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Neues ArcMy
fÜl'
Sächsische Geschichte
und
Alterthumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrath.
Sechster Band.
Mit dem Wappen des Kurfürstenthums Sachsen.
Dresden 1885.
Wilhelm Baensch Verlagshandlung.
THE GETTY CENTER
UBRARY
Inhalt.
Seite
I. Zur Geschichte des Königlich Sächsischen Alterthums-
vereins. 1825 — 1885. Vom Herausgeber 1
II. Das Wappen des Kurfürstenthums Sachsen in seiner
historisch-topographischen Bedeutung. Von R. Freiherrn
von Mansberg in Dresden 51
III. Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg von
Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen. Mitgetheilt
von Dr. W. Friedensburg in Marburg 94
Literatur 146
IV. Katharina (Herzogin von Sachsen, Gemahlin Kurfürst
Friedrichs II. von Brandenburg) und ihr Haus. Von
Archivar Dr. G. Sello in Magdeburg 169
V. Die Berka von der Duba auf Mühlberg. Von Prof. Dr.
Hermann Knothe in Dresden 190
VI. Moritz von Sachsen gegen Karl V. bis zum Kriegszuge
1552. Von Überlehrer Dr. S. Issleib in Bautzen . . . 210
VII. Sächsische Künstler in Görlitzer Geschichtsquellen. Zu-
sammengestellt von Dr. E. AVernicke in Bunzlau . . . 251
VIU. Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen und
die Hennersdorfer Kommission. 1747 — 1748. Von F. S.
Hark, em. Prediger der Brüdergemeine, in Niesky (f) . 264
IX. Kleinere Mittheilungen 308
1. Die Meldung vom Tode und der Beisetzung Melanch-
thons an den Kurfürsten August. Mitgetheilt von
Archivrath Dr. Th. Distel in Dresden 308
2. Die Rouvroy - Medaille auf die Vertheidigung von
Oudenarde im Jahre 1814. Mitgetheilt von Biblio-
thekar P. E. Richter in Dresden 309
3. Kunstgeschichtliche Notizen. Mitgetheilt von Archiv-
rath Dr. Th. Distel in Dresden 311
Literatur 316
Register 340
Besprochene Schriften.
Seite
Gross, Die Anfänge des ersten thüring. Landgrafengeschlechts
(Baltzer) 325
Heydenreich, Bibliogr. Repertorium über die Geschichte der Stadt
Freiberg etc. (Ermisch) 160
V. Hirschfekl, Geschichte der Sachs. -Askanischen Kurfürsten
(Stier) 147
Jacobs, Geschichte der in der Preuss. Provinz Sachsen ver-
einigten Gebiete (Ermisch) 146
Ilgen und Vogel, Geschichte des thüring.-hessischen Erbfolge-
krieges (Baltzer) 325
Kolde, Marthin Luther. Bd. I. (G. Müller) 157
Kramer, August Hermann Francke (G. Müller) 158
Machatschek, Geschichte der Bischöfe des Hochstifts Meissen
(G. Müller) 156
Moschkau, Oybin-Chronik (Knothe) 338
Naude, Die Fälschung der ältesten Reinhardsbrunner Urkunden
(Baltzer) 325
Richter, 0., Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden (Knothe) 316
Schlomka, Kurfürst Moritz und Heinrich H. von Frankreich
(Issleib) 337
Schmidt, Untersuchung der Chronik des St. Petersklosters zu
Erfurt (Baltzer) 325
Schwarz, Landgraf Philipp von Hessen und die Pack'schen
Händel (Kawerau) 319
Steche, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen. Heft HL, IV., V.
(Sommer) 161. 321
"Wenck, Liber Cronicorum und andere Aufsätze (Baltzer) . . 325
Kiirsächsisclios Wappen.
^ ^1 fSt^
1748.
1 I.amlfiniflliuiii
TliüriiigtMi
l-iC..') (I1!I7).
4 HerziiL'tliiim
Jülich
Kill).
7 Ileizostliiim
ICIKI.
10 l-fBlzRiülscIiaft
Sachsen
142:> diM».
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Nieth^ilniisilz
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1242 (142:».
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Sachsen
1425 (I2(;i).
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142.') (1:'>TÖ).
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' I54S.
21 Ilensfhaft
Eiseiibert»;
1525.
24
H(\t2;alieii
1525.
I.
Zur Geschichte
des
Königlich Sächsischen Alterthumsvereins.
1825—1885.
Von
Hubert Erinisch.
Mag- die politische Geschichte der ersten Jahrzehnte
unseres Jahrhunderts auch in mancher Hinsicht wenig
Befriedigung gewähren, für die Geschichte des geistigen
Lebens unseres Volkes war diese Zeit doch von hoher Be-
deutung. Auf den verschiedensten Gebieten des Wissens
Avurden damals die Fundamente gelegt, auf denen wir
bis auf diesen Tag weiter bauen; der Mörtel aber, der
diese Fundamente zusammenhielt und ihnen eine Festig-
keit verlieh, die sich noch heute bewährt, war der natio-
nale Gedanke, den der Kosmopolitismus des 18. Jahr-
hunderts wohl in Schliunmer versenkt, aber nicht getötet,
den der Kampf gegen den fremden Unterdrücker zu
neuem bewussten Leben erweckt hatte. Die Eomantiker
waren die Vertreter dieses Gedankens auf dem Gebiete
der Dichtkunst; aber auch auf die wissenschaftliche
Thätigkeit wirkte er belebend ein. Karl Friedrich Eich-
horn, der Vater der deutschen Rechtsgeschichte, Jacob
und Wilhelm Giimm, die Begründer der deutschen
Sprachwissenschaft, die in liebevoller Hingabe dem Volks-
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 1. 2. 1
2 Hubert Ermisch:
geist in all seinen Aeussermigen nachzugehen bestrebt
waren, der Reichsfreiherr vom Stein, der durch die Stift-
ung der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts-
kunde den Grundstein zu dem grossen Quellenwerke der
Monumenta Germaniae liistorica und damit zu eüier neuen
Behandlung der deutschen Geschichte legte, waren Männer,
deren wissenschaftliche Thätigkeit wurzelte in einem tief-
innigen Nationalgefühl, wie es früher gerade bei Ge-
lehrten nur selten bemerkbar gewesen war. Und wie
man damals erst anfing, das deutsche Nationalepos der
Nibelungen und die Geheimnisse der alten Volksrechte
zu verstehen, so wurde man sich auch damals erst der
nationalen Kunst bewusst, obwohl schon im vorigen Jahr-
hundert (1771) kein Geringerer als Goethe von ihrem
Geiste beredtes Zeugnis abgelegt hatte; seine Abhand-
lung „Von deutscher Baukunst", zu der ihn bekanntlich
der Strassburger Münster begeistert hatte, darf man als
einen Vorläufer der Bewegung ansehen, die Jahrzehnte
später sich mächtig Bahn brach und in welcher wir noch
heute stehen.
1. Die Gründung des Vereins^).
Es ist bezeichnend, dass gerade diese Bestrebungen
von vorn herein weitere Kreise in ihre Interessen zu
ziehen suchten ; sie wurden recht eigentlich das Arbeits-
feld der wissenschaftlichen Vereine, die, um den Anfang
unseres Jahrhunderts noch wenig bekannt, meist seit dem
') Die Quellen der nachfolgenden Darstellung, deren Anführ-
ung im einzelnen unterbleiben konnte, sind in erster Linie die im
Archiv des Vereins befindlichen Akten und Protokolle, ein Bericht
von Klemm über das 1. Jahrzehnt des Vereins (im 1. Heft der Mit-
theilungen des Königl. Sachs. Alterthumsvereins) und die seit 1835
theils in den Mittheilungen, theils separat erschienenen gedruckten
Jahresberichte. Für die ältere Geschichte des Vereins bot der
Briefwechsel Böttigers und Eberts in der kgl. öffentl. Bibliothek
einige Nachrichten. Was sonst benutzt wurde, haben wir an der
betreffenden Stelle angeführt.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alt erthuins Vereins, 1825—85. 3
2. und 3, Jahrzehnt desselben sich bildeten und an
Zahl und Umfang bis zur Gegenwart stätig zugenommen
haben.
Während die altehrwürdige Deutsche Gesellschaft
in Leipzig, deren Anfänge bis in das 17. Jahrhundert
zurückreichen, ihrem Charakter als „Sprachgesellschaft"
getreu den geschichtlichen und antiquarischen Stoffen
weniger Interesse entgegenbrachte, war in Görlitz schon
im Jahre 1779 ein Verein begründet worden, der wenigstens
einen Theil seiner Thätigkeit der Erforschung des heimath-
lichen Alterthums zuwandte, die „Oberlausitzer Gesell-
schaft der Wissenschaften". Unter Büschings Leitimg
entstand in Breslau um 1819 ein schlesischer Alterthums-
verein. Wichtiger aber für uns wurde der Verein,
welchen am 3. Oktober 1819 auf dem Schlosse Saaleck
eine Anzahl von Freunden vaterländischer Alterthümer,
an ihrer Spitze der Landrath Lepsius, der Rektor der
Landesschule Pforta Konsistorialrath Dr. Ilgen und der
Professor an derselben Schule Lange zu stiften besclilossen
hatten und der sich am 4. April 1820 als „Thüringisch-
Sächsischer Verein für Erforschung des vaterländischen
Alterthums und Erhaltung seiner Denkmale" konstituierte.
Sein Sitz war zuerst Naumburg, später Halle.
Die Begründung dieses Verems scheint die erste
Anregung zu emem ähnlichen Unternehmen im König-
reich Sachsen gegeben zu haben. Ein Mann, der im
geistigen Leben des damaligen Dresden und weit über
dessen Mauern hinaus eine hervorragende Rolle spielte,
der Hofrath und Oberaufseher des Antikenmuseums
Karl August Böttiger war es, der den Gedanken zu-
erst aussprach und dann beharrlich verfolgte, so dass
der Verein in ihm seinen ersten Gründer zu ehren hat.
Ein von ihm verfasster Aufsatz in der „Abendzeitung"
vom 25. Oktober 1819, in Avelchem er die Stiftmig des
naumburgischen Vereins lebhaft begrüsst, weist darauf
hin, wie viel auch in Sachsen in dieser Hinsicht noch
zu thun sei, und schliesst mit den Worten:
1*
4 Hubert Erinisch:
„Wollen wir uns im Köuigreiclie Sachsen nicht auch zu einem
Verein für Rath und That in Erforschung und Erhaltung altdeutscher
Denkmäler und Kunstleistuiigen zusammenschliessen'? Mit Ver-
gnügen werde ich im Verein mit drei andern Männern , die zu nennen
mir jetzt noch nicht erlaubt ist, vorläufige Andeutungen, Winke,
Zixrechtweisungeu — besonders wenn sie mir schriftlich zukommen —
zu gemeinschaftlicher Berathung aufnehmen. Eile frommt nirgends.
Gut Ding will Weile haben. Die voreilige Blüthe trifft der Spatfrost".
Noch mehrere Jahre vergingen, bevor Böttigers Pläne
greifbare Gestalt bekamen ; ein bedauerlicher Vorfall, die
Veräusserung werthvoller Glasgemälde aus der Marien-
kirche zu Zwickau, hat wohl den letzten Anstoss dazu
gegeben '•*).
Das erste Schriftstück, das uns mit Böttigers Ab-
sichten näher bekannt macht, ist eine bisher unbekannt
gebliebene umfangreiche Denkschrift, die wir in den
Akten des Vereins auffanden; dieselbe ist zweifellos von
Böttiger verfasst, obwohl ausser einigen Bemerkungen
nur ein Nachtrag mit dem Datum des 15. April 1H24
von seiner eigenen Hand herrührt. Dieser Aufsatz be-
zeichnet als Zweck des zu begründenden Vereins einen
dreifachen: er solle den vaterländischen Alterthümern in
Bau- und Bildwerken nachforschen, für ihre Erhaltung
mid Aufbewahrung Sorge tragen und Beschreibungen und
Abbildungen davon zur allgemeineren Kenntnis bringen.
Im einzelnen betont er sodann: der Verein müsse vor
allem wissen, was an Denkmälern noch erhalten sei;
also dieselbe Frage, deren Lösung jetzt endlich nach
60 Jahren in Angriff genommen worden ist, die Frage der
Inventarisation, gehört zu den ersten, die überhaupt an-
geregt wurden. Als Zeitgrenze wurde damals das Ende
des 16. Jahrhunderts angenommen. Neben den Archi-
varen und Sammlungsbeamten sollten bei dieser Bestand-
aufnahme hauptsächlich die Justiz- und Eentbeamten,
Superintendenten und Ortsgeistlichen, die Mitglieder der
RathskoUegien in der Provinz, Gutsbesitzer u. a. mit-
*) Vgl. die Rede des Prinzen Johann. Mittheil. III (Beil. I).
Zur Geschichte des Kgl. Säclis. Alterthumsvereins. 1825—85. 5
Avirkeii. Die Gegenstände, auf welche sich die Nach-
forschungen erstrecken sollten, wurden eingehend auf-
gezählt. Was die Erhaltung der i^lterthümer anlangt,
so habe sich jedes Mitglied des Vereins als einen wirk-
lichen Konservator anzusehen. Der Verein als solcher
aber müsse Abbildungen aufnehmen, Nachgrabungen und
Restaurationen ausführen lassen u. s. w. Er müsse ferner,
sobald er ein Lokal habe, in demselben einen Schrank
mit Schubfächern für bewegliche Alterthümer massigen
Umfanges anschaffen und Vorkehrungen zum Aufliängen
von Gemälden treffen; so werde von selbst eüi vater-
ländisches Museum entstehen. Ferner müsse der Verein
von Zeit zu Zeit Druckschriften hei-ausgeben , anfangs
nur Jahresberichte, später eigene Sozietätsschriften ; „die
Sache selbst fordert oder entschuldigt das grösste Detail
in der Forschung und Darstellung mit relativer Wichtig-
keit für den, der die Mittheilung macht, ist aber eben
dadurch auch nicht wohl abzukürzen", weshalb sich kern
Verleger finden werde, sondern die Schriften auf Kosten
der Gesellschaft gedruckt werden müssten. Die Mit-
gliederzahl des Vereins müsse so gross als möglich sein;
als „gleichsam geborne" Mitglieder seien die Geheimen
ßäthe, Chefs und Mitglieder der hohen Landeskollegien,
mehrere Kunst- und Alterthumsfreunde unter den höheren
Militärs, sämtliche Kreis- und Amtshauptleute, die
eben damals in Dresden versammelten Stände, die Amt-
leute. Rentverwalter, Bürgermeister, Professoren d(>r
höheren Lehranstalten, Künstler u. s. w. anzusehen.
Ein permanenter Ausschuss in Dresden müsse die Leit-
ung der Geschäfte besorgen; die erforderlichen Fonds
sollen durch Beiträge aufgebracht werden. „Der Verein
würde ein totgeborenes Kind sein, wenn nicht der älteste
der jüngeren Prinzen unseres allverehrten Königshauses,
wenn nicht Se. Königl. Holuut der Prinz Friedrich Herzog
zu Sachsen seine schirmende, alles beschützende und
leitende Huld uns angedeihen lässt und sich selbst herab-
lässt, den wirklichen Vorsitz dabei als beständiger Präsi-
6 Hubert Ermisch:
dent gnädigst anzunehmen . . . Darin läge aucli schon
das allerhöchste Protektorium Sr. Majestät des Königs,
und der sichernde Name einer Königlichen G-esellschaft
könnte nicht fehlen".
Auf diesen Aufsatz, der als „Programm und Ein-
ladung" veröffentlicht werden sollte, bezieht sich ein an
Böttiger gerichteter Brief des bekannten einflussreichen
Kunstgelehrten J. Gr. von Qu an dt, des späteren Begrün-
ders des sächsischen Kunstvereins, vom 12. April 1824,
in welchem er seine volle Zustimmung zu dem Plane
Böttigers ausspricht, aber freilich auch die Besorgnis
nicht unterdrücken kann, dass derselbe „bei seinen lieben
Landsleuten wenig Theilnahme finden werde; demi so
betriebsam und kunstfleissig sie auch sind, so fehlt es
ihnen doch an Kunstsinn, der jedoch durch einen solchen
Verein wohl geweckt werden könnte". Wenn übrigens
Quandt bei aUer Bereitwilligkeit, die Zwecke des Ver-
eins zu fördern, doch mit den Worten schloss: „Allem
die Stellung, welche sie mir dabey anweisen, ist so wie
die Benennung, womit Sie sie bezeichnen, sehi^ zwey-
deutig und dunkel und doch auch wieder anmassend
klingend, dass ich Sie ersuchen muss, meinen Namen
nicht mitzunennen" u. s. w., so liegt darin vielleicht die
Erklärung, warum die Veröffentlichung des Aufrufs da-
mals unterblieb.
Mit noch weitergehenden Plänen macht uns ein
Schreiben Böttigers an den gelehrten Bibliographen A d.
Ebert, der damals als Bibliothekar in Wolfenbüttel weilte,
im folgenden Jahre aber nach Dresden zurückkehrte, um
1827 die Leitung der königl. öffentlichen Bibliothek
zu übernehmen, bekannt. Er schrieb demselben am
15. Aprü 1827:
„Es ist in Berathung, einen Verein zur Erhaltung bildlicher
(architektonischer Denkmale, Skiüptiu'en, Glasmalereien, alte Ge-
mälde u. s, w.) Überreste in Sachsen bis zum 17. Jahrhundert zu
stiften, an dessen Spitze sich unser herrlicher Prinz Friedrich stellt.
Da sind Sie einer von den gebornen Sekretären dazu. Vielleicht
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 7
stiftet Prinz Johann dann einen zweiten Verein für alte Chroniken
und Incunabehi. In welchen Einklang träte damit Ihr Quellen-
studium, Ihr grosses Werk über Sachsens frühere Cultur".
Ebert ging begeistert auf diesen Plan ein und ent-
wickelte in einem inlialtreiclien Briefe vom 27. April,
dessen Wortlaut wir mit Rücksicht auf den Raum leider
nicht niittheilen können, seine Ansichten von den grossen
Aufgaben, die dieser Doppelverein zu lösen hätte.
Nach einem Schreiben des Oberhofmeister von Miltitz
an Böttiger vom 26. Februar 1824 hatte schon damals
Prinz Johann seine Mitwirkung hinsichtlich des „litera-
risch - paläographischen Theiles jener vaterländischen
Alterthumsforschergesellschaft" zugesagt.
Böttigers Rührigkeit gewann für seine Idee nunmehr
bald eifrige und einflussreiche Förderer. Neben Quandt,
dessen anfängliches Widerstreben gegen ein Hervortreten
mit seinen Namen doch zu besiegen gelang und dem
Direktor der Kunstakademie Professor Fe rd. Hart-
mann traten vor allem einige hochgestellte Beamte für
dieselbe ein: der Kabinetsminister und Staatssekretäi'
Graf Detlev von Einsiedel (der eben damals auch
die Oberleitimg der königl. Sammlungen übernommen
hatte), der auch als feinsinniger Dichter unter dem
Namen Arthur von Nordstern bekannte Konferenzmmister
Gottlob Adolf Ernst von Nostiz und Jänkendorf,
der Wirkliche Geheime Rath und Präsident G. A. Ernst
Freiherr von Manteuffel, endlich der Geh. Finanzrath
Gustav von Flotow. Auf ein Gesuch, welches diese
sieben Männer am 16. Juli 1824 an König Friedrich
August richteten^), genehmigte derselbe durch Reskripte
vom 30. Oktober 1824 die Gründung des „Verems zur
Erforschung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer",
gestattete dem Prinzen Friedrich August, die un-
mittelbare Leitung und das Direktorium dieses Vereins zu
*) Ich habe den Wortlaut in No. (j der Wissenschaftl. Beilage
der Leipziger Zeitung von 1885 mitgetheilt.
8 Hubert Ermisch:
übernelimeD, uud gewäluie einen Fonds von 400 Tlialern
zur ersten Einrichtung, ein Lokal im Brühischen Palais
und Portofreiheit für die Korrespondenzen und Sendungen
des Vereins.
Am 19. November 1824 fand eine erste Sitzung des
„Ausschusses" des jungen Vereins, d. h. der eben ge-
nannten Männer, unter Vorsitz des Prinzen Friedrich
August statt. Dabei beschloss man, dass die Thätigkeit
des Vereins sich zwar hauptsächlich auf die vaterländi-
schen Werke der bildenden Künste erstrecken, dass aber
die Erforschung und Erhaltung schriftlicher Alter-
thümer nicht ausgeschlossen sem solle. Damit war die
Idee eines besonderen Vereins für diesen Zweck auf-
gegeben, und eine Folge davon war, dass der Ausschuss
nunmehr die Bitte aussprach, Prinz Johann möge als
Vizedirektor an dem Verein Antheil nehmen, eine Bitte,
die bereitwilligst gewährt wurde. Zum Kassierer und
Rechnungsführer des Vereins wurde der Hofsekretär
K. Gr. Grohmann ernannt.
Am 19. Januar 1825 waren endlich die durch Böttigers
Kränklichkeit vielfach verzögerten Vorarbeiten beendet.
Unter diesem Datum erschien die „Bekanntmachung
des Königl. Sachs. Vereins zur Erforschung und
Erhaltung vaterländischer Alterthümer" (Dres-
den, 1825, 8^'), in welcher die Begründung und die Ten-
denz des Vereins dem Publikum mitgetheilt wm-de; bei-
gefügt waren die mit demselben Datum versehenen
Statuten, ein Verzeichnis der Gegenstände, welche von
den Vereinsmitgliedern vorzugsweise zu berücksichtigen
seien, endlich eine lithographierte Zeichnung der goldenen
Pforte zu Freiberg. Den 19. Januar 182 5 dürfen wir
also wohl als den eigentlichen Gründungstag des Ver-
eins bezeichnen.
Betrachten wii* nun jene ältesten Statuten, Avelche
vom Wirkl. Geh. Rath von Manteuffel (nach dem Vor-
bilde der Statuten des thüringisch-sächsischen Vereins
vom 4. April 1820) entworfen sind, etwas näher, so be-
Ziu- Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825 — 85. 9
zeichnen sie als den Zweck des Vereins: „vaterländische
Alterthümer zu erforschen und zu entdecken, sie ent-
weder selbst oder durch Abbildung- zu erhalten und für
die Nachkommen aufzubewahren", als seinen Wirkungs-
kreis in geographischer Hinsicht das Königreich Sachsen,
hl historischer die Zeit bis zum Anfang des 18. Jahi^-
hunderts. Der Sitz des Vereins ist Dresden; doch sollen
auch in anderen Städten die dort wohnenden Verehis-
mitglieder zu engeren Vereinigungen zusammentreten.
An der Spitze stehen das Direktorium und der Aus-
schuss, welch letzterer aus den obengenannten Stiftern
zusammengesetzt ist und das Recht hat, andere Mit-
glieder zu kooptieren. Der Verein soll aus ordentlichen
und Ehrenmitgliedern bestehen. Jedes Mitglied ver-
pflichtet sich, „nach seinen Kräften und Verhältnissen,
ohne Zwang, zur Beförderung des gemeinsamen Zweckes
beizutragen". Jedes ordentliche Mitglied soll einen frei-
willig festzusetzenden, jedoch nicht unter 1 Thaler be-
tragenden Beitrag zahlen. Die Wahl neuer Mitglieder, zu
deren Vorschlag jedes ordentliche Mitglied berechtigt ist,
geschieht durch das Direktorium und den Ausschuss; als
Ehrenmitglieder können auch Ausländer aufgenommen
werden. Der Ausschuss versammelt sich auf Veranlass-
ung des Dü'ektoriums so oft als nöthig. Alljährlich soll
wenigstens eine Versammlung stattfinden, an Avelcher
sämtliche Mitglieder theilnehmen können; dabei sollen
Mittheilungen über die Vereinsthätigkeit gemacht, auch
Aufsätze einzelner Mitglieder vorgetragen werden u. s. \v.
Wir hal)en uns an der Wiege unseres Vereins ab-
sichtlich etwas länger aufgehalten; gerade die ersten
Anfänge derartiger Bildungen pflegen schon deswegen
von besonderem Interesse zu sein, weil sie erkennen
lassen, ob man es mit nothwendigen Ergebnissen all-
gemein wirkender Ursachen zu thun hat oder mit dem
Einfalle irgend eines einzelnen, ein Unterschied, der
für die weitere Entwickelung eines Vereins von weit-
tragender Bedeutung ist, Dass die Entstehung des Alter-
10 Hubert Ermisch:
thiimsvereins eine diircliaus organisclie war, dafür spricht
neben dem, was wir schon angeführt haben, noch ein
Umstand. Während unser Verein bereits vorbereitet
wurde, konstituierte sich am 6. August 1824 in Leipzig
ebenfalls ein „Sächsischer Alterthumsverein", der, ur-
sprünglich ein Zweigverein des thüringisch -sächsischen
Vereins zu Naumburg-Halle, ähnliche Zwecke verfolgte,
wie der Dresdner, nur dass er seine Thätigkeit nicht
auf Sachsen beschränken wollte, sondern allem, was dem
deutschen Alterthum angehörte, seine Aufmerksamkeit
zuwandte*). Er nahm schnell an Mitgliederzahl zu.
Die mehrfach angestrebte Vereinigung mit dem Dresdner
Alterthumsverein kam nie zu stände; vielmehr verband
er sich im Jahre 1827 mit der oben erwähnten Deutschen
Gesellschaft zu Leipzig zu einer „Deutschen Gesellschaft
zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alter-
thum er", in welcher Form er noch heute besteht.
2. Der Verein für Erforschung und Erhaltung vater-
ländischer Alterthümer von 1825 bis 1837.
Mit grossen Erwartungen, kühnen Hoflfnmigen war
der Verein ins Leben getreten; leider entsprach den-
selben die Thätigkeit, die er in den ersten 12 Jahren
seines Bestehens entwickelte, nur wenig, und ohne die
Geduld und Ausdauer seiner hohen Direktoren wäre das
Unternehmen wohl bald wieder im Sande verlaufen.
Im April 1825 kam Ebert nach Dresden, dem der
Ausschuss die Sekretariatsgeschäfte zu übertragen be-
schlossen hatte. Wohl brachte dieser vielseitig kennt-
nisreiche Mann, der auch als Mitglied der Frankfurter
Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde erfolg-
reich thätig war, grossen Eifer für sein neues Amt mit,
andererseits aber auch Eigenschaften, durch die er den
Verein vielfach geschadet hat.
*) Vgl. Stübel in den Mittheil, der Deutschen Gesellschaft
zu Leipzig VI, 28 flg.
Zur rj-eschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825— 8r>. H
Vor allem kam es darauf an, Mitglieder zu werben.
In einer am 25. Juni 1825 stattgehabten Konferenz
wurde eine Liste von 57 Personen aufgestellt, die zum
Beitritt eingeladen werden sollten: höhere Beamte, Mili-
tärs, Geistliche, Gelehrte, Künstler und Kunstfreunde.
Allgemein wurden die Einladungen als eine hohe Ehre
begrüsst; die zugesicherten Jahresbeiträge waren theil-
weise sehr erheblich, nur wenige beschränkten sich auf
den Minimalsatz von l Thaler. Bis Anfang 1830 wuchs
dann die Mitgliederzahl auf 82; 1835 betrug sie 79.
Ausser den ordentlichen ernannte man auch Ehrenmit-
glieder; das erste (1826) war Polizeisekretär Schneider
zu Görlitz, der dem Verein mehrere werthvolle Geschenke
gemacht hatte.
In der Leitung des Vereins trat während dieser
Zeit nur insofern eine Veränderung ein, als seit der Er-
hebung des Prinzen Friedrich August zum Mitregenten
Prinz Johann allein das Direktorium führte und der
Ausschuss den Geh. Rath und Oberhofmeister v. Miltitz
und den Hofrath Hase, dann, als von Manteuffel wegen
seiner Übersiedlung nach Frankfurt a.'M. aus demselben
ausschied (1830), den Staatsminister von Lindenau zu
Mitgliedern wählte; nach dem Tode Böttigers (1835) er-
gänzte er sich durch Oberhofprediger von Ammon, Hof-
rath Falkenstein und Geh. Regierungsrath Meissner.
Die Ausschusssitzungen fanden in ziemlich unregelmässigen
Zwischenräumen in den Gemächern der Prinzen statt.
Bald nach Gründung des Vereins gelangten zahl-
reiche schriftliche Mittheilungen und Anfragen, Zeich-
nungen und Alterthümer aller Art an den Ausschuss;
dieselben wurden in den Sitzungen besprochen bez. in
den Sammlungen oder dem Archiv des Vereins nieder-
gelegt. Um die Bearbeitung dieses schätzbaren Materials
zu erleichtern, beschloss der Ausschuss am 12. August
1826 die Bildung von sechs Sektionen mit eignen Vor-
ständen, nämlich für Archäologie überhaupt (Böttiger),
für Urkunden und Inschriften (v. Miltitz), für Malerei und
■[2 Hultert Ermisch:
Biklliauerkuiist (v. Quanclt), für Architektm^ (Oberlaud-
banineister Sclmricht), für Numismatik (Hase) und für
Handschriften (Ebert). xlllmonatlich sollten Konferenzen
der Vorsitzenden stattfinden. Aber weder dies geschah,
noch entwickelten die Sektionen überhaupt eine bemerk-
bare Thätigkeit.
Die Herausgabe von Jahresschriften oder von einer
Zeitschrift, die Böttiger schon bei Begründung des Ver-
eins ins Auge gefasst hatte und die ein dringendes Be-
dürfnis war ^), unterblieb ebenfalls, obwohl der Ausschuss
bereits am 17. März 1827 die Abfassung emer Publi-
kation beschlossen und den Sekretär in Gemeinschaft
mit dem Bibliotheksekretär Falkenstein damit beauf-
tragt hatte.
Ebenso verging Jahr auf Jahr, ohne dass die in
den Statuten vorgeschriebene allgemeine Versammlung
der Mitglieder berufen worden wäre.
Man empfand wohl, dass auf diesem Wege ein Ge-
deihen des Vereins nicht zu erwarten war; man musste
unbedingt weitere Kreise in das Interesse desselben ziehen.
In diesem Sinne ergriff, während Böttiger durch Alter
und Kränklichkeit mehr und mehr der Mitarbeit ent-
zogen wurde, Ebert die Initiative. Auf seine Anregimg
genehmigte der Ausschuss am 8. Dezember 1828, zu-
nächst probeweise, die Veranstaltung von „Privatver-
sammlungen" zu Besprechung wissenschaftlicher Prägen
auf den Gebieten der Geschichte (unter Leitung von Ebert),
der plastischen Alterthümer (Böttiger und Schuricht),
der Münzkunde (Hase) und der Malerei (v. Quandt und
Hartmann), an welchen auch Nichtmitglieder theilnehmen
konnten; die dabei vorgetragenen Abhandlungen sollten
dem Sekretariat übergeben werden, und das Direktorium
behielt sich vor, den Verfasser m einzelnen Fällen durch
') „Wir erregen nicht (his Zutrauen im Publikum, his der
Pressbengel einmal über uns gegangen." Aus einem Briefe des
Baron von Miltitz an Böttiger vom 9. Dezemlier 1826.
Zur CTeschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 13
Remunerationen oder durch Ertheilung der Mitgliedschaft
zu belohnen.
Allein auch dieser Plan kam nur zum kleinsten Theil
zur Ausführung. Am 13. Dezember 1828 konstituierte
sich unter Vorsitz von Ebert die „historische Sektion";
sie stellte sich als Aufgabe „die gemeinschaftliche Er-
forschung der sächsischen Geschichte und Alterthümer
bis auf das Jahr 1763 herab". Allwöchentlich sollten
Zusammenkünfte auf der köuigi. Bibliothek stattfinden,
in denen ein kurzer Aufsatz verlesen und darüber de-
battiert werden sollte.
Diese Versammlungen von „Freunden der sächsischen
Geschichtsforschung", an denen ausser Ebert Bibliothekar
Falkenstein, Inspektor Frenzel, Bibliothekssekretär Gers-
dorf, Hofrath Hase, Regierungssekretär Jähnichen, Finanz-
seki'etär Miller, Oberhofmeister v. Miltitz, R. v. Römer,
Alb. Schiffner, K. v. Zehmen u. a. theilnahmen, vei-
sprachen anfangs viel. Unser Vereinsarchiv enthält die
sorgfältig geführten Protokolle der Sitzungen und die
abgelieferten Manuskripte, die beweisen, dass die Sektion
mit wissenschaftlichem Ernst an ihre Aufgabe ging.
Leider war ihr kein langer Bestand beschieden. Bis
1830 hatten 37 Versammlungen stattgefunden. Da trat
zunächst infolge der politischen Ereignisse eine Pause
ein; während derselben kam es otfenbar zu manchen
unliebsamen Reibungen zwischen den Mitgliedern, an
denen wohl Eberts krankhaft reizbarer Zustand die Haupt-
schuld trug. Anfang 1832 machte Ebert, der seiner Auf-
gabe, eine Vereinspul)likation zu bearbeiten, sich noch
immer nicht erledigt hatte, den Vorschlag, einen Theil
der Arbeiten der Sektion zu veröffentlichen. Dies gab An-
lass zu neuen Zerwürfnissen, in denen Prinz Johann selbst
zu vermitteln suchte; unsere Akten cnthaltcMi den von
ihm eigenhändig aufgesetzten Entwurf (Muer neuen Ge-
schäftsordnung für die Sektion, der mannigfach diskutiert
und umgestaltet wurde, aber zu enier Wiederaufnahme
ihrer Thätigkeit nicht fülule. —
14 Hubert Ermisch:
Inzwischen hatte sich der Ausschuss des Vereins
einer Aufgabe zugewandt, die von der höchsten Bedeut-
ung für eine gedeihliche Thätigkeit desselben war. Nach-
dem in einer Sitzung vom 14. Januar 1828 beschlossen
worden war, der Verein solle sich wegen Erhaltung der
Denkmäler vaterländischer Kunst und Altertliums sowohl
mit dem Oberkonsistorium als auch mit den Kreishaupt-
leuten in nähere Verbindung setzen und beide Behörden
ersuchen, ihn von etwa vorfallenden Veränderungen oder
Reparaturen in Kenntnis zu setzen, um erforderlichen
Falls dabei thätig und hilfreich einschreiten zu können,
^vurde am 8. Dezember 182S der Antrag gestellt: Seine
Majestät der König möge ersucht werden, ein Gesetz
gegen die willkürliche Zerstörung und Entfernung der
vorhandenen Alterthümer zu erlassen. Prinz Johann
selbst übernahm die Motivierung und Ausarbeitung des
EntAVurfs. Von hohem Interesse ist der ausfühiiiche
Aufsatz, W' eichen der damals 28jährige Prinz bei dieser
Gelegenheit verfasste; ein glänzender Beweis ebensowohl
für den wissenschaftlichen Ernst, mit dem er sich in den
Stoff vertiefte — bis auf Kaiser Majorian herab verfolgt
er die staatliche Gesetzgebung zu Gunsten der Alter-
thümer — , als auch für die ideale Begeisterung, deren
Stempel seine gesamte Thätigkeit im Alterthumsverein
trug. Da indes gerade dieser Entwurf schon an einer
anderen Stelle dieser Zeitsclmft **) eingehende Besprechung
gefunden hat, so beschränken wir uns auf wenige Be-
merkmigen. Als Vorbild für den Gesetzentwurf empfahl
der Prinz namentlich eine grossherzogiich hessische Ver-
ordnung vom 22. Januar 1808, welche vor allem die
Fertigung eines Verzeichnisses der vorhandenen Monu-
mente vorschrieb; der Prinz bezeichnet dieses Inventar,
das seiner Meinung nach durch die Gerichtsbehörden
unter Zuziehung der Geistlichen aufgenommen werden
*) von Palkenstein, Der Alterthumsverein und das neue
Archiv etc., in dieser Zeitschr. I, 4 flg.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereius. 1825 — 85. 15
könnte, als „Eckstein des ganzen Gebäudes". Ferner
verlangte er, dass an Altertliümern im weitesten Begriffe
des Wortes keine Veränderung ohne höhere Genehmigung
stattfinden dürfe; diese Genehmigung sollten das Ober-
konsistorium, das Geheime Finanzkollegium und die Landes-
regierung ertheilen können, jedoch nicht olme vorher das
Gutachten des Vereins eingeholt zu haben. In Zweifels-
fällen und namentlich, wenn die Behörden mit dem Gut-
achten des Vereins nicht einverstanden wären, sollte
Bericht an den König erstattet werden.
Diese Denkschrift wurde am 22. März 1830 dem
Könige überreicht, stiess jedoch namentlich bei der Landes-
regierung wegen der darin verlangten Beschränkung des
Eigenthums, der Überlastung der Beamten u. a. auf leb-
hafte Bedenken. So beschloss denn der Verein am
7. Oktober 1831, den Gesetzentwurf einstweilen auf sich
beruhen zu lassen, jedoch den Grundsatz festzuhalten,
dass die Erhaltung der in Sachsen vorhandenen Denk-
mäler unter die unmittelbare Aufsicht und den Schutz
des Staates zu stellen sei.
Ausserdem suchte sich der Verein nunmehr ein Organ
zur Erfüllung derjenigen Funktionen zu schaffen, die der
Gesetzentwurf dem Staate zuweisen wollte. Li einer
wenige Tage später, am 10. Oktober, stattfindenden Aus-
schusssitzung legte Herr von Quandt einen „Entwurf
zur Organisation der mit dem künstlerischen Theile be-
auftragten 2. Sektion des Königl. Säclis. Alterthums-
vereius" vor. Danach soll ein Mitglied des Ausschusses
beauftragt werden, für Erforschung, Bekanntmachung
und wo möglich Erhaltung aller kunstgeschichtiich oder
geschichtlich werthvollen Denkmale und Alterthümer zu
sorgen ; ein Sekretär soll ilim zur Seite stehen. Es sollen
ferner jährlich mindestens 12 Versammlungen von Künst-
lern und Kunstfreunden stattfinden, in welchen Mittheil-
ungen über einschlagende Gegenstände gemacht, Zeich-
nungen vorgelegt, Sammlungen zu Erhaltung bestimmter
Kunstdenkmäler vei-anstaltet weiden etc. Die Kesultate
16 Hubert Ermisch:
dieser Versammlungen legt der Sektionsvorstand dem
Direktorinm vor, macht Vorschläge über Restam^ations-
arbeiten und dergl. mehr, von Quandt wurde zum Vor-
sitzenden, Hofrath Hase zum Sekretär der Sektion er-
wälilt; ausser ihnen machte sich auch Prof. Hartmann
um dieselbe sehr verdient.
Die Thätigkeit dieser kunstgeschichtlichen Sektion,
welche zwischen 1831 und 1833 zehn Sitzungen abhielt,
war, wenn wir die Summe der Leistungen des Vereins
im ersten Dezennium seines Bestehens ziehen, jedenfalls
die erspriesslichste. Eingeleitet wurde dieselbe durch
eine den „Alterthumsfreunden in Sachsen" gewidmete
kleine Schrift des Herrn von Quandt (Dresden 1831)
„Hinweisungen auf Kunstwerke aus der Vorzeit", deren
Ertrag füi^ Vereinszwecke bestimmt war; sie enthält
einen in vieler Beziehung beachtenswerthen Bericht über
eine archäologische Reise Quandts durch das ganze Land.
Unter anderen weist er darin auf einen in der Marien-
kirche zu Zwickau befindlichen Altar hin, den acht Ge-
mälde des Nürnberger Meisters Michael Wohlgemuth,
des Lehrers von Albrecht Düi'er, zieren. Bereits bald
nach der Begründung des Alterthums'vereins war Prinz
Johann auf dieses hochwichtige Werk aufmerksam ge-
worden und hatte eine Kopierung der Gemälde ver-
anlasst, von Quandt war es dann, der den Beschluss
einer Restauration dieser Bilder auf Kosten des Alter-
thumsvereins durchsetzte. Nachdem Prinz Johann durch
semen persönlichen Einfluss bei Gelegenheit eines Besuchs
der Stadt Zwickau den engherzigen Widerspruch einiger
Bürger zum Schweigen gebracht hatte, begab sich im
Juli 1832 der vom Vereine mit der Herstellung der Bilder
beauftragte rühmlichst bekannte Restaiu^ator der königl.
Gemäldegallerie, Inspektor Renner, selbst nach Zwickau
und holte dort die Bilder ab. Eine weitere Untersuchung
ergab, dass dieselben zwar sehr beschmutzt, auch früher
schon einmal übermalt und restauriert worden waren,
aber nur wenig wirkliche Beschädigungen zeigten. In
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 17
wenigen Monaten war die Restauration vollendet, und im
November wurden die Bilder in Zwickau wieder an ihren
Platz gestellt. Noch vorher liess sie Herr von Quandt
durch einen geschickten Zeichner, Callmeyer, abzeichnen,
und man bescliloss ün Jahi-e 1835, dieselben lithogra-
phieren zu lassen: es vergingen jedoch noch mehrere
Jahre, bevor dieses Werk, dessen Kosten durch eine
Subskription aufgebracht wurden, mit begleitendem Texte
von Quandt im Verlage von Rudolph Weigel in Leipzig
erschien ').
Durch die Herstellung der Wohlgemuth' sehen Bilder,
die einen Aufwand von über 430 Thaler verursacht hatte,
waren, obwohl grossmüthige Gönner des Vereins und vor
allem dessen erster Dii-ektor selbst freigebig dazu bei-
getragen hatten, die vorhandenen Mittel bis auf einen
kleinen Rest erschöpft. Die Beiträge waren stets sehr
unregelmässig, schliesslich fast gar nicht mehr eingegangen;
eine eigentliche Einforderung derselben scheint man des-
wegen vermieden zu haben, Aveil der Verein ja allerdings
nach aussen hm bis zur Wiederherstellung der Zwickauer
Bilder keine Thätigkeit gezeigt hatte. Eben darum
wurde in einem längeren Aufsatz der Leipziger Zeitung
(vom 20. November 1832) auf jene Restauration hin-
gewiesen und Rechenschaft über die Verwendung der
Gelder des Vereins abgelegt ; aber zunächst, wie es scheint,
ohne den gewünschten Erfolg. Es folgen vielmehr einige
Jahre, während welcher die Vereinsthätigkeit so gut wie
vollständig stockt.
Da das Lokal im Zwinger, welches dem Verein
schon vor längerer Zeit statt des ursprünglich ihm ein-
geräumten überwiesen war, anderweitig gebraucht wurde,
wurden die Sammlungen des Vereins an die königl.
Bibliothek, das Staatsarcliiv, das grüne Gewölbe, das
') Die Gemälde des Michael Wohlgemuth in der Frauenkirche
zu Zwickau; im Auftrage des K. S. Alterthumsvereins herausge-
geben von Quandt. Dresden und Leipzig, in Comni. von Kndnlph
Weigel [1839J gr. fol.
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 1. 2. 2
18 Hubert Ermisch:
liistorische Museum und die Porzellansammlung — unter
Vorbehalt der Eigenthumsrechte des Vereins — vertheilt.
So scliien der Alterthumsverein seiner Auflösung nahe
zu sein, und es kann nicht Wunder nehmen, wenn die-
jenigen Kreise, die für die Sache selbst Interesse hatten,
an einen Ersatz für denselben dachten. Im Dresdener
Anzeiger vom 26. Februar 1834 erschien folgende Be-
kanntmachung :
Mehre Freunde sächsischer Kirnst und Geschichte haben ge-
wünscht, regelmässige Zusammenkünfte zur Besprechung über die-
jenigen Gegenstände zu halten, deren Erläuterung, Erhaltung und
Beschreibung im Interesse der vaterländischen Geschichte wichtig
seyn kann. Die Unterzeichneten werden sich daher am künftigen 3. März
um 7 Uhr abends im Locale des Herrn Wokurka im Calberla'schen
Hause zum ersten Mal versammeln und laden die verehrlichen Mit-
glieder des Alterthum- Vereins und andere Freunde der vaterlän-
dischen Vorzeit zur Theilnaiime an jener Zusammenkunft hiermit ein.
Adv. Erbstein. Götz. Prof. Hartmann.
Hofr. Hase. R. Krüger. Prof. Krüger.
Römer. Alb. Schiffner.
Am 10. März 1834 konstituierte sich dieser „Verein
der sächsischen Alterthumsfreunde". Seine Statuten,
entworfen von E. v. Römer auf Neumark, bezeichnen
als seinen Zweck „Aufsuchung, Erhaltung, Erläuterung
und Abbildung historisch oder künstlerisch wichtiger
Denkmäler der vaterländischen Vorzeit". Jedes Mitglied
hat einen Jahresbeitrag von 2 Thal er zu entrichten.
Allmonatlich findet eine Versammlung, am 10. März in
der Regel die Hauptversammlung statt. Die bei der-
selben zu wählenden Vereinsbeamten sind der Vorsitzende,
der Seki^etär und der Kassierer. Die Zahl der Mitglieder
war nicht sehr gross ; den regen Eifer derselben bekunden
die anspruchslosen, mit guten Lithographien geschmückten
Jahresberichte, die der Verein 1835, 183G und 1837
herausgegeben hat. Den Vorsitz führte zuerst R. v. Römer,
dann Dr. Engelhardt, schliesslich Dr. Dittmann, das
Sekretariat Advokat Erbstein, später Stadtgerichtsaktuar
Noerner. Die innere Erneuerung der Sophienkirche zu
Dresden, der Umbau der Marienkirche zu Dohua, die
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825 — 85. 19
Sclmitzwerke im Dom zu Freiberg, die Glasgemälde in
den Kirchen zu Leuben und Glashütte u. a. beschäftigte
den Verein, der trotz geringer Mittel auch hilfreiche
Hand leistete, wo er konnte.
Die Begründung dieses Vereins wurde auch für den
Königl. Alterthumsverein, der übrigens einen Rivalen in
demselben um so weniger sah, als viele seiner Mitglieder
auch jenem angehörten, ein Sporn zu neuer Thätigkeit.
Dazu kam, dass am 13. November 1834 der Hofrath
und Oberbililiothekar Ebert, der erste Sekretär des Vereins,
der trotz grosser Verdienste doch schliesslich ein pein-
liches Hemmnis für denselben geworden war, nach län-
gerem Leiden starb. In einer Ausschusssitzung, die am
7. Januar 1835 nach mehrjähriger Pause stattfand, wurde
Bibliothekar Dr. Klemm zum Vereinssekretär ernannt.
Gleichzeitig legte Prinz Johann einen Entwurf vor,
der von neuem Zeugnis ablegte, wie er nicht müde Avurde,
die Ziele, die jener Gesetzentwurf sich gesteckt hatte,
zu verfolgen. Er schlug die Begründung von Zweig-
vereinen im ganzen Lande, das zu diesem Zwecke in
Bezirke getheilt werden sollte, vor; diese Zweigvereine
sollten die Aufsicht über die im Bezirke vorhandenen
Alterthümer übernehmen^).
Bald darauf beschloss der Ausschuss eine gedruckte
Mittheilung an alle Mitglieder und die Abhaltung einer
Generalversammlung. Im Juli 1835 erschien das von
Dr. Klemm herausgegebene erste Heft der „Mittheil-
ungen des Königl. Sachs. Vereins für Erforsch-
ung und Erhaltung der vaterländischen Alter-
thümer" (in 2. Auflage 1853), welches ausser einer
Übersicht über die Schicksale und Leistungen des Vereins
während seines ersten Jahrzehnts längere Aufsätze von
K. Preussker, Alb. Schiftner und Klemm entliält. Am
4. Dezember 1835 aber fand die erste allen Mitgliedern
des Vereins zugängliche Generalversammlung im
») Der ganze Entwurf Mitthcil. I, XIX flg.
2*
20 Hubert Ermisch:
Reiclienbacli'sclien Auclitoiium im Zwinger statt; ausser
dem Prinzen und dem aus aclit Personen bestehenden
Ausschüsse nahmen 13 ordentliche Mitglieder daran theil.
AVar diese Zahl auch kleüi, so war die Versammlung
doch das erste kräftige Lebenszeichen, das der Verein
wieder gab. Man ergänzte den Ausschuss, beschloss
mit auswärtigen Vereinen in Beziehung zu treten und
ernannte zalilreiclie ordentliche und Ehrenmitglieder ;
unter letzteren befanden sich Freiherr von Aufsess, Ober-
bibliothekar Bechstein in Meiningen, Sulpice Boisseree
in München, Geheimrath Grenzer in Heidelberg, die
Gebrüder Jacob und Wilhelm Grimm, Professor Hottinger
in Zürich, Professor Massmann in München, Professor
Voigt in Königsberg. Über den Plan der Gründung
von Zweigvereinen wurde viel verhandelt, aber ohne
bleibenden Erfolg. Der wichtigste Bescliluss war, die
Sammlungen wieder zu vereinigen.
Um dies zu können und zugleich häufigere Versamm-
lungen der Mitglieder, in denen Vorträge gehalten werden
und Debatten über dieselben stattfinden sollten, zu ermög-
lichen, bedurfte der Verein vor allem meder eines Lokals.
Zwar räumte ihm Hofrath Reichenbach einige Sclu^änke
im naturwissenschaftlichen Museum ein, aber diese ge-
nügten nicht. Am 2. April 1836 wurde dem Verein
endlich durch königliche Huld die ehemalige Wohnung
des Hofbettmeisters im Parterre des Prinzenpalais am
Taschenberg angewiesen ; vor beinahe 50 Jahren hielt er
seinen Einzug in das Haus, in dem er noch jetzt tagt.
Hier wurden demnächst die Sammlungen des Vereins
aufgestellt und fanden in der Folge die regelmässigen
Zusammenkünfte der ordentlichen Mitglieder statt.
So birgt das Jahr 1835 mehr als einen Keim zu einer
neuen, erfolgreicheren Thätigkeit des Alterthumsvereins.
Von besonderer Wichtigkeit war es, dass mit dem Ende
desselben die Verhandlungen mit dem Verein von säch-
sischen Alterthumsfreimden begamien, welche im Februar
1837 zu einer Vereinigung beider Vereine fülu-ten.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825 — 85. 21
3. Der König^l. Säclisisclie Alterthumsverein bis zur
Niederlegung des Direktoriums durch Prinz Joliann.
1837-1855.
Die Vereinigung des Vereins zur Erforschung und
Erhaltung der vaterländischen Alterthümer mit dem Verein
der sächsischen Alterthumsfreuude war nicht allein des-
wegen für ersteren von Bedeutung, weil die Mitglieder-
anzahl und die verfügbaren Greldmittel des Vereins einen
erheblichen Zuwachs bekamen, sondern hauptsächlich
darum, weil seine Verfassung eine wesentliche Änderung
erfuhr; sie nahm damals die Gestalt an, welche sie,
abgesehen von unbedeutenden Änderungen, bis auf den
heutigen Tag beibehalten hat. Auch der Name „König-
lich Sächsischer Alterthumsverein", den der Verein
noch jetzt führt, wurde seit dem Jahre 1Ö37 offiziell
gebraucht, wenngleich neben demselben die alte weit-
läufigere Bezeichnung noch häufig — auf dem Titel der
Vereinszeitschrift bis 1869 — angewandt wurde.
Die neuen Statuten des König!. Sachs. Altertimms-
vereins, welche am 3. März 1837 die königliche Bestä-
tigung erhielten, sind die Grundlage dieser Verfassung.
Wir heben aus ihnen nur einiges hervor. Der Wii'kungs-
kreis des Vereins soll in geographischer Beziehmig das
Königreich Sachsen, in historischer die Zeit bis zum
westfälischen Frieden umfassen, doch soll in einzelnen
Fällen die Berücksichtigung anderer Gegenden und Zeiten
nicht ausgeschlossen sein: eine Bestimmung, die schon
dui'ch die Stellung Sachsens in der Kunstgeschichte des
18. Jahrhunderts durchaus geboten war. Der Minimal-
beitrag der ordentlichen Mitglieder wurde auf 2 Thaler
festgesetzt; nacli einem 1849 gefassten Beschlüsse sollte
eine einmalige Zahlung von mindestens 25 Thaler von
demselben befreien. Alle Vereinsgeschäfte soUeu in
regelmässigen Monatsversammlungen besprochen werden.
An die Stelle des Ausschusses trat ein Direktorium, an
dessen Spitze der Protektor oder Direktor des Vereins
22 Hubert Ermisch:
stand; die übrigeu Mitglieder desselben, der Vizedirektor
und sein Stellvertreter, der Sekretär und sein Stell-
vertreter und der Kassierer, sollten alljälirlicli durcli
absolute Stimmenmehrlieit gewählt werden. Jedes Mit-
glied hat das Recht, neue Mitglieder zur Aufnahme vor-
zuschlagen; die Aufnahme erfolgt durch Ballotement.
In eüiem gedruckten Berichte soll der Verein jährlich
öffentlich Rechenschaft von seiner Thätigkeit geben.
Diese Jahresberichte, die seit 1835 vollständig vor-
liegen^), bilden eine annalistische Chronik des Vereins.
Mit Rücksicht hierauf glauben wir, die weitere Vereins-
geschichte weniger nach der chronologischen Ordnung,
als nach allgemeineren Gesichtspunkten darstellen zu
sollen, und geben zunächst die äussere Geschichte des-
selben, um dann auf seine wichtigsten Leistungen über-
zugehen. "
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder (79 im Jahre
1835) war durch die Vereinigung auf 131 gewachsen und
nahm dann rasch zu, bis sie im Jahre 184G mit 228 die
höchste Höhe erreicht hatte. Unter den noch heute leben-
den Mitgliedern sind es neun, deren Aufnahme in dieser
Zeit erfolgte: diese Senioren des Vereins sind die Herren
Oberst Peters (1840), Kantor Schramm (1842), Staats-
rainister v. Seebach (1845), Präsident Nossky (1846),
Oberst Andrich (1847), Prof. Fürstenau (1848), Prof.
Kade (1850), Geh. Hofrath Petzholdt (1854) und Prof. Dr.
Hälmel (1854). Ausser den ordentlichen besass der Verein
(1838) 28 Ehrenmitglieder, eine Zalil, die dann bis auf
53 (1847, 1854, 1855) vermehrt wurde. Die Aufnahme
von korrespondierenden Mitgliedern fand erst seit 1852
statt.
Das oberste Direktorium des Vereins führte auch
») Die Berichte über die Jahre 1835/38, 1838/39, 1839/40,
1840/41 (scämtlich in fol.) und 1842/44 (8") erschienen in beson-
deren Heften; die übrigen sind in die „Mittheilungen" des Vereins
aufgenommen (vergl. die Übersicht Mitth. XXX, 8). Seit 1879/80
erscheinen sie als Separatbeilage des „Neuen Archivs*.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Altei'thumsvereins. 1825—85. 23
fernerhin derjenige, der vor allen dazu berufen war, Prinz
Johann. Wenn der Verein in diesem Zeitabsclmitte
seine Thätigkeit zu erfreulicher Blüthe entfaltet hat, so
ist dies vor allem sein Verdienst gewesen, und es war
nur ein schwacher Tribut der Dankbarkeit, wenn der
Verein am Tage des silbernen Ehejubiläums, am 21. No-
vember 1847, ihm, dem „Beschützer der vaterländischen
Vorzeit", eine sinnige Denkmünze, die Münzgraveur Krie-
ger ausgeführt hatte, überreichte. Zum Vizedirektor
wählte der Verein am 3. März 1837 den vielseitig ver-
dienten Forscher auf dem Gebiete der sächsischen Ge-
schichte Geheimen B,ath Dr. von Langenn, zu dessen
Stellvertreter Herrn von Kömer auf Neumark; der bis-
herige Sekretär Bibliothekar Dr. Klemm und der bis-
herige Kassierer Hofsekretär Grohmann wurden wieder-
gewählt und zum Stellvertreter des ersteren Cand. Alb.
Schiffner ernannt.
Als Herr von Langenn 1845 das Direktorium nicht
weiter fortführen wollte, trat an seine Stelle Appellations-
rath Dr. von Stieglitz; ihm folgte 1852 Regierungs-
rath Dr. H. W. Schulz, der Vorstand des Antiken-
kabinets, welcher letztere seit 1844 an Stelle von Römers
bereits Stellvertreter des Vizedirektors gewesen war,
wozu der Verein nunmehr den Hofrath Dr. Engelhardt
wälüte.
Im Sekretariat folgte auf Dr. Klemm im Jahre 1841
Dr. Wilhelm Schäfer, der seit 1839 schon stellver-
tretender Sekretär gewesen war: ein Mann von grossem
Eifer für die Sache und vielseitigem, wenn auch nicht
tief gehendem Wissen, der sich um den Verein zweifel-
lose Verdienste erworben hat, bis bedauernswerthe per-
sönliche Verhältnisse ihn nöthigten, 1847 das Sekretariat
niederzulegen. Man beschloss nach seiner Abdankung
die Stellen eines Bibliothekars und eines Kustos vom
Sekretariat abzuzweigen. Erstere wurde dem Archivar
Erbstein, letztere dem Oberlieutenant Schreiber über-
tragen, zum stellvertretenden Bibliothekar Prof. Dr. Löwe,
24 Hubert Ermisch:
zum stellvertretenden Kustos derMaler Nortlius ernannt.
Zum Sekretär aber wählte der Yerein den ApiDellations-
gericlitsaktuar Nossky , der seit 1846 — nach dem Finanz-
archivregistrator Segnitz (1841—43) und dem Amts-
aktuar Pöschmann (1843 — 46) — Stellvertreter des
Sekretärs gewesen war.
Die Kassengeschäfte endlich besorgten als Nachfolger
von Grohmann von 1840—43 Hofrath Dr. Engelhardt,
dann bis 1849 Oberfiuanzeinnehmer Nollau, seit diesem
Jahre Advokat Gutbier. Neu geschaffen wurde 1848
das Amt eines „Prograramatars", dem die Herausgabe
der Yereinszeitschrift zufiel; es wurde damals dem Dr.
Arnold Schäfer — dem spätem bekannten Bonner
Professor — übertragen, ging dann 1850 an den stell-
vertretenden Sekretär und Bibliothekar Prof. Dr. Löwe
über und blieb seit dessen Tode (1865) mit dem Sekre-
tariat vereinigt.
Die zwölf jährlichen Sitzungen, welche die Statuten
vorschrieben, fanden, meist unter Vorsitz des Prinzen
Johann, ziemlich regelmässig statt, wenn auch namentlich
während des Sommers zuweilen eine derselben ausfiel.
Das Versammlungslokal blieb die schon erwähnte Räum-
lichkeit im Parterre des Prinzenpalais; für die Sommer-
sitzungen wurde 1841 ein Zimmer im ersten Stockwerke
des Palais im königl. Grossen Garten eingerämnt, wo
1848 auch die Bibliothek des Vereins aufgestellt Avurde.
Wie rege die Veremsthätigkeit und wie reichhaltig meist
die Tagesordnung iii diesen Sitzungen war, beweisen die
Protokolle. Um sie nicht lediglich mit geschäftlichen
Angelegenheiten auszufüllen und ihnen ein allgemeineres
wissenschaftliches Interesse zu geben, wurde 1850 be-
schlossen, dass fortan in jeder Sitzung durch ein Mitglied
ein Vortrag gehalten werden und der Gegenstand des-
selben vorher öffentlich bekannt gemacht werden solle : ein
Brauch, der sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat.
Ausser diesen regelmässigen Versammlungen fanden
auch verschiedene ausserordentliche statt, von denen mr
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825 — 85. 25
liier nur zwei erwähnen, weil sie vor allem das Bestreben
des Vereins zeigen, auch weitere Kreise für seine Inter-
essen zu gewinnen. Auf Anregung des Dr. Wilh. Schäfer
veranstaltete der Vereüi am 24. August 1844 um 5 Uhr
Naclunittags im grossen Saale der ersten Etage des königl.
Palais im Grossen Garten eine Generalversammlung, zu
welcher er auch zalilreiche Nichtmitglieder, Staatsbeamte,
Gelehrte, Künstler, Kunstfreunde u. s. w. einlud; gegen
700 Karten waren ausgegeben worden. Der Zweck war,
„die wahre Tendenz des Yei'eins durch Reden und si)e-
zielle Vorträge, sowie auch durch Vorlegung von Zeich-
nungen und Aufstellung von Alterthümern offener dar-
zulegen". Die stark besuchte Versammlung eröffnete der
hohe Direktor des Vereins in eigener Person mit einer
Rede, in welcher er die bisherige Thätigkeit und die
Zwecke des Vereins in treffender Weise schilderte^").
Weitere Vorträge liieltenRegierungsrath Dr. H.W. Schulz,
Dr. Schäfer und Appellationsgerichtsrath Dr. von Stieglitz ;
eine Aufführung mittelalterlicher Musikstücke bildete einen
würdigen Abschluss.
Eine andere Gelegenheit zu öffentlichem Hervortreten
bot dem Verein die Feier des 25 jährigen Jubiläums, die
am 1(3. Juli 1850 in demselben Lokale stattfand. Auch
hier war es Prinz Johann selbst, der die Versammlung
mit geistreichen und warmen Worten eröffnete"). Ausser
ihm sprachen Regierungsrath Dr. Schulz über die Geschichte
und Bauart der Albrechtsburg in Meissen und Dr. Arnold
Schäfer über das Verhältnis der Landgrafen von Thü-
ringen zur Poesie ihrer Zeit. Musikdirektor Kade hatte
in feinsinniger Weise für den musikalischen Theil der
Feier gesorgt. —
Gehen wir nunmehr spezieller auf die Thätigkeit
des Vereins über, so ist dieselbe auch in diesem Zeit-
'") MittheiluBgen etc. III, Beilage 1 ; vergl. v. Falkenstein
in dieser Zeitschrift I, 7 tlg.
") Mittheilungen etc. IV, 17. Vergl. v. Falkenstein a.
a. 0. I, 9 flg.
26 Hubert Ermisch:
abscliiiitt seines Wirkens vorzugsweise eine konservierende
gewesen ; die historische Forschung stand noch imniei- im
Hintergrunde. Um in jener Richtung erfolgreich wirken
zu können, brauchte der Verein vor allem zweierlei :
Autorität und Geld. Bereits kurz nach der neuen Kon-
stituierung des Vereins im April 1837 wandte er sich
auf Antrag des Vizedirektors von Langenn an das Ge-
samtministerium mit der Bitte um eine jährliche Beihilfe
„zu Erhaltung der grösseren Bauwerke des Altertimms
in ihrer Integrität", von Langenn wünschte, dass dem
Verein im Zusammenhang hiermit eine ähnliche halb-
amtliche Stellung überwiesen werden möge, wie sie der
statistische Verein zu jener Zeit besass. Der Antrag,
der damals nicht mehr vor die Kammern gebracht werden
konnte, weil das Budget der Staatsausgaben für die
nächste Pinanzperiode schon festgestellt war, wurde 1839
erneuert. Auf den Wunsch des Ministeriums des Innern
präzisierte der Verein seine Bitte dahin, dass er eine
jährliche Subvention von 800 Thalern, von denen 300 Thaler
für die Kreuzgäuge des Freiberger Doms verwandt wer-
den sollten, erbat. Allein die Kammer lehnte das bezüg-
liche Postulat der Regierung ab^^), und spätere Gesuche
hatten ebensowenig Erfolg.
So war der Verein lediglich auf seine eignen Kräfte
angemesen, und wenn man dies berücksichtigt, so wird
man seiner Thätigkeit nur ein glänzendes Zeugnis aus-
stellen können.
In der Sitzung vom 7. September 1838 hatte Prof.
Krüger den Antrag gestellt, der Verein möge sich an
das Kultusministerium wenden, um die Geistlichen zur
Aufnahme von Inventarien der in ihren Kirchen vorhan-
denen Alterthümer zu veranlassen; dabei wurde von
neuem die Nothwendigkeit eines Gesetzes zum Schutze
der Alterthümer des Landes betont. Die in dieser
■») Vergl. Landtagsakten II [. Al)th. I, 644, 647. I. Abth. II,
31.5. II. Abth. I, 501.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 27
Angelegenheit niedergesetzte Kommission, welche aus
von Langenn, Klüger und dem Appellationsgerichts-
präsidenten Meissner bestand, verschloss sich nicht der
Ansicht, die auch früher schon Prinz Johann vertreten
hatte, dass die nothwendigste Vorarbeit jeder umfang-
reicheren konservierenden Thätigkeit die Aufnahme eines
Inventars über die im Lande und namentlich in den Kii'chen
vorhandenen Alterthümer sei. Um zu einem solchen zu
gelangen, schlug man den Weg vor, der später wieder-
holt in verschiedenen Gegenden Deutschlands versucht
worden ist, aber immer zu den gleichen, unbefriedigenden
Resultaten geführt hat: man versuchte das Inventar durch
Mittheilungen von Alterthumsfreuuden ün ganzen Lande
zu Stande zu bringen. Die Herren Meissner, Krüger
und Freiherr von Odeleben arbeiteten eine kleine Brochüre
aus, welche in aller Kürze eine Anleitung zur Beschreibmig
von Kü'chen und Idrchlichen Gegenständen aller Art
und ein hierzu bestimmtes Formular enthielt. Diese
Brochüre erschien in einer Auflage von 2000 Exemplaren
unter dem Titel: „Sendschreiben des Königlich Sächsi-
schen Alterthums -Vereins an die Freunde kirchlicher
Alterthümer im Königreiche Sachsen. Mit vier litho-
graphierten Blättern. Dresden 1840", und wurde, durch
Vermittlung des königlichen Kultusministeriums, in zahl-
reichen Exemplaren im Lande verbreitet; Stadträthe,
Kollatoren, Kircheninspektoren, namentlich aber die Geist-
lichen selbst sollten sich dadurch veranlasst sehen, Be-
schreibungen ihrer Kirchen einzusenden. In der Tliat
gingen eine grosse Menge Beschreibungen, Zeichnimgen
und dergl. ein; sie bilden einen beträchtlichen Tlieil
unseres Vereinsarchivs; indes dürfte das — bisher noch
fast gar nicht verwerthete — Material sich bei näherer
Prüfung als von sehr ungleichem Wertlie erweisen.
Wurde der Zweck, den man im Auge hatte, so auch
nicht vollständig erreicht, so war doch das Sendschreiben
in mehr als einer Hinsicht den Vereinszwecken förderlich :
es gewann ihnen eine Menge thätiger Mitarbeiter im
28 Hubert Ermisch:
ganzen Lande und gewährte den Mitgliedern selbst man-
nigfache Anregung. Nicht zufällig ist es, wenn in der-
selben Zeit die Geschichte des Alterthumsmuseums
beginnt.
Zwar besass der Verein seit seinen ersten Jahren
eine kleine Sammlung von Alterthümern; dieselbe wurde
jedoch, wie wir oben erwähnten, im Jahre 1832 in Er-
mangelung eines geeigneten Lokals an die verschiedenen
Dresdner Museen vertheilt. Das Bedürfnis eines aus-
reichenden Sammlungsraumes stellte sich fühlbarer heraus,
als im Jahre 1839 bei Abtragung der Eartholomäus-
kapelle zu Dresden die in derselben befindlichen theil-
weise hochinteressanten Kunstwerke — u. a. die herr-
liche Grablegung Christi aus dem Anfang des 15. Jahr-
hunderts, die man vielleicht als das schönste Werk unsers
Museums bezeichnen kann — dem Alterthumsverein zur
ferneren Auf bcAvahrung überwiesen wurden. Durch könig-
liche Gnade wm-de dem Verein nunmehr ein geräiuniges
Parterrelokal des Palais im königlichen Grossen Garten
gewährt.
Rasch mehrte sich die Sammlung, namentlich da der
Verein seit etwa 1841 sich bereit finden liess, kirchliche
und andere Alterthümer, für deren sichere Aufbewahrung
die betreffende Gemeinde oder der Eigenthümer keinen
Raum hatte, unter Vorbehalt des Eigenthumsrechtes der
bisherigen Besitzer im Museum aufzubewahren ; die kaum
50 Nummern, mit denen 1839 der Grund zum Museum
gelegt war, hatten sich in 5 Jahren bereits auf 700 ver-
mehrt. Dies schnelle Wachsthum wäre unmöglich ge-
wesen, wenn nicht durch Erlass des königlichen Haus-
ministeriums vom 12. Juli 1841 auch die übrigen Parterre-
lokalitäten des Palais dem Vereine überwiesen worden
wären.
Zum Oberaufseher des Museums wurde 1841 Baron
von 0 deichen gewählt; als Kustos fungierte bis 1847
Dr. W. Schäfer, der durch den Eifer, mit dem er
unermüdlich im Lande nach Alterthümern herumstöberte.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 29
einen wesentlichen Antheil am Gedeihen des Museums
hatte. 1847 ward die Oberleitung des Museums, wie
schon bemerkt, dem Oberlieutenant Schreiber, dann
1850 dem Professor K r ü g e r übertragen, unter welchen
1847—1852 der Maler Nordhus als Kustos, seit 1853
der Kupferstecher Kejd als Inspektor standen. ,
Die Altersbestimmung und die Inventarisation der
Gegenstände des Museums wurde 1840 einer besonderen
Kommission des Vereins übertragen, bei Avelcher nament-
lich II. V. Römer auf Neumark, Hofrath Dr. Klemm,
Direktor Frenzel, Prof. Dahl, Prof. Krüger, Dr. W. Schäfer
und die Maler Otto Wagner und ISFoi'dhus sich bethei-
ligten und m welcher seit 1843 der Regierungsratli Dr.
H. W. Schulz den Vorsitz führte. Sie löste ihre Auf-
gabe zu voller Befriedigung, so dass 1845 die Heraus-
gabe eines Katalogs beantragt werden konnte. Dr. Schulz
unterzog sich dieser Arbeit, die allerdings eine Reihe
von Jahren in Anspruch nahm; erst 1852 erschien der
„Führer durch das Museum des Königl. Sachs. Vereins
zur Erforschung und Erhaltung vaterländischer Alter-
thümer im Königl. Palais des Grossen Gartens"'^), eine
sehr verdienstvolle Arbeit, welche die Grundlage der
späteren Neubearbeitungen geblieben ist.
In dem Museum hatte sich der Verein ein unent-
behrliches Hilfsmittel für seine erhaltende Thätigkeit ge-
schaffen. Gleichwohl fehlte es ihm auch nicht an Geg-
nern ; man machte dem Verein den Vorwurf, er beraube
das Land seiner Alterthümer und entkleide die Kirclien
ihrer Denkwürdigkeiten. Wohl mochte der Übereifer
einzelner, namentlich des Dr. W. Schäfer, zu derartigen
Vorwürfen vielfach Anlass geben; aber ein Blick auf
die sonstige Thätigkeit des Vereins hätte jedem zeigen
können, dass dieselben ungerechtfertigt waren. Prinz
Johann hatte seit dem Bestehen des Vereins unentwegt
an dem Grundsatze festgehalten, dass stets in erster
») Mitth. VI, 45 flg.
30 Hubert Ermisch:
Linie auf eine Erhaltung der Altertliümer und Kunst-
werke an ihrer heimathlichen Stätte hinzuwirken sei;
§jne Zentralisierung derselben lag ihm durchaus fern;
nur dann, wenn sie, wie leider so oft, sichtlich dem
Untergange entgegen gingen, sollte die Überführung in
das Dresdner Museum in Vorschlag gebracht werden.
So liefei'n denn die Protokolle fast jeder Sitzung
zahlreiche Beweise der Fürsorge, welche der Verein den
Alterthümern und Kunstwerken im ganzen Lande zu
Theil werden Hess. Aus der langen Eeihe von Einzel-
heiten, die wir hier nennen könnten, sei es gestattet, nur
weniges hervorzuheben.
Wenden wir unsern Blick zunächst an diejenige
Stätte Sachsens, die dem Historiker wie dem Kunst-
freunde stets besonders anziehend sein wird, nach Frei-
berg.
Hier forderte vor allem der Dom das thätige Ein-
greifen des Alterthumsvereins. Der aus dem Anfang
des 1(3. Jahrhunderts stammende, schöne Kreuzgang, der
denselben auf der Süd- und "Westseite umgab, war be-
reits Anfang der dreissiger Jahre dem Einsturz nahe,
und man dachte daran ihn abzutragen. Prinz Johann,
der lebhaftes Interesse an demselben nahm, zog Erkun-
digungen darüber ein: ein Brief des Bibliothekar Dr.
Klemm an Ebert (vom 27. Januar 1833), welchen dieser
dem Prinzen übergab, enthält eine traurige Schilderung
von dem Zustande des Bauwerks.
Doch vergingen noch mehrere Jahre, ohne dass etwas
für dasselbe geschah. Am 28. Mai 1836 erliess der
Oberhofmarschall von ßeitzenstein eine Einladung zur
Unterzeichnung von Aktien für Erhaltung des Kreuz-
gangs. Die Stadt hatte sich bereit erklärt, dem zu bilden-
den Vereine, wenn derselbe ein Kapital zusammenbringen
würde, mit dessen Hilfe die Kreuzgänge nebst der Annen-
und der Schönlebeschen Begräbniskapelle nicht nur gut
und tüchtig wiederhergestellt, sondern auch späterhin in
b{\ulichem Wesen erhalten werden könnten, das Dispo-
Zur Geschiclite des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825 — 85. 31
sitions- und Benutzungsrecht dieser Gebäude unter Vor-
behalt des Eigenthums an denselben und einigen weiteren
Bedingungen zu überlassen. Die Kosten der Wieder-
herstellung wurden auf 600 Thaler, das ganze erforder-
liche Kapital auf 1800—2000 Thaler veranschlagt.
Dieser Aufruf, der in allen Theilen des Landes den
freudigsten Anklang fand, hatte den Erfolg, dass bis
zum Jahre 1837 bereits die Summe von 1543 Tlialer
gezeichnet und grösstentheils auch eingezahlt war; sie
vermehrte sich in der Folge noch erheblich. Es braucht
kaum hervorgehoben zu werden, dass an der Spitze der
Zeichner der König und die sämtlichen Prinzen und
Prinzessinnen des königlichen Hauses mit bedeutenden
Beiträgen standen.
Am 4. November 1836 übergab Herr von ßeitzen-
stem die Angelegenheit dem Alterthums verein, der für
dieselbe eine aus den Herren von Reitzenstein, Kammer-
herr Freiherr von Friesen, Appellationsgerichtspräsident
Meissner in Dresden, Archidiaconus Gühloff, Eektor
Rüdiger und Oberbergamtsarchitekt Heuchler in Freiberg
zusammengesetzte Deputation bildete, welcher später
noch Oberberghauptmann Freiherr von Herder, Biblio-
thekar Dr. Klemm und Hofsekretär Grohmann (als Kas-
sierer) beitraten. Diese Deputation beschloss, den neu
zu erbauenden Kreuzgang zu einem Museum für Alter-
thümer der Stadt Freiberg und der Freiberger Gegend
einzurichten; in dasselbe sollten vor allem die in der
sogenannten „Götzenkammer" der Domkirche, sowie auf
den Böden der anderen Freiberger Kirchen und der
Kommungebäude aufbewahrten Gegenstände aufgenommen
werden.
Bis zum Jahre 1842 waren die erforderlichen Arbeiten,
um welche sich namentlich der Architekt Heuchler sehr
verdient gemacht hatte, ausgeführt'^); der Kreuzgang
'*) Für Einzelheiten vergl. namentlich die beiden von Klemm
und Freiherrn von Friesen verfassten „Berichte über die Be-
32 Hubert Ermisch:
war gerettet und in ein Museum verwandelt worden.
Von den disponibeln Geldern blieb nocli ein Kassen-
bestand von 250 Thalern übrig. Die Deputation löste
sich auf; an ihrer Stelle ernannte Prinz Johann ein neues
Comite „für die Beaufsichtigung des Museums in den
Freiberger Domkreuzgängen".
Leider sollten die Freiberger Kreuzgänge dem Vereine
in der Folge noch so manche Sorge bereiten. Die Feuch-
tigkeit namentlich, die durch nichts zu beseitigen war,
schädigte das Bauwerk und bedrohte die in demselben
aufgestellten Alterthümer in hohem Grade ; ja selbst
das herrlichste Kunstwerk des Doms, die Goldene Pforte,
zeigte ihren verhängnisvollen Einfluss. In den Jahren
1851 flg. waren wiederum umfängliche und kostspielige
Bauten nöthig; die Alterthümer aber wanderten im
Jahre 1854 in das Dresdener Yereinsmuseum, dessen
Zierde sie noch heute bilden.
Seit den ersten Jahren des Vereins hatte derselbe
seine Aufmerksamkeit den Ruinen des Klosters AI tz eile
zugewandt ; schon 1826 hatte Oberhofgerichtsrath von Zeh-
men dem Vereüi ein chronologisches Verzeiclmis der das
Kloster betreffenden Urkunden überreicht, auch waren
schon damals topographische Untersuchungen auf Grund
alter Pläne vorgenommen worden. Was in der Folge
geschah, war hauptsächlich der Thätigkeit des Hofgärtner
Schmidt zu danken, der auf eigene Kosten Nachgrabungen
veranstalten liess und mancherlei zu Tage förderte, aber
freilich ohne die wünschenswerthe Planmässigkeit ver-
fuhr. Erst 1838 nahm sich der Verein wieder des Klosters
an und übertrug die Sorge für dasselbe dem Comite für
die Freiberger Kreuzgänge, welches den Rentamtmann
Ed. Beyer — denselben, der 1855 eine treffliche Geschichte
des Klosters herausgegeben hat — kooptierte und syste-
matische Ausgrabungen in Angriff nahm, die ein neues
grüudung eines Museums vaterländischer Alterthümer und Kunstwerke
in den Kreuzgängen des Doms zu Freiberg". Dresden 1837 und 1838.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825 — 85. 33
1841 eingesetztes Comite fortsetzen Hess. Auch zu diesen
Arbeiten wurden dem Verein von höclister Stelle Unter-
stützungen gewährt. So wurden bis zum Jahre 1852
zahlreiche Alterthümer zu Tage gefördert und für ihre
Erhaltung gesorgt, der Plan der Klostergebäude ziemlich
festgestellt, aucli emzelne Restaurationen ausgeführt.
Handelte es sich hier um eine altehrwürdige Be-
gräbnistätte des Hauses Wettin, so sorgte noch in einem
anderen Falle der Verein für die angemessene Unter-
bringung der sterblichen Überreste eines Vorfahren des-
selben. Schon 1834 hatte der Verein sächsischer Alter-
thumsfremide darauf aufmerksam gemacht, dass die Ge-
beine des 1307 ermordeten Markgrafen Diezmann in
der Paulinerkirche zu Leipzig in durchaus unwürdiger
Weise aufbewahrt wurden. Der Alterthumsverein nahm
1838 die Angelegenheit wieder auf; auf das bereitwilligste
ging, wie nicht anders zu erwarten war, König Friedrich
August auf die gemachten Vorschläge em und übernahm
die gesamten Kosten. Professor Rietschel führte in
Cottaer Sandstein eine Tumba aus, die, mit einer von
Prof. Dr. Grottfried Herrmann verfassten Inschrift ver-
sehen, in der Mitte des Chors der Paulinerkirche Auf-
stellung fand. In feierlichster Weise wurde sie am
17. Dezember 1841 im Namen des Vereins durch Kammer-
herrn von Friesen, der sich besondere Verdienste um das
Zustandekommen des Grabmals erworben hatte, den Depu-
tierten der Universität übergeben.
Noch eine andere Aufgabe übernahm unser Verein
als Hinterlassenschaft des Vereins der Alterthumsfreunde.
Veranlasst durch die Schenkung eines Kapitals von
100 Thalern, welche das von Römer'sche Gescldecht im
Jahre 1835 dem letztern „zu AViederherstellung eines
derselben würdigen, einem ölfentlichen frommen Zweck
gewidmeten Kunstwerkes der vaterländischen Vorzeit,
mit besonderer Berücksichtigung des erzgebü-gischen
Kreises" Übermacht hatte, hatte der genannte Verein sich
entschlossen, die werthvollen Altarbilder der Kirche zu
Neues Archiv f. S. Ü. u. A. VI. 1. 2. 3
34 Hubert Ermisch:
Buch holz, die sich ursprünglich im Franziskanerkloster
zu Annaberg befanden, auf seine Kosten restaurieren zu
lassen. Nach jahrelangen Verhandlungen, die ihren Grund
ebenso wolü in der Mittellosigkeit der Gemeinde, als in
dem beschränkten Misstrauen einzelner Glieder derselben
hatten, gelangten die Gemälde 1837 nach Dresden. Hier
ergab sich, dass die 10 aus dem Ende des 15. Jahrhunderts
stammenden Bilder im 16. Jahrhundert fast sämtlich
vollständig übermalt und die ursprünglichen Darstellungen
in protestantischem Sinne verändert worden waren. Im
Einverständnis mit der Kircheninspektion zu Buchholz
wurde die Übermalung beseitigt und die Restauration
der ursprünglichen Bilder durchgeführt, eine sehr mühe-
volle Arbeit, welche der Maler Fr, L. Lehmann in den
Jahren 1838 — 1840 mit grossem Geschick für ein Honorar
von 270 Thaler ausführte; am 28. Mai 1840 wurden sie
der Kirche zu Buchholz wieder zugestellt.
Wichtiger und folgenreicher wurde es, dass der Verein
seine Aufmerksamkeit auch derjenigen Stätte zuwandte,
die für die Geschichte wie für die Kunstgescliichte des
Landes eine ganz besonders hohe Bedeutung hat, der
Stadt Meis sen. Gerade ihre hervorragendsten Bauwerke,
der Dom und die Albrechtsburg, bedurften dringend einer
sachverständigen Fürsprache; freilich handelte es sich
dabei um Aufgaben, zu deren Lösung die Kräfte des
Vereins weitaus nicht reichten, er musste sich darauf
beschränken, Anregungen zu geben, nnd diese haben ja
bekanntlich die schönsten Erfolge erzielt. Über den Dom
gab im Auftrage des Vereins Prof. Gottfried Semper im
Jahre 1843 ein interessantes Gutachten ab ; in wie
grossem Sinne er seine Aufgabe auifasste, bezeugt der
Umstand, dass er die Restauration des Domes in Ver-
bindung mit einer Wiederherstellung der Albrechtsburg
ausgeführt wissen wollte :
Die Kirche könnte aber nur dann ihre alte Bedeutung zum
Theil wieder erlangen, wenn das daran stossende Schloss, die
Stammburg unsers erhabenen Königshauses, aus seiner jetzigen Er-
Zi;r Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 35
niedrigling wieder zur Fürstenwohnung erhoben würde. Alsdann
würde Ein Plan die Wiederherstellung des Schlosses und der Kirche
und die Vereinigung heider Denkmäler zu einem Ganzen umfassen.
Aber der Umfang eines solchen Planes und das Durchdringen des-
selben in allen seinen Bestandtheilen setzt bedeutende Vorarbeiten
u. s. w. voraus.
In der That geschah in den folgenden Jahren, nicht
ohne dass der Verein noch Aviederholt sich darum be-
mühte, mancherlei für den Dom. Dagegen kam die Frage
einer Restanration der Albrechtsburg, in welcher bekannt-
lich seit 1710 die Porzellanmanufaktur betrieben wurde,
erst später in Fluss. Geheimrath Dr. von Langenn, der
bereits im Jahre 1838 auf die ihr drohenden Grefahren,
aufmerksam gemacht hatte und im Jahre 1851, als man
von einer beabsichtigten Reparatur des Treppenthurmes
hörte, mit einer Besichtigung des Bauwerkes beauftragt
worden war, erstattete am 12. März 1851 einen aus-
führlichen Bericht über das Ergebnis derselben, nach
welchem die Zerstörung des herrlichen Bauwerks be-
reits weit vorgeschritten und gänzlicher Verfall des-
selben zu befürchten war, wenn nicht energische Gegen-
massregeln getroifen würden. Indessen obwolil der Verein
sich möglichst in diesem Sinne bemühte, obwohl auch
der 1852 in Dresden begründete Gesaratverein der
deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine ein drin-
gendes Gesuch um Erhaltung der Albrechtsburg an den
König richtete, wurde zunächst doch nur wenig erreicht;
nicht einmal die Aufstellung eines Pochwerks mit Dampf-
betrieb, das die Festigkeit des Mauerwerks in liohem
Grade gefährde, konnte verhindert werden (1855).
Ebenso gelang es dem Verein nicht, den Abbruch
der bei der Afrakirche gelegenen v. S chle in itz 'sehen
Begräbniskapelle (1854) abzuwenden.
So Hessen sich noch viele andere Einzelheiten an-
führen, welche den treuen Eifer des Vereins für die Er-
haltung der vaterländischen Alterthümer beweisen.
Dieser erhaltenden Thätigkeit des Vereins gegenüber
tritt die eigentlich forschende mehr in den Hintergrund;
3*
36 HulDert Ermisch:
jedoch wäre man durchaus im Irrthum, wollte man dies
aus prinzipiellen Gründen erklären. Im Gegentheil bestand
fortwährend die Auffassung, dass auch Forschungen auf
dem Gebiete der sächsischen Geschichte zu den Aufgaben
des Vereins gehörten ; namentlich Prinz Johann hat diese
Aulfassung in den verschiedeneu von uns angeführten
Eeden, die er bei festlichen Anlässen hielt, scharf betont.
Indes diese Seite der Vereinsthätigkeit äusserte sich haupt-
sächlich nur in Vorträgen über historische Gegenstände
und in den Aufsätzen der Vereinszeitschrift. An ersteren
betheiligte sich auch der hohe Vorsitzende des Vereins
lebhaft ; er hielt Vorträge über die Wohnsitze der Deut-
schen und Slaven am linken Eibufer, über die Bauart
slavischer Dörfer, über das Vorkommen der Slaven in
Franken, über eine Bulle Gregors X. für die Nonnen zu
Grimma, referierte über ein Werk Landau's „Die Terri-
torien in Bezug auf ihre Bildung und EntAvickelmig" und
dergl. mehr. Prinz Johann war es auch hauptsächlich,
der 1844 aus Anlass der damals erschienenen Spracli-
karte Bernhardi's den Verein bestimmte, amtliche Er-
hebungen über die Grenzen des wendischen Sprachgebiets
in der Oberlausitz zu veranlassen '^). Als 1841 die ge-
schäftlichen Angelegenheiten die Sitzungen vollständig
auszufüllen drohten, wurde auf Antrag des Dr. Dittmann
beschlossen, sogenannte „historische Sitzungen", in denen
nur Vorträge gehalten werden sollten, einzuführen; jedoch
hatte diese Einrichtung keinen Bestand: Grössere Publi-
kationen historischen Charakters wurden wiederholt an-
geregt, kamen aber nicht zur Ausführung. So beantragten
von Langem! (1839) und später Archivar Erbstein die
Bearbeitung eines Diplomatarium Saxonicum ; hides so all-
gemein diese Aufgabe als eine der wichtigsten, die auf
dem Gebiete der sächsischen Geschichte zu lösen waren,
anerkannt wurde, konnte sich der Verein doch nicht der
Wahrnehmung verschliessen, dass seine Mittel zur Lösung
'») Vergl. Mittheilungen III, 71 flg.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 37
derselben bei weitem nicht ausreichten, und beschränkte
sich darauf, dem Ministerium des Innern die Herausgabe
eines Urkundenwerks zur Erwägung anheimzustellen.
Dr. Wilh, Schäfer beantragte dann 1844, der Verein
möge mit Unterstützung der Regierung wenigstens ein
Inventarium diplomaticum Saxöniae in Angriff nehmen,
d. h. eine handsclu-iftliche Sammlung der in den Archiven
der Städte, Ämter u. s. av. vorhandenen urkundlichen und
chronikalischen Xotizen zur sächsischen Geschichte'®);
allein auch dieser Antrag blieb ohne Folgen. El)enso
fand ein Antrag des Advokaten Gautsch auf Begründung
einer Zeitschrift für sächsische Geschichte (1842) keine
Annahme ; Gautsch hat dann kurze Zeit auf eigene Kosten
ein „Archiv für sächsische Geschichte'* erscheinen lassen.
Ebenso Hess man einen Plan zur Herausgabe von Por-
träts sächsischer Fürsten (1837 — 1839) bald wieder fallen.
Ein späterer Besclüuss, die historischen Arbeiten des
Vereins von den kunstgeschichtlichen zu trennen, gab
Anlass zu einer beachtenswerthen kleinen Schrift von
Langenns „Züge aus dem Familienleben der Herzogin
Sidonie und ihrer fürstlichen Verwandten aus dem 15.
und 16. Jahrhundert'', die als erstes Heft der „Mittheil-
ungen des Königl. Sachs, Alterthumsverein historischen
Inhalts" erschien; diese Sammlung wurde jedoch nicht
fortgesetzt, und die beabsichtigte Publikation bisher
noch unedierter Briefe sächsischer Fürsten unterblieb
ebenfalls.
Erwähnen wir schliesslich noch, dass das königliche
Kultusministerium im Jahre 1853 den Verein um eine
Begutachtung des Atlas zur Geschichte der sächsischen
Länder von M. M. Tutzschmami ersuchte; Appellations-
rath Dr. von Stieglitz bearbeitete dasselbe").
So hat der Alterthumsverein während der Jahre
1837 — 1855 nach allen Seiten liin eine rege Thätigkeit
'«) Vergl. Mittheilnngen III, 60.
") Mittheilungen VII, 23 Hg.
38 Hubert Eruiisch:
entfaltet. Das Hauptverdienst an derselben gebührt der
lebendigen Tlieilnalime seines höchsten Direktors. Es
war daher ein sehr naheliegender Gedanke, als im
Jahre 1851 Baurath von Quast den Prinzen Johann auf-
forderte, bei einer im August 1852 nach Dresden zu
berufenden Versammlung deutscher Geschichts- und Alter-
thumsforscher, welche den seit Jahrzehnten namentlich
von dem als Gründer des Nürnberger Nationalmuseums
hochverdienten Freiherrn Hans von und zu Aufsess geheg-
ten Plan einer Vereinigung der gesamten in Deutschland
bestehenden Geschichts- und Alterthumsvereine zur Aus-
führung bringen sollte, das Präsidium zu übernehmen.
Der Prinz erklärte sich dazu bereit, und sein ^"erdienst
ist es vor allem, wenn diese Versammlung, die in den
Tagen vom 16. bis 19. August 1852 stattfand, nicht,
wie mehrere frühere in dieser Richtung gemachte Ver-
suche, resultatlos verlief, sondern den Grundstein legte
zum Gesamtverein der deutschen Geschichts-
und Alterthumsvereine, der sich dann im September
desselben Jahres zu Mainz konstituierte. So bedeutungs-
voll dieser Vorgang auch war und so ehrenvoll die Stell-
ung, die unser Alterthumsverein bei demselben einnahm,
so glauben wir doch nicht näher darauf eingehen zu
sollen, da er der Vereinsgeschichte im engeren Sinne
ferner liegt'**). Wir erwähnen nur noch, dass das Direk-
torium des Gesamtvereins wie die Herausgabe seines
Organs, des „Korrespondenzblattes", unserm Verein über-
tragen wurde. Auch der zAveiten Versammlung des Ge-
samtvereins, die vom 13. bis 16. September 1853 in
Nürnberg tagte, präsidierte Prinz Johann. Das er-
schütternde Ableben seines königlichen Bruders hinderte
ihn am Besuch der dritten, im September 1854 in Münster
stattfindenden Versammlung, bei welcher der Dresdner
Verein das Direktorium trotz der allseitigen dringenden
Bitten nicht mehr weiterführen zu können erklärte.
' *) Vgl. den Bericht über die Versammlung. Mitth. VI, 109 flg.
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 39
4. Der Alterthuiusverein unter dem Präsidium des
Prinzen Georg. 1855—1885.
Am 9. August 1854 hatte bekanntlich ein jäher Tod
dem Lande seinen geliebten Fürsten entrissen. Prinz
Johann bestieg den Thron und sah sich dadurch genö-
thigt, das Direktorium des Alterthumsvereins niederzu-
legen. Indes die Huld des hohen Herrscherhauses sollte
dem Verein auch in der Folgezeit gewahrt bleiben. Auf
die Bitte des Vorstandes erklärte sich Se. Königi. Hoheit
Prinz Georg bereit, das Präsidium des Vereins fortan
zu führen. Am 22. Januar 1855 übernahm er dasselbe
in einer feierlichen ausserordentlichen Sitzung.
Ein Menschenalter ist seitdem verflossen, und der
Verein kann ebenso stolz darauf sein als er dankbar da-
für ist, dass während dieser drei Jahrzehnte sehi hoher
Präsident mit derselben hingebenden Pflichttreue imd mit
demselben tief eindringenden Sachverständnis seine Ar-
beiten geleitet hat, wie dies während eines gleichen
Zeitraums sein erlauchter Vater gethan. Mit seltenen
Ausnahmen hat er stets persönlich unsern Sitzungen zu
präsidieren geruht, und es gab keine Frage von irgend
welchem Belang, in welcher sein kundiges ürtheil nicht
zum Wohl der Sache eine ausschlaggebende Bedeutung
gehabt hätte. Möge seine Leitung noch lange dem Ver-
eüi zum Segen gereichen.
Dass der Verein es für eine theure Ehrenpflicht hielt,
dem geliebten Herrscherhause bei Freud und Leid Beweise
seiner innigen Theilnahme darzubringen, ist unter diesen
Umständen nur natürlich. So überreichte er bei Ge-
legenheit der Vermählung seines hohen Präsidenten am
4. Juni 1859 demselben eine vom Maler Rolle geschmack-
voll ausgeführte Votivtafel, ebenso bei der Jubelfeier
des unvergesslichen Königs Johann im Jahre 1872 eine
Glückwunschadresse. Noch in der Erinnerung aller sind
die tiefgefühlten Worte, welche am 8. November 187;-]
Geheimrath von Weber dem Gedächtnis des entschlafenen
40 Hubert Ermisch:
Monarchen widmete. Und eben rüsteten wir nns im
verflossenen Jahre, die silberne Hochzeit unseres er-
lanchten Protektors würdig zu begehen, als das erschüt-
ternde Dahinscheiden seiner hohen Gemahlin auch den
Verein in tiefe Trauer versetzte.
Es sei uns gestattet, im Übrigen diese zweite Hälfte
der Vereinsgeschichte nur in allgemeinen Umrissen an-
zudeuten. Kein bemerkbarer Abschnitt trennt sie von
der Gegenwart, und nur ungern behandeln mr Zeiten,
die noch nicht abgeschlossen hinter uns liegen. Zudem
kennen ja alle Yereinsmitglieder, für welche diese unsere
Darstellung vor allem bestimmt ist, grössere oder ge- .
ringere Theile dieses Zeitraumes aus eigener Erfahrung.
Möge, vielleicht beim hundertjährigen Jubiläum des Ver-
eins, ein Fortsetzer unserer Chronik das nachholen, was
wir hier glauben unterlassen zu sollen.
Dass die Ziele unserer Vereinsthätigkeit immer all-
gemeinere Anerkennung gefunden haben, beweist vor
allem eine bemerkenswerthe Thatsache. Kam seiner
Zeit die vom Prinzen Johann vorgeschlagene Gründung
von ZAveigvereinen in ganz Sachsen nicht zur Ausführ-
ung, so haben die letzten Jahrzehnte eüie ganze Reihe
von Alterthumsvereinen in verschiedenen Theilen des
Landes ins Dasein gerufen. Es bildeten sich solche in
Zwickau (1857), Freiberg (1860), Leisnig (1866), Leipzig
(1867), Dresden (1869), Chemnitz (1872), Plauen (1873),
Meissen (1880). Alle traten mit unserem Verein in
freundschaftliche Verbindung; einer von ihnen, nämlich
der Freiberger Altert humsver ein , dessen Stifter, der
Buchdruckereibesitzer H. Gerlach, sich sehr anerkennens-
werthe Verdienste um die sächsische Alterthumskunde
und besonders um seine Stadt erworben hat, wiu'de auf
seinen Wunsch sogar als Zweigverem mit dem Kgl.
Sachs. Alterthumsverein verbunden.
Die äussere Verfassung unseres Vereins, dessen Mit-
gliederzahl zwar bis 1875 eine Abnahme (bis auf 106)
zeigte, seitdem aber wieder bedeutend gewachsen ist und
Zur Geschichte des Kg\. Sachs. Alterthumsvereins. 1825—85. 41
gegenwärtig*, abgesehen von 4 Ehrenmitgliedern und 10
korrespondierenden Mitgliedern, 207 beträgt, ist während
dieser 30 Jahre dieselbe geblieben. Zwar wurde in
Folge der Veränderung des Vereinsgesetzes eine Be-
arbeitung neuer Statuten (vom 5. Dezember 1870) notli-
wendig ; indes dieselben änderten die ])isherigen in keinem
Avesentlichen Punkte. Auf Grund dieser Statuten, in
welchen der Verein sich juristische Persönliclikeit bei-
gelegt hatte, erfolgte die Eintragung desselben in das
Genossenschaftsregister für die Stadt Dresden.
Was den Vorstand anlangt, so machte das Ableben
des um den Verein vielfach verdienten Geh. Hofrath
Dr. H. AV. Schulz (15. Aprü 1855) die Neuwahl eines
I. Direktors — so wurde der bisherige „Vizedirektor"
bezeichnet, während der hohe Protektor des Vereins sich
fortan Präsident nannte — nothwendig. Dieselbe fiel
auf den Oberbibliothekar Hofrath Dr. Klemm, der
früher bekanntlich bereits als Sekretär dem Verein nütz-
lich gewesen war; als IL Dii^ektor folgte 1856 auf Hof-
rath Dr. Engelhardt Legationsrath von Carlowitz-
Maxen und, als dieser nach wenigen Monaten starb,
Generalmajor a. D. Graf von Baudissin. Als Klemm
eine Wiederwahl 1863 ablehnte, wurde der Wirkl. Geh.
Rath und Präsident Dr. von Langenn, der früher
schon (1837 — 1845) den Verein geleitet hatte, zum
I. Direktor gewählt. Nach seinem Tode 1868 trat an
seine Stelle der Direktor des Hauptstaatsarchivs Ministe-
rialrath Dr. Karl von Weber, der seit 1864 als Nach-
folger des Grafen Baudissin II. Direktor gewesen war,
während der Direktor des königl. histor. Museums und
anderer Sammlungen Prof. Dr. Hermann Hettner in
diese Stelle gewählt wurde. 1878 lehnten beide Direk-
toren eine Wiederwald ab; der Verein wählte am
4. März 1878 zum I. Direktor den Generalmajor von
Carlowitz, zum IL Direktor den Privatdozenten am
kgl. Polytechnikum Dr. Steche.
Das Sekretariat des Veieins versah Appellations-
42 Hubert Ermisch:
gericlitsratli Nossky, bis er 1870 als Präsident an das
Ai)pellationsgericlit zu Bautzen versetzt wurde; vierund-
zwanzig Jahre lang liat er, den wir noch heute als eines
der eifrigsten Mitglieder unseres Vereins kennen, mit
treuer Hingabe das mühsamste unter den Vereinsämtern
verwaltet. Als sein Stellvertreter sowie als Bibliothekar
und Programmatar fungierte 1855—1865 Prof. Dr. Löwe,
dem nach dem Tode des bisherigen Vorstandes der Hand-
zeichnungensammlung Grafen von Baudissin (1864) auch
diese übertragen wurde. In all seinen Ämtern folgte
ihm 1865 der Sekretär beim Hauptstaatsarchiv Dr.
Joh. Falke, der 1870 auch das Sekretariat übernahm;
ihm folgte 1876 der Archivar am Hauptstaatsarchiv
Dr. Posse, 1877 der Verfasser der vorliegenden Dar-
stellung.
Zum Kassierer wurden 1861 Advokat Schmidt,
1863 Dr. jiir. Edler von Querfurth, 1865 General-
major von Witzleben, 1873 Oberst z. D. Andrich,
1879 Bibliothekar am Ende gewählt.
Die Oberaufsicht über das Museum endlich Avurde
1856, nachdem Prof. Krüger, der sich manches Verdienst
um dasselbe erworben hatte, wegen Kränkliclikeit sein
Amt niedergelegt, dem Historienmaler Rolle, 1859 dem
Baurath Stapel, 1862 dem Inspektor des kgl. histor.
Museums Büttner übertragen. Die Stelle eines In-
spektors des Alterthumsmuseams bekleidet seit dem Tode
Keyls (1870) der Feldwebel a. D. Bobe.
Von den 12 jährlichen Sitzungen des Vereins waren
während der Sommermonate gewöhnlich einige ausge-
fallen. Im Jahre 1868 wurde ihre Zahl endgültig auf
6 beschränkt. Doch wurde seit 1878 in jedem Sommer
ein gemeinsamer Ausflug unternommen, eine Neuerung,
deren anregender Einfluss nicht zu verkennen ist. An
Stelle des bisher benutzten Lokals im Parterre des
Prinzenpalais, das sich mehr imd mehr als feucht und
auch sonst als ungeeignet erwiesen hatte, wurden dem
Verein im Jahre 1857 durch königliche Gnade diejenigen
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthnmsvereins. 1825— 85. 43
Eäume überwiesen, in denen er noch gegenwärtig tagt;
am 19. Oktober 1857 fand die erste Sitzung in den-
selben statt. Hierher kamen auch die Bibliothek, das
Archiv und die Handzeichnungensammlung, welche letztere
vor kurzem in das für die Zwecke der Inventarisation
der Alterthümer bestimmte Lokal des Polytechnikums
übergesiedelt ist.
Auch die dem Museum überwiesenen Eäume im
Palais des Grossen Gartens erwiesen sich bald als nicht
mehr ausreichend: ein erfreuliches Zeichen für das gedeih-
liche Wachsthum der Sammlung, die gegenwärtig gegen
3000 Nummern zählt. Der Raummangel und der Ein-
sturz des Deckengewölbes im südwesthchen Ecksaal in
der Nacht vom 17. zum 18. Mai 1859, der glücklicher
Weise keinen erheblichen Schaden anrichtete, veranlasste
den Verein, den König um Überlassung der Parterre-
lokalitäten des ehemaligen Galeriegebäudes, des jetzigen
Museum Johanneum, in denen bekanntlich bis zu ihrer
Übersiedlung in deu Zwinger die Sammlung der Gips-
abgüsse sich befand, zu bitten; doch konnte seinem Ge-
such nicht stattgegeben werden, da über die anderweitige
Verwendung dieser Räume bereits Beschluss gefasst war.
Übrigens bewährte auch bei dieser Gelegenheit der
König seine so oft erprobte gnädige Gesinnung gegen
den Verein, indem er ihm als Beitrag zu den durch den
Einsturz des Gewölbes entstandenen Hersti'llungskosten
die Summe von 150 Thalern zum Geschenk machte.
Noch erwähnen wir bei dieser Gelegenheit, dass der
Verein im Jalire 1877 zui' Bearbeitung eines neuen
„Führers" durch das Museum einen durch langjährige
Thätigkeit im Germanischen Museum zu Nürnberg be-
sonders gut geschulten Gelehrten, Dr. A. von Eye, ge-
wann; der neue Katalog erschien im Jahre 1878. —
Die Thätigkeit des Vereins A\'urde nach wie vor
durch das Entgegenkommen der Staatsbehörden, unter
denen ^vir vor allem das kgl. Ministerium des Iiniern und
das evangelisch- lutherische Laudeskonsistorium hervor-
44 Hubert Ermiscli:
hel3en. in erfreulichster Weise gefördert, xiuch in diesem
Zeitraum war dieselbe vorzugsweise auf die Erhaltung
der Kunst- und Baudenkmäler des Landes gerichtet.
Die Versammlung der deutschen Geschichts- und
xllterthumsforscher, die 1852 in Dresden tagte, hatte
dringend die Anstellung von Konservatoren empfohlen.
Einem entsprechenden Gesuch des Verwaltungsausschusses
an den König konnte freilich damals nicht stattgegeben
werden; allein es veranlasste das Kultusminist erimn, dem
Vereine aus seinem Dispositionsfonds Mittel für seine
Zwecke zur Verfügung zu stellen, und seit dem Jahre
1864 bewilligt der Landtag eine ständige jährliche Bei
hülfe von 300 Thalern.
Von neuem kam die Frage der Anstellung eines
Konservators in Fluss, als am 23. Januar 1876 das
kgl. Ministerium des Innern dem Verein zur Erwägung
anheimgab, welche Massregeln zur Schonung und Er-
haltung alter Averthvoller Baudenkmäler zu treffen seien.
Damals sprach sich der Verehi gegen die Anstellung
eines einzelnen Konservators aus und empfahl dagegen
die Einsetzung einer Kommission für diesen Zweck;
namentlich aber betonte er auch bei dieser Gelegenheit
die Nothwendigkeit der Aufstellmig emes Liventars der
sächsischen Alterthümer. 1880 wurde der Plan der
Inventarisation wieder aufgenommen; Prof. Dr. Steche
arbeitete einen speziellen Entwurf aus, der soAVohl vom
Verein als vom Ministerium des Innern gebilligt wurde;
die Kosten der Inventarisation übernahm das letztere.
So erschien denn im Sommer 1882 das erste Heft der
„Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen", welches die Amts-
hauptmannschaft Pirna behandelt ; dasselbe fand allseitig
nach Inhalt wie nach Ausstattung eine sehr beifällige
Aufnahme. Das Werk ist dann rasch fortgeschritten;
1888 erschien das zweite, 1884 das dritte Heft (Amts-
hauptmannschaften Dippoldiswalde und Freiberg). So ist
eine hochwichtige Aufgabe, die der Verein sich seit
Zur Geschichte des Kgl. Säclis. Alterthumsvereins. 1825 — 85. 45
seiner Begründung gestellt hatte, endlich der Lösung
nahe.
Aus der grossen Menge der Einzelfälle, in welchen der
Verein sich während der letzten Jahre um die sächsischen
Ä-lterthümer Verdienste erworben hat, heben Avir nur
wenige hervor.
Unser Blick fällt dabei zunächst auf die Albrechts-
burg in Meissen. Um sie hat sich der Verein vor allem
ein grosses Verdienst erworben ; denn nicht zum wenigsten
seinen fort und fort Aviederholten Bemühungen war es zu
verdanken, dass das Finanzministerium sich im Jahre lb57
entschloss, der Ständeversammlung ein Postulat von
300000 Thalern für den Neubau einer Porzellanmanu-
faktur vorzulegen. Auf den Wunsch des Ministeriums
gab damals der Verein eine kurze Zusammenstellung der
für den historischen und architektonischen Werth der
Albrechtsburg geltend zu machenden Momente, die zur
Motivierung der Vorlage dienen sollte; eine Kommission,
bestehend aus dem Wirkl. Geh. Patli Dr. von Langenn,
dem Hofrath Dr. Klemm, dem Baurath Stapel und dem
Historienmaler Rolle, bearbeitete dieses Gutachten ''■*).
Das Postulat wurde von den Ständen genehmigt; 1864
wurde bekanntlich die Fabrik verlegt, Oberlandbaumeister
Hänel restaurierte in den folgenden Jahren das Schloss,
und 1873 bewilligten die Stände die zur Ausschmückung
desselben nöthigen Summen. Wenn Sachsen heute, nach
Beendigung der Herstellungsarbeiten, mit Avahrem Stolz
auf das herrliche Bauwerk blicken kann, so verdankt es
das theilweise wenigstens unserm Verein.
Auch die weiteren Herstellungen im Dom zu Meissen
erfreuten sich der fortwährenden Theilnalime des Ver-
ems. Dass der (neuerdings restaurierte) alte Kreuzgang
am Franziskanerkloster daselbst zum Theil erhalten
blieb (185Ö), ist vorzugsweise seinem Einflüsse zu
danken. Erwähnen wir endlich an dieser Stelle den
«) Es ist gedruckt iu den MittheihiBgen XI, 19 H^
46 Hubert Ermisch:
Ankauf des schönen jetzt im Vereinsmuseum aufgestellten
xlltars der Afrakirche (1878), der leider in die Hände
eines Händlers gelangt und nur auf diese Weise dem
Yaterlande zu erhalten war.
In Freiberg wurde in den Jahren 1861 und 1862
ein Theil des Domkreuzganges abgebrochen und die da-
durch freigelegte Goldene Pforte restauriert; der Frei-
l)erger Alterthumsverein hatte sich dabei sehr thätig
erwiesen. Bei den nunmehr gänzlich veränderten Ver-
hältnissen besclüoss unser Verein im Jahre 18(33, die
Unterhaltung der Kreuzgänge ferner nicht mehr als seine
Aufgabe anzusehen.
Gelegentlich des Umbaues der Sophienkirche zu
Dresden bot der Stadtrath 1863 dem Verein das herr-
liche Renaissanceportal , das nicht wieder Verwendung
fand, zui' Autliewahrung an. Da eine Aufnahme des-
selben in das Vereinsmuseum nicht wolil möglich war,
so dachte man an die Aufstellung in einem der zu
Dresden befindlichen königlichen Schlösser, dann an der
Annenkirche; schliesslich (1875) wurde es bekanntlich
am Museum Johanneum untergebracht. — Ferner leistete
der Verein Beiträge für die Erhaltung des Todtentanzes
auf dem Neustädter Kirchhof, des schönen Portals Sporer-
gasse No. 2 u. dgl. m.
Nur kurz berühren wir die Herstellung der Cranach-
sclien Gemälde in der Hauptkirche zu Schneeberg
(1856) und eines ebenfalls Cranach'schen Bildes aus der
Schlosskapelle zu Augustusburg (1859). Die Restau-
ration des Grabmals des Dehn-Rothfelser in Leuben,
die 1877 auf Kosten des Vereins erfolgte, ist noch in
frischer Erinnerung. Die Herstellung der interessanten
1882 von C. Gurlitt aufgefundenen Sgraffito-Gemälde an
der Kirche zu Klösterlein bei Aue ist beschlossen,
aber noch nicht ausgeführt.
Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick auf die
Thätigkeit des Vereins in Bezug auf die Landesgeschichte.
Die Pflicht der Dankbarkeit gebietet, hier an erster
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthnmsvereius. 1825—85. 47
Stelle eines Legates zu gedenken, welches dem Verein
im Jahre 1863 zufiel. Der emeritierte Pastor Blüh er,
der in diesem Jahre starb, ein langjähriges Vereinsmit-
glied und eifriger Forscher und Sammler auf dem Ge-
biete der vaterländischen Geschichte, insbesondere der
Geschichte des sächsischen Erzgebirges und der dort
gelegenen Ortschaften, vermachte dem Verein seine hand-
schriftlichen Sammlungen, seine reichhaltige Bibliothek
(mit Ausnahme der darin befindlichen belletiistisclien
und theologischen Schriften) und ein Kapital von 400
Thalern, mit der Bestimmung, dass dieses Kapital theils
zur Beschaffung der für die Asservierung des gedachten
Nachlasses an Handschriften und Büchern nöthigen
Utensilien , theils im Falle einer wissenschaftlichen Ver-
werthung der Kollektaneen des Legatars zur Honorierung
und Drucklegung der gelieferten Monographien verwendet
würde. Einem Wunsche des Verstorbenen nachkommend,
fasste der Verein zunächst die Bearbeitung einer Ge-
schichte der Vaterstadt desselben Geyer ins Auge und
übertrug dieselbe dem Bibliothekar des Vereins Dr.
Johannes Falke, der sie in vorzüglicher Weise aus-
führte •'").
Die Zeitschrift des Vereins, die „Mittheilungen des
Kgl. Sächsischen Alterthumvereins", von welcher wäh-
rend des von uns liehandelten Zeitraums 23 Hefte er-
schienen, gewann namentlich unter der umsichtigen Leit-
ung von Falke mehr und mehr Bedeutung für die landes-
geschichtliche Forschung; allein die Mittel, die der Ver-
ein darauf verAvenden konnte, waren doch zu schwach
und die Verbreitung der „Mittheilungen" zu gering,
als dass sie dem oft emi)fundenen Mangel eines wirk-
lichen Organs für die sächsische Geschichte hätten ab-
helfen können. 3Iit Freuden war es daher zu begrüssen,
als im Jahre 18G3 der Direktor des Hauptstaatsarchivs
Ministerialrath Dr. von Weber und Prof. Dr. Wachs-
^•) Sie erschien 1865 als 15. Heft der „Miftheihmgeu".
48 Huhert Ermisch:
muth den ersten Band eines „Archivs für die Sächsische
Geschichte" herausgaben. Diese Zeitschrift, welche von
der kgl. Staatsregierung- in dankenswerthester Weise
unterstützt wurde, erschien im Verlage von Bernhard
Tauchnitz in Leipzig 18 Jahre lang und hat sich um die
Erforschung der sächsischen Geschichte grosse Verdienste
erworben. Als Geheimrath Dr. von Weber im Jahre
1878 sich entschloss, die Redaktion des „Archivs", die er
seit 1865 allein geführt hatte, niederzulegen, beantragte
der Verfasser dieser Zeilen die Verschmelzung desselben
mit den kurz vorher in den Verlag von Wilhelm Baensch
hierselbst übergegangenen „Mittheilungen", und dieser
Antrag fand allgemeinen Anklang. Dank dem bereit-
willigen Entgegenkommen der kgl. Staatsregierung,
welche auch dem „Neuen Archiv für sächsische Geschichte
und Alterthmnskunde" ihre Unterstützung in liberaler
Weise zusicherte, gelangte der Verein so zu emem Organ,
das den Interessen der sächsischen Geschichtsforschung
nach allen Seiten hin Eechnung tragen kann und also
auch diese Seite der Vereinsthätigkeit zu neuer Blüthe
zu bringen verspricht.
Auch in einer andern Richtung hat die kgl. Staats-
regierung dem Verein die Ausführung eines lang ge-
hegten Plans in dankenswerther Weise abgenommen.
Wir haben früher hervorgehoben, dass der Verein wieder-
holt an die Herstellung eines sächsischen Urkundenbuches
gedacht hat; noch 1854 gelegentlich eines Gesuchs an
das Kultusministerium um Gewährung von Geldmitteln
für die Zwecke des Vereins war unter diesen die Heraus-
gabe geschichtlich wichtiger Urkunden sächsischer Archive
und chronologischer Regesten aufgeführt. Indessen hätten
die Mittel des Vereins nicht entfernt zur Ausführung
eines derartigen Werkes ausgereicht. Hauptsächlich auf
Anregung des Staatsministers Dr. von Falkenstein be-
schloss daher im Jahre 1860 die Staatsregierung die
Herstellung eines Codex diplomaticus Saxoniae regiae
und beauftragte den Hofrath Dr. Gersdorf zu Leipzig
Zur Geschichte des Kgl. Sachs. Alterthiimsvereins. 1825 — 85. 49
mit Herausgabe desselben. Der erste Band des Unter-
nehmens erschien 1864; gegenwärtig liegen 12 Bände
desselben vor. Hat der Verein auch unmittelbar nichts
mit diesem Werke zu thun gehabt, so darf man ihn doch
unbedenklich mit zu den intellektuellen Urheber desselben
zählen.
Sechs Dezennien sind in diesem Jahre seit der Be-
gründung des Königlich Sächsischen Alterthumsvereins
verflossen, eine Zeit, die für unser Vaterland ebenso
reich war an geschichtlich bedeutsamen Ereignissen wie
an Errungenschaften auf dem Gebiete des geistigen
Lebens. An diesen letzteren aber darf unser Verein
seinen vollen x\.ntheil beanspruchen. Seit seinen An-
fängen lag es in seinem Wesen, mehr im Stillen zu
schaifen, als in die Öffentlichkeit hinauszutreten; seine
Wirksamkeit ist darum wohl manchmal unterschätzt
worden. Aber eben deswegen erschien es uns als eine
Pflicht, die vielleicht besser schon vor zehn Jahren er-
füllt Avorden wäre, darauf hinzuweisen, eine wie statt-
liche Reihe verdienstvoller Leistungen er aufzuweisen
hat; und wenn wir mehr noch, als von positiven Leist-
ungen, von Anregungen zu berichten hatten, die von ihm
ausgegangen sind, so ist nicht zu übersehen, dass gerade
solche vor allem zum Berufe der Geschichts- und Alte]'-
thumsvereine gehören, deren Mittel ja in der Regel weder
eine umfangreiche konservierende, noch eine ausgedehnte
publizierende Thätigkeit gestatten. So hat er sich red-
lich bemüht, die Aufgaben zu lösen, die ihm bei seiner
Begründung gestellt worden sind; und hochwiclitig sind
diese Aufgaben: denn, um ein Wort des Prinzen
Johann zu gebrauchen, „wie das Gemütli des einzelnen
Menschen seine reichsten Schätze aus den Erinnerungen
seiner Vergangenheit, namentlich aus den Jugenderinner-
ungen schöpft, so beruht das Gemüthsleben der Völker
grösstentheils auf dem Andenken an seine Vorzeit", —
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 1 2. 4
50 Hubert Ermisch : Zur Gesch. des K. S. Alterthumsvereins etc.
die Pflege des Gemütlislebens aber ist für ein Volk
sicher nicht weniger wichtig als für den Einzelnen.
Wenn der Verein so mit Befriedigung auf eine er-
spriessliche Thätigkeit zurückblicken kann, so verdankt
er dies vor allem der Huld des hohen Königshauses, die
ihm stets zu Theil wurde, und der weisen Leitung seiner
erlauchten Präsidenten, die ihm ein fortwährender Sporn
zu freudigem Schaffen gewesen ist. So darf er es denn
auch als ein gutes Omen für die Zukunft begrüssen, wenn
sein sechszigster Stiftungstag durch den Beitritt Seiner
Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich August
zu einem doppelt wichtigen Gedenktag geworden ist.
n.
Das Wappen des Kurfürstenthums Sachsen in
seiner historisch-topographischen Bedeutung.
Von
R. Freiherrn von Mansberg.
Eine liistoiische TopogTapliie der gesamten thü-
ringisch-meissnisch- sächsischen Lande kann, wenn sie
einigermassen erschöpfend dargestellt werden soll, wohl
der Gegenstand eines umfangreichen Werkes, indessen
nicht der Zweck vorliegender Zeilen sein. Zur Er-
leichterung einer übersichtlichen Darstellung sind in
hohem Masse die Mittel geeignet, welche die Heraldik
uns bietet, gerade weil dieselbe eine unentl)ehi-liche Hilfs-
wissenschaft ist ebensowohl füi' die Territorial-Geschichte,
me für die genealogische Geschichte der Herrscher-
häuser, mit deren Wappen vorzugsweise die Heraldik
sich beschäftigt. Im vorliegenden Falle kommt es uns
auf genealogische oder kunsthistoiische Unteisuchungen,
zu denen das beschriebene Wappen Anlass bieten könnte,
nicht an; vielmehr bieten uns die nicht gleich im Anfang
entwickelten 13egriffe derHeriscliaftswapix'u. Amtswn ppen.
Anspruchswappen u. s. w., sodann die noch später üblich
gewordene Verehiigung verschiedener Wappen zu einem
ein geeignetes Hilfsmittel, um an der Hand der Ge-
schichte emes Herrscherhauses einen Blick auf die von
demselben zu einem Ganzen vereinigten Länder zu werfen.
Wie eine liistorisch-topograi)hische Karte liegt das
grosse Wappen des Kurfürstenthums Sachsen vor uns
4#
52 R. Freiherr von Mansberg:
aufgeschlagen, zeigt uns neben uraltem Stammbesitz in
den Wappen längst erloschener Geschlechter die von
diesen einstmals besessenen Gebiete, welche durch eine
lange E,eihe von Helden und Staatsmännern erworben
und zusammengefügt wurden, um als leuchtende Ju-
Avelen in der Krone des Hauses Wettin zu glänzen.
Dem Geschichtskundigen redet dieser AVappenschüd eine
beredtere Sprache, als das bändereichste Werk; Glück
und Unglück, Macht und Ohnmacht, Glanz und Verfall
künden uns diese anscheinend stummen Zeugen einer
thatenreichen Yergangenheit. Sieben Jahrhunderte er-
heben sich vor unsern i^ugen in diesem Wappenschild,
der uns zurückführt bis in jene wilde verwirrte Zeit,
welche man die des Faustrechts genannt hat, die doch
so überreich an poetischem Zaubei-, an Begeisterung für
alles Hohe, Edle und Schöne war, dass sie die herr-
lichsten Blüthen unserer nationalen Poesie schuf, wie sie
uns nimmer wohl wiederkehren werden. Mit jener denk-
würdigen Epoche, in welcher die grossen historischen
Geschlechter dahinwelkten wie Gras, die beinahe gleich-
zeitig das Ende der Hohenstaufen , Babenberger, Zäh-
ringer, Meranier, Thüringer sah, mit ihr beginnt eine
ganz neue Ära in unserer Geschichte, sie wurde zum
Ausgangspunkt der glänzenden Laufbahn mächtig auf-
strebender Geschlechter, in ihr wurzeln Grösse und
Macht jener für Deutschland an Alter wie an Ruhm
gleich ehrwürdigen Häuser, wie des von Habsburg,
Askanien, Witteisbach und vor allem des erlauchten
Hauses Wettin.
In heraldische Details uns zu vertiefen, ist nicht die
Absicht, da jene nur als Mittel zum Zweck dienen sollen,
überdies hier als bekannt vorausgesetzt werden küinien.
Im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Thema bedarf
es jedoch einer allgemeinen Vorbemerkung, um das
Rechtsmoment hervorzuheben und einigen vor kurzem
noch allgemein verbreiteten Anschauungen entgegen zu
treten, welche durch lange Tradition fast geheiligt er-
scheinen.
Wappen und Watfen gehören sprachlich zusammen;
nahezu vollständig deckten sich beide Begrift'e im 12. Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung. Der hohe Adel, wie nicht
minder jeder Gemeinfreie und der gesamte Dienstadel,
jeder, der zur Führung der Waffen berechtigt war.
konnte solche verzieren, nach seinem Vermögen, nach
Das Wappen des Ki;rfürsteDtliuins Sachsen etc. 53
seinem Gescliinack, und tliat dies aucli; aber die Orna-
mentierung- lusste auf ästhetischer Willkür, die ganz un-
hewusst nach dem derzeit herrschenden Kunststil sich
richtete. Als bei dem buntgemischten Bestände der
Theilnehmer an Kreuz- und anderen Heereszügen, ebenso
wie bei den urkundlich zu verbriefenden Rechtsfragen das
Bedürfnis einer schärferen Bekundung der Identität,
nicht bloss des Individuums, sondern der gesamten Sippe,
immer sfärker hervortrat, als aus diesem Bedürfnis die
anfäuglich nur den Besitz andeutenden Familiennamen
entstanden, da mit einem Male wird es hell in der Ge-
schichte unserer Heimath. Aus dem prähistorischen
Nebel treten die Geschlechter, wie ihre Burgen über
dem Nebel der Thäler emporsteigen. In einer Zeit aber,
^\o die AValfen alles galten, mussten auch diese schon
äusserlich die Eigenthümlichkeit ihres Trägers ])ekunden,
ihre Verzierung wurde eine heraldische; es entstand eine
Heroldskunst, eine freie Kunst, in ihren Anfängen flüssig,
beweglich, wie die noch häufig veränderten Familien-
namen, bald immer stabiler, bestimmter, nicht nach dem
toten Buchstaben des Gesetzes, sondern nach gewissen
lediglich durch das Herkommen und den Geschmack fest-
gestellten Kegeln. Kein AVappen wurde vei'liehen, jedes
willkürlich, oift mit der sinnigsten Symbolik, gewählt und
nach Befinden, doch nie planlos, verändert, bis im 13. Jahr-
hundert derBegritf des Familienwappens sich fixiert hatte;
aber selbst dann noch wurden Änderungen oder Ver-
tauschungen vorgenommen, z. B. wenn die Familie sich
in verschiedene Zweige spaltete oder, wie nicht selten,
bei Besitzwechsel auch den Namen änderte.
Alle j(me schön ausgeschmückten Berichte über
„Konferierung" von Wappen, oft mit erstaunlicher Detail-
malerei, sind ausnahmslos Erfindungen ehier späteren
Zeit, welche alles auf die erst im 15. Jahrhundeit alhnählig
sich entwickelnden Verhältnisse des Briefadels l)asierte.
Es war das jene Zeit der mehr und mehr verzopfenden
Heroldsämter, der Magister und Doktoren der AVeltweis-
lieit mit ihren ungeheuerlichen Entdeckungen auf dem
Gebiete der Genealogie, wo Männer von anscheinend stu-
pender Gelahrtheit die freie Kunst der Heraldik \'öllig dis-
kreditierten, sie in das Prokrustesbett verwickelter, klein-
licher, rein äusserlicher Schulregehi spannten, dabei jedoch
nie um die |)liantasievollsten Erklärungen vcn'legen Mai'on.
Nur in solcher Zeit, wo jedes kulturhistorische Verstand-
54 R- Freiherr von Maiisberg:
nis abhanden gekommen war. konnte den Erfindnngen
eines Crantzius, Stella nnd anderer Geschichtsfälscher
Glauben beigemessen werden, konnte eine Sammlung von
Absurditäten, wie Rüxners Tiirnierbuch, entstehen. Zwar
sind manche der dem Mittelalter imputierten Wappen-
sagen nicht ohne romantischen Reiz und haben oftmals
einen willkommenen Vorwurf für die bildende Kunst ge-
liefert, aber sie bleiben Sagen und eben nur Sagen, die
besser verschwinden sollten, um den wahren Hergang
nicht länger zu verschleiern. Den Verlust an Romantik
brauchen wir um so weniger zu beklagen, als ja das
Mittelalter daran überreich ist.
Nachdem der Begriif des FamilienAvappens sich fixiert
hatte, konnte naturgemäss erst durch Übertragung der
eines Herrschafts- oder Landeswappens sich bilden, von
dem man daher füglicli nicht vor Ausgang des 13. Jahr-
hunderts reden kann. Erst wenn der durch Vererbung
in ein mid demselben Hause konstatierte dauernde Besitz
eines Schlosses mit dem dazu gehörigen Geliiet und das
ebenso unverändert beibehaltene Wappen beide Dinge
als zwei gewissermassen zusammengehörige Begritfe er-
scheinen liessen, konnte eins das andere symbolisieren.
Bei der migemeinen Flüssigkeit und Beweglichkeit des
Territorialbesitzes im 13. und selbst noch im 14. Jahr-
hundert ist dies ein wohl zu beachtender Punkt, und
stände es nur zu wünschen, dass man in späterer Zeit
bei Feststellung eines Landeswappens einer grösseren
Konsequenz sich befleissigt hätte. Statt auf den ersten
dauernden Besitz einei' durcli erbliches Wappen bereits
kenntlichen Familie im 13. Jahrhundert zurück zu gehen.
hat man häufig, insbesondere bei Anfällen durch Erb-
schaft, den Schild desjenigen Geschlechts als Herrschafts-
wappen betrachtet, welches im jeweiligen Besitz un-
mittelbar vor der eigenen Erwerbung sich befand, damit
jedoch die Aufgabe des Historikers sehr erschwert. Noch
melu' aber haben die Begriffe sich verwirrt durch das
immer zunehmende Gefallen an äusserem Prunk und
an Titeln, welche ohne historischen Rechtsgrund ein
Prätensions Wappen dokumentieren sollte. Nichtsdesto-
weniger steht der Begriif des Anspruchswappens häufig
auf völlig legalem Boden ; nicht selten war es das Einzige,
was die Erinnerung an ein dem betreffenden Hause zu-
gefügtes schweres Unrecht auch äusserlich bewahrte.
Bei dem zu allen Zeiten im deutschen Volke leben-
Das Wappen des Kurfürstenthuins Sachsen etc. 55
digen Eeclitsgefühl hat die reclitliclie Bedeutimg der
Wappen, nachdem sie einmal entstanden, sehr schnell
sich fixiert und im 14. Jahrhundert bereits zu lebhaften
Streitigkeiten, selbst zu blutigen Fehden geführt, wie
sich urkundlich konstatieren lässt. Damit steht die eigen-
thümliche Erscheinung im Zusammenhang, dass sehr früh
schon der Begriff eines Amtswappens sich entwickelte.
Insbesondere waren es die hohen richterlichen Würden
eines Pfalzgrafen oder Burggrafen, später die einzelnen
bevorzugten Fürsten verliehenen Reichserzämter, w^elche
man als direkten Ausfluss dei- Souveränität des Reichs-
oberhauptes auch äusserlich schon bemerkbar zu machen
sich bestrebte. Dies Streben wurde die erste Ursache
zui- Vereinigung von zwei Wappen in einem Schilde,
doch geschah dies zuerst in ganz anderer Weise, als es
später üblich wurde; man legte beide Schilder auf ein-
ander und entfernte dann von jedem soviel, dass die
Schildesfiguren beider noch deutlich erkennbar blieben.
Das erste bekannte Beispiel einer solchen Vereinigung
zeigt das Siegel eines Wettiner Fürsten vom Jahi-e 1206,
das des Grafen Dietrich genannt von Sommersenburg,
Sohn des Dedo von Rochlitz und Groitzsch^).
Viel später erst kommen die quadrierten Schilde auf,
und ist es in dieser Beziehung erwähnenswerth, dass die
gegen Mitte des 14. Jahrhunderts angelegte Züricher
Wappenrolle unter 587 Wappen nur ein einziges ent-
hält, das im quadrierten Schilde die Vereinigung zweier
Wappen (hier von Castilien und Leon) zeigt. Zwar
haben mehrfach Glieder des hohen Adels schon im
14. Jahrhundert neben dem eigentlichen Familienwappen
noch andere Schilde zur Bekundung der Landeshoheit
(und selbst der Lehenshoheit) über neu erworbene Ge-
biete angenommen und auf Siegeln geführt; dieselben
sind jedoch nur sphragistisch , nie heraldisch vereinigt,
ebenso behält auf allen Denkmälern oder sonstigen Er-
zeugnissen der Skulptur und Malerei jeder Schild einzehi
für sich seine Form und Jk'deutung. Erst die Spät-
renaissance, das beginnende Barocco, hat hier etwas
Neues, aber nichts Schönes hervorgebracht, indem es
Mode wui'de. eine grössere Zahl von Wappen in einem
grossen unförmlichen Schilde zu vereinigen. In den
') Au Oiiginal No. 154 des Königl. llanpt- Staatsarchivs zu
Dresden (künftig zitiert als HStA.).
56 R- Freiherr von Mansberg:
Sieg-eln Wettiner Fürsten ist diese Mode zuerst kurz
vor Mitte des 16. Jahrhunderts durch Herzog Heinrich
den Frommen und seine Söhne zum Ausdruck gebracht'^).
Dass man eine solche Anordnung weder vom künstle-
rischen noch vom wissenschaftlichen Standpunkte aus
gutheissen kann, liegt auf der Hand. Zwar die soge-
nannten quadrierten Schilde, also vier, oder mit Hinzu-
rechnung eines Herzschildes fünf Plätze kann man noch
gelten lassen; stellt man jedoch drei oder mein- Wappen
in eine Horizontalreihe und sodann mehrere solcher
Horizontalreihen über einander, so wird das Verhältnis
der Dimensionen ein ganz unnatürliches. Die ursprüng-
liche Verzierung der, Schilde, die Wurzel der Heraldik,
konnte nur Bezug nehmen auf eine Fläche von melir
oder Avenig abgerundet dreieckiger Form, bei welcher
die Höhe nicht unerheblich die Breite übertraf, und auf
Grundlage dieses Verhältnisses sind alle Schildesfiguren
entstanden. Wird nun durch die obige Anordnung das
Verhältnis von Höhe zu Breite umgekehrt, sollen die
auf ein höher, als breites Dreieck berechneten Figuren
nunmehr einem länglichen, niedrigen Viereck angepasst
werden, so müssen viele thatsächlich zu Karrikaturen
und ihre Bedeutung in hohem Masse beeinträchtigt
werden.
Unter gehöriger Berücksichtigung dieses nicht weg-
zuleugnenden Übelstandes in jedem speziellen Falle könnten
immerhin die grossen Wappenschilde der Regenten des
18. Jahrhunderts in gewissem Sinne mit historisch-topo-
graphischen Karten verglichen werden, weil sie meistens
bei annähernder Vollständigkeit die verschiedenen Ge-
biete repräsentieren, welche im Laufe der Jahrhunderte
unter einem Scepter vereinigt wurden; und so mag denn
auch unserer Betrachtung jenes farbenprächtige Bild des
Kurfürstenthums Sachsen aus der Mitte des vorigen
Jahrhunderts zu Grunde gelegt werden').
^) Allerdings kommt schon 1532 ein solcher zusammengesetzter
Schild im kleinen Sekretsiegel des Kurfürsten Johann Friedrich vor,
doch ist dessen Staatssiegel noch von der älteren Form der grossen
Eeitersiegel, die einzelnen Schilde theils auf dem Siegelfelde (am
Pferde), theils ringsum im kreisförmigen Rand. HStA. No. 10666,
10697, 10712, 10 716 a.
*) Unsere Alibilduug ist entnommen dem „Wappenkalendei- der
durchleuchtigeu Welt" von 1748. Vgl. auch 0. T. v. Hefner,
Das Wappenbuch weyland Siebmachers Bd. 1 , Taf. 23—31 , Er-
läuterungen S. 17 flg.
Das Wappen des Kxirfürsteiithnms Sachsen etc. 57
Das grosse kiirfüistliclie StaatsAvappen bildete eine
Zusammenstellimg von 25 einzelnen Schildern auf 2(1
gleich grossen Plätzen, indem der sogenannte Herz-
schild einen Raum von zwei Plätzen einnahm. Auf oder
über dem grossen Schilde befanden sich zehn Kleinod-
helme, welche man von der Mitte aus, abwechselnd nach
rechts und nach links fortschreitend, bezeichnete. Die
Anordnung der einzelnen Schilde hatte im Allgemeinen
nach dem Prinzip stattgefunden, dass Titel und Rang
der durch sie sj'mbolisierten Länder für die Placierung
massgebend war, indem die Bedeutung der Plätze in
jedem zusammengesetzten Wappen von rechts nach links
und von oben nach unten bemessen wurde. Den in
seiner Bedeutung am höchsten stehenden Herzschild
hatte man aus ästhetischen Gründen in die nahezu geo-
metrische Mitte gerückt. Der genaueren Beschreibung
überhebt uns das beigefügte Schema.
Da es im vorliegenden Fall auf die historisch-topo-
graphische Bedeutung der einzelnen Wappen ankommt,
so können wir der obigen i^nordnung nicht folgen, müssen
vielmehr eine Trennung nach den Landschaften vor-
nehmen und sodann die dahin gehörigen Wappen in mög-
lichst chronologischer d. h. durch die Zeit ihrer An-
oder Aufnahme vom Herrscherhause bestimmten Folge
und mit Berücksichtigung der Dynastie, welche sie ur-
sprünglich führte, besprechen. Sieht man vom schliess-
lich besonders zu erwähnenden Regalienschild (No. 24)
ab, so vertheilen sich obige 24 Wappen nach den Land-
schaften folgendermassen :
Osterlaiul und Meissen:
Eigentliclies Stainiinvappcii der Markgrafen des Hauses Wcttiii,
erscheint zuerst 1196, versclnvindet 1265, wieder aulgeuDunueu
13.51 (No. 15).
Markg'rafthum Meissen, entstanden 1265 (No. 3).
Clraf Schaft Brena, aufgenoninien 1425 aus dem askanischen Schild.
entstanden vor 1242 (Mo. 19).
Pleissneriand, geschalten und aufgenoumien vor 1525 (No. 16).
Burggi'afthuni Altenhurg, aufgenonuncn vor 1525, entstanden
Ende des 12. Jahrlntnderts (No. 20).
Tiiüriiigoii:
Landgrafthum, aufgenommen 1265, zuer.st nachweishar 1197 (No. 1).
Grafschaft Orlamünde (Weimar), aufgenommen 1351, entstanden
nach 1206 (No. 17).
Eisenberg, aufgenommen 1525 nach einer sonderbaren Änderung
des Schihles der Eurggrafeu von Altenherg (Xirchberg), vor-
kommend Anfang des 14. Jahrhunderts (No. 21).
58 i^- Freiherr von Mansberg:
Gefürstete CTi-alschaft Henneberg, offiziell im Staatssiegel auf-
genommen erst 1660. nl)wohl schon vorbei' von einigen Herzögen
von Sachsen geführt seit l."83, entstanden schon im 12. Jahr-
hundert (No. 25).
Sachseii-Wittenber
o» •
A s k a n i s c h - s ä c h s i s c h e s AV a j) p e n , aufgenommen 1425. ent-
standen 1261 (Xo. 2).
Erzmarschallamt (Kurfürstenthum) , aiifgenommen 1425, ent-
standen 1375 (No. 8, 11).
Burggrafthum Magdeburg, geführt von 1261 bis 1298, wieder auf-
genommen nach 1535, entstanden im 18. Jahrhundert (No. 18).
CTrafschaft Barby, aufgenommen nach 1659, entstanden vielleicht erst
um diesell)e Zeit, nach einigen schon 1497 (No. 26),
Pfalzarrafthum in Saclisen:
Pfalzsachsen, aufgenommen 1425, entstanden im 12. Jahrhundert
(^0. 10).
Pfalzthüringen, eigentlich ganz dasselbe wie das vorige, aber
von einzelnen Landgrafen schon früher als 1425 geführt ("1288
und 1406) fNo. 12).
Sachsen-Laueiiburg :
In dem Schilde der Herzöge zu Lauenl)urg sind die Wappen von
Pfalzsachsen und Brena als Embleme den mythischen Herzog-
thümern Westfalen und Engern octroyiert, aufgenommen
1689 (No. 7, 9).
Beanspruchte Lande:
Die Herzogthümer Jülich, Cleve und Berg, die Grafschaften
Ravensberg und Mark, aufgenommen als Anspruchswappen
nach 1609 (No. 4, 5, 6. 22, 23).
Lausitz :
Markgrafthum Niederlausitz, aufgenommen nach 1635. ent-
standen im 14. Jahrhundert.
Markgrafthum Ober lau sitz, aufgenommen nach 1635, entstanden
im 14, Jahrhundert.
Ein volles Jahrtausend ist nunmehr entschwunden
seit jenen Tagen, da das Licht des Christenthums mit
der germanischen Kultur aufging in dem Gebiet der
Sorben und Siusler zwischen Saale und Mulde, da die
mühsame Abwehr der immer weiter nach Westen sich
wälzenden slavischen Völkerfluthen überging in einen
planmässigen Angriff, in deutsche Eroberung, um schliess-
lich das slavische Element bis dahin zurückzudrängen,
woher es gekommen, bis an die fernen Gestade der
Weichsel. Im Jahre 839 geschieht zum ersten Male des
ducatus TJiorinfjubae cum mardiis suis Erwähnung, und
zehn Jahre später, 849, tiitt der Name Ihnes Sorabiciis
Das Wappen des Kurfürsteiithums Sachsen etc. 59
in der Geschichte auf ^). Die Ausrüstung der Gaug-rafen
an der feindlichen Grenze mit besonderer Kriegs- und
anderer Macht, die sich im Titel eines Herzogs des
Limes Sorahicus ausspricht, ermöglichte nach entscheiden-
den heissen Kämpfen die feste Begi'ündung deutscher
Herrschaft in dieser östlichen Mark des Reiches, doch
erlosch der Ducat mit dem Tode des Herzogs Burchard
908, die Unterwerfung der Slaven zwischen Saale und
Mulde scheint vollzogen gewesen zu sein, Thüringen mit
seinen Marken ward wieder der Botmässigkeit des Her-
zogs der Sachsen unterworfen. Allein mit der einmal
begonnenen und planmässig immer Aveiter betriebenen
Bekehrung zum Christenthum ging eine weitere politische
Unterwerfung und Einverleibung an der nach Osten sich
hinausschiebenden Grenze Hand in Hand; wie der
Bischof mit seiner geistlichen Pflanzung, so rückte der
Gau- oder Markgraf mit seinem limes nach Osten vor.
Die Merseburger und die Zeitzer Mark, später also be-
nannt nach den hier gegründeten Bisthümern, hörten
bald auf, die Ostmark des Reiches zu sein, seit die ge-
waltigen Könige der Deutschen, Heinrich I. und Otto I..
im 10. Jahrhundert theils persönlich, theils durch aus-
erwählte tüchtige Männer die Eroberungen bis an die
Elbe und selbst darüber hinaus zu erweitern wussten
und hier im Lande der Dalaminzier und Milzenen die
Mark Meissen gründeten, neben der nördlich wohl hun-
dert Jahre später im Lande der Liutitier jene Mark er-
scheint, auf welche anfangs der frühere Name der Ost-
mark sich übertrug, bis sie viel später den Namen der
Lausitz erhielt. Der Begriff des Osterlandes umfasste
noch 1183 Meissen und die Niederlausitz, allein im
13. Jahrhundert wird der Begrift' auf jenes Gebiet zwi-
schen Saale, Elbe und Mulde beschränkt, welches nach
dem im 12. Jahrhundert von Markgraf Diezmann er-
bauten Schlosse^) auch Avohl die Mark Landsberg
genannt wurde, in der Hauptsaclie der Libegriif der alten
Merseburger Mark. Diese Mark hat man dann später
das nördliche oder eigentliche Osterland genannt, nach-
dem im Laufe des 14. Jahrhundei-ts aucli die B)egriffe
des Pleissnerlandes und des Vogtlandes in dem des Oster-
landes aufgegangen waren.
♦) Zuerst Ann. Fnldenses a. a. 849 (Mon. Gcrra. hist. SS. I, .^Bfi).
*) Chron. M. Ser. (Mencke II, 201): Cnstrum etiam quod Lan-
disberg dicitur construxit.
60 R- Freiherr von Mansberg.
In der Merseburger Mark stand die Wiege unseres
Königshauses. Wie und wann die ursprünglichen Stamm-
besitzungen sich gebiklet. wie durch kaiserliche Gunst
oder Vermittlung, durch das Schwert oder durch Kauf
uud Erbschaft alles sich zusammenfügte, wie dann Bene-
iizialgut mit dem Patrimonium verschmolz, über das
alles fehlt uns im Dunkel der Vorgeschichte der exakte
Nachweis, aber thatsächlich sehen wir schon im 11. Jahr-
hundert ein und dasselbe Haus in dem erblichen Besitz
eines ausgedehnten Territoriums im Osterlande , das mit
seinen Burgen und dem dazu gehörigen Gebiet, wie
Zörbig-, Eilenburg, Brena, AVettin, Camburg, Weissen-
fels, im 12. Jahrhundert einzelne Glieder unter ebenso
vielen verschiedenen Namen erscheinen lässt. Nur an
die Sprösslinge eines so angesehenen und gerade in den
betrettenden Gauen bereits reich begüterten Geschlechts
pflegte der Kaiser die höchsten richterlichen Würden
und die Befehlshaberstellen zum Schutze der Reichs-
grenzen zu verleihen, und so sehen wir denn auch im
11. Jahrhundert schon einzelne Glieder dieses edlen
osterländischen Hauses mit der markgräflichen Würde
bekleidet, hides erst nach dem Zusammenbruch der aus-
gedehnten Macht des comef provincialifi Hermann von
Winzenburg erscheinen die östlichen Marken in einem
von da an ununterbrochenen erblichen Besitz des Hauses,
als dessen Gründer man gewohnt ist den Markgrafen
zu betrachten, den die Geschichte Konrad den Grossen
genannt hat**).
Markgraf Konrad hat noch kein eigentliches Wappen
geführt, ja selbst von seinen sechs Söhnen ist keines
bekannt geworden. Allerdings zeigen Siegel Otto des
Reichen, deren über 720 Jahr alte Originalstanze durch
merkwürdigen Zufall im vorigen Jahrhundert gefunden
wurde ''), bereits eine Verzierung des grossen (norman-
nischen) Schildes, die den Ursprung des Wettiner AVappens
klar genug andeutet: es zeigen sich auf der allein sicht-
baren linken Seite des Schildes zwischen Rand und
^) Für die ältere Geschichte des Hauses Wettin vergl. nament-
lich Posse, Die Markgrafen von Meissen und das Haus "Wettin bis
zu Kourad dem Grossen. Leipzig 1881. 8".
') Am rotlien Thurm hei Halle, jetzt in der von Ponickauschen
Bibliothek daselbst beündlith. Geprägt sind mit dieser Stanze zAvei
Siegel an den Originalen Nö,67 u, 90 (HStA.) vom Jahre 1161 u. 1185.
Das Wappen des Kixifürsteiithums Sachsen etc. 61
Nabel deutlich die Pfähle. Unzweifelhaft ist aus dieser
Art der Schildesverzieruug das bereits 119G auf einem
Reitersiegel an einer Urkunde*) Dietrich des Bedrängten
(Otto des Eeichen Sohn) getüln-te Wappen entstanden.
Wie bei allen Theilungen und Spaltungen der Schilde
war die Zahl der Theilungslinien anfänglich keine fest-
stehende; so sind auf jenem ersten uns bekannten Siegel
8 Pfähle, auf einem anderen vom Jahre 1200 dagegen
9 Pfähle im Schilde angebracht. Erst seit dem Jahre 1205
scheint man die Zahl der Pfähle dauernd auf zwei be-
schränkt zu ]ia])en, wie sie Heinrich der Erlauchte stets
bis zum letzten Drittel des 13. Jahrhunderts im Schilde
geführt hat**). Obschon einzelne Glieder der von Kon-
rads jüngeren Söhnen ausgegangenen Zweige des Hauses
AVettin auch andere Schildesfiguren adoptiert haben, so
war und blieb doch der einmal als Wappen erkorene
gespaltene Schild thatsächlich das ehizige und eigentliche
Wappen dei' markgräflichen Hauptlinie des Hauses Wettin,
er ist dementsprechend mit durchaus historischer Be-
rechtigung zum Sinnbild des Stammljesitzes, zum Wapjien
des alten Osterlandes geworden und würde in logischer
Polge für unsere Zeit das AVap])en der Ivreishauptmann-
schaft Leipzig darstellen.
Die Zahl der uns überkommenen eigentlichen Wappen-
siegel aus dem 12. Jahrhundert ist verschwindend klein,
es sind ihrer kaum dreissig bis jetzt in Deutschland be-
kannt geworden^"). Nicht ohne Ehrfurcht vermögen wir
daher den durch Alter wie durch Ruhm seiner Träger
gleich ehrwürdigen Schild der Wettiner zu l)etrachten,
dessen Erinnerung unser Königshaus noch heute in den
sogenannten königlichen Hausfarben bewahrt, der in die
Wappen der drei Hauptstädte Dresden, Leipzig, Chemnitz
übergegangen ist, freilich mit seinen riclitigen Farben
nur bei Leipzig, der alten osteriändischen Stadt.
Als der erhiuchte Heiiiricli nach langem, schwerem
Erbfolgekriege in den Besitz des Landgrafthums "^Chü-
«) HStA. Ulis-. No. 112, 124, 125, 129.
•) Eine gnt ausgeführte Aliljütlun": zweier Siegel lleinricli des
Erlauchten vom .Jahre 1^2ö und 124H giel)t Hörn, Histoiische Hand-
hihliothek von Sachsen, VlII.
'") Bckiniiit sind die öffentlichen Recherchen nncli solchen seltenen
Siegeln z. B. in dem Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit,
von Seiten des um die wissenschaftliche Beliandlung (U>r Heraldik
hochverdienten Dr. Friedrich K.arl Fürst zu Hidienlohe-Waldenljuig.
62 R- Freiherr von Mansberg:
ringen gelangt war, hat er den bisherigen markgräflichen
Schild mit dem an Bedeutung höher stehenden landgräf-
lichen vertauscht, hat das Thüringer Wappenbild an-
genommen, da es noch nicht gewöhnlich war, zwei Wappen
zu einem zu vereinigend^). Allein bei der bald darauf
von ihm vorgenommenen Theilung seiner weitausgedehnten
Lande hat Heinrich ganz im Sinne der Zeit die Farben
des Schildes verändert. Während der in den westlichen
Gebietstheilen , im eigentlichen Thüringen , durch den
ältesten Sohn Albert zu begründende Zweig ganz sach-
gemäss das Thüringer Wappen unverändert beibehielt,
ist für die in den östlichen Gebietstheilen, Meissen und
Osterland, gestiftete Linie jenes Wappen mit einem
Beizeichen angenommen, welches Beizeichen in diesem
Falle in einer Änderung der Farben gefunden wurde.
So entstand etwa im Jahre 1265 der schwarze Löwe im
goldenen Felde, der nachgehends zum Bilde des Mark-
grafthums Meissen ward. Der Meissner Löwe ist mit-
hin keine ursprüngliche Schildesfigur, ist der Thüringer
Löwe mit veränderten Farben ^'^).
Das alte Helmkleinod jedoch behielten Heinrich und
seine Nachkommen in den Marken bis zur Mitte des
14. Jahrhunderts unverändert bei, während die in Thü-
ringen selbst herrschenden Wettiner Fürsten das Thü-
ringer Kleinod auf ihren Helmen geführt haben. Jene
alte Wettiner Helmzier ^^) ist von ganz eigenthümlicher
Art, sie stellt sich als hoher litterlicher Hut (Chaperon)
oder auch als Stange dar, die in einem Pfauenfederbusch
endigt und seitwärts mit drei Paar (silbernen) Lätzen
behangen ist. So findet sich das Kleinod auf den Siegeln,
so ist es farbig (roth) in der Züricher Wappenrolle dar-
gestellt, so wird es poetisch beschrieben im Turnet von
") Ausser dein erwähnten einzelnen Falle des Grafen Dedo
gen. von Sommersenburg hat kein Wettiner vor Mitte des 14. Jahr-
hunderts mehr als ein Wappen gleichzeitig geführt, auch keine
Vereinigung solcher, selbst nicht sphragistisch, vorgenommen.
' *) Die Mittheilung, ob solche Folgerung auf Grund sphragisti-
schen Materials schon anderweit veröffentlicht, würde den Verfasser
dieses zu Dank verpfli(;hten.
'*) Weil einige Glieder des dynastischen Hauses, welches sich
nach Lobdaburg, Leuchtenburg, Arnshaug , Elsterberg nannte, eine
ähnliche Helmzier geführt haben, so haben manche den Helm Hein-
rich des Erlauchten in sonderbarem Anachronismus den Arnshaugschen
genannt, da doch erst die andere Gemahlin seines Enkels Friedrich
eine Edle von Lobdaburg-Arnshaug war.
Das Wappen rles Kwftirstenthums Sachsen etc. 63
Nantlieyz des Konrad von Würzburg ' ^). Als jedoch auf
dem berühmten Fürstentage zu Budissin im Februar des
Jahres 13öU^*) Kaiser Karl IV. den Söhnen des kurz
zuvor verblichenen ernsthaften Friedrich alle in ihren
Landen ansässigen Juden, „des heiligen Römischen Reichs
Kammerknechte", nebst den bisher von ihnen dem Kaiser
und Reiche zu leistenden Diensten und zu zahlenden Ab-
gaben verlieh und sie mit dem Schutze derselben beauf-
tragte, da nahmen die fürstlichen Brüder eine diese aus-
nahmsweise Gerechtsame symbolisierende Helmzier, das
bärtige Rumpf kleinod, an, dessen Bedeutung sich bis auf
den heutigen Tag noch in der Bezeichnung „Meissner
Judenkopf"' erhalten hat^").
Zm: selben Stunde jedoch, wo der alte Wettiner
Helm verschwand, ist der Schild wieder in Aufnahme
gelangt mid seitdem beibehalten, wenn man ihn auch
später nicht an den gebührenden Ehrenplatz gestellt hat.
Da derselbe seine historisch -topographische Bedeutung
IQ gewissem Sinne verloren hatte, seitdem das Osterland
bei der Theilung der albertinischen und ernestinischen
Linie völlig zerissen war, so ist er später nicht mehr als das
markgräflich osterländische Wappen angesprochen, sondern
'*) Herausgegeben von H. F. Mass mann, Denkmäler deut-
scher Sprache und Literatur I, 142 (v. 75—78):
Der margrave iizer Mishenlant
Kam da alsam die werden tuont,
Ein Stange uf sime Uelme stuonf
Rieh von pfatven vederin,
Daz kleinot edel nnde fin
Sack man do verre glesten,
Den Stil biz an die questen
Nach lioher tvirde solde
Beivunden ivas mit golde
En-mitten ging daruemme
Ein schibe, die mit kruemme
Die lichten stangen do hesloz.
Von Silber loas sie niergen bloz,
Wann sie verdecket was do mite.
Vergl. meinen Aufsatz in der Avissenschaftl. Beilage zur Leipziger
Zeitung 1884, No. 9n, 9H.
'*) Die Urkunde vom 6. Februar 1350, auszüglich bei Hörn,
Friedrich der Streitbare, 389 Note b. Eine Abschrift im llStA.
No. 3208.
'») Vergl. zuletzt Friedrich Karl Fürst zu lldlicnlohe-Walileii-
burg in den Mittheilunyen des N'ereins für Geschichte der Stadt
Meissen, 3, 20 flg.
64 R- Freiherr von Mans1)erg:
man hat ihn nnr noch schlicht als Wappen des Fürsten-
timms oder gar nur der Herrschaft Lands!) erg be-
zeichnet. Wenn wir auch nicht die vielfach ausgesprochene
Ansicht theilen können, dass man das ältere Markgi^af-
thum mit Fleiss habe heruntersetzen wollen, um Meissen
desto mehr zu erheben und diesem allein die mai'kgräf-
liche Würde vorzubehalten, so lässt sich doch nicht ver-
kennen, dass der Schild schon als altes eigentliches
Familienwappen des Fürstenhauses keinen untergeord-
neten, sondern den Ehrenplatz verdient hätte. Nur der
unvergleichliche Kurfürst August hat «eine Ausnahme
gemacht und pietätvoll dem Scliild seiner Ahnen eine
würdige Stelle angewiesen ; er findet sich auf seinen
Siegeln oben in der ersten Reihe neben dem von Thü-
ringen und Meissen^'). Lediglich in den verzopften
Heroldsämtern der späteren Zeit, denen historisches
Verständnis abhanden gekommen war, Avird wohl die
wahre Ursache für die unbedingt zu tadelnde Placierung
des Scliildes an den 15. Platz im grossen Wappen zu
suchen sein.
Der Grund der Wiederaufnahme des alten Familien-
schildes durch die fürstlichen Brüder im Jahre 1351 ist
ein sehr nahe liegender. Schon war es üblich geworden,
bei Erwerbung wichtigen neuen Besitzes diesem durch
Aufnahme des Wappens auf dem Siegelfelde Ausdruck
zu verleihen, die alten Stammbesitzungen aber waren in
der That kurz zuvor erst aufs neue d. h. zurück er-
worben. Seit dem im Jahre 1291 erfolgten Tode des
Markgrafen Friedrich Tutta war bekanntlich der alte
Stammbesitz in fremde Hände gerathen. Erst Landgraf
Friedrich der Ernsthafte konnte 1347 die Stammburg
Landsberg mit zugehörigem Gebiet wieder kaufen vom
Herzog Magnus von Braunschweig, der sie durch seine
Gemahlin als Allodialerbe der askanischen Markgrafen
von Brandenburg erworben hatte; an Fiiedrichs Söhne
gelangte dann 1350 das alienierte Burggrafthum Zörbig
zurück, aber erst 1402 hat Markgraf Wilhelm endlich
auch die Grafschaft Eilenburg aufs neue dem Hause
Wettin erworben.
Noch ein anderes altes wettinisches Wappen findet sich
") Im HStA. mehrere solcher Siegel, z. B. an No. 11336 a-,
(loch hat auch Herzog Moritz vor Erlaiigmig der Kurwürde den
Schild ebenso placiert, ebenda No. 11019.
Das Wappen des Kmfürstenthnms Sachsen etc. 65
in unserem Hcliilde, das auch einen alten Stammbesitz
repräsentiert, der gleichfalls und zwar auf lange Zeit in
fremde Hände geratlien war, bis er durch eigenthüniliche
Fügung des Schicksals nach 135 Jahren an die Nach-
kommen der ursprünglichen Besitzer zurückgelangen
sollte. Die Grafschaft Brena hatte bei der Theilung
unter Konrad des Grossen Söhnen Friedrich, der jüngste,
erhalten, und bei dem durch ihn begründeten Zweig des
Hauses Wettin ist dieser Stammbesitz fünf Generationen
hindurch geblieben; allein nach dem Tode Ottos, des
letzten Grafen von Brena, betrachtete König Rudolf
dessen Hinterlassenschaft als erledigtes Reichslehen, das
er im Jahr 1290 seinem Schwiegersohn, Herzog Albert II.
von Sachsen -Wittenberg,' verlieh. Erst nach dem Er-
löschen des askanischen Stammes zu Wittenberg sollte
dem streitbaren Friedrich mit dem Herzogthum Sachsen
auch das alienierte Familiengut wieder zu theil werden ^ *).
Friedrich I., der Stifter der Linie zu Brena, scheint noch
kein Wappen geführt zu haben, ein Bildsiegel seines
gleichnamigen Sohnes vom Jahre 1208 ' **) zeigt ohne Schild
auf dem Siegelfelde einen Greifen, w^elches Fabelthier
bekanntlich das beliebte Symbol slavischer Fürsten war.
Die Ursache der Annahme einer solchen bei dem deut-
schen Adel ausserordentlich selten vorkommenden Schildes-
figur dürfte deshalb auf eiuen Zusammenhang mit den
Interessen und Landen slavischer Fürsten schliessen
lassen, und in der That brauchen wir im vorliegenden
Falle nicht weit zu suchen, denn die Mutter unseres
Grafen war eine Tochter des böhmischen Herzogs Die-
pold'-^"). Die beiden letzten Generationen der Grafen von
Brena haben jedoch ein anderes Wappen ado[)tiert, die
drei insofern bemerkenswerth gewordenen Seeblätter •''),
, "*) Aus einer Urkunde des röniiäclien Königs Albert I. d. d.
Nürnberg 2. Dezember 1298 (HStA. Orig. 1597) erfahren wir, dass
die CTralschsft J3rena eine sehr betrüchtliche Au.sdelinnng in Avost-
östlicher Richtung besass, denn es werden als dazu gehörig benannt
die Städte Brena, Bitterfeld, Jessen (Löften steht in der Urkunde,
vernnithlich ein Schreibfehlerj, Herzberg, Schliebeu, niitliin wurde
etwa die südliche Hälfte des kleinen Herzogthunis Sachsen, des
späteren Kurkreises, durch diesen alten Wettiner Besitz gebildet.
'») HStA. Urig. N(). 164, 17«, 199.
'■">) Vgl Voigtel-Cohn. Stanmitafeln I. Taf. 42, 59.
=") Siegel von 1242 bis 1288 im HStA. Orig. No. 380, ;581, 414,
685, 12-i6, woraus namentlich die Entstehung (ler cigenthümlichcn,
später h-rigerweise als Schröterhöj-ner und anderes erklärten Fi-
Neucs Archiv f S. C. ii. A. VI. l. 2.
6(3 R. Freiherr von Mansberg:
als sie später irrthümlicherweise zu einem Wappenbilde
des mj^thischen Herzogthums Engern gestempelt wurden.
Als Helmzier erscheint auf den Siegeln der Graten von
Brena sowohl ein mit Fähnlein bestecktes Hörnerkleinod,
wie einfache Stangen mit Pfauenspiegeln, welch' letztere
dann in Verbindung mit dem askanischen Hut die später
komponierte Helmzier für Eugern bilden mussten.
Mit Eücksicht auf die beinahe anderthalb Jahr-
Imnderte dauernde Vereinigung dei Grafschaft Brena
mit dem Herzogthum Sachsen hätte man ihr Wappen im
historisch- topographischen Sinne nicht von der Betracht-
mig der askanischen Herrschaften trennen dürfen, aber
es scheint auch nicht unberechtigt, dasselbe bei der Be-
sprechung wieder dahin zu weisen, woher es kam und
wohin es ursprünglich gehörte, zum alten Osterland.|
Zu diesem letzteren wurde seit dem Jalire 1382, als
die Brüder Balthasar und Wilhelm I. mit den beiden
hinterlassenen Söhnen ihres ältesten Bruders eine defini-
tive Theilung der wettinischen Lande vornahmen, auch
das Pleissnerland wie der den Vögten des Reichs
im sogenannten Vogtländischen Kriege 1354- — 57 ent-
rissene Theil des Vogtlandes gerechnet. Dieses nunmehr
südliches Osterland genannte Gebiet zwischen Saale und
Mulde, welches etwa dem alten Begriffe der Zeitzer
Mark entspricht, gelangte zu Anfang des 14. Jahrhun-
derts unter die Botmässigkeit des Hauses Wettin, nach-
dem es vorher schon längere Zeit als unterpfändlicher
Besitz angesehen worden war. Die Verhältnisse der
erhobenen Ansprüche wie der Besitznahme sind etwas
verwickelter Natur, ihre Detailerörterung würde uns hier
jedenfalls zu weit füliren'"), auch genügt es, sich der
Thatsache zu erinnern, dass die berühmte Schwaben-
schlacht bei Lucka im Jahre 1307 sowohl den Fort-
bestand des Hauses Wettin, wie auch das Schicksal des
Pleissnerlandes entschied. Schon im Juni 13(J8 giebt
sich Friedrich der Gebissene von Altenburg aus den
Titel Dominus terrae Plyznensis, den seine Nachkonnnen
bis zur Erwerbung der herzoglichen Würde von Sachsen
hin mid wieder gefülut haben. Zwar wurde noch von
guren allmählich aus der rein ornamental behandelten Form des
Blattes sich ergiebt.
*^) Vgl. namentlich von der Gabelentz in den Mittheilungen
der geschichts- und alterthumsfor sehenden Gesellschaft des Oster-
landes zu Altenburg, Bd. II, IV und VII.
Das "Wappen des Kurfürstenthums Sachsen etc. 67
König Heinrich VII. der Anspruch des Reichs auf
Wiedereinlösung- des Landes festgehalten, und auch
König Ludwig der Bayer versuchte seit 1316 wieder-
holentlich, sein Anrecht an das Land geltend zu machen,
allein beider Bemühungen blieben ohne wesentlichen Er-
folg. Im Jahre 1329 nach dem Erlöschen der burggräf-
lichen Dynastie zu Altenburg'-*) ward Markgraf Friedrich
der Ernste zu Pavia von seinem kaiserlichen Schwieger-
vater für sich und seine Nachkommen ausdrücklich mit
dem an das Reich gefallenen Burggrafenamte und den
dazu gehörigen ßeichsgütern belehnt; von einer Wieder-
emlösung des übrigen Reichsgutes ist nie mehr die Rede
gewesen.
Fast zweihundert Jahre nach dieser Erwerbimg
w^ard erst der Schild der ehemaligen Burggrafen von
Altenburg, die rothe Rose im silbernen Felde, in das
kurfürstliche Staatssiegel- ') aufgenommen und gleichzeitig
ein die Herrschaft im PI eis snerl an de symbolisieren-
des neu komponiertes Wappen, der gold- und silbergetheilte
LöAve im blauen Felde. Warum man dieses gerade so
und nicht anders bestimmte, ist nirgends urkundlich an-
gegeben, erst in späterer Zeit fabelte man von Grafen
von Pleissen, die nie existiert haben. Der Löwe war
bekanntermassen die beliebteste Schildesflgur in Thüringen
wie im Osterlande, ferner gold und blau (demnächst
schwarz) die dort bei Entstehung der Wappen am häu-
figsten gewählten Farben; es lag daher ganz nahe, hier-
auf bei Schalf'ung des neuen Wappens Rücksicht zu nehmen,
ebenso aber auch auf die Wappen der zu jener Zeit dort
existierenden edlen Geschlechter, es musste also ein noch
nicht vorhandenes Wappen geschaffen werden. Unzweifel-
haft haben Erwägungen in diesem Sinne die ganz eigen-
thümliche Bildung des Wappens bestimmt, das nunmehr
seit drei und einem halben Jalirhundert historische
Existenzberechtigung erlangt hat und füglich das Wappen
des in der Kreishauptmannschaft Zwickau vereinigten
ansehnlichen Restes vom alten Pleissnerland und Vogt-
land repräsentieren kann.
Wenden wir uns hienächst zu den westlichen Ge-
^') Über die Burggrafen von AlttMibui-g- vgl. Sammlung ver-
mischter Naclirichten zur Sachs. Gesch. li (1768), 81.
^*) Grosses schön gestochenes Reitersiegel des Kurfürsten Jüluum
vom Jahre 1525 im HStA. an Orig. No. 10506, 10625.
5*
(38 R. Freiherr von Mansberg:
bieten, so muss das als Thüilnger Löwe bekannte Wappen-
bild sogleich in die Augen fallen. Die saliscli-fränkischen
Grafen, von denen der dritte bekannte Ludwig im Jahre
lloU als Nachfolger des gestürzten Hermann von Winzen-
burg in Thüringen vom Kaiser bestallt wurde, sollen
auch in ihrem ursprünglichen Schild die fränkische Her-
kunft nicht verleugnet, d. h. die einfache Art der roth
und silbernen Schildestheilung, wie die meisten Grafen und
Herren in Franken, angenommen haben, die man noch
m Strichen auf den Schilden in älteren Siegeln erkennen
will ^^j. Erst Hermann I. hat die anscheinend der Landes-
sitte angepasste Wahl eines Löwen als Schildesfigur vor-
genommen , auf diesem Löwen aber das bisher geführte
Wappen angebracht. Nach der bisherigen allgemeinen
Annahme galt 1209 als Geburtsjahr dieses Löwen, indes
findet sich im hiesigen königlichen Staatsarchiv ein Siegel
Hermanns vom Jahre 1197, das bereits den Löwenschild
zeigt '^''). Die Landgrafen von Thüringen haben den
Löwen ungekrönt geführt, wie, abgesehen von den Siegeln,
ein in der Elisabethkirche zu Marburg bewahrter Original-
schild des 1241 verstorbenen Landgrafen Konrad^') kon-
statieren kann, jedoch ihre Erben, soAvohl das Haus Wettin
in Thüringen, wie das Haus Brabant in Hessen, haben
dem landgräflichen Löwen ein Krönlein aufgesetzt. In
den Siegeln Wettiner Fürsten erschemt dies Krönlein
zuerst 1351 ■^'^) als praktisch gewähltes Beizeichen, um
dort, wo keine Farben anzubringen waren, den Thüringer
vom Meissner Löwen sogleich unterscheiden zu können.
Wie dei- letztere aus dem ersteren, etwa ums Jahr 1265,
hervorgegangen ist, haben wü- schon oben erwähnt. Zu
bemerken bleibt, dass man die Balken oder Streifen des
thüringer Löwen seit 1492 auch auf den Siegeln durch
Striche angedeutet hat. Die Anzahl der rothen und
silbernen Balken war, wie bei allen solchen Schildes-
theilungen, anfangs keine konstante, nachgehends sind
gewöhnlich 4 rothe und 4 silberne in den sächsischen
Darstellungen angenommen, während man in Hessen
diese Zahlen um eins erhöhte. Das Anbringen der
Helmzier auf den Siegeln Avurde ein erst im Laufe
**) Vgl. (ralletti, Geschichte von Thüringen II, 159.
*«) HStA. Orig. No. 104.
^') Sehr gelungene Abhildnng (farbig) in v. Mayers heraldi-
schen Abcbuch und in Hefners Trachtenwerk.
*^) HStA. Orig. No. 4210, 5314.
Das Wappen de?? Kuifürstenthums Sachsen etc. 69
des 13. Jahrliuiulerts entstehender Gebrauch, der sich
noch m keinem Siegel der alten Landgrafen findet; erst
aus späterer Zeit wissen wir, dass sie ihren Helm mit
st.vlisierten Lindenzweigen schmückten, welche durch die
Ornamentik des Mittelalters zu kühn geschwungenen
mit goldenen Laubstengeln verzierten Hörnern wurden.
Über die staatsrechtliche Bedeutung des Landgraf-
thunis sind die Historiker noch keineswegs einerlei Mein-
ung"'^^). Ohne auf die Kontroverse einzugehen, bemerken
wir nur, dass das Landgrafthum ein vom König zu Lehen
gegebenes Stück seiner unmittelbaren Gerichtsgewalt
war, dessen Hauptzweck wohl Erhaltung des Land-
friedens in einem Gebiete sein sollte, wo kein Herzog
als Mittelglied zwischen Reichsgewalt und Grafenamt
stand. Diese zu Anfang des 12. Jahrluniderts aus Grün-
den innerer Reichspolitik neu geschaffene Institution
musste sich den Trümmern der alten Gauverfassung an-
schliessen, welche in das neu gebildete System der ge-
schlossenen Territorien liineinragten, mit der vollendeten
Ausbildung der letzteren jedoch verschwanden. Seitdem
es vielen Grundherren durch königliche Gunst oder durch
Benutzung der verworrenen Verhältnisse unter den letzten
Hohenstaufen gelungen war, für ihren grossen Besitz
Befreiung von der Grafengewalt zu erringen, gewisser-
massen Allodialgrafschaften zu bilden, in welchen die
Grafenrechte mit Rücksicht auf Besitz von Grund und
Boden gewährt waren, seitdem hatte sich die Ansicht
Bahn gebrochen, dass der Besitz der Grafenrechte über-
haupt von der Herrschaft über Land und Leute herzu-
leiten sei. Demgemäss suchten auch die kleineren Grnnd-
herren, sofern sie nicht die hohe Gerichtsbarkeit erlangen
konnten, doch die gräfliche Gerichtsbarkeit lediglich als
eine Beschwerde ihrer an und füi- sich reichsunmittel-
baren Territorien, als eine jurisdirfio pyovhuiaUs in
territor/o alicno aufzufassen. Wälu'end also von unten
d. h. von Seiten des dem Gei'ichtsbann des comes pro-
vinciol/s unterworfenen Dynasten fortwährend das Be-
streben sich geltend machte, darzntliun. dass in der be-
treifenden Gegend das Verhältnis der diesem Gerichts-
^') Vgl. insbesondere W. Frank, Die Landgrafscliaften des h.
r. Reichs, Braun srdiweig- 187a, und die diese Studie liekänijjfcnden
Beiträge des T)r. (iJustav Frhr. Schenk zu Schweinsl)e rg in
den Forschungen zur deutschen Cieschichte XVI (1876), 525 tlg.
70 R- Freiherr von Mansberg:
bann noch unterworfenen Niedergericlitslieiren jedenfalls
von aller Lelinsabhängigkeit oder Landsässigkeit frei
geblieben sei, zeigte sich von oben d. h. auf Seiten des
vom Kaiser eingesetzten comes provincialis naturgemäss
das Streben , nicht bloss die gerichtsherrlichen Eechte
festzuhalten, sondern dieselben zu einer immer grösseren
politischen Macht zu erweitern, wie er deren zur kräf-
tigen Wahrung des Landfriedens unbedingt bedui'fte.
Von äusseren Glücksumständen , namentlich aber vom
Gewicht der Persönlichkeiten, musste der Erfolg solcher
entgegenströmenden Bemühungen abhängen, daher auch
das Schicksal der verschiedenen Landgrafschaften des
heil. röm. Reichs eui sehr verschiedenes gewoixlen ist.
Bei der immer vollkommener ausgebildeten Territorial-
verfassung waren die Landgrafen schliesslich vor die
Alternative gestellt, entweder auf die Möglichkeit ein-
heitlicher energischer Massj-egeln zur Wahrung des Land-
friedens sowie auf die Gerichtsbarkeit in fremden Terri-
torien völlig zu verzichten, oder aber dort selbst Terri-
torialherren zu werden, indem sie sich die selbständigen
Grundherren lehnbar machten und deren Gebiet mit ihrem
ursprünglichen Landbesitz vereinigten. In vielen Fällen
hatte sich die Frage so zugespitzt, dass nur noch das
Schwert entscheiden konnte; und in Thüringen hat das
Schwert entschieden.
Seitdem das Landgrafthum in Thüringen mit der
Macht und Würde des markgräflichen Hauses Wettin
vereinigt war, konnte über das Resultat der obigen sich
bekämpfenden Strömungen kaum noch ein Zweifel sein.
Li jener Periode indes, wo der Kampf um die Hege-
monie zwischen dem Hause Witteisbach und dem mächtig
aufstrebenden der Luxemburger immer grössere Dimen-
sionen annahm, indem England und Niederland. Polen
und Ungarn die Partei Kaiser Ludwig des Bayern er-
griffen, während Franzosen und Italiener mit den Böhmen
sich einten, so dass der gigantische Kampf bald das ge-
samte Europa von einem Ende zum andern durchraste,
in solcher Zeit fanden die unzufriedenen Grafen und
Edlen des Thüringer Landes eine passende Gelegenheit,
gänzlich von der Botmässigkeit des Landgrafen sich zu
befreien. Von dem Erzbischof von Mainz geleitet, der
die aus längstvergangener Zeit sich schreiljenden An-
sprüche seines Erzstiftes nicht vergessen wollte, trat
eine weitverzweigte planmässige Verschwörung an das
Das Wappen des Kurfüi'stentbums Sachsen etc. 71
Licht des Tages, an deren Spitze die mächtigen Grafen
von Orlamünde standen. Friedrich, der ernsthafte Land-
graf, nur von der volkreichen Stadt Erfurt und einem
der Schwarzl)urger unterstützt, nahm ohne Zögern den
geworfenen Fehdeliandschuh auf und mit grimmigem Ernst
führte er den Kampf durch, den die Geschichte den
Thüringer Grafenkrieg heisst. Die rauchenden Ruinen
der verwüsteten Städte und Dörfer, die Trümmer der
gebrochenen Burgen wurden zum S^mibol für den Ruin
der Selbständigkeit des hohen Adels in Thüringen. Mit
rücksichtsloser Strenge traf des Landgrafen Zorn die
gedemüthigten Grafen und Edlen, vor allem wurde der
orlamündische Löwe für immer unschädlich gemacht.
Das von einem Sohne des grossen Askaniers, Al-
brecht des Bären, gestiftete Haus Orlamünde^^) war
im 13. Jahrhundert zum Haupterben der fränkischen
Lande, des letzten Herzogs von Meranien, geworden und
damit an Macht und iVnsehen gewaltig gestiegen. Mit
den Königshäusern Europas verschwägert, selbst aus
edlem fürstlichem Stamm und die nächsten Agnaten der
Herzöge von Sachsen und Lauenburg, der Markgrafen
von Brandenburg und der Fürsten von Anhalt, nannten
diese fürstlichen Grafen ein Gebiet ihr Eigen von der
Regnitz l)is zur Unstrut, das ganze Culmbacher Land,
das heutige Oberfürstenthum Schwarzburg zum grössten
Theil und ebenso Theile von Weimar und iVltenburg bis
vor die Thore von Erfurt umfassend. Die Chroniken-
schreiber jener Zeit nennen die Grafen praepotentes comites,
die allermächtigst en Grafen; doch all' diese Herrlichkeit
brach im thüringischen Grafenkriege zusammen wie ein
Kartenhaus. Die zu Weimar und Plassenburg herrschende
Linie musste sich als Vasallen dem Landgrafen unter-
werfen, um bald alh^r ilirer Lehen verlustig zu werden,
während die eigentliche Grafschaft Orlamünde schon
1344 (gegen eine Leibrente) an den Landgrafen ab-
getreten werden musste. Zwar blieb den Grafen noch
eine erkleckliche Zalil reichsunmittelbarer zerstreuter
Herrschaften, die jedoch alle nach und nach dem Land-
grafen von Thüiingen oder dem Burggrafen von Nürn-
berg für geringe Summen lehnl)ar gemaclit wurden, um
schliesslich in furchtbarster Geldnoth verschleudert zu
ä») V«l. C. C. Frhr. v. Reitzeustein, Kegesten der (irafeu
von Orlamünde, Baireuth 1871.
72 R- Freiherr von Maiisberg:
werden. Nicht ohne Wehmiith kann man den schnellen
Verfall dieses einst so mächtigen vornehmen Hauses ver-
folgen. Die Nachkommen der praepofentes comites ver-
mochten sich zu Anfang des 1.5. Jahrhunderts nicht mehr
gegen ihre israelitischen Gläubiger zu halten. Die Saal-
felder Juden Zachäus und Lucas wirkten im Jahre 1425
bei dem markgTäflichen Gerichte zu Weissenfeis ein
Executoriale an alle Gerichte aus wegen einer Schuld-
forderung von 4753 Gulden, kraft dessen die Herrschaft
Gräfenthal den Grafen gerichthch genommen und den
Juden eingeräumt wurde, worauf Kurfürst Friedrich der
Streitbare im folgenden Jahre die Herrschaft von „seinem
Juden Isaak zu Jena" um die genannte Summe an sich
brachte. Um weiteren gegen sie ergangenen Zwangs-
vollstreckungen zu entgehen, mussten die Grafen in
ganz kurzen Zwischenräumen den gesamten ihnen noch
gebliebenen Besitz verschleudern, theils an die Burg-
grafen von Nürnberg, theils au die Grafen von Gleichen
und die von Schwarzburg. Friedrich von Orlaraünde,
nicht mehr Fürst noch regierender Gi-af oder Herr, son-
dern einfacher brandenburgischer Beamter, starb im
Jahre 1486 als dei' Letzte seines einst so hoch stehen-
den Hauses, von dem nichts mehr zu erben war,
Dass die Landgrafen einen so ansehnlichen Gewinn
an politischem Ansehen, wie an ausgedehntem Güter-
besitz auch äusserlich zu bekunden strebten, darf uns
nicht auffallen; schon Friedrich der Ernsthafte nahm
den Titel eines Grafen von Orlamünde an, und auf den
Siegeln ^^) seiner Söhne erscheint 1351 der Löwe der
orlamündischen Grafen. Da aber dieser genau, selbst
in den Farben, mit dem meissuischen übereinstimmte, so
wurde als Beizeichen das Feld mit Blättern bestreut,
wie es auf den Siegeln bereits 1351 deutlich erkennbar
und seitdem so geblieben ist. Eigenthümlich ist dann
die Erscheinung, dass erst seit dieser Zeit auch einige
Glieder der depossedierten Familie gleichfalls jenes Bei-
zeichen annahmen ^^).
Das an den 21. Platz gestellte Wappen der Herr-
schaft Eisenberg hätte man bei Besprechung der oster-
ländischen Besitzungen erwähnen können, wenn diese
Tafelu.
»') HStA. Orig. No. 4210, 5314.
**) Vgl. die den Reitzen stein sehen Regesten angehängten
Das Wappen de.« Knrfürstentlmm.s Sachsen etc. 78
Bezeicliiiiuig eine riclitig-e wäre. Die Stadt Eisenberg
im Westkreis des heutigen Herzogthums Altenburg ge-
hörte zu altem wettinischen Stanmibesitz und hätte
als solcher keines l)esonderen Hervorhebens bedurft, da
sie unter dem Begriff des osterländischen Wappens
subsumiert werden konnte. Die sonderbare Bezeichnung
des fraglichen Schildes, den zuerst Kurfürst Johann der
Beständige in das grosse Staatssiegel aufnahm, ist olfen-
bar Pseudonym und anscheinend aus Rücksicht auf die
damals und bis 1799 noch florierenden Burggrafen von
Kirchberg gewählt, deren Besitzungen an der Saale un-
weit Eisenberg lagen. Ein Zweig derselben, die Burg-
grafen von Altenberg (häufig ÜTthümlicherweise
mit denen von Alten bürg verwechselt), erlosch im Jahre
1396 mit dem Burggrafen Dietrich, der drei Jahre vor
seinem Tode die Herrschaft oder, wie man hin und wie-
der auch sagte, das Burggraftlumi Altenberg dem Land-
grafen von Thüringen um 1500 Schock Freiberger Groschen
lehnspflichtig machte^''). Nachgehends ist dann das (h-
niininhi utile der Herrschaft als Lehnsbesitz im Wege
des Kaufs aus einer Hand in die andere gegangen. Die
Burggrafen von Altenberg, von denen sich einige, ver-
muthlich in Gemässheit cognatischer Ansprüche oder
vormundschaftlicher Rechte, auch Burggrafen von Orla-
münde nannten, führten einen geschachteten SchihP'), der
auf den Siegeln der Kurfürsten Johann und Johann
Eriedrich in einen gerauteten verwandelt ist'^^), in solcher
Form und mit der Bezeichnung „Eisenberg" auch in
einer zu Anfang des 18. Jahrhunderts sauber auf Perga-
ment ausgeführten Wappensammlung der königlichen
öffentlichen Bibliothek zu Dresden enthalten ist. Ganz
ähnlich und mit derselben Bezeichnung soll sich der
Schild^") auch in einem sächsischen Wappenbuch im
weimarischen Gesammt-Archiv befinden. Weshalb man
später aus dem geschachteten oder gerauteten Schilde
einen Balkenschild gemacht hat, ist nicht recht verständ-
*') Die bezügl. Urkunden gedruckt bei Hnrn, Friedrich der
Streitbare, 693.
*') liei tzenstein 1. c. giebt Tafel V No. 6 und 7 zwei Siegel
vom Jalire 1326-, das des letzten Jinrggrafcn von Altenberg bei Ave-
mann, Burggrafen von Kirchberg.
**) HStA. Kasten 249, 2n3 und 2nn. 2ÖK.
'"j Vgl. G. P. Hünn, Des Chur- und türstlidii'u lliiiiscs Surli^fn
Wappen und Geschlechts Untersuchung, 57.
74 E. Freiherr Yon Mansberg:
lieh, und kann als blosse Vermuthung- nur angeführt
weiden, dass, da das Wappen der eigentlichen Burg-
grafen von Kirchberg schwarze, hin und wieder auch
blaue Pfähle waren, man dieses Wappen absichtlich mit
der Veränderung adoptierte, dass für die Pfähle Balken
oder statt der Spaltung eine Theilung gesetzt, mit an-
deren \A'orten der Schild um 90 Grad gedreht Avurde^').
Im 19. Jahrhundert wird gewöhnlich als Theil von
Thüringen ein Gebiet betrachtet, welches niemals dazu
gehört hat, wenngleich das sächsische Fürstenhaus seit
Ende des 16. Jahrhunderts in dessen Besitz sich befand.
Dies sind die Lande des in der deutschen Geschichte
rühmlichst bekannten Hauses der Grafen von Henne-
berg'*), von Avelchen der Zweig zu Schleusingen, mit
Berthold dem Weisen im Jahre 1310 in den Fürsten-
stand erhoben^"), sich gefürstete Grafen nannte. Die
Linie zu Eömhild erlosch 1549, worauf die sachsen-
ernestinischen Herzöge deren Landestheil im Wege des
Kaufes und Tausches von den Schwägern des letzten
Grafen, den Grafen von Mansfeld, an sich brachten.
Die weit ansehnlicheren Besitzungen der Linie zu Schleu-
singen, welche im Jahre 1583 erlosch, sollten in Gemäss-
heit der 1554 geschlossenen Erbverbrüderung ebenfalls
an die erwähnten Herzöge fallen; da indes Johann
Friedrich der Mittlere in die Reichsacht und aller Lande,
Rechte, wie auch der Anwartschaft auf Henneberg ver-
lustig erklärt wurde, so ei4angte Kurfürst August 1573
vom Kaiser Maximilian IL einen Begnadigungsbrief,
nach welchem dem Kurhause ^ 1 2 , die übrigen ' , 2 dem
Hause Weimar in Anwartschaft gegeben wurden. Nach
dem Tode des letzten Grafen, Georg Ernst, Hess Kur-
'') Für die Geschichte dieser eigenthümlichen Wappenvertai;sch-
nug sind zwei Schilde mir. Etikette am Grabmal Friedrich des Streit-
baren im Dome zu Meissen von liesonderem Interesse, doch müssen
wir es uns versagen, hier näher darauf einzugehen.
*') Vgl. .T. "A. Schult es, Diplomatische Geschichte des gräti.
Hauses Henneberg, Hildburghauseu 1791.
^«j Schuttes 1. c. II, 22: ,, Diese für die hennebergische Ge-
schichte so merkwürdige Standeserhebung geschah den 25. Juli 1310
auf dem Reichstag zu Frankfui't in Gegenwart der vornehmsten
deutschen Reichsfürsten, deren jeder hierzu seine Einwilligung er-
theiltc. Der Graf und seine Nachfolger bekamen zwar dadurch das
Recht, den öffentlichen Berathschlagimgen und den Reichsgerichten
mit beizuwohnen , al)er ihre Lande blieben derwegen immer eine
Grafschaft, und man würde sehr irren, wenn mau ihr den Titel eines
Fürstenthums beilegen wollte".
Das Wappen des Kixifürstenthums Sachsen etc. 75
fürst August im Namen des gesamten sächsischen
Hauses von den hinterlassenen Landen Besitz ergreifen
und ordnete in ebenso geschickter wie allseitig zufrieden-
stellender Weise die Abfindung der noch von Hessen
und Würzburg erhobenen Ansprüche. 70 Jahre lang
blieb das Land in ungetheilter Gemeinschaft , bis am
9. August 1660 eine definitive Theilung vorgenommen
wurde, in welcher das Kurhaus die Ämter und Städte
Schleusingen, Suhl, Kuhndorf und Benshausen erhielt.
Die ernestinische Landesportion ist nachgehends noch
mehrfach getheilt uud wieder stückweise unter einan-
der ausgetauscht worden im Zusammenhang mit den
wiederholten Theilungen der gesamten Lande dieser
herzoglichen Linien; im allgemeinen aber ist das heu-
tige Herzogthum Sachsen -Meiningen zum giössten Theil
aus ehemaligem hennebergischen Lande gebildet. Da
der uralte Rennstieg oder Reinweg oben auf dem
Kamme des Thürhiger AValdes viele Jahrhunderte hin-
durch die Grenze zwischen Franken und Thüiingen dar-
stellte, so gehörten die gesamten hennebergischen Lande
zu Franken und politisch bis zur Auflösung des deut-
schen Reichs zum fränkischen Kreise. Bei diesem Kreise
führten nach der Theilung die Besitzer der Grafschaft
drei Stimmen auf Kreistagen, nämlich das Kurhaus eine,
das ernestinische Haus eine und endlich wegen der
Herrschaft Schmalkalden auch das Haus Hessen eine
Stimme. Auf dem Reichstage erhielt das Haus Sachsen
im Jahre 1594 wegen Hennebei'g eine Stimme auf der
weltlichen Bank im reichsfürstlichen Kolleg; l)ei der
Theilung im Jahre 1660 wurde über die Führuug dieses
Reichs Votums ein Alternations-Rezess zwischen dem kur-
und fürstlichen Hause geschlossen, der nachgehends noch
mehrfach geändert wurde. Sämtliche sächsische Linien
nahmen jedoch gleichzeitig im Jahre 1660 Titel und
Wappen von Henneberg an, wenn schon einige Herzöge
bereits früher hin und wieder beides bemerklich gemacht
haben. Das Wappen der Grafen von Hennel)erg ist
sehr alt und dürfte schon im 12. Jahrhundcit entstanden
sein^"); dasselbe Avar ein redendes A\'appen. eine schwaize
Henne auf grünem Dreiberg. — .
*") Schulte s 1. c. gielit zwar iiiif (\vv l ei gefügten Tab. IX
ein Siegel Pitppos v. H. vom .Talive 118fi, dits alier nicht das s])ätcn'
Wappen, sondern einen Vogel zeigt, den man hernldisch eher für
einen Adler (cum alis et cauda eapansis) als eine Henne halten würde.
76 R- Freiherr von Mansberg^:
Nachdem wir die alten Staramesbesitzung-en des
Hauses Wettin, das frühzeitig erworbene Meissen und
das nach langem Erbfolgekriege errungene Thüringen an
der Hand unseres Wappenschildes durchwandert, führt
uns derselbe zu jenem nördlicher gelegenen askanischen
Lande, welches Anfang des 15. Jahrhunderts an das
land- und markgräfliche Haus kam, in seiner Kleinheit
zwar keinen grossen materiellen Machtgewinn dar-
stellte, dafür aber die fürstliche Würde des Hauses mit
neuem Glänze umgab und diese Würde dann durch die
Herrschertugenden ihrer Träger zu solcher Bedeutung
erhob, dass seitdem das Fürstenhaus selbst, wie die ge-
samten von ihm beherrschten Gebiete, mit gerechtem
Stolze den Namen jenes kleinen Landes tragen.
Als die kaiserliche Acht und Aberacht den stolzen
Weifenherzog getroffen, als man das gewaltige Reich
Heinrich des. Löwen in Trümmer zu schlagen sich be-
mühte, hörte, obwohl die Zerstückelung nur theilweise
gelang, der Begriff des alten Herzogthums Sachsen auf,
denn der vom Kaiser im Dezember 1180 zum Herzog
von Sachsen ernannte Bernhard von Ballenstedt war
nicht im stände, dem nordischen Löwen auch nur eine
Quadratmeile seines Gebietes zu entreissen. Statt dessen
aber setzten sich alle früher der herzoglichen Gewalt
und Gerichtsbarkeit unterworfenen geistlichen und welt-
lichen Herren in völlige Freiheit, dergestalt, dass dem
neuen Herzog nichts blieb, als der Titel und jener aller-
dings Ehrfurcht erweckende Name, an den sich alle
die ruhmvollen Erinnerungen des alten Herzogthums
Sachsen, an die Thaten der Brunonen und Ottonen, der
Billunger und Weifen knüpften. Die herzogliche Würde
musste auf das von Bernhards Vater, Albrecht dem Bären,
einst den Slaven an der Mittelelbe entrissene und mit
Kolonisten vom Niederrhein (1150—1190) bevölkerte Ge-
biet gegründet werden, doch war dieses in der That so
winzig, dass unter Bernhards Söhnen der ältere, Heinrich,
die väterlichen, später nach dem Schlosse Anhalt ge-
nannten Stammlande vorzog und dem jüngeren Bruder,
Albert L, das kleine Herzogthum gern überliess. Dieser
jedoch erhielt von dem Grafen von Schwerin als Preis
geleisteten Beistandes das einst durch Heinrich den
Löwen unterworfene Land der wendischen Polaber an
der Unterelbe, welches nach dem Schlosse Lauenburg
genannt und dem Herzog Johann, ältestem Sohne AI-
Das Wappfii des Knifürstentimms Saclisen etc. 77
berts I., zu theil wurde, der hier die bis Ende des
17. Jahrhunderts blühende Linie der askanischen Her-
zöge von Lauenburg- stiftete.
Albert IL, der jüngere Bruder Johanns, ward der
Gründer des Hauses Sachsen -Wittenberg, des alier-
jüngsten Zweiges der Askanier, der indes durch Alberts
staatsmännische Gewandtheit schnell ui seinem Ansehen
stieg und bald die älteren Zweige an Bedeutung w^it
überstrahlte. In richtiger Würdigung der politischen Lage
war Albert einer der drei klugen weltlichen Fürsten ^^j,
die zuerst der aufgehenden Sonne des Grafen Rudolf
von Habsburg sich zuwandten, ihn zum deutschen König,
zugleich aber seine drei Töchter zu ihren Gemahlinnen
kürten. Das verschaffte allen dreien zunächst die könig-
liche Anerkennung eines ihrem Hause gebührenden Rechts
zu solcher Wahl, des Kürrechts oder der KurAvüi'de,
doch folgten bald noch intensivere Gunstbezeugungen des
königlichen Schwiegervaters. Die hohe Würde eines
Plälzgrafen in Sachsen mit dem grössten Theil des da-
mit verbundenen nicht unansehnlichen Benefizialgutes,
w^elches alles das Haus Wettin als Erbe der damit be-
lehnt gewesenen Landgrafen von Thüringen in Anspruch
nahm, ward trotz der einst Heinrich dem Erlauchten er-
theilten kaiserlichen Eventualbelehnung*-) von König
Rudolf seinem Schwiegersohn, Albert von Sachsen, ver-
liehen, und, wiederum auf Kosten des Hauses Wettin,
erhielt dersell)e die gesamte Hinterlassenschaft des
kinderlos verstorbenen letzten Grafen von Brena, wie
schon oben erwähnt wurde. Gleich nach dem Tode des
Vaters, Albert L, w^aren die Söhne in den Besitz der
Benefizialgüter des Burggrafthums Magdeburg gelangt,
welche Würde selbst mit allen Gefällen und Gerichten,
allen Rechten und Nutzen im Jahre 1269 dem Herzog
Albert von Sachsen -Wittenberg zu theil wurde. Kurz,
nur wenige Fürsten dürften (-inen mit Rücksicht auf den
schmalen ursprünglichen Besitz so unverhältiiismässig
") Ludwig der Strenge Pfalzgraf Itei lihein, Otto Markgraf
von Brandenburg, Albert Herzog von Sachsen.
*'■') Vgl. die Urkunde Kaiser Friedriclis 11. d. d. Benevent
30. Juni i242: Notum esse volumiis universis quod tibi post niGi-tcm
avunculi tili, Hcurici Landgravii Thnrinijie, duos priiiclpdtus nkos,
videlicet Laiidgrnviam Thnringie et Comitidni palniii Sa.roiiic et
omnia alia feuda, que a nobis et ab Jniperio icnct, cum ipsoruni^per-
tinentiis jure contniimns feodali ... M e n c ke SS. rer. üerni. 11 , 8H7.
78
R. Freiherr von Mansberg:
grossen realen wie idealen Machtzuwachs in so kurzer
Zeit errungen haben, wie Herzog Albert II.
Albert war nicht nur der eigentliche Schöpfer des
sächsischen Staates und des Kurf iirstenthums , sondern
auch der des askanisch- sächsischen Wappens.
Über dies Wappen ist soviel geschrieben und noch mehr
gefabelt worden, dass ein etwas weiter gehender histo-
risch-heraldischer Exkurs hier wohl gerechtfertigt er-
scheint, der übrigens alle Märchen erfindungsreicher
Phantasten unberührt lassen kann. Zur Übersicht der
Wappenvarietäten im Hause der Ballenstedter (Askanier)
diene folgendes Schema:
Albrecht der Bär f 1168
Otto
t 1198
Markgraf von
Bi-andeuburg
Hermann
t 1176
Graf von
Orlaraünde
Bernhard
t 1212
1180 Herzog
von Sachsen.
Balken
Nachkommen
Adler
Sigfrid
1
1206
Orlamünde
Balken
Heinrich
t 1267
Anhalt
Albert I.
t 1260
Sachsen
Adler
Nachkommen
Löwe
Balken nebst
halbem Adler
Nachkommen
haben im
15. Jahrb.-")
dem Ballen-
stedtschen
Schilde das
Beizeichen
der Witten-
berger hinzu-
gefügt, aber
den Adler
ausserdem
behalten.
Balken
Johann
t 1285
Lauenburg
Albert IL
t 1298
AVittenberg
Balken nebst
halbem Adler
Balken nelist und einem
halbem Adler Beizeichen
Nachkommen
haben das
Wappen der
jüngeren od.
Witteuberger
Linie ange-
nommen
Nachkommen
haben das
Wappen mit
Beizeichen,
doch ohne
Adler ge-
führt.
*') Unter den vielen bei Beckmann, Historie des Eürstenthums
Anhalt gegebenen Anhaltschen Siegeln ist das erste mit dem Rauten-
kranz vom Jahre 1468. Der Bär erscheint zuejst auf Siegeln der
Bernburger Linie 1323. Vgl. auch O. T. von Hefner, Wappen-
buch'weiland J. Siebmaciiers I, 43 der Erläuterungen.
Das Wappen des Kurfürstenthums Sachsen etc. 79
Bekanntermassen ist ein auf Urkunden g-estützter
strikter Beweis für die Motive der Wappenändermigen
im Mittelalter nirgends zu erbringen, da die Personen
des Herren- oder JRitterstandes , welche eine Mehrnng,
Minderung- oder völlige Änderung- ihres Wappens vor-
nahmen, niemals die Gründe beurkundet haben, die sie
dazu bestimmten. Es ist deshalb nur möglich auf Grund
des vorhandenen sphragistischen Materials und an der
Hand beglaubigter Thatsachen mehr oder mindei- plau-
sible Hypothesen aufzustellen, welche mitunter bis zur
Gewissheit sich erheben können.
Das vielbesprochene Beizeichen, ein über den g:anzen
Doppelschild schräglinks (si)äter schrägrechts) gelegter
ornamentierter Schrägbalken , der nach einer seltsamen
Fabel des Canonicus Krantz zu Hamburg im 1(3. Jalu'-
hundert den Beinamen des Rauten kränz es erhielt,
erscheint zum ersten Male im Jahre 1261*^) auf einem
gemeinschaftlichen Fusssiegel der Brüder Johann und
iUbert. Von der Ansicht ausg-ehend, dass es sich bei
xlimahme dieses Beizeichens lediglich um eine die jüngere
Linie bekundende Minderung- des Wappens g-ehandelt
habe, halten die Vertreter dieser Ansicht *') den soge-
nannten Rauteukranz für ein gewöhnliches, häufig vor-
kommendes Beizeichen, das jedenfalls und stets eine
mindernde Bedeutung für das betreftende Wappen habe.
Dieser Anschauung vermögen wir nicht unbedingt bei-
zutreten, aber ebensowenig der extremen Deutung an-
derer^**), die jenes Beizeichen als etwas ganz Ausser-
gewöhnliches, ja lediglich Typisches für das sächsische
Wappen betrachten. Der sogenannte Rautenkranz ist
eine zwar selten, aber doch hin und wieder und gerade
bei sächsisch-thüringischen Geschleciitern verkommende
Schildesfigur. Einen gewellten Schrägbalken, über den
getheilten Schild gelegt, führen die von Redwitz und die
Marschälle von Ebnet, einen ornamentierten Schi'äg-l)alken
genau von der Foi-m und Farl)e des sächsischen die von
Maschwitz und die von Wegeleben , auch unter dem
schwäbischen Adel giebt der alte Siebmacher (ad II, 96:
Newenhrun) ein dem sächsischen fast identisches Wappen.
*•) HStA. Oiig. No. ß09.
*^) Insbesondere der bekannte (lenealogc und Hcraldiker von
Mülverstedt zu Magdeliurg.
*°) Fürst zu Hohenlolie- Waldenliuig, ü. T. vouHefuer
zu München.
80 R- Freiherr von Mansberg:
Überdies zeigen verschiedene mittelalterliche Siegel ähn-
liche Beizeichen (z. B. Wernigerode, Hartesrode, Wefer-
lingen u. a.), vielleicht sogar früher, als das sächsische
mit dieser Figur ^'). Schon aus dieser Thatsaclie dürfte
hervorgehen, dass der Kautenkranz nicht wegen des
Herzogthums angenommen wurde, denn schwerlich
würden die Herzöge ein so bedeutungsvolles Emblem
den Vasallen vom niedern Adel zu führen gestattet
haben. Wäre andererseit durchaus nur eine Minderung,
eine Bezeichnung der jüngeren Linie mit der Annahme
bezweckt worden, so musste dies den fürstlichen Agnaten
auf jeden Fall noch im 14. Jahrhundert bekannt, und
würde von den nächstfolgenden Generationen das Bei-
zeichen in seiner ihm beigelegten Bedeutung respektiert
worden sein; alsdann wird es aber schwer verständlich,
weshalb trotzdem die älteren Linien, erst die zu Lauen-
burg, später auch die zu Anhalt, nachgehends dasselbe
Beizeichen angenommen haben, das sie doch seiner Innern
Natur nach gewiss als ihnen nicht zukommend ansehen
mussten. Übrigens scheint die Ändeiimg des sächsischen
Wappens zur allgemeineren Kenntnis in Deutschland
überhaupt erst im 14. Jahrhundert gelangt zu sein, wie
denn die kurz vor Mitte dieses Jalirhunderts angelegte
Züricher Wappenrolle als das Wappen von ,.ßalisen"
den gespaltenen Adler und Balkensehild ohne Rauten-
kranz zeigt.
Dass der herzoglichen Linie zu Wittenberg eine in
die Augen fallende Unterscheidung des Wappens, und
zwar nicht bloss von dem ihrer Vettern zu Anhalt,
wünschenswerth sein musste, wird um so erklärlicher
durch die Thatsache. dass gerade zu jener Zeit mehrere
edle Geschlechter im östlichen Harzgebiete einen ge-
spaltenen Schild mit denselben Figuren, einen halben
Adler vereint mit dem Balkenschild, führten, nämlich die
Edlen von Barby, die Grafen von Falkenstein und das
Haus Querfurt, dessen ältester Zweig im Besitz des
Burggrafthums Magdeburg sich befand.
Ohne Andeutung der Farben, wie man es damals
auf allen Siegeln oder sonstigen plastischen Darstellungen
nicht anders kannte, lag die Möglichkeit unliebsamer
*') Vgl. besonders die Kontroversen der Herren von Mülv er-
ste dt und Fürst Hohenlobe tlber diesen Gegenstand in den
Neuen Mittheilunoen. Bd. XI. Halle 1867.
Das Wappen des Kiirfürstenthums Sachsen etc. 81
Verwechslung- sehr nahe, welche man duixh Annahme
eines auffälligen Beizeichens leicht vermeiden konnte.
Das 13. Jahrhundert, und theilweise auch noch das 14.,
ist sehr reich an solchen Wappenänderungen, welche
entweder emen neuen bezw. veränderten Besitz andeuten
oder zur Unterscheidung von anderen Familien dienen
sollten, welche ursprünglich dieselben Figui^en zur bleiben-
den Verzierung der Schilde erkoren hatten. Mit der
völligen Fixierung der Wappen wurde die Annahme von
Beizeichen später ganz von selbst überflüssig, seitdem
zur Bezeichnung von Herrschaft oder Anspruch die Ver-
einigung mehrerer AVappen, wenigstens der vollständigen
Schilde auf einem Siegelfelde, allgemeiner in Aufnahme
kam. Die Ansicht, dass die Wittenberger Linie mit dem
neuen Wappen das nun schon in der dritten Generation
ilu- gehörige Herzogthum habe bezeichnen wollen, er-
scheint uns völlig unhaltbar, andererseits ist aber absolut
kein Grund erfindlich, A\'eslialb sie das von der Anhalter
Linie bereits in der vorhergehenden Generation ange-
nommene AVappen hätte nunmehr auch adoptieren sollen;
vielmehr muss man aus der historischen Sachlage die
Ansicht gewinnen, dass mit dem neu erkorenen Wappen-
bilde^ dem Adler, ein neues wichtiges Besitzthum hat
l)ezeichnet werden sollen, dass jedoch mit der Annahme
dieser neuen Schildesfigur ein Beizeichen notliwendig
wurde, um das neu zusammengesetzte AVappen merkbar
unterscheiden zu können von jenen oben erwähnten mit
gleichen Schildesfiguren. Wir müssen daher die Ent-
stehung des sächsischen AVappcns in unmittelbaren Zu-
sammenhang mit der Erwerbung des Burggrafthunis
Magdeburg bringen.
AVie bei allen Hoch- und anderen Stiftern in Deutsch-
land ward bei Gründung des Erzbistlumis Magdeburg
im Jahre 9(J8 dem geistlichen Oberhirten ein Vogt zu-
geordnet, der nicht bloss mit kräftigem Arm den nöthigen
weltlichen Schutz verleihen sollte, sondern dem auch als
höchstem weltliclien liichter in des Kaisers Xamen der
Gerichtsbann in cunem grossen Theile des nachmals ei'st
zum weltlichen Fürstenthum gewordenen Territoriums
des heiligen Moritz zustand, insbesondere auch das
Schiütheissenamt in den beiden Hauptstädten ^Magdeburg
und Halle '*^). Dieser stets aus dynastischem Adel der
*') Vgl. Prensdorff, Über die älteren Rurggrafeu von Magde-
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 1. 2. 6
82 R- Freiherr von Mansberg:
Gegend ausgewählte höchste kaiserliche Gerichtsbeamte,
der bald co^nes civitatis oder comes urbaniis, bald pre-
fectus oder castellanus heisst, seit 1159 auch unter dem
latinisierten TiteH;wr(/rö.m6s vorkommt, hatte die Vogtei
nicht nur über die beim Erzstift zu Lehen gehenden
Güter, sondern auch über die meisten dortigen Klöster,
demgemäss verschiedene Vasallen als Untervögte bestellt.
Dass bei der Auswahl der Familie für eine so einfluss-
reiche Stellung der Erzbischof selbst eüi gewichtiges
Wort mitzureden hatte, liegt auf der Hand und macht
es erklärlich, dass nach und nach das Burggrafthum als
ein von dem Erzstift abhängiges Lehen galt, obwolü die
Kaiser, unbekümmert um diese Sachlage, wiederholt mit
Würde und Amt den Bm'ggrafen direkt beliehen haben,
so 1348 Karl IV., 1425 Sigismund, 1547 Karl V.
So unentbehrlich der weltliche Schutz anfangs den
Stiftern selbst erscheinen musste, so wesentlich änderte
sich diese Anschauung im Laufe der Zeit, denn mit dem
weiteren Zuwachs an Gütern, insbesondere aber an welt-
licher Macht, wurden überall die ScMrm- und Kasten-
vögte als eine mibequeme Last betrachtet, die man nach
und nach, namentlich seit Anfang des 13. Jahrhunderts,
abzuschütteln suchte. Diu'ch die mittelalterliche Ge-
schichte aller deutschen Hochstifter zieht sich das deut-
lich erkennbare Streben, durch kluge Massregelu der
Bischöfe, Weisthümer der Dienstmannen, Vermittlung
der Kaiser oder benachbarter mächtiger Herren, haupt-
sächlich aber durch Abkauf oder Ablösung die erblich
gewordenen vogteilichen Rechte zu beseitigen und da-
mit an die Stelle der ursprünglich vom Reich einge-
setzten oder anerkannten unabhängigen Dynasten ein-
fache stiftische Beamte zu bringen, wobei die vielfach
den Hochstiftern verliehenen Grafenrechte in verschie-
denen Gauen oder Theilen derselben wesentlich unter-
stützten. Sehr erleichtert wurde dies Streben der geist-
lichen Herren durch das stete Geldbedürfnis des im
Niedergänge begriifenen hohen Adels, den wir in seiner
grossen Mehrzahl durch unaufhörliche Fehden, Kreuz-
züge und mangelhafte Wirthschaft emer rapiden Ver-
armung entgegensteuern sehen. So war es auch mit den
bürg (Forschungen z. D. Gesch. XII, 297 flg.) nnfl die Anfsätze von
Holstein, von Mülverstedt und von Arnstedt in den Magde-
burgischen Geschichtsblätteru Band VI und VII.
Das Wapppii fies Kurfürstenthuras Sachsen etc. 83
Burggrafen von Magdeburg aus dem Hause Querfurt der
Fall. Seit Anfang des 13. Jahrhunderts berichtet eine
Reihe von Urkunden über Aufgeben von vogteilichen
Eechten und Veräusserung von Beneflzialgütern, wozu
die kräftigen Erzbischöfe Albrecht und Wilbrand den
Bui'ggrafen Burchard drängten. Unter seinem Sohne
wui'den die Transaktionen auf Überlassung des gesamten
Burggrafthums ausgedehnt, für welches sich in der Person
des benachbarten Herzogs von Sachsen nicht bloss ein
zahlungsfähiger Käufer, sondern, wie in ^delen ähnlichen
Fällen, die Wahrscheinlichkeit bot, später gegen ander-
weite Geldopfer oder Überlassung von Titel und Bene-
fizialgut ganz die richterlichen Befugnisse an das Erz-
stift zu bringen. Dabei war das eben entstandene kleine
Herzogthum Sachsen dem mächtigen Erzbisthum gegen-
über nicht bedeutend genug, um aus den Eechten des
Gerichtsbannes die Wurzel späterer Territorialhoheit bil-
den zu können. Der Erfolg zeigte, dass die geistlichen
Herren sich nicht verrechnet hatten; nicht drei Jahr-
zehnte nach Übertragung des Burggrafthums auf die
Herzöge von Sachsen befand sich das Erzstift im Be-
sitze der vogteilichen Rechte, der Grafengedinge und
der Schultheissenämter in Magdeburg, wie in Halle.
Wann die Verhandlungen mit Herzog. Albert I. be-
gonnen haben, darüber fehlt uns der urkundliche Nacli-
Aveis, aber unmittelbar nach seinem Tode sehen wir die
herzogliche Witwe Helena mit ihren beiden noch mino-
rennen Söhnen, Johann und Albert IL, im Besitze der
später sogenannten burggräflichen Ämter (Gommern,
Elbenow, Ranies.Gottow) oder des Benefizialgutes, welches
ihnen vermuthlich der geldbedürftige Burggraf l^ei-eits
unterpfändlich eingeräumt hatte, bevor es zur definitiven
Abtretung kam, denn diese scheint erst unmittelbar nach
dem Tode des Burggrafen 1269 durch dessen gleich-
namigen Sohn unter Vermitthmg des Erzbischofs statt-
gefunden zu haben. Dieser letzte wirkliche Burggraf
aus querfurtischem Stamm nannte sich seitdem quomlam
oder dictas hurfjravius, auch nacli dem Schlosse Rosen-
burg, das ihm, wie es scheint, vom Erzstifte als Ent-
schädigung eingeräumt war, um nach seinem unbeerbten
Tode später als Lehen den Edlen von Barby gereicht
zu werden.
Als Amtswappen des Buiggrnfthums ward scJion im
IB. .Tahrlnnidert der Adler geführt (roth in silber und
6*
84 B- Freiherr von Mansberg;
auch umgekehrt). AVeimgleich nach den wenigen bekannt
gewordenen Siegehi die burg-gräfliche Linie des Hauses
Querfurt sonderbarerweise den Adler niclit geführt zu
haben scheint, so haben doch gerade die in Titel und
Wappen Anspruch auf das Burggrafthum erhebenden
anderen Linien dieses Hauses den Adler als solches An-
spruchswappen dokumentiert und erst in späterer Zeit,
als alle x\nsprüche aussichtslos geworden, wieder fallen
lassen, Avährend der (roth und silbern getheilte) Balken-
schild das allen Linien gemeinsame Stammeswappen
war und l)is zu deren Aussterben beibehalten ist, sowohl
von den Herren zu Querfurt selbst, wie von denen zu
Mansfeld und denen zu Schraplau^^). Ebenso haben die
Burggrafen von Magdeburg aus dem Hause Hardek im
14. und 15. Jahrhundert den Adler mit dem Balkenschild
vereint, als Wappen des Burggrafthum s angenonmien^"),
und in gleicher Weise ist er als Symbol für diese Würde
im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts in das Wappen
des Kurfürstenthums Sachsen gelangt.
Durch Vereinigung dieses burggräflichen Adlers mit
dem alten Ballenstedtschen Schilde wurde indessen das
AVappen der AVittenberger Herzöge (ohne Angabe der
Farben) ganz genau gleich jenem, mit welchem die
Agnaten der ehemaligen Burggrafen ihre Ansprüche doku-
mentierten, und diese Sachlage eben wird die neuen In-
haber des Burggrafthums zur iinnahme eines auffälligen
Beizeicheus bewogen haben. Hierzu wurde ein stili-
sierter Laub reis^^) gewählt, den man als ornamentierten
Schrägbalken schräglinks über den ganzen Doppelschild
legte, später über den Ballenstedter allein, den es ja
vornehmlich von dem Querfurter zu unterscheiden galt.
Seitdem es Mode wurde, die Schrägbalken überhaupt
von rechts oben nach links unten zu ziehen, ist auch das
*») Vgl. V. Mülverstedt's Besprechung der burggräflichen
Siegel in den Magdeburgischen Geschichtsblättern VI (1871).
^") Vgl, Gebhardi, Genealogische Geschichte der erblichen
Reichsstände III, 274.
^') An welche Art von Blättern man dabei gedacht hat. kann
uns, im Grunde genommen, ganz gieicligültig sein, aber dass es ein
Laub reis und nur ein solcher, geht aus der Farbe und der überall
ähnlich behandelten Stylisieruug heraldischer Blätter hervor. Am
Überzeugendsten wirkt in dieser Beziehung die Abbildung eines
schönen sächsischen Siegels aus den Jahren 1315 — 1360, welche
Fürst Hohen lohe in den Neuen Mittheilungeu XI (18fi7) zu
S. 516 giebt.
Das Wappen des Kiirfürstenthmns Sachsen etc. 85
säelisisclie Beizeicheu zu einem rechten Schräg'balken
geworden, wenngleich derselbe noch an dem Grabmal
des 1418 verstorbenen Herzogs Rudolf in der Schlosskirche
zu Wittenberg schrägiinks auf der Helmzier erscheint.
Der unmittelbare Zus^ammenhang des Beizeichens
mit der Er\\erbung des Burggrafthums Magdeburg scheint
noch aus anderen Daten hervorzugehen. 'Die beiden
herzoglichen Brüder, Johann und Albert, erwarben das-
selbe, wenigstens das dazu gehörige Benefizialgut . ge-
meinschaftlich und führen auf ihren gemeinschaftlichen
Siegeln auch das erwählte Beizeichen (noch 1268); als
dasselbe nachgehends der Wittenberger Linie allein ver-
blieb, siegeln beide Brüder^-) so, dass Alberts Siegel in
der Legende den Titel hin-gravhis in Mafjdhchitrr]/ und
im Schilde das Beizeichen führt, während das Siegel
Johanns, nicht den Titel, aber aucli nicht das Beizeichen
trägt. Ül)erdies hat der letzte wirkliche Biu;ggraf aus
dem Querfmter Stamm, der sich urkundlich qnoudam
hurgraviiis nennt, sein Wappen ^^) ebenfalls mit dem
Eautenkranz versehen und damit offenbar andeuten wollen,
dass er zum Unterschied von seinen bloss leeren An-
s])ruch erhebenden Vettern^ ^) derjenige sei. Avelcher den
dermaligen faktischen Inhabern Würde und Besitz al)-
getreten habe. Wir sehen darin ein vollständiges Ana-
logon zu dem oben erwähntem Vorgang mit dem orla-
mündischen Wappen, welches, nachdem es die Land-
grafen von Tliüringen mit einem Beizeicheu. den ge-
streuten Blättern, versehen, nunmehr auch in dieser
veränderten Weise von den Nachkommen der ehemaligen
Besitzer der Grafschaft Orlamünde adoptiert wurde.
Wenn der burggräliiche .Vdler schon in der folgen-
den herzoglichen Generation wieder aus dem sächsischen
Wappen verschwand, so liegt der Zusammeidiang mit
der bereits im Jahre 1294 vorgenommenen Veräusserung
**) Schon Zollmann hat in seinem Erläuterten sächsischen
Hauptvvapi)pn (1723) die hei den verschiedenen Sieg-cl der Brüder an
einer gemeinsrhnftlieh ansgestellton Krknn(h' von 1273 gegeben und
auf diese seine phantasiereiclie Erkliiiung gegründet.
**) Abhildung auf der sphragistischen T.eilage zu den ]\ragde-
hurgischeu (Teschichtshhittern \\ (lft71).
^') Von diesen Vettern hat sich ein Tituhir-Buriigraf von J\Iagde-
hurg in der meissnischen üeschiclite sehr lienierklich gemacht, der
nämlicli, vvehher 1299 als des Königs Wenzel von Böhmen Statt-
halter in Meissen und im Pleissnerlamle (während der Verpfändung
an Böhmen) erscheint.
gß R. Freiherr von Mansberg:
respektive Verpfändung des Burggraftlnuns nahe genug ^^).
Zwar hat Herzog Eudolf I. bald wieder das Schloss
Gommern und 1343 den Rest der Benefizialgüter an
seüi Haus zurückgebracht, allein der letzte Askanier,
Albert III., versetzte abermals die burggräflichen Ämter
und zwar 1419 an den Stadtrath von Magdeburg, von
dem sie über hundert Jahre später erst das Haus Wettin
wieder zu lösen vermochte. Zwischen diesem Hause
und dem Erzstifte erhob sich nach der Belehnung Fried-
rich des Streitbaren mit dem Burggrafthum Magdeburg
1425 ein äusserst langwieriger Streit wegen des Grafen-
gedinges, der erst 1579 in dem Eislebenschen Tausch-
rezess seinen Abschluss fand.
Als Kleinod führten die Herzoge von Sachsen den
ritterlichen Hut oder Chaperon, niedrig und breitkrämpig,
daher ohne Aufstülpung. In einem Siegel Alberts II.
vom Jahre 1293^®) sind die Schildesfiguren zum ersten
Male auf diesem Hute wiederholt, merkwürdigerweise
ohne den Rautenkranz. Der Hut ist später immer höher
und schliesslich zu einer geki^önten Säule geworden, an
der man die Schildesflguren vollständig wiederholte.
Die zwar von der älteren Linie zu Lauenburg un-
ausgesetzt bestrittenen Vorrechte bei der Wahl eines
römischen Königs wurden in der goldenen Bulle Kaiser
Karls IV. fixiert, dem Hause Wittenberg für immer
zugesprochen und, wie bei den übrigen Kurfürsten, an
die Ertheilung eines sogenamiten Reichs er zamt es ge-
knüpft. Demgemäss nennt sich Herzog Rudolf I. seit-
dem „des Heil. Rom. Reichs ubirsten Marschalk", doch
erscheinen die Insignien dafür oder das Amtswappen
erst 1375^^). Sehr viel später noch kam die Bezeich-
^') Der auf blosse Vermutliungen gegründete Versuch von
F. "Winter in den Neuen Mittheilungen X (186H), 231 tig. kann
uns nicht davon überzeugen, dass die so lange Zeit offiziell als
burggräfliche Ämter bezeichneten Orte in gar keinem Zusammen-
hang mit dem Burggraf enthum gestanden hätten. In der Ver-
pfändungsurkunde d. d. Wittenberg 19. Dezcmlier 1419 (abgedruckt
bei Hörn, Friedrich der Streitbare, 212) nimmt der Herzog aus-
drücklich alles aus, was von seinen Eltern zu dem Schloss und
(lericht Gommern hinzugethan (auch „unser Closter zu Ploczk") „die
hinfurder zu dem eguanten Slos nicht volgeu sulleu". Das Kloster
Plötzky hat also nur vorübergehend in Verbindung mit dem Gericht
Gommern gestanden.
««) HStA. Orig. No. 1445.
"). HStA. Orig. No. 4130.
Das Wappen des Kurfürstenthuras Sachsen etc. 87
iiimg iwinceps elector als wii^klicher permanenter Titel
auf; noch Friedrich der Streitbare hat sich niemals ur-
kmidlich so genannt, weil man die Kurrechte unter dem
Titel Erzmarschall begriifen erachtete. Warum man
hier zwei Schwerter als Amtswappen wählte, hat uns
schon Hörn völlig zutrettend mitgetheilt^*). „Welchem-
nach wohl gewiss bleibet, dass man Sächsischerseits die
Schwerdter aus keinem anderen Bewegniss dupliret und
Creutzweis über einander gelegt alß bloß weil es zier-
licher zu lassen schiene, würde auch ausser dem genug
geAvesen seyn, wenn zu Anzeige des Ertz-Marschall-
Ambtes nur ein einzelnes erkieset worden".
Mit dem Herzogthum Sachsen fiel Friedrich dem
Streitbaren 1425 über die Grrafschaft Barl)y die Leims-
hoheit zu, welche das ^tift Quedlinburg 1B59 dem Herzog
Eudolf abgetreten hatte. Schon Ende des iO. Jahr-
hunderts war dem Stifte die kaiserliche Burgward Bar-
boie geschenkt, in deren Lehnbesitz 1194 ein Walter
von Arnstem erscheint, dessen jüngster gleichnamiger
Sohn dort den Stamm der Edlen von Barby gründete.
Der Besitz dieser Dynasten vergrösserte sich durch
weitere Er\verl)ungen und Belehnungen von Seiten des
Erzbisthums Magdeburg ( 18o0 Eosenburg) und der
Fürsten von Anhalt (1334 Mühlingen), sie nennen sich
seit 1 334 Grafen von Mühlingen und seit 1 497, in welchem
Jahre Kaiser Max die Herrschaft Barl)y zu einer Reichs-
grafschaft erhol), Grafen von Barby. Als solche führten
sie eine Kuriatstimme im westfälischen Grafenkolleg
sowie eine" Stimme beim obersächsischen Kreise, zu
einem Römermonat hatten sie 20 Gulden zu zahleu.
Mit dem Tode des Grafen August Ludwig am 17. Ok-
tober 1659 erlosch das gräfliche Haus, und die bezüg-
lichen Lehnsherren theilten sich nicht ohne einige Diffe-
i'enzen in die ansehnliclie Hinterlassenschaft. Fvurfürst
Johann Georg IL von Sachsen, dem die eigentliche
Grafschaft Barby zufiel, liess als Symbol derselben ein
redendes Wappen, zwei gekrünnnte Barben (von vier
Röschen begleitet mit Beziehung auf die Herrscliaft
Rosenburg), dem grossen Schikle des Kurfürstentliums
inkorporieren. Dieses Wapjjen. welches nach einigen
schon 1497 entstanden sein soll, tindet sich mir auf dem
Grabmal des letzten Grafen in der Johanniskirche zu
') Leben Friedlich des Streitbaren 573.
88 R- Freiherr von Mansberg :
Barby^^), ist aber in Siegeln nnd dergleichen niemals V(>n
den Grafen geführt worden. Das eigentliche Wappen
derselben war der Arnsteiner xldler, der aus unbekannten
Gründen längere Zeit (wie es scheint von 1250 — 1350)
mit einem Balkenschilde vereint wurde, bis die Grafen
zu dem erweislichen Urwappen der Arnsteiner. dem ein-
fachen Adler, zurückkehrten, der Ende des 16. Jahrh.
mit einer Rose quadriert wurde wegen Rosenburg.
Das Pf alzgrafthum in Sachsen führt uns, hi so-
weit man bloss den Territorialbezirk der dazu gehörigen
Benefizialgüter ins Auge fasst, wieder nach dem Norden
von Thüringen zurück, denn hier befand sich im nach-
maligen weimarischen Amte Allstedt das Grafengedinge
der kaiserlichen Hauptpfalz Altstede, dem die übrigen
sächsischen Pfalzen zu Grona (bei Göttingen), Werla
(bei Goslar), Walhausen, Lauchstedt, Dornburg u. a,
untergeordnet waren. Die staatsrechtliche Bedeutung
des Pfalzgrafthums und seine Geschichte sind einiger-
massen verwickelter Natur und lassen sich nicht mit
wenigen Worten erledigen""). Im allgemeinen kann man
bemerken, dass zu den Hauptfunktioneu der Vorsitz im
obersten Reichsgericht des alten Herzogthums Sachsen
gehörte, dass überhaupt l)ei der Würde des Pfalzgrafen
immer die unmittelbare amtliche Vertretung des Kaisers,
das Vikariat, in den Vordergrund tritt, namentlich gegen-
über den Fürsten und dem Landesherzog, welch' letzterem
der Pfalzgraf ge Wissermassen zur Kontrolle und zum
Hüter der Reichsdomänen gesetzt war. Die staatsrecht-
liche Bedeutung ward in dem langen Kaihpfe König
Heinrichs IV. mit dem sächsischen Volke gewaltig er-
schüttert und noch mehr verwirrt während des langen
Interregnums im 13. Jahrhundert. Da nach dem Er-
löschen des pfalzgräflichen Hauses von Sommersenbui'g
nnd Beseitigung der weltischen Ansprüche die Land-
grafen von Thüringen seit der kaiserlichen Belehnung
im Jahre 1181 das Pf alzgrafthum besassen. so nahm
Heinrich dei- Erlauchte als Erbe derselben und in Ge-
**) Vgl. Epitaphia Barbejana in den Magdeburger Geschielits-
blättern III (1869).
«0) Yg\. E. Gervais, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen,
in den Neuen Mittheilungen IV-VI (Halle 1840^-^1842). Auch
Heydenreich, Entwurf einer Historie der Pfalzgrafen (1740) ist
schätzenswerth wegen des gebotenen urkundlichen Materials und
der, wenn auch unschön ausgeführten, Siegel- und Münzabbildungen.
Das Wappen des Kurfürstentluiiiis Sachsen etc. 89
mässlieit kaiserliclier Eventiialbeleliiimig'*') solches in An-
sprucl] und scheint sicli darin auch bis zu seinem Lebens-
ende behauptet zu lial)en, wie denn noch in seinem Todes-
jahre 12^8 der Enkel, Friedrich der Gebissene, als
bezüglicher Erbe urkundlich mit Titel und Wappen als
comes jKilatiniis Saxonie erscheint*^'-). Allein König Ru-
dolf belieb seinen Schwiegersohn, Albert von Sachsen,
mit der Pfalz als einem erledigten feadum mciscnlinuut
von Eeichswegen , Avenngleich das Haus Wettin einen
Theil wenigstens desBenelizialgutes l)ehielt (Lauchstedt**^)
mit Freiburg und Dornburg), auch 1350 vom Kaiser
Karl IV. mit der Pfalz zu Lauchstedt ausdrücklich be-
lehnt wurde. Hieraus ist nachgehends der irrige Begriff
einer Doppelpfalz, der zu Sachsen und der zu Thürhigen,
entstanden, \rie er in dem voiliandenen doppelten Wappen
zum Ausdruck kommt. Der pfalzgräfliche Adler scheint,
nach Münzen zu nrtheilen**^). schon das Emblem der
Grafen von Sonmiersenburg gebildet zu haben und kommt
sogar schon auf einem Siegel 1181 vor, auf welchem der
Schild des zuerst mit dem Pfalzgrafthum belelmten Land-
grafen von Thüringen den Adler zeigt **'). Mit dem Her-
zogthum Saclisen erhielt Friedrich der Streitbare 1425
auch das Pfalzgrafen amt, worauf sich später das bei
einer Thronerledigung von dem Kurfürsten von Saclisen
in den Ländern sächsischen Bechts ausgeübte Vikariat
oder Reichsverweseramt stützte.
Der durch Herzog Johann in Lauenburg gestiftete
ältere Zweig des askanisch- sächsischen Hauses ver-
einigte mit seinem nachgehends aucli mit dem Witten-
berger Beizeichen versehenen Faniilienschilde das Heri'-
schafts- oder Landeswappen von Lauenburg, zu \\ elchem
in historisch begründeter Weise das springende Ross der
Grafen von SchAverin genommen wurde, aus deren Händen
eben Lauenburg in askanischen Besitz gelangt war. Da
trotz aller in jeder Generation wiederholten Proteste
"') Vs'l. oben Note 42.
''^) Siegel im HStA.aii Orig. Xo. 1195, abgebildet bei Hey den -
reich 1. c. No. 14.
"') Lauchstedt wurde anscheinend in Gemeinsclnxi'f mit der
sogenannten ^fark Landsberil- nach 1291 verpfändet, iiclangte an
das Erzstift Magdcburti' und -wnrde von diesem 1444 (mit Scliai)Ow)
dem liisthnm Mcisebury verkauft.
") Abbildung der Bracteaten bei Hej'denreich 1. c. No. 1—8
der Tafeln.
''^) Das interessante Siegel Ludwigs im HStA. au Orig. No, 85.
90 R- Freiherr von Mansberg:
gegen die dem jüngeren ZAveige ertheilte Kurwürde "*^)
die Lauenburger nicht zu höheren Ansehen gelangen
komiten, S(j erhoben sie wenigstens energischen Anspruch
auf alle der Wittenberger Linie verliehene Lande und
AVürden und gaben diesen xlnspruch auch äusserlich
i\.usdruck durch Annahme aller der Wappen, welche die
jüngere Linie auf Grund wirklichen Besitzes führte, mit
Ausnahme natürlich der Insignien des Eeichserzamtes.
zu deren Führung in jedem Kurhaus überhaupt nur ein
einzelner, der regierende Kurfürst selbst, berechtigt war.
Da nun für die politisch nie existierenden Herzogthümer
Engern und Westfalen kein AVappen zu finden war,
das askanisch- sächsische Haus jedoch mit diesen Titeln
sich schmückte, obwohl sie in keinem kaiserlichen Lehen-
briefe enthalten waren, so haben die Lauenburger diesen
mythischen Herzogthümern die schon üi ihren Wappen
aufgenommenen Schildesfiguren des Pfalzgrafthums und
der Grafschaft Brena octroyiert und damit eine heillose
Verwirrung angerichtet , aus der sich der Heraldiker
ohne historische Detailkenntnisse noch heute nicht heraus-
zufinden vermag. Je weniger die Lauenburger Herzöge
in der Durchsetzung ihrer Erbansprüche bei dem Aus-
sterben agnatischer Häuser (wie Brandenburg, Sachsen)
erreichten, um so mehr scheint ihr Bestreben gestiegen
zu sein, durch deren Titel ohne historischen Rechtsgrund
ihr Ansehen zu steigern. Das Schweriner Ross in ihrem
Wappen musste zum Wappenbilde von Niedersachsen
erklärt werden, um auch auf dieses alte, von Bernhard
von Ballenstedt hergeleitete iVnsprüche zu erheben, wäh-
rend der wittenbergische Schild die Ansprüche auf die ge-
sammten obersächsischen Lande darstellen sollte. Als diese
ebenso titelreichen wie länderarmen „Herzoge zu Ober -
und zu Niedersachsen, zu Engern und West-
falen" im Jahre 1689 erloschen, ergriffen die Herzoge
von Lüneburg wieder von dem ihrem Ahnherrn einst
entrissenen Ländchen Lauenburg Besitz und verglichen
sich deswegen 1697 mit dem Kurhause Sachsen, das mit
dem letzten Herzoge von Lauenburg 1670 eine Erbver-
brüderung geschlossen und daraufhin die Ijeiden Phantasie-
wappen von Engern und Westfalen in seinen Schild
schon aufgenommen hatte.
fl«) Vgl. Sachse, Der Streit um die sächsische Kurwiirde,
in V. Webers Archiv für die Sachs. Gesch. V, 202 flg.
Diis Wappen des Kurfurstciithunis Sachsen etc. 91
So wenig' die Aufnahme zweier jedes historischen
Sinnes entbehrender Titelwappen zu billigen ist, so un-
zweifelhaft begründet ist die Annahme einer Reihe von
fünf Ansprnchswappen . av eiche sämtlich dem Schilde
des letzten 160U verstorbenen Herzogs von Cleve ent-
stammen. In dessen bedeutenden Länderbesitz theilten
sich, wiewohl selbst nicht ohne heftigen langwährenden
Streit. Pfalzneuburg und Brandenburg, wähi'end das
sächsische Haus leer ausging. Gleichwohl hatte schon Her-
zog Albert der Beherzte 1483 durch Kaiser Friedrich III.
eine Anw^artschaft auf die Jülich -Bergschen Lande er-
halten, welche später durch Kaiser Maximilian auf die
Sachsen - ernestinische Linie ausgedehnt wurde, und, Be-
zug nehmend auf diese unbestreitbaren kaiserlichen An-
wartschaften, war 1526 in den vom Kaiser ebenfalls
wieder l)estätigten Ehepakten, vor der Vermählung des
Kurfürsten Joliann Friedrich mit Sibjdla von Cleve. die
Erbfolge des sächsischen Fürstenhauses in den Jülich-
Cleve- Bergschen Landen festgestellt worden, für
den Fall des Aussterbens ihrer Herzöge. Seitdem wurde
das kurfüi-stliche Hans auch beständig vom Kaiser mit
jenen Landen belehnt, ja bei dem westfälischen Frieden
ist in einem besonderen Paragraphen des Artikels 4 das
Becht des Hauses anerkannt und verordnet w^orden, dass
„diese Sach vor Ihro Kayl. Maiestät fordersamst durch
gütliche oder andere billiche Mittel und Eechts-P]-ocess
außgemachet werden solle". Das kur- und fürstliche
Haus hat nichts destoweniger keine Quadratmeile von
den ihm rechtmässig gebührenden Landen, sondern bloss
deren Titel und Wappen erlangt, das Ansprucliswai)pen
ist schliesslich zu einem Gedächtniswappen geworden,
das nur die Erinnerung an ein dem Fürstenhause zuge-
fügtes schw^eres Unrecht lebendig erhalten konnte"').
Die in unserem Schilde der Zeit ihrei' Aufnahme
nach jüngsten Wappen sind die der Markgrafthümer
Nieder- und Oberlausitz. Beide Länder haben das
eigenthümliche Schicksal gehabt, niemals selbständig zu
sein, sondern stets Anliängsel eines gri'isseren Staates zu
l)ilden. Bekanntermassen gehörte die Niederlausilz.
deren zuerst 107.5 ErAvähuung geschieht, zur Mfirrltla
orientaUs und kann füglich als altwettinischer Besitz
betrachtet werden, der erst durch die Veräusserung von
') Eine Zusammenstellung obig. Daten giebt schon H ö n n 1 c. 25.
92 R- FieiheiT von Mansberg
ö ■
Markgraf Dieziiiaiin um 1303 in fremde Hände gerieth.
Nach wecliselvollen Schicksalen hat die schlaue Politik
des ländergierigen Kaisers Karl IV. beide Länder ver-
eint zur Krone von Böhmen gebracht, von der sie be-
kanntlich erst 1635 im Frieden zu Prag dem Kurfürsten
Johann Georg I. abgetreten wurden als Ersatz für die
bei dem Beginne des dreissigj ährigen Krieges im Inter-
esse des Kaisers aufgewendeten Kriegskosten. Die
Wappen der Markgrafthümer gehörten keiner dynasti-
schen Familie an, sondern sind Städtewappen, die erst
im Laufe des 14. Jahrhunderts entstanden ; für die
Niederlausitz nahm man das Wappen der Stadt Luckau,
für die Oberlausitz das der Stadt Bautzen. In der des
Raumes wegen hier nicht näher zu erörterndeii Geschichte
der beiden Länder ist der Grund zu suchen, dass auf
den Siegeln böhmischer Könige im 15. Jahrhundert meist
nur das Wappen der Mederlausitz für beide Markgraf-
thümer sich findet und das der Oberlausitz sehr selten
nur vorkommt*^**).
Zuletzt weist unser grosser Schild auf einem Platze
(24.) noch ein leeres Feld. Aber dasselbe ist nur schein-
bar leer, denn die rothe Farbe ist eben seine Schildes-
figur, entsprechend der rothen oder Blutfalme, durch
welche die Kaiser bei Ertheilung der grossen Reichs-
fahnenlehen**^) symbolisch die Belehnung mit den „Ge-
richten über Hals und Hand" anzudeuten pflegten. AVegen
dieser Symbolik hat man den einfach rothen Schild den
der Regalien genannt Seine Aufnahme in die Wappen
verschiedener alt fürstlicher Häuser schreibt sich übri-
gens erst aus der Zeit des 16. Jahrhunderts und kam
mit Beginn unseres, des 19. Jahrhunderts, ganz aus der
Mode.
Wir süid am Ende unserer historisch-topographischen
Wanderung und Avieder im 19. Jahrhundert angelangt.
*') Hinsichtlich des Wappens der OberLausitz \gl. Knothe in
dieser Zeitschrift III. 97 flg.
*') Solcher Reichsfahnenlehen gab es in Sachsen (Ober- und
Niedersachsen) vor Errichtung des Herzogthums Braunschweig-
Lünelmrg 1235 sieben, wie uns schon Eckard von Reppichau im
Sachsenspiegel Buch III, Art. 62 mittheilt: Scven vanleu siiif öl-
ine lande to Sassen, daf herfochdum to sasscn tmde die palentze,
die marke to hrandenhnrg , die lantgrafscap to doringen, die.
marke to miscne, die marke to htsifz, die t/rafscap ascliersJevc.
Wie man sieht, waren schon im 15. Jahrhundert vier und seit 1635
fünf von diesen Fahnenlihen in den Händen des Hauses Wettin.
Das Wappen des Kurfürst Piit Im ins Sachsen etc. 93
Verschwunden ist liente das farhenpräclitio-e Bild des
alten Kiiiiiirstontliums Sachsen, die lleihe glänzender
Zeugen einer thatenreichen Vergangenheit ist zusaninien-
geschrinnpft auf den einzigen askanisch-sächsischen Schild,
das Hoheitszeichen des jetzigen Künigreichs. Vergeblich
si)ähen \\ir nach dem ehrwürdigen Schild der Vv^ettiner,
dem Stammeswappen unseres Königshauses, vergeblich
suchen wir die historischen Löwen von Meissen und
Pleissen ; herrlich florieren diese Länder unter dem säch-
sischen Szepter, weshalb musste ihr altes Smnbild ver-
schwinden? Weshalb fehlt m dem Wappen des König-
reichs die edle Perle seiner Krone, die Oberlausitz?
Sollte das äusserliche Gedei^ken einer glorreichen Ver-
gangenheit nicht mehr angebracht sein in dem Zeitalter
der Elektrizität und des Dampfes?
Als Kurfürst Friedrich August der Gerechte den
Königstitel angenonmien, erfolgte am 29. Dezember 1806
eine königliche Verordnung") über Änderung in Titulatur
und Wappen, in welcher es heisst, der König habe für
gut befunden. .,dass die in Unserem Namen ausfertigenden
Collegia sich vor der Hand und bis auf weitere
Anordnung .... eines Siegels, in welchem Unser bis-
heriges Herzoglich -Sächsisches Wappen . . . aufgenom-
men . . ., bedienen .... sollen". Vorderhand sind
78 Jahre verflossen, möchte doch weitere Anordnung
i'echt bald erfolo-en!
'") Codex Augusteus Cont. IJl. J, 10.
in.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog
Georg von Sachsen und Landgraf Philipp von
Hessen. 1525—1527.
Mitgetheilt von
W. Friedensburg.
Unter dem Titel „Nachlese einiger zur liessisclien
Reformations- Historie gehörigen Urkunden und Brief-
schaften" verötl'entlicht Kuchenbecker in der zehnten
Sammlung seiner „Analecta Hassiaca" (1736) S. 393 flg.
eine grössere Zahl von Briefen an und von Landgraf
Philipp von Hessen, deren Reihe ein Schreiben Philipps
an den Frauziskanerguardian zu Marburg, Nikolaus
Ferber, aus dem Anfang des Jahres 1525 eröffnet, in
welchem der Landgraf gegenüber der von dem Guardian
an ihn gerichteten Mahnung an der alten Kirche fest-
zuhalten, die Gerechtigkeit aus dem Glauben als Funda-
ment der Religion hinstellt, Christus allein als Mittler
zwischen Gott und den Menschen anerkennt, kurz, sich
bereits deutlich als Anhänger des durcli Luther „wieder-
gebrachten" Evangeliums kundgiebt. Ln Hinblick auf
dieses Schreiben oedenkt der Herausoeher in der Vor-
rede zur zehnten Sammlung der „Analecta" eines um
dieselbe Zeit von Philipp mit Herzog Georg von Sachsen
eigenhändig gefidn-ten Briefwechsels, der sich im „hessi-
schen Hofarciiiv" belinden soll, und bemerkt dazu, dass,
wenn diese Korrespondenz einmal an das Licht treten
sollte, die Welt ob der tiefen Einsicht des Landgrafen
in Glaubenssachen werde erstaunen müssen.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 95
Von den Briefen^ welche Kuchenbecker hier im Auge
hatte, bekennt später Rommel, er habe nur zwei der-
selben auffinden können'); er hat diese unter dem
Jahresdatuni 1525 (welches indes nur der eine trägt) in
dem Urkundenband, den er seiner Geschichte Landgraf
Philipps beigegeben, aus dem damals in Kassel, jetzt in
Marburg befindlichen hessischen Archiv veröffentlicht''').
Ausserdem theilt derselbe Autor in den Anmerkungen
zum dritten Bande seiner Geschichte von Hessen einen
an den Landgrafen gerichteten Brief Herzog Georgs aus
dem April 1525 mit, welcher ebenfalls auf die religiöse
Differenz Bezug nimmt ^).
Doch ist damit der Reichthum des Marburger Archivs
in dieser Beziehung noch nicht völlig erschöpft; es liegt
dort vielmehr noch ein drittes Schreiben Philipps an
Georg vom 22. März 1526 vor. Diese Marburger Archi-
valien erfahren nun aber eine wesentliche Ergänzung und
Bereicherung aus den Religionsakten des Hauptstaats-
archivs zu Dresden. Mit Hilfe derselben ergiebt sich
eine fortlaufende Korrespondenz zwischen Philipp und
Georg über die religiösen Zeitfragen zunächst aus den
ersten Monaten des Jahres 1525; aber der Briefwechsel
hierüber wurde dann zu Anfang 1526 nochmals aufge-
nommen, und auch aus dem letztgenannten Jahre liegt
eine Folge von Schreiben und Gegenschreiben vor. Ist
nun dieser Briefwechsel auch insofern erfolglos geblieben,
als keiner der beiden Korrespondenten den andern zu
seiner Meinung zu bekehren vermocht hat, so bietet er
doch ein nicht geringes Interesse dar.
Es kann nicht fehlen, dass in einem Briefwechsel
wie diesem, dessen Gegenstand die kostbarsten Güter des
Lebens, die höclisten Probleme, welche der menschliche
Geist aufzustellen vermag, bilden, Charakter und Sinnes-
art beider Männer in besonders deutlichem Lichte sich
uns zeigen; aber auch für die Zeitgeschichte überhaupt
können wir aus diesen Schriften mancherlei entnehmen,
wie dieselben denn, wenn ich mich nicht täusche, einen
vielleicht nicht ganz unwichtigen Beitrag zum richtigeren
Verständnis der sogenannten Packischen Händel liefern,
insofern wenigstens, als schon aus unseren Dokumenten
') Geschichte von Hessen HI, Anmerkungen S. 236.
'^) S. 3—10 (Nr. 2 u. .^).
*j S. 221 üg.
96 W. Frierlensburg:
die völlige Haltlosigkeit der Behauptung erhellt, auf
welche Ehses sein Werk über jene Begebenheiten ge-
gründet hat, der Behauptung nämlich, dass der Land-
graf gleich von seinem Übertritt an sich des unversöhn-
lichen Gegensatzes, in den er dadurch zu den katholi-
schen Mächten, namentlicli dem Kaiser, gerathen, bewusst
und, von der Nothwendigkeit eines WafFenganges über-
zeugt, von vornherein nur darauf bedacht gewesen sei,
den günstigen Augenblick für einen solchen zu erspähen,
um alsdann den Kampf zu provozieren^).
Die Hauptbedeutung dieser Wechselschriften aber
möchte ich darin suchen, dass hier, in dem Augenblick
wo Katholizismus und Protestantismus sich endgiltig von
einander scheiden, die beiden Weltanschauungen, welche
ihnen zu Grunde liegen, in engem Rahmen gleichsam
plastisch einander gegenüber treten, die welthistorischen
Gegensätze, welche sie in sich schliessen, auf engstem
Räume zusammentreffen, um sich mit einander zu messen.
Es sind eben die Gegensätze, welche Ranke als charakte-
ristisch für die Zeit des aufkommenden Protestantismus
hingestellt hat^): die Gegensätze zwischen den sogenannten
guten Werken und dem mit Liebe verbundenen Glauben,
zwischen der äusseren Kirche mit ihrer ganzen Hierarchie,
ihren Konzilien und Kirchenvätern, mit dem Papstthum
als ihrem Haupte und der Kirche, welche Christus ge-
gründet hat u.nd deren Haupt nur er allein ist; vor allem
zwischen Menschenlehre und Gotteswort oder, anders
ausgedrückt, zwischen Autorität und Freiheit, zwischen
Unterwerfung unter die Tradition und hingebendem Ge-
horsam gegen die lebendige Stimme des Gewissens.
Wir lassen daher die betreffenden Briefe, soweit sie
nicht schon durch Rommel bekannt geworden sind, in
wörtlichem Abdruck folgen^); zum besseren Verständnis
derselben wird aber vor allem erforderlich sein, das Ver-
hältnis zwischen Herzog Georg und Landgraf Philipp
i\
St. Ehses, Geschichte der Packischen Händel (1881); s.
insbes. S. 20 flg. Die Schwächen in der ganzen Anlage und der Argu-
mentation dieses Werkes hat besonders zutreffend Kawerau dar-
gelegt in dieser Zeitschrift IV (188:^), 160 flg.
*) Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation II, 63 flg.
(4. Aufl.)
*) Der Vollständigkeit halber füge ich die gedruckten (sowie
die fehlenden) fJriefe, jeden an seiner Stelle, in kurzem Regest bei.
Die Orthographie ist nach Massgabe der modernen Editionsgrund-
sätze vereinfacht.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 9?
kurz zu skizzieren und die Umstände darzulegen, unter
welclien und aus welchen dieser Briefwechsel hervorge-
gangen ist.
Unter ') den Fürsten des mit Hessen durch Erbver-
brüderung engverknüpften Hauses Sachsen scheint Herzog
Georg bereits das besondere Vertrauen des Vaters Philipps,
des Landgrafen Wilhelms H. des Mittleren von Hessen,
genossen zu haben, der ihn in seinem Testamente in der
Zahl derjenigen Fürsten nannte, bei welchen die be-
stellten Vormünder des hessischen Landes in Nothfällen
Rath und Hilfe in erster Linie suchen sollten ; auch sollte,
falls der hessische Mannsstamm ausgehe, Georg vor den
andern Fürsten seines Hauses als Erbe begrüsst werden.
Ist dann gleich das Testament Wilhelms nicht zur Aus-
führung gekommen, so wurde Georg doch nach dem
Tode des Landgrafen nebst seinen Vettern Kurfürst
Friedrich und Herzog Johann von Sachsen zum Ober-
vormund ernannt. Als in der Folge zwischen der vor-
mundschaftlichen Regierung Hessens unter Ludwig von
Boyneburg und der verwitweten Landgräfin, Anna von
Meklenburg, Irrungen ausbrachen, war es vor allen
Georg, welcher das Interesse der Landgräfin vertrat und
ihr zum Siege über ihre Gegner und zur Regentschaft
verhalf. Damals, im Jahre 1515, verlobte die Landgräfin
ihre Tochter Elisabeth mit dem ältesten Sohne Georgs.
Drei Jahre später wurde der Erbe Hessens, Landgraf
Philipp, in seinem vierzehnten Lebensjahre für mündig
erklärt; bald hernach, 1520, hatte er eine Zusammen-
kunft mit den Herzögen Johann und Georg von Sachsen,
mit welchen er die alte Erbverbrüderung erneute. Na-
mentlich zu Georg, als dem Freunde seines Vaters und
seiner Mutter, trat Philipp in ein intimes Verhältnis,
welches seinen Ausdruck auch darin fand, dass Georg
dem jungen Landgrafen im Jahre 1523 seine Tochter
Christina zur Gattin gab.
Aber die Harmonie zwischen Schwiegervater und
Eidam war nicht von Dauer. Die Verhältnisse erwiesen
sich mächtiger als alle Bande der Verwandtschaft und
Pietät, welche beide mit einander verknüpften. Durch
die grosse kirchliche Spaltung, welche ganz Deutschland
in zwei Parteien schied, wurde auch die anscheinend so
') Vgl. hierzu Rommel, Gesch. von Hessen, Bd. III, sowie
auch die unten in Nr. 17 abgedruckte Instrulction.
Neues Aicliiv f. S. G. u. .\. VI. 1. 2. 7
98 W. Friedeiisburg:
fest begründete Eintracht zwischen dem Herzog und dem
Landgrafen schnell gelöst
Herzog Georg, ein Mann der Autorität und Lieb-
haber der Ordnungen, auf welchen das mittelalterliche
Staats- und Kirclienwesen beruhte, konnte die offene
Auflehnung Luthers, dessen Auftreten er anfangs nicht
ohne Theilnahme beobachtete, gegen die katholische
Kirche, gegen Satzungen und Einrichtungen, welche Jahr-
hunderte lang als Richtschnur für Millionen fast unan-
gefochten bestanden hatten, nicht billigen; er vermochte
dem kühnen Gedankeuflug des Mönchs nicht zu folgen,
die unerschütterliche Konsequenz, mit welcher derselbe, nur
von seinem Gewissen getrieben, voranschritt, nicht zu
begreifen; er witterte daher in Luthers Auftreten nur
Lüge, Heuchelei und Überhebung und wandte sich aufs
tiefste verletzt von dessen Thun und Treiben ab; ja er
fasste einen unauslöschlichen Widerwillen gegen Luther,
in welchem er einen persönlichen Todfeind zu erblicken
sich bald gewöhnte.
Ganz anders Philipp von Hessen. Schon auf dem
Worraser Reichstage war Luthers Auftreten nicht ohne
Eindruck auf ihn geblieben; er sah sich veranlasst, die
Fragen, welche die Zeit bewegten, selbständig zu über-
denken und zu studieren; im Jahre 1524 legte er Melanch-
thon, den er zufällig traf, die Frage vor: „ob der auch
sündige, der das Sakrament des Altars nicht nehme"®)?
Melanchthon versprach ihn schriftlich zu belehren und
übersandte alsbald seine hieraufhin abgefasste und dem
Landgrafen gewidmete „Summa der Christlichen leer, die
Gott ytzundt Avidderumb der weit geben hat"^), worin er
in kurzer, meisterhafter Darlegung die beiden wichtigsten
Streitpunkte, von der Gerechtigkeit durch den Glauben
und der Verdienstlichkeit der sogenannten guten Werke,
behandelte. Es scheint, dass es diese Schrift gewesen ist,
welche bei Philipp den Ausschlag gegeben und ihn zum
begeisterten und entschlossenen Anhänger der „neuen"
*) Siehe die gleich zu erwähnende Schrift Melanchthon s. Über
die Entstehung derselben sagt M. hier: „E. f. g. hies mich, ich
solt etwas dauon schreyben, ab der auch sundiget, der das sacru-
ment des altars nicht nheme" (tu jtisseras ut ad te perscriberein,
peccaretnc qui Eucliaristia non utereturj.
') Wittenberg 1524. 4". Lateinisch unter dem Titel: Ejaüome
Benouatae Ecdcsiasticae Doctrinae s. 1. et a. 8". Beide Fassungen
in Originalausgaben auf dem Marburger Staatsarchiv.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 99
Lehre Luthers gemacht hat; jedenfalls sehen wir ihn von
jetzt ab sich in dieser Eigenschaft betliätigen^^')- Dawar
denn freilich der Konflikt mit Herzog Georg unausbleib-
licli. Und nicht lange Hess derselbe auf sich warten.
Der Herzog hatte missfällig vermerkt, dass seine
Lehnsleute, die Brüder von Minkwitz auf Sonnenwalde
in der Lausitz, einen Priester bei sich hatten, der die
neue Lehre verkündete. Er erliess ein Abmahnungs-
schreiben, welches denn auch die Entfernung des Priesters
zur Folge hatte. Bald darauf erfuhr der Herzog aber,
dass die von Minkwitz das Übel nur ärger gemacht,
indem sie nämlich jetzt gar einen „ausgelaufenen"' Mönch
bei sich aufgenommen hätten, der die deutsche Messe bei
ihnen einrichtete, die Fastengebote verletzte u. s. w., so-
dass sie im Begriff schienen, sich von der katholischen
Kirche völlig zu trennen. Der Herzog fasste daraufliin
alsbald ein zweites Schreiben an die Ungehorsamen ab,
welches Christof von Polenz, der am 9. Dezember 1524
") Die letzte landgräfliche Bestätigung eines Klosters ist vom
2. Julil.ö23 (Romme 1 III, Anm. S. 226, .32); schon am 26. November
desselben Jahres gewährte Philipp der Gemeinde Balhorn in Xieder-
hessen auf ihr Bitten einen der kirchlichen Neuerung geneigten
Prediger (Heppe, Kirchengesch. beider Hessen I, 129). Dass
Philipp die Schriften Lutliers und Melanchthons eifrig gelesen hat,
geht aus dem schon erwähnten Schreiben des Franziskanerguardians
Ferber (welches vom 9. Januar 1525 datiert ist) hervor; vgl. Secken-
dorff, Commentarius de Lutheranismo I, 296. Die hessische Reim-
chronik, welche noch dem 16. Jahrhundert angehört, führt die Sinnes-
änderung Philipps wesentlich auf das Studium der verdeutschten
Bibel zurück:
„als er so schön in teutscher sprach
die bibel wol vertiret sach,
und dieselbe mit fleis durchlas,
durch gottes hiüf er bald genas,
dass er das herz zur Wahrheit kahrt
und ivie Faulus bekehret ward"
(angeführt Ronimel III, Anm. S. 227). Mit der Schrift, welche die
Nürnberirer l'röbste unter dem 2.". Oktober ].')21: wider den Bischof
von Bamberg ausgehen Hessen, zeigt sich Philipp im Anfang des
nächsten Jaiires bereits vertraut, s. Rommel, ürkundcnb. Nr. 2,
Seite 4. Aus dem ebenhier als Nr. 1 abgedruckten undatierten
Schreiben des Landgrafen an seine Mutter (welche am 10. April
1525 starb) entnehmen wir, dass Philipp spätestens im Frühling
1525 bereits für die evangelische Lehre direkt thätig war und die-
selbe durch Prediger, die er unihersandte, verkünden Hess. — Den
Guardian Ferber fertigte Philipp mittels des erwälmten Schreibens
(Kuchenbecker, Anal. Ilass. X, .S93 — 396) bereits unter dem
18. Januar scharf ab.
7*
100 W. Friedensburg:
in Begleitung von zwei Wagen voll Fussknecliten vor
Sonnenwalde erschien, den Besitzern übergab. Sie wur-
den in diesem Schreiben angewiesen, den ausgelaufenen
Mönch und andere Priester, welche sich nicht nach den
Vorschriften der christlichen Kirche halten Avollten, dem
Bischof von Meissen auszuliefern , sich selbst aber am
30. Dezember wegen Ungehorsams und Verachtung ilires
Lehnsherrn ihm zur Bestrafung zu stellen ^^).
Da Georg aber voraussehen mochte, dass er auf
diesem Wege nicht leicht ans Ziel gelangen werde, so
suchte er den Herren von Minkwitz noch auf eine andere
Weise beizukommen. Einer der Brüder, Nikolaus, ge-
wöhnlich Nickel genannt, hatte sich im Jahre 1522 im
Einverständnis mit Franz von Sickingen befunden und
sür denselben im Braunschweigischen ein Hilfskorps ge-
sammelt. Ehe er aber noch mit seiner Schar zu Sickingen
ftossen konnte, war er durch den Landgrafen von Hessen
abgeschnitten worden, der seine TrupjDen zersprengte und
dann in hessische Dienste zog, ihn selbst aber gefangen
nahm^^). Später erlangte Nickel vom Landgrafen die
Freiheit zurück, musste aber versprechen, sich auf Er-
fordern alsbald wieder in Haft zu stellen. Dessen ein-
gedenk, beabsichtigte nunmehr Georg seinen Einfluss auf
den Schwiegersohn geltend zu machen und ersuchte in
einem nicht mehr vorhandenen Schreiben den Landgrafen,
kraft des damaligen Vorbehalts, Nickel wieder zu sich
zu entbieten.
Aber dem Landgrafen war nicht verborgen geblieben,
um was es sich handelte. Unmöglich konnte er dazu
mitwirken einen Mann, der wegen seiner Anhänglicid^eit
an die lutherische Lehre verfolgt wurde, ins Verderben
zu stürzen. Er entschuldi<j;te sich daher 2;eo;en seinen
Schwiegervater, er könne dessen Begehren nieiit ent-
sprechen, weil er etlichen Fürsten und Edlen zugesagt
habe Nickel nicht zu mahnen; auch fürchte er, dieser
werde einer etwaigen Mahnung nicht Folge leisten. Aber
auch mit dem für ihn entscheidenden Gesichtspunkt,
vi^elcher ihn hinderte Georg gefällig zu sein, hielt Philipp
nicht zurück; er glaubte sich vielmehr verpflichtet, dem
") Vgl. J. Falke, Nickel von Minkwitz, in v. Webers Archiv
f. d. Sachs. Gesch. X, 280 flg., insbes. 285—290 (aus Weimarer Archi-
valien). S. auch Seckendorff I, 278.
-) Ranke 11, 77. Falke a. a. 0. 28:i flg.
i:
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 101
Herzog über den Standpunkt, welchen er selbst in der
Glaubenssaclie einnähme, keinen Zweifel zu lassen. So
setzt denn hier der berühite Briefwechsel zwischen den
beiden Fürsten ein.
Das erste Schreiben des Landgrafen, welches eben
von der Angelegenheit Nickels von Minkwitz ausgeht,
ist von Rommel abgedruckt worden ^^). Es trägt nur
das Jahresdatum 1525; Monats- und Tagesangabe fehlen,
lassen sich jedoch unschwer insoweit ergänzen, als das
Schreiben den ersten Wochen oder Monaten des ge-
nannten Jahres mit Sicherheit zugewiesen werden kann.
Da nämlich ein ferneres Schreiben des Landgrafen,
welches durcli die Entgegnung Georgs auf den ersten
Brief hervorgerufen wurde, das Datum des 11. März
trägt ^*), so muss dieser erste Brief mehrere Wochen
früher, also in den Januar oder Februar angesetzt wer-
den, womit es auch in bestem Einklang steht, dass die
Irrung zwischen Georg und den Herren von Minkwitz
sich im Dezember 1524 und in den ersten Monaten des
folgenden Jahres abspielte^*).
Wie es der Anlass des Schreibens mit sich brachte,
geht Philipp von der Frage der Verbindlichkeit der
Klostergelübde und der Verdienstlichkeit der äusseren
Werke aus. Wir sehen hier, auf wie fruchtbaren Boden
Melanchthons Winke gefallen sind: Gott hat uns — in
der heiligen Schrift — so viel geboten, dass wir damit
genug zu schicken haben und seiner besonderen Gnade
bedürfen, um nur die Gebote, welche er uns gegeben,
halten zu können; daneben bedarf es keiner menschlichen
Satzungen, denn unsere Vernunft ist Thorheit vor Gott.
Insbesondere beschäftigt den Landgrafen die Messe,
welche ihm ja auch den ersten Anlass geboten hatte, sich
an Melanchthon zu wenden. Inzwischen war seitens
der beiden Pröbste zu St. Sebald und St. Lorenz in
Nürnberg, welche wegen Abhaltung der Messe in deut-
scher Sprache, Ertheilung des Laienkelchs u. s. w. von
dem geistlichen Oberen, dem Bischof von Bamberg, zur
Verantwortung gezogen waren, eine ausführliche Rccht-
fertigungsschrift erschienen, welche es vorzugsweise mit
dem Abendmahl und den Gründen, weswegen sie die
'^) a. a. 0. No, 2 S. 3—6. Unten No. 2.
'*) Unten No. 4.
'*) Falke a. a. 0.
]^02 ^- Friedensburg:
Feier desselben verändert, zu thun hatte ^''). Im Hinblick
auf diese Schrift steht denn Philipp nicht an, den Mess-
kanon, insofern als es in demselben heisst, der Priester
bringe Gott seinen Sohn Jesum Christum zum Opfer, für
eine Gotteslästerung zu erklären; er verweist hierfür den
Herzog auf die Darlegung der Nürnberger, vor allem aber
auf die heilige Schrift selbst. Ihren klaren ^^^orten möge
Georg folgen und sich weder durch persönlichen Hass
(gegen Luther) irre machen lassen, noch auch daran An-
stoss nehmen, wenn ihm diejenigen, welche Gottes Wort
verkündeten, unansehnlich und verächtlich vorkämen; auf
das Werkzeug, dessen sich Gott bediene, komme nichts
an; gar wohl möge dieser auch durch thörichte und ver-
achtete Leute die Gläubigen zur Seligkeit führen. —
Der Herzog antwortete sehr bitter ): andere hätten
über den Landgrafen, wie dieser selbst schreibe, soviel
vermocht, dass er zugesagt habe Minkwitz nicht zu
mahnen ^^j; warum denn Philipp lieber habe anderen ge-
fällig sein wollen als ihm, Herzog Georg, der doch —
in den Zeiten der Vormundschaft — soviel für ihn ge-
than und es für nichts geachtet habe, Fürsten und mäch-
tige Herren um des Landgrafen Willen sich zu Feinden
zu machen? Wohl habe Georg gewusst, dass sein Eidam
ihm das in vollem Masse nie werde vergelten können,
aber um so sicherer habe er darauf vertraut, den Land-
grafen, wenn er demselben einmal mit einer kleinen Bitte
komme, zur Gewährung bereit zu finden. Aber freilich,
wie aus Philipps Schreiben ja hervorgehe, sei der von
Minkwitz sein Bundesgenosse (nämlich in der Glaubens-
'•) Sie erschien unter dem Titel: Grund vnd vrsacli auß der
lieyligen schrifft, wie vnd Avarumb die . . . Probst zu Nürnberg die
Mißbreuch bey der heyligen Messz . . . sanipt . . . andern Cere-
monien abgestelt . . . haben. Nürnberg 1524. 4". Vgl. Strobel,
Miscellaneen literarischen Inhalts, 3. Samml. No. 2 (S. 48 flg.)
„Yon dem Streit der Nürnbergischen Pröbste mit dem Bischof zu
Bamberg im Jahre 1524."
") S. u. No. 3. Unsere Vorlage, das eigenhändige Konzept des
Herzogs, ist undatiert; der Brief mag Ende Februar anzusetzen
sein, da (l.ie Antwort darauf (No. 4) vom 11. März datiert ist.
") Übrigens, fügt der Herzog hinzu, habe ihm neuerdings ein
hessischer Beamter geschrieben, Philipp gestehe nicht zu, dass er
versprochen habe, Minkwitz nicht zu mahnen. Philipp klärte in
seinem nächsten Briefe (No. 4) den Widerspruch auf: er habe ver-
sprochen Nickel „nicht leichtlich" zu mahnen ; fehle das "Wort
„leiclitlich" in seinem ersten Briefe (wie sich das hier in der That
nicht findet), so sei es nur versehentlich ausgefallen.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 103
saclie), und schon der selige Kaiser habe gesagt; es sei
böse, Schweizer mit Schweizern zu schlagen!
Dass der Landgrafsich herausnimmt, ihm die Bahnen
zu weisen, auf denen er wandeln soll, scheint den Herzog
schwer verdrossen zu haben. Eures Weibes Vater, ruft
er dem Schwiegersohn zu, hat schon gewusst, was ihm
zar Seligkeit noth that, ehe ihr auf die Welt gekommen
seid! Und wenn Gott es zulasse, werde er bis an sein
Grab dem Evangelium Cin-isti und Avas dazu gehöre,
wie das die christliche Kirche geordnet und angenommen
habe, anhängen. Ganz unnöthig sei es aber zumal, dass
Philipp ihn auf die Bibel hinweise, die kenne er gar
wohl und eben in ihr lese er den Spruch, dass man den
Baum an seinen Früchten erkennen solle. Was aber
seien die Früchte, welche Luthers Auftreten hervorge-
bracht habe? Abwerfen aller Zucht und Ordnung, Un-
gehorsam und Gewaltthat, Verletzung der heiligsten Ge-
lübde — ■ worin ja Luther selbst, der drei oder vier
Meineide auf dem Gewissen habe, mit rühmlichstem Bei-
spiel seinen Anhängern vorangehe! Durch nichts, am
wenigsten durch die Bibel, lasse es sich rechtfertigen,
dass man — zumal freiwillig abgelegte — Gelübde hinter-
her breche. Ein Fürst , dem seine Unterthanen eine
Steuer bewilligen und zusagen, wolle doch, dass sie es
ihm hielten; warum solle man denn nicht halten, was
man dem frommen alten Gott gelobt habe?
Überhaupt aber muss Autorität in der Welt be-
stehen; man soll der Obrigkeit unterthan sein, predigen
schon die Apostel. Nichts ist verderblicher, als wenn ein
jeder sich herausnimmt, über das Herkommen sich eigen-
mächtig hinwegzusetzen. Darum soll man auch die
Speiseverbote der Kirche, auf welche ja an sich selbst
nicht eben viel ankommt, nicht leichtfertig übertreten,
sondern die Satzungen des Papstes, als des einen durch
Jahrhunderte hergebrachten Hauptes der Christenheit, be-
achten und befolgen. Ferner aber schreibt sich doch auch
die Kenntnis und richtige Auslegung der Bibel nicht erst
von Luther und dessen Genossen her, sondern schon vor
diesen hat es erleuchtete Männer gegeben, welche die
Richtigkeit ihrer Auffassung auch durch den heiligen
Wandel, den sie, ganz im Gegentheil zu Luther, geführt,
erwiesen haben, weshalb ihnen mehr zu glauben ist als
diesem. Und wenn schon über die Auslegung und Be-
deutuno; von Satzungen und Einrichtungen der Kirche
104 W. Friedensburg:
Streit und Uneinigkeit ausbricht, so ist niemand befugt
dieselben zu deuten, wenn nicht die Kirche, welche sie
geordnet und eingerichtet hat, denn auch wenn ein Fürst
einen Brief ertheilt, der zu Missverstand Anlass giebt,
wird er nicht wollen, dass irgend ein anderer als er ihn
auslege.
Nur mit Kummer und Herzeleid kann daher der
Herzog wahrnehmen, wie sein Schwiegersohn sich von
dem Lügengeist Martini bestricken lässt; er wünscht leb-
haft, dass Philipp auf den rechten Weg zurückkehre,
und räth ihm zu dem Ende drino-end an, die wider
Luther erschienenen Schriften zu studieren.
Übrigens soll der Landgraf nicht glauben, dass er
aus Hass gegen Luther spreche; was dieser ihm persön-
lich zu leide gethan, sei längst vergessen und vergeben;
es wäre nur zu wünschen, dass der Landgraf ebenso
vollständig seinen Feinden aus den Zeiten der Regent-
schaft und der Sickingenschen Fehden vergebe, auch
dem Grafen von Nassau die Katzenelubogisclie Erbschaft,
welche der Kaiser demselben zuerkannt, herausgebe;
dann werde jedermann sprechen, er sei in Wahrheit ein
evangelischer Fürst!
Ferner aber: habe nicht neben andern Reichsfürsten
auch Philipp in Worms dem Kaiser zugesagt beim alten
Glauben zu bleiben? Wie stehe es denn nun mit diesem
Versprechen ?
Doch, Gott sei Dank, ganz lutherisch scheine der
Landgraf doch noch nicht zu sein; wäre er das, so würde
ihm ja die Zusage, welche er Nickel von Minkwitz gegeben,
ihn nicht zu mahnen, keineswegs binden. Der Herzog
beglückwünscht daher in bitterem Sarkasmus den Land-
grafen dazu, dass dieser auch gegen ihn an jener Zu-
sage festhalte. Schliesslich widerlegt er noch Philipps
Ansicht, dass ihm nicht zustehe, die Mönche in den
Klöstern festzuhalten, da dies Gewissenssache sei. Er
müsse an der Jurisdiktion über die Geistlichen festhalten,
meint der Herzog; ihm als Landesherrn sei der Schutz
über Juden und Heiden zugewiesen; da müsse er sich denn
doch auch der Geistlichen annehmen, welche sicherlich
nicht geringer seien als diese. Wäre er freilich nur auf
seinen Vortheil bedacht, so läge ja nichts näher als die
Klöster einzuziehen und deren Güter zum eigenen Nutzen
zu verwenden. —
Der Landgraf Hess sich durch den unfreundlichen
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 105
Ton des herzoglichen Schreibens nicht absclirecken. Er
bedauere, sagt er in seiner ausführlichen Antwort vom
11. März '^), dass der Herzog seinen Brief so übel auf-
genommen habe. Der Wohlthaten, welclie Georg ihm
erwiesen, stets eingedenk, sei er gerne bereit sie nach
Kräften zu vergelten; nur das müsse der Herzog nicht
verlangen, dass er sich an menschliche Gebräuche und
Einrichtungen halte und die dem Irrthum unterworfene
menschliche Vernunft zur Richtschnur nehme. Aus der
heiligen Schrift möge man ihn des Irrthums überweisen,
so werde er von seinem Beginnen ablassen. Aber freilich,
auch Luthern gegenüber M'oUe ja niemand auf Grund
des Gotteswortes streiten, sondern man halte ihm nur
menschliche Gebräuche entgegen, und wenn man nicht
weiter könne, so solle das Schwert helfen. Selbst zu
einem Konzilium habe niemand den ernstlichen "Willen.
Was übrigens Georg im Besonderen betreffe, so wisse er,
der Landgraf, ganz genau, dass der Herzog soviele „Spitz-
hüte" von Mönchen und Pfaffen um sich habe, dass die
Wahrheit nicht zu ihm gelangen könne; daher fühle er
sich schuldig, dem Schwiegervater die wahre Beschaffen-
heit der Dinge auseinander zu setzen.
Der Landgraf knüpft daran an, dass Georg auf die
bösen Früchte hingewiesen, welche Luthers Auftreten
hervorgebracht habe : er erinnert den Herzog, dass schon
Paulus die Predigt des Evangeliums als die Quelle von
Ärgernis für Juden und Heiden erklärt habe. Luthern
ins Herz zu schauen, vermöge der Herzog aber so wenig
wie er, der Landgraf, der sich deshalb an das halte, was
Luther lehre. Und wenn er nun wahrnehme, dass dieser
predige, wir sollen an Gott glauben und Gott allein an-
hängen, ihm vertrauen, ilm lieben, unsern Nächsten aber
wie uns selbst lieben, so scheine ihm das in Wahrheit
christlich zu sein, und er sehe auch, dass vieler Orten
aus Luthers Lehre gute Frucht erwachsen sei, während
andererseits aus dem Wandel der Geistlichkeit^ sowie aus
vielen Einrichtungen der katholischen Kirche die übelsten
Früchte, die bösesten iMissbräuche sich herleiten. Philipp
verbreitet sich dann über verschiedene dieser Miss-
'») Unter No. 4. Wie die Nachschrift besagt, hat Philipp den
Brief zunächst eigenhändig abgefasst, dann aber, in der Besorgnis,
dass er schwer leserlich sein werde, durch seinen Geheinischreiber
kopieren lassen.
106 W. Friedensburg:
brauche, wie dass der Papst zu binden und zu lösen be-
anspruche und die Gabe Gottes um Geld verkaufe; dass
geboten werde diesen oder jenen Tag zu fasten oder zu
feiern bei einer Todsünde, im Widerspruch mit unzwei-
deutigen Weisungen der Bibel ; dass man das Sakrament
des Altars nicht in der Gestalt gebe, in welcher es von
Christus eingesetzt sei; dass man zu den Heiligen bete
als seien sie Gott gleich; dass in weltlichen Dingen, ins-
besondere Geldsachen, mit dem Banne eingeschritten
werde; dass man mit dem Weihen aller möglichen Gegen-
stände Missbrauch und Aberglauben treibe; dass man in
der Kirche statt zu singen heule wie der bÖse Feind,
ohne den Sinn der Worte zu kennen u. s. w. Auch hält
Philipp daran fest, dass man den Kanon als gottesläster-
lich abthun und die Messe in deutscher Sprache begehen
müsse, da das Volk unmöglich die rechte Andacht haben
könne, wenn der Text ihm völlig unverständlich bleibe.
Ausführlicher spricht er über die Klostergelübde; er
glaubt es durchaus rechtfertigen zu sollen, wenn dieselben
gebrochen werden. Da es nicht in des Menschen Ge-
walt steht, sondern eine besondere Gnade von Gott, eine
englische Tugend , ist, diese Gelübde halten zu können,
so ist es vermessen sie abzulegen; wir geloben damit
etwas, was nicht unser ist, wir streben über unsere Natur
hinaus. Namentlich ist das mit dem Gelübde der Keusch-
heit der Fall ; hat man doch auch früher den Geistlichen
keinen Zwang aufgelegt, wie überhaupt den Austritt aus
dem Kloster freigelassen. Auch auf die Speiseverbote
kommt der Landgraf nochmals zurück; hier sei, meint
er, Georg schon der richtigen Auffassung nahe, indem
er zugebe, dass im Essen an sich nicht die Sünde liege,
sondern in dem frevelhaften Übermuthe; dann aber sei
es doch klar, dass überhaupt keine Sünde damit ver-
bunden sei, wofern man es nur nicht zur Verachtung
und zum Ärger des Nächsten thue; am wenigsten aber
sei zuzugeben, dass der Papst die Gewalt habe willkür-
lich anzuordnen, dass dieser oder jener Tag durch Fasten
begangen werde. Und wie werde dies Fasten betrieben!
Man schlinge, ehe das Fasten beginne, soviel als möglich
in sich hinein, dass es für zwei Mahlzeiten überreichlich
sei; das könne er nicht Fasten nennen, es sei vielmehr
Fressen.
Im übrigen berichtigt der Landgraf, dass er den
Wormser Tag bereits verlassen gehabt, als der Kaiser
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 107
die Fürsten zu jener von Georg erwälmten Zusage ver-
anlasst habe. Dem Hinweis des letzteren, der Landgraf
möge doch, ehe er andere vom persönlichen Hass ab-
mahne, zuvor seinen eigenen Feinden vergeben, bricht
Philipp durch das schlichte Bekenntnis, er bitte Gott
alle Tage um die Gnade seinen Feinden verzeihen zu
können, die Spitze ab. Im Punkte der Jurisdiktion über
die Geistlichen habe er dem Herzog keinen Vorwurf
gemacht, sondern nur gesagt, es sei eine Anmassung
Georgs, über die Gewissen richten zu wollen. Wenn
dieser aber schreibe, fügt er, nun ebenfalls nicht ohne
Sarkasmus, hinzu, dass die Geistliclien niclit geringer
seien als Juden und Heiden, so habe er darin völlig-
Recht: den Juden seien jene meist im Wucher überlegen,
dazu unkeuscher und unbarmherziger als die Heiden !
Dem Wunsche seines Schwiegervaters, auch die
Schriften der Widersacher Luthers zu studieren , wird
der Landgraf gern nachkommen; findet er darin, was
mit der Bibel übereinstimmt, so wird er das gewiss be-
herzigen; seinerseits aber bittet er wiederholt, dass auch
der Herzog sich in erster Linie an die Bibel halte; er
verlange gar nicht, dass Georg Luthern oder Melanchthon
oder den Nürnberger Pröbsten glaube, aber er möge das,
was diese schreiben, doch einmal mit dem Worte Gottes
zusammenhalten, und wenn er dann finde, dass es damit
übereinstimme, nun, so möge ers doch annehmen; andern-
falls gewiss nicht.
Zum Schluss versichert Philipp den Schwiegervater
aufs neue seiner grössten Bereitwilligkeit ihm gefällig zu
sein; wenn dem Herzog daran liege, wolle er selbst
Nickel von Minkwitz, unter der Drohung ihn andernfalls
zu mahnen, auffordern, sich gegen seinen Lehnsherrn ge-
bührlich zu halten. —
Die ausführliche, durchweg auf Bibclstellen be-
gründete Darlegung seines Eidams scheint den Herzog
doch etwas in Verlegenheit gesetzt zu haben. Er mag
wohl gefühlt haben, dass er die Einwürfe und Angriffe
des Landgrafen wider das katholische Kircluiisystem
denn doch nicht in allen Punkten werde widerlegen
können. So suchte er sich denn, indem er zuvörderst
die Bibelzitate Piiilipps dadurch abzuschwäclien suchte,
dass er vermerkte, sie seien dem durch Ivuthcr über-
tragenen Texte entnonunen, im übrigen mit einigen aus-
108 W. Frieden sburg:
weichenden Bemerkungen aus der Schlinge zu ziehen^'*):
wenn er den Landgrafen zu widerlegen versuche, meinte
er, werde dieser seine Ausführungen doch nicht beachten,
sondern glauben, es kommq von den „Spitzhüten" seiner
Umgebung lier ; überdies aber seien sie beide in Gefahr,
sich durch diesen theologischen Briefwechsel in den Augen
aller Verständigen lächerlich zu machen; kurzum, er
lasse die Sache auf sich beruhen und stelle sie Gott an-
heim: nach hundert Jahren werde am Tage liegen, Aver
recht und wer unrecht habe und was ein jeglicher iür
ein Spitzhut sei! —
Auf diese Weise sah sich denn allerdings der Land-
graf zum Schweigen gebracht. Er sandte den letzten
Brief Georgs unter dem 31. März an den jungen Herzog
Johann Friedrich von Sachsen, indem er dazu nur be-
merkte, er hätte gewünscht, dass Georg den lateinischen
Text der Bibel zu Rathe gezogen; so würde er sich
haben überzeugen können, dass Luther „nicht unrecht
geschrieben oder verdeutscht" habe"'^^). Der fromme
Prinz aber entsetzte sich nicht wenig über den Herzog,
der in seiner letzten Bemerkung ja geradezu Gott heraus-
zufordern scheine. Was sei das überhaupt für ein Glaube,
der erst der Erfahrung bedürfe! Es sei „fast eine er-
schreckliche Schrift". Gott scheine den Herzog verstockt
zu haben, wie einst Pharao; dennoch möge der Land-
graf, bittet Johann Friedrich, noch einen Versuch machen,
den Vetter von seinem „papistischen Vornehmen" abzu-
wenden^^). Schon früher hatte Philipp sowohl dem
Prinzen als auch dessen Vater Herzog Johann, als er
am 20. März mit ihnen eine Zusammenkunft in Kreuz-
burg an der Werra abhielt ^^), seine Schrift vom IL März
vorgelegt; über diese schreibt Johann in einem Briefe
an seinen Bruder, den Kurfürsten: „der Landgraf hat
=") Unter dem 20. März 1525, s. ii. No. 5.
*') d. d. Cassel freitag nach letare a. 1525. Eigenhändiges
Orig. im Weimarer Gesamtarchiv. Der Prinz möge, bittet Philipp,
nicht viel Geschrei's von der Sache machen
^*) d. d. Weimar eilend dienstag nach judica (4. April) 1525;
eigenh. Orig. im Weimar. Ges. -Archiv; erwähnt Seckeudorff II, 35.
Johann Friedrich schickt zugleich die Schrift Georgs vom 20. März
wieder zurück, da sie nicht unter die Leute kommen soll; doch
muss er zuvor eine (noch in Weimar vorhandene) Abschrift seüiem
Vater übersandt haben, vgl. Anm. 24.
**) Vgl. meine Abhandlung „Zur Vorgeschichte des Gotha-
Torgauischen Bündnisses der Evangelischen 1525 — 1526", S. 40.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 109
mich eine Schrift zu Kreuzbiirg lesen lassen, wie er
Herzog Jörgen geschrieben, die da aus der Schrift wohl
gegründet war und unter sechs Blättern nicht "'^^). Luther
aber wurde durch Johann Friedrich von den Bemüli-
ungen des Landgrafen, Herzog Georg zu gewinnen, in
Kenntnis gesetzt, Avorüber er am 11. April voll Freude
an Amsdorf schrieb '^^). Die Entgegnung Georgs scheint
man ihm nicht mitgetheilt zu haben.
Inzwischen hatte die in Oberdeutschland ausge-
brochene Erhebung der unteren Volksschichten begonnen
auch die mittehleutschen Gebiete in ihre Kreise zu ziehen.
Herzog Georg, bei welchem es von vornherein feststand,
dass die ganze Bewegung ausschliesslich die Frucht und
zwar die nothwendige Frucht des „lutherischen Evange-
liums" sei^°), blickte misstrauisch auf den Eidam, der
ja in dasselbe Evangelium „fast verflissen" erschien''^').
Da war er denn nicht wenig überrascht vom Landgrafen
einen Brief zu erhalten, in welchem dieser auf die
drohende Gefalir aufmerksam machte und, wie es scheint,
dem Herzog gemeinsame Massregeln zur Bekcämpfung
und Unterdrückung der Bauern vorschlug^*). Auf das
-*) (1. d. Weimar freitag nach jiulica (7. April) 1525; gedruckt
Kolde, Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation (50llo;.
Zugleich schickt er das Schreiben Gcor^is vom 20. März abschriftlich
ein, welches er wohl von seinem Sohne erhalten hatte.
-*) „Hessus Christo hicrificatus ardet pro evangelio; etiam
ducem Gcorgium sollcäat fortitcr; sie scribit dux noster junior,
qui cum eo Crucehurgi locutus esi". de Wette, Luthers Briefe und
Sendschreiben H, CAi Xo. 091 (d. d. Witemb. 3 post jialmarum =
11. April 1525). — Was es mit dem Berichte Luthers an Spalatin
vom 12. Februar (de Wette II, O.^.S No. (582): „diatiir Hessus
scripsissc duci Georyio se cum ralatino stataissc ut evangelio locus
fiat in ditione sua, victus veritate" (vul. Spalatins tJhronicon bei
Mencke SS. rer. German. II, fi+2) auf sich hat, vermag ich nicht
mit Sicherheit zu sagen. Ein solches Schreiben des Landgrafen an
Herzog Georg findet sich nicht vor, wurde auch in den Zusammen-
hang der von uns liier gegebenen Briefe aus dem Anfang des Jalires
1525 nicht hineinpassen. Man wird wolil sagen müssen, dass Luther,
der ja auch nur von einem Gerücht („dicitur — 6cr/2^6'/sse'V spriclit,
nicht genau unterrichtet Avar. Ül)er die damaligen, allerdings engeren
Beziehungen zwischen Philipp und Kurpfalz vgl. meine angeführte
Abhandlung 39 Anin. 2; von einer förmlichen Alirede über das
Evangelium zwischen beiden Fürsten aiier verlautet nicdits.
^") Man hätte es mit Händen greifen können , dass das luthe-
rische Evangelium die Frucht, so itzt vor Augen ist, bringen musste,
sagt Georg. Bommel III, Anm. 221 lig. — ^') Ebenda.
*) (l. d. dienstag nach pahnarum (11. April); der Brief ist
2S\
110 W. Friedensburg:
Schreiben Georgs vom 20. März ist Philipp hier augen-
scheinlich nicht zurückgekommen; die dringende, gemein-
same Gefahr Hess die theoretischen Erörterungen und
Auseinandersetzungen zurücktreten; auch Georg, welcher
sich in seiner Antwort zwar einiger Ausfälle, auf die
Lutheraner nicht zu enthalten vermochte, verkannte den
Ernst der Lage nicht ^^), und wenige Wochen später
sehen wir denn in der That beide Fürsten Seite an
Seite die Aufständischen bekämpfen und besiegen.
Doch führte diese gemeinsame Wirksamkeit zu keiner
inneren Annäherung zwischen den beiden Männern. Je
mehr Georg durch die Aufstände der Bauern sich in der
Überzeugung von der Verwerflichkeit des Beginnens
Luthers und seiner Anhänger bestärkte, um so fester
blieb Philipp, der zwischen dem massvollen Vorgehen
Luthers und dem wüsten Radikalismus eines Münzer und
anderer sehr wohl zu unterscheiden wusste. So wurden
die nahe verwandten, bisher eng l)efreundeten Fürsten
immer weiter auseinander gerissen. Georg schloss mit
den Gesinnungsgenossen unter den Nachbarn ein Bündnis,
welches die Vernichtung der Lutheraner auf sein Pro-
gramm setzte; Philipp andererseits that sich mit der
Kurlinie des Hauses Sachsen zusammen und war bemüht,
die durch den Bauernkrieg erschütterte Sache der An-
hänger der neuen Lehre dadurch zu befestigen und zu
stärken, dass er alle evangelisch gesinnten Elemente
unter den Reichsständen zu einem von Kursachsen und
ihm geleiteten Bunde zusammenzuschliessen versuchte^").
Zur Förderung dieser Angelegenheit begab sich der
Landgraf im Februar L526 nach Gotha, um dort eine
Besprechung mit Kurfürst Johann von Sachsen abzu-
halten, als ihm „von etlichen Personen" die Meldung
zukam, Herzog Geoi'g scheine sich des Evangeliums an-
nehmen zu wollen; sein Hofprediger habe vor ihm „die
rechte AVahrheit" gepredigt und damit offenbar auf den
Herzog Eindruck gemacht, der ihn ermahnt habe, was
er mit der Schrift beweisen könne, frei zu predigen.
Voller Freude schrieb Philipp, kaum in Gotha ange-
verloren, der ungefähre Inhalt aber aus der Antwort Georgs (siehe
nächste Anmerkinig) zu entnehmen. Vgl. auch Zur Vorgesch. 3 flg.
^'') d. i\. Dresden donnerst, nach quasimodo. (27. April); abge-
druckt Ilommel III, Anni. S. 221 flg.
'") Über das Nähere vergl. meine mehrfach erwähnte Ab-
handlung.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. Hl
kommen, an den Herzog'') mid erkundigte sich, was es
hiermit für eine Bewandtnis habe? „Wo das also wäre,
BO war's eine große Gnade von Gott". Er bescliwört
den Herzog, wenn derselbe nunmehr den richtigen Weg
gefunden und betreten liabe, sicli doch ja nicht irre
machen zu lassen und niemanden zu scheuen, denn
Christus spricht: „Wer mich bekennt vor den Menschen,
den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater".
Gott werde es aber sicherlich nicht unbelohnt lassen und
ihm auch schon unter den Menschen „ein gut christlich
Gerücht" machen.
Dieses Schreiben des Landgrafen gab den Anlass zu
einem neuen Briefwechsel zwischen den beiden Fürsten,
der sich über die Monate ^Nlärz und April 1526 hin-
zog, übrigens in viel freundlicherem Tone abgefasst war
als die Korrespondenz des Vorjahres. Vielleicht blieb
der warme, uneigennützige Eifer, die Überzeugungstreue
des Landgrafen doch nicht ganz ohne Eindruck auf den
Herzog, während andererseits Philipp aufs neue die Hoff-
nung hegte, eine Verständigung oder wenigstens eine An-
näherung zwischen seinen und Georgs Ansichten herbei-
führen und letzteren nach und nach für das „Lutherische
Evangelium" gewinnen zu können'^''). Freilich liess es
sich der Herzog alsbald angelegen sein, die Gerüchte,
welche dem Landgrafen in Betreff' seines Hofpredigers
zugegangen waren, auf das richtige Mass zurückzuführen
oder vielmehr geradezu zu widerlegen ^'j. Seiner Dar-
stellung nach war der Hergang, welcher zu jenen Ge-
rüchten Anlass gegeben hatte, der gewesen, dass der
Hofprediger '^*) am ersten Fastensonntag des Jahres
(18. Februar) an das Evangelium von dem dreissigtägigen
Fasten Christi einige Bemerkungen angeknüpft, des In-
halts, dass ein derartiges Fasten den Menschen nicht
geboten sei, welche vielmehr sich angelegen sein lassen
sollten von Sünden zu fnstcn und von Sünden zu feiern
u. s. w. Dies hatte den Herzog bewogen, seinen Prediger
alsbald in seinem Hause aufzusuchen , wo ihm dieser
") Am 24. Februar 152C. (s. u. No. 8). Auf eleu 27. Februar
war die Zusauiineukuiiit uiit dem Kurfürsten auberaumt.
") S. u. .\o. 8.
") S. u. No. 9, vom 6. März 152(5.
*') Es war dies M. Alexius Chrosuer, s. Seidemaiin, Bei-
träge zur Koi'ormatiousgeschichte I, 100. Ebendaselbst erfahren wir,
dass Chrosner schon 1.527 aus Dresden weichen musste.
112 W. Friedensburg:
seine Zweifel über die Verbindlichkeit der Fasteng'ebote
dargelegt liatte, von Gleorg aber bedeutet worden war,
in seiner nächsten Predigt ausdrücklich die Berechtigung
der Kirche zu solchen Verboten oder Anordnungen her-
vorzuheben und deren strikte Beobachtung nachdrücklich
einzuschärfen. Im übrigen verwalirt sich der Herzog
hier, dass sein Schwiegersohn zu glauben scheine, er sei
ein Feind und Verfolger des Evangeliums. Nichts weniger
als das! Seit er zu seinen Jahren gekommen, liabe er
das Evangelium gehört und, wie es die christliche Kirche
approbiert, angenommen, und davon solle ihn weder Ehr-
geiz noch Menschenfureht abbringen; man könne ihm
wohl das Leben nehmen, aber niclit seinen Glauben.
Was er aber nicht verstehe, das überlasse er getrost der
Deutung und Auslegung der christlichen Kirche, denn
er fühle sich als ein Glied des Körpers, dessen Haupt
Christus sei. Den Landgrafen aber mahne er, sich doch
anzusehen, was für Früchte aus dem Tium und Treiben
derjenigen, welchen er folge, entstehen, und das Wort
Clu'isti zu beherzigen, dass, wer die Kirche nicht höre,
ein Heide und Zöllner sei! —
Es liegt zunächst ein abermaliges Schreiben Georgs,
und zwar vom 22. März d. J., vor, Avelches aber einen
dazwischen liegenden Brief des Landgrafen voraussetzt,
weil der Herzog hier auf eine Anfrage des letzteren, was
er denn eigentlich unter der christlichen Kirche ver-
standen wissen wolle, antwortet. Hieraus wird klar, dass
das landgräfliche Schreiben kein anderes ist als das von
Rommel in seinem Urkundenbuche unter No. 3 mitge-
theilte undatierte Stück, welches der Herausgeber will-
kürlich dem Jahre 1525 zugewiesen hat'^j. Zugleich giebt
sich dies Schreiben als die Antwort auf den Brief Georgs
vom 6. März kund, wie denn der Landgraf an die in
letzterem o;e2;ebene Erkläruno- des Herzoirs sogleich die
Frage anknüpft, was denn eigentlich den Begriff jener
christüchen Kirche, auf deren Evangelium Georg leben
und sterben wolle, ausmache? Für sich selbst beant-
wortet Philipp diese Frage dahin, dass die christliche
Kirche, von welcher Christus das Haupt ist, nur die sein
könne, welche nichts anderes gebiete als was Christus
**) Dass es in den März 1526 gehöre, bemerkt schon Seide-
niann. Das Dessauer Bündnis (Zeitschrift für historische Theologie
1847) 6i?>.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 113
gelehrt und gesagt habe. Nur das sei die wahre christ-
liche Kirche; die in die Erscheinung getretene, geschicht-
liche, äussere Kirche mitsamt ihrer ganzen Hierarchie
und ihren Konzilien aber könne nicht nur irren, sondern
habe auch vielfach geirrt; schon die Apostel, die ältesten
Vertreter der (geschichtlichen) Kirche seien dem Irrthum
unterworfen gewesen; der Papst aber verdrehe gar das
göttliche Wort und stelle es auf den Kopf, indem er die
Speisen, welche Christus zu geniessen zugelassen habe,
zu essen verbiete, dagegen fleischliche Lüste der ver-
werflichsten Art gutheisse und samt den Kardinälen darin
der Welt mit dem bösesten Beispiel vorangehe. So bleibt
uns einzig das wahre, unverfälschte Evangelium, welches
keiner menschlichen Zusage bedarf, als Richtschnur. Und
wenn auch etliche (welche das Evangelium äusserlich
angenommen haben) „ein böses Wesen führen", so falle
ja auch der gute Samen zuweilen unter die Dornen und
auf steiniges Erdreich, und selbst wo Gott das Gedeihen
gebe, trage er nicht überall gleichviel, an dem einen
Orte mehr, am andern weniger.
Andererseits darf man sich aber auch, wo es das
freie Bekenntnis der Wahrheit gilt, nicht scheuen, Ärgernis
zu erregen; komme er, sagt der Landgraf, an einen Ort,
wo das Evangelium nicht gepredigt werde, so füge er
sich bereitwillig den Fastengeboten und anderen Satz-
ungen, um nicht Anstoss zu erregen; mache man ihm
aber eine Gewissenssache daraus und wolle in der Über-
tretung dieser äusseren Vorschriften geradezu eine Sünde
finden, so werde er Fleisch essen und niemanden darum
ansehen ^^).
Li seiner schon erwähnten Antwort^') erklärt der
Herzog, was er unter der christlichen Kirche verstehe,
indem er auf den Spruch Pauli verweist (Epheser 4, 5) :
Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe! Im übrigen aber
zeigt er wiederum keine Neigung, auf die Ausführungen
des Landgrafen einzugehen: er habe keine Zeit, schreibt
er, sich mit den kirchlichen Kontroversen viel zu be-
schäftigen, oder etwa gar Luthers Schriften zu lesen;
kaum die Bibel zu studieren bleibe iiun Müsse und er
sei froh^ wenn er gelegentlich eine Predigt höre, „darin
**) Nach diesen Grundsätzen verfuhr Landgraf Phiüpp auch
noch in demselben Jahre auf dem Speierer Reichstag.
*') 22. März 1526, s. u. No. 11.
Neues Archiv f. S. G. n. A. VI. 1. 2. 8
114^ W. Friedensburg:
ich begreife soviel mir Gott verleiht". Er fügt hinzu:
„Luther soll mich, ob Gott will, nicht sclilechter machen".
Der Landgraf rausste sich überzeugen, dass er auf
dem bisher betretenen Wege nicht weiter komme. Trotz-
dem gab er die Hoffnung nicht auf, den Herzog doch
noch zu gewinnen. Er wurde hierin durch ein Schreiben
seiner Schwester Elisabeth, der Schwiegertochter Georgs,
bestärkt, welche ihm mittheilte, der Hofprediger des
Herzogs fahre fort, das Wort Gottes und die Wahrheit
des Evangeliums frei und unerschrocken zu predigen,
was auf den Herzog seines Eindrucks nicht verfehlt, son-
dern ihn bereits „in vielem geändert" habe. Freudig
theilte er dies am 1. April seinem Bundesgenossen, dem
Kurfürsten von Sachsen, mit; er knüpfte daran die Hoff-
nung, „der gute Fürst" werde von seinem Widerstand
gegen das Evangelium doch noch ablassen und den Weg
der Wahrheit finden; freilich müsse, meint er, dies beim
Herzog „mit aller Demüthigkeit und christlicher Sanft-
muth, L^nterrichtung, Flehen und Bitten ausgerichtet und
hierin etwas leise gefahren" werden^*). Dementsprechend
antwortet Philipp denn auch auf das Schreiben Georgs
vom 22. März so entgegenkommend wie möglich^''). Er
freut sich der evangelischen Auffassung, welche der
Herzog von der christlichen Kirche bekundet, betont
nochmals, dass eine derartige Kirche sich allein nach
Gottes Lehre und Gebot richten und dem entgegen un-
möglich etwas anordnen und beschliessen könne, lässt
sich aber auf das einzelne nicht wieder ein, sondern er-
örtert nur dem Herzog gegenüber, welcher in dem Aus-
spruche des Paulus, dass die Gefrässigen und Trunkenen
*») d. d. Cassel ostertag (1. April) 1526. Konzept im Marburger
Staatsarchiv, Orig. im Weimarer ües.-Arcbiv. Der Name der Ge-
■wähvsmcäiiiiin Philipps, seiner Schwester Elisabeth, ist im Konzept,
nachträglich ausgestrichen und durch die Worte „eine glaubhafte
vertraute Person" ersetzt worden. Auf der vierten Seite des Kon-
zeptbogens steht noch, ebenfalls ausgestrichen, „es sieht uns auch
mit . . . herzog Jörgen die sach des evangelii dermassen an, dass
sein lieb in sich selbs der sach nit so ganz zu entgegen oder wider-
wertig, sunder mehr des Luthers person veint sei, darumb bedeucht
uns zu seiner lieb gemuts erleuchtung vast fnrdersam nutz und gut
sein, man wer' im handel nit geschwintlich, sonder etwas dieser
zeit und in erst, als itzo die Sachen stehen, sittiglicli fargefarn ;
darzu das der Luter, wie wir bitten, irmant wurde ine . . . mit
hartem antasten in Schriften und werten etwas zu verschonen. Das
verhofften wir auch zum handel vast erschießlich zu sein".
^») Unter dem 1. April, s. u. No. 12.
BeiträQ-e zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 115
nicht iu den Himmel kommen sollen, eine Stütze für
seine Auffassung von der Berechtigung der kirchlichen
Fastengebote erblicken wollte, dass Unmässigkeit unter
allen Umständen Sünde sei und auf die Säufer und Ge-
frässigen das Wort Christi, dass, was zum Munde ein-
gehe, nicht verunreinige, deswegen von vornherein keine
Anwenduno- linde. Endlich überschickt er, wohl nicht
ohne Absicht, dem Herzog zwei „von vielen gelehrten
trefflichen Männern ausgegangene" Schriften wider die
„Schwarmgeister und Lästermäuler", welche „mancherlei
zur Verlästerung des hochwürdigen Sakraments des Leibs
und Bluts Christi einzubilden böslich unterstanden" haben ;
jedenfalls wollte der Landgraf seinem Schwiegervater die
Überzeugung beibringen, dass er mit diesen Schwärmern
keinerlei Gemeinschaft habe und ihr Vorgehen nicht
minder verurtheile, wie dies von Georg vorauszusetzen
war; vielleicht mochte auch der letztere durch das Stu-
dium dieser Schriften zur Erkenntnis des Unterschiedes
gebracht werden, der zwischen den Ansichten jener und
der Lehre Luthers bestand.
Georg antwortete indes ziemlich kühl^"). Er zeigte
sich sogar einigermassen empfindlich, dass Philipp ihm
nicht zugetraut zu haben scheine, seinen Begriff von der
christlichen Kirche auf die heilige Schrift gründen zu
können; habe er doch nie Ursache gegeben anderes von
ihm zu vermuthen. Mit der Annahme des Landgrafen
aber, dass die Unmässigen sündigen, könne er sich ein-
verstanden erklären; habe er doch längst gehört, dass
„Eigenwille in der Hölle brenne", womit er denn also
doch wieder auf sein Axiom zurückkam, dass Auflehnung
gegen die bestehende christliche (d. h. die katholische)
Kirche — und in diesem Lichte betrachtet er die Un-
mässigkeit — schlechthin Sünde gegen Gott sei. Im
übrigen dankt er seinem Schwiegersohne für die über-
sandten Schriften. Er habe dieselben zwar schon erhalten,
doch vermerke er gern, dass der Landgraf einen frommen
Mann aus ihm zu machen wünsche. Auch stellt er ein
Gegengeschenk in Aussicht, nämlich den Hyperaspistes,
die Gegenschrift des Erasmus wider Luthers Abhandlung
vom unfreien Willen; man möchte fast glauben, es liege
etwas wie L-onie darin, wenn er hinzufügt, er versehe
") Unter dem 7. April, s. u. No. m.
8*
116 W. Friedeiisburg:
sich, die Schrift müsse dem Landgrafen gefallen, der
manches Gute darin finden werde. —
Hiermit schliesst der Briefwechsel, wenigstens hahe
ich keine weiteren Schreiben aus dieser Zeit mehr auf-
finden können. Anhangsweise seien aber noch zwei
Schriftstücke aus dem Anfang des Jahres 1527 mitge-
theilt. Die Situation war damals gegen die des Vor-
jahres insofern wesentlich geändert, als inzwischen dem
Speierer Reichsabschied gemäss, welcher die Ordnung der
kirchlichen Angelegenheiten einstweilen den Territorial-
herren überliess, Philipp von Hessen sein Land in aller
Form zur neuen Lehre hinübergeführt hatte. Man kann
sich denken, mit welchen Gefühlen Herzog Georg, der
noch auf dem Esslinger Fürstentag im Dezember 1526
aufs neue die schärfsten Anklagen gegen das Lutherthum
ei'heben liess, diesem Beginnen seines Eidams zusah.
Einen wie hohen Grad die Spannung zwischen ihnen er-
reichte, zeigt nun besonders jener in den Anfang des
Jahres 1527 gehörende Schriftenwechsel, in welchem sich
gleichsam der verhaltene Unwillen jedes von ihnen gegen
den andern Luft zu machen schien. Der Anlass hierzu,
an sich sehr geringfügig, stand mit den Reformen Philipps
in Zusammenhang. Als dieser nämlich die Zinse, welche
die dem Herzog unterstehende Sta.dt (I^angen-) Salza
dem hessischen Kloster Vach schuldete, nach Aufhebung
des letzteren für sich in Anspruch nahm, stiess er auf
Widerspruch. Er ging Georg an ; dieser aber stellte
sich auf die Seite derer von Salza, mit dem Bemerken,
da ein Kloster Vach nicht mehr existiere, so könnten
demselben auch keine Zinse gereicht werden. Auch sonst
muss Georg wohl sehr schroff aufgetreten sein, denn
Philipps Antwort, welche uns vorliegt^'), ist nun in einem
überaus leidenschaftlichen Tone gehaUen und ergelit sich
in heftigen Schmähungen gegen das katholische System;
kaum dass der Herzog persönlich von Injurien verschont
bleibt. Von Geoi-gs Seite liegt hierauf die Instruktion
für eine Gesandtschaft vor^'^), welche an den Landgrafen
abgehen sollte, um denselben aufs neue die grossen Ver-
dienste, welche sich Georg um ihn erworben^ vorzuhalten
*') Vom 21. Januar 1527, s. u. No. 16. Über den früheren
(anscheinend verlorenen) Briefwechsel der beiden Fürsten in dieser
Angelegenheit giebt No. 17, namentlich zu Anfang einigen Aufschluss.
**) Undatiert; s. u. No. 17.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 117
und ihm seine Heftigkeit zu Gemüth zu führen, den
Standpunkt des Herzogs aber zu vertheidigen und auf-
recht zu erhalten und die Angriffe des Landgrafen gegen
die katholische Kirche zu parieren. Namentlich die
erste Fassung dieser Instruktion ist ebenfalls in einem
sehr entschiedenen, wenn nicht schroffen Tone gehalten;
Georg droht sogar mit der Auflösung der Erbverbrüder-
ung; später hat er dann an verschiedenen Stellen mildere
Wendungen gewählt; auch Philipp mag wohl, als die
erste Erbitterung sich gelegt, wieder gelindere Seiten
aufgezogen haben. Immerhin traten bei Gelegenheit dieser
Auseinandersetzung die Gegensätze, welche beide Männer
von einander schieden, so schroff und unverhüllt zu Tage,
dass wohl beide sich von der Unversöhnlichkeit derselben
überzeugen mussten, wie es denn Georg selbst in der er-
wähnten Instruktion ausspricht, dass der letzte Brief seines
Eidams seine Hoffnung auf Besserung, d. h. Rückkehr
desselben zur katholischen Kirche, vernichtet habe; wessen
sich andererseits Landgraf Philipp von seinem Schwieger-
vater, den er noch zu Anfang des Jahres 1526 für seine
Ansichten zu gewinnen gehofft hatte, nunmehr versehen
zu können glaubte, hat er ja im Jahre 1528 durch sein
gläubiges Verhalten der schnöden Fälschung Otto's von
Pack gegenüber nur allzu deutlich an den Tag gelegt.
Briefe und Kegesten.
No. 1 (c. 1524 Dez. Ms 1525 Jan.).
Hersog Georg von Sachsen an Landgraf Fhilipj) von Uesaen:
hütet, der Landgraf möge Nikolaua von Mrnkivitz Erhhcrrn
zu Sonnemvalde (mit tueleJiem loegcn seiner Begünstigung der
lutherischen Lehren Georg in Streit gerathen ist) mahnen, sieh
auf Grund eines früheren Abkommens ihm, dem Landgrafen,
in Haft zu stellen.
Das Schreiben ist verloren; der Inhalt erhellt aus No. 2.
No. 2 (c. 1525 Anfang-).
Landgraf Philipp an Herzog Georg in Antwort auf No. 1: schlägt
das Begehren des Herzogs ah, verbreitet sich über die Frage
der Verbindlichkeit der Kloster gel übde, über die Fastengebote
dir katholischen Kirche, den Messkanon und bittet Georg, nur
die Bibel zur Richtschnur in Glauhenssachen zu nehmen.
Gedruckt: liommel, Philipp der Großrnüthige, Landgraf von
Hessen, 111 (Urkundenband), 3—6 (No. 2), ans dem hessischen
Konzept; Original (von. der Hand des Landgrafen) im Dresdner
Hauptstaatsarchiv. Loc. 10299 Dr. Martin Luthers u. a. Sachen
1516-1539 fol. 113.
1^18 "W. Friedensburg:
No. 3 (vor 1525 März 11).
Herzog Georr/ an Landgraf Philip) in Antwort auf No. 3: vcr-
theidigt die Vcrhindliclüced der Kloster gel iihde, die Fasteugebote
der katholischen Kirche, die lateinische Messe; hofft, daß Fhilip^)
in sich gehen und von Luther und dessen Anhängern ablassen
werde.
Nach dem Konzept von der Hand des Herzogs im Dresdner
Hauptstaatsarchiv a. a. 0. fol. 11-5.
Hochgbonier fürst, framitlicher liber oliein und soii. Nochdem
ich auerm vatter und auch*^) mit leib und gut gdiiit bab, korfursten
fursten mecbtig graffen und vom adel umb auer wil erzort und
bgeben, uf das ich keinerlei underlis domit ich a. 1. zu frauntlichem
wiln bweget, also habet ir meiner mir gnossen den ich acht auer
ummer mir gnissen wcrd**); dorumb ich in kein zweifei gsatzt,
wes ich widerumb frauntlich an auch sinnen werd, a. 1. werd den-
selben frauntlichen wiln zu underhalten sich och gutwillig bfinden
lossen, ab och gleich a. 1. imant mechtiges dorumb bgeben solt.
Ich hab aber in vorzeiten umb erledung Nikel von Mingwicz bei
a. 1. traiüich anghalten, aber nichtz erlang; andre haben sovil bei
a. 1. erlanget das a. 1., wi ir schreil)et, in zugsaget in nicht zu
manen, wiwol Ealtasar Schrawtenbach naulich gschriben das a. 1.
nicht gstee das in a. 1. nicht zu manen hab. Het ich aber gwost
sovil ich itzt aus auerm schreiben vormorg, den zufal so her von a. 1.
in seinem vornemen hat, ich wolt a. 1. anzusuchen wol underlossen
haben, den der alt keisser sprach; es ist böse Schweiczer mit
Schweiczern zu schlan!
Das aber a. 1. frauntlich bit ich nicht wolle a. 1. ader einleben
menschen ader geist glauben wol dan den fir ewangelisten, sant
Pauls episteln, sant Peters, sant Johans, den gschichten der
aposteln und das alt testament lessen, und avoI di von mir thun
di mich dorwider füren: deruf geb ich a. 1. zu erkennen das uuers
weibes vater, dorzu ich mich bken, eir ir uf erden kommen, gwost
hat was im zur selikeit dinstlicb. Ich hab och als ein armer sun-
der das ew'angelium Cristi ghort, Petrum und Paulum, wiwol ich
dem leider nicht glebet; aber das sal a. 1. von mir wissen und nicht
sorg haben, das mein gniut itzt stet und, ab got wil, biß in mein
grab also bleiben sal, das ich dem ewangelio Cristi und anderm das
doran hanget, wi das di cristlich kirch geordcnt und angnomen
hat, beistendig und noch meinem vormogen gfolgig sein wil, aber
nicht dem ewangelio Lutters, Melangtons aber anderer di sich er-
laucht dünken in demselben ewangelio, den ich weiß das Luters geist
ein logener ist. So spricht das ewangelium: man sol den bäum an
frochten erkennen**). Diweil den kein gut frucht aus seiner lere
komen, wi offenbar am tag, so ist kein gut grünt do; es kan kein
logener worsugen, vil wenig der so drei ader hr moineid uf sich
hat. Dasselbe zu bementeln mocht das ewangelium Luters wol
leiden das iderman wider trau nocli glauben hilt, globde ader eide.
Das a. 1. bit, ich wol der menschen gwissen nicht vorknupen **),
**) = euch. Weiterhin: a. 1. = auer (euer) lieb.
**) Zusatz am Bande: und hab es gern gthan; hifort weiß ich
micli ocli zu halten.
*") Matth. 12 f. 34. Luc. 6 v. 44.
*'J soll wohl so viel heissen als verknüpf en ; nicht ganz deutlich.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 119
das kan ich a. 1. leichlich gweren, den es an das iu meinem gwalt
nicht steet, als wenig als in meinem gwalt steet den ufzulossen in
gwissen der sich selber gbunden hat mit eiden und globden ; und
wolt gerne seen, wo im ewangelio stet, ein monch ader ein non, di
kauschheit globet hat, das der ader di aussem kloster laufen möge
und sich vorelichen, diweil gschriben stet: globet und halz I und
got spricht: auer wort soln ja ja sein, nein nein*'); diweil got wil
ja und nein ghalten haben, vil mir wil her di eide ghalten haben.
Den ich acht, es sei kein fürst, wen her sein underthan zu einer
vorwillung einer Steuer vormag, her wils von in ghalten haben.
Worumb sal man dan nicht och halten was man dem fromen alten
got globet? wi til liat a. 1 fromer ausgloffener monch funden ader
nonen; seint nicht gmeinlich hurn und buften*') doraus worden? das
wil der geist der Martinus' ewangelium treibet!
Das ich di menschen gwissen mit esse und dem das in bauch
geet vorbind: doran gschit mir och unrecht; den war ist, got spricht:
was in leib geet, das get sein natürlichen weg; aber es folget halt
hernoch: was aus dem herzen geet, das bflekt di sele*'). Das sein:
böse gdanken thotschleg ebroch unkeuscheit dauberei falchse gzeugniß
und mißbittung gots; ab villeicht in den bossen gdanken der unghor-
sam ader egenwil mit bgriffen mocht werden, den jo saut Peter und
Paulus sprechen: wir soln ghorsam der oberheit*"). Diweil dan
langer den auer und mein gblut forsten gwest, alweg zwe haubt
der kristenheit gwest, ein das do zu rcgirn hat ghat die sele, das
andre das do hat ghat gwalt zu regirn den leib, und gar vor langen
jarn ordenung gmacht wi man sich mit essen und trinken zu vor-
sunen gotz zorn halten sal, acht ich darvor, wer das an not fre-
felich obertrit, das der nicht sündiget mit dem essen ader trinken,
sunder mit dem frefelen gdanken des unghorsams und egenwil. So
werd och a- 1. mir dan an einem ort finden, das im alten testa-
ment gboten ist zu fasten gwest och den thirn zu vorsuuung gotz
zorn, wi zu Ninive gschach*').
Das a 1. alegirt den Spruch Pauli do her spricht: es werden
Vorboten werden weiber zu nemen und verboten di speiß di got
gschaften hat zu gbrauchen zu seiner ere*^): hiruf wol a. 1. den
Spruch warnemen, den sant Peter sprich: das ir bruder vor wissen
auch huttet, uf das ir nicht durch irthum der unweissen vorfiirt und
von auer bstendikeit abfalt**). Den sante Paul an einem andern
orte spricht zu Galatern : das tronkenheit freisserei och sund sei*');
wi wil sich das mit dem ewangelio gleichen, so das ewangelium
spricht: was in mund get. das bfleg die sele nicht? Paulus hat etliche
hoch ding gschriben und gret in sein briffen, under welchen etliche
ding schwer zu vornemen, welche di unglarten und unbstcndige
gleichwi ander schrift mir zu ir egen Verdammung felschen und
vorkern **). In dem mocht auch und mir och so widerfaren, den
'V Matth. r, V 37. *») d. i. Buben. *») Mattli. J5 v. Jl,
17— IL). ="') Römer 13 v. 1. *') Jona 3 v- 7. '"■) 1. Tmo. i v. 3.
") 3. Petr. 3 V. 17. *') Gal. 5 v. 21.
^■•) Im Konzept foUjt nach: sant Peter spricli der Satz: Paulus
hat etliche - felsclien "und vorkern, dann erst dan CItat aus der
2. Epistel des Petrus. Daneben am Bande ohne Verwelsxngs-
zeichen der Satz : den sante Paul an einem andern — btleg die sele
nicht.
120 ^^'^- Friedensbnrg:
Paulus' Schrift nicht Luter ader Melaiigton von eirst untlerghat,
sunder es seint vil heiliger vater vor in gwest, die och ir lere mit
helikeit ires leben bweist haben, den mir zu glauben den Luters
geist. Aber dennoch so wil ich auch mein eifaldig bdenken anzogen.
Der Spruch ist itzt uf di zeit nicht zu richten, den ir wert nidert
finden das di ee imant verbotten sei, her hab es den zuvor sich
selber vorschniten zu der ere gots. Derselb hatz sich vormessen
sukhes zu bgreifen; dorumb halt her's billich. Ordenung der speiß
ist nicht in dissen zeiten, sunder den meren theil bei zeiten der
alten ordenung der kirchen so herbrocht. Diweil aber Paulus von
letzten zeiten anzöget, kan es itzt nicht stat haben als solt es itzt
ufgsatzt sein.
Von haltung der messe, das di deuts ader latinisch sal ghalten
werden, halt ich darvor, sei dui-ch di gordent'") di es bas dan ir
ader ich vorstanden, das man latinisch meß halt, aus orsach das di
latinisch sprach di aller gelchist *') sprach ist ; und diweil man die
kristlich kirch nicht bas dan an der einkeit erkennen kan, so halt
ich, das och gut sei das maus latinisch halt bis das eitrechtig ein
bessers gordent wert. Das a. 1. den canon so vorachtlich ausleget,
pit ich, a. 1. wol nicht den munt in himel setzen, den das ist ganz
offenbar, das gar heilig und hochbrumpt vater dissin canon gmacht,
und ist in der kristlichen kirchen gar vil hundert jar ghalten, vor
erlich und lobelich gacht**), hat worlich der deutung Martini und
Melangkthon aber der probest zu Norinberg nicht erwart; den es
ist i am tag, wan ein fürst ein briff gibet und einch misvorstant
darin ist, so wil her nicht das imant deute, den her selber; so nu
der kanon von der kristlichen kirchen aufgsatz, di allein vom heiigen
geist *»), so los man der kirchen ir deutung och; den der
si regirt, der irt nicht. —
Also wil ich itzt korz a. 1. underweisung vorantwort haben,
nicht aus einchem haß ader neid, sonder allein, das got weiß, als
ich mitleiden mit a. 1. hab, dan a. 1. gern den rechten weg wolt
und so böse wegweisser habet, und bsorg, a. 1. mocht gschen wi
man sprich Judes dem verreter gschacb, der hat rau und leid ober
sein sund, her beichte, her gab wider und tat wie ein bußhaftiger
mensch; allein her suchit den rechten beichtvater nicht; wen her
zun aposteln gangen und nicht zu Juden, her het villeicht gnad
funden. Also muß a. 1. och thun: wolt ir Martinus' bosheit innen
werden, so must ir nicht Melanton ader der probest von Norenberg
schreiben lessen, sonder derjenen di wider Luter schreiben; so mocht
auch got erlauchten zu finden den weg der selikeit.
Ich höre ser gern das a. 1. vor gut ansit das ich vorgebe
wer wider mich gthant, den wo es nicht gschit, so wil mir got och
nicht vorgeben. JEs sal a. 1. gewiß sein, was Martinus wider mich
gthan, das ist langest vorgeben; was her aber wider mein hern den
keiser gthan ader zufoderst di kristlich kirchen, das vurgeb im got.
Ich vorhoff a. 1. wert och so thun und Ludewig von BaM'melberg
Hartman von Cronberg Pfillips Weyffen und ander di wider auch
gthan Och vurgeben und in wider geben was ir in gnomen, desgleich
dem von Nassaw och folgen lossen was im von keiserlicher mt. zu-
gsprochen; so werd iderman sprechen, ir seit rechter ewangelischer
*•) geordnet. *') Superlativ von gleich. **) geachtet. *') folgt
ein unleserliches Wort. Der Zusammenhang fordert regiert, was
aber kaum dasteht; vielleicht liegt ein Schreibfehler des Herzogs vor.
Beiträge zuiii Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 121
fürst. Und wil och a. 1. frauntlich erinnert haben, das ich und vil
fursten — ist mir recht, so ist a. 1. och dorbei gwest — bschlossen
zu Wormiß, lissen es och vorlauten kegen kei. mt., das wir wolten bei
den alten brauch der kristlichen kirchen- bleiben biß so es anders
durch ein gmein consilium erkant word; wo nu a. 1. des indeiig,
wert a. 1. sunder zvveifel auer zusag nicht vorrugken •").
Zu andern hör ich gern, diweil a. 1. Nickel zugsaget, ir wolt
in nicht nianen, das es von a. 1. nicht gschit; dan wu nicht worheit
bei auch wer', so hilt ich's dorvor, ir wert ganz Luterisch, diweil ir
profeß anzeiget was si zusagen und seint sin nicht scholdig zu halte.
Das ich ober der geistlichen jurisdiccion halt, ist orsach, das
ich weiß das ich Juden und Heiden bei recht schützen sal; diweil
dan di geistlichen garnicht weniger den Juden und Heiden sein, so
muß ich si bei dem das si in langem gbrauch berbrocht und noch
nicht vor unrecht erkent, schützen und hanthabbeu; vorhoff ich thu
got ein gfal doran, es gfal den Luterisch wi es wol.
Den driten artikel hab ich doben vorantwort.
Diß alles wolle a. 1. och mit gdult und sunder verdriß ufnemen,
den ich such liirin nicht mein ere ader rnm, sunder di ere gots
und seiner kristliclien kirchen ; den sucht' ich mein notz, mir wer'
langest kloster weist worden, di ich het zu meinem notz brau-
chen mögen, damit ich meinn holt' halten wolt; aber ich wil, ab
got wil, gotz ere zufoderst setzen, do sal mir got zu helfen!
Welchs als ich a. 1. zu antwort nicht hab wolt vorhalten. Got wol
a. 1. lang gsunt sparen in frid und gutem regiment. A. 1. wol mein
lang schreiben nicht vordrislich ansen, sunder der nottorft zumessen.
Vordin ich gern. Geben
No. i. (Kassel; 1525 März 11.)
Landgraf Vhil/'pp an Herzog Georg in Antwort auf No. 3: hält
an der lutherischen Lehre fest, iveil dieselbe durchweg mit der
Bibel übereinstimme, und weist nach, ivie zu der letzteren eine
grosse Reihe der Einrichtungen und Satzungen der katholischen
Kirche in schroffem Widerspruch stehe.
Nach dem Original im Dresdner Hauptstaatsarchiv a. a. 0.
fol. 123.
Hochgeporner fürst,- freuntlicher lieber vatter und ohaim.
Euer lieb schreiben und erzelung vieler meinem hern vatter seligen
und mir bewiesener dinst mit leip und gut «escheen. auch das e. 1.
churfursten fursten meclitig graven und vom adel umb meines vatters
und meinen willen erzürnet und begeben haben, damit ie e. 1. mich
zu freuntlichem willen beweget, also das ich e. 1. mehr genossen
dan dieselb acht meiner ununermehr zu geniessen etc. : des und
alles weitern Inhalts hab ich mit vleis und nit an sonder bewegung,
auch an allen verdries durch und wider leßen und gnugsam ver-
standen, darzu solichs mit gedult und allem freuntlichen willen von
e. 1. als der soen vermergkt und angnomen. Nu ist nit 'an, e. 1.
haben meinem hern vatter seligen und mir in meinen kinttairen
biß hier in viel wege groesse und mirgliche dinst und jedesmal auf
mein bitlichs erfordern zusetzlichen beistant gethan, des ich mich
'*) [lud wil — vorrugken Einschiebsel auf einem anderen
Blatt; gehöH nach den Vcrtveisungszeichen ivohl hierher.
122 ^^^- Frieilensburg:
wol zu erinnern und desselben e. 1. hohen vermeglichen dank M'eis;
erken mich auch und bin es nit allein aus verwantnus, sunder auch
aus dankparer pillicher Vergeltung schuldig dasselbig umb e. 1. mit
darstreckung nieins leibs nnd guts, meiner lande und leute freunt-
lich zu verdinen. Wes ich auch nit verdint hett', wie ich wol weis
das nit gescheen sein, so es dan darzu queme, so solt mich e. 1.
noch in alwege darzu nochmals mit allem vermegen gneigt und be-
vliessen finden. Nu vermergk ich, wie ich zuvor besorgt hab, das
e. 1. meins gethanen Schreibens halb vast unwillig ist, wiewol ich
nit hoft" das ich etwas ungepurlichs geschrieben hab, dan ich habs
treulich und gut gemeint, als das got weis. Ich hab mich auch
erpotten unterweißen zu lassen aus dem wort gottes, wo ich unrecht
hett', das ich es wolt abstellin, wuchs ich noch gneigt bin. Das
ich mich aber durch alte gepreuch, der mentschen weise bedunken
oder einsetzung solt vom wort gottes leiten und irren lassen, das
wil ich, ob got wil, nit thun, dan mentschlich Vernunft kan irren
und darumb in gottes wort nit urteilen. Ich bin auch schuldig got
mehr dan den mentschen gehorsam zu sein, wie wir das haben in
der aposteln geschieht am 5 cap. *'); so sehe ich auch das man
kein concilium machen wil; so ist auch niemants der wider den
Luther mit gotliclier geschrift und seinem wort fechten will, dan
allein das sie alte mentscbliche gepreuch, die einsteils wider got
sein, furwenden und das sie mit dem schwert dran wollen, wan sie
es nit weiter bringen können.
Das aber e. 1. schreibt Minquitz betreffend, halt ich nit das
ich geschrieben hab inen nit zu manen, sunder ich hab geschrieben
inen nit leichtlich zu manen. Wo ichs aber geschrieben, so hab ich
mich verschrieben.
Ich hab mich auch in meinem brive erpotten mein leibe und
gut bei e. 1. zu setzen gegen allermenniglich, wie das mein brief
inhelt; darumb het ich mich nit versehen das e. 1. darin ein un-
gefallen het gehapt, das ich e. 1. die warheit geschrieben hab, wan
ich bin es schuldig. So weis ich das e. 1. so vil spitzhute bei sich
hat von pfaffen und raonichen, die umb ires nutz und geizcs willen
e, 1. die warheit nit sagen. Nu kan ich es aus herzlichem willen
nit unterlassen e. 1. antwort zu geben, wan ich bins schuldig und
thue es gern aus guter getreuer wolmeinung, und bit e. 1. wols nit
anders dan im besten verstehen, dan ich mein's gut.
Zum ersten, wie e. 1. schreibt das dieselb das evangelium ge-
leßen, auch die predig gebort hab, das glaub ich woll, wolt auch
das es e. 1. nach christlicher auslegung recht und wol verstünde,
dan ich sorge, man deute es e. 1. anders dan es inhelt und der recht
christlich verstaut ist, welche iren vortail und nutzen darin suchen,
und sag noch wie vor, das ich wolt das got dieselben von e. 1.
schicket.
Das e. 1. auch anzaigt das aus doctor Luters schrift nit viel
guts kome und wie Christus darvon gesagt habe, man soll sie an
iren fruchten erkennen, da sag ich das zu, wie wir das 1 Johannis4")
und 1 Chorin. 14 habin, das man soll die geister prüfen: welcher
Christum vor gottes sun helt und das er uns erloeßet hab und
bekenn es das er sei in das fleisch kommen, der sei von got. Wo
nu der Luther sagt, das man in got glauben, ime allein anhangen
«') Acta 5 V. äO. «^) 1. Joh. 4 v 1—3.
Beiträge zum BriefAvechsel zwischen Herzog Georg etc. 123
vertrauen inen auch und unsern nechsten als uns selbst, wie Christus
gepot ist, lieben sollen, so halt ich, er sei recht und das gute frucht
aus solichem glauben und bekentnus volgen und gescheen werden,
als es sich dan an etzlichen orten wol anlest und der mentschen
gepot einsteils abkonien. E. 1. inus sich auch des nit irren lassen,
ob schon etlich ergernus daraus kurapt, wan es was bei Christus
Zeiten auch also, wie das Paulus 1 Chorin. 1 sagt: wir predigen
Christum den gecreuzigten den Juden zur ergernus und den Heiden
zur torheit"*); wie auch Christus selbst säst: es ist nit möglich, es
mus ergernus sein, aber wee dem der sie gipt •*). So kan e. 1. auch
nit iederman ins herz sehen, wan got wirt das inwendige am meisten
ansehen; so helfen uns unsere eusserliche werk nit zu der seligkait,
dan allein der glaub, aber die andern werk müssen wir thun zu
einer beweisung des glaubens und aus einer kintlichen liebe, die
wir zu got haben.
Ich will aber e. 1. nit bergen was boeßer fruchten und miß-
preuch aus unser vermeinten geistlichen leben kumpt und das in
die kurz erzelen.
Zum ersten so hats der babst dermassen herpracht und spricht:
was ich binde, das ist gepunden >md ich mag gots gäbe umh gelt
verkaufen und habs alles macht So spricht Petrus in der aposteln
geschichten: vermaledeit seistu Simon zeuberer mit deim gelt,
meinstu das gots gäbe umb gelt zu verkaufen sei")? also das man
daselbs im 8 cap. das widerspill und sonderlich auch im selben
buch findt das Petrus gots wort nit allein gethan hat, sunder die
andern aposteln haben ie sovil gethan. So spricht auch Christus
Luce am 22.«») und Mathei am 20."): die weltlich heidnischen fursten
regirn mit gewalt, aber unter euch nit also etc. So wollen babst
und bischoff das geistlich und weltlich schwort haben und ir keiner
predigt doch, sunder haben viel huren hengst groesse guter, geben
auch niemant kein gut exempel. So ist das auch ein groesser miß-
prauch das die bischoff und pfaiTen ir keiner kein weip hat, sunder
huren zuvoran, wilcher dem bischof gelt gipt, und Paulus schreibt
zu Thima. am 3.«*) und zu Tito am ].*»): sie sollen weiber haben
und wie sie geschickt sollen sein. Der halten sie keins, und sunst
ander unzeliche grausame mißpreuch.
Zum andern ist auch gotiicher schrift zuwider das man gepeut
den dagk zu feiern, den dagk zu fasten bei einer todtsunde, und
das solte pillich frei stehen, wie das dan Paulus zun Colossen am 2.
sagt '") : last euch niemant gewissen machen über speiße oder über
drank oder über einsteils tagen nemlich feiertagen oder neumondten ;
item ir solt euch in kein mentschliciie Satzung füren lassen, wie wir
das zun Galetern auch haben").
Zum dritten so ist es ein groesser mißprauch das man das
hochwirdig sacrament nit gipt wie es Christus eingesetzt hat, und
das ist ie unwidersprechlich das got spricht Deute, am i und 12:
man sol weder darvon noch darzu thun was got gebotten hat'-).
So wollen nu unser babst und bischoven umb der geverlichait willen
weiser sein dan Christus selbs.
") 1. Chor. 1 V. 23. «♦) Matth. is c. 7. "■') Acta « r. 2ü.
^•) Luc. 22 V 25—26. «') Math. 20 v. 25—26. «"j 1. Timo. 3 v. 2.
«') Tit. 1 V. 6. '") Col 2 V. 16. ") Uni. 3 passim. "y Beuter. 4
V. 2; 12 V. 32.
124 W. Friedensburg:
Zum vierdeii, wie e. 1. schreibet das man soll die eide halten,
und das e 1. wolt gern sehen wo es stunde im evangelio, wen man
got etwas gelopt, das man es nit halten seit, und sprecht: got wol ja
und nein gehalten haben, dan die underthan musten doch iren hern
halten was sie geloben; auch zeigt e. 1. au, das eitel huren und
hüben werden aus den ausgelaufen nonnen und monchen otc. —
darzu sag ich also: das es boese und ein törichte mentschliche ver-
messenheit ist solich gelubde, sonderlich der keuscheit, die weder
im alten oder neuen testament grünt oder bewerung haben, zu
thun und sich mit mentschlichen Satzungen zu verbinden, dan Pau-
lus sagt 1. zun Corin. am 7 cap."): ir seit umb einen deuren loen
erkauft, darumb so wollet nicht knecht werden der mentschen. So
wir dan nicht unser, sunder Christ sein, in des macht und gewalt
steht solich gelubde zu volnbringen und zu halten, zuzulassen und
zu geben : wie können wir dan geloben das nit unser ist und wir
aus unsern aigen kreften nicht halten noch volnbringen mögen? So
spricht auch Christus Mathe, am 19., das keuschait nit iederman
geben sei, sunder wers fahen kan, der fahe es '*). So nu keuschait
ein engellisch tugent ist und dem mentschen von oben herab mus
gegeben werden, wie kans dann ein mentsch geloben das zu hellten
so er nit hat, auch in seiner gewalt nit stehl? So spricht Paulus
zun Corin. am 7 cap. alßo: von den Jungfrauen hab ich kein gepott
des hern; ich sag aber mein gutdunken: bistu an ein weip gebun-
den, so such nit loeß zu werden ; bistu aber loes vom weihe, so
such kein weip. So du aber freihest, so hastu nit gesundigt, und
so ein Jungfrau freihet, so hat sie nit gesündigt. Ich wil aber das
ir an sorge seit. Wer on ehe ist, der sorget was den hern ange-
hört, wie er dem hern wol gefalle; wer aber freihet, der sorget was
die weit angehört, wie er dem weibe wol gefalle, und ist zurteilet.
Ein weip und ein Jungfrau, die on ehe ist, sorget was dem hern
angehört; die aber freihet, sorget wie sie dem man gefalle. Solichs
sag ich zu euerm nutz, nit das ich euch einen strick an hals werf,
sunder das euch wol ansteht; so aber imant sich lest dünken es
stehe ime übel an mit seiner Jungfrauen, so sie über die zeit gangen
ist und mus also gescheen, so thue er was er will, er sundigt nicht,
laß sie heiratten. Wer aber in seinem herzen festiglich vorsetzt
und ist nit benottigt und hat macht seins willens und beschleust
solichs in seinem herzen seine Jungfrau zu behalten, der thut woll.
Entlich: welcher verheiratet, der thut wol, wilcher aber nicht ver-
heiratet, thut besser '*). Deßgleichen schreibt er von verpietung
der ehe zu Timo. am 4 cap.") Nu ist ie offintlich am tage, das sie
wider solich gotlich wort verpotten haben die ehe den pfaffen und
Paulus erleupt sie; so hat man aus der keuschhait ein gelobde
gemacht, das doch Paulus nit thun wolt, deßgleichen unser selig-
raacher Christus. So geschieht groes buberei in cloestern, auch bei
der bebst cardinelen der sunde Sodoma und Gemorra. Darumb wer'
besser, man ließ die gelobde, die wider got sein und wir nit halten
können an sein gnad, auch nit schuldig zu halten sein, deweil es
in unser macht nit steht, abgehen und hielten gots gepott, darmit
wir nnugk zu schicken haben, und solich keuscbait freiliessen bei
einseieden") gewissen stehen, so lang als ime got gnade gebe, und
hielten gots gepot, da uns die papisten einen rat aus gemacht
") 1. Corin. 7 v. 23. '*) Math. IS v. 11, 12. '') 1. Corin. 7
V. 25—38. '") 1. Timo. 4 v. 3—5. "J d. i. jeden.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 125
liaben. Unsere veinde liep zu halten, den zu vergeben die uns leits
gethan haben, unserra nechsten mitzuteilen und mit meinem Wider-
sacher nit zu hadern, zu leihen und nichts zu fordern und mich
des zeitlichen wesens nit zu gelüsten lassen und meinem leibe ab-
zuprechen und gern zu sterben: des und andere dergleichen sein
die gepott gottes, da betten wir gnugk mit zu Schäften. Ich wolt
auch gern, das einer unter den geistlichen erfurtrett und sprech,
das got gepotten het das man keuschait solt halten oder geloben,
oder das Christus gesagt het, wan mans got gelobet, das man es
halten solt. — Ich hab gnugk geschrieben von der keuschait.
Das e. 1. auch anzaigt, wan eins fursten underthan einem
fursten etwas geloben, so seien sie es schuldig zu halten, das ist
war und mentschlicher weise gereth, mentschliche vernunlt reimet
sich nit mit got, sie ist gegen got wie schwarz gegen weis, üot
begert der glubde nit von uns, sunder allein an inen zu glauben
und sein gepot zu halten. Darumb mus man gotlich geschrift an-
zaigen, die besteht vor got und sunst nichts. Man findet dennocht
wol ausgelaufen monich und nonne, die from sein und sich ehrlich
halten. Wie sich aber die groessen biscboff" epte und dhumbheru
halten, da darf ich nit viel von schreiben, e. 1. weis selbs wol. So
sein auch die cloester erst frei gewest.
Zum fünften so ist das auch nit ein geringer mißbrauch mit
den walfarten und heiligen ehren, das man die anbeth als weren
sie got gleich, und sie begerns nit so, Avissen wir auch nit ob sie
es heren. So ist es auch im alten testament verpotten an vielen
orten, dan got hat sie darumb gestraftt das sie ander abgotter ge-
eheret haben; Christus spricht auch in Matheo am 24.: wen sie
werden sagen hie ist Christus, dort ist Christus, so glaupt inen nit,
sonder er ist in eins iglichen herzen -wer glaubig ist'*). So sagt
Paulus zu Timo. am 2.'*), das Christus allein der mitler und versuner
sei zwuschen got und dem mentschen. So spricht auch Petrus in
der aposteln geschieht, das in keiner creatur weder in himel oder
auf erden dem mentschen sei die seligkait geben dan in Christo *").
Es spricht auch Christus Luce am 11., da das weip sagt: selig sind
die brüst die du gesogen hast und der bauch der dich getragen
hat; da sagt Christus: verwar sag ich dir, selig sein die die das
wort gottes boren und behaltens"); und sagt gar nichts das man
sein mutter solt anbetten. So tindet man in keiner gotlichen schrift
darvon das Maria oder die heiligen unser vorliitteriu oder mittelerin
sein, sunder wir sollen allein got in seinen heiligen loben und got
danken vor die gnad die er inen geben hat.
Zum sechsten so ist der bau ein miiJbrauch, wie e. 1. selber
weis, wan sie bannen ander leute und sein selbs strelilich; wilcber
ban in der sclirift nit gegruiult ist. So wil Christus nit, das man
umb gelt soll bannen; und das haben sie am meinsten, ja uinb eins
weißpfennigs willen, getlian, wie e. 1. (bis wol weis, wo irs wissen
wolt : wir sein es an geringen nachteil unser underthan nit innen
worden.
Zum siebenden ist auch ein mißbrauch das die weil)ischofi:"
haben die bildnus versigelt, deßglichen dis und das geweihet und
haben daraus einen aberglauben gemacht, in gleichnus mit dem
weichwasser und salz ; da hat man auch mehr glaubens zu dan zu
'») Math. 34 V. J23 ff. ">) 1. Timo. 2 v. 5. «") Acta 4 r. 12.
") Luc 11 v. 28.
126 W. Frierlensburg:
gottes wort, es sol jo gut sein und suiide abnemen; ist nichts dan
aberglaube. So findet man in keinem ort gotlicher gesclii-ift davvon.
Zum achten ist auch ein mißprauch das man in den kirchen
veintlich heult und niemant versteht was es ist. Man solt es
pillich halten nach sanct Paulus' lere: wan zwen leßen oder singen,
so solt einer sein der es aaslegt"). Und das geschieht auch nit;
man heult und singt und die es singen verstehen es selber nit.
Zum neunten, wie o. 1. schreibt das e. 1. darvor helt, das einer
mit dem essen nit sundigt, sunder allein mit dem frevel, das bin
ich fro das mir e. 1. in einem zufeit. Ich halt aber, wan einer es
nit thue zu schme seines nechsten oder ergernus, so sei es kein
sunde, er es was er wolle. So hat der babst die gewalt nit, das er
möge setzen: du solt den tag feiern oder fasten, nachdem Christus
kein gepott hat drus gemacht und spricht: der mentsch ist nit ge-
macht umb des saboths willen, sunder der saboth um des mentschen
willen *'). Deßgleichen spricht Paulus an vielen orten: ir solt euch
kein gewissen lassen machen über speiße oder feiertage. Spricht
auch zun Corin. in der ersten epistel am 10. cap.*';: .A.lles was feil
ist auf dem tieischmarkt, das esset, nf das ir der gewissen nit ver-
schonet. "Wan man ist got mehr schuldig gehorsam zu leisten dan
dem bal)st. So spricht auch Christus: was zum munde eingeht, ver-
unreinigt den mentschen nit'*). Das man aber wil sagen, das die
unvernunftigen thier und mentschen gefüst haben im alten testament,
das ist war; es was aber gots gepot und nit der mentschen. Wan
got gesagt hett das wir solten aus gepott feisten, so hielten wir es
pillich; deweil er es aber in unsern freien willen gesatzt hat, so
hat des babsts gepot nit stat. Es ist auch got unser fasten, wie
wirs itzo halten und brauchen, nit angenem; wan es frist einer
uf ein malzeit so vil, einer het es wol zwen tage gnugk. Das ist
nit anders gefast dan einem fräs einlich! Wollen wir aber gots
fasten lialten, so müssen wir uns aller begirlichait abziehen und
messig leben, das ist die recht fasten, wie uns die auch wirt ange-
zaigt Esaie am öS'*'). Also magk der bapst wider diese erzelte
clare spruch der mentschen gewissen zu nirgen 2u, das in der
Schrift nit grundt hat, verbinden oder einicli gepot oder vei'pot
machen.
Wie auch e. 1. anzaigt das man niemants die ehe verpeut, das
mein ich, e. 1. weis es wol besser. Man verpeut sie ie den pfaffen,
den sie doch Paulus erloupt, deßgleichen monichen und nonnen;
und doch vor Zeiten die closter sein frei gewest. Darumb lies man
es pillich frei stehen, wo man anders gots wort wolt halten und
dem nachgehen. Wie aber e. 1. schreibt, das der spruch Pauli nit
sal uf das verstanden werden, das itzt die letzst zeit sei, deweil
man die elie und speiße verpeut: nu kan man ie den spruch Pauli
nit anders teutschen oder taddcln, wan wie er innhelt, wan er
helt ie dar das in letzsten zeiten solich ding gescheen werden.
Nu sein sie ie vor äugen und gescheen. Oh man nu wolt sagen:
es ist lang, darumb ist es die letzste zeit nit das es verpotten ist,
so mus man die ander epistel l'etri ansehen, da er spricht im .3. cap ,
das ein tag vor dem hern seien wie tausent jar und tausent jar wie
ein tagk *'). Nu sehen wir das das evangelium herfurbricht und
") 1. Corin. 14 v. 37. "*) Marc. 3 v. 27. «') 1. Corin. 10
V. 25. ") Math. 15 v. 11. »•=) Jcsaias 58 v. 3 flg. "j 2. Fctri 3 v. ö.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 127
das man in vier oder fünfhundert jaren nit so viel darvon gesagt
hat als itzt, und got spricht durch den propheten: ich wil meinen
geist ausgiessen auf euer soen und dochter, das ener meidlein sollen
weissagen und euer kneblein sollen spruch sprechen««); und Christus
spricht Mathei am 24.: wan das ovangelium in der ganzen weit ge-
predigt wirt, so ist das ende nahe «'). So l<an ic Paulus' spruch
nit anders verstanden werden dan wie er inhelt.
Zum zehenten der meß halb, da sag ich noch zu wie vor, das
mich gut deucht das man under zelten ein teutsch meß hielt; dan
in welschen landen da kan das gemein volk niereuteils das latein
wol verstehen, wilchs in teutschen landen nit ist. Darumb wer's
gut uuder zeiten teutsch meß zu halten, damit das volk aus ver-
stentnus der wort zu groesserer andacht mocht gezogen werden,
nachdem iiian auch nit hndet wie es die aposteln gehalten haben,
dan allein iglicher nach seiner sprach, wie das e. 1. wol kan merken,
deweil Paulus allen gotsdinst verpeut da kein besserung aus kumpt,
und spricht, man sol was man singt oder beth auslegen.
Des canons halb halt ich noch wie vor; man kans auch nit
verwimpeln; die wort lauten also wie ich e. 1. geschrieben hab.
Darumb thut maus pillich abe, und ist pillich das man got mehr
gehorsam sei dan den mentschen. Es ist sich auch nit zu vermuten
das der heilig geist bei dem canon gewest sei, wan der heilig geist
kan nit irren, aber da ist seer geirt, wan die wort sein ie ie seer
boeße und verechtlich gotlicher maiestat. E. 1. darf weder Lutern
Melaiichton oder den Nurnbergern nit glauben, e. 1. gehe in e. 1.
selbs gewissen, und wo sie was schreiben und allegirn, so sehe e. 1.
in der gotlichen schrift darnach: findet dan dieselb das es also ist,
so glaupt e. 1. billich; finden es e. 1. aber nit, so glaub e. 1. inen
auch nit, deßgleichen mir auch.
Wie e. i. auch schreibet der zusagnng halb bei den alten ge-
preuchen zu pleiben bis ein concilinm wurde: nu mag ich das sagen
das ich zu Worms nf dasselbige mal bin hinwegk gewest; so wil
man auch kein concilium machen; so bin ich ie got mehr schuldig
gehorsam /.u sein dan den mentschen in <;otlichen gepotten, wie
das auch Christus sagt: was forchtet ir euch vor den die euch den
leip nemen können? forcht euch vor den der euch seel und leip
auf einen tag kan nemen '"j. Aber in Sachen, die got nit antreffen,
wil ich gern gehorsam sein.
Wie e. 1. auch schreibt, es mocht mir gehen wie Judas, und
bit mich das ich nit wolt Melanchton Luther und die Nurin bergischen
leßen, sunder die auch die wider den Luther schreiben: das nem
ich freuntluhs danks von e. 1. an und wil dem volgen und wil die
wider den Luther schreiben leßcn; und wo sie schreiben das dem
evangelio und den episteln gleich ist, da aviI ich inen glauben; wo
sie aber mentschen murrerrei uiul alte gepreuch dem woit gottes
uiifemcs herrurbringeii, da wil inen nit glauben. Ich bit, e. 1. wolle
inii; auch all.ii) tliiin und wolle dem biscliolf von Meyssen und dem
Empser auch nit weiter glauben, wan was sie mit dem wort gottes
beweißen können.
Wie e. 1. schreibt das ich sohle meinen vheiiulen vergeben,
du bit ich got alle dag umb, das er mir die gnad wolle geben das
ichs thnn möge.
«0 Jod 3 V. 1 '") Math. 34 v li. ""> Math. 10 c 3,S /Uj.
Luc. 12 V. 4.
128 W. Friedensburg:
Wie auch e. 1. schreibt, ich solt geschrieben haben das e. 1.
über der geistlichen Jurisdiction halt, das hab ich meins beheltnus
nit gethan; ich hab aber also geschrieben: das sich e. 1. anmasse
etlicher Jurisdiction der mentschen gewissen betreffend, das stehe
e. 1. nit zu. Wie aber e. 1. schreibt das die geistlichen nit weniger
dan Juden und Heyden sein, da schreibt e. 1. recht an, wan sie
merenteils (doch got sein urteil furbehalten) mehr wuchern dan die
Juden und sein einsteils unbarmherziger und unkeuscher dan die
Heyden !
Der selemessen und vigilien halb haben die Nurinberger probst
gnugk geschrieben, das leße e. 1, und sehe in der schrift darnach;
wo sie formlich und recht sein, da glaub e. 1. ; wo sie unrecht sein,
da glaub e. 1. nit.
Hirauf bit ich nu freuntlich, e. 1. wolle das wort gottes vor
sich nemen und demselben volgen, sich auch darin niemants weder
mentschen Satzung oder alt herkomen lassen irre machen, dan es
ist got selbs warhaftig bestendig und pleibt in ewigkait, es wirt e. 1.
auch woU darüber gehen.
Bit auch sonderlichs vleis, e. 1. wolle dis meins langen Schrei-
bens keinen verdries oder ungefallen haben, dan ich hab es nit
anders dan freuntlich und wol gemeint und meins noch nit anders
dan treulich und gut; kan e. 1. auch oder sunst imants mich aus
dem wort gottes anders unterweisen, dem wil ich gern volgen.
Und bit, e. 1. wolle dis mein schreiben mit bedacht leßen, dan e. 1.
soll mich nit anders dan iren freunt finden. Ich wil auch mein
leip und gut zu e. 1. setzen; wil e. 1. auch haben das ich Minquitz
schreiben soll das er sich gegen e. 1. gehorsamlich halten sol, wo
nit so must ich inen manen — so wil ichs gern thun, dan e. 1.
freuntlich zu dinen bin ich gneigt. Der almechtig bewar und er-
leucht e. 1. nach seinem gotlichen willen.
Datum Cassel am sanipstag nach invocavit anno etc. 25.
Philips von gots gnaden lantgrave zu Hessen
grave zu Catzennelnpogen etc.
[m. pr.] Philips 1. z. Hessen etc. sst.
[Nachschrift.] Aucli, freuntlicher lieber vatter und ohaim,
als ich erst dieße meine antwort mit aigner haut gemacht geschrie-
ben und die nachfolgents übersehen, hab ich befunden das es un-
leserlich geweßen ist und darumb besorgung gehapt, e. 1. mocht es
nit leßen oder sich daraus recht richten können. So hab ichs
derhalb durch meinen camersecretarien und vertrauten diner in
geheim wider abschreiben und e. 1. das himit zufertigen lassen,
damit thue ich e. 1. alzeit was ir liep und dinst ist. Datum ut in litera.
No. 5. (Dresden 1525 März 20.)
Hersog Georg an Landgraf Philipp in Antwort auf No. 4: loird
sich nicht darauf einlassen, Philipps ausführliches Schreiben
zu ividcrlegen, da es nichts helfen werde und sie alle beide in
Gefahr ständen sich lächerlich zu machen; in hundert Jahren
werde Gott die Wahrheit schon an den Tag kommen lassen.
Nach dem Konzept (von der Hand Georgs) im Dresdener
IlStA. a. a. 0. fol. 121. (Gleichzeitige Abschrift im Ernestimsehen
Gesamtarchiv zu Weimar.)
Ilochgborner fürst, frauntlicher Über ohem und son. Ich hab
a. 1. langes schreiben, das fol heiiger schrift und allegaten ist aus
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 129
dem alten und nauen testament, wie das Lutter vordeutz hat, vor-
lesen; des ich mich (di warheit zu sagen) bei a. 1. nicht vorsehen
liet. Mir weite ach wol gborn a. 1. widerumb was aus der heiigen
Schrift zu antworten; so acht ichs dorvor, es sei vergebens, den
a. 1. di helt es doch dorvor, es quem von den spitzhüttern pfaifen
und monchen her, di mich auers bdenkens vorfnren, so doch ein
lei och was in der Sachen zu thun vormagI\.
Vor das andre, wo ich mich mit a. 1. in weiter Schrift di auere
zu vorlegen begeh, mochten es vorstendig leut uns beiden villeicht
nicht unbillich vor ein thorheit achten und sagen, wir vorstundens
beide nicht. Dorumb wil ichs got bfeln und dem vortrauen. Es
ist noch umb hunter jar zu thun, so woln wir erfarn wer recht ader
nnreicht ist und was ein itzlicher vor ein spitzhut ist.
Hab ich a. 1., dem ich zu dinen gneget, vor antwort nicht woln
vorhalten.
Geben*') am montag noch oculi im 1500 und 25,
No. 6. (1525 April 11.)
Landgraf Philipp an Herzog Georg : zeigt sein Bedenken wegen
des Bauernaufstandes an.
Das Schreiben ist verloren; Inhalt und Datum erhellt aus No. 7.
No. 7. (Dresden 1525 April 27.)
Herzog Georg an Landgraf Bhilipp in Antwort auf No. 6: hat
bereits Anstalten gegen die Bauern getroffen; tvürde auch den
Landgrafen in dieser Sache angesucht haben, wenn er denselben
nicht dem lutherischen Evangelium, dessen Frucht der Auf-
stand ist, gänzlich hingegeben vermerkt hätte; hofft, Philipp
tverde es ihn nicht entgelten lassen, dass er diesem Evangelium
nicht anhänge, sondern ihm Beistand leisten.
Gedruckt Bommel, Geschichte von Hessen III Anm. S. 221 flg.
aus dem Kasseler (Marburger) Original.
No. 8. (Gotha 1526 Februar 24.)
Landgraf Philipp an Herzog Georg: hat vernommen, dass Georg
die freie Predigt des Evangeliums auf Grund der h. Schrift
zugelassen haben solle; freut sich, dass der Herzog somit den
rechten Weg betreten habe, und mahnt ihn von demselben nicht
zu weichen.
Nach dem Original (von Philipps Hand) im. Dresdner HStA.
Loc 10300 Instruction und allerley Schreiben n'. 1526 fol. 13
(daselbst fol. 14. 22 auch zivei Abschriften.)
Hochgebornr fürst, frundlicher lieber fater und oheim. Wo es
e. 1. an sei und leib glucklicli und woll zustünde, des wer' ich
hoch erfrauet.
Mir ist angezeit worden von etlichen personen, wie das c. 1.
Prediger die rechte warheit sol geprediget liaben und e. 1. sol zu
") Die Weimarer Abschrift fügt das Ortsdatum Dresden
hinzu.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. VI. i. 2. 9
130 ^- Friedensburg:
im gesagt haben, er sol frei predigen was er mit der schrift beweisen
kan. Wo nu das also wer', als ich Loft", so wer's ein gros gnade
von got, den ich dan bitten wil das er e. 1. sin und gewissen regiren
wil nach seinem wort und das, als ich hoff", das er in e. 1. ange-
fangen hat, wol volbringen, als er an zweifei dun wirt nach seinem
willen. Und ist uarumb mein frundlich und dinstlich bit umb gots
willen an e. 1., das e. 1. sich nit wol lassen ir ader forchtsam machen
nimants und bei gotlichem wort und evangelio sten und anemen,
und sich durch dasselbige wort underweisen zu lassen, wie dan das
e. 1. schuldig ist; so wirt es e. 1. got unbelont nit lassen, wie er
dan auch gesagt hat durch Cristum seineu son, der dan spricht:
wo ich bin, do sal auch mein diner sein "), und aberraal an einem
andern ort : vater ich -wil, wo ich bin, das auch do mein diner sei*'),
und spricht weiter an vilen orten, wer an in und sein wort gleube,
der hab das ewig leben, und sprich noch weiter: wer mich be-
kennet for den menchsen, den wil ich bekennen vor meinem him-
lichsen vater"), und sagt uns darzu mit trostlicher zusagnng, wo
wir versamlet sein in seinem namen, das er wil bei uns sein**), und
spricht weiter, das er uns wol mund Weisheit und seinen geist
geben, das wir nit sollen sorgen was wir reden sollen, wu man uns
vorfordert **). So spricht auch Cristus, das himel und erden sollen
vergen, aber sein wort sol nit vergeu *'). Darumb so bleiben wir billich
bei seinem wort, dieweil das nit verget und sein zusagung wert bis
uf kinds kind, als ich dan hoff, als e. 1. dun wirt; und wo es e. 1.
dut, so wirt es e. 1. got belonen, wie dan vor gesagt ist, und wirt
e. 1. ein gut cristlich gerucht machen kegen allen Cristen. So wil
ich es auch, so vil in meinen vermögen ist, umb e. 1. verdinen mit
leib und gut. Uf das ich aber e. 1. cristlich gemut vernemen mag,
so bit ich e. 1. antwort, das e. 1. wol mir anzeigen wie es ein gestalt
hot, obs war aber nit war sei (als ich dan nit hoff). Und wil himit
e. 1. got bevelen, der geb e. 1. und uns allen sein gnad, wie er dan
zugesagt hat, won mir in drum bitten.
Datum Gotta sonabent nach reminiscere anno domini 2C.
Philips 1. z. Hessen etc.
No. 9. (Leipzig 1526 März 6.)
Herzog Georg an Landgraf Philipp in Antwort auf No. 8: be-
richtet loas es damit auf sich habe, dass er, wie dem Land-
grafen überbracht ivorden, die freie Predigt des Kvangeliutns
zugelassen haben solle, und bekennt sich als treuen Anhänger
des Christenthums und der Icatholischen Kirche.
Nach einer gleichzeitigen Abschrift ebenda fol. 30 (DJ. Coli,
eine gleichzeitige Abschrift ebenda fol. 24 (E).
Hochgeborner fürst, IVeuntlicher ''lieber oheim und soen.
Euer lieb schreiben, das datum heldet am sonnabent nach
reminiscere [1526 Febr. 24j zu Gotha, hab ich gestern niontag
spat empfangen, und wiie es e. 1. geluglich und seliglich an sele
und leibe zustünde, das wehr' mir ein herzliche freud; befinde auch
das e. 1. schreiben aus trauen herzun gescheen ; das es och so aus
") Ev. Joh 12 V. 26. ") Ec. Juh 17 v. 24. »') Math. 10
V. 32. *') Math. 18 v. 20. *") Luc. 21 v. 15. »') Math. 24 v. 35.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 131
rechter gültiger anleitung geschehen were, vorhoflet ich, es solt bei
e. 1. und mir dester raeher frucht bringen. Und wil e. 1. nichts
bergen: der euch solch geschiecht zwischen meinem prediger und
mir bericht, der hat nichts darnmb gewust oder hats erdicht, damit
er mit holTniehren quem, die vielleicht bei etlichen angenhem zu
hören gebest; denn es heldt sich alßo :
Am Sonntag invocavit [1526 Febr. 11] do hat mein prediger
gesagt das gewonulich evangelium, M-ie Cristus gefast vierzig tag
und nach, dornoch gesagt das uns dermassen zu fasten, wie Cristus
gethann, nicht gebotten, denn es wer' uns auch unmöglich zu thun ;
er befinde auch im ewangelio und der heiligen schrift nicht das die
f.isten gebotten wehr, denn die nutzlichst fasten were, die wir ge-
thun konnten und die am seligsten wer', die, das wir von sunden
fasten ; wie er auch von der feier gesagt, das man solt von sunden
feiern. Er hat auch von vleisch essen gesagt, was Paulus davon
geschrieben und andere allegat, wie man sagt, was in mund gehet,
das befleckt die sele nicht; auch wie Paulus sagt, das kein trun-
kener oder fressiger **) ins reich der hierael komme, und anders ;
hat also pro et contra gearguirt und doch darbei gesagt, was die
cristliche kirche geursacht die fasten auszusetzen, das loß er in
dem gericht und gewalt der cristlichen kirchen, bei der er allezeit
bleiben ") und davon nicht scheiden wolle. Er hat auch sonderlich
angezaigt, das man ergernis meiden solle, und darzu Paulum gealle-
girt und gesagt, sand Pauli sprech, ehr er sein nechsten ergern
■weit, er wolle ehr sein tage kein tieisch essen; und im beschlus
gesagt, sein rath und mainung 'sei, wir sollen beim gehorsam der
cristlichen kirchen bleiben. Dornoch bin ich zu ime in sein stube
gegangen und ihne in seim studio funden. Do hat er wider mich
gesaget, er sei bekümmert, er könne mit der fasten nindert uberein
kommen, und hat mir zwen namhaftige ort in der schrift geweist,
an einem ort gesagt die fast sei nicht vom ewangelio gebotten, am
andern ort do stehet sie sei von altvettern prophetten und Cristo
bestettigt; er rathe noch, man bleibe bei der cristlichen kirchen.
Do hab ich ime gesagt : wir haben das woU behalten, das die fast
nicht gebotten; aber das wir sollen bleiben beim gehorsam der
cristlichen kirchen, das dine uns nicht, darumb haben wirs nicht
alle behalten. Als hat er alsbald gesagt, er hab auch gesagt, man
sal nicht ergernus geben, wie sandt Pauli sagt. Do hab ich ime
gesagt: wir sein arme leute; was uns dienet, das fassen wir bald;
aber was widder das fleisch ist, das lassen wir voruberwuschen; und
habe ime eben gesagt, ich sorge, es sein viel leute der jjredig
geergert; darumb so sege ich vor gut an, dieweil er uns allen ge-
zaigt das ers laße in gewalt und Verantwortung der cristlichen
kirchen, warumb sie die fast ausgesazt, dorbei er bleiben wolle,
und uns doliin geweist, so sei nott das er zu einer andern zeit
erclere die gewald der cristlichen kirchen und wie wir ire gehorsam
sein sollen. Das hat er alßo zu tliun gesagt, vorsehe mich auch,
es sei meines abwesens alßo geschehen. Sovil ist mir dits handeis
wissend und kau mit warheit niemand anders gesagen. —
Das mich auch e. 1. erinnert und ermant das wort gottes zu
hören und dem gefolgig zu sein, daran e. 1. mir warlich traulich
und weislich retli; wue ich auch nicht folge, so werde ich mein
straff woU finden. Das aber e. 1. der sorgfoldigkait entledigt, die
»») so E; D vleissiger. »») öo E; D blieben.
9*
132 W. Friedensburg:
e. 1. bei mir traget, als solt ich vileicht ein feiiid sein des ewan-
geliums Christi, aber '*") das nit hören wollen, sonder vorfolgen
das, wie ich dann von denjhenigen e. 1. angeben, denn'*") e. 1.
villeicht mehr denn mir glaubt, so wil ich e. 1. anzaigen wie mein
gemut bisher gestanden, jetzt stehet und, ab got wil, in mein tod
stehen sali: ich hab das ewangeliuin Cristi, sint ich tzue Vernunft
kommen, angenomen und gehört (wolt got ich thete auch die wergk),
dennigk "'^) auch darbei zu bleiben, wie es die cristliche kirch an-
genomen und approbirt hat; davon sal mich kein höchster weltlicher
ader geistlicher erengeiz dringen ader fuhren ; mich auch sal mit
hulf gottes kein forcht darvon abschauen, und ab der maister '"')
hinder mir stunde und mir das leben nemen solt, sol er mir aber
dennoch den glauben der cristlichen kircben nicht abtringen, bei
der cristlichen kircben ewangelion will ich bleiben, und wes ich
darvou nicht vorstehe, das wil ich bei der deutung der cristlichen
kircben lassen und dobei beharren, das wolle mir got, der mich am
creuze erlost, helfen ! wehr auch e. 1. anders von mir sagt, der
kennet mich nicht. Hiraus hat e. 1. abzunehmen, wehr der ist, der
euch sein tochter gegeben. Ich bin kein Turgke, ich bin kain
Hayde, ich bin kain Jude, ich bin kain ketzer; ich bin ein getaufter
Crist, ein glied des corpers, welchs corpers Cristus das haupt ist,
und ein gehorsamer seiner cristlichen kircben. Bedank mich von
e. 1. weiser lehr und Spruche, so mir e. 1. in euerm schreiben ange-
zaigt, und bitt, e. 1. habe acht uf die fruchte derjhenen, so e. 1. in
zweivel fuhren ab ich ein Cristen sei; denn got spricht: man sali
sie aus den fruchten erkennen, und spricht auch: wehr die kirch
nicht bort, der sei ein etniciis und publicanus "**).
Will hirmit e. 1 dem almeclitigen bevolhen haben, der gebe
uns allen seine genad das zu thun das sein gotlicher wille ist; ane
den vermögen wir nichts. Derselben e. 1. zu dienen bin ich willig.
Geben am dinstag nach oculi im 1526 ten zu Leiptzk.
Georg herzog zu Sacbssenn.
No. 10. (1526 zwisclien März 6 und 22.)
Landgraf Philip}^ an Her sog Georg in Anttvort auf No. 9: legt
in ausführlichem Schreiben dar, toie sehr die Kirche, deren
Haupt der Papst ist, von der von Christus gegründeten Kirche,
deren Haupt dieser allein ist, ahiveiche, verioeist den Herzog
abermals auf die Bibel and nimmt die lutherische Lehre in Schutz.
Gedruckt Bommel, Philipp der Großmüthige, Landgraf von
Hessen, Uricundenband No. 3 S. 6—10 aus dem hessischen Konzept;
Original (von der Hand des Landgrafen) in Dresden, HStA. a. a. O.
fol. 38; eine gleichzeitige Abschrift ebenda fol. 33.
No. 11. (Dresden 152() März 22.)
Herzog Georg an Landgraf Philipp in Antivort auf No. 10: theilt
auf Wunsch des Landgrafen mit, ivas er unter der christ-
lichen Kirche verstehe, spricht über sein Verhältnis zu Luther
und über die Simseverbote der katholischen Kirche.
') s. V. a. oder. '"') s. v. a. denen. '"-) s. v. a. denke.
') d. i der Henker. '»*) Math. 18 v. 17.
100
103
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 133
Nach dem Original (von der Hand Georgs) im Marburger
Staatsarchiv. Auch im Dresdner HStA. in zwei gleichzeitigen
Abschriften (a. a. (). foh 17. 37).
Hochgborner fürst, frauntlicher über ohem und son. Das es
a. 1. an sele und leip wol ginge, erfiir ich gern.
A. 1. antwort uf den briff, so ich uf a. 1. foriges schreiben a. 1.
zugschigkt, hab ich vorlessen und btind dorin, das a. 1. mit viller
frauntlicher lere und vormanung, der ich micli '"') frauntlich bdang,
ein bger zu wissen hat, was ich vor di kristlich kirchen halt, mit
bit a. 1. mit meiner antwort zu erfrauen. Doruf wil ich a. 1. nicht
bergen, das ich vor die kristlich kirch halt do l'aulus von schreibet:
ein leib, ein geist, ein glaub, ein got und ein tauf'"«), und do mich
Cristus heinweiät do her spricht: sag' es der kirchen '"'). Ferner
bschit weiß ich a. 1. nicht zu geben, den ich hab nicht woU weile
in der heiigen schrift ader des Luters bucher zu lessen, sunder
kaum zuweilen zeit ein predig zu hörn, dorin ich bgreif sovil mir
got verleiet. Lutter sal mich, ab got wil. nicht erger machen.
Uf das och a. 1. wiss, wi ich mit Luter stehe, so schigk ich
a. 1. himit wes her mir und ich im gschriben ""). Thut imant böses,
her sei hohes ader nider standes,"^ das ist mir als einem Kristen
leit und hut mich vor irn werken; die werden iren "") wert wol
dorumb bkommen. Saget mir imant guttes, dem folg ich billicli nach
Cristus' lere.
Mich dunkt och, do Paulus spricht: di freisigen "") und tron-
kenen soln nicht in himmel kommen'"), es darf wol einer concor-
dancien kegen dem das got spricht: was in mond get, bflegkt di
sele nicht"-), so di fresigen und trunkenen das ire mit grosser
dangsagung kegen got und der weit zum digker mal zum münd
einnemen. Ich halt aber, der e^enwil und Verachtung der gbot der
kristlichen kirchen kom aus anleitung böser leut und dem herzen.
Himit wil ich a. 1. dem almechtigen bfolii haben, dem ich zu
dinen willig.
Geben am dornstag noch judica 1500 und 26 zu Dresden.
Jörg herzog
zu Sachssenn etc.
No. 12. (Kassel 1526 April 1.)
Landgraf Philipp a)t Herzog (rcorg in Antwort auf No. 11: ist
mit der von Georg gegebenen Definition der christlichen Kirche
einverstanden., erklärt einen Bibelspruch über unmäßigen Genuß
von Speise und Trank, sch'ckt zwei ivider die Schwarmgeister
erschienene Büchlein.
Nach dem Original (von Kanzleihand) im Dresdner TlSt.X.
a. a. 0. fol. IS.
Hochgeporner fürst, freuntlicher lieber vatter und ohaim.
Als uns e. 1, mit aigner hant wideriimb geschrieben hat, das
ist uns zu verleßen zukomen, und hören herzlich gern das e. 1.
'"'•) im Oriq. ausqef allen. '»») Kjyhes. 4 v. 5. "") Math. 18 v. 17.
">*, Der Brief Luthers (gedr. de Wette 111, r>r>) liegt bei.
'"*) Im Orig. korrigiert aus: der loerd seinen.
'">) s. v. als gefräßigen. '") Gal 5v. 21. "^) Math. 15. v. 11.
]^34 ^- Friedensburg:
solichs vor die christlich kirch helt, davon raulns schreibt: ein leip
ein geist ein glaub ein got und ein tauf. On zi^eivel, ein solich
kirch, in got versamlet und erleuchtet, richtet sich allein nach gottes
willen lere und gepott und wirdet seinem wort zu entgegen nichts
ordnen oder beschliessen.
Es sein auch die zwene spruch Christi: was zum munde ein-
geht, das befleckt die seel nit, und der ander Pauli von den vol-
seufern und fressigen nit widerwertig, suuder der erst vom gesatz
der speiße, das einem jeden Christen alle von got geschaffene speiße
mit danksagung anzunemen erleupt sei, und der ander von volsaufen
zu verstehen; und hat die danksagung eines volseufers gegen got
nit stat, dan wie kan einer gegen got umb dasjhenig danksagen das
sund und seinem gotlichen willen zuwider ist? . . . "*) wir hoffen,
wie wir auch teglich darumb bitten wollen, der almechtig soll und
werde sein gotlich gnade verleihen, das wir alle erleucht werden
und zu rechter erkentnus seins worts und der warhait komen!
Nachdem auch von etzlichen schwurmgeistern und lestermeulern
mancherlei zu verlesterung des hochwirdigen sacraments leibs und
bluts Christi einzubilden boßlich unterstanden wirdet und dan wir
e. 1. eins bestendigen christlichen gemuts darin erkennen und wis-
sen, so schicken wir e. 1. zwei hübsche von vielen gelerten trefflichen
mennern ausgegangen buchlein wider dieselben schwurmer, freunt-
lich bittend solich buchlein mit vleis zu übersehen und zu leßen.
Gepurt uns auch widerumb freuntlich zu verdienen.
Datum Cassel am ostertage anno etc. 26.
Philips von gots gnaden lantgraf
zu Hessen grave zu Catzennelnpogen etc.
[m. pr.] Philips 1. z. Hessen etc. sst.
No. 13. (Leipzig 1526 April 7.)
Hersog Georg von Sachsen an Landgraf Philipp von Hessen in
Antioort auf No. 12 : hätte geglaubt, der Landgraf loürdc ihm
keine andere als die richtige I)eß)iition,ßer diristUchen Kirche
zugetraut haben, betcnt nochmals, dass Übertretung der Kirchen-
gebote jedenfalls Sünde sei, dankt für die Zusendung, wird
dem Jjandgrafen des Erasmus Schrift Hyperaspistes iU' Über-
setzung zuschicken.
Nach dem Konzept (von der Hand des Herzogs, das Datum
von Schreiberhand) im Dresdner HSiA. a. a. 0. fol. 20.
Liber ohem und son. Wie wir uns kegen a. 1. erklert, wehn
wir vor die kristlich kirch halten noch dem spruch Kristi und
Pauli, solt sich a. 1. an "*) das zu uns vormut haben, den wir
nicht anders von uns zu vormuten nie orsach geben, denken och,
wi wir vormols a. 1. angzeget, mit got dorbei zu bleiben.
Was das blanget di speisse und trang, di in menschen geet,
und der übrig"*) fraß und trungke, so in di egenwilligen und
unghorsamen geet, seint wir och eins, den wir haben vorlangest
ghort das egenwil in der hei bornt; do wol uns got vor bhütten
und woln uns wonschen dasjenig so in a. 1. schritt ausgdrugkt ist.
' '*) folgt das mir unverständliche Wort belan. '") s. v. a. ohne.
"') s. V. a. überflüssig (in der Bedeutung: unmäßig).
Heiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 135
Wir bdangken uns och gar frautitlich der zweier biuhlein, so
uns a. 1. itzt zugschigkt, und wollen"«) a. 1. nicht bergen das wir
si zuvor ghat; dennoch soln uns di och lib sein, den wir vormerken
doraus, das a. 1. gern ein fromen man aus uns machen wolt.
Uns ist itzt ein lateinisch buchlein zukommen, hat der Roter-
dam'") gmacht uf das buih do Luter den freien wiln ein knecht
wiln nent"*); das denken wir vordeutzen zu lossen und wolns a. 1.
zuschigken ; versehen uns, es sal a. 1. gfaln und sal was gutz dorin
finden. Derselben a. 1. zu dinen seint wir willig.
Geben zu Leiptzig sonabents noch den ostert'eiertagen im 26.
Georg etc.
Anhang.
Zum Briefweclisel zwischen Georg und Pliilipp aus «lern
Jahre 1527.
No. 14. (c. 1527 Anfang.)
Landgraf Philipp an Hcrzor/ Georg' verlangt für sich die Äus-
zaldung der Zinse, tvelchc die Stadt Suiza dem aufgehobenen
Kloster Vach schuldet.
Das Schreiben ist verloren; der Inhalt erhellt aus No. 11.
No. 15. (Vor 1527 Januar 21.)
Herzog Georg an Landgraf Philipp in Antwort anfNo.l4: stellt
sich auf die Seite derer con Salza, erliennt die Berechtigung
der vom Landgrafen, für Vach erhobene)! Forderungen nicht
an u. s. w.
Das Schreiben ist verloroi: der Inhalt erhellt aus No. 16"*).
No, 1(>. (Marl)urg 1527 Januar 21.)
Landgraf Philipp an Herzog Georg in Antwort atif No. 15: eifert
gegen das Klosterwesen und die Tiatholische Messe., legt dar.,
dass die katholische Kirche keineswegs mit der christlichoi
identisch sei, und mahnt, nicht über dem S2)litter im fremden
Auge den Balken im eigenen zu i'tbersehen ; ist dem Herzog in
allem zu dienen, willig, nur nicht wider das I£vungelium.
Nach dem Original (von der Hand des Landgrafen) im
Dresdner HStA. a. a. 0. fol. 42.
Hochgeborner fürst, frundliclior lieber oheim und vater. Ich
habb e. 1. schriben gelesen und fast spitzig vormerkt, raeinthalben
unvordint. Das aber e. 1. sreibt, o. 1. hab ireu ungehorsam nit
Sterken wollen und es vor kein closter halten '^"), so disputir ich
nit umb den namen closter, wan ich weis woU das weder im neuen
testament ader im alten testament von clostern geschriben stat;
ich weis auch woU, das in clostern mer buberei schalkeit, mer gots-
'") Orig. wol mit 2 Überstrichen. '") d. i. Erasmus.
"') Gemeint ist der Hyperaspistes, die Gegenschrift auf
Luthers de scrvo arbitrio.
'") Übrigens sind in der Angelegenheit noch mehrere Schreiben
(Schrift und widerschrift, vgl. No. 17 Anfang) ergangen.
'^") Es ist vom Kloster Vach die Rede, s. oben S. IIb'.
136 W. Friedensburg:
hurerei geschieht dau an keinem ort; wils e. 1. haben, ich wils uch
woll vorkeren, und mich ducht gut sein, do man solch unerbar
gotlossig wessen sege, das man do die zins vorbot und nerae nit
gelt und lis buberei gesehen. Do dut man aber die äugen zu und
wils nit wissen, got weis aber woll.
Das aber die papistichse meß nit gotloß suU sein, das ist
erbärmlich von eim solchen weissen fursten zu hören ; wan ich
finde ja nit den namen meß in der ganz schrift; so finde ich auch
gar nit das man Cristum noch ein mal sol opfern, sonder das kegen-
spil in der epistel zu den Ebrern '^'). So spricht Cristus: nemet,
esset'"); er spricht nit: nemet, opfert. So ist uns verpotten, wir
sollen kein andere lere annemen dan die 1er Cristi, zu den Gallatern
und Mathej am lesten und Johannis in der andern epistel'"); so
las ich die reehtgelerten über gots wort nit zu; so wirt die cristlich
kirch nit anders reden, man wais fie ir harr heist, dan es stet so
geschriben: so ir in meiner rede bleibt, so seit ir warhaftig mein
junger '-*).
Das aber e. 1. sagt, e. 1. woll bei der cristlichen kircheu bleiben,
das wil ich auch, aber nit bei euer bestichsen'"*) kirchen, die nit
anders dan uf gelt gestift ist, der meister der deufel ist. Ich weit
aber gern sehen, das ir mir doch die cristlich kirch weiset ader
doch ein Cristen in euer kirchen ! der groß häuf ist die kirch nit,
sost musten zu jar die bauren die kirch gewest sein ader itzt die
Toreken! lest aber das zwelft capittel zu den Romern, so wert ir
wol finden wer die kirch sein wirt, als nemelich die got erhelt und
die ander der weit unbelunt sein. Ir pocht alle über ein hänfen
uß gots vorstecken hart uf die kirch unt kent sie selbst nit. Bitt
got, obs euch der kennen wolt lern, kont ir anders bitten! menchsen
seint vil zu schwach über gots wort zu richten. Ich wolt doch gern
wissen von euch als eim alten forsten, was doch der recht gots-
dinst wer', nachdeni Cristus spricht Mathei lö: vorgeblich dint
ir mir mit den leren die menchsen gebot sein •='*)! Wo wollen euer
gotsdinst und kegen got zusagen, '^e) e. I. weis, hinkomen?
Der recht gotsdinst ist seinen zusagung zu gleuben und unsern
nesten zu dinen !
Das aber e. 1. etlich urteilt, das sie ir land misbrauch haben,
das weis ich nit; weis auch vorwar nit, wen e. 1. meint. Wan man
aber urteilen solt, so wurd man on zweifei die auch orteilen die so
geswinde mit den armen umbgehen und kein barmherzikeit erzeigen
und nichts kennen dan kopfabhauge und die armen uf den erunt
schätzen, nit gnug haben das sie die leut umb den leib bringen,
sonder die kinder umbs gut auch und den unschuldigen mit dem
schuldigen straffen, und darzu noch mer Schätzung nemen und vor
vil genomen haben.
Got weis wo es hin komen ist! mich gemant der leut eben wie
Cristus sagt: du sist in eim andern ein" spliter, aber in dir den
hausbalken nit '") ! Stralit nu got sie hie nit, als der doch wol dut,
wan man sich selbst ansige, so wirt ers — zu besorgen — dort
dun, wan man drit im zu hart uf die fuß, er kans nit leiden! man
'*') Kap. 10. '") Math. 34 v. 26. Marc. U v. 22.
'='*) Gal. 4 V. 9. Math. 28 v. 20. 2. Joh. v. 1—9.
'") Joh. 8 V. 31. '"*) d. i. päpstlichen. '") Math. 15 v. 9.
'*') unleserliches Wort. '") Math. 7 v. 3. Luc. 6 v. 41.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 137
zucht iiß seinem wort gelt und es ist sust kein sunde vor den
hausen, dan wer sich nach gots wort helt und prediget, sie inachen
in die leut gar nutz im beutel. Ich weit lieber kein laut haben
dan so regiren ! Ich vorsehe mich die von Salcz werden ir britt' lui
sigel wol halten, sollen sie sich meins lands gebrauchen; wans aber
die meinung solt haben, so weis e. 1. gut, das euer schuldener
luterichs — wie irs nennet — weren '^'), so dorft ir in nichts geben!
Das aber e. 1. schribt, das ich e. 1. dinst wol vor gut nemen,
zu dem schriben hab ich e. 1. kein ursach geben, dan wo ich wüst
e. 1. zu dinen, das wer' ich geneit, aber wieder das ewangelium zu
thun umb euert willen, do wirt nit uß, wan ir mir schon zwo
thöchter geben bet! E. 1. sust mit leib und gut zu dienen, so vil leib
und gut angehet, bin ich geneit.
Ich geh e. 1. l'rundlich zu erkennen das mein gemal gotlob
swanger gett, das ich mich versehe, e. 1. werde sich us erfrauen.
Domit sei e. 1. got bevollen, der erlucbt e. 1. von dem finsterniß
ufs licht und mach das e. 1. nit mer menchsen ansehe dan got.
Datum Marpurgk am montag den 21 tag januarii anno etc. 27.
Philips 1. z. Hessen etc.
No. 17. (1527 nach Februar 1.)
Herzog Georgs Instruktion für Georg von TaubenJiaim und 1).
Otto von Fach zu. einer Werbung an Landgraf Philipp in
Antioort auf No- 16: sollen dem Landgrafen den unange-
messenen Ton seines Schreibens (No. 16) vorhalten und seine
Angriffe gegen, das katholische Kirchensystem und den Herzog
selbst zurückweisen und tviderlegen.
Nach dem Konzept (von Schreiberhand) im Dresdner HStA.
a. a. 0 fol. 2 (DJ. Daselbst auch ein sehr flüchtig geschriebenes,
schwer leserliches Konzept von der Hand des Herzogs.
Zu vormerken was unser gschigkten an unsern ohmen und
sone den landgraven tragen soln.
Zu eirsten sollen sie freuntlich erbietung thun und darnach
seiner lieb anzeigen: das in korz vorgangen zelten sein lib uns
gscbriben unib etlichs gelts halben, so di von Saltza etwan dem
prior und convent des closters zu Fach schuldig gwesf, darauf
Schrift und widerschrift ergangen , wie unsere rete bitten sollen
dieselbigen, wie die nach der zal nach einander vorzeichent sein,
zu vorlesen, mit forder anzeigung, das uns am abent puriticacionis
Marie fFebr. 1] von seiner lib zwone lirive, einer aus der canzlei, der
ander seiner egen hantschrift, zukomen, die sie auch sollen vorlesen
lassen, und weiter anzeigen, wie sie mit einer langen instruction
abgefertigt sein, die inen nicht wol möglich dermassen wie sie ge-
stellt zu reden; darumb so wollen sie dicselliig vorlessen lassen,
bittend dieselbig mit gdolt bis zu dem bsloß anzuhören.
Nemlich: das wir von jugent auf mit seiner lieb herrn und
vater in freuntlicher einung gewest, mit erzeigung vil luitzbarer
dinst; haben auch groß begir gehabt mit demselben unserm ohmen
forder in solcher freuntlichen einigkeit zu leben, derhalben auch
seine tochter unserm eldesten sone gegeben. So es aber der al-
mechtig got also geschickt das gemelter landgratf Wilhelm nach
') Orig. weret.
138 W. Priedensburg:
dem willen gots gegen nns in ganz freuntlicher einung in got vor-
storben, so haben wir die zeit bei uns beslossen, demjenigen so wir
am leben geliebt, im todt sovil an uns gewest auch gnts zu thun,
haben das nicht bequemer denn an seinem vorlassen weihe und
kindern zu thun wissen. Darumh wir auch an dem tag so gemelter
unGers ohmen und sons vater todt von Cassel gefurt, gemelter seiner
gemahel unser swiger zugesagt, in irem anligen, sovil an uns ge-
west und uns gezimen wolt, retig huläicb und beisteudig zu werden;
desgleichen haben wir gemeltem unserm ohmen und sone denselben
tag, do er noch gar ein kind gewest, zugesagt, seiner lieb freund
zu sein und zu bleiben, seine lieb wolte uns denn nicht zu freund
haben.
Welchem allem wir mit höchstem vleis volg gethon, kegen
seiner muter, dieweil sie landgrevin gewest, also erzeigt, das raenig-
lich weiß das wir umb iren willen vil unser hern und freund, zum
teil ettlich von seiner landschaft, auf uns mit bewegtem gemuet
geladen, und sein also unser zusag treulich nachkomen.
Wir haben auch umb sein selbst gedeihen und nutzes willen,
auch seiner land und leute in seinen jungen jarn bei kei. mt. sein
sach zu fordern ufs höchste gefleissigt, wie das denjenen, so sie
noch am leben wern und die zeit in seinen Sachen am keiserlichen
hof gewest, wol wissent were, desgleichen den die noch leben,
unverporgen ist.
Wir haben uns auch nicht betauern lassen unser land und leut
seinenthalben zu besweren, seiner muter und ime in eigner person
zuzuziehen wider seine feind und widerwertigen.
Desgleichen haben wir auch mer denn eins seiner lieb die
unsern zu roß und fueß zugeschickt seinen schaden zu wenden und
bestes zu vorfugen.
Dorzu wo etwas seiner lieb gemangelt, es sei zum schimpf
oder ernst gewest, haben wir seiner lieb von unserm eigen gelt
darzuschicken nicht erwinden lassen und also aller freuntschaft
gegen seiner lieb gepflogen.
Und zum uberfluß sein seiner lieb vater und er als sein erb
uns vorschriben gewest mit seiner swester, die unserm sone zugelegt,
und nach dem beilager in kurzer zeit uns haben 25 000 gülden
entricht sollen werden; so haben wir doch mit seiner lieb gedult
gehabt bei sechs jarn und solang das wir ime unser liebe tochter
vorelicht und beigelegt nach seinem willen, haben also ufs höchst
geflissen zu merung freuntlichs willens freuntschaft und einigkeit
an uns nichts erwinden zu lassen.
Wir haben es auch von seiner lieb zu bekomen keinen zweivel
gehabt, wie wir auch in der aufrur der mutwilligen paurn bei seiner
lieb zum teil merklich befunden; haben uns des forder vortrost,
solang das wir vormerkt, wie s. 1. in dem ewangelio, das Martinus
Lutter nennet es müsse rumoren, ettlicher maß er tprandt ist worden
und anderung an sich genomen, die hivorn bei seinen eidern und
vorfarn landen und leuten nicht in ubuug gewest. _ Do hat sich s. 1.
understanden uns ime zufellig zu machen, und wir bei uns nicht
haben linden mögen das es uns tuelich sei Lutters sitten anzunemen,
dieweil sie von den houptern der Cristenheit und von der cristlichen
kirchen nicht gehalden worden sind. Des haben wir avoI ein mis-
fallen bei s, 1. gegen uns befunden, wir haben aber allewege der
besserung bei s. 1. verhofft, bis solang uns die letzsten zwu Schriften
zukomen, der wir uns dermassen in keinen wege vorsehen, und
Beitr<äge zum Briefweclisel zwischen Herzog Georg etc. 139
suiulerlich der so s. l. mit seiner band geschriben [oben No. 16].
Die wir unser notturft nacb vorantworten wollen, freuntlich bittend,
sein lieb wolle dieselbig unser antwort mit geduld anhören.
Vor das erst, wie s. 1. anzeigt, als solte unser antwort fast
spitzig bei s. 1. vormarkt sein seiner unvordient, können wir niibt
wissen, was spitzigs s. 1. daran gefunden, denn s. 1. uns ane das
wol kennet, das wir mit spitzfindigen worten nicht wissen umbzu-
gehn, sundern pflegen gemeinlich, wie wir einen handel finden,
dorvon zu reden und zu schreiben. Wo aber s. 1. unsers Schreibens
aus unserm vorschulden verletzt, solte uns laid sein. Wir wissen
auch einen monch, der seinen habit und regel, so er gelobt und
gesworn hat, von sich wirft, vor keinen gehorsamen bruder zu halten,
können ime auch seins Ungehorsams noch nicht zufall geben. Was
aber die mönch vor ein süntlichs leben in clostern furderlicher
denn sust in der werlt treiben, das wissen wir nicht; aber das haben
wir gehört, das in der schul Cristi, do das erst cristlich convent
gewest, die grösten sunden geschehn, so ie erfarn und nimmermer
sollen erfarn wei'den; denn do ist der son gottes von seinem junger,
von Judas, leiplich vorraten, es sein alle aposteln feltüuchtig worden,
sand Peter hat Cristum dreimal vorleugnet. Hette got omh der
grausamkeit willen der Sünden die apposteln sollen alle ausroden,
wer hette uns den glouben gepredigt? Hette gott sand Paulus umb
seiner vorfolgung willen den donner lassen todt slagen, wo betten
wir nu ein solch schön liecht der Cristenheit? Got hat uns exempel
geben, wes wir uns zu lebenden leuten vorsehen sollen, denn er
sprach: es sein zwelf stund im tage '"). Do auch die junger wollen
sagen, das feur solte über die fallen, die sie nicht herbergen wolten,
vorboet es got, wie geschriben steht Luce am neunden capittel '*").
Doch ist es ane not dorvon zu disputirn, denn s. I. ist gelert genug,
man darf ime nicht predigen.
Als aber s. 1. schreibt, das es gut were das man in solch
unerbor gotloß wesen sehe, doselbst die zins vorpöte und neme
nicht gelt und ließ buberei geschehn; do thue man die äugen zu
und wolle es nicht wissen etc.: konten wir nicht vor unbillich achten,
also das es mit massen geschehe, von denjenen die es zu thun
macht betten, die man auch wol mit manir dorzu bringen kont.
Das aber s. 1. schreibt, man neme gelt und lasse buberei zu: wissen
wir nicht, wen s. 1. doniit meinet, vorsehen uns auch eigentlich, s. 1.
meine uns nicht dormit. Wo es aber also were, das es s. 1. auf
uns achtet, so musten wirs davor halten, s. 1. hette es nicht er-
dicht, sundern were s. 1. von uns gesagt. Darunib bitten wir, s. 1.
wolle solchs auf uns nicht glouben und demjenen, der es s. 1. ge-
sagt, von unsern wegen sagen nach cristlichem ewangelio: wir haben
es nicht gethan, er thue uns unrecht. Wo es aber s. 1. für besser
ansieht das wirs nach rumorischem ewangelio vorantworten sollen,
so bitten wir, er wolle demselben sagen, das er uns anlenget als
ein vorreter unser eren. Des wollen wir gestendig sein, es hab
gesagt wer do wolle; zudem wir uns amii nichts anders vorsehen
können, dann das er s. 1. wider uns halt bewegen wollen.
Nachdem auch s. 1. anzeigt, das es erbärmlich sei von einem
solchen weisen fnrsten zu boren, das die papistiscli moß niclit gotloß
sein solle: bekennen wir, das wir mehr am alter denn in der Weis-
heit zunemen. Wir haben aber vormals s. 1. unser bedenken der
'") Joh. 11 0. 0. "») Luc. 9 V 54—56.
140 W. Friedenshurg:
messe halben zugescliriben, darumb wir itzt lücht gedenken dorvon
zu disputirn , sundern lassen es bei voriger meinung. Vorsehen
uns auch , so s. 1. die bucher list die wider den Lutter und seinen
anhang geschriben, er werde wol auf sein schrif't, darauf man ine
fürt, antwort tinden.
Wir sein auch nicht so geltgirig das wir einer andern kirchen
gedenken gehorsam zu sein, denn der cristlichen kirchen, der honpt
Cristus ist und nicht der teufel, in welcher kirchen s. 1. teglich
Cristen zu sehen hat.
Das aber s. 1. vorwundert und ie gern wolt, das wir ime die
kirchen weisten, und weiset selber alsobald ufs zwelft capittel sandt
Pauls zu den Romern, do werden wir wol finden wer die kirch sei,
als nemlich die got erhelt und von der weit uubekandt sei etc. : ist
das also zu vorstehen, wie s. 1. maint, das got wolle die kirchen
vor der werlt vorborgen haben, so wirdet er sie wol vor s. 1. und
uns behalten, das wir sie beide nicht erkennen. Es spricht aber
Cristus im ewangelio Mathei am 18: sag es der kirchen'*'). Soll
man irs sagen, so muß sie uns nicht vorporgen sein. Sie muß oren
haben zu hören und gewalt, auch vorstand zu straffen und zu andern.
Nun halten wirs dofur, s. 1. wissen, das das ewangelium eer gewest
denn sand Pauls episteln; darumb ists nicht unbillich, das sand
Paulus dem ewangelio noch und demselbigen gemeß vorstanden
werd und nicht das ewangelium sand Pauls episteln; alsdenn wirdet
s. 1. baß vorsteen, was die kirch sei.
Wie auch s. 1. weiter anzeigt, wir pochen alle über einen
häufen uß gotes vorstecken hart uf die kirchen und kennen sie
selber nicht; wir sollen got bitten, ob er sie uns wolt erkennen
lernen, wo wir anders bitten können: sal s. 1. nicht zweiveln, wir
können bitten und beten mit hulf gottes, und unser kinder haben
eher bitten und beten können eher sein vater sein muter genomen,
und bitten got, wenn uns sein almechtigkeit gnad vorleihet, das er
uns in der ruffung, darinne wir gefordert sein, wolte bleiben lassen
und entbalden und uns von keinem wind alder ader neuer ketzerei
lassen bewegt werden.
Das s. 1. gern wissen wolt von uns als einem alden fursten,
was der recht gottesdinst sei, und s. 1. sich selbst bald bericht, der
rechte gotsdinst sei seinen zusagen zu glouben und unserm nechsten
zu dienen: wir glouben gottes zusag billich und gern, denn er ist
die warheit; dieweil er denn gesagt, er wolle einem itzlichen geben
nach seinen werken, so thun wir was wir aus seinen gnaden ver-
mögen und gewarten seiner zusag, denn wir glouben, er sei ein
beloner des guten und straffer des argen. Er spricht auch im
ewangelio Mathei am 23: diß muß man thun und das ander sal
man nicht underwegen lassen '*-).
Das auch die paurn nicht die kirche gewest, denn sie sein
nicht in got, sundern durch Muntzer und seine gesellen aus Lutters
buchern, als dem Babilonischen gefenknus, aus der abthuung der
messe und aus dem buch von den falschgenenten geistlichen vor-
samelt worden; so sein die Turcken als ein straft und warnung
gottes gewest und noch umb unser sunden willen.
S. 1. hat uns in der nechsten schrift vor der letzsten geschriben
dise wort: „wurde auch wol doraus folgen, so der missbrauch in
disen dingen die Wirkung haben solte, das auch hinfurder den
'»') Math. 18, 17. '**) Math. 23 v. 23.
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 141
fursten, so sie sich nicht fürstlicher gebur halten, kein zins ader
rente mer gereicht werden musten. Darauf wir s. 1. wider ge-
schriben, ime seiner meinung zugefallen mit disen worten: „tragen
keinen zweivel, e. 1. erfar teglich und sehe vor äugen bei konigen
und fursten, wenn sie ir land misbiauchcn, das es inen zu k(ineni
gutem reicht, sundern müssen inen zur schmähe und andern zu
einem exenpel im land ane land umbreissen". Mit disen worten
haben wir erregt, das uns s. 1. zeihet, das-wir ettliche urteilen, und
nennt nicht wen, will auch nit wissen wer sie sind. Nu wissen s. 1.
wol, das bei unsern zeiten konig und fursten'*^) vortriben sein.
Ob dieselbigen ires landes ader rcgierung gemißbraucht ader nit,
stellen wir in s. 1. bedenken. Und so wir die warheit geschrieben,
haben wir nimands gericht "*).
S. 1. aber zeigt au: wo man urteln solt, wurde man die auch
urteiln, die also geswinde mitt den armen unibgiengen und kein
barmherzigkeit erzeigten und nichts konten denn kopfabhauen und
die armen auf den jrrunt schätzen, nicht genüge haben das sie
die leut umb den leibe bringen, sundern die kinder auch umbs gut,
und darzu noch mer Schätzung nemen und zuvorn vil genommen
haben, gott wisst wo es hinkommen sei. S. 1. erman derselben leut,
eben wie Cristus sagt: du sihest in eins andern aug ein Splitter,
ader in deinem äugen den hausbalken nicht. Strafft got sie nicht
hie, als er doch wol tut, wenn man sich selbst ansehe, so wird er
es, als zu besorgen, dort thun, wenn man trit got zu hart auf die
fueß, er wirdts nicht leiden; man zeucht ans seinem wort gelt und
es sei sunst kein sunde, denn were sich nach dem wort gottes heldet
und predigt, sie machen inen die leut nutz im beutel. S. 1. wolte
lieber kein hmd haben denn also regiren etc. Dieweil wir denn
niemandts gerichtet, sundern die warheit gcschriben, so solton wir
billich ungericht bleiben, wo anders s. 1. uns domit will gemaint
haben, das wir umb s. 1. mit den woltaten, die wir seinem vater
muter und ime gethan, nicht vordient haben. Und ob wir nicht
genant sein, so ist doch wol abzunemen, wene er hiemit hat wollen,
den wir dodurch vorstehen solten. Denn wie barmherzig wir sein
und wie schwind wir mit den armen leuten umbgehn , ist got am
besten bekant; und hören, es werde von got nicht vor ein klein
barmherzigkeit geacht, einen frommen armen von des bösen armen
untugeut zu entledigen, dann got spricht im andern buch Mose am
22. capittel : man sai die bosluiftigen nicht lassen leben auf erden '**).
Das aber s. 1. sagt, wir können nichts mer denn köpf abhauen
und grausamkeit üben, wie oben erzelt : achten wir, wo s. 1. solchs
wol bedenkt, werde er behuden, das wir mer können mit gottes hulf
denn allein das böse, und auf das wir des ein exempel setzen, so
sein in der aufrur zu Duringen drei ader vierlei leute gewest: erst-
lich die anleiter solcher aufrur, darimch die volger, die sein zweierlei
gewest, einteil aus gutem willen, ettlich aus forchf ; die vierden
'**) Hieß zuerat ein konig und drei fursten im reich; die Worte
ein, drei und im reich sind aber iDitcrstridicn als Zeichen der
Tihjunfj.
'") iS'o am Rande; der Te.idliatte anfaitf/s: . . . vortrieben sein.
Er neme under den welchen er wolle, mögen wir mit warheit sagen,
das derselbig Seins lands gemissbrauclit liat und darumb von got
gestrafft ist, und so wir die warheit reden, richten wir nicht.
'") 2. Mos. 22 V. 18.
142 W- Friedensbiirg:
haben es thun müssen aus zwang. Do es aber zum handel komen,
do hat man keinen können ausscheiden denn die, so williglich
kommen und ir bedranknus angezeigt, das sein graven edell und
burger gewest, den ist kein last begegent, wie s. 1. weist. Die
andern sein mit einander undergangen, haben leib und gut verloren,
mag wol sein das mancher darunder gewest der nicht so vil als der
ander schuld daran gehabt; wir aber haben gotlob mit der band
keinen erwürget, auch niemands nichts genomen; wir haben etlich
hundert gefangener auf ein tag laufen lassen, die alle wol leib und
gut als die aufiurigen vorburt betten. Hernachmals do wir under
unser eigen vorwandten und geschwornen gein Saltza komen, haben
wir die leithemel ausgehoben, ungestrafft nicht gelassen an leib und
gut. Domit auch die ungetrauen fluchtigen irer untreu und flucht
nicht genossen, so haben wir auch verordent, wie es mit denselben
gehalden sol werden, und nach gehaldenem rat nier gnad denn s'c
vordient vorgewandt. Das wir auch dieselbigen auf s. 1. furbitt
nicht haben wollen lassen einkomen ""), ist darumb geschehn, das
zu Molhausen'*') im felde dorvon geredt und beslossen worden, das
man dieselbigen aufrürer nicht wider solte lassen einkommeu; sie
solten auch in keinem unser furstenthum dem andern zuwider ge-
halten noch gehaust werden. So sint dieselbigen fluchtigen den
merern teil mit der Lutterischen gift beflegt, welche gift ein ursprung-
lich ursach gewest des aufrurs. Dieweil denn der groß häuf — gott
gelobt — noch ist der frommen, verhoffen wir thun kein unbarm-
herzigkeit, das wir sie behüten, das sie von den bösen nicht vor-
unreint werden.
Wir befinden auch das uns nicht mag unaufgerugkt bleiben,
das wir in vorzeiten unser frommen und getrauen underthaneu rat
und hulf haben suchen und brauchen müssen und noch, und ist nicht
weniger, das unser herr vater gotseliger uns in unrath gelassen ;
derhalben wir auch gemelte unser underthan mit irem rath und
gutem willen umb hulf angelangt, welches kommen ist aus den
trauen nutzlichen dinsten , die derselbig unser her vater kei. mat.
und dem heiligen reich vor andern fursten mit seinem eigen leib
und gut bis an sein ende gethan, wie das vil leuten kunt und wissent-
lich gewest und noch ist. Das wir aber aus solchem unrath nicht
haben kommen mögen , ist ursach die vorreterische untreu des
graven von Embden, auch der '*'J konig von Frankreich '*') und die
böse nagbarschaft des herzogen von (iellern, der sein art gegen
uns als andern nagbarn bezeigt hat '*"). Diß haben angesehen unser
getraue underthaneu und uns getraulich gerathen und geholfen,
und tragen keinen zweivell, wo es die not erfordert, sie werden uns
'*") s. V. a. wieder ins Land kommen.
'*') Das Miihlhauser Ablcommen swischen Kurfürst Johann,
Herzog Georg und dem Landgrafen, Ende Mai 1525 ahgeschlossoi,
gedr. Seidemann, Das Dessauer Bündtiis (Zeitschrift für histor.
Theologie 1847) 641 flg.
'*") D add. unterstrichen (als Zeichen der Tilgung): itzigo.
'*") D add. unter strichoi: den got auch nach seinem willen
an ere und gut gestratfl.
'*") Diese Anspielungen beziehen sich auf die friesischen
Wirrett, in ivelche Georg von seinem Vater Herzog Alhrecht (f 1500),
Erhstatthalter von Friesland, Iter verivickelt getvesen loar. Seine
Gegner dort waren der Graf Ezard von Friesland tmd dessen
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 143
forder mit hulf und rath beistehen und ol) got will in kurz aus
allen nöteu helfen. Wir haben auch gotlob ujis dermassen gegen
inen gehalten, das wir der keins mit gewalt hahen dürfen von inen
dringen'*'). Sie sein auch got hab lob so sere nicht vorarmt vom
adel burger und paurn, sie sollen neben andern ir pfennig wol
zeren mögen und iren herren ein hulf thun können gleich andern
und vor andern; darumb s. 1. uns mit dem zu reizen sich wol hette
enthalten '*^). Dieweil uns auch von s. 1. nichts darzu gegeben ist,
dürfen wir ime auch kein rechnung dorum thun. Wir wissen wol,
das wir neider gnug haben, das wir von unsern getrauen under-
thanen sovil zufals haben, die sich doch billicher mit uns freuen
sölten. Wir haben zuvorn angezeigt, das wir so geltsuchtig nicht
sein als wir an s. 1. getragen ; wir ziehen auch nicht gelt aus dem
ewangelio. Darumb bitten wir, s. 1. wollen uns kegen seinen an-
tragern vorantworten, wie wir oben gebeten.
Wir hassen auch die nicht, die gottes wort warhaftiglich pre-
digen; das wir sust neben andern ein armer sunder sein und von
got hie gnediglich gestraft't werden, erdulden wir mit seiner got-
lichen hulf billich ganz willig und gern und bitten, wenns uns vor-
lihen wird, umb gnade.
Wir haben regirt nach unserm vorstand, wie wir es kegen got
vorantworten müssen und darumb still stehn werden. S. 1. solle
es besser machen, darzu wünschen wir ime gluck und heil.
Als s. 1. meldet, er vorsehe sich, die von Saltza werden ire
brief und sigel wol halten, sollen sie sich seins lands gebrauchen;
wenns aber die meinung solte haben , wer' es uns gut das unsere
Schuldner lutterisch wern, wie wirs nennten, so dorft wir inen nichts
geben etc.: die von Saltza werden ir brive und sigell als fromme
leut halten, man zeige inen die allein an, kegen den sie vorschriben
sein. Wo sie dann in dem wesen sind, wie sie inen vorschriben,
alsdenn wird es nicht mangel haben; wo sie aber in einem andern
stand, darauß nicht anders denn böses sich zu inen zu vormuten,
so haben sie es beigelegt bis auf erkentnus geordenter oberkeit.
Wirdet inen zuerkant das sie solchs denselbigen abtrönnigen ordens-
leuten geben, sollen sie es an inen nicht ei winden lassen. Das
nuhn s. 1. über solch gleichmessig erbieten die von Saltza aufhalten,
wolt der erbainunge nit fast gemeß sein, wollen uns auch des in
s. 1. nicht vorsehen '**j. Wir wissen uns kegen unsern schuldigern,
den wir schuldig sein, sie sind papistisch ader lutterisch, wol zu
halten, dorfen seiner underweisung ader underhandlung deßfals
gar nicht '**).
Bundes genosüc Herzog Karl von Gel der n , den Frankreidi ins-
gelieim unterstützte. Im Jahre 1514 hatte (reory ihnen weichen
und die Rechte an J'^iesland atifgeben inüssen.
'*') U add. unterstrichelt, weder kidch nionstranzen i)aceni oder
glocken smelzen dorfen.
'*-) D add. getilgt wir haben auch das unser nicht vorspilt
vorprast vorhurt ader vorpufl't, sundern mit eren und zu unser not-
turft anworden darinne nichts gespart.
'**) Statt dieses letzteti Satzes stand anfänglich : wo aber über
solch erbieten s. 1. aus der erbeinung mit einem fuß schreiten, so
erloube er uns mit dem andern auch licrauß zu trett(Mi.
'**) D wir wissen — deßfals gar nicht ausgestrichene'
X44 ^- Friedensburg:
Das s. 1. schreibt, s. 1. hab kein iirsach gegeben, das -wir ge-
schriben, das er unsern dinst vor gut neme, mag vol sein und ist
villeiclit des Schreibers schuld , denn wir haben allewege im brauch
gehabt, wie sich andere unser freund kegen uns erboten, haben wir
unser erbieten widerumb zugleich geihan und zuweiln etwas mer.
So aber in nechster schritt vor der letzsten der Schreiber kein er-
bieten im besluß von s. 1. wegen gesetzt und wir des nicht ursach
gewust, haben wir (auf das wir s. 1. nicht forder bewegten) solch
unser erbieten mit einer maß gethan, domit wir nicht zu vil ader
wenig tetten: haben wir es aber domit verterbt, so ist es doch Un-
danks geschehn.
Das sich s. 1. erbeut uns zu dienen wo er wüste, des wer' er
geneigt, aber wider das ewangelium zu thun umb unsern willen do
wurd nichts auß, wenn wir ime schon zwen töchter gegeben, mit
merer erbietung etc.: nu wissen s. 1., das wir in der ehestiftung
s. 1. unsre tochter nicht darumb gegeben, das er wider das ewan-
gelium thun solte umb unsern willen; vil wenig weiten wir irne
zwen gegeben haben, denn wo wir gleich etwas wenigers "*) gehabt
und vormarkt betten das s. 1. umb unser ader ander böser leut
willen wider got und sein ewangelium thu, wir weiten es ime nicht
gegeben haben.
Wir bedanken uns sust freuntlicher erbietung und das er uns
wünscht im besluß seins brives, wünschen war ime auch, dann es
mögen villeichte wol leute s. 1. auf die wege fuhren, die da öffent-
lich ir orden aide und gelubde vergessen haben, zu denen wir uns
nichts guts vorsehen können '*"). —
Diß sollen die geschickten reden und sollen hirauf bitten, das
s. 1. bedenken wolt die grosse geschwindigkeit und gehe'*'), so s. 1.
in dem bricf gegen uns unvorschult und als seinen sweher geübt ane
grund, nachdem wir uns vorsehen, wo imands also unbedechtig uns
mit ungrund also bescliAveren wolte, s. 1. wurde seinen leib und gut
vor uns gesetzt haben; auch betrachten die zimlich gedult, die
wir mit ime in unser antwort tragen, uns forder solcher swindickeit
vorschonen, denn wo es mehr geschehe, musten wirs achten, er wolte
uns nicht zu freund haben und uns mit fuessen von sich stossen,
des wir musten geschehn lassen, und uns dann wenig tauret, denn
allein unser tochter sein gemahel und sein getraue fromme Land-
schaft, den es ane zweivel wurde leit sein. Verdienen wir zur
billicheit gerne . . .
[Es folgt der Inhalt des letzten Absatzes in milderer Form:]
Diß sollen die geschickten reden: "Wir zweifeln nicht, wa s. 1. ir
gethan schreiben zu gemuethe fürt, s. 1. werde es etwas fast zu
geschwinde und zu gehe vormerken, darzu wir s. 1. unsers vor-
hoffens nicht ursach gegeben, auch zu s. 1. vielmehr vorsehen betten,
wa wir sunst von imands dergestalt weren angegriffen, s. 1. wurde
uns als iren schweher nicht allein vorantwort, sonder leib und gut
vor uns gesatzt Iiaben. Nuhr haben wir s. 1. aufs freuntlichste und
glimpflichste vorantwort und wollen s. 1. darvor bitten uns mit
solchem geschwinden schreiben liinfurder zu vorschonen. Wa es
'*■') Statt gleich — wenigers stand anfangs ein liebes thier.
'*") Anfangs: denn es sein auch leut die s. 1. auf die wege
füren und sein darzu leut die öffentlich — vergessen haben; was
gnad darbei sein kan, solt ein itlicher vorstendiger wol ermessen
können. '*'j d. i. Jähe (als Substantiv).
Beiträge zum Briefwechsel zwischen Herzog Georg etc. 145
aber ie nit sein wolt, rausten -ft-irs darvor achten, das uns s. 1. zu
irem freund nicht mehr ze haben, sunder von sich zu sundern ge-
sint, darbei wirs auch musten wenden lassen; uns dauert aber dann
sein gemal und landschaft, den es ane zweifei wurde leid sein.
Wir weren aber viel geneigter mit s. 1. in der freundschaft, so von
irem vater auf sie geerbet, zu pleiben. —
"Wa auch irgent nach der vorher ader sunst vorfiele, das der
landgraff hart darauf drunge, wie s. 1. vorwandten '*») gleichwol briff
und sigill nicht gehalten Murden: so sollen sie sagen: sein lieb
habe bei den von Saltza ettliche zinse gefordert von wegen der
wirdigen und andechtigen priors und convents zu Fach. Darauf
wir, weil wir bericlit das keni prior nach convent mehr dasein solt,
dieselbigen volgen zu lassen geweigert und unsers vorsebens nicht
unpillicb, denn wir kondten nicht befinden, wa sie nicht dergestalt
angezaigt und vorhanden, wie von irentwegen die forderung an-
gestelt, das man ihnen die zinse zu geben schuldig; wa aber s. 1.
dieselbigen zinse als inhaber der vorschreibung gefordert, betten wir
uns einer anderer antwort Avollen vornehmen lassen '*').
'*') s. V. a. Unterthancn; gemeint sind die von Vach.
'*') Auf einem später ai Blatte findet sich der Schhisspassus
in folgender Form: vorschreibung gefordert und auch s. 1. zu manen
gebort, hetten wir uns dennoch so schwinder manung umb 16 fl.
nicht vermut, diweil wir um 25000 fl. so frauntlich gdult mit s. 1.
gehabt. Darunter stehen die Namen der Gesandten her Georg
Taubenhaym amptmann zu . . . (?) D. Pack. Folgen dann noch No-
tizen über anderweitige Irrungen.
Keucs Aicliiv f. Ö. 0. u. A. VI. 1. 2. 10
Literatur.
(Jesc'hichle der iu «1er Preussischen Prorinz Sachsen vereiiijgleii
Gebiete. Yon Eduard Jacob«. Gotha, F. A. Perthes. 1883.
YlII, 540 SS. 8«.
Die Verlagshandliing ^ou Perthes in Gotha, der die deutsche
Geschichtswissenschaft schon manches verdienstliche Werk zu danken
hat, beabsichtigt bekanntlich, gewisserniassen als Ergänzung der in
ihrem Verlage erscheinenden, von Heeren und Uckert begründeten
und gegenwärtig unter der Leitung von W. von Giescbrecht fort-
geführten Europäischen Staatengeschichte, eine Sammlung von Dar-
stellungen der Geschichte der einzelnen deutschen Landschaften,
insbesondere der preussischen Provinzen, herauszugeben: ein Unter-
nehmen, dessen Ausführung allerdings mit nicht geringen Schwierig-
keiten verbunden ist. Sind doch gerade die Provinzen Preussens
grossentheils Bildungen, die erst in neuerer Zeit aus oft ganz hete-
rogenen Bestandtheilen zusammengeschmolzen worden sind, so dass
man von einer einheitlichen Geschichte derselben kaum reden kann.
Dieser Übelstand, mit dem K. Lohmeyer, der Bearbeiter der treff-
lichen Geschichte Ost- und Westjireussens, und Grünhagen, von
dessen Geschichte Schlesiens vor kurzem der 1. Band erschienen ist,
nicht in gleichem Masse zu kämpfen hatten, tritt in dem uns vor-
liegenden Werke um so schärfer hervor; denn die preussischc Provinz,
die am 30. April 1815 unter dem Namen Provinz Sachsen gebildet
worden, ist sehr bunt zusammengesetzt: ausser märkischen Gebieten
und solchen, die dem Hause Wettin gehört haben, wie namentlich
dem alten Herzogthum Sachsen- Wittenberg, dem sie ihren Name
verdankt, umfasst sie das alte Erzbtift Magdeburg, die Stifter
Halberstadt, Quedlinburg, Merseburg, Naumburg, vormalige Besitz-
ungen des Erzstifts Mainz, freie Reiclisstädte wie Nordhausen und
Mühlhausen, eine ganze Reibe alter Grafschaften wie Stolberg-Stol-
berg, Stolberg-Rossla, Mansfeld, Hohnstein u. a. Dazu kommen
wesentliche Stammesunterscbiede innerhalb der Bewohnerschaft, die
theilweise aus niederdeutschen Sachsen, theihveise aus mittel-
deutschen Thüringern besteht; ein grosser Theil der Gebiete ist
bekanntlich den Slaveu abgerungenes Kolonisationsland und unter-
scheidet sich dadurch sehr bemerkbar von den deutschen Stamm-
landen. Von einer wirklichen Geschichte der Provinz Sachsen
kann also kaum die Rede sein; es war die Aufgabe des Ver-
fassers, wie er das im Titel auch angedeutet liat, eine ganze
Reihe von Spezialgeschichten zu einem Ganzen zusammenzu-
Literatur. j^47
schweissen, und diese Aufgabe \vurde noch erschwert dadurch, dass
dies Ganze auf weitere Kreise berechnet sein sollte. Erwägen wir
diese Schwierigkeiten, so müssen wir dem als exakten Forscher und
gewissenhaften Urkundenherausgeber rühmlichst bekannten Ver-
fasser, der gewiss selbst bei seiner Arbeit am wenigsten Befriedig-
ung gefunden hat, das Zeugnis ausstellen, dass er das Möglichste
geleistet hat. Wenn er für den grössten Theil des Werkes nicht
auf die Quellen zurückgegangen ist, sondern nur die — übrigens
mit grosser Umsicht ausgewählte — Litteratur benutzt hat, so bedarf
dies keiner Entschuldigung; ein anderes Verfahren hätte die Aufgabe
zu einer nahezu undurchführbaren, sicher aber noch viel weniger
lohnenden gemacht. Näher auf das Werk von Jacobs einzugehen,
kann unter diesen Umständen nicht die Aufgabe einer an dieser
Stelle zu gebenden Rezension sein. Nur ein schmerzliches Ue-
dauern können wir nicht unterdrücken; warum wurde die Benutzung
des seinem ganzen Charakter nach wenig übersichtlichen Werkes
nicht durch ein alphabetisches Register und etwa auch ein paar
Bogen Litteratur- und Quellennachweisungen, wie sie Grünhagen
dem 1. Bande seiner schlesischen Geschichte beigegeben hat, er-
leichtert? Dadurch würde sicher weder die von der Verlagshand-
lung gewünschte Popularität des Werkes gemindert noch der Preis
desselben wesentlich erhölit worden sein.
Dresden. H. Ermisch.
Oescbiclite der Säcligisch-AskainHchen Kiirfüisten (1180—1422),
ihre Grabstätten in der ehemaligen Franciskaner-Kirche zu Witten-
berg, die Überführung ihrer Gebeine in die dortige Schlosskirclie
und die Stammtafeln ihres Geschlechts. Von (ieorg v. Hirschfeld,
Regierungs-Ratb in Merseburg. Sonderahdruck aus der „Viertel-
jahrsschrift für Heraldik, Spliragistik und Genealogie". Berlin,
Sittenfeld. 188t. IV, 15Ü SS. 8». Beil. I— V.
Das obengenannte Werkchen, welches anzuzeigen mir mehr-
fach nahegelegt worden ist, behandelt in Abschnitt 1 (S. D— 72)
nach einer Einleitung über das Franziskanerkloster die vom Titel
als Hauptsache bezeichnete und uns hier zunächst angehende Ge-
schichte, im II. Abschnitt (S. 7.3—92) die Auffindung und Über-
falirnng der Gebeine, iin III. (S. 9:^—139) Feststelhuig der Persön-
lichkeiten der aufgefundenen Leichenreste, bauliche Einrichtung der
ehemaligen Franziskanerkirrhe, Grabsteinfragmente u. s. f. Von den
Anlagen bietet I. Plan und Grundriss der K'irche, V. Darstellung
der Grabstein- und Baufragmeiite, beides vom königl. Banftilner
L ottner, II. di(^ nach den Forscliungen des Verfassers vervoll-
ständigten und berichtigten Stammtafeln der ;<äcbs.-ask. Kurfürsten,
III. Abdruck eines „Auszugs aus dem Totenl)uche des Franziskaner-
Klosters, in Zerbst durch Arcbivratb Prof. K i 11 il scli e r aufgefunden"
mit dessen Anmerkungen, IV. Abdruck des einsclilägigen Abscbnitts
aus Mentzius Syntagma epitaphiorum .... Witeb. etc., Magde-
burgi lÜOL
Für Beurtheilung der S.hrift erscheint die S. LSÜ tlg. i; j.T
gegebene Anf/.älilnng der -11 bauptsä( hliib benutztcin (^)u eilen
um so wichtiger, als V'erfassrr im Verlaufe seiner Darstellung sie fast
nirgends zitiert, weder bei Üliereinstimmung, noch bei Abweichung
bez. Bekämpfung. Es drängt sieb aber einerseits die Verniutlmng auf,
dass auch dort nicht genannte Scbriften mittelbar oder unmittelbar
benutzt seien; anderseits würde Zuratheziehung anderer ebenso wenig
10*
148 Literatur.
genannter Schriften der vorliegenden Arbeit sehr zu statten gekom-
men sein. Man vergl. z. B. Cohns Stammtafeln, Gretschel-Bülaus Ge-
schiclite des Sächsischen Volkes und Staates I, 284—295 u. a. Von
Hirschfeld glaubt (S. 9 Anm.), dass die bisher nur vorhandenen zer-
streuten Nachrichten über das in Rede stehende Fürsten geschlecht
durch die von ihm geleiteten Ausgrabungen und seine „neuesten
Forschungen vielfach ergänzt und berichtigt" seien. Greifen wir, um
zu sehen, wie von Ilirschfeld geforscht hat. einige Punkte ücraus ').
§22: Albert, nachgeborner Sohn Kurfürst Rudolfs II., „ist
bisher nirgends erwähnt; seine Existenz ergiebt erst der Auszug
ans dem Totenbuche". Verfasser setzt daher Rudolfs Kinder an:
1. Elisabeth, f 135.3, 2. Albert, geboren nach dem Tode Rudolfs II.
u. s. f. Nun haben aber sowohl Beckmann als Cohn bereits
Albert und Elisabeth als Kinder jenes; das Neue wäre also nur die
vom Verfasser erst noch zu beweisende Posthumität Alberts. Das
von ihm dafür beigebrachte genügt nur zu beweisen, dass Albert
nach seinem Vater und vor seiner Mutter, d. h. zwischen 1370 und
1373, starb.
§ 23 w-iederholt von Hirschfeld den alten Irrthum, dass Kurfürst
Wenzel nicht 1388, sondern 1-102 gestorben sei, also was zwischen
beiden Jahren von sächsischen Kurfürsten berichtet wird, von jenem
statt von Rudolf IIl. gelte. Er sagt getrost: „Bei der Belagerung
von Celle (1402) erhielt Wenzel eine tötliche Wunde, an der er
18. September starb"; alles entgegenstehende wird abgefertigt mit
den Worten: „Die Ereignisse des Jahres 1400 schreiben einige dem
Kurfürsten Rudolf HL, nicht Wenzel zu, und zwar wohl deshalb,
weil sie das Jahr 1388 irrthümlich als Todesjahr Wenzels annahmen.
Allein nicht nur die Inschriften des Grabsteins, sondern auch das
hier massgebende Totenbuch der Franziskanerkirche geben überein-
stimmend den 18. September 1402 als Tag und bezw. Jahr seines
Todes an" u. s. w. Hier nur einige der Beweise für 1388 bez. gegen
1402, um dann zu erwägen, mit welchem Rechte „Totenbuch" und
„Grabschriften" mehr gelten sollen.
Riedel, Cod. dipl. Br. D. 191 zum Jahre 1395 hat: In dem
suluen jare loart hertoch Boleff van Sassen vient bischop Albrechtes
van qticrenforde uncle des yodeshuses to inagdehorch etc.
') Noch ist erwähnenswerth, dass der Verfasser in § 3 zwischen
Albrecht d. B. und Bernhard ICinscliub eines 3 Seiten fassenden Ab-
schnitts über den heiligen „Hain-Allvaters im Semnonenlande zwischen
Berlin und Brandenburg" für angezeigt hält. Wir erfahren, dass „nach
alten urkundlichen Quellen" Brandenburg (die Stadt ist gemeint) lange
vor der slawischen Periode Herrschersitz des obersten Semnouen-
fürsten. ja Mittelpunkt der deutschen Einheit gewesen (S. 2-i);
dass Allvaters, der die Herzen seiner Kinder lenkte (21), Machtwoit
eine Götterdreiheit ms Leben gerufen; dass Tacitiis, „obwohl er auf
germanischem Boden lebte und starb", so wenig als andere Römer
das germanische Wesen begrift'en; dass die Enthauptung der Kriegs-
gefangenen ein Akt der Nächstenliebe war — alles Ideen, die
Verfasser in einer speziellen kritisch-historischen Arbeit „Religion
der alten Germanen bis auf Tacitus" im einzelnen nachzuweisen
versucht habe. Wir empfehlen sie den Forschern in deutscher Mytho-
logie; für uns hier hat diese Episode nur den Zweck, S. 22 den
Preis der Askanier und HohenzoUern unmittelbar daran zu knüpfen.
Literatur. 149
J. M ei Sil er, Descr. Eccl. Collegiatae Witteb. 1668. S. 76 flg.
giebt de» Wortlaut einer Bulle lionifaz des IX. wegen Einverleibung
der Pfarrkirche vom 5. Dezember 1400; sie bat u. a.: Nos dilecti
filii nobüis viri Biidolfi dticis Saxoniae supplicationibus indinafi
w. s. f. Derselbe '26 Hg. (allerdings mir in Übersetzung) über Bol-
densdorf und Kapelle d. d. St. liUwis 1401: Wir Rudolf v. G. Gn.
zu Eugern, Westfalen, Sachsen und Lüneburg Herzog. . .
von Heinemann, Cod. dipl. Anh. V, 197. 5. Dezember 1.392,
Wittenberg: Mudolphus III. dei gratia etc. — Derselbe V, ölS
d. d. .30. Mai 1400 Frankfurt: Wir von Götz gnaden Johan . . .
und Budolff zu Saessen und Lünenhurg hertzogc . . . alle kiir-
fürsten des heiligen Eoemschen ritchs etc. Ebenda .319. (;. Juli 1400:
Wir Patdolß' von Gottes Gnaden des heiligen Elmischen reichs
crtzuiarschalk.
Urkundliche Beweise, dass 1392—1401 bereits Rudolf IH. den
Kurhut trug, welche von Hirschfeld kennen niusste, da er jene drei
Werke unter seinen Quellen anführt; freilich spürt man auch sonst
keine Verwerthung des Cod. dipl. Anh. pjbenso wenig von Riedel,
sonst hätte er beispielsweise S. 41 nicht 13-29 angegeben, statt das
aus jenem B. II, 61 bekannte Datum 25. Mai 13-28, und vieles andere.
In Cohns für jeden Genealogieforscher unentbehrlichen Stamm-
tafeln hätte er für' das Jahr 1388 als Todesjahr Wenzels die ent-
scheidende Stelle im Lüneburger Toten buche zitiert gefunden
(ed. A. Ch. Wedekind, Noten etc. IH, 1836); es heisst dort zum
15. Mai wörtlich: Anno demini M. CCG. LXXXVIII obiit Wenetz-
luus dux Saxonie et Lunehorch, qiii dedit ecclesiam sancti Cyriaci
cum patruo [Yetter] suo duce Alberto. Entsprechend zum 28. Juni:
Anno domini M. CCG. LXXXV obiit Albertus dux Sax. et Lun.,
qui dedit eccl. s. Cyriaci cum patruo suo Wenetzlao d. Nach dem
Schriftgrade müssen diese Eintragungen dem 14. Jahrhundert ange-
hören. Übrigens stimmen lür Winsen a. d. Aller und Celle auch
(etwa abgesehen von Meibom) alle älteren und neueren überein,
dass die' Schlacht Fronleiclmanistag 1388 stattfand, dass der in
Winsen erkrankte Wenzel nach Neustadt gebracht wurde u. s. w.
S. Hans Porners Gedenkbuch bei Hänselmann, Chroniken der Stadt
Braunschweig I, 218; Anno XIIIc LXXXVIII in des hilghen
lichamen, daglie ivas de grote strid vor Wynsen vor Tzelle; vergl.
II, 55. Eine Belagerung Celles um 1402 ist schwerlich nachzuweisen.
Anderseits macht jene Toten buchsnotiz es wahrscheinlich, dass Wenzel
in Lüneburg in der von ihm gestifteten Kirche begraben war.
Diesen Zeugnissen also sollen die „Grabschriften" und das
„Totenbuch" vernichtend gegenübertreten. Zuerst jene, mitgeteilt
von Balth. Mentzius, Syntngnia (1604) I, denen auch ich früher ein
Hauptgewicht beigemessen. Dass von Uirschfeld den hier <.'eltcnden
Abschnitt als aus einem ,,sehr seltenen" Buche vollständig abdrucken
lässt mit der Unterschrift „Für die Richtigkeit der Abschrift, Witten-
berg, den 29. Mai 1883, G. von Hirschfeld, Reg.-Rath% ist fast spass-
haft. Das Buch ist in vielen «rrösseren Bibliotlieken erliältlich (Berlin,
Wittenberg doppelt, auch Halle als Doublettc, Magdeburg, Dresden
u. s. f.), sodann der von ihm verbürgte Abdruck ziemlicli Hüchtig,
vergl. S. 145 Z. 11 bellum für belli, S. 117, VI: B. n. für Vn:,
S. 148 Z. 9 V. u. atcxiiio für auxdium, S. 149, XIV: et für est, ab-
gesehen von vielen Kleinigkeiten in j und i und dergl.
Verfasser nennt nun das Syntagma eine ^immerhin zuverläs-
sigste Origiualquelle" S. 7, vergl. 98: „Da Mentzius als Melanch-
150 Literatur.
thons Schüler aus dessen eignem Munde wissen musste, ob derselbe
die Grabsehriften aus den Gräbern oder aus einer sonstigen Quelle
entnahm, wir auch die Wahrheitsliebe beider nicht zu bezweifeln
Anlass haben" — wobei vorausgesetzt scheint, dass Melanchthon
die Grabschriften möglichst genau, wenn auch eilig abschrieb, und
seinem Schüler Mentzius, falls dieser niclit selbst zugegen gewesen,
wenigstens mit mündlichen Erläuterungen übergab. Doch im Laufe
der Untersuchung sieht Verfasser sich zu folgenden meist berech-
tigten A usstellun gen genöthigt. In der Einleitung über das Fran-
ziskanerkloster: das Stiftungsjahr 1238 sei zu früh, es müsse etwa
1248 heissen (allerdings nicht früher als 124P, vergl. Cod. dipl.
Anh. II, 170). S. 101: der übliche Schluss der Gralischriften Cujus
anima requ. in pace sei infolge der Eile wohl überall weggelassen.
Zu I: sepelitur Ballenstadii sub turri [BcruhardusJ — sei nach
neuerem Befunde unrichtig, wie auch Henr. Basse schon richtig in
oratorio habe. Zu II (S. 35) sei pater für frater, und 1285 für
128.S einzusetzen. Zu VII (S. 53) bei Albert Rudolfs Sohn sei
4. Juli statt 4. April zu setzen. Zu VIII (S. 50) das Todesjahr
Kunigundens müsse 1333 statt 1331 sein — beiläufig nach „Schwein-
bergs Chronik", vermuthlich desselben, den Verfasser S. 51 Schwan-
feld, sonst aber Schwanberg nennt. Zu XIII (8. 4G flg.): Rudolf II.
sei mit Rudolf I. verwechselt, ,, vielleicht weil Mentzius Randbemerk-
ungen Melanchthons an unrichtiger Stelle einschaltete". Ja es
müsse sogar Rudolf I. für Friedrich III. eingesetzt werden, wo
Melanchthon sage, dass 1353 der Kurfürst die Kapelle eingerissen
und an ihrer Statt die Schlosskirche erbaut hätte. Ein auffallender
Mangel philologischer Divinationsgabe des Verfassers. Der Text
lautet nämlich mit Weglassung der Interpunktion: [Bodolphus]
f'undauit Witebergae Collegeum [sie] Ccmonicorum Anno 1353 die
34. Febr. Sed Fridericics III. Elector Saxon. sacelluin ä Eo-
dolpho extructum diruit atqnc etc. Setzen wir (wegen des Sed
wohl selbstverständlich) das Punkt hinter Febr. statt vor Anno, so
ist alles in Ordnung. Für die Gründung dos Allerheiligenstifts am
23. bez. 24. Februar 1353 vergl. Cod. dipl. Anh. IV, 55. Dass
Kurfürst Friedrich III. (der Weise) 1499 reine Schlosskirche an
Stelle des askanischen Kirchleins vollendete, wie über dem Portale
noch jetzt zu lesen steht, wird dem Verfasser bekannt sein. Es
ergiebt sich aber deutlich, dass Mentzius seinen Setzern viel ein-
räumte, wenn er mit Anno einen Absatz beginnen liess, vermutlich
auch, wenn sie die sogenannten Grabschriften ohne angegebenen
Grund aus 3 verschiedenen Schriftarten setzten.
Ferner zu XIV (S. 149): Anna IL conjunx müsse I. heissen,
wie § 26 stillschweigend verbessert ist. Zu XVIII: Albertus dux
Saxon. Fleet: in familia Anlialdina ultimus. S. 130 sagt, dies
sei „unrichtig, denn die familia Anhaldina blüht in den Fürsten von
Anhalt fort", also habe Mentzius stark zusammengezogen; er ver-
muthet in familia Anlialdina ultimus Ascaniorum. Sieht Verfasser
nicht, dass die Interpunktion \ or Flector zu setzen ist? ,, Albrecht,
Herzog von Sachsen — letzter Kurfürst aus dem Anhaltischen Ge-
schlecht" — ist ebenso klar als korrekt, die Konjektur also inhalt-
lich unnöthig.
_ Was nun Mentzius' Person betrifft, so hat er vor 1561
wenigstens laut Album nicht der Wittenberger Universität angehört.
Sein gleichnamiger Vater allerdings, geb. Herford 1500, gest. 1585
als Pastor zu Niemegk, ist 12. Juni 1'29 eingetragen &\s JBalthamr
Literatur. 151
Mentse dioc. Badebtirnen : (wozu spätere Hand bemerkt Pater M.
Mencij); laut Grabschiift Syiit. lY, 79 war er Schüler Luthers, und
des nur 3 Jahre älteren Melanchthons (auch Buorenhasens, Paul
Ebers etc.) canicus inteyerrimas studiorwiique socius; dann zuerst
in Zorbst (wohl Johannissehule) thätig als Jugendlehrer. Sein
ältester Sohn nun, Balthasar, geboren nicht vor 1538, später magister
und poeta coronatus, um ISßr. — 1572 in Rom, war bei Melanchthons
Tode höchstens 22 Jahr, in den Jahren 1542 — 44 noch gar nicht in
"Wittenberg, und es fragt sich sehr, in welchem Zustande die 00 Jahre
vor der Herausgabe gemachten Aufzeichnungen des Reformators,
den er nur in dessen letzten Lebensjahren kennen gelernt, in seine
Hand gekommen waren — vielleicht durch seinen Vater. Mentzius
sagt ülirigens nur: Sunt coJlecta et conservata haec nomina et
epitai^hia p^incqnim, quae subjiciemus, ä j^raeceptorc nostro Ph.
MeJanthone, zwei Seiten weiter sogar nur: nomina principnm — de
sepulcfiris eormn descripsit. Das sei 1542 geschehen. Ob man sich
hierauf verlassen kann bei einem Autor, der das Gründungsjahr
des Kloster 8 — 10 Jahr zu früh, die Verwandlung des Klosters in
ein Hospital 1544 statt 1527 ansetzt? Übrigens nehmen wir Akt
davon, dass man sich nach Mentzius erst 1544 anschickte, Altäre
und Grabsteine zu zertrümmern fci(m — diruerentur, nicht diruta sunt
als Hauptsatz, wie von Hirschfeld zitiert), also nirgend Grund vor-
liegt, mit dem Verfasser anzunehmen, dass schon die Bilderstürmer
(ausser einem Altare, vergl. mein „Wittenberg im Mittelalter" S. 08)
Grabsteine zerstört hätten.
In den Werken Melanchthons (Corp. reformatorum I — XXVIII)
ist's mir nun nicht gelungen, eine Hindeutung auf obige Thätigkeit
zu finden, wohl aber die aus der Feder des für vaterländische Ge-
schichte stets warm interessierten Praeceptor Germaniae (vergl. meinen
Aufsatz: Melanchthors Verhältnis zur Geschichtschreihung im Korre-
spondenzblatt d. Gesch. V. iSßO) stammende, 1558 in den Thurm-
knopf der Pfarrkirche gelegte summarische Geschichte Wittenbergs
Corp. ref. IX, 582 flg. Ihr Text erweist sich, zumal in den geschicht-
lichen Zusätzen zu den einzelnen Namen, vielfach als die Urschrift
zuB. Mentzius, enthält aber natürlich, da es hier zunächst nicht
um Grabschriften sich handelte, nicht alle 20, sondern rair deren 12.
Dass anderseits Melanchthon seine nach den Grabschriften gemachten
Notizen zur Geschichte zu Grunde legte, erhellt aus dem Beginn
mit Helena. Beachtenswerth ist aber schon der einleitende Satz:
Multi principes electores ortl a Bernhardo Auhaldino et corum
eonjuges, filü et füiae Wüteherejae sepulti sunt, qiiorum nomina in
ipsis monumentis hgimus, et recitantur in historia principinn An-
haldinorum, quorum praecipua et hie recitahimus., nt qui legent
toi bonis principibtis gratum fiiisse hoc domicilium, magis amciit
hoc oppidum. Auch dieser Gedanke, den von Hirschfeld als Eigen-
thura des B. Mentzius S. 90 lateinisch und aus guten Gründen
noch dreimal deutsch zitiert (S. 5. 88. 91). rührt also von Me-
lanchthon her; und wenn er hier in einer Handschrift fehlt, so
haben den spätem beide: ut qui legent sciant fuisse cgrcgiam
virtutem ctiam illo tempore principuin elect. duc. ISax'., quanquum
potentia non scinper par fuit.
Was das sonstige Verhältnis dieser Darstellung zu Mentzius
anlangt, so nennen wir nur folgende Verschiedenlieiten. Bei Alhrecht H.,
Anna und Rudolf H. giebt Mentzius den Bestattungsort genauer an,
hat auch richtiger bei Hagne 1322 (Mel. 1312) und Jutta 1328
J52 Literatur.
(Mel. 1327), bei Rudolf II. 1370 (Mel. 1385 bez. 138G), bei Anna
coiijux Rud. III., wenn aucb falsch conjnx II. (Mel. Rudolfs 11).
Freilich könnten, da in den Thurniknopf Paul Ebers Abschrift nach
Melanchthon'schem Konzept gelegt wurde, Lese- oder Schreibfehler
jenes vermuthet werden, doch nach dem Charakter des Ganzen
etwa nur bei 1312, 1327, 1385. Zu beachten ferner, dass das Por-
.phyrgrab Melanchthon der Cäcilia zuschreibt, Mentzius der
Barbara; nur dieser Rudolf IIL an Gift sterben lässt, beide von
Rudolf II. einzelnes erzählen, was man auf Rudolf I. beziehen möchte,
beide den 1-102 sterbenden Wenzel als Kurfürst bezeiidinen. Die
Melanchthonsche Darstellung ist fast 50 Jahre älter als Mentzius'
Druck; trotz der Abweichungen beruft sich dieser auf den nämlichen.
Der Gedanke liegt nahe, dass er Melanchthon'sche Notizen urschrift-
lich oder in Abscliriit durch seinen Vater überkam, vielleicht mit
dessen Randbemerkungen; da er mehrfach Richtigeres zu haben
scheint, mochten in der Zwischenzeit jene Notizen nach weiteren
Überlieferungen oder Aufzeichnungen aus dem Kloster verbessert
oder vervollständigt worden sein; ebensogut aber konnte Mentzius
die Sache aus dntter, vierter Hand haben. Philologisch genaue
Wiedergabe der Grabschriften war offenbar schon Melanchthons Zweck
nicht gewesen, sondern Notizensammlung Cnomina legimus) zur
vaterländischen Geschichte. An Gleichzeitigkeit bez. Genauigkeit
der Mentzianischen Grabschriften hat schon mancher gezweifelt,
vergl. Adelungs Direktorium zur Sachs. Geschichte Einl. S. XVIII.
Auch von Hirschfeld giebt gelegentlich die ihm vermuthlich von
Archäologen geäusserten Bedenken z. B. wegen mortuus est statt
obiit.
Hier tritt nun der von Archivrath Kindscher in Zerbst
gemachte Fund ein, den von llirschfeld als „Auszug aus dem Toten-
buche der Franziskaner" S. 140 flg. abdrucken Hess, samt den
vom Entdecker mit gewohnter Akribie beigegebeuen Noten. Nach
gef. Mittheilung des letzteren ist übrigens gegen Ende (wo auch
hie statt lois steht) libro vite statt rite zu lesen — ein wesentlicher
Irrthum des Verfassers : die infantuli und non adulti waren also
nicht, wie er annahm, ebenfalls im Totenbuche eingetragen, sondern
(wie der fromme Schreiber vertraut) im Buche des Lebens. Die
Handschrift, die ich seitdem selbst verglich, datiert von der Mitte
des 16. Jahrhunderts, enthält Randbemerkungen eines Dessauer
Chronisten Schwanberg, und noch spätere Korrekturen von der
Grenze des 17. Jahrhunderts. Leider setzt von Hirschfeld gelegent-
lich gleich seine Verbesserungen in den Text. Der Eingang Sub-
notata corpora .... tumulata reperiutitur, qiiemadmodum indicat
lieber [sie] mortuorum Monasterii jam dicti erhebt den Anspruch
auf Herleitung aus dem Totenbuche des Klosters, daher von Hirsch-
feld oft geradezu dies zitiert. In der That deutet das durchgängige
obiit, die gelegentlichen Zusätze fidelissima mater fratrum bei
Jutta, gloriosa fautrix fr. bei Elisabeth, specialissimus protector
bei Wenceslaus, die häutige genaue Ortsangabe auf ältere mön-
chische Aufzeichnung. Anderseits zeigt sclion die Form Braun-
schtvifjk die willkürliche Änderung des Notizenmachers; die Anord-
nung, welche durchaus nicht (wie z. B. in dem obengenannten
mustergültigen Lüneburger Nekrologium) der Kalenderordnung ent-
spricht, die Namenlücken, das häufige Fehlen der Jahreszahl nicht
nur, sondern namentlich des Heiligentages, dass ein flüchtiges, um
nicht zu sagen tumultuarisches Excerpt vorliegt. Oder wir haben
Literatur. 153
eine recht verderbte bez. nachlässige Kopie einer altern vielleicht
Mitte lü. Jabrhundeits entstandenen Quelle vor uns; möglich dass
schon ein Miuorit sich die Mühe gab, aus dem nekrologischen
Kalender des Klosters die Namen der Fürstlichkeiten auszuziehen
und chronologisch zu ordnen — eine Auffassung, worin ich mich
mit einem autoritativen Kenner dieser Gebiete eins weiss. Dass die
zu Grunde liegende Quelle älter und im ranzen vollständiger ist
als Melancbtlion und Mentzius, giebt ilir immerhin ^^■erth, ohne die
Kritik ihrer PHicbt zu entbinden. Diese würde vor allem die drei
Quellen AT. (Ausz. a. d. Totenbuche), Mtz. (Mentzius) und Mel.
(Melanchthon) nebeneinander zu stellen haben -) und dann fragen :
In welchem Verhältnis standen diese Nachri( bten zu einander V Be-
achten wir zunächst, das AT. dreimal <len römischen Kalender
anwendet (127.S. 1285. 1402), zweimal nach dem Kirchenjahr (1.350
14.35), siebenmal die Tageszahl (1327 — 1419) ohne TIeiligennamen,
die übrigen elf Male ohne jedes Datum. Mentzius l'erner hat
1. den römischen Kalender nur da, wo auch AT., 2. desgl. die Kir-
chenjahrsbezeichnung (bei XX mit offenbarer .Auslassung). Dieser
Bezeichnungswechsel spricht entschieden für Zusammenhang, zum
mindesten gemeinsame Quelle ; verdächtig erscheint auch , dass
Mentzius in V (Wenceslatis) viarmorco hat, wo AT. materno, sei
es, dass die Urschrift des 14. oder 15. Jahrhunderts letzteres ab-
gekürzt gab uiul der spätere Benutzer murmoreo las, oder dass ein
einfacher aber arger FUichtigkeitsfebler vorliegt. Hat doch Mentzius
auch (II) frater für i)atev, und ist auf luschriitengebiet überhaupt
berüchtigt wegen ungenauer Lesung, vergl. mein Corpnsc. Inscr. Vit.
Z. B. liest er u. a. (das. S. 92) in der schönen noch vorhandenen
Gedenktafel des Rhagius Aesticampianus Z. 8 Sj)iruquc statt
Spreuague, und Z. 4 cinyiud docticanas laurea scrta comas
statt aestivas sie tria. Die Verscbiedenheit beim l'orphyrmarmor
erklärt sich etwa dadurch, dass (wie Verfasser anderwärts ebenfalls
annimmt) lose Zettel aus Melanchtbons Verlassenschaft von Mentzius
falsch angeschlossen worden ; freilich hätte dann von Ilirschfeld
(statt bei Barbara 8. 70) bei Siliola röthlicheu Marmor finden müssen.
Den Fehler, dass Rudolf IL manches zugeschrieben wird, was
Rudolf I. zukommen mag, verschuldet offenbar Melanchthon selbst.
Ohne auf das Nähere hier einzugchen, müssen wir betonen, dass
Rudolf II. in der That (s. auch Hirschfeld S. GG. 149) durch Schenkunif
seiner Dornreliquie an der Gründung der Scblosskirche stark
betheiligt, auch früh zu Regierungsgeschälten herangezogen war.
Aber wir fügen hinzu, dass Vertretung bez Stiuimenübertragung
bei den Kaiserwableu, zumal den Doppelwahlen, doch öfter zuge-
lassen worden ist, als die Theorie gestattete, wir weisen nur hin
auf die Wahlen Heinrichs VIT,, Ludwigs, 'sVenzels.
Kehren wir zur Hauptfrage zurück: sind vorliegende Quellen
hinreicliend, gegen obige zu beweisen, dass Kurfürst Wenzel
1402 starb, bez. in der Minoritcnkircbe begraben ist? An und für
sich schon wird die volb; Glaubwürdigkeit der einzelnen durch (lie
mannigfachen Feliler und Mängel wesentlich herabgemindert ; leider
sind die sogenannten Grabschriften durch die Ausgrabungen in
keiner Weise bestätigt worden. Man fand nur ganz unbedeutende
*) Auszugsweise von mir ausgeführt in „Mittheilungen des Ver-
eins für Anhaltische Geschichte" lY, 3, wo ich auf besonderen Wunsch
diese P'ragen ährlich behandelt.
154 Literatur.
Reste von Grabsteinen (Anl. V), von denen nur zwei Inschrift-
bruchstücke enthalten, diese wieder weder einen Namen noch
eine Jahreszahl, ja die von Prof. Schuni bez. I). Otte entzifferten
Worte können ohne Konjektur denen bei Mentzius g.ir nicht an-
gepasst werden! Wir haben überhaupt geschichtlich vier Wenzel
anzusetzen: 1) Rudolfs I. Sohn, t 17. März 1327 (5), 2) Kurfürst
Wenzel, nach dem Lüneburger Totenbuche t 15. Mai 1388 und ver-
muthlich dort begraben, s. ob. S. 149. 3) Dessen Sohn, der zum Coad-
jutor von Magdeburg in Aussicht genommen worden (Monum. Germ. SS.
XIV, 454: Gesta archiep. M. ed. Schum): bei von Hirschfeld falschlich
geradezu „Erzbischof" genannt — f 1396 nach Gesta archiep. Magde-
burtf a. a. 0., nach Cohn im Jan. 1402 (von Hirschfeld S. 62: 1/20. Jan.).
4) Rudolfs ni. 17. Januar 1407 in Schweinitz verunglückter Sohn.
Wer war nun der 18. September 1402 gestorbene? oder mit welchem
der genannten fällt er zusammen? Melanclithon-Mentzius sehen
ihn als den Kurfürsten an, nicht so AT. an sich. Wenigstens fehlt
hier sowohl elector, als das allen anderen Kurfürsten gegebene
jrriuceps: nur (las 2'>redicti beim folgenden bezeichnet den Wencesiaus
rückwirkend als solchen; aus diesem mögliclierweise später zuge-
setzten Worte allein entnahm Melanchthon das Recht zu seiner
Autfassung. Ich vermuthe folgenden Hergang. Gerade um die beiden
Wenzel zu unterscheiden, hatte die erste Fassung von AT. (17):
. . Eudolffus ßlius aatior dncis Wenceslai pr elect: sepnltus . . . .,
dies wurde verlesen bez. falsch abgeschrieben predicti, und dies
wiederum gab den Anlass zu Melanchthons folgenschwerem Irrthum,
daher er nun bei dem 1402 gestorbenen das scheinbar vergessene
clecfor nachtragen zu müssen glaubte. Hoffentlich ist durch meine
Darlegung nunmehr a>if immer die Zeit 1388—1402 für Rudolf HI.
gerettet. Für den Coadjutor Wenzel bleibt die Frage offen, ob
er 1396 oder 1402 (bez. Januar oder September) starb, letzteres hat
den meisten Anspruch. Die Differenz darf neben den zahlreichen
anderen Differenzen in den Todesdaten bei Agnes (1312. 1322. 1327),
Jutta (1.S27. 1.T28), Kunigunde (1331. 1333), Albert (Juli oder April),
Rudolf H. (1370. 1385. 1386) u. a. nicht allzusehr wundern.
Möge diese Probe der Geschichtsforschung des Verfassers ge-
nügen. Hätte er sich auf den im 2. Theil enthaltenen, sehr detail-
lierten und so dankenswerthen Bericht über den Befund der Mino-
ritenkirche, sowie über die Ausgrabungen beschränkt: wir würden
ohne Zweifel für ihn, wie für die Herren, die ihn so selbstlos dabei
unterstützten bez. für ihn arbeiteten (z. B. Garnisonoberinsp. Jahn)
uneingeschränktes Lob haben. Auch der Scharfsinn und die
Kombinationsgabe, zumal auf irenealogischem Gebiete (wo Verfasser
bekanntlich ziuiächst die Familie Ilirschfeld bearbeitete), verdienen
im allgemeinen durchaus Anerkennung. Der geschichtliche Theil
zeigt ihn als Dilettanten, der gleichwohl gelegentlich den Anspruch
auf unbedingten Glauben auch ohne Beweise erhebt. Es erschüttert
aber die Glaubwürdigkeit im allgemeinen, wenn Verfasser nicht
selten blosse Vermuthungen, die er eben selbst als solche bezeich-
nete, dann als gewiss vorträgt und verwerthet; wenn er etwas be-
zweifelt, was er auf einer der nächsten Seiten als „Thatsache" zu-
giebt (S. 45 „angeblich" vercl. S. 54), wenn er Zitate entstellt.
Von den mancherlei Willkürlichkeiten sei noch erwähnt, das er
Jutta nicht nur (was häufig berechtigt) von Judith trennt, sondern
als urkundlich erweisbare Koseform für Brigitte (Brigida, Gida)
ansieht und nun jede urkundlich ülierlieferte Jutta nur Brigitte
Literatur. 155
nennt. Bedachte er nicht, dass auch die Kirche St. Brigida und
St. Jutta trennt? Vei wundern wird deu Leser, wie Verlasser viel-
fach über Angriffe in der Presse, unberufene Einmischung, Ent-
stellungen, Mangel an Loyalität und Pietät, Ergüsse der Bosheit
und Ignoranz klagt (bes. S. 76 tig.). Unisoniehr fühlen wir uns
schliesslich zu einer Abwehr im Interesse unserer Wittenberger
Heimath gedrängt (vergl. Kettner, Rathskollegium der Churstadt
Wittenberg IT.'U, S. 19);
Die Kede des Verfassers bei Überführung der 27 Särge in die
Schlosskirche S. 87 beginnt: „Durch meine Jugenderinnerungen an
die altehrwürdige Lutherstadt ward die seit Dezennien verschollene
Tradition von den askanischcn Kurfürstengräbern am Arsenalplatze
neuerdings wieder aufgefrischt". S. 73 lesen wir, dass er 184." als
Gymnasiast jene Tradition vorgefunden, 1882 aber wahrgenommen,
dass sie in der Stadt „völlig untergegangen" — wie er früher
vermuthet, infolge der nivellierenden Anschauungen seit 1818. So
von Hirschfeld. Die Wahrheit ist vielmehr folgende. Es ist Herrn
von Hirschfeld wohl bekannt, dass ein „Verein für Heimathkunde des
Kurkreises" 1856 — 1869 über seine Thätigkeit Jahresberichte ver-
üftentlichte, und dort gelegentlich auch der Pflicht, die Askanierzeit
zu erforschen, gedacht wurde — insbesondere in der (von mir be-
arbeiteten) Vereinsfestschrift 18G0 ül)er „die Schlosskirche"; dass
endlich bis heute jeder Besucher derselben von dem wohlunterrich-
teten Führer auf die Reste aus der Minoritenkirche aufmerksam
gemacht wird. Gern glaube ich, dass einzelne von auswärts nach
Wittenberg versetzte Beamte oder für alte Zeiten überhaupt nicht
warm interessierte Einwohner sich nicht als Bewalner jener Tra-
dition erwiesen. Dass diese gleichwohl vorhanden geblieben, verräth
von Hirschfeld selbst S. 7: Die allgemein verbreitete Annahme,
„Melanclithon habe lö44 dafür gesorgt, dass die am besten erhal-
tenen Stein te Hefs (und auch die Gebeine und Särge einiger
Askanier) in die Schlosskirche versetzt wurden, widerspricht" u. s. f.^).
Wie vereint sich allgemeine Verbreitung mit völligem Untergehen?
Über die seit G. April 1883 (an welcher Konferenz auch Unter-
zeichneter theilnalun) auf von Hirschfelds Veranlassung erfolgten
Ermittelungen konnte kaum jemand sich mehr freuen als ich — es
war hohe Zeit, dass jene alte Schuld gesühnt wurde. Das von be-
achtenswerthester Seite geäusserte Urtheil, man habe womöglich die
fürstlichen Keste dem neu zu weihenden Boden überhissen, diesen aber
äusserlich dem entsprechend auszeichnen sollen, erörtern wir aus
naheliegenden Gründen der Pietät hier nicht weiter. Nach dem,
was geschehen, freuen wir uns lebhaft der Aussicht, die gegenwärtig
in durchaus provisorischem Zustande aufgeschichteten neuen Särge in
einer würdigen Krypta der Schlosskirche, deren grossartige Restaura-
tion dem Vernehmen nach soeben begonnen wird, entsprechend unter-
gebracht zu sehen. Wir schliessen mit Ausdruck der Hollnung, tlass
*) Deutliche Beziehung auf des Unterzeichneten fast wörtlich
übereinstimmenden Satz (Die Schlosskirche S. 15); nur steht dort
„(vielleicht auch die Särge mehrerer)". Natürlich meinte ich die jetzt
noch in der Schlosskirche eingemauerten Steinreliefs (nicht Grab-
steine), die von ihm selbst erwähnten der Kunigunde und Rudolfs IIL
nebst Gattin (nach H. Otte). Das dritte sind 9 iieiligc^ Jungfrauen.
Mentzius' Schweigen beweist nichts, da er nur von Grabschriften
reden wollte.
15G Ijiteratnr.
die durch des Verfassers Schrift vielfach nicht jsfehobeneu Dunkelheiten
der askanischen Zeit als Geschichtsepoche bald berufene Arbeiter
finden möge; ohne gewissenhafte Durchforschung der nunmehr
reichlich edierten und immer neu auftauchenden Urkundenschätze
wird es nicht möglich sein.
Z erbst. G. Stier.
tlescliichte der Bischöfe des Hocbstifts Meissen in chronologischer
Reihenfolge. Zugleich ein Beitrag zur Culturgeschichte der Mark
Meissen und des Herzog- und Kurfürstenthums Sachsen. Nach
dem Codex diplomaticus Saxoniae regiae, anderen glaubwürdigen
Quellen und bewährten Ges.hichtswerken bearbeitet von Eduard
Machatschek, Vicariatsrath und Pfarrer zu Dresden - Neustadt.
Dresden, Meinhold & Söhne. 1884. 8tß SS. 8».
Seitdem ('alles in seiner Series Episcoporum Misnensium einen
Überblick über die Geschichte der Meissner Bischöfe gegeben, ist
mehr als ein Jahrhundert verflossen und eine Fülle neuen Materials
ist in Monograi)hieen und archivalischen Publikationen erschienen,
welches eine Verarbeitung erheischte. Verfasser, bereits bekannt
durch seine Studien auf diesem Gebiete, stellt die Frucht einer
Arbeit von zwei Dezennien in vorliegendem Werke zusammen, als
Festgabe für seinen bochwürdigen Bischof zu dessen 50jährigem
Priesterjubiläum. S^lion der äussere Umfang des Buches zeigt den
Fortschritt gegenüber der Series von Calles. Und doch hat Ver-
fasser auf eine pragmatische und kritische Darstellung verzichtet,
sondern reibt, wie bereits der Titel andeutet, die einzelnen Daten
in chronologischer Keihenfolge aneinander und lässt „allenthalben
die geschichtlichen Thatsachen für sieb sprechen, enthält sich im
besondern jedes überflüssigen Kommentars und weist in Anmerk-
ungen kurz auf die einschlagenden Quellen hin, die er meist nach
ihrem sich ergebenden Inlialte benutzte". Freilich hat dadurch
der Verfasser sich und dem Leser manche Entsagung auferlegt.
Eine sachliche Ausbeutung des oft nur knapp angedeuteten Mate-
rials hätte erst die rechte Vertiefung der Darstellung und die an-
schauliche Einfahrung in die Zeitströmungeu zur Folge gehabt. So
zitiert er S 82(3 nur kurz ein Umlaufschreiben des Erzbischofs
Johann von Jenzenstein. Die einzelnen Anordnungen bieten nicht
unwichtige Züge für die kirchliche und theologische Bewegung, die
hervorgehoben zu werden verdienten. Da wird die Feier des Wenzel-
festes auch in Meissen angeordnet, da erfahren wir von der Existenz
der Sekte der Sarrauoyten (cf. Du Gange s. v.) und Waldenser, gegen
welche bis dahin zu milde vorgegangen worden, da wird gerügt,
dass eine Neigung für den Gegenpapst vorhanden ist; dass bezüg-
lich der Mönchsorden manche Beschwerden eingelaufen sind, zu
deren Abstellung auch der Bischof von Meissen aufgerufen wird.
Auch das Verhältnis der Bischöfe zu den sächsischen Landesfürsten
wäre so noch klarer geworden besonders in den Jahren, in denen
Böhmen eifrig bestrebt ist, sich in Sachsen festzusetzen. Die Be-
merkung S. 3.^4 konnte weiter ausgeführt werden auf Grund ver-
schiedener Dokumente. Referent verweist auf die Urkunden .vom
27. März 1.384 (Cod. dipl. Sax. reg. II, 2,208 No. 681) und 31. Au-
gust desselben Jahres (a. a. 0. II, 2, 212 No. 685), ferner vom
23. Juni 1385 über den Verkauf von Döbeln Ca. a. 0. II, 217 No. 691),
des Bischofs Nicolaus Entgegenkommen bei Gelegenheit einer
landesfürstlichen Steueraufiage (a. a. 0. II, 2, 216 No. 690). Über
Literatur. 157
die Bauthätigkeit dieses, wie anderer Bischöfe wäre mancherlei
nachzntra!?en. Nicolans baut den Thurm von Schloss Rugethal in
Mügeln (.Sinz, Geschichte der Stadt Mügeln S. 4(i, wo auch ein
auf des Bischofs Wappen bezügliches Versehen erwähnt ist). Durch
das ganze l'uch hindurch zeigt sich, wie viel sicherer durch den
Codex diplomaticus Saxoniae regiae die Zeitbestimmung geworden
ist. Auf Grund dieser Quelle dürften noch folgende Daten zu
ändern sein. Der Anfarg der S. 276 erwähnten Pest ist bereits ins
Jahr 1357 zu setzen; denn in dem Schreiben der Äbtissin uml des
Convents zu Mühlberg (Cod. dipl. Sax. reg. II, 2, 22 No. 514) lieisst
es ausdrücklich: in mortalitatc sive pestiJentia, quae nuper videlicet
de anno domini milhmno treccntesmo quinquagesimo septimo
iniscrabüiUr vigtiit. Auf S. 60:> muss statt des 20. Fei rnar der
20. Januar eingesetzt werden, dies war der Tag Fabian und iSubastian
(Sinz, Geschichte der Stadt Mügeln S. .37). S. 278 muss statt des
28. März eintreten der 28. Mai. (V. Kai. Junii Cod. dipl. Sax.
reg. II, 2, 64); vgl. auch Wenck, Die AVettiner im XIV. Jahr-
hundert S. 99, Anm. 17,1. S. 297 dürfte der 13. Juli beizubehalten
Sein; vgl. Grotefend, Handbuch der histor. Clironologie S. 112.
Leider ist dem Keferenten versagt, näher auf den Inhalt des Buches
einzugehen. Er verweist nur auf die zahlreichen Notizen zur Ge-
schichte des Handwerks und der Zünfte in Sachsen. Bei dem Mangel
einer Zusammenfassung der Meissner Bischofsgeschichte ist das
Werk für jeden, der sich mit letzterer beschäftigt, ein unentbehr-
liches Nachschlagebuch.
Dresden. Georg Müller.
Martin Luther. Eine Biographie von 1). Theodor Kolde. l. Band.
Mit Portrait. Gotha, F. A. Perthes. 1884. VH, 396 SS. 8».
Die Vorzüge, welche wir au den früheren Arbeiten des Ver-
fassers hervorgehoben haben, treten uns auch bei diesem Bache
entgegen. Zunächst die Frische der Darstellung, die gerade für
diesen Stoff geeignet ist. Denn der vorliegende Band, welcher das
Leben Luthers bis zum Jahre 1521 behandelt, führt uns die Refor-
mation in ihrer jugendlichen Frische und Bewegung vor. Als be-
sonders anziehend heben wir heraus die Ausführung der schon
früher angedeuteten Linien über die kirchliche Bewegung im 15. Jahr-
hundert, ferner die Charakteristik des Humanismus, voran Erasmus,
und den Tag von Worms, der hier eine neue Beleuclitung empfängt.
Weiter aber zieht au der Darstellung au das Zurückgehen auf die
Quellen, die in einer werthvollen, zum Theil mit feinen kritiscin-u
Bemerkungen versehenen Auswahl S 358 — 394 zusammengestellt
sind. Mancher Beitrag findet sich hier für die sächsische Geschichte,
wozu Referent folgende Bemerkungen fügen möchte. BetretVend den
S. 369 ausgesprochenen uiul unterdes in den (jöttingisciien Gelehrten
Anzeigen (1884, No. 25, 10. Dezember) näiier begründeten Zweifel
an der Verfasserschaft des von Knaake auf Grund eines Landslmter
Druckes LutKer zugeschriebenen tructatiäus de ein qui ad ccdeniam
coiifHfjiunt, ist zu verweisen auf einen Fall, wo die l'rage vom kirch-
lichen Asylrecht der Klöster wenigstens praktisch in Saclisen zur
Behandlung gelangt. Im Jahre 1475 hatte sich rhilii)p Ciorteler ins
Franziskanerkloster zu Freiberg geflüchtet und dadundi dem (Je-
richte des Raths entzogen. Auf die Anfrage wird der letztere von
dem Kurfürsten Ernst und dem Herzog AUtroiht ihiliin instruiert,
„daa ir die uwcrn yiin barfusucrclonicr achickeU uude u/j' yn cigcnt-
1 58 Literatur.
lieh sehen lasset, die daroh unde davor seyn, das ym 'kein spiße
und libeßnariinge mitgeteilt noch zcu neincn gestat werde, aiich kein
rüge noch slaff vorgunst noch gestat . . . So denne der gnant Phi-
lipp liheßnarunge nicht haben noch rügen mag, werdet er sich ent-
synnen mit uch herauß zu gehen adder in unsir hende geben'':
God. dipl. Sax. reg. II, 12, 389. Der Bemerkung über die Predigt
in Sachsen im 15. Jahrhundert (S. 361) stimmt Referent durchaus
bei und verweist hierzu auf Leipziger Beschwerden, in welchen man
sich beklagt, dass in der theologischen Fakultät keine rechten
Prediger gezogen würden. So schreibt die polnische Nation über die
„praedicatores, die man gar tiffte alhie zu Leipczick auss andirn
namhaftigen steten auch universiteten suchet unud begeret, sonder-
lich doctores theologie, licentiatos, auch alleync in derselben facultct
baccalaurcos, tvie gar neidich ujft geschecn, sundirlich von Halle
im tall . . ." Cod. dipl. Sax. reg. If, 11, 289. Allmählich regte sich
das Interesse. In den verschiedensten Städten wurden neue Prediger-
steilen gegründet, meist vom Rathe oder von einzelnen Personen;
so in Freiberg 1465 durch M. Andreas Grüner mit einem Zuschüsse
des Rathes. Hier wie sonst öfters wird betont, dass der anzu-
stellende Prediger eine gute Bildung genossen haben müsse; nicht
bloss Baccalaureus, sondern Magister solle er sein. Aber letztere
Bestimmung wurde öfters vernachlässigt. Daraus entstehen dann
mancherlei Streitigkeiten zwischen dem Propste und der Stadt.
Vergl. P. u. E. Lobe, Geschichte der Kirchen und Schulen des
Ilerzogthums Sachsen- Altenburg. 1. Lieferung. 1884. S. 32 flg.
Derselbe Andreas Grüner stiftete 146B in Freiberg einen Altar,
dessen Einkommen für den Prediger zu Unser Lieben Frauen be-
stimmt war; dass es sich hier aber nicht um das Interesse der
Predigt, sondern vielmehr um das Seelenheil des Stifters und die
Brüderschaft handelt, geht aus Cod. dipl. Sax. reg. II, 12,234 Z. 37
hervor. Hier werden auch die Predigttage genau angegeben. Welche
Wichtigkeit die Predigt für die Ankündigung der Anniversarien
hatte, geht aus einem Freiberger Aktenstücke aus dem Jahre 1488
hervor, wo die einzelnen „dies j)raedicabiles''' näher bezeichnet
werden. Cod. dipl. Sa.x. reg. II, l?, 352 No. 531. Eine ähnliche
Stiftung wird in Chemnitz gemacht. Jedenfalls hat Verfasser hier,
wie an anderen Stellen, auf ein für die Detailforschung ergiebiges
und wichtiges Gebiet aufmerksam gemacht.
Dresden. Georg Müller.
August Hermauu Fraucke. Ein Lebensbild, dargestellt von D.
(instav Kramer, Geh. Regierungsrath. 2 Theile. Halle, Buch-
handlung des Waisenhauses 1882—1884. XI f, .304. VIII, 5i0 SS. 8».
Es ist eine interessante Erscheinung, dass die Geschichts-
wissenschaft von den verschiedensten Seiten aus die Erforschung
des Pietismus in Angrift' genommen hat. Ist derselbe bisher vor-
wiegend nur nach seiner theologischen und religiösen Bedeutung
gewürdigt worden, so hat man neuerdings seine kulturhistorische,
sprachliche, poetische, litterarische und pädagogische Einwirkung
mehrfach monographisch und zusammenfassend dargestellt. Be-
sonders werthvoll ist, dass hierzu eine reiche Fülle neuen Materials
aus Bibliotheken und Archiven veröffentlicht worden ist, welches die
Zeit und Bewegung in wesentlich anderer Beleuchtung erscheinen
lässt. Gerade dies ist auch der Vorzug des vorliegenden Werkes.
Seit dem Jahre 1827, in welchem Guerike seiue Biographie A. H.
Literatur. 159
Franckes veröffentlichte, sind eine Reihe werthvoller Beiträge zur
Lebensgeschichte des berühmten Gründers der Halleschen Stiftungen
erschienen, namentlich hat aber die unterdes erfolgte genaue Ord-
nung der Waisenhausbibliothek wie seines Archivs die wiclitigste
Quelle für eine Lebensbeschreibung A. H. Franckes erschlossen.
Verfasser, bekannt durch eine Anzahl kleinerer Monographien, war
als langjähriger Direktor der Stiftungen, wie als gründlicher Kenner
ihrer Geschichte in besonderem Grade dazu befähigt.
Wir sehen an dieser Stelle davon ab, die vielangefochtene
religiöse Frage zu erörtern oder der Entwickelung der Anstalten
nachzugehen, deren Entfaltung aus kleinsten Anfängen uns hier
urkundenmässig vorgeführt wird. Referent möchte nur auf den einen
Punkt aufmerksam machen, wie A. H. Francke gerade in dieser
Biographie als Mittelpunkt der damaligen geistigen Bewegung er-
scheint und welche Fülle neuen Materials für die Geschichte der-
selben geboten wird, bezüglich Gelehrtengescbichte (sieiie ilie
interessanten Mittheilungen über Leibniz I, 257 flg. BOZ flg.
ir, 157 A.), wie Büchergeschichte (man vergl. über den Buchhandel
und Zeitungswesen II, 35 und sonst). Von Russland bis England
spürt man sein Wirken, im Norden hat er Beziehungen zu den ver-
schiedensten Höfen und Städten, im Süden zu Württemberg Da-
neben ist der eigentliche Boden seiner Wirksamkeit MittLldeutsch-
land. Wie kräftig er hier auftritt und durch persönliche Einwirk-
ung eingreift, das geht aus den Urtheilen fremder, wie aus den
eigenen Briefen hervor. Es würde das öfters durch eine genauere
Berücksichtigung der Litteratur noch anschaulicher geworden sein.
Referent verweist hierbei auf den mächtigen Einlluss, den Francke
auf des Herzugs Moritz Wilhelm von Sacbsen-Zeitz Konversion zur
evangelischen Kirche hatte. Wie selir er innerlich betheiligt war, be-
weist der Ton des vom Verfasser nur gestreiften Briefes vom 17. Ok-
tober 1718, wie auch das von Francke für den Gebrauch im Waisen-
hause verfasste Gebet bei Buder, Merkwürdiges Leben des Herzogs
Moritz Wilhelm 11, 577. Wie man aber kathoiischerseits seinen
Eintluss kannte, geht aus den von jer.er Partei stammenden Doku-
menten hervor. So erscheint nach einem Briefe des Kardinals von
Sachsen an Herzog Moritz Wilhelm (d. d. Regensburg, den 4. Sep-
tember 1718 im Dresdner HStA. Loc. 10.330) „der berüinnte pieti^t
der Doctor Francke von Halle" als der eigentliclie Veranstalter.
Zu vergleichen ist auch der Bericht des Pater Bermeitiiiger aus
Regensburg bei The in er, Die Geschichte der Zurückkehr der regie-
renden Häuser von Braunschwcig und Sadisen Einsiedclu 184:1.
S. 219. Ferner ist genauer zu berücksicbligen der Brief des Herzogs
an den Kardinal vom 8. September 1718, der die von Kram er
S. 265 flg. gegebene Erzählung in einzelnen Punkten näher be-
stimmt. Das Schreiben steht lateinis(h und darnacii ins Deutsche
übersetzt allerdings bei Riess, Die Konvertiten seit der Reformation
IX, 284 flg. Da aber der tlort gegebene Tc xt von dem Konzept wie
Original des Dresdner HStA. (a. a. 0.) nicht unbedeutcml abweicht,
so fügt Referent die wichtigste Stelle bei: „Eu: Eminentz können
sich versichert halten, dass dieses (sc. die Konversion) die grösste
ScIiandLüge von der Welt, so der imfamste Sclielin ausgebradit,
und können Eu: Eminentz mir gewiss zutrauen, dass ich dergleiclieu
Veränderung zu thun nicht capabel. Der Professor Francke ist auch
nicht den 8. sondern den 1.3. .Vugu^t zu mir kommen, den 14. hat
Er sich wieder beurlaubt, ist nach Graitz gangen und den 16. und
160 Literatur.
17. den Nachmittag wieder bey mir gewesen, da sich das letztere
inahl der Pater Schmeltzer dahey befunden, also 4 mahl mit mir
gessen und nachmittags geredet". Es dürfte sich wohl lohnen, die
Dunkelheit und Gegensätze in der Auffassung, die der Verfasser
liierbei andeutet, einer genaueren Prüfung zu unterwerfen, wie über-
haupt der Werth des Buches nicht nur darin besteht, was es giebt,
sondern in Fingerzeigen und Anregungen zu weiterer Forschung.
Dresden. Georg Müller.
Bibliographisches Kepeitorium über die Geschichte der Stadt
FreJberg und ihres Berg- und Hüttenwesens. Für akademische
Yorlesu'igen und für den Freiberger Alteitumsverein. Von
Dr. phil. Ednard Heydenreich. Freiberg i/S.. Komm, von Graz &
Gerlach (Job. Stettner) 1885. XI. 128 SS. 8».
Wer sich je mit spezialgoschichtlichen Studien beschäftigt hat,
wird wissen, mit welchen Schwierigkeiten und mit welchem Zeit-
verlust gewöhnlich die Zusammenstellung der einschlagenden Lite-
ratur verbunden ist. Alle bibliographischen Arbeiten, die derartige
durchaus erforderliche Vorstudien erleichtern, sind daher mit Freude
zu begriissen, umsomehr als ibre Ausführung einen hohen Grad von
Selbstverleugnung voraussetzt. Seit der wackere B. G. Weinart
seinen wenn auch nicht ganz vollständigen, doch sehr reichhaltigen
und noch heute unentbehrlichen „Versuch einer Literatur der
Sächsischen Geschichte und Staatenkiinde" geschrieben hat, ist fast
ein Jahrhundert verflossen, eine Zeit, welche eine wahrhaft er-
drückende spezialgeschichtliche Literatur von allerdings sehr ver-
schiedenem Wertbe gezeitigt hat; zu einer Fortsetzung oder besser
Neubearbeitung Weinarts, die wiederholt angeregt wurde, ist es bis
jetzt noch nicht gekommen, und die Bibliographie, welche der Aus-
schuss für sächsische Landeskunde gegenwärtig bearbeitet, wird sie,
kaum entbehrlich machen. Koners Repertorium, dieser treffliche
Wegweiser in den Irrwegen der Zeitschriften, reicht nur bis 1850;
die „Jahresberichte der Geschichtswissenschaft", die ja auch die
spezialgeschichtliche Literatur erschöpfend berücksichtigen, er-
scheinen erst seit 187», unsere Literaturübersichten in dieser Zeit-
schrift seit 1880.
Unter diesen Umständen wird man für eine Bibliographie wie
die vorliegende, welche für ein lokal begrenztes Gebiet die ge-
samte nur irgend einschlagende Literatur zusammenstellt, sowohl
dem fleissigen Verfasser, als dem um die Lokalgeschichte schon viel-
fach verdienten Vereine, der die Kosten der Veröffentlichung über-
nommen hat, lebhaft dankbar sein müssen. Die Bearbeitung war
namentlich darum schwieriger, aber auch lohnender, als ähnliche
Zusammenstellungen zu sein ptiegen, weil es sich u. a. um die ausge-
dehnte und theilweise schwer zugängliche berg- und hüttenmä,nnische
Literatur handelte; wenn der Verfasser das Büchlein auch bei seinen
bergwerksgeschichtlichen Vorlesungen an der Freiberger Bergakade-
mie zu benutzen gedenkt, so bezieht sich das wohl besonders auf
diesen Theil desselben. Nicht weniger als 1413 Nummern — abge-
sehen von zahlreichen Verweisungen auf andere Schriften und einigen
Nachträgen in der Einleitung — hat der Verfasser zusammen-
gebracht; allerdings befinden sich darunter auch manche Werke
allgemeinen Inhalts, in denen Freiberg nur gelegentlich erwähnt
wird, und manche Aufsätzchen aus Zeitungen und obskuren Zeit-
schriften, aus denen niemand viel lernen wird ; immerhin muss man
Literatur. 161
den Grundsatz des Verfassers , lieber allzuvollständig als liltkenhaft
sein zu wollen, als durchaus berechtigt anerkennen.
H. hat den Stoff in Quellenwerke und Darstellungen geschieden
und beide Abtheilungen in eine Reihe von Unterabtheilungen zer-
legt; in der H. Gruppe hätte die sachlirhe Eintheilung wohl noch
schärfer und logischer durchgeführt werden können , wenn H. inner-
halb der theilweise sehr weit gefassten Unterabtheilungen — vergl.
„Städtisches Leben", „Bergmännisches Leben-* — von der alpha-
betischen Anordnung der Werke nach den Namen der Verfasser
(unter welchen als einer der fruchtbarsten Herr ,, Ungenannt" er-
scheint) abgegangen wäre und auch hier lediglich von sachlichen
Gesichtspunkten "sich hätte leiten lassen. Es hätte dies allerdings
ein noch genaueres Durcharbeiten des Stoffes verlangt, aber die
Übersichtlichkeit wesentlich erleichtert; so z. B. wären dann Avohl die
Münzgeschichte von Klotzsch (No. 95) und Falkes Beiträge zur
Münzgeschichte (No. 281) nicht in verschiedene Abtheilungen ge-
rathen, auch wären Doppelauffnhrungen (No. 620 [wo jxidiciis,
scahinatibns zu lesen ist] — 6ö.n, 639 — 663) zu vermeiden gewesen.
No. 464 hätte wohl unter Uttmann, nicht unter Elterlein ein-
gereiht werden sollen.
Von der wichtigen (Annaberger) Bergordnung von 1509 (No. 611)
giebt es sehr seltene alte Drucke von 1509 und von 1520 (Leipzig,
Melchior Lotter) im Hauptstaatsarchiv zu Dresden. So gut wie
No. 622 war auch dessen Quelle „Vrsprung und Ordnungen der
Bergwerge im Königreich Böheim, Churfürstenthum Sachsen ....
Leiptzigk, inn Vorlegung Henning Grossen des Jüngern 1616" (fol.)
zu nennen ; beide Werke geben den Text der Freiberger Bergrechte
lediglich nach Haselberger (No. 600). Das Hauptwerk von Georg
Agricola De re metallica libri XII erschien zuerst 1556; auch die
deutsche Übersetzung von Philipp Bechius (Frankfurt a./M. 1880)
hätte IJerücksichtigung verdient. So Hessen sich noch manche Einzel-
heiten nachtragen bez. berichtigen, was übrigens den Werth der
tleissigen Arbeit nicht im Geringsten vermindern soll.
Dresden. H. Ermisch.
Uesclireibeiide Darstelluug der ilUeren Bau- und Kunstdenk-
iiiäler des Köuigreiclis Sachsen. Auf Kosten der Kgl. Staats-
regierung herausgegeben vom Kgl. Sächsischen Altertlnunsverein.
Drittes Heft: Amtshauptmannschaft Freiberg. Bearbeitet von Dr.
K. Steche. Dresden, C. C. Meinhold & Söhne (Komm.) 188L
129 SS. 8».
Das dritte Heft vorstehend genannten Werkes setzt die beiden
ersten in würdiger W^eise und gleich schöner Ausstattung fort und er-
füllt die Erwartung, die man von ihm vorher hegte, in vollem Masse.
Wohl kommt ihm freilich das nach verschiedenen Gesichtspuidtten
so hoch interessante Freiberg zu statten, dessen Schilderung auch
allein 90 Seiten, also drei Viertel des ganzen Heftes, umfasst.
Getreu dem anfänglich angenommenen Plan ist dem Heft keine
historische Einleitung und keine kunststatistische Übersicht bei-
gegeben, auch keine Glockenschau, obschon sie hier der vielbeschäf-
tigten Offizin der sich über ein paar Jahrhuiulcrte erstreckeiulen
Glockens-iesser-Familie Hilliger ..angemessen gewesen wäre. Es
blieb uns daher übrig, selbst eiue Übersicht über den Inhalt uns zu
verschaffen.
Ist es historisch erwiesen, dass Freibergs Geschichte nicht
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 1. 2. H
1(32 Literatur.
weiter zurückgeht, als in die Zeit von 1162 bis 1170, in welcher
man aufmerksam wurde auf den unermesslicheu Reichtlium des
dortigen Bodens an adeln Erzen, und ist die erste urkundliche Er-
wähnung 1185 geschehen, so wird es auch erklärlich, dass hier keine
älteren Bauwerke an Kirchen und Kapellen nachgewiesen werden
können. Die Entwicklung des Gemeinwesens muss indessen, unter-
stützt durch das Herrscherhaus, ausserordentlich schnell vor sich
gegangen sein imd die Bevölkerung muss so rasch zugenommen
haben, dass bereits vor dem Ende des XII. Jahrhunderts an die
Gründung von zwei Kirchen gegangen Averden konnte, der JacoLi-
kirche und der Marienkirche (des Doms); wenn auch ihre Vollend-
ung sich weit in das XÜI. Jahrhundert hineinzog. Auch die Nicolai-
Idrche, die Peterskirche und die Hospitalkirche St. Johaniis ist
wenig später zur Ausführung gekommen. Wegen dieser frühen
Erbaunngszeit wäre es erwünscht gewesen, mindestens Grundrisse
der Kirchen beizufügen, doch ist ein solcher nur vom Dom gegeben
worden. Dass auch aus Grundrissen nicht immer ganz sichere
Schlüsse gezogen werden können, geben wir freilich zu; es wird ja
auch berichtet, dass öftere und ausgedehnte Brände in der Stadt
und die im Bedürfnis wachsender Bevölkerung liegende Erweiter-
ung der Kirchcnanlagen zu Um- und Neubauten geführt haben.
Da über die kleineren Kirchen keine spezielleren Zeichnungen
und Erörterungen beigebracht sind, so wollen wir uns dem schönen
Dom ausschliesslich zuwenden, der namentlich inneihalb durch'
seine schlanken Pfeiler und reichen Netzgewölbe von herrlicher
Wirkung ist. Wir stimmen dem Urtheile Stockes bei, dass seine
erste Anlage in die letzten Jahre des XU. und die ersten des XIII.
Jahrhunderts gehört, namentlich stammt aus dieser Zeit die sogen,
goldene Pforte und der Lettner, doch möchten wir auch den nörd-
lichen der Westthürme ihr zuschreiben. Alles übrige ist aus
späterer Zeit, aus dem Ende des XIV. oder dem Ende des XV. Jahr-
hunderts. Das weite Hinausreichen des südlichen der Westthürme
aus der Achse des Schiffs ist unerklärt. Man darf bei aufmerksamer
Betrachtung des Grundrisses vielleicht annehmen, dass ein älterer
Thurm daselbst symmetrisch stand mit dem nördlichen und dass
das Mittelschiff des Langhauses im wesentlichen dasselbe geblieben
ist als in der basilikalen Anlage. Diesem Mittelschiff entsprach
auf jeder Seite ein ungefähr halb so breites Seitenschiff von halber
Höhe des Mittelschiffs. Erst in spät gothischer Zeit machte man
das Langhaus zu einer Hallenkirche — ganz sinnverwandt mit der
Obermarktskirche zu Mühlhausen in Thüringen (siehe das IV. Heft
der Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen). Die drei
Quadrate des Querschiffs der alten Basilika, in deren südliches die
goldene Pforte führte, scheinen noch jetzt vorhanden zu sein. Hat
man, wie es heisst, bei der Gothisierung der Kirche alte Funda-
mente des Langhauses herausgerissen für eine neue Disposition, so
mögen auch die Lmenpfeiler sich verändert haben. Übrigens liegt
es, wie die schöne Kirche in Zschillen (Wechselburg) zeigt, welche
vom Verfasser mit Recht öfter in Vergleich gezogen worden ist,
nicht in der Nothwendigkeit, das Mittelschiff nur in Quadrate ein-
zutheilen, fast immer indessen bestand das Querschift" in drei neben-
einander liegenden Quadraten und ein gleiches Quadrat bildete den
Altarraum. Die Länge des Langhauses zwischen Thüre und Quer-
schiff war unabhängig von der Ausdehnung des Querschif^s, nicht
ebenso gross als das letztere.
Literatur. 163
Wie die Mehrzahl der romanischen und viele der frühgothischen
Kirchen, mögen sie gross oder klein sein, zeigen, befand sich höchst
selten der Haupteingang an der Westseite des Baues, sondern stets
an irgend einer Stelle der Seitenfronten , meist in der Nähe des
Thurmes. Das Innere des oder der Thiirme, welches im Erd-
geschoss mit Krenz- oder Tonnengewölben überdeckt war und des-
halb einen Thurmaufgang direkt nicht immer zuliess, war allein
vom Schiff aus zugänglich, sei es mit einem oder zwei Bogen,
welche sich auf Känipfergesimse aufsetzten. In Wechselbarg liegt
der Haupteingang, portalmässig ausgebildet, in dem nördlichen Seiten-
schift', im Freibergei- Dom im südlichen Querschiff. Auch die oben an-
geführte Obermarktskirebe in Mühlhausen (? 1330) hat, nachdem sie
an Stelle einer romanischen Basilika wieder aufgebaut worden, ihre
Prachtportale in den Stellen, wo die ehemaligen Querschiffe lagen.
Unbekannt sind uns die Motive dieser Anwendung, weshalb nämlich
hier und nicht an anderen Stellen die Haui)teingänge waren.
Die nähere Betrachtung des berühmten Portals der „goldnen
Pforte", von welchem Steche zwei Photographien beigebracht xuid
diesen vier Details von Säulen zugefügt hat, wofür wir ihm danken,
wird zu einem viel Zeit in Anspruch nehmenden Stuilium, denn auf
eine sinnige Weise sind die zur Verherrlichung des Portals auf
kurze Konsolsäulen gestellten biblischen Heroen ausgewählt und
beziehungsvoll gruppiert. Die ganze Anordnung zeugt von einem
vollendeten Schönheitsgefühl und von einem feingebildeten Werk-
meister, dem die besten Muster ähnlicher Bauten mit Erfolg zu
eigen geworden waren. Von „gothischen • Kathedralen konnte er
wohl schwerlicü das Muster entlehnt haben (vgl. S. 32 Z. 13 v. oben),
da es dergleichen zur Zeit wohl noch nicht gab. Wohl aber sind Ähn-
lichkeiten unverkennbar. Den Erörterungen über den gedanklichen
Zusammenhang der Figuren sind wir mit Interesse gefolgt, und sie
dürfen wohl ziemlich allgemein auf Zustimmung rechnen. Sind zu
den Figuren die ersten Bildhauer der Zeit genommen worden, welche
Hochbedeutendes darin schufen, so sind tlie vielen ebenfalls daran
beschäftigt gewesenen Steinmetzen — denn einer oder zwei konnten
das herrliche Werk nicht bemeisteru — von gleich hohem Range
gewesen. Ein vollendet schönes Ebenmass durchzieht die ganze
Disposition und die Details. Die aut S. 24 und 25 dargestellten
Muster von Kapitalen der spätromanischen Periode gehören zu dem
Schönsten, was überhaupt existiert. Die Freude an diesem wohl
vielleicht schönsten Bildhauerwerk des ganzen Mittelalters, speziell
Sachsens, wird erhöht durch die vorzügliche Erhaltung des Werkes.
Zu dieser Freude gesellt sich aber auch die Sorge um den ienieren
Schutz dieses kostbaren Baues.
Eine Vergleichung mit ICloster ZschiUen (Wechselburg) führt
zu dem Uitheü, dass letzteres (1174 gestiftet und 1181 eingeweiht)
die älteren romanisclien Formen nicht uutgeben wollte, was sich
namentlich in dem Figurensehmuck auf den beiden Tyinpanons
dokumentiert. Auch die Kapitale der Säulen wurden dies darthmi,
wenn sie in dem Puttrich'schen Werke in ihrer Ächtheit vorgefahrt
worden wären. Wir nehmen gelegentlich Veranlassung, auf diesen
Missstaud aufmerksam zu machen und, wenn Zsehillen an die Reihe
kommt, um getreue Wiedergabe einiger Kapitale zu bitten. Die
goldne Pforte samt der zugehörigen Basilika ist mindestens zwei
Jahrzehnte später ausgeführt als ZschiUen und zeiüt durchweg eine
viel freiere Behandlung der Figur und des Ornaments. Dasselbe
11*
164 Literatur.
stellt sich heraus in den leider sehr verwitterten Formen der
Figurenreliefs, welche an dem Lettner angebracht gewesen sein sollen.
Die drei Figuren des Triuniphkreuzes, Christus, Maria und
Johannes, von Holz geschnitzt, dürften einer vielleicht 100 Jahre
späteren Zeit, der entschiedenen Frühgothik angehören und von
einem der bedeutendsten Bildhauer in Holzschnitzerei ausgeführt
sein. Sie dokumentieren eine Neigung zur realistischen Darstellung
des Details. Ein Vergleich mit dem "Wechselburger Triumphkreuz
wird sich erst dann mit Erfolg anstellen lassen, wenn auch von
diesem eine getreue Photographie vorhanden sein wird.
Das Übrige des schönen Laughauses gehört theils dem Ende
des XIV. Jahrhunderts , theils dem Ende des XV. Jahrhunderts an,
und ein gewisser Rococo-Geschmack der Gothik macht sich in den
unruhigen Formen der phantastischen Kanzel bemerkbar. Ebenso
widrig ist der 1531 ausgeführte Taufstein.
Recht plump ist das 1.555 aufgestellte Moritz- Monument, und
das Non plus ultra von Rococo ist in dem gothisch begründeten
Ausbau nach Osten geleistet, den der zwar talentvolle, jedoch ebenso
eingebildete als oft phantastisch sich verirrende Bildhauer Nosseni
mit einem Wulst von dürftigen Details auszuschmücken versucht
hatte. Die Kirche wird durch diese „Gedächtnishalle" entstellt
und schmerzlich vermisst man den Hochaltar, der hier eigentlich
seine Stelle finden musste. Sehr bezeichnend charakterisieren die
auf S. 54 mitgetheilten Überhebungen den ganzen Nosseni.
Dagegen sind die 28 Messing-Grabplatten von 1541 — 1643 aus
der bescheideneren Giesshütte der Familie Hilliger hochinteressant;
sie beziehen sich auf das Fürstenhaus, einige andere sind den Geist-
lichen gewidmet. Wie billig diese Platten geliefert wurden , geht
aus den noch vorhandenen Rechnungen hervor. Das schöne schmiede-
eiserne zweiflüglige Thor ist 1672 von einem „Hufschmit" Mehner
ausgeführt und zeugt von ebensoviel Geschmack als Kunstfertigkeit.
Das übrige über Freiberg Mitgetheilte ist für die Geschichte
der im Königreich Sachsen so allgemein verbreitet gewesenen Re-
naissance nicht ohne Interesse, ohne jedoch Erhebliches in den
Formen zu zeigen. Dankenswerth snid immerhin diese Mittheil-
ungen für die Geschichte der Kunst, für die Geschichte des Gewerb-
fleisses, zumal für die Fertigkeit der Goldschmiede, Graveure und
Zinngiesser. Dass sich dabei in Freiberg fast alles um den Berg-
bau dreht, darf in den Motiven des Schmucks nicht weiter auf-
fällig sein.
Von den [{irchen der Freiberger Umgegend ist nichts Sonder-
liches aufzuführen, sie sind alle umgebaut bezw. vergrössert, nur
hin und wieder wird der bei einer Vergrösserung der Kirche neutral
bleibende Thurm um so lieber beibehalten sein, weil ein Neubau
einen verhältnismässig höheren Aufwand erfordert hätte.
An Altargeräthen werden zahlreiche schöne Kelche erwähnt,
welche aus dem Ende des XV. oder Anfang des XVI. Jahrhunderts
stammen, von besonderer Schönheit in der Verzierung scheint in-
dessen keiner derselben zu sein. An dem in Helbigsdorf wird au-
gegeben, dass um den Fuss herum das selten in dieser Weise be-
merkte Wort „Ostern" stehe; es könnte auch ebensogut ,^noster^^
heissen und sich auf ein anderes nicht mitgetheiltes Wort beziehen.
Von den Glocken scheint nicht eine einzige dem XIV. Jahr-
hundert anzugehören, von noch älteren weiss man gar nichts, welche,
da für den Kirchendienst doch Glocken vorhanden sein müssen.
Literatur. 165
sämtlich frühzeitig zum ümguss gelangt seiu werden — die oft sicLi
wiederholende Klage aller Gegenden. Die Tnttendorfer, ebenlalh
umgeschmolzene, hat nach Steches Mittheiking mehrere Glocken-
kundige verar.lasst, eine Deutung der räthselhaften Umschrift zu
versuchen, ohne dass die Sache klar gelegt worden wäre. In Wege-
fahrt soll eine Glocke mit Ciirsivschnft aus dem Anfang des XV. Jahr-
hunderts vorhanden sein, mit dem hübschen Spruch: Maria hilf
aus not dorch deines Üben kindes thot. Um einen Vergleich zu
ziehen mit der schönen in Elstertrebnitz vorhandenen von 1-109,
welche von dem Unterzeichneten theils im Anz. d. germ. Mus.,
theils auf besondern Wunsch auch in Moschkau's Saxonia beschrieben
und abgebildet wurde, würde die Schrift in genauem Bilde erwünscht
gewesen sein. Eine grosse Menge von Glocken aus den Jahren
1475 — 1510 führen in der Umschrift den Buchstaben T, auch ander-
wärts ist dies bemerkt, sie alle scheinen vom Meister Tyme herzu-
rühren. (Vgl. Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen. Heft 1
unter Artikel Predel).
Wernigerode. Gustav Sommer.
üebersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur sächsisch -thüringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
Blume, Ludw. Goethe als Student in Leipzig. Aus dem Jahres-
bericht des K. K. akademischen Gymnasiums zu Wien für das
Schuljahr 1883/84. Wien 1884. 19 SS. 8».
Crede, JB. und Distel, Th. Kurfürst August und der Nierenstein
Herzog Albrechts V. von Baiern (mit zwei Abbildungen) :
Virchow's Archiv für patholog. Anatomie. Bd. 196 (1884). S. 501 üg.
Deichmidler, J. V. Über Urnenfunde in Uebigau bei Dresden :
Sitzungsberichte und Abhdl. der Gesellsch. Isis zu Dresden. Jahr-
gang 1884. S. 105—112.
D., F. Beformationsgeschichtliche Cnriosa II. Ser. III. Friedrichs
des Weisen Schwester Margareta. IV^ Luthers Buchdrucker
Lotter. V. Leipzigs Baumeister Letter: Allgem. evang. luther.
Kirchenzeitung 1885. No. 50-52. Sp. 1200 tlg. 1225 Üg. 1252 Hg.
Distel, Th. Der kursächsische Hofmaler Johann Oswald Harms
aus Hamburg: Kunst-Chronik (Beiblatt zur Zeitschrift für bikhinde
Kunst) XIX (1884), 728 tig.
— Eine Arbeit des Freiberger Goldschmiedes Samuel Klemm: Zeit-
schrift für Museologie. Jahrg. VII (1884) No. 2.3 S. 182.
— Nachrichten über einige Uhrmacher in der kurfürstlichen Kunst-
kammer (1558 flg.): ebenda Jahrg. VIII (1885) No. 2 S. 12.
— Schreiben der kurfürstl. Käthe (tl. d. Leipzig den 19. Juli 1553)
an die verwitwete Kurfürstin Agnes: ebenda No. 3 S. 19.
— Der erste Damastweber in Dresden (1576): ebenda.
— Was liegt in dem Grundsteine des jetzigen K. S. Ilauptstaats-
archivs: ebenda No. 4 S. 27.
— Kleine Notizen über den kurfürst. Bildhauer Zacharias Hegewald:
ebenda S. 35.
1C6 Literatur.
D.'stel, Th. Nachrichten über den Contrafactor und Eisenschneider
Christian Maler: Blätter für Münzkunde. Jahrg. XX. No. 114.
Sp. 1036 Hg.
— Bestrafung eines Falschmünzers in Sachsen 1564 : ebenda Sp. 1060.
Uörff'el, Alfr. Geschichte der Gcwandhausconcerte zu Leipzig vom
25. November 1781 bis 25. November 1881. Im Auftrage der
Concert-Direction verfasst. (Festschrift zur 100jährigen Jubel-
feier der Einweihung des Concertsaales im Gewandhause zu Leipzig.
1^881.) Leipzig, 188t. 270, 104 SS. 4".
V. Ebcrstciu, Louis Ferd. Frhr. Urkundliche Nachträge zu den
Geschichtlichen Nachrichten von dem reichsritterlichen Ge-
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Berlin 1885. II, 444 SS. 8».
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schaftliche Beihige der Leipziger Zeitung. 1883. No. 6. S. 29 tig.
Ermisch, H. Jahresberichte über Erscheinungen auf dem Gebiete der
Geschichte von Obersachsen, Thüringen und Hessen im Jahre 1881 :
Jahresberichte der Geschichtswissenschaft, im Auftrage der
Historisclien Gesellschaft in Berlin herausgegeben von J. Herr-
mann, J. Jastrow, Edm. Meyer. Jahrg. IV. (Berlin, Mittler &
Sohn 188.5) II. S. 24—130. IIL S. 87—96.
Gurlitt, Com. Aus den sächsischen Archiven (I. Wenzel Jamnitzer) :
Ijützows Zeitschrift für bildende Kunst. Jahrg. XX. S. 51 — 53.
Hey, Gustav. Das Deutschthum der vogtländischen Ortsnamen auf
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Heydenreich, Ed. Bibliographisches Repertorium über die Ge-
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Lehmann, Fritz. Der rechtliche Anspruch Böhmen-Österreichs auf
das königl. sächs. Markgrafthum Oberlausitz: Wissenschaftl.
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(Levy, Älplionse.) Die Begräbniss- Kapelle im Dom zu Freiberg.
Festschrilt zur Vollendung der Kenovation. Mit Abbildung.
Freiberg, 1885. 29 SS. 8».
Lohn-Siegel, Anna. Ein sächsischer Baumeister [G. Bahr]: Wissen-
schaftl. Beilage der Leipziger Zeitun*. 1884. No. 97. S. 577 — 579.
V. Mansherg, B. Freiherr. Aus dem „Turnei von Nantheyz". Bei-
trag zur Kunde des sächsischen Landeswappen: ebenda. No. 95.
96. S. 565—567. 569—571.
— Die Errichtung des stehenden Heeres in Chursachsen 1682:
ebenda 1885. No. 22. 24. 25. S. 125—127. 137—140. 145—148.
MoschJcau, Alfr. Oybin-Chronik. Urkundliche Geschichte von Burg,
Cölestinerkloster und Dorf Oybin bei Zittau. Mit 6 Abbildungen.
Böhm.-Leipa, Künstner. 18b5. VIll, 390 SS. 8".
V. Mülxerstedt. Codex diplomaticus Alvenslebianus. Urkunden-
Sammlung zur Geschichte des Geschlechts von Alvensleben und
Literatur. IQY
seir.er Besitzungeu. Dritter Band vom Jahre löOl bis 165.". Mit
8 Stammtafeln und 4 Abbildungen sowie mit einer chronologisclien
Übersicht der urkundlichen Hauptdaten zur Genealogie und Ge-
schichte des Geschlechts von Alvensleben , einem Verzeichnisse
des Grundbesitzes in dem obigen Zeiträume und Bemerkungen
zu den Abildungen. Im Auftrage der Familie veranstaltet und
herausgegeben. Magdeburg 1885. IV. 586 SS. 8».
XosivHtnn, Otto. Bad Lauchstädt. (A. u. d. T. Neujahrsblütter.
Herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz
Sachsen. 9.) Halle, Pfeffer. 1885. 52 SS. 8".
OjJi'l, J. 0. Zur 200jährigen Geburtstagsfeier Georg Friedrich
Handels. I. Die Hofoper unter dem Administrator Herzog August
in Halle. II. Der Kammerdierer Georg Händel und sein Sohn
Georg Friedrich: Zeitschrift für allgemeine Geschichte etc.
Bd. I (1884). S. 909—942. Bd. II (1885). S. CG— 80. 147— 1G4.
Fctzholdt, J. Die Ei Ziehungsgrundsätze des Königs Johann von
Sachsen mit Rücksicht auf die Erziehung seines Sohnes Albert:
Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1885. No. 20.
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sischen Kaisern: Foischungen zur deutschen Geschichte. Bd. XXV.
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Pohh, F. W. Chronik von Loschwitz. Auf Grund amtlicher
Quellen etc. Heft IV. Dresden, Albanus'sche Buchdruckerei.
1884. S. IGl- 216. 8».
P;///, Jos. Die Schlosskirche zu Wechselburg, dem ehemaligen
Kloster Zschillen. Zur Erinnerung an die siebenhundertjährige
Jubelfeier der Kirchweihe am 15. August 1884 gezeichnet und
beschrieben. Leipzig, H. Lorenz. ]8«4. 47 SS. 12 Taf. und
Titelbild, fol.
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Voigtlande: Deutscher Herold. XVL No. 2. S. 25 flg.
Richter, Otto. Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden. Heraus-
gegeben im Auftrage des Rathes zu Dresden. (A. u. d. T. Ver-
fassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden. Bd. 1).
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Schirren, C. Patkul und Leibniz: Mittheilungen aus der livländi-
schen Geschichte. Bd. XIH. Heft .3 (1884). S. 435—445.
Schneider, Vir. Aus dem Vogtlande. Einiges über die Ableitung
vogtländischer Ortsnamen auf bach: Wissenschaftl. Beilage der
Leipziger Zeitung. 1885. No. 1. S. 1—3.
Schönwälder. Görlitz im Jahre 1813, aus der Perspektive des da-
maligen Bürgermeisters Samuel August Sohr: Neues Lausitz.
Magazin. Bd. LX (1884). S. 201—245,
— Der Budissiner Queißkreis. Eine topographisch-historische Studie:
ebenda S. 352—391.
Schuster, 0. und Francice, F. A. Geschichte der Sächsischen Armee
von deren Errichtung bis auf die neueste Zeit. Unter Benutz-
ung handschriftlicher und urkundlicher Quellen. 3 Tiieile. Mit
37 Skizzen auf IG Tafeln. Leipzig, Duiicker & Ilumblot. 1883,
XII, 226. VI, 393. VH, 421 SS. 8».
Schwarz, Hilar. Landgraf Philipp von Hessen und die Packschen
Händel. Mit archivalischen Beilagen. Eingeleitet von W. Mauren-
brecher. (A. u. d. T. Historische Studien. Herausgegeben von
1 68 Literatur.
W. Arndt, C. von Noorden und G. Voigt etc. Heft 13). Leipzig,
Veit & Co. 1884. VII, 166 SS. 8».
Steche, B. Über ältere Bau- und Kunstwerke in den Amtsliaupt-
mannschaften Annaberg und Marienberg: Wissenschaftl. Beilage
der Leipziger Zeitung. 1885. No. 14. S. 77—80.
Steril, Ad. Hermann Hettner. Ein Lebensbild. Leipzig, Brockhaus.
188,5. VII, 306 SS. 8».
Stidiler, Karl. Hans Adam von Schöning. Ein Heerführer aus der
Zeit des grossen Kurfürsten: Neue militär. Blätter, Bd. XXV
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TheiJe. Altgermanisclie Gräberstätte bei Stetzsch: Ober Berg und
Thal. Jahrg. VIT (1884). No. 12. S. 287 flg.
— Die Gräberstätte von Stetzsch. Ebenda. Jahrg. VIII (1885).
No. 1. S. 29') flg.
Werncburg, A. Die Namen der Ortschaften und Wüstungen Thü-
ringens, zusammengestellt und besprochen: Jahrbücher der
königl. Akademie ceraeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt.
Neue Folge. Heft XII (1884). S. 1—213.
Wesseli/, J. E. Kurzgefasste Geschichte der Stadt Leipzig mit Er-
läuterungen zu den Photographien „Das alte Leipzig". Leipzig,
0. Roth. 1881. IV, 89 SS. 8».
Wustmann., G. Der Leipziger Bürgermeister Karl Wilhelm Müller
1728 — 1801. Vortrag, gehalten in der Gemeinnützigen Gesell-
schaft zu Leipzig. (Sonderabdruck aus dem Leipziger Tageblatte
vom 10. und 12. November 1884.) 30 SS. 8».
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler
der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete. Herausgegeben
von der Historischen Commission der Provinz Sachsen. N. F,
Bd. I; Die Stadt Halle und der Saalkreis, bearbeitet von Gustav
Schönermark. Lf. 1—4. Halle a./S., Hendel 1884. S. 1—192. 8».
Bruchstück eines Briefes des kurf. sächs. Majors der Kavallerie
Siegmund Freiherrn von Gutschmid, von ihm geschrieben, als er
im August 1796 zum General Jourdan Avegen des abzuschliessen-
den Waffenstillstandes geschickt worden war: Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung. 1884. No. 98. S. 585 flg.
Zusammenstellung einiger geschichtlichen nnd statistischen That-
sachen aus dem Bereiche der Staatsschuldenverwaltung im König-
reiche Sachsen anlässlich des am 31. Dezember 1834 erfüllten
fünfzigjährigen Bestehens des Landtagsausschusses zu Verwalt-
ung der Staatsschulden. Dresden. 30 SS. 8".
Mittheilungen dss Vereins für Anhaltische Geschichte und AUer-
thumshmde. Bd. IV, Heft 3. Dessau, 1884. 8».
Inhalt: Th. Stenzel, Wanderungen zu den Kirchen Anhalts
im Mittelalter. K. Schulze, Über den Namen Mägdesprung.
W. Zahn, Die Burg Thieleberg bei Aken. W. Ho saus. Aus
den Briefen Friedr. Joh. Rochlitz' an Friedrich Schneider.
W. Ho sä US, Deutsche mittelalterliche Handschriften der Fürst-
Georgs-Bibliothek zu Dessau. Ders., Dichter und Dichterinnen
aus dem Hause der Ascanier.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Topographie Dresdens
und seiner Umgebung. 5. und 6. Heft. Dresden, C. Tittmann
(Komm.). 1885, 8».
Inhalt: Alfr. Heinze, Dresden im siebenjährigen Kriege.
IV.
Katharina (Herzogin von Sachsen, (jemahlin
Kurfürst Friedrich's IL von Brandenburg)
und ihr Haus.
Von
G. Sello.
Katharina, „Fräulein Ketterlin", „Frau Kathrein",
das vierte Kind Kurfürst Friedrich's des Streitbaren von
Sachsen aus seiner Ehe mit Katiuirina, Herzogin von
Braunschvveig, wurde im Jahre 1421, wahrscheinlich in
der Zeit vom April bis Juni, geboren; ihr Taufpatiie war
der Abt Vincentius von Altzelle. Vielleicht lediglich
diesem Umstände haben wir es zu verdanken, dass das
sog. Chronicon Vetero-Cellense minus ihr Geburtsjahr
erwähnt und ihr somit eine bestimmte Stelle in der
Reihenfolge der Geschwister anweist '). Er nennt indessen
das Jahr 1420. Ihre ältere Schwester Anna wurde aber
ganz zweifellos am 5. Juni 1420 geboren'^) und ihr
jüngerer Bruder Heinrich am 21. Mai 1422*). Hörn ^)
will das Datum des Altzeller Chroriisten dadurch retten,
dass er annimmt, derselbe habe das Jahr mit Ostern
begonnen. Das ist aber nicht richtig; im Cisterzienser-
orden, welchem das Kloster Altzelle angehörte, war nie
das Osterfest, eher das Fest der Verkündigung Maria
') Mencke, SS. rer. Germ. H, 445.
=*) Tylicli's (.'liroii. Misn. bei Scliaiinat, Vindem. litter. 11, f-<9.
*) CliroD. Vetero-Cell. m ., Meucite 1. c
*) Friedrich d. Streitb. 92. 93.
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 3. 4. H
170 G. Sello:
(25. März) als Jahresanfang gebräuclilicli ; bei einer andern
Gelegenheit — dem Todestage Friedrich's des Streitbaren —
bringt auch der Altzeller Chronist das Marienjahr nicht
zur Anwendung; legte man dasselbe bei der Berechnung
von Katharina's Geburtsjahr zu Grunde, so müsste die-
selbe vor dem 25. Mäi'z 1421 geboren sein (bei der
Annahme des österlichen Jahresanfanges sogar vor dem 23.),
was mit Rücksicht auf den Geburtstag der älteren Schwester
ein gar zu früher Termin sein würde.
Ihr Vater starb am 4. Januar 1428 ^), sie selbst fand
Aufnahme in das zum Orden der hl. Clai'a gehörige
(Franziskanerinnen-)Kloster Seusslitz bei Meissen. Wann
dies geschehen und welches ihre Stellung im Kloster
gewesen, lässt sich nur vermuthen. Es ist zwar eine Ur-
kunde ihrer beiden ältesten Brüder Friedrich und Siegmund
vorhanden, in welcher dieselben bekunden, dass sie Katha-
rina in das Kloster „gegeben und einsegnen lassen". Leider
ist diese Urkunde undatiert. Hörn setzt sie „um 1429",
weil ein Copial des Hauptstaatarchivs zu Dresden sie
hinter eine Urkunde von 1428 an den Anfang einer langen
ürkundenreihe von 1429 stellt. Unsicher bleibt diese
Datierung immerhin, zumal, wenn man das daraus sich
ergebende zarte Alter der Prinzessin bei ilirer Aufnahme
bedenkt; die Cisterzienserinnen z. B. verlangten für ihre
Novizen ein Alter von mindestens 10 Jahren "). Sicher ist
nur, dass die von Herzog Friedrich und Siegmund ge-
meinschaftlich ausoestellte Urkunde vor den 4. Januar 1436
zu setzen ist; innere Gründe scheinen für einen wenig
früheren Zeitpunkt zu sprechen. Die herzoglichen Brüder,
welche bis dahin gemeinschaftlich regiert hatten, theilten
an diesem Tage ihre Länder, und Siegmund, der spätere
Bischof von Würzburg, empling noch im März desselben
Jahres die kirchlichen Weihen'). Der Tlieilungsvertrag
ist recht eigentlich als eine Nachlassregulierung im
civilrechtlichen Sinne zu betrachten; jeder Bruder erhielt
seinen Antheil an der väterlichen Erbschaft; die ältere
Schwester Anna, welche in demselben Jahre, sechszehn-
jährig, den Landgrafen Ludwig von Hessen heirathete,
wurde mit ihrer Mitgift von 19000 Rheinischen Gulden
») Hörn a. a. 0. 597.
•) Winter, Cisterzienser 11, 10.
') Leidenfrost, Churf. Frieiliicli II. iiml seine Brüder (1827),
18 flg. 25. Riedel, Cod. dipl. Brandenb. Abth. D. 215.
Katharina (Herzogin von Sachsen etc.) und ihr Haus. 171
abgefunden, und da sieht es nicht unwahrscheinlich aus,
dass man die noch übrige ledige Schwester, die vielleicht
keiner der untereinander in wenig; verwandtschaftlicher
Harmonie lebenden Brüder an seinen Hof nehmen wollte,
in dem Familienkloster, als welches Seusslitz zu betrach-
ten ist, versorgte.
Katharina's Eintritt in das Kloster geschah, wie aus
dem Wortlaut der in Rede stehenden Urkunde erhellt,
mit der Absicht, sich dem Klosterleben ganz zu widmen.
Dass sie aber nach Zurücklegung des Noviziats wirklich
Profess abgelegt, dürfte sehr zu bezweifeln sein. Denn
mit diesem Schritte wäre ihr der Rücktritt in die Welt
de iure abgeschnitten gewesen; wer nach dem Profess
das Kloster verliess, war ein Apostat; durch päpstlichen
Dispens hätte eine restitutio in integrum erfolgen köimen;
von einer solchen ist aber keine Spur zu entdecken, er
kann also auch nicht präsumiert werden. iNIerkwürdig
ist es nun, dass der ebenfalls dem Franziskanerorden,
als Provinzial der Ordensprovinz Sachsen, angehörige
Chronist Mathias Döring, welcher an der Erfurter Uni-
versität lehrte, dann in Magdeburg lebte und 1469 in
dem brandenburgischen Kloster Kyritz starb, also den
Vorgängen zeitlich, räumlich und amtlich nahe stand,
sie anlässlich ihrer Heirath mit Kurfürst Friedrich H.
nicht als „professa" sondern als „votiva" bezeichnet. Die
Wahl dieses Ausdrucks scheint zu bestätigen, dass sie
noch nicht alle Klostergelübde abgelegt.
Die von Franziskus von Assisi der heiligen Clara
gegebene Regel war an sich sehr streng; die Nonnen
mussten z. 15. barfuss gehen. Päpstliche Bullen haben
aber daran nach und nach mancherlei geändert; ins-
besondere hatten auch die Ordensoberen das Recht, die
Einzelne von der Strenge der Regel zu entbinden. Davon
wird natürlich reichlicher Gebrauch gemacht worden sein
bei dem Eintritt von Fürstinnen, Avelche zu jener Zeit
eine grosse Hinneigung zum Clarissinnen- Orden zeigten;
so traten beispielsweise drei Schwestern Kurfürst Fried-
rich's 1. von Brandenburg, Anna, Katharina und Agnes,
1376 in denselben ein, von welchen die erstere ebenfalls
in Seusslitz lebte, die beiden anderen nacheinander Äb-
tissinnen in llof waren ; Agnes soll als solche 1430 bei
dem Hussiteneinfall erschlagen worden sein *).
•) Riedel, Gesch. d. preuss. Königshauses I, .364.
172 G- Sello:
Katharina erhielt bei ihrem Eintritt in das Kloster
eine Art von Hofstaat in den von ihren Brüdern aus-
gestatteten Jungfrauen Anna von Salhausen, Barbara
von Honsberg und Ilse von Miltitz und eine Civilliste
von 50 Schock Uroschen und 1 Fuder Meissner Wein
Cli roth, ^ji weiss und die andere Hälfte je nach der
Crescenz). Charakteristisch für die exzeptionelle Stellung
Katharinas im Kloster ist jedenfalls, dass diese Einkünfte
nicht, wie bei sonstiger Ausstattung von Klosterjungfrauen,
dem Kloster verschrieben wurden, sondern zum persön-
lichen Gebrauch der Prinzessin; dass dieselben auch nicht
nach ihrem Tode an das Kloster übergehen, sondern an
die herzogliche Familie zurückfallen sollten. Das Kloster
erhielt auf diesen Fall nur den Anspruch auf eine Se-
mesterrate der Geldrente, wovon noch Seelgeräthe und
Memorien bestritten werden sollten.
Aus der allgemeinen Clarissinnenregel lässt sich ein
Bild des Lebens der Prinzessin im Kloster nicht ent-
werfen, da der Grad der Verbindlichkeit derselben für sie
in Ermangelung bezüglicher Urkunden nicht festzustellen
ist. Es lässt sich auch nicht annehmen, dass sie dort
eine geistig freiere Atmosphäre gefunden habe, als sie
durchschnittlich in Frauenklöstern zu herrschen pflegte.
Denn wenn auch der damalige gelehrte sächsische Pro-
vinzial der Franziskaner, Mathias Döring, eine auf den
ersten Blick reformatorisch erscheinende Richtung in seiner
Verwerfung des damaligen päpstlichen Ablasshandels ^)
vertrat, so wird davon kaum etwas zu den Ohren des
jungfräulichen Konventes gedrungen sein. Die Opposition
Dörings hatte aber überhaupt ihren alleinigen Grund in
den, den gesamten Klerus in zwei feindliche Lager spal-
tenden Streitigkeiten des Baseler Konzils, im übrigen
war er als Verfechter der unbefleckten Empfängnis der
Jungfrau Maria, als Vertheidiger des Wilsnacker Wunder-
bluts ganz ein Kind seiner Zeit'"). Ohne Einfluss auf
den Gesamtcharakter des Lebens in Seusslitz wird es
indessen nicht geblieben sein, dass Döring der Haupt-
vertreter der sogenannten Konventualen des Ordens in
Deutschland war"), welche „in ihren Konventen viele
Milderungen der Ordensregel einführten, und wegen der
mancherlei Ausschweifungen, deren man sie beschuldigte.
•) Riedel, Cod. dipl. Brandenb. D. 223. 230. 231.
">) Mark. Forschungen XVI, 215. ") Ebendas. XVI, 198.
Katharina (Herzoj^in von Sachsen etc.) und ilir Haus. 173
von vielen gchasst wurden ' ^)". Ihnen gegenüber ver-
traten die „Observanten" die strenge Richtung.
Es lässt sich nur sagen, dass Katharina ein beschau-
liches Dasein in Gebet und geistlichen Übungen, nicht
als Professa, sondern als Laienschwester verbrachte, wo-
durch ihr der Rücktritt in das Leben und die Möglich-
keit einer Heirath offen blieb, so lange, bis ihr selbst
wünschenswerth erschien, durch Ablegung des Professes
unwiderruflich der Welt Valet zu sagen.
Ob sie bis zum 2. Juni 1439, an welchem Tage
Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg mit den Herzögen
Friedrich und Wilhelm von Sachsen den Ehevertrag
zwischen ihr und seinem zweiten Sohne Friedrich schloss*^),
im Kloster blieb, entzieht sich der Kenntnis. Ein Termin
für den Vollzug der Ehe wurde nicht verabredet, nur
finanzielle Abmachungen wurden getroffen. Der Prin-
zessin wurden als Heirathsgut und Heimsteuer 19000 Rhei-
nische Gulden, zahlbar in vier Jahresraten, und eine
„Ausrichtung zu Bett und Tisch" zugesichert. Ihr künf-
tiger Gemahl sollte sie dagegen „nach seinen Ehren
vermorgengaben" und ihr ein Jahr nach Vollzug des
Beilagers eine, eventuell mit einem Kapital von 25000
Rheinischen Gulden abzulösende Jaiiresrente von 4000 Fl.
auf die Schlösser und Städte Treuenbrietzen, Mittenwalde,
Belitz, Trebbin, Saarmund und Potsdam als Leibgedinge
verschreiben.
Dem Abschluss der Ehe stellten sich schwere Hinder-
nisse entgegen. Nachdem Kurfürst Friedrich I. von Bran-
denburg am 21. September 1440 gestorl)en und Fried-
rich II. die Regierung angetreten hatte, ermahnten ihn
zwar die Stände, wie Gundling berichtet, im November
zur Heirath; durch die Zerwürfnisse zwischen beiden
Fürstonhäusern wurde dieselbe aber in Frage gestellt.
Mathias Döring giebt an **), weil der Kurfürst von Bran-
denburg das von den Sachsen augegriffene Magdeburg
in Schutz genommen habe, sei ihm die Braut verweigert
'^) Bellermann, Gesch. il. grauen Klosters in Berlin H, 27.
•») Riedel, a.a.O. B. IV, ]9(;. Derselbe l'ührte übrigens bei
seinen Zeitgenossen nicht den schwer erklärlichen Beinamen „mit
den eisernen Zähnen", sondern Spalatin zufolge den „des Mageren"
(Macer), im oftenbaren Gegensatz zu seinen beiden jüngeren Brüdern,
von denen Albrecht nacli seinen eigenen Worten zienilieh beleibt
war und Friedrich der Jüngere in der Geschichte den Zunamen
„der Fette'' führt.
'*) Riedel a. a. 0. D. 216.
174 G. Sello:
worden. Die Sache lag aber noch etwas anders. Ka-
tharina's Bruder Herzog Siegniund war aui 20. Januar
1440 zum Bischof von Würzburg erwählt worden, jedoch
sofort mit seinem Kapitel in Streit gerathen. Seine Brü-
der Friedrich imd Wilhelm hielten es mit letzterem, die
Markgrafen Johann der Alchymist und Albrecht Achilles
von Brandenburg mit dem Bischof, und Kurfürst Fried-
rich von Brandenburg gewährte seinen Brüdern Hilfe.
Die Brandenbur<Ter stellten nämlich noch besondere An-
forderungen an Meissen wegen des AUodialnachlasses des
letzten Landgrafen von Thüringen, von ihrer (jrossmutter,
Sopliia von Henneberg, Gemahlin Burggraf Albrecht's
des Schönen von Nürnberg, her. Ausserdem machte
Markgraf Johann Ansprüche wegen des Nachlasses seines
Schwiegervaters; des Kurfürsten Rudolf III. von Sachsen
aus askanischem Hause, geltend, und Albrecht Achilles
verlangte Begleicliung einer Kostenliquidation, welche
aus dem unter st^iner Leitung im Jahre 1438 in Böhmen
stattgehabten Feldzuge herrührte. Letzterer stellte am
IL November 1440 ein energisches Ultimatum, wegen
gewisser Aug-ritFe auf die Ehre seiner Familie sich zum
Zweikampf erbietend '^). die Sachsen rückten in das Ge-
biet des Bischofs von Würzburg ein, und es kam dort
zu offenen Feindseligkeiten. Sofort zog auch der Kur-
fürst von Brandenburg das Schwert. Der märkische
Adel, darunter Bernd v. d. Sehulenburg, Hanptmann der
Altmark, Graf Albrecht von Lindow, Herr von Ruppin,
Hauptmann der damaligen Neu- jetzt IMittelmark, Georg
von Schliefen, Marschall des Kurfürsten, Wichard von
Rochow auf Golzow, kündigte Sachsen am 25. und 27. No-
vember Fehde an^®), und während in Franken mit
wechselndem Erfolge gekämpft wurde, bemächtigte sich
der Kurfürst von Brandenburg der damals sächsischen
Schlösser Niernegk und Brück, schloss am 7. December
mit Bischof Burchard von Halbcrstadt und den Städten
Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben
ein Schutz- und Trutzbündnis und bot, da sich ein säch-
sisches Heer bei Wittenberg zusammenzog, den Heerbann
der märkischen Städte auf. Das vom 8. December aus
Treuen brietzen datierte bezügliche Schreiben an die Ge-
samtstadt Brandenburg ist noch erhalten, in welchem
dieselbe aufgefordert wird, binnen 8 Tagen mit ihrer
'») Riedel, B. IV, 217. '•) Riedel, B. IV, 219, 220. X, 143.
Katharina (Herzogin von Sachsen etc.) und ihr Haus. 175
gesamten wafFenfähigen Mannschaft bei Berlin einzu-
treiFen ''j. Der Kurfürst selbst scheint inzwischen mit
den bereits disponiblen Truppen auf Wittenberg mar-
schiert zu sein, denn im Dorfe Marzaiin, zwischen Treuen-
brietzen und Wittenberg, auf kursächsischem Boden,
wurde am 10. Dezember ein bis zum 2. Februar 1441
reichender Waffenstillstand geschlossen, welchem die Mark-
grafen Johann und Albrecht am 23. Dezember auf der
Plassenburg beitraten. Wie immer in jener Zeit begannen
nun endlose verwickelte scliiedsrichterliclie Verhandlungen.
Zunächst wurde der Waffenstillstand bis zum 4. Juni
ausgedehnt, dann trafen sich die Parteien zu Anfang-
April in Halle und versöhnten sich. Kurfürst Friedrich
von Brandenburg wurde bewogen, die Schlösser Niemegk
und Brück umgehend, bis zum 13. April, znrückzugeben,
und äusserte gelegentlich in einer Urkunde vom 3. April,
dass sein Beilager mit Prinzessin Katharina am H.Juni
gefeiert werden solle **).
Ausdrückliche urkundliche Zeugnisse über die auf
die Hochzeit bezüglichen Verhandlungen liegen nicht vor,
aus dem Mitgetheilten ergiebt sich aber, dass der Kurfürst
von Brandenburg die Rückgabe der Schlösser von der
endlichen Einwilligung der Brüder seiner Braut wird
abhängig gemacht haben. Im wesentlichen berichtet also
eine ältere meissnische Chronik '*) richti":: Marn-anivius
Brandcnburgensis coegit Fridericum per invasionem terrae
Saxoniae ad dandum sororem suam in uxorem.
An dem bestimmten Tage wurde die Hochzeit in
Wittenberg auf das Prächtigste gefeiert, und die ver-
sammelten Fürsten wai'en „in saclien die zum schimpfe
gehören, als mit stechen, fröhlich als das wol zii-mt";
der Kurfürst von Sachsen hatte sich dazu schon 4 Wochen
vorher von der Stadt Halle einen starken grossen Turnier-
hengst geliehen *").
") Riedel, H. IV, 221. A. IX, 15.^.
'•) Ilicdcl, D. 217. J{. IV, 224, 22(1, 230, 2.S9, 240, 243.
Riedel hat in den Miirkisclien Forsclnuigen VI, 20.{ eine unfieiiügeiidf
Darstellung dieser Vorgänge girgebenj in seiner Abhandlung „Al-
hrecht Achill's Confiiet mit Würzburg und Siulisen i. d. Jahren
1440— 144.V', Zeitschr. f. Preuss. Gesch. u. Landeskunde VIII, iu> Hg.,
wird der P'eindseligkeiten zwischen Sachsen und lüir-Brandenburg
nur mit zwei Worten gedacht.
") Chron. terrae Misn. bei Mencke 11, .S.3r,.
'") Riedel, Supplem. (J2. Gundling, Kurf. Friedrich II.,
p. 39 „ex dipl. arch".
176 G. Sello:
Über die Einholung der jungen Fürstin in die Mark
ist nichts bekannt, nur das wissen wir, dass die Stadt
Frankfurt a. O. ihr und ihrem Gemahl ein Geschenk von
22 Schock Groschen machte^').
Zu seinem ersten Aufenthaltsorte wählte das Ftirsten-
paar wahrscheinlich die noch in ihrem alten Glänze
stehende, vielgethürmte, auf steilem Ufer über der Elbe
liegende Burg Kaiser Karl's IV. zu Tangermünde; we-
nigstens finden wir den Kurfürsten dort 8 Tage nach der
Hochzeit und sonst noch im Monat Juni; von da unter-
nalnn er eine Huldigungsreise in die Priegnitz; erst im
Anfang Juli wurde Berlin besucht, und in der damaligen
kurfürstlichen Residenz, dem „Hohen Hause" neben dem
grauen Kloster, Quartier genommen ^^).
Im August des folgenden Jahres reiste die Kurfürstin
über Trebbin nach Sachsen zu ihrer kranken Mutter, zu
welcher Reise die Altstadt Brandenburg 3 Wagenpferde
stellte, und wiederum ein Jahr später, am 15. August
1443, vollzog der Kurfürst die Statuten der Gesellschaft
U. L. Fr. auf dem Marienberge bei Brandenburg; seine
Gemahlin steht dabei an der Spitze der weiblichen Mit-
glieder^^).
Die speziell zwischen Brandenburg und Sachsen ob-
waltenden Streitio-keiten w^irden am 31. Oktober 1441
dahin geschlichtet, dass ersteres gegen Zahlung von
1000 Rheinisciien Gulden seinen Ansprüchen „wegen des
Landes zu Doringen, des Wiederfalls und Eigentums im
Lande zu Franken, der hinterhissenen Habe der Fi'au
zu Zahna und Trebitz (der Mutter Markgräfin Barbara's)
und der Schätzung zu Böhmen" entsagte. Schon wieder
aber begannen neue Mishelligkeiten. Die Herzöge von
Sachsen waren bei Zahlung der Mitgift ihrer Schwester
säumig; wiederholt gab der Kurfürst von Brandenburg
Ausstand; am 8. Juli 1445 waren noch 1800 Fl. rück-
ständig, und wahrscheinlich erst im Jahre 1452 war dieser
Rest getilgt'^*), denn die Verschreibmig des Leibgedinges
^'M Riedel, D. .'iSl.
-*) Itinerar Friedrich's: Juni 18. Havelberg, Tangermünde — 21.
Kyritz — 22. Pritzwalk — 24. Perleberg, ßuppin — 28. 29. Tanger-
münde — Juli 8. Berlin.
2^) Riedel, A. XXIV, 429. C. I, 269.
^*) V. Raumer, Cod. diplom. Brandenb. contin. I, 173. Rie-
del, B. IV, 245, 252. C. I, 253—255, 273. C. III, 5G.
Katharina (Herzogin von Sachsen etc.) und ihr Haus. 177
erfolgte iu diesem Jahre ■•^*). Nach dein Elievertrage vom
Jahre 1439 hätte dies schon ein Jahr nach dem Beilager
geschehen sollen; die Verhandlungen aus dem Jahre 1441,
wodurch diese Bestimmung abgeändert wurde, sind nicht
erhalten. Aus der Urkunde von 1452 erfahren wir^ dass
die Kurfürstin ausser ihrer Mitgift von 19000 Fl. noch
fahrende Habe, Silbergeschirr und Kleinode im Werthe
von 1000 Fl. in die Ehe gebracht hatte, wofür ihr nun
die mit 38000 Fl, ablöslichen Schlösser und Städte Span-
dau, Trebbin, Treuenbrietzen, Belitz, Bernau, Mittenwalde,
Oderberg und Lieben walde als Leibgedinge verschrieben
wurden; für letztere Stadt tauschte sie durch Vertrag vom
11. November 1454 die Mühlen zu Berlin ein"-^*"'). Der Name
der Kurfürstin kommt selten in Urkunden vor. Ausser
einigen Verwalttmgsmassregeln betreffs der zu ihrem
Leibgedinge gehörigen Schlösser sind es nur Urkunden
religiösen Inhalts, in denen sie neben ihrem Gemahl ge-
nannt wird: Aufnahme in die Gemeinschaft der guten
Werke des Cisterzienserordens, päpstliche Privilegien betr.
die Anstellung von Beichtvätern, Beobachtung der Fasten
und dergleichen. Ein einziges Mal sehen wir sie aus
ihrer Reserve heraustreten und in die Händel eingreifen,
welche ihre Brüder Friedrich und Wilhelm unausgesetzt
mit einander und mit der Mark hatten, leider ohne dass
wir bestimmt erführen, in welcher Weise dies geschah.
Garcaeus theilt nämlich aus einer anscheinend verlorenen
Urkunde mit, die Kurfürstin habe am 12. September 1455
zwei Rathsherrn der beiden Städte Brandenburg zu sich
nach KöUn beschieden, ihres Bruders von Sachsen wegen.
Es geschah dies anscheinend zu einer Zeit, als der Kur-
fürst nicht in der IMittelraark anwesend war, wenigstens
steht vom 19. September ab seine Anwesenheit in der
Neumark und in Preussen fest'").
Aus ihrer Ehe mit Kurfürst Friedrich hatte Katha-
rina zwei Söhne, Johannes und Erasmus, und zwei Töch-
ter, Margaretha und Dorothea. Von den beiden ersteren
**) Die von v. Raum er I, 237 aus einem Copiar mitgetheilte
Urkunde ist vom 24. Juni datiert; das bei Riedel, C. Hf, «S abge-
druckte Original ist vom 9. Oktober und zeigt textliche Abweich-
ungen von jener, die wohl als Konzept anzusehen ist; insbesondere
fehlt die Angabe des Werthes der gesamten lUaten.
=*«) V. Räume r I, 236.
") Riedel, C, I. 252, 279, 313. Garcaeus, Success. familiär,
etc. 204.
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 8. 4. 12
178 G. Sello:
berichten die Chronisten einstimmig, dass sie jung ge-
storben seien ^^). 1452 wird Johannes als einziger, da-
mals unmündiger Sohn genannt ^^). Erasmus wird schon
vor ihm gestorben sein; er wurde nämlich in der von
Kaiser Karl IV. erbauten, ihrer Schätze nicht erst durch
die Schweden, sondern schon früher, wahrscheinlich durch
Jobst von Mähren beraubten Schlosskapelle zu Tanger-
münde bestattet. Bis zum Vertrage vom 26. September
1447, durch welchen der jüngste Bruder Friedrich's,
Friedrich der Fette, mit der Altmark abgetheilt wurde,
residierte der Kurfürst oft in Tangermünde ; Götze's Ver-
muthung, dass Erasmus in dieser Zeit gestorben, dürfte
daher wohl zutreffen. Zum Andenken an den früh ver-
storbenen Prinzen mochte der s. Erasmus-Altar in der
Nicolaikirche zu Berlin „gen dem Chore" gestiftet worden
sein, dessen Einkünfte der Kurfürst als Patron dem von
ihm an seiner Schlosskapelle am 20. Januar 1469 ge-
gründeten Kollegiatstift verlieh, zu dessen Nebenpatronen
u. a. auch der heilige Erasmus gehören sollte ^"}. Wann
Johann gestorben, ist bisher nicht zu ermitteln gewesen.
Aus einer in den Februar 1468 zu setzenden Urkunde
hat man folgern zu müssen gemeint, dass er damals noch
am Leben gewesen sei, doch scheinen andere Urkmiden
dagegen zu sprechen; am 17. Juni 1469, an welcliem
Tage der Kurfürst den Sohn Albrecht Achill's seinen
Sohn nennt (wenn anders die Urkunde richtig gelesen
ist), war er jedenfalls verstorben; es ist daher eine poe-
tische Licenz des neuesten fruchtbarsten brandenburgischen
„Geschichtsbilderers" Schwebel, wenn er den Tod zur
Zeit der Belagerung Ukermündes (im August 1469) er-
folgen lässt. BrotufF hat diesen Johann mit dem gleich-
namigen älteren Bruder Friedrich's IL verwechselt, indem
er ihn zum Gemahl Barbara's von Sachsen macht*').
*') Chronic, pict. Bothoiüs, bei Leibiiitz, Script, rer. Brunsvic.
KI, 400 und Ladisl. Suntheims Familia burggrav. Nureiiberg. bei Rie-
del, D. 26(5, sind wolil die ältesten Zeugnisse. Von Wichtigkeit
dürfte auch das Zeugnis des Plassenburger Archivars Moninger
(Ende Saec XVI.) sein; ct. Möhsen, Gesch. d. Wisseusch. 330,
Anm. q. Küster, Biblioth. histor. Biandenb. 333.
") Riedel, G. I, 307.
*°) „Der Bär", Berlinische Blatt, f. vaterländ. Gesch. etc.
IV, 178. — Entzelt, Altraävk. Chron. (edit. 1736) 130. — Götze,
Gesch. d. Burg Tangermünde 53. — Berliner Urk.-Buch 411, 443.
*') Riedel, C. I, 461, 508, cf. die Urkunde von 1469 Jan. 20,
Berlin. Urk.-Buch 443. — Schwebel, Kulturhistor. Bilder aus d.
Katharina (Herzogin von Sachsen etc.) und ihr Haus. 179
Erasmus hat man auch für einen unehelichen Sohn
des Kurfürsten halten wollen, oder man hat ihm ausser
einem legitimen Sohn dieses Namens noch einen illegitimen
gleichnamigen beigelegt ^^). Man warf nämlich diesen
Erasmus mit dem Propst Erasmus von Berhn zusammen
und schloss aus dessen Familiennamen Brandenburg
(Brandeburg, Brandberg, Brandburger, Bramburger —
alle diese Varianten kommen vor, am häufigsten hcisst
er indessen Bramburg) auf eine intimere Beziehung zum
Fürstenhause. Aber abgesehen davon, dass der von der
Stadt Brandenburg abgeleitete gleiclie Familienname in
vielen Varianten häufig sich findet, dass 1453 ein Kauf-
mann Erasmus Braborch (Bramborch) in Berlin erscheint,
dass 1475 in Sandau ein Buschklepper Branaburg hauste
(welchen HefFter freilich auch mit dem Berliner Propst
verwechselt), ergiebt sich aus dem Schreiben, in welchem
Kurfürst Albrecht Achilles den damaligen Wurzener
Domherrn und Scholastikus Erasmus Bramburg auf Ver-
wendung der Herzöge Ernst und Albrecht von Sachsen
und des Bischofs von Meissen zum Propst von Berlin
empfiehlt, zur Evidenz, dass von einem Verwandtschafts-
verhältnis nicht die Rede sein kann (1475 August 15).
Denn wäre durch die Beilegung des Namens „Branden-
burg" die Vaterschaft gewissermassen anerkannt worden,
dann wlire auch Kurfürst Albrecht über die Persönlich-
keit besser orientiert gewesen, als dass er seinem Sohne
geschrieben hätte: „der gedachte Meister Erasmus scheint
ein redlicher Mann zu sein, als welcher er auch von
unsern Schwägern und dem Bischof von Meissen sehr
gerühmt wird^. Eine weitere haltlose Fabel ist, dass
dieser Erasmus als Abt von Lehnin im Jahre 1509 ge-
storben sei^^).
Die Altersfolge der Töchter ist nicht bekannt; La-
dislav Suntheim führt Margaretha an erster Stelle auf,
Riedel ^*) macht die Dorothea zur älteren. Am 31. Juli
1452 wurde der Plan einer Erbverbrüderung zwischen
alten Mark Brandonb. 190 — Brotuff, Anhalt. Geneal. (1556),
fol. «Ob.
*^) Küster, Icon. March. p. 79. — Riedel in Mark. Forsch.
VI, 20;^, Anm. 2; 1. c. VIII, 29 ist derselbe anderer Meinung ge-
worden. — Bucliholtz, üesch. d. Cluirniark III, 152.
*') Fidicin, Histor. diplomat. Beiträge z. (jescli. Borlins III, 108.
— Riedel, Supplem. 100, 101. C. II, 170.
") Mark. Forsch. VIII, 29.
12*
180 G. Sello:
Brandenburg und Saclisen-Lauenburg und einer Heirath
der noch im zartesten Alter stehenden Margaretha mit
dem Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg entworfen.
Da aber der Kurfürst sich u. a. verpflichten sollte^ der
Linie Sachsen-Lauenburg das Land Sachsen- Wittenberg
und die Kur wieder zu verschaffen, so machte er jeden-
falls von den ihm vorbehaltenon Recht der Ratifikations-
verweigerung Gebrauch, und die Heirath zerschkxg sich.
Derselbe Herzog Johann verlobte sich am 13. Juli 1463
mit Margaretha's Schwester Dorothea, nachdem König
Christian von Dänemark und Markgraf Johann der Al-
chymist „vormals zu glücklicher Zeit" die Eheberedung
zu Stande gebracht hatten. Mit der Hochzeit nmss es
aber auch hier seine ganz besondere Bewandtnis gehabt
haben. Denn die fränkischen Freunde neckten den
Kurfürsten am 6, September desselben Jahres, sie hätten
vergeblich auf eine Einladung „zu der Fröhlichkeit und
Heimfahrt Fräulein Dorothea's" gewartet; bei der sie
„wollten auch gut Gesellen mit gewesen sein". Der Kur-
fürst wolle es wohl mit der Hochzeit halten „als der
Radecker mit seinem Hasen: der briet ilm unter dem
Sattel und ass ihn aus dem Stegreif". In der ersten
Hälfte des Februar 1464 fand die Heimführung statt;
die Braut wurde von ihrer Mutter „herliken mit grotem
State und apparate" nach Schloss Lauenburg geleitet, der
Kurfüi'st aber und seine Brüder blieben daheim. Herzog-
Heim ich von Mecklenburg vertrat die Stelle des Braut-
vaters; seine Gemahlin (Schwester des Kurfürsten) und
viele märkische Adlige waren anwesend; die ebenfalls
geladenen Städte Lübeck, Ham.burg und Lüneburg er-
schienen nicht, sandten aber kostbare Geschenke. Die
Ehe wurde eine glückliche, mit Kindern reich gesegnete ^'').
Für Margaretha machte der Kurfürst später die
verschiedensten Heirathspläne, die alle zunichte Avurden.
Im Mai 1466 schreibt Markgraf Albrecht Achilles, der
Herzog von Stettin (Erich) sei bei ihm gewesen, habe
aber nicht von Friedrich's Tochter gesprochen, und des-
wegen sei auch seinerseits das Thema unerörtert geblieben,
man habe indessen nach dem Wunsche des Kurfürsten
ihm die grössten Ehren erwiesen. Da Herzog Erich
") V. Raumer I, 222. — Riedel, C. I, 359. — Detmars
Fortsetzer bei Grautoli II, 273. — Krantz, Saxonia, XII, 4. —
Cernitius, Decem icoiies 24. — Riedel, Suppleiu. p. 121.
Katharina (Herzogin von Sachsen etc.) und ihr Haus. 181
(lamcals verheirathct war, wird man die Ehe mit einem
seiner Söhne, Wartislav (der 1474 starb) oder Bo^islav
(den Marg-aretha nachmals wirklich heirathete) gewünscht
haben. Im August 1467 wird von einer Verlobung mit
einem Sohne Piiilipps von Burgund gesprochen. Im
April 1469 wurde König- ]\rat]iias von Ungarn erwartet,
welcher in erster Ehe mit König Georg Podiebrad's von
Böhmen Tochter vermäldt und seit 1464 AA'ittwer, „in
Pilgrim's Weise" durch das Land ritt, Avie man annahm
auf der Brautschau, um „Fräulein Margaretha zu sehen".
Markgraf Albreclit rietli seinem Bruder, dem königlichen
Freier Margarethens Hand nicht zu versagen; es sei
sicher, dass wenn derselbe „unser Mühmchen sieht, die
wohlgezogen, höflich und säuberlich ist, wird sie ihm
wolgefallen, wenn sie dazu nur etlicherraassen recht ge-
schmückt ist".
Es müssen nun die Umstände sich so gestaltet haben,
dass Kurfürst Friedrich_, als der König ihn zu seiner im
Juni stattfindenden Krönung nach Breslau einlud, be-
stimmt hoffte, seinen Herzenswunsch in Erfüllung gehen
zu sehen. Er schrieb wenigstens am 12. Mai seinem
Bruder Albrecht mit Bezug auf die Breslauer Reise, es
sei ihm „zu der Sache, da jetzt mit umgegangen würde,
ein vergoldeter Wagen nothwendig, wenn Gott gebe, dass
sich die Dinge finden wollten, dass der dann von Stund
an fertig und vorhanden wäre, dass es sich an einem
solchen nicht stiesse. Da er in so kurzer Zeit in der Mark
keinen fertigen lassen könne, möchte ihm Albrecht einen
der vergoldeten Wagen seiner Gemahlin leihen, den er
ihm, wenn das Spiel aus sei, unverzüglich zurücksenden
wolle". Albrecht antwortete umgehend bejahend, mit dem
Hinzufügen, er habe für seine Gemahlin sofort einen
neuen giUdenen Wagen bei dem IMaler in Nürnberg be-
stellt, da er wohl wisse „wie es um das Wiedergeben
von geliehenen Wagen, Pferden und Röcken bestellt sei".
Am 31. Mai desselben Jahres begal) sich Friedrich mit
Albrecht's Sohn Johann nach Breslau, Mathias war von
grösster Freundlichkeit, besuchte den Kurfürsten, wenn
dieser nicht am Hofe war, in dessen Herberge, spielte
und turnierte mit ihm und bemühte sich eifrig um sein
Bündnis. Wegen der Heirath äusserte er sich auswcächend:
er wollte keine in der Welt lieber haben als Margaretha,
wünsche aber sich vor zwei Jahren nicht wieder zu ver-
heirathen, bis dahin möchte man sie ihm „halten". Der
182 G- Sello:
Kurfürst erwiderte, seine Tochter sei zwar schon ver-
sprochen (wohl an den Herzog- von Braun schweig, von
dem weiterhin die Rede sein Avird, oder mit Herzog Sieg-
mund von Bayern-München, dessen nur Ladishiv Suntheim
Erwähnung thut), es sei aber noch nicht so weit gediehen,
dass er sie nicht lieher einem Könio-e als einem Herzoo-e
gebe ! „Also blieb es mit den Teidingen bestehen". Die
fröhliclien Tage in Breslau, in denen, wie der Kurfürst
schreibt, „auf Brandenburgisch wohl gelebt wurde", waren
der letzte Lichtblick in dem von schwerer Melancholie
umdüsterten Lebensabend Friedrich's; seine Tochter Mar-
garetha sah er aber nicht unter der Krone gehen, denn
König Mathias wollte höher hinaus. Er hielt um die
Hand einer Tochter Kaiser Friedrich's III. an, wurde
abgewiesen und heii'athete dann erst 1476 eine neapoli-
tanische Prinzessin^**).
Heffter verzeichnet im Namensregister zum Riedel'-
schen Codex diplomaticus Brandenburgensis ausser diesen
beiden noch eine dritte Tochter Hedwio- welche an
Herzog Heinrich von Liegnitz verheirathet gewesen sein
soll. Am 4. Mai schreibt nämlich eine Herzogin von
Schlesien, Frau zu Liegnitz, Avelche einen erwachsenen
Sohn, Herrn zu Ohlau und Nimptsch, hat, an ihren
Vater, den Kurfürsten Friedrich von Brandenburg^').
Es tritt sofort zu Tage, dass Friedrich II., der 1441 ge-
heirathet hatte, 1458 keinen erwachsenen Enkel haben
konnte, und in dem Liegnitzer Herzogshause findet sich
in dieser Zeit nur eine Hedwig (geb. 1425, gest. 1471^,
vermählt mit Johann I. von Liegnitz (gest. 1453), ]\rutter
Friedrich's I. von Liegnitz. Sie war eine Tochter Lud-
wig's II. von Liegnitz (gest, 1436) aus seiner Ehe mit
Kurfürst Friedrich's I. von Brandenburg Tochter Elisa-
beth, also Kurfürst Friedrich's IL Schwestertochter. Ent-
weder ist also in dem Brief Vetter statt Vater zu
lesen, oder diese letztere Bezeichnung ist ein Ausdruck
des Respekts der Sclireiberin gegen ihren Oheim.
Noch eine vierte Tochter, Theodora, vermählt mit
Herzog Heinrich von Mecklenburg, verdanlvt nur einem
Lese- oder Schreibfehler in Haftitz' Mikrochronikon ihre
»«) Riedel, C. II, 35. I, 441. B. Y, 132. Supplem. 92, 93.
C. T, r)03, 507. D. 266.
*') Riedel, C. I, 326; die übrigen von Hefifter hierher ge-
zogenen Stellen handeln von Prinzess Margaretha.
Katharina (Herzogin von Sachsen etc.) und ihr Haus. 183
Existenz. Gemeint ist Friedrich's I. Tochter Dorothea,
wie die Vergleichung mit Augehis ergiebt^®).
Riedel ist der Ansicht, dem Kurfürsten Friedrich
sei seine erste früh gestorbene Verlobte, Hedwig von Polen,
unvergesslich geblieben, und seine Liebe zu ihr habe sich
allmählich in den Glauben an einen liebenden Schutzgeist
verklärt, der über ihm wache u. s. w.; er folgert dies
aus der Anrede des Kurfürsten an den „heiligen Engel,
der du mir von Gott gegeben bist u. s. w." am Schlüsse
seines schriftlichen Glaubensbekentnisses vom Jahre 1453,
welcher „heilige Engel schwerlich anders zu deuten ist
als auf die engelsreine Seele, welche sich in seinen Armen
der sterblichen Hülle entwunden hatte" ^^). Er sclireibt
damit dem Kurfürsten modern-sentimentale Empfindungen
zu, die einem Kinde des 15. Jahrhunderts fremd waren;
der Kurfürst stand vielmehr lediglich auf dem Boden
seines Glaubens, der überhaupt jedem Menschen seinen
besonderen Schutzengel zuordnete. Des weiteren folgert
er daraus, dass Friedrich mit seiner klösterliche Frömmig-
keit gewohnten Gemaldin wohl am meisten in seiner fast
schwärmerischen Religiosität sympathisiert haben möge,
im übrigen aber in seinen eheliclien und häuslichen Ver-
hältnissen nichts gefunden habe, was geeignet gewesen
wäre, die alten Wunden seines Herzens völlig auszuheilen.
Es ist richtig, dass von einem so herzlichen, innig-liebe-
vollen Verkehr, wie der durch zahlreiche Briefe belegte
zwischen seinem Bruder Albrecht und dessen zweiter
Gemahlin Anna war, zwischen ihm und Katharina sich
keine Spuren erlialten haben. Andererseits fehlt aber
absolut jede Andeutung vom Gegentheil, und es hätte
daher ein Mann wie Riedel, dessen Stimme ein so grosses
Gewicht unter den Historikern der Mark Brandenburg
und der HohenzoUernschen Familien>»;eschichte hat, billiger-
weise vorsichtiger in seinen Vermuthungen sein dürfen.
Darin, dass die Kurfürstin, als ihr Gemahl am 2. April
1470 zu Gunsten seines Bruders Albrecht abdankte und
schwer leidend nach Franken zog, in Berlin blieb, mit
Riedel eine Hindeutung auf „den IMangel eines nahen
innigen Verhältnisses der Kiirfürstin zu ihrem Gemahl
oder zu dessen Familie", „auf ein für den Kurfürsten
**) Riedel, D. 72. — Justus, Geneal. Signat. N.I. — Angelus,
Märkische Annalen 240.
*») Märkische Forschungen VI, 204.
184 G. Sello:
nicht besonders beglückendes Elicverliältnis" zu finden, ist
durchaus ungerechtfertigt. Lediglich ihr eigener Körper-
zustand, der ihr sowohl die Reise wie die Pflege des
kranken Gemahls unmöglich gemacht haben dürfte, war
die Veranlassung; seit Jahren war sie so krank, „dass
sie ihres Leibes in keinerlei Weise mächtig war zu be-
wegen". Bei dem Tode ihres Gemahls war sie nicht zu-
gegen. Kurfürst Albrecht zeigte ihr („der alten Frauen")
und ihrer Tochter Margaretha daher durch den mit be-
sonderem Kreditiv an sie gesandten Meister Hertmann
an, dass derselbe „von dieser Welt mit VerAvahrung der
heiligen Sakramente als ein christlicher Fürst und fast
bei Besinnung am Sonntag zu Nacht nach Apollonientag
(1471 Februar 10) zu Neustadt an der Eich verschieden
und zu Hellsbronn bestattet sei". Sie sollten getrost sein,
dass er sie sich getreulich befohlen sein lassen wolle, die
alte wie seine Schwester, die junge wie seine Tochter.
Ein Testament habe Friedrich nicht hinterlassen, was er
aber dem Beichtiger als seinen letzten Willen zu ver-
stehen gegeben, sei aufgeschrieben und solle ausgeführt
werden. Die verwittwcte Fürstin werde ihr Silbergeschirr
sobald wie möglich durch einen eigenen Boten zuge-
schickt erhalten.
Wegen ihres leidenden Zustandes bot Katharina
demnächst dem Kurfürsten, ihrem Schwager, die Abtret-
ung ilirer Leibgedingsschlösser an, dieser acceptierte das
Anerbieten und schrieb seinem Sohne: „es wäre nicht
billig, dass man sie zu Zeiten mit einer kleinen Zehrimg
liesse, und nit liebet, dass sie bei uns bleibe^")". Der
Vertrag kam am 11. November 1471 zu Stande. Die
Verzichtleistungsurkunde der Kurfürstin von diesem Tage
ist gedruckt bei Riedel (C. II, 55) nach einem Konzept
im königlichen Hausarchiv zu Bei'lin, in welchem die
ursprünglich aufgenommene Aussetzung einer Jahresrentc
gestrichen ist; die Gegenerklärung des Kurfürsten von
demselben Datum, welche wörtlich desselben Inhalts ist,
aber die Rente enthält, nach einem nicht näher bezeich-
neten Kopialbuch des kurmärkischen Lehnsarchivs bei
von Raumer (II, 4) und bei Burckhardt, „Das fünft Mer-
kisch buch" (p. 271) nach einer als Umschlag für dieses
Buch dienenden Pergamenturkunde, welche Korrekturen
von Markgraf Albrecht's Hand zeigt, also nicht vollzogen
*») Zeitschr. f. Preuss. Gesch. u. Landesk. 1882, p. 21, 26.
Katharina (Ileizogin von Saclisen etc.) und ihr Hans. 185
worden sein kann; die Art dieser Korrekturen ist aus
dem Abdruck niclit klar ersichtlich; sie bezogen sich
offenbar auf die Höhe der Berliner Urbede (114 Schock
statt 150) imd Hinzufügung' oder Streichung des Oder-
berger Zolles. Von Notifikatorien an die in Betracht
kommenden Städte ist vorhanden das an Treuenbrietzen
im Orioinal, dem die Namen der übrigen Städte mit der
Summe ihrer Urbede beigefügt sind, und das an Berlin-
Kölln in alter Abschrift*'). In der Überschrift, welche
der Herausgeber des Berliner Urkundenbuchs dieser Ur-
kunde gegeben hat, heisst es, dieselbe sei «ohne Datum
1471"; das Datum ist aber vollständig vorhanden: ^am
Tage Martini episeopi anno domini etc. LXX primo".
Ausserdem enthält die vorhergehende Nummer (244) des
gedachten Urkundenbuchs ein Redest ijanz derselben
Urkunde, entnommen aus Fidicin's historisch- diplomatischen
Beiträgen (IV, 286), in welchem aus der verwittweten
Kurfürstiu von Brandenburg „die Schwester des Kur-
fürsten (nändich Albrecht AchiU's), die verwittwete Her-
zogin von Sachsen" geworden ist; ferner steht ein Regest
der Haupturkunde des Kurfürsten, nacli von Raumer I, 5
(statt: II; 4) ohne Datum, unter Urkunden von 1476
(p. 448 no. 258). Der Kurfürst wies die seiner Scliwä-
gerin überwiesenen Städte an, ihr darüber Brief und
Siegel zu geben; eine bezügliche Urkunde der Stadt
Nauen ist vom 23. Februar 1472 *^).
Infolge des Vertrages erhielt die Kurfürstin statt
ihres Leibgedinges eine aus der Urbede der Städte Berlin,
Kölln, Bernau, Treuenbrietzen, Mittenwalde, Nauen, Treb-
bin und Stendal und dem Zolle zu Oderberg zu bestrei-
tende Rente von 510 Fl, freie Wohnung im Schlosse
zu Kölln und völlig freie Station tür sich und ihren auf
12 Personen festgesetzten Hofstaat zugesichei t. Die im
Detail ausgeführten Bestimmungen dieser Urkunde sind
für die Kenntnis der Sitten des ausgehenden 15. Jahr-
hunderts von grossem Interesse.
Die Fürstin beanspruchte und erhielt demnach für
sich ein „Fürstenessen" wie die regierende Kurfürstin,
für ihren Hofstaat, bestehend aus Hofmeister, Ilofmcisterin,
Jungfrauen, jMaiden, Knechten und Dienern, Verpflegimg
*') Riedel, C. II, 5«. — Berliner Urk.-L5. p. 445 no. 245.
") Riedel, C. III, 98.
186 G. Sello:
gleich dem Hofstaat der Kurfürstin; einen eigenen Keller
für ihr Getränk, zu welchem nur ihr Kellner den Schlüssel
haben soll; Lieferung von Wittenberger, Zerbster und
in der Mark gebrautem Bier nach Bedarf; als „köstlich
Getränk und zu ihren Ehren" jährlich ein Legel Mal-
vasier, ein Legel Rheinfall, ein Legel Welschwein, und
ausserdem bei der Residenz des Hofes in Kölln dasselbe
Getränk, wie es der „Herschaft" vorgesetzt werde. Ferner:
Tischtücher, Handtücher, Stablichte (eigentlich Fackeln
oder Windlichter, hier wohl besser Tafelkerzen), gewöhn-
liche Talglichte, Talg zum „Nachtstein" (Nachtlampe),
Brennholz für die Dornit^ (Wohnzimmer mit Kachelofen,
vielleicht die „grüne gewölbte Dornitz bei der Kapelle
oberhalb der Silberkammer", welche Kurfürst Friedrich
im April 1465 bewohnte)*^), freie Wäsche, Badegeld für
sich und ihren Hofstaat einmal in der Woche, und zwei
Wagenpferde mit einem Knechte, wenn sie in's Bad
fahre; alle vier Wochen für sich und ihr Personal je ein
Paar Schuhe, Ausstattung ihrer Jungfrauen im Falle ihrer
Verheirathung mit einer „Hofgabe" von 100 Gulden.
Schliesslich behielt sie sich noch den Patronat über die
Propstei zu Bernau vor.
Als der Kurfürst im März 1473 mit seiner Gemahlin
die Mark vcrliess, ordnete er u. a. an, dass, wenn sein
Sohn Markgraf Johann, der in der Mark als Statthalter
verblieb, heirathe und mit seiner Gemahlin das Schloss
zu Kölln beziehe, sein Hofstaat nur aus 100 Personen
bestehen solle, „dieweil die alt Frau (die Kurfürstin Ka-
tharina) lebt". Bei dieser Gelegenheit wird auch das
Dienstpersonal der verwittweten Kurfürstin mit Namen
aufgezählt: der Hofmeister Hans Spiegel, zugleich Hof-
meister der Prinzess Älargaretha, welcher auch die Thor-
schlüssel zum Schlosse in Verwahrung hatte und über die
Schlosswächter gesetzt war; der Kammerknecht Peter;
der Koch Meister Simon mit einem Knecht; der Schenk
Erhart; der Schneider Peter mit einem Knecht, die Fräu-
lein Ursula Hake und Katharina Wilmersdorf; die Kammer-
frau Anna Hesin; die Tischdiener (Pagen) Roder und der
Junge von Loben; der Kaplan Johann Pfuhl; die Diener
Liborius Wilmersdorf, Rennefart, Caspar, und ein Ofen-
heizer. Die mit ihrer Mutter im Schlosse lebende Prinzess
Margaretha hatte eine Hofmeisterin, 12 Jungfrauen und
») Riedel, C. I, 374.
Katharina (Herzogin von Saclisen etc.) und ihr Haus. 187
Mägde (darunter ihre frühere Amme Margarethe), 2 Pagen,
2 Diener und einen Zwerg namens Dietrich^*).
Diese Margaretha, von deren zahh'eichen vereitelten
Heirathsprojekten die Rede war, bereitete dem Kurfürsten
und ihrer Mutter viel Sorge und Verdriesslichkeiten, Im
Jahre 1473 war dieselbe mit Herzog Heinrich von Braun-
schweig verlobt. Es scheint fast, als sei sie von etwas
emanzipierten Sitten gewesen; denn zu den mancherlei
Anordnvmgen des Kurfürsten vor seinem Weggange aus
der Mark gehört auch, dass ihrem Hofmeister eingeschärft
wurde, sie überall hinzubegleiten und zu keiner Zeit
allein zu lassen, ihr auch keine besondere Wallfahrt oder
Kirchfahrt zu gestatten; sie solle damit liuhe geben, „bis
sie zu ihrem Gemahl kommt; mag sie danach Wallfahrt
und Kirchfahrt treiben nach ihrem Gefallen*^)".
Aber auch diese Heirath kam nicht zu Stande, weil
die Mitgift von 10000 Fl. nicht zu beschaffen war. Kur-
fürst Albrecht hatte seinem Bruder die Ausstattung Mar-
garetha's zugesagt"''^), verlangte aber die Erstattung der
Summe von den Ständen. Markgraf Johann, für dessen
knappausgestatteten Haushalt die Unterhaltung seiner
Tante und Cousine eine schwere Last war — er ent-
schuldigt seinem Vater oesjenüber einmal sein Defizit:
„angesehen dass wir eine schwere Bürde haben mit den
Frauenzimmern, die keinen Abbruch leiden wollen^')" —
gab sich alle Mühe, die Stände zu bewegen; auf ver-
schiedenen Landtagen betonte er die Pflicht des Landes
zur Ausstattung, das Alter der Prinzessin und die Mittel-
losigkeit ihrer Mutter, der „alten Frau"; aber alles umsonst,
denn es wurde als Gegenforderung die Aufhebung eines
vom Kurfürsten auferlegten, zur Deckung der von Fried-
rich H. eingegangenen Staatsscluilden bestimmten Zolles
verlangt. Beide Theile blieben fest; der Papst ertheilte
den erforderliclien Dispens (1473 Juli 21), der treue und
kluge Kanzler, Bischof Friedrich von Lebus, rieth selbst
dem Kurfürsten zur Nachgiebigkeit, da die Prinzessin auf
diese Weise unvcrmählt bleiben Averde „und sollte man
sie lauge" unterhalten, so wird sie in kurzen Zeiten wohl
so viel kosten, wie ihr jetzt mitgegeben würde"; die ver-
bitterte Margaretha beschwerte sich selbst bei ihrem Oheim
imd wandte sich um Verraittelung bittend an den Erz-
**) Riedel, C. H, 92, 9.^, 126 fljr. »») Riedel, C. H, 92.
*«) Riedel, C. I, 519. *») 1473 Juli 12. Riedel, B. V. 224.
188 G. Sello:
bischof von Magdeburg, doch vergebens. Wir besitzen aus
dieser Zeit und in dieser Angelegenheit v^-l^S, August 9)
einen Brief der vervvittweten Kurfürstin an ihren Schwager,
welcher ein trauriges Bild von der trüben Stimmung, dem
Herzenskummer und der Vereinsaiuung der hohen Frau
gewährt. Sie klagt, dass sich die Angelegenheit ihrer
Tochter so in die Länge ziehe, „das geht uns nahe zu
Herzen, und wir bekümmern uns heftig darum, und da
wir hier elend sind, und bei niemand, denn allein bei
E. L. Zuflucht, Hilfe und Rath wissen zu suchen, bitten
wir E. L. auf das beste, Ihr wollet unser Elend und Be-
trübnis ansehen imd pAich unsere Tochter befohlen lassen
sein, sie im Besten zu bedenken, dass sie versorgt werde.
Das wollen wir um E. L. gegen Gott verbitten" ^^).
Katharina starb am 23. August 1476, erst 55 Jahre
alt; sie erlebte es also nicht mehr, ihr Schmerzenskind
Margaretha mit Herzog Bogislav von Pommern vermählt
zu sehen ^^); es blieb ihr aber auch der Schmerz erspart,
den traurigen Verlauf dieser Ehe zu erleben, die schliesslich
dahin führte, dass gegen Margaretha der schwerste Vor-
wurf, der eine Frau treffen kann, nicht bloss erhoben,
sondern auch durch beschworene Zeuo-nisse imterstützt
wurde. Dass freilich diese Anklage in ihrer ganzen
Schwere habe aufrecht erhalten werden können, ist billig
zu bezweifeln, da Pommern schliesslich die von ihm ver-
weigerte Rückgabe der Mitgift der kinderlos verstorbenen
Margaretha im Jahre 1529 — so lange hatte der schmäh-
liche Prozess gedauert — zu leisten genöthigt wurde *^').
Von ihrer Familie, sicherlich im Einklang mit ihren
eigenen Neigungen, für das Kloster bestimmt, dann aus-
*«) Riedel, B. V, 215, 218, 234. Suppleni. 96. B. V, 228,
207, 231. C. Iir, 100.
"} Die Werbung ist vom 28. Febr. 1477 datiert, Riedel,
B. V, 2fi0; die Heirath erfolgte in demselben Jahre zu Prenzlau,
Riedel, Supplem. 130, der undatierte Morgengabe-Brief steht ]. o. 120.
Anlässlich der Verlobung wird erzählt, der Kurfürst habe dem Herzog
die Hand gereicht mit den Worten: ,, Lieber Oheim, hiermit verlehne
ich euch Land und Leute", Avorauf dieser mit den Werten: „nee,
Markgrof, dat is so nich gemeent; dar schulden ehr dree söwen
düwel dorch foahren" davongeritten und nur mit Mühe zur Umkehr
bewogen worden sei.
*•) V. Raum er II, 261, 307. Leu tinger, Topogr. prior,
p. .39, posterior, p. 83.
Katharina (Herzogin von Sachsen etc.) und ihr Haus. 189
erseheri; den durch das Rechten um die Habe zweier
Frauen ihres Hauses angefachten Hader zwischen den
Häusern Brandenburg und Sachsen beizulegen_, ein Werk-
zeug berechnender Hauspolitik, von ihrem Verlobten mit
dem Sehwert in dtr Hand ihren trotzigen Brüdern ab-
gerungen, wurde Katharina, statt Frieden zu stiften, nur
die schuldlose Ursache neuer Verwickelungen. Früh
des Stolzes der Mutter, ihrer Söhne, beraubt, in vielen
Hoffnungen getäuscht, durch schweres Siechthum geprüft
und vom fernen Sterbelager ihres Gatten zurückgeiialten,
in drückender Abhängigkeit am Hofe des neuen Kurfürsten
lebend mit dem schmerzlichen Bewustsein, durch ihre
Tochter Veranlassung des Zwiespalts zwischen dem Kur-
fürsten und seinem Lande geworden zu sein — dies Facit
ihres Lebens lässt dasselbe als ein freudloses, in seinen
höchsten Zielen verfehltes erscheinen und verleiht ihr in
der Geschichte den Ans])ruch auf den Titel der „Dulderin".
V.
Die Berka von der Duba auf Mühlberg.
Von
Hermann Knothe.
Die Geschichte der Berka von der Duba auf Mühl-
berg ist allerdings bereits bearbeitet worden^); allein eine
nochmalige Prüfung der betreffenden Urkunden, besonders
der im königlich sächsischen Hauptstaatsarchiv befindlichen^
bot so manches neue Material und so manchen neuen
Gesichtspunkt, dass eine abermalige und zwar wesentlich
genealogische Behandlung dieses aus seiner böhmischen
Heiniath nach dem Meissnischen verpflanzten Zweiges
jenes altberlünnten czechischen Herrengeschlechts nicht
überflüssig sein dürfte.
Die Berka oder, wie sie seit Mitte des 15. Jahr-
hunderts meist genannt werden, die Birken von der
') Hasche, Magazin der sächsischen Geschichte IV und V
(1787 — 1788): „Diplomatische Nachrichten von den Freyherren Birk
von der Duha, so die Herrschaft INIühlberg besessen". Der Ver-
fasser dieser für jene Zeit sehr gewissenhaften Aufzeichnungen, der
sich (V, 146) mit den Buchstaben J. G. B. unterschreibt, war der
Mühlberger Stadtschreiber Joh. Gottfr. Bottich. Er fügt seinen
in einzelne Paragraplien abgetheilten „Nachrichten" einige und
dreissig meist Mühlberger Archiven entnommene Urkunden voll-
ständig bei. — Carl Rob. Bertram, Chronik der Stadt und des
Klosters Mühlberg (Torgau 1865). Der Verfasser dieser sehr tüch-
tigen Lokalgeschichte hat auch das Dresdner Hauptstaatsarchiv theil-
weis bereits benutzt, behandelt aber der Anlage des ganzen Buchs
zufolge die Burka, diese eine unter den verschiedenen Dynasten-
familien, welche einst Mühlberg besessen haben, nur in gedräng-
tester Kürze. Auch er druckt in einem besonderen Anhange 38 Ur-
kunden, darunter mehrere über die Berka, ab.
Die Berka von der Duba auf Mühlberg. 191
Duba auf Holinstein hatten sich ebenso wie deren
Vettern auf Wildenstein und Tollenstein im nördlichen
Böhmen von jeher und namentlich wäln'end der lang-
jährigen Hussitenkriege für die meissnischen Fürsten als
Jiöchst unzuverlässige Grenznachbarn erwiesen'^). Die
feste, ja fast uneinnehmbare Burg Hohnstein war, sobald
sie sich einmal in den Händen offener Feinde befand,
eine stete, drohende Gefahr für das markgräflich meiss-
nische Pirna, ja selbst für Dresden, in noch höherem
Grade aber für die nahgelegene bischöflich meissnische
Residenz Stolpen. Endlich gelang es den gemeinsamen
Bemüliungen des Kurfürsten Friedrich des Sanftmüthigen
und des Bischofs Johann IV. von Meissen, den dama-
ligen Besitzer von Hohnstein, Hinko III. Berka, dahin
zu bestimmen, dass er diesen seinen angestammten Fa-
milienbesitz an den Kurfürsten abtrat und dafür von
diesem die Herrschaft Mühlberg an der Elbe übernahm.
Am 26, Februar 1443 Avaren zu Torgau zwischen
den kurfürstlichen Käthen, dem bischöflichen Offizial zu
Stolpen, Dr. Johann Swofi'heim, und dem Berka'schen
Hauptmann zu Hoimstein, Janko Knobloch, die Einzel-
bestimmungen dieses Tausch Vertrages vereinbart wor-
den. Den 8. März erklärte sich Hinko IH. mit all den-
selben einverstanden, und am 14. März stellten beide
Parteien, der Kurfürst Friedrich und dessen Bruder Herzog
Wilhelm in Meissen, Hinko Berka in Hohnstein die be-
trcflenden Abtretungsurkunden aus '^). Hinko erhielt ausser
der Herrschaft Mühlberg noch 570 Schock Groschen baar,
weil dieselbe „seinem Schlosse Hohnstein und dessen Zu-
ofeliörungen nicht gleich kommen mochte". In einer be-
sonderen Urkunde von demselben Tage ) sagten die fürst-
lichen Brüder Hinko Berka auch aller Geldschulden los,
erklärten „alle Brüche und Schelungen, die sich zwischen
ihnen und Hinko und all' den Seinigen in Fehden oder
sonst verlaufen, für gänzlich gesühnt und beigelegt", gaben
ihm die betreß'enden Schuldverschreibungen zurück und
enthoben seine Bürgen der für ihn eingegangenen Ver-
pflichtungen. Sollte er sein neues Besitzthum Mühlberg
*) Vergl. Knothe, Die Berka von der Duba auf Ilolnisteiu,
WiUleiisteiii, Tolleiistoin und ihre 15e/iehuugeu zu den meissnischen
Fürsten, in dieser Zeitschrift 11, lU.'J 11g.
*) Ilauptst.-Arch. Orig. G745, 0748 (abgedruckt bei Bertram
127), 6750.
*) Orig. 9749.
192 Hermann Knothe:
im Laufe der Zeit etwa wieder verkaufen oder versetzen
wollen, so stehe ihm dies frei; nur „Fürsten, Grafen,
freie iind geborene Herren" sollten als Käufer ausgeschlos-
sen sein; wenigstens wollten sich die fürstlichen Brüder
ihre Entschliessung vorbehalten, ob sie solchen Käufern
oder Pfandinhabern die Lehn darüber reichen würden.
Bei diesem Gütertausche waren aber auch noch die
eijjenthümlichen Rechtsverhältnisse zu berücksichtigen <i"e-
weseu; in welchen nicht nur das böhmische Hohnstein^
sondern auch das meissnische Mühlberg zur Krone
Böhmen standen. Zwar erklärte Hinko III. in seiner
Abtretungsurkunde, dass die neuen Besitzer von Hohustein
damit, als einem „freien, lauteren, ledigen, unbekümmerten
Eigen, wie Eigens-Landrecht ist", schalten könnten; allein
als 1353 Hinko I. Berka, sein Grossvater, diese Herrschaft
von Kaiser Karl IV. erhielt, und als sie später (1361)
durch Erbschaft an Hinko IL, des jetzigen Verkäufers
Vater, überging, war von dem Kaiser ausdrücklich hervor-
gehoben worden, dass dieselbe alle Zeit Lehn der Krone
Böhmen bleiben solle ^), und auch später war, soviel uns
wenigstens bekannt, diese Lehnsqualität niemals aufge-
hoben, Holmstein niemals in freies (landtäfliches) Eigen
verwandelt worden. Da nun zu befürchten stand, dass
man in Böhmen diese wichtige Grenzfestung gegen Meissen
nicht eben gern werde in die Hände der meissnischen
Fürsten übergehen sehen, so erklärten letztere in ihrem
Kaufbriefe: „Würde auch ein König, die Krone oder die
Herren im Lande zu Böhmen das genannte Schloss Hohn-
stein ganz oder theilweis ansprechen, so sollen wir Hinko
Berka und seine Erben unbeteidingt lassen, noch ihm dies
zum Argen wenden". Sie verlangten also nicht, dass er,
wie sonst üblich, das abgetretene Besitzthum auch zu
entvvähren habe. — Mühlberg dagegen war einst von
demselben Kaiser Karl IV. seinen damaligen Besitzern
abgekauft und 1370 der Krone Böhmen einverleibt, jedoch
von seinen Nachfolgern wiederholt an die Markgrafen
von Meissen verpfändet worden. Zuletzt hatte König
Siegmund von Böhmen und Ungarn, der dem damaligen
Markgrafen für allerhand ihm erwiesene Dienste 90000fi.rh.
schuldete, unter dem 29. August 1422 ^) nebst anderen
Schlössern im Voigtlande „auch das Schloss Mühlberg,
das ihnen jetzund zu Pfände steht", auf's neue dergestalt
*) Diese Zeitschrift II, 194. •) Orig. 5886.
Die Berka von der Duba auf Mühlberg. I93
eingeräumt^ dass sie und ihre Erben es pfandweise „inne-
haben, nützen, geniessen und gebrauchen" sollten, bis er
oder seine Erben Mühlberg und jene anderen Schlösser
mit obiger Summe „wieder einlösen" würden. Darum
schaltete jetzt Kurfürst Friedrich und sein Bruder Wil-
helm in ihre Abtretungsurkunde die Klausel ein: „Wäre
es auch, dass die Krone Böhmen oder ein zukünftiger
König von Böhmen [seit dem Tode Kaiser Albrechts II.
1439 bis zur Wahl seines Sohnes Ladislaus 1452 herrschte
Interregnum in Böhmen, und Georg Podiebrad leitete die
Regierungsgeschäfte nur als Verweser des Königreichs]
Schloss und Städte Mülilberg, als die auf uns in Wieder-
kaufs Weise gekommen sind, wiederum lösen und kaufen
wollen, dann wollen wir dem Hinko Berka ein andres
Schloss in unseren Fürstenthümern, das so gut ist wie
INlühlberg, einantworten". Demnach „währten" die säch-
sischen Fürsten ihrerseits dem Hinko Berka „diesen Kauf
nach Kaufsrecht", während sie eine gleiche Gewähr für
Holmstein von ihm nicht beanspruchten. Aus alledem
geht deutlich hervor, welch' lebhaftes Interesse sie daran
hatten, in den Besitz von Hohnstein zu gelangen. Und
in der That wurden durch diesen Tauschvertrag von 1443
die Grenzen des Meissner Landes auf die Dauer nach
Süden hin erweitert. Georg Podiebrad, der Verweser
von Böhmen, protestierte nicht gegen den Verkauf von
Hohnstein, erkannte vielmehr später, als König des Landes,
in dem Eger'schen Vertrage von 1459 dasselbe aus-
drücklich als ein böhmisches Lehn in sächsischem Besitze
an, und auch von dem Rechte, Mühlberg wieder einzu-
lösen, haben die böhmischen Könige niemals Gebrauch
gemacht.
Aber noch ein anderes Hindernis war zu beseitigen
gewesen, bevor der von dem Kurfürsten so sehr gewünschte
Gütertausch vollzogen werden konnte. Eben auf der
Herrschaft Mühlberg hatte Friedrich der Sanftmüthige
seiner Gemahlin Margarethe von Osterreich, der Tochter
Kaiser Friedrichs HL, „einiges Leibgedinge" verschrie-
ben gehabt. Daher inusste jetzt Margarethe durch eine
besondere Urkunde vom 14. März 1443 auf diese ihre
Rechtsansprüche verzichten '). Endlich galt es, Hinko
Berka durch hochangesehene Gewähr sbürgcn sicher
zu stellen, dass alle die ihm zugesagten Kaufsbedingungen
') H.-St,-A. Cop. 42 fol. 8.3.
Neues Archiv f. S. 0. u. A. VI. 3. 4. 13
194 Hermann Knothe:
von den meissnischen Fürsten gewissenhaft würden inne-
gehalten werden. Und so gelobten denn ebenfalls in
einer besonderen Urkunde vom 14. März die Bischöfe
Johann von Meissen und Johann von Merseburg, sowie
der Dompropst von Naumburg und von Meissen, Jo-
hann (aus) Magdeburg, ferner der Domherr Bernliard
von Kochberg, der Ritter Eckarius Schotte und Friedrich
von Maltitz dem Hinko Berka und seiner Frau Barbara,
jeder mit drei Pferden und zwei Knechten entweder nach
Dresden oder nach Luckau „einzureiten", falls die fürst-
lichen Verkäufer von Mühlbero- nicht bis zum nächsten
Johannistage die Herrschaft von allen etwa darauf haf-
tenden Verbindlichkeiten gegen Dritte befreit und dem
neuen Besitzer den vollen Ertrag derselben (170 Schock
Gr.) gesichert haben sollten *).
Nachdem alle diese mit grosser Umsicht entworfenen
Einzelbestiramungen von beiden Seiten genehmigt und
die Abtretungsurkunden ausgetauscht worden waren, sag-
ten den 15. April 1443 die Brüder Friedrich und Wil-
helm von Sachsen „Propst^ Mannen, Bürgermeister und
ganze Gemeinde der Pflege und Stadt Mühlberg" von
dem ihnen gethanen Eide und Gelübde los und wiesen
sie damit an den edlen Herrn Hinko Berka von der Duba.
Am 25. April aber reichten sie ihm und seinen rechten
Leibeslehnserben die Herrschaft Mühlberg „zu rechtem
Lehno;ut". Man war am kursächsischen Hofe mit dem
nun erledigten Geschäft sichtlich zufrieden. Den 9. April
1444 wurde dem neuen Vasallen und seiner Gemahlin
Barbara „durch sonderliche Gunst und Gnade" ^) auch
noch ein Fuder guten Weines aus den landesherrlichen
Kellern zu Meissen auf Lebenszeit verschrieben.
Dieser Barbara, schon 1434^^) als Frau Hinko's IIL
auf Hohnstein erwähnt, war, wie üblich, ihr Leibgedinge
auf der Herrschaft Hohnstein zugesichert gewesen. Des-
halb enthält auch Hinko's Kaufbrief die ausdrückliche
Erklärung, dass der Verkauf mit Barbara's gutem Wissen
und Vollwort geschehen sei und dass sie auf jede Ver-
schreibung wegen Leibgedinges oder sonst, die sie auf
Hohnstein oder dessen Zubehör besessen, verzichte; des-
halb hatte sie auch ihr Siegel an den Brief hängen
lassen. Dasselbe zeigt keinen Schild, sondern nur zwei
•) H.-St.-A. Cop. 42, fol. 87 b. ») Orig. C761, 67(52, 6808.
■0) Cod. dipl. Sax. reg. II, 3, 50 flg.
Die Berka von der Duba auf Mühlberg. 195
seukreclite und drei horizontale, die ganze Rundung aus-
füllende starke Striche, zu schmal, um als Pfähle und
Balken bezeichnet werden zu können, und in dem mittel-
sten so gebildeten Quadrate einen kleinen Ring, viel-
leicht auch eine Rose. Die Umschrift lesen wir: Bar-
bara Wvlltic.
So war denn seit 1443 Hinko III. Lehnsinhaber der
Herrschaft Mühlberg, in welcher einst (1388) sein Vater
Hinko II. „vollmäclitiger Statthalter" für König Wenzel
von Böhmen gewesen war^'). Noch aber waren ihm
auch Erbgüter in Böhmen verblieben, nämlich der dritte
Tlieil an der Herrschaft ToUenstein-Schluckeaau
und die Stadt Bensen. Ersteren Besitz muss er alsbald
(zwischen 1448 — 1451) ebenfalls an Kurfürst Friedrich
von Sachsen abgetreten haben; denn dieser vertauschte
ihn 1451 seinerseits wieder gegen die Herrschaft Wilden-
stein, welche bis dahin Albrecht Berka, dem Cousin von
Hinko III., gehört hatte ^^). Die Herrschaft Scharfen-
stein mit der Stadt Bensen hatte Hinko II. auf Hohnstein
1409 von Johann von Michelsberg erworben", bei der
brüderlichen Erbtheilung von 1410 war dieselbe auf
Hinko HL, den ältesten Sohn, übergegangen, der sie auch
1435 '■') noch besessen zu haben scheint, bald darauf aber
diesem durch Henico von Skal entrissen worden. Da
klagte endlich „Hinko von Duba und Bensen" gegen
letzteren. Dieser aber behauptete „Hynek genannt von
Scharfenstein" (d. h. Hinko III. auf Hohnstein) habe ihm
Burg und Stadt Schulden halber verpfändet und abge-
treten. Die Landesbarone entschieden den 11. Oktober
1437, dass Hinko von der Duba jenes Mitgiftsgut seiner
Mutter Juditli nicht habe verpfänden können, und dass
daher Heniko von Skal wenigstens die Stadt Bensen mit
Zubehör an Hinko von der Duba herauszugeben liabe^'*).
Wann und wie auch Bensen darauf in den Besitz der
Wartenberge auf Tetscheu übergegangen ist, vermögen
wir zur Zeit nicht anzugeben.
Aber auch in der Herrschaft Hohnstein hatte zwar
nicht Hinko 111. selbst, aber docii sein Cousin Albrecht
Berka auf Wildenstein noch ein Besitzthum. Hinko HI.
hatte nändich einst seiner Schwester Anna, der jetzigen
Witwe von Nikolaus Kolowrat, das Dorf Saupsdorf
") Orig. 40.35. '=>) Diese Zeitschr. II, 21.3 flg.
'*) Ebendas. 204. '*) Em 1er, Reliq. tab. regni Bob. 1, 106.
13*
196 Hermann Knothe:
überlassen und diese es später wieder an den oben-
erwähnten Albrecht Berka und seinen damals noch leben-
den Bruder Hinko wiederkäuflich abgetreten. Der Kur-
fürst aber wünschte jetzt, in seiner neuerworbenen Herr-
schaft alleiniger Herr zu sein. Da erklärte denn am
24. Dezember 1447 Hinko HL durch eine besondere
Urkunde, dass dem Kurfürsten das Recht, Saupsdorf
wieder einzulösen, unzweifelhaft zustehe, und sein eben
zu Mühlberg sich aufhaltender Neffe („itzund zu Molberg")
Jhan Kolowrat sprach ebenfalls durch eine Urkunde von
demselben Tage sein Einverständnis hiermit aus^*).
Die Herrschaft Mühlberg, die neue Heimath
der frühereu Birken auf Hohnstein, bildete den nörd-
lichsten Grenzbezirk des Markgrafthums Meissen gegen
das einstige Herzogthum Sachsen-Wittenberg. Sie hatte
mindestens seit Anfang des 13. Jahrhunderts den mäch-
tigen Herren von Ileburg (Eilenburg) "^), darauf seit
Mitte des 14. Jahrhunderts den Edlen von Querfurth,
als markgräfliches Lehn, gehört. Von diesen hatte, wie
bereits erwähnt, Kaiser Karl IV. sie erkauft und 1370
der Krone Böhmen einverleibt^'). Seitdem wurde sie
durch böhmische Hauptleute verwaltet, welche auch das
Recht besassen, die dasigen Vasallen in des Königs von
Böhmen Namen zu belehnen. Allein von 1393 an setzten
die Söhne Karls IV. sie zu wiederholten Malen den Mark-
grafen von Meissen für grössere oder kleinere 'Summen,
die sie denselben schuldeten, zum Pfände ein. Seit
1422 (S. 171) durften die Meissner Fürsten die Herrschaft
Mühlberg als ihr volles Eigenthum betrachten, wenn sich
auch König Siegmund von Böhmen das Einlösungsrecht
vorbehalten hatte.
Der Ertrag der Herrschaft hatte sich für die Besitzer
derselben im Laufe der Zeit sehr verringert, besonders
dadurch, dass 1228^^) die damaligen Inhaber, Otto und
") Orig. 7014, 7015. Dieser „John Colobrat" kommt bereits
den 25. Mai 1444, sowie noch den 11. November 1447 als Zeuge bei
seinem Onkel Hinko vor. Bertram 129. Schöttgen, Diplom.
Nachlese V, 168.
'") Vergl. Bertram 6 flg. v. Mülvers tedt, Diplomatarium
Heburgense (1877) 14 flg.
") Hoffma'nn, Script, rer. Lus. IV, 20.3 flg.
'*) Vergl. Kreyssig, Beiträge zur Historie der sächsischen
Lande I (1754), 107 flg.: „Dijilomatische Annales des Jnngfern-
Closters zu Mühlberg zum Güldenen Stern, Cistertienser Ordens".
Bertram 15 flg.
Die Berka von der Dul)a auf Mülilberg. 197
Botho von Ileburg-, ein Cisterzienserinnen-Kloster,
Marienstern (erst nach der Reformation: Güldenstern
genannt), gestiftet und diesem nicht nur die Pfarrei der
Stadt Mühlberg nebst all' ihren Einkünften und liegenden
Gründen, sondern auch die Stadtkirche selbst geschenkt
hatten. Sowohl die Stifter und ihre Nachkommen, als
auch deren zahlreiche Seitenverwandten hatten dieser «xe-
meinsamen Familienstiftung nach und nach zahlreiche Dorf-
schaften, einzelne Acker und AViesen, Renten etc. zugewen-
det; welche bei dem kirchlichen Sinne der damaligen Zeit
von den Landesherren meist auch dem Kloster ..geeignet",
also aus jedem Lehnsverbande gelost worden Avaren. Nur
das Schutzrecht über das Kloster war den Besitzern der
Herrschaft Mühlberg verblieben. Mitte des 15. Jahr-
hunderts gab es im ganzen Gebiete kaum ein einziges
Dorf, in welchem den Nonnen nicht wenigstens einige
Bauern, Zinsen, Wiesen gehört hätten. Daraus ergaben
sich natürlich unaufhörliche Händel, Kompetenz- und
Grenzstreitigkeiten theils mit den Herrschaftsbesitzern
selbst, theils mit deren Vasallen oder sonstigen Unter-
thanen.
Als Hinko IH. Berka 1443 mit Mühlberg belehnt
ward, wurden ihm nachstehende Güter überwiesen:
das geräumige, feste, mit doppeltem Walle, Gräben und
starken Mauern umgebene Schloss, desgleichen „die Städte
Mühlberg", d. h. die Altstadt und die erst in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene Neustadt, deren
jede noch im 16. Jahrhundert ihren eigenen Bürgermeister
und Ratli besass, ferner „die Zölle auf dem Lande und
dem AV asser" (der Elbe), die Ober- und Niedergerichts-
barkeit über Stadt und Herrschaft, selbst auf den Gütern
des Klosters, endlich folgende unmittelbar unter dem
Herrschaftsbesitzer stehenden Dörfer'^), beziehentlich
Dorfantheile mit all' ihren Zinsen, Diensten, Frohnen und
zwar a) auf dem rechten Eibufer: Stehla (Steel, Stele,
Stehel), Altbelgern (alden Beigern), Martinskirche (Mercz-
kirchen), Cossdorf (Castorff, Knstorff), Lehndorf (Leyen-
dorff), Langenrieth ( Langenryt, Langerit), Möglenz (Mo-
gelencz, Magelentz), Köttlitz (Cottelicz), Burxdorf (Bor-
kersdorff, Borgstorff), Cossilenzien (Kosselwicz, Kaselioitz),
'•) Wir verzeichnen dieselben in anderer Reihenfolge als im
Lehnbriefe und fügen den jetzigen Ortsnamen in Parenthese die
älteren, in den Urkunden vorkommenden Namensforraen bei.
198 Hermann Knothe:
Oschätzchen ( Oschatzchin, 0 seh sitzigen) ^ Kröbeln (Kro-
helin, Krobeln), Boragk, Fichtenberg, Zschepa (Cscheep,
Sczepp, Czepp) und Wissagk (?). Demnach erstreckte sich
die Herrschaft Mühlberg auf dem rechten Eibufer süd-
wärts bis unmittelbar gegenüber den auf dem anderen Ufer
gelegenen Städten Beigern und Strehla. Dazu kam noch
im äussersten Osten (zwischen Liebenwerde und Saat-
hain) „das Wal [d. h. die Burgstätte] Würdenhain, das
zu ewigen Zeiten nicht bebaut noch bezinnuert werden
soll" '^^), nebst den zu dieser ehemaligen Burg gehörigen
*") Die Burg Würden ha in bildete mit den vier hier aufge-
führten Dörfern und drei Waldungen im 13. Jahrhundert eine selb-
ständige Herrschaft (dominium), war aber von Kaiser Karl IV.,
ebenso wie die Herrschaft Mühlberg, angekauft, mit letzterer ver-
einigt und somit 1370 ebenfalls der Krone Böhmen inkorporiert
worden (Hoffmann, Script, rer. Lus. IV, 203 flg.). Mit Mühlberg
zugleich war sie später wieder an die meissnischen Fürsten ge-
kommen und von diesen nun als Lehn an Vasallen überlassen
worden. Eine Notiz bei Hasche VI, 88 besagt, das Schloss Würden-
hain sei 1420 zerstört worden, „weil sich der Besitzer gegen eine
Hofdame der zu Liebenwerde residierenden lüufürstin ungebührlich
erzeiget". Wenn auch das Jahr entschieden unrichtig ist, denn
damals waren die Markgrafen von Meissen noch nicht „Kurfürsten",
so kann die Thatsache selbst, nur in spätere Zeit und unter die
Regierung Friedrichs des Sanftmüthigen fallend, sehr gut auf Wahr-
heit beruhen. In diesem Falle wird der damalige Besitzer von Wür-
denhain, der am Hoflager des Lehnsherrn gefrevelt, Hans Mar-
schall gewesen sein. Der Kurfürst hatte den Frevler gefangen
gesetzt, dessen Lehngut eingezogen, das Schloss selbst zerstört und
befohlen, dass es nie wieder aufgebaut werden solle. Die Brüder
des Gefangenen hatten darauf dem Kurfürsten Fehde angekündigt
und dieser dafür ihnen auch ihre in Thüringen gelegeneu Lehngüter
entzogen. Als aber Hinko Berka jetzt wie mit Mühlberg so auch
mit Würdenhain förmlich belehnt worden war, hielten es die Ge-
brüder Marschall doch für zweckmässiger, mit dem Kurfürsten end-
lich ihren Frieden zu machen. Dies alles glauben wir einer Urkunde
vom 5. August 1443 (Orig. 6776) entnehmen zu dürfen, durch welche
die Brüder Gerhard, Hans, Jürge und Ludolf „Marschalke" erklären,
dass, nachdem die Brüder P'riedrich und Wilhelm von Sachsen Hans
Marschall „in Gefängniss" und die übrigen Brüder „in Schulden
und Forderungen eine Zeit bisher gehabt, sich auch ihrer Guter und
väterlichen Erbes unterwunden", sie, die Brüder, jetzt mit deu
Fürsten durch Freunde gütlich gerichtet und gesühnet worden seien.
Demzufolge war Hans nun aus dem Gefängnis entlassen worden und
gelobte, die sämmtlichen Länder der sächsischen Fürsten zu ver-
lassen und mindestens auf Jahr und Tag „in's Ausland zu reiten".
Würdenhain aber mit Zubehör, welches die Fürsten „in Zeit der
Fehde" an sich genommen, sollten dieselben geruhiglich behalten,
indem die Brüder Marschall sämtlich auf ihr Recht daran hiermit
verzichteten. Dafür seien ihnen von den Fürsten alle ihre väter-
lichen Güter in Thüringen wieder eingeantwortet worden. Zum
Die Berka von der Duba auf Mtihlberg. 199
Dörfern Würdenliain (Werdenhayn, Wirdenliayn)^ Heide
(die Heyde), Prieschkc (Brissigk, Prisshaio), Reiclienliain
(Richnmo), sowie den ebenfalls zugehörigen Waldungen
Zigrara (Czigram), Gliben (Khjwen) und „dem Eichwald
der Opach". — b) Auf dem linken Eibufer befanden
sich in unmittelbarem Besitz der Herrschaft Mühlberg
nur die Dörfer Staritz, Lücke (die Lücke, jetzt wüste
Mark bei Plotha) und Aussig (Vssigk).
An ritterliche Mannen waren 1443 ganz oder
zum Theil zu Lehn ausgethan a) auf dem rechten Eib-
ufer die Dörfer: Altbelgern (Lehnsinhaber Heinrich Breße-
wicz und Gebhard Filcz, Fielitz), Martinskirche (Peter
Hewne, Albrecht und Hans Mönch, Hans Trütschler,
Nickel Runge, Hans Breßewicz), Schweditz (Swelieticz,
Sweticz, Besitzer: Günther Kula), die Vorwerke Bor-
schitz (Borsewicz, Wendisch-Borschitz), Fichtenberg (Otto
Taupadel), Kreinitz (Kiinicz, Besitzer später Friedrich
von Schleinitz), — b) auf dem linken Eibufer: Pusch-
wdtz (Boscherwicz, Besitzer: Nickel von Köckeritz), Sta-
ritz (Conrad von Köckeritz und Caspar von Seydewitz),
Plotha (rioet, Hote, Besitzer Kune von Seydewitz), Ca-
vcrtitz (Kamcerticz, Besitzerin die Witwe des Christoph
von Turgaw und Drewus Franczsch), Oelzschau (Vlczsch,
Olsch, Alsch, Besitzer Friedrich von Weßenig), Klingen-
hain (Heinze Poyden), Batitz (Boticz, Boyticz, Besitzer
Heinrich von Köckeritz). — Ausserdem hatten die beiden
Höfe Drosch kau (Treßkow) und Packisch (Pockelrisch)
„Schulterzins", d. h. Fleischzins, zu entrichten.
Es war also ein stattliches Besitzthum mit festem
Schloss, zwei Städten, einer Menge von Dörfern, Wal-
Schluss geloben alle vier Brüder denselben rechte Urfehde. —
Hans Marschall selbst ward später wieder zu Gnaden aufgenom-
men. Der Kurfürst hatte ihn sogar zum „Landvogt zu Sachsen"
(d. h. im Kurkreise) gemacht und gab ihm „für die Schäden, die er
an Werdenhain, das er von dem Kurfürsten zu Lehn gehabt und
sein Erbe gewest ist", gehabt, das Schloss Brücke im Lande zu
Sachsen auf vier Jahre ein, wofür Hans „Marschalg" den 23. Fe-
bruar 145ä (Orig. 7418) nochmals auf alle Ansprüche wegen Würden-
hain verzichtete. — Die älteste Landesvermessungskarte von Sach-
sen, welche Mathias Oeder in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
aufgenommen hat (im Hauptstaatsarchive), bezeichnet den Platz der
ehemaligen Burg Würdenhain zwischen Cossilenzien und dem Röder-
fluss und setzt hinzu: „Alhie ein Haus gestanden, heist der Bnrgk-
waldt". Schon damals also verstand man den Ausdruck „das Wal"
(nicht: der Wall) d. h. die [Burg-] Stätte, nicht mehr, sondern er-
klärte sich denselbeu durch [Burg-]„Wald".
200 Hermann Knothe:
dungeii; fruchtbaren Werdern, einer zahlreichen „ehrbaren
Mannschaft" und 170 Schock Groschen jährlichen Ein-
künften, welches Hinko III. Birke von der Duba jetzt
im Meissner Lande sein Eigenthum nennen durfte. Als
bisher zum böhmischen Herrenstande gehörig, wurde ihm
auch von den neuen Landesherren das Prädikat „Er",
alsbald sogar das noch höhere „Herr" zu Theil, und
während er anfangs in den von ihm selbst ausgestellten
Urkunden nur die erste Person des Singular („Ich
Hinko etc.") gebraucht hatte, bediente er sich alsbald (1447)
regelmässig des pluralis majestaticus („Wir Hinko etc.").
Obgleich ständig in jNlühlberg wohnend, hielten sich die
Birken stets einen „Vogt" zur Erledigung von mancherlei
Geschäften, der aus der Zahl ihrer Vasallen genommen
war*').
Wie sich gebührte, ward nun in dem neuen Besitz-
thum auch der Gemahlin des Besitzers ein entsprechendes
Leibgut gesichert. Und so reichte den 28. Februar 1444^^)
Kurfürst Friedrich „der edlen Frau Barbara" die Dörfer
Cosdorf, Zschepa, Fichtenberg, Boragk, sowie 11 Schock
Groschen von dem Geschoss in den beiden Städten Mühl-
berg, 1 Schock von der Fähre, eine Wiese bei Borschitz
und den Wakl Zigram zu Leibgedinge.
Die erste öffentliche Handlung, die wir von dem
neuen Herrschaftsbesitzer kennen, ist eine kirchliche
Stiftung. Er schenkte nämlich am 25. Mai 1444 ^^) dem
Pfarrer zuWürdenhain und dessen Amtsnachfolgern
eine Wiese nebst einem „Horst", wofür diese jeden Sonn-
tag in der Kirche „vom Predigtstuhl aus" der Seelen
sowohl des Schenkgebers als dessen Frau gedenken sollten.
Sonst sind es nur einige lehnsherrliche Akte, welche wir
von ihm erfahren. So gab er den 8. Januar 1447 Gunst,
dass das Kloster zu Mühlberg von einem gewissen Kunze
Voit gegen Überlassung des Vorwerks „Koten" „die halbe
Fähre über die Elbe" ertausche, wofür dasselbe aber
jährlich 1 Schock guter Groschen an die Herrschaft und
ebenso 1 Schock an den Kalandaltar in der Pfarrkirche
der Stadt entrichten solle ^*). So belehnte er 1447 Jakob
Miezsch, Bürger zu Beigern, mit einem Werder und
") Ihre Reihenfolge bei Hasche V, 138. Bertram 14.
") Cop. 42, fol. 2.31b.
") Schöttgen, Diplomatische Nachlese V. 168.
**) Chartularium monasterii in Mühlberg. Handschrift des
Hauptst.-Arch. Loc. 8957 (nicht paginiert).
Die Berka von der Duba auf Mühlberg. 201
etlichen Wiesen bei Köttlitz, welche dieser von Georg
Radestock erkauft hatte; so genehmigte er 1451, dass sein
Vasall Hans Mönch zu Martinskirche gewisse Güter zu
einem Salve regina in der Pfarrkirche zu Neustadt Mühl-
berg dem Kloster überweise '^); so reichte er 1452 Hansen
von Bibra verschiedene Güter (Schweditz etc.) zu Lehn*®).
Wir wissen nicht, weshalb die Brüder Nickel, Gabriel
und Hans Steinbach und „Junge von Schönfeld zu Gleßyn(?)"
in des Kurfürsten Lande und auf dessen Leute eing-e-
fallen waren und auch „gegen den edlen Ern Hincke
Bircke verhandelt" hatten. Letzterer hatte darauf die
Strassenplacker „zu Gefängnis gebracht" und Hess sie bei
ihrer endlichen Freilassung (17. April 1449) Urfehde
schwören*^).
Sonst erfahren wir noch, dass er am 24. und am
29. April 1447 einer Einigung mehrerer Bischöfe, Grafen,
Ritter und Städte zu Naumburg beitrat, welche zwischen
Kurfürst Friedrich und seinem Bruder Wilhelm von
Sachsen vermitteln und die zwischen ihnen ausgebrochene
Fehde beilegen wollte*^), und dass ihm 1451 Johann
von Bergow und Trosk sein Erbe zu Chlumec in Böh-
men verpfändete*'').
Hinko in. Birke von der Duba muss zwischen 1452
und 1454 gestorben sein'"), nachdem er seit 1410 Herr
auf Hohnstein, seit 1443 Herr auf Mühlberg gewesen war.
Noch am 12. April 1452 hatte er nebst „seinen Söhnen
Hans, Henigke und Albrecht" dem Kloster zu Mühl-
berg 1 Schock jährlichen Zinses auf der Fähre daselbst
um 10 Schock wiederkäuflich überlassen^'). Am 6. März
1454 aber Hess „der edle Hans Birke, Herr zu Mühl-
berg" seiner Gemahlin Margarethe gewisse Güter „seines
väterlichen Erbes, die ihm zu seinem Tlieil zugefallen",
durch Kurfürst Friedrich zu Leibgedinge reichen ''').
Allein dieser Hans L muss bereits vor 1457 gestorben
sein, denn am 3. Februar 1457 ^^) verkauften „die ehe-
lichen Brüder" He nicke (Hinko IV.) und Albrecht
") Hasche IV, 404, 407. Bertram 129. ") Orig. 7240a.
*') Orig. 7081. ='») Staatsarchiv Magdeburg, Erfurt A. 87 u. 90.
»») Diese Zeitschr. II, 209.
*") Bertram 12 setzt seinen Tod erst vor 1462, Hasche IV,
413 gar erst vor 1478; beide kannten die sofort zu erwähnenden
Urkunden von 1454 und 1457 noch niclit.
*') Chartulariuiumonasterii in Mtililberg. **) Cop. 44, fol. 217.
") Notarielle Abschrift von 1492. Orig. 7518.
202 Hermann Knothe:
Birken von der Duba, Herren zu Mülilberg, dem Kloster
1^/2 Schock und 3 ''2 Grosclien Jahreszins auf dem Dorfe
Aussisj um 30 Schock Groschen, jedocli auf Wiederkauf.
Ein diesen Brüdern ausgestellter Leimbrief ist nicht be-
kannt. Ihres verstorbenen Bruders Hans o^leichnamio-er
Sohn Hans H. war damals jedenfalls noch nicht mündig.
Erst am 23. März 1463 '*) reichte Kurfürst Friedrich der
Sanftmüthige auf Ansuchen seiner „lieben Getreuen, Ern
Hincke und Ern Albrecht Birke von Duba, Gebrüder",
nicht nur „dem edlen Ern Hansen Birke, ihrem Vetter,
Ern Hansen, ihres Bruders seligen Sohn, den dritten
Theil der Herrschaft Mühlberg, so der genannte sein
Vater auf ihn gebracht", sondern auch ihnen selbst (aufs
neue?) ihre Antheile und zwar allen dreien als Ge-
samtlehn.
So war denn seit 1454 Schloss und Herrschaft Mühl-
berg in drei Antheile getheilt. Allein alsbald starb auch
Hinko IV. und zwar wohl unverheirathet; wenigstens wer-
den von ihm weder Kinder noch Witwe erwähnt. Sein
Drittheil fiel an seinen nächsten Blutsverwandten, seinen
Bruder Albrecht. Und so belehnten den 28. Januar 1465'*)
die Brüder Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sach-
sen „den edlen Ern Albrecht und Ern Hansen Bir-
ken von der Duba, Gevettern" aufs neue und zwar mit
der Bestimmung, dass, falls Albreclit ohne rechte Leibes-
lehnserben sterben sollte, seine „zwei Theile" an Hans fallen
sollten, doch unbeschadet des Leibgedinges von Anna,
Albrechts Gemahlin. In der That war vmd blieb auch
Albrecht kinderlos. Am 17. Juli 1478 *'') wurden ge-
wisse Streitigkeiten zwischen den beiden Vettern Birke
einerseits und dem Propste zu Mühlberg andrerseits durch
die Herzöge Ernst und Albrecht von Sachsen und den
Bischof Johann von Meissen entschieden, und am 2. August
desselben Jahres*') gab Albrecht Birke seine Genehmig-
ung, dass sein Vetter Hans dem Priester Michael Nolder,
Altaristen am St. Wolfgangsaltar zu Leisnig, und dessen
Amtsnachfolgern 20 fl. Zins auf dem Dorfe Köttlitz (das
also zu Hansens Antheil gehörte) verkaufen könne.
") Orig. 7772. Bertram 12 hält diesen Haus I. für einen
noch in der Gegend von Hohnstein ansässigen Bruder von Hinko IH.
") Orig. 7848.
") Orig. 8346. Hasche IV, 409. Bertram 130.
") Orig. 8349 b.
Die Berka von der Diiba auf Mühlberg. 203
Bald darauf (also wohl 1479) muss Albrecht Birke
gestorben sein ^*). Er hinterliess eine Witwe, Anna
geborne von Ileburg^*^), M'-elche, wie aus der obigen Bc-
lelmungsurkunde von 1465 erhellt, schon damals mit Leib-
gedinge versehen war, welches aber den 16. Dezember
1467 ^'*) erneuert und bis auf „die Hälfte aller und jeg-
licher Güter" ihres Mannes in der Herrschaft Mühlberg
vermehrt wurde. Sie wohnte in ihrem Antheile des
Schlosses, bis sie sich (vor 1484) mit Christoph (von)
Pfaffenberg*') auf's neue verheirathete, und besass
unter anderem ein Drittheil aus dem Ertrage der Fischerei
im Kuna'er See und einen xlntheil am „Achtwerder", den
sie 1507 gemeinschaftlich mit ihrem zweiten Manne um
700 fl. rli. der Gemeinde Aussig verkaufte *'■'). Trotz
ihrer zweiten Ehe verblieb ihr all' ilir Leibgut und heisst
sie noch immer „Frau zu Mühlberg". Erst nach ihrem
Tode ward ihr bisheriges Leibgedinge durch Herzog
Georg von Sachsen den 12. Februar 1512 *^) der Gemahlin
Hans IL, des nunmehr alleinigen Besitzers der ganzen
Herrschaft Mühlberg; ebenfalls als Leibgut gereicht.
Verstorben war sie vor 1510**), in welchem Jahre auch
*') Die Angabe bei Hasche IV, 582, dass derselbe schon 1440
bei der Eroberung der Burg Rathen an der Elbe betheiligt gewesen
sei, beruht anf einer Verwechselung desselben mit einem anderen
Albrecht Birke, Herrn anf Wildenstein, Cousin des Albrecht auf
Mühlberg. Vergl. diese Zeitschr. II, 205 flg.
^«) Nach M ü 1 V e r s t e d t, Diplomat. Ileburgense I Stammtafel III,
war sie die Tochter des Botho von Ileburg auf Sonnenwalde, der
1480 — 1481 starb. Nach Hasche IV, 582 dagegen stammte sie aus
dem Hause Liebenwerde. Aus der Urkunde bei Mülverstedt a. a. 0.
457 geht nicht deutlich hervor, wer ihr Vater gewesen sei.
*») Dazu gehörte „auf dem Schlosse das Haus mit den Ziegeln
ausgeschlagen auf der linken Hand, als man zu dem Schlosse hinein-
geht, mit der steinernen Kemnate, dem Keller darunter und dem
Gebäude darunter, und die Gebrauchung des Thurmes und der
Kapelle, auch die Hälfte an dem Borne auf dem Schlosse", ferner
die Hälfte von zwei Vorwerken, „die alte Stadt Mühlberg mit ihren
Zugehörungen und Gerichte", die vier gar.zen Dörfer Zschepa,
Lehndorf, Boragk, Oschätzchen mit Zinsen, Gerichten etc. und fol-
gende „ehrbare Mannschaft", Hans Moncli zu Martinskirche, Fried-
rich von Wessenig zu ültzschau, Georg von Seydewitz zu Plotha.
Cop. 59, fol. 512 b.
*') Nach V. Mülverstedt a. a. 0. Stammtafel HI war der-
selbe auf Aussig gesessen. Wir haben vergeblich nach irgend
welcher Nachricht über ihn geforscht.
**) Orig. 8541 (abgedruckt bei Bertram 133). Hasche IV,
427, 518. Bertram 137.
") Orig. 9929. ") v. Mülverstedt a. u. 0.457.
204 Hermann Knothe:
für sie („Anna Berkhin, die eine Frau zu Mülilberg ge-
wesen ist") Meraorien gestiftet wurden.
Durch den kinderlosen Tod seiner beiden Onkel war
also Hans IL Birke alleiniger Inhaber von Mühl-
berg geworden. Als solcher wurde er zuerst am 11. Ja-
nuar 1480 durch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht,
darauf nach erfolgter Theilung der sächsischen Länder
am 27. Juli 1486 bloss durch letzteren, und nach dessen
Tode am 15. Juni 1501 durch dessen Sohn und Nach-
folger, Herzog Georg, auf's neue belehnt*^). Was uns
von seinem immerhin noch dreissigj ährigen alleinigen
Walten in der Herrschaft Mühlberg bekannt worden ist,
berichten wir nicht in streno- chronolo<»;ischer Aufeinander-
folge, fassen es vielmehr unter gewisse gemeinsame Ge-
sichtspunkte zusammen.
Vielleicht geschah es, um die mancherlei mit der
feierlichen Bestattung seines Onkels und mit seiner eignen
Neubelehnung verbundenen Kosten zu begleichen, dass
er (den 7. Februar 1480) ein Kapital von 600 fl. rhein.
von Hieronymus AmstorfF ,.jetzt zu Torgau'' aufnahm und
ihm dafür 36 fl. rh. Jahreszins auf der Stadt Mühlberg
und anderen seiner Lehngüter verschrieb^®). Sonst
erfahren wir nichts von Geldverlegenheiten. Wohl nur
auf besonderen Wunsch der Dorfgemeinde zu Aussig ge-
schah es, dass er zuerst (14. Februar 1491) 10 fl. rh.
Zins auf zwei „Kabeln" (ein Wiesenmass) in dem unAveit
des Dorfes gelegenen „Achtwerder" um 115 fl., desgleichen
1 Schock 33 Gr. Zins im Dorfe Aussig selbst um 30 fl.
dem Kloster wiederkäuflich überliess und später (am
23. Juni desselben Jahres) 4';4 solche Kabeln für eine
gewisse Baarsumme und einen Jahreszins von 1 Schock
20 Gr. von jeder Kabel der dasigen Gemeinde selbst
„eingab", sowie endlich den 15. Mai 1508 auch den
übrigen, ihm noch zuständigen Antheil an dem Acht-
werder bis auf einen Jahreszins von 10 Schock 20 Gr.
derselben überliess*').
Von Lehnbriefen, die Hans IL seinen zahlreichen
ritterlichen Vasallen bei Besitzwechsel dei- betrefl'endcn
Güter als Lehnsherr ausgestellt, hat sich, wie es scheint,
keiner erhalten. Von Gunstbriefen erfahren wir nur,
dass er 1493 seinem Lehnsmanne Seifried Bruckschlegel
ö
") Bertram 131. Orig. 8623. 9416. *«) Orig. 8395,
*') Orig. 8875. Ha seh e IV,515. Bertram 136. HaschelV,519.
Die Berka von der Duba auf Mühlberg. 205
gestattete, das Vorwerk Klingenhain an die Gemeinde
Paussnitz zu verkaufen, dass er 1496 dem Jakob Miezscli
zu Beigern erlaubte, einen Werder und gewisse Wiesen
bei Köttlitz an mehrere Bürger von Mülilberg zu ver-
äussern ^^), und dass er 1518 den Brüdern Mönch auf
Martinskirchen veigönnte, 6 fl. rh. Jahreszins auf diesem
und andern ihrer Güter an das Domkapitel zu Witten-
berg wiederkäuflicli zu verkaufen ^^).
Häufig hatte er Streitigkeiten, zumeist wegen Weide-
berechtigungen, theils zwischen einzelnen seiner Vasallen,
theils zwischen diesen und ihren oder fremden Guts-
unterthanen zu entscheiden. So „schied" er 1485 die
Gebrüder Hans und Christoph Mönch auf Martinskirche
mit den Gemeinden Lehndorf und Hohendorf, 1492 die
Stadt Mülilberg mit der Gemeinde Boragk, 1494 Christoph
von Bibra auf Schweditz mit dem Kloster, Bürgern von
]\lühlberg und der Gemeinde Mertitz *" ), 1502 das Kloster
wegen seines Kretschams zu Stehla und Johann Thoss
auf Altbelgern wegen Bierschanks, und an demselben
Tage auch Unterthanen zu Martinskirche und Altbelgern
mit einigen Bürgern wegen Hutung zu Bressnitz, 1503
Klosterunterthanen zu Treptitz mit Georg Preuss auf
Cavertitz, 1514 Georg von Seydewitz auf Plotlia mit der
Gemeinde Köttlitz, in demselben Jahre auch denselben
Georg von Seydewitz mit Hans von Wessenig auf Olzschau,
endlich 1518 abermals denselben mit Klosterunterthanen
im Dorfe Seydewitz^').
Bisweilen aber hatte Hans Birke auch selbst Strei-
tigkeiten und zwar fast ausschliesslich mit dem Kloster
zu Mühlberg und dessen anspruchsvollen Pröpsten. In
solchen Fällen mussten die Landesiierrcn durch ihre Käthe
die streitenden Parteien vergleichen oder entscheiden
lassen. So handelte es sich 1489 um die Grenzen zwi-
schen Borschitz und Mertitz, um die Fischerei im Kuna'er
See, um Jagdberechtigung, um Obergerichtsbarkeit auf
mehreren Dörfern und Feldern, endlich um den Bierschank
auf der Propstei, 1494 dagegen um die Badestube zu
Mühlberg, um die Zugehörigkeit der wüsten Mark Wen-
disch-Borschitz und sonstige Lchnbefugnisse, und im
* «) Hasche IV, 522, 5.'52, 579. B e r t r a in 1 39.
*») Hasche IV, 448.
*») Bertram 134, 137, 138. Hasclie IV, 520.
»') Hasche V, 92, 94. Bertram 143, Orig. 1016G.
206 Hermann Knothe:
Jahre 1509 um nicht weniger als 15 verschiedene Punkte ^^).
Ausserdem ist uns nur noch eine Entscheidung wegen
der Grenzen zwischen Mühlberg und Saathain (148S)
vorgekommen ^^).
Den Bürgern seiner beiden StädtC; Altstadt und
Neustadt Mühlberg, erwies sich Hans Birke stets als einen
wohlwollenden, ihr geistiges wie leibliches Woiil im Sinne
jener Zeit fördernden Herrn. Dem Kloster zwar scheint
er nicht eine einzige Stiftung zugewendet zu haben.
Allein seinen kirchlichen Sinn bezeigte er durcli seine
lebhafte Betheiligung an dem Wiederaufbau der einst von
den Hussiten eingeäscherten Frauenkirche, seit Gründ-
ung des Klosters der eigentlichen Pfarrkirche für beide
Stadtgemeinden. Zumal der Thurm wurde hauptsächlich
auf seine Kosten neu aufgeführt. Unter einem Fenster
desselben erblickt man noch heute sein und seiner Ge-
mahlin Familienwappen. Die erst 1525 erfolgte Voll-
endung des gesamten langjährigen Kirchenbaues hat er
nicht mehr erlebt- — 1506 ^*) gründete er „zur Seligkeit
der Seelen seiner Aeltern, seines Weibes und seiner eig-
nen" ein neues Hospital in der Altstadt, in welchem
sieben arme Leute vollen Unterhalt finden, und welches
von zwei Vorstehern unter Aufsicht des ßathes verwaltet
werden sollte. — 1516 gestattete er beiden Stadto^emein-
den, aus seinem Steinbruche zu Klingenhain Steine
„zu ihrer Nothdurft zu brechen"; 1517 konfirmierte er
die Innungsartikel der Schuhmacher und wirkte 1519
von Herzog Georg von Sachsen, als dem Landesherrn,
die Bestätigung eines von ihm eingerichteten Jahrmarkts
und ausserdem noch eines Viehmarkts zu Mühlberg
aus**).
Bei seinen mehrfach wechselnden Landesherren
stand er in hohem Ansehn. Mindestens seit 1489 gehörte
er, worauf unseres Wissens bisher noch nicht hingewiesen
worden ist, zu deren „Räthen". Auch als solcher Rath
behielt er zwar seinen ständigen Aufenthalt zu Mühlberg;
aber oftmals erging an ihn die Weisung, entweder sich
an dem herzoglichen Hoflager einzustellen oder (meist in
Gemeinschaft mit anderen Räthen) sich da- oder dorthin
in diplomatischer Sendung zu verfügen. So ward er
") Hasche IV, 425, 529. V, 42. Bertram 1.S5, 1.S8, 141.
Orig. 9826. ") Hasche IV, 422.
") Hasche V, 39 titr. Bertram 140 flg. 47 flg.
") Hasche V, 97, Too, 101. Bertram 144, 141.
Die ßerka von der Duba auf Mühlberg. 207
1496^®) zu einem „Tage" mit Markgraf Johann von
BrandenLurg, den Herzögen von Liegnitz und anderen
Ständen und Städten Schlesiens und der Niederlausitz
abgeordnet; so half er 1497*^) einen Eezess zwischen
Kursachsen, Meissen und Brandenburg wegen des Domes
zu FürstenwaJde vereinbaren; so 1498 das Kloster Alt-
zelle und ]\rarschall von Biberstein wegen des Eigenthums-
rechtes über einen Werder bei Grossschirma entscheiden;
so ward er (den 8. Oktober) 1500 auch zu der vorläu-
figen Beisetzung des Herzogs Albrecht von Sachsen
(12. Oktober) nacli Meissen entboten*®).
Er war (mindestens bereits 1484) vermählt mit Agnes,
der Tochter des herzoglich sächsischen Obermarschalls
Hugold von Schlei nitz ^'*) auf Kricbstein etc. (gestor-
ben 1490). Wohl diesem seinem am Hofe Herzog Alb-
rechts sehr einflussreichen Schwiegervater hatte er auch
seine Ernennung zum herzoglichen Käthe zu verdanken.
Durch seine Gemahlin ward er der Schwager Heinrichs
von Schleinitz, M^elcher seit 1472 herzoglicli sächsischer
Vogt in der Herrschaft Hohnstein gewesen war, imd für
welchen darauf 1481 dessen Vater von Kurfürst Ernst
und Herzog Albrecht die Herrschaft Tollenstein-Schlu-
ckenau erkaufte""), und welcher 1497 selbst Obermarschall
am Hofe des letzteren wurde und diese Stellung auch
unter dessen Sohne und Nachfolger, Herzog Georg, be-
hielt. Die Ehe Hans Birkens war ebenso kinderlos ge-
blieben, wie die seiner beiden Onkel. Die Herrschaft
Mühlberg musste daher bei seinem Tode an die Lehns-
hand zurückfallen. Kein Wunder, dass er bemüht war,
seiner Gemahlin wenigstens ein möglichst stattliches Leib-
gedinge zu sichern. Schon 1484*^') liess er ihr als
solches verreichen den Theil des Schlosses Mühlberg, den
bisher Anna, die Witwe seines Onkels Albrecht, inne-
gehabt hatte (S. 182), ferner das Vorwerk bei dem Schlosse
mit seinen Ackern und Wiesen, den Dienst von dem
") Orig. 9142. ") Riedel, Cod. Brandenl). A. XX, .313.
=*») Orig. 9272. Cop. lOG, 00.
*») Das an die Herrschaft Miihlherg grenzende Rittergut Saat-
haiu gehörte einer nah verwandten Linie derer von Schleinitz.
*°) Diese Zeitschr. II, 235. Über die Besitzungen lieinriclis
von Sclileinitz in .Böhmen und der Obi'rlausitz, vergl. Knothe,
Geschichte des Schleinitzer Ländchens , Ijausitz. Magazin 1862,
401 flg.
«') Orig. 8541. Bertram l.'i.S. Die Jain-eszahl 1482 bei
Bertram 12 ist jedenfalls bloss Druckfehler.
208 Hermann Knothe:
Klosterhofe zu Dröschkau, närahch einen Wagen mit
vier Pferden, samt dem Schulterzins (S. 178), desgleichen
den Eichwald Gliben, den dritten Theil von dem Walde
Zigram (S. 178) und von dem Zoll und dem Geleite zu
Mühlberg und zu Oschätzcherij den Schlosswerder, eine
„Kabel" im Achtwerder und folgende fünf ganze Dörfer:
Würdenhain, Prieschke, Heide, Cossdorf und Langenrieth
samt allem Zinse und Diensten, sowie dem Ertrage aus
der Ober- und Niedergerichtsbarkeit, endlich soviel ihr
Gemahl Hans an den Dörfern Fichtenberg und Burxdorf
besass. Dieses Leibgut vermehrte er noch, indem er ihr
den 13. Januar 1498 *'^) „die Hälfte des Schlosses Mühl-
berg" und das Vorwerk Borschitz „zu rechtem Leibgut
reichen" Hess, wobei er aber, um sich selbst eventuell das
Anrecht auf diese Güter zu wahren, „nach Gewohnheit
des Landes mit ihr wieder an die Lehn griff". Als, wie
oben (S. 182) erwähnt, vor 1510 seine Tante Anna ge-
storben war, reichte den 26. Februar 1512'^') Herzog
Georg auf Bitten des Hans Birke dessen Gemahlin „zu
ihrem vorigen Leil)gut" auch noch die Dörfer Zschepa
und Boragk samt Diensten, Gerichten und folgenden
Zinsen: 25 Schock 5 Gr. Geld, 39 Scheffeln Korn,
73 Scheffeln Hafer, 1 Schock und 12 Hühnern^ 7 Schock
Eiern und einem Kalbe, sowie (an demselben Tage) auch
noch den Keulenwerder bei Mühlberg und den Antheil
von Altbelgern, welcher durch Absterben der bisherigen
Leimsinhaber, „der Tewsen" (Thoss), an Hans Birke
zurückgefallen war. Hierzu kam den 23. November 1513
auch noch ein Weinberg hinter dem Kloster bei dem
Hasenbusche ^^). Zu welchem Zwecke der Agnes Birke
1509 *^^) ledige Kornböden auf dem landesherrlichen Schlosse
in Grossenhain zum Ausschütten von Getreide bewilligt
wurden, wissen wir nicht.
„Am Neujahrsabende 1520", d. h. also jedenfalls: am
31. Dezember 1519, starb Hans II. Birke von der
Duba, und in ihm zugleich der letzte Spross der Birken
nicht bloss von der Nebenlinie Mühlberg, sondern von
der ganzen, einst viel verzweigten Hauptlinie Hohnstein,
von welcher zuerst 1424 mit Hinko Hlawatsch die Neben-
linie Leipa, sodann vor 1457 mit Johann (Hansens Gross-
onkel) die Nebenlinie Kreibitz erloschen war. Von ßenes
«») Orig. 9228. ") Orig. 9929. «*) Orig. 9930, 9997.
") Cop. 110, fol. 194.
Die Berka von der Duba auf Mühlberg. 209
und Christoph, den Söhnen von Albrecht Birke, aus der
Nebenlinie Wildenstein (Andergeschwisterkind von Hans II.),
welche 1495 erwälmt werden, haben wir wenigstens weiter
keinerlei Kunde erlangen können ^*^).
Durch den Tod von Hans Birke fiel die gesarate
Herrschalt Mühlbei'g, soweit sie nicht an seine Witwe
zu Leibgedinge gereicht war, an den Lehnsherrn, Herzog-
Georg von Sachsen, zurück. Agnes quittierte z. B.
noch 1527 über den vom Rathe zu Mühlberg ihr aus-
gezahlten halbjährigen Schoss von 30 Schock Gr. Li
ihrem Testamente hatte sie die Summe von jährlich
12 Schock Gr. einmal zu einem ewigen Jahrgedächtnis
und „einer ewiglichen Fürbitte in der Frühmesse", sodann
aber auch zu Gewand für arme Leute ausgesetzt®'). Am
21. Mai 1527*^*) starb auch sie und ward neben ihrem
Gemahl in der von beiden neuaufgebauten Kirche zu
Neustadt Mühlberg vor dem Altare beigesetzt. Die eiser-
nen Platten mit breitem Messingrande, welche einst ihre
Grabstätten bedeckten, wurden 1782 von dem Kirchen-
vorsteher — verkauft.
") Diese Zeitschr. 11, 215, 233.
•') Hasche V, 131. Bertram 13.
') So bei Bertram 13, während Hasche V, 130 das Jahr
1526 angiebt.
Neues Archiv f. S. G. >i. A. VI. 3. 4. 14
VI.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. bis zum
Kriegszuge 1552.
Yon
S. Issleil).
Der Kriegszug des Kurfürsten Moritz von Sachsen
gegen Kaiser Karl V. ist schon vielfach behandelt worden
und wird so lange behandelt werden, bis man endlich alle
zerstreuten archivalischen Einzelheiten mühsam zusammen-
getragen und aus der Fülle des Gesamtmateriales volle
Klarheit gewonnen iiaben wird^). Des Kurfürsten Zug
gegen den Kaiser steht im geraden Gegensatze zum
schmalkaldischen Kriege. Scharf treten da gegenüber:
Bekämpfung des vorwärtsstrebenden Protestantismus und
Widerstand gegen den unduldsamen Katholizismus, Über-
wältigung fürstlicher Selbständigkeit und Erschütterung
kaiserlicher Allgewalt, Unterwerfung und Befreiung. Für
den kurfürstlichen Kriegszug gegen Karl V. wird sich
wohl kaum jemand begeistern können, ebensowenig wie
für den kaiserlichen Krieg gegen den schmalkaldischen
Bund; denn nicht allein auf die Ideen, welche verfolgt
werden, kommt es an, sondern auch auf die Mittel, auf
die Art und Weise, wie Pläne und Vorhaben ausgeführt
werden. Völlig berechtigt aber ist jedermann, die beiden
wichtigen und folgenschweren Feldzüge nach Gebühr zu
') Yerfasser konnte zunächst nur das Hauptstaatsarchiv zu
Dresden (zitiert mit H.-St.-A. oder durch blosse Angabe des Locats)
besuchen, glaubt aber mit Hilfe des vorgefundenen Materiales und
vor allem der von A. v. J) ruf fei verölfentlichten Briefe und Akten
zur Geschichte des 16. Jahrhunderts (3 Bände) die Untersuchung
gefördert zu haben.
Moritz von Sachsen gegen Karl T etc. 211
würdigen und in das rechte Licht zu setzen. Wer alle
Verhältnisse und Einzelheiten sorgfältig erwägt, dem
ringt die That von 1552 schliesslich wohl mehr Be-
wunderung ab als die der Jahre 1546 — 47. Im schmal-
kaldischen Kriege besiegte ein gewaltiger Kaiser unter
Anwendung aller Hilfsmittel seiner oberhoheitlichen
Stellung einen gelockerten und keineswegs schlagfertigen
Bund; 1552 bekämpfte einer der sieben Kurfürsten neben
wenigen der vielen Reichsfürsten unter sclnvierigen Ver-
hältnissen den Kaiser des heiligen römischen Reiches und
nöthigte ihm Zugeständnisse von weittragender Bedeutung
ab. Man hat nicht ungern Moritz von Saclisen als
Scliüler Karls V. bezeichnet; dann liegt es nahe auszu-
sprechen, dass der Schüler den Meister übertrofFen hat^).
Die kriegerische Erschütterung von 1552 ist
durch eine Reihe lästiger Unzuträglichkeiten, quälender
Besorgnisse, aufreibender Befürchtungen und tief ver-
letzender kaiserlicher Gewaltakte hervorgerufen worden.
Der vernichtende Schlag gegen den schmalkaldischen
Bund und die beschwerliche Wittenberger Kapitulation,
die Gefangennahme, Festhaltung und Misshandlung des
Landgi'afen Philipp und die zahlreiciien Aechtungen von
Städten, Grafen und Herren , die erniedrigende Beein-
trächtigung und verächtliche Behandlung deutscher
Fürsten^) und die Reichstagsbeschlüsse von 1548 und 1551
haben den Sturm gegen den Kaiser ganz besonders
heraufbeschworen. Die neue Einrichtung des Reichs-
kammergerichtes, die Härte einer strengen Bücherzensur,
die ungewöhnliche Beschränkung des freien Waffendienstes
und der freien Söldnerwerbung, die Einziehung eines
„Reichsvorrathes" zur Unterdrückung geheimer Praktiken
und Empörungen im Reiche, die gewaltsame Einführung
des verhassten Interims, das herrische Vorgehen gegen
die „Ungehorsamen und Rebellen" und die auferlegte
Beschickung des Tridentiner Konziles, das alles brachte
*) Diese Bemerkungen sind besonders durch C.A.Cornelius
veranlasst worden. Bei seiner Abhandlung: „Zur Erläuterung der
rditik des Kurfürsten Moritz von Sachsen" (im Münchener liisto-
rischon Jahrbucli für ISGO) ist zu berücksichtigen, dass ein (katho-
lischer) Süddeutscher im Jalire 18(56 über einen evangelisciien nord-
deutschen Fürsten schrieb. Die Art, wie Cornelius gearbeitet hat,
ist durcliaus verwertlicli.
*) Vergl. Wilh. Maurenbre eher, Karl V. und die deutschen
Protestanten 1545 — 55, 251 flg. L. v. llanke, Zeitalter der Ite-
formation, V.
11*
212 S. Issleib:
die deutsche Nation in Gährung. Unwille und Unmutli,
Erbitterung und Entrüstung herrschte hauptsächlich im
evangelischen Norden Deutschlands. Mehr als anderswo
waren hier die evangelischen Fürsten, die protestantischen
Theologen und die lutherischen Unterthanen zu beherztem
Widerstände gegen den Kaiser entschlossen. Rastlos
arbeiteten die Elemente der Opposition. Seltsam fürwahr
haben sich in jenen unruhigen Jahren die allgemeinen
Verhältnisse mit den allerpersönlichsten berührt, ver-
flochten und durchdrungen. Alles wii-kte schliesslich
zusammen: die überaus mannigfachen und verwickelten
deutschen und die europäischen Verhältnisse. Die Un-
zufriedenheit und Spannung in der kaiserlichen Familie
wegen der Nachfolge im Reiche kam der Erhebung von
1552 ähnlich zu statten wie die Stellung Karls V. zu Frank-
reich, zum Papste und zu den Türken.
Ehe wir in das Kriegsjahr 1552 eintreten, ist es
nöthig, die Lage des Kurfürsten Moritz und die werden-
den Verhältnisse bis zum Waffengange 2;eü;en den Kaiser
in ausführlicher Weise darzulegen.
Moritz von Sachsen hatte durch seinen Anschluss an
den Kaiser unstreitig viel gewonnen. Er hatte die Herr-
schaft über die Stifter Meissen und Merseburg erreicht und
kurz vor Ausbruch des schmalkaldischen Krieges die jahre-
lang begehrte Schutzherrlichkeit über das Erz- und Bisthum
Magdeburg-Halberstadt erlangt; der Sieg bei Mühlberg
hatte ihm fast die Hälfte des kursächsischen Besitzthums ein-
gebracht und auf dem geharnischten Reichstage zu Augsburg
war seine Belehnung mit der sächsischen Kurwürde erfolgt.
Dagegen aber hatte ihm die weitschauende, viele Möglich-
keiten erwägende und ränkevolle kaiserliche Staatskunst
durch einzelne Artikel der Wittenberger Kapitulation,
besonders durch den Punkt, welcher die Jahreseinnahme
der Ernestiner auf 50000 Fl. rh. bestimmte und den
unsäglich mühsamen, Misstrauen nährenden und Unfrieden
erhaltenden Liquidationshandel nach sich zog, einen Dorn
in den Fuss gesetzt, den er, so lange er lebte, nie ganz
beseitigen konnte. Ferner war er neben dem Kurfürsten
Joachim von Brandenburg durch die listige, um nicht
zu sagen betrügerische Gefangennahme seines Schwieger-
vaters, des hessischen Landgrafen Philipp, zu Halle auf
das Tiefste verletzt und durch die kaiserliche Missachtung
seines verpfändeten Ehrenwortes hart betroffen worden.
Je länger die schmachvolle Haft des Landgrafen dauerte,
Moritz von Sachseu gegen Karl V. etc. 213
um so peinliclier war für ihn und Kurfürst Joachim die
berechtigte „Einmahnung" nach Cassel. Der mächtige
Druck der Reichstagsbeschlüsse, vor allem der Druck
der religiösen Neuerungen des Kaisers, machte sich ausser-
dem bei keinem evano-elischen Fürsten so fühlbar wie
beim sächsischen Kurfürsten; durch das Interim ist der-
selbe in die bedenklichste Lage zu seinen Unterthanen
gekommen. So war Kurfürst Moritz durch des Kaisers
verführerische Gunst befördert und gleichzeitig durch die
allen deutschen Fürsten so gefährliche habsburgische
Politik belastet worden. Die Jahre nach dem schmal-
kaldischen Kriece sind für ihn überaus sclnvierio- nrewesen.
In jener sturrabewegten Zeit bemühte er sich auf
das eifrigste, die streitigen Punkte der Wittenberger
Kapitulation ins Reine zu bringen, die Befreiung des
gefangenen Schwiegervaters zu erreichen und die Härte
des kaiserlichen Interims durch das Leipziger Interim
und durch wiederholte Sendungen an den Kaiser und
den römischen König zu mildern. Allen wilden Agi-
tationen und religiösen Verlictzungen in seinem Lande
suchte er zu steuern und das grosse Misstrauen seiner
Nachbarn hinsichtlich seiner politischen und religiösen
Gesinnung zu beruhigen. Daneben behauptete er energisch
seine neu erworbene kurfürstliche Stellung, befestigte die
Rechte seiner Schutzherrlichkeit über die Bisthümer Magde-
burg und Halberstadt und schmiedete unermüdlich Pläne,
die geächtete Stadt Magdeburg zu erwerben*). Aufmerk-
sam verfolgte er die europäische und kaiserliche Politik
und licss alle Vorgänge am kaiserlichen Hofe und in der
kaiserlichen Familie ausforsclien. Als Kurfürst vertrat
er mit Entschiedenheit die Interessen des Reiches und
widersetzte sich jeder Beeinträchtigung deutscher Fürsten-
freiheit. Zu Gunsten der evangelischen Lehre berief er
sich dem Kaiser gegenüber auf ein allgemeines Konzil
oder auf eine Nationalversammlung, welche, aus Katho-
liken und Evangelischen zusammengesetzt, nach dem
Richtscheid der heiligen Schrift alle Dinge gottselig und
christlich entscheiden sollte. Die o^esamte kaiserliche
Politik gab ihm im Laufe der Zeit Veranlassung, sich
mehr und mehr dem Kaiser zu entfremden. Aber während
er neuen Verhältnissen, welche alle Schärfe gegen Karl V.
*) S. Issleib, Magdeburg und Moritz von Sachsen bis zur
Belagerung der Stadt, in dieser Zeitschrift IV, 273 üg.
214 S- Issleib:
richteten, nacligiiig , pflegte er doch sorgfältig möglichst
gute Beziehung zum deutschen Kaiser. Mit erstaunlichem
Geschicke vermied er, sich zwischen zwei Stühlen nieder-
zusetzen. Allemal zur rechten Zeit trat er mit Kraft
und Entschlossenheit, Berechnung imd Vorsicht ein, um
dieses oder jenes Ziel zu erreichen.
Nichts hat mehr zur Erhebung des Kurfürsten gegen
den Kaiser geführt als die Gefangenschaft des Land-
grafen. Niemand sollte doch mehr an dem ehrlichen Eifer
und dem guten Willen des Kurfürsten, seinen Schwieger-
vater zu erledigen, zweifeln. Volle Beachtung verdient
des Kurfürsten Erklärung: keine Reise zu Wasser und
Land sollte ihm auf dieser W^elt zu schwer sein, nva. den
Landgrafen zu befreien; Unmögliches könne er aber nicht
bewirken^). Die Sache ist nicht allein nach den zahl-
losen Klagebriefen und heftigen Einraahnungsschreiben
der hessischen Landgrafen — Philipp und seine Söhne —
zu beurtheilen, sondern man muss auch die Haltung des
Kaisers berücksichtigen. Von der kaiserlichen Gnade
und Willfährigkeit hing fürwahr alles ab; je unzugäng-
licher der Kaiser blieb, um so geringer die Aussicht, ohne
Gewalt etwas durchzusetzen.
Als anfangs 1550 ein unruhiges und geheimnisvolles
Treiben in Norddeutschland zu bemerken war und Be-
sorgnis erregende Werbungen und Bestallungen aller
Orten vor sich gingen, da verhandelte Kurfürst Moritz
ernstlich mit den hessischen Käthen Wilhelm von Schachten
und Simon Bing über Anschläge zur Befreiung des Land-
grafen und veranlasste die Absendung Heinrichs von
Schachten an den französischen König, um dem ent-
flohenen Landgrafen eine Zufluchtstätte in Frankreich
zu bereiten und eine Verbindung mit Heinrich II. an-
zubahnen''). Darauf stellte Moritz mit seinem Bruder
x\ugustus nach Beilegung einiger obwaltenden Difi'erenzen
durch einen zufriedenstellenden Vergleich (am 5. März 1550)
das beste brüderliche Einvernehmen her'), vereinte sich
mit dem kaiserfeind liehen Marko-rafen Albrecht von
*) Eine Einstellung zu Cassel werde zu nichts führen, ihm
aber und seinen Landen unendlich schaden.
*) C. A. Cornelius, Kurfürst Moritz gegenüber der Fürsten-
Verschwörung 1550—51 (Casseler Akten), in den Abhandlungen der
historischen Klasse der königlich liayerischen Akademie der Wissen-
schaften, München 1867, 659 flg.
') W. AVenck, Kurfürst Moritz und Herzog Augustus, in
V. Webers Archiv für Sachs. Geschichte IX (1871), 418 flg.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 215
Bruncleubur^- Kulnibacli zu treuer Waffengenosseiischaft
(am 11. März)^), suchte durch beide Anschluss an den
Markgrafen Hans von Küstrhi; an den Herzog von Preussen
und andere Fürsten und setzte mit den jungen Herren
von Weimar die bis dahin erfolglosen Liquidationssachen
wieder fort, um die Vettern von widrigen Praktiken fern
zu halten und m seine eigenen Pläne zu verflechten''). Je
häufiger ihn der Gedanke beschäftigte, er könne „des
gefangenen Landgrafen imd anderer Dinge halben" mit
dem Kaiser in Zwiespalt gerathen und in kaiserliche Un-
gnade fallen, desto rühriger arbeitete er daran , durch
einen stattlichen Anhang und durch eine wehrfähige
Vereinigung sich im Nothfalle aus tausend Peinlichkeiten
zu retten. Fortwährend fasste er neben Herzou^ Aujiustus
und Markgrafen Albrecht den Kriegsfall in das Auge
und rechnete dabei vielfach auf den Tod des Kaisers.
Mit dem Kurfürsten Joachim von Brandenburg ver-
ständigte er sich, nicht länger den kaiserlichen Plänen
und Bestrebungen Vorschub zu leisten; beide wurden
einig, den nach Augsburg berufenen Reichstag, auf
Avelchem der Kaiser seinem Sohne Philipp die Nachfolge
zu sichern, die L'nterwerfung der Evangelischen unter das
Konzil und die Bestrafung aller Ungehorsamen und
Rebellen, besonders Magdeburgs, durchzusetzen gedachte,
nicht zu besuchen. Sie entschuldigten sich mit der land-
gräflichen Verpflichtung und der abermals geforderten
Einstellung in Cassel, mit den gefährlichen Werbungen
und Rüstungen in Norddeutsclilaud , mit der Belagerung
Braunschweigs durch Herzog Heinrich und mit der
Haltung Magdeburgs, welche nöthige, auf den Schutz
der Bisthümer und ihrer eigenen Lande bedacht zu sein'").
Schliesslich hielt Kurfürst Moritz die Übernahme der
Belagerung INlagdeburgs für das beste Mittel, vom Reichs-
tage fern zu bleiben'^).
') Johannes Voigt, Markgraf Albiecht Alcibiades (Berlin
1852) 207 flg. In Zscliopau wohl, nicht in Zwickan, ist eines franzö-
sischen Bündnisses gedacht worden. Interessant ist des Markgrafen
Denkschrift (H.-St.-A.), abgedrnckt hei A. v. Druffel: Uriefe niul
Akten zur Geschichte des 16. Jahrhunderts I, No. 400.
*) ^Y. "VVenck, Albeitiner und Ernestiner nach der Witton-
berger Kapitulation, in v. "Webers Archiv für säclis. Geschichte VIII,
(1870), 152 u. 225.
'») Vergl. Loc. 10187 Reichstagshändel zu Augsburg 1550.
Druffel I, No. 413, 4.H.S, 448 flg.
") S. Issleib, diese Zeitschrift V, 177 u. 227.
216 S. Issleib:
Als nach Aufhebung der Belagerung Braunschweigs
der jugendliche Herzog Georg von Mecklenburg im
Vorhaben, brüderliche Händel auszuf echten , mit zehn
Fähnlein Knechten und 200 Reitern nach der Elbe auf-
gebrochen war, das magdeburgische Gebiet berührt
und die ihm entgegengezogenen Bürger bei Hillers-
leben geschlagen hatte, da nahm Kurfürst Moritz das
kleine Heer auf unbestimmte Zeit und gegen jeder-
mann verfügbar in seine Dienste. Diesen Schritt that
er, weil ihm nach seiner eigenen Aussage nicht wenig
grauste, es möge ein trübes Wetter über ihn fallen.
Tag und Nacht plagte ihn damals die Sorge, der nach
Frankreich entsendete Bote möge niedergeworfen und
der Heinrich H. gemaciite Antrag zu einem Offensiv-
bündnisse dem Kaiser verrathen worden sein. Weiter
fürchtete er die Gefährlichkeit der bemerkbaren Umtriebe
einiger Fürsten schmalkaldischen Anhanges*^). In völliger
Ungewissheit schwebte er über die Absichten des Kaisers,
ob derselbe vom Reichstage aus zu Gunsten seines kaiser-
lichen Ansehens, des Interims und des Konziles in Trient
die „Ungehorsamen und Rebellen" des Reiches in Person
überziehen, züchtigen oder, durch andere unterwerfen lassen
wollte. Kam der Kaiser nicht nach Norddeutschland,
dann hoffte er durch beherztes Eingreifen und glückliche
Bemeisterung der Verhältnisse Magdeburg endlich in
seine Hände zu spielen, eine entscheidungsvolle Stellung
zu erwerben und gegen den Kaiser selbst „viel gute Leute
an den Tanz zu bringen". Treu verbündet mit seinem
Bruder Augustus und dem Markgrafen Albrecht und im
guten Einvernehmen mit dem Kurfürsten Joachim von
Brandenburg beschloss er „zu lavieren, so gut er könne",
und zwischen dem Kaiser und den kaiserfeindlichen
Elementen eine Stellung einzunehmen, die es ermög-
liche, das Übergewicht leicht nach der einen oder der
anderen Seite zu werfen. Daher hielt er kaiserlichem
Wunsche gemäss die Knechte vor Magdeburg diensteifrig
zusammen, verstärkte sie, versuchte sich der Stadt zu
bemächtigen, führte Verhandlungen und Hess sich später
zur Übernahme kaiserlicher und Reichsdienste willig
'=') Der Kurfürst kannte nicht die Fürstenverschwörung, die sich
Februar 1550 in Königsberg gebildet hatte. Siehe Johannes
Voigt, Der Fürstenbund gegen Kaiser Karl V., in Raum er s histo-
rischem Taschenbuche 3. Folge, 8. Jahrgang (Leipzig 1857).
Moritz von Schseii gegen Karl V. etc. 217
finden. Grleichzeitig aber fragte er in Hessen beim jungen
Landgrafen Wilhelm an, was er (Wilhelm) neben ihm zu
thun bedacht sei, wenn er sich beim plötzlichen Todesfälle
des Kaisers eines Werkes unterziehe, wünschte „Glück
und Wohlfahrt" zur geplanten Entführung des Land-
grafen Philipp, erwartete guten Fortgang des begonnenen
französischen Handels und wandte alle Mühe auf, um
sich dem Markgrafen Hans von Küstrin, und anderen
Fürsten zu nähern *^K Allein je zweifelloser Moritz für
ein williges kaiserliches Werkzeug in Sachen der Achts-
exekution gehalten wurde, je deutlicher seine Absicht auf
Magdeburg hervortrat und je unabwendbarer die hart
bekämpften Reichstagsbeschlüsse gegen Magdeburg und
alle Anhänger der Stadt erschienen, um so grösser war
von markgräflicher Seite trotz aller Versprechungen und
Erbietungen das Misstrauen gegen den Leiter der raagde-
burgischen Belagerung, imi so schwieriger jede Vereinigung
mit den Fürsten, um so energischer die Bemühungen,
Magdeburg zu entsetzen, den Kurfürsten zu vertreiben
und dem Kaiser „ein Blatt über die Füsse zu wälzen".
Auch Landgraf Wilhelm „lag lange in der Armbrust" und
war mehr mit Worten als mit der That willfährig*'*).
Fürwahr, erst musste des Landgrafen Philipp Flucht-
versuch missglücken *^) und die Haft verschärft werden,
erst der bedenkliche und höchst gefährliche Kriegszug
gegen den Gardhaufen im Stifte Verden vom Kurfürsten
Moritz so glücklich beendet werden, ehe die Kraft der
geheimen feindlichen Praktiken zusammenbrach , ehe
Treue und Glauben das widerwärtige Misstrauen ver-
drängten und ehe sich der Kurfürst — seltsam aller-
dings — in der Würde eines kaiserlichen Reichsfeldherrn
vor Magdeburg zum Haupte eines kaiserfeindlichen Bundes
**) Ausführlich wurde den Herzögen von Preussen, Mecklen-
burg und Pommern zu erkennen gegeben, dass man von einem
neuen Bündnisse gehört. Loc. 9151, Magdeburgische Belagerung,
Buch II, m. 462.
'*) Willielm hatte den Vater um Rath gefragt, und dieser ver-
langte, Moritz solle sich erst einmal seiner Verpflichtung gemäss
einstellen, wolle er dann etwas zu seiner Erledigung thun, dann
sollte ihm Wilhelm nach Möglichkeit helfen. Eine Kriegsunter-
nehmung wurde unter Umständen bewilligt. Cornelius, Churf.
Moritz etc. 672.
'*) Loc. 8498, Kurf. Moritz meistentheils eigenhändige Schreiben
an sehie Gemahlin 1547 — 5.3, Bl. 20. Wilhelm von Hessen an seine
Schwester Agnes, Cassel, 21. Januar 1551.
218 S. Issleib:
aufzuschwingen vermochte. Dann erst versclimolzen all-
raählif; mit einander die zaiil reichen bis dahin o-etrennten
gleichen und ähnlichen Bestrebungen der evangelischen
norddeutschen Fürsten, Städte und Stände. Von Mitte
Januar 1551 an nahm Kurfürst Moritz eine bedeutende
Stellung ein. Sollte noch ein Unternehmen gegen den
Kaiser ins Werk gesetzt werden, so musste man seiner
Mitwirkung versichert sein. Der emsigen Thätigkeit ge-
schickter Mittelspersonen — wir nennen Wilhelm und
Heinrich von Schachten , Simon Bing , Klaus Berner,
Hans von Heideck, Adam Trott, Christoph Arnold —
war es zu verdanken, dass die protestantischen Fürsten,
voran Markgraf Hans, dem Kurfürsten von Sachsen endlich
entgegen kamen.
Am 20. Februar 1551"*) fand die bekannte Be-
gegnung des Kurfürsten Moritz und des Markgrafen Hans
in Dresden statt. Zögernd und vorsichtig näherten
einander die Fürsten und verständigten sich über Ver-
theidigung der Religion und der Freiheiten des Reiches,
über die Befreiung der gefangenen Fürsten, des Land-
grafen Philipp und des Herzogs Johann Friedrich, und
über die Beilegung des magdeburgischen Krieges"). In
den gegenseitig ausgestellten Verpflichtungsurkunden ver-
sprach zunächst Moritz (am 20. Februar), dem Augs-
burger Bekenntnis treu bleiben, gegen das Tridentiner
Konzil mit anderen Fürsten und Ständen protestieren
und zur Erhaltung der wahren Religion augsburgischer
Konfession sowie zum Schutze der deutschen Freiheit in
ein näher bestimmtes Defensivbündnis sich einlassen
zu wollen. Er war entschlossen, den kaiserlichen Dienst
nach Verlauf der drei (bis zum 2. April) bindenden
Monate zu verlassen, vorausgesetzt, dass die jungen Herren
in Weimar sich mit ihm und anderen Potentaten, Fürsten
und Ständen zu Gunsten der Religion, der deutschen Frei-
heit und Erledigung ihres Vaters einlassen und ihre
Irrungen zu gebührlichem Austrage stellen würden.
Magdeburg sollte nicht verlassen und bei der wahren
'«) Loc. 7281, Französische Yerbüncbiisse Bl. 40 flg. und
Loc. 7277, Marggraffen Johaiinsen hendel mit Clmrfürst Moritzen
'a. 1548—53, Bl. .3, 5. Siehe Druffel I, No. 586, 587, v. Lange im,
Moritz, Herzog und Churfürst zu Sachsen II, 321 tig.
") Man erkennt, Moritz steuerte in erster Linie auf Befreiung
des Landgrafen los, Markgraf Hans auf Yertheidigung der Religion
und der deutschen Freiheit.
Moritz von Sailisen gegen Karl V. etc. 219
Religion geschützt werden, sofern es sich in zeitlichen
Sachen dem Kaiser füge. Eine Fürstenversammlung'
sollte stattfinden, Kurfürst Moritz wollte die jungen Herren
von Hessen, den Herzog von Koburg und andere Poten-
taten in den Handel ziehen und darauf denken, wie die
beiden Gefangenen von Hessen und Sachsen zu befreien
seien. Markgraf Hans übernahm (am 21. Februar), die
Ernestiner und Albertiner auszusöhnen, die Herren von
Weimar für das Bündnis zu gewinnen, mit den Herzögen
von Mecklenburg, Preussen, Pommern zu verhandeln und
dann in ihrem Namen mit Moritz abzuschliessen. Mark-
graf Albrecht sollte nicht zugezogen werden, da Mark-
graf Hans meinte, es sei gefährlich, ihn in die wich-
tigen Dinge einzuweihen. Weiter wurde verabredet:
Hans von Heideck als Unterhändler zu gebrauchen,
Frankreichs und womöglich auch Englands Beistand zu
erwerben und den König von Böhmen Maximilian nicht
anzugreifen. Man hoffte, 7000 Reiter und 20000 Knechte
ins Feld stellen und mit dieser Macht die PfaiFen und
Mönche aus Deutschland vertreiben zu können, besonders
Avenn die Türken den König Ferdinand beschäftigen
würden und Frankreich die Niederlande überziehe'^).
Dem Markgrafen Hans kam es besonders darauf an, dass
Moritz dem kaiserlichen Dienste entsage, für Moritz da-
gegen war Hauptsache, dass die Vettern in Weimar mit
ihm verglichen und zur Theilnahme am Bunde bewogen
würden. Ein rühriges Treiben begann. Markgraf Hans
leitete die Verhandlungen mit Magdeburg ein, verständigte
sich mit seinen bisherigen, aber noch ungenannten Bundes-
genossen und fand bei den Erncstinern williges Gehör.
Kurfürst Moritz andererseits weihte seinen Schwager Wil-
helm von Hessen und dessen Räthe Schachten und Bing in
die Dresdner Verhandlungen ein, empfahl eine Sendung an
den Herzog Christof von Württemberg und gab den Auftrag,
an Georg von Reckerod zu schreiben, dass er den fran-
zösischen Handel so lange in officio halte, bis die Ver-
gleichung mit Weimar erfolgt sei und von allen vereinigten
Fürsten ein gemeinsamer Schritt bei Heinrich H. geschehen
könne. Unter Heranziehung des Kurfürsten Joachim
und des Domkapitels, des Markgrafen Hans und des
") Kurfürst Moritz erfuhr uiclit, dass Markgraf Hans bereits
mit dem Herzog von l'reussen und Jolianu Albrecht von Mecklen-
burg ein Bündnis geschlossen hatte.
220 S. Issloib:
Herrn von Heideck verhandelte er mit Magdeburg und
nahm einen ernsten Anhiuf, den kaiserlichen Dienst zu
verlassen'^). Als Hauptursaclie führte er die landgräfliche
Sache an, denn sollte er mit dem Kurfürsten von Branden-
burg eingefordert werden, so könne er nicht an beiden
Orten, vor Magdeburg und in Cassel, sein. Das kaiser-
liche Entgegenkommen aber , die noch schwankenden
und unberechenbaren Verhandlungen mit Magdeburg und
den Vettern in Weimar, die noch unsicheren und unfertigen
Bundesverhältnisse und die anfangs Mai in Nürnberg er-
folgten neuen Geldbewilligungen der Reichsstände zur
Fortsetzung der magdeburgischen Belagerung bestimmten
ihn dann, den Oberbefehl vor Magdeburg beizubehalten,
doch so, dass das Dienstverhältnis zum Kaiser nach
monatlicher Kündigung gelöst werden konnte. In solcher
Stellung wartete er auf einen guten Beschluss aller
Sachen. Von neuem versicherte er sich anfangs Mai
des Kriegsvolkes auf 6 Monate im Interesse des werden-
den Bundes.
Im Mai wurde zu Naumburg"''") über die sächsischen
Partikular-DifFerenzen, über das Fürstenbündnis und über
Magdeburg berathen. Die Magdeburgischen Erbietungen
hielt Kurfürst Moritz des Kaisers wegen für ungenügend,
und die sächsischen Rechtsstreitigkeiten Mairden nicht bei-
creleüt. Aber in Betreff der Bundessache erklärte Johann
Friedrich der Mittlere, er gedenke ungeachtet irgend
welcher Abmahnungen von Seiten des gefangenen Vaters
am Bündnisse theilzunehmen und keinesfalls beim grossen
Werke zu fehlen^ ^). Allein zu einem bindenden Akte kam es
auch hierbei nicht. Unmittelbar darauf (am 22. Mai) waren
Kurfürst Moritz, Markgraf Hans, Johann Albrecht von
Mecklenburg und Wilhelm von Hessen ohne Johann Fried-
'*) Darüber Näheres in dieser Zeitschrift V, 279 flg.
*") W. Wenck, Kurfürst Moritz und die Ernestiiier in den
Jahren 1551 und 1552, in den Forschungen zur deutschen Geschichte
XII (1872), 11 flg. Vom 10. bis 20. Mai waren Kurfürst Moritz
und Joh. Friedrich der Mittlere anwesend. Später schrieb Mark-
graf Hans an Herzog Albrecht von Preussen (S. 13): „Und sind an
dem Tage bei beider Partei Rätlien, sonderlich aber des Kurfürsten
Theils, des Kaisers Praktizierung und Unterstechen scheinbarlich
und gröblich gespürt, auf dass die Herren ja miteinander nicht sollten
verglichen werden".
") Des Herzogs Vertraute waren der Landhofmeister Bernhard
von Mila und der Hofmeister Wolf Mülich.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 221
rieh den Mittleren in Torgau^*), um auf Grund der
Dresdner Februarabmaclmno-cn weiter zu verhandeln.
Die Punkte ), treues und offenes Festhaken an der
augsburgischen Konfession '•^^), Vertheidigung der Frei-
heiten des Vaterlandes und Erledigung der gefangenen
Fürsten, behielten bindende Kraft. Auf Grund der kur-
fürstlichen Bewilligungen und der herzoglichen Erbietungen
in Naumburo- sollte Markgraf Hans die sächsisclien Irruno-en
endgiltig ausgleichen. Zur gelegenen Zeit sollten sich
die Fürsten von neuem betagen und alle Dinge vollziehen,
selbst wenn die Herren von Weimar die vorgeschlagenen
Mittel nicht annehmen oder ihrem Erbieten nach sich
nicht einlassen Avürden. Innerhalb zweier Monate sollten
die auferlegten Geldsummen zum Unterhalte für die
Reiter und Knechte hinterlegt werden''^). Alle ver-
pflichteten sich, so oft es Noth thue, Vollmachten und
Creditive an Potentaten, Stände und Städte unter ihrem
Siegel auszufertigen und alle Bundesinteressen auf das
treulichste befördern zu helfen. Ohne Zweifel auf Moritz
ausdrücklichen Wunsch wurde dem Torgauer Vertrage
ein Zusatzartikel folgenden Inhaltes beigefügt : wären
die jungen Herren von Weimar nicht zum gemeinen
Werke zu bringen, so sollte man von ihnen eine gründ-
liche Erklärung verlangen, dass sie keine Gegner sein
wollten, es gerathe die Sache, auf welchen Weg sie wolle.
Im Weigerungsfalle sollten sie als Feinde betrachtet
werden. Kurfürst Moritz wollte niemanden im Rücken
dulden, der dem Werke hinderlich sein könnte. Mit
vollem Rechte meinte er am guten Willen der Ernestincr
zweifeln zu dürfen und sich vor ihren Praktiken sicher-
stellen zu müssen.
Weil man auswärtige Hilfe für nothwendig hielt, so
**) Man schien zu Naumhurg infolge der stattlichen Ver-
sammlung und der langen Dauer der Berathungen lauernden Be-
obachtungen und gellässigen Aussprengnngen ausgesetzt.
2') Siehe den Torgauer Vertrag vom 22. Mai bei Cor-
nelius, Churf. Moritz gegenüber der Fürstenverschwörung 1550 — 51,
694 flg.
**) Man beachte, es felilt die Protestation gegen das Konzil.
Auf dem Reichstage (zu Augsburg in.')!) liatten die anwesenden
Protestanten erklären niiisson, das Tridentiuer Konzil besuchen zu
•wollen.
=**) Markgraf Hans war gewillt, den Antheil des Herzogs von
Preussen zu übermitteln.
222 S. Issleib:
wurde am 25. Mai ein MemoriaP®) für Friedrich von
Reifenberg ^') behufs einer neuen Werbung am franzö-
sischen Hofe ausgefertigt**). Darnach wölken die Fürsten
mit dem Könige ein Bündnis gegen den Kaiser schlicssen
und auf ein, zwei und mehrere Jahre hinaus 6000 Reiter,
eine entsprechende Zahl von Knechten und Feldgeschütze
stellen , um den Feind nach Gelegenheit an mehreren
Orten zuo-leich angreifen zu können. Der Könio; sollte
sich zu einer Monatssumme von mindestens 100000 Kronen
verpflichten und in Person zu Felde ziehen. Dafür
wollten sich die Fürsten bei Erwählung eines neuen zeit-
lichen Oberhauptes und in andere Wege dankbar erzeigen
und ohne den König keinen Vertrag schliessen. Durch
Brief, Siegel und Geiseln sollte das Bündnis bekräftigt
werden. Auf Wunsch des Königs wollten auch Kurfürst
Moritz und Markgraf Hans heimlich und unbemerkt nach
Frankreich Icommen und sich mit ihm über alle Dinge
verständigen. Noch vor Anbruch des Winters wünschte
man das Werk zu beginnen.
So steuerten jetzt die Fürsten, welche sich am An-
fange des Jahres mit dem grössten Misstrauen gegen-
über standen, einem gemeinsamen Ziele zu. Wie bei
Frankreich so suchte man bei England ^^), Dänemark,
Kurpfalz, Württemberg, bei Herzog Ernst von Ko-
burg etc. Hilfe, Rückhalt, Willfährigkeit und Genossen-
schaft. Um des Bundes willen wurde die Belagerung
Magdeburgs in die Länge gezogen und das Kriegs-
volk auf Reichskosten unterhalten '^"j. Neben Johann
Albrecht von Mecklenburg bemühte sich Markgraf Hans,
die Herzöge von Weimar mit Moritz auszugleichen und
in den Bund hineinzuziehen. Leider bemerkte er, sie
wollten fühlen, wo das Brett am dünnsten sei^^), und
26j Vergl. Loc. 7281, Französische Verbündnisse. v. Langenn
II, 327. Druffel I, No. 7U.3-705.
*') Derselbe war früher für Markgraf Hans etc. am franzö-
sischen Hofe thätig gewesen. Druffel I, No. 70.3.
=") Cornelius, Churf. Moritz etc. (;t)3. Nach Schärtlins Brief
vom 8. Mai hatte sich Heinrich 11. ül)er den Verzug von Seiten des
Kurfürsten etc. verwundert ausgesprochen. Schärtlin warnte vor zwei
Punkten, vor einer üeldforderung und vor der Religion. Heinrich II.
wollte des Glaubens wegen nicht angefochten werden; jeder sollte bei
seinem Glauben bleiben.
^') Loc. 7277, Marggraffen Johannsen hendel etc. Bl. 9 flg.
V. Langenn II, 328. Druffel I, No. «58, 661, 687, G95, 705.
^o) S. Issleib in dieser Zeitschrift V, 291 flg.
*') Johannes Voigt, Der Fürstenbund etc. 12G flg.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 223
Kurfürst Moritz bat, an gewissen Orten nicht zu viel zu
trauen, bis man der Leute im Grunde gewiss sei; es sei
nicht rein an dem Orte, versicherte er später, man reite
auf zwei Strassen. Den Landgrafen Wilhehn warnte er
auf alle Weise, und verhielt ihm nicht, dass „der Kaiser
etwas rieche".
Bemüht, Deutschland völlig zu beraeistern, Hess
Karl V. die Stimmung der Nation allerorten ausforschen.
Kundschafter durchzogen wie früher das gesamte Reich,
besonders den Norden Deutschlands. Am meisten standen
bei ihm in Verdachte Markgraf Hans und die Landgrafen
von Hessen. Aber auch Moritz blieb trotz seiner Thätig-
keit vor Magdeburg und trotz des so glücklich ausge-
führten Verdener Krieiiszu>;'es nicht frei von Bear^wöh-
O tJ CD
nungen und Verdächtigungen. Es fiel auf, dass er jetzt
mehr als früher auf die Befreiung des Landgrafen drang,
obgleich der Kaiser erklärt hatte, er solle nicht schuldig
sein, der „angemassten, nichtigen Einnehmung" naeii
Cassel Folge zu leisten'^); man sah die Annahme des
Markgrafen Albrecht als Oberstlieutenant vor Magdeburg
ungern und bekämpfte sie lange Zeit. Unverhohlen sprach
man seine Verwunderung darüber aus, dass der Kurfürst
den geächteten und listigen, mehr französisch als kaiser-
lich gesinnten Herrn von Heideck im Lande dulde, sogar
als Oberhauptmann in Leipzig eingesetzt und seinen
Sekretär Arnold als Verwalter in Eilenbarg angestellt
habe. In den Regionen des höfischen Klatsches wurden
allerlei verdriessliche zuweilen fast ehrenrührige Reden
geführt^^). Man hielt sich auf über die lange Belagerung
Magdeburgs und über die nutzlosen Verhandlungen, über
die Zusammenkünfte der Fürsten^*) und deren Sendungen
an fremde Potentaten. Man empfahl. Acht zu geben,
dass der Kurfürst nicht nach der Eroberung Magdeburgs
eine Gesellschaft an sich hänge und dem Kaiser des
Landgrafen halber einen Possen spiele; denn wiederholt
wurde an den kaiserlichen Hof berichtet, man versuciie
*') V. Langenn II, .S21. Drnifel f, No. 664.
*') Die meisten Nachrichten darüber stammen von Dr. Franz
Kram. Lo(;. 10 695, Dr. Franz Kranimons Zcitnngsbiuli an Komcr-
stadt 1551 nnd Loc. 10 189, M. Franz ivramiiiens Scliroihen etc. 1551,
hl 81 ilg.
^*) IjOc. 7277, Marggratt'on Johannsen hendel mit Chnrlürst
Moritzen A. 1.548— 58, Bl. 18. Drnffel I, No. 661.
224 S- Issleib:
den Kurfürsten vom Kaiser abzubringen^^). Moritz sali
sich wiederholt veranlasst, den Kaiser zu bitten, ver-
leumderischen Berichten über ihn keinen Glauben zu
schenken. Eingedenk der kurfürstlichen Verdienste vor
Magdeburg und Verden legte der Kaiser selbst in der
That wenig Gewicht auf die gewohnheitsmässig umlaufenden
Reden und suchte den Kurfürsten, als der Himmel sich
ringsum zu trüben begann, als die Türken rüsteten und
in Italien der Krieg in Aussicht stand, durch beson-
dere Willfährigkeiten auf seiner Seite festzuhalten. Er
war einverstanden, dass der Kurfürst Magdeburg nach
der Eroberung oder Ergebung so lange innebehalte, bis
er wegen aller zur Exekution vorgestreckten Gelder gänz-
lich zufriedengestellt sei, und veranlasste das Erzstift für
die Bezahluno; in bestimmter Frist zu haften.
Anfangs August kehrte Friedrich von ßeifenberg
mit guter Nachricht aus Frankreich zurück'"), und wenige
Tage darauf erschien der angekündigte königliche Bevoll-
mächtigte Johann de Fresse (Fraxineus), Bischof von
Bayonne, in Marburg^'). Still und verborgen hielt er
sich in Hessen und Sachsen auf, bis die Fürsten alles zu
einem gründlichen Beschlüsse vorbereitet hatten'^). Ende
September '*') begannen die Verhandlungen in Lochau.
Es erschienen Kurfürst Moritz^"), Markgraf Hans (mit
Vollmachten Albrechts von Preussen und Heinrichs von
Mecklenburg), Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg,
Schachten und Bing an Stelle des Landgrafen Wilhelm*^)
und zuletzt der Bischof von Bayonne. Während der
zehntägigen Beratimngen trat klar zu Tage, was Frank-
reich wollte und welche Ziele Kurfürst Moritz mit den
Hessen und Markgraf Hans verfolgten, worauf der eine
»*) Joh. Voigt, Der Fürsteubund etc. 127. Vergl. Druffell,
No. 662, 687, 709, 714, 766.
") Druffel I, No. 709, 714.
") Druffel I, No. 711, 714, 722, 73.3. Landgraf Wilhelm
sollte sich auf Moritz Wunsch gegen den Gesandten grossmüthig
erzeigen und von grossen Streichen reden. Eine Nothlüge schade
zu Zeiten nichts.
»») Vergl. Joh. Voigt, Der Fürstenbund etc. 133, 135.
»•) Druffel I, No. 767. III, 267.
*") Derselbe vertrat zugleich seinen Mündel und Vetter Mark-
graf Georg Friedrich von Ansbach.
*') Druffel I, No. 714, 733. Herzog Augustus war nicht an-
wesend, da Moritz sich mit ihm besonders versttändigt hatte, Druffel I,
No. 711 A. 3.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 225
und der andere Theil das Hauptgewicht legte. Ver-
scliiedeu geartet, von ungleichen Interessen geleitet und
von mannigfachen Rücksichten abhängig, gerieth man
hart aneinander. Nach hessischen Mittheilungen^^) war
„es nicht zu sagen, wie seltsam der Handel gewackelt.
Denn der Teufel hatte, wo er gekonnt und gemocht,
seine Hinderung nicht allein hundert- sondern tausend-
fältig eingeworfen". Als alle Dinge abgeredet waren und
endgiltig zu Papier gebracht werden sollten, als Mark-
graf Hans die andern wohl zehn Tage „gefexieret und
mit ihnen geschlossen" hatte, fiel er nach einem harten
Wortwechsel mit Moritz am Abendtische schändlich aus
aller Handlung ^^) und ritt frühmorgens am 4. Oktober
trotz vorangegangener Bitten Fresses, der Hessen und
des Herzogs von Mecklenburg mit den Vollmachten der
Herzöge von Preussen und Mecklenburg „heimlich wie
die Katze von der Böne" davon. Vergleicht man das
bis jetzt bekannte, aber noch immer lückenhafte Quellen-
material ^^), so geht daraus mit Bestimmtheit hervor, dass
der französische Gesandte sich von vornherein nur auf
ein Offensivbündnis einlassen wollte und Zustimmung
beim Kurfürsten und bei den Hessen fand^^), Markgraf
Hans dagegen, auf die Dresdner Abmachungen und den
Torgauer Vertrag gestützt, einem Defensivbündnisse das
Wort redete und von keiner Offensive hören wollte, bevor
die Defensive nicht völlig verglichen sei^**). Fresse, Kur-
fürst Moritz und die Hessen brachten die früheren Fest-
setzungen ins Schwanken, Markgraf Hans suchte sie auf-
recht zu erhalten und kam auch später immer wieder
darauf zurück. Moritz stellte neben den Hessen als
Hauptzweck des Unternehmens Freiheit des Vaterlandes
und Erledigung des Landgrafen hin*'), der Markgraf
sah Vertheidigung der Keligi()n und der Freiheiten des
Vaterlandes als die Hauptgründe ihrer Vereinigung an.
") Druffel I, No. 767, 779, vcrgl. 782, oder Loc. 7277, Marg-
graffen Joliannsen liendel etc. Bl. 17.
") Druffel III, 266.
") Druffel III, 2G4 flg. Johannes Voigt, Der Fürsten-
bund etc. 140 Hg., 157 flg.
**) Druffel I, No. 662. Schon am 12. Juni schrieb Moritz an
Wilh. von Hessen: was nützte ihnen der Bund ohne die nerva belli.
*") Der Markgraf erklärte, er sei auf Grund der Verträge von
Dresden und Torgau zur Defensive bevollmächtigt, sowie zu Ver-
handlungen über die Offensive. Druffel III, 267 u. 269.
*') Druffel III, 268.
Neue« Archiv f. S. (J. u. A. VI. 3. 4. 15
226 S. Issleib:
Der Kurfürst erklärte, „Frankreich dulde nicht, dass die
Religion auch nur mit einem einzigen Worte erwähnt
werde, das könne' den Handel sofort stutzig machen".
Der Mai'kgraf meinte: „ihnen sei die Religion der vor-
nehmste (jrrund, den man nicht wegen der Franzosen
unter die Bank stecken könnte. Ihre Verbindung unter
einander berühre die Franzosen gar nicht. Die Religion
sei wichtiger als die Freiheit; wären diese beiden Punkte
nicht, so sei der Landgraf keine solche Ursache; was in
dem geschehe, das würde dem Kurfürsten anders nicht
denn als ein Werk der Liebe geleistet und müsste auch
des gefangenen Kurfürsten halber vorgenommen werden;
Reifenberg habe in vielen Punkten seine Instruktion über-
schritten." — Die beiden Männer, Avelche so schwer ein-
ander näher gebi'acht waren, zerfielen schnell im ent-
scheidungsvollen Momente. Es mögen viele Gründe''^) den
verhängnisvollen Entschluss des Markgrafen mit gereift
haben; ohne Zweifel aber war die Beiseite- und Hint-
ansetzung der wahren christlichen Religion von franzö-
sischer und sächsischer Seite für ihn der Hauptgrund des
Bruches und des Davonreitens*^).
Die Entfernung des Markgrafen sprengte den Fürsten-
bund; allein die Zurückgebliebenen Hessen das Werk
nicht sitzen und trafen mit dem französischen Gesandten
einen Vergleich „wiewohl mit Mühen und Krachen".
Am 5, Oktober wurde ein Vertrag unterzeichnet, welcher
dann neben zwei Kopien nach Frankreich wanderte und
nach langen Auseinandersetzungen und schwankenden
Verhandlungen am 15. Januar 1552 von Heinrich H. auf
dem Schlosse zu Chambord ratifiziert wurde. Der Bischof
von Bayonne versagte in Lochau seine Unterschrift, weil
die königliche Vollmacht auch den Markgrafen Hans in
sich schloss.
Der Lochauer Vertrag^'^) nun überliess und unter-
warf die Religionssache „dem göttlichen Willen und Ge-
*') Die Stellung des Kurfürsten zu den Ernestinern, sein Ver-
hältnis zu Magdeburg und seine Neigung zur Aufnahme des Mark-
grafen Albreclit in den Bund, die Übertragung der Würde eines
Generalobristen an ihn und die hohen Erwartungen von englischer
Hilfe siehe Loc. 9145, Hessisclie entledigung I, Bl. 690 flg.
*') Vergl. das Urtheil Nikolaus v. Amsdorf: „es ist einer eben
so fromm als der andere und sonderlich Markgraf Hans ist ein
Fuchs"; Loo. 91-42, Custodie und Erledigung Joh. Friedrichs zu Sach-
sen Bl. 99. D ruf fei I, Wo. 844.
*») Druffel III, .S40 flg. No. 902 und I, No. 77.3, 774.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 227
(leihen", ^ denn Gott werde seine Ehre nach seinem Ge-
fallen wie bisher selbst zu richten und zu führen wissen.
Als Bundesgenossen Heinrichs II. wollten die Fürsten
mit Heereskraft und gewaltiger Hand das beschwerliche
kaiserliche Joch „viehischer Servitut" abwerfen, die alte
Libertät deutscher Nation erretten und die Wiederer-
ledigung des Landgrafen Philipp von Hessen suchen.
Alle Förderer des Vorhabens sollten laut öffentlicher
Ausschreiben gnädig und günstig aufgenommen und ge-
schützt, Widersacher dagegen — gleichviel ob weltliche
oder geistliche — mit Schwert, Blut und Feuer heim-
gesucht werden. Verboten war, ohne Wissen und Willen
aller mit dem Kaiser oder mit anderen Frieden oder
Waffenstillstand, Vertrag oder Aussöhnung zu schliessen.
Nöthigenfalls sollte das französische und verbündete
Kriegsvolk zusammenstossen und vereinigt handeln. Mit
ihrer Mannschaft wollten die Fürsten zunächst die nach-
barlichen und die anderen Widersacher unschcädlich machen
und dann gegen des Kaisers Person oder an vortheiliiafte
Orte, welche der König bezeichne, vorrücken. Zur Unter-
haltung von 6 — 7000 geworbenen Keitern und einer ent-
sprechenden Zahl von Knechten sollte der König monat-
lich lOOÜOO Kronen und zwar bei Beginn des Kriegszuges
die Summe von mindestens G Monaten auf einmal er-
legen. Die landsässigen Reiter der Fürsten sollten im
Lande bleiben und im Nothfalle mit dem Landvolke
einander Hilfe leisten.
Ein ausführlicher Artikel befasste sich mit den
Ernestinern. Falls sie nicht zur Bundestheilnahme zu
bringen seien, sollten sie eine verbriefte und versiegelte,
durch ihre Landstände bestätigte und durch Geiseln ge-
währleistete Erklärung abgeben, in keinerlei Weise gegen
die Verbündeten liandeln zu wollen, es gerathe die Sache,
auf welchen Weg sie wolle. Verweigerung der Ver-
sicherung brachte sie unter die Zahl der oüenen Feinde.
Die Zustellung aber einer genügenden Erklärung und
die Gewährleistung von Hilfe zu einem Offensivkriege
auferlegte den Verbündeten die Wiedererledigung .Johann
Friedrichs. Der aus kaiserlicher Hand befreite Herzog
sollte jedoch nicht eher ledig oder zur Kegierung gelassen
werden, bis er sich aller Nothdurft nach obligiert habe''');
eine ähnliche Forderung wollte man an den befreiten Land-
*') Moritz' Ziel war also: volle Sicherheit gegen die Ernestiner.
16»
228 S. Issleib:
grafen Philipp stellen. Landgraf Wilhelm sollte vor Be-
ginn des Krieges die hallische Kapitulation dem Kaiser
kündigen und Kurfürst Moritz ihm den Dienst aufsagen.
Es folgten dann Bestimmungen über den obersten Feld-
hauptmann, über einen Kriegsrath, über Stiminreclit, über
Zutritt neuer Bundesmitglieder, über die Stellung der
durch die Bundesleistungen erschöpften und verarmten
Genossen ^^), über den Schwur des Kriegsvolkes, Ver-
theilung der Beute, der Brandschatzungen, Eroberungen
nach den veranschlagten Bundesleistungen etc., über Aus-
söhnungen, Verträge und über die zu stellenden Geiseln.
Ferner wurde für gut erachtet, dass der König von Frank-
reich die Städte, welche von Alters her zum Reiche ge-
hört und nicht deutscher Sprache seien, nämlich Cambrai,
Toni, Metz, Verdun und andere mehr, ohne Verzug ein-
nehme und als ein Vicarius des heiligen Reiches, zu
welchem Titel die Fürsten den König zu befördern ge-
neigt waren, behalte, doch wurden dem Reiche die
auf den Städten ruhenden Gerechtigkeiten ausdrücklich
vorbehalten^*). Der König sollte auch in den Nieder-
landen ein Feuer anzünden, damit der Feind an vielen
Orten löschen und seine Macht theilen müsse. Man stellte
weiter an Heinrich II. das Ansinnen, durch besondere
Geldopfer norddeutsche Fürsten und Städte an sich zu
ziehen. Für alles dieses wollten ihm die Fürsten noch
zu seinem verlorenen erblichen Besitze treulich verhelfen
und sich bei der Wahl eines künftigen Kaisers nach
seinem Gefallen verhalten und kein christliches Haupt
wählen, welches nicht gute Nachbarschaft halte. Liege
ihm auch selbst daran, solche Bürde und Dignität auf
sich zu nehmen und zu tragen, dann wollten sie ihm
dieselbe wohl gönnen*^). — Was die Einstellung der
beiden Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg betrifft,
*^) Siehe bei Druffel I, No. 774 den Abschnitt über Herzog
Johann Alhrecht von Mecklenburg.
*') Weil die Städte „wieder aus des Gegentheils Händen ge-
bracht" ^Verden sollten, so gehörte ihre Befreiung mit unter die
Errettung deutscher Libertät aus dem spanisch-habsburgischen Joche.
Alle Bundesfürsten hatten gleichen Antheil an dem so oft
gebrandmarkten Reichsfrevel; es wird nirgends erwähnt, dass Mark-
graf Hans gegen diesen Punkt gesprochen habe, und doch ritt er
erst ab, als alle Dinge abgeredet waren und zu Papier gebracht
werden sollten, siehe Druffel I, No. 767.
**) Der Vertrag von Lochau war unterschrieben und besiegelt;
an einzelnen Stellen befanden sich Lücken für Angabe der Subsi-
dien, für Zeit- und Ortsbestimmungen, die später ausgefüllt wurden.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 229
so versprach Kurfürst Moritz in Locliau, nach eingelaufener
königlicher Resolution dem Landgrafen zu schreiben, an
welchem Tage er sich gewiss einstellen wolle"). Mit
Magdeburg gedachte er einen Vertrag zu schliessen, dass
die Stadt bei der augsburgischen Konfession bleiben und
ihm der Privilegien und der liegenden Güter halben
billig Dank sagen sollte. Im Nothfalle sollte sie als
Zufluchtstätte offen stehen. Die Stadt und die Stifter
Magdeburg-Halberstadt wurden von den Bundeserober-
ungen ausgeschlossen und dem Kurfürsten zur "Wieder-
erlangung seiner ausgelegten Gelder nebst Interessen vor-
behalten. Herzog Hans Albrecht sollte neben einem
kurfürstlichen Vertrauten mit Albrecht von Preussen und
Heinrich von Mecklenburg verhandeln und beide zum
Eintritt in den Bund bewegen. Markgraf Hans wurde
zunächst seinem Schicksale anheimgestellt*®), obgleich er
unmittelbar nach seiner Abreise die stürmisch zerrissenen
Fäden wieder anzuknüpfen suchte*'). Durch die ge-
wechselten Briefe und die veranstalteten Sendungen
wurde zwar der Bruch nicht erweitert, aber auch keine
volle Verständigung herbeigeführt. Markgraf Hans und
Herzog Albrecht von Preussen — Heinrich von Mecklen-
burg starb am 6. Februar 1552 — sind nie dem Lochauer
Bündnisse beigetreten, sie hielten sich nur durch die
Dresdner Abmachungen und den Torgauer Verti'ag ge-
bunden, während Kurfürst Moritz an der Ansicht fest-
hielt, der Markgraf habe auch das Offensivbündnis in
Locliau mit abgeschlossen.
Nach der Lochauer Entzweiung trat Markgraf Albrecht
von Brandenburg, welcher bis dahin vor Magdeburg ge-
legen hatte, dem Fürstenbunde näher, ohne jedoch Mit-
glied zu werden. Markgraf Hans hatte seine Heran-
ziehung beharrlich widerrathen. Kurfürst Moritz wünschte
und hoffte, dass ihn Heinrich IL in seine Dienste nehme
und neben anderen gegen die Niederlande gebrauciie.
Während daher der Bischof von ßayonne in Deutsch-
land zurückblieb, reiste Markgraf Albrecht nach Mitte
") Loc. 7281, Französische Verbiüidiiisse etc. Bl. 50. Druffell,
No. 774.
") Druffcl I, 764. No. 773. „Gott gebe, wo Markgraf Hans
bleibe."
") Druffel in, 264 Hg. I, No. 828. Johannes Voigt, Der
Fürstenbuud 149, 151 flg., 157.
230 S- Issleib:
Oktober^®) im Auftrage der Bundesfürsten über Ziegenhain
in Hessen an den französischen Hof, um dort die Be-
stätigung des Lochauer Vertrages einzuholen und mit
dem Könige ein persönliches Abkommen zu treffen. Atif
seiner ßeise begegnete er dem Rheingrafen Johann
Philipp, welcher infolge der Lochauer Vorgänge, über
die Fresse in höchster Eile Bericht erstattet hatte, von
Heinrich II. an den Landgrafen Wilhelm und den Kur-
fürsten Moritz abgeschickt worden war. Markgraf Albrecht
glaubte nach einer Unterredung mit dem Rheingrafen
am französischen Hofe keine leichte Aufgabe zu finden;
demungeachtet aber bat er Moritz dringend , die Sache
nicht zu übereilen und geringschätzig zu achten, damit
nicht ein Handel den anderen umstosse; er wollte ein
sicheres Ja oder Nein bringen.
Kurfürst Moritz sah nach Abfertigung des Markgrafen
an Heinrich IL dem ferneren Verlaufe der französischen
Verhandlungen mit ziemlicher Ruhe entgegen^^), beeilte
sich aber sofort anderen wichtigen und drängenden An-
gelegenheiten obzuliegen. Da galt es zunächst die Be-
lagerung INIagdeburgs zu beenden. Ernstlich fanden die
letzten öffentlichen und geheimen Verhandlungen statt''")-
Als der Kaiser nach längerer Weigerung die Kapitula-
tionsartikel gemildert hatte und der „geheime Vertrag"
vereinbart war, wurde die Ergebung der Stadt vorbereitet.
Am 9. November 1551 hielt der Kurfürst als Reichsfeld-
herr und künftiger Lehnsherr in Magdeburg mit glänzendem
Gefolge Einzug und liess dem Kaiser, dem Reiche und
sich selbst huldigen. Fünf Fälmlein Knechte blieben als
Besatzung auf seine Kosten in der Stadt zurück. Hin-
sichtlich des übrigen Kriegsvolkes waren geschickte
und möglichst unverdächtige Anordnungen zu treffen.
Es hatte bis dahin ein ungewöhnliches Verhältnis be-
standen. Das gesamte Kriegsvolk (26 Fähnlein und
1300 Reiter) hatte in kurfürstlicher Bestallung und Ver-
eidigung für Kaiser und Reicli gekämpft und vom kur-
fürstlichen Kriegsherrn aus Reichsmitteln Zahlung er-
halten^^J. Den rückständigen Sold forderte die Mann-
schaft vom Kurfürsten, und dieser drängte den Kaiser
5«) Loc. 9152, Hessische entledigung V, Bl. 120. Druffel I,
No. 795 und 797.
*') Druffel I, No. 799.
») S. Issleib in dieser Zeitschrift V, 301 flg.
«0\
et
) Siehe ebenda 183, 275, 286.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 231
zur EiiitreibuDg- der letzten Summe des Reichsvorratlies.
Oft liatte Kurfürst Moritz dem Kaiser gegenüber hervor-
gehoben, man werde noch gezwungen sein, wegen Geld-
mangels mit Schimpf und Schande von der Belagerung
abzustehen. Gegen Ende September sprach er auch die
Befürchtung aus, dass sich das Kriegsvolk nach dem
schimpflichen Abzüge von der uneroberten Stadt nicht
trennen, sondern das es zusammenbleiben und auf lästige
Weise Bezahlung suchen werde. Besorgt ersuchte Karl V.
am 1. Oktober den Kurfürsten, unter allen Umständen
Geld aufzutreiben und nach Übergabe Magdeburgs die
Zertrennung des Kriegsvolkes durchzusetzen und neue
Vergarderuug zu verhindern; kein Stand des Kelches
sollte es gegen den andern gebrauchen, und kein Knecht
oder Reiter sollte Frankreich durch Praktiken zugeführt
werden. Im Berichte nun an den Kaiser über die Ein-
nahme und Huldigung Magdeburgs (vom 12. November)
forderte der Kurfürst wiederum nachhaltig Geld zur Be-
zahlung des „ehrlichen" Kriegsvolkes und erbot sich gleich-
zeitig wiegen der unruhigen Zeiten und der Nothwendig-
keit guten Aufsehens zu einem Versuche, das auserlesene
und an einander gewöhnte Kriegsvolk noch einige AYochen
bis zur Bezahlung trotz vieler persönlicher Beschwerden
zusammenzuhalten. In der Hoffnung, dass der Kaiser
darüber kein Missfallen haben werde, wollte er Reiter
und Knechte bewegen, das erschöpfte Erzstift Magdeburg
zu verlassen und die Auszahlung des rückständigen
Soldes an anderen Orten zu erwarten. Nach seiner
Meinung gereichte das zusammengehaltene sächsische
Kricgsvolk Kaiser und Reich zum Nutzen und Froramen.
Darauf versprach er am 14. November dem gesamten
Kriegsvolk sichere Zahlung bis zum 17. Januar 1552
unter der Bedingung, bezahle er und nicht das Reich,
dann sollte es ihm zu dienen bereit und zur Erlangung
seines ausgelegten Geldes behilflich suin**^). Hans vonDiskau
und Georg von Altensee (genannt Wachtmeister) erhielten
Weisung, das Kriegsvolk aus dem Stifte Magdeburg zu
führen, Erfurt und Mühlhausen in Thüiingcn einzunehmen
und beide Städte bis zur Entrichtung des Soldes zu
halten; den Herzügen von Weimar aber sollte auf diesem
Zuge kein Schaden zugefügt werden. Ani 17. November
") Loc. 9152, Magdeburgische Handlung VI, Bl. 1 flg. Mit
den Rittmeistern vor allen verglicli er sich über Wartegeld und
Unterhalt und über fernere iJestalhmg vom 18. Januar 1552 an.
232 S. Issleib:
verliess die Mannschaft die Feldlager vor Magdeburg.
Erfurt wurde nicht eingenommen, die Bürger setzten
sich zur Wehre, klao-ten umo-ehend beim Kaiser und bei
den Nachbarfürsten und erwirkten Schutzmandatc beim
Karamergerichte®^). Mühlhausen dagegen wurde be-
setzt und arg heimgesucht; am 12. Februar 1552 begab es
sich auf 20 Jahre in den kurfürstlich sächsischen Schutz
und gelobte jährlich 600 Fl. zu zahlen"*).
Wohl zu beachten ist, dass sich Kurfürst Moritz ira
Berichte vom 12. November vernehmen Hess: wünsche
der Kaiser vom Verlauf der magdeburgischen Belagerung
mündlichen Bericht, dann wolle er zu ihm kommen und
zufriedenstellende Anzeige thun; bis dahin sollte der Kaiser
solchen, die ihn verunglimpfen möchten, nicht glauben,
sondern sein gnädigster Herr sein und bleiben. Dies
unerwartete Erbieten fand Beifall, Karl V. forderte den
Kurfürsten am 22. November auf, sich unverzüglich zu
erheben und zu ihm zu verfügen, um mit ihm über
Magdeburg und andere wichtige persönliche und allge-
meine Dinge zu verhandeln. Die Trennung des Kriegs-
volkes, welches nicht zur Besetzung Magdeburgs gebraucht
werde, sollte jedoch vor seiner Abreise stattfinden. Von
der Zusammenkunft des Kurfürsten mit dem Kaiser ver-
sprach man sich allgemein viel, daher wurde von ver-
schiedenen Seiten alles aufgeboten, um den Kurfürsten
zum baldigen Aufbruch nach Innsbruck zu bewegen.
Der kaiserliche Kommissar Schwendi verscäumte nicht,
wiederholt zu versichern, man meine es am kaiserlichen
Hofe redlich und gut und werde dem Kurfürsten so be-
gegnen, dass alle Dinge zu seiner Zufriedenheit in „gute
Richtigkeit gerathen" würden**^). An keiner Snche aber
war dem Kurfürsten mehr gelegen, als an der Befreiung
des Landgrafen, für welche damals gerade in Inns-
bruck Fürsprache eingelegt wurde.
**) Die Kriegsunruhen in Thüringen veranhissten die nachbar-
lichen Reichsstände, besonders die Bischöfe von Würzburg und Bam-
berg, zu rüsten. Druff el II, No. 872.
«*) H.-St.-A. Original No. 11449.
'*) Siehe darüber Loc. 9152, Belagerung Magdeburgs VI, Bl. 86,
285 ttg., .307. Drnffel I, No. 820. Loc. 10695, Dr. Franz Krammens
Zeitungsbuch 1551. Innsbruck, 29. November 1551 ; dagegen Loc. 7281,
Französische Yerbündnisse Bl. 114. (Drnffel I, No. 804). Landgraf
"Wilhelm nahm an, Moritz werde nur dann zum Kaiser reisen, wenn
die Geldsendung von Frankreich abgeschlagen -werde; für seine
Person rieth er gänzlich ab.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 233
Im Laufe des Sommers hatte Kurfürst Moritz
neben den Kurfürsten von Brandenburg durch Send-
ungen au verschiedene Höfe eine allgemeine Fürbitte
für den Gefangenen vorbereitet"*'). Um Michaelis kamen
dann die Abgeordneten von Kursachsen und Kurbranden-
burg, von Kurpfalz und den anderen pfalzgräf liehen
Höfen, von Württemberg und Baden, von Mecklenburg
und Dänemark in Donauwörth zusammen und zogen
nach gemeinsamen Vorberathungen nach Augsburg.
Hier erlangten sie keine Audienz mehr, Aveil der vor-
nehmste Sprecher, der kursächsische Abgeordnete Mel-
chior von Osse, welcher in Donauwörth krank dar-
nieder gelegen hatte, erst am 20. Oktober nach Augsburg
kam und die Abreise des Kaisers nach Innsbruck bereits
auf den 21. Oktober festgesetzt war. Auf Befehl des
Kurfürsten von Sachsen folgten die Abgeordneten am
4. November nach Tyrol. Unterwegs erkrankte Dr. Osse
von neuem und langte erst am 13. November schwach
in Innsbruck an. Mittlerweile waren beim Kaiser Bitt-
schriften zu Gunsten des Landgrafen vom Könige Sigis-
mund August von Polen, vom König Ferdinand, vom
Herzog Albrecht von Bayern und den jungen Herzögen
von Lüneburg eingelaufen.
Am 17. November nachmittags zwischen 4 — 5 Uhr
„gab der Kaiser in eigener Person Audienz"') und hörte
dem Anscheine nach die Anträge nicht mit Ungeduld,
sondern mit Lust und allem Fleisse an; er sass auch
allezeit ganz still, nur als man ihn einen löblichen deut-
schen Kaiser nannte, strich er, aber ohne Ungebärde,
mit der rechten Hand über den langen Zahn""®). Die ver-
einigte kursächsische und kurbrandenburgische Instruktion
«•) Näheres über die landgräfliche Sache 1551 Loc. 9145,-
Hessische entledigung I, lil. 70, 85, 90 flg., 107 flg., 143, 144, 153.
Loc. 10 ISO, Franz Krannnens Schreiben an Kurfürst Moritz zu Sachsen
1551, 151. 76, 88. Loc. 10695, Dr. Franz Kraramens Zeitungsbuch
(ohne Blattzahleu), Schreiben vom 29. Xovember. Loc. 848.'), .\cta
miscellanea, Handschreiben 1550—1559 Bl. 12 flg. und llandelbuch
des Dr. Melchior von Osse, S. 1G2 (in der Dresdner üft'entlichen
Büdiothek). Vergl. Druffel I, No. 619, 644, 657, C69, 683 (In-
struktion zum Tage von Salza), 686, 687, 762, 760, 788, 821, 825 (S.
828 unten und S. 829 Postscr.), 840.
") Im Beisein Herzogs Adolf von Holstein, I»r. Solds, llossis
und des Don Luis de Avila.
«') Bericht des Franz Kram vom 29. November im Zeitungs-
buch, Loc. 10695.
234 S. Issleib;
wurde Wort für Wort vorgetragen ; dann folgte die Für-
bitte des Königs von Dänemark und die der anderen
Fürsten ****). Nach Granvellas Mittheilung an die Königin
Maria verlor die Audienz an Feierliclikeit durch die ver-
schiedenen Partikularerklärungen. Überdies spracli der
kurbrandenburgische Gesandte Dr. Jung (an Stelle des
kranken Osse) im Auftrage der Kurfürsten von Sachsen
und Brandenburg sehr schläfrig, und der dänische Bot-
schafter blieb sogar stecken. Im Namen des Kaisers
erwiderte der Vizekanzler Seid und vertröstete auf gute
Antwort.
Als dann des Kurfürsten von Sachsen Bericht vom
12. November mit dem Erbieten, auf Verlangen nach
Innsbruck kommen zu wollen, anlangte, Hess der Kaiser
am letzten November durch Seid den auf Resolution und
Antwort harrenden Abgeordneten anzeigen, er sei ent-
schlossen, demnächst mit dem Kurfürsten von Sachsen
über die landgräfliche Sache persönlich zu verhandeln
und gestatte ihnen, ihrer Gelegenheit nach abzureisen"^).
Dr. Franz Kram unterliess nicht, dem Kurfürsten viele
„tractatus" und weitere Versicherungen des Landgrafen
wegen in Aussicht zu stellen, und meinte, man wolle den
Landgrafen und seine Kinder also schmälern und extenuieren,
dass man ihrer zu jeder Zeit mächtig sein könne.
Noch einer anderen Angeleo-enheit müssen wir hier
gedenken, der Konzilsache. Der ßeichstagsabschied
vom 14. Februar 1551") auferlegte den Besuch des
Konziles zu Trient allen Reichsständen, und der Kaiser
hatte demgemäss ein Mandat (vom 23. März) ergehen
lassen. Darauf befahl Kurfürst Moritz den Theologen,
eine Apologie der christlichen Lehre zu stellen, „welcher-
massen sie den hochwichtigen Handel vor die Hand
nehmen und worauf sie auch endlich bleiben wollten'"'-').
•') Auf Auhalten der jüliclischen Gesandten ging man damit
um, auch eine Fürbitte für den Herzog Johann Friedrich einzulegen,
allein die Sache wollte sich nicht recht schicken. (Franz Kram,
29. November).
'") Im Briefe an den Kurfürsten vom 22. November (Druffel I,
No. 818) erwähnte der Kaiser die Audienz vom 17. November etc.
nicht. Vergl. Druffel I, No. 825.
") Loc. 10187. Reichshandlung zu Augsburg 1550 — 1551.
Siehe Druffel III, No. 728, vergl. I, No. 729, A. 1 u. 2. Loc. 10324,
Tridentiner Konzil.
") Druffel I, No. 655.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 235
Melanchthou schickte Ende Mai eine sächsische Kon-
fession ein, welche nach mancherlei Abänderungen Anfang-
Juli den Gesandten des Markgrafen Hans und einer Ver-
sammlung sächsischer Prediger zu Wittenberg") vorgelegt
und auch dem Könige von Dänemark überschickt wurde.
Man trug sich wohl mit dem Gedanken, alle Evangelischen
Deutschlands gegen das 'Konzil zu einen. Im August
war Kurfürst Moritz entschlossen, wie Brandenburg
Württemberg etc. das Konzil zu beschicken'''); aber er ver-
langte für seine Theologen ausser dem im März zuge-
schickten Geleite des Kaisers auch ein Geleit vom Konzile
und zwar in aller Form, wie es einst den Böhmen nach
Basel gewährt worden war, er verlangte ausserdem freie
Verhandlung auf Grund der heiligen Schrift'^). Bufler
wurde (im Oktober) nach Trient abgefertigt, um für eine
Herberge zu sorgen und über den Konzilverlauf zu be-
richten"^). Bald darauf traf ein Pergamentbrief ohne
Siegel als Geleit ein; allein da es nicht dem Baseler ent-
sprach, hielt der Kurfürst seine Theologen zurück. Doch
sandte er im Dezember seine Räthe Wolfgang Koller und
Leonhard Badhorn nach Trient"), um die Uberschickung
des beantragten Geleites durchzusetzen und so den säch-
sischen Theologen das Erscheinen auf dem Konzil zu
ermöglichen. An den kaiserlichen Hof schrieb er Ende
Dezember ''^): der Kaiser werde es ihm bei der Wichtig-
keit der Sache gewiss nicht verübeln, wenn er Über-
eilung vermeide; aber die Theologen sollten sich in-
zwischen auf den Weg machen, um günstigenfalls vollends
nach Trient zu ziehen. Wohl jeder erkennt klar daraus,
dass Kurfürst Moritz die >Geleitfrage benutzte, um die
Konzilsache so lange hinauszuschieben, bis seine anderen
Pläne, welche weder die sonst vertrauten Räthe wie
Christof von Carlowitz etc. noch die Theologen kannten,
entweder „gereift oder gescheitert" waren"*). Fasst man
") Druffel III, 234, A. 1.
") Vergl. Loc. 10189, Franz Krammens Schreiben an Knrfürst
Moritz etc. Bl. 55. Dm fiel I, No. ()88.
'») Drnffel I, No. 729; III, No. 728 S. 236; I, No. 765, 769
vergl. 753, 772, 792.
'«) Ebenda I, No. 771.
") Ebenda I, No. 841 ; vergl. No. 792, 826, 830 (S. 843), 831
(S. 846), 833, 856, 857 (26. Dezember Wolf Koller in Innsbruck). Die
Eäthe kamen am 7. Januar 1552 in Trient an. Loc. 10 041, Ver-
schiedene Schriften, die Regierungszeit Moritz 1516—1553 betreftend.
'«) Ebenda I, No. 860. '») Ebenda I, No. 830 (S. 843).
236 S. Issleib:
alles in das Auge, so lagen die Dinge doch so, dass Kur-
fürst Moritz nöthigenfalls auf Frankreich verzichten und
in kaiserliche Bahnen einlenken konnte. Als Besieger der
Magdeburger Rebellen hatte er sich um Kaiser und Reich
augenscheinliche Verdienste erworben, seine Erbietungen
und Anordnungen in betreff des Kriegsvolkes konnten
vorerst nicht anders als günstig gedeutet werden, seine
Willfährigkeit in der Konzilsache durfte auf des Kaisers
Zufriedenheit rechnen, und seine Bereitwilligkeit, nach
Innsbruck zu kommen, musste noch jeden Zweifel an der
Treue des Kurfürsten gegen den Kaiser verscheuchen *").
Einen Einblick in die Pläne des Kurfürsten besass der
Kaiser thatsächlich nicht; über die französischen Praktiken
im Reiche nur war er im allgemeinen unterrichtet ^^).
Wie leicht konnte er allen künftigen Unzuträglichkeiten
vorbeugen, Avenn er den Landgrafen in Freiheit setzte !
König Ferdinand schlug ihn als bestes und wirksamstes
Mittel gegen alle gefährlichen Praktiken die Befreiung
des Landgrafen vor ^^). Allein Karl V. meinte, die bis-
herigen Sicherheiten genügten nicht, um Philipp äussersten
Falles loszugeben. Er w^ollte darüber mit dem Kiu'fürsten
verhandeln und sah täglich seiner Ankunft in Innsbruck
entgegen *^).
Bereits haben wir oben auf die Reise des Rheingrafen
Johann Philipp nach Deutschland hingewiesen. Er kam
vom französischen Hofe und erreichte anfangs November
Cassel. Was er mittheilte ^*), war niclit gerade erfreu-
licher Art. Tiefen Eindruck hatte am französischen Hofe
der Abfall des Markgrafen Hans und die Uneinigkeit der
Fürsten in Lochau gemacht. Der Rheingraf äusserte,
König Heinrich werde nicht zu bewegen sein, dem so
«") Druffel I, No. 856, vergl. 840.
*') Böcklin wurde nach Norddeutschland geschickt, um die
französischen Praktiken besonders in den Hansestädten zu bekämpfen.
Loc. 9152, Magdeb. Belagerung V, Bl. 337 flg.; vergl. Druffel I,
No. 766.
**) Dann versichere er sich nicht nur des kursächsischen und
kurbrandenburgischen Anhanges, sondern werde auch den Kurfürsten
Moritz leicht bewegen, sich mit dem sächsischen Kriegsvolke gegen
die kaiserlichen Feinde gebrauchen zu lassen. Siehe Druffel I,
No. 801, 821, 825, 839.
"J Alle Kräfte setzte er ein, um durch Schwendi und den
Pfennigmeister Haller Geld aufzutreiben und das magdeburgische
Kriegsvolk zu bezahlen und zu trennen.
") Loc. 728], Französische Verbündnisse Bl. 114; Druffel I,
No. 804.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 237
geschwächten Bunde monatlich 100000 Kronen zu geben,
kaum die Hälfte oder höchstens 100000 Fl. ®^). Bestehe
Markgraf Albrecht auf seiner Forderung, so könne sich
der Handel zerschlagen, den König fechte keine Noth an,
es liege in seiner Hand, mit dem Kaiser Frieden oder
Kries; zu haben. Gerathen erscheine, unverzüglich zum
König zu senden und auf eine geringere Summe hin ab-
zuschliessen *''). Sofort veranlasste Landgraf Wilhelm
den Rheingrafen und Fresse, Heinrich H. zu bitten, sich
günstig zu erzeigen; er selbst rieth brieflich den Mark-
grafen Albrecht, im Nothfalle auf 70000 Kronen herab-
zugehen und seiner persönlichen Dienste halben zunächst
keine allzuhohen Forderungen zu stellen ^'). Nachdem
dies geschehen, machte sich der Rheingraf auf den Weg
zum Kurfürsten Moritz, mit dem er jedenfalls in Magde-
burg oder in der Nähe, wenige Tage nach der Übergabe
der Stadt zusammentraf**). Wie Landgraf Wilhelm, so
hörte der Kurfürst von dem Entsetzen des französischen
Königs über den Abfall des Markgrafen Hans und von
der allzuhohen Geldforderung. Der Rheingraf verlangte
laut seiner Instruktion **^) Bescheidenheit in Geldsachen,
eifrige Förderung des Bundes und ein kurfürstliches Gut-
achten^ Avie dem Kaiser am meisten Abbruch gethan und
der Krieg im Frühjahre begonnen werden könne. Mark-
graf Hans sollte, tief in die Sache eingeweiht, an der Hand
behalten und von den jungen Herren zu Weimar wenig-
stens einer für den Bund gewonnen werden. — Den
Bundesinteressen wollte der Kurfürst auf das Eifrigste
nachgehen und hoffte, auch den Markgrafen dem Bunde
wieder zu gewinnen. Mit den jungen Herren von Wei-
mar aber sollte der Rheingraf im Namen des Königs ®")
ohne kurfürstliches Zuthun geheim verhandeln. Für die
ersten drei Kriegsmonate beanspruchte Moritz 300000 Kro-
nen als unumgänglich nöthig, um vor allen Dingen des
") 80000 Kronen — 125000 fl. ~ lOOOOO Goklgulden.
'") Über alles dies schrieb Landgraf Wilhelm an Moritz am
7. November. Der IJrief traf denniacli am 10. oder 11. in Magde-
bvu'g ein. Gewiss hat er Kinünss gcliabt auf des Kurfürsten Er-
bieten, nach Innsbruck kommen zu wollen.
«') D ruf fei I, No. 803.
'') Vergl. I) ruffei I, No. 799, 809.
«») 1) ruffei Iir, No. 810. (S. 257 Hg.)
»") Loc. 7281, Franz. Verbündnissc 281, .311. Hierüber siehe
Druffel I, No. 814, 815, 82:J, 859, 88:5, Anm. 1. W. Wenck, Kur-
fürst Moritz und die Ernestiner etc., 2.S tlg.
238 S- Issleib:
Kaisers Reputation im Reiche zu schädigen. Es sei be-
schlossen, hob er hervor, ihm den besten Anhang und
die beste Kraft, die Pfaffen und andere, abzuziehen und
in Verpflichtung zu nehmen. Man hoffe, im ersten Ruck
Augsburg und den besten Donaupass Ingolstadt einzu-
nehmen und dann den Kaiser nach Italien zu drängen,
besonders wenn der König; mit seinem Krieo-svolke nahe.
Setze sich der Kaiser in Augsburg fest, dann sollte der
König mit 30000 Mann zu den Bundesfürsten stossen und
die Stadt belagern helfen. Die Niederlande sollten ver-
schlossen und vom Rheine bis Böhmen alles in das könig-
liche Bündnis gedrängt werden etc. Der Kurfürst er-
kannte aus der Verhandlung mit dem Rheingrafen, dass
man in Frankreich kärger sei als gut thue. In ziemlich
beklommener Stimmung schrieb er daher an seinen Schwa-
ger Wilhelm®'), ihm in Wahrheit zu glauben, dass er
seines Vaters Erledigung gern befördern wolle, es ge-
schehe auf welchem Wege es wolle. Sollten aber, fuhr
er fort, die 100000 Kronen nicht bewilligt werden, so
habe er gar keine Hoffnung zur Sache; denn je länger
er dem Handel nachdenke, desto mehr Ausgaben finde
er. Er könne nicht mehr thun, als er bewilligt habe,
stecke in der grössten Last und sei am übelsten daran,
die Sache gehe vor oder hinter sich. Das Kriegsvolk
liege ihm auf dem Halse, und es bedürfe wahrlich guten
Aufsehens. Heftig sei er über die Schrift des Rheingrafen
und Fresse's an den König erschrocken. Für seine Per-
son wisse er gar keine Abänderung in der Abfertigung
des Markgrafen zu thun. In Summa, der Handel sehe
ihn wunderlich an. Er bat den Landgrafen, zu ihm zu
kommen. Am 29. November ^^) erklärte er, wer rathe,
an der geforderten Summe etwas fallen zu lassen, der
rathe in ein Bad, in dem man weder schwimmen noch
waten könne. Der Kaiser (Raffzahn wurde er stets ge-
nannt) sei ein solcher Vogel, der sich in 4 oder 5 Monaten
nicht ausbeissen lasse. Alles, was sie (Moritz und Wil-
helm) in der Welt hätten, stehe für sie auf dem Spiele.
Daher möge der Landgraf dem Fresse ihre Nothdurft
anzeigen, sich nicht leicht zu anderen Vorschlägen be-
wegen lassen und auf Antwort dringen, damit man wisse,
woran man sei. Am Schlüsse wiederholte der Kurfürst
die Einladung zu einer noth wendigen Besprechung.
") Druffel I, No. 809, Brief vom 14. Novbr. aus Magdeburg.
") Ebenda No. 828; vergl. 811 u. 823.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 239
Vom Markgrafen Albreclit, welcher am 10. November
am französischen Hofe angekommen war, lief die erste
Nachricht (vom 22. November) anfangs Dezember ein**).
Lästige Schwierigkeiten waren ihm in den Weg gelegt
und grosse Enttäuschungen bereitet worden. Wiederholt
und nachdrücklich hatte man betont, dass Reifenberg seiner
Zeit drei Heerliaufen in Aussicht gestellt, die Eintracht
der F'ilrsten aufs höchste gerühmt, die Herzöge von Wei-
mar schon als Bundesmitglieder bezeichnet und nur
100000 Kronen gefordert habe. Jetzt dagegen seien die
Fürsten zerfallen und könnten den früheren Verpflichtungen
nicht nachkommen; demungeachtet aber forderten sie für
ein Heer von 7000 Reitern und 20000 Knechten dieselbe
Summe wie vordem. Man bot nicht melir als 40000 fl.
monatliche Unterstützung und verlangte die Abänderung
mehrerer Punkte des Lochauer Vertrages ''^). Obgleich
nun der Markgraf, veranlasst durch die Zuschrift vom
7. November, allmählicli von den geforderten 100000 Kro-
nen auf 80000 und 70000 Kronen und zuletzt auf
100000 fl. herabging, so schloss man trotzdem nicht mit
ihm ab, sondern beauftragte Fresse, sich mit den Bundes-
fürsten über die Geldsumme zu verständigen. Infolge
dessen lud Kurfürst Moritz seinen Schwager zu einer
Berathung nach Dresden ein ^^). Der Landgraf sollte
auch den königlichen Gesandten mitbringen, aber auf der
Reise die grösste Vorsicht anwenden, dass der Franzose
unerkannt bleibe, denn der kaiserliche Kommissar von
Schwendi habe viele Kundschafter in Leipzig. Auf die
aus Frankreich erhaltenen Briefe verweisend, klagte der
Kurfürst, dass man dort die Händel wunderlich karte,
er wisse schier nicht, wie er es verstehen solle. Einmal
wolle man Unterhändler mit voller Gewalt zu schliessen
haben, zum andern halte man sie nach der Ankunft auf
und schreibe wieder heraus, was der Gesandte thun solle,
lim sehe der Handel in dieser Sache ganz wild und selt-
sam an. Seiner Beschwerlichkeit des Kriegsvolkes wegen
müsse man schliessen, gleichviel ob es etwas oder nichts
sei. Habe der Faktor (Fresse) nicht volle Gewalt, der
lOOiJOO Kronen halber zu schliessen, so achte er die ganze
Sache für nichts etc.
") D ruffei I, No. 83G; Loc. 7281, Franz. Vcrbiuulnisse, Ul. 80.
Druffel III, No. 819 (S. 279 flg.).
') Der Religionsartikel müsse ausgestrichen werden.
*) Druffel I, No. 836. Brief vom 8. Dezember.
9S\
240 S. Issleib:
Die Dresdner Verhandlungen ^^) vom 17. — 21. De-
zember 1551 zwischen Kurfürst Moritz, Landgraf Wilhelm,
Johann Albrecht von Mecklenburg, dem französischen
Gesandten, dem Rheingrafen, Heideck, Heinrich von
Schachten und Bing befassten sich hauptsächlich mit der
französischen Geldbewilligung. Fresse bot für den Kriegs-
zug gegen den Kaiser die Monatssumme von 50Ü00 Kronen
und stellte eine einmalige Bewilligung von 30000 Kronen
für die Operationen gegen die Niederlande in Aussicht.
Kurfürst Moritz dagegen hielt an der Summe von 100000
Kronen fest. Der Handel stockte und schien sich zu
zerschlagen. Erst am 21. Dezember waren die Fürsten
zufrieden, dass der König für den ersten Kriegsmonat
100000 Kronen und für die folgenden 80000 Kronen
zahle, doch sollte er die Summe dreier Monate stets im
voraus erlegen. Der endgiltige königliche Bescheid wurde
bis zum 20. Januar 1552 beansprucht.
Nicht zu übersehen ist die „Erklärung" des Lochauer
Vertrags, welche die Fürsten auf Anhalten Fresses ab-
gaben. Darin sprachen sie aus: es sei nie ihr Gemüth
dahin gerichtet gewesen, jemanden mit Gewalt zu ihrer
Religion zu zwingen, oder jemanden ohne genügende
Ursache und Anreizung der Religion Avegen zu bekriegen,
wohl wissend, dass sich die Gewissen in Religionssachen
nicht zwingen lassen wollten; sondern sie gedächten bei
der katholischen, w^ahren, christlichen Religion und Kirche
zu bleiben und keine Verächter oder Widerspänstige
derselben und der prophetischen und apostolischen Schrif-
ten zu sein. Die Verbündeten verzichteten also auf einen
Religionskrieg und kennzeichneten ihre Stellung zu den
Katholiken und zum Konzile. Weiter versprachen sie
gewinnendes Verhalten gegen alle Reichsstände (ohne
Unterschied des Bekenntnisses) ausgenommen die Anhänger
der Feinde, die Widersetzlichen und die, welche keine
genügende Versicherung geben würden. Besetzte Pässe
und Festungen sollten am Ende des Krieges wieder
zurückerstattet werden. Sie sprachen den König von der
Verpflichtung frei, einen besonderen Kriegshaufen neben
ihnen in Deutschland zu erhalten, doch riethen sie zu
einer derartigen Annäherung, dass im Nothfalle beide
Heere zusammenstossen und vereinigt handeln könnten.
•*) Druffel III, No. 845, 865 und I, No. 849, 862.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 241
Der königliche Kriegsrath sollte bei allen Berathungen
im Felde eine Stimme, haben u. s. w.
Der Bischof von Bayonne Fresse war erbötig, un-
gesäumt an den königlichen Hof zu ziehen und einen
Abschluss der Verhandlungen herbeizuführen. Von Seiten
der Fürsten erhielt Markgraf Albrecht Weisung ^'), die
Subsidienfrage gemäss den Dresdner Bewilligungen zu
erledigen oder doch eine königliche Erklärung beizu-
bringen, worauf der Handel beruhen solle. Das Ulti-
matum wollten sie an den Herzog Albrecht von Preussen,
den Herzog von Mecklenburg und andere Fürsten gelangen
lassen und innerhalb einer bestimmten Zeit beantworten.
Alle Versuche ®®), nach den Dresdner Tagen den Kur-
fürsten zu fernerer Nachgiebigkeit und zur Bewilligung
eines weiteren, wenn auch geringen Spielraumes in der
Subsidienfrage zu bringen, scheiterten. Ohne Wanken
blieb er bei den letzten Di'esdner Vereinbarungen und
wünschte spätestens bis zum 27. Januar zu wissen, woran
er sei, da aus vielen Ursachen die Dinge keinen längeren
Verzug leiden könnten. „So ist auch der Teufel", schrieb
er am 7. Januar 1552 an seinen Schwager Wilhelm**''),
„an dem andern Orte (am kaiserlichen Hofe) nicht so
schwarz, dass wir uns deshalben in ein Spiel sollten
führen oder schrecken lassen, wo wir weder aus noch
ein wüssten. Ich hab E. L. angezeigt, dass viel Suchen
von RafFzahns Hofe an mich geschehen, der Averden niciit
weniger, sondern von Tag zu Tag mehr. Und in Summa,
man begehrt, ich soll nur kommen, ich würde E. L.
Vaters halben erhalten, was ich wilF •*")". Darum sollte
der Landgraf diesen Dingen nachdenken und in alle
Wege daran sein, dass eine Antwort dem Dresdner Ab-
schiede nach eiukomme.
Sobald Fresse am 31. Dezember 1551 hoffnungs-
vollere Nachrichten vom königlichen Hofe erhalten Iiatte,
brach er am Neujahrstage 1552 in Cassel auf, versprach
innerhalb 25 Tagen zurückzukehren oder des Königs
Willen zu eröffnen und ritt eiligst nach Frankreich"*').
Der Erfolg dieser Reise war, dass Heinrich H. den
•') D ruf fei I, No. 850, vergl. 852.
»») Ebenda No. 855, 859. II, No. 875, 878, 887, 900.
»») Ebenda LI, No. 887, vergl. 904.
'•") So einfach dachte sich der Kurfürst die Sache in Wahr-
heit nicht.
'«') Druffül II, No. 873, 883, 880, 900, 904.
Neues Archiv 1'. S. ü. u. A. VI. 3. 4. 16
242 S. Issleib:
Locliauer Vertrag am 15. Januar zu Chambord'"*) rati-
fizierte und sich entschloss, bis zum 25. Februar 240000
Goldkronen für die drei ersten Kriegsmonate nach Basel
zu liefern und dann monatlich 70000 Kronen zu erlegen.
Durch des Landgrafen Vermittelung erfuhr Kurfürst
Moritz anfangs Februar; am französischen Hofe seien alle
Dinge bewilligt und abgeschlossen. Darauf war er bereit,
die hoffnungsvollen kaiserlichen Vertröstungen hintanzu-
setzen, nach Friedewalde zu kommen und an den letzten
Berathungen theilzunehmen '"^).
Bei den Schlussverhandlungen in Friedewalde vom
11. — 14. Februar 1552 '"*) kam es nochmals zu weit-
läufigen gereizten Erörterungen und heftigen Auseinander-
setzungen. Der französische Orator rühmte in prahle-
rischer Weise die Verdienste seines Königs um die deutsche
Nation, seine edle Gesinnung und hochherzige Opfer-
willigkeit; rechthaberisch liess er häufig vorwurfsvolle
Bemerkungen fallen und erwartete Willfährigkeit in allen
Dingen. Kurfürst Moritz dagegen brachte seine Unzu-
friedenheit und seinen Unwillen über die lästigen fran-
zösischen Zumuthungen und vertragswidrigen Einschränk-
ungen unverhohlen zum Ausdrucke. Es würde zu weit
führen, alle Einzelheiten der Friedewalder Verhandlungen
anzugeben, die Hervorhebung der wichtigsten Punkte
genüge -zur Beurtheilung. Der Kurfürst betonte noch-
mals allmonatliche Erlegung von 80000 Kronen und meinte,
Markgraf Albrecht habe eigenmächtig 10000 Kronen er-
lassen. Als aber Fresse sich zu keinem neuen Zugeständ-
nisse bewegen liess, suchte Moritz den König wenigstens
zu einer regelmässigen dreimonatlichen Vorausbezahlung
während des Krieges zu verpflichten. Die Fürsten ge-
lobten Bundestreue nur durch Handschlag, weil auch der
König das Bündnis nur durch Handschlag bekräftigt und
den geforderten Eid nicht oeleistet hatte. Die Ratifikation
des Lochauer Vertrages durch Herzog Augustus wurde
"'^) H.-St.-A. Orig. No. 11 448. Druffel III, No. 902, S. .S40 flg.
"**) Über Markgraf Albrechts Heimreise (Ende Januar) und
über seine Bemühungen, den Herzog von Württemberg, den Kur-
fürsten von der Pfalz und den Herzog von Bayern für die Bundes-
interessen zu gewinnen, siehe Druffel II, No. 937, 956, 961, 967,
972, 1007. Beachten wir, der Markgraf trat nicht in fran-
zösische Dienste.
'"*) Die betr. Akten des H.-St.-A. sind gedruckt im Münchner
histor. Jahrbuch für 1866, 282 flg. als Beüage zu Cornelius,
Politik etc.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 243
nach Bewilligung einer königliclien Gegenverschreibung
zugestanden. Die in Dresden unterschriebene und be-
siegelte Deklaration des Lochauer Vertrages sollte dem
Gesandten übergeben werden.
Am Tage der Geldverleguug (25. Februar) sollte die
Musterung und Bezahlung des Kriegsvolkes beginnen.
Die Geiseln ^"^) sollten spätestens den 12. März (statt
25. Februar) in Basel eintreffen und ausgewechselt werden.
Die Fürsten erklärten sich bereit, bei Beginn des Krieges
an die Städte Metz, Toul, Verdun und Cambrai zu schrei-
ben, ihnen das zur Erhaltung deutscher Freiheit aufge-
richtete Bündnis anzukündigen und von Reichs wegen zu
befehlen, des Königs Besatzung aufzunehmen und das
geraeme Werk zu fördern etc.
Über ein öffentliches Ausschreiben des Königs und
der Fürsten an alle Reichsstände war schon in Dresden
disputiert worden. Anfangs hatte man für gut gehalten,
ein geraeinsames Ausschreiben ergehen zu lassen, jetzt
wollte man davon absehen. Die Fürsten hatten Gründe,
zu fordern, das königliche Ausschreiben müsse dem
Hauptbündnisse von Lochau und der Nebenerklärung
von Dresden gemäss sein. Aus dem französischen Aus-
schreiben sollte jedermann ersehen, dass der Krieg
allein der deutschen Freiheit wegen angefangen werde
und kein Reichsstand, besonders kein Geistlicher, der
mit dem Könige eines Glaubens und einer Religion
sei, etwas zu fürchten habe. Die Fürsten blieben dabei,
Geistliche wie Weltliche müssten sich gegen sie erklären
und versichern, wie es ihre (der Fürsten) Nothdurft er-
fordere. Die Worte: „Der König wolle die Geistlichen
in seinen Schutz genommen haben" sollten gestrichen
oder dem Hauptbündnisse und der Erklärung gemäss
moderiert werden. Des Ansehens und der Autorität, der
Leute Gunst und ehrerbietiger Furcht halben wünschte
Fresse die Namhaftmachung möglichst vieler Fürsten in
den Ausschreiben. Der Krieg sollte als „ein gemein
Werk" erscheinen. Damit die Leute die Sache desto
billiger beurtheilen möchten und alle innere Verhinderung
wegfalle, sollten die jungen Herren von Weimar noch
zum Beitritte bewogen werden. Es sollte eine Sendung
an England und Dänemark stattfinden etc. Darauf wurde
erwidert: im fürstlichen Ausschreiben werde mau die
'"*) Ein Herzog von Mecklenburg inid ein Landgraf von Hessen.
16*
244 S. Issleib:
verbündeten Kur- und Fürsten nennen; andere, die noch
nicht Bundesmitglieder seien, namhaft zu machen, wolle
sich übel reimen. Die jungen Herren von Weimar ge-
denke man nicht auszuschliessen, sofern sie zum Bünd-
nisse Lust hätten, keine allzubeschwerlichen Bedingungen
stellen und sich der Lochauer Haupteiniguug gemäss
halten würden. An der Sendung nach England und
Dänemark wollte man sich betheiligen. Der Orator
wiederholte: des Königs Wille sei, dass niemand,
ausgenommen die Widersetzlichen und Feinde, Schaden
erleiden solle. Der König sei kein Beschirmer der Bi-
schöfe, aber man solle keine Feinde erwecken, wo man
mit Ehren Freunde haben könne. Ihm dünke, meinte
Fresse, und wollte es mit besonderer Erlaubnis gesagt
haben, dass die Fürsten die Zeit der Rache und des Er-
werbens nicht erwarten könnten. Es wäre nützlich, im
Ausschreiben viele Bundesmitglieder aufzuzählen. Der
König begehre vor allem die Theilnahme der Herren
von A'Veimar am Bunde, und niemandem sei mehr als
dem Kurfürsten daran «elegen. Wozu halte man so
ehrliche Fürsten, die sich so frei erboten, so lange auf ^^*^)?
Die Fürsten entgegneten : sie gedächten freundlich auf-
zunehmen, wer mit ihnen sein wolle. Wer gegen sie sei
und sich nicht genügend erkläre, gegen den müsse laut
Vertrag und Erklärung gehandelt werden.
In Betreff der übrigen Punkte: des Kriegszuges, des Vor-
gehens gegen den Kaiser, der Bundesländer, des höchsten
Imperiums, des Kriegsrathes, des Bundessiegels, der Bundes-
fahnen etc. hielt Kurfürst Moritz neben den anderen Fürsten
für gut, dass König Heinrich bis zum 20. ]\Iärz ungefähr
am Rheine etwa bei Speier, Worms oder Mainz eintreffe,
dann wollten sie sich mit ihm über die ferneren Kriegs-
operationen vergleichen '"'*). Des Kurfürsten Land und
Leute werde Herzog Augustus neben anderen guten
Freunden behüten. Im Kreise der Fürsten sollte der
König als Haupt des Bundes betrachtet werden und ver-
tragsmässig im Kriegsrathe eine Stimme erhalten. Ein
Bundessiegel wurde abgelehnt. In den Salvagardis sollte
des Königs Wappen mit der Umschrift : Vindex libertatis
'**) Vergl. W. Wenck, Kurf. Moritz u. die Emestiiier etc., 27.
"") Der König sollte eilig herausziehen. Nehme er auf diesem
Zug Toul, Yerdun, Metz und Cambrai ein, wohl und gut, wenn
nicht, dann solle er 15 — 20 000 Mann hinter sich lassen, die ihn
trotz der Städte Proviant etc. nachbringen könnten.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 245
Germanicae et principuni captivorum stehen. Die Fähn-
lein der Bimdesfürsten sollten in der Mitte grosse weisse
Kreuze haben '*'^) etc.
Auch die Keligionssache kam zur Sprache. Die
Fürsten sollten den König ersuchen, durch ein gemein
Konzil oder andere Reraedia die Einigkeit und die durch
den Kaiser und andere Widerwärtige verhinderte Ver-
söhnung der Kirchen zu befördern^ -'^).
So schloss man zu Friedewalde ab. Niemand wird be-
haupten können, dass grosses Vertrauen die Verbündeten,
den König und die deutschen Fürsten, aneinandergekettet
habe. Kurfürst Moritz wollte von Frankreich doch nur
möglichst hohe Subsidien und kräftige Unterstützung; die
Ausdehnung der französischen Macht auf Kosten Deutsch-
lands lag nicht im Bereiche seiner Wünsche. Von ferne
zwar zeigte er dem Könige die deutsche Kaiserkrone und
bewilligte auch bedingungsweise die Besetzung der loth-
ringischen Städte; aber er Hess sich nicht bewegen, dem
Könige den Schutz über die katholische deutsche Geist-
lichkeit einzuräumen. Im Reiche sollte sich der fran-
zösische Einfluss nicht allzuweit einnisten. Der Kurfürst
suchte die unbeschränkte Freiheit zu wahren, unter Um-
ständen gegen geistliche Territorien nach Kriegsrecht
handeln, sie zu Bereicherungen, Entschädigungen und
Belohnungen verwenden zu können. Lästig war ihm der
französische Einmischungsversuch in die deutschen Reli-
gionsverhältnisse.
Genug, vorläufig standen Kurfürst Moritz, Landgraf
Wilhelm und Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg
im Bunde mit Frankreich; aber auch sie nur allein.
Markgraf Albrecht schon gehörte ihm nicht an, er war
unverpfiichtct, aber bereit, mit selbstgeworbenen Truppen
Hilfe zu leisten. Die anderen Fürsten hielten die Ver-
handlungen hin. Markgraf Hans suchte Ausflüchte und
Winkelzüge ' ' "), verwies auf die Verträge zu Dresden
und Torgau und erneuerte beständig die bekannte Streit-
frage über Offensive und Defensive. Der Herzog von
'*') Nicht Hut und zwei Dolche — die alten Zeichen der Freilieit.
"") Vergl. Loc. 7281, Französische Verbündnisse, 131. 147.
Druffel U, No. 981.
"") Nach dem Eintreffen ziemlich günstiger Nachricht aus
England schrieb Johann Albrecht von Mecklenburg über den Mark-
grafen: „Nun schlägt er eine Parade und wäre gern ein wenig ge-
feiert". Loc. 7277, Marggraffen Johannsen hendel etc. 36; Druffel II,
No. 891.
246 S. Issleib:
Preussen wollte sich von ihm nicht trennen und machte
den eigenen Zutritt zum Fürstenbunde von dem seinigen
abhängig^"). Auf Theilnahme und Beistand einiger
süddeutscher Fürsten imd der norddeutschen sogenannten
Seestädte war vorläufig nicht zu rechnen, höchstens hatten
die vertriebenen braunschweigischen Junker Lust zum
Kampfe. Etwas zugänglicher und willfähriger erschien
nach Mitte Februar Herzog Johann Friedrich der Mitt-
lere ''"). Zwar unterblieb die vom Kurfürsten gewünschte
Zusammenkunft in Leipzig; allein Johann Friedrich gab
die Versicherimg ^^^), dass er dem kurfürstlichen Unter-
nehmen zum höchsten gewogen sei und wenn irgend mög-
lich demselben beiwohnen wolle. Um gegen den Vater
und die Brüder das eigene Vorhaben desto besser ver-
antworten zu können, sollte der Kurfürst zuvor die vom
Rheingrafen in Aussicht gestellte Gebietseutschädiguug
durch Land und Stifter namhaft machen, sich zum Schutze
des weimarischen Landes verpflichten, eine Geldsumme
vorschiessen ujad bindend erklären, auf Erledigung des
Vaters Johann Friedrich nicht weniger als auf Befreiung
des Landgrafen bedacht sein zu wollen. Sobald das
Unternehmen beginne, sollte der Kurfürst an ihn, um die
Opferwilligkeit der Unterthanen zu erreichen, eine „Drang-
schrift" senden, mit der strengen Forderung, das Seine
zu thuU; sonst werde er (der Kurfürst) verursacht, andere
Wege einzuschlagen. Sei der Vergleich vollzogen und
er in das Bündnis aufgenommen, dann sollte der Kurfürst
Sorge tragen, dass der Vater Johann Friedrich, der Vet-
ter Johann Ernst von Koburg ' '*) und alle Ernestiner
wieder in die verwirkte sächsische Gesamtbelehnung
aufgenommen würden. Kurfürst Moritz Avollte sich jedoch
vor dem Eintritte Johann Friedrichs des Mittleren in das
Bündnis in keine weiteren Erörterungen einlassen. Nach
erfolgter Aufnahme war er gewillt, das weimarische Land
'") Herzog Heinrich von Mecklenburg war am 6. Februar
gestorben.
"*) Loc. 9155, Assecuration oder Schriften etc., Bl. 1 flg.
Druffel II, No. 999, 1001. W. "Wenck, Kurfürst Moritz und die
Ernestiner, 27 flg.
"*) Mittelsperson war Fürst Wolfgang von Anhalt. Loc. 9142,
Custodie und Erledigung Joh. Fr. etc. Druffel II, No. 990.
"*) W. Wenck, Kurfürst Moritz und die Ernestiner etc., 28.
Herzog Jobann Ernst wurde vom Markgrafen Albrecht bearbeitet,
um in das Fürstenbündnis einzutreten; er reiste auch nach Cassel,
aber schwankte dann und zögerte.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 247
zu schützen, über die Liindesentscliädigimg zu verhandeln,
über eine Geldanleihe zu beratheu und die Befreiung
Johann Friedrichs zu erstreben. Eine Drangschrift sollte
überschickt und die Erneuerung der Gesamtbelehnung
vom Kaiser erbeten werden.
Ohne grosse Rücksicht auf fernere fruchtlose Ver-
handlungen beeilten die Bundesfürsten ihre Rüstung.
Kurfürst Moritz, bedacht, dem Kaiser einen un-
erwarteten, heftigen Schlag beizubringen, trieb zum
schnellen und kräftigen Angriffe. Noch wandte er alle
Mühe an, um zu täuschen, hinzuhalten, irrezuleiten und
im Unklaren zu lassen. Sein Spiel hatte Erfolg. Der
Kaiser ahnte und kannte nicht die ihm drohende Ge-
fahr', er ist in der That fast völlig überrascht worden.
Als die Kurfürsten von Mainz, Köln und Trier Ende
Dezember 1551 wegen eingelaufener scldimmer Gerüchte
das Konzil zu Trient verlassen und in die Heimath zu-
rückkehren wollten, da beruhigte der Kaiser (am 3. Ja-
nuar 1552 ^**) : „Er habe bei Fürsten, Ständen und Städten
Aveit umher Kundschaft eingezogen und allenthalben wil-
ligen Gehorsam gefunden. Über den Kurfürsten von
Sachsen gingen zwar allerlei Reden hin und her, haupt-
sächlich wohl, weil das Kriegsvolk nacli der Übergabe
Magdeburgs zusammengeblieben und durch dasselbe au
einigen Orten Schaden angerichtet worden sei; aber der
Kurfürst habe durch Sckreiben und Gesandte sich gegen
ihn erklärt, dass er sich, sofern noch menschliche Treue
und Glauben auf Erden sei, nicht anders denn alles Ge-
horsams und Guten zu ihm versehe, deswegen könne er
das Widerspiel weder glauben noch vermuthen. Das
magdeburgische Kriegsvolk werde des nichtbezahlten
Soldes wegen zusammengehalten. Jetzt finde die Be-
zahlung und Trennung statt, dann würden alle Unruhen
gestillt werden. Es gehe viel Geschrei und käme täglich
viel zu seinen Ohren; aber es sei alles nur unbeständig
und eitel Gedicht, nur ausgebreitet, um das christliche
Konzil und den Frieden in Deutschland zu stören. Alles
werde noch an den Tag kommen. Er habe allerorten
fleissige Kundschafter und spare weder Mühe noch Kosten,
"*) Loc. 10r,24, Tridenthier Konzil 11, Bl. JiO. Druffel II,
No. 871, vergL 872, 884, 892, 909. J oh. Voigt, Der Fürstenbuml etc.
159 üg.
248 S. Issleib:
damit allenthalben getreulicli zu den Sachen gesehen
werde'^^»«).
Der Königin Maria*"), welche verhältnismässig den
tiefsten Einblick in die kaiserfeindlichen Pläne besass
und unermüdlich zur Vorsicht mahnte, hielt der Kaiser
und nicht minder sein erster Rath Granvella vor, mit
welcher Ergebenheit der Kurfürst schreibe, wie fest ent-
schlossen er sei, das Kriegsvolk nach der Bezahlung zu
trennen und dann nach Innsbruck zu kommen. Es sei
unmöglich, vor der Bezahlung des Kriegsvolkes mit Be-
rechtigung gegen den Kurfürsten vorzugehen. Die Ge-
rüchte könnten kein Grund sein, ihn mit Krieg zu be-
drohen und in seinem Lande zu überfallen. Kein Ver-
gehen liege vor. Der Kurfürst sei nicht zu fürchten,
versicherte man, denn er besitze wenig Anhang, werde
von den Seestädten gemieden und vom grössten Theile
des deutschen Volkes tötlich gehasst; er schwebein Soi'gen
vor dem gefangenen Kurfürsten, könne keine grossen
Kosten tragen und werde sich, wie früher andere, durch
Truppenwerbungen finanziell zu Grunde richten. Mark-
graf Albrecht sei bis zur Verzweiflung verschuldet und
der König von Frankreich könne keine grossen Geld-
opfer bringen. Granvella erklärte oifen : Der Kurfürst
von Sachsen habe so Avenig wie der Markgraf von Bran-
denburg hinreichenden Verstand und Kredit, um eine
grosse Unternehmung zu leiten, beide seien zu beschränkt,
um hervorragende Anschläge auszuführen. Der gänzlich
mittellose Kaiser wollte die Gegner durch Schi-eiben und
Verhandlungen bekämpfen; das schien zu genügen. Als
berichtet wurde, die magdeburgischen Reiter seien be-
zahlt und die Knechte hätten das Abzugsgeld erhalten,
aber der Kurfürst nähme die Besten des Kriegsvolkcs
wieder in Bestallung, gäbe Hand- und Wartegeld und
lagere die Mannschaft zum Theil in Sachsen ein, da be-
ruhigte Granvella die Königin Maria damit, es sei in
Deutschland nicht ungewöhnlich, dass die Fürsten zu ihrem
eignen Ruine Rittmeister und Hauptleute in Wartegeld
hätten. Nähme der Kurfürst die Kriegsleute in Masse
"•) Man vergleiche hiermit die unaufhörlichen Warnungen des
Kurfürsten in den Briefen an seinen Schwager Wilhelm : D ruf feil,
No. 714 flg., II, No. 875 flg. Die Verrätherei sei gross, schrieb der
Kurfürst.
'") Vergleiche die hierhergehörigen Briefe bei Druffel I,
No. 813 flg. II, No. 86(5 flg.
Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc. 249
an, dann könne man anfragen, zu welchem Zwecke, und
werde er Fürsten und Ständen des Keiclies damit lästig,
dann könne man auf Grund des Landfriedens gegen ihn
einschreiten; so hinge ihm kein Unrecht aufzuerlegen sei,
könne man nicht gegen ihn vorgehen, und so lange keine
feindliche Erklärung vorliege, erscheine es besser, abzu-
warten und ihn sich durch Geldausgaben erschöpfen zu
lassen, als ihn grundlos aufzuscheuchen und zu einer
verzweifelungsvoUen Tiiat zu treiben.
Der kaiserliche Hof war sichtlich erfreut und von
Sorgen erleichtert, als am 9. Februar der kursächsische
Ratli Franz Kram in Innsbruck eintraf, um für den Kur-
fürsten eine Herberge zu bestellen. Nach Krams Aussagen
war derselbe unmittelbar nach ßezahluno- und Zertrennunc"
des Kriegsvolkes am 1. Februar mit ihm und 40 Reitern in
Sachsen aufgebrochen, aber in Bayern zurückgeblieben, um
in Wasserburg den Herzog Albrecht und den dort verwei-
lenden König Maximilian von Böhmen aufzusuchen. In
5 — 6 Tagen, versicherte Kram, werde sein Herr nach-
kommen "^). Was den Kaiser und Granvella in unlieb-
same Spannung versetzte, war die Reise nach Wasser-
burg zum Herzog Albrecht und König Maximilian. Die
Nachricht gab, als später die Rückkehr des Kurfürsten
nach Sachsen gemeldet wurde, Anlass zum Verdachte des
Kaisers gegen den Schwiegersohn Maximilian und gegen
den Bruder König Ferdinand, als habe der Kurfürst im
Einverständnisse mit beiden gehandelt, Avas doch nicht
der Fall gewesen ist*'^). Schwerlich lassen sich ver-
dächtige Beziehungen nachweisen!
König Ferdinand hat dem Kaiser hinlänglich ehrlich
vmd brüderlich gewarnt und Anstalten getroffen, um französi-
schen Praktiken zu ])cgegnen und Unzuträglichkeiten im
Reiche vorzubeugen. Seit Dezember warb er um Truppen
für den drohenden Türkenkrieg und gedachte das magde-
burgische Kriegsvolk zum Theil in seinen Dienst zu ziehen.
Mitte Januar *'^") fertigte er Adam Pflug nach Sachsen ab,
um mit Hilfe des Kurfürsten die demnächst abgedankten
"•) D ruffei ir, No. 978, vergl. No. 1054.
•'•) Karl Lanz, Korresponilenz des Kaisers Karl V. (Leipzicc
1846) lir, 97 flg.
'^'*) Loc. 91.53, Magdeburgisihe Händel, so nielirentheils etc.,
1550/57, Bl. 187 tig. ii. Loc. 8498, Allerlei Fürsten-Briefe an Kurfürst
Moritz und Herzog Augustus. 1542/53. Druffel H, No. 971, 974, 988.
250 S- Issleib: Moritz von Sachsen gegen Karl V. etc.
1000 gutgerüsteten Reiter zu gewinnen. Scheinbar ging
der Kurfürst auf das Verlangen ein und empfahl den
Herzog Georg von Mecklenburg als Obersten; mit diesem
völlig einverstanden, hielt er auch für sich selbst die
Möglichkeit zur Betheiligung am Türkenkrieg durch
unterthänige Anerbieten offen. Gestützt auf den reich-
haltigen Inhalt vieler Zuschriften wandte sich König Fer-
dinand dann am 12. Februar besorgten Gemüthes als ein
„rechter guter Freund" an den Kurfürsten, um „aus lauter
Liebe und Treue" eingehend vor einer Kriegsempörung
zu warnen '^'); denn solches Beginnen gehe gegen Gott,
Kaiser und Reich und ihn, den römischen König, gereiche
dem Kurfürsten und seinem Bruder Augustus zur Ver-
kleineruno;, Schande und Nachtheil und komme nur den
Franzosen und Türken zu Gute. Der Eid des Kurfürsten
gegen Kaiser und Reich sei wichtiger als irgend eine
dem gefangenen Landgrafen gegebene Zusage etc.
So lagen die Verhältnisse, als sich Kurfürst Moritz
zum Losschlagen in Bereitschaft setzte^ ^"•').
'*') Loc 9146, Hessische entlecligung 1551, IV, Bl. 121 flg.
Druffel .11, No. 982.
'='*) Über den Feklzug selbst gedenken wir im folgenden Bande
dieser Zeitschrift zu handeln.
vn.
Sächsische Künstler in Görlitzer
Geschichtsquellen.
Zusammengestellt von
E. Wernicke.
Zur ErUliiterung der Überschrift sei gleich von vorn-
herein, um Enttäuscluingen vorzubeugen, die Erklärung
vorausgeschickt, dass im folgenden nur solche bildende
Künstler sollen vorgeführt werden, welche entweder aus
Landestheilen des gegen wä rtigen Königreichs stammend
in Görlitz gearbeitet, oder in Görlitz ursprünglich an-
gesessen von hier Aufträge nach kgl. sächsischen Städten
erhalten haben. Fast die Mehrzahl von ihnen findet man
bereits in den urkundlichen Beiträgen zur Künstler-
geschichte Schlesiens verzeichnet, welche ich seit 1875 im
Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums zu Nürn-
berg veröffentlicht habe. Die früheren Mittheilungen über
sie brauche ich darum jetzt nur in aller Kürze zu citieren.
Hingegen sind meine Erfahrungen über einige derselben
seit 1880 durch Studien, namentlich der libri missivarum
(Konzepte der abgesandten Briefe) im Görlitzer Raths-
archiv, bedeutend erweitert. Letztere bilden, sobald nicht
das Gegentheil vermerkt ist, die Quelle zu den nachstehen-
den Angaben, von denen ich vielleicht hoffen darf, dass
der oder jener unter den geneigten Lesern sich dadurch
zu spezielleren Forschungen oder ergänzenden Berichti-
gungen angeregt fühlt, deren Resultate niemandem mehr
als dem Einsender willkommen sein werden.
252 E. Wernicke:
Dass zwischen der oberlausitzisclien Hauptstadt und
den jetzigen kgl. sächsischen Gebieten kunstgeschichtliche
Wechselbeziehungen müssen obgewaltet haben, war ja an-
zunehmen, und so soll denn dieser kleine Aufsatz dem
Zwecke dienen, dafür den urkundlichen Nachweis anzu-
treten. Vielleicht erwächst aus ihm auch für die allge-
meine deutsche Kunstgeschichte ein bescheidener GcAvinn.
Den Anfang soll die Besprechung der Architekten
u n d B i 1 d h a u e r machen, über die ein ziemlich reichhaltiges
Material vorhanden ist. Wir lassen ihnen dann einige
Maler, Goldschmiede und Giesser folgen.
Architekten und Bildliauer.
Siegmund von Lob au, Maurer, wird 1410 Avegen
Hintergehung des Magistrats aus Görlitz ausgewiesen.
1443 Avird der Steinmetz von Budissin gedingt, um
Steinkugeln für die grossen' Büchsen zu bereiten ').
Konrad Pfluger stand seit 1496 in sächsischen
Diensten und lebte 1504 in Meissen. In Diensten der
Stadt Görlitz war er seit 1488 beschäftigt. Die Urkunde
über seine feste Anstellung ist im liber actorura inceptus
1490 verzeichnet. In dieser heisst es: Als wir denn nach
dem Tode Meister Stephans ^) etliche Zeit und bisher
eines Werkmeisters „Gebroch" gehabt, haben wir auf
heute in Gegenwart aller Steinmetzen- und INlaurer-Meister
Konrad Pflüger zu unserm Werkmeister, alle unsere
Gebäude, und was an der Stadt und den Gotteshäusern
zu bauen ist, zu versorgen, aufgenommen, also dass er
solche „Baue" mit Wissen und Rath der Bauherren, die
vom Rathe dazu geordnet sind, thun und bauen soll. An
solchen unsern Bauten soll kein Steinmetz noch Maurer
über ihm arbeiten in keiner Weise, sondern alle, die dazu
benützt und berufen werden, das (!) soll geschehen mit
seinem guten Willen. Auch soll er keinen aufnehmen,
es geschehe denn mit Wissen und Willen unserer Bau-
meister (Adilen). Darum wollen wir ihm geben von der
Stadt Gebäuden alle Quartale 2 Schock und ihm auch
einen Parlierer halten und dem die Woche 4 Groschen
mehr geben als einem andern Maurer. Wenn er ein
Gewölbe schliesst; so soll der Boden und die „Bogstelle"
') Anz. 1876 Sp. .S24. S61.
*) Sein Zuname war Aldenberg, vielleicht hergeleitet von der
Bergstadt dieses Namens.
Sächsische Künstler in Görlitzer Geschiohtsquellen. 253
sein sein statt des Trinkgeldes oder man soll ihm geben,
so viel als das Holz werth ist, ausgenommen Rüstholz,
Rüstbretter und Verschalungen, welche bei unsern Gebäu-
den verbleiben sollen. Item Avollen wir ihm alle Wochen
durch das ganze Jahr geben ^2 Schock von einem Haus-
bau, wo er die meisten Gesellen bei hält, nämlich itzund
zu St. Peter, und was man an andern Gotteshäusern wird
für „Baue" haben, da wollen wir ihm die Woche 12 Gr.
von jeglichem Baue geben, ausgenommen zu St. Nikolaus^);
so man daselbst bauen würde, soll ihm über das Wochen-
lohn zu St. Peter nichts gegeben werden nach alter Ge-
wohnheit, und so er an des heiligen Kreuzes Kapelle*)
bauen würde, soll er über die Summe, die ihm die
Kirchenväter daselbst geben werden, nichts fordern. Zu
solchen Gebäuden wollen wir ihm 3 Diener Steinmetzen
und 3 Diener Maurer halten, jedoch also, dass er von jeg-
lichem Vierteljahr vom Anheben seiner Lehrjahre wöchent-
lich nicht mehr fordere als eines Helferknechtes Lohn,
nämlich 18 Gr., aber darnach soll ihr Lohn vor sich
gehen wne für einen andern Steinmetzen und Maurer.
Auch sollen an den Hauptbauten nicht mehr als höchstens
2 Steinmetzen und 2 Maurer von denselbigen Dienern
und Lehrknechten gehalten werden. Von Wache und
Heerfahrtgeld soll er ganz frei bei uns sitzen. Ausser-
halb der Stadt darf er ohne unsere Erlaubnis keinen Bau
übernehmen, nur den „zu der Eiche" (Bölun. Aicha b.
Turnau?*) mag er versorgen, wie er vordem gethan hat.
Es sollen sich alle Steinmetzen und Maurer nach ihm als
der Stadt Werkmeister richten und auf alle Quatember
auf seine Anforderung zusanunenkommen, da er dann die
„bussfälligen" nach des Handwerks Gewohnheit zu Rede
stellen soll, wie das sein Vorgänger Meister Stephan
geübt hat. Seine Untergebenen hat er anzuhalten, dass
sie die obrigkeitlich festgesetzten Ruhestunden beobachten.
Actum coram consulalu Ipso die Marie Magd. (22. Jidi)
1490. Dergleichen Kontrakte mögen auch anderwärts
mit ihm aufgerichtet worden sein, weshalb die ausführliche
Wiedergabe gerechtfertigt erscheint.
') Alteste Pfarrkirche der Stadt, jetzt nur bei Tranerfeierlich-
keiten benutzt.
*) Kapelle des h. Grabes, um 1489 vollendet.
^) Anfragen an die dortige Geistlichkeit haben zu keinem
Resultate geführt.
254 E, Wernicke:
Aus einem im Januar 1493 ausgestellten Eeverse
Pflugers gellt hervor, dass er einen Kramladen bei den
Scbuhbänken überwiesen erhalten und sich schon um diese
Zeit mit der Absicht getragen hat, „um seiner Besserung
willen" den Ort seiner Thätigkeit zu wechseln. Vielleicht
hat er auch nur einen Druck auf die Görlitzer üben
wollen, die ihm in der That, in Rücksicht auf die Grösse
des Baues zu St. Peter, weitere Vergünstigungen zu-
sicherten. So wird zunächst seinem Sohne für den Fall,
dass er die Priesterweihe erhält, das erste vakante Altar-
lehen in Aussicht gestellt, ihm selber aber über den ge-
wöhnlichen Wochenlohn vom Rathe auf jeden Quatember
3 ung. Gulden und von den Kirchenvätern zu St. Feter
1 Gulden versprochen. Dazu sollte er von seiner fahren-
den Habe 300 Mark von Geschoss frei haben, wogegen
er alle erblichen Güter, den Kram ausgenommen, wie
jeder andere Bürger versteuern will und zusagt, seinen
Aufenthalt ohne Urlaub nicht zu unterbrechen. — Diese
Urkunde wurde doppelt ausgestellt und mit dem Petschier
des Werkmeisters versehen, welches jedenfalls das leider
unbekannte Monogramm des Künstlers enthielt. — Hier-
auf folgt die wörtlich mit Script, rerum Lusaticarum
(n, 50) übereinstimmende Notiz, dass bis Neujahr 1497
Meister Konrad und den Parlierern auf den Kirchen-
bau gezahlt worden sind 1182 M. 9 Gr. oder 945 Schock
und 14 Gr. — An genannter Stelle und auf den voran-
gehenden Seiten ist auch des näheren mitgetheilt: wie man
den bawhe S. Feters kirchen vol. füren sal (1490); icie man
die aheseyte kegen des voits hofe^) zu haiven vordinget;
icenne vnd loie man zu sulchem baio gebeten hat (1495. 1497).
Zur Besichtigung einiger Schäden an dem Gotteshause
waren demnach zusammengetreten ausser Pfluger: Peter
Peschel, Zimmermann, und Meister Heinrich, Steinmetz,
Werkleute der Stadt Bautzen; Meister Kilian, Steinmetz,
und Nickel Hirsch, Zimmermann, der Fürsten von
Sachsen Werkleute. Ich lialte diesen Kihan unbedenk-
lich für den Polierer gleichen Namens, dem nach Gurlitts
Annahme ') 1481 nach Arnolds Tode die Leitung des Baues
an der Albrechtsburg übertragen wurde. Seine in Görlitz
«) Jetzt Gefängnis; gemeint sind die Abseiten im Norden
der Kirche.
») Gurlitt, Das Schloss zu Meissen (Dresden 1881) 20.
Sächsische Künstler in Görlitzer Geschichtsqnellen. 255
mit Pfluger gemachte Bekanntschaft *) ist jedenfalls von
Einfluss auf die Berufung gewesen, Avelche dieser 1496
nach Sachsen erhielt. Der Wortlaut des Schreibens von
1496 Sept. 24 (sabb. p. Matth. apost.), womit der Görlitzer
Kath eine von dort geschehene Anfrage wegen Beurlau-
bung des Meisters beantwortete, wird an dieser Stelle
erwünschter sein, als was im „Anzeiger" 1877 Sp. 99 im
Auszuge steht:
An Herzog Fridricb, Churfiirsten , vnd Johannsen gebrnder.
Durch!, etc. (Euer) furstenlichen gnaden Schaffung vnd beger, meister
Conrats desz wergmeisters hallien durch ew. f. gnaden geschickten
(boten), (wir) wolden im vorgonnen sich iv. f. gn. bawes zcu vnder-
winden vnnd zcu Vorsorgen, au vns gelanget, haben wir deniutiglich
verstanden, vnnd wicwnll wir bey vns an vnszerer pfarkirchen zu
sant Peter einen treft'enlichen grossen baw vorhanden haben, der vns
etwasz mergkliclis vnnd vill gestanden vnd noch bisz zu voUfurung
stehen wurth, alsz dem bemelten meister Conraten woll bewost ist,
vnnd solcher baw, alsz vill (d h. soweit) wir vns desz vorstehen vnnd
vnderweist werden, sein abwesen nicht woll erleyden will, yedoch
so wir alhvege geneiget sein, uwern furstenlichen gnaden beczeg-
liche dinst vnd ere zcu erzeigen, wollen wir iv. f. gn. zcu woll-
gef'allen bemeltem meister Conraten solches vorgonnen, alszo dasz
er, wie ew. f. gn. begeren, vonn einem baw zcu dem andern abe-
vnd czuczyhe vnd durch sein angeben, wo er in kegenwertigkeit
nicht sein wurde, auch vnsren baw notdorfftiglich versorge.
Daran schliesst sich die Bitte, dem Meister einzu-
schärfen, dass er, zur Vermeidung voiv Nachtheilen, auch
den hiesigen Bau betreibe. Dieses Ab- und Zuziehen hat,
wie wir aus den Missiv- Büchern unterrichtet werden,
thatsächlich stattgefunden und steht in der Görlitzer
Künstlergeschiclite keineswegs vereinzelt da. Denn auch
der Renaissancekünstler Wendel Kosskopf wurde 1527
auf eine ähnliche Anfrage des Herzogs von Liegnitz zeit-
weise dorthin entlassen. Eine wichtige Frage wäre nun
zu lösen: Wo haben wir den Bau zu suchen, mit dem
Pfluger beauftragt wurde? Hat er an der Wittenberger
Stiftskirche, deren VoUendmig nicht vor 1499 ^) erfolgte,
aebaut oder in Meissen oder o-ar an beiden l^hitzen ? Das
Letzte besitzt die grössere Wahrscheinlichkeit für sich.
Denn die beiden Fürstenbrüder, welchen die Stiftskirche
ihren Neubau und ihre glänz(mde Ausstattung verdankte '"),
sind es ja, die Görlitz um den Bauineistcir angehen.
Wohl aber hat sich auch Bischof Johann VI. von Meissen
') Gurlitt, a. a. 0. 37 hat die Jahrzahl 149-t dazu, es geschah
aber 4 Jahre früher.
») Lindau, Lucas Cranach 18. '») Ebd. 93.
256 E. Wernicke:
1498 für Pfluger beim Ratlie von Görlitz verwandt, als
dieser wegen grober Missliandlung eines Verwandten hier
unmöglich geworden war ' '). Das Interesse, welches der
Kirchenfürst an dem Künstler nalmi, möchte doch in
erster ßeihe durch Dienstleistungen zu motivieren sein,
welche dieser in Meissen erwiesen. Ich denke dabei an
den neuen Bischofsbau, welcher nach 1487 unter Dach
gebracht worden ist '^). Pflugers Anwesenheit am Bischofs-
sitze ist 1504 bezeugt durcli eine Aufforderung, sich nach
Görlitz in Erbschaftsangelegenheiten zu verfügen. Gurlitt
hält ihn für identisch mit jenem Konrad Schwad, welcher
1502 den Grund zum Thurm der Annaberger Kirche
legte und denselben 1507 vollendete. Sein Parlierer hiess
damals Jobst. Diese Konjektur hätte etwas für sich;
wenn letzterer zusammenfiele mit dem Stadtzimmermeister
gleichen Namens, der 1512—1519 im Verein mit dem
Steinmetzen Albrecht Stieglitzer den Rathsthurm in Görlitz
erbaute, was so unwahrscheinlich nicht ist. In Rücksicht
auf die Möglichkeit der Identität gestatte ich mir noch
hinzuzufügen, dass 1520 einem Baumeister Jost Möller
von Görlitz die Erlaubnis ertheilt wurde, einem Auftrage
des Raths von Böhm. Leipa nachzukommen^^).
Was sonst noch von Meister Konrad mitzutheilen,
so steht zunächst fest, dass er 1497 mit Urban Laubanisch
(auch Laurisch geschrieben) und dem Parlierer Blasius
Börer von Leipzig die Peterskirche „mit den Pfeilern und
darauf stehenden hohen Gewölben" vollendet hat, wie eine
Inschrift, rechts vom Haupteingange , einst bezeugte.
Einige Signaturen, Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit be-
treflend, - sind ausserdem vorhanden, welche die Wohl-
habenheit des Meisters bekunden; die letzte datiert von
1504, wo er an einen Michel Schmied 2 Krame abtrat '^).
Die letzte ErAvähnung, die ich über ihn in Görlitz ent-
deckte, datiert aus dem Frühjahr 1506, wenn anders diese
auf seine Persönlichkeit Anwendung finden darf. Es
ist nämlich fer. 2. post Laetare ein Schreiben gesandt
worden
an Meister Kuntzen, Steinmetzen, itzund zu Bautzen.
Wir werden berichtet, dass die Gesellen bei euch nicht stehen wollen
noch arbeiten. Deshalb ist unsere freundliche Bitte, wollet uns zu
erkennen geben, ob dem also, oder was daran sei.
") Anz. 1876 Sp. 99.100. '^j Gurlitt a. a. 0. 36.
'*) Liber missiv. '*) Repertor. testaraentorum (1500—1580).
Sächsische Künstler in Görlitzer Geschichtsqnellen, 257
Das wäre nur eine Vergeltung für Cliikanen gewesen,
die er sich gegen strebsame Genossen „im Steinwerk"
erlaubt hatte, als er noch in der Görlitzer Hütte das
grosse Wort führen durfte ^^). Aus den Aufzeichnungen,
die sich über ihn erhalten haben, geht im allgemeinen
hervor, dass er wegen seiner künstlerischen Begabung
ebenso geschätzt und gesucht, als wegen Mangels an
Kollegialität und unruhigen Wesens übel beleumun-
det war.
Schliesslich bleibe nicht unerwähnt, dass die Görlitzer
Jahrbücher 1494 eines gewissen Pflugschar von Dres-
den gedenken, welcher um 24 Reichsgulden die Mauer
bei der Neissebadestube, soweit die neugesetzteu Pfeiler
anzeigen, „gerichtet und wohl gegründet habe" ' "). An
eine Verwandtschaft dieses Mannes mit Pfluger ist wohl
kaum zu denken.
Pflugers Nachfolger als städtischer Werkmeister wurde
sein früherer Gehilfe Blasius Börer. Die Tradition
lässt ihn übereinstimmend aus Leipzig herstammen.
Ich finde dieselbe bestätigt durch einen Brief aus Görlitz
an den dortigen Rath, d. d. 2. post Thomae (22, Dezbr.)
1505, worin der Meister als bereits gestorben bezeichnet
wird. Seine Kinder Hans und Lucia (letztere verheirathet
an Severin Buch) waren damals nebst der verwittweten
Mutter in Leipzig ansässig. Börers Name ist auf's engste
verknüpft mit einer Sehenswürdigkeit, in welcher sich ein
Görlitzer Bürgermeister, den Luther ob seines Reichthums
den König von Görlitz zu nennen beliebte, ein Monument,
aere perennius, gestiftet hat. Als dieser Bürgermeister,
Georg Emmerich, 1476 mit dem Herzog von Sachsen zum
zweiten Male nach Palästina pilgerte"), hatte er vielleicht
schon die Bekanntschaft Börers gemacht, dem er nach
seiner Rückkehr die Ausführung des von Fremden viel-
besuchten heiligen Grabes übertrug. Diese Nachbildung
heiliger Stätten besteht aus einer zweistöckigen Kirciie,
deren unterer Theil das Sitzungszimmer des hohen Raths
vorstellen soll, während der obere den Saal bedeutet,
worin Jesus mit den Jüngern das Osterlamm ass; ferner
aus einer verschliessbaren Kapelle mit einer Pieta; end-
lich aus der ganz getreuen Imitation des kapellenartigen
Gebäudes, welches unmittelbar über dem Grabe Christi
'*) Anz. 1870 Sp. 143. '«) Script, rer Liis. 11, 385.
") Röhricht und Meissner, Deutsche Piljjerfahrten 485.
Neues Archiv r. ,S. (;. u. A. VI. 3. 4. 17
258 E. Weniicke:
zu Jerusalem sich erhebt. Der gesamte Bau ist inner-
halb der Jahre 1481 — 1489 entstanden. Wieviel daran
Börers ausschliessliches Werk ist, lässt sich nicht darthun,
da nicht einmal unanfechtbare urkundliche Aufzeichnungen
über seine Urheberschaft überhaupt vorhanden zu sein
scheinen. Für diese spricht indes ausser ziemlich alten ge-
druckten Nachrichten der Umstand, dass er in Ulm eine
Arbeit verwandter Art ausgeführt hat. In der 1817 abge-
brochenen Rothischen Kapelle beim Münster stand nämlich
seit 1492 ein heiliges Grab, nach einem aus Jerusalem
gekommenen Modell durch den Steinmetzen Blasius Bärer
gefertigt. Eine anscheinend abhanden gekommene Ab-
zeichnung enthielt das Monogramm des Verfertigers im
Wappenschilde, welches aus ineinander geschlungenen
Instrumenten, wie sie die Bildhauer gebrauchen, zusam-
mengesetzt gewesen sein soll. Börers Name wird 1495
das letzte Mal in Ulm erwähnt'*). Wie er dorthin ge-
kommen, dafür fehlt es wohl nicht an Vermuthungen,
doch bleiben dieselben, besser unausgesprochen, bis sich
Sichereres gefunden. Über seinen Antheil an dem grossen
Görlitzer Kirchenbau, dessen in Aussicht stehende Thurm-
vollendung in Zeitungen und Fachschriften in letzter Zeit
viel besprochen wurde, ist bereits gehandelt. Am 3. Januar
1498 hat ihn die Stadt als Werkmeister angestellt. Der
Vertrag mit ihm ist beinahe in demselben Wortlaut ab-
gefasst, wie der mit Pfluger, von dem es im Eingange
des Schriftstücks heisst, dass er seinen Urlaub und Ab-
schied erlangt habe. Der Ratli bewilligt Börer 3 ung.
Gulden „aus der Kammer" und die Kirchenväter zu St.
Peter 1 ung. G. quartaliter. Hinsichtlich eines Erlasses seiner
Abgaben wird ihm versprochen, dass man sich gegen ihn
ebenso gutwillig erzeigen wolle, wie gegen seinen Vor-
gänger. Über Börers weitere Thätigkeit hat sich eine
spezielle Mittheihmg nicht erhalten. Nur über seine
äusseren Lebensumstände sind Avir einigermassen unter-
richtet. Er Avar vermählt — muthmasslich nicht in erster
Ehe — mit Agnes, Tochter des Daniel Thyme in Frei-
stadt (i. Schi.), der daselbst 1475 Bürgermeister war und
1486 als Hausbesitzer und auch sonst noch begütert an-
geführt wird'^). Demselben wohlhabenden Freistadter
'*) Klemm, Württemb. Baumeister und Bildhauer, in den
Württeml). Viertel Jahrsheften 1882. Separatabdruck S. 78.
'•) Zeitschrih f. Gesch. Schlesiens XVil, 215.
Säclisische Künstler in Görlitzer Geschichtsqiiellen. 259
Geschlecht enstaimntc übrigens auch Christoph Thieuie,
1458 Rektor der Universität Leipzig""). Sollte der
Meister bereits dort zu Mitgliedern der Familie, in die
er hineinheirathete, in Beziehungen getreten sein? Seine
materielle Lage scheint sich in Görlitz günstig gestaltet
zu haben, wie das mit seiner Frau gegenseitig abge-
schlossene Testament (März 1503) bezeugt. Er vermacht
ihr darin 200 M. zuvor und gleich Kindestheil, falls sie
Nachkommen haben würden, wo nicht, das Haus in der
Neissegasse und dazu 300 AI. in allen seinen Gütern^').
1505 ist Börer gestorben. Sein Nachfolger als städtischer
Werkmeister wurde der obengenannte Albrecht Stieglitzer
(t den 4. Febr. 1514) '^-), an dessen Stelle der um 1545
gestorbene berühmteste Baukünstler von Görlitz, Wendel
Kosskopf, trat. Dieser vererbte das Amt auf seinen
o;leichnamigen Sohn, welcher am 15. Jidi 1582 bei Be-
sichtio;ung des schadhaften Rathsthurmes vom Blitze er-
schlagen wurde ).
Lorenz, Steinmetz in Zittau, wird 1502 von Blasius
Börer ermächtigt, seine Ansprüche gegenüber dem Georg
Kanitz^*) geltend zu machen. Über Lorenz' Bauten an
der Johanniskirche zu Zittau verbreitet sich Carpzow in
den Annal. Zittav. I, 47. An der steinernen Treppe zum
Chore soll sein Werkzeichen mit der Jahrzahl 1505 zu
sehen sein.
Peter von Pirna („Birne") hat man 1512 „aus vor-
schaffen hertzogs Jeorgen zu Dresden, als seines hatce- vnd
ivergmeisters, hirein holen vnd den hawe (den bis zur Vierung
aufgeführten, Risse zeigenden Rathsthurni) hesichtigen
lassend -- Diese Angabe der Görlitzer Rathsannalen ist durch
W. V. Lübke (Geschichte der Renaissance in Deutschland
2. Aufl. II, 204) in weiteren Kreisen verbreitet worden. In
den Missiven ist die Aufforderung erhalten, durch welche
der Rath den Meister zu g(,'MMnnen sich bcmülit. An Meister
Peter, Werkmeister zuPirna, lautet die Adresse. „Deamach,"
heisst es nach den üblichen Kingangsformcln, „ihr euch
auf unser Ansinnen habt vernehmen lassen, wo wir euch
einen, der mit euch ritte, nach Donati (7. August) zu-
schicken würden, nachdem ihr auf diesen Strassen nicht
=") Ztschr. f. üesch. Schlesiens XVIf, 21:5 Hg. =") Anz. Rp. 101.
") Wolf, Denkm. und Altertli.- Sannnlung II, :589 (liclschr.
oberlaus. Gesellsdi.)
**) Meister, Annales Gorlicenses 43.
*') Vergl. ül)er ihn Knothe, Gesch. des Oberlaus. Adel 143.
17*
260 E- Weniicke:
bekannt^ wolltet ihr uns hierin zu Gefallen sein und zu
uns reiten, schicken wir zu eucii Lucas Walter, unsern
Diener, bittend, Avollet euch nicht besclnverlich sein lassen,
mit ihm auf unsere Kost und Zelirung zu uns zu kommen,
einen Bau zu besichtigen und einen Rath mitzutheilen."
3'' post vincula Petri (3. August) 1512. — Mit dem Peter
von Heilbronn, welcher 1478 als fürstlicher Baumeister
bestallt wird, hat der obige füglich nichts zu schaffen.
Wohl aber ist man versucht, ihn in der Reihe der AVerk-
meister unterzubringen, welche bis 1522, bis zum Auf-
treten Jakobs von Schweinfurt, am Bischofsbau zu Meissen
sich thätig erwiesen haben, da er eben als Herzog Georgs
Werkmeister bezeichnet wird, der zu gedachter Zeit den
Ausbau des Schlosses vollführen liess. Jedenfalls ist durch
die obige Adresse erwiesen, dass er sich nicht bloss von
Pirna nannte, sondern sich auch dort als ausübender
Künstler aufgehalten haben nuiss.
Christoph Walter von Dresden errichtet 1565
den steinernen Brunnen (Röhrkasten) auf dem Unter-
niarkte. Nach dem Rechnungsbuche des Jahres wird
ihm am 4. Mai „auf Gedinge vom Röhrkasten" ein Vor-
schuss von 25 Thaler gezahlt. Am 20. Juni erhält er
30 Thaler ; am 28. September vom Ständer samt 4 mes-
singnen Röhren in allem 24 Schock. Meisters Annal.
Gorlic. sagen einfach: Hoc anno (1565) aedificatur in foro
mercatorio der Röhrkasten.
Hans Cromer, ebendaher, Bildhauer, gewinnt Bürger-
recht den 24. Oktober 1590.
Georg Herr mann, Architekt und Bildhauer in
Dresden, verfertigt im Auftrage der Margaretha, "W ittwe
des Andreas Summer auf Lissa, Zodel und Nieder-Sora,
den jetzigen (geschmacklosen) Hochaltar in der Peters-
kirche 1695'^}.
Maler.
Kaspar Eichler („der Eycheleryn Sohn von der
Zittaw") liess sich um Pfingsten 1447 bei Meister Paul
dem Maler in Görlitz als Lehrling aufnehmen, bat jedoch
nach vierteljähriger Lehrzeit, seines Kontrakts entiioben
zu werden, da er sich wieder zu Schule halten und ein
Priester werden wolle ■^'').
*■') Haupt, Gesi-liiclite der Peterskirche (1857) 21.
^') Aiiz. 1876 Sp. 139.
Sächsische Kinistlor in üörlitzer Geschichtsquellen. 261
Im Wirthscluiftsbcriclite des Franziskanerklostcr.s zu
Bautzen (1506) '"'j wird ein Meister Lucas von Görlitz
erwähnt; welcher einen Schnitzaltar („Toffel") in der
Barbara- (alias Christophori-) Kapelle gefertigt hat. Ausser-
dem hat er ein h. Grab gemalt um 25 Mark, wozu ihm
je |'2 Buch (Blatt-) Gold und Silber verabfolgt worden. ■ —
Von diesem Maler berichten die Görlitzer Rathsannalen
nur nocli weiter, dass er 1515 die kupfernen Buchstaben
und Zahlen der „spera" (Uhr) am Rathsthurme zu G.
vergoldet, aber (samt dem Seigermeister) zur Arbeit liabe
getrieben werden wollen. — 1503 wird er Mitbürger von
Görlitz genannt und gleichzeitig ein Lehrling von ihm,
Hans Weissenberg, erwähnt, der noch bei anderer Gelegen-
heit zur Sprache kommt. — Den vollständigen Namen
des Künstlers geben die „litterae credentiales datae Lucac
Hau pictori ad emendum lapidem lazuli"'^^!i" vom Ascher-
mittwoch 1506. Li diesen schreibt der Magistrat von
( xörlitz: „Vor Siegmund von Zedlitz zu Neukirch (Kr. Gold-
berg) bekennen wir: Als Herr Albrecht von Colowrat,
Herr auf Liebstein, des Königreichs Böhmen oberster
Kanzler, an ims begehret, seinem Diener Bernhard förder-
lich zu sein, dass er für etliche Gulden Lasurstein zu
kaufen bekommen möchte, haben wir Meister Lucas dem
Maler, Briefeszeiger, für 10, 15 oder 20 Gulden ung. zu
kaufen zugelobt, und was er also auf berührte Sunmie
Geldes kauft, das wollen wir auf künftige Mitfasten be-
zahlen." ■ — ■ Es ist vermuthlich dieser Meister Lucas ein
Solm des Malers Hans Han gewesen, welcher 1483 — 1481)
in Görlitzer Urkundenbüchern sich nachweisen lässt. —
Die oberlausitzische Hauptstadt scheint übrigens öfters in
die Nothwendigkeit versetzt gewesen zu sein, an Maler-
utensilien von weither ihren Bedarf su beziehen. So z. B.
schrieben die Görlitzer, als es sich um die obgenannte
„spera" handelte, an Meister Jakob Beynhart, Maler zu
Breslau '^'^) : „Wir bedürfen dazu gutes ölMowe ^'*) und feines
=") Abgedr. im N. Lausilz'sclicn Magazin XlilX, 43.
**) Lasurstein, er wurde in Schlesien bei Goldberg gefunden;
liodie (saec. XVI to) reperitur lasura . quae picturas ornat, sagt
Uartb. Stheni Descriptio Silesiae, das Folgende giebt eine Lestäti-
gung dazu.
*') 1483—1525 nacliweisbar (Schultz, Untersuchungen zur
Gesch. d. schles. Maler. Breslau 1882, S. 21). Seine Familie sdieint
aus Geislingen in Württemberg eingewandert zu sein, wie mir Herr
Diakonus A. Klemm daselbst schreibt.
^") Schmalteblau?
262 E. Wernicke:
Gold. So wir denn berichtet sind , dass man das alles
bei eucli bekommen mag, bitten wir euch, wollet uns
2 Buch fein Gold, das gut und unverstossen ist, auch
2 Pfund Cantzynisch ölhloic (als inliegende Probe anzeigt)
oder bes?;eres, das die Farbe auf dem Steine und im Wetter
behieltCj schicken und dabei schriftlich zu erkennen geben,
wieviel jegliches an Gelde beträgt C1516)."
Goldschiniede.
Niklas von Löbau 1418. Johannes, ebendaher,
Avird 1424 Bürger, Gregor Pyrn er (aus Pirna?) 1479^^).
Georg Burchart zieht 1516 von Görlitz nach Kamenz^*).
Er war wahrscheinlich der Sohn des gleichnamigen
Malers, dessen Wittwe 1503 einen Kram betrieb. Sie be-
schwerte sich in diesem Jahre durch ihren gerichtlichen
Vertreter, den Maler Paul Schuster, dass „ein Zubereiter
aus dem Handwerke der Maler", Hans Weissenberg, der
früher bei Meister Lucas gearbeitet, ihr bei einem Besuche
etliche Korallen, etwa 5 Loth schwer, in der Grösse
massiger Erbsen, entwendet liabe.
Ein Goldschniiedegeselle Endres Moler war, Avie wir
aus einem Verordnungsschreiben des Görlitzer Raths an
den Dresdner vom 16. Juni 1540 für seine Mutter Barbara
Paul Molerin erfahren, zu Alten-Dresden böslich ermordet
worden; er sollte einige Baarschaft und sonstige Habe
hinterlassen haben ^^).
Am 29. Mai 1574 wird geschrieben an Urban
Schneeweiss, Goldschmied zu Dresden. In diesem
Briefe ist erwähnt sein Geselle Valtin Tirold, welcher
zu Görlitz bei Albrecht Tirold gelernt habe^\i.
Giesser.
Über Mitglieder der Familie Hilger, welche für Görlitz
Glocken gegossen haben, ist von mir bereits in den Mittli.
des Freibei'ger Alterthumsvereins (XVII, 29 flg.) gehandelt
worden. Ihre Arbeiten sind aber bei dem grossen Brande
der Peterskirche 1691 imtergegangen. Über Gestalt und
Inschriften der Glocken verbreitet sich eine von Christian
Nitsche (Görlitz o. J.) verfasste Beschreibung des Gottes-
hauses. Die erste, Maria genannt; ist den 24, Sept. 1516
*') Anz. 1877 Sp. 137, 138. *^) Catal. civium. ") Lib. miss.
^*) Catal. civium.
Sächsische Künstler in Görlitzer Geschichtsquellen. 263
im Zwinger Leim Frauentliore gegossen. Sie liat 165 Ztr.
gewogen. Von jedem Zentner erhielten die Gebrüder
Martin und Andreas Hilgcr von Froibcrg 2 Mark, also
zusammen 330 Mark (oder wie Nitsche reduziert 256 Tlilr.
16 Gr.). Ihr Umfang betrug am untern Rande 13 Ellen
2 Zoll, die Länge von oben bis unten 3 Ellen 1 Viertel.
Die Inschrift bietet nichts Besonderes. Abgebildet waren
dabei die beiden Apostelfürsten. Die vierte oder Vesper-
glocke hat Andreas Hilger 1521 zu Breslau gefertigt.
Sie trug auf der einen Seite das Wappen der Stadt, auf
der anderen das Bild Petri. — Gegenwärtig besitzt die
Kirche 6 Glocken, von denen die vierte, ein Geschenk der
Tuchmachergilde, 1616 von Michael Weinliold aus Dres-
den das erste Mal gegossen wurde ■'*^); ihre jetzige Form
stammt von 1737. — Von einem gleichnamigen Dresdener
Giesser stammt her die grosse Glocke zu St. Nikolaus
(1716) ^^). Er goss auch in demselben und dem folgenden
Jahre die 3 Glocken der Frauenkirche um^'); eine In-
schrift nennt ihn „fusor regius". — Ein Brief d. d. domin.
p. visitat. Mar. 1.529 an Herzog Friedrich von Liegnitz
meldet; dass die Görlitzer „aus gnädigem Zulassen Herzog
Georgs zu Sachsen einen Eisengiesser vom Eisenberg-
werk bei Pirna (Pirnaw) bei sich gehabt mid mit ihm
eine Beredung getroffen, dass er zu dem neuen Geschütze
etzlidie centner schiveher gezeuge gegossen hat, die man bei
ihm geholt und zu sich gebracht".
Joachim Hannibal Brosse, Glocken- und Stück-
giesser zu Görlitz, fertigte um 1700 das messingene
Epitaph des Gustav Friedrich Schmeiss von Ehrenpreis-
berg in der Peter-Paulskirche zu Zittau^®).
»*) Neumann, Gesch. v. Görlitz (1850) 650.
") Ebd. Ü53. »') Ebil. 660. *«) Garpzow a. a. 0. 97.
VIII.
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach
Sachsen und die Hennersdorfer Kommission.
1747—1748').
Von
F. S. Hark (t).
Zinzendorf hatte im Dezember 1738 die bereits vor
seiner abermaligen Verweisung aus Sachsen beschlossene
Reise nach Westindien angetreten. Vorher war er wenige
Tage unbemerkt in Herrnhut gewesen (13. — 17. September),
') Das Nachstehemle scliliesst sich an meinen früheren Auf-
satz in dieser Zeitschrift III, 1 tig. an. Die dort benutzten Akten
des Königlichen Hanptstaatsarchivs sind zum Theil wieder ver-
werthet und ebenso bezeichnet. Neu sind verwendet: 1) Loc. 4612.
Geheime Kanzlei-Akten. Die Aufnahme der sogenannten Mährischen
Brüder in dem Markgrafthum übcrlausitz und der Grafschaft Barhy
betreliend. "Vol. 1, ab Ao. 1748 sqq.; und folgende vier iu Loc. 10.S3S:
J2) Acta Commissionis, die wegen deier so prädicierten Mährischen
Brüder-Gemehulen allergnädigst anbefohlene Erkundigung zu Hen-
nersdorf und deren Aufnahme in die Kursächsischen Lande be-
treuend. 1748. Vol. I.; 3) Acta Commissionis. Die allergnädigst
anbefohlene Erkundigung, ob das allergnädigste Reskript vom
7. August 1737 in Ilerrnhut allerunterthänigst befolgt worden? be-
treffend. Vol. II; 4J Erklärung der Deputierten der Mährischen
Brüder-Gemeinden über ihren Gottesdienst, ihre Scliriften, Ge-
bräuche und Grundsätze, ps. 1. August 1748; 5) Fascicul. Einige
zur Hennersdorfer Kommission gehörige, nach beendigter Expedition
eingereichte Schriften. 1748. — Dieselben sind citiert als (1) Loc. 4612.
G. K.-A. 1748 sqq.; (3) Act. Comm. 1748. I; (3J Act. Comm. 1748.
II; f4jAct. Comm. 1748. III; (5J Act. Comm. 1748. IV. — H.-St.-A.
und U.-A. bezeichnen dasselbe wie a. a. 0.
F. S. Hark: Des Grafen von Zinzeiulorf Rückkehr etc. 265
und elie er Europa auf vier Monate verliess, richtete er
nocli vom Texel aus ein Abscliiedssclireiben an den Köni«:^
und Kurfürsten ^).
1740 wandte er sich aufs neue an ilin, lun die Er-
laubnis zu zeitweiligem kurzen Aufenthalt auf seinen
Gütern zu erbitten. Graf Brühl aber Hess das Gesuch
nicht erst an den König gelangen ^).
Dem abgcAviesenen Bittsteller drohte in die.«cm Jahr
sogar die Gefahr, auf Antrag ,.ansehulicher Reichsstände"
in die Acht gethan zu werden. Nur die Vorstellung des
Ministers eines geistlichen Kurfürsten verhinderte die Aus-
führung*).
Über vier Jahre vergingen, ehe Zinzendorf wieder
einen Versuch inachte , die Gnade seines Landesfürsten
zu erlangen. Im März und im April war er zweimal iu
Herrnhut gewesen. Als er im Herbst 1745 abermals
dort heimlich erschien, schwebten noch die Verhandlungen.
Diesmal hatte er es aber nicht bloss auf Erlaubnis zur
Rückkehr abgesehen, sondern zugleich auf eine Unter-
suchung „seines Lehramts" in den letzten Jahren imd
auf Sicherstellung der Mährischen Kirche im Reich durch
Vermittelung Sachsens^ als des Direktors des Cor])Us
Evangelicorum. Dazu sollte eine Untersuchung der
mannigfachen gegen die Brüder und ihn allerwärts er-
hobenen Beschuldigungen dienen, welche von Sachsen
betrieben würde ^). Die Grähn Zinzendorf aber wandte
^) S. Kur 11 er, I'ie kursächsisclie Staatsren^ierimg dein (Jrafeii
Zhizeiulorf und Herrnhut bis 1760 gegenüber (Leipzig 1878) 5t5; wo
aber statt 26. Oktober .,'?(;. Dezember" zu lesen ist. — U.-A.
*) Das Nähere Körner 1. c. ö8 flg. — Zinzendorf that
diesen Scliritt von Gotlia aus, wo im Juni eine Synode der Brüder
abgehalten wurde. Beweggrund war der plötzliche Tod des llaujit-
manns Geo. Abr. v. Schweiniz auf Olier-Steinkirch währeml derselben.
Dieser, seit17B7 in Herrnhut wohnhaft, hatte für die Grähn Zinzen-
dorf deren Gutswirthschaft geleitet. — Ziiizendorfs Brief an den
Herzog s. d. s. Herz. Corresp. 95 flg.; des letzteren Antwort i. II. -.A.
Das an Brühl übermittelte Memorial konnte ich nirgends finden.
*) Dieser Minister war wohl Georg von Spangenberg, der Brutler
von Ziiizendorfs Biographen, der in den Diensten des Kurfürsten
von Trier stand und katholisch wurde. — Näheres bei D. Craiiz,
Alte und neue Brüderhistorie (1771) .334. Spezielleres ist nicht zu
ermitteln.
*) Eine dergleichen hatte er schon 1740 beim Reichskammer-
gericht begehrt, doch vergeblich (s. Spangenberg, Leben Ziiizen-
dorfs 1278 flg.; Cranz 1. c. .3.34). — Von den zu obigem dreifachen
Zweck eingegebenen Schriften ist besonders beachtenswerth: ,,Yor-
2QQ F. S. Hark:
sich im Interesse ihres Gatten münclHch und schriftlich
an die Gräfin Brühl, „und ihre gegründeten Vorstellungen
hatten dieselbe sehr bewegt, so dass sie alles mögliche
thun wollte, bei ihrem Herrn die Sache aufs beste zu
recommandieren". Auch der letzteren ScliWcägerin, die
Oberstallmeisterin von Brühl, „eine besondere Freundin
guter Seelen", war dafür interessiert. Allein weder die
Gräfin Zinzendorf noch ihr Gemahl reüssierten. Die Ver-
handlungen, Avelche dieser nacli dem Tode des Kaisers
Karl VII. in der mehrfacli gehegten Erwartung, die
kaiserliche Würde werde an Sachsen übergehen und dann
auch ihm Vortheile bringen, angeknüpft hatte, zogen sich
bis in das Frühjahr 1746 hin und blieben ohne das er-
sehnte Resultat. Unter Brühls Regiment mussten andere
Saiten berührt werden, wenn man Gehör finden sollte.
Bald bot sich in der That ungesucht eine Gelegenheit
dar, den rechten Ton anzuschlagen.
Der damalige Besitzer von Gross-Henner sdorf,
dem grossväterlichen Gute Zinzendorfs, dessen rechter
Vetter Karl Gottlob von Burgsdorf, Kanzler von Zeitz,
sah sich 1746 genöthigt, seiner derangierten Vermögens-
verhältnisse wegen, einen Käufer dafür zu suchen. Auch
meldete sich bald ein solcher, ein Baron von Seidewitz.
Er war aber katholisch, und nicht nur konnte seine
Nachbarschaft Herrnhut unbequem werden, sondern es
war auch zu Ijesorgen, dass auf Grund eines zu Kaiser
Rudolfs II. Zeit errichteten, die Traktaten der Oberlausitz
nicht berührenden Rezesses in Hennersdorf der Katholizis-
mus wieder eingeführt würde und derselbe somit eine neue
Eroberung in dem Markgrafenthum machen dürfte. Um
dies zu verhüten, empfahl der Oberamtshauptmann Graf
von Gersdorf seinem Freunde Zinzendorf dringend die
Erwerbung des Rittergutes. Endlich ging dieser auch
darauf ein und zwar unter für Burgsdorf sehr günstigen
Bedingungen. Noch ehe der Kauf auf den Namen von
Zinzendorfs Tochter Benigna, vermählten Freifrau von
Watteville, abgeschlossen war, hatte der Verkäufer ^Ende
Februar 1747) dem Grafen Hennicke in Dresden mit-
getheilt, wer es eigentlich sei, der ihm auf so generöse
Weise aus der Verlegenheit helfen wollte. Dabei lenkte
Stellung der lutherischen Theologen der Mährischen Kirche" d. d.
"Wetzlar, 25. April 1745, s. Copie davon Loc. 4612 G. K.-A. 1748 flg.
fol. 127 flg. und im Ü.-A.
Des Grafeil von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 267
er des Ministers Aufmerksamkeit auf die noch immer
andauernde Verbannung Zinzendorfs. Sowohl von Hen-
nicke als von andern hörte er, ihre Aufhebunj^ würde
mögllcli sein, wenn jener etwa einen reichen Holländer
bestimme, bei der Steuerkasse eine Summe Geldes anzu-
leg'en. Ohne ein solches Entgegenkommen sei sie aber
nicht zu erwarten, denn Zinzendorfs Person sei dem König
verhasst gemacht worden, und I. Maj. in favorem einer
Sache zu disponieren, dar wider sie eingenommen, sei ohne
solche BeAveguno;s2:ründe äusserst schwer ^). Zinzendorf
scheint aber in der angegebenen Richtung nichts gethan
zu haben. Er schreibt wenigstens am 15. Juli an Hen-
nicke, es habe sich bei seinen Freunden in Holland „kein
Anlass finden Avollen", derartige Geschäfte anzuregen.
Aber zugleich meldet er, er selbst sei bereit, 100000
Thaler, über die er disponieren könne und Avelchc er
nach Aufkündigung zu Michaelis ein Jahr darauf (vom
Hause Meerholz-Iscnburg) zu erhalten hoffe, „zum Dienste
seines lieben Vaterlandes zu employieren"'). Auf die
wünschenswerthe Rückkelir nach Sachsen spielt er nur
in angegebener Weise an. Burgsdorf aber sagt er
(16. Juli) deutlicher, dass sein banissement das hollän-
dische Geschäft und auch sein Commercium hemme. Je-
doch dringt er später wiederholt darauf, dass seine Be-
gnadigung mit diesem aus reiner Liebe zum König ge-
machten Anerbieten in keiner Weise kombiniert werden
dürfe. Beim thatsächlichen Zusammenhang beider Sachen
schwer zu fassen. Seine patriotische Offerte fand beim
Könige resp. Brühl gute Aufnahme. Hennicke versicherte
Burgsdorf, der Aufhebung des Exils stände nichts mehr
im Wege, nur wusste er noch nicht, wie man sie am
zweckmässigsten nachsuche. Endlich ging er auf den
Voi'schlag ein, beim König eine Immediateingabe zu
machen, und liicss Burgsdorf sie entwerfen. Er selbst
meldete Zinzendorf (31. Juli) die gnädige Walirnehmung
seines Anerbietens, wünschte aber die Auszahlung schon
Michaelis dieses Jahres ^). Zum Glück hatte er Burgs-
dorf gestattet, die Forderung auf „den grössten Theil"
*) Nach Briefen Köber's vom 9. März, 7. n. 17. Juli 1747.
') S. Körner 1. c. 60. Der 13 rief ist aber nicht an liurgstlorf,
sondern an Hennicke gerichtet, und von Darleihung „gegen massige
Verzinsung" steht nichts darin. — Die Bitte um Geheimhaltung
(ib. 61) bezielit sich auf ein späteres Geschäft 1750.
*) Körner 1. c. 60. — Orig. im U.-A.
268 F- S. Hark:
im Notlifall zu bcscliranken^ denn Zinzendorf kostete es
Mühe, in der kurzen Frist aucli nur den vierten Theil
aufzubringen. Gleichzeitig (1. August) sandte Burgsdorf
an ihn das entworfene Memorial. Es enthielt die Bitte,
sicli in des Königs Landen „von Zeit zu Zeit" frei imd
imgehindert aufhalten und in ihnen wohnen zu dürfen.
Ehe noch die Auszalilung des Geldes erfolgte, war es
(d. d. 13. August 1747) nebst einem Schreiben aus Henners-
dorf vom 18. September durch Köber (am 20.) Hennicke
übergeben worden'').
Des Erfolgs gewiss hatte Zinzendorf die Wetterau
am 10. September verlassen und war am 16. in Berthels-
dorf angekommen. Die zehn Jahre der Trennung von
Herrnhut; die er einst ge weissagt hatte ^"), waren vor-
über und sollten sich nicht wiederholen. Auch Hess die
formelle Begnadigung nicht lange auf sich warten. Hen-
nicke hatte Köber erst das deshalb entworfene Dekret
mündlich in Leipzig mitgetheilt, dann am 10. Oktober es
sogar mit ihm dort durchgesprochen und nach Zinzen-
dorfs Wünschen geändert. Dieser hatte am 12. daselbst
eine Unterredung mit dem Minister, und noch an dem-
selben Tage wurde das wichtige Dokument Köber ein-
gehändigt. Es lautet: „Wir Friedrich August etc. haben
Uns auf des p. p. Nicol. Ludwigs Grafens von Zinzendorf
beschehenes uuterthänigstes Ansuchen und durch die vor
ihn eingelangten Litercessiones nunmehr bewogen gefun-
den, demselben die Erlaubnis, sich in Unserm Mark-
grafthum Ober-Lausitz wiederum aufzuhalten, hierdurch
in Gnaden zu ertheileu. Wie Wir nun selbigen hierbei
Unseres Landesfürstlichen Schutzes versichern, dicserhalb
auch an Unser Geheimes ConsiHura dato das Erforder-
liche rescribiret; also ist . . . dieses Decrct . , . aus-
gefertigt worden. So geschehen und geben zu Leipzig
am n. Octobris 1747.' Augustus Rex. G. v. Brülil''^^).
») Orig. G. K.-A. 5986, l'ol. 64. „praes. 10. Nov. 1747" mit der
Randnotiz: „Resoliitio d. 27. Nov. a. f. ad Acta, weil das Reskript
bereits ergangen". — S. unten.
'") S. Span gen berg 1. c. 960.
' ') Orig. u. Copien im U.-A. — Wie leicht zu erkennen, ist das
von Körner 1. c. 61. inhaltlich mitgetheilte nicht obiges, sondern
(bis darin erwähnte Reskript an die Geh. Käthe. Diesen wird zu-
gleich — was bei Körner fehlt — aufgetragen genaue Aufsicht
über Zinzendorfs uiul der Seinen Verhalten zu führen. Das für
Zinzendorf bestimmte Dekret mag ursprünglich ähnlich gelautet
haben. "Was mau aber hier änderte, liess man dort stehen in Rück-
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 269
Ehe Zinzendorf seinen Verpflichtungen nachge-
kommen, und unabhängig von seinem Gesuch um Be-
gnadigung, war die Regierung ihm darin willfährig ge-
wesen. Reines Wohlwollen war gewiss nicht die Ursache,
sondern — Geldmangel, von dem Köber am 2. August
gemeldet hatte, er sei aufs äusserste gekommen. Darum
acceptierte man nicht nur das für einen Staat wie Sachsen
o;eringe Anerbieten Zinzendorfs mit Freuden, sondern war
aucli bereit, ihm gefällig zu sein, um sobald als möglich
in den Besitz dieser Summe und vielleicht noch anderer
zu gelangen. Die Aufhebung der Verbannung war dazu
ein Haupterfordernis, weil Zinzendorf öfters auf hollän-
dische Freunde gewiesen hatte, die das Geldgeschäft er-
leichtern könnten, wenn ihr Misstrauen gegen Sachsen
durch seine Restituierung beseitigt wäre. Der Name Hol-
länder hatte bei den sächsischen Finanzmännern einen
guten Klang. Solche zu gewinnen, durfte nichts ver-
säumt werden. Hauptsächlich in Rücksicht auf den mit
auf die Messe gekommenen begüterten Herrn van Laer
hatte Hennicke alles möglicherweise Verletzende aus dem
Dekret vom 11. Oktober entfernt. Andererseits Hessen
auch Zinzendorf und die Brüder die von den hollän-
dischen Freunden gehegten Erwartungen nicht unbenutzt.
Noch in Leipzig hatte Hennicke bei Zinzendorf und
Köber, der von jetzt an als Deputatus des ersteren in
Dresden die Verhandlungen mit der Regierung führte,
und seitdem wiederholt, den Wunsch ausgesprochen, Aus-
länder und namentlich Holländer zur Hebung des Wohl-
standes nach Sachsen zu ziehen'^). Waren doch die
sieht auf das Misstrauen, welches nach Hennickes eigener Aussage
viele Mitglieder dieses Kollegiums in hohem Masse gegen den Be-
gnadigten hegten, und das sich sogar im Widerspruch gegen seine
Zurückberufung geäussert hatte. — In ganz entsprechender Weise
rescribierte das Geh. Consilium an (jas Oberamt unter dem 16. Oktober
1747 (G. K.-A. 5986, fol. 60). — Über die im Hauptdekret stoben
gebliebenen und Zinzendorf anstössigen Ausdrücke: „Intercessiones"
und „Oberlausitz" statt „Königliche Lande überhaupt" gab Hennicke
nachträglich beruhigende Erklärungen.
'^) Der schon mehrmals genannte Job. Friedr. Kober war
damals .SO Jahre alt. Er stammte aus Altenburg, hatte nacli voll-
endetem Studium der Rechte als Sekretär beim Oberamtslianptmann
Graf Gersdorf zu Uhyst a. d. Spree gedient und war liier mit llerrn-
luit näher bekaiuit geworden. Als er im April 174:7 mit Aufträgen
Burgsdorfs, den Verkauf Hennersdorfs betrettend, nach der Wetterau
reiste, wurde er in Ilerrnhaag Mitglied der Brüdergemeine und von
da an in Geschäften Zinzendorfs verwendet, obgleich er erst 1748
270 F. S. Ilark:
politischen Wirren in der Heimath geeignet, manchem
von ihnen dieselbe zu verleiden. Man Imldig-e, sagte der
Geheime Rath und Finanzrainister, jetzt in Sachsen tole-
ranteren Grundsätzen, als zu der Zeit, da man in blindem
Eifer und unter Hintansetzung der Vortheile des Landes
die Refugies nicht aufnehmen Avollte. Es werde darum
auch das reformierte Bekenntnis der Holländer kein Hinder-
nis sein. Gehe auch ihre Aufnahme nicht in den alten
Erblanden an, so doch in der Lausitz und vor allem in
der erst neuerdings dem Könige zugefallenen Gi-afschaft
ßarby. Die Stadt passe besonders dazu, denn sie sei
— so meinte Hennicke fälschlich — reformiert. Übrigens
sollten Leute von einer andern Konfession nicht aus-
geschlossen sein, wenn nur keine Streitigkeiten entstünden.
Köber hielt aber gerade die Stadt für ungeeignet zu
einer derartigen Niederlassung. Sofort empfahl Hennicke
statt dessen königlichen Grund und Boden daselbst und
zwar das Barbyer Schloss. Köber ging immer weiter.
Sollten ausländische Brüder geneigt gemacht werden, sich
m Sachsen zu etablieren, so möchten die schon im Lande
wohnhaften gegenüber den Angriffen der lutherischen
Theologen öffentlich per Rescriptum für Augsburgische
Koiifessions-Verwandte erklärt und mit den Rechten und
Freiheiten anderer Unterthanen versehen werden. Hen-
nicke wollte das erst nach Monatsfrist angeregt haben.
Die Brüder dagegen hielten mit der Zusage einer Nieder-
lassung noch zurück, schlugen jedoch vor, ihnen das ge-
nannte Schloss mit einigen Vorwerken in Pacht zu geben,
als Sicherheit für den zu leistenden Vorschuss. Denn
solche sei nöthig, weil Meerliolz wahrscheinlich doch nicht
zahlen würde, das Geld also von andei'swoher beschafft
werden müssen. Der Vorschlag fand nicht nur Beifall,
sondern man bot sogar die ganze Grafschaft dazu an.
In der That einigte man sich mit der Zeit darüber, dass
gegen ein Darlehn von 160000 Thalern an Zinzendorf
auf den Namen seines Neffen Heinrich XX VHI. Graf Reuss
und Konsorten die Grafschaft Barby auf zwölf Jahre
gegen eine jährliche Pachtsumnie von IG 000 Thalern
seine Stelhuig in Uhyst aufgab. — Seine zahlreich vorhandenen
Briefe und Tagebuchsberichte sind Hauptquellen für diesen Ab-
schnitt der Brüdergeschichte. Zwar ist seine Darstellung steif und
trocken, aber klar und zuverlässig, was man bei Zinzendorfleider nur
zu oft vermisst.
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 271
verpachtet wurde und zwar so, dass sich der Pächter für
Zinsen und Kapital durch die Revenuen bezahlt mache.
Im September 1748 fand die ÜbergaLe statt. Die kirehen-
rechtliche Stellung der Brüder in Barby blieb zunächst
noch ungeordnet. Die Benutzung der Scldosskapelle
wurde aber in Aussicht gesteüt, und bis dahin hieUen sie
ihre Privatandachten ungestört in andern Räumen des
Schlosses.
Neben den Verhandlungen über diesen Vorsohuss
und Barby gingen andere her, welche schon vor jenen
zum vorläufigen Abschluss gekommen waren. Der Wider-
spruch, welchen Zinzendorf und sein Werk aller Orten,
wo er und die Brüder bekannt geworden waren, zuerst
in Herrnhut, dann nach seiner Verweisung aus Sachsen
im übrigen Deutschland und ausserhalb desselben in den
neu entstandenen Gemeinen inid Kolonien, nach Leben,
Lehre und Verfassung gefunden hatte, bewog ihn wieder-
holt, sich zur Klarstellung seines Charakters und seiner
^^'irksamkeit da und dort um öffentliche Unter-
suchung zu bemühen. Nur in wenigen Fällen erlangte
er sie^*).
Wir begegneten bereits einem seine Person und die
ganze Mährische Kirche umfassenden Antrag der Art
an Sachsen (1745). Eine zu beider Gunsten ausschlagende
Prüfung in dem Hauptsitz des Gnesio- Lutherthums liess
hoffen, dass sie die immer zunehmende Animosität der
Lutheraner aller Länder vermindern, wenn nicht gar be-
seitigen würde. Jetzt da er ins Vaterland zurückkehren
durfte, schien es möglich, auch diesen Wunsch erfüllt zu
sehen. Am liebsten wäre ihm gewesen, die Untersuch-
uno- hätte der Rückkehr voran o-ehen können. Jedenfalls
aber sollte sie ihr bald folgen. Wie er gleich nach seiner
Rückkehr von Leipzig in Herrnhut erzählte (14. Oktober
1747), hatte er dort mit Ilennicke schon vorläufig Avegen
einer Untersuchung seines Ganges gesprochen. AVenige
Wochen darauf that er weitere Schritte. Am 28. No-
vember theilte Köber dem Grafen Hennickc Zinzendorfs
Begehren mit, „es möchte einmal zu einer Generaluntersuch-
ung seiner Anstalten, sowohl was Lehre als Verfassung
beträfe, gedeihen", um den Beschuldigungen und Schmäh-
ungen ein Ende zu machen, und damit er imd seine
'*) p]ine Aufzählung solcher Versuche und ihrer Erfolge siehe
in Zinzendorfs Naturellen Reüexionun 120, 131 — 144.
272 F- S. Hark:
Anstalten „in Ansehung ihrer Reahte und Lauterkeit
möchten ins Licht gestellt werden". Zwar wollte Hen-
nicke statt Theologen aus verschiedenen Ländern nur
sächsische dazu verwendet wissen, im übrigen billigte er
aber den Gedanken. Zinzendorf bezeichnete in einer
kurzen „Idea der gesuchten Untersuchungskommission"
(November) die zu prüfenden Gegenschriften und die ins
Auge zu fassenden Punkte, berücksichtigte bei den vor-
geschlagenen Kommissarien Hennickes Begehren, machte
aber geltend, die Untersuchung sei keine ex officio an-
gestellte, sondern „ein examen oblatum". Als er Ende
März 1748 nach Dresden kam, konferierte er in Köbers
Begleitung zunächst mit Plennicke, der ihn der geneigten
Gesinnung des Königs gegen seine Person und Herrnhut
versicherte, über dieselbe Sache. Ausser den Kommissa-
rien wurden sogar vorläufig Zeit und Ort (Juni, Dresden)
ausgemacht. Als Zweck der Kommission gab der Mi-
nister freiwillig an, Zinzendorf solle nicht nur von dem Ge-
heimen Conseil als dem Directorio der evangelischen Reichs-
stände erkannt, sondern es sollten dann auch öffentlich alle
Beschuldigungen gegen ihn für Unwahrheiten erklärt und
neue Verleumdungen bei harter Ahndung verboten werden.
An dem Exil Zinzendorfs behauptete er nicht schuldig
zu sein, doch bat er ihn, alles zu vergessen und allen
Urhebern des angethanenen Unrechts zu vergeben, wie
er es ja allen seinen Feinden thue^^). Graf Brühl
hatte Zinzendorf ebenfalls zu sehen begehrt, um, wie Hen-
nicke sich ausdrückte, sich dessen gegen den König zu
rühmen und den Herrn Grafen der vollkommensten Zu-
friedenheit I. Maj. vor Ihre Person versichern zu können.
Am folgenden Tag (1. April) fand er sich auch auf der
Kammer bei dem Genannten ein. Nach seiner bei allen
Untugenden gefälligen Art des Verkehrs begegnete Brühl
dem einst von ihm Geächteten nicht weniger als Hen-
nicke in den schmeichelhaftesten Ausdrücken. Aber,
schreibt Köber, „Se. Excellenz schienen überhaupt, also
auch besonders" — als Zinzendorf das ihm ehemals ertheilte
'*) Damals sagte Hennicke n. a. : „Der König habe vor einigen
Jahren Herrnhat auf der Reise nach F'ok-n selbst gesehen und seit-
dem ganz andere Gedanken davon bekommen". In den Diarien
und sonst findet sich dafür kein Beleg (s. Körner 1. c. 59 nach
Schrauten bach, der aber nicht das Jahr 1747 angiebt, wie ersterer
thut). Nur der Durclizug des Herzogs von Weissenfeis (Dez. 1744)
ist angemerkt.
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 273
consiliimi abeiindi erwähnte, trotzdem Herrnliut des Kö-
nigs Gnade und. Schutz genossen habe — ■ „ein wenig en
embarras" zu sein. Sie „waren ausnehmend höflich und
poli, überaus modest und niedergeschlagen" und meinten,
man habe den König falsch von ihm berichtet. „Gottlob,
dass es sich nun geändert und wir Sie nun wieder bei
uns haben". Wohl um aus der Verlegenheit zu helfen,
nahm Zinzendorf die Schuld jener Prozedur ganz auf
sich, Avorüber Brühl höchst erstaunte, sodass er ihn mehr-
mals bat, alles Vergangene zu vergessen; des Königs
Gnade werde sich ihm nie mehr entziehen. Mehr Satis-
faction konnte Zinzendorf kaum zu theil werden. That-
sächlich hatte er, der viel geschmähte Graf, einen Triumph
über den mächtigen Premierminister davon getragen, ob-
wohl er ihn nicht beachtete. Für ihn war von mehr
Bedeutung, dass auch Brühl der begehrten Untersuchung
ohne weiteres zustimmte. Nicht minder belangreich war
zu vernehmen, wie man ausser der Barbyer Niederlass-
ung den Anbau von noch mehr Gemeinen in Sachsen
gern sehen würde. Inwieweit freilich sich diese Ver-
sprechungen, eröffneten Aussichten und Wünsche reali-
sieren würden, musste der Zukunft überlassen bleiben.
Ausserdem fanden in Dresden auch Unterredungen mit
dem Oberhofprediger Dr. Hermann, dem Nachfolger
des 1746 gestorbenen Dr. Marperger statt. Zinzendorf
wollte ihm die Administration des lutherischen Tropus
in der Mährischen Kirche übertragen, und Köber hatte
schon früher einmal schriftlich einen entsprechenden An-
trag gestellt. Die Angelegenheit kam aber erst in einer
späteren Zeit zu spezieller Verhandlung. Fürs erste stand
die öffentliche Untersuchung im Vordergrund.
Obgleich man ihr von selten des Geheimen Kabinetts
zugestimmt hatte, so hörte doch Köber vom Geheimen
Rath Graf Rex, dem Geheimen Consilium würde lieber
sein, wenn sie unterbliebe. Zinzendorf, der wohl wusstc,
dass die meisten Geheimen Räthe ihm nach wie vor ab-
geneigt waren, wollte sie gegen deren Willen nicht durch-
setzen. Er ging darum auf Hennickes Vorschlag ein,
seine Sache privatim zu untersuchen. Den Oberamts-
hauptmann, welchen er gern dabei gesehen hätte, wollte
Hennicke aber nicht hinzuziehen, und dieser wünschte
selbst aus dem Spiel gelassen zu werden. Dagegen soll-
ten Zinzendorf, Hennicke und Hermann zu dem Zweck
in Dresden zusauuncn treten. Doch würde dies nur ein
Neues Archiv t. «. G. u. A. VI. 3. 4. 18
274 ^- ^ Hark:
P r ä 1 i ra i n ar e X a m e n sein, nach welchem Graf Gersdorf
und Dr. Hermann der in nächster Zeit abzuhaltenden
Synode der Brüder zur allgemeinen Kenntnisnahme vom
Ganzen beiwohnen und davon Bericht erstatten möchten.
Um dem Oberhofprediger vorläufig „einige Ideen von
dem statu causae zu geben", richtete er an ihn ein aus-
führliches Schreiben, d. d. Herrnhut 14. April 1748'^).
Als Köber es überbrachte (20. April), vernahm er, dass
sowohl Hermann als der einflussreiche Geheime Rath
Zech (wie leicht zu begreifen) an manchen Liedern des
damaligen Gesangbuchs der Brüder Anstoss nähmen
und dass letzterer das ganze Vorgehen des Hofes und
der Brüder mit Besorgnis verfolge. Zur Charakteristik
des hochgestellten Geistlichen sei noch angeführt, dass als
Köbers Begleiter Wenzel Neisser zugab, die Brüder hätten
in dogmaticis von Zeit zu Zeit etwas geändert, er es
billigte. „Es sei rechte Thorhcit", sagte er, „wenn man
seiner Erkenntnis Grenzen setzen wolle. Die Geheimnisse
des Evangelii seien unerschöpflich und man konnne immer
weiter und tiefer hinein. Das komme auf den heiligen
Geist an". Eine für einen lutherischen Theologen der
sächsischen Landeskirche damaliger Zeit gewiss unge-
wöhnliche Ansicht!
Am 26. April fand sich Zinzendorf zum projektierten
Examen in Dresden ein; von Watteville sen. u. a. begleiteten
ihn^''). Li einem Schriftstück von demselben Tage^") er-
klärt er, um was es ihm zu thun sei, nicht um Justifi-
kation, sondern er wünsche seine Handlungen seit 1738
in mehrfach angegebener Richtung darzulegen, zu erörtern
und urkundlich zu belegen. Das sollte jedenfalls in einer
„Kabinettskonferenz über Brüdersachen" zwischen ihm,
Watteville, Hennicke und Hermann am 29. April abends
■') Im U.-A. u. H.-St.-A. s. Körner 1. c. 61. Das Schreiben
hat aber nicht die Tendenz .,das Oberkonsistorium umzustimmen",
mit dem der Schreiber damals gar nichts zu thun hatte, sondern
sollte nur den Adressaten als designierten Kommissarius über die
Brüdergemeinen und, vrie es darin heisst, „über den ganzen Zu-
sammenhang der vorseienden Prüfung in Wenigem benachrichtigen".
Ebensowenig soll darin gezeigt werden, dass die Järüdergemeine
„keine Sekte" sei.
'*) Leider fehlen uns für diesen 14tägigen Aufenthalt Zinzen-
dorfs Köbers Tagebuchberichte , weil er während desselben meist
krank war. Wir sind also nur auf andere Nachrichten davon an-
gewiesen.
") Orig. G. K.-A. Vol. Ib, fol. 9. — U.-A.
Des Grafen von Zinzendorf Rückkelir nach Sachsen etc. 275
o-eschelien. Wir erfahren al)er nur, Hennicke habe dein
Oberhofprediger gegenüber die uns im wesentlichen
bekannte Intention des Königs in betreff Zinzendorfs
und der Brüder mitgetheilt. Hervorgehoben sei nur,
dass er auch jetzt nachdrücklich betonte, die gegenwärtige
Untersuchung sei nicht vom Könige veranlasst, sondern
Ihre Majestät habe sie nur gestattet, nachdem sie von
Zinzendorf begehrt worden wäre. Zu andern Konferenzen,
die noch gehalten werden sollten, kam es nicht, weil Her-
mann aus Furcht vor seinen Kollegen sich dieser Sache nicht
weiter zu unterziehen wagte. Zinzendorf dachte darum
sogar daran, die ganze Untersuchung fallen zu lassen,
und da der Genannte sich ebenfalls vom Besuch der
Sjaiode lieber dispensiert sähe, auch „Konsistorialeingriffe"
zu besorgen wären, von ihrer Bescliickung Abstand zu
nehmen und einem andern Plan zu folgen. Schliesslich
bat er aber doch den König in einer Immediateingabe,
d.d. Dresden 3. Mai'^), den am 12. in der Oberlausitz
und zwar „wenn es beliebt würde", zu Gross-Henners-
dorf zu haltenden Synodum, zu welchem auch der preus-
sische Oberhofprediger Koch (Cochius), als Praeses tropi
reformati, zu erwarten sei, durch den Oberamtshauptmann
als königlichen Kommissarius, einen oder mehrere Kon-
sistorialen und einen kursächsischen Theologen zu be-
schicken, damit dieselben vom ganzen Werke Kenntnis
nähmen. Der Dresdner Oberhofprediger war nicht ge-
nannt, dass er aber unter den Konsistorialen sein sollte,
wusste Hennicke, Gleich am folgenden Tag erging ein
Geheimer Kabinettsbefehl an die Geheimen Rätlie"'), die
Beschickung der von Ihrer Majestät hiermit genehmigten
Versammlung zu veranlassen, und zwar wurden zu Ab-
geordneten auch Mitglieder des Wittenberger Konsisto-
riums vorgeschlagen. Ausserdem aber sollte eine beson-
dere (ständige) Kommission niedergesetzt und instruiert
werden zur „Abwendung alles ordnungswidrigen Für-
gangs bei den Herrnhutern oder andern in Unseren
Landen duldenden Mährischen Gemeinden in ccciesiasticis
et politicis".
Dass auch ein akademischer Theolog zur Synode
erschien, war ganz gegen Zinzendorfs Sinn, weil ein der-
gleichen „von einer Synode keinen Konzept habe". Das
") Körner 1. c. C>2. — U.-A. ") Körner ß'i. — Das
18*
Mundum Loc. 4612. G. K.-A. 1718 flg. fol. 1 flg,
276 F- S. Hark:
hatte er vorbeugend Hennicke wissen lassen. Man hörte
aber mehr auf das Oberkonsistoriura, das offenbar mit
der Synode nichts wollte zu thun haben. Wenigstens
hatte dessen Vorsitzender, Graf Holtzendorf, schon am
3. Mai sein Gutachten über Zinzendorfs Gesuch dahin an
Hennicke abgegeben, dass dem Grafen Gersdorf der Hof-
rath Leyser und Dr. Weickhraann in Wittenberg könnten
beigesellt werden'^")- Diese wurden auch wirklich nach
Leipzig, wohin Hennicke mit dem Könige zur Messe ging,
zitiert. Zinzendorf sah damit seinen Plan durchkreuzt und
veranlasste, unter Erstattung der Reisekosten, noch vor
dem 12. ihre Rückkehr. Andererseits scheint das Gerücht
gegangen zu sein, man wolle die Synode in Herrnhut zu
tagen veranlassen. Aber gerade diese Gemeine wollte er
durchaus von der in Rede stehenden Untersuchung unbe-
rührt wissen. Letztere sollte nur die Mährische ausserhalb
Sachsens etablierte Kirche angehen. Er gab darum den
jetzt beabsichtigten Zusammentritt der Synode ganz auf.
Dazu bot sich ein erwünschter Vorwand dar. Der oben-
genannte Geistliche Koch hatte nämlich von seinem Könige
Erlaubnis zum Besuch der Synode erhalten, wenn sie
sich in Schlesien versammele ^^\ Dass aber Sachsen da-
hin keinen Abgeordneten senden werde, hatte man schon
früher erfahren. Ausserdem war bis zum 12. Mai noch
kein Bescheid auf die Eingabe vom 3. ertheilt worden.
Zinzendorf schrieb also für den Juni eine schlesische
Provinzialsynode aus, der im Mai nur präparatorische
Konferenzen in Hennersdorf vorano'ehen sollten. Davon
geschah am 25. Mai die Anzeige. Die Darlegung nöthiger
Nachrichten über das, „was bisher ausserhalb der könig-
lich kurfürstlichen Lande vorgekommen und ausgerichtet
worden", könne auch anderweitig geschehen. Zu Herrn-
huts Untersuchung sei keine Veranlassung; der König
habe seine Zufriedenheit darüber geäussert.
Inzwischen hatten die der Mehrzahl nach Zinzendorf
gegenüber stehenden Geheimen Räthe der ganzen von
ihm in Bewegung gesetzten Untersuchungsangelegenheit
eine verhängnisvolle Wendung zu geben unternommen.
Schon am 6. Mai beantworteten sie das Kabinettsreskript
vom 4. in folgender Weise ""^): die Beschickimg eines von
Zinzendorf eigenmächtig berufenen Synodi durch königl.
") S. Orig. G. K.-A. Vol. Ib fol. 19.
»') S. z. B. Spangenberg 1. c. 17.^7 tig. ^^j S.Körner 1. c. 62.
Des Grafen von Ziiizendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 277
Koramissarien involviere die Anerkennung der Mährischen
Gemeinde als einer ecclesia separata^ wofür sie nicht
gelten wolle. Sie sei abzurathen^^), denn in andern
Landen und beim Corpus evangelicum, dessen Direktion
Ihre Majestät führe, könnte sie Aufsehen machen. Da-
gegen empfehlen sie die Abordnung einer Kommission nach
Herrnhut (die „Herrnhuter" zu beaufsichtigen, hatte ja
das Reskript vom 4. auch als Aufgabe der besondern
Kommission bezeichnet), welche grünrllich untersuche, ob
dort das Reskript vom 7. August 1737 befolgt worden
sei, und „inwieferne die Herrnhutischen und andere Mäh-
rische Gemeinden in ihren Glaubenslehren von der unge-
änderten Augsburgischen Konfession abwichen". Zu dieser
Vermuthung gäben ihre und namentlich Zinzendorfs
Schriften Ursache, sowie dass „sie in ihren principiis und
in der Abweichung von den Kirchengebräuchen und
recipierten Liturgicis weitergingen". Auch rede Zinzen-
dorf in seinem Memorial von einem lutherischen und
einem reform irten Tropus innerhalb der Mährischen Ge-
meinden. An Stelle des, wie verlautet, den Herrnhutern
zugethanenen Oberamtshauptmanns möchten der Landes-
hauptmann von Loben, Heydenreich, Teller und Weickh-
raann zu Kommissarien ernannt werden. Nach beendeter
Expedition, deren Kosten die Mährischen Brüder zu be-
streiten hätten, würde man sehen, wie die zu beständiger
Obsicht einzusetzende Kommission zu instruieren sei.
Das Wichtigste in diesem Schriftstück ist ohne
Zweifel die klar zu Tage tretende Tendenz, die Unter-
suchung, zu der sich Zinzendorf freiwillig erboten hatte
und die nur die Gegenstände betreffen sollte, welche er
vorlegen würde, ganz zu beseitigen und an ihre Stelle
eine auf Verdacht und Misstrauen beruhende offizielle —
ähnlich der von 1736 — treten zu lassen. Gerade mit
demjenigen Objekt sollte sicli die Kommission am meisten
befassen, welches Zinzendorf jetzt nicht untersucht Iiabcn
wollte, mit der Gemeine zu Ilerrnhut, welche sich ja
auch, wie man behauptet hatte, des allerhöchsten Wohl-
gefallens erfreute. Auf welche Weise man dab(;i auch
andere Mährische Gemeinen der Inquisition zu unterziehen
gedachte, ist nicht recht klar. In Sachsen gab es ja
keine solchen, denn die damals noch im Entstehen bc-
*') Die Geh. Räthe sagen also das Gegentheil von dem, was
Körner sie sagen lässt: „sie wollten nichts dagegen einwenden".
278 F. S. Hark:
grifFene böhmische Kolonie Niesky war so unbedeutend,
dass man sie in Dresden kaum kannte. — Wahrschein-
lich hoffte man von Herrnhut und vermittelst Schluss-
folgerung" dann auch von Zinzendorf und den Mährischen
Brüdern nur Ungünstiges berichten, auf Grund dessen
aber weitere Etablissements der letztern hintertreiben zu
können. Jetzt schon dagegen Widerspruch zu erheben,
wäre gegen den Respekt gewesen. Der König hatte sie
ja im Reskript vom 4. Mai bestimmt in Aussicht gestellt.
Den Brüdern sollte nur die Ehre bleiben, alles bezahlen
zu dürfen. Zinzendorf wusste nichts von dem, was ge-
schehen war, sonst hätte er wohl nicht, so Avie er es that,
sein Ziel weiter zu erreichen gesucht '^^). Wir übergehen
das Einzelne. Wie man aber den besten Erfolg er-
wartete, zeigt der Umstand, dass Köber am 25. Mai
Hennicke einen von ihm gefertigten Entwurf zu einer
Konzession für die Mährischen Brüder übergab. Schon
früher hatte er eine solche angeregt, war aber von Hen-
nicke immer auf später verwiesen worden. Auch den
gegenwärtigen, bestimmt formulierten Antrag zu einer
solchen wies dieser ab, hauptsächlich weil inzwischen eine
andere allerhöchste Erklärung in betreff der Kommis-
sion sei gegeben worden. Er meinte damit das könig-
liche Speziaireskript an das Geheime Conseil, d. d. 21. Mai,
in Erwiderung auf dessen Vorstellung vom 6. Mai*''^).
Dasselbe sieht von der Beschickung der Synode ab, wie-
derholt aber die königliche Intention, die Mährischen
Brüder, und zwar „in der Art und Weise, wie zeither zu
Herrnhut geschehen, auch an andern Orten in Uusern
Landen und insbesondere in Unserm Amt und Stadt
Barby", zu dessen Verpachtung gleichzeitig ein Befehl an
die Kammer ergangen sei, „zu dulden". Dann heisst es
weiter: „Wenn dann aber einestheils Wir hierbei, dass
dieser Leute Glaubenslehren der Augsburgischen Konfession
im Grunde nicht zuwider sein, hingegen ihr Lebenswandel
anerkannt unanstössig sei, voraussetzen und hiernächst
andererseits das Absehen hierbei auf Verhütung" alles nach-
theiligen Aufsehens bei Auswärtigen „zu richten sein will;
**) In der an Hennicke (nicht an die Kommission) gerichteten
Schrift vom 9. Angust 1748 (Körner, 1. c. 66) sagt Zinzendorf,
er wisse nicht, wie aus den vorhandenen Prämissen die Heuners-
dorfer Kommission (s. unten) habe resolviert werden können.
") Das Orig. Loc. 4612. G. K.-A. 1748 flg. fol. 11 flg. „praes.
31. Mai 1748".
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 279
als empfehlen wir euerer Vorsorge hiermit gnädigst", eine
Kommission niederzusetzen, welche beständig auf das
der weltlichen und geistlichen Landesverfassung und den
Unterthanenptiichten entsprechende Betragen der Mähri-
schen Brüder „bei ihrem Aufenthalt in Unsern
alten und neuen Erblandcn aufmerksame Obsicht
zu führen hat". Unter den Kommissarien, deren Ernenn-
nung diesmal nicht den Geheimen Käthen überlassen
bleibt, ist auch der von ihnen beanstandete Oberamts-
hauptmann ^''). Dieselben soll das Geheime Konsilium
„wegen ihres behutsamen Verhaltens hierbei mit einer
couvenablen Instruktion" versehen.
Dem strengen Wortlaute nach könnte man meinen,
es handele sich hier nicht um eine Kommission zum Zweck
der viel besprochenen Untersuchung, sondern um eine
Aufsichtsbehörde über die Mährischen Brüder, die erst
nach der geschehenen Aufnahme derselben in Funktion
treten sollte. Allein schon die Voraussetzung, auf welcher
ihre Anordnung wesentlich mit beruht, die korrekte Stellung
der Brüder zur Augsburgischen Konfession, erforderte,
dass sie noch vor deren Ansiedelung im Lande ihre
Thätigkeit ausübe. Es rausste erst erwiesen werden, was
der König voraussetze, sei begründet, wenn nicht ein der
Landesverfassung widersprechendes Verfahren riskiert
werden sollte. So fassten offenbar auch die in loco be-
findlichen Kommissarien das gleichlautende Keskri])t vom
1. Juni 1748 auf, in welchem die Geheimen Räthe sie
mit Entwerfung einer Instruktion beauftragten^'). Auch
Graf Gersdorf, Zinzendorf und Köber, als sie davon Kent-
nis erhielten, verstanden es nicht anders, als dass nun
endlich die Untersuchung stattfinden solle. Es kam jetzt
nur darauf an, welcher Art dieselbe sein werde, ob nach
der Geheimen liäthe oder nach Zinzendorfs Gedaiüvcn.
Die Zugehörigkeit der Brüder zur Augsburgischen Kon-
fession aus freien Stücken ui'kundlieh darzuthun, war
letzterer schon vorher entschlossen gewesen"^).
^*) Es sind diejenigen, welche im Juli nach llennersdori' ab-
gingen (s. Körner, 1. c. OÖ)...
*') S. ihren Bericht bei Übersendnng der entworfenen Instruk-
tion vom 6. Juli. — Orig. Loc. 4612. G. Iv.-A. 1748 flg., t'ul. 18 flg.
— Das Konnnissariiile vom 1. Juni in Orig. Act. Gomni. 1748, I,
fol. 1 Hg. — Copien im U.-A.
*'f S. auch den Henuersdorfer Kommissionsbericht bei Körner
1. c. 112.
280 ^- S. Hark:
Was Hennicke am 25. Mai Köber vom Inhalt des
Kabinettsreskripts sagte, stimmte völlig mit Zinzendorfs
Wünschen, auch in betreft' Herrnhuts, dessen nur „zu
seinem Ruhm" darin gedacht werde. Aber die meisten
seiner Kollegen im Geheimen Konsilium dachten nicht so.
Und was man bald darauf auch aus seinem Munde ver-
nahm, M^ar bedenklich. Auf seinen Wunsch sollten K'öber
und der Syndikus Dav. Nitschmann zugegegen sein, wenn
er am 28, Mai Holtzendorf und Hermann nochmals die
königliche Intention eröffnen und sie für die Kommission
instruieren werde. Sie fanden aber nur letztern bei ihm,
und mit dem hatte der Minister soeben „die Konunissions-
sache nach des Königs Intention überlegt". Köber er-
klärte sich darum noch einmal klar und bestimmt, so-
wohl über Herrnhuts Stellung zur Kommission, als über
das eigentliche Objekt der Untersuchung, „Zinzendorfs
Person und Amtsführung nebst der ganzen Situation
der damit konnektierenden Kirche". Aber Hennicke ant-
wortete darauf, „als ob man ihn nicht reden hörte", Herrn-
hut müsse nothwendig mit der Sache konnektieren; gegen
Zinzendorf habe man nichts, wozu ihn untersuchen etc.
Und als Hermann die 1736er Kommission hineinmengte,
widersprach Hennicke nicht! Der von jenen gebrauchte
Ausdruck, die Brüder verlangten in des Königs Landen
aufgenommen zu werden, erregte aber Köbers Eifer.
„Hautement replizierte er, es sei keinem Mährischen
Bruder eingefallen, in Sachsen etabliert zu werden, das sei
eine ohne ihr Vennuthen freiwillig offerierte Sache",
— so dass „Se. Excellenz hierüber ganz roth und ein
wenig alarmiert wurden". Nitschmann beruhigte indes
die Gemüther, indem er auf einen neulich übergebenen
Aufsatz Zinzendorfs vom 23. Mai verwies, und Hennicke
fand nun wieder den gewohnten Ton, den Inhalt des
Reskripts in unverfänglichen Worten wiederliolend. Am
nächsten Tag sprach sich auch Holtzendorf, offenbar von
Hennicke informiert, ganz nach Zinzendorfs Ansichten
über die Kommission aus. Der Oberliofprediger hatte
den genannten Aufsatz gelesen, schien „ein ganz anderer
und umgekehrter Mann" zu sein. Auch war er bereit,
auf Zinzendorfs Wunsch, noch vor Beginn der Kommission
in Herrnluit und Hennersdorf einen Privatbesuch zu
machen, um die Gemeine und deren Einrichtung erst
kennen zu lernen. In der Abschiedsaudienz erklärte
endlich Hennicke den beiden Vertretern der Brüder, die
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 281
Kommission sei bloss pro forma, bezwecke keine Unter-
suclinng, sondern nur „ein reziprokes Vernehmen über
die Sachen"; Zinzendorf möge zu ihrer Regulierung in
Monatsfrist selbst nach Dresden kommen. So glaubten
sie ohne Sorge auf kurze Zeit die Stadt verlassen zu
dürfen. Ob mit Grund? Die ganze Sache lag jetzt
allein in den Händen der Gelieimen Käthe, deren Ab-
sichten wir kennen. Alles hing von der Beschaffenheit
der auszufertigenden Instruktion ab; aber selbstverständ-
lich durfte das Geheime Consilium die Kommission nur
mit einer solchen versehen, die der Erreichung seiner
Ziele dienen konnte. — Ehe wir aber von ihrem Zu-
standekonnnen berichten, gilt es uns zum Verständnis
des bisherigen und des ferneren Verlaufs der Dinge die
Gründe kurz zu vergegenwärtigen, welche fast alle Ge-
heimen Räthe und andere dabei betheiligen Männer be-
stimmten, der Ausbreitung der Mährischen Brüder in
Sachsen entgegenzuarbeiten.
Es wäre unrecht, die von dieser Seite ausgehende
Opposition auf Willkür, Böswilligkeit oder dergleichen
zurückzuführen, und unrichtig, Zinzendorf und die Brüder
als schuldlose Märtyrer anzusehen. Vom Geheimen Rath
Graf Rex und von Dr. Heydenreich z. B. sagt Graf
Gersdorf ausdrücklich, ihre Opposition trage keinen per-
sönlichen gehässigen Charakter, sondern beruhe auf Grund-
sätzen und Gewissenhaftigkeit. Und so mögen auch an-
dere es für ihre heilige Pflicht angesehen haben, die
Brüder fern zu halten. Zinzendorf aber, der Leiter der-
selben, war von jeher in vieler Augen eine unverstandene,
ja anstössige Person gewesen. Die von ihm gestiftete,
weitverbreitete Gemeinschaft trug nach innen und aussen
ein von den hergebrachten Kirchen sehr verschiedenes
Gepräge. Ihre Ausdrucksweise wich von der sonst auf
Kanzel und Katheder üblichen vielfach ab. Zinzendorf
bediente sich durchweg der blossen Konversations-
sprache'^°). Kein Wunder, wenn theologische Genauig-
keit in seinen Worten manches fand, was der rezipierten
Rechtgläubigkeit nicht zu entsprechen schien. Auch gab
es in der That Lehrpunkte, über welche er und seine
Anhänger nicht wie die theologische Schule dachten. Von
Jahr zu Jahr war darum die Zahl derer gewachsen,
welche sich ilnien, die sie noch dazu oft nieht näher
") J. G. Müller, ZinzCntlorfsLehen, 2. AuÜ. (Winterthur 1822),3.
282 F. S. Hark:
kannten, entgegenstellten. Andererseits trieb der Wider-
spruch Zinzendorf in der einmal eingeschlagenen Richt-
ung immer weiter. Dazu kam noch ein anderer Umstand.
Von Anfang an hatte man in der Brüdergemeine die
heilige Schrift zur Norm des Glaubens und des Glaubens-
lebens gemacht. Jedoch hatte Zinzendorf die Bibel, die
er übriges genau kannte, schon frühzeitig nur wie ein
Spruchkästchen behandelt, statt sie in ihrem Zusammen-
hang zu erforschen und zu verstehen*^*). Wenn nun des
Mannes lebhafte Phantasie sich einzelner biblischer Aus-
drücke bemächtigte, und wiederum andere Stellen ge-
wissen Lieblingsidecn und speziellen individuellen Erfahr-
ungen gegenüber hintansetzte, so musste das, je weiter
er darin ging, allem, was Lehre und Leben in der Ge-
raeine betraf; ein eigenthümliches Kolorit geben. Das-
selbe spiegelte sich nicht allein in dem uns geschmacklos
und läppisch erscheinenden Diminutiv- und Superlativ-
jargon in Rede und Lied ab, sondern dessen sinnliche,
namentlich dem ehelichen Leben entnommenen Bilder
drohten die nüchterne Wahrheit des Evangeliums sach-
lich zu entstellend^). Ausserdem begab sich Zinzendorf
auf ein Gebiet, dessen Betreten in Verbindung mit dem
eben Angeflüirten sehr bedenklich sein musste. Früher
hatte er einmal behauptet, „Christum und seine Wahr-
heit in einen systematischen Zusammenhang zu bringen,
sei die Mutter von allem L-rthum" *'■'). Jetzt verüel er
selbst auf ein Systematisieren und Spekulieren besonders
über die göttliche Trinität, von dem auch Spangenberg
glaubte'*'), es wäre besser unterblieben. Endhch hörte
sogar im Leben, wenigstens der wetterauischen Gemeinen,
'») Yergl. H. Chr. Oetiiigers Leben und Briefe von Elimaiin
(Stuttgart 1859), 73, 142, 238, 453 flg. — In Zinzendorfs Tagebuch,
15. Februar 1731, ist zu lesen: „Herr (Pastor) Kothe redete mit
mir vom Zusammenhang. Ich sagte ihm, dass ich glaubte, es sei
besser keinen Verbalzusammenhang haben, sondern die Wahrheit
zerstreut kennen, wie sie in der Bibel stünde . . ., so sei mau nicht
leicht Irrtbümern unterworfen".
*') Eine Auswahl von Liedern der Art theilt Varnhagen
von Ense, Graf L. v. Zinzendorf, 3. Aufl. (Leipzig 1873), 16G ilg.
mit. Doch sind die pikantesten auf S. 168 flg. nicht dem Oesang-
buche der Brüder entnommen, sondern einer handschriftlichen Privat-
siimmluiig einiger junger exaltierter Köpfe, „Agonien" genannt. Varn-
hagen hat sie wohl aus Volk, Entdecktes üeheimnis der Bosheit der
Herrnhutischen Sekte (Frankfurt und Leipzig 1750) G94 flg. abgedruckt.
^=') In sehiem Tagebuch, 1. April 1731. — U.-A.
'*) In Zinzendorfs Leben 1574.
Des Grafen von Zinzendorf RiUkkelir nach Sachsen etc. 283
die alte strenge Zucht auf. Wurde auch keineswegs all-
gemein oder gar prinzipiell dem Weltsinn, der Leiclit-
fertigkeit und Ungebundenheit Raum gegeben, so kam
docli zum Theil unter der Maske der Gottseliükeit bei
einzelnen manches vor, was selbst vor dem Richterstuhl
büi'gerlicher Moral nicht bestehen konnte.
Dieses Wesen erreichte in den letzten Jahren des
fünften Jahrzehnts seinen Höhej)unkt, und man stand in
der That „am Rande des Fanatismus"'^*), und zwar eines
höchst gefährlichen. Doch machte man noch zur rechten
Zeit Halt und kehrte um, so dass diese Zeit nur eine
„Sichtungszeit" und nicht die des Untergangs für die
Brüdergemeine wurde, „eine Erscheinung, die einzig in
der Kirchengeschichte dasteht" ^^). Dass aber Avährcnd
derselben selbst Männer, welche früher Zinzendorf und
seiner Gemeine mehr oder weniger nahe gestanden hatten,
an beiden irre Avurden und jetzt in Schrift und Rede
auf die Gefahren hinwiesen, die von ihr der übrigen
Kirche drohten, ist kaum zu verwundern. Von andern
wurde mancherlei, was man hörte, ohne nähere Prüfung
der Richtigkeit angenommen und geglaubt, ja noch mehr
entstellt. Zinzcndorfs Schriften, die ohnedies bei vielem
Vortrefflichen manches Anstössige und Tadelnswerthe
enthielten, waren der Missdeutung und Verdrehung aus-
gesetzt. Allmählich sah sich jeder bedeutendere Theolog
gezwungen, die Feder zum Streit gegen die allgemein
angefochtenen zu ergreifen, um nicht selbst iu Verdacht
zu kommen. Bereits war eine Schandliteratur im Ent-
stehen, die geeignet war, die Brüder und ihren Führer
der Verachtung aller ehrbaren Leute preiszugeben. Wenn
aber Zinzendorf seine Feinde mit Ironie bediente, dagegen
seinen und seiner Brüder evangelischen Charakter be-
hauptete und sich nebst ihnen sogar als strikten Bekenner
der Augsburgischen Konfession darzustellen wagte, so stei-
gerte das nur die Erbitterung. Der Widerspruch , in
welchem sf)lchc Behauptungen mit allem, was man scmst
vernahm, zu stehen schien und zum Theil auch stand, das
Bestreben, immer Recht zu behalten und die Konflikten, in
die er sich dabei mit seinen eio^enen Aussajicn nicht selten
verwickelte, Hessen ihn bei vielen als einen unaufrichtigen
") J. G. Müller, 1. c. 241.
*') Job. Ileinr. Kurtz, Lehrbuchder Kirchengeschichte, §167.
284 F. S. Hark:
Mann erscheinen, der es mit der Wahrheit nicht ernst
nähme, und von dem man sich darum fern haUen müsse'*).
Dieses Wenige in Betracht ziehend, wird man es
minder auffallend finden, dass in Sachsen, dem Vorort
streng kirchlichen Lutlierthums, mit Besorgnis der Mög-
lichkeit entgegengesehen wurde, dass sich den Mährischen
Brüdern Gelegenheit darböte, sich daselbst einzubürgern
und auszubreiten. — Man glaubte das nicht ohne weiteres
geschehen lassen zu dürfen. Das Geheime Konsilium
insbesondere hatte ja nicht bloss die weltlichen Interessen
des Landes zu wahren, sondern seine Aufgabe war ebenso,
da« Eindringen fremder Elemente zu verhüten, die den
bestehenden kirchlichen Ordnungen in Lehre, Leben und
Verfassung gefährlich werden konnten. Auch das Dresdner
sogenannte Oberkonsistorium musste sich berufen fühlen,
seinen damals nicht unbedeutenden Einfluss auf höhere
EntSchliessungen in der nämlichen Richtung zu verwerthen.
Von einem andern Standpunkt aus wird man das be-
klagen können, aber die Lage der Dinge Avar einmal so.
Übrigens durfte im vorlieoenden Fall weder das Ge-
heime Konsilium noch das Konsistorium bei Lösung ihrer
Aufgabe der „allerhöchsten Intention" zu nahe treten.
Und so galt es die Kommissarien in einer Weise zu in-
struieren, die beiden Rücksichten entsprach.
Die Abfassung der Instruktion übernahm von den
drei damit betrauten Mitgliedern des Konsistoriums, Graf
Holtzendorf, Hermann und Heydeureich, der letztere.
Grade aber ihn hatten die Brüder allein von allen Kom-
missarien beanstandet als denjenigen, der „bei der ehe-
maligen Kommission in Herrnhut (1736) die allerwidrigst
gesinnte und feindseligste Person gewesen wäre". Graf
'*) Der Vorwurf der Zweizüngigkeit und Unaufrichtigkeit war
schon längst gegen Zinzendorf erlioben worden. Wer den Mann
nicht nur aus den apologetischen Biographien und Geschichtswerken
kennt, wird nicht darüber erstaunen. P]benso wird man aber auch
anstehen, ilin für einen im Grunde unwahren Menschen zu halten,
sobald man den ganzen Mann betrachtet. Der bezügliche Fehler
ist in der Peripherie, nicht im Centrum seines Charakters zu suchen.
Nicht selten mag das, was als Unwahrheit und Unzuverlässigkeit
sich darstellt, mit J. J. Moser (Selbstbiographie, Theü 4. 97; —
siehe auch Spaneenbergs Bemerkungen 1. c. 2249 tig.) auf des
Mannes „ausserordentlich feurige Einbildungskraft" zurückzuführen
sein. — Freilich, wenn Zinzendorf gelegentlich glaubte erklären zu
müssen, er sei „ein ehrlicher Mann", — ein Luther hatte das nie
nöthig!
Des Grafen von Zinzendoif Rückkehr nach Sachsen etc. 285
Gersdorf meinte, er werde vermutlilicli „denen vestigiis
von 1736 inliärieren", und rieth deshalb und weil er „einer
der gelehrtesten und angeseliensten Leute in zwei Kol-
legien sei", mit ihm vorsichtig umzugehen. In der That
hatte sich Heydenrelch gegen Hermann, als beide nach
Wittenberg reisten, dahin ausgesprochen, nach seiner An-
sicht handele es sich bei der bevorstehenden Kommission
um dasselbe, wie bei der von 17oG. Bei diesen Uin-
ständea konnten die Geheimen Räthe voraussehen, dass
die Instruktion ganz nach ihrem Wunsche ausfallen würde.
Wenn andererseits Holtzendorf auf Hennickes Vorstellung
hin erklärte, er wolle für Heydenreich stehen, so war
damit wenig geholfen. Der Mann, von dem den Brüdern,
wie der Erreichung der königlichen Absichten Gefahr
drohte, war dem Konsistorialpräsidenten geistig und an
Selbständiukeit des Charakters weit überlegen''"). Und
wenn ferner Hennicke auf Zinzendorfs Vorstellung, falls
Heydenreich die Instruktion aufsetze, möchte vielleicht
aus der ganzen Sache nichts werden, erwiderte, dann
werde er kurzen Prozess machen, und wenn er Diffikul-
täten veranlasse, seine Reniotion in Polen beantragen, so
war dies leichter gesagt, als gethan. — Köber suchte
zwar den bedenklichen Mann auf, aber derselbe Hess sich
auf nichts ein. Nur bemerkte er, es scheine ihm, als
wollten sich die Brüder in alle Religionen mengen und
alles an sich ziehen. So war von dieser Seite nichts zu
erreichen. Der Oberliofprediger blieb zwar immer liebens-
würdig und Hess es an freundlichen Worten nicht fehlen,
war aber theils durch seine Stellung theils durch Mangel
an Energie verhindert, ihnen Nachdruck zu geben. Selbst
der vorläufige Privatbesuch in Herrnhut musste deshalb
unterbleiben. Nur eines wäre vielleicht geeignet gewesen,
etwas günstigere Prospekte für die Sache der Brüder zu
eröffnen. Köber deutet darauf hin (28. Juni), wenn er
Zinzendorf, zunächst überhaupt im IMick auf die Sunnne,
welche die Kommission kosten werde, auffordert, Gott zu
bitten, „dass er uns einen hübsch grossen Sack voll Du-
katen schenke; wir brauchen ihn", und dann im beson-
deren sagt, „ich wäre davor, dem Grafen TToltzendorf
*') „Holtzendorfs Contestationcs sind so gut, als man sie ver-
langen kann; wenn nur die Tliathandlnngen bei der Sache harmo-
nieren" (Köber).
286 F- S. Hark:
ein Präsent zu machen, denn er ist sehr hungrig, und es
ist gewöhnlich" ''*).
Es blieb also nichts anderes übrig, als abzuwarten,
wozu und wie die Kommissarien würden instruiert werden.
Inzwischen wurde Ort und Zeit ihres Zusammentritts
vereinbart. Zinzendorf hatte anfangs gewünscht, die
Kommission möchte in Dresden gehalten werden, während
Holtzendorf Bautzen oder Zittau vorzog. Des Oberamts-
hauptmanns Graf Gersdorf wohlbegründete Vorstellungen
bestimmten Zinzendorf aber auf Gross-Hennersdorf
zu dringen; wobei man schliesslich stehen blieb. Auch
verständigte man sich über den 29. Juli als Termin der
Eröffnung der Kommission, nachdem auch viel vom 8.,
15. und 22. Juli die Rede gewesen war^^). Ausserdem
war Zinzendorf unausgesetzt thätig, Vorbereitungen auf
eine Kommission, wie er sie beantragt hatte, zu treffen.
Dass sie Herrnhut nicht berühren sollte, wissen wir.
Ebensowenig wollte er, „dass die in allen Landen bekannt
gemachte Konformation der Brüder zur Augsburgischen
Konfession erst auf eine Untersuchung gesetzt würde",
noch dass man annähme, die Brüder stellten ein Gesuch
„um gewisse Freiheiten, die sie in andern deutschen Län-
dern, wo sie etabliert Avären, noch nicht erhalten hätten".
Er sprach dies noch bestimmt am 11. Juni in einem
Schreiben an Hennicke aus, und dieser fand nichts da-
gegen einzuwenden. Da es, wie sogar Holtzendorf gegen
Köber (1. Juli) äusserte, „bei der Kommission nicht dar-
auf ankomme, was selbige vorbringen oder fragen, son-
dern was der Graf von Zinzendorf derselben, um eine
Kenntnis von der Mährischen Kirche zu bekommen, vor-
legen und vortragen würde", so liess er die verschieden-
artigsten Akten, um sie zu präsentieren^ in Dresden auf
40 Buch Papier kopieren. Auch die Gegenschriften
'') Holtzendorf hatte schon auf der Ostermesse die Brüder um
ein Darlehn gegen niedrige Zinsen gebeten. Man hatte ihm aber
nicht willfahren können, ebensowenig als später, da er einen Yor-
schuss von 5000 Thalern begehrte (s. J. P. Weiss, 12. Mai, und
Köber, 7. September 1748, an Zinzendorf).
'*) Als Kuriosum sei erwähnt, dass der sonst nüchterne Köber
Zinzendorf mehrmals bat, vom 22. abzusehen, der ihm „ungemüthlich
wäre, weil in die Woche eine grosse sichtbare Sonnenfinsternis und
der Anfang der Hundstage einlalle, was einen Einfluss in die Kom-
missarien haben möchte". Zinzendorf gab auch nach, „weil es Leute
giebt, die so närrisch sind, auf solche Dinge zu reÜektieren und
zum wenigstens was Ridiküles daraus zu deduzieren" {2?>. Juli).
Des Grafen von Ziiizendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 287
sollten einofcselien werden, und dazu schaffte man sie zum
Theil aus der Zittauer Rathsbibliothek herbei. Endlich
arbeitete Zinzendorf selbst zur Mittheiluiig an die Kom-
mission eine ausführliche Deduktion aus.
Anfang- Juli war Heydenreich mit seinem Instruktions-
entwurf fertig geworden, der mit einem von den drei Kom-
missarien in loco unterzeichneten Bericht, d. d. (5. Juli^"},
am 11. präsentiert wurde. Noch an demselben Tage
zeigte Hennicke, seinem Versprechen gemäss, Köbern
beide Schriftstücke. Dieser erschrak über sie. Denn im
Bericht war unter anderen darauf angetragen, dass die
Kommission in Herrnhut gründliche Nachricht darüber
einziehen möge, wie dort das Reskript vom 7. August 1737
beobachtet worden sei. Wie oft hatten Köber und Zinzen-
dorf im Voraus gegen die Hineinzieiiung Herrnhuts in
die Kommission protestiert, und wie oft hatten Hennicke,
Holtzendorf und Hermann deren Protest zugestimmt!
Die Instruktion aber war nach Form und Inhalt eher für
eine Untersucliung geeignet, deren Zweck war, zu er-
fahren, ob erhobene Beschuldigungen und Anklagen be-
gründet wären, als für eine solche, welche womöglich die
günstigen Voraussetzungen eines gnädig gesinnten Königs
als berechtigt darthun sollte^'). Köbei- hatte nicht Un-
recht, wenn er sagte, „das Meiste sei aus Fresenii feind-
seligen Schriften genommen". Es ist auffallend, im Ein-
gang der Instruktion, übereinstimmend mit dem Reskript
vom 1. Juni, die Voraussetzung, dass die (Tlaubenslehre
der Brüder der Augsburgischen Konfession im Grunde nicht
zuwider und ihr Lebenswandel unanstössig sei, als An-
lass der vorzunehmenden Untersuchung bezeichnet zu
sehen und dann unter den speziellen Fragen über Gottes-
dienst und Liturgie, Verfassung, Lehre etc. derartige zu
finden, ob sich die Brüder zu den symbolischen Büchern
der kursächsischen Landeskirche, der Konkordienformel
und dergleichen bekennen, au.ch sich darauf wollen ver-
pflichten lassen, sowie solchen, welche die Sittlichkeit der
Brüder auf eine beleidigende Weise in Zweifel ziehen.
Köber bezeichnete diese Fragen treffend als ungeeignet,
Ausländern vorgelegt zu werden. In den letzten Pai-a-
graphen ward der Kommission anbefohlen, den Mähri-
schen Brüdern, damit ihre Aufnahme ohne nachtheiliges
*») S. 0. Anm. 27.
*') S. das Kabiuettsreskript vom 21. iM:ü auf S. 20.'i (Anm. 25).
288 F. S. Hark:
Aufsehen geschelie, Anweisungen und Vorstellungen zu
thun. Zinzendorf, so vmzufrieden er mit der ihm von
Köber abschriftlich überbrachten Instruktion von 70 Para-
graphen war, nahm besonders an diesen letzteren, indirekt
wegen der Aufnalmie Bedingungen stellenden Vorschriften
Anstoss. „Die Anträge wegen der Aufnahme wären der
Art, dass die Holländer und Engländer glauben würden,
man wolle ihrer spotten." Er liätte am liebsten gesehen,
dass die Kommission mit der Aufnahme der Brüder nichts
zu thun habe, sondern sie anderswie entschieden würde.
„Ein Consistorialis ist gut zum Examinieren, taugt aber
in der Welt nichts zum Kolonien stiften." Die auf Lehre^
Leben und Wandel d. h. auf die eigentliche Untersuch-
ung bezüglichen Fragen, wollte er sich allenfalls gefallen
lassen, so anstössig und ehrenrührig sie zum Theil waren.
Im allgemeinen hielt er die Instruktion für schlimmer,
als die von 1736, und für geeignet, die Erreichung der
königlichen Absicht zu vereiteln. Er erkannte, dass ihre
Beschaffenheit das, was für ihn die Hauptsache war, sich
vor der Kommission selbständig zu explizieren, ausschloss.
Seine durch Köber gemachten Vorstellungen und Aus-
stellungen fanden bei Hennicke scheinbar Gehör. „Zu
Ausländern", meinte dieser^ „könne man so nicht reden;
man habe ihnen ja nichts zu befehlen". Auch blieb ein
Schreiben der beiden reichen Holländer van Laer und
Schellinger nicht ohne Eindruck auf ihn, als ihm sein
Inhalt mitgetheilt wurde. Diese erklärten nämlich, sich
an der Kommission nicht betheiligen zu wollen, weil sich
Consistorales dabei befänden und eine für ein bestimmtes
Land festgesetzte Kirchenagende ihnen drückend wäre.
Köber brachte Hennicke auch wirklich dazu, die Änderung
der Instruktion in einigen Punkten durchzusetzen und sie auf
62 Paragraphen zu reduzieren. Ihr Charakter blieb aber,
wie er war. Ein Memorial, welches auf Hennickes Wunsch
eingereicht wurde, um ihm Gelegenheit zu geben, be-
züglich der Ausländer Änderungen zu beantragen, kam
zu spät^'^j. Die endgültige Instruktion d. d. 16. Juli 1748
war schon in Holtzendorfs Händen. Dasselbe Datum
trägt das zweite Kommissoriale, welches die Expedition
nach Massgabe der beigefügten Instruktion in Henners-
") S. dass. im Orig. Loc. 4612. G. K.-A. 1748 flg., fol. 47;
Kopie Act. Comm. 1748. I, 15. — und U.-A.
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 289
clorf auszuführen befiehlt*'). Köber erfulir, dass beide
am 22. expediert waren, und zwar die Instruktion ge-
ändert, in welcher Weise, aber nicht. Ausserdem hörte
er, wie der ihm zur Unterstützung zugeschickte Stein-
hofer, mancherlei, was zu den besten Hoffnungen zu be-
rechtigen schien. Man verschwieg ihm aber sorgfältig
die Existenz eines Inserats zum Kommissoriale^*), das im
Einklanü" mit dem im Bericht vom 6. Juli gestellten An-
trag die Kommission beauftragt, sich „zuverlässig und
gründlich zu erkundigen", wie das wegen „derer zu
Berthelsdorf und Herrnhut eingerissenen Unordnungen
unterm 7. August 1737 ergangene Reskript bisher befolgt
worden". Am 26. Juli reiste Köber nach Hennersdorf
ab, wo sich schon diejenigen Personen eingefunden hatten,
die der Kommission beiwohnen sollten. Die meisten waren
Theilnehmer an der zu Gross-Krausche bei Bunzlau Ende
Juni abgehaltenen, auch vom Oberhofprediger Koch aus
Berlin besuchten schlesischen Provinzialsynode gewesen.
Zur Aufnahme der Kommissarien war das damals noch
stattliche Hennersdorfer Schloss eingerichtet worden. Graf
Gersdorf war schon am 26. Juli erschienen, um dazu
Rath und Anweisung zu ertheilen.
Im Verlauf des 27. Juli langten die übrigen Kom-
missarien an, ausser dem Landeshauptmann von Loben,
welcher erst am folgenden Mittag eintraft"). Am Nach-
mittag des 28. erledigten sie einige Formalien unter ein-
ander und beauftragten den Protokollisten Kcrsten, eine
Konsignation derjenigen Personen, mit denen die Kom-
mission verhandeln sollte, beim Baron von Watteville ein-
zuholen, „im Fall der Herr Graf von Zinzendorf heute
Abend nicht eintreffen sollte"^**). Dieser Avar nämlich
am Morgen des 27. Juli nach Hermsdorf bei Görlitz ge-
") Das Orig. davon: Act, Comm. 1748. T, fol 5 üg. u. ebendas.
die Instruktion fol. 9 — 14; der erste Entwurf der letzteren von
70 Paragraphen nur im l].-.\.
**)~^ürig.: Act. Comm. 1748. 11, fol. 1.
**) Quellen für die hier folgende Darstellung der kommissari-
schen Verhandlungen sind ausser dem im H.-St.-A. sich iindcnden
(s. Anm. 1): Kijbers Tagebuch von der liennersdorft^r Kommission,
das Gemein haus-Diarinm, Ludwig Weiss' Bericht von der Kommis-
sion, für den 01)erliofi)rediger Koch in Berlin angefertigt und der
Hauptsache nach nur ein Auszug aus dem vorigen, sowie nn'hrerc
andere hierher gebörende Piecen im U.-A.
") S. das von Kersten geführte Protokoll. Dieses wichtige
Schriftstück findet sich im Act. Comm. 1748. 1, fol. 16 sqq.
Neues Archiv f. S. G. «. A. VJ. 3. ■!. 19
290 F. S. Hark:
reist, um die Kommission „als zu ihm nicht geschickt"
nicht empfangen zu müssen. Es war dies der Ausdruck
seines erklärlichen Missvergnügens über die Wendung,
welche die von ihm aus freien Stücken angeregte Unter-
suchung genommen hatte. Ganz den Verhandlungen
fernzubleiben, konnte er nicht wirklich beabsichtigen.
Auch die Kommissarien setzten seine Anwesenheit vor-
aus, und die Brüder würden sich ohne ihn auf nichts ein-
gelassen haben*'). Er kam auch am Abend des 28. nach
Hennersdorf zurück, um die Leitung der Sache auf Seiten
der Mährischen Brüder als ihr „Ordinarius" zu übernehmen.
Auf Wunsch des Prinzipal -Kommissarius Graf von
Holtzendorf erschienen zur ErofFnungsfeierlichkeit am
29. Juli nicht nur die acht vorläufig bestimmten Depu-
tierten der Brüder, sondern etliche 40 Personen, Der
Vorsitzende hielt eine kurze Rede'*^), die er vorher Köber
und Zinzendorf hatte einsehen lassen, und las dann das
Kommissoriale vom 16. Juli vor. Zinzendorf war bis
dahin nicht gegenwärtig gewesen und erschien erst, nach-
dem von Watteville für ihn um Erlaubnis nachgesucht
hatte, „sich selbst vor den Herren Kommissarien einzu-
finden"*^). Die Ansprache, welche er hielt, ist insofern
charakteristisch, als er darin seine Freude darüber aus-
drückt, dass nun durch Darlegung des Glaubensgrundes
der Mährischen Brüder und ihre abzugebenden Erklärungen
eine Freisprechung von den bisherigen Anschuldigungen
erfolgen solle. Damit Avollte er das Ziel bezeichnen, das
er auch jetzt noch der Kommission gegenüber zu ver-
folgen gedachte ^"). Noch an demselben Tage ersetzte er
*') Die Bemerkung im Kommissionsbericlit (Körner 1. c. 109),
die Kommission gehe eigentlich nicht den Grafen von Zinzendorf
an, sowie eine Äusserung des Geheimen Raths Graf Zech nach der-
selben, „die Kommission hätte sich mit Zinzendorf gar nicht ein-
lassen sollen" (Köber an Zinzendorf, d. d. Dresden 17. August 1718),
lässt vermuthen, dass auch einige Kommissarien lieber gesehen
hätten, er wäre von den Verhandlungen ausgeschlossen gewesen.
Aber in allen früheren Besprechungen Köbers mit Hennicke u. a.
galt es als selbstverständlich, dass Zinzendorf die Hauptperson da-
bei sein -würde, wie es auch die Sache mit sich brachte.
**) S. Körner 1. c. Anm. 167. — Der grosse ovale Tisch, der
eigens für die Kommissionssitzungen verfertigt war, wird noch heute
in der Unitätsbibliothek benutzt.
*') So laut Protokoll. Nach Köber war das gegenseitig schon
vorher verabredet worden.
*») Er wollte eigentlich nichts von einer „Kommission" wissen,
die sich Ausländern gegenüber nicht schicke, sondern sprach lieber
von der Hennersdorfer ,, Konferenz".
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 291
den Deputierten Ludwig Weiss, einen Reformierten, um
Schwierigkeiten zu vermeiden, durch drei andere, so dass
nun solcher mit ihm elf waren ^'). Zu ihrer Legitimation
diente eine von dem in Enghxnd abwesenden Bischof
Johannes von Watteville, Zinzendorfs Schwiegersohn, aus-
gestellte lateinische Vollmacht, d. d. Westmouasterii Cal.
Jul. St. v. 1748, von welcher die Kommission aber nur
Kopie nehmen durfte *^).
Von vornherein war der „Ordinarius'* darauf bedacht,
zu verhüten, dass die kommissarische Untersuchung nicht
ausschliesslich den inquisitorischen Charakter trage, den
ihr die Instruktion aufprägen wollte. Es sollte dem
wenigstens auch Rechnung getragen werden, dass er
und seine Brüder das Material zur Prüfung seiner Person
und seines Werkes vorzulegen sich aus freien Stücken
erboten hatten. Zu dem Ende hatte er zunächst noch
vor Eröffnung der Konnnission durch Köber, welcher in
den folgenden Tagen die Verhandlungen mit dem Vor-
sitzenden Graf Holtzendorf ausserhalb der Sitzungen
führte, diesem eine Bewillkommnungsschrift übergeben
lassen und ihr etliche von seinen und den Gegnern ge-
druckte Schriften beigelegt '^^). Jetzt erklärte er sich in
einer Hausandacht am Morgen des 30. Juli, in Gef>en-
wart von Holtzendorf, Heydenreich und Leyser, sowie der
in Hennersdorf anwesenden Brüder unter anderm über seine
und ihre Stellung zur Augsburgischen Konfession. Die
Mährischen Brüder hätten sich schon längst und aller
Orten zu ihr bekannt. Auch gegenwärtig handele es sich
nicht um Annahme dieses Bekenntnisses, sondern dieses
sei, wie das Kommissoriale beweise, ein Suppositum bei
ihrer Aufnahme in Sachsen. Letztere sei niciit von ihnen,
sondern vom König gewünsclit worden. Dagegen hätten
sie die Untersuchung begehrt, und würde auch von den
ernannten Bevollmächtigten vor der Kominission nichts
gesagt werden, was man nicht schon 10 — 12 Jahre laug
unter den Brüdern gedacht und geredet habe. Dabei
erklärte sich Zinzendorf selbst für einen strikten Luthe-
raner, der in den Ausdrücken des Konkordicnbuchs sprechen
^') S. Körner 1. c. Anm. 108.
") S. dies. Loc. 4612. G. K.-A. 1718 sqq. fol. 67 Aü;. und die
dazu gehörenden Registraturen, fol. 65 \\<x. und (;9. — ürijr. i. U.-A.
**) S. die Schrift im Auszug mit Angabe der Gegenschriften
bei Spangen berg, Darlegung richtiger Antworten etc. (Leipzig
und Görlitz 1751), 'J49 tlg. Beil. T.
lö"*
292 F- S. Hark:
könne, was er von seinen grossentheils aus andern Reli-
gionen stammenden Mitbrüdern nicht erwarte ^*). Ferner
setzte er es durch, dass Holtzendorf eine von ihm verfasste
„Hauptsclu-ift" von 94 Folioseiten, die er nach beendeter
Kommission ad Acta geben wollte, nebst 2 Volumen
Akten als Beilagen annahm, und ein Theil von ihr noch
denselben Tag der Kommission von Graf Gersdorf vor-
gelesen wurde ^*). Auch die Beilagen nahm man später
auf Zinzendorfs Drängen zur Hand. Das war aber auch
alles, was er erreichte. Die Kommissarien wollten ihrem
llauswirth gegenüber nicht unhöflich erscheinen, aber
weder hörten sie der auch später fortgesetzten Vorlesung
seiner Schrift aufmerksam zu, noch nahmen sie eine mehr
als oberflächliche Einsicht von den beigelegten Akten,
und noch weniger war das eine oder das andere von
irgend welcher Bedeutung für den Gang und das Er-
gebnis der Untersuchung. Die Kommission hielt sich
bei derselben ausschliesslich an ihre Instruktion, und
musste es thun.
Die eigentliche Arbeit begann damit, dass die in
§ 3 — 53 enthaltenen Fragen zur schriftlichen Beantwort-
ung an die Deputierten übergeben wurden. Zinzendorf
war dazu willig, verlangte aber, dass jeder Punkt auf
einen besonderen Bogen geschrieben würde, weil sich ver-
niuthlich viele „Consistorialia und präjudicierliche Expres-
sionen" darin fänden und kein Bruder sie würde ab-
schreiben wollen. So könne er aber die Antworten zu
beiderseitiger Zufriedenheit danebensetzen. Wie er damit
gegen die Instruktion gleichsam protestierte, so verlangte
er in einem Promemoria die Abänderung einiger Fragen,
die nach Form und Ausdruck eine Beschuldigung in sich
schlössen. Man kam darin seinem Begehren ebenfalls
nach, weil man auch auf anderm Wege darüber die
nöthige Erkundigung einziehen könne ""). Da nachmit-
**) Damit kontrastiert freilich sehr eine iiocli im Januar 1748
von ihm gethane Äusserung: er halie nichts mit der Form. Concord,
zu thun; sie sei ein Gaukelspiel und habe den Zweck gehabt, den
Kurfürsten von Sachsen oder seinen Oberhofprediger zum Chef der
Religion zu machen etc.
*^) Diese „Hauptschrift" ist identisch mit der oben erwähnten
Deduktion; s. die Angabe ihres Inhalts bei Spangenberg in
Zinzendorfs Leben 1746 Hg. Mit wenigen Abänderungen ist sie
al)gedruckt in „Barbysche Sammlungen" (1760), erste Sammlung, I.
*") Eine Frage lautete: „Ob nicht in denen Privatzusammen-
künften und Banden vielnial ärgerliche Dins:e und Excesse vorgehen?"
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 293
tags (31. Juli) den Konimissarien nichts vorlag', so be-
suchten sie das benachbarte Herrnhut, um ,.von dortiger
Einrichtung, Beschaffenheit und Anstalten Erkundigung
einzuziehen'"'. Gegen einen Besuch daselbst hatte Zinzen-
dorf nie etwas einzuwenden gehabt, nur sollte keine Unter-
suchung dieser Gemeine vorgenommen werden. Doch
wollte er alles Aufsehen vermieden wissen und Aktuar
Kersten musste deshalb zurückbleiben. Von ihm selbst
begleitet fuhren sie hin und fanden die kurz vorher aus
Berlin angekommene Gräfin von Zinzendorf vor. Ausser-
dem nahmen sie dies und jenes in Augenschein, wohnten
auch einem Kindergottesdienst und einer Abendandacht
bei und „fanden alles in guter Ordnung". Den drei Her-
ren, welche schon 1736 als Konmiissarien in Herrnhut
gewesen waren, entging es nicht, dass der Ort seitdem
stark angewachsen war und sich verschiedene adlige
Familien inzwischen liier niedergelassen hatten^'). Am
1. August hatte Zinzendorf die Beantwortung der vor-
gelegten 51 Fragen vollendet und las sie den Brüdern
vor. Nach ertheilter Zustimmung wurden sie untersiegelt,
von den Deputierten unterzeichnet und abgegeben. Sic
betrafen vorzugsweise Lehre, Gottesdienst, Leben und dergl.,
hatten also vor allem theologische Bedeutung, so dass es
bei ihrer Beurtheilung hauptsächlich auf die Ansicht der
Theologen unter den Konimissaricn ankommen musste.
Aber diese hatten von der Brüdergemeine sehr geringe
Kenntnis. Dr. Hermann besass noch am meisten infolge
der ihm von Zinzendorf und Köber in Dresden gemachten
Mittheilungen. Wäre er noch vor Zusammentritt der
Kommission nach Herrnhut und Hennersdorf gekonnnen,
wie er jrebeten war, so hätte er nocli mehr Einblick in
den Charakter der Gemeine haben erlangen können.
Die akademischen Theologen Weickhmann und Teller
hatten, ehe sie nach Hennersdorf abgereist Avaren, offen
bekannt, „von den mährischen Kirchenumständeu nicht
sattsam informiert zu sein". Gleichwohl hatte der letztere
vor kurzem bei (Gelegenheit einer unter seinem Vorsitz
gehaltenen Dissertation sich gegen Zinzendorf mindestens
präoccupiert gezeigt. Weicklniianii wird von Zinzendorf
und wurde so gestaltet: „Ob in iliien etc. nichts anderes, als was
zur Erbauung im Christenthuin, auch sonst zu guter Zucht und
Ordnung gehörig, vorgehe und vorgehen könne".
*') S. die besondere Registratur von dicscni besuch .^ct. Conim.
1748 II, fol. 6 Hg.; den aust'ührliclieren Ik'riclit im U.-A.
294 F..S. Hark:
charakterisiert als ,,jung, in metliocio unerfahren, in seinen
scholastischen Ideen so entfernt von unserer Art zu den-
ken und zu reden, dass wir einander niemals verstehen**)".
Ausserdem galt es ihm und den Brüdern für ausgemacht,
beide müssten schon aus Rücksicht auf ihre Kollegen
daheim als Gegner auftreten und dürften keine günstige
Meinung von jenen nach Hause bringen. Mag dies auch
auf sich beruhen, so viel ist gewiss, dass man von solchen
Männern voraussetzen muss, sie seien nicht im Stande
gewesen, mit ihrer einseitig wissenschaftlich theologischen
Professorensonde den Grund einer Gemeinschaft zu er-
forschen, bei der, trotzdem dass sie eine Anzahl tüchtiger
Gelehrter in ihrer Mitte hatte, das Christenthum mehr als
bei anderen gerade nicht in Theologie, d. h. in theoretischer
Erkenntnis, sondern im Gegensatz zu der damals herr-
schenden Richtung in einer wirklich lebendigen Gemein-
schaft mit Gott und Christus bestand. So w^r denn auch,
zumal in der gegenAvärtigen Zeit, die Ausdrucksweise der
Brüder von derjenigen der Schule so verschieden, dass,
wer sie nicht gründlich kannte, kaum fähig war, sie recht
zu verstehen. Graf Gersdorf v/usste das und hatte darum
schon eine Woche, ehe die Kommission anlangte, Zinzen-
dorf gerathen, „sich ratione doctrinalium deutlich und
soviel möglich in denen terminis, die in älteren Zeiten
gewöhnlich gewesen, zu explicieren", um nicht den Glauben
zu erwecken, man sei eine Sekte, die „abominable Sachen
enthielte und bei ihrem Gottesdienst infame Sachen sänge,
wie solches die Königin gegen die Gräfin R. gesaget".
Er fand aber kein Gehör, sondern erhielt von seinem
Freunde die Antwort, er werde um der Kommission willen
kein Jota an seinen Prinzipien ändern oder anders ein-
kleiden. Auf hoher oder niederer Weiber Geschwätz,
das unvermeidlich sei, mache er keine Reflexion. Dem
entsprechend waren auch die 51 Antworten abgefasst
worden und ausserdem Holtzendorfs Avohlgemeintem Rath
zuAvider zum Thcil sehr ausführlich. Zur Kritik war
dadurch umsomehr Gelegenheit geboten. In einem vor-
angestellten Promemoria griff Zinzeudorf aber sogar die
Kommission selbst an, indem er gegen diese Art von
Untersuchung die Brüder protestieren Hess. So war
vorauszusehen, dass weder mit der Übergabe der Ant-
worten die Verhandlungen der Hauptsache nach zum Ab-
*') An Hennicke, 4. August 1748.
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 295
schluss gebracht sein, noch sie einen ungestörten Verlauf
nehmen würden*^).
Ihres Gegenstandes halber wurden die 51 Erklär-
ungen zuerst von den Theologen allein durchgegangen.
Dann lasen die übrigen Konunissarien dieselben, und end-
lich beriethen beide Theile darüber. Dabei fand man
mehrere Punkte, die eine weitere Erläuterung erforderten.
Um diese zu geben, erschien Zinzendorf nlich Verab-
redung mit nur zwei Bevollmächtigten, David Nitschmann
und dem „Consultor Tropi Lutherani" Mag. Steinhofer am
Vormittag des 3. August. Über den neuen Fragen und
Antworten drohte es aber zum Konflikt zu kommen,
indem Nitschmann gegen die auf Subtilitäten hinaus-
laufenden Einwendungen, namentlich Weickhmanns, Pro-
test erhob. Obgleich die Kommission nichts ohne Vor-
schrift thun werde, so habe man in Dresden nicht gehört,
dass solcherlei des Königs Absicht sei. Auch wäre es
ungewiss, ob die Brüder mit ihres Ordinarii jetzt ertheilten
Erklärungen zufrieden sein iind sie approbieren wollten.
Dem gegenüber berief sich die Kommission auf ihren
Auftrag und auf die undeutliche Fassung der Antworten,
Doch könnten die Brüder sich nach Belieben ad Acta
erklären, da man dann neue Verhaltungsbefehlc einholen
würde. Gleichwohl gab Holtzendorf dem Dr. Weickh-
mann eine Erimierung Avegen seines Benehmens, sodass
nachher „die Verhandlungen viel moderater und anstän-
diirer ausfielen" **").
'o
)'
Zinzendorf war andererseits verständig genug, sich
zu weiteren Ei'läuterungen bereit zu finden, und gab diese
nachmittags um 5 Uhr ohne Zwischenfall. An Nitschmanns
Stelle war der Direktor des theologischen Seminariums
Layriz dazu erschienen. Da ersterer am 5. eine gemässig-
tere Fassung seiner ^Äusserung zu Protokoll gab, so war
es auch nicht mehr nöthig, dass sich die andern Depu-
tierten noch speziell über die weitereu Antworten ihres
Ordinarii ad Acta erklärten. Der Abend des Tags (3. August)
hatte einen friedlichen Ciuirakter. Zur Feier des königl.
Namenstags versanimcilte man sich beiderseits im Schloss-
garten zu Musik und Illumination bis Mitterniicht. Zinzen-
dorf scheint aber nicht dabei gewesen zu sein. Zur Tafel
kam er niclit, wie er auch sonst nie mit den Kominissa-
*») S. die 51 Fragen und Antworten Act. Comui. 1748, 111.
»") Das Protokoll erwähnt davon nichts.
296 F- S. Hark:
rien speiste und überhaupt, nach seinem bei Untersuchungen
befolgten Grundsatz, privatim nicht mit ihnen verkehrte.
Dass Zinzeudorf im allgemeinen von dem bisherigen
Verlauf der kommissarischen Geschäfte befriedigt war,
spricht er in dem oberwähnten Brief an Hennicke aus,
den er Sonntags, den 4. August schrieb und in dem er
die einzelneu Kommissarien vorwiegend günstig charak-
terisiert. Dagegen erfidir man durch Graf Gersdorf an
dem nämlichen Tage, dass die Herren Theologen verstimmt
wären, ihre Bedenken nicht weiter kund geben wollten
und die Ertheilung eines Gutachtens in causa fratrum
vielleicht verweigern würden. Um dem vorzubeugen, be-
gab sich Köber sogleich zu Heydenreich und Holtzendorf
imd fand beide billig und wohlwollend. Nur wollte ersterer
in das Bekenntnis zur Augsburgischen Konfession auch
die Apologie eingeschlossen wissen, und rechnete Barby
seltsamerweise zu den alten Erblanden. Holtzendorf be-
stätigte das über die Theologen Vernommene, meinte
aber^ es werde sich alles noch gut gestalten, wenn Zinzen-
dorf zu noch mehr Erläuterungen willig sei, und versprach,
selbst mit ihnen zu reden. Am Nachmittag ging Her-
mann mit Teller und Weickhmaun nach Herrnhut. Zinzeu-
dorf hatte dazu aufgefordert und war ihnen voraus-
gegangen. Sie hörten ihn hier mehrere Reden halten, unter
andern an die ledigen Schwestern und Eheleute, zu denen
er „von dieser Chöre Plan und Grundprinzipiis so deutsch
und positiv redete, dass man sich wundern musste". Auch
Weickhmann wunderte sich und Hess seinen Anstoss später
laut werden.
Holtzendorf, der Vorsitzende der Kommission, war
bisher stets bemüht gewesen, die Gegensätze zu mildern,
und suchte auch ferner die Verhandlungen zu einem
fj-ünstio-en Resultate kommen zu lassen. Am folgenden
Morgen (5. August) zeigte er Köber gegenüber em gleiches
Bestreben, indem er Zinzendorf ersuchen Hess, sich noch
weiter über unklare Punkte zu äussern. Er selbst wünsche
ihn und die Brüder für ortiiodox erklärt zu sehen und
habe das auch den Theologen gesagt. Die Kommission
sei nicht zum Verketzern da; das hätten andere schon
hinreichend gethan u. s. w. In der That wurden Zinzen-
dorf wiederum etliche „Monita" zugestellt, welche er nach-
mittags in Begleitimg von 4 Bevollmächtigten olme An-
stand beantwortete. So schien man dem Ziel nicht mehr
fern zu sein, aber unvermuthet kamen neue Störungen.
Des Grafen von Zinzemlorf Rückkehr nach Sachsen etc. 297
Köber liörte nämlich nach der letzten Sitzung von Graf
Gersdorf, dass das kommissarische Gutachten zwar in
Hennersdorf entworfen, der Bericht aber in Dresden ge-
macht werden sollte. Zinzendorf hatte dagegen die Aus-
fertigung beider in loco begehrt und schon vorher (2.August)
deshalb an Holtzendorf geschrieben. Die Nacliricht vom
Gegentheil steigerte seinen Unwillen, den er bereits vor
Empfang derselben über den bisherigen Gang der Ver-
handlungen empfand, da man aclit Tage mit einem Exa-
men über theologische Subtilitäten zugebracht hätte, ohne
dass es zur Einsicht der Akten gekommen wäre, auf die
es am meisten zur Erreichung des Hauptzweckes ankomme.
Seine Mitbevollmächtigten stimmten ihm bei. Auf An-
rathen des Grafen Gersdorf, dagegen Vorstellung zu thun,
begaben sich abends zunächst Köber und Nitschmann zu
Holtzendorf. Mit diesem kamen sie scharf aneinander,
namentlich Nitschraann, der eine gewöhnliche kommissions-
artige Behandlung auf die Mährischen Brüder nicht pas-
send fand. Sie wären Ausländer und begehrten ihrerseits
nichts von Sachsen. Beide beschwerten sich über die
theologischen Subtilitäten und verlangten, man solle die
Sache nicht länger durch sie aufhalten. Vielmehr möchten
die Theologen nach den mehr als nöthigen Auseinander-
setzungen der Brüder bezeugen, ob sie diese der Augs-
burgischen Konfession gemäss fänden oder nicht. Holtzen-
dorf erwiderte, es seien nur noch wenig dubia übrig, die
bald gehoben werden sollten. ^ Zu einer Erklärung aber,
wie man sie von den Theologen begehre, wären diese nicht
befugt. Die Akten durchzugehen, hätten die Konnnissa-
rien keinen Auftrag, auch habe es an Zeit gefehlt. Was
die Ausfertigung des Berichts betreffe, so werde man sie
nochmals in Überlegung nehmen. Obgleich Holtzendorf
kaum einen anderen Bescheid geben konnte, so war Zinzen-
dorf doch noch nicht zufrieden gestellt. Ein von ihm
inzwischen im Namen der Deputierten aufgesetztes Me-
morial wurde zwar noch nicht vollzogen, aber doch am
nächsten Tag in aller Frühe dem Prinzipalkommissar von
Wattewille und Köber zur vorläufigen Einsicht überbracht.
Sein Inhalt machte Holtzendorf nicht wenig betreten, denn
es enthielt „inconveniente Ausdrückungen gegen die Kom-
mission" und liess sich besonders scharf gegen die Theo-
logen aus®^). Nachdem er es den Konnnissarien, mit
*') Zinzendorf und etliclic Intherissche Tlieologeii, heisst es
298 F. S. Hark:
Ausschluss der beiden Professoren, mitgetlieilt liatte, gab
er nach gemeinsamen Beschkiss die Schrift an Watteville
zurück mit dem Bemerken, es bleibe den Brüdern über-
lassen, ob sie dieselbe unterschreiben wollten. Die Kom-
mission habe bisher nicht anders handeln können, und
nicht sie, sondern Zinzendorf trage die Schuld am Verzug.
Übrigens seien die theologischen Punkte nun beendet und
es gelte anderes zu besprechen.
Dass ein solches Auftreten Zinzendorf's nur nacli-
theilig wirkte, ist leicht zu begreifen. Die Kommissarien
Avaren darüber sehr alarmiert. Als sie abends von Zittau,
wohin sie noch an demselben Tage gefahren waren, zurück-
kehrteu; erfuhr man durch Graf Gersdorf, alle wären
jetzt den Brüdern abgeneigt, selbst der Oberhofprediger
fände die Erklärungen der Deputierten nicht der Augs-
burgischen Konfession gemäss. Andererseits wollte Zinzen-
dorf nicht nachgeben. Die Tlieologen verdienten als unver-
ständige und unlautere Leute nicht, dass man sich noch
weiter mit ihnen einlasse. Köber eilte daher am folgenden
Morgen (7. August) zu Holtzendorf, den er „ganz deconte-
nanciret" fand. Auch der Oberhofprediger war missver-
gnügt. Nur von Loben und Hofrath Leyser ( — nach
Zinzendorf „ein alter Thomasius" — ) zeigten sich „den Brü-
dern geneigt". Das genannte Memorial hatte Zinzendorf
aber zurückgelegt, und noch am vorhergehenden Tage —
wie Köber angiebt, auf Holtzendorfs Rath — ein anderes
entworfen, das in der nächsten Sitzung der Kommissarien
zur Besprechung kam ^^). Es enthielt die zwei Petita;
den Bericht in loco abzufassen und ihm die wesentlichsten
Punkte aus demselben zur Information mitzutheilen. Das
erstere gewährte man, das letztere musste man selbst-
verständlicli abschlagen. Sodann ward Kersten zu dem
Ordinarius mit dem Ersuchen abgeschickt, die sämtlichen
darin, stünden schon 8 Tage lang ein examen rigorosum aus, als ob
sie Doctores auf einer Universität -werden sollten. Auch wird auf
die schon oben erwähnte Erklärung der beiden Holländer van Laer
und Schellinger hingewiesen (p. 213) und gerügt, dass das Gesuch,
sich mit ihnen zu vernehmen (s. Anm. 42), unbeachtet geblieben sei.
Die statt dessen den Brüdern vorgelegten 51 „meist in lauter Trans-
sumten aus schlechten Schriften gegen uns bestehenden Fragen"
hätten dieselben so eft'arouchiert, dass sie sich auf nichts einlassen
wollen, sondern abgereist seien. (Eine besondere Registratur vom
7. August — Act. Coram. 17481, 93 — hat offenbar den Zweck, nach-
zuweisen, wie die Kommission keine Gelegenheit hatte, sich mit den
genannten zu vernehmen.)
") Das Orig. Act. Comm. 1748 I, fol. 97.
Des Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc, 299
Deputierten die von ihm am 3. und 5. August gegebenen
Erläuterungen coram commissionc agnoscieren zu lassen.
Die ertheilte Antwort, „er wolle es ihnen sagen, mehr
könne er nicht tliun", verrieth, dass sich das UnAvetter
noch nicht zertheilt hatte. Zwar erschienen die Depu-
tierten in Bälde, aber ohne Zinzendorf und ohne sich auf
ihre Plätze zu setzen. Mit Erlaubnis der Kommission
las Layriz vielmehr eine von Zinzendorf aufgesetzte Dekla-
ration aller Bevollmächtigten ab, des Inhalts: „sie de-
precirten alle fernere Einlassung, wenn sich nicht prae-
liminariter die Herren Theologi erklärten, entweder
durch die bisherigen Antwortungen über der Brüder Con-
formität mit der Augsburgischen Konfession satisfacirt zu
sein, oder ihren dubiis so lange zu insistiren, bis ihr
silentium einer dergleichen Deklaration äquipoUent von
den Brüdern angenommen werden könnte". Denn falls
man ihre Augsburgische Konfessions- Verwandtschaft nicht
wolle anerkennen, was doch schon für Herrnhut im Re-
skript vom 7. August 1737 geschehen sei, so lehnten sie
alle weitere Aufnahme ab ; vielmehr sei dann die Emi-
gration der noch in Herrnhut wohnenden Mährischen
Brüder zu erwarten, und die hohe Kommission brauche
sich nicht Aveiter mit ihnen zu bemühen. Diese Erklärung
wurde unterschrieben und ad acta gegeben '^^). Ehe
man sich aber trennte, bemerkte Steinhofer, Zinzendorf
und er wären bereit, sich noch weiter auf etwa übrig-
gebliebene Zweifel an der Brüder Konformität mit der
Augsburgischen Konfession einzulassen, bis keine mehr
übrig seien, jedoch nur auf Grundlage dieses Bekennt-
nisses mit Ausschluss der anderen symbolischen Bücher.
Der Grund, weshalb Zinzendorf die Sache auf diese
Spitze trieb, ist Avohl darin zu suchen, dass er nicht über
die Etablierung der Brüder in Sachsen irgend svie ver-
handeln wollte, ohne dass die Anerkennung ihna- Augs-
burgischen Konfessions- Verwandtschaft fest stehe. Letz-
teres schien nach dem Bisherigen aber noch ungewiss, und
doch stand die Erörterung der mit der Aufnahme in engster
Verbindung stehenden Punkte jetzt nahe bevor. Indes
hätte sein Verfahren, wodurch sich die betroffenen Per-
sönlichkeiten verletzt fühlen mussten, leicht seiner Sache
schaden, ja wohl gar einen verhängnisvollen Bruch zur
Folge haben können. Dass ein solcher vermieden wurde
") S. Act. Comm. 1748 I, fol. 99 flg.
300 F. S. Hark:
und nüchterne Besonnenheit den Sieg über das beleidigte
Gefühl davon trug, ist zunächst dem Vorsitzenden der
Kommission zu verdanken. Letztere ging nämlich avif
Steinhofers Anerbieten ein und verlangte nur die Aus-
stellung einer Vollmacht für ihn und Zinzendorf. Auch
kam sie den Wünschen der Brüder darin nach, dass zwei
Volumen Akten, soweit es möglich war, durchgesehen
wurden. Die noch vorhandenen dubia wurden schrift-
lich mitgetheilt, um noch aus der Augsburgischen Kon-
fession entschieden zu werden. In der Sitzung um 6 Uhr
erfolgte ihre Beantwortung '^^). Vorher hatte Holtzendorf
in einer Ansprache die Theologen ermahnt, alles Partei-
Interesse ausser Acht zu lassen. Zinzendorf, der nicht
hier zum Ketzer gemacht werden solle, müsse alle Ge-
rechtigkeit geschehen. Dieser aber forderte sie am Schluss
nochmals auf, falls sie noch mehr Zweifel hätten, dieselben
ja zu eröffnen, denn bei irgend welchem Verdacht gegen
ihre Augsburgische Konfessionsmässigkeit könne aus
einer Niederlassung in des Königs Landen nichts werden.
Nun war endlich die theologische Untersuchung mit ihren
viel beklagten „Subtilitäten" beendet. Am folgenden Tag
(8. August) gaben nur noch sämtliche Deputierte ihre
Zustiunnung zu den protokollarisch verzeichneten Ant-
worten vom 3., 5. und 7. August ad acta. Nachdem
dies geschehen war, beantragte aber Zinzendorf nochmals
eine förmliche Deklaration von seiten der Theologen, die
ebenfalls ad acta zu geben sei, dass sie ihn und seine
sämtlichen Brüder „nunmehro vor Augsburgischer Kon-
fession massig erkenneten", sonst würden sich die Depu-
tierten in gar nichts wieder einlassen. So schien man
wieder auf dem alten Fleck zu stehen. Die Kommission
konnte ihm darin nicht nachgeben; auch machte sie da-
rauf aufmerksam, dass die begehrte Anerkennung nicht
von der Kommission, die nur zu berichten habe, sondern
nur von königlicher Entschliessung abhinge. Zum Glück
begnügte sich Zinzendorf mit der Erklärung, welche ihm
Holtzendorf mit Hinzuziehung des Oberamts- und des
Landeshauptmanns noch während der Sitzung in einem
Nebenzimmer gab; sie alle drei glaubten nicht, dass man
bei Abfassung des Berichts gegen der Brüder Bekenntnis
*') Zinzendorf berief sich liier und sonst stets auf die deutsche
Ausgabe der Augsburgischen Konfession, als die eigentlich authen-
tische, denn sie und niclit die lateinische sei auf dem Reichstag,
als Bekenntnis der Evangelischen vorgelesen worden.
Des Grafen von Zinzentlorf Rückkehr nach Sachsen etc. 301
zur Augsburgischen Konfession viel einwenden würde. Auch
die übrigen Punkte der Instruktion, welclie Zinzendorf
früher so bedenklich gefunden hatte, weil sie Anweisungen
enthielten, welche Stellung die Mäiirischen Brüder nach
ihrer Aufniihme im Lande gegenüber den syiubolischen
Büchern, den Landes- und Kirchengesetzen, dein Recht
und Amt der Obrigkeit einzunehmen, was für eine Bibel-
übersetzung, Agende, Katechismus etc. sie zu gebrauchen
hatten, wer zu Geistlichen angestellt Averden sollte u. s. w.,
wurden „ohne viel Widerspruch" noch in derselben Sitz-
ung abgethan. Die Arbeit schien im Frieden zum Schhiss
gekommen zu sein. Allein der Friede sollte nochmals
ernstlich bedroht werden.
Die Kommission hatte, wie wir wissen, zwei zur
schriftlichen Beantwortung aus der Instruktion vorgelegte
Fragen ändern müssen, weil Zinzendorf Anstoss daran
nahm. Doch glaubte sie verptliclitet zu sein, über den
ursprünglichen Inhalt auf anderem Wege sich Auskunft zu
verschaffen. Nun lebten in Hennersdorf zwei Personen,
die früher zur Herrnhuter Gemeine gehört, sich dann
aber im Unfrieden von ihr getrennt hatten, einer namens
Kühnel, der andere Augustin Neisser, ein Messer-
schmied, welcher mit seiner und seines Bruders Familie
der erste Emigrant aus ]\lähren und der erste gewesen
war, der sich in Herrnhut angebaut hatte. Au diese
wandte man sich in erwähnter Absicht und um zugleich
in Geraässheit des geheimen Inserats von Herrnhut einige
vorläufige Nachrichten über Herrnhut einzuziehen. Neisser
war schon am L August unter dem Vorwande, man wolle
Messer von ihm kaufen, in das Schloss gerufen und von
Holtzendorf, Loben und Ileydenreich verhört worden.
Die ihm vorgelegten Fragen Avaren zum Theil für die
Brüder äusserst ehrenrührig, z. B. ob in deren Zusammen-
künften oder bei den Liebesmahlen oder beim Spazieren-
gehen im Walde nicht Exzesse mit Weibsleuten vor-
o-ingen, und ob sich bei dem sogenannten Liebeskuss nach
dem Abendmahl die Geschlechter promiscue küsstcn?
Der Befragte gab aber einen Bescheid, der die schmach-
voll verdächtigten Brüder völlig rein darstellte '^^}. Am
«*) Derartige BeschukHgungen waren in /uliircidien Schritten,
wie sie damals gegen ilie Urinier erschienen, häutig zu lesen.
Meistens mochten sie völlig ans der Lnlt gegriffen sein, und wo
das nicht anzunehmen ist, konnten sie sich nur auf Vergehnngen
und Leichtfertigkeiten einzelner gründen, wie sie aueh in den aposto-
302 F. S. Hark:
8, August musste auch Pastor G r o li von Bertlielsdorf
und nach ihm der genannte Kühnel vor der ganzen
Kommission erscheinen. Jener, der seine Liebe und Zu-
gehörigkeit zu der Herrnhuter Gemeine frei bekannte,
wurde hauptsächlich über das Verhalten derselben gegen-
über dem Reskript vom 7. August 1737 inquiriert- Er
antwortete freimüthig und doch umsichtig. Auch Kühnel
wusste nichts von Exzessen, so wenig wie Neisser, konnte
aber aus Unkenntnis über das gegenwärtige Herrnhut
nichts aussagen. Von diesen Verhören wurde Zinzendorf
in Kenntnis gesetzt, als er den 8. August spät abends
von Herrnhut zurückkehrte. Schon vorher hatte er durch
den Oberhofprediger erfahren, dass fremde Pfarrer der
Umgegend den langen Aufenthalt der Kommission be-
nutzten, um Klagen gegen die Herrnhuter vorzubringen
und dass namentlich die Zittauer Klerisei eine Haupt-
schrift gegen sie einreichen wolle *^**). Schon dies hatte
ihn unangenehm berührt, und er schrieb deshalb von
Herrnhut aus an Graf Hennicke. Die Kunde von dem,
was in seinem Hause inzwischen war vorgenommen wor-
den, erregte seinen Unwillen noch mehr, und er liess ihn
so laut werden, dass die neben seinem Zimmer noch ver-
sannnelten Herren Kommissarien es hören konnten. Er
sollte aber noch mehr erleben. Während seines Besuchs
in Herrnhut hatte Graf Gersdorf dem Syndikus D. Nitsch-
mann jenes bisher geheim gehaltene Inserat vom 16. Juli,
Herrnhuts Untersuchung betreffend, zur Insinuation an
die Gräfin von Zinzendorf übergeben, damit sich diese
darüber erkläre. Schon die Brüder waren darüber er-
schrocken, und Nitschmann hatte es nicht angenommen.
Zinzendorf gericth über diese Handelsweise, die einem
Bruch des gegebenen königlichen Wortes gleich zu kommen
schien, in grosse Aufregung. Er müsse gegen jede weitere
Thätigkeit der Kommission protestieren; sie könne morgen
auseinandergehen und die Brüder sollten das gleiche thun.
Bei dem Grafen von Gersdorf wiederholte er dies und
erklärte dazu, dass deshalb noch diese Nacht eine Sta-
lisclien Gemeinen ausnahmsweise vorkamen. Der Gesamtheit durfte
mau sie aber nicht zur Last legen, die nie, auch nicht in der so-
genannten Sichtungszeit, dergleichen duldete. Dass die Trennung
der Geschlechter in der Brüdergemeine streng beobachtet, ja öfters
zu weit getrieben wurde, ist allgemein bekannt.
«"} Sie that es auch nach dem Schluss der Kommission ;
s. Körner 1. c. 116.
Des Grafen von Zinzendoif Rückkehr nach Sachsen etc. 303
fette nach Dresden und eine andere direkt nacli Warschau
gehen werde. Alsbald eilte der Oberamtshauptmann zu
Holtzendürf, brachte aber beruhigende Versicherungen
zurück. Die ganze Sache solle fallen gelassen Averden,
Zinzendorf möge nur ein Promeniuria abfassen. Auch
Neissers und Kühneis Verhör sei nur zu Herrnhuts Gun-
sten ausgefallen. — „Dies war einer der unruhigsten Tage",
schreibt Köber; und es mag wohl bald Morgen gewesen
sein, als man sich zur Ruhe begab. Zinzendorf scheint
sie gar nicht aufgesucht zu haben, denn er verfasste in
der Nacht „einige Schriften wegen Herrnhut" und das
verlangte Promemoria. Darin ersucht er die Kommission,
auf Grund einer im Namen des Königs geschehenen Ver-
sicherung, von jeder ferneren Beschäftigung mit Herrnhut
gänzlich abzusehen. Falls dieselbe aber „Bedenken finde,
ihm hierunter zu deferieren", müsse er sich sofort an Ihre
Königl. Majestät selbst wenden. Von Köber, der die Schrift
am Morgen (9. August) Holtzendorf einhändigte, musste
sich dieser noch sagen, lassen, „wenn man auf gegebene
Versicherungen sich nicht verlassen könnte, so müsste man
künftig avif seiner Hut sein und billig Bedenken tragen,
sich weiter einzulassen". Die Kommission zog diesmal
klugerweise zurück, sich damit beruhigend, dass Herrnhuts
Untersuchung nicht Hauptzweck sei und man auch be-
reits Nachrichten darüber eingezogen habe. Dieselljcn
wurden noch vervollständigt durch einen noch an demsel-
ben Tage von Steinhofer verfertigten Bericht über Herrn-
hut, dessen Übergabe mit der von kürzeren Ergänzungen
protokollarischer Erklärungen am 10. August erfolgte®*).
«') S. die letzteren: Act. Comni. 1748 I, fol. 124—128; Stoin-
hofers Bericht Act. Comm. 1748 II, fol. 2(;— 29. Er wurde zum
Inseratsbericht verwerthet, von dem Körner 1. c. 64 Hg. einen
Auszug gieht. In Steinhofers Schrift „war gezeigt, wie mau bisher
dem aÜergnädigsten ßegulativo von Ao. 1737 nicht nur nachgegangen,
sondern noch weniger gethan, als selbiges zugelassen habe". Der
Verfasser war damit beauftragt worden ; von wem ist aber nicht ge-
sagt. Man kann sich nicht denken, dass es ohne Zinzendorfs Wissen
geschah. Doch aber wollte dieser sich nachträglich zu der diplo-
matischen, der Wahrheit keineswegs streng folgenden Akte nicht
bekennen. Die von ihm aufgesetzte „abermalige uiul zweite Krklär-
ung über einige vorzunehmende lierrnliutische Untersuchung",
d. d. 9. August' 1748, trägt allerdings einen anderen Charakter.
Weil sie nicht an die Kommission, sondern an Graf Ilennickc; ge-
richtet ist (s. Anm. 24), liegt sie niciit bei den Konimissionsakten.
Daselbst fehlen auch die dazu gehörenden scharfen „IMouita zu dem
lieskript vom 7. August 17.37". Sie e.\;isti(!ren mir unter den Bei-
lagen zu einer Synodaladresse d.d. Haus von Zeist 10. Februar 1749
304 F. S. Hark:
Das Anerbieten Zinzeudorfs, sich über die ökonomischen
Umstände der Brüdergemeinen zu erklären, war schon
abgewiesen. Es kam nur zu den Akten *'^).
Nvm konnte der förmliche Schluss der Kommission
gegen 12 Uhr mittags am 10. August stattfinden. Zinzen-
dorf erschien dazu „mit einem Ooetus von ungefähr 60 Per-
sonen so prädicierter Mährischer Brüder^ worunter einige
von gräflichem und adeligem Stande waren'' (Protokoll)
im Sitzungszimmer. Holtzendorf hielt „eine wohlgesetzte
Kede'*, die er vorher Köbern gezeigt und an einigen
Stellen auf dessen Wunsch geändert hatte "^^j. Mit Recht
konnte er Anspruch auf der Brüder Zeugnis machen,
dass die Kommission „mit möglichstem Glimpf und Vor-
sichtigkeit" ihren Auftra"; ausoeführt habe. Die Kom-
mission als Corpus und Holtzendorf im besondern hatten
sich durchaus rücksichtsvoll bewiesen, mochte auch das
Benehmen der „bornierten" (Zinzendorf) akademischen
Theologen oft der Brüder Missfallen mit mehr oder we-
niger Grund erregt haben. Auch jetzt zeigte sich der
Prinzipal-Kommissarius wohlwollend, indem er die Hoff-
nung aussprach, der Erfolg ihrer Bemühung werde sein,
dass die Brüder sich noch mehrer königlicher Gnade
erfreuen könnten. Wenn er dem hinzufügte, man er-
warte auch von ihnen, dass sie ihrerseits stets „Worte zu
Werken machen" würden, so lag die Befolgung dieser
Ermahnung auch in ilirem eigenen Interesse. Zinzendorf
sprach endlich auch seinen Dank und seine Anerkennung
in versöhnlichem Tone aus. — Seine Feder liess er aber
gleichwohl nicht ruhen. Er entwarf zunächst noch eine
„Schlussschrift" an die Kommission, in welcher er die
ganze Mährische Kirche sich noch einmal zur Augsbur-
gischen Konfession bekennen und die akademischen Theo-
logen ersuchen liess, mit ihr den in die Lehre von der
Schöpfung sich heutzutage einschleichenden Arianismus
zu bekämpfen *").
Die Kommission hatte sich sofort nach dem Schluss
der Verhandlung mit den Brüdern an die Ausarbeitung
des Berichts begeben. Weil man nun hörte, die Hälfte
in ü. K.-A. Vol. I, fol. 317 flg. Körner fuhrt sie p. 57 am un-
rechten Ort an.
«») Act. Comm. 1748 I, fol. 122.
**j Nur im U.-A. vorhanden.
^"^ S. Act. Comm. 1748, IV, fol. 19 flg.; abgedruckt in Spangen-
berg, Darlegung etc. 253 flg. Beü. U. — U.-A.
Des Grafen von Zinzenclorf Rückkehr nach Sachsen etc. 305
der Kommissarien hätten gelegentlich derselben behauptet,
dass die Brüder in der Schöpfungslehre von der Augs-
burgischen Konfession abwichen, so fügte ihr Ordinarius
der „Schlussschrift" noch ein besonderes Stück an, welches
diesen Punkt noch weiter erörterte. Auch hier unterliess
er nicht, wie auch sonst fast bis zum letzten Augenblick^
gegen die nach einer Instruktion, die mit dem Commis-
soriale in Widerspruch stehe, vorgenommenen Untersuch-
ung zu polemisieren ''). Dasselbe thut er in einem an
Holtzendorf, Hermann und Leyser gerichteten Schreiben,
worin er bittet, diese Kontroversfrage aus dem Bericht
zu lassen'^). Beide Schriften, sowie noch einige Bemerk-
ungen zu Protokollen und dergleichen wurden am 11. August
überreicht. Selbst als die Kommissarien wieder zu Hause
waren, wurden ihnen Erklärungen über diesen Lehrsatz
nachgesandt — nicht zum Besten späterer Verhandlungen.
Dass im Kreise der Kommission nicht völlige Ein-
stimmung in betreff der Stellung herrschte, welche die
Brüder zur Augsburgischen Konfession einnahmen, geht
aus dem Bericht, wie er schliesslich zustande kam, deut-
lich hervor''^). Und zwar machte der genannte Artikel
von der Weltschöpfung die Hauptschwierigkeit. Man war
nahe daran, zu erklären, sie stünden darin ausserhalb
derselben. Zinzendorf erhielt davon Kenntnis und erklärte,
ohne völlige Anerkennung der Brüder als Augsburgische
Konfessions- Verwandte würden sie sich auf kein Etablisse-
ment in Sachsen einlassen. Dem Grafen von Gersdorf
wurden dringende Vorstellungen gemacht, es dahin nicht
kommen zu lassen. In der That fand derselbe mit einem
dies bezweckenden Vorschlao- Anklanii; bei seinen Kolle-
gen. Nur Heydenreich und Weickhmann votierten da-
gegen. Doch konnten er und Leyser nicht verhindern,
dass man gleichwohl einen Widerspruch in der Brüder
Schöpfungslehre mit der Augsburgischen Konfession und
anderen symbolischen Büchern konstatierte. Es blieb
beiden nichts übrig, als ihren Disscnsus mit diesem Be-
schluss der Kommission dem Berichte einverleiben zu
lassen '^). Dem „Erachten der politicorum commissariorum"
»') S. ib. im II.-St.-A. fol. 26 flg. — U.-A.
»») S. ib. fol. 21 Üg. — U.-A. ") S. Körner 1. c. 111 flg.
'*) S. ib. 112. — Im Protokoll werden von den Besprechungen
bei Anfertigung des Berichts und Gutachtens nur diese Diflerenzeu
genannt. Im ersten Entwurf hatte laut demselben gestanden : Die
Glaubenslehre der Mährischen Brüder sei der Augsburger Kon-
Ncues Archiv f. S. G. n. A. VI. 3. 4. 20
506 F. S. Hark:
setzten, wie der Bericht mittlieilt, die Theologen gewisse
Einschrcänkungen gegenüber. Zum Theil beziehen sich
diese auf einige Lehrmeinungen, in denen die Brüder
nicht richtig wären. Auch wird geltend gemacht, dass mit
der von ihnen behaupteten Augsburgischen Konfessions-
Verwandtschaft der Inhalt ihrer, vor allem Zinzendorfs
Schriften und nicht am wenigsten viele Lieder ihres Ge-
sangbuches nicht harmonierten. So wenig dieser Einwand
überrascht, so seltsam will der Anstoss erscheinen, der
von ihnen daran genommen wird, dass die Brüder bei
den ipsis verbis Aug. Conf. stehen blieben, welche man
doch erst durch andere symbolische Bücher, wie die Kon-
kordicnformel, erklären müsse. Sie fordern also eigent-
lich, dass sich die Brüder zu diesen bekennen müssen,
wenn sie für Bekenner der Augsburgischen Konfession
gelten wollen. In der That beantragen auch die beiden
Professoren die Verpflichtung der Geistlichen der Brüder
auf die symbolischen Bücher der sächsischen Kirche, falls
diese im Lande Aufnahme finden sollten. Der Oberhof-
prediger verlangt es, wenn sie „als Glieder der evan-
gelisch-lutherischen sächsischen Kirche geachtet werden
wollten", wovon die Brüder, die ihrerseits nie beantragt
hatten, in Sachsen aufgenommen zu werden, — wie Dr.
Hermann wissen muss\e — , weit entfernt waren. Oder
soll eine gewisse Ironie in seinen Worten liegen? — Die
Kommission in ihrer Gesamtheit schlug in ihrem Gut-
achten solche Verpflichtung ebenfalls vor'^).
Ira Ganzen ist es aber immer noch zu verwundern,
dass der Bericht samt Gutachten so ausgefallen ist, wie
er vorliegt. Das öfters rücksichtslose Benehmen Zinzen-
dorfs und einiger seiner Brüder gegen die Kommission,
vor allem gegen deren theologische Mitglieder, musste
diese erbittern; und solche „personelle OfFensionen" hatten,
wie Graf Gersdorf sagt'**), „auch die sonst gar geneigt
Gesinnten .frappiret". Das auf gewisser Seite bereits
vorhandene Übelwollen gegen die Brüder wurde dadurch
fession nicht im Grunde zuwider, ausser dass etc. Dafür wurde
mit Stimmenmehrheit gesetzt :wobeijedoch etc. (s. den Bericht 1. c.)
Teller verschaft'te sich dadurch, dass er mit der Majorität stimmte,
ein freundliches Billet Zinzendorfs (i. U.-A.). — Wie sich der Geh.
Rath von Zech über diese der Kommission anstössige Lehre der
Brüder von der Weltschöpfung durch den Sohn Gottes geäussert
haben soll, sagt Zinzendorf in seinen Naturellen Reflexionen 288.
") S. Körner 1. c. p. 114, g.
'") An Zinzendorf, den 17. August 1748.
t)es Grafen von Zinzendorf Rückkehr nach Sachsen etc. 307
nur vermehrt. Es hatte sich in der That zu dem Wunsch
gesteigert, dass das Resultat der Kommission ein rein
negatives sein möge'*). Dass es dazu nicht gekommen
ist, sondern — was zunächst das Wichtigste blieb — die
Glaubenslehre der Brüder als „der Augsburgischen Kon-
fession im Grunde nicht zuwider" seiend, wiewohl ver-
klausuliert, im Bericht anerkannt ^vurde, mag wohl we-
niger ein Ausdruck aufrichtiger Überzeugung gewesen
sein, als der schuldigen Rücksichtnahme auf des Königs
Majestät. Ein entgegengesetztes Urtheil hätte nicht nur
die höchstenorts beabsichtigte Aufnahme der Brüder ver-
hindern müssen, sondern hätte auch die dort gehegte
Voraussetzung als eine irrige hingestellt, w^as einer Be-
leidigung gleich gekommen wäre. Die Art und Weise,
wie das Gutachten die projektierte Aufnahme im Lande
bedingte, war ja auch geeignet, jene konfessionelle An-
erkennung wirkungslos zu machen. Freilich blieb noch
abzuwarten, ob diese Vorschläge die allerhöchste Geneh-
migung finden würden; allein die „Konsistorialprinzipien"
hatten schon einmal, als man die Methode der eben be-
endeten Untersuchung feststellte, den Sieg über andere,
mit königlicher Autorität gegebene Zusagen davongetragen.
Warum konnte es nicht auch ferner geschehen? In dieser
Hoffnung reiste die Mehrzahl der Kommissarien, in dieser
Besorgnis wohl nur der Oberamtshauptmann Graf von
Gersdorf am Montag den 12. August 1748 wieder von
Hennersdorf ab. Was die einen wünschten und andere
befürchteten, hat sich in der damals noch verdeckten Zu-
kunft insofern verwirklicht, als zwar das Versicher-
ungsdekret vom 20, September 1749'*) den INIäh-
rischen Brüdern als Bekennern der unveränderten Augs-
burgischen Konfession die Aufnahme und Toleranz auch
in den alten Erblanden gewährte und ihnen eine besondere
Konzession in Aussicht stelUe, aber bis auf den heutigen
Tag weder letztere ertheilt worden ist, noch die Brüder
im eigentlichen Kursachsen eine Gemeine oder Kolonie
angelegt haben.
") Graf Gersdorf schreibt an Köber (18. August 1748^: „man
hätte gern gesehen (nameutlicli der eintiussreiche, durch eine starke
Partei in Dresden gedeckte Heydenreich), wenn die unzulänglichen
Antworten auf einer Seite Gelegenheit gegeben hätten, die Deklara-
tion (der Augsburgischen Konfessions-Verwandtschaft) und Aufnahme
abschlagen zu können, auf der andern Seite aber Fratres sich er-
kläret, auf solche Conditiones würden sie nicht ins Land kommen-.
'») S. Körner 1. c. 72 tlg.
— 20*
IX.
Kleinere Mittheilungen,
1. Die Meldung Yom Tode und von der Beisetzung
Melanchtlions an den Kurfürsten August.
Mitgetheilt von Theodor Distel.
In den Akten des K. S. Hauptstaatsarchivs (Loc. 10541 :
des Herrn Pliilippi etc. 1560 — 61) befindet sich ßl. 1 das
Originalschreiben der Universität Wittenberg an den
Kurfürsten August über den Tod Melanchthons. Dasselbe
soll hier, da sein Inhalt bisher unbekannt geblieben ist,
wörtlich mitgetheilt werden. Es lautet also:
Durchlauchtigster hochgebonier fürst. E. chf. g. seint unßere
umlertbeiiigste gehorsame gantzwillige dinste bevor. Gnedigster
churfurst und herr. E. chf. g. sollen und können wir, aus großem
bekumraernus und gantz hochbetrubten gemutth in underthenikeitt
nicht bergenn, das der ervj^dige und hochgelarte her magister
Phillippus Melanthon unßer lieber her, vater und praeceptor, am
neclistvorschienen sontagk palmarum am fieber kranck und schwach
worden, und wiewoU wir der besßerung gehofftt, auch ann mensch-
lichem vleiß nichtts erwj'nden laßen, wie ehr den des folgenden
dinstags, donnerstagks und freitagk noch im collegio geleßen, und
den sonnabent öffentlich neben andern communicanten in der pfar-
kirche das hochwj^rdige sacrament des leybes und bluds unßers
lieylands Jhesu Christi entpfangen, auch die intimation des oster-
fests selbst gestaltt, und dinstags in osterfeiertagen und mitwochens
hernacher, tlem durchlauchtigsten und hochgebornen l'ursten und
hern hern Albrecht herzogen in Preußen etc. u. gstn. h. doctor
David Voigtt ßo in der fasten ncchstvorschienen alhier promovirt,
und von s. f. g. zum professore der heyligen schrilft kegen Konnigs-
bergk erfordertt, underthenigst commendirt, ßo halt doch die kranck-
heitt überhand genhommen, das ehr nach vielfeltigen christlichem
gebetth luul anruftung gottes des almechtigen, heutt freitag dieße
stunde kurtz vor sieben uhr auff den abent'}, als ehr den siebenden
') Auf diese Nachricht dürfte sich die Bemerkung des Kur-
fürsten in seinem Schreibekalender (Moschkau: Saxonia Jahrgang 1,
S. 39) stützen; so lautet auch die Nachricht Augusts an den Erz-
Kleinere Mittheilungon. 309
paraxismum gehabtt, ein vernnnfftiges christliches nnd seliges ende
und abschied aus dießer weltt genhonien, und von dem almechtigen
gott, in die ewige freude und himmelische hohe schule abgefordertt,
des seien der liebe gott gnedigk sein, yhme und allen christgleubigen
eine froliche aufferstehuug. wie wir den ghar nicht tzweyveln, vor-
lejdien w[olle]*) Amen, und habens e. chf. g. in underthenikeit und
eyll nicht bergenn sollenn, mit underthenigster bitt e. chf. g. weiten
derselbigen armen schulen alhier, yhr gnedigst befolen sein laßen,
und unßer gnedigster churfurst und her sein und bleyben. Das
erkennen wir uns in aller underthenikeitt zuvordienen schuldig und
irautzw^illigk. Datum AVittenberg freitagk den 19. Aprilis anno etc. LX'ca.
E. eh. g.
underthenigste
gehorsame
gantzwillige
Rector magistri und doctores
E. chf. g. universitet Wittenberg.
Arn Dienstag-, den 29. April 1560 (ebenda Bl. 20 flg.)
berichten dieselben Universitätsmitglieder über die Bei-
setzung der Leiche Melanchthons an den Kurfürsten Au-
gust u.a.:
„Das wir seinen corper, alls ehr inu einen zienernen sargk ge-
legett, ahn nehstverschienenen sontagk umb zwey uhr nach mittagk
mitt gewolinlichen christlichen gesengen iiin die pfabrrkirche tragen,
und inn dem chor deß orths, da er zur zeitt der Ordination pfiegett
zuknien und zubethon , sezen lasen , und hatt der ehrwirdige und
hochgelarte herr pfarrer doctor Paulus Eberus eine leichpredigt ge-
than'j, nach derselbigen ist der corper inn E. c. f. g. Schloßkirche
durch die universitet und burgerschafft, auch ettlichen von adell, so
von landtt herein kommen, mitt groser traurikeitt, wehklagen und
weinen beleidt und getragen, und als daselbst der hochgelarte und
achtbare doctor Vitus Winsheimus ein wolgestallt latinam orationem
funebrem gehalten, ist der corper auff der andern selten kegen deß
ehrwirdigen und hochgelarten, unsers auch lieben herrn vaters und
preceptors , doctoris Martini Lutberi seligen begebnuß über neben
der grosen kirchenthuer, uff die lincke haiultt, unter und kegen den
chor zur erden bestatt und begraben worden".
2. Die Bouvroy-Medaille
auf die Tertheidiguiig \on Oudenarde im Jalirc 1814.
Mitgetheilt von P. E. Kichter.
Im Mcssagcr des sciences historiques, Annce 1883
(p. 417 flg.), veröß'entlieht E. Varenbergh über einen
herzog von Österreich, Maximilian, und an den Pfalzgrafen Wolfgang,
sowie an den Landgrafen zu Hessen vom 21. April 15G0 (augez.
Akten Bl. 10, 12, U).
^) An dieser Stelle befindet sich ein Loch.
*) Zur Feier hatte der Yizerektor, Melanchthons treuer Schüler,
Georg Major eingeladen. (Allg. deutsche Biographie s. v. Melanchthon).
310 Kleinere Mittheilungen.
tapfern säclisisclien Offizier einen Aufsatz, dessen Inhalt
wohl werth ist in weiteren und besonders sächsischen
Kreisen bekannt zu Averden. Im Februar 1814 hatte in
Belgien die französische Herrschaft aufgehört, ira De-
partement l'Escaut wurde provisorisch der französische
Praefect Desmousseaux durch den Intendanten Grafen
d'Hane de Steenhuyse ersetzt. Aus Rache griffen die
Franzosen am 5. März Oudenarde und am 31. März das
erst am 17. Februar verlassene Tournai an. Von beiden
Orten wurden sie zurückgeschlagen, und zwar von Oude-
narde durch die Umsicht des sächsischen Artillerie-
Kapitäns Karl Heinrich von ßouvroy. Nun hatte die
Verwaltung der Stadt Tournai dem dortigen Artillerie-
Kommandanten zu Ehren eine Erinnerungsmedaille schlagen
lassen, und in unserm ßouvroy regte sich der Wunsch,
gleichfalls ein Andenken an seine Wirksamkeit zu er-
halten. Er schrieb daher an die Verwaltung von Oude-
narde folgenden mit den Zeichnungen der ihm daraufhin
gewidmeten Medaille im Provinzialarchiv des östlichen
Flanderns aufbewahrten Brief:
Herr Maire,
Ich habe die Ehre ihnen hierdurch von meinen jetzigen Auf-
enthalt zu benachrichtigen, indem ich glaube, Ihren Wünschen damit
zuvor zu kommen.
Ich habe nehmlich in Erfahrung gebracht das die Stadt Tournay
dem Artillerie Commandanten, für die Verteitigung am .Slten Märtz
eine Medaille zum Beweis Ihrer Achtung und zum Andenken dieses
Tages ertheilt hat.
Indem ich nun die feste Überzeugung habe, das Audenarde ge-
wiss gleiche Gesinnungen gegen mich, den Artillerie Commandanten
hegt, welcher am öteu Märtz die Stadt vertheitigte, so säume ich
nicht, Ihnen durch dieses Schreiben zu beweisen, wie wehrt mir
Ihr Andenken ist.
Obschon mir es sehr schmeigelhaft bleibt, von den Comman-
danden königl. Preusischen Oberst Hove, wegen dieser Vertheitigung
am 5teu Martz an Seiner Kussisch Kaiserlichen Majestät empfohlen
und von Seiner Durchlaucht dem Herrn Herzog von Weimar im
Bulletin der Zeitung, nahmentlich gerühmt worden zu seyn, so
bleibt mir dennoch das schönste Andenken, die Achtung mit welcher
die Einwohner Audenardens von meiner Artillerie gesprochen haben.
Weit entfernt mir die ehrenvolle Vertheitigung zuzuschreiben, so
bin ich doch fest überzeugt, dass ohne die Geschicklichkeit, Uner-
schrockenheit und Ausdauer meiner Artilleristen, die Stadt ein Opfer
des Feindes geworden wäre.
Das Blut vieler meiner braven Artilleristen was an diesen Tage
für Audenarde floss. heiligt sein Andenken, und die Achtung seiner
Einwohner für uns, machen ihm unvergesslich.
Nehmen sie daher meine Aufrichtigkeit als einen Beweis meiner
Achtung, welche ich gegen die braven Einwohner Audenardens hege,
indem ich ihr Andenken so werth halte.
Kleinere Mittheilungen. 311
Ich hoffe nicht dass sie meinen Schreiben eine falsche Deutung
geben werden, Sie wurden sonst meine Gesinnungen verkennen. Mit
dieser Versicherung, habe ich die Ehre zu seyn,
Carl Heinrich de Rouvroy,
Königl. Sächsischer Artillerie Capitaine
bei den 3*'^'" Deutschen Armee Corps,
Hauptquartier unter commando des Herzogs von Weimar.
Acken bey Cöln am Rhein,
den 26te" May 1814.
So eben ist" die Erlaubniss ergangen, diese Medaille tragen zu
dürfen.
Da dieser Brief an Deutlichkeit nichts zu wünschen
übrig- Hess , so bewilligte der Intendant des Departement
l'Esca'-it am 17. August der Verwaltung- von Oudenarde
auf ihre Anfrage dem Capitän von Kouvroy eine Medaille
zu widmen. Der Werth derselben war auf 40 Francs
festgesetzt. Sie zeigte auf dem Avers fast das noch jetzt
gebräuchliclie Siegelbild der Stadt Oudenarde, nehmlich
das von zwei wilden Männern gehaltene Wappen der
Stadt, unter welches die Worte gesetzt waren: „La Ville
d'Audenarde Reconnaissante", und auf dem Revers: „A
Monsieur Charles Henry De Rouvroi, Capitaine Comman-
dant des Cannonniers des troupes Saxonnes, pour la bra-
voure dans la Defense de la Ville lors du bom bar dement
du Cinq mars 1814''. — Es ist gänzlich unbekannt, aus
WL'lchem Metall die Medaille hergestellt war, sollten aber
bei den bewilligten 40 Francs sämtliche Herstellungs-
kosten inbegriffen gewesen sein, so ist wohl anzunehmen,
dass das Metall gerade kein kostbares, die Inschrift des
Revers auch nur graviert und nicht geprägt gcAvesen ist.
Ebenso unbekannt ist der Verbleib des Stückes. Falls der
Modulus der der obengenannten Zeichnung gewesen sein
sollte, dürfte der Diu-chraesser etwa 3*2 cm betragen
haben.
3. Kunst^eschichtliclie Notizen.
Mitgetheilt von Theodor Distel.
Der Rathhausbau zu Leipzig 1555.
Einem beim K. S. Hauptstaatsarchive befindlichen
Konzepte (Copial 271, Bl. 81b) d. d. Dresden, 17. _ De-
zember 1555, entnehme ich Folgendes: Der Rath zu Leipzig
war „aus dringender Noth verursacht" worden , sein
Rathhaus „zu bauen und bessern zu lassen", auch zu
Verhütung grosser Feuersgefahr ein Röhrwasser in die
Stadt zu füln-cn. Kurfürst August genehmigte das Ge-
such des Rathes um Lieferung von Bauholz dazu und be-
312 Kleinere Mittheilungen.
fahl dem Amtmann und Schösser zu Dübcn, sowie dem
Förster zu Weidenhain, dem Rathe vier Schock Stamm-,
Balken- und Sparrenhölzer, 30 Ellen lang, und drei Schock
Stämme Röhrenhölzer, alles aus der Düben'schen Haide,
da er aus. anderen seiner Wälder die Hölzer ohne Ver-
ödung derselben nicht nehmen könne, unentgeltlich zu
verabfolgen. Über die Erbauung des Rathhauses selbst
vergl. auch Vogels Annalen der Stadt Leipzig S. 202,
und Wustmann, Hieron. Lotter S. 30.
Zur Geschichte der Orojel in der Stadtkirche
zu Pirna.
In der von Dr. R. Steche bearbeiteten „Beschreibenden
Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des
Königreichs Sachsen" heisst es (I, 69), dass die Orgel in
der Kirche zu Pirna durch Kurfürst Moritz aus Mühlberg
an der Elbe hierher versetzt worden sein soll. Diese
Schenkung ist jedoch nicht von Moritz, sondern erst von
seinem Bruder und Nachfolger, Kurfürst August, gemacht
worden. Unterm 16. Oktober 1555 erliess derselbe näm-
lich an den Klosterverwalter zu Mühlberg folgenden Be-
fehl (K. S. Hauptstaatsarchiv Cop. 271, Bl. 42 b):
L[ieber] g[etreuer]. Weichermassen die verordneten visitatores
des meissnischen unnd gebirgischen kreisses den rath unnd gemaine
zu Pirnaw einer orgell halben, die noch im closter zu Mülberg sein
soll, verschrieben und bei unß verbethen, wirdest du auß inver-
schlossener*) irer vorschritft vernehmen, weill dann die orgell zu
Mülberg nit gebraucht wirdet und wohl zu vermuethen, das sie in
die lenge nit zunehmen oder besser werden mochte, so haben wir
dem rathe zu Pirna dieselbig auß gnaden geschenckt. Begeren
deshalben wann sie bei dir darumb ansuchen werden, du wollest inen
die orgell mit aller irer zubehorung unwaigerlich volgen laßen ....
Unterm 4. August 1578 bewilligte derselbe Kurfürst
hundert silberne Schock zur Erbauung einer Orgel in der
dasigen Kirche. (Ebenda Cop. 439, Bl. 133).
Eine kostbare Arbeit des Goldschmiedes zu
Dresden, Hans Dirr*).
In den Kammersachen des K. S. Hauptstaatsarchivs
von 1595 (IV. Th., Loc. 7303 Bl. 125 [498] flg.) wird von
einer Arbeit des Dresdener Goldschmiedes, Hans Dirr,
gehandelt, über welche wir nachstehend Näheres berichten
*) Dieselbe liegt nicht mehr dabei.
*) So schreibt er sich selbst.
Kleinere Mittheilungeu. 313
wollen. Unterm 28. August genannten Jahres schreibt
Dirr an den Administrator des Landes, Friedrich Wilhelm,
dass er auf Befehl des (am 25. September 1590 ver-
storbenen Kurfürsten Christian I. ein goldenes Halsband,
„darein perlen und edelgestein vorsetzet, so vor s. cluirf.
g. geliebte gemahlin") . . . zum heiligen christ anno 1591
vormeihnet" verfertigt und dasselbe rechtzeitig an die
Kammerräthe abgeliefert habe. Bisher, schreibt Dirr,
habe er nur 605 Gulden 13. Gr. 2 Pf. dafür empfangen,
es verbleibe jedoch noch ein Rest von 285 Gulden 7 Gr.
10 Pf. Bei dem Schreiben liegt eine genaue Beschieibung
des Halsbandes, zu welchem sieben Stein-, acht Perlen-
stücke, ein Mittelstück, „daran ein gross angehengtes
clainot mit denn chursch wertern und rautenkrantz, item
die vier jharszeitenn possiret". In das Halsband waren
nun versetzt 94') Smaragden: 53 Stück ins Mittelstück,
nämlich ein grosser in die Mitte, um diesen befand sich
der Rautenkranz mit 28 kleinen Smaragden und zu den
Rautenblättern kamen 24 deriileichen; 7 o-rosse Stück in
die sieben Steinstücke; 32 Stück zu den acht Perlen-
stücken; 1 grosses orientalisches Stück „von dreyen stucken
zusammen geschnitten und vorsetzt zum haubtsteine ;" endlich
1 grosses „ablenglchtes" Stück für das Kleinod in der Mitte.
An Rubinen kamen 63 Stücke in das Halsband: 16,
darunter 2 grosse , ins Mittelstück , 14 in die sieben
Steinstücke, 33, darunter 7 grosse, in das Kleinod.
Diamanten wurden 63 Stück dazu verwendet: 2 grosse
Tafeln ins Mittelstück, 14 in die sieben Steinstücke,
47 in das Kleinod, „darunter eine grosse Demant rautenn".
Perlen werden neun genannt, nämlich: 8 „knobperlen" in
die acht Perlenstücke, 1 „hengperle" an das Kleinod.
Das ganze Halsband hatte mit dem Kleinod ein Gewicht
von 376 Kronen 2 Ort. An Macherlohn berechnet Dirr
891 Gulden (150 Gldn. für das grosse Kleinod, 100 Gldn.
für das Mittelstück, 315 Gldn. für die sieben Steinstücke,
320 Gldn. für die acht Perlenstücke, 6 Gldn. für das zu
Nürnberg erfolgte Schneiden der Smaragde und Rubinen
zu dem Rautenkranz und den Schwertern im INIittelstück).
Zu dem Halsbande hatte der Goldschmied 138 Kronen
„an ein alten güldenen halßbandt und creutzclainot",
sowie 346 Kronen 2^2 Ort, „so zeenwcis gegossenn", im
•) Sophia, Tochter des Kurfürsten Johann Georg von Branden-
burg.
') Die Dirr'sche Addition giebt 96 Stück an.
314 Kleinere Mittheilungen.
Gewichte von 4 IMark 15 Lotli 1 Quent erhalten. Ins-
gesamt iiatte Dirr an Gold übrig behalten und an Münze
empfangen die bereits oben erwähnte Summe von 605 Gldn.
13 Gr. 2 Pf. Der kurfürstliche Kammerraeister, Gregor Un-
wirdt, meldet am 31. Oktober 1545 (ebenda Bl. 126 und
130, bezw. 498) dem Administrator, dass das Halsband durch
Hieronymus Kramer auf 768 Gldn, 12 Gr., durch Abraham
Schwedler *) aber nur auf 748 Gldn. 12 Gr. gewiirdert
worden sei, während Urban Sclmeweis*) den Werth des-
selben auf 800 Gulden angegeben habe. Dirr bemerkt
zu diesen Taxationen, dass er bei Tag und bei Nacht an
dem Halsbande gearbeitet und durch Haltung von Ge-
sellen grosse Unkosten gehabt habe, lässt sich jedoch
schliesslich einen Abzug von 70 Gulden gefallen. — Die
Nachforschungen nach dem Verbleib des Halsbandes sind
leider vergeblich geblieben.
Hans Dirr (auch der Jüngere genannt) ist mir noch
einige Male in den Akten des K. S. Hauptstaatsarchivs
begegnet. 1575 erhielt er 50 Gldgr. für einen Magnet-
stein (Cop. 407 Bl. 95) und 1602 bekam er Bezahlung
für eine Menge Waffen, welche er mit Silber beschlagen
liatte^). Den Namen Dirr (Dürr, Dürre, Dhürr, Dühre,
Dorer) finde ich im Hauptstaatsarchive noch öfters (von
1605-1640) erwähnt, einen Georg, Hofmaler (vergl. meine
Mittheilungen in der Zeitschrift für Museologie etc. 1883,
No. 16 S. 123 Anm. 3), ferner einen Christian, welcher
auch Goldschmied war (1616)^'^); Nagler (HI, 553 f. führt
zwei Kupferstecher Johann (1625 — 1670) und C. L. (um
1664 zu Danzig) und einen Medailleur Ernst Caspar (um
1680 zu Dresden) an.
Beihilfe zum Bau des alten Kreuzthurmes
in Dresden 1583.
1579 imternahm man die Erhöhung des Kreuzthurmes
in Dresden. Das Muster dazu hatte der Bildhauer Hans
*) Über die Goldschmiede Schwedler und Schneeweiss enthält
das K'. S. Hauptstaatsarchiv ebenfalls Nachrichten. Vergl. auch [0-Byrn]
Die Hofsilberkamraer etc. (1880) 28, 33 u. 5tj — auch über Schnee-
weiss Gebr. Erbstein, Das Kgl. Grüne Gewölbe zu Dresden (1881), 87
No. 129/130, 134 z. Anf. Auch ein Maler Jonas Schneeweiss wird
1620 erwähnt (Dresdner Rathsarchiv CXXIV, 215 s Bl. 1) und ein
Goldschmied Christian 1642 (Hauptstaatsarchiv: Loc. 9838, die Gold-
schmiedsinnung etc. Bl. 10).
») Wochenzettel 1601 — 1G03, Loc. 7339, Bl. 164 b, 287 b flg.,
Bl. 4 b, 25 a u. b, 33 b, 89. '») Vol. I, Loc. 8085, Bl. 27.
Kleinere Mittlieiluiigen. 315
Waltlier gegeben und soll der Kurfürst August 2000 Gldn.
dazu beigesteuert haben. Xälieres über den Bau giebt
Lindau (Dresden, 2. Aufl., S. 347, vergl. aucb die Ab-
bildung der Kirche ebenda zwischen S. 6623, auch
S. 446 u. 663). Die kurfürstliche Beihilfe erbat sich der
Rath zu Dresden unterm 3. April 15S3 (K. S. llaupt-
staatsarchiv: Graf ChristofFs zu Mannsfeld etc. Loc. 9668),
indem er schreibt, dass er „daß wichtigen grossen ge-
bendes am heiligen creutzthurmb, so tzu sonderlicher Imu-
churf. gn. stadt und vhestungs zierde, vornemblich ge-
meint", mit grossen Unkosten „soweit gebracht" habe,
„das es alleine vor regen und ungewitter initt dem kupper
vorwahret und bedecket werden solP. Er fügt hinzu,
dass sie „an der einen kleinen spitzen albereit entpfunden"
hätten, dass die Sache vieles Geld erfordere. Die Bitte
des Rathes geht nun dahin, der Kurfürst möge von der
zu entrichtenden Strafsunune des Grafen Christojih zu
Mansfeld einen Theil zum Thurmbau abtreten, auch die
Söhne des verstorbenen Grafen Hans Georg zu Mansfeld
hätten bereits einhundert Centner Kupfer „tzu vorferttigung
offterwehnttes thurmbs" zu liefern versprochen, liege doch
ihr Vater in der Kirche begraben. Diese hundert Centner
erbittet der Rath nun einstweilen ebenfalls vom Kurfürsten,
da das Gebäude schon den ganzen verflossenen Winter
über unbedacht gestanden habe.
Literatur.
Verfassungsg-escliichte der Stadt Dresden. Von Dr. Otto Richter,
Archivar und Bibliothekar der Stadt Dresden. Herausgegeben im
Auftrage des Ratbes zu Dresden. (A. u. d. T. : Verfassuncrs- und
Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden. Von Dr. Otto Richter.
1. Bd.) Dresden, Wilhelm Baensch. 1885. XII, 450 SS. 8».
Bei der Abfassung einer jeden Stadtchronik ist es stets nicht so-
wohl die äussere Geschichte der Stadt, sondern die ihrer inneren Ent-
wicklung, zumal ihrer im Laufe der Zeiten vielfach wechselnden Ver-
■ fassung und Verwaltung, was dem Verfasser die meisten Schwierig-
keiten bereitet. Für die äussere Geschichte bieten selbst in ältester
Zeit fast immer einzelne Urkunden oder sonst hinlänglich beglaubigte
Nachrichten feste Anhaltspunkte; die innere dagegen muss aus un-
zähligen, meist nur zufällig in den Stadt- und Gerichtsbüchern, in
den städtischen Rechnungen, Schossregistern und sonstigen Auf-
zeichnungen aller Art vorkommenden Einzeliiotizen mühsam er-
mittelt werden , und nur von Zeit zu Zeit konstatieren einzelne,
meist durch vorangegangene Streitigkeiten veranlasste Urkunden
der Landesherren den jemaligen Zustand der innerhalb der Stadt
bestehenden Verhältnisse. Je grösser die Mühe, desto verdienst-
licher ist aber auch eine Arbeit, welche, wie die vorliegende, sich
lediglich die Ermittelung dieser inneren Verhältnisse der Stadt
Dresden im Laufe der verschiedenen Jahrhunderte zum Vorwurf
nimmt und in wahrhaft mustergiltiger Weise die allmählige Ent-
wickelung der jetzigen Haupt- und Residenzstadt sowohl nach ihrer
räumlichen Ausdehnung, als nach den wechselnden Zuständen des
Stadtregiments und der gesamten Bürgerschaft klar legt. Nur ein
so eifriger und arbeitsfreudiger, historisch wohlgeschulter und zu-
gleich in der einschlagenden Literatur bewanderter Stadtarchivar,
wie der Verfasser es ist, konnte an diese gewaltige Arbeit gehen;
nun darf er selbst, wie die Stadt Dresden, in deren Aultrage er sie
unternommen, sich des gelungenen Werkes freuen.
Den allenthalben urkundlich wohlbegründeten Ausführungen
des Verfassers zufolge führten ursprünglich wendische Ansiedlungen
sowohl auf dem rechten, als auf dem linken Ufer der Elbe und
zwar dicht am Flusse, den Namen „Dresdene", d. h. Waldbewohner.
Als dieselben christianisiert worden waren, bildete die auf dem linken
Ufer gelegene Frauenkirche das beiden Dörfern gemeinsame Gottes-
haus. Da wurde Anfang des 13. Jahrhunderts (vor 1216), jedenfalls
von dem damaligen Landesherrn, auf eben diesem linken Ufer, aber
Literatur. 317
ausserhalb des Überschweimnungsgebietes des Flusses, zwischen einer
Reihe dort befindlicher Seen nach deutscher Art eine neue, städtische
Ansiedluug gegründet und für dieselbe ein stattlicher Marktplatz
und ein von diesem ausgehendes rechtwinkeliges Strassennetz ab-
gesteckt. So entstand die Stadt Dresden. Im Gegensatz zu ihr
wurden nun, wie dies auch anderswo bei ähnlichen Städtegründungen
üblich war, die beiden gleichnamigen Dörfer dies- und jenseits des
Flusses als „Aldendresden" bezeichnet. Die Frauenkirche, ursprüng-
lich das Gotteshaus auch für die junge Stadt, stand anfangs noch
ausserhalb der Stadtmauern. Erst 1519 wurde alles Vorstacitgebiet
zwischen der (zuerst 1287 erwähnten) steinernen Eibbrücke und dem
damaligen Frauenthore, somit auch die Frauenkirche und das Dorf
Aldendresden links der Elbe mit der Stadt verbunden und nun
ebenfalls mit Wall und Graben umgeben. Diesen neu hinzugefügten
Stadttheil nannte man die „Neustadt", und noch heute führt hier-
von der ,. Neumarkt" seinen Namen. Seitdem hiess nur noch das
Dresden jenseits des Flusses „Aldendresden". Dies ehemalige
Dorf hatte inzwischen 140.3 ebenfalls eigenes Stadtrecht erhalten,
wurde aber 1549 aus militärischen Befestigungsgründen dem übrigen
Dresden einverleibt und, als es nach einem grossen Brande (1(385)
neu aufgebaut worden war, nun „Neustadt-Dresden" genannt.
Ist es schon eine verdienstliche Arbeit, in dieser Weise die
Entstehungsgeschichte von Dresden endgiltig festgestellt und im
Anschluss hieran die verschiedenen Thore, Pförtchen, Thürme, die
einzelnen Gassen und Gässchen mit ihren vielfach wechselnden Be-
nennungen, sowie die sich immer weiter ausbreitenden Vorstädte nach-
gewiesen zu haben, so gestaltet sich noch allgemein interessanter
der zweite Hauptabschnitt des Buches über ,.dic Stadtobrigkeit".
Die oberste Verwaltungs- wie Gerichtsgewalt in der neuen landes-
herrlichen Stadt übte ursprünglich ein landesherrlicher Beamter,
vülicus oder judex genannt. Bei seiner Amtsverwaltung stand ihm
zur Seite ein aus der Bürgerschaft ernanntes Kollegium, von welchem
die einen Mitglieder (jurati) vorzugsweise als Beisitzer im Gericht,
d. h. als Schötien, zu fungieren, die übrigen (consules) aber lediglich
die verschiedenartigen Verwaltungsgeschälte zu besorgen hatten.
Seit 1292 nun erscheint als Haupt und Spitze dieses städtischen
Gesamtkollegiums auch ein Bürgermeister (magister civiumj^ während
bei den Gerichtsverhandlungen nach wie vor der markgräfliche
Richter den Vorsitz führte, die Stadtschöffen aber „das Urtheil
fanden". Die Anzahl der Schöffen betrug 7 , die der Rathmanne,
den Bürgermeister eingeschlossen, ursprünglich 12, die des Ge-
samtkollegiums also 19; später jedoch (1399 — 1469) belief sich die
Zahl aller llathsgenossen, Bürgermeister und Schöffen eingeschlossen,
nur auf 12. Erst 1412 wurde vom Markgraf die niedere, endlich
1484 auch die obere Gerichtsbarkeit „über Hals und Hund" samt
den daraus Hiessenden Sportein dem Rathe überlassen; seitdem
trat an die Stelle des markgräflichen Richters ein vom Rathe be-
soldeter „Stadtrichter". Der Rath ward zwar alljährlich erneuert;
aber Wiederwahl der meisten galt als Regel, und auch die nicht
wieder in den „regierenden" oder „sitzenden" Rath übergegangenen
Rathsherren des vorigen Jahres wurden, als „ruhender Rath" oder
[Raths-j „Aeltesten", vielfach zu den lautenden Geschäften zuge-
zogen. Das Amt der Rathsherren war ein Ehrenamt, ursprünglich
ohne jede Besoldung; daher durfte ihre Zeit und Kraft nicht un-
unterbrochen in Anspruch genommen werden. Die Wahl derselben
318 Litevatuf.
erfolgte übrigens in früherer Zeit „niemals" durch die Bürgerschaft
oder die Stadtgenieinde selbst, sondern jedesmal durch den regieren-
den Rath kurz vor seinem Abgange, so dass sich dieser also seine
Amtsnachfolger selbst bestimmte, beziehentlich zum grossen Theil
selbst in den Rath des nächsten Jahres übertrat. Die Liste der
neuen ßathsherren musste vom Markgrafen erst bestätigt werden.
Gewählt nun wurde der Rath ursprünglich nur aus „den vornehmeren
Bürgern" (potiorcs cives), d. h. den reicheren Kaufleuten, besonders
den „Üewandschneidern" (Tuchhändlern) und den wohlhabenden
Ackerbürgern. Da suchten denn, besonders im Laufe des 15. Jahr-
hunderts, wie dies damals in allen grösseren Städten geschah, auch
die Handwerker und die sonstige ärmere Stadtgemeinde einen stetigen
Antheil an der Stadtverwaltung, vor allem eine berechtigte Stim'me
bei den Steuererhebungen und der Verwendung des städtischen Ver-
mögens sich zu verschaüeu. Auch in Dresden, wie anderwärts, standen
an der Spitze der mit dem Gebahren des Käthes oftmals unzu-
friedenen Bürgerschaft die Tuchmacher oder Wollenweber, als das
durch ihre Anzahl und ihr den Gesamtwohlstand der Stadt förderndes
Gewerbe damals wichtigste Handwerk. Sie durften ursprünglich
ihre selbstgefertigtcn Tuche nicht auch selbst nach der Elle ver-
schneiden, sondern mussten dieselben im ganzen Stück an die Ge-
\\-andschneider verkaufen, und diese nun zogen den bedeutenderen
Gewinn sowohl aus dem Einzelverkauf nach der Elle, als aus dem
en-gros Handel. Über das Ankämpfen der Tuchmacher gegen dies
Monopol der reichen Tucbhändler giebt es, wie es scheint, in Dresden
weniger ausführliche Nachrichten, als z. B. in den oberlausitzischen
Sechsstädten. Der Ausgang der Kämpfe aber war hier wie dort
derselbe; der Rath schützte zwar zunächst die reichen Tuchhändler,
die zum grossen Theil seihst im Rathe sassen, bei ihren hergebrachten
Vorrechten, aber der Landesherr gestand auf wiederholte Be-
schwerden endlich 1368 den Tuchmachern zu, dass sie ihre selbst-
gefertigten Tuche von allen Farben (nur bunte und gestreifte aus-
genommen) künftig auch selbst verschneiden durften. Auch darüber
fehlt es an speziellerer Kunde, wie seit Anfang des 15. Jahrhunderts
die Zünfte und die übrige Gemeinde das Recht erlangten, dass der
Rath mindestens bei allen Vermögensangelegenheiten der Stadt
nicht nur „die Aeltesten", d. h. die früheren Rathsherren, befragen,
sondern auch „den Handwerken und Gemeinde" vorher Mittheilung
machen und deren Zustimmung einholen musste. Aber fast das
ganze Jahrhundert hindurch gehen die Erwähnungen von Wider-
setzlichkeiten der Zünfte gegen den Rath und von Mahnungen der
Landesherren, dem Rathe Gehorsam zu leisten. Die neue durch
den Landesherrn vermittelte Rathsordnung von 1470 erledigte end-
lich mindestens einen Theil der bisherigen, wohl nicht unberechtigten
Beschwerden. Ihr zufolge sollte aus den Rathsherren des jetzigen
und der beiden nächsten Jahre ein Rathskollegium von 26 Personen
gebildet werden, welche, sämtlich auf Lebenszeit gewählt, sich der-
gestalt ablösen sollten, dass jedes Jahr aus dem bisherigen Käthe
(nur) zwei Mitglieder in den neuen übertreten und neben diesen
von den „ruhenden" Rathsherren acht in den „regierenden" Rath
eintreten sollten, so dass also für die je 10 Rathsherren ein drei-
jähriger Turnus entstand. Dem entsprechend sollten auch die drei
Bürgermeister und die drei Stadtrichter, ebenfalls auf Lebenszeit
gewählt, einander ablösen. In diese „Räthe" waren jetzt bereits
auch Handwerker aufgenommen worden; eine landesherrliche Ver-
Literatur. 319
ordmnig von U71 bestimmte, dass unter den zehn jedesmal den
regierenden Rath bildenden Personen sich niemals mehr als zwei
Handwerker befinden durften.
Aus Rt'uksicht auf den uns zugemessenen Raum müssen wir
hier unser Referat abbrechen und können nur noch kurz verweisen
auf die besonders interessanten Kapitel über den Geschältskrei? und
die Geschäftsordnung des Rathes, über die verschiedenen Yerwaltungs-
ämter (das Kammer-, Zins-, Bau-, Salz-, Pfannen-, Brücken-, Ma-
ternihospital-Amt), in welche nacii und nach die Geschäftsführung
getheilt, und welche von den einzelnen Rathsherren übernommen
wurden, ferner über Stadtschreiber und Syndikus, über Kanzlei und
Vollzugsbeanite, über das Rathhaus und die verschiedenen Zwecke,
denen dasselbe diente, über die Stadtgemeinde, die Anzahl der
Häuser und der Einwohner, die Juden und deren Stellung, sowie
ihre oft traurigen Schicksale, endlich über die Stellung der Stadt
zum Landesherrn und die demselben zu leistenden Steuern und
Kriegsdienste.
Der fast überreiche Stoff', wohlgeordnet und gegliedert, überall
durch urkundliche Belegstellen in den Anmerkungen erwiesen, bietet
in seiner Gesamtheit ein getreues und vollständiges Bild des städt-
ischen Lebens nach den verschiedensten Richtungen hin und in
allen Kreisen der städtischen Bevölkerung, von den Bürgermeistern
und Rathsherren an bis hinab zum unehrlichen Henker und dessen
schauerlichen Prozeduren und enthält somit einen werthvollen Bei-
trag nicht bloss zur lokalen, sondern zur allgemeinen Kulturgeschichte
der einzelnen Jahrhunderte.
Dresden. Hermann Knotho.
Landgraf Philipp von Hessen und die Pack'sclien HüudcL Mit
archivalischen Beilagen. Von Hilar Scliwarz. Eingeleitet von
W. Maurenbrecher. (13. Heft der „Historischeu Studien".) Leipzig,
Veit & Co. 1884. 1G6 SS. 8».
In Bd. IV S. 160 flg. dieser Zeitschrift hatte Unterzeichneter
zwei fast gleichzeitig erschienene, den Pack'schen Händeln gewidmete
historische Arbeiten angezeigt, die Schrift von Stephan Ehses und
den Aufsatz von ^Yilh. Schoniburgk. Die Schrift des ersteren,
welche die Tendenz verfolgt, die Schuld an jenen Irrungen, die
intellektuelle Urheberschaft des gefälschten „Breslauer Bündnisses"
von Pack selbst auf Landgraf Philipp zu wälzen, hatte wenigstens
den Erfolg zu verzeichnen gehabt, dass Janssen, der in den früheren
Auflagen seiner Geschichte des deutschen Volkes die Schuldfrage
,,noch unentschieden" gelassen, seitdem seine Leser auf die Elises'sche
Arbeit verweist, um von diesem die Lösung etwaiger Zweifel darüber
zu empfangen. Nun liegt wieder eine neue Schrift über jene Händel
vor uns, die gleichfalls einen katholischen Historiker zum Verfasser
hat — aber sie ist toto coelo von der ihres Vorgängers verschieden.
Überlegen ist sie der Ehses'schen Schrift nicht allein durch das um-
fängliche archivalische Material, das in ihr verwerthet ist, sondern
vor allem durch die methodische Stringenz, mit welcher sii; ihre
Untersuchungen führt, durch die Unbefangenheit in ihren Urtheilen,
durch die Sorgfalt, die auch auf die formale Seite, auf Stil und Dar-
stellung, verwendet worden ist'). Schwarz lenkt mit siegreicher
aufgefallen.
') Nur auf S. 84 ist mir die Zwitterbildung „nnkonscqucnt"
320 Literatur.
Beweisführung zu der von Ranke begründeten Auffassung der Händel
zurück, wonach zwar das Bündnis selbst als Fälschung anerkannt*),
jedoch Landgraf Philipp als bona fide handelnd und von Pack ge-
täuscht betrachtet wird. Der Beweiskraft der von Schwarz hierfür
beigebrachten Argumente wird sich kein Leser entziehen können:
Philipps Verhalten und ähnlich das der Wittenberger Theologen in
diesem Handel wird begreiflich gemacht durch eine sorgsame und
möglichst vollständige Zusammenstellung der der Sache der Evan-
gelischen bedrohlichen Vorgänge im gegnerischen Lager aus den
Jahren, 1526 — 1528. Nebenbei sei bemerkt, dass der Verfasser durch
diese Übersicht über die Zeitlage auch für die Entstehung von
Luthers „Ein feste Burg", die er in Übereinstimmung mit Schneider
und Knaake in die letzten Wochen des Jahres 1527 setzt, ein hohes
Mass von Wahrscheinlichkeit zu gewinnen weiss, wenn wir auch
auf die Anklänge an Ferdinands Religionsedikt vom 20. Aug. 1527,
die er im Liede zu finden meint, kein sonderliches Gewicht legen
wollen*). War bisher als dunkelster Punkt in dem Verhalten des
Landgrafen Philipp die Stellung erschienen, die er bei den Ver-
handlungen zu Kassel (20. — 24. Juli 1528) eingenommen, so giebt
Schwarz im 7. Kapitel seiner Arbeit auch hierüber so befriedigende
Darlegungen, dass es ihm m. E. völlig gelungen ist, den Schatten
eines Verdachts, der von hier aus auf jenen zu fallen schien, zu
entfernen. Er weist aktenmässig nach, uass es sich dort nicht um
ein Gerichtsverfahren gegen Pack handelte, nicht um die Frage, ob
Philipp ihn an Herzog Georg auszuliefern habe, sondern nur um
die persönliche Reinigung des Landgrafen seinem Schwieger-
vater gegenüber von dem Verdacht, ,,er selbst solle das vermeinte
Bündnis erdichtet haben". Wie hier die vorliegende Untersuchung
zu einer Rechtfertigung des persönlichen Charakters Philipps sich
gestaltet, so wird Exkurs H, S. 139 flg. zu einer Vertheidigung
Luthers gegen die gehässigen Vorwürfe, die ihm Ehses wegen seines
-) Nebenbei bemerkt eine Thesis, die auch W. Kampschulte
1856 in seiner Doktordissertation verfochten hat.
') Neuerdings hat auch Küchenmeister (Das evangel. Glaubens-
lied: Eine feste Burg. Dresden und Leipzig. 1884) im allgemeinen
Schneiders Zeitbestimmung adoptiert, dieselbe aber aus Gründen,
die er der Krankheitsgeschichte Luthers entnahm, genauer auf die
Tage nach dem 6. Januar 1528 fixieren wollen. Bis zu diesem
Tage sei, so behauptet er, Luther physisch ausser stände gewesen,
dann aber sei laut Brief vom 6. Januar (de Wette HI, 256) eine
Krisis eingetreten, die ihn wieder fähig gemacht habe, sein Helden-
lied zu schaffen. Dagegen ist kurz zu bemerken, dass der betreffende
Brief Luthers von einem Leiden erzählt, welches er drei Jahre
zuvor gehabt hatte (vergl. meine Anmerkung im „Briefwechsel des
Justus Jonas" L Halle 1884, S. 115), und daher von Küchenmeister irrig
auf eine in jenen Tagen des Jahres 1528 eingetretene Besserung
seines Befindens bezogen ist. Ausserdem sehen wir aus den kürz-
lich von Buchwald aus der Zwickauer Rathsschulbibliotbek bekannt
gemachten „Ungedruckten Predigten Luthers" 1, 1. S. XXVHI, dass
Luther in den Monaten November und Dezember 1527 fast ganz
regelmässig seines Predigtamtes gewartet hat, dass also jene physische
Depression, welche Küchenmeister zum Ausgangspunkt seiner Be-
weisführung nimmt, gar nicht vorhanden gewesen ist. Vergl. Bach-
mann in Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft 1885 S. 42 Üg.
Literatur. 321
Verhaltens in den Pack'schen Händeln gemacht hat. Besonders
dankenswerth ist hier die Untersuchung über die Aufeinanderfolge
der verschiedenen Gutachten , die wir von Luther und Melanchthon
aus dem Frühjahr 1528 besitzen. Es ist ihm hier gelungen, die 8
in Betracht kommenden Gutachten, von denen nur zwei datiert sind
(de Wette UI, 322 u. 323), durch genaue Vergleichung unter einander
und mit den sonstigen Dokumenten jener Tage in ganz klare und
einleuchtende Ordnung zu bringen (siehe das Register der Briefe
auf S. 145): mit Hilfe dieser Feststellung der Daten ist es dann
ein leichtes, den Vorwurf zu entkräften, den Ehses erhebt, als
wenn zwischen Luthers dem Hofe vorgelegten Gutachten und seiner
Privatkorrespondenz, und ferner zwischen Luthers und Melanchthons
Verhalten in dieser Angelegenheit der schroft'ste Gegensatz bestehe.
Wenn einer von beiden Reformatoren hierbei in ungünstige Be-
leuchtung rückt, so ist es gerade Melanchthon, dessen Brief an
Camerarius (Corp. Ref. I, 984 flg.), wie Schwarz mit Recht her-
vorhebt, nicht als ungetrübte Wiedergabe desThatbestandes betrachtet
werden darf. Was an Luthers Verhalten materiell verfehlt war,
das leitet Schwarz aus der gründlichen Verbitterung desselben gegen
Herzog Georg ab ; „es soll gewiss nicht der Zweck dieser Unter-
suchung sein, Luthers Behauptungen und seltsame Schlüsse zu
retten: aber das allerdings sollte bewiesen werden, dass Luther bei
seinem Vorgehen von demselben Bewusstsein des Rechtes
durchdrungen war wie Georg, und dass die im Verlauf des Streites
immer massloser werdenden Auslassungen beiden Theilen in
gleicher Weise angehören". — Diese Worte kennzeichnen das Re-
sultat, zu welchem der Verfasser hier gelangt. Aber sie sind zu-
gleich Zeugnis dafür, dass in der Beurtheilung des grössten aller
Gegner Luthers, des Herzogs Georg, hier eine Anschauung geltend
gemacht wird, welche das nicht allein auf katholischer Seite, sondern
auch unter protestantischen Theologen wie Historikern nur zu
leicht idealisierte Bild dieses energischen Fürsten zu korrigieren
sich bemüht. Darin begegnet sich die Schwarz'sche Arbeit mit der
gleichzeitig veröffentlichten Studie des Marburger Historikers Walter
Friedensburg „Zur Vorgeschichte des Gotha -Torgauischen Bünd-
nisses" (Marburg 1884). Beide Arbeiten, die in voller Unabhängig-
keit von einander dahin streben, Georgs Verhalten nicht nur den
evangelischen Regungen im eignen Lande gegenüber, sondern in
der Gesamtaktion der katholischen Mächte zur Ausrottung
der Reformation, scharf hervorzuheben, legen uns den Wunsch
nahe, dass doch die gesamte politische Wirksamkeit dieses Fürsten
mit Hilfe des reichen archivalischen Materials, das dafür zu Gebote
steht, zum Gegenstande einer umfassenden Darlegung gemacht werden
möchte.
Magdeburg. Kawerau.
Beschreibende DarsteHung der älteren Bau- und Kunst-Denk-
mäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der K. Staats-
regierung herausgegeben vom K. Sächsischen Alterthnmsverein.
Viertes Heft : Amtshauptmannschaft Annaberg. Fünftes Heft : Amts-
hauptmannschaft Marienberg. Bearbeitet von Dr. R. Steche.
Dresden, in Kommission bei'C. G. Meinhold & Söhne. 1885. 92
und 36 SS. 8».
Die verhältnismässig geringere Ausbeute der Amtshauptmann-
schaften Annaberg und Marienberg hat die Redaktion der „Be-
21
Neues Archiv f. 8. G. u. A. VI. 3. 4.
322 Literatur.
schreibenden Darstellung" bestimmt, beide in ein Heft zu vereinigen,
wenn auch jede selbständig behandelt und für sich abgeschlossen.
Im Übrigen ist die Behandlung des Stoffs und die Ausstattung die-
selbe wie bei den früheren Heften: die Abbildungen sind von gleicher
Schönheit, der kunsthistorische Text zeugt von gleicher Gründlich-
keit.
Die Bergstadt Annaberg wurde erst 1495 angelegt, weil der
seit 1492 dort betriebene äusserst lohnende Bergbau eine grosse
Anzahl von Arbeitern beschäftigte. Unbekannt und unerörtert ist,
ob der Stadt an dieser Stelle ein Dorf vorausgegangen ist: wahr-
scheinlich ist dies nicht der Fall und die im Jahre 1498 erbaute
hölzerne Kirche überhaupt die erste Kirche daselbst gewesen. Es
darf daher auch nicht Wunder nehmen, dass sich hierorts keine
älteren Bau- und Kunstdenkmäler befinden: denn das an Stelle
dieser Holzkirche neu errichtete, noch jetzt vorhandene massive
Kirchengebäude wurde erst 1499 gegründet, 1513 mit Dach versehen,
1516 gewölbt, 1524 mit Fenstern versehen und 1525 geweiht. Der
Bauzeit entspricht der spätgothische, stark zur Kenaissance hin-
neigende Baustil, welche sich im allgemeinen des ganzen Ober-
sachsens bemächtigt hatte. Der Bauzeit entspricht ferner das ziem-
lich vollständige ßekanntsem aller an dem Bauwerk beschäftigt
gewesenen Künstler und Werkmeister, was wir in der klassischen
Zeit der romanischen und gothischen Bauperiode so schmerzlich
vermissen.
Die in dem Hefte wiedergegebenen Grundrisse, mit Angabe
der in ihrem Charakter unruhigen, wenn auch reichen Netzgewölbe
unter den Emporen und in der Kirche sind nach Aufnahmen des
Prof. F. Arnold gezeichnet. Sie dokumentieren eine grosse Genauig-
keit und Sorgfalt. Von gleicher Treue erscheinen die übrigen
Zeichnungen und Details, und wir müssen besonders für die zahl-
reichen schönen Photographien des inneren Ausbaues, Kanzel und
Altar, danken, wenn die Gegenstände sich auch unserer Ansicht nach
durch geschmacklose Auffassung auszeichnen und an sich wenig
Sympathie erwerben mögen.
Von erheblichem Werthe erscheinen unter den angeführten
Gemälden die Tafeln eines kleinen Flügelaltars, die Verkündigung
Mariae und die Geburt Christi darstellend, wovon äusserst sorgfältige
Skizzen von Künstlerhand beigebracht sind: sie sind von herrlichem
Detail und vollendeter Zeichnung, werden aber in der Farbenwirkung
als etwas kalt geschildert, was vielleicht eine Folge öfteren ohne
Verständnis ausgeführten Keinigens ist.
Ganz eigenartig sind die zahlreichen Reliefs, welche zum
Schmuck der Emporen dienen, zumal diejenigen 20 Reliefs, welche
die 10 Alter des menschlichen Lebens darstellen und für jedes
Geschlecht besonders sich auf beiden Seiten der Brüstungen hin-
ziehen. Ihre Entstehung soll man unter direktem EinÜuss des
Herzogs Georg annehmen dürfen, der sich lebhaft für die An-
bringung interessierte. Es mag bei dieser Gelegenheit darauf hin-
gewiesen werden, dass die später oft angewandte Reihe der 10
Lebensalter erst im 15. Jahrhundert aufgekommen zu sein scheint;
die ältesten Zeugnisse dafür finden sich im Liederbuch der Clara
Hätzlerin und in einem Fastnachtsspiel des Pamphilus Gengenbach,
dessen ältester Druck von 1500 ist. Vergl. die Bemerkungen von
Karl Goedeke in seiner Ausgabe des Pamphilus Gengenbach
(Hannover 1856) S 571 flg. (auch der Annaberger Totentanz wird
Literatur. 323
S. 575 besprochen). Auch "Wanders Sprichwörter -Lexikon, Bd. IL
(1870) Sp. 996 führt einige Beispiele an, namentlich ein gereimtes
fürs weibliche Geschlecht. Auf einem Pokale von grünem Glase
vom Jahre 1603, 29 Vs cm hoch, 12'/» cm weit, welcher sich unter
den Sammlungen des Ratbhauses zu Wernigerode befindet und in
zwei über einander gestellten Bilderfolgeu ähnliche Darstellungen
igt,
lautet die Inschrift:
10.
Jar. ein. kindt.
60.
Jar.
gehts alter an.
20.
Jar. ein jvngling.
70.
Jar.
ein greys.
30.
Jar. ein. man.
80.
Jar.
nimmer weis.
40.
Jar. woUgethan.
90.
Jar.
der kinder spodt
50.
Jar. stille stan.
100.
Jar.
genadt dir gott.
Der Knabe erscheint hier auf einem Steckenpferd, eine Wind-
mühle im Gurt, hinter ihm ein Ziegenböckchen, ein Yogel mit auf-
gewickelter Schnur (1); — der Jüngling, etwas zu alt dargestellt,
mit einem wolfähnlichen Hunde, die rechte Hand ausgestreckt, in
der Linken ein Falke mit Schnur (2); — der Mann mit Degen und
blaugelber Fahne (Braunschweigs ?), die Hose rotli und weiss ge-
puift, das Camisol schwarz mit grünen Putten, hinter ihm liegt ein
fleischfarbener Stier (.3); — ein Ritter in Rüstung und Schwert,
rothen Strümpfen, Barett mit Federn, hinter ihm ein Löwe (4); —
ein Mann in Bürgertracht, mit Seitengewehr, am Fusso ein Luchs (5);
— ein Mann mit Beutel in der Linken, am Fusse hinter ihm ein
graublaues fuchsälmliches Thier mit einer Taube im Maule (6); —
ein gebückter Mann, Weiser der Stadt, mit Hund (7) ; — ein Greis
mit langem Pelzrock, Rosenkranz in der Rechten , Gehstock in der
Linken, hinter ihm eine Katze (8); — ein Alter auf 2 Krücken,
hinter ihm ein Esel und rechts ein ihn verspottender Junge (9); —
ein nackter Greis auf einer Bank mit schwarzer Kappe , eine Gans
links, der Tod (10).
Die übrigen Bildhauerarbeiten der Kirche, wohl kaum später
ausgeführt, als die bereits erwähnten, weil sie noch spät-gothisches
Ornament und Masswerk von manierierten Formen enthalten, sind
trotz ihrer Gedankenfülle nur geschmacklos zu nennen. Nur das
Auferstehungsbild an dem Epitaphium des Job. Unwirth enthält
einige schön modellierte Figuren, wenn auch von uuhistorischem
Zusammenhange, da es ein eigenthümlicher Gedanke ist, die vier
schreibenden Evangelisten im Vordergrunde des auferstehenden
Christus anzubringen.
Von den kleineren in Annaberg noch befindlichen Kirchen und
Profangebäuden ist Erhebliches nicht zu berichten.
Grosses Interesse erwecken auch in dieser Lieferung die
schönen Photographien von Dilich'schen Städte-Ansichten, von Anna-
berg, Buchholz, Khrenfriedersdorf, Eiterlein, Geyer, Oberwiesenthal,
Schftibenberg, Schiettau, Tluun im IV., und Lauterstein, Lengefi-ld,
Marienberg, Rauhenstein, Marienl)ail, Wolkenstein und Zublitz im
V. Hefte, in einer Anzahl von 16 Nummern. Sie verratheu sämtlich
eine derzeitige Porträt-Ähnlichkeit und nöthigen zum grössten Danke
für die AViedergabe derselben.
Einer eingehenderen Berücksichtigung wird das ehemalige Altar-
bild von IJuchholz unterzogen. Leider ist dasselbe nicht mehr voll-
ständig und deshalb in einzelnen Stücken in der Kirche vertheilt.
Die vorzügliche Zeichnung der einzelnen Figuren wird von Steche
entweder dem L. Schenfl'elin oder M. Wohlgemuth zugeschrieben
21*
324 Literatur.
Von herrlicher Erfindung zeugt das das Christus-Porträt enttaltende
Yeronica-Bild, welches auf S. 61 dargestellt ist.
Aus der Nikolaikirche zu Ehrenfriedersdorf ist höchst dankens-
werther Weise eine grosse Photographie von dem schönen Kelch
aufgenommen; wenn Steche aber geneigt ist, dessen Herstellung in
die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zu verweisen, so widerspricht
dem theils die bedeutende Höhe von 23 cm, welche zu dieser Zeit ganz
ungewöhnlich war, theils die hyperbolische Form der Cuppa und
die steife Ansteigung des Fusses. Wir sind mehr geneigt, die An-
fertigung des in jeder Beziehung spätgothische Formen zeigenden
Gefässes in die Mitte des 16. Jahrhunderts zu setzen, wo die allgemein
eingeführte Spendung des Kelches auch eine weitere Cuppa verlangte.
Im Übrigen berichtet der Verfasser über eine Menge mittel-
alterlicher mehr oder weniger erhaltenen Altarschreine, welche aus
der Zeit von 1480 — 15.30 stammen und daher wohl in derselben Werk-
statt gefertigt sein werden, Sie sind sämtlich von konventionellen
Autfassungen, im Geschmack der Zeit.
Unter den Glocken scheint keine einzige mehr dem 15. Jahr-
hundert anzugehören.
Das V. Heft für die Amtshauptmannschaft Marienberg hat eine
Ausdehnung von nur 35 Seiten erhalten können. Die Hauptstadt
Marienberg dankt ihre Entstehung, wie Annaberg und Joachims-
thal, der Einführung segenbringenden Bergbaues, doch ist sie die
jüngste dieser drei, indem ihre Gründungsurkuude vom 28. April
1521 datiert. Da bereits 1551 an 500 Wohnstätten errichtet waren,
so muss ziemlich leichtfertig, d. h. von Fachwerk etc. gebaut worden
sein, was zu öfteren Feuersbrünsten von grosser Ausdehnung führte.
Auch die Haupt- und Marien-Kirche war anfänglich von Holz, und
die massive Erneuerung in grösserer Form erfolgte erst 1548, wie
es heisst, nach dem Vorbilde der Stadtkirche in Pirna. Im Jahr 1564
konnte sie der Benutzung übergeben werden, wurde indessen durch
einen Stadtbrand von 1610 so verwüstet, dass sie fast ganz neu
wieder aufgeführt werden musste. Der Bau ist ein Gemiscii von
Gothik und Renaissance, was sich auch auf die Gewölbe im Innern
erstreckt, während der Thurm nur in Renaissance angesetzt ist.
Ebenso sind die inneren Ausbauten künstlerisch unbedeutend, wenn
man auch hier und da bestrebt sein mochte, einen gewissen Luxus
zu zeigen. Die Geräthe sind meist erst aus dem 17. Jahr-
hundert.
Über die Profangebäude der Stadt (das Rathhaus und die Bürger-
häuser) war nichts Bemerkenswerthes mitzutheilen. Die beiden
Portale in Photographien sind gelungene Muster für zopfige Archi-
tekturen,
Auch die übrigen Ortschaften der Amtshauptmannschaft boten
wenig Beachtenswerthes. Die Kirchen und deren innerer Ausbau
sind meist ebenso unbedeutend als die Mehrzahl der Kirchengeräthe.
Die Schnitzaltäre sind bis auf den in Forchheim aus dem 16. und 17.
Jahrhundert, die Glocken grösstentheils aus dem 16. bis 18. Jahr-
hundert, nur 2 in Forchheim (1490 und 91), 2 in Mittelsaida (1463
und 1497) und 1 in Zöblitz (1476) gehören dem Ende des 15. Jahr-
hunderts an; der Buchstabe T und die fast gleiche Zeit des Gusses
lassen vermuthen, dass sie wohl von demselben Meister herrühren,
der mit gleichem Zeichen ziemlich oft auch in der weiten Umgegend
von Leipzig vorkommt und Hans Tyme zu sein scheint (vergl. Ütte,
Glockenkunde, 2. Aufl., S. 219.)
Literatur. 325
Ein besonders beraerkenswerther Deckelpokal, der früber in
Grnntbal (Saigerbütte) war und dann nach Freiberg gelangte, befindet
sich jetzt im „Grünen Gewölbe" zu Dresden; sein Schmuck bezieht
sich auf den Segen des Bergbaues.
Wernigerode. Gustav Sommer.
LlberCronicornm (Erfordensis) [Cbronicon Tburingicum Viennense].
Herausgegeben von Carl "VVenck: Zeitschrift des Vereins lür
thüringische Geschichte und Alterthumskunde N. F. IV, 185 flg.
(citiert mit L. C.) ').
Zur Entstehungsgeschiclite der Reiiihardsbruiiner Historien und
der Erfurter Peterschronik. Von Carl Wenck: Neues Archiv
für ältere deutsche Geschichtskunde. X, 97 flg. (citiert mit
W. X. A.).
Untersuchung der Chronik des St. Petersklosters zu Erfurt in
Bezug auf ihre einzelnen Theile und deren geschichtlichen
Werth. Von Erich Schmidt: Zeitschrift des Vereins für thürin-
gische Geschichte. N. F. IV, 110 flg. (citiert: S.)-
C. Wenck's Aufsätze, ebd. II, 221 flg. 416 flg. IV, 187 flg. 279 flg.
(citiert: MV. Z.).
Die Fälschung der ältesten Reinhardsbrnnner Urkunden. Von
Alb. Naude. Berlin, W, Weber. 188.3. 128 SS. 8» (auch in den
Neuen Mittbeilungen des thüringisch-sächsischen Vereins, XVI. Bd.)
(citiert: N.) -).
Kritische Bearbeitung und Darstellung der Oeschichte des
thüringisch -hessischen Erbfolgekrieges 1247—64. Von Th.
Ilgen und Rud. Vogel: Zeitscbrift des Vereins für hessische
Geschichte und Landeskunde. N. F. X. Kassel 1884 (citiert: I.V.).
Die Anfänge des ersten thüringischen Landgrafengeschlechts.
Von Arthur (Jross: Ein Beitrag zur tliüringischen Geschichts-
forschung. (Inaug -Diss.) Göttingen, Vaudenhoeck und Ruprecht.
1880. 59 SS. 8». (citiert: G.)*).
Unser chronikalisches Material zur thüringischen Geschichte
ist kürzlich durch Publikation weiterer Theile des bisher mangelhaft
bekannten sogenannten Chronicon Thuringicum Viennense *) ver-
') Frühere Ausgabe von 0. Lorenz in den Geschichtsquellen
der Provinz Sachsen I (Halle 1870), 197—214.
*) Die Ortsangaben der Urkunden sind neuerdings behandelt
von Regel (Petermann's Mittheilungen Ergänzungsheft 76, S. 33 flg.)
und Werneburg „Namen der Ortscliaften und Wüstungen Thüringens"
(in den Abhdl. der Erfurter Akademie).
3) Der Kürze halber citierc ich auch: W. E. = C. Wenck, Die
Entstehung der Reinhardsbrnnner Geschichtsbücher, Halle 1878.
St. = E. B. Stübel, Das Chronicon Sampetrinum Erfurtense. Leipziger
Inaug. Diss. 1867. S. P. — Chronicon Sampetrinum (ed. B. Stübel):
Gesch. (^u. der Prov. Sachsen I. A. R. = Annales Reinhards-
brunnenses (ed. Wegele): Thüringische Geschichtsquellen I, Jena 1854.
M. = Menckenius, Scriptores Rerum Germanicarum, Leipzig 1728.
Chr. M. = Chronica minor auctore minorita Erphordiensi: Mon. Germ.
SS. XXIV, 173 ttsr. A. E. = Annales Erpliordenses: ebd. XVL 2(i flg.
*) Neben der früher allein benutzten Wiener Handschrift zieht
W. noch eine Leydener und eine Wiesbadener, die beste von den
326 Literatur.
mehrt und der eigenthümlicbe Charakter des Geschichtswerkes mm
deutlicli geworden. Durch interessante, womöglich wunderbare Ge-
schichten *) wollte der Verfasser das Unterhaltungsbedürfnis kirchlich
gesinnter Leser ") befriedigen und kompilierte — so sagt er seihst —
zu diesem Zwecke aus andern Werken, mit souveräner Verachtung
der Chronologie, wie W. bemerkt, doch nicht ganz ohne Nachdenken 'J.
Aus eigener Kenntnis scheint er nirgends zu berichten, allerdings
können wir seine Quellen nicht alle nachweisen. Er legt seinem
Liber cronicorum sive annalis, wie ihn die beste Handschrift und,
entsprechend dem kompilatorischen Charakter des Werkes, der
Herausgeber nennt, Ensehii cronica^ d. h. Ekkehards Weltchronik
zu Grunde, schiebt Stücke aus einer moralisierenden Bearbeitung
von Ovids Metamorphosen ein, bringt eine fabelhafte Urgeschichte
der Franken, Sachsen und Thüringer meist nach Ekkehard*] und
geht dann auf die thüringische Landgrafengeschichte über, für die
er hauptsächlich die Reinhardsbrunner Geschichtsbücher excerpiert,
nicht ohne hie und da mehr als sie zu bieten; die Reichsgeschichte
lässt er — das hebt W. als charakteristisch hervor — fast syste-
matisch bei Seite. Gegen das Ende hin nehmen den meisten Raum
Geschichten ein, welche das Christenthum im Kampfe mit Juden- und
Heidenthum und Ketzerei zeigen , recht nach dem Geschmacke des
Predigerordens, dem, wie W. (Z. IV, 197) im Anschluss an Herrmann
und Lorenz ausführt, der Autor angehört haben dürfte. Das Interesse,
das derselbe für Erfurt an den Tag legt, auch der Umstand, dass
zwei Handschriften, die Leydener und die Maihinger, in Erfurt
dreien, heran; eine Maihinger, eine Breslauer und eine Wolfen-
büttler (Neues Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde X, 435)
bleiben noch zu untersuchen.
*i Die Geschichte von Helena ist eingefügt, weil sie dclccta-
bilis et nota inter mirahilia mundi. Z. IV, 219, 36.
*) Rath und Erlaubnis der lirelati ist zu der Arbeit eingeholt.
Z. IV. 250, 29.
') Wenn der von ihm besonders stark ausgebeutete lib. rer.
memorabil. Heinrichs von Hervord den Ketzer Amalricus erst zu
1210 nach Vincenz von Beauvais ruhig sterben, dann zu 1215 nach
Martin von Troppau den Feuertod erleiden lässt, so beseitigt unser
Autor, beide Stellen ausschreibend, den Widerspruch und lässt die
Bemerkung über die Verbrennung weg.
*) Das Kapitel de ortu Thuringornm stimmt zum Theil (Z. IV,
224, 1—4. 224, 21—225, 2. 225, 5—14) wörtlich mit Gottfried von
Viterbo (Mon. Germ. Script. XXII, 300, 33—301, 17) überein. Ebenda
berührt sich unser Autor eng mit der jüngeren thüringischen Land-
grafengeschichte Hist(oria) Kcc(ardiana) , von der Eccardus Hist.
genealog. princip. Sax. 351 flg. nur das Stück seit 1025 gedruckt
hat: diesem geht in der Jenaer Handschrift, die ich Dank der
Liberalität der dortigen Bibliotheksverwaltung benutzen darf, die
Geschichte der Zeit vor 1025 voran, die vielfach mit Martin von
Troppau und der Chr. M., vielfach auch mit der altern Landgrafen-
geschichte bei Pistorius-Struve SS. Rer. German. I, 1296 flg. Ver-
wandtschaft zeigt, übrigens ebenso die Nachrichten durcheinander
wirft, Duplizitäten und Widersiirüche stehen lässt, wie es in dem
bereits gedruckten Theil der Fall ist. Ob den drei Urgeschichten eine
ältere Zusammenstellung zu Grande liegt, wird also zu untersuchen
sein.
Literatur. 327
fresL-lirieben sind, weisen auf diese Stadt als die Heimath der Knni-
pilatioi). Dass er aus der Erfurter Peterscbrouik so wenig entnahm,
wird begreitticb, wenn wir mit W. (Z. IV, 196) seine Verweisungen
auf eine nachfolgende ausführlichere Darstellung auf die Peters-
chronik beziehen, die in der That zu den bezüglichen Jahren mehr
bietet als der L. C. uiul , nach jenen Andeutungen zu schliessen,
mit demselben in einem Baiuie vereinigt wurde. Hinter dem Prolog
hat die W^iesbadener Handschrift — und gewiss aus dem Original
— die Worte: Anno domini 1346 hunc libruni inccpi [Z. IV, 194);
dem gegenüber fällt auf, dass hinter einem Eintrage zu 1270
(Z. IV, 23.S, 28) eine Thatsache als nostris temporibus geschehen
berichtet ist, die in S. P. zu 1276') gesetzt wird; sie scheint im
L. C. einer beträchtlich sjjätern Zeit als 1270 zugewiesen, wie der
Autorauch dem Jahre 1265 seine Zeit als presens Uminis (Z. IV, 2.32)
gegenüberstellt. Oder war der Zusatz noatris temjjoribus '") ebenso
wie die in S. P. fehlenden Worte multo tempore ursprünglich letzterer
Chronik eigen?
So sind wir bereits auf die Frage geführt, in welcher Gestalt
die beiden Hauptwerke der mittelalterlichen Geschichtsschreibung
Thüringens, die Pieinhardsbrnnner Gescliichtsbücher und die Erfurter
Peterschronik, dem Autor des L. C. vorlagen.
Die A. R. weisen bekanntlich viele Stücke auf, die aus Lam-
berts Annalen, den Chroniken Ekkehards und Gottfrieds von Viterbo,
den Annales S. Petri Erphesphordenses (1078—1182), aus Chr. M.
und S. P. stammen. Zuweilen kaum eine Zeile, oft ganze Seiten
lang, sind diese Stücke, wie W. (N. A. 12.3) nachweist, mit anderem
Quellenstoff theils so, dass ein Mosaik entstand, verflochten, theils, ohne
dass Zusammenhang hergestellt ward, eingeschoben, dies wie jenes
meist unter Festhaltung des wörtlichen Ausdrucks, hie und da unter
Beifügung von kleinen Zusätzen, besonders von Verwiiisungen. So
kamen in die A. R. über nicht wenige Ereignisse doppelte Berichte,
z. B. 234, 20-235, 11. Dass eine so massenhafte Entlehnung fremden
Stoffes, die in überall gleicher Weise ein vorliegendes Material an
den verschiedensten Stellen lediglich vervollständigte, damit das
Buch auch recht viel des WJssenswerthen böte, wird man am natür-
lichsten als von einem und auf einmal ausgeführt ansehen. Für
die Beantwortung der Frage, wann sie erfolgt, gewann Wegele den
terminus ante quem aus der wettinischeu Genealogie, die im Anscbluss
an eine Ekkehardstelle, also eins jener entlehnten Stücke, bis auf
Friedrich den Ernsthaften (1.324-1349) geführt wird (A. R. IH, 2); weiter
stammt die Schlussnachricht der A. R. zu 1338 aus dem Eintrage
der Peterschronik zu 1837: also wird Ekkehard zwischen 1324 und
1349, die Peterschronik nach 1337 für die A. R. ausgebeutet, somit
•) S. 162. Zu 1276 berichtet das Faktum auch der Dresdener
cod. K. :il6 fol. 155b, auf den W. (N. A. 130) hinweist und den
nach Schmidt aucli ich Dank der Liberalität der Bibliotheksver-
waltung benutzen durfte, uiul unmittelbar vor 1276 Erph. Antiq.
Varil. (M. II, 489); genauer (ob richtiger?) lassen den Krüppel, von
dem die Rede ist, 1276 geboren sein: Ilist. Ecc. 438, Rothe 445
und Konrad Stolle f. LXXXlIb der Jenaer Handschrift, die einzu-
sehen mir gütigst gestattet wurde.
'») Derselbe Ausdruck S. P. 116. 117. 149.
328 Literatur.
überhaupt das fremde Material nach 1337 und spätestens 1349 ein-
geschaltet sein").
Das unten zu erwähnende Leben des h. Ludwig, nach 1314
geschrieben , zeigt das Reinhardsbrunner historische Material noch
unvermischt (W. E. 25;, dagegen sind im L. C. zu 1070, 1089, 1227,
1258, 1263 Notizen aus Ekkehard, Chr. M., S. P. in derselben Yer-
bindung wie in A. R. selbst zu lesen; nicht gerade vor dem Anfang,
wie W. annimmt, jedenfalls aber vor dem Abschluss der Arbeit am
L. C. muss der Reinhardsbrunner Kompilator fertig gewesen sein.
Als historiae wird sein Werk citiert in den Annales breves de
lantgraviis Thuringie '^), einem noch unter Friedrich dem Strengen
(f 1381) angefertigten Auszuge und in den Excerpten, die sich
Schedel 1507 aus den A. R. machte (W. E. 85. N. A. 105), als
Cronica monasterii Reinh. im Bibliothekskatalog dieses Klosters von
1514, den W, veröffentlicht hat (Z. IV, 284).
Weder der L. C. noch die Ann. brev. noch Sch(edels) Excerpte
gehen auf die einzige uns erhaltene Handschrift der A. R. zurück,
die, nach 1424 geschrieben (A. R. 111), einen arg verstümmelten
Text bietet, sie sind also für die Herstellung des Originaltextes
neben jener zu verwertlien '*). Ob ihr gegenüber alle drei Auszüge einen
Archetypus vertreten oder zwei einen und der dritte einen andern
oder jeder einen besondern, ist kaum zu entscheiden, da der Ver-
fertiger des späteren Auszugs den früheren neben dem Original be-
nutzt haben kann. Dass z. E. Seh. neben den historiae den L. C.
für seine Excerpte aus jenen. verwerthete, wird angesichts der zu
1222 und 1241 vorhandenen Übereinstimmung zwischen L. C. und
Seh.'*) nicht für unmöglich erklärt werden können; auch Seh. und
die Ann. brev. haben einen auffälligen Jrrthum gegenüber der richtigen
Angabe in A. R. gemeinsam '^). Wenn ein bis auf Heinrich den
Eisernen (1328 — 76) reichender Stammbaum der hessischen Land-
grafen in gleichem Wortlaut im L. C. zu 1260, in der Einleitung
der Ann. brev. und bei Seh. zu 1224, aber nicht in A. R. zu lesen
ist, so möchte man vermuthen,dass eine Randbemerkung des Originals
von dem einen Benutzer hier, vom andern dort eingefügt wurde'*).
Welche ßestandtheile sind ferner in den Aufzeichnungen zu
unterscheiden, die der Reinhardsbrunner Kompilator unter Friedrich
dem Ernsthaften mit den fremden Materialien verband?
") Vindiciert man die Schlussnotiz von Schedels Excerpten,
die vom Eintrag der Pet. Chr. zu 1337 mehr giebt als in der Schluss-
notiz der A. R. geboten ist, den ursprünglichen Reinbardsbr. Ge-
schichtsbüchern, so kann man deren Vollendung frühestens 1340
setzen: denn Ereignisse dieses Jahres sind bei Schedel zu 1337 (wie
in S. P.) berührt. W. E. 49. 114.
'^) Eccardus Hist. geneal. princip. Sax. 346 — 52. W. E. 56.
") Dazu noch ein römisches Fragment zum Jahre 1226. W.
Z. n, 227.
'*) W. E. 54. Wenn aber dort doppelte Lesarten bei Seh.
als Spuren der Benutzung von L. C. neben A. R. geltend gemacht
werden, so ist dem gegenüber auf solche doppelte Lesarten in A. R.
selbst zu.verweisen: 67, 8. 230, 29.302, 19.
'*) Über Konrads HI. Beisetzung. Sjpire ist also wohl kein
Zusatz Schedels, wie W. E. 91 glaubt.
'•) Als Abschweifung ist sie bezeichnet L. C. 199 und 206.
Z. IV, 227, 16.
Literatur. 32Ö
Die Hist(oria) br(evis) principum Thuringie (W. E. 79. Mon.
Germ. SS. XXIV, 819) berichtet von Ludwig dem Bärtigen: cum
ditari in eadem cepisset regione \Thmwgew), permissione hnperatcris
et principum quibus id iuris erat concedere edificavit castellum
iuxta Loibam siham Schowenburc nomine ad quod negotium, rex
quam pluriniam partcm eiusdem silve ei anctoritate sua contulit;
wenn aber jemand so viel Land erworben hat, dass er eine Burg
bant, wozu dann, fragt N. 61, „zum Zweck des Bnrgbaues" noch eine
kaiserliche Schenkung? Der in den Zusammenhang der Chronik so
wenig passende Relativsatz ist ganz am Platze in einer ürknnde,
worin Heinrich in. erklärt: Lxdovico... comiti eoncenaimus cdificarc
castellum Scuuonburg in confinio Loibae silvae, ciiius partein
comiüurimam, quam eidcm comiti ad id negotium, pius genitor
noster regia anctoritate donavit, et nos similiter Uli donavimus
(N. 105). Dass derselbe nicht aus der Chronik in die Urkunde gelangt
ist, sondern aus dieser in jene, folgerte O. (28) aus dem Aus-
druck der Chronik: auctoritas, der offiziell für Königsurkunden ge-
braucht, mit dem also in der Hist. br. die Urkunde citiert werde.
Nun gehört letztere zn den 13 Reinhardsbrnnner Diplomen, deren
Unechtheit von N". ans Innern und äussern Gründen nachgewiesen
ist: obwohl aui die Besitzungen des Klosters bezüglich, werden sie
1215 in einer alle Rechte desselben aufzählenden Bulle nicht er-
wähnt, dagegen wird, wie es scheint, auf die Fälschungen bereits
1227 Bezug genommen in einer einen Streit mit Kloster Georgen-
thal erledigenden Urkunde: vielleicht, um in diesem Streite als
Beweismittel verwandt zu werden , wurden sie hergestellt (N. 86).
Nicht alles in den Diplomen Berichtete ist darum unwahr: z. B.
die Angabe der Urkunde Konrads II. (N. 103), wiederholt in der
Urkunde Heinrichs III. und in der Chronik: Ludwig der Bärtige
habe a Gunthero quodam et Bisone alHsque liberis viris Güter er-
worben, hatte man schwerlich Interesse zu erfinden, und sie muss,
wie G. bemerkt, schon vorhanden gewesen sein, ehe die Geschlechts-
namen aufkamen. Mag sie aber der Chronik auch von Anfang an
angehört haben und mag auch N.'s Deutung des "Wortes p)rincipum
als „des Erzbischofs", dessen Burgbaubewilligung ursprünglich ohne
die des Kaisers in der Chronik gestanden habe, unhaltbar sein, so
ist doch in der Chronik ein Nachtrag aus den 1215 wohl noch nicht
vorhandenen Fälschungen von N. sicher nachgewiesen, und da weiter
der 1212 verstorbene Berthold von Ilenneberg als lebend genannt und
die Genealogie der Wettiner nur bis auf Dietrich (1198 — 1221) geführt,
andererseits der Tod Ludwigs des Heiligen (f 1227) und der 12.34
erfolgte Eintritt seines Bruders Konrad in den Deutschorden er-
wähnt ist, so muss man mit W. (N. A. 100) auf eine Überarbeitung
schliessen, die mit dem zwischen 1198 und 1212 verfassten Werkchen
noch vor 1240, dem Todesjahre Konrads, vorgenommen und bei der
wohl ancli der im Gegensatz zum vorangehenden die Töchter ganz
zur Seite lassende Schlussabschnitt zugesetzt wurde "). Dass in
dem Stammkloster der landgräfiichen Familie das Werkchen ent-
stand, ist die nächstliegende Vermuthnng. Der Inhalt desselben
erscheint nun grossentheils in A. R. wieder, jedoch in eigenthümlich
veränderter Form: eine gewaltige Wortfülle ist an die Stelle des
einfachen Ausdruckes getreten.
") Der letzte Satz ist aus dem Eintrag der A. E. zu 1247
noch später beigeschrieben. W. N. A. lOü. 113.
330 Literatur.
Eine zweite Leistung der Reinliardsbruniier Gescliiclitsschreibunn;
sind die Annale», die für die Reiclisgeschichte von 1183 — 1215 höchst
wichtige Nachrichten enthalten. Die genaue Berichterstattung wohl
unterrichteter Zeitgenossen'") beginnt 1183 und wird bis 1197, in
einem zweiten Absatz bis 1215 geführt. Die wörtliche Überein-
stimmung, die zu den Jahren 1209 — 1215 (16?) zwischen A. K. und
S. P. zu bemerken ist, muss mit W. (N. A. 106) daher erklärt
werden, dass in der Petersberger Geschichtsschreibung hier lange
eine Lücke war — wofür wir unten einen Beweis finden werden —
und dieselbe später aus A. R. gefüllt wurde, denn in S. P. fehlen
die Spuren gleichzeitiger Niederschrift, und während in A. R. die
gleiche gut landgräfliche und gut päpstliche wie Otto IV. günstige
Gesinnung vor und nach 1208 zu Tage liegt, ändert sich in S. P.
nach 1208 das Urtheil über Otto IV. völlig. Allerdings bietet S. P.
mehrfach den besseren Text. Vielleicht haben auch diese Annalen
wie die Hist. br. einst für sich existiert. In der verlorenen Mainzer
Sammelhandschrift, aus der Guden die Hist. br. druckte und die,
nach den Titeln der einzelnen Theile zu schlies«en, im 13. Jahr-
lumdert geschrieben war, wie denn das I. Stück derselben viele
llandglossen von einer Hand des 14. Jahrhunderts trug, war eben
dies erste eine „cronica Eusebii" — d. i. wie wir wissen, Ekkehard —
und endete mit 1215 (W. E. .84). Eine Fortsetzung des Ekk. bis
1215 ist nicht bekannt, doch schlössen sich die 1078—1182 reichenden
Ann. S. Petri Erphesf. in verschiedenen Handschriften an Ekkehard
an, und da der Reinhardsbriumer Annalist, der mit 1183 beginnt,
sich wohl au eine bis dahin reichende Darstellung angelehnt haben
wird, so vermuthet W. (Z. IV, 298) in jener bis 1215 reichenden
cronica Eusebii einen um St. Peter- und Reinhardsbrunner Annalen
vermehrten Ekkehard, identisch vielleicht mit der cronica Eusebii
cum additionibus mon. Reinh., aus der Schedel einiges mittheilt").
Schwulst, ganz ähnlich dem, den die Hist. br. bei der Aufnahme
in A. R. erhalten, weisen auch die Reinhardsbrunner Annalen von
1183—1215 auf; auch sie werden also ursprünglich in einfacherem
Stile geschrieben sein-").
Nicht so sehr Landes- und Reichsgeschichte als die Person
des Landgrafen, Ludwig des Heiligen (1217 — 27), nimmt die dritte
geschichtliche Arbeit aus R. zum Mittelpunkt der Darstellung
(W. N. A. 110): Kaplan Berthold schrieb — vermuthlich in R. —
nach des Landgrafen Tode Annalen, die mit seines Herrn Schwert-
'«) Den Ereignissen sehr nahe z. B. A. R. 68, 13. 78, 21.
129, 16 flg. (W. N. A. 106.) 116. 2 flg. ist, wie S. 133 bemerkt, vor
ütto's IV. Exkommunikation, 143, 8 allerdings nach dem 25. April
1217 geschrieben. Zu 1168 ist dagegen aus später Überlieferung
berichtet. W. N. A. 102.
'*) Nachrichten über das 10. Jahrhundert, so dass die Chronik
nicht, wie W. früher wollte, mit dem L. C. idenficiert werden darf,
der das 10. Jahrhundert ganz überspringt (W. N. A. 104. E. 55).
-») Zweifelhaft ist, was W. (Z. IV, 298) vermuthet, dass die
Zuthaten des Überarbeiters mit den Glossen jener bis 1215 geführten
cron. Eusebii in der Mainzer Handschrift identisch seien; wenn er
seine Änderungen zu den Annalen von 1183 — 1215 zunächst als
Randglossen anbraclite, hätte er es mit der im selben Bande be-
findlichen Hist. br. wohl ebenso gemacht; dass diese aber glossiert
wäre, sagt Guden nicht.
Literatur. 331
leite 1218 beginiieii, mit dessen Tode enden und allenthalben den
Augenzeugen verrathen (W. E. ]8). Auch in diesem hörlist werth-
voUen Stücke der A. R. werden jene Stileigenthümlichkeiten. von
^V. (N. A. 114) iiacligewiesen und damit die Annahme einer Über-
arbeitung nahegelegt.
Mitten zwischen Bertholds Annalen finden sich nun in A. R.
zahlreiche Theile der von dem Erfurter Dominikaner Dietrich von
Apolda 1289 herausgegebenen Vita s. Elis(abethe) mit manchen der
A'eränderungen und Zusätze, die ein Keinhardsbrunuer Mönch novis-
sime nach dem Klosterbrande von 1292 in jener Biographie anbrachte
(M. 11, 1987 flg.). Dietrichs Stil ist von dem Verfasser der Reinhards-
brunner Zusätze erfolgreich nachgeahmt, seine Wortfülle noch ge-
steigert worden: hier findet sich die Kumulation der Synonyma, die
Vorliebe für Antithesen und gewisse entlegene Wendungen, für di-
rekte Reden wie in den Annalrn von 1183 — 1227 und in den Stücken,
die den Inhalt der Hist. br. wiedergeben. Die Herstellung einer so
eigenthümlichen Form an verschiedenen Stellen wird man mit W. (N. A.
113— 1!8) um so eher auf einen, eben jenen nach 1292 schreibenden
Reinhardsbrunner zurückführen dürfen, da in derselben auch der
gleiche Gedanke wiederholt zum Ausdruck kommt: Verehrung für
fürstliche Besucher des Klosters, die dessen Vorräthe geschont und
den Mönchen noch etwas dagelassen haben (A. R. 38. 150. ]9f5.
287). Bei solchen Gedanken musste ein Mönch des verarmten
Klosters (A. R. 279) gern verweilen; es entsprach den Verhältnissen,
wenn er seine Brüder zu frommem Wandel ermahnte, den Gott
durch neue Förderung des Klosters lohnen werde, und wenn er
die Gläubigen für das Kloster zu interessieren suchte durch Erzäh-
lungen von Wundern, welche die dort beigesetzten Gebeine des
h. Ludwig gewirkt; viele solche Erzählungen, ganz im Stile der
Vita s. Elis. und der Reinhardsbrunner Zusätze, sind in A. R.
zu lesen.
Es ist an sich wahrscheinlich, dass der „Stilkünstler", wie ihn
W. getauft, bereits selbst aus Bertholds Annalen, Stücken der Vita
s. Elis. und eigenen Zuthaten ein Ganzes machte, dessen Vollendung
ihn dann ermuthigte, auch die älteren Geschichtswerke des Klosters
so zu modeln, dass sie dazu passten. Jenes Ganze kennen wir aus
dem deutschen „Leben des h. Ludwig"^'), in welchem Albrecht des
Entarteten Tod erwähnt und sein Stammbaum bis auf Markgraf
Friedrich — ob den Freidigen oder den Ernsthaften, bleibt unsicher
— geführt, das also zwischen 1314 und 1349 entstanden ist. Als
eine Übersetzung aus dem Latein^-) bezeichnet es der Schreiber,
und mit seiner lateinischen Vorlage ist es bezeugt durch den
Katalog der Klosterbibliothek =**).
^') Herausgegeben von Rückert, Leipzig 1851; über die Ab-
fassungszeit S. XHI. W. E. 33. I. V. 173;.
^^) Über die Zusätze der deutschen tibersetzung W. E. 33. 74.
^*) Vita beate Elisabet et illustris Ludewici Thuringie lant-
gravii etc. ac mariti eiusdem in stilo latino feliciter quiescentis in
Reinhersbron. — Vita beate Elisabet et incliti Ludewici Thuringorum
lantgravii etc. in Reinhersbron pie in domino quiescentis una cum
miraculis eorundem in stilo vulgari (W. Z. IV, 285) ; welche Titel
den Citaten im L. C. 210: Hystoria de utrisque principibus und
bei Nicolaus von Siegen 347, 3(3: Gesta et vita eorundem (nicht
vitac} Lulsprechend, W's. These (E. 3) bestätigen, dass eine lateinische
332 Literatur.
Wir lesen weiter in A. R. zwischen den Wundern am Grabe
des h. Ludwig und den aus fremden Quellen eingeschalteten Stücken
Aufzeichnungen zur Geschichte der Jahre 1231 — 1335, offenbar
Reinhardsbruniier Ursprungs. Sie sollten nach I. V. 17-4 nicht
selbständig, sondern als Zusätze zu dem Eingeschalteten entstanden
sein. Aber auch an ihnen sind Spuren des Stilkünstlers von W.
(N. A. 118) nachgewiesen, und die Häufung relativischer Satzanfänge,
die in den legendarischen Theilen der A. R. (S. 14—16. 227. 264.
265, vergl. M.'ir, 2003 D. 2004 C. 2006 ß.) da auffallt, wo Thatsachen
an einander zu reihen waren, ist auch in jenen Aufzeichnungen
anzutreifen (A. R. 223, 228. 2.n3. 256. 259). Aus dem Inhalt derselben,
für den das Interesse an Sagenhaftem und Wundersamem, an dem
einstigen Wohlstand und der jetzigen Noth des Klosters charakteristisch
ist, wird wie aus ihrer Form als Yerfasser der Mann wahrscheinlich,
den wir als einen naiv-gläubigen, um das Kloster besorgten, seines
Wortschwalls sich freuenden Erzähler schon kennen. Von ihm
werden dann auch die sagenhaften Erzählungen über die früheren
Landgrafen herrühren, von denen die Hist. br. noch nichts hat, z. B.
von Ludwig dem Springer, der Erbauung von Weissensee **) , der
aus Rittern bestehenden Mauer, der Weisheit des Reinhardsbrunner
Abts, dem Sängerkrieg auf der Wartburg etc. (W. N. A. 117).
Dagegen möchten die sanz kurzen Klosternachrichten, grossentheils
Urkundenauszüge (z. B. A. R. 21), da sie bis 1335 reichen, eher
auf den späteren Kompilator zurückzuführen sein, der das Werk
so vollständig als möglich sehen wollte (W. N. A. 127).
Wann hat der „Stilkünstler" gearbeitet? Seine ersten Nach-
richten z. B. zu 1231 klingen wie aus später mündlicher Über-
lieferung, zu 1264 und darnach öfter braucht er den Ausdruck his
diebus (L V. 174), nach 1290 in der Zeit des Klosterbrandes be-
richtet er viel genauer, zuletzt findet W. das Gepräge seines Stils
in einer. Notiz zu 1310 oder, wenn wir eine Nachricht bei Seh. den
historiae vindicieren dürfen, zu 1315; des Stilkünstlers Hand verräth
der Anhang der wettinischen Genealogie (A. R. 92), die bis auf
Friedrich den Freidigen geht; vor dessen 1324 erfolgtem Tode also
war die stilistische Überarbeitung fertig (W. N. A. 121).
Es steht fest, dass in Reinhardsbrunn die Hist. br. und die
Vita s. Elis. in ähnlicher Weise überarbeitet und erweitert sind:
lassen sich nun Stil und Tendenz des Bearbeiters auch an den auf
die Jahre 1231 — 1310 (1315?) bezüglichen Nachrichten und an den
Annalen (1183 — 1227) beobachten, nicht aber an dem aus fremden
Quellen eingeschalteten Material, so ist die vorstehend dargelegte
Annahme W's. über die Entstehung der Reinhardsbrunner Geschichts-
bücher gewiss nicht zu kühn. Vielleicht wird eingewandt werden,
dass die stilistischen Eigenheiten, aus denen so viel zu schliessen
war, auch bei mehreren, zumal Leuten gleicher Schule, vertreten
gewesen sein könnten. Die Leeende vom Probst Sifrid (f 1215)
z. B. , deren Stil des Stilkünstlers ganz würdig erscheint, kann
diesem zugeschrieben werden nur unter der, immerhin nicht nahe-
liegenden, Voraussetzung, dass der in ihr gebrauchte Ausdruck
Biographie des h. Ludwig, das Original der deutschen, nur im An-
schlüsse an die der h. Elisabeth vorhanden gewesen ist.
**) Da der A. R. 35, 25 flg. erwähnte Regensburger Reichstag
im Frühjahr 116S unglaublich ist, so kann hier eine gleichzeitige
Aufzeichnung nicht vorliegen. W. N. A. 102.
I;iteratur. 333
persönlicher Betheiligung: huniandum deportavimus (A. R. 138, 2G,
vergl. 228, 5) aus einer überarbeiteten altern Aufzeichnung stehen
blieb (W. E. 18). Wie dem aber sei, an der grossen Mehrzahl
der Stellen wird durch W's. Aufstellungen der Bestand der Über-
lieferung am einfachsten erklärt^*).
Eine Art Probe machen wir darauf, wenn wir thunlichst ohne
Benutzung der obigen Ergebnisse die Entstehung der Peterschronik
festzustellen versuchen. Der höchst mangelhafte Te.xt, den die
allein zu berücksichtigende Göttinger Handschrift bietet, ist an
vielen Stellen durch die Ableitungen-*) zu berichtigen, oft aber
Icässt sich aus dem vorliegenden Material nicht entscheiden, ob vom
Abschreiber Worte der Peterschronik weggelassen oder von Benutzern
Zusätze gemacht sind *'j. Indem man meist die erstere der beiden
Möglichkeiten bevorzugte, kam man zu der Ansicht, das uns vor-
liegende S. P. sei ein blosses Excerpt aus einem weit reichhaltigeren
Werke. Von den Vertretern dieser Ansicht verlangt S. (173) mit
Recht den Nachweis eines Planes, nach welchem die Verkürzung
stattgefunden: es müsste ein bestimmtes Interesse als massgebend,
das Weggelassene als demselben fernliegend und überhaupt eine
wesentliche Verringerung des ümfanges zu erweisen sein. Nun ist
aber z. B. der Anfang der Chronik 1115 — 1149 im 12. Jahrhundert
nicht umfangreicher gewesen als heute, wie aus dem Pegauer Annalisten
^*) Manches Einzelne wird noch genauer untersucht, der An-
theil der gleichzeitigen Annalisten von dem des Stilisten und dem
des Kompilators sicherer gesondert werden müssen. Z. B. die
Erzählung von dem Traum, den ein Cistercienser bei Inno(;enz' III.
Tode hatte (A. R. 145 und darnach Hist. Ecc. 397), von W. (N. A.
109) für ein Konglomerat aus den Berichten m Chr. M. 19(j und
S. P. 58 erklärt, scheint doch so wohl zusammenhängend und klar,
dass eher in A. R. der originale W^ortlaut und in S. P. und Chr. M.
lückenhafte Auszüge vorliegen dürften. Sicher bietet A. R. alle
Elemente für das, was die beiden andern haben, und aus diesen
die Erzählung in A. R. herzustellen, wäre recht grosses Geschick
erforderlich gewesen. Zu 1245 ist in A. R. 224 — der Text wird
wieder durch Hist. Ecc. 429 gedeckt — viel genauer als in Chr. M.
und S. P. über die sogenannten Pastorellen in Frankreich (vergl,
Gieseler Kirchengesch. II. 2, 648) berichtet. Aus mündlicher
Tradition wird das weder der Stilkünstler noch der Koinpilator er-
fahren haben. Auch zu 1302 haben wir in A. R. 281, 31—283, 5
eine, weder in Chr. M. noch in S. P. vorhandene, Erzählung, bei
der es sich wie bei den zwei vorigen um Cistercienser handelt.
Wie solche Erzählungen fortgepflanzt wurden, sieht man aus S. P.
99, 33. Vergl. die ebenfalls aus unbekannter Quelle stammenden iin
L. C. Z. IV, 235. 237 und A. R. 233, 5—9.
*«) Zusammengestellt von S, (113—11.5), der Stübels Ausgabe
nicht wenige Fehler nachgewiesen und zu dem dafür verwertheten
Material beträchtliche Nachträge geliefert hat; hinzuzufügen sind
Konrad StoUe's Chronik, stückweise herausgegeben von Hesse, und
die Auszüge Schedels im cod. Monac. lat. 593 fol. 113 a — 162 a,
vergl. Hesse in der Zeitschr. d. Vereins f. thür. Gesch. IV (18G1), 119.
*') A. R. 297, 21—23. 302, 14. 233, 5; vergl. S. 164. A. R.
296, 20 stand der Relativsatz in S. P. (153, 7), wie sich aus dem
Dresd. cod. K. 31G fol. 120b ergiebt. Vergl. was oben über die Worte:
nostris temporibus (Z. IV, 133, 28) bemerkt ist.
3o4 Literatur.
erhellt, der ihn benutzte. Soweit als die Chronik heute reicht, ward
sie nicht auf einmal geführt. Die Unterscheidung einzelner Ab-
schnitte, bereits von St. vorgenommen, ist von S. genauer durch-
geführt worden. Wie S. darlegt, wurden aus einer jetzt verlorenen
würzburgisch-mainzischen Quelle im Peterskloster die ersten Auf-
zeichnungen entlehnt, die deshalb mit den eben dorther stammenden
Jahrbüchern von St. Alban verwandt sind, und Annalen von 1103 — 49 *')
angeschlossen. P"ür die Folgezeit stimmen die Erfurter Annales
S. Petri^') mit S. P. vielfach überein; entgegen den bisherigen
Versuchen zur Erklärung dieses Verhältnisses nimmt S. (127) wiederum
eine ältere annalistische Aufzeichnung an, die in beiden Werken
bald nach 1182 benutzt und von jedem für sich erweitert wurde.
Nach 118.) scheint ein anderer Verfasser einzutreten*"); er erzählt
von 1198 an zusammenhängender; ob man ihm auch die eigenthüra-
lich stilisierte wehklagende Erzählung von Phiiipp's Tode verdankt,
bleibt unsicher. Dass hinter 1208 ein Abschnitt war, muss man
schon aus der Notiz zu 1187 schliessen, laut welcher post 1203
anni scripta Nachträge zu 1187 folgen sollten, die freilicii verloren
sind. Für die Folgezeit bis 1254 und wieder 126(5 — 1272 beschränkte
sich, wie aus S's. und W's. Untersuchungen erhellt, die Geschichts-
schreibung zu St. Peter wesentlich auf Lokalgeschichte *'), und was
wir heute von der Welt- und Reiclisgescbichte jener Zeit in S. P.
lesen, ist grösstentheils durch nachträgliche Entlehnung hinein-
gelangt, für 1209 — 15, wie bemerkt, aus den Reinhardsbrunner
Geschichtsbüchern, für 1217 — 19 aus Olivers Hist(oria) Dam(iatina),
für 1219—72 theils aus der Chr. M., theils aus einer andern jetzt
verlorenen Aufzeichnung. Aus dem Nebeneinander originalen und
später entlehnten Materials erklären sich die in S. P. vorhandenen
Duplizitäten"). Die A. E. (1220—54) stimmen mit S. P. vielfach
überein, so jedoch, dass weder Benutzung der Annalen des Prediger-
klosters in der Peterschronik, noch dieser in jenen wahrscheinlich
ist; die Annahme einer von beiden verwertheten Quelle wird somit
nothwendig. Dass dies etwa eine grössere Peterschronik gewesen
sei, kann aus dem gemeinsamen Bestand der beiden Geschichts-
werke nicht begründet werden; wenn vielmehr, wie W. (N. A. 132)
zeigt, der gemeinsame Bestand viermal, ausserdem aber jedes der
beiden Werke für sich viermal das Erfurter Marienstift erwähnt,
desselben also innerhalb 30 Jahren zwölf mal, und zwar zum Theil aus-
führlich gedacht wird, während es in S. P. vor 1220 nur zwei mal be-
="•) Daraus sind besonders werthvoU die Ann. Lothariani (Mon.
Germ. SS. VI, 536—41), deren Verf. nach seinem Sprachgebrauch auch
mit dem Verf. des von 1138—1149 gehenden Theils der Peters-
chronik von S. identificiert wird.
=') Mon. Germ. SS. XVI, 15—20.
*") S. begründet das aus dem gänzlich geänderten Charakter
der Darstellung, sowie daraus, dass eine zu 1185 gemeldete That-
sache zu 1186 nochmals bemerkt wird.
=") Gleichzeitig scheint S. P. 76, 1 aufgezeichnet, weniger,
was S. anführt: 77, 6—10. Auch S. P. 50, 25 muss nur vor Erz-
bischof Siegfrieds Tod (1225), nicht gerade gleichzeitig geschrieben sein.
") Otto's IV. confirmatio (50, 4 u. 9), Innocenz' III. Tod
(57 n. 58), neue Orgeln von St. Peter (70), Ketzerverfolgung
(72 u. 73), Überfall von Mühlhausen (82 u. 84), König Wilhelms Tod
(86). W. N. A. 134. S. 139.
Literatur. 335
rührt ist, wenn weiter in dem gemeinsamen Bestände Mainz recht
hervortritt, so ist zu schliessen, dass im Erfurter Marienstiit, dessen
Probst in engster Beziehung zum Erzbischofstand, Aufzeichnungen
gemacht wurden, die uns theils in der Chronik, theils in den Annalen
erhalten sind. Aus denselben sind vermuthlich noch manche andere
Nachrichten geschöpft, in denen mehr oder minder Chr. M. und
S. P. , dann auch andere Geschichtswerke übereinstimmen, die den
Erfurter Quellen nahe stehen und die bezüglichen Notizen nicht
eins vom andern entlehnt zu haben scheinen '*). Es berührt sich
z. B. L. C. betreffs einer 1250 in einem Teiche aufgefundenen Hostie
enger mit einem Nekrologium des Marienstifts **) als mit S. P. oder
A. E. ; wie diese Notiz, so dürften besonders die den Schluss des
L. C. bildenden Nachrichten über Kloster- und Ordensstiftungen
(Z. IV, 247 — 50) eher im Marienstift, dem kirchlichen Mittelpunkt
Thüringens, als von dem Kompilator des L. C. zusammengestellt
sein, der nicht so fieissig gesammelt zu haben scheint; sie finden
sich theihveise auch in späteren Erfurter Kompilationen, ohne dass
Benutzung des L. C. seitens derselben wahrscheinlich wäre. Dass
es im Marienstift gute Information, auch Anlass zur Geschichts-
schreibung gab, ist schon durch die Stellung desselben zu Mainz
unzweifelhaft, zudem des dortigen Cantor Slag. Hugo politische
Thätigkeit **) uns urkundlich bezeugt ist.
Die Geschichtsschreibung zu St. Peter selbst, die für 1254— 6G
wieder einen etwas weitern Gesichtskreis hat als vorher und nachher,
— S. (141) zeigt, dass sie für 1266—72 das meiste aus Chr. M.
entlehnt — nimmt 1273 einen neuen Aufschwung. Bis zum Jahre
1.313 liegt eine zeitgenössische Darstellung der Reichsgeschichte
vor, die bald mehr, bald minder rasch den Ereignissen folgt, öfters
das Annalenschema verlässt, über die Ereignisse in Palästina wohl
einen schriftlichen Bericht benutzt; auf Absätze zu 1276 und vor
1294 weist S. hin**'). Im nächsten, 1314 — 38 reichenden, aber
frühestens 1340 beendeten Abschnitt (s. oben S. 6 n. 1) wird die
Erzählung erst von 1330 an zusammenhängender. Neben Stücken,
die einer Vita Benedikts XII. entnommen wurden, bietet hier S. P.
'*) Übereinstimmungen zwischen den aus Mainz stammenden
Ann. Wormatienses breves (Mon. Germ, SS. XVII, 74) und Erfurter
Quellen, Chr. M. , S. P., A. E., L. C, auch Sifrids Chronik (ebd.
XXV, 679) sind für die Zeit 1191 — 1249 nachgewiesen von W.
(Z. IV, 206). Auch die Ann. Moguntini (Mon. Germ. SS. XVII, 1)
und Ann. Thuringici breves (ebd. XXIV, 40) bringt \V. mit den
Marien-Annalen in Verbindung, und aus diesen leitet er u. a. ab, was
von späteren Erfurter Chronisten über die Parochialeintheilung der
Stadt zu 1182, von Hist. Ecc. 384 über die Schwertleite Landgraf
Ludwigs in der Erfurter Marienkirche zu 1170 berichtet ist; die
Ortsbestimmung der thüring. Landgrafengeschichte (bei Pistorius-
Struve SS. rer. Germ. I, 1317 c. 27): coenaculum b. Marie virginis
ubi nunc est dormitorium canonicormn möchte auch dortlier stammen.
") Z. IV 201. Mone, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins IV, 253.
*■') W. N. A. 130. Z. IV. 300. Keuss, König Konrad IV. u. s.
Gegenkönig Heinr. Raspe (Wetzl. Gymn. Progr. 1885) S. 7. Rübe-
samen, Landgraf Heinrich Raspe, Halle, Inaug. Diss. 1865 S. 40.
*•) Dass S. P. 133, 11—14; 17—19. 1.39, 22—23 ganz dieselben
Gedanken und Ausdrücke wie 178, 21 — 24. 180, 13—14 sich finden,
ist aufifällig und hätte auch Erwähnung verdient.
336 Literatur.
Nachrichten über städtische Verhältnisse, als deren Quelle eine
Erfurter Lokakhronik von S. erwiesen ist. Diese städtische
Geschichtsschreibung, von deren Autor (oder Autoren?) zu 1.S27 und
1345 Selbsterlebtes berichtet wird"), scheint sich an einen von
Stadt wegen niedergeschriebenen Bericht über die wichtigen Ver-
fassungsänderungen der Jahre 1305 — 10 angesetzt zu haben; dass
sie neben der Geschichtsschreibung von St. Peter herging, erhellt
aus Duplizitäten der späteren Kompilationen und solchen in S. P.
selbst*'); auf jene ,,Rathschronik"' darf man nun viele von den
Notizen zurückführen, die der thüringische Fortsetzer der sächsischen
Weltchronik**) und spätere Erfurter Chronisten über den Bestand
von S. F. hinaus bringen und die bisher aus einem grösseren öampe-
trinum abgeleitet wurden.
Noch nach 1350 war, wie es scheint, die Peterschronik nur in
einer bis 1338 reichenden Redaktion bekannt; denn bis dahin wird
sie von Konrad von Halberstadt in der ersten bis 1342, wie in der
zweiten bis 1353 gehenden Ausgabe seiner Weltchronik ausga-
schrieben *"). Der 8chlussabschnitt 13.39 — 55 wird, wie S. bemerkt,
bei der Genauigkeit der Angaben nicht allzu lange nach den
Ereignissen geschrieben sein. Für spätere Einschiebsel sind daher
die Einträge zu 1373 und 1410*') zu halten.
Wann ist die Peterschronik aus der Chr. M., aus Oliver, den
Reinhardsbrunner Geschichtsbüchern, den Marien-Annalen und der
Erfurter Rathschronik vervollständigt worden? Wer über die Jahre
1273 — 76 so genau berichtete, wie es in S. P. geschieht, hätte gewiss
— so führt S. (181) aus — auch über die unmittelbar vorhergehende
Zeit Mittheilungen gemacht, wenn nicht schon ein bis 1272 reichender
Bericht ihm vorgelegen: er dürfte es also gewesen sein, der die
bis dahin gehende Fortsetzung der Chr. M. für die Peterschronik
ausschrieb, um daran den eigenen Bericht zu schliessen. Betreffs
des aus A. R. entlehnten Abschnitts hat W. (E. 31) auf die grosse
Lücke hingewiesen, die in den späteren Erfurter Kompilationen
*') S. 168: Der Dresdener cod. K. 316 fol. 190b enthält zu
1343 Nachricht von einem monstrum, quod oculis mcis vidi; der
Erfurter cod L 12 (= No. 65 von Herrmann's Bibliotheca Erlurtina)
fol. 58 a erzählt zu 1327 von einem Unwetter die 18 kal. iulü, qua
decantavimus in ecclesia Severiana Erj^hordiae solenniter vigdias
decani. War der Autor vielleicht Canonicus zu s. Severi, wie später
Konr. Stelle?
»«) Dass S. P. 160, 3-6 und 172, 22—27 dasselbe Ereignis
erzählt ist und dies weder 1334 noch 1335, sondern 1336 erlolgte,
wie S. (153) vermuthet, lehren die Verse Hist. Ecc. 455, in denen
um des Reimes willen uno in seno zu ändern ist, was der Dresdener
cod. K. 316 fol. 187a bietet. Auch S. P. 149, 20—22 und 33 Üg. fasst
S. (149) gewiss mit Recht als Doppelberichte auf.
*') Mon. Germ. Deutsche Chron. II, 287.
*») W. Z. IV, 154. 213. Forsch, zur deutsch. Gesch. XX, 279.
*V 1373: S. P. 163, 21. 1410 (nicht 1420): ein Knabe wird
nach 12jährigem Aufenthalt unter Wölfen 1344 gefangen und etwa
80 Jahre alt, S. P. 177. Als drittes Einschiebsel hätte S. noch die
von St. 14 erwähnte, aber in S. P. 113 nicht abgedruckte Nachricht
von einer Missgeburt zu 1384 nennen können.
Literatur, 337
für die Zeit von 1209 bis 1215 besteht*^), mul daraus geschlossen,
dass noch im 15. Jahrhundert S. P. von der Einschaltang aus A. R.
frei war. Daran festzuhalten erscheint vorläufig gerathen; denn die
neuere Annahme, dass die originalen, wenn auch stilistisch über-
arbeiteten Reinhardsbrunner Aufzeichnungen zu 1209 — 15 mit den
Notizen aus Chr. M. etc. noch nicht vermischt waren, als sie in
S. P. übernommen wurden, dass also die Peterschronik in Erfurt
für die Jahre 1209 — 15 aus dem ^\erke des Reinhardsbrunner Stil-
künstlers (nicht des Kompilators !) vervollständigt ward ziemlich zur
selben Zeit, wo eben dieses seiner ganzen Ausdehnung nach vom
Reinhardsbrunner Kompilator mit Stücken aus der Peterschronik
wie andern Werken versetzt ward, ist von "W. (N. A. 110) noch
nicht zur Evidenz gebracht. Was drittens die Hist. Damiat. be-
trift't, so kann man S. (180) zugeben, dass bei der Verwerthung
derselben für S. P. etwas anders verfahren wurde als bei der Ver-
werthung der Ciir. M., und doch den Schluss abweisen, als könnten
Theile von Chr. M. und Hist. Damiat. nicht zur selben Zeit S. P.
einverleibt sein: denn die Verschiedenheit des Verfahrens bei der
Benutzung ist schon aus der Verschiedenheit der Quellen selbst
zu erklären. Vermuthen darf man nur, dass die Hist. Damiat. aus-
geschrieben wurde, ehe das Kreuzzugsinteresse erstarb. Sie wie
die Chr. M. waren bekanntlich bereits in der Peterschronik ver-
werthet, als aus dieser, wie wir sahen, zwischen 1.3.37 (oder 1340?)
und 1349 die Reinhardsbrunner Geschichtsbücher vervollständigt
wurden. Wann und in welcher Ausdehnung Marien- Annalen und
Rathschronik in S. P. Aufnahme gefunden, wird erst dann zu be-
urtheilen sein , wenn durch genauere Untersuchung der späteren
Kompilationen, besonders auch der bloss handschriftlich vorhandenen,
die Beschaffenheit jener beiden verlorenen Werke deutlicher ge-
worden ist.
Nicht bloss für die Geschichte der Historiographie haben die
Untersuchungen, denen wir gefolgt sind, Frucht getragen. Ganz ab-
gesehen davon, dass sie unser ürtheil über den Werth der reichs-
geschichtlich so interessanten Reinhardsbrunner und Erfurter Nach-
richten stark beeinflussen, haben sie unter anderem auch die Tra-
dition von der fränkischen Abstammung der thüringischen Landgrafen
wieder zu Ehren gebracht und die ursprüngliche Lehnsabhängig-
keit derselben von Mainz festgestellt und damit für die mittelal-
terliche Geschichte Thüringens ein wesentlich besseres Verständnis
eröffnet.
Danzig. M. Baltzer.
Kurfürst Moritz und Heinrich II. von Frankreich von 1550—52.
Von Dr. Ernst Schlomka. Halle, Niemeyer. 1884. 4(5 SS. 8".
Verfasser gedenkt zunächst der Veränderungen im Reiche, der
Politik, Stellung und Lage des Kaisers, der Päpste, des Königs von
Frankreich und der deutschen Protestanten seit der Mühlberger
Schlacht 1547, hebt hervor, wie vor allem das Interim, das Ein-
*^) Von dem in A. R. und S. P. gemeinsamen Bestand für
1209—15 (16) hat der Dresdener cod. K. 316 fol. 155 b bloss den
Satz S. P. 54, 15—16; Nikolaus von Siegen 348, 16 nur S. P.
57, .32—33. Durch die Lücke zwischen 1208 und 1216 wird auch
der Irrthum des L. C. (Z. IV, 229, 1) : 1208 statt 1216 begreiflich.
Neues Archiv f. S. G. u. A. VI. 3. 4, 22
338 Literatur.
Verständnis Karls V. mit Papst Julius lil. zur Wiederaufnahme des
Konziles und die Standhaftigkcit Magdeburgs den französischen
König veranlasst habe, den deutschen Angelegenheiten seine Auf-
merksamkeit zuzuwenden, erwähnt die wichtigen Berichte des fran-
zösischen Gesandten Marillac vom kaiserlichen Hofe aus über das
Verhältnis zwischen Moritz von Sachsen und dem Kaiser seit dem
Tage von Halle (1547), über die Erbfolgezwistigkeiten im kaiser-
lichen Hause etc. und macht auf die Folgen der Augsburger Reichs-
tagsbeschlüsse von 1550 aufmerksam. Dann verweilt er bei der
allmählichen Annäherung des Kurfürsten von Sachsen an Frankreich
und beim Zusammenstosse desselben mit dem vom Markgrafen Hans
von Küstriii gestifteten kaiserfeindlichen Fürstenbund (1550). Darauf
behandelt Verfasser die bekannte Februai'zusammenkunft in Dresden
(1551), den Torgauer Vertrag, die Sendung Friedrichs von Roifen-
berg nach Frankreich, die Ankunft des Bischofs von Bayonne Johann
de Fresse in Deutschland, die Verhandlung zu Lochau und den
Bruch zwischen Moritz und Markgraf Hans, die Reise des Mark-
grafen Albrecht von Brandenburg -Kulmbach an den französischen
Hof, die weiteren Festsetzungen zu Dresden, Chambord und
Friedewalde und bescliliesst die Abhandlung mit einer kurzen An-
gabe der politischen Zustände der lothringischen Bisthümer Metz,
Toul und Verdun vor und nach der französischen Einnahme, sowie
mit der Vorführung verschiedener Urtheile über Moritz von Sachsen
als Bundesgenossen Heinrich 11. von Frankreich. — Verfasser bietet
in seiner Abhandlung nur Bekanntes dar; vergebens sucht man
nach Neuem, vergebens nach wünschenswcrthen Ergänzungen oder
zufriedenstellenden Berichtigungen. Das Verdienst der Arbeit be-
steht allein in der ziemlich übersichtlichen Zusammenstellung des
Materiales, wie es sich bei Drulfel, Langenn, Ranke, Maurenbrecher,
Voigt, Cornelius etc. findet. Nicht selten hat Verfasser Bemerkungen
und Urtheile anderer so verwerthet, dass sie fast für eigne gehalten
werden könnten (vergl. S. 8 unten, 9 unten, 1.3, 14, 18 etc.) Ein-
zelne Stellen und "Wendungen verrathen, dass noch kein genügender
Überblick und gründlicher Einblick in die Verhältnisse gewonnen
wurde. Die Abhängigkeit von seinen Gewährsmännern hat des Ver-
fassers ürtheil vielfach gefangen genommen. Das behandelte Thema
bedarf noch weiterer Bearbeitung; allerdings können manche Fragen
und verschiedene Punkte nur mit Hilfe neuen archivalischen Quellen-
materiales gelöst, klargestellt und erledigt werden.
Bautzen. Issleib.
Oybin-Chronik. Urkundliche Geschichte von Burg, Cölestinerkloster
und Dorf üybin bei Zittau. Von Dr. Alfred Moschkau. Mit
6 Abbildungen. Leipa, Joh. Künstner [1884J. 4 BU., 390 SS. 8".
Die bekannte Liebe der Oberlausitzer zu ihrer speziellen
Heimat, zu ihren Bergen, ihrer Stadt, ja ihrem Dörflein tritt unter
anderem auch in der bemerkenswerthen Erscheinung zu Tage, dass
wenigstens in dem südlichen Theile des Landes nur noch sehr
wenig Ortschalten existieren dürften, welche nicht ihre eigne und
zwar in Druck erschienene Ortschronik besässen. Die Verfasser
dieser Spezialgeschichten sind zum grossen Theil Landleute ohne
eigentliche wissenschaftliche Bildung, welche aber mit Bienenüeiss
aus den ihnen irgend zugänglichen gedruckten und ungedruckten
Quellen alles auf die Geschichte und besonders auf die Statistik des
Literatur. 339
bätreffenden Ortes bezügliche Material zusammentrugen und darauf,
meist mit eigenen pekuniären Opfern, eine Lokalgeschichte von
grösserem oder geringerem Umfang veröffentlichten, die nicht bloss
den Ortsgenossen vielfache Belehrung und Freude, sondern auch
der allgemeinen wissenschaftlichen Geschichtsschreibung manchen
werthvollen Beitrag bietet. Auch die vorliegende Schrift verdankt
ihre Entstehung der fast schwärmerischen Liebe des Verfassers zu
dem Oybin, jenem durch seine Gestalt, seine Geschichte und seine
Ruinen gleich interessanten und deshalb von Einheimischen wie von
Fremden gleich viel besuchten Berge südlich von Zittau, an dessen
Fusse der Verfasser seit Jahren eine neue Heimat gefunden und in
dessen Ruinen er jetzt auch ein von ihm selbst gegründetes „Oybin-
Museum" aufgestellt hat. Zwar hat die wechselvolle Geschichte
dieses Berges bereits seit langer Zeit eine eigene, ansehnliche
Literatur über denselben erzeugt; aber der Sammlerfleiss des Ver-
fassers, welcher sich seit Jahren mit historischen Spezialarbeiten be-
schäftigt, hat in der That zu dem schon Bekannten noch gar
manche neuen und schätzenswerthen Einzelheiten aufgefunden und
wollte nun in diesem umfänglichen Buche eine möglichst vollständige
Beschreibung und Geschichte nicht nur des Berges und seiner
Ruinen, sondern auch des erst später am Fusse desselben ent-
standenen Dorfes Oybin liefern. Und dies ist ihm denn auch, von
manchen gewagten Behauptungen und einzelnen Irrthüraern abge-
sehen, wohl gelungen. Überall sind die Quellen, gedruckte wie
ungedruckte, denen er die erzählten Thatsachen entnommen,
verzeichnet; eine Anzahl Lithographien, meist nach alten Kupfer-
stichen, helfen zumal über die einzelnen Ruinentheile orientieren,
und so wird denn das Buch, dessen Widmung Se. Majest. der
König angenommen hat, wie wir hoffen und erwarten dürfen,
nicht nur von Besuchern des Oybins gern gekauft, sondern auch
von Geschichtsforschern und Kunsthistorikern vielfach benutzt
Averden. — Der Verfasser behandelt zuerst die am Oybin gefundenen
Urnen und sonstigen Überreste aus prähistorischer Zeit, sodann die
mehrfache Anlegung fester Steinbauten auf der Höhe des Berges,
von denen aus häufig auch Strassenraub geübt ward, bis sich Kaiser
Karl IV. (1364) ein „Kaiserhaus" daselbst aufführen Hess und bald
darauf (1369) den Cölestinermönchen jenes stattliche Kloster er-
baute, dessen herrliche Kirchenruinen noch beute Touristen und
Künstler entzücken. Die Reformation brachte auch diesem Kloster
den Verfall. König Ferdinand I. von Böhmen verpfändete zuerst
die leergewordenen Gebäude samt den reichen Klostergüteru und
verkaufte endlich (1574) die einen wie die anderen an die Stadt
Zittau. Bald darauf (1577) zündete der Blitz und verwandelte die
Gebäude in die jetzigen Ruinen.
Dr. Knothe.
22*
34Ö tiiteratnr.
Übersicht über neuerdings erschienene Schriften und
Aufsätze zur sächsisch - thüringischen Geschichte und
Aiterthumskunde.
Bar dt, Fr. Ein Bracteat Landgraf Heinrichs von Thüringen
1227—1247: Archiv für Bracteateukimde Bd. I. S. 15 f.
— Zwei Lausitzer Bracteateu : ebenda S. 17 f.
BärwinJcel. Die Restanration der Regler Kirche in Erfurt und die
Geschichte ihrer Gemeinde in den letzten 25 Jahren seit der
Restauration der Kirche. Eine Festschrift zum 25jährigen Ju-
biläum der Restauration und zum 750jährigen Jubiläum des Be-
stehens der Regler Kirche, nebst einem Anhang, einem kurzen
Abriss der Geschichte der Kirche und Gemeinde von ihren ersten
Anfängen an enthaltend, verfasst von Diak. Dr. Lorenz. Erfurt,
Villaret (Komm.). 1885. 83 SS. 8».
Brehmer, W. Lübeckische Studenten auf der Universität Erfurt:
Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte Bd. IV, S.
216—221.
Burkhardt, C. A. H. Stammtafeln der Ernestinischen Linien des
Hauses Sachsen. Quellenmässig bearbeitet. Festgabe zur Er-
öffnung des Archivgebäudes am Karl Alexanderplatze am 18. Mai
1885. Weimar (Thelemann). (IV, 28 SS.) Querfolio.
Conrad, J. Die Entwickelung der Universität Halle statistisch ver-
folgt: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik Bd. XI
(1885). S. 105—124.
V. Criegern. Über den Leumund der Sachsen: "Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung. 1885. No. 40, 41. S. 2:^3 — 236,
241—244.
Deichmüller , Joh. V. Geschichte der naturwissenschaftlichen Ge-
sellschaft Isis in Dresden in den Jahren 1860—1885: Festschrift
der naturwiss. Gesellsch. Isis in Dresden zur Feier ihres 50jährigen
Bestehens am 14. Mai 1885 (Dresden 1885). S. 1—22.
Distel, Th. Zacharias Wehmes sogenanntes Türkenbuch 1582:
Kunstchronik (Beibl. zur Zeitschr. für bild. Kunst) XIX (1884).
Sp. 196 f.
— Urteil Thorwaldsens über den Bildhauer Joh. Herrmann in
Dresden: ebenda XX (1885). Sp. 219 f.
— Sächsische Sandsteine zum Rathausbau in Antwerpen (1563):
ebenda Sp. 413.
— Ein Brief Rauchs: ebenda Sp. 493 f.
— Zwei Kupferstiche des Moritzmonuments zu Freiberg von 1568
und 1619: ebenda Sp. 494.
— Nachrichten über den Maler Christoph Paudiss (um 1660):
ebenda Sp. 542i).
— Der kursächsische Hofmaler Johann Fasold: ebenda Sp. 617 f.
Dittrieh, Max. Neuer Führer durch Meissen, die Albrechtsburg,
den Dom und die kgl. Porzellan -Manufaktur. Meissen, Selbst-
verlag. 1885. 36 SS. 8».
Droysen, G Bernhard von Weimar. Leipzig, Duncker & Humblot.
1885. VIII, 444. VI, 575 SS. 8».
^) Zu Anmerk. 1 sei bemerkt, dass das Bild 1659 entstanden ist.
Distel.
Literatur. 341
Eheling, Frdr. W. Kyaw und Brühl. Zwei historische Porträts
und ein moderner Pressprozess. Leipzig, Th. Frisch. 1885.
190 SS. 8».
Ermisch, H. Ans dem Freiberger Rathsarchiv. Korrespondenzblatt
des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthums-
vereine XXXIII (1885). S. 13—17.
Fritzsche, Chr. H. Aus Gelenaus Vergangenheit: Beiträge zur
ortsgeschichtlicheu Kenntnis Gelenaus. Thum 1885. 93 SS. 8».
GaedeTce, Arnold. Wallensteins Verhandlungen mit den Schweden
und Sachsen 1631 — 1634. Mit Akten und Urkunden aus dem
Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv zu Dresden. Frankfurt a. M ,
Literar. Anstalt. 1885. XII, 346 SS. 8».
Gebauer, Heinr. Dresden und die sächsisch -böhmische Schweiz.
(A. u. d. T. : Städtebilder und Landschaften aus aller Welt No. 5. 6.)
Zürich, Schmidt. (1885.) 90 SS. 8».
V. Grumblcow, B. Illustrirter Führer durch Schloss Stolpen. Histo-
risch und topographisch dargestellt. Mit mehreren Abbildungen.
Dresden, R. v. Grumbkow. 1885. 46 SS. 8«.
Gurlitt, Com. Aus den sächsischen Archiven (I. Wenzel Jamnitzer
und der kursächs. Hof. IL Zur Geschichte der Keramik in
Sachsen): Kunstgewerbeblatt Jahrg. L S. 51 — 53, 188 f.
— Sächsische Goldschmiede: ebenda S. 55.
— Levin Herolt, Glasmaler zu Dresden: ebenda S. 56.
— Martin Koler, Töpfer zu Annaberg: ebenda S. 158.
Hagedorn, A. Joh. Arndes Berichte über die Aufnahme König
Christians L von Dänemark im Jahre 1462 und des Herzogs
Albrecht von Sachsen im Jahre 1478 in Lübeck: Zeitschrift des
Vereins für Lübeck. Gesch. Bd. IV. S. 283—310.
Hasse, E. Geschichte der Leipziger Messen. Gekrönte Preis-
schrift, {k. u. d. T.: Preisschriften gekrönt und herausgegeben
von der Fürstlich Jablonowskischen Gesellschaft zu Leipzig XXV.)
Leipzig, S. Hirzel. 1885. VIII, 516 SS. Ü^.
Herfurth, Bud. Geschichtliche Nachrichten von Zschopau. Wissen-
schaftliche Beilage zum 15. Jahresberichte über das kgl. Schul-
lehrerseminar zu Zschopau. Zschopau 1885. 80 SS. 8".
Hingst, C. W. Geschichtliches über die Kirchfahrt Zschaitz (Ephorie
Leisnig). Döbeln 1885. 42 SS. 8<'.
Karstens, W. Sächsisch - hessische Beziehungen in den Jahren
1524, 1525 und 1526. (Kieler Inaug.-Diss.) Jena, Fischer. 1885.
79 SS. 8".
Kawerau, G. Der Briefwechsel des Justus Jonas. Gesammelt und
bearbeitet. (A. u. d. T.: Geschichtsquellen der Provinz Sachsen
und angrenzender Gebiete. Herausgegeben von der historischen
Kommission der Provinz Sachsen. Bd7 XVIL) 2. Hälfte. Halle,
Hendel. 1885. LVIII, 413 SS. 8».
Knothe, Herrn. Nachträge zur Presbyterologie des Zittauer Weich-
bilds vor der Reformation : Neues Lausitz. Magazin Bd. LXI.
Heft 1. S. 132—145.
— Die ältesten Besitzer der Herrschaft Gabel -Lämberg: ebenda
S. 146—157.
— Zur Genealogie der Berka von der Duba aus dem Hause Mühl-
stein: Mittheilungen des Nordböhmischen Excursions- Clubs VIII
S. 81—100.
Koch, E. Joh. Ileumanns Randbemerkungen zum Saalfelder Kirchen-
342 Literatur.
buclie aus der Zeit von 1614 — 1634. (Progr. des Gymnasium
Bernhardinum zu Meiningen.) Meiningen 1885. 44 SS. -i^'.
Krause, Carl. Briefwechsel des Mutianus Rufus. Gesaramelt und
bearbeitet. Cassel, Freyschmidt (Komm.). 1885. 18, LXVIII,
700 SS. 8".
V. Krosigk, Konrad. ürkundenbuch der Familie von Krosigk. Eine
Sammlung von Regesten, Urkunden und sonstigen Nachrichten
zur Geschichte der Herren von Krosigk und ihrer Besitzungen.
Im Auftrage der Familie von Krosigk gesammelt und heraus-
gegeben. 3. Heft, 1. Abth. Halle a. S., Schmidt. 1885. 122 SS. 8".
Lange, H. 0. Über einen Katalog der Erfurter Universitätsbiblio-
thek aus dem 15. Jahrhundert: Centralblatt für Bibliothekwesen.
Jahrg. IL Heft 7. S. 277—287.
Lehmann, Emil. Der polnische Resident Behrend Lehmann, der
Stammvater der israelitischen Eeligionsgemeinde zu Dresden.
Dresden und Leipzig, E. Pierson. 1885. 75 SS. 8*^.
Lehrs, Max. Carl Schlüter, ein Lebensbild: Zeitschrift für bildende
Kunst. Jahrg. XX (1885). S. 125—134.
V. Mansberg, B. Frlir. Ein Rückblick auf die Tage vom 31. Mai
bis 28. Juni 1730: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger
Zeitung. 1885. No. 48 — 52. S. 281—283, 289 — 296, 301 — 303.
305— .309.
Moschkaxi, A. Die prähistorischen Alterthümer der Oberlausitz und
deren Fundstätten : Neues Lausitz. Magazin Bd. LXI. Heft 1.
S. 79—131.
l'etzholdt, J. Anekdoten aus dem Leben des Königs Johann von
Sachsen : "Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1885.
No. 39. S. 219—232.
— Der König Johann von Sachsen über ZM'eikämpfe: ebenda No. 53.
S. 313—315.
[FoeschelJ. Das sächsische Sibirien: Greuzboten. 1885. No. 25.
S. 607—620.
Meuss, Friedrich. König Konrad IV. und sein Gegenkönig Heinrich
Raspe: Programm des kgl. Gymnasium zu Wetzlar. Wetzlar
1885. 40. S. 1—21.
Michter, Ludivig. Lebenserinnerungen eines deutschen Malers. Selbst-
biographie nebst Tagebuchniederschriften und Briefen. Heraus-
gegeben von Heinrich Richter. Frankfurt a. M., Abt. 1885. V,
472 SS. 80.
[Richter, Otto] Blicke in die Vergangenheit des Waisenhauses zu
Dresden. Festschrift zur Feier des 200jährigen Bestehens der
Anstalt am 8. Oktober 1885. Dresden 1885. 31 SS. 8».
Rüge, S. Ludwig Richters Bedeutung für die sächsische Schweiz:
Jahrbuch des Gebirgs -Vereins für die Sachs. -Böhm. Schweiz II
(1885). S. 22—36, 126—128.
— Chronologische Reihenfolge der Ansichten der Burg Wehlen:
ebenda S. 75—79.
Sammler, Carl. Aus den Gemeindeakten von Pillnitz, Hosterwitz,
Söbrigen und Oberpoyritz: ebenda S. 45 — 61.
Sax, Em. Die Hausindustrie in Thüringen. Wirthschaftsgeschichtliche
Studien. 1. Th. : Das Meininger Oberland. 2. vermehrte Auflage.
(A. u. d. T.: Sammlung nationalökonom. und statistischer Ab-
handlungen des staatswissenschaftlichen Seminars zu Halle a. S.,
herausgegeben von J. Conrad. 2. Band, 7. Heft). Jena, Fischer.
1885. XII, 1G4 SS. 8».
Literatur. 343
Schömoäldcr. Der Budissiner Queisskieis, eine topographisch-histo-
rische Studie (zweite Hälfte): Neues Lausitz. Magazin Bd. LXI.
Heft 1. S. 1—78.
Schwabe, Viktor. Nachricht über die kirchlichen Zustände der
Schwesterparochieu Kleinwaltersdorf und Kleinschirma im Jahre
1884 nebst kleiner Chronik beider Ortschaften. Freiberg 1885.
76 SS. 8»,
Seidemann, J. K. Collectaneen zur Ortsgeschichte: Jahrbuch des
Gebirgsvereins für die Sachs. -Böhm. Schweiz II (1885). S. 80—90.
Steche, E. Beschreibende Darstellung u. s. w. Viertes und fünftes
Heft: s. oben Seite 321.
Taylor, Shephard Thomas. An historical tour: or, the early ancestors
of the prince of Wales of the house of Wettin. London, Williams
and Norgate. 1884. YIIl, 182 SS. S«^.
V. Tettau. Beiträge zu einer vergleichenden Topographie und Sta-
tistik von Erfurt: Jahrbücher der Kgl. Akad. gemeinnütziger
Wissenschafteu zu Erfurt N. F. XIII. Erfurt, Villaret. 1885.
220 SS. 8».
W — e. Ein Besuch des Königs Friedrich August von Sachsen bei
dem Fürsten von Montenegro : Wissenschaftliche Beilage der
Leipziger Zeitung. 1885. No. 70. S. 414—416.
Wiechel, IL Urnenfunde bei Klotzsche und Laussnitz in Sachsen:
Festschrift der naturwissenschaftlichen Gesellsch. Isis in Dresden
zur Feier ihres 50jährigen Bestehens am 14. Mai 1885 (Dresden
18851. S. 12.3—128.
Wustmann, Gustav. Aus Leipzigs Yergangenheit. Gesammelte
Aufsätze. Leipzig, Fr. W. Grunow. 1885. VH, 472 SS. 8».
— Die Leipziger Goldschmiede Hans Reinhart der Altere und der
Jüngere: Kuustgewerbeblatt Jahrg. I (1885). S. 161—168.
— Der Sachs. Medailleur B. L. : Kuustchronik XX (1885), Sp. 489 f.
Bergk Ordnung über die Steinbrüche im Liebethaler Grunde : Jahr-
buch des Gebirgsvereins für die Sachs. -Böhm. Schweiz II (1885).
S. 62—74.
Verzeichnis der die sächs. Schweiz betreffenden Handschriften der
Kgl. öflentlichen Bibliothek zu Dresden: ebenda S. 91 — i»5.
Nachrichten über Benennung der sächsischen Infanterie- u. Kavallerie-
Regimenter; Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung.
1885. No. 69, 70. S. 409-41.3, 417—420.
Wie ist das verschiedenartige Verfahren der sächsischen Heeres-
leitung den preussischen Einmärschen der Jahre 1756 und 1866
gegenüber nach der jeweiligen Situation zu beurtheilen? ebenda
No^ 63. S. 373—375.
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im
Auftrage der „Gesellschaft für sächsische Kirchengescliichte" von
Franz Dibelius u. Gotth. Lechler. 3. Heft. Leipzig, Barth. 1885. 8".
Inhalt: Lechlcr, Die Vorgeschichte der Reformation Leipzigs.
Wold. Schmidt, Zum Gedächtnis D. Georg Benedikt Winers.
Meusel, Die Einwanderung böhmischer Brüder in Grosslienners-
dorf bei Herrnhut in Sachsen. Förster, Sächs. Verordnungen
früherer Zeit gegen den Kleiderluxus. Buchwald, I). Martin
Luthers Deuteronomiumvorlesung vom Jahre 1523. Seifert, Hat
Luther 1517 oder 1518 in Dresden gepredigt.
Vierundfünfzigster und fünfundfi'tnfzigster Jahresbericht des Vogt-
ländischen Älterthuins forschenden Vereins zu Hohenleuben und
344 ' Literatur.
sechster und siebenter Jalireshericht des Geschichts- und Älter-
tlmmsfor seilenden Vereins zu Schleis. Im Auftrage des Direk-
toriums herausgegeben von M. Dietrich. (1885.) 8".
Inhalt: Veckenstedt, Pumphut. Alberti, Die ältesten
Stadtrechte der Reussischen Städte (Schluss). B. Schmidt,
Der Prozess Markgraf Friedrichs des Ernsthaften von Meissen
gegen seinen Vormund Heinrich Reuss d. J. Voigt von Plauen.
Weiss enborn, Die Anfänge der Universität Erfurt und ihr
Rektor Heinrich Reuss von Plauen 1469. Arnold , Nekrolog tiber
Christoph Hermann Moses.
3Iitthcihmgen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Älter-
thumslcimde. Bd. IV, Heft 4. Dessau 1885. 8'1
Inhalt: Stenzel, Urkundliches zur Geschichte der Klöster
Anhalts. Stier, Die Herzöge und Kurfürsten von Sachsen- Wit-
tenberg aus dem Hause Anhalt. Hos aus, Christian Friedrich
Gallerts Briefe an die Fürstin Johanna Elisabeth von. Anhalt-
Zerbst. Blume, Alterthümer in Anhalt. Wäschke, Über den
Namen Mägdesprung.
3Iitthcilungen des Vereins für die Geschichte iind Alterthumslcunde
von Erfurt. Heft 12. Erfurt, Villaret (Komm.). 1885. 8».
Inhalt: Frhr. v. Tettau, Beiträge zu einer vergleichenden
Topographie und Statistik von Erfurt. Werne bürg, Über die
Herleitung der Namen der thüringisch-sächsischen Gaue Suevon,
Hassegau und Friesenfeld. Jaeger, Baurechnungen von Tonn-
dorf und Mühlberg 1.358 bis 1417.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meissen. Des
I. Bandes 4. Heft. Meissen 1885. 8".
Inhalt: Flathe, Die älteste erkennbare Geschichte des
Meissner Lands. Messien, Winkelschulen zu Meissen im 18.
Jahrhundert. Bessert, Aus dem Briefwechsel des Pfarrers von
St. Afra, Johann Tettelbach. Kreyssig, Verzeichnis der Lehrer
an der Lateinschule (Franciscaneum) zu Meissen von 15.39 bis
1800. Loose, Die Schulordnung des Franciscaneums zu Meissen
vom Jahre 1609. Beiträge zur kirchlichen Zucht und Sitte in
Meissen (aus dem Trauregister der Stadkirche). Kleinere Mit-
theilungen.
Mittheilungen des Vereins für Geschichts- und Alterthumskunde
zu Kahla und Boda. III. Bd. 1. Heft. Kahla 1885. 8».
Inhalt: V. Lommer, ßegesten und Jahrbücher der Stadt
Orlamünde. 2. Theil.
Mittheilungen vom Freiherger Älterthumsverein, herausgegeben von
Heinrich Gerlach. Heft 21: 1884. Freiberg, 1885. 8".
Inhalt: Gerlach, Zum 25 jährigen Stiftungsfest unseres Frei-
berger Alterthumsvereins. Gerlach, Bilder aus Freibergs Ver-
gangenheit (No. 4. Freiberg um das Jahr 1620 nach Dilich).
Hingst, Mittelalterliche Sanitätsverhältnisse Freibergs. W er-
nicke, Seltsame Familiennamen des Mittelalters in Freiberg.
Heydenreich, Bibliographisches Repertorium (vgl. oben S. 160).
Nachtrag zu Heft 1.
Unter den auf Seite 22 genannten noch lebenden ältesten Mit-
gliedern felilt Herr Geheim-Rath Dr. jur. Poeschmann (aufgen. 1842).
Register.
Agnes V. Brandenburg, Äbtissin
in Hof 171.
Albrecht (d. Entartete), Mkgr.
V. Meissen 62.
— I, Herzog v. Sachsen 76 f. 83.
— H., Herzog v. Sachsen-Witten-
berg 65. 8.3. 85 f. 89.
— HL, Herzog v. Sachsen-Witten-
berg 86.
— (der Beherzte), Herzog v.
Saclisen 91. 202, 204. 207.
— (V.), Herzog v. Bayern 233. 249.
— (Achilles), Kurf. v. Branden-
burg 174 f. 178 ft;
— Mkgr. V. Brandenburg-Culm-
bacli 215 f. 219. 223. 229 f.
237 ff.
— Herzog v. Preussen 224 f.
229. 241. 246. 308.
— Erzbisch, v. Magdeburg 83.
Aldenberg, Stph., Architekt 252 f.
Allstedt 88.
Altbelgern b. Beigern 197. 199.
205. 208.
Altenberg, Burggrafth. 57. 73.
Altenburg, Burggrafth. 57. 67.
V. Altensee, Georg 231.
Alterthumsverein, kgl. sächs. 1 ff.
Altzelle 32. 207.
— Vincentius, Abt 169.
Am Ende, Bibliothekar 42.
V. Amnion, Überhofprediger 11.
Amstorff, liieren., zu Torgau 204.
Andrich, Oberst z. D. 42.
Anhalt s. Heinrich.
Anna (v. Sachsen), Gem. Ldgr.
Ludwig V. Hessen 169 f.
— V. Brandenburg, Nonne in
Seusslitz 171.
— Gem. Albrecht Achilles v.
Brandenburg 183.
Anna (v. Mecklenburg), Gem.
Wilhelm's H. v. Hessen 97.
Annaberg 321 ff.
Anton, König v. Sachsen 15.
Arnold, Chrph. 218. 223.
Asfhersleben 174.
Aufsess, Frhr. Hans von u. zu 38.
Augsburg 215. 233. 238.
Augsburg. Konfession 270 ff.
August, Kurf. V. Sachsen 64. 74 f.
214 tl. 242. 244. 308 f. 311 f.
315.
Augustusburg 46.
Aussig b. Mühlberg 199. 202. 204.
Badhorn, Leonh. 235.
Balthasar, Mkgr. v. Meissen 66.
Barbara (v. Sachsen), Gem. Mkgr.
Johann (des Alchymisten) v.
Brandenburg 176. 178.
Barby 58. 87 f. 270 f. 273. 278. 296.
Batitz b. Mühlberg 199.
V. Baudissin, Graf, Generalmaj.
a. D. 41 f.
Bauernkrieg 109 f. 129. 138. 140 f.
Bautzen 92. 252. 254. 261.
Bayern s. Albrecht, Ludwig,
Siegmund.
V. Bawmelberg, Ludw. 120.
Beltreru 198. 200. 205.
Belitz 173. 177.
Bensen 195.
Berg 58. 91.
V. Bergow u. Trosk, Joh. 201.
Berka v. d. Duba (a. Linie
Hohen st ein).
— Hinko L 192.
— Hinko II. 192. 195.
— Judith s. Gera. 195.
— Anna s. T. , Gem. desNicol. v.
Kolowrat 195.
346
Register.
Berka v. d. Duba (b. Linie
Wildenstein).
— Albrecht 195 f.
— Hinko s. Bruder 196.
— Benes 208.
— Christoph 209.
— (c. Linie Mühlberg) 190 ff.
— Hinko irr. 191 ff
— Barbara (WvUtic) s. Gemahl.
194 f. 200.
— Hans I. 207.
— Margarethe s. Gem. 201.
— Hinko IV. (Henigke) 201 f.
— Albrecht 201 ff.
— Anna s. Gem. (ireb. v. Ileburg)
202 ff. 207 f.
— Hans II., 202 ff.
— Agnes s. G. (geb. v. Schleinitz)
207 ff.
Berlin (u. Kölln) 176 ff. 185.
Bernau 177. 18.5 f.
Berner, Klaus 218.
Bernhard, Herzog v. Sachsen 76.
Berthelsdorf 268. 289.
Beynhart, Jak , Maler zu Breslau
261.
V. Biberstein, Marschall 207.
V. Bibra, Chrph. 205.
— Hans 201.
Bing, Simon, hess. Rath 214. 218.
224. 240.
Blülier, Past. em. 47.
Bobe, Museumsinspektor 42.
Bogislaw, Herzog v. Pommern
181. 186.
Böhmen s. Diepold , Ferdinand,
Georff, Sieffmund, Wenzel.
Boragk "b. Mühlberg 198. 200.
203. 205. 208.
Börer, Blas., Architekt 256 ff.
Borschitz b. Mühlberg 199 f.
205. 208.
Böttiger, K. A., Hofrath 3 ff.
V. Boyneburg, Ludw. 97.
Brandenburg 174. 176 f. s. Agnes,
Albrecht , Anna , Barbara,
Dorothea, Erasmus, Friedrich,
Joachim, Johann, Katharina,
Margaretha.
— (Bramburg), Erasmus, Propst
zu Berlin 179.
Braunschweig 215 f. s. Heinrich,
Katharina.
Brena, Gralsch. 57. 65 f. 77. 90.
Breslau 181 f.
Bressewicz, Hans 199.
— Heinrich 199.
Bressnitz b. Mühlberg 205.
Blosse, Joach. Hannib., Glocken-
giesser 263.
Brück 174 f.
V. Brühl, H. Graf, Premierminister
265 ff. 272 f.
— Gräfin 266.
— Oberstallmeisterin 266.
Buchholz 34.
Bufler 235.
Burchard, Bisch, v. Halberstadt
174.
— Geo., Goldschmied 262.
V. Burgsdorf, KarlGottl., Kanzler
zu Zeitz 266 ff.
Burgund s. Philipp.
Burxdorf b. Mühlberg 197—208.
Büttner, Museumsinspektor 42.
Cambrai 228. 243 f.
V. Carlowitz, Generalmajor 41.
Maxen, Legationsrath 41.
Cavertitz b. Strehla 199. 205.
Chlumec in Böhmen 201.
Christian I. Kurf. v. Sachsen 31.3.
Christian, König V. Dänemark 180.
Christina (v. Sachsen), Gem.
Philipps, Ldgr. v. Hessen 97.
Christoph, Herzog von Württem-
berg 219.
Chrosner, Alex., Mag., Hofprediger
111. 114. 129 ff.
Cleve 58. 91.
Gliben (Wald b.Mühlbg.)199. 208.
Cossdorf b. Mühlberg 197. 200. 208.
Cossilenzien b. Mühlberg 197.
Cromer, Hans, Bildhauer 260.
V. Cronberg, Hartmann 120.
Dänemark 222. 233 ff. 243 f. siehe
Christian.
Diepold, Herzog v. Böhmen 65.
Dietrich v.Sommersenburg,Mkgr.
V. Meissen 55. 62.
— der Bedrängte, Mkgr. v.
Meissen 61.
Diezmann, Mkgr. v. Meissen 33.
59. 92.
Dirr, Christian, Goldschmied 314.
— Ernst Casp , Medailleur 314.
— Georg, Hofmaler 314.
— Hans, Goldschmied 312 ff.
— Joh., Kupferstecher 314.
V. Diskau, Hans 231.
Register,
347
Dittmann, Dr. 18.
Dohiia, Marienkirche 18.
Döring , Math. , Provinzial der
Franzisk. 171 fi".
Dorothea (v. Brandenburg), Gem.
Johanns v. Sachsen u. Lauen-
burg 177. 179 f.
Dresden ü ff. 46. 316 ff. Sophien-
kirche: 18. 46 Prinzenpalais:
20. 24. 42. Palais im Grossen
Garten: 27 f. 28f. 32.43. ßar-
tholomäuskapelle: 28. Kreuz-
thurm: 814 f.
Dröschkau b. Mühlberg 199. 208.
Ebert, Ad., Oberbibliothekar
6 f. 10 ff.
Eberus, Paul, Dr. 309.
Ehrenfriedersdorf 324.
Eichler, Kasp., v. Zittau, Maler.
Eilenburg 64.
V. Eilenburg (Ileburg), die Herren
196.
— Botho 197.
— Anna, s. Berka.
— Otto 196.
V. Einsiedel, Detlev Graf,Kabinets-
minister 7 .
Eisenberg, Herrsch. 57. 72 f.
Elisabeth (v. Hessen), Gem. des
Herzoürs Johann v. Sachsen
97. 114.
Emmerich, Georg, Bürgermeister
V. Görlitz 257.
Engelhardt, Dr., Hofrath 18. 23 f.
Engern 58. 66. 90.
England 219. 222. 243 f.
Erasmus , Mkgr. v. Brandenburg
177 ff'.
— (v. Rotterdam) 115. 135.
Erbstein , Adv. , dann Archivar
18. 23. 36.
Erfurt 231 f. Historiographie 325 ff.
Erich , Herzog von Pommern-
Stettin 180.
Ermisch, Dr., Archivar 42.
Ernst, Herzog v. Öachsen-Koburg
219. 222.
— kurf.'v. Sachsen 202. 204. 207.
Ezard, Graf v. Frieslaud 142.
Falke, Job., Dr., Archivar 42. 47.
Falkenstein, Hotrath 11 ff".
Ferdinand I., König 219. 233.
236. 279 f.
Fichtenberg b. Mühlberg 198ff. 208.
Filcz (Fielicz), Gebhard 199.
V. l'lotow, G., Geh. Finanzrath 7.
Francke, A. H. 158 ff.
Franczsch, Drewus 199.
Frankfurt a. 0. 176.
Frankreich s. Heinrich.
Freiberg 160 ff. Dom: 19. 2H.
.30. ff. 46.
de Fresse (Fraxineus), Job., lüsch.
V. Bayonne 224 tY. 229 f. 237 ff.
Friedewalde 242.
Friedrich v. Brena 65.
— (Tutta), Mkgr. v. Meissen 64.
— (d.Freidige), Mkgr. v. Meissen
66. 89.
— (d. Ernsth.), Mkgr. v. Meissen
63 f. 67. 71 f.
— (d. Streitb.), Kurf. v. Sachsen
65. 72. 74. 86 f. 89. 169 f.
— H., Kurf. V. Sachsen 170.
173 f. 191 ff.
— (d. Weise), Kurf. v. Sachsen
97. 255.
— L, Kurf. V. Brandenburg 173.
— n., Kurf. V. Brandenburg 1 69 ff.
— (d. Fette), Mkgr. v. Branden-
burg 175. 178.
— Bisch. V. Lebus , brandenb.
Kanzler 187.
Friedrich August I. , König v.
Sachsen 7. 93.
H., König V. Sachsen 5 ff.
— — Herzog zu Sachsen .50.
Friedrich Wilhelm, Herzog zu
Sachsen, Administrator 313 f.
V. Friesen, Frhr., Kammerherr
31. 33.
Friesland s. Ezard.
Fürstenwalde, Dom 207.
Gautsch, K., Advokat 37.
Geldern s. Karl.
Georg, Herzog v. Sachsen 94 ff.
203 f. 206 ff. 259 f. 263. 320 f.
— Prinz 39 ff.
— (Podiebrad), König v. Böhmen
193.
— Herzog v. Mecklenbg. 216. 250.
V. Gersdorf, Oberamtshauptmann
266. 269. 273 ff.
Gesamtverein der deutschen
Geschichts- und Alterthunis-
vereine 38.
Geyer 47.
Glashütte 19.
348
Register.
Görlitz 251 ff.
Gotha 110.
Granvella 248.
Groh, Fast., v Berthelsdoif .S02.
Grohmanii, K. G., Hofsekretär
8. 23.
Grossenhaiu 208,
Gross-Hennersdorf 266. 269. 275 f.
280. 286. 288 ff.
Gross-Krausche b. Bunzlau 289.
Grossschirma b. Freiberg 207.
Gutbier, Adv., 24.
Hake, Ursula 186.
Halberstadt 174. 212 f. 229 siehe
Burchard.
Halle 81. 83. 175.
Hamburg 180.
llan, Lucas, v. Görlitz, Maler 261.
Hartmami, Ferd., Direktor der
Kunstakademie zu Dresden
7. 12. 16. 18.
Hase, Hofrath 11 f. 16, 18.
Hedwig, Gem. Johanns I. vou
Liegnitz J82.
Heide b. Elsterwerda 199. 208.
V. Heideck, Hans 218 ff'. 223. 240.
Heilbronn , Peter v. , Baumeister
2fi0.
Heinrich (d. Erlauchte), Mkgr. v.
Meissen 61 f. 77. 88.
— Sohn Kurfürst Friedrich des
Steitb. V. Sachsen 169.
— (d. Fromme), Herzog v. Sach-
sen 5G.
— TII., deutscher König 67.
— V. Anhalt 76. 80 f.
— Herzog v. ßraunschweig 187.
215.
— IL, König V. Frankreich 214.
216. 219, 222 ff'. 388.
— Herzog v. Mecklenburg 180.
182. 224 f. 229. 246.
Henneberg, Grafsch. ?>S. 74 f.
Hennersdorf s. Gross-Hennersd.
V. Hennicke, Graf, Konferenz-
minister 266 ff".
Hermann L, Ldgr. v. Thüringen 68.
Hermann , Dr. , Oberhofprediger
273 ff.
Herrmann, Georg, Architekt und
Bildhauer 260.
Herrnhut 264 ff.
Hessen s. Anna, Christina, Elisa-
beth, Ludwig, Philipp,Wilhelm.
Hettner, Herrn. 41.
Heuchler, Architekt 31.
Heydenreich, Dr., Konsistorial-
rath 277. 281. 284 f. 287.
291. 296. 301. 305.
Hilger, Andreas und Martin,
Glockengiesser 262 f.
Hillersleben 216.
Hof, Kloster 171.
Hohendorf 205.
Hohenstein 191 f.
Holtzendorf, Graf, Oberkon-
sistorialpräsid. 276. 280. 284 ff.
V. Honsberg, Barbara 172.
Ingolstadt 238.
Innsbruck 232 ff. 248 f.
Joachim IL, Kurf. v. Brandenbg.
212 f. 215 f. 219. 233.
Johann, Herzog v. Sachsen-
Lauenburg 76 f. 83. 85. 89.
— Herzog v. Sachsen-Lauenburg
180.
— (d. Best.), Kurf. v. Sachsen
67. 73. 97. 108. 110. 114. 255.
— König V. Sachsen 7 ff".
— (d. Alchymist), Mkgr. v. Bran-
denburg 174 f. 180.
— Mkgr. V. Brandenburg-Küstrin
215. 217 ff.
— Mkgr. V. Brandenburg (Sohn
Kurf. Friedr. II.) 177 f.
— Mkgr. V. Brandenburg 181.
186 f. 207.
— IV., Bisch. V. Meissen 191. 194.
— V., Bisch. V. Meissen 202.
— VI., Bisch. V. Meissen 255 f.
— Bisch. V. Merseburg 194.
Johann Albrecht, Hrzg v. Mecklen-
burg 219 f. 222. 224 f. 229.
240 f. 245. 248.
Johann Ernst, Herzog v. Sachsen-
Koburg 246.
Johann Friedrich, Kurf. v. Sach-
sen 56. 73. 91. 108 f. 218. 227.
234. 246.
(d. Mittl.) , Herzog v.
Sachsen 74. 220. 227. 246.
Johann Georg I. , Kurf. v. Sach-
sen 92.
IL, Kurf. V. Sachsen 87.
Johann Philipp, Kheingraf 230.
236 ff".
Jülich 58. 91.
Jung, Dr., 234.
Registef.
349
Ivarl IV., Kaiser 63. 86. 92. 192.
196. 198.
— V., Kaiser 210 ff.
— Herzog v. Geldern 142.
Katharina v. Brandenbg., Äbtissin
in Hof 171.
— (v. Braunschweig), Gem. Kurt".
Friedr. des Streitbaren von
Sachsen 169.
— (v. Sachsen) , Gem. Kurf.
Friedr. H. v. Brandenburg
169 fi".
Kersten, Aktuar 289. 293. 298.
Keyl, Museumsinspektor 29.
Kilian, Meister, Steinmetz 234 f.
Kirchberg, Burggraf v. 57. 73 f.
Ivlemm, Dr., Hofrath 19. 23. 31.
41. 45.
Kliugenberg (b. Mühlberg?) 199.
Klingenhain b. Strehla 205 f.
Klösterlein b. Aue 46.
Knobloch, Janko, Hauptmann zu
Hohnstein 191.
Köber, Johann Friedrich 268 fi".
Koch, preuss. Oberhotprediger
275 f. 289.
V. Kochberg. Bernhard 194.
V. Köckeritz, Heinrich 199.
— Konrad 199.
— Nickel 199.
Koller, Wolfg. 235.
V. Kolowrat, Albrecht, Herr auf
Liebstein, Kanzler 261.
— Jhan 196.
— Nickel 195 s. Berka.
Konrad, Mkgr. v. Meissen 60.
— Landgr. v. Thüringen 68.
Köttlitz b. Mühlberg 197. 201 f-
205.
Kram, Franz, Dr., sächs. Ratli
234. 249.
Kramer, Hieron. 314.
Kreinitz b. Strehla 199.
Kreuzburg a. Werra 108 f.
Kröbeln b. Mühlberg 198.
Krüger, Prot. 18. 26 f. 29.
Kühnel 301 tf.
Kula, Günther 199.
van Laer 269. 288. 298.
Landsberg, Mark 59. 64.
V. Langenn, Geh. llath 23. 26 f.
35 ff. 41. 45.
Langenrieth b. Mühlberg 197. 208.
Langensalza 116. 135 tf.
Laubanisch (Laurisch), Urban,
Architekt 256.
Lauchstedt 88 f.
Lauenburg 89 f.
Layriz, Serainardirektor in Herrn-
hut 295. 299.
Lebus s. Friedrich.
Lehmann, F. L., Maler 34.
Lehndorf b. Mühlbg. 197. 203. 205.
Leipzig 3. 10. 33. 311.
Leisnig 202.
Leuben b. Dresden 19. 46.
Leyser, Hofrath 276. 291. 298. 305.
Liebenwalde 177.
Liegnitz s. Hedwig 182.
V. Lindenau, Staatsminister 11.
V. Lindow, Graf Albrecht, Herr
V. Ruppin, Hauptm. der Neu-
(Mittel-) mark, 174.
Löbau, Job. u. Niklas v. , Gold-
schmiede 262.
— Siegmund v., Maurer 252.
V. Loben, Landeshauptmann 277.
289. 298. 300 f.
Lochau 224 ff.
Lorenz, Steinmetz in Zittau 259.
Löwe, Prof Dr. 23 f. 42.
Lübeck 180.
Luckau 92.
Lücke (Wüstung) b. Mühlberg 199.
Ludwig IV., Kaiser 67. 70.
— Landgr. v. Hessen 170.
— Landgr. v. Thüringen 68.
Lüneburg 180.
Luther, Martin 98 ff. 157 f 309.
320 f.
Magdeburg 58. 77. 80 ff. 173 f.
212 ff'. 215 ff. s. Albrecht,
Wilbrand.
— Joh., Dompropst z. Naum-
burg u. Meissen 194.
Major, Georg 309.
V. Maltitz, Friedrich 194.
Mansfeld, Hans Georg Graf zu 315.
— Christof, Graf zu 315.
V. Manteuffel, G. A. E. Frhr.
7 f. 11.
Margaretha, Gem. Kurf Friedr. II.
V. Sachsen 193.
— Tochter Kurf. Friedr. 11 v.
Brandenburg 177. 179 ff.
Maria, Gem. Karl V. 248.
Marienberg 321 ff.
Marieustern s. Mühlberg.
350
Register.
Mark, Grafsch. 5S. 91.
Marschall, Gerhard 198.
— Hans 198 f.
— Jür^e 198.
— Ludolf 198.
Martinskirche b. Mühlberg 197.
199. 203. 205.
Marzahn b. Treuenbritzen 175.
Mathias, König v. Ungarn 181 f.
Maximilian , König v. Böhmen
219. 249.
Mecklenburg s. Anna, Georg,
Heinrich, Johann Albrecht,
Meissen 252. Bauten 34 f. 45 f.
254 IT. 260. Mark 57. 59 f[.
s. Albrecht, Balthasar, Dietrich,
Diezmann, Friedrich, Heinrich,
Konrad, Otto, Wilhelm. Stift
212 s. Johann.
Meissner, Präsident 21. 27. 31.
Melancbthon 98 f. 120. 149 ff. 235.
.308 f. 3-21.
Mentzius, Baltli. 149 ff.
Merseburg 59 f. 212. s. Johann.
Merlitz b. Lommatzsch 205.
Metz 228. 243 f.
V. Michelsberg, Job. 195.
V. Mila, Bernh. , Landhofmeister
220.
V. Miltitz, Überhofmeister?. 11. 13.
— Ilse, 172.
V. Minkwitz auf Sonnenwalde 99 f.
— Nikol. 100 ff. 117 ff. 128.
Mittenwalde 17.3. 177. 185.
Möglenz b. Liebenwerda 197.
Möller, Jost, Baumeister 256.
Mönch, Albrecht 199.
— Christoph 205.
— Hans 199. 201. 203. 205 f.
Moritz, Kurt', v. Sachsen 64. 210 ff.
312. .338.
Moritz Wilhelm, Hrzg. v. Sachsen-
Zeitz 159.
Mühlberg 190 ff. 312. Kloster Ma-
rien (Gülden-) stern 200 ff.
Mühlhausen i. Th. 142. 231 f.
V. Mühlingen, Grafen 87.
Mülich, Wolf 220.
V. Nassau, der 120.
Nauen 185.
Naumburg 220.
Neisser, Augustin 301. 302 f.
— Wenzel 274.
Niederlausitz 58. 91 f.
Niemegk 174 f.
Niesky 278.
Nitschmann, David, Syndikus
280. 295. 297. 302.
Noerner, Stadtgerichtsaktuar 18.
Nollau, Oberfinanzeinnehmer 24.
Northus, Maler 24. 29.
Nossky, Präsident 24. 42.
V. Nostiz und Jänkendorf, G. A. E.,
Konferenzminister 7.
Nürnberg 101. 120. 127 f.
Oberlausitz 58. 91 f.
V. Odeleben, Frhr. 27 f.
Oderberg 177. 18.5.
Oeltzschaub.Mühlbg. 199.203.205.
Opach (Wald) 199.
Orlamünde, Grafsch. 57. 71 f.
Oschätzschen b. Liebenwerda 198.
203. 208.
V. Osse, Melchior 233.
Osterland 57. 59. 61.
Otto, Mkgr. V. Meissen 60.
— V. Brena 65.
Oudenarde 309 ff.
V. Pack, Otto 137. 145. 319 f.
Packisch b. Mühlberg 199.
Paussnitz b. Mühlberg 205.
V. Pfaffenberg, Chrph. 203.
Pfalzsachsen 8. 58. 88 ff.
Pflug, Ad. 249.
Ptiuger, Konrad, Architekt 252 ft'.
Pfuhl, Joh., Kaplan 186.
Philipp (Sohn Karls V.) 215.
— Herzog v. Burgund 181.
— Landgr. zu Hessen 94 ft. 211 ff.
319 f.
Pirna 312.
— Eisengruben bei 203.
— Peter v., Architekt 259.
Plassenburg 175.
Pleissnerland 57. 66.
Plotha b. Mühlberg 199. 203.
Polen s. Sigismund August.
V. Polenz, Christoph 99.
Pommern s. Bogislav , Erich,
Wartislav.
Pöschmann, Dr., Amtsaktuar 24.
Posse, Dr., Archivar 42.
Potsdam 173.
Poyden, Heinze 199.
Preuss, Georg 205.
Preussen s. Albrecht.
Prieschke b. Liebenwerda 199. 208.
Register.
351
Pyrner, Greg, Goldschmied 262.
Puschwitz b. Beigern 199.
V. Quandt, J. G., 6 f. 12. 15 f.
Quedlinburg 174.
V. Querfurth, die Edlen 42. 80.
83 f. 19(3.
Ravensburg, Grafsch. ö8. 91.
Reichenhain b. Elsterwerda 199.
V. Reifenberg, Friedr. 222. 224.
226. 229.
ReinhardsbrunnerHistoriographie
325 ü:
V. Reitzenstein, Oberhofmarschall
30 f.
Renner, Inspekt., Restaurator 16.
Rex, Graf, Geb. Ratb 273. 281.
Rietschel, Prof., 33.
V. Rochow, Wichard, a. Golzowl74.
Rolle, Maler 39. 42. 45.
V. Römer, R., a. Neumark 13. 18. 23.
Rosskopf, Wendel 255. 259.
Rouvroy, K. H., sächs. Kap. 309 ff.
Rudolf, König 65. 77. 89.
— I. Herzog v. Sachsen 86 f.
— III. Herzog von Sachsen 85.
148 ff. 174.
Runge, Nickel 199.
Saarmund 173.
Saathain b. Elsterwerde 206.
V. Salhansen, Anna 172.
Sachsen 58. 65. 76 ff. s. Albrecht,
Anna, August, Barbara, Bern-
hard , Christian , Elisabeth,
Friedrich, Friedrich August,
Friedr. Wilhelm, Georg, Hein-
rich, Johann, Joh. Ernst, Job.
Friedrich, Joh. Georg, Katha-
rina , Margaretba , Moritz,
Moritz Wilhelm, Rudolf, Sieg-
mund, Sophia, Wenzel, Wilh.
Saupsdorf 195 f.
V. Schachten, Heinr. 214. 218. 240.
— Wilh., hess. Rath 214. 218. 224.
Schäfer, Arn., Dr. 24.
— Wilh., Dr. 23. 25. 28 f. 37.
Scharfenstein, Herrschaft 193.
Schellinger 288. 298.
Schüffner, Alb. 13. 18. 23.
V. Schlcinitz, Anna s. Berka.
— Friedrich 199.
— Heinr., Obermarschall 207.
— Hugold auf Kriebstein, Ober-
marschall 207.
V. Schliefen, Georg, Hofmarschall
174.
Schmidt, Adv. 42.
Schneeberg 46.
Schneeweis, Christ. ,Goldschm. 31 4.
— Jonas, Maler 314.
— Urban, Goldschmied z. Dresd.
262. 314.
V. Schönleld, Junge 201.
Schotte, Eckarius 194.
Schrawtenbach, Balth. 118.
Schreiber, Oberlieut. 23. 29.
V. d. Schulenburg, Bernd, Haupt-
mann d. Altmark 174.
Schulz, H. W., Dr., Geh. Hofrath
23. 29. 31.
Schuricht, Oberlandbaumeister 1 2.
Schwad, Konr., Architekt 256.
Schweditz b. Mühlberg 199. 201.
205.
Schwedler, A., Goldschmied 314.
V. Schweiniz, Geo. Albr., auf
Obersteinkirch 265.
V. Schwendi, Laz. 232. 239.
Segnitz, Finanzarchivregistr. 24.
V. Seidewitz 266.
— Georg 203. 205.
— Kaspar 199.
— Kune 199.
Seid, Vizekanzler 2.33 f.
Semper, Gottfr. 34.
Seasslitz, Kl. 170 ff.
Seydewitz b. Mühlberg 205.
V. Sickingen, Franz 100.
Siegmund, Herz. v. Bayern-Mün-
chen 182.
— Kun. V. Böhmen u. Ungarn
192. 196.
— Herzog v. Sachsen, Bisch, v.
Würzburg 170. 174.
Sigismund August, Kön. v. Polen
233.
V. Skal, Henico 195.
Sonnenwalde 99 f.
Sophia, Gemahl. Christian I. von
Sachsen 313.
— (v. Henneberg), Gem. Burg-
graf Albrechts V. Nürnberg 174.
Soral)icus limes 58 f.
Spandau 177.
V. Spangenberg, Geo. 265.
Spiegel, Hans, Hotmeister 186.
Stapel, Baurath 42. 45.
Staritz b. Mühlberg 199.
Steche, Dr., Prof. 41. 44.
352
Register.
Stehla b. Belgien 197. 205.
Steiiibach, Gabr. 201.
— Hans 201.
— Nickel 201.
Steinhofer, Mag. 289. 295. 299.
300. 30.S.
Stendal 185.
V. Stieglitz, Dr., Appellationsrath
2.3. .S7.
Stieglitzer, Albr., Steinmetz 256.
259.
Streiüa 198.
Swoffheim, Dr. Job., bischöfl.
Official 191.
Tangermünde 176. 178.
V. Taubenhaim, Geo. 137. 145.
Taupadel, Otto 199.
Teller, Prof. 277. 293. 296. 306.
Tliieme, Dan. 258.
— Christoph , Rektor d. Univ.
Leipzig 258.
Thoss, Job. 205.
Thüringen 325 ff. s. Hermann,
Konrad, Ludwig.
Tirold, Albr. u. Yalten, Gold-
schmiede 262.
Tollenstein- Schluckenau , Herr-
schaft 195. 207.
Torgau 191. 221.
Toni 228. 243 f.
Tournai 310 f.
Trebbin 173. 177. 185.
Treptitz b. Strehla 205.
Treuenbrietzen 173 f. 177. 185.
Trient, Konzil zu 234 ft'.
Trott, Adam 218.
Trütschler, Hans 199.
V. Turgaw, Christoph 199.
Ulm, das h. Grab 258.
Ungarn s. Mathias.
Vach, Kloster 116. 135 ff.
Yerdun 228. 243 f.
Verein der sächs. Alterthums-
freunde 18 ff.
Voigt, Dav., Dr. 308.
Vincentius s. Altzelle.
Walter, Christoph, Architekt 260.
Walther, Hans, Bildhauer 315.
V. Wartenberg, die, a. Tetschen 195.
Wartislav, Herz. v. Pommern 181.
V. Watteville (sen.), Baron 274.
289 f. 297 f.
V. Watteville, Joh. , Bischof der
Brüdergemeine 291.
— Benigna (geb. Zinsendorf), s.
Frau 266.
V. Weber, Karl, Dr., Geh. Rath
41. 47 f.
Weickhmann, Dr., Prof. 276 f.
293. 295 f. 305.
Weinhold, Mich., Glockengiesser
263.
Weiss, Ludw. 291.
Wendisch-Borschitz b. Mühlberg
205.
Wenzel, König v. Böhmen 195.
— Herz. v. Sachsen- Wittenb. 148 ff.
Wessenig, Friedr. 193. 203.
— Hans 205.
Westfalen, Wappen 58. 90.
Weyfle, Philipp 120.
Wilbrand; Erzbischof v. Magde-
burg 83.
Wildenstein, Herrsch. 195.
Wilhelm (IIL), Herz. v. Sachsen
173 ff". 191 ff.
— (IL), Landgr. z. Hessen 97. 137.
— (III.), Landgr. z. Hessen 217.
219 f. 224. 228. 230. 237 ff".
Wilmersdorf, Kath. 186.
— Libor. 186.
Winsheim, V., Dr. 309.
Wissagk (?) 198.
Wittenberg 174 f. 255. 308 f.
v. Witzleben, Generalmajor 42.
Wohlgemuth, Michael 16 f.
Wviltic s. Berka.
Würdenhain b. Liebenwerda 198 f.
200. 208.
Württemberg s. Christoph.
V. Würzburg, Konrad 63. Bisch.
s. Siegmund.
Zech, Geh. Rath 274. 290. 306.
V. Zedlitz, Siegmund, auf Neu-
kirch 261.
V. Zehmen, K., Oberhofgerichts-
rath 13. 32.
Zigram, Wald" 199 f. 208.
Zinzendorf, Graf N. L. 264 ff".
— Gräfin 265 f. 293. 302.
Zittau 259. 302.
Zörbig 64.
Zschepa b. Strehla 198. 200. 203.
208.
Zwickau, Marienkirche 4. 16 f.
ETTY CENT
R LIBRARY
3 3125 00701 2426