zukam,  Herzog  Geoi'g  scheine  sich  des  Evangeliums  an- 
nehmen zu  wollen;  sein  Hofprediger  habe  vor  ihm  „die 
rechte  AVahrheit"  gepredigt  und  damit  offenbar  auf  den 
Herzog  Eindruck  gemacht,  der  ihn  ermahnt  habe,  was 
er  mit  der  Schrift  beweisen  könne,  frei  zu  predigen. 
Voller    Freude    schrieb    Philipp,    kaum    in   Gotha    ange- 


verloren, der  ungefähre  Inhalt  aber  aus  der  Antwort  Georgs  (siehe 
nächste  Anmerkinig)  zu  entnehmen.    Vgl.  auch  Zur  Vorgesch.  3  flg. 

^'')  d.  i\.  Dresden  donnerst,  nach  quasimodo.  (27.  April);  abge- 
druckt Ilommel  III,  Anni.  S.  221  flg. 

'")  Über  das  Nähere  vergl.  meine  mehrfach  erwähnte  Ab- 
handlung. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     Hl 

kommen,  an  den  Herzog'')  mid  erkundigte  sich,  was  es 
hiermit  für  eine  Bewandtnis  habe?  „Wo  das  also  wäre, 
BO  war's  eine  große  Gnade  von  Gott".  Er  bescliwört 
den  Herzog,  wenn  derselbe  nunmehr  den  richtigen  Weg 
gefunden  und  betreten  liabe,  sicli  doch  ja  nicht  irre 
machen  zu  lassen  und  niemanden  zu  scheuen,  denn 
Christus  spricht:  „Wer  mich  bekennt  vor  den  Menschen, 
den  will  ich  bekennen  vor  meinem  himmlischen  Vater". 
Gott  werde  es  aber  sicherlich  nicht  unbelohnt  lassen  und 
ihm  auch  schon  unter  den  Menschen  „ein  gut  christlich 
Gerücht"  machen. 

Dieses  Schreiben  des  Landgrafen  gab  den  Anlass  zu 
einem  neuen  Briefwechsel  zwischen  den  beiden  Fürsten, 
der  sich  über  die  Monate  ^Nlärz  und  April  1526  hin- 
zog, übrigens  in  viel  freundlicherem  Tone  abgefasst  war 
als  die  Korrespondenz  des  Vorjahres.  Vielleicht  blieb 
der  warme,  uneigennützige  Eifer,  die  Überzeugungstreue 
des  Landgrafen  doch  nicht  ganz  ohne  Eindruck  auf  den 
Herzog,  während  andererseits  Philipp  aufs  neue  die  Hoff- 
nung hegte,  eine  Verständigung  oder  wenigstens  eine  An- 
näherung zwischen  seinen  und  Georgs  Ansichten  herbei- 
führen und  letzteren  nach  und  nach  für  das  „Lutherische 
Evangelium"  gewinnen  zu  können'^'').  Freilich  liess  es 
sich  der  Herzog  alsbald  angelegen  sein,  die  Gerüchte, 
welche  dem  Landgrafen  in  Betreff'  seines  Hofpredigers 
zugegangen  waren,  auf  das  richtige  Mass  zurückzuführen 
oder  vielmehr  geradezu  zu  widerlegen  ^'j.  Seiner  Dar- 
stellung nach  war  der  Hergang,  welcher  zu  jenen  Ge- 
rüchten Anlass  gegeben  hatte,  der  gewesen,  dass  der 
Hofprediger '^*)  am  ersten  Fastensonntag  des  Jahres 
(18.  Februar)  an  das  Evangelium  von  dem  dreissigtägigen 
Fasten  Christi  einige  Bemerkungen  angeknüpft,  des  In- 
halts, dass  ein  derartiges  Fasten  den  Menschen  nicht 
geboten  sei,  welche  vielmehr  sich  angelegen  sein  lassen 
sollten  von  Sünden  zu  fnstcn  und  von  Sünden  zu  feiern 
u.  s.  w.  Dies  hatte  den  Herzog  bewogen,  seinen  Prediger 
alsbald    in    seinem    Hause    aufzusuchen ,    wo    ihm    dieser 


")  Am  24.  Februar  152C.  (s.  u.  No.  8).  Auf  eleu  27.  Februar 
war  die  Zusauiineukuiiit  uiit  dem  Kurfürsten  auberaumt. 

")  S.  u.   .\o.  8. 

")  S.  u.  No.  9,  vom  6.  März  152(5. 

*')  Es  war  dies  M.  Alexius  Chrosuer,  s.  Seidemaiin,  Bei- 
träge zur  Koi'ormatiousgeschichte  I,  100.  Ebendaselbst  erfahren  wir, 
dass  Chrosner  schon  1.527  aus  Dresden  weichen  musste. 


112  W.  Friedensburg: 

seine  Zweifel  über  die  Verbindlichkeit  der  Fasteng'ebote 
dargelegt  liatte,  von  Gleorg  aber  bedeutet  worden  war, 
in  seiner  nächsten  Predigt  ausdrücklich  die  Berechtigung 
der  Kirche  zu  solchen  Verboten  oder  Anordnungen  her- 
vorzuheben und  deren  strikte  Beobachtung  nachdrücklich 
einzuschärfen.  Im  übrigen  verwalirt  sich  der  Herzog 
hier,  dass  sein  Schwiegersohn  zu  glauben  scheine,  er  sei 
ein  Feind  und  Verfolger  des  Evangeliums.  Nichts  weniger 
als  das!  Seit  er  zu  seinen  Jahren  gekommen,  liabe  er 
das  Evangelium  gehört  und,  wie  es  die  christliche  Kirche 
approbiert,  angenommen,  und  davon  solle  ihn  weder  Ehr- 
geiz noch  Menschenfureht  abbringen;  man  könne  ihm 
wohl  das  Leben  nehmen,  aber  niclit  seinen  Glauben. 
Was  er  aber  nicht  verstehe,  das  überlasse  er  getrost  der 
Deutung  und  Auslegung  der  christlichen  Kirche,  denn 
er  fühle  sich  als  ein  Glied  des  Körpers,  dessen  Haupt 
Christus  sei.  Den  Landgrafen  aber  mahne  er,  sich  doch 
anzusehen,  was  für  Früchte  aus  dem  Tium  und  Treiben 
derjenigen,  welchen  er  folge,  entstehen,  und  das  Wort 
Clu'isti  zu  beherzigen,  dass,  wer  die  Kirche  nicht  höre, 
ein  Heide  und  Zöllner  sei!  — 

Es  liegt  zunächst  ein  abermaliges  Schreiben  Georgs, 
und  zwar  vom  22.  März  d.  J.,  vor,  Avelches  aber  einen 
dazwischen  liegenden  Brief  des  Landgrafen  voraussetzt, 
weil  der  Herzog  hier  auf  eine  Anfrage  des  letzteren,  was 
er  denn  eigentlich  unter  der  christlichen  Kirche  ver- 
standen wissen  wolle,  antwortet.  Hieraus  wird  klar,  dass 
das  landgräfliche  Schreiben  kein  anderes  ist  als  das  von 
Rommel  in  seinem  Urkundenbuche  unter  No.  3  mitge- 
theilte  undatierte  Stück,  welches  der  Herausgeber  will- 
kürlich dem  Jahre  1525  zugewiesen  hat'^j.  Zugleich  giebt 
sich  dies  Schreiben  als  die  Antwort  auf  den  Brief  Georgs 
vom  6.  März  kund,  wie  denn  der  Landgraf  an  die  in 
letzterem  o;e2;ebene  Erkläruno-  des  Herzoirs  sogleich  die 
Frage  anknüpft,  was  denn  eigentlich  den  Begriff  jener 
christüchen  Kirche,  auf  deren  Evangelium  Georg  leben 
und  sterben  wolle,  ausmache?  Für  sich  selbst  beant- 
wortet Philipp  diese  Frage  dahin,  dass  die  christliche 
Kirche,  von  welcher  Christus  das  Haupt  ist,  nur  die  sein 
könne,  welche  nichts  anderes    gebiete    als   was   Christus 


**)  Dass  es  in  den  März  1526  gehöre,  bemerkt  schon  Seide- 
niann.  Das  Dessauer  Bündnis  (Zeitschrift  für  historische  Theologie 
1847)  6i?>. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     113 

gelehrt  und  gesagt  habe.  Nur  das  sei  die  wahre  christ- 
liche Kirche;  die  in  die  Erscheinung  getretene,  geschicht- 
liche, äussere  Kirche  mitsamt  ihrer  ganzen  Hierarchie 
und  ihren  Konzilien  aber  könne  nicht  nur  irren,  sondern 
habe  auch  vielfach  geirrt;  schon  die  Apostel,  die  ältesten 
Vertreter  der  (geschichtlichen)  Kirche  seien  dem  Irrthum 
unterworfen  gewesen;  der  Papst  aber  verdrehe  gar  das 
göttliche  Wort  und  stelle  es  auf  den  Kopf,  indem  er  die 
Speisen,  welche  Christus  zu  geniessen  zugelassen  habe, 
zu  essen  verbiete,  dagegen  fleischliche  Lüste  der  ver- 
werflichsten Art  gutheisse  und  samt  den  Kardinälen  darin 
der  Welt  mit  dem  bösesten  Beispiel  vorangehe.  So  bleibt 
uns  einzig  das  wahre,  unverfälschte  Evangelium,  welches 
keiner  menschlichen  Zusage  bedarf,  als  Richtschnur.  Und 
wenn  auch  etliche  (welche  das  Evangelium  äusserlich 
angenommen  haben)  „ein  böses  Wesen  führen",  so  falle 
ja  auch  der  gute  Samen  zuweilen  unter  die  Dornen  und 
auf  steiniges  Erdreich,  und  selbst  wo  Gott  das  Gedeihen 
gebe,  trage  er  nicht  überall  gleichviel,  an  dem  einen 
Orte  mehr,  am  andern  weniger. 

Andererseits  darf  man  sich  aber  auch,  wo  es  das 
freie  Bekenntnis  der  Wahrheit  gilt,  nicht  scheuen,  Ärgernis 
zu  erregen;  komme  er,  sagt  der  Landgraf,  an  einen  Ort, 
wo  das  Evangelium  nicht  gepredigt  werde,  so  füge  er 
sich  bereitwillig  den  Fastengeboten  und  anderen  Satz- 
ungen, um  nicht  Anstoss  zu  erregen;  mache  man  ihm 
aber  eine  Gewissenssache  daraus  und  wolle  in  der  Über- 
tretung dieser  äusseren  Vorschriften  geradezu  eine  Sünde 
finden,  so  werde  er  Fleisch  essen  und  niemanden  darum 
ansehen  ^^). 

Li  seiner  schon  erwähnten  Antwort^')  erklärt  der 
Herzog,  was  er  unter  der  christlichen  Kirche  verstehe, 
indem  er  auf  den  Spruch  Pauli  verweist  (Epheser  4,  5) : 
Ein  Herr,  Ein  Glaube,  Eine  Taufe!  Im  übrigen  aber 
zeigt  er  wiederum  keine  Neigung,  auf  die  Ausführungen 
des  Landgrafen  einzugehen:  er  habe  keine  Zeit,  schreibt 
er,  sich  mit  den  kirchlichen  Kontroversen  viel  zu  be- 
schäftigen, oder  etwa  gar  Luthers  Schriften  zu  lesen; 
kaum  die  Bibel  zu  studieren  bleibe  iiun  Müsse  und  er 
sei  froh^  wenn   er  gelegentlich  eine  Predigt  höre,  „darin 


**)  Nach   diesen   Grundsätzen    verfuhr  Landgraf   Phiüpp  auch 
noch  in  demselben  Jahre  auf  dem  Speierer  Reichstag. 
*')  22.  März  1526,  s.  u.  No.  11. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  n.  A.  VI.  1.  2.  8 


114^  W.  Friedensburg: 

ich  begreife  soviel  mir  Gott  verleiht".  Er  fügt  hinzu: 
„Luther  soll  mich,  ob  Gott  will,  nicht  sclilechter  machen". 
Der  Landgraf  rausste  sich  überzeugen,  dass  er  auf 
dem  bisher  betretenen  Wege  nicht  weiter  komme.  Trotz- 
dem gab  er  die  Hoffnung  nicht  auf,  den  Herzog  doch 
noch  zu  gewinnen.  Er  wurde  hierin  durch  ein  Schreiben 
seiner  Schwester  Elisabeth,  der  Schwiegertochter  Georgs, 
bestärkt,  welche  ihm  mittheilte,  der  Hofprediger  des 
Herzogs  fahre  fort,  das  Wort  Gottes  und  die  Wahrheit 
des  Evangeliums  frei  und  unerschrocken  zu  predigen, 
was  auf  den  Herzog  seines  Eindrucks  nicht  verfehlt,  son- 
dern ihn  bereits  „in  vielem  geändert"  habe.  Freudig 
theilte  er  dies  am  1.  April  seinem  Bundesgenossen,  dem 
Kurfürsten  von  Sachsen,  mit;  er  knüpfte  daran  die  Hoff- 
nung, „der  gute  Fürst"  werde  von  seinem  Widerstand 
gegen  das  Evangelium  doch  noch  ablassen  und  den  Weg 
der  Wahrheit  finden;  freilich  müsse,  meint  er,  dies  beim 
Herzog  „mit  aller  Demüthigkeit  und  christlicher  Sanft- 
muth,  L^nterrichtung,  Flehen  und  Bitten  ausgerichtet  und 
hierin  etwas  leise  gefahren"  werden^*).  Dementsprechend 
antwortet  Philipp  denn  auch  auf  das  Schreiben  Georgs 
vom  22.  März  so  entgegenkommend  wie  möglich^'').  Er 
freut  sich  der  evangelischen  Auffassung,  welche  der 
Herzog  von  der  christlichen  Kirche  bekundet,  betont 
nochmals,  dass  eine  derartige  Kirche  sich  allein  nach 
Gottes  Lehre  und  Gebot  richten  und  dem  entgegen  un- 
möglich etwas  anordnen  und  beschliessen  könne,  lässt 
sich  aber  auf  das  einzelne  nicht  wieder  ein,  sondern  er- 
örtert nur  dem  Herzog  gegenüber,  welcher  in  dem  Aus- 
spruche des  Paulus,  dass  die  Gefrässigen  und  Trunkenen 

*»)  d.  d.  Cassel  ostertag  (1.  April)  1526.  Konzept  im  Marburger 
Staatsarchiv,  Orig.  im  Weimarer  ües.-Arcbiv.  Der  Name  der  Ge- 
■wähvsmcäiiiiin  Philipps,  seiner  Schwester  Elisabeth,  ist  im  Konzept, 
nachträglich  ausgestrichen  und  durch  die  Worte  „eine  glaubhafte 
vertraute  Person"  ersetzt  worden.  Auf  der  vierten  Seite  des  Kon- 
zeptbogens  steht  noch,  ebenfalls  ausgestrichen,  „es  sieht  uns  auch 
mit  .  .  .  herzog  Jörgen  die  sach  des  evangelii  dermassen  an,  dass 
sein  lieb  in  sich  selbs  der  sach  nit  so  ganz  zu  entgegen  oder  wider- 
wertig,  sunder  mehr  des  Luthers  person  veint  sei,  darumb  bedeucht 
uns  zu  seiner  lieb  gemuts  erleuchtung  vast  fnrdersam  nutz  und  gut 
sein,  man  wer'  im  handel  nit  geschwintlich,  sonder  etwas  dieser 
zeit  und  in  erst,  als  itzo  die  Sachen  stehen,  sittiglicli  fargefarn ; 
darzu  das  der  Luter,  wie  wir  bitten,  irmant  wurde  ine  .  .  .  mit 
hartem  antasten  in  Schriften  und  werten  etwas  zu  verschonen.  Das 
verhofften  wir  auch  zum  handel  vast  erschießlich  zu  sein". 

^»)  Unter  dem  1.  April,  s.  u.  No.  12. 


BeiträQ-e  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     115 

nicht  iu  den  Himmel  kommen  sollen,  eine  Stütze  für 
seine  Auffassung  von  der  Berechtigung  der  kirchlichen 
Fastengebote  erblicken  wollte,  dass  Unmässigkeit  unter 
allen  Umständen  Sünde  sei  und  auf  die  Säufer  und  Ge- 
frässigen  das  Wort  Christi,  dass,  was  zum  Munde  ein- 
gehe, nicht  verunreinige,  deswegen  von  vornherein  keine 
Anwenduno-  linde.  Endlich  überschickt  er,  wohl  nicht 
ohne  Absicht,  dem  Herzog  zwei  „von  vielen  gelehrten 
trefflichen  Männern  ausgegangene"  Schriften  wider  die 
„Schwarmgeister  und  Lästermäuler",  welche  „mancherlei 
zur  Verlästerung  des  hochwürdigen  Sakraments  des  Leibs 
und  Bluts  Christi  einzubilden  böslich  unterstanden"  haben ; 
jedenfalls  wollte  der  Landgraf  seinem  Schwiegervater  die 
Überzeugung  beibringen,  dass  er  mit  diesen  Schwärmern 
keinerlei  Gemeinschaft  habe  und  ihr  Vorgehen  nicht 
minder  verurtheile,  wie  dies  von  Georg  vorauszusetzen 
war;  vielleicht  mochte  auch  der  letztere  durch  das  Stu- 
dium dieser  Schriften  zur  Erkenntnis  des  Unterschiedes 
gebracht  werden,  der  zwischen  den  Ansichten  jener  und 
der  Lehre  Luthers  bestand. 

Georg  antwortete  indes  ziemlich  kühl^").  Er  zeigte 
sich  sogar  einigermassen  empfindlich,  dass  Philipp  ihm 
nicht  zugetraut  zu  haben  scheine,  seinen  Begriff  von  der 
christlichen  Kirche  auf  die  heilige  Schrift  gründen  zu 
können;  habe  er  doch  nie  Ursache  gegeben  anderes  von 
ihm  zu  vermuthen.  Mit  der  Annahme  des  Landgrafen 
aber,  dass  die  Unmässigen  sündigen,  könne  er  sich  ein- 
verstanden erklären;  habe  er  doch  längst  gehört,  dass 
„Eigenwille  in  der  Hölle  brenne",  womit  er  denn  also 
doch  wieder  auf  sein  Axiom  zurückkam,  dass  Auflehnung 
gegen  die  bestehende  christliche  (d.  h.  die  katholische) 
Kirche  —  und  in  diesem  Lichte  betrachtet  er  die  Un- 
mässigkeit —  schlechthin  Sünde  gegen  Gott  sei.  Im 
übrigen  dankt  er  seinem  Schwiegersohne  für  die  über- 
sandten Schriften.  Er  habe  dieselben  zwar  schon  erhalten, 
doch  vermerke  er  gern,  dass  der  Landgraf  einen  frommen 
Mann  aus  ihm  zu  machen  wünsche.  Auch  stellt  er  ein 
Gegengeschenk  in  Aussicht,  nämlich  den  Hyperaspistes, 
die  Gegenschrift  des  Erasmus  wider  Luthers  Abhandlung 
vom  unfreien  Willen;  man  möchte  fast  glauben,  es  liege 
etwas   wie  L-onie   darin,    wenn    er  hinzufügt,   er    versehe 


")  Unter  dem  7.  April,  s.  u.  No.  m. 

8* 


116  W.  Friedeiisburg: 

sich,    die    Schrift    müsse    dem    Landgrafen    gefallen,  der 
manches  Gute  darin  finden  werde.  — 

Hiermit  schliesst  der  Briefwechsel,  wenigstens  hahe 
ich  keine  weiteren  Schreiben  aus  dieser  Zeit  mehr  auf- 
finden können.  Anhangsweise  seien  aber  noch  zwei 
Schriftstücke  aus  dem  Anfang  des  Jahres  1527  mitge- 
theilt.  Die  Situation  war  damals  gegen  die  des  Vor- 
jahres insofern  wesentlich  geändert,  als  inzwischen  dem 
Speierer  Reichsabschied  gemäss,  welcher  die  Ordnung  der 
kirchlichen  Angelegenheiten  einstweilen  den  Territorial- 
herren überliess,  Philipp  von  Hessen  sein  Land  in  aller 
Form  zur  neuen  Lehre  hinübergeführt  hatte.  Man  kann 
sich  denken,  mit  welchen  Gefühlen  Herzog  Georg,  der 
noch  auf  dem  Esslinger  Fürstentag  im  Dezember  1526 
aufs  neue  die  schärfsten  Anklagen  gegen  das  Lutherthum 
ei'heben  liess,  diesem  Beginnen  seines  Eidams  zusah. 
Einen  wie  hohen  Grad  die  Spannung  zwischen  ihnen  er- 
reichte, zeigt  nun  besonders  jener  in  den  Anfang  des 
Jahres  1527  gehörende  Schriftenwechsel,  in  welchem  sich 
gleichsam  der  verhaltene  Unwillen  jedes  von  ihnen  gegen 
den  andern  Luft  zu  machen  schien.  Der  Anlass  hierzu, 
an  sich  sehr  geringfügig,  stand  mit  den  Reformen  Philipps 
in  Zusammenhang.  Als  dieser  nämlich  die  Zinse,  welche 
die  dem  Herzog  unterstehende  Sta.dt  (I^angen-)  Salza 
dem  hessischen  Kloster  Vach  schuldete,  nach  Aufhebung 
des  letzteren  für  sich  in  Anspruch  nahm,  stiess  er  auf 
Widerspruch.  Er  ging  Georg  an ;  dieser  aber  stellte 
sich  auf  die  Seite  derer  von  Salza,  mit  dem  Bemerken, 
da  ein  Kloster  Vach  nicht  mehr  existiere,  so  könnten 
demselben  auch  keine  Zinse  gereicht  werden.  Auch  sonst 
muss  Georg  wohl  sehr  schroff  aufgetreten  sein,  denn 
Philipps  Antwort,  welche  uns  vorliegt^'),  ist  nun  in  einem 
überaus  leidenschaftlichen  Tone  gehaUen  und  ergelit  sich 
in  heftigen  Schmähungen  gegen  das  katholische  System; 
kaum  dass  der  Herzog  persönlich  von  Injurien  verschont 
bleibt.  Von  Geoi-gs  Seite  liegt  hierauf  die  Instruktion 
für  eine  Gesandtschaft  vor^'^),  welche  an  den  Landgrafen 
abgehen  sollte,  um  denselben  aufs  neue  die  grossen  Ver- 
dienste, welche  sich  Georg  um  ihn  erworben^  vorzuhalten 


*')  Vom  21.  Januar  1527,  s.  u.  No.  16.  Über  den  früheren 
(anscheinend  verlorenen)  Briefwechsel  der  beiden  Fürsten  in  dieser 
Angelegenheit  giebt  No.  17,  namentlich  zu  Anfang  einigen  Aufschluss. 

**)  Undatiert;  s.  u.  No.  17. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     117 

und  ihm  seine  Heftigkeit  zu  Gemüth  zu  führen,  den 
Standpunkt  des  Herzogs  aber  zu  vertheidigen  und  auf- 
recht zu  erhalten  und  die  Angriffe  des  Landgrafen  gegen 
die  katholische  Kirche  zu  parieren.  Namentlich  die 
erste  Fassung  dieser  Instruktion  ist  ebenfalls  in  einem 
sehr  entschiedenen,  wenn  nicht  schroffen  Tone  gehalten; 
Georg  droht  sogar  mit  der  Auflösung  der  Erbverbrüder- 
ung; später  hat  er  dann  an  verschiedenen  Stellen  mildere 
Wendungen  gewählt;  auch  Philipp  mag  wohl,  als  die 
erste  Erbitterung  sich  gelegt,  wieder  gelindere  Seiten 
aufgezogen  haben.  Immerhin  traten  bei  Gelegenheit  dieser 
Auseinandersetzung  die  Gegensätze,  welche  beide  Männer 
von  einander  schieden,  so  schroff  und  unverhüllt  zu  Tage, 
dass  wohl  beide  sich  von  der  Unversöhnlichkeit  derselben 
überzeugen  mussten,  wie  es  denn  Georg  selbst  in  der  er- 
wähnten Instruktion  ausspricht,  dass  der  letzte  Brief  seines 
Eidams  seine  Hoffnung  auf  Besserung,  d.  h.  Rückkehr 
desselben  zur  katholischen  Kirche,  vernichtet  habe;  wessen 
sich  andererseits  Landgraf  Philipp  von  seinem  Schwieger- 
vater, den  er  noch  zu  Anfang  des  Jahres  1526  für  seine 
Ansichten  zu  gewinnen  gehofft  hatte,  nunmehr  versehen 
zu  können  glaubte,  hat  er  ja  im  Jahre  1528  durch  sein 
gläubiges  Verhalten  der  schnöden  Fälschung  Otto's  von 
Pack  gegenüber  nur  allzu  deutlich  an  den  Tag  gelegt. 


Briefe  und  Kegesten. 

No.  1  (c.  1524  Dez.  Ms  1525  Jan.). 

Hersog  Georg  von  Sachsen  an  Landgraf  Fhilipj)  von  Uesaen: 
hütet,  der  Landgraf  möge  Nikolaua  von  Mrnkivitz  Erhhcrrn 
zu  Sonnemvalde  (mit  tueleJiem  loegcn  seiner  Begünstigung  der 
lutherischen  Lehren  Georg  in  Streit  gerathen  ist)  mahnen,  sieh 
auf  Grund  eines  früheren  Abkommens  ihm,  dem  Landgrafen, 
in  Haft  zu  stellen. 
Das  Schreiben  ist  verloren;  der  Inhalt  erhellt  aus  No.  2. 

No.  2  (c.  1525  Anfang-). 

Landgraf  Philipp  an  Herzog  Georg  in  Antwort  auf  No.  1:  schlägt 

das  Begehren   des  Herzogs   ah,   verbreitet  sich  über  die  Frage 

der   Verbindlichkeit    der  Kloster  gel  übde,  über   die   Fastengebote 

dir  katholischen  Kirche,  den  Messkanon  und  bittet  Georg,  nur 

die    Bibel    zur    Richtschnur    in    Glauhenssachen    zu     nehmen. 

Gedruckt:   liommel,  Philipp  der  Großrnüthige,   Landgraf  von 

Hessen,  111  (Urkundenband),   3—6   (No.  2),   ans   dem   hessischen 

Konzept;    Original  (von.  der   Hand  des  Landgrafen)  im  Dresdner 

Hauptstaatsarchiv.    Loc.  10299  Dr.  Martin  Luthers  u.  a.  Sachen 

1516-1539  fol.  113. 


1^18  "W.  Friedensburg: 

No.  3    (vor  1525  März  11). 

Herzog  Georr/  an  Landgraf  Philip)  in  Antwort  auf  No.  3:  vcr- 
theidigt  die  Vcrhindliclüced  der  Kloster  gel  iihde,  die  Fasteugebote 
der  katholischen  Kirche,  die  lateinische  Messe;  hofft,  daß  Fhilip^) 
in  sich  gehen  und  von  Luther  und  dessen  Anhängern  ablassen 
werde. 
Nach  dem  Konzept  von  der  Hand  des  Herzogs  im  Dresdner 
Hauptstaatsarchiv  a.  a.   0.  fol.  11-5. 

Hochgbonier  fürst,  framitlicher  liber  oliein  und  soii.  Nochdem 
ich  auerm  vatter  und  auch*^)  mit  leib  und  gut  gdiiit  bab,  korfursten 
fursten  mecbtig  graffen  und  vom  adel  umb  auer  wil  erzort  und 
bgeben,  uf  das  ich  keinerlei  underlis  domit  ich  a.  1.  zu  frauntlichem 
wiln  bweget,  also  habet  ir  meiner  mir  gnossen  den  ich  acht  auer 
ummer  mir  gnissen  wcrd**);  dorumb  ich  in  kein  zweifei  gsatzt, 
wes  ich  widerumb  frauntlich  an  auch  sinnen  werd,  a.  1.  werd  den- 
selben frauntlichen  wiln  zu  underhalten  sich  och  gutwillig  bfinden 
lossen,  ab  och  gleich  a.  1.  imant  mechtiges  dorumb  bgeben  solt. 
Ich  hab  aber  in  vorzeiten  umb  erledung  Nikel  von  Mingwicz  bei 
a.  1.  traiüich  anghalten,  aber  nichtz  erlang;  andre  haben  sovil  bei 
a.  1.  erlanget  das  a.  1.,  wi  ir  schreil)et,  in  zugsaget  in  nicht  zu 
manen,  wiwol  Ealtasar  Schrawtenbach  naulich  gschriben  das  a.  1. 
nicht  gstee  das  in  a.  1.  nicht  zu  manen  hab.  Het  ich  aber  gwost 
sovil  ich  itzt  aus  auerm  schreiben  vormorg,  den  zufal  so  her  von  a.  1. 
in  seinem  vornemen  hat,  ich  wolt  a.  1.  anzusuchen  wol  underlossen 
haben,  den  der  alt  keisser  sprach;  es  ist  böse  Schweiczer  mit 
Schweiczern  zu  schlan! 

Das  aber  a.  1.  frauntlich  bit  ich  nicht  wolle  a.  1.  ader  einleben 
menschen  ader  geist  glauben  wol  dan  den  fir  ewangelisten,  sant 
Pauls  episteln,  sant  Peters,  sant  Johans,  den  gschichten  der 
aposteln  und  das  alt  testament  lessen,  und  avoI  di  von  mir  thun 
di  mich  dorwider  füren:  deruf  geb  ich  a.  1.  zu  erkennen  das  uuers 
weibes  vater,  dorzu  ich  mich  bken,  eir  ir  uf  erden  kommen,  gwost 
hat  was  im  zur  selikeit  dinstlicb.  Ich  hab  och  als  ein  armer  sun- 
der das  ew'angelium  Cristi  ghort,  Petrum  und  Paulum,  wiwol  ich 
dem  leider  nicht  glebet;  aber  das  sal  a.  1.  von  mir  wissen  und  nicht 
sorg  haben,  das  mein  gniut  itzt  stet  und,  ab  got  wil,  biß  in  mein 
grab  also  bleiben  sal,  das  ich  dem  ewangelio  Cristi  und  anderm  das 
doran  hanget,  wi  das  di  cristlich  kirch  geordcnt  und  angnomen 
hat,  beistendig  und  noch  meinem  vormogen  gfolgig  sein  wil,  aber 
nicht  dem  ewangelio  Lutters,  Melangtons  aber  anderer  di  sich  er- 
laucht dünken  in  demselben  ewangelio,  den  ich  weiß  das  Luters  geist 
ein  logener  ist.  So  spricht  das  ewangelium:  man  sol  den  bäum  an 
frochten  erkennen**).  Diweil  den  kein  gut  frucht  aus  seiner  lere 
komen,  wi  offenbar  am  tag,  so  ist  kein  gut  grünt  do;  es  kan  kein 
logener  worsugen,  vil  wenig  der  so  drei  ader  hr  moineid  uf  sich 
hat.  Dasselbe  zu  bementeln  mocht  das  ewangelium  Luters  wol 
leiden  das  iderman  wider  trau  nocli  glauben  hilt,  globde  ader  eide. 
Das  a.  1.  bit,   ich  wol   der    menschen    gwissen    nicht   vorknupen  **), 


**)  =  euch.     Weiterhin:  a.  1.  =  auer  (euer)  lieb. 
**)  Zusatz  am  Bande:  und  hab  es  gern  gthan;  hifort  weiß  ich 
micli  ocli  zu  halten. 

*")  Matth.  12  f.  34.     Luc.  6  v.  44. 

*'J  soll  wohl  so  viel  heissen  als  verknüpf en ;  nicht  ganz  deutlich. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     119 

das  kan  ich  a.  1.  leichlich  gweren,  den  es  an  das  iu  meinem  gwalt 
nicht  steet,  als  wenig  als  in  meinem  gwalt  steet  den  ufzulossen  in 
gwissen  der  sich  selber  gbunden  hat  mit  eiden  und  globden ;  und 
wolt  gerne  seen,  wo  im  ewangelio  stet,  ein  monch  ader  ein  non,  di 
kauschheit  globet  hat,  das  der  ader  di  aussem  kloster  laufen  möge 
und  sich  vorelichen,  diweil  gschriben  stet:  globet  und  halz  I  und 
got  spricht:  auer  wort  soln  ja  ja  sein,  nein  nein*');  diweil  got  wil 
ja  und  nein  ghalten  haben,  vil  mir  wil  her  di  eide  ghalten  haben. 
Den  ich  acht,  es  sei  kein  fürst,  wen  her  sein  underthan  zu  einer 
vorwillung  einer  Steuer  vormag,  her  wils  von  in  ghalten  haben. 
Worumb  sal  man  dan  nicht  och  halten  was  man  dem  fromen  alten 
got  globet?  wi  til  liat  a.  1  fromer  ausgloffener  monch  funden  ader 
nonen;  seint  nicht  gmeinlich  hurn  und  buften*')  doraus  worden?  das 
wil  der  geist  der  Martinus'  ewangelium  treibet! 

Das  ich  di  menschen  gwissen  mit  esse  und  dem  das  in  bauch 
geet  vorbind:  doran  gschit  mir  och  unrecht;  den  war  ist,  got  spricht: 
was  in  leib  geet,  das  get  sein  natürlichen  weg;  aber  es  folget  halt 
hernoch:  was  aus  dem  herzen  geet,  das  bflekt  di  sele*').  Das  sein: 
böse  gdanken  thotschleg  ebroch  unkeuscheit  dauberei  falchse  gzeugniß 
und  mißbittung  gots;  ab  villeicht  in  den  bossen  gdanken  der  unghor- 
sam  ader  egenwil  mit  bgriffen  mocht  werden,  den  jo  saut  Peter  und 
Paulus  sprechen:  wir  soln  ghorsam  der  oberheit*").  Diweil  dan 
langer  den  auer  und  mein  gblut  forsten  gwest,  alweg  zwe  haubt 
der  kristenheit  gwest,  ein  das  do  zu  rcgirn  hat  ghat  die  sele,  das 
andre  das  do  hat  ghat  gwalt  zu  regirn  den  leib,  und  gar  vor  langen 
jarn  ordenung  gmacht  wi  man  sich  mit  essen  und  trinken  zu  vor- 
sunen  gotz  zorn  halten  sal,  acht  ich  darvor,  wer  das  an  not  fre- 
felich  obertrit,  das  der  nicht  sündiget  mit  dem  essen  ader  trinken, 
sunder  mit  dem  frefelen  gdanken  des  unghorsams  und  egenwil.  So 
werd  och  a-  1.  mir  dan  an  einem  ort  finden,  das  im  alten  testa- 
ment  gboten  ist  zu  fasten  gwest  och  den  thirn  zu  vorsuuung  gotz 
zorn,  wi  zu  Ninive  gschach*'). 

Das  a  1.  alegirt  den  Spruch  Pauli  do  her  spricht:  es  werden 
Vorboten  werden  weiber  zu  nemen  und  verboten  di  speiß  di  got 
gschaften  hat  zu  gbrauchen  zu  seiner  ere*^):  hiruf  wol  a.  1.  den 
Spruch  warnemen,  den  sant  Peter  sprich:  das  ir  bruder  vor  wissen 
auch  huttet,  uf  das  ir  nicht  durch  irthum  der  unweissen  vorfiirt  und 
von  auer  bstendikeit  abfalt**).  Den  sante  Paul  an  einem  andern 
orte  spricht  zu  Galatern :  das  tronkenheit  freisserei  och  sund  sei*'); 
wi  wil  sich  das  mit  dem  ewangelio  gleichen,  so  das  ewangelium 
spricht:  was  in  mund  get.  das  bfleg  die  sele  nicht?  Paulus  hat  etliche 
hoch  ding  gschriben  und  gret  in  sein  briffen,  under  welchen  etliche 
ding  schwer  zu  vornemen,  welche  di  unglarten  und  unbstcndige 
gleichwi  ander  schrift  mir  zu  ir  egen  Verdammung  felschen  und 
vorkern  **).     In  dem   mocht  auch   und    mir  och  so   widerfaren,   den 


'V  Matth.  r,  V  37.  *»)  d.  i.  Buben.  *»)  Mattli.  J5  v.  Jl, 
17— IL).  ="')  Römer  13  v.  1.  *')  Jona  3  v-  7.  '"■)  1.  Tmo.  i  v.  3. 
")  3.  Petr.  3  V.  17.     *')  Gal.  5  v.  21. 

^■•)  Im  Konzept  foUjt  nach:  sant  Peter  spricli  der  Satz:  Paulus 
hat  etliche  -  felsclien  "und  vorkern,  dann  erst  dan  CItat  aus  der 
2.  Epistel  des  Petrus.  Daneben  am  Bande  ohne  Verwelsxngs- 
zeichen  der  Satz :  den  sante  Paul  an  einem  andern  —  btleg  die  sele 
nicht. 


120  ^^'^-  Friedensbnrg: 

Paulus'  Schrift  nicht  Luter  ader  Melaiigton  von  eirst  untlerghat, 
sunder  es  seint  vil  heiliger  vater  vor  in  gwest,  die  och  ir  lere  mit 
helikeit  ires  leben  bweist  haben,  den  mir  zu  glauben  den  Luters 
geist.  Aber  dennoch  so  wil  ich  auch  mein  eifaldig  bdenken  anzogen. 
Der  Spruch  ist  itzt  uf  di  zeit  nicht  zu  richten,  den  ir  wert  nidert 
finden  das  di  ee  imant  verbotten  sei,  her  hab  es  den  zuvor  sich 
selber  vorschniten  zu  der  ere  gots.  Derselb  hatz  sich  vormessen 
sukhes  zu  bgreifen;  dorumb  halt  her's  billich.  Ordenung  der  speiß 
ist  nicht  in  dissen  zeiten,  sunder  den  meren  theil  bei  zeiten  der 
alten  ordenung  der  kirchen  so  herbrocht.  Diweil  aber  Paulus  von 
letzten  zeiten  anzöget,  kan  es  itzt  nicht  stat  haben  als  solt  es  itzt 
ufgsatzt  sein. 

Von  haltung  der  messe,  das  di  deuts  ader  latinisch  sal  ghalten 
werden,  halt  ich  darvor,  sei  dui-ch  di  gordent'")  di  es  bas  dan  ir 
ader  ich  vorstanden,  das  man  latinisch  meß  halt,  aus  orsach  das  di 
latinisch  sprach  di  aller  gelchist  *')  sprach  ist ;  und  diweil  man  die 
kristlich  kirch  nicht  bas  dan  an  der  einkeit  erkennen  kan,  so  halt 
ich,  das  och  gut  sei  das  maus  latinisch  halt  bis  das  eitrechtig  ein 
bessers  gordent  wert.  Das  a.  1.  den  canon  so  vorachtlich  ausleget, 
pit  ich,  a.  1.  wol  nicht  den  munt  in  himel  setzen,  den  das  ist  ganz 
offenbar,  das  gar  heilig  und  hochbrumpt  vater  dissin  canon  gmacht, 
und  ist  in  der  kristlichen  kirchen  gar  vil  hundert  jar  ghalten,  vor 
erlich  und  lobelich  gacht**),  hat  worlich  der  deutung  Martini  und 
Melangkthon  aber  der  probest  zu  Norinberg  nicht  erwart;  den  es 
ist  i  am  tag,  wan  ein  fürst  ein  briff  gibet  und  einch  misvorstant 
darin  ist,  so  wil  her  nicht  das  imant  deute,  den  her  selber;  so  nu 
der  kanon  von  der  kristlichen  kirchen  aufgsatz,  di  allein  vom  heiigen 

geist *»),  so  los  man  der  kirchen  ir  deutung  och;   den  der 

si  regirt,  der  irt  nicht.  — 

Also  wil  ich  itzt  korz  a.  1.  underweisung  vorantwort  haben, 
nicht  aus  einchem  haß  ader  neid,  sonder  allein,  das  got  weiß,  als 
ich  mitleiden  mit  a.  1.  hab,  dan  a.  1.  gern  den  rechten  weg  wolt 
und  so  böse  wegweisser  habet,  und  bsorg,  a.  1.  mocht  gschen  wi 
man  sprich  Judes  dem  verreter  gschacb,  der  hat  rau  und  leid  ober 
sein  sund,  her  beichte,  her  gab  wider  und  tat  wie  ein  bußhaftiger 
mensch;  allein  her  suchit  den  rechten  beichtvater  nicht;  wen  her 
zun  aposteln  gangen  und  nicht  zu  Juden,  her  het  villeicht  gnad 
funden.  Also  muß  a.  1.  och  thun:  wolt  ir  Martinus'  bosheit  innen 
werden,  so  must  ir  nicht  Melanton  ader  der  probest  von  Norenberg 
schreiben  lessen,  sonder  derjenen  di  wider  Luter  schreiben;  so  mocht 
auch  got  erlauchten  zu  finden  den  weg  der  selikeit. 

Ich  höre  ser  gern  das  a.  1.  vor  gut  ansit  das  ich  vorgebe 
wer  wider  mich  gthant,  den  wo  es  nicht  gschit,  so  wil  mir  got  och 
nicht  vorgeben.  JEs  sal  a.  1.  gewiß  sein,  was  Martinus  wider  mich 
gthan,  das  ist  langest  vorgeben;  was  her  aber  wider  mein  hern  den 
keiser  gthan  ader  zufoderst  di  kristlich  kirchen,  das  vurgeb  im  got. 
Ich  vorhoff  a.  1.  wert  och  so  thun  und  Ludewig  von  BaM'melberg 
Hartman  von  Cronberg  Pfillips  Weyffen  und  ander  di  wider  auch 
gthan  Och  vurgeben  und  in  wider  geben  was  ir  in  gnomen,  desgleich 
dem  von  Nassaw  och  folgen  lossen  was  im  von  keiserlicher  mt.  zu- 
gsprochen;  so  werd  iderman  sprechen,  ir  seit  rechter  ewangelischer 


*•)  geordnet.  *')  Superlativ  von  gleich.  **)  geachtet.  *')  folgt 
ein  unleserliches  Wort.  Der  Zusammenhang  fordert  regiert,  was 
aber  kaum  dasteht;  vielleicht  liegt  ein  Schreibfehler  des  Herzogs  vor. 


Beiträge  zuiii  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     121 

fürst.  Und  wil  och  a.  1.  frauntlich  erinnert  haben,  das  ich  und  vil 
fursten  —  ist  mir  recht,  so  ist  a.  1.  och  dorbei  gwest  —  bschlossen 
zu  Wormiß,  lissen  es  och  vorlauten  kegen  kei.  mt.,  das  wir  wolten  bei 
den  alten  brauch  der  kristlichen  kirchen- bleiben  biß  so  es  anders 
durch  ein  gmein  consilium  erkant  word;  wo  nu  a.  1.  des  indeiig, 
wert  a.  1.  sunder  zvveifel  auer  zusag  nicht  vorrugken  •"). 

Zu  andern  hör  ich  gern,  diweil  a.  1.  Nickel  zugsaget,  ir  wolt 
in  nicht  nianen,  das  es  von  a.  1.  nicht  gschit;  dan  wu  nicht  worheit 
bei  auch  wer',  so  hilt  ich's  dorvor,  ir  wert  ganz  Luterisch,  diweil  ir 
profeß  anzeiget  was  si  zusagen  und  seint  sin  nicht  scholdig  zu  halte. 

Das  ich  ober  der  geistlichen  jurisdiccion  halt,  ist  orsach,  das 
ich  weiß  das  ich  Juden  und  Heiden  bei  recht  schützen  sal;  diweil 
dan  di  geistlichen  garnicht  weniger  den  Juden  und  Heiden  sein,  so 
muß  ich  si  bei  dem  das  si  in  langem  gbrauch  berbrocht  und  noch 
nicht  vor  unrecht  erkent,  schützen  und  hanthabbeu;  vorhoff  ich  thu 
got  ein  gfal  doran,  es  gfal  den  Luterisch  wi  es  wol. 

Den  driten  artikel  hab  ich  doben  vorantwort. 

Diß  alles  wolle  a.  1.  och  mit  gdult  und  sunder  verdriß  ufnemen, 
den  ich  such  liirin  nicht  mein  ere  ader  rnm,  sunder  di  ere  gots 
und  seiner  kristliclien  kirchen ;  den  sucht'  ich  mein  notz,  mir  wer' 
langest  kloster  weist  worden,  di  ich  het  zu  meinem  notz  brau- 
chen mögen,  damit  ich  meinn  holt'  halten  wolt;  aber  ich  wil,  ab 
got  wil,  gotz  ere  zufoderst  setzen,  do  sal  mir  got  zu  helfen! 
Welchs  als  ich  a.  1.  zu  antwort  nicht  hab  wolt  vorhalten.  Got  wol 
a.  1.  lang  gsunt  sparen  in  frid  und  gutem  regiment.  A.  1.  wol  mein 
lang  schreiben  nicht  vordrislich  ansen,  sunder  der  nottorft  zumessen. 
Vordin  ich  gern.     Geben 

No.  i.    (Kassel;  1525  März  11.) 

Landgraf  Vhil/'pp  an  Herzog  Georg  in  Antwort  auf  No.  3:  hält 
an  der  lutherischen  Lehre  fest,  iveil  dieselbe  durchweg  mit  der 
Bibel  übereinstimme,  und  weist  nach,  ivie  zu  der  letzteren  eine 
grosse  Reihe  der  Einrichtungen  und  Satzungen  der  katholischen 
Kirche  in  schroffem   Widerspruch  stehe. 

Nach  dem  Original  im  Dresdner  Hauptstaatsarchiv  a.  a.  0. 
fol.  123. 

Hochgeporner  fürst,-  freuntlicher  lieber  vatter  und  ohaim. 
Euer  lieb  schreiben  und  erzelung  vieler  meinem  hern  vatter  seligen 
und  mir  bewiesener  dinst  mit  leip  und  gut  «escheen.  auch  das  e.  1. 
churfursten  fursten  meclitig  graven  und  vom  adel  umb  meines  vatters 
und  meinen  willen  erzürnet  und  begeben  haben,  damit  ie  e.  1.  mich 
zu  freuntlichem  willen  beweget,  also  das  ich  e.  1.  mehr  genossen 
dan  dieselb  acht  meiner  ununermehr  zu  geniessen  etc. :  des  und 
alles  weitern  Inhalts  hab  ich  mit  vleis  und  nit  an  sonder  bewegung, 
auch  an  allen  verdries  durch  und  wider  leßen  und  gnugsam  ver- 
standen, darzu  solichs  mit  gedult  und  allem  freuntlichen  willen  von 
e.  1.  als  der  soen  vermergkt  und  angnomen.  Nu  ist  nit  'an,  e.  1. 
haben  meinem  hern  vatter  seligen  und  mir  in  meinen  kinttairen 
biß  hier  in  viel  wege  groesse  und  mirgliche  dinst  und  jedesmal  auf 
mein  bitlichs  erfordern   zusetzlichen  beistant  gethan,   des   ich  mich 


'*)  [lud    wil    —    vorrugken     Einschiebsel   auf  einem   anderen 
Blatt;  gehöH  nach  den    Vcrtveisungszeichen  ivohl  hierher. 


122  ^^^-  Frieilensburg: 

wol  zu  erinnern  und  desselben  e.  1.  hohen  vermeglichen  dank  M'eis; 
erken  mich  auch  und  bin  es  nit  allein  aus  verwantnus,  sunder  auch 
aus  dankparer  pillicher  Vergeltung  schuldig  dasselbig  umb  e.  1.  mit 
darstreckung  nieins  leibs  nnd  guts,  meiner  lande  und  leute  freunt- 
lich  zu  verdinen.  Wes  ich  auch  nit  verdint  hett',  wie  ich  wol  weis 
das  nit  gescheen  sein,  so  es  dan  darzu  queme,  so  solt  mich  e.  1. 
noch  in  alwege  darzu  nochmals  mit  allem  vermegen  gneigt  und  be- 
vliessen  finden.  Nu  vermergk  ich,  wie  ich  zuvor  besorgt  hab,  das 
e.  1.  meins  gethanen  Schreibens  halb  vast  unwillig  ist,  wiewol  ich 
nit  hoft"  das  ich  etwas  ungepurlichs  geschrieben  hab,  dan  ich  habs 
treulich  und  gut  gemeint,  als  das  got  weis.  Ich  hab  mich  auch 
erpotten  unterweißen  zu  lassen  aus  dem  wort  gottes,  wo  ich  unrecht 
hett',  das  ich  es  wolt  abstellin,  wuchs  ich  noch  gneigt  bin.  Das 
ich  mich  aber  durch  alte  gepreuch,  der  mentschen  weise  bedunken 
oder  einsetzung  solt  vom  wort  gottes  leiten  und  irren  lassen,  das 
wil  ich,  ob  got  wil,  nit  thun,  dan  mentschlich  Vernunft  kan  irren 
und  darumb  in  gottes  wort  nit  urteilen.  Ich  bin  auch  schuldig  got 
mehr  dan  den  mentschen  gehorsam  zu  sein,  wie  wir  das  haben  in 
der  aposteln  geschieht  am  5  cap.  *');  so  sehe  ich  auch  das  man 
kein  concilium  machen  wil;  so  ist  auch  niemants  der  wider  den 
Luther  mit  gotliclier  geschrift  und  seinem  wort  fechten  will,  dan 
allein  das  sie  alte  mentscbliche  gepreuch,  die  einsteils  wider  got 
sein,  furwenden  und  das  sie  mit  dem  schwert  dran  wollen,  wan  sie 
es  nit  weiter  bringen  können. 

Das  aber  e.  1.  schreibt  Minquitz  betreffend,  halt  ich  nit  das 
ich  geschrieben  hab  inen  nit  zu  manen,  sunder  ich  hab  geschrieben 
inen  nit  leichtlich  zu  manen.  Wo  ichs  aber  geschrieben,  so  hab  ich 
mich  verschrieben. 

Ich  hab  mich  auch  in  meinem  brive  erpotten  mein  leibe  und 
gut  bei  e.  1.  zu  setzen  gegen  allermenniglich,  wie  das  mein  brief 
inhelt;  darumb  het  ich  mich  nit  versehen  das  e.  1.  darin  ein  un- 
gefallen het  gehapt,  das  ich  e.  1.  die  warheit  geschrieben  hab,  wan 
ich  bin  es  schuldig.  So  weis  ich  das  e.  1.  so  vil  spitzhute  bei  sich 
hat  von  pfaffen  und  raonichen,  die  umb  ires  nutz  und  geizcs  willen 
e,  1.  die  warheit  nit  sagen.  Nu  kan  ich  es  aus  herzlichem  willen 
nit  unterlassen  e.  1.  antwort  zu  geben,  wan  ich  bins  schuldig  und 
thue  es  gern  aus  guter  getreuer  wolmeinung,  und  bit  e.  1.  wols  nit 
anders  dan  im  besten  verstehen,  dan  ich  mein's  gut. 

Zum  ersten,  wie  e.  1.  schreibt  das  dieselb  das  evangelium  ge- 
leßen,  auch  die  predig  gebort  hab,  das  glaub  ich  woll,  wolt  auch 
das  es  e.  1.  nach  christlicher  auslegung  recht  und  wol  verstünde, 
dan  ich  sorge,  man  deute  es  e.  1.  anders  dan  es  inhelt  und  der  recht 
christlich  verstaut  ist,  welche  iren  vortail  und  nutzen  darin  suchen, 
und  sag  noch  wie  vor,  das  ich  wolt  das  got  dieselben  von  e.  1. 
schicket. 

Das  e.  1.  auch  anzaigt  das  aus  doctor  Luters  schrift  nit  viel 
guts  kome  und  wie  Christus  darvon  gesagt  habe,  man  soll  sie  an 
iren  fruchten  erkennen,  da  sag  ich  das  zu,  wie  wir  das  1  Johannis4") 
und  1  Chorin.  14  habin,  das  man  soll  die  geister  prüfen:  welcher 
Christum  vor  gottes  sun  helt  und  das  er  uns  erloeßet  hab  und 
bekenn  es  das  er  sei  in  das  fleisch  kommen,  der  sei  von  got.  Wo 
nu  der  Luther  sagt,  das  man  in  got  glauben,   ime   allein    anhangen 


«')  Acta  5  V.  äO.     «^)  1.  Joh.  4  v   1—3. 


Beiträge  zum  BriefAvechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     123 

vertrauen  inen  auch  und  unsern  nechsten  als  uns  selbst,  wie  Christus 
gepot  ist,  lieben  sollen,  so  halt  ich,  er  sei  recht  und  das  gute  frucht 
aus  solichem  glauben  und  bekentnus  volgen  und  gescheen  werden, 
als  es  sich  dan  an  etzlichen  orten  wol  anlest  und  der  mentschen 
gepot  einsteils  abkonien.  E.  1.  inus  sich  auch  des  nit  irren  lassen, 
ob  schon  etlich  ergernus  daraus  kurapt,  wan  es  was  bei  Christus 
Zeiten  auch  also,  wie  das  Paulus  1  Chorin.  1  sagt:  wir  predigen 
Christum  den  gecreuzigten  den  Juden  zur  ergernus  und  den  Heiden 
zur  torheit"*);  wie  auch  Christus  selbst  säst:  es  ist  nit  möglich,  es 
mus  ergernus  sein,  aber  wee  dem  der  sie  gipt  •*).  So  kan  e.  1.  auch 
nit  iederman  ins  herz  sehen,  wan  got  wirt  das  inwendige  am  meisten 
ansehen;  so  helfen  uns  unsere  eusserliche  werk  nit  zu  der  seligkait, 
dan  allein  der  glaub,  aber  die  andern  werk  müssen  wir  thun  zu 
einer  beweisung  des  glaubens  und  aus  einer  kintlichen  liebe,  die 
wir  zu  got  haben. 

Ich  will  aber  e.  1.  nit  bergen  was  boeßer  fruchten  und  miß- 
preuch  aus  unser  vermeinten  geistlichen  leben  kumpt  und  das  in 
die  kurz  erzelen. 

Zum  ersten  so  hats  der  babst  dermassen  herpracht  und  spricht: 
was  ich  binde,  das  ist  gepunden  >md  ich  mag  gots  gäbe  umh  gelt 
verkaufen  und  habs  alles  macht  So  spricht  Petrus  in  der  aposteln 
geschichten:  vermaledeit  seistu  Simon  zeuberer  mit  deim  gelt, 
meinstu  das  gots  gäbe  umb  gelt  zu  verkaufen  sei")?  also  das  man 
daselbs  im  8  cap.  das  widerspill  und  sonderlich  auch  im  selben 
buch  findt  das  Petrus  gots  wort  nit  allein  gethan  hat,  sunder  die 
andern  aposteln  haben  ie  sovil  gethan.  So  spricht  auch  Christus 
Luce  am  22.«»)  und  Mathei  am  20."):  die  weltlich  heidnischen  fursten 
regirn  mit  gewalt,  aber  unter  euch  nit  also  etc.  So  wollen  babst 
und  bischoff  das  geistlich  und  weltlich  schwort  haben  und  ir  keiner 
predigt  doch,  sunder  haben  viel  huren  hengst  groesse  guter,  geben 
auch  niemant  kein  gut  exempel.  So  ist  das  auch  ein  groesser  miß- 
prauch  das  die  bischoff  und  pfaiTen  ir  keiner  kein  weip  hat,  sunder 
huren  zuvoran,  wilcher  dem  bischof  gelt  gipt,  und  Paulus  schreibt 
zu  Thima.  am  3.«*)  und  zu  Tito  am  ].*»):  sie  sollen  weiber  haben 
und  wie  sie  geschickt  sollen  sein.  Der  halten  sie  keins,  und  sunst 
ander  unzeliche  grausame  mißpreuch. 

Zum  andern  ist  auch  gotiicher  schrift  zuwider  das  man  gepeut 
den  dagk  zu  feiern,  den  dagk  zu  fasten  bei  einer  todtsunde,  und 
das  solte  pillich  frei  stehen,  wie  das  dan  Paulus  zun  Colossen  am  2. 
sagt '") :  last  euch  niemant  gewissen  machen  über  speiße  oder  über 
drank  oder  über  einsteils  tagen  nemlich  feiertagen  oder  neumondten ; 
item  ir  solt  euch  in  kein  mentschliciie  Satzung  füren  lassen,  wie  wir 
das  zun  Galetern  auch  haben"). 

Zum  dritten  so  ist  es  ein  groesser  mißprauch  das  man  das 
hochwirdig  sacrament  nit  gipt  wie  es  Christus  eingesetzt  hat,  und 
das  ist  ie  unwidersprechlich  das  got  spricht  Deute,  am  i  und  12: 
man  sol  weder  darvon  noch  darzu  thun  was  got  gebotten  hat'-). 
So  wollen  nu  unser  babst  und  bischoven  umb  der  geverlichait  willen 
weiser  sein  dan  Christus  selbs. 


")  1.  Chor.  1  V.  23.  «♦)  Matth.  is  c.  7.  "■')  Acta  «  r.  2ü. 
^•)  Luc.  22  V  25—26.  «')  Math.  20  v.  25—26.  «"j  1.  Timo.  3  v.  2. 
«')  Tit.  1  V.  6.  '")  Col  2  V.  16.  ")  Uni.  3  passim.  "y  Beuter.  4 
V.  2;  12  V.  32. 


124  W.  Friedensburg: 

Zum  vierdeii,  wie  e.  1.  schreibet  das  man  soll  die  eide  halten, 
und  das  e  1.  wolt  gern  sehen  wo  es  stunde  im  evangelio,  wen  man 
got  etwas  gelopt,  das  man  es  nit  halten  seit,  und  sprecht:  got  wol  ja 
und  nein  gehalten  haben,  dan  die  underthan  musten  doch  iren  hern 
halten  was  sie  geloben;  auch  zeigt  e.  1.  au,  das  eitel  huren  und 
hüben  werden  aus  den  ausgelaufen  nonnen  und  monchen  otc.  — 
darzu  sag  ich  also:  das  es  boese  und  ein  törichte  mentschliche  ver- 
messenheit  ist  solich  gelubde,  sonderlich  der  keuscheit,  die  weder 
im  alten  oder  neuen  testament  grünt  oder  bewerung  haben,  zu 
thun  und  sich  mit  mentschlichen  Satzungen  zu  verbinden,  dan  Pau- 
lus sagt  1.  zun  Corin.  am  7  cap."):  ir  seit  umb  einen  deuren  loen 
erkauft,  darumb  so  wollet  nicht  knecht  werden  der  mentschen.  So 
wir  dan  nicht  unser,  sunder  Christ  sein,  in  des  macht  und  gewalt 
steht  solich  gelubde  zu  volnbringen  und  zu  halten,  zuzulassen  und 
zu  geben :  wie  können  wir  dan  geloben  das  nit  unser  ist  und  wir 
aus  unsern  aigen  kreften  nicht  halten  noch  volnbringen  mögen?  So 
spricht  auch  Christus  Mathe,  am  19.,  das  keuschait  nit  iederman 
geben  sei,  sunder  wers  fahen  kan,  der  fahe  es  '*).  So  nu  keuschait 
ein  engellisch  tugent  ist  und  dem  mentschen  von  oben  herab  mus 
gegeben  werden,  wie  kans  dann  ein  mentsch  geloben  das  zu  hellten 
so  er  nit  hat,  auch  in  seiner  gewalt  nit  stehl?  So  spricht  Paulus 
zun  Corin.  am  7  cap.  alßo:  von  den  Jungfrauen  hab  ich  kein  gepott 
des  hern;  ich  sag  aber  mein  gutdunken:  bistu  an  ein  weip  gebun- 
den, so  such  nit  loeß  zu  werden ;  bistu  aber  loes  vom  weihe,  so 
such  kein  weip.  So  du  aber  freihest,  so  hastu  nit  gesundigt,  und 
so  ein  Jungfrau  freihet,  so  hat  sie  nit  gesündigt.  Ich  wil  aber  das 
ir  an  sorge  seit.  Wer  on  ehe  ist,  der  sorget  was  den  hern  ange- 
hört, wie  er  dem  hern  wol  gefalle;  wer  aber  freihet,  der  sorget  was 
die  weit  angehört,  wie  er  dem  weibe  wol  gefalle,  und  ist  zurteilet. 
Ein  weip  und  ein  Jungfrau,  die  on  ehe  ist,  sorget  was  dem  hern 
angehört;  die  aber  freihet,  sorget  wie  sie  dem  man  gefalle.  Solichs 
sag  ich  zu  euerm  nutz,  nit  das  ich  euch  einen  strick  an  hals  werf, 
sunder  das  euch  wol  ansteht;  so  aber  imant  sich  lest  dünken  es 
stehe  ime  übel  an  mit  seiner  Jungfrauen,  so  sie  über  die  zeit  gangen 
ist  und  mus  also  gescheen,  so  thue  er  was  er  will,  er  sundigt  nicht, 
laß  sie  heiratten.  Wer  aber  in  seinem  herzen  festiglich  vorsetzt 
und  ist  nit  benottigt  und  hat  macht  seins  willens  und  beschleust 
solichs  in  seinem  herzen  seine  Jungfrau  zu  behalten,  der  thut  woll. 
Entlich:  welcher  verheiratet,  der  thut  wol,  wilcher  aber  nicht  ver- 
heiratet, thut  besser  '*).  Deßgleichen  schreibt  er  von  verpietung 
der  ehe  zu  Timo.  am  4  cap.")  Nu  ist  ie  offintlich  am  tage,  das  sie 
wider  solich  gotlich  wort  verpotten  haben  die  ehe  den  pfaffen  und 
Paulus  erleupt  sie;  so  hat  man  aus  der  keuschhait  ein  gelobde 
gemacht,  das  doch  Paulus  nit  thun  wolt,  deßgleichen  unser  selig- 
raacher  Christus.  So  geschieht  groes  buberei  in  cloestern,  auch  bei 
der  bebst  cardinelen  der  sunde  Sodoma  und  Gemorra.  Darumb  wer' 
besser,  man  ließ  die  gelobde,  die  wider  got  sein  und  wir  nit  halten 
können  an  sein  gnad,  auch  nit  schuldig  zu  halten  sein,  deweil  es 
in  unser  macht  nit  steht,  abgehen  und  hielten  gots  gepott,  darmit 
wir  nnugk  zu  schicken  haben,  und  solich  keuscbait  freiliessen  bei 
einseieden")  gewissen  stehen,  so  lang  als  ime  got  gnade  gebe,  und 
hielten   gots  gepot,   da  uns   die   papisten   einen   rat    aus   gemacht 

")  1.  Corin.  7  v.  23.     '*)  Math.  IS  v.  11,  12.     '')  1.  Corin.  7 
V.  25—38.     '")  1.  Timo.  4  v.  3—5.     "J  d.  i.  jeden. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     125 

liaben.  Unsere  veinde  liep  zu  halten,  den  zu  vergeben  die  uns  leits 
gethan  haben,  unserra  nechsten  mitzuteilen  und  mit  meinem  Wider- 
sacher nit  zu  hadern,  zu  leihen  und  nichts  zu  fordern  und  mich 
des  zeitlichen  wesens  nit  zu  gelüsten  lassen  und  meinem  leibe  ab- 
zuprechen  und  gern  zu  sterben:  des  und  andere  dergleichen  sein 
die  gepott  gottes,  da  betten  wir  gnugk  mit  zu  Schäften.  Ich  wolt 
auch  gern,  das  einer  unter  den  geistlichen  erfurtrett  und  sprech, 
das  got  gepotten  het  das  man  keuschait  solt  halten  oder  geloben, 
oder  das  Christus  gesagt  het,  wan  mans  got  gelobet,  das  man  es 
halten  solt.  —  Ich  hab  gnugk  geschrieben  von  der  keuschait. 

Das  e.  1.  auch  anzaigt,  wan  eins  fursten  underthan  einem 
fursten  etwas  geloben,  so  seien  sie  es  schuldig  zu  halten,  das  ist 
war  und  mentschlicher  weise  gereth,  mentschliche  vernunlt  reimet 
sich  nit  mit  got,  sie  ist  gegen  got  wie  schwarz  gegen  weis,  üot 
begert  der  glubde  nit  von  uns,  sunder  allein  an  inen  zu  glauben 
und  sein  gepot  zu  halten.  Darumb  mus  man  gotlich  geschrift  an- 
zaigen,  die  besteht  vor  got  und  sunst  nichts.  Man  findet  dennocht 
wol  ausgelaufen  monich  und  nonne,  die  from  sein  und  sich  ehrlich 
halten.  Wie  sich  aber  die  groessen  biscboff"  epte  und  dhumbheru 
halten,  da  darf  ich  nit  viel  von  schreiben,  e.  1.  weis  selbs  wol.  So 
sein  auch  die  cloester  erst  frei  gewest. 

Zum  fünften  so  ist  das  auch  nit  ein  geringer  mißbrauch  mit 
den  walfarten  und  heiligen  ehren,  das  man  die  anbeth  als  weren 
sie  got  gleich,  und  sie  begerns  nit  so,  Avissen  wir  auch  nit  ob  sie 
es  heren.  So  ist  es  auch  im  alten  testament  verpotten  an  vielen 
orten,  dan  got  hat  sie  darumb  gestraftt  das  sie  ander  abgotter  ge- 
eheret  haben;  Christus  spricht  auch  in  Matheo  am  24.:  wen  sie 
werden  sagen  hie  ist  Christus,  dort  ist  Christus,  so  glaupt  inen  nit, 
sonder  er  ist  in  eins  iglichen  herzen  -wer  glaubig  ist'*).  So  sagt 
Paulus  zu  Timo.  am  2.'*),  das  Christus  allein  der  mitler  und  versuner 
sei  zwuschen  got  und  dem  mentschen.  So  spricht  auch  Petrus  in 
der  aposteln  geschieht,  das  in  keiner  creatur  weder  in  himel  oder 
auf  erden  dem  mentschen  sei  die  seligkait  geben  dan  in  Christo  *"). 
Es  spricht  auch  Christus  Luce  am  11.,  da  das  weip  sagt:  selig  sind 
die  brüst  die  du  gesogen  hast  und  der  bauch  der  dich  getragen 
hat;  da  sagt  Christus:  verwar  sag  ich  dir,  selig  sein  die  die  das 
wort  gottes  boren  und  behaltens");  und  sagt  gar  nichts  das  man 
sein  mutter  solt  anbetten.  So  tindet  man  in  keiner  gotlichen  schrift 
darvon  das  Maria  oder  die  heiligen  unser  vorliitteriu  oder  mittelerin 
sein,  sunder  wir  sollen  allein  got  in  seinen  heiligen  loben  und  got 
danken  vor  die  gnad  die  er  inen  geben  hat. 

Zum  sechsten  so  ist  der  bau  ein  miiJbrauch,  wie  e.  1.  selber 
weis,  wan  sie  bannen  ander  leute  und  sein  selbs  strelilich;  wilcber 
ban  in  der  sclirift  nit  gegruiult  ist.  So  wil  Christus  nit,  das  man 
umb  gelt  soll  bannen;  und  das  haben  sie  am  meinsten,  ja  uinb  eins 
weißpfennigs  willen,  getlian,  wie  e.  1.  (bis  wol  weis,  wo  irs  wissen 
wolt :  wir  sein  es  an  geringen  nachteil  unser  underthan  nit  innen 
worden. 

Zum  siebenden  ist  auch  ein  mißbrauch  das  die  weil)ischofi:" 
haben  die  bildnus  versigelt,  deßglichen  dis  und  das  geweihet  und 
haben  daraus  einen  aberglauben  gemacht,  in  gleichnus  mit  dem 
weichwasser  und  salz ;   da  hat  man  auch  mehr  glaubens  zu  dan  zu 


'»)  Math.  34  V.  J23  ff.     ">)  1.  Timo.  2  v.  5.     «")  Acta  4  r.  12. 
")  Luc    11  v.  28. 


126  W.  Frierlensburg: 

gottes  wort,  es  sol  jo  gut  sein  und  suiide  abnemen;  ist  nichts  dan 
aberglaube.  So  findet  man  in  keinem  ort  gotlicher  gesclii-ift  davvon. 
Zum  achten  ist  auch  ein  mißprauch  das  man  in  den  kirchen 
veintlich  heult  und  niemant  versteht  was  es  ist.  Man  solt  es 
pillich  halten  nach  sanct  Paulus'  lere:  wan  zwen  leßen  oder  singen, 
so  solt  einer  sein  der  es  aaslegt").  Und  das  geschieht  auch  nit; 
man  heult  und  singt  und  die  es  singen  verstehen  es  selber  nit. 

Zum  neunten,  wie  o.  1.  schreibt  das  e.  1.  darvor  helt,  das  einer 
mit  dem  essen  nit  sundigt,  sunder  allein  mit  dem  frevel,  das  bin 
ich  fro  das  mir  e.  1.  in  einem  zufeit.  Ich  halt  aber,  wan  einer  es 
nit  thue  zu  schme  seines  nechsten  oder  ergernus,  so  sei  es  kein 
sunde,  er  es  was  er  wolle.  So  hat  der  babst  die  gewalt  nit,  das  er 
möge  setzen:  du  solt  den  tag  feiern  oder  fasten,  nachdem  Christus 
kein  gepott  hat  drus  gemacht  und  spricht:  der  mentsch  ist  nit  ge- 
macht umb  des  saboths  willen,  sunder  der  saboth  um  des  mentschen 
willen *').  Deßgleichen  spricht  Paulus  an  vielen  orten:  ir  solt  euch 
kein  gewissen  lassen  machen  über  speiße  oder  feiertage.  Spricht 
auch  zun  Corin.  in  der  ersten  epistel  am  10.  cap.*';:  .A.lles  was  feil 
ist  auf  dem  tieischmarkt,  das  esset,  nf  das  ir  der  gewissen  nit  ver- 
schonet. "Wan  man  ist  got  mehr  schuldig  gehorsam  zu  leisten  dan 
dem  bal)st.  So  spricht  auch  Christus:  was  zum  munde  eingeht,  ver- 
unreinigt den  mentschen  nit'*).  Das  man  aber  wil  sagen,  das  die 
unvernunftigen  thier  und  mentschen  gefüst  haben  im  alten  testament, 
das  ist  war;  es  was  aber  gots  gepot  und  nit  der  mentschen.  Wan 
got  gesagt  hett  das  wir  solten  aus  gepott  feisten,  so  hielten  wir  es 
pillich;  deweil  er  es  aber  in  unsern  freien  willen  gesatzt  hat,  so 
hat  des  babsts  gepot  nit  stat.  Es  ist  auch  got  unser  fasten,  wie 
wirs  itzo  halten  und  brauchen,  nit  angenem;  wan  es  frist  einer 
uf  ein  malzeit  so  vil,  einer  het  es  wol  zwen  tage  gnugk.  Das  ist 
nit  anders  gefast  dan  einem  fräs  einlich!  Wollen  wir  aber  gots 
fasten  lialten,  so  müssen  wir  uns  aller  begirlichait  abziehen  und 
messig  leben,  das  ist  die  recht  fasten,  wie  uns  die  auch  wirt  ange- 
zaigt  Esaie  am  öS'*').  Also  magk  der  bapst  wider  diese  erzelte 
clare  spruch  der  mentschen  gewissen  zu  nirgen  2u,  das  in  der 
Schrift  nit  grundt  hat,  verbinden  oder  einicli  gepot  oder  vei'pot 
machen. 

Wie  auch  e.  1.  anzaigt  das  man  niemants  die  ehe  verpeut,  das 
mein  ich,  e.  1.  weis  es  wol  besser.  Man  verpeut  sie  ie  den  pfaffen, 
den  sie  doch  Paulus  erloupt,  deßgleichen  monichen  und  nonnen; 
und  doch  vor  Zeiten  die  closter  sein  frei  gewest.  Darumb  lies  man 
es  pillich  frei  stehen,  wo  man  anders  gots  wort  wolt  halten  und 
dem  nachgehen.  Wie  aber  e.  1.  schreibt,  das  der  spruch  Pauli  nit 
sal  uf  das  verstanden  werden,  das  itzt  die  letzst  zeit  sei,  deweil 
man  die  elie  und  speiße  verpeut:  nu  kan  man  ie  den  spruch  Pauli 
nit  anders  teutschen  oder  taddcln,  wan  wie  er  innhelt,  wan  er 
helt  ie  dar  das  in  letzsten  zeiten  solich  ding  gescheen  werden. 
Nu  sein  sie  ie  vor  äugen  und  gescheen.  Oh  man  nu  wolt  sagen: 
es  ist  lang,  darumb  ist  es  die  letzste  zeit  nit  das  es  verpotten  ist, 
so  mus  man  die  ander  epistel  l'etri  ansehen,  da  er  spricht  im  .3.  cap , 
das  ein  tag  vor  dem  hern  seien  wie  tausent  jar  und  tausent  jar  wie 
ein  tagk  *').    Nu   sehen  wir  das   das    evangelium   herfurbricht   und 


")  1.   Corin.  14  v.  37.     "*)   Marc.  3  v.  27.     «')  1.  Corin.  10 
V.  25.     ")  Math.  15  v.  11.     »•=)  Jcsaias  58  v.  3  flg.    "j  2.  Fctri  3  v.  ö. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     127 

das  man  in  vier  oder  fünfhundert  jaren  nit  so  viel  darvon  gesagt 
hat  als  itzt,  und  got  spricht  durch  den  propheten:  ich  wil  meinen 
geist  ausgiessen  auf  euer  soen  und  dochter,  das  ener  meidlein  sollen 
weissagen  und  euer  kneblein  sollen  spruch  sprechen««);  und  Christus 
spricht  Mathei  am  24.:  wan  das  ovangelium  in  der  ganzen  weit  ge- 
predigt wirt,  so  ist  das  ende  nahe «').  So  l<an  ic  Paulus'  spruch 
nit  anders  verstanden  werden  dan  wie  er  inhelt. 

Zum  zehenten  der  meß  halb,  da  sag  ich  noch  zu  wie  vor,  das 
mich  gut  deucht  das  man  under  zelten  ein  teutsch  meß  hielt;  dan 
in  welschen  landen  da  kan  das  gemein  volk  niereuteils  das  latein 
wol  verstehen,  wilchs  in  teutschen  landen  nit  ist.  Darumb  wer's 
gut  uuder  zeiten  teutsch  meß  zu  halten,  damit  das  volk  aus  ver- 
stentnus  der  wort  zu  groesserer  andacht  mocht  gezogen  werden, 
nachdem  iiian  auch  nit  hndet  wie  es  die  aposteln  gehalten  haben, 
dan  allein  iglicher  nach  seiner  sprach,  wie  das  e.  1.  wol  kan  merken, 
deweil  Paulus  allen  gotsdinst  verpeut  da  kein  besserung  aus  kumpt, 
und  spricht,  man  sol  was  man  singt  oder  beth  auslegen. 

Des  canons  halb  halt  ich  noch  wie  vor;  man  kans  auch  nit 
verwimpeln;  die  wort  lauten  also  wie  ich  e.  1.  geschrieben  hab. 
Darumb  thut  maus  pillich  abe,  und  ist  pillich  das  man  got  mehr 
gehorsam  sei  dan  den  mentschen.  Es  ist  sich  auch  nit  zu  vermuten 
das  der  heilig  geist  bei  dem  canon  gewest  sei,  wan  der  heilig  geist 
kan  nit  irren,  aber  da  ist  seer  geirt,  wan  die  wort  sein  ie  ie  seer 
boeße  und  verechtlich  gotlicher  maiestat.  E.  1.  darf  weder  Lutern 
Melaiichton  oder  den  Nurnbergern  nit  glauben,  e.  1.  gehe  in  e.  1. 
selbs  gewissen,  und  wo  sie  was  schreiben  und  allegirn,  so  sehe  e.  1. 
in  der  gotlichen  schrift  darnach:  findet  dan  dieselb  das  es  also  ist, 
so  glaupt  e.  1.  billich;  finden  es  e.  1.  aber  nit,  so  glaub  e.  1.  inen 
auch  nit,  deßgleichen  mir  auch. 

Wie  e.  i.  auch  schreibet  der  zusagnng  halb  bei  den  alten  ge- 
preuchen  zu  pleiben  bis  ein  concilinm  wurde:  nu  mag  ich  das  sagen 
das  ich  zu  Worms  nf  dasselbige  mal  bin  hinwegk  gewest;  so  wil 
man  auch  kein  concilium  machen;  so  bin  ich  ie  got  mehr  schuldig 
gehorsam  /.u  sein  dan  den  mentschen  in  <;otlichen  gepotten,  wie 
das  auch  Christus  sagt:  was  forchtet  ir  euch  vor  den  die  euch  den 
leip  nemen  können?  forcht  euch  vor  den  der  euch  seel  und  leip 
auf  einen  tag  kan  nemen  '"j.  Aber  in  Sachen,  die  got  nit  antreffen, 
wil  ich  gern  gehorsam  sein. 

Wie  e.  1.  auch  schreibt,  es  mocht  mir  gehen  wie  Judas,  und 
bit  mich  das  ich  nit  wolt  Melanchton  Luther  und  die  Nurin bergischen 
leßen,  sunder  die  auch  die  wider  den  Luther  schreiben:  das  nem 
ich  freuntluhs  danks  von  e.  1.  an  und  wil  dem  volgen  und  wil  die 
wider  den  Luther  schreiben  leßcn;  und  wo  sie  schreiben  das  dem 
evangelio  und  den  episteln  gleich  ist,  da  aviI  ich  inen  glauben;  wo 
sie  aber  mentschen  murrerrei  uiul  alte  gepreuch  dem  woit  gottes 
uiifemcs  herrurbringeii,  da  wil  inen  nit  glauben.  Ich  bit,  e.  1.  wolle 
inii;  auch  all.ii)  tliiin  und  wolle  dem  biscliolf  von  Meyssen  und  dem 
Empser  auch  nit  weiter  glauben,  wan  was  sie  mit  dem  wort  gottes 
beweißen  können. 

Wie  e.  1.  schreibt  das  ich  sohle  meinen  vheiiulen  vergeben, 
du  bit  ich  got  alle  dag  umb,  das  er  mir  die  gnad  wolle  geben  das 
ichs  thnn  möge. 


«0  Jod  3  V.  1      '")  Math.  34  v    li.     "">   Math.  10   c  3,S  /Uj. 
Luc.   12  V.  4. 


128  W.  Friedensburg: 

Wie  auch  e.  1.  schreibt,  ich  solt  geschrieben  haben  das  e.  1. 
über  der  geistlichen  Jurisdiction  halt,  das  hab  ich  meins  beheltnus 
nit  gethan;  ich  hab  aber  also  geschrieben:  das  sich  e.  1.  anmasse 
etlicher  Jurisdiction  der  mentschen  gewissen  betreffend,  das  stehe 
e.  1.  nit  zu.  Wie  aber  e.  1.  schreibt  das  die  geistlichen  nit  weniger 
dan  Juden  und  Heyden  sein,  da  schreibt  e.  1.  recht  an,  wan  sie 
merenteils  (doch  got  sein  urteil  furbehalten)  mehr  wuchern  dan  die 
Juden  und  sein  einsteils  unbarmherziger  und  unkeuscher  dan  die 
Heyden ! 

Der  selemessen  und  vigilien  halb  haben  die  Nurinberger  probst 
gnugk  geschrieben,  das  leße  e.  1,  und  sehe  in  der  schrift  darnach; 
wo  sie  formlich  und  recht  sein,  da  glaub  e.  1. ;  wo  sie  unrecht  sein, 
da  glaub  e.  1.  nit. 

Hirauf  bit  ich  nu  freuntlich,  e.  1.  wolle  das  wort  gottes  vor 
sich  nemen  und  demselben  volgen,  sich  auch  darin  niemants  weder 
mentschen  Satzung  oder  alt  herkomen  lassen  irre  machen,  dan  es 
ist  got  selbs  warhaftig  bestendig  und  pleibt  in  ewigkait,  es  wirt  e.  1. 
auch  woU  darüber  gehen. 

Bit  auch  sonderlichs  vleis,  e.  1.  wolle  dis  meins  langen  Schrei- 
bens keinen  verdries  oder  ungefallen  haben,  dan  ich  hab  es  nit 
anders  dan  freuntlich  und  wol  gemeint  und  meins  noch  nit  anders 
dan  treulich  und  gut;  kan  e.  1.  auch  oder  sunst  imants  mich  aus 
dem  wort  gottes  anders  unterweisen,  dem  wil  ich  gern  volgen. 
Und  bit,  e.  1.  wolle  dis  mein  schreiben  mit  bedacht  leßen,  dan  e.  1. 
soll  mich  nit  anders  dan  iren  freunt  finden.  Ich  wil  auch  mein 
leip  und  gut  zu  e.  1.  setzen;  wil  e.  1.  auch  haben  das  ich  Minquitz 
schreiben  soll  das  er  sich  gegen  e.  1.  gehorsamlich  halten  sol,  wo 
nit  so  must  ich  inen  manen  —  so  wil  ichs  gern  thun,  dan  e.  1. 
freuntlich  zu  dinen  bin  ich  gneigt.  Der  almechtig  bewar  und  er- 
leucht  e.  1.  nach  seinem  gotlichen  willen. 

Datum  Cassel  am  sanipstag  nach  invocavit  anno  etc.  25. 

Philips  von  gots  gnaden  lantgrave  zu  Hessen 

grave  zu  Catzennelnpogen  etc. 

[m.  pr.]  Philips  1.  z.  Hessen  etc.  sst. 

[Nachschrift.]  Aucli,  freuntlicher  lieber  vatter  und  ohaim, 
als  ich  erst  dieße  meine  antwort  mit  aigner  haut  gemacht  geschrie- 
ben und  die  nachfolgents  übersehen,  hab  ich  befunden  das  es  un- 
leserlich geweßen  ist  und  darumb  besorgung  gehapt,  e.  1.  mocht  es 
nit  leßen  oder  sich  daraus  recht  richten  können.  So  hab  ichs 
derhalb  durch  meinen  camersecretarien  und  vertrauten  diner  in 
geheim  wider  abschreiben  und  e.  1.  das  himit  zufertigen  lassen, 
damit  thue  ich  e.  1.  alzeit  was  ir  liep  und  dinst  ist.    Datum  ut  in  litera. 

No.  5.    (Dresden  1525  März  20.) 

Hersog  Georg  an  Landgraf  Philipp  in  Antwort  auf  No.  4:  loird 
sich  nicht  darauf  einlassen,  Philipps  ausführliches  Schreiben 
zu  ividcrlegen,  da  es  nichts  helfen  werde  und  sie  alle  beide  in 
Gefahr  ständen  sich  lächerlich  zu  machen;  in  hundert  Jahren 
werde  Gott  die  Wahrheit  schon  an  den  Tag  kommen  lassen. 
Nach   dem   Konzept   (von   der  Hand  Georgs)   im  Dresdener 

IlStA.  a.  a.  0.  fol.  121.     (Gleichzeitige  Abschrift  im  Ernestimsehen 

Gesamtarchiv  zu  Weimar.) 

Ilochgborner  fürst,  frauntlicher  Über   ohem   und  son.     Ich  hab 

a.  1.  langes  schreiben,  das  fol  heiiger  schrift  und  allegaten   ist  aus 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     129 

dem  alten  und  nauen  testament,  wie  das  Lutter  vordeutz  hat,  vor- 
lesen; des  ich  mich  (di  warheit  zu  sagen)  bei  a.  1.  nicht  vorsehen 
liet.  Mir  weite  ach  wol  gborn  a.  1.  widerumb  was  aus  der  heiigen 
Schrift  zu  antworten;  so  acht  ichs  dorvor,  es  sei  vergebens,  den 
a.  1.  di  helt  es  doch  dorvor,  es  quem  von  den  spitzhüttern  pfaifen 
und  monchen  her,  di  mich  auers  bdenkens  vorfnren,  so  doch  ein 
lei  och  was  in  der  Sachen  zu  thun  vormagI\. 

Vor  das  andre,  wo  ich  mich  mit  a.  1.  in  weiter  Schrift  di  auere 
zu  vorlegen  begeh,  mochten  es  vorstendig  leut  uns  beiden  villeicht 
nicht  unbillich  vor  ein  thorheit  achten  und  sagen,  wir  vorstundens 
beide  nicht.  Dorumb  wil  ichs  got  bfeln  und  dem  vortrauen.  Es 
ist  noch  umb  hunter  jar  zu  thun,  so  woln  wir  erfarn  wer  recht  ader 
nnreicht  ist  und  was  ein  itzlicher  vor  ein  spitzhut  ist. 

Hab  ich  a.  1.,  dem  ich  zu  dinen  gneget,  vor  antwort  nicht  woln 
vorhalten. 

Geben*')  am  montag  noch  oculi  im  1500  und  25, 

No.  6.    (1525  April  11.) 

Landgraf  Philipp  an  Herzog  Georg :  zeigt  sein  Bedenken  wegen 
des  Bauernaufstandes  an. 

Das  Schreiben  ist  verloren;  Inhalt  und  Datum  erhellt  aus  No.  7. 

No.  7.    (Dresden  1525  April  27.) 

Herzog  Georg  an  Landgraf  Bhilipp  in  Antwort  auf  No.  6:  hat 
bereits  Anstalten  gegen  die  Bauern  getroffen;  tvürde  auch  den 
Landgrafen  in  dieser  Sache  angesucht  haben,  wenn  er  denselben 
nicht  dem  lutherischen  Evangelium,  dessen  Frucht  der  Auf- 
stand ist,  gänzlich  hingegeben  vermerkt  hätte;  hofft,  Philipp 
tverde  es  ihn  nicht  entgelten  lassen,  dass  er  diesem  Evangelium 
nicht  anhänge,  sondern  ihm  Beistand  leisten. 

Gedruckt  Bommel,  Geschichte  von  Hessen  III  Anm.  S.  221  flg. 
aus  dem  Kasseler  (Marburger)  Original. 

No.  8.    (Gotha  1526  Februar  24.) 

Landgraf  Philipp  an  Herzog  Georg:  hat  vernommen,  dass  Georg 
die  freie  Predigt  des  Evangeliums  auf  Grund  der  h.  Schrift 
zugelassen  haben  solle;  freut  sich,  dass  der  Herzog  somit  den 
rechten  Weg  betreten  habe,  und  mahnt  ihn  von  demselben  nicht 
zu  weichen. 

Nach  dem  Original  (von  Philipps  Hand)  im.  Dresdner  HStA. 
Loc  10300  Instruction  und  allerley  Schreiben  n'.  1526  fol.  13 
(daselbst  fol.  14.  22  auch  zivei  Abschriften.) 

Hochgebornr  fürst,  frundlicher  lieber  fater  und  oheim.  Wo  es 
e.  1.  an  sei  und  leib  glucklicli  und  woll  zustünde,  des  wer'  ich 
hoch  erfrauet. 

Mir  ist  angezeit  worden  von  etlichen  personen,  wie  das  c.  1. 
Prediger  die  rechte  warheit  sol  geprediget  liaben   und    e.  1.    sol  zu 


")  Die    Weimarer   Abschrift   fügt  das    Ortsdatum  Dresden 
hinzu. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.     VI.  i.  2.  9 


130  ^-  Friedensburg: 

im  gesagt  haben,  er  sol  frei  predigen  was  er  mit  der  schrift  beweisen 
kan.  Wo  nu  das  also  wer',  als  ich  Loft",  so  wer's  ein  gros  gnade 
von  got,  den  ich  dan  bitten  wil  das  er  e.  1.  sin  und  gewissen  regiren 
wil  nach  seinem  wort  und  das,  als  ich  hoff",  das  er  in  e.  1.  ange- 
fangen hat,  wol  volbringen,  als  er  an  zweifei  dun  wirt  nach  seinem 
willen.  Und  ist  uarumb  mein  frundlich  und  dinstlich  bit  umb  gots 
willen  an  e.  1.,  das  e.  1.  sich  nit  wol  lassen  ir  ader  forchtsam  machen 
nimants  und  bei  gotlichem  wort  und  evangelio  sten  und  anemen, 
und  sich  durch  dasselbige  wort  underweisen  zu  lassen,  wie  dan  das 
e.  1.  schuldig  ist;  so  wirt  es  e.  1.  got  unbelont  nit  lassen,  wie  er 
dan  auch  gesagt  hat  durch  Cristum  seineu  son,  der  dan  spricht: 
wo  ich  bin,  do  sal  auch  mein  diner  sein  "),  und  aberraal  an  einem 
andern  ort :  vater  ich  -wil,  wo  ich  bin,  das  auch  do  mein  diner  sei*'), 
und  spricht  weiter  an  vilen  orten,  wer  an  in  und  sein  wort  gleube, 
der  hab  das  ewig  leben,  und  sprich  noch  weiter:  wer  mich  be- 
kennet for  den  menchsen,  den  wil  ich  bekennen  vor  meinem  him- 
lichsen  vater"),  und  sagt  uns  darzu  mit  trostlicher  zusagnng,  wo 
wir  versamlet  sein  in  seinem  namen,  das  er  wil  bei  uns  sein**),  und 
spricht  weiter,  das  er  uns  wol  mund  Weisheit  und  seinen  geist 
geben,  das  wir  nit  sollen  sorgen  was  wir  reden  sollen,  wu  man  uns 
vorfordert  **).  So  spricht  auch  Cristus,  das  himel  und  erden  sollen 
vergen,  aber  sein  wort  sol  nit  vergeu  *').  Darumb  so  bleiben  wir  billich 
bei  seinem  wort,  dieweil  das  nit  verget  und  sein  zusagung  wert  bis 
uf  kinds  kind,  als  ich  dan  hoff,  als  e.  1.  dun  wirt;  und  wo  es  e.  1. 
dut,  so  wirt  es  e.  1.  got  belonen,  wie  dan  vor  gesagt  ist,  und  wirt 
e.  1.  ein  gut  cristlich  gerucht  machen  kegen  allen  Cristen.  So  wil 
ich  es  auch,  so  vil  in  meinen  vermögen  ist,  umb  e.  1.  verdinen  mit 
leib  und  gut.  Uf  das  ich  aber  e.  1.  cristlich  gemut  vernemen  mag, 
so  bit  ich  e.  1.  antwort,  das  e.  1.  wol  mir  anzeigen  wie  es  ein  gestalt 
hot,  obs  war  aber  nit  war  sei  (als  ich  dan  nit  hoff).  Und  wil  himit 
e.  1.  got  bevelen,  der  geb  e.  1.  und  uns  allen  sein  gnad,  wie  er  dan 
zugesagt  hat,  won  mir  in  drum  bitten. 

Datum  Gotta  sonabent  nach  reminiscere  anno  domini  2C. 

Philips  1.  z.  Hessen  etc. 

No.  9.    (Leipzig  1526  März  6.) 

Herzog  Georg  an  Landgraf  Philipp  in  Antwort  auf  No.  8:  be- 
richtet loas  es  damit  auf  sich  habe,  dass  er,  wie  dem  Land- 
grafen überbracht  ivorden,  die  freie  Predigt  des  Kvangeliutns 
zugelassen  haben  solle,  und  bekennt  sich  als  treuen  Anhänger 
des  Christenthums  und  der  Icatholischen  Kirche. 

Nach  einer  gleichzeitigen  Abschrift  ebenda  fol.  30  (DJ.  Coli, 
eine  gleichzeitige  Abschrift  ebenda  fol.  24  (E). 

Hochgeborner  fürst,  IVeuntlicher ''lieber  oheim  und  soen. 

Euer  lieb  schreiben,  das  datum  heldet  am  sonnabent  nach 
reminiscere  [1526  Febr.  24j  zu  Gotha,  hab  ich  gestern  niontag 
spat  empfangen,  und  wiie  es  e.  1.  geluglich  und  seliglich  an  sele 
und  leibe  zustünde,  das  wehr'  mir  ein  herzliche  freud;  befinde  auch 
das  e.  1.  schreiben  aus  trauen  herzun  gescheen ;   das   es  och  so  aus 


")  Ev.  Joh    12  V.  26.     ")  Ec.  Juh    17  v.  24.     »')  Math.  10 
V.  32.     *')  Math.  18  v.  20.     *")  Luc.  21  v.  15.     »')  Math.  24  v.  35. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     131 

rechter  gültiger  anleitung  geschehen  were,  vorhoflet  ich,  es  solt  bei 
e.  1.  und  mir  dester  raeher  frucht  bringen.  Und  wil  e.  1.  nichts 
bergen:  der  euch  solch  geschiecht  zwischen  meinem  prediger  und 
mir  bericht,  der  hat  nichts  darnmb  gewust  oder  hats  erdicht,  damit 
er  mit  holTniehren  quem,  die  vielleicht  bei  etlichen  angenhem  zu 
hören  gebest;  denn  es  heldt  sich  alßo  : 

Am  Sonntag  invocavit  [1526  Febr.  11]  do  hat  mein  prediger 
gesagt  das  gewonulich  evangelium,  M-ie  Cristus  gefast  vierzig  tag 
und  nach,  dornoch  gesagt  das  uns  dermassen  zu  fasten,  wie  Cristus 
gethann,  nicht  gebotten,  denn  es  wer'  uns  auch  unmöglich  zu  thun  ; 
er  befinde  auch  im  ewangelio  und  der  heiligen  schrift  nicht  das  die 
f.isten  gebotten  wehr,  denn  die  nutzlichst  fasten  were,  die  wir  ge- 
thun  konnten  und  die  am  seligsten  wer',  die,  das  wir  von  sunden 
fasten ;  wie  er  auch  von  der  feier  gesagt,  das  man  solt  von  sunden 
feiern.  Er  hat  auch  von  vleisch  essen  gesagt,  was  Paulus  davon 
geschrieben  und  andere  allegat,  wie  man  sagt,  was  in  mund  gehet, 
das  befleckt  die  sele  nicht;  auch  wie  Paulus  sagt,  das  kein  trun- 
kener oder  fressiger  **)  ins  reich  der  hierael  komme,  und  anders ; 
hat  also  pro  et  contra  gearguirt  und  doch  darbei  gesagt,  was  die 
cristliche  kirche  geursacht  die  fasten  auszusetzen,  das  loß  er  in 
dem  gericht  und  gewalt  der  cristlichen  kirchen,  bei  der  er  allezeit 
bleiben  ")  und  davon  nicht  scheiden  wolle.  Er  hat  auch  sonderlich 
angezaigt,  das  man  ergernis  meiden  solle,  und  darzu  Paulum  gealle- 
girt  und  gesagt,  sand  Pauli  sprech,  ehr  er  sein  nechsten  ergern 
■weit,  er  wolle  ehr  sein  tage  kein  tieisch  essen;  und  im  beschlus 
gesagt,  sein  rath  und  mainung  'sei,  wir  sollen  beim  gehorsam  der 
cristlichen  kirchen  bleiben.  Dornoch  bin  ich  zu  ime  in  sein  stube 
gegangen  und  ihne  in  seim  studio  funden.  Do  hat  er  wider  mich 
gesaget,  er  sei  bekümmert,  er  könne  mit  der  fasten  nindert  uberein 
kommen,  und  hat  mir  zwen  namhaftige  ort  in  der  schrift  geweist, 
an  einem  ort  gesagt  die  fast  sei  nicht  vom  ewangelio  gebotten,  am 
andern  ort  do  stehet  sie  sei  von  altvettern  prophetten  und  Cristo 
bestettigt;  er  rathe  noch,  man  bleibe  bei  der  cristlichen  kirchen. 
Do  hab  ich  ime  gesagt :  wir  haben  das  woU  behalten,  das  die  fast 
nicht  gebotten;  aber  das  wir  sollen  bleiben  beim  gehorsam  der 
cristlichen  kirchen,  das  dine  uns  nicht,  darumb  haben  wirs  nicht 
alle  behalten.  Als  hat  er  alsbald  gesagt,  er  hab  auch  gesagt,  man 
sal  nicht  ergernus  geben,  wie  sandt  Pauli  sagt.  Do  hab  ich  ime 
gesagt:  wir  sein  arme  leute;  was  uns  dienet,  das  fassen  wir  bald; 
aber  was  widder  das  fleisch  ist,  das  lassen  wir  voruberwuschen;  und 
habe  ime  eben  gesagt,  ich  sorge,  es  sein  viel  leute  der  jjredig 
geergert;  darumb  so  sege  ich  vor  gut  an,  dieweil  er  uns  allen  ge- 
zaigt  das  ers  laße  in  gewalt  und  Verantwortung  der  cristlichen 
kirchen,  warumb  sie  die  fast  ausgesazt,  dorbei  er  bleiben  wolle, 
und  uns  doliin  geweist,  so  sei  nott  das  er  zu  einer  andern  zeit 
erclere  die  gewald  der  cristlichen  kirchen  und  wie  wir  ire  gehorsam 
sein  sollen.  Das  hat  er  alßo  zu  tliun  gesagt,  vorsehe  mich  auch, 
es  sei  meines  abwesens  alßo  geschehen.  Sovil  ist  mir  dits  handeis 
wissend  und  kau  mit  warheit  niemand  anders  gesagen.  — 

Das  mich  auch  e.  1.  erinnert  und  ermant  das  wort  gottes  zu 
hören  und  dem  gefolgig  zu  sein,  daran  e.  1.  mir  warlich  traulich 
und  weislich  retli;  wue  ich  auch  nicht  folge,  so  werde  ich  mein 
straff  woU  finden.     Das   aber  e.  1.  der  sorgfoldigkait  entledigt,  die 


»»)  so  E;  D  vleissiger.     »»)  öo  E;  D  blieben. 

9* 


132  W.  Friedensburg: 

e.  1.  bei  mir  traget,  als  solt  ich  vileicht  ein  feiiid  sein  des  ewan- 
geliums  Christi,  aber  '*")  das  nit  hören  wollen,  sonder  vorfolgen 
das,  wie  ich  dann  von  denjhenigen  e.  1.  angeben,  denn'*")  e.  1. 
villeicht  mehr  denn  mir  glaubt,  so  wil  ich  e.  1.  anzaigen  wie  mein 
gemut  bisher  gestanden,  jetzt  stehet  und,  ab  got  wil,  in  mein  tod 
stehen  sali:  ich  hab  das  ewangeliuin  Cristi,  sint  ich  tzue  Vernunft 
kommen,  angenomen  und  gehört  (wolt  got  ich  thete  auch  die  wergk), 
dennigk  "'^)  auch  darbei  zu  bleiben,  wie  es  die  cristliche  kirch  an- 
genomen und  approbirt  hat;  davon  sal  mich  kein  höchster  weltlicher 
ader  geistlicher  erengeiz  dringen  ader  fuhren ;  mich  auch  sal  mit 
hulf  gottes  kein  forcht  darvon  abschauen,  und  ab  der  maister  '"') 
hinder  mir  stunde  und  mir  das  leben  nemen  solt,  sol  er  mir  aber 
dennoch  den  glauben  der  cristlichen  kircben  nicht  abtringen,  bei 
der  cristlichen  kircben  ewangelion  will  ich  bleiben,  und  wes  ich 
darvou  nicht  vorstehe,  das  wil  ich  bei  der  deutung  der  cristlichen 
kircben  lassen  und  dobei  beharren,  das  wolle  mir  got,  der  mich  am 
creuze  erlost,  helfen !  wehr  auch  e.  1.  anders  von  mir  sagt,  der 
kennet  mich  nicht.  Hiraus  hat  e.  1.  abzunehmen,  wehr  der  ist,  der 
euch  sein  tochter  gegeben.  Ich  bin  kein  Turgke,  ich  bin  kain 
Hayde,  ich  bin  kain  Jude,  ich  bin  kain  ketzer;  ich  bin  ein  getaufter 
Crist,  ein  glied  des  corpers,  welchs  corpers  Cristus  das  haupt  ist, 
und  ein  gehorsamer  seiner  cristlichen  kircben.  Bedank  mich  von 
e.  1.  weiser  lehr  und  Spruche,  so  mir  e.  1.  in  euerm  schreiben  ange- 
zaigt,  und  bitt,  e.  1.  habe  acht  uf  die  fruchte  derjhenen,  so  e.  1.  in 
zweivel  fuhren  ab  ich  ein  Cristen  sei;  denn  got  spricht:  man  sali 
sie  aus  den  fruchten  erkennen,  und  spricht  auch:  wehr  die  kirch 
nicht  bort,  der  sei  ein  etniciis   und  publicanus  "**). 

Will  hirmit  e.  1  dem  almeclitigen  bevolhen  haben,  der  gebe 
uns  allen  seine  genad  das  zu  thun  das  sein  gotlicher  wille  ist;  ane 
den  vermögen  wir  nichts.     Derselben  e.  1.  zu  dienen  bin  ich  willig. 

Geben  am  dinstag  nach  oculi  im  1526  ten  zu  Leiptzk. 

Georg  herzog  zu  Sacbssenn. 

No.  10.     (1526  zwisclien  März  6  und  22.) 

Landgraf  Philip}^  an  Her  sog  Georg  in  Anttvort  auf  No.  9:  legt 
in  ausführlichem  Schreiben  dar,  toie  sehr  die  Kirche,  deren 
Haupt  der  Papst  ist,  von  der  von  Christus  gegründeten  Kirche, 
deren  Haupt  dieser  allein  ist,  ahiveiche,  verioeist  den  Herzog 
abermals  auf  die  Bibel  and  nimmt  die  lutherische  Lehre  in  Schutz. 

Gedruckt  Bommel,  Philipp  der  Großmüthige,  Landgraf  von 
Hessen,  Uricundenband  No.  3  S.  6—10  aus  dem  hessischen  Konzept; 
Original  (von  der  Hand  des  Landgrafen)  in  Dresden,  HStA.  a.  a.  O. 
fol.  38;  eine  gleichzeitige  Abschrift  ebenda  fol.  33. 

No.  11.    (Dresden  152()  März  22.) 

Herzog  Georg  an  Landgraf  Philipp  in  Antivort  auf  No.  10:  theilt 
auf  Wunsch  des  Landgrafen  mit,  ivas  er  unter  der  christ- 
lichen Kirche  verstehe,  spricht  über  sein  Verhältnis  zu  Luther 
und  über  die  Simseverbote  der  katholischen  Kirche. 


')  s.  V.  a.  oder.     '"')  s.  v.  a.  denen.     '"-)  s.  v.  a.  denke. 
')  d.  i   der  Henker.      '»*)  Math.  18  v.  17. 


100 
103 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     133 

Nach  dem  Original  (von  der  Hand  Georgs)  im  Marburger 
Staatsarchiv.  Auch  im  Dresdner  HStA.  in  zwei  gleichzeitigen 
Abschriften  (a.  a.   ().  foh  17.  37). 

Hochgborner  fürst,  frauntlicher  über  ohem  und  son.  Das  es 
a.  1.  an  sele  und  leip  wol  ginge,  erfiir  ich  gern. 

A.  1.  antwort  uf  den  briff,  so  ich  uf  a.  1.  foriges  schreiben  a.  1. 
zugschigkt,  hab  ich  vorlessen  und  btind  dorin,  das  a.  1.  mit  viller 
frauntlicher  lere  und  vormanung,  der  ich  micli '"')  frauntlich  bdang, 
ein  bger  zu  wissen  hat,  was  ich  vor  di  kristlich  kirchen  halt,  mit 
bit  a.  1.  mit  meiner  antwort  zu  erfrauen.  Doruf  wil  ich  a.  1.  nicht 
bergen,  das  ich  vor  die  kristlich  kirch  halt  do  l'aulus  von  schreibet: 
ein  leib,  ein  geist,  ein  glaub,  ein  got  und  ein  tauf'"«),  und  do  mich 
Cristus  heinweiät  do  her  spricht:  sag'  es  der  kirchen  '"').  Ferner 
bschit  weiß  ich  a.  1.  nicht  zu  geben,  den  ich  hab  nicht  woU  weile 
in  der  heiigen  schrift  ader  des  Luters  bucher  zu  lessen,  sunder 
kaum  zuweilen  zeit  ein  predig  zu  hörn,  dorin  ich  bgreif  sovil  mir 
got  verleiet.     Lutter  sal  mich,  ab  got  wil.  nicht  erger  machen. 

Uf  das  och  a.  1.  wiss,  wi  ich  mit  Luter  stehe,  so  schigk  ich 
a.  1.  himit  wes  her  mir  und  ich  im  gschriben  "").  Thut  imant  böses, 
her  sei  hohes  ader  nider  standes,"^  das  ist  mir  als  einem  Kristen 
leit  und  hut  mich  vor  irn  werken;  die  werden  iren  "")  wert  wol 
dorumb  bkommen.  Saget  mir  imant  guttes,  dem  folg  ich  billicli  nach 
Cristus'  lere. 

Mich  dunkt  och,  do  Paulus  spricht:  di  freisigen  "")  und  tron- 
kenen  soln  nicht  in  himmel  kommen'"),  es  darf  wol  einer  concor- 
dancien  kegen  dem  das  got  spricht:  was  in  mond  get,  bflegkt  di 
sele  nicht"-),  so  di  fresigen  und  trunkenen  das  ire  mit  grosser 
dangsagung  kegen  got  und  der  weit  zum  digker  mal  zum  münd 
einnemen.  Ich  halt  aber,  der  e^enwil  und  Verachtung  der  gbot  der 
kristlichen  kirchen  kom    aus  anleitung   böser  leut  und  dem  herzen. 

Himit  wil  ich  a.  1.  dem  almechtigen  bfolii  haben,  dem  ich  zu 
dinen  willig. 

Geben  am  dornstag  noch  judica  1500  und  26  zu  Dresden. 

Jörg  herzog 

zu  Sachssenn  etc. 

No.  12.    (Kassel  1526  April  1.) 

Landgraf  Philipp  a)t  Herzog  (rcorg  in  Antwort  auf  No.  11:  ist 
mit  der  von  Georg  gegebenen  Definition  der  christlichen  Kirche 
einverstanden.,  erklärt  einen  Bibelspruch  über  unmäßigen  Genuß 
von  Speise  und  Trank,  sch'ckt  zwei  ivider  die  Schwarmgeister 
erschienene  Büchlein. 

Nach  dem  Original  (von  Kanzleihand)  im  Dresdner  TlSt.X. 
a.  a.   0.  fol.  IS. 

Hochgeporner  fürst,  freuntlicher  lieber  vatter  und  ohaim. 
Als  uns  e.  1,  mit  aigner  hant  wideriimb  geschrieben   hat,  das 
ist  uns   zu  verleßen    zukomen,    und    hören    herzlich    gern    das   e.  1. 


'"'•)  im  Oriq.  ausqef allen.     '»»)  Kjyhes.  4  v.  5.    "")  Math.  18  v.  17. 
">*,  Der  Brief  Luthers  (gedr.  de   Wette  111,  r>r>)  liegt  bei. 
'"*)  Im   Orig.  korrigiert  aus:  der  loerd  seinen. 
'">)  s.  v.  als  gefräßigen.     '")  Gal  5v.  21.    "^)  Math.  15.  v.  11. 


]^34  ^-  Friedensburg: 

solichs  vor  die  christlich  kirch  helt,  davon  raulns  schreibt:  ein  leip 
ein  geist  ein  glaub  ein  got  und  ein  tauf.  On  zi^eivel,  ein  solich 
kirch,  in  got  versamlet  und  erleuchtet,  richtet  sich  allein  nach  gottes 
willen  lere  und  gepott  und  wirdet  seinem  wort  zu  entgegen  nichts 
ordnen  oder  beschliessen. 

Es  sein  auch  die  zwene  spruch  Christi:  was  zum  munde  ein- 
geht, das  befleckt  die  seel  nit,  und  der  ander  Pauli  von  den  vol- 
seufern  und  fressigen  nit  widerwertig,  suuder  der  erst  vom  gesatz 
der  speiße,  das  einem  jeden  Christen  alle  von  got  geschaffene  speiße 
mit  danksagung  anzunemen  erleupt  sei,  und  der  ander  von  volsaufen 
zu  verstehen;  und  hat  die  danksagung  eines  volseufers  gegen  got 
nit  stat,  dan  wie  kan  einer  gegen  got  umb  dasjhenig  danksagen  das 
sund  und  seinem  gotlichen  willen  zuwider  ist?  .  .  .  "*)  wir  hoffen, 
wie  wir  auch  teglich  darumb  bitten  wollen,  der  almechtig  soll  und 
werde  sein  gotlich  gnade  verleihen,  das  wir  alle  erleucht  werden 
und  zu  rechter  erkentnus  seins  worts  und  der  warhait  komen! 

Nachdem  auch  von  etzlichen  schwurmgeistern  und  lestermeulern 
mancherlei  zu  verlesterung  des  hochwirdigen  sacraments  leibs  und 
bluts  Christi  einzubilden  boßlich  unterstanden  wirdet  und  dan  wir 
e.  1.  eins  bestendigen  christlichen  gemuts  darin  erkennen  und  wis- 
sen, so  schicken  wir  e.  1.  zwei  hübsche  von  vielen  gelerten  trefflichen 
mennern  ausgegangen  buchlein  wider  dieselben  schwurmer,  freunt- 
lich  bittend  solich  buchlein  mit  vleis  zu  übersehen  und  zu  leßen. 
Gepurt  uns  auch  widerumb  freuntlich  zu  verdienen. 

Datum  Cassel  am  ostertage  anno  etc.  26. 

Philips  von  gots  gnaden  lantgraf 
zu  Hessen  grave  zu  Catzennelnpogen  etc. 

[m.  pr.]  Philips  1.  z.  Hessen  etc.  sst. 

No.  13.    (Leipzig  1526  April  7.) 

Hersog  Georg  von  Sachsen  an  Landgraf  Philipp  von  Hessen  in 
Antioort  auf  No.  12 :  hätte  geglaubt,  der  Landgraf  loürdc  ihm 
keine  andere  als  die  richtige  I)eß)iition,ßer  diristUchen  Kirche 
zugetraut  haben,  betcnt  nochmals,  dass  Übertretung  der  Kirchen- 
gebote jedenfalls  Sünde  sei,  dankt  für  die  Zusendung,  wird 
dem  Jjandgrafen  des  Erasmus  Schrift  Hyperaspistes  iU'  Über- 
setzung zuschicken. 

Nach  dem  Konzept  (von  der  Hand  des  Herzogs,  das  Datum 
von  Schreiberhand)  im  Dresdner  HSiA.  a.  a.  0.  fol.  20. 

Liber  ohem  und  son.  Wie  wir  uns  kegen  a.  1.  erklert,  wehn 
wir  vor  die  kristlich  kirch  halten  noch  dem  spruch  Kristi  und 
Pauli,  solt  sich  a.  1.  an  "*)  das  zu  uns  vormut  haben,  den  wir 
nicht  anders  von  uns  zu  vormuten  nie  orsach  geben,  denken  och, 
wi  wir  vormols  a.  1.  angzeget,  mit  got  dorbei  zu  bleiben. 

Was  das  blanget  di  speisse  und  trang,  di  in  menschen  geet, 
und  der  übrig"*)  fraß  und  trungke,  so  in  di  egenwilligen  und 
unghorsamen  geet,  seint  wir  och  eins,  den  wir  haben  vorlangest 
ghort  das  egenwil  in  der  hei  bornt;  do  wol  uns  got  vor  bhütten 
und  woln  uns  wonschen  dasjenig   so  in   a.  1.   schritt  ausgdrugkt  ist. 


' '*)  folgt  das  mir  unverständliche  Wort  belan.     '")  s.  v.  a.  ohne. 
"')  s.  V.  a.  überflüssig  (in  der  Bedeutung:  unmäßig). 


Heiträge  zum  Briefwechsel   zwischen  Herzog  Georg  etc.     135 

Wir  bdangken  uns  och  gar  frautitlich  der  zweier  biuhlein,  so 
uns  a.  1.  itzt  zugschigkt,  und  wollen"«)  a.  1.  nicht  bergen  das  wir 
si  zuvor  ghat;  dennoch  soln  uns  di  och  lib  sein,  den  wir  vormerken 
doraus,  das  a.  1.  gern  ein  fromen  man  aus  uns  machen  wolt. 

Uns  ist  itzt  ein  lateinisch  buchlein  zukommen,  hat  der  Roter- 
dam'")  gmacht  uf  das  buih  do  Luter  den  freien  wiln  ein  knecht 
wiln  nent"*);  das  denken  wir  vordeutzen  zu  lossen  und  wolns  a.  1. 
zuschigken ;  versehen  uns,  es  sal  a.  1.  gfaln  und  sal  was  gutz  dorin 
finden.     Derselben  a.  1.  zu  dinen  seint  wir  willig. 

Geben  zu  Leiptzig  sonabents  noch  den  ostert'eiertagen  im  26. 

Georg  etc. 

Anhang. 

Zum  Briefweclisel  zwischen  Georg  und  Pliilipp  aus  «lern 

Jahre  1527. 

No.  14.    (c.  1527  Anfang.) 

Landgraf  Philipp  an  Hcrzor/  Georg'    verlangt    für  sich  die   Äus- 
zaldung  der  Zinse,  tvelchc   die  Stadt  Suiza  dem   aufgehobenen 
Kloster   Vach  schuldet. 
Das  Schreiben  ist  verloren;  der  Inhalt  erhellt  aus  No.  11. 

No.  15.    (Vor  1527  Januar  21.) 

Herzog  Georg  an  Landgraf  Philipp  in  Antwort  anfNo.l4:  stellt 
sich  auf  die  Seite  derer  con  Salza,  erliennt  die  Berechtigung 
der  vom  Landgrafen,  für  Vach  erhobene)!  Forderungen  nicht 
an  u.  s.  w. 

Das  Schreiben  ist  verloroi:  der  Inhalt  erhellt  aus  No.  16"*). 

No,  1(>.     (Marl)urg  1527  Januar  21.) 

Landgraf  Philipp  an  Herzog  Georg  in  Antwort  atif  No.  15:  eifert 
gegen  das  Klosterwesen  und  die  Tiatholische  Messe.,  legt  dar., 
dass  die  katholische  Kirche  keineswegs  mit  der  christlichoi 
identisch  sei,  und  mahnt,  nicht  über  dem  S2)litter  im  fremden 
Auge  den  Balken  im  eigenen  zu  i'tbersehen ;  ist  dem  Herzog  in 
allem  zu  dienen,  willig,  nur  nicht  wider  das  I£vungelium. 

Nach  dem  Original  (von  der  Hand  des  Landgrafen)  im 
Dresdner  HStA.  a.  a.   0.  fol.  42. 

Hochgeborner  fürst,  frundliclior  lieber  oheim  und  vater.  Ich 
habb  e.  1.  schriben  gelesen  und  fast  spitzig  vormerkt,  raeinthalben 
unvordint.  Das  aber  e.  1.  sreibt,  o.  1.  hab  ireu  ungehorsam  nit 
Sterken  wollen  und  es  vor  kein  closter  halten  '^"),  so  disputir  ich 
nit  umb  den  namen  closter,  wan  ich  weis  woU  das  weder  im  neuen 
testament  ader  im  alten  testament  von  clostern  geschriben  stat; 
ich  weis  auch  woU,  das  in  clostern  mer  buberei  schalkeit,  mer  gots- 


'")   Orig.   wol   mit  2   Überstrichen.      '")  d.  i.  Erasmus. 

"')  Gemeint  ist  der  Hyperaspistes,  die  Gegenschrift  auf 
Luthers  de  scrvo  arbitrio. 

'")  Übrigens  sind  in  der  Angelegenheit  noch  mehrere  Schreiben 
(Schrift  und  widerschrift,  vgl.  No.  17  Anfang)  ergangen. 

'^")  Es  ist  vom  Kloster  Vach  die  Rede,  s.  oben  S.  IIb'. 


136  W.  Friedensburg: 

hurerei  geschieht  dau  an  keinem  ort;  wils  e.  1.  haben,  ich  wils  uch 
woll  vorkeren,  und  mich  ducht  gut  sein,  do  man  solch  unerbar 
gotlossig  wessen  sege,  das  man  do  die  zins  vorbot  und  nerae  nit 
gelt  und  lis  buberei  gesehen.  Do  dut  man  aber  die  äugen  zu  und 
wils  nit  wissen,  got  weis  aber  woll. 

Das  aber  die  papistichse  meß  nit  gotloß  suU  sein,  das  ist 
erbärmlich  von  eim  solchen  weissen  fursten  zu  hören ;  wan  ich 
finde  ja  nit  den  namen  meß  in  der  ganz  schrift;  so  finde  ich  auch 
gar  nit  das  man  Cristum  noch  ein  mal  sol  opfern,  sonder  das  kegen- 
spil  in  der  epistel  zu  den  Ebrern '^').  So  spricht  Cristus:  nemet, 
esset'");  er  spricht  nit:  nemet,  opfert.  So  ist  uns  verpotten,  wir 
sollen  kein  andere  lere  annemen  dan  die  1er  Cristi,  zu  den  Gallatern 
und  Mathej  am  lesten  und  Johannis  in  der  andern  epistel'");  so 
las  ich  die  reehtgelerten  über  gots  wort  nit  zu;  so  wirt  die  cristlich 
kirch  nit  anders  reden,  man  wais  fie  ir  harr  heist,  dan  es  stet  so 
geschriben:  so  ir  in  meiner  rede  bleibt,  so  seit  ir  warhaftig  mein 
junger  '-*). 

Das  aber  e.  1.  sagt,  e.  1.  woll  bei  der  cristlichen  kircheu  bleiben, 
das  wil  ich  auch,  aber  nit  bei  euer  bestichsen'"*)  kirchen,  die  nit 
anders  dan  uf  gelt  gestift  ist,  der  meister  der  deufel  ist.  Ich  weit 
aber  gern  sehen,  das  ir  mir  doch  die  cristlich  kirch  weiset  ader 
doch  ein  Cristen  in  euer  kirchen !  der  groß  häuf  ist  die  kirch  nit, 
sost  musten  zu  jar  die  bauren  die  kirch  gewest  sein  ader  itzt  die 
Toreken!  lest  aber  das  zwelft  capittel  zu  den  Romern,  so  wert  ir 
wol  finden  wer  die  kirch  sein  wirt,  als  nemelich  die  got  erhelt  und 
die  ander  der  weit  unbelunt  sein.  Ir  pocht  alle  über  ein  hänfen 
uß  gots  vorstecken  hart  uf  die  kirch  unt  kent  sie  selbst  nit.  Bitt 
got,  obs  euch  der  kennen  wolt  lern,  kont  ir  anders  bitten!  menchsen 
seint  vil  zu  schwach  über  gots  wort  zu  richten.  Ich  wolt  doch  gern 
wissen  von  euch  als  eim  alten  forsten,  was  doch  der  recht  gots- 
dinst  wer',  nachdeni  Cristus  spricht  Mathei  lö:  vorgeblich  dint 
ir  mir  mit  den  leren  die  menchsen  gebot  sein  •='*)!    Wo  wollen  euer 

gotsdinst  und  kegen  got  zusagen, '^e)  e.  I.  weis,  hinkomen? 

Der  recht  gotsdinst  ist  seinen  zusagung  zu  gleuben  und  unsern 
nesten  zu  dinen ! 

Das  aber  e.  1.  etlich  urteilt,  das  sie  ir  land  misbrauch  haben, 
das  weis  ich  nit;  weis  auch  vorwar  nit,  wen  e.  1.  meint.  Wan  man 
aber  urteilen  solt,  so  wurd  man  on  zweifei  die  auch  orteilen  die  so 
geswinde  mit  den  armen  umbgehen  und  kein  barmherzikeit  erzeigen 
und  nichts  kennen  dan  kopfabhauge  und  die  armen  uf  den  erunt 
schätzen,  nit  gnug  haben  das  sie  die  leut  umb  den  leib  bringen, 
sonder  die  kinder  umbs  gut  auch  und  den  unschuldigen  mit  dem 
schuldigen  straffen,  und  darzu  noch  mer  Schätzung  nemen  und  vor 
vil  genomen  haben. 

Got  weis  wo  es  hin  komen  ist!  mich  gemant  der  leut  eben  wie 
Cristus  sagt:  du  sist  in  eim  andern  ein"  spliter,  aber  in  dir  den 
hausbalken  nit  '") !  Stralit  nu  got  sie  hie  nit,  als  der  doch  wol  dut, 
wan  man  sich  selbst  ansige,  so  wirt  ers  —  zu  besorgen  —  dort 
dun,  wan  man  drit  im  zu  hart  uf  die  fuß,  er  kans  nit  leiden!   man 

'*')  Kap.  10.     '")  Math.  34  v.  26.     Marc.  U  v.  22. 

'='*)  Gal.  4  V.  9.     Math.  28  v.  20.     2.  Joh.  v.  1—9. 

'")  Joh.  8  V.  31.      '"*)  d.  i.  päpstlichen.      '")  Math.  15  v.  9. 

'*')  unleserliches  Wort.     '")  Math.  7  v.  3.    Luc.  6  v.  41. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     137 

zucht  iiß  seinem  wort  gelt  und  es  ist  sust  kein  sunde  vor  den 
hausen,  dan  wer  sich  nach  gots  wort  helt  und  prediget,  sie  inachen 
in  die  leut  gar  nutz  im  beutel.  Ich  weit  lieber  kein  laut  haben 
dan  so  regiren !  Ich  vorsehe  mich  die  von  Salcz  werden  ir  britt'  lui 
sigel  wol  halten,  sollen  sie  sich  meins  lands  gebrauchen;  wans  aber 
die  meinung  solt  haben,  so  weis  e.  1.  gut,  das  euer  schuldener 
luterichs  —  wie  irs  nennet  —  weren  '^'),  so  dorft  ir  in  nichts  geben! 

Das  aber  e.  1.  schribt,  das  ich  e.  1.  dinst  wol  vor  gut  nemen, 
zu  dem  schriben  hab  ich  e.  1.  kein  ursach  geben,  dan  wo  ich  wüst 
e.  1.  zu  dinen,  das  wer'  ich  geneit,  aber  wieder  das  ewangelium  zu 
thun  umb  euert  willen,  do  wirt  nit  uß,  wan  ir  mir  schon  zwo 
thöchter  geben  bet!  E.  1.  sust  mit  leib  und  gut  zu  dienen,  so  vil  leib 
und  gut  angehet,  bin  ich  geneit. 

Ich  geh  e.  1.  l'rundlich  zu  erkennen  das  mein  gemal  gotlob 
swanger  gett,  das  ich  mich  versehe,  e.  1.  werde  sich  us  erfrauen. 

Domit  sei  e.  1.  got  bevollen,  der  erlucbt  e.  1.  von  dem  finsterniß 
ufs  licht  und  mach  das  e.  1.  nit  mer  menchsen  ansehe  dan  got. 

Datum  Marpurgk  am  montag  den  21  tag  januarii  anno  etc.  27. 

Philips  1.  z.  Hessen  etc. 

No.  17.     (1527  nach  Februar  1.) 

Herzog  Georgs  Instruktion  für  Georg  von  TaubenJiaim  und  1). 
Otto  von  Fach  zu.  einer  Werbung  an  Landgraf  Philipp  in 
Antioort  auf  No-  16:  sollen  dem  Landgrafen  den  unange- 
messenen Ton  seines  Schreibens  (No.  16)  vorhalten  und  seine 
Angriffe  gegen,  das  katholische  Kirchensystem  und  den  Herzog 
selbst  zurückweisen  und  tviderlegen. 

Nach  dem  Konzept  (von  Schreiberhand)  im  Dresdner  HStA. 
a.  a.  0  fol.  2  (DJ.  Daselbst  auch  ein  sehr  flüchtig  geschriebenes, 
schwer  leserliches  Konzept  von  der  Hand  des  Herzogs. 

Zu  vormerken  was  unser  gschigkten  an  unsern  ohmen  und 
sone  den  landgraven  tragen  soln. 

Zu  eirsten  sollen  sie  freuntlich  erbietung  thun  und  darnach 
seiner  lieb  anzeigen:  das  in  korz  vorgangen  zelten  sein  lib  uns 
gscbriben  unib  etlichs  gelts  halben,  so  di  von  Saltza  etwan  dem 
prior  und  convent  des  closters  zu  Fach  schuldig  gwesf,  darauf 
Schrift  und  widerschrift  ergangen ,  wie  unsere  rete  bitten  sollen 
dieselbigen,  wie  die  nach  der  zal  nach  einander  vorzeichent  sein, 
zu  vorlesen,  mit  forder  anzeigung,  das  uns  am  abent  puriticacionis 
Marie  fFebr.  1]  von  seiner  lib  zwone  lirive,  einer  aus  der  canzlei,  der 
ander  seiner  egen  hantschrift,  zukomen,  die  sie  auch  sollen  vorlesen 
lassen,  und  weiter  anzeigen,  wie  sie  mit  einer  langen  instruction 
abgefertigt  sein,  die  inen  nicht  wol  möglich  dermassen  wie  sie  ge- 
stellt zu  reden;  darumb  so  wollen  sie  dicselliig  vorlessen  lassen, 
bittend  dieselbig  mit  gdolt  bis  zu  dem  bsloß  anzuhören. 

Nemlich:  das  wir  von  jugent  auf  mit  seiner  lieb  herrn  und 
vater  in  freuntlicher  einung  gewest,  mit  erzeigung  vil  luitzbarer 
dinst;  haben  auch  groß  begir  gehabt  mit  demselben  unserm  ohmen 
forder  in  solcher  freuntlichen  einigkeit  zu  leben,  derhalben  auch 
seine  tochter  unserm  eldesten  sone  gegeben.  So  es  aber  der  al- 
mechtig   got   also   geschickt   das   gemelter   landgratf  Wilhelm   nach 


')   Orig.  weret. 


138  W.  Priedensburg: 

dem  willen  gots  gegen  nns  in  ganz  freuntlicher  einung  in  got  vor- 
storben,  so  haben  wir  die  zeit  bei  uns  beslossen,  demjenigen  so  wir 
am  leben  geliebt,  im  todt  sovil  an  uns  gewest  auch  gnts  zu  thun, 
haben  das  nicht  bequemer  denn  an  seinem  vorlassen  weihe  und 
kindern  zu  thun  wissen.  Darumh  wir  auch  an  dem  tag  so  gemelter 
unGers  ohmen  und  sons  vater  todt  von  Cassel  gefurt,  gemelter  seiner 
gemahel  unser  swiger  zugesagt,  in  irem  anligen,  sovil  an  uns  ge- 
west und  uns  gezimen  wolt,  retig  huläicb  und  beisteudig  zu  werden; 
desgleichen  haben  wir  gemeltem  unserm  ohmen  und  sone  denselben 
tag,  do  er  noch  gar  ein  kind  gewest,  zugesagt,  seiner  lieb  freund 
zu  sein  und  zu  bleiben,  seine  lieb  wolte  uns  denn  nicht  zu  freund 
haben. 

Welchem  allem  wir  mit  höchstem  vleis  volg  gethon,  kegen 
seiner  muter,  dieweil  sie  landgrevin  gewest,  also  erzeigt,  das  raenig- 
lich  weiß  das  wir  umb  iren  willen  vil  unser  hern  und  freund,  zum 
teil  ettlich  von  seiner  landschaft,  auf  uns  mit  bewegtem  gemuet 
geladen,  und  sein  also  unser  zusag  treulich  nachkomen. 

Wir  haben  auch  umb  sein  selbst  gedeihen  und  nutzes  willen, 
auch  seiner  land  und  leute  in  seinen  jungen  jarn  bei  kei.  mt.  sein 
sach  zu  fordern  ufs  höchste  gefleissigt,  wie  das  denjenen,  so  sie 
noch  am  leben  wern  und  die  zeit  in  seinen  Sachen  am  keiserlichen 
hof  gewest,  wol  wissent  were,  desgleichen  den  die  noch  leben, 
unverporgen  ist. 

Wir  haben  uns  auch  nicht  betauern  lassen  unser  land  und  leut 
seinenthalben  zu  besweren,  seiner  muter  und  ime  in  eigner  person 
zuzuziehen  wider  seine  feind  und  widerwertigen. 

Desgleichen  haben  wir  auch  mer  denn  eins  seiner  lieb  die 
unsern  zu  roß  und  fueß  zugeschickt  seinen  schaden  zu  wenden  und 
bestes  zu  vorfugen. 

Dorzu  wo  etwas  seiner  lieb  gemangelt,  es  sei  zum  schimpf 
oder  ernst  gewest,  haben  wir  seiner  lieb  von  unserm  eigen  gelt 
darzuschicken  nicht  erwinden  lassen  und  also  aller  freuntschaft 
gegen  seiner  lieb  gepflogen. 

Und  zum  uberfluß  sein  seiner  lieb  vater  und  er  als  sein  erb 
uns  vorschriben  gewest  mit  seiner  swester,  die  unserm  sone  zugelegt, 
und  nach  dem  beilager  in  kurzer  zeit  uns  haben  25  000  gülden 
entricht  sollen  werden;  so  haben  wir  doch  mit  seiner  lieb  gedult 
gehabt  bei  sechs  jarn  und  solang  das  wir  ime  unser  liebe  tochter 
vorelicht  und  beigelegt  nach  seinem  willen,  haben  also  ufs  höchst 
geflissen  zu  merung  freuntlichs  willens  freuntschaft  und  einigkeit 
an  uns  nichts  erwinden  zu  lassen. 

Wir  haben  es  auch  von  seiner  lieb  zu  bekomen  keinen  zweivel 
gehabt,  wie  wir  auch  in  der  aufrur  der  mutwilligen  paurn  bei  seiner 
lieb  zum  teil  merklich  befunden;  haben  uns  des  forder  vortrost, 
solang  das  wir  vormerkt,  wie  s.  1.  in  dem  ewangelio,  das  Martinus 
Lutter  nennet  es  müsse  rumoren,  ettlicher  maß  er tprandt  ist  worden 
und  anderung  an  sich  genomen,  die  hivorn  bei  seinen  eidern  und 
vorfarn  landen  und  leuten  nicht  in  ubuug  gewest.  _  Do  hat  sich  s.  1. 
understanden  uns  ime  zufellig  zu  machen,  und  wir  bei  uns  nicht 
haben  linden  mögen  das  es  uns  tuelich  sei  Lutters  sitten  anzunemen, 
dieweil  sie  von  den  houptern  der  Cristenheit  und  von  der  cristlichen 
kirchen  nicht  gehalden  worden  sind.  Des  haben  wir  avoI  ein  mis- 
fallen  bei  s,  1.  gegen  uns  befunden,  wir  haben  aber  allewege  der 
besserung  bei  s.  1.  verhofft,  bis  solang  uns  die  letzsten  zwu  Schriften 
zukomen,  der  wir  uns    dermassen    in    keinen    wege    vorsehen,    und 


Beitr<äge  zum  Briefweclisel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     139 

suiulerlich  der  so  s.  l.  mit  seiner  band  geschriben  [oben  No.  16]. 
Die  wir  unser  notturft  nacb  vorantworten  wollen,  freuntlich  bittend, 
sein  lieb  wolle  dieselbig  unser  antwort  mit  geduld  anhören. 

Vor  das  erst,  wie  s.  1.  anzeigt,  als  solte  unser  antwort  fast 
spitzig  bei  s.  1.  vormarkt  sein  seiner  unvordient,  können  wir  niibt 
wissen,  was  spitzigs  s.  1.  daran  gefunden,  denn  s.  1.  uns  ane  das 
wol  kennet,  das  wir  mit  spitzfindigen  worten  nicht  wissen  umbzu- 
gehn,  sundern  pflegen  gemeinlich,  wie  wir  einen  handel  finden, 
dorvon  zu  reden  und  zu  schreiben.  Wo  aber  s.  1.  unsers  Schreibens 
aus  unserm  vorschulden  verletzt,  solte  uns  laid  sein.  Wir  wissen 
auch  einen  monch,  der  seinen  habit  und  regel,  so  er  gelobt  und 
gesworn  hat,  von  sich  wirft,  vor  keinen  gehorsamen  bruder  zu  halten, 
können  ime  auch  seins  Ungehorsams  noch  nicht  zufall  geben.  Was 
aber  die  mönch  vor  ein  süntlichs  leben  in  clostern  furderlicher 
denn  sust  in  der  werlt  treiben,  das  wissen  wir  nicht;  aber  das  haben 
wir  gehört,  das  in  der  schul  Cristi,  do  das  erst  cristlich  convent 
gewest,  die  grösten  sunden  geschehn,  so  ie  erfarn  und  nimmermer 
sollen  erfarn  wei'den;  denn  do  ist  der  son  gottes  von  seinem  junger, 
von  Judas,  leiplich  vorraten,  es  sein  alle  aposteln  feltüuchtig  worden, 
sand  Peter  hat  Cristum  dreimal  vorleugnet.  Hette  got  omh  der 
grausamkeit  willen  der  Sünden  die  apposteln  sollen  alle  ausroden, 
wer  hette  uns  den  glouben  gepredigt?  Hette  gott  sand  Paulus  umb 
seiner  vorfolgung  willen  den  donner  lassen  todt  slagen,  wo  betten 
wir  nu  ein  solch  schön  liecht  der  Cristenheit?  Got  hat  uns  exempel 
geben,  wes  wir  uns  zu  lebenden  leuten  vorsehen  sollen,  denn  er 
sprach:  es  sein  zwelf  stund  im  tage  '").  Do  auch  die  junger  wollen 
sagen,  das  feur  solte  über  die  fallen,  die  sie  nicht  herbergen  wolten, 
vorboet  es  got,  wie  geschriben  steht  Luce  am  neunden  capittel  '*"). 
Doch  ist  es  ane  not  dorvon  zu  disputirn,  denn  s.  I.  ist  gelert  genug, 
man  darf  ime  nicht  predigen. 

Als  aber  s.  1.  schreibt,  das  es  gut  were  das  man  in  solch 
unerbor  gotloß  wesen  sehe,  doselbst  die  zins  vorpöte  und  neme 
nicht  gelt  und  ließ  buberei  geschehn;  do  thue  man  die  äugen  zu 
und  wolle  es  nicht  wissen  etc.:  konten  wir  nicht  vor  unbillich  achten, 
also  das  es  mit  massen  geschehe,  von  denjenen  die  es  zu  thun 
macht  betten,  die  man  auch  wol  mit  manir  dorzu  bringen  kont. 
Das  aber  s.  1.  schreibt,  man  neme  gelt  und  lasse  buberei  zu:  wissen 
wir  nicht,  wen  s.  1.  doniit  meinet,  vorsehen  uns  auch  eigentlich,  s.  1. 
meine  uns  nicht  dormit.  Wo  es  aber  also  were,  das  es  s.  1.  auf 
uns  achtet,  so  musten  wirs  davor  halten,  s.  1.  hette  es  nicht  er- 
dicht, sundern  were  s.  1.  von  uns  gesagt.  Darunib  bitten  wir,  s.  1. 
wolle  solchs  auf  uns  nicht  glouben  und  demjenen,  der  es  s.  1.  ge- 
sagt, von  unsern  wegen  sagen  nach  cristlichem  ewangelio:  wir  haben 
es  nicht  gethan,  er  thue  uns  unrecht.  Wo  es  aber  s.  1.  für  besser 
ansieht  das  wirs  nach  rumorischem  ewangelio  vorantworten  sollen, 
so  bitten  wir,  er  wolle  demselben  sagen,  das  er  uns  anlenget  als 
ein  vorreter  unser  eren.  Des  wollen  wir  gestendig  sein,  es  hab 
gesagt  wer  do  wolle;  zudem  wir  uns  amii  nichts  anders  vorsehen 
können,  dann  das  er  s.  1.  wider  uns  halt  bewegen  wollen. 

Nachdem  auch  s.  1.  anzeigt,  das  es  erbärmlich  sei  von  einem 
solchen  weisen  fnrsten  zu  boren,  das  die  papistiscli  moß  niclit  gotloß 
sein  solle:  bekennen  wir,  das  wir  mehr  am  alter  denn  in  der  Weis- 
heit zunemen.     Wir  haben  aber   vormals   s.    1.    unser    bedenken   der 


'")  Joh.  11  0.  0.      "»)  Luc.  9  V   54—56. 


140  W.  Friedenshurg: 

messe  halben  zugescliriben,  darumb  wir  itzt  lücht  gedenken  dorvon 
zu  disputirn ,  sundern  lassen  es  bei  voriger  meinung.  Vorsehen 
uns  auch ,  so  s.  1.  die  bucher  list  die  wider  den  Lutter  und  seinen 
anhang  geschriben,  er  werde  wol  auf  sein  schrif't,  darauf  man  ine 
fürt,  antwort  tinden. 

Wir  sein  auch  nicht  so  geltgirig  das  wir  einer  andern  kirchen 
gedenken  gehorsam  zu  sein,  denn  der  cristlichen  kirchen,  der  honpt 
Cristus  ist  und  nicht  der  teufel,  in  welcher  kirchen  s.  1.  teglich 
Cristen  zu  sehen  hat. 

Das  aber  s.  1.  vorwundert  und  ie  gern  wolt,  das  wir  ime  die 
kirchen  weisten,  und  weiset  selber  alsobald  ufs  zwelft  capittel  sandt 
Pauls  zu  den  Romern,  do  werden  wir  wol  finden  wer  die  kirch  sei, 
als  nemlich  die  got  erhelt  und  von  der  weit  uubekandt  sei  etc. :  ist 
das  also  zu  vorstehen,  wie  s.  1.  maint,  das  got  wolle  die  kirchen 
vor  der  werlt  vorborgen  haben,  so  wirdet  er  sie  wol  vor  s.  1.  und 
uns  behalten,  das  wir  sie  beide  nicht  erkennen.  Es  spricht  aber 
Cristus  im  ewangelio  Mathei  am  18:  sag  es  der  kirchen'*').  Soll 
man  irs  sagen,  so  muß  sie  uns  nicht  vorporgen  sein.  Sie  muß  oren 
haben  zu  hören  und  gewalt,  auch  vorstand  zu  straffen  und  zu  andern. 
Nun  halten  wirs  dofur,  s.  1.  wissen,  das  das  ewangelium  eer  gewest 
denn  sand  Pauls  episteln;  darumb  ists  nicht  unbillich,  das  sand 
Paulus  dem  ewangelio  noch  und  demselbigen  gemeß  vorstanden 
werd  und  nicht  das  ewangelium  sand  Pauls  episteln;  alsdenn  wirdet 
s.  1.  baß  vorsteen,  was  die  kirch  sei. 

Wie  auch  s.  1.  weiter  anzeigt,  wir  pochen  alle  über  einen 
häufen  uß  gotes  vorstecken  hart  uf  die  kirchen  und  kennen  sie 
selber  nicht;  wir  sollen  got  bitten,  ob  er  sie  uns  wolt  erkennen 
lernen,  wo  wir  anders  bitten  können:  sal  s.  1.  nicht  zweiveln,  wir 
können  bitten  und  beten  mit  hulf  gottes,  und  unser  kinder  haben 
eher  bitten  und  beten  können  eher  sein  vater  sein  muter  genomen, 
und  bitten  got,  wenn  uns  sein  almechtigkeit  gnad  vorleihet,  das  er 
uns  in  der  ruffung,  darinne  wir  gefordert  sein,  wolte  bleiben  lassen 
und  entbalden  und  uns  von  keinem  wind  alder  ader  neuer  ketzerei 
lassen  bewegt  werden. 

Das  s.  1.  gern  wissen  wolt  von  uns  als  einem  alden  fursten, 
was  der  recht  gottesdinst  sei,  und  s.  1.  sich  selbst  bald  bericht,  der 
rechte  gotsdinst  sei  seinen  zusagen  zu  glouben  und  unserm  nechsten 
zu  dienen:  wir  glouben  gottes  zusag  billich  und  gern,  denn  er  ist 
die  warheit;  dieweil  er  denn  gesagt,  er  wolle  einem  itzlichen  geben 
nach  seinen  werken,  so  thun  wir  was  wir  aus  seinen  gnaden  ver- 
mögen und  gewarten  seiner  zusag,  denn  wir  glouben,  er  sei  ein 
beloner  des  guten  und  straffer  des  argen.  Er  spricht  auch  im 
ewangelio  Mathei  am  23:  diß  muß  man  thun  und  das  ander  sal 
man  nicht  underwegen  lassen  '*-). 

Das  auch  die  paurn  nicht  die  kirche  gewest,  denn  sie  sein 
nicht  in  got,  sundern  durch  Muntzer  und  seine  gesellen  aus  Lutters 
buchern,  als  dem  Babilonischen  gefenknus,  aus  der  abthuung  der 
messe  und  aus  dem  buch  von  den  falschgenenten  geistlichen  vor- 
samelt  worden;  so  sein  die  Turcken  als  ein  straft  und  warnung 
gottes  gewest  und  noch  umb  unser  sunden  willen. 

S.  1.  hat  uns  in  der  nechsten  schrift  vor  der  letzsten  geschriben 
dise  wort:  „wurde  auch  wol  doraus  folgen,  so  der  missbrauch  in 
disen    dingen    die    Wirkung    haben    solte,    das    auch  hinfurder   den 

'»')  Math.  18,  17.     '**)  Math.  23  v.  23. 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     141 

fursten,  so  sie  sich  nicht  fürstlicher  gebur  halten,  kein  zins  ader 
rente  mer  gereicht  werden  musten.  Darauf  wir  s.  1.  wider  ge- 
schriben,  ime  seiner  meinung  zugefallen  mit  disen  worten:  „tragen 
keinen  zweivel,  e.  1.  erfar  teglich  und  sehe  vor  äugen  bei  konigen 
und  fursten,  wenn  sie  ir  land  misbiauchcn,  das  es  inen  zu  k(ineni 
gutem  reicht,  sundern  müssen  inen  zur  schmähe  und  andern  zu 
einem  exenpel  im  land  ane  land  umbreissen".  Mit  disen  worten 
haben  wir  erregt,  das  uns  s.  1.  zeihet,  das-wir  ettliche  urteilen,  und 
nennt  nicht  wen,  will  auch  nit  wissen  wer  sie  sind.  Nu  wissen  s.  1. 
wol,  das  bei  unsern  zeiten  konig  und  fursten'*^)  vortriben  sein. 
Ob  dieselbigen  ires  landes  ader  rcgierung  gemißbraucht  ader  nit, 
stellen  wir  in  s.  1.  bedenken.  Und  so  wir  die  warheit  geschrieben, 
haben  wir  nimands  gericht  "*). 

S.  1.  aber  zeigt  au:  wo  man  urteln  solt,  wurde  man  die  auch 
urteiln,  die  also  geswinde  mitt  den  armen  unibgiengen  und  kein 
barmherzigkeit  erzeigten  und  nichts  konten  denn  kopfabhauen  und 
die  armen  auf  den  jrrunt  schätzen,  nicht  genüge  haben  das  sie 
die  leut  umb  den  leibe  bringen,  sundern  die  kinder  auch  umbs  gut, 
und  darzu  noch  mer  Schätzung  nemen  und  zuvorn  vil  genommen 
haben,  gott  wisst  wo  es  hinkommen  sei.  S.  1.  erman  derselben  leut, 
eben  wie  Cristus  sagt:  du  sihest  in  eins  andern  aug  ein  Splitter, 
ader  in  deinem  äugen  den  hausbalken  nicht.  Strafft  got  sie  nicht 
hie,  als  er  doch  wol  tut,  wenn  man  sich  selbst  ansehe,  so  wird  er 
es,  als  zu  besorgen,  dort  thun,  wenn  man  trit  got  zu  hart  auf  die 
fueß,  er  wirdts  nicht  leiden;  man  zeucht  ans  seinem  wort  gelt  und 
es  sei  sunst  kein  sunde,  denn  were  sich  nach  dem  wort  gottes  heldet 
und  predigt,  sie  machen  inen  die  leut  nutz  im  beutel.  S.  1.  wolte 
lieber  kein  hmd  haben  denn  also  regiren  etc.  Dieweil  wir  denn 
niemandts  gerichtet,  sundern  die  warheit  gcschriben,  so  solton  wir 
billich  ungericht  bleiben,  wo  anders  s.  1.  uns  domit  will  gemaint 
haben,  das  wir  umb  s.  1.  mit  den  woltaten,  die  wir  seinem  vater 
muter  und  ime  gethan,  nicht  vordient  haben.  Und  ob  wir  nicht 
genant  sein,  so  ist  doch  wol  abzunemen,  wene  er  hiemit  hat  wollen, 
den  wir  dodurch  vorstehen  solten.  Denn  wie  barmherzig  wir  sein 
und  wie  schwind  wir  mit  den  armen  leuten  umbgehn ,  ist  got  am 
besten  bekant;  und  hören,  es  werde  von  got  nicht  vor  ein  klein 
barmherzigkeit  geacht,  einen  frommen  armen  von  des  bösen  armen 
untugeut  zu  entledigen,  dann  got  spricht  im  andern  buch  Mose  am 
22.  capittel :  man  sai  die  bosluiftigen  nicht  lassen  leben  auf  erden  '**). 

Das  aber  s.  1.  sagt,  wir  können  nichts  mer  denn  köpf  abhauen 
und  grausamkeit  üben,  wie  oben  erzelt :  achten  wir,  wo  s.  1.  solchs 
wol  bedenkt,  werde  er  behuden,  das  wir  mer  können  mit  gottes  hulf 
denn  allein  das  böse,  und  auf  das  wir  des  ein  exempel  setzen,  so 
sein  in  der  aufrur  zu  Duringen  drei  ader  vierlei  leute  gewest:  erst- 
lich die  anleiter  solcher  aufrur,  darimch  die  volger,  die  sein  zweierlei 
gewest,   einteil   aus  gutem    willen,   ettlich   aus  forchf ;  die   vierden 


'**)  Hieß  zuerat  ein  konig  und  drei  fursten  im  reich;  die  Worte 
ein,  drei  und  im  reich  sind  aber  iDitcrstridicn  als  Zeichen  der 
Tihjunfj. 

'")  iS'o  am  Rande;  der  Te.idliatte  anfaitf/s:  .  .  .  vortrieben  sein. 
Er  neme  under  den  welchen  er  wolle,  mögen  wir  mit  warheit  sagen, 
das  derselbig  Seins  lands  gemissbrauclit  liat  und  darumb  von  got 
gestrafft  ist,  und  so  wir  die  warheit  reden,  richten  wir  nicht. 

'")  2.  Mos.  22  V.  18. 


142  W-  Friedensbiirg: 

haben  es  thun  müssen  aus  zwang.  Do  es  aber  zum  handel  komen, 
do  hat  man  keinen  können  ausscheiden  denn  die,  so  williglich 
kommen  und  ir  bedranknus  angezeigt,  das  sein  graven  edell  und 
burger  gewest,  den  ist  kein  last  begegent,  wie  s.  1.  weist.  Die 
andern  sein  mit  einander  undergangen,  haben  leib  und  gut  verloren, 
mag  wol  sein  das  mancher  darunder  gewest  der  nicht  so  vil  als  der 
ander  schuld  daran  gehabt;  wir  aber  haben  gotlob  mit  der  band 
keinen  erwürget,  auch  niemands  nichts  genomen;  wir  haben  etlich 
hundert  gefangener  auf  ein  tag  laufen  lassen,  die  alle  wol  leib  und 
gut  als  die  aufiurigen  vorburt  betten.  Hernachmals  do  wir  under 
unser  eigen  vorwandten  und  geschwornen  gein  Saltza  komen,  haben 
wir  die  leithemel  ausgehoben,  ungestrafft  nicht  gelassen  an  leib  und 
gut.  Domit  auch  die  ungetrauen  fluchtigen  irer  untreu  und  flucht 
nicht  genossen,  so  haben  wir  auch  verordent,  wie  es  mit  denselben 
gehalden  sol  werden,  und  nach  gehaldenem  rat  nier  gnad  denn  s'c 
vordient  vorgewandt.  Das  wir  auch  dieselbigen  auf  s.  1.  furbitt 
nicht  haben  wollen  lassen  einkomen  ""),  ist  darumb  geschehn,  das 
zu  Molhausen'*')  im  felde  dorvon  geredt  und  beslossen  worden,  das 
man  dieselbigen  aufrürer  nicht  wider  solte  lassen  einkommeu;  sie 
solten  auch  in  keinem  unser  furstenthum  dem  andern  zuwider  ge- 
halten noch  gehaust  werden.  So  sint  dieselbigen  fluchtigen  den 
merern  teil  mit  der  Lutterischen  gift  beflegt,  welche  gift  ein  ursprung- 
lich ursach  gewest  des  aufrurs.  Dieweil  denn  der  groß  häuf  —  gott 
gelobt  —  noch  ist  der  frommen,  verhoffen  wir  thun  kein  unbarm- 
herzigkeit,  das  wir  sie  behüten,  das  sie  von  den  bösen  nicht  vor- 
unreint  werden. 

Wir  befinden  auch  das  uns  nicht  mag  unaufgerugkt  bleiben, 
das  wir  in  vorzeiten  unser  frommen  und  getrauen  underthaneu  rat 
und  hulf  haben  suchen  und  brauchen  müssen  und  noch,  und  ist  nicht 
weniger,  das  unser  herr  vater  gotseliger  uns  in  unrath  gelassen ; 
derhalben  wir  auch  gemelte  unser  underthan  mit  irem  rath  und 
gutem  willen  umb  hulf  angelangt,  welches  kommen  ist  aus  den 
trauen  nutzlichen  dinsten ,  die  derselbig  unser  her  vater  kei.  mat. 
und  dem  heiligen  reich  vor  andern  fursten  mit  seinem  eigen  leib 
und  gut  bis  an  sein  ende  gethan,  wie  das  vil  leuten  kunt  und  wissent- 
lich gewest  und  noch  ist.  Das  wir  aber  aus  solchem  unrath  nicht 
haben  kommen  mögen ,  ist  ursach  die  vorreterische  untreu  des 
graven  von  Embden,  auch  der  '*'J  konig  von  Frankreich  '*')  und  die 
böse  nagbarschaft  des  herzogen  von  (iellern,  der  sein  art  gegen 
uns  als  andern  nagbarn  bezeigt  hat  '*").  Diß  haben  angesehen  unser 
getraue  underthaneu  und  uns  getraulich  gerathen  und  geholfen, 
und  tragen  keinen  zweivell,  wo  es  die  not  erfordert,  sie  werden  uns 


'*")  s.  V.  a.  wieder  ins  Land  kommen. 

'*')  Das  Miihlhauser  Ablcommen  swischen  Kurfürst  Johann, 
Herzog  Georg  und  dem  Landgrafen,  Ende  Mai  1525  ahgeschlossoi, 
gedr.  Seidemann,  Das  Dessauer  Bündtiis  (Zeitschrift  für  histor. 
Theologie  1847)  641  flg. 

'*")  D  add.  unterstrichen  (als  Zeichen  der    Tilgung):   itzigo. 

'*")  D  add.  unter strichoi:  den  got  auch  nach  seinem  willen 
an  ere  und  gut  gestratfl. 

'*")  Diese  Anspielungen  beziehen  sich  auf  die  friesischen 
Wirrett,  in  ivelche  Georg  von  seinem  Vater  Herzog  Alhrecht  (f  1500), 
Erhstatthalter  von  Friesland,  Iter  verivickelt  getvesen  loar.  Seine 
Gegner  dort  waren  der   Graf  Ezard  von  Friesland  tmd   dessen 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     143 

forder  mit  hulf  und  rath  beistehen  und  ol)  got  will  in  kurz  aus 
allen  nöteu  helfen.  Wir  haben  auch  gotlob  ujis  dermassen  gegen 
inen  gehalten,  das  wir  der  keins  mit  gewalt  hahen  dürfen  von  inen 
dringen'*').  Sie  sein  auch  got  hab  lob  so  sere  nicht  vorarmt  vom 
adel  burger  und  paurn,  sie  sollen  neben  andern  ir  pfennig  wol 
zeren  mögen  und  iren  herren  ein  hulf  thun  können  gleich  andern 
und  vor  andern;  darumb  s.  1.  uns  mit  dem  zu  reizen  sich  wol  hette 
enthalten  '*^).  Dieweil  uns  auch  von  s.  1.  nichts  darzu  gegeben  ist, 
dürfen  wir  ime  auch  kein  rechnung  dorum  thun.  Wir  wissen  wol, 
das  wir  neider  gnug  haben,  das  wir  von  unsern  getrauen  under- 
thanen  sovil  zufals  haben,  die  sich  doch  billicher  mit  uns  freuen 
sölten.  Wir  haben  zuvorn  angezeigt,  das  wir  so  geltsuchtig  nicht 
sein  als  wir  an  s.  1.  getragen ;  wir  ziehen  auch  nicht  gelt  aus  dem 
ewangelio.  Darumb  bitten  wir,  s.  1.  wollen  uns  kegen  seinen  an- 
tragern vorantworten,  wie  wir  oben  gebeten. 

Wir  hassen  auch  die  nicht,  die  gottes  wort  warhaftiglich  pre- 
digen; das  wir  sust  neben  andern  ein  armer  sunder  sein  und  von 
got  hie  gnediglich  gestraft't  werden,  erdulden  wir  mit  seiner  got- 
lichen  hulf  billich  ganz  willig  und  gern  und  bitten,  wenns  uns  vor- 
lihen  wird,  umb  gnade. 

Wir  haben  regirt  nach  unserm  vorstand,  wie  wir  es  kegen  got 
vorantworten  müssen  und  darumb  still  stehn  werden.  S.  1.  solle 
es  besser  machen,  darzu  wünschen  wir  ime  gluck  und  heil. 

Als  s.  1.  meldet,  er  vorsehe  sich,  die  von  Saltza  werden  ire 
brief  und  sigel  wol  halten,  sollen  sie  sich  seins  lands  gebrauchen; 
wenns  aber  die  meinung  solte  haben ,  wer'  es  uns  gut  das  unsere 
Schuldner  lutterisch  wern,  wie  wirs  nennten,  so  dorft  wir  inen  nichts 
geben  etc.:  die  von  Saltza  werden  ir  brive  und  sigell  als  fromme 
leut  halten,  man  zeige  inen  die  allein  an,  kegen  den  sie  vorschriben 
sein.  Wo  sie  dann  in  dem  wesen  sind,  wie  sie  inen  vorschriben, 
alsdenn  wird  es  nicht  mangel  haben;  wo  sie  aber  in  einem  andern 
stand,  darauß  nicht  anders  denn  böses  sich  zu  inen  zu  vormuten, 
so  haben  sie  es  beigelegt  bis  auf  erkentnus  geordenter  oberkeit. 
Wirdet  inen  zuerkant  das  sie  solchs  denselbigen  abtrönnigen  ordens- 
leuten  geben,  sollen  sie  es  an  inen  nicht  ei winden  lassen.  Das 
nuhn  s.  1.  über  solch  gleichmessig  erbieten  die  von  Saltza  aufhalten, 
wolt  der  erbainunge  nit  fast  gemeß  sein,  wollen  uns  auch  des  in 
s.  1.  nicht  vorsehen  '**j.  Wir  wissen  uns  kegen  unsern  schuldigern, 
den  wir  schuldig  sein,  sie  sind  papistisch  ader  lutterisch,  wol  zu 
halten,  dorfen  seiner  underweisung  ader  underhandlung  deßfals 
gar  nicht  '**). 


Bundes  genosüc  Herzog  Karl  von  Gel  der  n ,  den  Frankreidi  ins- 
gelieim  unterstützte.  Im  Jahre  1514  hatte  (reory  ihnen  weichen 
und  die  Rechte  an  J'^iesland  atifgeben  inüssen. 

'*')  U  add.  unterstrichelt,  weder  kidch  nionstranzen  i)aceni  oder 
glocken  smelzen  dorfen. 

'*-)  D  add.  getilgt  wir  haben  auch  das  unser  nicht  vorspilt 
vorprast  vorhurt  ader  vorpufl't,  sundern  mit  eren  und  zu  unser  not- 
turft  anworden  darinne  nichts  gespart. 

'**)  Statt  dieses  letzteti  Satzes  stand  anfänglich  :  wo  aber  über 
solch  erbieten  s.  1.  aus  der  erbeinung  mit  einem  fuß  schreiten,  so 
erloube  er  uns  mit  dem  andern  auch  licrauß  zu  trett(Mi. 

'**)  D  wir  wissen  —  deßfals  gar  nicht  ausgestrichene' 


X44  ^-  Friedensburg: 

Das  s.  1.  schreibt,  s.  1.  hab  kein  iirsach  gegeben,  das  -wir  ge- 
schriben,  das  er  unsern  dinst  vor  gut  neme,  mag  vol  sein  und  ist 
villeiclit  des  Schreibers  schuld ,  denn  wir  haben  allewege  im  brauch 
gehabt,  wie  sich  andere  unser  freund  kegen  uns  erboten,  haben  wir 
unser  erbieten  widerumb  zugleich  geihan  und  zuweiln  etwas  mer. 
So  aber  in  nechster  schritt  vor  der  letzsten  der  Schreiber  kein  er- 
bieten im  besluß  von  s.  1.  wegen  gesetzt  und  wir  des  nicht  ursach 
gewust,  haben  wir  (auf  das  wir  s.  1.  nicht  forder  bewegten)  solch 
unser  erbieten  mit  einer  maß  gethan,  domit  wir  nicht  zu  vil  ader 
wenig  tetten:  haben  wir  es  aber  domit  verterbt,  so  ist  es  doch  Un- 
danks geschehn. 

Das  sich  s.  1.  erbeut  uns  zu  dienen  wo  er  wüste,  des  wer'  er 
geneigt,  aber  wider  das  ewangelium  zu  thun  umb  unsern  willen  do 
wurd  nichts  auß,  wenn  wir  ime  schon  zwen  töchter  gegeben,  mit 
merer  erbietung  etc.:  nu  wissen  s.  1.,  das  wir  in  der  ehestiftung 
s.  1.  unsre  tochter  nicht  darumb  gegeben,  das  er  wider  das  ewan- 
gelium thun  solte  umb  unsern  willen;  vil  wenig  weiten  wir  irne 
zwen  gegeben  haben,  denn  wo  wir  gleich  etwas  wenigers  "*)  gehabt 
und  vormarkt  betten  das  s.  1.  umb  unser  ader  ander  böser  leut 
willen  wider  got  und  sein  ewangelium  thu,  wir  weiten  es  ime  nicht 
gegeben  haben. 

Wir  bedanken  uns  sust  freuntlicher  erbietung  und  das  er  uns 
wünscht  im  besluß  seins  brives,  wünschen  war  ime  auch,  dann  es 
mögen  villeichte  wol  leute  s.  1.  auf  die  wege  fuhren,  die  da  öffent- 
lich ir  orden  aide  und  gelubde  vergessen  haben,  zu  denen  wir  uns 
nichts  guts  vorsehen  können  '*").  — 

Diß  sollen  die  geschickten  reden  und  sollen  hirauf  bitten,  das 
s.  1.  bedenken  wolt  die  grosse  geschwindigkeit  und  gehe'*'),  so  s.  1. 
in  dem  bricf  gegen  uns  unvorschult  und  als  seinen  sweher  geübt  ane 
grund,  nachdem  wir  uns  vorsehen,  wo  imands  also  unbedechtig  uns 
mit  ungrund  also  bescliAveren  wolte,  s.  1.  wurde  seinen  leib  und  gut 
vor  uns  gesetzt  haben;  auch  betrachten  die  zimlich  gedult,  die 
wir  mit  ime  in  unser  antwort  tragen,  uns  forder  solcher  swindickeit 
vorschonen,  denn  wo  es  mehr  geschehe,  musten  wirs  achten,  er  wolte 
uns  nicht  zu  freund  haben  und  uns  mit  fuessen  von  sich  stossen, 
des  wir  musten  geschehn  lassen,  und  uns  dann  wenig  tauret,  denn 
allein  unser  tochter  sein  gemahel  und  sein  getraue  fromme  Land- 
schaft, den  es  ane  zweivel  wurde  leit  sein.  Verdienen  wir  zur 
billicheit  gerne  .  .  . 

[Es  folgt  der  Inhalt  des  letzten  Absatzes  in  milderer  Form:] 
Diß  sollen  die  geschickten  reden:  "Wir  zweifeln  nicht,  wa  s.  1.  ir 
gethan  schreiben  zu  gemuethe  fürt,  s.  1.  werde  es  etwas  fast  zu 
geschwinde  und  zu  gehe  vormerken,  darzu  wir  s.  1.  unsers  vor- 
hoffens  nicht  ursach  gegeben,  auch  zu  s.  1.  vielmehr  vorsehen  betten, 
wa  wir  sunst  von  imands  dergestalt  weren  angegriffen,  s.  1.  wurde 
uns  als  iren  schweher  nicht  allein  vorantwort,  sonder  leib  und  gut 
vor  uns  gesatzt  Iiaben.  Nuhr  haben  wir  s.  1.  aufs  freuntlichste  und 
glimpflichste  vorantwort  und  wollen  s.  1.  darvor  bitten  uns  mit 
solchem    geschwinden   schreiben   liinfurder   zu   vorschonen.     Wa  es 


'*■')  Statt  gleich  —  wenigers  stand  anfangs  ein  liebes  thier. 

'*")  Anfangs:  denn  es  sein  auch  leut  die  s.  1.  auf  die  wege 
füren  und  sein  darzu  leut  die  öffentlich  —  vergessen  haben;  was 
gnad  darbei  sein  kan,  solt  ein  itlicher  vorstendiger  wol  ermessen 
können.      '*'j  d.  i.  Jähe  (als  Substantiv). 


Beiträge  zum  Briefwechsel  zwischen  Herzog  Georg  etc.     145 

aber  ie  nit  sein  wolt,  rausten  -ft-irs  darvor  achten,  das  uns  s.  1.  zu 
irem  freund  nicht  mehr  ze  haben,  sunder  von  sich  zu  sundern  ge- 
sint,  darbei  wirs  auch  musten  wenden  lassen;  uns  dauert  aber  dann 
sein  gemal  und  landschaft,  den  es  ane  zweifei  wurde  leid  sein. 
Wir  weren  aber  viel  geneigter  mit  s.  1.  in  der  freundschaft,  so  von 
irem  vater  auf  sie  geerbet,  zu  pleiben.  — 

"Wa  auch  irgent  nach  der  vorher  ader  sunst  vorfiele,  das  der 
landgraff  hart  darauf  drunge,  wie  s.  1.  vorwandten  '*»)  gleichwol  briff 
und  sigill  nicht  gehalten  Murden:  so  sollen  sie  sagen:  sein  lieb 
habe  bei  den  von  Saltza  ettliche  zinse  gefordert  von  wegen  der 
wirdigen  und  andechtigen  priors  und  convents  zu  Fach.  Darauf 
wir,  weil  wir  bericlit  das  keni  prior  nach  convent  mehr  dasein  solt, 
dieselbigen  volgen  zu  lassen  geweigert  und  unsers  vorsebens  nicht 
unpillicb,  denn  wir  kondten  nicht  befinden,  wa  sie  nicht  dergestalt 
angezaigt  und  vorhanden,  wie  von  irentwegen  die  forderung  an- 
gestelt,  das  man  ihnen  die  zinse  zu  geben  schuldig;  wa  aber  s.  1. 
dieselbigen  zinse  als  inhaber  der  vorschreibung  gefordert,  betten  wir 
uns  einer  anderer  antwort  Avollen  vornehmen  lassen  '*'). 

'*')  s.  V.  a.  Unterthancn;  gemeint  sind  die  von  Vach. 

'*')  Auf  einem  später ai  Blatte  findet  sich  der  Schhisspassus 
in  folgender  Form:  vorschreibung  gefordert  und  auch  s.  1.  zu  manen 
gebort,  hetten  wir  uns  dennoch  so  schwinder  manung  umb  16  fl. 
nicht  vermut,  diweil  wir  um  25000  fl.  so  frauntlich  gdult  mit  s.  1. 
gehabt.  Darunter  stehen  die  Namen  der  Gesandten  her  Georg 
Taubenhaym  amptmann  zu  .  .  .  (?)  D.  Pack.  Folgen  dann  noch  No- 
tizen über  anderweitige  Irrungen. 


Keucs  Aicliiv  f.  Ö.  0.  u.  A.    VI.  1.  2.  10 


Literatur. 


(Jesc'hichle  der  iu  «1er  Preussischen  Prorinz  Sachsen  vereiiijgleii 
Gebiete.  Yon  Eduard  Jacob«.  Gotha,  F.  A.  Perthes.  1883. 
YlII,  540  SS.    8«. 

Die  Verlagshandliing  ^ou  Perthes  in  Gotha,  der  die  deutsche 
Geschichtswissenschaft  schon  manches  verdienstliche  Werk  zu  danken 
hat,  beabsichtigt  bekanntlich,  gewisserniassen  als  Ergänzung  der  in 
ihrem  Verlage  erscheinenden,  von  Heeren  und  Uckert  begründeten 
und  gegenwärtig  unter  der  Leitung  von  W.  von  Giescbrecht  fort- 
geführten Europäischen  Staatengeschichte,  eine  Sammlung  von  Dar- 
stellungen der  Geschichte  der  einzelnen  deutschen  Landschaften, 
insbesondere  der  preussischen  Provinzen,  herauszugeben:  ein  Unter- 
nehmen, dessen  Ausführung  allerdings  mit  nicht  geringen  Schwierig- 
keiten verbunden  ist.  Sind  doch  gerade  die  Provinzen  Preussens 
grossentheils  Bildungen,  die  erst  in  neuerer  Zeit  aus  oft  ganz  hete- 
rogenen Bestandtheilen  zusammengeschmolzen  worden  sind,  so  dass 
man  von  einer  einheitlichen  Geschichte  derselben  kaum  reden  kann. 
Dieser  Übelstand,  mit  dem  K.  Lohmeyer,  der  Bearbeiter  der  treff- 
lichen Geschichte  Ost-  und  Westjireussens,  und  Grünhagen,  von 
dessen  Geschichte  Schlesiens  vor  kurzem  der  1.  Band  erschienen  ist, 
nicht  in  gleichem  Masse  zu  kämpfen  hatten,  tritt  in  dem  uns  vor- 
liegenden Werke  um  so  schärfer  hervor;  denn  die  preussischc  Provinz, 
die  am  30.  April  1815  unter  dem  Namen  Provinz  Sachsen  gebildet 
worden,  ist  sehr  bunt  zusammengesetzt:  ausser  märkischen  Gebieten 
und  solchen,  die  dem  Hause  Wettin  gehört  haben,  wie  namentlich 
dem  alten  Herzogthum  Sachsen- Wittenberg,  dem  sie  ihren  Name 
verdankt,  umfasst  sie  das  alte  Erzbtift  Magdeburg,  die  Stifter 
Halberstadt,  Quedlinburg,  Merseburg,  Naumburg,  vormalige  Besitz- 
ungen des  Erzstifts  Mainz,  freie  Reiclisstädte  wie  Nordhausen  und 
Mühlhausen,  eine  ganze  Reibe  alter  Grafschaften  wie  Stolberg-Stol- 
berg, Stolberg-Rossla,  Mansfeld,  Hohnstein  u.  a.  Dazu  kommen 
wesentliche  Stammesunterscbiede  innerhalb  der  Bewohnerschaft,  die 
theilweise  aus  niederdeutschen  Sachsen,  theihveise  aus  mittel- 
deutschen Thüringern  besteht;  ein  grosser  Theil  der  Gebiete  ist 
bekanntlich  den  Slaveu  abgerungenes  Kolonisationsland  und  unter- 
scheidet sich  dadurch  sehr  bemerkbar  von  den  deutschen  Stamm- 
landen.  Von  einer  wirklichen  Geschichte  der  Provinz  Sachsen 
kann  also  kaum  die  Rede  sein;  es  war  die  Aufgabe  des  Ver- 
fassers, wie  er  das  im  Titel  auch  angedeutet  liat,  eine  ganze 
Reihe     von     Spezialgeschichten     zu    einem     Ganzen    zusammenzu- 


Literatur.  j^47 

schweissen,  und  diese  Aufgabe  \vurde  noch  erschwert  dadurch,  dass 
dies  Ganze  auf  weitere  Kreise  berechnet  sein  sollte.  Erwägen  wir 
diese  Schwierigkeiten,  so  müssen  wir  dem  als  exakten  Forscher  und 
gewissenhaften  Urkundenherausgeber  rühmlichst  bekannten  Ver- 
fasser, der  gewiss  selbst  bei  seiner  Arbeit  am  wenigsten  Befriedig- 
ung gefunden  hat,  das  Zeugnis  ausstellen,  dass  er  das  Möglichste 
geleistet  hat.  Wenn  er  für  den  grössten  Theil  des  Werkes  nicht 
auf  die  Quellen  zurückgegangen  ist,  sondern  nur  die  —  übrigens 
mit  grosser  Umsicht  ausgewählte  —  Litteratur  benutzt  hat,  so  bedarf 
dies  keiner  Entschuldigung;  ein  anderes  Verfahren  hätte  die  Aufgabe 
zu  einer  nahezu  undurchführbaren,  sicher  aber  noch  viel  weniger 
lohnenden  gemacht.  Näher  auf  das  Werk  von  Jacobs  einzugehen, 
kann  unter  diesen  Umständen  nicht  die  Aufgabe  einer  an  dieser 
Stelle  zu  gebenden  Rezension  sein.  Nur  ein  schmerzliches  Ue- 
dauern  können  wir  nicht  unterdrücken;  warum  wurde  die  Benutzung 
des  seinem  ganzen  Charakter  nach  wenig  übersichtlichen  Werkes 
nicht  durch  ein  alphabetisches  Register  und  etwa  auch  ein  paar 
Bogen  Litteratur-  und  Quellennachweisungen,  wie  sie  Grünhagen 
dem  1.  Bande  seiner  schlesischen  Geschichte  beigegeben  hat,  er- 
leichtert? Dadurch  würde  sicher  weder  die  von  der  Verlagshand- 
lung  gewünschte  Popularität  des  Werkes  gemindert  noch  der  Preis 
desselben  wesentlich  erhölit  worden  sein. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Oescbiclite  der  Säcligisch-AskainHchen  Kiirfüisten  (1180—1422), 

ihre  Grabstätten  in  der  ehemaligen  Franciskaner-Kirche  zu  Witten- 
berg, die  Überführung  ihrer  Gebeine  in  die  dortige  Schlosskirclie 
und  die  Stammtafeln  ihres  Geschlechts.  Von  (ieorg  v.  Hirschfeld, 
Regierungs-Ratb  in  Merseburg.  Sonderahdruck  aus  der  „Viertel- 
jahrsschrift für  Heraldik,  Spliragistik  und  Genealogie".  Berlin, 
Sittenfeld.    188t.     IV,  15Ü  SS.     8».     Beil.  I— V. 

Das  obengenannte  Werkchen,  welches  anzuzeigen  mir  mehr- 
fach nahegelegt  worden  ist,  behandelt  in  Abschnitt  1  (S.  D— 72) 
nach  einer  Einleitung  über  das  Franziskanerkloster  die  vom  Titel 
als  Hauptsache  bezeichnete  und  uns  hier  zunächst  angehende  Ge- 
schichte, im  II.  Abschnitt  (S.  7.3—92)  die  Auffindung  und  Über- 
falirnng  der  Gebeine,  iin  III.  (S.  9:^—139)  Feststelhuig  der  Persön- 
lichkeiten der  aufgefundenen  Leichenreste,  bauliche  Einrichtung  der 
ehemaligen  Franziskanerkirrhe,  Grabsteinfragmente  u.  s.  f.  Von  den 
Anlagen  bietet  I.  Plan  und  Grundriss  der  K'irche,  V.  Darstellung 
der  Grabstein-  und  Baufragmeiite,  beides  vom  königl.  Banftilner 
L  ottner,  II.  di(^  nach  den  Forscliungen  des  Verfassers  vervoll- 
ständigten und  berichtigten  Stammtafeln  der  ;<äcbs.-ask.  Kurfürsten, 
III.  Abdruck  eines  „Auszugs  aus  dem  Totenl)uche  des  Franziskaner- 
Klosters,  in  Zerbst  durch  Arcbivratb  Prof.  K  i  11  il  scli  e  r  aufgefunden" 
mit  dessen  Anmerkungen,  IV.  Abdruck  des  einsclilägigen  Abscbnitts 
aus  Mentzius  Syntagma  epitaphiorum  ....  Witeb.  etc.,  Magde- 
burgi  lÜOL 

Für  Beurtheilung  der  S.hrift  erscheint  die  S.  LSÜ  tlg.  i;  j.T 
gegebene  Anf/.älilnng  der  -11  bauptsä(  hliib  benutztcin  (^)u  eilen 
um  so  wichtiger,  als  V'erfassrr  im  Verlaufe  seiner  Darstellung  sie  fast 
nirgends  zitiert,  weder  bei  Üliereinstimmung,  noch  bei  Abweichung 
bez.  Bekämpfung.  Es  drängt  sieb  aber  einerseits  die  Verniutlmng  auf, 
dass  auch  dort  nicht  genannte  Scbriften  mittelbar  oder  unmittelbar 
benutzt  seien;  anderseits  würde  Zuratheziehung  anderer  ebenso  wenig 

10* 


148  Literatur. 

genannter  Schriften  der  vorliegenden  Arbeit  sehr  zu  statten  gekom- 
men sein.  Man  vergl.  z.  B.  Cohns  Stammtafeln,  Gretschel-Bülaus  Ge- 
schiclite  des  Sächsischen  Volkes  und  Staates  I,  284—295  u.  a.  Von 
Hirschfeld  glaubt  (S.  9  Anm.),  dass  die  bisher  nur  vorhandenen  zer- 
streuten Nachrichten  über  das  in  Rede  stehende  Fürsten  geschlecht 
durch  die  von  ihm  geleiteten  Ausgrabungen  und  seine  „neuesten 
Forschungen  vielfach  ergänzt  und  berichtigt"  seien.  Greifen  wir,  um 
zu  sehen,  wie  von  Ilirschfeld  geforscht  hat.  einige  Punkte  ücraus  '). 

§22:  Albert,  nachgeborner  Sohn  Kurfürst  Rudolfs  II.,  „ist 
bisher  nirgends  erwähnt;  seine  Existenz  ergiebt  erst  der  Auszug 
ans  dem  Totenbuche".  Verfasser  setzt  daher  Rudolfs  Kinder  an: 
1.  Elisabeth,  f  135.3,  2.  Albert,  geboren  nach  dem  Tode  Rudolfs  II. 
u.  s.  f.  Nun  haben  aber  sowohl  Beckmann  als  Cohn  bereits 
Albert  und  Elisabeth  als  Kinder  jenes;  das  Neue  wäre  also  nur  die 
vom  Verfasser  erst  noch  zu  beweisende  Posthumität  Alberts.  Das 
von  ihm  dafür  beigebrachte  genügt  nur  zu  beweisen,  dass  Albert 
nach  seinem  Vater  und  vor  seiner  Mutter,  d.  h.  zwischen  1370  und 
1373,  starb. 

§  23  w-iederholt  von  Hirschfeld  den  alten  Irrthum,  dass  Kurfürst 
Wenzel  nicht  1388,  sondern  1-102  gestorben  sei,  also  was  zwischen 
beiden  Jahren  von  sächsischen  Kurfürsten  berichtet  wird,  von  jenem 
statt  von  Rudolf  IIl.  gelte.  Er  sagt  getrost:  „Bei  der  Belagerung 
von  Celle  (1402)  erhielt  Wenzel  eine  tötliche  Wunde,  an  der  er 
18.  September  starb";  alles  entgegenstehende  wird  abgefertigt  mit 
den  Worten:  „Die  Ereignisse  des  Jahres  1400  schreiben  einige  dem 
Kurfürsten  Rudolf  HL,  nicht  Wenzel  zu,  und  zwar  wohl  deshalb, 
weil  sie  das  Jahr  1388  irrthümlich  als  Todesjahr  Wenzels  annahmen. 
Allein  nicht  nur  die  Inschriften  des  Grabsteins,  sondern  auch  das 
hier  massgebende  Totenbuch  der  Franziskanerkirche  geben  überein- 
stimmend den  18.  September  1402  als  Tag  und  bezw.  Jahr  seines 
Todes  an"  u.  s.  w.  Hier  nur  einige  der  Beweise  für  1388  bez.  gegen 
1402,  um  dann  zu  erwägen,  mit  welchem  Rechte  „Totenbuch"  und 
„Grabschriften"  mehr  gelten  sollen. 

Riedel,  Cod.  dipl.  Br.  D.  191  zum  Jahre  1395  hat:  In  dem 
suluen  jare  loart  hertoch  Boleff  van  Sassen  vient  bischop  Albrechtes 
van  qticrenforde  uncle  des  yodeshuses  to  inagdehorch  etc. 


')  Noch  ist  erwähnenswerth,  dass  der  Verfasser  in  §  3  zwischen 
Albrecht  d.  B.  und  Bernhard  ICinscliub  eines  3  Seiten  fassenden  Ab- 
schnitts über  den  heiligen  „Hain-Allvaters  im  Semnonenlande  zwischen 
Berlin  und  Brandenburg"  für  angezeigt  hält.  Wir  erfahren,  dass  „nach 
alten  urkundlichen  Quellen"  Brandenburg  (die  Stadt  ist  gemeint)  lange 
vor  der  slawischen  Periode  Herrschersitz  des  obersten  Semnouen- 
fürsten.  ja  Mittelpunkt  der  deutschen  Einheit  gewesen  (S.  2-i); 
dass  Allvaters,  der  die  Herzen  seiner  Kinder  lenkte  (21),  Machtwoit 
eine  Götterdreiheit  ms  Leben  gerufen;  dass  Tacitiis,  „obwohl  er  auf 
germanischem  Boden  lebte  und  starb",  so  wenig  als  andere  Römer 
das  germanische  Wesen  begrift'en;  dass  die  Enthauptung  der  Kriegs- 
gefangenen ein  Akt  der  Nächstenliebe  war  —  alles  Ideen,  die 
Verfasser  in  einer  speziellen  kritisch-historischen  Arbeit  „Religion 
der  alten  Germanen  bis  auf  Tacitus"  im  einzelnen  nachzuweisen 
versucht  habe.  Wir  empfehlen  sie  den  Forschern  in  deutscher  Mytho- 
logie; für  uns  hier  hat  diese  Episode  nur  den  Zweck,  S.  22  den 
Preis  der  Askanier  und  HohenzoUern  unmittelbar  daran  zu  knüpfen. 


Literatur.  149 

J.  M  ei  Sil  er,  Descr.  Eccl.  Collegiatae  Witteb.  1668.  S.  76  flg. 
giebt  de»  Wortlaut  einer  Bulle  lionifaz  des  IX.  wegen  Einverleibung 
der  Pfarrkirche  vom  5.  Dezember  1400;  sie  bat  u.  a.:  Nos  dilecti 
filii  nobüis  viri  Biidolfi  dticis  Saxoniae  supplicationibus  indinafi 
w.  s.  f.  Derselbe  '26  Hg.  (allerdings  mir  in  Übersetzung)  über  Bol- 
densdorf  und  Kapelle  d.  d.  St.  liUwis  1401:  Wir  Rudolf  v.  G.  Gn. 
zu  Eugern,  Westfalen,  Sachsen  und  Lüneburg  Herzog.  .  . 

von  Heinemann,  Cod.  dipl.  Anh.  V,  197.  5.  Dezember  1.392, 
Wittenberg:  Mudolphus  III.  dei  gratia  etc.  —  Derselbe  V,  ölS 
d.  d.  .30.  Mai  1400  Frankfurt:  Wir  von  Götz  gnaden  Johan  .  .  . 
und  Budolff  zu  Saessen  und  Lünenhurg  hertzogc  .  .  .  alle  kiir- 
fürsten  des  heiligen  Eoemschen  ritchs  etc.  Ebenda  .319.  (;.  Juli  1400: 
Wir  Patdolß'  von  Gottes  Gnaden  des  heiligen  Elmischen  reichs 
crtzuiarschalk. 

Urkundliche  Beweise,  dass  1392—1401  bereits  Rudolf  IH.  den 
Kurhut  trug,  welche  von  Hirschfeld  kennen  niusste,  da  er  jene  drei 
Werke  unter  seinen  Quellen  anführt;  freilich  spürt  man  auch  sonst 
keine  Verwerthung  des  Cod.  dipl.  Anh.  pjbenso  wenig  von  Riedel, 
sonst  hätte  er  beispielsweise  S.  41  nicht  13-29  angegeben,  statt  das 
aus  jenem  B.  II,  61  bekannte  Datum  25.  Mai  13-28,  und  vieles  andere. 

In  Cohns  für  jeden  Genealogieforscher  unentbehrlichen  Stamm- 
tafeln hätte  er  für' das  Jahr  1388  als  Todesjahr  Wenzels  die  ent- 
scheidende Stelle  im  Lüneburger  Toten  buche  zitiert  gefunden 
(ed.  A.  Ch.  Wedekind,  Noten  etc.  IH,  1836);  es  heisst  dort  zum 
15.  Mai  wörtlich:  Anno  demini  M.  CCG.  LXXXVIII  obiit  Wenetz- 
luus  dux  Saxonie  et  Lunehorch,  qiii  dedit  ecclesiam  sancti  Cyriaci 
cum  patruo  [Yetter]  suo  duce  Alberto.  Entsprechend  zum  28.  Juni: 
Anno  domini  M.  CCG.  LXXXV  obiit  Albertus  dux  Sax.  et  Lun., 
qui  dedit  eccl.  s.  Cyriaci  cum  patruo  suo  Wenetzlao  d.  Nach  dem 
Schriftgrade  müssen  diese  Eintragungen  dem  14.  Jahrhundert  ange- 
hören. Übrigens  stimmen  lür  Winsen  a.  d.  Aller  und  Celle  auch 
(etwa  abgesehen  von  Meibom)  alle  älteren  und  neueren  überein, 
dass  die' Schlacht  Fronleiclmanistag  1388  stattfand,  dass  der  in 
Winsen  erkrankte  Wenzel  nach  Neustadt  gebracht  wurde  u.  s.  w. 
S.  Hans  Porners  Gedenkbuch  bei  Hänselmann,  Chroniken  der  Stadt 
Braunschweig  I,  218;  Anno  XIIIc  LXXXVIII  in  des  hilghen 
lichamen,  daglie  ivas  de  grote  strid  vor  Wynsen  vor  Tzelle;  vergl. 
II,  55.  Eine  Belagerung  Celles  um  1402  ist  schwerlich  nachzuweisen. 
Anderseits  macht  jene  Toten  buchsnotiz  es  wahrscheinlich,  dass  Wenzel 
in  Lüneburg  in  der  von  ihm  gestifteten  Kirche  begraben  war. 

Diesen  Zeugnissen  also  sollen  die  „Grabschriften"  und  das 
„Totenbuch"  vernichtend  gegenübertreten.  Zuerst  jene,  mitgeteilt 
von  Balth.  Mentzius,  Syntngnia  (1604)  I,  denen  auch  ich  früher  ein 
Hauptgewicht  beigemessen.  Dass  von  Uirschfeld  den  hier  <.'eltcnden 
Abschnitt  als  aus  einem  ,,sehr  seltenen"  Buche  vollständig  abdrucken 
lässt  mit  der  Unterschrift  „Für  die  Richtigkeit  der  Abschrift,  Witten- 
berg, den  29.  Mai  1883,  G.  von  Hirschfeld,  Reg.-Rath%  ist  fast  spass- 
haft.  Das  Buch  ist  in  vielen  «rrösseren  Bibliotlieken  erliältlich  (Berlin, 
Wittenberg  doppelt,  auch  Halle  als  Doublettc,  Magdeburg,  Dresden 
u.  s.  f.),  sodann  der  von  ihm  verbürgte  Abdruck  ziemlicli  Hüchtig, 
vergl.  S.  145  Z.  11  bellum  für  belli,  S.  117,  VI:  B.  n.  für  Vn:, 
S.  148  Z.  9  V.  u.  atcxiiio  für  auxdium,  S.  149,  XIV:  et  für  est,  ab- 
gesehen von  vielen  Kleinigkeiten  in  j  und  i  und  dergl. 

Verfasser  nennt  nun  das  Syntagma  eine  ^immerhin  zuverläs- 
sigste  Origiualquelle"   S.  7,   vergl.  98:   „Da  Mentzius  als  Melanch- 


150  Literatur. 

thons  Schüler  aus  dessen  eignem  Munde  wissen  musste,  ob  derselbe 
die  Grabsehriften  aus  den  Gräbern  oder  aus  einer  sonstigen  Quelle 
entnahm,  wir  auch  die  Wahrheitsliebe  beider  nicht  zu  bezweifeln 
Anlass  haben"  —  wobei  vorausgesetzt  scheint,  dass  Melanchthon 
die  Grabschriften  möglichst  genau,  wenn  auch  eilig  abschrieb,  und 
seinem  Schüler  Mentzius,  falls  dieser  niclit  selbst  zugegen  gewesen, 
wenigstens  mit  mündlichen  Erläuterungen  übergab.  Doch  im  Laufe 
der  Untersuchung  sieht  Verfasser  sich  zu  folgenden  meist  berech- 
tigten A  usstellun  gen  genöthigt.  In  der  Einleitung  über  das  Fran- 
ziskanerkloster: das  Stiftungsjahr  1238  sei  zu  früh,  es  müsse  etwa 
1248  heissen  (allerdings  nicht  früher  als  124P,  vergl.  Cod.  dipl. 
Anh.  II,  170).  S.  101:  der  übliche  Schluss  der  Gralischriften  Cujus 
anima  requ.  in  pace  sei  infolge  der  Eile  wohl  überall  weggelassen. 
Zu  I:  sepelitur  Ballenstadii  sub  turri  [BcruhardusJ  —  sei  nach 
neuerem  Befunde  unrichtig,  wie  auch  Henr.  Basse  schon  richtig  in 
oratorio  habe.  Zu  II  (S.  35)  sei  pater  für  frater,  und  1285  für 
128.S  einzusetzen.  Zu  VII  (S.  53)  bei  Albert  Rudolfs  Sohn  sei 
4.  Juli  statt  4.  April  zu  setzen.  Zu  VIII  (S.  50)  das  Todesjahr 
Kunigundens  müsse  1333  statt  1331  sein  —  beiläufig  nach  „Schwein- 
bergs Chronik",  vermuthlich  desselben,  den  Verfasser  S.  51  Schwan- 
feld, sonst  aber  Schwanberg  nennt.  Zu  XIII  (8.  4G  flg.):  Rudolf  II. 
sei  mit  Rudolf  I.  verwechselt,  ,, vielleicht  weil  Mentzius  Randbemerk- 
ungen Melanchthons  an  unrichtiger  Stelle  einschaltete".  Ja  es 
müsse  sogar  Rudolf  I.  für  Friedrich  III.  eingesetzt  werden,  wo 
Melanchthon  sage,  dass  1353  der  Kurfürst  die  Kapelle  eingerissen 
und  an  ihrer  Statt  die  Schlosskirche  erbaut  hätte.  Ein  auffallender 
Mangel  philologischer  Divinationsgabe  des  Verfassers.  Der  Text 
lautet  nämlich  mit  Weglassung  der  Interpunktion:  [Bodolphus] 
f'undauit  Witebergae  Collegeum  [sie]  Ccmonicorum  Anno  1353  die 
34.  Febr.  Sed  Fridericics  III.  Elector  Saxon.  sacelluin  ä  Eo- 
dolpho  extructum  diruit  atqnc  etc.  Setzen  wir  (wegen  des  Sed 
wohl  selbstverständlich)  das  Punkt  hinter  Febr.  statt  vor  Anno,  so 
ist  alles  in  Ordnung.  Für  die  Gründung  dos  Allerheiligenstifts  am 
23.  bez.  24.  Februar  1353  vergl.  Cod.  dipl.  Anh.  IV,  55.  Dass 
Kurfürst  Friedrich  III.  (der  Weise)  1499  reine  Schlosskirche  an 
Stelle  des  askanischen  Kirchleins  vollendete,  wie  über  dem  Portale 
noch  jetzt  zu  lesen  steht,  wird  dem  Verfasser  bekannt  sein.  Es 
ergiebt  sich  aber  deutlich,  dass  Mentzius  seinen  Setzern  viel  ein- 
räumte, wenn  er  mit  Anno  einen  Absatz  beginnen  liess,  vermutlich 
auch,  wenn  sie  die  sogenannten  Grabschriften  ohne  angegebenen 
Grund  aus  3  verschiedenen  Schriftarten  setzten. 

Ferner  zu  XIV  (S.  149):  Anna  IL  conjunx  müsse  I.  heissen, 
wie  §  26  stillschweigend  verbessert  ist.  Zu  XVIII:  Albertus  dux 
Saxon.  Fleet:  in  familia  Anlialdina  ultimus.  S.  130  sagt,  dies 
sei  „unrichtig,  denn  die  familia  Anhaldina  blüht  in  den  Fürsten  von 
Anhalt  fort",  also  habe  Mentzius  stark  zusammengezogen;  er  ver- 
muthet  in  familia  Anlialdina  ultimus  Ascaniorum.  Sieht  Verfasser 
nicht,  dass  die  Interpunktion  \ or  Flector  zu  setzen  ist?  ,, Albrecht, 
Herzog  von  Sachsen  —  letzter  Kurfürst  aus  dem  Anhaltischen  Ge- 
schlecht" —  ist  ebenso  klar  als  korrekt,  die  Konjektur  also  inhalt- 
lich unnöthig. 

_  Was  nun  Mentzius'  Person  betrifft,  so  hat  er  vor  1561 
wenigstens  laut  Album  nicht  der  Wittenberger  Universität  angehört. 
Sein  gleichnamiger  Vater  allerdings,  geb.  Herford  1500,  gest.  1585 
als  Pastor  zu  Niemegk,  ist  12.  Juni  1'29  eingetragen  &\s  JBalthamr 


Literatur.  151 

Mentse  dioc.  Badebtirnen :  (wozu  spätere  Hand  bemerkt  Pater  M. 
Mencij);  laut  Grabschiift  Syiit.  lY,  79  war  er  Schüler  Luthers,  und 
des  nur  3  Jahre  älteren  Melanchthons  (auch  Buorenhasens,  Paul 
Ebers  etc.)  canicus  inteyerrimas  studiorwiique  socius;  dann  zuerst 
in  Zorbst  (wohl  Johannissehule)  thätig  als  Jugendlehrer.  Sein 
ältester  Sohn  nun,  Balthasar,  geboren  nicht  vor  1538,  später  magister 
und  poeta  coronatus,  um  ISßr. — 1572  in  Rom,  war  bei  Melanchthons 
Tode  höchstens  22  Jahr,  in  den  Jahren  1542 — 44  noch  gar  nicht  in 
"Wittenberg,  und  es  fragt  sich  sehr,  in  welchem  Zustande  die  00  Jahre 
vor  der  Herausgabe  gemachten  Aufzeichnungen  des  Reformators, 
den  er  nur  in  dessen  letzten  Lebensjahren  kennen  gelernt,  in  seine 
Hand  gekommen  waren  —  vielleicht  durch  seinen  Vater.  Mentzius 
sagt  ülirigens  nur:  Sunt  coJlecta  et  conservata  haec  nomina  et 
epitai^hia  p^incqnim,  quae  subjiciemus,  ä  j^raeceptorc  nostro  Ph. 
MeJanthone,  zwei  Seiten  weiter  sogar  nur:  nomina principnm  —  de 
sepulcfiris  eormn  descripsit.  Das  sei  1542  geschehen.  Ob  man  sich 
hierauf  verlassen  kann  bei  einem  Autor,  der  das  Gründungsjahr 
des  Kloster  8 — 10  Jahr  zu  früh,  die  Verwandlung  des  Klosters  in 
ein  Hospital  1544  statt  1527  ansetzt?  Übrigens  nehmen  wir  Akt 
davon,  dass  man  sich  nach  Mentzius  erst  1544  anschickte,  Altäre 
und  Grabsteine  zu  zertrümmern  fci(m — diruerentur,  nicht  diruta  sunt 
als  Hauptsatz,  wie  von  Hirschfeld  zitiert),  also  nirgend  Grund  vor- 
liegt, mit  dem  Verfasser  anzunehmen,  dass  schon  die  Bilderstürmer 
(ausser  einem  Altare,  vergl.  mein  „Wittenberg  im  Mittelalter"  S.  08) 
Grabsteine  zerstört  hätten. 

In  den  Werken  Melanchthons  (Corp.  reformatorum  I — XXVIII) 
ist's  mir  nun  nicht  gelungen,  eine  Hindeutung  auf  obige  Thätigkeit 
zu  finden,  wohl  aber  die  aus  der  Feder  des  für  vaterländische  Ge- 
schichte stets  warm  interessierten  Praeceptor  Germaniae  (vergl.  meinen 
Aufsatz:  Melanchthors  Verhältnis  zur  Geschichtschreihung  im  Korre- 
spondenzblatt d.  Gesch.  V.  iSßO)  stammende,  1558  in  den  Thurm- 
knopf  der  Pfarrkirche  gelegte  summarische  Geschichte  Wittenbergs 
Corp.  ref.  IX,  582  flg.  Ihr  Text  erweist  sich,  zumal  in  den  geschicht- 
lichen Zusätzen  zu  den  einzelnen  Namen,  vielfach  als  die  Urschrift 
zuB.  Mentzius,  enthält  aber  natürlich,  da  es  hier  zunächst  nicht 
um  Grabschriften  sich  handelte,  nicht  alle  20,  sondern  rair  deren  12. 
Dass  anderseits  Melanchthon  seine  nach  den  Grabschriften  gemachten 
Notizen  zur  Geschichte  zu  Grunde  legte,  erhellt  aus  dem  Beginn 
mit  Helena.  Beachtenswerth  ist  aber  schon  der  einleitende  Satz: 
Multi  principes  electores  ortl  a  Bernhardo  Auhaldino  et  corum 
eonjuges,  filü  et  füiae  Wüteherejae  sepulti  sunt,  qiiorum  nomina  in 
ipsis  monumentis  hgimus,  et  recitantur  in  historia  principinn  An- 
haldinorum,  quorum  praecipua  et  hie  recitahimus.,  nt  qui  legent 
toi  bonis  principibtis  gratum  fiiisse  hoc  domicilium,  magis  amciit 
hoc  oppidum.  Auch  dieser  Gedanke,  den  von  Hirschfeld  als  Eigen- 
thura  des  B.  Mentzius  S.  90  lateinisch  und  aus  guten  Gründen 
noch  dreimal  deutsch  zitiert  (S.  5.  88.  91).  rührt  also  von  Me- 
lanchthon her;  und  wenn  er  hier  in  einer  Handschrift  fehlt,  so 
haben  den  spätem  beide:  ut  qui  legent  sciant  fuisse  cgrcgiam 
virtutem  ctiam  illo  tempore  principuin  elect.  duc.  ISax'.,  quanquum 
potentia  non  scinper  par  fuit. 

Was  das  sonstige  Verhältnis  dieser  Darstellung  zu  Mentzius 
anlangt,  so  nennen  wir  nur  folgende  Verschiedenlieiten.  Bei  Alhrecht  H., 
Anna  und  Rudolf  H.  giebt  Mentzius  den  Bestattungsort  genauer  an, 
hat    auch   richtiger    bei    Hagne    1322   (Mel.  1312)    und    Jutta    1328 


J52  Literatur. 

(Mel.  1327),  bei  Rudolf  II.  1370  (Mel.  1385  bez.  138G),  bei  Anna 
coiijux  Rud.  III.,  wenn  aucb  falsch  conjnx  II.  (Mel.  Rudolfs  11). 
Freilich  könnten,  da  in  den  Thurniknopf  Paul  Ebers  Abschrift  nach 
Melanchthon'schem  Konzept  gelegt  wurde,  Lese-  oder  Schreibfehler 
jenes  vermuthet  werden,  doch  nach  dem  Charakter  des  Ganzen 
etwa  nur  bei  1312,  1327,  1385.  Zu  beachten  ferner,  dass  das  Por- 
.phyrgrab  Melanchthon  der  Cäcilia  zuschreibt,  Mentzius  der 
Barbara;  nur  dieser  Rudolf  IIL  an  Gift  sterben  lässt,  beide  von 
Rudolf  II.  einzelnes  erzählen,  was  man  auf  Rudolf  I.  beziehen  möchte, 
beide  den  1-102  sterbenden  Wenzel  als  Kurfürst  bezeiidinen.  Die 
Melanchthonsche  Darstellung  ist  fast  50  Jahre  älter  als  Mentzius' 
Druck;  trotz  der  Abweichungen  beruft  sich  dieser  auf  den  nämlichen. 
Der  Gedanke  liegt  nahe,  dass  er  Melanchthon'sche  Notizen  urschrift- 
lich oder  in  Abscliriit  durch  seinen  Vater  überkam,  vielleicht  mit 
dessen  Randbemerkungen;  da  er  mehrfach  Richtigeres  zu  haben 
scheint,  mochten  in  der  Zwischenzeit  jene  Notizen  nach  weiteren 
Überlieferungen  oder  Aufzeichnungen  aus  dem  Kloster  verbessert 
oder  vervollständigt  worden  sein;  ebensogut  aber  konnte  Mentzius 
die  Sache  aus  dntter,  vierter  Hand  haben.  Philologisch  genaue 
Wiedergabe  der  Grabschriften  war  offenbar  schon  Melanchthons  Zweck 
nicht  gewesen,  sondern  Notizensammlung  Cnomina  legimus)  zur 
vaterländischen  Geschichte.  An  Gleichzeitigkeit  bez.  Genauigkeit 
der  Mentzianischen  Grabschriften  hat  schon  mancher  gezweifelt, 
vergl.  Adelungs  Direktorium  zur  Sachs.  Geschichte  Einl.  S.  XVIII. 
Auch  von  Hirschfeld  giebt  gelegentlich  die  ihm  vermuthlich  von 
Archäologen  geäusserten  Bedenken  z.  B.  wegen  mortuus  est  statt 
obiit. 

Hier  tritt  nun  der  von  Archivrath  Kindscher  in  Zerbst 
gemachte  Fund  ein,  den  von  llirschfeld  als  „Auszug  aus  dem  Toten- 
buche der  Franziskaner"  S.  140  flg.  abdrucken  Hess,  samt  den 
vom  Entdecker  mit  gewohnter  Akribie  beigegebeuen  Noten.  Nach 
gef.  Mittheilung  des  letzteren  ist  übrigens  gegen  Ende  (wo  auch 
hie  statt  lois  steht)  libro  vite  statt  rite  zu  lesen  —  ein  wesentlicher 
Irrthum  des  Verfassers :  die  infantuli  und  non  adulti  waren  also 
nicht,  wie  er  annahm,  ebenfalls  im  Totenbuche  eingetragen,  sondern 
(wie  der  fromme  Schreiber  vertraut)  im  Buche  des  Lebens.  Die 
Handschrift,  die  ich  seitdem  selbst  verglich,  datiert  von  der  Mitte 
des  16.  Jahrhunderts,  enthält  Randbemerkungen  eines  Dessauer 
Chronisten  Schwanberg,  und  noch  spätere  Korrekturen  von  der 
Grenze  des  17.  Jahrhunderts.  Leider  setzt  von  Hirschfeld  gelegent- 
lich gleich  seine  Verbesserungen  in  den  Text.  Der  Eingang  Sub- 
notata  corpora  ....  tumulata  reperiutitur,  qiiemadmodum  indicat 
lieber  [sie]  mortuorum  Monasterii  jam  dicti  erhebt  den  Anspruch 
auf  Herleitung  aus  dem  Totenbuche  des  Klosters,  daher  von  Hirsch- 
feld oft  geradezu  dies  zitiert.  In  der  That  deutet  das  durchgängige 
obiit,  die  gelegentlichen  Zusätze  fidelissima  mater  fratrum  bei 
Jutta,  gloriosa  fautrix  fr.  bei  Elisabeth,  specialissimus  protector 
bei  Wenceslaus,  die  häutige  genaue  Ortsangabe  auf  ältere  mön- 
chische Aufzeichnung.  Anderseits  zeigt  sclion  die  Form  Braun- 
schtvifjk  die  willkürliche  Änderung  des  Notizenmachers;  die  Anord- 
nung, welche  durchaus  nicht  (wie  z.  B.  in  dem  obengenannten 
mustergültigen  Lüneburger  Nekrologium)  der  Kalenderordnung  ent- 
spricht, die  Namenlücken,  das  häufige  Fehlen  der  Jahreszahl  nicht 
nur,  sondern  namentlich  des  Heiligentages,  dass  ein  flüchtiges,  um 
nicht  zu  sagen   tumultuarisches  Excerpt  vorliegt.     Oder  wir  haben 


Literatur.  153 

eine  recht  verderbte  bez.  nachlässige  Kopie  einer  altern  vielleicht 
Mitte  lü.  Jabrhundeits  entstandenen  Quelle  vor  uns;  möglich  dass 
schon  ein  Miuorit  sich  die  Mühe  gab,  aus  dem  nekrologischen 
Kalender  des  Klosters  die  Namen  der  Fürstlichkeiten  auszuziehen 
und  chronologisch  zu  ordnen  —  eine  Auffassung,  worin  ich  mich 
mit  einem  autoritativen  Kenner  dieser  Gebiete  eins  weiss.  Dass  die 
zu  Grunde  liegende  Quelle  älter  und  im  ranzen  vollständiger  ist 
als  Melancbtlion  und  Mentzius,  giebt  ilir  immerhin  ^^■erth,  ohne  die 
Kritik  ihrer  PHicbt  zu  entbinden.  Diese  würde  vor  allem  die  drei 
Quellen  AT.  (Ausz.  a.  d.  Totenbuche),  Mtz.  (Mentzius)  und  Mel. 
(Melanchthon)  nebeneinander  zu  stellen  haben  -)  und  dann  fragen : 
In  welchem  Verhältnis  standen  diese  Nachri(  bten  zu  einander  V  Be- 
achten wir  zunächst,  das  AT.  dreimal  <len  römischen  Kalender 
anwendet  (127.S.  1285.  1402),  zweimal  nach  dem  Kirchenjahr  (1.350 
14.35),  siebenmal  die  Tageszahl  (1327 — 1419)  ohne  TIeiligennamen, 
die  übrigen  elf  Male  ohne  jedes  Datum.  Mentzius  l'erner  hat 
1.  den  römischen  Kalender  nur  da,  wo  auch  AT.,  2.  desgl.  die  Kir- 
chenjahrsbezeichnung (bei  XX  mit  offenbarer  .Auslassung).  Dieser 
Bezeichnungswechsel  spricht  entschieden  für  Zusammenhang,  zum 
mindesten  gemeinsame  Quelle  ;  verdächtig  erscheint  auch ,  dass 
Mentzius  in  V  (Wenceslatis)  viarmorco  hat,  wo  AT.  materno,  sei 
es,  dass  die  Urschrift  des  14.  oder  15.  Jahrhunderts  letzteres  ab- 
gekürzt gab  uiul  der  spätere  Benutzer  murmoreo  las,  oder  dass  ein 
einfacher  aber  arger  FUichtigkeitsfebler  vorliegt.  Hat  doch  Mentzius 
auch  (II)  frater  für  i)atev,  und  ist  auf  luschriitengebiet  überhaupt 
berüchtigt  wegen  ungenauer  Lesung,  vergl.  mein  Corpnsc.  Inscr.  Vit. 
Z.  B.  liest  er  u.  a.  (das.  S.  92)  in  der  schönen  noch  vorhandenen 
Gedenktafel  des  Rhagius  Aesticampianus  Z.  8  Sj)iruquc  statt 
Spreuague,  und  Z.  4  cinyiud  docticanas  laurea  scrta  comas 
statt  aestivas  sie  tria.  Die  Verscbiedenheit  beim  l'orphyrmarmor 
erklärt  sich  etwa  dadurch,  dass  (wie  Verfasser  anderwärts  ebenfalls 
annimmt)  lose  Zettel  aus  Melanchtbons  Verlassenschaft  von  Mentzius 
falsch  angeschlossen  worden ;  freilich  hätte  dann  von  Ilirschfeld 
(statt  bei  Barbara  8.  70)  bei  Siliola  röthlicheu  Marmor  finden  müssen. 

Den  Fehler,  dass  Rudolf  IL  manches  zugeschrieben  wird,  was 
Rudolf  I.  zukommen  mag,  verschuldet  offenbar  Melanchthon  selbst. 
Ohne  auf  das  Nähere  hier  einzugchen,  müssen  wir  betonen,  dass 
Rudolf  II.  in  der  That  (s.  auch  Hirschfeld  S.  GG.  149)  durch  Schenkunif 
seiner  Dornreliquie  an  der  Gründung  der  Scblosskirche  stark 
betheiligt,  auch  früh  zu  Regierungsgeschälten  herangezogen  war. 
Aber  wir  fügen  hinzu,  dass  Vertretung  bez  Stiuimenübertragung 
bei  den  Kaiserwableu,  zumal  den  Doppelwahlen,  doch  öfter  zuge- 
lassen worden  ist,  als  die  Theorie  gestattete,  wir  weisen  nur  hin 
auf  die  Wahlen  Heinrichs  VIT,,  Ludwigs,  'sVenzels. 

Kehren  wir  zur  Hauptfrage  zurück:  sind  vorliegende  Quellen 
hinreicliend,  gegen  obige  zu  beweisen,  dass  Kurfürst  Wenzel 
1402  starb,  bez.  in  der  Minoritcnkircbe  begraben  ist?  An  und  für 
sich  schon  wird  die  volb;  Glaubwürdigkeit  der  einzelnen  durch  (lie 
mannigfachen  Feliler  und  Mängel  wesentlich  herabgemindert ;  leider 
sind  die  sogenannten  Grabschriften  durch  die  Ausgrabungen  in 
keiner  Weise  bestätigt  worden.    Man  fand   nur  ganz   unbedeutende 


*)  Auszugsweise  von  mir  ausgeführt  in  „Mittheilungen  des  Ver- 
eins für  Anhaltische  Geschichte"  lY,  3,  wo  ich  auf  besonderen  Wunsch 


diese  P'ragen  ährlich  behandelt. 


154  Literatur. 

Reste  von  Grabsteinen  (Anl.  V),  von  denen  nur  zwei  Inschrift- 
bruchstücke  enthalten,  diese  wieder  weder  einen  Namen  noch 
eine  Jahreszahl,  ja  die  von  Prof.  Schuni  bez.  I).  Otte  entzifferten 
Worte  können  ohne  Konjektur  denen  bei  Mentzius  g.ir  nicht  an- 
gepasst  werden!  Wir  haben  überhaupt  geschichtlich  vier  Wenzel 
anzusetzen:  1)  Rudolfs  I.  Sohn,  t  17.  März  1327  (5),  2)  Kurfürst 
Wenzel,  nach  dem  Lüneburger  Totenbuche  t  15.  Mai  1388  und  ver- 
muthlich  dort  begraben,  s.  ob.  S.  149.  3)  Dessen  Sohn,  der  zum  Coad- 
jutor  von  Magdeburg  in  Aussicht  genommen  worden  (Monum.  Germ.  SS. 
XIV,  454:  Gesta  archiep.  M.  ed.  Schum):  bei  von  Hirschfeld  falschlich 
geradezu  „Erzbischof"  genannt  —  f  1396  nach  Gesta  archiep.  Magde- 
burtf  a.  a.  0.,  nach  Cohn  im  Jan.  1402  (von  Hirschfeld  S.  62:  1/20.  Jan.). 
4)  Rudolfs  ni.  17.  Januar  1407  in  Schweinitz  verunglückter  Sohn. 
Wer  war  nun  der  18.  September  1402  gestorbene?  oder  mit  welchem 
der  genannten  fällt  er  zusammen?  Melanclithon-Mentzius  sehen 
ihn  als  den  Kurfürsten  an,  nicht  so  AT.  an  sich.  Wenigstens  fehlt 
hier  sowohl  elector,  als  das  allen  anderen  Kurfürsten  gegebene 
jrriuceps:  nur  (las  2'>redicti  beim  folgenden  bezeichnet  den  Wencesiaus 
rückwirkend  als  solchen;  aus  diesem  mögliclierweise  später  zuge- 
setzten Worte  allein  entnahm  Melanchthon  das  Recht  zu  seiner 
Autfassung.  Ich  vermuthe  folgenden  Hergang.  Gerade  um  die  beiden 
Wenzel  zu  unterscheiden,  hatte  die  erste  Fassung  von  AT.  (17): 
.  .  Eudolffus  ßlius  aatior  dncis  Wenceslai  pr  elect:  sepnltus  .  .  .  ., 
dies  wurde  verlesen  bez.  falsch  abgeschrieben  predicti,  und  dies 
wiederum  gab  den  Anlass  zu  Melanchthons  folgenschwerem  Irrthum, 
daher  er  nun  bei  dem  1402  gestorbenen  das  scheinbar  vergessene 
clecfor  nachtragen  zu  müssen  glaubte.  Hoffentlich  ist  durch  meine 
Darlegung  nunmehr  a>if  immer  die  Zeit  1388—1402  für  Rudolf  HI. 
gerettet.  Für  den  Coadjutor  Wenzel  bleibt  die  Frage  offen,  ob 
er  1396  oder  1402  (bez.  Januar  oder  September)  starb,  letzteres  hat 
den  meisten  Anspruch.  Die  Differenz  darf  neben  den  zahlreichen 
anderen  Differenzen  in  den  Todesdaten  bei  Agnes  (1312.  1322.  1327), 
Jutta  (1.S27.  1.T28),  Kunigunde  (1331.  1333),  Albert  (Juli  oder  April), 
Rudolf  H.  (1370.  1385.  1386)  u.  a.  nicht  allzusehr  wundern. 

Möge  diese  Probe  der  Geschichtsforschung  des  Verfassers  ge- 
nügen. Hätte  er  sich  auf  den  im  2.  Theil  enthaltenen,  sehr  detail- 
lierten und  so  dankenswerthen  Bericht  über  den  Befund  der  Mino- 
ritenkirche,  sowie  über  die  Ausgrabungen  beschränkt:  wir  würden 
ohne  Zweifel  für  ihn,  wie  für  die  Herren,  die  ihn  so  selbstlos  dabei 
unterstützten  bez.  für  ihn  arbeiteten  (z.  B.  Garnisonoberinsp.  Jahn) 
uneingeschränktes  Lob  haben.  Auch  der  Scharfsinn  und  die 
Kombinationsgabe,  zumal  auf  irenealogischem  Gebiete  (wo  Verfasser 
bekanntlich  ziuiächst  die  Familie  Ilirschfeld  bearbeitete),  verdienen 
im  allgemeinen  durchaus  Anerkennung.  Der  geschichtliche  Theil 
zeigt  ihn  als  Dilettanten,  der  gleichwohl  gelegentlich  den  Anspruch 
auf  unbedingten  Glauben  auch  ohne  Beweise  erhebt.  Es  erschüttert 
aber  die  Glaubwürdigkeit  im  allgemeinen,  wenn  Verfasser  nicht 
selten  blosse  Vermuthungen,  die  er  eben  selbst  als  solche  bezeich- 
nete, dann  als  gewiss  vorträgt  und  verwerthet;  wenn  er  etwas  be- 
zweifelt, was  er  auf  einer  der  nächsten  Seiten  als  „Thatsache"  zu- 
giebt  (S.  45  „angeblich"  vercl.  S.  54),  wenn  er  Zitate  entstellt. 
Von  den  mancherlei  Willkürlichkeiten  sei  noch  erwähnt,  das  er 
Jutta  nicht  nur  (was  häufig  berechtigt)  von  Judith  trennt,  sondern 
als  urkundlich  erweisbare  Koseform  für  Brigitte  (Brigida,  Gida) 
ansieht  und   nun  jede  urkundlich  ülierlieferte  Jutta  nur    Brigitte 


Literatur.  155 

nennt.  Bedachte  er  nicht,  dass  auch  die  Kirche  St.  Brigida  und 
St.  Jutta  trennt?  Vei wundern  wird  deu  Leser,  wie  Verlasser  viel- 
fach über  Angriffe  in  der  Presse,  unberufene  Einmischung,  Ent- 
stellungen, Mangel  an  Loyalität  und  Pietät,  Ergüsse  der  Bosheit 
und  Ignoranz  klagt  (bes.  S.  76  tig.).  Unisoniehr  fühlen  wir  uns 
schliesslich  zu  einer  Abwehr  im  Interesse  unserer  Wittenberger 
Heimath  gedrängt  (vergl.  Kettner,  Rathskollegium  der  Churstadt 
Wittenberg  IT.'U,  S.  19); 

Die  Kede  des  Verfassers  bei  Überführung  der  27  Särge  in  die 
Schlosskirche  S.  87  beginnt:  „Durch  meine  Jugenderinnerungen  an 
die  altehrwürdige  Lutherstadt  ward  die  seit  Dezennien  verschollene 
Tradition  von  den  askanischcn  Kurfürstengräbern  am  Arsenalplatze 
neuerdings  wieder  aufgefrischt".  S.  73  lesen  wir,  dass  er  184."  als 
Gymnasiast  jene  Tradition  vorgefunden,  1882  aber  wahrgenommen, 
dass  sie  in  der  Stadt  „völlig  untergegangen"  —  wie  er  früher 
vermuthet,  infolge  der  nivellierenden  Anschauungen  seit  1818.  So 
von  Hirschfeld.  Die  Wahrheit  ist  vielmehr  folgende.  Es  ist  Herrn 
von  Hirschfeld  wohl  bekannt,  dass  ein  „Verein  für  Heimathkunde  des 
Kurkreises"  1856 — 1869  über  seine  Thätigkeit  Jahresberichte  ver- 
üftentlichte,  und  dort  gelegentlich  auch  der  Pflicht,  die  Askanierzeit 
zu  erforschen,  gedacht  wurde  —  insbesondere  in  der  (von  mir  be- 
arbeiteten) Vereinsfestschrift  18G0  ül)er  „die  Schlosskirche";  dass 
endlich  bis  heute  jeder  Besucher  derselben  von  dem  wohlunterrich- 
teten Führer  auf  die  Reste  aus  der  Minoritenkirche  aufmerksam 
gemacht  wird.  Gern  glaube  ich,  dass  einzelne  von  auswärts  nach 
Wittenberg  versetzte  Beamte  oder  für  alte  Zeiten  überhaupt  nicht 
warm  interessierte  Einwohner  sich  nicht  als  Bewalner  jener  Tra- 
dition erwiesen.  Dass  diese  gleichwohl  vorhanden  geblieben,  verräth 
von  Hirschfeld  selbst  S.  7:  Die  allgemein  verbreitete  Annahme, 
„Melanclithon  habe  lö44  dafür  gesorgt,  dass  die  am  besten  erhal- 
tenen Stein  te  Hefs  (und  auch  die  Gebeine  und  Särge  einiger 
Askanier)  in  die  Schlosskirche  versetzt  wurden,  widerspricht"  u.  s.  f.^). 
Wie  vereint  sich   allgemeine  Verbreitung  mit  völligem  Untergehen? 

Über  die  seit  G.  April  1883  (an  welcher  Konferenz  auch  Unter- 
zeichneter theilnalun)  auf  von  Hirschfelds  Veranlassung  erfolgten 
Ermittelungen  konnte  kaum  jemand  sich  mehr  freuen  als  ich  —  es 
war  hohe  Zeit,  dass  jene  alte  Schuld  gesühnt  wurde.  Das  von  be- 
achtenswerthester  Seite  geäusserte  Urtheil,  man  habe  womöglich  die 
fürstlichen  Keste  dem  neu  zu  weihenden  Boden  überhissen,  diesen  aber 
äusserlich  dem  entsprechend  auszeichnen  sollen,  erörtern  wir  aus 
naheliegenden  Gründen  der  Pietät  hier  nicht  weiter.  Nach  dem, 
was  geschehen,  freuen  wir  uns  lebhaft  der  Aussicht,  die  gegenwärtig 
in  durchaus  provisorischem  Zustande  aufgeschichteten  neuen  Särge  in 
einer  würdigen  Krypta  der  Schlosskirche,  deren  grossartige  Restaura- 
tion dem  Vernehmen  nach  soeben  begonnen  wird,  entsprechend  unter- 
gebracht zu  sehen.     Wir  schliessen  mit  Ausdruck  der  Hollnung,  tlass 


*)  Deutliche  Beziehung  auf  des  Unterzeichneten  fast  wörtlich 
übereinstimmenden  Satz  (Die  Schlosskirche  S.  15);  nur  steht  dort 
„(vielleicht  auch  die  Särge  mehrerer)".  Natürlich  meinte  ich  die  jetzt 
noch  in  der  Schlosskirche  eingemauerten  Steinreliefs  (nicht  Grab- 
steine), die  von  ihm  selbst  erwähnten  der  Kunigunde  und  Rudolfs  IIL 
nebst  Gattin  (nach  H.  Otte).  Das  dritte  sind  9  iieiligc^  Jungfrauen. 
Mentzius'  Schweigen  beweist  nichts,  da  er  nur  von  Grabschriften 
reden  wollte. 


15G  Ijiteratnr. 

die  durch  des  Verfassers  Schrift  vielfach  nicht  jsfehobeneu  Dunkelheiten 
der  askanischen  Zeit  als  Geschichtsepoche  bald  berufene  Arbeiter 
finden  möge;  ohne  gewissenhafte  Durchforschung  der  nunmehr 
reichlich  edierten  und  immer  neu  auftauchenden  Urkundenschätze 
wird   es  nicht  möglich  sein. 

Z erbst.  G.  Stier. 

tlescliichte  der  Bischöfe  des  Hocbstifts  Meissen  in  chronologischer 
Reihenfolge.  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Culturgeschichte  der  Mark 
Meissen  und  des  Herzog-  und  Kurfürstenthums  Sachsen.  Nach 
dem  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae,  anderen  glaubwürdigen 
Quellen  und  bewährten  Ges.hichtswerken  bearbeitet  von  Eduard 
Machatschek,  Vicariatsrath  und  Pfarrer  zu  Dresden  -  Neustadt. 
Dresden,  Meinhold  &  Söhne.     1884.    8tß  SS.     8». 

Seitdem  ('alles  in  seiner  Series  Episcoporum  Misnensium  einen 
Überblick  über  die  Geschichte  der  Meissner  Bischöfe  gegeben,  ist 
mehr  als  ein  Jahrhundert  verflossen  und  eine  Fülle  neuen  Materials 
ist  in  Monograi)hieen  und  archivalischen  Publikationen  erschienen, 
welches  eine  Verarbeitung  erheischte.  Verfasser,  bereits  bekannt 
durch  seine  Studien  auf  diesem  Gebiete,  stellt  die  Frucht  einer 
Arbeit  von  zwei  Dezennien  in  vorliegendem  Werke  zusammen,  als 
Festgabe  für  seinen  bochwürdigen  Bischof  zu  dessen  50jährigem 
Priesterjubiläum.  S^lion  der  äussere  Umfang  des  Buches  zeigt  den 
Fortschritt  gegenüber  der  Series  von  Calles.  Und  doch  hat  Ver- 
fasser auf  eine  pragmatische  und  kritische  Darstellung  verzichtet, 
sondern  reibt,  wie  bereits  der  Titel  andeutet,  die  einzelnen  Daten 
in  chronologischer  Keihenfolge  aneinander  und  lässt  „allenthalben 
die  geschichtlichen  Thatsachen  für  sieb  sprechen,  enthält  sich  im 
besondern  jedes  überflüssigen  Kommentars  und  weist  in  Anmerk- 
ungen kurz  auf  die  einschlagenden  Quellen  hin,  die  er  meist  nach 
ihrem  sich  ergebenden  Inlialte  benutzte".  Freilich  hat  dadurch 
der  Verfasser  sich  und  dem  Leser  manche  Entsagung  auferlegt. 
Eine  sachliche  Ausbeutung  des  oft  nur  knapp  angedeuteten  Mate- 
rials hätte  erst  die  rechte  Vertiefung  der  Darstellung  und  die  an- 
schauliche Einfahrung  in  die  Zeitströmungeu  zur  Folge  gehabt.  So 
zitiert  er  S  82(3  nur  kurz  ein  Umlaufschreiben  des  Erzbischofs 
Johann  von  Jenzenstein.  Die  einzelnen  Anordnungen  bieten  nicht 
unwichtige  Züge  für  die  kirchliche  und  theologische  Bewegung,  die 
hervorgehoben  zu  werden  verdienten.  Da  wird  die  Feier  des  Wenzel- 
festes auch  in  Meissen  angeordnet,  da  erfahren  wir  von  der  Existenz 
der  Sekte  der  Sarrauoyten  (cf.  Du  Gange  s.  v.)  und  Waldenser,  gegen 
welche  bis  dahin  zu  milde  vorgegangen  worden,  da  wird  gerügt, 
dass  eine  Neigung  für  den  Gegenpapst  vorhanden  ist;  dass  bezüg- 
lich der  Mönchsorden  manche  Beschwerden  eingelaufen  sind,  zu 
deren  Abstellung  auch  der  Bischof  von  Meissen  aufgerufen  wird. 
Auch  das  Verhältnis  der  Bischöfe  zu  den  sächsischen  Landesfürsten 
wäre  so  noch  klarer  geworden  besonders  in  den  Jahren,  in  denen 
Böhmen  eifrig  bestrebt  ist,  sich  in  Sachsen  festzusetzen.  Die  Be- 
merkung S.  3.^4  konnte  weiter  ausgeführt  werden  auf  Grund  ver- 
schiedener Dokumente.  Referent  verweist  auf  die  Urkunden  .vom 
27.  März  1.384  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  2,208  No.  681)  und  31.  Au- 
gust desselben  Jahres  (a.  a.  0.  II,  2,  212  No.  685),  ferner  vom 
23.  Juni  1385  über  den  Verkauf  von  Döbeln  Ca.  a.  0.  II,  217  No.  691), 
des  Bischofs  Nicolaus  Entgegenkommen  bei  Gelegenheit  einer 
landesfürstlichen  Steueraufiage   (a.   a.   0.  II,  2,  216  No.  690).    Über 


Literatur.  157 

die  Bauthätigkeit  dieses,  wie  anderer  Bischöfe  wäre  mancherlei 
nachzntra!?en.  Nicolans  baut  den  Thurm  von  Schloss  Rugethal  in 
Mügeln  (.Sinz,  Geschichte  der  Stadt  Mügeln  S.  4(i,  wo  auch  ein 
auf  des  Bischofs  Wappen  bezügliches  Versehen  erwähnt  ist).  Durch 
das  ganze  l'uch  hindurch  zeigt  sich,  wie  viel  sicherer  durch  den 
Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae  die  Zeitbestimmung  geworden 
ist.  Auf  Grund  dieser  Quelle  dürften  noch  folgende  Daten  zu 
ändern  sein.  Der  Anfarg  der  S.  276  erwähnten  Pest  ist  bereits  ins 
Jahr  1357  zu  setzen;  denn  in  dem  Schreiben  der  Äbtissin  uml  des 
Convents  zu  Mühlberg  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  2,  22  No.  514)  lieisst 
es  ausdrücklich:  in  mortalitatc  sive  pestiJentia,  quae  nuper  videlicet 
de  anno  domini  milhmno  treccntesmo  quinquagesimo  septimo 
iniscrabüiUr  vigtiit.  Auf  S.  60:>  muss  statt  des  20.  Fei  rnar  der 
20.  Januar  eingesetzt  werden,  dies  war  der  Tag  Fabian  und  iSubastian 
(Sinz,  Geschichte  der  Stadt  Mügeln  S.  .37).  S.  278  muss  statt  des 
28.  März  eintreten  der  28.  Mai.  (V.  Kai.  Junii  Cod.  dipl.  Sax. 
reg.  II,  2,  64);  vgl.  auch  Wenck,  Die  AVettiner  im  XIV.  Jahr- 
hundert S.  99,  Anm.  17,1.  S.  297  dürfte  der  13.  Juli  beizubehalten 
Sein;  vgl.  Grotefend,  Handbuch  der  histor.  Clironologie  S.  112. 
Leider  ist  dem  Keferenten  versagt,  näher  auf  den  Inhalt  des  Buches 
einzugehen.  Er  verweist  nur  auf  die  zahlreichen  Notizen  zur  Ge- 
schichte des  Handwerks  und  der  Zünfte  in  Sachsen.  Bei  dem  Mangel 
einer  Zusammenfassung  der  Meissner  Bischofsgeschichte  ist  das 
Werk  für  jeden,  der  sich  mit  letzterer  beschäftigt,  ein  unentbehr- 
liches Nachschlagebuch. 

Dresden.  Georg  Müller. 

Martin  Luther.     Eine  Biographie  von  1).  Theodor  Kolde.    l.  Band. 
Mit  Portrait.     Gotha,  F.  A.  Perthes.     1884.    VH,  396  SS.    8». 

Die  Vorzüge,  welche  wir  au  den  früheren  Arbeiten  des  Ver- 
fassers hervorgehoben  haben,  treten  uns  auch  bei  diesem  Bache 
entgegen.  Zunächst  die  Frische  der  Darstellung,  die  gerade  für 
diesen  Stoff  geeignet  ist.  Denn  der  vorliegende  Band,  welcher  das 
Leben  Luthers  bis  zum  Jahre  1521  behandelt,  führt  uns  die  Refor- 
mation in  ihrer  jugendlichen  Frische  und  Bewegung  vor.  Als  be- 
sonders anziehend  heben  wir  heraus  die  Ausführung  der  schon 
früher  angedeuteten  Linien  über  die  kirchliche  Bewegung  im  15.  Jahr- 
hundert, ferner  die  Charakteristik  des  Humanismus,  voran  Erasmus, 
und  den  Tag  von  Worms,  der  hier  eine  neue  Beleuclitung  empfängt. 
Weiter  aber  zieht  au  der  Darstellung  au  das  Zurückgehen  auf  die 
Quellen,  die  in  einer  werthvollen,  zum  Theil  mit  feinen  kritiscin-u 
Bemerkungen  versehenen  Auswahl  S  358 — 394  zusammengestellt 
sind.  Mancher  Beitrag  findet  sich  hier  für  die  sächsische  Geschichte, 
wozu  Referent  folgende  Bemerkungen  fügen  möchte.  BetretVend  den 
S.  369  ausgesprochenen  uiul  unterdes  in  den  (jöttingisciien  Gelehrten 
Anzeigen  (1884,  No.  25,  10.  Dezember)  näiier  begründeten  Zweifel 
an  der  Verfasserschaft  des  von  Knaake  auf  Grund  eines  Landslmter 
Druckes  LutKer  zugeschriebenen  tructatiäus  de  ein  qui  ad  ccdeniam 
coiifHfjiunt,  ist  zu  verweisen  auf  einen  Fall,  wo  die  l'rage  vom  kirch- 
lichen Asylrecht  der  Klöster  wenigstens  praktisch  in  Saclisen  zur 
Behandlung  gelangt.  Im  Jahre  1475  hatte  sich  rhilii)p  Ciorteler  ins 
Franziskanerkloster  zu  Freiberg  geflüchtet  und  dadundi  dem  (Je- 
richte  des  Raths  entzogen.  Auf  die  Anfrage  wird  der  letztere  von 
dem  Kurfürsten  Ernst  und  dem  Herzog  AUtroiht  ihiliin  instruiert, 
„daa  ir  die  uwcrn  yiin  barfusucrclonicr  achickeU  uude  u/j'  yn  cigcnt- 


1 58  Literatur. 

lieh  sehen  lasset,  die  daroh  unde  davor  seyn,  das  ym  'kein  spiße 
und  libeßnariinge  mitgeteilt  noch  zcu  neincn  gestat  werde,  aiich  kein 
rüge  noch  slaff  vorgunst  noch  gestat  .  .  .  So  denne  der  gnant  Phi- 
lipp liheßnarunge  nicht  haben  noch  rügen  mag,  werdet  er  sich  ent- 
synnen  mit  uch  herauß  zu  gehen  adder  in  unsir  hende  geben'': 
God.  dipl.  Sax.  reg.  II,  12,  389.  Der  Bemerkung  über  die  Predigt 
in  Sachsen  im  15.  Jahrhundert  (S.  361)  stimmt  Referent  durchaus 
bei  und  verweist  hierzu  auf  Leipziger  Beschwerden,  in  welchen  man 
sich  beklagt,  dass  in  der  theologischen  Fakultät  keine  rechten 
Prediger  gezogen  würden.  So  schreibt  die  polnische  Nation  über  die 
„praedicatores,  die  man  gar  tiffte  alhie  zu  Leipczick  auss  andirn 
namhaftigen  steten  auch  universiteten  suchet  unud  begeret,  sonder- 
lich doctores  theologie,  licentiatos,  auch  alleync  in  derselben  facultct 
baccalaurcos,  tvie  gar  neidich  ujft  geschecn,  sundirlich  von  Halle 
im  tall  .  .  ."  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  If,  11,  289.  Allmählich  regte  sich 
das  Interesse.  In  den  verschiedensten  Städten  wurden  neue  Prediger- 
steilen  gegründet,  meist  vom  Rathe  oder  von  einzelnen  Personen; 
so  in  Freiberg  1465  durch  M.  Andreas  Grüner  mit  einem  Zuschüsse 
des  Rathes.  Hier  wie  sonst  öfters  wird  betont,  dass  der  anzu- 
stellende Prediger  eine  gute  Bildung  genossen  haben  müsse;  nicht 
bloss  Baccalaureus,  sondern  Magister  solle  er  sein.  Aber  letztere 
Bestimmung  wurde  öfters  vernachlässigt.  Daraus  entstehen  dann 
mancherlei  Streitigkeiten  zwischen  dem  Propste  und  der  Stadt. 
Vergl.  P.  u.  E.  Lobe,  Geschichte  der  Kirchen  und  Schulen  des 
Ilerzogthums  Sachsen- Altenburg.  1.  Lieferung.  1884.  S.  32  flg. 
Derselbe  Andreas  Grüner  stiftete  146B  in  Freiberg  einen  Altar, 
dessen  Einkommen  für  den  Prediger  zu  Unser  Lieben  Frauen  be- 
stimmt war;  dass  es  sich  hier  aber  nicht  um  das  Interesse  der 
Predigt,  sondern  vielmehr  um  das  Seelenheil  des  Stifters  und  die 
Brüderschaft  handelt,  geht  aus  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  12,234  Z.  37 
hervor.  Hier  werden  auch  die  Predigttage  genau  angegeben.  Welche 
Wichtigkeit  die  Predigt  für  die  Ankündigung  der  Anniversarien 
hatte,  geht  aus  einem  Freiberger  Aktenstücke  aus  dem  Jahre  1488 
hervor,  wo  die  einzelnen  „dies  j)raedicabiles'''  näher  bezeichnet 
werden.  Cod.  dipl.  Sa.x.  reg.  II,  l?,  352  No.  531.  Eine  ähnliche 
Stiftung  wird  in  Chemnitz  gemacht.  Jedenfalls  hat  Verfasser  hier, 
wie  an  anderen  Stellen,  auf  ein  für  die  Detailforschung  ergiebiges 
und  wichtiges  Gebiet  aufmerksam  gemacht. 

Dresden.  Georg  Müller. 

August  Hermauu  Fraucke.  Ein  Lebensbild,  dargestellt  von  D. 
(instav  Kramer,  Geh.  Regierungsrath.  2  Theile.  Halle,  Buch- 
handlung des  Waisenhauses  1882—1884.  XI f,  .304.  VIII,  5i0  SS.  8». 
Es  ist  eine  interessante  Erscheinung,  dass  die  Geschichts- 
wissenschaft von  den  verschiedensten  Seiten  aus  die  Erforschung 
des  Pietismus  in  Angrift'  genommen  hat.  Ist  derselbe  bisher  vor- 
wiegend nur  nach  seiner  theologischen  und  religiösen  Bedeutung 
gewürdigt  worden,  so  hat  man  neuerdings  seine  kulturhistorische, 
sprachliche,  poetische,  litterarische  und  pädagogische  Einwirkung 
mehrfach  monographisch  und  zusammenfassend  dargestellt.  Be- 
sonders werthvoll  ist,  dass  hierzu  eine  reiche  Fülle  neuen  Materials 
aus  Bibliotheken  und  Archiven  veröffentlicht  worden  ist,  welches  die 
Zeit  und  Bewegung  in  wesentlich  anderer  Beleuchtung  erscheinen 
lässt.  Gerade  dies  ist  auch  der  Vorzug  des  vorliegenden  Werkes. 
Seit  dem  Jahre   1827,   in   welchem   Guerike   seiue  Biographie  A.  H. 


Literatur.  159 

Franckes  veröffentlichte,  sind  eine  Reihe  werthvoller  Beiträge  zur 
Lebensgeschichte  des  berühmten  Gründers  der  Halleschen  Stiftungen 
erschienen,  namentlich  hat  aber  die  unterdes  erfolgte  genaue  Ord- 
nung der  Waisenhausbibliothek  wie  seines  Archivs  die  wiclitigste 
Quelle  für  eine  Lebensbeschreibung  A.  H.  Franckes  erschlossen. 
Verfasser,  bekannt  durch  eine  Anzahl  kleinerer  Monographien,  war 
als  langjähriger  Direktor  der  Stiftungen,  wie  als  gründlicher  Kenner 
ihrer  Geschichte  in  besonderem  Grade  dazu  befähigt. 

Wir  sehen  an  dieser  Stelle  davon  ab,  die  vielangefochtene 
religiöse  Frage  zu  erörtern  oder  der  Entwickelung  der  Anstalten 
nachzugehen,  deren  Entfaltung  aus  kleinsten  Anfängen  uns  hier 
urkundenmässig  vorgeführt  wird.  Referent  möchte  nur  auf  den  einen 
Punkt  aufmerksam  machen,  wie  A.  H.  Francke  gerade  in  dieser 
Biographie  als  Mittelpunkt  der  damaligen  geistigen  Bewegung  er- 
scheint und  welche  Fülle  neuen  Materials  für  die  Geschichte  der- 
selben geboten  wird,  bezüglich  Gelehrtengescbichte  (sieiie  ilie 
interessanten  Mittheilungen  über  Leibniz  I,  257  flg.  BOZ  flg. 
ir,  157  A.),  wie  Büchergeschichte  (man  vergl.  über  den  Buchhandel 
und  Zeitungswesen  II,  35  und  sonst).  Von  Russland  bis  England 
spürt  man  sein  Wirken,  im  Norden  hat  er  Beziehungen  zu  den  ver- 
schiedensten Höfen  und  Städten,  im  Süden  zu  Württemberg  Da- 
neben ist  der  eigentliche  Boden  seiner  Wirksamkeit  MittLldeutsch- 
land.  Wie  kräftig  er  hier  auftritt  und  durch  persönliche  Einwirk- 
ung eingreift,  das  geht  aus  den  Urtheilen  fremder,  wie  aus  den 
eigenen  Briefen  hervor.  Es  würde  das  öfters  durch  eine  genauere 
Berücksichtigung  der  Litteratur  noch  anschaulicher  geworden  sein. 
Referent  verweist  hierbei  auf  den  mächtigen  Einlluss,  den  Francke 
auf  des  Herzugs  Moritz  Wilhelm  von  Sacbsen-Zeitz  Konversion  zur 
evangelischen  Kirche  hatte.  Wie  selir  er  innerlich  betheiligt  war,  be- 
weist der  Ton  des  vom  Verfasser  nur  gestreiften  Briefes  vom  17.  Ok- 
tober 1718,  wie  auch  das  von  Francke  für  den  Gebrauch  im  Waisen- 
hause verfasste  Gebet  bei  Buder,  Merkwürdiges  Leben  des  Herzogs 
Moritz  Wilhelm  11,  577.  Wie  man  aber  kathoiischerseits  seinen 
Eintluss  kannte,  geht  aus  den  von  jer.er  Partei  stammenden  Doku- 
menten hervor.  So  erscheint  nach  einem  Briefe  des  Kardinals  von 
Sachsen  an  Herzog  Moritz  Wilhelm  (d.  d.  Regensburg,  den  4.  Sep- 
tember 1718  im  Dresdner  HStA.  Loc.  10.330)  „der  berüinnte  pieti^t 
der  Doctor  Francke  von  Halle"  als  der  eigentliclie  Veranstalter. 
Zu  vergleichen  ist  auch  der  Bericht  des  Pater  Bermeitiiiger  aus 
Regensburg  bei  The  in  er,  Die  Geschichte  der  Zurückkehr  der  regie- 
renden Häuser  von  Braunschwcig  und  Sadisen  Einsiedclu  184:1. 
S.  219.  Ferner  ist  genauer  zu  berücksicbligen  der  Brief  des  Herzogs 
an  den  Kardinal  vom  8.  September  1718,  der  die  von  Kram  er 
S.  265  flg.  gegebene  Erzählung  in  einzelnen  Punkten  näher  be- 
stimmt. Das  Schreiben  steht  lateinis(h  und  darnacii  ins  Deutsche 
übersetzt  allerdings  bei  Riess,  Die  Konvertiten  seit  der  Reformation 
IX,  284  flg.  Da  aber  der  tlort  gegebene  Tc  xt  von  dem  Konzept  wie 
Original  des  Dresdner  HStA.  (a.  a.  0.)  nicht  unbedeutcml  abweicht, 
so  fügt  Referent  die  wichtigste  Stelle  bei:  „Eu:  Eminentz  können 
sich  versichert  halten,  dass  dieses  (sc.  die  Konversion)  die  grösste 
ScIiandLüge  von  der  Welt,  so  der  imfamste  Sclielin  ausgebradit, 
und  können  Eu:  Eminentz  mir  gewiss  zutrauen,  dass  ich  dergleiclieu 
Veränderung  zu  thun  nicht  capabel.  Der  Professor  Francke  ist  auch 
nicht  den  8.  sondern  den  1.3.  .Vugu^t  zu  mir  kommen,  den  14.  hat 
Er  sich  wieder  beurlaubt,  ist  nach  Graitz  gangen  und   den    16.  und 


160  Literatur. 

17.  den  Nachmittag  wieder  bey  mir  gewesen,  da  sich  das  letztere 
inahl  der  Pater  Schmeltzer  dahey  befunden,  also  4  mahl  mit  mir 
gessen  und  nachmittags  geredet".  Es  dürfte  sich  wohl  lohnen,  die 
Dunkelheit  und  Gegensätze  in  der  Auffassung,  die  der  Verfasser 
liierbei  andeutet,  einer  genaueren  Prüfung  zu  unterwerfen,  wie  über- 
haupt der  Werth  des  Buches  nicht  nur  darin  besteht,  was  es  giebt, 
sondern  in  Fingerzeigen  und  Anregungen  zu  weiterer  Forschung. 

Dresden.  Georg  Müller. 

Bibliographisches  Kepeitorium  über  die  Geschichte  der  Stadt 
FreJberg  und  ihres  Berg-  und  Hüttenwesens.  Für  akademische 
Yorlesu'igen  und  für  den  Freiberger  Alteitumsverein.  Von 
Dr.  phil.  Ednard  Heydenreich.  Freiberg  i/S..  Komm,  von  Graz  & 
Gerlach  (Job.  Stettner)  1885.     XI.  128  SS.     8». 

Wer  sich  je  mit  spezialgoschichtlichen  Studien  beschäftigt  hat, 
wird  wissen,  mit  welchen  Schwierigkeiten  und  mit  welchem  Zeit- 
verlust gewöhnlich  die  Zusammenstellung  der  einschlagenden  Lite- 
ratur verbunden  ist.  Alle  bibliographischen  Arbeiten,  die  derartige 
durchaus  erforderliche  Vorstudien  erleichtern,  sind  daher  mit  Freude 
zu  begriissen,  umsomehr  als  ibre  Ausführung  einen  hohen  Grad  von 
Selbstverleugnung  voraussetzt.  Seit  der  wackere  B.  G.  Weinart 
seinen  wenn  auch  nicht  ganz  vollständigen,  doch  sehr  reichhaltigen 
und  noch  heute  unentbehrlichen  „Versuch  einer  Literatur  der 
Sächsischen  Geschichte  und  Staatenkiinde"  geschrieben  hat,  ist  fast 
ein  Jahrhundert  verflossen,  eine  Zeit,  welche  eine  wahrhaft  er- 
drückende spezialgeschichtliche  Literatur  von  allerdings  sehr  ver- 
schiedenem Wertbe  gezeitigt  hat;  zu  einer  Fortsetzung  oder  besser 
Neubearbeitung  Weinarts,  die  wiederholt  angeregt  wurde,  ist  es  bis 
jetzt  noch  nicht  gekommen,  und  die  Bibliographie,  welche  der  Aus- 
schuss  für  sächsische  Landeskunde  gegenwärtig  bearbeitet,  wird  sie, 
kaum  entbehrlich  machen.  Koners  Repertorium,  dieser  treffliche 
Wegweiser  in  den  Irrwegen  der  Zeitschriften,  reicht  nur  bis  1850; 
die  „Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft",  die  ja  auch  die 
spezialgeschichtliche  Literatur  erschöpfend  berücksichtigen,  er- 
scheinen erst  seit  187»,  unsere  Literaturübersichten  in  dieser  Zeit- 
schrift seit  1880. 

Unter  diesen  Umständen  wird  man  für  eine  Bibliographie  wie 
die  vorliegende,  welche  für  ein  lokal  begrenztes  Gebiet  die  ge- 
samte nur  irgend  einschlagende  Literatur  zusammenstellt,  sowohl 
dem  fleissigen  Verfasser,  als  dem  um  die  Lokalgeschichte  schon  viel- 
fach verdienten  Vereine,  der  die  Kosten  der  Veröffentlichung  über- 
nommen hat,  lebhaft  dankbar  sein  müssen.  Die  Bearbeitung  war 
namentlich  darum  schwieriger,  aber  auch  lohnender,  als  ähnliche 
Zusammenstellungen  zu  sein  ptiegen,  weil  es  sich  u.  a.  um  die  ausge- 
dehnte und  theilweise  schwer  zugängliche  berg-  und  hüttenmä,nnische 
Literatur  handelte;  wenn  der  Verfasser  das  Büchlein  auch  bei  seinen 
bergwerksgeschichtlichen  Vorlesungen  an  der  Freiberger  Bergakade- 
mie zu  benutzen  gedenkt,  so  bezieht  sich  das  wohl  besonders  auf 
diesen  Theil  desselben.  Nicht  weniger  als  1413  Nummern  —  abge- 
sehen von  zahlreichen  Verweisungen  auf  andere  Schriften  und  einigen 
Nachträgen  in  der  Einleitung  —  hat  der  Verfasser  zusammen- 
gebracht; allerdings  befinden  sich  darunter  auch  manche  Werke 
allgemeinen  Inhalts,  in  denen  Freiberg  nur  gelegentlich  erwähnt 
wird,  und  manche  Aufsätzchen  aus  Zeitungen  und  obskuren  Zeit- 
schriften, aus  denen  niemand  viel  lernen  wird ;  immerhin  muss  man 


Literatur.  161 

den  Grundsatz   des  Verfassers ,  lieber  allzuvollständig  als  liltkenhaft 
sein  zu  wollen,  als  durchaus  berechtigt  anerkennen. 

H.  hat  den  Stoff  in  Quellenwerke  und  Darstellungen  geschieden 
und  beide  Abtheilungen  in  eine  Reihe  von  Unterabtheilungen  zer- 
legt; in  der  H.  Gruppe  hätte  die  sachlirhe  Eintheilung  wohl  noch 
schärfer  und  logischer  durchgeführt  werden  können  ,  wenn  H.  inner- 
halb der  theilweise  sehr  weit  gefassten  Unterabtheilungen  —  vergl. 
„Städtisches  Leben",  „Bergmännisches  Leben-*  —  von  der  alpha- 
betischen Anordnung  der  Werke  nach  den  Namen  der  Verfasser 
(unter  welchen  als  einer  der  fruchtbarsten  Herr  ,, Ungenannt"  er- 
scheint) abgegangen  wäre  und  auch  hier  lediglich  von  sachlichen 
Gesichtspunkten  "sich  hätte  leiten  lassen.  Es  hätte  dies  allerdings 
ein  noch  genaueres  Durcharbeiten  des  Stoffes  verlangt,  aber  die 
Übersichtlichkeit  wesentlich  erleichtert;  so  z.  B.  wären  dann  Avohl  die 
Münzgeschichte  von  Klotzsch  (No.  95)  und  Falkes  Beiträge  zur 
Münzgeschichte  (No.  281)  nicht  in  verschiedene  Abtheilungen  ge- 
rathen,  auch  wären  Doppelauffnhrungen  (No.  620  [wo  jxidiciis, 
scahinatibns  zu  lesen  ist]  —  6ö.n,  639  —  663)  zu  vermeiden  gewesen. 
No.  464  hätte  wohl  unter  Uttmann,  nicht  unter  Elterlein  ein- 
gereiht werden  sollen. 

Von  der  wichtigen  (Annaberger)  Bergordnung  von  1509  (No.  611) 
giebt  es  sehr  seltene  alte  Drucke  von  1509  und  von  1520  (Leipzig, 
Melchior  Lotter)  im  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  So  gut  wie 
No.  622  war  auch  dessen  Quelle  „Vrsprung  und  Ordnungen  der 
Bergwerge  im  Königreich  Böheim,  Churfürstenthum  Sachsen  .... 
Leiptzigk,  inn  Vorlegung  Henning  Grossen  des  Jüngern  1616"  (fol.) 
zu  nennen  ;  beide  Werke  geben  den  Text  der  Freiberger  Bergrechte 
lediglich  nach  Haselberger  (No.  600).  Das  Hauptwerk  von  Georg 
Agricola  De  re  metallica  libri  XII  erschien  zuerst  1556;  auch  die 
deutsche  Übersetzung  von  Philipp  Bechius  (Frankfurt  a./M.  1880) 
hätte  IJerücksichtigung  verdient.  So  Hessen  sich  noch  manche  Einzel- 
heiten nachtragen  bez.  berichtigen,  was  übrigens  den  Werth  der 
tleissigen  Arbeit  nicht  im  Geringsten  vermindern  soll. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Uesclireibeiide  Darstelluug  der  ilUeren  Bau-  und  Kunstdenk- 
iiiäler  des  Köuigreiclis  Sachsen.  Auf  Kosten  der  Kgl.  Staats- 
regierung herausgegeben  vom  Kgl.  Sächsischen  Altertlnunsverein. 
Drittes  Heft:  Amtshauptmannschaft  Freiberg.  Bearbeitet  von  Dr. 
K.  Steche.  Dresden,  C.  C.  Meinhold  &  Söhne  (Komm.)  188L 
129  SS.    8». 

Das  dritte  Heft  vorstehend  genannten  Werkes  setzt  die  beiden 
ersten  in  würdiger  W^eise  und  gleich  schöner  Ausstattung  fort  und  er- 
füllt die  Erwartung,  die  man  von  ihm  vorher  hegte,  in  vollem  Masse. 
Wohl  kommt  ihm  freilich  das  nach  verschiedenen  Gesichtspuidtten 
so  hoch  interessante  Freiberg  zu  statten,  dessen  Schilderung  auch 
allein  90  Seiten,  also  drei  Viertel  des  ganzen  Heftes,  umfasst. 

Getreu  dem  anfänglich  angenommenen  Plan  ist  dem  Heft  keine 
historische  Einleitung  und  keine  kunststatistische  Übersicht  bei- 
gegeben, auch  keine  Glockenschau,  obschon  sie  hier  der  vielbeschäf- 
tigten Offizin  der  sich  über  ein  paar  Jahrhuiulcrte  erstreckeiulen 
Glockens-iesser-Familie  Hilliger  ..angemessen  gewesen  wäre.  Es 
blieb  uns  daher  übrig,  selbst  eiue  Übersicht  über  den  Inhalt  uns  zu 
verschaffen. 

Ist  es   historisch    erwiesen,   dass   Freibergs    Geschichte   nicht 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     VI.  1.  2.  H 


1(32  Literatur. 

weiter  zurückgeht,  als  in  die  Zeit  von  1162  bis  1170,  in  welcher 
man  aufmerksam  wurde  auf  den  unermesslicheu  Reichtlium  des 
dortigen  Bodens  an  adeln  Erzen,  und  ist  die  erste  urkundliche  Er- 
wähnung 1185  geschehen,  so  wird  es  auch  erklärlich,  dass  hier  keine 
älteren  Bauwerke  an  Kirchen  und  Kapellen  nachgewiesen  werden 
können.  Die  Entwicklung  des  Gemeinwesens  muss  indessen,  unter- 
stützt durch  das  Herrscherhaus,  ausserordentlich  schnell  vor  sich 
gegangen  sein  imd  die  Bevölkerung  muss  so  rasch  zugenommen 
haben,  dass  bereits  vor  dem  Ende  des  XII.  Jahrhunderts  an  die 
Gründung  von  zwei  Kirchen  gegangen  Averden  konnte,  der  JacoLi- 
kirche  und  der  Marienkirche  (des  Doms);  wenn  auch  ihre  Vollend- 
ung sich  weit  in  das  XÜI.  Jahrhundert  hineinzog.  Auch  die  Nicolai- 
Idrche,  die  Peterskirche  und  die  Hospitalkirche  St.  Johaniis  ist 
wenig  später  zur  Ausführung  gekommen.  Wegen  dieser  frühen 
Erbaunngszeit  wäre  es  erwünscht  gewesen,  mindestens  Grundrisse 
der  Kirchen  beizufügen,  doch  ist  ein  solcher  nur  vom  Dom  gegeben 
worden.  Dass  auch  aus  Grundrissen  nicht  immer  ganz  sichere 
Schlüsse  gezogen  werden  können,  geben  wir  freilich  zu;  es  wird  ja 
auch  berichtet,  dass  öftere  und  ausgedehnte  Brände  in  der  Stadt 
und  die  im  Bedürfnis  wachsender  Bevölkerung  liegende  Erweiter- 
ung der  Kirchcnanlagen  zu  Um-  und  Neubauten  geführt  haben. 

Da  über  die  kleineren  Kirchen  keine  spezielleren  Zeichnungen 
und  Erörterungen  beigebracht  sind,  so  wollen  wir  uns  dem  schönen 
Dom  ausschliesslich  zuwenden,  der  namentlich  inneihalb  durch' 
seine  schlanken  Pfeiler  und  reichen  Netzgewölbe  von  herrlicher 
Wirkung  ist.  Wir  stimmen  dem  Urtheile  Stockes  bei,  dass  seine 
erste  Anlage  in  die  letzten  Jahre  des  XU.  und  die  ersten  des  XIII. 
Jahrhunderts  gehört,  namentlich  stammt  aus  dieser  Zeit  die  sogen, 
goldene  Pforte  und  der  Lettner,  doch  möchten  wir  auch  den  nörd- 
lichen der  Westthürme  ihr  zuschreiben.  Alles  übrige  ist  aus 
späterer  Zeit,  aus  dem  Ende  des  XIV.  oder  dem  Ende  des  XV.  Jahr- 
hunderts. Das  weite  Hinausreichen  des  südlichen  der  Westthürme 
aus  der  Achse  des  Schiffs  ist  unerklärt.  Man  darf  bei  aufmerksamer 
Betrachtung  des  Grundrisses  vielleicht  annehmen,  dass  ein  älterer 
Thurm  daselbst  symmetrisch  stand  mit  dem  nördlichen  und  dass 
das  Mittelschiff  des  Langhauses  im  wesentlichen  dasselbe  geblieben 
ist  als  in  der  basilikalen  Anlage.  Diesem  Mittelschiff  entsprach 
auf  jeder  Seite  ein  ungefähr  halb  so  breites  Seitenschiff  von  halber 
Höhe  des  Mittelschiffs.  Erst  in  spät  gothischer  Zeit  machte  man 
das  Langhaus  zu  einer  Hallenkirche  —  ganz  sinnverwandt  mit  der 
Obermarktskirche  zu  Mühlhausen  in  Thüringen  (siehe  das  IV.  Heft 
der  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz  Sachsen).  Die  drei 
Quadrate  des  Querschiffs  der  alten  Basilika,  in  deren  südliches  die 
goldene  Pforte  führte,  scheinen  noch  jetzt  vorhanden  zu  sein.  Hat 
man,  wie  es  heisst,  bei  der  Gothisierung  der  Kirche  alte  Funda- 
mente des  Langhauses  herausgerissen  für  eine  neue  Disposition,  so 
mögen  auch  die  Lmenpfeiler  sich  verändert  haben.  Übrigens  liegt 
es,  wie  die  schöne  Kirche  in  Zschillen  (Wechselburg)  zeigt,  welche 
vom  Verfasser  mit  Recht  öfter  in  Vergleich  gezogen  worden  ist, 
nicht  in  der  Nothwendigkeit,  das  Mittelschiff  nur  in  Quadrate  ein- 
zutheilen,  fast  immer  indessen  bestand  das  Querschift"  in  drei  neben- 
einander liegenden  Quadraten  und  ein  gleiches  Quadrat  bildete  den 
Altarraum.  Die  Länge  des  Langhauses  zwischen  Thüre  und  Quer- 
schiff war  unabhängig  von  der  Ausdehnung  des  Querschif^s,  nicht 
ebenso  gross  als  das  letztere. 


Literatur.  163 

Wie  die  Mehrzahl  der  romanischen  und  viele  der  frühgothischen 
Kirchen,  mögen  sie  gross  oder  klein  sein,  zeigen,  befand  sich  höchst 
selten  der  Haupteingang  an  der  Westseite  des  Baues,  sondern  stets 
an  irgend  einer  Stelle  der  Seitenfronten ,  meist  in  der  Nähe  des 
Thurmes.  Das  Innere  des  oder  der  Thiirme,  welches  im  Erd- 
geschoss  mit  Krenz-  oder  Tonnengewölben  überdeckt  war  und  des- 
halb einen  Thurmaufgang  direkt  nicht  immer  zuliess,  war  allein 
vom  Schiff  aus  zugänglich,  sei  es  mit  einem  oder  zwei  Bogen, 
welche  sich  auf  Känipfergesimse  aufsetzten.  In  Wechselbarg  liegt 
der  Haupteingang,  portalmässig  ausgebildet,  in  dem  nördlichen  Seiten- 
schift',  im  Freibergei-  Dom  im  südlichen  Querschiff.  Auch  die  oben  an- 
geführte Obermarktskirebe  in  Mühlhausen  (?  1330)  hat,  nachdem  sie 
an  Stelle  einer  romanischen  Basilika  wieder  aufgebaut  worden,  ihre 
Prachtportale  in  den  Stellen,  wo  die  ehemaligen  Querschiffe  lagen. 
Unbekannt  sind  uns  die  Motive  dieser  Anwendung,  weshalb  nämlich 
hier  und  nicht  an  anderen  Stellen  die  Haui)teingänge  waren. 

Die  nähere  Betrachtung  des  berühmten  Portals  der  „goldnen 
Pforte",  von  welchem  Steche  zwei  Photographien  beigebracht  xuid 
diesen  vier  Details  von  Säulen  zugefügt  hat,  wofür  wir  ihm  danken, 
wird  zu  einem  viel  Zeit  in  Anspruch  nehmenden  Stuilium,  denn  auf 
eine  sinnige  Weise  sind  die  zur  Verherrlichung  des  Portals  auf 
kurze  Konsolsäulen  gestellten  biblischen  Heroen  ausgewählt  und 
beziehungsvoll  gruppiert.  Die  ganze  Anordnung  zeugt  von  einem 
vollendeten  Schönheitsgefühl  und  von  einem  feingebildeten  Werk- 
meister, dem  die  besten  Muster  ähnlicher  Bauten  mit  Erfolg  zu 
eigen  geworden  waren.  Von  „gothischen  •  Kathedralen  konnte  er 
wohl  schwerlicü  das  Muster  entlehnt  haben  (vgl.  S.  32  Z.  13  v.  oben), 
da  es  dergleichen  zur  Zeit  wohl  noch  nicht  gab.  Wohl  aber  sind  Ähn- 
lichkeiten unverkennbar.  Den  Erörterungen  über  den  gedanklichen 
Zusammenhang  der  Figuren  sind  wir  mit  Interesse  gefolgt,  und  sie 
dürfen  wohl  ziemlich  allgemein  auf  Zustimmung  rechnen.  Sind  zu 
den  Figuren  die  ersten  Bildhauer  der  Zeit  genommen  worden,  welche 
Hochbedeutendes  darin  schufen,  so  sind  tlie  vielen  ebenfalls  daran 
beschäftigt  gewesenen  Steinmetzen  —  denn  einer  oder  zwei  konnten 
das  herrliche  Werk  nicht  bemeisteru  —  von  gleich  hohem  Range 
gewesen.  Ein  vollendet  schönes  Ebenmass  durchzieht  die  ganze 
Disposition  und  die  Details.  Die  aut  S.  24  und  25  dargestellten 
Muster  von  Kapitalen  der  spätromanischen  Periode  gehören  zu  dem 
Schönsten,  was  überhaupt  existiert.  Die  Freude  an  diesem  wohl 
vielleicht  schönsten  Bildhauerwerk  des  ganzen  Mittelalters,  speziell 
Sachsens,  wird  erhöht  durch  die  vorzügliche  Erhaltung  des  Werkes. 
Zu  dieser  Freude  gesellt  sich  aber  auch  die  Sorge  um  den  ienieren 
Schutz  dieses  kostbaren  Baues. 

Eine  Vergleichung  mit  ICloster  ZschiUen  (Wechselburg)  führt 
zu  dem  Uitheü,  dass  letzteres  (1174  gestiftet  und  1181  eingeweiht) 
die  älteren  romanisclien  Formen  nicht  uutgeben  wollte,  was  sich 
namentlich  in  dem  Figurensehmuck  auf  den  beiden  Tyinpanons 
dokumentiert.  Auch  die  Kapitale  der  Säulen  wurden  dies  darthmi, 
wenn  sie  in  dem  Puttrich'schen  Werke  in  ihrer  Ächtheit  vorgefahrt 
worden  wären.  Wir  nehmen  gelegentlich  Veranlassung,  auf  diesen 
Missstaud  aufmerksam  zu  machen  und,  wenn  Zsehillen  an  die  Reihe 
kommt,  um  getreue  Wiedergabe  einiger  Kapitale  zu  bitten.  Die 
goldne  Pforte  samt  der  zugehörigen  Basilika  ist  mindestens  zwei 
Jahrzehnte  später  ausgeführt  als  ZschiUen  und  zeiüt  durchweg  eine 
viel  freiere   Behandlung    der  Figur  und   des    Ornaments.     Dasselbe 

11* 


164  Literatur. 

stellt    sich    heraus    in    den    leider    sehr    verwitterten    Formen    der 
Figurenreliefs,  welche  an  dem  Lettner  angebracht  gewesen  sein  sollen. 

Die  drei  Figuren  des  Triuniphkreuzes,  Christus,  Maria  und 
Johannes,  von  Holz  geschnitzt,  dürften  einer  vielleicht  100  Jahre 
späteren  Zeit,  der  entschiedenen  Frühgothik  angehören  und  von 
einem  der  bedeutendsten  Bildhauer  in  Holzschnitzerei  ausgeführt 
sein.  Sie  dokumentieren  eine  Neigung  zur  realistischen  Darstellung 
des  Details.  Ein  Vergleich  mit  dem  "Wechselburger  Triumphkreuz 
wird  sich  erst  dann  mit  Erfolg  anstellen  lassen,  wenn  auch  von 
diesem  eine  getreue  Photographie  vorhanden  sein  wird. 

Das  Übrige  des  schönen  Laughauses  gehört  theils  dem  Ende 
des  XIV.  Jahrhunderts ,  theils  dem  Ende  des  XV.  Jahrhunderts  an, 
und  ein  gewisser  Rococo-Geschmack  der  Gothik  macht  sich  in  den 
unruhigen  Formen  der  phantastischen  Kanzel  bemerkbar.  Ebenso 
widrig  ist  der  1531  ausgeführte  Taufstein. 

Recht  plump  ist  das  1.555  aufgestellte  Moritz- Monument,  und 
das  Non  plus  ultra  von  Rococo  ist  in  dem  gothisch  begründeten 
Ausbau  nach  Osten  geleistet,  den  der  zwar  talentvolle,  jedoch  ebenso 
eingebildete  als  oft  phantastisch  sich  verirrende  Bildhauer  Nosseni 
mit  einem  Wulst  von  dürftigen  Details  auszuschmücken  versucht 
hatte.  Die  Kirche  wird  durch  diese  „Gedächtnishalle"  entstellt 
und  schmerzlich  vermisst  man  den  Hochaltar,  der  hier  eigentlich 
seine  Stelle  finden  musste.  Sehr  bezeichnend  charakterisieren  die 
auf  S.  54  mitgetheilten  Überhebungen  den  ganzen  Nosseni. 

Dagegen  sind  die  28  Messing-Grabplatten  von  1541 — 1643  aus 
der  bescheideneren  Giesshütte  der  Familie  Hilliger  hochinteressant; 
sie  beziehen  sich  auf  das  Fürstenhaus,  einige  andere  sind  den  Geist- 
lichen gewidmet.  Wie  billig  diese  Platten  geliefert  wurden ,  geht 
aus  den  noch  vorhandenen  Rechnungen  hervor.  Das  schöne  schmiede- 
eiserne zweiflüglige  Thor  ist  1672  von  einem  „Hufschmit"  Mehner 
ausgeführt  und  zeugt  von  ebensoviel  Geschmack  als  Kunstfertigkeit. 

Das  übrige  über  Freiberg  Mitgetheilte  ist  für  die  Geschichte 
der  im  Königreich  Sachsen  so  allgemein  verbreitet  gewesenen  Re- 
naissance nicht  ohne  Interesse,  ohne  jedoch  Erhebliches  in  den 
Formen  zu  zeigen.  Dankenswerth  snid  immerhin  diese  Mittheil- 
ungen für  die  Geschichte  der  Kunst,  für  die  Geschichte  des  Gewerb- 
fleisses,  zumal  für  die  Fertigkeit  der  Goldschmiede,  Graveure  und 
Zinngiesser.  Dass  sich  dabei  in  Freiberg  fast  alles  um  den  Berg- 
bau dreht,  darf  in  den  Motiven  des  Schmucks  nicht  weiter  auf- 
fällig sein. 

Von  den  [{irchen  der  Freiberger  Umgegend  ist  nichts  Sonder- 
liches aufzuführen,  sie  sind  alle  umgebaut  bezw.  vergrössert,  nur 
hin  und  wieder  wird  der  bei  einer  Vergrösserung  der  Kirche  neutral 
bleibende  Thurm  um  so  lieber  beibehalten  sein,  weil  ein  Neubau 
einen  verhältnismässig  höheren  Aufwand  erfordert  hätte. 

An  Altargeräthen  werden  zahlreiche  schöne  Kelche  erwähnt, 
welche  aus  dem  Ende  des  XV.  oder  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts 
stammen,  von  besonderer  Schönheit  in  der  Verzierung  scheint  in- 
dessen keiner  derselben  zu  sein.  An  dem  in  Helbigsdorf  wird  au- 
gegeben, dass  um  den  Fuss  herum  das  selten  in  dieser  Weise  be- 
merkte Wort  „Ostern"  stehe;  es  könnte  auch  ebensogut  ,^noster^^ 
heissen  und  sich  auf  ein  anderes  nicht  mitgetheiltes  Wort  beziehen. 

Von  den  Glocken  scheint  nicht  eine  einzige  dem  XIV.  Jahr- 
hundert anzugehören,  von  noch  älteren  weiss  man  gar  nichts,  welche, 
da   für    den    Kirchendienst   doch   Glocken    vorhanden   sein  müssen. 


Literatur.  165 

sämtlich  frühzeitig  zum  ümguss  gelangt  seiu  werden  —  die  oft  sicLi 
wiederholende  Klage  aller  Gegenden.  Die  Tnttendorfer,  ebenlalh 
umgeschmolzene,  hat  nach  Steches  Mittheiking  mehrere  Glocken- 
kundige  verar.lasst,  eine  Deutung  der  räthselhaften  Umschrift  zu 
versuchen,  ohne  dass  die  Sache  klar  gelegt  worden  wäre.  In  Wege- 
fahrt soll  eine  Glocke  mit  Ciirsivschnft  aus  dem  Anfang  des  XV.  Jahr- 
hunderts vorhanden  sein,  mit  dem  hübschen  Spruch:  Maria  hilf 
aus  not  dorch  deines  Üben  kindes  thot.  Um  einen  Vergleich  zu 
ziehen  mit  der  schönen  in  Elstertrebnitz  vorhandenen  von  1-109, 
welche  von  dem  Unterzeichneten  theils  im  Anz.  d.  germ.  Mus., 
theils  auf  besondern  Wunsch  auch  in  Moschkau's  Saxonia  beschrieben 
und  abgebildet  wurde,  würde  die  Schrift  in  genauem  Bilde  erwünscht 
gewesen  sein.  Eine  grosse  Menge  von  Glocken  aus  den  Jahren 
1475 — 1510  führen  in  der  Umschrift  den  Buchstaben  T,  auch  ander- 
wärts ist  dies  bemerkt,  sie  alle  scheinen  vom  Meister  Tyme  herzu- 
rühren. (Vgl.  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz  Sachsen.  Heft  1 
unter  Artikel  Predel). 

Wernigerode.  Gustav  Sommer. 


üebersicht  über  neuerdings  erschienene  Schriften  und 
Aufsätze   zur    sächsisch -thüringischen   Geschichte    und 

Alterthumskunde. 


Blume,  Ludw.  Goethe  als  Student  in  Leipzig.  Aus  dem  Jahres- 
bericht des  K.  K.  akademischen  Gymnasiums  zu  Wien  für  das 
Schuljahr  1883/84.     Wien  1884.     19  SS.     8». 

Crede,  JB.  und  Distel,  Th.  Kurfürst  August  und  der  Nierenstein 
Herzog  Albrechts  V.  von  Baiern  (mit  zwei  Abbildungen) : 
Virchow's  Archiv  für  patholog.  Anatomie.  Bd.  196  (1884).  S.  501  üg. 

Deichmidler,  J.  V.  Über  Urnenfunde  in  Uebigau  bei  Dresden : 
Sitzungsberichte  und  Abhdl.  der  Gesellsch.  Isis  zu  Dresden.  Jahr- 
gang 1884.    S.  105—112. 

D.,  F.  Beformationsgeschichtliche  Cnriosa  II.  Ser.  III.  Friedrichs 
des  Weisen  Schwester  Margareta.  IV^  Luthers  Buchdrucker 
Lotter.  V.  Leipzigs  Baumeister  Letter:  Allgem.  evang.  luther. 
Kirchenzeitung  1885.  No.  50-52.     Sp.  1200  tlg.  1225  Üg.  1252  Hg. 

Distel,  Th.  Der  kursächsische  Hofmaler  Johann  Oswald  Harms 
aus  Hamburg:  Kunst-Chronik  (Beiblatt  zur  Zeitschrift  für  bikhinde 
Kunst)  XIX  (1884),  728  tig. 

—  Eine  Arbeit  des  Freiberger  Goldschmiedes  Samuel  Klemm:  Zeit- 
schrift für  Museologie.  Jahrg.  VII  (1884)  No.  2.3  S.  182. 

—  Nachrichten  über  einige  Uhrmacher  in  der  kurfürstlichen  Kunst- 
kammer (1558  flg.):  ebenda  Jahrg.  VIII  (1885)  No.  2  S.  12. 

—  Schreiben  der  kurfürstl.  Käthe  (tl.  d.  Leipzig  den  19.  Juli  1553) 
an   die   verwitwete   Kurfürstin   Agnes:   ebenda  No.  3  S.  19. 

—  Der  erste  Damastweber  in  Dresden  (1576):  ebenda. 

—  Was  liegt  in  dem  Grundsteine  des  jetzigen  K.  S.  Ilauptstaats- 
archivs:  ebenda  No.  4  S.  27. 

—  Kleine  Notizen  über  den  kurfürst.  Bildhauer  Zacharias  Hegewald: 
ebenda  S.  35. 


1C6  Literatur. 

D.'stel,  Th.  Nachrichten  über  den  Contrafactor  und  Eisenschneider 
Christian  Maler:  Blätter  für  Münzkunde.  Jahrg.  XX.  No.  114. 
Sp.  1036  Hg. 

—  Bestrafung  eines  Falschmünzers  in  Sachsen  1564 :  ebenda  Sp.  1060. 
Uörff'el,  Alfr.     Geschichte  der  Gcwandhausconcerte  zu  Leipzig  vom 

25.  November  1781  bis  25.  November  1881.  Im  Auftrage  der 
Concert-Direction  verfasst.  (Festschrift  zur  100jährigen  Jubel- 
feier der  Einweihung  des  Concertsaales  im  Gewandhause  zu  Leipzig. 
1^881.)    Leipzig,  188t.     270,  104  SS.     4". 

V.  Ebcrstciu,  Louis  Ferd.  Frhr.  Urkundliche  Nachträge  zu  den 
Geschichtlichen  Nachrichten  von  dem  reichsritterlichen  Ge- 
schlechte Eberstein  von  Eberstein  auf  der  Rhön.  Fünfte  Folge. 
Berlin  1885.     II,  444  SS.    8». 

[Ermisch,  H.]  Zum  19.  Januar  1885.  Ein  Erinnerungsblatt  aus  der 
Geschichte  des  Königlich  Sächsischen  Alterthumsvereins:  Wissen- 
schaftliche Beihige  der  Leipziger  Zeitung.  1883.  No.  6.  S.  29  tig. 

Ermisch,  H.  Jahresberichte  über  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der 
Geschichte  von  Obersachsen,  Thüringen  und  Hessen  im  Jahre  1881 : 
Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft,  im  Auftrage  der 
Historisclien  Gesellschaft  in  Berlin  herausgegeben  von  J.  Herr- 
mann, J.  Jastrow,  Edm.  Meyer.  Jahrg.  IV.  (Berlin,  Mittler  & 
Sohn  188.5)  II.  S.  24—130.     IIL  S.  87—96. 

Gurlitt,  Com.  Aus  den  sächsischen  Archiven  (I.  Wenzel  Jamnitzer) : 
Ijützows  Zeitschrift  für   bildende    Kunst.     Jahrg.   XX.     S.  51 — 53. 

Hey,  Gustav.  Das  Deutschthum  der  vogtländischen  Ortsnamen  auf 
-bach:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1885. 
No.  21.     S.  121  flg. 

Heydenreich,  Ed.  Bibliographisches  Repertorium  über  die  Ge- 
schichte der  Stadt  Freiberg:  s.  oben  S.  160. 

Klix-Kamenz,  T.  F.  Zur  Geschichte  der  Familie  Lessing:  Wissen- 
schaltliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1885.  No.  7.  S.  37  Hg. 

Knothe,  H.  Die  ältesten  Besitzer  von  Türchau  bei  Zittau:  Neues 
Lausitz.  Magazin  Bd.  LX  (1884).     S.  338—351. 

KorscheU.  Kriegsereignisse  der  Oberlausitz  zur  Zeit  der  franzö- 
sischen Kriege:  ebenda  S.  246 — 336. 

—  Nachtrag  zu  den  Kriegsereignisseu  der  Oberlausitz  zur  Zeit  des 
bairischen  Erbt'olgekrieges:  ebenda  337. 

Lehmann,  Fritz.  Der  rechtliche  Anspruch  Böhmen-Österreichs  auf 
das  königl.  sächs.  Markgrafthum  Oberlausitz:  Wissenschaftl. 
Beilage  der   Leipziger  Zeitung.     1884.     No.  92.     S.  547 — 551. 

(Levy,  Älplionse.)  Die  Begräbniss- Kapelle  im  Dom  zu  Freiberg. 
Festschrilt  zur  Vollendung  der  Kenovation.  Mit  Abbildung. 
Freiberg,  1885.     29  SS.     8». 

Lohn-Siegel,  Anna.  Ein  sächsischer  Baumeister  [G.  Bahr]:  Wissen- 
schaftl. Beilage  der  Leipziger  Zeitun*.  1884.  No.  97.  S.  577 — 579. 

V.  Mansherg,  B.  Freiherr.  Aus  dem  „Turnei  von  Nantheyz".  Bei- 
trag zur  Kunde  des  sächsischen  Landeswappen:  ebenda.  No.  95. 
96.     S.  565—567.     569—571. 

—  Die  Errichtung  des  stehenden  Heeres  in  Chursachsen  1682: 
ebenda  1885.     No.  22.  24.    25.    S.  125—127.    137—140.   145—148. 

MoschJcau,  Alfr.  Oybin-Chronik.  Urkundliche  Geschichte  von  Burg, 
Cölestinerkloster  und  Dorf  Oybin  bei  Zittau.  Mit  6  Abbildungen. 
Böhm.-Leipa,  Künstner.     18b5.     VIll,  390  SS.  8". 

V.  Mülxerstedt.  Codex  diplomaticus  Alvenslebianus.  Urkunden- 
Sammlung  zur  Geschichte  des  Geschlechts   von  Alvensleben  und 


Literatur.  IQY 

seir.er  Besitzungeu.  Dritter  Band  vom  Jahre  löOl  bis  165.".  Mit 
8  Stammtafeln  und  4  Abbildungen  sowie  mit  einer  chronologisclien 
Übersicht  der  urkundlichen  Hauptdaten  zur  Genealogie  und  Ge- 
schichte des  Geschlechts  von  Alvensleben ,  einem  Verzeichnisse 
des  Grundbesitzes  in  dem  obigen  Zeiträume  und  Bemerkungen 
zu  den  Abildungen.  Im  Auftrage  der  Familie  veranstaltet  und 
herausgegeben.     Magdeburg  1885.     IV.     586  SS.     8». 

XosivHtnn,  Otto.     Bad   Lauchstädt.    (A.   u.   d.   T.  Neujahrsblütter. 

Herausgegeben    von    der    Historischen    Kommission    der    Provinz 

Sachsen.     9.)    Halle,  Pfeffer.     1885.    52  SS.     8". 

OjJi'l,    J.    0.     Zur   200jährigen    Geburtstagsfeier    Georg    Friedrich 

Handels.  I.  Die  Hofoper  unter  dem  Administrator  Herzog  August 

in  Halle.     II.     Der  Kammerdierer  Georg  Händel   und   sein  Sohn 

Georg   Friedrich:     Zeitschrift   für    allgemeine    Geschichte    etc. 

Bd.  I  (1884).     S.  909—942.     Bd.  II  (1885).     S.  CG— 80.   147— 1G4. 

Fctzholdt,  J.  Die  Ei  Ziehungsgrundsätze  des  Königs  Johann  von 
Sachsen  mit  Rücksicht  auf  die  Erziehung  seines  Sohnes  Albert: 
Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1885.  No.  20. 
S.  ll.S— 117. 

V.  Vflug'k-Harttung ,  J.  Das  Bisthum  Merseburg  unter  den  säch- 
sischen Kaisern:  Foischungen  zur  deutschen  Geschichte.  Bd.  XXV. 
Heft  1.     S.  152—174. 

Pohh,  F.  W.  Chronik  von  Loschwitz.  Auf  Grund  amtlicher 
Quellen  etc.  Heft  IV.  Dresden,  Albanus'sche  Buchdruckerei. 
1884.     S.   IGl- 216.     8». 

P;///,  Jos.  Die  Schlosskirche  zu  Wechselburg,  dem  ehemaligen 
Kloster  Zschillen.  Zur  Erinnerung  an  die  siebenhundertjährige 
Jubelfeier  der  Kirchweihe  am  15.  August  1884  gezeichnet  und 
beschrieben.  Leipzig,  H.  Lorenz.  ]8«4.  47  SS.  12  Taf.  und 
Titelbild,  fol. 

V.  B[aah].  Die  von  der  Oelsnitz  im  sächsischen  Erzgebirge  und  im 
Voigtlande:     Deutscher  Herold.     XVL     No.  2.     S.  25  flg. 

Richter,  Otto.  Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Dresden.  Heraus- 
gegeben im  Auftrage  des  Rathes  zu  Dresden.  (A.  u.  d.  T.  Ver- 
fassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der  Stadt  Dresden.  Bd.  1). 
Dresden,  W.  Baensch.     1885.     XII.     450  SS.     8". 

Schirren,  C.  Patkul  und  Leibniz:  Mittheilungen  aus  der  livländi- 
schen  Geschichte.     Bd.  XIH.    Heft  .3  (1884).     S.  435—445. 

Schneider,  Vir.  Aus  dem  Vogtlande.  Einiges  über  die  Ableitung 
vogtländischer  Ortsnamen  auf  bach:  Wissenschaftl.  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.     1885.     No.  1.     S.  1—3. 

Schönwälder.  Görlitz  im  Jahre  1813,  aus  der  Perspektive  des  da- 
maligen Bürgermeisters  Samuel  August  Sohr:  Neues  Lausitz. 
Magazin.     Bd.  LX  (1884).     S.  201—245, 

—  Der  Budissiner  Queißkreis.  Eine  topographisch-historische  Studie: 
ebenda  S.  352—391. 

Schuster,  0.  und  Francice,  F.  A.  Geschichte  der  Sächsischen  Armee 
von  deren  Errichtung  bis  auf  die  neueste  Zeit.  Unter  Benutz- 
ung handschriftlicher  und  urkundlicher  Quellen.  3  Tiieile.  Mit 
37  Skizzen  auf  IG  Tafeln.  Leipzig,  Duiicker  &  Ilumblot.  1883, 
XII,  226.     VI,  393.     VH,  421    SS.     8». 

Schwarz,  Hilar.  Landgraf  Philipp  von  Hessen  und  die  Packschen 
Händel.  Mit  archivalischen  Beilagen.  Eingeleitet  von  W.  Mauren- 
brecher.    (A.  u.    d.  T.  Historische   Studien.     Herausgegeben  von 


1 68  Literatur. 

W.  Arndt,  C.  von  Noorden  und  G.  Voigt  etc.  Heft  13).  Leipzig, 
Veit  &  Co.     1884.     VII,  166  SS.     8». 

Steche,  B.  Über  ältere  Bau-  und  Kunstwerke  in  den  Amtsliaupt- 
mannschaften  Annaberg  und  Marienberg:  Wissenschaftl.  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.     1885.     No.  14.     S.  77—80. 

Steril,  Ad.  Hermann  Hettner.  Ein  Lebensbild.  Leipzig,  Brockhaus. 
188,5.     VII,  306  SS.     8». 

Stidiler,  Karl.  Hans  Adam  von  Schöning.  Ein  Heerführer  aus  der 
Zeit  des  grossen  Kurfürsten:  Neue  militär.  Blätter,  Bd.  XXV 
(1884).     S.  183—194. 

TheiJe.  Altgermanisclie  Gräberstätte  bei  Stetzsch:  Ober  Berg  und 
Thal.     Jahrg.  VIT  (1884).     No.  12.     S.  287  flg. 

—  Die  Gräberstätte  von  Stetzsch.  Ebenda.  Jahrg.  VIII  (1885). 
No.  1.     S.  29')  flg. 

Werncburg,  A.  Die  Namen  der  Ortschaften  und  Wüstungen  Thü- 
ringens, zusammengestellt  und  besprochen:  Jahrbücher  der 
königl.  Akademie  ceraeinnütziger  Wissenschaften  zu  Erfurt. 
Neue  Folge.     Heft  XII  (1884).     S.  1—213. 

Wesseli/,  J.  E.  Kurzgefasste  Geschichte  der  Stadt  Leipzig  mit  Er- 
läuterungen zu  den  Photographien  „Das  alte  Leipzig".  Leipzig, 
0.  Roth.     1881.     IV,  89  SS.     8». 

Wustmann.,  G.  Der  Leipziger  Bürgermeister  Karl  Wilhelm  Müller 
1728 — 1801.  Vortrag,  gehalten  in  der  Gemeinnützigen  Gesell- 
schaft zu  Leipzig.  (Sonderabdruck  aus  dem  Leipziger  Tageblatte 
vom  10.  und  12.  November  1884.)    30  SS.     8». 

Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler 
der  Provinz  Sachsen  und  angrenzender  Gebiete.  Herausgegeben 
von  der  Historischen  Commission  der  Provinz  Sachsen.  N.  F, 
Bd.  I;  Die  Stadt  Halle  und  der  Saalkreis,  bearbeitet  von  Gustav 
Schönermark.   Lf.  1—4.   Halle  a./S.,  Hendel  1884.    S.  1—192.    8». 

Bruchstück  eines  Briefes  des  kurf.  sächs.  Majors  der  Kavallerie 
Siegmund  Freiherrn  von  Gutschmid,  von  ihm  geschrieben,  als  er 
im  August  1796  zum  General  Jourdan  Avegen  des  abzuschliessen- 
den  Waffenstillstandes  geschickt  worden  war:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1884.    No.  98.     S.  585  flg. 

Zusammenstellung  einiger  geschichtlichen  nnd  statistischen  That- 
sachen  aus  dem  Bereiche  der  Staatsschuldenverwaltung  im  König- 
reiche Sachsen  anlässlich  des  am  31.  Dezember  1834  erfüllten 
fünfzigjährigen  Bestehens  des  Landtagsausschusses  zu  Verwalt- 
ung der  Staatsschulden.     Dresden.     30  SS.    8". 


Mittheilungen  dss  Vereins  für  Anhaltische   Geschichte  und  AUer- 
thumshmde.    Bd.  IV,  Heft  3.    Dessau,  1884.    8». 

Inhalt:  Th.  Stenzel,  Wanderungen  zu  den  Kirchen  Anhalts 
im  Mittelalter.  K.  Schulze,  Über  den  Namen  Mägdesprung. 
W.  Zahn,  Die  Burg  Thieleberg  bei  Aken.  W.  Ho  saus.  Aus 
den  Briefen  Friedr.  Joh.  Rochlitz'  an  Friedrich  Schneider. 
W.  Ho  sä  US,  Deutsche  mittelalterliche  Handschriften  der  Fürst- 
Georgs-Bibliothek  zu  Dessau.  Ders.,  Dichter  und  Dichterinnen 
aus  dem  Hause  der  Ascanier. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  und  Topographie  Dresdens 
und  seiner  Umgebung.    5.  und   6.   Heft.     Dresden,  C.  Tittmann 
(Komm.).     1885,     8». 
Inhalt:  Alfr.  Heinze,  Dresden  im  siebenjährigen  Kriege. 


IV. 

Katharina  (Herzogin  von  Sachsen,   (jemahlin 
Kurfürst    Friedrich's  IL    von    Brandenburg) 

und  ihr  Haus. 

Von 

G.  Sello. 


Katharina,  „Fräulein  Ketterlin",  „Frau  Kathrein", 
das  vierte  Kind  Kurfürst  Friedrich's  des  Streitbaren  von 
Sachsen  aus  seiner  Ehe  mit  Katiuirina,  Herzogin  von 
Braunschvveig,  wurde  im  Jahre  1421,  wahrscheinlich  in 
der  Zeit  vom  April  bis  Juni,  geboren;  ihr  Taufpatiie  war 
der  Abt  Vincentius  von  Altzelle.  Vielleicht  lediglich 
diesem  Umstände  haben  wir  es  zu  verdanken,  dass  das 
sog.  Chronicon  Vetero-Cellense  minus  ihr  Geburtsjahr 
erwähnt  und  ihr  somit  eine  bestimmte  Stelle  in  der 
Reihenfolge  der  Geschwister  anweist ').  Er  nennt  indessen 
das  Jahr  1420.  Ihre  ältere  Schwester  Anna  wurde  aber 
ganz  zweifellos  am  5.  Juni  1420  geboren'^)  und  ihr 
jüngerer  Bruder  Heinrich  am  21.  Mai  1422*).  Hörn  ^) 
will  das  Datum  des  Altzeller  Chroriisten  dadurch  retten, 
dass  er  annimmt,  derselbe  habe  das  Jahr  mit  Ostern 
begonnen.  Das  ist  aber  nicht  richtig;  im  Cisterzienser- 
orden,  welchem  das  Kloster  Altzelle  angehörte,  war  nie 
das    Osterfest,    eher    das    Fest  der   Verkündigung  Maria 


')  Mencke,  SS.  rer.  Germ.  H,  445. 

=*)  Tylicli's  (.'liroii.  Misn.  bei  Scliaiinat,  Vindem.  litter.  11,  f-<9. 

*)  CliroD.  Vetero-Cell.  m       .,  Meucite  1.  c 

*)  Friedrich  d.  Streitb.  92.  93. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.   VI.  3.  4.  H 


170  G.  Sello: 

(25.  März)  als  Jahresanfang  gebräuclilicli ;  bei  einer  andern 
Gelegenheit  —  dem  Todestage  Friedrich's  des  Streitbaren  — 
bringt  auch  der  Altzeller  Chronist  das  Marienjahr  nicht 
zur  Anwendung;  legte  man  dasselbe  bei  der  Berechnung 
von  Katharina's  Geburtsjahr  zu  Grunde,  so  müsste  die- 
selbe vor  dem  25.  Mäi'z  1421  geboren  sein  (bei  der 
Annahme  des  österlichen  Jahresanfanges  sogar  vor  dem  23.), 
was  mit  Rücksicht  auf  den  Geburtstag  der  älteren  Schwester 
ein  gar  zu  früher  Termin  sein  würde. 

Ihr  Vater  starb  am  4.  Januar  1428  ^),  sie  selbst  fand 
Aufnahme  in  das  zum  Orden  der  hl.  Clai'a  gehörige 
(Franziskanerinnen-)Kloster  Seusslitz  bei  Meissen.  Wann 
dies  geschehen  und  welches  ihre  Stellung  im  Kloster 
gewesen,  lässt  sich  nur  vermuthen.  Es  ist  zwar  eine  Ur- 
kunde ihrer  beiden  ältesten  Brüder  Friedrich  und  Siegmund 
vorhanden,  in  welcher  dieselben  bekunden,  dass  sie  Katha- 
rina in  das  Kloster  „gegeben  und  einsegnen  lassen".  Leider 
ist  diese  Urkunde  undatiert.  Hörn  setzt  sie  „um  1429", 
weil  ein  Copial  des  Hauptstaatarchivs  zu  Dresden  sie 
hinter  eine  Urkunde  von  1428  an  den  Anfang  einer  langen 
ürkundenreihe  von  1429  stellt.  Unsicher  bleibt  diese 
Datierung  immerhin,  zumal,  wenn  man  das  daraus  sich 
ergebende  zarte  Alter  der  Prinzessin  bei  ilirer  Aufnahme 
bedenkt;  die  Cisterzienserinnen  z.  B.  verlangten  für  ihre 
Novizen  ein  Alter  von  mindestens  10  Jahren ").  Sicher  ist 
nur,  dass  die  von  Herzog  Friedrich  und  Siegmund  ge- 
meinschaftlich ausoestellte  Urkunde  vor  den  4.  Januar  1436 
zu  setzen  ist;  innere  Gründe  scheinen  für  einen  wenig 
früheren  Zeitpunkt  zu  sprechen.  Die  herzoglichen  Brüder, 
welche  bis  dahin  gemeinschaftlich  regiert  hatten,  theilten 
an  diesem  Tage  ihre  Länder,  und  Siegmund,  der  spätere 
Bischof  von  Würzburg,  empling  noch  im  März  desselben 
Jahres  die  kirchlichen  Weihen').  Der  Tlieilungsvertrag 
ist  recht  eigentlich  als  eine  Nachlassregulierung  im 
civilrechtlichen  Sinne  zu  betrachten;  jeder  Bruder  erhielt 
seinen  Antheil  an  der  väterlichen  Erbschaft;  die  ältere 
Schwester  Anna,  welche  in  demselben  Jahre,  sechszehn- 
jährig, den  Landgrafen  Ludwig  von  Hessen  heirathete, 
wurde    mit    ihrer  Mitgift  von  19000  Rheinischen  Gulden 


»)  Hörn  a.  a.  0.     597. 
•)  Winter,  Cisterzienser  11,  10. 

')  Leidenfrost,  Churf.  Frieiliicli  II.  iiml  seine  Brüder  (1827), 
18  flg.  25.     Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenb.  Abth.  D.  215. 


Katharina  (Herzogin  von  Sachsen  etc.)  und  ihr  Haus.      171 

abgefunden,  und  da  sieht  es  nicht  unwahrscheinlich  aus, 
dass  man  die  noch  übrige  ledige  Schwester,  die  vielleicht 
keiner  der  untereinander  in  wenig;  verwandtschaftlicher 
Harmonie  lebenden  Brüder  an  seinen  Hof  nehmen  wollte, 
in  dem  Familienkloster,  als  welches  Seusslitz  zu  betrach- 
ten ist,  versorgte. 

Katharina's  Eintritt  in  das  Kloster  geschah,  wie  aus 
dem  Wortlaut  der  in  Rede  stehenden  Urkunde  erhellt, 
mit  der  Absicht,  sich  dem  Klosterleben  ganz  zu  widmen. 
Dass  sie  aber  nach  Zurücklegung  des  Noviziats  wirklich 
Profess  abgelegt,  dürfte  sehr  zu  bezweifeln  sein.  Denn 
mit  diesem  Schritte  wäre  ihr  der  Rücktritt  in  die  Welt 
de  iure  abgeschnitten  gewesen;  wer  nach  dem  Profess 
das  Kloster  verliess,  war  ein  Apostat;  durch  päpstlichen 
Dispens  hätte  eine  restitutio  in  integrum  erfolgen  köimen; 
von  einer  solchen  ist  aber  keine  Spur  zu  entdecken,  er 
kann  also  auch  nicht  präsumiert  werden.  iNIerkwürdig 
ist  es  nun,  dass  der  ebenfalls  dem  Franziskanerorden, 
als  Provinzial  der  Ordensprovinz  Sachsen,  angehörige 
Chronist  Mathias  Döring,  welcher  an  der  Erfurter  Uni- 
versität lehrte,  dann  in  Magdeburg  lebte  und  1469  in 
dem  brandenburgischen  Kloster  Kyritz  starb,  also  den 
Vorgängen  zeitlich,  räumlich  und  amtlich  nahe  stand, 
sie  anlässlich  ihrer  Heirath  mit  Kurfürst  Friedrich  H. 
nicht  als  „professa"  sondern  als  „votiva"  bezeichnet.  Die 
Wahl  dieses  Ausdrucks  scheint  zu  bestätigen,  dass  sie 
noch  nicht  alle  Klostergelübde  abgelegt. 

Die  von  Franziskus  von  Assisi  der  heiligen  Clara 
gegebene  Regel  war  an  sich  sehr  streng;  die  Nonnen 
mussten  z.  15.  barfuss  gehen.  Päpstliche  Bullen  haben 
aber  daran  nach  und  nach  mancherlei  geändert;  ins- 
besondere hatten  auch  die  Ordensoberen  das  Recht,  die 
Einzelne  von  der  Strenge  der  Regel  zu  entbinden.  Davon 
wird  natürlich  reichlicher  Gebrauch  gemacht  worden  sein 
bei  dem  Eintritt  von  Fürstinnen,  Avelche  zu  jener  Zeit 
eine  grosse  Hinneigung  zum  Clarissinnen- Orden  zeigten; 
so  traten  beispielsweise  drei  Schwestern  Kurfürst  Fried- 
rich's  1.  von  Brandenburg,  Anna,  Katharina  und  Agnes, 
1376  in  denselben  ein,  von  welchen  die  erstere  ebenfalls 
in  Seusslitz  lebte,  die  beiden  anderen  nacheinander  Äb- 
tissinnen in  llof  waren ;  Agnes  soll  als  solche  1430  bei 
dem  Hussiteneinfall  erschlagen  worden  sein  *). 


•)  Riedel,  Gesch.  d.  preuss.  Königshauses  I,  .364. 


172  G-  Sello: 

Katharina  erhielt  bei  ihrem  Eintritt  in  das  Kloster 
eine  Art  von  Hofstaat  in  den  von  ihren  Brüdern  aus- 
gestatteten Jungfrauen  Anna  von  Salhausen,  Barbara 
von  Honsberg  und  Ilse  von  Miltitz  und  eine  Civilliste 
von  50  Schock  Uroschen  und  1  Fuder  Meissner  Wein 
Cli  roth,  ^ji  weiss  und  die  andere  Hälfte  je  nach  der 
Crescenz).  Charakteristisch  für  die  exzeptionelle  Stellung 
Katharinas  im  Kloster  ist  jedenfalls,  dass  diese  Einkünfte 
nicht,  wie  bei  sonstiger  Ausstattung  von  Klosterjungfrauen, 
dem  Kloster  verschrieben  wurden,  sondern  zum  persön- 
lichen Gebrauch  der  Prinzessin;  dass  dieselben  auch  nicht 
nach  ihrem  Tode  an  das  Kloster  übergehen,  sondern  an 
die  herzogliche  Familie  zurückfallen  sollten.  Das  Kloster 
erhielt  auf  diesen  Fall  nur  den  Anspruch  auf  eine  Se- 
mesterrate der  Geldrente,  wovon  noch  Seelgeräthe  und 
Memorien  bestritten  werden  sollten. 

Aus  der  allgemeinen  Clarissinnenregel  lässt  sich  ein 
Bild  des  Lebens  der  Prinzessin  im  Kloster  nicht  ent- 
werfen, da  der  Grad  der  Verbindlichkeit  derselben  für  sie 
in  Ermangelung  bezüglicher  Urkunden  nicht  festzustellen 
ist.  Es  lässt  sich  auch  nicht  annehmen,  dass  sie  dort 
eine  geistig  freiere  Atmosphäre  gefunden  habe,  als  sie 
durchschnittlich  in  Frauenklöstern  zu  herrschen  pflegte. 
Denn  wenn  auch  der  damalige  gelehrte  sächsische  Pro- 
vinzial  der  Franziskaner,  Mathias  Döring,  eine  auf  den 
ersten  Blick  reformatorisch  erscheinende  Richtung  in  seiner 
Verwerfung  des  damaligen  päpstlichen  Ablasshandels  ^) 
vertrat,  so  wird  davon  kaum  etwas  zu  den  Ohren  des 
jungfräulichen  Konventes  gedrungen  sein.  Die  Opposition 
Dörings  hatte  aber  überhaupt  ihren  alleinigen  Grund  in 
den,  den  gesamten  Klerus  in  zwei  feindliche  Lager  spal- 
tenden Streitigkeiten  des  Baseler  Konzils,  im  übrigen 
war  er  als  Verfechter  der  unbefleckten  Empfängnis  der 
Jungfrau  Maria,  als  Vertheidiger  des  Wilsnacker  Wunder- 
bluts ganz  ein  Kind  seiner  Zeit'").  Ohne  Einfluss  auf 
den  Gesamtcharakter  des  Lebens  in  Seusslitz  wird  es 
indessen  nicht  geblieben  sein,  dass  Döring  der  Haupt- 
vertreter der  sogenannten  Konventualen  des  Ordens  in 
Deutschland  war"),  welche  „in  ihren  Konventen  viele 
Milderungen  der  Ordensregel  einführten,  und  wegen  der 
mancherlei  Ausschweifungen,  deren  man  sie  beschuldigte. 


•)  Riedel,  Cod.  dipl.  Brandenb.  D.  223.  230.  231. 
">)  Mark.  Forschungen  XVI,  215.        ")  Ebendas.  XVI,  198. 


Katharina  (Herzoj^in  von  Sachsen  etc.)  und  ilir  Haus.      173 

von  vielen  gchasst  wurden '  ^)".  Ihnen  gegenüber  ver- 
traten die  „Observanten"  die  strenge  Richtung. 

Es  lässt  sich  nur  sagen,  dass  Katharina  ein  beschau- 
liches Dasein  in  Gebet  und  geistlichen  Übungen,  nicht 
als  Professa,  sondern  als  Laienschwester  verbrachte,  wo- 
durch ihr  der  Rücktritt  in  das  Leben  und  die  Möglich- 
keit einer  Heirath  offen  blieb,  so  lange,  bis  ihr  selbst 
wünschenswerth  erschien,  durch  Ablegung  des  Professes 
unwiderruflich  der  Welt  Valet  zu  sagen. 

Ob  sie  bis  zum  2.  Juni  1439,  an  welchem  Tage 
Kurfürst  Friedrich  I.  von  Brandenburg  mit  den  Herzögen 
Friedrich  und  Wilhelm  von  Sachsen  den  Ehevertrag 
zwischen  ihr  und  seinem  zweiten  Sohne  Friedrich  schloss*^), 
im  Kloster  blieb,  entzieht  sich  der  Kenntnis.  Ein  Termin 
für  den  Vollzug  der  Ehe  wurde  nicht  verabredet,  nur 
finanzielle  Abmachungen  wurden  getroffen.  Der  Prin- 
zessin wurden  als  Heirathsgut  und  Heimsteuer  19000  Rhei- 
nische Gulden,  zahlbar  in  vier  Jahresraten,  und  eine 
„Ausrichtung  zu  Bett  und  Tisch"  zugesichert.  Ihr  künf- 
tiger Gemahl  sollte  sie  dagegen  „nach  seinen  Ehren 
vermorgengaben"  und  ihr  ein  Jahr  nach  Vollzug  des 
Beilagers  eine,  eventuell  mit  einem  Kapital  von  25000 
Rheinischen  Gulden  abzulösende  Jaiiresrente  von  4000  Fl. 
auf  die  Schlösser  und  Städte  Treuenbrietzen,  Mittenwalde, 
Belitz,  Trebbin,  Saarmund  und  Potsdam  als  Leibgedinge 
verschreiben. 

Dem  Abschluss  der  Ehe  stellten  sich  schwere  Hinder- 
nisse entgegen.  Nachdem  Kurfürst  Friedrich  I.  von  Bran- 
denburg am  21.  September  1440  gestorl)en  und  Fried- 
rich II.  die  Regierung  angetreten  hatte,  ermahnten  ihn 
zwar  die  Stände,  wie  Gundling  berichtet,  im  November 
zur  Heirath;  durch  die  Zerwürfnisse  zwischen  beiden 
Fürstonhäusern  wurde  dieselbe  aber  in  Frage  gestellt. 
Mathias  Döring  giebt  an  **),  weil  der  Kurfürst  von  Bran- 
denburg das  von  den  Sachsen  augegriffene  Magdeburg 
in  Schutz  genommen  habe,  sei  ihm  die  Braut  verweigert 

'^)  Bellermann,    Gesch.  il.  grauen  Klosters  in  Berlin  H,  27. 

•»)  Riedel,  a.a.O.  B.  IV,  ]9(;.  Derselbe  l'ührte  übrigens  bei 
seinen  Zeitgenossen  nicht  den  schwer  erklärlichen  Beinamen  „mit 
den  eisernen  Zähnen",  sondern  Spalatin  zufolge  den  „des  Mageren" 
(Macer),  im  oftenbaren  Gegensatz  zu  seinen  beiden  jüngeren  Brüdern, 
von  denen  Albrecht  nacli  seinen  eigenen  Worten  zienilieh  beleibt 
war  und  Friedrich  der  Jüngere  in  der  Geschichte  den  Zunamen 
„der  Fette''    führt. 

'*)  Riedel  a.  a.  0.  D.  216. 


174  G.  Sello: 

worden.  Die  Sache  lag  aber  noch  etwas  anders.  Ka- 
tharina's  Bruder  Herzog  Siegniund  war  aui  20.  Januar 
1440  zum  Bischof  von  Würzburg  erwählt  worden,  jedoch 
sofort  mit  seinem  Kapitel  in  Streit  gerathen.  Seine  Brü- 
der Friedrich  imd  Wilhelm  hielten  es  mit  letzterem,  die 
Markgrafen  Johann  der  Alchymist  und  Albrecht  Achilles 
von  Brandenburg  mit  dem  Bischof,  und  Kurfürst  Fried- 
rich von  Brandenburg  gewährte  seinen  Brüdern  Hilfe. 
Die  Brandenbur<Ter  stellten  nämlich  noch  besondere  An- 
forderungen  an  Meissen  wegen  des  AUodialnachlasses  des 
letzten  Landgrafen  von  Thüringen,  von  ihrer  (jrossmutter, 
Sopliia  von  Henneberg,  Gemahlin  Burggraf  Albrecht's 
des  Schönen  von  Nürnberg,  her.  Ausserdem  machte 
Markgraf  Johann  Ansprüche  wegen  des  Nachlasses  seines 
Schwiegervaters;  des  Kurfürsten  Rudolf  III.  von  Sachsen 
aus  askanischem  Hause,  geltend,  und  Albrecht  Achilles 
verlangte  Begleicliung  einer  Kostenliquidation,  welche 
aus  dem  unter  st^iner  Leitung  im  Jahre  1438  in  Böhmen 
stattgehabten  Feldzuge  herrührte.  Letzterer  stellte  am 
IL  November  1440  ein  energisches  Ultimatum,  wegen 
gewisser  Aug-ritFe  auf  die  Ehre  seiner  Familie  sich  zum 
Zweikampf  erbietend  '^).  die  Sachsen  rückten  in  das  Ge- 
biet des  Bischofs  von  Würzburg  ein,  und  es  kam  dort 
zu  offenen  Feindseligkeiten.  Sofort  zog  auch  der  Kur- 
fürst von  Brandenburg  das  Schwert.  Der  märkische 
Adel,  darunter  Bernd  v.  d.  Sehulenburg,  Hanptmann  der 
Altmark,  Graf  Albrecht  von  Lindow,  Herr  von  Ruppin, 
Hauptmann  der  damaligen  Neu-  jetzt  IMittelmark,  Georg 
von  Schliefen,  Marschall  des  Kurfürsten,  Wichard  von 
Rochow  auf  Golzow,  kündigte  Sachsen  am  25.  und  27.  No- 
vember Fehde  an^®),  und  während  in  Franken  mit 
wechselndem  Erfolge  gekämpft  wurde,  bemächtigte  sich 
der  Kurfürst  von  Brandenburg  der  damals  sächsischen 
Schlösser  Niernegk  und  Brück,  schloss  am  7.  December 
mit  Bischof  Burchard  von  Halbcrstadt  und  den  Städten 
Magdeburg,  Halberstadt,  Quedlinburg  und  Aschersleben 
ein  Schutz-  und  Trutzbündnis  und  bot,  da  sich  ein  säch- 
sisches Heer  bei  Wittenberg  zusammenzog,  den  Heerbann 
der  märkischen  Städte  auf.  Das  vom  8.  December  aus 
Treuen brietzen  datierte  bezügliche  Schreiben  an  die  Ge- 
samtstadt Brandenburg  ist  noch  erhalten,  in  welchem 
dieselbe    aufgefordert    wird,    binnen    8   Tagen    mit    ihrer 


'»)  Riedel,  B.  IV,  217.    '•)  Riedel,  B.  IV,  219,  220.    X,  143. 


Katharina  (Herzogin  von  Sachsen  etc.)  und  ihr  Haus.      175 

gesamten  wafFenfähigen  Mannschaft  bei  Berlin  einzu- 
treiFen  ''j.  Der  Kurfürst  selbst  scheint  inzwischen  mit 
den  bereits  disponiblen  Truppen  auf  Wittenberg  mar- 
schiert zu  sein,  denn  im  Dorfe  Marzaiin,  zwischen  Treuen- 
brietzen  und  Wittenberg,  auf  kursächsischem  Boden, 
wurde  am  10.  Dezember  ein  bis  zum  2.  Februar  1441 
reichender  Waffenstillstand  geschlossen,  welchem  die  Mark- 
grafen Johann  und  Albrecht  am  23.  Dezember  auf  der 
Plassenburg  beitraten.  Wie  immer  in  jener  Zeit  begannen 
nun  endlose  verwickelte  scliiedsrichterliclie  Verhandlungen. 
Zunächst  wurde  der  Waffenstillstand  bis  zum  4.  Juni 
ausgedehnt,  dann  trafen  sich  die  Parteien  zu  Anfang- 
April  in  Halle  und  versöhnten  sich.  Kurfürst  Friedrich 
von  Brandenburg  wurde  bewogen,  die  Schlösser  Niemegk 
und  Brück  umgehend,  bis  zum  13.  April,  znrückzugeben, 
und  äusserte  gelegentlich  in  einer  Urkunde  vom  3.  April, 
dass  sein  Beilager  mit  Prinzessin  Katharina  am  H.Juni 
gefeiert  werden  solle  **). 

Ausdrückliche  urkundliche  Zeugnisse  über  die  auf 
die  Hochzeit  bezüglichen  Verhandlungen  liegen  nicht  vor, 
aus  dem  Mitgetheilten  ergiebt  sich  aber,  dass  der  Kurfürst 
von  Brandenburg  die  Rückgabe  der  Schlösser  von  der 
endlichen  Einwilligung  der  Brüder  seiner  Braut  wird 
abhängig  gemacht  haben.  Im  wesentlichen  berichtet  also 
eine  ältere  meissnische  Chronik  '*)  richti"::  Marn-anivius 
Brandcnburgensis  coegit  Fridericum  per  invasionem  terrae 
Saxoniae  ad  dandum  sororem  suam  in  uxorem. 

An  dem  bestimmten  Tage  wurde  die  Hochzeit  in 
Wittenberg  auf  das  Prächtigste  gefeiert,  und  die  ver- 
sammelten Fürsten  wai'en  „in  saclien  die  zum  schimpfe 
gehören,  als  mit  stechen,  fröhlich  als  das  wol  zii-mt"; 
der  Kurfürst  von  Sachsen  hatte  sich  dazu  schon  4  Wochen 
vorher  von  der  Stadt  Halle  einen  starken  grossen  Turnier- 
hengst geliehen  *"). 


")  Riedel,  H.  IV,  221.     A.  IX,  15.^. 

'•)  Ilicdcl,  D.  217.  J{.  IV,  224,  22(1,  230,  2.S9,  240,  243. 
Riedel  hat  in  den  Miirkisclien  Forsclnuigen  VI,  20.{  eine  unfieiiügeiidf 
Darstellung  dieser  Vorgänge  girgebenj  in  seiner  Abhandlung  „Al- 
hrecht  Achill's  Confiiet  mit  Würzburg  und  Siulisen  i.  d.  Jahren 
1440— 144.V',  Zeitschr.  f.  Preuss.  Gesch.  u.  Landeskunde  VIII,  iu>  Hg., 
wird  der  P'eindseligkeiten  zwischen  Sachsen  und  lüir-Brandenburg 
nur  mit  zwei  Worten  gedacht. 

")  Chron.  terrae  Misn.  bei  Mencke  11,  .S.3r,. 

'")  Riedel,  Supplem.  (J2.  Gundling,  Kurf.  Friedrich  II., 
p.  39  „ex  dipl.  arch". 


176  G.  Sello: 

Über  die  Einholung  der  jungen  Fürstin  in  die  Mark 
ist  nichts  bekannt,  nur  das  wissen  wir,  dass  die  Stadt 
Frankfurt  a.  O.  ihr  und  ihrem  Gemahl  ein  Geschenk  von 
22  Schock  Groschen  machte^'). 

Zu  seinem  ersten  Aufenthaltsorte  wählte  das  Ftirsten- 
paar  wahrscheinlich  die  noch  in  ihrem  alten  Glänze 
stehende,  vielgethürmte,  auf  steilem  Ufer  über  der  Elbe 
liegende  Burg  Kaiser  Karl's  IV.  zu  Tangermünde;  we- 
nigstens finden  wir  den  Kurfürsten  dort  8  Tage  nach  der 
Hochzeit  und  sonst  noch  im  Monat  Juni;  von  da  unter- 
nalnn  er  eine  Huldigungsreise  in  die  Priegnitz;  erst  im 
Anfang  Juli  wurde  Berlin  besucht,  und  in  der  damaligen 
kurfürstlichen  Residenz,  dem  „Hohen  Hause"  neben  dem 
grauen  Kloster,  Quartier  genommen  ^^). 

Im  August  des  folgenden  Jahres  reiste  die  Kurfürstin 
über  Trebbin  nach  Sachsen  zu  ihrer  kranken  Mutter,  zu 
welcher  Reise  die  Altstadt  Brandenburg  3  Wagenpferde 
stellte,  und  wiederum  ein  Jahr  später,  am  15.  August 
1443,  vollzog  der  Kurfürst  die  Statuten  der  Gesellschaft 
U.  L.  Fr.  auf  dem  Marienberge  bei  Brandenburg;  seine 
Gemahlin  steht  dabei  an  der  Spitze  der  weiblichen  Mit- 
glieder^^). 

Die  speziell  zwischen  Brandenburg  und  Sachsen  ob- 
waltenden Streitio-keiten  w^irden  am  31.  Oktober  1441 
dahin  geschlichtet,  dass  ersteres  gegen  Zahlung  von 
1000  Rheinisciien  Gulden  seinen  Ansprüchen  „wegen  des 
Landes  zu  Doringen,  des  Wiederfalls  und  Eigentums  im 
Lande  zu  Franken,  der  hinterhissenen  Habe  der  Fi'au 
zu  Zahna  und  Trebitz  (der  Mutter  Markgräfin  Barbara's) 
und  der  Schätzung  zu  Böhmen"  entsagte.  Schon  wieder 
aber  begannen  neue  Mishelligkeiten.  Die  Herzöge  von 
Sachsen  waren  bei  Zahlung  der  Mitgift  ihrer  Schwester 
säumig;  wiederholt  gab  der  Kurfürst  von  Brandenburg 
Ausstand;  am  8.  Juli  1445  waren  noch  1800  Fl.  rück- 
ständig, und  wahrscheinlich  erst  im  Jahre  1452  war  dieser 
Rest  getilgt'^*),  denn  die  Verschreibmig  des  Leibgedinges 


^'M  Riedel,  D.  .'iSl. 

-*)  Itinerar  Friedrich's:  Juni  18.  Havelberg,  Tangermünde  —  21. 
Kyritz  —  22.  Pritzwalk  —  24.  Perleberg,  ßuppin  —  28.  29.  Tanger- 
münde —  Juli  8.  Berlin. 

2^)  Riedel,  A.  XXIV,  429.     C.  I,  269. 

^*)  V.  Raumer,  Cod.  diplom.  Brandenb.  contin.  I,  173.  Rie- 
del, B.  IV,  245,  252.     C.  I,  253—255,  273.     C.  III,  5G. 


Katharina  (Herzogin  von  Sachsen  etc.)  und  ihr  Haus.      177 

erfolgte  iu  diesem  Jahre  ■•^*).  Nach  dein  Elievertrage  vom 
Jahre  1439  hätte  dies  schon  ein  Jahr  nach  dem  Beilager 
geschehen  sollen;  die  Verhandlungen  aus  dem  Jahre  1441, 
wodurch  diese  Bestimmung  abgeändert  wurde,  sind  nicht 
erhalten.  Aus  der  Urkunde  von  1452  erfahren  wir^  dass 
die  Kurfürstin  ausser  ihrer  Mitgift  von  19000  Fl.  noch 
fahrende  Habe,  Silbergeschirr  und  Kleinode  im  Werthe 
von  1000  Fl.  in  die  Ehe  gebracht  hatte,  wofür  ihr  nun 
die  mit  38000  Fl,  ablöslichen  Schlösser  und  Städte  Span- 
dau, Trebbin,  Treuenbrietzen,  Belitz,  Bernau,  Mittenwalde, 
Oderberg  und  Lieben walde  als  Leibgedinge  verschrieben 
wurden;  für  letztere  Stadt  tauschte  sie  durch  Vertrag  vom 
11.  November  1454  die  Mühlen  zu  Berlin  ein"-^*"').  Der  Name 
der  Kurfürstin  kommt  selten  in  Urkunden  vor.  Ausser 
einigen  Verwalttmgsmassregeln  betreffs  der  zu  ihrem 
Leibgedinge  gehörigen  Schlösser  sind  es  nur  Urkunden 
religiösen  Inhalts,  in  denen  sie  neben  ihrem  Gemahl  ge- 
nannt wird:  Aufnahme  in  die  Gemeinschaft  der  guten 
Werke  des  Cisterzienserordens,  päpstliche  Privilegien  betr. 
die  Anstellung  von  Beichtvätern,  Beobachtung  der  Fasten 
und  dergleichen.  Ein  einziges  Mal  sehen  wir  sie  aus 
ihrer  Reserve  heraustreten  und  in  die  Händel  eingreifen, 
welche  ihre  Brüder  Friedrich  und  Wilhelm  unausgesetzt 
mit  einander  und  mit  der  Mark  hatten,  leider  ohne  dass 
wir  bestimmt  erführen,  in  welcher  Weise  dies  geschah. 
Garcaeus  theilt  nämlich  aus  einer  anscheinend  verlorenen 
Urkunde  mit,  die  Kurfürstin  habe  am  12.  September  1455 
zwei  Rathsherrn  der  beiden  Städte  Brandenburg  zu  sich 
nach  KöUn  beschieden,  ihres  Bruders  von  Sachsen  wegen. 
Es  geschah  dies  anscheinend  zu  einer  Zeit,  als  der  Kur- 
fürst nicht  in  der  IMittelraark  anwesend  war,  wenigstens 
steht  vom  19.  September  ab  seine  Anwesenheit  in  der 
Neumark  und  in  Preussen  fest'"). 

Aus  ihrer  Ehe  mit  Kurfürst  Friedrich  hatte  Katha- 
rina zwei  Söhne,  Johannes  und  Erasmus,  und  zwei  Töch- 
ter, Margaretha  und  Dorothea.     Von  den  beiden  ersteren 


**)  Die  von  v.  Raum  er  I,  237  aus  einem  Copiar  mitgetheilte 
Urkunde  ist  vom  24.  Juni  datiert;  das  bei  Riedel,  C.  Hf,  «S  abge- 
druckte Original  ist  vom  9.  Oktober  und  zeigt  textliche  Abweich- 
ungen von  jener,  die  wohl  als  Konzept  anzusehen  ist;  insbesondere 
fehlt  die  Angabe  des  Werthes  der  gesamten  lUaten. 

=*«)  V.  Räume  r  I,  236. 

")  Riedel,  C,  I.  252,  279,  313.  Garcaeus,  Success.  familiär, 
etc.  204. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  VI.  8.  4.  12 


178  G.  Sello: 

berichten  die  Chronisten  einstimmig,  dass  sie  jung  ge- 
storben seien ^^).  1452  wird  Johannes  als  einziger,  da- 
mals unmündiger  Sohn  genannt ^^).  Erasmus  wird  schon 
vor  ihm  gestorben  sein;  er  wurde  nämlich  in  der  von 
Kaiser  Karl  IV.  erbauten,  ihrer  Schätze  nicht  erst  durch 
die  Schweden,  sondern  schon  früher,  wahrscheinlich  durch 
Jobst  von  Mähren  beraubten  Schlosskapelle  zu  Tanger- 
münde bestattet.  Bis  zum  Vertrage  vom  26.  September 
1447,  durch  welchen  der  jüngste  Bruder  Friedrich's, 
Friedrich  der  Fette,  mit  der  Altmark  abgetheilt  wurde, 
residierte  der  Kurfürst  oft  in  Tangermünde ;  Götze's  Ver- 
muthung,  dass  Erasmus  in  dieser  Zeit  gestorben,  dürfte 
daher  wohl  zutreffen.  Zum  Andenken  an  den  früh  ver- 
storbenen Prinzen  mochte  der  s.  Erasmus-Altar  in  der 
Nicolaikirche  zu  Berlin  „gen  dem  Chore"  gestiftet  worden 
sein,  dessen  Einkünfte  der  Kurfürst  als  Patron  dem  von 
ihm  an  seiner  Schlosskapelle  am  20.  Januar  1469  ge- 
gründeten Kollegiatstift  verlieh,  zu  dessen  Nebenpatronen 
u.  a.  auch  der  heilige  Erasmus  gehören  sollte  ^"}.  Wann 
Johann  gestorben,  ist  bisher  nicht  zu  ermitteln  gewesen. 
Aus  einer  in  den  Februar  1468  zu  setzenden  Urkunde 
hat  man  folgern  zu  müssen  gemeint,  dass  er  damals  noch 
am  Leben  gewesen  sei,  doch  scheinen  andere  Urkmiden 
dagegen  zu  sprechen;  am  17.  Juni  1469,  an  welcliem 
Tage  der  Kurfürst  den  Sohn  Albrecht  Achill's  seinen 
Sohn  nennt  (wenn  anders  die  Urkunde  richtig  gelesen 
ist),  war  er  jedenfalls  verstorben;  es  ist  daher  eine  poe- 
tische Licenz  des  neuesten  fruchtbarsten  brandenburgischen 
„Geschichtsbilderers"  Schwebel,  wenn  er  den  Tod  zur 
Zeit  der  Belagerung  Ukermündes  (im  August  1469)  er- 
folgen lässt.  BrotufF  hat  diesen  Johann  mit  dem  gleich- 
namigen älteren  Bruder  Friedrich's  IL  verwechselt,  indem 
er  ihn  zum  Gemahl  Barbara's  von  Sachsen  macht*'). 


*')  Chronic,  pict.  Bothoiüs,  bei  Leibiiitz,  Script,  rer.  Brunsvic. 
KI,  400  und  Ladisl.  Suntheims  Familia  burggrav.  Nureiiberg.  bei  Rie- 
del, D.  26(5,  sind  wolil  die  ältesten  Zeugnisse.  Von  Wichtigkeit 
dürfte  auch  das  Zeugnis  des  Plassenburger  Archivars  Moninger 
(Ende  Saec  XVI.)  sein;  ct.  Möhsen,  Gesch.  d.  Wisseusch.  330, 
Anm.  q.     Küster,  Biblioth.  histor.  Biandenb.  333. 

")  Riedel,   G.  I,  307. 

*°)  „Der  Bär",  Berlinische  Blatt,  f.  vaterländ.  Gesch.  etc. 
IV,  178.  —  Entzelt,  Altraävk.  Chron.  (edit.  1736)  130.  —  Götze, 
Gesch.  d.  Burg  Tangermünde  53.  —  Berliner  Urk.-Buch  411,    443. 

*')  Riedel,  C.  I,  461,  508,  cf.  die  Urkunde  von  1469  Jan.  20, 
Berlin.  Urk.-Buch  443.   —  Schwebel,    Kulturhistor.  Bilder  aus   d. 


Katharina  (Herzogin  von  Sachsen  etc.)  und  ihr  Haus.      179 

Erasmus  hat  man  auch  für  einen  unehelichen  Sohn 
des  Kurfürsten  halten  wollen,  oder  man  hat  ihm  ausser 
einem  legitimen  Sohn  dieses  Namens  noch  einen  illegitimen 
gleichnamigen  beigelegt ^^).  Man  warf  nämlich  diesen 
Erasmus  mit  dem  Propst  Erasmus  von  Berhn  zusammen 
und  schloss  aus  dessen  Familiennamen  Brandenburg 
(Brandeburg,  Brandberg,  Brandburger,  Bramburger  — 
alle  diese  Varianten  kommen  vor,  am  häufigsten  hcisst 
er  indessen  Bramburg)  auf  eine  intimere  Beziehung  zum 
Fürstenhause.  Aber  abgesehen  davon,  dass  der  von  der 
Stadt  Brandenburg  abgeleitete  gleiclie  Familienname  in 
vielen  Varianten  häufig  sich  findet,  dass  1453  ein  Kauf- 
mann Erasmus  Braborch  (Bramborch)  in  Berlin  erscheint, 
dass  1475  in  Sandau  ein  Buschklepper  Branaburg  hauste 
(welchen  HefFter  freilich  auch  mit  dem  Berliner  Propst 
verwechselt),  ergiebt  sich  aus  dem  Schreiben,  in  welchem 
Kurfürst  Albrecht  Achilles  den  damaligen  Wurzener 
Domherrn  und  Scholastikus  Erasmus  Bramburg  auf  Ver- 
wendung der  Herzöge  Ernst  und  Albrecht  von  Sachsen 
und  des  Bischofs  von  Meissen  zum  Propst  von  Berlin 
empfiehlt,  zur  Evidenz,  dass  von  einem  Verwandtschafts- 
verhältnis nicht  die  Rede  sein  kann  (1475  August  15). 
Denn  wäre  durch  die  Beilegung  des  Namens  „Branden- 
burg" die  Vaterschaft  gewissermassen  anerkannt  worden, 
dann  wlire  auch  Kurfürst  Albrecht  über  die  Persönlich- 
keit besser  orientiert  gewesen,  als  dass  er  seinem  Sohne 
geschrieben  hätte:  „der  gedachte  Meister  Erasmus  scheint 
ein  redlicher  Mann  zu  sein,  als  welcher  er  auch  von 
unsern  Schwägern  und  dem  Bischof  von  Meissen  sehr 
gerühmt  wird^.  Eine  weitere  haltlose  Fabel  ist,  dass 
dieser  Erasmus  als  Abt  von  Lehnin  im  Jahre  1509  ge- 
storben sei^^). 

Die  Altersfolge  der  Töchter  ist  nicht  bekannt;  La- 
dislav  Suntheim  führt  Margaretha  an  erster  Stelle  auf, 
Riedel  ^*)  macht  die  Dorothea  zur  älteren.  Am  31.  Juli 
1452    wurde    der   Plan    einer   Erbverbrüderung    zwischen 


alten  Mark  Brandonb.  190  —  Brotuff,  Anhalt.  Geneal.  (1556), 
fol.  «Ob. 

*^)  Küster,  Icon.  March.  p.  79.  —  Riedel  in  Mark.  Forsch. 
VI,  20;^,  Anm.  2;  1.  c.  VIII,  29  ist  derselbe  anderer  Meinung  ge- 
worden. —  Bucliholtz,   üesch.  d.  Cluirniark  III,  152. 

*')  Fidicin,  Histor.  diplomat.  Beiträge  z.  (jescli.  Borlins  III,  108. 
—  Riedel,  Supplem.  100,  101.     C.  II,  170. 

")  Mark.  Forsch.  VIII,  29. 

12* 


180  G.  Sello: 

Brandenburg  und  Saclisen-Lauenburg  und  einer  Heirath 
der  noch    im   zartesten   Alter   stehenden  Margaretha  mit 
dem   Herzog  Johann   von   Sachsen-Lauenburg   entworfen. 
Da  aber  der  Kurfürst  sich    u.    a.    verpflichten   sollte^    der 
Linie  Sachsen-Lauenburg  das  Land  Sachsen- Wittenberg 
und  die  Kur  wieder  zu  verschaffen,  so  machte  er  jeden- 
falls von  den  ihm  vorbehaltenon  Recht  der  Ratifikations- 
verweigerung Gebrauch,  und  die  Heirath  zerschkxg    sich. 
Derselbe  Herzog  Johann  verlobte  sich    am   13.  Juli  1463 
mit    Margaretha's    Schwester   Dorothea,    nachdem    König 
Christian  von  Dänemark  und    Markgraf  Johann    der  Al- 
chymist  „vormals    zu  glücklicher  Zeit"   die   Eheberedung 
zu  Stande  gebracht  hatten.     Mit    der   Hochzeit    nmss    es 
aber  auch  hier  seine  ganz  besondere  Bewandtnis    gehabt 
haben.     Denn     die    fränkischen     Freunde     neckten     den 
Kurfürsten  am  6,  September  desselben  Jahres,  sie  hätten 
vergeblich  auf  eine  Einladung   „zu  der  Fröhlichkeit  und 
Heimfahrt    Fräulein    Dorothea's"    gewartet;    bei    der    sie 
„wollten  auch  gut  Gesellen  mit  gewesen  sein".     Der  Kur- 
fürst  wolle    es   wohl    mit    der  Hochzeit    halten    „als    der 
Radecker   mit    seinem  Hasen:    der    briet  ilm    unter    dem 
Sattel   und   ass    ihn    aus    dem    Stegreif".     In    der    ersten 
Hälfte   des    Februar   1464    fand   die   Heimführung   statt; 
die  Braut  wurde  von  ihrer  Mutter  „herliken   mit  grotem 
State  und  apparate"  nach  Schloss  Lauenburg  geleitet,  der 
Kurfüi'st  aber  und  seine  Brüder  blieben  daheim.    Herzog- 
Heim  ich  von  Mecklenburg  vertrat   die  Stelle   des  Braut- 
vaters;   seine  Gemahlin  (Schwester    des  Kurfürsten)    und 
viele  märkische    Adlige    waren    anwesend;    die   ebenfalls 
geladenen   Städte    Lübeck,    Ham.burg  und  Lüneburg   er- 
schienen nicht,    sandten    aber    kostbare  Geschenke.     Die 
Ehe  wurde  eine  glückliche,  mit  Kindern  reich  gesegnete  ^''). 
Für    Margaretha    machte    der    Kurfürst    später    die 
verschiedensten  Heirathspläne,    die  alle  zunichte   Avurden. 
Im   Mai    1466   schreibt    Markgraf  Albrecht  Achilles,  der 
Herzog    von   Stettin  (Erich)    sei   bei    ihm    gewesen,   habe 
aber  nicht  von  Friedrich's  Tochter  gesprochen,  und   des- 
wegen sei  auch  seinerseits  das  Thema  unerörtert  geblieben, 
man   habe  indessen    nach    dem  Wunsche    des  Kurfürsten 
ihm    die    grössten    Ehren    erwiesen.     Da    Herzog    Erich 


")  V.  Raumer  I,  222.  —  Riedel,  C.  I,  359.  —  Detmars 
Fortsetzer  bei  Grautoli  II,  273.  —  Krantz,  Saxonia,  XII,  4.  — 
Cernitius,  Decem  icoiies  24.  —  Riedel,  Suppleiu.  p.  121. 


Katharina  (Herzogin  von  Sachsen  etc.)  und  ihr  Haus.      181 

(lamcals  verheirathct  war,  wird  man  die  Ehe  mit  einem 
seiner  Söhne,  Wartislav  (der  1474  starb)  oder  Bo^islav 
(den  Marg-aretha  nachmals  wirklich  heirathete)  gewünscht 
haben.  Im  August  1467  wird  von  einer  Verlobung  mit 
einem  Sohne  Piiilipps  von  Burgund  gesprochen.  Im 
April  1469  wurde  König-  ]\rat]iias  von  Ungarn  erwartet, 
welcher  in  erster  Ehe  mit  König  Georg  Podiebrad's  von 
Böhmen  Tochter  vermäldt  und  seit  1464  AA'ittwer,  „in 
Pilgrim's  Weise"  durch  das  Land  ritt,  Avie  man  annahm 
auf  der  Brautschau,  um  „Fräulein  Margaretha  zu  sehen". 
Markgraf  Albreclit  rietli  seinem  Bruder,  dem  königlichen 
Freier  Margarethens  Hand  nicht  zu  versagen;  es  sei 
sicher,  dass  wenn  derselbe  „unser  Mühmchen  sieht,  die 
wohlgezogen,  höflich  und  säuberlich  ist,  wird  sie  ihm 
wolgefallen,  wenn  sie  dazu  nur  etlicherraassen  recht  ge- 
schmückt ist". 

Es  müssen  nun  die  Umstände  sich  so  gestaltet  haben, 
dass  Kurfürst  Friedrich_,  als  der  König  ihn  zu  seiner  im 
Juni  stattfindenden  Krönung  nach  Breslau  einlud,  be- 
stimmt hoffte,  seinen  Herzenswunsch  in  Erfüllung  gehen 
zu  sehen.  Er  schrieb  wenigstens  am  12.  Mai  seinem 
Bruder  Albrecht  mit  Bezug  auf  die  Breslauer  Reise,  es 
sei  ihm  „zu  der  Sache,  da  jetzt  mit  umgegangen  würde, 
ein  vergoldeter  Wagen  nothwendig,  wenn  Gott  gebe,  dass 
sich  die  Dinge  finden  wollten,  dass  der  dann  von  Stund 
an  fertig  und  vorhanden  wäre,  dass  es  sich  an  einem 
solchen  nicht  stiesse.  Da  er  in  so  kurzer  Zeit  in  der  Mark 
keinen  fertigen  lassen  könne,  möchte  ihm  Albrecht  einen 
der  vergoldeten  Wagen  seiner  Gemahlin  leihen,  den  er 
ihm,  wenn  das  Spiel  aus  sei,  unverzüglich  zurücksenden 
wolle".  Albrecht  antwortete  umgehend  bejahend,  mit  dem 
Hinzufügen,  er  habe  für  seine  Gemahlin  sofort  einen 
neuen  giUdenen  Wagen  bei  dem  IMaler  in  Nürnberg  be- 
stellt, da  er  wohl  wisse  „wie  es  um  das  Wiedergeben 
von  geliehenen  Wagen,  Pferden  und  Röcken  bestellt  sei". 
Am  31.  Mai  desselben  Jahres  begal)  sich  Friedrich  mit 
Albrecht's  Sohn  Johann  nach  Breslau,  Mathias  war  von 
grösster  Freundlichkeit,  besuchte  den  Kurfürsten,  wenn 
dieser  nicht  am  Hofe  war,  in  dessen  Herberge,  spielte 
und  turnierte  mit  ihm  und  bemühte  sich  eifrig  um  sein 
Bündnis.  Wegen  der  Heirath  äusserte  er  sich  auswcächend: 
er  wollte  keine  in  der  Welt  lieber  haben  als  Margaretha, 
wünsche  aber  sich  vor  zwei  Jahren  nicht  wieder  zu  ver- 
heirathen,   bis   dahin  möchte  man  sie  ihm  „halten".     Der 


182  G-  Sello: 

Kurfürst  erwiderte,  seine  Tochter  sei  zwar  schon  ver- 
sprochen (wohl  an  den  Herzog-  von  Braun  schweig,  von 
dem  weiterhin  die  Rede  sein  Avird,  oder  mit  Herzog  Sieg- 
mund von  Bayern-München,  dessen  nur  Ladishiv  Suntheim 
Erwähnung  thut),  es  sei  aber  noch  nicht  so  weit  gediehen, 
dass  er  sie  nicht  lieher  einem  Könio-e  als  einem  Herzoo-e 
gebe !  „Also  blieb  es  mit  den  Teidingen  bestehen".  Die 
fröhliclien  Tage  in  Breslau,  in  denen,  wie  der  Kurfürst 
schreibt,  „auf  Brandenburgisch  wohl  gelebt  wurde",  waren 
der  letzte  Lichtblick  in  dem  von  schwerer  Melancholie 
umdüsterten  Lebensabend  Friedrich's;  seine  Tochter  Mar- 
garetha  sah  er  aber  nicht  unter  der  Krone  gehen,  denn 
König  Mathias  wollte  höher  hinaus.  Er  hielt  um  die 
Hand  einer  Tochter  Kaiser  Friedrich's  III.  an,  wurde 
abgewiesen  und  heii'athete  dann  erst  1476  eine  neapoli- 
tanische Prinzessin^**). 

Heffter  verzeichnet  im  Namensregister  zum  Riedel'- 
schen  Codex  diplomaticus  Brandenburgensis  ausser  diesen 
beiden  noch  eine  dritte  Tochter  Hedwio-  welche  an 
Herzog  Heinrich  von  Liegnitz  verheirathet  gewesen  sein 
soll.  Am  4.  Mai  schreibt  nämlich  eine  Herzogin  von 
Schlesien,  Frau  zu  Liegnitz,  Avelche  einen  erwachsenen 
Sohn,  Herrn  zu  Ohlau  und  Nimptsch,  hat,  an  ihren 
Vater,  den  Kurfürsten  Friedrich  von  Brandenburg^'). 
Es  tritt  sofort  zu  Tage,  dass  Friedrich  II.,  der  1441  ge- 
heirathet  hatte,  1458  keinen  erwachsenen  Enkel  haben 
konnte,  und  in  dem  Liegnitzer  Herzogshause  findet  sich 
in  dieser  Zeit  nur  eine  Hedwig  (geb.  1425,  gest.  1471^, 
vermählt  mit  Johann  I.  von  Liegnitz  (gest.  1453),  ]\rutter 
Friedrich's  I.  von  Liegnitz.  Sie  war  eine  Tochter  Lud- 
wig's  II.  von  Liegnitz  (gest,  1436)  aus  seiner  Ehe  mit 
Kurfürst  Friedrich's  I.  von  Brandenburg  Tochter  Elisa- 
beth, also  Kurfürst  Friedrich's  IL  Schwestertochter.  Ent- 
weder ist  also  in  dem  Brief  Vetter  statt  Vater  zu 
lesen,  oder  diese  letztere  Bezeichnung  ist  ein  Ausdruck 
des  Respekts  der  Sclireiberin  gegen  ihren  Oheim. 

Noch  eine  vierte  Tochter,  Theodora,  vermählt  mit 
Herzog  Heinrich  von  Mecklenburg,  verdanlvt  nur  einem 
Lese-  oder  Schreibfehler  in  Haftitz'  Mikrochronikon  ihre 


»«)  Riedel,  C.  II,  35.  I,  441.  B.  Y,  132.  Supplem.  92,  93. 
C.  T,  r)03,  507.     D.  266. 

*')  Riedel,  C.  I,  326;  die  übrigen  von  Hefifter  hierher  ge- 
zogenen Stellen  handeln  von  Prinzess  Margaretha. 


Katharina  (Herzogin  von  Sachsen  etc.)  und  ihr  Haus.      183 

Existenz.     Gemeint   ist  Friedrich's  I.    Tochter   Dorothea, 
wie  die  Vergleichung  mit  Augehis  ergiebt^®). 

Riedel  ist  der  Ansicht,  dem  Kurfürsten  Friedrich 
sei  seine  erste  früh  gestorbene  Verlobte,  Hedwig  von  Polen, 
unvergesslich  geblieben,  und  seine  Liebe  zu  ihr  habe  sich 
allmählich  in  den  Glauben  an  einen  liebenden  Schutzgeist 
verklärt,  der  über  ihm  wache  u.  s.  w.;  er  folgert  dies 
aus  der  Anrede  des  Kurfürsten  an  den  „heiligen  Engel, 
der  du  mir  von  Gott  gegeben  bist  u.  s.  w."  am  Schlüsse 
seines  schriftlichen  Glaubensbekentnisses  vom  Jahre  1453, 
welcher  „heilige  Engel  schwerlich  anders  zu  deuten  ist 
als  auf  die  engelsreine  Seele,  welche  sich  in  seinen  Armen 
der  sterblichen  Hülle  entwunden  hatte"  ^^).  Er  sclireibt 
damit  dem  Kurfürsten  modern-sentimentale  Empfindungen 
zu,  die  einem  Kinde  des  15.  Jahrhunderts  fremd  waren; 
der  Kurfürst  stand  vielmehr  lediglich  auf  dem  Boden 
seines  Glaubens,  der  überhaupt  jedem  Menschen  seinen 
besonderen  Schutzengel  zuordnete.  Des  weiteren  folgert 
er  daraus,  dass  Friedrich  mit  seiner  klösterliche  Frömmig- 
keit gewohnten  Gemaldin  wohl  am  meisten  in  seiner  fast 
schwärmerischen  Religiosität  sympathisiert  haben  möge, 
im  übrigen  aber  in  seinen  eheliclien  und  häuslichen  Ver- 
hältnissen nichts  gefunden  habe,  was  geeignet  gewesen 
wäre,  die  alten  Wunden  seines  Herzens  völlig  auszuheilen. 
Es  ist  richtig,  dass  von  einem  so  herzlichen,  innig-liebe- 
vollen Verkehr,  wie  der  durch  zahlreiche  Briefe  belegte 
zwischen  seinem  Bruder  Albrecht  und  dessen  zweiter 
Gemahlin  Anna  war,  zwischen  ihm  und  Katharina  sich 
keine  Spuren  erlialten  haben.  Andererseits  fehlt  aber 
absolut  jede  Andeutung  vom  Gegentheil,  und  es  hätte 
daher  ein  Mann  wie  Riedel,  dessen  Stimme  ein  so  grosses 
Gewicht  unter  den  Historikern  der  Mark  Brandenburg 
und  der  HohenzoUernschen  Familien>»;eschichte  hat,  billiger- 
weise  vorsichtiger  in  seinen  Vermuthungen  sein  dürfen. 
Darin,  dass  die  Kurfürstin,  als  ihr  Gemahl  am  2.  April 
1470  zu  Gunsten  seines  Bruders  Albrecht  abdankte  und 
schwer  leidend  nach  Franken  zog,  in  Berlin  blieb,  mit 
Riedel  eine  Hindeutung  auf  „den  IMangel  eines  nahen 
innigen  Verhältnisses  der  Kiirfürstin  zu  ihrem  Gemahl 
oder  zu    dessen  Familie",    „auf   ein    für    den  Kurfürsten 


**)  Riedel, D.  72.  — Justus,  Geneal.  Signat.  N.I.  — Angelus, 
Märkische  Annalen  240. 

*»)  Märkische  Forschungen  VI,  204. 


184  G.  Sello: 

nicht  besonders  beglückendes  Elicverliältnis"  zu  finden,  ist 
durchaus  ungerechtfertigt.  Lediglich  ihr  eigener  Körper- 
zustand, der  ihr  sowohl  die  Reise  wie  die  Pflege  des 
kranken  Gemahls  unmöglich  gemacht  haben  dürfte,  war 
die  Veranlassung;  seit  Jahren  war  sie  so  krank,  „dass 
sie  ihres  Leibes  in  keinerlei  Weise  mächtig  war  zu  be- 
wegen". Bei  dem  Tode  ihres  Gemahls  war  sie  nicht  zu- 
gegen. Kurfürst  Albrecht  zeigte  ihr  („der  alten  Frauen") 
und  ihrer  Tochter  Margaretha  daher  durch  den  mit  be- 
sonderem Kreditiv  an  sie  gesandten  Meister  Hertmann 
an,  dass  derselbe  „von  dieser  Welt  mit  VerAvahrung  der 
heiligen  Sakramente  als  ein  christlicher  Fürst  und  fast 
bei  Besinnung  am  Sonntag  zu  Nacht  nach  Apollonientag 
(1471  Februar  10)  zu  Neustadt  an  der  Eich  verschieden 
und  zu  Hellsbronn  bestattet  sei".  Sie  sollten  getrost  sein, 
dass  er  sie  sich  getreulich  befohlen  sein  lassen  wolle,  die 
alte  wie  seine  Schwester,  die  junge  wie  seine  Tochter. 
Ein  Testament  habe  Friedrich  nicht  hinterlassen,  was  er 
aber  dem  Beichtiger  als  seinen  letzten  Willen  zu  ver- 
stehen gegeben,  sei  aufgeschrieben  und  solle  ausgeführt 
werden.  Die  verwittwcte  Fürstin  werde  ihr  Silbergeschirr 
sobald  wie  möglich  durch  einen  eigenen  Boten  zuge- 
schickt erhalten. 

Wegen  ihres  leidenden  Zustandes  bot  Katharina 
demnächst  dem  Kurfürsten,  ihrem  Schwager,  die  Abtret- 
ung ilirer  Leibgedingsschlösser  an,  dieser  acceptierte  das 
Anerbieten  und  schrieb  seinem  Sohne:  „es  wäre  nicht 
billig,  dass  man  sie  zu  Zeiten  mit  einer  kleinen  Zehrimg 
liesse,  und  nit  liebet,  dass  sie  bei  uns  bleibe^")".  Der 
Vertrag  kam  am  11.  November  1471  zu  Stande.  Die 
Verzichtleistungsurkunde  der  Kurfürstin  von  diesem  Tage 
ist  gedruckt  bei  Riedel  (C.  II,  55)  nach  einem  Konzept 
im  königlichen  Hausarchiv  zu  Bei'lin,  in  welchem  die 
ursprünglich  aufgenommene  Aussetzung  einer  Jahresrentc 
gestrichen  ist;  die  Gegenerklärung  des  Kurfürsten  von 
demselben  Datum,  welche  wörtlich  desselben  Inhalts  ist, 
aber  die  Rente  enthält,  nach  einem  nicht  näher  bezeich- 
neten Kopialbuch  des  kurmärkischen  Lehnsarchivs  bei 
von  Raumer  (II,  4)  und  bei  Burckhardt,  „Das  fünft  Mer- 
kisch buch"  (p.  271)  nach  einer  als  Umschlag  für  dieses 
Buch  dienenden  Pergamenturkunde,  welche  Korrekturen 
von  Markgraf  Albrecht's  Hand  zeigt,  also  nicht  vollzogen 

*»)  Zeitschr.  f.  Preuss.  Gesch.  u.  Landesk.  1882,  p.  21,  26. 


Katharina  (Ileizogin  von  Saclisen  etc.)  und  ihr  Hans.      185 

worden  sein  kann;  die  Art  dieser  Korrekturen  ist  aus 
dem  Abdruck  niclit  klar  ersichtlich;  sie  bezogen  sich 
offenbar  auf  die  Höhe  der  Berliner  Urbede  (114  Schock 
statt  150)  imd  Hinzufügung'  oder  Streichung  des  Oder- 
berger  Zolles.  Von  Notifikatorien  an  die  in  Betracht 
kommenden  Städte  ist  vorhanden  das  an  Treuenbrietzen 
im  Orioinal,  dem  die  Namen  der  übrigen  Städte  mit  der 
Summe  ihrer  Urbede  beigefügt  sind,  und  das  an  Berlin- 
Kölln  in  alter  Abschrift*').  In  der  Überschrift,  welche 
der  Herausgeber  des  Berliner  Urkundenbuchs  dieser  Ur- 
kunde gegeben  hat,  heisst  es,  dieselbe  sei  «ohne  Datum 
1471";  das  Datum  ist  aber  vollständig  vorhanden:  ^am 
Tage  Martini  episeopi  anno  domini  etc.  LXX  primo". 
Ausserdem  enthält  die  vorhergehende  Nummer  (244)  des 
gedachten  Urkundenbuchs  ein  Redest  ijanz  derselben 
Urkunde,  entnommen  aus  Fidicin's  historisch- diplomatischen 
Beiträgen  (IV,  286),  in  welchem  aus  der  verwittweten 
Kurfürstiu  von  Brandenburg  „die  Schwester  des  Kur- 
fürsten (nändich  Albrecht  AchiU's),  die  verwittwete  Her- 
zogin von  Sachsen"  geworden  ist;  ferner  steht  ein  Regest 
der  Haupturkunde  des  Kurfürsten,  nacli  von  Raumer  I,  5 
(statt:  II;  4)  ohne  Datum,  unter  Urkunden  von  1476 
(p.  448  no.  258).  Der  Kurfürst  wies  die  seiner  Scliwä- 
gerin  überwiesenen  Städte  an,  ihr  darüber  Brief  und 
Siegel  zu  geben;  eine  bezügliche  Urkunde  der  Stadt 
Nauen  ist  vom  23.  Februar  1472  *^). 

Infolge  des  Vertrages  erhielt  die  Kurfürstin  statt 
ihres  Leibgedinges  eine  aus  der  Urbede  der  Städte  Berlin, 
Kölln,  Bernau,  Treuenbrietzen,  Mittenwalde,  Nauen,  Treb- 
bin  und  Stendal  und  dem  Zolle  zu  Oderberg  zu  bestrei- 
tende Rente  von  510  Fl,  freie  Wohnung  im  Schlosse 
zu  Kölln  und  völlig  freie  Station  tür  sich  und  ihren  auf 
12  Personen  festgesetzten  Hofstaat  zugesichei  t.  Die  im 
Detail  ausgeführten  Bestimmungen  dieser  Urkunde  sind 
für  die  Kenntnis  der  Sitten  des  ausgehenden  15.  Jahr- 
hunderts von  grossem  Interesse. 

Die  Fürstin  beanspruchte  und  erhielt  demnach  für 
sich  ein  „Fürstenessen"  wie  die  regierende  Kurfürstin, 
für  ihren  Hofstaat,  bestehend  aus  Hofmeister,  Ilofmcisterin, 
Jungfrauen,  jMaiden,  Knechten  und  Dienern,  Verpflegimg 


*')  Riedel,  C.  II,  5«.  —  Berliner  Urk.-L5.  p.  445  no.  245. 
")  Riedel,  C.  III,   98. 


186  G.  Sello: 

gleich  dem  Hofstaat  der  Kurfürstin;  einen  eigenen  Keller 
für  ihr  Getränk,  zu  welchem  nur  ihr  Kellner  den  Schlüssel 
haben  soll;  Lieferung  von  Wittenberger,  Zerbster  und 
in  der  Mark  gebrautem  Bier  nach  Bedarf;  als  „köstlich 
Getränk  und  zu  ihren  Ehren"  jährlich  ein  Legel  Mal- 
vasier,  ein  Legel  Rheinfall,  ein  Legel  Welschwein,  und 
ausserdem  bei  der  Residenz  des  Hofes  in  Kölln  dasselbe 
Getränk,  wie  es  der  „Herschaft"  vorgesetzt  werde.  Ferner: 
Tischtücher,  Handtücher,  Stablichte  (eigentlich  Fackeln 
oder  Windlichter,  hier  wohl  besser  Tafelkerzen),  gewöhn- 
liche Talglichte,  Talg  zum  „Nachtstein"  (Nachtlampe), 
Brennholz  für  die  Dornit^  (Wohnzimmer  mit  Kachelofen, 
vielleicht  die  „grüne  gewölbte  Dornitz  bei  der  Kapelle 
oberhalb  der  Silberkammer",  welche  Kurfürst  Friedrich 
im  April  1465  bewohnte)*^),  freie  Wäsche,  Badegeld  für 
sich  und  ihren  Hofstaat  einmal  in  der  Woche,  und  zwei 
Wagenpferde  mit  einem  Knechte,  wenn  sie  in's  Bad 
fahre;  alle  vier  Wochen  für  sich  und  ihr  Personal  je  ein 
Paar  Schuhe,  Ausstattung  ihrer  Jungfrauen  im  Falle  ihrer 
Verheirathung  mit  einer  „Hofgabe"  von  100  Gulden. 
Schliesslich  behielt  sie  sich  noch  den  Patronat  über  die 
Propstei  zu  Bernau  vor. 

Als  der  Kurfürst  im  März  1473  mit  seiner  Gemahlin 
die  Mark  vcrliess,  ordnete  er  u.  a.  an,  dass,  wenn  sein 
Sohn  Markgraf  Johann,  der  in  der  Mark  als  Statthalter 
verblieb,  heirathe  und  mit  seiner  Gemahlin  das  Schloss 
zu  Kölln  beziehe,  sein  Hofstaat  nur  aus  100  Personen 
bestehen  solle,  „dieweil  die  alt  Frau  (die  Kurfürstin  Ka- 
tharina) lebt".  Bei  dieser  Gelegenheit  wird  auch  das 
Dienstpersonal  der  verwittweten  Kurfürstin  mit  Namen 
aufgezählt:  der  Hofmeister  Hans  Spiegel,  zugleich  Hof- 
meister der  Prinzess  Älargaretha,  welcher  auch  die  Thor- 
schlüssel zum  Schlosse  in  Verwahrung  hatte  und  über  die 
Schlosswächter  gesetzt  war;  der  Kammerknecht  Peter; 
der  Koch  Meister  Simon  mit  einem  Knecht;  der  Schenk 
Erhart;  der  Schneider  Peter  mit  einem  Knecht,  die  Fräu- 
lein Ursula  Hake  und  Katharina  Wilmersdorf;  die  Kammer- 
frau Anna  Hesin;  die  Tischdiener  (Pagen)  Roder  und  der 
Junge  von  Loben;  der  Kaplan  Johann  Pfuhl;  die  Diener 
Liborius  Wilmersdorf,  Rennefart,  Caspar,  und  ein  Ofen- 
heizer. Die  mit  ihrer  Mutter  im  Schlosse  lebende  Prinzess 
Margaretha  hatte  eine  Hofmeisterin,    12  Jungfrauen  und 


»)  Riedel,  C.  I,  374. 


Katharina  (Herzogin  von  Saclisen  etc.)  und  ihr  Haus.      187 

Mägde  (darunter  ihre  frühere  Amme  Margarethe),  2  Pagen, 
2  Diener  und  einen  Zwerg  namens  Dietrich^*). 

Diese  Margaretha,  von  deren  zahh'eichen  vereitelten 
Heirathsprojekten  die  Rede  war,  bereitete  dem  Kurfürsten 
und  ihrer  Mutter  viel  Sorge  und  Verdriesslichkeiten,  Im 
Jahre  1473  war  dieselbe  mit  Herzog  Heinrich  von  Braun- 
schweig verlobt.  Es  scheint  fast,  als  sei  sie  von  etwas 
emanzipierten  Sitten  gewesen;  denn  zu  den  mancherlei 
Anordnvmgen  des  Kurfürsten  vor  seinem  Weggange  aus 
der  Mark  gehört  auch,  dass  ihrem  Hofmeister  eingeschärft 
wurde,  sie  überall  hinzubegleiten  und  zu  keiner  Zeit 
allein  zu  lassen,  ihr  auch  keine  besondere  Wallfahrt  oder 
Kirchfahrt  zu  gestatten;  sie  solle  damit  liuhe  geben,  „bis 
sie  zu  ihrem  Gemahl  kommt;  mag  sie  danach  Wallfahrt 
und  Kirchfahrt  treiben  nach  ihrem  Gefallen*^)". 

Aber  auch  diese  Heirath  kam  nicht  zu  Stande,  weil 
die  Mitgift  von  10000  Fl.  nicht  zu  beschaffen  war.  Kur- 
fürst Albrecht  hatte  seinem  Bruder  die  Ausstattung  Mar- 
garetha's  zugesagt"''^),  verlangte  aber  die  Erstattung  der 
Summe  von  den  Ständen.  Markgraf  Johann,  für  dessen 
knappausgestatteten  Haushalt  die  Unterhaltung  seiner 
Tante  und  Cousine  eine  schwere  Last  war  —  er  ent- 
schuldigt seinem  Vater  oesjenüber  einmal  sein  Defizit: 
„angesehen  dass  wir  eine  schwere  Bürde  haben  mit  den 
Frauenzimmern,  die  keinen  Abbruch  leiden  wollen^')"  — 
gab  sich  alle  Mühe,  die  Stände  zu  bewegen;  auf  ver- 
schiedenen Landtagen  betonte  er  die  Pflicht  des  Landes 
zur  Ausstattung,  das  Alter  der  Prinzessin  und  die  Mittel- 
losigkeit ihrer  Mutter,  der  „alten  Frau";  aber  alles  umsonst, 
denn  es  wurde  als  Gegenforderung  die  Aufhebung  eines 
vom  Kurfürsten  auferlegten,  zur  Deckung  der  von  Fried- 
rich H.  eingegangenen  Staatsscluilden  bestimmten  Zolles 
verlangt.  Beide  Theile  blieben  fest;  der  Papst  ertheilte 
den  erforderliclien  Dispens  (1473  Juli  21),  der  treue  und 
kluge  Kanzler,  Bischof  Friedrich  von  Lebus,  rieth  selbst 
dem  Kurfürsten  zur  Nachgiebigkeit,  da  die  Prinzessin  auf 
diese  Weise  unvcrmählt  bleiben  Averde  „und  sollte  man 
sie  lauge"  unterhalten,  so  wird  sie  in  kurzen  Zeiten  wohl 
so  viel  kosten,  wie  ihr  jetzt  mitgegeben  würde";  die  ver- 
bitterte Margaretha  beschwerte  sich  selbst  bei  ihrem  Oheim 
imd  wandte  sich    um  Verraittelung    bittend   an    den  Erz- 


**)  Riedel,  C.  H,  92,  9.^,  126  fljr.      »»)  Riedel,  C.  H,  92. 
*«)  Riedel,  C.  I,  519.    *»)  1473  Juli  12.     Riedel,  B.  V.  224. 


188  G.  Sello: 

bischof  von  Magdeburg,  doch  vergebens.  Wir  besitzen  aus 
dieser  Zeit  und  in  dieser  Angelegenheit  v^-l^S,  August  9) 
einen  Brief  der  vervvittweten  Kurfürstin  an  ihren  Schwager, 
welcher  ein  trauriges  Bild  von  der  trüben  Stimmung,  dem 
Herzenskummer  und  der  Vereinsaiuung  der  hohen  Frau 
gewährt.  Sie  klagt,  dass  sich  die  Angelegenheit  ihrer 
Tochter  so  in  die  Länge  ziehe,  „das  geht  uns  nahe  zu 
Herzen,  und  wir  bekümmern  uns  heftig  darum,  und  da 
wir  hier  elend  sind,  und  bei  niemand,  denn  allein  bei 
E.  L.  Zuflucht,  Hilfe  und  Rath  wissen  zu  suchen,  bitten 
wir  E.  L.  auf  das  beste,  Ihr  wollet  unser  Elend  und  Be- 
trübnis ansehen  imd  pAich  unsere  Tochter  befohlen  lassen 
sein,  sie  im  Besten  zu  bedenken,  dass  sie  versorgt  werde. 
Das  wollen  wir  um  E.  L.  gegen  Gott  verbitten"  ^^). 

Katharina  starb  am  23.  August  1476,  erst  55  Jahre 
alt;  sie  erlebte  es  also  nicht  mehr,  ihr  Schmerzenskind 
Margaretha  mit  Herzog  Bogislav  von  Pommern  vermählt 
zu  sehen  ^^);  es  blieb  ihr  aber  auch  der  Schmerz  erspart, 
den  traurigen  Verlauf  dieser  Ehe  zu  erleben,  die  schliesslich 
dahin  führte,  dass  gegen  Margaretha  der  schwerste  Vor- 
wurf, der  eine  Frau  treffen  kann,  nicht  bloss  erhoben, 
sondern  auch  durch  beschworene  Zeuo-nisse  imterstützt 
wurde.  Dass  freilich  diese  Anklage  in  ihrer  ganzen 
Schwere  habe  aufrecht  erhalten  werden  können,  ist  billig 
zu  bezweifeln,  da  Pommern  schliesslich  die  von  ihm  ver- 
weigerte Rückgabe  der  Mitgift  der  kinderlos  verstorbenen 
Margaretha  im  Jahre  1529  —  so  lange  hatte  der  schmäh- 
liche Prozess  gedauert  —   zu  leisten  genöthigt  wurde  *^'). 


Von  ihrer  Familie,  sicherlich  im  Einklang   mit  ihren 
eigenen  Neigungen,  für  das  Kloster  bestimmt,    dann  aus- 


*«)  Riedel,  B.  V,  215,  218,  234.  Suppleni.  96.  B.  V,  228, 
207,  231.     C.  Iir,   100. 

"}  Die  Werbung  ist  vom  28.  Febr.  1477  datiert,  Riedel, 
B.  V,  2fi0;  die  Heirath  erfolgte  in  demselben  Jahre  zu  Prenzlau, 
Riedel,  Supplem.  130,  der  undatierte  Morgengabe-Brief  steht  ].  o.  120. 
Anlässlich  der  Verlobung  wird  erzählt,  der  Kurfürst  habe  dem  Herzog 
die  Hand  gereicht  mit  den  Worten:  ,, Lieber  Oheim,  hiermit  verlehne 
ich  euch  Land  und  Leute",  Avorauf  dieser  mit  den  Werten:  „nee, 
Markgrof,  dat  is  so  nich  gemeent;  dar  schulden  ehr  dree  söwen 
düwel  dorch  foahren"  davongeritten  und  nur  mit  Mühe  zur  Umkehr 
bewogen  worden  sei. 

*•)  V.  Raum  er  II,  261,  307.  Leu  tinger,  Topogr.  prior, 
p.  .39,  posterior,  p.  83. 


Katharina  (Herzogin  von  Sachsen  etc.)   und  ihr  Haus.      189 

erseheri;  den  durch  das  Rechten  um  die  Habe  zweier 
Frauen  ihres  Hauses  angefachten  Hader  zwischen  den 
Häusern  Brandenburg  und  Sachsen  beizulegen_,  ein  Werk- 
zeug berechnender  Hauspolitik,  von  ihrem  Verlobten  mit 
dem  Sehwert  in  dtr  Hand  ihren  trotzigen  Brüdern  ab- 
gerungen, wurde  Katharina,  statt  Frieden  zu  stiften,  nur 
die  schuldlose  Ursache  neuer  Verwickelungen.  Früh 
des  Stolzes  der  Mutter,  ihrer  Söhne,  beraubt,  in  vielen 
Hoffnungen  getäuscht,  durch  schweres  Siechthum  geprüft 
und  vom  fernen  Sterbelager  ihres  Gatten  zurückgeiialten, 
in  drückender  Abhängigkeit  am  Hofe  des  neuen  Kurfürsten 
lebend  mit  dem  schmerzlichen  Bewustsein,  durch  ihre 
Tochter  Veranlassung  des  Zwiespalts  zwischen  dem  Kur- 
fürsten und  seinem  Lande  geworden  zu  sein  —  dies  Facit 
ihres  Lebens  lässt  dasselbe  als  ein  freudloses,  in  seinen 
höchsten  Zielen  verfehltes  erscheinen  und  verleiht  ihr  in 
der  Geschichte  den  Ans])ruch  auf  den  Titel  der  „Dulderin". 


V. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mühlberg. 


Von 

Hermann  Knothe. 


Die  Geschichte  der  Berka  von  der  Duba  auf  Mühl- 
berg ist  allerdings  bereits  bearbeitet  worden^);  allein  eine 
nochmalige  Prüfung  der  betreffenden  Urkunden,  besonders 
der  im  königlich  sächsischen  Hauptstaatsarchiv  befindlichen^ 
bot  so  manches  neue  Material  und  so  manchen  neuen 
Gesichtspunkt,  dass  eine  abermalige  und  zwar  wesentlich 
genealogische  Behandlung  dieses  aus  seiner  böhmischen 
Heiniath  nach  dem  Meissnischen  verpflanzten  Zweiges 
jenes  altberlünnten  czechischen  Herrengeschlechts  nicht 
überflüssig  sein  dürfte. 

Die  Berka  oder,  wie  sie  seit  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts   meist   genannt   werden,    die    Birken    von    der 

')  Hasche,  Magazin  der  sächsischen  Geschichte  IV  und  V 
(1787 — 1788):  „Diplomatische  Nachrichten  von  den  Freyherren  Birk 
von  der  Duha,  so  die  Herrschaft  INIühlberg  besessen".  Der  Ver- 
fasser dieser  für  jene  Zeit  sehr  gewissenhaften  Aufzeichnungen,  der 
sich  (V,  146)  mit  den  Buchstaben  J.  G.  B.  unterschreibt,  war  der 
Mühlberger  Stadtschreiber  Joh.  Gottfr.  Bottich.  Er  fügt  seinen 
in  einzelne  Paragraplien  abgetheilten  „Nachrichten"  einige  und 
dreissig  meist  Mühlberger  Archiven  entnommene  Urkunden  voll- 
ständig bei.  —  Carl  Rob.  Bertram,  Chronik  der  Stadt  und  des 
Klosters  Mühlberg  (Torgau  1865).  Der  Verfasser  dieser  sehr  tüch- 
tigen Lokalgeschichte  hat  auch  das  Dresdner  Hauptstaatsarchiv  theil- 
weis  bereits  benutzt,  behandelt  aber  der  Anlage  des  ganzen  Buchs 
zufolge  die  Burka,  diese  eine  unter  den  verschiedenen  Dynasten- 
familien, welche  einst  Mühlberg  besessen  haben,  nur  in  gedräng- 
tester Kürze.  Auch  er  druckt  in  einem  besonderen  Anhange  38  Ur- 
kunden, darunter  mehrere  über  die  Berka,  ab. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mühlberg.  191 

Duba  auf  Holinstein  hatten  sich  ebenso  wie  deren 
Vettern  auf  Wildenstein  und  Tollenstein  im  nördlichen 
Böhmen  von  jeher  und  namentlich  wäln'end  der  lang- 
jährigen Hussitenkriege  für  die  meissnischen  Fürsten  als 
Jiöchst  unzuverlässige  Grenznachbarn  erwiesen'^).  Die 
feste,  ja  fast  uneinnehmbare  Burg  Hohnstein  war,  sobald 
sie  sich  einmal  in  den  Händen  offener  Feinde  befand, 
eine  stete,  drohende  Gefahr  für  das  markgräflich  meiss- 
nische  Pirna,  ja  selbst  für  Dresden,  in  noch  höherem 
Grade  aber  für  die  nahgelegene  bischöflich  meissnische 
Residenz  Stolpen.  Endlich  gelang  es  den  gemeinsamen 
Bemüliungen  des  Kurfürsten  Friedrich  des  Sanftmüthigen 
und  des  Bischofs  Johann  IV.  von  Meissen,  den  dama- 
ligen Besitzer  von  Hohnstein,  Hinko  III.  Berka,  dahin 
zu  bestimmen,  dass  er  diesen  seinen  angestammten  Fa- 
milienbesitz an  den  Kurfürsten  abtrat  und  dafür  von 
diesem  die  Herrschaft  Mühlberg  an  der  Elbe  übernahm. 
Am  26,  Februar  1443  Avaren  zu  Torgau  zwischen 
den  kurfürstlichen  Käthen,  dem  bischöflichen  Offizial  zu 
Stolpen,  Dr.  Johann  Swofi'heim,  und  dem  Berka'schen 
Hauptmann  zu  Hoimstein,  Janko  Knobloch,  die  Einzel- 
bestimmungen dieses  Tausch  Vertrages  vereinbart  wor- 
den. Den  8.  März  erklärte  sich  Hinko  IH.  mit  all  den- 
selben einverstanden,  und  am  14.  März  stellten  beide 
Parteien,  der  Kurfürst  Friedrich  und  dessen  Bruder  Herzog 
Wilhelm  in  Meissen,  Hinko  Berka  in  Hohnstein  die  be- 
trcflenden  Abtretungsurkunden  aus  '^).  Hinko  erhielt  ausser 
der  Herrschaft  Mühlberg  noch  570  Schock  Groschen  baar, 
weil  dieselbe  „seinem  Schlosse  Hohnstein  und  dessen  Zu- 
ofeliörungen  nicht  gleich  kommen  mochte".  In  einer  be- 
sonderen  Urkunde  von  demselben  Tage  )  sagten  die  fürst- 
lichen Brüder  Hinko  Berka  auch  aller  Geldschulden  los, 
erklärten  „alle  Brüche  und  Schelungen,  die  sich  zwischen 
ihnen  und  Hinko  und  all'  den  Seinigen  in  Fehden  oder 
sonst  verlaufen,  für  gänzlich  gesühnt  und  beigelegt",  gaben 
ihm  die  betreß'enden  Schuldverschreibungen  zurück  und 
enthoben  seine  Bürgen  der  für  ihn  eingegangenen  Ver- 
pflichtungen.    Sollte  er   sein    neues    Besitzthum  Mühlberg 


*)  Vergl.  Knothe,  Die  Berka  von  der  Duba  auf  Ilolnisteiu, 
WiUleiisteiii,  Tolleiistoin  und  ihre  15e/iehuugeu  zu  den  meissnischen 
Fürsten,  in  dieser  Zeitschrift  11,  lU.'J  11g. 

*)  Ilauptst.-Arch.  Orig.  G745,  0748  (abgedruckt  bei  Bertram 
127),  6750. 

*)  Orig.   9749. 


192  Hermann  Knothe: 

im  Laufe  der  Zeit  etwa  wieder  verkaufen  oder  versetzen 
wollen,  so  stehe  ihm  dies  frei;  nur  „Fürsten,  Grafen, 
freie  iind  geborene  Herren"  sollten  als  Käufer  ausgeschlos- 
sen sein;  wenigstens  wollten  sich  die  fürstlichen  Brüder 
ihre  Entschliessung  vorbehalten,  ob  sie  solchen  Käufern 
oder  Pfandinhabern  die  Lehn  darüber  reichen  würden. 

Bei  diesem  Gütertausche  waren  aber  auch  noch  die 
eijjenthümlichen  Rechtsverhältnisse  zu  berücksichtigen  <i"e- 
weseu;  in  welchen  nicht  nur  das  böhmische  Hohnstein^ 
sondern  auch  das  meissnische  Mühlberg  zur  Krone 
Böhmen  standen.  Zwar  erklärte  Hinko  III.  in  seiner 
Abtretungsurkunde,  dass  die  neuen  Besitzer  von  Hohustein 
damit,  als  einem  „freien,  lauteren,  ledigen,  unbekümmerten 
Eigen,  wie  Eigens-Landrecht  ist",  schalten  könnten;  allein 
als  1353  Hinko  I.  Berka,  sein  Grossvater,  diese  Herrschaft 
von  Kaiser  Karl  IV.  erhielt,  und  als  sie  später  (1361) 
durch  Erbschaft  an  Hinko  IL,  des  jetzigen  Verkäufers 
Vater,  überging,  war  von  dem  Kaiser  ausdrücklich  hervor- 
gehoben worden,  dass  dieselbe  alle  Zeit  Lehn  der  Krone 
Böhmen  bleiben  solle  ^),  und  auch  später  war,  soviel  uns 
wenigstens  bekannt,  diese  Lehnsqualität  niemals  aufge- 
hoben, Holmstein  niemals  in  freies  (landtäfliches)  Eigen 
verwandelt  worden.  Da  nun  zu  befürchten  stand,  dass 
man  in  Böhmen  diese  wichtige  Grenzfestung  gegen  Meissen 
nicht  eben  gern  werde  in  die  Hände  der  meissnischen 
Fürsten  übergehen  sehen,  so  erklärten  letztere  in  ihrem 
Kaufbriefe:  „Würde  auch  ein  König,  die  Krone  oder  die 
Herren  im  Lande  zu  Böhmen  das  genannte  Schloss  Hohn- 
stein ganz  oder  theilweis  ansprechen,  so  sollen  wir  Hinko 
Berka  und  seine  Erben  unbeteidingt  lassen,  noch  ihm  dies 
zum  Argen  wenden".  Sie  verlangten  also  nicht,  dass  er, 
wie  sonst  üblich,  das  abgetretene  Besitzthum  auch  zu 
entvvähren  habe.  —  Mühlberg  dagegen  war  einst  von 
demselben  Kaiser  Karl  IV.  seinen  damaligen  Besitzern 
abgekauft  und  1370  der  Krone  Böhmen  einverleibt,  jedoch 
von  seinen  Nachfolgern  wiederholt  an  die  Markgrafen 
von  Meissen  verpfändet  worden.  Zuletzt  hatte  König 
Siegmund  von  Böhmen  und  Ungarn,  der  dem  damaligen 
Markgrafen  für  allerhand  ihm  erwiesene  Dienste  90000fi.rh. 
schuldete,  unter  dem  29.  August  1422  ^)  nebst  anderen 
Schlössern  im  Voigtlande  „auch  das  Schloss  Mühlberg, 
das  ihnen  jetzund  zu  Pfände  steht",   auf's  neue  dergestalt 

*)  Diese  Zeitschrift  II,  194.      •)  Orig.  5886. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mühlberg.  I93 

eingeräumt^  dass  sie  und  ihre  Erben  es  pfandweise  „inne- 
haben, nützen,  geniessen  und  gebrauchen"  sollten,  bis  er 
oder  seine  Erben  Mühlberg  und  jene  anderen  Schlösser 
mit  obiger  Summe  „wieder  einlösen"  würden.  Darum 
schaltete  jetzt  Kurfürst  Friedrich  und  sein  Bruder  Wil- 
helm in  ihre  Abtretungsurkunde  die  Klausel  ein:  „Wäre 
es  auch,  dass  die  Krone  Böhmen  oder  ein  zukünftiger 
König  von  Böhmen  [seit  dem  Tode  Kaiser  Albrechts  II. 
1439  bis  zur  Wahl  seines  Sohnes  Ladislaus  1452  herrschte 
Interregnum  in  Böhmen,  und  Georg  Podiebrad  leitete  die 
Regierungsgeschäfte  nur  als  Verweser  des  Königreichs] 
Schloss  und  Städte  Mülilberg,  als  die  auf  uns  in  Wieder- 
kaufs Weise  gekommen  sind,  wiederum  lösen  und  kaufen 
wollen,  dann  wollen  wir  dem  Hinko  Berka  ein  andres 
Schloss  in  unseren  Fürstenthümern,  das  so  gut  ist  wie 
INlühlberg,  einantworten".  Demnach  „währten"  die  säch- 
sischen Fürsten  ihrerseits  dem  Hinko  Berka  „diesen  Kauf 
nach  Kaufsrecht",  während  sie  eine  gleiche  Gewähr  für 
Holmstein  von  ihm  nicht  beanspruchten.  Aus  alledem 
geht  deutlich  hervor,  welch'  lebhaftes  Interesse  sie  daran 
hatten,  in  den  Besitz  von  Hohnstein  zu  gelangen.  Und 
in  der  That  wurden  durch  diesen  Tauschvertrag  von  1443 
die  Grenzen  des  Meissner  Landes  auf  die  Dauer  nach 
Süden  hin  erweitert.  Georg  Podiebrad,  der  Verweser 
von  Böhmen,  protestierte  nicht  gegen  den  Verkauf  von 
Hohnstein,  erkannte  vielmehr  später,  als  König  des  Landes, 
in  dem  Eger'schen  Vertrage  von  1459  dasselbe  aus- 
drücklich als  ein  böhmisches  Lehn  in  sächsischem  Besitze 
an,  und  auch  von  dem  Rechte,  Mühlberg  wieder  einzu- 
lösen, haben  die  böhmischen  Könige  niemals  Gebrauch 
gemacht. 

Aber  noch  ein  anderes  Hindernis  war  zu  beseitigen 
gewesen,  bevor  der  von  dem  Kurfürsten  so  sehr  gewünschte 
Gütertausch  vollzogen  werden  konnte.  Eben  auf  der 
Herrschaft  Mühlberg  hatte  Friedrich  der  Sanftmüthige 
seiner  Gemahlin  Margarethe  von  Osterreich,  der  Tochter 
Kaiser  Friedrichs  HL,  „einiges  Leibgedinge"  verschrie- 
ben gehabt.  Daher  inusste  jetzt  Margarethe  durch  eine 
besondere  Urkunde  vom  14.  März  1443  auf  diese  ihre 
Rechtsansprüche  verzichten ').  Endlich  galt  es,  Hinko 
Berka  durch  hochangesehene  Gewähr sbürgcn  sicher 
zu  stellen,  dass  alle  die  ihm  zugesagten  Kaufsbedingungen 


')  H.-St,-A.  Cop.  42  fol.  8.3. 

Neues  Archiv  f.  S.  0.  u.  A.  VI.  3.  4.  13 


194  Hermann  Knothe: 

von  den  meissnischen  Fürsten  gewissenhaft  würden  inne- 
gehalten werden.  Und  so  gelobten  denn  ebenfalls  in 
einer  besonderen  Urkunde  vom  14.  März  die  Bischöfe 
Johann  von  Meissen  und  Johann  von  Merseburg,  sowie 
der  Dompropst  von  Naumburg  und  von  Meissen,  Jo- 
hann (aus)  Magdeburg,  ferner  der  Domherr  Bernliard 
von  Kochberg,  der  Ritter  Eckarius  Schotte  und  Friedrich 
von  Maltitz  dem  Hinko  Berka  und  seiner  Frau  Barbara, 
jeder  mit  drei  Pferden  und  zwei  Knechten  entweder  nach 
Dresden  oder  nach  Luckau  „einzureiten",  falls  die  fürst- 
lichen Verkäufer  von  Mühlbero-  nicht  bis  zum  nächsten 
Johannistage  die  Herrschaft  von  allen  etwa  darauf  haf- 
tenden Verbindlichkeiten  gegen  Dritte  befreit  und  dem 
neuen  Besitzer  den  vollen  Ertrag  derselben  (170  Schock 
Gr.)  gesichert  haben  sollten  *). 

Nachdem  alle  diese  mit  grosser  Umsicht  entworfenen 
Einzelbestiramungen  von  beiden  Seiten  genehmigt  und 
die  Abtretungsurkunden  ausgetauscht  worden  waren,  sag- 
ten den  15.  April  1443  die  Brüder  Friedrich  und  Wil- 
helm von  Sachsen  „Propst^  Mannen,  Bürgermeister  und 
ganze  Gemeinde  der  Pflege  und  Stadt  Mühlberg"  von 
dem  ihnen  gethanen  Eide  und  Gelübde  los  und  wiesen 
sie  damit  an  den  edlen  Herrn  Hinko  Berka  von  der  Duba. 
Am  25.  April  aber  reichten  sie  ihm  und  seinen  rechten 
Leibeslehnserben  die  Herrschaft  Mühlberg  „zu  rechtem 
Lehno;ut".  Man  war  am  kursächsischen  Hofe  mit  dem 
nun  erledigten  Geschäft  sichtlich  zufrieden.  Den  9.  April 
1444  wurde  dem  neuen  Vasallen  und  seiner  Gemahlin 
Barbara  „durch  sonderliche  Gunst  und  Gnade"  ^)  auch 
noch  ein  Fuder  guten  Weines  aus  den  landesherrlichen 
Kellern  zu  Meissen  auf  Lebenszeit  verschrieben. 

Dieser  Barbara,  schon  1434^^)  als  Frau  Hinko's  IIL 
auf  Hohnstein  erwähnt,  war,  wie  üblich,  ihr  Leibgedinge 
auf  der  Herrschaft  Hohnstein  zugesichert  gewesen.  Des- 
halb enthält  auch  Hinko's  Kaufbrief  die  ausdrückliche 
Erklärung,  dass  der  Verkauf  mit  Barbara's  gutem  Wissen 
und  Vollwort  geschehen  sei  und  dass  sie  auf  jede  Ver- 
schreibung  wegen  Leibgedinges  oder  sonst,  die  sie  auf 
Hohnstein  oder  dessen  Zubehör  besessen,  verzichte;  des- 
halb hatte  sie  auch  ihr  Siegel  an  den  Brief  hängen 
lassen.     Dasselbe  zeigt  keinen  Schild,    sondern    nur   zwei 


•)  H.-St.-A.  Cop.  42,  fol.  87  b.  »)  Orig.  C761,  67(52,  6808. 

■0)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  3,  50  flg. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mühlberg.  195 

seukreclite  und  drei  horizontale,  die  ganze  Rundung  aus- 
füllende starke  Striche,  zu  schmal,  um  als  Pfähle  und 
Balken  bezeichnet  werden  zu  können,  und  in  dem  mittel- 
sten so  gebildeten  Quadrate  einen  kleinen  Ring,  viel- 
leicht auch  eine  Rose.  Die  Umschrift  lesen  wir:  Bar- 
bara  Wvlltic. 

So  war  denn  seit  1443  Hinko  III.  Lehnsinhaber  der 
Herrschaft  Mühlberg,  in  welcher  einst  (1388)  sein  Vater 
Hinko  II.  „vollmäclitiger  Statthalter"  für  König  Wenzel 
von  Böhmen  gewesen  war^').  Noch  aber  waren  ihm 
auch  Erbgüter  in  Böhmen  verblieben,  nämlich  der  dritte 
Tlieil  an  der  Herrschaft  ToUenstein-Schluckeaau 
und  die  Stadt  Bensen.  Ersteren  Besitz  muss  er  alsbald 
(zwischen  1448 — 1451)  ebenfalls  an  Kurfürst  Friedrich 
von  Sachsen  abgetreten  haben;  denn  dieser  vertauschte 
ihn  1451  seinerseits  wieder  gegen  die  Herrschaft  Wilden- 
stein, welche  bis  dahin  Albrecht  Berka,  dem  Cousin  von 
Hinko  III.,  gehört  hatte  ^^).  Die  Herrschaft  Scharfen- 
stein  mit  der  Stadt  Bensen  hatte  Hinko  II.  auf  Hohnstein 
1409  von  Johann  von  Michelsberg  erworben",  bei  der 
brüderlichen  Erbtheilung  von  1410  war  dieselbe  auf 
Hinko  HL,  den  ältesten  Sohn,  übergegangen,  der  sie  auch 
1435  '■')  noch  besessen  zu  haben  scheint,  bald  darauf  aber 
diesem  durch  Henico  von  Skal  entrissen  worden.  Da 
klagte  endlich  „Hinko  von  Duba  und  Bensen"  gegen 
letzteren.  Dieser  aber  behauptete  „Hynek  genannt  von 
Scharfenstein"  (d.  h.  Hinko  III.  auf  Hohnstein)  habe  ihm 
Burg  und  Stadt  Schulden  halber  verpfändet  und  abge- 
treten. Die  Landesbarone  entschieden  den  11.  Oktober 
1437,  dass  Hinko  von  der  Duba  jenes  Mitgiftsgut  seiner 
Mutter  Juditli  nicht  habe  verpfänden  können,  und  dass 
daher  Heniko  von  Skal  wenigstens  die  Stadt  Bensen  mit 
Zubehör  an  Hinko  von  der  Duba  herauszugeben  liabe^'*). 
Wann  und  wie  auch  Bensen  darauf  in  den  Besitz  der 
Wartenberge  auf  Tetscheu  übergegangen  ist,  vermögen 
wir  zur  Zeit  nicht  anzugeben. 

Aber  auch  in  der  Herrschaft  Hohnstein  hatte  zwar 
nicht  Hinko  111.  selbst,  aber  docii  sein  Cousin  Albrecht 
Berka  auf  Wildenstein  noch  ein  Besitzthum.  Hinko  HI. 
hatte  nändich  einst  seiner  Schwester  Anna,  der  jetzigen 
Witwe    von    Nikolaus   Kolowrat,   das  Dorf   Saupsdorf 


")  Orig.  40.35.         '=>)  Diese  Zeitschr.  II,  21.3  flg. 

'*)  Ebendas.  204.         '*)  Em  1er,  Reliq.  tab.  regni  Bob.  1,  106. 

13* 


196  Hermann  Knothe: 

überlassen  und  diese  es  später  wieder  an  den  oben- 
erwähnten Albrecht  Berka  und  seinen  damals  noch  leben- 
den Bruder  Hinko  wiederkäuflich  abgetreten.  Der  Kur- 
fürst aber  wünschte  jetzt,  in  seiner  neuerworbenen  Herr- 
schaft alleiniger  Herr  zu  sein.  Da  erklärte  denn  am 
24.  Dezember  1447  Hinko  HL  durch  eine  besondere 
Urkunde,  dass  dem  Kurfürsten  das  Recht,  Saupsdorf 
wieder  einzulösen,  unzweifelhaft  zustehe,  und  sein  eben 
zu  Mühlberg  sich  aufhaltender  Neffe  („itzund  zu  Molberg") 
Jhan  Kolowrat  sprach  ebenfalls  durch  eine  Urkunde  von 
demselben  Tage  sein  Einverständnis  hiermit  aus^*). 

Die  Herrschaft  Mühlberg,  die  neue  Heimath 
der  frühereu  Birken  auf  Hohnstein,  bildete  den  nörd- 
lichsten Grenzbezirk  des  Markgrafthums  Meissen  gegen 
das  einstige  Herzogthum  Sachsen-Wittenberg.  Sie  hatte 
mindestens  seit  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  den  mäch- 
tigen Herren  von  Ileburg  (Eilenburg)  "^),  darauf  seit 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  den  Edlen  von  Querfurth, 
als  markgräfliches  Lehn,  gehört.  Von  diesen  hatte,  wie 
bereits  erwähnt,  Kaiser  Karl  IV.  sie  erkauft  und  1370 
der  Krone  Böhmen  einverleibt^').  Seitdem  wurde  sie 
durch  böhmische  Hauptleute  verwaltet,  welche  auch  das 
Recht  besassen,  die  dasigen  Vasallen  in  des  Königs  von 
Böhmen  Namen  zu  belehnen.  Allein  von  1393  an  setzten 
die  Söhne  Karls  IV.  sie  zu  wiederholten  Malen  den  Mark- 
grafen von  Meissen  für  grössere  oder  kleinere 'Summen, 
die  sie  denselben  schuldeten,  zum  Pfände  ein.  Seit 
1422  (S.  171)  durften  die  Meissner  Fürsten  die  Herrschaft 
Mühlberg  als  ihr  volles  Eigenthum  betrachten,  wenn  sich 
auch  König  Siegmund  von  Böhmen  das  Einlösungsrecht 
vorbehalten  hatte. 

Der  Ertrag  der  Herrschaft  hatte  sich  für  die  Besitzer 
derselben  im  Laufe  der  Zeit  sehr  verringert,  besonders 
dadurch,  dass  1228^^)  die   damaligen  Inhaber,    Otto    und 


")  Orig.  7014,  7015.  Dieser  „John  Colobrat"  kommt  bereits 
den  25.  Mai  1444,  sowie  noch  den  11.  November  1447  als  Zeuge  bei 
seinem  Onkel  Hinko  vor.  Bertram  129.  Schöttgen,  Diplom. 
Nachlese  V,  168. 

'")  Vergl.  Bertram  6  flg.  v.  Mülvers tedt,  Diplomatarium 
Heburgense  (1877)  14  flg. 

")  Hoffma'nn,  Script,  rer.  Lus.  IV,  20.3  flg. 

'*)  Vergl.  Kreyssig,  Beiträge  zur  Historie  der  sächsischen 
Lande  I  (1754),  107  flg.:  „Dijilomatische  Annales  des  Jnngfern- 
Closters  zu  Mühlberg  zum  Güldenen  Stern,  Cistertienser  Ordens". 
Bertram  15  flg. 


Die  Berka  von  der  Dul)a  auf  Mülilberg.  197 

Botho  von  Ileburg-,  ein  Cisterzienserinnen-Kloster, 
Marienstern  (erst  nach  der  Reformation:  Güldenstern 
genannt),  gestiftet  und  diesem  nicht  nur  die  Pfarrei  der 
Stadt  Mühlberg  nebst  all'  ihren  Einkünften  und  liegenden 
Gründen,  sondern  auch  die  Stadtkirche  selbst  geschenkt 
hatten.  Sowohl  die  Stifter  und  ihre  Nachkommen,  als 
auch  deren  zahlreiche  Seitenverwandten  hatten  dieser  «xe- 
meinsamen  Familienstiftung  nach  und  nach  zahlreiche  Dorf- 
schaften, einzelne  Acker  und  AViesen,  Renten  etc.  zugewen- 
det;  welche  bei  dem  kirchlichen  Sinne  der  damaligen  Zeit 
von  den  Landesherren  meist  auch  dem  Kloster  ..geeignet", 
also  aus  jedem  Lehnsverbande  gelost  worden  Avaren.  Nur 
das  Schutzrecht  über  das  Kloster  war  den  Besitzern  der 
Herrschaft  Mühlberg  verblieben.  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts gab  es  im  ganzen  Gebiete  kaum  ein  einziges 
Dorf,  in  welchem  den  Nonnen  nicht  wenigstens  einige 
Bauern,  Zinsen,  Wiesen  gehört  hätten.  Daraus  ergaben 
sich  natürlich  unaufhörliche  Händel,  Kompetenz-  und 
Grenzstreitigkeiten  theils  mit  den  Herrschaftsbesitzern 
selbst,  theils  mit  deren  Vasallen  oder  sonstigen  Unter- 
thanen. 

Als  Hinko  IH.  Berka  1443  mit  Mühlberg  belehnt 
ward,  wurden  ihm  nachstehende  Güter  überwiesen: 
das  geräumige,  feste,  mit  doppeltem  Walle,  Gräben  und 
starken  Mauern  umgebene  Schloss,  desgleichen  „die  Städte 
Mühlberg",  d.  h.  die  Altstadt  und  die  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  entstandene  Neustadt,  deren 
jede  noch  im  16.  Jahrhundert  ihren  eigenen  Bürgermeister 
und  Ratli  besass,  ferner  „die  Zölle  auf  dem  Lande  und 
dem  AV asser"  (der  Elbe),  die  Ober-  und  Niedergerichts- 
barkeit über  Stadt  und  Herrschaft,  selbst  auf  den  Gütern 
des  Klosters,  endlich  folgende  unmittelbar  unter  dem 
Herrschaftsbesitzer  stehenden  Dörfer'^),  beziehentlich 
Dorfantheile  mit  all'  ihren  Zinsen,  Diensten,  Frohnen  und 
zwar  a)  auf  dem  rechten  Eibufer:  Stehla  (Steel,  Stele, 
Stehel),  Altbelgern  (alden  Beigern),  Martinskirche  (Mercz- 
kirchen),  Cossdorf  (Castorff,  Knstorff),  Lehndorf  (Leyen- 
dorff),  Langenrieth  ( Langenryt,  Langerit),  Möglenz  (Mo- 
gelencz,  Magelentz),  Köttlitz  (Cottelicz),  Burxdorf  (Bor- 
kersdorff,  Borgstorff),  Cossilenzien  (Kosselwicz,  Kaselioitz), 


'•)  Wir  verzeichnen  dieselben  in  anderer  Reihenfolge  als  im 
Lehnbriefe  und  fügen  den  jetzigen  Ortsnamen  in  Parenthese  die 
älteren,  in  den  Urkunden  vorkommenden  Namensforraen  bei. 


198  Hermann   Knothe: 

Oschätzchen  ( Oschatzchin,  0  seh  sitzigen)  ^  Kröbeln  (Kro- 
helin,  Krobeln),  Boragk,  Fichtenberg,  Zschepa  (Cscheep, 
Sczepp,  Czepp)  und  Wissagk  (?).  Demnach  erstreckte  sich 
die  Herrschaft  Mühlberg  auf  dem  rechten  Eibufer  süd- 
wärts bis  unmittelbar  gegenüber  den  auf  dem  anderen  Ufer 
gelegenen  Städten  Beigern  und  Strehla.  Dazu  kam  noch 
im  äussersten  Osten  (zwischen  Liebenwerde  und  Saat- 
hain) „das  Wal  [d.  h.  die  Burgstätte]  Würdenhain,  das 
zu  ewigen  Zeiten  nicht  bebaut  noch  bezinnuert  werden 
soll"  '^^),  nebst  den  zu  dieser  ehemaligen  Burg  gehörigen 


*")  Die  Burg  Würden  ha  in  bildete  mit  den  vier  hier  aufge- 
führten Dörfern  und  drei  Waldungen  im  13.  Jahrhundert  eine  selb- 
ständige Herrschaft  (dominium),  war  aber  von  Kaiser  Karl  IV., 
ebenso  wie  die  Herrschaft  Mühlberg,  angekauft,  mit  letzterer  ver- 
einigt und  somit  1370  ebenfalls  der  Krone  Böhmen  inkorporiert 
worden  (Hoffmann,  Script,  rer.  Lus.  IV,  203  flg.).  Mit  Mühlberg 
zugleich  war  sie  später  wieder  an  die  meissnischen  Fürsten  ge- 
kommen und  von  diesen  nun  als  Lehn  an  Vasallen  überlassen 
worden.  Eine  Notiz  bei  Hasche  VI,  88  besagt,  das  Schloss  Würden- 
hain sei  1420  zerstört  worden,  „weil  sich  der  Besitzer  gegen  eine 
Hofdame  der  zu  Liebenwerde  residierenden  lüufürstin  ungebührlich 
erzeiget".  Wenn  auch  das  Jahr  entschieden  unrichtig  ist,  denn 
damals  waren  die  Markgrafen  von  Meissen  noch  nicht  „Kurfürsten", 
so  kann  die  Thatsache  selbst,  nur  in  spätere  Zeit  und  unter  die 
Regierung  Friedrichs  des  Sanftmüthigen  fallend,  sehr  gut  auf  Wahr- 
heit beruhen.  In  diesem  Falle  wird  der  damalige  Besitzer  von  Wür- 
denhain, der  am  Hoflager  des  Lehnsherrn  gefrevelt,  Hans  Mar- 
schall gewesen  sein.  Der  Kurfürst  hatte  den  Frevler  gefangen 
gesetzt,  dessen  Lehngut  eingezogen,  das  Schloss  selbst  zerstört  und 
befohlen,  dass  es  nie  wieder  aufgebaut  werden  solle.  Die  Brüder 
des  Gefangenen  hatten  darauf  dem  Kurfürsten  Fehde  angekündigt 
und  dieser  dafür  ihnen  auch  ihre  in  Thüringen  gelegeneu  Lehngüter 
entzogen.  Als  aber  Hinko  Berka  jetzt  wie  mit  Mühlberg  so  auch 
mit  Würdenhain  förmlich  belehnt  worden  war,  hielten  es  die  Ge- 
brüder Marschall  doch  für  zweckmässiger,  mit  dem  Kurfürsten  end- 
lich ihren  Frieden  zu  machen.  Dies  alles  glauben  wir  einer  Urkunde 
vom  5.  August  1443  (Orig.  6776)  entnehmen  zu  dürfen,  durch  welche 
die  Brüder  Gerhard,  Hans,  Jürge  und  Ludolf  „Marschalke"  erklären, 
dass,  nachdem  die  Brüder  P'riedrich  und  Wilhelm  von  Sachsen  Hans 
Marschall  „in  Gefängniss"  und  die  übrigen  Brüder  „in  Schulden 
und  Forderungen  eine  Zeit  bisher  gehabt,  sich  auch  ihrer  Guter  und 
väterlichen  Erbes  unterwunden",  sie,  die  Brüder,  jetzt  mit  deu 
Fürsten  durch  Freunde  gütlich  gerichtet  und  gesühnet  worden  seien. 
Demzufolge  war  Hans  nun  aus  dem  Gefängnis  entlassen  worden  und 
gelobte,  die  sämmtlichen  Länder  der  sächsischen  Fürsten  zu  ver- 
lassen und  mindestens  auf  Jahr  und  Tag  „in's  Ausland  zu  reiten". 
Würdenhain  aber  mit  Zubehör,  welches  die  Fürsten  „in  Zeit  der 
Fehde"  an  sich  genommen,  sollten  dieselben  geruhiglich  behalten, 
indem  die  Brüder  Marschall  sämtlich  auf  ihr  Recht  daran  hiermit 
verzichteten.  Dafür  seien  ihnen  von  den  Fürsten  alle  ihre  väter- 
lichen   Güter   in    Thüringen   wieder   eingeantwortet   worden.     Zum 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mtihlberg.  199 

Dörfern  Würdenliain  (Werdenhayn,  Wirdenliayn)^  Heide 
(die  Heyde),  Prieschkc  (Brissigk,  Prisshaio),  Reiclienliain 
(Richnmo),  sowie  den  ebenfalls  zugehörigen  Waldungen 
Zigrara  (Czigram),  Gliben  (Khjwen)  und  „dem  Eichwald 
der  Opach".  —  b)  Auf  dem  linken  Eibufer  befanden 
sich  in  unmittelbarem  Besitz  der  Herrschaft  Mühlberg 
nur  die  Dörfer  Staritz,  Lücke  (die  Lücke,  jetzt  wüste 
Mark  bei  Plotha)  und  Aussig  (Vssigk). 

An  ritterliche  Mannen  waren  1443  ganz  oder 
zum  Theil  zu  Lehn  ausgethan  a)  auf  dem  rechten  Eib- 
ufer die  Dörfer:  Altbelgern  (Lehnsinhaber  Heinrich  Breße- 
wicz  und  Gebhard  Filcz,  Fielitz),  Martinskirche  (Peter 
Hewne,  Albrecht  und  Hans  Mönch,  Hans  Trütschler, 
Nickel  Runge,  Hans  Breßewicz),  Schweditz  (Swelieticz, 
Sweticz,  Besitzer:  Günther  Kula),  die  Vorwerke  Bor- 
schitz  (Borsewicz,  Wendisch-Borschitz),  Fichtenberg  (Otto 
Taupadel),  Kreinitz  (Kiinicz,  Besitzer  später  Friedrich 
von  Schleinitz),  —  b)  auf  dem  linken  Eibufer:  Pusch- 
wdtz  (Boscherwicz,  Besitzer:  Nickel  von  Köckeritz),  Sta- 
ritz (Conrad  von  Köckeritz  und  Caspar  von  Seydewitz), 
Plotha  (rioet,  Hote,  Besitzer  Kune  von  Seydewitz),  Ca- 
vcrtitz  (Kamcerticz,  Besitzerin  die  Witwe  des  Christoph 
von  Turgaw  und  Drewus  Franczsch),  Oelzschau  (Vlczsch, 
Olsch,  Alsch,  Besitzer  Friedrich  von  Weßenig),  Klingen- 
hain (Heinze  Poyden),  Batitz  (Boticz,  Boyticz,  Besitzer 
Heinrich  von  Köckeritz).  —  Ausserdem  hatten  die  beiden 
Höfe  Drosch  kau  (Treßkow)  und  Packisch  (Pockelrisch) 
„Schulterzins",  d.  h.  Fleischzins,  zu  entrichten. 

Es  war  also  ein  stattliches  Besitzthum  mit  festem 
Schloss,  zwei  Städten,  einer  Menge    von  Dörfern,  Wal- 


Schluss  geloben  alle  vier  Brüder  denselben  rechte  Urfehde.  — 
Hans  Marschall  selbst  ward  später  wieder  zu  Gnaden  aufgenom- 
men. Der  Kurfürst  hatte  ihn  sogar  zum  „Landvogt  zu  Sachsen" 
(d.  h.  im  Kurkreise)  gemacht  und  gab  ihm  „für  die  Schäden,  die  er 
an  Werdenhain,  das  er  von  dem  Kurfürsten  zu  Lehn  gehabt  und 
sein  Erbe  gewest  ist",  gehabt,  das  Schloss  Brücke  im  Lande  zu 
Sachsen  auf  vier  Jahre  ein,  wofür  Hans  „Marschalg"  den  23.  Fe- 
bruar 145ä  (Orig.  7418)  nochmals  auf  alle  Ansprüche  wegen  Würden- 
hain verzichtete.  —  Die  älteste  Landesvermessungskarte  von  Sach- 
sen, welche  Mathias  Oeder  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts 
aufgenommen  hat  (im  Hauptstaatsarchive),  bezeichnet  den  Platz  der 
ehemaligen  Burg  Würdenhain  zwischen  Cossilenzien  und  dem  Röder- 
fluss  und  setzt  hinzu:  „Alhie  ein  Haus  gestanden,  heist  der  Bnrgk- 
waldt".  Schon  damals  also  verstand  man  den  Ausdruck  „das  Wal" 
(nicht:  der  Wall)  d.  h.  die  [Burg-] Stätte,  nicht  mehr,  sondern  er- 
klärte sich  denselbeu  durch  [Burg-]„Wald". 


200  Hermann  Knothe: 

dungeii;  fruchtbaren  Werdern,  einer  zahlreichen  „ehrbaren 
Mannschaft"  und  170  Schock  Groschen  jährlichen  Ein- 
künften, welches  Hinko  III.  Birke  von  der  Duba  jetzt 
im  Meissner  Lande  sein  Eigenthum  nennen  durfte.  Als 
bisher  zum  böhmischen  Herrenstande  gehörig,  wurde  ihm 
auch  von  den  neuen  Landesherren  das  Prädikat  „Er", 
alsbald  sogar  das  noch  höhere  „Herr"  zu  Theil,  und 
während  er  anfangs  in  den  von  ihm  selbst  ausgestellten 
Urkunden  nur  die  erste  Person  des  Singular  („Ich 
Hinko  etc.")  gebraucht  hatte,  bediente  er  sich  alsbald  (1447) 
regelmässig  des  pluralis  majestaticus  („Wir  Hinko  etc."). 
Obgleich  ständig  in  jNlühlberg  wohnend,  hielten  sich  die 
Birken  stets  einen  „Vogt"  zur  Erledigung  von  mancherlei 
Geschäften,  der  aus  der  Zahl  ihrer  Vasallen  genommen 
war*'). 

Wie  sich  gebührte,  ward  nun  in  dem  neuen  Besitz- 
thum  auch  der  Gemahlin  des  Besitzers  ein  entsprechendes 
Leibgut  gesichert.  Und  so  reichte  den  28.  Februar  1444^^) 
Kurfürst  Friedrich  „der  edlen  Frau  Barbara"  die  Dörfer 
Cosdorf,  Zschepa,  Fichtenberg,  Boragk,  sowie  11  Schock 
Groschen  von  dem  Geschoss  in  den  beiden  Städten  Mühl- 
berg, 1  Schock  von  der  Fähre,  eine  Wiese  bei  Borschitz 
und  den  Wakl  Zigram  zu  Leibgedinge. 

Die  erste  öffentliche  Handlung,  die  wir  von  dem 
neuen  Herrschaftsbesitzer  kennen,  ist  eine  kirchliche 
Stiftung.  Er  schenkte  nämlich  am  25.  Mai  1444  ^^)  dem 
Pfarrer  zuWürdenhain  und  dessen  Amtsnachfolgern 
eine  Wiese  nebst  einem  „Horst",  wofür  diese  jeden  Sonn- 
tag in  der  Kirche  „vom  Predigtstuhl  aus"  der  Seelen 
sowohl  des  Schenkgebers  als  dessen  Frau  gedenken  sollten. 
Sonst  sind  es  nur  einige  lehnsherrliche  Akte,  welche  wir 
von  ihm  erfahren.  So  gab  er  den  8.  Januar  1447  Gunst, 
dass  das  Kloster  zu  Mühlberg  von  einem  gewissen  Kunze 
Voit  gegen  Überlassung  des  Vorwerks  „Koten"  „die  halbe 
Fähre  über  die  Elbe"  ertausche,  wofür  dasselbe  aber 
jährlich  1  Schock  guter  Groschen  an  die  Herrschaft  und 
ebenso  1  Schock  an  den  Kalandaltar  in  der  Pfarrkirche 
der  Stadt  entrichten  solle  ^*).  So  belehnte  er  1447  Jakob 
Miezsch,    Bürger    zu    Beigern,    mit    einem    Werder    und 

")  Ihre  Reihenfolge  bei  Hasche  V,  138.    Bertram  14. 
")  Cop.  42,  fol.  2.31b. 

")  Schöttgen,  Diplomatische  Nachlese  V.  168. 
**)  Chartularium   monasterii    in    Mühlberg.      Handschrift    des 
Hauptst.-Arch.  Loc.  8957  (nicht  paginiert). 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mühlberg.  201 

etlichen  Wiesen  bei  Köttlitz,  welche  dieser  von  Georg 
Radestock  erkauft  hatte;  so  genehmigte  er  1451,  dass  sein 
Vasall  Hans  Mönch  zu  Martinskirche  gewisse  Güter  zu 
einem  Salve  regina  in  der  Pfarrkirche  zu  Neustadt  Mühl- 
berg dem  Kloster  überweise  '^);  so  reichte  er  1452  Hansen 
von  Bibra  verschiedene  Güter  (Schweditz  etc.)  zu  Lehn*®). 
Wir  wissen  nicht,  weshalb  die  Brüder  Nickel,  Gabriel 
und  Hans  Steinbach  und  „Junge  von  Schönfeld  zu  Gleßyn(?)" 
in  des  Kurfürsten  Lande  und  auf  dessen  Leute  eing-e- 
fallen  waren  und  auch  „gegen  den  edlen  Ern  Hincke 
Bircke  verhandelt"  hatten.  Letzterer  hatte  darauf  die 
Strassenplacker  „zu  Gefängnis  gebracht"  und  Hess  sie  bei 
ihrer  endlichen  Freilassung  (17.  April  1449)  Urfehde 
schwören*^). 

Sonst  erfahren  wir  noch,  dass  er  am  24.  und  am 
29.  April  1447  einer  Einigung  mehrerer  Bischöfe,  Grafen, 
Ritter  und  Städte  zu  Naumburg  beitrat,  welche  zwischen 
Kurfürst  Friedrich  und  seinem  Bruder  Wilhelm  von 
Sachsen  vermitteln  und  die  zwischen  ihnen  ausgebrochene 
Fehde  beilegen  wollte*^),  und  dass  ihm  1451  Johann 
von  Bergow  und  Trosk  sein  Erbe  zu  Chlumec  in  Böh- 
men verpfändete*''). 

Hinko  in.  Birke  von  der  Duba  muss  zwischen  1452 
und  1454  gestorben  sein'"),  nachdem  er  seit  1410  Herr 
auf  Hohnstein,  seit  1443  Herr  auf  Mühlberg  gewesen  war. 
Noch  am  12.  April  1452  hatte  er  nebst  „seinen  Söhnen 
Hans,  Henigke  und  Albrecht"  dem  Kloster  zu  Mühl- 
berg 1  Schock  jährlichen  Zinses  auf  der  Fähre  daselbst 
um  10  Schock  wiederkäuflich  überlassen^').  Am  6.  März 
1454  aber  Hess  „der  edle  Hans  Birke,  Herr  zu  Mühl- 
berg" seiner  Gemahlin  Margarethe  gewisse  Güter  „seines 
väterlichen  Erbes,  die  ihm  zu  seinem  Tlieil  zugefallen", 
durch  Kurfürst  Friedrich  zu  Leibgedinge  reichen '''). 
Allein  dieser  Hans  L  muss  bereits  vor  1457  gestorben 
sein,  denn  am  3.  Februar  1457  ^^)  verkauften  „die  ehe- 
lichen  Brüder"   He  nicke   (Hinko   IV.)    und    Albrecht 


")  Hasche  IV,  404,  407.     Bertram  129.        ")  Orig.  7240a. 

*')  Orig.  7081.      ='»)  Staatsarchiv  Magdeburg,  Erfurt  A.  87  u.  90. 

»»)  Diese  Zeitschr.  II,  209. 

*")  Bertram  12  setzt  seinen  Tod  erst  vor  1462,  Hasche  IV, 
413  gar  erst  vor  1478;  beide  kannten  die  sofort  zu  erwähnenden 
Urkunden  von  1454  und  1457  noch  niclit. 

*')  Chartulariuiumonasterii  in  Mtililberg.       **)  Cop.  44,  fol.  217. 

")  Notarielle  Abschrift  von  1492.     Orig.  7518. 


202  Hermann   Knothe: 

Birken  von  der  Duba,  Herren  zu  Mülilberg,  dem  Kloster 
1^/2  Schock  und  3 ''2  Grosclien  Jahreszins  auf  dem  Dorfe 
Aussisj  um  30  Schock  Groschen,  jedocli  auf  Wiederkauf. 
Ein  diesen  Brüdern  ausgestellter  Leimbrief  ist  nicht  be- 
kannt. Ihres  verstorbenen  Bruders  Hans  o^leichnamio-er 
Sohn  Hans  H.  war  damals  jedenfalls  noch  nicht  mündig. 
Erst  am  23.  März  1463  '*)  reichte  Kurfürst  Friedrich  der 
Sanftmüthige  auf  Ansuchen  seiner  „lieben  Getreuen,  Ern 
Hincke  und  Ern  Albrecht  Birke  von  Duba,  Gebrüder", 
nicht  nur  „dem  edlen  Ern  Hansen  Birke,  ihrem  Vetter, 
Ern  Hansen,  ihres  Bruders  seligen  Sohn,  den  dritten 
Theil  der  Herrschaft  Mühlberg,  so  der  genannte  sein 
Vater  auf  ihn  gebracht",  sondern  auch  ihnen  selbst  (aufs 
neue?)  ihre  Antheile  und  zwar  allen  dreien  als  Ge- 
samtlehn. 

So  war  denn  seit  1454  Schloss  und  Herrschaft  Mühl- 
berg in  drei  Antheile  getheilt.  Allein  alsbald  starb  auch 
Hinko  IV.  und  zwar  wohl  unverheirathet;  wenigstens  wer- 
den von  ihm  weder  Kinder  noch  Witwe  erwähnt.  Sein 
Drittheil  fiel  an  seinen  nächsten  Blutsverwandten,  seinen 
Bruder  Albrecht.  Und  so  belehnten  den  28.  Januar  1465'*) 
die  Brüder  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht  von  Sach- 
sen „den  edlen  Ern  Albrecht  und  Ern  Hansen  Bir- 
ken von  der  Duba,  Gevettern"  aufs  neue  und  zwar  mit 
der  Bestimmung,  dass,  falls  Albreclit  ohne  rechte  Leibes- 
lehnserben  sterben  sollte,  seine  „zwei  Theile"  an  Hans  fallen 
sollten,  doch  unbeschadet  des  Leibgedinges  von  Anna, 
Albrechts  Gemahlin.  In  der  That  war  vmd  blieb  auch 
Albrecht  kinderlos.  Am  17.  Juli  1478  *'')  wurden  ge- 
wisse Streitigkeiten  zwischen  den  beiden  Vettern  Birke 
einerseits  und  dem  Propste  zu  Mühlberg  andrerseits  durch 
die  Herzöge  Ernst  und  Albrecht  von  Sachsen  und  den 
Bischof  Johann  von  Meissen  entschieden,  und  am  2.  August 
desselben  Jahres*')  gab  Albrecht  Birke  seine  Genehmig- 
ung, dass  sein  Vetter  Hans  dem  Priester  Michael  Nolder, 
Altaristen  am  St.  Wolfgangsaltar  zu  Leisnig,  und  dessen 
Amtsnachfolgern  20  fl.  Zins  auf  dem  Dorfe  Köttlitz  (das 
also  zu  Hansens  Antheil  gehörte)  verkaufen  könne. 


")  Orig.  7772.     Bertram   12   hält   diesen   Haus  I.   für   einen 
noch  in  der  Gegend  von  Hohnstein  ansässigen  Bruder  von  Hinko  IH. 
")  Orig.  7848. 

")  Orig.  8346.     Hasche  IV,  409.     Bertram  130. 
")  Orig.  8349  b. 


Die  Berka  von  der  Diiba  auf  Mühlberg.  203 

Bald  darauf  (also  wohl  1479)  muss  Albrecht  Birke 
gestorben  sein  ^*).  Er  hinterliess  eine  Witwe,  Anna 
geborne  von  Ileburg^*^),  M'-elche,  wie  aus  der  obigen  Bc- 
lelmungsurkunde  von  1465  erhellt,  schon  damals  mit  Leib- 
gedinge versehen  war,  welches  aber  den  16.  Dezember 
1467  ^'*)  erneuert  und  bis  auf  „die  Hälfte  aller  und  jeg- 
licher Güter"  ihres  Mannes  in  der  Herrschaft  Mühlberg 
vermehrt  wurde.  Sie  wohnte  in  ihrem  Antheile  des 
Schlosses,  bis  sie  sich  (vor  1484)  mit  Christoph  (von) 
Pfaffenberg*')  auf's  neue  verheirathete,  und  besass 
unter  anderem  ein  Drittheil  aus  dem  Ertrage  der  Fischerei 
im  Kuna'er  See  und  einen  xlntheil  am  „Achtwerder",  den 
sie  1507  gemeinschaftlich  mit  ihrem  zweiten  Manne  um 
700  fl.  rli.  der  Gemeinde  Aussig  verkaufte  *'■').  Trotz 
ihrer  zweiten  Ehe  verblieb  ihr  all'  ilir  Leibgut  und  heisst 
sie  noch  immer  „Frau  zu  Mühlberg".  Erst  nach  ihrem 
Tode  ward  ihr  bisheriges  Leibgedinge  durch  Herzog 
Georg  von  Sachsen  den  12.  Februar  1512  *^)  der  Gemahlin 
Hans  IL,  des  nunmehr  alleinigen  Besitzers  der  ganzen 
Herrschaft  Mühlberg;  ebenfalls  als  Leibgut  gereicht. 
Verstorben  war  sie  vor  1510**),   in  welchem  Jahre   auch 


*')  Die  Angabe  bei  Hasche  IV,  582,  dass  derselbe  schon  1440 
bei  der  Eroberung  der  Burg  Rathen  an  der  Elbe  betheiligt  gewesen 
sei,  beruht  anf  einer  Verwechselung  desselben  mit  einem  anderen 
Albrecht  Birke,  Herrn  anf  Wildenstein,  Cousin  des  Albrecht  auf 
Mühlberg.     Vergl.  diese  Zeitschr.  II,  205  flg. 

^«)  Nach  M  ü  1 V  e  r  s  t  e  d  t,  Diplomat.  Ileburgense  I  Stammtafel  III, 
war  sie  die  Tochter  des  Botho  von  Ileburg  auf  Sonnenwalde,  der 
1480  —  1481  starb.  Nach  Hasche  IV,  582  dagegen  stammte  sie  aus 
dem  Hause  Liebenwerde.  Aus  der  Urkunde  bei  Mülverstedt  a.  a.  0. 
457  geht  nicht  deutlich  hervor,  wer  ihr  Vater  gewesen  sei. 

*»)  Dazu  gehörte  „auf  dem  Schlosse  das  Haus  mit  den  Ziegeln 
ausgeschlagen  auf  der  linken  Hand,  als  man  zu  dem  Schlosse  hinein- 
geht, mit  der  steinernen  Kemnate,  dem  Keller  darunter  und  dem 
Gebäude  darunter,  und  die  Gebrauchung  des  Thurmes  und  der 
Kapelle,  auch  die  Hälfte  an  dem  Borne  auf  dem  Schlosse",  ferner 
die  Hälfte  von  zwei  Vorwerken,  „die  alte  Stadt  Mühlberg  mit  ihren 
Zugehörungen  und  Gerichte",  die  vier  gar.zen  Dörfer  Zschepa, 
Lehndorf,  Boragk,  Oschätzchen  mit  Zinsen,  Gerichten  etc.  und  fol- 
gende „ehrbare  Mannschaft",  Hans  Moncli  zu  Martinskirche,  Fried- 
rich von  Wessenig  zu  ültzschau,  Georg  von  Seydewitz  zu  Plotha. 
Cop.  59,  fol.  512  b. 

*')  Nach  V.  Mülverstedt  a.  a.  0.  Stammtafel  HI  war  der- 
selbe auf  Aussig  gesessen.  Wir  haben  vergeblich  nach  irgend 
welcher  Nachricht  über  ihn  geforscht. 

**)  Orig.  8541  (abgedruckt  bei  Bertram  133).  Hasche  IV, 
427,  518.     Bertram   137. 

")  Orig.  9929.        ")  v.  Mülverstedt  a.  u.  0.457. 


204  Hermann  Knothe: 

für  sie  („Anna  Berkhin,  die  eine  Frau  zu  Mülilberg  ge- 
wesen ist")  Meraorien  gestiftet  wurden. 

Durch  den  kinderlosen  Tod  seiner  beiden  Onkel  war 
also  Hans  IL  Birke  alleiniger  Inhaber  von  Mühl- 
berg geworden.  Als  solcher  wurde  er  zuerst  am  11.  Ja- 
nuar 1480  durch  Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht, 
darauf  nach  erfolgter  Theilung  der  sächsischen  Länder 
am  27.  Juli  1486  bloss  durch  letzteren,  und  nach  dessen 
Tode  am  15.  Juni  1501  durch  dessen  Sohn  und  Nach- 
folger, Herzog  Georg,  auf's  neue  belehnt*^).  Was  uns 
von  seinem  immerhin  noch  dreissigj ährigen  alleinigen 
Walten  in  der  Herrschaft  Mühlberg  bekannt  worden  ist, 
berichten  wir  nicht  in  streno-  chronolo<»;ischer  Aufeinander- 
folge,  fassen  es  vielmehr  unter  gewisse  gemeinsame  Ge- 
sichtspunkte zusammen. 

Vielleicht  geschah  es,  um  die  mancherlei  mit  der 
feierlichen  Bestattung  seines  Onkels  und  mit  seiner  eignen 
Neubelehnung  verbundenen  Kosten  zu  begleichen,  dass 
er  (den  7.  Februar  1480)  ein  Kapital  von  600  fl.  rhein. 
von  Hieronymus  AmstorfF  ,.jetzt  zu  Torgau''  aufnahm  und 
ihm  dafür  36  fl.  rh.  Jahreszins  auf  der  Stadt  Mühlberg 
und  anderen  seiner  Lehngüter  verschrieb^®).  Sonst 
erfahren  wir  nichts  von  Geldverlegenheiten.  Wohl  nur 
auf  besonderen  Wunsch  der  Dorfgemeinde  zu  Aussig  ge- 
schah es,  dass  er  zuerst  (14.  Februar  1491)  10  fl.  rh. 
Zins  auf  zwei  „Kabeln"  (ein  Wiesenmass)  in  dem  unAveit 
des  Dorfes  gelegenen  „Achtwerder"  um  115  fl.,  desgleichen 
1  Schock  33  Gr.  Zins  im  Dorfe  Aussig  selbst  um  30  fl. 
dem  Kloster  wiederkäuflich  überliess  und  später  (am 
23.  Juni  desselben  Jahres)  4';4  solche  Kabeln  für  eine 
gewisse  Baarsumme  und  einen  Jahreszins  von  1  Schock 
20  Gr.  von  jeder  Kabel  der  dasigen  Gemeinde  selbst 
„eingab",  sowie  endlich  den  15.  Mai  1508  auch  den 
übrigen,  ihm  noch  zuständigen  Antheil  an  dem  Acht- 
werder bis  auf  einen  Jahreszins  von  10  Schock  20  Gr. 
derselben  überliess*'). 

Von  Lehnbriefen,  die  Hans  IL  seinen  zahlreichen 
ritterlichen  Vasallen  bei  Besitzwechsel  dei-  betrefl'endcn 
Güter  als  Lehnsherr  ausgestellt,  hat  sich,  wie  es  scheint, 
keiner  erhalten.  Von  Gunstbriefen  erfahren  wir  nur, 
dass  er  1493  seinem  Lehnsmanne  Seifried  Bruckschlegel 


ö 


")  Bertram  131.     Orig.  8623.     9416.         *«)  Orig.  8395, 

*')  Orig.  8875.  Ha  seh  e  IV,515.  Bertram  136.  HaschelV,519. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mühlberg.  205 

gestattete,  das  Vorwerk  Klingenhain  an  die  Gemeinde 
Paussnitz  zu  verkaufen,  dass  er  1496  dem  Jakob  Miezscli 
zu  Beigern  erlaubte,  einen  Werder  und  gewisse  Wiesen 
bei  Köttlitz  an  mehrere  Bürger  von  Mülilberg  zu  ver- 
äussern ^^),  und  dass  er  1518  den  Brüdern  Mönch  auf 
Martinskirchen  veigönnte,  6  fl.  rh.  Jahreszins  auf  diesem 
und  andern  ihrer  Güter  an  das  Domkapitel  zu  Witten- 
berg wiederkäuflicli  zu  verkaufen  ^^). 

Häufig  hatte  er  Streitigkeiten,  zumeist  wegen  Weide- 
berechtigungen, theils  zwischen  einzelnen  seiner  Vasallen, 
theils  zwischen  diesen  und  ihren  oder  fremden  Guts- 
unterthanen  zu  entscheiden.  So  „schied"  er  1485  die 
Gebrüder  Hans  und  Christoph  Mönch  auf  Martinskirche 
mit  den  Gemeinden  Lehndorf  und  Hohendorf,  1492  die 
Stadt  Mülilberg  mit  der  Gemeinde  Boragk,  1494  Christoph 
von  Bibra  auf  Schweditz  mit  dem  Kloster,  Bürgern  von 
]\lühlberg  und  der  Gemeinde  Mertitz  *" ),  1502  das  Kloster 
wegen  seines  Kretschams  zu  Stehla  und  Johann  Thoss 
auf  Altbelgern  wegen  Bierschanks,  und  an  demselben 
Tage  auch  Unterthanen  zu  Martinskirche  und  Altbelgern 
mit  einigen  Bürgern  wegen  Hutung  zu  Bressnitz,  1503 
Klosterunterthanen  zu  Treptitz  mit  Georg  Preuss  auf 
Cavertitz,  1514  Georg  von  Seydewitz  auf  Plotlia  mit  der 
Gemeinde  Köttlitz,  in  demselben  Jahre  auch  denselben 
Georg  von  Seydewitz  mit  Hans  von  Wessenig  auf  Olzschau, 
endlich  1518  abermals  denselben  mit  Klosterunterthanen 
im  Dorfe  Seydewitz^'). 

Bisweilen  aber  hatte  Hans  Birke  auch  selbst  Strei- 
tigkeiten und  zwar  fast  ausschliesslich  mit  dem  Kloster 
zu  Mühlberg  und  dessen  anspruchsvollen  Pröpsten.  In 
solchen  Fällen  mussten  die  Landesiierrcn  durch  ihre  Käthe 
die  streitenden  Parteien  vergleichen  oder  entscheiden 
lassen.  So  handelte  es  sich  1489  um  die  Grenzen  zwi- 
schen Borschitz  und  Mertitz,  um  die  Fischerei  im  Kuna'er 
See,  um  Jagdberechtigung,  um  Obergerichtsbarkeit  auf 
mehreren  Dörfern  und  Feldern,  endlich  um  den  Bierschank 
auf  der  Propstei,  1494  dagegen  um  die  Badestube  zu 
Mühlberg,  um  die  Zugehörigkeit  der  wüsten  Mark  Wen- 
disch-Borschitz     und    sonstige    Lchnbefugnisse,     und    im 


* «)  Hasche  IV,  522,  5.'52,  579.     B  e  r  t  r  a  in  1 39. 

*»)  Hasche  IV,  448. 

*»)  Bertram  134,  137,  138.     Hasclie  IV,  520. 

»')  Hasche  V,  92,  94.     Bertram  143,     Orig.  1016G. 


206  Hermann  Knothe: 

Jahre  1509  um  nicht  weniger  als  15  verschiedene  Punkte  ^^). 
Ausserdem  ist  uns  nur  noch  eine  Entscheidung  wegen 
der  Grenzen  zwischen  Mühlberg  und  Saathain  (148S) 
vorgekommen  ^^). 

Den  Bürgern  seiner  beiden  StädtC;  Altstadt  und 
Neustadt  Mühlberg,  erwies  sich  Hans  Birke  stets  als  einen 
wohlwollenden,  ihr  geistiges  wie  leibliches  Woiil  im  Sinne 
jener  Zeit  fördernden  Herrn.  Dem  Kloster  zwar  scheint 
er  nicht  eine  einzige  Stiftung  zugewendet  zu  haben. 
Allein  seinen  kirchlichen  Sinn  bezeigte  er  durcli  seine 
lebhafte  Betheiligung  an  dem  Wiederaufbau  der  einst  von 
den  Hussiten  eingeäscherten  Frauenkirche,  seit  Gründ- 
ung des  Klosters  der  eigentlichen  Pfarrkirche  für  beide 
Stadtgemeinden.  Zumal  der  Thurm  wurde  hauptsächlich 
auf  seine  Kosten  neu  aufgeführt.  Unter  einem  Fenster 
desselben  erblickt  man  noch  heute  sein  und  seiner  Ge- 
mahlin Familienwappen.  Die  erst  1525  erfolgte  Voll- 
endung des  gesamten  langjährigen  Kirchenbaues  hat  er 
nicht  mehr  erlebt-  —  1506  ^*)  gründete  er  „zur  Seligkeit 
der  Seelen  seiner  Aeltern,  seines  Weibes  und  seiner  eig- 
nen" ein  neues  Hospital  in  der  Altstadt,  in  welchem 
sieben  arme  Leute  vollen  Unterhalt  finden,  und  welches 
von  zwei  Vorstehern  unter  Aufsicht  des  ßathes  verwaltet 
werden  sollte.  —  1516  gestattete  er  beiden  Stadto^emein- 
den,  aus  seinem  Steinbruche  zu  Klingenhain  Steine 
„zu  ihrer  Nothdurft  zu  brechen";  1517  konfirmierte  er 
die  Innungsartikel  der  Schuhmacher  und  wirkte  1519 
von  Herzog  Georg  von  Sachsen,  als  dem  Landesherrn, 
die  Bestätigung  eines  von  ihm  eingerichteten  Jahrmarkts 
und  ausserdem  noch  eines  Viehmarkts  zu  Mühlberg 
aus**). 

Bei  seinen  mehrfach  wechselnden  Landesherren 
stand  er  in  hohem  Ansehn.  Mindestens  seit  1489  gehörte 
er,  worauf  unseres  Wissens  bisher  noch  nicht  hingewiesen 
worden  ist,  zu  deren  „Räthen".  Auch  als  solcher  Rath 
behielt  er  zwar  seinen  ständigen  Aufenthalt  zu  Mühlberg; 
aber  oftmals  erging  an  ihn  die  Weisung,  entweder  sich 
an  dem  herzoglichen  Hoflager  einzustellen  oder  (meist  in 
Gemeinschaft  mit  anderen  Räthen)  sich  da-  oder  dorthin 
in    diplomatischer    Sendung    zu    verfügen.     So    ward    er 

")  Hasche  IV,  425,  529.     V,  42.     Bertram  1.S5,  1.S8,  141. 
Orig.  9826.         ")  Hasche  IV,  422. 

")  Hasche  V,  39  titr.     Bertram  140  flg.     47  flg. 
")  Hasche  V,  97,  Too,  101.    Bertram  144,  141. 


Die  ßerka  von  der  Duba  auf  Mühlberg.  207 

1496^®)  zu  einem  „Tage"  mit  Markgraf  Johann  von 
BrandenLurg,  den  Herzögen  von  Liegnitz  und  anderen 
Ständen  und  Städten  Schlesiens  und  der  Niederlausitz 
abgeordnet;  so  half  er  1497*^)  einen  Eezess  zwischen 
Kursachsen,  Meissen  und  Brandenburg  wegen  des  Domes 
zu  FürstenwaJde  vereinbaren;  so  1498  das  Kloster  Alt- 
zelle und  ]\rarschall  von  Biberstein  wegen  des  Eigenthums- 
rechtes  über  einen  Werder  bei  Grossschirma  entscheiden; 
so  ward  er  (den  8.  Oktober)  1500  auch  zu  der  vorläu- 
figen Beisetzung  des  Herzogs  Albrecht  von  Sachsen 
(12.  Oktober)  nacli  Meissen  entboten*®). 

Er  war  (mindestens  bereits  1484)  vermählt  mit  Agnes, 
der  Tochter  des  herzoglich  sächsischen  Obermarschalls 
Hugold  von  Schlei nitz  ^'*)  auf  Kricbstein  etc.  (gestor- 
ben 1490).  Wohl  diesem  seinem  am  Hofe  Herzog  Alb- 
rechts sehr  einflussreichen  Schwiegervater  hatte  er  auch 
seine  Ernennung  zum  herzoglichen  Käthe  zu  verdanken. 
Durch  seine  Gemahlin  ward  er  der  Schwager  Heinrichs 
von  Schleinitz,  M^elcher  seit  1472  herzoglicli  sächsischer 
Vogt  in  der  Herrschaft  Hohnstein  gewesen  war,  imd  für 
welchen  darauf  1481  dessen  Vater  von  Kurfürst  Ernst 
und  Herzog  Albrecht  die  Herrschaft  Tollenstein-Schlu- 
ckenau  erkaufte""),  und  welcher  1497  selbst  Obermarschall 
am  Hofe  des  letzteren  wurde  und  diese  Stellung  auch 
unter  dessen  Sohne  und  Nachfolger,  Herzog  Georg,  be- 
hielt. Die  Ehe  Hans  Birkens  war  ebenso  kinderlos  ge- 
blieben, wie  die  seiner  beiden  Onkel.  Die  Herrschaft 
Mühlberg  musste  daher  bei  seinem  Tode  an  die  Lehns- 
hand zurückfallen.  Kein  Wunder,  dass  er  bemüht  war, 
seiner  Gemahlin  wenigstens  ein  möglichst  stattliches  Leib- 
gedinge zu  sichern.  Schon  1484*^')  liess  er  ihr  als 
solches  verreichen  den  Theil  des  Schlosses  Mühlberg,  den 
bisher  Anna,  die  Witwe  seines  Onkels  Albrecht,  inne- 
gehabt hatte  (S.  182),  ferner  das  Vorwerk  bei  dem  Schlosse 
mit    seinen    Ackern   und  Wiesen,    den    Dienst    von    dem 


")  Orig.  9142.     ")  Riedel,  Cod.  Brandenl).  A.  XX,  .313. 

=*»)  Orig.  9272.     Cop.  lOG,  00. 

*»)  Das  an  die  Herrschaft  Miihlherg  grenzende  Rittergut  Saat- 
haiu  gehörte  einer  nah  verwandten  Linie  derer  von  Schleinitz. 

*°)  Diese  Zeitschr.  II,  235.  Über  die  Besitzungen  lieinriclis 
von  Sclileinitz  in  .Böhmen  und  der  Obi'rlausitz,  vergl.  Knothe, 
Geschichte  des  Schleinitzer  Ländchens ,  Ijausitz.  Magazin  1862, 
401  flg. 

«')  Orig.  8541.  Bertram  l.'i.S.  Die  Jain-eszahl  1482  bei 
Bertram  12  ist  jedenfalls  bloss  Druckfehler. 


208  Hermann  Knothe: 

Klosterhofe  zu  Dröschkau,  närahch  einen  Wagen  mit 
vier  Pferden,  samt  dem  Schulterzins  (S.  178),  desgleichen 
den  Eichwald  Gliben,  den  dritten  Theil  von  dem  Walde 
Zigram  (S.  178)  und  von  dem  Zoll  und  dem  Geleite  zu 
Mühlberg  und  zu  Oschätzcherij  den  Schlosswerder,  eine 
„Kabel"  im  Achtwerder  und  folgende  fünf  ganze  Dörfer: 
Würdenhain,  Prieschke,  Heide,  Cossdorf  und  Langenrieth 
samt  allem  Zinse  und  Diensten,  sowie  dem  Ertrage  aus 
der  Ober-  und  Niedergerichtsbarkeit,  endlich  soviel  ihr 
Gemahl  Hans  an  den  Dörfern  Fichtenberg  und  Burxdorf 
besass.  Dieses  Leibgut  vermehrte  er  noch,  indem  er  ihr 
den  13.  Januar  1498  *'^)  „die  Hälfte  des  Schlosses  Mühl- 
berg" und  das  Vorwerk  Borschitz  „zu  rechtem  Leibgut 
reichen"  Hess,  wobei  er  aber,  um  sich  selbst  eventuell  das 
Anrecht  auf  diese  Güter  zu  wahren,  „nach  Gewohnheit 
des  Landes  mit  ihr  wieder  an  die  Lehn  griff".  Als,  wie 
oben  (S.  182)  erwähnt,  vor  1510  seine  Tante  Anna  ge- 
storben war,  reichte  den  26.  Februar  1512'^')  Herzog 
Georg  auf  Bitten  des  Hans  Birke  dessen  Gemahlin  „zu 
ihrem  vorigen  Leil)gut"  auch  noch  die  Dörfer  Zschepa 
und  Boragk  samt  Diensten,  Gerichten  und  folgenden 
Zinsen:  25  Schock  5  Gr.  Geld,  39  Scheffeln  Korn, 
73  Scheffeln  Hafer,  1  Schock  und  12  Hühnern^  7  Schock 
Eiern  und  einem  Kalbe,  sowie  (an  demselben  Tage)  auch 
noch  den  Keulenwerder  bei  Mühlberg  und  den  Antheil 
von  Altbelgern,  welcher  durch  Absterben  der  bisherigen 
Leimsinhaber,  „der  Tewsen"  (Thoss),  an  Hans  Birke 
zurückgefallen  war.  Hierzu  kam  den  23.  November  1513 
auch  noch  ein  Weinberg  hinter  dem  Kloster  bei  dem 
Hasenbusche  ^^).  Zu  welchem  Zwecke  der  Agnes  Birke 
1509  *^^)  ledige  Kornböden  auf  dem  landesherrlichen  Schlosse 
in  Grossenhain  zum  Ausschütten  von  Getreide  bewilligt 
wurden,  wissen  wir  nicht. 

„Am  Neujahrsabende  1520",  d.  h.  also  jedenfalls:  am 
31.  Dezember  1519,  starb  Hans  II.  Birke  von  der 
Duba,  und  in  ihm  zugleich  der  letzte  Spross  der  Birken 
nicht  bloss  von  der  Nebenlinie  Mühlberg,  sondern  von 
der  ganzen,  einst  viel  verzweigten  Hauptlinie  Hohnstein, 
von  welcher  zuerst  1424  mit  Hinko  Hlawatsch  die  Neben- 
linie Leipa,  sodann  vor  1457  mit  Johann  (Hansens  Gross- 
onkel) die  Nebenlinie  Kreibitz  erloschen  war.     Von  ßenes 


«»)  Orig.  9228.     ")  Orig.  9929.     «*)  Orig.  9930,  9997. 
")  Cop.  110,  fol.  194. 


Die  Berka  von  der  Duba  auf  Mühlberg.  209 

und  Christoph,  den  Söhnen  von  Albrecht  Birke,  aus  der 
Nebenlinie  Wildenstein  (Andergeschwisterkind  von  Hans  II.), 
welche  1495  erwälmt  werden,  haben  wir  wenigstens  weiter 
keinerlei  Kunde  erlangen  können  ^*^). 

Durch  den  Tod  von  Hans  Birke  fiel  die  gesarate 
Herrschalt  Mühlbei'g,  soweit  sie  nicht  an  seine  Witwe 
zu  Leibgedinge  gereicht  war,  an  den  Lehnsherrn,  Herzog- 
Georg  von  Sachsen,  zurück.  Agnes  quittierte  z.  B. 
noch  1527  über  den  vom  Rathe  zu  Mühlberg  ihr  aus- 
gezahlten halbjährigen  Schoss  von  30  Schock  Gr.  Li 
ihrem  Testamente  hatte  sie  die  Summe  von  jährlich 
12  Schock  Gr.  einmal  zu  einem  ewigen  Jahrgedächtnis 
und  „einer  ewiglichen  Fürbitte  in  der  Frühmesse",  sodann 
aber  auch  zu  Gewand  für  arme  Leute  ausgesetzt®').  Am 
21.  Mai  1527*^*)  starb  auch  sie  und  ward  neben  ihrem 
Gemahl  in  der  von  beiden  neuaufgebauten  Kirche  zu 
Neustadt  Mühlberg  vor  dem  Altare  beigesetzt.  Die  eiser- 
nen Platten  mit  breitem  Messingrande,  welche  einst  ihre 
Grabstätten  bedeckten,  wurden  1782  von  dem  Kirchen- 
vorsteher —  verkauft. 


")  Diese  Zeitschr.  11,  215,  233. 
•')  Hasche  V,  131.     Bertram   13. 
')  So   bei  Bertram  13,  während   Hasche  V,   130  das  Jahr 


1526  angiebt. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  >i.  A.  VI.  3.  4.  14 


VI. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  bis  zum 

Kriegszuge  1552. 


Yon 

S.  Issleil). 


Der  Kriegszug  des  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen 
gegen  Kaiser  Karl  V.  ist  schon  vielfach  behandelt  worden 
und  wird  so  lange  behandelt  werden,  bis  man  endlich  alle 
zerstreuten  archivalischen  Einzelheiten  mühsam  zusammen- 
getragen und  aus  der  Fülle  des  Gesamtmateriales  volle 
Klarheit  gewonnen  iiaben  wird^).  Des  Kurfürsten  Zug 
gegen  den  Kaiser  steht  im  geraden  Gegensatze  zum 
schmalkaldischen  Kriege.  Scharf  treten  da  gegenüber: 
Bekämpfung  des  vorwärtsstrebenden  Protestantismus  und 
Widerstand  gegen  den  unduldsamen  Katholizismus,  Über- 
wältigung fürstlicher  Selbständigkeit  und  Erschütterung 
kaiserlicher  Allgewalt,  Unterwerfung  und  Befreiung.  Für 
den  kurfürstlichen  Kriegszug  gegen  Karl  V.  wird  sich 
wohl  kaum  jemand  begeistern  können,  ebensowenig  wie 
für  den  kaiserlichen  Krieg  gegen  den  schmalkaldischen 
Bund;  denn  nicht  allein  auf  die  Ideen,  welche  verfolgt 
werden,  kommt  es  an,  sondern  auch  auf  die  Mittel,  auf 
die  Art  und  Weise,  wie  Pläne  und  Vorhaben  ausgeführt 
werden.  Völlig  berechtigt  aber  ist  jedermann,  die  beiden 
wichtigen  und  folgenschweren  Feldzüge  nach  Gebühr  zu 

')  Yerfasser  konnte  zunächst  nur  das  Hauptstaatsarchiv  zu 
Dresden  (zitiert  mit  H.-St.-A.  oder  durch  blosse  Angabe  des  Locats) 
besuchen,  glaubt  aber  mit  Hilfe  des  vorgefundenen  Materiales  und 
vor  allem  der  von  A.  v.  J)  ruf  fei  verölfentlichten  Briefe  und  Akten 
zur  Geschichte  des  16.  Jahrhunderts  (3  Bände)  die  Untersuchung 
gefördert  zu  haben. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  T  etc.  211 

würdigen  und  in  das  rechte  Licht  zu  setzen.  Wer  alle 
Verhältnisse  und  Einzelheiten  sorgfältig  erwägt,  dem 
ringt  die  That  von  1552  schliesslich  wohl  mehr  Be- 
wunderung ab  als  die  der  Jahre  1546 — 47.  Im  schmal- 
kaldischen  Kriege  besiegte  ein  gewaltiger  Kaiser  unter 
Anwendung  aller  Hilfsmittel  seiner  oberhoheitlichen 
Stellung  einen  gelockerten  und  keineswegs  schlagfertigen 
Bund;  1552  bekämpfte  einer  der  sieben  Kurfürsten  neben 
wenigen  der  vielen  Reichsfürsten  unter  sclnvierigen  Ver- 
hältnissen den  Kaiser  des  heiligen  römischen  Reiches  und 
nöthigte  ihm  Zugeständnisse  von  weittragender  Bedeutung 
ab.  Man  hat  nicht  ungern  Moritz  von  Saclisen  als 
Scliüler  Karls  V.  bezeichnet;  dann  liegt  es  nahe  auszu- 
sprechen, dass  der  Schüler  den  Meister  übertrofFen  hat^). 
Die  kriegerische  Erschütterung  von  1552  ist 
durch  eine  Reihe  lästiger  Unzuträglichkeiten,  quälender 
Besorgnisse,  aufreibender  Befürchtungen  und  tief  ver- 
letzender kaiserlicher  Gewaltakte  hervorgerufen  worden. 
Der  vernichtende  Schlag  gegen  den  schmalkaldischen 
Bund  und  die  beschwerliche  Wittenberger  Kapitulation, 
die  Gefangennahme,  Festhaltung  und  Misshandlung  des 
Landgi'afen  Philipp  und  die  zahlreiciien  Aechtungen  von 
Städten,  Grafen  und  Herren ,  die  erniedrigende  Beein- 
trächtigung und  verächtliche  Behandlung  deutscher 
Fürsten^)  und  die  Reichstagsbeschlüsse  von  1548  und  1551 
haben  den  Sturm  gegen  den  Kaiser  ganz  besonders 
heraufbeschworen.  Die  neue  Einrichtung  des  Reichs- 
kammergerichtes, die  Härte  einer  strengen  Bücherzensur, 
die  ungewöhnliche  Beschränkung  des  freien  Waffendienstes 
und  der  freien  Söldnerwerbung,  die  Einziehung  eines 
„Reichsvorrathes"  zur  Unterdrückung  geheimer  Praktiken 
und  Empörungen  im  Reiche,  die  gewaltsame  Einführung 
des  verhassten  Interims,  das  herrische  Vorgehen  gegen 
die  „Ungehorsamen  und  Rebellen"  und  die  auferlegte 
Beschickung  des  Tridentiner  Konziles,   das    alles  brachte 


*)  Diese  Bemerkungen  sind  besonders  durch  C.A.Cornelius 
veranlasst  worden.  Bei  seiner  Abhandlung:  „Zur  Erläuterung  der 
rditik  des  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen"  (im  Münchener  liisto- 
rischon  Jahrbucli  für  ISGO)  ist  zu  berücksichtigen,  dass  ein  (katho- 
lischer) Süddeutscher  im  Jalire  18(56  über  einen  evangelisciien  nord- 
deutschen Fürsten  schrieb.  Die  Art,  wie  Cornelius  gearbeitet  hat, 
ist  durcliaus  verwertlicli. 

*)  Vergl.  Wilh.  Maurenbre  eher,  Karl  V.  und  die  deutschen 
Protestanten  1545 — 55,  251  flg.  L.  v.  llanke,  Zeitalter  der  Ite- 
formation,  V. 

11* 


212  S.  Issleib: 

die  deutsche  Nation  in  Gährung.  Unwille  und  Unmutli, 
Erbitterung  und  Entrüstung  herrschte  hauptsächlich  im 
evangelischen  Norden  Deutschlands.  Mehr  als  anderswo 
waren  hier  die  evangelischen  Fürsten,  die  protestantischen 
Theologen  und  die  lutherischen  Unterthanen  zu  beherztem 
Widerstände  gegen  den  Kaiser  entschlossen.  Rastlos 
arbeiteten  die  Elemente  der  Opposition.  Seltsam  fürwahr 
haben  sich  in  jenen  unruhigen  Jahren  die  allgemeinen 
Verhältnisse  mit  den  allerpersönlichsten  berührt,  ver- 
flochten und  durchdrungen.  Alles  wii-kte  schliesslich 
zusammen:  die  überaus  mannigfachen  und  verwickelten 
deutschen  und  die  europäischen  Verhältnisse.  Die  Un- 
zufriedenheit und  Spannung  in  der  kaiserlichen  Familie 
wegen  der  Nachfolge  im  Reiche  kam  der  Erhebung  von 
1552  ähnlich  zu  statten  wie  die  Stellung  Karls  V.  zu  Frank- 
reich, zum  Papste  und  zu  den  Türken. 

Ehe  wir  in  das  Kriegsjahr  1552  eintreten,  ist  es 
nöthig,  die  Lage  des  Kurfürsten  Moritz  und  die  werden- 
den Verhältnisse  bis  zum  Waffengange  2;eü;en  den  Kaiser 
in   ausführlicher  Weise   darzulegen. 

Moritz  von  Sachsen  hatte  durch  seinen  Anschluss  an 
den  Kaiser  unstreitig  viel  gewonnen.  Er  hatte  die  Herr- 
schaft über  die  Stifter  Meissen  und  Merseburg  erreicht  und 
kurz  vor  Ausbruch  des  schmalkaldischen  Krieges  die  jahre- 
lang begehrte  Schutzherrlichkeit  über  das  Erz-  und  Bisthum 
Magdeburg-Halberstadt  erlangt;  der  Sieg  bei  Mühlberg 
hatte  ihm  fast  die  Hälfte  des  kursächsischen  Besitzthums  ein- 
gebracht und  auf  dem  geharnischten  Reichstage  zu  Augsburg 
war  seine  Belehnung  mit  der  sächsischen  Kurwürde  erfolgt. 
Dagegen  aber  hatte  ihm  die  weitschauende,  viele  Möglich- 
keiten erwägende  und  ränkevolle  kaiserliche  Staatskunst 
durch  einzelne  Artikel  der  Wittenberger  Kapitulation, 
besonders  durch  den  Punkt,  welcher  die  Jahreseinnahme 
der  Ernestiner  auf  50000  Fl.  rh.  bestimmte  und  den 
unsäglich  mühsamen,  Misstrauen  nährenden  und  Unfrieden 
erhaltenden  Liquidationshandel  nach  sich  zog,  einen  Dorn 
in  den  Fuss  gesetzt,  den  er,  so  lange  er  lebte,  nie  ganz 
beseitigen  konnte.  Ferner  war  er  neben  dem  Kurfürsten 
Joachim  von  Brandenburg  durch  die  listige,  um  nicht 
zu  sagen  betrügerische  Gefangennahme  seines  Schwieger- 
vaters, des  hessischen  Landgrafen  Philipp,  zu  Halle  auf 
das  Tiefste  verletzt  und  durch  die  kaiserliche  Missachtung 
seines  verpfändeten  Ehrenwortes  hart  betroffen  worden. 
Je  länger  die  schmachvolle  Haft  des  Landgrafen  dauerte, 


Moritz  von  Sachseu  gegen  Karl  V.  etc.  213 

um  so  peinliclier  war  für  ihn  und  Kurfürst  Joachim  die 
berechtigte  „Einmahnung"  nach  Cassel.  Der  mächtige 
Druck  der  Reichstagsbeschlüsse,  vor  allem  der  Druck 
der  religiösen  Neuerungen  des  Kaisers,  machte  sich  ausser- 
dem bei  keinem  evano-elischen  Fürsten  so  fühlbar  wie 
beim  sächsischen  Kurfürsten;  durch  das  Interim  ist  der- 
selbe in  die  bedenklichste  Lage  zu  seinen  Unterthanen 
gekommen.  So  war  Kurfürst  Moritz  durch  des  Kaisers 
verführerische  Gunst  befördert  und  gleichzeitig  durch  die 
allen  deutschen  Fürsten  so  gefährliche  habsburgische 
Politik  belastet  worden.  Die  Jahre  nach  dem  schmal- 
kaldischen  Kriece  sind  für  ihn  überaus  sclnvierio-  nrewesen. 
In  jener  sturrabewegten  Zeit  bemühte  er  sich  auf 
das  eifrigste,  die  streitigen  Punkte  der  Wittenberger 
Kapitulation  ins  Reine  zu  bringen,  die  Befreiung  des 
gefangenen  Schwiegervaters  zu  erreichen  und  die  Härte 
des  kaiserlichen  Interims  durch  das  Leipziger  Interim 
und  durch  wiederholte  Sendungen  an  den  Kaiser  und 
den  römischen  König  zu  mildern.  Allen  wilden  Agi- 
tationen und  religiösen  Verlictzungen  in  seinem  Lande 
suchte  er  zu  steuern  und  das  grosse  Misstrauen  seiner 
Nachbarn  hinsichtlich  seiner  politischen  und  religiösen 
Gesinnung  zu  beruhigen.  Daneben  behauptete  er  energisch 
seine  neu  erworbene  kurfürstliche  Stellung,  befestigte  die 
Rechte  seiner  Schutzherrlichkeit  über  die  Bisthümer  Magde- 
burg und  Halberstadt  und  schmiedete  unermüdlich  Pläne, 
die  geächtete  Stadt  Magdeburg  zu  erwerben*).  Aufmerk- 
sam verfolgte  er  die  europäische  und  kaiserliche  Politik 
und  licss  alle  Vorgänge  am  kaiserlichen  Hofe  und  in  der 
kaiserlichen  Familie  ausforsclien.  Als  Kurfürst  vertrat 
er  mit  Entschiedenheit  die  Interessen  des  Reiches  und 
widersetzte  sich  jeder  Beeinträchtigung  deutscher  Fürsten- 
freiheit. Zu  Gunsten  der  evangelischen  Lehre  berief  er 
sich  dem  Kaiser  gegenüber  auf  ein  allgemeines  Konzil 
oder  auf  eine  Nationalversammlung,  welche,  aus  Katho- 
liken und  Evangelischen  zusammengesetzt,  nach  dem 
Richtscheid  der  heiligen  Schrift  alle  Dinge  gottselig  und 
christlich  entscheiden  sollte.  Die  o^esamte  kaiserliche 
Politik  gab  ihm  im  Laufe  der  Zeit  Veranlassung,  sich 
mehr  und  mehr  dem  Kaiser  zu  entfremden.  Aber  während 
er  neuen  Verhältnissen,  welche  alle  Schärfe  gegen  Karl  V. 


*)  S.  Issleib,  Magdeburg  und  Moritz  von   Sachsen  bis  zur 
Belagerung  der  Stadt,  in  dieser  Zeitschrift  IV,  273  üg. 


214  S-  Issleib: 

richteten,  nacligiiig ,  pflegte  er  doch  sorgfältig  möglichst 
gute  Beziehung  zum  deutschen  Kaiser.  Mit  erstaunlichem 
Geschicke  vermied  er,  sich  zwischen  zwei  Stühlen  nieder- 
zusetzen. Allemal  zur  rechten  Zeit  trat  er  mit  Kraft 
und  Entschlossenheit,  Berechnung  imd  Vorsicht  ein,  um 
dieses  oder  jenes  Ziel  zu  erreichen. 

Nichts  hat  mehr  zur  Erhebung  des  Kurfürsten  gegen 
den  Kaiser  geführt  als  die  Gefangenschaft  des  Land- 
grafen. Niemand  sollte  doch  mehr  an  dem  ehrlichen  Eifer 
und  dem  guten  Willen  des  Kurfürsten,  seinen  Schwieger- 
vater zu  erledigen,  zweifeln.  Volle  Beachtung  verdient 
des  Kurfürsten  Erklärung:  keine  Reise  zu  Wasser  und 
Land  sollte  ihm  auf  dieser  W^elt  zu  schwer  sein,  nva.  den 
Landgrafen  zu  befreien;  Unmögliches  könne  er  aber  nicht 
bewirken^).  Die  Sache  ist  nicht  allein  nach  den  zahl- 
losen Klagebriefen  und  heftigen  Einraahnungsschreiben 
der  hessischen  Landgrafen  —  Philipp  und  seine  Söhne  — 
zu  beurtheilen,  sondern  man  muss  auch  die  Haltung  des 
Kaisers  berücksichtigen.  Von  der  kaiserlichen  Gnade 
und  Willfährigkeit  hing  fürwahr  alles  ab;  je  unzugäng- 
licher der  Kaiser  blieb,  um  so  geringer  die  Aussicht,  ohne 
Gewalt  etwas  durchzusetzen. 

Als  anfangs  1550  ein  unruhiges  und  geheimnisvolles 
Treiben  in  Norddeutschland  zu  bemerken  war  und  Be- 
sorgnis erregende  Werbungen  und  Bestallungen  aller 
Orten  vor  sich  gingen,  da  verhandelte  Kurfürst  Moritz 
ernstlich  mit  den  hessischen  Käthen  Wilhelm  von  Schachten 
und  Simon  Bing  über  Anschläge  zur  Befreiung  des  Land- 
grafen und  veranlasste  die  Absendung  Heinrichs  von 
Schachten  an  den  französischen  König,  um  dem  ent- 
flohenen Landgrafen  eine  Zufluchtstätte  in  Frankreich 
zu  bereiten  und  eine  Verbindung  mit  Heinrich  II.  an- 
zubahnen''). Darauf  stellte  Moritz  mit  seinem  Bruder 
x\ugustus  nach  Beilegung  einiger  obwaltenden  Difi'erenzen 
durch  einen  zufriedenstellenden  Vergleich  (am  5.  März  1550) 
das  beste  brüderliche  Einvernehmen  her'),  vereinte  sich 
mit     dem     kaiserfeind  liehen     Marko-rafen    Albrecht     von 


*)  Eine  Einstellung  zu  Cassel  werde  zu  nichts  führen,  ihm 
aber  und  seinen  Landen  unendlich  schaden. 

*)  C.  A.  Cornelius,  Kurfürst  Moritz  gegenüber  der  Fürsten- 
Verschwörung  1550—51  (Casseler  Akten),  in  den  Abhandlungen  der 
historischen  Klasse  der  königlich  liayerischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften, München  1867,  659  flg. 

')  W.  AVenck,  Kurfürst  Moritz  und  Herzog  Augustus,  in 
V.  Webers  Archiv  für  Sachs.  Geschichte  IX  (1871),  418  flg. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  215 

Bruncleubur^- Kulnibacli  zu  treuer  Waffengenosseiischaft 
(am  11.  März)^),  suchte  durch  beide  Anschluss  an  den 
Markgrafen  Hans  von  Küstrhi;  an  den  Herzog  von  Preussen 
und  andere  Fürsten  und  setzte  mit  den  jungen  Herren 
von  Weimar  die  bis  dahin  erfolglosen  Liquidationssachen 
wieder  fort,  um  die  Vettern  von  widrigen  Praktiken  fern 
zu  halten  und  m  seine  eigenen  Pläne  zu  verflechten'').  Je 
häufiger  ihn  der  Gedanke  beschäftigte,  er  könne  „des 
gefangenen  Landgrafen  imd  anderer  Dinge  halben"  mit 
dem  Kaiser  in  Zwiespalt  gerathen  und  in  kaiserliche  Un- 
gnade fallen,  desto  rühriger  arbeitete  er  daran ,  durch 
einen  stattlichen  Anhang  und  durch  eine  wehrfähige 
Vereinigung  sich  im  Nothfalle  aus  tausend  Peinlichkeiten 
zu  retten.  Fortwährend  fasste  er  neben  Herzou^  Aujiustus 
und  Markgrafen  Albrecht  den  Kriegsfall  in  das  Auge 
und  rechnete  dabei  vielfach  auf  den  Tod  des  Kaisers. 
Mit  dem  Kurfürsten  Joachim  von  Brandenburg  ver- 
ständigte er  sich,  nicht  länger  den  kaiserlichen  Plänen 
und  Bestrebungen  Vorschub  zu  leisten;  beide  wurden 
einig,  den  nach  Augsburg  berufenen  Reichstag,  auf 
Avelchem  der  Kaiser  seinem  Sohne  Philipp  die  Nachfolge 
zu  sichern,  die  L'nterwerfung  der  Evangelischen  unter  das 
Konzil  und  die  Bestrafung  aller  Ungehorsamen  und 
Rebellen,  besonders  Magdeburgs,  durchzusetzen  gedachte, 
nicht  zu  besuchen.  Sie  entschuldigten  sich  mit  der  land- 
gräflichen Verpflichtung  und  der  abermals  geforderten 
Einstellung  in  Cassel,  mit  den  gefährlichen  Werbungen 
und  Rüstungen  in  Norddeutsclilaud ,  mit  der  Belagerung 
Braunschweigs  durch  Herzog  Heinrich  und  mit  der 
Haltung  Magdeburgs,  welche  nöthige,  auf  den  Schutz 
der  Bisthümer  und  ihrer  eigenen  Lande  bedacht  zu  sein'"). 
Schliesslich  hielt  Kurfürst  Moritz  die  Übernahme  der 
Belagerung  INlagdeburgs  für  das  beste  Mittel,  vom  Reichs- 
tage  fern    zu  bleiben'^). 


')  Johannes  Voigt,  Markgraf  Albiecht  Alcibiades  (Berlin 
1852)  207  flg.  In  Zscliopau  wohl,  nicht  in  Zwickan,  ist  eines  franzö- 
sischen Bündnisses  gedacht  worden.  Interessant  ist  des  Markgrafen 
Denkschrift  (H.-St.-A.),  abgedrnckt  hei  A.  v.  Druffel:  Uriefe  niul 
Akten  zur  Geschichte  des  16.  Jahrhunderts  I,  No.  400. 

*)  ^Y.  "VVenck,  Albeitiner  und  Ernestiner  nach  der  Witton- 
berger  Kapitulation,  in  v.  "Webers  Archiv  für  säclis.  Geschichte  VIII, 
(1870),  152  u.  225. 

'»)  Vergl.  Loc.  10187  Reichstagshändel  zu  Augsburg  1550. 
Druffel  I,  No.  413,  4.H.S,  448  flg. 

")  S.  Issleib,  diese  Zeitschrift  V,  177  u.  227. 


216  S.  Issleib: 

Als  nach  Aufhebung  der  Belagerung  Braunschweigs 
der    jugendliche    Herzog    Georg    von    Mecklenburg    im 
Vorhaben,    brüderliche    Händel    auszuf echten ,    mit    zehn 
Fähnlein  Knechten  und  200  Reitern  nach  der  Elbe    auf- 
gebrochen    war,     das    magdeburgische     Gebiet     berührt 
und     die    ihm    entgegengezogenen    Bürger    bei     Hillers- 
leben    geschlagen    hatte,    da    nahm    Kurfürst   Moritz    das 
kleine    Heer    auf   unbestimmte    Zeit     und    gegen   jeder- 
mann  verfügbar    in    seine  Dienste.      Diesen   Schritt   that 
er,    weil    ihm  nach   seiner    eigenen   Aussage  nicht   wenig 
grauste,    es    möge    ein    trübes    Wetter    über    ihn    fallen. 
Tag   und  Nacht   plagte   ihn   damals   die  Sorge,  der  nach 
Frankreich    entsendete    Bote    möge    niedergeworfen    und 
der    Heinrich    H.    gemaciite    Antrag    zu   einem    Offensiv- 
bündnisse   dem    Kaiser    verrathen    worden    sein.     Weiter 
fürchtete  er  die  Gefährlichkeit  der  bemerkbaren  Umtriebe 
einiger  Fürsten  schmalkaldischen  Anhanges*^).   In  völliger 
Ungewissheit  schwebte  er  über  die  Absichten  des  Kaisers, 
ob  derselbe  vom  Reichstage  aus  zu  Gunsten  seines  kaiser- 
lichen Ansehens,  des  Interims  und  des  Konziles  in  Trient 
die  „Ungehorsamen  und  Rebellen"  des  Reiches  in  Person 
überziehen,  züchtigen  oder,  durch  andere  unterwerfen  lassen 
wollte.     Kam    der    Kaiser    nicht   nach    Norddeutschland, 
dann  hoffte  er  durch  beherztes  Eingreifen  und  glückliche 
Bemeisterung    der    Verhältnisse    Magdeburg    endlich    in 
seine  Hände   zu  spielen,  eine  entscheidungsvolle  Stellung 
zu  erwerben  und  gegen  den  Kaiser  selbst  „viel  gute  Leute 
an    den    Tanz    zu  bringen".     Treu  verbündet  mit  seinem 
Bruder  Augustus  und  dem  Markgrafen  Albrecht  und  im 
guten    Einvernehmen    mit    dem    Kurfürsten  Joachim   von 
Brandenburg  beschloss  er  „zu  lavieren,  so  gut  er  könne", 
und    zwischen    dem    Kaiser    und     den     kaiserfeindlichen 
Elementen    eine     Stellung    einzunehmen,    die    es    ermög- 
liche,   das  Übergewicht   leicht    nach   der    einen  oder    der 
anderen    Seite    zu    werfen.     Daher    hielt    er  kaiserlichem 
Wunsche  gemäss  die  Knechte  vor  Magdeburg  diensteifrig 
zusammen,   verstärkte  sie,    versuchte    sich    der    Stadt  zu 
bemächtigen,  führte  Verhandlungen  und  Hess  sich  später 
zur    Übernahme    kaiserlicher     und    Reichsdienste     willig 


'=')  Der  Kurfürst  kannte  nicht  die  Fürstenverschwörung,  die  sich 
Februar  1550  in  Königsberg  gebildet  hatte.  Siehe  Johannes 
Voigt,  Der  Fürstenbund  gegen  Kaiser  Karl  V.,  in  Raum  er  s  histo- 
rischem Taschenbuche  3.  Folge,  8.  Jahrgang  (Leipzig  1857). 


Moritz  von  Schseii  gegen  Karl  V.  etc.  217 

finden.  Grleichzeitig  aber  fragte  er  in  Hessen  beim  jungen 
Landgrafen  Wilhelm  an,  was  er  (Wilhelm)  neben  ihm  zu 
thun  bedacht  sei,  wenn  er  sich  beim  plötzlichen  Todesfälle 
des  Kaisers  eines  Werkes  unterziehe,  wünschte  „Glück 
und  Wohlfahrt"  zur  geplanten  Entführung  des  Land- 
grafen Philipp,  erwartete  guten  Fortgang  des  begonnenen 
französischen  Handels  und  wandte  alle  Mühe  auf,  um 
sich  dem  Markgrafen  Hans  von  Küstrin,  und  anderen 
Fürsten  zu  nähern *^K  Allein  je  zweifelloser  Moritz  für 
ein  williges  kaiserliches  Werkzeug  in  Sachen  der  Achts- 
exekution gehalten  wurde,  je  deutlicher  seine  Absicht  auf 
Magdeburg  hervortrat  und  je  unabwendbarer  die  hart 
bekämpften  Reichstagsbeschlüsse  gegen  Magdeburg  und 
alle  Anhänger  der  Stadt  erschienen,  um  so  grösser  war 
von  markgräflicher  Seite  trotz  aller  Versprechungen  und 
Erbietungen  das  Misstrauen  gegen  den  Leiter  der  raagde- 
burgischen  Belagerung,  imi  so  schwieriger  jede  Vereinigung 
mit  den  Fürsten,  um  so  energischer  die  Bemühungen, 
Magdeburg  zu  entsetzen,  den  Kurfürsten  zu  vertreiben 
und  dem  Kaiser  „ein  Blatt  über  die  Füsse  zu  wälzen". 
Auch  Landgraf  Wilhelm  „lag  lange  in  der  Armbrust"  und 
war  mehr  mit  Worten  als  mit  der  That  willfährig*'*). 
Fürwahr,  erst  musste  des  Landgrafen  Philipp  Flucht- 
versuch missglücken  *^)  und  die  Haft  verschärft  werden, 
erst  der  bedenkliche  und  höchst  gefährliche  Kriegszug 
gegen  den  Gardhaufen  im  Stifte  Verden  vom  Kurfürsten 
Moritz  so  glücklich  beendet  werden,  ehe  die  Kraft  der 
geheimen  feindlichen  Praktiken  zusammenbrach ,  ehe 
Treue  und  Glauben  das  widerwärtige  Misstrauen  ver- 
drängten und  ehe  sich  der  Kurfürst  —  seltsam  aller- 
dings —  in  der  Würde  eines  kaiserlichen  Reichsfeldherrn 
vor  Magdeburg  zum  Haupte  eines  kaiserfeindlichen  Bundes 


**)  Ausführlich  wurde  den  Herzögen  von  Preussen,  Mecklen- 
burg und  Pommern  zu  erkennen  gegeben,  dass  man  von  einem 
neuen  Bündnisse  gehört.  Loc.  9151,  Magdeburgische  Belagerung, 
Buch  II,  m.  462. 

'*)  Willielm  hatte  den  Vater  um  Rath  gefragt,  und  dieser  ver- 
langte, Moritz  solle  sich  erst  einmal  seiner  Verpflichtung  gemäss 
einstellen,  wolle  er  dann  etwas  zu  seiner  Erledigung  thun,  dann 
sollte  ihm  Wilhelm  nach  Möglichkeit  helfen.  Eine  Kriegsunter- 
nehmung wurde  unter  Umständen  bewilligt.  Cornelius,  Churf. 
Moritz  etc.  672. 

'*)  Loc.  8498,  Kurf.  Moritz  meistentheils  eigenhändige  Schreiben 
an  sehie  Gemahlin  1547 — 5.3,  Bl.  20.  Wilhelm  von  Hessen  an  seine 
Schwester  Agnes,  Cassel,  21.  Januar  1551. 


218  S.  Issleib: 

aufzuschwingen  vermochte.  Dann  erst  versclimolzen  all- 
raählif;  mit  einander  die  zaiil reichen  bis  dahin  o-etrennten 
gleichen  und  ähnlichen  Bestrebungen  der  evangelischen 
norddeutschen  Fürsten,  Städte  und  Stände.  Von  Mitte 
Januar  1551  an  nahm  Kurfürst  Moritz  eine  bedeutende 
Stellung  ein.  Sollte  noch  ein  Unternehmen  gegen  den 
Kaiser  ins  Werk  gesetzt  werden,  so  musste  man  seiner 
Mitwirkung  versichert  sein.  Der  emsigen  Thätigkeit  ge- 
schickter Mittelspersonen  —  wir  nennen  Wilhelm  und 
Heinrich  von  Schachten ,  Simon  Bing ,  Klaus  Berner, 
Hans  von  Heideck,  Adam  Trott,  Christoph  Arnold  — 
war  es  zu  verdanken,  dass  die  protestantischen  Fürsten, 
voran  Markgraf  Hans,  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  endlich 
entgegen  kamen. 

Am  20.  Februar  1551"*)  fand  die  bekannte  Be- 
gegnung des  Kurfürsten  Moritz  und  des  Markgrafen  Hans 
in  Dresden  statt.  Zögernd  und  vorsichtig  näherten 
einander  die  Fürsten  und  verständigten  sich  über  Ver- 
theidigung  der  Religion  und  der  Freiheiten  des  Reiches, 
über  die  Befreiung  der  gefangenen  Fürsten,  des  Land- 
grafen Philipp  und  des  Herzogs  Johann  Friedrich,  und 
über  die  Beilegung  des  magdeburgischen  Krieges").  In 
den  gegenseitig  ausgestellten  Verpflichtungsurkunden  ver- 
sprach zunächst  Moritz  (am  20.  Februar),  dem  Augs- 
burger Bekenntnis  treu  bleiben,  gegen  das  Tridentiner 
Konzil  mit  anderen  Fürsten  und  Ständen  protestieren 
und  zur  Erhaltung  der  wahren  Religion  augsburgischer 
Konfession  sowie  zum  Schutze  der  deutschen  Freiheit  in 
ein  näher  bestimmtes  Defensivbündnis  sich  einlassen 
zu  wollen.  Er  war  entschlossen,  den  kaiserlichen  Dienst 
nach  Verlauf  der  drei  (bis  zum  2.  April)  bindenden 
Monate  zu  verlassen,  vorausgesetzt,  dass  die  jungen  Herren 
in  Weimar  sich  mit  ihm  und  anderen  Potentaten,  Fürsten 
und  Ständen  zu  Gunsten  der  Religion,  der  deutschen  Frei- 
heit und  Erledigung  ihres  Vaters  einlassen  und  ihre 
Irrungen  zu  gebührlichem  Austrage  stellen  würden. 
Magdeburg    sollte    nicht    verlassen    und    bei    der   wahren 


'«)    Loc.    7281,    Französische    Yerbüncbiisse    Bl.    40   flg.    und 
Loc.  7277,  Marggraffen  Johaiinsen   hendel  mit  Clmrfürst   Moritzen 
'a.  1548—53,  Bl.  .3,  5.     Siehe  Druffel  I,  No.  586,  587,  v.  Lange  im, 
Moritz,  Herzog  und  Churfürst  zu  Sachsen  II,  321   tig. 

")  Man  erkennt,  Moritz  steuerte  in  erster  Linie  auf  Befreiung 
des  Landgrafen  los,  Markgraf  Hans  auf  Yertheidigung  der  Religion 
und  der  deutschen  Freiheit. 


Moritz  von  Sailisen  gegen  Karl  V.  etc.  219 

Religion  geschützt  werden,  sofern  es  sich  in  zeitlichen 
Sachen  dem  Kaiser  füge.  Eine  Fürstenversammlung' 
sollte  stattfinden,  Kurfürst  Moritz  wollte  die  jungen  Herren 
von  Hessen,  den  Herzog  von  Koburg  und  andere  Poten- 
taten in  den  Handel  ziehen  und  darauf  denken,  wie  die 
beiden  Gefangenen  von  Hessen  und  Sachsen  zu  befreien 
seien.  Markgraf  Hans  übernahm  (am  21.  Februar),  die 
Ernestiner  und  Albertiner  auszusöhnen,  die  Herren  von 
Weimar  für  das  Bündnis  zu  gewinnen,  mit  den  Herzögen 
von  Mecklenburg,  Preussen,  Pommern  zu  verhandeln  und 
dann  in  ihrem  Namen  mit  Moritz  abzuschliessen.  Mark- 
graf Albrecht  sollte  nicht  zugezogen  werden,  da  Mark- 
graf Hans  meinte,  es  sei  gefährlich,  ihn  in  die  wich- 
tigen Dinge  einzuweihen.  Weiter  wurde  verabredet: 
Hans  von  Heideck  als  Unterhändler  zu  gebrauchen, 
Frankreichs  und  womöglich  auch  Englands  Beistand  zu 
erwerben  und  den  König  von  Böhmen  Maximilian  nicht 
anzugreifen.  Man  hoffte,  7000  Reiter  und  20000  Knechte 
ins  Feld  stellen  und  mit  dieser  Macht  die  PfaiFen  und 
Mönche  aus  Deutschland  vertreiben  zu  können,  besonders 
Avenn  die  Türken  den  König  Ferdinand  beschäftigen 
würden  und  Frankreich  die  Niederlande  überziehe'^). 
Dem  Markgrafen  Hans  kam  es  besonders  darauf  an,  dass 
Moritz  dem  kaiserlichen  Dienste  entsage,  für  Moritz  da- 
gegen war  Hauptsache,  dass  die  Vettern  in  Weimar  mit 
ihm  verglichen  und  zur  Theilnahme  am  Bunde  bewogen 
würden.  Ein  rühriges  Treiben  begann.  Markgraf  Hans 
leitete  die  Verhandlungen  mit  Magdeburg  ein,  verständigte 
sich  mit  seinen  bisherigen,  aber  noch  ungenannten  Bundes- 
genossen und  fand  bei  den  Erncstinern  williges  Gehör. 
Kurfürst  Moritz  andererseits  weihte  seinen  Schwager  Wil- 
helm von  Hessen  und  dessen  Räthe  Schachten  und  Bing  in 
die  Dresdner  Verhandlungen  ein,  empfahl  eine  Sendung  an 
den  Herzog  Christof  von  Württemberg  und  gab  den  Auftrag, 
an  Georg  von  Reckerod  zu  schreiben,  dass  er  den  fran- 
zösischen Handel  so  lange  in  officio  halte,  bis  die  Ver- 
gleichung  mit  Weimar  erfolgt  sei  und  von  allen  vereinigten 
Fürsten  ein  gemeinsamer  Schritt  bei  Heinrich  H.  geschehen 
könne.  Unter  Heranziehung  des  Kurfürsten  Joachim 
und    des    Domkapitels,    des    Markgrafen    Hans    und    des 


")  Kurfürst  Moritz  erfuhr  uiclit,  dass  Markgraf  Hans  bereits 
mit  dem  Herzog  von  l'reussen  und  Jolianu  Albrecht  von  Mecklen- 
burg ein  Bündnis  geschlossen  hatte. 


220  S.  Issloib: 

Herrn  von  Heideck  verhandelte  er  mit  Magdeburg  und 
nahm  einen  ernsten  Anhiuf,  den  kaiserlichen  Dienst  zu 
verlassen'^).  Als  Hauptursaclie  führte  er  die  landgräfliche 
Sache  an,  denn  sollte  er  mit  dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg eingefordert  werden,  so  könne  er  nicht  an  beiden 
Orten,  vor  Magdeburg  und  in  Cassel,  sein.  Das  kaiser- 
liche Entgegenkommen  aber ,  die  noch  schwankenden 
und  unberechenbaren  Verhandlungen  mit  Magdeburg  und 
den  Vettern  in  Weimar,  die  noch  unsicheren  und  unfertigen 
Bundesverhältnisse  und  die  anfangs  Mai  in  Nürnberg  er- 
folgten neuen  Geldbewilligungen  der  Reichsstände  zur 
Fortsetzung  der  magdeburgischen  Belagerung  bestimmten 
ihn  dann,  den  Oberbefehl  vor  Magdeburg  beizubehalten, 
doch  so,  dass  das  Dienstverhältnis  zum  Kaiser  nach 
monatlicher  Kündigung  gelöst  werden  konnte.  In  solcher 
Stellung  wartete  er  auf  einen  guten  Beschluss  aller 
Sachen.  Von  neuem  versicherte  er  sich  anfangs  Mai 
des  Kriegsvolkes  auf  6  Monate  im  Interesse  des  werden- 
den Bundes. 

Im  Mai  wurde  zu  Naumburg"''")  über  die  sächsischen 
Partikular-DifFerenzen,  über  das  Fürstenbündnis  und  über 
Magdeburg  berathen.  Die  Magdeburgischen  Erbietungen 
hielt  Kurfürst  Moritz  des  Kaisers  wegen  für  ungenügend, 
und  die  sächsischen  Rechtsstreitigkeiten  Mairden  nicht  bei- 
creleüt.  Aber  in  Betreff  der  Bundessache  erklärte  Johann 
Friedrich  der  Mittlere,  er  gedenke  ungeachtet  irgend 
welcher  Abmahnungen  von  Seiten  des  gefangenen  Vaters 
am  Bündnisse  theilzunehmen  und  keinesfalls  beim  grossen 
Werke  zu  fehlen^  ^).  Allein  zu  einem  bindenden  Akte  kam  es 
auch  hierbei  nicht.  Unmittelbar  darauf  (am  22.  Mai)  waren 
Kurfürst  Moritz,  Markgraf  Hans,  Johann  Albrecht  von 
Mecklenburg  und  Wilhelm  von  Hessen  ohne  Johann  Fried- 


'*)  Darüber  Näheres  in  dieser  Zeitschrift  V,  279  flg. 

*")  W.  Wenck,  Kurfürst  Moritz  und  die  Ernestiiier  in  den 
Jahren  1551  und  1552,  in  den  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte 
XII  (1872),  11  flg.  Vom  10.  bis  20.  Mai  waren  Kurfürst  Moritz 
und  Joh.  Friedrich  der  Mittlere  anwesend.  Später  schrieb  Mark- 
graf Hans  an  Herzog  Albrecht  von  Preussen  (S.  13):  „Und  sind  an 
dem  Tage  bei  beider  Partei  Rätlien,  sonderlich  aber  des  Kurfürsten 
Theils,  des  Kaisers  Praktizierung  und  Unterstechen  scheinbarlich 
und  gröblich  gespürt,  auf  dass  die  Herren  ja  miteinander  nicht  sollten 
verglichen  werden". 

")  Des  Herzogs  Vertraute  waren  der  Landhofmeister  Bernhard 
von  Mila  und  der  Hofmeister  Wolf  Mülich. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  221 

rieh  den  Mittleren  in  Torgau^*),  um  auf  Grund  der 
Dresdner    Februarabmaclmno-cn    weiter     zu    verhandeln. 

Die  Punkte  ),  treues  und  offenes  Festhaken  an  der 
augsburgischen  Konfession '•^^),  Vertheidigung  der  Frei- 
heiten des  Vaterlandes  und  Erledigung  der  gefangenen 
Fürsten,  behielten  bindende  Kraft.  Auf  Grund  der  kur- 
fürstlichen Bewilligungen  und  der  herzoglichen  Erbietungen 
in  Naumburo-  sollte  Markgraf  Hans  die  sächsisclien  Irruno-en 
endgiltig  ausgleichen.  Zur  gelegenen  Zeit  sollten  sich 
die  Fürsten  von  neuem  betagen  und  alle  Dinge  vollziehen, 
selbst  wenn  die  Herren  von  Weimar  die  vorgeschlagenen 
Mittel  nicht  annehmen  oder  ihrem  Erbieten  nach  sich 
nicht  einlassen  Avürden.  Innerhalb  zweier  Monate  sollten 
die  auferlegten  Geldsummen  zum  Unterhalte  für  die 
Reiter  und  Knechte  hinterlegt  werden''^).  Alle  ver- 
pflichteten sich,  so  oft  es  Noth  thue,  Vollmachten  und 
Creditive  an  Potentaten,  Stände  und  Städte  unter  ihrem 
Siegel  auszufertigen  und  alle  Bundesinteressen  auf  das 
treulichste  befördern  zu  helfen.  Ohne  Zweifel  auf  Moritz 
ausdrücklichen  Wunsch  wurde  dem  Torgauer  Vertrage 
ein  Zusatzartikel  folgenden  Inhaltes  beigefügt :  wären 
die  jungen  Herren  von  Weimar  nicht  zum  gemeinen 
Werke  zu  bringen,  so  sollte  man  von  ihnen  eine  gründ- 
liche Erklärung  verlangen,  dass  sie  keine  Gegner  sein 
wollten,  es  gerathe  die  Sache,  auf  welchen  Weg  sie  wolle. 
Im  Weigerungsfalle  sollten  sie  als  Feinde  betrachtet 
werden.  Kurfürst  Moritz  wollte  niemanden  im  Rücken 
dulden,  der  dem  Werke  hinderlich  sein  könnte.  Mit 
vollem  Rechte  meinte  er  am  guten  Willen  der  Ernestincr 
zweifeln  zu  dürfen  und  sich  vor  ihren  Praktiken  sicher- 
stellen zu  müssen. 

Weil  man  auswärtige  Hilfe  für  nothwendig  hielt,  so 


**)  Man  schien  zu  Naumhurg  infolge  der  stattlichen  Ver- 
sammlung und  der  langen  Dauer  der  Berathungen  lauernden  Be- 
obachtungen und  gellässigen  Aussprengnngen  ausgesetzt. 

2')  Siehe  den  Torgauer  Vertrag  vom  22.  Mai  bei  Cor- 
nelius, Churf.  Moritz  gegenüber  der  Fürstenverschwörung  1550 — 51, 
694  flg. 

**)  Man  beachte,  es  felilt  die  Protestation  gegen  das  Konzil. 
Auf  dem  Reichstage  (zu  Augsburg  in.')!)  liatten  die  anwesenden 
Protestanten  erklären  niiisson,  das  Tridentiuer  Konzil  besuchen  zu 
•wollen. 

=**)  Markgraf  Hans  war  gewillt,  den  Antheil  des  Herzogs  von 
Preussen  zu  übermitteln. 


222  S.  Issleib: 

wurde  am  25.  Mai  ein  MemoriaP®)  für  Friedrich  von 
Reifenberg ^')  behufs  einer  neuen  Werbung  am  franzö- 
sischen Hofe  ausgefertigt**).  Darnach  wölken  die  Fürsten 
mit  dem  Könige  ein  Bündnis  gegen  den  Kaiser  schlicssen 
und  auf  ein,  zwei  und  mehrere  Jahre  hinaus  6000  Reiter, 
eine  entsprechende  Zahl  von  Knechten  und  Feldgeschütze 
stellen ,  um  den  Feind  nach  Gelegenheit  an  mehreren 
Orten  zuo-leich  angreifen  zu  können.  Der  Könio;  sollte 
sich  zu  einer  Monatssumme  von  mindestens  100000  Kronen 
verpflichten  und  in  Person  zu  Felde  ziehen.  Dafür 
wollten  sich  die  Fürsten  bei  Erwählung  eines  neuen  zeit- 
lichen Oberhauptes  und  in  andere  Wege  dankbar  erzeigen 
und  ohne  den  König  keinen  Vertrag  schliessen.  Durch 
Brief,  Siegel  und  Geiseln  sollte  das  Bündnis  bekräftigt 
werden.  Auf  Wunsch  des  Königs  wollten  auch  Kurfürst 
Moritz  und  Markgraf  Hans  heimlich  und  unbemerkt  nach 
Frankreich  Icommen  und  sich  mit  ihm  über  alle  Dinge 
verständigen.  Noch  vor  Anbruch  des  Winters  wünschte 
man  das  Werk  zu  beginnen. 

So  steuerten  jetzt  die  Fürsten,  welche  sich  am  An- 
fange des  Jahres  mit  dem  grössten  Misstrauen  gegen- 
über standen,  einem  gemeinsamen  Ziele  zu.  Wie  bei 
Frankreich  so  suchte  man  bei  England  ^^),  Dänemark, 
Kurpfalz,  Württemberg,  bei  Herzog  Ernst  von  Ko- 
burg  etc.  Hilfe,  Rückhalt,  Willfährigkeit  und  Genossen- 
schaft. Um  des  Bundes  willen  wurde  die  Belagerung 
Magdeburgs  in  die  Länge  gezogen  und  das  Kriegs- 
volk auf  Reichskosten  unterhalten  '^"j.  Neben  Johann 
Albrecht  von  Mecklenburg  bemühte  sich  Markgraf  Hans, 
die  Herzöge  von  Weimar  mit  Moritz  auszugleichen  und 
in  den  Bund  hineinzuziehen.  Leider  bemerkte  er,  sie 
wollten    fühlen,    wo    das   Brett    am    dünnsten    sei^^),  und 

26j  Vergl.  Loc.  7281,  Französische  Verbündnisse.  v.  Langenn 
II,  327.     Druffel  I,  No.  7U.3-705. 

*')  Derselbe  war  früher  für  Markgraf  Hans  etc.  am  franzö- 
sischen Hofe  thätig  gewesen.     Druffel  I,  No.  70.3. 

=")  Cornelius,  Churf.  Moritz  etc.  (;t)3.  Nach  Schärtlins  Brief 
vom  8.  Mai  hatte  sich  Heinrich  11.  ül)er  den  Verzug  von  Seiten  des 
Kurfürsten  etc.  verwundert  ausgesprochen.  Schärtlin  warnte  vor  zwei 
Punkten,  vor  einer  üeldforderung  und  vor  der  Religion.  Heinrich  II. 
wollte  des  Glaubens  wegen  nicht  angefochten  werden;  jeder  sollte  bei 
seinem  Glauben  bleiben. 

^')  Loc.  7277,  Marggraffen  Johannsen  hendel  etc.  Bl.  9  flg. 
V.  Langenn  II,  328.     Druffel  I,  No.  «58,  661,  687,  G95,  705. 

^o)  S.  Issleib  in  dieser  Zeitschrift  V,  291  flg. 

*')  Johannes  Voigt,  Der  Fürstenbund  etc.  12G  flg. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  223 

Kurfürst  Moritz  bat,  an  gewissen  Orten  nicht  zu  viel  zu 
trauen,  bis  man  der  Leute  im  Grunde  gewiss  sei;  es  sei 
nicht  rein  an  dem  Orte,  versicherte  er  später,  man  reite 
auf  zwei  Strassen.  Den  Landgrafen  Wilhehn  warnte  er 
auf  alle  Weise,  und  verhielt  ihm  nicht,  dass  „der  Kaiser 
etwas  rieche". 

Bemüht,  Deutschland  völlig  zu  beraeistern,  Hess 
Karl  V.  die  Stimmung  der  Nation  allerorten  ausforschen. 
Kundschafter  durchzogen  wie  früher  das  gesamte  Reich, 
besonders  den  Norden  Deutschlands.  Am  meisten  standen 
bei  ihm  in  Verdachte  Markgraf  Hans  und  die  Landgrafen 
von  Hessen.  Aber  auch  Moritz  blieb  trotz  seiner  Thätig- 
keit  vor  Magdeburg  und  trotz  des  so  glücklich  ausge- 
führten Verdener  Krieiiszu>;'es   nicht   frei    von  Bear^wöh- 

O  tJ  CD 

nungen  und  Verdächtigungen.  Es  fiel  auf,  dass  er  jetzt 
mehr  als  früher  auf  die  Befreiung  des  Landgrafen  drang, 
obgleich  der  Kaiser  erklärt  hatte,  er  solle  nicht  schuldig 
sein,  der  „angemassten,  nichtigen  Einnehmung"  naeii 
Cassel  Folge  zu  leisten'^);  man  sah  die  Annahme  des 
Markgrafen  Albrecht  als  Oberstlieutenant  vor  Magdeburg 
ungern  und  bekämpfte  sie  lange  Zeit.  Unverhohlen  sprach 
man  seine  Verwunderung  darüber  aus,  dass  der  Kurfürst 
den  geächteten  und  listigen,  mehr  französisch  als  kaiser- 
lich gesinnten  Herrn  von  Heideck  im  Lande  dulde,  sogar 
als  Oberhauptmann  in  Leipzig  eingesetzt  und  seinen 
Sekretär  Arnold  als  Verwalter  in  Eilenbarg  angestellt 
habe.  In  den  Regionen  des  höfischen  Klatsches  wurden 
allerlei  verdriessliche  zuweilen  fast  ehrenrührige  Reden 
geführt^^).  Man  hielt  sich  auf  über  die  lange  Belagerung 
Magdeburgs  und  über  die  nutzlosen  Verhandlungen,  über 
die  Zusammenkünfte  der  Fürsten^*)  und  deren  Sendungen 
an  fremde  Potentaten.  Man  empfahl.  Acht  zu  geben, 
dass  der  Kurfürst  nicht  nach  der  Eroberung  Magdeburgs 
eine  Gesellschaft  an  sich  hänge  und  dem  Kaiser  des 
Landgrafen  halber  einen  Possen  spiele;  denn  wiederholt 
wurde   an   den   kaiserlichen   Hof  berichtet,  man  versuciie 


*')  V.  Langenn  II,  .S21.     Drnifel  f,  No.  664. 

*')  Die  meisten  Nachrichten  darüber  stammen  von  Dr.  Franz 
Kram.  Lo(;.  10  695,  Dr.  Franz  Kranimons  Zcitnngsbiuli  an  Komcr- 
stadt  1551  nnd  Loc.  10  189,  M.  Franz  ivramiiiens  Scliroihen  etc.  1551, 
hl   81    ilg. 

^*)  IjOc.  7277,  Marggratt'on  Johannsen  hendel  mit  Chnrlürst 
Moritzen  A.  1.548— 58,     Bl.  18.     Drnffel  I,  No.  661. 


224  S-  Issleib: 

den  Kurfürsten  vom  Kaiser  abzubringen^^).  Moritz  sali 
sich  wiederholt  veranlasst,  den  Kaiser  zu  bitten,  ver- 
leumderischen Berichten  über  ihn  keinen  Glauben  zu 
schenken.  Eingedenk  der  kurfürstlichen  Verdienste  vor 
Magdeburg  und  Verden  legte  der  Kaiser  selbst  in  der 
That  wenig  Gewicht  auf  die  gewohnheitsmässig  umlaufenden 
Reden  und  suchte  den  Kurfürsten,  als  der  Himmel  sich 
ringsum  zu  trüben  begann,  als  die  Türken  rüsteten  und 
in  Italien  der  Krieg  in  Aussicht  stand,  durch  beson- 
dere Willfährigkeiten  auf  seiner  Seite  festzuhalten.  Er 
war  einverstanden,  dass  der  Kurfürst  Magdeburg  nach 
der  Eroberung  oder  Ergebung  so  lange  innebehalte,  bis 
er  wegen  aller  zur  Exekution  vorgestreckten  Gelder  gänz- 
lich zufriedengestellt  sei,  und  veranlasste  das  Erzstift  für 
die    Bezahluno;  in  bestimmter  Frist  zu  haften. 

Anfangs  August  kehrte  Friedrich  von  ßeifenberg 
mit  guter  Nachricht  aus  Frankreich  zurück'"),  und  wenige 
Tage  darauf  erschien  der  angekündigte  königliche  Bevoll- 
mächtigte Johann  de  Fresse  (Fraxineus),  Bischof  von 
Bayonne,  in  Marburg^').  Still  und  verborgen  hielt  er 
sich  in  Hessen  und  Sachsen  auf,  bis  die  Fürsten  alles  zu 
einem  gründlichen  Beschlüsse  vorbereitet  hatten'^).  Ende 
September '*')  begannen  die  Verhandlungen  in  Lochau. 
Es  erschienen  Kurfürst  Moritz^"),  Markgraf  Hans  (mit 
Vollmachten  Albrechts  von  Preussen  und  Heinrichs  von 
Mecklenburg),  Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg, 
Schachten  und  Bing  an  Stelle  des  Landgrafen  Wilhelm*^) 
und  zuletzt  der  Bischof  von  Bayonne.  Während  der 
zehntägigen  Beratimngen  trat  klar  zu  Tage,  was  Frank- 
reich wollte  und  welche  Ziele  Kurfürst  Moritz  mit  den 
Hessen  und  Markgraf  Hans  verfolgten,    worauf  der  eine 


»*)  Joh.  Voigt,  Der  Fürsteubund  etc.  127.  Vergl.  Druffell, 
No.  662,  687,  709,  714,  766. 

")  Druffel  I,  No.  709,  714. 

")  Druffel  I,  No.  711,  714,  722,  73.3.  Landgraf  Wilhelm 
sollte  sich  auf  Moritz  Wunsch  gegen  den  Gesandten  grossmüthig 
erzeigen  und  von  grossen  Streichen  reden.  Eine  Nothlüge  schade 
zu  Zeiten  nichts. 

»»)  Vergl.  Joh.  Voigt,  Der  Fürstenbund  etc.  133,  135. 

»•)  Druffel  I,  No.  767.  III,  267. 

*")  Derselbe  vertrat  zugleich  seinen  Mündel  und  Vetter  Mark- 
graf Georg  Friedrich  von  Ansbach. 

*')  Druffel  I,  No.  714,  733.  Herzog  Augustus  war  nicht  an- 
wesend, da  Moritz  sich  mit  ihm  besonders  versttändigt  hatte,  Druffel  I, 
No.  711  A.  3. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  225 

und  der  andere  Theil  das  Hauptgewicht  legte.  Ver- 
scliiedeu  geartet,  von  ungleichen  Interessen  geleitet  und 
von  mannigfachen  Rücksichten  abhängig,  gerieth  man 
hart  aneinander.  Nach  hessischen  Mittheilungen^^)  war 
„es  nicht  zu  sagen,  wie  seltsam  der  Handel  gewackelt. 
Denn  der  Teufel  hatte,  wo  er  gekonnt  und  gemocht, 
seine  Hinderung  nicht  allein  hundert-  sondern  tausend- 
fältig eingeworfen".  Als  alle  Dinge  abgeredet  waren  und 
endgiltig  zu  Papier  gebracht  werden  sollten,  als  Mark- 
graf Hans  die  andern  wohl  zehn  Tage  „gefexieret  und 
mit  ihnen  geschlossen"  hatte,  fiel  er  nach  einem  harten 
Wortwechsel  mit  Moritz  am  Abendtische  schändlich  aus 
aller  Handlung  ^^)  und  ritt  frühmorgens  am  4.  Oktober 
trotz  vorangegangener  Bitten  Fresses,  der  Hessen  und 
des  Herzogs  von  Mecklenburg  mit  den  Vollmachten  der 
Herzöge  von  Preussen  und  Mecklenburg  „heimlich  wie 
die  Katze  von  der  Böne"  davon.  Vergleicht  man  das 
bis  jetzt  bekannte,  aber  noch  immer  lückenhafte  Quellen- 
material ^^),  so  geht  daraus  mit  Bestimmtheit  hervor,  dass 
der  französische  Gesandte  sich  von  vornherein  nur  auf 
ein  Offensivbündnis  einlassen  wollte  und  Zustimmung 
beim  Kurfürsten  und  bei  den  Hessen  fand^^),  Markgraf 
Hans  dagegen,  auf  die  Dresdner  Abmachungen  und  den 
Torgauer  Vertrag  gestützt,  einem  Defensivbündnisse  das 
Wort  redete  und  von  keiner  Offensive  hören  wollte,  bevor 
die  Defensive  nicht  völlig  verglichen  sei^**).  Fresse,  Kur- 
fürst Moritz  und  die  Hessen  brachten  die  früheren  Fest- 
setzungen ins  Schwanken,  Markgraf  Hans  suchte  sie  auf- 
recht zu  erhalten  und  kam  auch  später  immer  wieder 
darauf  zurück.  Moritz  stellte  neben  den  Hessen  als 
Hauptzweck  des  Unternehmens  Freiheit  des  Vaterlandes 
und  Erledigung  des  Landgrafen  hin*'),  der  Markgraf 
sah  Vertheidigung  der  Keligi()n  und  der  Freiheiten  des 
Vaterlandes   als   die   Hauptgründe  ihrer  Vereinigung   an. 


")  Druffel  I,  No.  767,  779,  vcrgl.  782,  oder  Loc.  7277,  Marg- 
graffen  Joliannsen  liendel  etc.  Bl.  17. 

")  Druffel  III,  266. 

")  Druffel  III,  2G4  flg.  Johannes  Voigt,  Der  Fürsten- 
bund  etc.  140  Hg.,  157  flg. 

**)  Druffel  I,  No.  662.  Schon  am  12.  Juni  schrieb  Moritz  an 
Wilh.  von  Hessen:  was  nützte  ihnen  der  Bund  ohne  die  nerva  belli. 

*")  Der  Markgraf  erklärte,  er  sei  auf  Grund  der  Verträge  von 
Dresden  und  Torgau  zur  Defensive  bevollmächtigt,  sowie  zu  Ver- 
handlungen über  die  Offensive.     Druffel  III,  267  u.  269. 

*')  Druffel  III,  268. 

Neue«  Archiv  f.  S.  (J.  u.  A.     VI.  3.  4.  15 


226  S.  Issleib: 

Der  Kurfürst  erklärte,  „Frankreich  dulde  nicht,  dass  die 
Religion  auch  nur  mit  einem  einzigen  Worte  erwähnt 
werde,  das  könne'  den  Handel  sofort  stutzig  machen". 
Der  Mai'kgraf  meinte:  „ihnen  sei  die  Religion  der  vor- 
nehmste (jrrund,  den  man  nicht  wegen  der  Franzosen 
unter  die  Bank  stecken  könnte.  Ihre  Verbindung  unter 
einander  berühre  die  Franzosen  gar  nicht.  Die  Religion 
sei  wichtiger  als  die  Freiheit;  wären  diese  beiden  Punkte 
nicht,  so  sei  der  Landgraf  keine  solche  Ursache;  was  in 
dem  geschehe,  das  würde  dem  Kurfürsten  anders  nicht 
denn  als  ein  Werk  der  Liebe  geleistet  und  müsste  auch 
des  gefangenen  Kurfürsten  halber  vorgenommen  werden; 
Reifenberg  habe  in  vielen  Punkten  seine  Instruktion  über- 
schritten." —  Die  beiden  Männer,  Avelche  so  schwer  ein- 
ander näher  gebi'acht  waren,  zerfielen  schnell  im  ent- 
scheidungsvollen Momente.  Es  mögen  viele  Gründe''^)  den 
verhängnisvollen  Entschluss  des  Markgrafen  mit  gereift 
haben;  ohne  Zweifel  aber  war  die  Beiseite-  und  Hint- 
ansetzung der  wahren  christlichen  Religion  von  franzö- 
sischer und  sächsischer  Seite  für  ihn  der  Hauptgrund  des 
Bruches  und  des  Davonreitens*^). 

Die  Entfernung  des  Markgrafen  sprengte  den  Fürsten- 
bund; allein  die  Zurückgebliebenen  Hessen  das  Werk 
nicht  sitzen  und  trafen  mit  dem  französischen  Gesandten 
einen  Vergleich  „wiewohl  mit  Mühen  und  Krachen". 
Am  5,  Oktober  wurde  ein  Vertrag  unterzeichnet,  welcher 
dann  neben  zwei  Kopien  nach  Frankreich  wanderte  und 
nach  langen  Auseinandersetzungen  und  schwankenden 
Verhandlungen  am  15.  Januar  1552  von  Heinrich  H.  auf 
dem  Schlosse  zu  Chambord  ratifiziert  wurde.  Der  Bischof 
von  Bayonne  versagte  in  Lochau  seine  Unterschrift,  weil 
die  königliche  Vollmacht  auch  den  Markgrafen  Hans  in 
sich  schloss. 

Der  Lochauer  Vertrag^'^)  nun  überliess  und  unter- 
warf die  Religionssache  „dem   göttlichen  Willen  und  Ge- 


*')  Die  Stellung  des  Kurfürsten  zu  den  Ernestinern,  sein  Ver- 
hältnis zu  Magdeburg  und  seine  Neigung  zur  Aufnahme  des  Mark- 
grafen Albreclit  in  den  Bund,  die  Übertragung  der  Würde  eines 
Generalobristen  an  ihn  und  die  hohen  Erwartungen  von  englischer 
Hilfe  siehe  Loc.  9145,  Hessisclie  entledigung  I,  Bl.  690  flg. 

*')  Vergl.  das  Urtheil  Nikolaus  v.  Amsdorf:  „es  ist  einer  eben 
so  fromm  als  der  andere  und  sonderlich  Markgraf  Hans  ist  ein 
Fuchs";  Loo.  91-42,  Custodie  und  Erledigung  Joh.  Friedrichs  zu  Sach- 
sen Bl.  99.     D  ruf  fei  I,  Wo.  844. 

*»)  Druffel  III,  .S40  flg.  No.  902  und  I,  No.  77.3,  774. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  227 

(leihen",  ^  denn  Gott  werde  seine  Ehre  nach  seinem  Ge- 
fallen wie  bisher  selbst  zu  richten  und  zu  führen  wissen. 
Als  Bundesgenossen  Heinrichs  II.  wollten  die  Fürsten 
mit  Heereskraft  und  gewaltiger  Hand  das  beschwerliche 
kaiserliche  Joch  „viehischer  Servitut"  abwerfen,  die  alte 
Libertät  deutscher  Nation  erretten  und  die  Wiederer- 
ledigung des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen  suchen. 
Alle  Förderer  des  Vorhabens  sollten  laut  öffentlicher 
Ausschreiben  gnädig  und  günstig  aufgenommen  und  ge- 
schützt, Widersacher  dagegen  —  gleichviel  ob  weltliche 
oder  geistliche  —  mit  Schwert,  Blut  und  Feuer  heim- 
gesucht werden.  Verboten  war,  ohne  Wissen  und  Willen 
aller  mit  dem  Kaiser  oder  mit  anderen  Frieden  oder 
Waffenstillstand,  Vertrag  oder  Aussöhnung  zu  schliessen. 
Nöthigenfalls  sollte  das  französische  und  verbündete 
Kriegsvolk  zusammenstossen  und  vereinigt  handeln.  Mit 
ihrer  Mannschaft  wollten  die  Fürsten  zunächst  die  nach- 
barlichen und  die  anderen  Widersacher  unschcädlich  machen 
und  dann  gegen  des  Kaisers  Person  oder  an  vortheiliiafte 
Orte,  welche  der  König  bezeichne,  vorrücken.  Zur  Unter- 
haltung von  6 — 7000  geworbenen  Keitern  und  einer  ent- 
sprechenden Zahl  von  Knechten  sollte  der  König  monat- 
lich lOOÜOO  Kronen  und  zwar  bei  Beginn  des  Kriegszuges 
die  Summe  von  mindestens  G  Monaten  auf  einmal  er- 
legen. Die  landsässigen  Reiter  der  Fürsten  sollten  im 
Lande  bleiben  und  im  Nothfalle  mit  dem  Landvolke 
einander  Hilfe  leisten. 

Ein  ausführlicher  Artikel  befasste  sich  mit  den 
Ernestinern.  Falls  sie  nicht  zur  Bundestheilnahme  zu 
bringen  seien,  sollten  sie  eine  verbriefte  und  versiegelte, 
durch  ihre  Landstände  bestätigte  und  durch  Geiseln  ge- 
währleistete Erklärung  abgeben,  in  keinerlei  Weise  gegen 
die  Verbündeten  liandeln  zu  wollen,  es  gerathe  die  Sache, 
auf  welchen  Weg  sie  wolle.  Verweigerung  der  Ver- 
sicherung brachte  sie  unter  die  Zahl  der  oüenen  Feinde. 
Die  Zustellung  aber  einer  genügenden  Erklärung  und 
die  Gewährleistung  von  Hilfe  zu  einem  Offensivkriege 
auferlegte  den  Verbündeten  die  Wiedererledigung  .Johann 
Friedrichs.  Der  aus  kaiserlicher  Hand  befreite  Herzog 
sollte  jedoch  nicht  eher  ledig  oder  zur  Kegierung  gelassen 
werden,  bis  er  sich  aller  Nothdurft  nach  obligiert  habe'''); 
eine  ähnliche  Forderung  wollte  man  an  den  befreiten  Land- 


*')  Moritz'  Ziel  war  also:  volle  Sicherheit  gegen  die  Ernestiner. 

16» 


228  S.  Issleib: 

grafen  Philipp  stellen.  Landgraf  Wilhelm  sollte  vor  Be- 
ginn des  Krieges  die  hallische  Kapitulation  dem  Kaiser 
kündigen  und  Kurfürst  Moritz  ihm  den  Dienst  aufsagen. 
Es  folgten  dann  Bestimmungen  über  den  obersten  Feld- 
hauptmann, über  einen  Kriegsrath,  über  Stiminreclit,  über 
Zutritt  neuer  Bundesmitglieder,  über  die  Stellung  der 
durch  die  Bundesleistungen  erschöpften  und  verarmten 
Genossen ^^),  über  den  Schwur  des  Kriegsvolkes,  Ver- 
theilung  der  Beute,  der  Brandschatzungen,  Eroberungen 
nach  den  veranschlagten  Bundesleistungen  etc.,  über  Aus- 
söhnungen, Verträge  und  über  die  zu  stellenden  Geiseln. 
Ferner  wurde  für  gut  erachtet,  dass  der  König  von  Frank- 
reich die  Städte,  welche  von  Alters  her  zum  Reiche  ge- 
hört und  nicht  deutscher  Sprache  seien,  nämlich  Cambrai, 
Toni,  Metz,  Verdun  und  andere  mehr,  ohne  Verzug  ein- 
nehme und  als  ein  Vicarius  des  heiligen  Reiches,  zu 
welchem  Titel  die  Fürsten  den  König  zu  befördern  ge- 
neigt waren,  behalte,  doch  wurden  dem  Reiche  die 
auf  den  Städten  ruhenden  Gerechtigkeiten  ausdrücklich 
vorbehalten^*).  Der  König  sollte  auch  in  den  Nieder- 
landen ein  Feuer  anzünden,  damit  der  Feind  an  vielen 
Orten  löschen  und  seine  Macht  theilen  müsse.  Man  stellte 
weiter  an  Heinrich  II.  das  Ansinnen,  durch  besondere 
Geldopfer  norddeutsche  Fürsten  und  Städte  an  sich  zu 
ziehen.  Für  alles  dieses  wollten  ihm  die  Fürsten  noch 
zu  seinem  verlorenen  erblichen  Besitze  treulich  verhelfen 
und  sich  bei  der  Wahl  eines  künftigen  Kaisers  nach 
seinem  Gefallen  verhalten  und  kein  christliches  Haupt 
wählen,  welches  nicht  gute  Nachbarschaft  halte.  Liege 
ihm  auch  selbst  daran,  solche  Bürde  und  Dignität  auf 
sich  zu  nehmen  und  zu  tragen,  dann  wollten  sie  ihm 
dieselbe  wohl  gönnen*^).  —  Was  die  Einstellung  der 
beiden  Kurfürsten  von  Sachsen  und  Brandenburg  betrifft, 

*^)  Siehe  bei  Druffel  I,  No.  774  den  Abschnitt  über  Herzog 
Johann  Alhrecht  von  Mecklenburg. 

*')  Weil  die  Städte  „wieder  aus  des  Gegentheils  Händen  ge- 
bracht" ^Verden  sollten,  so  gehörte  ihre  Befreiung  mit  unter  die 
Errettung  deutscher  Libertät  aus  dem  spanisch-habsburgischen  Joche. 
Alle  Bundesfürsten  hatten  gleichen  Antheil  an  dem  so  oft 
gebrandmarkten  Reichsfrevel;  es  wird  nirgends  erwähnt,  dass  Mark- 
graf Hans  gegen  diesen  Punkt  gesprochen  habe,  und  doch  ritt  er 
erst  ab,  als  alle  Dinge  abgeredet  waren  und  zu  Papier  gebracht 
werden  sollten,  siehe  Druffel  I,  No.  767. 

**)  Der  Vertrag  von  Lochau  war  unterschrieben  und  besiegelt; 
an  einzelnen  Stellen  befanden  sich  Lücken  für  Angabe  der  Subsi- 
dien,  für  Zeit-  und  Ortsbestimmungen,  die  später  ausgefüllt  wurden. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  229 

so  versprach  Kurfürst  Moritz  in  Locliau,  nach  eingelaufener 
königlicher  Resolution  dem  Landgrafen  zu  schreiben,  an 
welchem  Tage  er  sich  gewiss  einstellen  wolle").  Mit 
Magdeburg  gedachte  er  einen  Vertrag  zu  schliessen,  dass 
die  Stadt  bei  der  augsburgischen  Konfession  bleiben  und 
ihm  der  Privilegien  und  der  liegenden  Güter  halben 
billig  Dank  sagen  sollte.  Im  Nothfalle  sollte  sie  als 
Zufluchtstätte  offen  stehen.  Die  Stadt  und  die  Stifter 
Magdeburg-Halberstadt  wurden  von  den  Bundeserober- 
ungen ausgeschlossen  und  dem  Kurfürsten  zur  "Wieder- 
erlangung seiner  ausgelegten  Gelder  nebst  Interessen  vor- 
behalten. Herzog  Hans  Albrecht  sollte  neben  einem 
kurfürstlichen  Vertrauten  mit  Albrecht  von  Preussen  und 
Heinrich  von  Mecklenburg  verhandeln  und  beide  zum 
Eintritt  in  den  Bund  bewegen.  Markgraf  Hans  wurde 
zunächst  seinem  Schicksale  anheimgestellt*®),  obgleich  er 
unmittelbar  nach  seiner  Abreise  die  stürmisch  zerrissenen 
Fäden  wieder  anzuknüpfen  suchte*').  Durch  die  ge- 
wechselten Briefe  und  die  veranstalteten  Sendungen 
wurde  zwar  der  Bruch  nicht  erweitert,  aber  auch  keine 
volle  Verständigung  herbeigeführt.  Markgraf  Hans  und 
Herzog  Albrecht  von  Preussen  —  Heinrich  von  Mecklen- 
burg starb  am  6.  Februar  1552  —  sind  nie  dem  Lochauer 
Bündnisse  beigetreten,  sie  hielten  sich  nur  durch  die 
Dresdner  Abmachungen  und  den  Torgauer  Verti'ag  ge- 
bunden, während  Kurfürst  Moritz  an  der  Ansicht  fest- 
hielt, der  Markgraf  habe  auch  das  Offensivbündnis  in 
Locliau  mit  abgeschlossen. 

Nach  der  Lochauer  Entzweiung  trat  Markgraf  Albrecht 
von  Brandenburg,  welcher  bis  dahin  vor  Magdeburg  ge- 
legen hatte,  dem  Fürstenbunde  näher,  ohne  jedoch  Mit- 
glied zu  werden.  Markgraf  Hans  hatte  seine  Heran- 
ziehung beharrlich  widerrathen.  Kurfürst  Moritz  wünschte 
und  hoffte,  dass  ihn  Heinrich  IL  in  seine  Dienste  nehme 
und  neben  anderen  gegen  die  Niederlande  gebrauciie. 
Während  daher  der  Bischof  von  ßayonne  in  Deutsch- 
land   zurückblieb,    reiste    Markgraf  Albrecht    nach    Mitte 


")  Loc.  7281,  Französische  Verbiüidiiisse  etc.  Bl.  50.  Druffell, 
No.  774. 

")  Druffcl  I,  764.  No.  773.  „Gott  gebe,  wo  Markgraf  Hans 
bleibe." 

")  Druffel  in,  264  Hg.  I,  No.  828.  Johannes  Voigt,  Der 
Fürstenbuud  149,  151  flg.,  157. 


230  S-  Issleib: 

Oktober^®)  im  Auftrage  der  Bundesfürsten  über  Ziegenhain 
in  Hessen  an  den  französischen  Hof,  um  dort  die  Be- 
stätigung des  Lochauer  Vertrages  einzuholen  und  mit 
dem  Könige  ein  persönliches  Abkommen  zu  treffen.  Atif 
seiner  ßeise  begegnete  er  dem  Rheingrafen  Johann 
Philipp,  welcher  infolge  der  Lochauer  Vorgänge,  über 
die  Fresse  in  höchster  Eile  Bericht  erstattet  hatte,  von 
Heinrich  II.  an  den  Landgrafen  Wilhelm  und  den  Kur- 
fürsten Moritz  abgeschickt  worden  war.  Markgraf  Albrecht 
glaubte  nach  einer  Unterredung  mit  dem  Rheingrafen 
am  französischen  Hofe  keine  leichte  Aufgabe  zu  finden; 
demungeachtet  aber  bat  er  Moritz  dringend ,  die  Sache 
nicht  zu  übereilen  und  geringschätzig  zu  achten,  damit 
nicht  ein  Handel  den  anderen  umstosse;  er  wollte  ein 
sicheres  Ja  oder  Nein  bringen. 

Kurfürst  Moritz  sah  nach  Abfertigung  des  Markgrafen 
an  Heinrich  IL  dem  ferneren  Verlaufe  der  französischen 
Verhandlungen  mit  ziemlicher  Ruhe  entgegen^^),  beeilte 
sich  aber  sofort  anderen  wichtigen  und  drängenden  An- 
gelegenheiten obzuliegen.  Da  galt  es  zunächst  die  Be- 
lagerung INIagdeburgs  zu  beenden.  Ernstlich  fanden  die 
letzten  öffentlichen  und  geheimen  Verhandlungen  statt''")- 
Als  der  Kaiser  nach  längerer  Weigerung  die  Kapitula- 
tionsartikel gemildert  hatte  und  der  „geheime  Vertrag" 
vereinbart  war,  wurde  die  Ergebung  der  Stadt  vorbereitet. 
Am  9.  November  1551  hielt  der  Kurfürst  als  Reichsfeld- 
herr und  künftiger  Lehnsherr  in  Magdeburg  mit  glänzendem 
Gefolge  Einzug  und  liess  dem  Kaiser,  dem  Reiche  und 
sich  selbst  huldigen.  Fünf  Fälmlein  Knechte  blieben  als 
Besatzung  auf  seine  Kosten  in  der  Stadt  zurück.  Hin- 
sichtlich des  übrigen  Kriegsvolkes  waren  geschickte 
und  möglichst  unverdächtige  Anordnungen  zu  treffen. 
Es  hatte  bis  dahin  ein  ungewöhnliches  Verhältnis  be- 
standen. Das  gesamte  Kriegsvolk  (26  Fähnlein  und 
1300  Reiter)  hatte  in  kurfürstlicher  Bestallung  und  Ver- 
eidigung für  Kaiser  und  Reicli  gekämpft  und  vom  kur- 
fürstlichen Kriegsherrn  aus  Reichsmitteln  Zahlung  er- 
halten^^J.  Den  rückständigen  Sold  forderte  die  Mann- 
schaft   vom  Kurfürsten,   und    dieser   drängte   den   Kaiser 

5«)  Loc.  9152,  Hessische  entledigung  V,  Bl.  120.    Druffel  I, 

No.  795  und  797. 

*')  Druffel  I,  No.  799. 

»)  S.  Issleib  in  dieser  Zeitschrift  V,  301  flg. 


«0\ 


et 


)  Siehe  ebenda  183,  275,  286. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  231 

zur  EiiitreibuDg-  der  letzten  Summe  des  Reichsvorratlies. 
Oft  liatte  Kurfürst  Moritz  dem  Kaiser  gegenüber  hervor- 
gehoben, man  werde  noch  gezwungen  sein,  wegen  Geld- 
mangels mit  Schimpf  und  Schande  von  der  Belagerung 
abzustehen.  Gegen  Ende  September  sprach  er  auch  die 
Befürchtung  aus,  dass  sich  das  Kriegsvolk  nach  dem 
schimpflichen  Abzüge  von  der  uneroberten  Stadt  nicht 
trennen,  sondern  das  es  zusammenbleiben  und  auf  lästige 
Weise  Bezahlung  suchen  werde.  Besorgt  ersuchte  Karl  V. 
am  1.  Oktober  den  Kurfürsten,  unter  allen  Umständen 
Geld  aufzutreiben  und  nach  Übergabe  Magdeburgs  die 
Zertrennung  des  Kriegsvolkes  durchzusetzen  und  neue 
Vergarderuug  zu  verhindern;  kein  Stand  des  Kelches 
sollte  es  gegen  den  andern  gebrauchen,  und  kein  Knecht 
oder  Reiter  sollte  Frankreich  durch  Praktiken  zugeführt 
werden.  Im  Berichte  nun  an  den  Kaiser  über  die  Ein- 
nahme und  Huldigung  Magdeburgs  (vom  12.  November) 
forderte  der  Kurfürst  wiederum  nachhaltig  Geld  zur  Be- 
zahlung des  „ehrlichen"  Kriegsvolkes  und  erbot  sich  gleich- 
zeitig wiegen  der  unruhigen  Zeiten  und  der  Nothwendig- 
keit  guten  Aufsehens  zu  einem  Versuche,  das  auserlesene 
und  an  einander  gewöhnte  Kriegsvolk  noch  einige  AYochen 
bis  zur  Bezahlung  trotz  vieler  persönlicher  Beschwerden 
zusammenzuhalten.  In  der  Hoffnung,  dass  der  Kaiser 
darüber  kein  Missfallen  haben  werde,  wollte  er  Reiter 
und  Knechte  bewegen,  das  erschöpfte  Erzstift  Magdeburg 
zu  verlassen  und  die  Auszahlung  des  rückständigen 
Soldes  an  anderen  Orten  zu  erwarten.  Nach  seiner 
Meinung  gereichte  das  zusammengehaltene  sächsische 
Kricgsvolk  Kaiser  und  Reich  zum  Nutzen  und  Froramen. 
Darauf  versprach  er  am  14.  November  dem  gesamten 
Kriegsvolk  sichere  Zahlung  bis  zum  17.  Januar  1552 
unter  der  Bedingung,  bezahle  er  und  nicht  das  Reich, 
dann  sollte  es  ihm  zu  dienen  bereit  und  zur  Erlangung 
seines  ausgelegten  Geldes  behilflich  suin**^).  Hans  vonDiskau 
und  Georg  von  Altensee  (genannt  Wachtmeister)  erhielten 
Weisung,  das  Kriegsvolk  aus  dem  Stifte  Magdeburg  zu 
führen,  Erfurt  und  Mühlhausen  in  Thüiingcn  einzunehmen 
und  beide  Städte  bis  zur  Entrichtung  des  Soldes  zu 
halten;  den  Herzügen  von  Weimar  aber  sollte  auf  diesem 
Zuge  kein  Schaden  zugefügt  werden.     Ani  17.  November 


")  Loc.  9152,  Magdeburgische  Handlung  VI,  Bl.  1  flg.  Mit 
den  Rittmeistern  vor  allen  verglicli  er  sich  über  Wartegeld  und 
Unterhalt  und  über  fernere  iJestalhmg  vom  18.  Januar  1552  an. 


232  S.  Issleib: 

verliess  die  Mannschaft  die  Feldlager  vor  Magdeburg. 
Erfurt  wurde  nicht  eingenommen,  die  Bürger  setzten 
sich  zur  Wehre,  klao-ten  umo-ehend  beim  Kaiser  und  bei 
den  Nachbarfürsten  und  erwirkten  Schutzmandatc  beim 
Karamergerichte®^).  Mühlhausen  dagegen  wurde  be- 
setzt und  arg  heimgesucht;  am  12.  Februar  1552  begab  es 
sich  auf  20  Jahre  in  den  kurfürstlich  sächsischen  Schutz 
und  gelobte  jährlich  600  Fl.  zu  zahlen"*). 

Wohl  zu  beachten  ist,  dass  sich  Kurfürst  Moritz  ira 
Berichte  vom  12.  November  vernehmen  Hess:  wünsche 
der  Kaiser  vom  Verlauf  der  magdeburgischen  Belagerung 
mündlichen  Bericht,  dann  wolle  er  zu  ihm  kommen  und 
zufriedenstellende  Anzeige  thun;  bis  dahin  sollte  der  Kaiser 
solchen,  die  ihn  verunglimpfen  möchten,  nicht  glauben, 
sondern  sein  gnädigster  Herr  sein  und  bleiben.  Dies 
unerwartete  Erbieten  fand  Beifall,  Karl  V.  forderte  den 
Kurfürsten  am  22.  November  auf,  sich  unverzüglich  zu 
erheben  und  zu  ihm  zu  verfügen,  um  mit  ihm  über 
Magdeburg  und  andere  wichtige  persönliche  und  allge- 
meine Dinge  zu  verhandeln.  Die  Trennung  des  Kriegs- 
volkes, welches  nicht  zur  Besetzung  Magdeburgs  gebraucht 
werde,  sollte  jedoch  vor  seiner  Abreise  stattfinden.  Von 
der  Zusammenkunft  des  Kurfürsten  mit  dem  Kaiser  ver- 
sprach man  sich  allgemein  viel,  daher  wurde  von  ver- 
schiedenen Seiten  alles  aufgeboten,  um  den  Kurfürsten 
zum  baldigen  Aufbruch  nach  Innsbruck  zu  bewegen. 
Der  kaiserliche  Kommissar  Schwendi  verscäumte  nicht, 
wiederholt  zu  versichern,  man  meine  es  am  kaiserlichen 
Hofe  redlich  und  gut  und  werde  dem  Kurfürsten  so  be- 
gegnen, dass  alle  Dinge  zu  seiner  Zufriedenheit  in  „gute 
Richtigkeit  gerathen"  würden**^).  An  keiner  Snche  aber 
war  dem  Kurfürsten  mehr  gelegen,  als  an  der  Befreiung 
des  Landgrafen,  für  welche  damals  gerade  in  Inns- 
bruck Fürsprache  eingelegt  wurde. 


**)  Die  Kriegsunruhen  in  Thüringen  veranhissten  die  nachbar- 
lichen Reichsstände,  besonders  die  Bischöfe  von  Würzburg  und  Bam- 
berg, zu  rüsten.     Druff el  II,  No.  872. 

«*)  H.-St.-A.  Original  No.  11449. 

'*)  Siehe  darüber  Loc.  9152,  Belagerung  Magdeburgs  VI,  Bl.  86, 
285  ttg.,  .307.  Drnffel  I,  No.  820.  Loc.  10695,  Dr.  Franz  Krammens 
Zeitungsbuch  1551.  Innsbruck,  29.  November  1551  ;  dagegen  Loc.  7281, 
Französische  Yerbündnisse  Bl.  114.  (Drnffel  I,  No.  804).  Landgraf 
"Wilhelm  nahm  an,  Moritz  werde  nur  dann  zum  Kaiser  reisen,  wenn 
die  Geldsendung  von  Frankreich  abgeschlagen  -werde;  für  seine 
Person  rieth  er  gänzlich  ab. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  233 

Im  Laufe  des  Sommers  hatte  Kurfürst  Moritz 
neben  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  durch  Send- 
ungen au  verschiedene  Höfe  eine  allgemeine  Fürbitte 
für  den  Gefangenen  vorbereitet"*').  Um  Michaelis  kamen 
dann  die  Abgeordneten  von  Kursachsen  und  Kurbranden- 
burg, von  Kurpfalz  und  den  anderen  pfalzgräf liehen 
Höfen,  von  Württemberg  und  Baden,  von  Mecklenburg 
und  Dänemark  in  Donauwörth  zusammen  und  zogen 
nach  gemeinsamen  Vorberathungen  nach  Augsburg. 
Hier  erlangten  sie  keine  Audienz  mehr,  Aveil  der  vor- 
nehmste Sprecher,  der  kursächsische  Abgeordnete  Mel- 
chior von  Osse,  welcher  in  Donauwörth  krank  dar- 
nieder gelegen  hatte,  erst  am  20.  Oktober  nach  Augsburg 
kam  und  die  Abreise  des  Kaisers  nach  Innsbruck  bereits 
auf  den  21.  Oktober  festgesetzt  war.  Auf  Befehl  des 
Kurfürsten  von  Sachsen  folgten  die  Abgeordneten  am 
4.  November  nach  Tyrol.  Unterwegs  erkrankte  Dr.  Osse 
von  neuem  und  langte  erst  am  13.  November  schwach 
in  Innsbruck  an.  Mittlerweile  waren  beim  Kaiser  Bitt- 
schriften zu  Gunsten  des  Landgrafen  vom  Könige  Sigis- 
mund  August  von  Polen,  vom  König  Ferdinand,  vom 
Herzog  Albrecht  von  Bayern  und  den  jungen  Herzögen 
von  Lüneburg  eingelaufen. 

Am  17.  November  nachmittags  zwischen  4  —  5  Uhr 
„gab  der  Kaiser  in  eigener  Person  Audienz"')  und  hörte 
dem  Anscheine  nach  die  Anträge  nicht  mit  Ungeduld, 
sondern  mit  Lust  und  allem  Fleisse  an;  er  sass  auch 
allezeit  ganz  still,  nur  als  man  ihn  einen  löblichen  deut- 
schen Kaiser  nannte,  strich  er,  aber  ohne  Ungebärde, 
mit  der  rechten  Hand  über  den  langen  Zahn""®).  Die  ver- 
einigte kursächsische  und  kurbrandenburgische  Instruktion 


«•)  Näheres  über  die  landgräfliche  Sache  1551  Loc.  9145,- 
Hessische  entledigung  I,  lil.  70,  85,  90  flg.,  107  flg.,  143,  144,  153. 
Loc.  10  ISO,  Franz  Krannnens  Schreiben  an  Kurfürst  Moritz  zu  Sachsen 
1551,  151.  76,  88.  Loc.  10695,  Dr.  Franz  Kraramens  Zeitungsbuch 
(ohne  Blattzahleu),  Schreiben  vom  29.  Xovember.  Loc.  848.'),  .\cta 
miscellanea,  Handschreiben  1550—1559  Bl.  12  flg.  und  llandelbuch 
des  Dr.  Melchior  von  Osse,  S.  1G2  (in  der  Dresdner  üft'entlichen 
Büdiothek).  Vergl.  Druffel  I,  No.  619,  644,  657,  C69,  683  (In- 
struktion zum  Tage  von  Salza),  686,  687,  762,  760,  788,  821,  825  (S. 
828  unten  und  S.  829  Postscr.),  840. 

")  Im  Beisein  Herzogs  Adolf  von  Holstein,  I»r.  Solds,    llossis 
und  des  Don  Luis  de  Avila. 

«')  Bericht  des  Franz  Kram  vom  29.  November  im  Zeitungs- 
buch,  Loc.  10695. 


234  S.  Issleib; 

wurde  Wort  für  Wort  vorgetragen ;  dann  folgte  die  Für- 
bitte des  Königs  von  Dänemark  und  die  der  anderen 
Fürsten ****).  Nach  Granvellas  Mittheilung  an  die  Königin 
Maria  verlor  die  Audienz  an  Feierliclikeit  durch  die  ver- 
schiedenen Partikularerklärungen.  Überdies  spracli  der 
kurbrandenburgische  Gesandte  Dr.  Jung  (an  Stelle  des 
kranken  Osse)  im  Auftrage  der  Kurfürsten  von  Sachsen 
und  Brandenburg  sehr  schläfrig,  und  der  dänische  Bot- 
schafter blieb  sogar  stecken.  Im  Namen  des  Kaisers 
erwiderte  der  Vizekanzler  Seid  und  vertröstete  auf  gute 
Antwort. 

Als  dann  des  Kurfürsten  von  Sachsen  Bericht  vom 
12.  November  mit  dem  Erbieten,  auf  Verlangen  nach 
Innsbruck  kommen  zu  wollen,  anlangte,  Hess  der  Kaiser 
am  letzten  November  durch  Seid  den  auf  Resolution  und 
Antwort  harrenden  Abgeordneten  anzeigen,  er  sei  ent- 
schlossen, demnächst  mit  dem  Kurfürsten  von  Sachsen 
über  die  landgräfliche  Sache  persönlich  zu  verhandeln 
und  gestatte  ihnen,  ihrer  Gelegenheit  nach  abzureisen"^). 
Dr.  Franz  Kram  unterliess  nicht,  dem  Kurfürsten  viele 
„tractatus"  und  weitere  Versicherungen  des  Landgrafen 
wegen  in  Aussicht  zu  stellen,  und  meinte,  man  wolle  den 
Landgrafen  und  seine  Kinder  also  schmälern  und  extenuieren, 
dass  man  ihrer  zu  jeder  Zeit  mächtig  sein  könne. 

Noch  einer  anderen  Angeleo-enheit  müssen  wir  hier 
gedenken,  der  Konzilsache.  Der  ßeichstagsabschied 
vom  14.  Februar  1551")  auferlegte  den  Besuch  des 
Konziles  zu  Trient  allen  Reichsständen,  und  der  Kaiser 
hatte  demgemäss  ein  Mandat  (vom  23.  März)  ergehen 
lassen.  Darauf  befahl  Kurfürst  Moritz  den  Theologen, 
eine  Apologie  der  christlichen  Lehre  zu  stellen,  „welcher- 
massen  sie  den  hochwichtigen  Handel  vor  die  Hand 
nehmen  und  worauf  sie   auch  endlich  bleiben  wollten'"'-'). 


•')  Auf  Auhalten  der  jüliclischen  Gesandten  ging  man  damit 
um,  auch  eine  Fürbitte  für  den  Herzog  Johann  Friedrich  einzulegen, 
allein  die  Sache  wollte  sich  nicht  recht  schicken.  (Franz  Kram, 
29.  November). 

'")  Im  Briefe  an  den  Kurfürsten  vom  22.  November  (Druffel  I, 
No.  818)  erwähnte  der  Kaiser  die  Audienz  vom  17.  November  etc. 
nicht.     Vergl.  Druffel  I,  No.  825. 

")  Loc.  10187.  Reichshandlung  zu  Augsburg  1550 — 1551. 
Siehe  Druffel  III,  No.  728,  vergl.  I,  No.  729,  A.  1  u.  2.  Loc.  10324, 
Tridentiner  Konzil. 

")  Druffel  I,  No.  655. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  235 

Melanchthou  schickte  Ende  Mai  eine  sächsische  Kon- 
fession ein,  welche  nach  mancherlei  Abänderungen  Anfang- 
Juli  den  Gesandten  des  Markgrafen  Hans  und  einer  Ver- 
sammlung sächsischer  Prediger  zu  Wittenberg")  vorgelegt 
und  auch  dem  Könige  von  Dänemark  überschickt  wurde. 
Man  trug  sich  wohl  mit  dem  Gedanken,  alle  Evangelischen 
Deutschlands  gegen  das  'Konzil  zu  einen.  Im  August 
war  Kurfürst  Moritz  entschlossen,  wie  Brandenburg 
Württemberg  etc.  das  Konzil  zu  beschicken''');  aber  er  ver- 
langte für  seine  Theologen  ausser  dem  im  März  zuge- 
schickten Geleite  des  Kaisers  auch  ein  Geleit  vom  Konzile 
und  zwar  in  aller  Form,  wie  es  einst  den  Böhmen  nach 
Basel  gewährt  worden  war,  er  verlangte  ausserdem  freie 
Verhandlung  auf  Grund  der  heiligen  Schrift'^).  Bufler 
wurde  (im  Oktober)  nach  Trient  abgefertigt,  um  für  eine 
Herberge  zu  sorgen  und  über  den  Konzilverlauf  zu  be- 
richten"^). Bald  darauf  traf  ein  Pergamentbrief  ohne 
Siegel  als  Geleit  ein;  allein  da  es  nicht  dem  Baseler  ent- 
sprach, hielt  der  Kurfürst  seine  Theologen  zurück.  Doch 
sandte  er  im  Dezember  seine  Räthe  Wolfgang  Koller  und 
Leonhard  Badhorn  nach  Trient"),  um  die  Uberschickung 
des  beantragten  Geleites  durchzusetzen  und  so  den  säch- 
sischen Theologen  das  Erscheinen  auf  dem  Konzil  zu 
ermöglichen.  An  den  kaiserlichen  Hof  schrieb  er  Ende 
Dezember ''^):  der  Kaiser  werde  es  ihm  bei  der  Wichtig- 
keit der  Sache  gewiss  nicht  verübeln,  wenn  er  Über- 
eilung vermeide;  aber  die  Theologen  sollten  sich  in- 
zwischen auf  den  Weg  machen,  um  günstigenfalls  vollends 
nach  Trient  zu  ziehen.  Wohl  jeder  erkennt  klar  daraus, 
dass  Kurfürst  Moritz  die  >Geleitfrage  benutzte,  um  die 
Konzilsache  so  lange  hinauszuschieben,  bis  seine  anderen 
Pläne,  welche  weder  die  sonst  vertrauten  Räthe  wie 
Christof  von  Carlowitz  etc.  noch  die  Theologen  kannten, 
entweder  „gereift  oder  gescheitert"  waren"*).     Fasst  man 


")  Druffel  III,  234,  A.  1. 

")  Vergl.  Loc.  10189,  Franz  Krammens  Schreiben  an  Knrfürst 
Moritz  etc.  Bl.  55.  Dm  fiel  I,  No.  ()88. 

'»)  Drnffel  I,  No.  729;  III,  No.  728  S.  236;  I,  No.  765,  769 
vergl.  753,  772,  792. 

'«)  Ebenda  I,  No.  771. 

")  Ebenda  I,  No.  841 ;  vergl.  No.  792,  826,  830  (S.  843),  831 
(S.  846),  833,  856,  857  (26.  Dezember  Wolf  Koller  in  Innsbruck).  Die 
Eäthe  kamen  am  7.  Januar  1552  in  Trient  an.  Loc.  10  041,  Ver- 
schiedene Schriften,  die  Regierungszeit  Moritz  1516—1553  betreftend. 

'«)  Ebenda  I,  No.  860.        '»)  Ebenda  I,  No.  830  (S.  843). 


236  S.  Issleib: 

alles  in  das  Auge,  so  lagen  die  Dinge  doch  so,  dass  Kur- 
fürst Moritz  nöthigenfalls  auf  Frankreich  verzichten  und 
in  kaiserliche  Bahnen  einlenken  konnte.  Als  Besieger  der 
Magdeburger  Rebellen  hatte  er  sich  um  Kaiser  und  Reich 
augenscheinliche  Verdienste  erworben,  seine  Erbietungen 
und  Anordnungen  in  betreff  des  Kriegsvolkes  konnten 
vorerst  nicht  anders  als  günstig  gedeutet  werden,  seine 
Willfährigkeit  in  der  Konzilsache  durfte  auf  des  Kaisers 
Zufriedenheit  rechnen,  und  seine  Bereitwilligkeit,  nach 
Innsbruck  zu  kommen,  musste  noch  jeden  Zweifel  an  der 
Treue  des  Kurfürsten  gegen  den  Kaiser  verscheuchen  *"). 
Einen  Einblick  in  die  Pläne  des  Kurfürsten  besass  der 
Kaiser  thatsächlich  nicht;  über  die  französischen  Praktiken 
im  Reiche  nur  war  er  im  allgemeinen  unterrichtet  ^^). 
Wie  leicht  konnte  er  allen  künftigen  Unzuträglichkeiten 
vorbeugen,  Avenn  er  den  Landgrafen  in  Freiheit  setzte ! 
König  Ferdinand  schlug  ihn  als  bestes  und  wirksamstes 
Mittel  gegen  alle  gefährlichen  Praktiken  die  Befreiung 
des  Landgrafen  vor  ^^).  Allein  Karl  V.  meinte,  die  bis- 
herigen Sicherheiten  genügten  nicht,  um  Philipp  äussersten 
Falles  loszugeben.  Er  w^ollte  darüber  mit  dem  Kiu'fürsten 
verhandeln  und  sah  täglich  seiner  Ankunft  in  Innsbruck 
entgegen  *^). 

Bereits  haben  wir  oben  auf  die  Reise  des  Rheingrafen 
Johann  Philipp  nach  Deutschland  hingewiesen.  Er  kam 
vom  französischen  Hofe  und  erreichte  anfangs  November 
Cassel.  Was  er  mittheilte  ^*),  war  niclit  gerade  erfreu- 
licher Art.  Tiefen  Eindruck  hatte  am  französischen  Hofe 
der  Abfall  des  Markgrafen  Hans  und  die  Uneinigkeit  der 
Fürsten  in  Lochau  gemacht.  Der  Rheingraf  äusserte, 
König  Heinrich  werde  nicht  zu  bewegen    sein,    dem    so 

«")  Druffel  I,  No.  856,  vergl.  840. 

*')  Böcklin  wurde  nach  Norddeutschland  geschickt,  um  die 
französischen  Praktiken  besonders  in  den  Hansestädten  zu  bekämpfen. 
Loc.  9152,  Magdeb.  Belagerung  V,  Bl.  337  flg.;  vergl.  Druffel  I, 
No.  766. 

**)  Dann  versichere  er  sich  nicht  nur  des  kursächsischen  und 
kurbrandenburgischen  Anhanges,  sondern  werde  auch  den  Kurfürsten 
Moritz  leicht  bewegen,  sich  mit  dem  sächsischen  Kriegsvolke  gegen 
die  kaiserlichen  Feinde  gebrauchen  zu  lassen.  Siehe  Druffel  I, 
No.  801,  821,  825,  839. 

"J  Alle  Kräfte  setzte  er  ein,  um  durch  Schwendi  und  den 
Pfennigmeister  Haller  Geld  aufzutreiben  und  das  magdeburgische 
Kriegsvolk  zu  bezahlen  und  zu  trennen. 

")  Loc.  728],  Französische  Verbündnisse  Bl.  114;  Druffel  I, 
No.  804. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  237 

geschwächten  Bunde  monatlich  100000  Kronen  zu  geben, 
kaum  die  Hälfte  oder  höchstens  100000  Fl.  ®^).  Bestehe 
Markgraf  Albrecht  auf  seiner  Forderung,  so  könne  sich 
der  Handel  zerschlagen,  den  König  fechte  keine  Noth  an, 
es  liege  in  seiner  Hand,  mit  dem  Kaiser  Frieden  oder 
Kries;  zu  haben.  Gerathen  erscheine,  unverzüglich  zum 
König  zu  senden  und  auf  eine  geringere  Summe  hin  ab- 
zuschliessen  *'').  Sofort  veranlasste  Landgraf  Wilhelm 
den  Rheingrafen  und  Fresse,  Heinrich  H.  zu  bitten,  sich 
günstig  zu  erzeigen;  er  selbst  rieth  brieflich  den  Mark- 
grafen Albrecht,  im  Nothfalle  auf  70000  Kronen  herab- 
zugehen und  seiner  persönlichen  Dienste  halben  zunächst 
keine  allzuhohen  Forderungen  zu  stellen  ^').  Nachdem 
dies  geschehen,  machte  sich  der  Rheingraf  auf  den  Weg 
zum  Kurfürsten  Moritz,  mit  dem  er  jedenfalls  in  Magde- 
burg oder  in  der  Nähe,  wenige  Tage  nach  der  Übergabe 
der  Stadt  zusammentraf**).  Wie  Landgraf  Wilhelm,  so 
hörte  der  Kurfürst  von  dem  Entsetzen  des  französischen 
Königs  über  den  Abfall  des  Markgrafen  Hans  und  von 
der  allzuhohen  Geldforderung.  Der  Rheingraf  verlangte 
laut  seiner  Instruktion  **^)  Bescheidenheit  in  Geldsachen, 
eifrige  Förderung  des  Bundes  und  ein  kurfürstliches  Gut- 
achten^ Avie  dem  Kaiser  am  meisten  Abbruch  gethan  und 
der  Krieg  im  Frühjahre  begonnen  werden  könne.  Mark- 
graf Hans  sollte,  tief  in  die  Sache  eingeweiht,  an  der  Hand 
behalten  und  von  den  jungen  Herren  zu  Weimar  wenig- 
stens einer  für  den  Bund  gewonnen  werden.  —  Den 
Bundesinteressen  wollte  der  Kurfürst  auf  das  Eifrigste 
nachgehen  und  hoffte,  auch  den  Markgrafen  dem  Bunde 
wieder  zu  gewinnen.  Mit  den  jungen  Herren  von  Wei- 
mar aber  sollte  der  Rheingraf  im  Namen  des  Königs  ®") 
ohne  kurfürstliches  Zuthun  geheim  verhandeln.  Für  die 
ersten  drei  Kriegsmonate  beanspruchte  Moritz  300000  Kro- 
nen als  unumgänglich  nöthig,   um    vor    allen  Dingen  des 


")  80000  Kronen  —  125000  fl.  ~  lOOOOO  Goklgulden. 

'")  Über  alles  dies  schrieb  Landgraf  Wilhelm  an  Moritz  am 
7.  November.  Der  IJrief  traf  denniacli  am  10.  oder  11.  in  Magde- 
bvu'g  ein.  Gewiss  hat  er  Kinünss  gcliabt  auf  des  Kurfürsten  Er- 
bieten, nach  Innsbruck  kommen  zu  wollen. 

«')  D  ruf  fei  I,  No.  803. 

'')  Vergl.  I)  ruffei  I,  No.  799,  809. 

«»)  1)  ruffei  Iir,  No.  810.  (S.  257  Hg.) 

»")  Loc.  7281,  Franz.  Verbündnissc  281,  .311.  Hierüber  siehe 
Druffel  I,  No.  814,  815,  82:J,  859,  88:5,  Anm.  1.  W.  Wenck,  Kur- 
fürst Moritz  und  die  Ernestiner  etc.,  2.S  tlg. 


238  S-  Issleib: 

Kaisers  Reputation  im  Reiche  zu  schädigen.  Es  sei  be- 
schlossen, hob  er  hervor,  ihm  den  besten  Anhang  und 
die  beste  Kraft,  die  Pfaffen  und  andere,  abzuziehen  und 
in  Verpflichtung  zu  nehmen.  Man  hoffe,  im  ersten  Ruck 
Augsburg  und  den  besten  Donaupass  Ingolstadt  einzu- 
nehmen und  dann  den  Kaiser  nach  Italien  zu  drängen, 
besonders  wenn  der  König;  mit  seinem  Krieo-svolke  nahe. 
Setze  sich  der  Kaiser  in  Augsburg  fest,  dann  sollte  der 
König  mit  30000  Mann  zu  den  Bundesfürsten  stossen  und 
die  Stadt  belagern  helfen.  Die  Niederlande  sollten  ver- 
schlossen und  vom  Rheine  bis  Böhmen  alles  in  das  könig- 
liche Bündnis  gedrängt  werden  etc.  Der  Kurfürst  er- 
kannte aus  der  Verhandlung  mit  dem  Rheingrafen,  dass 
man  in  Frankreich  kärger  sei  als  gut  thue.  In  ziemlich 
beklommener  Stimmung  schrieb  er  daher  an  seinen  Schwa- 
ger Wilhelm®'),  ihm  in  Wahrheit  zu  glauben,  dass  er 
seines  Vaters  Erledigung  gern  befördern  wolle,  es  ge- 
schehe auf  welchem  Wege  es  wolle.  Sollten  aber,  fuhr 
er  fort,  die  100000  Kronen  nicht  bewilligt  werden,  so 
habe  er  gar  keine  Hoffnung  zur  Sache;  denn  je  länger 
er  dem  Handel  nachdenke,  desto  mehr  Ausgaben  finde 
er.  Er  könne  nicht  mehr  thun,  als  er  bewilligt  habe, 
stecke  in  der  grössten  Last  und  sei  am  übelsten  daran, 
die  Sache  gehe  vor  oder  hinter  sich.  Das  Kriegsvolk 
liege  ihm  auf  dem  Halse,  und  es  bedürfe  wahrlich  guten 
Aufsehens.  Heftig  sei  er  über  die  Schrift  des  Rheingrafen 
und  Fresse's  an  den  König  erschrocken.  Für  seine  Per- 
son wisse  er  gar  keine  Abänderung  in  der  Abfertigung 
des  Markgrafen  zu  thun.  In  Summa,  der  Handel  sehe 
ihn  wunderlich  an.  Er  bat  den  Landgrafen,  zu  ihm  zu 
kommen.  Am  29.  November  ^^)  erklärte  er,  wer  rathe, 
an  der  geforderten  Summe  etwas  fallen  zu  lassen,  der 
rathe  in  ein  Bad,  in  dem  man  weder  schwimmen  noch 
waten  könne.  Der  Kaiser  (Raffzahn  wurde  er  stets  ge- 
nannt) sei  ein  solcher  Vogel,  der  sich  in  4  oder  5  Monaten 
nicht  ausbeissen  lasse.  Alles,  was  sie  (Moritz  und  Wil- 
helm) in  der  Welt  hätten,  stehe  für  sie  auf  dem  Spiele. 
Daher  möge  der  Landgraf  dem  Fresse  ihre  Nothdurft 
anzeigen,  sich  nicht  leicht  zu  anderen  Vorschlägen  be- 
wegen lassen  und  auf  Antwort  dringen,  damit  man  wisse, 
woran  man  sei.  Am  Schlüsse  wiederholte  der  Kurfürst 
die  Einladung  zu  einer  noth wendigen  Besprechung. 

")  Druffel  I,  No.  809,  Brief  vom  14.  Novbr.  aus  Magdeburg. 
")  Ebenda  No.  828;  vergl.  811  u.  823. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  239 

Vom  Markgrafen  Albreclit,  welcher  am  10.  November 
am  französischen  Hofe  angekommen  war,  lief  die  erste 
Nachricht  (vom  22.  November)  anfangs  Dezember  ein**). 
Lästige  Schwierigkeiten  waren  ihm  in  den  Weg  gelegt 
und  grosse  Enttäuschungen  bereitet  worden.  Wiederholt 
und  nachdrücklich  hatte  man  betont,  dass  Reifenberg  seiner 
Zeit  drei  Heerliaufen  in  Aussicht  gestellt,  die  Eintracht 
der  F'ilrsten  aufs  höchste  gerühmt,  die  Herzöge  von  Wei- 
mar schon  als  Bundesmitglieder  bezeichnet  und  nur 
100000  Kronen  gefordert  habe.  Jetzt  dagegen  seien  die 
Fürsten  zerfallen  und  könnten  den  früheren  Verpflichtungen 
nicht  nachkommen;  demungeachtet  aber  forderten  sie  für 
ein  Heer  von  7000  Reitern  und  20000  Knechten  dieselbe 
Summe  wie  vordem.  Man  bot  nicht  melir  als  40000  fl. 
monatliche  Unterstützung  und  verlangte  die  Abänderung 
mehrerer  Punkte  des  Lochauer  Vertrages ''^).  Obgleich 
nun  der  Markgraf,  veranlasst  durch  die  Zuschrift  vom 
7.  November,  allmählicli  von  den  geforderten  100000  Kro- 
nen auf  80000  und  70000  Kronen  und  zuletzt  auf 
100000  fl.  herabging,  so  schloss  man  trotzdem  nicht  mit 
ihm  ab,  sondern  beauftragte  Fresse,  sich  mit  den  Bundes- 
fürsten über  die  Geldsumme  zu  verständigen.  Infolge 
dessen  lud  Kurfürst  Moritz  seinen  Schwager  zu  einer 
Berathung  nach  Dresden  ein  ^^).  Der  Landgraf  sollte 
auch  den  königlichen  Gesandten  mitbringen,  aber  auf  der 
Reise  die  grösste  Vorsicht  anwenden,  dass  der  Franzose 
unerkannt  bleibe,  denn  der  kaiserliche  Kommissar  von 
Schwendi  habe  viele  Kundschafter  in  Leipzig.  Auf  die 
aus  Frankreich  erhaltenen  Briefe  verweisend,  klagte  der 
Kurfürst,  dass  man  dort  die  Händel  wunderlich  karte, 
er  wisse  schier  nicht,  wie  er  es  verstehen  solle.  Einmal 
wolle  man  Unterhändler  mit  voller  Gewalt  zu  schliessen 
haben,  zum  andern  halte  man  sie  nach  der  Ankunft  auf 
und  schreibe  wieder  heraus,  was  der  Gesandte  thun  solle, 
lim  sehe  der  Handel  in  dieser  Sache  ganz  wild  und  selt- 
sam an.  Seiner  Beschwerlichkeit  des  Kriegsvolkes  wegen 
müsse  man  schliessen,  gleichviel  ob  es  etwas  oder  nichts 
sei.  Habe  der  Faktor  (Fresse)  nicht  volle  Gewalt,  der 
lOOiJOO  Kronen  halber  zu  schliessen,  so  achte  er  die  ganze 
Sache  für  nichts  etc. 


")  D ruffei  I,  No.  83G;  Loc.  7281,  Franz.  Vcrbiuulnisse,  Ul.  80. 
Druffel  III,  No.  819  (S.  279  flg.). 

')  Der  Religionsartikel  müsse  ausgestrichen  werden. 
*)  Druffel  I,  No.  836.     Brief  vom  8.  Dezember. 


9S\ 


240  S.  Issleib: 

Die  Dresdner  Verhandlungen  ^^)  vom  17. — 21.  De- 
zember 1551  zwischen  Kurfürst  Moritz,  Landgraf  Wilhelm, 
Johann  Albrecht  von  Mecklenburg,  dem  französischen 
Gesandten,  dem  Rheingrafen,  Heideck,  Heinrich  von 
Schachten  und  Bing  befassten  sich  hauptsächlich  mit  der 
französischen  Geldbewilligung.  Fresse  bot  für  den  Kriegs- 
zug gegen  den  Kaiser  die  Monatssumme  von  50Ü00  Kronen 
und  stellte  eine  einmalige  Bewilligung  von  30000  Kronen 
für  die  Operationen  gegen  die  Niederlande  in  Aussicht. 
Kurfürst  Moritz  dagegen  hielt  an  der  Summe  von  100000 
Kronen  fest.  Der  Handel  stockte  und  schien  sich  zu 
zerschlagen.  Erst  am  21.  Dezember  waren  die  Fürsten 
zufrieden,  dass  der  König  für  den  ersten  Kriegsmonat 
100000  Kronen  und  für  die  folgenden  80000  Kronen 
zahle,  doch  sollte  er  die  Summe  dreier  Monate  stets  im 
voraus  erlegen.  Der  endgiltige  königliche  Bescheid  wurde 
bis  zum  20.  Januar  1552  beansprucht. 

Nicht  zu  übersehen  ist  die  „Erklärung"  des  Lochauer 
Vertrags,  welche  die  Fürsten  auf  Anhalten  Fresses  ab- 
gaben. Darin  sprachen  sie  aus:  es  sei  nie  ihr  Gemüth 
dahin  gerichtet  gewesen,  jemanden  mit  Gewalt  zu  ihrer 
Religion  zu  zwingen,  oder  jemanden  ohne  genügende 
Ursache  und  Anreizung  der  Religion  Avegen  zu  bekriegen, 
wohl  wissend,  dass  sich  die  Gewissen  in  Religionssachen 
nicht  zwingen  lassen  wollten;  sondern  sie  gedächten  bei 
der  katholischen,  w^ahren,  christlichen  Religion  und  Kirche 
zu  bleiben  und  keine  Verächter  oder  Widerspänstige 
derselben  und  der  prophetischen  und  apostolischen  Schrif- 
ten zu  sein.  Die  Verbündeten  verzichteten  also  auf  einen 
Religionskrieg  und  kennzeichneten  ihre  Stellung  zu  den 
Katholiken  und  zum  Konzile.  Weiter  versprachen  sie 
gewinnendes  Verhalten  gegen  alle  Reichsstände  (ohne 
Unterschied  des  Bekenntnisses)  ausgenommen  die  Anhänger 
der  Feinde,  die  Widersetzlichen  und  die,  welche  keine 
genügende  Versicherung  geben  würden.  Besetzte  Pässe 
und  Festungen  sollten  am  Ende  des  Krieges  wieder 
zurückerstattet  werden.  Sie  sprachen  den  König  von  der 
Verpflichtung  frei,  einen  besonderen  Kriegshaufen  neben 
ihnen  in  Deutschland  zu  erhalten,  doch  riethen  sie  zu 
einer  derartigen  Annäherung,  dass  im  Nothfalle  beide 
Heere    zusammenstossen   und   vereinigt   handeln   könnten. 


•*)  Druffel  III,  No.  845,  865  und  I,  No.  849,  862. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  241 

Der  königliche  Kriegsrath  sollte  bei  allen  Berathungen 
im  Felde  eine  Stimme,  haben  u.  s.  w. 

Der  Bischof  von  Bayonne  Fresse  war  erbötig,  un- 
gesäumt an  den  königlichen  Hof  zu  ziehen  und  einen 
Abschluss  der  Verhandlungen  herbeizuführen.  Von  Seiten 
der  Fürsten  erhielt  Markgraf  Albrecht  Weisung  ^'),  die 
Subsidienfrage  gemäss  den  Dresdner  Bewilligungen  zu 
erledigen  oder  doch  eine  königliche  Erklärung  beizu- 
bringen, worauf  der  Handel  beruhen  solle.  Das  Ulti- 
matum wollten  sie  an  den  Herzog  Albrecht  von  Preussen, 
den  Herzog  von  Mecklenburg  und  andere  Fürsten  gelangen 
lassen  und  innerhalb  einer  bestimmten  Zeit  beantworten. 
Alle  Versuche  ®®),  nach  den  Dresdner  Tagen  den  Kur- 
fürsten zu  fernerer  Nachgiebigkeit  und  zur  Bewilligung 
eines  weiteren,  wenn  auch  geringen  Spielraumes  in  der 
Subsidienfrage  zu  bringen,  scheiterten.  Ohne  Wanken 
blieb  er  bei  den  letzten  Di'esdner  Vereinbarungen  und 
wünschte  spätestens  bis  zum  27.  Januar  zu  wissen,  woran 
er  sei,  da  aus  vielen  Ursachen  die  Dinge  keinen  längeren 
Verzug  leiden  könnten.  „So  ist  auch  der  Teufel",  schrieb 
er  am  7.  Januar  1552  an  seinen  Schwager  Wilhelm**''), 
„an  dem  andern  Orte  (am  kaiserlichen  Hofe)  nicht  so 
schwarz,  dass  wir  uns  deshalben  in  ein  Spiel  sollten 
führen  oder  schrecken  lassen,  wo  wir  weder  aus  noch 
ein  wüssten.  Ich  hab  E.  L.  angezeigt,  dass  viel  Suchen 
von  RafFzahns  Hofe  an  mich  geschehen,  der  Averden  niciit 
weniger,  sondern  von  Tag  zu  Tag  mehr.  Und  in  Summa, 
man  begehrt,  ich  soll  nur  kommen,  ich  würde  E.  L. 
Vaters  halben  erhalten,  was  ich  wilF •*")".  Darum  sollte 
der  Landgraf  diesen  Dingen  nachdenken  und  in  alle 
Wege  daran  sein,  dass  eine  Antwort  dem  Dresdner  Ab- 
schiede nach  eiukomme. 

Sobald  Fresse  am  31.  Dezember  1551  hoffnungs- 
vollere Nachrichten  vom  königlichen  Hofe  erhalten  Iiatte, 
brach  er  am  Neujahrstage  1552  in  Cassel  auf,  versprach 
innerhalb  25  Tagen  zurückzukehren  oder  des  Königs 
Willen  zu  eröffnen  und  ritt  eiligst  nach  Frankreich"*'). 
Der    Erfolg    dieser    Reise    war,    dass    Heinrich  H.    den 

•')  D  ruf  fei  I,  No.  850,  vergl.  852. 
»»)  Ebenda  No.  855,  859.     II,  No.  875,  878,  887,  900. 
»»)  Ebenda  LI,  No.  887,  vergl.  904. 

'•")  So  einfach  dachte  sich  der  Kurfürst  die  Sache  in  Wahr- 
heit nicht. 

'«')  Druffül  II,  No.  873,  883,  880,  900,  904. 

Neues  Archiv  1'.  S.  ü.  u.  A.     VI.  3.  4.  16 


242  S.  Issleib: 

Locliauer  Vertrag  am  15.  Januar  zu  Chambord'"*)  rati- 
fizierte und  sich  entschloss,  bis  zum  25.  Februar  240000 
Goldkronen  für  die  drei  ersten  Kriegsmonate  nach  Basel 
zu  liefern  und  dann  monatlich  70000  Kronen  zu  erlegen. 
Durch  des  Landgrafen  Vermittelung  erfuhr  Kurfürst 
Moritz  anfangs  Februar;  am  französischen  Hofe  seien  alle 
Dinge  bewilligt  und  abgeschlossen.  Darauf  war  er  bereit, 
die  hoffnungsvollen  kaiserlichen  Vertröstungen  hintanzu- 
setzen, nach  Friedewalde  zu  kommen  und  an  den  letzten 
Berathungen  theilzunehmen  '"^). 

Bei  den  Schlussverhandlungen  in  Friedewalde  vom 
11. — 14.  Februar  1552  '"*)  kam  es  nochmals  zu  weit- 
läufigen gereizten  Erörterungen  und  heftigen  Auseinander- 
setzungen. Der  französische  Orator  rühmte  in  prahle- 
rischer Weise  die  Verdienste  seines  Königs  um  die  deutsche 
Nation,  seine  edle  Gesinnung  und  hochherzige  Opfer- 
willigkeit; rechthaberisch  liess  er  häufig  vorwurfsvolle 
Bemerkungen  fallen  und  erwartete  Willfährigkeit  in  allen 
Dingen.  Kurfürst  Moritz  dagegen  brachte  seine  Unzu- 
friedenheit und  seinen  Unwillen  über  die  lästigen  fran- 
zösischen Zumuthungen  und  vertragswidrigen  Einschränk- 
ungen unverhohlen  zum  Ausdrucke.  Es  würde  zu  weit 
führen,  alle  Einzelheiten  der  Friedewalder  Verhandlungen 
anzugeben,  die  Hervorhebung  der  wichtigsten  Punkte 
genüge  -zur  Beurtheilung.  Der  Kurfürst  betonte  noch- 
mals allmonatliche  Erlegung  von  80000  Kronen  und  meinte, 
Markgraf  Albrecht  habe  eigenmächtig  10000  Kronen  er- 
lassen. Als  aber  Fresse  sich  zu  keinem  neuen  Zugeständ- 
nisse bewegen  liess,  suchte  Moritz  den  König  wenigstens 
zu  einer  regelmässigen  dreimonatlichen  Vorausbezahlung 
während  des  Krieges  zu  verpflichten.  Die  Fürsten  ge- 
lobten Bundestreue  nur  durch  Handschlag,  weil  auch  der 
König  das  Bündnis  nur  durch  Handschlag  bekräftigt  und 
den  geforderten  Eid  nicht  oeleistet  hatte.  Die  Ratifikation 
des  Lochauer   Vertrages   durch  Herzog  Augustus  wurde 


"'^)  H.-St.-A.  Orig.  No.  11  448.  Druffel  III,  No.  902,  S.  .S40  flg. 

"**)  Über  Markgraf  Albrechts  Heimreise  (Ende  Januar)  und 
über  seine  Bemühungen,  den  Herzog  von  Württemberg,  den  Kur- 
fürsten von  der  Pfalz  und  den  Herzog  von  Bayern  für  die  Bundes- 
interessen zu  gewinnen,  siehe  Druffel  II,  No.  937,  956,  961,  967, 
972,  1007.  Beachten  wir,  der  Markgraf  trat  nicht  in  fran- 
zösische Dienste. 

'"*)  Die  betr.  Akten  des  H.-St.-A.  sind  gedruckt  im  Münchner 
histor.  Jahrbuch  für  1866,  282  flg.  als  Beüage  zu  Cornelius, 
Politik  etc. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  243 

nach  Bewilligung  einer  königliclien  Gegenverschreibung 
zugestanden.  Die  in  Dresden  unterschriebene  und  be- 
siegelte Deklaration  des  Lochauer  Vertrages  sollte  dem 
Gesandten  übergeben  werden. 

Am  Tage  der  Geldverleguug  (25.  Februar)  sollte  die 
Musterung  und  Bezahlung  des  Kriegsvolkes  beginnen. 
Die  Geiseln  ^"^)  sollten  spätestens  den  12.  März  (statt 
25.  Februar)  in  Basel  eintreffen  und  ausgewechselt  werden. 
Die  Fürsten  erklärten  sich  bereit,  bei  Beginn  des  Krieges 
an  die  Städte  Metz,  Toul,  Verdun  und  Cambrai  zu  schrei- 
ben, ihnen  das  zur  Erhaltung  deutscher  Freiheit  aufge- 
richtete Bündnis  anzukündigen  und  von  Reichs  wegen  zu 
befehlen,  des  Königs  Besatzung  aufzunehmen  und  das 
geraeme  Werk  zu  fördern  etc. 

Über  ein  öffentliches  Ausschreiben  des  Königs  und 
der  Fürsten  an  alle  Reichsstände  war  schon  in  Dresden 
disputiert  worden.  Anfangs  hatte  man  für  gut  gehalten, 
ein  geraeinsames  Ausschreiben  ergehen  zu  lassen,  jetzt 
wollte  man  davon  absehen.  Die  Fürsten  hatten  Gründe, 
zu  fordern,  das  königliche  Ausschreiben  müsse  dem 
Hauptbündnisse  von  Lochau  und  der  Nebenerklärung 
von  Dresden  gemäss  sein.  Aus  dem  französischen  Aus- 
schreiben sollte  jedermann  ersehen,  dass  der  Krieg 
allein  der  deutschen  Freiheit  wegen  angefangen  werde 
und  kein  Reichsstand,  besonders  kein  Geistlicher,  der 
mit  dem  Könige  eines  Glaubens  und  einer  Religion 
sei,  etwas  zu  fürchten  habe.  Die  Fürsten  blieben  dabei, 
Geistliche  wie  Weltliche  müssten  sich  gegen  sie  erklären 
und  versichern,  wie  es  ihre  (der  Fürsten)  Nothdurft  er- 
fordere. Die  Worte:  „Der  König  wolle  die  Geistlichen 
in  seinen  Schutz  genommen  haben"  sollten  gestrichen 
oder  dem  Hauptbündnisse  und  der  Erklärung  gemäss 
moderiert  werden.  Des  Ansehens  und  der  Autorität,  der 
Leute  Gunst  und  ehrerbietiger  Furcht  halben  wünschte 
Fresse  die  Namhaftmachung  möglichst  vieler  Fürsten  in 
den  Ausschreiben.  Der  Krieg  sollte  als  „ein  gemein 
Werk"  erscheinen.  Damit  die  Leute  die  Sache  desto 
billiger  beurtheilen  möchten  und  alle  innere  Verhinderung 
wegfalle,  sollten  die  jungen  Herren  von  Weimar  noch 
zum  Beitritte  bewogen  werden.  Es  sollte  eine  Sendung 
an  England  und  Dänemark  stattfinden  etc.  Darauf  wurde 
erwidert:    im    fürstlichen    Ausschreiben    werde    mau    die 


'"*)  Ein  Herzog  von  Mecklenburg  inid  ein  Landgraf  von  Hessen. 

16* 


244  S.  Issleib: 

verbündeten  Kur-  und  Fürsten  nennen;  andere,  die  noch 
nicht  Bundesmitglieder  seien,  namhaft  zu  machen,  wolle 
sich  übel  reimen.  Die  jungen  Herren  von  Weimar  ge- 
denke man  nicht  auszuschliessen,  sofern  sie  zum  Bünd- 
nisse Lust  hätten,  keine  allzubeschwerlichen  Bedingungen 
stellen  und  sich  der  Lochauer  Haupteiniguug  gemäss 
halten  würden.  An  der  Sendung  nach  England  und 
Dänemark  wollte  man  sich  betheiligen.  Der  Orator 
wiederholte:  des  Königs  Wille  sei,  dass  niemand, 
ausgenommen  die  Widersetzlichen  und  Feinde,  Schaden 
erleiden  solle.  Der  König  sei  kein  Beschirmer  der  Bi- 
schöfe, aber  man  solle  keine  Feinde  erwecken,  wo  man 
mit  Ehren  Freunde  haben  könne.  Ihm  dünke,  meinte 
Fresse,  und  wollte  es  mit  besonderer  Erlaubnis  gesagt 
haben,  dass  die  Fürsten  die  Zeit  der  Rache  und  des  Er- 
werbens  nicht  erwarten  könnten.  Es  wäre  nützlich,  im 
Ausschreiben  viele  Bundesmitglieder  aufzuzählen.  Der 
König  begehre  vor  allem  die  Theilnahme  der  Herren 
von  A'Veimar  am  Bunde,  und  niemandem  sei  mehr  als 
dem  Kurfürsten  daran  «elegen.  Wozu  halte  man  so 
ehrliche  Fürsten,  die  sich  so  frei  erboten,  so  lange  auf  ^^*^)? 
Die  Fürsten  entgegneten :  sie  gedächten  freundlich  auf- 
zunehmen, wer  mit  ihnen  sein  wolle.  Wer  gegen  sie  sei 
und  sich  nicht  genügend  erkläre,  gegen  den  müsse  laut 
Vertrag  und  Erklärung  gehandelt  werden. 

In  Betreff  der  übrigen  Punkte:  des  Kriegszuges,  des  Vor- 
gehens gegen  den  Kaiser,  der  Bundesländer,  des  höchsten 
Imperiums,  des  Kriegsrathes,  des  Bundessiegels,  der  Bundes- 
fahnen etc.  hielt  Kurfürst  Moritz  neben  den  anderen  Fürsten 
für  gut,  dass  König  Heinrich  bis  zum  20.  ]\Iärz  ungefähr 
am  Rheine  etwa  bei  Speier,  Worms  oder  Mainz  eintreffe, 
dann  wollten  sie  sich  mit  ihm  über  die  ferneren  Kriegs- 
operationen vergleichen  '"'*).  Des  Kurfürsten  Land  und 
Leute  werde  Herzog  Augustus  neben  anderen  guten 
Freunden  behüten.  Im  Kreise  der  Fürsten  sollte  der 
König  als  Haupt  des  Bundes  betrachtet  werden  und  ver- 
tragsmässig  im  Kriegsrathe  eine  Stimme  erhalten.  Ein 
Bundessiegel  wurde  abgelehnt.  In  den  Salvagardis  sollte 
des  Königs  Wappen  mit  der  Umschrift :  Vindex  libertatis 

'**)  Vergl.  W.  Wenck,  Kurf.  Moritz  u.  die  Emestiiier  etc.,  27. 

"")  Der  König  sollte  eilig  herausziehen.  Nehme  er  auf  diesem 
Zug  Toul,  Yerdun,  Metz  und  Cambrai  ein,  wohl  und  gut,  wenn 
nicht,  dann  solle  er  15 — 20  000  Mann  hinter  sich  lassen,  die  ihn 
trotz  der  Städte  Proviant  etc.  nachbringen  könnten. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  245 

Germanicae  et  principuni  captivorum  stehen.  Die  Fähn- 
lein der  Bimdesfürsten  sollten  in  der  Mitte  grosse  weisse 
Kreuze  haben  '*'^)  etc. 

Auch  die  Keligionssache  kam  zur  Sprache.  Die 
Fürsten  sollten  den  König  ersuchen,  durch  ein  gemein 
Konzil  oder  andere  Reraedia  die  Einigkeit  und  die  durch 
den  Kaiser  und  andere  Widerwärtige  verhinderte  Ver- 
söhnung der  Kirchen  zu    befördern^ -'^). 

So  schloss  man  zu  Friedewalde  ab.  Niemand  wird  be- 
haupten können,  dass  grosses  Vertrauen  die  Verbündeten, 
den  König  und  die  deutschen  Fürsten,  aneinandergekettet 
habe.  Kurfürst  Moritz  wollte  von  Frankreich  doch  nur 
möglichst  hohe  Subsidien  und  kräftige  Unterstützung;  die 
Ausdehnung  der  französischen  Macht  auf  Kosten  Deutsch- 
lands lag  nicht  im  Bereiche  seiner  Wünsche.  Von  ferne 
zwar  zeigte  er  dem  Könige  die  deutsche  Kaiserkrone  und 
bewilligte  auch  bedingungsweise  die  Besetzung  der  loth- 
ringischen Städte;  aber  er  Hess  sich  nicht  bewegen,  dem 
Könige  den  Schutz  über  die  katholische  deutsche  Geist- 
lichkeit einzuräumen.  Im  Reiche  sollte  sich  der  fran- 
zösische Einfluss  nicht  allzuweit  einnisten.  Der  Kurfürst 
suchte  die  unbeschränkte  Freiheit  zu  wahren,  unter  Um- 
ständen gegen  geistliche  Territorien  nach  Kriegsrecht 
handeln,  sie  zu  Bereicherungen,  Entschädigungen  und 
Belohnungen  verwenden  zu  können.  Lästig  war  ihm  der 
französische  Einmischungsversuch  in  die  deutschen  Reli- 
gionsverhältnisse. 

Genug,  vorläufig  standen  Kurfürst  Moritz,  Landgraf 
Wilhelm  und  Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg 
im  Bunde  mit  Frankreich;  aber  auch  sie  nur  allein. 
Markgraf  Albrecht  schon  gehörte  ihm  nicht  an,  er  war 
unverpfiichtct,  aber  bereit,  mit  selbstgeworbenen  Truppen 
Hilfe  zu  leisten.  Die  anderen  Fürsten  hielten  die  Ver- 
handlungen hin.  Markgraf  Hans  suchte  Ausflüchte  und 
Winkelzüge  ' ' "),  verwies  auf  die  Verträge  zu  Dresden 
und  Torgau  und  erneuerte  beständig  die  bekannte  Streit- 
frage  über  Offensive    und    Defensive.     Der    Herzog    von 

'*')  Nicht  Hut  und  zwei  Dolche  —  die  alten  Zeichen  der  Freilieit. 

"")  Vergl.  Loc.  7281,  Französische  Verbündnisse,  131.  147. 
Druffel  U,   No.  981. 

"")  Nach  dem  Eintreffen  ziemlich  günstiger  Nachricht  aus 
England  schrieb  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  über  den  Mark- 
grafen: „Nun  schlägt  er  eine  Parade  und  wäre  gern  ein  wenig  ge- 
feiert". Loc.  7277,  Marggraffen  Johannsen  hendel  etc.  36;  Druffel  II, 
No.  891. 


246  S.  Issleib: 

Preussen  wollte  sich  von  ihm  nicht  trennen  und  machte 
den  eigenen  Zutritt  zum  Fürstenbunde  von  dem  seinigen 
abhängig^").  Auf  Theilnahme  und  Beistand  einiger 
süddeutscher  Fürsten  imd  der  norddeutschen  sogenannten 
Seestädte  war  vorläufig  nicht  zu  rechnen,  höchstens  hatten 
die  vertriebenen  braunschweigischen  Junker  Lust  zum 
Kampfe.  Etwas  zugänglicher  und  willfähriger  erschien 
nach  Mitte  Februar  Herzog  Johann  Friedrich  der  Mitt- 
lere ''").  Zwar  unterblieb  die  vom  Kurfürsten  gewünschte 
Zusammenkunft  in  Leipzig;  allein  Johann  Friedrich  gab 
die  Versicherimg  ^^^),  dass  er  dem  kurfürstlichen  Unter- 
nehmen zum  höchsten  gewogen  sei  und  wenn  irgend  mög- 
lich demselben  beiwohnen  wolle.  Um  gegen  den  Vater 
und  die  Brüder  das  eigene  Vorhaben  desto  besser  ver- 
antworten zu  können,  sollte  der  Kurfürst  zuvor  die  vom 
Rheingrafen  in  Aussicht  gestellte  Gebietseutschädiguug 
durch  Land  und  Stifter  namhaft  machen,  sich  zum  Schutze 
des  weimarischen  Landes  verpflichten,  eine  Geldsumme 
vorschiessen  ujad  bindend  erklären,  auf  Erledigung  des 
Vaters  Johann  Friedrich  nicht  weniger  als  auf  Befreiung 
des  Landgrafen  bedacht  sein  zu  wollen.  Sobald  das 
Unternehmen  beginne,  sollte  der  Kurfürst  an  ihn,  um  die 
Opferwilligkeit  der  Unterthanen  zu  erreichen,  eine  „Drang- 
schrift" senden,  mit  der  strengen  Forderung,  das  Seine 
zu  thuU;  sonst  werde  er  (der  Kurfürst)  verursacht,  andere 
Wege  einzuschlagen.  Sei  der  Vergleich  vollzogen  und 
er  in  das  Bündnis  aufgenommen,  dann  sollte  der  Kurfürst 
Sorge  tragen,  dass  der  Vater  Johann  Friedrich,  der  Vet- 
ter Johann  Ernst  von  Koburg '  '*)  und  alle  Ernestiner 
wieder  in  die  verwirkte  sächsische  Gesamtbelehnung 
aufgenommen  würden.  Kurfürst  Moritz  Avollte  sich  jedoch 
vor  dem  Eintritte  Johann  Friedrichs  des  Mittleren  in  das 
Bündnis  in  keine  weiteren  Erörterungen  einlassen.  Nach 
erfolgter  Aufnahme  war  er  gewillt,  das  weimarische  Land 


'")  Herzog  Heinrich  von  Mecklenburg  war  am  6.  Februar 
gestorben. 

"*)  Loc.  9155,  Assecuration  oder  Schriften  etc.,  Bl.  1  flg. 
Druffel  II,  No.  999,  1001.  W.  "Wenck,  Kurfürst  Moritz  und  die 
Ernestiner,  27  flg. 

"*)  Mittelsperson  war  Fürst  Wolfgang  von  Anhalt.  Loc.  9142, 
Custodie  und  Erledigung  Joh.  Fr.  etc.     Druffel  II,  No.  990. 

"*)  W.  Wenck,  Kurfürst  Moritz  und  die  Ernestiner  etc.,  28. 
Herzog  Jobann  Ernst  wurde  vom  Markgrafen  Albrecht  bearbeitet, 
um  in  das  Fürstenbündnis  einzutreten;  er  reiste  auch  nach  Cassel, 
aber  schwankte  dann  und  zögerte. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  247 

zu  schützen,  über  die  Liindesentscliädigimg  zu  verhandeln, 
über  eine  Geldanleihe  zu  beratheu  und  die  Befreiung 
Johann  Friedrichs  zu  erstreben.  Eine  Drangschrift  sollte 
überschickt  und  die  Erneuerung  der  Gesamtbelehnung 
vom  Kaiser  erbeten  werden. 

Ohne   grosse   Rücksicht  auf  fernere    fruchtlose   Ver- 
handlungen   beeilten     die    Bundesfürsten    ihre    Rüstung. 
Kurfürst     Moritz,      bedacht,     dem     Kaiser     einen     un- 
erwarteten,    heftigen    Schlag     beizubringen,     trieb     zum 
schnellen   und  kräftigen  Angriffe.     Noch   wandte   er    alle 
Mühe  an,   um  zu  täuschen,   hinzuhalten,   irrezuleiten  und 
im   Unklaren   zu   lassen.     Sein   Spiel   hatte   Erfolg.     Der 
Kaiser   ahnte   und    kannte   nicht    die    ihm    drohende   Ge- 
fahr',   er   ist  in   der  That   fast   völlig  überrascht  worden. 
Als   die  Kurfürsten    von    Mainz,    Köln    und    Trier    Ende 
Dezember   1551  wegen    eingelaufener  scldimmer  Gerüchte 
das  Konzil  zu  Trient  verlassen  und   in   die  Heimath    zu- 
rückkehren wollten,  da  beruhigte  der  Kaiser   (am  3.  Ja- 
nuar 1552  ^**) :  „Er  habe  bei  Fürsten,  Ständen  und  Städten 
Aveit  umher  Kundschaft  eingezogen  und  allenthalben  wil- 
ligen   Gehorsam    gefunden.     Über    den    Kurfürsten    von 
Sachsen  gingen  zwar  allerlei  Reden  hin  und  her,   haupt- 
sächlich  wohl,   weil   das  Kriegsvolk    nacli   der   Übergabe 
Magdeburgs  zusammengeblieben  und    durch    dasselbe   au 
einigen  Orten  Schaden  angerichtet  worden  sei;  aber  der 
Kurfürst  habe  durch  Sckreiben  und  Gesandte  sich  gegen 
ihn  erklärt,  dass  er  sich,    sofern  noch  menschliche  Treue 
und  Glauben  auf  Erden  sei,  nicht  anders  denn   alles  Ge- 
horsams und  Guten  zu  ihm  versehe,    deswegen  könne  er 
das    Widerspiel    weder    glauben    noch    vermuthen.      Das 
magdeburgische     Kriegsvolk    werde     des    nichtbezahlten 
Soldes    wegen    zusammengehalten.      Jetzt    finde    die  Be- 
zahlung und  Trennung  statt,  dann  würden  alle  Unruhen 
gestillt  werden.     Es  gehe  viel  Geschrei  und  käme  täglich 
viel  zu  seinen  Ohren;    aber  es  sei  alles   nur  unbeständig 
und  eitel  Gedicht,    nur    ausgebreitet,   um   das    christliche 
Konzil  und  den  Frieden  in  Deutschland  zu  stören.    Alles 
werde   noch    an    den  Tag    kommen.     Er  habe   allerorten 
fleissige  Kundschafter  und  spare  weder  Mühe  noch  Kosten, 


"*)  Loc.  10r,24,  Tridenthier  Konzil  11,  Bl.  JiO.  Druffel  II, 
No.  871,  vergL  872,  884,  892,  909.  J  oh.  Voigt,  Der  Fürstenbuml  etc. 
159  üg. 


248  S.  Issleib: 

damit    allenthalben    getreulicli    zu    den    Sachen    gesehen 
werde'^^»«). 

Der  Königin  Maria*"),  welche  verhältnismässig  den 
tiefsten  Einblick  in  die  kaiserfeindlichen  Pläne  besass 
und  unermüdlich  zur  Vorsicht  mahnte,  hielt  der  Kaiser 
und  nicht  minder  sein  erster  Rath  Granvella  vor,  mit 
welcher  Ergebenheit  der  Kurfürst  schreibe,  wie  fest  ent- 
schlossen er  sei,  das  Kriegsvolk  nach  der  Bezahlung  zu 
trennen  und  dann  nach  Innsbruck  zu  kommen.  Es  sei 
unmöglich,  vor  der  Bezahlung  des  Kriegsvolkes  mit  Be- 
rechtigung gegen  den  Kurfürsten  vorzugehen.  Die  Ge- 
rüchte könnten  kein  Grund  sein,  ihn  mit  Krieg  zu  be- 
drohen und  in  seinem  Lande  zu  überfallen.  Kein  Ver- 
gehen liege  vor.  Der  Kurfürst  sei  nicht  zu  fürchten, 
versicherte  man,  denn  er  besitze  wenig  Anhang,  werde 
von  den  Seestädten  gemieden  und  vom  grössten  Theile 
des  deutschen  Volkes  tötlich  gehasst;  er  schwebein  Soi'gen 
vor  dem  gefangenen  Kurfürsten,  könne  keine  grossen 
Kosten  tragen  und  werde  sich,  wie  früher  andere,  durch 
Truppenwerbungen  finanziell  zu  Grunde  richten.  Mark- 
graf Albrecht  sei  bis  zur  Verzweiflung  verschuldet  und 
der  König  von  Frankreich  könne  keine  grossen  Geld- 
opfer bringen.  Granvella  erklärte  oifen :  Der  Kurfürst 
von  Sachsen  habe  so  Avenig  wie  der  Markgraf  von  Bran- 
denburg hinreichenden  Verstand  und  Kredit,  um  eine 
grosse  Unternehmung  zu  leiten,  beide  seien  zu  beschränkt, 
um  hervorragende  Anschläge  auszuführen.  Der  gänzlich 
mittellose  Kaiser  wollte  die  Gegner  durch  Schi-eiben  und 
Verhandlungen  bekämpfen;  das  schien  zu  genügen.  Als 
berichtet  wurde,  die  magdeburgischen  Reiter  seien  be- 
zahlt und  die  Knechte  hätten  das  Abzugsgeld  erhalten, 
aber  der  Kurfürst  nähme  die  Besten  des  Kriegsvolkcs 
wieder  in  Bestallung,  gäbe  Hand-  und  Wartegeld  und 
lagere  die  Mannschaft  zum  Theil  in  Sachsen  ein,  da  be- 
ruhigte Granvella  die  Königin  Maria  damit,  es  sei  in 
Deutschland  nicht  ungewöhnlich,  dass  die  Fürsten  zu  ihrem 
eignen  Ruine  Rittmeister  und  Hauptleute  in  Wartegeld 
hätten.     Nähme  der  Kurfürst    die   Kriegsleute   in   Masse 


"•)  Man  vergleiche  hiermit  die  unaufhörlichen  Warnungen  des 
Kurfürsten  in  den  Briefen  an  seinen  Schwager  Wilhelm  :  D  ruf  feil, 
No.  714  flg.,  II,  No.  875  flg.  Die  Verrätherei  sei  gross,  schrieb  der 
Kurfürst. 

'")  Vergleiche  die  hierhergehörigen  Briefe  bei  Druffel  I, 
No.  813  flg.     II,  No.  86(5  flg. 


Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc.  249 

an,  dann  könne  man  anfragen,  zu  welchem  Zwecke,  und 
werde  er  Fürsten  und  Ständen  des  Keiclies  damit  lästig, 
dann  könne  man  auf  Grund  des  Landfriedens  gegen  ihn 
einschreiten;  so  hinge  ihm  kein  Unrecht  aufzuerlegen  sei, 
könne  man  nicht  gegen  ihn  vorgehen,  und  so  lange  keine 
feindliche  Erklärung  vorliege,  erscheine  es  besser,  abzu- 
warten und  ihn  sich  durch  Geldausgaben  erschöpfen  zu 
lassen,  als  ihn  grundlos  aufzuscheuchen  und  zu  einer 
verzweifelungsvoUen  Tiiat  zu  treiben. 

Der  kaiserliche  Hof  war  sichtlich  erfreut  und  von 
Sorgen  erleichtert,  als  am  9.  Februar  der  kursächsische 
Ratli  Franz  Kram  in  Innsbruck  eintraf,  um  für  den  Kur- 
fürsten eine  Herberge  zu  bestellen.  Nach  Krams  Aussagen 
war  derselbe  unmittelbar  nach  ßezahluno-  und  Zertrennunc" 
des  Kriegsvolkes  am  1.  Februar  mit  ihm  und  40  Reitern  in 
Sachsen  aufgebrochen,  aber  in  Bayern  zurückgeblieben,  um 
in  Wasserburg  den  Herzog  Albrecht  und  den  dort  verwei- 
lenden König  Maximilian  von  Böhmen  aufzusuchen.  In 
5 — 6  Tagen,  versicherte  Kram,  werde  sein  Herr  nach- 
kommen "^).  Was  den  Kaiser  und  Granvella  in  unlieb- 
same Spannung  versetzte,  war  die  Reise  nach  Wasser- 
burg zum  Herzog  Albrecht  und  König  Maximilian.  Die 
Nachricht  gab,  als  später  die  Rückkehr  des  Kurfürsten 
nach  Sachsen  gemeldet  wurde,  Anlass  zum  Verdachte  des 
Kaisers  gegen  den  Schwiegersohn  Maximilian  und  gegen 
den  Bruder  König  Ferdinand,  als  habe  der  Kurfürst  im 
Einverständnisse  mit  beiden  gehandelt,  Avas  doch  nicht 
der  Fall  gewesen  ist*'^).  Schwerlich  lassen  sich  ver- 
dächtige Beziehungen  nachweisen! 

König  Ferdinand  hat  dem  Kaiser  hinlänglich  ehrlich 
vmd  brüderlich  gewarnt  und  Anstalten  getroffen,  um  französi- 
schen Praktiken  zu  ])cgegnen  und  Unzuträglichkeiten  im 
Reiche  vorzubeugen.  Seit  Dezember  warb  er  um  Truppen 
für  den  drohenden  Türkenkrieg  und  gedachte  das  magde- 
burgische Kriegsvolk  zum  Theil  in  seinen  Dienst  zu  ziehen. 
Mitte  Januar  *'^")  fertigte  er  Adam  Pflug  nach  Sachsen  ab, 
um  mit  Hilfe  des  Kurfürsten  die  demnächst  abgedankten 


"•)  D ruffei  ir,  No.  978,  vergl.  No.  1054. 

•'•)  Karl  Lanz,  Korresponilenz  des  Kaisers  Karl  V.  (Leipzicc 
1846)  lir,  97  flg. 

'^'*)  Loc.  91.53,  Magdeburgisihe  Händel,  so  nielirentheils  etc., 
1550/57,  Bl.  187  tig.  ii.  Loc.  8498,  Allerlei  Fürsten-Briefe  an  Kurfürst 
Moritz  und  Herzog  Augustus.    1542/53.    Druffel  H,  No.  971,  974,  988. 


250       S-  Issleib:  Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  etc. 

1000  gutgerüsteten  Reiter  zu  gewinnen.  Scheinbar  ging 
der  Kurfürst  auf  das  Verlangen  ein  und  empfahl  den 
Herzog  Georg  von  Mecklenburg  als  Obersten;  mit  diesem 
völlig  einverstanden,  hielt  er  auch  für  sich  selbst  die 
Möglichkeit  zur  Betheiligung  am  Türkenkrieg  durch 
unterthänige  Anerbieten  offen.  Gestützt  auf  den  reich- 
haltigen Inhalt  vieler  Zuschriften  wandte  sich  König  Fer- 
dinand dann  am  12.  Februar  besorgten  Gemüthes  als  ein 
„rechter  guter  Freund"  an  den  Kurfürsten,  um  „aus  lauter 
Liebe  und  Treue"  eingehend  vor  einer  Kriegsempörung 
zu  warnen  '^');  denn  solches  Beginnen  gehe  gegen  Gott, 
Kaiser  und  Reich  und  ihn,  den  römischen  König,  gereiche 
dem  Kurfürsten  und  seinem  Bruder  Augustus  zur  Ver- 
kleineruno;, Schande  und  Nachtheil  und  komme  nur  den 
Franzosen  und  Türken  zu  Gute.  Der  Eid  des  Kurfürsten 
gegen  Kaiser  und  Reich  sei  wichtiger  als  irgend  eine 
dem    gefangenen   Landgrafen    gegebene  Zusage  etc. 

So    lagen   die    Verhältnisse,  als  sich  Kurfürst  Moritz 
zum  Losschlagen  in  Bereitschaft  setzte^ ^"•'). 


'*')  Loc  9146,  Hessische  entlecligung  1551,  IV,  Bl.  121  flg. 
Druffel  .11,  No.  982. 

'='*)  Über  den  Feklzug  selbst  gedenken  wir  im  folgenden  Bande 
dieser  Zeitschrift  zu  handeln. 


vn. 

Sächsische  Künstler  in  Görlitzer 
Geschichtsquellen. 

Zusammengestellt  von 

E.  Wernicke. 


Zur  ErUliiterung  der  Überschrift  sei  gleich  von  vorn- 
herein, um  Enttäuscluingen  vorzubeugen,  die  Erklärung 
vorausgeschickt,  dass  im  folgenden  nur  solche  bildende 
Künstler  sollen  vorgeführt  werden,  welche  entweder  aus 
Landestheilen  des  gegen  wä  rtigen  Königreichs  stammend 
in  Görlitz  gearbeitet,  oder  in  Görlitz  ursprünglich  an- 
gesessen von  hier  Aufträge  nach  kgl.  sächsischen  Städten 
erhalten  haben.  Fast  die  Mehrzahl  von  ihnen  findet  man 
bereits  in  den  urkundlichen  Beiträgen  zur  Künstler- 
geschichte Schlesiens  verzeichnet,  welche  ich  seit  1875  im 
Anzeiger  des  Germanischen  Nationalmuseums  zu  Nürn- 
berg veröffentlicht  habe.  Die  früheren  Mittheilungen  über 
sie  brauche  ich  darum  jetzt  nur  in  aller  Kürze  zu  citieren. 
Hingegen  sind  meine  Erfahrungen  über  einige  derselben 
seit  1880  durch  Studien,  namentlich  der  libri  missivarum 
(Konzepte  der  abgesandten  Briefe)  im  Görlitzer  Raths- 
archiv,  bedeutend  erweitert.  Letztere  bilden,  sobald  nicht 
das  Gegentheil  vermerkt  ist,  die  Quelle  zu  den  nachstehen- 
den Angaben,  von  denen  ich  vielleicht  hoffen  darf,  dass 
der  oder  jener  unter  den  geneigten  Lesern  sich  dadurch 
zu  spezielleren  Forschungen  oder  ergänzenden  Berichti- 
gungen angeregt  fühlt,  deren  Resultate  niemandem  mehr 
als  dem  Einsender  willkommen  sein  werden. 


252  E.  Wernicke: 

Dass  zwischen  der  oberlausitzisclien  Hauptstadt  und 
den  jetzigen  kgl.  sächsischen  Gebieten  kunstgeschichtliche 
Wechselbeziehungen  müssen  obgewaltet  haben,  war  ja  an- 
zunehmen, und  so  soll  denn  dieser  kleine  Aufsatz  dem 
Zwecke  dienen,  dafür  den  urkundlichen  Nachweis  anzu- 
treten. Vielleicht  erwächst  aus  ihm  auch  für  die  allge- 
meine deutsche  Kunstgeschichte  ein  bescheidener  GcAvinn. 

Den  Anfang  soll  die  Besprechung  der  Architekten 
u  n  d  B  i  1  d  h  a  u  e  r  machen,  über  die  ein  ziemlich  reichhaltiges 
Material  vorhanden  ist.  Wir  lassen  ihnen  dann  einige 
Maler,  Goldschmiede  und  Giesser  folgen. 

Architekten  und  Bildliauer. 

Siegmund  von  Lob  au,  Maurer,  wird  1410  Avegen 
Hintergehung  des  Magistrats  aus  Görlitz  ausgewiesen. 
1443  Avird  der  Steinmetz  von  Budissin  gedingt,  um 
Steinkugeln  für  die  grossen' Büchsen  zu  bereiten  '). 

Konrad  Pfluger  stand  seit  1496  in  sächsischen 
Diensten  und  lebte  1504  in  Meissen.  In  Diensten  der 
Stadt  Görlitz  war  er  seit  1488  beschäftigt.  Die  Urkunde 
über  seine  feste  Anstellung  ist  im  liber  actorura  inceptus 
1490  verzeichnet.  In  dieser  heisst  es:  Als  wir  denn  nach 
dem  Tode  Meister  Stephans  ^)  etliche  Zeit  und  bisher 
eines  Werkmeisters  „Gebroch"  gehabt,  haben  wir  auf 
heute  in  Gegenwart  aller  Steinmetzen-  und  INlaurer-Meister 
Konrad  Pflüger  zu  unserm  Werkmeister,  alle  unsere 
Gebäude,  und  was  an  der  Stadt  und  den  Gotteshäusern 
zu  bauen  ist,  zu  versorgen,  aufgenommen,  also  dass  er 
solche  „Baue"  mit  Wissen  und  Rath  der  Bauherren,  die 
vom  Rathe  dazu  geordnet  sind,  thun  und  bauen  soll.  An 
solchen  unsern  Bauten  soll  kein  Steinmetz  noch  Maurer 
über  ihm  arbeiten  in  keiner  Weise,  sondern  alle,  die  dazu 
benützt  und  berufen  werden,  das  (!)  soll  geschehen  mit 
seinem  guten  Willen.  Auch  soll  er  keinen  aufnehmen, 
es  geschehe  denn  mit  Wissen  und  Willen  unserer  Bau- 
meister (Adilen).  Darum  wollen  wir  ihm  geben  von  der 
Stadt  Gebäuden  alle  Quartale  2  Schock  und  ihm  auch 
einen  Parlierer  halten  und  dem  die  Woche  4  Groschen 
mehr  geben  als  einem  andern  Maurer.  Wenn  er  ein 
Gewölbe  schliesst;  so  soll  der  Boden  und  die  „Bogstelle" 


')  Anz.  1876  Sp.  .S24.  S61. 

*)  Sein  Zuname  war  Aldenberg,  vielleicht   hergeleitet  von  der 
Bergstadt  dieses  Namens. 


Sächsische  Künstler  in  Görlitzer  Geschiohtsquellen.        253 

sein  sein  statt  des  Trinkgeldes  oder  man  soll  ihm  geben, 
so  viel  als  das  Holz  werth  ist,  ausgenommen  Rüstholz, 
Rüstbretter  und  Verschalungen,  welche  bei  unsern  Gebäu- 
den verbleiben  sollen.  Item  Avollen  wir  ihm  alle  Wochen 
durch  das  ganze  Jahr  geben  ^2  Schock  von  einem  Haus- 
bau, wo  er  die  meisten  Gesellen  bei  hält,  nämlich  itzund 
zu  St.  Peter,  und  was  man  an  andern  Gotteshäusern  wird 
für  „Baue"  haben,  da  wollen  wir  ihm  die  Woche  12  Gr. 
von  jeglichem  Baue  geben,  ausgenommen  zu  St.  Nikolaus^); 
so  man  daselbst  bauen  würde,  soll  ihm  über  das  Wochen- 
lohn zu  St.  Peter  nichts  gegeben  werden  nach  alter  Ge- 
wohnheit, und  so  er  an  des  heiligen  Kreuzes  Kapelle*) 
bauen  würde,  soll  er  über  die  Summe,  die  ihm  die 
Kirchenväter  daselbst  geben  werden,  nichts  fordern.  Zu 
solchen  Gebäuden  wollen  wir  ihm  3  Diener  Steinmetzen 
und  3  Diener  Maurer  halten,  jedoch  also,  dass  er  von  jeg- 
lichem Vierteljahr  vom  Anheben  seiner  Lehrjahre  wöchent- 
lich nicht  mehr  fordere  als  eines  Helferknechtes  Lohn, 
nämlich  18  Gr.,  aber  darnach  soll  ihr  Lohn  vor  sich 
gehen  wne  für  einen  andern  Steinmetzen  und  Maurer. 
Auch  sollen  an  den  Hauptbauten  nicht  mehr  als  höchstens 
2  Steinmetzen  und  2  Maurer  von  denselbigen  Dienern 
und  Lehrknechten  gehalten  werden.  Von  Wache  und 
Heerfahrtgeld  soll  er  ganz  frei  bei  uns  sitzen.  Ausser- 
halb der  Stadt  darf  er  ohne  unsere  Erlaubnis  keinen  Bau 
übernehmen,  nur  den  „zu  der  Eiche"  (Bölun.  Aicha  b. 
Turnau?*)  mag  er  versorgen,  wie  er  vordem  gethan  hat. 
Es  sollen  sich  alle  Steinmetzen  und  Maurer  nach  ihm  als 
der  Stadt  Werkmeister  richten  und  auf  alle  Quatember 
auf  seine  Anforderung  zusanunenkommen,  da  er  dann  die 
„bussfälligen"  nach  des  Handwerks  Gewohnheit  zu  Rede 
stellen  soll,  wie  das  sein  Vorgänger  Meister  Stephan 
geübt  hat.  Seine  Untergebenen  hat  er  anzuhalten,  dass 
sie  die  obrigkeitlich  festgesetzten  Ruhestunden  beobachten. 
Actum  coram  consulalu  Ipso  die  Marie  Magd.  (22.  Jidi) 
1490.  Dergleichen  Kontrakte  mögen  auch  anderwärts 
mit  ihm  aufgerichtet  worden  sein,  weshalb  die  ausführliche 
Wiedergabe  gerechtfertigt  erscheint. 


')  Alteste  Pfarrkirche  der  Stadt,  jetzt  nur  bei  Tranerfeierlich- 
keiten  benutzt. 

*)  Kapelle  des  h.  Grabes,  um  1489  vollendet. 

^)  Anfragen  an  die  dortige  Geistlichkeit  haben  zu  keinem 
Resultate  geführt. 


254  E,  Wernicke: 

Aus    einem    im    Januar    1493    ausgestellten   Eeverse 
Pflugers  gellt  hervor,   dass   er  einen  Kramladen   bei   den 
Scbuhbänken  überwiesen  erhalten  und  sich  schon  um  diese 
Zeit  mit  der  Absicht  getragen  hat,  „um  seiner  Besserung 
willen"  den  Ort  seiner  Thätigkeit  zu  wechseln.     Vielleicht 
hat    er    auch    nur    einen   Druck    auf    die   Görlitzer    üben 
wollen,  die  ihm  in  der  That,  in  Rücksicht  auf  die  Grösse 
des    Baues    zu  St.    Peter,    weitere    Vergünstigungen    zu- 
sicherten.    So  wird  zunächst  seinem  Sohne  für  den  Fall, 
dass  er  die  Priesterweihe  erhält,  das  erste  vakante  Altar- 
lehen in  Aussicht  gestellt,    ihm  selber  aber  über  den  ge- 
wöhnlichen Wochenlohn  vom   Rathe  auf  jeden  Quatember 
3  ung.  Gulden   und   von   den  Kirchenvätern  zu  St.  Feter 
1  Gulden  versprochen.     Dazu  sollte  er  von  seiner  fahren- 
den Habe  300  Mark  von  Geschoss  frei  haben,    wogegen 
er    alle    erblichen    Güter,    den   Kram    ausgenommen,    wie 
jeder   andere    Bürger  versteuern   will   und    zusagt,    seinen 
Aufenthalt  ohne  Urlaub  nicht  zu  unterbrechen.  —  Diese 
Urkunde  wurde  doppelt  ausgestellt  und  mit  dem  Petschier 
des  Werkmeisters  versehen,  welches  jedenfalls  das  leider 
unbekannte  Monogramm  des  Künstlers   enthielt.  —  Hier- 
auf   folgt    die    wörtlich    mit    Script,    rerum    Lusaticarum 
(n,  50)  übereinstimmende  Notiz,    dass    bis  Neujahr    1497 
Meister   Konrad    und    den  Parlierern    auf  den    Kirchen- 
bau gezahlt  worden  sind  1182  M.  9  Gr.  oder  945  Schock 
und  14  Gr.  —  An   genannter  Stelle   und    auf  den  voran- 
gehenden Seiten  ist  auch  des  näheren  mitgetheilt:  wie  man 
den  bawhe  S.  Feters  kirchen  vol.  füren  sal  (1490);   icie  man 
die    aheseyte    kegen    des    voits    hofe^)   zu   haiven  vordinget; 
icenne  vnd  loie  man  zu  sulchem  baio  gebeten  hat  (1495.  1497). 
Zur   Besichtigung    einiger    Schäden    an  dem   Gotteshause 
waren    demnach   zusammengetreten  ausser  Pfluger:    Peter 
Peschel,   Zimmermann,   und  Meister  Heinrich,    Steinmetz, 
Werkleute  der  Stadt  Bautzen;  Meister  Kilian,  Steinmetz, 
und    Nickel    Hirsch,    Zimmermann,    der    Fürsten   von 
Sachsen  Werkleute.    Ich  lialte  diesen  Kihan  unbedenk- 
lich für  den  Polierer  gleichen  Namens,  dem  nach  Gurlitts 
Annahme  ')  1481  nach  Arnolds  Tode  die  Leitung  des  Baues 
an  der  Albrechtsburg  übertragen  wurde.     Seine  in  Görlitz 


«)  Jetzt    Gefängnis;    gemeint    sind    die    Abseiten    im    Norden 
der  Kirche. 

»)  Gurlitt,  Das  Schloss  zu  Meissen  (Dresden  1881)  20. 


Sächsische  Künstler  in  Görlitzer  Geschichtsqnellen.         255 

mit  Pfluger  gemachte  Bekanntschaft  *)  ist  jedenfalls  von 
Einfluss  auf  die  Berufung  gewesen,  Avelche  dieser  1496 
nach  Sachsen  erhielt.  Der  Wortlaut  des  Schreibens  von 
1496  Sept.  24  (sabb.  p.  Matth.  apost.),  womit  der  Görlitzer 
Kath  eine  von  dort  geschehene  Anfrage  wegen  Beurlau- 
bung des  Meisters  beantwortete,  wird  an  dieser  Stelle 
erwünschter  sein,  als  was  im  „Anzeiger"  1877  Sp.  99  im 
Auszuge  steht: 

An  Herzog  Fridricb,  Churfiirsten ,  vnd  Johannsen  gebrnder. 
Durch!,  etc.  (Euer)  furstenlichen  gnaden  Schaffung  vnd  beger,  meister 
Conrats  desz  wergmeisters  hallien  durch  ew.  f.  gnaden  geschickten 
(boten),  (wir)  wolden  im  vorgonnen  sich  iv.  f.  gn.  bawes  zcu  vnder- 
winden  vnnd  zcu  Vorsorgen,  au  vns  gelanget,  haben  wir  deniutiglich 
verstanden,  vnnd  wicwnll  wir  bey  vns  an  vnszerer  pfarkirchen  zu 
sant  Peter  einen  treft'enlichen  grossen  baw  vorhanden  haben,  der  vns 
etwasz  mergkliclis  vnnd  vill  gestanden  vnd  noch  bisz  zu  voUfurung 
stehen  wurth,  alsz  dem  bemelten  meister  Conraten  woll  bewost  ist, 
vnnd  solcher  baw,  alsz  vill  (d  h.  soweit)  wir  vns  desz  vorstehen  vnnd 
vnderweist  werden,  sein  abwesen  nicht  woll  erleyden  will,  yedoch 
so  wir  alhvege  geneiget  sein,  uwern  furstenlichen  gnaden  beczeg- 
liche  dinst  vnd  ere  zcu  erzeigen,  wollen  wir  iv.  f.  gn.  zcu  woll- 
gef'allen  bemeltem  meister  Conraten  solches  vorgonnen,  alszo  dasz 
er,  wie  ew.  f.  gn.  begeren,  vonn  einem  baw  zcu  dem  andern  abe- 
vnd  czuczyhe  vnd  durch  sein  angeben,  wo  er  in  kegenwertigkeit 
nicht  sein  wurde,  auch  vnsren  baw  notdorfftiglich  versorge. 

Daran  schliesst  sich  die  Bitte,  dem  Meister  einzu- 
schärfen, dass  er,  zur  Vermeidung  voiv  Nachtheilen,  auch 
den  hiesigen  Bau  betreibe.  Dieses  Ab-  und  Zuziehen  hat, 
wie  wir  aus  den  Missiv- Büchern  unterrichtet  werden, 
thatsächlich  stattgefunden  und  steht  in  der  Görlitzer 
Künstlergeschiclite  keineswegs  vereinzelt  da.  Denn  auch 
der  Renaissancekünstler  Wendel  Kosskopf  wurde  1527 
auf  eine  ähnliche  Anfrage  des  Herzogs  von  Liegnitz  zeit- 
weise dorthin  entlassen.  Eine  wichtige  Frage  wäre  nun 
zu  lösen:  Wo  haben  wir  den  Bau  zu  suchen,  mit  dem 
Pfluger  beauftragt  wurde?  Hat  er  an  der  Wittenberger 
Stiftskirche,  deren  VoUendmig  nicht  vor  1499  ^)  erfolgte, 
aebaut  oder  in  Meissen  oder  o-ar  an  beiden  l^hitzen  ?  Das 
Letzte  besitzt  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 
Denn  die  beiden  Fürstenbrüder,  welchen  die  Stiftskirche 
ihren  Neubau  und  ihre  glänz(mde  Ausstattung  verdankte  '"), 
sind  es  ja,  die  Görlitz  um  den  Bauineistcir  angehen. 
Wohl  aber  hat  sich  auch  Bischof  Johann  VI.  von  Meissen 


')  Gurlitt,  a.  a.  0.  37  hat  die  Jahrzahl  149-t  dazu,  es  geschah 
aber  4  Jahre  früher. 

»)  Lindau,  Lucas  Cranach  18.       '»)  Ebd.  93. 


256  E.  Wernicke: 

1498  für  Pfluger  beim  Ratlie  von  Görlitz  verwandt,  als 
dieser  wegen  grober  Missliandlung  eines  Verwandten  hier 
unmöglich  geworden  war  ' ').  Das  Interesse,  welches  der 
Kirchenfürst  an  dem  Künstler  nalmi,  möchte  doch  in 
erster  ßeihe  durch  Dienstleistungen  zu  motivieren  sein, 
welche  dieser  in  Meissen  erwiesen.  Ich  denke  dabei  an 
den  neuen  Bischofsbau,  welcher  nach  1487  unter  Dach 
gebracht  worden  ist  '^).  Pflugers  Anwesenheit  am  Bischofs- 
sitze ist  1504  bezeugt  durcli  eine  Aufforderung,  sich  nach 
Görlitz  in  Erbschaftsangelegenheiten  zu  verfügen.  Gurlitt 
hält  ihn  für  identisch  mit  jenem  Konrad  Schwad,  welcher 
1502  den  Grund  zum  Thurm  der  Annaberger  Kirche 
legte  und  denselben  1507  vollendete.  Sein  Parlierer  hiess 
damals  Jobst.  Diese  Konjektur  hätte  etwas  für  sich; 
wenn  letzterer  zusammenfiele  mit  dem  Stadtzimmermeister 
gleichen  Namens,  der  1512—1519  im  Verein  mit  dem 
Steinmetzen  Albrecht  Stieglitzer  den  Rathsthurm  in  Görlitz 
erbaute,  was  so  unwahrscheinlich  nicht  ist.  In  Rücksicht 
auf  die  Möglichkeit  der  Identität  gestatte  ich  mir  noch 
hinzuzufügen,  dass  1520  einem  Baumeister  Jost  Möller 
von  Görlitz  die  Erlaubnis  ertheilt  wurde,  einem  Auftrage 
des  Raths  von  Böhm.  Leipa  nachzukommen^^). 

Was  sonst  noch  von  Meister  Konrad  mitzutheilen, 
so  steht  zunächst  fest,  dass  er  1497  mit  Urban  Laubanisch 
(auch  Laurisch  geschrieben)  und  dem  Parlierer  Blasius 
Börer  von  Leipzig  die  Peterskirche  „mit  den  Pfeilern  und 
darauf  stehenden  hohen  Gewölben"  vollendet  hat,  wie  eine 
Inschrift,  rechts  vom  Haupteingange ,  einst  bezeugte. 
Einige  Signaturen,  Akte  freiwilliger  Gerichtsbarkeit  be- 
treflend,  -  sind  ausserdem  vorhanden,  welche  die  Wohl- 
habenheit des  Meisters  bekunden;  die  letzte  datiert  von 
1504,  wo  er  an  einen  Michel  Schmied  2  Krame  abtrat  '^). 
Die  letzte  ErAvähnung,  die  ich  über  ihn  in  Görlitz  ent- 
deckte, datiert  aus  dem  Frühjahr  1506,  wenn  anders  diese 
auf  seine  Persönlichkeit  Anwendung  finden  darf.  Es 
ist  nämlich  fer.  2.  post  Laetare  ein  Schreiben  gesandt 
worden 

an  Meister  Kuntzen,  Steinmetzen,  itzund  zu  Bautzen. 
Wir  werden  berichtet,  dass  die  Gesellen  bei  euch  nicht  stehen  wollen 
noch  arbeiten.  Deshalb  ist  unsere  freundliche  Bitte,  wollet  uns  zu 
erkennen  geben,  ob  dem  also,  oder  was  daran  sei. 

")  Anz.  1876  Sp.  99.100.       '^j  Gurlitt  a.  a.  0.  36. 

'*)  Liber  missiv.       '*)  Repertor.  testaraentorum  (1500—1580). 


Sächsische  Künstler  in  Görlitzer  Geschichtsqnellen,         257 

Das  wäre  nur  eine  Vergeltung  für  Cliikanen  gewesen, 
die  er  sich  gegen  strebsame  Genossen  „im  Steinwerk" 
erlaubt  hatte,  als  er  noch  in  der  Görlitzer  Hütte  das 
grosse  Wort  führen  durfte  ^^).  Aus  den  Aufzeichnungen, 
die  sich  über  ihn  erhalten  haben,  geht  im  allgemeinen 
hervor,  dass  er  wegen  seiner  künstlerischen  Begabung 
ebenso  geschätzt  und  gesucht,  als  wegen  Mangels  an 
Kollegialität  und  unruhigen  Wesens  übel  beleumun- 
det war. 

Schliesslich  bleibe  nicht  unerwähnt,  dass  die  Görlitzer 
Jahrbücher  1494  eines  gewissen  Pflugschar  von  Dres- 
den gedenken,  welcher  um  24  Reichsgulden  die  Mauer 
bei  der  Neissebadestube,  soweit  die  neugesetzteu  Pfeiler 
anzeigen,  „gerichtet  und  wohl  gegründet  habe"  ' ").  An 
eine  Verwandtschaft  dieses  Mannes  mit  Pfluger  ist  wohl 
kaum  zu  denken. 

Pflugers  Nachfolger  als  städtischer  Werkmeister  wurde 
sein  früherer  Gehilfe  Blasius  Börer.  Die  Tradition 
lässt  ihn  übereinstimmend  aus  Leipzig  herstammen. 
Ich  finde  dieselbe  bestätigt  durch  einen  Brief  aus  Görlitz 
an  den  dortigen  Rath,  d.  d.  2.  post  Thomae  (22,  Dezbr.) 
1505,  worin  der  Meister  als  bereits  gestorben  bezeichnet 
wird.  Seine  Kinder  Hans  und  Lucia  (letztere  verheirathet 
an  Severin  Buch)  waren  damals  nebst  der  verwittweten 
Mutter  in  Leipzig  ansässig.  Börers  Name  ist  auf's  engste 
verknüpft  mit  einer  Sehenswürdigkeit,  in  welcher  sich  ein 
Görlitzer  Bürgermeister,  den  Luther  ob  seines  Reichthums 
den  König  von  Görlitz  zu  nennen  beliebte,  ein  Monument, 
aere  perennius,  gestiftet  hat.  Als  dieser  Bürgermeister, 
Georg  Emmerich,  1476  mit  dem  Herzog  von  Sachsen  zum 
zweiten  Male  nach  Palästina  pilgerte"),  hatte  er  vielleicht 
schon  die  Bekanntschaft  Börers  gemacht,  dem  er  nach 
seiner  Rückkehr  die  Ausführung  des  von  Fremden  viel- 
besuchten heiligen  Grabes  übertrug.  Diese  Nachbildung 
heiliger  Stätten  besteht  aus  einer  zweistöckigen  Kirciie, 
deren  unterer  Theil  das  Sitzungszimmer  des  hohen  Raths 
vorstellen  soll,  während  der  obere  den  Saal  bedeutet, 
worin  Jesus  mit  den  Jüngern  das  Osterlamm  ass;  ferner 
aus  einer  verschliessbaren  Kapelle  mit  einer  Pieta;  end- 
lich aus  der  ganz  getreuen  Imitation  des  kapellenartigen 
Gebäudes,   welches   unmittelbar   über    dem  Grabe  Christi 


'*)  Anz.  1870  Sp.  143.       '«)  Script,  rer  Liis.  11,  385. 

")  Röhricht  und  Meissner,  Deutsche  Piljjerfahrten  485. 

Neues  Archiv  r.  ,S.  (;.  u.  A.  VI.  3.  4.  17 


258  E.  Weniicke: 

zu  Jerusalem  sich   erhebt.      Der   gesamte    Bau   ist   inner- 
halb  der  Jahre    1481 — 1489    entstanden.     Wieviel   daran 
Börers  ausschliessliches  Werk  ist,  lässt  sich  nicht  darthun, 
da  nicht  einmal  unanfechtbare  urkundliche  Aufzeichnungen 
über    seine    Urheberschaft    überhaupt  vorhanden   zu  sein 
scheinen.     Für  diese  spricht  indes  ausser  ziemlich  alten  ge- 
druckten Nachrichten  der  Umstand,  dass  er  in  Ulm  eine 
Arbeit  verwandter  Art  ausgeführt  hat.     In  der  1817  abge- 
brochenen Rothischen  Kapelle  beim  Münster  stand  nämlich 
seit  1492   ein   heiliges  Grab,    nach    einem    aus  Jerusalem 
gekommenen  Modell  durch  den  Steinmetzen  Blasius  Bärer 
gefertigt.      Eine    anscheinend    abhanden    gekommene   Ab- 
zeichnung   enthielt    das  Monogramm    des  Verfertigers   im 
Wappenschilde,    welches    aus    ineinander    geschlungenen 
Instrumenten,   wie   sie    die  Bildhauer  gebrauchen,   zusam- 
mengesetzt  gewesen  sein  soll.     Börers   Name  wird    1495 
das  letzte  Mal  in  Ulm  erwähnt'*).     Wie   er   dorthin  ge- 
kommen,   dafür    fehlt    es    wohl    nicht   an  Vermuthungen, 
doch    bleiben  dieselben,  besser   unausgesprochen,   bis  sich 
Sichereres  gefunden.     Über  seinen  Antheil  an  dem  grossen 
Görlitzer  Kirchenbau,  dessen  in  Aussicht  stehende  Thurm- 
vollendung  in  Zeitungen  und  Fachschriften  in  letzter  Zeit 
viel  besprochen  wurde,  ist  bereits  gehandelt.    Am  3.  Januar 
1498  hat  ihn   die  Stadt  als  Werkmeister  angestellt.     Der 
Vertrag   mit   ihm   ist  beinahe  in  demselben  Wortlaut  ab- 
gefasst,   wie    der  mit  Pfluger,   von    dem  es  im  Eingange 
des  Schriftstücks  heisst,    dass    er   seinen  Urlaub  und  Ab- 
schied erlangt   habe.     Der   Ratli   bewilligt   Börer   3    ung. 
Gulden   „aus  der  Kammer"  und   die  Kirchenväter  zu  St. 
Peter  1  ung.  G.  quartaliter.  Hinsichtlich  eines  Erlasses  seiner 
Abgaben  wird  ihm  versprochen,  dass  man  sich  gegen  ihn 
ebenso   gutwillig   erzeigen   wolle,   wie  gegen   seinen    Vor- 
gänger.     Über   Börers   weitere    Thätigkeit    hat    sich   eine 
spezielle    Mittheihmg    nicht    erhalten.      Nur    über    seine 
äusseren  Lebensumstände    sind  Avir    einigermassen    unter- 
richtet.    Er  Avar  vermählt  —  muthmasslich  nicht  in  erster 
Ehe  —  mit  Agnes,   Tochter    des  Daniel  Thyme  in  Frei- 
stadt (i.  Schi.),  der  daselbst  1475  Bürgermeister  war  und 
1486  als  Hausbesitzer  und  auch   sonst   noch  begütert  an- 
geführt  wird'^).      Demselben    wohlhabenden    Freistadter 


'*)  Klemm,    Württemb.  Baumeister    und    Bildhauer,    in    den 
Württeml).  Viertel  Jahrsheften  1882.     Separatabdruck  S.  78. 
'•)  Zeitschrih  f.  Gesch.  Schlesiens  XVil,  215. 


Säclisische  Künstler  in  Görlitzer  Geschichtsqiiellen.        259 

Geschlecht  enstaimntc  übrigens  auch  Christoph  Thieuie, 
1458  Rektor  der  Universität  Leipzig"").  Sollte  der 
Meister  bereits  dort  zu  Mitgliedern  der  Familie,  in  die 
er  hineinheirathete,  in  Beziehungen  getreten  sein?  Seine 
materielle  Lage  scheint  sich  in  Görlitz  günstig  gestaltet 
zu  haben,  wie  das  mit  seiner  Frau  gegenseitig  abge- 
schlossene Testament  (März  1503)  bezeugt.  Er  vermacht 
ihr  darin  200  M.  zuvor  und  gleich  Kindestheil,  falls  sie 
Nachkommen  haben  würden,  wo  nicht,  das  Haus  in  der 
Neissegasse  und  dazu  300  AI.  in  allen  seinen  Gütern^'). 
1505  ist  Börer  gestorben.  Sein  Nachfolger  als  städtischer 
Werkmeister  wurde  der  obengenannte  Albrecht  Stieglitzer 
(t  den  4.  Febr.  1514)  '^-),  an  dessen  Stelle  der  um  1545 
gestorbene  berühmteste  Baukünstler  von  Görlitz,  Wendel 
Kosskopf,  trat.  Dieser  vererbte  das  Amt  auf  seinen 
o;leichnamigen  Sohn,  welcher  am  15.  Jidi  1582  bei  Be- 
sichtio;ung  des  schadhaften  Rathsthurmes  vom  Blitze  er- 
schlagen  wurde     ). 

Lorenz,  Steinmetz  in  Zittau,  wird  1502  von  Blasius 
Börer  ermächtigt,  seine  Ansprüche  gegenüber  dem  Georg 
Kanitz^*)  geltend  zu  machen.  Über  Lorenz'  Bauten  an 
der  Johanniskirche  zu  Zittau  verbreitet  sich  Carpzow  in 
den  Annal.  Zittav.  I,  47.  An  der  steinernen  Treppe  zum 
Chore  soll  sein  Werkzeichen  mit  der  Jahrzahl  1505  zu 
sehen  sein. 

Peter  von  Pirna  („Birne")  hat  man  1512  „aus  vor- 
schaffen hertzogs  Jeorgen  zu  Dresden,  als  seines  hatce-  vnd 
ivergmeisters,  hirein  holen  vnd  den  hawe  (den  bis  zur  Vierung 
aufgeführten,  Risse  zeigenden  Rathsthurni)  hesichtigen 
lassend --  Diese  Angabe  der  Görlitzer  Rathsannalen  ist  durch 
W.  V.  Lübke  (Geschichte  der  Renaissance  in  Deutschland 
2.  Aufl.  II,  204)  in  weiteren  Kreisen  verbreitet  worden.  In 
den  Missiven  ist  die  Aufforderung  erhalten,  durch  welche 
der  Rath  den  Meister  zu  g(,'MMnnen  sich  bcmülit.  An  Meister 
Peter,  Werkmeister  zuPirna,  lautet  die  Adresse.  „Deamach," 
heisst  es  nach  den  üblichen  Kingangsformcln,  „ihr  euch 
auf  unser  Ansinnen  habt  vernehmen  lassen,  wo  wir  euch 
einen,  der  mit  euch  ritte,  nach  Donati  (7.  August)  zu- 
schicken würden,  nachdem    ihr   auf  diesen  Strassen  nicht 


=")  Ztschr.  f.  üesch.  Schlesiens  XVIf,  21:5  Hg.     =")  Anz.  Rp.  101. 
")  Wolf,   Denkm.    und   Altertli.- Sannnlung  II,  :589   (liclschr. 
oberlaus.  Gesellsdi.) 

**)  Meister,  Annales  Gorlicenses  43. 

*')  Vergl.  ül)er  ihn  Knothe,  Gesch.  des  Oberlaus.  Adel  143. 

17* 


260  E-  Weniicke: 

bekannt^  wolltet  ihr  uns  hierin  zu  Gefallen  sein  und  zu 
uns  reiten,  schicken  wir  zu  eucii  Lucas  Walter,  unsern 
Diener,  bittend,  Avollet  euch  nicht  besclnverlich  sein  lassen, 
mit  ihm  auf  unsere  Kost  und  Zelirung  zu  uns  zu  kommen, 
einen  Bau  zu  besichtigen  und  einen  Rath  mitzutheilen." 
3''  post  vincula  Petri  (3.  August)  1512.  —  Mit  dem  Peter 
von  Heilbronn,  welcher  1478  als  fürstlicher  Baumeister 
bestallt  wird,  hat  der  obige  füglich  nichts  zu  schaffen. 
Wohl  aber  ist  man  versucht,  ihn  in  der  Reihe  der  AVerk- 
meister  unterzubringen,  welche  bis  1522,  bis  zum  Auf- 
treten Jakobs  von  Schweinfurt,  am  Bischofsbau  zu  Meissen 
sich  thätig  erwiesen  haben,  da  er  eben  als  Herzog  Georgs 
Werkmeister  bezeichnet  wird,  der  zu  gedachter  Zeit  den 
Ausbau  des  Schlosses  vollführen  liess.  Jedenfalls  ist  durch 
die  obige  Adresse  erwiesen,  dass  er  sich  nicht  bloss  von 
Pirna  nannte,  sondern  sich  auch  dort  als  ausübender 
Künstler    aufgehalten   haben   nuiss. 

Christoph  Walter  von  Dresden  errichtet  1565 
den  steinernen  Brunnen  (Röhrkasten)  auf  dem  Unter- 
niarkte.  Nach  dem  Rechnungsbuche  des  Jahres  wird 
ihm  am  4.  Mai  „auf  Gedinge  vom  Röhrkasten"  ein  Vor- 
schuss  von  25  Thaler  gezahlt.  Am  20.  Juni  erhält  er 
30  Thaler ;  am  28.  September  vom  Ständer  samt  4  mes- 
singnen Röhren  in  allem  24  Schock.  Meisters  Annal. 
Gorlic.  sagen  einfach:  Hoc  anno  (1565)  aedificatur  in  foro 
mercatorio  der  Röhrkasten. 

Hans  Cromer,  ebendaher,  Bildhauer,  gewinnt  Bürger- 
recht den  24.  Oktober  1590. 

Georg  Herr  mann,  Architekt  und  Bildhauer  in 
Dresden,  verfertigt  im  Auftrage  der  Margaretha,  "W  ittwe 
des  Andreas  Summer  auf  Lissa,  Zodel  und  Nieder-Sora, 
den  jetzigen  (geschmacklosen)  Hochaltar  in  der  Peters- 
kirche 1695'^}. 

Maler. 

Kaspar  Eichler  („der  Eycheleryn  Sohn  von  der 
Zittaw")  liess  sich  um  Pfingsten  1447  bei  Meister  Paul 
dem  Maler  in  Görlitz  als  Lehrling  aufnehmen,  bat  jedoch 
nach  vierteljähriger  Lehrzeit,  seines  Kontrakts  entiioben 
zu  werden,  da  er  sich  wieder  zu  Schule  halten  und  ein 
Priester  werden  wolle  ■^''). 


*■')  Haupt,  Gesi-liiclite  der  Peterskirche  (1857)  21. 
^')  Aiiz.   1876  Sp.   139. 


Sächsische  Kinistlor  in  üörlitzer  Geschichtsquellen.         261 

Im  Wirthscluiftsbcriclite  des  Franziskanerklostcr.s  zu 
Bautzen  (1506) '"'j  wird  ein  Meister  Lucas  von  Görlitz 
erwähnt;  welcher  einen  Schnitzaltar  („Toffel")  in  der 
Barbara-  (alias  Christophori-)  Kapelle  gefertigt  hat.  Ausser- 
dem hat  er  ein  h.  Grab  gemalt  um  25  Mark,  wozu  ihm 
je  |'2  Buch  (Blatt-)  Gold  und  Silber  verabfolgt  worden.  ■ — 
Von  diesem  Maler  berichten  die  Görlitzer  Rathsannalen 
nur  nocli  weiter,  dass  er  1515  die  kupfernen  Buchstaben 
und  Zahlen  der  „spera"  (Uhr)  am  Rathsthurme  zu  G. 
vergoldet,  aber  (samt  dem  Seigermeister)  zur  Arbeit  liabe 
getrieben  werden  wollen.  —  1503  wird  er  Mitbürger  von 
Görlitz  genannt  und  gleichzeitig  ein  Lehrling  von  ihm, 
Hans  Weissenberg,  erwähnt,  der  noch  bei  anderer  Gelegen- 
heit zur  Sprache  kommt.  —  Den  vollständigen  Namen 
des  Künstlers  geben  die  „litterae  credentiales  datae  Lucac 
Hau  pictori  ad  emendum  lapidem  lazuli"'^^!i"  vom  Ascher- 
mittwoch 1506.  Li  diesen  schreibt  der  Magistrat  von 
( xörlitz:  „Vor  Siegmund  von  Zedlitz  zu  Neukirch  (Kr.  Gold- 
berg) bekennen  wir:  Als  Herr  Albrecht  von  Colowrat, 
Herr  auf  Liebstein,  des  Königreichs  Böhmen  oberster 
Kanzler,  an  ims  begehret,  seinem  Diener  Bernhard  förder- 
lich zu  sein,  dass  er  für  etliche  Gulden  Lasurstein  zu 
kaufen  bekommen  möchte,  haben  wir  Meister  Lucas  dem 
Maler,  Briefeszeiger,  für  10,  15  oder  20  Gulden  ung.  zu 
kaufen  zugelobt,  und  was  er  also  auf  berührte  Sunmie 
Geldes  kauft,  das  wollen  wir  auf  künftige  Mitfasten  be- 
zahlen." ■ — ■  Es  ist  vermuthlich  dieser  Meister  Lucas  ein 
Solm  des  Malers  Hans  Han  gewesen,  welcher  1483 — 1481) 
in  Görlitzer  Urkundenbüchern  sich  nachweisen  lässt.  — 
Die  oberlausitzische  Hauptstadt  scheint  übrigens  öfters  in 
die  Nothwendigkeit  versetzt  gewesen  zu  sein,  an  Maler- 
utensilien von  weither  ihren  Bedarf  su  beziehen.  So  z.  B. 
schrieben  die  Görlitzer,  als  es  sich  um  die  obgenannte 
„spera"  handelte,  an  Meister  Jakob  Beynhart,  Maler  zu 
Breslau  '^'^) :  „Wir  bedürfen  dazu  gutes  ölMowe  ^'*)  und  feines 


=")  Abgedr.  im  N.  Lausilz'sclicn  Magazin  XlilX,  43. 

**)  Lasurstein,  er  wurde  in  Schlesien  bei  Goldberg  gefunden; 
liodie  (saec.  XVI  to)  reperitur  lasura .  quae  picturas  ornat,  sagt 
Uartb.  Stheni  Descriptio  Silesiae,  das  Folgende  giebt  eine  Lestäti- 
gung  dazu. 

*')  1483—1525  nacliweisbar  (Schultz,  Untersuchungen  zur 
Gesch.  d.  schles.  Maler.  Breslau  1882,  S.  21).  Seine  Familie  sdieint 
aus  Geislingen  in  Württemberg  eingewandert  zu  sein,  wie  mir  Herr 
Diakonus  A.  Klemm  daselbst  schreibt. 

^")  Schmalteblau? 


262  E.  Wernicke: 

Gold.  So  wir  denn  berichtet  sind ,  dass  man  das  alles 
bei  eucli  bekommen  mag,  bitten  wir  euch,  wollet  uns 
2  Buch  fein  Gold,  das  gut  und  unverstossen  ist,  auch 
2  Pfund  Cantzynisch  ölhloic  (als  inliegende  Probe  anzeigt) 
oder  bes?;eres,  das  die  Farbe  auf  dem  Steine  und  im  Wetter 
behieltCj  schicken  und  dabei  schriftlich  zu  erkennen  geben, 
wieviel  jegliches  an  Gelde  beträgt  C1516)." 

Goldschiniede. 

Niklas  von  Löbau  1418.  Johannes,  ebendaher, 
Avird  1424  Bürger,  Gregor  Pyrn er  (aus  Pirna?)  1479^^). 
Georg  Burchart  zieht  1516  von  Görlitz  nach  Kamenz^*). 
Er  war  wahrscheinlich  der  Sohn  des  gleichnamigen 
Malers,  dessen  Wittwe  1503  einen  Kram  betrieb.  Sie  be- 
schwerte sich  in  diesem  Jahre  durch  ihren  gerichtlichen 
Vertreter,  den  Maler  Paul  Schuster,  dass  „ein  Zubereiter 
aus  dem  Handwerke  der  Maler",  Hans  Weissenberg,  der 
früher  bei  Meister  Lucas  gearbeitet,  ihr  bei  einem  Besuche 
etliche  Korallen,  etwa  5  Loth  schwer,  in  der  Grösse 
massiger  Erbsen,  entwendet  liabe. 

Ein  Goldschniiedegeselle  Endres  Moler  war,  Avie  wir 
aus  einem  Verordnungsschreiben  des  Görlitzer  Raths  an 
den  Dresdner  vom  16.  Juni  1540  für  seine  Mutter  Barbara 
Paul  Molerin  erfahren,  zu  Alten-Dresden  böslich  ermordet 
worden;  er  sollte  einige  Baarschaft  und  sonstige  Habe 
hinterlassen  haben  ^^). 

Am  29.  Mai  1574  wird  geschrieben  an  Urban 
Schneeweiss,  Goldschmied  zu  Dresden.  In  diesem 
Briefe  ist  erwähnt  sein  Geselle  Valtin  Tirold,  welcher 
zu  Görlitz  bei  Albrecht  Tirold  gelernt  habe^\i. 

Giesser. 

Über  Mitglieder  der  Familie  Hilger,  welche  für  Görlitz 
Glocken  gegossen  haben,  ist  von  mir  bereits  in  den  Mittli. 
des  Freibei'ger  Alterthumsvereins  (XVII,  29  flg.)  gehandelt 
worden.  Ihre  Arbeiten  sind  aber  bei  dem  grossen  Brande 
der  Peterskirche  1691  imtergegangen.  Über  Gestalt  und 
Inschriften  der  Glocken  verbreitet  sich  eine  von  Christian 
Nitsche  (Görlitz  o.  J.)  verfasste  Beschreibung  des  Gottes- 
hauses.    Die  erste,  Maria  genannt;  ist  den  24,  Sept.  1516 


*')  Anz.  1877  Sp.  137,  138.      *^)  Catal.  civium.      ")  Lib.  miss. 
^*)  Catal.  civium. 


Sächsische  Künstler  in  Görlitzer  Geschichtsquellen.         263 

im  Zwinger  Leim  Frauentliore  gegossen.  Sie  liat  165  Ztr. 
gewogen.  Von  jedem  Zentner  erhielten  die  Gebrüder 
Martin  und  Andreas  Hilgcr  von  Froibcrg  2  Mark,  also 
zusammen  330  Mark  (oder  wie  Nitsche  reduziert  256  Tlilr. 
16  Gr.).  Ihr  Umfang  betrug  am  untern  Rande  13  Ellen 
2  Zoll,  die  Länge  von  oben  bis  unten  3  Ellen  1  Viertel. 
Die  Inschrift  bietet  nichts  Besonderes.  Abgebildet  waren 
dabei  die  beiden  Apostelfürsten.  Die  vierte  oder  Vesper- 
glocke hat  Andreas  Hilger  1521  zu  Breslau  gefertigt. 
Sie  trug  auf  der  einen  Seite  das  Wappen  der  Stadt,  auf 
der  anderen  das  Bild  Petri.  —  Gegenwärtig  besitzt  die 
Kirche  6  Glocken,  von  denen  die  vierte,  ein  Geschenk  der 
Tuchmachergilde,  1616  von  Michael  Weinliold  aus  Dres- 
den das  erste  Mal  gegossen  wurde  ■'*^);  ihre  jetzige  Form 
stammt  von  1737.  —  Von  einem  gleichnamigen  Dresdener 
Giesser  stammt  her  die  grosse  Glocke  zu  St.  Nikolaus 
(1716)  ^^).  Er  goss  auch  in  demselben  und  dem  folgenden 
Jahre  die  3  Glocken  der  Frauenkirche  um^');  eine  In- 
schrift nennt  ihn  „fusor  regius".  —  Ein  Brief  d.  d.  domin. 
p.  visitat.  Mar.  1.529  an  Herzog  Friedrich  von  Liegnitz 
meldet;  dass  die  Görlitzer  „aus  gnädigem  Zulassen  Herzog 
Georgs  zu  Sachsen  einen  Eisengiesser  vom  Eisenberg- 
werk bei  Pirna  (Pirnaw)  bei  sich  gehabt  mid  mit  ihm 
eine  Beredung  getroffen,  dass  er  zu  dem  neuen  Geschütze 
etzlidie  centner  schiveher  gezeuge  gegossen  hat,  die  man  bei 
ihm  geholt  und  zu  sich  gebracht". 

Joachim  Hannibal  Brosse,  Glocken-  und  Stück- 
giesser  zu  Görlitz,  fertigte  um  1700  das  messingene 
Epitaph  des  Gustav  Friedrich  Schmeiss  von  Ehrenpreis- 
berg in  der  Peter-Paulskirche  zu  Zittau^®). 


»*)  Neumann,  Gesch.  v.  Görlitz  (1850)  650. 

")  Ebd.  Ü53.       »')  Ebil.  660.       *«)  Garpzow  a.  a.  0.  97. 


VIII. 

Des  Grafen   von   Zinzendorf   Rückkehr  nach 
Sachsen  und  die  Hennersdorfer  Kommission. 

1747—1748'). 

Von 

F.  S.  Hark  (t). 


Zinzendorf  hatte  im  Dezember  1738  die  bereits  vor 
seiner  abermaligen  Verweisung  aus  Sachsen  beschlossene 
Reise  nach  Westindien  angetreten.  Vorher  war  er  wenige 
Tage  unbemerkt  in  Herrnhut  gewesen  (13. — 17.  September), 


')  Das  Nachstehemle  scliliesst  sich  an  meinen  früheren  Auf- 
satz in  dieser  Zeitschrift  III,  1  tig.  an.  Die  dort  benutzten  Akten 
des  Königlichen  Hanptstaatsarchivs  sind  zum  Theil  wieder  ver- 
werthet  und  ebenso  bezeichnet.  Neu  sind  verwendet:  1)  Loc.  4612. 
Geheime  Kanzlei-Akten.  Die  Aufnahme  der  sogenannten  Mährischen 
Brüder  in  dem  Markgrafthum  übcrlausitz  und  der  Grafschaft  Barhy 
betreliend.  "Vol.  1,  ab  Ao.  1748  sqq.;  und  folgende  vier  iu  Loc.  10.S3S: 
J2)  Acta  Commissionis,  die  wegen  deier  so  prädicierten  Mährischen 
Brüder-Gemehulen  allergnädigst  anbefohlene  Erkundigung  zu  Hen- 
nersdorf  und  deren  Aufnahme  in  die  Kursächsischen  Lande  be- 
treuend. 1748.  Vol.  I.;  3)  Acta  Commissionis.  Die  allergnädigst 
anbefohlene  Erkundigung,  ob  das  allergnädigste  Reskript  vom 
7.  August  1737  in  Ilerrnhut  allerunterthänigst  befolgt  worden?  be- 
treffend. Vol.  II;  4J  Erklärung  der  Deputierten  der  Mährischen 
Brüder-Gemeinden  über  ihren  Gottesdienst,  ihre  Scliriften,  Ge- 
bräuche und  Grundsätze,  ps.  1.  August  1748;  5)  Fascicul.  Einige 
zur  Hennersdorfer  Kommission  gehörige,  nach  beendigter  Expedition 
eingereichte  Schriften.  1748.  —  Dieselben  sind  citiert  als  (1)  Loc.  4612. 
G.  K.-A.  1748  sqq.;  (3)  Act.  Comm.  1748.  I;  (3J  Act.  Comm.  1748. 
II;  f4jAct.  Comm.  1748.  III;  (5J  Act.  Comm.  1748.  IV.  —  H.-St.-A. 
und  U.-A.  bezeichnen  dasselbe  wie  a.  a.  0. 


F.  S.  Hark:  Des  Grafen  von  Zinzeiulorf  Rückkehr  etc.     265 

und  elie  er  Europa  auf  vier  Monate  verliess,  richtete  er 
nocli  vom  Texel  aus  ein  Abscliiedssclireiben  an  den  Köni«:^ 
und  Kurfürsten  ^). 

1740  wandte  er  sich  aufs  neue  an  ilin,  lun  die  Er- 
laubnis zu  zeitweiligem  kurzen  Aufenthalt  auf  seinen 
Gütern  zu  erbitten.  Graf  Brühl  aber  Hess  das  Gesuch 
nicht  erst  an  den  König  gelangen  ^). 

Dem  abgcAviesenen  Bittsteller  drohte  in  die.«cm  Jahr 
sogar  die  Gefahr,  auf  Antrag  ,.ansehulicher  Reichsstände" 
in  die  Acht  gethan  zu  werden.  Nur  die  Vorstellung  des 
Ministers  eines  geistlichen  Kurfürsten  verhinderte  die  Aus- 
führung*). 

Über  vier  Jahre  vergingen,  ehe  Zinzendorf  wieder 
einen  Versuch  inachte ,  die  Gnade  seines  Landesfürsten 
zu  erlangen.  Im  März  und  im  April  war  er  zweimal  iu 
Herrnhut  gewesen.  Als  er  im  Herbst  1745  abermals 
dort  heimlich  erschien,  schwebten  noch  die  Verhandlungen. 
Diesmal  hatte  er  es  aber  nicht  bloss  auf  Erlaubnis  zur 
Rückkehr  abgesehen,  sondern  zugleich  auf  eine  Unter- 
suchung „seines  Lehramts"  in  den  letzten  Jahren  imd 
auf  Sicherstellung  der  Mährischen  Kirche  im  Reich  durch 
Vermittelung  Sachsens^  als  des  Direktors  des  Cor])Us 
Evangelicorum.  Dazu  sollte  eine  Untersuchung  der 
mannigfachen  gegen  die  Brüder  und  ihn  allerwärts  er- 
hobenen Beschuldigungen  dienen,  welche  von  Sachsen 
betrieben  würde  ^).     Die  Grähn   Zinzendorf  aber   wandte 


^)  S.  Kur  11  er,  I'ie  kursächsisclie  Staatsren^ierimg  dein  (Jrafeii 
Zhizeiulorf  und  Herrnhut  bis  1760  gegenüber  (Leipzig  1878)  5t5;  wo 
aber  statt  26.  Oktober  .,'?(;.  Dezember"  zu  lesen  ist.  —  U.-A. 

*)  Das  Nähere  Körner  1.  c.  ö8  flg.  —  Zinzendorf  that 
diesen  Scliritt  von  Gotlia  aus,  wo  im  Juni  eine  Synode  der  Brüder 
abgehalten  wurde.  Beweggrund  war  der  plötzliche  Tod  des  llaujit- 
manns  Geo.  Abr.  v.  Schweiniz  auf  Olier-Steinkirch  währeml  derselben. 
Dieser,  seit17B7  in  Herrnhut  wohnhaft,  hatte  für  die  Grähn  Zinzen- 
dorf deren  Gutswirthschaft  geleitet.  —  Ziiizendorfs  Brief  an  den 
Herzog  s.  d.  s.  Herz.  Corresp.  95  flg.;  des  letzteren  Antwort  i.  II. -.A. 
Das  an  Brühl  übermittelte  Memorial  konnte  ich  nirgends  finden. 

*)  Dieser  Minister  war  wohl  Georg  von  Spangenberg,  der  Brutler 
von  Ziiizendorfs  Biographen,  der  in  den  Diensten  des  Kurfürsten 
von  Trier  stand  und  katholisch  wurde.  —  Näheres  bei  D.  Craiiz, 
Alte  und  neue  Brüderhistorie  (1771)  .334.  Spezielleres  ist  nicht  zu 
ermitteln. 

*)  Eine  dergleichen  hatte  er  schon  1740  beim  Reichskammer- 
gericht begehrt,  doch  vergeblich  (s.  Spangenberg,  Leben  Ziiizen- 
dorfs 1278  flg.;  Cranz  1.  c.  .3.34).  —  Von  den  zu  obigem  dreifachen 
Zweck  eingegebenen  Schriften  ist  besonders   beachtenswerth:  ,,Yor- 


2QQ  F.  S.  Hark: 

sich  im  Interesse  ihres  Gatten  münclHch  und  schriftlich 
an  die  Gräfin  Brühl,  „und  ihre  gegründeten  Vorstellungen 
hatten  dieselbe  sehr  bewegt,  so  dass  sie  alles  mögliche 
thun  wollte,  bei  ihrem  Herrn  die  Sache  aufs  beste  zu 
recommandieren".  Auch  der  letzteren  ScliWcägerin,  die 
Oberstallmeisterin  von  Brühl,  „eine  besondere  Freundin 
guter  Seelen",  war  dafür  interessiert.  Allein  weder  die 
Gräfin  Zinzendorf  noch  ihr  Gemahl  reüssierten.  Die  Ver- 
handlungen, Avelche  dieser  nacli  dem  Tode  des  Kaisers 
Karl  VII.  in  der  mehrfacli  gehegten  Erwartung,  die 
kaiserliche  Würde  werde  an  Sachsen  übergehen  und  dann 
auch  ihm  Vortheile  bringen,  angeknüpft  hatte,  zogen  sich 
bis  in  das  Frühjahr  1746  hin  und  blieben  ohne  das  er- 
sehnte Resultat.  Unter  Brühls  Regiment  mussten  andere 
Saiten  berührt  werden,  wenn  man  Gehör  finden  sollte. 
Bald  bot  sich  in  der  That  ungesucht  eine  Gelegenheit 
dar,  den  rechten  Ton  anzuschlagen. 

Der  damalige  Besitzer  von  Gross-Henner sdorf, 
dem  grossväterlichen  Gute  Zinzendorfs,  dessen  rechter 
Vetter  Karl  Gottlob  von  Burgsdorf,  Kanzler  von  Zeitz, 
sah  sich  1746  genöthigt,  seiner  derangierten  Vermögens- 
verhältnisse wegen,  einen  Käufer  dafür  zu  suchen.  Auch 
meldete  sich  bald  ein  solcher,  ein  Baron  von  Seidewitz. 
Er  war  aber  katholisch,  und  nicht  nur  konnte  seine 
Nachbarschaft  Herrnhut  unbequem  werden,  sondern  es 
war  auch  zu  Ijesorgen,  dass  auf  Grund  eines  zu  Kaiser 
Rudolfs  II.  Zeit  errichteten,  die  Traktaten  der  Oberlausitz 
nicht  berührenden  Rezesses  in  Hennersdorf  der  Katholizis- 
mus wieder  eingeführt  würde  und  derselbe  somit  eine  neue 
Eroberung  in  dem  Markgrafenthum  machen  dürfte.  Um 
dies  zu  verhüten,  empfahl  der  Oberamtshauptmann  Graf 
von  Gersdorf  seinem  Freunde  Zinzendorf  dringend  die 
Erwerbung  des  Rittergutes.  Endlich  ging  dieser  auch 
darauf  ein  und  zwar  unter  für  Burgsdorf  sehr  günstigen 
Bedingungen.  Noch  ehe  der  Kauf  auf  den  Namen  von 
Zinzendorfs  Tochter  Benigna,  vermählten  Freifrau  von 
Watteville,  abgeschlossen  war,  hatte  der  Verkäufer  ^Ende 
Februar  1747)  dem  Grafen  Hennicke  in  Dresden  mit- 
getheilt,  wer  es  eigentlich  sei,  der  ihm  auf  so  generöse 
Weise  aus  der  Verlegenheit  helfen  wollte.     Dabei  lenkte 

Stellung  der  lutherischen  Theologen  der  Mährischen  Kirche"  d.  d. 
"Wetzlar,  25.  April  1745,  s.  Copie  davon  Loc.  4612  G.  K.-A.  1748  flg. 
fol.  127  flg.  und  im  Ü.-A. 


Des  Grafeil  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    267 

er  des  Ministers  Aufmerksamkeit  auf  die  noch  immer 
andauernde  Verbannung  Zinzendorfs.  Sowohl  von  Hen- 
nicke  als  von  andern  hörte  er,  ihre  Aufhebunj^  würde 
mögllcli  sein,  wenn  jener  etwa  einen  reichen  Holländer 
bestimme,  bei  der  Steuerkasse  eine  Summe  Geldes  anzu- 
leg'en.  Ohne  ein  solches  Entgegenkommen  sei  sie  aber 
nicht  zu  erwarten,  denn  Zinzendorfs  Person  sei  dem  König 
verhasst  gemacht  worden,  und  I.  Maj.  in  favorem  einer 
Sache  zu  disponieren,  dar  wider  sie  eingenommen,  sei  ohne 
solche  BeAveguno;s2:ründe  äusserst  schwer  ^).  Zinzendorf 
scheint  aber  in  der  angegebenen  Richtung  nichts  gethan 
zu  haben.  Er  schreibt  wenigstens  am  15.  Juli  an  Hen- 
nicke,  es  habe  sich  bei  seinen  Freunden  in  Holland  „kein 
Anlass  finden  Avollen",  derartige  Geschäfte  anzuregen. 
Aber  zugleich  meldet  er,  er  selbst  sei  bereit,  100000 
Thaler,  über  die  er  disponieren  könne  und  Avelchc  er 
nach  Aufkündigung  zu  Michaelis  ein  Jahr  darauf  (vom 
Hause  Meerholz-Iscnburg)  zu  erhalten  hoffe,  „zum  Dienste 
seines  lieben  Vaterlandes  zu  employieren"').  Auf  die 
wünschenswerthe  Rückkelir  nach  Sachsen  spielt  er  nur 
in  angegebener  Weise  an.  Burgsdorf  aber  sagt  er 
(16.  Juli)  deutlicher,  dass  sein  banissement  das  hollän- 
dische Geschäft  und  auch  sein  Commercium  hemme.  Je- 
doch dringt  er  später  wiederholt  darauf,  dass  seine  Be- 
gnadigung mit  diesem  aus  reiner  Liebe  zum  König  ge- 
machten Anerbieten  in  keiner  Weise  kombiniert  werden 
dürfe.  Beim  thatsächlichen  Zusammenhang  beider  Sachen 
schwer  zu  fassen.  Seine  patriotische  Offerte  fand  beim 
Könige  resp.  Brühl  gute  Aufnahme.  Hennicke  versicherte 
Burgsdorf,  der  Aufhebung  des  Exils  stände  nichts  mehr 
im  Wege,  nur  wusste  er  noch  nicht,  wie  man  sie  am 
zweckmässigsten  nachsuche.  Endlich  ging  er  auf  den 
Voi'schlag  ein,  beim  König  eine  Immediateingabe  zu 
machen,  und  liicss  Burgsdorf  sie  entwerfen.  Er  selbst 
meldete  Zinzendorf  (31.  Juli)  die  gnädige  Walirnehmung 
seines  Anerbietens,  wünschte  aber  die  Auszahlung  schon 
Michaelis  dieses  Jahres  ^).  Zum  Glück  hatte  er  Burgs- 
dorf gestattet,   die    Forderung    auf  „den   grössten   Theil" 

*)  Nach  Briefen  Köber's  vom  9.  März,  7.  n.   17.  Juli  1747. 

')  S.  Körner  1.  c.  60.  Der  13 rief  ist  aber  nicht  an  liurgstlorf, 
sondern  an  Hennicke  gerichtet,  und  von  Darleihung  „gegen  massige 
Verzinsung"  steht  nichts  darin.  —  Die  Bitte  um  Geheimhaltung 
(ib.  61)  bezielit  sich  auf  ein  späteres  Geschäft  1750. 

*)  Körner  1.  c.  60.  —  Orig.  im  U.-A. 


268  F-  S.  Hark: 

im  Notlifall  zu  bcscliranken^  denn  Zinzendorf  kostete  es 
Mühe,  in  der  kurzen  Frist  aucli  nur  den  vierten  Theil 
aufzubringen.  Gleichzeitig  (1.  August)  sandte  Burgsdorf 
an  ihn  das  entworfene  Memorial.  Es  enthielt  die  Bitte, 
sicli  in  des  Königs  Landen  „von  Zeit  zu  Zeit"  frei  imd 
imgehindert  aufhalten  und  in  ihnen  wohnen  zu  dürfen. 
Ehe  noch  die  Auszalilung  des  Geldes  erfolgte,  war  es 
(d.  d.  13.  August  1747)  nebst  einem  Schreiben  aus  Henners- 
dorf  vom  18.  September  durch  Köber  (am  20.)  Hennicke 
übergeben  worden''). 

Des  Erfolgs  gewiss  hatte  Zinzendorf  die  Wetterau 
am  10.  September  verlassen  und  war  am  16.  in  Berthels- 
dorf angekommen.  Die  zehn  Jahre  der  Trennung  von 
Herrnhut;  die  er  einst  ge weissagt  hatte  ^"),  waren  vor- 
über und  sollten  sich  nicht  wiederholen.  Auch  Hess  die 
formelle  Begnadigung  nicht  lange  auf  sich  warten.  Hen- 
nicke hatte  Köber  erst  das  deshalb  entworfene  Dekret 
mündlich  in  Leipzig  mitgetheilt,  dann  am  10.  Oktober  es 
sogar  mit  ihm  dort  durchgesprochen  und  nach  Zinzen- 
dorfs  Wünschen  geändert.  Dieser  hatte  am  12.  daselbst 
eine  Unterredung  mit  dem  Minister,  und  noch  an  dem- 
selben Tage  wurde  das  wichtige  Dokument  Köber  ein- 
gehändigt. Es  lautet:  „Wir  Friedrich  August  etc.  haben 
Uns  auf  des  p.  p.  Nicol.  Ludwigs  Grafens  von  Zinzendorf 
beschehenes  uuterthänigstes  Ansuchen  und  durch  die  vor 
ihn  eingelangten  Litercessiones  nunmehr  bewogen  gefun- 
den, demselben  die  Erlaubnis,  sich  in  Unserm  Mark- 
grafthum  Ober-Lausitz  wiederum  aufzuhalten,  hierdurch 
in  Gnaden  zu  ertheileu.  Wie  Wir  nun  selbigen  hierbei 
Unseres  Landesfürstlichen  Schutzes  versichern,  dicserhalb 
auch  an  Unser  Geheimes  ConsiHura  dato  das  Erforder- 
liche rescribiret;  also  ist  .  .  .  dieses  Decrct  .  ,  .  aus- 
gefertigt worden.  So  geschehen  und  geben  zu  Leipzig 
am  n.  Octobris  1747.'   Augustus  Rex.     G.  v.  Brülil''^^). 

»)  Orig.  G.  K.-A.  5986,  l'ol.  64.  „praes.  10.  Nov.  1747"  mit  der 
Randnotiz:  „Resoliitio  d.  27.  Nov.  a.  f.  ad  Acta,  weil  das  Reskript 
bereits  ergangen".  —  S.  unten. 

'")  S.  Span  gen  berg  1.  c.  960. 

' ')  Orig.  u.  Copien  im  U.-A.  —  Wie  leicht  zu  erkennen,  ist  das 
von  Körner  1.  c.  61.  inhaltlich  mitgetheilte  nicht  obiges,  sondern 
(bis  darin  erwähnte  Reskript  an  die  Geh.  Käthe.  Diesen  wird  zu- 
gleich —  was  bei  Körner  fehlt  —  aufgetragen  genaue  Aufsicht 
über  Zinzendorfs  uiul  der  Seinen  Verhalten  zu  führen.  Das  für 
Zinzendorf  bestimmte  Dekret  mag  ursprünglich  ähnlich  gelautet 
haben.     "Was  mau  aber  hier  änderte,  liess  man  dort  stehen  in  Rück- 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    269 

Ehe  Zinzendorf  seinen  Verpflichtungen  nachge- 
kommen, und  unabhängig  von  seinem  Gesuch  um  Be- 
gnadigung, war  die  Regierung  ihm  darin  willfährig  ge- 
wesen. Reines  Wohlwollen  war  gewiss  nicht  die  Ursache, 
sondern  —  Geldmangel,  von  dem  Köber  am  2.  August 
gemeldet  hatte,  er  sei  aufs  äusserste  gekommen.  Darum 
acceptierte  man  nicht  nur  das  für  einen  Staat  wie  Sachsen 
o;eringe  Anerbieten  Zinzendorfs  mit  Freuden,  sondern  war 
aucli  bereit,  ihm  gefällig  zu  sein,  um  sobald  als  möglich 
in  den  Besitz  dieser  Summe  und  vielleicht  noch  anderer 
zu  gelangen.  Die  Aufhebung  der  Verbannung  war  dazu 
ein  Haupterfordernis,  weil  Zinzendorf  öfters  auf  hollän- 
dische Freunde  gewiesen  hatte,  die  das  Geldgeschäft  er- 
leichtern könnten,  wenn  ihr  Misstrauen  gegen  Sachsen 
durch  seine  Restituierung  beseitigt  wäre.  Der  Name  Hol- 
länder hatte  bei  den  sächsischen  Finanzmännern  einen 
guten  Klang.  Solche  zu  gewinnen,  durfte  nichts  ver- 
säumt werden.  Hauptsächlich  in  Rücksicht  auf  den  mit 
auf  die  Messe  gekommenen  begüterten  Herrn  van  Laer 
hatte  Hennicke  alles  möglicherweise  Verletzende  aus  dem 
Dekret  vom  11.  Oktober  entfernt.  Andererseits  Hessen 
auch  Zinzendorf  und  die  Brüder  die  von  den  hollän- 
dischen Freunden  gehegten  Erwartungen  nicht  unbenutzt. 

Noch  in  Leipzig  hatte  Hennicke  bei  Zinzendorf  und 
Köber,  der  von  jetzt  an  als  Deputatus  des  ersteren  in 
Dresden  die  Verhandlungen  mit  der  Regierung  führte, 
und  seitdem  wiederholt,  den  Wunsch  ausgesprochen,  Aus- 
länder und  namentlich  Holländer  zur  Hebung  des  Wohl- 
standes   nach    Sachsen    zu    ziehen'^).      Waren    doch    die 


sieht  auf  das  Misstrauen,  welches  nach  Hennickes  eigener  Aussage 
viele  Mitglieder  dieses  Kollegiums  in  hohem  Masse  gegen  den  Be- 
gnadigten hegten,  und  das  sich  sogar  im  Widerspruch  gegen  seine 
Zurückberufung  geäussert  hatte.  —  In  ganz  entsprechender  Weise 
rescribierte  das  Geh.  Consilium  an  (jas  Oberamt  unter  dem  16.  Oktober 
1747  (G.  K.-A.  5986,  fol.  60).  —  Über  die  im  Hauptdekret  stoben 
gebliebenen  und  Zinzendorf  anstössigen  Ausdrücke:  „Intercessiones" 
und  „Oberlausitz"  statt  „Königliche  Lande  überhaupt"  gab  Hennicke 
nachträglich  beruhigende  Erklärungen. 

'^)  Der  schon  mehrmals  genannte  Job.  Friedr.  Kober  war 
damals  .SO  Jahre  alt.  Er  stammte  aus  Altenburg,  hatte  nacli  voll- 
endetem Studium  der  Rechte  als  Sekretär  beim  Oberamtslianptmann 
Graf  Gersdorf  zu  Uhyst  a.  d.  Spree  gedient  und  war  liier  mit  llerrn- 
luit  näher  bekaiuit  geworden.  Als  er  im  April  174:7  mit  Aufträgen 
Burgsdorfs,  den  Verkauf  Hennersdorfs  betrettend,  nach  der  Wetterau 
reiste,  wurde  er  in  Ilerrnhaag  Mitglied  der  Brüdergemeine  und  von 
da  an  in  Geschäften  Zinzendorfs  verwendet,   obgleich    er  erst  1748 


270  F.  S.  Ilark: 

politischen  Wirren  in  der  Heimath  geeignet,  manchem 
von  ihnen  dieselbe  zu  verleiden.  Man  Imldig-e,  sagte  der 
Geheime  Rath  und  Finanzrainister,  jetzt  in  Sachsen  tole- 
ranteren Grundsätzen,  als  zu  der  Zeit,  da  man  in  blindem 
Eifer  und  unter  Hintansetzung  der  Vortheile  des  Landes 
die  Refugies  nicht  aufnehmen  Avollte.  Es  werde  darum 
auch  das  reformierte  Bekenntnis  der  Holländer  kein  Hinder- 
nis sein.  Gehe  auch  ihre  Aufnahme  nicht  in  den  alten 
Erblanden  an,  so  doch  in  der  Lausitz  und  vor  allem  in 
der  erst  neuerdings  dem  Könige  zugefallenen  Gi-afschaft 
ßarby.  Die  Stadt  passe  besonders  dazu,  denn  sie  sei 
—  so  meinte  Hennicke  fälschlich  —  reformiert.  Übrigens 
sollten  Leute  von  einer  andern  Konfession  nicht  aus- 
geschlossen sein,  wenn  nur  keine  Streitigkeiten  entstünden. 
Köber  hielt  aber  gerade  die  Stadt  für  ungeeignet  zu 
einer  derartigen  Niederlassung.  Sofort  empfahl  Hennicke 
statt  dessen  königlichen  Grund  und  Boden  daselbst  und 
zwar  das  Barbyer  Schloss.  Köber  ging  immer  weiter. 
Sollten  ausländische  Brüder  geneigt  gemacht  werden,  sich 
m  Sachsen  zu  etablieren,  so  möchten  die  schon  im  Lande 
wohnhaften  gegenüber  den  Angriffen  der  lutherischen 
Theologen  öffentlich  per  Rescriptum  für  Augsburgische 
Koiifessions-Verwandte  erklärt  und  mit  den  Rechten  und 
Freiheiten  anderer  Unterthanen  versehen  werden.  Hen- 
nicke wollte  das  erst  nach  Monatsfrist  angeregt  haben. 
Die  Brüder  dagegen  hielten  mit  der  Zusage  einer  Nieder- 
lassung noch  zurück,  schlugen  jedoch  vor,  ihnen  das  ge- 
nannte Schloss  mit  einigen  Vorwerken  in  Pacht  zu  geben, 
als  Sicherheit  für  den  zu  leistenden  Vorschuss.  Denn 
solche  sei  nöthig,  weil  Meerliolz  wahrscheinlich  doch  nicht 
zahlen  würde,  das  Geld  also  von  andei'swoher  beschafft 
werden  müssen.  Der  Vorschlag  fand  nicht  nur  Beifall, 
sondern  man  bot  sogar  die  ganze  Grafschaft  dazu  an. 
In  der  That  einigte  man  sich  mit  der  Zeit  darüber,  dass 
gegen  ein  Darlehn  von  160000  Thalern  an  Zinzendorf 
auf  den  Namen  seines  Neffen  Heinrich  XX  VHI.  Graf  Reuss 
und  Konsorten  die  Grafschaft  Barby  auf  zwölf  Jahre 
gegen    eine    jährliche    Pachtsumnie    von    IG 000  Thalern 


seine  Stelhuig  in  Uhyst  aufgab.  —  Seine  zahlreich  vorhandenen 
Briefe  und  Tagebuchsberichte  sind  Hauptquellen  für  diesen  Ab- 
schnitt der  Brüdergeschichte.  Zwar  ist  seine  Darstellung  steif  und 
trocken,  aber  klar  und  zuverlässig,  was  man  bei  Zinzendorfleider  nur 
zu  oft  vermisst. 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    271 

verpachtet  wurde  und  zwar  so,  dass  sich  der  Pächter  für 
Zinsen  und  Kapital  durch  die  Revenuen  bezahlt  mache. 
Im  September  1748  fand  die  ÜbergaLe  statt.  Die  kirehen- 
rechtliche  Stellung  der  Brüder  in  Barby  blieb  zunächst 
noch  ungeordnet.  Die  Benutzung  der  Scldosskapelle 
wurde  aber  in  Aussicht  gesteüt,  und  bis  dahin  hieUen  sie 
ihre  Privatandachten  ungestört  in  andern  Räumen  des 
Schlosses. 

Neben  den  Verhandlungen  über  diesen  Vorsohuss 
und  Barby  gingen  andere  her,  welche  schon  vor  jenen 
zum  vorläufigen  Abschluss  gekommen  waren.  Der  Wider- 
spruch, welchen  Zinzendorf  und  sein  Werk  aller  Orten, 
wo  er  und  die  Brüder  bekannt  geworden  waren,  zuerst 
in  Herrnhut,  dann  nach  seiner  Verweisung  aus  Sachsen 
im  übrigen  Deutschland  und  ausserhalb  desselben  in  den 
neu  entstandenen  Gemeinen  inid  Kolonien,  nach  Leben, 
Lehre  und  Verfassung  gefunden  hatte,  bewog  ihn  wieder- 
holt, sich  zur  Klarstellung  seines  Charakters  und  seiner 
^^'irksamkeit  da  und  dort  um  öffentliche  Unter- 
suchung zu  bemühen.  Nur  in  wenigen  Fällen  erlangte 
er  sie^*). 

Wir  begegneten  bereits  einem  seine  Person  und  die 
ganze  Mährische  Kirche  umfassenden  Antrag  der  Art 
an  Sachsen  (1745).  Eine  zu  beider  Gunsten  ausschlagende 
Prüfung  in  dem  Hauptsitz  des  Gnesio- Lutherthums  liess 
hoffen,  dass  sie  die  immer  zunehmende  Animosität  der 
Lutheraner  aller  Länder  vermindern,  wenn  nicht  gar  be- 
seitigen würde.  Jetzt  da  er  ins  Vaterland  zurückkehren 
durfte,  schien  es  möglich,  auch  diesen  Wunsch  erfüllt  zu 
sehen.  Am  liebsten  wäre  ihm  gewesen,  die  Untersuch- 
uno-  hätte  der  Rückkehr  voran o-ehen  können.  Jedenfalls 
aber  sollte  sie  ihr  bald  folgen.  Wie  er  gleich  nach  seiner 
Rückkehr  von  Leipzig  in  Herrnhut  erzählte  (14.  Oktober 
1747),  hatte  er  dort  mit  Ilennicke  schon  vorläufig  Avegen 
einer  Untersuchung  seines  Ganges  gesprochen.  AVenige 
Wochen  darauf  that  er  weitere  Schritte.  Am  28.  No- 
vember theilte  Köber  dem  Grafen  Hennickc  Zinzendorfs 
Begehren  mit,  „es  möchte  einmal  zu  einer  Generaluntersuch- 
ung seiner  Anstalten,  sowohl  was  Lehre  als  Verfassung 
beträfe,  gedeihen",  um  den  Beschuldigungen  und  Schmäh- 
ungen   ein    Ende    zu    machen,    und    damit   er   imd    seine 


'*)  p]ine  Aufzählung  solcher  Versuche  und  ihrer  Erfolge  siehe 
in  Zinzendorfs  Naturellen  Reüexionun  120,  131  —  144. 


272  F-  S.  Hark: 

Anstalten  „in  Ansehung  ihrer  Reahte  und  Lauterkeit 
möchten  ins  Licht  gestellt  werden".  Zwar  wollte  Hen- 
nicke  statt  Theologen  aus  verschiedenen  Ländern  nur 
sächsische  dazu  verwendet  wissen,  im  übrigen  billigte  er 
aber  den  Gedanken.  Zinzendorf  bezeichnete  in  einer 
kurzen  „Idea  der  gesuchten  Untersuchungskommission" 
(November)  die  zu  prüfenden  Gegenschriften  und  die  ins 
Auge  zu  fassenden  Punkte,  berücksichtigte  bei  den  vor- 
geschlagenen Kommissarien  Hennickes  Begehren,  machte 
aber  geltend,  die  Untersuchung  sei  keine  ex  officio  an- 
gestellte, sondern  „ein  examen  oblatum".  Als  er  Ende 
März  1748  nach  Dresden  kam,  konferierte  er  in  Köbers 
Begleitung  zunächst  mit  Plennicke,  der  ihn  der  geneigten 
Gesinnung  des  Königs  gegen  seine  Person  und  Herrnhut 
versicherte,  über  dieselbe  Sache.  Ausser  den  Kommissa- 
rien wurden  sogar  vorläufig  Zeit  und  Ort  (Juni,  Dresden) 
ausgemacht.  Als  Zweck  der  Kommission  gab  der  Mi- 
nister freiwillig  an,  Zinzendorf  solle  nicht  nur  von  dem  Ge- 
heimen Conseil  als  dem  Directorio  der  evangelischen  Reichs- 
stände erkannt,  sondern  es  sollten  dann  auch  öffentlich  alle 
Beschuldigungen  gegen  ihn  für  Unwahrheiten  erklärt  und 
neue  Verleumdungen  bei  harter  Ahndung  verboten  werden. 
An  dem  Exil  Zinzendorfs  behauptete  er  nicht  schuldig 
zu  sein,  doch  bat  er  ihn,  alles  zu  vergessen  und  allen 
Urhebern  des  angethanenen  Unrechts  zu  vergeben,  wie 
er  es  ja  allen  seinen  Feinden  thue^^).  Graf  Brühl 
hatte  Zinzendorf  ebenfalls  zu  sehen  begehrt,  um,  wie  Hen- 
nicke  sich  ausdrückte,  sich  dessen  gegen  den  König  zu 
rühmen  und  den  Herrn  Grafen  der  vollkommensten  Zu- 
friedenheit I.  Maj.  vor  Ihre  Person  versichern  zu  können. 
Am  folgenden  Tag  (1.  April)  fand  er  sich  auch  auf  der 
Kammer  bei  dem  Genannten  ein.  Nach  seiner  bei  allen 
Untugenden  gefälligen  Art  des  Verkehrs  begegnete  Brühl 
dem  einst  von  ihm  Geächteten  nicht  weniger  als  Hen- 
nicke  in  den  schmeichelhaftesten  Ausdrücken.  Aber, 
schreibt  Köber,  „Se.  Excellenz  schienen  überhaupt,  also 
auch  besonders" —  als  Zinzendorf  das  ihm  ehemals  ertheilte 


'*)  Damals  sagte  Hennicke  n.  a. :  „Der  König  habe  vor  einigen 
Jahren  Herrnhat  auf  der  Reise  nach  F'ok-n  selbst  gesehen  und  seit- 
dem ganz  andere  Gedanken  davon  bekommen".  In  den  Diarien 
und  sonst  findet  sich  dafür  kein  Beleg  (s.  Körner  1.  c.  59  nach 
Schrauten  bach,  der  aber  nicht  das  Jahr  1747  angiebt,  wie  ersterer 
thut).  Nur  der  Durclizug  des  Herzogs  von  Weissenfeis  (Dez.  1744) 
ist  angemerkt. 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    273 

consiliimi  abeiindi  erwähnte,  trotzdem  Herrnliut  des  Kö- 
nigs Gnade  und.  Schutz  genossen  habe  — ■  „ein  wenig  en 
embarras"  zu  sein.  Sie  „waren  ausnehmend  höflich  und 
poli,  überaus  modest  und  niedergeschlagen"  und  meinten, 
man  habe  den  König  falsch  von  ihm  berichtet.  „Gottlob, 
dass  es  sich  nun  geändert  und  wir  Sie  nun  wieder  bei 
uns  haben".  Wohl  um  aus  der  Verlegenheit  zu  helfen, 
nahm  Zinzendorf  die  Schuld  jener  Prozedur  ganz  auf 
sich,  Avorüber  Brühl  höchst  erstaunte,  sodass  er  ihn  mehr- 
mals bat,  alles  Vergangene  zu  vergessen;  des  Königs 
Gnade  werde  sich  ihm  nie  mehr  entziehen.  Mehr  Satis- 
faction  konnte  Zinzendorf  kaum  zu  theil  werden.  That- 
sächlich  hatte  er,  der  viel  geschmähte  Graf,  einen  Triumph 
über  den  mächtigen  Premierminister  davon  getragen,  ob- 
wohl er  ihn  nicht  beachtete.  Für  ihn  war  von  mehr 
Bedeutung,  dass  auch  Brühl  der  begehrten  Untersuchung 
ohne  weiteres  zustimmte.  Nicht  minder  belangreich  war 
zu  vernehmen,  wie  man  ausser  der  Barbyer  Niederlass- 
ung den  Anbau  von  noch  mehr  Gemeinen  in  Sachsen 
gern  sehen  würde.  Inwieweit  freilich  sich  diese  Ver- 
sprechungen, eröffneten  Aussichten  und  Wünsche  reali- 
sieren würden,  musste  der  Zukunft  überlassen  bleiben. 
Ausserdem  fanden  in  Dresden  auch  Unterredungen  mit 
dem  Oberhofprediger  Dr.  Hermann,  dem  Nachfolger 
des  1746  gestorbenen  Dr.  Marperger  statt.  Zinzendorf 
wollte  ihm  die  Administration  des  lutherischen  Tropus 
in  der  Mährischen  Kirche  übertragen,  und  Köber  hatte 
schon  früher  einmal  schriftlich  einen  entsprechenden  An- 
trag gestellt.  Die  Angelegenheit  kam  aber  erst  in  einer 
späteren  Zeit  zu  spezieller  Verhandlung.  Fürs  erste  stand 
die   öffentliche  Untersuchung  im  Vordergrund. 

Obgleich  man  ihr  von  selten  des  Geheimen  Kabinetts 
zugestimmt  hatte,  so  hörte  doch  Köber  vom  Geheimen 
Rath  Graf  Rex,  dem  Geheimen  Consilium  würde  lieber 
sein,  wenn  sie  unterbliebe.  Zinzendorf,  der  wohl  wusstc, 
dass  die  meisten  Geheimen  Räthe  ihm  nach  wie  vor  ab- 
geneigt waren,  wollte  sie  gegen  deren  Willen  nicht  durch- 
setzen. Er  ging  darum  auf  Hennickes  Vorschlag  ein, 
seine  Sache  privatim  zu  untersuchen.  Den  Oberamts- 
hauptmann, welchen  er  gern  dabei  gesehen  hätte,  wollte 
Hennicke  aber  nicht  hinzuziehen,  und  dieser  wünschte 
selbst  aus  dem  Spiel  gelassen  zu  werden.  Dagegen  soll- 
ten Zinzendorf,  Hennicke  und  Hermann  zu  dem  Zweck 
in  Dresden    zusauuncn  treten.     Doch  würde  dies  nur  ein 

Neues  Archiv  t.  «.  G.  u.  A.     VI.  3.  4.  18 


274  ^-  ^    Hark: 

P  r  ä  1  i ra  i  n  ar  e  X  a m  e  n  sein,  nach  welchem  Graf  Gersdorf 
und  Dr.  Hermann  der  in  nächster  Zeit  abzuhaltenden 
Synode  der  Brüder  zur  allgemeinen  Kenntnisnahme  vom 
Ganzen  beiwohnen  und  davon  Bericht  erstatten  möchten. 
Um  dem  Oberhofprediger  vorläufig  „einige  Ideen  von 
dem  statu  causae  zu  geben",  richtete  er  an  ihn  ein  aus- 
führliches Schreiben,  d.  d.  Herrnhut  14.  April  1748'^). 
Als  Köber  es  überbrachte  (20.  April),  vernahm  er,  dass 
sowohl  Hermann  als  der  einflussreiche  Geheime  Rath 
Zech  (wie  leicht  zu  begreifen)  an  manchen  Liedern  des 
damaligen  Gesangbuchs  der  Brüder  Anstoss  nähmen 
und  dass  letzterer  das  ganze  Vorgehen  des  Hofes  und 
der  Brüder  mit  Besorgnis  verfolge.  Zur  Charakteristik 
des  hochgestellten  Geistlichen  sei  noch  angeführt,  dass  als 
Köbers  Begleiter  Wenzel  Neisser  zugab,  die  Brüder  hätten 
in  dogmaticis  von  Zeit  zu  Zeit  etwas  geändert,  er  es 
billigte.  „Es  sei  rechte  Thorhcit",  sagte  er,  „wenn  man 
seiner  Erkenntnis  Grenzen  setzen  wolle.  Die  Geheimnisse 
des  Evangelii  seien  unerschöpflich  und  man  konnne  immer 
weiter  und  tiefer  hinein.  Das  komme  auf  den  heiligen 
Geist  an".  Eine  für  einen  lutherischen  Theologen  der 
sächsischen  Landeskirche  damaliger  Zeit  gewiss  unge- 
wöhnliche Ansicht! 

Am  26.  April  fand  sich  Zinzendorf  zum  projektierten 
Examen  in  Dresden  ein;  von  Watteville  sen.  u.  a.  begleiteten 
ihn^'').  Li  einem  Schriftstück  von  demselben  Tage^")  er- 
klärt er,  um  was  es  ihm  zu  thun  sei,  nicht  um  Justifi- 
kation,  sondern  er  wünsche  seine  Handlungen  seit  1738 
in  mehrfach  angegebener  Richtung  darzulegen,  zu  erörtern 
und  urkundlich  zu  belegen.  Das  sollte  jedenfalls  in  einer 
„Kabinettskonferenz  über  Brüdersachen"  zwischen  ihm, 
Watteville,  Hennicke  und  Hermann  am  29.  April  abends 


■')  Im  U.-A.  u.  H.-St.-A.  s.  Körner  1.  c.  61.  Das  Schreiben 
hat  aber  nicht  die  Tendenz  .,das  Oberkonsistorium  umzustimmen", 
mit  dem  der  Schreiber  damals  gar  nichts  zu  thun  hatte,  sondern 
sollte  nur  den  Adressaten  als  designierten  Kommissarius  über  die 
Brüdergemeinen  und,  vrie  es  darin  heisst,  „über  den  ganzen  Zu- 
sammenhang der  vorseienden  Prüfung  in  Wenigem  benachrichtigen". 
Ebensowenig  soll  darin  gezeigt  werden,  dass  die  Järüdergemeine 
„keine  Sekte"  sei. 

'*)  Leider  fehlen  uns  für  diesen  14tägigen  Aufenthalt  Zinzen- 
dorfs  Köbers  Tagebuchberichte ,  weil  er  während  desselben  meist 
krank  war.  Wir  sind  also  nur  auf  andere  Nachrichten  davon  an- 
gewiesen. 

")  Orig.  G.  K.-A.  Vol.  Ib,  fol.  9.  —  U.-A. 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkelir  nach  Sachsen  etc.    275 

o-eschelien.  Wir  erfahren  al)er  nur,  Hennicke  habe  dein 
Oberhofprediger  gegenüber  die  uns  im  wesentlichen 
bekannte  Intention  des  Königs  in  betreff  Zinzendorfs 
und  der  Brüder  mitgetheilt.  Hervorgehoben  sei  nur, 
dass  er  auch  jetzt  nachdrücklich  betonte,  die  gegenwärtige 
Untersuchung  sei  nicht  vom  Könige  veranlasst,  sondern 
Ihre  Majestät  habe  sie  nur  gestattet,  nachdem  sie  von 
Zinzendorf  begehrt  worden  wäre.  Zu  andern  Konferenzen, 
die  noch  gehalten  werden  sollten,  kam  es  nicht,  weil  Her- 
mann aus  Furcht  vor  seinen  Kollegen  sich  dieser  Sache  nicht 
weiter  zu  unterziehen  wagte.  Zinzendorf  dachte  darum 
sogar  daran,  die  ganze  Untersuchung  fallen  zu  lassen, 
und  da  der  Genannte  sich  ebenfalls  vom  Besuch  der 
Sjaiode  lieber  dispensiert  sähe,  auch  „Konsistorialeingriffe" 
zu  besorgen  wären,  von  ihrer  Bescliickung  Abstand  zu 
nehmen  und  einem  andern  Plan  zu  folgen.  Schliesslich 
bat  er  aber  doch  den  König  in  einer  Immediateingabe, 
d.d.  Dresden  3.  Mai'^),  den  am  12.  in  der  Oberlausitz 
und  zwar  „wenn  es  beliebt  würde",  zu  Gross-Henners- 
dorf  zu  haltenden  Synodum,  zu  welchem  auch  der  preus- 
sische  Oberhofprediger  Koch  (Cochius),  als  Praeses  tropi 
reformati,  zu  erwarten  sei,  durch  den  Oberamtshauptmann 
als  königlichen  Kommissarius,  einen  oder  mehrere  Kon- 
sistorialen  und  einen  kursächsischen  Theologen  zu  be- 
schicken, damit  dieselben  vom  ganzen  Werke  Kenntnis 
nähmen.  Der  Dresdner  Oberhofprediger  war  nicht  ge- 
nannt, dass  er  aber  unter  den  Konsistorialen  sein  sollte, 
wusste  Hennicke,  Gleich  am  folgenden  Tag  erging  ein 
Geheimer  Kabinettsbefehl  an  die  Geheimen  Rätlie"'),  die 
Beschickung  der  von  Ihrer  Majestät  hiermit  genehmigten 
Versammlung  zu  veranlassen,  und  zwar  wurden  zu  Ab- 
geordneten auch  Mitglieder  des  Wittenberger  Konsisto- 
riums vorgeschlagen.  Ausserdem  aber  sollte  eine  beson- 
dere (ständige)  Kommission  niedergesetzt  und  instruiert 
werden  zur  „Abwendung  alles  ordnungswidrigen  Für- 
gangs bei  den  Herrnhutern  oder  andern  in  Unseren 
Landen  duldenden  Mährischen  Gemeinden  in  ccciesiasticis 
et  politicis". 

Dass  auch  ein  akademischer  Theolog  zur  Synode 
erschien,  war  ganz  gegen  Zinzendorfs  Sinn,  weil  ein  der- 
gleichen „von  einer  Synode    keinen  Konzept  habe".     Das 


")    Körner  1.  c.  C>2.  —   U.-A.         ")   Körner    ß'i.   —   Das 

18* 


Mundum  Loc.  4612.  G.  K.-A.  1718  flg.  fol.  1  flg, 


276  F-  S.  Hark: 

hatte  er  vorbeugend  Hennicke  wissen  lassen.     Man  hörte 
aber   mehr   auf  das    Oberkonsistoriura,   das    offenbar   mit 
der   Synode   nichts    wollte    zu    thun    haben.      Wenigstens 
hatte   dessen   Vorsitzender,    Graf  Holtzendorf,   schon   am 
3.  Mai  sein  Gutachten  über  Zinzendorfs  Gesuch  dahin  an 
Hennicke  abgegeben,  dass  dem  Grafen  Gersdorf  der  Hof- 
rath  Leyser  und  Dr.  Weickhraann  in  Wittenberg  könnten 
beigesellt  werden'^")-     Diese   wurden   auch   wirklich  nach 
Leipzig,  wohin  Hennicke  mit  dem  Könige  zur  Messe  ging, 
zitiert.     Zinzendorf  sah  damit  seinen  Plan  durchkreuzt  und 
veranlasste,   unter  Erstattung   der    Reisekosten,  noch   vor 
dem  12.  ihre  Rückkehr.     Andererseits  scheint  das  Gerücht 
gegangen  zu  sein,  man  wolle  die  Synode  in  Herrnhut  zu 
tagen  veranlassen.     Aber  gerade  diese  Gemeine  wollte  er 
durchaus  von  der  in  Rede  stehenden  Untersuchung  unbe- 
rührt wissen.    Letztere  sollte  nur  die  Mährische  ausserhalb 
Sachsens  etablierte  Kirche  angehen.     Er  gab  darum  den 
jetzt  beabsichtigten  Zusammentritt  der  Synode   ganz    auf. 
Dazu  bot  sich  ein  erwünschter  Vorwand  dar.     Der  oben- 
genannte Geistliche  Koch  hatte  nämlich  von  seinem  Könige 
Erlaubnis   zum   Besuch   der    Synode    erhalten,    wenn    sie 
sich  in  Schlesien  versammele  ^^\    Dass  aber  Sachsen  da- 
hin keinen  Abgeordneten  senden  werde,  hatte  man  schon 
früher  erfahren.     Ausserdem  war    bis   zum  12.  Mai  noch 
kein  Bescheid   auf  die   Eingabe  vom   3.   ertheilt  worden. 
Zinzendorf    schrieb    also    für    den    Juni    eine    schlesische 
Provinzialsynode   aus,    der    im    Mai   nur  präparatorische 
Konferenzen  in  Hennersdorf  vorano'ehen    sollten.     Davon 
geschah  am  25.  Mai  die  Anzeige.    Die  Darlegung  nöthiger 
Nachrichten  über  das,  „was  bisher  ausserhalb  der  könig- 
lich kurfürstlichen  Lande  vorgekommen  und  ausgerichtet 
worden",  könne  auch  anderweitig  geschehen.    Zu  Herrn- 
huts  Untersuchung   sei   keine    Veranlassung;    der    König 
habe  seine  Zufriedenheit  darüber  geäussert. 

Inzwischen  hatten  die  der  Mehrzahl  nach  Zinzendorf 
gegenüber  stehenden  Geheimen  Räthe  der  ganzen  von 
ihm  in  Bewegung  gesetzten  Untersuchungsangelegenheit 
eine  verhängnisvolle  Wendung  zu  geben  unternommen. 
Schon  am  6.  Mai  beantworteten  sie  das  Kabinettsreskript 
vom  4.  in  folgender  Weise  ""^):  die  Beschickimg  eines  von 
Zinzendorf  eigenmächtig  berufenen  Synodi  durch  königl. 


")  S.  Orig.  G.  K.-A.  Vol.  Ib  fol.  19. 

»')  S.  z.  B.  Spangenberg  1.  c.  17.^7  tig.     ^^j  S.Körner  1.  c.  62. 


Des  Grafen  von  Ziiizendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    277 

Koramissarien  involviere  die  Anerkennung  der  Mährischen 
Gemeinde  als  einer  ecclesia  separata^  wofür  sie  nicht 
gelten  wolle.  Sie  sei  abzurathen^^),  denn  in  andern 
Landen  und  beim  Corpus  evangelicum,  dessen  Direktion 
Ihre  Majestät  führe,  könnte  sie  Aufsehen  machen.  Da- 
gegen empfehlen  sie  die  Abordnung  einer  Kommission  nach 
Herrnhut  (die  „Herrnhuter"  zu  beaufsichtigen,  hatte  ja 
das  Reskript  vom  4.  auch  als  Aufgabe  der  besondern 
Kommission  bezeichnet),  welche  grünrllich  untersuche,  ob 
dort  das  Reskript  vom  7.  August  1737  befolgt  worden 
sei,  und  „inwieferne  die  Herrnhutischen  und  andere  Mäh- 
rische Gemeinden  in  ihren  Glaubenslehren  von  der  unge- 
änderten  Augsburgischen  Konfession  abwichen".  Zu  dieser 
Vermuthung  gäben  ihre  und  namentlich  Zinzendorfs 
Schriften  Ursache,  sowie  dass  „sie  in  ihren  principiis  und 
in  der  Abweichung  von  den  Kirchengebräuchen  und 
recipierten  Liturgicis  weitergingen".  Auch  rede  Zinzen- 
dorf  in  seinem  Memorial  von  einem  lutherischen  und 
einem  reform irten  Tropus  innerhalb  der  Mährischen  Ge- 
meinden. An  Stelle  des,  wie  verlautet,  den  Herrnhutern 
zugethanenen  Oberamtshauptmanns  möchten  der  Landes- 
hauptmann von  Loben,  Heydenreich,  Teller  und  Weickh- 
raann  zu  Kommissarien  ernannt  werden.  Nach  beendeter 
Expedition,  deren  Kosten  die  Mährischen  Brüder  zu  be- 
streiten hätten,  würde  man  sehen,  wie  die  zu  beständiger 
Obsicht  einzusetzende  Kommission  zu  instruieren  sei. 

Das  Wichtigste  in  diesem  Schriftstück  ist  ohne 
Zweifel  die  klar  zu  Tage  tretende  Tendenz,  die  Unter- 
suchung, zu  der  sich  Zinzendorf  freiwillig  erboten  hatte 
und  die  nur  die  Gegenstände  betreffen  sollte,  welche  er 
vorlegen  würde,  ganz  zu  beseitigen  und  an  ihre  Stelle 
eine  auf  Verdacht  und  Misstrauen  beruhende  offizielle  — 
ähnlich  der  von  1736  —  treten  zu  lassen.  Gerade  mit 
demjenigen  Objekt  sollte  sicli  die  Kommission  am  meisten 
befassen,  welches  Zinzendorf  jetzt  nicht  untersucht  Iiabcn 
wollte,  mit  der  Gemeine  zu  Ilerrnhut,  welche  sich  ja 
auch,  wie  man  behauptet  hatte,  des  allerhöchsten  Wohl- 
gefallens erfreute.  Auf  welche  Weise  man  dab(;i  auch 
andere  Mährische  Gemeinen  der  Inquisition  zu  unterziehen 
gedachte,  ist  nicht  recht  klar.  In  Sachsen  gab  es  ja 
keine  solchen,  denn  die    damals   noch    im    Entstehen    bc- 


*')  Die  Geh.  Räthe   sagen  also  das  Gegentheil  von  dem,  was 
Körner  sie  sagen  lässt:  „sie  wollten  nichts  dagegen  einwenden". 


278  F.  S.  Hark: 

grifFene  böhmische  Kolonie  Niesky  war  so  unbedeutend, 
dass  man  sie  in  Dresden  kaum  kannte.  —  Wahrschein- 
lich hoffte  man  von  Herrnhut  und  vermittelst  Schluss- 
folgerung" dann  auch  von  Zinzendorf  und  den  Mährischen 
Brüdern  nur  Ungünstiges  berichten,  auf  Grund  dessen 
aber  weitere  Etablissements  der  letztern  hintertreiben  zu 
können.  Jetzt  schon  dagegen  Widerspruch  zu  erheben, 
wäre  gegen  den  Respekt  gewesen.  Der  König  hatte  sie 
ja  im  Reskript  vom  4.  Mai  bestimmt  in  Aussicht  gestellt. 
Den  Brüdern  sollte  nur  die  Ehre  bleiben,  alles  bezahlen 
zu  dürfen.  Zinzendorf  wusste  nichts  von  dem,  was  ge- 
schehen war,  sonst  hätte  er  wohl  nicht,  so  Avie  er  es  that, 
sein  Ziel  weiter  zu  erreichen  gesucht '^^).  Wir  übergehen 
das  Einzelne.  Wie  man  aber  den  besten  Erfolg  er- 
wartete, zeigt  der  Umstand,  dass  Köber  am  25.  Mai 
Hennicke  einen  von  ihm  gefertigten  Entwurf  zu  einer 
Konzession  für  die  Mährischen  Brüder  übergab.  Schon 
früher  hatte  er  eine  solche  angeregt,  war  aber  von  Hen- 
nicke immer  auf  später  verwiesen  worden.  Auch  den 
gegenwärtigen,  bestimmt  formulierten  Antrag  zu  einer 
solchen  wies  dieser  ab,  hauptsächlich  weil  inzwischen  eine 
andere  allerhöchste  Erklärung  in  betreff  der  Kommis- 
sion sei  gegeben  worden.  Er  meinte  damit  das  könig- 
liche Speziaireskript  an  das  Geheime  Conseil,  d.  d.  21.  Mai, 
in  Erwiderung  auf  dessen  Vorstellung  vom  6.  Mai*''^). 
Dasselbe  sieht  von  der  Beschickung  der  Synode  ab,  wie- 
derholt aber  die  königliche  Intention,  die  Mährischen 
Brüder,  und  zwar  „in  der  Art  und  Weise,  wie  zeither  zu 
Herrnhut  geschehen,  auch  an  andern  Orten  in  Uusern 
Landen  und  insbesondere  in  Unserm  Amt  und  Stadt 
Barby",  zu  dessen  Verpachtung  gleichzeitig  ein  Befehl  an 
die  Kammer  ergangen  sei,  „zu  dulden".  Dann  heisst  es 
weiter:  „Wenn  dann  aber  einestheils  Wir  hierbei,  dass 
dieser  Leute  Glaubenslehren  der  Augsburgischen  Konfession 
im  Grunde  nicht  zuwider  sein,  hingegen  ihr  Lebenswandel 
anerkannt  unanstössig  sei,  voraussetzen  und  hiernächst 
andererseits  das  Absehen  hierbei  auf  Verhütung"  alles  nach- 
theiligen Aufsehens  bei  Auswärtigen  „zu  richten  sein  will; 


**)  In  der  an  Hennicke  (nicht  an  die  Kommission)  gerichteten 
Schrift  vom  9.  Angust  1748  (Körner,  1.  c.  66)  sagt  Zinzendorf, 
er  wisse  nicht,  wie  aus  den  vorhandenen  Prämissen  die  Heuners- 
dorfer  Kommission  (s.  unten)  habe  resolviert  werden  können. 

")  Das  Orig.  Loc.  4612.  G.  K.-A.  1748  flg.  fol.  11  flg.  „praes. 
31.  Mai  1748". 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    279 

als  empfehlen  wir  euerer  Vorsorge  hiermit  gnädigst",  eine 
Kommission  niederzusetzen,  welche  beständig  auf  das 
der  weltlichen  und  geistlichen  Landesverfassung  und  den 
Unterthanenptiichten  entsprechende  Betragen  der  Mähri- 
schen Brüder  „bei  ihrem  Aufenthalt  in  Unsern 
alten  und  neuen  Erblandcn  aufmerksame  Obsicht 
zu  führen  hat".  Unter  den  Kommissarien,  deren  Ernenn- 
nung  diesmal  nicht  den  Geheimen  Käthen  überlassen 
bleibt,  ist  auch  der  von  ihnen  beanstandete  Oberamts- 
hauptmann ^'').  Dieselben  soll  das  Geheime  Konsilium 
„wegen  ihres  behutsamen  Verhaltens  hierbei  mit  einer 
couvenablen  Instruktion"  versehen. 

Dem  strengen  Wortlaute  nach  könnte  man  meinen, 
es  handele  sich  hier  nicht  um  eine  Kommission  zum  Zweck 
der  viel  besprochenen  Untersuchung,  sondern  um  eine 
Aufsichtsbehörde  über  die  Mährischen  Brüder,  die  erst 
nach  der  geschehenen  Aufnahme  derselben  in  Funktion 
treten  sollte.  Allein  schon  die  Voraussetzung,  auf  welcher 
ihre  Anordnung  wesentlich  mit  beruht,  die  korrekte  Stellung 
der  Brüder  zur  Augsburgischen  Konfession,  erforderte, 
dass  sie  noch  vor  deren  Ansiedelung  im  Lande  ihre 
Thätigkeit  ausübe.  Es  rausste  erst  erwiesen  werden,  was 
der  König  voraussetze,  sei  begründet,  wenn  nicht  ein  der 
Landesverfassung  widersprechendes  Verfahren  riskiert 
werden  sollte.  So  fassten  offenbar  auch  die  in  loco  be- 
findlichen Kommissarien  das  gleichlautende  Keskri])t  vom 
1.  Juni  1748  auf,  in  welchem  die  Geheimen  Räthe  sie 
mit  Entwerfung  einer  Instruktion  beauftragten^').  Auch 
Graf  Gersdorf,  Zinzendorf  und  Köber,  als  sie  davon  Kent- 
nis  erhielten,  verstanden  es  nicht  anders,  als  dass  nun 
endlich  die  Untersuchung  stattfinden  solle.  Es  kam  jetzt 
nur  darauf  an,  welcher  Art  dieselbe  sein  werde,  ob  nach 
der  Geheimen  liäthe  oder  nach  Zinzendorfs  Gedaiüvcn. 
Die  Zugehörigkeit  der  Brüder  zur  Augsburgischen  Kon- 
fession aus  freien  Stücken  ui'kundlieh  darzuthun,  war 
letzterer  schon  vorher  entschlossen  gewesen"^). 


^*)  Es  sind  diejenigen,  welche  im  Juli  nach  llennersdori'  ab- 
gingen (s.  Körner,  1.  c.  OÖ)... 

*')  S.  ihren  Bericht  bei  Übersendnng  der  entworfenen  Instruk- 
tion vom  6.  Juli.  —  Orig.  Loc.  4612.  G.  Iv.-A.  1748  flg.,  t'ul.  18  flg. 
—  Das  Konnnissariiile  vom  1.  Juni  in  Orig.  Act.  Gomni.  1748,  I, 
fol.  1  Hg.  —  Copien  im  U.-A. 

*'f  S.  auch  den  Henuersdorfer  Kommissionsbericht  bei  Körner 
1.  c.  112. 


280  ^-  S.  Hark: 

Was  Hennicke  am  25.  Mai  Köber  vom  Inhalt  des 
Kabinettsreskripts  sagte,  stimmte  völlig  mit  Zinzendorfs 
Wünschen,  auch  in  betreft'  Herrnhuts,  dessen  nur  „zu 
seinem  Ruhm"  darin  gedacht  werde.  Aber  die  meisten 
seiner  Kollegen  im  Geheimen  Konsilium  dachten  nicht  so. 
Und  was  man  bald  darauf  auch  aus  seinem  Munde  ver- 
nahm, M^ar  bedenklich.  Auf  seinen  Wunsch  sollten  K'öber 
und  der  Syndikus  Dav.  Nitschmann  zugegegen  sein,  wenn 
er  am  28,  Mai  Holtzendorf  und  Hermann  nochmals  die 
königliche  Intention  eröffnen  und  sie  für  die  Kommission 
instruieren  werde.  Sie  fanden  aber  nur  letztern  bei  ihm, 
und  mit  dem  hatte  der  Minister  soeben  „die  Konunissions- 
sache  nach  des  Königs  Intention  überlegt".  Köber  er- 
klärte sich  darum  noch  einmal  klar  und  bestimmt,  so- 
wohl über  Herrnhuts  Stellung  zur  Kommission,  als  über 
das  eigentliche  Objekt  der  Untersuchung,  „Zinzendorfs 
Person  und  Amtsführung  nebst  der  ganzen  Situation 
der  damit  konnektierenden  Kirche".  Aber  Hennicke  ant- 
wortete darauf,  „als  ob  man  ihn  nicht  reden  hörte",  Herrn- 
hut müsse  nothwendig  mit  der  Sache  konnektieren;  gegen 
Zinzendorf  habe  man  nichts,  wozu  ihn  untersuchen  etc. 
Und  als  Hermann  die  1736er  Kommission  hineinmengte, 
widersprach  Hennicke  nicht!  Der  von  jenen  gebrauchte 
Ausdruck,  die  Brüder  verlangten  in  des  Königs  Landen 
aufgenommen  zu  werden,  erregte  aber  Köbers  Eifer. 
„Hautement  replizierte  er,  es  sei  keinem  Mährischen 
Bruder  eingefallen,  in  Sachsen  etabliert  zu  werden,  das  sei 
eine  ohne  ihr  Vennuthen  freiwillig  offerierte  Sache", 
—  so  dass  „Se.  Excellenz  hierüber  ganz  roth  und  ein 
wenig  alarmiert  wurden".  Nitschmann  beruhigte  indes 
die  Gemüther,  indem  er  auf  einen  neulich  übergebenen 
Aufsatz  Zinzendorfs  vom  23.  Mai  verwies,  und  Hennicke 
fand  nun  wieder  den  gewohnten  Ton,  den  Inhalt  des 
Reskripts  in  unverfänglichen  Worten  wiederliolend.  Am 
nächsten  Tag  sprach  sich  auch  Holtzendorf,  offenbar  von 
Hennicke  informiert,  ganz  nach  Zinzendorfs  Ansichten 
über  die  Kommission  aus.  Der  Oberliofprediger  hatte 
den  genannten  Aufsatz  gelesen,  schien  „ein  ganz  anderer 
und  umgekehrter  Mann"  zu  sein.  Auch  war  er  bereit, 
auf  Zinzendorfs  Wunsch,  noch  vor  Beginn  der  Kommission 
in  Herrnluit  und  Hennersdorf  einen  Privatbesuch  zu 
machen,  um  die  Gemeine  und  deren  Einrichtung  erst 
kennen  zu  lernen.  In  der  Abschiedsaudienz  erklärte 
endlich  Hennicke  den  beiden  Vertretern  der  Brüder,  die 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    281 

Kommission  sei  bloss  pro  forma,  bezwecke  keine  Unter- 
suclinng,  sondern  nur  „ein  reziprokes  Vernehmen  über 
die  Sachen";  Zinzendorf  möge  zu  ihrer  Regulierung  in 
Monatsfrist  selbst  nach  Dresden  kommen.  So  glaubten 
sie  ohne  Sorge  auf  kurze  Zeit  die  Stadt  verlassen  zu 
dürfen.  Ob  mit  Grund?  Die  ganze  Sache  lag  jetzt 
allein  in  den  Händen  der  Gelieimen  Käthe,  deren  Ab- 
sichten wir  kennen.  Alles  hing  von  der  Beschaffenheit 
der  auszufertigenden  Instruktion  ab;  aber  selbstverständ- 
lich durfte  das  Geheime  Consilium  die  Kommission  nur 
mit  einer  solchen  versehen,  die  der  Erreichung  seiner 
Ziele  dienen  konnte.  —  Ehe  wir  aber  von  ihrem  Zu- 
standekonnnen  berichten,  gilt  es  uns  zum  Verständnis 
des  bisherigen  und  des  ferneren  Verlaufs  der  Dinge  die 
Gründe  kurz  zu  vergegenwärtigen,  welche  fast  alle  Ge- 
heimen Räthe  und  andere  dabei  betheiligen  Männer  be- 
stimmten, der  Ausbreitung  der  Mährischen  Brüder  in 
Sachsen  entgegenzuarbeiten. 

Es  wäre  unrecht,  die  von  dieser  Seite  ausgehende 
Opposition  auf  Willkür,  Böswilligkeit  oder  dergleichen 
zurückzuführen,  und  unrichtig,  Zinzendorf  und  die  Brüder 
als  schuldlose  Märtyrer  anzusehen.  Vom  Geheimen  Rath 
Graf  Rex  und  von  Dr.  Heydenreich  z.  B.  sagt  Graf 
Gersdorf  ausdrücklich,  ihre  Opposition  trage  keinen  per- 
sönlichen gehässigen  Charakter,  sondern  beruhe  auf  Grund- 
sätzen und  Gewissenhaftigkeit.  Und  so  mögen  auch  an- 
dere es  für  ihre  heilige  Pflicht  angesehen  haben,  die 
Brüder  fern  zu  halten.  Zinzendorf  aber,  der  Leiter  der- 
selben, war  von  jeher  in  vieler  Augen  eine  unverstandene, 
ja  anstössige  Person  gewesen.  Die  von  ihm  gestiftete, 
weitverbreitete  Gemeinschaft  trug  nach  innen  und  aussen 
ein  von  den  hergebrachten  Kirchen  sehr  verschiedenes 
Gepräge.  Ihre  Ausdrucksweise  wich  von  der  sonst  auf 
Kanzel  und  Katheder  üblichen  vielfach  ab.  Zinzendorf 
bediente  sich  durchweg  der  blossen  Konversations- 
sprache'^°).  Kein  Wunder,  wenn  theologische  Genauig- 
keit in  seinen  Worten  manches  fand,  was  der  rezipierten 
Rechtgläubigkeit  nicht  zu  entsprechen  schien.  Auch  gab 
es  in  der  That  Lehrpunkte,  über  welche  er  und  seine 
Anhänger  nicht  wie  die  theologische  Schule  dachten.  Von 
Jahr  zu  Jahr  war  darum  die  Zahl  derer  gewachsen, 
welche    sich    ilnien,    die    sie    noch   dazu    oft   nieht   näher 


")  J.  G.  Müller,  ZinzCntlorfsLehen,  2.  AuÜ.  (Winterthur  1822),3. 


282  F.  S.  Hark: 

kannten,  entgegenstellten.  Andererseits  trieb  der  Wider- 
spruch Zinzendorf  in  der  einmal  eingeschlagenen  Richt- 
ung immer  weiter.  Dazu  kam  noch  ein  anderer  Umstand. 
Von  Anfang  an  hatte  man  in  der  Brüdergemeine  die 
heilige  Schrift  zur  Norm  des  Glaubens  und  des  Glaubens- 
lebens gemacht.  Jedoch  hatte  Zinzendorf  die  Bibel,  die 
er  übriges  genau  kannte,  schon  frühzeitig  nur  wie  ein 
Spruchkästchen  behandelt,  statt  sie  in  ihrem  Zusammen- 
hang zu  erforschen  und  zu  verstehen*^*).  Wenn  nun  des 
Mannes  lebhafte  Phantasie  sich  einzelner  biblischer  Aus- 
drücke bemächtigte,  und  wiederum  andere  Stellen  ge- 
wissen Lieblingsidecn  und  speziellen  individuellen  Erfahr- 
ungen gegenüber  hintansetzte,  so  musste  das,  je  weiter 
er  darin  ging,  allem,  was  Lehre  und  Leben  in  der  Ge- 
raeine betraf;  ein  eigenthümliches  Kolorit  geben.  Das- 
selbe spiegelte  sich  nicht  allein  in  dem  uns  geschmacklos 
und  läppisch  erscheinenden  Diminutiv-  und  Superlativ- 
jargon in  Rede  und  Lied  ab,  sondern  dessen  sinnliche, 
namentlich  dem  ehelichen  Leben  entnommenen  Bilder 
drohten  die  nüchterne  Wahrheit  des  Evangeliums  sach- 
lich zu  entstellend^).  Ausserdem  begab  sich  Zinzendorf 
auf  ein  Gebiet,  dessen  Betreten  in  Verbindung  mit  dem 
eben  Angeflüirten  sehr  bedenklich  sein  musste.  Früher 
hatte  er  einmal  behauptet,  „Christum  und  seine  Wahr- 
heit in  einen  systematischen  Zusammenhang  zu  bringen, 
sei  die  Mutter  von  allem  L-rthum"  *'■').  Jetzt  verüel  er 
selbst  auf  ein  Systematisieren  und  Spekulieren  besonders 
über  die  göttliche  Trinität,  von  dem  auch  Spangenberg 
glaubte'*'),  es  wäre  besser  unterblieben.  Endhch  hörte 
sogar  im  Leben,  wenigstens  der  wetterauischen  Gemeinen, 


'»)  Yergl.  H.  Chr.  Oetiiigers  Leben  und  Briefe  von  Elimaiin 
(Stuttgart  1859),  73,  142,  238,  453  flg.  —  In  Zinzendorfs  Tagebuch, 
15.  Februar  1731,  ist  zu  lesen:  „Herr  (Pastor)  Kothe  redete  mit 
mir  vom  Zusammenhang.  Ich  sagte  ihm,  dass  ich  glaubte,  es  sei 
besser  keinen  Verbalzusammenhang  haben,  sondern  die  Wahrheit 
zerstreut  kennen,  wie  sie  in  der  Bibel  stünde  .  .  .,  so  sei  mau  nicht 
leicht  Irrtbümern  unterworfen". 

*')  Eine  Auswahl  von  Liedern  der  Art  theilt  Varnhagen 
von  Ense,  Graf  L.  v.  Zinzendorf,  3.  Aufl.  (Leipzig  1873),  16G  ilg. 
mit.  Doch  sind  die  pikantesten  auf  S.  168  flg.  nicht  dem  Oesang- 
buche  der  Brüder  entnommen,  sondern  einer  handschriftlichen  Privat- 
siimmluiig  einiger  junger  exaltierter  Köpfe,  „Agonien"  genannt.  Varn- 
hagen hat  sie  wohl  aus  Volk,  Entdecktes  üeheimnis  der  Bosheit  der 
Herrnhutischen  Sekte  (Frankfurt  und  Leipzig  1750)  G94  flg.  abgedruckt. 

^=')  In  sehiem  Tagebuch,  1.  April  1731.  —  U.-A. 

'*)  In  Zinzendorfs  Leben  1574. 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  RiUkkelir  nach  Sachsen  etc.    283 

die  alte  strenge  Zucht  auf.  Wurde  auch  keineswegs  all- 
gemein oder  gar  prinzipiell  dem  Weltsinn,  der  Leiclit- 
fertigkeit  und  Ungebundenheit  Raum  gegeben,  so  kam 
docli  zum  Theil  unter  der  Maske  der  Gottseliükeit  bei 
einzelnen  manches  vor,  was  selbst  vor  dem  Richterstuhl 
büi'gerlicher  Moral  nicht  bestehen  konnte. 

Dieses  Wesen  erreichte  in  den  letzten  Jahren  des 
fünften  Jahrzehnts  seinen  Höhej)unkt,  und  man  stand  in 
der  That  „am  Rande  des  Fanatismus"'^*),  und  zwar  eines 
höchst  gefährlichen.  Doch  machte  man  noch  zur  rechten 
Zeit  Halt  und  kehrte  um,  so  dass  diese  Zeit  nur  eine 
„Sichtungszeit"  und  nicht  die  des  Untergangs  für  die 
Brüdergemeine  wurde,  „eine  Erscheinung,  die  einzig  in 
der  Kirchengeschichte  dasteht"  ^^).  Dass  aber  Avährcnd 
derselben  selbst  Männer,  welche  früher  Zinzendorf  und 
seiner  Gemeine  mehr  oder  weniger  nahe  gestanden  hatten, 
an  beiden  irre  Avurden  und  jetzt  in  Schrift  und  Rede 
auf  die  Gefahren  hinwiesen,  die  von  ihr  der  übrigen 
Kirche  drohten,  ist  kaum  zu  verwundern.  Von  andern 
wurde  mancherlei,  was  man  hörte,  ohne  nähere  Prüfung 
der  Richtigkeit  angenommen  und  geglaubt,  ja  noch  mehr 
entstellt.  Zinzcndorfs  Schriften,  die  ohnedies  bei  vielem 
Vortrefflichen  manches  Anstössige  und  Tadelnswerthe 
enthielten,  waren  der  Missdeutung  und  Verdrehung  aus- 
gesetzt. Allmählich  sah  sich  jeder  bedeutendere  Theolog 
gezwungen,  die  Feder  zum  Streit  gegen  die  allgemein 
angefochtenen  zu  ergreifen,  um  nicht  selbst  iu  Verdacht 
zu  kommen.  Bereits  war  eine  Schandliteratur  im  Ent- 
stehen, die  geeignet  war,  die  Brüder  und  ihren  Führer 
der  Verachtung  aller  ehrbaren  Leute  preiszugeben.  Wenn 
aber  Zinzendorf  seine  Feinde  mit  Ironie  bediente,  dagegen 
seinen  und  seiner  Brüder  evangelischen  Charakter  be- 
hauptete und  sich  nebst  ihnen  sogar  als  strikten  Bekenner 
der  Augsburgischen  Konfession  darzustellen  wagte,  so  stei- 
gerte das  nur  die  Erbitterung.  Der  Widerspruch ,  in 
welchem  sf)lchc  Behauptungen  mit  allem,  was  man  scmst 
vernahm,  zu  stehen  schien  und  zum  Theil  auch  stand,  das 
Bestreben,  immer  Recht  zu  behalten  und  die  Konflikten,  in 
die  er  sich  dabei  mit  seinen  eio^enen  Aussajicn  nicht  selten 
verwickelte,  Hessen  ihn  bei  vielen  als  einen  unaufrichtigen 


")  J.  G.  Müller,  1.  c.  241. 

*')  Job.  Ileinr.  Kurtz,  Lehrbuchder Kirchengeschichte,  §167. 


284  F.  S.  Hark: 

Mann  erscheinen,  der  es  mit  der  Wahrheit  nicht  ernst 
nähme,  und  von  dem  man  sich  darum  fern  haUen  müsse'*). 

Dieses  Wenige  in  Betracht  ziehend,  wird  man  es 
minder  auffallend  finden,  dass  in  Sachsen,  dem  Vorort 
streng  kirchlichen  Lutlierthums,  mit  Besorgnis  der  Mög- 
lichkeit entgegengesehen  wurde,  dass  sich  den  Mährischen 
Brüdern  Gelegenheit  darböte,  sich  daselbst  einzubürgern 
und  auszubreiten.  —  Man  glaubte  das  nicht  ohne  weiteres 
geschehen  lassen  zu  dürfen.  Das  Geheime  Konsilium 
insbesondere  hatte  ja  nicht  bloss  die  weltlichen  Interessen 
des  Landes  zu  wahren,  sondern  seine  Aufgabe  war  ebenso, 
da«  Eindringen  fremder  Elemente  zu  verhüten,  die  den 
bestehenden  kirchlichen  Ordnungen  in  Lehre,  Leben  und 
Verfassung  gefährlich  werden  konnten.  Auch  das  Dresdner 
sogenannte  Oberkonsistorium  musste  sich  berufen  fühlen, 
seinen  damals  nicht  unbedeutenden  Einfluss  auf  höhere 
EntSchliessungen  in  der  nämlichen  Richtung  zu  verwerthen. 
Von  einem  andern  Standpunkt  aus  wird  man  das  be- 
klagen können,  aber  die  Lage  der  Dinge  Avar  einmal  so. 
Übrigens  durfte  im  vorlieoenden  Fall  weder  das  Ge- 
heime  Konsilium  noch  das  Konsistorium  bei  Lösung  ihrer 
Aufgabe  der  „allerhöchsten  Intention"  zu  nahe  treten. 
Und  so  galt  es  die  Kommissarien  in  einer  Weise  zu  in- 
struieren, die  beiden  Rücksichten  entsprach. 

Die  Abfassung  der  Instruktion  übernahm  von  den 
drei  damit  betrauten  Mitgliedern  des  Konsistoriums,  Graf 
Holtzendorf,  Hermann  und  Heydeureich,  der  letztere. 
Grade  aber  ihn  hatten  die  Brüder  allein  von  allen  Kom- 
missarien beanstandet  als  denjenigen,  der  „bei  der  ehe- 
maligen Kommission  in  Herrnhut  (1736)  die  allerwidrigst 
gesinnte  und  feindseligste   Person  gewesen  wäre".     Graf 


'*)  Der  Vorwurf  der  Zweizüngigkeit  und  Unaufrichtigkeit  war 
schon  längst  gegen  Zinzendorf  erlioben  worden.  Wer  den  Mann 
nicht  nur  aus  den  apologetischen  Biographien  und  Geschichtswerken 
kennt,  wird  nicht  darüber  erstaunen.  P]benso  wird  man  aber  auch 
anstehen,  ilin  für  einen  im  Grunde  unwahren  Menschen  zu  halten, 
sobald  man  den  ganzen  Mann  betrachtet.  Der  bezügliche  Fehler 
ist  in  der  Peripherie,  nicht  im  Centrum  seines  Charakters  zu  suchen. 
Nicht  selten  mag  das,  was  als  Unwahrheit  und  Unzuverlässigkeit 
sich  darstellt,  mit  J.  J.  Moser  (Selbstbiographie,  Theü  4.  97;  — 
siehe  auch  Spaneenbergs  Bemerkungen  1.  c.  2249  tig.)  auf  des 
Mannes  „ausserordentlich  feurige  Einbildungskraft"  zurückzuführen 
sein.  —  Freilich,  wenn  Zinzendorf  gelegentlich  glaubte  erklären  zu 
müssen,  er  sei  „ein  ehrlicher  Mann",  —  ein  Luther  hatte  das  nie 
nöthig! 


Des  Grafen  von  Zinzendoif  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    285 

Gersdorf  meinte,  er  werde  vermutlilicli  „denen  vestigiis 
von  1736  inliärieren",  und  rieth  deshalb  und  weil  er  „einer 
der  gelehrtesten  und  angeseliensten  Leute  in  zwei  Kol- 
legien sei",  mit  ihm  vorsichtig  umzugehen.  In  der  That 
hatte  sich  Heydenrelch  gegen  Hermann,  als  beide  nach 
Wittenberg  reisten,  dahin  ausgesprochen,  nach  seiner  An- 
sicht handele  es  sich  bei  der  bevorstehenden  Kommission 
um  dasselbe,  wie  bei  der  von  17oG.  Bei  diesen  Uin- 
ständea  konnten  die  Geheimen  Räthe  voraussehen,  dass 
die  Instruktion  ganz  nach  ihrem  Wunsche  ausfallen  würde. 
Wenn  andererseits  Holtzendorf  auf  Hennickes  Vorstellung 
hin  erklärte,  er  wolle  für  Heydenreich  stehen,  so  war 
damit  wenig  geholfen.  Der  Mann,  von  dem  den  Brüdern, 
wie  der  Erreichung  der  königlichen  Absichten  Gefahr 
drohte,  war  dem  Konsistorialpräsidenten  geistig  und  an 
Selbständiukeit  des  Charakters  weit  überlegen''").  Und 
wenn  ferner  Hennicke  auf  Zinzendorfs  Vorstellung,  falls 
Heydenreich  die  Instruktion  aufsetze,  möchte  vielleicht 
aus  der  ganzen  Sache  nichts  werden,  erwiderte,  dann 
werde  er  kurzen  Prozess  machen,  und  wenn  er  Diffikul- 
täten  veranlasse,  seine  Reniotion  in  Polen  beantragen,  so 
war  dies  leichter  gesagt,  als  gethan.  —  Köber  suchte 
zwar  den  bedenklichen  Mann  auf,  aber  derselbe  Hess  sich 
auf  nichts  ein.  Nur  bemerkte  er,  es  scheine  ihm,  als 
wollten  sich  die  Brüder  in  alle  Religionen  mengen  und 
alles  an  sich  ziehen.  So  war  von  dieser  Seite  nichts  zu 
erreichen.  Der  Oberliofprediger  blieb  zwar  immer  liebens- 
würdig und  Hess  es  an  freundlichen  Worten  nicht  fehlen, 
war  aber  theils  durch  seine  Stellung  theils  durch  Mangel 
an  Energie  verhindert,  ihnen  Nachdruck  zu  geben.  Selbst 
der  vorläufige  Privatbesuch  in  Herrnhut  musste  deshalb 
unterbleiben.  Nur  eines  wäre  vielleicht  geeignet  gewesen, 
etwas  günstigere  Prospekte  für  die  Sache  der  Brüder  zu 
eröffnen.  Köber  deutet  darauf  hin  (28.  Juni),  wenn  er 
Zinzendorf,  zunächst  überhaupt  im  IMick  auf  die  Sunnne, 
welche  die  Kommission  kosten  werde,  auffordert,  Gott  zu 
bitten,  „dass  er  uns  einen  hübsch  grossen  Sack  voll  Du- 
katen schenke;  wir  brauchen  ihn",  und  dann  im  beson- 
deren   sagt,   „ich   wäre    davor,    dem    Grafen   TToltzendorf 


*')  „Holtzendorfs  Contestationcs  sind  so  gut,  als  man  sie  ver- 
langen kann;  wenn  nur  die  Tliathandlnngen  bei  der  Sache  harmo- 
nieren" (Köber). 


286  F-  S.  Hark: 

ein  Präsent  zu  machen,  denn  er  ist  sehr  hungrig,  und  es 
ist  gewöhnlich"  ''*). 

Es  blieb  also  nichts  anderes  übrig,  als  abzuwarten, 
wozu  und  wie  die  Kommissarien  würden  instruiert  werden. 
Inzwischen  wurde  Ort  und  Zeit  ihres  Zusammentritts 
vereinbart.  Zinzendorf  hatte  anfangs  gewünscht,  die 
Kommission  möchte  in  Dresden  gehalten  werden,  während 
Holtzendorf  Bautzen  oder  Zittau  vorzog.  Des  Oberamts- 
hauptmanns  Graf  Gersdorf  wohlbegründete  Vorstellungen 
bestimmten  Zinzendorf  aber  auf  Gross-Hennersdorf 
zu  dringen;  wobei  man  schliesslich  stehen  blieb.  Auch 
verständigte  man  sich  über  den  29.  Juli  als  Termin  der 
Eröffnung  der  Kommission,  nachdem  auch  viel  vom  8., 
15.  und  22.  Juli  die  Rede  gewesen  war^^).  Ausserdem 
war  Zinzendorf  unausgesetzt  thätig,  Vorbereitungen  auf 
eine  Kommission,  wie  er  sie  beantragt  hatte,  zu  treffen. 
Dass  sie  Herrnhut  nicht  berühren  sollte,  wissen  wir. 
Ebensowenig  wollte  er,  „dass  die  in  allen  Landen  bekannt 
gemachte  Konformation  der  Brüder  zur  Augsburgischen 
Konfession  erst  auf  eine  Untersuchung  gesetzt  würde", 
noch  dass  man  annähme,  die  Brüder  stellten  ein  Gesuch 
„um  gewisse  Freiheiten,  die  sie  in  andern  deutschen  Län- 
dern, wo  sie  etabliert  Avären,  noch  nicht  erhalten  hätten". 
Er  sprach  dies  noch  bestimmt  am  11.  Juni  in  einem 
Schreiben  an  Hennicke  aus,  und  dieser  fand  nichts  da- 
gegen einzuwenden.  Da  es,  wie  sogar  Holtzendorf  gegen 
Köber  (1.  Juli)  äusserte,  „bei  der  Kommission  nicht  dar- 
auf ankomme,  was  selbige  vorbringen  oder  fragen,  son- 
dern was  der  Graf  von  Zinzendorf  derselben,  um  eine 
Kenntnis  von  der  Mährischen  Kirche  zu  bekommen,  vor- 
legen und  vortragen  würde",  so  liess  er  die  verschieden- 
artigsten Akten,  um  sie  zu  präsentieren^  in  Dresden  auf 
40    Buch    Papier    kopieren.      Auch    die    Gegenschriften 


'')  Holtzendorf  hatte  schon  auf  der  Ostermesse  die  Brüder  um 
ein  Darlehn  gegen  niedrige  Zinsen  gebeten.  Man  hatte  ihm  aber 
nicht  willfahren  können,  ebensowenig  als  später,  da  er  einen  Yor- 
schuss  von  5000  Thalern  begehrte  (s.  J.  P.  Weiss,  12.  Mai,  und 
Köber,  7.  September  1748,  an  Zinzendorf). 

'*)  Als  Kuriosum  sei  erwähnt,  dass  der  sonst  nüchterne  Köber 
Zinzendorf  mehrmals  bat,  vom  22.  abzusehen,  der  ihm  „ungemüthlich 
wäre,  weil  in  die  Woche  eine  grosse  sichtbare  Sonnenfinsternis  und 
der  Anfang  der  Hundstage  einlalle,  was  einen  Einfluss  in  die  Kom- 
missarien  haben  möchte".  Zinzendorf  gab  auch  nach,  „weil  es  Leute 
giebt,  die  so  närrisch  sind,  auf  solche  Dinge  zu  reÜektieren  und 
zum  wenigstens  was  Ridiküles  daraus  zu  deduzieren"  {2?>.  Juli). 


Des  Grafen  von  Ziiizendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    287 

sollten  einofcselien  werden,  und  dazu  schaffte  man  sie  zum 
Theil  aus  der  Zittauer  Rathsbibliothek  herbei.  Endlich 
arbeitete  Zinzendorf  selbst  zur  Mittheiluiig  an  die  Kom- 
mission eine  ausführliche  Deduktion  aus. 

Anfang- Juli  war  Heydenreich  mit  seinem  Instruktions- 
entwurf fertig  geworden,  der  mit  einem  von  den  drei  Kom- 
missarien in  loco  unterzeichneten  Bericht,  d.  d.  (5.  Juli^"}, 
am  11.  präsentiert  wurde.  Noch  an  demselben  Tage 
zeigte  Hennicke,  seinem  Versprechen  gemäss,  Köbern 
beide  Schriftstücke.  Dieser  erschrak  über  sie.  Denn  im 
Bericht  war  unter  anderen  darauf  angetragen,  dass  die 
Kommission  in  Herrnhut  gründliche  Nachricht  darüber 
einziehen  möge,  wie  dort  das  Reskript  vom  7.  August  1737 
beobachtet  worden  sei.  Wie  oft  hatten  Köber  und  Zinzen- 
dorf im  Voraus  gegen  die  Hineinzieiiung  Herrnhuts  in 
die  Kommission  protestiert,  und  wie  oft  hatten  Hennicke, 
Holtzendorf  und  Hermann  deren  Protest  zugestimmt! 
Die  Instruktion  aber  war  nach  Form  und  Inhalt  eher  für 
eine  Untersucliung  geeignet,  deren  Zweck  war,  zu  er- 
fahren, ob  erhobene  Beschuldigungen  und  Anklagen  be- 
gründet wären,  als  für  eine  solche,  welche  womöglich  die 
günstigen  Voraussetzungen  eines  gnädig  gesinnten  Königs 
als  berechtigt  darthun  sollte^').  Köbei-  hatte  nicht  Un- 
recht, wenn  er  sagte,  „das  Meiste  sei  aus  Fresenii  feind- 
seligen Schriften  genommen".  Es  ist  auffallend,  im  Ein- 
gang der  Instruktion,  übereinstimmend  mit  dem  Reskript 
vom  1.  Juni,  die  Voraussetzung,  dass  die  (Tlaubenslehre 
der  Brüder  der  Augsburgischen  Konfession  im  Grunde  nicht 
zuwider  und  ihr  Lebenswandel  unanstössig  sei,  als  An- 
lass  der  vorzunehmenden  Untersuchung  bezeichnet  zu 
sehen  und  dann  unter  den  speziellen  Fragen  über  Gottes- 
dienst und  Liturgie,  Verfassung,  Lehre  etc.  derartige  zu 
finden,  ob  sich  die  Brüder  zu  den  symbolischen  Büchern 
der  kursächsischen  Landeskirche,  der  Konkordienformel 
und  dergleichen  bekennen,  au.ch  sich  darauf  wollen  ver- 
pflichten lassen,  sowie  solchen,  welche  die  Sittlichkeit  der 
Brüder  auf  eine  beleidigende  Weise  in  Zweifel  ziehen. 
Köber  bezeichnete  diese  Fragen  treffend  als  ungeeignet, 
Ausländern  vorgelegt  zu  werden.  In  den  letzten  Pai-a- 
graphen  ward  der  Kommission  anbefohlen,  den  Mähri- 
schen Brüdern,   damit  ihre  Aufnahme    ohne  nachtheiliges 


*»)  S.  0.  Anm.  27. 

*')  S.  das  Kabiuettsreskript  vom  21.  iM:ü  auf  S.  20.'i  (Anm.  25). 


288  F.  S.  Hark: 

Aufsehen  geschelie,  Anweisungen  und  Vorstellungen  zu 
thun.  Zinzendorf,  so  vmzufrieden  er  mit  der  ihm  von 
Köber  abschriftlich  überbrachten  Instruktion  von  70  Para- 
graphen war,  nahm  besonders  an  diesen  letzteren,  indirekt 
wegen  der  Aufnalmie  Bedingungen  stellenden  Vorschriften 
Anstoss.  „Die  Anträge  wegen  der  Aufnahme  wären  der 
Art,  dass  die  Holländer  und  Engländer  glauben  würden, 
man  wolle  ihrer  spotten."  Er  liätte  am  liebsten  gesehen, 
dass  die  Kommission  mit  der  Aufnahme  der  Brüder  nichts 
zu  thun  habe,  sondern  sie  anderswie  entschieden  würde. 
„Ein  Consistorialis  ist  gut  zum  Examinieren,  taugt  aber 
in  der  Welt  nichts  zum  Kolonien  stiften."  Die  auf  Lehre^ 
Leben  und  Wandel  d.  h.  auf  die  eigentliche  Untersuch- 
ung bezüglichen  Fragen,  wollte  er  sich  allenfalls  gefallen 
lassen,  so  anstössig  und  ehrenrührig  sie  zum  Theil  waren. 
Im  allgemeinen  hielt  er  die  Instruktion  für  schlimmer, 
als  die  von  1736,  und  für  geeignet,  die  Erreichung  der 
königlichen  Absicht  zu  vereiteln.  Er  erkannte,  dass  ihre 
Beschaffenheit  das,  was  für  ihn  die  Hauptsache  war,  sich 
vor  der  Kommission  selbständig  zu  explizieren,  ausschloss. 
Seine  durch  Köber  gemachten  Vorstellungen  und  Aus- 
stellungen fanden  bei  Hennicke  scheinbar  Gehör.  „Zu 
Ausländern",  meinte  dieser^  „könne  man  so  nicht  reden; 
man  habe  ihnen  ja  nichts  zu  befehlen".  Auch  blieb  ein 
Schreiben  der  beiden  reichen  Holländer  van  Laer  und 
Schellinger  nicht  ohne  Eindruck  auf  ihn,  als  ihm  sein 
Inhalt  mitgetheilt  wurde.  Diese  erklärten  nämlich,  sich 
an  der  Kommission  nicht  betheiligen  zu  wollen,  weil  sich 
Consistorales  dabei  befänden  und  eine  für  ein  bestimmtes 
Land  festgesetzte  Kirchenagende  ihnen  drückend  wäre. 
Köber  brachte  Hennicke  auch  wirklich  dazu,  die  Änderung 
der  Instruktion  in  einigen  Punkten  durchzusetzen  und  sie  auf 
62  Paragraphen  zu  reduzieren.  Ihr  Charakter  blieb  aber, 
wie  er  war.  Ein  Memorial,  welches  auf  Hennickes  Wunsch 
eingereicht  wurde,  um  ihm  Gelegenheit  zu  geben,  be- 
züglich der  Ausländer  Änderungen  zu  beantragen,  kam 
zu  spät^'^j.  Die  endgültige  Instruktion  d.  d.  16.  Juli  1748 
war  schon  in  Holtzendorfs  Händen.  Dasselbe  Datum 
trägt  das  zweite  Kommissoriale,  welches  die  Expedition 
nach  Massgabe  der    beigefügten   Instruktion    in   Henners- 


")  S.   dass.    im   Orig.    Loc.  4612.   G.    K.-A.   1748  flg.,    fol.  47; 
Kopie  Act.  Comm.  1748.  I,  15.  —  und  U.-A. 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.   289 

clorf  auszuführen  befiehlt*').  Köber  erfulir,  dass  beide 
am  22.  expediert  waren,  und  zwar  die  Instruktion  ge- 
ändert, in  welcher  Weise,  aber  nicht.  Ausserdem  hörte 
er,  wie  der  ihm  zur  Unterstützung  zugeschickte  Stein- 
hofer,  mancherlei,  was  zu  den  besten  Hoffnungen  zu  be- 
rechtigen schien.  Man  verschwieg  ihm  aber  sorgfältig 
die  Existenz  eines  Inserats  zum  Kommissoriale^*),  das  im 
Einklanü"  mit  dem  im  Bericht  vom  6.  Juli  gestellten  An- 
trag  die  Kommission  beauftragt,  sich  „zuverlässig  und 
gründlich  zu  erkundigen",  wie  das  wegen  „derer  zu 
Berthelsdorf  und  Herrnhut  eingerissenen  Unordnungen 
unterm  7.  August  1737  ergangene  Reskript  bisher  befolgt 
worden".  Am  26.  Juli  reiste  Köber  nach  Hennersdorf 
ab,  wo  sich  schon  diejenigen  Personen  eingefunden  hatten, 
die  der  Kommission  beiwohnen  sollten.  Die  meisten  waren 
Theilnehmer  an  der  zu  Gross-Krausche  bei  Bunzlau  Ende 
Juni  abgehaltenen,  auch  vom  Oberhofprediger  Koch  aus 
Berlin  besuchten  schlesischen  Provinzialsynode  gewesen. 
Zur  Aufnahme  der  Kommissarien  war  das  damals  noch 
stattliche  Hennersdorfer  Schloss  eingerichtet  worden.  Graf 
Gersdorf  war  schon  am  26.  Juli  erschienen,  um  dazu 
Rath  und  Anweisung  zu  ertheilen. 

Im  Verlauf  des  27.  Juli  langten  die  übrigen  Kom- 
missarien an,  ausser  dem  Landeshauptmann  von  Loben, 
welcher  erst  am  folgenden  Mittag  eintraft").  Am  Nach- 
mittag des  28.  erledigten  sie  einige  Formalien  unter  ein- 
ander und  beauftragten  den  Protokollisten  Kcrsten,  eine 
Konsignation  derjenigen  Personen,  mit  denen  die  Kom- 
mission verhandeln  sollte,  beim  Baron  von  Watteville  ein- 
zuholen, „im  Fall  der  Herr  Graf  von  Zinzendorf  heute 
Abend  nicht  eintreffen  sollte"^**).  Dieser  Avar  nämlich 
am  Morgen  des  27.  Juli  nach  Hermsdorf  bei  Görlitz  ge- 


")  Das  Orig.  davon:  Act,  Comm.  1748.  T,  fol  5  üg.  u.  ebendas. 
die  Instruktion  fol.  9 — 14;  der  erste  Entwurf  der  letzteren  von 
70  Paragraphen  nur  im  l].-.\. 

**)~^ürig.:  Act.  Comm.   1748.  11,  fol.  1. 

**)  Quellen  für  die  hier  folgende  Darstellung  der  kommissari- 
schen Verhandlungen  sind  ausser  dem  im  H.-St.-A.  sich  iindcnden 
(s.  Anm.  1):  Kijbers  Tagebuch  von  der  liennersdorft^r  Kommission, 
das  Gemein  haus-Diarinm,  Ludwig  Weiss'  Bericht  von  der  Kommis- 
sion, für  den  01)erliofi)rediger  Koch  in  Berlin  angefertigt  und  der 
Hauptsache  nach  nur  ein  Auszug  aus  dem  vorigen,  sowie  nn'hrerc 
andere  hierher  gebörende  Piecen  im  U.-A. 

")  S.  das  von  Kersten  geführte  Protokoll.  Dieses  wichtige 
Schriftstück  findet  sich  im  Act.  Comm.  1748.  1,  fol.  16  sqq. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  «.  A.  VJ.  3.  ■!.  19 


290  F.  S.  Hark: 

reist,  um  die  Kommission  „als  zu  ihm  nicht  geschickt" 
nicht  empfangen  zu  müssen.  Es  war  dies  der  Ausdruck 
seines  erklärlichen  Missvergnügens  über  die  Wendung, 
welche  die  von  ihm  aus  freien  Stücken  angeregte  Unter- 
suchung genommen  hatte.  Ganz  den  Verhandlungen 
fernzubleiben,  konnte  er  nicht  wirklich  beabsichtigen. 
Auch  die  Kommissarien  setzten  seine  Anwesenheit  vor- 
aus, und  die  Brüder  würden  sich  ohne  ihn  auf  nichts  ein- 
gelassen haben*').  Er  kam  auch  am  Abend  des  28.  nach 
Hennersdorf  zurück,  um  die  Leitung  der  Sache  auf  Seiten 
der  Mährischen  Brüder  als  ihr  „Ordinarius"  zu  übernehmen. 
Auf  Wunsch  des  Prinzipal -Kommissarius  Graf  von 
Holtzendorf  erschienen  zur  ErofFnungsfeierlichkeit  am 
29.  Juli  nicht  nur  die  acht  vorläufig  bestimmten  Depu- 
tierten der  Brüder,  sondern  etliche  40  Personen,  Der 
Vorsitzende  hielt  eine  kurze  Rede'*^),  die  er  vorher  Köber 
und  Zinzendorf  hatte  einsehen  lassen,  und  las  dann  das 
Kommissoriale  vom  16.  Juli  vor.  Zinzendorf  war  bis 
dahin  nicht  gegenwärtig  gewesen  und  erschien  erst,  nach- 
dem von  Watteville  für  ihn  um  Erlaubnis  nachgesucht 
hatte,  „sich  selbst  vor  den  Herren  Kommissarien  einzu- 
finden"*^). Die  Ansprache,  welche  er  hielt,  ist  insofern 
charakteristisch,  als  er  darin  seine  Freude  darüber  aus- 
drückt, dass  nun  durch  Darlegung  des  Glaubensgrundes 
der  Mährischen  Brüder  und  ihre  abzugebenden  Erklärungen 
eine  Freisprechung  von  den  bisherigen  Anschuldigungen 
erfolgen  solle.  Damit  Avollte  er  das  Ziel  bezeichnen,  das 
er  auch  jetzt  noch  der  Kommission  gegenüber  zu  ver- 
folgen gedachte  ^").     Noch  an  demselben  Tage  ersetzte  er 

*')  Die  Bemerkung  im  Kommissionsbericlit  (Körner  1.  c.  109), 
die  Kommission  gehe  eigentlich  nicht  den  Grafen  von  Zinzendorf 
an,  sowie  eine  Äusserung  des  Geheimen  Raths  Graf  Zech  nach  der- 
selben, „die  Kommission  hätte  sich  mit  Zinzendorf  gar  nicht  ein- 
lassen sollen"  (Köber  an  Zinzendorf,  d.  d.  Dresden  17.  August  1718), 
lässt  vermuthen,  dass  auch  einige  Kommissarien  lieber  gesehen 
hätten,  er  wäre  von  den  Verhandlungen  ausgeschlossen  gewesen. 
Aber  in  allen  früheren  Besprechungen  Köbers  mit  Hennicke  u.  a. 
galt  es  als  selbstverständlich,  dass  Zinzendorf  die  Hauptperson  da- 
bei sein  -würde,  wie  es  auch  die  Sache  mit  sich  brachte. 

**)  S.  Körner  1.  c.  Anm.  167.  —  Der  grosse  ovale  Tisch,  der 
eigens  für  die  Kommissionssitzungen  verfertigt  war,  wird  noch  heute 
in  der  Unitätsbibliothek  benutzt. 

*')  So  laut  Protokoll.  Nach  Köber  war  das  gegenseitig  schon 
vorher  verabredet  worden. 

*»)  Er  wollte  eigentlich  nichts  von  einer  „Kommission"  wissen, 
die  sich  Ausländern  gegenüber  nicht  schicke,  sondern  sprach  lieber 
von  der  Hennersdorfer  ,, Konferenz". 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    291 

den  Deputierten  Ludwig  Weiss,  einen  Reformierten,  um 
Schwierigkeiten  zu  vermeiden,  durch  drei  andere,  so  dass 
nun  solcher  mit  ihm  elf  waren  ^').  Zu  ihrer  Legitimation 
diente  eine  von  dem  in  Enghxnd  abwesenden  Bischof 
Johannes  von  Watteville,  Zinzendorfs  Schwiegersohn,  aus- 
gestellte lateinische  Vollmacht,  d.  d.  Westmouasterii  Cal. 
Jul.  St.  v.  1748,  von  welcher  die  Kommission  aber  nur 
Kopie  nehmen  durfte  *^). 

Von  vornherein  war  der  „Ordinarius'*  darauf  bedacht, 
zu  verhüten,  dass  die  kommissarische  Untersuchung  nicht 
ausschliesslich  den  inquisitorischen  Charakter  trage,  den 
ihr  die  Instruktion  aufprägen  wollte.  Es  sollte  dem 
wenigstens  auch  Rechnung  getragen  werden,  dass  er 
und  seine  Brüder  das  Material  zur  Prüfung  seiner  Person 
und  seines  Werkes  vorzulegen  sich  aus  freien  Stücken 
erboten  hatten.  Zu  dem  Ende  hatte  er  zunächst  noch 
vor  Eröffnung  der  Konnnission  durch  Köber,  welcher  in 
den  folgenden  Tagen  die  Verhandlungen  mit  dem  Vor- 
sitzenden Graf  Holtzendorf  ausserhalb  der  Sitzungen 
führte,  diesem  eine  Bewillkommnungsschrift  übergeben 
lassen  und  ihr  etliche  von  seinen  und  den  Gegnern  ge- 
druckte Schriften  beigelegt '^^).  Jetzt  erklärte  er  sich  in 
einer  Hausandacht  am  Morgen  des  30.  Juli,  in  Gef>en- 
wart  von  Holtzendorf,  Heydenreich  und  Leyser,  sowie  der 
in  Hennersdorf  anwesenden  Brüder  unter  anderm  über  seine 
und  ihre  Stellung  zur  Augsburgischen  Konfession.  Die 
Mährischen  Brüder  hätten  sich  schon  längst  und  aller 
Orten  zu  ihr  bekannt.  Auch  gegenwärtig  handele  es  sich 
nicht  um  Annahme  dieses  Bekenntnisses,  sondern  dieses 
sei,  wie  das  Kommissoriale  beweise,  ein  Suppositum  bei 
ihrer  Aufnahme  in  Sachsen.  Letztere  sei  niciit  von  ihnen, 
sondern  vom  König  gewünsclit  worden.  Dagegen  hätten 
sie  die  Untersuchung  begehrt,  und  würde  auch  von  den 
ernannten  Bevollmächtigten  vor  der  Kominission  nichts 
gesagt  werden,  was  man  nicht  schon  10  — 12  Jahre  laug 
unter  den  Brüdern  gedacht  und  geredet  habe.  Dabei 
erklärte  sich  Zinzendorf  selbst  für  einen  strikten  Luthe- 
raner, der  in  den  Ausdrücken  des  Konkordicnbuchs  sprechen 


^')  S.  Körner  1.  c.  Anm.  108. 

")  S.  dies.  Loc.  4612.  G.  K.-A.  1718  sqq.  fol.  67  Aü;.  und  die 
dazu  gehörenden   Registraturen,  fol.   65  \\<x.  und  (;9.  —  ürijr.  i.  U.-A. 

**)  S.  die  Schrift  im  Auszug  mit  Angabe  der  Gegenschriften 
bei  Spangen  berg,  Darlegung  richtiger  Antworten  etc.  (Leipzig 
und  Görlitz  1751),  'J49  tlg.  Beil.  T. 


lö"* 


292  F-  S.  Hark: 

könne,  was  er  von  seinen  grossentheils  aus  andern  Reli- 
gionen stammenden  Mitbrüdern  nicht  erwarte  ^*).  Ferner 
setzte  er  es  durch,  dass  Holtzendorf  eine  von  ihm  verfasste 
„Hauptsclu-ift"  von  94  Folioseiten,  die  er  nach  beendeter 
Kommission  ad  Acta  geben  wollte,  nebst  2  Volumen 
Akten  als  Beilagen  annahm,  und  ein  Theil  von  ihr  noch 
denselben  Tag  der  Kommission  von  Graf  Gersdorf  vor- 
gelesen wurde  ^*).  Auch  die  Beilagen  nahm  man  später 
auf  Zinzendorfs  Drängen  zur  Hand.  Das  war  aber  auch 
alles,  was  er  erreichte.  Die  Kommissarien  wollten  ihrem 
llauswirth  gegenüber  nicht  unhöflich  erscheinen,  aber 
weder  hörten  sie  der  auch  später  fortgesetzten  Vorlesung 
seiner  Schrift  aufmerksam  zu,  noch  nahmen  sie  eine  mehr 
als  oberflächliche  Einsicht  von  den  beigelegten  Akten, 
und  noch  weniger  war  das  eine  oder  das  andere  von 
irgend  welcher  Bedeutung  für  den  Gang  und  das  Er- 
gebnis der  Untersuchung.  Die  Kommission  hielt  sich 
bei  derselben  ausschliesslich  an  ihre  Instruktion,  und 
musste  es  thun. 

Die  eigentliche  Arbeit  begann  damit,  dass  die  in 
§  3 — 53  enthaltenen  Fragen  zur  schriftlichen  Beantwort- 
ung an  die  Deputierten  übergeben  wurden.  Zinzendorf 
war  dazu  willig,  verlangte  aber,  dass  jeder  Punkt  auf 
einen  besonderen  Bogen  geschrieben  würde,  weil  sich  ver- 
niuthlich  viele  „Consistorialia  und  präjudicierliche  Expres- 
sionen" darin  fänden  und  kein  Bruder  sie  würde  ab- 
schreiben wollen.  So  könne  er  aber  die  Antworten  zu 
beiderseitiger  Zufriedenheit  danebensetzen.  Wie  er  damit 
gegen  die  Instruktion  gleichsam  protestierte,  so  verlangte 
er  in  einem  Promemoria  die  Abänderung  einiger  Fragen, 
die  nach  Form  und  Ausdruck  eine  Beschuldigung  in  sich 
schlössen.  Man  kam  darin  seinem  Begehren  ebenfalls 
nach,  weil  man  auch  auf  anderm  Wege  darüber  die 
nöthige    Erkundigung    einziehen    könne "").     Da  nachmit- 

**)  Damit  kontrastiert  freilich  sehr  eine  iiocli  im  Januar  1748 
von  ihm  gethane  Äusserung:  er  halie  nichts  mit  der  Form.  Concord, 
zu  thun;  sie  sei  ein  Gaukelspiel  und  habe  den  Zweck  gehabt,  den 
Kurfürsten  von  Sachsen  oder  seinen  Oberhofprediger  zum  Chef  der 
Religion  zu  machen  etc. 

*^)  Diese  „Hauptschrift"  ist  identisch  mit  der  oben  erwähnten 
Deduktion;  s.  die  Angabe  ihres  Inhalts  bei  Spangenberg  in 
Zinzendorfs  Leben  1746  Hg.  Mit  wenigen  Abänderungen  ist  sie 
al)gedruckt  in  „Barbysche  Sammlungen"   (1760),  erste  Sammlung,  I. 

*")  Eine  Frage  lautete:  „Ob  nicht  in  denen  Privatzusammen- 
künften und  Banden  vielnial  ärgerliche  Dins:e  und  Excesse  vorgehen?" 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    293 

tags  (31.  Juli)  den  Konimissarien  nichts  vorlag',  so  be- 
suchten sie  das  benachbarte  Herrnhut,  um  ,.von  dortiger 
Einrichtung,  Beschaffenheit  und  Anstalten  Erkundigung 
einzuziehen'"'.  Gegen  einen  Besuch  daselbst  hatte  Zinzen- 
dorf nie  etwas  einzuwenden  gehabt,  nur  sollte  keine  Unter- 
suchung dieser  Gemeine  vorgenommen  werden.  Doch 
wollte  er  alles  Aufsehen  vermieden  wissen  und  Aktuar 
Kersten  musste  deshalb  zurückbleiben.  Von  ihm  selbst 
begleitet  fuhren  sie  hin  und  fanden  die  kurz  vorher  aus 
Berlin  angekommene  Gräfin  von  Zinzendorf  vor.  Ausser- 
dem nahmen  sie  dies  und  jenes  in  Augenschein,  wohnten 
auch  einem  Kindergottesdienst  und  einer  Abendandacht 
bei  und  „fanden  alles  in  guter  Ordnung".  Den  drei  Her- 
ren, welche  schon  1736  als  Konmiissarien  in  Herrnhut 
gewesen  waren,  entging  es  nicht,  dass  der  Ort  seitdem 
stark  angewachsen  war  und  sich  verschiedene  adlige 
Familien  inzwischen  liier  niedergelassen  hatten^').  Am 
1.  August  hatte  Zinzendorf  die  Beantwortung  der  vor- 
gelegten 51  Fragen  vollendet  und  las  sie  den  Brüdern 
vor.  Nach  ertheilter  Zustimmung  wurden  sie  untersiegelt, 
von  den  Deputierten  unterzeichnet  und  abgegeben.  Sic 
betrafen  vorzugsweise  Lehre, Gottesdienst, Leben  und  dergl., 
hatten  also  vor  allem  theologische  Bedeutung,  so  dass  es 
bei  ihrer  Beurtheilung  hauptsächlich  auf  die  Ansicht  der 
Theologen  unter  den  Konimissaricn  ankommen  musste. 
Aber  diese  hatten  von  der  Brüdergemeine  sehr  geringe 
Kenntnis.  Dr.  Hermann  besass  noch  am  meisten  infolge 
der  ihm  von  Zinzendorf  und  Köber  in  Dresden  gemachten 
Mittheilungen.  Wäre  er  noch  vor  Zusammentritt  der 
Kommission  nach  Herrnhut  und  Hennersdorf  gekonnnen, 
wie  er  jrebeten  war,  so  hätte  er  nocli  mehr  Einblick  in 
den  Charakter  der  Gemeine  haben  erlangen  können. 
Die  akademischen  Theologen  Weickhmann  und  Teller 
hatten,  ehe  sie  nach  Hennersdorf  abgereist  Avaren,  offen 
bekannt,  „von  den  mährischen  Kirchenumständeu  nicht 
sattsam  informiert  zu  sein".  Gleichwohl  hatte  der  letztere 
vor  kurzem  bei  (Gelegenheit  einer  unter  seinem  Vorsitz 
gehaltenen  Dissertation  sich  gegen  Zinzendorf  mindestens 
präoccupiert  gezeigt.      Weicklniianii   wird  von  Zinzendorf 


und  wurde  so  gestaltet:  „Ob  in  iliien  etc.  nichts  anderes,  als  was 
zur  Erbauung  im  Christenthuin,  auch  sonst  zu  guter  Zucht  und 
Ordnung  gehörig,  vorgehe  und  vorgehen  könne". 

*')  S.  die  besondere  Registratur  von  dicscni  besuch  .^ct.  Conim. 
1748  II,  fol.  6  Hg.;  den  aust'ührliclieren  Ik'riclit  im  U.-A. 


294  F..S.  Hark: 

charakterisiert  als  ,,jung,  in  metliocio  unerfahren,  in  seinen 
scholastischen  Ideen  so  entfernt  von  unserer  Art  zu  den- 
ken und  zu  reden,  dass  wir  einander  niemals  verstehen**)". 
Ausserdem  galt  es  ihm  und  den  Brüdern  für  ausgemacht, 
beide  müssten  schon  aus  Rücksicht  auf  ihre  Kollegen 
daheim  als  Gegner  auftreten  und  dürften  keine  günstige 
Meinung  von  jenen  nach  Hause  bringen.  Mag  dies  auch 
auf  sich  beruhen,  so  viel  ist  gewiss,  dass  man  von  solchen 
Männern  voraussetzen  muss,  sie  seien  nicht  im  Stande 
gewesen,  mit  ihrer  einseitig  wissenschaftlich  theologischen 
Professorensonde  den  Grund  einer  Gemeinschaft  zu  er- 
forschen, bei  der,  trotzdem  dass  sie  eine  Anzahl  tüchtiger 
Gelehrter  in  ihrer  Mitte  hatte,  das  Christenthum  mehr  als 
bei  anderen  gerade  nicht  in  Theologie,  d.  h.  in  theoretischer 
Erkenntnis,  sondern  im  Gegensatz  zu  der  damals  herr- 
schenden Richtung  in  einer  wirklich  lebendigen  Gemein- 
schaft mit  Gott  und  Christus  bestand.  So  w^r  denn  auch, 
zumal  in  der  gegenAvärtigen  Zeit,  die  Ausdrucksweise  der 
Brüder  von  derjenigen  der  Schule  so  verschieden,  dass, 
wer  sie  nicht  gründlich  kannte,  kaum  fähig  war,  sie  recht 
zu  verstehen.  Graf  Gersdorf  v/usste  das  und  hatte  darum 
schon  eine  Woche,  ehe  die  Kommission  anlangte,  Zinzen- 
dorf  gerathen,  „sich  ratione  doctrinalium  deutlich  und 
soviel  möglich  in  denen  terminis,  die  in  älteren  Zeiten 
gewöhnlich  gewesen,  zu  explicieren",  um  nicht  den  Glauben 
zu  erwecken,  man  sei  eine  Sekte,  die  „abominable  Sachen 
enthielte  und  bei  ihrem  Gottesdienst  infame  Sachen  sänge, 
wie  solches  die  Königin  gegen  die  Gräfin  R.  gesaget". 
Er  fand  aber  kein  Gehör,  sondern  erhielt  von  seinem 
Freunde  die  Antwort,  er  werde  um  der  Kommission  willen 
kein  Jota  an  seinen  Prinzipien  ändern  oder  anders  ein- 
kleiden. Auf  hoher  oder  niederer  Weiber  Geschwätz, 
das  unvermeidlich  sei,  mache  er  keine  Reflexion.  Dem 
entsprechend  waren  auch  die  51  Antworten  abgefasst 
worden  und  ausserdem  Holtzendorfs  Avohlgemeintem  Rath 
zuAvider  zum  Thcil  sehr  ausführlich.  Zur  Kritik  war 
dadurch  umsomehr  Gelegenheit  geboten.  In  einem  vor- 
angestellten Promemoria  griff  Zinzeudorf  aber  sogar  die 
Kommission  selbst  an,  indem  er  gegen  diese  Art  von 
Untersuchung  die  Brüder  protestieren  Hess.  So  war 
vorauszusehen,  dass  weder  mit  der  Übergabe  der  Ant- 
worten die  Verhandlungen  der  Hauptsache  nach  zum  Ab- 


*')  An  Hennicke,  4.  August  1748. 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    295 

schluss  gebracht  sein,   noch  sie  einen  ungestörten  Verlauf 
nehmen  würden*^). 

Ihres  Gegenstandes  halber  wurden  die  51  Erklär- 
ungen zuerst  von  den  Theologen  allein  durchgegangen. 
Dann  lasen  die  übrigen  Konunissarien  dieselben,  und  end- 
lich beriethen  beide  Theile  darüber.  Dabei  fand  man 
mehrere  Punkte,  die  eine  weitere  Erläuterung  erforderten. 
Um  diese  zu  geben,  erschien  Zinzendorf  nlich  Verab- 
redung mit  nur  zwei  Bevollmächtigten,  David  Nitschmann 
und  dem  „Consultor  Tropi  Lutherani"  Mag.  Steinhofer  am 
Vormittag  des  3.  August.  Über  den  neuen  Fragen  und 
Antworten  drohte  es  aber  zum  Konflikt  zu  kommen, 
indem  Nitschmann  gegen  die  auf  Subtilitäten  hinaus- 
laufenden Einwendungen,  namentlich  Weickhmanns,  Pro- 
test erhob.  Obgleich  die  Kommission  nichts  ohne  Vor- 
schrift thun  werde,  so  habe  man  in  Dresden  nicht  gehört, 
dass  solcherlei  des  Königs  Absicht  sei.  Auch  wäre  es 
ungewiss,  ob  die  Brüder  mit  ihres  Ordinarii  jetzt  ertheilten 
Erklärungen  zufrieden  sein  iind  sie  approbieren  wollten. 
Dem  gegenüber  berief  sich  die  Kommission  auf  ihren 
Auftrag  und  auf  die  undeutliche  Fassung  der  Antworten, 
Doch  könnten  die  Brüder  sich  nach  Belieben  ad  Acta 
erklären,  da  man  dann  neue  Verhaltungsbefehlc  einholen 
würde.  Gleichwohl  gab  Holtzendorf  dem  Dr.  Weickh- 
mann  eine  Erimierung  Avegen  seines  Benehmens,  sodass 
nachher  „die  Verhandlungen  viel  moderater  und  anstän- 
diirer  ausfielen"  **"). 


'o 


)' 


Zinzendorf  war  andererseits  verständig  genug,  sich 
zu  weiteren  Ei'läuterungen  bereit  zu  finden,  und  gab  diese 
nachmittags  um  5  Uhr  ohne  Zwischenfall.  An  Nitschmanns 
Stelle  war  der  Direktor  des  theologischen  Seminariums 
Layriz  dazu  erschienen.  Da  ersterer  am  5.  eine  gemässig- 
tere  Fassung  seiner  ^Äusserung  zu  Protokoll  gab,  so  war 
es  auch  nicht  mehr  nöthig,  dass  sich  die  andern  Depu- 
tierten noch  speziell  über  die  weitereu  Antworten  ihres 
Ordinarii  ad  Acta  erklärten.  Der  Abend  des  Tags  (3.  August) 
hatte  einen  friedlichen  Ciuirakter.  Zur  Feier  des  königl. 
Namenstags  versanimcilte  man  sich  beiderseits  im  Schloss- 
garten zu  Musik  und  Illumination  bis  Mitterniicht.  Zinzen- 
dorf scheint  aber  nicht  dabei  gewesen  zu  sein.  Zur  Tafel 
kam  er  niclit,  wie  er  auch  sonst  nie   mit    den  Kominissa- 


*»)  S.  die  51  Fragen  und  Antworten  Act.  Comui.  1748,  111. 
»")  Das  Protokoll  erwähnt  davon  nichts. 


296  F-  S.  Hark: 

rien  speiste  und  überhaupt,  nach  seinem  bei  Untersuchungen 
befolgten  Grundsatz,  privatim  nicht  mit  ihnen  verkehrte. 

Dass  Zinzeudorf  im  allgemeinen  von  dem  bisherigen 
Verlauf  der  kommissarischen  Geschäfte  befriedigt  war, 
spricht  er  in  dem  oberwähnten  Brief  an  Hennicke  aus, 
den  er  Sonntags,  den  4.  August  schrieb  und  in  dem  er 
die  einzelneu  Kommissarien  vorwiegend  günstig  charak- 
terisiert. Dagegen  erfidir  man  durch  Graf  Gersdorf  an 
dem  nämlichen  Tage,  dass  die  Herren  Theologen  verstimmt 
wären,  ihre  Bedenken  nicht  weiter  kund  geben  wollten 
und  die  Ertheilung  eines  Gutachtens  in  causa  fratrum 
vielleicht  verweigern  würden.  Um  dem  vorzubeugen,  be- 
gab sich  Köber  sogleich  zu  Heydenreich  und  Holtzendorf 
imd  fand  beide  billig  und  wohlwollend.  Nur  wollte  ersterer 
in  das  Bekenntnis  zur  Augsburgischen  Konfession  auch 
die  Apologie  eingeschlossen  wissen,  und  rechnete  Barby 
seltsamerweise  zu  den  alten  Erblanden.  Holtzendorf  be- 
stätigte das  über  die  Theologen  Vernommene,  meinte 
aber^  es  werde  sich  alles  noch  gut  gestalten,  wenn  Zinzen- 
dorf  zu  noch  mehr  Erläuterungen  willig  sei,  und  versprach, 
selbst  mit  ihnen  zu  reden.  Am  Nachmittag  ging  Her- 
mann mit  Teller  und  Weickhmaun  nach  Herrnhut.  Zinzeu- 
dorf hatte  dazu  aufgefordert  und  war  ihnen  voraus- 
gegangen. Sie  hörten  ihn  hier  mehrere  Reden  halten,  unter 
andern  an  die  ledigen  Schwestern  und  Eheleute,  zu  denen 
er  „von  dieser  Chöre  Plan  und  Grundprinzipiis  so  deutsch 
und  positiv  redete,  dass  man  sich  wundern  musste".  Auch 
Weickhmann  wunderte  sich  und  Hess  seinen  Anstoss  später 
laut  werden. 

Holtzendorf,  der  Vorsitzende  der  Kommission,  war 
bisher  stets  bemüht  gewesen,  die  Gegensätze  zu  mildern, 
und  suchte  auch  ferner  die  Verhandlungen  zu  einem 
fj-ünstio-en  Resultate  kommen  zu  lassen.  Am  folgenden 
Morgen  (5.  August)  zeigte  er  Köber  gegenüber  em  gleiches 
Bestreben,  indem  er  Zinzendorf  ersuchen  Hess,  sich  noch 
weiter  über  unklare  Punkte  zu  äussern.  Er  selbst  wünsche 
ihn  und  die  Brüder  für  ortiiodox  erklärt  zu  sehen  und 
habe  das  auch  den  Theologen  gesagt.  Die  Kommission 
sei  nicht  zum  Verketzern  da;  das  hätten  andere  schon 
hinreichend  gethan  u.  s.  w.  In  der  That  wurden  Zinzen- 
dorf wiederum  etliche  „Monita"  zugestellt,  welche  er  nach- 
mittags in  Begleitimg  von  4  Bevollmächtigten  olme  An- 
stand beantwortete.  So  schien  man  dem  Ziel  nicht  mehr 
fern  zu   sein,    aber  unvermuthet    kamen    neue  Störungen. 


Des  Grafen  von  Zinzemlorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    297 

Köber  liörte  nämlich  nach  der  letzten  Sitzung  von  Graf 
Gersdorf,  dass  das  kommissarische  Gutachten  zwar  in 
Hennersdorf  entworfen,  der  Bericht  aber  in  Dresden  ge- 
macht werden  sollte.  Zinzendorf  hatte  dagegen  die  Aus- 
fertigung beider  in  loco  begehrt  und  schon  vorher  (2.August) 
deshalb  an  Holtzendorf  geschrieben.  Die  Nacliricht  vom 
Gegentheil  steigerte  seinen  Unwillen,  den  er  bereits  vor 
Empfang  derselben  über  den  bisherigen  Gang  der  Ver- 
handlungen empfand,  da  man  aclit  Tage  mit  einem  Exa- 
men über  theologische  Subtilitäten  zugebracht  hätte,  ohne 
dass  es  zur  Einsicht  der  Akten  gekommen  wäre,  auf  die 
es  am  meisten  zur  Erreichung  des  Hauptzweckes  ankomme. 
Seine  Mitbevollmächtigten  stimmten  ihm  bei.  Auf  An- 
rathen  des  Grafen  Gersdorf,  dagegen  Vorstellung  zu  thun, 
begaben  sich  abends  zunächst  Köber  und  Nitschmann  zu 
Holtzendorf.  Mit  diesem  kamen  sie  scharf  aneinander, 
namentlich  Nitschraann,  der  eine  gewöhnliche  kommissions- 
artige Behandlung  auf  die  Mährischen  Brüder  nicht  pas- 
send fand.  Sie  wären  Ausländer  und  begehrten  ihrerseits 
nichts  von  Sachsen.  Beide  beschwerten  sich  über  die 
theologischen  Subtilitäten  und  verlangten,  man  solle  die 
Sache  nicht  länger  durch  sie  aufhalten.  Vielmehr  möchten 
die  Theologen  nach  den  mehr  als  nöthigen  Auseinander- 
setzungen der  Brüder  bezeugen,  ob  sie  diese  der  Augs- 
burgischen Konfession  gemäss  fänden  oder  nicht.  Holtzen- 
dorf erwiderte,  es  seien  nur  noch  wenig  dubia  übrig,  die 
bald  gehoben  werden  sollten.  ^  Zu  einer  Erklärung  aber, 
wie  man  sie  von  den  Theologen  begehre,  wären  diese  nicht 
befugt.  Die  Akten  durchzugehen,  hätten  die  Konnnissa- 
rien keinen  Auftrag,  auch  habe  es  an  Zeit  gefehlt.  Was 
die  Ausfertigung  des  Berichts  betreffe,  so  werde  man  sie 
nochmals  in  Überlegung  nehmen.  Obgleich  Holtzendorf 
kaum  einen  anderen  Bescheid  geben  konnte,  so  war  Zinzen- 
dorf doch  noch  nicht  zufrieden  gestellt.  Ein  von  ihm 
inzwischen  im  Namen  der  Deputierten  aufgesetztes  Me- 
morial wurde  zwar  noch  nicht  vollzogen,  aber  doch  am 
nächsten  Tag  in  aller  Frühe  dem  Prinzipalkommissar  von 
Wattewille  und  Köber  zur  vorläufigen  Einsicht  überbracht. 
Sein  Inhalt  machte  Holtzendorf  nicht  wenig  betreten,  denn 
es  enthielt  „inconveniente  Ausdrückungen  gegen  die  Kom- 
mission" und  liess  sich  besonders  scharf  gegen  die  Theo- 
logen  aus®^).     Nachdem    er    es    den    Konnnissarien,    mit 


*')  Zinzendorf   und   etliclic    Intherissche   Tlieologeii,    heisst   es 


298  F.  S.  Hark: 

Ausschluss  der  beiden  Professoren,  mitgetlieilt  liatte,  gab 
er  nach  gemeinsamen  Beschkiss  die  Schrift  an  Watteville 
zurück  mit  dem  Bemerken,  es  bleibe  den  Brüdern  über- 
lassen, ob  sie  dieselbe  unterschreiben  wollten.  Die  Kom- 
mission habe  bisher  nicht  anders  handeln  können,  und 
nicht  sie,  sondern  Zinzendorf  trage  die  Schuld  am  Verzug. 
Übrigens  seien  die  theologischen  Punkte  nun  beendet  und 
es  gelte  anderes  zu  besprechen. 

Dass  ein  solches  Auftreten  Zinzendorf's  nur  nacli- 
theilig  wirkte,  ist  leicht  zu  begreifen.  Die  Kommissarien 
Avaren  darüber  sehr  alarmiert.  Als  sie  abends  von  Zittau, 
wohin  sie  noch  an  demselben  Tage  gefahren  waren,  zurück- 
kehrteu;  erfuhr  man  durch  Graf  Gersdorf,  alle  wären 
jetzt  den  Brüdern  abgeneigt,  selbst  der  Oberhofprediger 
fände  die  Erklärungen  der  Deputierten  nicht  der  Augs- 
burgischen Konfession  gemäss.  Andererseits  wollte  Zinzen- 
dorf nicht  nachgeben.  Die  Tlieologen  verdienten  als  unver- 
ständige  und  unlautere  Leute  nicht,  dass  man  sich  noch 
weiter  mit  ihnen  einlasse.  Köber  eilte  daher  am  folgenden 
Morgen  (7.  August)  zu  Holtzendorf,  den  er  „ganz  deconte- 
nanciret"  fand.  Auch  der  Oberhofprediger  war  missver- 
gnügt. Nur  von  Loben  und  Hofrath  Leyser  ( —  nach 
Zinzendorf  „ein  alter  Thomasius"  — )  zeigten  sich  „den  Brü- 
dern geneigt".  Das  genannte  Memorial  hatte  Zinzendorf 
aber  zurückgelegt,  und  noch  am  vorhergehenden  Tage  — 
wie  Köber  angiebt,  auf  Holtzendorfs  Rath  —  ein  anderes 
entworfen,  das  in  der  nächsten  Sitzung  der  Kommissarien 
zur  Besprechung  kam  ^^).  Es  enthielt  die  zwei  Petita; 
den  Bericht  in  loco  abzufassen  und  ihm  die  wesentlichsten 
Punkte  aus  demselben  zur  Information  mitzutheilen.  Das 
erstere  gewährte  man,  das  letztere  musste  man  selbst- 
verständlicli  abschlagen.  Sodann  ward  Kersten  zu  dem 
Ordinarius  mit  dem  Ersuchen  abgeschickt,  die  sämtlichen 


darin,  stünden  schon  8  Tage  lang  ein  examen  rigorosum  aus,  als  ob 
sie  Doctores  auf  einer  Universität  -werden  sollten.  Auch  wird  auf 
die  schon  oben  erwähnte  Erklärung  der  beiden  Holländer  van  Laer 
und  Schellinger  hingewiesen  (p.  213)  und  gerügt,  dass  das  Gesuch, 
sich  mit  ihnen  zu  vernehmen  (s.  Anm.  42),  unbeachtet  geblieben  sei. 
Die  statt  dessen  den  Brüdern  vorgelegten  51  „meist  in  lauter  Trans- 
sumten  aus  schlechten  Schriften  gegen  uns  bestehenden  Fragen" 
hätten  dieselben  so  eft'arouchiert,  dass  sie  sich  auf  nichts  einlassen 
wollen,  sondern  abgereist  seien.  (Eine  besondere  Registratur  vom 
7.  August  —  Act.  Coram.  17481,  93  —  hat  offenbar  den  Zweck,  nach- 
zuweisen, wie  die  Kommission  keine  Gelegenheit  hatte,  sich  mit  den 
genannten  zu  vernehmen.) 

")  Das  Orig.  Act.  Comm.  1748  I,  fol.  97. 


Des  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc,     299 

Deputierten  die  von  ihm  am  3.  und  5.  August  gegebenen 
Erläuterungen  coram  commissionc  agnoscieren  zu  lassen. 
Die  ertheilte  Antwort,  „er  wolle  es  ihnen  sagen,  mehr 
könne  er  nicht  tliun",  verrieth,  dass  sich  das  UnAvetter 
noch  nicht  zertheilt  hatte.  Zwar  erschienen  die  Depu- 
tierten in  Bälde,  aber  ohne  Zinzendorf  und  ohne  sich  auf 
ihre  Plätze  zu  setzen.  Mit  Erlaubnis  der  Kommission 
las  Layriz  vielmehr  eine  von  Zinzendorf  aufgesetzte  Dekla- 
ration aller  Bevollmächtigten  ab,  des  Inhalts:  „sie  de- 
precirten  alle  fernere  Einlassung,  wenn  sich  nicht  prae- 
liminariter  die  Herren  Theologi  erklärten,  entweder 
durch  die  bisherigen  Antwortungen  über  der  Brüder  Con- 
formität  mit  der  Augsburgischen  Konfession  satisfacirt  zu 
sein,  oder  ihren  dubiis  so  lange  zu  insistiren,  bis  ihr 
silentium  einer  dergleichen  Deklaration  äquipoUent  von 
den  Brüdern  angenommen  werden  könnte".  Denn  falls 
man  ihre  Augsburgische  Konfessions- Verwandtschaft  nicht 
wolle  anerkennen,  was  doch  schon  für  Herrnhut  im  Re- 
skript vom  7.  August  1737  geschehen  sei,  so  lehnten  sie 
alle  weitere  Aufnahme  ab ;  vielmehr  sei  dann  die  Emi- 
gration der  noch  in  Herrnhut  wohnenden  Mährischen 
Brüder  zu  erwarten,  und  die  hohe  Kommission  brauche 
sich  nicht  Aveiter  mit  ihnen  zu  bemühen.  Diese  Erklärung 
wurde  unterschrieben  und  ad  acta  gegeben  '^^).  Ehe 
man  sich  aber  trennte,  bemerkte  Steinhofer,  Zinzendorf 
und  er  wären  bereit,  sich  noch  weiter  auf  etwa  übrig- 
gebliebene Zweifel  an  der  Brüder  Konformität  mit  der 
Augsburgischen  Konfession  einzulassen,  bis  keine  mehr 
übrig  seien,  jedoch  nur  auf  Grundlage  dieses  Bekennt- 
nisses mit  Ausschluss  der  anderen  symbolischen  Bücher. 
Der  Grund,  weshalb  Zinzendorf  die  Sache  auf  diese 
Spitze  trieb,  ist  Avohl  darin  zu  suchen,  dass  er  nicht  über 
die  Etablierung  der  Brüder  in  Sachsen  irgend svie  ver- 
handeln wollte,  ohne  dass  die  Anerkennung  ihna-  Augs- 
burgischen Konfessions- Verwandtschaft  fest  stehe.  Letz- 
teres schien  nach  dem  Bisherigen  aber  noch  ungewiss,  und 
doch  stand  die  Erörterung  der  mit  der  Aufnahme  in  engster 
Verbindung  stehenden  Punkte  jetzt  nahe  bevor.  Indes 
hätte  sein  Verfahren,  wodurch  sich  die  betroffenen  Per- 
sönlichkeiten verletzt  fühlen  mussten,  leicht  seiner  Sache 
schaden,  ja  wohl  gar  einen  verhängnisvollen  Bruch  zur 
Folge  haben  können.     Dass  ein  solcher  vermieden  wurde 


")  S.  Act.  Comm.  1748  I,  fol.  99  flg. 


300  F.  S.  Hark: 

und  nüchterne  Besonnenheit  den  Sieg  über  das  beleidigte 
Gefühl  davon  trug,  ist  zunächst  dem  Vorsitzenden  der 
Kommission  zu  verdanken.  Letztere  ging  nämlich  avif 
Steinhofers  Anerbieten  ein  und  verlangte  nur  die  Aus- 
stellung einer  Vollmacht  für  ihn  und  Zinzendorf.  Auch 
kam  sie  den  Wünschen  der  Brüder  darin  nach,  dass  zwei 
Volumen  Akten,  soweit  es  möglich  war,  durchgesehen 
wurden.  Die  noch  vorhandenen  dubia  wurden  schrift- 
lich mitgetheilt,  um  noch  aus  der  Augsburgischen  Kon- 
fession entschieden  zu  werden.  In  der  Sitzung  um  6  Uhr 
erfolgte  ihre  Beantwortung  '^^).  Vorher  hatte  Holtzendorf 
in  einer  Ansprache  die  Theologen  ermahnt,  alles  Partei- 
Interesse  ausser  Acht  zu  lassen.  Zinzendorf,  der  nicht 
hier  zum  Ketzer  gemacht  werden  solle,  müsse  alle  Ge- 
rechtigkeit geschehen.  Dieser  aber  forderte  sie  am  Schluss 
nochmals  auf,  falls  sie  noch  mehr  Zweifel  hätten,  dieselben 
ja  zu  eröffnen,  denn  bei  irgend  welchem  Verdacht  gegen 
ihre  Augsburgische  Konfessionsmässigkeit  könne  aus 
einer  Niederlassung  in  des  Königs  Landen  nichts  werden. 
Nun  war  endlich  die  theologische  Untersuchung  mit  ihren 
viel  beklagten  „Subtilitäten"  beendet.  Am  folgenden  Tag 
(8.  August)  gaben  nur  noch  sämtliche  Deputierte  ihre 
Zustiunnung  zu  den  protokollarisch  verzeichneten  Ant- 
worten vom  3.,  5.  und  7.  August  ad  acta.  Nachdem 
dies  geschehen  war,  beantragte  aber  Zinzendorf  nochmals 
eine  förmliche  Deklaration  von  seiten  der  Theologen,  die 
ebenfalls  ad  acta  zu  geben  sei,  dass  sie  ihn  und  seine 
sämtlichen  Brüder  „nunmehro  vor  Augsburgischer  Kon- 
fession massig  erkenneten",  sonst  würden  sich  die  Depu- 
tierten in  gar  nichts  wieder  einlassen.  So  schien  man 
wieder  auf  dem  alten  Fleck  zu  stehen.  Die  Kommission 
konnte  ihm  darin  nicht  nachgeben;  auch  machte  sie  da- 
rauf aufmerksam,  dass  die  begehrte  Anerkennung  nicht 
von  der  Kommission,  die  nur  zu  berichten  habe,  sondern 
nur  von  königlicher  Entschliessung  abhinge.  Zum  Glück 
begnügte  sich  Zinzendorf  mit  der  Erklärung,  welche  ihm 
Holtzendorf  mit  Hinzuziehung  des  Oberamts-  und  des 
Landeshauptmanns  noch  während  der  Sitzung  in  einem 
Nebenzimmer  gab;  sie  alle  drei  glaubten  nicht,  dass  man 
bei  Abfassung  des  Berichts  gegen  der  Brüder  Bekenntnis 


*')  Zinzendorf  berief  sich  liier  und  sonst  stets  auf  die  deutsche 
Ausgabe  der  Augsburgischen  Konfession,  als  die  eigentlich  authen- 
tische, denn  sie  und  niclit  die  lateinische  sei  auf  dem  Reichstag, 
als   Bekenntnis  der  Evangelischen  vorgelesen  worden. 


Des  Grafen  von  Zinzentlorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    301 

zur  Augsburgischen  Konfession  viel  einwenden  würde.  Auch 
die  übrigen  Punkte  der  Instruktion,  welclie  Zinzendorf 
früher  so  bedenklich  gefunden  hatte,  weil  sie  Anweisungen 
enthielten,  welche  Stellung  die  Mäiirischen  Brüder  nach 
ihrer  Aufniihme  im  Lande  gegenüber  den  syiubolischen 
Büchern,  den  Landes-  und  Kirchengesetzen,  dein  Recht 
und  Amt  der  Obrigkeit  einzunehmen,  was  für  eine  Bibel- 
übersetzung, Agende,  Katechismus  etc.  sie  zu  gebrauchen 
hatten,  wer  zu  Geistlichen  angestellt  Averden  sollte  u.  s.  w., 
wurden  „ohne  viel  Widerspruch"  noch  in  derselben  Sitz- 
ung abgethan.  Die  Arbeit  schien  im  Frieden  zum  Schhiss 
gekommen  zu  sein.  Allein  der  Friede  sollte  nochmals 
ernstlich  bedroht  werden. 

Die  Kommission  hatte,  wie  wir  wissen,  zwei  zur 
schriftlichen  Beantwortung  aus  der  Instruktion  vorgelegte 
Fragen  ändern  müssen,  weil  Zinzendorf  Anstoss  daran 
nahm.  Doch  glaubte  sie  verptliclitet  zu  sein,  über  den 
ursprünglichen  Inhalt  auf  anderem  Wege  sich  Auskunft  zu 
verschaffen.  Nun  lebten  in  Hennersdorf  zwei  Personen, 
die  früher  zur  Herrnhuter  Gemeine  gehört,  sich  dann 
aber  im  Unfrieden  von  ihr  getrennt  hatten,  einer  namens 
Kühnel,  der  andere  Augustin  Neisser,  ein  Messer- 
schmied, welcher  mit  seiner  und  seines  Bruders  Familie 
der  erste  Emigrant  aus  ]\lähren  und  der  erste  gewesen 
war,  der  sich  in  Herrnhut  angebaut  hatte.  Au  diese 
wandte  man  sich  in  erwähnter  Absicht  und  um  zugleich 
in  Geraässheit  des  geheimen  Inserats  von  Herrnhut  einige 
vorläufige  Nachrichten  über  Herrnhut  einzuziehen.  Neisser 
war  schon  am  L  August  unter  dem  Vorwande,  man  wolle 
Messer  von  ihm  kaufen,  in  das  Schloss  gerufen  und  von 
Holtzendorf,  Loben  und  Ileydenreich  verhört  worden. 
Die  ihm  vorgelegten  Fragen  Avaren  zum  Theil  für  die 
Brüder  äusserst  ehrenrührig,  z.  B.  ob  in  deren  Zusammen- 
künften oder  bei  den  Liebesmahlen  oder  beim  Spazieren- 
gehen im  Walde  nicht  Exzesse  mit  Weibsleuten  vor- 
o-ingen,  und  ob  sich  bei  dem  sogenannten  Liebeskuss  nach 
dem  Abendmahl  die  Geschlechter  promiscue  küsstcn? 
Der  Befragte  gab  aber  einen  Bescheid,  der  die  schmach- 
voll verdächtigten  Brüder  völlig  rein    darstellte  '^^}.     Am 


«*)  Derartige  BeschukHgungen  waren  in  /uliircidien  Schritten, 
wie  sie  damals  gegen  ilie  Urinier  erschienen,  häutig  zu  lesen. 
Meistens  mochten  sie  völlig  ans  der  Lnlt  gegriffen  sein,  und  wo 
das  nicht  anzunehmen  ist,  konnten  sie  sich  nur  auf  Vergehnngen 
und  Leichtfertigkeiten  einzelner  gründen,  wie  sie  aueh  in  den  aposto- 


302  F.  S.  Hark: 

8,  August  musste  auch  Pastor  G  r  o  li  von  Bertlielsdorf 
und  nach  ihm  der  genannte  Kühnel  vor  der  ganzen 
Kommission  erscheinen.  Jener,  der  seine  Liebe  und  Zu- 
gehörigkeit zu  der  Herrnhuter  Gemeine  frei  bekannte, 
wurde  hauptsächlich  über  das  Verhalten  derselben  gegen- 
über dem  Reskript  vom  7.  August  1737  inquiriert-  Er 
antwortete  freimüthig  und  doch  umsichtig.  Auch  Kühnel 
wusste  nichts  von  Exzessen,  so  wenig  wie  Neisser,  konnte 
aber  aus  Unkenntnis  über  das  gegenwärtige  Herrnhut 
nichts  aussagen.  Von  diesen  Verhören  wurde  Zinzendorf 
in  Kenntnis  gesetzt,  als  er  den  8.  August  spät  abends 
von  Herrnhut  zurückkehrte.  Schon  vorher  hatte  er  durch 
den  Oberhofprediger  erfahren,  dass  fremde  Pfarrer  der 
Umgegend  den  langen  Aufenthalt  der  Kommission  be- 
nutzten, um  Klagen  gegen  die  Herrnhuter  vorzubringen 
und  dass  namentlich  die  Zittauer  Klerisei  eine  Haupt- 
schrift gegen  sie  einreichen  wolle  *^**).  Schon  dies  hatte 
ihn  unangenehm  berührt,  und  er  schrieb  deshalb  von 
Herrnhut  aus  an  Graf  Hennicke.  Die  Kunde  von  dem, 
was  in  seinem  Hause  inzwischen  war  vorgenommen  wor- 
den, erregte  seinen  Unwillen  noch  mehr,  und  er  liess  ihn 
so  laut  werden,  dass  die  neben  seinem  Zimmer  noch  ver- 
sannnelten  Herren  Kommissarien  es  hören  konnten.  Er 
sollte  aber  noch  mehr  erleben.  Während  seines  Besuchs 
in  Herrnhut  hatte  Graf  Gersdorf  dem  Syndikus  D.  Nitsch- 
mann  jenes  bisher  geheim  gehaltene  Inserat  vom  16.  Juli, 
Herrnhuts  Untersuchung  betreffend,  zur  Insinuation  an 
die  Gräfin  von  Zinzendorf  übergeben,  damit  sich  diese 
darüber  erkläre.  Schon  die  Brüder  waren  darüber  er- 
schrocken, und  Nitschmann  hatte  es  nicht  angenommen. 

Zinzendorf  gericth  über  diese  Handelsweise,  die  einem 
Bruch  des  gegebenen  königlichen  Wortes  gleich  zu  kommen 
schien,  in  grosse  Aufregung.  Er  müsse  gegen  jede  weitere 
Thätigkeit  der  Kommission  protestieren;  sie  könne  morgen 
auseinandergehen  und  die  Brüder  sollten  das  gleiche  thun. 
Bei  dem  Grafen  von  Gersdorf  wiederholte  er  dies  und 
erklärte  dazu,  dass    deshalb   noch    diese  Nacht   eine   Sta- 


lisclien  Gemeinen  ausnahmsweise  vorkamen.  Der  Gesamtheit  durfte 
mau  sie  aber  nicht  zur  Last  legen,  die  nie,  auch  nicht  in  der  so- 
genannten Sichtungszeit,  dergleichen  duldete.  Dass  die  Trennung 
der  Geschlechter  in  der  Brüdergemeine  streng  beobachtet,  ja  öfters 
zu  weit  getrieben  wurde,  ist  allgemein  bekannt. 

«"}  Sie    that    es    auch    nach    dem    Schluss    der    Kommission ; 
s.  Körner  1.  c.  116. 


Des  Grafen  von  Zinzendoif  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    303 

fette  nach  Dresden  und  eine  andere  direkt  nacli  Warschau 
gehen  werde.  Alsbald  eilte  der  Oberamtshauptmann  zu 
Holtzendürf,  brachte  aber  beruhigende  Versicherungen 
zurück.  Die  ganze  Sache  solle  fallen  gelassen  Averden, 
Zinzendorf  möge  nur  ein  Promeniuria  abfassen.  Auch 
Neissers  und  Kühneis  Verhör  sei  nur  zu  Herrnhuts  Gun- 
sten ausgefallen. —  „Dies  war  einer  der  unruhigsten  Tage", 
schreibt  Köber;  und  es  mag  wohl  bald  Morgen  gewesen 
sein,  als  man  sich  zur  Ruhe  begab.  Zinzendorf  scheint 
sie  gar  nicht  aufgesucht  zu  haben,  denn  er  verfasste  in 
der  Nacht  „einige  Schriften  wegen  Herrnhut"  und  das 
verlangte  Promemoria.  Darin  ersucht  er  die  Kommission, 
auf  Grund  einer  im  Namen  des  Königs  geschehenen  Ver- 
sicherung, von  jeder  ferneren  Beschäftigung  mit  Herrnhut 
gänzlich  abzusehen.  Falls  dieselbe  aber  „Bedenken  finde, 
ihm  hierunter  zu  deferieren",  müsse  er  sich  sofort  an  Ihre 
Königl.  Majestät  selbst  wenden.  Von  Köber,  der  die  Schrift 
am  Morgen  (9.  August)  Holtzendorf  einhändigte,  musste 
sich  dieser  noch  sagen,  lassen,  „wenn  man  auf  gegebene 
Versicherungen  sich  nicht  verlassen  könnte,  so  müsste  man 
künftig  avif  seiner  Hut  sein  und  billig  Bedenken  tragen, 
sich  weiter  einzulassen".  Die  Kommission  zog  diesmal 
klugerweise  zurück,  sich  damit  beruhigend,  dass  Herrnhuts 
Untersuchung  nicht  Hauptzweck  sei  und  man  auch  be- 
reits Nachrichten  darüber  eingezogen  habe.  Dieselljcn 
wurden  noch  vervollständigt  durch  einen  noch  an  demsel- 
ben Tage  von  Steinhofer  verfertigten  Bericht  über  Herrn- 
hut, dessen  Übergabe  mit  der  von  kürzeren  Ergänzungen 
protokollarischer  Erklärungen  am  10.  August  erfolgte®*). 

«')  S.  die  letzteren:  Act.  Comni.  1748  I,  fol.  124—128;  Stoin- 
hofers  Bericht  Act.  Comm.  1748  II,  fol.  2(;— 29.  Er  wurde  zum 
Inseratsbericht  verwerthet,  von  dem  Körner  1.  c.  64  Hg.  einen 
Auszug  gieht.  In  Steinhofers  Schrift  „war  gezeigt,  wie  mau  bisher 
dem  aÜergnädigsten  ßegulativo  von  Ao.  1737  nicht  nur  nachgegangen, 
sondern  noch  weniger  gethan,  als  selbiges  zugelassen  habe".  Der 
Verfasser  war  damit  beauftragt  worden ;  von  wem  ist  aber  nicht  ge- 
sagt. Man  kann  sich  nicht  denken,  dass  es  ohne  Zinzendorfs  Wissen 
geschah.  Doch  aber  wollte  dieser  sich  nachträglich  zu  der  diplo- 
matischen, der  Wahrheit  keineswegs  streng  folgenden  Akte  nicht 
bekennen.  Die  von  ihm  aufgesetzte  „abermalige  uiul  zweite  Krklär- 
ung  über  einige  vorzunehmende  lierrnliutische  Untersuchung", 
d.  d.  9.  August'  1748,  trägt  allerdings  einen  anderen  Charakter. 
Weil  sie  nicht  an  die  Kommission,  sondern  an  Graf  Ilennickc;  ge- 
richtet ist  (s.  Anm.  24),  liegt  sie  niciit  bei  den  Konimissionsakten. 
Daselbst  fehlen  auch  die  dazu  gehörenden  scharfen  „IMouita  zu  dem 
lieskript  vom  7.  August  17.37".  Sie  e.\;isti(!ren  mir  unter  den  Bei- 
lagen zu  einer  Synodaladresse  d.d.  Haus  von  Zeist  10.  Februar  1749 


304  F.  S.  Hark: 

Das  Anerbieten  Zinzeudorfs,  sich  über  die  ökonomischen 
Umstände  der  Brüdergemeinen  zu  erklären,  war  schon 
abgewiesen.     Es  kam  nur  zu  den  Akten  *'^). 

Nvm  konnte  der  förmliche  Schluss  der  Kommission 
gegen  12  Uhr  mittags  am  10.  August  stattfinden.  Zinzen- 
dorf  erschien  dazu  „mit  einem  Ooetus  von  ungefähr  60  Per- 
sonen so  prädicierter  Mährischer  Brüder^  worunter  einige 
von  gräflichem  und  adeligem  Stande  waren''  (Protokoll) 
im  Sitzungszimmer.  Holtzendorf  hielt  „eine  wohlgesetzte 
Kede'*,  die  er  vorher  Köbern  gezeigt  und  an  einigen 
Stellen  auf  dessen  Wunsch  geändert  hatte  "^^j.  Mit  Recht 
konnte  er  Anspruch  auf  der  Brüder  Zeugnis  machen, 
dass  die  Kommission  „mit  möglichstem  Glimpf  und  Vor- 
sichtigkeit" ihren  Auftra";  ausoeführt  habe.  Die  Kom- 
mission  als  Corpus  und  Holtzendorf  im  besondern  hatten 
sich  durchaus  rücksichtsvoll  bewiesen,  mochte  auch  das 
Benehmen  der  „bornierten"  (Zinzendorf)  akademischen 
Theologen  oft  der  Brüder  Missfallen  mit  mehr  oder  we- 
niger Grund  erregt  haben.  Auch  jetzt  zeigte  sich  der 
Prinzipal-Kommissarius  wohlwollend,  indem  er  die  Hoff- 
nung aussprach,  der  Erfolg  ihrer  Bemühung  werde  sein, 
dass  die  Brüder  sich  noch  mehrer  königlicher  Gnade 
erfreuen  könnten.  Wenn  er  dem  hinzufügte,  man  er- 
warte auch  von  ihnen,  dass  sie  ihrerseits  stets  „Worte  zu 
Werken  machen"  würden,  so  lag  die  Befolgung  dieser 
Ermahnung  auch  in  ilirem  eigenen  Interesse.  Zinzendorf 
sprach  endlich  auch  seinen  Dank  und  seine  Anerkennung 
in  versöhnlichem  Tone  aus.  —  Seine  Feder  liess  er  aber 
gleichwohl  nicht  ruhen.  Er  entwarf  zunächst  noch  eine 
„Schlussschrift"  an  die  Kommission,  in  welcher  er  die 
ganze  Mährische  Kirche  sich  noch  einmal  zur  Augsbur- 
gischen Konfession  bekennen  und  die  akademischen  Theo- 
logen ersuchen  liess,  mit  ihr  den  in  die  Lehre  von  der 
Schöpfung  sich  heutzutage  einschleichenden  Arianismus 
zu  bekämpfen  *"). 

Die  Kommission  hatte  sich  sofort  nach  dem  Schluss 
der  Verhandlung  mit  den  Brüdern  an  die  Ausarbeitung 
des  Berichts  begeben.     Weil    man    nun   hörte,  die  Hälfte 


in  ü.  K.-A.  Vol.  I,  fol.  317  flg.  Körner  fuhrt  sie  p.  57  am  un- 
rechten Ort  an. 

«»)  Act.  Comm.  1748  I,  fol.  122. 

**j  Nur   im  U.-A.  vorhanden. 

^"^  S.  Act.  Comm.  1748,  IV,  fol.  19  flg.;  abgedruckt  in  Spangen- 
berg, Darlegung  etc.  253  flg.     Beü.  U.  —  U.-A. 


Des  Grafen  von  Zinzenclorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.   305 

der  Kommissarien  hätten  gelegentlich  derselben  behauptet, 
dass  die  Brüder  in  der  Schöpfungslehre  von  der  Augs- 
burgischen Konfession  abwichen,  so  fügte  ihr  Ordinarius 
der  „Schlussschrift"  noch  ein  besonderes  Stück  an,  welches 
diesen  Punkt  noch  weiter  erörterte.  Auch  hier  unterliess 
er  nicht,  wie  auch  sonst  fast  bis  zum  letzten  Augenblick^ 
gegen  die  nach  einer  Instruktion,  die  mit  dem  Commis- 
soriale  in  Widerspruch  stehe,  vorgenommenen  Untersuch- 
ung zu  polemisieren '').  Dasselbe  thut  er  in  einem  an 
Holtzendorf,  Hermann  und  Leyser  gerichteten  Schreiben, 
worin  er  bittet,  diese  Kontroversfrage  aus  dem  Bericht 
zu  lassen'^).  Beide  Schriften,  sowie  noch  einige  Bemerk- 
ungen zu  Protokollen  und  dergleichen  wurden  am  11.  August 
überreicht.  Selbst  als  die  Kommissarien  wieder  zu  Hause 
waren,  wurden  ihnen  Erklärungen  über  diesen  Lehrsatz 
nachgesandt  —  nicht  zum  Besten  späterer  Verhandlungen. 
Dass  im  Kreise  der  Kommission  nicht  völlige  Ein- 
stimmung in  betreff  der  Stellung  herrschte,  welche  die 
Brüder  zur  Augsburgischen  Konfession  einnahmen,  geht 
aus  dem  Bericht,  wie  er  schliesslich  zustande  kam,  deut- 
lich hervor''^).  Und  zwar  machte  der  genannte  Artikel 
von  der  Weltschöpfung  die  Hauptschwierigkeit.  Man  war 
nahe  daran,  zu  erklären,  sie  stünden  darin  ausserhalb 
derselben.  Zinzendorf  erhielt  davon  Kenntnis  und  erklärte, 
ohne  völlige  Anerkennung  der  Brüder  als  Augsburgische 
Konfessions- Verwandte  würden  sie  sich  auf  kein  Etablisse- 
ment in  Sachsen  einlassen.  Dem  Grafen  von  Gersdorf 
wurden  dringende  Vorstellungen  gemacht,  es  dahin  nicht 
kommen  zu  lassen.  In  der  That  fand  derselbe  mit  einem 
dies  bezweckenden  Vorschlao-  Anklanii;  bei  seinen  Kolle- 
gen.  Nur  Heydenreich  und  Weickhmann  votierten  da- 
gegen. Doch  konnten  er  und  Leyser  nicht  verhindern, 
dass  man  gleichwohl  einen  Widerspruch  in  der  Brüder 
Schöpfungslehre  mit  der  Augsburgischen  Konfession  und 
anderen  symbolischen  Büchern  konstatierte.  Es  blieb 
beiden  nichts  übrig,  als  ihren  Disscnsus  mit  diesem  Be- 
schluss  der  Kommission  dem  Berichte  einverleiben  zu 
lassen  '^).  Dem  „Erachten  der  politicorum  commissariorum" 

»')  S.  ib.  im  II.-St.-A.  fol.  26  flg.  —  U.-A. 

»»)  S.  ib.  fol.  21  Üg.  —  U.-A.     ")  S.  Körner  1.  c.  111  flg. 

'*)  S.  ib.  112.  —  Im  Protokoll  werden  von  den  Besprechungen 
bei  Anfertigung  des  Berichts  und  Gutachtens  nur  diese  Diflerenzeu 
genannt.  Im  ersten  Entwurf  hatte  laut  demselben  gestanden :  Die 
Glaubenslehre    der   Mährischen    Brüder    sei   der   Augsburger  Kon- 

Ncues  Archiv  f.  S.  G.  n.  A.     VI.  3.  4.  20 


506  F.  S.  Hark: 

setzten,  wie  der  Bericht  mittlieilt,   die  Theologen  gewisse 
Einschrcänkungen    gegenüber.     Zum   Theil    beziehen    sich 
diese    auf  einige   Lehrmeinungen,    in    denen    die    Brüder 
nicht  richtig  wären.     Auch  wird  geltend  gemacht,  dass  mit 
der  von    ihnen  behaupteten  Augsburgischen  Konfessions- 
Verwandtschaft   der  Inhalt   ihrer,   vor    allem    Zinzendorfs 
Schriften  und  nicht  am  wenigsten  viele  Lieder  ihres  Ge- 
sangbuches nicht  harmonierten.     So  wenig  dieser  Einwand 
überrascht,   so  seltsam   will   der   Anstoss    erscheinen,    der 
von    ihnen    daran   genommen    wird,   dass    die  Brüder   bei 
den  ipsis  verbis  Aug.  Conf.    stehen   blieben,   welche   man 
doch  erst  durch  andere  symbolische  Bücher,  wie  die  Kon- 
kordicnformel,   erklären   müsse.     Sie   fordern  also  eigent- 
lich,   dass  sich    die    Brüder    zu   diesen  bekennen  müssen, 
wenn    sie   für    Bekenner    der   Augsburgischen   Konfession 
gelten  wollen.     In  der  That  beantragen   auch   die  beiden 
Professoren  die  Verpflichtung  der  Geistlichen  der  Brüder 
auf  die  symbolischen  Bücher  der  sächsischen  Kirche,  falls 
diese  im  Lande  Aufnahme  finden   sollten.     Der   Oberhof- 
prediger verlangt  es,  wenn  sie   „als    Glieder   der    evan- 
gelisch-lutherischen   sächsischen   Kirche  geachtet    werden 
wollten",  wovon  die  Brüder,   die  ihrerseits   nie   beantragt 
hatten,   in  Sachsen  aufgenommen   zu   werden,  —  wie  Dr. 
Hermann   wissen   muss\e  — ,  weit  entfernt  waren.     Oder 
soll  eine  gewisse  Ironie  in  seinen  Worten  liegen?  —  Die 
Kommission    in    ihrer   Gesamtheit  schlug    in    ihrem  Gut- 
achten solche  Verpflichtung  ebenfalls  vor'^). 

Ira  Ganzen  ist  es  aber  immer  noch  zu  verwundern, 
dass  der  Bericht  samt  Gutachten  so  ausgefallen  ist,  wie 
er  vorliegt.  Das  öfters  rücksichtslose  Benehmen  Zinzen- 
dorfs und  einiger  seiner  Brüder  gegen  die  Kommission, 
vor  allem  gegen  deren  theologische  Mitglieder,  musste 
diese  erbittern;  und  solche  „personelle  OfFensionen"  hatten, 
wie  Graf  Gersdorf  sagt'**),  „auch  die  sonst  gar  geneigt 
Gesinnten  .frappiret".  Das  auf  gewisser  Seite  bereits 
vorhandene  Übelwollen  gegen  die  Brüder  wurde  dadurch 

fession  nicht  im  Grunde  zuwider,  ausser  dass  etc.  Dafür  wurde 
mit  Stimmenmehrheit  gesetzt  :wobeijedoch  etc.  (s.  den  Bericht  1.  c.) 
Teller  verschaft'te  sich  dadurch,  dass  er  mit  der  Majorität  stimmte, 
ein  freundliches  Billet  Zinzendorfs  (i.  U.-A.).  —  Wie  sich  der  Geh. 
Rath  von  Zech  über  diese  der  Kommission  anstössige  Lehre  der 
Brüder  von  der  Weltschöpfung  durch  den  Sohn  Gottes  geäussert 
haben  soll,  sagt  Zinzendorf  in   seinen  Naturellen   Reflexionen   288. 

")  S.  Körner  1.  c.  p.  114,  g. 

'")  An  Zinzendorf,  den  17.  August  1748. 


t)es  Grafen  von  Zinzendorf  Rückkehr  nach  Sachsen  etc.    307 

nur  vermehrt.  Es  hatte  sich  in  der  That  zu  dem  Wunsch 
gesteigert,  dass  das  Resultat  der  Kommission  ein  rein 
negatives  sein  möge'*).  Dass  es  dazu  nicht  gekommen 
ist,  sondern  —  was  zunächst  das  Wichtigste  blieb  —  die 
Glaubenslehre  der  Brüder  als  „der  Augsburgischen  Kon- 
fession im  Grunde  nicht  zuwider"  seiend,  wiewohl  ver- 
klausuliert, im  Bericht  anerkannt  ^vurde,  mag  wohl  we- 
niger ein  Ausdruck  aufrichtiger  Überzeugung  gewesen 
sein,  als  der  schuldigen  Rücksichtnahme  auf  des  Königs 
Majestät.  Ein  entgegengesetztes  Urtheil  hätte  nicht  nur 
die  höchstenorts  beabsichtigte  Aufnahme  der  Brüder  ver- 
hindern müssen,  sondern  hätte  auch  die  dort  gehegte 
Voraussetzung  als  eine  irrige  hingestellt,  w^as  einer  Be- 
leidigung gleich  gekommen  wäre.  Die  Art  und  Weise, 
wie  das  Gutachten  die  projektierte  Aufnahme  im  Lande 
bedingte,  war  ja  auch  geeignet,  jene  konfessionelle  An- 
erkennung wirkungslos  zu  machen.  Freilich  blieb  noch 
abzuwarten,  ob  diese  Vorschläge  die  allerhöchste  Geneh- 
migung finden  würden;  allein  die  „Konsistorialprinzipien" 
hatten  schon  einmal,  als  man  die  Methode  der  eben  be- 
endeten Untersuchung  feststellte,  den  Sieg  über  andere, 
mit  königlicher  Autorität  gegebene  Zusagen  davongetragen. 
Warum  konnte  es  nicht  auch  ferner  geschehen?  In  dieser 
Hoffnung  reiste  die  Mehrzahl  der  Kommissarien,  in  dieser 
Besorgnis  wohl  nur  der  Oberamtshauptmann  Graf  von 
Gersdorf  am  Montag  den  12.  August  1748  wieder  von 
Hennersdorf  ab.  Was  die  einen  wünschten  und  andere 
befürchteten,  hat  sich  in  der  damals  noch  verdeckten  Zu- 
kunft insofern  verwirklicht,  als  zwar  das  Versicher- 
ungsdekret vom  20,  September  1749'*)  den  INIäh- 
rischen  Brüdern  als  Bekennern  der  unveränderten  Augs- 
burgischen Konfession  die  Aufnahme  und  Toleranz  auch 
in  den  alten  Erblanden  gewährte  und  ihnen  eine  besondere 
Konzession  in  Aussicht  stelUe,  aber  bis  auf  den  heutigen 
Tag  weder  letztere  ertheilt  worden  ist,  noch  die  Brüder 
im  eigentlichen  Kursachsen  eine  Gemeine  oder  Kolonie 
angelegt  haben. 

")  Graf  Gersdorf  schreibt  an  Köber  (18.  August  1748^:  „man 
hätte  gern  gesehen  (nameutlicli  der  eintiussreiche,  durch  eine  starke 
Partei  in  Dresden  gedeckte  Heydenreich),  wenn  die  unzulänglichen 
Antworten  auf  einer  Seite  Gelegenheit  gegeben  hätten,  die  Deklara- 
tion (der  Augsburgischen  Konfessions-Verwandtschaft)  und  Aufnahme 
abschlagen  zu  können,  auf  der  andern  Seite  aber  Fratres  sich  er- 
kläret, auf  solche  Conditiones  würden  sie  nicht  ins  Land  kommen-. 

'»)  S.  Körner  1.  c.  72  tlg. 

— 20* 


IX. 

Kleinere  Mittheilungen, 

1.    Die  Meldung  Yom  Tode  und  von  der  Beisetzung 
Melanchtlions  an  den  Kurfürsten  August. 

Mitgetheilt  von  Theodor  Distel. 

In  den  Akten  des  K.  S.  Hauptstaatsarchivs  (Loc.  10541 : 
des  Herrn  Pliilippi  etc.  1560 — 61)  befindet  sich  ßl.  1  das 
Originalschreiben  der  Universität  Wittenberg  an  den 
Kurfürsten  August  über  den  Tod  Melanchthons.  Dasselbe 
soll  hier,  da  sein  Inhalt  bisher  unbekannt  geblieben  ist, 
wörtlich  mitgetheilt  werden.     Es  lautet  also: 

Durchlauchtigster  hochgebonier  fürst.  E.  chf.  g.  seint  unßere 
umlertbeiiigste  gehorsame  gantzwillige  dinste  bevor.  Gnedigster 
churfurst  und  herr.  E.  chf.  g.  sollen  und  können  wir,  aus  großem 
bekumraernus  und  gantz  hochbetrubten  gemutth  in  underthenikeitt 
nicht  bergenn,  das  der  ervj^dige  und  hochgelarte  her  magister 
Phillippus  Melanthon  unßer  lieber  her,  vater  und  praeceptor,  am 
neclistvorschienen  sontagk  palmarum  am  fieber  kranck  und  schwach 
worden,  und  wiewoU  wir  der  besßerung  gehofftt,  auch  ann  mensch- 
lichem vleiß  nichtts  erwj'nden  laßen,  wie  ehr  den  des  folgenden 
dinstags,  donnerstagks  und  freitagk  noch  im  collegio  geleßen,  und 
den  sonnabent  öffentlich  neben  andern  communicanten  in  der  pfar- 
kirche  das  hochwj^rdige  sacrament  des  leybes  und  bluds  unßers 
lieylands  Jhesu  Christi  entpfangen,  auch  die  intimation  des  oster- 
fests  selbst  gestaltt,  und  dinstags  in  osterfeiertagen  und  mitwochens 
hernacher,  tlem  durchlauchtigsten  und  hochgebornen  l'ursten  und 
hern  hern  Albrecht  herzogen  in  Preußen  etc.  u.  gstn.  h.  doctor 
David  Voigtt  ßo  in  der  fasten  ncchstvorschienen  alhier  promovirt, 
und  von  s.  f.  g.  zum  professore  der  heyligen  schrilft  kegen  Konnigs- 
bergk  erfordertt,  underthenigst  commendirt,  ßo  halt  doch  die  kranck- 
heitt  überhand  genhommen,  das  ehr  nach  vielfeltigen  christlichem 
gebetth  luul  anruftung  gottes  des  almechtigen,  heutt  freitag  dieße 
stunde  kurtz  vor  sieben  uhr  auff  den  abent'},  als  ehr  den  siebenden 


')  Auf  diese  Nachricht  dürfte  sich  die  Bemerkung  des  Kur- 
fürsten in  seinem  Schreibekalender  (Moschkau:  Saxonia  Jahrgang  1, 
S.  39)  stützen;  so  lautet  auch   die  Nachricht  Augusts  an  den  Erz- 


Kleinere  Mittheilungon.  309 

paraxismum  gehabtt,  ein  vernnnfftiges  christliches  nnd  seliges  ende 
und  abschied  aus  dießer  weltt  genhonien,  und  von  dem  almechtigen 
gott,  in  die  ewige  freude  und  himmelische  hohe  schule  abgefordertt, 
des  seien  der  liebe  gott  gnedigk  sein,  yhme  und  allen  christgleubigen 
eine  froliche  aufferstehuug.  wie  wir  den  ghar  nicht  tzweyveln,  vor- 
lejdien  w[olle]*)  Amen,  und  habens  e.  chf.  g.  in  underthenikeit  und 
eyll  nicht  bergenn  sollenn,  mit  underthenigster  bitt  e.  chf.  g.  weiten 
derselbigen  armen  schulen  alhier,  yhr  gnedigst  befolen  sein  laßen, 
und  unßer  gnedigster  churfurst  und  her  sein  und  bleyben.  Das 
erkennen  wir  uns  in  aller  underthenikeitt  zuvordienen  schuldig  und 
irautzw^illigk.  Datum  AVittenberg  freitagk  den  19.  Aprilis  anno  etc.  LX'ca. 

E.  eh.  g. 

underthenigste 

gehorsame 

gantzwillige 

Rector  magistri  und  doctores 

E.  chf.  g.  universitet  Wittenberg. 

Arn  Dienstag-,  den  29.  April  1560  (ebenda  Bl.  20  flg.) 
berichten  dieselben  Universitätsmitglieder  über  die  Bei- 
setzung der  Leiche  Melanchthons  an  den  Kurfürsten  Au- 
gust u.a.: 

„Das  wir  seinen  corper,  alls  ehr  inu  einen  zienernen  sargk  ge- 
legett,  ahn  nehstverschienenen  sontagk  umb  zwey  uhr  nach  mittagk 
mitt  gewolinlichen  christlichen  gesengen  iiin  die  pfabrrkirche  tragen, 
und  inn  dem  chor  deß  orths,  da  er  zur  zeitt  der  Ordination  pfiegett 
zuknien  und  zubethon ,  sezen  lasen ,  und  hatt  der  ehrwirdige  und 
hochgelarte  herr  pfarrer  doctor  Paulus  Eberus  eine  leichpredigt  ge- 
than'j,  nach  derselbigen  ist  der  corper  inn  E.  c.  f.  g.  Schloßkirche 
durch  die  universitet  und  burgerschafft,  auch  ettlichen  von  adell,  so 
von  landtt  herein  kommen,  mitt  groser  traurikeitt,  wehklagen  und 
weinen  beleidt  und  getragen,  und  als  daselbst  der  hochgelarte  und 
achtbare  doctor  Vitus  Winsheimus  ein  wolgestallt  latinam  orationem 
funebrem  gehalten,  ist  der  corper  auff  der  andern  selten  kegen  deß 
ehrwirdigen  und  hochgelarten,  unsers  auch  lieben  herrn  vaters  und 
preceptors ,  doctoris  Martini  Lutberi  seligen  begebnuß  über  neben 
der  grosen  kirchenthuer,  uff  die  lincke  haiultt,  unter  und  kegen  den 
chor  zur  erden bestatt  und  begraben  worden". 


2.    Die  Bouvroy-Medaille 
auf  die  Tertheidiguiig  \on  Oudenarde  im  Jalirc  1814. 

Mitgetheilt  von  P.  E.  Kichter. 

Im  Mcssagcr  des  sciences  historiques,  Annce  1883 
(p.    417   flg.),    veröß'entlieht    E.   Varenbergh    über    einen 

herzog  von  Österreich,  Maximilian,  und  an  den  Pfalzgrafen  Wolfgang, 
sowie  an  den  Landgrafen  zu  Hessen  vom  21.  April  15G0  (augez. 
Akten  Bl.  10,  12,  U). 

^)  An  dieser  Stelle  befindet  sich  ein  Loch. 

*)  Zur  Feier  hatte  der  Yizerektor,  Melanchthons  treuer  Schüler, 
Georg  Major  eingeladen.  (Allg.  deutsche  Biographie  s.  v.  Melanchthon). 


310  Kleinere  Mittheilungen. 

tapfern  säclisisclien  Offizier  einen  Aufsatz,  dessen  Inhalt 
wohl  werth  ist  in  weiteren  und  besonders  sächsischen 
Kreisen  bekannt  zu  Averden.  Im  Februar  1814  hatte  in 
Belgien  die  französische  Herrschaft  aufgehört,  ira  De- 
partement l'Escaut  wurde  provisorisch  der  französische 
Praefect  Desmousseaux  durch  den  Intendanten  Grafen 
d'Hane  de  Steenhuyse  ersetzt.  Aus  Rache  griffen  die 
Franzosen  am  5.  März  Oudenarde  und  am  31.  März  das 
erst  am  17.  Februar  verlassene  Tournai  an.  Von  beiden 
Orten  wurden  sie  zurückgeschlagen,  und  zwar  von  Oude- 
narde durch  die  Umsicht  des  sächsischen  Artillerie- 
Kapitäns  Karl  Heinrich  von  ßouvroy.  Nun  hatte  die 
Verwaltung  der  Stadt  Tournai  dem  dortigen  Artillerie- 
Kommandanten  zu  Ehren  eine  Erinnerungsmedaille  schlagen 
lassen,  und  in  unserm  ßouvroy  regte  sich  der  Wunsch, 
gleichfalls  ein  Andenken  an  seine  Wirksamkeit  zu  er- 
halten. Er  schrieb  daher  an  die  Verwaltung  von  Oude- 
narde folgenden  mit  den  Zeichnungen  der  ihm  daraufhin 
gewidmeten  Medaille  im  Provinzialarchiv  des  östlichen 
Flanderns  aufbewahrten  Brief: 
Herr  Maire, 

Ich  habe  die  Ehre  ihnen  hierdurch  von  meinen  jetzigen  Auf- 
enthalt zu  benachrichtigen,  indem  ich  glaube,  Ihren  Wünschen  damit 
zuvor  zu  kommen. 

Ich  habe  nehmlich  in  Erfahrung  gebracht  das  die  Stadt  Tournay 
dem  Artillerie  Commandanten,  für  die  Verteitigung  am  .Slten  Märtz 
eine  Medaille  zum  Beweis  Ihrer  Achtung  und  zum  Andenken  dieses 
Tages  ertheilt  hat. 

Indem  ich  nun  die  feste  Überzeugung  habe,  das  Audenarde  ge- 
wiss gleiche  Gesinnungen  gegen  mich,  den  Artillerie  Commandanten 
hegt,  welcher  am  öteu  Märtz  die  Stadt  vertheitigte,  so  säume  ich 
nicht,  Ihnen  durch  dieses  Schreiben  zu  beweisen,  wie  wehrt  mir 
Ihr  Andenken  ist. 

Obschon  mir  es  sehr  schmeigelhaft  bleibt,  von  den  Comman- 
danden  königl.  Preusischen  Oberst  Hove,  wegen  dieser  Vertheitigung 
am  5teu  Martz  an  Seiner  Kussisch  Kaiserlichen  Majestät  empfohlen 
und  von  Seiner  Durchlaucht  dem  Herrn  Herzog  von  Weimar  im 
Bulletin  der  Zeitung,  nahmentlich  gerühmt  worden  zu  seyn,  so 
bleibt  mir  dennoch  das  schönste  Andenken,  die  Achtung  mit  welcher 
die  Einwohner  Audenardens  von  meiner  Artillerie  gesprochen  haben. 
Weit  entfernt  mir  die  ehrenvolle  Vertheitigung  zuzuschreiben,  so 
bin  ich  doch  fest  überzeugt,  dass  ohne  die  Geschicklichkeit,  Uner- 
schrockenheit  und  Ausdauer  meiner  Artilleristen,  die  Stadt  ein  Opfer 
des  Feindes  geworden  wäre. 

Das  Blut  vieler  meiner  braven  Artilleristen  was  an  diesen  Tage 
für  Audenarde  floss.  heiligt  sein  Andenken,  und  die  Achtung  seiner 
Einwohner  für  uns,  machen  ihm  unvergesslich. 

Nehmen  sie  daher  meine  Aufrichtigkeit  als  einen  Beweis  meiner 
Achtung,  welche  ich  gegen  die  braven  Einwohner  Audenardens  hege, 
indem  ich  ihr  Andenken  so  werth  halte. 


Kleinere  Mittheilungen.  311 

Ich  hoffe  nicht  dass  sie  meinen  Schreiben  eine  falsche  Deutung 
geben  werden,  Sie  wurden  sonst  meine  Gesinnungen  verkennen.  Mit 
dieser  Versicherung,  habe  ich  die  Ehre  zu  seyn, 

Carl  Heinrich  de  Rouvroy, 
Königl.  Sächsischer  Artillerie  Capitaine 
bei  den  3*'^'"  Deutschen  Armee  Corps, 
Hauptquartier  unter  commando  des  Herzogs  von  Weimar. 

Acken  bey  Cöln  am  Rhein, 
den  26te"  May  1814. 

So  eben  ist"  die  Erlaubniss  ergangen,  diese  Medaille  tragen  zu 
dürfen. 

Da  dieser  Brief  an  Deutlichkeit  nichts  zu  wünschen 
übrig-  Hess ,  so  bewilligte  der  Intendant  des  Departement 
l'Esca'-it  am  17.  August  der  Verwaltung-  von  Oudenarde 
auf  ihre  Anfrage  dem  Capitän  von  Kouvroy  eine  Medaille 
zu  widmen.  Der  Werth  derselben  war  auf  40  Francs 
festgesetzt.  Sie  zeigte  auf  dem  Avers  fast  das  noch  jetzt 
gebräuchliclie  Siegelbild  der  Stadt  Oudenarde,  nehmlich 
das  von  zwei  wilden  Männern  gehaltene  Wappen  der 
Stadt,  unter  welches  die  Worte  gesetzt  waren:  „La  Ville 
d'Audenarde  Reconnaissante",  und  auf  dem  Revers:  „A 
Monsieur  Charles  Henry  De  Rouvroi,  Capitaine  Comman- 
dant  des  Cannonniers  des  troupes  Saxonnes,  pour  la  bra- 
voure  dans  la  Defense  de  la  Ville  lors  du  bom  bar  dement 
du  Cinq  mars  1814''.  —  Es  ist  gänzlich  unbekannt,  aus 
WL'lchem  Metall  die  Medaille  hergestellt  war,  sollten  aber 
bei  den  bewilligten  40  Francs  sämtliche  Herstellungs- 
kosten inbegriffen  gewesen  sein,  so  ist  wohl  anzunehmen, 
dass  das  Metall  gerade  kein  kostbares,  die  Inschrift  des 
Revers  auch  nur  graviert  und  nicht  geprägt  gcAvesen  ist. 
Ebenso  unbekannt  ist  der  Verbleib  des  Stückes.  Falls  der 
Modulus  der  der  obengenannten  Zeichnung  gewesen  sein 
sollte,  dürfte  der  Diu-chraesser  etwa  3*2  cm  betragen 
haben. 

3.    Kunst^eschichtliclie  Notizen. 

Mitgetheilt  von  Theodor  Distel. 
Der  Rathhausbau   zu  Leipzig  1555. 

Einem  beim  K.  S.  Hauptstaatsarchive  befindlichen 
Konzepte  (Copial  271,  Bl.  81b)  d.  d.  Dresden,  17.  _  De- 
zember 1555,  entnehme  ich  Folgendes:  Der  Rath  zu  Leipzig 
war  „aus  dringender  Noth  verursacht"  worden ,  sein 
Rathhaus  „zu  bauen  und  bessern  zu  lassen",  auch  zu 
Verhütung  grosser  Feuersgefahr  ein  Röhrwasser  in  die 
Stadt  zu  füln-cn.  Kurfürst  August  genehmigte  das  Ge- 
such des  Rathes  um  Lieferung  von  Bauholz  dazu  und  be- 


312  Kleinere  Mittheilungen. 

fahl  dem  Amtmann  und  Schösser  zu  Dübcn,  sowie  dem 
Förster  zu  Weidenhain,  dem  Rathe  vier  Schock  Stamm-, 
Balken-  und  Sparrenhölzer,  30  Ellen  lang,  und  drei  Schock 
Stämme  Röhrenhölzer,  alles  aus  der  Düben'schen  Haide, 
da  er  aus.  anderen  seiner  Wälder  die  Hölzer  ohne  Ver- 
ödung derselben  nicht  nehmen  könne,  unentgeltlich  zu 
verabfolgen.  Über  die  Erbauung  des  Rathhauses  selbst 
vergl.  auch  Vogels  Annalen  der  Stadt  Leipzig  S.  202, 
und  Wustmann,   Hieron.  Lotter  S.  30. 

Zur   Geschichte  der  Orojel  in   der  Stadtkirche 

zu  Pirna. 
In  der  von  Dr.  R.  Steche  bearbeiteten  „Beschreibenden 
Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler  des 
Königreichs  Sachsen"  heisst  es  (I,  69),  dass  die  Orgel  in 
der  Kirche  zu  Pirna  durch  Kurfürst  Moritz  aus  Mühlberg 
an  der  Elbe  hierher  versetzt  worden  sein  soll.  Diese 
Schenkung  ist  jedoch  nicht  von  Moritz,  sondern  erst  von 
seinem  Bruder  und  Nachfolger,  Kurfürst  August,  gemacht 
worden.  Unterm  16.  Oktober  1555  erliess  derselbe  näm- 
lich an  den  Klosterverwalter  zu  Mühlberg  folgenden  Be- 
fehl (K.  S.  Hauptstaatsarchiv  Cop.  271,  Bl.  42  b): 

L[ieber]  g[etreuer].  Weichermassen  die  verordneten  visitatores 
des  meissnischen  unnd  gebirgischen  kreisses  den  rath  unnd  gemaine 
zu  Pirnaw  einer  orgell  halben,  die  noch  im  closter  zu  Mülberg  sein 
soll,  verschrieben  und  bei  unß  verbethen,  wirdest  du  auß  inver- 
schlossener*) irer  vorschritft  vernehmen,  weill  dann  die  orgell  zu 
Mülberg  nit  gebraucht  wirdet  und  wohl  zu  vermuethen,  das  sie  in 
die  lenge  nit  zunehmen  oder  besser  werden  mochte,  so  haben  wir 
dem  rathe  zu  Pirna  dieselbig  auß  gnaden  geschenckt.  Begeren 
deshalben  wann  sie  bei  dir  darumb  ansuchen  werden,  du  wollest  inen 
die  orgell  mit  aller  irer  zubehorung  unwaigerlich  volgen  laßen .... 

Unterm  4.  August  1578  bewilligte  derselbe  Kurfürst 
hundert  silberne  Schock  zur  Erbauung  einer  Orgel  in  der 
dasigen  Kirche.     (Ebenda  Cop.  439,  Bl.   133). 

Eine  kostbare  Arbeit  des  Goldschmiedes  zu 
Dresden,  Hans  Dirr*). 

In  den  Kammersachen  des  K.  S.  Hauptstaatsarchivs 
von  1595  (IV.  Th.,  Loc.  7303  Bl.  125  [498]  flg.)  wird  von 
einer  Arbeit  des  Dresdener  Goldschmiedes,  Hans  Dirr, 
gehandelt,  über  welche  wir  nachstehend  Näheres  berichten 

*)  Dieselbe  liegt  nicht  mehr  dabei. 
*)  So  schreibt  er  sich  selbst. 


Kleinere  Mittheilungeu.  313 

wollen.  Unterm  28.  August  genannten  Jahres  schreibt 
Dirr  an  den  Administrator  des  Landes,  Friedrich  Wilhelm, 
dass  er  auf  Befehl  des  (am  25.  September  1590  ver- 
storbenen Kurfürsten  Christian  I.  ein  goldenes  Halsband, 
„darein  perlen  und  edelgestein  vorsetzet,  so  vor  s.  cluirf. 
g.  geliebte  gemahlin")  .  .  .  zum  heiligen  christ  anno  1591 
vormeihnet"  verfertigt  und  dasselbe  rechtzeitig  an  die 
Kammerräthe  abgeliefert  habe.  Bisher,  schreibt  Dirr, 
habe  er  nur  605  Gulden  13.  Gr.  2  Pf.  dafür  empfangen, 
es  verbleibe  jedoch  noch  ein  Rest  von  285  Gulden  7  Gr. 
10  Pf.  Bei  dem  Schreiben  liegt  eine  genaue  Beschieibung 
des  Halsbandes,  zu  welchem  sieben  Stein-,  acht  Perlen- 
stücke, ein  Mittelstück,  „daran  ein  gross  angehengtes 
clainot  mit  denn  chursch wertern  und  rautenkrantz,  item 
die  vier  jharszeitenn  possiret".  In  das  Halsband  waren 
nun  versetzt  94')  Smaragden:  53  Stück  ins  Mittelstück, 
nämlich  ein  grosser  in  die  Mitte,  um  diesen  befand  sich 
der  Rautenkranz  mit  28  kleinen  Smaragden  und  zu  den 
Rautenblättern  kamen  24  deriileichen;  7  o-rosse  Stück  in 
die  sieben  Steinstücke;  32  Stück  zu  den  acht  Perlen- 
stücken; 1  grosses  orientalisches  Stück  „von  dreyen  stucken 
zusammen  geschnitten  und  vorsetzt  zum  haubtsteine ;"  endlich 
1  grosses  „ablenglchtes"  Stück  für  das  Kleinod  in  der  Mitte. 
An  Rubinen  kamen  63  Stücke  in  das  Halsband:  16, 
darunter  2  grosse ,  ins  Mittelstück ,  14  in  die  sieben 
Steinstücke,  33,  darunter  7  grosse,  in  das  Kleinod. 
Diamanten  wurden  63  Stück  dazu  verwendet:  2  grosse 
Tafeln  ins  Mittelstück,  14  in  die  sieben  Steinstücke, 
47  in  das  Kleinod,  „darunter  eine  grosse  Demant  rautenn". 
Perlen  werden  neun  genannt,  nämlich:  8  „knobperlen"  in 
die  acht  Perlenstücke,  1  „hengperle"  an  das  Kleinod. 
Das  ganze  Halsband  hatte  mit  dem  Kleinod  ein  Gewicht 
von  376  Kronen  2  Ort.  An  Macherlohn  berechnet  Dirr 
891  Gulden  (150  Gldn.  für  das  grosse  Kleinod,  100  Gldn. 
für  das  Mittelstück,  315  Gldn.  für  die  sieben  Steinstücke, 
320  Gldn.  für  die  acht  Perlenstücke,  6  Gldn.  für  das  zu 
Nürnberg  erfolgte  Schneiden  der  Smaragde  und  Rubinen 
zu  dem  Rautenkranz  und  den  Schwertern  im  INIittelstück). 
Zu  dem  Halsbande  hatte  der  Goldschmied  138  Kronen 
„an  ein  alten  güldenen  halßbandt  und  creutzclainot", 
sowie  346  Kronen  2^2  Ort,  „so  zeenwcis  gegossenn",   im 

•)  Sophia,  Tochter  des  Kurfürsten  Johann  Georg  von  Branden- 
burg. 

')  Die  Dirr'sche  Addition  giebt  96  Stück  an. 


314  Kleinere  Mittheilungen. 

Gewichte  von  4  IMark  15  Lotli  1  Quent  erhalten.  Ins- 
gesamt iiatte  Dirr  an  Gold  übrig  behalten  und  an  Münze 
empfangen  die  bereits  oben  erwähnte  Summe  von  605  Gldn. 
13  Gr.  2  Pf.  Der  kurfürstliche  Kammerraeister,  Gregor  Un- 
wirdt,  meldet  am  31.  Oktober  1545  (ebenda  Bl.  126  und 
130,  bezw.  498)  dem  Administrator,  dass  das  Halsband  durch 
Hieronymus  Kramer  auf  768  Gldn,  12  Gr.,  durch  Abraham 
Schwedler  *)  aber  nur  auf  748  Gldn.  12  Gr.  gewiirdert 
worden  sei,  während  Urban  Sclmeweis*)  den  Werth  des- 
selben auf  800  Gulden  angegeben  habe.  Dirr  bemerkt 
zu  diesen  Taxationen,  dass  er  bei  Tag  und  bei  Nacht  an 
dem  Halsbande  gearbeitet  und  durch  Haltung  von  Ge- 
sellen grosse  Unkosten  gehabt  habe,  lässt  sich  jedoch 
schliesslich  einen  Abzug  von  70  Gulden  gefallen.  —  Die 
Nachforschungen  nach  dem  Verbleib  des  Halsbandes  sind 
leider  vergeblich  geblieben. 

Hans  Dirr  (auch  der  Jüngere  genannt)  ist  mir  noch 
einige  Male  in  den  Akten  des  K.  S.  Hauptstaatsarchivs 
begegnet.  1575  erhielt  er  50  Gldgr.  für  einen  Magnet- 
stein (Cop.  407  Bl.  95)  und  1602  bekam  er  Bezahlung 
für  eine  Menge  Waffen,  welche  er  mit  Silber  beschlagen 
liatte^).  Den  Namen  Dirr  (Dürr,  Dürre,  Dhürr,  Dühre, 
Dorer)  finde  ich  im  Hauptstaatsarchive  noch  öfters  (von 
1605-1640)  erwähnt,  einen  Georg,  Hofmaler  (vergl.  meine 
Mittheilungen  in  der  Zeitschrift  für  Museologie  etc.  1883, 
No.  16  S.  123  Anm.  3),  ferner  einen  Christian,  welcher 
auch  Goldschmied  war  (1616)^'^);  Nagler  (HI,  553  f.  führt 
zwei  Kupferstecher  Johann  (1625 — 1670)  und  C.  L.  (um 
1664  zu  Danzig)  und  einen  Medailleur  Ernst  Caspar  (um 
1680  zu  Dresden)  an. 

Beihilfe  zum  Bau  des  alten  Kreuzthurmes 
in  Dresden   1583. 

1579  imternahm  man  die  Erhöhung  des  Kreuzthurmes 
in  Dresden.    Das  Muster  dazu  hatte  der  Bildhauer  Hans 


*)  Über  die  Goldschmiede  Schwedler  und  Schneeweiss  enthält 
das  K'.  S.  Hauptstaatsarchiv  ebenfalls  Nachrichten.  Vergl.  auch  [0-Byrn] 
Die  Hofsilberkamraer  etc.  (1880)  28,  33  u.  5tj  —  auch  über  Schnee- 
weiss  Gebr.  Erbstein,  Das  Kgl.  Grüne  Gewölbe  zu  Dresden  (1881),  87 
No.  129/130,  134  z.  Anf.  Auch  ein  Maler  Jonas  Schneeweiss  wird 
1620  erwähnt  (Dresdner  Rathsarchiv  CXXIV,  215  s  Bl.  1)  und  ein 
Goldschmied  Christian  1642  (Hauptstaatsarchiv:  Loc.  9838,  die  Gold- 
schmiedsinnung etc.  Bl.  10). 

»)  Wochenzettel  1601  — 1G03,  Loc.  7339,  Bl.  164 b,  287  b  flg., 
Bl.  4  b,  25  a  u.  b,  33  b,  89.        '»)  Vol.  I,  Loc.  8085,  Bl.  27. 


Kleinere  Mittlieiluiigen.  315 

Waltlier  gegeben  und  soll  der  Kurfürst  August  2000  Gldn. 
dazu  beigesteuert  haben.  Xälieres  über  den  Bau  giebt 
Lindau  (Dresden,  2.  Aufl.,  S.  347,  vergl.  aucb  die  Ab- 
bildung der  Kirche  ebenda  zwischen  S.  6623,  auch 
S.  446  u.  663).  Die  kurfürstliche  Beihilfe  erbat  sich  der 
Rath  zu  Dresden  unterm  3.  April  15S3  (K.  S.  llaupt- 
staatsarchiv:  Graf  ChristofFs  zu  Mannsfeld  etc.  Loc.  9668), 
indem  er  schreibt,  dass  er  „daß  wichtigen  grossen  ge- 
bendes am  heiligen  creutzthurmb,  so  tzu  sonderlicher  Imu- 
churf.  gn.  stadt  und  vhestungs  zierde,  vornemblich  ge- 
meint", mit  grossen  Unkosten  „soweit  gebracht"  habe, 
„das  es  alleine  vor  regen  und  ungewitter  initt  dem  kupper 
vorwahret  und  bedecket  werden  solP.  Er  fügt  hinzu, 
dass  sie  „an  der  einen  kleinen  spitzen  albereit  entpfunden" 
hätten,  dass  die  Sache  vieles  Geld  erfordere.  Die  Bitte 
des  Rathes  geht  nun  dahin,  der  Kurfürst  möge  von  der 
zu  entrichtenden  Strafsunune  des  Grafen  Christojih  zu 
Mansfeld  einen  Theil  zum  Thurmbau  abtreten,  auch  die 
Söhne  des  verstorbenen  Grafen  Hans  Georg  zu  Mansfeld 
hätten  bereits  einhundert  Centner  Kupfer  „tzu  vorferttigung 
offterwehnttes  thurmbs"  zu  liefern  versprochen,  liege  doch 
ihr  Vater  in  der  Kirche  begraben.  Diese  hundert  Centner 
erbittet  der  Rath  nun  einstweilen  ebenfalls  vom  Kurfürsten, 
da  das  Gebäude  schon  den  ganzen  verflossenen  Winter 
über  unbedacht  gestanden  habe. 


Literatur. 


Verfassungsg-escliichte  der  Stadt  Dresden.    Von  Dr.  Otto  Richter, 

Archivar  und  Bibliothekar  der  Stadt  Dresden.  Herausgegeben  im 
Auftrage  des  Ratbes  zu  Dresden.  (A.  u.  d.  T. :  Verfassuncrs-  und 
Verwaltungsgeschichte  der  Stadt  Dresden.  Von  Dr.  Otto  Richter. 
1.  Bd.)     Dresden,  Wilhelm  Baensch.     1885.  XII,  450  SS.     8». 

Bei  der  Abfassung  einer  jeden  Stadtchronik  ist  es  stets  nicht  so- 
wohl die  äussere  Geschichte  der  Stadt,  sondern  die  ihrer  inneren  Ent- 
wicklung, zumal  ihrer  im  Laufe  der  Zeiten  vielfach  wechselnden  Ver- 
■  fassung  und  Verwaltung,  was  dem  Verfasser  die  meisten  Schwierig- 
keiten bereitet.  Für  die  äussere  Geschichte  bieten  selbst  in  ältester 
Zeit  fast  immer  einzelne  Urkunden  oder  sonst  hinlänglich  beglaubigte 
Nachrichten  feste  Anhaltspunkte;  die  innere  dagegen  muss  aus  un- 
zähligen, meist  nur  zufällig  in  den  Stadt-  und  Gerichtsbüchern,  in 
den  städtischen  Rechnungen,  Schossregistern  und  sonstigen  Auf- 
zeichnungen aller  Art  vorkommenden  Einzeliiotizen  mühsam  er- 
mittelt werden ,  und  nur  von  Zeit  zu  Zeit  konstatieren  einzelne, 
meist  durch  vorangegangene  Streitigkeiten  veranlasste  Urkunden 
der  Landesherren  den  jemaligen  Zustand  der  innerhalb  der  Stadt 
bestehenden  Verhältnisse.  Je  grösser  die  Mühe,  desto  verdienst- 
licher ist  aber  auch  eine  Arbeit,  welche,  wie  die  vorliegende,  sich 
lediglich  die  Ermittelung  dieser  inneren  Verhältnisse  der  Stadt 
Dresden  im  Laufe  der  verschiedenen  Jahrhunderte  zum  Vorwurf 
nimmt  und  in  wahrhaft  mustergiltiger  Weise  die  allmählige  Ent- 
wickelung  der  jetzigen  Haupt-  und  Residenzstadt  sowohl  nach  ihrer 
räumlichen  Ausdehnung,  als  nach  den  wechselnden  Zuständen  des 
Stadtregiments  und  der  gesamten  Bürgerschaft  klar  legt.  Nur  ein 
so  eifriger  und  arbeitsfreudiger,  historisch  wohlgeschulter  und  zu- 
gleich in  der  einschlagenden  Literatur  bewanderter  Stadtarchivar, 
wie  der  Verfasser  es  ist,  konnte  an  diese  gewaltige  Arbeit  gehen; 
nun  darf  er  selbst,  wie  die  Stadt  Dresden,  in  deren  Aultrage  er  sie 
unternommen,  sich  des  gelungenen  Werkes  freuen. 

Den  allenthalben  urkundlich  wohlbegründeten  Ausführungen 
des  Verfassers  zufolge  führten  ursprünglich  wendische  Ansiedlungen 
sowohl  auf  dem  rechten,  als  auf  dem  linken  Ufer  der  Elbe  und 
zwar  dicht  am  Flusse,  den  Namen  „Dresdene",  d.  h.  Waldbewohner. 
Als  dieselben  christianisiert  worden  waren,  bildete  die  auf  dem  linken 
Ufer  gelegene  Frauenkirche  das  beiden  Dörfern  gemeinsame  Gottes- 
haus. Da  wurde  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  (vor  1216),  jedenfalls 
von  dem  damaligen  Landesherrn,  auf  eben  diesem  linken  Ufer,  aber 


Literatur.  317 

ausserhalb  des  Überschweimnungsgebietes  des  Flusses,  zwischen  einer 
Reihe  dort  befindlicher  Seen  nach  deutscher  Art  eine  neue,  städtische 
Ansiedluug  gegründet  und  für  dieselbe  ein  stattlicher  Marktplatz 
und  ein  von  diesem  ausgehendes  rechtwinkeliges  Strassennetz  ab- 
gesteckt. So  entstand  die  Stadt  Dresden.  Im  Gegensatz  zu  ihr 
wurden  nun,  wie  dies  auch  anderswo  bei  ähnlichen  Städtegründungen 
üblich  war,  die  beiden  gleichnamigen  Dörfer  dies-  und  jenseits  des 
Flusses  als  „Aldendresden"  bezeichnet.  Die  Frauenkirche,  ursprüng- 
lich das  Gotteshaus  auch  für  die  junge  Stadt,  stand  anfangs  noch 
ausserhalb  der  Stadtmauern.  Erst  1519  wurde  alles  Vorstacitgebiet 
zwischen  der  (zuerst  1287  erwähnten)  steinernen  Eibbrücke  und  dem 
damaligen  Frauenthore,  somit  auch  die  Frauenkirche  und  das  Dorf 
Aldendresden  links  der  Elbe  mit  der  Stadt  verbunden  und  nun 
ebenfalls  mit  Wall  und  Graben  umgeben.  Diesen  neu  hinzugefügten 
Stadttheil  nannte  man  die  „Neustadt",  und  noch  heute  führt  hier- 
von der  ,. Neumarkt"  seinen  Namen.  Seitdem  hiess  nur  noch  das 
Dresden  jenseits  des  Flusses  „Aldendresden".  Dies  ehemalige 
Dorf  hatte  inzwischen  140.3  ebenfalls  eigenes  Stadtrecht  erhalten, 
wurde  aber  1549  aus  militärischen  Befestigungsgründen  dem  übrigen 
Dresden  einverleibt  und,  als  es  nach  einem  grossen  Brande  (1(385) 
neu  aufgebaut  worden  war,  nun  „Neustadt-Dresden"  genannt. 

Ist  es  schon  eine  verdienstliche  Arbeit,  in  dieser  Weise  die 
Entstehungsgeschichte  von  Dresden  endgiltig  festgestellt  und  im 
Anschluss  hieran  die  verschiedenen  Thore,  Pförtchen,  Thürme,  die 
einzelnen  Gassen  und  Gässchen  mit  ihren  vielfach  wechselnden  Be- 
nennungen, sowie  die  sich  immer  weiter  ausbreitenden  Vorstädte  nach- 
gewiesen zu  haben,  so  gestaltet  sich  noch  allgemein  interessanter 
der  zweite  Hauptabschnitt  des  Buches  über  ,.dic  Stadtobrigkeit". 
Die  oberste  Verwaltungs-  wie  Gerichtsgewalt  in  der  neuen  landes- 
herrlichen Stadt  übte  ursprünglich  ein  landesherrlicher  Beamter, 
vülicus  oder  judex  genannt.  Bei  seiner  Amtsverwaltung  stand  ihm 
zur  Seite  ein  aus  der  Bürgerschaft  ernanntes  Kollegium,  von  welchem 
die  einen  Mitglieder  (jurati)  vorzugsweise  als  Beisitzer  im  Gericht, 
d.  h.  als  Schötien,  zu  fungieren,  die  übrigen  (consules)  aber  lediglich 
die  verschiedenartigen  Verwaltungsgeschälte  zu  besorgen  hatten. 
Seit  1292  nun  erscheint  als  Haupt  und  Spitze  dieses  städtischen 
Gesamtkollegiums  auch  ein  Bürgermeister  (magister  civiumj^  während 
bei  den  Gerichtsverhandlungen  nach  wie  vor  der  markgräfliche 
Richter  den  Vorsitz  führte,  die  Stadtschöffen  aber  „das  Urtheil 
fanden".  Die  Anzahl  der  Schöffen  betrug  7 ,  die  der  Rathmanne, 
den  Bürgermeister  eingeschlossen,  ursprünglich  12,  die  des  Ge- 
samtkollegiums also  19;  später  jedoch  (1399  — 1469)  belief  sich  die 
Zahl  aller  llathsgenossen,  Bürgermeister  und  Schöffen  eingeschlossen, 
nur  auf  12.  Erst  1412  wurde  vom  Markgraf  die  niedere,  endlich 
1484  auch  die  obere  Gerichtsbarkeit  „über  Hals  und  Hund"  samt 
den  daraus  Hiessenden  Sportein  dem  Rathe  überlassen;  seitdem 
trat  an  die  Stelle  des  markgräflichen  Richters  ein  vom  Rathe  be- 
soldeter „Stadtrichter".  Der  Rath  ward  zwar  alljährlich  erneuert; 
aber  Wiederwahl  der  meisten  galt  als  Regel,  und  auch  die  nicht 
wieder  in  den  „regierenden"  oder  „sitzenden"  Rath  übergegangenen 
Rathsherren  des  vorigen  Jahres  wurden,  als  „ruhender  Rath"  oder 
[Raths-j  „Aeltesten",  vielfach  zu  den  lautenden  Geschäften  zuge- 
zogen. Das  Amt  der  Rathsherren  war  ein  Ehrenamt,  ursprünglich 
ohne  jede  Besoldung;  daher  durfte  ihre  Zeit  und  Kraft  nicht  un- 
unterbrochen in  Anspruch  genommen  werden.     Die  Wahl  derselben 


318  Litevatuf. 

erfolgte  übrigens  in  früherer  Zeit  „niemals"  durch  die  Bürgerschaft 
oder  die  Stadtgenieinde  selbst,  sondern  jedesmal  durch  den  regieren- 
den Rath  kurz  vor    seinem  Abgange,  so  dass  sich  dieser  also  seine 
Amtsnachfolger   selbst   bestimmte,    beziehentlich  zum  grossen  Theil 
selbst  in   den   Rath   des  nächsten  Jahres   übertrat.     Die  Liste  der 
neuen   ßathsherren  musste  vom  Markgrafen   erst   bestätigt   werden. 
Gewählt  nun  wurde  der  Rath  ursprünglich  nur  aus  „den  vornehmeren 
Bürgern"  (potiorcs  cives),  d.  h.  den  reicheren  Kaufleuten,  besonders 
den    „Üewandschneidern"    (Tuchhändlern)    und    den    wohlhabenden 
Ackerbürgern.     Da  suchten  denn,  besonders  im  Laufe  des  15.  Jahr- 
hunderts, wie  dies  damals  in  allen  grösseren  Städten  geschah,  auch 
die  Handwerker  und  die  sonstige  ärmere  Stadtgemeinde  einen  stetigen 
Antheil  an  der  Stadtverwaltung,  vor  allem  eine  berechtigte  Stim'me 
bei  den  Steuererhebungen  und  der  Verwendung  des  städtischen  Ver- 
mögens sich  zu  verschaüeu.   Auch  in  Dresden,  wie  anderwärts,  standen 
an    der   Spitze    der    mit   dem   Gebahren   des   Käthes  oftmals   unzu- 
friedenen Bürgerschaft  die  Tuchmacher  oder  Wollenweber,   als   das 
durch  ihre  Anzahl  und  ihr  den  Gesamtwohlstand  der  Stadt  förderndes 
Gewerbe    damals    wichtigste    Handwerk.     Sie    durften    ursprünglich 
ihre  selbstgefertigtcn   Tuche  nicht  auch  selbst  nach  der  Elle  ver- 
schneiden,  sondern  mussten   dieselben  im  ganzen  Stück  an  die  Ge- 
\\-andschneider  verkaufen,    und  diese  nun  zogen   den  bedeutenderen 
Gewinn  sowohl  aus  dem  Einzelverkauf  nach  der  Elle,   als   aus  dem 
en-gros  Handel.     Über  das  Ankämpfen   der  Tuchmacher  gegen  dies 
Monopol  der  reichen  Tucbhändler  giebt  es,  wie  es  scheint,  in  Dresden 
weniger  ausführliche  Nachrichten,  als  z.  B.  in  den  oberlausitzischen 
Sechsstädten.     Der  Ausgang  der    Kämpfe  aber  war  hier  wie   dort 
derselbe;  der  Rath  schützte  zwar  zunächst  die  reichen  Tuchhändler, 
die  zum  grossen  Theil  seihst  im  Rathe  sassen,  bei  ihren  hergebrachten 
Vorrechten,     aber    der    Landesherr    gestand    auf    wiederholte    Be- 
schwerden endlich  1368  den  Tuchmachern  zu,    dass    sie  ihre  selbst- 
gefertigten Tuche   von    allen  Farben  (nur  bunte  und  gestreifte  aus- 
genommen) künftig  auch  selbst  verschneiden  durften.   Auch  darüber 
fehlt  es  an  speziellerer  Kunde,  wie  seit  Anfang  des  15.  Jahrhunderts 
die  Zünfte  und  die  übrige  Gemeinde  das  Recht  erlangten,  dass  der 
Rath    mindestens    bei    allen    Vermögensangelegenheiten    der    Stadt 
nicht  nur  „die  Aeltesten",  d.  h.  die  früheren  Rathsherren,  befragen, 
sondern  auch  „den  Handwerken  und  Gemeinde"  vorher  Mittheilung 
machen   und  deren   Zustimmung    einholen    musste.     Aber    fast   das 
ganze   Jahrhundert   hindurch   gehen   die   Erwähnungen    von   Wider- 
setzlichkeiten der  Zünfte   gegen  den  Rath  und  von  Mahnungen  der 
Landesherren,  dem  Rathe   Gehorsam   zu  leisten.     Die  neue   durch 
den  Landesherrn  vermittelte  Rathsordnung  von  1470  erledigte  end- 
lich mindestens  einen  Theil  der  bisherigen,  wohl  nicht  unberechtigten 
Beschwerden.     Ihr   zufolge    sollte  aus  den  Rathsherren  des  jetzigen 
und  der  beiden  nächsten  Jahre  ein  Rathskollegium  von  26  Personen 
gebildet  werden,  welche,  sämtlich  auf  Lebenszeit  gewählt,  sich  der- 
gestalt ablösen  sollten,   dass  jedes  Jahr  aus  dem  bisherigen  Käthe 
(nur)   zwei   Mitglieder  in   den   neuen   übertreten   und    neben   diesen 
von  den   „ruhenden"   Rathsherren  acht  in  den  „regierenden"  Rath 
eintreten   sollten,   so  dass   also  für  die  je  10  Rathsherren  ein  drei- 
jähriger Turnus  entstand.     Dem  entsprechend  sollten  auch  die  drei 
Bürgermeister   und  die  drei   Stadtrichter,  ebenfalls  auf  Lebenszeit 
gewählt,   einander  ablösen.     In   diese   „Räthe"  waren  jetzt  bereits 
auch  Handwerker  aufgenommen  worden;  eine  landesherrliche  Ver- 


Literatur.  319 

ordmnig  von  U71  bestimmte,  dass  unter  den  zehn  jedesmal  den 
regierenden  Rath  bildenden  Personen  sich  niemals  mehr  als  zwei 
Handwerker  befinden  durften. 

Aus  Rt'uksicht  auf  den  uns  zugemessenen  Raum  müssen  wir 
hier  unser  Referat  abbrechen  und  können  nur  noch  kurz  verweisen 
auf  die  besonders  interessanten  Kapitel  über  den  Geschältskrei?  und 
die  Geschäftsordnung  des  Rathes,  über  die  verschiedenen  Yerwaltungs- 
ämter  (das  Kammer-,  Zins-,  Bau-,  Salz-,  Pfannen-,  Brücken-,  Ma- 
ternihospital-Amt),  in  welche  nacii  und  nach  die  Geschäftsführung 
getheilt,  und  welche  von  den  einzelnen  Rathsherren  übernommen 
wurden,  ferner  über  Stadtschreiber  und  Syndikus,  über  Kanzlei  und 
Vollzugsbeanite,  über  das  Rathhaus  und  die  verschiedenen  Zwecke, 
denen  dasselbe  diente,  über  die  Stadtgemeinde,  die  Anzahl  der 
Häuser  und  der  Einwohner,  die  Juden  und  deren  Stellung,  sowie 
ihre  oft  traurigen  Schicksale,  endlich  über  die  Stellung  der  Stadt 
zum  Landesherrn  und  die  demselben  zu  leistenden  Steuern  und 
Kriegsdienste. 

Der  fast  überreiche  Stoff',  wohlgeordnet  und  gegliedert,  überall 
durch  urkundliche  Belegstellen  in  den  Anmerkungen  erwiesen,  bietet 
in  seiner  Gesamtheit  ein  getreues  und  vollständiges  Bild  des  städt- 
ischen Lebens  nach  den  verschiedensten  Richtungen  hin  und  in 
allen  Kreisen  der  städtischen  Bevölkerung,  von  den  Bürgermeistern 
und  Rathsherren  an  bis  hinab  zum  unehrlichen  Henker  und  dessen 
schauerlichen  Prozeduren  und  enthält  somit  einen  werthvollen  Bei- 
trag nicht  bloss  zur  lokalen,  sondern  zur  allgemeinen  Kulturgeschichte 
der  einzelnen  Jahrhunderte. 

Dresden.  Hermann  Knotho. 

Landgraf  Philipp  von  Hessen  und  die  Pack'sclien  HüudcL    Mit 

archivalischen  Beilagen.  Von  Hilar  Scliwarz.  Eingeleitet  von 
W.  Maurenbrecher.  (13.  Heft  der  „Historischeu  Studien".)  Leipzig, 
Veit  &  Co.     1884.     1G6  SS.     8». 

In  Bd.  IV  S.  160  flg.  dieser  Zeitschrift  hatte  Unterzeichneter 
zwei  fast  gleichzeitig  erschienene,  den  Pack'schen  Händeln  gewidmete 
historische  Arbeiten  angezeigt,  die  Schrift  von  Stephan  Ehses  und 
den  Aufsatz  von  ^Yilh.  Schoniburgk.  Die  Schrift  des  ersteren, 
welche  die  Tendenz  verfolgt,  die  Schuld  an  jenen  Irrungen,  die 
intellektuelle  Urheberschaft  des  gefälschten  „Breslauer  Bündnisses" 
von  Pack  selbst  auf  Landgraf  Philipp  zu  wälzen,  hatte  wenigstens 
den  Erfolg  zu  verzeichnen  gehabt,  dass  Janssen,  der  in  den  früheren 
Auflagen  seiner  Geschichte  des  deutschen  Volkes  die  Schuldfrage 
,,noch  unentschieden"  gelassen,  seitdem  seine  Leser  auf  die  Elises'sche 
Arbeit  verweist,  um  von  diesem  die  Lösung  etwaiger  Zweifel  darüber 
zu  empfangen.  Nun  liegt  wieder  eine  neue  Schrift  über  jene  Händel 
vor  uns,  die  gleichfalls  einen  katholischen  Historiker  zum  Verfasser 
hat  —  aber  sie  ist  toto  coelo  von  der  ihres  Vorgängers  verschieden. 
Überlegen  ist  sie  der  Ehses'schen  Schrift  nicht  allein  durch  das  um- 
fängliche archivalische  Material,  das  in  ihr  verwerthet  ist,  sondern 
vor  allem  durch  die  methodische  Stringenz,  mit  welcher  sii;  ihre 
Untersuchungen  führt,  durch  die  Unbefangenheit  in  ihren  Urtheilen, 
durch  die  Sorgfalt,  die  auch  auf  die  formale  Seite,  auf  Stil  und  Dar- 
stellung, verwendet   worden    ist').     Schwarz    lenkt   mit    siegreicher 


aufgefallen. 


')  Nur  auf  S.   84  ist   mir   die   Zwitterbildung  „nnkonscqucnt" 


320  Literatur. 

Beweisführung  zu  der  von  Ranke  begründeten  Auffassung  der  Händel 
zurück,  wonach  zwar  das  Bündnis  selbst  als  Fälschung  anerkannt*), 
jedoch  Landgraf  Philipp  als  bona  fide  handelnd  und  von  Pack  ge- 
täuscht betrachtet  wird.  Der  Beweiskraft  der  von  Schwarz  hierfür 
beigebrachten  Argumente  wird  sich  kein  Leser  entziehen  können: 
Philipps  Verhalten  und  ähnlich  das  der  Wittenberger  Theologen  in 
diesem  Handel  wird  begreiflich  gemacht  durch  eine  sorgsame  und 
möglichst  vollständige  Zusammenstellung  der  der  Sache  der  Evan- 
gelischen bedrohlichen  Vorgänge  im  gegnerischen  Lager  aus  den 
Jahren,  1526 — 1528.  Nebenbei  sei  bemerkt,  dass  der  Verfasser  durch 
diese  Übersicht  über  die  Zeitlage  auch  für  die  Entstehung  von 
Luthers  „Ein  feste  Burg",  die  er  in  Übereinstimmung  mit  Schneider 
und  Knaake  in  die  letzten  Wochen  des  Jahres  1527  setzt,  ein  hohes 
Mass  von  Wahrscheinlichkeit  zu  gewinnen  weiss,  wenn  wir  auch 
auf  die  Anklänge  an  Ferdinands  Religionsedikt  vom  20.  Aug.  1527, 
die  er  im  Liede  zu  finden  meint,  kein  sonderliches  Gewicht  legen 
wollen*).  War  bisher  als  dunkelster  Punkt  in  dem  Verhalten  des 
Landgrafen  Philipp  die  Stellung  erschienen,  die  er  bei  den  Ver- 
handlungen zu  Kassel  (20.  —  24.  Juli  1528)  eingenommen,  so  giebt 
Schwarz  im  7.  Kapitel  seiner  Arbeit  auch  hierüber  so  befriedigende 
Darlegungen,  dass  es  ihm  m.  E.  völlig  gelungen  ist,  den  Schatten 
eines  Verdachts,  der  von  hier  aus  auf  jenen  zu  fallen  schien,  zu 
entfernen.  Er  weist  aktenmässig  nach,  uass  es  sich  dort  nicht  um 
ein  Gerichtsverfahren  gegen  Pack  handelte,  nicht  um  die  Frage,  ob 
Philipp  ihn  an  Herzog  Georg  auszuliefern  habe,  sondern  nur  um 
die  persönliche  Reinigung  des  Landgrafen  seinem  Schwieger- 
vater gegenüber  von  dem  Verdacht,  ,,er  selbst  solle  das  vermeinte 
Bündnis  erdichtet  haben".  Wie  hier  die  vorliegende  Untersuchung 
zu  einer  Rechtfertigung  des  persönlichen  Charakters  Philipps  sich 
gestaltet,  so  wird  Exkurs  H,  S.  139  flg.  zu  einer  Vertheidigung 
Luthers  gegen  die  gehässigen  Vorwürfe,  die  ihm  Ehses  wegen  seines 

-)  Nebenbei  bemerkt  eine  Thesis,  die  auch  W.  Kampschulte 
1856  in  seiner  Doktordissertation  verfochten  hat. 

')  Neuerdings  hat  auch  Küchenmeister  (Das  evangel.  Glaubens- 
lied: Eine  feste  Burg.  Dresden  und  Leipzig.  1884)  im  allgemeinen 
Schneiders  Zeitbestimmung  adoptiert,  dieselbe  aber  aus  Gründen, 
die  er  der  Krankheitsgeschichte  Luthers  entnahm,  genauer  auf  die 
Tage  nach  dem  6.  Januar  1528  fixieren  wollen.  Bis  zu  diesem 
Tage  sei,  so  behauptet  er,  Luther  physisch  ausser  stände  gewesen, 
dann  aber  sei  laut  Brief  vom  6.  Januar  (de  Wette  HI,  256)  eine 
Krisis  eingetreten,  die  ihn  wieder  fähig  gemacht  habe,  sein  Helden- 
lied zu  schaffen.  Dagegen  ist  kurz  zu  bemerken,  dass  der  betreffende 
Brief  Luthers  von  einem  Leiden  erzählt,  welches  er  drei  Jahre 
zuvor  gehabt  hatte  (vergl.  meine  Anmerkung  im  „Briefwechsel  des 
Justus  Jonas"  L  Halle  1884,  S.  115),  und  daher  von  Küchenmeister  irrig 
auf  eine  in  jenen  Tagen  des  Jahres  1528  eingetretene  Besserung 
seines  Befindens  bezogen  ist.  Ausserdem  sehen  wir  aus  den  kürz- 
lich von  Buchwald  aus  der  Zwickauer  Rathsschulbibliotbek  bekannt 
gemachten  „Ungedruckten  Predigten  Luthers"  1,  1.  S.  XXVHI,  dass 
Luther  in  den  Monaten  November  und  Dezember  1527  fast  ganz 
regelmässig  seines  Predigtamtes  gewartet  hat,  dass  also  jene  physische 
Depression,  welche  Küchenmeister  zum  Ausgangspunkt  seiner  Be- 
weisführung nimmt,  gar  nicht  vorhanden  gewesen  ist.  Vergl.  Bach- 
mann in  Zeitschrift  für  kirchliche  Wissenschaft  1885  S.  42  Üg. 


Literatur.  321 

Verhaltens  in  den  Pack'schen  Händeln  gemacht  hat.  Besonders 
dankenswerth  ist  hier  die  Untersuchung  über  die  Aufeinanderfolge 
der  verschiedenen  Gutachten ,  die  wir  von  Luther  und  Melanchthon 
aus  dem  Frühjahr  1528  besitzen.  Es  ist  ihm  hier  gelungen,  die  8 
in  Betracht  kommenden  Gutachten,  von  denen  nur  zwei  datiert  sind 
(de  Wette  UI,  322  u.  323),  durch  genaue  Vergleichung  unter  einander 
und  mit  den  sonstigen  Dokumenten  jener  Tage  in  ganz  klare  und 
einleuchtende  Ordnung  zu  bringen  (siehe  das  Register  der  Briefe 
auf  S.  145):  mit  Hilfe  dieser  Feststellung  der  Daten  ist  es  dann 
ein  leichtes,  den  Vorwurf  zu  entkräften,  den  Ehses  erhebt,  als 
wenn  zwischen  Luthers  dem  Hofe  vorgelegten  Gutachten  und  seiner 
Privatkorrespondenz,  und  ferner  zwischen  Luthers  und  Melanchthons 
Verhalten  in  dieser  Angelegenheit  der  schroft'ste  Gegensatz  bestehe. 
Wenn  einer  von  beiden  Reformatoren  hierbei  in  ungünstige  Be- 
leuchtung rückt,  so  ist  es  gerade  Melanchthon,  dessen  Brief  an 
Camerarius  (Corp.  Ref.  I,  984  flg.),  wie  Schwarz  mit  Recht  her- 
vorhebt, nicht  als  ungetrübte  Wiedergabe  desThatbestandes  betrachtet 
werden  darf.  Was  an  Luthers  Verhalten  materiell  verfehlt  war, 
das  leitet  Schwarz  aus  der  gründlichen  Verbitterung  desselben  gegen 
Herzog  Georg  ab ;  „es  soll  gewiss  nicht  der  Zweck  dieser  Unter- 
suchung sein,  Luthers  Behauptungen  und  seltsame  Schlüsse  zu 
retten:  aber  das  allerdings  sollte  bewiesen  werden,  dass  Luther  bei 
seinem  Vorgehen  von  demselben  Bewusstsein  des  Rechtes 
durchdrungen  war  wie  Georg,  und  dass  die  im  Verlauf  des  Streites 
immer  massloser  werdenden  Auslassungen  beiden  Theilen  in 
gleicher  Weise  angehören".  —  Diese  Worte  kennzeichnen  das  Re- 
sultat, zu  welchem  der  Verfasser  hier  gelangt.  Aber  sie  sind  zu- 
gleich Zeugnis  dafür,  dass  in  der  Beurtheilung  des  grössten  aller 
Gegner  Luthers,  des  Herzogs  Georg,  hier  eine  Anschauung  geltend 
gemacht  wird,  welche  das  nicht  allein  auf  katholischer  Seite,  sondern 
auch  unter  protestantischen  Theologen  wie  Historikern  nur  zu 
leicht  idealisierte  Bild  dieses  energischen  Fürsten  zu  korrigieren 
sich  bemüht.  Darin  begegnet  sich  die  Schwarz'sche  Arbeit  mit  der 
gleichzeitig  veröffentlichten  Studie  des  Marburger  Historikers  Walter 
Friedensburg  „Zur  Vorgeschichte  des  Gotha -Torgauischen  Bünd- 
nisses" (Marburg  1884).  Beide  Arbeiten,  die  in  voller  Unabhängig- 
keit von  einander  dahin  streben,  Georgs  Verhalten  nicht  nur  den 
evangelischen  Regungen  im  eignen  Lande  gegenüber,  sondern  in 
der  Gesamtaktion  der  katholischen  Mächte  zur  Ausrottung 
der  Reformation,  scharf  hervorzuheben,  legen  uns  den  Wunsch 
nahe,  dass  doch  die  gesamte  politische  Wirksamkeit  dieses  Fürsten 
mit  Hilfe  des  reichen  archivalischen  Materials,  das  dafür  zu  Gebote 
steht,  zum  Gegenstande  einer  umfassenden  Darlegung  gemacht  werden 
möchte. 

Magdeburg.  Kawerau. 

Beschreibende  DarsteHung  der  älteren  Bau-  und  Kunst-Denk- 
mäler des  Königreichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  K.  Staats- 
regierung  herausgegeben  vom  K.  Sächsischen  Alterthnmsverein. 
Viertes  Heft :  Amtshauptmannschaft  Annaberg.  Fünftes  Heft :  Amts- 
hauptmannschaft  Marienberg.  Bearbeitet  von  Dr.  R.  Steche. 
Dresden,  in  Kommission  bei'C.  G.  Meinhold  &  Söhne.  1885.  92 
und  36  SS.     8». 

Die  verhältnismässig  geringere  Ausbeute  der  Amtshauptmann- 

schaften    Annaberg    und    Marienberg   hat   die   Redaktion    der    „Be- 


21 


Neues  Archiv  f.  8.  G.  u.  A.    VI.  3.  4. 


322  Literatur. 

schreibenden  Darstellung"  bestimmt,  beide  in  ein  Heft  zu  vereinigen, 
wenn  auch  jede  selbständig  behandelt  und  für  sich  abgeschlossen. 
Im  Übrigen  ist  die  Behandlung  des  Stoffs  und  die  Ausstattung  die- 
selbe wie  bei  den  früheren  Heften:  die  Abbildungen  sind  von  gleicher 
Schönheit,  der  kunsthistorische  Text  zeugt  von  gleicher  Gründlich- 
keit. 

Die  Bergstadt  Annaberg  wurde  erst  1495  angelegt,  weil  der 
seit  1492  dort  betriebene  äusserst  lohnende  Bergbau  eine  grosse 
Anzahl  von  Arbeitern  beschäftigte.  Unbekannt  und  unerörtert  ist, 
ob  der  Stadt  an  dieser  Stelle  ein  Dorf  vorausgegangen  ist:  wahr- 
scheinlich ist  dies  nicht  der  Fall  und  die  im  Jahre  1498  erbaute 
hölzerne  Kirche  überhaupt  die  erste  Kirche  daselbst  gewesen.  Es 
darf  daher  auch  nicht  Wunder  nehmen,  dass  sich  hierorts  keine 
älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler  befinden:  denn  das  an  Stelle 
dieser  Holzkirche  neu  errichtete,  noch  jetzt  vorhandene  massive 
Kirchengebäude  wurde  erst  1499  gegründet,  1513  mit  Dach  versehen, 
1516  gewölbt,  1524  mit  Fenstern  versehen  und  1525  geweiht.  Der 
Bauzeit  entspricht  der  spätgothische,  stark  zur  Kenaissance  hin- 
neigende Baustil,  welche  sich  im  allgemeinen  des  ganzen  Ober- 
sachsens bemächtigt  hatte.  Der  Bauzeit  entspricht  ferner  das  ziem- 
lich vollständige  ßekanntsem  aller  an  dem  Bauwerk  beschäftigt 
gewesenen  Künstler  und  Werkmeister,  was  wir  in  der  klassischen 
Zeit  der  romanischen  und  gothischen  Bauperiode  so  schmerzlich 
vermissen. 

Die  in  dem  Hefte  wiedergegebenen  Grundrisse,  mit  Angabe 
der  in  ihrem  Charakter  unruhigen,  wenn  auch  reichen  Netzgewölbe 
unter  den  Emporen  und  in  der  Kirche  sind  nach  Aufnahmen  des 
Prof.  F.  Arnold  gezeichnet.  Sie  dokumentieren  eine  grosse  Genauig- 
keit und  Sorgfalt.  Von  gleicher  Treue  erscheinen  die  übrigen 
Zeichnungen  und  Details,  und  wir  müssen  besonders  für  die  zahl- 
reichen schönen  Photographien  des  inneren  Ausbaues,  Kanzel  und 
Altar,  danken,  wenn  die  Gegenstände  sich  auch  unserer  Ansicht  nach 
durch  geschmacklose  Auffassung  auszeichnen  und  an  sich  wenig 
Sympathie  erwerben  mögen. 

Von  erheblichem  Werthe  erscheinen  unter  den  angeführten 
Gemälden  die  Tafeln  eines  kleinen  Flügelaltars,  die  Verkündigung 
Mariae  und  die  Geburt  Christi  darstellend,  wovon  äusserst  sorgfältige 
Skizzen  von  Künstlerhand  beigebracht  sind:  sie  sind  von  herrlichem 
Detail  und  vollendeter  Zeichnung,  werden  aber  in  der  Farbenwirkung 
als  etwas  kalt  geschildert,  was  vielleicht  eine  Folge  öfteren  ohne 
Verständnis  ausgeführten  Keinigens  ist. 

Ganz  eigenartig  sind  die  zahlreichen  Reliefs,  welche  zum 
Schmuck  der  Emporen  dienen,  zumal  diejenigen  20  Reliefs,  welche 
die  10  Alter  des  menschlichen  Lebens  darstellen  und  für  jedes 
Geschlecht  besonders  sich  auf  beiden  Seiten  der  Brüstungen  hin- 
ziehen. Ihre  Entstehung  soll  man  unter  direktem  EinÜuss  des 
Herzogs  Georg  annehmen  dürfen,  der  sich  lebhaft  für  die  An- 
bringung interessierte.  Es  mag  bei  dieser  Gelegenheit  darauf  hin- 
gewiesen werden,  dass  die  später  oft  angewandte  Reihe  der  10 
Lebensalter  erst  im  15.  Jahrhundert  aufgekommen  zu  sein  scheint; 
die  ältesten  Zeugnisse  dafür  finden  sich  im  Liederbuch  der  Clara 
Hätzlerin  und  in  einem  Fastnachtsspiel  des  Pamphilus  Gengenbach, 
dessen  ältester  Druck  von  1500  ist.  Vergl.  die  Bemerkungen  von 
Karl  Goedeke  in  seiner  Ausgabe  des  Pamphilus  Gengenbach 
(Hannover  1856)   S   571   flg.    (auch  der  Annaberger  Totentanz   wird 


Literatur.  323 

S.  575  besprochen).  Auch  "Wanders  Sprichwörter -Lexikon,  Bd.  IL 
(1870)  Sp.  996  führt  einige  Beispiele  an,  namentlich  ein  gereimtes 
fürs  weibliche  Geschlecht.  Auf  einem  Pokale  von  grünem  Glase 
vom  Jahre  1603,  29 Vs  cm  hoch,  12'/»  cm  weit,  welcher  sich  unter 
den  Sammlungen  des  Ratbhauses  zu  Wernigerode  befindet  und  in 
zwei   über  einander  gestellten   Bilderfolgeu   ähnliche  Darstellungen 


igt, 

lautet  die  Inschrift: 

10. 

Jar.  ein.  kindt. 

60. 

Jar. 

gehts  alter  an. 

20. 

Jar.  ein  jvngling. 

70. 

Jar. 

ein  greys. 

30. 

Jar.  ein.  man. 

80. 

Jar. 

nimmer  weis. 

40. 

Jar.  woUgethan. 

90. 

Jar. 

der  kinder  spodt 

50. 

Jar.  stille  stan. 

100. 

Jar. 

genadt  dir  gott. 

Der  Knabe  erscheint  hier  auf  einem  Steckenpferd,  eine  Wind- 
mühle im  Gurt,  hinter  ihm  ein  Ziegenböckchen,  ein  Yogel  mit  auf- 
gewickelter Schnur  (1);  —  der  Jüngling,  etwas  zu  alt  dargestellt, 
mit  einem  wolfähnlichen  Hunde,  die  rechte  Hand  ausgestreckt,  in 
der  Linken  ein  Falke  mit  Schnur  (2);  —  der  Mann  mit  Degen  und 
blaugelber  Fahne  (Braunschweigs  ?),  die  Hose  rotli  und  weiss  ge- 
puift,  das  Camisol  schwarz  mit  grünen  Putten,  hinter  ihm  liegt  ein 
fleischfarbener  Stier  (.3);  —  ein  Ritter  in  Rüstung  und  Schwert, 
rothen  Strümpfen,  Barett  mit  Federn,  hinter  ihm  ein  Löwe  (4);  — 
ein  Mann  in  Bürgertracht,  mit  Seitengewehr,  am  Fusso  ein  Luchs  (5); 
—  ein  Mann  mit  Beutel  in  der  Linken,  am  Fusse  hinter  ihm  ein 
graublaues  fuchsälmliches  Thier  mit  einer  Taube  im  Maule  (6);  — 
ein  gebückter  Mann,  Weiser  der  Stadt,  mit  Hund  (7) ;  —  ein  Greis 
mit  langem  Pelzrock,  Rosenkranz  in  der  Rechten ,  Gehstock  in  der 
Linken,  hinter  ihm  eine  Katze  (8);  —  ein  Alter  auf  2  Krücken, 
hinter  ihm  ein  Esel  und  rechts  ein  ihn  verspottender  Junge  (9);  — 
ein  nackter  Greis  auf  einer  Bank  mit  schwarzer  Kappe ,  eine  Gans 
links,  der  Tod  (10). 

Die  übrigen  Bildhauerarbeiten  der  Kirche,  wohl  kaum  später 
ausgeführt,  als  die  bereits  erwähnten,  weil  sie  noch  spät-gothisches 
Ornament  und  Masswerk  von  manierierten  Formen  enthalten,  sind 
trotz  ihrer  Gedankenfülle  nur  geschmacklos  zu  nennen.  Nur  das 
Auferstehungsbild  an  dem  Epitaphium  des  Job.  Unwirth  enthält 
einige  schön  modellierte  Figuren,  wenn  auch  von  uuhistorischem 
Zusammenhange,  da  es  ein  eigenthümlicher  Gedanke  ist,  die  vier 
schreibenden  Evangelisten  im  Vordergrunde  des  auferstehenden 
Christus  anzubringen. 

Von  den  kleineren  in  Annaberg  noch  befindlichen  Kirchen  und 
Profangebäuden  ist  Erhebliches  nicht  zu  berichten. 

Grosses  Interesse  erwecken  auch  in  dieser  Lieferung  die 
schönen  Photographien  von  Dilich'schen  Städte-Ansichten,  von  Anna- 
berg, Buchholz,  Khrenfriedersdorf,  Eiterlein,  Geyer,  Oberwiesenthal, 
Schftibenberg,  Schiettau,  Tluun  im  IV.,  und  Lauterstein,  Lengefi-ld, 
Marienberg,  Rauhenstein,  Marienl)ail,  Wolkenstein  und  Zublitz  im 
V.  Hefte,  in  einer  Anzahl  von  16  Nummern.  Sie  verratheu  sämtlich 
eine  derzeitige  Porträt-Ähnlichkeit  und  nöthigen  zum  grössten  Danke 
für  die  AViedergabe  derselben. 

Einer  eingehenderen  Berücksichtigung  wird  das  ehemalige  Altar- 
bild von  IJuchholz  unterzogen.  Leider  ist  dasselbe  nicht  mehr  voll- 
ständig und  deshalb  in  einzelnen  Stücken  in  der  Kirche  vertheilt. 
Die  vorzügliche  Zeichnung  der  einzelnen  Figuren  wird  von  Steche 
entweder  dem  L.   Schenfl'elin   oder  M.    Wohlgemuth  zugeschrieben 

21* 


324  Literatur. 

Von  herrlicher  Erfindung  zeugt  das  das  Christus-Porträt  enttaltende 
Yeronica-Bild,  welches  auf  S.  61  dargestellt  ist. 

Aus  der  Nikolaikirche  zu  Ehrenfriedersdorf  ist  höchst  dankens- 
werther  Weise  eine  grosse  Photographie  von  dem  schönen  Kelch 
aufgenommen;  wenn  Steche  aber  geneigt  ist,  dessen  Herstellung  in 
die  zweite  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  zu  verweisen,  so  widerspricht 
dem  theils  die  bedeutende  Höhe  von  23  cm,  welche  zu  dieser  Zeit  ganz 
ungewöhnlich  war,  theils  die  hyperbolische  Form  der  Cuppa  und 
die  steife  Ansteigung  des  Fusses.  Wir  sind  mehr  geneigt,  die  An- 
fertigung des  in  jeder  Beziehung  spätgothische  Formen  zeigenden 
Gefässes  in  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  zu  setzen,  wo  die  allgemein 
eingeführte  Spendung  des  Kelches  auch  eine  weitere  Cuppa  verlangte. 

Im  Übrigen  berichtet  der  Verfasser  über  eine  Menge  mittel- 
alterlicher mehr  oder  weniger  erhaltenen  Altarschreine,  welche  aus 
der  Zeit  von  1480 — 15.30  stammen  und  daher  wohl  in  derselben  Werk- 
statt gefertigt  sein  werden,  Sie  sind  sämtlich  von  konventionellen 
Autfassungen,  im  Geschmack  der  Zeit. 

Unter  den  Glocken  scheint  keine  einzige  mehr  dem  15.  Jahr- 
hundert anzugehören. 

Das  V.  Heft  für  die  Amtshauptmannschaft  Marienberg  hat  eine 
Ausdehnung  von  nur  35  Seiten  erhalten  können.  Die  Hauptstadt 
Marienberg  dankt  ihre  Entstehung,  wie  Annaberg  und  Joachims- 
thal, der  Einführung  segenbringenden  Bergbaues,  doch  ist  sie  die 
jüngste  dieser  drei,  indem  ihre  Gründungsurkuude  vom  28.  April 
1521  datiert.  Da  bereits  1551  an  500  Wohnstätten  errichtet  waren, 
so  muss  ziemlich  leichtfertig,  d.  h.  von  Fachwerk  etc.  gebaut  worden 
sein,  was  zu  öfteren  Feuersbrünsten  von  grosser  Ausdehnung  führte. 
Auch  die  Haupt-  und  Marien-Kirche  war  anfänglich  von  Holz,  und 
die  massive  Erneuerung  in  grösserer  Form  erfolgte  erst  1548,  wie 
es  heisst,  nach  dem  Vorbilde  der  Stadtkirche  in  Pirna.  Im  Jahr  1564 
konnte  sie  der  Benutzung  übergeben  werden,  wurde  indessen  durch 
einen  Stadtbrand  von  1610  so  verwüstet,  dass  sie  fast  ganz  neu 
wieder  aufgeführt  werden  musste.  Der  Bau  ist  ein  Gemiscii  von 
Gothik  und  Renaissance,  was  sich  auch  auf  die  Gewölbe  im  Innern 
erstreckt,  während  der  Thurm  nur  in  Renaissance  angesetzt  ist. 
Ebenso  sind  die  inneren  Ausbauten  künstlerisch  unbedeutend,  wenn 
man  auch  hier  und  da  bestrebt  sein  mochte,  einen  gewissen  Luxus 
zu  zeigen.  Die  Geräthe  sind  meist  erst  aus  dem  17.  Jahr- 
hundert. 

Über  die  Profangebäude  der  Stadt  (das  Rathhaus  und  die  Bürger- 
häuser) war  nichts  Bemerkenswerthes  mitzutheilen.  Die  beiden 
Portale  in  Photographien  sind  gelungene  Muster  für  zopfige  Archi- 
tekturen, 

Auch  die  übrigen  Ortschaften  der  Amtshauptmannschaft  boten 
wenig  Beachtenswerthes.  Die  Kirchen  und  deren  innerer  Ausbau 
sind  meist  ebenso  unbedeutend  als  die  Mehrzahl  der  Kirchengeräthe. 
Die  Schnitzaltäre  sind  bis  auf  den  in  Forchheim  aus  dem  16.  und  17. 
Jahrhundert,  die  Glocken  grösstentheils  aus  dem  16.  bis  18.  Jahr- 
hundert, nur  2  in  Forchheim  (1490  und  91),  2  in  Mittelsaida  (1463 
und  1497)  und  1  in  Zöblitz  (1476)  gehören  dem  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts an;  der  Buchstabe  T  und  die  fast  gleiche  Zeit  des  Gusses 
lassen  vermuthen,  dass  sie  wohl  von  demselben  Meister  herrühren, 
der  mit  gleichem  Zeichen  ziemlich  oft  auch  in  der  weiten  Umgegend 
von  Leipzig  vorkommt  und  Hans  Tyme  zu  sein  scheint  (vergl.  Ütte, 
Glockenkunde,  2.  Aufl.,  S.  219.) 


Literatur.  325 

Ein  besonders  beraerkenswerther  Deckelpokal,  der  früber  in 
Grnntbal  (Saigerbütte)  war  und  dann  nach  Freiberg  gelangte,  befindet 
sich  jetzt  im  „Grünen  Gewölbe"  zu  Dresden;  sein  Schmuck  bezieht 
sich  auf  den  Segen  des  Bergbaues. 

Wernigerode.  Gustav  Sommer. 

LlberCronicornm  (Erfordensis)  [Cbronicon  Tburingicum  Viennense]. 
Herausgegeben  von  Carl  "VVenck:  Zeitschrift  des  Vereins  lür 
thüringische  Geschichte  und  Alterthumskunde  N.  F.  IV,  185  flg. 
(citiert  mit  L.  C.)  '). 

Zur  Entstehungsgeschiclite  der  Reiiihardsbruiiner  Historien  und 
der  Erfurter  Peterschronik.  Von  Carl  Wenck:  Neues  Archiv 
für  ältere  deutsche  Geschichtskunde.  X,  97  flg.  (citiert  mit 
W.  X.  A.). 

Untersuchung  der  Chronik  des  St.  Petersklosters  zu  Erfurt  in 
Bezug  auf  ihre  einzelnen  Theile  und  deren  geschichtlichen 
Werth.  Von  Erich  Schmidt:  Zeitschrift  des  Vereins  für  thürin- 
gische Geschichte.     N.  F.  IV,  110  flg.  (citiert:  S.)- 

C.  Wenck's  Aufsätze,  ebd.  II,  221  flg.  416  flg.  IV,  187  flg.  279  flg. 
(citiert:  MV.  Z.). 

Die  Fälschung  der  ältesten  Reinhardsbrnnner  Urkunden.  Von 
Alb.  Naude.  Berlin,  W,  Weber.  188.3.  128  SS.  8»  (auch  in  den 
Neuen  Mittbeilungen  des  thüringisch-sächsischen  Vereins,  XVI.  Bd.) 
(citiert:  N.)  -). 

Kritische  Bearbeitung  und  Darstellung  der  Oeschichte  des 
thüringisch -hessischen  Erbfolgekrieges  1247—64.  Von  Th. 
Ilgen  und  Rud.  Vogel:  Zeitscbrift  des  Vereins  für  hessische 
Geschichte  und  Landeskunde.  N.  F.  X.  Kassel  1884  (citiert:  I.V.). 

Die  Anfänge  des  ersten  thüringischen  Landgrafengeschlechts. 
Von  Arthur  (Jross:  Ein  Beitrag  zur  tliüringischen  Geschichts- 
forschung. (Inaug  -Diss.)  Göttingen,  Vaudenhoeck  und  Ruprecht. 
1880.     59  SS.  8».  (citiert:  G.)*). 

Unser  chronikalisches  Material  zur  thüringischen  Geschichte 
ist  kürzlich  durch  Publikation  weiterer  Theile  des  bisher  mangelhaft 
bekannten    sogenannten    Chronicon   Thuringicum    Viennense  *)   ver- 


')  Frühere  Ausgabe  von  0.  Lorenz  in  den  Geschichtsquellen 
der  Provinz  Sachsen  I  (Halle  1870),  197—214. 

*)  Die  Ortsangaben  der  Urkunden  sind  neuerdings  behandelt 
von  Regel  (Petermann's  Mittheilungen  Ergänzungsheft  76,  S.  33  flg.) 
und  Werneburg  „Namen  der  Ortscliaften  und  Wüstungen  Thüringens" 
(in  den  Abhdl.  der  Erfurter  Akademie). 

3)  Der  Kürze  halber  citierc  ich  auch:  W.  E.  =  C.  Wenck,  Die 
Entstehung  der  Reinhardsbrnnner  Geschichtsbücher,  Halle  1878. 
St.  =  E.  B.  Stübel,  Das  Chronicon  Sampetrinum  Erfurtense.  Leipziger 
Inaug.  Diss.  1867.  S.  P.  —  Chronicon  Sampetrinum  (ed.  B.  Stübel): 
Gesch.  (^u.  der  Prov.  Sachsen  I.  A.  R.  =  Annales  Reinhards- 
brunnenses  (ed.  Wegele):  Thüringische  Geschichtsquellen  I,  Jena  1854. 
M.  =  Menckenius,  Scriptores  Rerum  Germanicarum,  Leipzig  1728. 
Chr.  M.  =  Chronica  minor  auctore  minorita  Erphordiensi:  Mon.  Germ. 
SS.  XXIV,  173  ttsr.    A.  E.  =  Annales  Erpliordenses:  ebd.  XVL  2(i  flg. 

*)  Neben  der  früher  allein  benutzten  Wiener  Handschrift  zieht 
W.  noch  eine  Leydener  und  eine  Wiesbadener,  die   beste   von  den 


326  Literatur. 

mehrt  und  der  eigenthümlicbe  Charakter  des  Geschichtswerkes  mm 
deutlicli  geworden.  Durch  interessante,  womöglich  wunderbare  Ge- 
schichten *)  wollte  der  Verfasser  das  Unterhaltungsbedürfnis  kirchlich 
gesinnter  Leser  ")  befriedigen  und  kompilierte  —  so  sagt  er  seihst  — 
zu  diesem  Zwecke  aus  andern  Werken,  mit  souveräner  Verachtung 
der  Chronologie,  wie  W.  bemerkt,  doch  nicht  ganz  ohne  Nachdenken  'J. 
Aus  eigener  Kenntnis  scheint  er  nirgends  zu  berichten,  allerdings 
können  wir  seine  Quellen  nicht  alle  nachweisen.  Er  legt  seinem 
Liber  cronicorum  sive  annalis,  wie  ihn  die  beste  Handschrift  und, 
entsprechend  dem  kompilatorischen  Charakter  des  Werkes,  der 
Herausgeber  nennt,  Ensehii  cronica^  d.  h.  Ekkehards  Weltchronik 
zu  Grunde,  schiebt  Stücke  aus  einer  moralisierenden  Bearbeitung 
von  Ovids  Metamorphosen  ein,  bringt  eine  fabelhafte  Urgeschichte 
der  Franken,  Sachsen  und  Thüringer  meist  nach  Ekkehard*]  und 
geht  dann  auf  die  thüringische  Landgrafengeschichte  über,  für  die 
er  hauptsächlich  die  Reinhardsbrunner  Geschichtsbücher  excerpiert, 
nicht  ohne  hie  und  da  mehr  als  sie  zu  bieten;  die  Reichsgeschichte 
lässt  er  —  das  hebt  W.  als  charakteristisch  hervor  —  fast  syste- 
matisch bei  Seite.  Gegen  das  Ende  hin  nehmen  den  meisten  Raum 
Geschichten  ein,  welche  das  Christenthum  im  Kampfe  mit  Juden-  und 
Heidenthum  und  Ketzerei  zeigen ,  recht  nach  dem  Geschmacke  des 
Predigerordens,  dem,  wie  W.  (Z.  IV,  197)  im  Anschluss  an  Herrmann 
und  Lorenz  ausführt,  der  Autor  angehört  haben  dürfte.  Das  Interesse, 
das  derselbe  für  Erfurt  an  den  Tag  legt,  auch  der  Umstand,  dass 
zwei    Handschriften,   die  Leydener    und   die    Maihinger,    in  Erfurt 


dreien,  heran;  eine  Maihinger,  eine  Breslauer  und  eine  Wolfen- 
büttler  (Neues  Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  X,  435) 
bleiben  noch  zu  untersuchen. 

*i  Die  Geschichte  von  Helena  ist  eingefügt,  weil  sie  dclccta- 
bilis  et  nota  inter  mirahilia  mundi.     Z.  IV,  219,  36. 

*)  Rath  und  Erlaubnis  der  lirelati  ist  zu  der  Arbeit  eingeholt. 
Z.  IV.  250,  29. 

')  Wenn  der  von  ihm  besonders  stark  ausgebeutete  lib.  rer. 
memorabil.  Heinrichs  von  Hervord  den  Ketzer  Amalricus  erst  zu 
1210  nach  Vincenz  von  Beauvais  ruhig  sterben,  dann  zu  1215  nach 
Martin  von  Troppau  den  Feuertod  erleiden  lässt,  so  beseitigt  unser 
Autor,  beide  Stellen  ausschreibend,  den  Widerspruch  und  lässt  die 
Bemerkung  über  die  Verbrennung  weg. 

*)  Das  Kapitel  de  ortu  Thuringornm  stimmt  zum  Theil  (Z.  IV, 
224,  1—4.  224,  21—225,  2.  225,  5—14)  wörtlich  mit  Gottfried  von 
Viterbo  (Mon.  Germ.  Script.  XXII,  300,  33—301,  17)  überein.  Ebenda 
berührt  sich  unser  Autor  eng  mit  der  jüngeren  thüringischen  Land- 
grafengeschichte Hist(oria)  Kcc(ardiana) ,  von  der  Eccardus  Hist. 
genealog.  princip.  Sax.  351  flg.  nur  das  Stück  seit  1025  gedruckt 
hat:  diesem  geht  in  der  Jenaer  Handschrift,  die  ich  Dank  der 
Liberalität  der  dortigen  Bibliotheksverwaltung  benutzen  darf,  die 
Geschichte  der  Zeit  vor  1025  voran,  die  vielfach  mit  Martin  von 
Troppau  und  der  Chr.  M.,  vielfach  auch  mit  der  altern  Landgrafen- 
geschichte bei  Pistorius-Struve  SS.  Rer.  German.  I,  1296  flg.  Ver- 
wandtschaft zeigt,  übrigens  ebenso  die  Nachrichten  durcheinander 
wirft,  Duplizitäten  und  Widersiirüche  stehen  lässt,  wie  es  in  dem 
bereits  gedruckten  Theil  der  Fall  ist.  Ob  den  drei  Urgeschichten  eine 
ältere  Zusammenstellung  zu  Grande  liegt,  wird  also  zu  untersuchen 
sein. 


Literatur.  327 

fresL-lirieben  sind,  weisen  auf  diese  Stadt  als  die  Heimath  der  Knni- 
pilatioi).  Dass  er  aus  der  Erfurter  Peterscbrouik  so  wenig  entnahm, 
wird  begreitticb,  wenn  wir  mit  W.  (Z.  IV,  196)  seine  Verweisungen 
auf  eine  nachfolgende  ausführlichere  Darstellung  auf  die  Peters- 
chronik beziehen,  die  in  der  That  zu  den  bezüglichen  Jahren  mehr 
bietet  als  der  L.  C.  uiul ,  nach  jenen  Andeutungen  zu  schliessen, 
mit  demselben  in  einem  Baiuie  vereinigt  wurde.  Hinter  dem  Prolog 
hat  die  W^iesbadener  Handschrift  —  und  gewiss  aus  dem  Original 
—  die  Worte:  Anno  domini  1346  hunc  libruni  inccpi  [Z.  IV,  194); 
dem  gegenüber  fällt  auf,  dass  hinter  einem  Eintrage  zu  1270 
(Z.  IV,  23.S,  28)  eine  Thatsache  als  nostris  temporibus  geschehen 
berichtet  ist,  die  in  S.  P.  zu  1276')  gesetzt  wird;  sie  scheint  im 
L.  C.  einer  beträchtlich  sjjätern  Zeit  als  1270  zugewiesen,  wie  der 
Autorauch  dem  Jahre  1265  seine  Zeit  als  presens  Uminis  (Z.  IV,  2.32) 
gegenüberstellt.  Oder  war  der  Zusatz  noatris  temjjoribus  '")  ebenso 
wie  die  in  S.  P.  fehlenden  Worte  multo  tempore  ursprünglich  letzterer 
Chronik  eigen? 

So  sind  wir  bereits  auf  die  Frage  geführt,  in  welcher  Gestalt 
die  beiden  Hauptwerke  der  mittelalterlichen  Geschichtsschreibung 
Thüringens,  die  Pieinhardsbrnnner  Gescliichtsbücher  und  die  Erfurter 
Peterschronik,  dem  Autor  des  L.  C.  vorlagen. 

Die  A.  R.  weisen  bekanntlich  viele  Stücke  auf,  die  aus  Lam- 
berts Annalen,  den  Chroniken  Ekkehards  und  Gottfrieds  von  Viterbo, 
den  Annales  S.  Petri  Erphesphordenses  (1078—1182),  aus  Chr.  M. 
und  S.  P.  stammen.  Zuweilen  kaum  eine  Zeile,  oft  ganze  Seiten 
lang,  sind  diese  Stücke,  wie  W.  (N.  A.  12.3)  nachweist,  mit  anderem 
Quellenstoff  theils  so,  dass  ein  Mosaik  entstand,  verflochten,  theils,  ohne 
dass  Zusammenhang  hergestellt  ward,  eingeschoben,  dies  wie  jenes 
meist  unter  Festhaltung  des  wörtlichen  Ausdrucks,  hie  und  da  unter 
Beifügung  von  kleinen  Zusätzen,  besonders  von  Verwiiisungen.  So 
kamen  in  die  A.  R.  über  nicht  wenige  Ereignisse  doppelte  Berichte, 
z.  B.  234,  20-235,  11.  Dass  eine  so  massenhafte  Entlehnung  fremden 
Stoffes,  die  in  überall  gleicher  Weise  ein  vorliegendes  Material  an 
den  verschiedensten  Stellen  lediglich  vervollständigte,  damit  das 
Buch  auch  recht  viel  des  WJssenswerthen  böte,  wird  man  am  natür- 
lichsten als  von  einem  und  auf  einmal  ausgeführt  ansehen.  Für 
die  Beantwortung  der  Frage,  wann  sie  erfolgt,  gewann  Wegele  den 
terminus  ante  quem  aus  der  wettinischeu  Genealogie,  die  im  Anscbluss 
an  eine  Ekkehardstelle,  also  eins  jener  entlehnten  Stücke,  bis  auf 
Friedrich  den  Ernsthaften  (1.324-1349)  geführt  wird  (A.  R.  IH,  2);  weiter 
stammt  die  Schlussnachricht  der  A.  R.  zu  1338  aus  dem  Eintrage 
der  Peterschronik  zu  1837:  also  wird  Ekkehard  zwischen  1324  und 
1349,  die  Peterschronik  nach  1337  für  die  A.  R.  ausgebeutet,  somit 


•)  S.  162.  Zu  1276  berichtet  das  Faktum  auch  der  Dresdener 
cod.  K.  :il6  fol.  155b,  auf  den  W.  (N.  A.  130)  hinweist  und  den 
nach  Schmidt  aucli  ich  Dank  der  Liberalität  der  Bibliotheksver- 
waltung benutzen  durfte,  uiul  unmittelbar  vor  1276  Erph.  Antiq. 
Varil.  (M.  II,  489);  genauer  (ob  richtiger?)  lassen  den  Krüppel,  von 
dem  die  Rede  ist,  1276  geboren  sein:  Ilist.  Ecc.  438,  Rothe  445 
und  Konrad  Stolle  f.  LXXXlIb  der  Jenaer  Handschrift,  die  einzu- 
sehen mir  gütigst  gestattet  wurde. 

'»)  Derselbe  Ausdruck  S.  P.  116.  117.  149. 


328  Literatur. 

überhaupt  das  fremde  Material  nach  1337  und  spätestens  1349  ein- 
geschaltet sein"). 

Das  unten  zu  erwähnende  Leben  des  h.  Ludwig,  nach  1314 
geschrieben ,  zeigt  das  Reinhardsbrunner  historische  Material  noch 
unvermischt  (W.  E.  25;,  dagegen  sind  im  L.  C.  zu  1070,  1089,  1227, 
1258,  1263  Notizen  aus  Ekkehard,  Chr.  M.,  S.  P.  in  derselben  Yer- 
bindung  wie  in  A.  R.  selbst  zu  lesen;  nicht  gerade  vor  dem  Anfang, 
wie  W.  annimmt,  jedenfalls  aber  vor  dem  Abschluss  der  Arbeit  am 
L.  C.  muss  der  Reinhardsbrunner  Kompilator  fertig  gewesen  sein. 
Als  historiae  wird  sein  Werk  citiert  in  den  Annales  breves  de 
lantgraviis  Thuringie  '^),  einem  noch  unter  Friedrich  dem  Strengen 
(f  1381)  angefertigten  Auszuge  und  in  den  Excerpten,  die  sich 
Schedel  1507  aus  den  A.  R.  machte  (W.  E.  85.  N.  A.  105),  als 
Cronica  monasterii  Reinh.  im  Bibliothekskatalog  dieses  Klosters  von 
1514,  den  W,  veröffentlicht  hat  (Z.  IV,  284). 

Weder  der  L.  C.  noch  die  Ann.  brev.  noch  Sch(edels)  Excerpte 
gehen  auf  die  einzige  uns  erhaltene  Handschrift  der  A.  R.  zurück, 
die,  nach  1424  geschrieben  (A.  R.  111),  einen  arg  verstümmelten 
Text  bietet,  sie  sind  also  für  die  Herstellung  des  Originaltextes 
neben  jener  zu  verwertlien  '*).  Ob  ihr  gegenüber  alle  drei  Auszüge  einen 
Archetypus  vertreten  oder  zwei  einen  und  der  dritte  einen  andern 
oder  jeder  einen  besondern,  ist  kaum  zu  entscheiden,  da  der  Ver- 
fertiger des  späteren  Auszugs  den  früheren  neben  dem  Original  be- 
nutzt haben  kann.  Dass  z.  E.  Seh.  neben  den  historiae  den  L.  C. 
für  seine  Excerpte  aus  jenen. verwerthete,  wird  angesichts  der  zu 
1222  und  1241  vorhandenen  Übereinstimmung  zwischen  L.  C.  und 
Seh.'*)  nicht  für  unmöglich  erklärt  werden  können;  auch  Seh.  und 
die  Ann.  brev.  haben  einen  auffälligen  Jrrthum  gegenüber  der  richtigen 
Angabe  in  A.  R.  gemeinsam  '^).  Wenn  ein  bis  auf  Heinrich  den 
Eisernen  (1328 — 76)  reichender  Stammbaum  der  hessischen  Land- 
grafen in  gleichem  Wortlaut  im  L.  C.  zu  1260,  in  der  Einleitung 
der  Ann.  brev.  und  bei  Seh.  zu  1224,  aber  nicht  in  A.  R.  zu  lesen 
ist,  so  möchte  man  vermuthen,dass  eine  Randbemerkung  des  Originals 
von  dem  einen  Benutzer  hier,  vom  andern  dort  eingefügt  wurde'*). 

Welche  ßestandtheile  sind  ferner  in  den  Aufzeichnungen  zu 
unterscheiden,  die  der  Reinhardsbrunner  Kompilator  unter  Friedrich 
dem  Ernsthaften  mit  den  fremden  Materialien  verband? 


")  Vindiciert  man  die  Schlussnotiz  von  Schedels  Excerpten, 
die  vom  Eintrag  der  Pet.  Chr.  zu  1337  mehr  giebt  als  in  der  Schluss- 
notiz der  A.  R.  geboten  ist,  den  ursprünglichen  Reinbardsbr.  Ge- 
schichtsbüchern, so  kann  man  deren  Vollendung  frühestens  1340 
setzen:  denn  Ereignisse  dieses  Jahres  sind  bei  Schedel  zu  1337  (wie 
in  S.  P.)  berührt.     W.  E.  49.  114. 

'^)  Eccardus  Hist.  geneal.  princip.  Sax.  346 — 52.    W.  E.  56. 

")  Dazu  noch  ein  römisches  Fragment  zum  Jahre  1226.  W. 
Z.  n,  227. 

'*)  W.  E.  54.  Wenn  aber  dort  doppelte  Lesarten  bei  Seh. 
als  Spuren  der  Benutzung  von  L.  C.  neben  A.  R.  geltend  gemacht 
werden,  so  ist  dem  gegenüber  auf  solche  doppelte  Lesarten  in  A.  R. 
selbst  zu.verweisen:  67,  8.   230,  29.302,  19. 

'*)  Über  Konrads  HI.  Beisetzung.  Sjpire  ist  also  wohl  kein 
Zusatz  Schedels,  wie  W.  E.  91  glaubt. 

'•)  Als  Abschweifung  ist  sie  bezeichnet  L.  C.  199  und  206. 
Z.  IV,  227,  16. 


Literatur.  32Ö 

Die  Hist(oria)  br(evis)  principum  Thuringie  (W.  E.  79.  Mon. 
Germ.  SS.  XXIV,  819)  berichtet  von  Ludwig  dem  Bärtigen:  cum 
ditari  in  eadem  cepisset  regione  \Thmwgew),  permissione  hnperatcris 
et  principum  quibus  id  iuris  erat  concedere  edificavit  castellum 
iuxta  Loibam  siham  Schowenburc  nomine  ad  quod  negotium,  rex 
quam  pluriniam  partcm  eiusdem  silve  ei  anctoritate  sua  contulit; 
wenn  aber  jemand  so  viel  Land  erworben  hat,  dass  er  eine  Burg 
bant,  wozu  dann,  fragt  N.  61,  „zum  Zweck  des  Bnrgbaues"  noch  eine 
kaiserliche  Schenkung?  Der  in  den  Zusammenhang  der  Chronik  so 
wenig  passende  Relativsatz  ist  ganz  am  Platze  in  einer  ürknnde, 
worin  Heinrich  in.  erklärt:  Lxdovico...  comiti  eoncenaimus  cdificarc 
castellum  Scuuonburg  in  confinio  Loibae  silvae,  ciiius  partein 
comiüurimam,  quam  eidcm  comiti  ad  id  negotium,  pius  genitor 
noster  regia  anctoritate  donavit,  et  nos  similiter  Uli  donavimus 
(N.  105).  Dass  derselbe  nicht  aus  der  Chronik  in  die  Urkunde  gelangt 
ist,  sondern  aus  dieser  in  jene,  folgerte  O.  (28)  aus  dem  Aus- 
druck der  Chronik:  auctoritas,  der  offiziell  für  Königsurkunden  ge- 
braucht, mit  dem  also  in  der  Hist.  br.  die  Urkunde  citiert  werde. 
Nun  gehört  letztere  zn  den  13  Reinhardsbrnnner  Diplomen,  deren 
Unechtheit  von  N".  ans  Innern  und  äussern  Gründen  nachgewiesen 
ist:  obwohl  aui  die  Besitzungen  des  Klosters  bezüglich,  werden  sie 
1215  in  einer  alle  Rechte  desselben  aufzählenden  Bulle  nicht  er- 
wähnt, dagegen  wird,  wie  es  scheint,  auf  die  Fälschungen  bereits 
1227  Bezug  genommen  in  einer  einen  Streit  mit  Kloster  Georgen- 
thal erledigenden  Urkunde:  vielleicht,  um  in  diesem  Streite  als 
Beweismittel  verwandt  zu  werden ,  wurden  sie  hergestellt  (N.  86). 
Nicht  alles  in  den  Diplomen  Berichtete  ist  darum  unwahr:  z.  B. 
die  Angabe  der  Urkunde  Konrads  II.  (N.  103),  wiederholt  in  der 
Urkunde  Heinrichs  III.  und  in  der  Chronik:  Ludwig  der  Bärtige 
habe  a  Gunthero  quodam  et  Bisone  alHsque  liberis  viris  Güter  er- 
worben, hatte  man  schwerlich  Interesse  zu  erfinden,  und  sie  muss, 
wie  G.  bemerkt,  schon  vorhanden  gewesen  sein,  ehe  die  Geschlechts- 
namen aufkamen.  Mag  sie  aber  der  Chronik  auch  von  Anfang  an 
angehört  haben  und  mag  auch  N.'s  Deutung  des  "Wortes  p)rincipum 
als  „des  Erzbischofs",  dessen  Burgbaubewilligung  ursprünglich  ohne 
die  des  Kaisers  in  der  Chronik  gestanden  habe,  unhaltbar  sein,  so 
ist  doch  in  der  Chronik  ein  Nachtrag  aus  den  1215  wohl  noch  nicht 
vorhandenen  Fälschungen  von  N.  sicher  nachgewiesen,  und  da  weiter 
der  1212  verstorbene  Berthold  von  Ilenneberg  als  lebend  genannt  und 
die  Genealogie  der  Wettiner  nur  bis  auf  Dietrich  (1198 — 1221)  geführt, 
andererseits  der  Tod  Ludwigs  des  Heiligen  (f  1227)  und  der  12.34 
erfolgte  Eintritt  seines  Bruders  Konrad  in  den  Deutschorden  er- 
wähnt ist,  so  muss  man  mit  W.  (N.  A.  100)  auf  eine  Überarbeitung 
schliessen,  die  mit  dem  zwischen  1198  und  1212  verfassten  Werkchen 
noch  vor  1240,  dem  Todesjahre  Konrads,  vorgenommen  und  bei  der 
wohl  ancli  der  im  Gegensatz  zum  vorangehenden  die  Töchter  ganz 
zur  Seite  lassende  Schlussabschnitt  zugesetzt  wurde  ").  Dass  in 
dem  Stammkloster  der  landgräfiichen  Familie  das  Werkchen  ent- 
stand, ist  die  nächstliegende  Vermuthnng.  Der  Inhalt  desselben 
erscheint  nun  grossentheils  in  A.  R.  wieder,  jedoch  in  eigenthümlich 
veränderter  Form:  eine  gewaltige  Wortfülle  ist  an  die  Stelle  des 
einfachen  Ausdruckes  getreten. 


")  Der   letzte   Satz    ist   aus    dem  Eintrag  der  A.  E.  zu  1247 
noch  später  beigeschrieben.     W.  N.  A.  lOü.  113. 


330  Literatur. 

Eine  zweite  Leistung  der  Reinliardsbruniier  Gescliiclitsschreibunn; 
sind  die  Annale»,  die  für  die  Reiclisgeschichte  von  1183 — 1215  höchst 
wichtige  Nachrichten  enthalten.  Die  genaue  Berichterstattung  wohl 
unterrichteter  Zeitgenossen'")  beginnt  1183  und  wird  bis  1197,  in 
einem  zweiten  Absatz  bis  1215  geführt.  Die  wörtliche  Überein- 
stimmung, die  zu  den  Jahren  1209 — 1215  (16?)  zwischen  A.  K.  und 
S.  P.  zu  bemerken  ist,  muss  mit  W.  (N.  A.  106)  daher  erklärt 
werden,  dass  in  der  Petersberger  Geschichtsschreibung  hier  lange 
eine  Lücke  war  —  wofür  wir  unten  einen  Beweis  finden  werden  — 
und  dieselbe  später  aus  A.  R.  gefüllt  wurde,  denn  in  S.  P.  fehlen 
die  Spuren  gleichzeitiger  Niederschrift,  und  während  in  A.  R.  die 
gleiche  gut  landgräfliche  und  gut  päpstliche  wie  Otto  IV.  günstige 
Gesinnung  vor  und  nach  1208  zu  Tage  liegt,  ändert  sich  in  S.  P. 
nach  1208  das  Urtheil  über  Otto  IV.  völlig.  Allerdings  bietet  S.  P. 
mehrfach  den  besseren  Text.  Vielleicht  haben  auch  diese  Annalen 
wie  die  Hist.  br.  einst  für  sich  existiert.  In  der  verlorenen  Mainzer 
Sammelhandschrift,  aus  der  Guden  die  Hist.  br.  druckte  und  die, 
nach  den  Titeln  der  einzelnen  Theile  zu  schlies«en,  im  13.  Jahr- 
lumdert  geschrieben  war,  wie  denn  das  I.  Stück  derselben  viele 
llandglossen  von  einer  Hand  des  14.  Jahrhunderts  trug,  war  eben 
dies  erste  eine  „cronica  Eusebii"  —  d.  i.  wie  wir  wissen,  Ekkehard  — 
und  endete  mit  1215  (W.  E.  .84).  Eine  Fortsetzung  des  Ekk.  bis 
1215  ist  nicht  bekannt,  doch  schlössen  sich  die  1078—1182  reichenden 
Ann.  S.  Petri  Erphesf.  in  verschiedenen  Handschriften  an  Ekkehard 
an,  und  da  der  Reinhardsbriumer  Annalist,  der  mit  1183  beginnt, 
sich  wohl  au  eine  bis  dahin  reichende  Darstellung  angelehnt  haben 
wird,  so  vermuthet  W.  (Z.  IV,  298)  in  jener  bis  1215  reichenden 
cronica  Eusebii  einen  um  St.  Peter-  und  Reinhardsbrunner  Annalen 
vermehrten  Ekkehard,  identisch  vielleicht  mit  der  cronica  Eusebii 
cum  additionibus  mon.  Reinh.,  aus  der  Schedel  einiges  mittheilt"). 
Schwulst,  ganz  ähnlich  dem,  den  die  Hist.  br.  bei  der  Aufnahme 
in  A.  R.  erhalten,  weisen  auch  die  Reinhardsbrunner  Annalen  von 
1183—1215  auf;  auch  sie  werden  also  ursprünglich  in  einfacherem 
Stile  geschrieben  sein-"). 

Nicht  so  sehr  Landes-  und  Reichsgeschichte  als  die  Person 
des  Landgrafen,  Ludwig  des  Heiligen  (1217 — 27),  nimmt  die  dritte 
geschichtliche  Arbeit  aus  R.  zum  Mittelpunkt  der  Darstellung 
(W.  N.  A.  110):  Kaplan  Berthold  schrieb  —  vermuthlich  in  R.  — 
nach  des  Landgrafen  Tode  Annalen,  die  mit  seines  Herrn  Schwert- 


'«)  Den  Ereignissen  sehr  nahe  z.  B.  A.  R.  68,  13.  78,  21. 
129,  16  flg.  (W.  N.  A.  106.)  116.  2  flg.  ist,  wie  S.  133  bemerkt,  vor 
ütto's  IV.  Exkommunikation,  143,  8  allerdings  nach  dem  25.  April 
1217  geschrieben.  Zu  1168  ist  dagegen  aus  später  Überlieferung 
berichtet.     W.  N.  A.  102. 

'*)  Nachrichten  über  das  10.  Jahrhundert,  so  dass  die  Chronik 
nicht,  wie  W.  früher  wollte,  mit  dem  L.  C.  idenficiert  werden  darf, 
der  das  10.  Jahrhundert  ganz  überspringt  (W.  N.  A.  104.  E.  55). 

-»)  Zweifelhaft  ist,  was  W.  (Z.  IV,  298)  vermuthet,  dass  die 
Zuthaten  des  Überarbeiters  mit  den  Glossen  jener  bis  1215  geführten 
cron.  Eusebii  in  der  Mainzer  Handschrift  identisch  seien;  wenn  er 
seine  Änderungen  zu  den  Annalen  von  1183 — 1215  zunächst  als 
Randglossen  anbraclite,  hätte  er  es  mit  der  im  selben  Bande  be- 
findlichen Hist.  br.  wohl  ebenso  gemacht;  dass  diese  aber  glossiert 
wäre,  sagt  Guden  nicht. 


Literatur.  331 

leite  1218  beginiieii,  mit  dessen  Tode  enden  und  allenthalben  den 
Augenzeugen  verrathen  (W.  E.  ]8).  Auch  in  diesem  hörlist  werth- 
voUen  Stücke  der  A.  R.  werden  jene  Stileigenthümlichkeiten.  von 
^V.  (N.  A.  114)  iiacligewiesen  und  damit  die  Annahme  einer  Über- 
arbeitung nahegelegt. 

Mitten  zwischen  Bertholds  Annalen  finden  sich  nun  in  A.  R. 
zahlreiche  Theile  der  von  dem  Erfurter  Dominikaner  Dietrich  von 
Apolda  1289  herausgegebenen  Vita  s.  Elis(abethe)  mit  manchen  der 
A'eränderungen  und  Zusätze,  die  ein  Keinhardsbrunuer  Mönch  novis- 
sime  nach  dem  Klosterbrande  von  1292  in  jener  Biographie  anbrachte 
(M.  11,  1987  flg.).  Dietrichs  Stil  ist  von  dem  Verfasser  der  Reinhards- 
brunner  Zusätze  erfolgreich  nachgeahmt,  seine  Wortfülle  noch  ge- 
steigert worden:  hier  findet  sich  die  Kumulation  der  Synonyma,  die 
Vorliebe  für  Antithesen  und  gewisse  entlegene  Wendungen,  für  di- 
rekte Reden  wie  in  den  Annalrn  von  1183 — 1227  und  in  den  Stücken, 
die  den  Inhalt  der  Hist.  br.  wiedergeben.  Die  Herstellung  einer  so 
eigenthümlichen  Form  an  verschiedenen  Stellen  wird  man  mit  W.  (N.  A. 
113— 1!8)  um  so  eher  auf  einen,  eben  jenen  nach  1292  schreibenden 
Reinhardsbrunner  zurückführen  dürfen,  da  in  derselben  auch  der 
gleiche  Gedanke  wiederholt  zum  Ausdruck  kommt:  Verehrung  für 
fürstliche  Besucher  des  Klosters,  die  dessen  Vorräthe  geschont  und 
den  Mönchen  noch  etwas  dagelassen  haben  (A.  R.  38.  150.  ]9f5. 
287).  Bei  solchen  Gedanken  musste  ein  Mönch  des  verarmten 
Klosters  (A.  R.  279)  gern  verweilen;  es  entsprach  den  Verhältnissen, 
wenn  er  seine  Brüder  zu  frommem  Wandel  ermahnte,  den  Gott 
durch  neue  Förderung  des  Klosters  lohnen  werde,  und  wenn  er 
die  Gläubigen  für  das  Kloster  zu  interessieren  suchte  durch  Erzäh- 
lungen von  Wundern,  welche  die  dort  beigesetzten  Gebeine  des 
h.  Ludwig  gewirkt;  viele  solche  Erzählungen,  ganz  im  Stile  der 
Vita  s.  Elis.  und  der  Reinhardsbrunner  Zusätze,  sind  in  A.  R. 
zu  lesen. 

Es  ist  an  sich  wahrscheinlich,  dass  der  „Stilkünstler",  wie  ihn 
W.  getauft,  bereits  selbst  aus  Bertholds  Annalen,  Stücken  der  Vita 
s.  Elis.  und  eigenen  Zuthaten  ein  Ganzes  machte,  dessen  Vollendung 
ihn  dann  ermuthigte,  auch  die  älteren  Geschichtswerke  des  Klosters 
so  zu  modeln,  dass  sie  dazu  passten.  Jenes  Ganze  kennen  wir  aus 
dem  deutschen  „Leben  des  h.  Ludwig"^'),  in  welchem  Albrecht  des 
Entarteten  Tod  erwähnt  und  sein  Stammbaum  bis  auf  Markgraf 
Friedrich  —  ob  den  Freidigen  oder  den  Ernsthaften,  bleibt  unsicher 
—  geführt,  das  also  zwischen  1314  und  1349  entstanden  ist.  Als 
eine  Übersetzung  aus  dem  Latein^-)  bezeichnet  es  der  Schreiber, 
und  mit  seiner  lateinischen  Vorlage  ist  es  bezeugt  durch  den 
Katalog  der  Klosterbibliothek  =**). 


^')  Herausgegeben  von  Rückert,  Leipzig  1851;  über  die  Ab- 
fassungszeit S.  XHI.    W.  E.  33.    I.  V.  173;. 

^^)  Über  die  Zusätze  der  deutschen  tibersetzung  W.  E.  33.  74. 

^*)  Vita  beate  Elisabet  et  illustris  Ludewici  Thuringie  lant- 
gravii  etc.  ac  mariti  eiusdem  in  stilo  latino  feliciter  quiescentis  in 
Reinhersbron.  — Vita  beate  Elisabet  et  incliti  Ludewici  Thuringorum 
lantgravii  etc.  in  Reinhersbron  pie  in  domino  quiescentis  una  cum 
miraculis  eorundem  in  stilo  vulgari  (W.  Z.  IV,  285) ;  welche  Titel 
den  Citaten  im  L.  C.  210:  Hystoria  de  utrisque  principibus  und 
bei  Nicolaus  von  Siegen  347,  3(3:  Gesta  et  vita  eorundem  (nicht 
vitac}  Lulsprechend,  W's.  These  (E.  3)  bestätigen,  dass  eine  lateinische 


332  Literatur. 

Wir  lesen  weiter  in  A.  R.  zwischen  den  Wundern  am  Grabe 
des  h.  Ludwig  und  den  aus  fremden  Quellen  eingeschalteten  Stücken 
Aufzeichnungen  zur  Geschichte  der  Jahre  1231  — 1335,  offenbar 
Reinhardsbruniier  Ursprungs.  Sie  sollten  nach  I.  V.  17-4  nicht 
selbständig,  sondern  als  Zusätze  zu  dem  Eingeschalteten  entstanden 
sein.  Aber  auch  an  ihnen  sind  Spuren  des  Stilkünstlers  von  W. 
(N.  A.  118)  nachgewiesen,  und  die  Häufung  relativischer  Satzanfänge, 
die  in  den  legendarischen  Theilen  der  A.  R.  (S.  14—16.  227.  264. 
265,  vergl.  M.'ir,  2003  D.  2004  C.  2006  ß.)  da  auffallt,  wo  Thatsachen 
an  einander  zu  reihen  waren,  ist  auch  in  jenen  Aufzeichnungen 
anzutreifen  (A.  R.  223,  228.  2.n3.  256.  259).  Aus  dem  Inhalt  derselben, 
für  den  das  Interesse  an  Sagenhaftem  und  Wundersamem,  an  dem 
einstigen  Wohlstand  und  der  jetzigen  Noth  des  Klosters  charakteristisch 
ist,  wird  wie  aus  ihrer  Form  als  Yerfasser  der  Mann  wahrscheinlich, 
den  wir  als  einen  naiv-gläubigen,  um  das  Kloster  besorgten,  seines 
Wortschwalls  sich  freuenden  Erzähler  schon  kennen.  Von  ihm 
werden  dann  auch  die  sagenhaften  Erzählungen  über  die  früheren 
Landgrafen  herrühren,  von  denen  die  Hist.  br.  noch  nichts  hat,  z.  B. 
von  Ludwig  dem  Springer,  der  Erbauung  von  Weissensee  **) ,  der 
aus  Rittern  bestehenden  Mauer,  der  Weisheit  des  Reinhardsbrunner 
Abts,  dem  Sängerkrieg  auf  der  Wartburg  etc.  (W.  N.  A.  117). 
Dagegen  möchten  die  sanz  kurzen  Klosternachrichten,  grossentheils 
Urkundenauszüge  (z.  B.  A.  R.  21),  da  sie  bis  1335  reichen,  eher 
auf  den  späteren  Kompilator  zurückzuführen  sein,  der  das  Werk 
so  vollständig  als  möglich  sehen  wollte  (W.  N.  A.  127). 

Wann  hat  der  „Stilkünstler"  gearbeitet?  Seine  ersten  Nach- 
richten z.  B.  zu  1231  klingen  wie  aus  später  mündlicher  Über- 
lieferung, zu  1264  und  darnach  öfter  braucht  er  den  Ausdruck  his 
diebus  (L  V.  174),  nach  1290  in  der  Zeit  des  Klosterbrandes  be- 
richtet er  viel  genauer,  zuletzt  findet  W.  das  Gepräge  seines  Stils 
in  einer.  Notiz  zu  1310  oder,  wenn  wir  eine  Nachricht  bei  Seh.  den 
historiae  vindicieren  dürfen,  zu  1315;  des  Stilkünstlers  Hand  verräth 
der  Anhang  der  wettinischen  Genealogie  (A.  R.  92),  die  bis  auf 
Friedrich  den  Freidigen  geht;  vor  dessen  1324  erfolgtem  Tode  also 
war  die  stilistische  Überarbeitung  fertig  (W.  N.  A.  121). 

Es  steht  fest,  dass  in  Reinhardsbrunn  die  Hist.  br.  und  die 
Vita  s.  Elis.  in  ähnlicher  Weise  überarbeitet  und  erweitert  sind: 
lassen  sich  nun  Stil  und  Tendenz  des  Bearbeiters  auch  an  den  auf 
die  Jahre  1231 — 1310  (1315?)  bezüglichen  Nachrichten  und  an  den 
Annalen  (1183 — 1227)  beobachten,  nicht  aber  an  dem  aus  fremden 
Quellen  eingeschalteten  Material,  so  ist  die  vorstehend  dargelegte 
Annahme  W's.  über  die  Entstehung  der  Reinhardsbrunner  Geschichts- 
bücher gewiss  nicht  zu  kühn.  Vielleicht  wird  eingewandt  werden, 
dass  die  stilistischen  Eigenheiten,  aus  denen  so  viel  zu  schliessen 
war,  auch  bei  mehreren,  zumal  Leuten  gleicher  Schule,  vertreten 
gewesen  sein  könnten.  Die  Leeende  vom  Probst  Sifrid  (f  1215) 
z.  B. ,  deren  Stil  des  Stilkünstlers  ganz  würdig  erscheint,  kann 
diesem  zugeschrieben  werden  nur  unter  der,  immerhin  nicht  nahe- 
liegenden,  Voraussetzung,  dass    der   in   ihr   gebrauchte   Ausdruck 


Biographie  des  h.  Ludwig,  das  Original  der  deutschen,  nur  im  An- 
schlüsse an  die  der  h.  Elisabeth  vorhanden  gewesen  ist. 

**)  Da  der  A.  R.  35,  25  flg.  erwähnte  Regensburger  Reichstag 
im  Frühjahr  116S  unglaublich  ist,  so  kann  hier  eine  gleichzeitige 
Aufzeichnung  nicht  vorliegen.     W.  N.  A.  102. 


I;iteratur.  333 

persönlicher  Betheiligung:  huniandum  deportavimus  (A.  R.  138,  2G, 
vergl.  228,  5)  aus  einer  überarbeiteten  altern  Aufzeichnung  stehen 
blieb  (W.  E.  18).  Wie  dem  aber  sei,  an  der  grossen  Mehrzahl 
der  Stellen  wird  durch  W's.  Aufstellungen  der  Bestand  der  Über- 
lieferung am  einfachsten  erklärt^*). 

Eine  Art  Probe  machen  wir  darauf,  wenn  wir  thunlichst  ohne 
Benutzung  der  obigen  Ergebnisse  die  Entstehung  der  Peterschronik 
festzustellen  versuchen.  Der  höchst  mangelhafte  Te.xt,  den  die 
allein  zu  berücksichtigende  Göttinger  Handschrift  bietet,  ist  an 
vielen  Stellen  durch  die  Ableitungen-*)  zu  berichtigen,  oft  aber 
Icässt  sich  aus  dem  vorliegenden  Material  nicht  entscheiden,  ob  vom 
Abschreiber  Worte  der  Peterschronik  weggelassen  oder  von  Benutzern 
Zusätze  gemacht  sind  *'j.  Indem  man  meist  die  erstere  der  beiden 
Möglichkeiten  bevorzugte,  kam  man  zu  der  Ansicht,  das  uns  vor- 
liegende S.  P.  sei  ein  blosses  Excerpt  aus  einem  weit  reichhaltigeren 
Werke.  Von  den  Vertretern  dieser  Ansicht  verlangt  S.  (173)  mit 
Recht  den  Nachweis  eines  Planes,  nach  welchem  die  Verkürzung 
stattgefunden:  es  müsste  ein  bestimmtes  Interesse  als  massgebend, 
das  Weggelassene  als  demselben  fernliegend  und  überhaupt  eine 
wesentliche  Verringerung  des  ümfanges  zu  erweisen  sein.  Nun  ist 
aber  z.  B.  der  Anfang  der  Chronik  1115 — 1149  im  12.  Jahrhundert 
nicht  umfangreicher  gewesen  als  heute,  wie  aus  dem  Pegauer  Annalisten 


^*)  Manches  Einzelne  wird  noch  genauer  untersucht,  der  An- 
theil  der  gleichzeitigen  Annalisten  von  dem  des  Stilisten  und  dem 
des  Kompilators  sicherer  gesondert  werden  müssen.  Z.  B.  die 
Erzählung  von  dem  Traum,  den  ein  Cistercienser  bei  Inno(;enz'  III. 
Tode  hatte  (A.  R.  145  und  darnach  Hist.  Ecc.  397),  von  W.  (N.  A. 
109)  für  ein  Konglomerat  aus  den  Berichten  m  Chr.  M.  19(j  und 
S.  P.  58  erklärt,  scheint  doch  so  wohl  zusammenhängend  und  klar, 
dass  eher  in  A.  R.  der  originale  W^ortlaut  und  in  S.  P.  und  Chr.  M. 
lückenhafte  Auszüge  vorliegen  dürften.  Sicher  bietet  A.  R.  alle 
Elemente  für  das,  was  die  beiden  andern  haben,  und  aus  diesen 
die  Erzählung  in  A.  R.  herzustellen,  wäre  recht  grosses  Geschick 
erforderlich  gewesen.  Zu  1245  ist  in  A.  R.  224  —  der  Text  wird 
wieder  durch  Hist.  Ecc.  429  gedeckt  —  viel  genauer  als  in  Chr.  M. 
und  S.  P.  über  die  sogenannten  Pastorellen  in  Frankreich  (vergl, 
Gieseler  Kirchengesch.  II.  2,  648)  berichtet.  Aus  mündlicher 
Tradition  wird  das  weder  der  Stilkünstler  noch  der  Koinpilator  er- 
fahren haben.  Auch  zu  1302  haben  wir  in  A.  R.  281,  31—283,  5 
eine,  weder  in  Chr.  M.  noch  in  S.  P.  vorhandene,  Erzählung,  bei 
der  es  sich  wie  bei  den  zwei  vorigen  um  Cistercienser  handelt. 
Wie  solche  Erzählungen  fortgepflanzt  wurden,  sieht  man  aus  S.  P. 
99,  33.  Vergl.  die  ebenfalls  aus  unbekannter  Quelle  stammenden  iin 
L.  C.  Z.  IV,  235.  237  und  A.  R.  233,  5—9. 

*«)  Zusammengestellt  von  S,  (113—11.5),  der  Stübels  Ausgabe 
nicht  wenige  Fehler  nachgewiesen  und  zu  dem  dafür  verwertheten 
Material  beträchtliche  Nachträge  geliefert  hat;  hinzuzufügen  sind 
Konrad  StoUe's  Chronik,  stückweise  herausgegeben  von  Hesse,  und 
die  Auszüge  Schedels  im  cod.  Monac.  lat.  593  fol.  113  a  —  162  a, 
vergl.  Hesse  in  der  Zeitschr.  d.  Vereins  f.  thür.  Gesch.  IV  (18G1),  119. 

*')  A.  R.  297,  21—23.  302,  14.  233,  5;  vergl.  S.  164.  A.  R. 
296,  20  stand  der  Relativsatz  in  S.  P.  (153,  7),  wie  sich  aus  dem 
Dresd.  cod.  K.  31G  fol.  120b  ergiebt.  Vergl.  was  oben  über  die  Worte: 
nostris  temporibus  (Z.  IV,  133,  28)  bemerkt  ist. 


3o4  Literatur. 

erhellt,  der  ihn  benutzte.  Soweit  als  die  Chronik  heute  reicht,  ward 
sie  nicht  auf  einmal  geführt.  Die  Unterscheidung  einzelner  Ab- 
schnitte, bereits  von  St.  vorgenommen,  ist  von  S.  genauer  durch- 
geführt worden.  Wie  S.  darlegt,  wurden  aus  einer  jetzt  verlorenen 
würzburgisch-mainzischen  Quelle  im  Peterskloster  die  ersten  Auf- 
zeichnungen entlehnt,  die  deshalb  mit  den  eben  dorther  stammenden 
Jahrbüchern  von  St.  Alban  verwandt  sind,  und  Annalen  von  1103 — 49  *') 
angeschlossen.  P"ür  die  Folgezeit  stimmen  die  Erfurter  Annales 
S.  Petri^')  mit  S.  P.  vielfach  überein;  entgegen  den  bisherigen 
Versuchen  zur  Erklärung  dieses  Verhältnisses  nimmt  S.  (127)  wiederum 
eine  ältere  annalistische  Aufzeichnung  an,  die  in  beiden  Werken 
bald  nach  1182  benutzt  und  von  jedem  für  sich  erweitert  wurde. 
Nach  118.)  scheint  ein  anderer  Verfasser  einzutreten*");  er  erzählt 
von  1198  an  zusammenhängender;  ob  man  ihm  auch  die  eigenthüra- 
lich  stilisierte  wehklagende  Erzählung  von  Phiiipp's  Tode  verdankt, 
bleibt  unsicher.  Dass  hinter  1208  ein  Abschnitt  war,  muss  man 
schon  aus  der  Notiz  zu  1187  schliessen,  laut  welcher  post  1203 
anni  scripta  Nachträge  zu  1187  folgen  sollten,  die  freilicii  verloren 
sind.  Für  die  Folgezeit  bis  1254  und  wieder  126(5 — 1272  beschränkte 
sich,  wie  aus  S's.  und  W's.  Untersuchungen  erhellt,  die  Geschichts- 
schreibung zu  St.  Peter  wesentlich  auf  Lokalgeschichte  *'),  und  was 
wir  heute  von  der  Welt-  und  Reiclisgescbichte  jener  Zeit  in  S.  P. 
lesen,  ist  grösstentheils  durch  nachträgliche  Entlehnung  hinein- 
gelangt, für  1209  — 15,  wie  bemerkt,  aus  den  Reinhardsbrunner 
Geschichtsbüchern,  für  1217 — 19  aus  Olivers  Hist(oria)  Dam(iatina), 
für  1219—72  theils  aus  der  Chr.  M.,  theils  aus  einer  andern  jetzt 
verlorenen  Aufzeichnung.  Aus  dem  Nebeneinander  originalen  und 
später  entlehnten  Materials  erklären  sich  die  in  S.  P.  vorhandenen 
Duplizitäten").  Die  A.  E.  (1220—54)  stimmen  mit  S.  P.  vielfach 
überein,  so  jedoch,  dass  weder  Benutzung  der  Annalen  des  Prediger- 
klosters in  der  Peterschronik,  noch  dieser  in  jenen  wahrscheinlich 
ist;  die  Annahme  einer  von  beiden  verwertheten  Quelle  wird  somit 
nothwendig.  Dass  dies  etwa  eine  grössere  Peterschronik  gewesen 
sei,  kann  aus  dem  gemeinsamen  Bestand  der  beiden  Geschichts- 
werke nicht  begründet  werden;  wenn  vielmehr,  wie  W.  (N.  A.  132) 
zeigt,  der  gemeinsame  Bestand  viermal,  ausserdem  aber  jedes  der 
beiden  Werke  für  sich  viermal  das  Erfurter  Marienstift  erwähnt, 
desselben  also  innerhalb  30  Jahren  zwölf  mal,  und  zwar  zum  Theil  aus- 
führlich gedacht  wird,  während  es  in  S.  P.  vor  1220  nur  zwei  mal  be- 


="•)  Daraus  sind  besonders  werthvoU  die  Ann.  Lothariani  (Mon. 
Germ.  SS.  VI,  536—41),  deren  Verf.  nach  seinem  Sprachgebrauch  auch 
mit  dem  Verf.  des  von  1138—1149  gehenden  Theils  der  Peters- 
chronik von  S.  identificiert  wird. 

=')  Mon.  Germ.  SS.  XVI,  15—20. 

*")  S.  begründet  das  aus  dem  gänzlich  geänderten  Charakter 
der  Darstellung,  sowie  daraus,  dass  eine  zu  1185  gemeldete  That- 
sache  zu  1186  nochmals  bemerkt  wird. 

=")  Gleichzeitig  scheint  S.  P.  76,  1  aufgezeichnet,  weniger, 
was  S.  anführt:  77,  6—10.  Auch  S.  P.  50,  25  muss  nur  vor  Erz- 
bischof Siegfrieds  Tod  (1225),  nicht  gerade  gleichzeitig  geschrieben  sein. 

")  Otto's  IV.  confirmatio  (50,  4  u.  9),  Innocenz'  III.  Tod 
(57  n.  58),  neue  Orgeln  von  St.  Peter  (70),  Ketzerverfolgung 
(72  u.  73),  Überfall  von  Mühlhausen  (82  u.  84),  König  Wilhelms  Tod 
(86).     W.  N.  A.  134.  S.  139. 


Literatur.  335 

rührt  ist,  wenn  weiter  in  dem  gemeinsamen  Bestände  Mainz  recht 
hervortritt,  so  ist  zu  schliessen,  dass  im  Erfurter  Marienstiit,  dessen 
Probst  in  engster  Beziehung  zum  Erzbischofstand,  Aufzeichnungen 
gemacht  wurden,  die  uns  theils  in  der  Chronik,  theils  in  den  Annalen 
erhalten  sind.  Aus  denselben  sind  vermuthlich  noch  manche  andere 
Nachrichten  geschöpft,  in  denen  mehr  oder  minder  Chr.  M.  und 
S.  P. ,  dann  auch  andere  Geschichtswerke  übereinstimmen,  die  den 
Erfurter  Quellen  nahe  stehen  und  die  bezüglichen  Notizen  nicht 
eins  vom  andern  entlehnt  zu  haben  scheinen  '*).  Es  berührt  sich 
z.  B.  L.  C.  betreffs  einer  1250  in  einem  Teiche  aufgefundenen  Hostie 
enger  mit  einem  Nekrologium  des  Marienstifts  **)  als  mit  S.  P.  oder 
A.  E. ;  wie  diese  Notiz,  so  dürften  besonders  die  den  Schluss  des 
L.  C.  bildenden  Nachrichten  über  Kloster-  und  Ordensstiftungen 
(Z.  IV,  247 — 50)  eher  im  Marienstift,  dem  kirchlichen  Mittelpunkt 
Thüringens,  als  von  dem  Kompilator  des  L.  C.  zusammengestellt 
sein,  der  nicht  so  fieissig  gesammelt  zu  haben  scheint;  sie  finden 
sich  theihveise  auch  in  späteren  Erfurter  Kompilationen,  ohne  dass 
Benutzung  des  L.  C.  seitens  derselben  wahrscheinlich  wäre.  Dass 
es  im  Marienstift  gute  Information,  auch  Anlass  zur  Geschichts- 
schreibung gab,  ist  schon  durch  die  Stellung  desselben  zu  Mainz 
unzweifelhaft,  zudem  des  dortigen  Cantor  Slag.  Hugo  politische 
Thätigkeit  **)  uns  urkundlich  bezeugt  ist. 

Die  Geschichtsschreibung  zu  St.  Peter  selbst,  die  für  1254— 6G 
wieder  einen  etwas  weitern  Gesichtskreis  hat  als  vorher  und  nachher, 
—  S.  (141)  zeigt,  dass  sie  für  1266—72  das  meiste  aus  Chr.  M. 
entlehnt  —  nimmt  1273  einen  neuen  Aufschwung.  Bis  zum  Jahre 
1.313  liegt  eine  zeitgenössische  Darstellung  der  Reichsgeschichte 
vor,  die  bald  mehr,  bald  minder  rasch  den  Ereignissen  folgt,  öfters 
das  Annalenschema  verlässt,  über  die  Ereignisse  in  Palästina  wohl 
einen  schriftlichen  Bericht  benutzt;  auf  Absätze  zu  1276  und  vor 
1294  weist  S.  hin**').  Im  nächsten,  1314  —  38  reichenden,  aber 
frühestens  1340  beendeten  Abschnitt  (s.  oben  S.  6  n.  1)  wird  die 
Erzählung  erst  von  1330  an  zusammenhängender.  Neben  Stücken, 
die  einer  Vita  Benedikts  XII.  entnommen  wurden,  bietet  hier  S.  P. 


'*)  Übereinstimmungen  zwischen  den  aus  Mainz  stammenden 
Ann.  Wormatienses  breves  (Mon.  Germ,  SS.  XVII,  74)  und  Erfurter 
Quellen,  Chr.  M. ,  S.  P.,  A.  E.,  L.  C,  auch  Sifrids  Chronik  (ebd. 
XXV,  679)  sind  für  die  Zeit  1191  —  1249  nachgewiesen  von  W. 
(Z.  IV,  206).  Auch  die  Ann.  Moguntini  (Mon.  Germ.  SS.  XVII,  1) 
und  Ann.  Thuringici  breves  (ebd.  XXIV,  40)  bringt  \V.  mit  den 
Marien-Annalen  in  Verbindung,  und  aus  diesen  leitet  er  u.  a.  ab,  was 
von  späteren  Erfurter  Chronisten  über  die  Parochialeintheilung  der 
Stadt  zu  1182,  von  Hist.  Ecc.  384  über  die  Schwertleite  Landgraf 
Ludwigs  in  der  Erfurter  Marienkirche  zu  1170  berichtet  ist;  die 
Ortsbestimmung  der  thüring.  Landgrafengeschichte  (bei  Pistorius- 
Struve  SS.  rer.  Germ.  I,  1317  c.  27):  coenaculum  b.  Marie  virginis 
ubi  nunc  est  dormitorium  canonicormn  möchte  auch  dortlier  stammen. 

")  Z.  IV  201.  Mone,  Zeitschr.  f.  Gesch.  d.  Oberrheins  IV,  253. 

*■')  W.  N.  A.  130.  Z.  IV.  300.  Keuss,  König  Konrad  IV.  u.  s. 
Gegenkönig  Heinr.  Raspe  (Wetzl.  Gymn.  Progr.  1885)  S.  7.  Rübe- 
samen, Landgraf  Heinrich  Raspe,  Halle,  Inaug.  Diss.  1865  S.  40. 

*•)  Dass  S.  P.  133,  11—14;  17—19.  1.39,  22—23  ganz  dieselben 
Gedanken  und  Ausdrücke  wie  178,  21 — 24.  180,  13—14  sich  finden, 
ist  aufifällig  und  hätte  auch  Erwähnung  verdient. 


336  Literatur. 

Nachrichten  über  städtische  Verhältnisse,  als  deren  Quelle  eine 
Erfurter  Lokakhronik  von  S.  erwiesen  ist.  Diese  städtische 
Geschichtsschreibung,  von  deren  Autor  (oder  Autoren?)  zu  1.S27  und 
1345  Selbsterlebtes  berichtet  wird"),  scheint  sich  an  einen  von 
Stadt  wegen  niedergeschriebenen  Bericht  über  die  wichtigen  Ver- 
fassungsänderungen der  Jahre  1305 — 10  angesetzt  zu  haben;  dass 
sie  neben  der  Geschichtsschreibung  von  St.  Peter  herging,  erhellt 
aus  Duplizitäten  der  späteren  Kompilationen  und  solchen  in  S.  P. 
selbst*');  auf  jene  ,,Rathschronik"'  darf  man  nun  viele  von  den 
Notizen  zurückführen,  die  der  thüringische  Fortsetzer  der  sächsischen 
Weltchronik**)  und  spätere  Erfurter  Chronisten  über  den  Bestand 
von  S.  F.  hinaus  bringen  und  die  bisher  aus  einem  grösseren  öampe- 
trinum  abgeleitet  wurden. 

Noch  nach  1350  war,  wie  es  scheint,  die  Peterschronik  nur  in 
einer  bis  1338  reichenden  Redaktion  bekannt;  denn  bis  dahin  wird 
sie  von  Konrad  von  Halberstadt  in  der  ersten  bis  1342,  wie  in  der 
zweiten  bis  1353  gehenden  Ausgabe  seiner  Weltchronik  ausga- 
schrieben  *").  Der  8chlussabschnitt  13.39 — 55  wird,  wie  S.  bemerkt, 
bei  der  Genauigkeit  der  Angaben  nicht  allzu  lange  nach  den 
Ereignissen  geschrieben  sein.  Für  spätere  Einschiebsel  sind  daher 
die  Einträge  zu  1373  und  1410*')  zu  halten. 

Wann  ist  die  Peterschronik  aus  der  Chr.  M.,  aus  Oliver,  den 
Reinhardsbrunner  Geschichtsbüchern,  den  Marien-Annalen  und  der 
Erfurter  Rathschronik  vervollständigt  worden?  Wer  über  die  Jahre 
1273 — 76  so  genau  berichtete,  wie  es  in  S.  P.  geschieht,  hätte  gewiss 
—  so  führt  S.  (181)  aus  —  auch  über  die  unmittelbar  vorhergehende 
Zeit  Mittheilungen  gemacht,  wenn  nicht  schon  ein  bis  1272  reichender 
Bericht  ihm  vorgelegen:  er  dürfte  es  also  gewesen  sein,  der  die 
bis  dahin  gehende  Fortsetzung  der  Chr.  M.  für  die  Peterschronik 
ausschrieb,  um  daran  den  eigenen  Bericht  zu  schliessen.  Betreffs 
des  aus  A.  R.  entlehnten  Abschnitts  hat  W.  (E.  31)  auf  die  grosse 
Lücke  hingewiesen,   die  in   den    späteren   Erfurter   Kompilationen 


*')  S.  168:  Der  Dresdener  cod.  K.  316  fol.  190b  enthält  zu 
1343  Nachricht  von  einem  monstrum,  quod  oculis  mcis  vidi;  der 
Erfurter  cod  L  12  (=  No.  65  von  Herrmann's  Bibliotheca  Erlurtina) 
fol.  58  a  erzählt  zu  1327  von  einem  Unwetter  die  18  kal.  iulü,  qua 
decantavimus  in  ecclesia  Severiana  Erj^hordiae  solenniter  vigdias 
decani.  War  der  Autor  vielleicht  Canonicus  zu  s.  Severi,  wie  später 
Konr.  Stelle? 

»«)  Dass  S.  P.  160,  3-6  und  172,  22—27  dasselbe  Ereignis 
erzählt  ist  und  dies  weder  1334  noch  1335,  sondern  1336  erlolgte, 
wie  S.  (153)  vermuthet,  lehren  die  Verse  Hist.  Ecc.  455,  in  denen 
um  des  Reimes  willen  uno  in  seno  zu  ändern  ist,  was  der  Dresdener 
cod.  K.  316  fol.  187a  bietet.  Auch  S.  P.  149,  20—22  und  33  Üg.  fasst 
S.  (149)  gewiss  mit  Recht  als  Doppelberichte  auf. 

*')  Mon.    Germ.  Deutsche  Chron.  II,  287. 

*»)  W.  Z.  IV,  154.  213.    Forsch,  zur  deutsch.  Gesch.  XX,  279. 

*V  1373:  S.  P.  163,  21.  1410  (nicht  1420):  ein  Knabe  wird 
nach  12jährigem  Aufenthalt  unter  Wölfen  1344  gefangen  und  etwa 
80  Jahre  alt,  S.  P.  177.  Als  drittes  Einschiebsel  hätte  S.  noch  die 
von  St.  14  erwähnte,  aber  in  S.  P.  113  nicht  abgedruckte  Nachricht 
von  einer  Missgeburt  zu  1384  nennen  können. 


Literatur,  337 

für  die  Zeit  von  1209  bis  1215  besteht*^),  mul  daraus  geschlossen, 
dass  noch  im  15.  Jahrhundert  S.  P.  von  der  Einschaltang  aus  A.  R. 
frei  war.  Daran  festzuhalten  erscheint  vorläufig  gerathen;  denn  die 
neuere  Annahme,  dass  die  originalen,  wenn  auch  stilistisch  über- 
arbeiteten Reinhardsbrunner  Aufzeichnungen  zu  1209 — 15  mit  den 
Notizen  aus  Chr.  M.  etc.  noch  nicht  vermischt  waren,  als  sie  in 
S.  P.  übernommen  wurden,  dass  also  die  Peterschronik  in  Erfurt 
für  die  Jahre  1209 — 15  aus  dem  ^\erke  des  Reinhardsbrunner  Stil- 
künstlers (nicht  des  Kompilators !)  vervollständigt  ward  ziemlich  zur 
selben  Zeit,  wo  eben  dieses  seiner  ganzen  Ausdehnung  nach  vom 
Reinhardsbrunner  Kompilator  mit  Stücken  aus  der  Peterschronik 
wie  andern  Werken  versetzt  ward,  ist  von  "W.  (N.  A.  110)  noch 
nicht  zur  Evidenz  gebracht.  Was  drittens  die  Hist.  Damiat.  be- 
trift't,  so  kann  man  S.  (180)  zugeben,  dass  bei  der  Verwerthung 
derselben  für  S.  P.  etwas  anders  verfahren  wurde  als  bei  der  Ver- 
werthung der  Ciir.  M.,  und  doch  den  Schluss  abweisen,  als  könnten 
Theile  von  Chr.  M.  und  Hist.  Damiat.  nicht  zur  selben  Zeit  S.  P. 
einverleibt  sein:  denn  die  Verschiedenheit  des  Verfahrens  bei  der 
Benutzung  ist  schon  aus  der  Verschiedenheit  der  Quellen  selbst 
zu  erklären.  Vermuthen  darf  man  nur,  dass  die  Hist.  Damiat.  aus- 
geschrieben wurde,  ehe  das  Kreuzzugsinteresse  erstarb.  Sie  wie 
die  Chr.  M.  waren  bekanntlich  bereits  in  der  Peterschronik  ver- 
werthet,  als  aus  dieser,  wie  wir  sahen,  zwischen  1.3.37  (oder  1340?) 
und  1349  die  Reinhardsbrunner  Geschichtsbücher  vervollständigt 
wurden.  Wann  und  in  welcher  Ausdehnung  Marien- Annalen  und 
Rathschronik  in  S.  P.  Aufnahme  gefunden,  wird  erst  dann  zu  be- 
urtheilen  sein ,  wenn  durch  genauere  Untersuchung  der  späteren 
Kompilationen,  besonders  auch  der  bloss  handschriftlich  vorhandenen, 
die  Beschaffenheit  jener  beiden  verlorenen  Werke  deutlicher  ge- 
worden ist. 

Nicht  bloss  für  die  Geschichte  der  Historiographie  haben  die 
Untersuchungen,  denen  wir  gefolgt  sind,  Frucht  getragen.  Ganz  ab- 
gesehen davon,  dass  sie  unser  ürtheil  über  den  Werth  der  reichs- 
geschichtlich so  interessanten  Reinhardsbrunner  und  Erfurter  Nach- 
richten stark  beeinflussen,  haben  sie  unter  anderem  auch  die  Tra- 
dition von  der  fränkischen  Abstammung  der  thüringischen  Landgrafen 
wieder  zu  Ehren  gebracht  und  die  ursprüngliche  Lehnsabhängig- 
keit derselben  von  Mainz  festgestellt  und  damit  für  die  mittelal- 
terliche Geschichte  Thüringens  ein  wesentlich  besseres  Verständnis 
eröffnet. 

Danzig.  M.  Baltzer. 

Kurfürst  Moritz  und  Heinrich  II.  von  Frankreich  von  1550—52. 
Von  Dr.  Ernst  Schlomka.  Halle,  Niemeyer.  1884.  4(5  SS.  8". 
Verfasser  gedenkt  zunächst  der  Veränderungen  im  Reiche,  der 
Politik,  Stellung  und  Lage  des  Kaisers,  der  Päpste,  des  Königs  von 
Frankreich  und  der  deutschen  Protestanten  seit  der  Mühlberger 
Schlacht  1547,  hebt  hervor,   wie   vor  allem  das  Interim,  das  Ein- 


*^)  Von  dem  in  A.  R.  und  S.  P.  gemeinsamen  Bestand  für 
1209—15  (16)  hat  der  Dresdener  cod.  K.  316  fol.  155  b  bloss  den 
Satz  S.  P.  54,  15—16;  Nikolaus  von  Siegen  348,  16  nur  S.  P. 
57,  .32—33.  Durch  die  Lücke  zwischen  1208  und  1216  wird  auch 
der  Irrthum  des  L.  C.  (Z.  IV,  229,  1) :  1208  statt  1216  begreiflich. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  VI.  3.  4,  22 


338  Literatur. 

Verständnis  Karls  V.  mit  Papst  Julius  lil.  zur  Wiederaufnahme  des 
Konziles  und  die  Standhaftigkcit  Magdeburgs  den  französischen 
König  veranlasst  habe,  den  deutschen  Angelegenheiten  seine  Auf- 
merksamkeit zuzuwenden,  erwähnt  die  wichtigen  Berichte  des  fran- 
zösischen Gesandten  Marillac  vom  kaiserlichen  Hofe  aus  über  das 
Verhältnis  zwischen  Moritz  von  Sachsen  und  dem  Kaiser  seit  dem 
Tage  von  Halle  (1547),  über  die  Erbfolgezwistigkeiten  im  kaiser- 
lichen Hause  etc.  und  macht  auf  die  Folgen  der  Augsburger  Reichs- 
tagsbeschlüsse von  1550  aufmerksam.  Dann  verweilt  er  bei  der 
allmählichen  Annäherung  des  Kurfürsten  von  Sachsen  an  Frankreich 
und  beim  Zusammenstosse  desselben  mit  dem  vom  Markgrafen  Hans 
von  Küstriii  gestifteten  kaiserfeindlichen  Fürstenbund  (1550).  Darauf 
behandelt  Verfasser  die  bekannte  Februai'zusammenkunft  in  Dresden 
(1551),  den  Torgauer  Vertrag,  die  Sendung  Friedrichs  von  Roifen- 
berg  nach  Frankreich,  die  Ankunft  des  Bischofs  von  Bayonne  Johann 
de  Fresse  in  Deutschland,  die  Verhandlung  zu  Lochau  und  den 
Bruch  zwischen  Moritz  und  Markgraf  Hans,  die  Reise  des  Mark- 
grafen Albrecht  von  Brandenburg -Kulmbach  an  den  französischen 
Hof,  die  weiteren  Festsetzungen  zu  Dresden,  Chambord  und 
Friedewalde  und  bescliliesst  die  Abhandlung  mit  einer  kurzen  An- 
gabe der  politischen  Zustände  der  lothringischen  Bisthümer  Metz, 
Toul  und  Verdun  vor  und  nach  der  französischen  Einnahme,  sowie 
mit  der  Vorführung  verschiedener  Urtheile  über  Moritz  von  Sachsen 
als  Bundesgenossen  Heinrich  11.  von  Frankreich.  —  Verfasser  bietet 
in  seiner  Abhandlung  nur  Bekanntes  dar;  vergebens  sucht  man 
nach  Neuem,  vergebens  nach  wünschenswcrthen  Ergänzungen  oder 
zufriedenstellenden  Berichtigungen.  Das  Verdienst  der  Arbeit  be- 
steht allein  in  der  ziemlich  übersichtlichen  Zusammenstellung  des 
Materiales,  wie  es  sich  bei  Drulfel,  Langenn,  Ranke,  Maurenbrecher, 
Voigt,  Cornelius  etc.  findet.  Nicht  selten  hat  Verfasser  Bemerkungen 
und  Urtheile  anderer  so  verwerthet,  dass  sie  fast  für  eigne  gehalten 
werden  könnten  (vergl.  S.  8  unten,  9  unten,  1.3,  14,  18  etc.)  Ein- 
zelne Stellen  und  "Wendungen  verrathen,  dass  noch  kein  genügender 
Überblick  und  gründlicher  Einblick  in  die  Verhältnisse  gewonnen 
wurde.  Die  Abhängigkeit  von  seinen  Gewährsmännern  hat  des  Ver- 
fassers ürtheil  vielfach  gefangen  genommen.  Das  behandelte  Thema 
bedarf  noch  weiterer  Bearbeitung;  allerdings  können  manche  Fragen 
und  verschiedene  Punkte  nur  mit  Hilfe  neuen  archivalischen  Quellen- 
materiales  gelöst,  klargestellt  und  erledigt  werden. 

Bautzen.  Issleib. 

Oybin-Chronik.  Urkundliche  Geschichte  von  Burg,  Cölestinerkloster 
und  Dorf  üybin  bei  Zittau.  Von  Dr.  Alfred  Moschkau.  Mit 
6  Abbildungen.     Leipa,  Joh.  Künstner  [1884J.     4  BU.,  390  SS.  8". 

Die  bekannte  Liebe  der  Oberlausitzer  zu  ihrer  speziellen 
Heimat,  zu  ihren  Bergen,  ihrer  Stadt,  ja  ihrem  Dörflein  tritt  unter 
anderem  auch  in  der  bemerkenswerthen  Erscheinung  zu  Tage,  dass 
wenigstens  in  dem  südlichen  Theile  des  Landes  nur  noch  sehr 
wenig  Ortschalten  existieren  dürften,  welche  nicht  ihre  eigne  und 
zwar  in  Druck  erschienene  Ortschronik  besässen.  Die  Verfasser 
dieser  Spezialgeschichten  sind  zum  grossen  Theil  Landleute  ohne 
eigentliche  wissenschaftliche  Bildung,  welche  aber  mit  Bienenüeiss 
aus  den  ihnen  irgend  zugänglichen  gedruckten  und  ungedruckten 
Quellen  alles  auf  die  Geschichte  und  besonders  auf  die  Statistik  des 


Literatur.  339 

bätreffenden  Ortes  bezügliche  Material  zusammentrugen  und  darauf, 
meist  mit  eigenen  pekuniären  Opfern,  eine  Lokalgeschichte  von 
grösserem  oder  geringerem  Umfang  veröffentlichten,  die  nicht  bloss 
den  Ortsgenossen  vielfache  Belehrung  und  Freude,  sondern  auch 
der  allgemeinen  wissenschaftlichen  Geschichtsschreibung  manchen 
werthvollen  Beitrag  bietet.  Auch  die  vorliegende  Schrift  verdankt 
ihre  Entstehung  der  fast  schwärmerischen  Liebe  des  Verfassers  zu 
dem  Oybin,  jenem  durch  seine  Gestalt,  seine  Geschichte  und  seine 
Ruinen  gleich  interessanten  und  deshalb  von  Einheimischen  wie  von 
Fremden  gleich  viel  besuchten  Berge  südlich  von  Zittau,  an  dessen 
Fusse  der  Verfasser  seit  Jahren  eine  neue  Heimat  gefunden  und  in 
dessen  Ruinen  er  jetzt  auch  ein  von  ihm  selbst  gegründetes  „Oybin- 
Museum"  aufgestellt  hat.  Zwar  hat  die  wechselvolle  Geschichte 
dieses  Berges  bereits  seit  langer  Zeit  eine  eigene,  ansehnliche 
Literatur  über  denselben  erzeugt;  aber  der  Sammlerfleiss  des  Ver- 
fassers, welcher  sich  seit  Jahren  mit  historischen  Spezialarbeiten  be- 
schäftigt, hat  in  der  That  zu  dem  schon  Bekannten  noch  gar 
manche  neuen  und  schätzenswerthen  Einzelheiten  aufgefunden  und 
wollte  nun  in  diesem  umfänglichen  Buche  eine  möglichst  vollständige 
Beschreibung  und  Geschichte  nicht  nur  des  Berges  und  seiner 
Ruinen,  sondern  auch  des  erst  später  am  Fusse  desselben  ent- 
standenen Dorfes  Oybin  liefern.  Und  dies  ist  ihm  denn  auch,  von 
manchen  gewagten  Behauptungen  und  einzelnen  Irrthüraern  abge- 
sehen, wohl  gelungen.  Überall  sind  die  Quellen,  gedruckte  wie 
ungedruckte,  denen  er  die  erzählten  Thatsachen  entnommen, 
verzeichnet;  eine  Anzahl  Lithographien,  meist  nach  alten  Kupfer- 
stichen, helfen  zumal  über  die  einzelnen  Ruinentheile  orientieren, 
und  so  wird  denn  das  Buch,  dessen  Widmung  Se.  Majest.  der 
König  angenommen  hat,  wie  wir  hoffen  und  erwarten  dürfen, 
nicht  nur  von  Besuchern  des  Oybins  gern  gekauft,  sondern  auch 
von  Geschichtsforschern  und  Kunsthistorikern  vielfach  benutzt 
Averden.  —  Der  Verfasser  behandelt  zuerst  die  am  Oybin  gefundenen 
Urnen  und  sonstigen  Überreste  aus  prähistorischer  Zeit,  sodann  die 
mehrfache  Anlegung  fester  Steinbauten  auf  der  Höhe  des  Berges, 
von  denen  aus  häufig  auch  Strassenraub  geübt  ward,  bis  sich  Kaiser 
Karl  IV.  (1364)  ein  „Kaiserhaus"  daselbst  aufführen  Hess  und  bald 
darauf  (1369)  den  Cölestinermönchen  jenes  stattliche  Kloster  er- 
baute, dessen  herrliche  Kirchenruinen  noch  beute  Touristen  und 
Künstler  entzücken.  Die  Reformation  brachte  auch  diesem  Kloster 
den  Verfall.  König  Ferdinand  I.  von  Böhmen  verpfändete  zuerst 
die  leergewordenen  Gebäude  samt  den  reichen  Klostergüteru  und 
verkaufte  endlich  (1574)  die  einen  wie  die  anderen  an  die  Stadt 
Zittau.  Bald  darauf  (1577)  zündete  der  Blitz  und  verwandelte  die 
Gebäude  in  die  jetzigen  Ruinen. 

Dr.  Knothe. 


22* 


34Ö  tiiteratnr. 

Übersicht   über    neuerdings    erschienene   Schriften  und 
Aufsätze   zur    sächsisch  -  thüringischen   Geschichte    und 

Aiterthumskunde. 


Bar  dt,  Fr.  Ein  Bracteat  Landgraf  Heinrichs  von  Thüringen 
1227—1247:  Archiv  für  Bracteateukimde  Bd.  I.  S.  15  f. 

—  Zwei  Lausitzer  Bracteateu :  ebenda  S.  17  f. 

BärwinJcel.  Die  Restanration  der  Regler  Kirche  in  Erfurt  und  die 
Geschichte  ihrer  Gemeinde  in  den  letzten  25  Jahren  seit  der 
Restauration  der  Kirche.  Eine  Festschrift  zum  25jährigen  Ju- 
biläum der  Restauration  und  zum  750jährigen  Jubiläum  des  Be- 
stehens der  Regler  Kirche,  nebst  einem  Anhang,  einem  kurzen 
Abriss  der  Geschichte  der  Kirche  und  Gemeinde  von  ihren  ersten 
Anfängen  an  enthaltend,  verfasst  von  Diak.  Dr.  Lorenz.  Erfurt, 
Villaret  (Komm.).     1885.     83  SS.     8». 

Brehmer,  W.  Lübeckische  Studenten  auf  der  Universität  Erfurt: 
Zeitschrift  des  Vereins  für  Lübeckische  Geschichte  Bd.  IV,  S. 
216—221. 

Burkhardt,  C.  A.  H.  Stammtafeln  der  Ernestinischen  Linien  des 
Hauses  Sachsen.  Quellenmässig  bearbeitet.  Festgabe  zur  Er- 
öffnung des  Archivgebäudes  am  Karl  Alexanderplatze  am  18.  Mai 
1885.     Weimar  (Thelemann).    (IV,  28  SS.)     Querfolio. 

Conrad,  J.  Die  Entwickelung  der  Universität  Halle  statistisch  ver- 
folgt: Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und  Statistik  Bd.  XI 
(1885).     S.  105—124. 

V.  Criegern.  Über  den  Leumund  der  Sachsen:  "Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1885.  No.  40,  41.  S.  2:^3  —  236, 
241—244. 

Deichmüller ,  Joh.  V.  Geschichte  der  naturwissenschaftlichen  Ge- 
sellschaft Isis  in  Dresden  in  den  Jahren  1860—1885:  Festschrift 
der  naturwiss.  Gesellsch.  Isis  in  Dresden  zur  Feier  ihres  50jährigen 
Bestehens  am  14.  Mai  1885  (Dresden  1885).     S.  1—22. 

Distel,  Th.  Zacharias  Wehmes  sogenanntes  Türkenbuch  1582: 
Kunstchronik  (Beibl.  zur  Zeitschr.  für  bild.  Kunst)  XIX  (1884). 
Sp.  196  f. 

—  Urteil  Thorwaldsens  über  den  Bildhauer  Joh.  Herrmann  in 
Dresden:  ebenda  XX  (1885).     Sp.  219  f. 

—  Sächsische  Sandsteine  zum  Rathausbau  in  Antwerpen  (1563): 
ebenda  Sp.  413. 

—  Ein  Brief  Rauchs:  ebenda  Sp.  493  f. 

—  Zwei  Kupferstiche  des  Moritzmonuments  zu  Freiberg  von  1568 
und  1619:  ebenda  Sp.  494. 

—  Nachrichten  über  den  Maler  Christoph  Paudiss  (um  1660): 
ebenda  Sp.  542i). 

—  Der  kursächsische  Hofmaler  Johann  Fasold:  ebenda  Sp.  617  f. 
Dittrieh,  Max.     Neuer  Führer  durch  Meissen,  die   Albrechtsburg, 

den  Dom   und  die   kgl.  Porzellan -Manufaktur.    Meissen,  Selbst- 
verlag.    1885.     36  SS.     8». 
Droysen,  G     Bernhard  von  Weimar.    Leipzig,  Duncker  &  Humblot. 
1885.     VIII,  444.     VI,  575  SS.     8». 

^)  Zu  Anmerk.  1  sei  bemerkt,   dass  das  Bild  1659  entstanden  ist. 

Distel. 


Literatur.  341 

Eheling,  Frdr.  W.  Kyaw  und  Brühl.  Zwei  historische  Porträts 
und  ein  moderner  Pressprozess.  Leipzig,  Th.  Frisch.  1885. 
190  SS.     8». 

Ermisch,  H.  Ans  dem  Freiberger  Rathsarchiv.  Korrespondenzblatt 
des  Gesamtvereins  der  deutschen  Geschichts-  und  Alterthums- 
vereine  XXXIII  (1885).     S.  13—17. 

Fritzsche,  Chr.  H.  Aus  Gelenaus  Vergangenheit:  Beiträge  zur 
ortsgeschichtlicheu  Kenntnis  Gelenaus.     Thum  1885.    93  SS.     8». 

GaedeTce,  Arnold.  Wallensteins  Verhandlungen  mit  den  Schweden 
und  Sachsen  1631  —  1634.  Mit  Akten  und  Urkunden  aus  dem 
Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  Frankfurt  a.  M , 
Literar.  Anstalt.     1885.     XII,  346  SS.    8». 

Gebauer,  Heinr.  Dresden  und  die  sächsisch -böhmische  Schweiz. 
(A.  u.  d.  T. :  Städtebilder  und  Landschaften  aus  aller  Welt  No.  5.  6.) 
Zürich,  Schmidt.    (1885.)     90  SS.     8». 

V.  Grumblcow,  B.  Illustrirter  Führer  durch  Schloss  Stolpen.  Histo- 
risch und  topographisch  dargestellt.  Mit  mehreren  Abbildungen. 
Dresden,  R.  v.  Grumbkow.     1885.     46  SS.     8«. 

Gurlitt,  Com.  Aus  den  sächsischen  Archiven  (I.  Wenzel  Jamnitzer 
und  der  kursächs.  Hof.  IL  Zur  Geschichte  der  Keramik  in 
Sachsen):  Kunstgewerbeblatt  Jahrg.  L    S.  51 — 53,  188  f. 

—  Sächsische  Goldschmiede:  ebenda  S.  55. 

—  Levin  Herolt,  Glasmaler  zu  Dresden:  ebenda  S.  56. 

—  Martin  Koler,  Töpfer  zu  Annaberg:  ebenda  S.  158. 
Hagedorn,   A.     Joh.    Arndes   Berichte    über    die  Aufnahme  König 

Christians  L  von  Dänemark  im  Jahre  1462  und  des  Herzogs 
Albrecht  von  Sachsen  im  Jahre  1478  in  Lübeck:  Zeitschrift  des 
Vereins  für  Lübeck.  Gesch.  Bd.  IV.    S.  283—310. 

Hasse,  E.  Geschichte  der  Leipziger  Messen.  Gekrönte  Preis- 
schrift, {k.  u.  d.  T.:  Preisschriften  gekrönt  und  herausgegeben 
von  der  Fürstlich  Jablonowskischen  Gesellschaft  zu  Leipzig  XXV.) 
Leipzig,  S.  Hirzel.     1885.     VIII,  516  SS.     Ü^. 

Herfurth,  Bud.  Geschichtliche  Nachrichten  von  Zschopau.  Wissen- 
schaftliche Beilage  zum  15.  Jahresberichte  über  das  kgl.  Schul- 
lehrerseminar zu  Zschopau.     Zschopau  1885.     80  SS.     8". 

Hingst,  C.  W.  Geschichtliches  über  die  Kirchfahrt  Zschaitz  (Ephorie 
Leisnig).     Döbeln  1885.     42  SS.     8<'. 

Karstens,  W.  Sächsisch  -  hessische  Beziehungen  in  den  Jahren 
1524,  1525  und  1526.  (Kieler  Inaug.-Diss.)  Jena,  Fischer.  1885. 
79  SS.     8". 

Kawerau,  G.  Der  Briefwechsel  des  Justus  Jonas.  Gesammelt  und 
bearbeitet.  (A.  u.  d.  T.:  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen 
und  angrenzender  Gebiete.  Herausgegeben  von  der  historischen 
Kommission  der  Provinz  Sachsen.  Bd7  XVIL)  2.  Hälfte.  Halle, 
Hendel.     1885.     LVIII,  413  SS.     8». 

Knothe,  Herrn.  Nachträge  zur  Presbyterologie  des  Zittauer  Weich- 
bilds vor  der  Reformation :  Neues  Lausitz.  Magazin  Bd.  LXI. 
Heft  1.     S.  132—145. 

—  Die  ältesten  Besitzer  der  Herrschaft  Gabel -Lämberg:  ebenda 
S.  146—157. 

—  Zur  Genealogie  der  Berka  von  der  Duba  aus  dem  Hause  Mühl- 
stein: Mittheilungen  des  Nordböhmischen  Excursions- Clubs  VIII 
S.  81—100. 

Koch,  E.    Joh.  Ileumanns  Randbemerkungen  zum  Saalfelder  Kirchen- 


342  Literatur. 

buclie  aus  der  Zeit  von  1614  —  1634.  (Progr.  des  Gymnasium 
Bernhardinum  zu  Meiningen.)     Meiningen  1885.     44  SS.     -i^'. 

Krause,  Carl.  Briefwechsel  des  Mutianus  Rufus.  Gesaramelt  und 
bearbeitet.  Cassel,  Freyschmidt  (Komm.).  1885.  18,  LXVIII, 
700  SS.     8". 

V.  Krosigk,  Konrad.  ürkundenbuch  der  Familie  von  Krosigk.  Eine 
Sammlung  von  Regesten,  Urkunden  und  sonstigen  Nachrichten 
zur  Geschichte  der  Herren  von  Krosigk  und  ihrer  Besitzungen. 
Im  Auftrage  der  Familie  von  Krosigk  gesammelt  und  heraus- 
gegeben.   3.  Heft,  1.  Abth.    Halle  a.  S.,  Schmidt.  1885.    122  SS.    8". 

Lange,  H.  0.  Über  einen  Katalog  der  Erfurter  Universitätsbiblio- 
thek aus  dem  15.  Jahrhundert:  Centralblatt  für  Bibliothekwesen. 
Jahrg.  IL    Heft  7.     S.  277—287. 

Lehmann,  Emil.  Der  polnische  Resident  Behrend  Lehmann,  der 
Stammvater  der  israelitischen  Eeligionsgemeinde  zu  Dresden. 
Dresden  und  Leipzig,  E.  Pierson.    1885.    75  SS.   8*^. 

Lehrs,  Max.  Carl  Schlüter,  ein  Lebensbild:  Zeitschrift  für  bildende 
Kunst.     Jahrg.  XX  (1885).     S.  125—134. 

V.  Mansberg,  B.  Frlir.  Ein  Rückblick  auf  die  Tage  vom  31.  Mai 
bis  28.  Juni  1730:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.  1885.  No.  48  —  52.  S.  281—283,  289  —  296,  301  —  303. 
305— .309. 

Moschkaxi,  A.  Die  prähistorischen  Alterthümer  der  Oberlausitz  und 
deren  Fundstätten :  Neues  Lausitz.  Magazin  Bd.  LXI.  Heft  1. 
S.  79—131. 

l'etzholdt,  J.  Anekdoten  aus  dem  Leben  des  Königs  Johann  von 
Sachsen :  "Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1885. 
No.  39.     S.  219—232. 

—  Der  König  Johann  von  Sachsen  über  ZM'eikämpfe:  ebenda  No.  53. 
S.  313—315. 

[FoeschelJ.  Das  sächsische  Sibirien:  Greuzboten.  1885.  No.  25. 
S.  607—620. 

Meuss,  Friedrich.  König  Konrad  IV.  und  sein  Gegenkönig  Heinrich 
Raspe:  Programm  des  kgl.  Gymnasium  zu  Wetzlar.  Wetzlar 
1885.     40.     S.  1—21. 

Michter,  Ludivig.  Lebenserinnerungen  eines  deutschen  Malers.  Selbst- 
biographie nebst  Tagebuchniederschriften  und  Briefen.  Heraus- 
gegeben von  Heinrich  Richter.  Frankfurt  a.  M.,  Abt.  1885.  V, 
472  SS.     80. 

[Richter,  Otto]  Blicke  in  die  Vergangenheit  des  Waisenhauses  zu 
Dresden.  Festschrift  zur  Feier  des  200jährigen  Bestehens  der 
Anstalt  am  8.  Oktober  1885.     Dresden  1885.     31  SS.     8». 

Rüge,  S.  Ludwig  Richters  Bedeutung  für  die  sächsische  Schweiz: 
Jahrbuch  des  Gebirgs -Vereins  für  die  Sachs. -Böhm.  Schweiz  II 
(1885).  S.  22—36,  126—128. 

—  Chronologische  Reihenfolge  der  Ansichten  der  Burg  Wehlen: 
ebenda  S.  75—79. 

Sammler,  Carl.  Aus  den  Gemeindeakten  von  Pillnitz,  Hosterwitz, 
Söbrigen  und  Oberpoyritz:   ebenda  S.  45 — 61. 

Sax,  Em.  Die  Hausindustrie  in  Thüringen.  Wirthschaftsgeschichtliche 
Studien.  1.  Th. :  Das  Meininger  Oberland.  2.  vermehrte  Auflage. 
(A.  u.  d.  T.:  Sammlung  nationalökonom.  und  statistischer  Ab- 
handlungen des  staatswissenschaftlichen  Seminars  zu  Halle  a.  S., 
herausgegeben  von  J.  Conrad.  2.  Band,  7.  Heft).  Jena,  Fischer. 
1885.     XII,  1G4  SS.     8». 


Literatur.  343 

Schömoäldcr.  Der  Budissiner  Queisskieis,  eine  topographisch-histo- 
rische Studie  (zweite  Hälfte):  Neues  Lausitz.  Magazin  Bd.  LXI. 
Heft  1.    S.  1—78. 

Schwabe,  Viktor.  Nachricht  über  die  kirchlichen  Zustände  der 
Schwesterparochieu  Kleinwaltersdorf  und  Kleinschirma  im  Jahre 
1884  nebst  kleiner  Chronik  beider  Ortschaften.  Freiberg  1885. 
76  SS.     8», 

Seidemann,  J.  K.  Collectaneen  zur  Ortsgeschichte:  Jahrbuch  des 
Gebirgsvereins  für  die  Sachs. -Böhm.  Schweiz  II  (1885).  S.  80—90. 

Steche,  E.  Beschreibende  Darstellung  u.  s.  w.  Viertes  und  fünftes 
Heft:  s.  oben  Seite  321. 

Taylor,  Shephard  Thomas.  An  historical  tour:  or,  the  early  ancestors 
of  the  prince  of  Wales  of  the  house  of  Wettin.  London,  Williams 
and  Norgate.     1884.     YIIl,  182  SS.     S«^. 

V.  Tettau.  Beiträge  zu  einer  vergleichenden  Topographie  und  Sta- 
tistik von  Erfurt:  Jahrbücher  der  Kgl.  Akad.  gemeinnütziger 
Wissenschafteu  zu  Erfurt  N.  F.  XIII.  Erfurt,  Villaret.  1885. 
220  SS.     8». 

W — e.  Ein  Besuch  des  Königs  Friedrich  August  von  Sachsen  bei 
dem  Fürsten  von  Montenegro :  Wissenschaftliche  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.     1885.     No.  70.     S.  414—416. 

Wiechel,  IL  Urnenfunde  bei  Klotzsche  und  Laussnitz  in  Sachsen: 
Festschrift  der  naturwissenschaftlichen  Gesellsch.  Isis  in  Dresden 
zur  Feier  ihres  50jährigen  Bestehens  am  14.  Mai  1885  (Dresden 
18851.    S.  12.3—128. 

Wustmann,  Gustav.  Aus  Leipzigs  Yergangenheit.  Gesammelte 
Aufsätze.     Leipzig,  Fr.  W.  Grunow.     1885.     VH,  472  SS.     8». 

—  Die  Leipziger  Goldschmiede  Hans  Reinhart  der  Altere  und  der 
Jüngere:     Kuustgewerbeblatt  Jahrg.  I  (1885).     S.  161—168. 

—  Der  Sachs.  Medailleur  B.  L. :  Kuustchronik  XX  (1885),    Sp.  489  f. 

Bergk  Ordnung  über  die  Steinbrüche  im  Liebethaler  Grunde :  Jahr- 
buch des  Gebirgsvereins  für  die  Sachs. -Böhm.  Schweiz  II  (1885). 
S.  62—74. 

Verzeichnis  der  die  sächs.  Schweiz  betreffenden  Handschriften  der 
Kgl.  öflentlichen  Bibliothek  zu  Dresden:  ebenda  S.  91 — i»5. 

Nachrichten  über  Benennung  der  sächsischen  Infanterie-  u.  Kavallerie- 
Regimenter;  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung. 
1885.  No.  69,  70.  S.  409-41.3,  417—420. 

Wie  ist  das  verschiedenartige  Verfahren  der  sächsischen  Heeres- 
leitung den  preussischen  Einmärschen  der  Jahre  1756  und  1866 
gegenüber  nach  der  jeweiligen  Situation  zu  beurtheilen?  ebenda 
No^  63.    S.  373—375.  

Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.  Herausgegeben  im 
Auftrage  der  „Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengescliichte"  von 
Franz  Dibelius  u.  Gotth.  Lechler.  3.  Heft.  Leipzig,  Barth.  1885.  8". 
Inhalt:  Lechlcr,  Die  Vorgeschichte  der  Reformation  Leipzigs. 
Wold.  Schmidt,  Zum  Gedächtnis  D.  Georg  Benedikt  Winers. 
Meusel,  Die  Einwanderung  böhmischer  Brüder  in  Grosslienners- 
dorf  bei  Herrnhut  in  Sachsen.  Förster,  Sächs.  Verordnungen 
früherer  Zeit  gegen  den  Kleiderluxus.  Buchwald,  I).  Martin 
Luthers  Deuteronomiumvorlesung  vom  Jahre  1523.  Seifert,  Hat 
Luther  1517  oder  1518  in  Dresden  gepredigt. 

Vierundfünfzigster  und  fünfundfi'tnfzigster  Jahresbericht  des  Vogt- 
ländischen Älterthuins forschenden   Vereins  zu  Hohenleuben  und 


344  '  Literatur. 

sechster  und  siebenter  Jalireshericht  des  Geschichts-  und  Älter- 
tlmmsfor seilenden  Vereins  zu  Schleis.  Im  Auftrage  des  Direk- 
toriums herausgegeben  von  M.  Dietrich.     (1885.)    8". 

Inhalt:  Veckenstedt,  Pumphut.  Alberti,  Die  ältesten 
Stadtrechte  der  Reussischen  Städte  (Schluss).  B.  Schmidt, 
Der  Prozess  Markgraf  Friedrichs  des  Ernsthaften  von  Meissen 
gegen  seinen  Vormund  Heinrich  Reuss  d.  J.  Voigt  von  Plauen. 
Weiss enborn,  Die  Anfänge  der  Universität  Erfurt  und  ihr 
Rektor  Heinrich  Reuss  von  Plauen  1469.  Arnold ,  Nekrolog  tiber 
Christoph  Hermann  Moses. 
3Iitthcihmgen  des  Vereins  für  Anhaltische  Geschichte  und  Älter- 
thumslcimde.    Bd.  IV,  Heft  4.     Dessau  1885.     8'1 

Inhalt:  Stenzel,  Urkundliches  zur  Geschichte  der  Klöster 
Anhalts.  Stier,  Die  Herzöge  und  Kurfürsten  von  Sachsen- Wit- 
tenberg aus  dem  Hause  Anhalt.  Hos  aus,  Christian  Friedrich 
Gallerts  Briefe  an  die  Fürstin  Johanna  Elisabeth  von.  Anhalt- 
Zerbst.  Blume,  Alterthümer  in  Anhalt.  Wäschke,  Über  den 
Namen  Mägdesprung. 
3Iitthcilungen  des  Vereins  für  die  Geschichte  iind  Alterthumslcunde 
von  Erfurt.     Heft  12.     Erfurt,  Villaret  (Komm.).  1885.     8». 

Inhalt:  Frhr.  v.  Tettau,  Beiträge  zu  einer  vergleichenden 
Topographie  und  Statistik  von  Erfurt.  Werne  bürg,  Über  die 
Herleitung  der  Namen  der  thüringisch-sächsischen  Gaue  Suevon, 
Hassegau  und  Friesenfeld.  Jaeger,  Baurechnungen  von  Tonn- 
dorf und  Mühlberg  1.358  bis  1417. 
Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meissen.  Des 
I.  Bandes  4.  Heft.     Meissen  1885.     8". 

Inhalt:  Flathe,  Die  älteste  erkennbare  Geschichte  des 
Meissner  Lands.  Messien,  Winkelschulen  zu  Meissen  im  18. 
Jahrhundert.  Bessert,  Aus  dem  Briefwechsel  des  Pfarrers  von 
St.  Afra,  Johann  Tettelbach.  Kreyssig,  Verzeichnis  der  Lehrer 
an  der  Lateinschule  (Franciscaneum)  zu  Meissen  von  15.39  bis 
1800.  Loose,  Die  Schulordnung  des  Franciscaneums  zu  Meissen 
vom  Jahre  1609.  Beiträge  zur  kirchlichen  Zucht  und  Sitte  in 
Meissen  (aus  dem  Trauregister  der  Stadkirche).  Kleinere  Mit- 
theilungen. 
Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichts-  und  Alterthumskunde 
zu  Kahla  und  Boda.    III.  Bd.  1.  Heft.     Kahla  1885.     8». 

Inhalt:     V.    Lommer,   ßegesten    und   Jahrbücher   der    Stadt 
Orlamünde.     2.  Theil. 
Mittheilungen  vom  Freiherger  Älterthumsverein,  herausgegeben  von 
Heinrich  Gerlach.     Heft  21:  1884.     Freiberg,  1885.     8". 

Inhalt:  Gerlach,  Zum  25 jährigen  Stiftungsfest  unseres  Frei- 
berger  Alterthumsvereins.  Gerlach,  Bilder  aus  Freibergs  Ver- 
gangenheit (No.  4.  Freiberg  um  das  Jahr  1620  nach  Dilich). 
Hingst,  Mittelalterliche  Sanitätsverhältnisse  Freibergs.  W er- 
nicke, Seltsame  Familiennamen  des  Mittelalters  in  Freiberg. 
Heydenreich,  Bibliographisches  Repertorium  (vgl.  oben  S.  160). 


Nachtrag  zu  Heft  1. 

Unter  den  auf  Seite  22  genannten  noch  lebenden  ältesten  Mit- 
gliedern felilt  Herr  Geheim-Rath  Dr.  jur.  Poeschmann  (aufgen.  1842). 


Register. 


Agnes  V.  Brandenburg,  Äbtissin 

in  Hof  171. 
Albrecht    (d.  Entartete),    Mkgr. 

V.  Meissen  62. 

—  I,  Herzog  v.  Sachsen  76  f.  83. 

—  H.,  Herzog  v.  Sachsen-Witten- 
berg 65.  8.3.  85  f.  89. 

—  HL,  Herzog  v.  Sachsen-Witten- 
berg 86. 

—  (der  Beherzte),  Herzog  v. 
Saclisen  91.  202,  204.  207. 

—  (V.),  Herzog  v.  Bayern  233.  249. 

—  (Achilles),  Kurf.  v.  Branden- 
burg 174  f.  178  ft; 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg-Culm- 
bacli  215  f.  219.  223.  229  f. 
237  ff. 

—  Herzog  v.  Preussen  224  f. 
229.  241.  246.  308. 

—  Erzbisch,  v.  Magdeburg  83. 
Aldenberg,  Stph.,  Architekt  252  f. 
Allstedt  88. 

Altbelgern  b.  Beigern    197.  199. 

205.  208. 
Altenberg,  Burggrafth.  57.  73. 
Altenburg,  Burggrafth.  57.  67. 
V.  Altensee,  Georg  231. 
Alterthumsverein,  kgl.  sächs.  1  ff. 
Altzelle  32.  207. 

—  Vincentius,  Abt  169. 
Am  Ende,  Bibliothekar  42. 

V.  Amnion,   Überhofprediger  11. 
Amstorff,  liieren.,  zu  Torgau  204. 
Andrich,  Oberst  z.  D.  42. 
Anhalt  s.  Heinrich. 
Anna  (v.  Sachsen),    Gem.  Ldgr. 
Ludwig  V.  Hessen  169  f. 

—  V.  Brandenburg,  Nonne  in 
Seusslitz  171. 

—  Gem.  Albrecht  Achilles  v. 
Brandenburg  183. 


Anna     (v.    Mecklenburg),     Gem. 

Wilhelm's  H.  v.  Hessen  97. 
Annaberg  321  ff. 
Anton,  König  v.  Sachsen  15. 
Arnold,  Chrph.  218.  223. 
Asfhersleben  174. 
Aufsess,  Frhr.  Hans  von  u.  zu  38. 
Augsburg  215.  233.  238. 
Augsburg.  Konfession  270  ff. 
August,  Kurf.  V.  Sachsen  64.  74  f. 

214  tl.  242.  244.  308  f.  311  f. 

315. 
Augustusburg  46. 
Aussig  b.  Mühlberg  199.  202.  204. 

Badhorn,  Leonh.   235. 
Balthasar,  Mkgr.  v.  Meissen  66. 
Barbara  (v.  Sachsen),  Gem.  Mkgr. 

Johann   (des  Alchymisten)   v. 

Brandenburg  176.  178. 
Barby  58. 87  f.  270  f.  273.  278.  296. 
Batitz  b.  Mühlberg  199. 
V.  Baudissin,   Graf,  Generalmaj. 

a.  D.  41  f. 
Bauernkrieg  109  f.  129. 138.  140  f. 
Bautzen  92.  252.  254.  261. 
Bayern     s.    Albrecht,      Ludwig, 

Siegmund. 
V.  Bawmelberg,  Ludw.  120. 
Beltreru   198.  200.  205. 
Belitz  173.  177. 
Bensen  195. 
Berg  58.  91. 

V.  Bergow  u.  Trosk,  Joh.  201. 
Berka   v.    d.    Duba     (a.    Linie 

Hohen  st  ein). 

—  Hinko  L  192. 

—  Hinko  II.  192.  195. 

—  Judith  s.  Gera.  195. 

—  Anna  s.  T. ,  Gem.  desNicol.  v. 
Kolowrat  195. 


346 


Register. 


Berka   v.    d.    Duba    (b.    Linie 
Wildenstein). 

—  Albrecht  195  f. 

—  Hinko  s.  Bruder  196. 

—  Benes  208. 

—  Christoph  209. 

—  (c.  Linie  Mühlberg)  190  ff. 

—  Hinko  irr.  191  ff 

—  Barbara  (WvUtic)  s.  Gemahl. 
194  f.  200. 

—  Hans  I.  207. 

—  Margarethe  s.  Gem.  201. 

—  Hinko  IV.  (Henigke)  201  f. 

—  Albrecht  201  ff. 

—  Anna  s.  Gem.  (ireb.  v.  Ileburg) 
202  ff.  207  f. 

—  Hans  II.,  202  ff. 

—  Agnes  s.  G.  (geb.  v.  Schleinitz) 
207  ff. 

Berlin  (u.  Kölln)  176  ff.  185. 
Bernau  177.  18.5  f. 
Berner,  Klaus  218. 
Bernhard,  Herzog  v.  Sachsen  76. 
Berthelsdorf  268.  289. 
Beynhart,  Jak  ,  Maler  zu  Breslau 

261. 
V.  Biberstein,  Marschall  207. 
V.  Bibra,  Chrph.  205. 

—  Hans  201. 

Bing,  Simon,  hess.  Rath  214.  218. 

224.  240. 
Blülier,  Past.  em.  47. 
Bobe,  Museumsinspektor  42. 
Bogislaw,    Herzog   v.    Pommern 

181.  186. 
Böhmen   s.  Diepold ,   Ferdinand, 

Georff,  Sieffmund,  Wenzel. 
Boragk  "b.   Mühlberg    198.    200. 

203.  205.  208. 
Börer,  Blas.,  Architekt  256  ff. 
Borschitz    b.    Mühlberg     199    f. 

205.  208. 
Böttiger,  K.   A.,  Hofrath  3  ff. 
V.  Boyneburg,  Ludw.  97. 
Brandenburg  174.  176  f.  s.  Agnes, 

Albrecht ,      Anna  ,    Barbara, 

Dorothea,  Erasmus,  Friedrich, 

Joachim,  Johann,   Katharina, 

Margaretha. 

—  (Bramburg),  Erasmus,  Propst 
zu  Berlin  179. 

Braunschweig  215  f.  s.  Heinrich, 

Katharina. 
Brena,  Gralsch.  57.  65  f.  77.  90. 
Breslau  181  f. 


Bressewicz,  Hans  199. 

—  Heinrich  199. 
Bressnitz  b.  Mühlberg  205. 
Blosse,  Joach.  Hannib.,  Glocken- 

giesser  263. 
Brück  174  f. 

V.  Brühl,  H.  Graf,  Premierminister 
265  ff.  272  f. 

—  Gräfin  266. 

—  Oberstallmeisterin  266. 
Buchholz  34. 

Bufler  235. 

Burchard,  Bisch,  v.  Halberstadt 
174. 

—  Geo.,  Goldschmied  262. 

V.  Burgsdorf,  KarlGottl.,  Kanzler 

zu  Zeitz  266  ff. 
Burgund  s.  Philipp. 
Burxdorf  b.  Mühlberg  197—208. 
Büttner,  Museumsinspektor  42. 

Cambrai  228.  243  f. 

V.  Carlowitz,  Generalmajor  41. 

Maxen,  Legationsrath  41. 

Cavertitz  b.  Strehla  199.  205. 

Chlumec  in  Böhmen  201. 

Christian  I.  Kurf.  v.  Sachsen  31.3. 

Christian,  König  V.  Dänemark  180. 

Christina  (v.  Sachsen),  Gem. 
Philipps,  Ldgr.  v.  Hessen  97. 

Christoph,  Herzog  von  Württem- 
berg 219. 

Chrosner,  Alex.,  Mag.,  Hofprediger 
111.   114.  129  ff. 

Cleve  58.  91. 

Gliben  (Wald  b.Mühlbg.)199.  208. 

Cossdorf  b.  Mühlberg  197. 200. 208. 

Cossilenzien  b.  Mühlberg  197. 

Cromer,  Hans,  Bildhauer  260. 

V.  Cronberg,  Hartmann  120. 

Dänemark  222.  233  ff.  243  f.  siehe 
Christian. 

Diepold,  Herzog  v.  Böhmen  65. 

Dietrich  v.Sommersenburg,Mkgr. 
V.  Meissen  55.  62. 

—  der  Bedrängte,  Mkgr.  v. 
Meissen  61. 

Diezmann,  Mkgr.  v.  Meissen  33. 

59.  92. 
Dirr,  Christian,  Goldschmied  314. 

—  Ernst  Casp  ,  Medailleur  314. 

—  Georg,  Hofmaler  314. 

—  Hans,  Goldschmied  312  ff. 

—  Joh.,  Kupferstecher  314. 
V.  Diskau,  Hans  231. 


Register, 


347 


Dittmann,  Dr.  18. 

Dohiia,  Marienkirche  18. 

Döring ,  Math. ,  Provinzial  der 
Franzisk.   171  fi". 

Dorothea  (v.  Brandenburg),  Gem. 
Johanns  v.  Sachsen  u.  Lauen- 
burg 177.  179  f. 

Dresden  ü  ff.  46.  316  ff.  Sophien- 
kirche: 18.  46  Prinzenpalais: 
20.  24.  42.  Palais  im  Grossen 
Garten:  27  f.  28f.  32.43.  ßar- 
tholomäuskapelle:  28.  Kreuz- 
thurm:  814  f. 

Dröschkau  b.  Mühlberg  199.  208. 

Ebert,  Ad.,  Oberbibliothekar 
6  f.  10  ff. 

Eberus,  Paul,  Dr.  309. 

Ehrenfriedersdorf  324. 

Eichler,  Kasp.,  v.  Zittau,  Maler. 

Eilenburg  64. 

V.  Eilenburg  (Ileburg),  die  Herren 
196. 

—  Botho  197. 

—  Anna,  s.  Berka. 

—  Otto  196. 

V.  Einsiedel,  Detlev  Graf,Kabinets- 

minister  7 . 
Eisenberg,  Herrsch.  57.  72  f. 
Elisabeth  (v.  Hessen),   Gem.  des 

Herzoürs    Johann    v.    Sachsen 

97.  114. 
Emmerich,  Georg,  Bürgermeister 

V.  Görlitz  257. 
Engelhardt,  Dr.,  Hofrath  18.  23  f. 
Engern  58.  66.  90. 
England  219.  222.  243  f. 
Erasmus ,  Mkgr.  v.  Brandenburg 

177  ff'. 

—  (v.  Rotterdam)  115.  135. 
Erbstein ,   Adv. ,    dann    Archivar 

18.  23.  36. 

Erfurt  231  f.  Historiographie  325  ff. 

Erich ,  Herzog  von  Pommern- 
Stettin  180. 

Ermisch,  Dr.,  Archivar  42. 

Ernst,  Herzog  v.  Öachsen-Koburg 
219.  222. 

—  kurf.'v.  Sachsen  202.  204.  207. 
Ezard,  Graf  v.  Frieslaud  142. 

Falke,  Job.,  Dr.,  Archivar  42.  47. 
Falkenstein,  Hotrath  11  ff". 
Ferdinand    I.,    König    219.    233. 
236.  279  f. 

Fichtenberg  b.  Mühlberg  198ff.  208. 


Filcz  (Fielicz),  Gebhard  199. 
V.  l'lotow,  G.,  Geh.  Finanzrath  7. 
Francke,  A.  H.  158  ff. 
Franczsch,  Drewus  199. 
Frankfurt  a.  0.  176. 
Frankreich  s.  Heinrich. 
Freiberg    160    ff.    Dom:    19.    2H. 

.30.  ff.  46. 
de  Fresse  (Fraxineus),  Job.,  lüsch. 

V.  Bayonne  224  tY.  229  f.  237  ff. 
Friedewalde  242. 
Friedrich  v.  Brena  65. 

—  (Tutta),  Mkgr.  v.  Meissen  64. 

—  (d.Freidige),  Mkgr.  v.  Meissen 
66.  89. 

—  (d.  Ernsth.),  Mkgr.  v.  Meissen 
63  f.    67.  71   f. 

—  (d.  Streitb.),  Kurf.  v.  Sachsen 
65.  72.  74.  86  f.  89.   169  f. 

—  H.,     Kurf.    V.    Sachsen    170. 
173  f.  191  ff. 

—  (d.  Weise),  Kurf.  v.  Sachsen 
97.  255. 

—  L,  Kurf.  V.  Brandenburg  173. 

—  n.,  Kurf.  V.  Brandenburg  1 69  ff. 

—  (d.  Fette),  Mkgr.  v.  Branden- 
burg 175.  178. 

—  Bisch.    V.    Lebus ,    brandenb. 
Kanzler  187. 

Friedrich    August  I. ,    König    v. 

Sachsen  7.  93. 
H.,  König  V.  Sachsen  5  ff. 

—  —  Herzog  zu  Sachsen  .50. 
Friedrich  Wilhelm,    Herzog   zu 

Sachsen,  Administrator  313  f. 
V.   Friesen,    Frhr.,    Kammerherr 

31.  33. 
Friesland  s.  Ezard. 
Fürstenwalde,  Dom  207. 

Gautsch,  K.,  Advokat  37. 
Geldern  s.  Karl. 
Georg,  Herzog  v.  Sachsen  94  ff. 
203  f.   206  ff.  259  f.  263.  320  f. 

—  Prinz  39  ff. 

—  (Podiebrad),  König  v.  Böhmen 
193. 

—  Herzog  v.  Mecklenbg.  216.  250. 
V.  Gersdorf,  Oberamtshauptmann 

266.  269.  273  ff. 
Gesamtverein      der       deutschen 

Geschichts-  und    Alterthunis- 

vereine  38. 
Geyer  47. 
Glashütte  19. 


348 


Register. 


Görlitz  251  ff. 

Gotha  110. 

Granvella  248. 

Groh,  Fast.,  v   Berthelsdoif  .S02. 

Grohmanii,    K.   G.,    Hofsekretär 

8.  23. 
Grossenhaiu  208, 
Gross-Hennersdorf  266.  269.  275  f. 

280.  286.  288  ff. 
Gross-Krausche  b.  Bunzlau  289. 
Grossschirma  b.  Freiberg  207. 
Gutbier,  Adv.,  24. 

Hake,  Ursula  186. 

Halberstadt  174.  212  f.  229  siehe 

Burchard. 
Halle  81.  83.  175. 
Hamburg  180. 

llan,  Lucas,  v.  Görlitz,  Maler  261. 
Hartmami,   Ferd.,    Direktor   der 

Kunstakademie    zu    Dresden 

7.  12.    16.   18. 
Hase,  Hofrath  11  f.  16,  18. 
Hedwig,    Gem.    Johanns  I.    vou 

Liegnitz  J82. 
Heide  b.  Elsterwerda  199.  208. 
V.  Heideck,  Hans  218  ff'.  223.  240. 
Heilbronn  ,  Peter  v. ,  Baumeister 

2fi0. 
Heinrich  (d.  Erlauchte),  Mkgr.  v. 

Meissen  61  f.  77.  88. 

—  Sohn  Kurfürst  Friedrich  des 
Steitb.   V.  Sachsen  169. 

—  (d.  Fromme),  Herzog  v.  Sach- 
sen 5G. 

—  TII.,  deutscher  König  67. 

—  V.  Anhalt  76.  80  f. 

—  Herzog  v.  ßraunschweig  187. 
215. 

—  IL,  König  V.  Frankreich  214. 
216.  219,  222  ff'.    388. 

—  Herzog  v.  Mecklenburg  180. 
182.  224  f.  229.  246. 

Henneberg,  Grafsch.  ?>S.  74  f. 

Hennersdorf  s.  Gross-Hennersd. 

V.  Hennicke,  Graf,  Konferenz- 
minister 266  ff". 

Hermann  L,  Ldgr.  v.  Thüringen  68. 

Hermann  ,  Dr. ,  Oberhofprediger 
273  ff. 

Herrmann,  Georg,  Architekt  und 
Bildhauer  260. 

Herrnhut  264  ff. 

Hessen  s.  Anna,  Christina,  Elisa- 
beth, Ludwig,  Philipp,Wilhelm. 


Hettner,  Herrn.  41. 
Heuchler,  Architekt  31. 
Heydenreich,  Dr.,    Konsistorial- 

rath    277.     281.    284    f.    287. 

291.  296.  301.  305. 
Hilger,     Andreas     und    Martin, 

Glockengiesser  262  f. 
Hillersleben  216. 
Hof,  Kloster  171. 
Hohendorf  205. 
Hohenstein  191  f. 
Holtzendorf,      Graf,      Oberkon- 

sistorialpräsid.  276.  280.  284  ff. 
V.  Honsberg,  Barbara  172. 

Ingolstadt  238. 

Innsbruck  232  ff.  248  f. 

Joachim  IL,  Kurf.  v.  Brandenbg. 
212  f.  215  f.  219.  233. 

Johann,  Herzog  v.  Sachsen- 
Lauenburg  76  f.  83.  85.  89. 

—  Herzog  v.  Sachsen-Lauenburg 
180. 

—  (d.  Best.),  Kurf.  v.  Sachsen 
67.  73.  97.  108.   110.  114.  255. 

—  König  V.  Sachsen  7  ff". 

—  (d.  Alchymist),  Mkgr.  v.  Bran- 
denburg 174  f.  180. 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg-Küstrin 
215.  217  ff. 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg  (Sohn 
Kurf.  Friedr.  II.)  177  f. 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg  181. 
186  f.  207. 

—  IV.,  Bisch.  V.  Meissen  191.  194. 

—  V.,  Bisch.  V.  Meissen  202. 

—  VI.,  Bisch.  V.  Meissen  255  f. 

—  Bisch.  V.  Merseburg  194. 

Johann  Albrecht,  Hrzg  v.  Mecklen- 
burg 219  f.  222.  224  f.  229. 
240  f.  245.  248. 

Johann  Ernst,  Herzog  v.  Sachsen- 
Koburg  246. 

Johann  Friedrich,  Kurf.  v.  Sach- 
sen 56.  73.  91.  108  f.  218.  227. 
234.  246. 

(d.     Mittl.) ,      Herzog      v. 

Sachsen  74.  220.  227.  246. 

Johann  Georg  I. ,  Kurf.  v.  Sach- 
sen 92. 

IL,  Kurf.  V.  Sachsen  87. 

Johann  Philipp,  Kheingraf  230. 
236  ff". 

Jülich  58.  91. 

Jung,  Dr.,  234. 


Registef. 


349 


Ivarl  IV.,  Kaiser  63.  86.  92.  192. 
196.  198. 

—  V.,  Kaiser  210  ff. 

—  Herzog  v.  Geldern  142. 
Katharina  v.  Brandenbg.,  Äbtissin 

in  Hof  171. 

—  (v.  Braunschweig),  Gem.  Kurt". 
Friedr.  des  Streitbaren  von 
Sachsen  169. 

—  (v.  Sachsen) ,  Gem.  Kurf. 
Friedr.  H.  v.  Brandenburg 
169  fi". 

Kersten,  Aktuar  289.  293.  298. 
Keyl,  Museumsinspektor  29. 
Kilian,  Meister,  Steinmetz  234  f. 
Kirchberg,  Burggraf  v.  57.  73  f. 
Ivlemm,  Dr.,  Hofrath  19.  23.  31. 

41.  45. 
Kliugenberg  (b.  Mühlberg?)  199. 
Klingenhain  b.  Strehla  205  f. 
Klösterlein  b.  Aue  46. 
Knobloch,  Janko,  Hauptmann  zu 

Hohnstein  191. 
Köber,  Johann  Friedrich  268  fi". 
Koch,    preuss.    Oberhotprediger 

275  f.  289. 
V.  Kochberg.  Bernhard  194. 
V.  Köckeritz,  Heinrich  199. 

—  Konrad  199. 

—  Nickel  199. 
Koller,  Wolfg.  235. 

V.  Kolowrat,  Albrecht,  Herr  auf 
Liebstein,  Kanzler  261. 

—  Jhan  196. 

—  Nickel  195  s.  Berka. 
Konrad,  Mkgr.  v.  Meissen  60. 

—  Landgr.  v.  Thüringen  68. 
Köttlitz  b.  Mühlberg   197.  201  f- 

205. 
Kram,    Franz,   Dr.,    sächs.  Ratli 

234.  249. 
Kramer,  Hieron.  314. 
Kreinitz  b.  Strehla  199. 
Kreuzburg  a.  Werra  108  f. 
Kröbeln  b.  Mühlberg  198. 
Krüger,  Prot.  18.  26  f.  29. 
Kühnel  301  tf. 
Kula,  Günther  199. 

van  Laer  269.  288.  298. 

Landsberg,  Mark  59.  64. 

V.  Langenn,  Geh.  llath  23.  26  f. 

35  ff.  41.  45. 
Langenrieth  b.  Mühlberg  197.  208. 
Langensalza  116.  135  tf. 


Laubanisch  (Laurisch),  Urban, 
Architekt  256. 

Lauchstedt  88  f. 

Lauenburg  89  f. 

Layriz,  Serainardirektor  in  Herrn- 
hut 295.  299. 

Lebus  s.  Friedrich. 

Lehmann,  F.  L.,  Maler  34. 

Lehndorf  b.  Mühlbg.  197.  203.  205. 

Leipzig  3.  10.  33.  311. 

Leisnig  202. 

Leuben  b.  Dresden  19.  46. 

Leyser,  Hofrath  276.  291.  298.  305. 

Liebenwalde  177. 

Liegnitz  s.  Hedwig  182. 

V.  Lindenau,  Staatsminister  11. 

V.  Lindow,  Graf  Albrecht,  Herr 
V.  Ruppin,  Hauptm.  der  Neu- 
(Mittel-)  mark,  174. 

Löbau,  Job.  u.  Niklas  v. ,  Gold- 
schmiede 262. 

—  Siegmund  v.,  Maurer  252. 

V.  Loben,  Landeshauptmann  277. 

289.  298.  300  f. 
Lochau  224  ff. 

Lorenz,  Steinmetz  in  Zittau  259. 
Löwe,  Prof  Dr.  23  f.  42. 
Lübeck  180. 
Luckau  92. 

Lücke  (Wüstung) b.  Mühlberg  199. 
Ludwig  IV.,  Kaiser  67.  70. 

—  Landgr.  v.  Hessen  170. 

—  Landgr.  v.  Thüringen  68. 
Lüneburg  180. 

Luther,  Martin  98  ff.  157  f  309. 
320  f. 

Magdeburg  58.  77.  80  ff.  173  f. 
212  ff'.  215  ff.  s.  Albrecht, 
Wilbrand. 

—  Joh.,  Dompropst  z.  Naum- 
burg u.  Meissen  194. 

Major,  Georg  309. 

V.  Maltitz,  Friedrich  194. 

Mansfeld,  Hans  Georg  Graf  zu  315. 

—  Christof,  Graf  zu  315. 

V.  Manteuffel,    G.    A.    E.   Frhr. 

7  f.  11. 
Margaretha,  Gem.  Kurf  Friedr.  II. 

V.  Sachsen  193. 

—  Tochter  Kurf.  Friedr.  11  v. 
Brandenburg  177.  179  ff. 

Maria,  Gem.  Karl  V.  248. 
Marienberg  321  ff. 
Marieustern  s.  Mühlberg. 


350 


Register. 


Mark,  Grafsch.  5S.  91. 
Marschall,  Gerhard  198. 

—  Hans  198  f. 

—  Jür^e  198. 

—  Ludolf  198. 
Martinskirche    b.   Mühlberg  197. 

199.  203.  205. 
Marzahn  b.  Treuenbritzen  175. 
Mathias,  König  v.  Ungarn  181  f. 
Maximilian ,     König    v.    Böhmen 

219.  249. 
Mecklenburg    s.    Anna,    Georg, 

Heinrich,  Johann  Albrecht, 
Meissen  252.  Bauten    34    f.  45  f. 

254    IT.   260.    Mark    57.  59  f[. 

s.  Albrecht,  Balthasar,  Dietrich, 

Diezmann,  Friedrich,  Heinrich, 

Konrad,  Otto,  Wilhelm.    Stift 

212  s.  Johann. 
Meissner,  Präsident  21.  27.  31. 
Melancbthon  98  f.  120.  149  ff.  235. 

.308  f.  3-21. 
Mentzius,  Baltli.  149  ff. 
Merseburg  59  f.  212.   s.  Johann. 
Merlitz  b.  Lommatzsch  205. 
Metz  228.  243  f. 
V.  Michelsberg,  Job.  195. 
V.  Mila,   Bernh. ,  Landhofmeister 

220. 
V.  Miltitz,  Überhofmeister?.  11. 13. 

—  Ilse,  172. 

V.  Minkwitz  auf  Sonnenwalde  99  f. 

—  Nikol.  100  ff.  117  ff.  128. 
Mittenwalde  17.3.  177.  185. 
Möglenz  b.  Liebenwerda  197. 
Möller,  Jost,  Baumeister  256. 
Mönch,  Albrecht  199. 

—  Christoph  205. 

—  Hans  199.  201.  203.  205  f. 
Moritz,  Kurt',  v.  Sachsen  64.  210  ff. 

312.  .338. 

Moritz  Wilhelm,  Hrzg.  v.  Sachsen- 
Zeitz  159. 

Mühlberg  190  ff.  312.  Kloster  Ma- 
rien (Gülden-)  stern  200  ff. 

Mühlhausen  i.  Th.  142.  231  f. 

V.  Mühlingen,  Grafen  87. 

Mülich,  Wolf  220. 

V.  Nassau,  der  120. 

Nauen  185. 

Naumburg  220. 

Neisser,  Augustin  301.  302  f. 

—  Wenzel  274. 
Niederlausitz  58.  91  f. 


Niemegk  174  f. 

Niesky  278. 

Nitschmann,      David,     Syndikus 

280.  295.  297.  302. 
Noerner,  Stadtgerichtsaktuar   18. 
Nollau,  Oberfinanzeinnehmer  24. 
Northus,  Maler  24.  29. 
Nossky,  Präsident  24.  42. 
V.  Nostiz  und  Jänkendorf,  G.  A.  E., 

Konferenzminister  7. 
Nürnberg  101.  120.  127  f. 

Oberlausitz  58.  91  f. 
V.  Odeleben,  Frhr.  27  f. 
Oderberg  177.  18.5. 
Oeltzschaub.Mühlbg.  199.203.205. 
Opach  (Wald)  199. 
Orlamünde,  Grafsch.  57.  71  f. 
Oschätzschen  b.  Liebenwerda  198. 

203.  208. 
V.  Osse,  Melchior  233. 
Osterland  57.  59.  61. 
Otto,  Mkgr.  V.  Meissen  60. 

—  V.  Brena  65. 
Oudenarde  309  ff. 

V.  Pack,  Otto  137.  145.   319  f. 
Packisch  b.  Mühlberg  199. 
Paussnitz  b.  Mühlberg  205. 
V.  Pfaffenberg,  Chrph.  203. 
Pfalzsachsen  8.  58.  88  ff. 
Pflug,  Ad.  249. 

Ptiuger,  Konrad,  Architekt  252  ft'. 
Pfuhl,  Joh.,  Kaplan  186. 
Philipp  (Sohn  Karls  V.)  215. 

—  Herzog  v.  Burgund  181. 

—  Landgr.  zu  Hessen  94  ft.  211  ff. 
319  f. 

Pirna  312. 

—  Eisengruben  bei  203. 

—  Peter  v.,  Architekt  259. 
Plassenburg  175. 
Pleissnerland  57.  66. 
Plotha  b.  Mühlberg  199.  203. 
Polen  s.  Sigismund  August. 
V.  Polenz,  Christoph  99. 
Pommern     s.     Bogislav ,    Erich, 

Wartislav. 
Pöschmann,  Dr.,  Amtsaktuar  24. 
Posse,  Dr.,  Archivar  42. 
Potsdam  173. 
Poyden,  Heinze  199. 
Preuss,  Georg  205. 
Preussen  s.  Albrecht. 
Prieschke  b.  Liebenwerda  199. 208. 


Register. 


351 


Pyrner,  Greg,  Goldschmied  262. 
Puschwitz  b.  Beigern  199. 

V.  Quandt,  J.  G.,  6  f.  12.  15  f. 
Quedlinburg  174. 
V.  Querfurth,   die  Edlen   42.   80. 
83  f.  19(3. 

Ravensburg,  Grafsch.  ö8.  91. 
Reichenhain  b.  Elsterwerda  199. 
V.  Reifenberg,  Friedr.    222.   224. 

226.  229. 
ReinhardsbrunnerHistoriographie 

325  ü: 

V.  Reitzenstein,  Oberhofmarschall 

30  f. 
Renner,  Inspekt.,  Restaurator  16. 
Rex,  Graf,  Geb.  Ratb  273.  281. 
Rietschel,  Prof.,  33. 
V.  Rochow, Wichard,  a.  Golzowl74. 
Rolle,  Maler  39.  42.  45. 
V.  Römer,  R.,  a.  Neumark  13. 18. 23. 
Rosskopf,  Wendel  255.  259. 
Rouvroy,  K.  H.,  sächs.  Kap.  309  ff. 
Rudolf,  König  65.  77.  89. 

—  I.  Herzog  v.  Sachsen  86  f. 

—  III.  Herzog  von  Sachsen  85. 
148  ff.  174. 

Runge,  Nickel  199. 

Saarmund  173. 

Saathain  b.  Elsterwerde  206. 

V.  Salhansen,  Anna  172. 

Sachsen  58.  65.  76  ff.  s.  Albrecht, 
Anna,  August,  Barbara,  Bern- 
hard ,  Christian ,  Elisabeth, 
Friedrich,  Friedrich  August, 
Friedr.  Wilhelm,  Georg,  Hein- 
rich, Johann,  Joh.  Ernst,  Job. 
Friedrich,  Joh.  Georg,  Katha- 
rina ,  Margaretba ,  Moritz, 
Moritz  Wilhelm,  Rudolf,  Sieg- 
mund, Sophia,  Wenzel,  Wilh. 

Saupsdorf  195  f. 

V.  Schachten,  Heinr.  214.  218.  240. 

—  Wilh.,  hess.  Rath  214.  218.  224. 
Schäfer,  Arn.,  Dr.  24. 

—  Wilh.,  Dr.  23.  25.  28  f.  37. 
Scharfenstein,  Herrschaft  193. 
Schellinger  288.  298. 
Schüffner,  Alb.  13.  18.  23. 

V.  Schlcinitz,  Anna  s.  Berka. 

—  Friedrich  199. 

—  Heinr.,  Obermarschall  207. 

—  Hugold  auf  Kriebstein,  Ober- 
marschall 207. 


V.  Schliefen,  Georg,  Hofmarschall 

174. 
Schmidt,  Adv.  42. 
Schneeberg  46. 
Schneeweis, Christ. ,Goldschm. 31 4. 

—  Jonas,  Maler  314. 

—  Urban,  Goldschmied  z.  Dresd. 
262.  314. 

V.  Schönleld,  Junge  201. 

Schotte,  Eckarius  194. 

Schrawtenbach,  Balth.   118. 

Schreiber,  Oberlieut.  23.  29. 

V.  d.  Schulenburg,  Bernd,  Haupt- 
mann d.  Altmark  174. 

Schulz,  H.  W.,  Dr.,  Geh.  Hofrath 
23.  29.  31. 

Schuricht,  Oberlandbaumeister  1 2. 

Schwad,  Konr.,  Architekt  256. 

Schweditz  b.  Mühlberg  199.  201. 
205. 

Schwedler,  A.,  Goldschmied  314. 

V.  Schweiniz,  Geo.  Albr.,  auf 
Obersteinkirch  265. 

V.  Schwendi,  Laz.  232.  239. 

Segnitz,  Finanzarchivregistr.  24. 

V.  Seidewitz  266. 

—  Georg  203.  205. 

—  Kaspar  199. 

—  Kune  199. 

Seid,  Vizekanzler  2.33  f. 
Semper,  Gottfr.  34. 
Seasslitz,  Kl.  170  ff. 
Seydewitz  b.  Mühlberg  205. 
V.  Sickingen,  Franz  100. 
Siegmund,  Herz.  v.  Bayern-Mün- 
chen 182. 

—  Kun.  V.  Böhmen  u.  Ungarn 
192.  196. 

—  Herzog  v.  Sachsen,  Bisch,  v. 
Würzburg  170.  174. 

Sigismund  August,  Kön.  v.  Polen 

233. 
V.  Skal,  Henico  195. 
Sonnenwalde  99  f. 
Sophia,  Gemahl.  Christian  I.  von 

Sachsen  313. 

—  (v.  Henneberg),  Gem.  Burg- 
graf Albrechts  V.  Nürnberg  174. 

Soral)icus  limes  58  f. 
Spandau  177. 
V.  Spangenberg,  Geo.  265. 
Spiegel,  Hans,  Hotmeister  186. 
Stapel,  Baurath  42.  45. 
Staritz  b.  Mühlberg  199. 
Steche,  Dr.,  Prof.  41.  44. 


352 


Register. 


Stehla  b.  Belgien  197.  205. 
Steiiibach,  Gabr.  201. 

—  Hans  201. 

—  Nickel  201. 

Steinhofer,   Mag.   289.   295.   299. 

300.  30.S. 
Stendal  185. 
V.  Stieglitz,  Dr.,  Appellationsrath 

2.3.  .S7. 
Stieglitzer,  Albr.,  Steinmetz  256. 

259. 
Streiüa  198. 
Swoffheim,    Dr.     Job.,     bischöfl. 

Official  191. 

Tangermünde  176.  178. 

V.  Taubenhaim,  Geo.  137.  145. 

Taupadel,  Otto  199. 

Teller,  Prof.  277.  293.  296.  306. 

Tliieme,  Dan.  258. 

—  Christoph ,  Rektor  d.  Univ. 
Leipzig  258. 

Thoss,  Job.  205. 

Thüringen  325  ff.  s.  Hermann, 
Konrad,  Ludwig. 

Tirold,  Albr.  u.  Yalten,  Gold- 
schmiede 262. 

Tollenstein-  Schluckenau ,  Herr- 
schaft 195.  207. 

Torgau  191.  221. 

Toni  228.  243  f. 

Tournai  310  f. 

Trebbin  173.  177.  185. 

Treptitz  b.  Strehla  205. 

Treuenbrietzen  173  f.  177.  185. 

Trient,  Konzil  zu  234  ft'. 

Trott,  Adam  218. 

Trütschler,  Hans  199. 

V.  Turgaw,  Christoph  199. 

Ulm,  das  h.  Grab  258. 
Ungarn  s.  Mathias. 

Vach,  Kloster  116.  135  ff. 

Yerdun  228.  243  f. 

Verein    der    sächs.    Alterthums- 

freunde  18  ff. 
Voigt,  Dav.,  Dr.  308. 
Vincentius  s.  Altzelle. 
Walter,  Christoph,  Architekt  260. 
Walther,  Hans,  Bildhauer  315. 
V.  Wartenberg,  die,  a.  Tetschen  195. 
Wartislav,  Herz.  v.  Pommern  181. 
V.  Watteville   (sen.),  Baron  274. 
289  f.  297  f. 


V.  Watteville,  Joh. ,  Bischof  der 
Brüdergemeine  291. 

—  Benigna  (geb.  Zinsendorf),  s. 
Frau  266. 

V.  Weber,  Karl,  Dr.,  Geh.  Rath 

41.  47  f. 
Weickhmann,    Dr.,    Prof.   276  f. 

293.  295  f.  305. 
Weinhold,  Mich.,  Glockengiesser 

263. 
Weiss,  Ludw.  291. 
Wendisch-Borschitz  b.  Mühlberg 

205. 
Wenzel,  König  v.  Böhmen  195. 

—  Herz.  v.  Sachsen- Wittenb.  148  ff. 
Wessenig,  Friedr.  193.  203. 

—  Hans  205. 

Westfalen,  Wappen  58.  90. 
Weyfle,  Philipp  120. 
Wilbrand;  Erzbischof  v.   Magde- 
burg 83. 

Wildenstein,  Herrsch.  195. 
Wilhelm  (IIL),  Herz.  v.  Sachsen 
173  ff".  191  ff. 

—  (IL),  Landgr.  z.  Hessen  97. 137. 

—  (III.),  Landgr.  z.  Hessen  217. 
219  f.  224.  228.  230.  237  ff". 

Wilmersdorf,  Kath.  186. 

—  Libor.  186. 
Winsheim,  V.,  Dr.  309. 
Wissagk  (?)  198. 
Wittenberg  174  f.  255.  308  f. 
v.  Witzleben,  Generalmajor  42. 
Wohlgemuth,  Michael  16  f. 
Wviltic  s.  Berka. 
Würdenhain  b.  Liebenwerda  198  f. 

200.  208. 
Württemberg  s.  Christoph. 
V.  Würzburg,  Konrad  63.   Bisch. 

s.  Siegmund. 

Zech,  Geh.  Rath  274.  290.  306. 

V.  Zedlitz,  Siegmund,  auf  Neu- 
kirch 261. 

V.  Zehmen,  K.,  Oberhofgerichts- 
rath  13.  32. 

Zigram,  Wald"  199  f.  208. 

Zinzendorf,  Graf  N.  L.  264  ff". 

—  Gräfin  265  f.  293.  302. 
Zittau  259.  302. 

Zörbig  64. 

Zschepa  b.  Strehla  198.  200.  203. 

208. 
Zwickau,  Marienkirche  4.  16  f. 


ETTY  CENT 


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