Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Alterthumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrath.
Achter Band.
Dresden 1887.
Willielm Baensch Verlagshandlung.
i'iitK
..iARY
Inhalt.
Seite
I. Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. Von Ober-
lehrer Dr. Johannes Müller in Waldeubiirg i. S. . . . 1
n. Von Passau bis Sievershausen 1552 — 1558. Von Ober-
lehrer Dr. S. Issleib in Bautzen 41
in. Urkunden über den Streit der Eechtsgelehrten mit den
Laien im Schöppenstuhle zu Leipzig 1574. Eingeleitet
und herausgegeben von Archivrath Dr. Theodor Distel in
Dresden 104
IV. Archivalische Beiträge zur Reformationsgeschichte der
Stadt Freiberg (1525—1528). Vom Herausgeber . . .129
V. Kleinere Mittheilungen 138
1. Handschriftliches zur Genealogie der Wettiner. Von
Prof. Dr. L. Weiland in Gröttiugen. S. 138. — 2. Ziu-
Geschichte der Preistellen bei der Landessehule zu
Meissen. Vom Präsidenten der Oberrechnungskammer
B. von Schönberg in Dresden. S. 142. — 3. Das
Altarbild in der Sakristei der Stadtkirche zu Torgau.
Von Gurt Jacob in Torgau. S. 145. — 4. Kunst-
geschichtliche Notizen. Von Archivrath Dr. Distel
in Dresden. S. 148. — 5. Die Einführung der berg-
mämiischen Scbiessarbeit durch Pulver in Sachsen.
Von Oberlehrer Dr. Heydenreich, Dozent an der
königl. Beigakademie zu Freiberg. S. 151.
Literatur 154
VI. Eine politische Denkschrift des kurfürstlich sächsischen
Geheimen Käthes Abraham von Sebottendorf für Johann
Georg I. vom Jahre 1639. Eingeleitet iiud herausgegeben
von Professor Dr. J. 0. Opel in Halle 177
VII. Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. Von Ober-
lehrer Dr. Joh. Müller in Waidenburg i. S. (Schluss) . . 243
Vin. Die Anfänge des deutschen Schulwesens in Dresden (1539 —
1600). Von Oberlehrer Dr. Georg Müller in Dresden . 272
IX. Der kursächsische Hofmaler und Kupferstecher Heinrich
Göding, Von Dr. K. Berliug in Dresden 290
Literatur 347
Register 356
IV Inhalt.
Besprochene Sclirifteii.
Seite
Baclimami, Briefe und Acten zur Österreich. -deutschen Geschichte
(Ermisch) . . . , 154
Distel, Der Leipziger Schöppenstuhl (Knothe) . 163
Ehses, Landgraf Philipp v. Hessen und Otto v. Pack (Kawerau) 15G
Fietz, Prinzenunterricht im 16. und 17. Jahrh. (Gr. Müller) . . 170
Geering, Handel und Industrie der Stadt Basel (Hasse) . . .169
Hallwich, Töplitz (Knothe) 162
Hasse, Geschichte der Leipziger Messen (Scliönherr) .... 166
Hofmann, Die kirchl. Zustände der Stadt Pirna vor der Ein-
führung der Reformation (G. Müller) 347
Knothe, Geschichte des Ober-Lausitzer Adels II (v. Mülverstedt) 349
Lehmann, Aus alten Akten (Ermisch) 161
Lobe, Die oberste Einanzkontrolle des Königreichs Sachsen
(Hasse) 164
Meltzer, Die Kreuzschule zu Dresden (G. Müller) 161
Mitzschke, Des Paulus Jovius Chronik der Grafen von Orla-
münde (Anemüller) 155
Noack, Die Exception Sachsens von der Wahl Ferdinand I.
(Kawerau) 348
Wolfram, Chronik der Stadt Borna (Ermisch) 160
Die Anfänge des säclisisclien Schulwesens.
Von
Johannes Müller.
Über die ältesten Schulen im Gebiete des heutigen
Königreichs Sachsen geben die Schriften, welche das
frühere sächsische Scliulwesen behandeln — von Fidler-
Mencken (1701), Chr. E, Weisse (1796), Wittich (1857),
Borott (1857), Kämmel (N. Lausitzer Magazin 39. Bd.
1862, vergl. Gesch. des deutschen Schulwesens 1882) —
nur ganz unvollständige, ja nicht einmal genügend ver-
bürgte Nachrichten. Spärlich genug ist freilich unsere
Kenntnis über die ältere Zeit; nur wenige Schulen
Sachsens sind es, die mit Sicherheit ihre Geschichte bis
in das 13. oder 14. Jahrhundert zurückführen können,
darüber hinaus nur eine einzige. Ist ja doch auch vor
dem Ende des 11. Jahrhunderts von einem regeren
geistigen Leben, von einem Streben nach sittlichen Zielen
innerhalb der Grenzen des jetzigen Königreichs Sachsen,
wo selbst das Heidenthum noch bis ins 12. Jahrhundert
hinein seine Anhänger hatte, sehr wenig zu erkennen.
Erst Ende des 11. Jahrhunderts, nachdem 100 Jahre seit
der Gründung der drei Bisthümer Meissen, Merseburg
und Zeitz (968) vergangen Avaren, entstanden zur mittel-
baren oder unmittelbaren Verbreitung des Christenthums
und seiner Kultur Klöster, und erst im 12. .Jahrhunderte
mehrte sich nachhaltig die Zahl der Kirchengründungen
Neues Archiv f. 8. (i. u. A. VIII. 1. 2. 1
2 Johannes Müller:
wie der festen Orte^). So kann eine Errichtung von
Schulen in grösserem Umfange vor dem 13. Jahrhundert
kaum erwartet werden, und auch da wird man vorsichtig
sein müssen in dem Urtheil über Zahl, Art und Bedeutung
der Schulen. Haben sich ja selbst an den alten Bischofs-
sitzen: Naumburg (wohin bekanntlich 1209 die Leitung
des bisherigen Bisthums Zeitz verlegt worden ist) und
Merseburg, die beide dem thüringischen Kulturgebiete
näher liegen, als das Bisthum Meissen, bis jetzt erst für
das Ende des 11., bez. den Anfang des 13. Jahrhunderts
Schulen nachweisen lassen : in Naumburg für das Jahr 1089
ein Odelricus magister scolarum'^) und in Merseburg für
das Jahr 1166 ein Wicbertus scholasticus'^). Im Nach-
folgenden sei emmal versucht, auf Grund neuerer Forsch-
ungen die ersten Jahrhunderte, die Urzeit des jetzt
blühenden sächsischen Schulwesens bis 1400 in
kurzen Strichen zu beschreiben. Von einer Erwähnung
imd Widerlegung vorliegender unrichtiger Behauptungen
sei dabei thunlichst Abstand genommen.
Nui' neunzehn Ortschaften des jetzigen Königreichs
sind es nach dem gegenwärtigen Stande der Forschung,
in denen wii^ vom Ende des 12. bis zum Ende des
14. Jahrhunderts Schulen antreffen. Sie liegen zerstreut
*) Vergl. eil. Gr. Lorenz, Die Stadt Grimma histor. beschrie-
ben (Leipzig 1856—70) S. 1240 flg. 0. Posse, Die Markgrafen
von Meissen etc. (Leipzig 1881) S. 288 flg. F. M. Tittmann,
Geschichte Heinrichs des Erlauchten I (Dresden 1845), 310 flg.
-) C. P. Lepsius, Gesch. d. Bischöfe des Hochstifts Naum-
burg (1846) S. 263. Ferner erscheint 1145 Heiuricus magister
scholarum in Naumburg (Lepsius S. 249), 1174 Cunradus magister
scolarum (J. M. Schamelius, Kurze histor. Beschreibung von dem
ehemal. Kloster zu St. Moritz vor Naumburg, ebenda 1729, S. 17),
den 15. und 27. August 1223 Fridericus scolasticus zu N. (Chr.
Schott gen und G. Kreysig, Diplomataria et scriptores historiae
germanicae, Altenburgi 1755, S. 440 u. 439).
^) Chr. Schöttgen, Historie Graf Wieprechts zu Groitzsch etc.
und des Klosters zu Pegau (Regensburg 1749), Cod. probation. S. 14. —
Den 5. August 1203 ein Scholastikus ohne Namen (Codex diplomat.
Saxoniae regiae [citiert mit C S] 11. I, 68), im Jahre 1217 ein Ernestus
scolast. zu Merseburg (Ed. Beyer, D. Cistercienserstift u. Kloster
Alt-Zelle, Dresden 1855, S. 529). desgl. 10 Juni 1224 u. 22. Dec.
1225 (Beyer S. 533 u. 535); wohl derselbe 2. Sept. 1239 Ernestus
scolast. Merseb. (C S II. IX, 10), 16. Juli 1242 Robertus scolast.
(Beyer S. 544), 30. April 1246 Otto scolast. (C S IL IX, 12), 1274
magister Fridericus doctor scolarium (E. G. Gersdorf, Die Uni-
versität Leipzig im ersten Jahre ihres Bestehens, im Bericht der
deutschen Gesellschaft in Leipzig 1847, S. 22).
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 3
in allen Tlieilen des Landes, abgesehen jedoch von den
Gegenden des Erzgebirges, die damals noch wenig kul-
tiviert waren. Alle, mit Ausnahme des nicht in der Stadt
selbst befindlichen Klosters Geringswalde, waren, als in
ihnen zum ersten male Schulen erwähnt werden, Städte;
von einem Dorf Schulwesen in Sachsen ist bis jetzt für
jene Zeit keine sichere Spur gefunden. Die Gründungs-
jahre der Anstalten können ausser bei der Chorschule
zu S. Afra in Meissen und bei der Nikolaischule zu
Leipzig (deren Errichtung freilich in der Zeit, da die
päpstliche Erlaubnis ertheilt wurde, nichts weniger als
sicher ist) mit Bestimmtheit nicht angegeben werden;
man darf aber annehmen, dass ihre Entstehung über die
ersten Daten ihres urkuudlichen Vorkommens noch um
eine Keihe von Jahren zurückreicht. Sie hängt offenbar,
mit Ausnahme von ein paar Fällen, überall zusammen
mit der Geschichte der Kirche und den kirchlichen
Verhältnissen, sei es nun, dass die Schule nur gottes-
dienstlichen oder klerikalen Zwecken diente, wie
die Dom- und Stiftsschulen in Meissen, Bautzen, Würzen
und die Schule beim Frauenkloster Geringswalde, sei es
dass sie vorwiegend die Ausbildung von Weltgeistlichen
bezweckte, daneben aber auch Laien offen stand, wie
die äussere Klosterschule zu S. Thomas in Leipzig,
oder dass sie ursprünglich als Pf arr schule mit geringer
Schülerzahl ebenfalls für gottesdienstliche Zwecke be-
stimmt war, aber sich früher oder später zu einer mehr
oder minder selbständigen öffentlichen Stadtschule
entwickelte, wie wahrscheinlich die Mehrzahl der säch-
sischen Schulen. Nur die zwei im 14. Jahrhundert vor-
kommenden Juden schulen in Meissen und Leipzig
haben eine andere Mutter, als die christliche Kirche;
sie sind aber auch nur vorübergehende, nicht weiter ent-
wickelte Anstalten. Die unter rein städtischem
Patronate erscheinenden Schulen zu Dresden, Zittau,
Löbau und Chemnitz dürften schwerlich aus sogenannten
deutschen Schreibschulen oder Privatschulen hervor-
gegangen sein, ihren Ursprung also nicht zunächst all-
gemeinen bürgerlichen Bedürfnissen verdanken, sondern
aus Pfarr- oder Kirchenchorsclmlen hervorgewachsen
sein, aber schon früh ihre Weiterbildung erfahren haben.
Jedenfalls wird eine nähere Betrachtung der säch-
sischen Schulen vom Ende des 12. bis 14. Jahrhmiderts
erkennen lassen, dass, wie anderwärts in Deutschland,
4 Johannes Müller:
SO auch in Sachsen im Mittelalter die Schulverhältnisse
an den verschiedenen Orten sich nicht gleichartig
entwickelt und gestaltet haben, sondern nach lokalen
Bedingungen, wenn schon durch den Zusammenhang der
Schulen mit der Kirche und durch die im Wesentlichen
gleichartigen Bedürfnisse der letzteren in allen mittleren
Städten die unterrichtlichen und sonstigen Aufgaben der
Schulen dem Kirchendienste gegenüber, soweit es
nicht blos klerikale Anstalten waren, gewiss wenig Ver-
schiedenheit gezeigt haben. Weiter wird eine nähere
Betrachtung ergeben, dass eigentliche Volks- und Er-
zieh u n g s s c h u 1 e n in j enen Jahrhunderten gefehlt
haben. Schulen, die nicht bloss den Zwecken einzelner
Stände, in Sonderheit des Klerus und der Kirche, son-
dern allgemeinen Bildungszwecken, dem geistigen Leben
der einzelnen sittlichen Persönlichkeit als solcher und um
ihrer selbst willen und zwar nach selten aller seiner
Hauptinteressen und Bethätigungen, sowie dem geistigen
Leben der ganzen Nation dienen wollen, wie es unsere
heutigen, aus dem Geiste des Humanismus und der Re-
formation geborenen evangelischen und auch die von
diesem Geiste beeinflussten katholischen Schulen thun.
Der Pol, um den sich das Schulleben der ältesten Zeit
bewegte, war der Kirchendienst, dieser der Kern, an
den sich allmählich und zwar weniger durch theologische
und kirchliche oder klerikale, als durch bürgerliche Li-
teressen bedingt, ein weiterer Unterricht kristallisierte.
Hohe Ziele innerhalb ihrer Sphäre scheinen sich die
alten sächsischen Schulen nicht gesteckt zu haben, es
müssten denn etwa einzelne Kloster- oder Stiftsschulen
ganz in der Stille die Wissenschaften gepflegt haben ;
bis jetzt schweigt freilich davon die Geschichte gänzlich.
Die landläufige Ansicht, nach welcher in der Regel das so-
genannte Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und
Quadriviura (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie)
die Unterrichtsgegenstände der mittelalterlichen Schulen
gebildet haben sollen, bedarf ja überhaupt der Berich-
tigung und mindestens der Einschränkung auf höher
organisierte Dom- und Klosterschulen und auf die Uni-
versitäten; auf die sächsischen Schulen des 12. bis
14. Jalirhunderts kann sie jedenfalls nicht ohne weiteres
übertragen werden, am allerwenigsten auf die klerikalen
Anstalten Sachsens. An dem Scheinleben und Verfalle,
woran während des 13. und 14. Jahrhunderts anderwärts
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens, 5
selbst solche" Klöster und Stifte litten, die früher wegen
ihi^es wissenschaftlichen Geistes berühmt waren, an diesem
Scheinleben nahmen die sächsischen Klerikalsclmlen ge-
wiss theiP), wird ja selbst noch um 1500, wo anderwärts
ein neuer Aufschwung des wissenschaftlichen Strebens
und eine rege Eutwickelung des Schulwesens zu bemerken
ist, die Eibgegend und die Gegend um Leipzig eine bar-
barische genannt'^); und wenn nachweislich am 1. Juli
1358 von 13 Mitgliedern des Domkapitels in Meissen,
dem Hauptsitze des sächsischen klerikalen Lebens, fünf,
darunter der Grosspropst, der Kantor und der ArcM-
diakon von Nisan, nicht fähig waren, eine Urkunde selbst
zu unterschreiben*^), ja wenn den 12. Februar 1350 unter
15 Domherrn nur 5 eigenhändig unterschrieben''), so kann
von einem Eifer für die Wissenschaften, ja selbst von
einem halbwegs ordentlichen Elementarunterrichte und
einer Fortbildung in jenen klerikalen Kreisen des 14. Jahr-
hunderts nicht die Rede sein.
Besser scheint es in denjenigen sächsischen Schulen
ausgesehen zu haben, die mit dem praktischen täglichen
Leben in engerem Zusammenhange standen, als die kle-
rikalen, in den Pfarr- und Stadtschulen. Über Lehrstoffe,
Lehrgang, Lehrformen etc. in diesen Schulen erfahren
wir jedoch unmittelbar aus den bisher erschlossenen
Geschichtsquellen nichts. Nur aus einer lausitzer Schul-
ordnung, die dem Anfange des 15. Jahrhunderts ange-
hört, aber schon bestehende Verhältnisse fixiert (siehe
nachher bei Bautzen), und aus der Analogie der Schul-
zustände in anderen deutschen Ländern, besonders den
Nachbarländern Sachsens, lässt sich ein annähernd richtiges
Bild entwerfen. Die Mehrzahl der älteren sächsischen
Schulen hat gewiss nur zu der Gattung der sogenannten
kleinen Schulen („scolae parvae" oder „minores")
*) Vergl. Kämmel, Gesch. des deutschen Schulwesens im
Übergange vom M.-A. zur Neuzeit (1882) S. 30 mit Literaturnach-
weis; vergl. S. 6 f.
^) S. meinen Art.: Die Zwickauer Schulovdmmg, ein Beitrag
z. Gesch. des dreisprachigen Unterrichts, in Flcckeisen und Masius,
Neue Jahrbb. f. Philo], u. Tädag. Bd. 120, 2. Abtheil. (Leipzig 1879)
S. 608. — Nur die Schulen zu Zwickau (besonders unter Val. Strudel)
und zu Chemnitz (unter Paul Niavis) erfreuten sich Ende des
15. Jahrh. eines guten Rufes; beide aber waren damals Stadtschulen.
«) ÜS IL II, 15 (der Propst etc. lassen ausdrücklich erklären:
„quia scribere non potui") und IL I, XXI. Tittmann II, 79.
') C S IL I, 369 flg.
Q Johannes Müller:
gehört, die sich schon im 13. Jahrhundert vielfach theils
als selbständige und sehr oft aus Pfarrschulen hervor-
gewachseneLehranstalten, theils als Yorhereitungsanstalten
zti höheren Kloster- oder Stiftsschulen finden, und deren
Unterricht sich auf Folgendes beschränkte: Lesen, Schrei-
ben, Ziffernkenntnis, elementare lateinische Formenlehre
nach der kleineren (in Frage und Antwort abgefassten)
Grammatik des Donatus, elementarste lateinische Satz-
lehre nach den sogenannten „regulae pueriles", Lektüre
und Memorieren eines lateinischen, dürftigen religiösen
Lesestoffs (des „pater noster", „credo", „ave Maria")
sowie der lateinischen kurzen Sittensprüche des soge-
nannten Cato und öfters auch des aus künstlich gebauten
lateinischen Distichen bestehenden Kirchenfestkalenders
„Cisiojanus", und wo keine Kloster- oder Domschule
kollidierte, auf einfachen, übrigens wohl fast überall nur
von einzelnen geeigneten Knaben geübten Kirchengesang^).
Und der Aufschwung des sächsischen Schulwesens geht,
wie ein weiterer Blick auf seine Geschichte l)is ins
16. Jahrhundert lehren würde, Hand in Hand mit der
Entwickelung der grösseren Selbständigkeit der Städte
und mit der Aufnahme der humanistischen und evan-
gelisch-reformatorischen Ideen.
Wenn aber anderwärts einerseits das mehr oder
weniger berechtigte Selbstherrlichkeitsverlangen der Stadt-
regierungen und die ungenügende Zahl oder Beschaffen-
heit der vorhandenen Klerikalschulen oder unter geist-
licher Leitung stehenden Schulen und andererseits der
sei es berechtigt oder in Anmassung geltend gemachte
Anspruch der Scholaster und Stiftsobersten, die facultas
docendi zu verleihen und die Oberaufsicht über alle
Schulen des betreffenden Orts, beziehentlich der betreffen-
den Diöcese auszuüben, im Verein mit finanziellen In-
teressen schon im 13. und 14. Jahrhundert emen „Kultur-
kampf" um die Schule bewirkt haben, so ist in Sachsen
davon wenig zu spüren gewesen ; für die beiden genann-
ten Jahrhunderte lässt sich nur hinsichtlich der Bautzener
und Leipziger Schulen etwas derartiges behaupten.
^) S. meine Quellenschriften und Gesch. des deutschsprachl.
Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jahrh. (Gotha 1882, auch 4. Bd.
von K. Kehr s Gesch. der Methodik) S. 315 flg. u. 207 flg. Vergi.
F. A. Specht, Gesch. des Unterrichtswesens in Deutschland bis
zur Mitte des 13. .Tahrh. (Stuttgart 1885) S. 249 f.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 7
Die älteste Schule Sachsens ist die mit dem Dome
z II M e i s s e 11 verbundene. Hier in Meissen, dem Centrum
des früheren kirchlichen und klerikalen Lebens Sachsens,
hat die vaterländische Schulgeschichte ihren Anfang
genommen. Die Existenz der Doraschule, wenn man sie
kurzweg so nennen darf, ergiebt sich aber zunächst nur
aus dem Vorkommen von Schola stiel in der Reihe der
Meissner Domherren. Der erste urkundlich belegbare
ist ein „Sigemundus scholasticus" am 9. Juni 1183^).
Ob dieses Amt schon lange vorher begründet worden
ist, wissen wir nicht. Meissen als Sitz der Wissen-
schaften und in Sonderheit den Bischof Benno (1066 — 1106)
als Pfleger derselben im 11. und 12. JaMiundert anzu-
sehen, liegt kein Grund vor; die Benno zugeschriebene
Anweisung zum Brief stü (liber dictaminum) und die
Erklärung der Sonntagsevangelien (expositiones breves
super evangelia dominicalia) auf der Herzoglichen Bib-
liothek zu Wolfenbüttel haben höchst wahrscheinlich
nicht Benno, und noch weniger in der Zeit seines Meissener
Bisthums, sondern wohl den Abt des Benediktinerklosters
Goseck bei Naumburg oder den Kardinal Benno zum
Verfasser ^^). Die Reihe der nach Sigemund bekannten
Meissener t)omscholastici nach der Zeit ihres ersten ur-
kundlichen Vorkommens ist folgende : 1206 (13. December)
Martinus scolasticus^M, 1214 (23. April) Wipertus^^),
um 1222 H.i=^), 1227 (18. Oktober) Ulricus de Kurin^*),
1249 (8. Dezember) Erpho^'^), 1262 (1. März) Conradus^^),
9) Urk. No. 87 im H.-St.-A. Dresden; vergl. J. Chr. Hasche,
Diplomat. Gesch. Dresdens I (Dresden 1816), 67. Gewiss derselbe
ist der Sigemundus, der ohne den Titel Scliolasticus in Urk. vom
6. Juni 1185 u. v. J. 1186 s. d. (H.-St.-A. Dresden Orig. No. 90
u. 92 b) vorkommt.
^ö) E. Machatschek, Gesch. der Bischöfe des Hochstifts
Meissen (Dresden 1884) S. 69.
") OS II. I, 73. Auch noch 1213: C S IL IV, 2. Er ist
wohl identisch mit dem „magister Martinus", der in der Urk. vom
5. März 120.5 als letzter Meissener Domherr Mitzeuge ist: CS II.
IV, 10.5 u. 103.
12) C S IL I, 78. Ferner 31. Mai 1216: IL I, 80 f; 18. Aug.
1217: IL IX, 4.
13) C S IL IV. 444.
") OS IT. I, 96. Auch den 19. .Tuni 1233: IL IV, 5; den
28. März 1237: Beyer a. a. 0. S. 541.
^'>) C S IL I, 133. Um 1256 ist er gestorben; s. ebenda S. 148.
10) 0 S IL I, 154. Den 24. Juli 1266: IL I, 160. Sein
Siegel, das älteste z. Z. bekannte Siegel eines sächs. Scholastikus,
8 Johannes Müller:
1272 (21. Januar) Theodericus ^^), 1277 (16. März) Con-
radus de Boruz^^), 1288 (20. August) Theodericus^^),
1307 (15. Juni) Otto de Donyn-«), 1339 (25. Oktober)
Arnoldus (de Rydebeck)-i). 1342 (23. Oktober) Tanuno
de Luppe-), 1350 (12. Feijruar) Theodericus de Gogh
(Gocli)^^^), 1353 (11. März) Tyczko (Theodericus) de
Capeindorf-*), 1377 (30. Januar) Theodericus de Goch-'^),
1383 Hermann 2^).
Die genannten Scholastici waren, wie anderwärts,
sämtlich Domherren und stehen in der Reihenfolge der
Urkundenzeugen meist immer hoch oben unter den Haupt-
würdenträgern des Hochstifts, nach dem Bischof, Dekan
und Propst, vor oder auch gelegentlich gleich nach dem
Kustos oder Kantor'-'^). Während anderwärts — in
Mainzer, Wormser, Kölner Urkunden — der Titel
scholasticiis seit dem 13. Jahrhundert die allem übliche
hängt an der im StiftsarcMve zu Meissen befindlichen Urk. vom
12. Januar 1266; s. C S IL IV, 7 (leider weder beschrieben noch
abgebildet; vergl. Note 24).
") C S II. I, 175 f. Im J. 1273 ist er Archidiakonus in Nisan:
C S II. I, 177 (Couradus tunc ibidem scolasticus arbitrandus).
^*) Schöttgen imd Kreysig, Diplomat. II. 197; damals war
C. zugleich custos. Am 8. Aug. 1281 (C S IL I, 193) bis 1291
(C S n. I, 237, vergl. 1288 CS IL XII, 33), ist C. Schatzmeister
des Hochstifts (thesaurarius ecclesiae), den 9. Xov. 1292 (C S II.
I, 241) custos, ebenso noch den 18. Mai 1296 (C S IL I. 247).
^») C S n. XII, 33.
20) C S IL I, 268. vergl. 271 u. 283. Noch 5. April 1312 :
C S IL IV, 19.
21) C S IL I, 351, vergl. 345 f. Den 22. Juni 1341 ist A. Propst
in Hayn: C S IL I. 353. 360.
") C S IL I, 360. Den 6. Sept. 1349 ist T. Propst in Hayn:
IL I, 368 f.
23) C S IL I, 372. Den 31. Dec. 1352 meister Dyterich von
Grogli techant: IL I, 388; den 11. März 1353 heisst er: Theodericus
de Gogh in medicina magister decanus: IL I, 390.
24) C S IL I, 390; vergl. 412. IL II, 5. 8 (1357). 13. 15
(1358). u. ö. Noch am 28. Juni 1369 Tb. d. C. scolasticus: IL II, 101.
An der im Stiftsarchiv Meissen befindl. Urk vom L Jixli 1358
hängt sein Siegel mit dem Bilde des heil. Laurentius: IL II, 15 flg.
25) C S IL II, 164.
2ö) C S IL II, 208 : Hermann schulmeyster czu Missen doctor
des geistlicliin rechten.
27) So folgt den 9. Juni 1183 (s. Note 9) Sigemundus schol. auf
Propst, Dekan und Kustos, ebenso Wipertus den 23. April 1214;
Martinus scol. aber steht den 13. Dec. 1206 ausnahmsweise tief nach
Propst, Dekan, Kustos und nach weiteren 8 Domherren als drittletzter
in der Reihe der Domherren.' — Machatschek a. a. 0. S. 40 flg.
fusst nicht auf Originalen und ist zu berichtigen.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 9
und feststehende Bezeichnung für den einer Stiftsschule
vorgesetzten Kanoniker geworden ist, nachdem vorher
im 11. und 12. Jahrhundert die Benennung mcu/ister
scholarum die gewöhnlichere gewesen war-®), so finden
wir in Meissen, dass in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts
ein und dieselbe Person sich bald des Titels scolasticus,
bald des andern Titels scJmlmeistir bediente"-^), während
vorher nur der erstere üblich war. Eine Vereinigung
des Scholasteramts mit einem andern lässt sich bis zum
15. Jahrhundert nur einmal belegen : den 16. März 1277
ist Conradus de Boruz ecclesiae scholasticus et custos'^^).
Die Verleihung der Scholasterei war Sache des
Bischofs zu Meissen, und hielt derselbe auf dieses
Recht, Avenigstens im 13. Jahrhundert, ebenso wie auf
das der Ernennung des Kustos, wie aus einer die Wahl
des Bautzener Kanoniker l^etreffenden und unten N. 83
nochmals zu erwähnenden Urkunde vom 29. Januar 1226
hervorgeht. Über die Bepfründung der Meissner Scho-
lasterei wissen wir so gut wie nichts "'^). Auch über die
Obliegenheiten des Scholastikus fehlen bestimmte
Anweisungen, wie sie anderwärts z. B. vom Domstift
Basel aus dem Jahre 1289, Speier 1343, Augsburg 1439
überliefert sind. Nur gelegentliche Aufträge, welche dem
Meisseuer Scholastikus vom Papste oder dem Markgrafen
von Meissen ertheilt worden sind, kennzeichnen seine
Stellung und sein Arbeitsfeld als ein einflussreiches und
setzen eine höhere Bildung, namentlich juristischer Art,
und praktisches Geschick voraus, stehen aber mit seiner
eigentlichen Amtspflicht, von der er den Namen trug,
mit den Pflichten und Rechten gegenüber der Schule, in
keinem Zusammenhange. So hatte um 1222 der Scho-
lasticus H. nebst dem Domherrn A. namens des päpst-
lichen Legaten einen Streit zwischen einem Presbyter
Thuringus und dem Kreuzkloster zu Meissen wegen
8 Hufen Landes beizulegen ■^^) ; so wurde den 19. Juli 1234
2«) Specht a. a. O. S. 183.
-ö) Dietr. v. Capi>cliulorf unterschreibt sich und wird sonst
stets bezeichnet als scolasticus, den 14. Okt. 1365 aber heisst er:
her Titzko von Cappilndorf schulmcistir (C S 11. II, 6H), den
27. Okt. 1366 wieder scolasticus (II. 11, 76). In der ebenfalls
deutsch abgefassten Urk. v. J. 1383 erscheint „er Heiiuaun scbnl-
meyster czu Missen" etc. (s. Note 26).
^*') A'ier Pfund im Meissener Zoll (theoloniuni) gehörten 1296
(26. Okt.) zur Scholasterei von alters her. C S II. I, 251.
»0 C S II. IV, 444.
10 Juhaniies Müller:
dem Bischof. Propst und Scholasticus des Meissener Hoch-
stifts von Papst Gregor IX. befohlen, den Ungebühr-
nissen, welchen das Kloster zu Biewniow bei Prag am
Tage der unschuldigen Kindlein (28. Dezember) her-
kömmlich ausgesetzt war, zu steuern"-); am 1. Juli 1274
erhielt der Scholasticus allein den Auftrag von Papst
Gregor X., alle dem Marienkloster in Chemnitz ent-
fremdete Güter wieder an dasselbe zu bringen'^"), und
im Jahre 1383 ging „er Hermann, schulmeyster (Scho-
lasticus) czu Missen, doctor des geistlichen rechten" als
Abgesandter der Markgräfin von Meissen und ihrer
Söhne nach Frankreich'^*). Schweigen nun zwar die
vorhandenen Quellen über die eigentlichen Amtspflichten
des Scholasticus am Hochstift zu Meissen, so müssen wir
doch annehmen, dass diese, wenn anders die Scholasterei
nicht eine blosse Pfründe und Titulatur war, im Wesent-
lichen dieselben waren, Avie die anderer Domscholaster.
Ein solcher aber hatte alles anzuordnen, was die Schule
betraf, besonders die Austeilung und Entlassung des
Lehrerpersonals, des rector oder magister puerorum und
(bez. oder) scolarium ; ihm lag die Annahme und Zurück-
weisung der nicht kanonischen Schüler, die Beaufsich-
tigung und Visitation der Schule, die besondere sabbath-
liche Vorbereitung der jungen Kanoniker auf ihre sonn-
täglichen Schriftverlesungen, die Leitung der Prüfungen
und die Ertheilung des Reifezeugnisses an die jungen
Kanoniker zur Erlangung der niederen Weihen (ordines
minores) ob, beziehentlich auch die Oberaufsicht über alle
an den Stifts- und Pfarrkirchen der Diöcese bestehenden
Schulen; ferner hatte er die Briefe und Urkunden für
das Kapitel zu diktieren oder selbst zu schreiben, die
einlaufenden Briefe etc. zu lesen und aufzubewahren"'^).
Nur scheint der Meissener Scholastikus nicht alle diese
Funktionen besessen oder geübt zu haben; denn wir
hören weder je etwas von der erwähnten Oberaufsicht
noch von jungen Kanonikern und deren Ausbildung.
Die Schule am Aleissener Dome war für andere Zwecke da.
32) C S II. I, 104. 33) 0 S II. VI, 273. ^4) c S II. II, 208.
35) Vergl. die oben erwähnten Statuten von Basel nnd Speier
bei J. Mone, Zeitschr. f. d. {lesch. des Oherrbeins I (Karlsruhe 1850),
26fi imd II, 138 flg.; desgl. die von Frankfurt a. M. bei J. Helfen-
stein, Die Entwickelung des Sclnüwesens I (Frankfurt 1858), 127 flg. ;
die von Augsburg in der Zeitschr. d. bist. Vereins für ScbwaWn etc. II
(Augsbui-g 1875), 105 flg. Vergl. Specht a. a. O. S. 486 flg.
Die Anfänge des säclisischen Schulwesens. H
Sie selbst und Schüler "werden erst im Jalii-e r2o6
erwähnt, wo ein Domherr, , Albert, genannt von Döbeln
zur Erhöhung der Feier der täglichen Messe eine Stiftung
machte und dabei verordnete, dass die bei der Messe
thätigen vier „scolares" zur Verbesserung der Schule
und der Bücher (pro emendatione scolarum pariter et li-
brorum) einen Geldzins erhalten sollten-'**). Die Be-
stimmung der Art der Schule hat einige Schwierigkeit.
Die vier genannten „scolares" werden 1256 zum Tragen
von brennenden Kerzen und von Eauchfässern gebraucht.
Am 1. Februar 1269 ist von einem „Scolaris" die Eede,
welcher bei einem ständigen Vikare in einer neugestifteten
Kapelle des heiligen Andreas im Kreuzgange nicht näher
gekennzeichnete, mit 6 Schilling zu belohnende Dienste zu
verrichten hatte'"), am 19. Januar 1298 von armen Chor-
schülern (pauperibus scolaribus choro deservientibus),
denen der Vikar eines Altars im Dome wöchentlich ein
Dritt heil der Brote von einem Schelf el Weizen austheilen
sollte ■^^). Mit den Armen auf eine Linie gestellt werden
die Scholaren auch in dem Testamente des Propstes
Dietrich vom 18. Januar 1299''^). Genauer hinsichtlich
ihrer dienstlichen Verrichtungen werden sie im 14. Jahr-
hundert gekennzeichnet, besonders wenn am 30. April 1360
ein wöchentlich zu behändigender Antheil an den jähr-
lichen Zinsen von 6 Schock breiter Groschen für die im
Chor der Meissener Kathedralkirche während der kano-
nischen Stunden dienenden Chorschüler (pro scolaribus
choralibus choro kathedralis Mysnensis ecclesiae in horis
canonicis deservientibus) bestimmt ^") und am 28. Mai 1381
den vier armen Schülern, welche das seidene Kelchtucli
bei dem Umgang in der Kirche über dem Sakrament zu
halten hatten (scolaribus pauperibus velum sive pannum
super sacramentum per circuitum ecclesiae portantibus),
36) 0 S II. I, 149.
3') Et sex solldi residni deservieutis capellae pretinm sint Sco-
laris. C S II. I, 167. 3S) c S IT. T. 2o4.
^^) Reinhardus in anniversario nieo quindecim solidos dividet
iuter pauperes et scolares . . . item de secundo talento dabit in bona
sexta feria pauperibus et scolaiibus decem solidos. C S II. I, 259.
Vergl. die Stiftung- desselben Dietrichs vom 20. Jan. 1299 bei G.
Köiiler, Cod. dijd. Lusatiae .super. I ((iörlitz 1856), 161: Der
Vikar dos gestifteten Altars Nicolai etc. im Meissener Doin(> soll
wöchentlich austheilen „panes de uno modio siliginis, pauperibus
scolaribus choro deservientil)us tertiam partem, alias duas partes
communibus pauperibus et Imsarinen". ■'**) C S TL II, 28.
12 Johannes Müller:
1 Groschen legiert wircl^^). Darnach haben wir also unter
den Scholaren zunächst Chorschüler zu verstehen, wie
sie auch in deutschen Ui^kunden analog" den lateinischen
ausdrücklich genannt werden*-). Bei der grossen Bedeu-
tung des Chorgesangs für die gottesdienstlichen Funktionen
der Domherren und der grossen Zahl kirchlicher Festtage
waren derartige Schüler, die zugleich beim Messopfer
ministrieren, bei Prozessionen zu einfachen Hilfeleistungen
und zur Erhöhung des Eindrucks Verwendung finden
konnten, durchaus nothwendig und in grösserer Anzahl
erwünscht und demgemäss bei den Kathedralkirchen wohl
stetg vorhanden *"). Es waren in der Regel Kinder armer
Bürgersleute oder auch auswärtiger ärmerer Eltern, die
dazu gewählt und angenommen wurden; wie es scheint,
nahm man am liel)sten solche, welche ein hübsches Äussere
besassen und den Eindruck der Gesittung machten, wo-
möglich auch schon lesen und singen gelernt hatten**).
Für ihre Gegenwart bei den Hochämtern, Vigilien, Seel-
messen, in den kanonischen Stunden und bei anderen
gottesdienstlichen Handlungen erhielten sie wie ander-
wärts, so in Meissen aus Stiftungen Geldspenden oder
einfache Nahrungsmittel, wie Brot und Heringe*'^). Na-
mentlich in den in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
überhand nehmenden Seelmessstiftungen (zu Gunsten ab-
geschiedener, im ßeinigungsfeuer gedachter Seelen) sind
sie und der noch zu besprechende magister scolarium von
den Gläubigen selten unbedacht geblieben.
^^) C S II. II, 197.
^") D. 10. Aug- 1386: Den chorschulern wer grosschin v czu
der czit czu presenczien (C S IL II, 225). D. 18. Oktbr. 139.5:
Dem „kindermeister, orgiln vnd kirchenere vnde chorschulern" soll
einer der Vikare am Nikolaustage eben so viel geben wie am Georgen-
tage (C S II. II, 272).
43) Specht S. 176 f. Moue I, 131. G. A. v. Mülverstedt, Bei-
träge zur Kunde des Schulwesens im M.-A. und über den Begriff
Scolaris (Magdeburg 1875) S. 5. 11. 17 f.
■*') S. meine Vor- und frühreformatorischen Schulordnungen u.
Schulverträge in deutscher u. niederländ. Sprache (13. Heft der Samm-
lung selten geAvordener pädag. Schriften früherer Zeiten , herausge-
geben von A. Israel u. .1. Müller, Zschopau 188ii) II, 295 f.
Vergl. C S II. II, 290 (2. Juni 1401): singen (im Meissener Dom)
mit schulern, so man die best gehahin mag, die da wol singen kunnen.
''■^) S. oben sub 38. 40. 41. Den 30. .lau. 1408 eignen die
Meissener Markgrafen dem Dome gewisse Grundstücke, „dauon das
capitel czu Missin alle jar eyne thunue heringis zugen vnde kouffen
vnde die yn der vastin vndir die kor schuler teilin sollin" (C S IL
II, 339).
Die Anfänge des säclisischen Schnlwesens. 13
In der Regel werden sie dabei Knaben (pueri) ge-
nannt, auch einmal ,, Kinder" und ,,parvnli", ihr Leiter
meistens magister oder rector scolarium, auch einmal
„Kinderraeister'' und „rector parvulorum'* '•^). Das erste
Mal, wo eine solche das Alter andeutende Angabe erfolgt,
in einer Urkunde vom 20. November 1279^'), ist eine
Verbindung der zwei Ausdrücke für Schüler und Knaben :
„scolares pueri'' gewählt, im Jahre 1405 (den 6. März
und 20. Mai) eüie identihzierende Zusammenstellung der
Bezeichnung Schüler mit der Bezeichnung „die Kleinen"
(rector scolarium seu parvulorum)^^). Im Jahre 1279 ge-
schieht auch eine Mittheilung über die Gesammtzahl solcher
Schüler, aus der zugleich hervorgeht, dass dem Schul-
meister vom Dome ebenso wie dem vom Chorherrenstift
zu St. Afrain Meissen die Gewinnung der uöthigen Schüler
nicht immer glückte und iufolge dessen die beiden Schul-
meister sich gegenseitig die Scholaren abspenstig zu m.achen
suchten. Papst Nikolaus III. musste nämlich damals ver-
ordnen, dass dem Chorherrenstift die Schule der 24 Schüler-
knaben unter der Bedingung gehören solle, dass kehier
der Lehrer an der grösseren Meissener Kirche und an
der Afrakirche die Scholaren des anderen ohne dessen
Zustimmung annehmen solle ^^). Es erscheint darnach
sehr fraglich ob die Zahl der Domherren des Hochstifts,
welche gegen 14 betrug •^*^), von der Zahl der Chorschüler
bedeutend übertroffen wurde.
Die Unterweisung und nächste Beaufsichtigung der
letzteren lag dem schon genannten magister scolarium
ob; doch fehlen darüber jegliche Festsetzungen, wie wir
sie anderwärts antreffen, und nur nach Analogie dieser
anderweiten Satzungen können wir ein Bild der Stellung
und Thätigkeit jener Meissener Schulmeister, die am zu-
treffendsten wohl Chorschulmeister zu nennen sind , ent-
^*') D. 9. Jan. 13(32 : I grossns, si bene cantaverit, rectori sco-
larium, de portioue doininorum canonicorum (C S II. II, 50). D. 28. Mai
1381: magistro scolarium, ut cum pueiis lideliter (einem .Jahrgcdäclit-
nisse) intersit et laboret, nnumgi'ossnm . . . rectori scolarium, ut bene
cantet, un. gross. (C S IL. II, 196). Vergl. II. II, 2H7 f. D. 18. Okt.
1395: dem kindermeistere, daz da kiiuiei- czu chore gehen, eyuen
grosschen (C S II. II, 272). Vergl. Anm. 42 u. 48 u. oben S. 15.
^^) CS IL IV, 118. 'M C S II. il. 317 u. 320.
*^) Et scolas XXIIII scolarium ))uerorum hac conditione et jure,
ut nullus magistrorum tam majoris Misnensis ecclesiae (luam vestrae
ecclesiae [Afraej alterius scolares rccipiat in ejus preiudicium sine
bona alterius voluntate. s") 0 S II. I, S. XX.
14 Johannes Müller:
werfen. Das erstemal, wo ein solcher Schulmeister ur-
kundlich erscheint, eben in der Urkunde vom 20. No-
vember 1279, ist die gebrauchte Bezeichnung- „nullus
magistrorum" derart, dass nicht noth wendig das Institut
von Schulrektoren im eigentlichen Sinne, ein besonders
angenommener Schulleiter darunter verstanden werden
muss; es kann der gewählte Ausdruck auch auf einen
oder mehrere etwas wissenschaftlich und gesanglich ge-
bildete Angehörige des Domstifts gedeutet werden, dem
oder denen die Leitung der Scholaren und ihre Unter-
weisung vom Bischof oder Propst oder vom Scholasticus
übertragen worden war. Das hatte den Vorzug der Ein-
fachheit und Billigkeit und würde der z. B. in den Statuten
der regulierten Augustiner- Chorherren zu Leipzig vom
10. September 1445 vorgeschriebenen Praxis bei der Er-
ziehung von Novizen (der eine Probezeit für das Kloster
durchmachenden jungen Leute) entsprechen. Hier be-
stimmte nämlich der Propst einen zuverlässigen und gottes-
fürchtigen geistlichen Klosterbruder zum magister noviti-
orum, der die Novizen über die Klosterregel und das
Officium, im Gesang und in den Zeichen und Bräuchen
des Ordens sowie über das äussere Benehmen im Chor-
dienste u. s. w. zu unterrichten hatte, und unter dessen
besonderer Aufsicht und Leitung die Novizen bis zu ihrer
Zulassung zur Professio (dem Klostergelübde) standen ■^^).
Ebenso hatte der Propst für einen zuverlässigen Lelii^er
(instrudor) zu sorgen, welcher die Konversen (die in
dem Kloster aufwartenden Laienbrüder) in der Kloster-
regel und anderen Bräuchen unterweisen und wo nöthig
in der Muttersprache die betreffenden Schriften zu lesen
und auszulegen hatte ■'^-). In diesem durch den Novizen-
und Konversenmeister, beziehentlich durch den Kantor
ertheilten Unterrichte bestand wohl meistens das, was
man in Stiften und Klöstern Schule nannte, eine
dem modernen Begriff von Schule freilich wenig ent-
sprechende Einrichtung, die natürlich je nach dem Zu-
drang von Novizen oder Konversen (auch sogen. Oblati)
und je nach deren Alter von kürzerer oder längerer Dauer
und grösserem oder kleinerem Umfange war, und von der
die eigentlichen und ständigen Stifts- und Klosterschulen
zu unterscheiden sind, av eiche durchaus nicht bei allen
Klöstern und Stiften vorhanden waren und entweder nui*
"•') V. S II. IX, 208 f. '>•'') C S II. IX, 224.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 15
für gottesdienstliche Zwecke, besonders den Chorgesang,
errichtet und in der Regel von einer geringen Zahl armer
einheimischer oder umherwandernder Knaben und Jüng-
linge gebildet wurden , oder einem mehr oder weniger
wissenschaftlichen Unterrichte dienten, theils bloss für ein-
heimische und fremde Kleriker, theils als öffentliche und
sogenannte äussere Schulen (schola publica, schola exterior)
auch für Laien.
Wann nun die Chorschule am Meissener Dom zuerst
einen besonderen Rektor erhalten hat, der nicht zu den
Kanonikern oder den Vikaren des Domstifts zählte, wissen
wir nicht. Der erste uns namentlich bekannte Schul-
meister am Dome ist wohl jener „magister Heinricus de
Wystroph rector scolarium", der olme weitere Angabe,
auch ohne jede Bezeichnung als Domherr, Vikar,
Priester u. s. w., in einer zu Meissen am 18. November
1323 ausgestellten Urkunde des Burggrafen von Meissen
erscheint und zwar an letzter Stelle unter den Zeugen,
die in dem Propste von Würzen, drei Meissener Dom-
herren, den Pfarrern von Lössnitz und Seuslitz und eben
jenem Heinrich bestehen ■^■^). Der zweite bekannte Schul-
meister ist der Zeuge in einer Urkunde vom 20. Januar
1358'^^), Johannes von Schildow „der schuler meistir", zu
dessen Zeiten der in den Jahren 1357 und 1358 wiederholt
vorkommende Dietrich von Capellendorf (siehe S. 8 No. 24)
Domscholastikus war. Zu den Nachfolgern jenes Hein-
rich und Johannes ist wohl auch „dominus Franciscus
rector parvulorum in Castro Misnensi" zu rechnen, dem
am 20. Mai 1405 vom Markgrafen Wilhelm von Meissen
einer am 6. März von den Testamentsvollstreckern beur-
kundeten Stiftung eines Dekans zufolge das dem ,, rector
scolarium seu parvulorum in Castro Misnensi*' übertragene
Kollaturrecht von vier Vikarien bei der Domkirche nur
für den nächsten Vakanzfall belassen ward, indem der
Markgraf für die weitere Zukunft zur grösseren Sicherung
vor ferneren Beeinträchtigungen das Patronatsrecht für
sich und seine Nachfolger übernahm"'"'). Die Stellung
dieser Schulmeister, die nach dieser Stiftung an die der
Scholastici heranzureichen scheint "'*'), war in Meissen often-
5«) C S II. IV. 140. •>') CSU II. 9. ■'••') C S II. II, 320.
^^) Dass unter dem rector Franciscus nicht ein Scholastikus zu
verstehen ist, ergiebt sich aus der Thatsache, dass den 19. Jan. 1405
Joh. V. Schleinitz als Scholastikus erscheint (C S IT. II, 317). — In
einer Stiftung vom 30. Juli 1338 steht der Schulmeister tiefer; da
16 Johannes Müller:
bar dieselbe, wie sie solche Rektoren anderwärts hatten.
Diese wurden auf Kündigung — in der Regel auf viertel-
jährige — angenommen, brauchten nicht gerade Geist-
liche zu sein und standen unter dem Scholastikus , der
sie anzunehmen, zu beaufsichtigen und zu entlassen hatte.
In Bezug auf den Gesang waren sie von den Anord-
nungen des Kantors abhängig, der in allen Stiften einer
der Hauptwürdenträger war, im Chor gewöhnlich zur
Seite (aber unterhalb) des Propstes stand, das Chorgebet,
die Lesimgen, den Gesang der Kanoniker, Vikare, Kapläne
wie der Scholaren zu überwachen, beziehentlich einzu-
üben und sonst vorzubereiten hatte-"). Ihre Obliegen-
heiten wurden gewöhnlich in zweifache gegliedert: in
solche bezüglich der Schule und in solche bezüglich des
Chors. Der Unterricht in der Schule war je nach Art
der letzteren verschieden, in den Chorschulen aber sehr
dürftig (Lesen, Schreiben, Singen und Memorieren des zum
Gottesdienst Nöthigen, etwas Latein); auf dem Chore
hatten die Schulrektoren vor allem auf ordnungsgemässes,
sittsames Benehmen der Schüler zu halten und das Fehlen
wie nachlässige Singen derselben zu verhüten ^^). Dafür
dass der Schulmeister mit seinen Knaben, beziehentlich
einer bestimmten Anzahl derselben den Jahrgedächtnissen,
Vigilien und Messen beiwohnte und auf guten Gesang
hielt, wurde ihm zu Meissen bei Stiftungen solcher Seel-
messen u. s. w. in der Regel ein Geldbeitrag oder auch
wird den beim Feste der 1100 Jungfrauen anwesenden Domherren
je 1 Pfund, den Vikaren Va Pfund, dem magistro scolarium und dem
Glöckner je 1 Schilling zugewiesen (C S II. I, 351).
ö'') A'ergl. z. B. Helfenstein a. a. O. — Die Reihe der nach-
weisbaren Kantoren am Dome zu Meissen bis 1400 ist folgende:
1263, 18. Oktbr. Conradus cantor (C S IL VII, 4; ungenau Machat-
schek 9 u. 199); 1273 Amol du s felicis memoriae archidiacon. quon-
dam Nisaniae et cantor eccles. Misn. (II. I, 177); 1271, 8. März
Heidricus (IL IV, 9); 1273 Heidenricus deDewin (IL I, 177;
noch 1292, 9. Nov.: IL I, 241); 1296, 18. Mai Conradus (IL I, 250;
noch 1305, 30. Jan : IL I, 2H5); 1311, 26. Mai Lutoldus (IL III,
276; L. de Gurwitz IL III, 287; noch 1323, 18. Nov. IL IV, 139);
1325, 15. Jan. Albertus de Lisenik (IL L 319; 1326, Mai: IL
I, 321); 1328, 27. Pebr. Hermannus de Wolfticz (IL I, 324; noch
1339, 25. Okt.: IL I, 351); 1.342, 23. Okt. Palbertus de Mul-
husin (IL I, 360, vergl. IL IV, 27; noch 1379, 14. Okt. IL II, 174;
1381, 28. Mai t olim: IL II, 196 f.); 1383, 16. Okt. Otto de Donyn
(IL VI, 339); 1395, 1. Febr. Andreas Grauwe (IL II, 266, vergl.
294; 1405, 17. Sei)t. Andreas Grawe sangmeister vnde thumherre:
IL IL 327; 1407, 13. Aug. quondam: IL II, 337).
■"*) S. meine Schulordnungen etc. I (Zschopau 1885), 45 u. ö.
Die Allfänge des sächsischen Schulwesens. 17
eine Portion Wein ausgesetzte^). Über seine sonstigen
Einnahmen ist nichts bekannt.
Ergiebt sich aus dem Bisherigen, dass die Schule am
Meissener Dom zunächst eine Choi'schule armer Knaben
war, so machen sich im 14. Jahrhundert und in den ersten
Jahrzehnten des 15. Jahi^hunderts Umstände geltend,
welche zwar das Wesen der Meissener Domschule als
einer blossen Chorschule nicht alterieren, aber doch einen
Unterschied unter den Schülern anzunehmen nöthigen.
Am 14. Juni 1376 hören wir, wie dem Schulrektor (rector
scolarum) bei Stiftung eines Jahresgedächtnisses 2 Groschen
vermacht werden, damit er mit den Knaben und Scholaren
(cum pueris et. scolaribus) den Vigilien und der Messe
beiwohne*^**). Ähnlich werden am 12. April 1405 die Scho-
laren (scolares), die für ihre Dienste in den Vigilien und
Messen an einem vom Markgrafen Wilhelm gestifteten
Altar über dem Grabe seiner Gemalilin Elisabeth von
den jährlich 42 Schock Meissener Groschen betragenden
Stiftungsrenten jährlich 11 Schock erhalten sollen, von
den Chorschülern (choralibus) unterschieden, die für jeden
Termin 4 Groschen empfingen *^^). Am 6. März 1405 wii^d
endlich dem Rektor der Scholaren oder Kiemen (rectori
scolarium seu parvulorum) im Meissener Schloss (s. ob.)
einer Stiftung gemäss das KollatiUTecht über 4 bei der
Domkiixhe gestiftete Vikarien derart zugesprochen, dass
der Rektor mit Zustimmung eines älteren Kapitelherrn
und eines Domvikars für diese Vikarien einen von den
Chorälen (choralibus) der Domkii'che präsentieren solle,
der ein volles Jahr vor der Vakanz der Vikarie ununter-
brochen das Amt eines Choralis verrichtet habe (in hujus
modi officio choralium continue serviverit per annum inte-
grum precedentem) und zur Erlangung der Priesterwürde
geeignet sei (unum ex choralibus ecclesiae Misn. idoneorem
et ad presbyteratus ordinem promoveri magis habilem)*'-).
Aus alle dem ergiebt sich, zumal wenn Avir noch die uns
genauer bekannten Verhältnisse an anderen Stiften in
Betracht ziehen, dass im 14. Jahrhundert drei Gruppen
von Schülern, wenn wir sie so nach mittelalterlicher,
unseren modernen Begriffen freilich nicht ganz konformer
^^) 1373, 10. Nov.: dimidia stopa vini pro rectore scolarum, ut
cum pueris intersit (einer Seelmesse am 10. iS'ov.), de portione cano-
nicorum et vicariorum primitus deducta et reservata (C S 11. 11, 151).
Vergl. Note 42 u. 4(3. e») C S IL II, 161. »^ CSU. II, 318.
ö2) C S II. II, 317.
Neues Archiv f. S. Ci. u. A. Vlll. 1. 2. *
18 Johannes Müller:
Terminologie nennen wollen, unter der Leitung des Meissener
Chor-Scliulrektors standen: 1. pueri oder parvuli, Knaben,
2. Scholaren, scolares im engeren Sinne, 3. Clior-
schüler, chorales im engeren Sinne. Es sind dies
drei Gruppen, deren Unterschiede vielfach nicht ins Auge
gefasst werden, wodurch dann die Vorstellungen vom
mittelalterlichen Schulwesen sich leicht unrichtig gestalten
und man verleitet wird und verleitet worden ist, Ein-
richtungen anzunehmen, die unserem gegenwärtigen Jugend-
und Volksschulwesen zu ähneln scheinen, während man es
thatsächlich nur mit Scholaren und Chorälen im engeren
Sinne d. h. mit erwachsenen jimgen Leuten oder gar schon
mit jungen Männern zu thun hat, die rein klerikale oder
kirchliche Aufgaben erfüllten, beziehentlich Berufsarten
bildeten ^'^).
Über die Scholaren im engeren Sinne ist später
noch genauer zu handeln; hier genüge vorläufig die Be-
merkung, dass darunter einzelne jüngere oder ältere Ge-
hilfen, Begleiter, Schreiber und dergl. von Pfarrern und
Kanonikern zu verstehen sind, die in Pfarreien in der Regel
vom Pfarrer, in Stiften von dem Schulmeister anzulernen
waren ^'^j. Über das Institut der Chorälen geben ge-
nügende Aufsclüüsse die Hausordnung für die 12 Chor-
schüler in der Spitalschule zu Nüi-nberg v. J. 1343 ^^),
die Statuten des Scholasteramts zu Xanten*'*^), die Stiftung
für 6 Chorälen zu Cleve v. J. 1433*^"), ein Vertrag zwischen
Stift und Rath zu Emmerich vom 24. Februar 1453 ^^) mid
eine Stiftung der Frau Brigitta Somiewald zu Torgau
v.J. 1484*^^). In der Nürnberger „korschuler regel"' von
1343 werden die Chorschüler von den „deinen schulern" und
im Emmericher Vertrage von den Bürgerkindern und den
Kindern von auswärts, „dat gheen [keine] Chorälen en syn",
ausdrücklich unterschieden ; in der Torgauer Stiftung wird
<'^) Selbst F. A. Specht lässt noch die rechte Klarheit A'er-
missen, bespricht überhaupt die letztgenannten zwei Gruppen nicht.
*^) Vergi. meine Schulordnungen I, 45. Im Stift Beromünster
in Kant. Luzern sollte der Schulmeister jedem Chorherrn „ein schuler
one Ion leren".
"5) Meine Schulordn. I, 17 flg.
ß*^) F. Nett es heim, Gesch. der Schulen im alten Herzogthum
Geldern etc. (Düsseldorf 1881) S. 374 f.
6^) Nettesheim, S. 133.
68) Meine Schulordn. II, 292 flg.
<**>) C. Knabe, Die Torgauer Visitationsordnung von 1629
(Torgau 1881) S. 16 sab 18.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 19
bestimmt, dass die Cliorales nicht Schüler zu sein brauchen ;
nach den Xantener Statuten sollten sie Studenten sein.
In Cleve sollten die 6 Chorälen auf' Rath des Rektors
und Scholasters aus Knaben, die von dürftigen Eltern
abstammten, aber im Singen und Lesen tüchtig wären,
gewählt werden. In Xanten wohnten sie in den Häusern
der Kanoniker oder Beneficiaten, in Nürnberg im Spital.
In Nürnberg sollte sie der Schulmeister lehren, „darumb,
daz frum gaistlich leut gezogen Averden, daz sie zu grozzerm
gotz dinst kumen mügen'', und ,,wer niht priester werden
wil, den sol man zu korschuler nilit nemen, vnd wenn ein
priester stirbt, so sol man dem paz gelersten vnd aller
endlichstem, der vnter den zwelf korschulern ist, die selben
pfrünt leihen". In Emmerich hatten die Chorälen Feier-
und Wochentags zu Chore zu gehen bei der Messe, Prime,
Seelmesse, Vesper und im Sommer zur None; anderwärts
war es ähnlich. Und in Meissen, wo schon im Jahi^e 1205
über die Nachlässigkeit der Domherren geklagt werden
musste und sich dieselben für die Besorgung des Gottes-
dienstes durch Annahme von Priestern, von ständigen oder
zeitweisen Vikaren (vicarii perpetui ac temporales), Er-
leichterung schafften mid auch die Seelsorge anderen über-
liessen, bildete das Institut der Chorälen offenbar die
Vorstufe zu den Vikarien und waren die jungen Leute
vor allem dazu da, an Stelle der Domherren die Hören
zu singen ^°). Da nun am Meissener Dom die ausser den
Scholaren und Chorälen im engeren Sinne vorkommenden
Knaben oder Kleinen (pueri, parviüi) nach Obigem offen-
bar auch nur den kii'chlichen und speziell den Chor-
zwecken dienten, so muss abschliessend die Behauptung
aufrecht erhalten werden, dass die Meissener Domschule
vom 12. bis 15. Jahrhundert nur eine Chorsclmle war oder,
um mit den Worten aus einer Ordnung für den Stifts-
schulmeister zu Münster im Kant. Luzern vom Jahre 1420
(beziehentlich 1326) zu reden, dass es der Chor war,
,;dem zuo dienst die schuol gestifft ist", imd auch der dort
gleich folgende Zusatz wird auf die Meissener Schule
Anwendung erleiden dürfen, dass der Chor „nit harwider
durch daz zitt [Zeit] der 1er niemer versumpf werde" '"*).
''^) An dem i. J. 1480 gegründeten KoUegiatstift zu unserer
lieben Frauen in Freiberg standen die Chorälen unter besonderer
Leitung des Dekans („choralibus presit eosque suscipiat ac dirigat,"
1480, 14. Aug. C S II. XII, 540). 'O*) Yergl. Note 64.
2*
20 Johannes Müller:
Neben der Domschule treffen wir in Meissen sehr
bald eine zweite, zugleich die zweite Schule Sachsens,
deren Vorhandensein sich urkundlich belegen lässt. Bischof
Dietrich II. von Meissen gründete nämlich im Jahre 1205
(3. März) zui' Beförderung des religiösen Lebens wegen
der Nachlässigkeit der Kanoniker vom Dome zu Meissen
(pro negligentiis fratrum nostrorum tam presencium quam
futurorum religionem de novo plantare volentes) einen Kon-
vent von Augustmer-Chorherren an der Kii'che S. Afra,
denen er auch die Seelsorge in Meissen und Umgegend
übertrug; zugleich verordnete er bei S. Afra die Grün-
dung einer Schule von zwölf weltlichen Knaben
behufs Hebung des Gottesdienstes in der genamiten Kirche
(ut divinum officium sollempnius celebretur, scolae illic
XII puerorum secularium habeantur") ^^). Aus dem Aus-
drucke: weltliche Knaben, die den kanonischen gegen-
überstehen, erhellt, dass die Schule nicht für zukünftige
Domherren, zur Gewinnung eines geistlichen Nachwuchses
und seiner wissenschaftlichen Bildung bestimmt war, son-
dern nur zu gottesdienstlichen Zwecken. Wie die Zahl
der Schüler eine sehr besclu^änkte war, so kam es nur
darauf an, einige Laienknaben oder Jünglinge zu haben
und dazu zu befähigen, dass sie, wie die Chorschüler am
Dome, bei Hochämtern, Vigilien, Seelmessen, Prozessionen
u. s. w. Gesänge ausfülu-en mid in sittsamer, verständiger
Weise Helferdienste verrichten, vielleicht auch zeitweise
bestimmte Stücke verlesen konnten. Die „Schule'' verfolgte
also ebensowenig wie die am Dome allgemeine sittliche
Erziehungszwecke, sondern nur kirchliche und trug
nicht im Entferntesten den Charakter der Öffentlichkeit
und Allgemeinheit noch der Wissenschaftlichkeit; sie war
ebenfalls nur Chorschule'-). Die Schülerzahl scheint
sich laut der schon besprochenen Urkunde vom 20. November
1279 im Laufe des 13. Jahrhunderts von 12 auf 24 ver-
doppelt zu haben. Füi- ihre Dienste erhielten die Schüler
'1) C S II. IV, 102 u. die kürzere Urk. v. 3. März 1205 eben-
da 104.
'^) Wenn noch Machatschek S.141 diese Schule der 12 welt-
lichen Knaben zu einer „Pflanzstätte des Christenthums, katholischer
Theologie und jeder schönen Wissenschaft" macht, wenn er sagt,
dass die 12 Knaben „darin Unterricht in der Musik, latein. Sprache,
Schreib- und Dichtkunst, Malerei und im Chorgesange erhalten
sollten , um zu den geistlichen und kirchlichen Amtem , die man
ihnen in der Folge anvertrauen wollte , geschickt zu sein" , so ist
das eine völlig unkritische Schönfärberei.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 21
wahrscheinlich ihren Lebensunterhalt oder wenigstens
einen Lohn vom Stifte, \aelleicht auch aus Almosen. Ver-
mächtnisse und Stiftungen zu ihrem Besten, wie sie uns
oben bei Besprechung der Dom - Chorschule für deren
Schüler begegnet sind, lassen sich nicht nachweisen.
Auffälligerweise erscheint erst sehr spät ein Schul-
meister, beziehentlich auch ein Kantor am Afrastift: erst
den 1. Dezember 1360 ein Johannes Dypoldswalde protunc
rector scolarium scolae sanctae iVffrae'^-') und gar erst den
28. September 1396 ein „Friczoldus de Nassow cantor" '^).
Die Schule scheint darnach in der älteren Zeit imter
Leitung des Priors oder Propstes selbst gestanden und,
da niemals ein Scholastikus oder magister principalis er-
wähnt wird, eines solchen besonderen höheren Leiters ent-
behrt zu haben, wie er am Domstift Meissen seit dem
12. Jahrhundert stets vorhanden war. Der letztere Um-
stand erklärt aber zugleich das Fehlen eines Scholasti-
kus am Chorherrenstift; die Stellung des Domscholasters
vertrug eine Konkurrenz am Orte und in der Nachbar-
schaft nicht.
Eine gelehrte Schule beün Afrastift neben der Chor-
schule anzunehmen, dazu berechtigt der Umstand, dass
später bei S. Afra das noch jetzt berülunte Gymnasium
entstanden ist, gar nicht. Auch wenn wir in der Zeit
von 1371 — 1452 von verschiedenen Abstufungen innerhalb
des Konvents hören, wonach dessen Mitglieder in „eman-
cipati'' und „seniores" d. h. solche, welche die Priester-
weihe empfangen hatten und Sitz und Stimme im Konvent
besassen, und in „non emancipati, juniores domini", „junge
herren" zerfielen''-^), so kann aus dieser Thatsache noch
nicht ohne weiteres auf das Bestehen einer sogenannten
'"") C S II. IV, 152. Den 4. Okt. 1361 giebt er sich noch die
nähere Bestimmung: de Dresden; s. C S II. IV, 154 Nr. 215. Den
12. Jan. 1362 nennt er sich „Joh. Dipolsswalde rector scolae eiusdem
monasterii", und gleich nach ihm in der Zeugenreihe steht ein
.Andreas Fabri de Missna Scolaris«; s. CS IL IV, 153 Nr. 216.
Über den Scolaris s. später. '*) 0 S II. IV, 169.
■=") C S n. IV, 155 Urk. v. 7. .Juli 1371 : canonicis regularibus
dividere taliter, quod emancipati integras portiones percipere debeant
et alii non emancipati percipere debeant mediam portionem de pe-
cunia. Vergl. C S II. IV, 170 u. 278. — Am Dome zu Meissen
wird schon 24. .Tnni 1246 verordnet, dass ein canonicus in minori pre-
benda constitutus, postquam integratus fuerit, die ersten zwei Mark
abzugeben habe (II. I, 123), u. 26. Okt. 1296, dass allein den „per-
sonis emancipatis" die Praelaturen gegeben werden sollen (IL
I, 251), u. den 10. Nov. 1373 ist von „canonici emancipati et inte-
22 Johannes Müller:
inneren, für die gelehrte Ausbildung der Klostergeistlich-
keit bestimmten Stiftsschule geschlossen werden. Anders
scheint sich aber unser Urtheil gestalten zu müssen, Avenn
die jungen Herren „domini juvenes scolas intrantes" ge-
namit werden und von einem „regularis scolas intrans" oder
auch von „sedentes in scolis" geredet wird. Und das ge-
schieht im letzten Viertel des 14. und zu Anfang des
15. Jahrhunderts^*^). Allein trotzdem dünkt es mich ge-
wagt, eine wirkliche wissenschaftliche Ausbildung der
jungen Kleriker, das Bestehen einer gelehrten, nach Obigem
selbstverständlich auf die Klosterinsassen beschränkten
Stiftsschule anzunehmen. Es verlautet darüber auch
später nie etwas, was zu dieser Annahme irgendAvie
nöthigte; wohl aber werden in einer Ordnung für die
Prozession in der Frohnleichnamsoktave v. J. 1503 „sco-
lares" und „chorales" zu S. Afra neben den Kanonikern
unterschieden "). Darnach und bei der Weite des mittel-
alterlichen Begriffs von scola möchte ich meinen, dass es
sich in der Schule für die „jungen Herren" d. h. für
die im Jünglings- oder niederen Mannesalter stehenden
Kleriker, die allmählich zur Priesterweilie gelangten und
in die Chorherrenpfründe einrückten, im "Wesentlichen nur
um Belehrungen und Übungen für den Kirchendienst und
für das Klosterleben handelte, ähnlich dem, was oben
S. 14 aus den Statuten der Leipziger Augustiner-Chorherren
grati vocem in capitulo habentes" die Rede im Unterschied von den
Vikaren u. s. w. (II. II, 151, vergl. IL I, 297).
■'ö) C S II. IV, 161 den 14. April 1382: campanatori tantum,
quantnm uni regulari scolas intranti, ut melius pulset; ebenso C S II.
IV, 168 d. 11. Nov. 1392; ähnlich C S II. IV, 193 d. 28. Aug. 1405:
campanatori tantum, quantum uni conventuali de iuvenibus dominis
scolas intranti; desgl. II. IV. 207 d. I.Mai 1417: quantum mii ex
minoribus dominis adhuc scolas intranti. Den 21. Dez. 1403 : de qui-
bus fructibus mihi praeposito . . . similis portio utpote alteri con-
ventuali, juvenibus vero dominis scolas iutrantibus media dumtaxat
tribuatur; C S II. IV, 192. Am 24. Jau. 1406 bestimmt Bischof
Thimo die ßangstellung von Mitgliedern des Dom- u. des Afrastifts
derart, dass der Propst von Afra zur Seite des Doradekans, die Pres-
byter (Priester) von Afra über den Vicarii perpetui des Doms, die
.,sedentes vero in scolis supra omnes vicarios temporales" ihren Platz
haben (C S II. TV, 194). — Den 23. Aug. 1408: „alle montage vnd
mittewochen sulle wir (Propst, Prior etc.) selemessen singin mit den
jungen herren in der cappelle . . die messen . . . sullen die jungen
herren helfen singen one wedirrede"; C S II. IV, 197.
") C S II. IV, 253. Dazu kommen die letzten Sätze sub 76
über die Verpflichtungen der „jungen Herren" in Betracht.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 23
vom Jahre 1445 mitgetheilt Trorden ist^^). Unter wessen
Leitims: diese Schule stand, ob die Dinge so lagen, "wie
bei der Domschule oder anders, das wissen wir nicht,
auch nicht, in welchem Verhältnisse sie sich zu der Schule
der 12—24 weltlichen Chorknaben befand.
Fast gleichzeitig mit den bisher besprochenen kleri-
kalen Schulen zu Meissen zeigen sich die ersten Spinaen
zweier ganz ähnlicher: der Stiftsschulen zu Bautzen
und Würzen.
Von Meissen aus war Ende des 10. Jalulianderts die
Herrschaft der Deutschen und mit ihr das Christenthum
in die Oberlausitz gekommen, und der erste bekannte
oberste Geistliche der letzteren, der Archidiakon (bischöf-
liche Vertreter) des Landes Budissin, Nikolaus zu Bautzen,
der zuerst im Jahre 1216 erwähnt wird, war zugleich
Domherr zu Meissen und bekundete damit den alten Zu-
sammenhang der Bautzener Kirche mit der Meissener
Mutterkirche '^). In Bautzen selbst, das ziun ersten
Male im Jahre 1002 Stadt (urbs Budusin) heisst, soll im
Jahre 1074 das erste christliche Kirchlein durch Bischof
Benno von Meissen zur Pfarrkirche umgebaut worden
sein, worauf diese nach nochmaligem Umbau von Bischof
Bruno IL den 24. Juni 1221 eingeweiht wui^de. Zuvor
war noch an Stelle der blossen Stadtpfarrei ein Kollegial -
Stift mit einem Propste und sechs anderen Kanonikern
errichtet (und eben deshalb jedenfalls auch der Chor der
Kirche neu gebaut) ^'^) worden. Unter den Kanonikern
erscheint nun schon den 13. März 1218 ein „Johaimes
scolasticus"^^), der den 5. August 1221 von Bischof
Bruno IL „Johannes notarius noster, scolasticus Bud-
sinensis"^^) genannt wird, also, wie dies meist bei den
'*) Eine andere Auffassung bei Th. Flathe, Das Kloster der
Augustiner-Chorhenen zu S. Afra, in K.v. Wehers Archiv f. sächs.
Gesch. N. Folg. II (1876). 74 flg.
'0) C S IL I, 81.
^) H. Knotlie, Zur ältest. Gesch. der Stadt Bautzen, in dieser
Zeitschr. V (Dresden 1884), S. 80 u. 57 flg. — F.F. (Prihonsky),
Statuten des CoUegiatstifts S. Petri zu Budissin in ihrer Entsteh-
ung und Fortbildung (Budissin 1858) S. 2flg.
81) Beyer a. a. 0. S. 529. Um 1220: C S H. IV, 443; den
25. Febr. 1222: IL I, 87; d. 27. Sept. 1222: C. 0. Gercken, Historie
der Stadt Stolpen (Dresden 1764) S. 542; d. 19. Jan. 1223 u. 29. Jan.
1226: G. Köhler, Cod. dipl. Lusat. I, S. 35» u. 38; noch den
15. Jan. 1228: Beyer S. 538.
82) Schöttgen u. Kreysig, Diplomat. 11, 176. Vergl. suh
9. Febr. 1223 C S IL IV, 108.
24 Joliaimes Müller:
Scholasteni der Fall war, das Amt eines Kanzlers und
Archivars des Stifts verwaltete. Am 19. Februar 1223
wurde die Wahl des Scholastikus und des Kustos des
Bautzener Stifts dem Meissener Bischof vorbehalten,
während die Bautzener Domherren ihren Propst und _De-
kan, wie anderwärts, selbst wählen durften ^^). Über
die Schule selbst wissen wir z. Z. aus dem 13. Jahr-
hundert gar nichts. Offenbar war dieselbe aber der
Meissener Dom - Chorschule nachgebildet, und damit
stimmen die aus dem 14. Jahrhundert auf uns gelangten
Nachrichten. In den vom Bischof Konrad von Meissen
den 31. Oktober 1372 bestätigten Statuten des Bautzeuer
Domkapitels wird § 17 von dem erst jüngst errichteten
Amte eines Kantors gehandelt und dabei dem Kantor
aufgegeben, dass er zu bestimmten Zeiten und bei be-
stimmten Gesängen mit seinen Gehilfen bei den Knaben
auf dem Chore stehen (cantor cum provisoribus stabit
juxta pueros in choro), beziehentlich aufstehen solle (sur-
gent cantor et provisores et stabunt circa pueros in choro) ;
und von den Knaben hören wir, dass sie ebenso wie die
im Meissener Dome zu räuchern hatten und zwar auch
ihren Kantor und seine Gehilfen (tunc duo pueri cum
thuribulis venient et thurificabimt ambo, cantorem primo
et tunc quilibet illorum puerorum thuriflcabit unum ex
provisoribus) ^^), und dass sie an Festtagen alle mit der
Cappa, dem mit einer Kapuze versehenen Schulterum-
hang oder Mantel, bekleidet sein mussten und seitens
des Kantors durch einen Aufpasser — em in den mittel-
alterlichen Schulen sehr beliebtes disciplinelles Institut —
überwacht werden sollten (et in choro habeat cantor
correctorem puerorum) ^^). Das Amt des Kantors wird
in den Statuten übrigens nicht als dignitas (Würde),
sondern als officium bezeichnet; er gehörte also nicht zu
83) Knothe S. 89. Am 29. Jan. 1226 wurde von Bischof
Bruno II. vonMeisseu bestimmt (F. P., Statut, des Colleg. S. 4, u. G.
Köhler, Cod. dipl. Lusat. I, 37): Et decauum eligaut [die Kanoniker]
de cousortio suo sibi ita quod scholarum et custodiae donatio nobis
et nostris successoribus reservetur, sicut etiam in majori ecclesia
Misnensi actenus hahuit se jus nostrum.
8*) Stat. d. Colleg. S. 13 flg. Machatschek a. a. 0. S. 306flg.
— Dem ohigen Satz folgt: Et illa thurificatione facta cantor stabit
in medio chori ante pulpitum, et provisores stabunt juxta pueros,
quilibet in uno choro, quousque dicetur Gloria patri ; tunc etiam can-
tor ibit et stabit juxta pueros, quousque compleatur antiphona.
85) Stat. d. Coli. S. 15. Machatschek S. 307.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 25
den Prälaten und stand dann als Lehrer unter dem
Scliolastikus.
Sonach war die Schule am Bautzener Stift nur eine
von einem Kantor, m älterer Zeit nur von dem Schola-
stikus geleitete Chors chule, neben welcher vielleicht
noch die rein klerikale Instruktion etwaiger jüngerer
Chorherren einhergegangen ist^"). Mit dem Unterrichte
der städtischen Jugend Bautzens hatten die Stiftsschule
und die Pfründe des Scholastikus und das Amt des Kantors
anfangs gewiss nichts zu thun^'^). Im 14. Jahrhundert
machte jedoch der Scholastikus, wie die Domscholaster
an anderen Orten, den Anspruch geltend, die im Kirchen-
sprengel entstehenden und bestehenden Schulen zu ver-
leihen, die Erlaubnis zum Schulehalten zu ertheilen und
über alle Schulen die Oberaufsicht zu führen. Wir kommen
darauf weiter unten zu sprechen.
In Würzen war ebenfalls, wie in Bautzen, von
Meissen aus die Organisation des kirchlichen Lebens er-
folgt und im Jahre 1114 von Bischof Herwig von Meissen
em kleines Münster (monasteriolum) oder Kollegiatstift
gegründet worden*^*). Aber erst über 100 Jahre später
stossen wir auf den ersten „scolasticus Wurcinensis",
namens Heinricus, als Zeugen in einer Urkunde vom
26. März 1227^"), den 1. März 1262 auf einen Johannes
scolasticus Wurcinensis ^*^). Die Einrichtung der Wurzener
Stiftsschule war sicherlich derjenigen der Meissener und
Bautzener Dom- und Stiftsschulen ganz verwandt. In
den im Jahre 1476 fixierten, aber im Wesentlichen emer
früheren Zeit, vorwiegend dem Jahre 1362 angehörigen
Statuten des Stifts zu Würzen ^^) werden mehrere nähere
*^) In den Statuten von 1372 werden „praelati, canonici et
vicarii sive perpetui sive temporales" unterschieden.
8') Ebenso urtheilt Knothe a. a. O. 113.
««) Chr. Schöttgen, Historie der churfürstlichen Stiftsstadt
Würzen (Leipzig 1717), S. 147flg. 85flg.
*") C S II. I, 95. Wohl ident. mit dem: „Heinricus scolasticus
de- Wrcin" v. 19. Sept. 1233: C S II. IV, 304 u. Beyer S. 539.
9«) C S II. I, 154. Den 24. .luli 12R6 magister Joh. scol.
AVurc: II. I, 160; vergl. II. IV, 7. — Einen Scholast. Otto i. J.
1340 (resigniert 1348) verzeichnet Clir. Schöttgen, Hist. 196;
einen Otto scolast. s. auch 4. Mai 1352 in CS II. I, 384. Im
Exempl. der Dresdner Kgl. Bibl. von Schöttgen, Hist. 196 ist
hdschl. noch eingetragen: „1306 Hermannus" („in Kloster Nimbschen
Briefe").
"*) Chr. Schöttgen, Hist. von Würzen, Anhang einiger Do-
kumente S. 68 u. 80, vergl. S. 65 u. 95.
26 Johamies Müller:
Vorschriften für die Scholaren und den Schulrektor ge-
geben, welche für die Geschichte des sächsischen Schul-
wesens einige Bedeutung haben, da sie aus jener Zeit
die einzigen bis jetzt bekannten dieser Art sind. Sie be-
ziehen sich aber nur auf den Chor dienst und kenn-
zeichnen die für diesen nöthige Unterweisung.
Darnach sollte der Schulrektor (rector scholae) bei
allen Metten, denen er mit seinen Scholaren (scholaribus)
beizuwohnen hätte, die zwei feierlich zu singenden Lek-
tionen und zwei Verse zuvor angemessen vertheilen (dis-
ponere); die S.Lektion sollte immer ein jüngerer Chorale
(junior choralis) lesen und das Benedicamus singen. Die
Scholaren mussten gleichzeitig in Prozession den Chor
betreten. Vom ersten Schlage der Vesper (4 — 5 Uhr Nach-
mittags) an bis zum Schlüsse des Kompletoriums (d. h.
des Gebetes gleich nach Sonnenuntergang) und vom
ersten Schlage der Mette bis zur Nona (2 — 3 Uhr Nach-
mittags) sollte keiner ohne Mantel in die Kirche kommen,
keiner unter (oder nach) dem Evangelium und der Epistel
und vom Sanctus bis zum Vaterunser und wenn zwei
einen Vers singen oder das Gra duale und Hallelujah ge-
sungen werde, den Chor betreten oder verlassen noch
von einem Chor zum andern gehen. Keiner sollte sitzen,
wenn die anderen stehen, und umgekehrt. Wenn die
Senioren (seniores) die Kniee beugen oder Häupter neigen,
sollten dies die Scholaren auch thun, ebenso wenn das
Gloria patri, Sanctus, Adoramus, Gloria tibi domine und
die Worte im Credo: „Et homo factus est et simul ado-
ratur" gesungen werden; andernfalls sollten sie Schläge
mit der flachen Hand oder im Wiederholungsfalle mit
Ruthen erhalten. Wer nicht rechtzeitig zu Chore komme
oder nicht daselbst ausharren wolle oder sich zur Unzeit
setze oder aufstehe, den sollten die Scholaren auszischen
(debent scholares sibilare) , bis er sich ordnungsgemäss
verhalte. Ähnlich sollte es dem ergehen, der zu gewissen
Zeiten bedeckten Hauptes gesehen würde. Voreiliger
Beginn der Lesungen und der Gesänge war verboten.
Beim Sprechen oder Singen des Priesters am Altare
sollten sich alle zum Altar wenden, auch dem Propst und
Dekan, wenn sie den Chor betreten, durch Erheben von
den Sitzen und Verneigen allezeit Ehrfurcht bezeugen '^^).
■'2) Schott gen, Hist. v. Wnrzeii, Anhang S. 101— 103, §55flg.
der Statuten.
Die Anfänge des säclisischeu Scliuhveseiis. 27
Auch sollte der Schulmeister (magistei" scholae\ —
der ja nicht zu den Kanonikern gehörte , — wenn die
Kanoniker und Vikare ihre Kappen trug:en und in der
oberen Ordnung- standen, in der unteren stehen, weil die
Kleidung der Herrn in der ol)eren einförmig sein müsse ^^),
Dass es in Würzen neben oder unter den Scholaren
auch Chorales gab, erhellt ausser aus dem Vorstehenden
aus einer Urkunde vom 12. März 1470. wo dieselben
gleich nach den Vikaren und Kaplänen angeführt sind,
was zu der obigen Charakteristik dieser Personen als
meist erwachsener Kleriker stimmt ^^). Weiteres über
die Stiftsschule ist z. Z. nicht bekannt, in Sonderheit
nicht, ob ausser den Scholaren, über deren Alter wir
ebenfalls jeder bestimmten Nachricht entbehren, der
Schulrektor Schüler hatte, die nicht zunächst und vor-
wiegend dem Chorgesang und kirchlichen Handlungen
dienten.
Unklar ist auch die Bedeutung und Aufgabe der
ältesten und einzigen bekannten Scholastica Sachsens,
iener Hermudis, welche in einer Urkunde vom 20. Fe-
bruar 1247 ''■^) an dem auf Befehl des Papstes Lucius III.
(1181 — 85) von Hermann von Schönburg gegründeten
und den 2. Januar 1233 testamentarisch dotierten ^'')
Benediktiner - Nonnenkloster zu Geringswalde er-
scheint. In jener Urkunde von 1247 rangiert die „Scho-
lastica" unter den Zeuginnen nach der Priorin und Sub-
priorin aber vor der Celleraria, Sacrista, Portaria, Came-
raria etc. In einer Urkunde vom Jahre 1265 ist Hermudis
Priorin, und fehlt neben den noch mit Namen angeführten
Würdenträgerinnen (der Kämmerin, Küsterin, Keller-
meisterin etc.) eine Scholastica; dafür steht an 4. Stelle
(unmittelbar vor der Custrix und der Celleraria und
»«) Schöttgen, Hist. von Würzen, Anh. S. 87, § 30.
0^) Schöttgen, Hist. S. 170. — Auch die wohl dem Anfang
des Ifi. Jahrh. angehörende Nachricht ehenda S. 108 bestätigt Obiges.
Darnach empfingen für den Gesang des Salve regina in der Fasten
die Domschüler Dienstags nach Palmarum jeder Knahe 2 Bretzeln,
„die Schuldiener aber u. Chnralisten eine* Kollation" (ein frugales
Abendmahl) von den Kirchvätern.
05) Beyer a. a. 0. 546.
»8) A. Tobias. Regesten des Hauses Schönburg bis 1326
(Zittau 1865) S. 11. — Die päpstliche Bestätigung durch Gregor IX.
erfolgte den 29. Okt. 1238. G. A. Bernhardi, Beitrag zu einer
Geschichte von Geringswalde (Leipzig 1777) S. 54.
28 Johamies Müller:
gieicli nach der Cameraria) eine Elyzabeth cantrix^^).
Nach allem, was wir über das Kloster Geringswalde
zur Zeit wissen, kann aus dem vorübergehenden Auftreten
einer Scholastica nicht ohne weiteres auf das Vorhanden-
sein einer ständigen Klosterschule für junge Mädchen,
die nicht Novizinnen waren oder werden sollten, ge-
schlossen werden, noch weniger aus dem Umstände, dass
später die Herren von Schönburg dieses ihr Marienstift
zu der übrigens nur drei Jahre (von 1566 — 1568) be-
stehenden Schönburgischen Landesschule für Knaben
verwendeten'-'^), auf das einstmalige Vorhandensein einer
Schule, die auch jüngeren Knaben, welche Geistliche
werden wollten, zugänglich war ^^). Es kann sich wohl
nur um den Unterricht junger Mädchen, die Nonnen
werden wollten, oder um den der Novizinnen und der
Nonnen selbst handeln, also um eine sogenannte innere
Klosterschule, in der geistlichen Jungfrauen oder
Mädchen vor allem Lesen und Schreiben und einiges
Latein, der Psalter, Gebete und Lesungen (das Brevier),
kanonische Vorschriften, ascetische Übungen und Hand-
arbeiten gelehit wurden ^°''). Vielleicht kam es auch nur
darauf an, sogenannte „moniales literatae id est choro
addictae et in choro legentes", wie sie anderwärts um
1213 genannt wurden^"^), für ihre Gesänge und Vor-
lesungen imd Gebete im Chordienste zu instruieren. Da
eme Scholastica nur einmal, in den ersten Zeiten des
Bestehens des Klosters, nachweisbar ist, und schon 1265
dieses Amt verschwindet, so scheint die Klosterschule
als eigentliche Anstalt auch nur dieser ersten Zeit, wo
das Kloster in Aufnahme kam, angehört zu haben. Ist
doch auch damals, am 1. April 1280, von einer Schule
gar nicht die Eede, als ein Ritter Heidenreich von Lichten-
walde seine drei Töchter ins Kloster zu Geringswalde
gab, offenbar damit sie einmal Nonnen werden möchten.
^'') Schöttgen und Kreysig, Diplom. 11. 446.
"*) Th. Distel, Der Flacianismus und die Scbönburg sehe
Landesschule zu Geringswalde (Leipzig 1879) S. 5 flg.
^") Vergl. über diesen schon zu Karls des Grossen Zeiten ver-
botenen, aber doch hier nnd da gepflogenen Brauch Specht a. a. 0.
S. 282 flg.
^^-) Specht S. 258 flg. und die Rostocker Kinderlehre aus
dem Anf. des 15. Jahrg. (Instruktion eines Franziskaners an Schwester
Adelheid über den Lehrgang), veröflentl. von K. Krause im Progr.
der grossen Stadtschule zu Rostock 1873, S. 13 flg.
'fi) Specht S. 262.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 29
und als er ihnen eine jährliche Rente von 6\'., Pfund
Silber aussetzte, die nach seinem Tode dem Kloster zu-
fallen sollten, auch wenn eine oder alle Töchter das
Kloster wieder verlassen würden ^'^'-).
Während so die bisher besprochenen ältesten Schulen
Sachsens nur für kirchliche oder klerikale Zwecke er-
richtet waren und erhalten Avurden, ging man in der
nächsten für das 13. Jahrhundert nachweisbaren säch-
sischen Schule einen Schritt weiter. Bei dem im Jahre
1212 durch Markgraf Dietrich von Meissen gegründeten
Augustiner-Chorherrenstifte zu St. Thomas in Leipzig
ward nämlich von den Chorherren eine Schule unterhalten,
welche eine äussere (schola exterior) genannt wird,
somit zwar unter klerikaler Leitung stand und zunächst
und vorwiegend der Ausbildung zukünftiger Weltkleriker
(Leutpriester) diente, aber doch auch — im Unterschiede
von den nur für zukünftige Ordensgeistliche und Kanoniker
bestimmten ,, inneren" (inferiores) Schulen und im Unter-
schiede von den nur füi' den Chordienst errichteten Chor-
schulen — von den Laien, also in Leipzig von den
Bürgerskindern zu einer nach damaligen Begriffen
mehr oder weniger gelehrten Bildung mit benutzt
werden konnte. Ihrer wird zum ersten Male in einer
Urkunde vom 20. Februar 1254 gedacht; damals wies
der Klosterpropst einen Theil (tria talenta) der Einkünfte,
welche das Kloster aus der „äusseren Schule" bezog,
und Avelche der von ihm bestellte Schulmeister viertel-
jälirlich zu zahlen hatte (anuuatim singulis quatuor tem-
poribus XV solidi, quos eiusdem scolae magister dabit
et praesentabit alicui dominorum), zur Verbesserung der
Krankenpflege an^^-^). Der Tenor der Urkunde erweckt
den Eindruck, als ob die äussere Schule erst vor Kurzem
angelegt sei und nun zum ersten Male über deren Ein-
künfte Verfügung getroffen würde. Von ehier sogenannten
inneren Schule zu St. Thomas verlautet um jene Zeit
und im ganzen 13. Jahrhundert nichts. Doch schliesst
der Ausdruck „scliola exterior" eigentlich ihre Existenz
ein. Auch wird in einer Urkunde vom IG. August 1342^"'),
worin der Prior und Konvent des Thomasklosters hin-
sichtlich der Wirthschaftsverwaltung einiges festsetzen.
^<>-) Urk. gedr. in den Mittheihingen der deutschen Gesellschaft
in Leipzig I (1856), 162.
1"») C S II. IX, 13. 10^) C S 11. IX, 82.
30 Johannes Müller:
von Herren und Knaben des Konvents (doniini et pueri
conventuales sicut et praebendarii) und von Knaben, die
sich dem Klosterleben widmen (puer religioni nobiscum
se reddens), gesprochen. Freilich ein unzweideutiger
Beleg für (las Bestehen einer inneren Schule ist diese
Nachricht nicht, und noch weniger ist für die Ständigkeit
der Schule der Beweis erbracht. Im Jahre 1339 (4. April),
wo gewisse Gefälle zur Bekleidmig der Chorherren be-
stimmt werden, ist von Knaben (pueri conventuales,
canonici) gar nicht die Eede, nur von erwachsenen Kle-
rikern und zwar von solchen, die den Chordienst ver-
sehen, wozu ja sonst Knaben vorzugsweise verwendet
wurden ^"•^). Die innere Schule am Thomaskloster war
offenbar nur eine zeitweilige, je nach Vorhandensein eines
jungen NachAvuchses zur Klostergeistlichkeit Sie stand
dann wohl unter Leitung des Propstes oder eines von
ihm beauftragten Chorherrn, wie später die oben (S. 14)
schon erwähnten Statuten des Thomasstifts vom 10. Sep-
tember 1445 ausdrücklich verordneten. Die äussere
Klosterschule hatte dagegen ihren vom Propst erwählten
eigenen Schulmeister. Der erste mit Namen bekannte,
der erste Leipziger Schulmeister überhaupt, erscheint als
Zeuge im Jahre 1295: „Thidericus rector scolarimn in
Lypz"^^''); er ist der emzige aus der Zeit bis 1443,
dessen Name überliefert ist^*^'). Der gebrauchten Aus-
drucksweise („scolarium in Lypz" schlechthin) zufolge
muss er zugleich der einzige Schulmeister in der Stadt
gewesen sein, und da noch im 15. Jahrhundert (s. Note 107)
dieselbe Bezeichnungsweise üblich ist, so erscheint die
Existenz einer zweiten öffentlichen Schule in Leipzig
bis zum Jahre 1511 (s. später) ausgeschlossen. „Der
^'-^) C S II. IX, 76: dominis nostris solum praesentibus choro
deservientibus tarn iuvenibus quam veteranis. Letztere werden als
„vh'ibus destituti" bezeichnet.
^ö«) C S II. IX, 35. Er steht dort als drittletzter unter
7 Zeugen, die alle Laien sind.
^^'^) Im J. 1443 (28. Jan.) ist es Petrus Sehehusen, der damals
„rector scolarium domini prepositi" (II. IX, 195 flg.) und 1451
(12. Okt.) Petr. Zehuse rector scolarium in Lipzk ^11. IX, 264)
genannt wird, 1443 den 8. Febr. artium magister decretorumque
baccalarius (ibid. 196) und 1460 (31. März) JSotar ist (ibid. 285).
Im .7. 1460 (31. März) ist Johannes Forcheym rector parvulorum
in Lipczk (1470, den 19. April wohl Propst zu Mühlberg, ibid. 295).
1495, 11. Juni heisst's vom verstorbenen Magister Gregorius Wess-
nigk : „hat sich eyn laugzeit inn vnd neben vnserm kloster enthal-
denn, gedienet, schulregiret" (ibid. 353).
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 31
Schulmeister zw s. Thomas'- hatte auch, wie aus einer
Urkunde vom 9. Dezember 1437 ersichtlich ist^*^^), an
der Parochialkirche St. Nikolai, welche gemäss päpst-
licher Bulle vom 18. Dezember 1221 dem Thumaskloster
gehörte, die Vigilien und Messen etc. mit „etzlichen
Schülern-' zu singen. — Inwieweit nun die Bürger Leip-
zigs die gebotene Füglichkeit, in der Thomasschule ihren
Kindern eine lateinische Bildimg geben zu lassen, aus-
genutzt haben, ist aus den vorhandenen Quellen nicht
zu erkennen. Wir hören nur von der Verwendung von
Schülern („sclmler", „scolares") bei gottesdienstlichen
Handlungen, und zwar erst seit dem vorletzten Jahr-
zelmte des 14. Jahrhmiderts^""). Von einem Unterschiede
von reichen und armen Schülern verlautet dabei nichts.
Doch empfingen die Schüler für ihre Dienste eine Ent-
schädigung; die Auszahlung scheint sich, wenn nicht füi-
immer, so doch für bestimmte Fälle der Prior vorbehalten
zu haben (s. Note 109) ; im 15. Jahrhundert ist sie auch
einmal Sache des Kloster-Siechenmeisters "*^). Chorschüler
(„korschuler'-, „chorales") werden urkundlich erst im
15. Jahrhundert erwähnt; sie unterstanden der Aufsicht
des Schulmeisters^"). — Im Laufe der Jahre, zumal
je mehr sich der Handel Leipzigs entwickelte (was im
14. Jahrhundert geschah), muss die Thomasschule den
Wünschen und Bedürfnissen der Bürger nicht mehr ge-
10«) C S IL IX, 186.
109) So 1383, 16. Dez. (C S II. IX, 131): vier schnler, die
deme prister, der du messe singet, sullen helfen singen obir deme
altare; 1384, 18 Juni (ib. 132): messe singen mit acht schulern;
vergl. 1387, 16. März (ib. 135), 1390, 1. März (ib. 139); 1392, 11. März
(ib. 148): prior scolaribus [den 8 bei der Fronleichnamsmesse] salla-
rium ministrabit.
iioj 1440, 29. Nov. (CS IL IX, 190): der „inürmarius" sollte
den „loeati [Gehilfen, die hier zum 1. male vorkommen] ad scolas
et octo scolares" für Frühmessen in der Adventszeit geben den
Locaten jährlich V« Schock Ch'osch., den 8 Scholaren füi' jede Messe
1 Pfemi.; wenn die Locaten nacldässig wären, sollte ihnen allemal
2 Gr. abgezogen werden, und wenn sie ganz luichlässig wären, so
könnten die Chorh erren mit Erlaubnis des Propstes „dictam missam,
prout prius consueverant, per sc decantare".
"1) C S IL IX, 186 den 9. Dec. 1437: die messe durch etz-
liche Schüler ader sust yraandes, sunderlichen durch die korschüler
... zw singen; . . . dem Schulmeister zw sant Thomas, der solche
viglien vnd messen mit etzlichen schülern singen sal. Vergl. 1463,
25. Aug.: 2 chorales (ib. 290); desgl. 1473 u. ö. ib. 307, 309, 315. —
1470, 19. April (ib. 29.5) treten auch „korschüler zu s. Jörgen vor
Lipczk in dem hospitali" auf.
32 Johannes Müller:
iiügt haben. Die Stadt, welche schon bei Gründung des
Thomasstiftes lebhaften Widerspruch bekundet hatte ^^^),
machte zunächst Anspruch auf die Kollatur der Schule
oder suchte wenigstens Einfluss auf die Wahl und Be-
stallung des Schulmeisters zu erlangen, so dass es zu
Streitigkeiten kam, die durch einen Spruch des Mark-
grafen Wilhelm von Meissen vom 7. November 1373
unter Berufung auf frühere Praxis zu Gunsten des
Klosterkonvents entscliieden wurden; es wurde verordnet:
„der pro bist sal die schule czu sende Thomas lihen, als
her von aldir getan hat"^)". Die Bürger trugen sich
nun mit dem Gedanken, eine eigene, von dem Propste
unabhängige Schule in der Nikolai -Parochie für ihre
Zwecke zu errichten und wendeten sich mit einem Ge-
suche an Papst Bonifacius IX. Dieser willfahrtete dem-
selben am 11. März 1395 in noch zu besprechender Weise.
Doch kann es nach dem Obigen (s. Note 108) nicht zur
Anlage einer wirklichen Stadtschule gekommen sein, und
selbst im Jahre 1511, wo die Stadt die Nikolaischule
erbaute, di^ang der Konvent des Thomasklosters mit Erfolg
auf die Aufrechterhaltung der ihm im Jahre 1373 ver-
brieften Rechte ^^*).
Die nächstälteste Schule Sachsens nach den bisher
besprochenen würde die zu Zwickau sein, wenn Zwickau
als Wohnsitz jenes Schulrektors Heinrich (Heinricus rector
scholae) angesehen werden darf, der den 2. November 1291
in der eine Frühmesse in der Zwickauer Marienkirche
bestätigenden Urkunde des im Jahre 1219 von Zwickau
nach Eisenberg verlegten Benediktinerinnen -Klosters als
letzter Zeuge nach einigen Zwickauer Priestern und
Rathsherrn erscheint ^^■^). Annehmbare Gründe sprechen
dafür, zumal die Pfarr- oder Marienkirche zu Zwickau
schon im Jahre 1118 gegründet worden ist und das
Kirchenpatronat in der Stadt Zwickau seit 1212 (bis 1505)
dem genannten Kloster zustand. Eben dieses Frauen -
kloster besass nach Urkunden des Naumburger Bischofs
vom 24. April 1330 auch das Schulpatronat (,.jus scho-
lasticum") zu Zwickau"**). Näheres über die Schule
^1-) C S II. VIII, XVIII flg. "3) c S IL IX, 111.
"1) C S IL IX, 369.
115^ Well er, Altes aus allen Theilen der Gesch. (Chemnitz
1760 flg.) II, S. 74; vergl. E. Herzog, Gesch. des Zwickauer
Gymnas. (1869) S. 1 flg.
"0) Herzog S. 2 u. 154.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 33
selbst ist uns bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts nicht
überliefert worden "^). Sie war wohl anfangs eine Pfarr-
schule, aus der sich im Laufe der Zeit unter nicht
aufgeklärten Umständen, aber wahrscheinlich bei der
räumlichen Entfernung des klösterlichen Patrons und der
zunehmenden 3Iacht des Magistrats der damaligen Reichs-
stadt ohne besondere Kämpfe die unter städtischem
Patronate stehende Schule entwickelte, der wir im 15. Jahr-
hundert begegnen. Damit repräsentiert die Zwickauer
Schule des 13. und 14. Jahrhunderts einen weiteren Fort-
schritt in der Ent Wickelung des sächsischen Schulwesens
über die bisher genannten und gekennzeichneten Schul-
arten hinaus. Die Stifts- (bez. Dom-) und Klosterschulen
dienten beinahe ausschliesslich kirchlichen Zwecken und
übten in der Regel, was jetzt auch eine besonnene katho-
lische Geschichtsschreibung bekennt"^), keinen bedeutenden
direkten Einfluss auf die Bildung der Laien aus, am
wenigsten auf die eigentliche Volksbildung. Anders die
Pfarrschulen. Wenn schon sie ursprünglich aus gottes-
dienstlichen Bedürfnissen entstanden sind und auch lange
Zeit nur diesen dienten, demgemäss anfangs eine minimale
religiöse oder richtiger kirchliche Unterweisung und
einigen ungelehrten Vulgärunterricht neben dem Gesang
bloss als Mittel zu gottesdienstlichen Zwecken oder als
Beigabe zur Seelsorge gewährten, auch anfangs nur eine
sehr geringe Schülerzahl und ohne Beschränkung auf das
Kindesalter umfassten, so hat sich doch aus ihnen all-
mählich ein nicht unbeträchtlicher Theil der Stadtschulen
herausgebildet, welche grösseren Volkskreisen eine sich
nach und nach erweiternde Bildung vermittelten und später
den grossen Geistesbewegungen des 15. und 16. Jahrhun-
derts einen wohlthätig umgestaltenden Einfluss gestatteten.
Mit den Schulen zu Meissen, Bautzen, Würzen,
Geringswalde, Leipzig und Zwickau, von denen, wie wir
^1') Es ist nur in einer Eisenberger Klosterurkunde v. J. 1372,
welche eine Seelgeräth-Stiftuug in der Zwickauer Katharinenkirche
betrifft, von der Mitwirkung des „rector scholarium" u. von der in
2 Grosch. bestehenden Honoriciung seines Chordienstes die Rede.
Herzog, Chronik von Zwickau 11, 891.
"8) Specht S. 230. Vergl. dagegen noch A. Stock 1, Lehrb.
d. Gesch. d. Pädagogik (Mainz 1870); F. Nettes heim a. a. 0. ;
H. Schmitz, Das Volksschulwesen des M.-A. (in P. Haff n er "s
Frankfurter zeitgemässen Broschüren 2. Ed. 10. Heft, Frankfurt a. M.
1881); H. Schoulau, Geschichtl. Notizen über Volksschulen vom
9. bis 14. Jahrh. (Paderborn 1885).
Neues Ariliiv t. «. (;. u. A. VUl. 1. 2. 3
34 Johannes Müller:
gesehen haben, nur die beiden letzteren anf die
Volksbildung unmittelbar einwirkten, ist nach dem
gegenwärtigen Stande der Forschung die Eeihe der im
13. Jahrhundert vorkommenden Schulen des jetzigen
Königreichs Sachsen erschöpft. Namentlich fehlt bei den
übrigen zahlreichen Klöstern Sachsens, die im 12. und
13. Jalu-hundert angelegt worden sind, bis jetzt für die
Zeit bis 1400 jede sichere Spur einer Schule. Weder
bei den Benediktinern zu Chemnitz und Pegau, noch bei
den Franziskanern zu Zwickau, Freiberg, Dresden, Meis-
sen, Löbau, Kamenz, noch bei den Dominikanern in Leipzig,
Freiberg und Plauen, noch bei den Cisterciensern in
AltzeUa, Ilgenthal (Buch) und Grünhain, noch bei den
Augustinern m Zschillen, Crimmitschau und Grimma, noch
bei den Cölestinern auf dem Oj^bin — Klöster, über die
wir zum Theil gut unterrichtet sind — lässt sich zur Zeit
füi' jene Jahrhmiderte eine innere, geschweige denn eine
äussere Schule nachweisen; ebenso steht es bei den
Nonnenklöstern zu Marienthal, Marienstern, Grossenhaüi,
Riesa, Nimbschen, Leipzig, Remse"^), und nur bei den
"^) Es sei aus der einschlägig. Literatur hervorgehoben über
Altzelle: Beyer a. a. 0. S. 104 flg., Buch: Schöttgen und
Kreysig, Diplom. II, 171 flg., Hingst, Annalen des Klosters
Buch in Mittheil. d. Gesch.- u. Alterthums -Vereins Leisnig V. u.
VII. Heft (1878 u. 1886); Chemnitz: C S II. VI (hier S. 278
vergl. 506 liat H. Ermisch berichtigt, was er in seiner Gesch. des
Benediktinerklosters zu Chemnitz in v. Weber's Archiv f. sächs Gesch.
N. F. IV [1878] , 278 gesagt hatte : der Cunradus scolasticus vom 12. März
1300 ist ein Mersebiirger) ; Crimmitschau: G. Göpfert, Gesch.
des Pleissengrundes (Zwickau 1794) S. 208 flg. imd Chr. Kästner,
Chronik von Crimmitschau (1853) S. 163 flg.; Dresden: CS IL V;
Ereiberg: C S IL XII; Grimma: Lorenz a. a. 0. 511 flg.;
Grossenhain: Urkunden, das Jungfraueukloster zu Hayn betr.,
Mscpt. in Kgl. Bibl. Dresden; C. W. Hering, Gesch. der Stadt
Grossenhain (1849), S. 20 flg.; Grünhain: E. Herzog, Gesch. des
Klosters Grünhain, in v. Weber's Archiv f. sächs. Gesch. VII (1869),
64 flg.; Kamenz: C S IL VII und H. Knothe, Die Franziskaner-
klöster zu Löbau und Kamenz, in den Beiträgen zur sächs. Kirchen-
gesch., herausgeg. von D i b e 1 i u .s und L e c h 1 e r I (Leipzig 1882), 99 flg.;
Leipzig: CS IL VIII u IX; Löbau: CS IL VII und Knothe
a. a. 0.; Marienthal: J. B. Schönfelder, Urkiuidl. Gesch. des
Klosters Marieuthal (Zittau 1834); Marienstern: G. Köhler,
Cod. dipl. Lusatiae super. II (1854), Anhang (Urkimd.); Meissen:
CS IL IV; Nimbschen: J. Chr. Hasche, Magazin der sächs.
Gesch. IL VL VII. Theil (1785 flg.); Oybin: A. Moschkau,
Oybin-Chronik (Leipa 1884) S. 139 flg.; Pegau: Chr. Schöttgen,
Hist. Wieprechts zu Groitsch wie auch des Klosters in Pegau
(ßegensburg 1749); J. Lud ewig, Reliquiae manuscriptorum (Lips.
1720 flg.) II, 176 flg.; Mencke, Scriptores rerum germanic. II
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 35
Benediktineriniien zum heiligen Kreuz in Meissen und
bei den Nonnen der heiligen Maria Magdalena von der
Busse zu Freiberg scheint am Ende des 14. Jahrhunderts
etwas Schulartiges vorhanden gewesen zu sein; wir
kommen darauf noch zu sprechen. Allerdings darf aus
dem Schweigen der Überlieferung bei den genannten
anderen Klöstern nicht ohne weiteres gefolgert werden,
dass überhaupt niemals mit denselben Schulen im Sinne
des Mittelalters verbunden gewesen seien, dass hier keine
Fortbildung der Kleriker, keine Unterweisung der Novizen
oder etwaiger „liberi oblati" stattgefunden habe ; dagegen
vergl. das oben S. 14 Bemerkte^-"); allein so liegen die
Dinge auch sicher nicht, wie noch immer behauptet
wii'd, dass jedes Kloster seine Schule im eigentlichen
Siime des Wortes als ständiges Institut, womöglich gar
„in der Regel" auch eine den Laien zugängliche „äussere"
gehabt habe^'-^). Und wenn noch jüngst Ed. Schmidt
(Lips. 1728), 103 flg. , F. A. Fussel, Anfang und Ende des Klosters
St. Jakob zu Pegau (Leipzig 1857); Plauen: meine Mittheilungen
des Alt.-Ver. zu Plauen I-V (1880 flg.); Remse: K. Eckardt, Zur
Gesch. des Klosters E,., in v. Weber's Archiv f. sächs. Gesch. III (1865),
203 flg. 344 flg.; Zschillen: Lepsius, Zur Gesch des Klosters
Zsch., in der Variscia (Greiz 1831), 3. Lief. S. 5 flg.; 1. Bericht
an die deutsche Gesellsch. zu Leipzig 1833, S. 75 flg.; Zwickau:
Herzog, Chronik von Zw. und Gesch. des Gymnas. (blosse Kon-
jektur, ohne urk. Belege). — Auch die Durchsicht der Registr,
Stifter und Klöster im H.-St.-A. Dresden führte zu negativ. Resultate.
^~^) In Altzelle gab es den 27. Sept. 1431 eine „cella novicio-
rum" (Beyer S. 673 u. 56), 19. Juli 1500 einen JVIatheus Stelmecherus
novitiorum magister (Urk. in Dresden, vergl. Beyer S. 709). — In
Nimbschen 1368, den 6. Juni: „gekogeltin vrouwen vnd nouicien". —
In Pegau den 13. Juni 1308 doch wenigstens ein „cantor" (Lud ewig,
Reliq. mscpt. II, 263), 1375 den 13. Nov. „Nicolaus cantor" (Schött-
g e n , Wipr. zu Groitsch, cod. probat. S. 87), 1506 auch ein Jo.
Venator instihitor novitiorum (Schöttgen, Wipr. zu Groitsch
S. 171). Vergl. auch später über die Pegauer Schule von 1379. —
Der Konvent zu Buch versichert den 14. Sept. 1486, dass er in
Beigern gewöhnlich einen weltlichen Lehrer für die Unterweisung
der jüngeren Klostergeistlichkeit gehabt habe (ubi consuetum est
habere niagistrum secularem pro ejusdcm nionasterii juvenibus in
primitivis scientiis instruendis^ und das Generalkapitel des Cister-
cienserordens eriiclitet dort nach Urk. vom 13. Juli 1487 eine Bil-
dungsanstalt (Studium nostrum Beigern) für die Mönche (juvcnes reli-
giosi, fratresj, die zugleich von den übrigen Klöstern des Ordens ge-
braucht werden solle. Schöttgeuund Kreysig, Diplomat. II, 304 flg.
1-1) So noch M. Daisenbcrger, Volks-Schulen der 2. Hälfte
des M.-A. in der Diöcese Augsburg (Progr. Dillingen 1885) S. 53.
Dagegen s. Gabr. Meier, Gesch. d. Schule v. S. Gallen im M.-A,
(Jahrbuch f. schweizerische Gesch. X [1885], 119); derselbe kennt „eine
solche Doppelschule, wie sie nur zu häuüg ohne Grund in allen
36 Johannes Müller:
in seinem Aufsatze: „Erziehung und Unterricht in Deutsch-
land während des Mittelalters*'^--) schreibt: „Wollten
wir alle Pflanzstätten geistiger Kultur im deutschen
Reiche aufzählen, so dürfte wohl kein Bischofssitz, kein
Kloster unerwähnt bleiben, da alle zu gewissen Zeiten
und in gewissen Bildungsfächern Hervorragendes leisteten",
• — so ist das eine schöne Phrase, gegen die schon die
Thatsache spricht, dass im Mittelalter die Errichtung
von Schulen bei Klöstern und Stiften selbst bloss zur
Gewinnung uud Erziehung eines geistlichen Nachwuchses
(von sogen, inneren Schulen) immer und immer wieder
empfohlen und befohlen werden musste; auch bekennen
katholische Schriftsteller, die sich jetzt um die Geschichte
des vorreformatorischen Schulwesens eifrig bemühen, dass
durchaus nicht immer, wo ein Stift bestand, auch ehie
Scholasterei und Schule vorhanden war^-'^).
Noch einem anderen Missverständnisse muss vorge-
beugt werden, w^elches in schulgeschichtlichen Publikationen
wiederholt gefunden ■\\ird. Erfreut und überrascht könnte
man nämlich das Bestehen einer sächsischen Dorfschule
vermuthen, wenn man von einem „Scolaris" in einem
Dorfe liest, so in einer Urkunde des Bischofs Heinrich
von Meissen vom 28. März 1237 und des Bischofs Withego
vom 7. März 1293 von einem „Scolaris" in Zadel bei
Meissen ^■-^). Allein der Zusammenhang des Textes in
den Urkunden zeigt, dass hier nicht an Schüler im Sinne
von Chorschülern (Chorknaben) oder gar im Simie von
erziehungspfliclitigen und planmässig um ihrer selbst willen
auszubildenden Kindern jeden Standes und Geschlechts
zu denken ist. Im Jahre 1237 ist es, wie die Urkunde
sagt, ein einzelner „Scolaris minister", den das Kloster
Altzelle dem Pfarrer in Zadel zur Aushilfe halten musste,
und ebenso 1293 ein Pfarrgehilfe. Auch wenn uns später
als letzter Zeuge in einer Urkunde der Herren von
Vogtsberg vom 3. Juni 1303 ein „Heinricus Scolaris de
Mechtildegrune" begegnet ^'-^), so kann, da dieser Heinrich
Klöstern angenommen wird", „während des ganzen M.-A's." ausser
in S. Gallen nur noch in S. Hubert in den Ardennen.
122) Zeitschr. f. allg. Gesch., Cultur- etc. Gesch. (Stuttgart)
1886 2. Heft S. 93.
123) Yevgl. Falk, Schulen am Mittelrhein vor 1520, bei J. Hein-
rich und Ch. Moufang, Der Katholik, Zeitschr. f. kathol. Wissen-
schaft Jahrg. 62 (Mainz 1882), 36. 44. Specht S. 192 flg.
12^) Beyer S. 541 u. 568, vergl. S. 251.
125) Meine Mittheil, des Alterth.-Ver. zu Plauen 2. Jahresschr.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens, 37
von Mechelgrün bei Plauen im Vogtland eben ein Ur-
kundenzeiige ist, nur an eine erwachsenere Person ge-
dacht werden. Dasselbe gilt von dem schon oben
Note 73 angeführten Zeugen „Andreas Fabri de Misna
Scolaris" vom 12. Januar 1362. Am 20. September 1339
ist auch von einem Scholaren des Bautzener Propstes
(„Petro scolare domini prepositi'' [seil. Budisnensis] ) als
Zeugen die Rede, der gleich nach den „canonici reguläres"
und dem sich unterzeichnenden Notar einrangiert ist^"^^).
Auch der dem Altaristen (rector altaris et missae per-
petuae observator) auf Schloss Püchau beigegebene Scho-
laris, dem nach einer Urkunde des Bischofs Nikolaus
von Meissen vom 12. November 1380 die Schlossherreji
von Püchau nach alter Sitte ein Almosen (eleemosinam
de mense) zu reichen hatten, wird als Ministrant (Scolaris
eidem rectori et missae obedienter serviens) gekennzeich-
net^-'). Solche mittelalterliche Pfarrgehilfen, auf die
wir schon oben S. 18 zu sprechen gekommen sind, einzelne
jüngere oder ältere Begleiter, Assistenten, Lektoren,
Schreiber, Diener von Geistlichen unter dem Namen
scholares oder scholarii, die zum Theil durch niedere
Weihen zu mehr selbständiger Ausübung des Kirchen-
dienstes befähigt wurden, hat Mülverstedt (s, Note 43) zur
(1882) Urk. Nr. CLV. — Mechelgrün hat übrigens nicht selbst eine
Kirche, sondern ist nach Theuraa eingepfarrt. Die Präposition
, de". bezeichnet Mechelgrün auch nur als Heimath des Scholaren;
Wohn- und Amtierungsort war vielleicht Wiedersberg, von wo einer
der anderen Zeugen stammte.
'-«) G. Köhler, Cod. dipl. Lusat. I^ 335, — Wenn übrigens
Tittmann, Heinr. d. Erlaucht. I, 295 von einer Urk. im H.-St.-A.
Dresden vom 2. Juli 1326 (Nr. 2367) sagt, dass darin geradezu die
Bestimmung eines Scholaris zur Unterstützung des Pfarrers zu
Reichenbach i. Vogtl, in seinen Amtsverrichtungen ausgesprochen
sei, so ist das sachlich richtig; der Ort aber ist Weissenfeis. Die
Äbtissin des St. Clara-Klosters daselbst, als L^xtroiiin der Pfarrei,
ward damals von Bischof Heinrich von Naumburg veranlasst, zu
jenem Behufe (in subsidium insuper ipsi rectori [parochiae] etc.) einen
Priester und einen Scholaren auf Kosten des Klosters anzunehmen;
jenem sollte die übliche Besoldung gegeben werden, „scolari.s vero
ad arbitrium abliatissae, ubi eidem placuerit, coUocetur" ; beide sollten
dem Pfarrer gehorsam sein (tam presbiter quani Scolaris rectori in
hiis quae ad suum officium pertinent, obediant sicut decet).
1'-^) Schöttgen, Hist. von Würzen 725 flg. — Vergl. damit
die „seolares ministrantes ad altaria" zu Wernigerode v. J. 1406 flg.,
welche an einzelnen Altären den Kirchendienst versahen und auf
dem Schlosse den Psalter lasen. Ed. Jacobs, Der Rektor und die
Stiftsschule zu Wernigerode am Ende des M.-A., in der Zeitschr,
des Harz -Vereins für Gesch. etc. Jahrg. 18 (Wernig. 1885) , 302.
38 Johannes Müller:
Genüge nachgewiesen. Sie sind eine alte Einrichtung^-^),
die man vielfach fälschlich mit der der späteren eigent-
lichen Pfarrschul- und Küsterschullehrer identifiziert
hat^-''), die aber mit Recht als deren Vorläufer aufgefasst
werden darf. Der Scholaris musste eben für die kirchlichen
Zwecke ausgebildet werden und hatte andererseits wohl
als Lehrer des für die Beichtpraxis erforderlichen reli-
giösen Minimallernstoffes (Pater noster, Credo) den Geist-
lichen zu vertreten ^■^**); beides aber, namentlich auch
diesen letzteren, gewöhnlich in der Kirche ertheilten
128) Vergl. Specht S.26; Mülverstedt S. 25; meine Quellen-
schriften etc. S. 326 flg. Als allgemeine Einrichtung von Karl d. Gr.
durch Kapitular v. Novemh. 809 anhefohlen: jeder Priester (presbyter)
sollte so erzogene und unterrichtete Scholaren (scholarios ita
nutritos et institutos) haben, dass sie im Behinderungsfalle des
Pfarrers ordnungsmässig Gottesdienst halten könnten (signum
in tempore suo pulsent et officium honeste deo persolvant. Monu-
menta Germaniae Leges I, 160). Vergl. u. a. das Gelöbnis des
Kaplans Joh. Guldin zu Lauingen v. J. 1417 bei M. Daisen-
b erger S. 26: „Ich wil vnd sol auch allwegen ainen schuler
haben, der lüte meines altares warte vnd die andern altaer zu
messen ordne vnd beraite, vnd darumb sol mir volgen vnd werden
brot, ayrlein, flachs, ops on gelt, was vff die vier altaer kompt, daz
ich den schuler dest bas gehaben müge". S. auch Falk a. a. 0. 43.
Vergl. Mecklenburger ürkundenbuch IX No. 6252: Die Filialkirche
Mistorf bei Schwan wurde bei ihrer Begründung 1842 verpflichtet
zur Haltung eines Scholaren und dieser geradezu als Küsler be-
zeichnet (necnon scolarem sive custodem, qui praedicto sacerdoti
capellam officianti deserviat). Die Statuten des deutschen Ordens
fordern, „das ein prister vnde ein schuler alle suntage sprechen von
deme tage das ampt" (d. i. Messe lesen). E. Hennig, Die Sta-
tuten d. deutsch. Ord. (Königsberg 1806) S. 87.
120) So erklärt B. Lesker, Mittelalt Volksbildung in Mecklen-
burg (Der Katholik, Zeitschr, etc Jahrg. 66 Mainz 1886) S. 807 flg.,
die in Dörfern und kleinen Städten nachweisbaren Scholaren für
Schulmeister, obwohl ihn die von ihm selbst als einziger Beleg an-
gezogene (aber nicht wörtlich mitgetheilte) Urk. des Fürsten Albrecht
V. Mecklenburg v. 10. Mai 1333 (Mecklenb. Urk.-B. VIII No. 5421),
worin dieser einen von Fürst Wizlav v. Rügen angestellten Scho-
laren, Peter von Aven, im pommer. Städtchen Barth als Schulrektor
und Küster bestätigt und ihm die Erlaubnis zur Verehelichung er-
theilt (Petro de Aven Scolari . . . dictum scole et custodie officium
de novo confeiimus, dantes eidem Petro facultatem matriraunium
contrahendi), liei genauerem Hinsehen hätte belehren können, dass
Scholar und Schulmeister nicht identische Begriffe sind!
130) Yergl. Corpus jur. canon. Decretal. 1, III tit. 1 c. 3: Ut
quisque presbyter, qui plebem regit, clericum habeat, qui secum
cantet et epistolam et lectionem legat, et qui possit scholas
tenere et admonere suos parochianos, ut filios suos ad fidem dis-
cendam mittant ad ecclesiam, quos ipse cum omni caritate erudiat.
Vergl. meine Quellenschriften 326, Anm. 65. Specht 38 flg. (der
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 39
minimalen Religionsunterricht nannte man im Mittelalter
schon Schule (s. Note 130) und hat dann im Laufe der Zeit
und je nach den finanziellen Verhältnissen der Kii'che
oder Gemeinde zur Erhöhung der gottesdienstlichen Feier-
lichkeiten die Zahl der Scholaren (im engeren Sinne)
vermehrt oder, was billiger war, Kinder zum Kirchen-
dienst herangezogen und ausgebildet. Aber die Existenz
einer wirklichen Dorfschule ist aus dem blossen Auftreten
eines Scholaris bei einer Kirche oder Kapelle nicht zu
folgern. Das Vorkommen eines rector oder magister
scholae oder scholarium würde dagegen zur Annahme
einer Schule drängen, aber immernoch kein Beweis sein
für eine öffentliche, sondern nur für die Existenz einer
kuxhlichen Zwecken dienenden Chorschule, wie wir sie in
Meissen kennen gelernt haben, oder für die Ausbildung
einer Anzalil von Scholaren im Sinne von Pfarrgehüfen,
Pfarrdienern. „Auf dem Lande die Küsterschule"
als die schon im Mittelalter ,, gewöhnliche Einrichtung"
zu bezeichnen, ist mehr als gewagt ^•^^). Li Sachsen in
Sonderheit ist das Dorf- und eigentliche Volksschulwesen
sicher erst die Frucht der Lutherischen Reformation.
Unerfindlich ist es mir, wie Machatschek ^'^-) dazu kommt,
von „Diöcesanschulrektoren" zu reden und einen zur Zeit
nicht urkundlich zu erhärtenden, wenn aber wii'klich
historischen, dann wohl nur auf den Meissener Schul-
rektor zu beziehenden Erlass des Bischofs (Johann III.)
von Meissen vom Jahre 1893 dahin zu deuten, dass durch
denselben verordnet sei, dass „die Wahl der Diöcesan-
übrigens hierbei sehr unklar und niissverständlich von „Schulen in
Pfarrhöfen-' redet).
^^'^) Zumal wenn es unter Berufung auf die Verfügung der
Diöcesansynode von S. Omer und auf die „Sattungen des kusteren
vnt schulmesteren " in der westfäl. Pfarrei Bigge geschieht, wie
dies noch 0. Will manu (Prag), Didaktik als ßildungslehre nach
ihren Beziehungen zur Sozialfor.schung u. z. Gesch. der Bildung I
(Braunschweig 1882), 246 flg., Nettesheim a. a. 0. 62, Daisen-
berger S. 63 thun. Die Synodus Audomarensis war nicht i. J. 1183,
sondern 1583!! Und jene „Sattungen" können niclit i. J. 1270 er-
lassen sein, sondern etwa in der 2. Hälfte des 16. Jahrb. ! Vergl.
meine QueUenschriften 327 flg., Anm. 67 flg. — Es ist, nebenbei
bemerkt, ein ebenso unkritisches, wenn auch beliebtes Verfahren,
auf Grund des Vorkommens von Dorfsclmlen seit der Mitte des
16. Jahrb. oder gar erst seit dem 17. .lalirh. die Entstehung dieser
Schulen in die vorreformatorische Zeit zurück zu datieren, ohne
verbürgte und Avohl abgewogene Nachrichten darüber zu haben, als
a priori die Existenz von Dorfschulen vor dem 3. Jahrzehute des
16. .lahrh. zu verneinen. ^^2^ Gesch. der Bischöfe von Meissen S.386.
40 Johannes Müller: Die Anfänge des sächsischen Schulwesens
s cliulrekt oren nicht von den betreffenden Ge-
meinden, sondern vom Pfarrer selbst etc. gescliehen
müsse". Sclmlrektor einer ganzen Diöcese war oder
wollte wenigstens sein der betreffende Domscliolastikus,
und mit dessen Wahl hatten die Gemeinden nie etwas
zu thun. Die Wahl der Schulmeister in den einzelnen
Gemeinden der Diöcesen aber war lokal sehr verschieden
geregelt, je nach der geschichtlichen Ent Wickelung des
kiix'hlichen Wesens und der Schule; m den Städten der
Meissener Diöcese war sie durchaus nicht allemal Sache
und Vorrecht des Pfarrers, wie wir noch sehen werden ;
jene Verordnung wäre dann eir.e ganz unkluge und un-
gesetzliche Handlung der Anmassung und Herrschsucht.
Von Landschulen aber, für die sie noch am ersten Sinn
und Berechtigung hätte, kann damals in Sachsen noch
nicht geredet werden ^^^).
"ä) Die ganze Stelle in Georg. Fabricii Reium Misnicarum
libri VII (Lips. recens edita [Dedicat. Iö69] ) p. 136 und zwar in
den Annales urbis Misnae lib. II, auf die sich Machatschek beruft,
lautet wörtlich: • „MCCOXCIII Decretum a praesule est, ut rector
ab ipso parocho, non a parochialibus eligatur, neque eligatur (ut
diplomatis utar verbis) secundum sortem, sed secundum artem". Man
hat den Eindruck, als ob es sich um einen Versuch der Meissener
Bürger handle , auf die Afraschule Einfluss zu erlangen , ähnlich
dem Versuche, der i. J. Ib73 bei der Thomasschule in Leipzig vom
dasigen Rath gemacht wurde (s. ob.).
(Schluss folgt.)
II.
Aon Passau bis SieYersliaiiseu 1552-1553.
Von
S. Issleil)^).
L heraus mühsam waren die Passauer Verhandhiiigen
durch König" Ferdinand zum Ahschluss gebracht worden;
schwer wurden die Bundesfürsten, Kurfürst Moritz von
Sachsen und Landgraf Wilhelm von Hessen , zur An-
nahme des Passauer Vertrages bewogen, schwerer Karl Y.
Des Kaisers Verhalten gab zu dauerndem, verhängnis-
vollem Misstrauen Anlass. Zunächst aber endete der
deutsche Krieg, und die schlagfertigen Waffen wurden
gegen die auswärtigen Feinde gerichtet. Der Kaiser zog
gegen Frankreich, der Kurfürst gegen die Türken.
Nach einem mehrtägigen Aufenthalte in Dresden
traf Kurfürst Moritz am 2. September 1552 in Wien ein^),
um mit König Ferdinand die für den Türkenkrieg noth-
wendigen Vereinbarungen festzusetzen; das Kriegsvolk
nahte von Donauwörth. Eine Reihe von Tagen schwankte
der König, ob er selbst mit in das Feld ziehen solle.
Mitte September aber wurde der Kurfürst zum General-
obristen über alle königlichen Trui)pen in Ungarn ernannt
^) Verfasser verweithete zu dieser Abhandlung', die sich an
den Aufsatz in dieser Zeitschrift VII, 1 i\g. anscliliesst, anselinli(-hcs
Quelleuiuatcrial der Archive zu Baniberii', Dresden, ^Marburg, Mün-
chen, Weimar, Wien, Wolfenbüttel. Das Berliner Material, welches
noch einige beachtenswerthe Aufschlüsse bietet, konnte hier nicht
mehr benutzt werden.
2) Dresden, Loc. 8485 Acta niiscellanea 1560 flg. Bl. 2.
42 S. Issleib:
und mit den Vollmachten eines obersten Heerführers aus-
gestattet'^).
Ein ausführliches Memorial"^) wies ihn an, sich mit
dem Kriegsvolke nach Pressburg zu verfügen und dort
ein Lager aufzuschlagen, wo schon 1543 das deutsche
und böhmische Kriegsvolk gelagert hatte. Nach umsich-
tigen Berathungen mit den Kriegsräthen ^) sollte er dann
dahin ziehen, wo es „am sichersten und besten" sein
werde. Es war erlaubt, dem Feinde bei günstiger Ge-
legenheit allen möglichen Abbruch zu thun; aber der
Kurfürst sollte nicht zu viel wagen und offenbare Ge-
fahren vermeiden. Hauptaufgabe bildete, den Feind zu-
rückzuhalten und sein Vordringen zu verhindern, bis der
König stattlicher rüsten könne '^). Mit Castaldo (Mark-
grafen in Siebenbürgen) und den anderen Befehlsleuten
in Raab, Papa, Komorn, Tata und weiter östlich bis
Erlau, auch mit denen in den nördlichen Bergstädten
sollte er gute Korrespondenz halten und sein grösstes
Augenmerk auf Raab und Komorn richten. Auf Ver-
langen gab König Ferdinand die schriftliche Versicherung,
dass er dem Kurfürsten keine Schuld beimessen oder
seine Ungnade fühlen lassen wolle, wenn das Kriegsvolk
durch widerwärtige Umstände oder Unfälle eine Nieder-
lage erleide. Für den Fall, dass der Kurfürst in Gefangen-
schaft gerathe, sollte der König zu seiner Befreiung alles
aufbieten.
Vor seiner Abreise nach dem Kriegsschauplatze
stellte Kurfürst Moritz eine geforderte Gegenversicherung
auf die vom Herzog Johann Friedrich in Augsburg be-
willigte, doch ihm nicht genügende Assekuration aus').
Misstrauen gegen den Vetter und seinen Anhang bewog
ihn, um des Königs Erlaubnis nachzusuchen, mit dem
3) Dresden, Originalurkunden 11459 und 11460; Loc. 9323 Hun-
g'arische Expedition 1552.
*) Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition 1552 Bl. 41,
Wien, 16. September.
^) Darunter Heinrich von Plauen, Burggraf von Meissen und
Grosskanzler von Böhmen.
*^) Unbegründet war Rankes Vermuthung V, 210^: „Es scheint,
als habe ihm Ferdinand doch nicht ganz getraut" u. s. w.
■') S. Issleib, Moritz von Sachsen gegen Karl V. 1552, in dieser
Zeitschrift VII, 58. Vom Gnadenbriefe des Kaisers, den Johann
Friedrich am 27. August in Augsburg erhalten hatte, erfuhr Kur-
fürst Moritz erst im folgenden Jahre Bestimmtes.
Vun Passau Ins Sievei'shauseii 1552 — 1553. 43
Kriegs Volke sofort aus Ungarn heimkehren zu dürfen,
wenn etAvas gegen sein Land unternommen werde.
Am 16. September zog er mit ungefähr 5000 Reitern
und 6000 Knechten nach Pressburg und anfangs Oktober
nach Eaab ^). Überaus misslich standen die Verhältnisse
in Ungarn. Nach vielen Berichten hatten die Türken
diesmal grösseren Schaden zugefügt als auf den früheren
Zügen. Temesvar war genommen, der feste Pass an der
Theiss Szolnok erstürmt, und Eiiau wurde seit fast zwei
Monaten mit bedeutender Heeresmacht belagert.
Da sowohl König Ferdinand als auch der Kriegs-
rath eine Schlacht zu liefern widerriethen , so begnügte
sich der Kurfürst mit der Befestigung Raabs. Indessen
ermuthigte seine Anwesenheit in Ungarn die Besatzung
von Erlau derartig, dass sie Stand hielt und die Türken
nach drei verlorenen Hauptstürmen abziehen mussten.
Die erbeuteten Fahnen brachte man in das kurfürstliche
Lager ^). Auch ein von Komorn aus geplanter Streifzug
glückte. Ungefähr 1000 Husaren zogen bis vor Gran —
die Donauflotte unterstützte — , legten sich in einen
Hinterhalt und entsandten etliche aus ihrer Mitte, um
Vieh hinwegzutreiben. Sobald dies die Türken in der
Stadt bemerkten, eilten gegen 500 Mann heraus. Kaum
aber waren sie am Hinterhalte vorübergeeilt, so setzten
die Husaren zu: gegen zweihundert wurden „erstochen
und niedergesäbelt," und über hundert gefangen ge-
nommen. Die abgehauenen Türkenköpfe und die Beute
brachte man in das Lager. Obgleich der Feldzug ganz
unbedeutend war, so konnte sich doch der Kurfürst rüh-
men, dass seit seiner Ankunft der Türke kein einzig
Dorf mehr der Christenheit genommen habe^").
8) Vorübei'geheucl war er am 24. September in Wien. Marburg,
0. W. S. 386 Schmalkaldischer Bund 1552/53, Brief vom 24. Sep-
tember an den A\'il(I- und Rheingrafen Johann Philipp; Druffel II,
1780 A. 1.
ö) Weiteres ül)er Erlau in Dresden, Loc. 9323 Hungarische
Expedition 1552 Bl. 110, Brief vom 18. Oktober an den Herzog
von l»reussen; Loc. 8498 Sclircil)cn, so Churfürst Moritz ausgehen
lassenn etc. 1547—52 B1.59, Brief vom 28. Oktober an die lläthe in
Dresden; Loc. 9145 Hessisdie entledigung etc. III Bl. 710, Brief
vom 31. ()ktol)er an Landgraf Pliilijip von Hessen.
'") Abfällig dagegen urtlu'ilte des Kaisers Rath (Iranvella über
die Leistunge)! gegen die l'ürken. AVien, Zasius' Relationen 1552.
Druffel II, 1814 (der Brief gehört in den Monat November).
44 S. Issleib:
In Ungarn nun erfuhr Moritz von der so lange, fast
ehrlos verzögerten Heimkehr des Landgrafen Philipp von
Hessen und erntete in hohem Grade den Dank des
befreiten Schwiegervaters für alle aufgewandte Mühe.
Allerdings war der Landgraf nicht wenig über des Kur-
fürsten persönlichen Zug gegen die Türken bestürzt. Mit
dem Wunsche, Grott wolle Hilfe, Glück, Sieg und Heil
verleihen, bat er inständig, gute Achtung zu geben und,
sobald er mit Ehren abkommen könne, wieder zu Weib
und Kind heimzukehren, dort werde er genug zu schaffen
finden. Der Kurfürst hoffte königlichen Urlaub zu er-
langen und bald bei Weib und Tochter, Land und Leuten
sein und ruhig bleiben zu können.
Noch vor dem Türkenzuge, in Wien, beschäftigte
ihn Frankreich"). Seit der Annahme des Passauer Ver-
trages wusste er nicht, wie er bei Heinrich II. stand,
ob er noch etwas gelte oder ganz abgethan sei. Um-
gehend sollte Landgraf Wilhelm mittheilen, was er er-
fahren habe. Ehe jedoch dessen Antwort ankam, liefen
französische Schreiben ein. Hocherfreut theilte er nun-
mehr dem Schwager (Ende Oktober) mit: „Unsere Sachen
stehen bei Hildebrand (Heinrich IL) sehr wohl, dann wir
ein so gar freundlich Schreiben von ihm bekommen, dass
wir nicht eine Summe Geld dafür nehmen wollten ^^)".
König Heinrich war bereit, ein „neues weiteres und wohl-
g egründetes Bündnis" zu schliessen. Beiden Fürsten lag
viel daran, des Königs Freundschaft zu erhalten, damit
die Gegner auf ihn sehen müssten. Weil ihre Sachen,
wie sie meinten, noch nicht ganz aufs Trockne gebracht,
sondern Widriges zu befürchten sei, so sollte der König
nicht aus den Händen gelassen werden. Der Kurfürst
schlug vor, die „sorglichen Läufe der untreuen Welt
wahrzunehmen" und nichts zu übereilen ; nach dem Winde
sollten sich die xleste biegen. — Nach seiner Rückkehr aus
Ungarn wurden in der That die neuen Bundesverhand-
lungen eingeleitet. Im Frühjahre 1553 kam es zu einem
dreifachen Angebote; aber der jähe Tod des Kurfürsten
zerriss dann die ausgespannten Fäden.
^') Dresden, Loc. 7281 Französische Verlnmdnisse Bl. 20.5 flg.
Originalurkunde No. 11463 b. Marburg, 0. W. S. 386, Schmalkaldischer
Bund 1052/3, 912, Sachsen, albert. Linie 1552/3, 1160 Kriegssachen
1552. Ranke V* 231flg. Vgl. Maurenbrecher, Karl V. S. 310flg.
'2) Dresden, Loc. 9145 Hessische entledigiing III Bl. 716, Brief
vom 30. Oktober an Landgraf Wilhelm.
Von Passau bis Sievershausen 1552 — 1553. 45
Über Markgraf Albreclit erhielt der Kmfürst Nacl>-
richt, dass er sich erdreiste, ihn und Landgraf Wilhehn
wegen des Passauer Vertrages und dei' Trennung von
Frankreich weidlich ziu- Bank zu hauen und scliinipfliche
Reden zu führen ^•^). Wer hätte damals zu ahnen ver-
mocht, dass dergleichen Dinge nur den geringsten Grund
zu einem blutigen Kriege mit hätten geben können!
Nach der Meinung des Kurfürsten erforderte die Noth-
durft, fleissig Achtung zu geben. Landgraf Wilhehn
sollte alle Zeitungen senden, welche über den Maikgrafen,
den Kaiser und König Heinrich einlaufen würden. Selbst
die Politik der rheinischen Kurfürsten, der Herzöge von
Baiern, Würtemberg, Jülich etc. beschäftigte den Kur-
fürsten in Ungarn.
Norddeutschland aber nahm seine grösste Aufmerksam-
keit in Anspruch. Von dort erhielt er zahlreiche Berichte
über den befreiten Vetter Herzog Johann Friedrich, den
Grafen Volrad von Mansfeld, Herzog Heinrich von Braun-
schweig und die braunschweigischen Junker, über das Erz-
bisthum Magdeburg und den Markgrafen von Küstrin.
Wenn Markgraf Hans in den Jahren 1548 — 1551
vielen erhebliche Sympathien abgewinnt, so schwindet
das Interesse für ihn vom Tage zu Lochau an (Ende
September 1551). Seine Haltung während des Krieges
gegen den Kaiser (1552) reizt fast zur abfälligen Beur-
theilung. Jetzt erfuhr Kurfürst Moritz, dass der Mark-
graf in kaiserliche Dienste getreten und selbst in das
kaiserliche Lager gezogen sei. Bald darauf wurden be-
denkliche Vermuthungen an seine Heimkehr geknüpft, und
die Räthe zu Dresden unterliessen nicht, den Laudes-
fürsten melu^fach darauf hinzuweisen. Fast gleichgiltig
jedoch entgegnete dieser, dass er über die Reise und
Rückkehr des Markgrafen weder erfreut noch erschrocken
sei^*). Und als der Herzog von Preussen von neuem
Aussöhnung mit dem Markgrafen befürwortete, da er-
klärte er, niemals zu Unwillen und Unfreundschaft Ur-
sache gegeben zu haben. Wenn der Markgraf aber sich
zu ihm nöthigen oder müssigen wollte, so erschrecke er
^'■^) Dresden, Handschreiben la Bl. 150; München, Kcichs-
archiv, Brandenburg Y, Bl 113, D ruffei II 1745. Brief Albrechts
vom 4. September an Kurpfalz, Herzu:;- Albiecht von Baj^ern und
Christof von Wünteinl)ery, 11, 186H.
") Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition ]51. 107, 110.
170, Druff el II, 1792/3.
46 S. Issleib:
darüber nicht und Avolle dieser Sachen nicht mehr ge-
denken, sondern Gott befehlen. — Wissenswerth ist, dass
Markgraf Hans bald darauf einige Anstrengungen für
die Nachfolge Philipp II. im Reiche machte und ganz
gern eine Vereinigung gegen Moritz zu Stande gebracht
hätte ^^).
Graf Volrad von Mansfeld erschien damals mit seinem
Anhange in Medersachsen als ein Kriegsunwetter, welches
sich gegen jedermann plötzlich entladen konnte. Niemand
Avusste, für wen er zu schlagen bereit war; die einen
vermutheten für Frankreich, die andern für Johann Frie-
drich. Mit ihm einverstanden waren die Stadt Braun-
schweig und die verjagten braunschweigischen Junker.
Kursachsen, Magdeburg -Halberstadt, die Grafen von
Mansfeld, Fürst Wolf von Anhalt u. a. fürchteten. Schutz-
gesuche eilten nach Ungarn. Da befahl der Kurfürst
dem Bruder Augustus, ein Aufgebot ergehen zu lassen,
mit Kurbrandenburg, Herzog Heinrich von Braunschweig,
mit Anhalt, Mansfeld, Magdeburg -Halberstadt gute Kor-
respondenz zu halten und alle Mittel zur Beschützung
der eigenen und der Nachbarlande aufzubieten. Für den
Fall, dass ernstliche Gefahr drohe, wollte er bald in der
Heimath sein ^^).
Als darauf Herzog Heinrich von Braunschweig mit
der Landschaft des Erzbisthums Bremen den mansfelcli-
schen Kriegshaufen zu trennen und zu schlagen versuchte,
da sagte Graf Volrad die Fehde an, und der Kampf be-
gann. Zunächst wurde das Stift Bremen heimgesucht
und zum Vertrage genöthigt, dann der Herzog. Bald
fiel Steinbrück, Goslar wurde belagert, man nahm die
Bergwerke im Harze und brachte den Fürsten zu Wol-
fenbüttel in die grösste Bedrängnis. Bis zur Trennung
(Ende Februar 1553) blieb das mansfeldische Kriegsvolk
für das Herzogthum Braunschweig eine schwere Landes-
plage und für die Nachbarn eine lästige Sorge. — Überall
suchte der Herzog Hilfe. Anfang Dezember 1552 eilte
er in das kaiserliche Lager vor Metz. Dann finden wii'
ihn in Speier, Würzburg und Nürnberg. Hier in Franken
15) D ruf fei II, 1769, 1798, 1869. Weimar, Reg. K. fol. 179
LL. No. 1 fol. 192 MM. No. 3; Reg. C. fol. 69 No. 36, Briefwechsel
zwischen dem Markgrafen und Herzog Johann Friedrich.
'") Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition Bl. 146 flg.
Wien, Brandenburg 1552. Druffel II, 1782, 1839.
Von Passau bis Sievershansen 1552 — 1553. 47
arbeitete er im Januar 1553 au einem gegenseitigen
Schutz- und Trutzbüudnisse ^').
In jenen Tagen der allgemeinen Besorgnisse (am
3. Oktober) starb der Erzbiscliof von Magdeburg-Halber-
stadt, Markgraf Friedrich von Brandenburg, und das
Stift wui^de Tummelplatz fürstlicher Praktiken^^). Bran-
denburg, Braunschweig, Weimar^'*) suchten einen Prinzen
ihres Hauses in den erzbischöflichen Sitz zu bringen.
Die kursächsischen ßäthe Hessen die Kapitel auffordern,
einen Erzbischof zu wählen, welcher dem Schutzherrn
nicht zuwider sei, und empfahlen als Kandidaten den
Pursten Georg von Anhalt und Julius Pflug, Bischof von
Naumburg. Betreffs beider aber versprach sich Kurfürst
Moritz wenig Glück und schlug seinerseits Herzog Ulrich
von Mecklenburg, Bischof von Schwerin, als geeignet
vor -^). Mit dem Befehle, die Stadt Magdeburg Avohl zu
verwahren und die Besatzung zu verstärken, beauftragte
er seine Räthe, die Kapitel zu vermögen, bis zu seiner
Heimkehr die Entscheidung zu verzögern. Mittlerweile
aber beeilte das Magdeburger Kapitel die Wahl zu
Gunsten des Kurfürsten von Brandenburg. Am 19. Ok-
tober wurde dessen fünfzehnjähriger Sohn, Markgraf
Sigismund, zum Erzbiscliof erkoren und postuliert-^). Das
Bisthum Hall)erstadt schloss sicli kurze Zeit darauf an,
und Kurfürst Moritz war mit der Wahl einverstanden.
Die Heimkehr des Herzogs Johann Priedrich aus der
Gefangenschaft erregte in Kursachsen grosse Besorgnis,
denn er sollte mit hohen Gnaden vom Kaiser entlassen
sein. „Herzog Johann Friedrich ist wieder zu Lande
kommen," meldete Franz Kram nach Ungarn, „und seiner
Befreiung, auch etlicher kaiserlicher Vertröstung halben
fallen allerlei Reden, darauf sonderliche Aclit zu geben,
auch bei den Kaiserischen zu erforschen, ^^'ie und welcher
") Weimar, Reg. K. fol. 195 No. 5. Wolfenbüttel, acta
publica 355 a.
i*') Über Mai>(leburo- Halberstadt: Dresden, Loc. 9323, Hun-
garische Expedition El. 188. 209 tig. 275, vergl. 9153 Mugdeburgische
Händel etc. 1550/7 Bl. 191 flg. 8485 acta miscell. 1550 flg.
^») Weimar, Reg. K. Ibl. 216 No. H u. 9.
"") Über das Verhältnis Mecklenburgs zum Krzstifte Magde-
burg und Kurfürsten Moritz siehe Fv. Willi. Schirrmacher,
Johann Albrecht I. von Mecklenburg (1885) I, 200 flg. JI No. 73 flg.
-*) Wien. Brandenburg 1552, Kurfürst Joachims Briefe an
König Maximilian vom 30. Oktober. 24. November 1552 und vom
24. Januar 1553.
48 S. Issleib:
Gestalt er vom kaiserlichen Hofe abgeschieden. Etliche
der Seinen haben sich einer Restitution gerühmt. Ich
hoffe aber, sie solle ihm langsam widerfalu^en, ^vurden
zuvor einander wüste Kappen setzen und konnte er wohl
um das Übrige auch kommen" etc. Es fiel auf. dass der
Herzog seit der Rückkehr den Titel eines „gebornen
Kurfürsten" führte und Gotha befestigen Hess. Münzen
mit dem Kurwappen und der Aufschrift verus eledor-
kamen in Umlauf; auch verlautete, dass für ihn in Strass-
burg Geschütze gegossen würden. Überaus verdächtig
erschien das lebhafte Kriegsgewerbe in Niedersachsen,
seitdem man erfulu% ein Sohn des Herzogs sei beim
Kriegshaufen und Volrad von Mansfeld in Weimar ge-
wesen'-'-). Johann Friedlich beabsichtige nicht blos — es
war antangs Oktober — seinen Sohn Johann AVilhelm
in die Stifter Magdebiu-g- Halberstadt einzudrängen, son-
dern er verfolge weitere Pläne. „Das Nesselblatt soll
verdorren," schrieb ein Anhänger des Herzogs, „und das
Rautenkränzlein , das ist mein gnädiger Herr, soll nach
seinem Unfälle wieder grünen und grün bleiben." Es
wurde hinterbracht , der Herzog rüste und habe auf den
Kurfürsten in Ungarn solche Kundschaft, dass er fast
täglich erfahre, wie es um ihn und sein Kriegsvolk stehe;
der Kurfürst sei mit Verrätherei wohl umgeben. Kern
Wunder, wenn daher die kurfürstlichen Räthe über den
herzoglichen Landtag in Saalfeld die genauesten Erkun-
digungen einzuziehen suchten, und wenn sie, wie gele-
gentlich die Landgrafen von Hessen, ihren Herrn fort und
fort bestürmten, zurückzukehren und die schwebenden
Irrungen mit dem ernestinischen Vetter beizulegen. Der
Kurfürst aber erwiderte, seine Sache sei es nicht, die
Gegner hoch zu feiern oder demüthig um Vertrag zu
bitten. Seine Noth erfordere noch nicht, Vergleichung
anzubieten. Auch fürchte er sich nicht so sehr. Habe
Johann Friedrich Mängel oder Gebrechen, so werde er
sie wohl bei ihm suchen etc. Die Münzen werde gewiss
ein Goldschmied als Fuchsschwänzerei gemacht haben.
Mecto7- natus könne er nicht sein, weil zur Zeit seiner
Geburt Herzog Friedrich Kurfürst gewesen, und thäte
er daher seiner Mutter selbst ungütlich. Wenn es aber
--) Johanu Friedrich hatte vorübergehend mit dem Grafen Volrad
zu Gunsten des Brzstiftes Magdeburg verhandelt, um dadurch das
J^^apitel zu gewinnen. Weimar, Keg. X. lol. 216 No. 6 (9).
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 49
nicht eing-estellt werde, so sei ihm soviel nicht daran
gelegen, dann wolle er sich dagegen wohl auch natus,
donatus, coronatiis et verus elector schreiben, wenn es
an einem nicht genug-^^).
Indessen wie er sich schon vorher an König Ferdi-
nand wegen der Asseknration, die des Friedens halben
geändert werden müsse, gewendet hatte, so beschwerte
er sich jetzt, weil Johann Friedrich Gotha befestige, sich
gebornen Kurftii^sten nenne, das kurfürstliche Wappen
führe und Geschütze giessen lasse. An die Wittenberger
Kapitulation habe derselbe in seiner Asseknration einen
Anhang gebracht, welcher Thür und Thor öffne. Ent-
weder erhalte er eine geänderte Versicherung, schrieb
er, oder er wolle gar keine annehmen und die Sache auf
die Faust setzen.
Bereits am 17. Oktober mid später ersuchte König
Ferdinand den Kaiser um Abstellung der kurfürstlichen
Beschwerden; denn Johann Friedrich führe den Titel
eines geborenen Kurfürsten mit Unrecht, und gegen alle
alten Rechtsgewohnheiten lasse er Münzen mit dem Kur-
wappen prägen; die Befestigung von Gotha widerspreche
der Wittenberger Kapitulation und berge Gefahren für
die Ruhe im deutschen Reiche. Auf die alte und 1546,
wieder erneute Erbeinigung zwischen der Krone Böhmen
und Kursachsen verweisend, erklärte er offen, im Falle
der Noth müsse und werde er dem Kui'fürsten gegen den
Herzog Hilfe leisten"^).
Eben im Oktober suchte Kurfürst Moritz gegen
jedermann einen Rückhalt und hielt für das Beste,
König Ferdinand ein Schutzbündnis anzutragen. Am
26. d. M. übergab er Heinrich von Plauen eine Werbung,
welche dieser am königlichen Hofe gelegentlich anbringen
und dann beantworten sollte-^').
In der Absicht des Kurfürsten hatte es gelegen, um
Martini in der Heimath zu sein. Krankheit aber hielt ihn
23) Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition BI. 135, 180.
Druffel II, 1780 %.
24) Lanz III, 505. AVien, Saxonica 1548/52 fasc. 2. Graz,
11. Dezember 1552. Wien, Kriegssachen 1553. Aus Rosenbergs Zei-
tung: der Kaiser soll Herzog Hans zum Krieg reizen und Ferdinand
Herzog Moritz nicht verlassen wollen (vom 10. .ianuar).
^^) Wien, Saxonica 1548/52 fasc. 2. Zu gleicher Zeit trug sich
Komerstadt in Dresden mit Bundesgedanken zum Schutze Sachsens:
Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition Bl. 245. Brief vom
27. Oktober.
Neues Arcbiv l. Ö. G. n. A. VIII. 1. 2, 4
50 S. Issleib:
zurück. Elend und schwach verliess er am 1. November
Raab-*^) und zog über Wien nach Neustadt in Oesterreich.
Er sei hart ki'ank gewesen, schiieb er der Gattin am
20. November-^), und habe besorgt, sie nicht wiederzu-
sehen. Vor Kopfreissen und Hitze habe er oft nicht
gewusst, ob er lebendig oder tot sei. Zwölf Tage habe
er weder stehen noch gehen noch essen können, das
Trinken allein habe ilm ernährt. „Aber Gott hat wieder
geholfen," scliloss er seinen Ki-ankheitsbericht und stellte
seine Heünkehr auf den 4. Dezember in Aussicht. Die
Hofleute sollten AVein, Bier und andere Dinge von Dres-
den nach Radeberg mitnehmen ; er wollte sich gern er-
quicken, „weil der dicke Hofifart von Weimar" so frölüich
über sein Unglück sein solle und sich hören lasse, er sei
geschossen worden"-^). Sobald als möglich trat der Kur-
fürst die Heimreise an. Am 6. Dezember traf er in
ßadeberg ein, wo er einige Zeit jagte mid des Leibes
pflegte.
Was ihn hier viel beschäftigte, war des Markgrafen
Albrecht Bruch mit Frankreich und seine Aussölmung
mit dem Kaiser. Schon auf der Heimreise hatte er da-
von gehört; bei seiner Ankimft in Radeberg fand er aus-
fühi'liche Meldungen vom Pfalzgrafen Ottheinrich vor^^).
Jener Vorgang musste nothweudiger Weise Aufsehen er-
regen und Grund genug zur Verwunderung und scharfen
Beurtheilung bieten.
Ende Dezember berührte Heinrich von Plauen die
Angelegenheit und hob hervor, was der Markgraf früher
an etliche Kiufürsten geschiieben habe. Dazu sei nicht
zu schweigen; er solle jetzt seine eigne Handlmig an-
sehen und wie er des Reiches Libertät bedacht, der er
-ß) Dresden, Originalurkunde No. 11465 enthält des Königs
bewüligteu Abschied, den er dem Kurfürsten am 13. Dezember in
Graz ausstellte; D ruffei II, 1820.
-") Dresden, Loc. 8498 Kurfürst Moritz' meist eigenhändige
Schreiben. 1547—53 Bl. 30.
2*) Über seine Krankheit wurden allerlei schlimme Reden ge-
führt. Daher schrieb er (am 7. Januar 1553) an Landgraf Philipp:
er achte, vielleicht dazu geboren zu sein, dass man ihm allewege mehr
und ärger nachrede, denn man Grund und Ursache habe. Weil er
aber einem jeden nicht das Maul stopfen könne, so wolle er böser
Leute Geschwätz so hoch nicht achten. Marburg, Sachsen, alberti-
nische Linie 1.552 '3, 0. W. S. 912. Druffel II, 1816.
"^) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Markgrafen Albrecht
von Brandenburg 1553 Bl. 10, 14, 68.
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 51
sich SO heftig habe annehmen, auch seinen Herren, dem
er so treu habe dienen wollen'^").
Der Markgraf hatte sich, wie bekannt, mit König
Heinrich II. überworfen und war mit seinen Truppen in
die Dienste des Kaisers, welcher Metz belagerte, ge-
treten=^^). Auf Verlangen wollte er auch das m seinem
Fürstenthume befindliche und alles andere mit ihm im
Zusammenhang stehende Kriegsvolk zur Verfügung stellen
oder beurlauben. Dafür bestätigte der Kaiser die Ver-
träge, welche der Markgraf am 19. und 21. Mai von den
Bischöfen von Bamberg und Würzburg erzwungen hatte,
und versprach den Grafen Volrad und Albrecht von
Mansfeld seine G-nade, wenn sie sich mnerhalb zweier
Monate gehorsam erzeigen würden. Welch em Schritt!
Um Frankreichs Kriegsmacht zu schwächen, erschütterte
der Kaiser sein Ansehen in Deutscliland.
Die erwähnten Verträge nämlich hatte er Ende Au-
gust für null und nichtig erklärt, weil der Markgraf den
Passauer Vertrag verwarf. Infolge kaiserlicher Mandate
hatten sich (um Mitte Oktober) eine Anzahl fränkischer
Stände, vor allem Bamberg, Würzbm^g und Nürnberg,
zusammengethan und einen Bund gegen den Markgrafen
gestiftet^^-). Die vier rheinischen Kurfürsten waren auf
einer Versammlung in Worms (am 2. November) zur
Handhabung des Landfriedens bereit. Nim erfolgte die
Zurücknahme der Kassation der bischöflichen Verträge.
Der Markgraf verlangte Vollziehung derselben, und die
Bischöfe bemühten sich, den neuen kaiserlichen Vertrag
widerruflich zu machen. Karl V. sah sich zu einer aus-
führlichen Auseinandersetzung veranlasst, dass die Noth
ihn zu dem Vertrage gezwungen habe. Er ersuchte die
Bischöfe, ihre Verträge zu halten und vertröstete, den
Schaden später gut machen zu wollen. Welcher Konflikt
musste nun entstehen, wenn die Bischöfe auf der kaiser-
lichen Kassation und der Markgraf auf der Batifikation
der Verträge verharrten. Der kaiserliche Kath Dr. Seid
30) D ruf fei II, 1866/7.
31) DanU)er handelte ausführlich Johannes Voigt, Markgraf
Albrecht Alcibiades (Berlin 1852) I, 342 flg. Für die folgende Zeit
ist dieses verdienstvolle Werk immer zu Rathe gezogen worden, ob-
gleich in vielen Einzelheiten Abweichungen stattünden mussten.
32) Bamberg, Kriegssachen 1552. No. 568, I. Vereinigung
13. Oktober. No. 596, Wormser Abschied vom 2. November, Druf-
fel II, 1827. Weimar, Reg. C. fol. 47, No. 9.
4*
52 S. Issleib:
hatte eifrig gegen die cassatio cassationis gesprochen und
Schlimmes prophezeit. Granvella überbot ihn-^'^).
Heinrich von Plauen gab dem Kurfürsten Moritz zu
bedenken, was erfolgen köime, wenn der Markgraf die
Bischöfe mit Kj-iegsvolk überziehe, und stellte die Frage,
ob ihm der „Vorstreich" zu lassen sef^*).
Die Vorgänge der letzten Monate Hessen den Kur-
fürsten keineswegs gleichgiltig. Wenn er bedachte, dass
er diu'ch seinen Kriegszug des Kaisers Gimst verscherzt
hatte, dass dagegen Herzog Johann Friedrich hoch be-
gnadigt, Markgraf Hans bevorzugt und Markgraf Albrecht
kaiserlicher Verbündeter war, so komiten sich äusserst
gefährliche Verhältnisse entwickeln ■^•^). Wie stand es
dann auch um den vom Landgrafen Philipp zwar überaus
gebilhgten, aber von anderen Seiten stark angefochtenen
Passauer Vertrag ? Das war die Aufgabe des Kurfürsten :
seine Stellimg zu sichern und den Passauer Vertrag auf-
recht zu erhalten.
Dem Passauer Vertrage gemäss nahm er sich zunächst
der braunschweigischen Junker an. Da war bedacht
worden, dass er ueben dem Kurfürsten von Brandenbm'g,
dem Markgrafen Hans von Küstrin und dem Herzoge
Philipp von Pommern als kaiserlicher Kommissar die
Restitution der Junker imierhalb dreier Monate vollziehen
solle. Ungeachtet der Protestation Herzog Heinrichs
von Braunschweig war er an die Lösung der Aufgabe
herangetreten. Schon während semer Abwesenheit in
Ungarn hatte er neben dem Kurfürsten von Brandenburg
an den Herzog gesendet und sich durch eine verdriess-
liche Antwort nicht abschrecken lassen ^^). Eine lästige
Schwierigkeit war dadurch eingetreten, dass die Junker,
untereinander zerfallen, sich in Kriegs- und Vertrags-
^^) Wien, Zasius' Relationen 1553, Brief au König Ferdinand
vom 23. März ans Worms.
3i) D ruf fei II. 18H6, Prag am 2.5. Dezember.
^■') Zweimal versuchte Markgraf Hans sich auf Wunsch des
Kaisers Herzog Johann Friedrich zu nähern: einmal auf der Rück-
reise vom Kaiser, das zweite Mal im Februar 1553. Was er das
erste Mal gewollt, ist nicht ersichtlich, das andere Mal sollte Johann
Friedrich mit ihm zwischen Herzog Heinrich und den Junkern ver-
handeln und sich selbst mit dem Herzoge versöhnen lassen. Allein
Friedrich wies die Verhandlung zurück und zeigte an, dass Ernst
von Braunschweig sich der Versöhnung schon befleissigt habe. Wei-
mar, Reg. K. fol. 179, No. 1, 192, No. 3, C. fol. 69 No. 36.
3ß) Dresden, Loc. 9323 Hungarische Expedition Bl. 111, 209;
Loc. 9157 Mansfeldische Irrungen 1552/3 Bl. 10. Lanz III, 501. .
Von Passan bis Sievershausen 1552 — 1553. 53
juiiker scliieden. Die letzteren hielten am Passauer Ver-
trage und an der friedlichen Restitution durch die kaiser-
lichen Kommissare fest, die ersteren suchten mit Hilfe
des Grafen Volrad von Mansfeld auf dem Wege der Ge-
Avalt ilu^e Güter und Gerechtigkeiten wieder zu gewinnen.
Anfangs ISTovember hatte Kurfürst Joachim mit den säch-
sischen Käthen einen Verhandluugstag zu Halberstadt
angesetzt-"). Der Herzog war erschienen, ritt aber, so-
bald die sächsischen und brandenburgischen Bevollmäch-
tigten anlangten, Avieder davon. Vierzehn Tage lang
wurde dann die Junkerfrage vergeblich behandelt-'*); die
braunschweigischen Räthe verwarfen alle Vorschläge und
protestierten heftig, ja ehrenrührig gegen den Passauer
Vertrag. Nichtsdestoweniger setzten schliesslich die Sub-
delegierten einen Restitutionstag auf den 12. Januar
1553 fest.
Mit Zustimmung des heimgekehrten Kurfürsten
Moritz trafen nun die sächsischen und brandenburgischen
Räthe zur bestimmten Zeit in Braunschweig ein und baten
Herzog Philipp Magnus in Abwesenheit des Vaters um
Geleit. Trotzdem derselbe ihr Gesuch rund abschlug, be-
gannen sie am 17. Januar die Restitution. Zwei Tage
darauf aber wiu^den sie in schonungsloser Weise von
einem herzoglichen Rittmeister (umgeben von einer Schaar
Reiter) aufgefordert, sich ihres Werkes gänzlich zu ent-
halten und bis zur Ankunft Herzog Heinrichs heimzu-
ziehen. Ja Übelthätern und Ruhestörern gleich brachte
man sie vor Wolfenbüttel , liess sie bis Sonnenuntergang
vor dem Thore warten, protestierte endlich gegen die Ein-
weisung der Junker, erklärte die bisherige Restitution
für null und nichtig und schickte sie von dannen. Über
Braunschweig zogen die Bevollmächtigten verletzt und
gekränkt in die Heimath ■''*). Erst später konnte der
Kurfürst die Sache mit grösserem Glücke in die Hand
nehmen.
Gedenken wir hier kurz einer kurfürstlichen Sendung
37) Wien, Kriegssachen 1553; Weimar. Reg. K. fol. 179 No. 1,
Reg. C. fol. 69 No. 36.
''*) Glücklicher verlief die gleichzeitige Verhandlung mit den
Grafen von Mansfeld. Zwischen ihnen bahnte Knrfiirst Joachim
einen Vergleich erfolgreich an, den später Kurfürst Moritz in Leipzig
endgültig zum Abschluss brachte. Weimar, Reg. C.
^^) Nach der Rückkehr des Herzogs geriethen dann die Ver-
tragsjunker in grosse Noth, so dass sie am 8. März den Kaiser er-
suchten, den Fürsten in die Acht zu erklären.
54 S. Issleil):
an den Kaiser^"), Bereits in Passau, unmittelbar nach
Schluss der Yerhandlungen, empfahlen der Kanzler Mord-
eisen und Christof von CarloAvitz, sich des Krieges halben
beim Kaiser ungesäumt zu entschuldigen. In Folge des
empörenden kaiserlichen Verhaltens aber wurde die An-
gelegenheit verschoben und erst während des Türken-
zuges wieder in Anregung gebracht. König Ferdinand
hielt für angezeigt, einen vertrauten Eath zu senden.
Darauf wurde Carlowitz in das Auge gefasst, weil ihn
der Kaiser und dessen Käthe wohl leiden konnten. Carlo-
■\vitz sträubte sich und betonte, früher möchte er viele
Gnade und grosses Vertrauen gehabt haben; allein da
er vor dem Kriege stets gute Vertröstungen gegeben
hätte, dessen Gegentheil hernach erfolgt wäre, so würde
die kaiserliche Gunst erschüttert und verloren sein. In-
ständig bat er, eine Person, die noch keiue Ursache zum
Misstrauen gegeben habe, zu schicken. Indessen im De-
zember 1552 musste Carlomtz die beschwerliche Reise
in das kaiserliche Kriegslager unternehmen, um den Kur-
fürsten zu entschuldigen mid treuen Gehorsam zu ent-
bieten, damit der bestehende Groll falle und das alte Ver-
trauen wieder hergestellt werde.
Zu Diedenhofen gewährte der Kaiser (im Januar 1553)
Audienz, bei der er einerseits seinen Schmerz und Kummer
über die erlittene Unbill zu erkennen gab, andererseits
versicherte , durch den Passauer Vertrag habe er gänz-
lich verziehen und dem allmächtigen Gott alle Dinge
anheimgestellt. Daran knüpfte er die Hoifnung, der Kur-
fürst werde nicht allein die zugefügte Beleidigung zeit-
lebens gebührlich wieder abvercÜenen, sondern auch den
durch den Krieg veranlassten Unrath im Eeiche mit be-
seitigen helfen. Der Verspätung wegen habe es keiner
Entschuldigung bedurft, da der Kurfürst gegen die Türken
gezogen sei. Als Carlowitz für sich der zwischen dem
Kurfürsten und Herzog Johann Friedrich schwebenden
Irrung gedachte, erklärte der Kaiser, kernen Theil be-
vorzugen, sondern gleiche "VVage halten zu wollen. Schrift-
lich Hess dann Karl V. den Kurfürsten ersuchen, Carlo-
witz' mündlichen Bericht zu hören und damit zufrieden
zu sein.
Welche Eindrücke der kurfürstliche Rath mit von
*o) Dresden, Loc. 9145 Hess^ische entledigiing III Bl. 520, 529,
536, 730 flg., 746 flg. Wien, Reichsakten miscell. 1552.
Von Passau bis Sievershansen 1552—1553. 55
(lanneii nahm, wissen wir nicht; allein des Kurfürsten
Misstrauen gegen den Kaiser hat er nicht beseitigt, und
später erfahren wir, dass er selbst keineswegs davon frei
gewesen ist.
INIittlerweile hatte sich Heinrich von Plauen des kur-
fürstlichen Auftrages (vom 26. Oktober) in Graz am
9. Dezember entledigt und war auf fi-eundliches Ent-
gegenkommen gestossen*^). König Ferdinand zeigte
Neigung zu einem Bündnisse. Der Kurfürst sollte seine
Vorschläge überschicken'''-), dann wollte er sich umgehend
schlüssig machen und womöglich mit ihm in Böhmen zu-
sammen kommen. Es geschah dies, um Zeit zu gewinnen
und mit dem Kaiser vorher berathen zu können. Am
liebsten hätte der Kurfürst gesehen, wenn der König die
Bundesartikel aufgestellt. Da das nicht erfolgte, so über-
sandte er (Januar 1553) an Heinrich von Plauen ein Kon-
zept *'^) . welches die Hauptpunkte eines zuverlässigen
Schutz- und Trutzbündnisses enthielt und als Mitglieder
die Kurfürsten von Pfalz und Brandenburg, den Land-
grafen von Hessen, die Herzöge von Bayern und Braun-
schweig, den Erzbischof von Magdeburg-Halberstadt, die
Bischöfe von Bamberg und Würzburg, den Fürsten von
Plauen und die Stadt Nürnberg in Vorschlag brachte**).
Während dem hatte der König dem Kaiser (am 1 6. De-
zember)*'') mitgetheilt, der Kurfürst suche vor allem an
ihm und an nachbarlichen Ständen eine Stütze zu gewinnen
und gedenke mit ihm nicht nur füi- Böhmen und inkor-
porierte Länder, sondern auch für alle österreichischen
Erbländer und gegen die Türken ein Schutzbündnis zu
schliessen. Zur Empfehlung fügte er bei, dass der neue
Bund Kaiser und Reich nützen, die französischen und
die anderen Verschwörungen vernichten, die beständigen
Truppenansammlungen in Sachsen beenden und gegen die
Türken Schutz bieten werde. Ohne grosse Pflichten und
Kosten könne der Kaiser selbst Haupt des Bundes sein.
Der Kurfürst eile, seinen Willen zu erfahren; allein ohne
*i) Wien, Saxoiiica 1548/52.
*"') Drnffel II, 1866 (25. Dezember).
•*'') Marl)uri>-, O. W. S. 379. Reichs- und Kieissachen Militaria
I — IV. Bgeische Bündnis 1553 Vol. III. Die Artikel waren am
17. Januar in den Händen des Fürsten von Plauen.
■'*) Es fehlten Herzog Johann Friedrich und die Markgrafen
Hans und Albrecht.
*6) Lanz m, 525 flg.
56 S. Issleib:
Wissen des Kaisers habe er sich nicht einlassen wollen.
Darauf erwiederte Karl V., ehe er sich entscheiden könne,
müsss er die Bedingungen und die Mitglieder des Bundes
kennen. In Sachsen würden sich wenige Stände bethei-
ligen, da der Kurfürst allgemein verhasst sei. Alle Lasten
würden dann auf ihn und den König fallen, und der Bund
würde am meisten gegen Herzog Johann Friedrich ge-
richtet sein. Auf den Herzog aber sei mehr Verlass als
auf den Kurfürsten. Weitmehr verwies der Kaiser den
Bruder auf den kaiserlicherseits geplanten süddeutschen
Bund''«).
Aus diesem Umstände erklärt sich die dem Kur-
fürsten ziemlich verspätet zugeschickte Antwort*'') , der
zufolge der Kaiser Haupt des Bundes sein sollte und
Ferdinand selbst nur mit den böhmischen Kronländern,
den fünf niederösterreichischen Erbländern und der fürst-
lichen Grafschaft Görz in den sogenannten sächsischen
Bund eintreten wollte; die ober- und vorderösterreichischen
Länder dagegen sollten der oberländischen Vereinigung
zugeführt werden. Die Bestimmung über Ort und Zeit
ihrer Zusammenkunft überliess der König dem Kurfürsten.
Beide kamen dann überein, dass die erste Versammlung
den 16. April in Eger stattfinden sollte"*'^).
Von einigem Interesse ist zu wissen, dass Landgraf
Philipp von Hessen Ende Dezember 1552 gleichfalls mit
Bundesvorschlägen hervortrat ''^). Die wunderlichen Händel,
welche hin und her schwebten, die bedrohte Lage der
Bischöfe zu Münster und PaderlDorn von Seiten des säch-
sischen Kriegshaufens, und die der Bischöfe von Bam-
berg und Würzburg von Seiten des Markgrafen Albrecht
hatten den Gedanken reifen lassen. Und wiewohl die
Bischöfe des Glaubens willen widrig seien, meinte er,
so sei doch gut, wenn grosse Herren wie Bayern, Württem-
berg, Pfalz, Sachsen, Brandenburg und andere, auch ge-
nannte Bischöfe ein Bündnis auf Grund des allgememen
*^) Am 27. Februar 1553 berief der Kaiser eine Versammlung:
der angesehensten Stände des schwäbischen und bayrischen Kreises
nach Memmingeu auf den 5. April. Dresden, Loc. 9155 Schriften
Herzog Johann Friedrichs, Markgrafen Albrechts etc. Bl. 193.
*') Graz 13. Februar 1553 siehe Note 43. Am 14. Februar schickte
König Ferdinand die kurfürstlichen Artikel an den Kaiser.
*^) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug Avider Markgrafen Albrecht
von Brandenburg 1553 Bl. 117.
*ö) Marburg, 0. W. S. 912 Sachsen, albertinische Linie 1552/3
(28. Dezember).
Von Passai; bis Sievershausen 1552 — 1553. 57
Landfriedens sclüiessen würden, damit nicht jede geringe
Person, der die Laus über die Leber liefe, einen Kriegs-
liaufen an sicli hängen imd dem einen heute, dem andern
morgen Schaden zufüge. Man spüre wohl, was das säch-
sische Kriegsvolk jetzt thue, und sollte man zusehen,
dass die Bischöfe gänzlich dermassen gezAvungen würden,
so möchte es vielleicht auch an andere kommen. Es
dürfe aber einer dem andern des Glaubens halben keinen
Schaden zufügen und weder durch Anstiftung des Konziles
noch sonst vom Glauben abbringen, auch kein Bundes-
genosse niemanden des Glaubens willen im Lande töten
noch verfolgen, wenn er sonst gehorche. Wiewohl er
keine grosse Lust zu Bündnissen habe, so wolle er doch
zur Vermeidung grossen Schadens seinen Antheil nach
Vermögen geben, sofern es geschickt und recht ange-
fangen werde '^^).
Der Kurfürst gab zu erkennen, dass er bereits mit
König Ferdinand in Bundesverhandlungen stehe, schon
habe er Vorschläge übersendet und erwarte Resolution.
Wenn die königliche AntAvort eintreffe, wolle er sie ihm
Fastnacht zu lesen geben. Rathsam sei, dass die geist-
lichen Fürsten allerorten nach Möglichkeit in gutem Willen
erhalten würden. Der Landgraf möge AVeltliche und
Geistliche für einen Bund geneigt machen helfen.
Fastnacht 1553 sollten Philipp und sein Sohn Wilhelm
in Dresden als liebe Gäste verweilen. Der Vater lehnte
die wiederholte Einladung wegen allerlei Leibesbeschwerden
ab^^), aber Landgraf Wilhelm erschien. Für die Politik
des Kurfürsten Moritz ist jene Fastenzeit wichtig ge-
wesen. Zwischen den beiden jugendlichen Fürsten wurden
in jenen Tagen alle denkbaren Verhältnisse zur Sprache
gebracht, erörtert und behandelt. In Anwesenheit des
Schwagers hat der Kurfürst Schritte gethan, welche die
darauffolgenden denkwürdigen Verwickelungen einleiteten.
Vom Vater beauftragt erforschte Landgraf Wilhelm
■'^) In g-leicher Weise schrieb Landgraf Philipp an (l(>n Kur-
fürsten von der Pfalz. Dieser aber widerrieth die Aufnahme von
Bischöfen. Dresden. Loc. 9157 Ki'iegszug- wider ]\rarksrafen
Albrecht etc. 1553, Landgraf Philipp an Moritz, Marburg 4. März
1553.
■'^) Marburg, O. W. S. 912. Sachsen, albertinische Linie 1552/3,
Briefe vom 30.1)ezeniber 1552, vom 10. Januar 1553 flg. Die
Schwester des Landgrafen, Herzogin Elisabeth von Rochlitz, kannt_e
andere Gründe, welche Philipp zurückhielten. Weimar, Heg. K.
fol. 194 No. 4, Brief vom 19. Januar 1553 an Herzog Johann Friedrich.
58 S. Issleib:
zunächst die Gesinnung des Kurfürsten gegen Herzog
Johann Friedrich, und da er ihn ziemlich versöhnlich
fand, ermunterte er zur Wiederaufnahme der eingestellten
Verhandlungen •''-). Einig waren ferner die beiden Fürsten
darüber: die im Januar angeknüpften französischen Ver-
bindungen fest zu halten •''■^) , mit Kurpfalz , Baj^ern und
anderen Fürsten gutes Einvernehmen zu pflegen , sowie
die braunschweigischen und fränkischen Wirren'^*) scharf
ins Auge zu fassen. Gegen den Kaiser hegten beide
grosses Misstrauen, nicht minder gegen seinen Verbün-
deten, Markgrafen Albrecht; gegen ihn vor allem trat
hohe persönliche Empfindliclikeit und Gereiztheit zu Tage.
Was hatte der Kurfürst nicht alles mit Albrecht
durchlebt, und was hatte er seit dem Passauer Vertrage
von ihm zu erwarten? Darüber wünschte er Klarheit zu
haben. Von verschiedenen Seiten sei er benaclirichtigt
worden, schrieb er am 19. Februar 1553 •'^■^), der Mark-
graf habe sich nach Annahme des Passauer Vertrages
und nach dem Abzüge von Frankfurt etlicher beschwer-
licher, auch zum Theile ehrenrühriger Worte seiner Person
halber vernehmen lassen, wozu er keine Ursache gegeben.
Weil sie nach längerer Unterredung über den Passauer
Vertrag von Frankfurt freundlichen Abschied von emander
genommen, so habe er die angezeigten Reden noch nicht
glauben wollen. Um zu erfahren, wessen er geständig
sei, erkundige er sich nach altem ehrlichen deutschen
Brauche persönlich bei ihm. Oifen solle er erklären, ob
es bei der früheren, jahrelangen Freundschaft bleiben
solle, oder ob er sich eines anderen in Zukunft zu ver-
sehen habe. So gern er mit ihm im Einverständnis zu
bleiben wünsche, so trage er doch keinen grossen Kummer,
wenn er sich unverdienter Weise gegen ihn verhetzen
lasse. Noch hoffe er, der Markgraf werde als geborner
deutscher Fürst und als kaiserlicher Diener Friede, Ruhe
und Wohlfalirt befördern helfen.
Von derPlassenburgaus entgegnete Markgraf Albrecht
^2) Den ersten Anstoss dazu gaben ganz im Geheimen Herzog
Jobann Friedrich und Herzogin Elisabeth von E-ochlitz. Weimar,
Reg. K. fol. 194 No. 4. Briefe im Dezember 1552, Januar 1553 flg.
53) Siehe Note 11.
^'*) Am 2. Februar 1552 hatte der Kurfürst den Bischöfen von
Bamberg und Würzburg die erbetene Hilfe nicht abgeschlagen. Dres-
den, Loc. 9155 Kriegssache wider Markgrafen Albrecht 1553 Bl. 148.
■'^) Dresden, Loc. 9155 Kriegssache wider Markgraf Albrecht
1553 Bl. 2. Albrechts Antwort vom 1. März Bl. 4.
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 59
am 1. März'**'): wohl Avisse er sich dessen zu erinnern,
was er über den Kurfürsten und andere hohen und niederen
Standes geredet habe. Würden ihm die Worte angezeigt,
welche er geredet, und die Orte, wo er sie geredet, und
die Personen, durch welche sie hinterbracht Avorden, dann
wolle er zur Zufriedenheit antworten. Da aber mehr
geredet werde, als wahr sei, so solle ihn der Kurfüi^st
entschuldigen. Beide hätten stets ganz gern einander
gedient. Wohl werde sich der Kurfürst aller vor Frank-
furt stattgefundenen Unterredungen und des Abschiedes
vor Ankunft Heinrichs von Plauen mit dem Vertrage
erinnern. Wie gar gering er in demselben l)edacht, das
bringe der Buchstabe mit sich. Eines besseren Ange-
denkens habe er sich versehen, derhalben er wohl allerlei
vorwenden könne. Weil ihm aber der allmächtige Gott
durch besonderes gnädiges Glück nach der französischen
Untreue zu einem ehrlichen und aufrichtigen Vertrage
beim Kaiser verholfen habe, so rühme er sich des Passauer
Vertrages nicht, lasse auch denselben und alle deswegen
erfolgten Handlungen auf sich beruhen. Das Verfahren,
sich bei ihm selbst zu erkundigen, erkenne er an. Bisher
habe er sich gegen ihn nicht verhetzen lassen, dagegen
könne er sich billigerweise beschweren, dass der Kurfürst
die Werbung etlicher Reiter gegen die siegelbrüchigen
und treulosen Bischöfe in seinem Lande nicht gestattet.
Er habe keine Ursache zu Argwohn gegeben und er-
warte, dass sich der Kurfürst zu keiner Unfreundschaft
bewegen lasse. Zur Ruhe und zum Frieden sei er ge-
neigt, nur wolle er zu seinen Verträgen kommen und
verspreche sich dabei kurfürstlicher Hilfe und Förderung.
Als die Antwort in Leipzig einlief, hatte der Kur-
fürst soeben mit einem Ausschusse seiner Landstände und
Räthe verhandelt und Gesandte an Herzog Johann Fried-
rich abgefertigt"), eben den jahrelangen Streit der mans-
^^) Ende Februar war er dahin zurückgekehrt. Dresden, Loc.
9157 Kriegszug wider Markgrafen Albrecht etc. 1553 Bl. 70, 81.
Wien, Zasius' Relationen 1553 (vom 15. Februar), dagegen .Jo-
hannes Voigt II, 29 (Anfang Februnr). Am 14. Febr. aber langte
der Markgraf in Heidell)erg an und blieb länger als fünf Tage dort.
") Weimar, Reg. K. fol 189 No. 2 u. 4. Als Landgraf Wilhelm
mit Moritz in Torgau über die Liquidationssacbe redete und .einen
Brief des Vaters vorzeigte, darin die Abtretung einiger Amter
gerathen, wurde der Kurfürst ernst und sagte: „Da wii-d nichts
draus."
00 ■ S. Issleib:
feldiseheii Vettern und Brüder endgiltig geschlichtet^^)
und den Grafen Voh-ad an den König von Frankreich abge-
sendet''■'). Wenig zufriedengestellt durch des Markgrafen
Brief*'^') Hess er sofort in seinem Lande und im Stifte
Magdeburg- Halberstadt alle Pässe verlegen, damit keine
niedersächsischen Eeiter nach dem fränkischen Muster-
platze Kulmbach ziehen könnten. Gleichzeitig ersuchte
er seinen Schwiegervater, Landgrafen Philipp, um Schlies-
sung aller Pässe in Hessen und auf dem Eichsfelde und
Herzog Johann Friedrich um Sperrung aller Strassen
durch Thüringen*^^). Da der Landgraf dem Wunsche des
Kurfürsten entsprach, musste sich der Herzog von Wei-
mar fügen. — Damals gerade herrschte zwischen den Höfen
zu Dresden und Weimar arges Misstrauen*^^). Beide
Fürsten wandten ansehnliche Summen und alle persön-
lichen Verbindungen auf, um einander auszukundschaften.
Jeder fürchtete. Wenn man die an beiden Orten ein-
gelaufenen Berichte jener Tage liest, so erstaunt man,
wie viel ihnen zugetragen wurde, darunter freilich auch
vieles Falsche, Avas irreleitete, den wahren Thatbestand
trübte und die lauernde Begierde schädlicherweise an-
spannte.
Sobald Landgraf Wilhelm von Leipzig aus die Rück-
reise nach Hessen angetreten hatte, eilte der Kurfürst
nach Halle, um am 10. März mit Herzog Heinrich von
Braunschweig zusammenzutreffen. Im Februar hatten
beide das mansfeldische Kriegsvolk, welches in der zweiten
58) Dresden, Loc. 9157 Mansfeldische Irrungen 1552/3 ßl. 10,
12 flg., vergl. München, Reichsarchiv, Brandenburg VII, des
Kaisers Brief vom 3. 3Iärz. Alle Grafen waren erschienen; Graf
Albrecht kam mit seinem Sohne Volrad wieder zur Herrschaft. Die
Lehnspflicht gegen Kursachsen wurde erneuert.
5ö) Siehe Note 11.
"'>) In Dresden liegt Loc. 9155 Kriegssache etc. Bl. 7 das
Reinkonzept einer geharnischten Erwiderung vom 6. März, jedoch
mit dem Indorsat von Dr. Mordeisen: „ist nicht ausgangen. " (Konzept
mit vielen Korrekturen Loc. 9157 Kriegszug etc. fol. 7.) Daher haben
Lange nn I, 557, Joh. Voigt II, 45 u. A. den Brief vom 6. März
und das „Verzeichnis der Schmähungen" mit Unrecht so verwerthet,
wie geschehen. Ranke V, 224'* folgte ihnen mit Vorsicht.
***) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Markgrafen Albrecht
1553 Bl. 108, 117, 120. Weimar, Reg. C. fol. 51 No. 14.
«'-) Wien, Zasius" Relationen 1553, vom 15. und 20. Februar.
Der kaiserliche Rath Dr. Hase, welcher den ganzen Winter bei den
vier rheinischen Kurfürsten für Philipp II. praktizierte, habe offen
gesagt, „es werde in kurzem ein unsauber Gerauf zwischen dem alten
und neuen Kurfürsten in Sachsen angehen."
Von Passau bis Sievershausen 1552 — 1553. 61
Hälfte des Monats getrennt wurde, grösstentheils an
sich gezogen und bei dieser Gelegenheit einen wichtigen
Berührungspunkt gefunden. Ausserdem drängte vieles zu
einer Aussprache*'"), vor allem die bischöfliche Frage in
Franken.
Während die Räthe mühsam an einem Vergleiche
zwischen dem Herzoge und den Vertragsjuiikern arbei-
teten*'*), behandelten die Fürsten unter sich in vertrauen-
voller Offenheit alle Privat- und Reichs Verhältnisse. Der
Herzog ging so weit, dass er „in seinen Reden ganz
wunderlich" erschien. Unter anderem sagte er*'"'), man
solle zulugen, sobald des Kaisers Sachen an andern Or-
ten besser würden, habe ganz Deutschland grosse Gefahr
zu erwarten. Man gehe damit um, die deutschen Fürsten
durcheinander zu hetzen; die Markgrafen Hans und A\-
brecht seien die vornehmsten Rädelsführer dieses Han-
dels. Sein Sohn Dr. Spies'''') sei oberster Rath des
Kaisers und habe Kommission, ihn und Herzog Hans
Friedrich zu versöhnen und die Sache dahin zu richten,
ob sie dem Kurfürsten etwas anhaben könnten'"). Aber
er habe sich in nichts einlassen wollen, sondern gesagt,
er wäre schon zweimal um des Kaisers willen verjagt
worden, zum dritten Male wollte er es nicht wagen; es
wäre zum Verderben des deutschen Landes. Ausserdem
verglich sich sein Geblüt mit dem Manne nicht, er wisse
wohl, von welchem Hause Sachsens ihm mehr Gutes
widerfahren wäre. Weiter habe er gesagt, sein Sohn
Dr. Spies sei zu Braunschweig, erginge sich in aller
63) Wolfenbüttel, acta publica No. 274; Marburg, 0. W. S. 912.
Sachsen, albertinische Linie 1552/3, eigenhändiger Brief des Kur-
fürsten vom 13. März an Landgraf Wilhelm; Xvien, Zasius' Re-
lationen 1553 (27. März).
•**) Li Brannschweig verhandelte Markgraf Hans anfangs März
mit den Kriegsjunkern und der Stadt Braunschweig 14 Tage lang.
Jedermann glauljte an einen glücklichen Al)S('hluss Da scheitelte
die Sache an einigen Artikeln, welche dea Junkern verdächtig er-
schienen. Der Markgraf soll gesagt haben, es möchte jeder machen,
was er wollte, und reiste ab. Dresden, TjOC. 7277 Marggraft'en Jo-
hannsen heudel etc. 1548 53 Bl. 28, Weimar, Reg. C. fol. fil) No. 3»i.
Wien, Zasius' Relationen 1553 (26. März), Wolfenbüttel, acta publ.
No. 274.
•*->) Man erinnere sich, dass Herzog Heinrich im Dezember 1552
im kaiserliehen Feldlager vor Metz war. S oben S. 4H.
"") Markgraf Hans war Herzog Heinrichs Schwiegersohn; in
vertraulichen Briefen wurde er stets Dr. Siiies genannt.
•'■') Vielfach trifft man auf veitrauliche Mittheilungen, der Kaiser
wolle den Kurfürsten verjagen.
62 S. Issleib:
Klugheit und handelte auf Befehl des Kaisers auch mit
den Städten Lübeck, Hamburg, Lüneburg etc. wegen
eines Bündnisses, befugt, der lieligion halben grosse Ver-
sicherungen zu geben. In Summa, es wäre alles darauf
berechnet, Deutsehland eine Kappe zu schneiden, doch
werde Dr. Spies nicht viel ausrichten, sie trauten dem
Lecker nicht. Obgleich Markgraf Albrecht einer der
kaiserlichen Hetzhunde sei, so könne man am Hofe wohl
leiden, es ginge ihm ein Ead über ein Bein, thue es
gleich, wer da wolle. Gegen ihn und seine armen Unter-
thanen habe derselbe so gehandelt*^*), dass er zu Gott
hoffe, sich an seinem Gute und Blute noch rächen zu
können. Um Deutschlands Gefahr zu beseitigen, rieth
Herzog Heinrich, sich von allen Seiten vertraulich zusam-
men zu thun. Der Kurfürst sollte seiner mächtig sein.
Obgleich nicht seines Glaubens, so wollte er doch gern ein
freier Deutscher bleiben wie er und andere und, so oft
es Noth thue, seine alte Haut treu mit zusetzen. Vorm
Jahre hätten sie zu sehr geeilt, sonst hätten sie wohl
mehr Spiessgesellen bekommen. Damals habe er sich so
verhalten, dass zu befinden, keine Krähe hacke der andern
die Augen aus. Die Bundesbestrebungen des Kurfürsten
von der Pfalz und des Landgrafen kannte er; Pfalz aber
hielt er für furchtsam, lieber den Landgrafen redeten
beide viel mit einander, und Moritz gewann den Eindruck,
sei das Herz wie das Wort, dann könnten dieselben
wieder die besten Freunde werden. Sonntag den 12. März
beschlossen der Kurfürst und Herzog Heinrich, in unge-
fähr acht Tagen in der Nähe von Magdeburg zu erscheinen.
Dann wollte der Herzog seine Vorschläge über ein Bünd-
nis schriftlich übergeben, damit der Kurfürst mit seinen
weiteren Freunden davon reden und daraus entnehmen
könne, was allen gut wäre.
Gemäss der Leipziger Verabredung überschickte Kur-
fürst Moritz dem Schwager Wilhelm einen eigenhändigen
Bericht über die Begegnung zu Halle und schloss mit
den Worten: „In Summa, wo einiger Glaub und Treu
auf der Welt sein soll, so find ich Heinz auf einem guten
Weg"«»).
^^) Diu'ch Volracl von Mansfeld.
<*'^) Weimar, Reg. C. fol. 65 No. 28. Der herzogliche Sekretär
Antonius Pastell in Weimar theilte Herzog Johann Friedrich in
Gotha am 18. März von der Zusammenkunft in Halle mit, dass die
beiden Fdrsteu viele heimliche Gespräche gehalten hätten und in
Von Passau bis Sievershausen 1552— 1B53. 63
Fast ununterbrochen findet man von nun an den Kur-
fürsten nach dieser und jener Richtung hin thätig. Wenige
Tage nach der Zusammenkunft in Halle verhandelte er
mit dem königlichen Rath Dr. Kaspar von Niedbruck
über die bevorstehende Bundesversammlung zu Eger und
gesellte ihm Anselm von Zeschwitz bei, um gemeinsam
den Landgrafen von Hessen, den Kurfürsten von der
Pfalz und andere Reichsstände für die königlichen Bundes-
bestrebungen zu gewinnen ^"). Darauf ritt er nach Magde-
burg und suchte sich mit dem neuen Erzbischof und dem
Domkapitel über alle unerledigten Punkte aus der Zeit
der Belagerung zu verständigen'^). Am 22. März setzte
er mit Herzog Heinrich die in Halle begonnene Verhand-
lung zu Neuhaldensleben fort und vereinbarte mit
ihm am 24. eüien in der That wichtigen Vertrag'-).
Darnach sollte keiner den andern befehden oder be-
kriegen und Vergarderungen herrenlosen Kriegsvolkes
im Lande zum Schaden des andern dulden. Werde der
eme widerrechtlich überzogen oder vergewaltigt, dann
sollte der andere innerhalb Monatsfrist zuziehen und
helfen, der Kurfürst mit mindestens 600 Reitern und
2000 Knechten, Herzog Heimich mit 400 Reitern und
1500 Knechten, im Falle der Noth mit allen Kräften etc.
Verdacht, Unwille, Zwist sollte sofort durch persönliche
Zusammenkunft gehoben oder durch Rechtsgang und Reichs-
ordnung beseitigt werden. Der Kurfürst behielt sich
vor, den Verbindlichkeiten des Passauer Vertrages nach-
kommen zu dürfen, für den Fall der herzogliche Streit
mit den Vertragsjunkern nicht beigelegt, oder der er-
langte Vertrag nicht gehalten und seine Hilfe beansprucht
werde. Dagegen wurde dem Herzog zugestanden, an
seinen Rechten und Gerechtigkeiten, an der Protestation
gegen den Passauer Vertrag und an anderen Besclilüssen
aller Fröhlichkeit und Freundschaft von einander geschieden seien.
Boten seien alsbald mit vielen Briefen nach Bamberg und Würz-
burg geritten. Der Kurfürst habe den Landgrafen mit dem Herzog
ausgesöhnt. Herzog Johann Friedrich zweifelte au diesen Mitthei-
huigen, fol. 51 No. 14.
™) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Markgrafen Albrecht
Bl- 117.
^1) Wien, Kriegäsachen 1553, Brief Niedbrucks vom 17. März
aus Dresden an König Maximilian. Der königliche Eatli brachte
die vom Kaiser korrigierte Assekuration mit nach Dresden, Weimar,
Reg. K. fol. 189 No. 2. .
'-) Wolfenbüttel, actapubl. No. 274 u. 355 a, Dresden, Original-
urkunden No. 11470/1.
64 S. Issleib:
vorläufig festzuhalten. Jede Anfeindung der Junker
sollte bis auf Weiteres unterbleiben. Gegenseitig ver-
sprachen die Fürsten, den Vertrag unverbrüchlich zu
halten; ihre Zusagen l3ekräftigten sie durch Handschlag
und vereinbarten, in Monatsfrist oder zum längsten am
folgenden Verhandlungstage in der Junkerangelegenheit
die Vertragsurkunden auszuwechseln. Ihr Defensivbünd-
nis sollte nicht gegen den Kaiser, den König oder einen
Einigungsverwandten, dessen sie zu Gleich und Recht
mächtig, gerichtet werden. Dem Kurfürsten von Branden-
burg und Erzbischof von Magdeburg, Herzog Erich von
Braunschweig und anderen benachbarten Ständen sollte der
Eintritt in den Bund gestattet sein. Ferner stellte der
Kurfürst dem Herzog seine Wiederbefreundung mit dem
Markgrafen Hans anheim. Für Philipp von Hessen wirkte
er völlige Sicherheit aus'-^) und bemühte sich, den Zwist
zwischen dem Herzoge und Fürsten Wolf von Anhalt
durch Festsetzung einer zu zahlenden Geldsumme abzu-
thun. Gegen Erlegung von 20 0U0 Thalern sollte das
Erzstift Magdeburg vor jedem feindlichen Angriff von
Seiten des Herzogs und des versammelten Kriegsvolkes
sicher sein. Zur Erhaltung der Reiter und Knechte be-
willigte der Kurfürst eine Unterstützung, zu der auch
der Kurfürst von Brandenburg und nach Verhältnis alle
Harzgrafen (ausgenommen Graf Albrecht von Mansfeld)
vermocht werden sollten'^). Schliesslich verständigte man
sich, den fränkischen Bischöfen im Nothfalle gegen Mark-
graf Albrecht Hilfe zu gewähren^').
Fasst man alles zusammen, so waren die Tage von
Neuhaldensleben von nicht geringer Bedeutung. Kurfürst
Moritz gewann dort den Bundesgenossen, welcher mit
ihm den Kampf gegen Markgraf Albrecht kühn auf-
nahm und treuen Beistand leistete.
Noch in anderer Beziehung gelangte der Kurfürst
"^) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug wider Markgraf Albreclit
1553 Bl. 120, 125 flg. Wolfeubüttel, acta publ. No. 249 b. Brief Chri-
stofs von Carlowitz an Herzog Heinrich vom 10. Mai u 16. Juli 1553.
'*) Weimar, Reg. C fol. 51 No. 14. Vol. I u. II. fol. 55 No. 15,
fül. 69 No. 36. Die beiden Fürsten sollten sich zusammen verbrüdert
haben. Der Kurfürst vor allem wolle dem Markgrafen gern in die
Haare und sei Willens, den Biscliöfen zu helfen. Beide seien ver-
bunden um Herzog Johann Friedrich zu zermergeln, ehe er auf die
Beine und zu Macht komme.
'''"') Wolfeubüttel, acta publ. 355 a. Moritz' Brief an Herzog
Heinrich, Ziegenhain 8. April.
Von Passau bis Sievershauseu lö52— 1553. 65
damals einen Schritt vorwcärts'^^). Die am 4. März in
Leipzig- erwählte Gesandtschaft hatte sich nach Koburg"
zum Herzog- Johann Friedrich, welcher die Hinterlassen-
schaft seines verstorbenen Bruders Johann Ernst ordnete,
begeben und hatte am -21. März einen Verhandlungstag
zur Beilegung des Liquidationsstreites und zur Vollziehung
der Assekuration vereinbart. Die Fürsten verglichen
dann einen Tag für den 7. Mai in Eisenberg.
Wichtig ist ferner eine Reise des Kurfürsten nach
der Pfalz. Um deren Bedeutung zu würdigen bedarf es
folgender Angaben.
Kui'fürst Friedrich hatte am 23. Januar 1553 bei
Bayern, Württemberg und Jülich eine persönliche Zu-
sammenkunft beantragt zur Beratliung, auf welche Weise
dem Zwist und Streit zwischen Markgraf Albrecht
und den fränkischen Bischöfen, Herzog Heinrich und den
Junkern, Kurfürst Moritz und Herzog Johann Friedrich,
Landgraf Philipp und Wilhelm von Nassau, dem Herzog
von Württemberg und dem Deutschmeister abzuhelfen
sein möchte^'). Alle drei Fürsten hielten gleichfalls für
höchst wünschenswerth, die kläglichen Reichsverhältnisse
zu bessern und warei] damit einverstanden, zunächst unter
sich einen möglichst engen und festen Anscliluss zu fördern.
Dann sollten die Pfalzgrafen, Landgraf Philipp* und w enn
möglich Kurfürst Moritz nebst anderen Fürsten zu ihrer
Vereinigung zugezogen werden, Geistliche aber in Folge
sclilimmer Erfahrungen vorläufig ausgeschlossen bleiben").
Für nöthig hielt man, den Kaiser vom Vorhaben in Kennt-
nis zu setzen^") und die Parteien durch Gesandtschaften
oder Schriften zur Einräumung von Verhandlungen an-
zugehen. Ungesäumt schritt man ans Werk. Da wollte
aber Markgraf Albrecht die Verträge stracks vollzogen
wissen ^^'), und der Bischof von Bamberg verwies auf die
kaiserliche Kassation; zugänglicher erschien der Bischof
von Würzburg. Landgraf Philipp und Kurfürst Moritz
waren gewillt, sich den Bundesfürsten zu nähern und
ihrenStreit mitNassau und Weimar verhandeln zu lassen ^^).
'8) Weimar, Reg. K. fol. 189 No. 2.
■'■') Münchon, Reichsarchiv. Brandenburg' VI Bl. 38, Hl flg.
'«) Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 1553 Bl. 90, 92, 102.
"") Wien, Zasius" Relationen, kaiserliche Briefe vom 10. u. 15.
März an Kurpfalz.
•^) Dresden, Loc. 9156 Markgraf Albrecht etc. 1553 Bl. 8, lOflg.
9157. Kriegszug etc. 1553 Bl. 81.
»1) S. Note 78.
Neues Artliiv (. .S. C. u. .\. VllF. 1. 2. 5
66 S. Issleib:
Mitte Februar hatte Kurfürst Friedrich Gelegenheit,
die Scliärfe des fränkischen Streites zu erkennen. Der
Bischof von Würzburg und Markgraf Albreclit waren
nacheinander in Heidelberg; jener suchte ßath und neigte
zum Vergleiche; dieser wollte sich „nicht biegen lassen"
und war entschlossen, mit dem Schwerte in der Faust
die Verträge zu erzwingen. Um nun dem offenen Kriege
in Franken noch zuvor zu kommen — längst tobte die
Fehde — , berief der Kurfürst die Herzöge von Baj^ern,
Württemberg und Jülich auf Sonntag Oculi (5. März)
nach AVimpfen^-). Weitere Emladungen ergingen an
die Pfalzgrafen Ottheinrich, Wolfgang, Friedrich etc.,
an den Markgrafen von Baden, an die fränkischen Stände,
an Hessen, Kursachsen etc. Wegen Unwohlseins des
Kurfürsten erschienen am 8. März die Herzöge von
Baj'ern und Württemberg und die jülichschen Gesandten
in Heidelbergs-^), ausserdem der Bischof von Wüi'zburg,
Markgraf Albrecht und bambergische Räthe; verspätet
(am 17.) traf der hessische Gesandte iVlexander von der
Thann ein, noch später (am 20. nach Schluss der frän-
kischen Verhandlungen) der Herzog von Jülich und die
Erzbischöfe von Mainz und Trier s^). Kurfürst Moritz
wurde eifrig mnworben*^'^).
Durch begütigende Vorschläge suchte man vor allen
Dingen die fränkische Frage zu lösen ^'^). Der Markgraf
wurde zur Nachgiebigkeit ermahnt und die bischöfliche
Partei angegangen , den Verträgen wenigstens in der
Hauptsache nachzukommen. Neigmig zum Frieden zeigte,
wie früher, der Bischof von Würzburg; allein die Ab-
geordneten des Bischofs von Bamberg hatten Instruktion,
auch nicht das Mindeste einzuräumen; nicht einmal den
beantragten und vom Markgrafen zugestandenen vierzehn-
tägigen Waffenstillstand wollten sie bewilligen^'). Weil
82) S. Note 80. «3) Wien, Zasius' Relationen 1553 im März.
8*) Weimar, Reg. K. fol. 565 No. 12. Wilhelm von JiUiclis
Brief vom 20. März aus Heidelberg: diesen ^lorgen sei er eingeritten.
s5) Marburg, 0. W. S. 912, Sachsen, albertinische Linie 1552/3,
Briefe vom 19. 22. 26. März.
'*") Das kaiserliche Schreiben vom 10. März (A. 79) , welches
die Heidelberger Versammlung. billigte, langte erst nach Schluss der
fränkischen Verhandlung an. Über diese Verspätung und über die
Art der Abfassung war man höchst aufgebracht. Wien, Zasius' Re-
lationen 1553. (23. Aprilj.
*■') Damals war der. Bischof von Bamberg dem Markgrafen an
Kriegsvolk überlegen. Überdies hatte Herzog Heinrich am 17. Febr.
Von Passau bis Sievershauseii 1553—1553. ß7
nun Markgraf Albreclit seinerseits auch nicht einen Buch-
staben der kaiserlichen Ratifikation fallen lassen wollte
und die Bischöfe zufolge ihrer Vereinigung mit Nürn-
berg etc. unmöglich zu trennen waren, so zersclilug sich
die Verhandlung gänzlich. Am 19. März ^^) musste man
den unerledigten Handel an den Kaiser verweisen. Trotzig
und stürmisch ritt der Markgraf am folgenden Tage von
dannen.
Beachtenswerth ist^**), dass Albrecht sich von Heidel-
berg aus (am 13. März) und auf der Heimreise von
Pforzheim aus (21.) an Kurfürst Moritz wandte, den
Kaiser der feindlichsten Absichten beschuldigte, von
gegnerischen Bündnissen und von Praktiken Herzog
Johann Friedrichs berichtete und die pfäffische Art der
brief- und siegelbrüchigen Bischöfe schonungslos geisselte.
Gutes Aufsehen zu haben, sei angezeigt; denn der Kaiser
werde den zugefügten vorjährigen Schimpf nicht schenken.
Der Passauer Vertrag solle als Nothvertrag nicht gehalten
werden. Za allem ziehe man Johann Friedrich in das
Spiel. Warum nenne er sich geborenen Kurfürsten? Die
Heidelberger Versammlung habe sich zerschlagen, nun
müsse er mit Grottes und der Freunde Hilfe das Seine
zu erlangen suchen. Und weil die Pfaffen mit ihrem
Anhange nichts anderes und Besseres als Kampf wollten,
so müsse er ihnen dazu verhelfen.
Nur weniger Tage bedurfte es, und der Krieg loderte
in Flammen. Die Ausschreiben der Bischöfe und des
Markgrafen an alle Reichsstände vom 25. und 27. März
bildeten die lärmenden Kampfsignale ^^).
Wie weit die übrigen fürstlichen Irrungen und die
Reichsverhältnisse in Heidelberg verhandelt wurden, ist
kaum ersichtlich. In allen Stücken aber ging man auf
den Passauer Vertrag zurück, den man in allen Punkten,
e^eschrieben : Kurfürst Moritz sei zu bewusstev Sache oder zur Ver-
mittelung wohl geneigt, später solle rr darüber verständigt werden.
Sein Rath gehe dahin, sich mit Albrecht weder auf den alten noch
auf einen neuen Vertrag einzulassen. So viel wisse er, obschon er
sich mit dem Markgrafen vergliche, so werde er doch bald anderes
zu gewärtigen haben. Wolfenbüttel, acta publ. 355 a.
'^*) Dresden, Loc. 9155 Schlitten Herzog .lohann Friedrichs etc.
Bl. 184, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc. Bl. 113;
Weimar, Reg. C. fol. 49 No. 11 u 12.
■'^>) Dresden, Loc. 9155 Schriften etc. Bl. 170/1, Kriegssache B1.5ß.
■"') Johannes Voigt 11,41; Dresden. Loc. 915«. Markgrafen
Albrechts Kiiegssache etc. 1553 Bl. 119 flg.
68 S. Issleib:
selbst in Betreif der Einberufung des Reichstages, als das
rechte Richtscheid ansah und streng gehalten wissen
wollte ^^).
Am Abende des grünen Donnerstages (30. März)
zogen die Fürsten von Heidelberg nach dem neuen
Schlosse (eine Meile von Worms), um dort möglichst
geheim zu verhandeln. Laut eiliger Meldung des Land-
grafen erwartete man Kurfürst Moritz am Charfreitag^-).
„Auf alle Strassen schickten alle unter Augen und "waren
mit besonderem Verlangen seiner stündlich gewärtig". Ob-
gleich sich dann seine Ankunft verzögerte ^'^) , so waren
alle entschlossen, zu bleiben imd die Beschlüsse der Dinge
einstweilen einzustellen. Am heiligen Ostertage endlich,
den 2. April Nachmittags 2 ühr, ritt der Kurfürst im
neuen Schlosse ein und trat alsbald mit den versammelten
Fürsten in Berathung ®^).
Im engsten Kreise ohne Beisein der Räthe wurde
verhandelt, um sich den Spähern und Kundschaftern zu ent-
ziehen^"'). Der Herzog von Bayern versah das Amt eines
Kanzlers. Wie in Heidelberg so legte man auch hier
allen Besprechungen den Passauer Vertrag zu Grunde.
Man verweilte bei den Freiheiten der deutschen Nation
und beim allgemeinen Frieden und erwog, ob nicht dem
Zwiespalt der Religion durch ein Nationalkonzil abzu-
helfen sei. Die Fürsten verlangten die Berufung eines
Reichstages ^^). Ernstlich berieth man über die Beilegung
der hauptsächlichsten Irrungen im Reiche. Des Mark-
^1) Wien, Zasius' Relationen 1553, Briefe im März (am 6. bis 27.).
»*) Marburg, 0. W. S. 912, Saclisen, albertinische Linie 1552/3-,
Wien, Zasius' Relationen 1553, Ende März und April.
^V Am 27. März war er in Leipzig und schrieb an die Ge-
mahlin: nichts in der Welt solle ihn abhalten, jetzt zum Landgrafen
zu reiten wegen Anzeigen, daran viel gelegen, die sich aber der
Feder nicht anvertrauen Hessen. Sonntag nach Ostern (9. April) wollte
er bei ihr sein. Dresden, Loc. 8498 Moritz' eigenhändige Schreiben
1547/53. Bl 34. Auf der Reise nach der Pfalz Avurde der Kurfürst
vielfach gesehen und erkannt in Buttelstedt, in Erfurt, bei Georgen-
thal, in Salzungen etc. Weimar, Reg. C. fol. 51 No. 14. Vol. 11
fol. 57 No. 17, meist Nachrichten Bernhards von Mila, vergl. fol. 68
No. 35.
^^) Wien, Zasius' Relationen 1553 (2. April post script.).
"■') Dresden, Loc. 8499 Ferrair 1548/53 B1.72. Brief vom 17. Aprih
Dort befindet sich auch das türkische Angebot, welches an den Kur-
fürsten herantrat.
"ö) Am 24. Mai berief der Kaiser einen Reichstag nach Ulm
auf den 21. August 1553. Dresden, Loc. 10189 Reichstag zu Ulm.
Von Passau bis Sievershauseu 1552—1553. 69
grafeil Sache hätte man vor allem gern vertragen ge-
sehen. Obgleich die meisten ihm günstiger gestimmt
waren als den Bischöfen, so wurde doch ausdrücklich
hervorgehoben: weil Albrecht sich dem Passauer Ver-
trage widersetzt und ihn in bestimmter Zeit nicht ange-
nommen, habe der Kaiser die unbilligen Verträge in
optima forma kassiert; den späteren kaiserlichen Schritt
aber, dass er die Kassation wieder kassiert und die tyran-
nischen Verträge ratifiziert habe, hielt man wegen des
Passauer Abschiedes für gänzlich unzulässig.
Mit der Eegierungsweise Karls V. war überhaupt
niemand einverstanden, auch nicht mit den kaiserlichen
Vorschlägen betreffs des neuen deutschen Reichshofrathes ^ ' ),
oder mit der Aufrichtimg des oberdeutschen Bundes. Unver-
hohlen wurde laut, der kranke Kaiser sei zu schwach, um
noch der Regierung vorzustehen, und über die „unlauteren
Handlungen und welschen Possen" Granvellas war jeder-
mann aufgebracht. Auch den gut kaiserlich Gesinnten
galt der Bischof von Arras als der „schwarze welsche
Pfaffe", als „Arrius der Ketzer". Ihn sah man als die
Quelle jedes Verrathes und allen Unrathes im Reiche an.
Wegen der elenden Art, wie er in allen Winkeln Spione
und Spioninnen unterhielt, erschien er verhasster als das
„wilde Feuer". Gern wollte man sich dieses verrufenen
Gubernators entledigen. Rücksichtslos brach der Unwille
gegen alles Spanische hervor. Den Durchzug eines
neuen Kriegsvolkes unter dem Prinzen Philipp wollten
die Fürsten in Deutschland gar nicht zulassen. Gegen
ihn und seine Nachfolge im Reiche verhielten sie sich
gänzlich ablehnend'*^). " Aller Augen waren auf König
Ferdinand und Maximilian gerichtet, vorausgesetzt, dass
beide sich streng an den Passauer Vertrag halten, die
deutsche Freiheit wahren und einen dauernden Frieden
aufrichten würden. Kurfürst Moritz voran bekundete
eine anhängliche Gesinnung für beide, obgleich auf dem
neuen Schlosse sein Eifer für die bevorstehende Bundes-
verhandlungen zu Eger etwas erkaltete. Für ihn bildete
die Hauptsache, dass der Heidelberger Bund jetzt die feste
und sicherste Stütze des Passauer Vertrages war ; daher
gedachte er an allen Abmachungen treu festzuhalten"").
"') Ranke V 220.
ö^) Unwillkürlich wird man an die Tage der Kurvereine erinnert.
"") Am 8. April verweilte der Kurfürst in Ziegenliain beim
Schwiegervater Pliilipp, am 9. ritt er nach Sachsen zurück. Wolfen-
70 S. Issleib:
Gedrängt durch die Heidelberger Verliaiidlungen und
ermalmt durch König Ferdinand, berief der Kaiser am
9. ApriP"*') einen Tag nach Frankfurt am Main auf den
16. Siaij Avo neben kaiserlichen und königlichen Kom-
missaren die Gesandten der Heidelberger und anderer
Fürsten die fränkischen und braunschweigischen und wenn
nötliig auch die sächsischen Streitigkeiten schlichten
sollten, damit dann ein allgemeiner Eeichstag desto ruhiger
und ungehinderter zusammentreten und tagen könne. Bis
dahin sollte allgemeiner Friede herrschen.
Der Memmin ger Tag^"^), welcher auf Geheiss des
Kaisers zur Errichtung eines oberdeutschen Bundes ab-
gehalten wurde, blieb wegen der Gleichgiltigkeit Bayerns
und Württembergs ohne Erfolg.
Die königlichen Bundesverhandlungen zu Eger be-
gannen nach Mitte April 1553. So viel ersichtlich, waren
nur Gesandte anwesend, kein Fürst ^*'-). Weitschichtige
Entwürfe über die Ziele und Organisation, über die Dauer
und Leistungen des Bundes wurden zur Diskussion ge-
stellt. Die einen betonten allgemeinere Gesichtspunkte,
die anderen verfolgten nächstliegende Sonderinteressen.
Ahnlich wie zu Heidelberg berührte man den Passauer
Vertrag, den Reichs- und Religionsfrieden. Die könig-
lichen Räthe zogen eine Türkenhilfe in die Debatte, die
bischöflichen Abgeordneten die Nothlage ihrer Herren,
und als man Gesandten des Markgrafen Albrecht Gehör
b'
ertheilte, da standen Kläger und Angeklagte gegenüber.
büttel, acta publ. 355a. Moritz' Brief vom 8. April, Dresden, Loc.
9155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 18.
100) Dresden, Loc. 9155 Kriögssache etc. 1553 Bl. 156, Loc. 9157
Kriegszug etc. Bl. 186. Kurfürst Moritz erhielt erst den 30. April
das kaiserliche Ausschreiben durch Markgrafen Hans; darüber be-
schwerte er sich beim Kaiser. Die Sache war geeignet, sein Miss-
trauen zu steigern. Loc. 7872 Kreistage und Handel etc. 1553
Bl. Iflg., Lanz IIL 549flg.
101) Dresden, Loc. 91 55 Schriften Herzog Johann Friedrichs etc.
1553 Bl. 40, 193. Wien, Zasius' Relationen 1553, März und April,
dann König Ferdinands Instruktion vom 18. Juni für Heinrich von
Plauen.
i"2) Vertreten waren König Ferdinand, Kursaclisen, Kurbranden-
burg, Hessen, Herzog Heinrich von Brannschweig und die fränki-
schen Stände. Herzog Johann Friedrich war gegen den Willen des
Kaisers nicht eingeladen worden. Kurpfalz uiul Baj'ern hatten den
Besuch des Tages abgelehnt. Marburg, O. W. S. 379 Reichs - und
Kreissachen Militaria I -IV, Egersche Bündnis 1553 III. Wien,
Brandenburg 1553, Januar bis Mai, Moritz' Brief vom 13. Mai. Dresden,
Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc. 1553 Bl. 181, 208.
Von Passau bis Sievershausen 1552 — 1553. 71
Zu landenden Beschlüssen oder anderen Erfolgen kam
es in Eger nicht. Indessen nannte Kurfürst Moritz das
Resultat der Verhandlungen eine „gute Zubereitung für
einen künftigen Berathungstag". Und sollte dann etwas
ausgerichtet werden, so hielt er für nützlich und gut,
dass zuvor der König und er über etliche Artikel unter-
einander verglichen seien ^''■').
Während dem tobte in Franken der Kampf. Seit
der Rückkehr von Heidelberg bemühte sich Markgraf
Albrecht, den Bischöfen gewachsen zu sein. Allerorten
in Franken und in Baden, in Süd- und Norddeutschland
suchte er, vielfach sogar in des Kaisers Namen, Reiter
und Knechte an sich zu bringen. Kurpfalz, Württem-
berg und Bayern sprach er um Unterstützung an, und
alle Glieder der Häuser Brandenburg, Sachsen und Hessen
rief er auf Grund der alten Erbverbrüderung gegen die
treulosen Pfaffen und gegen die Nürnberger Erbfeinde
um Hilfe. Nicht nur brieflich wandte er sich an Kur-
fürst Moritz und Philipp von Hessen, sondern er schickte
auch seine Räthe Graf Georg Ernst von Henneberg
und Sigmund Luchau, um sich zu entschuldigen, zu
rechtfertigen und Förderung seines Vorhabens zu erlangen.
Den Kurfürsten Joachim bat er um Vermittelung^"*). Er
könne sich nicht entsinnen, schrieb er, wodurch er dem
Kurfürsten Ursache zur Feindschaft gegeben habe; böse
Leute allein wollten die Häuser Sachsen und Brauden-
burg entzAveien. Fern liege ihm, Zwietracht zu säen,
oder den Kurfürsten anzugreifen. Seine Sachen stünden
so, dass er vielmehr der Freunde als der Feinde l)edürfe ;
überdies habe der Kurfürst Moritz neben ihm in Sachen,
die er ihm zugeschrieben, wohl aufzusehen. Von nie-
mandem lasse er sich gegen ihn verhetzen und vertröste
sich deshalb seiner ferneren Freundschaft.
Dann stürmte er gegen den Bischof von Bamberg.
Am IL ApriP'^'^) glückte ein Anschlag gegen sechs Fähn-
lein Knechte und 400 Reiter würzburgischer Hilfsti-uppen,
welche allzu sorglos dalierzogen. Mit 1200 Reitern l)og
er vor, griff sie bei Ponnnersfelden von allen Seiten an
und sprengte sie herzhaft auseinander. Betreffs der Be-
^^^) Am 24. .Tuli sollte zu Zeitz die nächste Versammhuig statt-
ünden.
1'^') Dresden, Loc. 9155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 10, 18. 27flg.;
Loc. 9157 Kriegszug- etc. Bl 224 flg.
106) Weimar, Reg. C. fol. 68 "Nr. 35, Zeitung vom 13. April.
72 S. Issleib:
lieiuligkeit zeigten sich seine Reiter „nicht als Menschen,
sondern als Teufel". Darauf nahm er Bamberg, die Alten-
hurg und das ganze Stift bis auf Forchheim. Glimpflich
kam damals der Bischof von Würzburg davon; gegen
Nürnberg aber loderte der alte Hass auf. Die Stadt-
gebiete wurden gebrau dschatzt , geplündert, beraubt,
Schlösser, kleine Städte, Dörfer und Klöster niederge-
brannt; nicht einmal die Lehen der böhmischen Krone
verschonte er^'"'). Lauf und Altdorf giugen in Flammen
auf, später nahm er die Reichsstadt Schweinfurt. Ln Mai
beherrschte er die fränkischen Bundesgebiete, dann nahte
die Bedrängnis.
Ein über das andere Mal baten die bedrängten Bi-
schöfe den Kurfürsten Moritz, Herzog Heinrich, Landgraf
Philipp und andere um Hilfe. Dabei erinnerten sie immer
heftiger an die gegebenen Vertröstungen und Zusagen,
verwiesen auf kaiserliche Mandate, auf die Landfriedens-
ordnung und boten zuletzt grössere Summen für Hilfs-
truppen und Kriegsräte ^"*').
Die Lage des Kurfürsten von Sachsen war im April
1553 keineswegs beneidenswerth. Von allen Seiten wurde
er mit Gesuchen, Anliegen, Bitten und Mahnungen be-
stüi'mt. Landgraf Philipp Avünschte, dass er sich nicht
im Zorne hinreissen und es dem Markgrafen entgelten
lassen sollte, wenn derselbe unnütze Worte geredet habe.
Jederman kenne ihn; der Schimpf scheine ihn zu gereuen,
er entschuldige und demüthige sich. Kurfürst Joachim
von Brandenburg Ijeinitzte seine Anwesenheit in Torgau,
um die persönliche Sache beizulegen ^•^^). Herzog Hans
Albrecht von Mecklenburg bot seine Vermittelung an ^^^).
Mit den Hilfsgernichen der Bischöfe rangen die Werbungen
des Grafen von Henneberg und Sigmunds Luchau. Ende
April erklärte Markgraf Albrecht, den sächsischen, bran-
denburgischen und hessischen Einigungsverwandten güt-
liche Verhandlung bewilligen zu wollen; in allen Dingen
sollten sie seiner zu Gleich und Recht mächtig sein, so-
^'^^) Später Aviirde dies stets betont, aucb dass er den köDiglich
böhmischen Kebellen Kaspar Pflug an sich ziehe.
^ö') Dresden, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache Bl.
Sbüg., Loc. 9157 Kriegszug etc. (16. April); Wolfenbüttel, acta publ.
355 a (16. April).
los) Siehe Note 104.
109) Dresden, Loc. 9165 Markgrafen Albrechts Krieg etc. 1553
Bl. 3, 23.
Von Passau bis Sievershauseu 1 552— 1553. 73
fern sie seine Verträge aufreclit erhalten nnd auf Er-
stattung- der neuen Kriegskosten dringen würden. Gegen
Garantie der Verträge wollte er alle eroberten Gebiete
wieder herausgeben. Mitte Mai stellte er dem Kurfürsten
Joachim seine Aussöhnung mit Moritz völlig anheim , wo-
rauf jener inständig bat, nichts Thätliches gegen den
Markgrafen vorzunehmen. Nicht jedem Geiste sollte
Kurfürst Moritz glauben, vielmehr bedenken,' dass es in
solch schweren Zeiten für alle weltlichen Fürsten höchst
nöthig sei, ihre Angelegenheit in guter Achtung zu haben
und freundlich zusammen zu halten. Den Feinden Albrechts
solle er keine Hilfe gewähren, sondern gütliche Ver-
handlung einräumen.
Allein Kurfürst Moritz glaubte den freundschaft-
lichen Versicherungen des Markgrafen nicht und traute
ihm ebensowenig wie dem Kaiser. Fortwährend zog er
in Betracht, was ihm in Sachen des Passauer Vertrages
begegnet war, auf welche Weise der Markgraf seinen
Abzug von Frankfurt geschädigt, welche Reden er im
kaiserlichen Feldlager und an anderen Orten ausgestossen,
welche Praktiken er jüngst beim niedersächsischen Kriegs-
haufen gegen ihn betrieben hatte ^^*^). Auf seine im Fe-
bruar gestellte Anfrage war keine zufriedenstellende,
sondern eine „ganz dunkle" Antwort gefallen. Des Mark-
grafen sonstige Zuschriften und Klagen, seine gehässigen
Verdächtigungen und Beschuldigungen boten keine Ga-
rantie für eine gefahrlose Zukunft. Überdies liefen be-
ständig beunruhigende Zeitungen vom kaiserlichen Hofe
ein; man flüsterte von einer geheimen Verbindung der
Herzöge von Weimar und Jülich^") mit den See- und
Hansestädten gegen Kursachsen etc. Was war da dem
Markgrafen nicht zuzutrauen?
Schon auf der Rückreise vom neuen Schlosse nach
Sachsen hatte der Kurfürst von Ziegenhain aus (am
8. April) an Herzog Heinrich geschrieben : wenn er etwas
im Sinne habe, dann solle er nicht feiern, Verzug sei in
solchen Sachen nicht vortheilhaft. Nach dem Überfalle
bei Pommersfelden glaubte er, der Markgraf werde sich
nun seines Glückes überheben, und ersuclite den Herzog,
den Bischöfen ungesäumt zur Hilfe zu ziehen, damit „dem
Manne nicht zuviel Vortheil und Raum gelassen werde"^^-).
"0) Weimar, Reg. C. fol. 57 No. 17.
1") Weimar, Reg. C. fol. 65 No. 28.
"-) Wolfenbüttel, acta publ. 355a, Brief vom 16. April.
74 S. Ir^sleib:
Leider war Herzog Heinrich damals in so viele Händel
verwickelt, dass er nicht ohne Weiteres aufbrechen konnte.
Fast in jeder Hinsicht zeigte er in Norddeutschland ein
ähnliches Ungestüm wie der Markgraf in Franken.,. An
allen suchte er sich zu rächen , welche nach seiner Über-
zeugung ihn vor wenigen Monaten gegen den mansfeldischen
Kriegshaufen und früher im Stiche gelassen hatten""^).
Arg büssten einige Junker; Paderborn, Lippe, Schaum-
burg und Tecklenburg beschleunigten eine Verständigung ;
Magdeburg-Halberstadt erkauften, wie wir wissen, ihre
Sicherheit. Fürst Wolf von Anhalt stand in Unterhand-
lung. Heinrichs Sohn Philipp Magnus stürmte in das Land
des Vetters Erich, weil er gegen den Grafen Volrad und
seinen Anhang keinen Beistand geleistet, und erzwang
einen Vertrag, nach welchem er in Monatsfrist 20000Thaler
zahlen sollte. Von da rückte der fehdelustige Fürst in
die Stifter Minden und Osnabrück und übersandte dem
Bischöfe von Münster einen Fehdebrief, da er 1542 an
der Vertreibung seines Vaters thätigen Antheil genommen
habe. In Folge dieses Briefes glaubte sich auch der Land-
graf von Hessen als Anstifter jener That gefährdet. So
war der Norden voller Erregung.
Li alle Händel wurde Kurfürst Moritz mehr oder
minder hineingezogen. Wie für die Junker, für Anhalt,
für Magdeburg-Halberstadt und die Harzgrafen, so Avar
er genöthigt, für seinen Schwager Herzog Erich und füi
den Landgrafen einzutreten. Wiederholt ermahnte er den
„tollen Heinz", sich nicht zu viele Feinde zu machen, und
warnte Herzog Philipp Magnus, den Bogen zu straff zu
spannen, damit nicht „das andere Vorhaben für das all-
gemeine Wohl'' gänzlich geschädigt werde. Obgleich der
Kurfürst nichts versäumte , um nach Möglichkeit allen
gerecht zu werden , so konnte er doch nicht jedermann
genügen. Gerade sein Schwager Herzog Erich, welcher
den Kaiser und alle Welt um Hilfe rief, beschuldigte ilm
voll Erbitterung, dass er seine Interessen nicht gewahrt,
sondern ihn völlig preisgegeben habe. Entrüstet über
"'') Über diesen Abschnitt lindet sich näheres: Dresden, Loc.
91.56 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc. 1553 u. Loc. 9157 Kriegs-
zug etc. 1.553; Marburg, 0. W. S. 379, Reichs- und Kreissachen Mi-
litaria I— IV, Egersche Bündnis 1553 III, 526 Akten Landgrafen
Philipps Vertragsverliandlungen mit Herzog Heinrich etc. 1553/4;
Wien, Kriegssachen 1553 (April, Mai); Wolfenbüttel, acta publ
No. 274, 365 a, 359.
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 75
den erzAviuigenen Vertrag trat er mit ßraimscliweig und
anderen Hansestädten, mit dem Grafen von Oldenburg
und dem Markgrafen Albreclit gegen Herzog Heinrich
in Verbindung ^^^). In diesem Thun und Handebi be-
stärkte ihn seine Mutter, Herzogin von Minden, vermählte
Gräfin von Henneberg. So ebnete sich in Medersachsen
der Boden zum gefährlichen Tummelplatz einer blutigen,
verhängnisvollen Schlacht.
Indessen trotz aller Erregung und Bewegung wurde
der geplante Hilfszug nach Franken nicht aufgegeben.
Als der bischöfliche Bevollmächtigte Hans Fuchs zur
Verhandlung eingetroffen war, kamen Kurfürst Moritz
und Herzog Heinrich am 9. Mai in Torgau zusammen"').
Hier bewilligte der Herzog, sein Kriegsvolk auf seine
Kosten bis an die würzburgische Grenze zu führen und
dann in bischöfliche Besoldung treten zu lassen. Der
Kurfürst wollte im Falle der Noth zehn Stück Mauer-
brecher samt Munition leihen, wegkundige Knechte als
Führer nach Mühlhausen senden und des Herzogs Land
während seiner Abwesenheit in Schutz nehmen. Ferner
übernahm er, den Landgrafen Philipp mit dem Herzoge
auszusöhnen und womöglich ein Bündnis zwischen ihnen
dreien aufzurichten, sowie Herzog Erich und die jungen
Vettern von Lüneburg zur Beachtung aller bestehenden
Verträge anzuhalten und von feindlichen Verbindungen
abzutrennen. Die Fehde gegen Braunschweig sollte ruhen.
Sorgenfrei wurden die Stifter Magdeburg-Halberstadt und
die Harzgrafen. Lüneburg, Hamburg, Lübeck, selbst
Pommern sollten sich keiner unbilligen That versehen,
wenn sie alle feindlichen Praktiken fallen lassen würden.
Wegen der Erbverbrüderung trug Kurfürst Moritz
Bedenken, sich schon jetzt offen gegen Markgraf Albrecht
zu erklären, doch war er gewillt, Hans von Heideck mit
600 Reitern und vier Fähnlein Knechten nach Franken
ziehen zu lassen und 700 hessische Beiter unter Wilhelm
von Schachten und Daniel von Hotzfcld bereit zu halten.
i'i) "Wilhelm von Grumbach war eifrig thatig in Braunscliweig,
in Hannover etc. ]\Ian hoffte, die Herzöge von Pommern, ]\lecklen-
burg, Lauenburg, Holstein, die See- und Hansestädte, Markgrafen
Hans und selbst Herzog Johann Friedrich zu einer Koalition zu
bringen.
"■') Dresden, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Kriegssache etc.
Bl. 184flg, Orieinalurkunde No. 11477; Wi.lfenbüttel , acta ]mbl.
No. 274, 275.
76 S. Issleib :
Unter allen Umständen wahrte er sich die Freiheit, zum
Schutze seines Landes die Mannschaft jederzeit zurück-
fordern zu dürfen.
Nach diesen Abmachungen eilte Hans Fuchs nach
Würzburg- zurück; Kurfürst Moritz gab Befehle zum
Anritt und zur Musterung ^^'^) , Herzog Heinrich brach
die verhassten Fehden ab, zog die Truppen zusammen
und stellte die Marschroute fest.
Hier sei erwähnt, dass des Kurfürsten Gremahlin
Agnes gegen Ende April nach Ems ins Bad gereist war
und Moritz ihr einen Besuch in Aussicht gestellt hatte ^^').
Die kriegerischen Verwickelungen aber hielten ihn zurück
und vernichteten seine dj^nastischen Hoffnungen. Beide
sahen einander nicht wieder.
Um Mitte Mai nahm auch Herzog Augustus vom
Bruder Abschied und reiste nach Dänemark, um beim
Schwiegervater die Freuden des Besuches mit dem Ernste
politischer Geschäfte zu verbinden"^). Wohl ahnte er
nicht, dass ein unabwendbares Verhängnis ihn bald zu-
rückfordern würde! Aus der Verhaltungsinstruktion, welche
er seinen Uäthen zurückliess, geht hervor, wie ernst er
die damalige politische Lage auffasste.
Brüderlichem Auftrage zufolge sollte er König
Christian III. für ein Schutz- und Trutzbündnis oder doch
für Unterstützung in der Noth zu gewinnen suchen. Ihm
gegenüber sollte er die Anfechtungen, Avelche der Passauer
Vertrag erlitten habe und noch erleide, samt der Gefahr,
welche daraus entspringe, betonen. Dann sollte er ein-
gehend erörtern, wie nützlich es sei, für den Fall der
Kaiser demnächst sterben Averde, in solch bedenklichen
Zeiten fest und stark verbündet dazustehen und den
„Stein im Brette zu behalten". Zuletzt sollte er die Noth-
wendigkeit gegenseitigen Beistandes hervorheben, wenn
einer von ihnen in Folge seltsamer Praktiken unver-
schuldet und unvermuthet angegriffen werde.
Kaum hatte Herzog Augustus seine Reise angetreten.
^'^) Hans von Heifleck und die kuifürstlichen Kriegsräthe
sammelten ihre Truppen nm Mühlliausen.
"^) Marburg, O.W. !S. 912. Sachsen, albertinische Linie 1552/3.
(Briefe vom 18. u. 22. April). Agnes sollte den 26. April in Wan-
fried an der Grenze empfangen werden. Dresden, Loc. 8498 Moritz"
eigenhändige Schreiben 1547/53 Bl. 36.
"S) Dresden, Loc. 7280 Schreiben etc. 1553 Bl. 2flg., Loc. 10042
Instruktion Herzogs Augustus etc. Bl. 3 flg.
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 77
SO bat Kurfürst Moritz den Herrn von Plauen dringend
um eine Zusammenkunft"^). Es habe bei ihm, schrieb
er, schon lange das Ansehen gehabt, dass sich die frän-
kischen Sachen nicht durch Briefe würden stillen lassen.
Bei vielen errege es allerlei Nachdenken , dass von den
hohen Häuptern nicht ernstlicher dazu gethan wei'de.
Zu welchen Weiterungen könne es führen, wenn dem
Manne alles nach seinem Willen gehen sollte ! Wolle man
das Reich vor dem äusserst en Verderben erretten, die
übrigen Stumpfe erhalten und den Türken einigen Wider-
stand leisten, so sei die höchste Zeit, mit Ernst zur Sache
zu thun und Frieden zu machen. Daher hielt er eine
Unterredung für höchst wünschenswerth.
Ehe es jedoch dazu kam, beschäftigten andere An-
gelegenheiten den Kurfürsten.
In Eisenberg ^■-*^) wurde vom 7. Mai an über die
Liquidationssache, über die Assekuration , über die Be-
festigung Gothas und über den Kurtitel samt Wappen
verhandelt. Kurtitel und Wappen glaubte Herzog Johann
Friedrich als Sprosse des kurfürstlichen Stammes und
als gewesener Kurfürst mit Recht führen zu dürfen.
Überdies gestatte es die goldene Bulle, die Wittenberger
Kapitulation verbiete es nicht und die Anwartschaft auf
das Gesamtlehen des Hauses Sachsen lasse es zu. Dann
sei Herkommen und Brauch, dass sich Fürsten nach Län-
dern schrieben, auf die sie nicht einmal Anwartschaft be-
sässen. Der Bau der Festung Gotha sei vom Kaiser
ausdrücklich bewilligt worden. Dem gegenüber wurde
geltend gemacht, der Festungsbau Verstösse gegen die
Wittenberger Kapitulation. Das Kursiegel Johann Frie-
drichs habe der Kaiser vor Wittenberg zerschlagen lassen,
womit alles andere falle. Herzog Augustus besitze nähere
Anwartschaft auf das Gesamtlehen und führe ähnlich den
Pfalzgrafen weder Kurtitel noch Wappen, Die kaiser-
liche Kanzlei pflege dem Herzoge den Titel des gebornen
Kurfürsten nicht beizulegen. Wozu also solche Neuerung,
Avenn man nicht darauf ausgehe zu verletzen. Wie voraus-
zusehen war, Hess sich hier nur fruchtlos rechten und
^'") Wien, Brandenburg 1553. Januar bis Mai, Brief vom 13. Mai ;
Dresden, Loc. 9155 Kriegssadie etc. 1553. 151. 43.
^-'") Dresden, Loc. 9139 Des gewesenen Kurfürsten etc. Bl.
250flg., Loc. 9151 Eisenbergischer Tag 1553 BI. lüg.; Münclien,
Reiclisarchiv, Brandenburg VII. 382 flg.; Wien, Brandenburg 1553
(13. Mai), Reichsakten niisc. 1553.
78 S. Issleib :
streiten. Der Aiistrag der beiden Punkte wurde kaiser-
licher Entscheidung anheim gegeben. Betreffs der Asse-
kuration kam man so weit, dass die Versicherungsverträge
bis zum 18. Juli vollzogen und gleichen Tages in Torgau
und Weimar ausgehändigt werden sollten. Die Beilegung
des Liquidationsstreites scheiterte wieder daran, dass der
Kurfürst die fehlende Summe am jährlichen Einkommen
von 50000 Fl. nur durch einen jährlichen Geldzuschuss
ergänzen und nicht durch Grund und Boden sichern wollte.
Am 20. Mai wurde ein anderer Verhandlungstag, zu wel-
chem der Landgraf von Hessen und der Kurfürst von
der Pfalz als Vermittler zugezogen werden sollten, auf
den 18. Juni in Eisenberg anberaumt. Für den Fall dann
keine Einigung erzielt werde, sollte die Sache kaiserlicher
Verfügung gemäss nach Frankfurt oder auf den Reichs-
tag gebracht, werden.
Mitte Mai begannen auch gleichzeitig die Verhand-
lungen in Frankfurt^'-^) und Halberstadt^--). Hier tag-
ten die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg in Streit-
sachen Herzog Heinrichs und der Junker, dort suchten
zahlreiche Vertreter der Reichsstände Ruhe und Frieden
in deutscher Nation zu stiften. An beiden Orten blieben
die Resultate weit hinter den Erwartungen zurück. Da
in Eisenberg und Halberstadt die sächsischen und braun-
schweigischen Angelegenheiten verhandelt wurden, so war
in Frankfurt die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die
fränkischen Händel gerichtet. Eine klägliche Rolle spielten
die kaiserlichen Kommissare. Statt einzugreifen und
die Sitzungen zu leiten, wollten sie nur hören und ent-
scheiden lassen. Auf Verlangen der Stände war Mark-
graf Albrecht zur Bewilligung eines monatlichen Waffen-
stillstandes bereit; allein die Bischöfe schlugen das Ge-
such rund ab. Wie früher hielten ihre Räthe streng an
der kaiserlichen Kassation und Restitution und die mark-
gräflichen hartnäckig an der Konfirmation und Ratifika-
tion der Verträge fest. Alle vergleichenden Vorschläge
wurden von beiden Parteien verworfen. Fruchtlos und
trostlos tagieistete man bis zum 19. Juni^--^). Dann wurde
'21; Dresden, Loc. 7235 Frankfurter Handlung 1.553 Bl. Iflg..
Loc. 7872 Kreistage und Handel etc. 1553,4 Bl. 15.
1-'-) Ebenda, Loc. 7235, Bl. 18-, Wien, Reichsakten 1553, mis-
cell. Herzog Heinrich an Kaiser Karl, 14. Mai.
'-^) Viele Vertreter der weltlichen Fürsten neigten auf die
markgräfliche Seite. Der kursächsische Gesandte Dr. Franz Kram
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553, 79
der Kaiser ersucht, sich endlich für die Kassation oder Ra-
tifikation zu entscheiden. Eine Kommission wurde nach
Franken entsendet, alles aufzubieten, was zur Beilegung-
des Streites dienlich sei.
Nach diesen traiuigen Tageleistungen schrieb Dr. Franz
Kram^-^): „Ich besorge, es sei mit diesem Reiche wie
mit allen anderen Dingen fast am Ende, Gott gebe nur,
dass wir recht thun und wohl fahren. Wenn es nicht
eine sichtliche Strafe Gottes, so wäre wahrlich hoch zu
klagen und zu erbarmen, dass wir alle sollten zusehen,
dass in einem schönen grossen w^olil fundierten und ei--
bauten Hause zwei oder drei Säulen oder Balken an-
fangen zu brennen und sogar niemand löschen und retten
will, sondern lassen zusehend das Feuer dergestalt in das
inwendige Gebäude kommen und also überhand nehmen,
dass es nicht wohl mehr zu löschen sei''.
Indem man empfindet, wäe treffend der kursächsische
Rath den Zustand des Reiches schilderte, sieht man sich
nicht ungern wieder nach dem Fürsten um, welcher bei
längererLebensdauer Deutschland wohl hätte retten können.
Kurfürst Moritz weilte Ende Mai 1553 in Radeberg
und empfing hier fast gleichzeitig den Grafen Georg Ernst
von Henneberg ^"-^^), den Gesandten des Markgrafen und
Heinrich von Plauen. Nochmals Hess der Markgraf
um die alte Freundschaft anhalten und zufolge der
Erbverbrüderung um Hilfe bitten. Am 2G. Mai gab der
Kurfürst sein Bedauern zu erkennen, dass die freund-
liche Erklärung nicht früher gekommen; dann hätte
mancherlei unterbleiben können, was jetzt nicht mehr zu
ändern oder rückgängig zu machen sei. Da er die lange
Verzögerung für einen x^bschlag seiner früheren Forde-
rimg habe halten müssen und mittlerweile viele Warnungen
aus Franken und Niedersachsen erfolgt und bedenkliche
Drohungen hinterbracht worden seien'-*'), so habe er
schrieb: „Es gefällt nicht allen Leuten, dass mein gnädiger Herr den
Bischöfen Kriegsvolk zukommen lässt."
1-^) Dresden, Loc. 915fi Markgrafen Albrechts Handlung etc.
1553 BI. 114, Brief vom 1. Juli an Komerstadt.
^-■') Nicht zu ermitteln war, ob Sigmund Lucliau den Grafen
begleitete. Beide waren am 27. Ai)ril in Torgau. Des Grafen Cre-
denz ist datirt Bamberg am 19. Mni, Dresden, Loc. 9157 Kriegs-
zug etc. 1553 Bl. 230. 234.
1-") Unter anderem: wenn man mit den Bischöfen fertig, dann
wolle man ins Land zu Meissen ziehen. Alle Kurfürstlicheu wolle
man in die Eisen schlagen und hängen etc.
80 S. Issleib :
einiges Kriegsvolk in Yerspruch genommen und sich ge-
fasst gemacht. Den Bischöfen habe er für seine Person
trotz aller Bittgesuche und kaiserlichen Mandate keine
Hilfe geleistet; doch habe er es zuletzt geschehen lassen,
dass sich etliche seiner Diener und Befehlsleute in Be-
reitschaft gesetzt hätten, um den fränkischen Einigungs-
verwandten auf deren Kosten zuzuziehen, wie ja auch
einige seiner Unterthanen dem Markgrafen dienten, ohne
dass er sie zurückgefordert habe ^-'). Über die beantragte
Hilfe auf Grund der Erbeinigung wolle er sich mit dem
Kurfürsten von Brandenburg verständigen. Schreibe der
Markgraf bis zum 10. Juni längstens mit eigenhändiger
Namensunterzeichnung zu, dass er in Zukunft wirklich
Freund zu bleiben gedenke, also dass weder er (Moritz),
noch sein Land, noch sein Kriegsvolk etwas Beschwerliches
zu befürchten hätten, dann wolle auch er sich zur Zufrieden-
heit erklären. Trotz des augenblicklichen Vortheils möge
der Markgraf den gesamten Streit über Verträge, Schäden
und Unkosten in Frankfurt verhandeln lassen und nicht
dem ungewissen Kriegsausgange vertrauend das deutsche
Vaterland in Jammer und Verderben bringen.
Am 31. Mai hielt der Graf von Henneberg nochmals
um eine gnädigere und bestimmtere Erklärung an; allein
der Kurfürst, welcher unterdessen mit Heinrich von Plauen
verhandelt hatte, verwies auf seine gegebene Antwort
und begegnete der Forderung, die Pässe seines Landes
zu sperren und den Zug des braunschweigischen Herzogs
nach Franken zu verhmdern, mit einer ausführlichen Dar-
legung, dass Herzog Philipp Magnus zufolge kaiserlicher
Mandate den Bischöfen zur Hilfe ziehe, und dass er sich
gegen Herzog Heinrich in keinerlei Weise einlassen könne,
weil derselbe nach mehrfachen Gesuchen und persönlichen
Verständigungen seine Freundschaft erworben habe.
Die Reise Heinrichs von Plauen zum Kurfürsten
hatte König Ferdinand durchaus gebilligt^-**). Beide ver-
^-■') Ganz ähnlich beurlaubte Herzog Johann Friedrich einzelne
seiner Bediensteten, um in des Markgrafen Bestallung zu treten.
Weimar, Reg. C. fol. 57 No. 17.
^-*j Wien, Keichskanzlei, Berichte aus dem Reiche 1553/4.
Wien 22. Mai: Heinrich von Plauen „thue recht und wohl, dass er
mit dem Kurfürsten zusammenkommen wolle". Über die Radeberger
Zusammenkunft: Wien, Brandenburg 1553, Januar bis Mai ; Dresden,
Loc. 9155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 43. Marburg, 0. W. S. 379.
Reichs - und Kreissachen Militaria I — IV, Egersche Bündnis 1553
III. Brief vom 1. Juni.
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 81
eiiiig-ten sich am 31. Mai zu folgender „vertraulichen
Abrede'". Für den Fall dass König- Ferdinand zum Schutze
Böhmens^-'-'), Sachsens und des deutschen Vaterlandes
1500 Reiter bewillige, wollte der Kurfürst gleichfalls
1500 Reiter zur Verfügung stellen und den Landgrafen
von Hessen zur Annahme von 1000 Reitern zu bewegen
suchen. In Monatsfrist, also bis zum 1. Juli, sollten die
königlichen Reiter derartig an der böhmischen Grenze
anlangen, dass sie nach erfolgter Kriegserklärung oline
weiteres in das Land des Markgrafen einfallen könnten,
um ihn zu zwingen, entweder gutwillig vom Kriege und
von weiterer Verheerung abzulassen, oder mit einem und
dem andern Haufen zu schlagen. Oberster Feldherr der
königlichen Reiter sollte Erzherzog Ferdinand sein, dem
der Kurfürst auf Verlangen mit Rath und That beistehen
wolle. Li kurzem sollte bedacht werden, in W' essen Namen
und unter welchem Vorwande der Krieg erklärt und die
Verwahrungsschrift zugestellt werden könne, ob es ange-
zeigt sei, ein öffentliches Ausschreiben unter die Leute
zu bringen, wie man dem Markgrafen alle Vortheile seines
Landes abzustricken vermöge, ohne den anderen mitbe-
lehnten Markgrafen gerechte Ursache zur Beschwerde
zu geben, ob es zweckmässig, eine Achtserklärung zu
beantragen. Der königlichen Entscheidung blieb die
Unternehmung des Kiieges vorbehalten, auch wenn der
Landgraf nur geringe Hilfe oder gar keine stelle. Li
Summa, über alle Punkte und über alles, was zu tliun
und zu lassen, sollte Heinrich von Plauen in zehn oder
elf Tagen eine königliche Antwort senden.
Darauf ersuchte der Kurfürst den Kaiser am 2. Juni,
allen Unruhen in Franken und Sachsen zu steuern und
besonders Herzog Erich, samt den Herzögen von Lüne-
burg, Pommern, Mecklenburg, Lauenburg, Holstein, sowie
den Grafen zu Schaumburg und den Städten Lübeck,
Hamburg, Bremen, Lüneburg ernstlich zu befehlen, alle
Vergarderungen zu trennen und keine Zusammenrottung
zu dulden. Am Sclüusse des Schreibens bat er um kaiser-
liche Antwort^-''').
120) Der Markgraf hatte, wie schon mitgetheilt ist, böhmische
Lehen angegriffen und sich beim Trünke hören lassen, „er verhoffe
nicht zu sterben , er habe denn zuvor eine böhmische königliche
Krone auf seinem Haupte gehabt". Dresden, Loc. 7235 Frankfurter
Handlung etc. Bl. 35.
i^^j Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 1553 Bl. 340.
Neues Archiv f. b. G. u. A. VIII. 1. 2. Ö
82 S. Issleib:
Inzwischen hatte Herzog Philipp Magnus die vom
mansfeldischen Kriegshaufen besetzte väterliche Feste
Steinbrück wieder zurückerobert und war durch Thüringen
nach Franken vorgerückt ^•^^). Bei Meiningen vereinigte
er sich (am 3. Juni) mit Hans von Heideck, Hans von
Diskau und Wolf Tiefst etter und beschloss, . den Feind
vor Schweinfurt aufzusuchen.
Markgraf Albrecht aber hatte diese Stadt bereits
wieder verlassen und befand sich im Gebirge, wo er eben
mit den Nürnbergern zusammengestossen und zur Eück-
kehr genöthigt worden war^'^-). In Bamberg erhielt er
(am 5. Juni) vom Anmärsche Heidecks und des Herzogs
von Braunschweig sichere Nachricht und beschwerte sich
sofort in einem Schreiben an Kurfürst Moritz über
diesen feindlichen Kriegszug. Dann bat er inständig,
nicht den Pfaffen und Nürnbergern zu helfen und ihn aus
dem Lande zu treiben, vielmehr ungehindert bei dem
Seinen zu lassen. Der Kurfürst sollte Hans von Heideck
zurückfordern, wohl erwägend, was auch ihm hernach durch
andere Leute begegnen könne, weil er ebenfalls einen
kaiserlichen Vertrag besitze. Von Heidelberg aus habe
er vertraulich an ihn geschrieben; hätte er es böse ge-
memt, so wolle er wohl geschwiegen haben. Allzeit habe
er sich treu erzeigt.
Darauf überdachte er seine Lage, die sich in Franken
nach allen Seiten hin bedenklich anliess. Und weil das
Herz doch anders empfand und der Mund anders redete,
als die Hand schrieb, so findet man seinen Entschluss
begreiflich, sein Land preiszugeben und die Kriegsfackel
nach Norddeutschland zu tragen ^■^■^). Ohne Zögern liess
^2^) Dresden, Loc. 9156 Markgrafen Albreclits Kriegssache etc.
1553 Bl. 240; Wolfenbüttel, acta publ. 355a; Marburg-, O.W. S. 526.
Braunscbweig- Wolfenbüttel, März bis Juni 1553.
^"-) In Folge dessen wurde die Markgraf scbaft Ansbach be-
droht. Die Regierung zu Onolzbach rief den Kurfürsten Moritz, als
Oheim und Vormund des jungen Markgrafen Georg Friedrich, um
Hufe an ; allein derselbe fertigte sie ab, weil sie ihn sonst nicht um
Rath gefragt. Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. 1553 Bl. 300%
12") Herzog Johann Friedrich sah auf G-rund eingelaufener
Nachricliten fast genau voraus, wie sich die Verhältnisse nun ge-
stalteten. Höchst interessant ist sein Brief an den alten Dr. Brück
vom 3. .Juni; Weimar, Reg. C. fol. 57 No. 19. Mitte Mai kam
Johann Friedricli in grosse X^erlegenheit dadurch, dass der Markgraf
eine Post durch sein Land legen wollte. Des Herzogs Räthe waren
dafür, ilim mündlich, nicht schriftlich mittheilen zu lassen, wenn er
die Post durchaus legen müsse, dann möchte er solches im Geheimen
Von Passaii bis Sievershanseu 1552—1553. 83
er seine Reiterei (ungefähr 1500 Mann) aufbrechen, die
wie ein Kriegs wett er in das Thüringerland über Lichten-
fels, Gräfenthal und Arnstadt hineinzog^-"*^). Er selbst
eilte auf die Plassenburg, gab Verhaltungsmassregeln und
jagte seiner Mannschaft nach. Am 8. Juni ritt er in
Arnstadt ein und zeclite „gestiefelt und gespornt" bis
11 Uhr abends auf dem Schlosse beim Grafen von Schwarz-
burg. Andern Tages sah man ihn davon ziehen in einem
Panzerhemd, drei Büchsen und zwei Faustkolben am
Rosse führend und mit einem Hute voller Hahnenfedern^""^).
An die Herzöge von Braunschweig schickte er Felide-
briefe; Herzog Johann Friedrich liess er entbieten, ihm
solle kein Huhn gescheucht werden; Kurfürst Moritz
benachrichtigte er^'^*^): gezwungen habe er sein Land ver-
lassen , ihm aber werde er auf dem Durchzuge keinen
Schaden zufügen; er versehe sich alles fremidlichen und
brüderlichen Willens. So zog er über Erfurt, Heldrungen,
Eisleben 1=^') nach Halberstadt ^^^).
Kurfürst Moritz erhielt die erste Kunde vom Zuge
des Markgrafen am 9. Juni in Herzberg. Nach dem
Eintreffen genauerer Nachrichten lud er ihn (am 10.) zu
einer Besprechung nach Leipzig oder Torgau ein ; gleich-
zeitig bot er aber seine Ritterschaft auf, berief einen
Landtagsausschuss nach Leipzig, bat Herzog Heinrich,
sich mit aller Macht in Bereitschaft zu setzen, ersuchte
den Bischof von Wüi'zburg, Herzog Philipp und Heideck
unverzüglich zu beurlauben, und befahl als Schutzherr
Rüstung im Erzstift Magdeburg. In Leipzig angelangt
wurde ihm am 13. Juni früh ,5 Uhr des Markgrafen eigen-
händige Antwort aus Eisleben (vom 12.) zugestellt, wo-
und ohne Wissen und Bewilligung des Herzogs tliun, weil die Greguer
es ihm sonst übel deuten möchten, Reg. C. fol. 50 No. 13. Auf solche
Weise könne auch das „Durchpostieren" stattfinden. (15. u. 18. Mai).
lai) Weimar, Reg. C. tbl. 55 No. 15. Am 6. Juni war die
Reiterei vor Lichtenfels, am 7. langte sie gegen Abend in Arnstadt
an. Wolfenbüttel, acta publ. 355a, Kurfürst 3Ioritz an Herzog
Heinrich , Herzberg den 9. .Tuni , nach einem Schreiben des (irafen
Günther von Schwarzburg-.
'•'■■') Dresden, Loc. 9157 K)iegszug etc. 15.53 Bl. 384, vergl.
Bl. 378 flg., dann Loc. 9155 Schriften etc. Bl. 228.
lao) Yo,^ Öhrdruff aus am 10. Juni.
^") Von Eisicben schrieb er am 11. Juni nach Leipzig an den
Ausschuss der kurfürstlichen Landstände.
'■") Vom Domkapitel foiderte er 15000 Thlr., vom Erzstifl
Magdeburg 25000 Fl, von Nordhausen 12000 Fl., von Mühlhausen
8000 Fl. etc.
6*
84 S. Issleib :
nach derselbe, zu einer persönlichen Begegnung gewillt,
das kurfürstliclie Geleit in Halberstadt erwarten wollte ^■'^).
Ein derartiges Entgegenkommen hatte wohl Moritz
nicht vermuthet. Das Schreiben brachte ilm in Verlegen-
heit; stündlich erwartete er des Königs Antwort auf
die ßadeberger Verabredungen. Im Begritfe nach Dresden
zu reisen, befahl er seinen Räthen Mordeisen und Carlo-
witz, zu erwägen, was zu thun sei, um nach der Rück-
kehr sofort handeln zu kömien. Aus dem vorliegenden
gemeinsamen Konzept beider Räthe erkennt man, wie
schwer die Lösung der heiklen Aufgabe war. Der Ent-
wurf blieb dann unberücksichtigt.
Wenn der Kurfürst wirklich in Dresden gewesen
ist, dann verweilte er nur wenige Stunden; am 15. Juni
empfing er die königliche Antwort in Torgau, die ihn
völlig befriedigte; in Monatsfrist sollten 1500 Reiter an
der böhmischen Grenze sein. Von Leipzig aus^'"') setzte
er dem Könige (am 16.) die rasch veränderten Verhält-
nisse auseinander und sah für hohe Nothdurft an, die in
Eger und Teplitz bereits versammelten Reiter bis zum
20. Juni nach Zeitz zu bringen und die fehlenden eiligst
zu ergänzen oder durch Knechte zu ersetzen. Er selbst
wollte nicht nur über 1500 Reiter, sondern auch Fuss-
truppen aufbringen, sich mit dem aus Franken zurück-
kehrenden braunschweigischen und heideckschen Kriegs-
volke vereinigen und weder den Markgrafen noch den
sächsischen Haufen aufkommen lassen. Beim Kaiser sollte
der König vorstellig werden, dass er dem Beginnen des
Markgrafen Einhalt thue und die kurfürstliche und land-
gräfliche Rüstung nicht missdeute und beargwöhne ^^').
Dem in Leipzig"-) tagenden Ausschusse der Land-
stände liess er nicht allein einen wirkungsvollen Über-
blick über alle seine Vermittelungs- und Friedensverhand-
lungen hinsichtlich der braunschweigischen Junker, der
Grafen von Mansfeld, des Herzogs von Braunschweig,
des Landgrafen von Hessen, der Herzöge von Lüne-
13») Dresden, Loc, 9157 Kriegszug etc. 1553 Bl. 482 flg.
'*°) Wien, Brandenburg 1553, Juni und Juli.
^^1) Der König entsprach dem kurfürstlichen Wunsche am
21. Juni. Wien, Brandenburg 1553, Juni und Juli und Reichsakten
miscell.
1'-) Dresden, Loc. 9149 Kurfürsten Moritz u. Johann Friedrich
betreffend etc. 1553 Bl. 9flg., Loc. 9155 Markgrafen Albrecht belan-
gend postobitum Mauritii Bl. 6 flg., Loc. 9157 Kriegszug etc. Bl. 651 flg.
Von PassaiT bis Sieversliansen 1552—1553. 85
])uig etc., sondern auch einen ausführlichen Bericht über
Markgraf Albrecht von den Passauer Verhandlungen
an bis zu seinem Zuge nach Norddeutschland erstatten.
Alles, was gegen denselben sprach, wurde scharf hervor-
gehoben.
Der Ausschuss widerrieth, sich in Krieg einzulassen,
und machte geltend, dass des Markgrafen Zug erst durch
den Herzog von Braunschweig und Heideck veranlasst
worden sei. Sache der Bischöfe bleibe, zu hintertreiben,
dass Albrecht wieder in ihre Stifter ziehe. Sei derselbe
gesonnen, den Streit mit den Bischöfen seinen Erbeinigungs-
verwandten anheimzustellen, so erscheine besser für die
Bischöfe, etwas zu verlieren als alles in Gefahr zu setzen
und die Ki'iegskosten zu tragen. Würden sie die Be-
soldung des Herzogs und Heidecks nicht bewilligen, noch
den Vorschlägen der Vermittler folgen, warum sollte dann
der Kurfürst ihrethalben mit dem Markgrafen samt dem
Gardliaufen Krieg beginnen? Man möge eine Erklärung
fordern, dass er den Kurfürsten und seine Einigungsver-
wandten nicht angreifen oder lieschweren wolle. Bis da-
hin solle der Kurfürst dem Ausschusse der Stände Ur-
laub ertheilen ; denn die Ritterschaft sei bereit und könne
jederzeit ohne Säumen anreiten. Müsse er aber nothge-
drungen ausser Landes ziehen, dann solle er dasselbe
nicht entblössen und die Festungen wohl verwahren.
Unbeachtet liess der Kurfürst die Bedenken und
Rathschläge seines landständischen Ausschusses. Seitdem
er einen unzweifelhaften Rückhalt am König Ferdinand
besass, zauderte er nicht mehr, entschieden vorzugehen.
Kaum hatte er den Landgrafen von Hessen zur
Hilfe angespornt und Herzog Heinrich zur Eile ange-
trieben, so schrieb er dem Markgrafen die vorgeschlagene
Zusammenkunft und Unterredung Megen Mangels an Zeit
ab und überschickte ihm zur Beantwortung seine Erklärung
vom 9. Juni, welche er schon in Herzberg auszuarbeiten
befohlen hatte ^*''). Dann setzte er den Kurfürsten von
Brandenburg von allen Vorfällen der letzten Tage in
Kenntnis, theilte mit, dass er zur Beschützung seiner
Lande, Freunde und Verwandten rüste, und bat um güt-
^*'^) Dresden, Loc. 0155 Kriegssache etc. 1553 Bl. 113. verpl.
Wien, Brandenburg 1553 .Juni und Juli (Brief vom 25. .Funi an den
König), Zum Vorwurf inacbte er dem Markgrafen, dass er gegen
Braucli und Herkommen ohne sein Wissen durch sein (.xebiet gezogen
sei und seine Unterthanen und Schutzverwandten geschädigt habe.
86 S. Issleib :
liehe Verhandlung. In Folge dieser Zuschrift sandte
Kurfürst Joachim seinen Sohn Markgrafen Johann Georg
nebst einigen Käthen an den Markgi-afen ab und ermahnte
den Kurfürsten von Sachsen, sich nicht zu übereilen.
Daran hielt von nun an Moritz fest, der Markgraf
sollte die fränkischen Händel durch gütlichen Vergleich
beilegen lassen und weder seine Erbeinigungs-, Schutz-
oder Lehnsverwandten, noch Herzog Heinrich, weder
König Ferdinand noch Landgraf Philipp, Herzog Augustus,
Herzog Johann Friedrich, clie Stifter Magdeburg -Halber-
stadt, die Grafen von Mansfeld, Erfurt etc. feindlich
angreifen. Anderen Vorschlägen wich er aus^*^).
Eine Reihe Einzelheiten häuften sich in jenen Tagen
zusammen. So ersuchte der Kaiser am 17. Juni^^'^) die
in Frankfurt tagenden Stände, insbesondere die Kurfürsten,
durch weitere Verhandlungen den fränkischen Streit zu
schlichten und ihm vertraulich zu rathen, wie man den
verderblichen Praktiken und Empörungen im Reiche aufs
beste begegnen könne. Gleichen Tages beantwortete der
landständische Ausschuss in Leipzig die kurfürstliche
Proposition. Am 18. Juni fertigte König Ferdinand den
Burggrafen von Meissen an den Kurfürsten zu weiteren
Berathungen ab, Markgraf Albrecht verliess nach einem
viertägigen Aufenthalte Halberstadt, Herzog Heinrich
nahm mit seinen verfügbaren Reitern Stellung bei Ganders-
heim, Graf Christof von Oldenburg rückte von Verden
aus mit fliegenden Fahnen vor und Herzog Erich be-
lagerte im Stifte Minden die Philipp Magnus zugehörige
Feste Petershagen. Tags darauf wurden die Frankfurter
Verhandlungen abgebrochen und die erwählten Friedens-
kommissare nach Franken entsendet. Am 20. Juni be-
auftragte der Kurfürst von Brandenburg seinen Sohn
Johann Georg und etliche Räthe, beim Markgrafen um
Friedensverhandlungen nachzusuchen , Landgraf Philipp
von Hessen stand im Begriffe, seinen Sohn Wilhelm nach
der Pfalz zu schicken, um die Heidelberger Bundesfürsten
zu einer monatlichen Geldhilfe gegen den Markgrafen
144-) Vergl. Dresden, Loe. 9155 Kriegssache etc. Bl. 53flg.
^*^) Von Frankfurt aus zu einer Erklärung gedrängt, ob er die
Kassation oder die Ratifikation bevorzugt wissen wollte, meinte er,
solche Deklaration sei aus vielen Ursachen für ihn hochbedenklich.
Dresden, Loc. 9155 Markgrafen Albrecht bei. post obitum Mau-
ritii etc. Bl. 1.
Von Passau bis Sievershaiisen 1552 — 1553. 87
aufzufordern^^'*), Herzog Philipp Magnus und Heideck
rüsteten zur Rückkehr aus Franken, Markgraf Albrecht
hielt einen stattlichen Einzug in Braunschweig, und Kur-
fürst Moritz zog über Merseburg nach Querfurt, um dann
Sangerhausen und iS[ordhausen zu erreichen.
Von Braunschweig aus^^^) entgegnete der Markgraf
(am 20. Juni) auf das kurfürstliche Schreiben aus Leipzig
(vom 16.), welches ihm noch in Halberstadt überbracht
worden war. Darnach gab er zu, dass es im Reiche
Herkommen sei, nicht ohne Wissen des Fürsten ein Land
zu durchziehen; aber es sei auch Herkommen, niemanden
unverwahrt und unabgesagt zu bekriegen. Die Bischöfe
hätten nie abgesagt, ebensowenig der Herzog von Braun-
schweig und Hans von Heideck; sondern alle hätten ihn
heimlich hinterziehen und ihren Vortlieil suchen Avollen.
Als er von Bamberg aus geschrieben, habe er selbst noch
nichts von seinem Zuge gewusst, hätte sich auch nünmer-
mehr versehen, dass Heideck mit kurfürstlichem Kriegs-
volke gegen ihn ziehen sollte. Über diesen Überfall
könne er sich wohl mehr beschweren als der Kurfürst
über den unschädlichen Durchzug etc. Er sei willens ge-
wesen, nach Leipzig zu kommen, und habe zu seinem
grössten Nachtheile vier Tage in Halberstadt auf Bescheid
gewartet. Indessen da der Kurfürst andere Geschäfte
habe, so müsse er es geschehen lassen und gelegenere
Zeit erwarten. Seiner vorigen Erklärung wisse er nichts
mehr zuzufügen; doch sei er gesinnt, den Kurfürsten zum
Freunde zu behalten. Des unfreundlichen Gemüthes aber
sei zu viel, ihn in Frankfurt durch parteiliche Unter-
händler von seinen Verträgen abbringen und seine Feinde,
die ehr- und treulosen Schelmen, die Pfaffen und Nürn-
berger samt ihrem braunschweigischen x4.nhange, vor
Rache schützen zu wollen. Solch dringendem Suchen
wisse er nicht stattzugeben etc. Und sei er um das Gut
gar bis auf wenige Festungen gekommen, so wolle er auch
die Haut daran strecken, und hätten sie eins, so sollten
sie das andere haben.
Darauf bemühte er sich, gleichsam im Namen de^
Kaisers, das niedersächsische Kriegsvolk vor Verden an
s
^''«) Kurpfalz, Mainz, Trier, Württemberg, Bayern sollten drei
Monate lang je 12000 Fl. erlegen, die gleiche Summe wollte der
Landgraf dem Kurfürsten Moritz zukommen lassen. Dresden, Loc. 9157
Kriegszug etc. 1553 Bl. 545 flg.
">) Dresden, Loc. 9155 Kriegssache etc. 1553 BL 163.
147\
88 S. Issleib:
sich zu bringen, und liess seine Reiterei über Hameln
und Minden vor Petersliagen ziehen, wo er dann selbst
eintraf.
In Merseburg' angekommen, ermunterte der Kurfürst
sowohl Hans von Heideck als auch Herzog Philipp
Magnus in grösster Eile herbei zu kommen, um dem
Feinde den Rückzug nach Franken gemeinsam zu sperren
und mit aller Macht ^'^*) sein Vorhaben zu brechen. Die
hessische Reiterei unter Wilhelm von Schachten und Hotz-
feld sollte sich von Salza nach Frankenhausen wenden
und weitere Befehle erwarten. — An die Gattin Agnes,
welche ihn aufsuchen wollte ^^*'), schrieb er, dass sich die
Dinge zu eitel Krieg schickten. Heftig stärke sich der
Markgraf im Lande Braunschweig und nöthige ihn zu
rüsten. Könne er Frieden haben, so wäre es ihm am
liebsten, wo nicht, so geschehe Gottes gnädiger Wille.
Gott werde ihn nicht verlassen, obgleich seiner Feinde
so viel wären als Sterne am Himmel; denn er habe
keine Ursache gegeben. Der Markgraf biete jetzt viele
gute Worte, aber wenn er sich nach Gefallen gestärkt
habe, werde er anders handeln. Keinen Fleiss wolle er
sparen, um den Krieg abzuwenden und seiner Zusage zu
genügen, bei ihr (Agnes) zu sem. Müsse er aber seiner
tJnterthanen und Verwandten halber etwas thun, so sei
er dessen nicht zu verdenken; es sei billig, dass jeder
Hirt für seine Schäflein aufsetze, was er habe. Er ziehe
nach Sangerhausen, um seine thüringischen Reiter zu be-
sichtigen. „Gott geb uns Gnad," schloss er, „dass wir
hinfüro lang, lang, lang mögen beisamen wohnen." In
Sangerhausen setzte er tags darauf das Schreiben gleich-
sam fort mit den Worten: müsse er Krieg führen, so
thue es ihm leid; dann bedürfe er wohl der Leute, wel-
che ihm kochen, sieden, braten mid rathen helfen möch-
ten, dass er es gut mache; es könne sich jede Stunde
zutragen, dass der Feind in die Nähe rücke. Agnes
sollte über Salza nach Kindelbrück reisen, damit sie den
23. Juni zeitlich bei ihm eintreffe''**). Die Reise zer-
schlug sich.
Noch suchte der Kurfürst von Brandenburg verderb-
lichen Krieg und blutigen Kampf zu verhüten. Nicht
'**) Wolfenbüttel, acta pxibl. No. 355 a u. 358.
"^) Sie war von Ems aus in Kassel eingetroffen.
^^) Dresden, Loc. 8498 Moritz' eigenbändige Schreiben IM7
bis 1553 Bl. 31, 32.
Von Passau h\< Sieversliausen 1552 — 1553. 89
nur sein Öolni und die Käthe erschienen in Sangerhausen,
um die Wege des Friedens often zu halten; er selbst
folgte und hoffte sogar, durch eine persönliche Zusammen-
kunft in Magdeburg oder Zerbst das alte Vertrauen
zwischen Moritz und Albrecht wieder herstellen zu
können ^•'*^). Indessen der Kurfürst führte zu Gemüth,
dass der Markgraf seinem letzten Briefe nach den Streit
mit den Bischöfen gar nicht zum Vertrage kommen lassen
und sich der kurfürstlichen Erbeinigungs- , Schutz- und
Bundesverwandten halben nicht bindend erklären Avolle;
das beweise seine feindliche Gesinnung deutlich. Von
einer Zusammenkunft versprach er sich nichts mehr ; doch
bewilligte er sie, wenn der Markgraf, König Ferdinand
und Herzog Heinrich damit einverstanden seien ^^'-). Kur-
fürst Joachim Hess sich zur Zusage beAvegen, im Falle
der Noth Moritz zur Hilfe zuziehen; allein der Bischöfe
wollte er sich nicht annehmen.
In dieser Hinsicht hatte Kurfürst Moritz auch einen
schweren Stand beim Landgrafen. Obgleich dieser im März
Hilfe zugesagt hatte, für den Fall, dass der Schwiegersohn
vom Markgrafen bedroht werde, so wollte er doch eine
direkte Gefahr noch nicht zugeben und meinte, der Krieg
sei zu vermeiden. Mehrfach hielt er dem Kurfürsten
vor, es wäre besser gewesen, wenn er sich nicht soweit
eingelassen hätte. Ungern Hess er Wilhelm von Schachten
und Hotzfeld ziehen ; schwer war er zu einer geringen
Geldunterstützung zu bewegen, die nur dann erfolgen
sollte, wenn der Markgraf sich als Feind öffentlich er-
kläre. Keinesfalls sollte sein Sohn Wilhelm den Kriegs-
händeln beiwohnen; vielmehr wurde derselbe mit dem
oben erwähnten Auftrage nach Heidelberg geschickt.
Dem Drängen des Kurfürsten zu grösseren Opfern be-
gegnete Philipp zunächst mit der Bitte, einen willigen
Esel nicht so hart zu nöthigen und bis zur Noth zu
sparen. Dann schrieb er: hätten der Markgraf und die
Bischöfe, Herzog Heinrich und Erich Krieg führen wollen,
so hätten sie es ihrem Gefallen nach thun mögen. Um
Rath gefragt, hätte er schwerlich dem Kurfürsten erlaubt,
ir.i) Wolfciibüttel, acta \n\h\. 359, des Kurfürsten von Branden-
burg Brief vom 29. Juni. Dresden. Loc. 9155 Xries'ssaclie etc. Bl.
166, 171, vergl. Loc. 91.57 Acta I. (8. .Juli).
'■'■-) Herzog Heinrich war vor dem Kurfürsten von Branden-
burg in Sangerhausen. Wien, Brandenburg 15.53, .luni und .Juli,
Moritz' Brief an Ferdinand, Sangerliausen um 25. Juni.
90 S. Issleib:
sich so weit einzulassen, wie geschehen. Zuletzt sprach
er sich dahin aus: für seine Person habe er weder mit
dem Markgrafen noch mit den Bischöfen etwas zu thun,
nur den Schaden des Kurfürsten Avolle er mit verhüten
helfen 1-^^^).
Der Kurfürst sah sich genöthigt. von Querfurt, San-
gerhausen und Nordhausen aus scharf und ausführlich zu
entgegnen ^''*^).
Aus der Antwort des Markgrafen sei klar zu er-
kennen, schrieb er, dass er jede Verhandlung in Sachen der
Bischöfe rund abschlage und hinsichtlich Sachsens, Hessens,
des Königs Ferdinand, des Herzogs Heinrich, der Stifter
Magdeburg -Halberstadt und der anderen Erbeinigungs-
und Schutzverwandten keine genügende Erklärung ab-
geben wolle. Nach erfolgter Vereinigung mit dem nieder-
sächsischen Kriegshaufen werde er niemanden verschonen.
Er kenne den Mann, lasse man ihm Luft, so werde er
trotz aller Versicherungen nicht nur Sachsen, sondern
auch Hessen , Böhmen und andere Länder heimsuchen.
Hätte er für sich und sein Land ausser Gefahr und Sorge
sein könhen, so würde er jede Kriegsrüstung vermieden
haben. Doch unerträglich sei, dass der Markgraf ihn
unverschuldet und ungeachtet aller erzeigten Wohlthaten
hin und her mit ehrenrührigen Lästerschriften und Schraäh-
reden antaste, dass er statt einer geraden Erklärung
höhnische und spitzige Briefe schreibe und ungescheut
beschwerliche Drohungen ausstosse, seinen Hochmuth
übe, unverwahrt durch sehi Land ziehe, seine Schutzbe-
fohlenen beraube, von Halberstadt Geld erpresse, Magde-
burg bedrohe, von Mühlhausen und Nordhausen Brand-
schatzung fordere, Herzog Erich gegen ihn verhetze, die
ungehorsamen Junker und das niedersächsische Kriegs-
volk gegen ihn aufliringe etc. Sollte er da stillsitzen
und des ersten Backenstreiches im eigenen Lande ge-
wärtig sein? Nicht fürwitzig, sondern wohlbedacht habe
er zur Beschützung seiner Lande, seiner Verwandten und
Bundesgenossen gerüstet. Mit Hilfe seiner Freunde hoffe
er der markgräflichen Gewalt und Tyrannei genugsam
i'^3) Dresden, Loc. OL^iV Kriegszug etc. 451 flg. Nicht minder
wie der Landgraf rieth ein Theil iler kurfürstlichen Räthe vom
Kriege ab.
i'^*) Marburg, O.W. S. 012, Sachsen, albertinische Linie 1552/3,
Brief von Querfurt 20. Juni; Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc.
Bl. 557flg.
Von Passau bis Sievershausen 1552 — 1553. 91
ZU begegnen, möchten gleich kaiserische, burgmulischc
oder spanische Praktiken dahinter stecken.
In diesem Vorhaben bestärkte ihn in Nordhausen
Herzog Heinrich und der eben eingetroffene Hans vo)i Hei-
dek (am 25. und 27. Juni). Die x4nkunft des Fürsten von
Plauen steigerte dann seine kühne Entschlossenheit zur
zuversichtlichen Kampfl^egierde.
Beide verhandelten am 29. Juni, Heinrich von Plauen
mit unbeschränkter Vollmacht ^■"•■'^). Auf Wunsch des
Königs wurde der Kurfürst an Stelle des Erzherzogs Fer-
dinand mit dem Kriegszuge nach Niedersachsen beauf-
tragt. Unverzüglich sollten die gerüsteten königlichen
Reiter über Gera vorrücken und der fehlende Theil (von
den 1500) durch drei Fähnlein Knechte ersetzt werden.
Auf Grund der Erbeinigung mit der böhmischen Krone
sollte der König die beiden Kurfürsten von Brandenburg
und Pfalz, sowie Markgraf Hans zur Hilfe auffordern.
Eine Verwahrungsschrift^'"') wurde ausgearbeitet, und
sofern sie alle Ursachen zur Defensive enthielt, sah man
von einem Ausschreiben ab. Diese Schrift sollte, von
Osterode den I.Juli datiert, dem Markgrafen, dem Kaiser,
dem gesamten brandenburgischen Hause, den Frankfurter
Vermittelungsfürsten und den sächsischen Kreisständen
vom Kurfürsten von Sachsen und in Vertretung des
Königs^"'') vom Herrn von Plauen zugeschickt werden. Die
Ächtung des Markgrafen zu beantragen hielt man für
nothwendig. Der Landgraf von Hessen sollte zunächst
nicht weiter in Anspruch genommen werden. Hinsicht-
lich des Krieges wurde beschlossen, dem Markgrafen
stracks unter Augen zu ziehen und nicht von ihm al)zu-
lassen, wohin er sich auch wenden möge. Da vielleicht
des Scheines Avillen der Feind die rothen kaiserlichen
Feldzeichen führte, so sollte man die schon angelegten
rothweissen Feldzeichen beibehalten^"'^). Falls aber
der Feind die rothe mit der weissen Farbe ver-
tauschen werde, so wollte man das rothe Feldzeichen
155^ Wien, Brandenburg 1553, .Juni bis Juli, vergl. Reichs-
kanzlei, Berichte aus dem Reiche 1553/4, Kredenz und Instruktion
für Heinrich v(jn Plauen aai 18. Juni.
^■'^") Man eilte, denn Hesse man die Schrift erst nach Wien ge-
langen, so möchten allerlei Bedenken fallen.
^'''') Heinrich von Plauen machte geltend, es sei nicht königlicher
Brauch, sich gegen einen Fürsten in Person zu verwahren.
^■^*) Es waren die böhmischen und österreichischen Purben,
Heinrich von Plauen schlug die rothgelben Feldzeichen vor.
92 S. Issleib:
annehmen. Alle Markgrafen des Hauses Brandenburg
sollten ersucht werden, sich des Vetters nicht anzu-
nehmen. Dem Könige wurde freigestellt, Verhandlung
zu gestatten oder auszuschlagen. Ungeachtet geringer
Hoffnung auf Hilfe wollte der Kurfürst die sächsischen
Kreisstände den 6. Juli noch Jüterbogk berufen.
Unmittelbar nach den Verhandlungen eilte Heinrich
von Plauen über Zeitz, Gera und Plauen nach Prag^"'"),
der Kauzler Dr. Mordeisen nach Leipzig und Torgau.
Der Kurfürst verliess Nordhausen, um den Feind zu
suchen, hocherfreut, die königliche Majestät als einen
grossen Vogel endlich mit ins Netz gebracht zu haben,
um zu erfahren, ob der Markgraf am Kaiser einen Eück-
halt habe oder nicht ^*^").
Am 1. Juli 1553 rastete Moritz in Osterode und
überschickte durch den Edelknaben Vitzthum dem Mark-
grafen die Verwahrungsschrift. Dann dankte er der
Herzogin von Rochlitz, jener rastlosen und scharfzüngigen
Vermittlerin, für alle Friedensbemühungen und zeigte ihr
an, dass er neben dem römischen König und dem Fürsten
von Plauen dem Markgrafen abgesagt habe und bald
sehen wolle, ob dieser (wie er sich habe vernehmen
lassen) ihm den gelben oder er jenem den rothen Bart
ausreissen werde^''^).
Markgraf Albrecht empfing die Verwahrungsschrift ^'^'-)
im Lager vor Petershagen am 2. Juli, als er eben mit
Herzog Erich und seinen angesehensten Befehlshabern
im Zelte bei Tafel sass. Ohne böse Worte auszustossen
— man meinte er sei erschrocken gewesen ■ — Hess er
den Edelknaben abtreten und dann den Fehdebrief durch
Wilhelm von Grumbach verlesen. Darnach forderte er
den Buben wieder vor, fragte, ob der Kurfürst seine
Pfalfen und Husaren zu Häuf gebracht, und befahl anzu-
159) Weimar, Reg. C. fol. 58, No. 21. Am 1. Juli nachmittag-s
5 Uhr traf Heinrich von Plauen in Gera ein, dann ritt er nach
Plauen, am 6. nach Prag. Hier war er am 8. Juli. Wien, Hein-
rich Burggraf zu Meissen an König Ferdinand 1552/3. (April bis
Dezember).
^^) Dresden, Loc. 9156 Markgrafen Albrechts Handlung und
Abschied zu Frankfurt etc. Bl. 118. Dr. Mordeisen, von Miltitz und
Komerstadt. Leipzig am 3. Juli 1553.
161) Weimar, Reg. 0. fol. 68, No. 35.
162) Dresden, Loc. 9157 Acta etc. 1553 A^ol. L, Brief vom 7.
u. 8. Juli. Wien, Heinrich Burggiaf von Meissen etc. 1552/3. April
bis Dezember, Carlowitz eigenhändiger Brief vom 4. Juli.
Von Passau bis Sievershauseii 1552—1553. 93
zeigen: wenn der Kurfürst etwas mit ihm zu reden habe,
so wolle er ihn vor Petershagen erwarten. Darauf schenkte
er ihm vier Kronen mit den Worten : gern würde er ihm
mehr geben ; aber er bedürfe des Geldes selbst, der Fran-
zose werde ihnen genug Kronen geben.
Weiteren Meldungen zufolge erhielten dann die an-
kommenden kurbrandenburgischen Friedensgesandten im
freien Felde und im Beisein des jungen Vitzthum eine
„schnelle, spitzige und ganz trotzige Antwort", die in
iSchmähreden gegen Kurfürst Moritz endete. Vom Land-
grafen Philipp traf Bescheid ein, er habe keine Lust sich
mit ihm und Herzog Erich in ein Bündnis einzulassen.
Indem Albrecht dies der Herzogin von Rochlitz schrieb,
befahl er sich Gott, der zur Zeit alles wohl rächen werde.
Kurfürst Moritz verliess am 2. Juli Osterode, vereinigte
sich in der Nähe Northeims beim Kloster Katlenburg mit
den Truppen des Herzogs Philipp Magnus und Hans' von
Heideck und rückte bis Eimbeck vor^^'-'), wo man am fol-
genden Tage Herzog Heinrichs Reiter aus Gandersheim
begrüsste, nothdürftige Ordnung herstellte und Kundschaft
einzog. Man bezweifelte des Markgrafen Verbleiben vor
Petershagen; aber über sein Vorhaben waren die Mei-
nungen get heilt. Die einen muthmassten, er Averde seit-
wärts ausbrechen und entweder durch das Stift Halber-
stadt nach Sachsen, oder durch Hessen nach Franken
eilen, die andern, er werde über Osnabrück und Pader-
boin nach den Niederlanden ziehen. — Wohl fertigte er
am 3. Juli Herzog Erich an den Kaiser ab, um ihm gegen
Schutz und Schirm unter günstigen Bedingungen 9000 Reiter
und 80-100 Fähnlein Knechte anzubieten ^*^^).
Am 4. Juli^^''*) setzten sich die Verbündeten Grolmde
an der Weser zum Ziele, um von da direkt auf den Feind
loszumarschieren. Sobald der Markgraf davon benacli-
richtigt war, verliess er Petershagen und zog ü])er das
Gebirge nach dem Stifte Hildesheim zu. Durch einen
Eilmarsch aber bis zum Orte Elze an der Leine kam der
Kurfürst zuvor und verlegte den Weg nach dem Erzstift
Magdeburg-Halberstadt. Der Übervortlieilung inne sclilug
der Gegner die Richtung nach Hannover ein. Während
^ö^) Dresden, Loc. 8498 Moritz' ei^euliäiKlige Schreiben 1547/53
Bl. 35. Loc. 9157 Acta etc. und Kriegszug etc.
>«^) Dresden, Loc 9157 Kiiegzug etc. Bl. 700. Wien, Branden-
burg 1553, ,Juni bis Juli.
^^■') Dresden, Loc. 9157 Acta etc. und Kriegszug etc. Iö53.
94 S. Issleib:
der Rast in Elze verweilte ^erzog Johann Albrecht von
Mecklenburg' (am 6. Juli) im Lager und begab sich tags-
darauf mit geringer Hoffnung zum Markgrafen.
Um Mitternacht zum 7. Juli verliess der Kurfürst
seine Stellung bei Elze und zog nördlich nach Sarstedt.
Jenseits der Leine hatte der Markgraf die Höhen bei
Calenberg besetzt. Die Brücken waren zerstört, und die
Feinde blieben getrennt; nur Schützen scharmützelten an
der Fürth des Flusses. Aber der Weg nach Sachsen
war wiederum verlegt; es galt zu schlagen oder zu
weichen. Man redete von grosser Unzufriedenheit, welche
im markgräflichen Lager herrsche; viele Knechte sollten
heftig nach Geld geschrieen haben, zufolge der königlichen
und kurfürstlichen Abforderungsschriften erw^artete man
ansehnlichen Abfall.
Den 8. Juli morgens gegen 9 Uhr brach der Mark-
graf auf, rückte bis Pattensen, hielt dort mehrere Stunden
in Schlachtordnung, zog dann oberhalb Hannover über
die Leine und rastete während der Nacht in der Nähe von
Bothfeld^*'''). Die Verbündeten lagen an diesem Tage still,
um abzuwarten, wohin der Gegner eile; nöthigenfalls
wollten sie um Mitternacht nachrücken. Stündlich er-
wartete man die böhmischen und schlesischen Reiter.
Lii Lager vor Sarstedt langte das kaiserliche Schreiben
vom 17. Juni an, worin er sein Einverständnis mit dem
Maikgrafen in Abrede stellte, vertraulichen Rath suchte,
wie den Empörungen im Reiche abzuhelfen sei, und künf-
tig alle Reichssachen mit den Kurfürsten behandeln und
erledigen wollte. Daneben befand sich ein ausführliches
Entschuldigungsschreiben des Lazarus von Schwendi ^*'').
Über diese Sendung schrieb Christof von Carlowitz sofort
an Heinrich von Plauen und liess deutlich durch die
Zeilen blicken, wie man im kurfürstlichen Lager über
den Kaiser denke.
Zweifellos ist wohl nun: die Rettung des Passauer
^"") Auf dem Marsche sollten drei Geschwader niederländischer
Reiter zu ihm gestossen sein; man vermuthete, der Kaiser habe ihn
damit „ausstafftrt".
^''■') Dresden, Loc. 91.57 Acta I u. Wien, Reichsakten miscell.
1553, eigenhändiger Brief Christofs von Carlowitz vom 8. Juli, vergl.
Lanz IIT, 571. Vor Sarstedt erhielt wohl auch der Kurfürst des
Bruders Brief vom 23. Juni aus Kopenhagen, worin er schrieb, dass
er seine Rückkehr zur Zeit noch nicht für nöthig erachte und jetzt
in Dänemark nützlicher als draussen im Lande sein könne. Dresden,
Loc. 7280 Schreiben etc. Bl. 7.
Von Passau bis Sieversbansen 1552 — 1553. 95
Vertrages und des Friedens im Reiche, persönliche Ge-
reiztheit gegen den Markgrafen und liohes Misstrauen
gegen den Kaiser trieben den Kurfürsten gegen Albrecht
von Brandenburg in den Kampf.
Sobald sichere Nachricht eingelaufen war, wohin der
Feind gezogen, glaubte der Kurfürst, Albrecht wolle ihm
den Vorsprung nach Sachsen abgewinnen. Deshalb brach
er Sonntag den 9. Juli gegen 4 Uhr früh auf, um den Weg
nach Braunschweig zu sperren und in der Landwehre
nordwestlich Peine bei der vortheilhaften Abbenser Fürth
die Nacht zuzubringen. Voran zog die Reiterei mit den
leichten Geschützen, die Fusstruppen und die schwere
Artillerie samt dem Trosse folgten. Der Zug bewegte
sich in nordöstlicher Richtung und steuerte mittags nörd-
lich von Peine dem Ziele zu: — da wurde die Nähe des
Feindes gemeldet.
Am Morgen des Tages hatte der Markgraf Befehl
zum Marsche über Burgdorf und weiter in südöstlicher
Richtung nach der Fürth von Abbensen und Peme — Braun-
schweig gegeben und war selbst nach Hannover geritten,
um mit Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg über
die gestellten Friedensvorschläge zu verhandeln. Bald
nahm er dieselben an sich und versprach, nach erfolgter
Unterredung mit seinen Vertrauten abends im Lager
hinter Burgdorf Antwort zu geben. Darauf jagte er dem
Kriegsvolke nach und erfuhr in der Nähe von ßurgdorf,
dass die Gegner in der Landwehre von Peine vorrückten.
Sofort sprengte er durch den Burgdorfer Wald, erblickte
vom südlichen Rande desselben aus die ersten feindlichen
Truppen und beschloss den Kampf aufzunehmen.
So kam es Sonntag den 9. Juli lö5o zur Schlacht
bei Sievershausen ^*^^).
Zwischen Hannover (W.) und Braunschweig (O.),
zwischen Peine (S.) und Burgdorf (N.) dehnt sich das
Schlachtfeld vom Dorfe Innuensen (W.) in massigem
Bogen nach Süden über Arpke, Sicvershausen bis Abben-
sen (0.) aus, das flache Terrain senkt sicli wenig be-
merkbar vom Burgdorfer Walde südöstlich iiacli dem
Flüsschen Fuse zu. Die Hauptstrassc von Hurgd(»rf nach
BraunscliAveig berührte die Abl)enscr Fürth. Heutigen
^''^) Zuletzt bandelten nlier diese Sublaclit: Wol dem ar Olafe, y,
in den Mittbeilungen des königlich säcbsisciien Altertbnnis-Vereins
Heft 20 27 (Dresden 1877); H. Seuff, in der Zeitscbrift des histo-
rischen Vereins liir Niedersacbsen .labrgang 1880.
96 S. Issleib:
Tages sind die Wege verändert, die Waldungen zmück-
gesclioben und die damals weiten morastigen Sümpfe
(Meer genannt) beträclitlicli eingeengt. Der vielgenannte
Teiclidamm ist verschwunden.
Gegen ein Uhr nachmittags stiessen die Spitzen der
beiderseitigen Vorhut aufeinander ^^^). Die Verbündeten
waren zum grossen Theile in der Nähe des Teichdammes
südlich von Sievershausen angelangt, des Markgrafen
Truppen arbeiteten sich aus dem Burgdorfer Walde
heraus. Während der Kurfürst der gesamten Mann-
schaft Befehl ertheilen Hess, den Damm zu überschreiten
und im Felde bei Sievershausen und östlich davon Stell-
ung zu nehmen, mn den feindlichen Vormarsch durch die
Abbenser E'urth zu verhindern, schob der Markgraf seine
Vorhut über Arpke vor. Langsam entwickelte sich auf
beiden Seiten die Schlachtordnung; weit zurück waren
die Fusstruppen.
Die Stärke der Gegner lässt sich nicht genau be-
stimmen; doch liegen einige sichere Angaben vor. Die
Verbündeten zählten 23 Geschwader Reiter und 30 Fähn-
lein Knechte, oder nach einer Aufzählung Herzog Hein-
richs bis in die 7000 Reiter und in die 8000 Knechte.
Markgraf Albrecht besass nach eigner Angabe 19 Ge-
schwader Reiter und nach anderen Mittheilungen unge-
fähr 50 Fähnlein ^'^) Knechte oder etwa 5000 Reiter und
gegen 12000 Knechte. Alle Berichte stimmen darin über-
ein, dass die Verbündeten an Reiterei, der Markgraf an
Fussvolk überlegen war.
Nach zwei Uhr ungefähr hatten die Truppen der
Verbündeten den Teichdamm überschritten und rückten
löö) Hier ist das kurfürstliche Schreiben an den Bischof von
Würzburg vom Schlachtfelde in der Nacht vom 9. zum 10. Juli
durchweg zu Grunde gelegt: Marburg, 0. W. S. 912, Sachsen, alber-
tinische Linie 15n2 3, München, Reiclisarchiv, Markgrafenthum Bran-
denburg VIII. Bl. 408. Weimar, Reg. C. fol. 68, No. 35. Wien,
Brandenburg 1553, Juni bis Juli. Ausser diesem Schreiben lagen
Verfasser noch über dreissig küi'zere und längere Schlachtenberichte
vom Herzog Heinrich, vom Markgrafen, von sächsischen und braun-
schweigischen Käthen und Offizieren, von Nürnberger Gesandten,
von Kundschaftern etc. vor. Ein Berichterstatter ist Wendeil
Förster (Dresden, Loc. 9157 Kriegszug etc. Bl. 738), aus dem
Langenu I ö81 und dann alle anderen (Voigt, Glafey, Senff etc.)
einen Förster Wendel gemacht haben.
"^) Nach der Anzahl der Fahnen lässt sich die Truppenstärke
nicht bestimmen; oft Hessen 120— löO Knechte oder 60—70 Reiter
eine Fahne fliegen.
Von Passau bis Sievershausen 1552—1553. 97
allmählich iii das Schlachtfeld ein. Die schnellere Vor-
hut bewegte sich in der Richtung Sievershausen- Arpke,
der gewaltige Reiterhaufen rückte nach, während die
30 Fähnlein Knechte, in drei Regimenter formiert, mit
der Nachhut langsam und mühsam folgten und ziemlich
spät in den Kampf eingriffen. Die Säumigkeit der Ar-
tillerie erregte des Kurfürsten Ungeduld. — Des Mark-
grafen Vorhut lehnte in der Nähe von Arpke an einem
kleinen Gehölze, welches Schützen besetzten. Sein grosses
Reitertreffen formierte sich nordöstlich von Arpke gegen
Sievershausen. Die nach und nach am-ückenden Fähur
lein Knechte gewannen Fühlung mit der Reiterei und
breiteten sich — hinter ihnen die Nachhut — im freien
Felde aus. Die markgräfliche Schlachtordnung hatte in
Folge der Ausdehnung mid Überzahl des Fussvolkes und
der sanften Senkung des Terrains „ein stattlich gross
Ansehen". Die „kleine Übei-höhung und der Wind" ge-
reichten ihr zum Vortheile. Die Kurfürstlichen kämpften
wegen der Sumpfniederungen hie und da mit erheblichen
Schwierigkeiten.
Sobald die Formierung der Treffen einigermassen er-
folgt war, „hat man nicht lang gefeiert, sondern von
beiden Theilen mit dem Feldgeschütz ohne sonderlichen
Schaden gearbeitet und sind allgemach die Schlachtord-
nungen gegeneinander gerückt". Zunächst stiess die
beiderseitige Vorhut mit den Läufern dermassen zusam-
men, „dass sie das Weiss in den Augen hätten sehen
mögen". Beiderseits wm-de „männlich angegriffen und
hart geschlagen".
Darauf trafen fünf markgräfliche Reiterfähulein in
der Nähe des Gehölzes links der Schlachtordnung der Ver-
bündeten auf drei ihnen entgegen gescliickte Fähnlein ^^^).
Unterstützt von den im und am Wäldchen zerstreuten
Schützen sprengten die Brandenburger mit grosser Kühn-
heit vor und hieben ein. Scharf gerieth man an einander.
Die Markgräflichen drängten mit solchem Ungestüm, dass
die Verbündeten trotz vieler Zurufe, Stand zu halten,
wichen und theilweise schimpflich flohen^'-). In diesem,
Avilden Anstürme durchritten zwei markgräfliche Ge-
^'M Zwei hessische Fähnlein unter Wilhelm von Schachten und
Hotzfeld und ein meissnisches.
' ■'-) Zur Entschuldigung diente dann, sie hätten vor Wind und
Staub nichts thun können.
Neues Archiv f. S. U. ii. A. Vlll. 1. 2.
98 S. Issleib:
schwader die gelockerten Glieder der Gegner, suchten das
Weite, jagten über den Teichdamm und weiter vorwärts
in der Eichtung nach Hildesheim und Braunschweig. Selt-
sames Schauspiel: siegreiche Flüchtlinge und überwältigte
Fliehende! Der Ausgang dieses Reitergefechtes hatte
nachtheilige Folgen. Mittlerweile nämlich hatte sich das
Reitertreffen der „gewaltigen Haufen" entwickelt; acht
markgräfliche Reiterfahnen stürmten gegen die Verbün-
deten vor. Die eben erfolgte Entscheidung wirkte auf
dieses Haupttreifen ; hier entflammter Muth, dort grim-
mige Verlegenheit! Ein Theil der verbündeten Reiterei
wurde erschüttert, wankte und wich, als der Markgraf
persönlich seine „alten Reiter" gegen die vier sächsischen
Spiesserfahnen anrennen liess. Ferner waren die eben er-
wähnten Flüchtlinge und Fliehenden auf nachrückendes
Fussvolk und auf den Tross gestossen und hatten ziem-
liche Verwirrung angerichtet. Mit lautem Geschrei schlös-
sen sich viele der Flucht an; Trossknechte durchhieben
die Stränge, warfen sich auf die Pferde, Hessen die Wagen
im Stiche und jagten davon.
Es war jener bedenkliche Zeitpunkt, wo viele „nicht
anders gewusst als die Schlacht sei verloren", wo fast
alle sächsischen, braunschweigischen und fränkischen Räthe
und Gesandten sich nach Hildesheim und Wolfenbüttel
zurückziehen mussten, um dort den Ausgang der Dinge
zu erwarten, während die Fürsten persönlich alles auf-
boten, um eine Niederlage zu verhüten. In jene Augen-
blicke gehört jedenfalls die Antwort des Kurfürsten auf
die Mahnung der nächsten Umgebung, sich nicht allzu-
sehr der Gefahr auszusetzen: „Ich will ehrlich handeln
und neben meinen getreuen Unterthanen, die ich ins Feld
vermocht, hinein setzen".
Als ein grosser Theil der Reiterei wich und die er-
wähnten sächsischen Spiesserfahnen in hoher Bedrängnis
standen, da rafften die Bundesfürsten alle noch verfügbaren
Streitkräfte zu Ross zusammen und führten ihre Hof- und
Haupt fahnen, die Edelsten Sachsens und Braunschweigs,
persönlich in den Kampf. „Allda ist erst ein sehr hart
Treffen angegangen". Da die vier Spiesserfahnen wegen
der Enge des Kampfplatzes und der Nähe der Feinde
ilu^e Hauptwaffe nicht handhaben konnten, so gebrauchten
sie ihre Büchsen. Mann kämpfte gegen Mann! Die
jungen braunschweigischen Herzöge stritten muthig im
Vordertreffen der Ehren truppen, ebenso der Ku)^fttrst;
Von Passau bis Sieversliauseu 1552 — 1553. 99
auf schnellem Rosse setzte er jäh in die Feinde und
schlug" wacker drein.
Indem drang ]Markgi'af Alhrecht an der Spitze kampf-
erprobter Eecken nach den Hauptfahnen durch. Ein
blutiges Ringen erfolgte. Im Avilden Strausse sank zuerst
Herzog Philipp Magnus entseelt zu Boden; dami traf
die tödliche Kugel den älteren Bruder Karl Viktor"^),
der Bastard Theuerdank fiel, und die herzogliche Hof-
fahne wich zurück. Das sächsische „Hofgesinde" aber
hielt sich „männlich und ritterlich", obgleich es die gröss-
ten Verluste erlitt und der edle Fahnenträger Herzog
Friedrich von Lüneburg schwer verwundet wurde ^'*).
Nicht genug! Als der Kurfürst so ganz bei der Sache
ermunternd und ermuthigend „vor dem gewaltigen Haufen
hielt", da traf auch ihn das Blei; der Schuss einer Faust-
büchse durchbohrte Panzer und Rücken unter dem linken
Sclmlterblatte. Es w^ar in jenen furchtbaren Augen-
blicken, als wegen der Hast und Hitze des Kampfes nie-
mand mehi^ auf die durch Pulverdampf und Staub un-
kenntlichen Feldbinden achtete und wiegen der ungleich-
massigen Bewegungen der vordringenden und weichen-
den Truppen Freunde und Feinde in den Vorderglie-
dern durcheinander geriethen und ohne Wahl nieder-
hieben oder niederschössen. Demungeachtet feuerte der
Kurfürst, schonungslos gegen sich selbst, nach wie vor
die Truppen an und ertheilte Befelüe, bis die Kräfte
ermatteten.
Bald nahte die schwere Entscheidung. Während
die Reiterei blutig mit einander rang, war es kurfürst-
lichen Anordnungen zufolge dem sächsischen und braun-
schweigischen Fussvolke gelungen, sich auszubreiten,
kühn zu schwenken und dem Feinde in beide Flanken
zu fallen. „Tiefstetters Regiment", unterstützt durch zwei
Geschwader Reiter, hat „des Markgrafen Fussvolk mit
Freuden angelaufen und angegriffen". Kaum hatten sie die
drei ersten Glieder durchbrochen und zum Theil nieder-
geschossen oder niedergestochen, da wandten sich die Übri-
gen zur leidlich geordneten Flucht. ZAvar gelang es den
Führern, die Weichenden nochmals zu halten; allein ein
"•') Als dieser getroffen war, soll Herzog Heinrich ausgerufen
haben: „Das ist zu viel!".
i'O Die Tapferkeit der sächsischen Hoffahne wurde allgemein
anerkannt: aber sie verlor aucli segoii vier Fünftel der Jlanusc.haft.
100 S. Issleib:
erneuter Sturm brachte sie in stärkere, dann unauflialtsame
Flucht, „darüber etliche Tausende gefangen, die anderen
erstochen und hin und wieder zerstreut worden sind".
Unterdessen tobte der Keiterkampf aus; die Glieder
wui'den dmxhi'itten, die Reihen zerschmettert. „Wer zu
erreichen war, wurde erstochen, oder erschossen'*; rück-
wärts rasten die Fliehenden, vorwärts sprengten die Sieger.
Der Markgraf verschwand; Ross _und Filzmantel, Büchse
und Schwert wurden erbeutet. Überall erscholl das Ge-
rücht, er sei gefangen"^); aber leicht verwundet rettete er
sich nach Hannover. Bis gegen Burgdorf ging die Ver-
folgung und dauerte bis tief in die Nacht hinein^'**).
So wurde von den Verbündeten die Schlacht ge-
wonnen und das Feld behauptet^'^). Aber welch blutiger
Sieg war es, für den man Gott die Elu-e gab! Kein
Kj'iegsmann jener Zeit hatte einem ernsteren Kampfe bei-
gewohnt... Kaum konnte die Freude den Schmerz über-
bieten. Über 4000 Tote bedeckten das weite Schlacht-
feld, darmiter etwa 250 vom Adel und Männer von be-
deutendem Kriegsrufe. Herzog Heinrich, selbst unver-
sehrt, betrauerte seine beiden Söhne und seinen Bastard;
der junge Herzog Friedrich von Lüneburg erlag noch
am Schlachttage seiner Wunde, üngewiss war das Schick-
sal des Kurfüi'sten. Welche Zukunft, wenn er Avieder
genas! Als Eberhard von der Thann von seinem Siege
hörte, schrieb er (am 12. Juli) an Herzog Johann Friedrich:
„Wo nun dem also, so wird es nicht allein in deutschen
i'S) Ein Reiterprofoss, der einst unter ihm gedient hatte, sollte
ihn wieder freigegeben haben.
^'**) Ein Braunschweiger Offizier endete seinen Schlachtbericht:
„Und ist dieser Augriff geschehen den 9. Juli zwischen 3 und 4 Uhr
nachmittags bei Sievershausen vor dem Abbenser Fürth, die Nieder-
lage geschehen bei Arpke und Immensen, und hat die Nachjagd ge-
wälu-t bis Burgdorf etc. Wolfenbüttel, acta publ. 355 a.
'■■') Der Markgraf hat nie den geringsten Hehl aus seiuer
Niederlage gemacht. Auf die Anfrage des Herzogs Johann Friedrich
schrieb er am 20. .Juli aus Bremen, dass er, Moritz und seine Ver-
bündeten im Felde als Kriegsleute zusammengestossen seien und ihr
Heil miteinander versucht hätten etc. Er habe die Schlacht ver-
loren und sei ungefährlich geschossen worden etc. „So haben E. L.
zu bedenken , wo Kriegsleut also zu beiden Theilen gegeneinander
handeln, so muss ein Theil verlieren, demnach Ijeide nicht gewinnen
können etc.". Weimar, Reg. C. fol. 68 No. 35. Vergl. Brief an die
Herzogin Elisabeth von Rochlitz, Marburg. O. W. S. 379, Reichs- und
Kreissachen, Militaria I. IV, Egersche Bündniss 1553. III. (12. u.
14. Juli).
Von Passau bis Sievershansen 1552—1553. 101
Landen, sondern auch zwischen dem Kaiser und König"
von Frankreich eine grosse Veränderung bringen" ^'^).
Mittlerweile hatte das Schicksal anders entschieden!
Nach erlangtem Siege wurde das kurfürstliche Zelt
auf der blutigen Wahlstatt „am Vogelherde" aufge-
schlagen und der Verwundete verbunden. Die Ärzte ^'^)
trösteten, und der Kurfürst befahl sich der Allmacht und
Gnade Gottes. Er fand Beruhigung im Gedanken, dass
seine That gegen den Landesbeschädiger und seinen un-
ruhigen Anhang aus Eifer für Friede, Ruhe und Einig-
keit im heiligen Reiche geschehen sei. Noch in derselben
Nacht unterzeichnete er das Schreiben an den Bischof
von Würzburg, in welchem nach der Schilderung der
Schlacht und des blutigen Sieges gebeten wurde, überall,
bei der Plassenburg, bei Hof, Salfeld, Meiningen, Schmal-
kalden, Fulda, Eisenach etc. fleissig zu streifen für den
Fall, dass der Markgraf nach Franken fliehen und sich mit
den Seinigen durchschleifen wolle. Gleichen Auftrag er-
hielten daim der Hauptmann und Schösser zu Salza für
den Thüringer Kreis.
Am 10. Juli Vormittags war der Patient „noch fröh-
lich und guter Dinge" und „redete ganz frisch und un-
kränklich"; in ein, zwei Tagen gedachte man mit ihm
über Land ziehen zu können. Nachmittags aber schon
standen die Ärzte im Zweifel, ob er am Leben bleiben
oder seiner Wunde erliegen werde ; die Schmerzen wuchsen,
die Kräfte schwanden. Oft liess er sich von seinem Feld-
bette auf einen Stuhl heben und dann wieder nieder-
legen ; vergeblich suchte er Linderung. Dabei entwickelte
er eine erstaunliche Fassung, eine rührende Ergebung in
Gottes AVillen, eine kaum glaubliche Frömmigkeit.
Schon am Abende der Schlacht liess er den Hof-
prediger Johannes AVeiss (Albinus) zu sich kommen und
begehrte Trost^^"). Tags darauf beichtete er „mit grossem
Ernste und wohlbedachtem Muthe" und liess sich Abso-
lution ertheilen. Als in der Nacht vom 10. zum 11. Juli
sein Zustand hoffnungslos geworden war, liess er sich in
aller Frühe das „hochwürdigo Sakrament" unter beiderlei
Gestalt mit „grosser Andacht und guter Vernunft" dar-
"8) Weimar, Re^. C. fol. 68 No. 35.
™) Einer derselben war der Leibarzt Dr. Johannes Neefe
(Neffe).
180) Bericht des Albinus in Abschrift zu Weimar, Reg. C. fol.
68 No. 35.
102 S. Issleib:
reichen, dann machte er in Gregenwart von acht Zeugen
noch vor Sonnenaufgang sein Testament und unterzeich-
nete es mit schwacher Hand^^^). Darauf verlangte er
vom Hofprediger, ihn zu trösten und ihm Sprüche vor-
zusagen und niclit aufzuhören, selbst wenn er sprachlos
werden sollte. Das geschah. Als die Schmerzen über-
gross wurden, hub er an und sprach: „Ach mein Gott,
wie lang bist du aussen, willst du es nicht schier ein
Ende machen". Da Hess ihn "Weiss auf einen Stuhl
setzen; doch weil die Schmerzen weiter überhand nahmen,
ersuchte er, ilm wieder niederzulegen. Schon brachen
die Augen; aber noch sprach er „mit starken Worten"
nach: „Vater in Deine Hände befehle ich Dir meinen
Geist". Zuletzt bat Weiss: „Da er sterben wollte als
ein christgläubiger und seliger Mensch, sollte er ein
Zeichen von sich geben". Darauf nickte er mit dem
Kopfe, richtete ihn wieder auf und wandte sich zur Seite.
So „ist er in Jesu Christo seliglich verschieden und ent-
schlafen", in der Blüthe der Jugend, im Alter von
32 Jahren.
Wähi-end am 9. und 10. Juli die Berichte über den
heissen Kampf und blutigen Sieg verbreitet wurden,
musste vom 11. Juh an der deutschen Nation die „ganz
traurige Botschaft" verkündet werden, dass der Kurfürst
in Folge des erhaltenen Schusses von dieser Welt ge-
schieden sei. Alle Beileidsschreiben vom kaiserlichen
an gerechnet rühmten den Dahingeschiedenen als ritter-
lichen und tapferen Helden, als männlichen und sieg-
haften Landesfürsten; nur Herzog Johann Friedrich gab
zu erkennen, der Kurfürst würde noch am Leben sein,
wenn er der Frankfurter kaiserlichen Versammlung ge-
mäss Friede gehalten hätte. Herzog Heinrich von Braun-
schweig beklagte seinen „vertrautesten und liebsten
Bruder", Heinrich von Plauen betrauerte seinen „liebsten
und besten Freund", König Ferdinand „einen gar treuen
Freimd", Herzog Johann Friedlich verlor seinen unver-
söhnten Feind ^^^).
1*^) Dresden, Originalurkunde No. 11481. In Abwesenheit des
Kanzlers Mordeisen erfolgte die Niederschrift des Testamentes durch
Carlowitz bis auf die Stelle, wo der treue Rath selbst bedacht wurde.
Über des Kurfürsten Testament handelte ausführlich Theodor
Distel in v. Webers Archiv f. d. Sachs. Gesch. N.F. VI, lOSflg. (1880).
^*2) In Weimar redete man, Herzog Moritz habe „der Natur
Schuld bezahlt". Als der Stadtrath Braiinschweigs den Tod des
Von Passau bis Sievershausen 1552 — 1553. 103
Untröstlich war die Witwe Agnes, erschüttert Phi-
lipp von Hessen; das sächsische Land trauerte.
x\m 13. Juli erfolgte der Aufliruch der Sachsen von
der Wahlstatt. Die Truppen aus Thüringen und Meissen
wurden bis zur Ankunft des Kurfürsten Augustus beur-
laubt. Fünf Geschwader Reiter mit der stark gelichteten
„Hauptfahne" begleiteten die Leiche des Kurfürsten über
Wolfenbüttel, Halberstadt, Aschersleben, Halle, Leipzig
nach Freiberg. Im dortigen Dome erfolgte am 23. Juli
1553 die feierliche Bestattung.
Kurfürsten anzeigte , schrieb ein herzoglicher Kath auf die Rück-
seite des Briefes: „Gottes gerechte Crerichte". Sofort schmiedete
Johann Friedrich Pläne gegen den Kurfürsten Augustus und schickte
seinen Sohn nach Brüssel zum Kaiser mit der Bitte x\m Zurückgabe
der Kur und der verlorenen Lande. Weimar, Keg. C. fol. (58 No. 35.
in.
Urkunden
über den Streit der ßechtsgelehrteii mit den
Laien im Schöppenstuhle zu Leipzig 1574.
Eingeleitet und herausgegeben von
Theodor Distel.
Der von Kurfürst August, dem sächsischen Justinian,
me man den grossen Gesetzgeber mit Recht genannt hat,
schon vor dem Erlasse seiner Konstitutionen^) geplanten
Umgestaltung des Schöppenstuhls zu Leipzig ging ein
Streit der Rechtsgelehrten in diesem Spruclikollegium
mit den Bürgermeistern unmittelbar vorauf. Derselbe ist
ebenso wie die ihm schnell folgende Neugestaltung des
Stuhls bisher noch nie nach den wohl vollständig-) auf
uns gekommenen Akten dargestellt worden-^).
Wir wissen, dass von den so \1elseitig beschäftigten
Juristen Scheibe, der Ordinarius Thömingk und der Senior
der Juristenfakultät, Badehorn, soAvie Funcke ihrer Raths-
pflichten, da nach des Kurfürsten Meinung jedes Amt auch
*) Vergl. die verdienstvolle Arbeit von Schletter, Die Consti-
tutionen Kurfürst Augi;sts von Sachsen u. s. w. (Leipzig 1857).
-) Das Rathsarchiv zu Leipzig soll, wie man mir von dort
mitgetheilt hat. keine bezüglichen Schriftstücke besitzen.
^) Die folgenden Mittheilungen schliessen sich eng an meinen
kürzlich erschienenen Aufsatz in der Zeitschrift der Savignv-Stiftung
für Rechtsgeschichte (Germ. Abth. Bd. YII No. VII) an. ' Daselbst
ist, wie ich zu berichtigen hier gleich Gelegenheit nehme, S. 92.
Anm. 1. Z. 7 für V. „VI." zu lesen.
Th. Distel: Urkunden über den Streit d. Rechtsgel. etc. 105
seinen Kopf haben müsse, entbunden worden waren. Audi
erfahren wir aus dem sogen. Oelhaffeschen Buche, welclies
Christian Thomasius in seinen Annalen fleissig benutzt
hat und dessen Originalmanuskript, Avie beiläufig bemerkt
sei, vor kürzerer Zeit im Stadtarchive zu Leipzig^)
aufgefunden wurde, dass die aus dem Rathsvereine ent-
lassenen Vier auch fortan uicht die, mit der Rathsptlicht
verbundene, Abwartung des Stadtgerichts für geboten
erachteten, zumal ihnen kein Entgelt dafür mehr zu Theil
wurde. Dass aber der Sitz im Schöppenstuhle, d. h. die
Erledigung der von auswärts in denselben gelangten
Rechtsfragen auch nur eine Berechtigung dazu auserkorner
Rathsmitglieder war, diesen Umstand übersahen die
Büi'germeister sowohl als die durch ihre Thätigkeit im
Stuhle so reich bezalilten Rechtsgelehrten. Die letzteren
besuchten denselben vielmehr weiter, indem sie sich
bemühten, die seit längerer Zeit, weil meistens dem
Juristenstande angehörig, im Stuhle sitzenden Bürger-
meister'^), welche die Rechtsdoktoren allerdings bei ihren
fachmännischen Entscheidungen in keiner Weise unter-
stützen konnten, betreffs ihres Einkommens aus dem
Spruchvei-eine zu schmälern. ■ —
Ausser Thömingk und Badehorn (Scheibe und Funcke
waren verstorben) sassen 1574 noch die Rechtsgelehrten
Dr. Balthasar Schelhammer — nach Thomingks (f 15.
*) Tit. 1, 22 e. Vol. I. — Das fragliche Manuskript rührt von
dem Bürgermeister Bernhard Oelhaffe (f 18. April 1609), welcher mit
Badehorns Tochter, Veronika, vermählt war, her (vergl. Gretschel,
Beiträge zur Geschichte Leipzigs [Leipzig 1835] S. 56) und trägt
vom den Vermerk des Bruders Jakoh Thomasius', Michael Tliomas,
aus welchem wir erfahi-en, dass das Buch von der Witwe Isaac
Oelhaifes, eines Enkels Leonhards des Aelteren, Magdalena (Anna
Magdalena, gel). Hofmann), an ihn durch Schenkung gelangt war.
Das bereits von Christian Thomasius vergeblich gesuchte sogenannte
Priligk'sche Buch, dessen A^erfasser, Johann P., im Jahre 1617 als
Bürgermeister verstorben ist, hat sich dagegen nicht ermitteln lassen,
doch bin ich im H.-St.-A. auf einen aus dem Ende des siebzehnten
Jahrhunderts staniiiicnden (^)riginalaufsatz gekommen, zu welchem
dieses Buch mitbenutzt worden ist. (Akten des H.-St.-A.: Loc. 10368
Fundatio etc. Bl 90, l)zw. II).
•"*) An sich war jedes Rathsmitglied in den Schöppenstuhl wähl-
bar, aber schon 1527 kam es vor, dass der Kathsherr AX'iedcmann
Bürgermeister und Schöppe zu gleicher Zeit wurde. Die 1574 im
im Stuhle sitzenden Bürgermeister waren keine Juristen, Rauscher
verstand jedoch lateinisch; im H.-St.-A. befindet sich ein lateinischees
Schreiben von ihm an den Sekretär Valerius Craco (Loc. 8573. IT,
126, vergl. 11, 25).
106 Theodcr Distel:
August 1576) Tode Ordinarius der Juristenfakultät^) —
und Hartman Pistoris ') , der Papinian Sachsens , im
Stuhle, die ebenfalls das Stadtgericht nicht besuchten,
da sie keine Rathsmitglieder waren. Ersterer war nur
als Substitut für den verstorbenen Funcke^) in den Schöp-
penstuhl gelangt und Pistoris hatte sich erst kürzlich,
seiner Ausbildung wegen"), darein begeben; er vertrat
wohl zugleich den in diesem Jahre fehlenden dritten
Bürgermeister, wie ja auch Rauscher und Lotter sich
durch einen Adjunkten im Stuhle vertreten Hessen^'') und
1574 Mag. Johann") Andreae (Andreas) dafür mit ein-
hundert Thalern jährlich honorierten. Als der Streit
zwischen den Doktoren und Laien noch währte, erboten sich
zwar Rauscher und Lotter, um die früheren Rathsmitglieder
aus dem Juristenstande zur Abwartung des Stadtgerichts
zu bewegen, von ihren Einnahmen, auch wenn kein neuer
Adjunkt angestellt werde, noch weitere einhundert Thaler
jährlich abzutreten, doch die Rechtsgelehrten meinten
dazu, dass ihnen „unabgerichtete Leute", wie man solche
eben für nur einhundert Thaler jährlich erwarten könne,
wenig nützen würden, das Stadtgericht aber — auch in
anderen ansehnlichen Städten sässen nur Laien darin —
der Juristen keineswegs bedürfe. Die Verhandlungen
der streitenden Theile dauerten, ohne dass dieselben zu
^) Von den Bürgermeistern (Laien) sassen Hieronymus Rauscher
(starb, schuldlos verschuldet, erst am 7. (nicht 6.) Dezember 1576 früh
2 Uhr und zwar am Zipperlein, nicht an Gift, H.-St.-A. : Copial 376 d
unter A Bl. 238 b, 242 b, 243, 247, 252) und Hieronymus Lotter, der
tüchtige Baumeister, im Stuhle. Weitere Nachrichten über alle hier-
genannten Mitglieder desselben gedenke ich später einmal in dieser
Zeitschrift zu bringen. Ihre Autographen wurden dem (Herrn Geh.
Hofrath Prof. Dr. jur. 0. Müller in Leipzig als Festgabe zu seinem
filnfundzwanzigj ährigen Jubiläum als Ehrenvorstand des Arien ge-
widmeten) Separatabdrucke dieses Aufsatzes beigegeben.
') Über ihn vergl. Stintzing, Geschichte der deutschen Rechts-
wissenschaft (München und Leipzig 1880) 1, 568 und den später
erscheinenden Artikel in der allgemeinen deutschen Biographie.
*) Er starb nach Stepner, luscript. Lips. (Leipzig 1675) Nr. 644,
am 8. Dezember 1573. Leider ist Funcke in der allgem. Deutsch.
Biographie nicht berücksichtigt worden.
») Nach den Akten des H.-St.-A.: Loc. 10367 Fundatio etc.
I. Buch Bl. 42.
^^) Nach Rauschers Angabe kommt der erste Substitut im Stuhle
1559 für den Bürgermeister Volkmar (f 10. September 1561) vor.
") Er wird fälschlicher Weise auch Jakob genannt. Später
(1588) kommt er als Advokat im Oberhofgerichte vor. Akten H.-
St.-A. : Loc. 9820 Oberhofgericht etc. 1580-1669 Bl. 162.
Urkiuuleu etc. 107
einem wirklichen Abschlüsse gekommen Avären, bis über
die Mitte des Monats Juli Ibrt^-).
Die Juristen im Stuhle — dies sei noch hervor-
gehoben — führten in der Zwischenzeit den Titel: ver-
ordnete Doktoren und Recht sverständige (bzw. Rechts-
gelelu'te) des Schöppenstnhls^'^).
Im Monat August verscluitt der Kmiürst zur Um-
gestaltung des Spruchkollegs. Der erste an die Räthe zu
Torgau deshalb ergangene Befehl ist nicht aufzufinden
gewesen, der Kurfürst dürfte ihn mündlich gegeben haben,
war er doch an dem Tage, von w^elchem das Antwort-
schreiben datiert, 25., bzw. 26. August 1574^*), selbst in
Torgau ^■').
Über den weiteren Verlauf der Dinge gedenke ich
mich in nicht allzulanger Zeit einmal in der Zeitschrift
der Savign}^- Stiftung äussern zu können.
'-'} Die säniintlichen auffindbar gewesenen Wechsel Schriften imd
(lergl. sind in den anliegenden Urkunden (1 — 13) wieder gegeben.
Sie bieten des Wissenswerthen so manches, dazu kommt, dass ein
Theil derselben, wohl schon in früherer Zeit, stückweise arg ver-
modert ist und in nicht allzulauger Zeit zerfallen dürfte. Bis auf
die unter 2 abgediuckte Urkunde habe ich dieselben jetzt alle zix
einem Aktenstücke vereinigt.
^^) Die Rechtssprüche tragen die hergebrachte Unterzeichnmig:
Schoppen zu Leipzig zunächst fort. Eine Unterzeichnung, wie sie
Stölzel, Die Entwickelung des gelehrten Richterthums etc. I (Stutt-
gart 1872), 231 Aura 193 gefunden haben will, ist mir in der frag-
lichen Zeit nicht vorgekommen.
1*) Das Konzept von Laurentius Lindemans Hand befindet
sich in den Akten H.-St.-A.: Bedenken etc. Loc. 8233, Bl. 125
flgd., das Original im ersten Buche der fuudatio etc. Loc. 10367,
Bl. 1 flgde.
15) H.-St.-A.: Copial 384, Bl. 223b.
108 Theodor Distel:
U r k II 11 d e n.
I. Die Korrespondenz der Rechtsgelehrten im Leipziger
Schöppenstulile mit der Regierung.
Ko. 1. 1574 April 6.
Die Juristen (Badehorn, Thöminyk, ScheJhammer, Pistoris) an
den Kurfürsten August.
Abschrift (von der Hand des unter No. 10 Anm. 24 erxoähnten
Trueh). H.-St.-A.: Loc. 10367. Des Schöppenstuhls zu Leip-
zig etc. 1557 flg., Bl. 85.
Durchlauchtigster, hochgehorner churfurst. E. churf. g. seint
unsere underthenigste, gehorsame und gautzwillige dienste höchstes
vermugens zu vorn. Gnädigster churfurst und her. üb wol E.
churf. g. gnedigst vor gutt angesehen, das wir mit des raths ge-
schefften, unter andern der ursacli und meynung, domit wir den
hendeln, so in der schöppenstuebe zuvorsprechen in grosser auzahl
teglich gelangen, desto hesser und bekquemlicher obligen möchten,
hinfort nicht belahden noch zuschaffen haben solten, und dan auch
dadurch, das wir vom rathstule abgesondert (dorinnen dan E.
churf. g. gnedigsten willen und gefallen wir underthenigst gern
gehorsammet) auch von den gerichten gescheiden und abgesondert
seint, sinthemahl solche gerichte dem rathsstande necessario an-
hengigk, also auch, das ihe und allewege und gleich über menschen
gedencken nihemals erfahrn, das zu gemelten gerichten jhemants
anders were gezogen ader gebraucht worden, dan allein diejhenigen,
so dem rathstuehl verwant gewesen, derwegen dan ich, doctor Jacobus
Thömingk, Ordinarius, das jungst veiflossene jhar über, weil ich dem
rath nicht mehr zugethan gewesen, in die gerichtshanck nihe ge-
kommen, dobey mich dan auch die hern burgermeister und der rath,
die gantze zeit über, also geruiglich haben bleiben lassen, und dan
auch doctor Andreas Funck, nuhmer seliger, ob ihme wol doctor
Wolffgangs Scheiben [auch sjeligen, als eines gewesenen schöppen,
stelle aßignirt, dennoch aus obgedachten Ursachen, bis in seine
grübe, nicht vermocht werden können, sich den gerichten pflichtbar
zumachen, vielweniger aber sich in die gerichtsbangk nider setzen
zulassen, inmasen dan auch die hern burgermeister mich, doctor
Balthassarn Schelhammer, ob ich gleich in gedachts hern doctor
Andreae Funcken stelle in der schöppenstube mit ihrem selbst willen
und zuthuen ferner substituirt, dennoch eben aus derselben Ursachen,
das ich dem rathstuel nicht verwant, zu den gerichten nihemals
erfordert, vielweniger aber begert, mich zu denselben voreiden zu-
lasen, domit ich dan gar wol zufriede gewesen, auch nachmals
domit gar wol fridlich bin, das also die hern burgermeistere selbst
dardurch re et facto ipso mehr dan genugksam und gantz clerlich
bezeuget und zuerkennen gegeben, das die gericht mit keynen
andern dan allein mit rathspersohnen können noch mugen bestalt
werden. Des aber dennoch ungeacht, gnedigster churfurst und her,
Urkunden etc. 109
understehen sich nuhmer gemelte heni burgermeistere in uns zu-
dringen, das wir uns zu besetzung und bestellung der gerichte uffs
neu widerumb gebrauchen lasen sollen. Dan nachdem sie, jiingst-
vorschiener weil, sich gegen uns erljotten und Yornehmen lassen,
das sie sich mit uns, wasergestalt es in der schöppenstube und mit
derselben einkommen, auch sunst, ihrer und unserer persobnen halben,
hinfort zuhalten, utf billiche und leidliche wege zuvergleichen be-
dacht, [haben] wir uns hinwider dorauff erclert, das wir ihre ange-
botene furschlege gern anhören wolten und unter andern zubedencken
gebeten, weil wir nuhmer von dem rathe, den gerichten, auch der-
selben emolumenten und einkommen gentzlich abgesondert, gleichwol
aber nichst destoweniger nachmals, wie zuvoru, die gar grosse,
unauffhörliche und stets fort und f(irt wehrende last, muhe und arbeit,
so wir auff vorlehsung, berathsclilaguug und vorsprechung der
schöppenhendel vor unsere persohnen allein (dan uns gedachte hern
burgermeistere nicht im aller geringsten helffen nach übertragen
können) mit grosser beschwehrung und vorseumung anderer nutz-
barlichen hendel, auch mit mergliclier schwechuug gesundts leibes
und lebens, teglich und one unterlas vielfeltiglich wenden, jha auch,
sonst unsere gantze zeit darüber zubrengen und vorzehren musen,
das sie solchs vernunfftiglich bedencken und derwegen uff solche
mittel und wege bedacht sein wolten, domit uns gegen solcher unsern
gar grosen beschwehrung, vielfeltigen muhe, vleis und arlieit ge-
bührliche Ijilliche vorgleichung und ergetzligkeit gemacht werden
ixnd widerfahren möchte. Haben sie sich understanden, solche imsere
erclerung dergestalt zu asumiren, als solten wir gemeint sein, uns
von ihren gerichten nicht abzusondern, do wir uns doch nicht allein
uff diese meynung gar nicht, sundern viel mehr des widerspiels vor-
nehmen lasen, als nemblich, das wir von dem rathsstuel, den ge-
richten, auch derselben einkommen und emolumenten nuhmer albereit
abgesondert weren, [allein], das unter aiulerm daneben voi meldet
worden, das wir- (weil solchs von ihnen bey uns anfenglich gesucht
worden) vor unsere persohnen auch nicht gern ursach geben wolten,
das der schöppenstuel vom rathe getrennet ader gesondert werden
möchte.
Als wir uns nuhn, unserer notdorfft nach, uff solche ihre in
gefastem unrechtem vei'stande und dem claren buchstaben unserer
erclerung gerade zuwider angemaster assumption alsbaldt hinwieder
vornehmen lasen, das solchs in unserer ercleiungsschrifft deigestalt
nicht zubefinden, uns auch dorauff ferner und zum ubeiflus aus-
drucklich dohin ercleret, nachdem wii- durch beschehene absondei'ung
des rathstuels (welche uns dan gar nicht zuwider) auch von den
gerichten, als die dem rathstande necessario anhengigk, abgesondeit
weren, das es uns demenach sehr vorkehrlich, vorwei^lich und zu
einer grosen vormesenheit gerechnet und gedeutet werden wolte,
wan wir uns, als vom rath und di'U gerichten einmahl abgesonderte
persohnen, zu denselben widerumb gebrauchen und also in frembde
hendel, so uns amptswegen nicht mehr obliegen, ungebührlicher
weis dringen und stecken lasen mochten, haben sie uns nicht
allein keine mittel ader wege, doi'aiift' die von ihnen anfenglich uns
angebotene vorgleichung zurichten, furgeschlagen, sundern uns auch
gar eyne stumpfte mündliche antwort durch ihren stadtschreyber
anmelden lasen, un«efehrlich uff difc meynung, das sie nicht be-
dacht, sich mit uns in fernere (jis])Utation eiiizulasen, sundern wolten
[darauff ihre] notdoifft zubedencken vvol wisen, doraus da[n], gnedigster
ö
110 Theodor Distel:
churfurst vmd here, leichtich abzimehmeu, das vielgemelte hern burger-
meistere doran nicht begnugigk noch ersettiget zusein vonneynen,
das sie nuliu viel jharlangk heio des schüppenstuels einkommeu
(ungeacht, das sie uns zu unserer schwehren muhseligen arbeit' gantz
und gar nichts gehollfen noch zu helft'en vermocht, wie sie uns dan
nachmals darzu gar nichts helffen können) nichtsdestoweniger gleich
uns , als den allein arbeitenden jpersohnen , geuosen (wie sie dan
ferner auch viel andere forteil mehr, an vorsprechung der Ordinarien
gerichtshendel und sunst, so auch nicht gering zuacliten und langk
zuerzehlen sein wolten , bis anhero aus unserer arbeit genislich
entpfunden), auch nicht allein das einkommen der schöppenstube, mit
unserer (die wir die last der arbeit gar allein tragen musen) groser
merglicher beschwehrung, nachmals wie bevor, zuparticipiren bedacht,
sundern uns darüber auch die beschwehrliche last der gericht
widerumb auffzudringen sich mit allem vleis bemuhen, ungeacht,
das unserer aller und des schöppenstuels gelegenheit itziger zeit
viel in einem andern stände ist, als sie etwan, do man gemelte hern
burgermeistere zu dem einkommen des schöppenstuels mit zugelasen,
und demenach ihe nicht unbillich, das uns hinwider, gegen unserm
in dem rathstuel und den gerichten ervolgten abgang. und doch
nichts destoweniger nachmals stets welirender arl)eit (welche dan
nicht geringer, sundern teglich jhe lenger jhe schwehrer und muhe-
seliger wirdt) gleichmessige vorgleichung gemacht werde, jaxta illud:
(^uae de novo emergunt, novo indigent [auxilio]. welchs wir doch,
gnedigster churfurst und her, der nieynung nicht melden, das wir
des einkominens ausm rathstuele und aus den gerichten nachmals
teilhafftigk znsein und uns also in solche empter, E. curf. g. gue-
digst beschehener anordnung (damit wir dan uuderthenigst wol
zufride) zuentgegen, widerumb oblique einzudringen gedechten,
sundern aus der Ursache, das wir, unseres underthenigsten verhoffens
nach, itziger gelegenheit gahr genugk theten, wan wir entwar den
hern burgermeistern in gemein, ader aber ider zeit dem regirenden
hern burgernieister allein, einen teil, soviel unserer einer zubekommen
pflege, betten volgen und zukommen lassen, in gnedigster betrachtung,
das wir die arbeit gar allein tragen musen und sie uns darzu (wie
droben auch underthenigst gemeldt) bis anhero gar nichts geholffen,
auch nachmals ader hinfort nichts werden helffen können, und sie
dan hierüber auch ihre sunderliche einkommen und zugenge vom
burgermeister ampt aus der rathstube zugewarten haben.
So können auch, gnedigster churfurst und her, wir mit warheit
wohl sagen, das uns auch zu der zeit, als wir dem rathstuel noch
verwant gewesen, nichts beschwehrlichers furgefallen, dan das wir
in den gerichten sitzen und suuderlich öffentliche iibeltheter per-
söhnlich coudemnirn und verteiln helffen sollten. Weil wir aber solcher
beschwehrung damals, wegen unseres tragenden ampts des [rath-
stanjdes, deme die gerieht anhengigk, nicht genbriget [werden] mngen,
[haben] wir dieselbe zeit über, nach gemeinem Sprichwort, aus der
noet eine tugent macheu musen,
Nachdem wir aber numehr dardurch, das wir den rathstuel
nicht mehr verwandt, auch den gerichten (als die dem radtstande
anhengigk und derwegen auch mit eitel rathspersohnen besatzt und
bestelt werden musen, wie dan solchs aucli von undencklicher zeit
hero in stettem und unverrucktem gebrauch des raths und der gericht
alhier ist gehalten worden) in necessariam consequentiam auch nicht
mehr zugethan, so wolte bey menniglich und sunderlich bei E. churf.
Urkimden etc. 111
g. selbst ein seltzam ansehen gewinnen, wan wir uns in solch he-
schwehrlich ampt. desen wir einniahl gebührlich entlediget, uifs neue
widerumb stecken lasen solten. Suiiderlich aber wurde es von etlichen
gewislich dafür gehalten werden wollen, als bette man uns mit gelde
(welchs aber gericlitspersohnen gar nicht gebührt nach anstehet) darzu
widerumb erkaufft, welchs wir, weils uns zum höchsten voiweislich
sein wurde, uns jhe nicht gern nachsagen lasen wollen, dorinnen dan
E. churf. g zweiffelson uns in Ungnaden nicht vordenckeu werden.
Und können sich die heru burgermeistere und der rath hiermit
nicht behelffen, als könten sie ane doctores die gericht nicht hegen
noch halten, weil andere stedte und auch dörffer im lande ane do-
ctores ihre gepichte halten und bestellen können, auch E churf. g.
empter keine doctores darzu gebrauchen, so ist ihnen iderzeit unbe-
nommen, das sie nichts wenigers, als andere gerichte [in bürg] liehen
und peinlichen Sachen des recht sich im [fall] der noth bey uns
ader, do ihnen solches nicht gefelligk, anderswoh erholen mugen. Und
so dan nuhn, guedigster churfurst und her, diesem allenthalben also,
und sichs ferner bey uns dafür ansehen lest, das die hern burger-
meistere, oder auch, uff ihr schaffen, der gantze rath, diesen handel
an E. churf. g. gelangen lasen und suchen möchten, uns auffzulegen,
das wir ihren gerichten, nachmals, wie zuvorn, in ungeändertem
Stande, aus erheischung des damals tragenden rathstandes geschehen,
beiwoliuen solten, als haben wir aus erheischung unserer holieu not-
dorfft nicht umbgehen können, E. churf. g. mit diesem unserm war-
hafftigen bericht in underthenigkeit zuersuchen, underthenigst bittende,
dieselbe E. churf. g. wolten die hern burgermeistere ader den rath,
uff itztgemelten fall, mit ihrem unbefugten suchen nicht hören, nach
gestatten, das uns die bestellung und besetzung der gericht und also
ein frembdt ampt, dessen wir einmahl gebührlich entledigt und uns also
nichts mehr angehet, wider unserm willen, jha auch mit imserergroscn
und gleich ehren [sie!] verletzlicher beschwehrung von ihnen unbefug-
ter weis auffgedruugen werde, sundern vielmehr die gnedigste Verschaff-
ung bey ihnen thuen, damit sie uns mit solcher beschwehrlichen und vor-
drieslicheu annmtung verschonen, sich auch ferner mit uns der billig-
keit nach uff' dero von uns droben in underthenigkeit furgeschlagener
gleichmesiger wege einen (in gnedigster ansehung, das sie zu dero
von ihnen selb [st angebotjener vorgleichung vor ihre persohnen uns
einige mittel und wege, ungeacht, das sie sich anfenglich selbst auch
dai'zu erbotten, nuhmer, wie wir vormercken, zuthuen nicht liedacht)
förderlich vorglichen, domit wii' also den schöppenhendel (so teglich
in grosser anzahl und mennige aus vielerlei landen anhero gelangen.
und uns mit grosser muhe und arl)eit, mit vorseumung anderer vieler
hendel, derer wir sonsten gar wol geniesen könten, auch mit nierg-
licher beschwelirung und unwidei'brenglicher schwechung unserer
gesundtheit, zuverfertigen allein obliegen) desto beser abwarten und
dieselben desto fuglicher und scldeuniger vorsprechen und voiiichten
mugen, inniasen wir dan in underthenigstem gehoi'sam zuthuen orböttigk.
Solchs seint uml) E. cluuf. g wir, über das, das er an ilnne
selbst, zu biliicher förderung des rechtens und der geiecbtigkeit, und
dan hii:al)er auch zu E. chuif. g. selbst sondeilicheu grosen ruhnil),
so wol auch zu derselben lande, und sunderlich zu disser ilirei' Stadt
Leiptzigk (als do sich viel furnehme potentaten, auch lande, stedte
und allerlei leute hohes und nicilrigen Standes, in und ausserhalb des
heiligen römischen reichs, des recliten teglich in grosser anzahl er-
holen) merglichen nutz, eheren und frommen |gel|ingen und gereichen
112 Theodor Distel:
thuet, höchstes veriimg[ens] uiiderthenigst zuverdienen ider zeit er-
böttigk und gantzwilligk. Datum den sechsten Aprilis, anno etc. vier
und siebentzigk. E. churf. g.
uuderthenigste gehorsamme
Verordente doctores und
rechtsvorstendige des schüp-
penstuels zw Leiptzigk.
'S!'. 2. Dresden 1574: April 17.
Antivort des Kurfürsten auf das vorher (feilende Schreiben.
Konzept ebenda: Copial 392 Bl. 143b.
An die vorordente doctores und rechtsvorstendige des sclioppen-
stuls zu Leipzig.
Hochgelerte lieben getrewen. Uns ist euer schreiben für-
getragen wurdenn; do nun der rathe zu Leipzigk solcher in itzt-
beiueltein euerm schreiben angezogenen Sachen halben etwas auhero
gelangen lassen würdet, wollen wir euers izigen suchens ingedenek
sein und uns dorauft' der gebure zuerzeigen wissen. Mochten wir
euch hinwieder nicht vorhalten. Datum Dreßden den 17. Aprilis
ao. 74,
Nr. 3. 1574 April -26.
Die Juristen an den Kurfürsten.
Orig. mit dem Schöppensiegel (Abb. in der Zeitschrift der Savigny-
stiftnng a. a. 0. S. 115 unter 2) ebenda Loc. 10367 Des Schöppcn-
stuhls etc. flg. 93. Abschrift von derselben Hand (vergl. No. 10
Anm. 1) Bl. 98.
Durchlauchtigster hochgeborner churfurst. Euern churfurst-
lichen gnaden seint unsere underthenigste gehorsamme und gantz-
willige dieuste höchstes vermugens zuvoru. Gnedigster churfurst
und her. E. churf. g. gnedigsts schreiben, die irrung, so sich
zwuschen uns und den hern burgermeistern alhier ereuget, betref-
fend, haben wir mit gebührlicher ehererbietung underthenigst ent-
pfangen und vorlesen. Wiewol nuhn an E. churf. g. von itztgemelten
hern burgermeistern ader dem rath dieses handeis halben nach zur
zeit nichts gelanget, so liabeu wir dennoch die underthenigste nach-
richtung, das solchs nachmals geschehen werde. Weil wir uns dan
zubefabreu, es möchte E. chuif. g. villeicht allerlei zu unserm un-
glimpif furgetragen werden (inmasen uns dan allerley furkömpt), als
erfordert unsere hohe notdoifft, denselben E. churf. g. fernem grund-
lichen und underthenigsten bericht zuthuen, gantz undertheniglich
bittend, E. churf. g. wolten darob keinen vordi-us haben, sundern
disen unsern warhafftigen bericht gnedigst von uns vormercken, do-
mit nuhn E. churf. g. des gantzen handeis kurtzen und grundlichen
bericht gnedigst einnehmen mugen. So stehet derselbe uff diesen
zweien puncten.
Der erste ist, das wir des raths gerichte, nachmals wie zuvorn,
besitzen und halten helffen sollen.
Der ander, weil wir nulimer vom rath und dem einkommen
oder zugengen , dero wir vor diser zeit dohero gewertigk und teil-
haiftigk gewesen, gentzlich abgesondert und also der handel in vo-
rigem Stande nicht mehr ist, das demenach, unsers eraehtens, gantz
unl)illich sein wolte, das wir die grose überschwengliche last, muhe
und arbeit des schöpi)enstuels allein (wie wir dan thuen müssen)
Urkunden etc. 113
tragen und nichts destoweniger gemelte Lern burgermeister unge-
acht, das sie uns gar nicht übertragen, jha auch gar nichts helffen
noch helffen [sie!] können, nichtsdestoweniger das einkommen des
schöppenstuels participiren und einen iden soviel nehmen und volgen
lasen solten, als unserer einer zubekommen pfleget.
Soviel nuhu den ersten punct anlanget, haben E. churf. g. wir
in unserer vorigen supplicationschrift albereit in aller underthenig-
keit zu erkennen gegeben, aus waserlei wichtigen und hochbedenck-
licheu Ursachen wir uns zu bestellung des raths gerichten widerumb
nicht gebrauchen lasen können. Dan weil solche gericht dem rath-
stuel necessario anhengigk, auch weit über menschengedencken, in
stedter unverruckter ubung gehalten worden ist, das ihe und alle-
wege eitel rathspersohnen darzu gebraucht worden, und kein
exempel angezogen werden magk, das jhemals eine einige persohn.
so dem rathstuel nicht verwant gewesen, in die gerichtsbanck kom-
men und die gericht sitzen ader hegen helffen, so haben E. churf. g.
aus hochbegabtem fürstlichem verstände selbst gnedigst zuermesen.
das uns keinswegs gel)uhren wolte, uns zu dem ampt des gerichts-
stuels, desen wir durch die beschehene absunderung vom rath-
stande (welche uns dan gar nicht zuwider) in gnedigster betrach-
tung, das die gerichte dem rathstande necessario anhengigk, eins-
mals gebührlich entlediget und erlasen, widerumb vermugen lasen
solten , sinthemal nicht allein eine gemeine und gewise rechtsregul :
quod culpa sit immiscere se rei ad se uon pertinenti, sundern auch
sunst bey idermenniglich ein seltzam nachdencken machen wurde,
das wir uns zu des raths gerichten , darzu wir itzo nicht mehr ge-
hörigk, nichts destoweniger nachmals gebrauchen liesen, nicht anders
(dafür sichs sunder zweiffei ansehen lasen wurde), als betten wir
uns mit gelde uffs neu darzu erkeuff'en und vermugen lasen, welche
beschwehrliche verdacht wir autt' uns jhe nicht gern lahden wolten,
in deme dan E. churf. g. uns in Ungnaden, unsers gentzlichen un-
dertbenigsten verhoffens , nicht werden verdencken, zu geschweigen,
das uns auch vor diser zeit, do wir dem rathstuel noch verwandt
gewesen, nichts beschwehrlichers furgefallen, dan das wir die ge-
richtsbanck mit besetzen und sunderlich iiublicorum criminum reos
persöhnlich condemuirn und verurteiln helffen sollen, desen wir dan
gute rechtmesige und bestendige Ursachen gehapt, auch nachmals haben.
So kan auch, gnedigster churfurst und her, der rath ane unsere
hulff und zuthuen die gerichte gar wol bestellen, sinthemahl auch
auserhalb der hern burgermeister etliche viel andere rathspersohnen
vorhanden, welche nicht allein zu den gerichten simpliciter ge-
schworn, sundern auch vor diser zeit das richterampt selbst ver-
waltet, welche dan auch ane das zu haltung der gericht pflegen
gebraucht zuwerden , also , das off'tmals nuhr ein einiger doctor auch
vor dieser zeit bey ihnen gesesen, inmasen dan auch ich, doctor
Jacobus Thömingk. Ordinarius, die zeit über, nachdem von E. churf.
g. ich des rathstandes wegen obligender und tragender leibschwach-
heit gnedigst erlasen (desen ich mich dan nachmals underthenigst
bedancken thue), in die gerichtsbanck niehemals kommen, auch dobei
bisanhero geruiglichen gelasen woi'den.
Ferner können auch in gütliche)' vorgleichung, so uns von den
hern burgermeistern vor diser zeit selbst angebotten worden, aber
itzo von ihnen, sunder zweiff'el zu ihrem verhofftem vorteil, mit
vleis auffgezogen wirdt, mit uns die mittel und wege wol getroffen
werden, das von uns naciimals wie zuvorn in allen und iden vor
Neues Archiv i. S. Li. u. A. VIU. 1. 2. 8
114 Theodor Distel:
gericht und in der schöppenstube rechthengigen Sachen, die urteil
gestalt und begriffen, von den liern burgermeistern sampt ihren bei-
sitzern in ihren als der gerichte nahmen volgents eröffnet werden,
wie dan dergleichen wol in geringem stedten, jha aiich in schlech-
ten pauergerichten, do gar keine gelarte beysitzer vorhanden, hin
und wider geschieht, inmasen die tegliche erfahrung clerlich aus-
weiset, wie wir dan noch vor wenigk tagen sehr viel urteil in causis
ordinariis verfertiget, dem rath auch etlicher gefangener halben
unser bedencken, idoch mit vorbehält dero uns angebotener vor-
gleichung, unbeschwert mitgeteilt, domit sie desto weniger ursach
haben mugen, uns zur ungebuhr zuverunglimpffen.
Also und gleicher gestalt kau auch mit uns die vorgleichung
wol gemacht werden, das auch alle andere hendel, als voipfeudun-
gen, aufflasungen, belehnungen, insinuationes ultimarum voluntatum,
productiones tarn testium quam instrumentorum , publication der ur-
teil imd dergleichen , nichts aussgeschlosen , in der schöppenstube
gelasen werden und also dieselbe allenthalben in vorigem stände
bleiben muge, inmasen wir uns dan, uff vorgehende gebührliche vor-
gleichung, zu Vorrichtung solcher hendel aller, nachmals wie zuvorn,
hiermit underthenigst erbieten, damit also die hern burgermeister
oder der rath jhe nicht ursach haben nmgen, furzugeben, als solte
dardurch, das wir von den gerichten abgesundert, einige Zerrüttung
des schöppenstuels ervolgeu.
Do nuhn die hern burgermeister oder der rath mit diesem un-
serm rechtmesigen , billichen und uberflusigem erbieten nicht ge-
settiget sein, sundern nachmals dorauff zudringen sich imderstehen
weiten, das wir die gericht (domit wir doch nuhmer nichts zu-
schaffen haben) nachmals hegen und halten helff'en selten, so könten
wirs anders nicht vorstehen, dan das sie uns in obgedachten un-
glimpffund verdacht, davon droben underthenigste meidung geschehen,
mit vleis zustecken und uns unsere nun sehr viel jhar lang hero in
der schöppenstube gehapte grose muhe, vleis und arbeit (dero dan
die hern burgermeistere, als nicht arbeitende persohnen, jha so wol
genosen als wir) dergestalt zu belohnen bedacht sein musten, welchs
aber E. churf. g. als ein rechtliebender churfurst, unsers underthe-
nigsten gentzlichen vorhoffens, ihnen keines wegs billichen werden.
Und soviel von dem ersten punct.
Was aber nuhn, gnedigster churfurst und her, den andern irri-
gen punct anlanget, ^/ollen E. clmrf. g. wir mit weitleufttigkeit
nicht vordrieslich sein, sundern uns derselben mit vleis underthe-
nigst mesigen, und ist demenach einmahl an deme, das uns die hern
burgermeister in Vorlesung der hendel und acten, auch in Stellung
oder fasung der urteil und rechtsbelernungen, nicht allein nicht über-
tragen, sondern auch gar nichts helff'en können, selten wir sie nuhn
alle beide, wie bisanhero, eher sich die furgelauffene vorenderung
zugetragen und wir aus dem rathstuel noch allerlei vorteil und zu-
genge zugewarten gehapt, nachmals übertragen, solclis wolte jhe,
unsers underthenigsten erachteus, gar eine grose unbilliche ungleich-
eit sein und lasen uns demenach underthenigst beduncken, do wir
entwar dem regirenden hern burgermeister allein übertrugen, ader
aber sie beide, als nicht arbeitende persohnen einen teil, gleich unserer
arbeitenden persohnen einer, nach gelegenheit itzigen zustaudes, par-
ticipirn und nehmen liesen, es solte solchs gar genugk sein.
Zuforderst, weil sich nicht allein die hern burgermeister und
der gantze rath, sundcru auch der richter und seine beysitzer, wie
Urkimden etc. 115
bisauhero, nachmals, idoch uff vorgehende gebührliche vorgleichuug
(wie droben auch underthenigst gemeldt) ihres gefallens raths bey
uns zuerholen haben wurden, do sie doch ane das andere leute, die
sich darzu gebrauchen lasen möchten, mit auö'wendung groser und
ansehenlicher summen wurden vermugen und bestellen musen, das
sie demeuach auch disfals gar einen grosen ausehelichen vorteil
haben wurden.
Welchem allem nach, guedigster churfurst und her, gelauget
an E. churf. g. nachmals unsere underthenigste bit, E. churf. g.
wolten unser guedigster churfurst und her sein und bleiben und den
heru burgermeistern oder dem rath alhier nicht gestatten, uns zu
haltung der gericht, dero wir diu'ch beschehne absunderung vom
rathstande (dorait wir dan, wie obgemelt, in aller undertheuigkeit
gar wol zufriede) unbillicher und schimpfflicher weis nicht zudrin-
gen, sondern luis uusers ampts im schöppenstuel, mit Vorlesung der
heudel und acten, auch mit Stellung der urteil und rechtsbeleruungeu
(denen wir dan gebuhrlichs vleis beizuwohnen und obzuligeu under-
thenigst erböttigk) warten lasen, sich auch ihrem, aus eigenem be-
wegnus besehenen erbieten nach mit uns uif biliche mittel und wege
förderlich vorgleichen, domit also die gerichts und andere heudel in
der schöppenstube desto schleuniger gefördert und durch der hern
burgermeister vorsetziglichen auffziigk, dero von ihnen selbst ange-
botenen gutlichen vorgleichuug, in besch wehrliche und nachteilige
vorschleitfung nicht gerathen nmgen. Solchs gereicht E. churf. g.
zu sunderlichem grossen ruhmb und ehren, auch zu billiger befor-
deruug des rechtens und der gerechtigkeit, so seint es hiruber umb
E. churf. g. auch wir höchstes vermugens in aller undertheuigkeit
zuvordienen iderzeit erböttigk und gantzwilligk. Datum Montags
nach Misericordias domini den 26. Aprilis, anno etc. vieruudsiebenzigk.
E. churf. g. underthenigste gehorsame
Verordente doctores und rechtsversteudige
des schöppenstuels zw Leiptzigk.
No. i. 1574 April 29.
Dieselben an die geheimen Hofräthe.
Original mit vier Siegeln, ebenda fol. 103.
Unsere gantzwillige dienste mit sunderm vleis zuvorn. Edle,
gestrenge, ehrnvheste und hochgelarte, insuudern gunstige liebe
hern, förderer, schwegere und gevatter. Euer gunsten werden sunder
zvveiöel erfahren haben, das wir mit den hern burgermeistern alhier
zweier punct halben (nemblich, das sie in uns zudringen sich under-
stehen, das wir ihre gerichte nachmals wie zuvorn, do wir dem
rathstuel nach^") verwant gewesen, uiigeacht, das Avir von solchem
rathstuel und also auch in necc^ssai'iam consequentiam von den ge-
richten, als die dem i'athstuel necessario anhengigk, nuhinei' abge-
sundei't, hegen und bestellen helfl'en sollen, und das sie das ein-
kommeu des schöppenstuels, ob sie wol darzu wider i'') heller noch
pfennigk vordienen ader erwerben können, nichts destoweniger neben
uns nachmals volkomlidi zu participiren gedencken) jungstvorschiuer
weil in ii'rung geratheu.
^•y noch.
^''j iveder.
8^
11^ Theodor Distel:
Weil dan dem chiirfui-sten zu Sachsen etc. und Inirggraffen zu
Magdeburgk, unserm gnedigsten lierrn, wir des handeis in zwoen
supplicationchrifften ^'') nach aller notdurfft in underth[enigkeit]
grundtlich berichtet, als thuen wir [E. g.] cope[ien] derselben zur
nachrichtung h[iermit ujberschicken, vleisigk und gantz f[reundtlich
bittenjd, dieselbe weiten propter publ[icani] utilitatem et comnmnia
studia unbeschwerhrt sein, diesen handel hochgedachtem churfursten
zu Sachsen etc. und biirggraifen zu Magdeburgk, unserm gnedigsten
hern, zu erster gelegeuheit mit vleis furzutragen, auch ferner die
gunstige fiu'wendung zu thuen, damit unserm underthenigsten recht-
mesigen und billichem suchen gnedigst Stadt gegeben, dogegen aber
den hern burgermeistern ader dem rath, uns und andere gelerte
(darzu sie es als laicae personae zu brengen mit sunderm vleis sich
understehen) gar zu underdrucken nicht gestattet ader nachgehangen
werde. Solchs seint umb E. g. wir höchstes vleises hinwider nach
muglichkeit zuvordienen jederzeit erböttigk und gantz willigk.
Datum den 29. Aprilis anno etc. vierundsiebenzigk.
E. g.
willige
Vorord[ente] doctores [und rjechtsge-
larte des [schöppeujstuels zw Leipzigk.
II. Schriften der Parteien untereinander.
No. 5. [1574].
Die Juristen an die Bürgermeister.
Orig. ebenda fol. 77. Von Rauscher mit A signiert, daher wohl
älter als die folgenden mit B, C etc. signierten.
Ernvheste und hochweise gunstige hern. Nachdem Euer hochw.
nechstvorschiener zeit, als sie bei mir, doctor Leonart Badehorn, ge-
wesen, gesucht und gebeten, das ich mich wegen der vorgefallenen
vorenderuug des raths von E. hochw. nicht sondern, auch die andern
verordente hern des schöppenstuels dahin anhalten und vermahnen
wolte, das sie gleicher gestalt auch tliun möcliten, als habe ich ge-
melte hern zu mir erfordert und ihnen solches mit allem vleis vor-
gehalten, welche sich beneben mir volgender antwort vorglichen, das
wir uns vor unsere persohn nicht zuberichten, das wir jhemals Ur-
sachen zu einiger sonderung, Zerrüttung oder trennuug gegeben,
seint auch daselbige zuthun nachmals nicht bedacht, sondern viel-
mehr dahin gemeint, wie das schöne cleinodt des schöppenstuels,
soviel muglich, bei dem rath möchte bleiben und erhalten werden,
idoch stellen wir in keinen zweiff'el, weil wii' nuhnier von dem rath
und gerichten der besoldung und emolumente}i halben gesondert, und
die arbeit im schöppenstuel sehr schwehr ist, darautt' nicht allein
die frue stunden, sondern fast die gantze zeit mit lesung und refe-
rirung der acten, urteilfasen und studiren mus angewendet werden.
E. hochw. wei'den ihrem erbieten nach uff leidliche mittel und wege,
wie es forthin in dem schöppi'nstuel allenthall>en gehalten wei'den
solle, gedencken und uns dieselben foiderlich zuerkennen geben,
^ä) vergl. Nr. 1 und 3. Nr. 1 hat sich als Abschrift nicht
vorgeftmden.
Urkunden etc. 117
flomit man desto eher zu einer hilliclien voioknchung- kommen und
allerlei vmrichtigkeit in zeiten vorluitet werden mugen, welches e.
hoehw. wir in autwoi't nicht verhalten sollen, und seint e. hochw. zu
dienen willigk. Leonhart Badehorn. D.
Jacobus Thömingk. D. und Ordinarius, sscrips.
Balthasar Schelhammer. Do. in. p.
Hartman Pistoris zu Seusselitz m. p.
No. 6. [1574].
Die Bürgermeister an die Juristen.
Konzept (von Uauschers Hand^'^) ebenda fol. 78.
Hochgelarte grosachtpare besonder gunstige liebe herren, schwe-
ger unndtt gute freunde. Was wir für diesem, treuer undtt guter
wolmeinung, bei E. g. eins teils, das der radtt unndtt die herren
scheppen, wie bisanher gescheen, inn freundlichem gutem willen,
beisammen pleiben imnd eins dem andern die band reichen unnd
übereinander halten muchten, gesuchtt haben, dessen wissen Avir unnss
wol zu erindern.
Welcbs dann nichtt one sonderliche bedenken unnd furnemlich
derwegen gescheen, domith inn vorpleibung der freundlichen vor-
gleichung der hohen obrigkeitt zu anderem einsehen nichtt ursach
gegeben, der radtt auch seine gerechtigkeitt erhalten muchte.
Und haben derwegen aus dem schreiben-*^), so ir an unns gethan,
gerne vor[nJomen, das die herren semptlich der meinung seindtt, das
sie sich vonn dem radtt unnd den gerichten nicht sondern wollen,
nemen solch E. g. erbieten vonn radtts wegen zu freundlichem dank
unnd gefallen an, unnd wollen unnss solchem zu folge genzlichen
vorsehen, E. g. werden sich kegen dem radtt unnd den gerichten,
inmassen bisher gescheen, mith" beistand unnd derselben redlichen
bedenken gutwillig erzeigen.
Darkegen wirdtt denn herren scheppen, was ihnen von radtts
unndtt gerichtswegen hiebevorn allemal gereichtt worden ist, billich
unvormindertt gefolgett.
Unnd demnach des adiuucti stelle nunmer auch widerumb er-
seztt unnd der sclieppenstul gott lob mith furnhemen. erfarenen
unndtt gelerten leuten zur noturflt vorsehen, so stellen wir in keinen
zweiifel, do allerseits geburender fleis angewant wirdtt, es werden
die Sachen zu sonderlichem rhum des schoppenstuls und zu erhaltung
dieses kleinots, dafür es bei dieser stadtt billich geachtt wirdtt, der-
massen gefordertt werden, das sich mit billigkeitt nimand darüber
zu beschweren, doran wir unsers teils, so vil freundschafftt, einigkeit
und guten willen zu erhajlten und was sonsten zu uftnemung des
scheppenstuls dinstlich lind unss zu thun geburt, nix wollen erwinden
lassen unnd seinnd E. g. froundwillige dinste zu bezeigen iderzeitt
erbutig.
No. 7. 1574 April 5.
Die Juristen an die Bürgermeister.
Original ebenda fol. 74.
Ernvheste und hochweise gunstige liebe hern burgermcistere,
schwegei-e und gevattern. Auff der hern heutiges tags ubergebene
19) Alle Schriftstücke Bauschers sind sehr flüchtig und stellen-
tveise schwer leserlich geschrieben.
20) Vcrgl. No. 5.
118 Theodor Distel:
schriefft"^) forderlich und kurtzlich zu antworten, wissen wir uns
nicht zuentsinnen, als sollten wir uns in unserm vorigen schrei))en,
inmassen dasselbst von den hern assumii't, dohin ercleret haben, das
wir uns von den gerichten nicht sollten sondern wollen, thuen uns
auch nachmals und zum uherfluss hirmit aussdrucklich ercleren , das
wir berurt unser schreyl)en dohin nicht geraeint noch verstanden
haben wollen, in sunderlicher betrachtung, das wir durch beschehene
absonderung des rathstuhls auch von den gerichten, als die demselben
auhengigk, albereit abgesondert sein und demenach bei uns nicht
stehet, ob wir uns von den gerichten itzo allererst absondern wollen
oder nicht. Und wolte uns sehr vorkehrlich, vorweisslich und zu
einer gar grossen vormessenheit gedeutet werden, wan wir-, als nuh-
mehr vom rath und also auch in consequentiam von den gerichten
(als die dem rathstande anhengigk) albereit abgesonderte persohnen,
zu denselben widerumb gebrauchen lassen solten, zugeschweigen, das
es uns auch sunst aus vielerlei andern sehr bedencklichen und hoch-
bewegenden Ursachen keines wegs thuelich sein wil.
Do nuhu den hern gelegen, uns auff obgeraeltes schreyben und
uff diesse unsere dorauff ervolgte erclerung billiche, leidliche und
solche wege, domit wir friedlich sein können und mugen. ihrem ge-
thanen erbieten nach furzuschlahen , wollen wir derselben gern ge-
wertigk sein.
lind ob wol nicht on, das der ruhmb des schöppenstuels nicht
unbillich hoch zuachten, so ist dennoch doneben auch wol zubedencken,
das solchen schöppenstuel niemandes anders, dan eben gelarte und
der rechte erfahrne leute in auifiiehmen, ruhmb, ansehen und gleich
in itzigen stand gebracht und erhoben, dorinnen er dan nechst gott
dem almechtigen durch unsere tegliche grosse schwere muhe, vleiss
und unaufhörliche arbeit (ungeacht das wii- eins teils nicht laut dar-
von schreien, gleichwol aber alle feuste vol und viel mehr, als avo[1]
etliche meinen , glauben oder auch erkennen mugen , mit schöppen-
hendeln zuthuen haben mit vorseumung anderer vieler nutzbarlichen
hendel, auch mit merglicher schwe[chjung gesimdes leibes und lebens)
nachmals löblich wirdt erhalten, welchs dan die hern vcrnunfftiglich
zubedencken und die Sachen dahin zurichten werden wiss[enj, domit
billiche gleicheit und ergetzung verfuget und angeordenet werden
möge.
Sunderlich aber wolte in allewege vonnöten sein, das eigentlich
und stuckweiss specificiret werden möchte, uff was mittel und wege
die hern sich mit uns zuvergleichen willens.
Und stellen in keinen zweiffei, ein ider werde sich seines ampts
und gebuhi'enden vleisses zuerinnern wissen, ader aber in mangel
dess ihme nicht zuentgegen sein lassen, das man ihnen deselben
erinnere.
Welchs wir den hern (denen wir hinwider freundtliche dienste
zubezeigen iderzeit erbüttigk und gantz willigk) zu forderlicher ant-
wort nicht vorhalten wollen. Datum den funfften Aprilis anno etc.
vier und siebenzigk.
Leonhart Badehorn. D.
.Tacohus Thömingk. D. und Ordinarius, sscrips.
Balthasar Schelhammer. Do. m. p.
Hartman Pistoris zu Seusselitz m. p.
21
) Vergl. No. 6.
Urkunden etc. 119
No. 8. 1574. April H.
Die Bürgermeister an die Juristen^^).
Konzept (von Rauschers Hand) ebenda fol. 72.
Hochgelarte gros achtpare besonder gunstige lierreu, schwegere
und gi;te freunde.
Aus E. g. nnnss zugestelten erklerung befinden wir, das durch
die wexelsehi'ifften . so der gestalt wie angefangen daniitli solte vor-
faren werden, die furstehende vorgleichung mer zu weitleuffigkeitt,
dazu wir unsers teils nichtt gerne ursach geben weiten, dan zu
freundlicher Voreinigung, gereichen kunte.
Unnd weil l)ei unns, wie gerne wir es auch anders gesehen,
nichtt gestanden ist, die vorenderung, welclie der chuifurst zu Sachsen
etc. unser genedigster herr, im radtt furgenomen hatt zu hinderzihen.
unss aber unnss [sie!], ungeachtt derselben, einem eiliarn radtt an
seiner habenden gerechtikeiten , wie die herren als die hochvorsten-
digen zu erachten , ichtes zu begeben mith nichten geburen Avill,
so werden unnss die herrenn ni('ht vorJenkeun, das wir diese ding,
mith gutem radtt bedachtt unnd bequemer gelegenheitt, ferner zu-
gelangen unnd unnss geburlichs bescheidtts zu erholen nichtt
umbgehen kunnen.
Unnd sind sonsten E. g. freundliche unnd angenelime dinste zu
bezeigen willig. Datum Leipzigk den 6ten Aprilis anno 74.
Hieronynius Lotter der elter.
Hm. Rauscher.
No. 9. [1574].
Instruktion für eine Meldung der Bürgermeister an die Juristen.
Ko}izept (von Rauschers Hand) ebenda fol. 69.
Die lieide herren borgermeister lissen den vorordenten Jierren
doctoribus des scheppenstnls iren freundlichen grus sagen und dar-
neben vormelden, das ihnen der richter eine protestation schritft,
welche sie vorgangenen sonnabents neben vier urteln übergeben, zu-
gestelt hette, daraus sie vernoraen, das die herren doctores ursacli
suchen, dem richter uff sein liegeren ir rechtlich l)edenken zuwider
vorigen brauch zu eroffenen, und sonderlich derhalben das gedachte
borgermeister mith der vorgleichung, dazu sie sich bisher erbotten,
auffzihen, ihnen aber nicht gelegen sein weit sich also die lenge
uffhalten zu lassen in diser ungewisheit zu haften und gleichwol
teglich mith allerlei radtts, gerichts und schepptn hendeln bemuhet
zu werden etc., mith diser ausdruklichen erklerung, das sie sich hir-
durch den gericliten, davon sie einmal gesondert, niclit anhengig
machen, sondern nochmals der gutlichen vorgleichung, dazu sich die
herrn borgermeister sollen erltotten haben, zum furderlichsten ge-
wertig sein wollen.
Wann sich den die herrn doctores hie l)evorn in ezlichen
schreiben dergleichen und sonderlichen auch dessen vornemen lassen,
das es ihnen sher vorkerlich vorweislich und zu einer gar grossen
vormessenheit gedeutet werden konte, wan sie sich, als nun mer vom
22) Auf der Rückseite hat Rauscher bemerkt, dass der frag-
liche „Bescheid" auf der Bürgermeister Befehl durch den Stadt-
schreiber an Schclhammer und, Pistoris zur Meldung an die beideti
anderen Doktoren gegeben worden sei,
]^20 Theodor Distel:
raflt und auch also in consequentiam von den gerichten als die den
radtstand anh engig- alhreid aligesonnderte personen weren, zu den
gerichten solten gehrauchen lassen und aus iztgemelter protestatio
und weiteren schreiben so viel zu befinden, das sie gerne die herrn
l)orgermeister ires gefallens zwingen wollen, sich mith ihnen in ver-
gleichung einzulassen.
Das sich gleichwol die herrn borgermeister als die so wol als
die herrn doctores zum scheppenstul geschworen seindt und ires teils
zu einigem misvorstand oder nachteiligen vorenderuug nicht gerne
lu'sach geben wolten, gar nicht vorsehen, wissen sich auch keiner
vorgleichung, dazu sie sich erbotten solten haben, zu erindern,
ausserhalb dessen das sie sich jungst in irer schrifftlichen antwort
dohin erklert, wofern die herrn doctores in massen bisher gescheen
sich kegen rad und den gerichten mith beistand und derselben
redlichem bedenken gutwillig erzeigen wurden, das darkegen, was
ihnen von radtts und gerichts wegen hiebevor allemal gereicht
worden ist, auch nochmals unvermindert solte gefolget werden.
Des erbietens mann dan auch noch ist und weil das scheppenampt
dem borgermeisterampt nicht allein über verwerte zeit, sondern
weit über 100 jare einverleibt und incorporirt gewesen, also wer
zu einem borgermeister erwhelett, das derselbe das ampt eines
scheppen mith bekompt, wie dan die herrn scheppen solchs für 20
jaren dem churfursten zu Sachsen unsern gnedigsten herrn nach ab-
sterben des herrn doctor Scheffels seligen s. eh. f. g. seine stell mith
einer andern dergleichen person zu erseczen bevholen domith end-
schuldigen, das sie ehe dan ein ander borgermeister an seine stad
erwhelet wurde dazu nicht komen konten, dessen concept'-^) unter des
herrn doctor Fachsen seligen band noch vorhanden, und der herr
doctor bei und über das zu Ijeforderung der scheppen hendel die
beide herrn borgermeistern aus gutwillikeit und keinen pflichten nu
ezliche jar einen adjunctum, der ja so vil arbeit als der herrn doctor
einer gethan gehalten, dem sie jerlichen von irem gebureiiden teil
200 taler gegeben, welchs vorhin ander borgermeister, die nicht
doctores gewesen, ausserhalb Volkomers nie gethan, so heften sie
sich genzlichen vorsehen , es solten die herrn doctores solche ire
gutwillikeit zu freundlichem gefallen angenomen haben, sonderlichen
weil dem jezigen adiuncto nicht mer dan 100 taler jerlichen gegeben
wirdtt und die herrn borgermeister, wo fern die herrn doctores
keine neuerung einfureten, zufriden sein kunten, das entweder von
den uberigen 100 talern noch ein adiunctus gehalten, oder dieselben
sonsten den herrn doctoribus zu gut gehen solten, und wüsten nicht,
mith was fug oder billikeit die heren doctores etwas weiter von den
hern borgermeisteru begeren solten.
Weil man sich auch ei-botten hatt den herren_ scheppen von
radtts und gerichts wegen alles dasjenige, so sie bisanher gehabt
und ul)er den radtt gangen ist, folgen zu lassen, will man sich auch
nicht vorsehen das sie durch die erlassung des radstuls, dessen _ sie
vom churfursten zu Sachsen etc. unsern genedigsten herrn und nicht
dem radtt endsezt sein, ursach suchen werden, dem radtt und den
gerichten, in rechtsacben, so furlaufen muchten, ir redlich bedenken
inmassen es vil und lange jare also von iren vorfaren und ihnen ge-
halten ist worden, mithzut eilen , noch sich als scheppen von den
23) Abschrift (von Ludwig Truebs Hand?) i»i H.-St.-A.: Loc.
10048 BedenUn 1574 Bl. 195.
Urkunden etc. 121
gerichteii abzusondern , domith es bei liochgedacbtem churfuistrii
nicht das ansehen haben muge, das es mer s. eh. f. g. dan dem radtt,
bei welchem es nicht gestanden ist diese ding zu endern, zu truz
geschee.
Unnd weil ein erbain radtt in die alisoiiderung der herrn doc-
toren aus den gerichten nicht will geburen zu willigen, sich auch
der confirmation der scheppen keines weges ane genedigsten vor-
wissen hochgedachtes churfursten ires gnedigsten herrn zu begeben,
bedacht, so will mann bei den herrn doctoribus nochmals freundlich
gesucht haben, sie wollen zu vorhutung allerlei weitleuft'tikeit, die
besorglich aus irer voi-weigerung erfolgen muchte, mit dem radtt und
den gerichten in eintrechtigem vorstand wie bisher gesehen pleil)en,
domith in Verweigerung dessen der rad solchs an die hohe ol)rigkeit
nicht durfte gelangen lassen, zuvorsichtig s. eh. f. g. werden dem
radtt bei irer lang hergebrachten gerechtikeit genedigst zu schuezen
wissen.
Hierauff der herrn doctoren unvorzugliche antAvort, weil es dem
radtt ja so wenig als ihnen gelegen, lenger in der ungewisheit zu
stehen, eine fernere disputatio, dorein sich die herrn horgermeister
mith ihnen einzulassen nicht bedacht, erwartende.
No. 10. [17.5-1].
Die Juristen an die Bürgermeister-^).
Original ebenda fol. 59.
Die verordente hern doctores und rechtsgelarten des schöppen-
stuels betten lengst gern gesehen, das sie "mit den hern bürger-
meisteru fördei-lich verglichen Averden mügen, wie sie dan vor ihre
persohnen an ihnen disfals gantz und gar nichts erwinden lassen,
dan über das, das sie mit Übergebung ihrer Schriften nicht geseu-
met, so haben sie auch eben aus disser ursach, damit solche ver-
gleichung desto eher ervolgen möchte, vor gutt angesehen, die
wöchentliche teylung biss nach ervolgter vorgleichung einzustellen.
Weil dan uuhn vor wenigk tagen von den beiden hern burger-
meistern ihnen abermals eine schrift zukommen, dorauft" sie sich mit
antwort alsbalt vornehmen zulassen durch denen damals gleich mit
eingefallenen margkt und durch mannichfaltige in demselben fur-
gefallene vorhinderungen, wider ihren willen, abgehalten worden,
als thuen sie sich nuhmer, so baldt sie nuhr ein wenigk zeit und
Aveil bekommen, dorauft' volgendergestalt ercleren.
Und anfenglich thuen sie aurt' ihrer hiebevor gethaner erclerung,
das sie sich den gerichten, derer sie durch ervolgte sunderung des
rathstandes, in necessariam consequentiam, einmahl erlassen, widerumb
nicht zugethan noch pflichtbar machen lassen können, aus Ursachen,
so in solcher ihrer erclerung nach der lenge gemeldet, und dan auch
auff il)rer jungst iibei'gebenen protestationschrift , gelipter kurtz
halben, nachmals vehstiglich verharren und beruhen, und dan daneben
auch utts neue protestirn, das sie den hern burgermeistern, durcli
2*j Lauscher bezeichnet das Schreiben als der Doktoren letzte
Antivort. Dasselbe ist von des schon lange und noch viele Jahre
später in Bathssachen thätig gewesenen Schöppenschreibcrs Mag.
Ludivig Truebs Hand, ivie auch die früher mitgcf heilte alte Schöppen-
ordnung und die vorstehenden Schreiben unter i, 5, 4, 5 und 7,
geschrieben.
122 Theodor Distel:
die jungst angemaste teylung, gantz und gar nichts, so itztgemelteu
hern burgenneisteni zu vorteil, und ihnen den hern doctorn und
rechtsgel arten zu nachteil ader beschwehrung eingerlei weiss ge-
reichen könte ader möchte, gestattet oder eingereumpt, auch uff den
fall, do man sich hinfort dergleichen teylungen understehen wui'de,
toties quoties, in futurum dowider zierlich imd öffentlich hiermit
wollen protestirt und bedinget haben.
Es feldt aber den hern verordenten doctoribus und rechtsgelarten
des schöppenstuels (welche dan vor ihre persohnen, zu einigem raiss-
verstande oder nachteiliger vorenderung des schöppenstuels jha so
ungern, als die hern burgermeister, ursach geben wolten) etwas
befrembdlich für. das die hern burgermeister sich der angebotenen
vorgleichung nicht zuerinnern wissen wollen; do sie doch anfenglich
aus eigenen bewegnus, und vor sich selbst zum hern seniorn, doctor
Leonart Badehoru, in seine behaussung gekommen und mit ihme
doraus geredt, welcher es an die hern ferner gelangen lassen. Und
wiewol man sich ihres hernach beschehnen schriftlichen furschlags
wol zuerinnern weiss, so werden sich dennoch die hern burgermeister
hinwider auch zuberichten wissen, das die verordente hern doctores
\ind rechtgelarte des schöppenstuels sich alsbaldt dorauff aussdruck-
lich vornehmen lassen, das sie sich zu bestellung der gericht hinfort
nicht mehr gebrauchen und also uff solchen der hern burgermeistern
gethanen furschlag nicht einlassen könten (wie sie dan auch nach-
mals aus vielen rechtmessigen hochbedencklichen und notwendigen
Ursachen nicht thuen köimen) mit dissem anhang, do die hern
Irargermeister sich sunst in andere wege mit ihnen dergestalt zu-
vorgleichen bedacht, das sie in dem schöppenstuel nachmals, wie
bissanhero geschehen, beysammen bleiben möchten, waren sie doraufit
solcher vorgleichung gewertigk, dohin sie sich dan nachmals hiermit
thuen ercleren. Aus was Ursachen aber solche vorgleichung domals
nicht vor die handt genommen worden, sundern bissanhero ersitzen
blieben, wissen sich die hern burgermeister, one einige erinnerung,
am besten ziiberichten.
Es halten es aber die hern doctores und rechtsgelarte gentzlich
darfur, das wol mittel und wege könten getroffen werden, domit alle
hendel tarn voluntariae quam contentiosae jurisdictionis, nachmals
wie bissanhero in der schöppenstube bleiben und durch die hern
doctores und rechtsgelerte, nachmals wie zuvorn, vorrichtett werden,
und also gar keine schedliche vorenderung ader Zerrüttung des
schöppenstuels ervolgen möchte, wan man sich recht, schiedtlich,
und freundtlich in den handel schicken wolte.
Das aber das schöppenarapt dem burgermeisterampt nicht
allein über vorwehrte zeit, sundern auch von anfangk des schöppen-
stuls, und weit über hundert jhar, einvorleibt oder incorporirt sein
solte, solchs können die hern doctores und rechtsgelerten den hern
burgermeistern nicht einreumen, sinthemahl sie diesse gewisse un-
zweiffeliche nachrichtung haben, das alle und ide schöppen, so offt
sieh eine schöppenstelle vorlediget, aus den dreien rethen, gekorn
und erwehlt werden sollen und müssen.
Das aber nuhv. etliche jharlang die hern burgermeister darzu
gekorn und erwehlet worden, ist ans der ursach geschehen, das
gemelte hern burgermeister, dieselbe zeit über, mehrers teils doctores
und rechtsgelarten, und also auch one das dem schöppenstuel _ ver-
wandt, und dan auch gemeiniglich zwene doctores im burgermeister-
ampt gewehsen. Das nuhn dieselben den dritten bm-germeister, so
Urkunden etc. 123
keyn rechtsgelarter gewesen, aus Gutwilligkeit übertragen, rlorans
kau oder magk keine gerechtigkeit gemacht noch erzwungen werden,
zugeschweigen, das auch vor zeiten eine solche grosse stets weh-
rende muhe und arbeit, wie itzo, in der schöppenstube nicht gewesen,
das man also zu solchem übertragen tertii consulis laici damals auch
desto besser und leichter kommen können,
So ist droben auch albereit gemeldt, das die hern doctores iind
rechtsgelarten, keine trennung oder neuerung in dem schöppenstuel
suchen, sundern vielmfhr sich dohin aussdrucklich erclereu, das sie
nicht ungeneigt, sich mit den hern Inirger meistern uff die mittel
und wege zuvergleichen, domit sie und die hern burgermeister nach-
mals wie zuvorn in der schöppenstube beysammen, jha auch die
schöppenstube selbst unil ihre hendel aller dinge in ihrem alten und
vorigen stände bleiben mngen.
Das sie sich aber den gerichten, derer sie einsmals erlassen,
Avideruml) nicht verwant machen lassen können, in deme suchen sie
keyne trennung noch neuerung. sundern tliuen disfals allein das-
jhenige, was ihnen rechtswegen gebührt.
Wiewrd aber auch einem adiuncto im cchöppenstuhl allererst
vor wenigk jharen wöchentlicli vier thnler gegeljen worden (do
doch zuvorn ihrer wol drey ader vier adiuncti nicht mehr dan
j herlieh nuhr einhi;ndert thaler gehapt), so wirdt dennoch hinwider
aucli nicht unbillich liedacht, das nuhn etliche jharlaugkhero zwene
laici consules gewesen, welche die hern doctores und recht sgelarte
(in ansehung das sie ihnen in fassung der urteil und rechtsbelernungen
nichts räthlich noch behulfflich erscheinen mngen) mit ihrer schwehreu
grossen muheseligen, auch fort und fort wehrender arbeit beide
übertragen müssen, das also die beide hern burgermeister hinwider
nicht unbillich einen adjunctum gehalden, ob sie nnhn gleich den-
selben in disser geschwinden teueren zeit etwas mehr, dan den
vorigen adjunctis, wie nicht unbillich, gegeben, so ist dennoch dar-
durch den andern hern doctoribus und rechtsgelarten disfals keine
neue gutwilligkeit widerfahren noch einiger vorteil geschaft't worden.
Ferner seint auch die sachen itzo nicht mehr in vorigem stände,
sinthemahl ihnen dasjhenige, was sie hiel)evor vonwegen des rath-
standts einzukommen gehapt, gentzlich abgangen, und dogegen muhe
und arbeit jhe lenger jhe mehr und grösser wirdt, nuhn ist aber
eine gemeine und gewisse rechtslehre: quod ea quae de novo emer-
gunt, novo indigeant auxilio.
Ob auch gleich der itzige neue adiunctus nach zur zeit mit
hundert thalern friedlich, so gibt dennoch solchs den hern burger-
meistern auch nichts zuschaffen, sinthemahl es die hern doctores
und rechtsgelerten mit gemeltem neuen adjuncto uff disse wege ge-
handelt, und dan die ulbrigen hundert thaler ihnen den herrn doc-
toribus und rechtsgelarten auch aus der ursach l)illich zu gute gehen,
das sie dissen, so wol auch alle andere adjuncten, so zuvor sich
des urteilstellens nicht geliraudit, und in den hendeln ungeübt,
etliche zeitlangk mit vleiss abrichten, aucli sunst desto mehr muhe
und arbeit seinethalben hahen, und ertragen müssen, darzu abermals
die hern burgermeister nichts rathen nach helffcn können.
Weiter folget auch gar nicht, die hern burgermeister haben
sich erbotten, den hern doctoribus und rechtsgelarten, von raths und
gerichtswegen , alles dasjhenige, so sie bissanhero gehapt, volgen
zulassen, ergo können die vonwegen der l)eschehnen erlassung des
rathstuels etc. sich nicht vorweigern, dem (rath und gerichten ihr
124 Theodor Distel:
rechtlich bedeuckeii mitzuteiln, nach sich von den gerichten absun-
dern etc. Dan erstlich seint die heru doctores dadurch, das sie vom
rathstande durch den churfursten zu Sachssen etc. und burggraffen
zu Magdeljurgk , unssern gnedigsten hern (der es dan als der lands-
furst und hohe oljrigkeit, auch one einige des raths, als der under-
thanen, einwilligung, gar wol zuthuen gehapt). abgesundert (welchs
ihnen dan gar nicht zuwider), auch der gericht so dem rathstande
anhengigk, in necessariam consequentiam, einmahl gentzlich erlassen,
sinthemahl eine gemeine und gar gewisse lahr ist, quod sublato
principali necessario corruat accessorium, quippe quod per se solum
consistere nullo modo possit. Wie dan ferner auch unmuglich, das
dasjhenige, so einmahl erloschen, durch das angezogene blosse erbiten,
widerumb solte erweckt werden mugen, juxta illud: jus extinctum
non reviviscit; item: a privatione ad liabitum non datur regressus.
Da aber die hern burgermeister oder ein erbar rath sich mit ihnen
uff billiche leidtliche wege vorgleichen wurden , weren sie uff den
fall (wie hiebevor auch gemelt) einem erbaru rath und den gerichten
ihr räthlich und rechtlicli bedencken gntwilligk mitzuteiln, nachmals
nicht ungeneigt.
Weil aber auch kurtz znvorn gesagt, und au ihme selbst nicht
anders ist, dan das den hern doctorn und rechtsgelarten die beschehne
absonderung vom rathstande gautz und gar nicht zuentgegen, so
kan und magk es auch diss ansehen nicht haben, als weiten sie
hochgedachten churfursten zu Sachssen etc. und burggraffen zu
Magdeburgk etc. unserm gnedigsten liern, oder auch dem rath zu
trotz von den gerichten sich absundern, zuforderst weil sie, wie
obgemeldt, solcher gericht hiebevor alliereit erlassen.
Jha, wan sich die hern doctores und rechtsgelarten , widerumb
zu bestelhmg und Vorsehung der gericht, dero sie einmahl erlassen,
widerumb vermugen und gebrauchen Hessen, uff den fall könte und
mochte es bej' hochgemeltem churfursten zu Sachssen etc. und burg-
grafen zu Magdeburgk, unserm gnedigsten hern, diss ansehen nicht
unbillich gewinnen, als gedechten sie sich, seiner churf. g. einmahl
beschehener anordnung zuentgegen, dardurch in den rathstandt, als
deme solche gerichte anhengigk, oblique saltem widerumb einzu-
dringen. Weil sie aber solcher seiner churf. g. gnedigster anordnung
underthenigst zugeleben und zugehorsamen willens und erböthigk,
so kan auch solcher angezogener verdacht wider sie nicht geschöpfft
werden.
Weil aber auch die hern burgermeister und ein erbar rath viel
hochgedachtes churfursten zu Sachssen etc. unsers gnedigsten hern,
nichts weniger, als die verordente hern doctores und rechtsgelarte
des schöppenstuels, underthaneu seint, so ist vernimffti glich zu
erachten, das obgemelte seine churf. g. als der hohen obrigkeit
disfals beschehne gnedigste anordnung, auch one einige des raths
bewilligung (als die disfals gar nicht vonnöten), crefftigk und
bestendigk, juxta illud: Inferior non tollit legem superioris, item:
Par in parem non habet Imperium: nedum inferior vel subditus in
superiorem. Derwegen dan auch die angezogene confirmation des
raths also crefftigk nicht sein kann, das sie unserer gnedigsten hohen
ordentlichen obrigkeit des churfursten zu Sachssen etc., unsers gne-
digsten hern, angeschaffte Ordnung solte hintertreiben oder auffheben
können.
Das aber auch etwau die hern doctores und rechtsgelarte
hiebevorn eine lange zeit beim rath gestanden, solches hat seine
Urkunrlen otc. 125
ui'sach, sinthemahl sie zur selben zeit dem rath auch verwaut ge-
wesen und ihnen demnach aus erheischung- ihres tragenden rathampts
nicht anders gebühren wollen. Disse meynung liats aber itziger zeit,
do sie vom rathstande, und also auch von den geriehten abgesundert,
gantz und gar nicht, und heist derwegen nubnier also: Diversa
ratio reformat actum; item: Culpa est immiscere se rei vel officio
ad se non pertinenti.
Und wollen sich demnach verordente hern doctores und rechts-
gelarteu des schöppenstuels , gentzlich vorsehen, die hern burger-
meister werden vielgemelte vorgleichung zu nachteil des scliöppen-
stuels und demselben anhengiger hendel lenger nicht auffhalten
nach vorschleiffeu, und dan auch die verordente hern doctorn und
rechtsgelarte berurtes schöppenstuels, aus oberzalten und andern
hiel)evor deducirten bestendigen rechtmessigeu hochbedencklichen
Ursachen, freundlich entschuldiget nehmen, das sie sich zu den
geriehten, dero sie einsmals erlassen, zu ihrem selbst schirapff und
unglimpft', wideramb vermugen und gebrauchen lassen solten, welchs
dan (in ansehung, das sie mit solchen geriehten itziger zeit nicht
mehr zuschaften haben) vor keine vorweigerung gehalten werden
kan noch magk, derwegeu sich dan auch keine weitleuiftigkeit doraus
zu befahren, sunderlich angesehen, weil die hern doctores und rechts-
gelarte erböttigk, sich mit den hern burgermeistern in gebührliche
vorgleichung einzulassen, damit die schöppenstub und derselben
hendel allenthalben in vorigem stände und wehsen vorbleiben mugen,
und dan, got lob, im rathstuel viel geschickter und tuglicher leute
verhauden, mit denen, auch one hulff und zuthuen der hern doctorn
und rechtsgelarten, die gericht (wie dan dergleichen in vielen andern
ansehelichen stedten durch gantz Deutschlandt geschieht) gar wol
besatzt und bestalt werden mugen,
Do aber die hern burgermeister oder auch ein erbar rath mit
dissem der verordenten hern doctorn und rechtsgelarten des schöppen-
stuels nicht allein liillichen, sundern auch fast ubermessigen erbieten
(dessen man sich zu ihnen keineswegs vorsehen kan noch wil) nicht
ersettiget sein, sundern dessen ungeacht dissen handel au die hohe
Obrigkeit (dorinneu man ihnen dan nicht ziel noch mass zusetzen
hat) gelangen lassen möchten, so stehet man in der underthenigsten
zuvorsicht, ihre churfurstliche gnaden, als ein hochlöblicher recht-
liebender chttr- und laudsfurst, wurden uff denselben fall die recht-
messige billigkeit darauff zuvoifügen nicht underlassen. Do aber
einige weitleuftigkeit doraus ervolgeii wurde, so könten die hern
doctorn und rechtsgelarte mit guten reynen gewissen sagen und
bezeugen, das sie darzu keine ursach gegeben.
Welchs sie den hern burgermeistern zu gesuchter un vorzug-
licher antwoit, so baldt es ihnen unvorsohentlich furgefallener vor-
hinderung halben muglich gewesen, freundlicher meynung nicht
verhalten wollen.
Ko. 11. \rüi Mai '2'L
Hartmann Pistoris an Rauscher.
Orifjinal (ciffenhänduj) ebenda fol. 84.
Ehicnvhestei' hochweiser heiT buigcrmeister, besonder günstiger
lieber herr scliwager undt gevatter. Es hatt es heutte die gelegon-
heit niclit geben avoIIcu , das ich dci- hcrren cnttliche iiicinuiiii- aulf
E. livv. crcdcruiii!' licttc voiiudimen moiieii. Weil es alicr iiiiclimals
126 Theodor Distel:
allein hierumb zu tliun, ob die herreii doctorn die furgeschlageue
bestailung des siudicats halben annehmen oder aber lieber bei dem-
jheningen wie es hielievor gehalten worden bleiben woltten. so haltte
ich es darfur, es werde dieser punct der anderen getroffenen ver-
gleichung gar nicht abtreglich sein, sondern bey derselben, es ge-
reiche gleich auft' einem oder den andern weg, nichtsdestoweniger
Ideiben. Ist allein an e. hochw. mein dienstliche bitt, sie wolle des
Verzugs keinen misfallen tragen und diese Sachen mittlerweile zum
besten wenden helffen. Das nmb E. hochw. zu verdienen bin ich
iederzeit willig und gevlissen, wuutzsche derselben hiermit eine gutte
nacht und zu der furstehendeu reysen glück, heil undt alle wohlfart.
Den 2i. Mai im 74. ^^ ,
^- ^^- Hartman Pistoris
zu Seusselitz.
No. 12. [1571Juli]25).
Bericht über die zwischen Rauscher und Pistoris gepflogenen Ver-
handlungen.
Konzept (von Rauschers Hand) ebenda fol. 56.
Wofern die hen-en doctores mith der session in den gerichten,
darinnen ihnen irem anzeigen nach als von dem radtt abgesonderten
personen zu siezen nichtt geburen will, vorschonett werden, welchs
dann ein erbar radtt, wofern es bei dem churfui'sten zu Sachsen etc.
unserem gnedigsten herren zu erhalten (darbei dan von radttswegen
aller fleis angewant werden soll), auch kann gescheen lassen, so seind
sie zu erhaltung freundlichs willens rhue und einikeitt, auch zu bei-
legung alles eingerissenen misvorstandtts erbutig, dem radtt und
den gerichten, aller massen wie bisher gescheen, in Sachen, darinnen
man ires rechtlichen bedenkens und erkendnis bedurften wirdt, gut-
willig zu raten und ir rechtlich bedenken zu eröffenen.
Unnd weil sie gleichwol in sachen den radtt unnd die gerichtt
belangende vil muhe unnd zeitt uffwenden, unnd andere hendel hind-
annen seczen musten, so geschehe ihnen auch darkegen nichtt un-
billich eine ergeczung und achteten es dafür, weil sie nun mer
sonsten vom radtt keinen zugang heften, das idem der dreier herren
doctoren jerlichen 40 f. und also allen zusammen 120 f. von radtts-
wegen gegeben werden solte.
Dem nach auch der radtt jezigem zustande nach einen sindi-
cum zu halten schwerlich umbgehen kunte, so weren sie erbutig.
wofern ihnen der radtt zu obbemelten 120 f. eine zulage thi;n wurde,
dem radtt an stadtt eines sindici in allen hendeln, so dem radtt fur-
fallen wurden, zu raten unnd zu dienen, und so dem radtt sachen
fnrstissen, es were uff landtegen oder in andern handlungen, das
mann einen rechtsgelerten vorschicken und brauchen muste, so solte
der herren doctor einer schuldig sein, voun radttswegen, neben an-
dern radttspersonen , oder wie es die gelegenheitt geben muchte,
sich uff solche tage oder handlungen prauchen zu lassen und dem
radtt treulich beizustehen.
Doch wollen sie ihnen furhehalten haben, wider den churfursten
zu Sachsen und die universitet alhie nichtt zu dienen.
25j j)f,y. streit ruhte nach No. 11 fast zwei Monate, wenigstens
finden sich keinerlei Schriftstücke ans der Folgezeit vor.
Urkunden etc. 127
Umid ob ihnen wol hartt endkegen, dass der lehen, welche nun
mer über menschen gedenken beim scheppenstul gewesen, do dannen
und für den radtt soltenn gezogen werden, mith furwendung das
nicht alleine der scheppen auturitet, sondern auch das einkommen
geschwecht und dardurch den scheppen nichtt geringer eingriff
geschee, weil ihnen aber darkegen allerlei zu gemut gefurt, waruuib der
radtt nun mer, bei dieser voranderung, die lehen bei den scheppen zu
lassen nichtt gestatten kunte, so haben sie endlich uff vielfaltige under-
handlung dergestaltt darein gCAvilligett, das es ihnen nicht endkegen
und kunteii gescheen lassen, das der radtt die lehen inn der radttstube
reicheten, dieselben contract auch beim radtt eingeschriben wurden.
Der vorsicheruug halben, welche uff heuser oder andere guter
gemachtt und vorschriben wirdtt, seind allerlei dispatationes furge-
laufen und darauft' gangen, das dieselben auch beim radtt betten
gescheen mugeu.
Weil sie aber straks darauff' beharrett, das solches actus judi-
ciales weren, die far richter und scheppen, wofern sie im rechten
krefftig sein und nichtt disputirt oder darwider erkant werden solte,
gescheen müssen, so ist dieser artikel auch uff' erklerung eines er-
barn radtts gesteift worden.
Und do manu dessen allen einig, solte aller unwill und mis-
vorstandtt genzlicheu uffgehoben und sonsten alle Sachen im scheppen-
stul in vorigen stand pleiben.
Denn 19. Julii hat uö' der rechtsgelerten im scheppenstul begera
mich berichtett, do sie das sindicat uff" sich nehmen solten, das sie vierlei
ausnehmen weiten: erstlich wider m. gst. herrn nicht zu dienen, 2.
wider die univers[it]eten, 3. in hoff'gerichtssachen, 4. uff landtegen etc.
ISO. 13. [1.574 Juli].
Endliche des )-adtts erklerung -'^).
Konzept (von Rauschers Hand) ebenda fol. 52.
Ein erbar radtt will die scheppenstube mith holz, papier unnd
dinten, inn niassen bisher gescheen, versehen.
So ist auch der radtt erbutig, ann stadtt der 40 f., welche der
herren doctor einer jerlichen vonn wegen des radttstuls gehatt, nun
mer dem rechttsgelerten im scheppenstul 50 f. zu geben.
Dem (iberscheppenschreil)er sollen, wie hiebe vorn, jerlichen 47 f.
3 g., desgleichen dem underscheppenschreiber de criminalibus 20 f.
gefolgett werden.
Darkegen sollen die herren doctores inn den gerichten zu
siezen gefreiett, aber doch schuldig scsinn, wie es hiebevorn gehalten,
denn radtt unnd den g^richtenu ideizeitt inn Siichen, dorinnen mann
derer bedenken bedarff, iren radtt unweigerlichen niitbzuteilen. Die
lehen sollen vom radtt gegeben werden, desgleichen die vorpfend-
ungen unndt Vorsicherungen furm radtt gescheen.
Denn 20.-'') Julii hat sich her Ilartmann Pistoris von wegen
der rechtsgelerten im scheppenstul erkleitt, ob es ihnen wol bedenk-
"-**) Diese Erklärung tuurde nach Rauschers Vermerk (Bl.
53h cit.) den Doktoren am 17. Juli durch den obersten Schreiber
(Mag. Ludwig Trucb) zugestellt.
2'') Der Platz, welchen dieser weitere Passus — bis „vorglichen
sein" — einnimmt, lässt darauf schliessen, dass Rauscher das an
der betr. Stelle noch unbeschrieben gewcsoie Rainer bentitzt hat.
128 Theodor Distel: Urkunden etc.
lieh, dasjenige, was lange zeit beim scheppenstul gewesen, davon
komen zu lassen, weil sie aber dem radtt hierinnen keine masse
geben wollen, so stellen sie es ufs radtts vorantwurtung, wollen sich
aber Vdrsehen, was etwan die gemeinen accidentalia als der radtts
vorehrungen anlangett, welche mann bisher ihnen gegeben, die wirde
mann ihn nochmals folgen lassen, desgleichen das kabelhau -s), und
denn scheppenschreiber die 10 f. hauszins, sonsten solte es laut ob-
bemelter artikel gehalten werden.
Dorauff ich gesagtt, das die accidentalia ihnen wie hiebevorn
solten geben werden, das heu aber kunte ihnen nicht gefolgtt werden,
weil es imter die 12 radttspersonen muste geteilt werden; die 10 f.
hauszins solte der scheppenschreiber auch haben; und hierdurch dieser
liaudel genzlich vorgiichen sein.
Do die rechtsgelerten im scheppenstul sich vorpflichten werden,
das sindicat uff sich zu nehmen unnd dem radtt inn rechtt unnd
andern furfallenden Sachen, darinnen mann irer bedurffen wurde, inn
oder ausserhalb der stadtt, desgleichen uff landtegen zu dienen unnd
beistand zu leisten, so soUenn ihnen wegen des sindicats jerlichen
150 f. unnd do der herr senior doctor Badehorn, den gott g-nediglich
lang erhalten wolle, mith tode abgehen wurde, die 50 f., welche inie
bisanher und noch vonn dem sindicat gereichtt, auch gegeben werden.
Signatum 16. Julii ao. 74.
Hierauff haben sich die herren durch hern Hartman Pistoris
erklertt, das sie das sindicat obangezeigter massen ulf sich nehmen
wollten, doch mith dem beding und vorbehaltt, das sie erstlich wider
imsern genedigsten herrn, zum andein wider die nniversitet, zum
dritten in Sachen, so fürs hoffgericht gehorn, zum virten uff land-
tegen dem radtt nicht dienen kunten.
Weil aber der radtt merenteils umb der lezten dreier artikel
willen eines sindici benötigett, so ist hern Hartman Pistoris diese
antwortt geben, das der radtt, so vil das sindicat anlangett, die
herren scheppen domith vorschonen und noch ein Zeitlang zusehen
und mittler weil bedenken wolten, wie dasselb zu bestellen sein muchte.
Domith dan die herrn doctores auch avoI zufriden gewesen.
2«) Gabelheu.
IV.
Archivalische Beiträge zur Eeformatious-
gescliiclite der Stadt Freiberg (1525 1528).
Von
Hubert Erniiscli.
Den früher an dieser Stelle verüffentlicliten Mit-
tlieilungen ans der Eeformationsgeschiclite der Stadt
Freiberg M füge ich hier einige bisher unbekannt ge-
bliebene Schriftstücke bei, auf welche meine Arbeiten
für das ürkundenbuch der Stadt mich aufmerksam ge-
macht haben. Sie sind grüsstentheils dem Freiberger
Rathsarchive entnommen und stammen aus einer Zeit,
in welcher Herzog Heinrich, veranlasst theils durch seine
Stellung zu seinem Bruder Herzog Georg, theils durch
die Bauernkriege, der neuen Lehre mit mehr Fifer ent-
gegentrat, als es seiner Überzeugung und seinem Cha-
rakter entsprach'-).
Zur Geschichte des Bauernkrieges selbst, der Freiberg
nicht unmittelbar berührt hat, war eine Ausbeute im
Rathsarchiv daselbst nicht zu erwarten. Ein Aufgebot
gegen die Bauern vom 26. April 1525 wiid von Möller'')
erwähnt. Ausserdem fand ich nur noch den als No. 1
mitgetheilten Befehl des Herzogs Heinrich vom 9. Mai 1525,
der gleichlautend wohl auch an andere gerichtet worden ist.
0 A'i-rgl. meine Aufsätze: „Herzogin Ursula von Münsterberg"
und „Die Briefe Valentin Einers", in dieser Zeitschr. III, 290 flg.
V, 321 flg.
-) Vergi. diese Zeitschrift V. 327.
3) Möller, Theatr. Ereiberg. chron. II, 182.
ISeucs Archiv f. S. C!. u. A. VIII. 1. 3. 9
130 Hul)ert Ermisch:
Wie unruhig- die dem Bauerukriege folgenden Monate
waren, davon legt das Verbot des Watfentragens, welches
der Herzog- am 5. Juli 1525 erliess (No. 2), ein beredtes Zeug-
nis ab. Vor allem wandte sich die aufgeregte Volksstimm-
ung gegen die Vertreter der allen Lehre. Bekannt ist, dass
am 28. Juni 1525 ein Befehl des Herzogs an den Rath
erging, in welchem die Beschimpfung und Belästigung
der Prediger zu S. Peter und S. Nikolaus sowie anderer
Priester ernstlich untersagt wurde ^). Dass dieser Befehl
nicht besonders wirksam war, ergiebt sich schon aus
einem zweiten ähnlichen Inhalts vom 12. Mai 1526, dessen
Wortlaut übrigens klar andeutet, dass ein Druck von
aussen her die Hauptursache von Heinrichs Verhalten
war (No. 3). Eine um dieselbe Zeit einlaufende Be-
schwerde (No. 4) des Domherrn und Pfarrers zu S. Niko-
laus, Reinfried Gross ■'^), hatte einen weiteren Befehl an
den Rath vom 31. Mai 1526 zur Folge (No. 5), der
in allgemeinerer Form am 8. November 1526 wiederholt
wurde '^).
In der Peterskirche, wo bereits 1524 das Auftreten
Sebastian Küchenmeisters zu ärgerlichen Auftritten ge-
führt hatte'), erregte im Anfange des folgenden Jahres
der Magister Joh. Müller*) durch eine Predigt über die
Jugenderziehung, in welcher er sehr persönlich geworden
zu sein scheint, allgemeüien Unwillen; gegen die ihm
drohenden Angriffe rief er den Beistand des Herzogs an,
was diesen veranlasste, dem Rathe in einem Schreiben
vom 18. Januar 1527 ernstlich den Schutz des gefährdeten
Priesters ans Herz zu legen, allerdings in einer Form,
die erkennen lässt, dass er das Verhalten desselben nicht
durchweg billigte (No. 6).
Einen drastischen Beweis, wie feindselig die Ein-
wohnerschaft der Stadt der alten Lehre gegenüberstand,
gab das Fronleichnamsfest des Jahres 1527. Die
Innungen weigerten sich, mit ihren Fahnen und Lichtern
mit umzuziehen; statt dessen fanden in den Bier- und
4) Vergi. diese Zeitschrift V, 327.
") Vergl. üher ihn Möller a. a. 0. 1, 211. Glross starh übrigens
nicht 1533, Avie hier angegeben Avird, sondern lebte noch 1535, vergl.
Cod. dipl. 11, 12, 626 Z 27 (H.-St.-A. Cop. 96 fol. 56).
f') Möller a. a. O. I, 215. Das Original habe icli nicht auf-
zufinden vermocht.
') Vergl. diese Zeitschrift V, 325.
*) Vergl. über seine Anstellung 1526 Cod. dipl. Sax. reg. II.
12, 618-, dazu Möllei' a. a. (). 1, 210.
Archivalisclie Beiträge zur Reformatiousgeschichte etc. \Py]
Weiiiliimsern Gelage statt, bei denen gotteslästerliche
Spottlieder erschollen. Damals scheint nicht dagegen
eingeschritten worden zu sein. Erst im folgenden Jahre
sah sich Herzog Heinrich zu mehreren Erlassen bewogen,
die dem Verfalle des kirchlichen Lebens steuern sollten.
So wandte er sich in einer Verordnung vom 16. Januar 1528
gegen die Entheiligung der Festtage, die Verletzung der
kirchlichen Fastengebote, den geringen Besuch der Messe
und die frevelhaften Reden, die man auf der Gasse und
in den Schenken vernehmen konnte (No. 7). Ein weiterer
Erlass vom 7. Juni 1528 bezweckte die Vermeidung von
Auftritten, wie sie im vorhergehenden Jahre l)ei der
Fronleichnamsprozession stattgefunden (No. 8) ; am selben
Tage erfolgte eine Verordnung, die sich hauptsächlich
gegen die säumige Entrichtung der den Geistlichen ge-
bührenden Opfer wandte (No. 9). Wie wenig die letztere
gewii'kt hat, geht daraus hervor, dass wenige Monate
später, am 30. Oktober 1528, eine neue Verordnung
ähnlichen Inhalts erging (No. 10).
Wenn wir diese theilweise doch recht scharfen
Befehle durchlesen, so müssen wir unwillkürlich einer
Äusserung gedenken, die Frej^diger dem Herzog Hein-
rich in den Mund legt: er wolle lieber alles tlmn als
schreiben'*). Aus den meisten von ihnen spricht nicht
sein Geist, sondern der seiner lläthe, die der Reforma-
tion feindselig gegenüberstanden^"). Sie mögen eben
deswegen bei Weitem nicht so streng gehandhabt worden
sein, als sie lauteten; trotz ihrer machte die evangelische
Lehre täglich Fortschritte in Freiberg, und als der
Herzog 1537 offen zu derselben übertrat, mochte die
alte Kirche ausserhalb der Klöster nur noch wenig
Anhänger zählen.
No. I. (152.5 Mai !).)
NacJi, de Dl Original im liathsarchiv zu Freibercj.
Von gots genadeu Hainrich hertzoge zu Sachsseiin :c.
Lieben gdtrawen. Euch ist uuvorporgen . wie sicli manch-
feltige entpörunge und uft'rur crhclicn. W'an wir dan nit wi.s.scn,
wohin sich dirselbigen Icnden (a^ic) und richten woHen, wil uns
gebueren, unser thun in gutter achtung, wie ir zum teyl wisset, zu
halttenn. Derwegen bcgeieu wir an euch, ir wollet euere leutte,
") Vergl. Cilafey. Kern der (rcschiclite des Hauses Sachsen 121.
'") Vergl. diese Zeitschrift \', 323 Hg.
9*
1P,2 Hubert Ermisch:
so viel ir derselbigen von uns zu leben innebabt, uifs forde liicbste
mösternn lassenn und gutte uffmergkunge furwenden, das sie mit
barnasch und were, wie ir und sie uns in der volge dinste zu dienen
vorpliicbtet gerust und gescbigkt sein, zu tage und nacbt in solcber
bereytscbafft sitzenn uns uff unser erfordern gepurlicben geborsam
zu geleisten. Doran bcscbiedt zusanipt der pilligkeji: unnser gentz-
liche rnaynunge. Geben zu Freybergk dinstags nocb jubilate anno
domiui ic. XXV".
No. 2. (1525 Juli 5.J
Nach dem Original ebenda.
Von gots gnaden Heinrich hertzoge zw Sachssenn ?c.
Liebenn getruwen. Nacbdeme inn dieseiin leufften bin und
wider fast uffrurigk sich ertzeiget und vill sieb mit den bucbssen
und armbrosten ane binderniß getragen, so hat der bocbgeporne
furste her George bertzog zw Sachssen jc. unser freuntlicber lieber
bruder uud gefatter in rath frucbtparlicb befundenn dieselbigenn
weren in seiner lieb furstentbumb zu vorbitten. Weyll wir dan
seiner lieb meynunge vor nützlich und guth ansehen, will uns
getzymen, das Avir uns inn deme auch mit seiner lieb vorgleicben.
Ist demnach unser begern, das ir eweru undertbanen von unsernt-
wegen ansaget und gebiettet sich der Imchsseu und armbrost ge-
brauebuuge, außgeschlossen was sich zum zcyel zu schiessen aber uff
öffentliche schießböfe ader das unser dinstliche volge erfordert unnd
zuchet, gentzlich zu enthalten. Ap aber ymandts darüber mit solcher
vorbothner were befunden, die wollet inen zu nhemen und sie nach
gelegenbeit der ubertrettuug zu straffen vorfugenn. Euch also und
nicht anders haltet. Darum bescbiedt unser gentzliche gefeilige
meynung. Geben zw Freybergk mitbwocbs nach visitacionis Marie
anno :c. XXV».
No. 3. (1526 Mai 12.)
Nach dem Original ebenda.
Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssen — .
Lieben getrawen. Vorlauffener zeyt haben wir euch zu meher-
malen befolen gutte uffmergkunge zu haben, das wider ordenunge
der heylligen cristlichen kirchen alhier in unser Stadt Freybergk
kein newkeyt, sonderlichen gottes unnd seiner außerweltten lieben
heilligen ehererbiettunge, auch christliche und thugentlicbe auwey-
sunge imd erbalttunge armer einfeltiger leutte betreffende eingefburet
werde, auch insonderheit derselbigen geistlichen und weltlichen
dienern, pfarhern, capplanen und andern ire gewouliche opffergebure
und schuldige zinse unwegerlicheu zu vorrichten. AVir kommen aber
in glaubwirdige erfbarimge, das solch unser befbelich zu vil über-
gangen. Weyl wir uns dan der ordentlichen öberkeyt gehorsam zu
geleisten scbuldigk eikennen, gelanget ahn euch zum Überfluß unser
ernstlicbs begeren, ir wollet unser stadt einwoner alhier in vor-
samlunge voriger und itziger unser befbelich öffentlich erinnern und
inen gebietten eynicherley newkeyt Avider ordenunge christlicher
kirchen nicht vortzunhemen bey voi'meydunge schwerer straft' leibs
und gutts. Und a]) wir zu viel gedult biß anbeir getragen, wyl uns
forder ane merglichenn nacbteyl solebs nicht getzymen. Darumb
sich darauff gar nit haben zu vorlassen mit vorwarunge, wan wir
nit straffen wuiden. mochten inen kurtzlichen dennoch gepurliche
Archivalisclie Beiträiie zur lieformationsgeschiclite etc. 133
abweuduiige irer vorhanclelmig'en liogegiieu. Das w olteu wir giiediger
wolinaj'nunge aitcli -woenach zu richten nicht ]iergen. Geben zu
Frej'bergk sonualients noch der hj'melfart Christi anno domini ;c.
XV^' sechs und tzwantzigsten jare.
Aufschrift an den Bath zu Freiberg.
>o. i. (1526 vor Mai 31.)
Nach dem Original ebenda.
DurchUxuchter hocligeborner fürst, gnediger herr.
— — — Sinttmols ich von e. f. g. auß gestrackttem und
ernstem befelhe gegeben (wie wohl mir gantz schwerlichen und
meynes alters auch leiplichei- sterck) hinfurt unmogliclien dy jjfarre
zcu s. Niclaus zcu regircn Avidder ein zceit anzcimehmeu, wellichs
ich mich gnediges gehorsam biß anher gehaldenn und vill auch
mancherley derhalben erduldet und erlyden, wde den oifeutlich am
tage und unnotlien alle stuck zcw erczelcn, adder inn besunderheit
gelj ich e. f. g. clagen ■will zu vermelden undirthenig etzlicher ge-
brechen, so sich erej^gen inn der kirchen zcu s. Xiclaus. an wellichenn
sich das volck wochlichen groß ergert, als der geczeitten unßir lieben
fraAven, ouch der messen gottliciien ampts, dann die eylendt und
schnell auch voisewmlichen gehalden werden, und kommen dolier.
das die vorstehir des altars sich nicht halden lauts der confirmation,
das man das .ministerium beute virginis keynem leyhen sali, er sey
denn priester adder uft's wenigste inn eyn jar priester werden sali.
Solchs iczt übergangen und ungehalden wirt, besundern mitt myttling
bestellet, ouch personen coralen und priestern auifnemen an meynen
bewuhst, das sie ouch andern bet'ell haben von e. f. g. rethe, dodurch
die personen wenig und gar nichtes uff eynen pfarrer geben und
alles noch yrem gefallen machen. Sie stehen auch iim den gestulenn
priester und chorales anc chorröcko und zcirheitt, wie sich denne
geburt zcu haben. Auch seint die zcinße des i)redigstuls lautt der
confirmation bißher noch nicht angezceigt noch die brieff uberanttwert
inn gewieße Verwahrung zcu legen, wie woll mir von ynen viel-
mals zeugesaget aber nicht gescheen. Dieweill es dann eyn nawe
stifftung des predigstuls ist zcu der ei'e gottes und Seligkeit der
menschen auffgericht und nicht widder fallen mocht adder abenehmen.
dodurch togentliche prediger nicht erhalten werden mochten und das
wort gottis nicht geprediget, hat e. f. g. woll zcu bedencken, Avas
guttis hirauß erwachßen wurdet. Ist derwegen an e. f. g. meyne
gantz unttirtenig bitt, e. f. g. als ein cristlicher fürst wollen gne-
diyliche eynsehung solche beschwerung wie angeczeiget beht'rtzen
und vorschaifen gcAvandelt zcu werden, domitt die ere und dinste
gottis loblichen mögen eibalden Averden. Das Avill ich umb e. f. g.
langes lebeun und gluckselige regiruug gegen got zcu vorbittenii
und Avilligcn gehorsam diensten allezceit geflisscn sein zu vordynen.
E. f. g. undirteniger capi)lan
Reffridus Groß magister
pfarrer zcu s. Nicolaus.
No. 5. (15-26 Mai 31.)
Xadi dem Original ebenda.
Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssenu n\
Lieben getrawen. \\"as beflieliche Avir euch liie\'or die christen-
liclic oi'denunge Ijelangende gegeben und sonderliche gutte uffmerg-
134 Hubert Ermisch:
kung'e zu habeu, das die gütliclieu ampter und diiiste iu unser stadt
alhier getreulich und vleissigk gehaltten werden g-ottes zorn und
aiich andere fharligkeyt, so ane das uns uund unsern luiderthanen
tliut drawen, zu verhütten, seiudt ir untzwej'ffelich wol eingedengk.
geutzlicher vorlossunge, ir werdet euch darynnen schuldiges gehor-
samen vleisses entzeigen und haltten. Deme also noch gelanget
unser hegern an euch, ir wollet uff hierin vorwartte supplicacion
mit den Vorstehern und kirchenvettern zu sant Nigklas, so diß be-
langet, vorfugen und geburlichs einsehen lurAvenden. uff das die
göttlichen dinst unnd ampter nicht mit niytlingenn, sonder in aller
massen und gestalt, wie die erstifftet und bestettiget, mit ordenlicher
herligkejt und ehererbiettunge gottes und seiner ausserweltten
unverpruchlich gehaltten imd sonderlich dem prediger gewisse zinse
angetzeiget. auch die priester i;nd chorales also auffgenhomen werden,
das sie sich kegen dem pfarhern, so Avir dohin bestellet, zimlichs
gehorsams beweysen. uff das Avir ferner eiuseheus sie auch gebur-
licher vorAvirgkter straffe mögen vorschonet bleiben. Dorau geschiet
unser gefellge mavnunge. (leben zu rrevl)erg am tage corporis
Christi an XXYI"."
Aufschrift an den Eath zu Freiberg.
IVo. 6. (1527 Januar 18.)
Xach dem Original ebenda.
Von gots genaden Hainrich hertzoge zu Sachssen.
Lieben getraAven. Es hat der Avirdige unser lieber andechtiger
und vorordentter pfarrher alhier zu sant Peter etzliche bescliAverunge,
die ime seins achtens uuvorschuldet und Avider die billigkeyt be-
gegnet, ahn uns clagende pracht. Avie ir Inhalts zu vorneiuen. Die-
weylle denne gemeltter pfarher die Avort, der sich etzliche junge
leutte angenhomen. niemande zu vorunrechtunge , sondern alleiue
die eitern zu togenthafftiger zucht ii'er kinder und die jogent zu
abschaAven von bösen handeln und untogcnt zu bewegen uff' der
cancell geredt, auch dartzu erbüttig, ap inen imandt darüber an-
sprechen Avolte, mit demselbigen vortzukomenn und unser Aveysunge
darinnen zu gCAvartten. ist unser begeren, das ir obbenantten unsern
vorordentteu pfarhern kegen menniglichen vor gewalt und unrecht
getreAvlich und vleissigk (Avie ir auß A^orwantter pflicht schuldigk)
hanthabet und schützet, auch dei' gemein solchen unsern befhelich
antzeigt mit vermeldunge, das wir inen allen imd einem iden be-
sondern zu iren zuspruclien. so sie Avider den pfarhein mit guttem
grivnde gehaben mögen, uff' ir ansuchen vorbeschiedt unnd notturftige
vorhöre gestatten und alle rechtliche billigkeyt darinnen i)flegen
Avollen. Wirt aber imandes darüber seinen ubermut üben, des sal
er rechtlicher straffe bey uns nicht mangeln. Darnach sich zu richten
habenn. Geben zu Freyberg freytags nocli Anthonii an XXA'II.
>o. 7. (1528 .Januar 16.)
Nach dem Original ebenda.
Von gots genaden Hainricli hertzoge zu Sachssenn n'.
Lieben getrawen. Wir haben euch unsere haymlichen rethe
lieben getraAven und andechtigenn hern lludolffen A'on BunaAv ritter
hoff'meistei- und Georgen von Rotschitz. cantzlern antzeigen lossen,
Archivalische Beiträge zur Ilefonnationsg-eschichte etc. 1 35
das Ulis vorkominen, wie etzliclie unsere uudertbaue alliier zu Frey-
bergk sich untterfaiigen die fest und feyerlichen tag-e gottes uiid
seiner lieben lieillioeun, die von der cristenlicheu kirelien Toiordeut
und außgesatzt, mit handtarbeyt uund allerley hanttiruuge mutwilligk
und ane notb zu vorbrechen, desgleichen an vorbottenen tagen fleisch
zu essenu k.. mit befhehel, solchs bey A'ermeyduiige unser ungenade
abtzuschaffeu und die vorbreclier zu straffen. Darauft' uns heutte
dato euer antwort diß vormögens einkommen, das ir dovoii nit wissen
trüget und euers vormuttens möchte sich das bey etzlichen vielleicht
daraus georsacht haben, das die prediger die heilligen und fasttage
uff den cantzlen nicht vorkundigen und das gemeine volgk, weß sichs
hieriime zu haltten, nit underweisen. Lassen wir dieselb euer aut-
wert ahn iren wirden :c. Wauii uuns denne darüber och vorge-
tragenu, das viel unser underthanen alhier die aniptter des götliclien
Worts und heilligen messen, darinnen der weg der seligkeyt gelernet,
das leydeii Christi und unser erlöesunge betrachtet, auch andere
lieylbare uiind heillige sacrament vorachten, got und seine ausser-
weltten lieben heilligenn mit gar vielen untzimliehen scheltwortten
fluchen und schAveren öffentlich uff' der gassen in hier- und wein-
heusern schmehelichen lestern imd viel andere imtugent und boßheit
ulienn, also das es christenlicheu hertzeu wer schmertzlich zu erfaren,
dan auß solchen suntlichen und sehentlichen begynnen unns und
auch unsern underthanen von dem almechtigen gote tuid auch von
unser ordentlichen obrigkeyt mergkliche grosse uuvorwintliche be-
schwerunge und noehteyl befaiiich erwachsseil und zufallen möchtenn,
des wir euch auß gnediger wolmaynunge vorwarnet, und ist <ler-
halben nochmaln unnser begern, das ir mittelst euer pflicht, domit
ir ims vorwandt, gittten vleis und sorgfeldigkeyt furwendet, uff' das
alhier Avider gestaltte ordenunge gantzer cristenlicher kirchen und
samlunge keine nawykeyt fuergenhomen, eingefhuret nach vorstattet
und Avidei' diejlienigenn, so sich einicherley newerunge widder ge-
nieltte christenliche ordenunge understehen, mit geburlicher straäe
vorfaren werde, wie wir uns zu euch gentzlich verlossen. Woe ir
aber daiinne seumig befunden, werden wir georsacht, uff geburliche
Wege darkegen dermossen zu trachten, darauß zu vorinergken, das
uns solch begynnen als einem cristenlicheu fursten nit leidlicli itnd
doran keinen gefallen tragen. Wolten wir euch in gnaden darnacli
zu richten nit pergen. Geben zu Freyberg doriistags Marcclli
anno :c. XXVIH".
Aufschrift an den Rath zu Freiberg.
>'o. S. (I5'-'S Juni 7.)
XacJi, dem Original ebenda. Das Konzept im HauptstaatsarcMv
ZK Dresden (Cop. 95 fol. 10 b.)
\'on gors gnaden Hainrieb hertzogk zu Sachssenn ,h'.
Lieben getrawen. Wir seindt in glawbwirdigk (>rfaruiige
komiueii, das ytzo vor einem jare etzliche zwiiffte und haiidtwerge
uff den liailigeu fronleichiiams tage unsers scliöppfers und erlöst'rs
Jliesu Christi nach althergebrachtter ordenlichn christlicher und
löblicher i'ibuiige und gewunlieit mit iren lichtten und kertzen vor-
eehtlich nit uiiiiigangen, uueli etzliche in hier- uiind weinhewsern
sich über die massen gefüllet, unzüchtige gescnge, geschrey und
scliimpffliehe gcberdc gebraucht liabeii, alles zu selimeelicher vor-
13G Hubert Ermiscli:
aclittuiige u'ots des almechtigenii. dodurcli sein götlirlier zoni sorg-
lichen erregett. Welchs miß alß einem christenlichen fürsten zw-
zwsehen und zu vorstatten gar nit gezimpt, tragen dorap ouch nicht
unliillich sonderlichs vordrißliclis raisfallenn. Derhalben wii" ernst-
lich Viegerenn, ir woldett mit allenn zuniften und handtwergern vor-
schaffenn, Avan die procession mit dem hayligen fronleichnam ixnsers
herren Jhesu Christi gehakten , das sie sich mit iren kertzen, lichtten
und fanen in christlicher ubunge in stillem fridsamen wandeil mit
schuldiger erherliiettmige gote danckhar ei'zaigen, dorneben vor
alles, das in der gantzen clnistuhait luid im hailigen Römischen
reiche von nütten und sonderlich umb guedigeun iVidoii und einickait
von dem almechtigen getrewlich bitten helffen, und darneben zu
vorfügeu, das ]>innen zeit der götlichn amptter und untter der ge-
meltten procession in bir- \ind weinsclienckenhewsern keine zeche
gehaltt enn werde. Ap aber imauds wider solchs unser gebott mit
schimpfflichn ader spötlichen geberden in wortten ader wercken sich
einzwlossen understwnde, das der ader die sich unzimlichen mwt-
willens irntteriingen zw gefencknis bracht und ane gelmrliche straffe
der ordenlichen rechte nach gelegenhait eins itzlichen vorlirecbungc
dorauß nit gelossen ader uns zwgestalt Averdenn. Das alßo und
nicht anders bey vorhuttuuge unser Ungnade halttett. Dorahn ge-
schidt unser gentzliche meinunge. Geben zw Freibergk sontags der
liailigenn dreyfalttickait anno domini ;c. XXVIII.
No. 9. (15-28 Juni 7.)
Nach dem Konzept im HaiiptstaatsarcJdv zu Dresden (Cop. 95 fol. 1 7).
Bürgermeister und rathe zw Freybergk.
Lieben getrawen. ünß ist manchfeltig vor])racht, das unßer
underthane alhier zw Freybergk arm und reich denn pfarhern und
seelwartteru ir schuldig opffer vormcssenlicli vorhalten, daraus er-
volget, daß wir die pfarlehen. so uns von dem wolwirdigen capittel
Unser Lieben Fraweu stifftkirchen uiisern lieben andechtigen auff-
gelossen, mit tüglichen seelwertern nicht möchten Vorsorgen und
also alle gancze ader hallie jare nawe pfarrer suchen musten.
welchs dem armen einfcdtigen volke zw abbrach christenlicher under-
weisung und niclit kleiner beschwerung irer seien gereichen wurde n'.
Dieweil danne sulch opffer von gütlichen und menschlichen rechten
den pfarhern und seelwartteru geburet, haben wir euch zw mehr-
malen befolen entrichtunge desselbigen inen zu verschaffen, wie wir
uns darauff und das ir euch darinne schuldigs gehorsams vorhalten
soltet genczlich vorlossen. Weil wir aber, das es von euch unacht-
sam übergangen, befunden, habt ir zw bedencken, was gutts gefallens
wir darop tragen mögen. Derhallien wir begeren, das ir in einer
iden pfarren von eins itzlichen wirttes und haußgesindes personen,
die in czehen jaren imd darüber seindt, ein eigentlich voi'zceichnus
machen losset und sulchs in unser cauczlei forderlich überreichet.
Alßdanne wollen wir mit czeittigem rathe darauff trachten, das die
scliuldigen opfferpfenuige einkommen und die pfarher und seelwertter,
der wir zw förderunge unser und der unsern selikeit niclit entperen
können, mögen erhaltten werden. Und ist sulchs unser entliche
meynung. Datum ut supra [Freybergk sontags der heyligen drey-
faltikeit anno domini :c. XXVIIF].
Arcliivalisclie Beiträge zur Reformationsgeschichte etc. 137
>o. 10. (1528 Oktober 30.)
Nach dem Konzept ebenda (fol. 5Sb.)
Bmgenneister und rathe zw Freihcrgk.
Liehen getraweu. Die Römische kej-serliche majestet \inscr
allergenedigister herre hat in vorgehenden jaren allen nud itzlichen
geistiichen und werntlichen tüi'sten und stenden des heiligen reichs
durch öffentliche orer kej'serlichen majestet edict und geltotshiicflc
hey Verhüttung orer niajt. unginide, entsetzung aller eren, wirdcn,
stanfls, regalien und Privilegien, so sie und ein itzlicher in Sonderheit
vom heiligen reich cntpfangen und zu erkennen schnldisr. auch vor-
meiiluug anderer straffen in den heiligen recliten und itzogedachtcr
keyserlicher niajt. hrift'licher ankündigung hegriffeu und außgedruckt
seindt, ernstlichen geboten, in iren fiiistenthumlien, landen, öhirkeitcn
und herschafften keine newikeyth, die von gemeiner christenliclien
kirchea nicht api»robirt, zwzwlasseu, ahuzunehmen adder zu vorstaten.
sondern sich der gemeinen christeidn'it hestetigten und bewereteu
ordeimng in underthenigem gehorsam zu vorhalten, bis so lange
durch ein gemeins chi istlich concilium. des wir uns kürczlich vor-
trösten und teglich des ausschreiliens gewartten, zimliche anderunge
der misbreuche halben gt'machet. Weil dan sulches gebot uns als
einen fursten und glydt des heiligen reichs mitte belanget, haben
Avir euch nud andern unsern underthanen dieselhigen keyserlichen
mandat durch unserer rethe ansage und auch vilfeltige schriff'te
publicircu und anzeigen lassen, wie ir euch deß wohl werdet erinnern
und der unwissenschaft mit nichte entschuldigen mögen :c. )So nue
zw melier maheln uns clagen vorkommen, das sich etzliche in vor-
achtung irer pflicht und auß mutwilligem ungehorsam viler newikeit
alhier vleissigen und den sehehvartten ire schuldige gerechtikeit und
besondern uff' die höchsten festa und feyertage die oppfferpfennigc
nicht reichen :c., euch solche Vorenthaltung den götlichen geboten
und weltlichen rechlen entkegen, darop von gote und weltlicher
öbii'keit beschwerUche straffe und nachteyl zw befliaren, ist unser
genczlichs liegeren. das ir arm und reich alhier in gemeine uff'
morgen Sonnabend vorsamlet, inen allen semptli^h xmd sonderlich
von unsertwegen ernstlich gebietet keyserlicher majt und unsern
geboten vori)flicliten gehorsam zw geleisten, kein newkeit zw suchen
noch einzufüri'n und ein itzlicher haußwirt vor sich, seine kindcr
und liaußgesinde, die binnen czehen jaren alt und inen der heiliucn
sacramcnt als Christen menschen zw gebrauchen gebüi'ct. den pt'arhern
uif zwkünff'tigen allerheiligenfest und oppfertag vor ide person einen
gutten nawen czinspfennig Sechsischer gangkhafftiger alhier vor-
ordenter fürstenmüntze uff dye altaria adder den pfarhern in ore
behausunii' reichen und entrichten, sulchs uit anders halten, und das
diß also geschee euer voyth und diener nach gestalten! vorczeichnussc
uffmerkunge haben lossendt, wie wir ahne das och zw bestellen
iK'dacht, und Avelcher darahn seumig, der sali hernach das o])i)fer
seinem pfarhei'u tz\\('ifac!i zalcn und unser zimliche straffe nicht
entgehen. Sich darnach wissen zu richten. Datum freytags mich
Simonis Jude ao. XXVIII.
V.
Kleinere Mittheihmgeu.
1. Handschriftliches zur Genealogie der Wettiner.
Von L. Weiland.
Die imclifolgeiiden Notizen habe ich vor Jahren
aus der Handschrift der Dresdener BibHothek J 53 ab-
geschrieben, welche früher Liber hibllotliecae Oscha-
ciensis war, also wohl dem Barfüsserkonvent in Oschatz
gehörte^). Diejenigen unter I. stehen auf der Rückseite
des Vorsetzblattes, die unter II. füllen den freien Raum
hinter der Vorrede des Martin von Troppau auf fol. -1.
Die Einzeichnungen waren sehr verblasst und schwer zu
entziffern, wenn ich mich recht entsinne, nur durch An-
wendung von Chemikalien, und nicht alles wurde heraus-
gebracht. Ob die beiden Theile von verschiedenen Schrei-
bern herrühren, habe ich nicht angemerkt; nach dem
Inhalte scheint es aber fast so. Ob bei dem ersten
Theile die Schreiberverse das Jahr der Eintragung der
ersten Hälfte, 1357, bezeichnen, ist zweifelhaft. Heisst
in der zweiten Hälfte der Markgraf Friedrich der Ernst-
hafte noch dominus noster. so ist man hierdurch wohl
nicht genöthigt Einzeichnung vor seinem Tode 1349 an-
zunehmen; gegen Ende erscheint ja noch die Jahres-
zahl 1350. Der zweite Theil mag wohl in derselben
Zeit geschrieben sein. Unter demselben steht zwar
Anno domini 1398 in vigilia sancti Frmidsci confessoria,
die Jahreszahl in arabischen Ziffern, doch deutet nichts
1) Yergl. über diese Handschrift Falkeu.^teiu, Beschreibung
der kihiigl. öftentl. Bibliothek zu Di'esden (1839) S. 336, Herschel
im Serapeum XA^ (1854), 234 flg., Schnorr v. Carolsfeld, Katalog
der Handschriften der königl. öffentl. Bibl. zu Dresden II (1883), 31.
Kleinere Mittheiluugeii. 139
auf so späte ALfassmig'. AValirsclieinlicli ist, dass die
Einzeichnnng'en im Kloster Oscliatz selbst gemacht wur-
den; schwerlich ist wegen des Schlusses von I. an den
benachbarten i^onnenkonvent Seusslitz, der gleichen
Ordens war, zu denken. Sehr viel Neues ist ja diesen
Notizen wohl nicht zu entnehmen, doch mögen sie viel-
leicht einige Daten bestätigen oder korrigieren, die man
seither nur aus späteren Autoren kannte. Ich möchte
vor allem aufmerksam machen auf die Geburtstage und
Geburtsorte der Kinder Friedrichs des Ernsthaften.
Erstere weichen von den rezipierten mehrfach ab. In
den Anmerkungen habe ich nur das AUernöthigste aus
Cohn's Stammtafeln zur Erläuterung beigefügt und an-
gemerkt, wo diese abweichende Angaben haben.
I.
Anno doniini MCCLXXII doniiue intraverunt claustrura Suselicz.
Anno (lomini MCCCL fuerunt LXXVIII anni.
Spalte a.
Hen|ricns] marcliio Missnensis oliiit anno doniini MCCLXXVIII.
AUjeitus-) obiit aiuio domini MCCLXVIII.
Theodei'icns '^j obiit anno domini MCCLXXXV. Helena uxor ejus.
Fridericns Clcnimc anno domini MCCCVIII-*).
Donnia Agnes uxor Hen[rici] oliiit anno domini MCCLXVIII.
Domna MechthiUlis ') anno dnnüni MCCCXLVI.
Fridericns niarehio Missnensis obiit anno domini ]\LCCCXLIX").
Et genuerunt IX pueros, qninqne tilios et IUI filias.
Filie: Elisabet, Jieati'ix, Anna, Clara.
Filios : prininm Fridericnm, II. Frideiicum. III. Balthasar, Uli. Lu-
dewioum, V. dictum W'ilhelmum.
Spalte b.
Fridericus ■') anno domini MCCCXA^I. Et Elisabet mater predicti
Clemmonis ^) MCCCXXXIII.
-) Abertus Ih. Alhrccht der I^/i(irtl(je starl) übrigens 1314.
3) chod' .//.s.
^) Friedrich der Kleine f 1310 ; unten icird sein Todesjahr
richtifj angegeben.
^) Getnahlln Friedrichs des Ernsthaften.
") Dahinter ist ausgestrichen: et domna Meclithildis anno
domini MCCCXLVI.
"') dem oder der Kleine. Durch einen Querstrich (irrthüni-
licJi) mit Theodericus icnd Helena vertiundcn.
-*) clemois J/.s. Et — MCCCXXXIII ist ein Zusatz von
((ndenr Hand.
140 KUniiere 3Iittheiluiiycii.
Thiceiuan anuo domiiii MCCOVII»).
Hen[)icusi] anno clomini ^'^).
Fridericus elaudus anno domini").
Marchio Tute anno domini MCCCXCIX^^).
Helena mater ejus uxor Theoderici'") aimo domini MCCCIII.
Zcu lone suUit ir mich nuwe cleidin, das uch got behüte for
allim leide, anno domini MOCCLVIP. Quod fiat sine dubio i*).
Fi'idericus^"') dominus noster duxit filiam Ludewici imperatoris
et genuit V filios : Friderieum primura in Rochelicz, sepultum in
Misna in summo'") anno domini . . .^"); Friderieum II"i Dresden in die
S. Burkardi a. d. MCCCXXXIl i"); Balthasar ITI^i'" in Wisinfelcz in
die sancti Thome i"') anno domini MOCCXXXYI ; Ludewicum IIII>"" in
Wartberg Mathie^«-) anuo domini MCCCXL; Willielmum Dresden
Lu octava Christi-") domini nostri anno domini MOCCXLIII. Item IUI
filias: prima Elisabet in Wartberch in die sancte Cecilie-i) anuo
domini MCCCXUX ; Beatricem secuudam in Wartberg in die sancti
Egidii") anno domini MCCOXXXIX; Anna et Clara IIL-^ et Ulla
in Dresden Douati^-) anno domini MCCCXLV.
Domna Beatiix vestita est in Suselicz anno domini MCCCL
anno iiifra octavam nativitatis sancte Marie -^), domna Anna anno
domini MCCCXLV in divisione apostolorum -■'"') et veuit cum sua
nuti'ice ad claustrum.
Proviucia Saxonie habet loca fratrum XC. custodias XII, loca
dominarum VII. Bohemie loca fratram XLII. custodias VII, loca
domiuarum XI. Austrie custodias VI, loca fratrum XX, loca domi-
narum XIIII. Ungarie custodias VIII, loca fratrum XLIIII,
dominarum IUI.
II.
Incipit genealogia-'*) principum Misnensium per annos sancte
Hedewigis.
Cunradus Misenensis et Orientalis marchio cum fratre suo
'') Durch einen Querstrich mit domna Agnes «. -s. w. verbunden.
^") Das Jahr fehlt.
") Das Jahr fehlt. Durch einen Querstrich mit Theodericus
imd Helena verbunden.
^-) Vielmehr 1291. Marchio bis hierher: Zusatz von anderer
Hand.
1^) Thd Hs. Die letzte Zeile ein Znsatz von anderer Hand.
^*) Diese (von anderer Hand nachgetragenen) Verse bedeuten
nach Ilerschel a. a. ().. dass für 1.357 eine neue BeMeldung des
Seusslitzer Altarbildes beschlossen war.
i-"^) der Ernsthafte f 1349. i«) sc. choro.
1') 14. Oktober; nach Cohn: 6. Oktober 1331.
18) 21. Dezember, ^o) 25. Februar.
-") 1. Januar; Cohn: 19. Dezember.
-') 22. November. Die Jahreszahl ist sicher falsch; Cohn
giebt 1332, was aber, wenn Friedrich der Strenge vnrklich am
20. August 1332 geboren sein sollte, auch Glicht riclitig sein könnte.
2-) 1. September. -^) 7. August. -^) 15. September. -^) 15. Juli.
-") gen^olia Hs.
Kleinere Mittheilungen. 141
Tlieotlerico -') fundaverunt claustrum cauonicorum regularium in j\loute
Sereno, et habuit uxorem nomine Lntart, de qua gennit VI filios et
tot Alias. Primus Tlieodcricus fnndavit monasterium Dobirlng'.
Secundus Thedo, avus sancte Hedewigis, fundavit Zcilleu
Tercius-'') monasterium sanctimonialium. Quartus Otto Missnensis
et Orientalis marchio fundavit Cellam sancte Jlaric; habuit uxorem
Hedewigis liliam Alberti ducis Saxonie-") ot habuit duos filios.
Primus Albertus, secundus Theodericus qui duxit filiam lantgi-avii
Hermanni et genuit ex ea Hen[ricum] den mildin''"), qui fuit Miss-
nensis et Orieutalis marchio etc. Et iste Hen[ricus] habuit in nxores
primo Constanciam filiam ducis Austrie, de qua nati sunt dno filii:
primus Albertus lantgravius Thuringie, secundus Theodericus mai'chio
de Landesberg. Hen[ricus] secundo Agnem de claustro Präge '^i).
que mortua est sine berede; tercio Elisabet matrem Clementis "-)
domini in Dresden. Albertus primus fijius Hen[rici] duxit uxorem
Margaretam Friderici secundi imperatoris, de qua habuit III filios.
Primus Hen[ricus], secundus Fridericus, tercius Thitemannus. Pi'imus
Hen[ricus] duxit uxorem Hedewigis filiam ducis Slesie, ex qua
habuit Anelant""). Secundus Fridericus marchio duxit Agnem filiitni
ducis Karintie, et habuit ea Fridericum et obiit sine berede ■■').
Tercius Thitemannus lantgravius Thu[i'ingii' | duxit uxorem Mariani '^•'')
filiam Bertoldi de Henneberg. Theo<lericus de Jjandesberg secundus
filius"*') duxit Elenam filiam marchionis ^"'J^ de qua genuit
Fridericum nomine Tute, qui duxit filiam ducis Bavarie et obiit sine
berede. Alberti secundus filius Frideiicus aliam duxit'''') uxorem
filiam comitis de "'■'}, de qua liabuit 11 filios F Miss-
nensem et Orientalen! "^), qui ultra habuit II filios Fridericum clau-
dum et Fridericum . . , .").
-'•) Vielmehr Dedo.
-^) Heinrich. Die richtige Altersfolge ist aber: Otto, Diet-
rich, Dedo, Heinrich.
-") Vielmehr Albrechts des Bären.
^'^) Gewöhnlich der Erlmichte (jrnannt.
'*') Agnes war die Tochter König Wenzels I. von BöJnnen ;
führt sie den Beinamen vielleicht desshalb, weil sie indem Klarissen-
konvent zu Prag erzogen icar. den ihre gleichnamige Tante qc-
stiftet hatte i'
''^-) Friedrich genannt Clem oder der Kleine.
•^^) Heinrich bekommt selbst gewöhnlich den Beinamen „ohne
Land" ; sein Sohn hiess Friedrich.
^) Friedrich der Lahme f 1315.
'•^) Geivöhnlich tvird sie Jutta genannt.
"") Heinriclis des Erlanchten.
^'•) Brandenburgensis.
'■'''^) Hs. iriederholt hier aliam.
•'") Hs. scheint hier Marasav zu haben ; die zweite (rcmahlin
Friedrichs des Freidigen ivar FJisabeth. Tuelder Ottos vonArnshaug.
'") Aus der zireiten Ehe Friedrichs des Freidigen ist nur
ein Sohn bekannt, Friedrich der Ernsthafte geb. 1310 f 134'J.
") Friedrich der Ernsthafte hatte zwei Söhne seines Namens,
einen, geb. und f 1330. dann Friedrich den Strengen, geb. 1331,
f 1381. In der Hs. folgt noch eine unleserliche Zeile; an deren
Schluss steht etc. K9 an. a.
142 Kleinere Mittheilnngen.
2. Zur Geschiclite der Freistellen bei der Laiides-
scliule zu 3Ieissen.
Von Beruh iird von Schönberg.
Auf mehrfach geäusserten Wunsch folgt hier als Nach-
trag zu memem Aufsatze „Zur Entstehungsgeschichte
der städtischen und adeligen Patronatsstellen in den
sächsischen Landesschulen" (in dieser Zeitschrift Bd. VII
S. 60 flg.) noch eine gedrängte Darstellung der bei den
Freistellen in der Landesschule zu Meissen stattgefun-
denen Wandlungen.
Das dort S. 84 erAvähnte Reskript vom 3L Juli 15ö7
bestimmt :
Erstlich wollen Wir vor Uns in solcher Schulen 4 Knaben zu
benennen haben.
Die vom Adel sollen aus ihren Geschlechtern zu benennen
haben 24 Knaben, nämlich 6 die von Schönberg- zu Heinsberg, 2 die
von Schünlterg zur Xeueusorge, 3 die von Schleinitz. 2 die von Miltitz.
2 die von Housberg, je 1 die Karas zu Keinhartsgrimma, die Ziegeler.
die Spiegel, die von Karlowitz, die von Starschedel, die Pfluge, die
von Lüttichau, die von Bünau, die von Breitenbach [zusammen 9].
Unsere Städte sollen zu l)enennen haben 42 Knaben, nämlich
5 Neuen -Dresden, 1 Alten -Dresden. 7 Freiberg. 1 die Knappschaft
daselbst, 3 Pirna, 5 Sanct Annalierg, 4 Meissen, je 1 Altenberg, Grlas-
hütte, Gottleuba, Lommatzsch, Ortrand, Zahna, Brück. Ximegk, Giess-
hübel, Grüuhain, Schiettau, Zwönitz, Eosswein, Siebenlehn, Xossen.
Penig [zusammen 16]. ...
Weil auch viele arme Priester um Einnehmung ihrer Kinder
ansuchen, so wollen Wir dersell»en 10 Knaben in solche Schulen zu
benennen haben. . . .
Summa der vorgesetzten Knaben: 80.
Solche sollen in dieser Unserer Schule mit Kost. Lager. Trank,
Herberge und Lehre, aiich der Kleidung. Avie vor dieser Zeit, bis
auf Unser Wiederabschaifen derer, so die Benennung nicht haben,
unterhalten, w-enn sich aber die sechs .Tahre enden, Uns solches zu-
geschrieben werden. . . .
Darüber sollen 20 Kostknaben in dieser Schule gehalten, und
von jedem jährlich 15 5L, als jedes Quartal 3 3L 15 gr. 9 /S»., ge-
nommen, und sie dagegen den andern Knaben gleich unterhalten
werden. Als etc. [Es folgen 24 Namen.] Thut 24 Knaben.
Unter solchen sollen 4 Knaben, welche die unvermögendsten
Eltern haben, als Famuli bis zur Endung der 6 Jahre, die anderen
20 aber, wofern sie zum Studio geschickt, um das Kostgeld bis auf
Unser Abschaifen in der Schule gelitten werden. Und ob hierüber
einige Knaben Überlei. denen soll förderlich aufgelegt werden, die
Schule zu räumen.
Darüber sollen 20 Knaben nach Unserem Gefallen und mit
Unserem Wissen die Lehre in der Schule haben, sich aber auf ihre
Kosten mit Herberge, Kost, Trank, Kleidung und andei-er Nothdui'ft
in der Stadt versehen und den Professoren jeder alle (Quartale für
ihre Mühe einen Gulden entrichten.
Kleinere ]\Tittheiluugen. 14?)
Und soll solcher Unserer Ordnung bis zu endlicher Vollziehung
der Fundation und Unserem ferneren Schaffen mit Fleiss nach-
gegangen worden, und der gehorsame und willige Folge geschehen.
Ein Verzeichnis vom 7. September 1574') stimmt
mit dem vorstehenden zwar in der Hauptsache überehi,
doch erscheinen darin die Stellen der Edellente von 24
auf 28 erhöht, indem zwar die Stelle der Spiegel ohne
Bezeichnung- eines Grundes unerwähnt bleibt, dagegen
die Schleinitz'schen Stellen von 3 auf 6 erhöht werden,
und je eine neue Stelle für die von Bernstein (Bärenstein)
und den kurfürstlichen Kanzler Dr. Hieronjinus Kiese-
wetter (später die „Kiesewetter zu Dittersbach") ange-
fügt ist.
lieber die Begründung dieser beiden letzten Stellen
vergl. Flathe, St. Afra S. 90. — Die Vermehrung der
Schleinitz'schen Stellen beweist, dass der Standpunkt der
Antwort auf das Fristverlängerungs - Gesuch der Schön-
berge vom 30. Juni 1543 (vergl. Bd. VHS. 80) sich doch
nicht allenthalben hatte aufrecht erhalten lassen.
Die „vacirenden", d. h. von den Kollaturberechtigten
nicht vergebenen, Stellen blieben nicht unbesetzt, sondern
wurden vom Kurfürsten, jedoch nur auf die Dauer der
Vakanz, vergeben. „Es hat aber mit diesen Knaben
solche Gelegenheit: wemi die vom Adel ihre Stellen er-
setzen, müssen diese weichen" (vergl. Bd. VII S. 89 dieser
Zeitschrift, und Flathe, St. Afra S. 91 Anm. 2).
Allerdings kommt auch der gänzliche Verlust des
Kollaturrechtes durch dauernden Nichtgebrauch vor. So
wird in den Verzeichnissen vom S.Mai 1578 -) und vom
30. Januar 1579'^) bemerkt, dass die Bünau, Starschedel
und Breitenbach von ihrem Kollaturrechte niemals Ge-
brauch gemacht hätten, und sind dann im Verzeichnisse
vom 18. September 1582'*) diese 3 Stellen ohne weitere
Begründung ausgelassen, so dass von da an die Zahl der
adeligen Freistellen sich wieder auf 25 vermindert.
Ueber die Verwandlung dei' beiden Stellen des
Sachsenburger Hauptzweiges der Schönberge sowie der
>) H.-St.-A. Loc. 10405 Akten; Kmlürstl. Schulen etc. Vcr-
zeichniss der Knaben Ao. 1574, Bl. 25.
-) H.-St.-A. Uoc. 10407, Akten: Bestellung der Präzeptoreu
etc. Bl. 12.
») H.-St.-A. Loc. 10405. Akten: Schriften, betr. die kurfür.stl.
Schulen etc. Bl. 22.
') Ebendaselbst Bl. 60.
144 Kleinere Mittheilungen.
Kaias'sclien Stelle in kurfürstliche Gnaclenstellen , deren
Zahl dadurch von 4 auf 7 stieg-, ist schon Bd. VII S. 89
berichtet worden.
Eingezogen wurden noch die Ziegler'sche Stelle,
welche im Jahre 1610 auf die vom Loss übergegangen
war, im Jahre 1852 infolge des Erlöschens dieses letz-
teren Geschlechtes im Mannesstamme ■^), und die Lütti-
chau'sche, später auf die Besitzer des Eittergutes Gross-
kmehlen übertragene Stelle im Jahre 1796*^).
Von den beiden Stellen der Honsberge ist die eine
im Jahre 1633 an die von Friesen auf Rötha, die andere
im Jahre 1660 an die von Pflugk auf Kottewitz abge-
treten worden"^).
. Die Bärenstein'sche Stelle ward zwar nach dem
Erlöschen der Oberpolenzer Linie dieses Geschlechtes
durch Entscheidung des Oberkonsistoriums vom Jahre
1720 als dem Geschlechte und nicht dem jeweiligen Be-
sitzer des Rittergutes Oberpolenz zustehend anerkannt,
gleichwohl aber seit dem Jahre 1795 als die Oberpolenzer
Stelle bezeichnet^).
Die Kiesewetter'sche Stelle endlich verblieb auf
Grund einer Entscheidung des Oberkonsistoriums vom
Jahre 1751 bei den Besitzern des Rittergutes Ditters-
bach, auch nachdem dasselbe aus der Famüie gekommen
war, weil sie mit Rücksicht auf die besonderen Vorgänge
bei der Stiftung ausnahmsweise als ein Realrecht anzu-
sehen sei^).
Der gegenwärtige Stand ist bei Zugrundelegung
einer Bekanntmachung der Schulinspektion vom April
1885 folgender:
A. Unter Kollatur des Kultusministeriums:
a) 39 Freistellen, nämlich: 7 Gnadenstellen, 5 Frei-
stellen'"), 10 Priesterstellen, 1 wendische Priesterstelle,
4 Famulaturstellen. 6 Trützschler'sche Stellen, 6 Bose'sche
Stellen.
b) 15 ordentliche und 10 ausserordentliche Kost»
stellen.
■•) Fiat he, 8t. Afra S. 89.
") Ebendaselbst «. 90.
') Ebendaselbst S. 89.
^) Ebendaselbst S. 90.
") Ebendaselbst S. 90.
^") Voraussetzlich aus den eingezosienen Stellen der Biinau.
Starschedel, Breitenbach, Ziegler und Lüttiehau entstanden.
Kleinere Mittlieilungen. 145
B. 20 adelige Freistellen, nämlich 6 die von Schön-
berg des Eeinsberger Hauptzweiges, 6 die von Schleinitz,
2 die von Miltitz, 1 die von Friesen auf Eötha, 1 die
von Pflugk auf Kottewitz, 1 die von Carlowitz'sche Ge-
schleclitsgenossenschaft, 1 die von Pflugk'sche Geschlechts-
genossenschaft, 1 der Besitzer des Eittergutes Ober-
polenz, 1 der Besitzer des Eittergutes Dittersbach (zur
Zeit vom Kultusministerium vertreten).
C. 45 städtische Freistellen, nämlich: 6 Dresden,
7 Freiberg. 1 die Knappschaft daselbst, 3 Pirna, 3 An-
naberg, 4 Meissen, je 1 Altenberg, Glashütte, Gottleuba,
Lommatzsch, Berggiesshübel, Grünhain, Schlettau, Zwö-
nitz, Eosswein, Siebenlehn, Nossen, Penig (zusammen 12),
2 Grossenhain, je 1 Hohenstein, Königsteiu, Neustadt
bei Stolpen, Schandau, Sebnitz, Stolpen, Stadt Wehlen
(zusammen 7).
3. Das Altarbild in der Sakristei der Stadtkirche zu
Torgau.
Von Cni't Jacob.
In der Marien- (Haupt-) Kirche zu Torgau ist in der
Sakristei ein Hochaltar aufgestellt, der eine ungemein be-
lebte Kreuzigung auf dem Hauptbilde und die Martern
Christi in acht Darstellungen auf den Flügeln zeigt. Der
Altar befand sich ursprünglich in der „Kapelle zum heiligen
Kreuz", zu welcher Kurfürst Friedrich der Weise vor seiner
Wallfahrt nach dem heiligen Lande 1493 den Grundstein
gelegt und die er mit vielen Eeliquien ausgestattet hatte.
Man nannte die Kapelle „die schöne" und „das Volk lief
zu daselbst Ablass zu holen; darwider Dr. Luther eifrig
gepredigt, sagend : sie sollten ihr Verdienst und Trost nicht
auf Menschenwerk setzen." Die auf der Eückseite des
Altars über einem sehr schönen „Schweisstuch der heiligen
Veronika" angebrachte Jahreszahl 1509 mit dem Buchstaben
L (?)E oder K, der Inschrift „erat (?) Kepfe (KopheV)"
und dem Wappen einer Pflugschar lässt die Aufstellung
wohl mit Eecht in dieses Jahr verlegen und als Stifter ein
Glied der um jene Zeit in Torgau blühenden Patrizier-
familie Koppe (Koeppe) — vielleicht Erasnuis oder
Ehrhardt Koeppe — vermuthen '). Bald nach Einführung
^) In den Torgauer Rathsrechnuugen kommt neben fünf andei-n
Grliedern dieser Eamilie ein Erasmus K. vor, geb. 1471, gest. 1553.
Neue.s Archiv f. S. O. u. A. VIII. 1. 2. 10
146 Kleinere Mittheiluiigen.
der Eelbrmatiou im dritten Jahrzehnt des 16. Jahi'huuderts
hat die Kapelle aufgehört zu existieren, und das Altar-
bild wanderte in die Franziskaner-Klosterkirche. Als 1811
Torgau Festung und diese Kirche zu Montierungskammern
ausgebaut wurde, kam der Hochaltar nach seinem jetzigen
Aufbewahrungsorte. Während das Bild der Rückseite,
wenn auch mannigfach beschädigt, noch in den alten
Farben erhalten blieb, ist leider das Hauptbild mit den
Flügeln in späterer Zeit übermalt worden. Soviel lässt
sich aber mit Bestimmtheit behaupten, dass dies Bild
keines Falls eine Cranachsche Arbeit ist; man kann viel-
mehr aus mancherlei Umständen schliessen, dass man es
hier mit einem Werke der Dürerschen Schule in Nürn-
berg zu thun hat. Wenn nun trotzdem „das Altarbild
der Kapelle zum heiligen Kreuz" durch alle Cranach-
Biographien als ein Werk dieses Meisters hindurchgeht,
so dürfte die Richtigstellung dieser Thatsache vorliegende
Zeilen wohl rechtfertigen. Es ist übrigens nicht ohne In-
teresse zu verfolgen, wie die Notiz, welche Lindau in
seinem Werke (Lucas Cranach, 1883) über das Altarbild
bringt, entstanden ist. Die erste Erwähnung des Bildes
findet sich in Koehler's Beiträgen zur Ergänzung der
deutschen Literatur-, und Kunstgeschichte 1792 Bd. II.
S. 219. Hier heisst es: „Ein mit vieler Kunst gemalter
Altar in der Klosterkirche zu Torgau. Churfüi'st Friedrich
Hess ihn 1509 für die Kapelle zum heiligen Kreuz in Torgau
fertigen, nach 10 Jahren aber in der Klosterkirche zu
Torgau aufstellen. An dem oberen Theile der hinteren
Seite findet man ganz oben das Monogramm des Künst-
lers (?) mit der Jahreszahl: L. K. 1509. Darüber stehen
die Worte von einer späteren Hand: Dieser Altar ist 1519
von der Kapelle zum heiligen Kreuz hierher gebracht
worden.'' Seite 223 erwähnt Koehl er ein anderes Bild,
welches seit langer Zeit spurlos verschwunden
ist, „ein Gemälde von vielem Werth auf einer hölzernen
Tafel, der Vermuthung nach ein ehemaliges iVltarblatt in
der Sakristei der Stadtkirche zu Torgau. Es stellt vier
Heilige der römischen Kirche dar: Franz und Benedict,
die Väter zweier Mönchsoi-den mit der Tonsur, Moritz
mit einer Fahne und den Jagdpatron Hubert mit einem
Hirschgeweih, in dessen Mitte ein Kreuz abgebildet ist."
Der nächste Cranach-Biograph Heller (Lukas Cranach
des Älteren Leben und Werke 1851 Bd. I S. 98) schreibt:
„Torgau in der Klosterkirche: Ein Altarblatt mit vier
Kleinere Mittheilungen. 147
Heiligen, Frauz, Benedict, Moritz und Hubert, mit den
Zeichen L. K. 1509. Churfürst Friedrich der Weise Hess
es (!) 1509 für die Kapelle zum heiligen Kreuz fertigen,
es wurde aber 1519 hierher gesetzt (Koehler II, 209, 223)."
Also Heller hat beide Angaben von Koehler zu einer
vereinigt, und Lindau wiederholt diese Notiz S. 79 mit
den Worten: „ . . Vornehmlich das Altarbild in der Kloster-
kirche zu Torgau, die Heiligen Franziskus, Benedict, Moritz
und Hubert darstellend mit dem Zeichen der Schlange (!)
und der Jahreszahl 1509. Kurfürst Friedrich schmückte
mit diesem Gemälde die Torgauer Kapelle zum heiligen
Kreuz, die er 1493 zu bauen begonnen und avozu er zwei
Tage vor seinem Aufbruch zum heiligen Grabe (17. März)
den Grundstein gelegt hatte. Da aber diese Kapelle gleich
nach der Eeformation wieder einging, so kam dieses Bild
(1519) in die sogenannte Klosterkirche (Koehler II, 209,
233)." Dass Lindau diese Notiz kritiklos aus Heller
entnommen hat, geht auch daraus hervor, dass er den
Druckfehler Hellers: Koehler p. 209 statt 219 wiederholt,
dem er noch einen weiteren Druckfehler hinzufügt: 233
statt 223.
Die beiden Bilder von Lukas Cranach dem Älteren,
die Torgau in der That besitzt, werden in keiner Biographie
erwähnt. Es sind dies ein Altarblatt „die vierzehn Noth-
helfer" in der Sakristei der Stadtkirche, Avelches zu einem
Altar gehörte, den Kurfürst Friedrich HL und dessen
Bruder Herzog Johann, beim Ableben der Gemahlin des
letzteren, Sophia von Mecklenburg, 1505 zu Ehren der
heiligen Anna und der vierzehn Nothhelfer stifteten, und
eine „Himmelfahrt Christi," ein Devotionsbild aus einer
der früher zahlreichen Kirchen und Kapellen Torgaus
stammend, neuerdings als Geschenk des Malers A. Conrad
zu Berlin in die „städtische Sammlung sächsischer Alter-
thümer" übergegangen.
Wenn Lindau ferner S. 365 in der Anmerkung be-
richtet, dass Katharina von Bora 1552 in Halle gestorben
sei, so ist dies dahin zu berichtigen, dass der Tod von
Luthers Gattin in Torgau, wo sie auch begraben liegt,
erfolgt ist.
Es ist schliesslich noch nachzutragen, dass sich das
bei Lindau S. 32G erwähnte Jagdbild von Lukas Cranacli
im Schlosse Moritzburg bei Dresden auch in der kgl.
Gemäldegallerie zu Madrid befindet und zwar nebst einem
Pendant von gleicher Grosse. Jedes der beiden Bilder
10*
148 Kleinere Mittheilungen.
in Madrid, von denen das eine eine Hirsclijagd, das an-
dere eine Saujagd darstellt, zeigt etwa vierzig sorgfältig
in Miniatur gemalte Porträtfiguren und als Hintergrund
Scliloss Hartenfels mit Torgau, doch jedesmal von anderer
Seite. Es sind dies übrigens, — die Bilder in Madrid
sind mit der Jahreszahl 1540 versehen, — die ältesten
bekannten Ansichten von Torgau.
4. Kunstgeschichtliche Notizen.
Mitgetheilt von Theodor Distel.
Alabaster aus den Niederlanden für
Sachsen 1554.
Kurfürst August reskribierte unterm 14. Juni 1554
(Königl. Sachs. Hauptstaatsarchiv : Cop. 260 Bl. 234b)
an den Amtshauptmann und Oberrüstmeister Hans von
Dehn-Rothf eiser ^) also:
„Lieber getreuer. Inliegend schickenn wir dir ungefehrlich
vertzaichnus oder anschlag was die bilder oder contrafacturen unser
vorfarn loblicher gedechtnus, so wir ann die altartafeln") von ala-
baster machen zu lassen entschlossen seinn, inn Niederland zuver-
ferttigen gestehen wurden, gnedig begerend, du wollest unser vorigen
derhalben mit dir gehaltener unterrehdung nach ein ungefehrlich
muster stellen lassenn, wie die tafel gemacht und die contrafactiu'en
darneben einbracht werden mochten, auch einen uugeferlichen anschlag
nach dem itzigen machen, was das gantze werck zuverferttigen und
gegen Dresden zu bringen kosten und gesteheun werde unnd uns
alsdan denselben neben deinem guthbedunken zuschicken."
Den kursächsischen Bildhauer Zacharias
Hegewald betreffend.
In Nr. 5 des Jalu-g. 1885 der Zeitschrift für Museolo-
gie etc. habe ich einiges über den kursächsischen Bildhauer
Zacharias Hegewald mitgetheilt. Damals unterliess ich
zu bemerken, dass er nebst Sebastian Walther ^) Schüler
1) Vergl. über ihn Lindau, Dresden (2. Aufl. 1885) S. 252,
Steche, Hans von Dehn-Rothfelser (Dresden 1877), v. Wehers
Archiv f. d. Sachs. Gesch. XI, 92, Anm. 12.
-) August baute die von seinem Bruder Moritz begonnene
Schlosskapelle 1555 aus (Lindau a. a. 0. S. 339).
") Vergl. über ihn: J. und A. Erbstein, Katalog des Kgl.
grünen Gewölbes S. 172 Nr. 37 und S. 132 Anm. 1 a. E. Den
ebenda S. 112 Nr. 140 erwälmten Hans Schlottheini nennt Stockbauer,
wie nebenher bemerkt sei, in den „Kunstbestrebungen am baj'erischen
Hofe etc." (Wien 1874) S. 103 irrthümlicher Weise Schlotthammer.
Kleinere Mittlipilungen. 149
des berühmten Nosseni gewesen, dem beide auf Bestellung
seiner Wittwe in der Sopliienkirche zu Dresden ein
Denkmal (Ecce homo) errichtet haben, welches seit 1834
in einer Nische der westlichen Vorhalle neben der Treppe
aufgestellt worden ist. Ueber dasselbe vergl. man die
Mittheilungen des Königi. Sachs. Alterthumsvereins II,
63 flg. und III, 45, sowie Lindau, Dresden (2. Aufl.)
SS. 335, 394, 450.
Aus der Drehstube des Kurfürsten August.
Unter den am Hofe des Kurfürsten August, welcher
selbst ein tüchtiger Drechsler war, thätig gewesenen
Meistern ist vornehmlich Georg Wecker zu nennen. Der-
selbe war ein Sohn des baierischen Hofdrechslers Hans
Wecker und der Barbara, welche 1578 als WitAve in der
Schwäbinger Gasse zu München wohnte. Damals war
Georg bereits kursächsischer Hofdrechsler zu Dresden,
Avohnte auf der Scheffelgasse daselbst und vermählte sich
am 30. September genannten Jahres mit Marie, der Tochter
des kurfürstlichen Kammerschreibers Michael Springkleh*).
Ausser den von ihm im königlichen grünen Gewölbe vor-
handenen Arbeiten finde ich in den Akten'') noch folgende
Stücke seiner Kunst genannt:
Drei Kunststücke mit Kugeln und versetzter Arbeit,
sowie ein solches „in einem grünen Futter, sonst ein Misch-
masch genannt". 1602 erhielt Wecker 57 fl. 3 gr. für
vier aus Elfenbein gedrehte Kunststücke, 1610 schuldete
ihm der Kurfürst 648 fl. 6 gr. für gelieferte Elfenbein-
arbeiten. Hübner erwähnt Wecker ebenfalls in v. Webers
Archiv II, 189. Unterm 26. November 1599 erlaubte ihm
der Kurfürst August, dass er nach Prag reise, um dem
Kaiser eine Drehbank „anzurichten"'').
Unterm 12. Oktober 1586 wurden David Usslaub für
die Kunstkammer folgende 165 Stücke'), welche der am
*) K. S. Hau])tstaatsarcliiv : Loc. 9835 Kurf. Kimstkammer
1591-1694 Bl. 31) tig.
•"') Ebenda Bl. 2b. ferner Wocheiizotrel 1609—11 Loc. 3741
Bl. 253b, Posten etc. Loc. 10377 Bl. Ib. Wochenzettel 1601—1603
Loc. 7839 Bl. 273.
6) K. S. Hanptstaatsarchiv : Cop. 599 Bl. 272 b.
■') Akten Anm. 1. Daselbst sind auch Bl. 2 b die Arbeiten
Egidius Lelicnichs verzeichnet. Dersellie stammte aus Köln a. Kli.
150 Kleinere Mittheilnngen.
11. Februar zuvor verstorbene Kurfürst selbst gedi'elit
liatte, übergeben:
„Sieben buckgallen gross und klein, von helfenbein, der vor-
nehmste darunder ist unden am fuss nnd oben umb den ranth mit
reiften von guttem goldt belegt. Ein grosser credentz becher oben
iif dem decket ein springbrun. Achtzehn credentz becher klein und
gross. Ein schalen mit einer i-unden kuegel. Ein runde kuegel mit
einem fuss. Ein kunstück mit fünft' schalen über einander. Drey
schalen mit deckein. Ein schal ohne decket. Zwei andiquitetische
kruglein so holt gedrehet. Sechs leuchter mit silbern dillen. Zwei
schellichen mit decket. Ein kunstück mit zehen buxen i;ltereinan-
der. Ein kunstück mit drey buxen übereinander. Ein kunstück
mit zwo buxen übereinander. Ein kunstück mit zwey buxlein über-
einander und oben mit einem versetzten stucklein. Zwei doppelte
buxlein oben mit kleinen becherlein. Zwo buxen darinnen das
sexische und dennemerckische wappen. Ein conterfectbuxlein da-
rinnen aber nichts. Ein klein buxlein mit einem decket. Acht
kunstucklein von becher und buxlein. Ein kunstück so versetz
mit drey buxlein uf ein ander, oben ein klein kunstück darauf. Ein
buxen darinnen ein kegelspiel. Ein klein doppelt buxlein. Zwei
einfache buxlein. Sechsundsechczigk audiquitetische becherlein und
kleine kunstucklein. Zweiunddreyssig stein zu einem schachtspiet
gehörig" ®).
Über sonstige Arbeiten Weckers, Lebeniclis und des
Kurfürsten vergl. auch den Erbstein'sclien Katalog zum
Königliclien grünen Gewölbe SS. 11 — 35; es sei jedoch zu
S. 12 Anm. 2 bemerkt, dass Wecker sich selbst Wecker
oder Wekher schrieb und zu S. 12 (vergl. IX) hinzuge-
fügt, dass die sämmtlichen Elfenbeinarbeiten (23 Stück),
welche um 2300 Gulden gekauft wurden, von Jacob Zeller
herrühren").
und scheint bis 1584 bei dem berühmten Leonhard Danner in Nürn-
berg beschäftigt gewesen zu sein. Donner nennt ihn (abgekürzt)
Gilg, er starb wohl 1.595. Einmal wird er Jülich genannt, auf einer
seiner Arbeiten (Erbstein'scher Katalog des grünen GewöUjes S. 28
Nr. 28fi) heisst er Gilius Lebenich. (K. S. Hauptstaatsarchiv: Loc.
8524 Band VI, 201, Loc. 7302 Kammersachen Band II, 121).
*) Vergl. die Anm. l cit. Akten Bl. 1. Daselbst befindet sich
Bl. 4 flg. ein Verzeichnis der in Weckers Drehstube den 13. April 1591
aufgefundenen sechzig Gegenstände, mit Abbildungen der Dreh-
eisen, desgleichen Bl. 13 flg. der damals in Lebenichs Drehstube be-
findlichen Sachen u. Bl. 16 flg. ein solches über die Polzendrehbänke
nebst dem dazugehörigen Zeuge (Bl. 2). Daselbst stehen auch Elfen-
beinsachen verzeichnet, welche dem Kurfürsten August vom Herzog
von Baieru und dem Erzherzog Karl geschickt worden waren.
») Ebenda Bl. 48, 49, (78). Daselbst sind die Stücke einzeln
genannt.
Kleinere Mittlieilvingen. 151
5. Die Einfülirung der bergmänuisclieii Schiessarbeit
durch Pulver in Sachsen.
Von Eduard Heydenreich.
Die ältesten bestimmten Nacliricliten über das Boli-
ren und Scliiessen in Sachsen treten für das Jahr 1613
auf und zwar auf einem Freiberger Ausbeutebogen vom
Quartale Trinitatis Anno 1715, woselbst bei Gelegenheit
eines auf Altväter Fundgrube durch einen erhaltenen
Schuss getöteten Untersteigers die folgende Bemerkung
gemacht ist:
„Das Bohren und Scliiessen ist Anno 1613 von
Martin Weigeln, Oberbergmeister zu Freiberg, erfun-
den worden, und wurden anfangs Pflöcke dazu gebraucht
und in die Bohrlöcher gethan; seit etlichen 30 Jahren
[also circa 1680] ist solches viel sicherer und leichter mit
Letten verrichtet Avorden. Auch hat man nunmehro hie-
sigen Ortes gewisse kleine Handböhrer introduzieret,
durch welche die Häuer dem festen Gestein mit sonder-
lichem Vortheil grossen Abbruch thun können."
Diese Nachricht ist allerdings sehr jung, und deshalb
bezweifeln sie Baader, Be3^trag zur Geschichte der
Sprengarbeit, in Koehler's Bergmännischem Journal 1790,
S. 539 flg., und Hoppe, Beiträge zur Geschichte der
Erfindungen I (1880), 24. Allein ein durchschlagender
Grund ist gegen dieselbe nicht beigebracht worden.
Mit der Jahreszahl 1613 für die erste Vornahme des
Bohrens und Schiessens ist zu vergleichen eine von
Gätzschmann, Lehre von den bergmännischen Gewin-
nungsarbeiten (Freiberg 1846), S. 329 flg. veröffentlichte,
vom Berghauptmann Frei es leben angegebene Notiz
eines Scholiasten zu Eösslers „Hellpoliertem Bergbau-
spiegel" :
„Dass vermöge eines im Konzepte vorhandenen Be-
richtes an Churfürstl. Durchlaucht zu Sachsen unterm
30. October 1613 von Martin Weigeln, Oberbergmeister,
erstattet, derselbe Inventor vor denen Bohrern sein Avolle,
u. daher chrfstl. Durchlaucht umb Ertheilung eines Pri-
vilegii dieserhalben ersuchet habe."
Ob dies freilich als eine wirkliche Bestätigung an-
zusehen ist, bleibt nach Hoppe a. a. 0. S. 12 flg. zwei-
felhaft. Deim „Bohrer" brauchen sich nicht, wie Fr.
Rziha, Lehrbuch der gesamten Tunnelbaukunst I (1867),
49 flg. will, nothgedrungen auf das Scliiessen mit Pulver
152 Kleinere jVIittheilungen.
ZU beziehen : Bohrer sind beim Bergbau schou angeAvaudt
worden, ehe man an die Schiessarbeit dachte (Gaetzsch-
mann a. a. 0. S. 347).
Dieser „Weigel" (nicht „Weigold", wie er irrthüm-
lich genannt wird bei Aug. Beyer, Das gesegnete Marck-
grafenthum Meissen 1732) war 1555 zu Schwarzenberg
in Sachsen geboren, wurde damaliger Ausbildungsweise
gemäss mit dem zwölften Jahr nach den Harzer Berg-
werken geschickt, um daselbst zu arbeiten, kehrte nach
Sachsen zurück, wurde Steiger, daim Markscheider,
schliesslich 1601 Oberbergmeister. Als solcher starb er
1618.
Aber es dauerte noch ziemlich lange Zeit, bis die
neue Erfindung im Freiberger Eevier praktisch eingeführt
wurde. Erst 1643 wurde auf der Grube Hohe Birke
das Schiessen eingefülu^t. Aber auch nachher war die
Entwickelung dieser Gewinnungsarbeit eine höchst lang-
same: 1644 wurden auf der Grube Hohe Birke nur 57
Schüsse gethan und dabei 117 Pfund Pulver verbraucht.
1675, also 31 Jahre später, waren daselbst nur erst 3
Centner verAvandt worden, während in ebendemselben
Jahre (1675) im gesamten Freiberger Revier der Pulver-
verbrauch bereits auf 100 Centner gestiegen war. Im
Jahre 1843 dagegen betrug dieser Bedarf daselbst 2439^/^
Centner.
Wie wichtig das Freiberger Revier durch die neue
Erfindung für die gesamte deutsche Bergarbeit wurde,
giebt Rziha a. a. O. S. 57 mit folgenden Worten an:
„In den Marken der Bergstadt Freiberg entstand das
neue Gewinnungs- Problem, wurden fast alle neuen Vor-
schläge ausgedehnt geprüft, erscholl zum ersten Male im
unterirdischen Baue der Stoss der Bohrmaschinen durch
Yermittelung komprimierter Luft und wurde die beste
Scluift, welche die Bergbaulitteratur über Sprengarbeit
aufzuweisen hat (von Gätzschmann) geschiieben."
Wenn., nun auch kern genügender Grund vorhanden
ist, die Überlieferung zu verwerfen, wonach Weigel
schon 1613 die bergmännische Schiessarbeit erfand, so
muss doch der Freiberger Bergbau den Ruhm der ersten
praktischen Einführung dem Harzer überlassen.
Denn, wie Hoppe a. a. 0. nachweist, ist derselbe that-
säclilich im Jahre 1632 beim deutschen Bergbau und
zwar zu allererst beim Harzer Bergbau eingeführt
worden, also mehr als ein Jahrzehnt früher als in Frei-
Kleinere ^rittheilungen. 153
berg. Vom Harz aus wurde, wie aul" den westlalisclien
und rlieiiiländischen Bergbau, so auch auf den sächsischen
die neue Gewinnungsart übertragen.
Caspar Morgenstern überbrachte die Kunde da-
von vom Harz nach Freiberg. Dies erhellt aus der Arbeit
von Joh. Fr. Lempe, Anfang des Versuches über die
Hereinschüssung des Gesteines (Magazin für die Berg-
baukunde 1792, S. 345 flg.). Hier heisst es: „Im Jahre
1644 und zwar im Quart. Remin. wurde eine Probe mit
Hereinschüssung des Gesteins bey Hohe -Birke Ob. 9 bis
10 Maas gemacht. Diese Grube war zu dieser Zeit eine
der ergiebigsten und vertheilte 40 fl. Ausbeute auf ein
32. Theil. Auf dieser Grube machte ein Bergmann,
Namens Caspar Morgenstern, mit dieser Arbeit den An-
fang. Dieser Mann soll, wie ich von H. Oberbergmeister
Schmidt benachrichtigt worden bin, die Arbeit mit dem
Hereinsprengen des Gesteins mittelst Pulvers auf dem
Harz, wo solche damals schon gangbar war, getrieben
und dieselbe alsdann nun auch hier angcAvendet liaben."
Literatur.
Briefe iiiid Acten zur österreichisch - deutschen (ieschichte im
Zeitalter Kaiser Friedrich III. Gresammelt und herausgegeben von
Adolf Bachmann, ord. Prof. der österr. Gesch. an der Präger
deutschen TTniversität. Wien, in Comni. bei Karl Gerolds Sohn.
1885. XXXVI. 712 SS. (A. u. d. T. : Fontes rerum Austriacarum.
Oesterreichische Geschichtsquellen. Herausgegeben von der histo-
rischen Comraission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
in Wien. Zweite Abtheilung. Diploraataria et Acta. XLW. Band.)
Wir haben an dieser Stelle bereits auf verschiedene Arbeiten
von Bachmann hingewiesen, weil dieselben auch für die sächsische
Geschichte des 15. Jahrhunderts, in der noch so viel zu tlmn übrig ist,
von entschiedener Wichtigkeit sind. Ebenso wie von den „Urkunden
und Aktenstücken zur österreichischen Geschichte" (vgl. Bd. I S. 203)
und vom ersten Bande der „Deutschen Reichsgeschichte im Zeitalter
Friedrich III. und Max I." (vergl. Bd. V S. 155) gilt dies von der
vorliegenden Sammlung, die sich ergänzend an die erstgenannte an-
schliesst und zur „Reichsgeschichte" einen grossen Theil der für
dieselbe benutzten, jedoch auch manche erst nachträglich gefundene
Archivalien beibringt.
Die mitgetheilten Urkunden stammen aus den Jahren ca. 1450
bis 1471 ; der weitaus grijsste Theil von ihnen (442 von 548 Num-
mern) aber gehört der Zeit von 1460 bis 1464 an. Die reichste
Ausbeute hat dem Verfasser diesmal das Kreisarchiv zu Bamberg
gewährt, welches bekanntlich das alte Plassenburger Archiv und damit
eine Fülle der Avichtigsten Materialien zur Geschichte des Mark-
grafen Albrecht von Brandenburg enthält. Dieser aber und Lud-
wig von Bayern stehen neben König Georg von Böhmen und dem
Kaiser während jener Jahre im Vordergrunde; die sächsischen
Fürsten treten hinter ihnen zurück, obwohl namentlich Herzog Wil-
helm einen keineswegs unerheblichen politischen Einfluss ausgeübt
hat. Dies zeigt sich schon darin, dass auch dem Gesamtarchiv zu
Weimar , das bisher noch nicht genügend für diese Zeit benutzt
worden ist, eine grosse Anzahl theilweise hochwichtiger Dokumente
entnommen werden konnte, unter denen in erster Linie die Berichte
der Räthe des Markgrafen aus dem Jahre 1461 (während seiner Reise
ins heilige Land) genannt zu werden verdienen. Auch aus dem
Hauptstaatsarchiv zu Dresden ist vieles mitgetheilt worden ; Nach-
träge zu den Ijöhmisch- sächsischen Grenzstreitigkeiten bis zu den
Egerer Verträgen (1459) und mancherlei spätere Verhandlungen.
AVie sorgsam auch in Dresden die politischen Vorgänge beobachtet
wurden, beweist ein besonders stark benutztes Aktenstück (Loc. 9132
Schriften bei. vornehmlich die Irrungen und Kriegshandlung zwischen
Pfalzgraf Ludwigen ... an einem und Marggraf Albrecht zu Bran-
Literatur. 155
(lenburg- auderiitheils 14n9 — 62 flg), welches gTösstentheils aus Ab-
schritten diplomatischer Korrespondenzen und Verhandlungen, die
oft in keiner unmittelbaren Beziehung zu Sachsen stehen, zusammen-
gesetzt ist. Weniger Auslieute gewährten die Archive zu Frank-
furt a. M., Eger, München u. a.
Eine Vollständigkeit der Sammlung konnte bei der erdrücken-
den Reichhaltigkeit der archivalischen Quellen für das spätere ]\[ittel-
alter nicht im Plane des Herausgebers liegen; immerhin glaubt er
versichern zu können, dass für die Geschichte des Kampfes zwischen
Kaiserthum und Territorialität (1459—1463) an den 1)ekannten Stellen
sich kaum neues Material finden dürfte.
Tn formeller Beziehung verdient auch diese Bachmann'sche
Publikation, deren ]'eicher Inhalt dui'ch ein sorgfältiges Register
zugänglich gemacht wird, alle Anerkennung, besonders wenn man
lierücksichtigt , dass der \'erfasser l)ei seinen archivalischen Keisen
in erster Linie nicht die Abfassung eines Urkundenwerkes, sondern
eine darstellende Bearbeitung des Gegenstandes im Auge hatte und
dass man daher auf kleine üngleichraässigkeiten kein Gewicht legen
darf. Um den massenhaften Stoff in einem massigen Bande untei-
zubringen, musste dei' Herausgeber vielfach Auszüge statt vollstän-
diger Abdrücke geben; dieselben erwiesen sich überall, wo wir nach-
geprüft hallen, als zuveilässig. Ferner wurde alles bereits Gedruckte
ausgelassen; doch hat <ler Verfasser hier und da einen Druck über-
sehen: so sind No. 6 in des Referenten Freiberger Urkundenliuch 1
(Cod. dipl. Sax. reg. II, 12). 201, Xo. 19 in J. J. Müllers Keichstags-
theatr. Frid. V. 2. A^orst. cap. 9 p. 536, Xo. 32 (von welcher sich
ebenso wie von No. 39 nicht blos eine Kopie, sondern auch das Ori-
ginal im Hauptstaatsarchiv zu Dresden befindet) mehrmals, z. B.
bei Lünig Corp. jur. feiul. II, 551. ein mit No. 183 gleichlautendes
Schreiben an Kurf. Friedrich l)ei Hasselhold-.Stockheim Albrecht IV.
I, 1 Urkk. 441, Xo. 505 in meinen Studien zur Geschichte der böh-
misch-sächsischen Beziehungen S. 107, die Gegenurkunde zu No. 545
bei Kremer Kurfürst Friedrich von der Pfalz II, 398 abgedruckt.
Das Datum von No. 21 lautet am dornstag vigilia Jacobi (also
24. .Juli 1455); No. 11 ist vom 28., nicht 29. Januar, No. 110 vom 7.,
nicht 8. August.
Hoffen wir, dass auch der zweite Band der «Reichsgeschichte",
dessen Erscheinen wir mit Spannung entgegenseiien, dem Verfasser
zu gleich dankensAverthen Quellenpul»likationen den Anlass giebt.
Dresden. H. Ermisch.
Des Taiiliis Jovius Chronik der Grafen von Orlamüiide. Heraus-
gegeben von I>aul Mitzschke. Leipzig, Robolsky. 1886. 80 SS. 8".
Als der fleissige Jovius seine gi'osse Chronik der Grafen von
Schwarzburg schrieb, sammelte und ordnete er zugleich die Nach-
richten, welche ihm bei jener Arbeit über andere thüringische (ira-
fen- und Herrengeschlechter aufstiessen. Eine dieser kleineu auf
solche Weise entstandenen Chroniken ist die der Grafen von Oila-
niünde, welche Mitzschke jetzt zum ersten Male herausgielit. Der
Herausgeber hat den Text der Chronik auf (irund der von ihm ver-
glichenen sieben Handschriften, deren N'erhältnis zu einander er
genau erörtert, äusserst sorgfältig festgestellt. In der Einleitung
weist er, nachdem er über die Entstehungsart der Schrift ges))rochen,
auf die durch dieselbe bedingte Ungleichmässigkeit der Behandlung
hin. „Die orlamündische Chronik von I'aulus .lovius ist sonach als
156 Literatur.
ein rechtes Kiud ihrer Zeit weder vollständig noch kritisch, auch
lange nicht in allen Stücken zuverlässig" (S. 12). Mit vollem Rechte
aber meint Mitzschke, dass trotzdem ihre Herausgabe nicht uunöthig
sei. Unter den Gründen daiur sei besonders der hervorgehoben, dass
Jovius manche uns anderweitig nicht bezeugte Nachrichten über-
liefert, also aus jetzt unbekannten oder verlorenen Quellen schöpfte —
ein Umstand, der übrigens auch seiner schwarzburgischen Chronik
eigen ist. Inwieweit freilieh solche Nachrichten glaubwürdig sind,
muss natürlich in jedem einzelnen Falle besonders untersucht werden.
Dem Texte der Chronik hat der Herausgeber in sehr dankens-
werther AVeise in Fussnoten Berichtigungen, erklärende xmd ergänzende
Zusätze und Literaturnachweise hinzugefügt. Eine „berichtigte
Verwandtschaftstafel" der in Jovius' Chronik erwähnten Mitglieder
des Hauses Orlamünde beschliesst die Schrift.
Detmold. Ernst AnemüUer.
Landgraf Pliilii)i) von Hessen und Otto von Pack. Eine Ent-
gegnung von Stephan Ehses. Freiburg im Breisgau, Herder.
1886. XI, 164 SS. 80.
Man durfte erAvarten, dass Ehses die scliarf einschneidende
Kritik, welche seine , Geschichte der Packschen Händel" (Freiburg
1881) durch Hilar. Schwarz' „Landgraf Philipp von Hessen und die
Packschen Händel" (Leipzig 1884) — vergl. diese Zeitschrift IV,
160 flg. und VI, 319 flg. — erfahren hatte, zu beantworten ver-
suchen werde. Seine Entgegnimg ist zu einem Buche von 164 Sei-
ten angewachsen. Er ist des Glaubens, dass sein Gegner aus der
Beweiskette, mit welcher er Landgraf Philipp zu dem intellektuellen
Urheber des Packschen Betruges hatte machen wollen, auch nicht
den kleinsten Ring herausgebrochen habe, und er giebt, stolz darauf,
ein „ultramontaner Geschichtschreiber" gescholten zu werden, seiner
Überzeugung Aiisdruck in Redewendungen, die zu dem stärksten
und herausfordeiTidsten gehören, was diese Spezies von Geschicht-
schreibeni in neuester Zeit geleistet hat. Seinen Gegner, dessen
Arbeit sein Lehrer Prof. Maurenbrecher mit einem kurzen Vorwort
eingeleitet hatte, höhnt er ob des „vortrefflichen Vorspanns, den ihm
Maurenbrecher geleistet" (S. VI), und kanzelt ihn mit den spöttischen
Worten ab: „so hätte doch wohl auch Schwarz mit Mauren-
l/rechers Hilfe einsehen können u. s. w." (S. 47). Dass Schwarz
den von Schomburgk gesammelten archivalischen Apparat benutzen
konnte, verleitet Ehses zu der Bemerkung: er sei „wde ein lahmer
Hase in den üppig.<ten Kleesamen gesetzt worden" (S. 92). Schwarz
.ironisiert mit selbstgefälligster Albeniheit gegen mich" (S. 79) u. dergl.
Dass Schwarz auf die von Philipp gegen Kurfürst Joachim erhobenen
Ansclmldigungen auf eheliche Untreue näher eingeht und die Rich-
tigkeit dieser Anklagen erweist, nachdem Ehses in seiner früheren
Schrift S. 135 diese selbige Materie besprochen und als „vulgäre Ver-
leumdungen" gekennzeichnet, die eben bewiesen, dass der Landgraf
kein gutes Gewissen gehabt habe, das Avird jetzt von demselben
Ehses folgendermassen abgeschüttelt: „Es ist meinem Gegner auch
möglich geAvesen, in getreuer Nacliachnning des Landgrafen, den er
zugleich aber noch um viele Kahnlängen überholt, eine Skandal-
geschichte in die Sache hineinzuziehen und mit behaglicher
Breite auszumalen, für die ein Zusammenhang mit unserer Frage
auch durch das empfindlichste Mikroskop nicht zu entdecken ist"
(S. VII). Das sind doch Avohl Feclitorstreiche, ebenso Avie die vor-
Literatur. 157
nehm reservierte Aussage, es habe ihm ferne gelegen, die Richtig-
keit des von Schwarz vorgeführten Anklagematerials gegen Joachim
jetzt zu untersuchen. Er hat ja übrigens schon in seiner früheren
Schrift das Feigenl)latt gefunden, mit welchem er die Scandala
Joachims zudeckt: es sind das „Mängel, die in der Schwäche der
menschlichen Natur begründet lagen" (a. a. 0. S. 135). Dabei erlaubt
er sich Luther für „moralisch inkompetent" zu erklären, als „zür-
nende Geissei des Ehebruchs- zu fungieren, und erklärt es , seltsam",
dass Schwarz gewagt habe, Luthers Zeugnis in dieser Beziehung
anzurufen. Dem lehrreichen Kapitel der Schwarzsehen Arbeit über
„die Lage der evangelischen Partei in Deutschland", welches die
Besorgnisse dieser Partei vor Gewaltmassregeln der kathol. Fürsten
anschaulich darstellt, setzt er ein Kapitel entgegen: „Hatten die
Anhänger Luthers bis zum Jahre 1528 Veranlassvmg, bei den kathol.
Fiü'steu Deutschlands aggressive Absichten gegen sie zu fürchtend"
Er schiebt aber bei seiner Ausführung charakteristischerweise sofort
das Wörtlein „widerrechtlich" ein („war den Lutheranern die Be-
rechtigung gegeben, sich für widerrechtlich angegriffen und be-
droht zu halten?") und beweist dann mit leichter Mühe, dass alle
Gewaltmassregeln und Pläne der kathol. Fürsten nur den Charakter
berechtigter Defensive trugen: denn Aufrührer waren ja die
Evangelischen, sie bedrohten die Ordnung des Reiches, es handelte
sich also nur um die „Auseinandersetzung zwischen der alten Ord-
nung und der neuen Unordnung". Natürlich musste diese Ausein-
andersetzung gewaltsam erfolgen, aber die Iteiden kathol. Fürsten,
„die wohl einem ernsten Eingreifen geneigt waren. Herzog Georg
von Sachsen und Kurfürst Joachim von Brandenbvug, besassen für
.sich weitaus nicht die nöthige Macht dazu." „Glücklicherweise war
Deutschland noch nicht so sehr heruntergekommen, dass es
sich derartige Neuerungen ruhig bieten liess." Nur bedauert Ehses,
dass sich der Widerstand dagegen nicht energisch und nicht früh-
zeitig genug regte (S. 12). Was war denn das „hauptsächlichste
Triebrad" für den Fortgang der Reformation? „Bei reiclien Besitzern
lohnt sich der Raub, eine arme Kirche wäre weder in ihrem Be-
stände gefürchtet, noch in ihrer Beraubung ergiebig gewesen; aber
wo es reiche Kirchen, Klöster und Stifte zu plündern gab, da war
neben dem reichen Zuwachs an gouvernementaler Macht, an landes-
herrlicher und finanzieller Bereicherung kein lioher Grad von religiö-
ser Überzeugung nöthig, um Fürsten und Städte zahlreich der Neue-
rung zuzuführen" (S. 14). So spiegelt sich in diesem „ultramonta-
nen" Kopfe die Reformationsgeschichte. Aber er wird selber nicht
beanspruchen wollen, bei dieser Stimmung und Prädisposition für die
Werthschätzung der evangelischen Partei in DeutS(;hland nodi ein
unbefangenes und sachliches Abwägen der Schuld odei- Unschuld
Landgraf Philipps vornehmen zu können.
Was er nun an (iründen vorbringt, um Philipps raoralisclie
Urheberschaft des Packschen Betruges aufs neu(^ zu erhärten , das
wird ebensowenig in dieser zweiten Darlegung überzeugen, als in
der ersten. So, wenn er jetzt argumentiert: ging die Initiative von
Pack aus, so hatte dieser ja schönste Zeit vom 3lai 1527 an, sich
seine Fälschung zu überlegen inid ilir eine wahrscheiuliiherc Form
zu geben, als sie thatsäcldich hernach liei der Eile, mit dei' dieselbe
konzipiert worden ist, erhalten hat. Ich weiss nicht, wem Ehses
dieses Argument eigentlich entgcgenlialten will, denn wir andern
nelimen ja keineswegs an, dass Pack seit Monaten diesen Betrug
1 58 Literatur.
geplant habe, soiido'ii (laut der Aussageu Philipps), dass iu Kassel,
wo der Landgraf ihn über etwaige Pläne der kathol. Fürsten aus-
zufragen sucht, Pack sich stellt, als wisse er von besonderen An-
schlägen, und dann auf weiteres Drängen erklärt, er wisse von einem
Bündnis, und endlich auf noch stärkeres Drängen sich bereit erklärt,
die Urkunde desselben zu Iteschalfen, vergl. Schwarz S. 22. Hier ist
also der Betrüger in immer weiterer Konsequenz seiner Flunkereien
genöthigt worden, um sich selbst nicht Lügen zu strafen, plötzlich
zur Falirikation einer Bündnisurkunde zu schreiten. Dass er mit
diesem Falsitikat schon seit ^ 4 Jahren sich getragen habe, hat kein
Mensch behauptet. Was sind das also für Luftstreiche? Ehses scheint
seinen Gegner gar nicht verstanden zu haben, wenn er ihm die
Meinung unterschiebt. Pack habe sich an Landgraf Philipp insinuieren
lassen, um diesen Betrug mit dem Breslauer Bündnis in Szene zu
setzen — und daraus schliesst; dann musste er das Aktenstück schon
fertig haben und nach Kassel mitbringen. Schwarz hat jedoch nur
gesagt: „die ganze Initiative der ersten Annäherung ist von
Pack ausgegangen." Ehses bleil)t ferner dabei, dass Philipps Ver-
sicherung, „da habe ich an seinen blossen Worten nicht wollen ge-
sättigt sein, sondern begehrt das Original zu sehen," thatsächlich
nur das Verlangen nach einer Kopie, nicht nach dem Original selbst
ausdrücke. Er bleibt dabei. Pack habe in Kassel nur eine Kopie
versprochen, obgleich wir doch hören, dass Philipp ihm eben in Kassel
seinen Schutz zusagte, wenn er das Original bringe.
Aus den weiteren mit derselben Weitschweifigkeit, wie in der
ersten Schrift, vorgetragenen Argumentationen hebe ich einen Punkt
hervor, in welchem Ehses thatsächlich seinen Gegner korrigiert, S. 80 flg.,
wo er mit Recht in dem Rothenburg, nach welchem sich Pack von Bres-
lau aus begiebt, nicht wie Schwarz Rotheiibuig in Hessen, sondern
Rothenburg in Schlesien (genauer Oberlausitz) erkennt. Dadurch
kommt in die Fahrten des Abenteurers in den Tagen vom 4.— 16. Mai
erst ()rdnung hinein. Auf die Schuldfrage ist diese Korrektur jedoch
ohne Einfluss. Auf Seite 114 lesen wir die Anschuldigung gegen
Schwarz, dieser behaupte zwar immer wieder, Luther und Me-
lauclithon hätten an die Existenz des Breslauer Bündnisses geglaubt,
habe aber keinen Beweis dafür geliefert. Ich weiss nicht, wie
Ehses solche Anschuldigung aufrecht erhalten will. In dem Gut-
achten bei de Wette III, 319 flg. soll Luther nach ihm sich „über
Wahrheit oder Falschheit der Sache gar nicht äussern" — er hat
wohl auf S. 320 die Worte „weil sie selbs [nämlich die feindlichen
Fürsten] bezeugen, dass sie u. s. w." gar nicht beachtet. Auf dem-
selben indifferenten Standpunkt soll das Gutachten bei de Wette III,
316 flg. stehen. Aber wenn es dort heisst, dass jene Bundesfürsten
[des vermeintlichen Breslauer Vertrages] schuldig seien, die Kosten
der Rüstung zu erstatten, im Fall, dass ein gütlicher Ausgleich zu
Stande komme, gleichwohl möge man auf diesen Kostenersatz ver-
zichten im Interesse des Friedens, so verstehe ich nicht, wie man
das interpretieren will, ohne den Glauben an die Existenz dieses
Bündnisses vorauszusetzen. Auch die Worte : „avo sie aber würden
solch Verbündnis leugnen oder mit umschweifenden Worten nicht
richtig zu antworten" gehen doch von dem Glaulicn an die That-
sächlichkeit des Bündnisses aus. Wenn Luthei' darauf besteht, ehe
man zum Angriff schreitet, erst jene Fürsten zu „verhören", so räth
er das nicht, weil er in jenes Bündnis Zweifel setzt, sondern weil
das ihm der christlich rechtliche modus procedendi zu sein scheint
Literatur. 159
und weil er auf diesem Wege hofft Blutvergiessen noch verhindern
und zu „Frieden und Vertrag" gelangen zu können. Wenn Ehses
dann an den späteren Gutachten konstatiert, dass in ihnen beide
Reformatoren dem Eifer des Landgrafen Zügel anzulegen sich be-
mühen, gütliche Mittel versucht haben wollen anstatt eines unver-
mittelten üeginnens des Krieges — so meint er damit bewiesen zu
haben, dass sie von der Wahrheit des Breslauer Bündnisses nicht
überzeugt gewesen seien (S. 123). Diese Logik vermag ich nicht zu
verstehen. Ich würde nur in Bezug auf Melanchthons Brief vom
15. Juli 1528 (Corp. Ref. I, 984) den Satz einschränken, dass dieser
noch an die Wahrheit des Bündnisses glaube (vergl. Schwarz S. 148).
Zwar zeigt er deutlich, dass ursprünglich in Wittenberg das Bünd-
nis allgemein als echt angenommen worden ist. Man meinte Grund
zu haben, dieser „conjuratio" gegenüber ,,iracundiam nostram" walten
zu lassen und anzugreifen: gleichwohl taucht jetzt die Frage auf:
„quid si falso credita est coiijuratio'^" Ein Dunkel erkennt er an,
welches die Ziikunft aufhellen werde, gleichwohl steht ihm auch jetzt
noch fest: „non enim prorsus conficta est." Für völlige Verblendung
muss ich es aber halten, wenn Ehses Seit 125 aus Corp. Ref. I, 997
herausliest: „Melanchthon hält es für möglich, dass Philipp selbst
mit dem Betrüger Pack gemeinsame Sache gemacht habe". Das soll
in den Worten liegen: „N\jv\ Se Siaocovet ttii; 8ir\-{riai(a^ t) aizoloyla.
etc." Nicht an des Landgrafen bona fides ist er irre geworden, son-
dern an der des Pack, der doch anfangs versichert hatte, das
Original des Vertrages gesehen zu haben. Wenn also jetzt ein
böser Verdacht in Melanchthons Herzen aufsteigt, so kann es nur
der sein, dass Philipp einem Betrüger zum Opfer gefallen ist, aber
nicht, dass er mit diesem gemeinsame Sache gemacht habe. Die
Basis, auf der sie bisher gestanden, dass es sich um eine conjuratio
handle, ist ihm jetzt erschüttert, und darum dankt er Gott, dass
sie von Anfang an dem Kriege widerrathen haben. Selbst wenn
man das „videbatur incensus ab illo tragico" dahin pressen wollte,
als gebe Melanchthon zu verstehen, dass Philipps Erregung über
das Breslauer Bündnis nur trügerischer Schein gewesen wäre, so
widerspräche dem entschieden das Nachfolgende, w^o Philipp aus-
drücklich als „TüiaTsuaa? iHi" [Pack] bezeichnet wird und nur über
die „facilitas vel incogitantia vel etiam timor" geklagt wird, die ihn
verleitet hätten. Pack Glauben zu schenken. Somit bleibt es dabei,
dass Ehses hier die Quellen durchaus parteiisch interpretiert. —
Wiederholt nimmt Elises davon Akt, dass ich in meiner Anzeige in
diesen Blättern IV, 162 seiner fiüheren Arbeit den Vormuf gemacht,
er habe die verschiedenen in Betracht kommenden Archive nicht aus-
giebig genug benutzt. Er referiert darüber S. 92 folgendermassen:
„Der Clarraannsclie Kodex war also nach Kawerau ganz entbehrlich.
. . . Wie soll ich es nun in Zukunft dem guten Manne recht maclienV"
Er verschweigt, dass ich diese Heranzieliung des Würzburger
Kodex seinerseits ausdrücklich hervorgehoben, aber zugleich
bemerkt habe, das hier neu erschlossene Material beziehe sich ,,ira
wesentlichen nur auf die weiteren politischen und kriegerisclien Ver-
wickelungen . . . über die Schuldfrage gewährt es, soweit wir er-
kennen können, gar keine neuen Anhaltspunkte." Ich nmss dieses
Urtheil auch jetzt noch aufrecht erhalten, mit der Einschränkung,
dass die wenigen für die Schuld frage etwa zu verwerthenden
Dokumente dieses Aktenstückes, so die den geriebenen Falsarius
offenbarenden Briefe Packs an Valentin Kröll (vergl. Ehses" frühere
160 Literatur.
Schrift S. 162 üg.), doch höchstens gegen die von Ehses versuchte
Konstruktion der Verhältnisse sprechen. Den Kuhm eines „ultra-
montanen" Historikers wollen wir Ehses nach dieser neuen Probe
seiner Forschungen nicht absprechen-, ob seine Parteigenossen von
Form und Inhalt seinei' „Entgegnung" sehr erbaut sein werden,
bleibt zu bezweifeln.
Kiel. G-. Kawerau.
Chronik der Stadt Borna mit Berücksichtigung der umliegenden
Ortschaften. Neu bearbeitet von Robert Wolfram, Seminar-
oberlehrer em. Borna, im Selbstverlage des Verfassers. 1886.
2 BU. 452, XVI SS. 8^\
Um sich die etwas wunderliche Form zu erklären, in welcher
das vorliegende Buch in die Öffentlichkeit tritt, muss man einen Blick
auf seine Entstehungsgeschichte werfen. Bereits im Jahre 1859
hat Wolfram eine Chronik von Borna herausgegeben; sie erschien
im Selbstverlage des Verfassers und das gestattet bei lokalgeschi ert-
lichen Werken fast immer den Rückschluss, dass die Herausgabe
dem Autor nicht unbedeutende Opfer auferlegt und wohl avtch manche
Enttäuschung bereitet hat. Zu den letzteren gehörte, dass die
ersten sechs Bogen, die der Verfasser als Probeheft versandt hatte,
theils gar nicht, theils in unbrauchl)arem Zustande wieder in seine
Hände gelangten; so kam es, dass allmählich etwa hundert inkom-
plete Exemplare des Werks übrig blielieu. Um dieselben verwenden
zu können, entschloss sich der Verfasser zu einer neuen Bearbeitung
der ersten sechs Bogen; da er jedoch während des Vierteljahrhunderts,
das seit der ersten Ausgabe verstrichen war, eifrig weiter gesammelt
hatte, auch dem Werke eine Fortsetzung bis zur Gegenwart geben
wollte, so wurden aus den sechs Bogen ihrer zwölf und die Zahl
würde eine noch grössere geworden sein, Avenn nicht ein überaus
ökonomischer und von dem älteren Theile abweichender Satz an-
gewandt worden wäre; ferner raussten, damit der Anschluss an
Bogen 7 flg. erreicht werden konnte, die Seiten 80 -^ bis 80^^ ein-
geschaltet werden. Am Schlüsse trat dann noch ein Nachtrag von
ö6 Seiten hinzu. Ijetzterer sowie die ersten Bogen in ihrer erwei-
terten Gestalt sind für den Besitzer der Ausgabe von 1859 als
„Ergänzungsband" veröifentlicht worden, während das Ganze als
„Neubearbeitung" der Chronik erscheint. So sieht das Werk seltsam
bunt aus, und auch sein Inhalt macht einen etwas buntscheckigen
Eindruck. Der Verfasser gehört zu jenen auch heute nicht ganz
seltenen Chronisten, die mit warmer Liebe für ihre Heimaths-
stadt und emsigem Fleisse alle Mussestunden daran setzen zu sammeln
und dann das aus Akten und Büchern Zusammengesuchte ihren
Mitbürgern schlicht erzählen wollen ; der Leserkreis, den sie im Auge
haben — und der freilich ihre Erwartungen nicht selten enttäuscht — ,
hat dieselben Bedürfnisse wie sie selbst, er will aus der älteren
Geschichte der Stadt allerhand Interessantes im weitesten Sinne
erfahren, ergänzt bei dieser Gelegenheit gern manche Lücken seines
Wissens in der Landesgeschichte und lässt sich daher auch aus
dieser manches erzählen, wenn es auch nur in sehr losem Zusammen-
hange mit der Stadtgeschichte steht und sich in jedem beliebigen
anderen Geschichtswerke findet, legt dagegen weniger Gewicht auf
kritische Sichtung des Stoffes und wissenschaftliche Vertiefung der
Aufgabe. So sind vielfach unsere Stadtchroniken des 17. und 18. Jahr-
hunderts entstanden, und unter ihnen giebt es manche wackere,
Literatur. 1Q\
ehrenwertlie Arl)eit, die wir lieutzutage zwar nicht als A'orliild auf-
stellen möchten, die aber so manche in unserer Zeit entstandene Stadt-
geschiciite au Brauchbarkeit weit überragt. Dem Verfasser schwebte
etwas Ähnliches vor, und so erinnert sein Buch vielfach an jene älteren
Chroniken. Wie viele von diesen, hat auch er an den Schluss „Aunalen"
gesetzt, die sich freilich theilweise mit dem Anfaugsabschnitt „Ge-
schichtliches" decken, wie denn überhaupt ein Blick auf das Register
zeigt, dass scharfe (jliederung des Stoffes nicht die Stärke des
Verfassers ist. So manche andere Bedenken, die uns beim Lesen
des Buches aufstiessen und die theilweise ihren Grund darin haben,
dass das Dresdner Hauptstaatsarchiv, diese reichste Fundgi'ube säch-
sischer Stadtgeschichte, gar nicht und die neuere Literatur sehr
ungenügend benutzt woi'deu ist, wollen wir mit Rücksicht darauf,
dass wir es mit der gut gemeinten Lel)cnsarbeit eines für die Geschichte
seiner Vaterstadt begeisterten Mannes zu thun haben und dass der-
selbe weniger an weitere, als an die engsten Leserkreise gedacht
hat, gern unterdrücken. Wer sich für die Geschichte des sächsischen
Städtewesens interessiert, wird gut thun, das nur in geringer Auflage
gedruckte Werk nicht zu übersehen; innnerhin bringt es aus dem
ziemlich i'eichhaltigen Bornaer Stadtarchive manches Literessaute.
Es sei gestattet, in dieser Hinsicht nur auf das viel benutzte Stadt-
buch von 1434 aufmerksam zu machen; bekanntlich lial)eu sich nur
sehr wenige mittelalterliche Stadtbücher sächsischer Städte ei'halten.
Dresden. H. Ermisch.
Aus alten Akten. Bilder aus der Entstehungsgeschichte der Israe-
litischen Religionsgemeinde zu Dresden. Von Emil Lehmann.
Dresden, Tittmann. 1886. XVI, 77 SS. S«.
Im Anschlüsse au seine früher an dieser Stelle (VII, 165 flg.)
I)esprochene Schrift über den polnischen Residenten Berend Lehmann
und die Begründung einer israelitischen Religionsgemeinde zu Dres-
den veröffentlicht der \"erfasser eine Reihe von IVIittheilungen aus
der Geschichte der letzteren von der Mitte des vorigen bis zur Mitte
dieses Jahrhunderts. Sind diese Mittheilungen auch zunächst uui-
für die Mitglieder der Gemeinde von Interesse, so mag doch ein
kurzer Hinweis auf dieselbe auch hier Raum finden. Die Arlieit
beruht durcliweg auf den Akten des Dresdner Rathsarchiv; so reidi-
lialtig dieselben auch sind, so ist doch zu bedauern, dass von einer
Benutzung des Hauptstaatsarchivs sowie der betreffenden Ministerial-
akten abgesehen worden ist. Gewidmet ist das Schriftchen dem
Andenken an den kürzlich verstorbenen verdienten ()l)errabbinei-
Dr. Landau, dessen Bildnis ihr beigefügt ist.
Di-esden. H. Ermisch.
Die Kreiizscliule zu Dresden l)i8 zur Einführung der Reformation
(1539). Von Prof. Dr. Otto Melt/er, liektor des Wettiuer Gym-
nasiums zu Dresden. (A. u. d. T.: IVIittheilungen des \'ereins für
Geschichte und Topographie Dresdens und seiner Umgebung.
7. Heft). Dresden, Tittmann (Komm.). 1886. IV, 60 SS. 8".
Seitdem Ciiristian Schöttgen die älteste Geschichte der Kreuz-
schule behandelte, ist wohl manches werthvolle, einschlagende Ma-
terial veröffentlicht worden, so der 5. .Band des Codex diplomaticns
Saxoniae regiae und O. Richters Verfassungsgeschichte von Dresden.
Trotzdem würde dasselbe nicht hingereicht haben, Schöttgeus wenige
Seiten zu dem vorliegenden, umfangreichen Hefte auszugestalten.
Neues Archiv f. H.V.. u. A. Vlll. 1. 2. 11
162 Literatur.
wenn es Verfasser nicht verstanden hätte, iiubenutzte Quellen lieran-
zuziehen. Mit imendlich entsagungsvoller Sorgfalt sind vor allem
die Raths- und Brückenamtsrechnungen des 15. Jahrhunderts ver-
werthet, deren reiche Ausbeute der Darstellung nicht nur lebendige
Anschaulichkeit und fesselnde Lokalfarbe verleiht, sondern auch
helles Licht auf bisher dunkle Parthien wirft. Dies zeigt sich be-
sonders im 3. Abschnitte über Lehre und Kirchendienst (S. 15—27),
sowie über die Lehrer (S. 28 flg.), deren farblose Namen theilweise
hier zum ersten 31ale in deutlicher Charakteristik erscheinen. Für
weitere Kreise ist hieraus von Interesse (vergl. auch Anhang I
S. 54—59) Peter von Dresden, sowie der erste Vertreter des Hu-
manismus an der Schule, M. Ludwig (.rötz de Werdis, der zu
Herzog Georg dem Bärtigen in näherer Beziehung steht. Durch
sorgfältige Nachforschungen in der Kirchenbibliothek zu Annaberg
ist es unter anderem dem Verfasser gelungen, nicht nur die aus
zahlreichen Inkunabeln bestehende Bibliothek jenes Dresdner Huma-
nisten festzustellen, sondern auch ihre Erwerbung in Siena, zum
Theil selbst den Ankaufspreis der einzelnen Bände, nachzuweisen.
Je dunkler die Anfänge des Humanismus in Sachsen noch sind, um
so werthvoUer erscheint dieser Beitrag. Für den Kulturhistoriker
bietet die Schrift auch sonst werthvolleu Stoff, z. B. finden sich in
dem Abschnitte über Schulzucht kostbare Beispiele von Jugeud-
übermuth und strenger Ahndung.
Dresden. Georg Müller.
Töplitz. Eine deutschböhmische Stadtgeschichte von Dr. Hermauu
Hallwich. Mit 24 Illustrationen. Leipzig, Drmcker & Humblot.
1886. XIII, 471 SS. 8'\
Wenn wir diese mit bekannter Gründlichkeit, Übersichtlichkeit
und Anschaulichkeit geschriebene Geschichte einer Stadt Böhmens
kurz hier erwähnen, so geschieht dies, weil sich darin auch für die
sächsische Geschichte ein reichhaltiges, bereits wohlgeordnetes Ma-
terial vorfindet; wir meinen vorzugsweise das Kapitel „Ausbreitung
der meissnischen Herrschaft" im nordwestlichen Böhmen (S. 44 flg.).
Im Jahre 1398 nämlich hatte Borso von Riesenburg seine gleich-
namige Stammburg nebst dem Kloster Ossegg, der Stadt Brüx und
sonstigem zahlreichen Zubehör (um 40 000 Mk. Silber) an Landgraf
AVilhelm von Thüringen, Markgrafen von Meissen, verkauft. Bald
darauf erwarb letzterer auch die damals noch zu Böhmen gehörige
Burggrafschaft Dohna, das Schloss Köuigstein, die Stadt Pirna, das
Schloss Wehlen, sowie die im Meissnischen gelegenen, aber böh-
mischen Herren gehörigen Grafschaften Leisnig und Kolditz. Nicht
minder waren dem Markgrafen von böhmischen Herrschern die Ein-
künfte aus den Städten Brüx und Laun verpfändet, von Benesch v.
Duba dessen Schloss Kostenblatt und von Wenzel v. Wartenberg
dessen Burg Blaukensteiu „geöffnet" und darauf aus den Häiulen
des Markgrafen zu Lehn genommen worden. So gebot denn letz-
terer jetzt über eine sehr grosse Anzahl ritterlicher Vasallen in
Nordböhmeu und trug hierdurch nicht wenig zur völligen Germaui-
sierung desselben bei. Ereilich wurde durcli diese böhmischen Be-
sitzungen nun Markgraf Friedrich der Streitbare von Meissen, wel-
chem Kaiser Siegmund auch noch Aussig pfandweise überlassen
hatte, alsbald auch in die tramigen Hussitenkriege verwickelt, welche
unter anderem die Niederlage des sächsischen Heeres bei Aussig
(1426), die Wn'wüstung selbst der meissnischen Lande und endlich
Literatur. X63
den Verlust aller südlich vom Erzgebirge gelegenen Besitzungen (1451)
zur Folge hatten. Für das nördliche Böhmen aber bedeutete der
Sieg des Hussitismus zugleich die völlige Czechisierung des bis
dahin deutsch gewesenen Landes, wie besonders in dem Abschnitte
„Um Sprache und Freiheit" (S. 85 flg.) nachgewiesen wird.
Dresden. Knothe.
Der Leipziger SchöppeustuliL I. Abschnitt. Von Theodor Distel.
Weimar. 1886. 27 SS. S». (Separatabdruck aus der Zeitschrift
der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte Germ. Abth. Bd. VU
S. 89 — 115: Beiträge zur älteren Verfassungsgeschichte
des Seh ö p p e n s t u hl s zu L e i p z i g. Mit urkundlicTien Beilagen
und Siegelabbilduugen).
Unter diesem Titel giebt der Verfasser eine quellenmässige
Darstellung der zumal für die ältere Zeit noch niemals im Zu-
sammenhange beai-beiteten Geschichte des Leipziger Schöppenstuhls
und zwar zunächst bis zu dessen Umgestaltung im Jahre 1574.
In gedrängter, aber auch das Interesse des Nichtjuristen in An-
spruch nehmender Form weist derselbe nach, wie in dem durch
seinen Handel rasch aufblühenden Leipzig auch das städtische Ge-
richt sich alsbald nah und fern allgemeinen Ansehens und Vertrauens
zu erfreuen hatte. Schon 1325 wies König Johann von Böhmen
die damals noch zu seinen Landen gehörige Stadt Pirna im Falle
von Rechtsnoth an „die Bürger von Leipzig", und aus dem ]\Iit-
weidaer Stadtbuch von 1412 ergiebt sich, dass man auch da Recht
zu holen pflegte „zu Leipzig und zu Dresden-. Von einer „Stiftung"
des Leipziger Schöppenstuhls kann nicht die Rede sein, da sich der-
selbe nur „nach und nach seine Wirksamkeit selbst geschaffen hat".
Genauere Kunde über die Besetzung desselben erhält man erst aus
dem ältesten Leipziger Stadtbuche vom Jahre 1420. Aus diesem
geht hervor, dass damals unter einem zum Rathe gehörigen Richter
(seit 1423 hatte der Rath die Obergerichtsbarkeit erlangt) meist
sechs auf Lebenszeit gewählte Schoppen, unter denen stets die drei
Bürgermeister der Stadt, „das Gericht sassen" und nicht blos die
Stadtsachen, sondern auch „die fremden Sachen", letztere natürlich
gegen Entgelt, versprachen. Bis 1432 sind es lediglich Laien, welche
dies Schöppengericbt bildeten. Seit dieser Zeit erlangte das rechts-
gelehrte Element, vertreten durch Doktoren der Juristenfakultät zu
Leipzig, mannichfachen Einfluss auf den Rath, sowie auf den Schöppen-
stuhl. Manche Sprüche, zumal die verwickeiteren Rechtssaclien, sind
unterzeichnet sowohl von Doktoren als von den Schöppeii. Seit etwa
1514 aber sassen im Schöppenstuhl immer mindestens zwei rechts-
gelehrte Doktoren. Hatte schon Herzog Georg der Bärtige die
Sprüche des Schö])penstuhls gelegentlich wegen allzugrosser J^lilde
in peinlichen Saclien getadelt, so wurden zumal unter Kurfürst
August die Klagen über säumige Ausfertigung der Urthel, ül)er
gar zu lange Authaltung der Boten und daher über allzutheure
Rechtsprechung immer häufiger. I)ei' Grund davon lag vor allem
darin, dass jene rechtsgelehrten 31itglieder des Schöppenstuhls in
erster Linie Professoren an der Universität, oft aber zugleich auch
Mitglieder des Raths, Prokuratoren, Konsistoi'ialräthe, Hofgerichts-
beisitzer etc. waren und daher bei solcher Häufung der Ämter und
der Gehälter nur spät erst zur Ausfertigung der ihnen zugetheilten
Schöppensprüche kommen konnten. Aber auch andere Klagen wurden
zumal von ilen Landstäiuleu erhoben, dass nämlich die Urthel des
11*
164 Tiiteratur.
Schöppenstuhls zu Leipzig, des zu Wittenberg, des Hofgeriolits
uud des Oberhofgerichts einan 1er häufig widersprächen. Infolge alles
dessen ordnete Kurfürst Augast nicht nur au, dass sich diese ver-
schiedenenen Gerichtsbehörden seines Landes über die leitenden
Reehtsgrundsätze vereinigen sollten, sondern wusste iu seiner ener-
gischen Weise zumal den ün Schöppenstuhl und an der Universität
zu Leipzig eingerissenen Übelständen dadurch zu steuern, dass er
ersteren lö74 völlig reformierte. Diese Reform sellist und die fer-
nere Geschichte des Leipziger Schöppenstuhls behält sich der Ver-
fasser vor, iu einem zweiten Abschnitt eingehend zu behandeln.
Dresden. Knothe.
Die oberste Finanzkontrolle des Königreichs Sachsen in ihrer
organischen Entwickelung von den ältesten -Zeiten bis auf die
Gegenwart. Von Dr. E. Lobe, Geheimem Oberrechnungsrath in
Dresden. 127 SS. 8". (Separatabdruck aus: Finanzarchiv, heraus-
gegeben von Georg Schanz. Jahrg. 1885. Bd. II).
Diese gründliche und übersichtliche Arbeit bietet ein überaus
schätzenswerthes Hilfsmittel für die Wirthschaftsgeschichte Sachsens
im Allgemeinen und die Finanzgeschichte xxnd die Geschichte der
Behördenorganisation im besonderen. Das Ergebnis der Arbeit lässt
erkennen, dass auch auf diesem Gebiete der inneren Staatsverwaltung
das Kurfürstenthum Sachsen schon frühzeitig eine hohe Stelhuig
eingenommen hat uud den meisten deutschen Staaten vorausgeeilt
ist. Freilich haben auch in dieser Beziehung die erleuchteten und
sorgsamen Bestrebungen der Landesherren uiul der sie berathenden
obersten Staatsmänner immer nur eine theilweise Verwirklichung
gefunden und der offene Kampf der Verwaltung gegen die Kontrolle,
welcher fast im ganzen XVIII. Jahrhundert geführt worden ist,
mehr aber noch der passive Widerstand, welcher naturgemäss jeder
Kontrolle zu allen Zeiten und in allen Verhältnissen geleistet wird,
haben die Thätigkeit der für die Kontrolle getroffenen Einrichtungen
zum Theil und in manchen Perioden geradezu unwirksam gemacht.
Die Absicht, dies durch Beispiele zu erhärten, führte den Verfasser,
wir dürfen sagen leider nur in zu bescheidenem Umfange, dazu, auch
einige Einblicke in die Geschichte der sächsischen Finanzen selbst
zu gestatten. Man gewinnt dabei erneixt den Eindruck, dass Sachsen
eine gewissermassen unverwüstliche wirthschaftliche Lebensfähigkeit
besessen haben muss, wenn es gelaug, die zahllosen Missstände und
ungeheuren Schuldenlasten glücklich zu überwinden.
Die ersten Anfänge einer geregelten Kontrolle des landesherr-
lichen Finanzwesens lassen sich in Sachsen urkundlich bis zum Jahre
1349 zurück verfolgen. Die Rechnuugsablegung , welche sich vor-
wiegend auf die Eiträgnisse der landesherrlichen Regalien in den
Aemtern , Münzen, Zehntereien uud Hütten erstreckte und welche
zum Theil durch Vermittelung der Hofämter vor sich ging, war ein
vorAviegeud mündliches Verfahren („Rechnung hören") mit schrift-
licher Schlussregistratur. Bei derselben waren die Landesherren
vielfach auch persönlich thätig. Um die Mitte des XV. Jahrhunderts
erfolgte aber bereits die Anstellung eines besonderen obersten Rech-
nungs- und KoutroUebeamten, des Landrentmeisters. Ein wesentlicher
Theil der Kontrolle der Staatsfinanzen lag aber auch den seit dem
XIV. Jahrhundert in Sachsen bestehenden Laudständen insofern ob,
als dieselben von jeher sich nicht nur die Kontrolle, sondern auch
die Vorwaltung selbst der von ihnen bewilligten Landessteuern vor-
Literatur. 1 G5
behalten haben. Nicht einmal die Kasse dieser Steuern fand sich
in der kurfürstlichen Residenz, sondern meist war es der Rath der
Stadt Leipzig, bei welchem diese Gelder deponiert wurden, wie es
auch die Leipziger Messen waren, bei denen die ständischen Aus-
schüsse zur Prüfung der Steuerrechuungen zusammen traten. Hier-
aus hat sich später die landständische Kontrolle der Staatsschulden
entwickelt.
Mit dem XVI. Jalirhundert trat an die Stelle der mündlichen
Rechnungsabbör aasscliliesslich das System der Ablegung schrift-
licher Reclinungen und begann die Kodifikation der erlassenen In-
struktionen und Ordnungen: Bergordnung des Herzogs Georg des
Bärtigen von L509, Münzordnung des Kurfürsten August von 1558,
Holzordnung von 1560, Instruktion für das Aratsrechnungswesen von
1563, Errichtung des Geheimen Rathes von 1575, des Kammer-
kollegiums 1589. Unter Christian li. wurde die Finanzkontrolle mit
der Aufsicht über das Kammerschuldenwesen verbunden, eine schwere
Aufgabe, da bei dem Regierungsantritte Johann Georgs II. allein
die Rentkamraer mit der ungeheuren Summe von 11867720 Gulden
verschuldet war.
Im XVII. Jahrhundert blieben die zahllosen Einschärfuugen
bestehender Vorschriften und die Abänderungen und Ausdehnungen
(auf die Rechnungen der Städte) der Kontrolleeinrichtungen recht
häufig wirkungslos. Audi im Anfange des XVIII. Jahrhunderts,
als die damals nebeneinander bestehenden 5 zentralen Landeskassen,
nämlich die Rentkammer, die Geueralkriegskasse , die Generalaccis-
kasse, die Kasse der Oberkämmerei und die Obersteuereinnahme,
die Errichtung einer einheitlichen Kontrolle des Rechnungswesens
erforderten und, als erste ihrer Art in Deutschland, eine oberste
Rechnungsrevisionsbehörde unter dem Namen Ober-Rechen- Kannner
im Jahre 1707 geschaffen und gleich den übrigen Landeskollegien
dem Landesherrn immittelbar untergeordnet wurde, war der Kampf
dieses Kontrolle -Kollegiums gegen die eigentliche Verwaltung zum
grossen Theil erfolglos. Auch die Umgestaltung dieses selbständigen
Kollegiums in eine aus Delegierten der betheiligten obersten Laudes-
Itehörden zusammengesetzte Deputation im Jahre 1734 war ziemlich
vergeblicli, besonders als der bekannte Günstling von Brühl „aus
besonderem gnädigsten Vertrauen" zum Direktor der neuen Behörde
gemacht und damit der Bo':;k zum Gärtner gesetzt wurde. Eine
Besserung trat erst 1763 durch Brühls Nachfolger, den Kaltinets-
ministei' Grafen von Stubenberg, ein.
Unter König Anton erhielt die Oberrechnungsdeputation 1828
eine neue Instruktion. Alier schon 1831 wurde die Kompetenz der-
selben durcli den Erlass der Verfassungsurkunde wesentlich geän-
dert und 1842 wurde die Deputation unter Beseitigung der Depu-
tierten wiederum zu einer Olierrechnungskammer umgestaltet. Der
jetzige Wirkungski'eis und die (iescbäftsordnung dieser Beliörde ist
durch Verordnung vom 4. April 1877 geregelt, nachdem die Versuche,
ein bezügliches Gesetz zu stände zu l)ringen, mehrfach gescheitert
sind. Lobe wünscht eine Umgestaltung der Mit^\■irkung der Ober-
recbuungskanuner bei der Trüfung des gesamten Stnatsbausluiltes
durch die Landstände, um die Stäudeversammlung in die Lage zu
bringen, in bewusster Ueberzeugung nicht nur eine wirthschaftliche,
sondern auch eine etatrechtliche sowie sonst legale Prüfung der ge-
samten Finanzgcliarung vorzunelimen.
Leipzig. E. Hasse.
\Q(^ Literatur.
(ieschichte der Leipziger Messen von Ernst Ilasse. Gekrönte
Preisschrift. Leipzig, S. Hirzel. 1885. VII, 516 SS. 8«.
Unter vorstehendem Titel hat der Leiter des statistischen Amtes
der Stadt Leipzig, Herr Dr. phil. Ernst Hasse, eine von der fürst-
lich Jablonowskischen Gesellschaft der Wissenschaften gekrönte
Preisschrift veröffentlicht, die anf dem verhältnismässig spärlich
liebauten Gebiete der Handelsgeschichte unseres engereu Vaterlandes
eine geradezu epochemachende Erscheinung genannt zu werden
verdient. Zwar äussert der Verfasser selbst im Eingang seines
Werkes die wohlbegründete Ansicht, dass in Ermangelung wichtiger,
auf seinen Gegenstand Bezug haljender Vorarbeiten der Zeitpunkt
für die Abfassung einer Geschichte der Leipziger Messen, welche die
Bedeutung dieser letzteren nach allen Seiten ins Licht zu kehren
vermöchte, noch nicht gekommen sei. Um so höher hat man aber
den Werth einer Arbeit anzuschlagen, die nicht begonnen werden
konnte, ehe der Verfasser auf Grund einer langen Reihe eingehender
Spezialvoruntersuchungeu durch eigene Mühe den Boden geebnet
hatte, um dann in erstaunlichem Sammelfleiss und, wie hervorgehoben
sei, unter recht geschickter und vorsiclitigei- Benutzung des oft fast
überreich gebotenen Quellenmaterials ein ül.)ersiclitlich und sauber
ausgearbeitetes Erzeugnis zu liefern, ilas für spätere Arbeiten auf
demselben Gebiet immerhin von grundlegende!' Bedeutung bleiben
wird. Denn trotz des mehr als ein halbes Jahrtausend umfassenden
Zeitraums, auf den die Forschungen des Verfassers sich zu erstrecken
hatten, zeichnet sich sein Werk doch durch eine so eingehende und
gründliche Behandlung des Stoffes aus, durch so viele neue, wertli-
voUe Ergebnisse seiner vielseitigen statistischen Studien und durch
eine so reiche Fülle interessanter Denkwürdigkeiten nicht nur über
jene grossen internationalen Märkte, sondern über die Aveitverzweigten
Handelsbeziehungen Leipzigs überhaupt, dass dasselbe über den
Rahmen einer blossen „archivalischen Studie", wie er es nennen
möchte, weit hinausgeht und seinen Titel mit vollem Eechte führt.
In Ansehung des überaus reichlialtigen Stoffes, der in Hasse's
„Geschichte der Leipziger Messen" ohne sonderliche Rücksicht auf
Raumersitarnis bewältigt wird, verbietet es sich von selbst, an dieser
Stelle ausführlicher auf den Inhalt des Werkes einzugehen oder gar
etwa Kritik an einzelnen subjektiven Aufstellungen zu üben, die
ohnehin vor der Masse wohl beglaubigter Thatsachen, die uns be-
richtet werden und die an sich schon eine hinreichend deutliche
Sprache reden, zurücktreten. Um aber Avenigstens die Umrisse an-
zudeuten, in denen sich die Darstellung bewegt, so genüge es zu
sagen, dass der Verfasser zuvörderst über den Ursprung der Leip-
ziger Messen in einem Abschnitt handelt, der unter Anderem aiich
die Ansicht widerlegt, als sei die Entstehung derselben auf die
Ertheilung irgend Avelcher kaiserlicher, landesherrlicher oder sonstiger
Privilegien zurückzuführen. Geschriebenen Erlassen verdanken
wenigstens die Oster- imd Michaelismesse ihren Ursprung nicht.
Ein Ergebnis des schon im 13. Jahrhundert regen Handelsveikehrs
auf den Märkten Leipzigs, haben sie sich vielmehr allmählich selb-
ständig aus den letzteren heraus entAvickelt, Avenn andrerseits auch
A'om Verfasser nachgeAviesen wird, dass sie durch kaiserliche, könig-
liche, kurfürstliche und fürstliche, ja selbst durch päpstliche Ver-
günstigungen in ihrem Gedeihen schon früh sehr gefördert Avurden.
So milderte u. A. Martin V., um aus den sehr zahlreichen Privi-
Literatur. 167
legieu älteren Datums ein Beispiel päpstlicher Huldbezeuguugeu
herauszugreifen, die Strenge der grossen Kirchenstrafen herab für
den Fall, dass damit Belegte nach Leipzig kommen und sich daselbst
auflialten würden. Ungleich bedeutsamer als diese und eine Menge
anderer, Avichtigerer Bestimmungen, die vor allem für eine rasche
Entwickelung des Messverkehrs nach aussen hin von Yortheil waren ;
bedeutungsvoller auch als alle nachträglich noch bewilligten Vorrechte
und Freiheiten sind nun aber die kaiserlichen Privilegien von 1497
und lo07, die. indem sie alle früher ertheilten landesherrlichen Ver-
günstigungen betretfs der Messen, dos Stapels \ind der Niederlagen
Leipzigs aufs neue bestätigten und zum Theile wiederum erwei-
terten, die Messen zur selben Zeit mit öffentlich rechtlichen
Formen umgaben, um sie auf diese AVeise „gleichsam mündig" zu
sprechen. Dabei war es von Belang, dass diese umsichtigen handels-
politischen Massnahmen auch gerade in eine Zeit fielen, in der im
Gebiete Leipzigs und in den benachbarten Landstrichen Frieden
und Ruhe herrschten.
Bedeuten sonach die Wende d.es fünfzehnten und der Anfang
des sechzehnten Jahrliunderts einen sehr Avichtigen Fortschritt in
der Konsolidierung der Leipziger Messen, die man, vorübergehende
Störungen abgerechnet, von da an bis zur Mitte des 30jährigen
Krieges regelmässig abgehalten zu haben scheint, so werden nun
aber andrerseits schon in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahr-
hunderts doch auch Bestrebungen wahrnehmbar, die, zumeist von
benachbarten ^farktorten ausgehend, dem Aufblühen dieser Messen
entgegenarbeiteten. Neben sehr vielen kleinereu und kleinen Orten,
die den Leipziger ßath auf diese Weise in Streitigkeiten und Kämpfe
verwickelten, sind es besonders Halle, Magdeburg, Erfurt, Naumburg,
Braunschweig und Frankfurt am Main, deren langjährige Zwistig-
keiten mit Leipzig in Hasse" s Werk eingehender behandelt werden,
wobei es der Verfasser an kulturhistorisch interessanten Streiflichtern
auf die Politik der l)etheiligten Orte, der Landesherren und des
kaiserlichen Hofs nicht fehlen lässt.
Die feindseligen Besti-ehungen der mit Leipzig rivalisierenden
Städte, die zum Theil auf ältere verbriefte Gerechtsame pochen
konnten als dieses; die kluge und thatkräftige Politik des grossen
Kurfürsten, der Johann Georg I. und dessen unmittelbarer Nach-
folger durchaus nicht immer gewachsen waren; eine „zwanzigjährige
Zeit ununterbrochener Drangsal", die Leipzig von der Mitte des
dreissigjährigen Krieges an (1631) zu erdulden hatte, dazu die un-
geheure Schuldenlast, die dieser Krieg auf die Stadt wälzte; end-
lich — um der grossen Pest von 1680 gar nicht erst Aveiter zu
gedenken — eine langandauernde, „unbeschieibliche" Bechtsunsicher-
heit, die einen allgcmieiuen Niedergang in Industrie, Verkehr und
Handel nach sich zog — alle diese und andere Missstäude mehr
vermochten indessen nicht, eine Einrichtung zu stürzen, deren ZAveck-
mässigkeit sich unter Sclnvierigkeiten mannigfachster Art bereits
zu lange glänzend bewährt hatte, als dass sie nunmehr noch der
Ungunst vorübergehendi'r äusserer Verhältnisse zum Opfer hätte
fallen sollen.
Im Gegentheil, der Abschnitt, Avelchen der Verfasser der Ge-
schichte dei- Ijcipzige)' IVlessen vom Ende des dreissigjährigen Krieges
bis zum Jahre 1711 gCAvidraet, lässt erkennen, dass dieselben von
der Mitte des sielizehnten Jahrhundei'ts an, besonders aV)er seit dem
Regierungsant)itt Johann Georgs IIL, einen langsamen, doch stetigen
1G8 Literatur.
Aufschwung naliineu, der iliueu bereits im ersten Jahrzehnt des
achtzehnten Jahrhunderts zum Übergewicht über alle anderen Reichs-
messen, selbst die von Frankfurt am 3Iain mit inbegriffen, verholfen hatte.
Es ist bekannt, dass Leipzig diesen erfreulichen Vorsprung
bis auf den heutigen Tag zu wahren und zu vergrössern verstanden
hat, wiewohl es hierbei, wenigstens während des achtzehnten Jahr-
hunderts, staatlicherseits nicht eben immer in der wünschenswerthen
"Weise gefördert wurde ^).
Abgesehen von der nicht gefährlichen, doch unbeciuemen Kon-
kurrenz Braunschweigs, von dem Verbot der Waareneinfuhr aus
Frankreich und von den im achtzehnten Jahrhundert permanent
gewordenen Zollstreitigkeiten aller Staaten unter einander war aber
ein anderer Faktor, der Leipzigs Handel und Messgeschäft und
zAvar am allerschwersten Abbruch that, der siebenjährige Krieg, in
welchem Friedricli der Clrosse die Stadt „geradezu systematisch aus-
saugte". Der Verfasser macht ül)er die für jene Zeit ganz unge-
heuren Bedrückungen, die Leipzig damals über sich ergehen lassen
musste, recht interessante Mittheilungen, kommt aber doch zu dem
Schlüsse, dass „vom siebenjährigen Krieg an bis zu den napoleo-
nischen Kriegen die äussere Entwickelung der Leipziger Messen
eine ruhige, von besonderen Zufällen nicht gestörte war".
Dieser Stand der Dinge änderte sich in der letzten, von 1806
bis zur Gegenwart reichenden Periode.
Die unglücklichen Folgen der Schlacht bei Jena, die zur defi-
nitiven Besetzung Leipzigs durch Davoust führte; die Verhängung
der Kontinentalsperre, die den Handel mit England lahm legte und
zur Beschlagnahme aller in Leipzig lagernden Waareu englischen
Ursprungs führte; die Verhängnisse des .Jahres 1813. in welchem die
Stadt bald in den Händen der Franzosen, liald in denen der Russen
war; endlich, um nur noch eine wichtige politische Umgestaltung zu
erwähnen, die Theilung Sachsens, die die alteu Zollstreitigkeiten
mit Preussen von neuem wachrief — alles dies musste für Leipzigs
Handel und seine Messen zu neuen, schweifen Krisen führen, denen
schon nach wenigen Jahrzehnten einschneidende Umwälzungen
anderer Art folgten : der Beitritt Sachsens zu dem Zollverein und
die Umgestaltung der Verkehrsverhältnisse durch die Eisenbahnen.
Auch über die vorstehend kurz berührten Ereignisse und ihre
wirthschaftlichen Folgen giebt der Verfasser ausführlichere Rechen-
schaft, um sodann noch einen Blick auf das Leipziger Ausstellungs-
wesen zu werfen, während Mittheilungen über die Jlessen der
Jahre 1866 und 1870 den Schluss der fortlaufenden Geschichte jener
grossen Märkte bilden.
So viel ül)er den Theil des Hasseschen Werkes, welcher der
äusseren Geschichte der Leipzige}' Messen gCAvidmet ist. Es
folgen dann noch in neun weitej'en Abschnitten ziemlich umfang-
reiche, detailliert gehaltene Forschungen und Studien über die Ver-
fassung derselben, über den Umfang des Waaren-, des Geld- und
des Personenverkehrs während der Messen, sowie über den Verlauf
und die Bedeutung derselben seit 1729 — Untersuchungen, die
^) Der Verfasser bringt hierfür auf Seite 147 tig. sehr drastische
Belege bei. Wie aus verschiedenen Petitionen, u. A. einer vom
Jahre 1800 (Aul. Xo. XXXIII) erhellt, waren sich Rath und Kauf-
mannschaft Leipzigs der Vernachlässigung ihrer Interessen seitens
der Regierung übrigens klar bewusst.
Literatur. lOO
ihrem ^^'eseu uacli wenig aiigeilian sind, in Kürze und au dieser
Stelle besprochen zu werden. Dagegen bleibe nicht unerwähnt, dass
der Verfasser seinem Werke ausser einer beträchtlichen Anzahl
zum Theile auszugsweise abgedruckter wichtiger Urkunden (Anl. I — L,
pag. 4n5 — 505) ein mit vieler Mühe zusammengestelltes Jnhalts-
verzeichnis beigegeben hat, das insbesondere dem Kaufmann und
Industriellen bei der Benutzung des Buches gute Dienste thun wird.
Denn Hasse's Werk hat nicht nur auf des Historikers Interesse
Anspruch : der Handels- und Gewerbestand kann daraus die A'ei-
gangenheit kennen lernen, um die Gegenwart zu verstehen und auf
die Zukunft zu schliessen.
Leipzig. Georg Schönherr.
Handel und Industrie der Stadt BaseL Zunftwesen und Wirth-
schaftsgeschichte bis zum Ende des XVII. .lahrhunderts aus den
Archiven darüestellt von Traugott dieering', Dr. phil. Basel 1886.
XXVL 678 ^SS. 8«.
Für die Würdigung dieser ausserordeutlicli inhaltreichen wirth-
schafcsgeschiclitliclien Arbeit nach ihrem Hauptinhalt ist hier nicht
der Ort. Es sollen nur einige Punkte besprochen werden, welche
sich auf die Wirthschaftsgeschichte Sachsens beziehen und natürlich
doit nur gelegentliche Behandlung finden.
Während Basel in einer ersten, nicht näher bekannten Blüthe-
periode nach den Messen in der Champagne gravitiert, ist sein wirth-
schaftliches Leben vom XIV. .Tahrhundert an auf das innigste
mit den Messen in Frankfurt a. M. verknüpft. Die Beziehungen
Basels zu den Leipziger Messen sind dagegen, wie es nach den
Ausführungen Geerings scheint, bis zum Ende des XVII. .Jahrhun-
derts auffiillig belanglos und beschränken sich auf den Buchhandel:
„In Leipzig rinden wir uuseie Baseler Di'ucker ausnahmsweise fi'üli.
Bernhard Ricliel hat 1473 ff. beträchtliche Exstanzen bei anderen
Druckern. Mit dem Einzug eines Theiles (20 Fl.) zu Weihnachten
in Lipx beaufti'agt er den Niclaus Kessler. Falls dieser nicht nach
Leipzig geht, ist die Summe bis Fronleiclinam an ihn selbst nach
Basel zu entrichten ... Im ]\littelpunkt aber steht durchaus Frank-
furt." , Leipzig erhielt, 1603 zum erstenmal, das Uebergewicht über
Frankfurt. Für Basel war diese Verschiebung aber offenbar nach-
theilig, da sie die Entfeinung vom Hauptmarkte verdoppelte."
Die starken Beziehungen der Basler und schweizer Industrie
zu den Leiiiziger Messen, welche die Geschichte der letzteren er-
kennen lässt, fallen erst in das von Geering nur flüchtig hehandelte
XVIII. .Jahrhundert.
Bei Bespreehuug der Verkehrsverhältnisse des XVII. .lalir-
h)uiderts wird erwähnt, dass damals eine Art IJeaktion zu gunsten
der Wasserstrassen eingetreten sei, dass aber damals der sächsische
Oberbergmeister Weigel begonnen habe , die Sprengarbeit dem
Strassenbau nutzbar zu machen.
Audi die Industrie der Schweiz ist, wie die anderer mittel-
europäischer Länder, auf das gliicklicliste durch die französischen
und italienischen (üaubensverfolgten beeinrtusst worden. Vielfach
war die Schweiz für dieselben ein DuTchgangsi>unkt, so dass deutsche
industi'ielie Anlagen melirfach in tirster Linie auf die Schweiz, in
letzter Instanz aber auf die Refugianttm zurückzuführen sind. So
begründete Paris Appiano 1557 die Seidenfärberei und Sammtweberei
1 70 Literatur
in Züricli. Eiuer seiner Arbeiter Jakol» Duiio riclitete aber dem
Kurfürsten von Sachsen in Meissen eine Fabrik ein.
Während Frankreich im XVII. Jahrmmdert auf dem Gebiete
der industriellen Produktion Italien verdrängte und zum ersten
Range emporstieg, hat sich Deutschland 30 Jahre lang im blutigsten
Kriege zerfleischt. Seit dem Frieden al)er drohte Frankreichs ma-
terielle Uebermacht unter der unerreichten Verwaltung Colberts den
östlichen Nachbar vollends zu ersticken. Es ist ein Stück von der
Politik Heinrichs IV., die unter Richelieu und Louis XIV. zur
Reife gedeiht. Deutschland soll in foitdauerndem Kriegszustand er-
halten bleiben, es soll dazu dienen, französische Heere zu nähren
imd in Übung zu erhalten u.nd endlich soll ein Stück guten deutschen
Bodens nach dem andern abbröckeln. Es sollen ihm aber auch seine
wirthschaftlichen Kräfte unterbunden bleiben.
Geering bezeichnet es als das Verdienst des grossen Kurfürsten
und des sächsisch-polnischen Königshauses, zum Theil auch der Stadt
Hamburg, den Gegner von dieser wirthschaftlichen Seite her klar
erkannt und ihm, Avenu auch mit ungleichen Mitteln, doch mit
wachsender Macht und schliesslich im Zollverein unseres Jahrhun-
derts, überhaupt in der deutschen Einheit des neuen Reiches, mit
Erfolg begegnet zu haben. Zu der politischen Ohnmacht der klei-
neren süddeutschen Staaten kam im XVII. Jahrhundert der zünftige
Starrsinn, welcher eine wirthschaftliche Entwickelung unmöglich
machte. Nur im Norden, wo einsichtige Füreten über grössere Ter-
ritorien geboten und Macht und Entschiedenheit genug l)esassen, um
gegen die kleinhandwerkerliche Einseitigkeit des solidarischen deut-
schen Zunftwesens, hauptsächlich gegen die enggeschlossene Phalanx
der Gesellentyraimis aufzukommen, da trat nt'ben den Verfall des
Zunftwesens eine milchtig aufstreliende moderne Bewegung. Diese
wirthschaftliche Seite der Entwickelung wird in ihrer Bedeutung
als Vorarbeit für die Verschiebung des Schwerpunktes im neuen
deutschen Reiche nicht hinlänglich beachtet. Vor allem Sachsen,
dann Brandenburg, Hamburg und der Niederrhein hielten das deutsche
Wirthschaftsleben im XVII. und XVIII. Jahrhundert aufrecht.
Gelegentlich wird erwähnt, dass der 30jährige Krieg den
Tabakgenuss auch in Sachsen verbreitet habe, wo 1631 die ersten
Tabakpflanzungen angelegt worden seien. Dass nach dem Kriege
die sächsische Tuchindustrie aucli in der Schweiz wieder ein Absatz-
gebiet gefunden hat, ist nicht auffällig, bemerkenswerth aber, dass
„die Meissner" Scheinfuss aus Reichenbach und Kürtzel aus Meissen
in Basel den Versucli gemacht haben, den Tuchausschnitt im ein-
zelnen au sich zu bringen.
Leipzig. E. Hasse.
Prinzenunterricht im 16. und 17. Jahrhundert nach Handschriften
der Königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden. Von Dr. C. Fietz.
Jahresbericht des Neustädter Realgymnasiums zu Dresden
Dresden. 1887. 2.5 SS. 40.
Bealjsichtigt auch der A'erfasser vorliegender Programmabhand-
lung nach dem gewählten Titel eine Aveitere Fassung des Themas, so
beschäftigt er sich doch fast ausschliesslich mit der Erziehung der
Prinzen aus dem Hause Wettin und bietet nach Seite der Methode wie
der Resultate einen AverthvoUen Beitrag zur sächsischen Geschichte.
Als Quellen dienten ihm eine Reilie von handschriftlichen Heften wie
gedruckten Lehrbüchern, welche sich im Gebrauche der fürstlichen
Literatur. 171
Zöglinge befanden und jetzt der hiesigen Königlichen ölfentlichen Bil)-
liothek angehören. Als Resultat ergiebt sich, dass die einzelnen Strö-
mungen, welche durch die Geschichte der Pädagogik in diesen .lahr-
hunderten hindurchgehen, mehr oder weniger auch die Fürstenerzieh-
ung beeintlusst haben. Deutlich lassen sich die verschiedenen Perioden
unterscheiden Mit Interesse verfolgt man die einzelnen Lehrfächer,
über deren Betrieb, praktische Ausgestaltung und Erfolge wir in ein-
yehendster Weise unterrichtet werden, während uns sonst in dieser
Kichtung oft genug die Quellen fehlen. So fesseln uns beim Schreib-
unterricht nicht nur die Leistungen der jugendlichen Schreibkünstler
bezüglich der Form mit ihrer grösseren oder geringeren Gewandtheit,
sondern namentlich auch der Inhalt der "\'orlagen und Uebungen, wel-
cher mit seinen (Tlückwunschgedichten in akrostichischer Form, Adres-
sen an die hohen Vei'wandten, moralischen Sentenzen, Gebeten wider
den Türken ganz die Stimmungen und den Charakter der Zeit wider-
spiegelt. In den klassischen Sprachen fallen uns die Reimregeln auf,
deren Menge und Form heute wohl nicht nur bei den geschworenen
Gegnern dieser Blüthe des lateinischen Unteriichts ein gelindes Gruseln
veranlassen würde. Die Ertheilung des Religionsunterrichts durch
Hofprediger (S. 5) dürfte wohl auf ältere Zeit zurückzuführen sein.
Man darf annehmen, dass diese Verbindung bereits seit Nikolaus Sei-
necker geblieben ist. Unter den Fäcliern wird das Hebräische nicht ge-
nannt. In dieser Sprache genoss Johann (xeorg II. drei Jahre lang den
Unterricht des Rektors der Dresdener Kreuzschule, M. Johann Bohe-
mus. Er wai' der letzte, der diesen Bildungsgang durchmachte. Leider
scheint sich dai'ül)er im hiesigen Königlichen Hauptstaatsarchiv nichts
erhalten zuhaben. Vergl. Meltzer, 31 .lohaan Bohemus. . . S. 39,47.49.
Über die einzelnen Persönlichkeiten der Lehier fügt Berichterstatter
folgende Xotizen l)ei. In Herzog Heinrichs Hofstaat erscheint 1534
ein „Her alerten des J. Hern Preceptor"; von ihm wird auch ein Bücher-
kauf für den Gebraucli des Zöglings erwähnt. Yergl. Seideniann, Die
Reformationszeit in Saclisen. Handexera])lar des Verfassers in der hie-
sigen Königl. öffentl. Bibliothek (H. cccl. E 826) S. 48 Beililatt. Eben-
dort S. 171 wird erwähnt vom .Jahre lö37 „M. Andreas Walwitz, Prä-
ceptor für die jungen Herrn und Mattes Weller sein Junge'". Ebendort
linden sich Notizen übei' den (J ehalt von Herzog Augusts Lehrer M
Nontaler S. 171b; vergl. auch S. 241b und Dresdner Hauptstaatsarchiv
Cop. 222. fol. 107. Im Geschossbuch fürs Jahr l.öSö Bl. 88b (ebenda,
vormal. Finanzarchiv) wii'd genannt Heinrich von Hagen, der jungen
Herrschaft Hofemeister. Vorstehende Notizen sollen als ?!og'.;
c'/l-fTi-t 9iA-fiT£ dem Verfasser das Interesse bezeugen, mit dem Ref.
die Allhandlung gelesen hat.
Dresden. Georg Müller.
Übersiclit über neuerdings erschienene Schriften
und Aufsätze zur sächsisch -thüringischen Geschiclite und
Alterthumskunde.
am Ende, E. Pastor Carl Heinrich Nicolai zu Lohmen, der erste
Wegweiser durch die s'ichsisehe Schweiz : Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung. 1886. No. 71. S. 423—425.
— Die Leich'schen Stiftungen: ebenda No. 72. S. 431.
172 Literatur.
Behns. Bad. Die ]\Iühleu der Stadt Zittau: Neues Lausitzer
JEagaziü. Bd. LXII (1886). S. 217—244.
Graft. Benst, Frdr. Ferd. Aus drei Viertel- Jahrhunderten. Er-
innerungen und Aufzeichnungen. 2 Bde. Stuttgart. Cotta. 1887.
XV, 462 und VIII, 579 SS. S».
Boettcher, Frdr. Eduard Stephani. Ein Beitrag ziir Zeitgeschichte,
insbesondere zur Cieschichte der nationalliberalen Partei. Leipzig,
Brockhaus. 1887. IX, 299 SS. S»
V. Borries, H. Vorgeschichtliche Grräber bei Bossen (Kr. Merseburg)
und Kuckenburg (Kr. Querfurt). Herd- und Brandstellen aus
vorgeschichtlicher Zeit in Giebichenstein bei Halle, vorgeschicht-
licher Begräbnisplatz bei DüUiugen und vorgeschichtliche Grab-
hügel in Lohholze bei Schkölen. Berichte über Ausgrabungen,
unternommen von H. v. B. (A. u. d. T.: Vorgeschichtliche
Alterthürae)' der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete.
Herausgegeben von der historischen Commission der Provinz
Sachsen. I. Abtheilung. 3. und 4. Heft.) Halle, Hendel. 1886.
24 SS. und 7 Tafeln, gr. 4».
Braun, J. Geschichte der Buchdrucker und Buchhändler Erfurts
im 15. bis 17. .Jahrhundert: Archiv für Geschichte des deutschen
Buchhandels X (Leipzig 1886). S. 59—116.
f Briden, Casp.J Maria Josepha, Königin von Polen. Churfürstin von
Sachsen 1699—1757: St. Benno-Kalender. 1887. S. 51—71.
Buchwald. Beiträge zur Geschichte des vogtländischen Adels:
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 17.
19, 21. S. 98 flg., 109 flg., 121—124.
Biisson, A. Friedrich der Freidige als Prätendent der sicilischen
Krone und Johann von Procida: Historische Aufsätze dem An-
denken an Georg "Waitz gewidmet. (Hannover, Hahn. 1886.)
S. 324—336.
Distel, Theodor. Der Leipziger Schüppenstuhl. I. Abschnitt.
Weimar 1886. 27 SS. 8". (Separat- Alidruck aus der Zeitschrift
der Savigny- Stiftung für Bechtsgeschichte Geim. Abth. Bd. VII.
S. 89-115).
Dittrich. Max. Beim Reo'iment des Prinzen Friedrich August
1870 71. Kriegs-Erinneruugen. Dresden, Fi'. Tittel Nachf. 1886.
110 SS. 8^'.
E. Der Militär-St -Heinrichsorden. Zum 7. Oktober, dem 150 jäh-
rigen Stiftungstage desselben : Wissenschaftliche Beilage der
Leipziger Zeitung. 1886. No. 80. S. 477—480.
Ebeling. Friedr. W. August von Sachsen (1553—1586). Berlin,
J. j. Heine. 1886. IV, 108 SS. 8«.
Ermisch, H. Urkundenbuch der Stadt Freibfrg in Sachsen. Im
Ax;ftrage der Königlich Sächsischen Staatsregiernng herausgegeben.
II Band: Bergbau, Bergrecht, Münze. Mit einer Tafel. (A. u.
(1. T. : Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im Auftrage der
Königlich Sächsischen Staatsregierung herausgegel)en von Otto
Posse und Hubert Ermisch. Zweiter Haupttheil. XIII. Band).
Leipzig 1886. LXVIII, 529 SS. 4^
Fietz, C. Prinzenunterricht im 16. und 17. Jahrhundert nach Hand-
scliriften der königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden (Jahres-
bericht des Neustädter Realgymnasiums zu Dresden). Dresden.
1887. 25 SS. 40.
Literatur. 173
Frankenstein, Knno. Bevölkerung und Hau.sindustrie im Kreise
Schmalkalden seit Anfang dieses Jahrhunderts. Ein Beitrag zur
Socialstatistik und zur Wirthschaftsgescliichte Thüringens. 31it
mehreren in den Text gedruckten Abbildungen. (A. u. d. T. : Bei-
träge zur (reschichte der Bevölkerung in Deutschland seit Anfang
dieses Jahihunderts. Herausgegeben von Fr. J. Neumann. Bd. 2.)
Tübingen. Laupp. 1887. XI, 284 SS. 8».
Hey, Gustav. Slavische Ortsnamen in deutschem Gewände: Wissen-
schaft). Beilage zi;r Leipziger Zeitung. 1887. Xo. 20. S. 117—119.
Jacob, G. Die Gleichberge bei Römliild als Kulturstätten der La
Tenezeit Mitteldeutschlands. (A. u. d. T. : Yorgeschichtliche
Altertliümer der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete.
Herausgegeben von der historischen Commission der Pi'ovinz
Sachsen. L Abtheilung. 5.-8. Heft.) Halle, Hendel. 1887.
50 SS. mit 8 Tafeln und eingedruckten Figuren, gr. 4".
Kirchhoff, Albr. Ein etwas räthselhaftes Document [zur älteren
Geschichte des Leipziger Buchhandels]: Archiv für Geschichte
des deutschen Buchhandels X (Leipzig 1886). S. 9 — 26.
— Lesefrüchte aus den Acten des städtischen Archivs zu Leipzig 11 :
ebenda S. 117—158.
— Cliristo})h Kirchner in Leipzig und sein Concurs 1597/98 : ebenda
S. 174—206.
— Der Leipziger Katli als Mäcen: ebenda S. 231 flg.
— Noch Einiges zu Johann Herrgotts Beziehung zu Leipzig:
ebenda S. 282 flg.
— Aus dem Familienleben Leipziger Buchhändler: ebenda S. 232 — 247.
— Zum Yögelin-Kopf "sehen Streit: ebenda S. 247 flg.
— Noch einmal der Leipziger Mes-skatalog : ebenda S. 248 — 2.50.
— Die Anfänge der Insinuation von Piivilegien durch den Kath zu
Leipzig: ebenda S. 256 — 265.
— Zu den Streitigkeiten der Leipziger Buchhändler mit den Mess-
freunden: ebenda S. 267—270.
Kirchner^ K. Biographie Adam Sibers. Chemnitz, 0. Mav (Komm.).
1887. 206 SS. 8«.
Knabe, C. Das Amt Torgau; Volkszahl von Torgau 1505 und 1535.
(A. u. d. T. : Publikationen des Alterthums-Vcreins zu Torgau I.j
Torgau, Fr. Jacob. (Komm). 1887. 37 SS. 8'\
Knothe, H. Wie Seifhennersdorf zur Oberlausitz geschlagen wu)-(le:
Neues Lausitzer Magazin. Bd. LXII (1886). S. 286—288.
— Wie die Burg Kailsfried und die Zittaucr Yogtei für die Krone
Böhmen reklamiert werden sollte: ebenda S. 288 — 292.
I — ] Kriegserlebnisse eines Soldatenscliulmeisters aus dem Jahre 1 866 :
Sonntags -Extrabeilage zu den Bautzener Nachrichten. 1886.
No. 35—38. S. 137 flg.. 141—143, 145 flg., 149 flg.
Koch. Ernst. ]\[agister Stephan Reich (Kicciu.'<). Sein Leben und
seine Schriften (1512—1588). 1. Theil. .Mit Reichs lUldnis iii
Lichtdruck. (I'rogramm des Gynmasium Bernbardinum zu Mei-
ningen.) Meiningen. 1886. 40 SS. 4".
— Urkundlicher Stammbaum der Familie Triller vom Geschlechte
des Köhlers, welcher im Jahre 1455 die Befreiung des Prinzrn
Albrecht von Sachsen herbeiführte. Meinini>en, L. v. Eye. 1887.
20 SS. 4'^.
Köhler, J. A. E. Das Königreich Sachsen und seine Fürsten. Für
Schule und Haus bearlieitet. RH 26 Bildnissen sächsischer Fürsten.
Leipzig, Hirschfeld. 1886. IV, 306 SS. 8".
1 74 Literatur.
Korscheit, G. Das Bombardement von Zittau am 23. Juli 1757:
Neues Lausitzer Magazin. Bd. LXII (188ti). S. 206—216.
V. Krosigl", Konr. Urkundenbucli der Familie v. Krosigk. Eine
Sammlung- von Regesten, Urkunden und sonstigen Nachrichten
zur (Teschichte der Herreu v. Krosigk und ihrer Besitzungeu.
Im Auftrage der Familie v. Krosigk gesammelt und bearbeitet.
3. Heft. 2. Abtheilung-. Halle, Schmidt. 1885. S. 123—248. 8'\
Lehmann, Einil. Aus alten Acten. Bilder aus der Entstehungs-
geschichte der Israelitischen Religionsgemeinde zu Dresden.
Dresden, Tittmaun. 1886. XVI, 77 SS. 8«.
Lobe, J. und Löhc, E. Geschichte der Kirchen und Schulen des
Herzogthums Sachsen- Altenburg, mit besonderer Berücksichtigung
der Ortsgeschichte. Erster Band. Altenburg, Bonde. 1886.
IV, 642 SS. 8".
Frhr. v. Mansherg, B. Die Minnelieder Heinrichs des Erlauchten :
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1886. No. 73,
77. 79. 81, 83. 85. S. 437—439, 457-460, 473-475, 485—487,
498—500, 509-512.
Meitzen. Die (Jberlausitz und Hermann Knothe: (iöttinger (ie-
• lehrte Anzeigen. 1887. No. 2. S. 66—73.
F. Herrn. Meyer . Die Messrelationeu Abraham Lambergs: Archiv
für Geschichte des deutschen Buchhandels X (Leipzig 1886).
S. 250—256.
Müller. Georg. Quellenstudien zur Geschichte der sächsischen Hof-
prediger. I. Kaspar Füger, Hofprediger der Herzogin Katharina
von Sachsen. IL Hieronyraus Opitius, Hofprediger der Herzogin
Katharina von Sachsen und Reformator von Bischofswerda : Zeit-
schrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben. Jahrg.
1886. Heft X. S. 518—531. Heft XII. S. 624-632.
V. Miilverstedt, G. A. Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis.
Sammlung von Auszügen aus Urkunden und Annalisten zur Ge-
schichte des Erzstifts und Herzogthums Magdeburg. Nach einem
höhern Orts vorgeschiiebenen Plane in Gemeinschaft mit Ed.
Jacobs, K. Janicke, F. Geisheim, C. Sattler und M. Krühne
bearbeitet und auf Kosten der Provinzial-Vertretung der Provinz
Sachsen herausgegeben. Dritter Theil. Von 1270 bis 1305.
Nebst Nachträgen zu den drei Theilen und einer chronologischen
Tabelle über die ersteren. Magdeburg, E. Baensch. 1886. IV.
810 SS. 8°.
Xeedon, B. Zur Entstehung der obersächsischen Familiennamen:
Wissenschaftliche Beilage der liCipziger Zeitung. 1886. No. 103.
S. 645-650.
— Der sächsische Historiker .Johann Christian Schöttgen. Zur Er-
innerung an seinen zweihundertjährigen Geburtstag: ebenda 1887.
No. 20. S. 114 flg.
Oerfel. G. Sachsens wüste Marken : ebenda 1886. No. 100. S. 621
bis 623.
— Slavische Reste in Sachsen: ebenda 1887. No. 7. S. 37—39.
Pfotenhaner. P. Sechsstädter auf der Universität Frankfurt a. 0.
1506—1606: Neues Lausitzer Magazin Bd. LXII (1886). S. 181
bis 205.
Pilk, Georg. Der Heidenfriedhof auf dem Falkenberse : Über Berg
und Tluil. Jahrg. 10 (1887). No. 2. S. 111-113.
Literatur. 175
Pohle, Fr. W. Cbruuik vou Loschwitz. Auf Grruiid vou amtliclieu
Quellen und mit Benutzung des königl. sächs. Hauptstaatsarchivs,
des Rathsarchivs der königi. Haupt- und Residenzstadt Dresden
sowie der königl. Bibliothek zusammengestellt und bearbeitet.
Dresden, Teich/ 1886. 333 SS. 8".
(Rentsch, Joh. G.) Aus Kittlitz [Personalien über liervorragende Lau-
sitzer aus den Cleburts- und Taufregistern der Parochie K.] : Xeues
Lausitzer Magazin. Bd. LXII (1886). S. 282 flg.
— Abschrift eines Lehnbriefes über die Dörfer Kittlitz, Georgewitz
und Krappe vom Jahre 1396: ebenda S. 284—286.
Schmidt, Gustav. Urkundenbuch des Hoclistifts Halberstadt und
seiner Bi;chöfe. Dritter Theil. 1304—1361. Mit 6 Siegeltafeln.
(A. u. d. T. : Publikationen aus den K. Preussischeu Staatsarchiven
27. Bd.) Leipzig 1887. VI, 710 flg. 8*'.
Schneidewind, E. Der tugendhafte Schreilter am Hofe der Land-
grafen von Thüringen. Eine Festschi ift des Karl-Friedrich-
Gyrauasiums zu Eisenach. Gotha, Perthes. 1886. A'II, 24SS. 8".
Schönerinarck, Gustav. Beschreibende Darstellung der älteren Bau-
und Kunstdenkmäler der Stadt Halle und des Saalkreises (A. u.
d. T. : Beschreibung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der
Provinz Sachsen und angrenzenden Geljiete, herausgegeben von
der historischen Commissiou der Provinz Sachsen Neue Folge.
Bd. 1.) Halle, Hendel. 1886. VIII. 619 SS. S».
V. Schubert. Charakteristik der Kriegführung im 7jährigen Kiiege,
ndt besonderer Beziehung auf den Kriegsschauplatz in Sachsen:
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1886. No. 83.
S. 493—498.
Schnm, W. Jahresberichte über Erscheinungen auf dem Gebiete der
Geschichte von Obersachsen, Thüringen und Hessen im Jahre
1882 : .lahresberichte der Geschichtswissenschaft, im Auftrage der
Historischen Gesellschaft zu Berlin herausgegeben von J. Her-
mann, J. Jastrow, Edm. Meyer. .Jahrg. V (Berlin, Mittler und
Sohn. 1886). IL S. 174—187. III. S. 88—105.
Steche, B. Über ältere Bati- und Kunstwerke in der Amtshaupt-
mannschaft Schwaföenberg : Wissenschaftliche Beilage der Leip-
ziger Zeitung. 1886. JNo. 98. ö. 605—607.
— Das Palais im Königlichen Grossen Garten zu Dresden: ebenda
No. 103 S. 650 flg.
Steiti. Die wendiscdien Marken des deutschen Reiches unter der
Regierung Kaiser Heinrich IV. : .lahresbeiicht des herzoglichen
Friedrichs -Realgynmasiums zu Dessau 1886. 38 SS. 4".
Frhr. v. Tettau, W. J. A. Gescbiclitliche Darstellung der Gebiete
der Stadt Erfurt und der Besitzungen der doitigen Stiftungen.
Mit einer Uebersichtskarte. (A. u. d. T. : .Jahrbücher der königl.
Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, N. F. Heft
14.) Erfurt, Villaret. 1886. 265 SS. 8'\
— Erfurts Unterwerfung unter die Mainzische Landeshoheit. [1648
bis 1664.J (A. u. d. T. : Neujahrsblätter, herausgegeben von der
historischen Conmiission der Provinz Sachsen. 11.) Halle, Pfeiler
(Komm.). 1887. 56 SS. 8".
Theile, F. Pastor Carl Heinrich Nicolai zu Lohmen : Über Berg
und Thal. Jahrg. 9. (1886.) No. 12. S. 93—97.
Thümer, K. A. Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg 1811— 1842.
(Programm des Gvmnasium Albertinum zu Freiberg.) Freiberg.
1887. 39 SS. 4"."
176 Literatur.
(v. Tümpling. Wolf.) Regesten zu Tümplingschen Urkunden im
Staats- und Ernestiuischen Gresamnitarchiv zu Weimar. Weimar.
1886. 2t> SS. nebst einem Stammbaum und drei Siegeltafelu. 4".
Venediger, E. Das Unstrutthal und seine geschiclitliche Bedeutung.
Ein landeskundlicher Versuch: .Jahresbericht des Stadt - (lymna-
siums zu Halle 188H. S. 1—38.
Grf. Vitzthum v. Eckxtädt. C. Frclr. St. Petersburg und London
in den Jahren 1852 — 1864. Ans den Denkwürdigkeiten des da-
maligen königl. Sachs, ausserordentlichen Gesandten und bevoll-
mächtigten Ministers am köuiül. grossbritann. Hofe C. F. Gr. Y.
v.E. 2''Bde. Stuttgart. Cotta. 1886. XV'I, 356undXYIII,390SS. 8".
TF., J. Leipzig und sein Theater vor 60 .Tahren. Aus dem Reise-
tagebuche eines Parisers vom Jahre 1827 : Wissenschaftliche Bei-
lage der Leipziger Zeitung. 1887. Xo. 19. S. 110 flg.
Frhr. r. Zedtwitz, Arthur. [Die Wappen der im Königreiche Sach-
sen blühenden Adelsfamüien. v. Auenmüller — v. Criegern]: Dres-
dener Residenz -Kalender tur 1887. (Dresden. Warnatz & Leh-
mann.) S. 159—^170.
Antheil der Sachsen an der Eroberung Ofens 1686: Wissenschaftliche
Beilage der Leipz. Zeitung. 1886. No. 68, 69. S 405—407. 412 flg.
Mittheihmgen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alter-
thximskundc. Bd. IV, Heft 9. Dessau. 1886. 8".
Lihalt: Becker, Über einige vorgeschichtliche Funde von
der Osthälfte „der Gatersleber See". Maurer. Nachgrabungen
bei der Schlosskii'che zu Nienburg a. d. Saale. Hosäus, Elisa
von der Recke in ihi'en Beziehungen zu Dessau und Wörlitz.
Krause, Resultate der Bohrversuche auf den Feldmarken von
Gröbzig und Schortewitz 1841 — 1844. Wolfram, Heinricus de
Saxonia de oppido Bernburg in Strassburger Urkunden. Littera-
rische Nachweise zur Ge.-chichte der Landeskunde Anhalts.
Mittheilungen des Vereins fvr Geschichte der Stadt Meissen. Bd.I,
Heft 5 (Schluss). Meissen, L. ^lösche (Komm.) 1886. 8".
Lihalt: Langer, Bischof Benno von Meissen, sein Leben und
seine Kauouisation. Krej'ssig, Meissens evangelische Stadt-
geistlichkeit 1539 — 1885. Buchwald, Zu dem Briefwechsel des
Johann Rivius. Loose, Meissner Poiizeiordnungen des fünf-
zehnten und sechzehnten .Jahrhunderts. Ders., Zur Geschichte
des Theaters in Meissen. Kleinere Mittheihmgen.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Topographie Dres-
dens und seiner Umgebung. 7. Heft. Dresden, C. Tittmann
(Komm.). 1886. 8«.
Inhalt: 0. Meltzer, Die Kreuzschule zu Dresden bis zur
Einführung der Reformation (1539).
Mittheilungen vom Freiberger Alter thumsv er ein. herausgegeben von
Heinrich Gerlach. Heft 22. 1885. Freiberg i. S 1886. 8".
Inhalt: Knebel. Handwerk.sbriiuche früherer Jahrhunderte,
in.sbesondere in Freiberg.. (1. Das Lehrlingswesen). Pfoten-
hauer, Über Freibergs Arzte und Heilkünstler in den ältesten
Zeiten. Gerlach, Bilder aus Freibergs Vergangenheit (No. 5.
Die alte Freiberger Bergmannstracht). Knautii, Heinrich von
Freiberg und seine Werke. Heydenreich , Zur Bibliographie
über die Geschichte der Stadt Freiberg. Ger lach, Th. Distel
u. a., Kleinere Mittheilungen.
VI.
Eine politische Denkschrift
des kui'fiirstlich siichsiscJien Geheiinen Ratlies Abraliaiii
Yon Sebüttendorf für Joliaini Georg I. vom Jahre 1()39.
Eingeleitet und herausgegeben
von
J. 0. Opel.
Der Verfasser der nachfolgenden politischen Denk-
schrift, der kursächsische Geheime Rath und spätere
Geheimrathsdirektor Abraham von Sebottendorf, ist von
Geburt ein Öchlesier. Er war der älteste Sohn Johanns II.
(Hans II.) von Sebottendoif auf Gaulau im Kreise Ohlau
und seiner Gattin Barbara von Bilitsch aus dem Hause
Sitzmannsdorf in demselben Kreise und am 22. Juli 1585
geboren'). Johann II. von Sebottendorf gehörte der Lorzen-
dorfer Linie dieses Geschlechts an und scheint noch ein
Mann vom alten Schlage gewesen zu sein, der sich selbst
zu seinem Rechte und zu dem, was er als solches ansah,
zu verhelfen wusste. Mit gewappneter Hand und durch
einen reisigen Zug setzte er sich einst in den Besitz
einer Anzahl von Eichenstämmen, welche ihm die bischöf-
liche Regierung verweigert hatte. Ein sehr begüterter
Herr war wohl aber der Vater unsers Geheimen Rathc^s
nicht, denn er sah sich vier Jahre nach der Geburt
seines ältesten Sohnes Abraham genöthigt, sein Gut und
Dorf Gaulau für die verhältnismässig geringe Summe
^) Die Zeitangabeu siud in (iiuseiii Aufsatze unverändert stehen
geblieben und also wahrscheinliili durchweg Angaben des alten
Kalenders.
NeUBS Archiv I. S. (i. u. A. VIU. 3. 4. l^i
178 J- O. Opel:
von 3000 Tlialern an Kaspar Panwitz zu Mechwitz auf
ein Jahr zu verpfänden. Johann von Sebottendorf starb
im Jahre 1591.
Abraham von Sebottendorf hat wenigstens drei
Geschwister gehabt, einen jüngeren Bruder, Hans III.,
der später in Weigwitz und Krauschau im Kreise Ohlau
angesessen war und 1632 (22. Oktober) starb, und zwei
Schwestern, von denen die eine kein höheres Alter er-
reichte, während die andere mit Friedrich von Hohberg
verheirathet war. Hans III. von Sebottendorf war Landes-
ältester des Ohlauer Weichbildes und soll bei seinem Tode
zwölf Kinder luuterlassen haben'-).
Abraham von Sebottendorf verlor seinen Vater, als
er erst sechs Jahr alt war, so dass die ausschliessliche
Leitung seiner Jugenderziehung der Mutter zufiel. Die
ersten Grundlagen seiner gelehiten Bildung legte der
Knabe in der Stadtschule zu Ohlau und seit 1594 in der
Fürstenschule zu Brieg. Schon im sechzehnten Lebens-
jahi'e (1601) bezog der fähige Jüngling die Universität
zu Frankfurt a. O., ging darauf nach Altorf und besuchte
dann auch noch die Universitäten Leipzig, Wittenberg
und Giessen. Erst 1609 kehrte er von der Universität
nach Hause zurück. Aus seinen späteren politischen
Denkschriften darf man wohl den Schluss ziehen, dass
er sich schon in der Jugend sehr eifrig der Rechtswissen-
scliaft hingegeben hat. Walirscheinlich gehörte er auch
schon damals jener für einen Schlesier natürlichen poli-
tischen Richtung an, welche in der Kaisergewalt die
alleinige Grundlage der Reichsverhältnisse erblickte. Nur
ein Jahr nach dem Abschlüsse seiner Universitätsstudien
(1610) finden wir ihn als Hofmeister bei den jungen
Herzögen Heinrich Wenzel mid Karl Friedrich von Oels-
") Ausser G auh es Adelslexikon I, 1079 enthält auch das Königl.
Haupt-Staats-Archiv zu Dresden einige Mittheilungen zur Geschichte
des sächsischen Zweiges dieser Familie. Ferner verdankt der Ver-
fasser der Güte des Herrn Archivars Dr. Pfotenhauer zu Breslau
schätzenswerthe Ergänzungen, welche zumeist einem im Königl.
St.-A. zu Breslau befindlichen Stammbaume dieses Geschlechts ent-
nommen sind. Einige nicht unwichtige Züge zur Lebensgeschichte
Abrahams von Sebottendorf finden sich in der von dem Superinten-
denten Christophorus ßuläus am (5. Dec. 16B4 zu Dresden gehaltenen
und später veröffentlichten Leichenpredigt (Der Geistlichen llber-
winder Himlische Vergeltung Zum Brieg, druckts Christoph
Tschorn. 4). Von dem seltenen Schriftchen, besitzt die Königl. Uni-
versitätsbibliothek zu Breslau ein Exemplar, dessen Benutznng uns
durch die Güte der Königl. Bibliotheksverwaltung ermöglicht wwde.
Eine politische Denkschrift etc. 179
Benistadt, deren Vater Herzog Karl zu Münsterberg'
damals oberster Hauptmann von Ober- und Nieder-
sclilesien war. Zugleich übertrug ihm aber der Herzog
Karl au eil die Leitung seines Mündels, des Herzogs Georg
Rudolf zu Liegnitz.
In dieser Stellung kann jedoch Abraham von Sebotten-
dorf nicht lange ausgehalten haben, da er sich 1611 mit
einer Geschlechtsverwandten Judith von Sebottendorf,
einer Tochter Heinrichs (Eriedrichs ?) von Sebottendorf
auf Kuhnern und Schönfeld (Kreis Ohlau), verheirathete.
Dieser Ehe entsprossen drei Söhne, welche alle in einem
noch jugendlichen Alter, der zweite im sechzehnten und
der dritte im vierzehnten Jahi'e, verstarben. Seine Ver-
heirathung ist vielleicht auch die Folge davon gewesen,
dass er in diesen Jahren sein väterliches Gut Gaulau
(Gaul) übernommen hat, in dessen Besitz er seit 1612
urkundlich nachzuweisen ist. Später wurde er Rath des
Herzogs und obersten Hauptmanns Johann Christian zu
Liegnitz und Brieg und hatte als solcher auch allgemeine
Landessachen zu bearbeiten. Als Rath dieses Herzogs
ist er spätestens seit 1621 thätig gewesen.
Als jedoch der Herzog Georg Rudolf von Liegnitz
in die Stellung eines obersten Hauptmanns von Ober-
und Niederschlesien eintrat, wurde Sebottendorf von
seinem früheren Zöglinge zum Oberamtskanzler in Schle-
sien ernannt. Als solcher trug er auf dem allgemeinen
Fürsten- und Ständetage zu Breslau am 12. Mai 1626
im Namen des Oberamts das Ersuchen des Kaisers vor,
ihm 150000 Thlr. zur Reise nach Nürnberg, ferner die
gleiche Summe zur Unterhaltung der ungarischen Grenz-
festungen und endlich ebenso viel zur Befriedigung der
Zinsforderungen des Kurfürsten von Sachsen zu be-
willigen ^). Ferner leitete er im Juni und Juli desselben
Jahres die Verhandlungen der Stände der Fürstenthümer
Schweidnitz und Jauer, infolge deren diese Stände ihrem
neuen Landesherrn Ferdinand III., dem ältesten Sohne
des Kaisers Ferdinand IL, den Eid leisteten. Nach dem
Einrücken der Kaiserlichen in Sch]('si{Mi und nachdem der
Herzog Georg Rudolf bereits im Jahre 1627 von der Ober-
amtsverwaltung zurückgetreten war, legte jedoch auch
der Oberamtskanzler ein Jahr darauf sein Amt nieder.
") Krebs, Acta itnlilicn, Verhandlimgeii niid Correspondonzon
der sclilesischen Fürsten und Stände Vi, 147, 258.
12*
180 J- O. Opel:
In dieser seiner Stellung" hatte nämlich Öebotten-
dorf auch die Aufgabe, alle Massregeln, welche von der
allgemeinen Landesverwaltung zur Abwehr der Mans-
felder und der sogenannten weimarischen Truppen ge-
troffen wurden, dui'chführen zu helfen. Als sich jedoch
die Östei;reicher dauernd im Lande niederliessen, wird auch
ihn derselbe Widerwille wie seinen Herrn ergriffen haben,
so dass er jeder Verantwortung für die traurige Lage
des Landes enthoben zu sein wünschte. Vielleicht trug
aber zu seinem Entschlüsse auch der Umstand bei, dass
sich im Jahre 1627 seine Vermögensverhältnisse durch
eine nicht unbedeutende Erbschaft im Kurfürstenthum
Sachsen, wo seüi Geschlecht bereits im 16. Jahrhundert
Grundbesitz erworben hatte, noch erheblich verbesserten.
Damian von Sebottendorf (Sibottendorf) stand in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Dienste des alber-
tinischen Hauses und war im Jahre 1547 in eüiem nicht
mehr ganz jugendlichen Alter, da er dem Herzoge Moritz
in den Kampf gegen Johann Friedrich folgte und vom
Lager bei Mühlberg aus an Dr. Komerstadt über die
Gefangennahme des Kurfürsten berichtete*). Zwei Jahre
darauf verheirathete sich Sebottendorf als kurfürstlicher
Kammersekretär mit Aim-d Komerstadt, einer Tochter
des bekannten kui'fürstlichen ßathes'^). Im Jahre 1554
kaufte er von den Brüdern Hans, Georg und Wolf von
Rottwerndorf das Eittergut Kottwerndorf bei Pirna nebst
Krietzschwitz und Xaundorf (Neundorf)").
Auch der Kurfürst August erhielt sich die Dienste
Sebottendorfs : im Jahre 1555 erscheint derselbe als ßath
*) F. A. V. Laugenn, Moritz, Herzog und Churfürst von Sach-
sen II, 306. D. V. S. war der Sohn des Hans von Sebottendorf zu Kuneni
und soll im August 1519 geboren sein. Nach demselben Uewährs-
nianu, dem v^ii" diese JVIittheilung entnehmen, soll er nach Böhmen
gegangen sein und sich „aus dem Hause Peterswalde geschrieben"
haben. Siuapius, Schlesische Curiositäten I, 868.
■"') Die Eheberedung vom 11. September 1549 hat sich im Ori-
ginal in der Stadtbibliothek zu Leipzig erhalten. Vergl. Naumann,
Prodromus et specimen catalogi S. 267: Compositio Georgii Komer-
stadt j. V. d., domini in Xalckreuth, et Damiani a Siltottendorff, Se-
cret. Camer. Elect. Sax. Ich verdanke die Benutzung derselben der
Güte des Herrn (Jberl)ibliothekars Dr. Wustmaun in Leipzig.
'') Lehnbrief des Kurfüi'sten August vom 3. April 1554 im
H.-St.-A. Dresden Loc. 9872 Das halbe Dorft' Heynersdorff etc. fol. 59.
Vergl. Sinapius a. a. O. , nach welchem Hans von Sebottendorf
im Jahre 1551 auch das Haus auf der Moritzstrasse gekauft liaben
soll. Ebenda findet sich eine Bemerkung über seine Kinder.
Eine politische Denkschrift etc. 181
lind 1556 als Beisitzer am Oberhofo'ericht zu Leipzig.
Damian von Sebottendorf war mit Melchior von Osse
verschwägert nnd verhandelte mit diesem auf Veranlassung
des Kurfürsten ül)er die Abfassung seines Testamentes").
Später (15(53) wurde er zum Einnehmer der Tranksteuer
ernannt-); gei-aume Zeit hindurch war er auch Reichs-
pfennigmeister^). Zuletzt imhm ihn der Kurfürst unter
die Zahl seiner Geheimen Rätlie auf. Und AAährend nun
einst Sebottendorf in einer politischen Sendung ausser-
halb Landes verweilte, erbaute ihm nach einer land-
läufigen Überlieferung sein dankbarer Landesherr in
Rottwerndorf einen herrschaftlichen Landsitz. In AVahr-
heit dürfte aber wohl Sebottendorf selbst der Erbauer
seines Schlosses gewesen sein, was auch die sich noch
heute in dem Bauwerke vorfindenden Jahi-eszahlen (1556,
1561, 1579) zu bezeugen scheinen^"). Der Schlussherr
von Rottwerndorf kann überhaupt kein unbemittelter
j\Iann gewesen sein, denn ausser den genannten Gütern
besass er auch noch ein freies Haus in der Moritzstrasse
zu Dresden und einen Antheil des Dorfes Heinersdorf
(Langhennersdorf?). Im Jahre 1578 wurde er nebst
andern Rätheu zum Empfange der Reichslehen zum
Kaiser Rudolf IL") nach Prag gesendet. Er starb im
.Jahre 1585. Sein Sohn Johann Georg (f 1612) scheint
el)ensowenig wie sein von diesem abstammender Eiüvel
Hans Damian von Sebottendorf eine Stellung in der
kui-sächsischen Ijandesverwaltung bekleidet zu haben.
Mit dem kinderlosen Tode dieses letzteren (f 1627)
gingen die sächsischen Güter in die Hände des mit-
belehnten und oben genannten Geschlechtsverwandten in
Schlesien über.
Diese sächsische Erbschaft hat nun nach einigen
Jahren eine entsclieidende AVendung in den Lebensver-
hältnissen Abrahams von Sebottendorf herbeigeführt.
Wahrscheinlich übernahm derselbe schon im Jahre 1627
die Güter Rottwerndorf, Krietzscliw itz und Naundorf,
als deren Besitzer er uns bald begegnet. Auch wird
■') Th. Distel, Zvir Entstelmng'Si^eschiclite des Testamentes
Melchiors von Osse. in dieser Zeitschrift \'Il, 1.0/5.
■-) H.-St.-A. Dresden Cop. 321 fol. 109 h, 110.
. ") Vergl. z. B. ehendii Cop. 382 Bl. 24, Cop. 448 Bl. 134''.
^**) Steche, Besciireihende Darstellung der älteren Bau- und
Knnstdenkmäler des Köniurcichs Sachsen I. 79.
") J. S. Müller, Annales S. 168, 169, 174.
182 ^T. 0. Opel:
man annelimen dürfen, dass um diese Zeit der Kurfürst
zuerst die persönliclie Bekanntschaft des begabten Mannes
gemacht haben wird. Sicher ist jedoch nur, dass Abra-
ham von Sebottendorf im Januar des Jahres 1629 im
geheimen Auftrage der Herzöge von Liegnitz und Brieg
nach Dresden gesendet wurde, um den Sclnitz Johann
Georgs gegen die wachsenden religiösen Bedrückungen
der schlesischen Protestanten anzurufen^-). Sebottendorf
muss aber bei dieser Gelegenheit oder schon früher einen
sehr vortheilhaften Eindruck gemacht haben, da ihn der
Kurfürst kurz darauf zu seinem Hofrath ernannte und
ihm unter dem 11. März 1629 seine Bestallung ausfer-
tigen liess^"). Nach Schlesien scheint derselbe auf die
Dauer nicht Avieder zui'ückgekehrt zu sein, obgleich er
noch eine Zeit lang Rath des Herzogs Johann Christian
von Liegnitz-Brieg blieb, denn noch im Jahre 1630 (2. Mai)
wird er von diesem als solcher bezeichnet. Neben seinen
sächsischen Gütern besass er bis zu seinem Tode auch
noch sein väterliches Gut Gaulau^^).
Als kursächsischer Hofrath sollte Sebottendorf immer
am Regierungssitze anwesend sein, aber erforderlichen
Falls aucli Reisen übernehmen. Er war verpflichtet, die
Parteien zu hören und iln-e Streitigkeiten nach Recht
und Billigkeit zu entscheiden. Die Abfassung von Gut-
achten gehörte gleichfalls zu seinen Obliegenheiten, welche
nicht rein juristischer Natur gewesen sein können. Sein
Raths- und Dienstgehalt betrug jährlich 600 Gulden.
Später erhielt er auch Sitz und Stimme im Appellations-
gerichte und füln'te den Titel Hof- und Appellations-
rath.
Zu irgend einer eiheblicheren politischen Thätigkeit
scheint man ihn bis zum Jahre 1634 nicht herangezogen
zu haben ^■^). Denn schon damals erldickte der ehemalige
Kanzler des 01)ei'hauptmanns in Schlesien in den Scliwe-
den wohl viel eher Ausländer, als Glaubens- und Bundes-
genossen und war wohl ein Gegner der während dieser
'^) Vergl. Palm in der Zeitschrift f. schles. Geschichte III,
232 flg.
1«) H.-St.-A. Dresden Loe. 71H9 Acta Derer Churfürstl. S. Ge-
heimen Räthe Bestallungen "10^4 — 1697 betr.
^*) Gütige Mittheilung des llei'i'u Archivars Dr. Pfotenhauer in
Breslau.
^•'') Nach der Leic]uMi])redigt ci'suclite ihn der Kurfürst schon
im Jaiire 1(531 iu den Geheimen Ilath einzutreten.
Eine politische Denkschrift etc. 183
Jahre in Dresden vorlierrsclienclen jxilitisclien Sti'ömung.
Aus diesem Grunde map" man Sebottendorf ancli für
einen geeigneten Vertreter Kursachsens auf dem Kom-
positionstage in Frankfurt a. M. (1631) erachtet und drei
Jahre darauf abermals nacli Frankfurt gesendet haben,
um auf dem sogenannten Konvente mit den oberen Ständen
der Missl)illigung des Kurtursten Ausdruck zu geben,
dass sicli die oberen Kreise einer fremden Führung unter-
geordnet hatten, und einen Frieden vorzubereiten'*^).
Allein im Januar des Jaln-es 1635 führten un-
sern Hof- und Appellationsrath sehr ernste politische
Aufträge des Kurfürsten nach Berlin ''). Mit Hans
Zeidler zusammen machte er hier Mittheihnigen über
den Stand der pirnaischen Friedensverhandlungen. Bei
dieser Gelegenlieit trat die drückende Geldverlegenheit,
in welcher man sich in Dresden befand, recht deutlich
hervor; man war eine Zeit lang ausser Stande, das
Reisegeld für die kurfürstlichen Gesandten herbeizu-
schaffen, bis Dr. Döring endlich nocli 100 meissnische
Guhlen aufbrachte. Nach seüier Ilückkehr aus Berlin
trug Sebottendorf aber sein Landesherr eine neue Gesandt-
schaftsreise nach Prag auf, welche er mit dem Kammer-
rathe Dr. Ditring imd dessen Schwiegersolme, deniHofrathe
Dr. Oppel (Opel), unternehmen sollte. Nur nach grossem
und allem Anschein nach aufrichtigem Widerstreben — er
machte geltend, dass ihm die Ausführung dieses Auftrages
„Avegen seiner hinfallenden Memorie und aus Avichtigen
Motiven hochbedenklich sei" — fügte sich Sebottendorf
dem Willen des Kurfürsten. In Prag unterzeichnete er
dann mit seinen Gefährten den Frieden Kursachsens mit
Österreich und brachte auf diese Weise seinen Namen mit
einer so bedeutenden Wendung des grossen deutschen
Krieges hi Verbindung. Der einst zum Schutze seines
Glaubens nach Sachsen entsendete schlesische Protestant
unterschrieb einen Friedensvertrag, welcher die wohl-
erworbenen Rechte des schlesischen Protestantisnnis
])reisgab. Da ist es deini nicht gerade zu verwundei'u,
dass auch sein guter Name bei der gehässigen Spannung
der politisch-religiösen (legensätze, welche dieser Friede
hervorrief, von seinen politischen Gegnern verdächtigt
^ö) Hei bis", J)er rrjmcr Fricnle, iu Fr. v. ivaiiuier,s histuiischcni
Taschonbuche, .tahri^-. 1858 S. 578, 582.
") Heibig a. a. O. S. 573.
184 J- 0. Opel:
wurde. Man betrachtete Sebottendorf sowie Döring; und
Oppel als Werkzeuge der österreichiscli-spanischen Politik
und warf ihnen vor, dass sie sich von Österreich hätten
besteclien lassen. Infolgedessen wird sich Sel)ottendorfs
AViderwille gegen politische Geschäfte wohl nicht gerade
geschwächt, sondern eher gesteigert haben, besonders da
auch der Hof selbst in zwei einander ziemlich schroff
gegenüber stehende Parteien getheilt Avar.
Auf der andern .Seite sah sich jetzt Johann Georg
um so mehr genöthigt zu Käthen wie Sebottendorf seine
Zuflucht zu nehmen, als sie den grossen Umschwung
hatten herbeiführen helfen. Als daher der Kurfürst im
August des Jahres 1635 über Halle gegen Magdeburg
zog, mussten ihn von seinen Käthen auch Sebottendorf
und Timäus begleiten. Beide scheinen ununterbrochen
bis zum Jahresschlüsse in der Umgel)ung ihres Herrn,
welcher damals die Schweden aus dem Erzstift Magde-
burg drängte, ausgehalten zu haben. Doch wirkte sich
der erstere um diese Zeit Urlaub aus und begab sich
Aneder zurück nach Dresden. An seine Stelle trat, und
zwar auf seinen besondej-en Vorschlag, Georg von Wer-
thern, der sich seiner Kränklichkeit wegen auch gern
von der Unruhe des Hauptquartiers fern gehalten hätte.
Die nächsten Monate verlebte Sebottendorf wider in
Dresden und auf seinen Gütern bei Pirna. Damals übte
er auf die besondere Weisung des Kurfürsten auch poli-
tischen Einfluss auf den Kurprinzen aus und suchte ihn in
dem politischen Ideenkreise seines Vaters festzuhalten^^).
Bei der Wiedereröffnung des Feldzuges im Jahre 1636
wurde jedoch Sebottendorf abermals in das Hauptquartier
berufen, obwohl er dem Kurfürsten schon im vorigen
Jahre sehr ungern gefolgt war und ihm sogar Vorstell-
ungen gemacht hatte. Und auch diesmal erhob er Ein-
wendungen gegen den kurfürstlichen Befehl und machte
geltend, dass ihm als Justiz- und Appellationsrathe eine
Verwendung in politisch -militärischen Angelegenheiten
nicht zugemuthet werden sollte. Als ihm indessen der
Kurfürst seine Verwunderung über eine solche Weigerung
wenn auch unter Anerkennung des Grundes ausdrückte
und seinen Befehl Aviederholte, fügte sich Sebottendorf
und löste Timäus ab, der nun fast ein ganzes Jahr
das Hoflager des Kurfürsten begleitet hatte. Ausser
'*) K. A. Müller, Kurfürst Juliauu Georg der Erste S. 82.
Eine politische Denkschrift etc. 185
Sebotteiidorf wurde zu derselben Zeit auch Dr. Johann
Georg Oppel in das Haui)tf[uartier uezogen, welclies
nach der Übergabe der Stadt nach Magde])rirg ver-
legt wurde. Sebottendorf verweilte darauf wochenlang
in Magdeburg^"); suchte sich al)er gerade damals den
wiederholten Anträgen Johann Georgs, nach welchen er
als Geheimer ßatli den ganz veränderten politischen
Verhältnissen des Kurttirstenthums auch nach aussen
hin ihr besonderes Gepräge geben sollte, mit aller
Macht zu entziehen. Bald drängte er den Kurfürsten
wieder, ihn nach Hause zu entlassen; ja er trug sich
sogar damals mit der Absicht, seine Güter zu ver-
äussern und ganz aus dem kurtTirstlichen Dienste aus-
zuscheiden. Die Ausführung dieses Entschlusses hätte
jedoch den Kurfürsten in eine um so empfindlichere
Verlegenheit gesetzt, als derselbe gerade damals mehrere
seiner politischen Rathgeber durch den Tod verloren hatte.
Der Nachfolger Kaspars von Schönberg als Direktor
im Geheimen liath war Georg von Werthern. Er über-
reichte dem Kurfürsten am 30. September 1(329 eine
Denkschrift über die Einrichtung dieser damals besonders
wichtigen Behörde; auf seinen Antrag Avurden ferner in
demselben Jahre Nikolaus Gebhard von Miltitz auf Sieben-
eichen und Burkersdorf berufen, nachdem kurz zuvor der
ehemalige Kanzler der erzstiftisch-magdeburgischen Ke-
gierung Dr. Johann Timäus gleichfalls zum Geheimen
Ratlie ernannt worden war. Mit diesen Männern wirkte
in den folgenden für Kursachsen so verhängnisvollen Jahren
bis zu seinem Tode auch Joachim von Loss als G eheimer
Rath und Reichspfeiniigmeister zusammen . starb aber
bereits am 14. Oktober 16o3. Und als auch Miltitz sein
Lebensziel am 9. April 1(335 erreichte, waren in der mit
Arbeiten überhäuften Behörde zwei Stellen erledigt, und
dem Kui'fürst(Mi musste die Wiederbesetzung derselben um
so mehr am Herzen liegen, als sich die politischen Ge-
schäfte nach dem Präger Frieden l)edeutend vermehrten.
'") Am 9. Miii hi'fiuideu sicli Timäus uiiil Schutt fiidurl' im
Hauptqiiaiti(;r zu Grosssalza (Krause, Aktcustiickc III, 597). F/uw
Eiiihiduus' an Soliottcntlorf und Üppcl, zu ihm ins Hauptquartier zu
komnicu, erliess dei' Kurfüist schon am 20. .Inni l()H(i. Sie wurde
unter dem 11. Juli, wo sicli .loliaun (Jeorii- hei dem Domdeehantcn
in ]\Iagdehurg' einquaitiert liatte, wie(hM'liolt; aher erst nach mehreren
Wocheu kamen hei(U' Kätlie in JMagileburg an (Krause a. a. ü.
S. H54). Noch am 11^. September a. St. befand sieh Sebottendorf i)i
Magdebm-g. H.-St.-A. Dresden.
186 'T. 0. Opel;
Demung'eaclitet ist es aiiffällif>:, dass gerade den bei-
den Hofrätlien Sebottendorf und Dr. Oppel der Auftrag',
die Friedensverliandlunsen mit dem Kaiser zum Abschlüsse
zu l)rin,üen, ertlieilt wurde und nicht einem der Geheimen
Rätlie. Der Grund kann nur darin liegen, dass die beiden
Hofräthe für geeigneter gehalten wurden, den bedeuten-
den Umschwung der kursächsischen Politik in das Werk
zu setzen. Trotzdem entliess der Kurfürst aber auch
keinen von den Männern, deren Rathschlägen er bis zu
diesem Augenblicke Gehör geschenkt hatte.
Doch richtete er im Frühjahr 1636 wiederholt das
Ersuchen an Georg von Werthern, den Geheimen ßath
durch einige Persönlichkeiten vom Adel und Doktoren
wieder zu ergänzen. Werthern beschäftigte sich mit der
offenbar sein' schwierigen Frage angelegentlichst und be-
zeichnete endlich dem Kurfürsten den Hofmeister seines
älteren Sohnes Kurt von Ehisiedel-") und den Dr. Ga-
briel Tüntzel als geeignete Persönlichkeiten. Allein ohne
eine persönliche Rücksprache mit dem Kurfürsten wollte
er die Angelegenheit doch nicht zu Ende führen. Johann
Georg billigte darauf die ihm gemachten Vorschläge aus-
drücklich und ertheilte Georg von Werthern von neuem
Befehl, die Angelegenheit zum Abschlüsse zu brmgen.
Dieser aber konnte den Weisungen seines Herrn nicht
mehr nachkommen, da der Tod ihn allen diesen politischen
Sorgen enthob. Er starb am 10. Juni 1636.
Nach einiger Zeit übertrug der Kurfürst die Ord-
nung der Angelegenheit dem Dr. Timäus und dem Kanz-
ler AVolf von Lüttichau'-^) und bezeichnete selbst beide
als Mitglieder der neu zu bildenden Behörde. Zugleich
brachte er aber auch eine Anzahl anderer Persönlicli-
keiten in Vorschlag und erschwerte dadurch die Sache
nicht wenig, wie aus einem Schreiben Sebottendorfs klar
hervt)rgeht. Dieser selbst wird übrigens unter den von
dem Kurfürsten damals vorgeschlagenen nicht ausdrück-
lich genannt.
Mitten im Drange militärischer Geschäfte erliess
-°) Der Name scheint in dem Schi'eiben irrtliümlich angegeben
zu sein (Heinrich Hildehrand von Einsiedel), vergl. S. 287.
-') Der weiter unten erwähnte Cieheinie Rath Wolf Siegfried
von Lüttichau war ein Geschlechtsverwandter des Kauzlers.
-■-) H.-St.-A. Dresden Loc. 7169. Acta Derer Churfürstl. S.
Uehcimeu Käthe Bestallungen 1564 — 1697.
Eiue politische Denkschrift etc. 187
dann der Kurfürst aus Perleberg am 9. September 1636 -^)
einen neuen ausführliclien Befehl an Timäus, Sebotten-
dorf und Dr. Oppel, welcher deutlich beweist, wie sein-
er sich die Neugestaltung seiner höchsten Staats- und
Verwaltungsbehörde angelegen sein liess, aber auch, wie
unbestimmt seine eignen Anschauungen über die zu be-
rufenden Persönlichkeiten immer nocli waren.
«Wegen Eestallnng der (xeheimen Rathstube", so lässt sich
Johann Georg vernehmen, ,ist nnsere nochmalige Meinnng, dafs Ihr,
Herr Dr. Timaee, nehenst dem Kanzler dasjenige zu Werke stellet,
was wir ilera von Wertheni sei. gnädigst comniittiret. Und woW
wir Herrn Dr. Tüntzels, welcher anf solche Mals, wie mit Dr Aiih-
nianuen geschehen, bestellet werden soll, allbereits versichert, so hatt<'t
es noch an dem von Einsiedel znm Scharftenstein, mit dem Inhalts
nnsei'er vom 25. ]\[aji ans Salza an den von Werthern ergangeneu
Resolution zu scliliel'sen und ihm die Bestallung auszufertigen ist.
Zu diesen zählen wir auch Euch, den von Sebottendorf, und lialten
uns Euer nicht weniger vergewissert, inmafsen wir Euch auch hier-
bei al)Sonderlich beantwortet. Und weilen wir hoclmötig halten, dafs
über Euch, Herrn I))-. Timäum und HeiTii Dr. Tüntzeln, die Ihr
beide allbereits zu ziendicbem Alter gediehen, zum wenigsten noeb
vier in den Geheimen Rat bestellet Averden, so haben wir Euch fei'iwi'
unsers geliebten altern Sohns Hofmeister Kurten v. Einsiedel wie
auch den v. Feilitsch, markgräflichen Kanzler, den von Schleiniz,
Kanimergericbtsassessoren zu Speier, .loliann Friedrichen v. Brandt,
fürstlichen altenburgischen Rat, und Pliilipi) Adolfen v. Münchhausen
benennet, auch darneljen auf etliche Doctores, als Dr. Engelbreehten,
Dr. Ziegemneyern, Dr. Carpzovium, Dr. Fal)ern gedacht, so als reichs-
verständige gerühmet werden, um aus selbigen die bedüiftige Anzahl
zu erfüllen."
Mit Kurt von Einsiedel sollten sofort Verhandlungen
angeknüpft werden, denn dem Kurfürsten lag vor allem
daran, durcli ilm s(^inen ältesten Sohn genauer mit den
lleichsverhältnissen bekannt zu machen. Deswegen wollte
er Einsiedel auch seinen dauernden Aufenthalt in Dres-
den anweisen. Alle diese von dem Kurfürsten genannten
Persönlichkeiten sollten der ei-fordcnlidien Ivücksprachc
wegen nach Dresden entboten werden, und wi'nii sich
die zuerst Einberufenen etwa (mtschuldigen würden,
sollte man die nächsten auffordern, bis man die nöthige
Anzahl von Räthen zusanimeng(>l)racht liaben würde. Man
ei-kennt also aus di(;sen Weisungen, wie schwierig es dem
Kurfürsten selbst eischien, die für den Dienst erforder-
lichen Beamten wirklich zu gewinnen. Schon aus diesem
Grunde scheint er daher auch empfolden zu liabeu, bei
der Besetzung eiledigter Stelh'U im .lustizrathe vor aHen
solche Persinilichkeiten zu beificksichtigen , die man im
Nothfalle auch zu politischen Geschäften und zur Bear-
188 -T. O Opel:
beitung" der Reichsangelegeiilieiten mit Nutzen heran-
ziehen konnte.
Sehott enclorf aber liess der Kurfürst noch ein be-
sonderes Schreiben'-'') zugehen, in \\eh;hem er die Ab-
sicht, seinen damaligen Hof- und x\.ppellationsrath enger
au sich zu fesseln, wiederliolte. Er versagte ihm zwar
die Genehmigung zu der erbetenen Rückkehr auf seine
Güter nicht, trat aber seiner Absicht, die sächsischen
Besitzungen Avieder zu veräussern, mit einer offenen Ab-
mahnuno^ entgegen. Er rief ihm in die Erinnerung zu-
rück, „welcher Gestalt wir euch zu unserm Geheimen
Rat begehret mit dieser Erklärung, dals ihr nicht vei'-
bündig sein solltet, uns bei Kriegsreisen, sondern allein
zu Dresden und andern solchen Orten aufzuwarten, da
es nicht so beschwerlich und euere Gegenwart notwendig
erfordert würde. Demnach halten Avir uns für allerdings
vergewissert und befinden nicht ratsam, dals ihr die Güter
itzo gelielset. da sie ohne das wenig gelten und vielleicht
ins künftig besser auszubringen sein werden. Wollten
euch lieber unsern Lehenmann wissen und nicht zweifeln,
es werden sich Mittel geben, dals ihr l)ei den Gütern
bleibet und euch derselben zu eurer Haushaltung, auch
bisweiligen Recreation bedienen könnet".
Indessen stellten sich der Ausführung dieser Vor-
schläge abermals Hindernisse entgegen; jedenfalls machten
auch die Folgen der unglücklichen Schlacht von Witt-
stock die schleunige Erledigung dieser für das Kurfürsteii-
thum so Avichtigen Frage unmöglich. Mehrere der ins
Auge gefassten Persönlichkeiten, Avenn nicht die meisten,
hatten überdies den Antrag abgelehnt, Avie der Kurfürst
noch am 7. Februar 1637 dem Kanzler von Lüttichau
und dem Dr. Tüntzel klagte. Da nun aber kurz vorher
(am 2. Februar 1637) auch Dr. Timäus gestorben Avar,
ersuchte Johann Georg die eben Genannten von neuem,
die Entschuldigungen der Vorgeschlagenen nochmals in
Berathung zu ziehen und ihm neue Vorschläge zu machen.
Und darauf ist man dem Ziele allmählich näher gekom-
men, obgleich uns von den erneuten Vorschlägen, die dem
"^) Perleberg 9. September, pr. Magdeburg 12. September 1636:
H.-St.-A. Dresden Loc. 7169, Acta Derer Chiirfürstl. S. (ieheimeu
Räthe Bestallungen 1564—1697. Im Eingange lieziebt sich der Kur-
fürst auf das, „was Sebottendorf fast vor einem Jahre zu (Irüningen
(Groningen), Saudau und Jericho vorgebracht", also jedenfalls auf ab-
lehnende Antworten desselben.
Eine iiolitische Denkschrift etc. 189
Kiirfüisten gemacht sein mögen, nichts bekannt ist.
Als der Kurfürst im März 1637 abermals das An-
sinnen an Sebottendorf richtete, an der oberen Leitung
der kursächsischen Politik als Geheimer Rath theil zu
nehmen, gab dieser dem Wunsche seines Landesherrn
endlich nach.
Dass die Gründe seiner früheren Ablehnung politi-
scher Natur waren, daraus hatte Sebottendorf dem Kur-
fürsten gegenüber schon damals kein Geheimnis gemacht-'*).
Er glaubte Johann Georg nicht mit Nutzen dienen zu
können, weil er sich keines gedeihlichen Zusammenwirkens
mit den Persönlichkeiten versehen konnte, welchen der Kur-
fürst die im i'rieden von Prag übernommene Bescliützung
des ober- und niedersächsischen Reiches und die mit ihr
zusammenhängende Vertreibung der Feinde vom Reichs-
boden abermals aufgetragen hatte. Er bediente sich dabei
des Gleichnisses von einem Wagen, den vier bis sechs
richtig gespannte Pferde seinem Ziele entgegenzuführen
bestrebt sind, während hinten zehn, ja zwanzig, dreissig
und mehr Pferde das Gefährt nach der entgegengesetzten
Richtung weiter zu l)rnigen suchen-'^). Sebottendorf ver-
zweifelte otfenbar eine Zeit lang daran, den Kurfürsten
wirklich in dem durch den Prager Frieden vorgezeich-
neten Geleise zu erhalten, da sich in seiner näheren Um-
gebung noch sehr viele einÜussreiche Personen befanden,
welche ihn wieder zur schwedisch -französischen Partei
hinüberführen wollten. Li der Darstellung dieser Ver-
hältnisse dem Kurfürsten gegenüber wird sich Sebotten-
dorf gewiss keiner Uebertreibung schuldig gemacht haben.
War doch selbst die Knrfürstin Magdalena Sibylla einc^
leidenschaftliche Gegnerin dieses Friedens und arbeitete
direkt und durch sehr drastische Mittel auf seinen Brucli
hin. Ja sie liess endlich sogar den politischen Bauern-
propheten Werner (Warner) zu sich kommen, der auf
Befehl Jesu Chiisti dem Hause Sachsen fünf Blutsünden
„vorschreiben musste", durch welche es Gott sehr er-
zürnt hatte. Werner hatte im Geiste den Untergang
des Kurfürsten thums Sachsen und sogar den Einstui'z der
Schlösser in Dresden gesehen und liösste durch seine
wahnwitzigen Schilderungen der Kurfürstin einen töt-
24) vergl. Sebottendorf s Denkscluift, unten S. :M5 flg.
"•■') Vergi. S. 315 der Donksrlnift.
190 J- 0. Opel:
liehen Schrecken ein. Li ihrer Aufregung [schrieb sie an
den Kurfürsten-*^):
„Werner hat mir und meinem Sohn, Herzog Johann Georg, alles
gesaget, von allen Gresichtern, die er gesehen in Entzückung, drohet
viel Böses auf Befehl des Herren Christi B. L. und Ihrem Land und
uns allen und dem ganzen kurfürstlichen Stamme Sachsen, wo E. L.
Ihr Inteut ferner wollten fortsetzen und wider die Kirche Glottes
streiten. Bitte E. L. durch Gott und um des jüngsten Gerichtes
willen, B. L. setzen es nicht weiter auf die Spitzen, sie conjungiren
sich mit den Schweden, folgen meinem Rath und gehn auf verträg-
liche Mittel. Und weil E. L. doch sehen, dafs E. L. betrogen sein
von dem Kaiser und den Katholischen, bitte ich nochmals : E. L. ver-
gleichen sich mit den Schweden . . Gott wird es den Leuten in
Ewigkeit nicht vergeben, die E. L. zu solchem bösen Frieden, der
gemacht ist, gebracht haben, werden gewifs in der Hölle schwitzen
müssen. Schick E. L hierbei, was mir Hans Werner mit seiner
eigenen Hand geschrieben hat Wo E. L. nicht Frieden mit den
Schweden machten, würde dieses alles über E. L. ergehen."
Allen solchen und andern Einwirkungen setzte jedoch
der Kurfürst einen im ganzen erfolgreichen, wenn auch
nicht immer gleich starken Widerstand entgegen.
Nach der Versicherung Sebottendorfs Avar es ganz
ausschliesslich seine lebendige Theilnahme an dem Zu-
stande der öffentlichen Angelegenheiten, den er durch den
Prager Erieden hatte herstellen helfen, welche ihn bewog,
den Gesuchen seines Landesherrn Gehijr zu schenken und
in den Geheimen Kath einzutreten, und niclit etwa irgend
ein eigensüchtiger Trieb. Ja er erhob bis gegen den
Schluss des Jahres 1639 für seine Mühewaltung als Ge-
heimer Rath nicht den germgsten Anspruch auf eine Ent-
schädigung und hatte sogar durchgesetzt, dass in seine
uns leider unbekannte Bestallung niclit ein Pfennig als
Gehalt oder Entschädigung eingesetzt worden war-'^). In-
folge dessen scheint er auch als Geheimer Rath bis gegen
Ende des Jahres 1639 keine Besoldung oder Vergütiguiig
irgend welcher Art, ausser etwa für Reisen und ausser
dem Unterhalte, während er am Hofe anwesend war
2«) Der Brief ist vom 22. Januar 1636. Vergl. K. A. Müller,
Kurfürst Johann Georg der Erste S. 64 flg. Dieser Johann AVerner
oder Warner aus Bockendorf wurde im .labre 1638 zur Verantwor-
tung vor das kuifürstliche Konsistorium geladen, wo mau ihm mit
Auslieferung an den General Hatzfeld drohte. Später begleitete er
eine Zeit lang die schwedische Armee, vergl. Arnolds Kirchen-
und Ketzergeschichte III (1715), 223 flg. Einige Mittheilungen
finden sich noch bei Hitzigrath, Die Publicistik des Prager Frie-
dens. Auch für die kaiserliche Partei wirkten ähnliche politisch-
religiöse Schwärmer, vergl. Opel, Valentin Weigel S. 321 flg.
"■') Vergl. weiter unten S. 341 der Denkschrift.
Eine politische Denkschrift etc. 191
oder den Kurfürsten auf seinen Feldzügen begleiten
musste, erhalten zu haben. Denn die Berufung auf das
Zeugnis des Kurfürsten selbst schliesst mit den Worten :
„[Ich] habe meine Armut und Dürftigkeit in lauterer
Geduld und Stille mit Anrufung göttlicher Hülfe willig
ertragen, nicht dals ich einiger Geldbesoldung nicht wäre
bedürftig gewesen, sondern dals E. K. D., so ohne das
in dergleichen gnungsame Beschwer haben, ich nicht
dörfte molest sein, zugleich aber im Werke erweislich
machte, dals, wie ich von dreissig Jahren her, da ich das
erste Mal zu Herren Diensten erfordert worden, also auch
noch nicht [nach] meinen eignen Nutz, Geschenke, Gaben
und dergleichen Eitelkeiten, sondern blofs meiner Herren
Elu^e, Frommen und Aufnehmen zu trachten gesonnen
wäre". Diese Versicherung gewinnt dadui'ch an Wahr-
haftigkeit, dass sich Sebottendorf überhaupt nur bereit
finden Hess, die ihm angebotene Stelle im Geheimen Ratlie
auf ein halbes Jahr, etwa bis Michaelis 1637, zu über-
nehmen. Da sich jedoch um diese Zeit der Kurfürst
gerade auf seiner Huldignngsreise in der Lausitz befand,
führte er sein Amt bis Weihnachten 1638 fort, kam aber
dann wirklich um seine Entlassung ein, die ihm indessen
versagt wurde.
In einem Verzeichnisse der Geheimen Räthe vom
14. Juli 1637 finden wir Heinrich von Friesen auf Rötha
bei Leipzig, Abraham von Sebottendorf, Dr. Gabriel
Tüntzel und Dr. Johann Georg Oppel als solche auf-
geführt. Der Superintendent Buläus aber hat in seiner
Leichenrede auf den erstgenannten den 8. Mai 1637 als
den Tag bezeichnet, an welchem der Kurfürst Heinrich
von Friesen die Stelle eines Geheimen liathes anfing.
Heinrich von Friesen-^) gehörte wie Sebottendoi-f
dem landsässigen Adel an und war bei seinem Ein-
tritt in den Geheimen liath sclion ein Mann von gercif-
teren Jahren. Er war im Jahre 1578 auf dem alten-
burgischen Familienstammgute Kauern geboren, hatte
längere Zeit in Jena studiert und nach dem Tode seines
Vaters, des altenburgischen (Geheimen ]laths,Hofmars('halls
und Hauptmanns der Kreise Alteiibuig, Roiniebuig und
Eisenberg, Karls von Friesen, der vom Kurfürsten
Christian I. 1588 zum Obeiküchenmeister ernannt worden
"'^) Herrraann, Der Kampf um Erfurt S. 80, 87, nennt ihn
fälschlich ,H. v. Fries."
192 -T. O. Opel:
war, die Verwaltung seiner Familiengüter übeinommen.
Zu diesen gehörte auch Rütha bei Leipzig, welches
sein Vater im Jahre 1589 erworben hatte. In die Be-
amtenlaufbahn trat Heinrich von Friesen erst im Jahre 1613
ein, wo er zum Rathe am Appellationsgericht zu Dresden
ernannt wurde; 1626 erhielt er die Hauptmannschaft
der Ämter Colditz, Rochlitz, Leisnig und Borna, und
drei Jahre darauf erfolgte seine Beförderung zum Direktor
des höchsten Landesgerichtshofs, des Appellationsgerichts
zu Dresden. In demselben Jahre (1629) übertrug man
ihm auch noch die Stelle eines Obereinnehmers der Land-
und Tranksteuer im Kurfürstenthum Sachsen und einige
Jahre darauf die eines Vorsitzenden des Steueiamts zu
Leipzig. Nach dem Zeugnisse eines Zeitgenossen rich-
tete der Kurfürst bei seinen Bemühungen um die Neu-
gestaltung des Geheimen ßaths sein Augenmerk haupt-
sächlich auch auf Friesen-'*). Allein, wie Sebottendorf,
wies auch er die Anträge seines Landesherrn wieder-
holt zurück: zum ersten Male war er dem Kurfürsten
schon 1629 von dem Kanzler von Lüttichau, der das
Amt seines Alters wegen abgeleimt hatte, zum Direktor
dieser höchsten Landesbehörde empfohlen worden. Und
doch zeigte er sich acht Jahre später auch erst nach
einer persönlichen Zuspräche und Mahnung Johann
Georgs gefügiger. Er übernahm endlich (1637) die
ihm zugedachte Stelle auf zwei Jahre und zwar von
Anfang an als Direktor oder Präsident und wurde am
14. Juli 1637 wahrscheinlich mit den übrigen neu er-
nannten Rätlien'^*') vor dem Kuifürsten verpflichtet. Seine
Amtshauptmannschaft legte er bei dem Antritte dieses
Amtes nieder, doch rückte er im Jahre 1638 noch in
die Würde eines Dompropsts zu Merseburg ein. Da
Friesen ein Politiker war, der sich durch seine Persön-
lichkeit leicht Geltmig zu verschaffen wusste, übertrug
-") Sanctius consilium Princii)is, quod ipsoiuet praeside statum
roipublicae universae et. salutem dispensat atque ordinal, oxhanstuiri
fuerat peuitus. Quo tempoi-e qui iel»us fesisi.s succiureret , qui la-
baiitia sustineret, qui lestauraict collapsa, qui niinisteriuin comnio-
darct laboriosissimo quantumvis Piincipi . . . repertus est Friesen.
Et ille quidem refugiebat onus .... Alis der Gedächtnisrede des
Professors Franckenstein in Leipzig (lß.59), der auch die Angaben
über Friesens Leben meist entnommen sind. Andere stammen aus
der Leichenrede des Superintendenten Buläus (IfiöO).
'^>) Sebottendorf übernahm sein Amt nach der Leichenpredigt
des Buläus am 13. Juli 1637.
Eine politische Denkschrift etc. 193
man ihm wichtige politische Gesandtschaftsreisen ; aber
er gab auch der Prinzessin Magdalena Sibylle das
Geleit nach Kopenhagen zu ihrer Vermählung mit dem
dänischen Thronfolger und wurde im Jahre 1638 als
Brautwerber an den Markgrafen Clnistian von Branden-
burg-Culmbach entsendet, um das Ehel)ündnis zwischen
dessen Tochter Magdalena Sibylle und dem Kur])rinzen
durch eine feierliche Verlobung vorzubereiten. Er er-
reichte ein Alter von 82 Jahren. Von seinen Kindern
war die älteste Tochter Rahel zuerst an Hans von Berbis-
dorff auf Niederforchheim und in zweiter Ehe an den
bekainiten Obersten Joachim von Mitzlaff verheirathet,
aber schon vor dem Vater gestorben (1641). Seine
beiden Söhne Heinrich und Karl waren bei dem Tode
ihres Vaters (1659) gleichfalls kurfürstliche Geheime
Rätlie. In seinem Amte als Direktor des Geheimen
Rathes hat Friesen einen sehr bedeutungsvollen, wenn
auch vielleicht nicht den massgebenden Einfluss ausgeübt.
Auch Dr. Johann Georg Oppel (Opel) stand bei
seiner Berufung in den Geheimen Rath schon längere
Zeit in kurfürstlichen Diensten und zwar als Hof- und
Justizrath. Er war der Sohn David Oppels auf Silber-
strasse und Culm im Reussischen •^^) und von der Mutter
her ein Enkel des Valerius Cracau, der einst Rath und
Geheimer Kammersekretär des Kurfürsten August ge-
wesen war. Er hatte sieben Jahre auf den sächsischen
Universitäten Jena (1613), Leipzig und Wittenberg zu-
gebracht, darauf eine Studienreise durch Holland nacli
England, Frankreich und die Schweiz gemacht und sich
endlich in Basel sein Doktordiplom erworben (Juli 1621).
Seine Rückreise aus der Schweiz benutzte er dazu, die
süddeutschen Reichsstädte kennen zu lernen. Noch in
ziemlich jugendlichem Alter wurde er darauf von dem
Grafen Heinrich Reuss Posthumus zum Regierungsrathe
nach Gera berufen, von wo aus er auch seinem in C^ulm
angesessenen Vater ohne grosse Beschwerden zur Hand
gehen konnte. Schon hier begannen seine diplomatischen
Wanderfahrten. Als die Einquartierungen der Kaiser-
lichen auch die reussischen Gebiete erreicht hatten, wurde
er an den kaiserlichen Hof und auch mehrmals nach
Dresden entsendet. Dieser geschäftliche Verkehr des
kenntnisreichen und ebenso gewandten wie energischen
*') Er war am 20. Juni 1594 zu Dresden geboren.
Neues Archiv f. S. ü. u. A. VIU. 3. 4. 13
194 J. O. Opel:
Mannes mit den höheren knrsächsischen Beamten und
dem Kurt'üi^sten selbst gab wohl die erste Veranlassung
zu seiner Berufung in den kursächsisclien Dienst. Der
Kurfürst berief Oppel zu seinem Hof- und Justizrathe.
Am 26. Oktober 1629, ungefähr sieben Monate nach der
Übersiedelung Sebottendorfs, übernahm derselbe sein Amt
in emem Alter von noch nicht 36 Jahren und verhei-
ratliete sich schon am 16. November desselben Jahres
mit Marie Sophie Döring, einer Tochter des Kammer-
raths David Döring auf Bohlen. Im Juli 1631 verhan-
delte er zu Plauen'^-) mit Vertretern der schwäbischen
und fränkischen evangelischen Stände und wurde bald
nach seiner Zurückkunft auf den sogenannten Kompo-
sitionstag nach Frankfm't a. M. entsendet. Drei Jalire
darauf leitete er mit Nicol Gebhard von Miltitz die ver-
traulichen Verhandlungen zwischen dem Kaiser mid dem
Kurfürsten in Leitmeritz ein, musste sich aber unter
Lebensgefahr bei Bauers Annäherung nach Pirna tiüchten.
Als durch die Schlacht von Nördlingen diese Friedens-
bestrebungen eine jähe Unterbi'echung erlitten, kehrte
er nach Dresden ziu^ück, musste aber schon im Januar 1635
die Obersten von der Pforte und Dietrich von Taube
nach Aussig und von da nach Laun begleiten, wo ein
Waffenstillstand zwischen den Kaiserlichen mid den
Sachsen abgeschlossen wui'de. Und kaum war er wieder
nach Hause zurückgekehrt, so erhielt er den Auftrag,
die Friedensverhandlungen in Prag fortführen zu helfen.
In Prag blieb Oppel auch, als Döring und Sebottendorf
auf emige Zeit nach Dresden zurückberufen wurden.
Im folgenden Jahre (1636) begleitete er den Kurfürsten
auf dem unglücklichen Feldzuge nach Norddeutschland.
Schon damals hatte ihm Johann Georg eine Stelle in
seinem Geheimen ßathe zugedacht, die er am 2U. Mai
1637 auch übernahm. Ein sehr anstrengendes Jahi- muss
für Oppel das Jahr 1638 gewesen sein, wo er den Kur-
fürsten auf dem erzstiftischen Landtage zu Kalbe vertrat,
die Huldigmig der Amter Querfurt, Jüterbock, Dahme
mid Bui'g entgegennahm, dann mit Friedrich von Metzsch
ä-) Heibig, Gustav Adolf iiud die Kurfürsten von Sachsen und
Brandeubiu'g S.49. Vergl. hierzu die Angaben in Joh. Jul. Eugen Cr ün-
thers Schrift, Die Politik der Kurfürsten von Sachsen und Branden-
burg nach dem Tode Gustav Adolfs (Dresden 1877) S. 100. Wir
halten die in Zimmermanns Leichenrede befindliche Angabe, der Avir
folgen, für vereinbar mit dem, was Günther aus den Akten berichtet.
Eine politische Denkschrift etc. 195
nacli Prag zum Empfang der Lehen ging und hier längere
Zeit vei'weiltc. niii eine persönliche Znsammenkmift des
Kurfürsten mit dem Kaiser Ferdinand III. zu Leitmeritz
zu vt'rmittehr'-'j, an der er auch selbst Theil nahm.
Und in demselben Jahre führte er auch nocli den Herzog
August in seine erzbiscliöfliche Residenz Halle ein. Von
seinen späteren diplomatischen Verwendungen erwähnen
wir nur noch die langwierigen Verhandlungen mit Torsteii-
son hl Leipzig (1646), w^elche endlich zum Waffenstill-
stände mit den Schweden führten. Nach dem Frieden
wollte ihm der Kurfürst die Ordnung seines sehr zei--
rütteten Finanzwesens übertragen, allein er lehnte diesen
Antrag ab, übernahm aber noch im Jahre 1649 die Stelle
eines Obersteuereinnehmers.
Oppel mag von Haus aus nicht unbegütert gew-esen
sein und auch durch seine Verheiratiuig sein Vermögen
verbessert haben. Später besass er Güter in Lomnitz.
Gosda, Ober- nnd Niederlichtenau, Lamperts- und Wellers-
walde und war offenbar ein sehr reicher Mann. Auch
zum kaiserlichen Pfalzgrafen, sowie zum Gefreiten des
heiligen römischen Reichs (Exemtus) war er erhoben
worden. Er war Vater von zehn Söhnen nnd zwei Töchtern,
von denen ihn die noch unverheiratheten Töchter nnd fünf
Söhne überlebten. Am 11. November 1655 rührte den
starken und äussern Einflüssen gegenüber sehr wider-
standsfähigen Mann bei dem Begräbnis seines Kollegen
Friedrich v. Metzsch der Schlag, so dass er mitten ans
dem Trauerzuge nach Hause gebracht werden musste.
Er erholte sich zwar damals w'ieder, starb aber doch in-
folge zunehmender Scluväche am 19. Juni 1661, noch
nicht 65 Jahre alt.
Auch Oppel war einst seiner Betheiligung an dem
Prager Frieden wegen unter denjenigen sächsischen Po-
litikern genannt worden, welche sich angeblich durch
unlautere Mittel für die kaiserliche Sache hatten gewinnen
lassen. Bei seinem Tode scheinen jedoch diese Anschul-
digungen gänzlich verstummt gewesen zu sein: keiner
seiner Lob- und Leichenredner denkt nur daran, ihn
gegen solche Anklagen in Schutz zu nehmen. Dagegen
rühmte man ihm als ein allbekanntes Verdienst nach, dass
'^^) Am 6. September 1638 rietheu auch die üeheimen Käthe
,H. V. Friesen, Fr. Metzsch nnd (lahriei Tüntzol dem Kurfürsten zu
dieser von Oppel in Anregimg gebrachten pcrsünlielien Zusiuumen-
kunlt. H.-St.-A. Dresden.
13*
196 J- 0. Opel:
er eiii^aufriclitiger Diener seines Herrn und in den aller-
gefähi'liclisten Zeiten ein treuer Patriot des Kurfürsten-
thums gewesen sei. Sein Ortspfarrer pries besonders
seine politische Vorsicht und Behutsamkeit, infolge deren
er „den Kurfürsten und sein Land nicht in den Koth
hineinführte und nicht auf dem fahlen Pferde ertappt
wurde". Auch seine Gerechtigkeitsliebe wurde aner-
kannt. „Er spielte nicht mit der Jurisprudenz, noch
machte er arme Leute, hängte auch sein Gewissen nicht,
wie viele Juristen, an den Nagel." Zu den hervorragendsten
Eigenschaften des Diplomaten gehörte eine sehr eindrucks-
volle Beredsamkeit: „seine berühmte und annehmliche
Suada, die nicht einem umschweifenden Geplärr glich,
das nur die Ohren füllete, sondern penetrierte, haftete
und bewegte". Dass diese in ihi^en Mitteln nicht allzu
wählerische Beredsamkeit ilii'e Stärke bisweilen auch an
dem Kurfürsten selbst erprobte, ist bekannt ■^^).
Der Doktor Tüntzel, Erbherr auf Tunzenhausen, war
bei seiner Erhebmig zum Geheimen Bath ebensowenig
ein Neuling in politisch- diplomatischen Geschäften wie
Oppel; auch sein Name tritt in den zalüreichen Verhand-
lungen während der Jahre 1630 bis 1635 öfters hervor.
Von den vier bisher genannten Geheimen Bäthen starb
er zuerst (21. Dezember 1645) imd zwar nach einer mehr
als dreissigj ährigen Dienstzeit und im 72. Lebensjahre.
Um so eigenthümlicher erscheint bei diesem Dienstalter
eine von Tüntzel im Hinblick auf seinen Tod schon im
Jahi'e 1642 aufgesetzte Bittschrift, welche seine Kinder
und Erben dem Kurfürsten zugleich mit der Nachricht
von seinem Ableben un verweilt einsendeten. Tüntzel
hatte den Kurfürsten in derselben gebeten, seinen Hinter-
bliebenen aus seiner rückständigen und auf einige lOüO
Gulden angegebenen Besoldung, die er zum Theil noch
von seiner Hofrathszeit her zu fordern hatte, wo nicht
^) Die Darstellung folgt zum Theil den Leicheupredigten des
M. Christian Zimmermann (Christliche Leich-Predjgt . . . . Wit-
tenberg, Gedruckt bey Job Wilhelm Finzelio 1662. 4) und des Pre-
digers in Lomuitz Gottfried Gebauer (Summa beate morientium
Felicitas . . . Wittenberg, Gedruckt be}' Job Wilhelm Fincelio 16H2. 4).
In der Universität Wittenberg hielt der Professor Georg Kaspar
Kirchmaier im April 1662 eine werthlose Gedächtnisrede, die mit
einer Anzahl lateinischer Verse und deutscher Reimereien derselbe
Buchhändler veröffentlichte. Der Bibliothekar David Schirmer pries
den Verstorbeneu auch deswegen, dass er sogar bei der Steuer „noch
manches Herz ergötzt habe".
Eine politische Denkschrift etc. 107
„begnadigiings - doch absclilagsweise" einen Beitrag zu
seinem Leichenbeg-änjrnisse zu gewähren! Er begründete
seine Bitte damit, dass er in seinem l)es<'lnverlichen Amte
„in langer Zeit nichts l^ekommen und alles darüber habe
zusetzen und einbüssen müssen, wovon er seinen Kindern
und Kindeskindern etwas ersparen und also auch zu Be-
gräbniskosten beilegen können".
xluftallig ist, dass sich unter diesen vier Geheimen
Käthen keine der einst vom Kurfürsten selbst vorge-
schlagenen Persönlichkeiten befindet, weder Kurt von
Einsiedel noch der kulmbachische Kanzler von Feilitsch,
und dass auch der Vorschlag des Kurfürsten, den Ge-
heimen Rath wenigstens mit sechs Mitgliedern zu besetzen,
keine Berücksichtigung gefunden hat: möglicher Weise ist
bei der Wahl zuletzt die Rücksicht auf die Landesange-
hörigkeit des zu Wählenden ausscldaggebend gewesen.
Auch wurde derselbe allerdings schon im folgenden Jahre
durch ein neues Mitglied verstärkt, indem der Kurfürst noch
Friedrich von Metzsch'^"') berief. Dieser schon im Jahre
1619 zum Hof- und Justizrath und bald darauf zum
Appellationsrathe ernannte und seitdem in mancherlei
Geschäften verwendete Beamte, welcher 1628 nach dem
Tode des Präsidenten Sebastian Friedrich von Kötteritz
den Vorsitz im Konsistorium erhielt, muss gleichfalls ein
sehr begüterter Mann gewesen sein, denn er besass nicht
nur die Güter Reichenbach, Friesen und Mylau, sondern
hatte auch Besitzungen in und um Zschopau, welche nach
dem Tode des kurfürstlichen Kammerraths und Haupt-
manns zu Augustusl)urg, Rudolfs von Vitzthum, sein
Eigenthum geworden waren. Ja vielleicht hat gerade
diese günstige äussere Lage bei seiner Berufung eine
entscheidende Rolle gespielt. Denn der Kurfürst war
auch mit der Entrichtung des Gehaltes an Metzsch sehr
im Rückstande geblieben: noch am 22. August 1638, also
nach seiner Berufung zum Geheimen Rath, ersuchte der-
selbe seinen Landesherrn, ihm von der sich auf .'^OOO Gulden
belaufenden Forderung einen Viert(>ljahresbetrag seines
Hofrathsgehaltes, nämlich 225 Gulden, zahlen zu lassen.
^^) Er war am 8. Dezember 1.579 geboren, studierte von 1596
bis IfiOä in Wittenliorg und .Tcna und trat darauf sofort eine läiiii-erc
Reise nach Frankroich an, die er auch Ix-sclirieb. Nach seiner Rück-
kehr (1607) machte er sich im .lalirc 1609 nach Italien auf, wo er
länger als ein .Tahr verweilte. Er vorlieirathcte sich 1612 mit Anna
Elisabeth von Schönberg aus dem Hause Maxen.
198 J. 0. Opel:
Metzscli hat seinen Herrn oft auf Land- und Kreistagen
vertreten und nahm aucli Kui'sachsens Rechte auf dem
Kollegialtage zu Nürnberg 1639/40 wahr. Von da wurde
er auf den Reichstag' nach Regensburg entsendet und
begab sich nach dem Schhisse desselben mit dem kaiser-
lichen Hofe nach AVien. Auf dieser ganzen Gesandt-
schaftsreise brachte er etwa zwei Jahre und neun Monate
zu. In Wien übertmg ihm der Kaiser noch das Amt
eines Reichspfennigmeisters für Ober- und Niedersachsen.
Metzsch hatte als Oberkonsistorialpräsident auch für
Kirchen, Schulen und Universitäten Sorge zu tragen und
wurde l^ei seinem Tode als Gönner und Schützer der
Lehrer und Prediger sehr gepriesen. AVie Heinrich von
Friesen war er ferner eui Freund der Wissenschaften;
der Professor Buchner in Wittenberg wendete sich in
seinen Nöthen öfter an ihn ; von Büchner erbat sich
Metzsch schon zehn Jahre vor seinem Tode eine akade-
mische Gedächtnisrede , welche dieser auch später ge-
halten hat 3«).
Metzsch erhielt als Geheimer Rath anfangs 1000 Gulden
Gehalt und auf vier Kutschpferde Dienstgeld, wenn er
sie wirklich hielt, und zwar 288 Gulden-"). Wenn er
den Kurfürsten auf Reisen zu begleiten hatte, wurde ihm
samt seinem Gefolge vollständig freie Verpflegung und
für andere Dienstreisen volle Entschädigung gewährt.
Seiner Bestallung zufolge war er zu einer halbjährigen
Kündigungsfrist verpflichtet.
Li dem Entwürfe einer Art von Geschäftsordnung
für den Geheimen Rath (vom 14. Juli 1637) erklärt der
Kurfürst, dass er das Kollegium nach vielfältigen Be-
rathschlagungen aus eignem Entschlüsse wieder vervoll-
ständigt und bestellt habe. Die Geheimen Räthe sollten
schon früh von 8 bis 10 Uhr und an vier Wochentagen
'^) Panegyricns illustri viro Friderico Metschio in Keicheiibach
et Friesen ... in acaderaia Witteljergensi dictus puljlice ab Ano;usto
Buchnero. Typis Johanuis Röhneri, Acad. Typogr. Anno 16.56. Vergl.
hierzu D. Jakob Wellers Leichenpredigt (Drefsden, In Verlegung
Christian, Druckts Melchior Bergen, Gebrüder. 1655).
2'') Im Jahre 1661 bezogen die CTcheimen Eäthe schon höhere
Gehalte, nämlich Abraham von Sebottendorf 1142 Gulden 18 Gro-
schen, Johann Georg von Oppel 1288, Heinrich Frh. von Friesen
2200 Gulden, Dr. Benedict Carpzov 1288, Karl Frh. von Friesen
2200 Gulden, Reinhard Dietrich Frh. von Taube 1574 Gulden
18 Groschen, Wolf Siegfi'ied von Lüttichau, Kanzler. Sa. 11 893 Gulden
15 Groschen. Xöuigi. St.-A. in Dresden, Fiuanzarchiv.
Eine politische Denkschrift etc. 199
auch ]Sraclimittaj>:s von 2 bis 5 Ulir in dem ihnen über-
wiesenen Amtszimmer anwesend sein, während ihnen der.
Nachmittag- am Mittwoch und Sonnabend zur Besorgmig
ihrer eignen Geschäfte frei gehissen wurde. Der Kur-
fürst sicherte seinen Käthen freien Zutritt ohne Anmel-
dung zu und vers[)rach, sie täglich früh zwischen neun
und zehn Uhr und Nachmittags zwischen vier und fünf
Uhr zu empfangen. xA.uf der Reise sollten sie Gehör
finden, so oft die Geschäfte es erforderten.
Vier Tage darauf übersendeten die Geheimen liäthe
dem Kurfürsten eine Denkschrift/^^), in welcher sie
um die Genehmigung einer Instruktion für den Ge-
heimen Rath, wahrscheinlich der eben erwähnten, nach-
suchten und noch eine ziemliche Anzalü anderer Fragen,
Avelche sich fast alle auf die Neubesetzung erledigter
Amter bezogen, seiner Entscheidung anheim gaben. Bei
der Häutung der Geschäfte fanden sie eine Vermehrung
der Anzahl der Geheimen Räthe auf sechs nothwendig ;
sie suchten um die Besetzung von vier erledigten Stellen
im Justizrathe (Justizministerium) nach und machten auch
auf die Erledigung mehrerer untergeordneter Stellen in
der Reichs- und Kammerkanzlei aufmerksam. Als Ge-
heimen Sekretär in der Reichskanzlei brachten sie Da-
niel Kirchner in Vorschlag, der bereits längere Zeit in
den Reichs- und Lausitzischen Sachen gearbeitet hatte
und auch Sekretär im Archiv war.
Ferner aber legten sie dem Kurfürsten dringend an
das Herz, die erforderlichen Mittel für die Weiterführung
der Landesverwaltung und die Erhaltung des Hofes in
Bereitschaft zu halten. Wie schlimm es damals mit den
kurfürstlichen Finanzen bestellt gewesen sein mag, geht
aus dem Wortlaut ihres Gesuchs hervor: „Vor allen
Dingen [will es] die höchste Noth erfordern, solche Mittel
an die Hand zu bringen, dadurch man sich nicht allein
solcher nothwendiger Spesen erholen, sondern auch nächst
Erhaltung der Hofstatt die RathskoUegia, Kanzleien und
andere arme Diener ihrer Besoldungen versichern, die-
selben nicht sogar ohne allen Trost lassen und sie sich
wie bisher etzliche Jahr ferner zu beklagen Ursach haben,
dass sie bei ihrer schweren Aufwartung nicht allein alle
das Ihrige ein- und zubüssen, sondern sich auch hierüber
38) Sie ist vom 18. ,Tnli 1636 und nicht namentlich unterzeichnet
H.-St.-A. Dresden Loc. 7169.
200 J. 0. Opel:
in schwere Schulden vertiefen, ja ihrer viel bei solchem
langwierigem Mangel mit Weib und Kind in Hunger und
Kummer verderben, ihre Aemter mit Seufzen und Wehe-
klagen verrichten müssen, und manigmal so viel nicht
haben, dass sie einen Toten davon zur Erde bestatten
können". Die Räthe stellten dem Kurfürsten ferner vor,
dass die Beamten unmöglich unter solchen Verhältnissen
weiter dienen könnten, und dass sich neue schwerlich zum
Eintritt in Raths- und Kanzleidienste bereit finden lassen
würden, und erinnerten ihn daran, „wie schwer sichs bei
denjenigen, die man etwan zu Dienst begehrt, gestoßen''^)".
Diese Denkschrift liegt uns anscheinend nur im Entwürfe
vor, der wohl auch deshalb nicht namentlich gezeichnet
ist. Doch kann über die Persönlichkeiten der Verfasser
kein Zweifel obwalten.
Am 18. August 1637 wohnte der Kurfürst einer
Sitzung des Geheimen Rathes bei, in welcher über eine
verbesserte Instruktion für die Mitglieder berathen und Be-
schluss gefasst wurde. Dieser zufolge sollte auch der Erb-
prinz mit seinem Hofmeister K. von Einsiedel an der Be-
rathung wichtiger Reichs- und Landessachen theilnehmen ;
ebenso ward Herzog August die Verpflichtung auferlegt,
mit seinem Hofmeister diejenigen Sitzungen zu besuchen,
in welchen erzstiftisch-magdeburgische Fragen zur Ver-
handlung kamen. Ferner bescliloss man aber auch den
kurprinzlichen Hofmeister, der sein Amt wegen des Aus-
bleibens seines Gehalts aufgegeben hatte, an seme Pflicht
zu erinnern, „dass er nicht den Anfang machen sollte,
aus diesem Grunde vom Kurfürsten abzusetzen" ; denn
der Kurfürst wäre auf Mittel bedacht, wie die Besoldung
„auf ein Gewisses" gebracht werden könnte, und Einsiedel
sollte auch seinen Ratli hierzu ertheilen. Ferner wurden
noch Berathungen über die Wiederbesetzung der erledigten
Stellen in der Hofrathsstube hi dieser Sitzung gepflogen.
Als am dritten Tage darauf im Geheimen Rathe Perso-
nalfragen, welche die Geheime Kanzlei betrafen, erledigt
wurden, war der Kurfürst wiederum anwesend ^*^).
^^) Eine ähnliche Klage erhebt der Kurfürst selbst noch im
Jahre 1640. Vergl. Joh. Falke, Die Steiierverhandhmgen des Kur-
fürsten Johann Georgs I. mit den Landständen während des dreissig-
iährigen Krieges, in K. v. Webers Archiv für die sächs. Geschichte,
N. F. I, 318.
<«) H.-St.-A. Dresden Loc. 7169, Acta Derer Chnrfürstl. S. Ge-
heimen Räthe Bestallungen 1594—1697.
Eiue politische Denkschrift etc. 201
Sebottendorf hat in den ersten Jahren keinen Gehalt
als Geheimer Rath, sondern wohl nur seine frühere Besol-
dung als Hofrath bezogen. Dagegen mag er infolge seiner
Denkschrift vom 18. Dez. 1639, an deren Schhiss er die
Erwartung einer Besoldung als Geheimer Rath durch-
blicken lässt, Metzsch und den übrigen Räthen gleichge-
stellt worden sein. Erst nach behiahe zwanzig Jahren
(am 4. Januar 1659) wurde sein Gehalt von lOOC) Reichs-
thalern durch eine Zulage von 600 Gulden aus dem
Fleischpfennige erhöht. Der Kurfürst wollte dadurch
nicht allein seine bisherigen treuen Dienste belohnen,
sondern dem nun schon bejahrten Manne auch seine
wärmste Anerkennung dafür an den Tag legen, dass er
sich entschlossen hatte, ihm und seinem Hause, so lange
ihm Gott Kräfte und Gesundheit verleihen werde, seine
Dienste zu widmen. Möglicher Weise ist aber Sebotten-
dorf diese Zulage nicht sofort gezahlt Avorden.
Sebottendorfs Einfluss auf die kursächsische Politik
ist mehrere Jahrzente hindurch ein sehr bedeutender ge-
wesen, ja er scheint sogar nicht erst nach dem Tode
des Geheimenrathsdirektors Heinrich von Friesen der in
den meisten Fällen entscheidende geworden zu sein.
Seinem Wunsche, nicht zu auswärtigen Sendungen ver-
wendet zu werden, trug der Kurfürst Rechnung. So
Hess sich Johann Georg selbst auf dem obersächsischen
Kreistage im November 1638 durch Friedrich von Metzsch
und den Professor der Rechte in Leipzig Doktor Finckel-
thauss vertreten. Und auf dem Kurfürsten tage zu Nürn-
berg 1640 erschien von Seiten Knrsachsens wiederum
der eben genannte Geheime Rath nebst dem Hof- und
Justizrathe Heinrich von Friesen dem Jüngern. Trotz
seiner Abneigung gegen Reisen begleitete Sebottendorf
dagegen den Kurfürsten zu der bereits erwähnten Zu-
sammenkunft mit dem Kaiser in Leitmeritz im Jahre 1(538
und folgte ihm auch auf seinen Befehl auf einer Reise
nach Prag im Jahre 1 652, welche denselben Zweck hatte.
Sehr viele Angelegenheiten bearbeitete er auf sehiem
Gute Rottwerndorf ganz selbständig; doch wurde er
auch öfter von da für den nächsten Tag nach Dresden
entboten.
Das für Kursachsen so veiliängnisvolle Testament
Johann Georgs I. trägt auch die Unterschrift Sebotten-
dorfs. Seiner politischen Gesinnung ist derselbe im all-
gemeinen treu geblieben. Er soll zwar im Anfange ein
202 J. 0. Opel:
Geg'iier des zu Kötzsclienbroda und Eilenburg verhandelten
Waffenstillstandes gewesen sein, empfahl aber endlich
doch in Gemeinschaft mit den übrigen Rätlien den Ab-
schluss des Vertrages").
Nach dem Tode des älteren Heinrich von Friesen
stieg der Verfasser unsrer Denkschrift zum Direktor des
Geheimen Raths auf.
Von seinen weiteren persönlichen Schicksalen ist
jedoch nicht viel mitzutheilen. Seine Güter waren, wie
er selbst klagt, im Kriege gänzlich verwüstet Avorden.
Im Jahre 1647 verlor der Kinderlose auch seine Gattin.
Unter dem Eindrucke der furchtbaren Kriegsleiden zog
er sich allmählich immer mehr in die Einsamkeit zurück
und lebte besonders in den späteren Jahren, so viel es
seine Geschäfte gestatteten, frommen Betrachtungen.
Sein Eifer in der Erfüllung seiner Amtspflichten wurde
bei seinem Tode ausserordentlich gerühmt; im Haupt-
Staatsarchive zu Dresden und in der archivalischen Samm-
lung des Herrn Freiherrn von Friesen auf Eötha finden
sich heute noch zahlreiche von seiner Hand geschriebene
Briefe und Denkschriften als Beweise derselben. Sein
Leichenredner Buläus rühmte ihm nach, dass er nicht
allein zu Hause „seine Hauskirche zum Lobe Gottes mit
Beten, Lesen und Singen stetig und ohne Unterlass an-
gefüllt", sondern auch auf seine Untergebenen in gleichem
Sinne eingCAvirkt habe. Er war vorsichtig und nüchtern
in seiner Lebensführung, wozu ihn auch die Rücksicht auf
seine schwankende Gesundheit nöthigte. Im Jahre 1661
that er auf seinem Gute Eottwerndorf einen schweren aber
unschädlichen Fall, von dem der Superintendent Buläus
in Dresden als von einem augenscheinlichen Beweise
der göttlichen Hilfe auf seine eigne Veranlassung, wenn
auch ohne Namensnennung, im Gottesdienste berichtete.
In diesen späteren Jahren bekannte er von sich, dass er
„lebenssatt, allezeit in steter Gelassenheit stehe und in
christlicher Bereitschaft gefunden werde, wenn Gott
Feierabend mit ihm machen werde", und liess schon einige
Jahre vor seinem Tode seinen Sarg und die übrigen Be-
dürfnisse zur Bestattung seines Leichnams in Bereitschaft
stellen. Nachdem er noch am 10. November 1664 Abends
^1) Vergl. Hei big, Die säclisiscli-scliwedischen Verhandhtngfen
zu Kötzsclienbroda und Eilenburg-, in K. v. Webers Archiv für die
Sachs. Geschichte V, 267 und 280.
Eine politische Denkschrift etc. 203
seiner Gewolinheit nach mit Sinaen, Beten und Lesen
seine Andacht yerrirhtet liatte, legte er sich zur Ruhe
und erwaclite nicht wieder*-). Der Jahrzehnte lang-
kränkelnde Mann, welcher schon im Jahre 1639 sein Ende
nalie glaubte, erreichte ein Alter von 80 Jahren. Von
der kurfürstlichen Familie wurde er besonders in seinen
letzten Tiebensjahren wie ein Freund hoch geehrt. Na-
mentlich Johann Georg 1. fühlte sich dem Manne, der ihn
durch die letzten Stürme der furchtbaren Kriege, weini
auch öfter sehr wider seinen Willen geleitet hatte, tief
vei'itflichtet. Als der ehemalige Geheimerathsdirektor am
(j. Dezeml)er in der alten Frauenkirche zu Dresden be-
stattet wurde, folgte seinem Sarge auch Johann Georg- II.
nebst seinem Sohne.
Ausser dem Sn[)erintendenten Buläus widmete ihm
hier noch der Hof- und Justizrath Johann Georg von
Dölau tief empfundene Abschiedsworte. Noch einmal
hob er „seinen tiefsinnigen Verstand, sein unbeflecktes
Leben, die Treue gegen seine Obrigkeit und seine grosse
Erfahrung in den Reichsgeschäften" hervor. Wenn dieser
kurfürstliche Rath in Gegenwart seines Landesherrn aus-
sprach, was man damals am Hofe über die Leitung der
politischen Geschäfte durch den Verstorbenen urtheilte,
so wird man annehmen müssen, dass jeder Tadel derselben
schon längst verstummt war. Er bekannte : „seine höchst
vernünftigen und von Gott gesegneten Rathschläge hahen
soviel gewirket, dass uns oftmals in vorigen Zeiten mitten
in Finsternis der Trübsal das Licht der Freuden auf-
gehen __müssen". In seiner bewundernden, aber verzeih-
lichen Überschätzung des Verblichenen beklagte der Redner,
dass ,.ihnen ein grosser, herrlicher Mann entfallen und
eine theure Seele entrückt" worden sei. —
Und doch hatte man einst den eifrigen Vertreter der
kaiserlichen Autorität, ebenso wie Metzsch und Oppel,
bei seinen Lebzeiten unter die österreichischen Pensionäre
gerechnet. Es ist sogar möglich, dass Sebottendorf
dieser Vorwurf zu Ohren gekommen ist, obgleich er in
seinen Denkschriften, so weit wir sie kennen, keine da-
rauf bezügliche Bemerkung gemacht hat. Doch könnte
der Umstand, dass in seiner Bestallung zum Geheimen
Rathe jede Bezeichnung des Gehalts oder einer Ent-
■^-) Tm Titel der Leichenpredigt des Buläus wird der 11. Xo-
veniber als Todestai? auicee'ebeu.
204 -T. 0. Opel:
Schädigung gerade auf seine eigene Veranlassung unter-
blieb, allerdings so gedeutet werden, als habe er damit
dem Vorwurfe der Habsucht entgegen treten wollen. Im
übrigen hat sich die Verdächtigung, als habe er geradezu
im österreichischen Solde gestanden, bis jetzt nicht erweisen
lassen und findet auch in dem Eindrucke seiner weiter
lüiten abgedruckten Denkschrift keine Unterstützung.
Wie es lieisst. soll Ferdinand II. im Jahre 16ö5 nicht
nur Sebottendorf persönlich, sondern auch seinen Stamm
in den Freiherrnstand erhoben haben ; allein der sächsische
Geheime Rath machte angeblich von dieser Standeser-
höliung keinen Gebrauch. —
Die von uns zum Abdruck. .gebrachte Denkschrift
Sebottendorfs, welche nicht für die Öffentlichkeit bestimmt
war, erhellt das Dunkel, welches über den inneren Ver-
hältnissen des sächsischen Hofes in dieser Zeit ruht, in
sehr erwünschter Weise. Und gerade die Persönlichkeit
des Kurfürsten selbst erscheint nach diesem unverdäch-
tigen Zeugnisse in einem neuen Lichte. Während man
bisher ziemlich allgemein annahm, dass die Selbständig-
keit des Geistes und Charakters, welche dieser Kurfürst
zu entwickeln vermochte, eine sehr geringe gewesen sei,
erkennen wir jetzt in ihm eine Beharrlichkeit des Sinnes,
welche man fast als Hartnäckigkeit bezeichnen könnte.
Während man von Johann Georg damals glaubte, dass er
der willenlose Diener seiner Diener sei, befand er sich
in einem jalu'elangen Kampfe mit ihnen, in welchem er
sogar Siege zu verzeichnen hatte. Nur mit grossem
Widerstreben folgte er nach dem Friedensschlüsse den
Mahnungen seiner kaiserlich gesinnten Räthe und ging
in sehr wichtigen Fragen noch immer seine eignen Wege.
So konnte er sich nicht überwinden trotz der wiederholten
Erinnerungen der Räthe seine Truppen dem Kaiser ver-
eidigen zu lassen ^^) und war noch weniger dahin zu
bringen, sie im März 1639 unter den Oberbefehl Picco-
lomini's zu stellen, sondern betrachtete dieses Ansinnen
geradezu als einen Versuch, ihn des Oberbefehls in seinen
eignen Landen zu entsetzen. Damals äusserte er sich da-
hin, „ehe er sich das Kommando in seinen Landen neh-
men lasse, wollte er lieber das ganze Werk umwerfen" ^^).
Eine ganz ähnliche Meinungsverschiedenheit zwischen
^3) Sehottendorfs Denkschrift, unten S. 332—334.
") Vergl. Brock ha US, Der Xurfürstentag zu Nürnherg S. 48.
Eine politische Denkschrift etc. 205
dem Kurfürsten und seinen Eätlien war schon im Jahre
1638 zu Tage getreten ^•^). Johann Georg erachtete sich
nicht für verbunden, den Gesuchen des Kaisers zu will-
fahren und seine Regimenter zur Befreiung der Küste
nach Pommern zu entsenden. Er herief sich darauf, dass
sem nach dem Prager Frieden mit Ferdinand IL abge-
sclilossenes Bündnis mit dessen Tode hinfälüg geworden
sei, und dass der Kaiser auch seine Verpflichtungen gegen
ihn niclit erfüllt habe. Trotz öfterer Mahnungen zur
Zahlung der Kosten für die von ihm unterhaltenen Re-
gimenter hatte der Kurfürst nicht das Geringste erhalten
können. Ferner hatte der Graf Gallas auch die Entrichtung
der Johann Georg von Ferdinand 11. und seinem Nach-
folger überwiesenen Römerzugsgelder des niedersächsi-
schen Kreises durch seine Einquartierung unmöglicli
gemacht. Endlich theilte Johann Georg die allgemeinen
Besorgnisse für seine und seiner Stammesvettern Lande,
wenn die im Norden siegreichen katholischen Heere ihren
Rückmarsch antreten würden, und fürchtete besonders
auch für Erfurt. Er hegte die Besorgnis, dass die Kaiser-
lichen sich unterstehen möchten, „an der erfurtischen
Bemächtigung, und was derselben anhängig, Theil zu
haben". Im Bewusstsein ihrer patriotischen Pflicht, aber
nicht gerade selu' zuversichtlich, da ilu-e Rathschläge dem
Kurfürsten mehr als eimnal sehr missfällig gewesen waren,
traten die Räthe auch dies Mal den Bedenken ihres
Herrn entgegen; sie erinnerten ihn daran, dass die Be-
dingungen des Prager Friedens eine solche Hilfsleistung
unweigerlich forderten, und machten ihn ausserdem darauf
aufmerksam, dass er sich dem Kaiser noch durch ein
besonderes Schreiben an Eidesstatt verpflichtet habe.
Diese Verbindung hatte aber ihrer Auffassung zufolge
nicht Johann Georg mit Ferdinand IL, sondern der Kur-
fürst von Sachsen mit dem Kaiser und dem Reiche ge-
schlossen, welches letztere „Gott lob, noch vorhanden war".
Überdies hatte der Kurfürst ja selbst Ferdinand ILL. um
Hilfe wider die Schweden ersucht und sie auch erhalten.
Und dann galt doch diese vom Kaiser geforderte Unter-
stützung der Erhaltung des Erzstifts Magdeburg und
Pommerns ; für das letztere aber einzutreten war der Km-
fürst schon durch die Erbvereinigung mit Brandenburg
^■•) H.-St.-A. Dresden Loc. 10055,237. Derer Herreu Geheimen
Räthe Bedenken A»- 1637—1640.
206 J- O. Opel:
und als Kreisoberster verpflichtet. „Die hohe an Eides-
statt bei kurfürstlichen Ehren, Würden, Treu und Redlich-
keit gethane Versprechnis, mit gesamter Macht unweiger-
licli gegen dem Eeinde zu gehen, ist vorhanden. Und
wenn es gleich nicht wäre, so seind E. K. D. ein fürneh-
mer, weltlicher Kurlürst des ßeiclis und daher nach An-
weisung derßeichsgesetze wider alleßeichsfeinde zu gehen,
nicht aber mit dem Volke stille zu sitzen, verpfliclitet.
Sie sind in specie Kreisoberster, also nach Erheischung
der Kreisverfassung die Feinde aus dem Kreise . . . bringen
zu lielfen, tlieuer verbunden". Daran aber, dass der
Kaiser sein Wort im betreff der Bezahlung des Kriegs-
volks nicht gehalten hat, trägt nicht sein Wille, sondern
die traurigen Verhältnisse, welche es ihm unmöglicli
machten, die Schuld. Auch die ßömerraonate aus dem
ober- und niedersächsischen Kreise würden dem Kurfürsten
wohl zu gute gekommen sein, wenn er die ihm kraft des
Friedensschlusses zugefallene Aufgabe der Befreiung der
Kreise hätte erfüllen können und nicht vielmehr zwei
Jahre nach einander die Kaiserlichen hätte zur Unter-
stützung heranziehen müssen. Ueber den Entschluss des
Kurfürsten, die sächsischen Truppen zur Vertheidigung
der eigenen Lande und erforderlichen Falles sogar gegen
die Kaiserlichen selbst zu verwenden, drücken die Käthe
sich mit einer gewissen Vorsicht aus. „Dass E. K. D. ihr
Volk dieser Ursach wegen zurückhalten wollen, dieweil
sie muthmassen, es seie unter den Katholischen eine neue
Machination und Betrug wider die Evangelischen, sonder-
lich wider E. K. D. im Werke, so sich in kurzem ent-
decken, und also nicht thunlich oder im Gewissen ver-
antwortlich sein würde, das Volk von sich zu lassen,
ruhet in E. K. D. Wolgefallen". Die Räthe haben von
einem solchen Betrüge noch nichts gemerkt, sondern nur
die Wahrnehmung gemacht, dass der Kaiser die eignen
Lande, z. B. im Elsass oder andere Gebiete katholischer
Fürsten preis gegeben hat, um nur den Kurfürsten nicht
hilflos zu lassen ^*^).
So ganz und gar unselbständig zeigte sich also dieser
viel geschmähte Kurfürst von Sachsen damals doch nicht*^).
*") Denkschrift der namentlich unterzeichneten fünf Greheimen
]läthe vom 2n. Juni 1638. H.-St.-A. Dresden Loc. 10055, Derer
(leheimen Käthe Bedenken A«- 1637—1640.
'^) Das Urtheil, welches Brock haus in seinem sehr inhalt-
reickeu Buche (Der Kurfüi'stentag zu Nürnberg S. 75, 76) über die pro-
Eine politische Denkschrift etc. 207
Ja es gab eine Frage, in welcher er so empfindlich w ai .
dass er sich den Vorschlägen seiner Käthe niemals fügte,
sondern fest und beharrlich seinen eignen Gefühlen und
Grundsätzen folgte. So, nachgiebig er sich im Prager
Frieden auch gegen die Österreicher im betreff' der Krieg-
führung gezeigt liatte, so kräftig trat er seinen Jiäthen
entgegen, wenn diese ihm die volle Verschmelzung seiner
Armee mit den Truppen des Kaisers empfahlen und ihm
sogar riethen, von der Aufstellung eines grösseren beson-
deren Heeres ganz und gar Abstand zu nehmc^n. Das
thaten die vier oft genannten Rätlio z. JB. in einem Gut-
achten vom 10. Januar Ki.'JB^^), in welchem die Stelle
vorkommt : „Unnötig erachten wir so vieler Regimenter
Bestallung, denn da ist durch göttliche Hilfe der Feind
aus E. K. i). Landen allenthalben abgetrieben, und wann
E. K. D. noch ferner Kriegsvolk unterhalten und jener
Orte abschicken wollte, beschiehet einig und allein Kur-
brandenburg zum Besten". Obgleich der Kurfürst selbst
dem Kaiser bereits mitgetheilt hatte, dass er ein eignes
Kriegsheer werben und anführen wolle, erklären die Räthe
ihm dennoch, dass er an den kaiserlichen Truppen einen ge-
nügenden Beistand habe, imd dass er daher ausser zu den
Besatzimgen seines Landes, und „dals er als ein kai-
serlicher General etwas unterhielte, vieles
Kriegsvolks itziger Zeit nicht bedürftig sei".
Auch die von den Gegnern der Kaiserlichen geäusserte
Verdächtigung, dass die Österreicher nach der Vertrei-
bung der Schweden aus dem Reiche sich auf Kürsachsen
stürzen würden, stellen sie als grundlos hin und ver-
weisen Johann Georg auf die.Kurfürsten Moritz und Au-
gust, die es doch beide mit Österreich gehalten hatten.
Sie geben ihm endlich zu bedenken, dass er bei solchen
Anschauungen über die Pläne der Kaiserlichen genöthigt
sein würde, ein den kaiserlichen Truppen überlegenes
Heer zu unterhalten, wozu doch die Mittel des Kur-
staates ganz unzureichend waren. Diese für den Kur-
fürsten sehr delikate Frage berührten die Ilätlie auch in
dem bereits oben angeführten Gutachten vom 25. Juni
1638. Man stellte ihm hier vor, dass er die Mittel nicht
testantischen Kurfürsten und ihre iiersönliche Betheilig-ung au den
Kegierungsgeschaften ausspriclit, dürilr dahi'r im bctreif der Thätig-
keit .Johann üeorgs 1. in dieser Zeit doch wohl zu weit gehen.
•'ä) Jj.-St.-A. Dresden Loc 10055. Derer Herren üeheimen
Käthe Bedenken A«- lf)37— 1640.
208 J- 0. Opel:
iiiideu werde, auch nur fünf Regimenter z. R. und vier
z. F. zum Schutze seines Landes während des Krieges
des Kaisers gegen die Schweden und Franzosen zu be-
solden. „Also bedünckt uns eine wahre Unmöglichkeit
[zu] sein, so viel Regimenter, Stäbe, Befehlshaber u. s. f.
die ganze Zeit über in E. K. D. Landen allein zu er-
tragen, bis der Kaiser mit allen seinen Feinden fertig
und alsdaim auf E. K. D. zu gehen resolviert werde."
Man erkennt also hieraus, dass die Geheimen Räthe
auffallender Weise einer gänzlichen und bis zur Beendi-
gung des Krieges währenden Vereinigung der kurfürst-
lichen Truppen mit den kaiserlichen das Wort redeten und
dem Kurfürsten nur die Stellung eines kaiserlichen Gre-
nerals walu^ten. Wenn sich diese Pläne verwirklicht
hätten, würde natürlich von der Militärhoheit des Kur-
fürsten nicht viel übrig geblieben sein, ja ihr militärisches
Übergewicht hätte die kaiserliche Gewalt mit Nothwen-
digkeit auch zu Eingriffen in die Landesverwaltung, wie
z. B. zu direkten Verhandlungen mit den Ständen führen
müssen.
Johann Georg Hess sich indessen niemals dazu be-
wegen, diesen Anschauungen Gehör zu schenken, sondern
hielt seine Militärhoheit trotz der äussersten Noth auf-
recht. Er war also weit weniger kaiserlich und öster-
reichisch, als seine Räthe.
Dass dieser Kampf der Geheimen Räthe mit ihrem
Herrn selbst nach der persönlichen Zusammenkunft Jo-
hann Georgs mit Ferdmand III. zu Leitmeritz auch im
Jahre 1639 noch zu keiner Entscheidung geführt hatte,
ja dass wenigstens Sebottendorf überhaupt daran ver-
zweifelte, den Kurfürsten ganz und gar für seine An-
schauung von der Würde und Hoheit der kaiserlichen
Majestät zu gewinnen, davon legt auch seine Denkschrift
vom 18. Dezember 1639 Zeugnis ab. Sie beweist klar und
deutlich, dass Johann Georg den Mahnungen seines Ka-
bmets nur sehr widerwillig sein Ohr lieh, und dass er
sogar noch immer die Möglichkeit erwog hi die gerade
entgegengesetzten Bahnen einzulenken. Denn wozu hätte
Sebottendorf sonst dem Kurfürsten so ausführlich und
nachdrücklich die Folgen geschildert, welche der Sieg
der Reichsfeinde für das ganze Reich und auch für Kur-
sachsen seiner Anschauung nach haben musste? Und
noch nach Jahren gab es in der Umgebung des Kur-
fürsten eine einflussreiche Partei, welche den Geheimen
Eine politische Denkschrift etc. 209
Käthen entgegenarbeitete und siclierlicli aus den edelsten
Absichten emen Umschwung der Dinge herbeizufülu-en
suchte.
Zu dieser Partei gehörten auch noch immer die Kur-
fürstin und ihre »Söhne, besonders der Administrator Au-
gust^'*). Noch im Jahre 1643 nannt(i dieser Sebotten-
(loi't einen verderblichen Eathgeber, „der wie Wolf Mans-
feld, Christian Osteihausen und Dr. Wolf heimliclier
Katholik gewiesen". Ja, Herzog August machte sogar
den Verfasser unserer Denkschrift für die unglückse-
lige Lage, in welche der Kurfürst durch den Verlauf
der Kiiegsereignisse versetzt w urden w ar, verantwortlich,
zog sich aber dafür eine ernste Rüge seines Vaters zul
Dieser trat der auf den heimlichen Katliolizismus seines
Kaths bezüglichen Anscluildigung mit den Worten ent-
gegen ^^^): „Solches habe ich gleich sehr niclit spüren
können; gesetzet dals er es wäre, so doch dahin stehet,
schmerzet mich nicht w^enig, dals man judiciren wollte,
als wäre ich so em Herr, der sich von einem oder dem
andern seiner Räte verfüluen Heise, sich stracks an einen
hängte, demselben sich allein vertraute". Und nachdem
er seinem guten Glewissen über alles, was bei seiner Re-
giermig vorgegangen, noch einmal Luft gemacht hat,
schliesst er die merkwürdige Sti-afepistel mit den charak-
teristischen Worten: „Dals icli nun den Namen sollte
haben, ich liels mich Leute verführen, die des ganzen
Hauses Sachsen Untergang verursachten, der mir
das saget, der greift mich niclit im Herzen, soiidein an
meiner Seele an. E, L. wollen hinfüro solche Einbildung,
als wenn ich so ein junger Lappe, der keine Erfahrung
oder Experienz hätte, von sich lassen, mein treuer Au-
gustus l)leiben. Icli bleibe Euei- treuer Vater". Auch
seinem Sohne gegenüber verwahrte sich also Johann Georg
sehr energiscli gegen eine Verdächtigung, welche ihm die
Selbständigkeit des Wollens und Entschliessens abzu-
sprechen wagte.
Li Wahrheit liat er unter nocli ungünstigeren Ver-
hältnissen, als später der Grosse Kurfürst es durchsetzte,
sich und seinem Lande eine selbständige Stellung zu
'"^) Doch verwahrte auch er sich gegen den Vorwuri', schwe-
disch gesinnt zu sein, vergl. Heibig, Die sächsisch-schwedischen
Verhandlungen zu Kötzschenbroda und Eilenburg, in K. v. Wcljcrs
Archiv für die sächs. üeschichte V, 268 tlg.
•'«) X. A Müller, Kurfürst Job. Ueorg I. S. 84
Neues Archiv r. S. G. u. A. Vlll. ,3. 4. M
210 J- 0. Opel:
sicliera versucht, wälirend er seinen Räthen in seinen
Verpflichtungen gegen den Kaiser nicht genug thuen
konnte. Dass dieser Zwiespalt der politischen Anschau-
ungen am kurfüi-stlichen Hofe auf die Füluung des Krieges
ausserordentlich nachtheilig einwirkte, entwickelt Sebot-
tendorfs Denkschrift sehr ausfüln-lich^^). Zum ersten
Male erhalten wir überhaupt in derselben einen zuverläs-
sigen und eingehenderen Bericht über die Zustände und
politischen Bestrebungen dieses Hofes in jenen kritischen
Zeiten, für deren Beurtheilung noch iimner so ganz ver-
schiedene Massstäbe verwendet werden. Wii^ vernehmen
aus diesem Berichte, dass seit dem Jahre 1637 die Siche-
rung der kaiserlichen Autorität und des ganzen auf sie
gegründeten B,eichsverbaudes der politische Grundsatz
war, von welchem sich diese sächsischen Politiker leiten
Hessen. Und je deutlicher in den Plänen der schwedisch-
französischen Partei der Sturz des Kaisers, dessen Wahl
sie als eine nicht zu recht bestehende betrachteten, als
letztes Ziel hervortrat, um so lauter und eindringlicher
scheinen auch die Mahn- und Warnungsrufe der säch-
sischen Geheimen Räthe an ilu^en Herrn geworden zu sein.
Da ist es denn ein eigenthümliches Zusammentreffen,
dass diese sächsische Denkschrift gerade zu einer Zeit
niedergeschrieben wurde, wo ein auf der Gegenpartei
stehender Politiker seine leidenschaftliche Schmäh- und
Drohschrift gegen das Haus Habsburg abschloss, in wel-
cher er die Deutschen geradezu aufforderte, mit dieser
Reichs Verfassung mid diesem Kaiser ein Ende zu machen.
Denn gegen das Ende des Jahres 1639 wird auch der
Verfasser der „Dissertatio de ratione Status in imperio
nostro" sem Werk dem Abschluss entgegengeführt haben'^'-).
Während man bisher besonders auf j mystischer Seite in
51) Vergl. unten S. 326—328.
5-) Die Wahrscheinlichkeit, dass Hippolithus a Lapide seinen
Traktat gerade um diese Zeit abgefasst hat, wird der Verfasser dieses
Aufsatzes an einer anderen Stelle darzuthun versuchen. Selbstver-
ständlich spricht auch der Inhalt der Denkschrift Sebottendorfs da-
für. Stintzing scheint in der Geschichte der deutschen Rechts-
wissenschaft von einer ähnlichen Annahme auszugehen, indem er
Abtheil. II, S. 47 sagt: „Bin seit 1613 zum ersten Male wieder (1640)
einberufener Reichstag stellte Versöhnung des Kaisers mit den Reichs-
ständen und ihre Vereinigung zur Vertreibung der Fremden in Aus-
sicht. Unter dem Eindrucke dieser für die schwedische
Partei so gefahrvollen Wendung ist das Werk des Hip-
polithus entstanden".
Eine politische Denkschrift etc. 211
dieser nacli Inhalt und Form gleich ausgezeichneten Par-
teischrift mehr das Ergebnis des akademisch geschulten
politischen Forschens und der dogmatischen Divination ■'^)
sah, wird man sich nun davon überzeugen müssen, dass
sich deutsche Politiker schon vor der Veröffentlichung
dieser Sclirift mit ihren Grundgedanken als den gefürch-
teten Plänen der französisch-schwedischen Partei beschäf-
tigten und ihre Massnahmen darnach trafen. In diesem
Zusammenhange gewinnt aber Sebottendorfs Denkschrift
eine neue und erhöhte Bedeutung. Sie ist gewsser-
massen eine Beantwortung des Programms der Gegen-
partei, bevor dasselbe noch in der Dissertatio de ratione
Status den Politikern und wissenschaftlich gebildeten
Deutschen in so fesselnder und die politische Leidenschaft
herausfordernder Weise empfohlen wurde. „
Durch den Frieden von Prag hatte Österreich der
alten kaiserlichen Militärhoheit eine ganz neue Grund-
lage gegeben, nämlich die eines Vertrags mit den ein-
zelnen deutschen Ständen, kraft dessen dem Kaiser eine
weit höhere Autorität, als er sie früher besass, zuge-
sprochen wurde. Dem Kaiser ward das Eecht eingeräumt,
ohne Berücksichtigung der früheren militärischen Stellung
der Kreisobersten den Oberbefehl über das ganze Reichs-
heer oder seine einzelnen Bestandtheile nach freiem Er-
messen zu übertragen. Und von diesem Rechte gedachte
Ferdinand III. Gebrauch zu machen''^). Vier Armeen
sollten im Jahre 1638 aufgestellt werden, die auch die
bairischen, kursächsischen und kurbrandenburgischen Trup-
•''") Stintzinu' bezeichnet die Schrift als die „theoretische
Rechtfertigung desjenigen ßechtszustandes, welchen der westfälische
Friede nnter dem fühlbaren Druck der fremden Mächte
in Deutschland feststellte". Ueber die frühere Verbreitung
einiger Hauptgedanken der Schrift, besonders der über das Verhält-
nis des Kaisers zum Reiche, ist Ritters Aufsatz, Hortleder als
Lehrer der Herzöge Johann Ernst und Friedrich, in dieser Zeitschr.
I, 194 flg. zu A^ergleichen.
■'■^) Vergl. Krause, Urkunden, Aktenstücke und Briefe IV, 1,
34.') und 357. Der Ei'zherzog Leopold Wilhelm schrieb aus Kirch-
heim am 3. November l(i40 an den Kaiser, dass kein besser Mittel
gefunden wertlen könnte, „zur Stabilirung eines beständigen Frie-
dens, als das Stabiiinient dieser kaiserlichen und römischen Reichs
Waffen". Und am ö. November 1640 erklärte er dem Kaiser, zur
Verstärkung und Erhaltung des Heeres müsste jeder aufrichtige,
getreue deutsche Patriot, „das Unterste ergreifen", damit man einmal
zur Ruhe kommen möchte und nicht der ganzen Welt zum Hohn
und Spott noch länger also unte)- fremdem Dominat, Angst und Be-
schwernissen stecken müsste. Köuigl. Gr.-St.-A. in Berlin.
14*
212 J. 0. Opel:
peiitheile in sich fassten. Aber keinem der weltlichen
Kurfürsten war der Oberbefehl auch nur über eine Armee
zugedacht, und die kurfürstlichen Trupi)entheile blieben
ihrer Stärke nach in jeder Armee hinter den kaiserlichen
zurück. Alle vier Überbefehlshaber sollten österreichische
Offiziere und alle Katholiken sein.
Auf die französisch-schwedische Partei wirkte diese
in Aussicht stehende, ja zum Theil zur Tliatsache ge-
wordene Veränderung der militärischen Verhältnisse des
Reichs in sehr aufregender Weise ein. Denn wenn
(Österreich die grosse Mehrheit der Reichsstände unter
seiner militärischen Führung um sich schaarte, wurde es
den Fremden sehr schwer, wenn nicht unmöglicli, ihre
Heere auf deutschem Boden aufzustellen und zu erhalten.
Daher musste man vor allem den Kaiser seiner Autorität
ül)er die Stände zu berauben suchen, und der drohenden
österreichisch-deutschen Militärmonarchie durch die Er-
richtung eines stehenden Heeres, welches die deutschen
Staaten im Verein mit den Franzosen und Schweden
aufzustellen, aber wo möglich allein zu unterhalten hatten,
entgegentreten. Dann musste man mit Macht darauf
hinarbeiten, den Kaiser und sein Haus zu stürzen und
an seine Stelle einen andern Vorsteher der deutschen
Nation von hervorragenden kriegerischen Fähigkeiten
zu erwählen''^).
Solche und ähnliche Gedanken hat man auch Johann
Georg I. in das Ohr geraunt, und sie sind nicht ohne
Eindruck auf sein Selbstgefühl geblieben, wie uns diese
Denkschrift Sebottendorfs bezeugt. Was aber würde
wohl geschehen sein, wenn ein Kurfürst, wie Johann
Georg einer war, den Prager Frieden für nicht mehr
verbindlich erklärt und sich den Schweden und Franzosen
von neuem angeschlossen hätte? Würde menschlichem
Ermessen nach der Protestantismus in eüiem solchen
Kampfe gefördert worden sein? Oder lässt sich anneh-
men, dass das Reich mit geringerer Gebietseinbusse aus
einem Kiiege hervorgegangen sein würde, in dem Oster-
reich vollständig vernichtet worden wäre?
''^) Administratlo vero, sed limitata et restricta, seu adiniuistra-
tionis" potius directorinm uiii alicui, luiperatoris nomine, committa-
tur . . . luque ea electione non tam faniiliae ant divitiarum et po-
tentiae, quam virtutum ac prudentiae tam civilis quam militaris ratio
habetor. Hippolitlius a Lapide, De ratione Status cap. III,
sect. 1, S. 24 (J. 1640).
Eine politische Denkschrift etc. 213
Wer sich diesen und älmliclien Erwägungen hingibt,
wird zugleich einen Massstab für die eigenthümliche
Bedeutung dieser politischen Rathgeber gerade in jenen
kritischen Jahren gewinnen, denen sich Johann Georg
trotz alles Sträubens fügte.
Aber die politische Richtung, welche nach dem Prager
Frieden in Kursachsen zur Herrschaft gelangte, gewann
auch einen sehr starken Einfluss ganz anderer Art auf
die spätere Stellung Kursachsens im Reiche. Johann
Georgs I. von 1611—1656, also über fünfundfünfzig Jahre
währende Regierung ist schon an und für sich eine für
die politische Bedeutung Kursachnens in Deutschland
sehr erhebliche Thatsache. Und dass diesem Kurfürsten
gerade Hauptvertreter jener politischen Richtung bis zu
seinem Tode unablässig zur Seite blieben, verstärkte das
eigenthümliche Gepräge seiner Regierung noch mehr.
Kursachsen verzichtete allmählich darauf, sein besonderes
Ge\Aacht Österreich gegenüber geltend zu machen, und
zwar gerade zu einer Zeit, wo der andere Kurfürst des
obersächsischen Kreises, Friedrich Wilhelm von Branden-
burg, mit grösster Thatkraft und einer Freiheit des
Handelns, welche bald durch ihre Vorsicht und Klugheit,
bald durch ihre Kühnheit der Welt Staunen und Bewun-
derung abnöthigte, den Grund zu einem neuen Staats-
wesen legte.
Das Ministerium, dessen einzelne Hauptmitglieder
wir oben aufgeführt haben, ist der Träger dieser kur-
sächsischen Politik gewesen, welche Sebottendorf vermöge
seines hohen Alters auch auf Johann Georgs IL Regierung
als die allem für Sachsen zweckmässige und patriotische
übertrug.
Des Chili- - Fürstlich -Sächfsischen Geheimhten ßaths
Herrn Abraham von Sebottendorf s
(Jutachten und aufsfülirlicher Beweis, dal's Chur - Fürstliche Durch-
laucht zu iSachl-ien, vermöge der Güldnen Bull, aucli ihrer Eyd und
l'tlicht bey Keyserlichcr Majestät und den Ständen des heyligen
Kölnischen lieiclis unlieweglich zu halten verlnindcn und nicht zu
den Feinden des Kelchs treten oder sich mit ihnen conjungiren solle ''*'}.
■"'*') Der Aljdruck folgt einer Abschrift der Königl. Bildiothek
zu Dresden (K. 111), welche aus 24 Folioblättern besteht und aus
dem 17. Jahrlumdert stammt (vergl. Schnorr von Carolsfeld, Katalog
der Handschriften der Königl. öftentl. Bibliothek zu Dresden 11. 223).
214 J- 0. Opel:
Durchlauchtigster, Hochgebohrner Chur- Fürst,
Ew. Chur- Fürstlichen Durchlaucht sind meine miterthenigste Dienste
bestes Vermögens jederzeit zuvor,
Gruädigster Herr.
Ich verspühre, dafs der liebe Gott, in defsen Händen aller
Menschen Wandel. Zeit und Leben beruhet, mit mir in kurtzen eine
Aendenmg fürhabe, und meines Bleibens allhier vielleicht in die
Länge nicht seyn möchte. Wenn ich mich denn defsen erinnere,
was Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht neulicher Zeit den 10. Octobris
nach des Königlich Dänemarckischen Gesandten Abreise'''') den
Geheimen Räthen in der Geheimliden ßaths-Stuben beweglich für-
gehalten, die gegenwärtige Gefahr zu Gemüthe gezogen und sie
ihrer treuen Pflicht eifrigst angemahnet, so bedüncket mich meiner
unterthänigsten Gebühr zu seyn, vorher liey Ew. Chur-Fürstlicheu
Durchlaucht zu wiedej'holen, was für einen Zweck nebst der Ehre
Gottes und seines heyligen Wortts, dafs iins in unsers elenden Lebens
Pilgramschaift nicht nur zur Seeligkeit unterweisen, sondern auch
seelig machen kan, ich in meinen ijifsherigen treugenieinten Rath-
schlägen geftihret, und was für starke unhintertreibliche oppositiones
entzwischen getreten, die alle meine uuterthänigste Bemühungen
Dieselbe ist wahrscheinlich nach der Urschrift, d. h. nach der eige-
nen Handschrift Sebotteudorfs, angefertigt woi-den. Wir schliessen
dies letztere besonders aus den ziemlich zahlreichen Lesefehlern,
zu welchen die nicht ganz mühelos zu entziffernde Handschrift
Sebotteudorfs einem älterer Schriftzüge unkundigen Schreiber Ver-
anlassungen genug geboten haben mag. Viele von diesen Ver-
sehen, ja wohl die meisten Hessen sich berichtigen; auch einige
Lücken hat der Herausgeber auszufüllen versucht. Andere, wenn
auch nur wenige Stellen boten jedoch allen Verbesserungsver-
suchen Trotz. Auch die Rechtschreibung ist etwas einheitlicher
gestaltet worden. Das Original, d. h. die von Sebottendorf mit
eigner Hand augefertigte Denkschrift oder den Entwurf dersel-
ben, habe ich weder im Hauptstaatsarchive zu Dresden noch in
der archivalischen Sammlung des Herrn Freiherrn von Friesen
zu Rötha aufgefunden; vielleicht ist es von dem Abschreiber gar
nicht zurückgegeben worden. Die Al»schrift der Königl. Bibliothek
zu Dresden dürfte die einzige sein, wenigstens habe ich keine Spur
von dem Dasein einer anderen entdeckt. Für die Benutzung der
Handschrift bin ich Hrn. Oberbibliothekar (jeh. Hofrath Dr. Förstemann
in Dresden, für die Nachforschungen im Archiv zu Rötha Herrn
Freiherrn von Friesen daselbst und für die aus andern Denkschriften
mitgetheilten Stellen dem Hauptstaatsarcbiv zu Dresden und insonder-
heit auch dem Herrn Herausgeber dieser Zeitschrift zu verbindlich-
stem Danke verpflichtet.
•''■') Dieser Gesandte war Bernd v. Hagen gen. Geist. Sein
Recreditiv ist vom Kurfürsten am 10. Oktober 1639 ausgefertigt. Er
sollte etwaige Besorgnisse Johann Georgs über die Einmischung
Christians IV. in die Angelegenheiten des niedersächsischen Kreises
ziiräckdrängen und hervorheben, dass die Bestrebungen des Königs
nur der Schonung des Kreises und der Beförderung des Friedens
dienen sollten. Vergl. Fridericia, Danmarks j'dre politiske Histo-
rie i Tiden fra Freden i Prag til Freden i Brömsebro, S. 131, 132.
(Gütige Mittheilung des Herrn Dr. Fridericia in Kopenhagen).
Eine politische Denkschrift etc. 215
evacuiret und den von mir gewüntschton Effect grofsen Theils ge-
hindert und abgenüthiget. Aus welcher Erzehlung Ew. Chur-Fürst-
liche Durchlanclit im Wercke gnädigst sich werden zu versichern
haben, wie solcher unterthenigst ertheilter Consilien wegen mich
mein Gewifsen gar nicht kräncket oder l)eschuldiget, dals ich keine
Scheu trage, solche auff erforderten Fall neltst Ew. Chur-Fürstlichen
Durchlaucht für dem Römischen Keyser, für denen getreuen Chur-
Fürsten und Ständen des Kömisi-hen Reiclis standthafft zu verandt-
wortten, auch dals das verliaudene grufse Unglück vou_ denselben !»)
keines Weges herrühre, darzuthun. Gestalt ich denn hierüber nicht
allein mit unerschrockenem Hertzen mein letztes Stündlein auff
dieser Welt nach dem gnädigen AVillen (iottes fröhlich zu beschliefsen
verhoffe, sondern auch dermalil einst an jenem grofsen (lerichts-Tage
für dem Richter alles Fleisches in Beyseyn der himmlischen Heer-
schaaren und aller ]\[enschen, die von Anfang bifs ans Ende der AVeit
gelebet haben, mit grofser Freudigkeit und unverzagtem Gewifsen
diesertweoeu zu erscheinen getraue und als ein treuer Knecht in
meines Herrn erworbene Freude einzugehen ungezweiffelt lebe.
Anfangs bitte ich unterthänigst, Ew. Chur- Fürstliche Durch-
laucht wolte sich desjenigen gnädigst erinnern, was Deroselben ich,
als Sie meiner wesentlichen Auffwartung liey der geheimen Rath-
Stuben allhier gnädigst Itegehret, zu meiner wohlgegründeten Ent-
schuldigung gehorsamlist zu Gemüthe geführet, und dafs alle mein
unterthänigstes, treuhertziges Einrathen bey dergleichen Sinn derer-
jenigen sonderlich, die Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht zu über-
nommener Beschützung des Ober- und Nieder-Sächfsischen Creyfses
und AVegbringung der Feinde von dem Reichs-Boden zu ge1)rauchen
vermeinet gehabt, Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht eiuigen Nutz
nicht schaffen, mir aber zu sondern Schimpff, ja Betrübnifs und
künnnerlicher Beängstigung über Aem^) daraufs besorgten Unglück
des Vaterlandes gereichen und aussclilai^enf) würde, aufsführlich
erinnert und das ungefährliche Gleichnifs von einem AVagen ge-
brauchet ö'^), da vier in sechfs Pferde zwar richtig gespannet und
den ordentlichen AVeg zu Fortbringung des AVagens innen zu halten
bemühet wären, aljer hinten an \\pn Wagen in zehen, zwantzig,
dreyfsig iind mehr Pferde sich legeten, denselben mit Gewalt und
allerhand A^ortheil zurücke und auff einen andern Weg zu ziehen
sich bearl)eiteten, da dann entweder die fördern Pferde in Beharrung
ihrer Strafsen in Stücke zersprenget oder sonsten untüchtig gemacht,
oder der AVagen gänzlich zerril'sen werden müfse. Denn da habe
ich mir alsobald für Augen gestellet, durch Antrtttung solclier Be-
stallung würde ich nicht einem schlechten Fürsten oder Stande des
Reichs, sondern einem Chur- und AVahl- Fürsten, dafs ist einem
solchen Reichs-Fürsten, dienen, der neben andern seclifsen Macht
habe, einen Römischen Keyser zum Ober-Haupt der Christenheit zu
erwehlen, welchen Kaiser 'nicht imr alle andere Fürsten, (iraffen,
Herren, Stände und Städte des Reichs, ob sie gleich bey der Wabl
nicbts gethan, auch nicht einmnl'») (lal)ey sein dürften, für einen
Keyser, Herrn unil Oberhaupt zu erkennen schuldig, sondern den
a) demselben. '') den. <•) auff'schlagen. d) einer.
^'^) Eine Denkschrift, in welcher dieses Gleichnis vorkommt, ist
mirf nicht bekannt ; doch könnte sich Seb. auch auf einen mündlichen
Vortrag beziehen.
216 J- 0. Opel:
auch alle Potentaten in der Christenheit darfür ehren, ja auch aufser-
halh der Christenheit die heydnischeu Monarchen, Türken, Persianer,
Tartern veneriren nud grofsachten ; je höher denn die Ehre und
Würde der Reichs Cliur-Fürsten von etlich hundert Jahren her ge-
schätzet worden, hey diesen Zeiten aber lauter Hafs, Neid und
Wiederwärtigkeit nach sich zögen, je schwehrer und gefährlicher hat
mich zu seyn bedüncket, eines Chur-Fürsten geheimen Rathschlägen »)
nicht nur zur Conservation seiner eigenen Hoheit, sondern auch zur
Beschutzung defsen, den er auff vorhero gehenden th eueren Eyd-
schwur zu einem Römischen Keyser und weltlichen Oberhaupt der
Christenheit erwehlen helffen, ja zu fester Handhabung des gautzen
Römischen Reichs und defsen löblicher bey aller i») Welt berühmten
Verfassung nutzbarlich beyzuwohnen.
Denn dafs die Herren Chur-Fürsten nicht nur der Praecellenz
Römischer Keyserlicher Wahl sich zu erfreuen, sondern auch diese
Schuldigkeit auff sich haben, ihre theure beschwohrne Wahl gegen
raänniglich zu vertreten und bey dem von ihnen erwehlten Keyser
Leib und Blut, Haab und Guth, Land und Leuthe, alfs welche sie
einig und allein von ihme zu Lehen tragen, treulich zuzusetzen und
sich weder vom Keyser noch unter einander selbst zu trennen, son-
dern neben einander ohne einige Forderung standhaftt mit Rath und
That zu beharren und aufszutauern, darzu werden sie neben ihren
absonderlichen Pflichten durch die güldene Bull, fürnelnnlich aber
durch die Chur-Fürstliche Vereinigung fest^) verbunden und durch
ihrer Vorfahren löbliche Exempel kräfftiglich angemahnet, gestalt
denn die Wortte der Chur-Fürstlichen Vereinigung des clahren
Inhalts •'*9):
„Wäre es Sache, dafs iemand, wer der wäre, niemands
aufsgenommen, einigen unter den Chur-Fürsten mit Gewalt
ülierziehen, bekriegen, beunruhigen''), oder da einige Unruhe,
wiederwartige Empörung oder Versambhing wieder die Römische
Keyserliche Majestät entstünde, oder ob jmand, wer der wäre,
nach dem Heyligen Reich stehen würde, oder ob sich sonsten
unterwunden e) werden wolte, dafselbe von Teutscher Nation,
durch was ilittel das Aväre, zu transferiren oder zu verändern,
darinnen sollen die Chur-Fürsten einander beyräthig, behülfflich
und beyständig sein, keiner den andern verlafsen, sondern alfs-
dann einander sämmtlich mit gantzen Treuen, Landen, Leuthen,
Schlöfsern und aller Macht behelffen und berathen seyn, von
einander nicht setzen noch scheiden, in keinem Wege ohn alle
Gefährde etc."
Da nun zur Zeit der mir im Martio A. 1637 angetragener
Bestallung etliche Fürsten des Reichs sich nicht wenig 0 beschwert
gemacht, dafs sie auff den vor sell)iger Zeit ausgeschrieljen Chur-
Fürstlichen Collegial-Tag nicht wären erfordert und ihr Gutachten
a) Raths Schlägen. '') alter. <") Es steht: „Verein festigung".
d) beunruhete. e) unterwinden, f) weniger.
^^) Die Texte der kurfürstlichen Vereinigungen zu Gelnhausen
(v. J. 1502) und zu Worms (L521) finden sich bei Lünig, Reichs-
archiv V, 238—240 und 244. Die obigen Bestimmungen sind aber
in keinem dieser Texte wörtlich enthalten, sondern sind gekürzt und
Eine politische Ucuk^elirift etc. 'J]7
über den vorgehenden conoiliis vernommen worden''*'), welches doch
der (TÜhlnen Bnll inul dem Herkommen nicht i>emäfs. habe ich mir
ni<-lit nnzeitii;' eingel>iklet , es wollte durch dieses AusiThen nnd an-
dei'c füryebrochene Bezeigungen dasjenige nicht unscheinbar herfür
zu leuchten beginnen, was vor zwantzig, vierzig, funffzig Jahren
etlichen Fürsten des Reichs von unruhigen Leuthen eingebildet seyn
mag: sie wären eben des Geblüths, hoher Ankunfft, Macht und Ver-
mögens, defsen die weltlichen Chur-Fürsten sich rühmen könten, sey
demnach wieder die Billigkeit, dafs sie die Fürsten von der Walil
eines Keysers gantz aufsgeschlofsen und solche nur den geist- und
weltlichen Chur-Fürsten gelafsen würde, da doch die geistlichen Clinr-
Fürsten gemeiniglich blofs von adelicher Ankunft entsprolsen . den
Fürsten, Gräften und Herrn des Reichs gar nicht zu gleichen, weniger
ihnen bey der Wahl des Oberhaupts fürzuziehen wären Mann solte
es vielmehr in den alten Stand richten, dafs wo nicht die gesambten
Stände des Reichs, doch zum wenigsten die Fürsten defselben Recht
imd Fug haben möchten, einen Keyser zu wehlen, und der Herrn
Cliur- Fürsten Collegium gantz auffheben, oder könte das Reich
auch wohl ohne einen Keyser bleiben, und ein jeder Fürst oder
Stand seine vertraute Land und Leuthe selbst beherrschen und gni-
berniren. Wie nun die Praeeminenz aller Chur-Fürsten ingesamlit
durch dergleichen Einstrenungen nicht Avenig zu periclitii'cn ich an
meinem Orth erachtet, also hatt sich solche besorgte Clefahr dahei'o
stärcker vermehret, indem zur selben Zeit aufsgebrochen, dafs Franck-
reich neben seinen Adhaerenten dem erwehlten Römischen Keyser
den Titul des Kaysers zu geben und für einen Römischen König zu
erkennen verweigert, wodurch doch die Herren Chur-Fürsten, so
ihn'i) gewelilet, bey denen ohne dafs fovirten Reichs-Troublen in
äufserste Verkleinerung und grofse Difficultaet einsincken Avürden,
denn was unter Wegerung des Keyserlichen Titul s vei'borgen liege,
lafse Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht ich gerne hochvernünftig er-
mefsen. An meinem'') ringen Orth will sich nicht ohne Ursach fol-
gender Schlufs hervorzuthun vermutheu (!). Die beyde in Teutsch-
land streitende Cronen tadeln den itzigen Keyser entweder darumb,
dafs er die Qualitaeten eines Keysers nit") an sich habe, oder darum
dals die Chur-Fürsten nicht Macht gehabt, einen Keyser zu erwehlen.
Dafs erste, gleichsam der Keyser die Qualitaeten eines Rom. Key-
sers nicht habe, kan von keinem unpassionirtend) mit gutem Grunde
gesaget Averden , es sind dieselben männiglich kund , nicht nöthig,
sie in snecie anzuführen, es würden '') durch solch Vorgeben die
Herren Chur - Fürsten eines Falsches und Mein - Eydes angeschul-
diget, als die bey der Wahl einen cörperlichen Eyd geschworen, sie
wolten bey denen Treuc^n, damit sie Gott und dem Heyligen Reich
verbunden wären, nach aller ihrer verständigen Erkäntiiifs und Ver-
nunftt mit Gottes Hülft'e ei'wehlen ein Aveltlich Haupt dem Christ-
lichen Volck, das ist einen Römischen Keyser, der darzu tu glich
sey"!). Dem aber wären sie nicht nachkommen, sondern hätten einen
a) ihme. '') einen. '^) mit. '') impassionirten. f) würde.
"") Scbottendorf hat hierbei offenbar nicht allein an das öfter
gedruckte Protestschreil)en des Pfalzgrafen Karl Ludwig vom 17. Ja-
nuar 1637 gedacht.
"1) Der Eid der Kurfürsten vor der Wahl bei Goldast, Defs
Heyligen Rom. Reichs Constitution, Ortlnungcn vnud Aiiläschreil)eii
218 J- 0. Opel:
flermafsen nntangiielien Keyser erwehlet, den Franckreich und Schwe-
den durch Kriegs-Macht alisetzen, mit dem Römischen Keyserthurab
aber eine andere (lestalt nnd Anoi-dnung treffen müfsen. Weil nun
aber den Herrn Chur-Fürsten dergleichen Unbedacht und Falschheit
niemand mit Billigkeit lieymefsen kan, so folget nothwendig das an-
dere, nelunlicli es hätten die Herren Chur-Fürsten nicht Macht ge-
habt einen Eihnischen Keyser zu erwehlen, oder ob sie ihn schon
erwehlet, möchte doch defsen unerachtet er sich nicht zum Keyser
auffwoiffen, der die gröste Gewalt habe. Dergleichen Beschimpff-
und Auft'hebung der Fürstlichen Praeeminenz, Macht und Hoheit ist
den Herren Chur-Fürsten Aveder von Franckreich noch Schweden
oder einigen Christlichen Potentaten begegnet iind wiederfahren,
sondern sie haben vor dieser Zeit den von dem melirern Theil der
Herrn Chur - Fürsten erwehlteu Keyser für den rechten erwehlten
ordentlichen Römischen Kayser unstreitig erkennet, ohne Wieder-
rede geehret und gebühi'lich respectiret. Dafs aber heydes dem
ietzigen Keyser seine Kayserliche-i) Majestät und Hoheit alfs auch
den Herrn Chur-Fürsten ihr Wahb'echt durch die frembden Kriegs-
Waffen angezapft'ti') und abgenöthiget werden wollen, davon hatt
man gleichwohl so lange stille geschAviegen und zunicke gehalten,
bifs mann gesehen, dafs Franckreicli im Elsafs, dei' Schwedische Feld-
Mai'schall Baiier al)er dieses Orths glücklichen <") Progress *"'-) genom-
men: da, da kommet es an das helle Tage Licht und Avird in offenen
Druck geschrieben*'^), theils der ietzige Keyser sey nicht rechtmäfsig
erAA-ehlet, Aveil 1., Pfaltz-draff' Carl LudcAvig als ein Chur-Fürst am
Rhein zur Wahl nicht beschrieben, 2., Chur-Trier gefänglich gehalten,
3. die anderen Chui'-Fürsten mit CTeschencke ül)erkauftt. DefsAA'eaen
sey das Reich ietzo in einer Vacantz und würde bemeldter Pfaltz-
Graff seiner Chur - Fürstlichen Hoheit und Yicariat sich nunmehro
gebrauchen, einen aufswärtigen tüchtigen Kayser AA^ehlen, die
a) Seiner Kayserlichen. '■) „angezopft". f) „glücklicher".
flfiOT) S. 124. Der Erzbischof von Mainz legte im Jahre 1636 den
SchAvur mit folgenden Worten ab: juro, quod ego per fidem, qua ego
Deo et Sacro Romano Imperio sum astrictus, secundum onmem discre-
tionem et iutellectum meum cum Dei adjutorio eligere volo tempo-
rale Caput populo Christiano, id est Regem Romanorum in Caesarera
promovendum. qui ad hoc existat idoneus, in quantum discretio
et sensus mei nie dirigunt. Examen comitiorum Ratisbouensium
(1637) S. 57.
^-) Der Verfasser denkt offenbar au das Jahr 1637. Ueber
Bauers Einbruch in Sachsen berichtet die Schrift: Gründliche RE-
LATION Was sich seithero der Banier mit der SchAvedischen Armee
ins Land von Meissen gangen, von 1. Januarij Anno 1637 bis auff
den 21. Tag Juni] begeben hat. Im Jahr, 3IDCXXXV1I. C 4.
*'^) Eine der hervorragendsten dieser Schriften ist französischen
Ursprungs: Examen Comitiorum Ratisboneusium sive Disquisitio Po-
litica de nupera Electione novissimi Regis Rümanorum. In qua per-
spicue ostenditur. neque Conventum Electoralem Rati.sbonae rite in-
stitutum, neque designationem Regis Romanorum legitime celebratam
esse. AAthore Justo Asterio, ICto. Der Verfasser ist liekanntlich
der aus Zweibrücken gebürtige Stella. In dieser Schrift S. 29 findet
sich auch eine Stelle, in Avelcher die Kurfürsten der Bestechung be-
schuldigt werden.
Eine politische Denl<schrift etc. 219
Chur -Würde, derer sich die andern mit Geschenck überkaufften f'lmr-
Fürsten niehrentheils verlustig gemacht, anff andere chi'istliche Für-
sten hring'en, so der Oesterreich - Spanischen ]\Iacht Fefsehi anlegen,
inner und aul'ser Kelchs mehr h endigen solten. Theils wird in
solchen Tractaten geschrieben, die Chur-Fürsten hätten ihr AVahl-Recht
von niemnnd andern, als den Fürsten des Reichs empfangen. Weil
denn die Chur-Fürsten einen untüchtigen Keyser erAvchlct und sich
ihres Wahlrechts selbst verlustig gemacht, so würden die andern
Fürsten, die an Macht und Hoheit (als der König in Dennemarck
wegen Hollstein) den andern überlegen wären, neben den übrigen
Reichs-Ständen das ('hurfürstliche Collegiuni für (ierichte fordern,
die Sache ei'wegen , das Wahlrecht grolsen Mil'sbrauchs halber von
ihnen an sich nehnieu und solches tüchtigen Fürsten anvertrauen.
Ol) nun gleich auff solche Schrifften so genauer Fufs nicht zu
setzen"*), weil aber die Verweigerung des Keyserlichen Tituls "■''), die
Vergewaltigung der Herren Chur-Fürsten und andere ungewöhnliche
Proceduren mit Häuften berfürlirechen, so hat mann desto wach-
samer auff sich Acht zu geben. Dann solten zu dieser Beschimpff-
und Vergewaltigung die Herren Chur-Fürsten gautz stille sitzen,
oder ein jeder nui' auft' sich sehen, seine Krieges-Macht an und vor
sich behalten, durcli allerhand Einbildung schädlicher Leuthe zu-
wieder ihres obengezogeuen Eydschwures sicli von einander trennen
und die aufswärtigen Waffen im Reich von Tage zu Tage mächtiger
werden lafsen, so gienge das herrliche Kleinod des Römischen Key-
serthuinbs von den Teutschen Aveg, die Chur-Fürsten würden herunter
gesetzet und zum wenigsten den andern Ständen gleich gemacht,
wera) auch gewifs anders nichts, denn eine Umbstürtzung des gantzen
Reichs zu befürchten.
Denn mann würde zwar Anfangs an Seiten der aufswärtigen
Trohnen die Wahl eines Keysers den Teutschen zu entziehen nicht
angesehen seyn wollen, sondern dieselbe, nur zum blossen Schein,
wo nicht auff alle Reichs - Stände doch auff den gantzen Fürsten-
[Standjb), uuib seinen'') als ietziger Zeit des stärcksten F^avor zu ge-
Avinnen und auff seine Seite zu bringen, erAveitern. Hernach und
da mann versichert ist, dafs die gesannnbten Fü)'sten über die Wahl
sich nimmer vergleichen könten, soudein (Avie in Ungarn, ehe die
Sieben Chur-Fürsten auffkommen, mehrmals geschehen) einander in
die Haare fallen, sich selbst erinieden, schAvächen und auffziehen
Avürden; alfsdenu hätte man Gelegenheit wahr zu nehmen, sich mit
a) war. i)) fehlt. <") und seiner.
"*) Der Verfasser schätzt diese Schriften nicht sehr hoch, Aveil
sie offenbar ausländischen Ursprungs sind.
'^^) In Frankreich wurde Ferdinand III. damals geAvöhulich als
König von Ungarn l)ezeichnet, in dem französisch-sclnvedischen Bun-
desA'ertrage vom H. l\lärz 1H38 als Sohn Ferdinands II. (Koch, (re-
schichte d. d. Reiches unter d. liegiei'ung Ferdiminds III. I, 93).
Jener Johann von Hep])e aber, welcher im Sommer 1639 von Riche-
lieu an die Kurfürsten in offiziellem Auftrage, aber nicht geradezu
als Gesandter abgeschickt Avurde, (M'liiclt die Ermächtigung in seinen
Veihandlungen den König von Ungarn auch Kaiser zu nennen, Aveil
er eben den (Jbaraktei' eines fianzösischen Gesandten nicht haben
sollte. Vergl. Koch 1, 189 flg., Avenel, Lettres VI, 458 flg. Lc
pretendu cmpereur d'Allemagne, Avenel, a. a. 0. 385.
220 J- 0. Opel:
Gewalt anzudringen, alle Wahl im Reich auffzuhehen und sirh in
deftelben Provincien eines und andern Orts einzutlieilcn. dadurch
gien^e die santze Verfafsuns- des Eömisclien Reichs bey den Teut-
scheii üliern Hauffen; [mana)j wüste nicht, wer Herr oder Knecht, Ober-
oder Unterthaner im Reich verbliebe, dürffte aber auch alfsdenn
Franckreich und Schweden selbst streitig werden, weil Franckreich
die Römisch -Catholische Stände im Reich erhalten, Schweden die-
sellien weg gebracht wifsen will. Auff was Maafse dergleichen
schimpffliche. vorhin unerhörte Abstürtz- und Degradirung der *>) HeiTU
Chur- Fürsten sowohl als defsen von ihnen einhellig erwehlten Rö-
mischen Keysers (den gleichwohl Hispanien. Engelland. Fohlen,
Dännemarck. ja der Türckische Kayser selbst für den ordentlichen
Römischen Keyser erkennen, ehren, nennen und respectiren) bey so
starck andringenden Waifen Franckreichs und Schweden abzuwenden,
das will in allewege einem reiflich zu bedenken stehen, der von
einem Chur-Fürsten des Reichs zum geheimen Rath erfordert wird.
Vor Jahren hätte <=) man mit Beandtwortung dieser Frage ohne
sonders hinter sich Dencken wohl durchkommen können, wpun man
gesaget, der Keyser soll neben die Chur-Fürsten und Stände des
Reichs, imd diese hinwieder neben den Keyser treten und mit zu-
sammengesetzter Macht die aufswärtige Feinde von des Reichs Bo-
den abtreiben, dadurch die in aller Welt berühmte Teutsche Nation
Itey der ^^lajestät des Römischen Keyserthums einmüthig handhaben
und difs edle Kleinodt von den Teutschen so liederlich ie nicht weg-
kommen lafsen, denn darzu sey ein Römischer Keyser durch [den] <^)
den Herrn Chur-Füi-sten abgelegten Eyd, die Chur-Fürsten hingegen
sambt andern Reichs-Ständen dnrch die dem Römischen Keyser ge-
schworene teuere Pflicht in alle Wege obligiret und verbunden.
Defsen haben Ew. Chur- Fürstlichen Durchlaucht geehrte Vorfahren.
Väter und Orofs-Herren- Väter löblichen (Tedenckens sich auif eine
und andere Begebenheit erinnert, ihre geleistete Pflicht treulich und
sorgfältig in Acht genommen, ohne alles Verwegern und Scmpuliren
im Werck erstattet, wieder ihre (irlaubens Genofsen, wieder ihre An-
verwandte die Waifen zu führen, sie zur Billigkeit gegen die Ca-
tholische und andere Reichs- Stände wie auch zur Observanz der
Reichs-Ordnungen zu l)ringen kein Bedenckeu gehabt.
Da ich nun zur Zeit der mir angetragenen Bestallung für
Augen gesehen, dafs unter gläntzendem Schein entweder einer Uni-
versal-Amnistie (!) oder der Religion oder anderer Dinge nichts ?) so
sehr, als die spöttliche Abstofsung des Keysers, Auffhebung des Chur-
fürstlichen Collegii, Zerrüttung des gantzen Reichs und aller Stände
durch die frembde Waffen gesucht würde und hingegen mich be-
kümmert, Avas Ew. Chur-Fürstliche Dui-chlaucht für Mittel hätten,
sich selbst und Dero Nachkommen liey dem werthen Chur- und
WahD)-Recht schützen zu helffen. auch den von ihr gewehlten Rö-
mischen Keyser mit aller Macht (wie die Wortte der Chur-Fürstlichen
Vereinbahrung oben angezogen) zu retten und beyzustehen, und aber
wahrgenommen, dafs weit mehr Leute in Ew. Chur-Fürstlichen Durch-
laucht Diensten und Bestallungen wären, die des Feindes AVaffen
vertheidigten und recht sprächen, den Römischen Keyser aber und
alles), die auff seiner Part stehen, anfeindeten, verflucheten und ver-
dammeten, habe ich mir also balde Anfangs keine andere Rechnung,
") fehlt. ») den. <^) hatte, d) fehlt, c) nicht, f) Wohl, e) aller.
, Eine politische Denkschrift etc. 221
denn eines dem gantzen Römischen Reich und sonderlich Ew. Cluu-
Fürstlichen Durchlancht selbst höchstgetahrlichen , schädlichen luid
knmmerhafften Auisganges, der nmimehro vor aller Welt Augen
stehet, machen und anlegen können. Denn da will heutiges Tages
weder ii) die \'orschützung dels^') dem Römischen Keyser geleisteten
Eides und Pflicht noch die bey [dcnj^) Tcutschen von so vielen hundert
Jahren erhaltene Dignitaet, einen Römischen Keyser auls ihrem
Mittel <^) zu erwehlen, oder das gute Erinnern, die teutsche Ereyheit
und in aller Welt berühmbte Heirlichkeit den frembden sclavisch
und dienstliahr nicht',) /u unterweili'eii, Itey vielen Geistlichen und
Weltlichen etwas gelten oder geschätzet werden. Viel unter denen
Geistlichen haben keine Scheu getragen und noch, von sich zu
schreiben, theils von öffentlicher üantzel zu lehren, man könne mit
gutem, unversehrtem Gewilsen nelii'n den Papisten nicht Krieg lilhreu
oder von ihnen zu Rettung Land und Leuthe Hüllte begehren ''").
Wer dieses thue, Aver schrillt- oder mündlich darzu rathe, der habe
tienieinschaftl mit Belial, er handele wider die Vermahnung des
Apostels Pauli, der die Fürsten warnet und spricht : Ziehet nicht an
frembdeni .loch mit den Ungläubigen**'). Er befördere des Anliclirists
Reich, da man doch solte auisgehen von Babel^ damit maini nicht
theilhafftig werde ibrer Hunde. Dergestalt und durch diese Lehre
werden alle Reichs-Aljscbiede, Ordnungen '), Religions- und Jjaiid-
Eriede, welche mit den Römisch - Catholisclien aulfgerichtet, mit
schwerem Eyde betheuert, übern Hautfeii gewirrten, und können \']\v.
Chur-Fürstlichen Durchlaucht N'urfahren, welche zu Rettung Catiio-
lischer so wohl als der andern Stände Krieg gefiihret, auch zum
Theil ihr Leben darüber eingeljülset, S) wehren mit bösem
Gewilsen von dieser Welt abgeschieden und also neben der Seeli«;-
keit hingangen. Auff solche Weise werden alle Lutherischen Theo-
logen von Lutheri Zeiten her verdammet, weil sie die ^'erfafsung
des Reichs dem Wortte und Befehl Gottes in alle Wege gemäls ge-
lehret und jedermann zu derer unveibiüchlichen Observanz wiedei-
die autt'ruhrische Müntzerische Rotte eitfrig angewiesen. Solchem
Vorgeben nach könte kein geheimer Rath die Reichs -Pflicht mehi'
ablegen oder mit gutem Gewii'sen derselben nachsetzen und dahin
Fleifs haben, dafs nechst göttlicher Hülffe die Reichs-Stände beyder-
seits Religion neben einander i'uhig und fiiedlicb wohnen und
menschlicher Gesellschattt unter einander pflegen möchten. An Ew.
Chur-Fürstlichen Durchlaucht eigener Hottstadt mögen sich Leuthe
und derer nicht wenig oder geringe funden haben, und noch, bey
denen der Römische Keyser in dermal'sen Hals und Beschimplfiuig,
a) wieder. '') dass. <•; fehlt. ■') ihren Mitteln, e) statt „nicht"
steht „sich", f) Ordnungs. s) Hier scheint etwas zu fehlen.
"**) Der Kurfürst nnisste ein Verbot gegen die Angrilt'e ani'
den Frieden zu Prag und auf diejenigen, welche ihn abgeschlossen
hatten, erlassen, in Stettin bf^zeichneten zwei Prediger in den
Passionspicd igten den Fiieden als ein Werk des Teufels und seine
Anhänger als 'l'eutVdskinder. Vergl. (Opel), Eine Pi'obe politischer
Pnblicistik aus den Zeiten des dreissigjäiirigen Krieges, Preussistdu'
.lahrltücher IX, 330; dazu noch Hitzigratii, Die Pnblicistik des
Prager Friedens, S. 21 flg.
"^) 11. Coriuth. 0, 14. 15. 17.
222 J. O. Opel:
dals sie ihn unwürdig . . .»), seiner in guten zu gedenckeu, will ge-
schweigen, ihiue zu Handhalmng seines Trolins, darai;ff ihn doch
Ew. Chur-Fürstliche L>uichlaucht selbst zu Erhaltung ihres hohen
Wahlrechts haben ^') erhöhen helfen, auff einerley Weise beförder-
lich zu seyn.
Die Erfahrung hat es bifshero gnungsahm dai'gethan, wenn der
Feind Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Lande bedränget, und der
Keyser wegen Ferne des Weges und Entlegenheit des (Jrths, da
sich die Keyserliche Reichs-Armade befunden, nicht bald Hülffe thun
können, wie solche Leuthe dem Keyser schimpiflich nachgeredet, ihn
gelästert, geschändet, vertlucht, auch wohl angeschuldiget, es wäre
keine Treue, kein Glaube bey ihm, er hielte nichts, was er zugesaget,
Heise Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht im Unglück baden und stecken.
Ist denn aber Succurs kommen, und vom Volcke Schaden geschehen,
so hat der Keyser bey solchen Leuthen abermahls leiden, übele Nach-
rede dulden, und es wieder nicht recht gethau seyn müfsen, indem
man blofs auff den Schaden des Kriegs- Volcks, nicht autf difs, das
der Feind aufsm Lande bracht, sein Absehen gestellet, den Keyser
übermafsen hefftig aulsgerichtet und ohne Scheu füi'gegeben , der
Succurs wäre von ihm zu nichts anders, als Ew. Chur - Fürstliche
Durchlaucht endlich und gäntzlich zu vertreiben und die Religion
aufszutilgen, gemeinet; unbetracht, dafs hiesiges Volck es wo nicht
weit ärger, doch nicht viel befser gemacht, und selbst die Keyser-
lichen zu allerhand Excessen verleitet, auch wohl manchmahl aufs
Mangel guter Ordnung ein uud ander Unfug bey der Soldatesca
fürgegangen seyn mag, doch hat alles Übel dem Keyser zugerechnet
werden müfsen.
Hatt er Succurs gehabt, so ists ihm unrecht gewest, und die
Aufstilgung der Religion dardurch augezielet; hat er ihn nicht ge-
schickt, so ists abermahl uurecht, und der Keyser, als hielte er keine
Zusage und Glauben, gescholten worden. Nun kau und wird nie-
mand vernunfftig wiederreden, dafs nicht geringer Schade in diesem
Lande vom Keyserlichen Volcke geschehen, dafs aber die Schuld dem
Keyser beyzumelsen oder daraufs etwas ungleiches uud zu einer Ab-
sonderung gnungsahmes zu vermuthen sey, Avill gleichwohl nicht
folgen, so wenig Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht der Schaden
zuzuschreiben, der von Ihrem Volck auch wohl zu der Zeit
den Ständen hin und her zugefüget worden, da Sie in Ohur-
Fürstlicher Persohn unter vorgegangenem Feldzug dabey ge-
wesen. Mann kau nicht darthun, dafs der Keyser seinem Volck
dergleichen befohlen; so hat es an scharff'er Bestraftüng nicht
gemangelt; auch will zu bedencken seyn, ob bey ietzigen bösen
Zeiten ein einiger Succui's ohne Schaden aligehen möge; ob denn
auch der Schade vom Keyserlichen A'olck weit gröfser sey, als den
der Feind damahls verübet, oder wenn das Keyserliche "Volck damals
nicht ankouunen, und der Feind länger rmabgetrieben im Lande
Idieben wäre, feiner hätte thun, sich des gantzen Landes vollends
bemächtigen, [mit] <") Ew. Chur-Fürstlichon I)nrchlaucht seines guten
Gefallens, Wilsens und Beliebens handeln, Sie von Ijaud und Leuthen
d) ijey der Chur-Fürstliclien Würde und Hoheit entweder
lafsen oder auff eine andere Weise gegen Ihr veifahren köinieu und
Av ollen. Denn gewifs ist es, dafs Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht
"■) Hier fehlt ein Wort, i') halben, cj fehlt, d) Hier fehlt
wenigstens ein Wort.
Eine politische Denkschrift etc. 223
Volck den Feind zur selben Zeit nicht allein aufs dem Lande hätte
bringen können, sondern auch nicht abwehren mögen, dal's er nicht
bifs in hiesige Vestung gestreilft, die nahe gelegene") Dörfier in die
Asche geleget, und wie er immer gewollt, hin und her gehauset'*'*).
Ob nun alle diese feindliche Procedureu zu vergefsen, gegen den
Schaden vom Keyserlichen Volck geringer zu achten und gleichsam
für recht aufszusprechen, wird billich an seineu Orth gestellet.
Wie aber dergleichen obangeführte, seltzame, wiedersinnische,
ungereimte Urthel der gewehligen, wollüstigen Leutlie, die bald
dieses bald jenes '') wollen und doch hernach alles unrecht heilsen,
dem Allerhöchsten zu gefallen und seinen gerechten Zorn auch so
ferne zu erwerben pflegen, dafs er eines gantzen Landes Inwohnere
über solchem unzeitigen Aberwitz und gewehliger Klugheit endlich
in die Hände der Feinde geratheu, und ob sie gleich hernach zu ihm
schreyen, sie doch ohne Erhörung und alles, was sie zu Abtreibung
der Feinde anfangen, den Krebs-Gang wandern und zu nichte werden
läfset, das weisen au dem Yolcke (iottes des alten Testaments die
billigen Historien von dermal'sen Leuthen auch; denen'') kein von
Gott geschicket Mittel taug, sondern sie alles zu tadeln wilsen,
fället unser Heyland ein solch Urtheil und spricht: „Wem soll ich
difs Geschlecht vergleichen"^ Es ist gleich den Kindern, die am
Marckte sitzen, ruffen ihren Gesellen und sprechen: Wir haben euch
gepfiffen und ihr wollet nicht tautzen; wir haben euch geklaget, und
ihr wollet nicht weinen 0^)". Uberdiels mögen in Ew. Chur-Fürst-
lichen Durchlaucht Diensten sich Leuthe gefunden haben und noch
heutiges Tages finden, die da fürgeben, wolte der Keyser Keyser
bleiben, so möchte er sich selber schützen, Ew. Chur-Fürstliche
Durchlaucht oder ein ander Stand des Reichs sey nicht eben schuldig,
des Keysers Sachen ertragen zu helffen, sein Vermögen beym Keyser
einzubüfsen, Land und Leuthe iu Gefahr zu stellen, sondern es
möchte ein Chiu'-Fürst entweder seines guten Gefallens gar stille
sitzen und dem Spiele des Krieges zusehen, oder wolte er iu etwas
Kriegs- Volck haben, möchte er es nur in seinem Lande und zu defsen
blofsem Schutz behalten, der Keyser müfse ihm noch wohl hierbey
den d) Kriegs- Verlag heischaffen, und gleich wohl ohne Zuthat einiges
ßeichs-Standes die Waffen allein aulsführen.
An meinem wenigen Theil kan ich mir nicht wohl einbilden,
dafs dergleichen Leuthe so gar weit aufssehender e) Censur sich unter-
ziehen würden, Avenn sie nach Anleitung der Reichs-Ordnungen,
Abschiede und Gesetze bedächten, dafs ein Chur- Fürst so wenig ohne
Keyser, alfs der Keyser ohne die Chur-Fürsten seyn und bestehen
könne, auch die Herren Chur-Fürsten, gleich wie sie für allen andern
Fürsten und ^^tänden einen Römischen Keyser zu eiwehlen bemäch-
tiget, also und hingegen sie schuldig und verbunden sind, neben und
für demselben über deme, was die vor ihm fürgeschriebene Capitu-
lation erfordert, alles zuzusetzen iind beyzutragen, was sie haben
und vermögen.
») noch angelegene. '■) jenen. «) denn. J) dem. e) aufs-
stehender.
•"*) Der Verfasser scheint den Einbruch P.aners und die Ein-
nahme von Pirna am 23. A]iril/3. Mai U)39 im Auge zu haben.
•*") Ev. Matthäi, Kap. II, Vers 1« flg.
224 J. 0. Opel:
Denn sobald die Herren Chnr-Pürsten einen K.e3'ser erwehlen,
so wilsen Ew. Cliur-Fürstliclie Durchlaucht, dal's er ihnen au statt
des gantzen Reichs auft' die Capitulatiou schwehren niuls, hernach
einptähet ein jeder Chur-J^'urst und Stand seine Land und Leuthe
vom Römischen Keyser zu Lehen und leget darauff deniselhen'ij
durch cörperlichen Eydschwui' die Ptlicht ah. Wie nun ein jeder
Lehenmann seinem Chnr-Fürsten uud Stande''), von deme er die
Lehen-liüther traget uud die Pflicht leistet, mit ]jeib und Blut,
Haalj und Guth verhunden ist, also auch die Chur-b'ursten, Fürsten
und Stände dem Römischen Keyser. Würde nun einem Chur-Fiirsteu,
Fürsten odei' Stande nicht gefallen, dals sein Lehnmann blols die
Ahlegung der Pflicht erstatten, wenn aber eine Noth auff den Lehen-
Herrn stiefse, ihn«) sitzen lalsen untl furweuden wolte, der Lehn-
Herr möchte sein selbst wahrnehmen, es sey genuug, dafs der Lehn-
mann, wie er immer künte, sich verwahrete; so ist ohnschwer»'; zu
erachten, dafs in solchem Fall, da der Xeyser wieder die heschworne
Capitulation von den Reichs-Fürsten gedrungen werden will, keinem
Fürsten odei' Stand, viel weniger aber einem Chur- und Wahl-
Farsten, dem Spiel zuzusehen und sich allein in Acht zu nehmen,
gebühren wolte, sonderlich da sicli die in deni'^') hochbeschwornen
Chui'-Fürstlichen V^erein wohlbedachte Fälle ietzund in vollem
Schwange ereignen, indem ]., nicht nur Ew. Chur-Fürstliche und
Chui--Braudeuburgische Durchlaucht nicht mit (lewalt überzogen,
bekrieget, soudern auch 2., die Keyserlicheu(!) uns angefallen, :i.,nach
dem heyligen Reich gestanden, das delselben freye Xayserliche Wahl
von ihn weggeriisen werden will. Da treten die eydiich obengedachte
Worthe der Chur-Fürstlichen Verein dergestalt ins Mittel und er-
fordern, die Herren Chur- Fürsten sollen beyräthig, hehülfflich und
beyständig seyn, keiner den andern verlafsen, sondern ein jeder
sambtl. (I) mit gantzen Treuen, Landen, Leuthen, Schlöfsern und
aller Macht heholffen und beratheu seyn etc.
Und difs um so viel mehr in gegeuwertigem Fall. Denn da die
Feinde das Ertz-Stifft*) IMagdeburg behaupten wollen, welches der
Keyserlichen Capitulation zuwieder, hat der Römische Keyser krafit
seines Eydes auil' Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Begehreu solch
Stiftt mit aller Macht aufs des Feindes Hand retten helffen-'^). Da
der Feind Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Lande grofsen Theils
in anno ItJB? occupiret gehabt, hatt der Keyser krafi't seiner PÜicht
gleiche Rettung gethan, ob er gleich seine eigene Lande hernach
darüber eingebüsset. Dringet denn dens) Keysei' seine f") Ptlicht zu
solcher Assistenz , vielmehr die Chur- Fürsten, Fürsten und Stände,
die vom Keyser ihr Land und Leuthe zur Lehn tragen und nehmen
müfsen. Es wäre zu wüntschen, dafs die oben bedeutete gute Leuthe,
ehe sie mit solchen den Chur-Fürsten selbst höchst gefährlichen prin-
cipiis heraufs brechen, sich zuvor der Reichs-Fundainental-CTesetze
erkundigten und nicht eher urtheileten oder judicirten, sie hätten
denn vorhero erlernet, was für unaufflösliche, mit hohen Eyd- uud
Pflichten verknupffte Bande zwischen dem Keyser und Cliur-Fürsten ')
•i) dennselben. '') Stände. «) ihm. •') ohnschAvert. e) der.
0 des Ertz Stitfts. a) dem. '') zu seiner. 0 Chur Fürst.
"'") Sebottendorf denkt wohl besonders an die Belagerung Mag-
deburgs durch die Kaiserlichen im .Jahre Kiijrt; am 3. Juli musste
sich die Stadt ergeben.
Eine politische Denkschrift etc. 225
sich enthalten, und dafs insonderheit Ew. Chur-Fürstliche Durch-
laucht 1., wegen der Chur, 2., wegen der Hertzogthümer Jülich, Cleve
und Berg, 3.. wegen Thüringen und ileifseu, 4., Avegen Ober- und
Nieder-Lausitz, 5., wegen Voigt-Land und anderer unterschiedlicher
Reichs und Böhmischer Particular-Lehen mit mehr den sechsfachen
Eyden dem Komischen Kej'ser verljunden wären, auch dals, wie ob-
gemeldet, Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Vorfahren niclir hlofs
ihr Land und Leuthe, sondern ihr Chur - fürstliches Blut für des
Reichs Wohl und Ruhestand zuzusetzen und sich selbst dadurch bej'
der Chur-Fürstlichen Würde und Hoheit zu manuteniren nicht ge-
scheuet haben, darum denn jener Chur-Fürst zu Sachfsen mit gutem
Grunde von seinem Chur- und Fürstlichen Haufse schreiben und
zeugen, es auch bifs auff heutigen Tag in offenem Druck gelesen
werden kau: „Es ist von den-i) Fürsten des Hauses Sachfsen zu
vernehmen niclit seltsam noch neu bifsher gewest, dafs sie Rö-
mischen Kaysern und Königen in ihren und des Reichs Obliegen '')
mit ihrem eigenen mercklichen Darstrecken gedienet und nicht aufs
Mangel Liefferung und Bezahlung oder andern Practiqueu in Nöthen
verlafsen".
Gestalt auch defselben Kriegs-Officirer gar nicht mit unzeitigen
Disputaten, ungleichen Einbildungen und andern zu ihren Yortheilen
aufslaufenden Verzögerungen des Krieges vorgebrochen, sondern mit
lauterer Freudigkeit für die Hoheit, Ehre und Freyheit des Vater-
landes und ihrer Herren ohne alles Bedencken aufigezogen, den
Feind, wer und wie starck er gewesen, ritterlich angegriffen und
ihr Blut zu vergiefsen für die gröfseste Ehi'e geschätzet, auch darzu
Tag und Nacht bereit erschienen.
Was entgegen seither dem Pragischen Friedens-Schluß hie-
innen sich ereignet, davon ist unnötig viel Wortte zu macheu. Ew.
Chur-Fürstliche Durchlaucht geruhe nur zurück gnädigst sich zu
errinneru, was bei Deroselben ihre damahlig Geheimen Räthe, der
von Werther und Herr D. Timaeus nuumehro Seelige bald nach
geschlol'senem Friede und fürgenommeuem Feldtzuge theils uuter-
thanigst erinnern lafsen theils selbst erinnert und mehrfältig ge-
bethen, weil Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht krafl't defs auft' ihrer
Seiten beschehenen Reservats ^'j uud Bedingung, den Ober- und
Nieder-Sächfsischen Creyfs zu defendireu, auch in Entstehung der
Güte mit ihrem Yolck ohne einige Zutliat der Keyserlicheu die
Schweden heraufszubriugen übernommen und sich delken gegen die
Keyserliche Majestät durch den Marggraffen von Caretto'*) aner-
bothenen Succurs von 8000 Mann auff' Rath bevvufster Kriegs-Offi-
") dem. '') Oblieben. ') reservatis.
"') Der Marchese Caretto di Grana wurde später österreichischer
Gesandter zu Madrid. — Diese Armee soll in der ersten Hälfte des
Jahres 1H3.Ö, auf Avelche die Stelle zu beziehen ist, sogar lOOUOM.
stark gewesen sein. „Sie spielten mit dem Land den Garaus . . .
Deim, was die Vorigen hinterlassen hatten, das nahmen diese mit,
und machte das Landvolk den Unterschied, dass sie den Herzog
von Friedland den grossen Feind, den General Lamboy den kleinen
Feind und den Marchese di Grana den Kehraus nannten, und war
grosse Theuerung und Huugersnoth". Karche, Jahrbüciicr der H. S.
Residenzstadt Coburg I, 211. Dass der Kurfürst die Truppen des
Markgrafen zurückgewiesen hat, ist bisher nicht bekannt gewesen.
Neues Archiv f. S. O. u. A. VIII. 3. 4. lf>
226 J. 0. Opel:
ciers unter ihr Volck zu nehmen verweigert, vielmehr aus dem Co-
burgischen weg und gegen den Reihnstrom zurück commandiret.
Ew. Chur-Fürstliche Durchhiucht wolte doch ihren fürnehmeu Ge-
neralen und Kriegs-Ofticieren sich vorhero für allen Dingen dieser
Ursach halben wohl versichern, dals dieselben zum Theil angeben
und verlautet, sie könten mit gutem Gewifsen wieder die Schweden
als Glaubens - Genolsen und die biis dahin neben ihnen gestanden,
keine Waffen führen, gedächten wieder sie ihren Degen nicht zu
zücken noch eine Pistol zu lösen, zum Theil in irautzösich- und
schwedischen Pensionen, Diensten und Bestallungen, wie vom Xey-
serlichen Hoffe dermahln geschrieben worden, sich befindeten, zum
Theil aber für Gut achteten, Ew. Chur-Fürstliche Durchl. solten
ihr Volck wieder die Schweden ja nicht wagen oder hazardireu,
sondern zu dem Ende lieber gantz bey einander behalten, damit,
wenn die Catholischen dermahleinst obsiegeten, und Ew. Chur-Fürst-
liche Durchlaucht aufallen Avolten. Sie ihnen alsdenn mit dem Volcke
(üe Stirne biethen und ihrem vermutheten Fürnehmeu gewaltsam
begegnen könten.
Welche der Officirer uugescheut verlauteten Reden und Inten-
tionen solche principia in sich gefafst zu haben bey Ew. Chur-Fürst-
lichen Durchlaucht Käthen angesehen werden, [dafsja) sie schnur-
stracks wieder Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Pflicht und damahls
gantz neu gethane Yersprechnifs, wieder Ew. Chur-Fürstlichen Durch-
laucht als eines *>) lürnehmen Chur-Fürsten des Reichs Ampt, Würde
und Hoheit, auch dahin aufslauffen dürfften, dais in derer Fortstel-
luug der Feind wohl nimmei'mehr aus den<^) zum Schutz von Ew.
Chur-Fürstlichen Durchlaucht übernommenen Über- und Nieder-Sächfs-
ischen Creylsen gebracht, vielmehr das gantze Römische Reich
durch immerwährende feindseelige Kriege der Aufswärtigen an einem
Theil und folgenden kostbahren Unterhalt so vieler tausend Völcker
zu Rofs und Fufs am andern Theil in unaulssprechlichen \' erderb
einrennen, darauls es sich in fielen Zeiten und Jahren nicht würde
aulswinden können, sondern wohl gröfsern Theils zu einer wüsten
Einöde und der Aufswärtigen laug gewüntschten Dominat unter-
würftig, dem Ejiegs- Volck selbst unter der Praetension vieler rück-
ständiger Besoldung endlich zu einem Länder - Raub und freyen
Beuthe offen, Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht aber, auff' deren
Versprechen wegen der Schweden Wegbringung Keyserliche Maje-
stät und das gantze Reich sich verlafsen, aller Schaden zugemefsen
werden, sie dadurch in schimpft'üche Nachrede imd allerhand Unge-
mach beym Reich gerathen mögten, inmafsen bey verspüretem der
gütlichen Handlung stetem Vorzug die vorige Keyserliche Majestät
lobseligster Gedächtnifs sowohl ietziger Römischer Keyser, ingieichen
Herrn Langraffen Georgens zu Helsen Fürstliche Gnaden mit viel-
feltigen treuhertzigen Verwarnungen nach Anweisung der Acten
ebenfalls einkommen sind.
Auch haben erwehnte Geheimen Rethe für ein gar wieder-
sahraische, ungereumte und weit aufssehende fi) Pntdenz gehalten, dem
Feinde e), welcher in Gegenwart Ew. Chur - Fürstlichen Durchlaucht
nach der Würde, Hoheit und Dignitaet, nach Land und Leuthe Ver-
tarb (!), nach des gantzen Vaterlandes Zerrüttung mit Gewalt
trachtete, sich nicht entgegen zu stellen, sondern ihme seines Gefal-
a) fehlt. '0 einen, «j dehme. d) aufssteheude. ^) Friede.
Eine politische Denkschrift etc. 227
lens blofs dieser Ursache wegen hausen zu lafsen, damit man das
Krieges -Volck auff küiift'tige, ungewifse Fälle, die durch Gottes
G-uade verhütet werden und wohl nimmermehr geschehen dürftten.
verspahren könte. Uberdifs wird Ew. Chur- Fürstliche Durchlaucht
zweiffelsohne unentfalleu seyn. was in währendem Feldtzuge hin und
her fürgegaugen, und wie auff etlicher Kriegs - Ofrtcii'er inständig
Begelireu die Zeit mehr mit vergeblichen Tractaten, als mit einigem
gehörigen Ernst der Waffen gegen dem Feinde zugebracht, da bald
der schwedische Eeichs-Cantzler'^^-) jju gütlicher Handlung sich er-
klähret und doch endlich stillschweigend von ]\Iagdebu)g- abgereiset,
bald der Feldt-Marschall Bauer derselben sich zu nuternehmen an-
gegeben und doch wieder abgelafsen, bald die teutscheu Kriegs-
Ofticirer unter den Schweden das gantze Friedens- Werck zu erheben
getrauet, an Ew. Chur -Fürstliche Diuchlaucht uuteischiedene ihres
Mittels abgeschicket, von Ew. Chur -Fürstlichen Durchlaucht der-
gleichen Ofticirer mit ihnen zu traotiren begehret, welches Ew. Chur-
Fürstliche Durchlaucht gewilliget ; und als Derselben Kriegs- Ofticirer .
nach Schönbeck''*) erschienen, jene sich zwar auch eingestellet,
aber einer nach dem andern mit Vertröstung schleuniger Wiederkunft't
allmählig davon gezogen, bifs Ew. Chm-Fürstlichen Durchlaucht
Officirer selbigen Orths gantz alleine sitzen blieben, und [dieja)
scheinbar fürgewandte Tractaten zu lauter Wafser worden sind. Doch
ist sich hierinnen, weil es bereit vor etlichen Jahren geschehen, wie-
wohl defselben unglückseelige Operation bils gegenwärtige Stunde
sich ereignet, länger nicht auffzuhalten. Wanu Ew. Chur-Fürstliche
Durchlaucht Weile und üelegenheit hätten, Ihr auffsuchen zu lalsen.
was Sie vor Ordre im vorigen 1638. Jahre einem und andern Obristen
zum Auffbrach nach der Kej'serlichen Reichs -Armade zugeschickt,
so würde es sich finden, ob einer oder der ander die in der Ordre
gesetzte Zeit in Acht genommen habe und nicht vielmehr seines Oe-
fallens mit Einwendung nichtiger Ursachen fortgegangen sey und so
lange, als es ihm beliebet, unterwegens zugebracht.
a) fehlt.
'2) Diese Verhandlungen mit Oxenstierna ziehen sich vom .Tuli
1635 bis in den Septembei' hinein. Eine Übei'sicht über den \'erlauf
derselben gewähren die in Londorps Sammlung IV, 487—516 ge-
druckten Aktenstücke. Bauers Bemühungen waren gegen das Zu-
standekommen des Friedens überhaupt gerichtet. Vergl. sein Schrei-
ben vom 14./24. Mai 1685 an Johann Georg, und die Briefe des
Kurfürsten vom 18./28. Mai und vom 4./14. Juni, Londorp IV,
458 und 486.
") In Schönebeck bei Magdeburg langten am 18. Septbr. 1635
von Seiten der schwedischen Armee imd ohne Vor wissen des Reichs-
kanzlers die Generalmajore von Lohausen und von Wedel nebst dem
01)ersten Crakau an, wälirend den Kurfüisten der Generaimajoi-
Vitzthum und Oberst Mitzlaff veitraten. Später stundeten die Schwe-
den den Grafen von Brandenstein. Damals erhöhte der Kui-fürst
die von den protestantischen Ständen au die Schweden zu zahlende
Abfindungssumme von 15 auf 20 Tonnen Gold, während die Schweden
80 Tonneu gefoi'dert haben sollen. In seinem Ablieiufungsmandat
vom 1. Februar 1636 versicheit Joliann Geoig-, 25 Tonnen geboten
zu haben. Chemnitz, Königlichen Schwedischen In Teutschland
geführten Kriegs Ander Theil, S. 774, 777, 815 fig.
15"
228 J- 0. Opel:
Was für gute Occasionen, dem Feinde Abbruch zu thun, aufser
Händen geronnen, wie der Krieg ie länger ie weiter verzögert, die
Stände des lieichs in den Quartieren übermäfsig und also bedränget,
dal's sie Klage führen müliseu, sie könten ihren Stand nicht mehr
durchbringen, Ew. Chur-Furstlicheu Durchlaucht be^^ vielen Ständen
nicht wenig Hals und biis noch wehrender Unwillen zugezogen, wie
das Armuth höchst bedrücket, dem Feinde aber zum gegenwärtigen
Vorthel") nicht weniger Anlais gegeben worden, solches bedarff nicht
vieler Aul'sführung. Wolten denn Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht
auch Zeit nehmen, sich aul's denen Acten zu informiren, wie der
Römische Keyser, wie der Cluir-Fürst zu Brandenburg und der Kej^-
serliche General-Lieutenant ''*) um den schleunigen Auffbruch und
Zuschickung des Yolcks vorm Jahre inständig gebethen, geschrieben,
geschickt und zugleich erinnert, mau solte durch ungesaumbte Ma-
turirung'') der höchstnöthigen Oonjunctur den zur selben Zeit hinter
Stetin und Pommern rasenden Feind jener Orte an den See kanten
beschliefsenc), ehe er gröfsere Macht zusammen brächte und hernach
der Kayserlichen Armada überlegen wäre''), sie zurück tiiebe, sedem
belli in Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht oder des Feindes (!) Lande,
wie defsen Erfolg leyder für Augen, eintiechtete, — so würde sich
handtgreiftlich iiuden, ob au dem gegenwärtigen oder — Gott wende
es gnädiglich! — an dem noch künfftigen Unglück entweder Ew.
Chur-Fürstlichen Durchlaucht Geheime Käthe oder vielmehr diejenigen
eine Ursache sind, welche darfür geachtet, Ew. Chur-Füi'stlicheu
Durchlaucht Volck hätte selbige Zeit die drey Monathe über die
Quartirung nicht gnungsahm genofsen, da doch die Key serlichen
gröfsern Theils entweder niemals in die Quartier kommen odei- nur
einen einigen Monath in gar schlechtem Tractament darinnen geduldet
worden, den Aufsgang (!) aber in Pommern unweigerlich leisten
müfsen. Es würde sich augenscheinlich linden, ob nicht die ienigen^j
des vorhandenen Jammers Beförderer zu achten, welche eben ziu"
selben Zeit, da Gott Mittel gewiesen, den») Feind an der See anzu-
sperreu und von diesen Landen gantz abzuhalten, ein Disputat auff-
jagen und wohl in Zweifi'el ziehen dürffeu, ob Ew. Chui'-Fürstliche
Durchlaucht dem ietzigen Keyser, weil der Pragische Friedens-
Schlufs nicht mit ihm, sondern mit dem vorigen Keyser auftgerichtet,
zu assistiren und Hüliie zu schicken verbunden wäre, da doch die be-
gehrte Hülffe in Pommern nicht dem Keyser, als der nicht einen
Bauer darimien zu verliehren hat, sondern dem Chur-Fürsten zu
Brandenburg zu Gute gemeinet, dem Ew. Chur-Fürstliche Durch-
laucht ohne difs nicht nur als ein naher Bluts-Freund, nicht nur als
ein Krieges-Obrister, nicht nur als ein Nachbahr, sondern Avegen der
mit cörperlichem Eyde beschwornen absonderlichen Erbeinigung ''•'*)
darzu so hoch verptiichtet gewesen.
Da über dieses solche Leuthe gewust oder ie aus den Reichs-
Gesetzen, ja der natürlichen Vernunfft selbsten wilsen sollen, mit
a) Urthel. b) mutii'ung. c) beschiefsen. <^) wären. «) ihrigen,
f) dem.
'^*) Der in Pommern und später in Meklenburg stehende Gallas
ist gemeint.
■'^} Der Verfasser erinnert an den Erbsuccessionsvergleich zwi-
schen den Häusern Brandenburg, Sachsen und Hessen, welcher zu
Naumburg am 30, März 1614 abgesclüossen wurde, vergl. v. Mörner,
Kurbrandenburgische Staatsverträge S. 62 flg.
Eine politische Denkschrift etc. 229
was schweren Pflichten die Herren Chur-Fürsten einem jeden Keyser
obgfehörter marseu verbunden und verknupiitt seyn, nnd da solche
Lenthe für Ano-en e'eseheu, dafs niemand anders, als eben der ietzige
Keyser alle seine flacht unter (ii-affr-n Hazfeldt, (Tratten (lötzen''"),
Freyherrn von (leleen "'') '') bluls zu Ew. CIiur-Fürstliclien Durchlaucht
Besten und zu Wegbringuno- des Feindes aufs hiesigen Landen im
1637. Jabre geschickt, dadurch seine selbst eigene Elsafsischo Lande
und darüber die füruchnie Vestniig Brcusach sambt deme darinne
gewesenen ansehnlichen ^^()^■l•ath in die St'liantze gesetzt und nmi-
mehro in des Feindes Hanil g:erathen lafseu niülsen'^).
Was hierbey zu selbiger Zeit Ew. Chur-Fürstlichen Diirchlancht
Geheimen ßäthe ihres Orths müud- und schriftlich gerathen, erinnert,
gebethen, auch auCs dringender Ptlii'ht, Schuldigkeit nnd Treue das
grofse Unglück umbständlich bedeutet, welches sich, wenn die so
eiffrig begehrte Conjuuctur mit der Haupt -Arniade gegen Ponuiiern
länger verzogen werden solte, ereignen dörffte, solches können die
Acta bezeugen und zugleich darthun, dafs die Eäthe ihr damahliges
unterthänigstes wohlgemeintes Gutachten mit folgenden Worten be-
schlofsen :
„In Summa wir bekennen, dafs wir des Jamnierns,
Übeln Nachredens, Schimpft und Schadens, so aus
Hinterbaltung des Volcks diesen und andern Landen
des Eömischen Reichs entstehen könte, einig Maafs
* oder Ende nicht ersehen, nicht erdencken mögen."
Freylich ist uunmehro leyder aufs Gottes gerechter Straffe neben
der holien Gefahr des gantzen Reichs das vermuthete Übel, Elend,
Schaden, Noth und Tiübsahl dieses Landes für Augen, und erzeiget
sicli allen defsellien Ständen vom liöclisten bifs zum niedrigsten. Es
gehet fast keine Woche hin, da Ew. Chur- Fürstliche Durchlaucht
über dem in ihrer Hoffstatt Avachsenden Mangel, Abgang und Un-
seegen nicht Klage führeten und dafs Sie denselben zu ersetzen kein
Mittel absehen kirnten, vermeldeten.
Es ist dahin kommen, dafs die inner und aufser dem Römischen
Reich bekandte Jülichiscbe Succession- Sache blofs aufs Mangel ge-
hörigen Verlags dem gantzen Haufse Sachfsen zu höchstem Schimi)ff
und Schaden aufslauffen dörffte. Wenn andere niedrige Stände die
auff des Keyserlichen Cnmmer-Gerichtes •') zu Speyer [Unterhaltung] ')
nothwendige Kosten herzuschiefsen und tiscalische Processe zu ver-
meiden bemuhet seyn, will es dieses Orths wieder ermangeln, unge-
achtet ein Keyserliches Monitorial nach dem andern einlanget.
Wie (>s mit der mehrern Rilthe und Diener Besoldung eine
geraume Zeit in Stecken gerathen"'*). auch daher allerhand Unord-
nung bey denen Expeditionen und Policey häuftig eingerifsen, ist
Ew. (]lmr-Fürstlichen Durchlaucht ohne dil's wohl bewust, und mehrere
Inconvenienten täglich zu befahren. Dafs Ew. Ghur-Fürstlicheu Dunh-
a) Golären. >') Gerichte. ') fehlt.
'") Vergl. S. V. Pufendorfs Schwedisch und Deutsche Kriegs-
Geschichte, Buch IX, S. 375 Hg.
") Dei' Fieilierr GottfVicd v. Geleen rückte nach Thüringen
vor, vergl. Herrmann, Der Kampf um Erfurt S. 31, 37 flg.
■^8)' Die Festung ergab sich am 7./ 17. Dezember 1638, der Aus-
zug der Besatzung fand am 9. 19. Dezcinl)er statt.
™) Vergl. die frähereu Ausführiuigeu S. 296, 299 f.
230 J- 0. Opel:
lancht geliebter Sohn, der Herr Ertz - Bisclioff, wegen des mit so
schwerer Mühe und Sorgfalt erhandelten Ertz-Stiiftes'')^^) in augen-
scheinlichen Pericul und Verlust zu des gautzeu Chur- und Fürst-
lichen Hauses unaufslöschlichem Spott l)egriffen, davon hegehre ich
nicht viel Wortte zu machen und meinen aufs unterthänigster Treue
gefafsteu Hertzens-Kummer zu vernieliren.
Im Kirchwesen findet sichs nicht viel hefser. Beyde Universi-
taeten^i), die edelste Kleinod dieses Landes, durch welche der Nähme
des Chur- und Fürstlichen Hauses Sachfsen in der Christenheit noch
mehr liekannt und lieruhniet worden, haben bifshero durch vielfeltige
Schreiben, Abschickungen und andere bewegliche Contestationen ihre
bevorstehende Ruin, Dissipation und Untergang ttberfiüfsig angegeben
und um derselben Verursachung wehnmthige Klage geführet.
Die herrlichen Fürsten- oder Landt-Schulen sollen nunmehro
auch dahin gehen und wegen Abgang des Unterhalts darnieder liegen.
Viel hundert Kirchen im Lande mangeln des ordentlichen Gottes-
Diensts^^), weil entweder kein Mensch mehr in Dörffern zu finden,
a) Stiffter.
^) Der zweite Sohn des Kurfürsten, Herzog August, war unter
dem 25. .Taimar 1628 zum Erzbischof von Magdeburg postuliert worden.
^^) Der Professor Buchner i'ühmt in seiner (Tedächtnisrede die
rastlosen Beniüliungen des Konsistorialpräsidenten Fr. von Metzsch
um die Erhaltung der Universität Wittenberg mit folgenden Worten:
,.vos memorare poteritis . . . , quos sustinuerit labores dies noctesque,
non raro certamina etiam, ut salva ac integra Acadeuiiae jura, ut
privilegia docentium publice sarta tectaque manereut; tum ut aerarii
instaurarentxu- ruinae. qua possent, stipendiaque nobis procederent
rursus, quae effera hactenus bellorum rabies absorpserat.
Quam inardescere soleliat, quoties increparet saevitiam tem-
porum, quam miserari ac dolere, cum efficacia satis
remedia expedire malis nostris atque in tempore quidem
hand posset. Panegyricus illustri viro Friderico Metschio . .
dictus ab A. Buchner i65H. Im Jahre 1639 schrieb Buchner an
Heinrich von Friesen: „Wir hungern wacker; von Tag zu Tag geht
es uns schlechter".
^-) In einer gleichfalls in den obersächsischeu Landen erschie-
nenen Schrift heisst es: „So waren auch Anno 1635, so der Pragische
Friede geschlossen, wo nicht alle, doch die allermeisten Evangelischen
noch in viel erträglicherm Zustande, als sie jetzo seyn. Aber diese
vier Jahr vber, do uns unsere (llaubensgenossen augefeindet, ist wol
der zehende, ja auch wol der fünffte Theil von den Evangelischen
vor Kummer vnd Jammer leider dahin gefallen vnd gestorben. Den
vorigen Krieg hätte man auch fast nicht einmal in diesen Evan-
gelischen Landen gefühlet, und hätten diese vier Jahr ülier viel
tausend Christen von dem Verderben errettet werden können. Vnd
Aveil in einem eintzigen Evangelisehen Lande in die 400 Lutherisdie
Kirchen solche Zeit über verwüstet seyn sollen. So dörffte man bald
gedencken. Als niöcliten in dem gantzen Evangelischen Bezircke
wol zum wenigsten 2000 Kirchen letzt öde stehen". Nothwendigc
I INFORMATION, | Ob den Itzigen Reichs Feinden, | So lange sie
sich wider das Haupt, oder | die (ilieder des Heil. Rom. Reichs
feindselig erweisen, | Mit worten oder wercken beyzupflichten? Ge-
druckt im Jahr M. DC. XXXIX. 4. D 4.
Eine politische Denkschrift etc. 231
oder doch dieselben in dermafsen Arninth und Ahnehraen s'eratheu,
dafs sie den Kirchen-Dienern 'M ihr Geliülu'nifs oder nur nothdüi'Htigen
Unterhalt zu reichen durchaufs nicht vermögen, ja auch seihst das
Bettel-Bi'od 'eisen (»der auch wolil mit unnatüj'lichen Dingen ihr
Leben elendiglich durchbringen nuifsen. Keine Stadt im Lande soll
sich befinden, derer Kath -Hanfs und aerarium nicht in dcrmafsen
Schulden stecke, dal's sie daraul's zu kommen keine Hoffnung halien
mögen *•').
A^iel hundert Dörff'er liegen in der Asche oder sonst wüsste
und oede. die sich aber noch ie '') etwas hauen, die leben für Freunden
sowohl als Feinden in lauter Fuicht, Angst und Quaal, sindemahl
ibnen bereits anietzo, da die Zeit der Ernte kaum oder noch nicht
Avohl ein Viertel-Jahr verfloi'sen, dennoch der heurige Zuwachs meistens
aligenomiuen worden, das üljrige mehr in des Soldaten freveler Ge-
walt, als in ihrer Verwahrung stehet, und ihnen kein menschlich
Mittel gelafsen ist, dadurch sie sich sambt den Ihrigen hlofs mit
trockenem Brodt bifs künfftige Erndte erhalten könten, wie wohl
der allerweinigste Theil des Landes ietzo über Winter angebauet
worden und ihme dahero der geringste Hauffe der armen anfsge-
brefsten Inwohner auff künfftige Brnflte, aller Kriegs-Gefahr zu ge-
schweigen, einige Hoffnung der Befserung machen kann.
Wie es um Handel und Wandel stehet, dafs fast kein Mensch
ohne starcke Confoy über die Ciräntze sichei' kommen möge, auch
die Schiffarthen von Pirn bifs anhero nicht frey seyn, sondern von
denen Keuthern in Sti'ohm, so weit sie nur gründen können, geritten,
in die Schiffe g(»scholsen und sie dadurch zu Hergebung vermeinter
Beuthe oder Rantion angehalten werden wollen, wird täglich beklaget.
\Vas es für einen sorglichen Zustandt mit der in gantz Euro])a
berühmt'') gewesenen Handels- Stadt Leipzig '^^) erlanget, das hat der
•') Diener. '') in. ') berühmten.
^^) „Ach! wo seynd die Vorstädte von Leipzig, Freyberg,
Zwickau, Wittenberg, Naumbui'g, Pirn, Dölitzscb, Hertzberg und
viel andere '•? Wo seynd die Gottes - Raths - Bürger- oder gemeiner
Stadt Häusser zu Adorff, Beigern, Bautzen, Bischoff'swertha, Colditz,
Chemnitz, Dennstädt, Dippoldifswalda , Dahlen, Dieben, Dalima,
Dommitzsch, Elterlein, Fi'eyburg, Franckenberg, Fi'auen-Priefsuitz,
Gommern, Gräfenhainichen, Giünhain, Groitzsch, Hoyerswei't, König-
stein, Kirchhain, Kindelbrück, Kcmbei'g, Lancha, Lommitzsch, Lützeu,
Lauchstcdt. Lcissnig, Lieben, Liebenwert, Lochau, Mücheln, Mit-
wcida, Meissen, Mutzschen, Niemeck, Newstatt, Nebra, Oederan,
Oi'drant, Oelfsnitz, Pretzsch, Plauen, Rosen, Rissa, Rotburg, Rofs-
wein, Radeburg, Ranstädt, Rochlitz, Schkölen, Schlieben, Schweinitz,
Senffrenl>erg, Sebenitz, Schiida, Schneel)erg, Schkeuditz, Stolberg,
Strelen, Stolpen, Schmidcberg, Tau^ha, Thomaslmick, Weyda, Wur-
tzen, Zschopa, und an vielen andein Orten, Enden und l'lätzen mehr.
Insonderheit auch an Schlüssein, Rittei'gütern, Freyhäusern, För-
stereyen, Forwercken und dergleichen?" Klag vnd Seufftzen [Des
I betiüliten, bcträiigten vnd verderb- | ten lieben | A'aterlandes, i je.
Anno M.D(! XIjII. 4. \'crgl. ausserdem eine nrkundliclie Mitthei-
lung Hclbigs über den Zustand der liittergüter im Amte Torgan
im Jahre.UUH in K. von Webers Ai'chiv f. d. Sachs. Gesch. \', 282.
*•) Über die Störungen, welche die Messe erlitt, berichtet aus-
führlich Hasse, Geschichte der Leipziger Messe, S. 108— 1B2.
232 J- 0. Opel:
ßath selbigen Orths durch Schickung und schriftliche Ausführung
mehrmals bezeuget; und ist nicht wohl zu venieineu, dafs frembde
Handels-Leuthe, wenn sie über Gebühr beschwehret und sonsten
verunsichert werden, an einen gewiiseu Orth der Handlung sich nicht
so genau binden lafsen. Es hat solches die Erfahrung an der für-
nehmen Stadt Lübeck gnungsam erwiesen, ungeachtet sie eine freye
Reichs-Stadt und das Haupt der andern Seestädte, von Römischen
Keysern herrlich und wohl jn^ivilegiret , ungeachtet auch einige
Accisen-Unsicherheit dazu nicht Aulafs gegelien, bat-i) sie es doch
dahin nicht bringen können, dafs die völlige Handlung wäre bey ihr
blieben und von frembden Handels-Lenthen gröfseren Theils nicht
nach Hamlnirg, Avie am Tage, transportirt worden.
So bleibet unvorgefsen, wie sehr man sich noch für wenig
Jahren bennihet, dem Leipziger Mar(dvt Eintrag zu thnn, Aväre auch
unzweiffelich erfolget, wenn Ew. Chur- Fürstliche Durchlaucht den
Keyserlichen Favor so starck auff ihre)' Seiten nicht gehabt hätten.
Die Noth und Beschwehr des Landes will sich auch dannenhero nicht
wenig vermehi'en, indenie dieses Ew. Chur -Fürstlichen Durchlaucht
Land hinter dem Pragerischen Friedens-Schlufs viel Tonnen (joldes
an baarem Clelde, Getreyde rmd anderes hergegeben und auffgewendet
haben mag, über welches aber bifs gegenwärtige Stunde eine richtige
und beständige Liquidation nicht soll zur Hand gebracht Avorden
seyn, da doch solche sehr nöthig und nützlich dannenhero erachtet
wird. Dann weil aus Ew. Chur -Fürstlichen Durchlaucht Landen
lunhaltes der Pragerischen, Regenspurgischen und Leipzigischen
Verwilligung**^) über zehenmal hundert -tausend Gulden Rheinisch
hätten gefallen sollen, so mufs ie, woran und wie es erfolget und
eingelii'acht, an gehörigen Orthen liquidiret und dargethan werden.
Sonsten bleibt das Land der Kriegs - Gassen jedesmahl auff ein
unterschiedliches verbunden , daraufs es sich nicht endlich wird
flechten können, bey Keyserlicher Majestät aber so wiei>) denen andern
Clhur-Fürsten und Ständen in dem ungleichen Verdacht, als hätte
es gar nichts von den Verwilligungen beygetragen. Nützlich, gut
und sehr zuträglich wolte diese Liquidation seyn: Denn da errin-
nern Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht sich gnädigst, wie treulich
die Geheimen Räthe nach dem Pragerischen Friedens-Schlufs gerathen
und mehrmals nntei'thänigst gebethen, Ew. Chur-Fürstliche Durch-
laucht wolten nach Erheischung des unter Hand und Siegel gethanen
Versprechnifs ihr unterhabendes Kriegs -Volck die zu Praag ver-
glichene und abgefaste Notul der Pflicht zu dem Ende ablegen
ialsen, damit das Volck ihren Sold und Unterhalt aufs der Reiclis-
Casseu empfangen und nicht etwan dermableinst Ew. Chur-Fürstliche
Durchlaucht oder Dero Land in proprio anfallen und eine lautere
Unmöglichkeit anfszuprefsen sich unterstehen möchte. Wiewohl nun
weder damahls noch bifs ietzige Stunde beyzubi'ingen seyn wird,
dafs die Räthe für sich einigen Nutz daruntei' gesuchet, sondein
blofs Eav. Chur- Fürstlichen I)urchlaucht Zusage und dai-an hafftende
a) hab. b) ■vviu.
^^) Im Pi-ager Frieden wurden 120 Römermonate bcAvilligt,
Londorp IV (1668), 467. Dersel))e Beschluss wurde auch in Regens-
hurg angenommen. Die Majorität der obei'sächsischen Kreisstände
einigte sich am 12. '22. November 1638 zu Leipzig in dem Beschlüsse
ebensoviel Monate aufzubringen, Krause, IV, 1, 368.
Eine politische Deiikschiift etc. 233
Cliur-Fürstliche Reputation, iugleichen Alnveiiduiii? Dero und des
Landes besorgiidien Schadens, wie aucli die Billigkeit, dafs die, so
dann dem Reich dienen würden, eben hey des Reichs Cassa die
Zahhuiü' suchen solten, für Augen g'ehaht: so sind doch zur selben
Zeit wiedciuiii Leuthe gewesen, die den guten Rath verhindert und
zu ihrem seihst eigenen Besten durchgetrungen und die Ahlegung
solchei" Pflicht bifs gegenAvärtige Stunde verwehret halien*'*).
Und eben dieses wilsen [sich]-') dennoch nicht nur die im
Lande gebliebene, sondern aucli und fürnehmlich die aufs Böhmen
zurückgegangene Retiimenter wohl |zu| •') Nutze zu maclien, iudeme
sie alle mit einander Quartier, Zalilung und Accommodation bey
niemanden andern, dann bey Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht und
in Dero Landen zu suchen begehren, also gar die, wie Ew. Chur-
Fürsf liehe Durchlaucht ohn Zweift'el gnädigst iudenck seyn , in
Böhmen gewesene, nicht allein den') zu Pi'ag abgehandelten, von
Ew. Ohur- Fürstlichen Durchlaucht versprochenen Eyd abzulegen,
einen Monath Sohlt zu nehmen und in Böhmen zu bleiben verweigert,
soudeiii auch den eigenmächtigen Rückzug', welcher nac-h des Obiisten
Hanau**") in seinen unterschiedenen Schreilieu gefällten Th'thcl Ehren-
und Lebens-Verlust nach sich zeucht, unternonmien. Hätten sie die
Reichs -Pflicht abgeleget, so wäre ein solches wohl nachldieben'')
oder, ob es ie erfolget, so würden doch Ew. Chur-Füi'stliche Durch-
laucht mit mehrern Befugnils, ais ietzo, da kein einiger Mann bey
der Reichs- Armade blieben, an Ihre Kaysei'liche Majestät haben be-
gehren können, dafs Sie Ihr an die andei'u Stände des Ober-Sächfs-
ischeu Ci'eyfses zu Einnehmung defs der Kayserlichen IMajestät und
dem Reich'") verpflichteten Volckes Dero i)i'omotoriales erthcilcn. und
dafs die Last aulf Ew. Chur-Fürstlichcn Durchlaucht Landen alleino
niclit Ideiben dürifte, allergnädigst vermitteln wollen; unbegrüfset
") fehlt, b) fehlt. »■) denie. . <i) Belieben. <=) Reichs.
^') Nach den Bestimmungen des Prager Friedens blieb der
Kaiser armiert. Mit seinem Heere sollten sich aber auch Regimenter
Kursachsens und aller andern Kurfürsten und Stände zu einer ITaupt-
arniee verliinden. welche „Der R. K. M. und des h. Reichs Kriegs-
heer" heissen sollte. Alle Armeen sollten dem Kaiser und dem
Reiche „ülier diejenige Pflicht, welche sie bereits geleistet hatten",
vereidigt wei'den. Nur dem Könige von Ungarn und den Kurfüi'stcn,
wenn sie im Namen des Kaisers und des Reichs .einen (leneralat"
führten, wuidc der persönliche Kid in (Inaden erla'^sen. Sebottcn-
dorfs Ausfülirnngen nach ist also dieser sehr wichtige Punkt des
Prafi'er Friedens längere Zeit hindurch in Kui'sachsen nicht aus-
gefühit worden. Dagegen Avird in der Geschichte der sächsischen
Armee von Schuster und Francke S. 69 versichert, dass gerade
die Klagen über die Ver])flegung der Tiu])pen in Prag den Kur-
fürsten veranlasst hätten, die (lenehmigung dazu zu erthcilcn, die
sächsischen Tru])pcn in Reiclispflicht zu nehmen. Wenn dies richtig
ist, so könnte es nur nach dem IR. Dezember 16S9 geschehen sein.
Brandenburgische ilegimenter. welche freilieb auf Kosten des Kaisei's
geworben waren, hatten im .lahre Ui.n diesen Doppeleid geleistet.
Die Regimenter der Liga waren im dänischen Kriege dem Kaiser
nicht vereidigt.
*') Oberst August von Hanau (Hanow) führte ein kursächsisches
Reiterregiment.
234 J- 0. Opel:
der Stämle ihnen die Regfimenter ins Land zu schicken, zweiffeie
ich. ob es dahero rathsani. dafs die Stände alfs denn zur Desperation,
Unwillen nnd einer o-änfzlichen Separation g'ehracht, und wenn die
Einqnartirunsi: ohne Keyserliche Vermitteluna; sreschehen; woran (!)
Ew. Chur-Fürstliclien Durchlauclit das») daraus erwachsende Unheil'')
vollends heye:euiefsen werden möchte, sonderlich weil man nicht
wifsen kan, wefsen sich zu den Regiementeru zu versehen. Denn
blieben sie in dem Fiirsatz, defsen sich die gesamliten Officierer
durch den verstorlienen Obristen - Lieutenant LischAvitz zu dreyen
inalilf'u nach einander behari'lich angegelien und in eingeschickten
unterschieden Schreiben wiederhohlet, auch durch den eigenthätigen
Rückzug im Wercke erweifslicli gemacht, durch ietziges Erbieten
al)er blofs die Quartiere zu geniefsen meinen mögen, — so wird sich
der Keyser ihres Diensts wenig zu erfreuen, auch vielleicht nicht
grofse Beliebung haben, mit solchem Yolck die Stände des Reichs
zu belegen und ihm«) damit wiediig oder abfällig zu machen, Ew.
Churfürstliche Durclilaucht aber, ob sie ihnen gleich ihr gantzes
Land vollends dahin geben, endlich innen werden, dafs Sie mit
solchen (ohne Keyserliclies Volck) des Feindes Macht zu begegnen
nicht vermögen: dergestalt alle bifsher auff sie verwendete Kosten
gantz vei'gel)ens angeleget bleiben.
Dem aber sey, wie es wolle, wenn dennoch E. Chur-Fürstlicdie
Durchlaucht gnädigst beliebig Aväre, die Hfiuidationera defsen, was
an Oelde, Cietreyde und andern von Zeit, da nach den Pragerischen
Friedens-Schlufs Ew. Chur-Fürstliche Durchlauclit zu Felde gezogen,
hergegen aus den Aembtern hin und her einbringen zu lafsen, in-
mafsen die Stadt Leipzig auff etliche viertzig tausend (rulden, die
Stadt Naumburg auch auff ein hohes nur in eintziger Einquartierung
kommend), würde sichs alsdann zeigen, was doch dieses Land ein
und andern Orts beygetragen, was ihme abgenommen, was denie)
Soldaten zu gute gaiigen, und er ihme in seiner Forderung kürtzen
zu lafsen schuldig und verbunden sey. Li längerer Aufsenbleibung
bemeldeter Liquidationen und Hontinuirung der ungescheueten ge-
waltsahmen Insolentien des Soldaten, der alles im Lande Ra\;b und
Preifs zu seyn ihme einbildet, ist zu wüntschen. dafs die noch wenigen
Einwolmer, wie in andern Landen mehr geschehen, nicht getrimgen
werden aus lauter Desperation, Hunger und Kummer ihre Hütten
zu verlafseu und derer Orthe sich zu begeben, da sie unter andern
Reichs- Ständen oder auch dem Feinde weit befsere Erträglichkeit
und mehrere Erbarmnifs, denn bey hiesigem Volck zu erlangen ver-
hoffen. Was für Jammer und Elend daraufs zu Itesorgen, weiset
das Land der Chur und ]\Iarck Brandenliurg. Ew. Chur-Fürstliche
Durchlaucht werden vielleicht allbereit sich haben berichten lafsen,
wie imterschiedliche stattliche, Ihr selbst zubehörige nutzbare For-
wero'e f) und Wirthschafften blofs dieser Ursach halber unarebauet
und ohne allen Xutz zu der ordentlichen Eiukünffte merckliclien
Verringerung liegen bleiben raüfsen, dafs die Unterthanen nicht mehr
vorhanden, auch keine Leuthe sind, die man zu nothwendiger Pe-
stelluna" des Ackerbaues und anderer vor diesem gewöhnlicher Er-
träglichkeiten gelirauchen können.
Auch bleibeu Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht noch wohl in-
gedenck, was Sie vorm Jahre bey den vorgehabten Jagten für einen
Mangel der LeiTthe bereits verspühret haben, welcher Abgang sich
a) des. ^) Urtheil. <^) ihn. dj einkommeu. ^) deu. f) Forwege.
Eine politische Denkschrift etc. 235
seither mächtig- vermehret und hey wachsenrlor'') Soldaten Licenz
von Tage zu Tage wachset und zunimmet, da heute diesem, morgen
einem andern sein letzter Bifsen von Soldaten aufsgerifsen, er in den
bittern Hunger und daraufs folgenden Todt gesetzet, auch wohl kein
Tag vorliey gehet, darinnen dieses nicht gegen vielen armen Leuthen
ohne Erliarmnifs verübet wird.
Der Feind streitet anietzo autf zweyerley Weise: ein mahl in
ötfi'utliclier Gewalt, welcher zu wiederstehen Ew. Chur-Fürstlichen
Durchbiucht Volck, ol) sich gleich die Regimenter, welches doch bey
notorischem des Landes Unvermögen und so vielen darin befindlichen
Guariiisonen eine pur lautere Unmuglichkeit scheinet *>), völlig er-
gäntzeteu, nicht vermag.
Gehet die Conjunctur der Königsmarckischen mit denen Völckern,
so in der alten Marck, Stifft Halberstadt und Quedlinburg gelegen,
für sich'^^\ oder schicket der Baner'*'') etliche Regimenter entgegen,
so dürffen sie mit Zuziehung der Reuterey aufs Erfurth"") und
Chemnitz^') Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Vok-k von allen
Seiten tnnfafsen, bedrängen und überwältigen. Oh denn gleich Ev/.
Chur-Fürstliche Durchlaucht Keyserliches Volck zum Succurs i'odern
weite, so wird es nicht allein zu späth seyn, sondern es hat fürs
andere der Feind in Böhmen bereits den Vorthel ergriffen und kan
es dieser Orth auch thun, dafs er wo nicht durch Brand, doch durch
gewaltsahme Abnehmung und unerschwingliche '") exactiones des Ge-
treydes allen Vorrath entwedei- verderbet oder an sich zeucht, da-
mit dem Keyserlichen Volck die Mittel des Unterhalts entgehen und
aufs dei'er ]\ian2el sich solcher Orthe wieder ihn zu tentiren nicht
vermögen, ge.stalt auch Nachricht einlanget, dafs des Feindes hin
und her für Einhohhing der Contribution liegende Gflicirer nuuiuehr
nicht so sehr auff Geld als Getreydes Einbringung zielen und dringen
solteu. "Wann nun Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht \'olck der
unordentlichen Abnahm \\m\ Verösiuigd) der wenigen Früchte und
Viehes sich ferner unterwinden wolte, so Avird der Land-Man mit
dem hinterstelligen Bifsen Brod und wenigen Vieh vollends bald
fertig gemacht. Ist alsdenn nicht allein kein Proviant für Ew.
Chur-Fürstlichen Durchlaucht Volck mehr vorhanden, sondern weil
dafselbe gegen dem Feinde nicht bastant, bleibet auch kein ander
Mittel übrig, ander Volck, ob es gleich zum Succurs erfordert werden
=') wachsenden. •>) scheünt. <=) unerschwindliche. ^) Vernösuug.
8«) Sebottendorfs Befürchtungen erfüllten sich zum Theil, wenn
auch in anderer, als der hier angedeuteten Weise, vergl. Pufendorf
a.a.O. Buch XII, S. 535 und Barthold, Geschichte des grossen
deutschen Krieges II, 245 f.
"") Baner stand damals in Böhmen, vergl. Gretschel a. a. O.
II, 317.
^) In Erfurt befand sieh eine kleine sdiAvedische Besatzung
unter Heini-ich von der Golz.
»1) Bauer hatte im April 1^39 bei seinem Abzüge von Cheuniitz
nach Freiberg ])()lnisches Fussvolk und ein Reuiment Riiter unter
dem Obersten Prinz in der Stadt liinterlassen. Im April Kilo rückte
eine Ahth(>ilung der Kaiserlichen unter dem Herzoge von Hiagmiza
heran, und am 25. April musste sich der schwedische Kommandant
ergeben. Vergl. Kretschraar, Chemnitz, wie es war und wie es
ist (1822), S. 112 flg.
236 J. 0. Opel:
solte, mit srehöriger Notlulu.rfft zu versehen und Ew. Cliuv-Fürstlichen
Durchlaucht Land von des Feindes Uherlast auff einigerley Weise zu
liberiren. Die Verwüstung' dieses Landes gewinnet von Tage zu
Tage mehr Kraift, und Ew. Chur - Für.stlichen Durchlaucht Ein-
künfften (andern ülielu Befahrnifs zu geschweigen) fallen gantz dahin
und bleiben aiifsen.
Ob dem Römischen Keyser, ob dem Reich, ob Ew. Chur-Fürst-
lichen Durchlaucht selbst zu derer allerseits Intention, die Yerfafsung
des Reichs sonderlich zwischen dem Keyser und Chur-Fürsten zu
erhalten und den Feind dermahleiust daraus wegzutreiben, hierdurch
etwas zu gute gehe, haben Ew. Chur-Ftirstliche [Durchlaucht] ■■^)
gnädigst zu ermefseu.
Alles dieses, Gnädigster Chur-Fürst und Herr, habe bey Ew.
Chur-Fürstlichen Durchlaucht ich fürnflimlich aufs zweyerley Ur-
sachen etwas umständlicher anführen wollen: Einmahl dafs Ew.
f ■hur-Füi'stliche Durchlaucht gnädigst zu vernelimen betten''), wie um
derer bifsher von mir geforderten Rathschläge Avilleii, gleichsam
hätte ich meine Pflicht dabey so genau nicht in Acht genommen,
mich mein Gewifsen gar nicht kräncke oder beschuldige, ich vielmehr
eine zuversichtige Freudigkeit für Gott und der erbahren Welt da-
rinnen empfinde. Mein Zweck nechst der Ehre Gottes und Erhal-
tung seines seeliamachcnden Wortts ist gewesen, weil von Ew.
Chur-Fürstlichen Dm-clilaucht als einem Wahl- und C'hur-Fürsten im
Römischen Reich ich zu Dienste (von deme mich kein unterthänigstes
Bitten entledigeu mögen) erfordert worden, dafs ich ie zu nichts
]-iethe, dadurch Ew. Chiu- - Fürstliche Durchlaucht an Dero hohen
Würde imd Praeeminenz solcher freyen Chur und Wahl für sich
oder Dero Nachkommen gefähret ^l, sondern bey derselben Ew. Chur-
Fürstlichen Durchlaucht geehrte Vorfahren sambt Land und Leuthen,
ja dem gantzen Römischen Reich nahe in hundert Jahr sich recht
[wohl] '•) befunden, neben freyer und ungehinderter Übung des Gottes-
dienstes an Macht, Ehre und Vermögen glücklich zugenommen; das
zeigen die nnlaugliahren Historien. Eben den Zweck haben Ew.
Chur-Fürstlichen Durchlaucht gewesene fürnehme Geheimde Räthe
die gantze Zeit Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht laug und rühm-
lich geführter Regierung (bifs auif erfolgten Zwies])alt) für sich ge-
habt, ich also, wieAvohl denselben^) herrlichen Leuthen gar nicht zu
vergleichen, kein Ursach gesehen, meine consilia auff etwas anders
zu richten.
Wohin aber derer Leuthe SuspicionenO- Bezeig- und Einbil-
dungen in kurtzem aufsschlagen dürfften, die den Reichs-Feindeu das
Wortt reden, ja wohl um der gegenwärtigen Progress willen ver-
lauten wollen, es sey befser wo nicht gar auff Seiten der Reichs-
Feinde zu treten, doch zum wenigsten gegen ihnen still zu sitzen,
die alle ihre Unthaten, Pressuren und Violentien mit Demolirung
fester Orther, Niederbrennung Städte und Dörffer etc. Ew. Chur-
FürstliehenDiirchlaucht lauter zum Besten gemeinet und gut heifsen,
den [Kays er] g) Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht von Tage zu
Tage verdächtiger machen, ihme hülffliche Hand zu biethen mifs-
rathen oder für seine hohe Majestät, ungeachtet eben und allein zu
dem Ende sie viel Tonnen Goldes von den Ständen des Reichs und
sonsten eingehoben, zu fechten Bedencken tragen und dadurch denen-
a) fehlt. i') hatten. ") geführet. <i) fehlt. «) demselben.
f) Successiouen. s) Es steht: „den, von Ew".
Eine politische Denkschrift etc. 237
jenigen guten Vorschub thun, die das Reich mit Abstofsuug des
Xeysers und der Herrn Chur-Fürsten in eine neue Form zu richten
benmhet stehen, dals wird (iott und der Tag öffnen. Verständige,
auffrichtige, gewissenhaffte Käthe müi'sen nicht nur a\iffs blinde ver-
gängliche Ulück sehen, sondern auch die vorgegangene und künff'tige
Fälle für Augen stellen, fürnehmlich autf üoites Ordnung und Ge-
l)oth ihr Absehen faisen und demselben nach ihre consiiia gründen
und befestigen.
Solten gleich aufs Grottes gerechtem Verhängnifs zur Straff der
Sünden die Schwedischen Success nochmahls also lortgehen, so haben
Ew. Chur - Füi'stliche Durchlaucht zu unterschiedenen mahlen das
Exenipel mit dem Haufse Braunschweig und Lüneburg, was sich
dafselbe auff solchen Fall zu versehen, erwehnet; es können auch
hiervon die iutercipirte Schwedische Schreiben nicht undeutlich Zeug-
nifs fürbilden. Wendete sich das Blatt auff die andere Seiten, so
haben Ew. Chur- Fürstliche Durchlaucht gleicher (iestalt hochver-
nünfftig erwogen, wie die Hiuterhaltung des Kriegs- Volcks, daj's
man blofs zu Beschützung seines Landes bedüifftig zu seyn auge-
geben und dem Spiel stillschweigend zuzusehen vermeinet, angesehen
werden möchte. Dafs der Keyser und das Römische Reich Gottes
Ordnung und die letzte dem Fropheten Daniel länger denn für zwey
tausend Jahren gezeigte Monarchie'^-) mit göttlichem Wortt imd
Schutz als einer starcken und festen Mauer, wie Lutherus redet,
umschrenckt sey und bifs an grosteu Tag der herrlichen Ersclieiuung
unsers Heylandes, obgleich auff schwachen Füfsen, [mitj'^j vielen
Anstöfs- und Wieder wärtigkeiten stehen bleiben soll, haben die
Lutherischen Theologen aus Gottes Wortt reichlich bewiesen und
dargethan.
Der Allerhöchste hat den zugesagten Schutz seiner göttlichen
Ordnung (älterer Geschieht und Exempel zu geschweigen) bey Lebe-
zeiten des vorigen Römischen Keysers augenscheinlich erwiesen, mit
deme es, wie Reichs kundig, so weit kommen, dafs die König-Reiche
Ungarn, Böhmen und fast alle seine Erblande bifs auff' die Stadt
W^ien, darinnen er doch auch belagert worden, ins Feindes Hände
gerathen, da aufs- und innländische Potentaten wieder ihn gekrieget
und doch theUs zurücke gehn, durch gütlichen Vergleich abkommen,
die mehrern ihr Leben darüber einbüssen, ihn aber Keyser und Ober-
haupt bleiben lafsen müssen. So ist unvergefsen, dafs des Keysers
Sache in Anno lb84. fast noch gefährlicher als ietzo gestanden, in-
dem beynahe der gantze Rheinstrolim, Schwaljcn, Franken, Beyerlandt,
der gantze Donau-Strohm vom Schweitzerischen Gebürge bifs an
Pafsau in des Feindes Händen, auch die Böhmischen Creyfse wie
ietzo Schlesien aber fast gantz an Jägerndorff' (!) dem Keyser abge-
nommen etc., plötzlich und gleichsam über aller Menschen \'erhott'en
durch die eintzige Nördlinger Schlacht sich der'') ganze Staate) ge-
ändert, der Keyser aber Keyser und Oberhaupt blieben.
Von dem ueugebildeten Reich tlnde ich meines wenigen Orths
weder einig Wortt Gottes noch gelehrter Leutlie bewehrte Meynung:
könte sich leicht geben (wie auch oljen etwas erwehnet), ob darinnen
Franckreich und Schweden lange einig blieljen, imd was denn wohl
vor eine Consonnanz und Einhelligkeit zwischen den Reichs-Ständen.
a) fehlt. ^} die. <) Stadt.
"-) Vergl. Kap. 7 des Propheten Daniel.
238 J- 0. Opel:
weuu sie alle an eines Keysers "Walil Tlieil haben oder gar ohne
Haupt und Keyser seyn oder auch durch Gewalt von einem frenib-
den Aufsländischen heheri'schet werden selten, sich ereignen würden.
Es hats bereits die zwischen etlichen evangelischen Chur- Fürsten »)
und Ständen für nalie 30 Jahien auftgerichtete, nach aller mensch-
lichen Witz, Klugheit und Verstand aufegearbeitete, abgespitzte iind
wohl veifafsete, aber wenig Jahre hernach zergangene Union im Werck
erweifslich gemacht, darmn ich mich in solche freml)de, uugewilse,
sehr gefährliche Intentionen einflechten zu lallen, meines selbst eigenen
Vaterlandes heilsahme Verfafsnng niederreifsen zu helffen oder aber
blofs um des wanckenden, unbeständigen Glücks willen, das heute
blühet, in einen Augenblicke verwelcket, von der ßichtsclmur gött-
liches Wortts, von Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht löldichen Vor-
fahren Exempel, von den theucrn, beschworenen Reichs-Ordnuni;:en
nnd geleisteten schweren Eydes - Pflichten abzuweichen oder dahin
einigen ßath zu ertheilen niemals Beliebung getragen, es auch
weder gegen Gott noch Ew. Chur- Fürstliche Durchlaucht zu ver-
antworten getrauet.
So kan ich mich gleichwohl an meinen Orth, nach Gewifsen zu
sagen, nicht bescheiden, dafs der Römische Keyser seiter des Prage-
rischen Friedens etwas gewiedert'') und abgeschlagen, was Ew. Cluu'-
Fürstliche Diu'chlaucht zu ihrem und ihrer Lande Besten <") iemahls
begehret.
Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht haben übernommen, die Schwe-
den aufs Ober- und Meder-Sachfsen zu bringen, defswegen, wie oben
ei'wehnet, dafs untern Comniando des Marg-Graft'en von Caretto an-
erbothene Volck zurück mandiret; Ihre Keyserliche Majestät (olin-
geachtet Sie vielleicht ein anders lieber gesehen) sind damit zu-
frieden gewesen.
Bald darnach haben Ew. Chur - Fürstliche Durchlaucht den
Graff Marazind)"») -q^h ^en Keyserlichen Völckern aufs Schlesien zu
einer Diversion begehret, die sind imweigerlich abgeschicket. Sie
hal)en gemuthet, von denen in Präge geschlofsenen Eömerzugs«)-
Geldern, den HO. (!)]VIonath, aufsu Ober- und Meder-Sächfsischen Creyfs
Zahlung für ihr Volck zu erlangen; Kayserliche Majestät habeus ge-
williget und defswegen an die Stände beyder Creyse, und zwar jedem
absonderlich vielfältige Befehl ergehen lafsen, worauff auch etwas
eingebracht; dafs aber Nieder- Sachfsen fast gantz und gar aufsen ge-
blieben und von ihnen bifs diese Stunde die Abrichtung verweigert
wird, auch kein Mittel sich ereignet, sie dahin zu bringen, dafselbe,
n1) es mit Billigkeit Kaiserlicher Majestät wohl zugemefsen werden
mög, stelle ich an seinen Orth.
Und ob zwar die Schweden aus f ) den beyden Sächfsischen
Creyfsen nicht gebracht, sondern Ilire Keyserliche Majestät von
Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht ersucht sind so wohl im Jahr
Anno 1636. als 1637., Succurs zu schicken, welcher auch in starker
und solcher Anzahl erschienen, dafs er Ew. Chur-Fürstlichen Durch-
laucht Volck drey- und mehi'fach überstiegen, haben doch Kayser-
a) Fürst. »>) gewiedmet. <=) bestens, ^j Marim, Marien (?).
e) Römerzuge. O auch.
^^) Der Verfasser scheint an den Marsch der Kaiserlichen unter
dem genannten General im Dezember 1635 zu denken. Vergl.
Gretschel, Gesch. des Sachs. Volkes und Staates li, 309.
Eine politische Denkschrift etc. 239
liehe Majestät dem Reichs -Pfennig- -Meister befohlen, den dritten
Theil aus den rücknehinenden (!) Römer - Zugs - (ieldera Ew. Chur-
Fürstlichen Dm'chlaucht zu lieffern. Dals es aber wiederum biis
gegenwärtige Stunde von den Ständen nicht eingebracht wird, delsen
wird meines wenigen Erachtens Keyserlichc Majestät einst wohl zu
entgelten haben.
Wie Ew. Chur-Fürstliehe Durchlaucht auf Ihr Anhalten mit
den hilspauischen tTelderu in Anno 1636. gewillfahret worden'"); Avie
sie derer für die Sächlkischeu Regimenter anlier gebrachten Uelder
sich nutzbar bedienet, wie Kaj'serlichc Majestät, dals Sie noch An-
weisung der Reichs - Gesetze für sich allein zu thun nicht schuldig,
nicht nur die sechs tausend Reichsthaler nach Magdeburg gewilliget,
sondern auch den füuff Regimentern in Böhmen einen Monath Sold
antragen lafstn, das ist nuumehro bekanndt. So offt Ew. Chur-Eürst-
liche Durchlaucht um promotoriales ») [anj i') die Stände zu Derlanguiig
der Quartier für ihr Vulck angesucht, sind sie vom Keyser Ihi' zu-
geschicket woiden. In Summa wer die ergangene acta durch und
durch ersehen und gegen den Reichs-kundigen Verlauffen (!) wohl
erwegen wird, der hat sich daraufs zu informiren, dafs der Römische
Keyser eher seine Elsassische <") Lande verlieliren, als Ew. Chur-
Eürstlichen Durchlaucht Lande ungerettet lafsen wollen.
Die That und das Werck ist am Tage, läiset sich ohne Abbiuch
der Wahrheit nicht verneinen, dannenhero zweifele ich fast sehr, ob
ein einiger gewifsenhaffter, redlicher, unpussiouirter Mann aufs bifs-
herigeu Rezeigungen dem Römischen Keyser einige Ungebührnifs,
Falschheit oder Untreu gegen Ew. Chur-Furstliche Durchlaucht bey-
zubringen habe, oder auch einiger vernunfftiger Rath defswegen zu
einem Abtritt und Separation sich vernehmen lalsen möge.
Auff weme die Verzögerimg des Krieges in Ober- und Nieder-
Sachfsen beruhe, das ist Reichs-kundig. So wenig nun Ew. Chur-
Fürstliche Dm-chlaucht Ihr die Schuld hieriunen wird beimefscn
lafsen wollen, so wenig läfset es sich muthmafsen, dafs au den ietzigen
Verzug des Krieges der Römische Keyser Grefallen haben mag, als
defsen Elsafsische Lande noch in des Feindes Händen, wie auch der
gröfseste und beste Theil des König -Reichs Böhmen und ein ziem-
licher District im Lande Schlesien von den Schwedischen Völckern
occupiret ist, die andern Erb -Länder alle unter äufserster^') Er-
schöpffung und Bedrängnifs täglich seuftzcn und wehklagen. Dafs
nun noch bifs die Stunde sich Leuthe hnden, welche gleichwohl
meines Wifsens die schwehre Pflicht der Ueheimeu Räthc niemahls
abgeleget und doch Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht ungleiche Ein-
bildungen beyzubringen in voller Arbeit sind, auch wolil dem Kö-
mischen Keystir mit allerhand harten Bedrohungen entgegen zu
gehen rathsam achten, das lafse ich dahin gestellet seyn. Ich ver-
wahre und vertheidige meine geleistete Ptlicbt und christliches de-
wifsen, weil auch sonderlich die Historien berichten, dafs aller dreyer
weltlicher Chur- Fürsten Linien einig und allein von der Römischen
Keyserlichen Gnade zur Chur-Würde kommen sind, und es gar leicht
a) promotorialesen. '') fehlt. <^) Eisasche, ^i) aufserste.
"*) Diese bedeutungsvolle Stelle beweist, in wie grosser Ab-
hängigkeit von Spanien sich auch Ferdinand 111. befand. Vergl.
übrigens K 0 c h , Geschichte des deutschen Reichs unter Ferdinand Ili.
I, 85 flg., 90 Hg., 207.
240 J. 0. Opel:
ist, die Chur-Würde zu verlieliren, aber sehr schwelir wieder darzu
zu gelangen, iumafseu denn mehr denn ein Exempel innerhalb hun-
dert Jahren solches Avahr gemacht und aller Welt zu erkennen geben
liabeu. Ich gerathe auch in nicht wenigen Zweiffel, solte einige Se-
paration, da üott vor sey!, erfolgen und Ew. Chur-Fiirstlichc L)urch-
lau(!htaj sich selbst vom Chur-Fürstlichen Collegio trennen, es dürff'te
der Favor der Schwedischen gegen Ew. Chur-Eürstliche Jjurcldauclit
so grol's nicht seyn, dal's sie nicht lieber die Churwürde auff andere,
denn auff Ew. Chiir-Fürstliche Durchlaucht zu bringen, ihre Waffen
führen würden. AV^afs sich aber solchen Falls Ew. Chur- Fürstliche
Durchlaucht auff andere Stände zu verlal'sen, dlü'ff'te alsdeuu eher
beklaget, als ietzo mit gutem Grunde einige Hoffnung dai'auft" ge-
stellet werden mögen.
Fürs andere habe ich auch dieser Ursachen willen etwas um-
ständlichere Aufsführung thun wollen, damit bey Ew. Chur-Fürst-
licheii Durchlaucht ich abermahls (wie zur Zeit übernommener Be-
stallung geschehen) an Tage gebe, öffentlich bekennete und aufsagete,
mein Sinn, Verstand und Nachdencken sey mir- von Gott so hoch
nicht gegeben, dafs mir für meine Persohu müglich wäre, bey so
vielen beharrlichen, täglich wachsenden, starken und durchdringenden
Oppositionen derer Geist- imd Weltlichen, Leyeu und Gelehrten,
Krieges- und andern Leuten etwas nutz bahr- und dienstliches nielir
einzurathen. Weil sie doch Tag und Nacht sich bearbeiten "j), dem
Kcyser, er thue auch, was er immer wolle, bey Ew. Chur-Fürstlichen
Dui'chlaucht verhast, wiedrig iind verdächtig zu macheu, ihm gebüh-
rende Assistenz zu hindern, alle Avohlgemeinte consilia niederzu-
drücken und hierauff' Ew. Chur -Fürstliche Durchlaucht und denen
andern Herren Chur -Fürsten Ihre Herr[lichkeitJ, Praecellenz der
Chur und Wahl (wie der leidige Effect nuumehro an Tag giebet)
wifsend und unwifsend allmählich supprimiren zu heltt'en, ist zu be-
sorgen, der Allerhöchste möchte bey seltzsamen Proceduren und Mo-
litiouen sonderlich bey noch immerwährenden ruchlosem, unbufsfer-
tigem Weltwesen in die Länge stillschweigende nicht zusehen. Wie
auch ietzermelteter Leuthe wiedrige Erzeug- und Bemühungen, wenn
Ihro Kayserliche Majestät davon Bericht erlangen, (Aveil doch hie-
siger Ürth ein solch Glück hatt, dafs leichtlich nichts pfleget ver-
schwiegen zu bleiben) in Dero Hertz steigen, sie kräncken und jam-
mern mögen, als tue Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Lande zu
retten ihre eigene Erb-Lande hindan gesetzet, die Haupt-Stadt und
Schlüfsel der Elsafsischeu Provincien darüber verlohren, hingegen
nunmehro erfahren müssen, dafe von Ew. Chur- Fürstlichen Dui'ch-
laucht nicht ein Mann zu Rettung Ihro Keyserüchen Majestät Lande
zu erscheinen und neben der Keyserlichen Arniade zu verbleiben ge-
dencket, sondern wohl unbegrüst zuwieder Ew. Chur-Fürstlichen
Durchlaucht Verwilligung davon zu ziehen, Ihre Kayserliche Ma-
jestät noch mehr zu schimpff'en und zu betrüben keine Scheu tragen,
wie auch was hierinneu endlich wohl für ein Aufsgang zu erwartten
seyn möchte, wird billig zu Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht hoch-
erleuchteten Nachsinnen gestelltet.
Ich solte zwar diese andere Ursach verschweigen und meinen
Unverstand in den Rathschlägen lieber gedeckt, als geöffnet haben,
allein ich will eher bekennen, was ich nicht vermag, als übernehmen,
was ich nicht getraue aufszurichten. Nur blofser Ehr Nutz und
a) hier findet sich noch „durch". ^) bearbeiteten.
Eine politisclie Denkschrift etc. 241
Privat-Geniefs, ein so hohes Anipt zu bcdieueu, mag' \icUei(iit bey
Welt-Leuthen grok Ansehen bringen, bey mir aber würde ich mich
vor einem sehwehren (lewirsen zu fürchten haben, da ich docli wie
sonsten also auch in gegenwärtiger Bestalhmg mein privatum durch-
aufs bei Seite gesetzet und meine wenige Rath-Scbläge nur zu Be-
hauptung der löblichen heilsahmen Reichs-Harmonie zwischen Key-
ser, Chur-Fürsten und Ständen des Reichs, zu unverbrüchlicher Ob-
servanz derer von Ew. Chur Fürstlichen Durchlaucht abgelegter eyd-
lichen Pflicht, auch darin enthaltener Chur- Fürstlicher Ehren, Wür-
den und hoch aestimirlichen Reputation angeziehlet, um welches willen
(wie Ew. Chur-Fiirstliche Durchlaucht wüfsend) ich bey Eintretung
meines Dienstes einig Greld oder Greldes Werth zum (leheimen Raths
Sold nicht gefodert, auch defswegen nicht einen Groschen, nicht einen
Pfennig nach Aulsweisung des Buchstabens in meine Bestallung ein-
rücken zw lafsen begehret.
Ich will nicht lioffen, dafs Ew. Chur- Fürstliche Durchlaucht
von mir in währender Geheiraer-Raths-Bestallung angelauffen worden,
mir einige Expectanz , Anwartimg oder anders zu versprechen, auf
dieses oder jenes Ampt, Stadt oder Orth Anweisung zir geben, dieses
oder ein andres zu verehren, Gnade zu thun; sondern habe meine
Armuth und Dürfftigkeit in lauterer Gedult und Stille mit Anruftüng
göttlicher Hülffe willig ertragen, nicht dal's ich einiger Geld-Besol-
dung nicht wäre bedürlftig gewesen, sondern dafs Ew. Chur-Fürst-
liche Durchlaucht, so ohne das in dergleichen gmmgsahmen Be-
schwehr haben, ich nicht dürffte molest seyn, zugleich aber in "\^'ercke
erweilslich machte, dafs, wie ich vor dreifsig Jahren her, da ich
|das]'>) ersteniabl zu Herren -Diensten erfordert worden, also auch
noch nicht [nach] '') meinem eigenen Nutz, Geschencke, Gaben, Ruhm
und dergleichen Eitelkeiten, sondern blofs [nach]*") meines Herren
Ehre, Frommen und Aufthehmen zu trachten gesonnen wäre.
Bey Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht ist hoffentlich gnädigst
unvergessen, dafs ich die Auffwarttung iu der Geheimen-Raths- Stube
Anfangs mir bil's an Michael 1637. übernonnnen, dieselbe aber her-
nach, weil damals Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht auff der Laufsnitz
ihre Huldigung sich abwesende befunden, und ich in währender
Reise mit meiner Lofskündigiuig beschwerlich zu seyn J) nicht un-
billig Bedencken gehabt, bifs an Weynachten vorigen Jahres über
mir behalten, daselbst aber um gnüdigsten Abschied oder Resolution
so schrifftlich so mundlich mit schuldigster Ehrerbietung angesuchet.
Wenn Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht mir eine solche Dimission gnä-
digst hätten wiederfahren lal'sen, und ich hiesige meine Gütter meines
Bruders Söhnen als Mitbelehenten meinem längst gefafsten X'orhaben
nach damahls übo'geben; so wäre ich dem verderblichen Schaden,
der mir Zeit her zwar mehr von Freunden, als Fehiden begegnet,
zeitlich entgangen, manchen Kununers, Sorge und Bctrübnifs frey
geblieben; nun mir aber letzt ermeldtes Unglück bey Ew. Chur-
Fürstlichen Durclilaucht wälirenden Diensten begegnet, würden Die-
selben verhüffentlich mir zu Ungnaden nicht gedeutet haben, wenn
liey Derselben ich mich unterthänigst angemeldett und zum wenig-
sten an statt des Soldes um Ertheilung ein- oder andrer Gnade
sollicitiret hätte. Ich habe auch solches eher unterlal'sen und ledig-
lich Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht Gut- Befinden unterthänigst
&
a) fehlt, b) fehlt. 0 fehlt, d) Hier findet sich noch einmal „ich".
Neues Archiv f. S. Ci. u. A. VIII. 8 4- 16
242 J- 0- Opel: Eiue politische Denkschrift etc.
anheim gegeben, als einigen Privat - Gesuch (!) Nutz (!) bestricken
lafsen wollen a).
Vergnüge mich, dafs Gott und mein Gewifsen ietzo und ins
künfftige meine Redlichkeit, Treue und Auffrichtigkeit bezeugen und
an Tag bringen wird, dafs kein andere, den obig mehrmals ange-
führte Intention bey meinen consiliis ich für Augen und nicht mehr
gewüutschet gehabt, denn dafs ihr von eigennützigen, vorthelhafften
Leuthen durch wiedrige uugegrundete Impressionen nicht so viel
Hiuderuifs in Weg gestreuet und Ew. Cliur-Fürstliche Durchlaucht
hoch - preifsliche Chur- Würde, Reputation und Hoheit sambt Dero
Lande und Leuthen in gegenwärtiges Pericul nicht gesetzet worden
wären. An deme wie ich einige Schuld zu tragen mir nicht be-
Avust bin, also da bey ietzigem sorglichen Zustande des Vaterlandes
und täglich zunehmenden, weit aufssehenden Molitionen, das verur-
sachte Unheil zu wenden und die von einem Geheimen Rathe ge-
forderte Ersprielslichkeit zu verstatten in meinem Verstände und
Vermögen nicht bestehet, weil sonderlich durch den unaufthörlichen
beschwerlichen Haupt-Flufs und andere Zufälle die Leibes- und
Gemüths-Kräffte ie mehr und mehr dahingehen, haben Ew. Chur-
fürstliche Durchlaucht zu erwegen, ob es ihr selbst reputirlich sey
dermafsen mit ungleichen Dienerin) in kostliahrer Besoldung, ohne
welche bey dem verderbten Zustand meiner Güther "'') hiesiges Orths
Tag für Tag ferner auffzuwartten mir nicht müglich, solche aber
auch, wenn ich sie nicht verdienen könte, zu fordern mir bedencklich
fallen, mich auch wohl in meiner letzten Stunde kräncken würde,
zu unterhalten, oder Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht vielmehr
beliebig seyn wolte, mir nach Inuhalt und buchstäblichem Laut
meiner Bestallung einen gnädigsten Abschied zu ertheilen und mein
gnädigster Herr jedesniahl zu verbleiben. Hierüber Ew. Chiu--
Fürstlichen Durchlaucht gnädigste Erklährung mit gehöriger Reverenz
unterthänigst zu erwarten und alsdenu meine Schuldigkeit darbey
in Acht zu nehmen, Avird [mirjc) in alle Wege gebühren, gehorsambst
bittende, Ew. Chur-Fürstliche Durchlaucht wolle dieses zu Eröffnung
meiner geschwornen Pflichten nach bifsher geführeter Intention ge-
meintes, etwas umständliches unterthäniges Angeben zu Chur-Fürst-
lichen Gnaden vermerken und sich versichern, dafs Deroselben unter-
thänigster Treue Dienste zu erweisen ich stets befliefsen seyn wei'de.
Drefsden Ew. Chur-Fürstlichen Durchlaucht
am 18. Decembris 1639. gehorsambster Diener
und ünterthan.
■•1) wolte. i') So steht (!). ') fehlt.
'■'^) Sel)ottendorfs Güter hatten jedesfalls in den Kämpfen um
Pirna während dieses Jahres sehr gelitteu. Vergl. Christian H e c k e 1 ,
Historische Nachrichten von dem was . . vor hundert Jahren nehinlich
Anno 1639 in dem sogenannten 30jährigen Kriege der Stadt Pirna
wiederfahren (1739).
VII.
Die Anfäuge des säclisisclieu Scliiilweseus.
Von
Johannes Müller.
(Scliluss.)
iieiclier, als im 13. Jaliili., fliessen die Quellen zur
säclisisclien Scliulgescliiclite im 14. Jalu'h. Die Keibe der
Orte, für welche sich in dieser Zeit Schulen nachweisen
lassen, eröffnet Dresden und zwar in gewissennassen
epochemachender AVeise. AVir treffen nämlich liier die
erste eigentliche Stadtschule Sachsens. Den
6. April 1300 erscheint in einer zu Dohna ausgestellten Ur-
kuude des Burggrafen Otto von Dohna als letzter Zeuge
ein Eektor der Knaben in Dresden, namens Konrad, der
zugleich Kaplan des Burggrafen ist^"'), mid in eniem zu
Kloster Cella ausgefertigten Briefe des Pfarrers Heinrich
von Leubnitz vom 10. März 1334 tritt unter den Zeugen
ein Meister Heiinann, Rektor der Kleinen in Dresden
und Pfarrer zu Altranstädt, auf^^^^). Lassen auch diese
^*') Cunradus rector pfuerojruiii in Dresden noster capellamis.
Ulk. Nr. H)33 im H.-St.-A. Dresden. J. Chr. Hasche, Diplom.
Gesch. Dresdens (Dresd. 181H flg.), Urk.-Buch S. 59 (vergl. Beyer
Alt-Zelle S. 572 n. 271) ergänzt die wohl schon zn s. Z. l)Oschädif,''te
Stelle des Peri;anients im S.Worte yax purrulorum, O. Meltzer,
Die Kreuzschnle z. Dresden his z. Einführung' d. Jveforiu. (Dresd.
1886) S. 5 dagegen zu imerorum.
"•') Mag. Ueiiuannus rector parvnlorum in Dresden et ])l('I)anus
in llanstete. Urk. Nr. 2650 im ll.-St.-A. Dresden. Vergl. ]\leltzer
S. 5. Ungenau bei Beyer S. 590 u. 234. Herrn, steht nach zwei
16*
244 Joliannes Müller:
ältesten Nachrichten über das Bestehen einer Schule zu
Dresden im Vereine mit den nächsten aus dem 14. Jahrh.
darüber keinen Zweifel, dass Chor- und sonstiger Kirchen-
dienst zu den Obliegenheiten der Dresdner Rektoren, wie
fast aller mittelalterlichen Schulmeister, abgesehen von den
Leitern der sogen, deutschen Schreibschulen und der Bei-
und Winkelschulen, gehörte, und zählen auch die beiden
ältesten Dresdner Schulmeister zum geistlichen Stande,
so lassen doch schon ihre Bezeichnungen: „Bektor der
Knaben" und „Rektor der Kleinen in Dresden" die An-
nahme zu, dass die betr. Schule eine öffentliche war,
natürlich nur, wie alle Schulanstalten vor der Reforma-
tion, eine fakultative und eine von den oben (S. 5 flg.)
gekennzeichneten sog. klemen Schulen (vergl. nachher).
Auf den Gedanken, dass wir es mit einer Stadtschule
d. h. mit einer unter rein städtischem Patronate und
städtischer Leitung stehenden zu thun haben, bringt uns
einmal der Umstand, dass im 14. Jahrh. und später alle
Beziehung zu dem (zuerst den 7. Juni 1272 vorkommen-
den) Franziskanerkloster in Dresden fehlt; ferner aber
wäre die xlunahme von Männern, welche zugleich aus-
wärts geistliche Ämter (die doch nicht blosse Pfründe
gewesen sein können) bekleideten, zu Schulrektoren sei-
tens des Ortsgeistlichen, hier also seitens des Pfarrers
an der noch ausserhalb der Stadtmauer liegenden Lieb-
frauenkirche, oder gar nur seitens eines Altaristen an
der Kreuzkapelle, bei der die Schule lag, und die Unter-
ordnung solcher Männer unter diese Geistliche als Pa-
trone etc. sehr unwahrscheinlich oder wenigstens etwas
ganz aussergewöhnliches, so dass also der Gedanke, jene
zwei Rektoren seien Kloster- oder blosse Chorschulmeister
gewesen, ausgeschlossen erscheint. Ja bei den eigen-
thümlicheu in Dresden obwaltenden kiichlichen Verhält-
nissen, wornach eben die im alten Dorftheile ausserhalb
der Stadtmauern gelegene Frauenkirche damals die Pfarr-
kirche der Stadt und Festung Dresden w^ar, kann auch
eine Pfarrschule im gewöhnlichen Sinne des Wortes für
Dresden nicht angenommen w^erden. Zur vollen Gewiss-
heit aber, dass wir es hier mit einer Stadtschule zu thun
haben, wird unsere Vermuthung durch eine Urkunde vom
Priestern (darunter der Kaplan Jakob bei den siechen Frauen bei
Dresden) und vor zwei Dresdner Bürgern (darunter Nicolaus Mone-
tarius, der am 6. Jan. 1329 als magister consulura erscheint C S II.
V, 33).
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 245
S.Oktober 1380. Da ordnen die Bürger und Schöffen
der Stadt an, dass von allen Schulmeistern, dem damaligen
und den zukünftigen, in der Zeit von Sonnenuntergang
bis Mitternacht immer 6 „schuler" bereit gehalten werden
sollen, welche vorkommenden Falls den Priestern, die mit
dem Leib des Herrn zu kranken und siechen Leuten
gehen, auf dem Hin- und Herwege mit Gesang vornii-
schreiten; und dabei nennen sie die Schulmeister noch
ausdrücklicli „vnsere schulemeyster" und die Schule „vnsir
schule" ^'^*^). Nicht minder ist den 11. Juli 1394 dem
Dresdner Rathe „der erb er prister meister Francz" „vnser
Schulemeister von Dypuldis^^'alde" ^■"). Dazu kommt, dass
nach den noch aus der Zeit um 1370 erhaltenen Rech-
nungen des Brückenamts die gesamte äussere Verwaltung
der Schule vom Brückenamte, welchem das eine Einheit
bildende Vermögen der Kreuzkapelle (Kieuzkirche) und
der Eibbrücke unterstellt war, geführt wurde, dieses x\mt
aber schon zu Anfang des 14. Jahrh. als dem Rathe
unmittelbar zuständig nachgewiesen werden kann^"^). Die
Dresdner Schule war darnach zweifellos eine Stadtschule :
der Rath besass die Kollatur. Ob und wie weit der
Bischof, bez. der Domscholastikus zu Meissen ein Be-
stätigungsrecht den vom Rathe erwählten Schulmeistei-n
gegenüber hatte, lässt sich bei dem Mangel unzweideutiger
Nachrichten nicht bestimmen ^•^^) ; ebenso wenig giebt es
vollgiltige Belege dafür, dass dem Bischöfe als geistlicher
Behörde das Oberaufsiclitsrecht über die Dresdner Schule
zugestanden nnd er ein solches ausgeübt liabe^'"). Nur
^^^) C S IL V, fi7 f. Vergl. meine Vor- und frühreformator.
Schulordnungen etc. II (1886), '26(5 f.
1"^) 0 S II. V, 94. Er heisst in einer Urk. vom 21. Dez. 1418
„der erbar prister meyster Francze von DipiJokliswalde eyn lerer der
heiligen schritt't, wonhalftig zcu Dresden". C 8 IL V, 137.
^■'«) Meltzer a. a. ü. 7.
^"^) Meltzer 3 f. 34 f. deutet einen Eintrag in der Kämmerci-
rechnung |K R| 1418 („2 gr. eynem hotin keyn Süssen \imhe den
nuwen schulmcistir") dahin, dass es sich um Einholung der bischöH.
Bestätigung geluindelt habe.
'1") Meltzer S. 3, 38 u. 52 glaubt, solche Belege zu haben in
2 Vermerken in KU 1471/72: „32 gr. hat vorczert der Schulmeister
mit eynem statkneeht zcum bischof keyn Wuiczen, als yn dei' ollicial
von eyns schulers wegen geladen hatte, sabbato post Lncie" (14. l)e/..)
.... „6 gr. 6 i)f. nuncio keyn Wurczen zcum liischotl', als man l'ur
den Schulmeister, do yn der official geladen hatte von eyns schulers
wegen, den er gehauwen hat mit rutten, tertia Lncie" (17. Dez.),
desgl. in KR 14r)3/4: „1 schock 40 gr. gegeben Hannse (loran, die
der bischoff do vorczert, also sich die schuler geslagen hatten."
246 Johannes Müller:
SO viel dürfte sicli auf Grund vereinzelter und unvoll-
ständiger Mittlieilungen, für welche die arcliivalisclien
Unterlagen auch erst aus dem 15. Jahrhundert und nicht
aus früherer Zeit vorhanden sind, annehmen lassen, dass
der Bischof eine Jurisdiktion besass oder wenigstens in
Anspruch nahm einmal über den Schulmeister, wenn der-
selbe dem geistlichen Stande angehörte, das andere Mal
über die Schüler, wenn diese Scholaren im engeren Sinne
(s. oben S. 18 u. 37) waren, also auch zu diesem Stande
gerechnet wurden, und dass er Schulangelegenheiten vor
sein Forum zog, wenn in ihnen ein Moment der Sünde
obwaltete imd dagegen die Hilfe des geistlichen Richters
durch Denunziation gesucht Avurde. In andern Fällen
linden wir gleichzeitig eine Jurisdiktion des Landesherrn
und eine Rechtserholung bei der Leipziger Universität ^^^).
Wenn ferner die beiden ersten Schulmeister Dresdens
neben ihrem Schul amte geistliche Stellen bekleideten,
zumal in so entfernten Orten, wie Altranstädt, so hat
diese Thatsache ihr Analogon in dem Auftreten von
Pfarrern als fürstliche Schreiber etc.^^-), legt aber zu-
gleich den Schluss nahe, dass das Dresdner Schulrektorat
ein einflussreicheres und gewinnbringenderes Amt war,
als jene Stellen, die wohl von ständigen Vikaren ver-
waltet wurden. Doch erfahren wir von den Einnahmen
des Dresdner Schulmeisters nicht viel. Um 1370 erhielt
er am Johannistage für seine Betheiligung an dem zu
Ehren des heil. Kreuzes gefeierten Feste vom Brücken-
amte ^/.2 Pfund Heller; ferner empfing er dafür, dass er
mit semen Genossen allsabbathlich einer den 1. März
1371 von dem Meisseiier Markgrafen gestifteten Messe
am Marien- und Maternialtare in dei' Kreuzkirche bei-
wohnen musste (rectori scolarium, ut cum sociis intersit),
Allein eiuestheils kann es sich hier kaum um Knaben, ihre Züch-
tigung oder gegenseitige Kraftprobe handeln, sondern um erwachsene
Schüler, anderntheils ergiebt sich aus der Citation des Schulmeisters
durch den geistlichen Richter die juristische Natur der betr. Fälle.
Dasselbe gilt, wenn endlich noch die K R 1471/2 von einem „Schrei-
ber", d. i. einem erwachsenen Schüler \ind Lehr- u. Pfarrgchilfeu er-
zählen, der bei einem Vergehen wider das 6. Gebot ertappt worden
war und, wie Meltzer 52 angiebt, „nach Stolpen (zum Bischof) ge-
bracht" wurde. — Vergl. unten S. 265.
"1) K R 1475/6: „Hanns stadtknecht vorczert zcu meynen
gnedigen hern von wegen der ungehorsamen schulern 8 gT. 6 pf.
eym botten keyn Leipczk an dy doctores belangende die ungeliorfsam
schuller mit czwehen fragen." Meltzer 52.
"=) Tittmann, Hcinr. d. Erlauchte I, 294.
Die Anfänge des sächsischen Sehuhvesens. 247
vom Altaristen jälirlich ein Schock G-roschen, seine Ge-
nossen (sociis scolae) für jedes Bad am Sabbath 2 Gro-
schen; nach einer Stiftnng- eines Lor. Bnsman für die
Krenzkirche vom 28. Mai 1398 sollte gegeben werden
„dem Schulmeister czn Dresden vnde sinen gesellin vier
schog grosschin, ein schog eyger vnde vier hunre"
(1 Schock Groschen zu jedem Qnatember, Eier nnd Hüh-
ner zu Michaelis), „darvmbe sie daz Salve regina mit den
schulern in der cappellin czum heiligin crucze alle tage
so bie der sunnen vndirgange singen sollin Ynäe darczu
die antiphona von dem heiligin crucze 0 crux." ^^•^). In
sehr guten Verhältnissen muss sich der oben genamite
Schulmeister Franz befunden haben ; er besass in Dippol-
diswalde ein Haus als Erbe, das er nach Urkunde vom
29. Sept. 1419 den Dresdner Franziskanern zur "Wohnuug
eines Terminirers „vmb gotis willen gegebin had"; er
war (11. Juli 1394) ein „erbhere" der Badestube in der
Schreibergasse zu Dresden ^^^) ; er stiftete oder renovierte
wenigstens in der Kreuzkirche 2 Altäre: einen zu Ehren
des Laurentius, Donatus, Hieronj^mus und der Elisabeth,
den andern zu Ehren des heil. Kreuzes, und stattete sie
reichlich aus^*'^), und er erkaufte (21. Dez. 1418) Zinsen
und Gefälle zum Besten einer alle Dienstag abzuhalten-
den Kreuzmesse (in der Kreuzkirche) ^^*^). Eigenthümlicher
Weise richtete sich sein so Avohlthätiger Sinn nicht auf
die ihm am nächsten liegende Schule — eine Erfahrung,
die wir im Mittelalter mehrfach machen (s. u.).
Die Dresdner Schule war wohl schon in der ältesten
Zeit da errichtet, wo sie im 14. Jahrh. erscheint ^^'], bei
der Kreuzkü'che. Für ihre Fenster ist zuerst 1388 eine
Ausgabe verzeichnet, desgl. um 1396 „den estrich vf der
schule czu sclohen 24 gr." ^^^). Ausserhalb der Stadt-
mauer besass die Schule auch einen eigenen Spiel- luid
"3) 0 S IL V, 57. 58. 101.
1") C S IL V, 291. 94.
iJ-^) C S IL V, 91 (.Ulk. V. 25. Nov. 1391). 142 (26. Sept. 1425) ;
vergl. 134.
iȧ) C S IL V, 137
117) C S IL V, 92 (Urk. v. 24. Mai 1393). Sie mit Mcltzor
S. 7 anfänglich auf »lio Sclii-ciliergassc zu verlegen, dazu erhlickc
ich in dem blossen Is^'uneu dieser (rasse nicht genügenden (Jnmd.
Denn jener Name rührt schwerlich nur von Scliülern her, wie M.
vermuthet, sondern wohl von wirklic;hcn Lohnsclireibcrn , Stulil-
Schreibern oder privaten deutschen Schreibhihrcru.
"^) C S IL V, 77. Meltzer 8, Anm. 14.
248 Johannes Müller:
Tummelplatz für die Scliüler und zwar sogar ein Gebäude,
dessen zuerst in der Baurechnung- vom Jahre 1410 wie-
derholt gedacht whd: „der schuler schimpf haus vor
der stat", au das offenbar „der schuler garten" vor
dem Frauenthore, den die Zinsamtsrechnungen von 1413
an aufführen, unmittelbar angrenzte^'-'). Dass in Dresden
nicht, wie anderwärts ^■^''), nur der Kirchhof unter strenger
Aufsicht zu Spiel und Kurzweil der Schüler benutzt
Avurde, das hängt offenbar mit der Lage des Schulhauses
(nicht l)ei dem Kirchhofe der Frauenkirche, sondern an
der Kreuzldrche), mit der wohl schon in alter Zeit vor-
handenen Beschränktheit der Plätze in der Umgebung
der Kreuzkirche und mit der freieren, weniger klerikalen
Artung der Schule zusammen, wie sie die städtische Lei-
tung jnid Verwaltung mit sich brachten.
Über die Zahl der Schüler wissen wir nichts ge-
wisses. Gering kann sie nicht gewesen sein, da sich
unter ihnen schon eine beträchtliche Schaar erwachsener
hervorhebt; sie führen im 15. Jahrh. meist den Namen
„Schreiber". Und wenn in der Jahresreclmung des
Brückenraeisters von 1388 ^■'^^) unterm Johannistag der
„rector scholarium cum 18 sociis" figuriert, so können
letztere bei ihrer grossen Zahl nicht die später „Bacca-
larien" genannten und von den „anderen Gesellen" unter-
schiedenen^^-), vom Schulmeister angenommenen, eigent-
lichen Lehrer sein, sondern eben nur solche ältere, auch
„Schreiber" genannte Schüler, welche über, einzelne
Schülerabtheilungen (Locatien) als Aufseher, Überhörer
des Lernstoffs u. dergl. gesetzt wurden, daher auch „Ge-
sellen" des Schulmeisters hiessen und gelegentlich niedere
Kirchendienste verrichteten und als Scholaren im engeren
Sinne (s. oben S. 37) fungierten ^■^").
"») Meltzer 53. 0. Richter, Verfassnngs- n. Verwaltungs-
gesch. d. St. Dresden I (Dresd. 1885), 11 f. .32.
150) So nach den Schulordnungen von Wien 1446, von Bayreutli
1464, Crailsheim 1480, Landshut 1492 u. ö.-, nach dem „Latinum
ideoma" v. Paul Niavis um 1500 auch in Chemnitz. Vergl. meine
Vor- und frühreformator. Schulordnungen und meinen Artikel: „Die
Memminger Schulordnung v. 1513 — 1514" in K. Kehrs Pädagog.
Blättern f. Lehrerbildungsanstalten XIV (Gotha 1885), 470 f.
^■•1) C S II. V, 76.
^■'") K R 1451/2: „24 gr. gegeben den baccularien unde den
andern gesellen, die den salter lofwen [Psalter lesen] vor iinsers her-
gots [Christi] grabe". Meltzer 27.
i"""*) Den 28. Mai 1398 werden unterschieden der „Schulmeister",
„sine gesellin" und die „scliuler" (CS IL V, 101}. Nach der KR
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 249
Auf den Unterrichtsbetrieb in der Dre.sdner
Sclnüe des 14. Jahrli. erlauben einen Rücksehluss die
Aufzeiclinungen in der Vornuindscliaftsreclinmig für einen
Bürgerssolin, den „jungen Sclionerst", aus den Jahren
1425 — 32 ^'•^). Im Jahre 1425 ward für diesen angeschafft
ein „Benedicite", d. h. die meist vom Schulmeister
oder seinen Gehilfen geschriebenen, aus Luthers kleinem
Katechismus als Benedicite und Gratias bekannten und
schon im 9. Jahrhundert nachweisbaren Tischgebete, für
2 Groschen; ferner im Jahre 1426 ein Donat, d. i. die
in Frage und Antwort abgefasste lateinische Formenlehre
des Grammatikers Aelius Donatus in Rom (um 350 n. Gin-.) :
Donati de partibus orationis ars minor, für 20 Groschen.
Es folgten 1427 „eyne regele", d. i. die elementare
latemische Formen- und Konstruktionslehre eines wohl
aus Florenz stammenden Benediktiners llemigius (f 1312),
gewöhnlich betitelt „regulae pueriles Remigii", für 1 Gr.
und „eyn buch genant prima pars'--, d. i. der 1. Tlieil des
„Doctrinale puerorum" des aus Villa dei (j. Ville-Dieu
des Poeles) gebürtigen, später die Würde eines Stifts-
herrn von S. Andre zu Avranches üi der Normandie be-
kleidenden Klerikers Alexander (um 1200), einer in 2660
leoninischen Hexametern abgefassten und in 12 Kapitel
getheilten lateinischen Grammatik, deren 1. Theil (Kap.
1 — 7) in 1082 Versen die Declination, Heteroclita, Com-
paration, Genera (der Nomina), sowie die Perfecta und
Sui)ina, Defectiva und Anomala und die 4 Formen der
Zeitwörter behandelt. Auch ein „Katho" wurde noch
1427 nöthig (mit der „i)rima pars" zusammen für 7 Gr.);
es ist das wegen seiner einfachen kurzen Lebensregeln
(56 breves sententiae) in allen mittelalterlichen Schulen
beliebte, in Prosa geschriebene kleine Schulbuch, das
fälschlich den Namen des durch seine Sittenstrenge be-
kannten Römers Cato Censorinus trägt und vielfach einer
im 3. — 4. Jalirh. n. Chr. in 4 Büchern zusammengestellten
Sammlung von Sittensprüchen (Disticha Catonis de mori-
von 1407 lasen Andreas (Sclaihiieister) und „syne j^csellen" (für 18 p-.)
den Psaltoi' in dei' Marter(Kar-)w()(lie und erliielten 24 ^i: „von dem
8alter czu Icscmi vun dem L;Tid>c viifscs hcrcn"; desyl. 1412 zu Ostcrii
die „sehrihcr" 24 yr. „von dem saltcr /.cu lelsin", dcs^l. 142H dii'
„locaten, dy do haben den salter i'-ek'.sen obir dem i>ral)f" 24 yr.
Meltzer 27; vergl. 51 (die „Sdireil)er" erhalten 14i»4 (icld für das
Läuten, erbitten 1451 Geld zur Osterkerze u. s. w.). 52. 2^.
'••') Kathsarchiv Dresden A X VI. lo Bl. I<;b f!g-. Meltzer lü C.
250 Johannes Müller:
biis ad filium) voraiifgesetzt, meist aber für sich allein
verbreitet und verwertliet wurde. In den Jahren 1431
bis 1432 brauchte der junge Schonerst noch 2 Bücher (für
10\/o und 6^/2 G-r.), welche leider nicht näher bezeichnet
sind, aber vielleicht der 2. und 3. Theil des Doctrinale
Alexandri waren, d. h. jene Theile, von welchen der
eine das 8. und 9. Kapitel (Vers 1083—1558) des Doctri-
nale und darin die Rektions- und Konstruktionslehre, der
andere das 10. Kapitel (Vers 1559—2294) mit der Quan-
titätslehre umfasste. Sämtliche Schulbücher waren in
lateinischer Sprache geschrieben und sind die in den ge-
wöhnlichen lateinischen Schulen des 13.^ — 15. Jahrh. üb-
lichen ^■'-'), die schon oben S. 7 theilweise berührt worden
sind und denen wir in Bautzen (i. J. 1418) wieder be-
gegnen werden.
Aus der Zeit der für diese Schulbücher jremachten
Ausgaben und ihrer Aufzeichnung fällt auch zum ersten-
male einiges Licht auf die Dauer des Schulbesuchs in
Sachsen. Der junge Schonerst ging darnach und weil
für ihn zu Michaelis 1434 zum letztenmale das Schul-
geld bezahlt worden ist, vom Jahre 1425 bis 1435 un-
unterbrochen zur Schule, also 10 Jahre lang. Da schon
im 14. Jahrh. gewöhnlich mit dem vollendeten 7. Lebens-
jahre der Eintritt in die Schule erfolgte, so dürfte der
Abgang des gen. Schülers in sein 17. Lebensjahr gefallen
sein. Und diese schönen Jugendjahre wurden im Schul-
unterricht vorwiegend mit der Erlernung — oder richtiger
dem Einpauken — trockener lateinischer Formen, B,egeln
und Distinctionen und entsetzlich langweiliger, schwüls-
tiger Verse grammatischen und metrischen Inhalts hin-
gebracht! Die Humanisten und Reformatoren haben
• ^■^■') Vergl. meine Quellenschriften und Geschichte des deutsch-
sprachl. Unterriclits bis zur Mitte des 16. Jahrh. (Gotha 1882) S. 208 f.
218 flg. 259. 214 ilg., sowie den oben sub 150 citiert. Art. in Kehrs
päd. Bl. S. 382; ferner K. J. Neu deck er, Das Doctrinale des
Alexander de Villa -Dei (Leipzig. Inaugur.-Dissert., Pirna 1885)
S. 5 flg. — In einer für den jungen Eabian Romchin in Dresden vom
J. 1434—38 geführten Rechnung (Meltzer 16 f.) sind abgesehen von
den beiden ersten, dem „Benedicite" u. „Donat", dieselben Schul-
bücher verzeichnet, nur dass da der 1. Theil des Doctrinale Alexandri,
Avie auch anderwärts regelmässig, niclit schon, wie oben, gleichzeitig
mit dem Cato, sondern erst später erscheint. Im J. 1434 wurden
nämlich ausgegeben für „eine regel vnd Kathonem* 15 Grosch.,
1436 für „eyn buch genant ■prima pars"' 8 Grosch., 1437 für „eynen
Alexandrnm'' (wohl 2. u. 3. Theil des Doctrinale) 16 Gr. und für
noch ,eyn buch" 3 Groschen.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 251
wenigstens für das 14. Jahrh. und die 1. Hälfte des 15.
Recht, wenn sie die lateinischen Schulen Marteranstalten
und „carnificinae" nannten.
Gehen wir in der chronologischen Folge der säch-
sischen Schulen Aveiter, so kommt im Jahre lo04 in
Lössnitz am Fiisse des Erzgebirges ein „Ch. vice-
plebanus in Lesnitz sacerdos rector scholarum ibidem"
vor und zwar als 1. Zeuge in einer Urkunde des Burg-
grafen Meinliard von Meissen ^""). Er war, da er sich
vor allem stellvertretender Pfarrer und Priester nennt,
übrigens auch die Ansiedelung von Mönchen in Lössnitz
durch ein Privilegium des Burggrafen Meinliard von
Meissen vom 19. Febr. 1284 geradezu verboten war, otten-
bar der Leiter einer Pfarrschule, vielleicht einer, die
sich schon zu einer Stadtschule erweitert hatte.
Als Stadtschule sicher nachweisbar, die Zweitälteste
Sachsens neben der Dresdner, ist die Schule zu Zittau.
Zum erstenmale wird ihrer den 24. Mai 1310 in euiem
Vertrage des Eathes mit den Kreuzherren gedacht ; die-
selben traten damals der Stadt einen ihnen gehörigen
Platz neben der Schule (area sita circa scholas) ab^").
Dass letztere unter städtischem Patronate stand, lässt
schon der Umstand vermuthen, dass der erste bekannte
Schulmeister Zittaus „Chunradus magister scole" den
21. August 1312 als Zeuge unter den 12 Geschworenen
(juratis) der Stadt (und zwar als 6.) auftritt ^'^^) ; es erhellt
aber zweifellos aus einem Vertrage vom Jahre 1352, worin
sie der Rath ausdrücklich als „vnsere Stadtschule"
bezeichnet und sie unter Wahrung aller seiner Rechte
der Leitung des Johanniter - Komthurs unterstellte, weil
dieser „sich besser verstehet, welch meister zu der schul
tüchtig sey". Der Komthur sollte die Schule dem Schnl-
meister „reichen, um dals er [der Sclmlmeister] auch
furcht vor ihm [dem Komthur] haben möge, dals er den
chor und auch die schule halte nach ehren und nach
weilsheit und auch nach rechte" ^"^). Der erste bekannte
^58) G. F. Ocsfeld, Hist. Besclireihnng einiger merkwürdiger
Städte im Erzgoliirge, insonderheit ... Lössnitz I (iiiiUe 177(i), 184.
1") U. Kollier, Cod. diplom. Lusat. L- (Görlitz 1856), 19(5.
Th. Gärtner, Die Zittauer Sc^imlc bis z. (Jriindung des (iyninas.
(in d. Festschr. d. Gymu. 188«) S. 2.
'ö«) G. Köhler, Cod. diplora. Liisat. II (Görlitz 1851), ii8
(v. Gärtner üherseheii).
i"'") Meine Vor- u. friihref. Schalordn. T, 23 f.
252 Johannes Müller:
Scliulmeister Zittaus, jener Cliunradiis, hat möglicher-
Aveise sein Amt ziemlich lange innegehabt ; denn auch im
Jahre 1327 war ein Conradus „magister scholarum". Im
Jahre 1363 erscheint Petrus Zwicker von Wormditt (bei
Königsberg in Preussen) als Leiter der Schule, der dann
1381 in das Coelestinerkloster auf dem Oybni als Prior
eintrat ^''*^). Die Schule muss damals eine beträchtliche
SchiUerzahl gehabt haben; denn noch gleichzeitig mit
Zwicker \Yar Conrad Weissenbach aus Escliwege in
Hessen drei Jahre lang Locat (Unterlehrer) und Suc-
centor^''^). Beide Lehrer stammten also, wie das bei
dem Wanderleben von Lehrern und Schülern in jener
Zeit nichts Seltenes war, aus weiter Ferne, ebenso der
iSachfolger Zwickers, Mag. Johann de Luberosa (Liebe-
rose nördlich von Kottbus), der 1403 Kaplan in Zittau
wurde ^*'-). — Dass es an armen Schülern in Zittau nicht
fehlte, belegt ein Vermächtnis einer Katharina Hoft'mann
vom Jahre 1397; dieselbe legierte G Schock Prager Münze,
„davon füuf Stück Tuch zu kanten und die mit einander
auf einmal aruien Schülern in der Schule nach bestem
Gewissen und Verstände auszutheilen" ^^'■^).
Ähnlich wie mit der Lössnitzer Schule verhält es
sich auch mit den beiden auf die Zittauer zeitlich fol-
genden Schulen zu lleichenbach und Plauen im Vogtlande.
Uuterm 28. Februar 1315 wird als Zeuge in einer das
Deutschordenshaus zu Peichenbach betreffenden Ur-
kunde und an letzter Stelle nacli den Deutschordens-
brüdern, aber ohne die Bezeichnung „frater" ein H. [d. i.
wohl Heinrich] Priester und Rektor der Kleinen („sacer-
dos rector parvulorum ibidem") genannt ^*^^). Vier Jahre
später erscheint der älteste bekannte Schulmeister von
Plauen: „Mag. H. rector parvulorum de Plawe" in einer
Urkunde vom 24. Febr. 1319, gemäss deren er dem deut-
schen Orden 25 Mark Silbers schenkte — ein Zeichen
eines gewissen Wohlstandes — , damit für ihn in der
■160) Gärtner S. 3. Verg-l. dazu über Zwicker C S II, VII, 2.13
u. Mo s eil k an, Oylün-Clironik S. 139.
^•>i) Gärtner S. 5 lässt ihn v. 1370—81 in Zittan amtieren-, das
stimmt nicht zu den „tribus amiis" in der Aufzeichnung' v. .1. 1305
im C S II, VII, 243. Im J. 139.T wurde Wisziiibach Stadtsclir(>iber
in Zittau, zuvor war er 11 Jahre Kektor u. Stadtsch reiber in Löbau,
3 Jahre vorher Succentor 1 2. Kantor neben dem zugleich das Kantorat
verwaltenden SchuhneisterJ in Zittau.
"'2) Gärtner S. 3. — lo») Gärtner S. 7.
10') Meine Mittlieil. d. Alt.-Ver, z. Plauen IV < 1884), Urk. Nr. 54.
Die Aiifäne-e des sächsischen Schulwesens. 253
■■to
Kirche zu Adorf Seelmessen gehalten würden^"''). In
Plauen, dessen erste Kirche (S. Johannis) im Jahre 1122
gegründet worden ist, hatte der deutsche Orden im Jahre
1224 die Kirche mit allem Zubehör von Vogt Heinrich
von Weida geschenkt erhalten, ebenso den 28. Febr. 1265
Kii'che und Patronatsrecht in Eeichenbach vom Vogte
zu Plauen. Da nun noch in den Deutschordens -Gülte-
registern vom Jahre 1448 (im St.-Arch. Königsberg) aus-
drücklich je „1 schulemeistir" in Reichenbach und Plauen,
für Plauen auch „1 schulerbruder" (Scholar im engeren
Sinne), als zu den dasigen Deutschhäusern gehörig auf-
geführt wird, schwerlich aber an diesen Orten mehrere
Schulmeister zugleich amtiert haben, so dürften die
Schulen beider Städte Stiftungen des deutschen Ordens
sein^*'^), der ja ohnehin im Vogtlande wie nirgends sonst
in Sachsen sesshaft und eintiussreich war. Sie waren
offenbar zunächst Pfarrschulen. Doch muss nach ander-
weiten Nachrichten ein Conpatronat des Stadtraths,
wenigstens für Plauen, angenommen werden und der
Schulmeister ebenso im Dieuste der Stadt wie des
deutschen Hauses gestanden haben . Am 24. Juli
1382 Avar der „Pector scolarum" Friedr. Ey banger aus >
Nürnberg, der sich 1388 „magister artium liberal." etc.
nennt, zugleich Stadtschreiber (prothonotarius) und legte
auf bürgermeisterlichen Befehl ein Privilegien- und Zins-
buch an, ebenso den 23. März 1388 1«'). Diese Ver-
einigung des Stadtschreiber- und Schulmeisteramts
ist bei Rektoren, die des Lateinischen kundig waren, also
die im 14. Jahrh. noch vielfach lateinisch ausgestellten
Urkunden lesen oder anfertigen konnten, nicht selten, in
Sachsen aber für das 14. Jahrh. ausser bei Plauen nur
noch bei Löbau belegbar. Auf den Unterricht der
Schüler war diese Vereinigung sicher nicht ohne Ein-
fluss ; er wurde mehr auf das praktische Bedürfnis des
Lebens gewiesen und gestattete der sogen, „ars dicta-
minis" oder dem Formularschreiben, d. h. der Anleitung
zur Anfertigung von aUerliand Geschäfts- und sonstigen
Briefen und Schriftstücken und jedenfalls auch in deut-
scher Sprache, der sogen, deutschen Rhetorik, mehr
Raum^*^^). Im übrigen mögen die Ziele der beiden vogt-
1«'^) Mitth. (I. A.-Ver. Plauen II (1882), Urk. Nr. CG.
ißo) Ebenda I (1880), S. 33 f. Vogtl. Anzeiger 1884 Nr. 248, S. 2.
Iß') Jklitth. d. A.-Ver. Plauen V (1885), Urk. Nr. DXXVllI.
168) Meine Quellenschriften etc. S. 358 Üg.
254 Johannes Müller:
ländischen Schulen, ebenso wie die der Dresdner und
Zittauer Schule, die der oben beschriebenen „kleinen
Schulen" gewesen sein. Beachtlich ist auch der Umstand,
dass der Plauensche Rektor Eybanger ein an einer Uni-
versität rite promovierter Magister war, der erste säch-
sische Schulrektor dieser Art, und dass er aus Nürnberg,
dieser für alles Reale wie Ideale damals gleichmässig
empfänglichen Stadt stammte, nicht mmder, dass er sein
Amt so lange Jahre hinter einander verwaltet hat: die
Zeit des steten Rektorenwechsels und die Praxis der
Bestallung der Schulmeister auf nur ein Jahr scheint in
Sachsen im 14. Jahrh. noch nicht angefangen zu haben.
Vergl. nachher Lobau.
Gleichen Alters, wie die älteste Nachricht über die
zwei vogtländischen Schulen, ist die über die Schule zu
Pirna. Die erste Kunde von ihrem Vorhandensein giebt
der Vertrag, in welchem ein zwischen dem Dominikaner-
kloster zu Pirna und dem dortigen Stadtpfarrer Albert
ausgebrochener Streit den 30. März 1317 beigelegt worden
ist. Da ward u. a. den Mönchen das Recht zugestanden,
bei sich jeden zu beerdigen, der es wünsche; aber zu-
gleich ward dem Pfarrer das Recht gewahrt, den Leichen-
zug bis zur Klosterpforte zu veranstalten unter Beglei-
tung von Schülern („cum processione scolarium"). Ebenso
ist am 8. Sept. 1335 von „den schulern" die Rede, mit
welchen arme elende Leute „czu der kirche vnd czu
deme grabe" gebracht werden; „deme schulemeistir" soll-
ten dafür von einem Stiftungskapital jährlich 10 Groschen
gezahlt werden; 2 Groschen wurden demselben noch zu-
gewiesen für seine Anwesenheit bei dem damals gestif-
teten Jahrgedächtnis für einen Pirnaischen Bürger und
sein Eheweib ^*^^). Das sind die einzigen Mittheilungen
über die Schule zu Pirna aus dem 14. Jahrh. Zu dem
Dominikanerkloster hat dieselbe gemäss der Urkunde vom
30. März 1317 offenbar in keinem Abhängigkeitsverhält-
nisse gestanden, sondern war wohl eine Pfarr- oder
Stadtschule. Lag sie doch auch nach einer Urkunde
vom 20. März 1436 gleich bei der Pfarrkirche und zwar
wohl seit alter Zeit"*^). Ob das Cistercienserkloster
160) C S II. V, 472 u. 350. Vergl. R. Hofmann, Die kirchl.
Zustände d. St. Pirna vor d. Einführung d. Reformation i. J. 1539
(Pirna 1887, Realsclmlprogr.) S. 87.
1™; 0 S IL V, 417.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 255
Ossegg in Bölimen, welches i. J. 1331 Patron der Pfarrei
Pirna wurde"'), auf die Schule Einfluss hatte, ist unbe-
kannt.
Am 19. Nov. 1320 begegnen wir der ersten Juden-
schule und zwar an demselben Orte, von wo die Ge-
schichte des sächsischen Schulwesens ihren Anfang ge-
nommen hat: in Meissen""-). Hier hören wir im Jahre
1286 (den 6. Juli) von einem Judenberge; aber schon
früher hatten sich die Juden in der Markgrafschaft
Meissen des Handels angenommen und trieben solchen
aucli verbotener Weise, so dass in der Fürstenversamm-
lung im Jahre 1009 dem Markgrafen Gunzelin von
Meissen vorgeworfen wurde, er habe Leibeigne an Juden
verkauft ^'•^). Im Laufe der Zeit mehrte sich ihre Zahl,
so dass Markgraf Heinrich im Jahre 1265 eine allgemeine
Judenordnung erliess, zu einer Zeit, wo man sonst sehi^
wenig an allgemeine Gesetze dachte"^). Die Stadt Meissen
wurde die Metropole der Juden in den Marken Meissen
und Osterland. Seit der 2. Hälfte des 14. Jahrh. führten die
Markgrafen sogar den sogen. Judenkopf als Helmschmuck,
wozu wohl die ihnen von den Kaisern bestätigte Berech-
tigung zur Ausübung des Judenschutzes und die Beleli-
nung mit den damit verbundenen Einkünften, dem Juden-
schatze, aus der 1. Hälfte des 14. Jahrh. Anlass gegeben
hatten"'). Unter diesen Umständen und bei dem noch
heute beachtlichen Bildungsstreben der Juden ist es nur
natürlich, wenn wir im Jahre 1320 jene Judenschule an-
treffen. Näheres über ihre Gründung und Einrichtung
wissen wir nicht. Wenn W. Schäfer Eecht hat, so ^\ar
es eine der bedeutendsten jüdischen Lehranstalten, „in
welclier jüdische Gelehrte und Rabbiner gebildet wurden";
dann wäre es ein „Studium generale" "•*), wie es im 15.
"1) C S IL V, 342 f. 345 f. 355. 376 f. Hof mann S. U f.
i''-) C S IL. I, 311: scola Judaeoruin contra Alhim.
'■3) C S IL IV, 124. — Posse, \). ]\Larlvgi-af. v. Meissen S. 2(»9.
"*) Gedruckt bei K. Sidori, Gesch. der Juden in Sadiseu
(Leipzig- 1840), S. 140 flg. O. .Stohlie, Die .luden in Deutschhind
während des M.-A's. (Brauuschweig 18He>) S. 305 f. Vergl. Titt-
mann I, 393 f.
^''■>) Urk. Ludwigs IV. f. sein. Schwiegersohn, Markgr. Fiiedr.
den Ernsten v. 13. Apr. 1330. Vergl. G. Klemm etc., Sachsengrün
1. Bd. (Dresden 1861) S. 24 u. 42. Mitth. des V. f. Gesch. d. Stadt
Meissen I, 3, 20 flg.
"") Bei Klemm, Sachsengrüu S. 42.
256 Johannes Müller:
Jalirli. Regensburg besass^"), ein sogen, grosses Lehr-
haus gewesen, welches nach einer alten jüdischen Schul-
ordnung aus dem 12.— 13. JahrhJ'^) am Sitze der Landes-
regierung bestehen und durch Steuern der jüdischen
Einwohnerschaft erhalten werden sollte; in solchen An-
stalten sollten vom 13., bez. 16, Lebensjahre an abgeson-
dert im Alumnate lebende Jünglinge 7 Jahre lang eine
theologisch -juristische Bildung erhalten und die sogen,
grossen Traktate (Talmud) lernen; sie dienten sowohl als
Bildungsanstalten für Lehrer als auch sollte die Rechts-
pflege für die israelitische Gemeinschaft von ihnen aus-
gehen. Wahrscheinlicher war die Meissener Judenschule
nur ein sogen, kleines Lehrhaus, welches nach jener Schul-
ordnimg überall in anderen Städten in Verbindung mit
dem Bethause erbaut werden sollte. Darin erlangten
Knaben vom 5. (bis 8.) Lebensjahre an 7 Jahre lang den
im Mittelalter ausschliesslich i'eligiös gearteten öffent-
lichen Unterricht, bestehend in der Kenntnis des Lesens
(und Schreibens?), der Lektüre, Übersetzung und Einprä-
gung der leichteren religiösen Schriften (2 Jahre Thorali
[5 Bücher Mose], 2 Jahre Propheten und Hagiographen,
3 Jahre die kleinen Traktate [Mischna]). Je 10 Knaben
standen allemal unter einem Lehrer, der täglich die-
selben 4 — 5 mal zu unterrichten und wöchentlich, monat-
lich und semesterweise Generalrepetitionen und Prüfungen
anzustellen hatte, alle Lelu^er unter einem Rektor, der
bis 100 Schüler annehmen, diese aber nicht selbst unter-
richten, sondern nur die Lehrer (Repetenten) zu beauf-
sichtigen und ihnen täglich zweimal instruierende Vor-
"') Gemeiner, Reichstadt Regeusburgische Chronik (Regensb.
1800—24) III, 617. Urk. v. 1478: stud. generale . .. hiucque factum
est, ut ipsi reliqiiorum in uatione Grermanica Judaeoriim veluti doc-
tores et patres evaserint. — Stobbe S. 80. — Nach Bavaria,
Landes- u. Volkskunde d. Kgr. Bayern II (München 1863), '682 zählte
die Regensburger Judenschule 1. J. 1519 bei der Judenvertreibung
über 80 Schüler.
^'*) .Das Ruch der alten Gesetze der Lehre" bei M. Güde-
mann, Gesch. des Erziehungswesens u. der Kultur der Juden in
Frankreich u. Deutschland v. 10.— 14. Jahrb. (Wien 1880) S. 93 flg.
(deutsch); S. 267 flg. (hebrä.). Vergl. dieA^erbesserungen in Text, Über-
setzung, Zeitbestimmung durch Virt bei Z. Frankel-H. Graetz,
Monatssclirift f. Gesch. u. ^Mssensch. des Judenthums, XXIX (1880),
428 flg. u. durch D. Kaufmann i. Göttinger gelehrt. Anzeig. 1881,
Stück 52, S. 1648 flg.
Die Anfänge des sächsisclien Sclinlvveseus. 257
träge zu halten liatte ''■'). — Den 16. Okt. 134y wird die
Judenscliule zu Meissen nochmals urkundlich erwähnt ^^*^),
und den 25. Nov. 1377 wurde „dy iudenschiüe, dy do
1™) Verg'l ausser den „Clesetzen der Lehre" bei Güdemann
noch S. 117 üif. — Eine Synagoge im engeren Sinne, wie man
nach Grimm's Deutsch. Wörterb. IV, 2. Abth Sp. 2356 meinen könnte,
ein blosses Bethaus kann die Meisseuer „Judeuschule" nicht gewesen
sein, da die Juden auf die Lehre das Hauptgewicht legten u. es für
ein frömmeres Unternehmen galt, Grehl für Unterrichtszwecke, als für
die Erbauung von Gotteshäusern zu spenden, und demgemäss öftent-
liche Schulen von den Juden des M.-A's. überall unterhalten wurden
(Güdemann 117; vergl. bei B. Strassburger, Gesch. d. Erzieh.
u. d. Unterr. bei den Israeliten bis auf d. Gegenwart [Stuttgart 1885J,
S. 114 f. das jüdisch-kastilian. Gemeindestatut v. J. 1432, wornach
jede Gemeinde von 15 Familien einen Jugendlehrer, jede Gemeimle
von 40 Familien einen Talmudlehrer anstellen sollte; ausserdem
ebenda S. 100 f. u. 135). Und wenn Luther das griech. -biblische
Wort Sj'nagoge mit Judenschule verdeutscht, so muss zu seiner Zeit
und im M.-A. unbedingt etwas Schulartiges dagCAvesen sein, und die
Synagoge, die schon in altjüdischer Zeit nicht bloss zum Gottesdienste,
sondern als „Gemeindehaus" diente (E. Riehm, Handwörterb. d.
bibl. Alterthums, Leipzig 1884, II, 1594 u. Strassburger S. 10),
ausser den Zwecken des Gottesdienstes und der Rechtspflege aucli
denen des Unterrichts gedient haben, falls nicht unmittelbar mit ili)-
ein besonderes Lehrhaus verbunden war (vergl. u. a. die zwei Judeu-
schulen und Synagogen zu Erfurt und Halle in d. Urk. Kaiser
Friedr. III. v. 18. März 1407 bei J. C. v. Dreyhaupt, Beschr. des
Saalkreises, Halle 1755, II, 501 u. M. AViener, Regesten z. Gesch.
d. Juden in Deutschi, im M.-A., Hannover 18K2, S. 158, 103 u. ö.).
In ärmeren Gemeinden musste dann ein und derselbe Beamte die Ge-
schäfte des Rabbi, Lehrers und Vorbeters versehen (Güdemann
115). — Was Grimm, Weigand, Lexer etc. in ihren deutsch, u. mhd.
Wörterbüchern im Artikel Judenschulc sagen, istsehr unzureicbcnd.
Aus den angezogenen Belegstellen, soweit sie nicht Luthers IMliel-
übersetzung entnommen sind (bei Grimm die älteste v. 28. Febr.
143B, bei Lexer, bez. Weigand v. 15. Nov. 1387 u. Apr. 1478),
ergiebt sich schon, dass die ..Judenschule" als Gerichtsstätte diente,
wie es der 8. Artikel der (latcin ) ]\reissener Judenordnung v. 1205
ebenfalls voraussetzt. Für die Ik'dcutnng des Wortes ^Judi-nschule"
im Sinne einer öffentl. Lehranstalt spiicht ganz klar ein Nüinberger
Rathserlass v. Hl. Aug 1400, woi'in befohlen wurde, dass „lürbasz
ze Nüinberg dlicin judenscliule nit sein snl", der Rabbi entlassen
werden und die jüdischen Bürger ihre Kinder privatim in iliren
Häusein unterrichten lassen sollen (s. meine „Schulordnungen etc."
IE, 270 f.; ül)rig(!ns wii'd damals die Judenschule auch als das
„gemein haws" bezeichnet). Eiinnert sei auch nocli an den „Ysaack
Jude kindclei-er" im Bedebuch v, Fi'ankfurt a. M. v. 1402 (G. Kriegk,
Deutsch. Bürgeithum im Äl.-A., N. Folge, Frankf. 1871, S. 359, (;2)
und an den Priester „Johannes Jodinschiib'r" in Pirna (d. 2.^. Febr.
1418 im C S II. V, 394 f.) oder den Rathmann „Niclaus .Luh-n-
schuler- ebenda (15. Febr. 1415, ebenda 390, vergl. 510).
180) CSU. I, 308.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. Vlll. 3. I. 1'''
258 Johannes Müller:
gelegin ist in der pharre czu sente Niclaus, dye dy
bürgere mit allem rechte gehabt haben", von Mark-
graf Balthasar von Meissen mit Zustimmung der Bürger
dem Pfarrer zu S. Nikolaus in Meissen verliehen und
gegeben, während der Pfarrer auf seine Ansprüche an
die Hofstätten der Judenliäuser zu Gunsten der Bürger
verzichtete ^^^). Man möchte meinen, dass es sich bei
letzterem Vergleiche um ein leer stehendes oder wenig-
stens von den Juden nicht mehr gebrauchtes Schul-
gebäude handelte, nicht bloss um den Niessbrauch der
von der Schule zu entrichtenden Abgaben. Man müsste
dann annehmen, dass im Jahre 1348 oder 1349, wo Mark-
graf Friedlich eine Judenverfolgung vornehmen liess^*^-),
die Meissener Judenschule aufgehoben und mit den an-
deren jüdischen Gebäuden oöenes Lehen gCAVorden sei.
Die Meissener Bürger könnten aber auch dadurch Rechte
auf die Judenschule erlangt haben, dass zu einer Zeit,
wo den Juden der Erwerb von Grundbesitz untersagt
war, diese den Grund und Boden gegen einen Erbzins
von den Bürgern erhalten hatten ^^'^).
Am 24. Juni 1331 tritt in Bautzen, von dessen
Stifts-Chorschule schon oben S. 23 flg. die Rede war, als
Zeuge in einer Schenkungsurkunde für das Domstift, der
erste mit Namen bekannte Schulmeister auf: Petrus rec-
tor scolarum in Budissin^*^). Es ist nicht ersichtlich,
was für einer Schule dieser Rektor vorstand. Die Be-
titelung lässt die Annahme einer Stadtschule zu, und
dazu würde die Thatsache passen, die mit der Existenz
einer vom Stift vollständig abhängigen äusseren Stifts-
schule nicht wohl vereinbar ist, dass in den oben er-
wähnten Konradinischen Stiftsstatuten vom Jahre 1372
zwar mehrfach von Schülern die Rede ist, nie aber von
einem Schulrektor, und die Schüler dem Stiftskantor,
i«i) CS IL IV, 35. Hasche, Dipl. Gesch. Dresdens, Urk.-
Buch S. 235.
isa') Verl?!. 0. Richter, Verfassimgsgesch. der Stadt Dresden
(Dresd. 1885)"^ S. 227.
1^3) Stobbe 169. So geschah es d. 27. Ang. 1500 zu Schwein-
furt: das Eigeuthum an der .Judcnschule nnd dem Judenkirchhof
sollte der Stadt gehören, die Juden den Besitz haben. M. Wiener,
Begesten z. Glesch. der Juden in Deutschi, während des M.-A's. I
(Hannover 1862), 211 Nr. 706.
'^^) Urk. im Domarchiv Bautzen. Herrn. Knothe, Zixr ältest.
üesch. der Stadt Bautzen, in dieser Zeitschr. V (1884), 113.
Die Anfäiigo des sächsischen Schiilwesens. 2o9
der zuerst 1355 erwähnt sein solP^'*), und seinen Pruvi-
sores unmittelbar unterstellt erscheinen. Auch hören wii"
nie etwas von einer eigentlichen sogen, äusseren Schule
beim Stift; wohl aber stellt sich im Anfange des 15.
Jalirh. (1418) die Bautzener Schule als eine städtische
dar, so dass man annehmen muss, dass neben der Stifts-
Chorschule sich eine öffentliche Schule bei der Pfarr-
kirche^^*') entwickelt hat. Über die Kollatur dieser
öffentlichen Anstalt wurde im 14. Jahrhundert lange Zeit
(dudum) zwischen dem Stiftskapitel, dessen Scholastikus
wie anderwärts die Oberaufsicht und die Sportein bean-
sprucht haben muss, und dem Käthe der Stadt Streit
geführt. Kaiser Karl IV. entschied denselben am 19.
Juni 1364^^") zu Gunsten des Kapitels ; es wurde damals
verordnet, dass die Wahl (electio) eines Schiürektors
(rector scholae) dem Kapitel zustehe und dass dieses
einen geeigneten Mann anzunehmen (assumere) habe,
welcher dem Schulregiment vorzustehen vermöge und so-
wohl der Kirche als den Knaben oder Scholaren (tam
ecclesiae quam pueris seu scholaribus) nützlich sei und
dieselben zweckmässig in Wissenschaften und Sitten un-
terweisen (in scientia et moribus informarc^ könne, und
dass die Knaben oder (seu) Scholaren gehalten seien, an
allen Festtagen bei der Messe und der Vesper lediglicli
(duntaxat) in der Stiftskirche (also wohl nicht in der
1293 begründeten Marienkirclie) anwesend zu sein. Es
scheint aber, dass die Schule dem Einflüsse des Stifts-
kapitels bald wieder weniger unterstellt war, da in den
Stiftsstatuten vom Jahre 1372, wie schon erwähnt -wor-
den ist, eines Schulrektors, der vom Stifte abhängig
wäre, gar nicht gedacht wird, sondern nur eines Kan-
tors. Hinsichtlicli ihrer Leistungen und Ziele ist die
Schule nur für eine jener „kleinen Schulen" zu halten,
von denen schon öfters gesprochen ist und deren Lehrer
ebensogut Laien wie Geistliche sein komiten, wenn sie
nur den Stiftskapiteln füi^ gewisse gottesdienstliche Ver-
richtungen Schüler stellten, bez. auch selbst mit zu Ge-
bote standen, die ausbedungenen Abgaben entrichteten
18^) C. Wilke, Chronik der St. Budissin (ebenda 1843) S. 20
u. 40 f.
'*"*) Dafür, dass sich die Schule in dem angeblich v. 121«— 2H
erbauten Franziskanerkloster befunden habe, wie Wilke S. i:U
(vergl. 21) angielit, linde ich keine Belegt'.
1") Nachlese Oberlausitzischer Nachrichten (Zittau 1771) S. '.»:}.
17*
260 Johannes Müller:
und sonst die gebührende Ehre erwiesen. Auf die inter-
essanten Bestimmungen der deutschen Bautzener Schul-
ordnung vom Jahre 1418, der ersten sächsischen dieser
Art, welche Abgaben der Schulkinder fixiert, die gewiss
schon im 14. Jahrh. üblich Avai'en, kann hier nur kurz
eingegangen werden ^^^). An der Schule wirkten damals
ausser dem Rektor und ausser einem Kantor, der vielleicht
der oben angeführte Stiftskantor war, „Locatoren" (oder
Locati) und ein „Signator" ■ — ■ letzterer wohl, wie an-
derwärts, als Metten-, Tertien- und Vespersänger, als
Wächter äusserer Reinlichkeit und Beauftragter des
Rektors in gewissen Lektionen ^'^^). Das Schuljahr be-
^***) Abdruck in meinen Schulordnungen etc. I, 38 f. nach
der „Nachlese Oberlaus. Nachr." (1771) S. 94 f. Wilke a. a. O.
S. 134 flg. verlegt die Schulordnung ins J. 1417, giebt aber offenbar
einen korrumpierteren Text, als die „Nachlese etc.". Die vorhan-
denen sachlichen Differenzen können nur durch das Axiffinden des
Originals oder einer zuverlässigen Kopie gehoben werden. Neuer-
dings von mir wieder angestellte Nachforsciiungcu sind bis jetzt ver-
geblich gewesen.
^*') Dem Titel „signator" für einen Lehrer und zwar Unter-
lehrer bin ich nur in schlesischen und lausitzer Urkunden begegnet,
zuerst d. 29. Mai 1369 in einer die Elisabethschule zu Breslau l)etr.
Urk., wo ein „Bei'uardus signator, cleiicus Misnensis diocesis" neben
dem Rektor und Succentor (auch neben dem Oampanator) erscheint,
dann in einer Stiftung für einen Altar in der Magdalenenkirche zu
Breslau v. 29 Mäi-z 1442, wo die l^ehrer der Magdalenenschule in
folgender Al)stufung aufgezählt sind: Magister seu rector, signator,
locati (vom locatus senior abwärts), suhsigvator ; weiter in den Sta-
tuten des Breslauer Domstifts aus dem In. ,lahrh., wo für den Be-
hinderungsfall des llector scholae zum Kii'chendienste vei])flichtet
werden seine „a<ljutores tarn in choro quam in scholis, puta signator,
subsignntor et locatus". 0. Schönborn, Beiträge z. Gesch. der
Schule u. des Gymn. zu S. Mar. Magdalena in Breslau II v. 1400
bis ir370 (Progr. 1844), 8. 6 f. 9; vergl. Beiträge I (Progr. 1843),
20 f. (Urk. V. 30. Juni 1375: Eector u. Signator an der Magdalenen-
schule sollen in der Kii'che mit den Schülern singen). In einem
Vertrage zwischen Pfarrer und Schulmeister zu Görlitz v. 1446 wird
letzterer v(;rpflichtet, zwei Messen „durch synen signatorem" und
3 Schüler singen zu lassen. Meine vor- u. frühreform. Schuloidii.
II, 283 (vergl. 350). Vollen Axifschluss übei' die Pflichten eines
Signators giebt aber das Kapitel vom „Officium signatoris" in den
„Leges scholae Nissensis" v. J. 1498 bei A. Kastner, Aus d. Gesch.
des Pfarrgymnas. Iiei der Pfarrkirche zum h. Jacobus in Neisse
(Progr. d. kathol. Gyran. 1865) S. 12. Der „Signator vel auditor"
rangiert da nach dem Eector, Baccalaureus major und B. minor und
Cantor. Sein Amt war vor allem: zu den Metten zu Avecken u. sie
zu beginnen, die Vigilieu zu singen u. die Leichen zu begleiten, die
Tertien zu singen u. die Messe zu beginnen, die täglichen Gesänge
vom Sakristan sich angeben zi; lassen u. dem Kantor mitzutheilen.
Die Anfänge des säclisischon Schulwesens. 261
gann am Gregoriustage (12. März). Die Schulbücher
kauften die Schüler von dem Locator, der sich oifenhar
durch ihr Anfertigen, Avie sehr viele Lelu-er anderwärts,
einen Theil seines Einkommens verschaffte und daher
von den Kindern, die ihre Bücher nicht von ihm bezogen,
entschädigt werden musste, von einem reichen Kinde mit
2, von einem „mittelmässigen", d. h. halbbemittelten mit
1 Groschen. Die Schulbücher bez. die für dieselben an
den Locator zu entrichtenden Preise waren: das Abc,
Pater noster, Credo, Benedicite („jegliches 1 Gr."),
der Donat (10 Gr.), die „regel", d. h. die regulae
pueriles Remigii und Cato moralis (8 oder 5 Gr.),
prima pars Alexandri (15 Gr.), — also dieselben, die
wir schon S. 7 und S. 249 kennen gelernt haben; nur
weichen die Preise von den auf S. 249 mitgetheilten ab :
in Bautzen waren zu Anfang des 15. Jahrh. die vom
Schüler zuerst gebrauchten Bücher billiger als in Dres-
den, während sich für die später nöthigen Bücher ein
umgekehrtes Preisverhältnis herausstellt. Das Schul-
geld betrug vierteljährlich 2 Groschen für die reichen,
1 Groschen für die minderbegüterten Kinder; die armen
hatten nichts zu zahlen. Beim ersten Eintritt in die
Schule war das 2. Vierteljahr frei, wenn der Knabe
„bleibet bey der schule". Zur Heizung der Schule
hatte jedes wohlhabende Kind den Winter über täglich
ein Scheit Holz mitzubringen oder ein Fuder Holz zu
kaufen oder dem Schulmeister 2 Groschen Holzgeld zu
geben, die „mittelmässigen" die Hälfte von alledem, arme
nichts. Wenn die Kinder über den im Auschluss an die
4 Tafelbücher (Abc — Benedicite) ertheilten elementaren
Leseunterricht hinaus den lateinischen eigentlichen Sprach-
unterricht besuchen wollten („Donat gehen wollen"), so
musste jedes einen Pfennig zalden; nur die armen waren
frei. Kinder, die man „setzt zu dem cantu", sollten in
3 Raten G Heller, 8 Heller und 1 Groschen entrichten.
alle Invitatoiicu u. Hymnen, die in den Metten, Tertien u. Vespern
gesungen worden sollten, auf eine Tafel zu schreiben (? tabulare), ebenso
das Evangelium u. die Epistel „pro latino", ausserdem alle ihm vom
Rector zugewiesenen Lektionen (ob bloss Lesungen in der Kirche?)
zu halten (lectiones a rectore sibi injunctas sunima diligentia comijlere)
u. darauf zu achten, dass alle Plätze (? palatia) u. das „hospitale
scliolarum" regelmässig durch „IMendicantes" (bettelnde Schüler?)
gereinigt würden. Über die sonstige Bedeutung des Wortes Signator
vergl. Du Gange, Glossarium mediae et infimae latinitatis VI, 249
u. E. Brinckmeier, Glossarium diplomaticura II, 548.
262 Johannes Müller:
wenn sie wohlhabend waren, die armen nichts. Jedes
wohlhabende Kind sollte sein Brot, das es mit in die
Schule bringe, wochentags zur Hälfte seinem Locator,
sonntags dem Signator geben oder dafür wöchentlich
1 Heller. Zum neuen Jahre sollten reiche Kinder dem
Schulmeister 6 Heller, dem Locator 2 (1 ?) Groschen,
„mittelmässige" halb soviel bringen. Zu Johannis (24.
Juni) waren dem Rector 4 Heller, dem Locator 6 oder ein
halber Topf „mit geschlagenem [d. h, wohl festgedrücktem]
Kornmelü", zu Mariae Himmelfahrt (15. Aug.) dem Eector
und Locator je 1 Heller (zu Honigtrank: „Metlie Heller")
und am Tage Katharinae, der Schutzpatronin der Wissen-
schaften (den 25. Nov.), wo im 10. Jahrh. in S. Gallen der
sogen. Schulabt von und aus der Schülerschar gewählt
wurde, 1 Gr. zu entrichten. Ausserdem sollte der Kan-
tor je 1 Pfennig zu Ostern, Pfingsten, Michaelis und
"Weihnachten als „austreibe heller" ^^*^) empfangen.
Arme Schüler waren von allen diesen Abgaben frei.
'^^) Zuerst in emem die Schule zu Nordhausen betr. Vertrage
V. 1394 ist der Sitte des Austreibens gedacht; da musste dem Rector
ein Licht u.. dem Unterlehrer dps betr. Schülers zwei Lichter am
20. Dez., „in vigilia s. Thomae, quum [lies: quando] expelluntur pueri,"
gegeben werden. B. Gr. Förstemanu, Nachr. von den Schulen
zu Nordhausen vor der Reform. (Nordh. 1830) S. L5. In Osterwieck
hatten 1450 zu Ostern, Michaelis u. Weihnachten die reichen Kinder
2 Pfennige „to vtslanden pennighen", die armen einen zu entrichten ;
in Nüruljerg ward l4Srt zu Neujahr „vfstreibgelt" und an den Bam-
berger deutschen Schulen 1491 zu Weilmaehten „ein austreibe pfennig"
durch Verordnungen festgesetzt. Meine vor- u. frühreform. Schul-
ordn. S. 291. 103 f. 109. In Wernigerode geschah ein gleiches um
1510 so, dass die „expulsionales" jährlich dreimal, am Thomastage
(21. Dec), am Gründonnerstage u. am Donnerstag vor der gemeinen,
d. i. der auf Michaeli folgenden Woche, fällig waren. E. .Jacobs,
D. Rektor u. d. Stiftsschule zu Wernigerode etc. in der Zeitschr. des
Harzvereins XVIII (1886), 323. Die Sitte des Austreibens muss
schon sehr alt sein. Schon im 11. Jahrh. wurden in Klosterschulen
am 20. Dez. alter Gewohnheit nach die Schüler, ohne etwas ver-
brochen zu haben, mit schmerzvollen Schlägen bedacht. Specht
a. a. 0. 210 f. Andererseits Aviu'den noch im 17. u. 18. Jahrh., ja
zu Anfang des 19. in Süddeutschland die Schulkinder vor den drei
hohen Festen „ausgetriben" oder „ausgestrichen", indem sie der
Lehrer zwischen den Beinen durchkriechen, einen Streich in posteriora
in Empfang nehmen u. dafür noch ein Anstreichgeld entrichten Hess.
A. Schmeller, Bayer. Wörterbuch, 2. Aufl. II (München 1877),
Sp. 806 f. Es bedarf noch der Untersuchung über den Zusammen-
hang dieses Brauchs mit dem schon diu'ch eine alte deutsche Predigt
verbürgten des Streichens oder Hauens um den Lebzelten (Kuchen)
an dem Tage der unschuldigen Kindlein (28. Dez.) oder mit dem
noch jetzt an diesem Tage in Süddeutsch land üblichen Pfeffern,
Die Aufäuoe des sächsischen Schulwesens. 263
^■r>
Aus dem 6. Jahrzehnt des 14. Jahrh. stammen unsere
ältesten Naclirichten über drei weitere Schulen Sachsens,
nämlich in Leipzig, Grimma, Löbau. Unterm 28. Okt.
1352 wird eine Judenschule zu Leipzig erwälmt, die
zweite in Sachsen. Markgraf Friedrich von Meissen be-
lehnte damals d. d. Altenbiu'g seinen Marschall Tymo von
Kolditz mit derselben ^^^). Ob es eine Belelmung war
mit einem nicht mehr für jüdische Schul- und Gottes-
dienstzwecke gebrauchten Grundstücke oder ob es sich
um eine noch durch Abgaben ertragsfähige, bestehende
Schule handelte, lässt sich nicht erkennen; nach Analogie
des Wortlauts von ähnlichen, anderwärtsher bekannten
Belehnungen möchte man das letztere annehmen^-'"-), wenn
nicht die oben schon angeführte Judenverfolgung vom
Jahi-e 1348 flg. ernste Bedenken dagegeii erweckte. Die
Sache wird unentschieden bleiben müssen. Dagegen wis-
sen wir, dass am 28. April 1368 der Leipziger Jude Ben-
jamin einen eigenen Schulmeister, d. h. wohl einen
Privatlehrer für seine Kinder und vielleicht auch für die
einiger befreundeten Familien hatte ^^•').
Die Existenz der Schule zu Grimma ergiebt sich
zuerst aus einer Urkunde eines Grimmaischen Büi-gers
Fitzeu (Fizeln) oder Kindein d. h. Schlagen mit einer grünen Ruthe,
sei es ausgeübt von Kindern an Erwachsenen oder von Knaben und
Burschen an Mädchen und umgekehrt, um ein Geschenk an Geld
oder Esswaren zu erhalten (Seh melier II, 1119. I, 422. 781. 1262),
oder auch mit dem im Vogtlande noch vorkommenden und einer
gleichen Absicht dienenden „frische Grüne peitschen" oder Dengeln
am 2. u. 3. Weihnachtsfeiertage (H. Dunger, Rundas u. Keimspiele
aus d. Vogtl., Plauen 1876, S. 195) oder endlich mit dem „Stiepen"
in Norddeutschland (K. S im rock, Dei;tsche Mythologie, 3. Auil.
Bonn 1869, S. 52H). Ob Altheidnisches zu Grunde liegt (Simrock
a. a. O.) oder christlicher Exorcismus u. Benediktion (A. llorawitz-
Wien l)ei Jacobs a. a. 0. S. 303; vergl. Korrespondenzblatt des Ge-
samtvereins der deutsch. Gesch.- u. Altert-Vereine 33. Jahrg., Berlin
1885, S. 72) oder beides'^
i»i) C S II. YlII, 29: Item contulit ipsi marschalco scolam
judaeorum in Lipczk perpetue habendam et ad suos usus vendendo
vel ut melius slld })lacuerit, convci'tendo.
192) Bei Übergabe der Judenschulc zu Neustadt a. d. Haai-dt
an das Spital zu Branchweiler den 3. Febr. 1394 wird die „jüdeu-
schule" ausdrücklich als dem I'falzgrafen Kupi'ccht III. infolge der
Landesverweisung der .luden „ledig geworden" bezeichnet, was in
der Leipz. Urk. nicht der Fall ist. F. J. Mone, Zeitschr. f. d.
Gesch. des Oberrheins II (Karlsruhe 1851), 272.
103) Markgraf Friedr. befreite damals auf 2 Jahre von der^ Be-
zahlung der Judensteuer den „Benjamin, sines wibes mutev, Eliaz
synen Schulmeister vnd Jacob sinen kuecht". CS II. \'I1I, 40.
264 Johannes Müller:
betreffs des Klosters Mmbschen vom 30. Sept. 1357. Da
stellt unter den Zeugen, und zwar wie es scheint als
erster Laie, ein „Jolians Mauricii der schulmejster czu
Grymme" ^^^). Derselbe muss, da sich bei dem dasigen
Augustinerkloster nicht die geringste Spur einer Schule
nachweisen lässt, der Leiter einer Pfarrschule oder
einer aus einer solchen hervorgegangenen Stadtschule ge-
wesen sein. Im Jahre 1372 wird in einem städtischen
Verzeichnisse der Gehalte und Zinsen der „magister sco-
larium" mit genannt ^^■^). Den 19. Nov. 1389 gab es neben
dem Schulmeister noch einen „vndir meyster" ; nach einer
damals gemachten Stiftung einer Witwe Rochlitz sollten
beide bei einer Seelmesse mitwirken und von den Altar-
leuten der Schulmeister 8, der Untermeister 4 Groschen
erhalten; und 4 Schulknaben sollten, so oft das heilige
Sakrament aus der Kirche in ein Haus in der Stadt (zu
einem Kranken) und wieder zurück gebracht werde, es
sei bei Tage oder bei Nacht, 4 brennende Wachskerzen
vortragen und dabei, wenn thunlich, singen^'-**'). — Auch
eine Juden schule muss schon im 14. Jalirh. in Grimma,
wo durch den häufigen Aufenthalt der Wettiner Fürsten,
durch die Abhaltung von Landdingen u. s. w. ein reges
Leben herrschte und infolge dessen viel Juden weilten,
bestanden haben; sie wird jedoch erst in einem Gerichts-
buche vom Jahre 1406 gelegentlich namhaft gemacht und
nur dies einemal ^"'^).
Von einer Schule zu Lob au hören wir zuerst den
4. Nov. 1359. Li einer Urkunde des dortigen Raths er-
scheint als Zeuge u. a. „Marcus nostrarum scolarum in-
formando gubernator" ^^^). Die absonderliche Betitelung
lässt immerhin klar erkennen, dass die Schule eine
städtische Anstalt war (nostrarum scol.). Zu dem seit
1336 nachweislichen Franziskanerkloster bestand kein
Abhängigkeitsverhältnis^"'"). Ln Jahre 1395 ward jener
Konrad Weissenbach aus Eschwege, dem wir schon oben
bei der Geschichte der Zittauer Schule begegnet sind
(S. 252), nach Zittau als Stadtschreiber berufen, nachdem
er zuvor 11 Jahre lang, also wohl von 1383 — 94, „rector
lö») Hasche, Magazin d. sächs. Gesch. VII (1790), 40.
195) Lorenz a. a. 0. 474.
iȧ) Lorenz 511 u. 355.
1"'') Lorenz 418: eine Erbe „gelegen hintler judenschule".
108) C S II. VII, 233.
'99) Ebenda S. XXXIX.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 265
scolae et notarius cmtatis Loboviae" gewesen war-*'").
Sowohl die fremde Herkunft, als die lange Amtsdauer
und die Verbindung des Schul- und Stadtschreiberamts
erinnern an den fast gleichzeitigen Schulrektor Eybanger
in Plauen i. V. und das oben S. 253 f. Bemerkte.
Im Jahre 1367 treifen wii' in Oschatz den ersten
Schulmeister: Magister Johannes de Ossacz rector par-
vulorum'-*'^). Zu dem Kloster, das zuerst den 8. Nov.
1240 vorkommt, scheint er nicht in Beziehung gestanden
zu haben, sonach, wofür auch schon sein Titel spricht,
Stadt- oder Pfarrschulmeister gewesen zu sein. Leider
fehlen über die Oschatzer Schule alle Nachrichten aus
der nächstfolgenden Zeit. Erst 1 > 14 ist wieder von
einem Schiümeister, Joh. Frust, und seinen Gesellen die
Rede; das Singen des „Salve regina" wurde ihnen damals
aufgetragen'-"-).
Nur sehr Dürftiges ist uns auch über das älteste
Schulwesen zu Pegau überliefert. Durch Wiprecht von
Groitzsch war in Pegau das schon oben S. 34 flg. erwähnte
Benediktinerkloster S. Jacobi gegründet worden, das im
Jahre 1097 geweiht und 1106 von Papst Paschalis IL
bestätigt wurde -""). Das Kloster besass im 14. Jahrh.
die geistliche und weltliche Gerichtsbarkeit in der Stadt
und, wenn die in einer Urkunde vom 10. Juni 1502 -*'*)
vorausgesetzten Rechtsverhältnisse sämtlich, wie es
scheint, älteren Datums waren, auch die geistlichen
Lehen und das Schulpatronat. Im Jahre 1379 hatte nun
zwischen zwei jungen Leuten, von denen der eine „ein
schuler" war, eine uns niclit näher bekannte Streiterei
stattgefunden, die ein Nachspiel in einem Streite zwischen
2o<>) c S II. VII, 243.
"^^) Gersdorf, D. Univers. Leipzig im 1. Jahre etc. in K.
Espe's Bericht v. J. 1847 an die Mitglieder der deutschen Uesell-
schaft in Leipzig S. 22. — Nach J. CI. Hoff mann, Hist. Nach-
richten von d. üftentl. Stadtschule zu Oschatz (Friedrichstadt 1784),
S. 8 soll schon IBfiö ein Oschatzer Schulmeister vorkommen, „der
zugleich hei der Kirche u. Schule das Singen besorgen musste".
2"2) Hoff mann S. 8 u. 47.
-O'^) Chr. Schöttgen, Historie des berühmt. Wipr. z. Groitzsch
etc. wie auch des von ihm gestift. Klosters zu Pegau (Kegensburg
1749) S. n.'i u. Cod. prohation. S. 4 f.
20') Damals erhielt Herzog Georg zu Sachsen gegen Erlass
gewisser Schulden vom Abte u. Konvent zu Pegau die ganze Ge-
rechtigkeit des letzteren in der Stadt Pegau, nichts ausgeschlossen
als die geistlichen Lehen, Schulen u. geistlichen Geiichte. Urk. im
H.-St.-A. Dresden; vergl. die ganz ähnl. v. 19. Dez. 1508.
266 Johauues Müller:
dem Abte Gottscbalk und den Bürgern zu Pegau fand.
Zur Beilegung des Zwistes entschied den 29. März 1379
zu Leipzig Markgraf Wilhelm von Meissen etc. in fol-
gender Weise: „Ouch vmme Wispachs son vnnd Apecz
Kursener son scheiden wir. Sint mal der apt in der
stad zcu Pygaw geistlich vnd werltlich gerichte hat vnnd
sin voit Apecs Kurseners son darczu gedrungen hat, daz
her Wispachs sone, der ein scJmler ist, beclagen muste
vnd sich nu der apt vmme den schuler annymt mit
geistlichem gerichte, so sal der apt darczu fugen, daz
dem leyen rechtcz gehulfen wurde vmme sine wunden
vnnd sal den ban abe tun*' -"''). Das ist alles, was wii-
z. Z. von jenem Streite und über das Pegauer Schulwesen
im Mittelalter wissen. Es scheint, dass der Schüler ein
Chorschüler oder em Scholar im engeren Sinne war und
die Schule eine unter dem Patronate des Klosters stehende
Pfarrschule.
Auffällig spät erfahren wir auch etwas Zuverlässiges
über das Schulwesen in Freiberg. Wenngleich die
Stadt selbst erst 1221 urkundlich genannt wird, so be-
standen doch schon 1225 fünf Pfarrkirchen daselbst ; dazu
gab es seit 1243 Dominikaner, seit 1248 ein Nonnen-
kloster des Ordens der h. Maria Magdalena von der Busse
und wohl ebenfalls seit dem 13. Jahrli. Franziskaner in der
volkreiclien Stadt und dazu eine bedeutende Industrie"-'*^).
Aber erst vom April — der Tag ist nicht sicher zu be-
stimmen — 1382 haben wir das erste urkundliche Zeug-
nis von einer Schule und zwar bei der Pfarrkirche zu
S. Marien ; es Avar eine Schule, „darynne man die kyn-
dere leret". Die Meissener Markgrafen verordneten da-
mals, dass keine weitere Schule in oder vor der Stadt
errichtet werden und der Pfarrer zu S. Marien, wie vor
alters, die Schule verleihen solle"-'''). Letztere war also
eine Pf arr schule und vielleicht doch schon im 13. Jahr-
hundei't begründet, da die Marienkirche schon im Jahre
1225 bestand und damals als erste unter den genannten
5 Pfarrkirchen galt-**^). Dass der Pfarrer auf sein altes
Recht hielt, wird ihm niemand verübeln ; gegen wen sich
-o^j 21. Punkt des betr. Vergleichs bei Chr. Schöttgeii, Hist.
Wipr. z. Gröitzsch S. 95. J. P. v. Lud ewig", Eeliquiae nianuscrip-
torum oinnis aevi diploiuatura, tom. II (Lip.s. 1720), 325.
20«) C S IL XII, S. XXI. S 327. 402 375.
20') C S IL XII, 97. Vergl. mpine Sdiulordn. I, 27 f.
20*) C S IL XII, 3.
Die Anfönge des sächsischeu Schulwesens. 267
aber die Spitze jener landeslierrliclieii Verfügung kelu-t,
ob gegen Versuclie der Klöster, Scliiilen zu errichten,
oder gegen "Wünsche des Stadtraths nach eigenem Schul-
patrouate oder einer selbständigen Stadtschule, darüber
sind wir im Dunkeln.
Nonnenklosterschulen möchte man annehmen, wenn
in einer kirchlichen Stiftung vom 21. Nov. 1383 beim
Kloster der Benediktinerümen zum h. Kreuz in Meissen
und in einer desgleichen vom 23. Juni 1384 beim Kloster
der Nonnen der h. Maria Magdalena von der Busse zu
Freiberg ganz gleichlautend angeordnet wrd. der
Küsterin so viel zu geben, wie einer Nonne, welche die
Schule besucht (custrici tantum, quantum uni moniali sco-
las intranti, ut melius pulset) -^'^). Allein der gebrauchte
Ausdruck ist so formelhaft -^^) und die Geschichte der
beiden Klöster giebt sonst so wenig Anhalt für das Be-
stehen einer wirklichen Schule bei denselben, sei es eine
imiere oder eine äussere, dass es gewagt sein dürfte, ein
solches zu behaupten, zumal der Ausdruck selbst noch
die Schwierigkeit bietet, dass man verAvundert fragen
muss, wofür denn eigentlich eine lernende Nonne etwas
erhalten soll, oder wie es kommt, dass eine lehrende mit
einer, welche bloss die Glocke schlägt, gleich besoldet
werden soll. Bei den Meissener Benediktinerinnen er-
scheinen den 4. Nov. 1395 überdies neben einem Propste
und Kaplan auch „schuler", offenbar Chorschüler oder
Scholaren, welche „zcu den vigilien vnd ouch zcu der
messe gehen" und dafür Gebühren erhalten -^^); mit deren
Unterweisung hatten die Nonnen aber schwerlich etwas
zu thun. Den Nonnen der h. Maria Magdalena, deren
Kloster in Freiberg zuerst den 2. Jan. 1248 vorkommt'-^'-),
war es allerdings in der von Papst Gregor IX. den
23. Okt. 1232 gegebenen Ordensregel gestattet, ausnahms-
weise Mädchen unter 11 Jahren aufzunehmen, unter der
Bedingung, dass diese dann für sich getrennt erzogen
und in guten Sitten bis zum 14. Lebensjahre unterwiesen
2«") C S II. IV, 325 (Meisseu) u. II. XII, 413 (Freiberg). Das
„Quantum" seihst bleibt beidemal uube.stimmt!
"'**) Er erinnert an den bei Stiftungen in ^lünelisklüsteru be-
obachteten: campanatori tantum quantum uni regulari scolas intranti,
ut melius pulset. CS II. IV, IHl u. 168 (s. oben S. 22 Anm, 7H).
211) (J S II. IV, 336, vero-l. 379 (1495, 5. Nov.).
2'-) C S Li. XII, 402.
268 Johannes Müller:
würden -^'^); aber von einer eigentliclien nnd ständigen
Scliule irgend welcher Art beim Freiberger Kloster ver-
lantet im 13. mid 14. Jahrli. gar nichts; wohl aber heisst
es den 25. Juli 1480 und den 26. Juli 1493"-^^), dass das
Kloster unter der früheren Leitung so abgenommen habe,
dass nicht mehr als 4 geistliche Personen vorhanden ge-
wesen seien, und erst jetzt unter der Priorin Barbara
Schi^öter (von 14b 0) hätten sich die Verhältnisse güns-
tiger gestaltet, so dass nun (1493) 30 geistliche Personen
unterhalten und zu dem Behufe 9 — 15jährige Stadtkinder
(Mädchen) „umb gottis willen" aufgenommen werden
könnten. Nach alledem dürften unter der Schule, welche
im Jahre 1383 bez. 1384 von Nonnen besucht ward, nur
eben Instruktionsstunden an erwachsene Klosterschwestern
zu verstehen sein. Stunden, in denen dieselben für ilu^e
Gesänge, Vorlesungen und Gebete im Chordienste Beleh-
rung und Übung erlangten (vergl. oben S. 28, Anm. 101).
In Bischof swerda, dessen Hauptkirche zu S. Ma-
rien zuerst im Jahre 1229 namhaft gemacht wird-^'*),
wurde im Jahre 1392 der Bau einer Kapelle zu Unserer
lieben Frauen, welche ein vermögender Bürger gestiftet
hatte, vollendet und am G. Januar die Stiftung und die
Einrichtung des Gottesdienstes in der Kapelle von dem
Pfarrer, dem Bürgermeister und zehn „ratluten und ge-
swornen daselbies" bestätigt. Unter letzteren steht an
letzter Stelle „Stephan sculmeistir" -^*^), ähnlich dem ersten
bekannten Schulmeister Zittaus (s. oben S. 251). Stephan,
mit dessen Auftreten uns die erste Nachricht über die
Bischofswerdaer Schule gegeben wird, war also ein Bür-
ger der Stadt und seine Schule eine städtische oder eine
Pfarrschule. Dass er vom Bischof von Meissen direkt
ernannt worden sei, ist daraus, dass der Stadtrath von
Bischofswerda unter der Oberherrlichkeit des Bischofs
stand und letzterer vom Jahre 1406 an die Verordnungen
des Raths durch Anhängen des bischöflichen Siegels be-
stätigte-^'^), nicht zu folgern. Hatte doch die Bürger-.
Schaft das Recht, ihren Bürgermeister und Rath selbst
-^") C S II. XII, 397 (uutriantnr seorsum et diligenter bonis
moribus usque ad aunum quartum deciiuuin iuformentur).
-11) C S II. XII, 432 u. 442 f.
-1-^) 0. W. Mittag, Cbionik der kgl. säclis. St. Bischofswerda
(1861) S. 16 f.
21'^) Mittag S. 23 f.
='■') Mittag S. 47 f.
Die Anfänge des sächsischen Scluihvesens. 269
ZU erwählen und niu' die Erwählten dem Bischöfe, wie
es fast allerwärts die Unterthanen ihrem Landesherrn
gegenüber thun mussten, zu präsentieren-^^). Waln^-
scheinlich aber war der Schulmeister zu Bischofswerda
der Oberaufsicht des Domscholastikus zu Meissen als
obersten Schulmeisters unterstellt. Über seine Obliegen-
heiten und Besoldungsverhältnisse sind nur ganz nnvoll-
kommene Naclirichten aufbewahrt. Nach der Urkunde
vom 6. Jan. lo92 hatte er „mit den kyndern" in der oben
genannten Kapelle am Tage der Barbara (4. Dez.) eine
Seelmesse und tags zuvor eine Vigilie mit singen zu
helfen und ausserdem alle Montage „eynen schuler zu
senden yn dy capelle, der da hellfen zal [soll] singen die
zelemezse"... Für beides sollte er jährlich 4 Groschen
erhalten. Ähnliches und zum Theil noch Dürftigeres ist
aus dem 15. Jahrh. überliefert'-^^).
Die vorletzte sächsische Schule, deren urkundlich
beglaubigte Anfänge in das 14. Jahrh. zurückreichen, ist
die Nikolai schule zu Leipzig. Hier, wo im 13.
Jahrh. die äussere Klosterschule zu S. Thomas und im
14. Jahrh. eine Judenschule in die Gescliichte eingetreten
sind, und wo schon vor 1373 Kämpfe zwischen Rath und
Thomasstift über das Schulpatronat geführt waren, er-
hielt unterm 11. März 1395 der E.ath der Stadt von
Papst Bonifacius IX. das Recht, innerhalb der Parochie
der Nikolaikirche eine Schule zum Unterrichte der Schüler
in der Grammatik und anderen Anfangskenntnissen sowie
in den freien Künsten (pro eruditione scolarium in gram-
matica et aliis primitivis scientiis ac artibus liberalil)us)
zu errichten und für diese Schule, ohne erst die Zu-
stimmung des Propstes und Konvents von S. Thomas
einholen zu müssen, Schulmeister nach eigenem Belieben
anzunehmen und zu entlassen; der Schulmeistei' sollte
der Kirche gegenüber nur verpÜichtet sein, mit Schülern
am Gesänge bei Gottesdiensten in der Nikolaikirche sich
zu betheiligen-"-"). Es ist jedoch, wie wir oben schon
gesehen haben, damals scliweiiich zur Gründung der
Nikolaisclmle gekommen, jedenfalls nicht als einer ölfent-
2") Mittag- 8.40.
-1") Ebenda S. 44 u. 27 n. Mich. Pusch, Episcopoligraphia his-
torica, d. i. wahrhaft, hist. Beschreib, d. St. Bischofswerda (Dresden
l(>o8) S. 54.
--") C S II. VIII, 65.
270 Johannes Müller:
liehen städtisclien und höher organisierten Bildungs-
anstalt --\).
Anders steht es mit der Schule zu Chemnitz. Sie
hat sicher schon vor dem 25. März 1399, wo wir zum
ersten male von einem „Schulmeister" zu Chemnitz hören,
längere Zeit bestanden und zwar als Stadtschule. Am
genannten Tage wurde von einem Schiedsgerichte dem
Pfarrer aufgegeben, „die Stadt bie eren rechten ze lassen";
doch sollte andererseits der Schulmeister „noch aldir ge-
wonhaid" der Kirchen ihr „recht thun", d. h. bei den
gottesdienstlichen Handlungen die übliche Hilfe mit Ge-
sang u. dergl. leisten -■-"-). Vielleicht ist jener „Fredericus
Macherin de Oschatz in artibus baccalaurius", der in
einer Urkunde vom 3. Juni 1367 als Zeuge zwischen dem
Chemnitzer Bürgermeister und einem anderen Chemnitzer
steht, der erste bekannte Leiter der Chemnitzer Schule
gewesen --'^).
Hiermit ist die Reihe der im 14. Jahrh. sicher ver-
bürgten Schulen des jetzigen Königreichs Sachsen er-
schöpft. Doch haben gewiss noch manche andere Orte
schon im 14. Jahrh. eine Schule besessen, wenn diese
auch urkundlich erst später auftritt. So dürfen wir es
für Penig annehmen, wo am 23. Febr. 1404 „er Krystan
Schulmeister" erscheint -"-*).
Überblicken wir zum Schluss die Reihe der vor 1400
vorkommenden Schulen, so gehört 1 schon dem 12. Jahrh.
an (Schule am Dome zu Meissen 1183), G dem 13. Jahrh.
(Schule am Afrastift Meissen 1205, Stiftsschule Bautzen
1218, Stiftsschule Würzen 1227, Nonnenklosterschule
Geringswalde 1247, S. Thomas zu Leipzig 1254, Zwickau
1291), die übrigen 16 genügend beglaubigten erscheinen
erst im 14. Jahrh. Die Schulen des 12. und 13. Jahrh.
sind mit Ausnahme der letzten, der zu Zwickau, Stifts-
--1) S. oben S. 30 u. 32 (z. Gesch. d. Thomasschule). Vergl.
J. H. LipsiiTS, Ziu- Einweihung der neuen Nikolaisclmle (Leii)z.,
Progr. 1872) S. 5. Erst i. J. löU ist die Schule, welche die Bürger
„als pedagogium vor yre Stadtkinder haben" wollten, errichtet worden.
C S IL IX, 368 f.
222) C S II. VI, 57. Vergl. meine Schulordn. I, 32.
223) Orig.-Urk. im H.-St.-A. Dresden Nr. 3862.
22-t) Schüttgen u. Kreysig, Diplomat. II, 389. Unter den
Zeugen des Bui'ggrafen All»r. v. Leisnig: Er Günther von Hugwitz
probst zu Penig, er Wenzelav von Kemuitz prediger, er Krystan
Schulmeister daselbst." — G. E. Krieg, Gesch. d Stadt Penig (Penig
1838) weiss v. der Schule erst v. J. 1552 an zu berichten.
Die Anfänge des sächsischen Schulwesens. 271
und Klosterschiüen, und zwar vorwiegend Cliorsclmlen,
nur eine (beim Thomasstift zu Leipzig) eine sogen, äussere
Klosterscliule. Von den im 14. Jalnii. auftauchenden
Schulen standen 4 unter rein städtischem Patronate: die
zu Dresden (1300), Zittau (1310), Löbau (1359), Chem-
nitz (1399); 2 standen wolil unter dem Patronate des
Stadtraths und des Deutschordens: die zu Reichenhach
(1315) und Plauen (1319), 1 unter dem eines Pfarrers:
die zu Freiherg (1382), 2 unter dem eines Klosters: die
zu Zwickau und zu Pegau (1379), 1 unter dem eines
Stiftskapitels: die zu Bautzen; hei 5 lässt es sich nicht
sicher bestimmen, ob es Pfarr- oder Stadtschulen waren:
Lössnitz (1304), Pirna (1317), Grimnm (1357), Oscliatz
(1367), Bischofswerda (1392); 2 waren Judenschulen: zu
Meissen (1320) und Leipzig (1352).
VI LI.
Die Anfänge des deutschen Schulwesens
in Dresden. (1539—1000.)
Von
Georg Müller.
Mehrfach ist neuerdings auf die Nothwendig-keit hin-
gewiesen worden, die Entstehung und Entwickelung des
sächsischen Volksschulwesens genauer zu untersuchen^).
Wenn noch so wenig in dieser Richtung geschehen ist,
so hat dies nicht zum geringsten seinen Grund in dem
Mangel an Quellen Dies gilt auch von Dresden. Die
Chroniken behandeln wohl die lateinischen Schulen, be-
rücksichtigen aber die deutschen meist erst in der spä-
teren Zeit. Leider bieten die Archive nur spärliche
Nachrichten. Das Rathsarchiv enthält eine Reihe von
Gesuchen und Beschwerden der deutschen Schulmeister,
die Rechnungen geben nur nothdürftige Anhaltepunkte,
sind ausserdem aus den ersten Jahrzehnten nicht voll-
ständig erhalten, während die Rathsprotokolle selbst die
Anstellung der deutschen Schulmeister bis zum Jahre
1553 gar nicht, und später nur kurz, Streitigkeiten bis-
Aveilen mit kaum verständlicher Knappheit erwähnen.
1) Theodor Vogel im Artikel „Sachsen" in Schmid, Ency-
klopädie des gesamten Erziehiings- und Unterrichtswesens VII -,762.
Lecliler in den Beiträgen zur sächsischen Kirchengeschichte (Leipzig
1882) I, 41.
G. Müller : Die Anf. des deutschen Schulwesens etc. 273
Diese Umstände mögen die Lücken entscliuldigen, die
sich in der folgenden Zusammenfassung finden.
Die Anfänge des deutschen Schulwesens im Gegen-
satz zu dem überlieferten lateinischen gehen auf die
Zeiten zurück, in welchen das städtische Element er-
starkte, Handel und Wandel aufblühte, Eechtsprechimg
und Verwaltung sich hob. Da musste die deutsche
Sprache und gewandte Handhabung derselben aiich in
den niederen Kreisen eine grössere Rolle spielen'). So
finden wir die ersten Lebenszeichen in den grossen Hansa-
und Reichsstädten, m denen Reichthum imd Handel be-
sonders stark vertreten war. Freilich auch hier konnte
sich die neue Richtung nur unter schweren Kämpfen Be-
rechtigung und Anerkennung verschaffen, und über eine
untergeordnete Stellung hat sie es nicht gebracht.
Von dieser Bewegung spüren wii' in Sachsen vor der
Reformation nur sehr wenig. Das Eibgebiet war den
Slaven erst spät unter schweren Kämpfen abgerungen
worden und fing im 15. Jalu-hundert nur allmähg an, sich
eine Kultur anzueignen, die andere Gegenden seit Jahr-
hunderten besassen-'). Der Reichthum, welcher durch
den Silberbergbau und den Gewerbfleiss ins Land kam,
gewährte die jMittel zur Anlegung von lateinischen Schu-
len, aber trotzdem blieb das Land in den Augen der
Humanisten eine harhara tellus oder harharims ATbis^).
Erst die Reformation veranlasste eine kräftigere
Entwickelung des sächsischen Schulwesens überhaupt,
wie die Gründung der deutschen Schule. Schon im
15. Jahrhundert begegnet uns der Name ; in einem Briefe
an Johann Agricola vom 18. April 1526'^) spricht Luther
von einer schola vernamla instituenda und darnach findet
2) C. Kehr, Gesch. der Methodik IV. Band. Anhang-
Quellenschriften und Geschichte des deutschsprachl. Unterrichts
Von Johannes Müller (Gotha 1882) S. 314 f. Vergl. ebenda S. 276 f.
auch den Ausspruch des Gregor von Heimburg-, der erst Nürnberger
Rathsschreiber, später Rath der sächsischen Fürsten war: „das ein
yetklich tütsch, das vfs guten zierlichen vnd wol gesat^zten latin
getzogen vnd recht vnd wol getranfsferyeret wer, ouch gut zierlich
tütsch vnd lobs wirdig heifsen vnd sj-n raufs".
3) Ebenda S. 323. Koldewey, Braunschweigische Schulord-
nungen. Bd. 1: Schulordnungen der Stadt Braimschweig (Berlin 188«)
S. XL.
*) Johs. Müller, Quellenschriften S. 322, Anm. 48, Z. 3.
'") de Wette, Dr. Martin Luthers Briefe, Sendschreiben und
Bedenken III, 103. Eckstein, Die Gestaltung der Volksschule
durch den Frankeschen Pietismus (Leipzig 1867) S. 5.
18
Neues Archiv f. S. (i. u. A. VI 11. 3. 4.
274 Georg Müller:
sicli die Bezeiclmung „deutsche Schule" für die Anstalten,
die bisher unter dem Namen „Schreib- und Eechen-
schulen", wohl auch „Beischulen" erscheinen'^), in einer
Reihe von Kirchenordnungen, so in der Braunschweigi-
schen von Bugenhagen, wo ein besonderer Abschnitt „Yon
den dudeschen jungen scholen" handelt^).
Noch aber war der Begriff nicht klar. Eine dop-
pelte Auffassung machte sich geltend. Die eine, durch
Luthers und Melanchthons Urtheil über die Nothwendig-
keit der klassischen Sprachen beeinflusst, liess nur die-
jenige Bildung gelten, die auf der Kenntnis des Latei-
nischen und Griechischen beruhte und hielt Knabenschule
und Lateinische Schule für gleichbedeutend. Sie verstand
unter der deutschen Schule die Mädchenschule, unter dem
deutschen Schulmeister den Mädchenlehrer. Den deut-
lichsten Ausdruck hat diese Anschauung in der Lipper
Kiixhenordnung gefunden, wo es heisst : „Man muss auch
deutsche Schulmeister halten in Städten und Dörfern für
die jungen Mädchen, schreiben, lesen und den Katechis-
mus neben andern guten Zuchten zu lehren" ^). Auch in
Sachsen finden wir diese Anschauung vertreten. So
suchten die Visitatoren noch 1538 in Freiberg die deut-
schen Knabenschulen zu unterdrücken^).
Eine zweite Auffassung macht sich in der Dresdener
Visitation von 1539 geltend. Hier wird die Bestimmung
getroffen: „Ein Rat sol auch vorordenen, das tzwo
deutzsche Schneien, eine vor die Megdtlein, die ander
vor die Kneblein bestalt, vnd durch sie versorget wer-
den" ^% Wenn hier, vne an einer anderen Stelle ") der-
selben Verordnung, die Mädchenschule zuerst, vor der
für die Knaben genannt wird, so darf man wohl daraus
schliessen, dass den Visitatoren die erstere besonders am
Herzen liegt. Immerhin wird hier, im Gegensatz zu der
oben erwähnten, in Freiberg vertretenen Anschauung
einem neben der lateinischen Schule bestehenden deut-
6) Koldewey a. a. 0. 1, XL. Müller, Quellenschriften S. 321.
Die Bezeichming „Beischulen" findet sich auch noch im Jahre 1562
im Dresdener Raths-Archiv (DRA) D. I, El. 169.
') Koldewey a. a. 0. I, 36.
*) Heppe, Geschiehte des deutschen Volksschulwesens I, 9.
*') Süss, Geschichte des Gymnasiums zu Freiberg II (Freiberg
1877), 54.
10) DRA. A. II, 66. Bl. 37b.
") Ebenda Bl. 35.
Die Anfänge des dentschen Schiüwesens in Dresden. 275
sehen Unterricht gesetzliche Geltung zu theil. Ob man
damit einem Bedürfnis entgegenkommen wollte oder der
Erfahrung Rechnmig trug, dass der Kampf früher ver-
geblich gewesen war^-), mag dahin gestellt bleiben.
Jedenfalls finden wir auch in Chemnitz, das bei der-
selben Visitation besucht wurde, eine deutsche Knaben-
schule^-^), der freilich erst auf Antrag des Rathes vom
11. November 1542 eine Unterstützung durch Besoldung
des Lehrers zu theil wurde '^).
Was geschah nun von selten des Raths, um den ge-
troffenen Anordnungen nachzukommen? Zunächst galt
es die Beschaffung eines Gebäudes. Für die Mädchen-
schule wurde das Seelhaus ^•'') verwendet, welches dem
Rathe überlassen worden war. Ob die Knabenschule ein
eigenes Haus erhalten habe, ist nicht klar. Beinahe
scheint es, als ob der Knabenschulmeister bei einem
Bürger zur Miethe gewohnt habe ^'^). Ferner musste das
Gebäude für die Mädchenschule hergerichtet werden. So
findet sich im Jahre 1541 eine umfangreiche Ausgabe.
Das Haus erhält ein neues Schindeldach, wird mit Fen-
stern völlig neu ausgestattet und erfährt auch im Innern
eine Erneuerung ''). In den folgenden Jahren finden sich
von Zeit zu Zeit weitere Ausgaben für Erneuerung des
Estrichs, des Ofens u. s. w.^^j. Im Ganzen sind freilich
dieselben sehr gering. Vergleicht man sie mit den Sum-
men, die alljährlich für die geistlichen Häuser verwendet
werden, so muss man staunen, wie wenig die deutsche
Schule kostete. Auch die Ausstattung Avar ziemlich
ärmhch. „l Tisch, Bette vnd was sein Inventarium mit-
12) Süss a. a. 0. II, 54.
1'') Lenipe. Mag. Wolfgang Fues nach ui'kixndlichen Quellen
(Chemnitz 1877) S. 50.
") Kirchner, Biographie Adam Sibers S. 41. 42. A. Über
die „Jungfernschnle" nnd den „deiitschen Schreiber" in Zwickau s.
Herzog, Gesch. des Zwickauer Gymnasiums (Zwickau 1869) S. 23.
Herzog, Chronik von Zwickau I, 182; II, 438.
^■') DRA. A. XV b. 56 a. Nr. 3. Bl. 16 a. Vergl. Cod. dipl Sax.
reg. II, 5, 46.
1«) Ebenda A. XV b. 56 a. Nr. 4. Bl. 23 a. Oder ist es der
Mädchenschulmeister, der zur Miethe wohnt, bis seine Dienstwohnung
in der Schule fertig gestellt war.
'') DRA. A. XV b. 56 a. Nr. 3. Bl. 12b. 14a.
1«) Ebenda BL 15 (1544), 24b (1549). A. XVb. 56a. Nr. 5.
ib und namentlich in den Religionamtsrechnungcn unter „Gc-
Bl. 23
Ausgaben".
18
meine Ausgaben"
276 Georg Müller:
bringet" ^■*) wird von dem „alten Schulmeister" über-
nommen, später wurde eine Wandtafel angeschafft-");
erst 1580 nach dem Neubau der Schule findet sich für
Bänke ein Posten von 16 gr.-^).
Ebenso bescheiden sind auch die Gehaltsverhältnisse.
Zur Bestreitung der Ausgaben für Kirche und Schule
war in Leisnig, Wittenberg und Zwickau nach Einfüh-'
rung der Reformation der „gemeine Kasten" eingerichtet
worden, dessen Verwaltung nicht in den Händen der
Kirche, sondern des Raths lag--). In Dresden hiess
diese Kasse „Religion -Amt" oder abgekürzt „Religion",
nur selten findet sich der Ausdruck „gemeiner Kasten" -^).
Es flössen hierzu die Einnahmen der Kirchen, namentlich
der Kreuzkirche; merkwürdigerweise bestand daneben
noch die Kasse der „vorledigten Lehen", die, ursprünglich
zu verschiedenen Altären und Bruderschaften gehörig,
dem Rathe von den Yisitatoren überwiesen worden
waren'-*). Die Einnahmen überstiegen in der Regel die
Ausgaben, so dass die Überschüsse zinsbar angelegt wer-
den konnten. Freilich war diese günstige Finanzlage
weniger die Folge der grossen Einnahmen, als sorgsamer
Sparsamkeit, die sich dem Schulwesen gegenüber bedenk-
lich geltend machte, namentlich auch die deutschen
Schulen nur spärlich bedachte. Der deutsche Schul-
meister bezog während des ganzen 16. Jahrhunderts
höchstens 10 Gulden -^^) Gehalt, ebensoviel als der Infi-
mus, der letzte Lehrer der Kreuzschule; nicht selten
wurde die Summe sogar unter mehrere mehr oder minder
^^) DRA. Käramerei - Rechnung vom Jahre 1539. Gemeine
Ausgaben.
20) Ebenda. A. XV b. 56 a. Nr. 4. Bl. 23 b.
21) Religionamts-Rechnungen vom Jahre 1580. Gemeine Ausg.
22) Vergl. Kaw^erau, Zur Leisniger Kastenordnung, in dieser
Zeitschr. III, 78 flg.
2ä) Religionamts-Rechnung 1.568/69: 5 fl. 15 gr. vor essen denen
die den gemeinen kästen dienenn. Ahnlich in der Rechnung 1562/63 :
7 fl. vor die Collation allenthalben vor die deutzschen Singer vnd
kastenherren.
2^) DRA. A. II, 66. Bl. 35.
25) Siehe die Rechnungen: 1541 A. XV. 31m. Bl. 116: 14 fso
dem deutschen schul(meister) ; 1542 Bl. 167 b ebensoviel. Die spä-
teren Rechnungen weisen für 4 Quartale (Trinitatis, Crucis, Lucie
und Reminiscere) je 10 Gulden auf. In Chemnitz erhält der deutsche
Schulmeister, wie der Mädchenschulraeister jährlich 10 Gulden.
Kirchner, Biographie Adam Sibers S. 41. 42. A.
Die Anfänge des deutschen Schulwesens in Dresden. 277
gleichmässig getheüt-^) und nach des einen Tode der
Betrag- einfach zu gunsten der Stadtkasse eingezogen-').
Als später auch in Neustadt eine Mädchenschule ent-
stand, erhält der Schulmeister 20 Gulden und 6 Scheffel
Korn-^). Der Schulmeister zu St. Bartholomaei, später
Annae, wurde mit 12 Gulden bedacht-^), wozu später
1 Schrägen Holz im Werthe von 5 Gulden und ein Neu-
jahrsgeschenk von 3 gr. kam^*^).
Unter diesen Verhältnissen war man natürlich stark
auf das Schulgeld angewiesen. Leider haben ^vii' über
die Schulgeldsätze der ersten Zeit keine Nachricht, da
in den Visitationsakten die Bestimmungen fehlen =^^). Im
Jahre 1574 zahlt der Knabe wöchentlich 1 gr., das
Mädchen anfangs 3 bis 6 pf., später 9 pf. "-). In der
Schule zu St. Bartholomaei bezahlt dagegen der Knabe
anfangs 3 pf., später 6 pf."^). Da beidemal bei Bestim-
mung dieser Sätze von Mädchen keine Eede ist, so
dürfen wir wohl annehmen, dass diese nach der deutschen
Schule gewiesen waren, wenn hier überhaupt im Anfang
bei den beschränkten vorstädtischen Verhältnissen ein
Bedürfnis vorlag. Da mit dieser Stelle das Amt eines
Glöckners und Kantors verbunden war, so kamen zu dem
Gehalte noch die Gebühren für Amtshandlungen, z. B.
Begräbnisse •"^).
Über diese Schulen führte der Rath die Aufsicht.
Schon kurz vor der Reformation bemerken wir Bemüh-
ungen desselben, die lateinische Schule seiner Kollatur
zu unterstellen. Im Jahre 1537 hatte sich der Bürger-
26) Keligionamts-Rechuung 1574 : die Peschelin und Paul Speck
je 5 Gulden pro Quartal. 1579 Lucie: die Peschelin 5 Gulden, Paul
Speckin 2 fl. 10 gr. 6 pf., Valten Emerich 2 fl. 10 gr. 6 pf.
2') Eeligionamts - Rechnung 1585 und die folgenden Jahre:
Valten Emerich 7 fl. 10 gr. 6 pf. pro Quartal = 30 Gulden pro Jahr.
10 Gulden wurden also erspart.
2"») A. II, 66. El. 190 a.
20) D. I, 193.
''O) Das Holz wird erwähnt in den Rechnungen (Allgem. Aus-
gaben) seit 1575, das Neujahrsgcsehenk seit 1579.
31) In Chemnitz lernen „vil Armer leuth kynder vmbsonst
deutzsch schreiben vnd lesen". Der Lehrer bekommt von den Kin-
dern nichts „dan was ine von einsteils knaben, doch wcnigk gegeben
wirth". Kirchner, Biographie Adam Sibers, S. 41.
32) A. II, 66. Bl. 87 a. A. II, 100 c. El. 249.
33) D. I, 193.
3*) z. B. für Leichen von den Dörfern ij gr. iij pf., fürs
Läuten j gr.
278 Georg Müller:
meister Peter Byener und der Stadtsclireiber zum Bischof
begeben und mit ilmi unterhandelt ■^■^). Das Resultat war
ein Abkommen, in einer bischöflichen Urkunde vom 24.
August niedergelegt, nach welchem die Anstellung des
Schulmeisters dem Rathe überlassen wurde "^). Bezüglich
der lateinischen Schule ging dieses Recht bald verloren,
indem die kurfürstliche Regierung die Bestätigung für
sich in Anspruch nahm und deshalb die Bestimmung traf,
dass der Schulmeister nicht ohne Genehmigung des Super-
intendenten gewählt werden solle"").
Bezüglich der deutschen Schule scheint eine Be-
schränkimg der städtischen Verwaltung nicht eingetreten
zu sein. Die Visitationen treffen allerdings mehrfach
neue Bestimmungen, aber diese Schemen doch auf Antrag
und mit Genehmigung des Raths erfolgt zu sein ^^). Der
Stadtprediger, der zugleich Schulinspektor war, erwähnt
die deutschen Schulen in seinem Berichte ■^^), aber von
einer näheren Betheiligung an der Verwaltung ist nicht
die Rede. An den Rath sind die Gesuche um Verleihung
des Amtes mit seinen Einkünften und Vorrechten ge-
richtet; an ihn wenden sich die konzessionierten Schul-
meister, wenn die Privatschulen ihnen den Verdienst
schmälern. Infolge der Visitationsverhandlungen von 1555
wird beschlossen, jähi^ich zweimal, in der Fastenzeit und
zu Michaelis, auch die Mädchenschule visitieren zu
lassen ^'^). Auch bezüglich der Privatschulen wird mehr-
fach die Nothwendigkeit einer näheren Aufsicht hervor-
gehoben ^^). Es scheint jedoch in dieser Richtung über
Anregungen nicht hinausgekommen zu sein; wir finden
nur Massregeln gegen sie, wenn wirkliche Übelstände
gemeldet worden waren und es galt, die im Dienste der
Stadt stehenden Lehrer zu schützen.
35) Dienstag- nach Exaudi s. DRA. A. II, 64c. Bl. 167a.
8«) Ebenda BI. 167b. 169, vergl. bes. die Worte: In quibus
Omnibus conscientiam prEedictorum Consulum ac Seuatorum oneramus,
ad quos jus ac facultas einsmodi ludi prpefectum afsumendi, ac ex causis
rationabilibus rursum depouendi spectabit ....
") DRA. A. II, 66. Bl. 109. D. I, 30 flg. Vergl. G. II, 18 b.
^^) 1555 werden zwei Mädchenschulen verboten. D. I, 177.
^°) A. II, 66. Visitationsakten von 1578.
•*«) D. I, 4b.
**) Ebenda imd später in einem Berichte Peter Glasers. In
Chemnitz inspiziert der Superintendent Euess die deutsche Schule.
Kirchner, Biographie Adam Sibers, S. 43.
Die Anfänge des deutschen Scliuhvesens in Dresden. 279
Über die Persönlichkeiten sind wir wenigstens thcil-
weise unterrichtet. Sie sind flu- uns insofern von beson-
derem Interesse, weil wir erfahren, woher sich dieser
neue Lehrerstand rekrutierte. Der lateinischen Schule
hatte die Universität fast ausschliesslich die Lehrkräfte
vorgebildet, welche die Schulthätigkeit sehr oft nur als
eine Übergangszeit behufs Übernahme eines Amtes in der
Kirche oder im städtischen Verwaltungsdienste ansahen.
A.ber woher sollte die deutsche Schule ilire KJräfte neh-
men, die neben einer untergeordneten Stellung nur ge-
ringen Gehalt bieten konnte? Da in Dresden im Anfang
die Mädchenschule weitaus am meisten Interesse erregt,
so hätte man für sie wohl auch, wie anderwärts, z. B. in
Zwickau^-), eine Nonne als Lehrerin verwenden können.
Aber von Anstellung einer Lehrfrau, oder wie sie sonst
genannt werden mögen, finden wir anfangs in Dresden
keine Nachricht; nur eine Witwe führt längere Zeit
das Amt ihres Mannes fort, nachdem dieser gestorben
war *^).
Im Jahre 1539 wird ein Lehrer namens Leupolt er-
wähnt ^^). Sein Gehalt erscheint nicht unter den regel-
mässigen Ausgaben des Religionamts, sondern als Grati-
fikation unter der „Gemeinen Ausgabe" der Kämmerei-
ßechnungen, also im Extraordinarium. Auch seine Stel-
lung scheint noch nicht klar zu sein. Sem Titel wechselt
bei jedem Posten. Er heisst: der Kindertzuchtmeister,
der alte Kindertzuchtmeister, der alte Schulmeister, der
alte deutzsche Schreiber. Da der Zusatz „alte" sonst
im Sprachgebrauch soviel als ehemalig, früher bedeutet,
und seit Januar 1540 erscheint, so dürfte Avohl die An-
nahme nicht zu fern liegen, er habe erst eine Schreib-
schule nach altem Muster geleitet und sei durch die
^") Georg Müller, Paul Lindenau, der erste evangelische Hof-
prediger in Dresden, S. 22. Vergl. Herzog, Chronik von Zwickau
I, 182 flg.
■1») OttUia Peschelin von Crucis 1568 bis 158.5 (1. Termin).
s. die Religionamts - Rechnungen dieser Jahre. Auch Paul Specks
Witwe sollte das Amt ihres Mannes fortführen und dessen halben
Gehalt beziehen, da sie sich aber „durch sonderliche Schickung Gottes
des Allmechtigen" bald wieder verheirathete, so gab sie ihren Schul-
dienst auf. Ihr Gehalt erscheint dalier nui' in zwei Terminen, Lucie
und Reminiscere, des Rechnungsjahres 1579. Ihr Schreiben an den
Rath D. I, 292.
■^^) Kämmerei-Rechnuug 1539.
280 Georg Müller:
Gründung der neuen deutschen Schule überflüssig ge-
worden ^^).
Der 1540 genannte „deutsche Schuhneister" Erhart
Auerbach wn^d mit einer Gratifikation von 20 gr. be-
dacht^«).
Erst durch Joseph Knaus scheint indes die Mädchen-
schule ihre selbständige Gestaltung erhalten zuhaben^').
Im Jahre 1542^^) trat er an, nachdem er vorher in
Oschatz „Stuhlschreiber", deutscher Schul- und Rechen-
meister gcAvesen war^^). In Dresden scheint seine Thä-
tigkeit auch äusserlich von Erfolg begleitet gewesen zu
sein, da er sich noch einen Gehülfen hielt. Schliesslich
gerieth er mit dem Rath in Differenz, weil er im Wider-
spruch zu seiner Bestallung neben den Mädchen auch
Knaben in seine Schule aufnehmen wollte'^"). Der Kon-
flikt endete mit seiner Entlassung. Lorenz Pretzschen-
dorf ül)erkam auf kurze Zeit das Amt; aber noch ein
Jahrzehnt später ist seine Wii-ksamkeit in gutem An-
denken ^'^).
Im Jahre 1554 finden wir als deutschen Schulmeister
den Stulilsclii^eiber Caspar Peschel, der bis zu seinem
*-^) War dies vielleicht der Nachfolger „des alden signators",
dessen in einer Verhandhing vom 12. Dezember 1498 gedacht wird?
Sein Nachlass besteht aus folgenden Gregenständen, die zur Ab-
schätzung gelangen: Item iij bette, ein pfui, j küssen, ij mannes-
hemde, iiij leibach vor iiij gülden mitsampt einer virtelskannen (?),
Item ald elter futter vor xxx gr., Ein swartze hasucke reinfach, vnd
ein swartzen zwifachten Eock mit weisem gewande vnterzcogen,
drey Joppen, ij bar Hosen vor ij gülden, Bin tisch vor xv gr.,
j kästen vor x gr., Item ij bucher als ein deutzsche retho-
rica vnd ein nurnbergische rechnunge vor x gr., macht
alles iij fs xj gr.. So bleibt ein clanicordium mit einem pedall vnd
xxiij schulbucher. H -St -A. Loc. 8579. Stadtbuch der Stadt Dres-
den. 1495—1505. Bl. 42 b.
*'^') Kämmerei-Eechnung 1540.
'*■') Gesuch des deutschen Schreibers Oswald Saupe an den Eath.
D. I, 173 b. Er nennt sich hier einen Schüler des Joseph Knaus,
„der erstlich die Meydtleinschul in Vorwaltung gehapt".
^*) xl gr. Joseph dem deutschenn Schulmeister von seynem ge-
rethe herzufhurenn. DEA. A. XV b. 56 a. Nr. 4. Bl. 22 b.
^^) Hoff mann, Beschr, von Oschatz I, 618. In Dresdener
Akten findet sich keine Andeutung über die Identität der Person,
aber da in Oschatz kurz darauf ein neuer deutscher Schulmeister
genannt Avird, so ist der Schluss wohl gestattet.
SO) DEA. D. I, 173b.
si) Ebenda 174.
Die Anfänge des deutschen Schulwesens in Dresden. 281
Tode im Jahre 1568 die Mädchenschule vei-waltet'^-).
Da er im Anfang stets mit dem Titel des Stuhlschi^eibers
erscheint, so macht es den Eindruck, als ob er dieses
Amt in einer der Dresdener Kirchen verwaltet habe'^*^).
Leider findet sich dafür kein Nachweis, namentlich auch
nicht darüber, ob er neben dem Küsteramt schon eine
Sammelschule gehalten hal)e. Während dies anderwärts
vielfach der Fall war, ergiebt sich für diese Zeit aus
den Dresdener Akten nicht ein einziger Fall mit Aus-
nahme des vorstädtischen Schulmeisters zu St. Bartho-
lomaei. Jedenfalls stand unter Caspar Peschel die Schule
in grossem Ansehen. Nicht nur er selbst spricht von
sich in sehr selbstbewusster Weise •^*): er nennt sich den
„Hauptschulmeister", seine Schule die „Hauptschule",
auch von andern wird sein Vorzug anerkannt. Als er
nach 15 jähriger Wirksamkeit starb, bestand die Aner-
kennung seiner Thätigkeit darin, dass man seiner Witwe
das vielumworbene Amt noch liess und ihr die Hälfte des
Einkommens gönnte''^).
Die andere Hälfte wurde dem deutschen Schulhalter
in Prag, Paul Speck, bewilligt""''), der sich nicht nur auf
eine längere Wirksamkeit im Schuldienst, sondern auch
auf eine litterarische Thätigkeit berufen konnte. Sein
Bewerbungsschreiben^'), in welchem er seinen Lebens-
lauf erzählt, gestattet uns einen Einblick in das unstäte
Wanderleben eines deutschen Schulmeisters. Selbst Zög-
ling einer deutschen Schule, hat er zunächst in Leipzig
eine solche über 10 Jahre gehalten, aber da die Univer-
sität derselben grossen Abbruch gethan hat, sich nach
Prag gewendet. Von dem böhmischen Statthalter Fer-
dinand hatte er die Erlaubnis erhalten, in einer „der drei
Städte Prag" eine deutsche Schreib- und Kechenschule
zu gründen. Was ihn veranlasste, gerade nach Prag zu
gehen, war die Hoffnung, Maximilian IL werde auch den
s'-) Ebenda A. II, 100c. Bl. 38 b. Er scheint anfangs mit ge-
wissen Ansprüchen bejiüg-lich der Konzession aufgetreten zu sein,
von deren Zurückweisung das llathsprotokoll a. a. 0. Bl. 29 b be-
richtet. ..
5«) Späterhin fällt der Titel weg; er hat also nach llljernalnne
der Schule sein Kirchenamt aufgegeben. Über die Tflichten des
Stuhlschreibcrs siehe 0. Richter in dieser Zeitschr. IV (1883), 110.
"^ DRA. D. I, 177 b.
65) Rathsprotokoll vom 24. Juli 1568. A. n, 100 c. Bl. 249.
66) DRA. D. I, 240b. A. II, 100 c. Bl. 324.
■^^) Ebenda Bl. 239. Sitzung am 15. April 1569.
282 Georg Müller:
Protestanten seine Gunst zuwenden. Als aber nach
dessen frühem Tode unter Kudolf II. die Aussichten für
den Protestantismus ungünstig wurden und infolge der
Pest seine Schule längere Zeit geschlossen war, wendet
sich Paul Speck an den hiesigen Rath um Verleihung der
Knaben- und Mädchenschule, Avelche letztere von seiner
Frau übernommen werden soll.
Interessant ist in seinem Gesuche der Bericht über
seine schriftstellerischen Unternehmungen. Er hat nämr
lieh einige Schriften verfasst, die theils dem Unterrichte
dienen, theils eine Reform der deutschen Schule im Auge
haben. Das erste Buch handelt von den Uebelständen
im deutschen Schulwesen, die durch Eltern, Schüler und
Schulhalter veranlasst sind, giebt eine eingehende In-
struktion über die Pflichten der einzelnen Personen und
enthält zuletzt Vorschriften über die Einrichtung deut-
scher Schreib- und Rechenschulen. Das zweite, „nit ein
grosses Buch, sondern ein Kunststück der Schreiberei",
ist eine grosse Tafel mit 12 Kanzleischriften, welche die
Entstehimg der Buchstaben „auls dem Quadrat undZirckel"
erläutern. Das dritte ist wesentlich religiösen Inhalts.
Es bietet eine Reihe von Mahnungen zu frommem Leben,
Gebete für Schüler (im Leben und Sterben) in Reim-
versen jedenfalls nach dem beliebten Motto:
„Lies, schreib und recline jederzeit,
Der jüngste Tag ist nicht mehr weit" ^^).
Es ist sehr zu bedauern, dass uns diese Schriften nicht
erhalten sind, sie würden uns jedenfalls einen Einblick
in den Zustand und die Methode des damaligen deutschen
Schulwesens gestatten. Über seine Thätigkeit hier in
Dresden berichtet uns ein Visitationsprotokoll aus dem
Jahre 1578'^^). Darnach unterrichtet er die Knaben,
seine Frau die Mädchen, und zwar, wie ausdrücklich
hervorgehoben wird, „ein ides die seinen in \Tiderscliied-
lichen Stuben," jedenfalls in einem Hause an dem Neu-
markte'^'^•). Die Wohnung scheint mangelhaft gewesen
ö*) Schraid, Encyklopädie des gesamten Unterrichts- und Er-
ziehmigswesens. VI-, 808.
•"•) DRA. A. II, 66. El. 164 (Original), 161b (Abschrift).
60) Ebenda A. II, 100 c. Bl. 309. Vergl. über den Ankauf die
Kämmerei-ßechnungeu vom Jahre 1571: 400 Schock oder 1000 thaler
Laux Zimmermanns erben ufs haufs so man gemeiner Stadt zum
besten zur maigdel- und deutzschen knabenschule umb 2000 thaler
Die Anfänge des deutschen Schulwesens in Dresden. 283
ZU sein, wenigstens werden von den Visitatoren behufs
Herstellung- derselben Anordnungen getroffen''^). Die
Folge davon ist der Neubau der Schule, der in die fol-
genden Jahre fällt '^■-). Paul Speck hat ihn nicht mehr
erlebt. Denn am Trinitatistermin 1579 wird zum letzten-
male sein Gehalt aufgeführt, in dem folgenden Viertel-
jahre muss er gestorben sein; denn beim Termin Crucis
(14. September) fehlt sein Name*"). Zwar wird seiner
Witwe Amt imd Gehalt belassen, aber nur zweimal er-
scheint letzterer in den Rechnungen; in einem Schreiben
an den Rath bittet sie um Befreiung vom Schulmeister-
dienst, weil sie sich „durch sonderliche Schickung Gottes
des Allmechtigen anderweit vorehelichet" habe"^). Ihr
Einkommen wird dem bisherigen Knabenlehrer Valien
Emrich zugelegt, dem 1581 die neuerbaute deutsche
Schule eingeräumt wird. Als die Veteranin, Ottilia
Peschel, nach mehr als 30j ähriger Thätigkeit stirbt*'"),
ist er, bis ans Ende des Jahrhunderts, der einzige vom
Rathe bezahlte deutsche Schulmeister*^''), bekommt aber
nicht die ursprünglich ausgesetzte Summe, sondern nur
30 Giüden.
Freilich werden neben ihm eine Reihe von Privat-
lehrern erwähnt, deren Schulen zumtheil vom Rathe
konzessioniert, aber nicht durch Geldmittel unterstützt,
grosse Anziehungskraft ausgeübt zu haben Schemen. Zu
ihnen gehört in den ersten Jahrzehnten auch die Knaben-
schule des Raths. Als erster Lehrer derselben erscheint
der „deutsche Schreiber" Oswald Saupe. Auch er hat
seine Bildung in der deutschen Schule erhalten. Bei
Joseph Knaus hat er seine Lehrthätigkeit um 1545 be-
gonnen •*'). Nachdem er ungefähr 3 Jahre bei ihm ge-
gekaufft 11 Schock 50 gr. 11 pf. oder 33 fl. 17 gr. 11 pf. dem
deutzschen Schulmeister Paul Speck wegen pesserung defs hauses an
Unser Lieben frawen kirchoff wiedergeben 19. Octob. 1572. Vergl.
die Kämmerei-Rechnung vom .lahre 1579.
«1) DRA. A. II, 66. El. 235 b. Vergl. auch Bl. 183. 184. 234.
«'2) Ebenda. D. I, 344.
«2) Ebenda. Religionamts-Rechnungen vom Jahre 1579 u. 1580.
'") Ebenda. D. I, 292.
'••') Eljenda. Religionamts-Rechnungen vom Jahre 1585.
*"') Einstimmiger Rathsbeschluss, dass künftig neben der latei-
nischen Schule nicht melir als eine deutsche Schule gehalten werden
sollte. D. II, lila.
«') Ebenda. D. I, 173 b.
284 Georg- Müller:
wesen, wird ihm die deutsche Knabenschule üb ertragen *^^);
wie lange er dieselbe geleitet, ist nicht klar, da die
Rechnungen ihn nicht ein einzigesmal erwähnen; 1562
erscheint er in seiner Eigenschaft als Knabenlehrer bei
Gelegenheit einer Feststellung der Dresdener Privat-
schulen *^^). Sein Nachfolger war jedenfalls Valten Em-
rich, dem nach Paul Specks Tode auch die deutsche
Mädchenschule übertragen wird. Die moralische Unter-
stützung, die dieser Knabenlehrer von selten des Raths
genossen, scheint sie nicht vor mancherlei Schwierigkeiten
bewahrt zu haben, die ihnen von selten der neben ihnen
bestehenden Privatschulen bereitet wurden. Abgesehen
davon, dass letztere ihnen die Schüler entzogen und das
Verdienst schmälerten, wurden dieselben auch beschuldigt,
die straffe Disziplin zu untergraben. Oswald Saupe be-
klagt sich, „wenn man der Jugend ein wenig zu scharff
zuspricht vimd sie vmb begangenen Muttwillen strafft,
das sie als den aus einer Schull in die andere lauffen."
Da habe es „vor Zeittenn, do die deutschen Schulen
nicht so gemein gewest," ganz anders um die Disziplin
gestanden, da „hatt man in Latteynischen Schulen die
Jugent in gutter Zucht vnnd forcht halten können, aber
itzundt gehet es viel anders zu" '°). Freilich wurden
diese Schulen bisweilen von Persönlichkeiten geleitet, die
keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck machen, wenn
auch die Beschwerdeschriften oft zu schwarz malen mögen.
Da greift denn der Rath ein, wie auch die Visitation
gegen diese "Winkelschulen einschreitet.
So hatten die kurfürstlichen Kommissarien '^) 1555
die beiden Mädchenschulen von Magister Arnold'^) und
öS) Ebenda. D. I, 1701). Ums Jahr 1553 hat er einen Streit
mit Caspar Peschel, wobei der Rath auf Seite Oswald Saupes tritt.
D. I, 170 a. Darauf bezieht sich jedenfalls das Protokoll der Raths-
sitzuug A. II, 100c. El. 29b: Caspar dem stulschreiber ist beschiedt
gegeben, der jugent sei viel, dartzn auch viel lewtte gehören, so sei
das schreiben und rechnen eyne fi'eie kunst, derhalben sei es schwur,
dy lewt an eynen o)'t zcu zcwingen, und man könne ihn nicht hin-
dern, do er seyne besserung wisse.
69) Ebenda D. I, 172.
™) Ebenda 173 a.
'1) Ebenda 177 a.
■^2) Er war früher Lehrer an der lateinischen Schule zu Alten-
Dresden. D. I, 172.
Die Anfange des deutschen Schulwesens in Dresden. 285
der Pretzsclmerin '■^) untersagt, aber nur letztere fügte
sich. Magister Arnold unterrichtet noch 1562 Knaben
und Mädchen'^). Ausser diesem erscheinen in diesem
Jahre neben den Eathsschulen noch drei Winkelschul-
meister, einer davon in der Wilsdruffer Vorstadt '^"'), 1581
eine vor dem Ziegelthor, die andere auf der Pirnschen
Gasse u. a. m.'*^). Wenn aber die konzessionierten Schul-
meister von dem Rathe die Entfernung dieser Eindring-
linge'^) verlangen, so willfahrtet derselbe nicht ohne
weiteres diesem Gesuche, sondern verweist die Petenten
darauf, dass „schreiben und rechen eyne freie kunst",
also nicht den Schranken der Zunftgesetze unterworfen
sei'^). Er berücksichtigte jedenfalls auch den Umstand,
dass zeitweilige Überfüllung''*) der Eathsschulen, sowie
die Entfernung ^*^) derselben von einzelnen Stadttheilen
das Entstehen neuer Schulen wünschenswerth erscheinen
Hessen. Vor allem ist für ihn die Garantie der sittlichen
Führimg massgebend. „Eyn ledige person lernet dy
kyndere uff' der Borngassenn; ist ime undersagt (ange-
sagt), solle geduldet werdenn, do er sich ehrlich vor-
halten wirdet," berichtet ein EathsprotokoU ^'). Dagegen
greift der Rath rücksichtslos ein, wenn bezüglich der
moralischen Haltung Bedenken vorliegen ^-). Solche wer-
den z. B, über Michael Eaber berichtet, der eine „vnleid-
'3) steht sie in Beziehung- zu Paul Pretzschner, Pfarrer zu Ht.
Bartholomaei, der als Pfarrer und Superintendent nach Eger berufen
wird? D. I, 311.
'*) D. I, 172.
'■') Es war dies Paul Conradt, der sich unter Benifung- auf
seine dreijährige Lehrthätigkeit 1563 um den Schuldienst zu St.
Bartholomaei bewirbt, D. I, 213.
^ö) Gesuch der Ottilia Peschelin Ostern 1581. D. I, 296.
") So dann gemelter Faber nicht zur rechten Thür, sondern
zum Fenster hineingestiegenn, vnnd vnordentlicher weise mit hinder-
listigen Practiken vnd subtilen giieffen eindringen. D. I, 177 b.
Vergl. D. I, 170b: es will „nicht folgenn, das ein Jder, der Schrey-
benn vnd Rechen kan, Schule haltenn sol".
78) Siehe Anm. 68. A. II, 100 c. Bl. 29 b.
™) Bericht über die Mädchenschule 1575: es sei „sondeilich zu
Sommers Zeiten die Schule von den Mägdlein deiinasseii vbei'-
menniget, das sie zuweilen wegen des Uedrenges wul krank diircli-
einander, vielweniger nach Notturft't vberhoret vnd vnterweyset können
werden". D. I, 269 b.
**») D. I, 269b.
si) A. II, 100 f. Bl. 76 b. Montag nach Trinitatis 1555.
**•-) Der Kath berief sich hierljei auf die kurfürstliche Kirchen-
ordnung. D. II, 114.
286 Georg Müller:
liclie" Schule fü.^ Knaben und Mädchen gegründet hat®-^).
Bereits als Kreuzschüler hat er in der Schule Nachhilfe-
unterricht auf Empfehlung des Rektors ertheilt, später
aber durch sein leichtsinniges Leben mancherlei Anstoss
gegeben, die Geistlichen beleidigt, den Rektor verhöhnt
und durch nächtlichen Unfug sich, wie es scheint, wenig-
stens eine Untersuchungshaft zugezogen. Diese That-
sachen bieten dem lateinischen und deutschen Schulmeister
Grelegenheit, gegen die Konzessionierung des neuen zwei-
felhaften Kollegen zu protestieren. Ähnlich ist der Sturm,
als Donat Fehrmann 1585 eine Schule gründen wollte.
Der Rath musste allerdmgs gegen ihn misstrauisch wer-
den, wenn derselbe selbst zugestand, dass er „in seinem
Studieren verwahrlost worden sei" ^^) und wenn gegen
ihn Thatsachen vorlagen, die es bedenklich erscheinen
Hessen, ihm den Mädchenunterricht zu gestatten*^'). So
wurde sein Gresuch abgelelmt **^), trotzdem dass seine
Mutter in einem beweglichen Schreiben darauf hinwies,
wie ilu' Sohn durch einen Schuss in die linke Achsel zum
Krüppel geworden, kein Handwerk habe lernen können,
und wie es sie „einen zinüichen Pfennig gestanden", dass
sie „ihn schreiben vnnd rechnen vnd was sonsten ein
Schulhalter kennen soll, nicht allhier, sondern dasselbe
anderswo, habe solches lernen lassen"*'). Auf ihr An-
erbieten, im Fall der Gewährung ihrer Bitte dem Gottes-
kasten dreissig Gulden zu vermachen, wird ihr geant-
wortet, „doran thette sie Gott einen gefallen vnd das
mochte sie woll thun nach irer gelegenheit" *^). Der
Streit hat für uns noch besonderes Interesse durch die
Schreiben Jakob Fehrmanns, in denen er dem Rathe das
Programm seiner Schule vorlegt. Gefällt es sich auch
in mancherlei Übertreibungen, so gewährt es doch einen
Einblick in den Gang des Unterrichts.
Es ist leicht erklärlich, wenn die Methode der deut-
schen Schule sich zunächst noch an das Mittelalter an-
schloss, soweit nicht die Bestimmungen der Visitationen
und Kirchenordnungen ausdrücklich neue Anordnungen
*^) Siehe zum folo'endeu die Schreiben des Kektors Tobias
Mostelius D. I, 175 f. und Caspar Peschels D. I, 177 f.
8^) D. II, 109.
s"*) D. II, 111b.
80) D. II, 112b.
8-') D. II, 113.
8S) D. II, 114 b.
Die Anfänge des deutschen Schulwesens in Dresden. 287
trafen. Letztere bezogen sich fast ausschliesslich auf
den Religionsunterricht, der den Mittelpunkt des Unter-
richts bildete, bezüglich des Ganges und Stoffes ziemlich
eingehend festgestellt und besonders ernstlich eingeschärft
wurde. In den Meissener Visitationsartikeln von 1539 "*'•')
wurde vorgeschrieben, „dals auch in alle wegen der kleine
und grolse Katechismus sammt der Litanei in der Schüler
und Schulmägdlein Gegenwart mit Fleils getrieben und
geführt werden soll", w^ozu im Jahre 1540 die Vorschrift
kam, dass „was man am Sonntage vorgelegt hat, man
den Kindern in der Woche auf einen Tag oder zwei,
nachdem der Kinder viele oder wenige sind, wieder über-
hören soll." So wird auch in Dresden in dem einzigen
ausführlicheren Einweisungsprotokoll der deutschen Leh-
rerin ihr Versprechen erwähnt, „die Kinder im cathechismo
und gottes W'Orth etc. treulich und vleiisig zu under-
weisenn, soviel ir verstandt mittbringet" '"^•). Es könnte
darnach den Anschein haben, als ob hier, nach Luthers
erstem Vorschlag ^^), nur religiöser Unterricht ertheilt
worden wäre, wenn bei der Bestimmung des Schulgeldes
nicht ausdrücklich vom Lesen und Schreiben die Rede
wäre. Diese beiden Fächer bezeichnen allgemein, bis-
weilen mit dem Singen*-'"-) verbunden, die untersten Stufen
oder Klassen der Mädchen- wie Knabenschule. Ihr Be-
trieb wird jedenfalls der mittelalterliche'-*") gewesen sein;
bezüglich des ersteren finden sicli mit Ausnahme der
Erwähnung von Lesetafeln ■'^) keine näheren Notizen,
^^) Heppe, Geschichte des deutschen Volksschulwesens 1, 16.
^) DRA. A. II, 100 c. Bl. 249.
^^) An den christlichen Adel deutscher Nation . . . Bearbeitet . . .
von Karl Benrath (Halle 1884) S. 26 f.: Und wollte (lott, eine
jegliche Stadt hätte auch eine Mädcheiiscliule, darinnen des Tags die
Mägdlein eine Stunde das Evangelium hörten, es wäre auf deutsch
oder lateinisch. — Nur religiöser Unterricht für die Mädchen wird
auch in Braunschweig erwähnt in der Schulordnung von 1528.
Koldewey, Braunschweigische Schulordnungen ... I, '67. Z. 10 flg.
Über die Yei'schiedenheit und Entwickeluiig des Unterrichts in den
Mädchenschulen siehe Johannes M ü 1 1 e i' , Luthers refuriiiatoiische
Verdienste um Schule und Unterricht. 2. Aufl. (Berlin 1883) S. 34 f.
"■-) Hans Schrötters hat erstlicli Meidtlcin vnd Knaben, im
lesen und singen vnterwiesen ein junii'er Geselle (l'aul Conrad)
zuuor hat er sich auch mit der deutzschen schreib und singschul
beholffen. D. I, 172.
*'■') Vergl. Specht, Geschichte des Unterrichtswesens in Deutsch-
land .... 67 flg.
«) DRA. D. I, 239 b.
288 Georg Müller:
wälireud für den Sclireibuuterricht öfters mit besonderer
Sorgfalt ausgeführte Zusammenstellungen der Alpliabete
auf Papier oder Pergament^"') benutzt wurden.
Die oberste Stufe bildete der Reclienunterriclit. Aus-
drücklich wird er zum erstenmal im Jahre 1550 erwähnt,
in welchem ein deutscher Schreiber"") die Erlaubnis er-
hält, „Rechen- und Fechtschulen" "') zu halten ^^). Aber
wir dürfen wohl annehmen, dass schon Joseph Knaus
seit dem Anfange der vierziger Jahre die in dieser Zeit
so ausserordentlich schnell emporgekommene Wissen-
schaft-*") in seiner Schule getrieben hat, da er bereits in
Oschatz Rechenmeister genannt wird und ausserdem sein
Nachfolger in der Mädchenschule wie sein Schüler in der
Knabenschule das Rechnen treiben ^*^*'). Auch Specks
Frau hat bereits in Prag den Mädchen Rechen Unterricht
ertheilt ^'^^). Er selbst erscheint im Jahre 1574 unter
dem Titel Rechenmeister ^^^). Regelmässig werden zwei
Rechnungsarten : auf der Linien und mit der Feder unter-
schieden^*^''). Jacob Fehrmann verspricht in seinem Pro-
gramm auch noch das höhere, kaufmännische Rechnen zu
treiben: „nach dem Fortheil oder Practica genand, auch
darneben Aulsziehung der Wurzeln der Quatraten, des-
gleichen Buchhalten durch drey Bucher, als Zornal (Jour-
nal), Kaps (Capsula) und Schuldbuch" ^*'*).
Von sonstigen Fächern finden wir nichts vertreten.
Es ist dies auch völlig für die Knabenschulen erklärlich,
wenn z. B. Oswald Saupe ausdrücklich hervorhebt, dass
^■') Ebenda 240 a. D. II, 109 a.
96) Ist dies etwa Melchior Zceischen? Vergl. DRA. A. XV b.
63. Tagzettel 1549.
'•'■') Siehe tlber die Geschichte und Bedeutung der Fechtschulen
für die Städte M. Jahns, Geschichte des Kriegswesens (Leipzig
1880) S. 92H.
'■**) A. XV b. 63. Tagzettel 1550: Eym dewtzschen Schreiber ist
erlewbt rechen- und fechtschulen zcu halten, ist inn der
Willischen gassenn zcur miet eyngetzogen.
"'■') Siehe über die Schätzung der Rechenkunst in Sachsen:
Schmid, Encyclopädie des ges. Erziehungs- und Unterrichtswesens
VI, 788 flg.
1^'^) Ä. II, 100 c. 29 b. D. I, 170. 170 b. 172. 173. 173 b.
'•») D. I, 239 a.
^'>-) A. II, 100 c. Bl. 324.
10'^) Über dieselben Schmid, Encyklopädie VI, 790 flg.
^'^4 Vergl. dazu M. Henrici grammatici (Schreyber) Rechen-
büchleiii .... (Frankfurt a. M. 1572), erwähnt bei Schmid, Encyklo-
pädie .... VI, 793.
Die Anfänge des deutschen Schulwesens in Dresden. 289
er nur die „arme . . . Jiigent" "^'^), „diejenig-en die nicht
geschickt zum Studiren, oder sonsten Armuts halben das-
selbige nicht erstrecken können" ^'^^), in seiner Schule
habe. In der Mädchenschule wird allerdings schon „Neben
vnd andere weibliche Arbeit" erwähnt ^^^^).
Über die Art und Weise des Unterrichts geben uns
die Quellen keine Auskunft; doch scheint das Ansagen
und Überhören (Verhören) die Hauptrolle gespielt zu
haben ^^'^). Die Disziplin war der Sitte der Zeit ent-
sprechend streng, die Bestrafung hart. Wenn auch oft
davon in glimpflichen und euphemistischen Ausdrücken,
wie : ein wenig zureden, ein Avenig scharf zusprechen etc.
gehandelt Avird, so findet sich doch auch „die gebükrliche
Züchtigung" oft genug ^-'^). Immer stärker Averden die
Klagen über die Schädigung der Disziplin durch die
Winkelschulen. Wie dem Emporkommen derselben der
di'eissigj ährige Krieg sehr förderlich war, so hat er die
EntAvickelung des jungen deutschen Volksschuhvesens in
beklagenswerthem Masse gehindert.
i«'^) DRA. D. I, 170b.
10") Ebenda 173 b.
10^) Ebenda 239 a.
lo«) Item soll die Abecedarios helifen verhorenn vnnd sie im
Schreibern! oben helfteu. D. I, 265.
109) D. II, lila. D. I, 173a.
Neues Archiv f. S. G. u. A. VJII. 3. 4. 19
IX.
Der kursächsische Hofmaler und Kupferstecher
Heinrich Göding/)
Yon
K. Berliug.
Heinrich Göding") der Altere ist, wie aus seiner
Grabschrift (s. unten S. 341) hervorgeht, im Jahre 1531
zu Braun schweig geboren. Ausser dieser kui'zen Angabe
war weiteres über seine Geburt, Familie, künstlerische
Erziehung, kurz über die ganze Jugendzeit nicht in Er-
^) Die nachfolgende Studie ist auf Anrathen meines Freundes,
des Herrn Cornelius Gurlitt, entstanden, der mir zu diesem Zwecke
nicht nur sein reichhaltiges Notizenmaterial zur Verfügung stellte,
sondern mich auch im Verlaufe der Arbeit mit seinem ilathe wesent-
lich unterstützte.
-) Ich habe dieser Schreibweise des Familiennamens den Vor-
zug gegeben, weil sich dieselbe in den Kreisen der neueren Kunst-
schriftsteller bereits eingebürgert hat. Der Maler selbst hat sich mit
„Gödiug" meines Wissens nur einmal unterschrieben und zwar bei dem
zum I. Bande des von ihm verfassten Kupferwerkes „Sachs. Historien"
gehörigen Vorworte, während er in zwei Briefen, die sich im Kgl.
Sachs. Hauptstaatsarchiv (H.-St.-A.) befinden, und einem Gedichte. Avel-
ches das Wolfenbüttler Archiv bewahrt, „Götting" wählte, eine Form,
die sich, doch hier o statt ö, auch einst auf seiner Grabschriftvorgefun-
den hat. Seine Kupfertafeln hat er ferner mehrfach mit „Godig", „Goe-
digen", „Göde" und „Gödi." bezeichnet, während sich endlich noch
in den ihn betreffenden Akten die Schreibarten „Goding", „Gödding",
„Godeckh", „Godick" etc. vorfinden. — Um Verwechselungen vorzu-
beugen, möge hier erwähnt sein, dass in den Akten des H.-St.-A.
aus dieser Zeit mehrfach Notizen vorkommen, welche sich auf einen
K. Berling: Hofmaler u. Kupferstecher H. Göding. 291
fahrung zu bringen'^). Doch möchte ich schon hier, und
zwar aus stilistischen Gründen, der von Schuchardt^)
ausgesprochenen Ansicht, seine Werke Hessen vermuthen,
dass er in den Niederlanden die ersten malerischen Stu-
dien gemacht habe, entschieden entgegentreten; vielmelu-
weisen dieselben auf einen deutschen Lehrer hin. Es ist
dies aber eine Annahme, die auch Öchuchardt nicht ganz
ausgeschlossen wissen will, da er etwas später auf der-
selben Seite sagt: „Dass es in Gödigs Jugendzeit in
Braunschweig selbst geschickte Maler gegeben . habe, be-
weist schon die Nachricht, dass Cranach der Ältere von
einem dortigen Künstler Porträts leiht, um sie zu copii-en
oder andere darnach zu malen".
Es vermag sich somit die nachfolgende Studie nur
mit den Arbeiten Gödiugs zu beschäftigen, die er im
Kurfürstenthum Sachsen, wo er die längste Zeit seines
Lebens als Maler und Kupferstecher thätig war, aus-
führte. Wann er nach dieser seiner neuen Heimath ge-
kommen ist, lässt sich wenigstens annähernd bestimmen.
Denn in der Vorrede zu einem von Göding 1597 und 1598
verfassten Kupferwerke, das unten ausführlicher be-
sprochen wird, sagt er, dass er „dem Hoclüöblichsten
Churf Haus zu Sachlsen in die 40 Jahr mit seiner
Mahlerkunst unterthenigst gedienet" habe. Darf man
nun auch wohl die Angabe „in die 40 Jahi^" nicht wört-
lich nehmen, sondern dieselbe nur als ungefähre Zeit-
bestimmung betrachten, so berechtigt sie jedenfalls zu
der Annahme, dass Heinrich Göding vom Ausgange der
50er Jahre an in Sachsen thätig war.
Büchsenmacher Heinrich Gütting von Mühlhausen beziehen. Der-
selbe hatte gegen Ende des Jahres 1572 seine Bestallung als Büchsen-
meister zu I)resden erhalten, welche ihm aber im Mai l.ö77 wieder
entzogen wurde, weil er „ob seinem ungehorsamen Verhalten und
Unfleifs" das höchste Missfallen des Kurfürsten August erregt hatte.
**) Wie mir Archivar Dr. Zimmermann in Wolfenbüttel, dem ich an
dieser Stelle für mehrere mir gütigst überlassene, Göding betreffende
Notizen meinen Dank ausspreche, mittheilt, sind in Braunseliweig Kir-
chenbücher aus so alter Zeit niclit mehr vorhanden, auch hat sich in
den Archiven zu Biaunschweig und Wolfeid)üttel bis jetzt über Göding
mit Ausnahme des bereits erwähnten Gedichtes nichts vorgefunden.
Letzteres gedenkt Dr. Zimmermann, der sich mit mir audi in der
Schreibweise „Göding" geeinigt hat, in nächster Zeit in «1. Beitr. zur
Gesch. der deutschen Sprache u. Literatur zu veröffentlichen.
^) Ch. Schucliardt, Heinrich Godig, in Naumanns Arcliiv f.
d. zeichnd. Künste. 1855. S. 95.
lü*
292 K. Berliug:
Die erste urkundliche Notiz, welche sich im H.-St.-A.
auffinden Hess, und welche lautet'^):
„6 fl. 18 g. Heinrich Gottiugernn Mahlern vonn 3 stähelin hogenu
Zu mahlenn vnd Zu uorgoklenn laut einer vnderschriebenen Zeildel",
ist indessen erst vom 2. Okt. 1563 datiert. Es liegt aber
in der Natur der Sache, dass die urkundlichen Quellen
über eine so bescheidene Thätigkeit, wie sie die ersten
Jahre seines sächsischen Aufenthaltes ausgefüllt zu haben
scheint, nur sehr spärlich fliessen. Wohl erst allmählich
ist es ihm gelungen, die Aufmerksamkeit des Kurfürsten
auf sich zu ziehen und sich die Gunst der Kurfürstin zu
erwerben, so dass ihm die Ausführung grösserer Arbeiten
an dem Sclilosse und der Schlosskapelle zu Stülpen^)
übertragen wm^de. Über diese schi-eibt August selbst in
einem an den dortigen Schösser gerichteten Briefe'):
„L. g. Aufs inligendem vor Zaichnus findest du, wafs der
mahler zum Stolpen Heinrich Godingen von den hirschen für unser
efsstuben unnd dem predigstuhle inn der kirchen Zu mahlen Zu uor-
gulden und aufsZustreicheu fordert. Weill wir dan bedacht bereits
Zwei stuck noch mahlen Zu lafsen, so befehlen wir Dir, du Avollest
mit ime des lohns halben aufis genaweest dingen und Vorgleichiing
treffenn, Damit es künftig nach vorferttigimg dieser gemeide keiner
sonderlichem! handlung mit Ime bedorffe. Das soll etc.
Drefsden d. 12. Feb. 1564."
Von der Ausmalung dieser „Essstube" ^) ist nichts
mehr erhalten,; der „Predigtstuhl" (Kanzel) jedoch, der
früher an der südlichen Wand der Schlosskapelle auf-
5) H.-St.-A. Loc. 8679. Tagesregst. 1563—64.
^) Das Schloss Stolpen sowie die Stadt Bischofswerda waren
am 18. Jan. 1559 in den Besitz des Kurfürsten August gekommen.
Vergl. Mitthlg. d. K. S. Alterth.-Yer. XX, 53. Näheres über den
Stolpener Schlossbau siehe R. Steche, Bau- u. Kuustdenkmäler d.
Kngr. Sachsen I, 83 flg.
') H.-St.-A. Cop. 321 (H) fol. 24.
*) Walirscheinlich ist hiermit der im westl. Theile gelegene,
jetzt gänzlich verfallene „Fürstenbau" gemeint. Es wäre jedoch
möglich, dass auch die Malereien in einigen daneben liegenden Ge-
mächern von Göding gemalt waren, von denen v. Zehmen, Bemer-
kungen über d. Stolpener Schloss (1792) Bl. 4 b (Manuscr. in d. Kgl.
Offtl. Biblioth. zu Dresden) wie folgt berichtet: „Hier (im 4. Schloss--
hofe) war sonst rechter Hand gleich beim Eingange ein schöner
Säulengang, worauf Stuben gebaut, die mit ä la fresco gemahlt
w^aren. Da sich einige eben nicht sittliche Bilder in diesen Stuben
befanden, so Hess man sie überweissen, allein die Farben haben sich
unter dem Kalk sehr gut gehalten und man kann immer noch etwas
von dieser Mahlerey sehen. Leider sind diese Stuben und schönen
Säulen-Gänge auch niedergerissen".
Hofmaler luid Kupferstecher Heinrich Göding. 293
gestellt war, befindet sich jetzt in der BegTäbniskirche
zu Bischofswerda^). Indessen ist auch hier noch die
Thätigkeit des Malers eine recht untergeordnete, sie be-
sclu"änkt sich lediglich auf das Ausmalen und Vergolden
der vom Bildhauer gefertigten Figuren und Ornamente.
Erst zwei Jahre später erscheint Göding als mit
selbständigen Aufträgen bedacht und zwar mit einem füi-
dieselbe Kapelle bestimmten Werke. Denn im Jahre
1566 führte er den vom Kurfürsten erhaltenen Auftrag
aus, die Aussenseiten der Flügel des Hauptaltars zu über-
malen und die zu demselben gehörige Predella neu zu
schaffen^"). Dieser Altar, dessen beide Flügel und Pre-
della sich jetzt im Museum des K. S. Alterthums-Vereins
zu Dresden (unter Nr. 69^^, '' und ") befinden"), war von
Johann V. (von Weissenbach), Bischof von Meissen, im
Jahre 1486 errichtet worden. Früher waren im Lmern
desselben die lebensgrossen aus Holz geschnitzten Figuren
der Maria mit dem heil. Erasmus imd der heil. Barbara
aufgestellt, die inzwischen verschwunden sind, aber noch
im Jahre 1792 vom Kammerherrn von Zehmen an Ort
und Stelle gesehen wurden^-).
Sobald durch den Kurfürsten August vom Amte
Stolpen, das er von den Meissner Bischöfen gegen das
Amt Mühlberg eingetauscht hatte, Besitz genommen war,
hatte er auch hier, wie in seinen übrigen Ländern, die
Lehre Luthers eingeführt ^='), eine Neuerung, die ausser
einer gänzlichen Renovation der Kapelle auch viele Ver-
ändermigen in derselben nach sich zog. Unter anderem
wurde der Altarschrem, weil die Heiligenfiguren bei dem
veränderten kirclilichen Ritus Anstoss erregten, walu--
scheinlich von dieser Zeit an meistens verschlossen ge-
halten. So wenigstens erklärt sich am besten der Um-
stand, dass Göding die Aussenseiten der Flügel über-
malen musste, diese sich aber bei weitem nicht so gut
0) Vergl. R. Steche a. a. 0. 89, wo eine genaue Beschreibmig
dieser Kanzel gegeben ist.
^0) Für seine Thätigkeit in Stolpen ist Göding vom Kurfürsten
mit 600 fl. „bei>iiadet" worden (H.-St.-A. Cop. 321, fol. 6'').
'1) Vergl. V. Eye, Führer durch d. Museum d. Alt.-Ver. S. 35 f.
und R. Steche a. a. 0. 88.
1-) Derselbe schreibt a. a. O. S. 6 allerdings fälschlich, dass
„die Mutter Gottes mit Joseph und Cliristo" darinnen gestanden
hätten. Vergl. dagegen Gercken, Historie der Stadt und Berg-
festung Stolpen (1764) S. 46 f.
13) Gercken a. a. ü. S. 38 f.
294 K. Berling:
erhalten haben, wie die fast ein Jalnlnmdert älteren
Innenbilder.
Göding theilte, analog den letzteren, seine beiden
Tafeln in einen oberen grösseren und emen unteren klei-
neren Abschnitt, die er dui^ch ein etwas steifes links ^*)
mit dem sächsischen, rechts mit dem dänischen Wappen
verziertes Kartuschenwerk trennte.
Die Tafel links stellt in ihrem oberen Theile die
Ausgiessmig des heiligen Geistes dar. Die 12 Apostel,
welchen in der naiv anschaulichen Weise der damaligen
Zeit der heilige Geist in Gestalt eines Flämmchens ins
Haupt zu dringen scheint, umgeben, meist in grosser
Verzückung, die Gottesmutter, welche als eine würdige
Matrone mit gefalteten Händen, das volle Gesicht dem
Beschauer zugewandt, behäbig dasitzt. Über ihnen
schwebt die Taube (von bläulicher Färbung mit grell-
rothem Schnabel mid Beinen), von welcher der Geist
strahlenförmig ausgeht und den ganzen Hintergrund mit
einem ki^assen Gelb anfüllt. Rechts wird die Darstellung
durch eme Renaissancesäule, links durch eine mächtige
Freitreppe und ein Rundbogenportal, welches den Diu'ch-
blick in eine Stadt gestattet, abgeschlossen.
Das darunter befindliche, kulturgeschichtlich sehr
interessante Bild stellt im Vordergrunde — mit sehr
vielen Figuren — einen in der Stadtkkche zu Witten-
berg nach neuem Ritus abgehaltenen Gottesdienst dar.
Lüiks predigt von der Kanzel herab der grosse Refor-
mator Luther; vor ihm sitzt, eng an einander gereiht,
die andächtige Gemeinde, von der in der Mitte der
Kirchendiener im Klingelbeutel die Gelder einsammelt.
Ganz rechts sitzt in eüier kleinen Nische der Kurfürst
August, das Haupt von einem hohen schwarzen Hute mit
rother Feder bedeckt. Im Hintergrunde des Bildes sieht
man die Austheilung des heiligen Abendmahles in beider-
lei Gestalt. Der untere Rand desselben zeigt neben der
Jahreszahl 1566 des Malers Monogramm Wi^'^).
") Ijiuks und rechts bezieht sich auf die jetzige AufsteUung
im Museum, wo die von Göding gemalten Aussenflügel nach innen
gekehrt sind.
15) Ausser diesem einfachen, aus den beiden Anfangsbuchstaben
von Vor- u. Nachname gebikleteu Monogramm findet sich häufig ein
anderes vor, bei welchem zu dem H u. ü noch ein kleines b tritt
und das — wohl richtig — „Heinrich Göding Brunsuicensis" ge-
lesen wii'd.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Gödiiig. 295
Die andere Tafel stellt in iln^em oberen Theile die
Taufe Christi dar. Die lendenumgiii'tete, sonst nackte
Gestalt des Heilandes, der mit gekreuzten Armen im
Jordan steht, ist ziemlich schlecht gezeichnet. Eechts
von ihm kniet, gleichfalls etwas ungeschickt, auf einem
Felsblock Johannes in härenem Gewände und weitem
grellrothen Mantel. Etwas besser als das Figürliche ist
hier das Landschaftliche behandelt, wenn auch für unsere
Augen das Grün ein wenig zu grell erscheinen mag.
Im unteren Bilde, das gleichfalls die Jahreszahl 1566,
doch keine Namenscliiffre trägt, sieht man die Taufe
eines Solmes des Stolpner „SchlossAvächter" ßarthel von
Tolckwitz dargestellt, bei welchem August, Anna und
Johann von Holstein, ein Bruder der letzteren, Pathen-
stelle vertraten ^*').
Die zu diesem Altare gehörige Predella, welche
ebenfalls von Göding gemalt ist, zeigt auch das gleiche
Monogramm und dieselbe Jalu^eszahl wie die erste Tafel.
Es beruht somit die Ansicht von Zehmens, dass die
Jalireszahl 1554 dem Monogramme, welches er überdies
falsch wiedergegeben hat, beigeschrieben sei, auf einem
Irrthum"). Bemerkenswerth bei diesem Bilde, welches
das Abendmahl des Herrn darstellt, ist der Umstand,
dass der Maler in der von Lucas Cranach eingeführten
Sitte, die Gestalten der biblischen Geschichte dmxh Por-
träte seiner Zeitgenossen auszudrücken, nicht eben ge-
schmackvoller Weise soweit gegangen ist, dass er sogar
dem Heilande die Züge semes Kurfürsten verliehen hat.
Was den künstlerischen Werth dieser drei auf Holz
gemalten Temperabilder anlangt, so muss ich gestehen,
dass ich denselben eine grosse Bedeutung nicht zu-
sprechen kann. Es sind anscheinend Erstlingswerke des
Malers, der, obgleich er bereits im 36. Lebensjalu-e stand,
doch hier zum erstenmale selbständig grössere Motive
behandelt zu haben scheint. Aus diesem Grunde erklärt
16) Gercken a. a. 0. S. 48.
") Derselbe sagt über dieses Bild a. a. 0. S. 5 f. wortlich:
„An dem Altar ist viel Kunst und Gold verschwendet. Das untere
Stück, welches das Abendmahl vorstellet, ist von einem sein- be-
rühmten Mahler mit Oelfarben auf Holz gemahlt; seinen Namen hat
er mit den Buchstaben CH bezeiclniet und die .Jalireszahl lö.o4 ist
diesen beigesetzt. Ausser der Schönheit der (iewändcr der dasigen
Personen herrscht übrigens noch sehr viel Ausdruck in den Mienen
des Erlösers sowohl als auch seiner Jünger."
296 K- Berling:
sicli denn auch das Unsicliere in der Komposition, das
häufige Verzeichnen im Figürlichen u. a. m., Fehler,
welche in den Bildern aus späterer Zeit mehr und mehr
vermieden sind. Es zeigt sich jedoch schon hier eia
charakteristisches Merkmal aller seiner biblischen Histo-
rienbilder: jenes krasse Gelb, das vom Heiligenscheine
ausgehend, den ganzen Hintergrund der Gemälde erfüllt,
und die aus demselben sich ergebende Absicht, durch
Lichteffekte, wie sie auch der jüngere Cranach anstrebte,
zu wirken. Aber dieser naturalistische Zug der Malerei
war nicht mit dem hinreichenden koloristischen Können
gepaart, so dass das Resultat ein ziemlich klägliches ist.
In der Zeichnung offenbart sich ein gewisses Streben
nach Eleganz, welches als Einfluss der Schule Goltzius'
bezeichnet werden kann. Freilich entspricht das Wollen
auch hier zunächst nicht dem Können, so dass es an
Gliederverrenkungen und unklaren Verkürzungen nicht
fehlt. Deutsch ist dagegen das ehrliche Streben nach
individueller Ausbildung der einzelnen Gestalten, ein Zug
von Gödings Kunst, der sich bei seiner späteren Viel-
geschäftigkeit leider mehr und mehr verflüchtigt.
Über die weitere Thätigkeit Gödings bis zum Jahre
1570 erfahren wir nur im allgemeinen, dass er an Bauten
in Dresden beschäftigt war, und zwar aus einem vom
Kurfürsten an den Kammermeister zu Dresden gerich-
teten Briefe, welcher lautet^*):
„L. g. Wir liabenn Inliegend Heinrich Göddeck Mahlers viider-
thenigst siipplication gnädigst gewilligt Ime an den 310 fl., so Ime
durch vnsere Befehlchhaber der Gehende Zu Dresden an seiner da-
selbst verferttigten arbeit abgebrochen worden, 200 fl. zu einer gne-
digstenn nachfolge vnd erstattung aus gnadenreichen Zulassen be-
willigt. Befehlen dir derhalben, du wollest Ihme solche 200 fl. gegen
einer geburliehen Quittantz aus vnser Renth-Cammer vberantwortten
vnd zustellen etc. d. 24. Aug. 1569."
Welcher Art nun diese Arbeiten des Malers gewesen
sind, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen.
Wahrscheinlich ist es jedoch, dass dem Göding ein Theil
der inneren Ausmalung des vom Kurfüi^sten in den Jah-
ren 1565—67 erbauten Kanzleihauses übertragen wurde;
in demselben ^^) hatte sich noch bis vor kurzem eine
Decke erhalten, welche die gleiche Technik wie mehrere
18) H.-St.-A. Cop. 356 a fol. 191.
1^) Im Gange des ersten Geschosses.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 297
von Göding auf der Augustusburg und dem Freudenstein
ausgeführte Decken zeigte.
Auf das eben erwähnte Gesuch Gödings um Aus-
zahlung der rückständigen Gelder bezieht sich walu--
scheinlich auch ein Vermerk, der sich in einem anderen
Aktenstücke des H.-St.-A., welches, ohne Angabe von
Jahreszahlen, die Notizen eines kurfürstlichen Referenten
enthält, vorfindet. Es heisst nämlich in demselben '-°):
„Heinrich Gotting Maler hittet, das Ime zu VoUbriugung seiner
augestelten Hochzeit Von seiner Verdinten arbeit an den 400 fl.
itzo wo nicht gar, doch 3 oder 200 fl. gewifs aufsgezalt werden
mögen."
-'ö^
Diese Sache scheint an dem betreffenden Tage nicht
zum Vortrage gekommen zu sein, denn wenige Seiten
weiter"-^) ist dieselbe Angelegenheit wieder erwähnt mit
den Worten: „Heinrich Gottings sach wegen seines gel-
des", und am Rande steht der Vermerk: „Cammermeister
Zu Zustellen". Es stimmt nun freilich die von Göding
zu fordernde Summe im Befelil an den Kammermeister
nicht mit der im Vortrage angegebenen Summe überein;
es könnte diese Differenz aber immerhin darauf beruhen,
dass in der letzteren Notiz die ganze Summe, welche der
Maler überhaupt zu fordern hatte, genannt ist, von Avel-
cher Göding aber bereits vor dem 24. August 1569, dem
Tage, an welchem der Kurfürst den Befehl zur Aus-
zalüung an den Kammermeister gelangen liess, 90 fl. er-
halten haben konnte. Auch ist nicht anzunehmen, dass
der Maler in den nächsten Jahren, während seiner Au-
gustusburger Thätigkeit, eine derartige Forderung noch
geltend machte, denn in dem aus dieser Zeit erhaltenen
sehr reichhaltigen Aktenmateriale findet sich hiervon
nichts erwähnt. Seine Verheiratlmng --) muss jedenfalls
um diese Zeit erfolgt sein. Aus dieser Ehe stammten —
soweit nachweisbar ist — zwei Söhne, Andi^eas und
Heinrich, „ welche beide dem Vater in der Malerkunst
folgten. Über deren künstlerische Thätigkeit wii'd weiter-
hin ausführlicher gesprochen werden.
20) H.-St.-A. Loc. 7333 Allerhandt Vortragen Vol. III fol. 15.
21) a. a. ü. fol. 22.
22) Göding war laut der bereits erwähnten Grabschrift yerniiihlt
mit einer Frau Helene (der Vatersname derselben wird niclit ge-
nannt), die im Jahre 1541 geboren und am 1. September 1591 ge-
storben ist.
298 K. Berling:
Als der Kurfürst August die Feste Grimmenstein
bei Gotha zerstört und damit die Grumbach'sclien Hän-
del zu seinen Gunsten beendet hatte, beschloss er, gleich-
sam als ein monumentales Zeichen seines Sieges-*^), auf
dem Schellenberge im Zschopauthale an Stelle des 1547
durch den Blitz zerstörten alten Gebäudes em neues
Schloss zu errichten, welches er sich zu Ehren die Au-
gustusburg nannte. Mit der Erbauung desselben beauf-
tragte er den alten Leipziger Bürgermeister Hieronymus
Lotter-^).
Am 30. März 1568 hatte die feierliche Grundstein-
legung stattgefunden, aber so eifrig der Baumeister auch
die Arbeit betrieb, so ging doch der Bau auf der steilen
Höhe nur langsam von statten. Erst am 31. Mai 1570
konnte Lotter an August berichten-^), dass er hoffe zu
Jakobi das Sommerhaus, welches er zuerst begonnen
hatte, fertig zu stellen, „und", fährt er in seinem Be-
richte hierüber fort, „mangelt mir daran, dals Eur Churf.
G. gnädigst mir den Maler nit zuschickenn, der mir die
Deckenn im obersten Gebenden Sahl und Sahlstuben
ferttig machen kundte."
Mit der malerischen Ausschmückung dieses Schlosses
hatte der Kurfürst nun Heinrich Göding beauftragt, des-
sen Arbeiten er, wie oben angedeutet, zu verschiedenen
Malen kennen und schätzen zu lernen Gelegenheit gehabt
hatte. Auch muss er denselben etwa um diese Zeit zu
seinem Hofmaler ernannt haben ^®).
Göding war bereits am 15. Mai 1570 vom Kurfürsten
aufgefordert worden, sich zur Abreise nach der Augustus-
^^) Die dem Grundstein eingelegte Schrift enthält u. a. die
Worte : „Da hat hochgebohrner Chuifürst, als gewesener Feldlierr,
diefs Sclilofs, zu einem ewigen Gedächtnifs des gemachten Friedens,
zu erbauen verordnet." v. Schütz, Histor. Beschreib, v. d. Schlofs
u. Ampte Augustusburg (1710).
-^) Siehe über diesen sowie über den Schlossbau G. Wust-
mann, Hieronymus Lotter (1875); über letzteren Haenel, Adam
u. Gurlitt, Sachs. Herrensitze u. Schlösser u. E. Steche a. a. 0.
Heft VI.
-•^) H.-St-A. Loc. 4450. Akt. Augustushurger Schlossb. belg.
fol. 152.
-**) Eine Bestallung Gödings Hess sich leider nicht auffinden,
doch nennt August ihn in einem vom 10. Juni 1570 datierten Briefe
meines Wissens zum erstenmale seinen „hofimahler". (Cop. 345
fol. 361b f.)
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 299
bürg bereit zu halten. Es geschah dies in nachfolgendem
Briefe-'):
„L. g. Wir begeren vnnd befeien dir hiemit, Du wollest
dich mit allerlei färben vnnd deinem gesinde darnach achten vnnd
gefast machen, wan dich vnser ßawmeister auff der Augustusburg
Jheronimus Lotter Zu sich vffn Schellenberg erfordern vnd 1)6-
schreiben wirdet. Das du dich vnseumlich vnnd vuuorhindert dahin
verfliegen vnnd das steinAA'erck an fenstern, thuren vnd Caminen,
Auch die thui'en tisch vnd bencke In denn gemachen In dem erst
angefangenen eckhause vermöge vnsres dir zugestellten mcmorials
mit den Wapen vber den thuren auffs lustigist mahlen vnnd Zu-
richten mögest, das solch haufs für Jakobj künftig gewifs gentzlich
ferttig vnnd zu bewohnen sey. Daran etc."
Nachdem Göding nun auf diese Weise vorbereitet
war, erhielt er auf die Bitte Lotters, ihm den Maler zu
schicken, den Befehl-^) abzureisen, während August
gleichzeitig seinem Baumeister schrieb"'-'):
„L. g. — Wollen dir gnedigst nicht bergen das wir vnserm
hoffmahler zu Dresden Heinrich Göding von dieser Zeit befohlen,
sich auff dein erfordern vnseumlich vff den Schellenberg Zuuorfuegen
vnnd die Gemach vnserem schlifft! ichen vertzaichnus nach, Dauon
Ime auch ein abschrifft Zuogestellet, Zu mahlen. Wie er vns dan
uewlich berichten lafsen, das er sich mit färben vnd gesinde not-
turfttig gefast gemacht vnnd nur deiner erforderung wartte. Der-
halben würdest du Ime wohl zu beschreiben wissen etc.
Heidelberg d. 10. Juni 1570."
So begann nun Göding Ende Juni 1570 seine Thätig-
keit auf der Augustusburg mit dem Ausmalen des Som-
merhauses.
Lotter hatte zwar dem Kurfürsten das Versprechen
gegeben, bis Jakobi das erste Eckhaus des aus vier Pa-
villons und vier Verbindungsflügeln bestehenden Schlosses
fertig zu stellen, jedoch lediglich unter der Voraussetzung,
dass die Malerarbeiten mit genügenden Kräften in An-
griff genommen imd thunlichst gefördert würden. Als
nun aber Göding nur mit einem Gesellen und drei Jungen
auf dem Baue eingetroifen war, erklärte Lotter, dass es
eine Unmöglichkeit sei, unter diesen Umständen sein Ver-
sprechen zu halten.
Da riss plötzlich dem Bauherrn die Geduld; schon
häufig hatte die vermeintlich zu langsame Förderung des
Schlosses und die vielen Mehrausgaben, die dasselbe ver-
schlang, seinen Unwillen erregt, bis nun endlich diese
") H.-St.-A. Cop. 356^^ fol. 313.
28) Ebenda Cop. 356 a fol. 302»' v. 11. Juni 1570.
20) Ebenda Cop. 345 fol. 361 ^ f.
300 K. Berliug:
abermalige, diesmal imscliiüdigerweise durch Göding her-
beigeführte Verzögerung den ersten direkten Anstoss zum
Bruche zwischen ihm und seinem alten Baumeister gab.
August forderte nun einen genauen Anschlag über das,
was der Bau noch kosten würde, bewilligte zur Vollen-
dung des Sommerhauses die völlig ungenügende Summe
von 4114 Gulden, verlangte aber die Fertigstellung
desselben bis Martini, die der übrigen Eckhäuser bis
Michaelis ^«).
Göding scheint sich dem in Ungnade befindlichen
Lotter gegenüber sehr vorsichtig benommen zu haben;
wenigstens hat er, wie aus den Akten hervorgeht, wieder-
holt, ohne Wissen des ihm übergeordneten Baumeisters,
direkt an den Kurfürsten Gesuche gerichtet. So bewil-
ligte ihm letzterer am 8. August 1570 auf seine Bitte
hin einen wöchentlichen Lohn von 4 Gulden und ausser-
dem für Fertigung eines jeden Gemaches eine besondere
Vergütung von 1 Gulden"^). Ein anderes Gesuch-^'-) vom
Dezember 1571 wird allerdings abschlägig beschieden,
indessen der Maler mit emer nach Vollendung seiner Ar-
beiten verheissenen „Begnadung" vertröstet.
Selbst die Unterordnung unter den Baumeister scheint
er nicht immer anerkannt zu haben, denn in einem Be-
richte vom 24. Sept. 1571 schreibt Lotter an den Kur-
fürsten*^^):
„So wirdt Meister Heinrich dem Maliler^^) auch Zu befehlen
sein, Was er weitter mahlen sol, dan sie^^) woUenn vieleicht nit,
das ich ihnen etwas zu befehlen habe."
Immerhin muss aber Göding recht fleissig gearbeitet
haben, so dass der Kammersekretär Hans Jenitz, den
August auf den Bau geschickt hatte, um genauen Ein-
blick über den Stand desselben zu erhalten, am 17. Aug.
1570 über die Thätigkeit des Malers berichten ^'') konnte,
dass im Sommerhause nur noch der Saal und zAvei „Ge-
mäclüein" im 2. Geschoss zu malen übrig wären. Er
30) Wust mann a. a. 0. S. 58.
31) H.-St.-A. Cop. 356a fol. 336 1>.
32) Ebenda Cop. 367 fol. 175 b.
33) Ebenda Loc. 4450 fol. 255.
3^) So wird Göding- häufig in den Akten genannt.
3^) Ausser Göding war noch der Bergwerksverwalter Planer
gemeint, der die Oberleitung über die Brunnenarbeiten auf der
Augustusbiu'g hatte.
36) H.-St.-A. Loc. 4450 fol. 162.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 301
g-laubte zwar, dass Göding auf das Anmalen der Tische
zuviel Mühe verwende, weshalb er angeordnet habe, dass
er diese Arbeit vorläufig- unterbrechen und mit dem Aus-
malen der Zimmer forttkhi-en möge.
Dem Kurfürsten genügten jedoch bei seiner Furcht,
von Lotter übervortheilt zu werden, die günstigen Be-
richte seines Kammersekretärs nicht, vielleicht mochte er
denselben, weil er ein Schw^ager des Baumeisters war,
nicht für unbeeinflusst halten, jedenfalls verlangte er auch
von Göding eine ausführliche schriftliche Mittheilung über
den Schlossbau, besonders aber über seine eigene Thätig-
keit auf der Augustusburg, die ich, weil sie nach vielen
Seiten hin recht interessant ist, liier im Wortlaut folgen
lasse •") :
„Heinrich Mahlers hericht den Baw vnd seine arbeitt
vff der Augustusburg belangend.
Auf Ewer begereu fuge ich euch gutwillig Zu wiefsenn, das
ich mit meinem gesinde keine Zeit vnnutzlich vorlaufen lasse, wie
wohl mir Neulichs gesellen gewandert sein, dennoch halje ich mit
den Vbrigenn so angehalttenn, das wir mit diesem Hause-'*) halt
auf das Letzte kommen seinu. Dan die gemach, so gewelbet seinn,
sein lengest vorferttiget samljt denn fursählen, auch alle thuren auf
eingeleget holtzartt, sampt allenn tischenn vndt benckenn, habe auch
bereit eine decke von 12 feldernn verferttiget, so vor dem tantzsahle
vber denn treppenn ist auf geschlagenn, gar vorferttiget, auch noch
eine decke auf dem Tanz Sahle, hat 16 fehler, ist auch gar verdich
gemacht, Welche die tische [r] Itzo auf schlagen sol[len], auch balde der
friese dartzu gemachtt vnd mit gedretten Puckelnn gezihret werden,
Welche Puckelnn auch schonn ferttig seinn. Die dritte decke, so
kegen dem walde hiuaufs gehet, haben wir auch angefangen arbeitten,
Vn mer daher. In der sahl Stubenn ist die perspectivische decke
auch halb ferttigk, ist auch schon aufgeschlagenn vndt ausgebessert,
die Andere helffjte mahle ich Jetzo. Diese drey deckenn vorhoffe ich
mit gottlicher Hulffe Innerhalb 14 tagenn zu uoi'ferttigenn. Darnach
ist noch eine decke, so kegen dem Hofe aufsgehet, sol auch mit den
andern ahngefangen werden. Zum letzten den thorm, so hat sollen
mit brettem Vnder dem dache gewelbet werdenn. Weil Aber solch
gewelbe von Holtz an die sparren hat müssen genagelt werden Im
thorm vndt ein langkweiligei- arbeit, So hat man auch gar nicht
Zum dache kommeii können, so was dran Zubrochcn wehre, _ das
auszubessern wehre, Welches ich dem Heirn baumeistcr vndt meistcr
erhart gezeiget habe, habe in auch meinem einfelttigen Kath be-
riclitet, das man ein geralide decke, vor solch locli sdilusse vndt
perspectivisch gemahlt, wie man sonst hindurch Sehge, den es eine
grose hohe hat, vndt mit brettern vorleget, Das man darauf gehen
kondt vnd Zum dach sehenn. Solcher Vorschlagk hat dem Hern
") H.-St.-A. Loc. 4450 fol. 176 f.
^*') Das Somijierhaus.
302 K. Berling:
Baumeister fast wohl gefallen vndt meister Erhart vndt habens be-
schlossen nach meinem gut dunckenn Zu niachenn. An welcher
decke ich den eine fast grolse Arbeit haben werde, den sie fast
gros ist, mufs auch das furnemste allein dran mahlen, doch mus sie
mich auch nicht gefangen nehmen. Mit diesem wirdt das haufs gar
ferttigk. Alle steinerne genge aul'serhalbenn am hause mit den
SuUenn vndt simfsen sein auch lengest fertig. Was das haufs an
der linden anlanget ist gahr aufgebauet, auch aufswendich gar aufs
bereit Sampt dem vndern geschosse an der Erdemi geweist vndt die
bohdem geleget, auch die gegitter alle eisen färb angestrichenn. Es
ist auch mit Ziegel lengst behenget. Jetzo decket maus ein. Nach
meinem beduncken sol es fast ferttigk werdenn auf Michaelifs. Das
Kuchen haufs ist auch fast aufgemauert, man kondt wohl kochen
drin erhalten, den das vnder geschofs an der Erdenn ist auch gar
aufs bereit vndt geweiset, auch die thuren gehangen vndt vorschlos-
sen, man hat auch Schon angefangen das gesper di-auff zu setzen.
Wir habenn gott lob 14 tage gar gut wetter gehabtt. Solches habe
ich euch gutwillig nicht wollen vorhalten; den mir Zweifelt nicht ir
werdet offte hierauf gedenckenn, vndt vns gut gewitter, gluck vndt
Alles gutes wünschen Zu beforderung des ganzen gebendes, darmit
wir mochten kegenn vnser gnest. vndt Chur. desto besser bestehenn,
Wie wir dan Trostlichen vorhoffenn. Ich habe vor mich nich viel
gefeyert mit meinenn gehulfenn, wie ir dan wohl erachten könnet,
dan wir noch nicht 12 wochen alhier sein gewesen vnndt haben
balde 23 gemach vorferttiget mit gemeide vnndt 22 tische vonn ohi
färben gemahlet sampt einer grofsen menge benckelein, vndt fehlet
noch an meinem fleifsigen ahnhaltten nicht. Vorhoff es wirdt mir
der Herr Baumeister vber solches ein guth Zeugnus gebenn, wie er
dan selber bekandt, dan arbeitten ist aller vnser beste Kurtzweil die
wir In dieser ein[ü]den haben konnten. Es hat auch der Baumeister
fast gentzlich beschlossenn, wir solten den wintter hier bleibenn,
vndt Nach der vorferttigung dieses hauses, das andere an der linden
ahngefangeun. Er wil uns verlohrenn ofenn lassenn In die gemacher
setzenn. Dartzu krieget das haufs viel deckenn die man alle den
wintter konde mahlen, auch die tische vnndt bencke auch Zur noth
drein gemachett; doch habe ich gentzlich nicht drein willigen können.
Den es fast eilendt wurde sein, ist auch schwer alhir essenn Zu be-
kommen, man mufste ■^tis lichte geben des abents. Ich habe auch
solches mit den 2 meistern geredt. So von Dresden seinn. Ob sie
auch wolten bleibenn, haben schon gewilliget, auch meine gesellen
wollen auch mir Zu gefallen bleiben, vndt so es mein gnedigst. Herr
habenn wolte, mulste es geschehenn. Welches der Baumeister wirdt
erkundenn, Ich hab mich auch halb darein ergeben. Dan ich be-
sorge, so ich mich zu Dresden sol einrichtenn, mufste ich wieder
herauffer, welches mir dann fast schadet an meyner Nahrung. Ich
wunsclie gar offte das es mochte ferttigk sein schonn vndt so es sein
muste, musten wir mit gewalt dran setzen; was wir heuer machen,
dorffen wir Zum Jar nicht machen. Dan ich gerne daheim sein vndt
bleiben mochte, Vorschlag auch viel gutter arbeit drüber. Solches
habe ich euch nicht mögen vorhalttenn, Ich vorhoffe In kurtz Zu
Dresden sein, will Ich euch allen bericht Zahlen.
Augustusburg d. 18. Sept. [1570]."
Es vermochte indessen auch dieser ausführliche Be-
richt den Kurfürsten nicht günstiger gegen Lotter zu
Hofmaler und Kupfersteclier Heinrich Göding. 303
stimmen, die Spannung zwischen Bauherrn und Bau-
meister erweiterte sich im Gegentheil mehi' und mehr.
So eifrig Lotter auch die Arbeiten am Baue betrieb, so
sehr er sich einschränkte, Löhne verkürzte, die Ställe,
die in Stein geplant waren, in Lehm ausführen Hess
u. a. m, — die ihm bewilligten Gelder wollten nicht
reichen. Im Ganzen hatte August ihm noch 25000 Gul-
den zugesichert, jedoch gefordert, dass hiermit — was
Lotter nicht für möglich gehalten hatte — auch die
rückständigen Löhne und Auslagen der Maler bezahlt
werden sollten. Doch so sehr er auch den Kurfürsten
bat, ihm wenigstens die 1762 Gulden, welche er aus
seiner eigenen Tasche für die Maler- und Brunnenarbeiten
ausgelegt hatte, zurückzuerstatten, der Bauherr blieb bei
seinem einmal gefassten Beschlüsse bestehen. Selbst bei
der Kurfürstin Anna, die Anfang Oktober 1571 den
Schlossbau in xlugenschein nahm, vermochte Lotter so
gut wie nichts zu erreichen. Als dann Ende desselben
Monats August selbst auf die Augustusburg kam, vollzog
sich der vollständige Bruch. Lotter wurde seines Amtes
entsetzt und der „welsche Graf", Eochus Quirmus von
Linar, an seiner Stelle zum Baumeister des Sclilosses
ernannt ■'^).
Dass Göding unter diesen Differenzen recht häufig
pekuniär zu leiden hatte, ist wohl erklärlich, denn Lotter,
der ihn zu bezahlen angewiesen war, hatte hierzu nicht
die genügenden Mittel. Doch scheint letzterer alles, w^as
in seinen Kräften stand, gethan, endlich aber selbst dem
Maler gerathen zu haben, er solle beim Kurfürsten um
einen besonderen Befehl einkommen, da er (Lotter) seine
Baureclmungen bereits (14. Dez. 1571) geschlossen habe ■*").
Nichtsdestoweniger hatte er aber demselben noch in der
letzten Zeit, wie aus einem an die Kurfürstin gerichteten
Briefe ^ ^) Lotters hervorgeht, auf sein anhaltendes Bitten
hin etliche Farben gekauft und Geld gegen Quittungen
verabfolgt. Als Antwort auf das von Göding auch wirk-
lich eingereichte Gesuch schrieb August am 15. Januar
1572 an Lotter*-):
^'>) Ausführlicher behandelt diese An{>:elegenheit Wustmann.
Über Linar siehe auch C. Gurlitt, Der Bau d. Freiberger Sclilosses
Freudenstein, in d. Slittli, d. Freib. AUertliunisvereins XV, 1417 flg.
•'») u. '1) H.-St.-A. Loc. 4450 lol. 277''.
*■) Ebenda Cop. 367 fol. 184.
304 K. Berling:
„L. g. Was Heinrich Goding Mahler seines hinderstelligen
Wochenlohns Vnd etzlichen aufsgelegten geldes halber vor färben
A'nd gold an vns vnderthenigst Suppliciret vnd bittet, findest du In-
uorschlosseu Zuuornehmeun. Darauff begeren wir vnd befehleun dir
hiermit, du wollest Ihnie dasselbe hinderstellige geldt bifs vff die
Zeitt, als wir Jungst auff der Augustusburgk gewesen, Zustellen vnd
entrichten vnd dasselbe gleich wie Zuuorn In deine Rechnung
bringen. Daran etc."
Gleichzeitig aber befalil der Kurfürst dem Schösser
auf der Augustushurg, die ferneren Geldauszahlungen an
Göding zu übernehmen^-').
Die erwähnte Petition Gödings scheint mehi^ eine
gegen Lotter gerichtete Anklageschrift gewesen zu sein,
auf welche letzterer, als er bereits seines Amtes entsetzt
war, von Leipzig aus wie folgt sich zu rechtfertigen
sucht ^^) :
„Das ich Heinrich Gotting Mahler seines hinderstelligen Wochen-
lohns vimdt etzsliches Aufsgelegten geldefs. So man Ihm Zimor vnndt
bifs auff die Zeit, alfs euer Churfurstlich Gnaden Jungst auff der
Augustusburgk gewest, schuldig gebliebenn, Bezahlenn vndt end-
richten solle, defs hab Euer Churf. G. befhel ich in vnderthenigkeit
sambt eingeschlofsenner Klagschrifft empfangeun, darinue er anzeiget,
Ich hette ihn ein Zeitt langk mit seinenn gehulffenn ihres ver-
dienten Wocheulohnes vnnd aufsgelegten geldes auffgehalten. Solcher
Klage hett ich mich Zu ihme nit versehenn, Vnnd kann Euer Chur-
furstlichen G. hinwieder Inn Vndertheuigkeitt nit verhaltenn, das
ich bemeltenn Heinrich Gotting Zu mehr alfs einem mahl, alfs Euer
Chiufiu'stlich G. nechst im Monatt October auff der Augustusburgk
gewest, gebetten, das er des vierdenn Hauses halbenn Zumahlenn
vmb einen Befhel vnderthenigst ansuchen wolte, Vnndt da ich den
bekehme, So sollt er on geltt nit gelafsen werdenn. Er hatt mir
aber keinen andern bescheidt gebrachtt, dan wer Zuuor geltt aufs-
gebenn hett, der soltt es noch thun, defs hab ich bedencken gehabt.
Noch habe ich aufserhalb beuehls Im volgendenn Monatt December
vff' sein Bittlich anhaltten Noch funff vnndt Siebenzigk gülden funff-
zehen groschenn auff seine quittanzen geliehen vndt fm-gestracktt, das
ist viel mehr, alfs er wil aufsgelegt habenn, solch geltt ist er noch
zu berechnen schuldigk. d. 19. Jan. 1572."
Ob Göding nun wirklich undankbar gegen Lotter
handelte und ihn ungerechterweise anklagte, oder ob er
vielmehr, des ewigen Betteins um Lohn müde, nur seine
Geldangelegenheiten ein für allemal beim Kurfürsten zum
Abschluss brmgen wollte, lässt sich kaum mehr entschei-
den. Das wenigstens scheint er erreicht zu haben, dass
unter der nun folgenden Oberleitung Linars derartige
Gesuche nicht mehr nöthig waren.
") Ebenda Cop. 367 fol. 184.
«) Ebenda Loc. 4450 fol. 287.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Gödiug-. 305
Göding war iiuu noch bis zum November 1572 auf
der Augustusburg tliätig. Er berichtete daim dem Kur-
fürsten, dass er mit den Arbeiten am Schlosse fertig sei,
worauf er von demselben folgendes Abberufungsschreiben ^■'')
erhielt :
„L. g. "Wir haben dein schreiben vorlesen vnd daraus gnedigst
vornomraen, das du mit deiner ar])eit aiü' der Augustusburgk so weit
fertig, vnd ist vnser begeren, du wollest dich aufs förderlichste Zw
vns gegen Sitzenroda vorfugen, So wollen wir a'us mit dir ferner
vnderreden vnd dir befehlen, was du for arbeit diesen winter vber
Zw Dresden machen sollest, vnd magst indes dein gesiude nach
Dresden abschicken, du darfst dich aber mit vnnottigen gesellen oder
Jungen nicht belegen, wolten wir dir zur antwort nicht vorhalten.
Grimma d. 19. Kovb. 1572."
Die Thätigkeit Gödmgs auf der Augustusburg ist
so gut wie gänzlich verschwunden, Avas Schuchardt ^*^)
mit Recht besonders der wenig dauerhaften Technik"*^)
zuschreibt — nur spärliche Reste sind im Hasenhause
zu sehen. Daher kommt es wohl auch, dass mehrfach
nur die Malereien in diesem Gebäude ihm zugeschrieben
worden sind. Dass aber von Gödings eigener Hand oder
unter seiner Oberleitung sämmtliche vier Eckhäuser aus-
gemalt sind'^), geht aus dem oben angezogenen Akten-
materiale deutlich hervor.
Mau ist also, will man sich ein Bild machen von
dem, was der Künstler hier einst geschaffen, lediglich
auf die zufälligen Notizen in den verschiedenen Berichten
aus dieser Zeit und auf die Angaben einiger alter Chro-
nisten angewiesen.
Zunächst möge hier erwähnt sein, dass Göding auch
die mehr handwerksmässigen Arbeiten seiner Kunst aus-
zuführen nicht verschmähte, denn sämmtliche Tische und
Bänke, eiserne Gitter u. s. w... wurden unter seiner Lei-
tung oder von ihm selbst mit Ölfarben gestrichen. Diese
Art Arbeiten hat er sogar nicht für etwas Nebensäch-
liches gehalten, sondern dieselben mit grossem Eifer aus-
geführt, wie man aus dem oben'*') angefülu^ten Berichte
des Kammersekretärs Jenitz ersieht, nach dessen Mei-
«) Ebenda Cop. 367 fol. 328''.
■1«) a. a. 0. S. 97.
'*■') Die Arbeiten waren auf trocknen Kalkgi-und gemalt.
*^) In der Schlosskirche waren Lucas Cranach der .Jüngere und
Hans Schröer als Maler thätig.
«) S. 300.
Neues Archiv ]'. S. U. u. A. Vlll. 3. i. 20
306 K. Beding- :
nung der Maler zu viel Mühe und Zeit auf das Anmalen
der Tische verwandte.
In dem zuerst begonnenen Sommerhause waren, ob-
wohl der Kurfürst selbst dem Göding ein genaues Ver-
zeichnis über seine Arbeiten vorgeschrieben hatte, die
Malereien von der einfachsten Art. Thür- und Fenster-
einfassungen sowie die Kamine waren marmorartig an-
gestrichen, während die Thüren selbst „auf eingeleget
holtz artt" behandelt, über denselben aber sächsische und
dänische Wappen angebracht waren. Die Deckenmale-
reien scheinen sich hier meist, wie bei den Thüren, auf
Holzimitationen besclu'änkt zu haben •^**). Die neben dem
Saale gelegene Saalstube erhielt jedoch eine perspek-
tivisch gemalte Decke, über deren Ausführung Lotter in
einem vom 3. Juli 1570 datierten Briefe wie folgt an den
Kurfürsten berichtet ^^):
„Vnndt ich lasse lim die Sahl Stubenn Vnndt ai;if dem Sabl
mit Latteiiii Vierung maclienn, die werdenn glatt mit Leynwadt
vberzogemi, vnnd ahn ein ander gebessertt, das es Im ansehenn
keine Vnterscheydt gewinnet, dann es Avirdt gar ganzs. Darauff
sollen Runden, vnndt mitten dorein nichts als Himmel Vnndt was
himlische ding sein gemahltt werdenn, Welches gewaltig stehen
vnndt ein grofs ansehenn gewinnet"^-)."
Eine ähnliche Behandlung erfuhr die Decke im
Thurme, die als Gewölbe geplant war, aber auf Vor-
schlag des Malers, aus praktischen Gründen, flach her-
gestellt wurde; sie zeigte gleichfalls den Himmel in per-
spektivischer Darstellung, eine Arbeit, der sich Göding
mit grosser Liebe im wesentlichen allein unterzog.
Das Lindenhaus, welches die kurfürstlichen Wohn-
zimmer enthielt, scheint malerisch viel reicher behandelt
zu sein. In den im Erdgeschosse gelegenen Gemächern
des Kurfürsten mid der Kurfürstin waren Heldenthaten
des Herzogs Moritz in Verbindung mit Episoden aus dem
Alterthume dargestellt. Im zweiten Geschosse, wo sich
die Zimmer des Kurprinzen befanden, unter denen die
^) Wahrscheinlich sind auch hier Decken zur Anwendung ge-
kommen, bei denen der aus Holz hergestellte Grund mit bemalten
„papiernen flasern" belegt wurde, welche bezwecken sollten, auf diese
Weise eine reiche Holztäfelung zu imitieren. Über diese Technik
vergl. C. Gurlitt a. a. O. 1408.
^0 H.-St.-A. Loc. 4450 fol. 155.
^-) Der Saal selbst erhielt eine aus 16 Feldern bestehende, mit
gedrehten Knöpfen verzierte Holzdecke (siehe den S. 301 f. abge-
druckten Bericht Gödings).
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 307
Gemsen-, Affen-, Turteltauben- und Zeisigstube erwähnt
werden, haben sich die Malereien wohl auf diese Benen-
nungen bezogen •'^^). Von dem im dritten Geschosse ge-
legenen „Vogel-" oder „Kaisersaal" wird berichtet'"'*), dass
Göding hier „die Wappen des ganzen Haulses Sachfsen
in die deckenn gemahlet vnndt gebracht" habe.
Im „Küchenhause" war der im dritten Geschosse
befindliche Speisesaal mit Wand- und Deckengemälden
besonders reich versehen, welche in der derb - komischen
Weise der damaligen Zeit gegen Unmässigkeit und Völ-
lerei predigen sollten.
Die Ausschmückung des Hasenhauses, welches nach
den von Göding geschaffenen Malereien seinen Namen
führt, erfolgte auch nach einer genauen Vorschrift des
Kurfürsten, wie aus einem an den Maler gerichteten,
vom 24. Dezember 1571 datierten Briefe hervorgeht, in
welchem es folgendermassen heisst ■^■'') :
„— Wir liaben auch Zu Zierung des vierdten Hasenhauses
auif etzliche Iniiention gedacht, die darein zu mahlen sein mochten,
Welche wir dir hiebej verZaichent vberschickenn vnnd hegeren du
wollest denselben ferner nachdencken vnnd die so viell dir muglich
verbessern vnd vifs artlichst vnd musterlichste Im gemeide zu werck
bringen."
Es waren m diesem ganzen Gebäude, an den Decken,
den Wänden, über den Thüren, kurz überall, wo es nur
möglich war, Hasen angebracht, welche menschliche Ver-
richtungen nachahmten, wobei natürlich dem Spiele der
Phantasie und des Witzes ein weites Feld geöffnet war ;
es lässt sich jedoch schwerlich noch feststellen, was wir
davon auf Rechnung der Vorschrüt, was auf die des
Malers zu setzen haben. Die Hasen halten Reichstag,
ziehen gegen ihre Feinde, die Jäger und Hunde, zu Felde
und besiegen sie ; dann feiern sie Friedensfeste, Hochzeit,
Turniere, Tanz u. s. w^, werden aber endlich wieder von
den Jägern besiegt, getötet und — gebraten-^*').
55) Vergl. R. Steche a. a. 0. VI, 37 flg.
54) H.-St.-A. Loc. 4450 fol. 240.
55) H.-St.-A. Cop. 367 fol. 175''.
5") Yergi. R. Steche a. a. O. S. 40, wo ancli zwei dieser
Bilder nacli im Freiberger Alterthiims- Museum belindlii'beii Zeich-
nungen reproduziert sind — Ich habe geglaubt auf cim; ciiigcben-
dere Beschreibung dessen, was die Malereien einst dargestellt haben,
verzichten zu müssen, da dies vor kurzem von dem Herrn Pastor
Freyer in ausführlicher Weise in dieser Zeitschrift (VIT, 297 flg.)
geschehen ist.
20*
308 K. Berling:
Die malerische Tliätigkeit auf der Aiigustusburg er-
füllte jedoch nicht allein iliren Schöpfer mit Stolz, son-
dern befriedigte auch den Km^fürsten August in hohem
Grade, so dass die lang verheissene „Begnadung" sehr
günstig für Göding ausfiel. Die liierüber ausgefertigte
Verfügung lautet wörtlich"):
„Von Gottes gnaden Wir Ai;gustus Herzog Zu Sachfsen etc.
Churfurst Vor uns unsere Erben vnd Nachkommen vnnd sonst gegen
menniglicli Thun kuudt vnd ])ekennen, Das wir vnserm Hofmahler
vnd lieben getreuen Heinrichen Godiggen von Braunschweig vnd
seinen Erben aufs sondern gnaden vnd wegen seiner treuen vleifsigen
dinst, so er vns sonderlich Zu Zirung etzliche vnser Schlofsgebeude
und Heuser bifshero geleistet auch noch kuufltig leisten sol und wil,
von dato an auf Zwanzig Jar lang Zwei tausent gülden gnaden gelt
gnedigst bewilligt und dergestalt vorschrieben haben, das Ime die-
selben Jehrlichen mit 100 11. münz aufs vnser Renth-Cammer abgelegt
Vnd diesen Izigeu Leipzischen Neuen Jars marckt damit angefangen,
vnd hernacher alzeit auf Weihnachten, Infs er oder seine Erben sol-
cher heubtsumma gentzlichen vorgnuget, mit hundert fl. Jahrlich
nachgeuolget werden soll — . Dogegen aber hat er sich vnder-
thenigst vorpflichtet vnd Zugesagt vns mit der arbeit, so wir Im
künfftig vordingen werden, nicht zu vbersetzen. Beuhelen der-
wegen etc. Torgau d. 1. Jan. 1573."
Wie bereits erwähnt, Hess sich der Kurfürst seinen
Hofmaler nach Beendigung der Augustusburger Arbeiten
nach seinem Schlosse Sitzenroda kommen, um demselben
neue Aufträge zu ertheilen. Welcher Art nun diese
Aufträge waren, lässt sich mit Sicherheit nicht mehr
feststellen, wahrscheinlich jedoch hat Göding schon von
dieser Zeit an damit beginnen müssen, eine grosse An-
zahl von Thierköpfen mit den dazu gehörigen Schildern,
die der Hoftischler Georg Fleischer schnitzte, anzumalen,
wie sie der Kurfürst vielfach zur Innendekoration seiner
Schlösser, ganz besonders aber der Augustusburg, ver-
wandte. So berichtet der mehrfach erwälmte v. Schütz
in seiner Augustusburger Clu^onik'^):
„Die Stuben und Kammern sind hin und wieder mit mancher-
ley geschnitzten Thierköpfen, so mit Geweihen versehen sind, aus-
gezieret, davon der gröfste Theil 1632 bey dem Einfall der kayser-
lichen Kroaten, Avelche das Schlols geplündert, theils verbrannt
Avorden, theils sonst verlohren gegangen."
Eine Anzahl derselben ist jedoch nach der Albrechts-
burg zu Meissen und von dort nach Moritzbui'g überführt
") H.-St.-A. Oop. 223 fol. 19.
^*) a. a. O. S. 21. v. Schütz sah die Augustusburg bereits
in ihrem Verfalle ; vergl. auch H.-St.-A. Loc. 32445, Inventar d. Au-
gustusburg A^on 1612.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Gödiug. 309
worden, wo sie sich noch befinden und sich dui'ch die in
deutscher Renaissance geschnitzten Kartuschen als Werke
aus dieser Zeit kennzeichnen'^).
Urkundlich mrd freilich erst vom 16. März 1575
eine derartige Thätigkeit Gödings in Dresden bezeugt,
wo er im Verein mit Georg Fleischer zu diesem Zwecke
emige Gemächer entweder im Kanzleihause oder im
Sclüosse inne hatte; denn als August den Besuch des
Kaisers Maximilian 11. in seiner Hauptstadt erwartete,
sandte er seinem Kammermeister folgenden Befehr'*^):
„ — Als befehlen wir dir ferner, Du wollest Heinrich Mahlern
vnd Jörg Fleifser**!) dem Hoftischer von Vnsertwegen ansagen vnnd
auferlegen, Das sie die Gemach, Kammern vnd Sähle'^-) so sie
Innegehabtt gentzlich aufsreumen, vnd alle Gehörne, geschnitzte
Köpff vnd Schilde, sie sein gemahlt oder vngemahltt, alles in Mel-
chior Häufte haufs**^) etwa ufi' einen boden zusammenschaffen."
Mit derartigen Arbeiten hat sich Göding wahr-
scheinlich bis in sein hohes Alter hinein beschäftigen
müssen, bezeugt wird dies noch zweimal, und zwar in
Akten vom 3. Aug. 1583«^) und vom 29. Okt. 1585 ''•'^).
Von einer anderen Art kunstgewerblicher Thätigkeit
^^) Haenel, Adam u. Gurlitt, Sachs. Herrensitze u. Schlösser
S. 4 und W. Rossmann, D. künstlerische Ausschmückung d. Al-
brechtsburg S. 14.
60) H.-St.-A. Cop. 407 fol. 37'^.
"1) Georg Fleischer; über ihn siehe C. Gurlitt, Das Schloss
Freudenstein a. a. 0. 1423 flg.
"•-) AugTist stellte dem Kaiser während dessen Anwesenheit in
Dresden (12.— 18. April 1.57.'i) sein ganzes Schloss ziir Verfügung,
während er selbst in dieser Zeit das Kanzleihaus bewohnte. Weck,
Beschreibung d. Resid. Dresden (Nürnberg 1679) S. 387.
63) Dies Gebäude, das 1760 abgebrannt ist, lag einst am
Festungswalle vor der Kreuzstrasse. Melchior Hauffe, ein ehe-
maliger Schuster, der bei der Belagerung von Magdeburg zu hohen
militärischen Ehrenstellen gelangt und später Dresdner Festungs-
kommandant geworden war, hatte es sich im Jahre 1550 von Hans
V. Dehn - Rothfelser erbauen lassen. Schon 1570 trat er mit dem
Kui-fürsten wegen Verkauf dieses Hauses in Unterhandlungen (H.-
St.-A. Cop. 356 a fol. 339, 452 u. 458). Am 1. Jan. 1571 verkaufte
er es um 5000 fl., jedoch unter der Bedingung, dass er dasselbe bis
an sein Lehensende bewohnen und imstande halten sollte (ebenda
Cop. 223 fol. 17). Der Kurfürst kaufte dies Gebäude also schon zu
Lebzeiten des Hauffe diesem ab, nicht nach dessen Tode den Erben
desselben, wie Weck (a. a. 0. S. 73 f.) angiebt, ein Irrthum, den die
Dresdner Chroniken von Hasche u. Lindau übernommen haben.
64) H.-St.-A. Cop. 484 fol. 142b.
65) Ebenda Cop. 501 fol. 122.
310 K- Berliug:
Gödings zeugt ein Bericht des Kuifüi'sten an den Kam-
mermeister vom 5. Okt. 1573, in dem es heisst *'^) :
„Du käst allhier von uns verstanden, das vnfs das Muster von
den Messenen haken oder schrauben, so vns Burgermaister Rauscher
von Leiptzig- geschickt, nicht gefalle, derwegen wir Ime dieselbigen
widerumb zugeferttigt haben, vnd wiewohl Heinrich der Mahler vns
beyliegende drei andere muster geriXsen, so gefeilet vns doch der-
selben auch keines, Sondern begern gnedigst, du wollest dich mit
Rauschern vnterrehden, das er sich umbsehe, ob nicht von Nurem-
berg etc."
Wenn nun aucli Göding- diesmal nicht die Zufrieden-
heit seines Herrn erlangte, so ist es doch immerhin inter-
essant, zu erfahren, dass er nach den verschiedensten
Richtungen, also hier auch nach der gewerblichen hin,
seine Kunst bethätigt hat.
'^ö"
Ob Göding seine Thätigkeit in Dresden, die wahr-
scheinlich von Anfang 1573 bis Anfang 1575 währte, ein-
mal mit einer solchen auf der Annaburg unterbrochen
hat, lässt sich mit Sicherheit nicht feststellen, da man
im Schloss bei seinem jetzigen Zustande'"'') die Arbeiten
des Malers nicht mehr erkennen kaim, eine kunstgeschicht-
liche Bearbeitung dieses Baues aber nicht vorhanden ist,
und endlich die betreffenden Akten, mit einer einzigen
Ausnahme, hierüber nichts berichten. Aus dieser einen
Ausnahme, einem Briefe des Wolf von Kanitz an die
Kurfürstin Anna, ersehen wir jedoch nur, dass Göding
mit Lukas Cranach dem Jüngeren zusammen zum Malen
des Innern der Annaburg ausersehen war, denn in diesem
Berichte *^^) spricht Kanitz die Hoffnung aus, das Innere
des Schlosses in vier Wochen fertig zu stellen, „es welu'e
dan Sache, dafs Lucas Mahler ^^) Ynd der Hofmahler Zu
Dresden'**) seumen möchten."
66) H.-St.-A. Cop. 384 fol. 358.
•'■') Nach einer Mittheilung C. Gurlitts beherbergt das Schloss
Annaburg, jetzt Militärwaisenhaus, nichts mehr von seiner einstigen
malerischen Ausschmückung ausser den Rest einer höchst inter-
essanten Decke im Gange des zweiten Geschosses. Der grösste
Theil derselben ist wie die übrigen Wände und Decken moderner
Übertünchung verfallen. Jener Rest zeigt die mehrfach (S. 306, 311)
erwähnte Flasernmalerei, hier rosettenartige Muster mit Ornamenten
im Stile Peter Flötners, auf einem Blatte das sächsische Wappen.
68) H.-St.-A. Loc. 4449, Schreib. Annabg. belg. fol. 127.
6") Lucas Cranach d. Jüngere.
™) Hiermit kann kein anderer als Göding gemeint sein.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 311
Eeichliclier, wenn auch nicht erschöpfend, fliesseu
die aktenraässigen Quellen über die Thätigkeit des Ma-
lers auf dem Freudenstein in Freiberg. Hans Jenitz,
der Baumeister dieses Schlosses, hatte dem Kurfürsten
einige Muster zu Decken vorgelegt, unter denen auch
zwei waren, die Göding entworfen hatte. Diese gefielen,
wie es scheint, dem Bauherrn am besten, so dass der-
selbe in einem Briefe") an seinen Hofmaler diesen auf-
forderte, einen Kostenanschlag einzuschicken, „damitt",
^vie er schreibt, „wir du- die übrige Arbeitt auch gönnen
können". Es mag hierbei auch wohl der Umstand zu
Gunsten Gödings entschieden haben, dass August die
Sorgfalt, mit welcher der Maler seine Arbeiten auszu-
fühi-en pflegte, sehr wohl anerkannte, umsomehr, da man
ihm über einige von anderen Künstlern in Freiberg ge-
malte Decken das Gegentheil berichtet hatte. Es scheint
ausserdem noch Hans Irmisch über diese Decken dem
Kurfürsten genauen Bericht abgestattet zu haben, infolge
dessen dem Göding endlich die Ausführung derselben
übertragen worden ist. Dass diese Decken, welche leider
nicht mehr erhalten sind, dieselbe einfache Technik zeig-
ten, wie sie oben mehrfach bereits besprochen sind, geht
aus einem vom 5. Okt. 1575 datierten, an den Baumeister
des Schlosses gerichteten Briefe des Kurfürsten heiTor,
welcher lautet '^-):
„L. g. Vns ist dein schreiben vnsern Schlofsbau vffin Freuden-
stein Zu Freiberg, sonderlich aber die Decken in den Zweien vor-
fertigten heusern belangende, sambt beigelegte verzeichnufsen, was
einer Jdenn art von decken nach der Ehlen kosten wurde, auf
vnserer Verordenten Post hernach geschickt wordenn vnd wollen(lir
darauf Zu nachrichtigen bescheidt nicht vorhalten, Das wir uiclit
bedacht sein, auf die decken defsgleichen auch das Schlofsthor vnd
den Predigstuhl viel zu wenden mitt kostlichen gemelden vnd ge-
hauenen biltwerg zieren, Sondern solchs alles nur sonst fein schlecht
vnd Reinlich vorfertigen Zu lassen, ^^'eil dan die deckenn mit den
Papiernen Flaser vnd mit dem mahlwerg als eingelegt holtz vermöge
des anschlages am negsten Zu erZeugen sein, So begeren wir vnd
befehlen Dir hirrait gnedigst, Du wollest die vbrigen decken auf
solche beide arthen mit Papieren Flaser vnd dem Mahlwerg nach
eingelegter art durch 31. Heinrich Götting vnnd Hanns Willkommen
Vollent aufs machen lassen, doch Ihnen beiden Yndersagen, das sie
solche Ihre arbeit mit der färbe des Flasers oder sonst nach gelegen-
heit vorendern, damit vnter den decken ein Ynterscheidt sey, Vnd
nicht eine deck wie die andere aussehe etc."
") H.-St.-A. Cop. 407 fol. 177''.
'2) Ebenda Cop. 404 fol. 254 •• f.
312 K. Berling:
"Weit bedeutender als diese Deckenmalereien war
jedoch in Freiberg die Tliätigkeit des Malers an dem
grossen Altarwerke der Scblosskapelle.
Es ist wahrscheinlich, dass Göding, als man ihn, den
eigentlichen Maler des Schlosses Augustusburg, bei der
Ausführung der Altartafel überging und dieselbe Lukas
Cranach dem Jüngeren ^•^) übertrug , sich in seinem
Künstlerstolze tief verletzt gefühlt hat. So erklärt sich
wenigstens am besten die Hast, mit welcher er die erste
Gelegenheit, die sich ihm darbot, ergriff, um diese Scharte
wieder auszuwetzen. Denn noch lange bevor die Scliloss-
kapelle in Freiberg fertiggestellt war, bat er durch Ver-
mittelung von Hans Jenitz den Kurfürsten, ihn mit der
Verfertigung des Altars zu beauftragen, ein Gesuch,
welches August am 10. Mai 1574 insofern günstig beant-
wortete'^), dass er dagegen im Grunde nichts einzuwenden
habe, jedoch zuvor zu sehen wünsche einen „Abreifs wie
du denselben anzuordnen und was du daran Zu mahlen
bedacht". Dieser Forderung ist denn der Maler noch in
demselben Jahre nachgekommen, denn am 26, Dez. 1574
konnte ihm August folgenden Brief senden'^):
„L. g. Vnfs ist dein Muster oder abrifs, welchergestalt du den
Altar Inn die Sclilofskirche zu Freiberg machen Zulassen vnd Zu-
niahlen gedenckest, vorgetragen worden, Vnnd lassen vnfs dasselbig
gnedigst gefallenn. Begeren derhalben wann du mit deiner andern
vnsern augedingten arbeit ferttig, du wollest an solchem altar an-
faheu vnd denselbigeu hernach mit bestem vleifs vorferttigen etc."
Von diesem Altarwerke, welches nach dem Entwürfe
Gödings von Georg Fleischer für die Summe von 110 fl.
in Holz geschnitzt'*^), von ersterem selbst aber gemalt
wurde, ist ausser den beiden knieenden Figuren des Kur-
fürsten August und der Kurfürstin Anna, Holzschuitz-
werke, welche das Freiberger Alterthumsmuseum unter
Nr. 48 aufbewahrt, und der wahrscheinlich dazu gehörigen
Figur Gott Vaters nichts mehr erhalten.
''^) Cranach wäre wohl schwerlich zur Übersiedelung nach der
Augustusburg zu veranlassen gewesen; er erscheint hier und auch
sonst als der vornehmere Meister.
'*) H.-St.-A. Cop. 384 fol. 273 b
'5) Ebenda fol. 307.
'«) Ebenda fol. 183 '^ und (F. A.) Hauptregst, auff d. Schlofs
Freudenstein 1577—79 (23. Okt. 1578).
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 313
Einen ungefähren Begriff von der ganzen Anordining
des Altars giebt Wilisch"), der hierüber sagt:
„In der Kirchen (Schlosskapelle) erblicket man zuerst den Al-
tar, allwo oben ein Crucifix stehet, und darunter Gott der Vater ab-
gebildet, welcher dem Churfurst August die rechte und seiner Ge-
mahlin Annen die linke Hand aufs Haupt leget, als welche beyde
in Gips"*) gebildet allda knien. Seitwärts stehet Moses und Jo-
hannes der Täuffer und in der Mitten das Churfürstl. Sachs. \\'appen
gantz übergüldet. An der Tafel des Altars, darauf das Al)en(liuiihl
des Herrn Christi mit seinen Jüngern abgemahlet, sind etliche nach-
denckliche Bilder und unten auf der rechten Seiten diese Worte in
Gips gedrucket und übergüldet zu lesen:
Deo trino & uni
Aeterno Patri, coaeterno Filio & Spiritui Sancto, totius universitatis
conditori & conservatori ter opt. max. haue aedem & aram dicavit
Augustus, Dux Saxoniae, Sacr. Rom. Imperii Archimarschallus &
Elector, Landgravius Thuringiae, Marchio Missniae & Burggravius
Magdeburgensis, cum amore natalis soll arcem hujus oppidi Freuden-
steinum vetustate ex fundamentis erexisset, Anno MDLXXYII."
Obgleich nun die Schlosskapelle, wie Wilisch a. a. 0.
weiter berichtet, schon am 18. Juli 1576 in Gegenwart
des Kurfürsten geweiht sein soll, so hat Göding doch
erst mit Ausgang des nächsten, auch in der Inschrift
angegebenen Jahres diesen Altar vollendet, denn einen
Brief, der vom 14. März 1578 datiert ist, scheint er bald
nach der Fertigstellung des letzteren an August geschrie-
ben zu haben. Weil daraus hervorgeht, mit wie grossem
Stolze die Vollendung des Altarwerkes den Verfertiger
erfüllte, lasse ich denselben hier im Wortlaute folgen ^^):
„Duchlauchtigster etc.
Nach dem E. Churf G. mir gnedigist bevohlen E. Chuif. G.
Einen Altar in die Schlofskirchen Zu Freibergk Zu Mahlen, Vnnd
dem Muster so E. Chuif. G. Ich vnderthenigist Jhiabe vortragen lafsen
gemefs Zuuerfertigen, Demselben E. Churf G. gnedigisten bevehlich
habe ich gehorsamlich nach gelebtt, ^'nnd nun solch wergk mit
Gottlicher Verleihung allenthalben Vorfertigt, Daran ich dann keine
muhe, vleis, geldt noch arbeitt gesparett. Wie E. Churf G. solches
auch itzlicher Kunst Vorstendiger, so es auf gemacht wirdett. sehen
werden, will auch E. Churf G. dieses Stuck ohnn rulim A'or ein
solch Stuck hiemit angeben. Das ich vorhoft" vber diesen altar In
Kunst oder vleis itzo Keiner in E. Churf. G. Landen sein soll.
Weil dan gnedigister Churf ich dis wergk E. Chiu-f. G. zu schatzenn
"^) Wilisch, Kirchen -Historie der Stadt Freyberg (Leipzig
1737) II, 106 f.
'*) Es waren Holzschnitzwerke mit einem leichten Überzug
aus Gipsmasse.
™) H.-St.-A. Loc. 8523, Schreib, an Churf. Aug. Buch III fol. 34.
314 K- Berliug:
bedenclien trage, Damit ich nicht etwo Vormerckt, als das ich denen
Dingen nicht Zuuil thun mochte, So wil ich solches E. Chitrf. G.
als einem Knnst Vorstendigen Chur nnd meinen lieben Landesfursten
anheim gestellt haben" etc.
Er schlägt dann weiter vor, der Kurfürst möge ihm
als Belohnung eine im Amte Pirna gelegene „Mahl
Mühlen vf der Mugelsbarg" sampt der dazu gehörigen
Wiese und, zum Instandsetzen derselben, anderthalb
hundert Thaler übergeben lassen. Wenn auch eine Nach-
richt über die Bewilligung dieses Wunsches nicht vor-
handen ist, so lässt sich doch mit ziemlicher Gewissheit
annehmen, dass ihm in Anbetracht seiner selbst so sehr
hervorgehobenen Verdienste die betreifende Mühle über-
lassen und Göding somit im Pirnaer Kreise ansässig
wurde, denn es finden sich noch mehrfach Gesuche vor,
die sich auf kleine, in dieser Gegend gelegene Ländereien
und Privilegien für dieselben Tjeziehen. So bewilligte
ihm der Kurfürst am 14. Juli 1579^**) ein „stuck Eisch-
wasser", „so Peter Pfeiffern Jtzo vmb einen lals Zins
vff widerrufen Innen hatt", welches „in der Mügelitzbach
vnter Dohna bils an die HofFscheunen" gelegen war.
Beiläufig möge hier erwähnt sein die eigenthümliche
und für das damalige Verhältnis des Hofmalers zum
Fürsten recht charakteristische Forderung, von der Au-
gust die Bewilligung abhängig machte, denn er schreibt
gleichzeitig: „Dogegen aber wollen wir dir hirmit auf-
erlegt vnd befohlen haben. Das du einen Jungen vf der
Meisenpfeiffen mit allem vleifs Vnnd dermafsen abrichten,
das er das locken so viel kan als du".
Das dem Göding verliehene Privilegium Avurde einige
Jahre später (4. Juni 1584) noch einmaP^) durch Christian,
den Sohn Augusts, bestätigt^-), unter ausdrücklicher Be-
tonung, dass er sonst solche Gewässer zu verpachten
nicht willens sei, doch in diesem Falle mit dem Hofmaler
seines Vaters eine Ausnahme machen und demselben
überdies noch den jähi^lichen Pachtzins, den August ge-
fordert hatte, gänzlich erlassen wolle.
80) H.-St.-A. Cop. 448 fol. 230.
81) Ebenda Cop. 534 fol. 256 b, vergl. auch Cop. 535 fol. 160»'.
82) Christian, als Kurfiii-st Christian I., war schon 1570 mit
dem Vorsitze in der Landesregierung und drei Jahre darauf mit
einem grösseren Antheil an den Staatsgeschäften beauftragt worden.
Flathe, Geschichte Sachsens II, 94.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Gödiug-. 315
Es ergiebt sich aus den Akten -■=') weiter, dass Gö-
düig sich in seiner im Amte Pirna gelegenen Mühle,
wahrscheinlich derselben, um die er 1578 gebeten hatte,
ein „Steinschueidezeug" errichtet hatte, füi^ welches er
im Jahre 1597 die Vergünstigung nachsuchte, dass inner-
halb von 12 Jahren und auf 12 Meilen im Umkreis keine
ähnliche Mühle gebaut werden dürfe. Dies Gesuch Avurde
ihm freilich vom Kuradministrator Friedrich Wilhelm, der
für den minderjährigen Christian II. die Regierungs-
geschäfte verwaltete, abschlägig beschieden mit dem Hm-
weise, dass er es nicht für zweckmässig halte, derartige
Privilegien zu ertheilen, er überdies auch dem Bildhauer
Johann Maria Nosseni auf dessen Bitte hin die Erlaubnis
zur Errichtung eines ähnlichen Werkes gegeben und dem-
selben zu diesem Zwecke das alte Pochwerk nahe dem
Wilsdruffer Thore bewilligt habe^^).
Dieser Besitzerwerbung im Pirnaer Kreise, welche
wohl Gödings zeit weisen Aufenthalt daselbst bedingte,
muss auch der Umstand zugescluieben werden, dass in
dieser Gegend hin und wieder Kunstwerke von seiner
Hand angetroffen werden. So befindet sich z. Z. in der
neuen Lohmener Ejixhe das Mittelbüd und die beiden
Flügel ^•'^) des für die alte Kirche zu Lohmen verfertigten
Altarwerkes, welches laut Inschrift ^*^) Heinrich Göding
im Jahre 1575 gemalt hat.
Das ca. anderthalb Meter im Quadrat grosse Mittel-
bild stellt die Kreuzigung Christi dar, wobei man ein
nicht erfolgloses Streben zur kräftigeren und richtigeren
CJharakterisieruug der einzelnen Personen in Gesichtern
und Stellungen wahrnimmt. Bei weitem weniger gut
sind die beiden Flügel behandelt, welche die Anbetung
der Hirten und die Himmelfahrt Christi darstellen, so
dass die Vermuthung nahe liegt, Göding habe die Aus-
führung derselben zum grössten Theile seinen Schülern
überlassen.
Es befinden sich ferner in der Hauptkirche zu Pirna
vier Werke von des Künstlers Hand. Es sind dies im
Innern aufgehängte Epitaphien, welche in mehr oder
weniger reicher Ausführung etwa folgenden Aufbau
83) H.-St.-A. Loc. 7306, Caminers. 1597 Theil II foL 545.
»t) Ebenda fol. 555.
85) Erwähnt von R. Steche a. a. 0. I, 50.
8») Das Mittelbikl trägt die Bezeichnung: Kk 1575.
316 K. Berling:
zeigen: In der Mitte eines mächtigen auf Konsolen
ruhenden Sockels^') befindet sich ein auf Holz gemaltes
Bi]d, das die Donatorenfamilie darstellt, welche (1. die
männlichen, r. die weiblichen Mitglieder derselben) hinter
einander knieend, andachtsvoll das in der Mitte in einem
nach Gödingscher Art gelblichen Heiligenscheine befind-
liche Lamm Gottes anbeten. Darüber ist zwischen zwei
reichverzierten einzelnen oder doppelten Eenaissaucesäulen
das gleichfalls auf Holz gemalte Hauptbild angebracht.
Die Säulen werden von einem mächtigen, bei der reicheren
Anordnung mehrfach verkröpften Gebälke beki^önt, auf
das sich der ganze Säulenbau, als Rahmen eines kleineren
Bildes, noch einmal in verkleinertem Massstabe wieder-
holt. Endlich wü\l derselbe mit einem Spitz -Giebel ge-
schlossen.
Die Besclireibung der einzelnen Kunstwerke möge
hier in Kürze folgen ^^):
Nr. 1, dem Andenken des Pirnaer Bürgers Markus
Scipien und dessen Ehefrau gewidmet, stammt laut In-
schrift^") aus dem Jahre 1581. Das Mittelbild hat die
Auferstehung Christi zum Vorwurf. In der Mitte sieht
man die blutbefleckte, schlecht gezeichnete Gestalt des
Heilands aus dem Grabe emporschweben, oben rechts
und links jubilierende Engel, von denen der eine ein
Kreuz trägt, andere mit einer weiblichen Gestalt in die
Wolken emporsteigen ; im Vordergrunde erblickt man die
schlafenden und die aufgeschreckten Wächter des heiligen
Grabes. Im Hintergrunde zeigt das Bild auf beiden
Seiten zwei Thore, welche kleine, recht gute Durchblicke
in die trefflich behandelte Landschaft gestatten, in denen
rechts drei Frauengestalten, links zwei Jünglinge, eilig
zum schon verlassenen Grabe strebend, sichtbar werden.
Im Oberbilde ist die Verklärung Moses zur Darstellung
gebracht.
Nr. 2 zeigt im Mittelbilde auf dem Halsbande eines
links stehenden Hundes das bekannte Monogramm Gödings,
") Zwischen den Konsolen ist mehrfacli eine oder auch zwei
Inschrifttafeln angebracht.
88) Vergl. R. Steche a. a. 0. I, 70, ferner G. A. Abend-
roth, D. Führer um und in d. Hauptliirche zu Pirna (1865) und
desselben Verf. Manuskript „Die Kirche zu Pirna betr.", in welches
der Rathsarchivar Herr Direktor Dr. Muth dem Verfasser gütigst
Einblick gestattete.
8ö) Im Mittelb. steht unter den Füssen des Heilands: 1581 Mi
Hofmaler und Kvipfersteclier Heinrich Göding. 317
jedoch olme Jahreszahl, letztere, und zwar MDLXXXIII,
findet sich im Rahmen auf den Seiten des blaugemalteu
Hauptfrieses vor. Es ist hier dasselbe Motiv wie m
Lohmen, Christus am Kreuze, verwandt, doch hat der
Künstler die Darstellung viel enger zusammenziehen
müssen, was dem Bilde nicht gerade zum Vortheil ge-
reicht, da die Anordnung im grossen Ganzen beibehalten
worden ist; so smd auch die drei würfelnden Kriegs-
knechte im Vordergrund, der Schimmelreiter, der hier
freilich auf die andere (linke) Seite gestellt ist, die
Schacher mit ihren Gliederverrenkungen einfach Wieder-
holungen aus der Altardarstellung. Das gut erhaltene
Oberbüd zeigt, bei sehr schönem landschaftlichen Hinter-
grunde, die Grablegung Christi.
Nr. 3, welches mit Wii 85. bezeichnet ist^'^) und im
Hauptbilde die Geburt Christi darstellt, ist derartig be-
schädigt, dass die einzelnen Figuren kaum noch zu er-
kennen sind. Das obere Bild zeigt, ähnlich wie das
Hauptbild bei Nr. 1, die Himmelfahrt Christi, doch ist
hier als Hintergrund eine grosse mit vielen Thürmen ver-
sehene Stadt verwandt, während die in den Lüften jubi-
lierenden Engel ganz fehlen.
Nr. 4, dem Andenken des Bürgermeisters Heinrich
Promnitz und dessen Ehefrau gewidmet, hat bei einer
vortrefflichen Ausführung die reichste Anordnung erfahren.
Das Mittelbild -'^j zeigt das Gesicht des Johannes von
dem Throne der Majestät und Herrlichkeit Gottes (Offb.
Jüh., Kap. 4), während sich im Oberbilde die Taufe Christi
dargestellt findet.
Diese Privatthätigkeit hinderte jedoch den Künstler
nicht, von Zeit zu Zeit neue Aufträge des Kurfürsten
entgegenzunehmen und auszuführen.
In dem herzoglichen Kunstkabinett zu Gotha befindet
sich ein kleines Brevier, welches 13 Miniaturgemälde,
Scenen aus dem Leben Jesu darstellend, enthält, auf
dessen innerer Deckelseite unter der Darstellung der
Dreieinigkeit das Monogramm Gödings in Goldschrift zu
*») Diese Inschrift steht ganz unten auf dem Hanpthilde; der
Rahmen trägt indess auf derselben Stelle, wie der hei Nr. 2, mit
dem er überhaupt grosse Ähnlichkeit besitzt, die Jahreszahl
MDLXXXVI.
") Unten r. auf einem Felsblocke steht: HGb 1586.
318 K. Berling:
lesen ist"-). Eine Jahreszahl findet sich leider nicht vor,
doch giebt der Inhalt des Buches selbst hierüber einen
wenn auch nur annähernden Aufsclüuss. Es hat längere
Zeit hindurch ün Hause Mecklenburg als Stammbuch ge-
dient und finden sich viele Namen fürstlicher Personen
darin verzeichnet''"^). Allen voran stehen Kurfürst Au-
gust und Kurfürstin Anna mit der Jahreszahl 1579.
Hier liegt nun die Verniuthung nahe, dass, da ein säch-
sischer Hofmaler dies Buch angefertigt hat, dasselbe als
Greschenk des sächsischen Kurfürsten hi den mecklen-
burgischen Besitz gekommen ist und dass der Schenk-
geber selbst sich und seine Gemahlin zuerst in dasselbe
eingeschrieben hat. Daher glaube ich mich nicht zu irren,
wenn ich das Jahr 1579 auch als das der Entstehimg
dieser kleinen mit grosser Feinheit ausgeführten Malereien
angebe.
Noch in demselben Jahre beauftragte August seinen
Hofmaler mit einer andern Arbeit, und zwar galt es
diesmal einen in zwei Tafeln getheilten Stammbaum des
sächsischen Herrscherhauses, den der Kaplan von Mühl-
berg, Peter Guttenberg, entworfen hatte, „fein sauber
abzumahlen" "*), ein Werk, das möglicherweise noch in
einem der königlichen Schlösser aufzufinden sem wird.
Aus dem Jahre 1582 haben sich der Nachwelt noch
zwei kleine Bilder erhalten, über die urkundliche Notizen
gänzhch fehlen, es sei denn, dass dieselben zu den vielen
„Kunststucken" gehören, wie sie Göding häufig seinem
Herrn, wie es scheint, aus freiem Antriebe geliefert hat.
Dieselben befanden sich früher im sogen. Vorrath der
Dresdner Gemäldegallerie '•''} ; von dort sind sie an das
**") Wie mir Hofrath Aldenhoven auf meine Anfrage gütigst
mittheilt, sind die beiden Deckel durch häufiges Angreifen arg mit-
genommen. Das Monogramm ist aber, trotzdem es ziemlich verwischt
ist, doch noch unfehlbar als das Grödings zu erkennen.
ö3) Siehe A. Bube, D. Herzogl. Kunstkab. zu Gotha (1846),
S. 56 Nr. 1. Das Büchlein wurde von der Grossherzogin Louise von
Mecklenburg-Schwerin (f 1808) an die Herzogin Louise von Sachsen-
Coburg geschenkt und kam von hier nach Gotha. Bemerkenswerth
ist auch noch der Umstand, dass Benvenuto Oelliui als Verfertiger
des kostbaren zu diesem Buche gehörenden Deckels genannt wor-
den ist.
'") H.-St.-A. Cop. 448 fol. 310, datiert v. 2. Nov. 1579.
**■'') J. Hübner in v. Webers Archiv f. d. sächs. Gesch. II
(1864), 184.
Hofmaler und Kupferstecher Hehiricli Göding. 319
historische Museum abgegeben worden, in dessen „Entree-
saal" sie noch heute zu sehen sind.
Auf jeder der beiden Tafeln ^'^), welche mit HG 1582
bezeichnet sind, ist eine eigenthümlich verschränkte Gruppe
von drei pausbackigen Knaben dargestellt, von denen der
eine seinen Kopf nach oben, die beiden andern den ihren
nach unten gerichtet haben, und deren Leiber durch ein
breites farbiges Band zusammengehalten werden, welches
mit kühnem Schwünge die Lücken des Bildes ausfüllt
und unten in zwei goldene Quasten ausläuft. Li dem
einen Bildchen, das eine etwas reichere Anordnung zeigt,
hält der mittlere Junge überdies noch in seinen Händen
zwei mächtige rothe Kurschwerter, auch sind in dem-
selben in den beiden unteren Ecken das sächsische und
das Kurwappen angebracht. Da bei beiden als Hinter-
grund eine Holztäfelung gemalt ist, so liegt die Ver-
muthung nahe, dass Göding dieselben dem Kurfürsten
als Deckenmuster eingesandt habe, denn, wie oben mehr-
fach erAvähnt, hat der Künstler in den kurfürstlichen
Schlössern zu verschiedenen Malen die in einzelne Felder
getheilten Holzdecken mit Malereien versehen; diese An-
sicht gewinnt um so mehr an Wahrscheinlichkeit, wenn
man bedenkt, dass das verwandte Motiv, weil es der
Richtung nach völlig neutral ist, sich gerade hierzu vor-
trefflich eignen würde, und dass ähnliches als mehrfach
zu derartigem Zwecke verwandt kunstgeschichtlich nach-
gewiesen werden kann.
Von einem andern Auftrage, den Göding von August
erhielt, zeugt ein an ihn gerichtetes kurfürstliches Hand-
schreiben vom 15. Aug. 1584, in dem es heisst'*^):
„L. g. Vnser Secretari Hans .Teuitz liat vns vff dein bitt \\m\
bescheidt gefraget, welchergestalt Du die altten Renn- vnd Stechbuclier
abmahlen und nachmachen HoUest. Darauif begeren wir du wollest
dieselben alle auf Pergament, auch in der grofse und arth, wie du
angefangen, dieselbigen vollent nachmalen unnd vorferttigen."
Dieses Werk, das aus 55 auf Pergament gemalten
Aquarellen besteht, ist noch vorhanden und befindet sich
in der kgl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden (J. 14)'***).
Der Titel zu demselben lautet wörtlich wie folgt:
"") Auf Leinw. gemaltem Olbibler, 31 : 62 cm gross.
»') H.-St.-A. Cop. 492 foh 92.
'"^) Vergl. Schnorr v. Carolsfeld, Katalog d. Handschriften
der Kgl. öffentl. l^ibl. zu Dresden II, .5. Das letzte (5.5.) Blatt ist
mit MJj 1584 bezeichnet. Der Einband zeigt die Jahreszahl 1585.
320 K. Berling
a •
„Vorzeichnus vnd warhafftige eigentliclie Contrafacturu aller
Schärft" rennen vnd Treffen, so der Durchlauchtigiste hocligeborne
Fürst vnd Herr Herr Augiistus Hertzog zu Sachfsen etc. vor vnnd
inn S. Cliurf. G. Churfürstlichenn Regierung mitt sonderlicher ge-
schicklichkeit auch grofser Lust vnnd ver^vunderung aller Zuseher
gantz Ritterlich vnd rühmlich gethan vnd verbracht hat auch Zu
wes Zeitt an welchem ortt vnnd mitt was Personen ein Jedes Rennen
geschehen, Zu Ewigem Löblichem gedechtnus S. Churf. Gr. gevbtem
mannlichen Ritterspielen deroselben Posteritet also fürge stellet."
Die Blätter (63 : 23,5 cm gross) sind mit grossem
Fleiss gemalt, nur der bei allen in Sepia getuschte Erd-
boden und die aus Eollwerk gebildeten Rahmen, in denen
die Inschriften stehen, sind ein wenig flüchtig behandelt.
Goldverzierungen sind reichlich angebracht, im übrigen
aber starke Farbenkontraste sehr beliebt. Die Ritter
sowohl als auch die Pferde sind mit grosser Lebendigkeit
geschildert, wenn sie auch hin und wieder in etwas un-
natürlichen Stellungen erscheinen. Eme grosse Abwechs-
lung ist aber in den Rüstungen angestrebt worden, und
der Beschauer weiss nicht, soll er deswegen die Phan-
tasie des Künstlers oder die der Kämpfenden selbst be-
wundern; denn, wie aus dem oben angezogenen Akten-
stücke hervorgeht, konnte sich Göding, da von emem
„abmahlen und nachmachen" die Rede ist, nach älteren
Turnieraufzeichnungen richten, die möglicherweise das
Aussehen der Ritter- und Pferderüstungen genau wieder-
gaben. Auch sind wohl eine gi-osse Anzahl derselben
nach der Natur gezeichnet und gemalt worden.
Die Phantasie hat hier aber wunderbare Früchte
getrieben. So sind z. B. die Schabracken nicht nur mit
Wappen oder mit vortrefflich gezeichneten Ornamenten
(wobei Gold und Silber bevorzugt wurden) bedeckt, son-
dern es finden sich auch die sonderbarsten Dinge auf
denselben zur Darstellung gebracht. Die eine Decke
(Bl. 19) zeigt eine Menge spielender Hasen und den Vers :
„Niemandt weifs mein Sinn
Ob Ich ein Fuchs oder Hase bin",
eine andre (Bl. 20) ist mit schwarzen Mäusen auf grauem
Grunde ganz bedeckt, auf einer dritten endlich (Bl. 26)
ist eine ganze Jagd mit Jägern, Hunden, Hirschen und
Hasen dargestellt und ähnliches mehr, das ganz dem
Kunstsinne des Kurfürsten und semer derben, witzlosen
Komik entsprach.
Dies Werk Gödings gewinnt aber für den Beschauer
dadurch noch mehr an Interesse, dass es ihn zu der
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 321
nächsten Arbeit des Meisters und zwar zu der grössten,
die er je unternommen hat, hinüberleitet. Denn wenn
sich auch nicht behaupten lässt, die Beauftragung mit
diesen Aquarellen sei seiner Zeit in der Voraussicht ge-
schehen, dass sie Vorstudien zu einigen von Göding in
dem neuerbauten Stallhofe zu Dresden ausgeführten Ge-
mälden sein sollten, in Wirkliclikeit sind sie es doch ge-
wesen.
Kurfürst Christian I., der nach dem im Januar des
Jahres 1586 erfolgten Tode seines Vaters diesem in der
Regierung gefolgt war, hatte bereits am 6. Juni desselben
Jahres den Grundstein zu dem mächtigen Stallhofe ge-
legt, einem Baue, den er unter Leitung des Stallmeisters
Nicol von Miltitz von dem Baumeister Paul Buchner mit
solchem Eifer fördern Hess, dass derselbe schon innerhalb
Jahr und Tag unter Dach gebracht werden konnte ■^^).
Der grossartige Anblick dieses prächtigen Gebäudes,
von dem Weck u. a. sagt, dass es mehr einem Schlosse
als einem Stalle geglichen habe, erfüllte alle alten Dres-
dener Chronisten ^*^^} mit grossem Stolze. Es hatte im
Äussern sowohl als auch im Innern seinen Hauptschmuck
durch die Hand des Malers erhalten. Denn wie bei dem
nahegelegenen Kanzleihause waren die giebelgeschmück-
ten, sonst glatten Wände der langen Fassaden einst über
und über mit Malereien geschmückt. Leider hat die Un-
gunst unseres nordischen Klimas dieselben völlig ver-
schwinden lassen. Eine ungefähre Vorstellung von deren
einstiger Pracht geben indessen zwei Abbildungen aus
Wecks Chronik ^**^), auf denen ganz besonders die nach
der Augustusstrasse zu gelegene lange „Stallgallerie",
der Theil des Gebäudekomplexes, der sich noch heute
fast ganz in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten hat,
veranschaulicht worden ist.
Die Hofseite dieser letzteren zeigte, den erwähnten
Abbildungen gemäss, eine mächtige auf 20 dorischen
Säulen ruhende Arkadenhalle ^"'^), in deren Innern 19 edle
Rosse, wahrscheinlich die Bilder berühmter Pferde des
kurfürstlichen Stalles, in ruhigen Stellungen, auf einem
89) Weck a. a. 0. S. 53 u. 61.
'^^) Ausser Weck erwähne ich hier noch: Tz seh immer,
Durchlauchtigste Zusammenkunft; Klemm, Sammler S. 192; Tobias
Beutel, Cedern-Wald (1683) u. a. m.
1'^') Tafel 14 u. 15.
1°-) Diese Arkaden sind jetzt zugesetzt.
Neues Archiv f. S. ti. u. A. VUI. 3. 4. 21
322 K. Berling:
breiten, mit Blumenguirlanden g-eschraückten Sockel
stehend, gemalt waren. Über diesen Arkaden zog sich
anter den gekuppelten, mit Spitzverdachung geschlossenen
Fenstern durch die ganze Länge des Gebäudes ein
schmaler Fries hin, der mit Blattoruamenten, aus denen
einzelne Engelsköpfe herausschauten, geziert war. Zwi-
schen den Fenstern waren in reichen aus Rollwerk be-
stehenden Rahmen die Thaten des Herakles ziu- Darstel-
lung gebracht ^°"). Die an den Ecken und in der Mitte
emporragenden kräftig profilierten Giebel, welche mit
einer Figur bekrönt waren, zeigten eine dem Fries ähn-
liche ornamentale Behandlung, nur waren die Formen
hier, wohl weil sie dem Auge des Beschauers entfernter
waren, kräftiger ausgebildet. An der nach der Augustus-
strasse zu gelegenen anderen Seite dieses Baues waren
ein langer fortlaufender Beiterzug und darüber und dar-
unter einzelne antike Heldengestalten zur Anschauung
gebracht ^"^).
Die erwähnten Abbildungen, besonders die Tafel 15,
lassen aber erkennen, dass auch sämmtliche andere zum
Stallhofe gehörigen Gebäudetheile einst gleichfalls in
ähnlicher Weise aufs reichste durch Malereien geschmückt
waren.
Es hatte aber, wie ich oben bereits andeutete, nicht
nur bei den Fassaden, sondern auch im Innern ^''^) dieses
mächtigen Baues die malerische Thätigkeit eine derartige
Ausdehnung genommen, wie sie in der verhältnismässig
kurzen Zeit^*^*') von einem Maler allein kaum entfaltet
werden konnte, so dass die Annahme nahe liegt, eine
ganze Reihe von Künstlern sei hierbei beschäftigt ge-
i'^ä) Hier befand sicli avtch, etwa in der Mitte der Fronte, eine
grosse Sonnenuhr gemalt, deren Umrisse noch heute deutlich zn er-
kennen sind.
1^^) Diese Fassade, die gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
dui'ch Feuer arg gelitten hatte, hat bekanntlich vor einigen Jahren
nach einem Entwürfe des Malers Walther einen neuen malerischen
Schmuck erhalten.
i*''') Es erzählt u. a. Weck a. a. 0. S. n5, dass sich im zweiten,
nach dem Jüdenhof zu gelegenen Geschosse vier „Fürstenzimmer"
befanden, in denen die Decken „von allerhand Romanischen Historien
aufs schönste gemahlet" waren und auch die Decken in zwei daneben
befindlichen Kammern „mit stattlichen Figuren und Römischen Histo-
rien ausgebutzet" waren.
100) Weck a a. 0. S. 55 berichtet, dass der ganze Bau inner-
halb 208 Wochen fertiggestellt worden sei.
Hofmaler imd Kupferstecher Heinrich Göding. 323
wesen. Leider ist das mir zugängliche Akteinnaterial so
lückenhaft, dass die Thätigkeit der einzelnen Maler und
— worauf es bei dieser Studie besonders ankommt — die
Heinrich Gödings nicht fest begrenzt werden kann. Dass
aber der letztere, auf den auch Christian I. die Gunst,
die sein Vater ihm die vielen Jahre Mndurcli gewährt
hatte, in vollem Masse übertrug, hierbei in ganz hervor-
ragender Weise th.ätig war, daran kann nicht gezweifelt
werden.
Dasjenige Aktenstück, Avelches über die Malerarbeiten
an und in dem Stallhofe am meisten Aufschluss giebt,
einen an den „Stal vnd Zeugmeister zu Drefsden" ge-
richteten Brief Christians, lasse ich hier im Wortlaute
folgen ^*'^) :
„L. g. Vns ist euer bericht belangendt das Mahlwerg an
vnserm Neuen Stall Vnderthenigst furbracht worden. Weil wir dan
daraus vernehmen, das Ir mit den mahlern der gemelt halben, so in
vnd aufswendig des Stalls gemacht werden sollen, weniger nicht, den
ein Tausent drey hundert vnd acht vnnd achtzigk gülden nehmen
wollen, So seindt wir damit auch gnst. Zufrieden, haben der wegen
vnserm Cammermeister hii'bey beuohlen solch geldt hiertzu volgen
Zu lassen, werden derhalben bey den Mahlern mitzuhelfen wissen,
das sie solch Mahlwerck bestes vleifses vorrichten Vnd mit dem
ehisten alfs Ihnen möglich vorferttigen etc.
Nossen d. 22. Jul. 1587."
Über eine besondere Thätigkeit Gödings sind freilich
die archivalischen Quellen ein wenig ergiebiger. Diesen
zufolge erhielt er den Auftrag, eine Anzahl von „Inven-
tiones", d. h. von festlichen Aufzügen, auf Leinwand zu
malen, Bilder, welche, wie es in der einen Notiz ^"^)
heisst, „vnderm neuen langen Gange neben der Renn-
bahne" angebracht werden sollten. Zur Ausführung
können allerdings nur eine kleine Anzahl von diesen ge-
kommen sein, da der Kuradministrator Friedrich Wilhelm,
der während der Minderjährigkeit des jungen Kurfürsten
Christian IL von 1591 bis 1601 die Regierimgsgeschäfte
besorgte, wohl aus Sparsamkeitsrücksichten die weitere
Fertigstellung dieser Tafeln einzustellen befahl hi einem
vom 11. Juli 1593 datierten, an den Kammermeister ge-
richteten Briefe ^^^):
10') H.-St.-A. Oop. 543 fol. 182 1'.
^^^) Ebenda Loc. 4451 Act. Kurtz. Sumrsch. Extract über die
churf. Gebende 1590 fol. 64; vergl. auch Copial in Cammersachen
1592 fol. 562 iJ.
i"'*) Ebenda Copial in Cammersachen 1593 fol. 362''.
21*
324 K. Berling:
„L. g. Dir ist sonder Zweifel bewust, das mit Heinrich Malern
von wegen der 19 taffein, darauf die Inuentiones, dor Innen Chur-
furst Christian Zu Sachfsen etc. Christmilder seliger gedechtnus in
Ritterspilen aufgetzogen gemalet werden soll, eines benenten gedinges
verglichen vnd Ime Von Jder taffei lüö Taler anheischick worden
seindt, wie dan auch gedachter Maler 364 fl. 6 gr. albereit vf Rech-
nung aus der Cammer empfangen haben soll. Weil wir aber nun-
mehr dahin geschlossen. Das es Zu disem mal, bifs vf weitere Ver-
ordnung, allein bey den ersten 6 taffein, so fast denn mehrerteil
fertick sein, bewenden soll. Als ist vor vns vnd der hochgeborneu
fursten etc. vnser begeren. Du wollest Ime, wan du nachrichtung, das
die bemalten 6 taffeln allenthalben vorsatzt Vnnd ausbereittet, die
630 taler, nach abziehung des albereit entpfangeuen geldes, voll-
stendick volgen lassen Vnd Zu den Stall Baw aulsgaben in Hech-
nung verschreiben. Daran etc."
Der Kurfürst. Christian I. hatte bei der Bestellung
dieser 19 Tafeln die Absicht gehabt, dieselben in den
Sockeln, welche unter die 19 in den Arkaden befindlichen
Pferdebildnisse gemalt waren, anbringen zu lassen. So
wenigstens muss man gemäss der Weckschen Abbildung
Nr. 14 urtheilen. Es befinden sich hier an dieser Stelle "")
drei solche Tafeln, auf denen festliche Aufzüge angedeutet
sind, angebracht. Die Frage jedoch, ob Göding nur diese
drei an Ort und Stelle versetzte, oder ob Weck sich hier
in seiner Zeichnung, da der angeführte Brief von sechs
solchen Tafeln spricht, eine Ungenauigkeit hat zu Schul-
den kommen lassen, kann nicht entschieden werden; es
ist dies auch nur von geringem Belang, da sich wohl
kaum hoffen lässt, dass sich auch nur eine derselben bis
auf unsere Zeit erhalten haben wird. Von weit grösserem
Interesse als diese Thätigkeit Gödings ist eine andere
und zwar die hervorragendste am Stallgebäude, wenn
nicht seine bedeutendste Arbeit überhaupt: die vollstän-
dige malerische Ausschmückung des zweiten Geschosses
der Stallgallerie ^^^), die sich bis auf unsere Zeit voll-
kommen unversehrt erhalten hat. Selbst die Decke,
welche man im Jahre 1861 aus praktischen Gründen er-
höhen musste, ist getreu nach dem Vorbilde der alten
erneuert worden. Sie ist in 84 kleine quadratische
Felder getheilt, auf denen eine reiche Ornamentik ange-
bracht ist.
Der Künstler hat diesen langen schmalen Raum zu
einer Ahnengallerie des sächsischen Regentenhauses um-
11**) Unter dem 5., 6. u. 14. Pferde von links gerechnet.
1") Hier befindet sich bereits seit 1733 die Gewehr- Gallerie.
Vergl. auch C. Claus, Katalog zu derselben 1873.
Hofmaler mid Ki;pferstecher Heinrich Göding. 325
geschaffen. Zwischen den Fenstern hängen in mächtigen,
aus ßollwerk bestehenden, reich vergoldeten Holzrahmen
die einstigen Herrscher des kriegerischen Sachsenstam-
mes"-). In ruhiger, würdiger Haltung blicken sie, die
der Maler in Lebensgrösse gebildet hat, auf den Be-
schauer herab.
Die Idee einer derartigen Saaldekoration, bei der
von den Wänden herab die Geschichte eines ganzen
Volkes durch die Bildnisse seiner Herrscher gepredigt
wird, ist dem Künstler wohl durch L. Cranach dem Jün-
geren geworden, der ähnliches bereits im „Fürstensaale"
auf der Augustusburg versucht hatte "^). Es scheint mir
sogar die Vermuthung nicht zu gewagt, dass hier wie
einst beim Freiberger Altarwerke "'^) der Ehrgeiz, der
es Göding als persönliche Zurücksetzung empfinden liess,
wenn L. Cranach ihm gegenüber als der vornehmere
Künstler behandelt und mit den werthvolleren Arbeiten
beauftragt wurde, die treibende Kraft geworden ist.
Diese hat dann aber nicht allem bewirkt, dass Göding
die nächste Gelegenheit, die sich ihm darbot, ergriff, um
ein ähnliches Werk zu schaffen, sondern man muss ihr
auch den Umstand zuschreiben, dass der Maler bei der
Ausführung desselben sein ganzes künstlerisches Können
eingesetzt .hat. So sind denn diese 46 "■^) auf Leinwand
gemalten Ölbilder mit dem äussersten Fleiss und nicht
geringem Geschick in sehr kurzer Zeit gefertigt worden.
Sie zeugen von einem frischen, etwas derben Farbensinne
und einer brillanten Technik, die sich ganz besonders
auch in den mit grosser Liebe ausgeführten Beiwerken
und den hin und wieder vorkommenden Architekturen
zeigt.
Etwas flüchtig sind freilich die völlig sagenhaften
Herrscher behandelt, denn die ersten 22 können sicher
"2) Auf jedem Rahmen ist oben und unten das betreffende
Wappen des Dargestellten auf Holz gemalt. Einige dieser Bilder
(3, 4-5, 12, 37 u. 38-39) sind mit m F. 1588, andere (29-30 u. 44-45)
mit demselben Zeichen und der Jahreszahl 1489 bezeichnet. Dann
und wann sieht man zwei Porträte unter einem Rahmen (4-5, 12-13,
29-30, 38-39 u. 44-45).
"3) Siehe die erwähnte Abhandlung in dieser Zeitschrift VII,
305 flg.
"*) Siehe S. 312.
"■"') Nur die 46 ältesten (bis mit Christian I.) sind von Göding
gemalt, die übrigen 6 haben Bottschild, J. H. Meyer u. a. später
gefertigt.
326 K. Berling:
auf gescliiclitliclien Werth keinen Anspruch machen. Erst
mit Widukind, der im Jahre 783 als der erste Sachse
die heilige Taufe empfangen hatte, befindet man sich
einigermassen auf geschichtlichem Boden, der freilich noch
vielfach verlassen wird, um den Anschluss der Ahnenlinie
an die ältesten geschichthchen Wettiner zu erlangen.
Ganz besonders gut sind dem Künstler die Bildnisse von
Friedrich dem Gütigen (41) und Moritz (44), auch von
August (4,5) und Christian I. (46) gelungen, doch ist der
Kopf bei August minder fein, bei Cluistian wohl charak-
teristisch, aber doch gar zu wenig schmeichelhaft ^^^).
Unter einem jeden dieser Bildnisse befindet sich eine
längere deutsche Inschrift und ein lateinisches Distichon,
in denen in Kürze die Lebensschicksale des Dargestellten
erzählt werden ^^^). Darunter sind wieder kleine mit
grosser Feinheit auf Holz gemalte Bilder angebracht,
welche mit einer reichen Erfindungskraft, wenn auch
manchmal in etwas naiver Auffassung denkwürdige Epi-
soden aus dem Leben der einzelnen HeiTscher zur An-
schauung bringen"^). Schliesslich befinden sich noch
"") In der Kgl. öffentl. Bibliothek zu Dresden befindet sich
(.1, 1) ein Band (gr. fol.) Miniaturmalereien auf Pergament, welcher
eine Kopie dieser Fürsten])ilder enthält. Er ist laut Beischrift am
2. Nov. 1645 begonnen worden. Götze (D. Merkwürdigkeiten d.
Kgl. Bibl. zu Dresden 1744. I, 105 flg.) schreibt hierüber: „Nach
solchen Gremählden (die in der Stallgallerie sind gemeint) sind auf
hohen Befehl des Glorwürdigsten Churfürstens Johannis Georgii I
diese Miniaturen verfertiget und in ein Buch zusammen gebracht
worden." Weiter berichtet Götze, dass er die auf dem Stalle be-
findlichen Inschriften habe dazu schreiben lassen. Es beruhen mit-
hin wohl die Ansichten von Ebert (Gesch. d. Dresd. Biblioth. 1822,
S. 160) und Falken stein (Beschr. d. Kgl. Öffentl. Biblioth. 1837,
S. 329 f.), die meinen, dass das betreffende Buch sich bereits 1574
beziehentl. 1599 in der kurfürstlichen Bibliothek befunden habe, auf
Irrthum.
^") Man findet diese Unterschriften wörtlich wiedergegeben in
dem bereits erwähnten Kataloge zur Gewehr-Gallerie S. 26 flg.
^^*) Diese kleinen Gemälde sind von D. v. Biedermann in
der Zeitschr. f. Museologie etc. 1880, Heft 6 u. 7 ausführlich be-
sprochen. Hier ist nun die Vermuthung ausgesprochen worden, dass
die Inschriften und die kleinen Bilder möglicherweise erst von Bott-
schild (1640 — 1707) hinzugefügt seien, „da sie", wie es dort heisst,
„nach den Erzählungen des Newen Stammbuchs von Petrus Albinus
und des von Birkenschen sächsischen Heldensaals entworfen zu sein
scheinen; diese Werke erschienen aber erst 1602 u. 1617." Gegen
Bottschilds Urheberschaft spricht aber der Umstand, dass die in der
Kgl. öff'. Bibl. befindlichen Kopien der Hauptbilder sowohl als auch
die der kleinen Bilder (denn diese zeitlich zu trennen ist nicht mög-
lich) schon 1645 begonnen worden sind.
Hofmaler und Kupferstecher Heiurich Göding. 327
unter den Fenstern gleichfalls auf Holz gemalte Turnier-
hilder, von denen oben bereits gesagt wurde, dass die
Aquarellen, die ihnen als Vorstudien dienten, bereits im
Jahre 1584 von Göding auf Bestellung des Kurfürsten
August gemalt worden seien. Die Darstellimgen gleichen
sich bei beiden Arbeiten völlig, nur zeigen die Gemälde
in der Stallgallerie, welche von 55 auf 29 reduziert sind,
ausser den beiden kämpfenden Reitern noch den ganzen
mit vielen Zuschauern besetzten Kampfplatz, wodurch
der Beschauer ein recht anschauliches, interessantes Bild
von der Art und Weise der damaligen Turnierspiele ge-
winnt.
Noch wälu-end Göding mit diesen vielfachen ehren-
vollen Arbeiten am Stallhofe beschäftigt war, betheiligte
er sich an einer kleinen Konkurrenz, bei der Zacharias
Wehme, ein bedeutend jüngerer Künstler, sein Gegner
war. Es galt diesmal eme Farbenskizze anzufertigen,
nach welcher das vom Kurfürsten August im Jahi^e 1552
an der Dresdner „grossen Bastei" errichtete Moritzmonu-
ment erneuert werden sollte. Die Restauration ist laut
einer noch heute am Denkmal befindlichen Inschiift im
Jahre 1591 auch wiiMich erfolgt. Die mit den Skizzen
zusammen emgelieferten genau spezifizierten Kostenan-
schläge beider Maler werden noch heute im H.-St.-A."**)
bewahrt. Wenn Göding auch diesmal seinem jüngeren
Kollegen unterliegen musste, denn seine Arbeit wurde
zur Ausführung nicht angenommen, so bleibt doch immer-
hin wissenswerth, wie hoch er hierbei jede einzelne kleine
Arbeit berechnet haben wollte, ganz besonders aber des-
halb, weü die dem ausfühi-enden Maler, Z. Wehme, wirk-
lich be^villigte Summe nach diesem von Gödmg aufge-
stellten, hin und wieder — wie sich vermuthen lässt —
von Paul Buchner reduzierten Kostenanschlage festge-
stellt zu sein scheint i-**). Ich lasse daher diesen im
Wortlaute folgen ^-^):
"ö) Loc. 4451, Den Festungsbau zu Dresden belangend, fol.
89 u. 90.
120) Der Kosteuanschlag Wehmes sowie Näheres über diese
Restauration sind von Th. Distel in d. Z. f. Museologie etc. 1883,
S. 123 mitgetheilt, wo auch die noch erhaltene Aquarellskizze dieses
Malers abgebildet ist.
121) Das cursiv Gred)-uckte ist von einer anderen, nach der An-
sicht D isteis Paul Buchners Hand.
328 ^- Berling:
Den 4. July an. 91.
Heinrich Maliler.
5 fl. von einen Schilde der seint fuuffe thut 25 fl. ist mit
5 talern zu frieden, Von den ober gesims 25 fl. 25 taler. Von
einen wapen 3 fl. davon seint 22, thnt 66 f. SVa taler. Von den
zwu schwartzen taffehi mit den schriff'ten 40 fl. 40 taler. Von den
zwu kleineu taffelu mit den schrifften 20 fl. bleibt. Von den beiden
eusersten seiüen 12 fl. bleibt. Von den andern beiden seulen 8 fl.
bleibt. Von den feldern hinder den conderfect 8 fl. 10 fl. Von
beiden Churf. 26 taler. Von Churf. Moritz gemahl 4 fl. 5 fl. Von
Churf. Augusty gemahl 7 fl. 7 taler. Von den vier krack steinen
vnd den Pollen 20 fl. 21 taler. Von den feldern neben den Chur-
fursten 50 fl. 50 taler. Tuht 285 fl. Ist mit 305 talern Zufrieden.
Den 4 July an 91. liatt mein gnedigster Herr bewilliget, datz
man dem Maler meister Zacharias 305 taler geben Magk.
Christian I. hatte, wie aus einigen archivalischen
Notizen hervorgeht, noch wenige Monate vor seinem Tode,
also in der ersten Hälfte des Jahres 1591, den beiden
Malern Göding und Cyriacus Röder^^-) eine grössere
künstlerische Arbeit übertragen. Man muss indessen hier
die Quellen mit etwas Vorsicht gebrauchen, da sie —
wie ich aus eigener Erfahrung bezeuge — leicht auf eine
falsche Fährte zu führen im Stande sind. Denn die ge-
fertigte Arbeit selbst lässt sich nicht mehr nachweisen,
die Akten drücken sich aber theilweise so unbestimmt
aus, dass nach ihnen eine doppelte Lesart möglich ist.
Es kommt hier zuerst ein an den Kammermeister
gerichteter Befehl des Kuradministrators in Betracht,
welcher lautet ^-^):
„L. g. Den beiden Mahlerrn Heinrich Goding Vnd Ciriax
Röderu haben wier von Churfurst Aiigustj & Christseliger gedecht-
mis Vnd des Chmfursten Zu Brandenburgs & beiden Conterfecten, Als
Jederm Achtzigk gülden, Vor Ire arbeit genedigest bewilligt. Ist
derowegen Vor Vns Vnd S. des Churfursten Zu Brandenburgs Bilde
In gesambter Vormundschaflt etc. Vnnser genedigsts begeren. Du
wollest obgedachten beiden Mahlern Ihr Jderm Vor sein gefertigt
Conterfect ^80 fl. kegen Ihren bekentnufs aus der Cammer vorgnugen
lassen. Dessen etc. den 19. Dezb. 92."
Ein Auszug aus den Eenntn.- und Kammerbefehlen
bezeugt ferner, dass diese Auszahlung am 29. Dez. 1592
wü^klich erfolgte, denn es heisst in dem betreffenden
Aktenstücke ^^*) :
1--) Ein von C. Röder gemaltes, recht charakteristisch auf-
gefasstes Bild des Kurfürsten August befindet sich im Entreesaale
des historischen Museums.
i"3) H.-St.-A. Cop. in Cammers. 1592 fol. 766.
12*) H.-St.-A. Loc. 7295, Act. Extract. d. Eenntn.- u. Cammbf.
fol. 244.
Hofmaler und Kxipferstecher Heinrich Göding. 329
„Den beiden Mahleru Heinrich Göding md Ciriacns Rödern
Jeden 80 fl. vor Chiu-furst Augiistj vnd des Churfurst zu Branden-
burgks beiden contrafecten."
Wahrschemlich hat sich nun die Arbeit doch als
grösser herausgestellt oder — was so ziemlich auf das-
selbe herauskommt — mehr Zeit beansprucht, als man
bei der Bestellung angenommen hatte, jedenfalls ist den
beiden Malern eine Mehrf orderung bewilligt worden, wie
aus einer dritten Notiz, die ich hier gleichfalls im Wort-
laut folgen lasse, hervorgeht ^"^) :
„Yf beuehl Hertzogk Friederich Wilhelms Zu Sachfsen der
Chm- Sachfsen Atministratorn, Vnsers gnst. Herrn, soll der Churf.
S. in Vormundtschafft verordtneter Cammermeister Gregor Vnwierdt,
Heinrich Godigeru Vndt Cyriax Rödern, Mahleru, Wegen der Zweyen
Contrafect, so sie Vff Churf. Christian lobl. vnd sehliger ged. be-
uehlich Zuuorfertigen Vndterhanden. Vber das Jenige, so sie Zuuorn
empfangen, noch 50 fl. vff Rechnung gegen ihre Quittung volgen
lassen. Drefsden d. 3 Juni 1592."
Es sind nun — meiner Meinung nach — diesem an-
gezogenen Aktenmateriale gemäss zwei verschiedene Fälle
denkbar. Es kann nämlich erstens jeder Maler ein Bild,
auf dem nur der eine dieser beiden Fürsten dargestellt
war, angefertigt haben, es kann aber auch zweitens jeder
von ihnen ein Doppelbild, auf denen man beide zusammen
erblickte, gemalt haben. Zu dieser letzteren Ansicht ist
man leicht geneigt, wenn man den Umstand in Betracht
zieht, dass sich in der Dresdner Gemäldegallerie ein sol-
ches Doppelbild ^-*') mit den Porträten dieser beiden Kur-
fürsten befindet, dessen Verfertiger in den Katalogen als
„Unbekannt" aufgeführt wird, dessen Entstehung aber
der Malweise nach ungefähr in diese Zeit G-ödingscher
Kunst fallen muss^"). AVäre dies in der Gallerie be-
findliche das eine der oben erwähnten Bilder, so müsste
das andere sich aller Wahrscheinlichkeit nach noch in
dem ehemaligen kurbrandenburgischen Besitze nachweisen
lassen. Eine nach dieser Richtung hin angestellte Unter-
suchung blieb indes ohne Erfolg ^-^), konnte von mir aber
125) H.-St.-A. Cop. in Cammers. 1592 fol. UbK
126) Im Katalog zur Gemäldegallerie 1884. Nr. 1954.
i«'') W. Schaf er (D.Kgl.Gemäldegall. zuDresdcnlll, Nr. lf)97)
schreibt dies Bild ohne weitere Begründung dem Zacharias Wehnie
zu. Ob er aber hierin Recht hat, ist zum mindesten fraglich.
12«) In den Museen Berlins und — wie mir auf meine Anfrage
das Kgi. preuss. Hofmarschallamt gütigst raittheilt — in den Kgl.
preuss. Schlössern findet sich ein derartiges Doppelporträt nicht vor.
330 E.. Berling;
auch deshalb imbeendigt abgebrochen werden, weil ich
zu dieser Zeit in einem weiteren Aktenstücke eine neue
auf diese Angelegenheit bezügliche Notiz fand, die von
den beiden oben als möglich aufgestellten Fällen den zu-
erst angenommenen zur Wahrscheinlichkeit erhob. Es
heisst nämlich darin ^■-^):
„Nachdem Ciriax Röder dem Maler von des Churf. Zu Branden-
burgks etc. Viisers gnst. Herrn Conterfect 80 ü. versprochen worden,
Darauf ehr den albereit 50 taler aus der Cammer entpfangen haben
soll, Als soll Ime der nachstaudt Vollents hernach entricht, Dem
Cammermeister auch darauf befelich vberschickt werden.
Dresden d. 21. Deeb. 92."
Somit hätte also Eöder das Bild des Kurfürsten
Johann Georg von Brandenburg, Göding das des Kur-
fürsten August gemalt. Diese Ansicht wird zur Gewiss-
heit durch einen zweiten archivalischen Beleg, der sich
in einem vom Kuradministrator an den Kammermeister
gerichteten Briefe vorfindet, demzufolge Göding um diese
Zeit wirklich ein Porträt Augusts an die Kunstkammer
abgeliefert hat. Dieser Brief lautet ^^") :
„L. g. Heinrich Göding Mahler alhier hatt vnns vnnderthenigst
berichtett, das ehr Churfurst Christiano loblicher gedechtnufs drey
Conterfect alfs Königs Christiani in Dennemargkt '^ij vnnd desselben
gemahlfs So wohl Churfurst Augusti neben zweyen gTofsen Kupfer-
blechen'»=) darauf die belagerung Gotha vnd Grimmenstein gestochen
in die Kunstkammer vnderthenigst vorehrett vnnd derowegen zuvoru
wie auch jetzo abermals Vnderthenigst Ihme Ziir ergetzlichkeit des-
selben mit vier Centner geschlagen Kupferblech gnedigst zu be-
dencken, AVelches wir ihm also zu gnaden bewilliget. Begehren
derowegen etc. Drefsden d. 21 Novb. 1594."
Dass Göding ausser diesen vielen vom Kurfürsten
geforderten Aufträgen auch hin und wieder solche für
129) H.-St.-A. Cop. in Cammers. 1592 fol. 766.
130) H.-St.-A. Cop. in Cammers. 1594 fol. 481 »j-, vgl. auch ebenda
Loc. 7295, Act. Remitn.-Cammbfl. fol. 161.
"1) Das hier erwähnte Porträt von Christian III., dem Schwie-
gervater des Kurfürsten August, scheiiit mit dem im Parterresaale
des Schlosses zu Grosssedlitz befindlichen identisch zu sein. Dies
Bild, dessen Fläche in späterer Zeit einmal um etwa eine Handbreite
auf jeder Seite vergrössert worden ist, hat durch die Ungunst der
Zeit entsetzlich gelitten. Es trägt folgende Inschrift:
„Von Gottes Gnaden Christian
Der 3 König zu Denemarck
AVar geboren 1503
Starb 1559. Im 55 Jahr
SpiTiGs Alters."
"2) Auf diese Kupferplatten werde ich später zurückkommen.
Hofmaler imd Kupferstecher Heinrich Gödiug. 331
Privatleute ausführte, bezeugt eine zufällig aufbewahrte,
aus dem Jahre 1594 stammende Rechnung, worin, ganz
handwerksmässig, wie beim Kostenanschlag zur Erneue-
rung des Moritzmonuments, jede einzelne kleine Arbeit
beim Ausmalen eines phantasievoll gestalteten Schlittens
aufs genaueste berechnet wird. Diese Rechnung lautet ^=^^^):
„Dem Edelnu gestrengemi Heinrich Vonn Hagenn Fürstich.
Sechfsischer Hofmeister gemacht. Wie folgt.
Erstlich einen grofsen Schwann, Mit feinem Silber Vherlegt
Vnd etzliche federnn daran gebapbet, Vnnd die Krone, sambt dem
Halsljanndt, mit giittem Vngrischenn golde verguldt: Dutt dauonu
14 thaler.
Mehr ein bar Kuffen mit Ollfarbenn Rott ahngestrichenn vnnd
mit feinem sillier Vorsilbert, Sambt einer grofsenn Mehr Mnsehelnn,
welche auch gar Versilbert, Vnnd gemahlet mit Ollfarbenn wie
Wasser Wellen, ihn welcher Muschel der Schwann sitzet: Dutt
dauor 6 thaler.
Item ein Konnte Kugel, auf welche Von Ollfarbenn, mit fleis
des himmels lauff gemahlet Vnd mit guttem Vngrischenn golde, Vnnd
Silber gezieret: Dut dauor 3 thaler.
Item auch einenn adeler, dorauf der Jupiter sitzet, auch mit
Vngrischen golde gezieret, Vnnd mit Ollfarbeim aufsgefafset, gehört
auf die Kugell : Dutt dauor 2 thaler.
Item auch zwo Kummet mit Flügelnn von Ollfarbenn Rott
ahngestrichenn, Vnnd mit feinem sillier Vorsilbert, Sambt Zwenenn
Schweneuu, so gar Vorsilbert, Vnnd die Kronen mit guttenn Vng-
rischenn golde Vorguldt: Dutt dauor 8 thaler.
Mehr 2 bar stangenn, A'onn Ollfarbenn Rott ahngestrichenn,
Vnnd mit silber geziert: Dutt dauor 2 thaler.
Summa Vber alles 35 thaler.
Ist bezahlt. Heinrich Götting^^*)
Mahler."
Es ist wahrscheinlich, dass, obgleich in der Rechnung
selbst hiervon nichts erwähnt wird, nicht nur die Maler-
arbeiten, sondern auch der ganze Entwurf selbst von
Göding herrührte. Zu dieser Ansicht wenigstens gelangt
man, wenn man bedenkt, dass er sich schon früher einmal
mit der Erfindung eines ähnlich phantastisch geformten
Schlittens befasst hatte, wie eine von ihm äusserst sauber
Avenn auch ein wenig kleinlich ausgeführte getuschte
Federzeichnung bezeugt. Dies Blatt, das die Dresdner
Kupferstichsammlung bewahrt, ist mit HG 1583 bezeich-
net, so dass an Gödings Urheberschaft kaum gezweifelt
133) H.-St.-A. Loc. 7301, Oanmiers. 1.594 Theil III fol. 149.
13-1) Hier ist der eine der beiden beim Beginn dieser Studie er-
wähnten Fälle, dass sich der Maler mit „Götting" unterschiieben hat.
332 K. Berling:
werden kann. Dargestellt findet sich ein Schlitten, des-
sen Vordertheil ans einem schwarz geschuppten, mit weit
aufgesperrtem Eachen wüthend um sich schlagenden
Drachen mit einem mächtigen weissen Federbusche auf
dem Kopfe besteht. In diesem letzteren sitzt ein
mit voller Rüstung angethaner Ritter, der mit seiner
Lanze zum verderbenbringenden Stosse auf den Drachen
ausholt. Hierbei wirken nun freilich die so ungemein
verschiedenen Massverhältnisse ein wenig komisch; bei
der verhältnismässig grossen Ausdehnung des Ungeheuers
ist dessen endlicher Besieger in gar zu winzigen Dimen-
sionen dargestellt. Ausserdem sind noch auf der Decke
und dem Sattelzeuge des Pferdes ein grösserer schwarzer
und zwei kleinere weisse, sich gegenseitig bekämpfende
Drachen angebracht. Im Schlitten selbst sitzt eine Dame
und auf der Pritsche, die Zügel des Pferdes führend,
deren Begleiter. Beide haben blonde Haare und von der
Kälte geröthete Gesichter und Ohren und sind in schwarze
Anzüge mit weissen Ärmeln, Halskrausen und Hand-
schuhen gekleidet, wobei vielfach, wie an den Hüten, am
Kleiderbesatz, den Halsketten, in Gödings beliebter Weise
Gold verwandt ist. Auf die Pferdedecke und auf den
Schild, den der Ritter in der Linken hält, ist das säch-
sische Wappen gemalt, ein Umstand, der schliessen lässt,
dass auch diese Arbeit für den Kurfürsten angefertigt
worden ist ^•^^).
Zwei Aktenstücke ^=^*''), die vom 4. und 23. Dez. 1601
datiert sind, berichten ferner, dass Göding dem Kiu'-
administrator „Sechs schöne gemahlte Kunststück ver-
ehret" habe. Dieselben nachzuweisen oder auch nur
näher zu bezeichnen, Avar mii' indessen nicht möglich.
„Kunststücke" könnten, wie aus einer anderen Notiz ^'")
hervorgeht, dem damaligen Sprachgebrauche gemäss aller-
dings Kupferstiche bedeuten sollen. Wäre dies der
Fall, so liesse sich eine zusammenhängende Folge von
'•"'^) Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass ein gleich-
falls iu der Dresdner Kupferst.-Samml. l)efindliches Aquarell, wahr-
scheinlich das Bildnis eines sächsischen Fürsten, dem Göding zuge-
schriel)en wird und zwar — wie mir scheint — mit Um-echt. Das
Blatt, welches keine Inschrift trägt, zeigt eine Ausführung, die mit
der Gödings durchaus nicht ühcreinstimmt.
"6) H.-St.-A. Loc. 7313, Cammers. 1601 fol. 235 u. Loc. 7339,
Wocliztt. 1601—3 fol. 109 '>.
13'') Ebenda Loc. 7295, Extr. d. Renntn.- u. Cammbf fol. 161.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Güiling. 333
6 Blättern, die ungefähr um diese Zeit abgegeben sein
könnten ^^^), schon nachweisen. Da aber in den beiden
angezogenen Quellen von gemalten Kunststücken die
Rede ist, muss wohl auf diese Lösung der Frage ver-
zichtet werden.
Aus den Jahren 1601 und 1602 stammen zwei kleine
auf Kupfer gemalte Ölbilder, die Gröding für den Kur-
fürsten Chiistian II., der im Jahre 1601 die Regie-
rung selbst übernommen, verfertigt hatte ^■'^^). Diese
Bilder wurden mit vielen anderen Gegenständen zusam-
men am 19. Jan. 1612 an die Kunstkamraer abgegeben
und über diesen Akt em ausführliches Protokoll aufge-
nommen, in welchem ihrer folgendermassen Erwähnung
geschieht ^'^"):
„Vft' Kupffer gemalte, vnd in rahmen eingefafste Biblisehe
Historien, davon eines von 5 Klugen vndt Dörichten Jungfrawen,
Das ander das Königliche Pancket Belsazers Zue Assyrien, hat
Heinrich Göttingk der elter 1601 vnnd 1602 gemahlet."
In dem „Verzeichniss der im Vorrath befindlichen
Gemälde" der Dresdner Gallerie findet man diese beiden
Werke Gödings unter Nr. 493 u. 494 mit dem Vermerk
„zum Verkaufe ausgesetzt d. 23. Jan. 1841" erAvähnt, und
ferner im „Auszug aus dem Verzeichniss der Vorraths-
bilder der Königl. Gemäldegallerie C"^") die sich auf
das letztere der beiden beziehende Notiz:
„258) Unbek. bez. HG 1602, Frauen mit brennenden Lampen,
Schlafende, Ritter, erleuchtete Häuser. 9" hoch 13" br. auf Kupfer,
neuer schw. Rahmen, leidlieh erhalten, d. 16 Aprl. 1860 verk. für
12 rthlr. 1 gr."
Über den weiteren Verbleib dieser beiden Bilder
konnte ich nichts in Erfahrung bringen, doch ist der
Fall, dass dieselben einst wieder ans Tageslicht gelangen,
immerhin denkbar. Viel empfindlicher als von diesem
wird man indessen von einem anderen Verluste betroff'en:
das ist die sichere Vernichtung einer grossen Reihe von
Malereien, die Göding einst für die alte Frauenkirclie
schuf. Es waren dies Gemälde, in welchen die Geburt
und Leidensseschichte des Heilands zur Anschauung ge-
138) Sie sind 1595 u. 98 datiert.
"") H.-St.-A. Loc 7339, Wochztt. 1603—5 fol. 534.
1'^) Ebenda Loc. 7207, Altsch. aufs d. Einnahm, d. Kunstk. fol. 9.
'") Beide Aktenstücke wurden mir vom Galleriedirektor Herrn
Prof. Woermann gütigst zur Durchsicht überlassen.
334 K. Berling:
bracht war. Michaelis^*-) berichtet hierüber nach Auf-
zählung dessen, was in ihnen dargestellt war, dass alles
gemalt sei „zwar schlecht jedoch mit etlichen Worten,
so darbey stehen, erleutert, aber auch Glaubens- und
Liebes -voll, malsen sich die Urheber dieser Gemählde
nicht geschämt, theils ihre Nahmen und Wappen, theils
auch nur das Wappen allein denen Nachkommen zu über-
lassen." Unter Urheber dürfen hier aber nicht die Ver-
fertiger, sondern müssen die Stifter dieser Bilder verstan-
den werden, denn einerseits findet sich unter diesen,
deren Namen (gegen 30) Michaelis alle einzeln aufzählt,
meines Wissens nur ein einziger Maler, Andreas Brett-
schneider, andrerseits spricht aber Michaelis ferner vom
Verfertiger nur in der Einzahl. Er fährt nämlich fort:
„Hierüber ist nicht zu vergessen, dafs an der Decke oben
gegen das sogenannte Müntzer-Thor zu, der Mahler sich
selbst auf einem Gerüste sitzend, nebenst seinen bey ihm
stehenden Farben -Töpfgen und Pinseln gemahlt, auch
gleich an der Tauife Christi am Jordan noch arbeitende."
Führt nun schon der eigenartige Gedanke, der sich
in diesem eben erwähnten Bilde ausgesprochen findet,
unwillkürlich auf Gödings Thätigkeit, da dieser, wie
zweifellos feststeht ^^•'), ganz etwas ähnliches bereits in
dem im dritten Geschosse des Hasenhauses gelegenen
sogenannten Venussaale auf der Augustusburg ausgeführt
hatte, so wird seine Urheberschaft dieser Gemälde über-
dies noch von Hohlfeldt in einem Aufsätze"^), der die
Sophienkirche in Dresden behandelt, als sicher bezeugt.
Hier finden sich nämlich gelegentlich der Besprechung
der Veränderungen, welche die im Jahre 1738 erfolgte
Verlegung des Hofgottesdienstes in diese Kirche mit sich
brachte, folgende Worte: „An den Brustlehnen der ersten
Emporkirche wurden die noch vorhandenen 18 Gemälde
aus der Lebensgeschichte Jesu, welche vorher in der
alten Frauenkirche ^^'^j gewesen und von Heinrich Gotting,
der 1606 starb, gemalt worden waren, angebracht."
Leider findet sich an Ort und Stelle heute nichts
"-) Drefsdnische luscriptiones u. Epitaphia d. Frauen Kirche
Alt-Drefsd. 1714, Vorrede.
143) Frey er in dieser Zeitschr. VII, 321.
^") Der Sammler f. Gesch. u. Alterth. Dresd. I (1837), 198.
^*'') In der alten Franenkii'che ist zuletzt am 9. Febr. 1727
Gottesdienst gehalten und dann dieselbe eingerissen worden (Nachr.
über d. Erbamiug d. Frauenkirche. Dresden 1834.).
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Goding. 335
mehr hiervon vor. Auch die Entstehuiigszeit dieser Ar-
beiten lässt sich mit Sicherheit nicht mehr feststellen,
wahrschemlich ist jedoch, dass dieselben gegen Ausgang
des 16. Jahrhunderts entstanden sind, da die jüngste der
wenigen Jahreszahlen, die nach Michaelis hin und wieder
den Namen der Stifter beigeschrieben waren, 1596 ist.
Es wird endlich noch mehrfach erwähnt ^^'•), dass Hein-
rich Göding zusammen mit den beiden Malern Zacharias
Wehme und Michael Treutting bei der 1602 begonnenen
Eenovierung des Dresdner Sclilosses thätig war. Ich
glaube aber, dass hiermit nicht der 1531 geborene Hein-
rich Göding, sondern vielmehr sein gleichnamiger Sohn
gemeint sein wird, denn es widerstrebt mir, zu denken,
dass der nmimehr 70jährige Meister noch den Muth be-
sessen haben sollte, eine derartige anstrengende Arbeit,
bei der ein Herumsteigen auf den Gerüsten unvermeidlich
war, zu unternehmen.
Hiermit wäre die Aufzälüung der Arbeiten, die der
Maler Heinrich Göding der Ältere geschaffen hat, be-
endet, und es erübrigt nur noch, seine Verdienste als
Kupferstecher hervorzuheben. Ich werde mich aber hier-
bei so kurz wie möglich fassen, da diese Seite seiner
künstlerischen Thätigkeit bereits mehrfach verdiente Wür-
digung gefunden hat, ganz besonders von A. Andresen"").
Ich beschränke mich mithin darauf, der Vollständigkeit
und des Zusammenhanges wegen die einzelnen, Göding
zugeschriebenen Blätter zu erwähnen und das wenige
Ergänzende hinzuzufügen.
Es ist eine eigenthümliche, vielleicht nur zufällige
Erscheinung, dass die uns erhaltenen Kupferstiche Gödings
sämtlich aus dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts
stammen. Nur ein einziges Blatf^^^), (1.) Die Anbetung der
Könige, macht liiervon eine Ausnahme, da dasselbe nach
Heinecken "^) im Jahre 1569 entstanden sein soll und
somit der frühesten Zeit seiner künstlerischen Thätigkeit
angehören würde. Wenn Göding bei seiner vielgeschäf-
tigen Thätigkeit auch erst in seinem Alter Zeit und
1*0) H.-St.-A. Loc. 7314, Cammers 1602 Theil III fol. 130"' ;
Loc. 7339, Wochztt. 1601-3 fol. SU''; Wochztt. 1603-5 fol 185.
'") A. Andres en, Der deutsche Peiutre - Graveur I (Leipzig
1864), 71 flg.
''»*) Andre seil a. a. O. 93 Nr. 7.
"») Es soll mit „Heinrich Goedigeu B.fecit 1569" bezeichnet sein.
336 K. Berling:
Müsse gewinnen konnte, grössere Arbeiten im Knpfer-
sticli zn vollenden, die Kunst selbst muss ihm schon
viel früher geläufig gewesen sein, da ein im Jahre 1574
angefertigter Bibliothekskatalog ^•'^'-), welcher die auf der
Annaburg befindlichen Bücher aufzählt, auch ein von ihm
verfasstes Buch über die Theorie des Kupferstechens etc.
enthält. Das letztere, das sich leider nicht mehr auf-
finden liess, führte dem erwähnten Kataloge zufolge fol-
genden Titel: „Nr. 1532. Kunstbüchleüi vonn etzen auff
allerley Metall, auch Vonn Vorgülden Vnnd wie man auif
Grlafs mahlen soll. Hemrich Gotingers Malers Zu Drelsden."
Dass Göding sich auch sonst viel mit ähnlichen tech-
nischen Untersuchungen abgegeben habe, bezeugt die
einem oben bereits erwähnten Briefe ^■''^) beigegebene
Nachschrift, in der es heisst:
„Nachdem E. Cliurf. Gr. mir gnedigist bevohlen, mich Zu be-
fleifsea die Etze auf Helffenhein Zu befinden, welches ich bis anhero
Vumoglich geachtt, Weil ich aber diesem mit vleis nach setze, befinde
das es möglich ist, wie wol ich es vor nicht, auch von Keinem ge-
hörtt, das es gemachtt wehre, Wiel mich derowegen Zum Vieifsig-
sten Vnnd Vnderthenigisten bemuhen E. Churf. G. innerhalb 3 tagen
Ein Muster Zimorferttigen, auch anderem Vngewohulichem Ettzen
nach denckeu, Vnd solches E. Churf. G. Vnderthänigist vnd willigk
Lernnen."
Von den Gödingschen Kupferstichen zählt Andresen
noch folgende Blätter auf^'^-):
(2.) Kurfürst Cliristian I. im Sarge, vom Jahre 1591.
(3.) u. (4.) Belagerung von Gotha u. d. Grimmenstein ^''^^).
(5—10.) Landschaften mit Staffage aus der biblischen
Geschichte, 1595 u. 9S^^').
(11 — 14.) Grotesken, Jäger, Vogelsteller, Fischer und
Musiker; die beiden ersten mit 1596 bezeichnet.
^'^) Dies Manuskript, das folgenden Titel fühlt: „Registratur
der bucher in der Churfursten zu Saxen liberey zur Annaburg 1574",
wird im Archiv der Kgl. Öff. Biblioth., Vol. 20, aufljewahrt.
i'^i) H.-St.-A. Loc. 8523, Schreib, an d. Churf. August Buch III
fol. 35. vom 14. März 1578.
^■'-) Ich habe die Stiche nicht wie Andresen, sondern nach ihrer
Entstehungszeit geordnet.
^■'^) Eine Jahreszahl findet sich hier nicht vor. Da aber, Avie
oben (S. 333) erwähnt, die Kupfertafeln zu diesen Stichen im Jahre
1594 an die Kunstkammer abgegeben worden sind, so wird man wohl
nicht sehr irren, wenn man dies Jahr auch als das der Entstehungs-
zeit derselben annimmt.
i'^) Auf diese Blätter, welche Schuchardt a. a. 0. S.^100 die
Vorzüglichsten von allen seinen Radierungen nennt, ist oben (S. 332 f.)
bereits hingewiesen.
Hofmaler nnd Ki;pferstechei- Heinrich Göding. 337
(15.) Geschichte des Volkes der Sachsen, 1597 u. 98^''^^).
(16.) Das sächsische Wappen, 1598.
(17.) Martin Luther auf Pathmos, 1598^-^'^).
(18.) Landschaft mit den Brenn- und Schmelzöfen, 1599.
Das grosse zweibändige Geschichtswerk, Nr. 15 der
obigen Aufzählung, das den Titel: „Aufszug der Eltisten
vnd fürnembsten Historien des vralten streitbarn vnd be-
rulienen Volks der Sachfsen etc." führt, hat Göding dem
Kuradministrator und den sächsischen Prinzen gewidmet
und von diesen für den ersten Band desselben ein „hono-
rarum" von 100 Thalern, für den zweiten ein solches von
100 f 1. erhalten, Summen, die ihm am 12. Juni 1597, bez.
am 2. Sept. 1598 ausbezahlt worden sind^").
In dem bereits mehrfach erwähnten zu diesem Werke
gehörigen Vorworte berichtet der Verfasser ausführlich,
wie er zur Abfassung desselben gekommen sei. Er wollte
sich, so erzählt er, nachdem er dem kurfüi^stlichen Hause
so viele Jahre hindurch mit seiner Kunst gedient habe,
ein Gedächtnis aufrichten „zuförderst Gott zu lob, nach-
mals auch diesem Lande, darinnen mir Gott bifshero
meinen auflenthalt bescheret, vnd^derselben Hochlöblichen
Herrschafft zu Vnterthenigen Ehren." Da habe ihm nun
der kurfürstliche Sekretär Petrus Albinus gerathen, zu
diesem Zwecke das nachfolgende Werk anzufertigen und
ihm auch einen Auszug aus seiner Neuen Sachs. Eürsten-
Chronik zur Verfügung gestellt ^■^^). Dass er aber auch
ausserdem keine Mühe und Arbeit gespart habe, um ein
für die damalige Zeit möglichst vollkommenes Bild von
den alten Zeiten geben zu können, beweist das verhält-
nismässig grosse Quellenstudium, dem er sich zu diesem
Zwecke unterzogen hatte, denn er berichtet weiter: „in
welchen (in den Kupfern) ich dann die gebende vnd
sonsten, zum teil aus der perspectiua vnd architectur ge-
1™) Ist in einem Exemplar in d. Kgl Öff. Biblioth. vorhanden.
^^^") Hiervon befindet sich ein Exemplar in der im Besitz Sr.
Kgl. Hoheit des Prinzen Georg- befindlichen Knpferstichsammlung.
1") H.-St.-A. Loc. 7306 Cammers. 1597. Tiwii 11^ fol. I80 u. Loc.
7307 Cammers. 1598, Theii 11^ fol. 536.
i'^'*) 1589 war Petrus Albinus' Meifsnische Land vnd Berg
Chronica zu Dresden erschienen. Da der letztere ihm hier als ge-
schichtlicher Beirath gedient hat, so lässt sich vermuthen, dass der-
selbe ihm auch bei den Porträten und den kleinen Bildern in der
Gewehrgallerie geholfen habe, wenn auch die letzteren von den hier
dargestellten Episoden dann und wann abweichen.
Neues Archiv f. S. G. ii. A. VIII. 3. 4. 22
338 K. Berling:
nommen, Auch weil ich in meiner jugendt mancheiiey
Art von Habit, Trachten vnd Kleidung der Sachsen vff
gemälden vnd ausgehauenen bildwerck gesehen vnd auff-
gemercket, habe ich dieselben an etlichen orten, wo sichs
scliicken wollen, hierzu gebrauchet. Dieweil dann auch
desgleichen kunstbücher, Als aus den Ovidischen vnd
andern Poetischen fabeln, so wol aus den Römischen ge-
schichten vnd fürnemlich Livij büchern vnd sonsten, ge-
nommen, so von alten kunstvorstendigen Malern, vor
dieser Zeit, jedermenniglich zu gutem Exempel vnd Leh-
ren in Kupff'erstichen vnd Holtzschniedt vorfertiget vnd
ausgangen sein."
Haben es nun auch die sagenhaften und häufig
recht phantastischen Darstellungen, die der Beschauer
m diesen Blättern erblickt, zwar nicht vermocht, der
fortschreitenden Wissenschaft standzuhalten, so sind sie
doch immerhin insofern auch heute noch von grossem
Interesse, weil sie ein wohlgelungenes und wahres Bild
von dem geschichtlichen Wissen der damaligen Zeit zu
geben imstande sind.
Als 19. erwähne ich endlich noch ein kleines Kupfer-
werk, welches folgenden Titel führt: „Künstliche Wohl-
gerielsene Figuren der Sieben Planeten, auch Sieben
Wunderwercke der Welt, sampt andern Wolproportio-
nirten Figuren etc." Es wurde im Jahre 1610 zu Dres-
den von dem Buchdrucker Gimel Berger herausgegeben.
Laut den beiden hierzu gehörigen Vorreden, die von
1599 und 1600 datiert sind, war Heinrich Göding im
Verein mit dem Maler Friedrich Berg der Verfertiger
desselben ^^^).
In allen seinen Stichen und Eadierungen zeigt sich
Göding als tüchtiger, fertiger Künstler, der bei einer
kräftigen, breiten Vortragsweise die Technik vollkommen
beherrscht und mit fester, energischer Hand den Griffel
zu führen versteht. Es fehlt ihm nicht, obgleich sich
manchmal grobe perspektivische Verzeichnungen vorfinden,
an dem durch fleissiges Studium der Natur erworbenen
Verständnis für richtige Formen. Die landschaftlichen
Hintergründe sind auch hier, wie in seinen Malereien,
mit besonderer Vorliebe behandelt und theilweise vor-
trefflich gelungen. Und doch lassen sämmtliche Werke
'^'') Ein Exemplar dieses Werkes bewahrt das Dresdner Kupfer-
siichkabiuet.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Göding. 339
Heinrich Gödiiigs, Gemälde sowohl als auch Kupferstiche,
den Beschauer heutigentages kalt. Man muss bei ihnen
die Technik loben, den Fleiss bewundern, auch hin und
wieder die zu Grunde liegenden Ideen gutheissen, er-
wärmen kann man sich für sie nicht.
Dieser scheinbare Widerspruch findet aber in dem
Umstände seine Erklärung-, dass die Schönheitsideale zu
Gödings Zeiten von den unsrigen weit entfernt sind.
Will man also dem Maler gerecht werden, das heisst
seine Verdienste, die er sich um die Kunst erworben hat,
und den Einfluss, den er auf seine Umgebung ausgeübt
hat, in vollem Masse anerkennen, so ist man genöthigt,
die Beurtheilung des Malers durch seine Zeitgenossen
mit in Rechnung zu ziehen.
Nach den überlieferten Akten war aber Göding zu
seiner Zeit nicht nur der angesehenste Maler zu Dresden,
sondern hat es auch verstanden, sich während der ßegie-
rungszeit dreier Kurfürsten in hohem Masse die Gunst
derselben zu erwerben und zu erhalten. Zum Beweise
hierfür erwähne ich zuerst seine 1570 erfolgte Ernennung
zum Hofmaler. Will man aber auf diese Titelverleihung
nicht allzuviel Gewicht legen, der Umstand, dass der ein
wenig sparsam angelegte Kurfürst August ihm zu ver-
schiedenen Malen für die damalige Zeit nicht unbeträcht-
liche Geldsummen als „Verehrungen" zukommen Hess,
muss jedenfalls als ein Zeichen von dessen höchster Zu-
friedenheit angesehen werden. Auch ausserdem ist er
dann und wann mit Grundstücken, Fischereigerechtig-
keiten imd ähnlichen Dingen belohnt worden. Er erhielt
sogar einmal, am 22. Sept. 1575^^"), von August ein von
Tizian gemaltes Porträt des Kurfürsten Moritz verehrt,
eine Schenkung, die freilich auf das Kunstverständnis des
Schenkgebers ein etwas sonderbares Licht zu werfen be-
rechtigt.
Und wie der Kurfürst August, so haben auch seine
beiden Nachfolger immerwährend durch Ertheilung neuer
Aufträge und dafür verliehene Belohnungen die künst-
lerische Thätigkeit Gödings als eine im höchsten Grade
befriedigende anerkannt.
Wenn ferner August, wie es mehrfach geschehen ist,
in die Verlegenheit kam, jungen Leuten auf seine Kosten
eine malerische Erziehmig zu geben, Göding war stets
löo) H. St.-A. Cop. 304 fol. 248 b.
22*
340 K. Berling:
der erste, den er sich zum Lehi-er derselben erwählte.
So befahl er dem letzteren am 29. Mai 1576, einen Sohn
des verstorbenen Georg Stubers als Lehrling bei sich
aufzunehmen, eine Anordnung, die er allerdings bereits
am 5. Juni desselben Jahres zurückzog, weil der Junge
schon bei einem andern Meister, Friedrich Brecht, vorher
Unterkommen gefunden hatte und bei demselben gelassen
werden sollte ^*^^). Einen andern Schüler, den der Kur-
fürst zu ihm schickte, Adam During mit Namen, scheint
er wirklich zum Maler ausgebildet zu haben ^*^-).
Auch der mehrfach erwähnte Zacharias "Wehme, der
sogar später mit Göding erfolgreich in Konkurrenz trat,
hatte den Kurfürsten einst gebeten, ihn zu Göding in die
Lehre zu geben; derselbe musste aber, weil er bei letz-
terem nicht unterkommen konnte, zu Cranach d. J. nach
Wittenberg gehen ^*^-^).
Über die Ausführung von Malerarbeiten, die andere
Meister miter Händen hatten, scheint Göding dann und
wann eine Art von Oberaufsicht geführt zu haben. Einen
derartigen Fall bezeugen wenigstens folgende Worte, die
in einem an den Kurfürsten gesandten Berichte vorkom-
men ^^^) :
„Was das Sommergewelbe (zu Zabeltitz) Zu mahlen anlaugett,
hat He.ymirich Mahler Den Malernu ^"■'') auff E. C. F. Gr. gnedigsten
hefehlich Ordnung gebeun. d. 29 Juli 91."
Zuletzt führe ich noch einen Ausspruch des Kammer-
sekretärs Ö. Jenitz an, der die oben behauptete Berühmt-
heit Gödings recht deutlich beweist. Dieser findet sich
in einem an August gerichteten Briefe vor und lautet ^*^'') :
„So hatt es mir an visirlichen mahlern die auch ein wenig ge-
hirn Im kopff gehabt gemangelt i^'^), Dann Benedicts der Welsehe i**^)
"1) H-St.-A. Cop. 413 fol. 148 bez. fol. 158.
iß2) Ebenda Cop. 439 fol. 57 ^ f.
163) Ebenda Loc. 8747, Act. Eödcr u. Wehme fol. SK
ißi) Ebenda Loc. 4455, Act. Bau z. Moritzburg. 1591. fol. 81.
1"^) Die Maler Hans Fasold und Christoph Groliman haben dies
Gewölbe mit „Jägerei Historien und Weidwerck" geziert. (Loc. 4469,
Act. Bau z. Zabelt. 1591. fol. 14.)
ißß) Ebenda Loc. 9126, Artolorey vnd Bausachen. 1553—81.
Buch I fol. 141.
1"') Es handelte sich um Muster zu den berühmten Flacianer
Geschützen.
'"*) Benedict de Thola, vergl. über ihn: Gurlitt, Das Königl.
Schloss zu Dresden, in den Mittheil. d. K. Sachs. Alterthunisvereins
XXVIII, 51 f.
Hofmaler mul Kupferstecher Heinrich Göcliiig. 341
Ist bej Ewer Chuif. G. zu Torgau, so Ist Meister Heiuiich vfl'm
Schellenherg. d. 3 Okt. 1570."
Es ist wahrscheiulicli, dass die beiden angefüluien
Ölbilder, die in den Jahren 1601 imd 1602 entstanden
waren, des Meisters letzte Arbeiten gewesen sind. Be-
richtet wird wenigstens von später geschaffenen Werken
nichts mehr. Ob nun Krankheit den greisen Künstler
die letzten Jahre seines Lebens arbeitsunfähig machte,
oder ob dies Schweigen der Akten über eine etw^aige
Thätigkeit nur ein zufälliges ist, das sind Fragen, die
nicht mehr zu entscheiden. .sind.
Heinrich Göding der Altere starb am 28. April 1606.
Seine Leiche wurde an der Seite seiner Gattin, die ihm
schon 15 Jahre früher in den Tod vorangegangen w^ar,
in einem Schwibbogen des alten bei der Frauenkirche
gelegenen Friedhofes, dem Erbbegräbnisse des kurfürstl.
Sachs. Seki^etärs und Kunstkämmerers Tobias Beutel, l)ei-
gesetzt. Ihr gemeinsames Grab, an dessen beiden Seiten
sich „zwei Statuen nebst andern Laubwerck" befanden,
deckte ein Leichenstein mit folgender Inschrift^**'-*):
„CONDITVR HIC HBINKICVS GOTTING, SENIOR, D. D.
AVGVSTI D. D. CHRISTIANI PRIMI, ET D. D. CHRISTIANI
SECVNDI,SERENISSIMORVM PRINCIPYM ELECTORVMQVE
SAXONLE PICTOR CELEßERRIMVS, QVI IN CHRISTO
OBIIT 28. APRILIS ANNO l(i06. ^ETATIS SA^iE 75. CA^M
SVA CONJATiE HELENA qVJE ETIAM IN CHRISTO OBIIT
1. SEPT. ANNO 1591. ^TATIS SV^ 50."
Zum Schlüsse füge ich noch das aufgefundene Akten-
material an, welches über die Thätigkeit der beiden
Söhne Güdings, Heinrich und Andreas, einigen Aufschluss
zu geben vermag. Wie oben bereits erwähnt, folgten
beide ihrem Vater in der Malerkunst. Werke von ihrer
Hand Hessen sich indessen mit Sicherheit nicht nach-
w^eisen; wo aber in den Akten solche näher bezeichnet
sind, habe ich diese mitgetheilt, in der Hoffnung, dass es
mit der Zeit möglich sein wird, an der Hand dieser No-
tizen das eine oder das andere Werk seinem Urheber
zuzuweisen.
Aus einem noch erhaltenen Gesuch ^'^j, das beide
"») J. G. Michaelis, Epitapliia d. Frauenkirche (1714) S. 97.
^"*) Dresdner Raths - Archiv. Confirmt. über Haiulwk. Innung.
1612—21. CLXXA^II, fol. 235 f.
342 K. Berling:
mit andern Malern zusammen unterschrieben haben, geht
hervor, dass sie sich noch ganz auf dem Standpunkte
eines Handwerkers befanden, den auch ihr Vater, der
lange Zeit hindurch der „geschworene Elteste" der
Dresdener Maler -Innung gewesen war, sein Leben lang
eingenommen hatte. Ich erwähne hier diesen Umstand,
weü gerade zu ihrer Zeit sich in Dresden eine Gegen-
strömung bemerkbar machte-, ausgehend von Männern
wie Z. Wehme und C. Röder, die der Malerei mehr die
ihr gebührende Stellung einer freien Kunst verschaffen
wollten "1).
Von Heimich G-öding d. J. wird ausser seiner —
wenn meine oben ausgesprochene Vermuthung richtig ist
— Thätigkeit an der Schlossrenovatiou berichtet, dass er
am 19. Aprü 1610 „vor etzliche wüden Thieren vf ein
Tuch Zu mahlen vnnd in ein grühn angestrichenen Zum
theil vergülden rahmen Zu fafsen" 30 fl. und am 24. Dez.
desselben Jahres für Vergolden und Ausmalen zweier
kurfürstlicher Schlitten 154 fl. 6 g. erhalten liabe^'").
Es wird ferner bezeugt, dass er im Jahre 1620 an
Stelle eines andern Malers ^'-^l die alte handwerksmässige
Kunst, die sein Vater so viele Jahre hindurch getrieben
hatte, das Bemalen und Vergolden von Hirschköpfen^^^),
unternommen habe^'-^).
Heinrich Göding d. J. muss im Anfang des Jahres
1621 gestorben sein, da in einem von Georg Dhüme an
den Kurfürsten gerichteten Briefe vom 15. Mai 1621 ^'^)
sich folgende Worte finden : „ Wan dan gedachter Götting
"1) H.-St.-A. Loc. 8747, Act. Röder u. Wehme fol. 3 b.
1^2) Ebenda Loc. 7341, Wochz. 1609—11. fol. 267^ bez. fol. 539.
i''^) Georg Dhüme, der wegen auswärtiger Arbeiten eine Zeit
lang von Dresden fern war.
^■'*) Der Bildschnitzer, der hierin der Nachfolger Georg Fleischers
wurde, hiess Donat Zimmermann (H.-St.-A. Loc. 7341, Wochz.
Crucis 1623 fol. 140 b und 143 b).
"5) H.-St.-A. Loc. 7341, Wochz. 1620 fol. 142, 143 und 218 b.
"") Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass W.Schäfer
a. a. ü. S. 1068 diesem Maler ein Bikl zuschreibt, das früher in der
Dresdner Gemälde- Gallerie war, sich jetzt aber im Grünen Gewölbe
befindet. Es ist dies ein Brustbild des Kurfürsten Christian IL
Schäfer sagt über dasselbe: „Das Bild ist auf Kupfer gemalt, wie
alle Porträts von des jüngeren Göttings Hand und ist von geringem
Kuastwerthe, obgleich der Spitzenkragen mit gewandter Technik
fleissigst ausgeführt worden ist." Da ich keine sicher als Werke
H. Göding des Jüngeren bezeichnete Porträte kenne, vermag ich
hierin Schäfer nicht zu folgen.
Hofmaler uiul Kupferstecher Heinrich Göding. 343
nunmehr, nach dem gnedigen Willen Gottes, todes Vor-
blichen."
Etwas reichhaltiger sind die Nachrichten von An-
dreas Gödings Thätigkeit. Von ihm kaufte am 5. Okt.
1607 die Kurfürstin "') „2 von Öehlfarbenn vf Kupifer
gemahlte bilder" für 40 fl., eine Geldsumme, die ihm am
28. Nov. 1609 ausgezahlt wurde i^^).
Ferner hat er ansehnliche Summen für mehrere an-
dere Werke erhalten, deren folgendermassen Erwähnung
geschieht ^ '^) :
„Auff die luuentionen. 133 fl. 7 g. Ann 140 fl. zu 20 g. Andreas
Göttingenn Mahlern, Zu geutzlicher hezahlung. der 940 fl. welcher
die Inuention so ann des Churf. eltestenn Freuleins Frewleins So-
pliien Eleonoren Kindtauffe, den 20. Decembris anno 1609 gehaltenn
wordenn^'^''), so wohl vf ein grofses Tuch Historiam wie Wittikündus
der letzte liönig der Sachfsenn zum Christlichen Glauhenn bekehrett
vundt getauft wordenn, gemahlet, sowohl inn leistenn gefasst, vndt
mit guten goldte vergüldet vf Churf. vnterschrift zahlt den 28 Junij
1623."
„Vff die Inuentionen. 190 fl. 10 g. Ann 200 fl. zu 20 g. Andreas
Götting Mahlern, zu gentzlicher erfüUung der 1300 fl. vor ein grofs
gemahlt stück, drey ein hoch vnud 7 ein lang. Als Nemlich das grofs
haubt Feuerwergk oder Bergk, beneben etzlicher vnterscliiedener
Feuerwercken, welche den 23 Septembris Anno 1604 ann Vnsers
gnedigstenn Churfürstenu vnndt Herrn etc. erstenn Beylager vf der
Vestung hinter dem Schlofse zu Drefsden gehalten worden, so wohl
vor eine Vhr alte Sächfs. Historia, wie sich ein S. gefangener König
aufs vnmuth beneben seine Feinde, so ihn gefangenn, inn einen
Paucket verbrennet, welches beydes Von Öhlfarbenn gemahlet, iun
Rahmen gefast, vnndt mit feinen Golde vergüldet vf Churf Vnter-
schrift Zahlt den 11 Septembris Anno 1623."
Von zwei weiteren Arbeiten berichtet ein Akten-
stück, bei dem leider das Datum fehlt; da es aber an
den Kurfürsten Johann Georg I. gerichtet ist, so muss
es nach dem 23. Juni 1611, an welchem Tage der letz-
tere seine Regierung antrat, geschrieben worden sein.
Es lautet 1^1):
„Dem Diu'chl. etc. Herrn Johann Georgio Hertzg. zu Sachs, etc.
Meinem gnedigsten Churfursten vnd Herrn.
Auft' femers anordnen Herrn Ludwig Wilh. Mosern Ohurfl.
"') Hiermit ist wohl Hedwig, Tochter Friedrich II. von Däne-
mark, gemeint, die seit 1602 mit Christian IL vermählt war.
"8) H.-St.-A. Loc. 7341, Wochz. 1609—11 fol. 80.
1™) Ebenda Loc. 7341, Wochen-Auszüge d. Henth-Kammer 1623
Quart. Tfin. fol. 84 und fol. 196''.
^ä*^) Es ist ein Ringrennen gemeint.
^") H.-St.-A. Loc. 8687, Hof-Mahlerey belg. fol. 1.
344 K- Berling:
Säch. woll uorordneten gelieymeteu Cammer Secretarieu etc. Vutter-
tlienigst gemaclitt, wie folget. Zwey Cimterfect, als Churfurst Au-
gust!, Vnd Seiner Churfl. Grii. Vielgeliebtes gemahl, Christmilder Vnd
seligster gedeehtuus, raitt gantzeu fleis im gantzen Staude Vou
Mineatur färben auf Bergamendt geniablet, Vnd mitt feinem gemah-
lem golde Vnd Silber allenthalben Vorhöhet, wie Zu ersehen, thut
Vor alle beyde 10 fl. Item Vntter solche Zwey Cunterfect Zwey
wapen als das Churfürstliche Sächsische, Vnd königliche Dennemär-
kische mit ileis gemahlet Vnd mit gemahlen golde Vnnd silber Vor-
höhett, thut Vor beyde 3 11. Summa 13 fl. Andreas Götting
Maler Mp."
Es ist ferner in einem an den E,ath zu Dresden ge-
richteten Schreiben ^^■-) davon die Rede, dass der Kur-
fürst „etlicli tafeln Ime Götting Vf Vnser Stallbau ge-
hörig Zu malen Vnd Zu verfertigen vfgetragen" habe,
dabei aber gleichzeitig erwähnt, dass der Maler dieselben
bis zum 21. Mai 1521 noch nicht abgeliefert habe. Was
dies für Arbeiten gewesen sein mögen, ist nicht ersicht-
lich, wahrscheinlich aber waren es Fortsetzungen der
unvollendet gelassenen "Werke seines Vaters. Dass er
noch em anderesmal und zwar auf einem ganz anderen
Gebiete die Absicht hatte, eine Arbeit seines Vaters, das
grosse Kupferwerk sächsischer Geschichte, fortzuführen,
ergiebt sich aus einer Notiz ^^■^), in der es heisst:
„Andres Gotting, Maler, Will seines Vätern Kupferstich von
den Sachfsischen Historien continuirn, Wann man Ime vf 60 Kupfer
bletter Verlag thun will."
Hierbei ist an den Rand der Vermerk geschrieben:
„Soll Zuuor etwas delinijru."
Es scheint aber wohl bei diesem Wunsche geblieben
zu sein, denn zur Ausführung ist ein dritter Band schwer-
lich gekommen, da sich derselbe jedenfalls in einem Exem-
plare bis heute erhalten haben würde.
In der Dresdner Kupferstich-Sammhmg befindet sich
eine getuschte Zeichnung, welche in sehr manirierter
Weise das verhängnisvolle Gastmahl Belsazer's darstellt.
Dies Blatt wird dort Heinrich Göding d. A. zugeschrieben,
weicht jedoch von dessen Mal weise derartig ab, dass man
an seiner Urheberschaft bereits mehrfach gezweifelt hat ^^^),
und dies mit um so grösserem Rechte, weil dasselbe mit
„A5 Pictor fecit" bezeichnet ist, ein Monogramm, das der
182) H.-St.-A. Loc. 7327, Cammers. 1621. fol. 57.
183) Ebenda Loc. 7333, Ailerh. Vortrag III fol. 417.
18*) Vgl. u. a. Schuchardt a. a. 0. S. 98.
Hofmaler und Kupferstecher Heinrich Gödirg. 345
ältere Göding sicherlich nie geführt hat. Doch die Ver-
mutung, dass dasselbe auf Andreas Göding gehe, liegt
hier nahe. Er konnte wohl üi der Werkstatt seines
Yaters'^') das von dessen Hand auf Kupfer gefertigte
Ölbild, welches, wie oben^^^) erwähnt, den gleichen Vor-
wurf hatte, kopiert haben. Hiergegen spricht nun keines-
wegs der Umstand, dass er ein anderes Mal eine von
dieser abweichende Bildung seiner gleichfalls aus den
Anfangsbuchstaben von Vor- und Zunahme zusammenge-
setzten Namenschiffre angewandt haben soll, denn der-
artige Veränderungen lassen sich vielfach nachweisen.
Ich meine hier das auf der das Grab Christian II im
Freiberger Dome bedeckenden Messingplatte im Schatten
des zur Seite stehenden Helmes angebrachte Monogramm
Mj, demzufolge H. Gerlach ^^^) dem Andreas Göding die
Urheberschaft dieser Platte zuschreibt.
In dem bereits mehrfach erwähnten Aktenstücke,
dessen kurzen Notizen Jahreszahlen leider nicht beige-
schrieben worden sind, finden sich einige Gesuche A.
Göding's vor. In ihnen bittet er um „2 schräg hart
Vnd ein schräg Weich holtz" oder 25 Tlilr.^^^), oder auch
allgemein um eine „Verehrung" '^^) wegen „verfertigter
Inuention Vnd gemeld;" nur einmal wird die Arbeit et-
was näher bezeichnet mit den Worten: „Inuention vom
Eitter S. Georgen^^") ; ein andres mal aber das Gesuch
mit dem Umstände begründet, dass der Maler jetzt krank
darnieder liege ^^^).
Andere Notizen beziehen sich auf Beschwerden des
Malers. So beklagt er sich, dass man ihm an der Be-
zahlung für das obenerwähnte Ringrennen 100 fl. habe
abkürtzen wollen ^''■^); ein anderes mal bittet er um Aus-
zahlung der ihm noch schuldigen 110 fl.^""^).
Zum Schlüsse füge ich noch folgende auf ihn bezüg
liehe Notiz an^'-*^):
„Andres Gottings Malers erhen, und derselben Vormünder bit-
ten, Weil er Gotting an dem geding am lusthaus 300 fl. schuldige,
o
^^^) Sicherlich waren beide Söhne Schüler des älteren Göding.
18«) S. 128.
IS-!) Mitth. d. Freib. Alterth.-Vereins IV (1865), 387.
188) Fol. 401''. 189) Fol. 4031'. i»») Fol. 412. ^'■>^) Fol. 2371'.
192) Fol. 347. 193) Fol. 462. i9ij j>ol. 381.
346 K. Berling: Hofmaler u. Kupferstecher H. Gödiug.
Er aljer Wegen etliclier luuentious auch souil zu fordern, das eins
gegen den andern vfgehoben Werden mochte."
Da hier von seinen Erben die Rede ist, muss er zu
der Zeit, als dies Gesuch dem Kurfürsten vorgetragen
wurde, bereits gestorben sein. Wann aber sein Tod er-
folgt ist, lässt sich mit Sicherheit nicht angeben. Ich
denke aber, dass man hierin — da die spätesten Nach-
richten über ihn vom 11. Septbr. 1623 datiert sind —
mit dem Jahre 1624 nicht allzusehi^ irren wird.
Literatur.
Die kirchlichen Zustände der Stadt Pirna Tor der Einführung
der Reformation im Jahre 1539. Nach urkundlichen Quellen be-
arbeitet von Reinhold Hofmann, Realschuloberlehrer. (Beigabe
zu dem Programm der ßealschule mit Progymnasium zu Pirna.)
1887. 113 SS. 8».
Verfasser hat mit der vorliegenden Erstlingsarbeit einen glück-
lichen Griff gethan, da eine Reihe wichtiger Akten und Chroniken
des Pirnaer Rathsarchivs ihm zur Ergänzung der Urkunden des Codex
diplomaticus Saxoniae regiae reichen Stoff boten. Er hat denselben
mit treuem Fleisse ausgebeutet und zu einem interessanten kultur-
geschichtlichen Bilde verarbeitet. Erwägt man, dass am Ausgange
des Mittelalters die Stadt Pirna eine grosse Bedeutung für das
obere Eibthal bis nach Böhmen hinein hatte, so erklärt sich, dass
die vorliegende Schrift einen werthvollen Beitrag nicht nur zur Ge-
schichte der Stadt, sondern der ganzen Umgegend bildet. Nament-
lich das in umfangreiclien Anmerkungen aufgespeicherte Detail ist
in hohem Grade anziehend. Hervorgehoben zu werden verdienen
die Angaben zur Baugeschichte S. 27 flg. Fabrikation der verschie-
denen Ziegelsorten, Arbeitslöhne, Bauhütten, Glockenanschaffungen
werden in zahlreichen Beispielen vorgeführt Das kirchliche Leben
gelangt in den Abschnitten über das Hospital (S. 45 — 53), das Do-
minikanerkloster (S. 53 — 76), die geistlichen Brüderschaften (S. 76 — 82)
sowie die allgemeinen kirchlichen Zustände (S. 96 — 109) zur Dar-
stellung. Für die Schule hat sich verhältnismässig Avenig Material
gefunden. Referent fügt die Notiz hinzu, dass nach Bartholomäus
Walthers Bericht Wolfgang Meurer hier im Jahre 1524 bei Johann
Schadius neben dem Lateinischen das Griechische lernte. (Meltzer,
Geschichte der Kreuzschule zu Dresden S. 17). Der Pirnaische
Mönch und sein AVerk werden eingehend besprochen S. 63 flg. S. 64
Z. 7 dürfte wohl statt condemnitet zu lesen sein condenmirct. Re-
ferent fügt als bescheidenen Beitrag zur Geschichte des Klosters
eine im hiesigen Haupt- Staats- Archive befindliche Urkunde (Loc.
8579, Stadtbuch der Stadt Dresden 1495—1505 Bl. 28 b) bei, welche
insofern von einigem Interesse ist, als sie die Namen mehrerer bisher
unbekannter Klosterbrüder bietet:
Die wirdigen andechtigen brudere predigerordens zu Pirne eins
vnd Hans Audiar anders teils seindt komen, gebeten nochuolgenden
briff' lauts ins statbuch zu setzen.
Wir nochgeschribene mit nomen Dominicus Rwdel der heiligen
schlifft lesemeister prior, Martinus Libental subprior, Johannes
Lindener lesemeister. Andres Gertener, Vincencius Radeburgk vnd
Johannes von Würzburgk die eldisten, mitsampt allen andern brudern
des Conuents zu Pirne predigerordens, bekennen in diesem vnserm
348 Literatur.
briue vor meniglichcn die in besichtigen, das vns von wegen vnsers
bruders Vrban Rymers Hans Audiar desselbigen stiffuater mitbnrger
zu Dresden fuuff gute schogk vff fruntliche gutliche beredunge vor
dem Ersamen Rath doselbist gescheen vberantwurt ^^ld lieczalt hat
die wir au vnsers closters luitz vnd gebende gewanth haben; Ge-
reden vnd geloben wir vor vns vnd vnser nochuolgende vnsers con-
ueuts, wenne xnd sooffte bemelter Hans Audiar solchs geldis rechtlich
ader an anderer clageweise angezogen wurde, angezceigten Hans
Audiar oue seines entgeltnis vff vnsere eigene kost vor meniglich
zuuortreten vnd in der fünft' schogken schadelos halten. Des zuur-
kunde haben wir vnsers conuents lusigill wissentlich vff" diesen
brieff zu ende gedrugkt. Gescheen im iare noch Christi geburt
vnccca-cfjj Sontag noch Lucie (17. Dezember 1497).
Dresden. Georg llüUer.
Die Exception Sachsens von der Wahl Ferdinand I. und ihre
reichsrechtliche Begründung. A'^on Dr. Friedr. Noack. (Jahres-
bericht der Realschule zu Crefeld.) 1886. 31 SS. 4^.
Der Verfasser setzt hier fort, was er 1882 in seinem Aufsatz
„die Wahl Ferdinand I. und die sächsische Ivurstimme" in „Forsch-
ungen zur deutschen Geschichte" Bd. XXII begonnen hatte. Galt
es in seiner ersten Abhandlung besonders der Darlegung der ver-
eitelten Absichten des Kaisers, die sächsische Kurstimme bei dem
Wahlakt in Köln auszuschliessen, so jetzt der Darlegung der reichs-
rechtlichen, der goldenen Bulle entnommenen Gründe, mit welchen
Kursachseu es ablehnte, an der Erhebung Ferdinands zum römischen
König mitzuwirken. Und wie der Verfasser dort schon etliche Stücke
aus einem Aktenfascikel der Giessener Universitätsbibliothek ver-
öffentlichte (vor allem Kaiser Karls Instruktion an Loaysa, der ihm
vom Papste zwei Breven beschaffen sollte, mittels deren er so oder
so Ferdinands Wahl hoffte durchsetzen zu können), so hier aus der-
selben Quelle den „Gegenbericht" der Kurfürsten gegen die Sachs.
„Exception" vom 29. Dez. 1530 und sodann die „Äbleinung Ko. M.
und der Kurfürsten wider die Exception". Man merkt dem Verfasser
die Genugthuung an, die es ihm gewährt, in dieser Sache, in welcher
sich der protestantische Kurfürst dem Willen des Kaisers entschlossen
entgegenstellte, den Nachweis führen zu können, dass jener nicht
allein das verbriefte Recht der Reichsverfassung dabei auf seiner
Seite gehabt habe, sondern auch, dass er in voller Überzeugung für
die Bewahrung der ständischen Rechte gegenüber kaiserlicher Will-
kür eingetreten sei. Ich vermag ihm in diesen Ausführungen nicht
durchweg zu folgen. Zwar das ist unzweifelhaft, dass die goldene
Bulle nur des Falles gedenkt, da die Kurfürsten nach Ableben
des Kaisers zur Wahl schreiten, und nur für diesen Fall das zu be-
obachtende Verfahren näher bestimmt. Al)er dass damit jede Königs-
wahl vivente impcratore verfassungsmässig ausgeschlossen war, ist
doch nicht ohne weiteres zuzugestehen. Ich verweise auf die Be-
merkungen, die Ulmann über diesen Punkt in seinem Aufsatz „die
Wahl Maximilians I." in „Forschungen" XXII S. l.öO, 151 gemacht
hat. Jedenfalls war bei diesem Präzedenzfall die Meinung vertreten
worden, dass bei einer Wahl bei Lebzeiten des Kaisers „die Bulle
der Wahl halber nicht in Übung sei". Dazu kommt, was der Ver-
fasser unbeachtet gelassen, dass Kurfürst Johann, nachdem er die
Vorladung zur Wahlhandlung erhalten, mit Luther und Melanchthon
über das von ihm zu beobachtende Verhalten durch Brück hat ver-
Literatur. 349
handeln lassen. Luther gegenüber scheint von den Rechtsbedeuken
we^-en der Reichsverfassung gar nicht die Rede gewesen zu sein,
denn seine Antwort (12. Dez. 1.530, de Wette lY 201 flg.) nimmt
hierauf auch Dicht mit einer Silbe Bezug. Da ist olfenbar nur der
Gesichtspunkt betont worden, dass durch die Wahl Ferdinands die
katholische Partei eine Verstärkung erfahre; nach dieser Seite hat
Johann sich als im Gewissen beschwert bezeigt und Luthers Ge-
wissensrath begehrt; und dieser lautet, die Wahl getrost „auf Gott
zu wagen", denn Gott allein sei Meister und Regierer zukünftiger
Fälle. Auf ganz anderem Gebiete bewegt sich dagegen die Vor-
verhandlung mit Melanchthon, vergl. Corp. Ref. II, 447 flg. Bei dem
geschichtskundigen Gelehrten zieht der Kurfürst Erkundigung ein,
ob schon früher in deutscher Geschichte der Fall vorgekommen sei,
dass vivo imperatore Königswahlen vollzogen seien. Und dieser
wartet seinem Herrn mit einem langen Register derartiger Fälle
ai;f Dabei ist besonders interessant, dass Melanchthon die goldene
Bulle nicht etwa als Begründung einer neuen Reichsverfassung be-
trachtet, sondern nur als Bestätigung alter Rechte. Karl IV., so
sagt er, hat die Bulla „renoviret". Daher verweist er denn auch
den Kurfürsten auf die zahlreichen älteren Vorkommnisse in der
deutschen Geschichte, da ein Kaiser noch bei Lebzeiten seinen Sohn
zum römischen König hat krönen lassen. Er verschweigt ferner
nicht, dass es Zeugnisse gebe, die König Wenzels Wahl missbilligen,
aber nicht etwa, weil es gegen die Reichsverfassung Verstösse, son-
dern „vielleicht sonderlich derhalbeu, dass er soll etliche des Reichs
Regalia und anderes derhalben vergeben haben." Daraus schliesse
ich, 1) dass die Rechtsfrage doch bei weitem nicht so klar liegt, als
der Verfasser annimmt, 2) dass dem Kurfürsten selbst die rechtlichen
Bedenken doch nur willkommene Handhabe bei seinem Protest waren,
aber durchaus nicht das treibende Motiv. Ob er weislich daran ge-
than, Luthers nnd Melanchthons inhaltlich so verschiedene, aber in
der praktischen Tendenz völlig harmonirende Urtheile unbeachtet zu
lassen, möge hier nicht weiter untersucht werden. — Aus Spalatins
Bericht über die Kölner Wahlverhandlungen entnimmt Noack, dass
die erste Unterredung Johann Friedrichs mit dem Kaiser am 20. Dez.
„gnädiger, als man erwartete", gewesen sei (S. 11. 12). Aber das
ist in das Quellenzeugnis eingetragen. Denn Spalatin berichtet über
den Verlauf dieser Audienz gar nicht, sondern sagt nur (Struve,
Neu - Eröffnetes Historisch und Politisclies Archiv I, 09), Johann
Friedrich habe „um gnedigs Verhör bitten lassen, welchs S.
Gn. auch desselbigen Tags gnediglich wiederfahren".
Kiel. Kawerau.
Geschiclitc des Ober-Lansitzer A«lels nnd seiner Güter, von Dr.
Hermann Kiiothe, Professor. II. Von ]\ütte des 16. Jahrhunderts
bis ziun Jahre 1620. Dresden, Warnatz und Lehmann. 1887.
174 SS. B». (Aus Neues Lausitz. Mag. Bd. LXIII Heft 1.)
Die gegenwärtige Schrift bildet die Fortsetzung des grösseren
über 700 Seiten starken Werkes, welches aus der Feder_ desselben
Verfassers vor acht Jahren erschienen und in dieser Zeitschrift I,
107 flg. besprochen worden ist. Es bedarf daher jetzt keiner neuen
Einführung der Leser in den l'lan der vorliegenden Arbeit, nicht
einer Dailegung der Zwecke, Avolche der Autor verfolgt, nicht der
Hervorhebung des hohen Werthes eines solchen durch Kuothes
nimmerrastende Thätigkeit und seine grosse historische Begahimg
350 Literatur.
geschaffenen Werkes, wie es in dieser Art und auf solchen Grund-
lagen kein anderes deutsches Land besitzt. Denn möchte man ihm
auch etwa Sinapius altberühmtes Adelsbuch von Schlesien (die
„Schlesischen Curiositäteu") an die Seite stellen, so fehlt diesem
trotz seines unglauljlich reichen Inhaltes und trotz des bienenhaften
Fleisses, mit welchem hier genealogisches Material aus zahllosen
Schriften und Schriftchen zusammengetragen ist, doch der Werth
der auf Verarbeitung eines solchen Stoffes beruhenden geschichtlichen
Darstellung, besonders aber der Werth des sicheren Fundamentes
urkundlicher archivalischer Forschung. Dieses beides ist es, welches
der hier in Rede stehenden Schrift Knothes gleichwie ihrem ersten
Theile so grosse Vorzüge giebt. Keineswegs etwa Unvollständiges
war es, was der Verfasser im ersten Bande seines Werkes geschaffen
hatte, der mit der Mitte, hier und dort auch mit dem Ende des
sechzehnten Jahrhunderts abschloss , als für den Oberlausitzischen
Adel ein Wechsel in seinen Verhältnissen eingetreten war, die durch
die politische Geschichte seiner Heimath bekannt sind. Das Leben
und Weben dieses wichtigen Gliedes der Landesregierung weiter zu
erforschen und darzustellen war der lebhafte Wunsch des Verfassers.
Er setzte sich als Zeitpunkt für seine Arbeit das bedeutungsvolle
Jahr 1620 oder im Allgemeinen den Beginn des grossen deutschen
Krieges, der, wie überall in Deutschland, doch namentlich im nörd-
lichen und mittleren dem Adel so tiefe Wunden schlug, zu grossem
Theile zur Verarmung führte und alte, namentlich an Mitgliedern
nicht zahlreiche Familien verdorren liess. Bis dahin aber und be-
sonders auch noch während der Schlussjahre des 16. Jahrhunderts
waren die Zeiten für den Adel der Oberlausitz keine trüben, sondern
solche, die ihn meistens in Kraft und Macht, selten beengt durch die
Fesseln der Noth erscheinen und in der Heimath wie in der Fremde
Läufig ein Wohlleben führen Hessen, das nicht selten in Prunksucht
und Verschwendung ausartete. Dies führte nothwendig zu Ent-
äusserungen von Grundbesitz und zu dem Zwange, in fremder Herren
Dienste den Unterhalt zu suchen.
Nicht sowohl die Erfolge, welche Professor Knothe durch den
ersten Theil seines Werkes errang und die Anerkennung die ihm
dafür ward, führte ihn zu dem Entschlüsse einer Fortsetzung des-
selben, sondern, wie man sieht, die Liebe zur Sache selbst, vielleicht
ohne dass die noch blühenden Familien des Ober-Lausitzischen Adels,
deren Geschichte er langjährige Arbeit und viele Mühe gewidmet,
oder die, deren Ahnen sich auf viele dort behandelte, bereits er-
loschene Geschlechter zurückführen lassen, ihm Ermunterung und
Unterstützung gewährten, auf welche doch der Verfasser durch das
von ihm zum Besten und zur Ehre so vieler edler Geschlechter Ge-
leistete ein Anrecht haben durfte.
Gleichwie im ersten Theile, gliedert sich der Lihalt des ge-
genwärtigen in zwei Hauptabschnitte, einen allgemeinen \md einen
speziellen. Den ersteren 42 Seiten füllenden bildet eine 7 Kapitel
umfassende Übersicht über die allgemeinen Verhältnisse des Ober-
Lausitzischen Adels, nämlich : 1) über seinen Bestand, 2) seine Ver-
armung, 3) über das Privilegium der gesamten Hand, 4) über die
Lehnskommission, 5) über das Lehns-Paclum, 6) über das Vorschlags-
recht für die Laudeshauptmannschaft und die Landvogtei und 7) über
die Kulturverhältnisse des Ober-Lausitzischen Adels. Die schwierige
Untersuchung und klare Darstellung der erwähnten Gegenstände hat
der Verfasser mit gewohntem sicherem Blicke und bewährter Feder
Literatur. 351
ausgefühlt uud niclit uuterlasseu, den Resultaten seiner Forschung
überall die zu Grunde lieg-enden Quellen beizufügen. Es will uns
bedünken, als wenn der Verarmung des Ober-Lausitzischeu Adels
eine zu allgemeine Beziehung auf ihn gegeben wäre ; sie trifte sicher
bei einer längeren Reihe kleiner auf geringen Gütern sitzender,
an Mitgliedern zahlreicher Adelsfamilien zu, nicht aber bei hervor-
ragenden, von alten Zeiten her reichbegüterten, schlossgesessenen,
die wenigstens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sich nicht
als nothieidende , von ausreichenden Mitteln zu staudesmässigem
Leben entblösste darstellen.
In derselben Weise und Form, wie im ersten Theile, behandelt
im gegenwärtigen der zweite Hauptabschnitt im Speziellen • 103
Adelsgeschlechter der Ober-Lausitz, von denen das an Mitgliedern
überaus zahlreiche Geschlecht von Nostitz den grössten Raum ein-
nimmt, da die v. Gersdorff diesmal ausgefallen sind, weil der Ver-
fasser beim Mangel an zuverlässigen Vorarbeiten nicht im Stande
war, in das genealogische Gewirr gerade dieser Familie befriedigende
Ordnung zu bringen. Meist im Lapidarstyle gesckriebene Nachrichten
über die einzelnen, in jenem Zeiträume lebenden Mitglieder der be-
treffenden Geschlechter bilden den Inhalt jedes einzelnen Artikels
und ein vortreffliches lückenloses, wohl durchweg noch imgekanntes
Material für ihre Genealogie, sowie für die Kenntnis ihres Grund-
besitzes und seiner Schicksale. So muss nicht nur jede der noch
heute blühenden Familien, deren Geschichte in gedrängter Kürze
gegeben ist, ihre Freude an dem Buche haben, sondern auch jeder
Genealoge und Freund der Adelsgeschichte überhaupt, sei es um
Stammregister zu entwerfen und zu vervollständigen, oder nach Ge-
schlechtsverbindungen aus alter Zeit zu forschen, sei es, um die
Lebenswege ritterlicher Geschlechter während einer merkwürdigen
Geschichtsperiode kennen zu lernen.
Mit derselben Würdigung und mit denselben Wünschen, mit
denen wir das Erscheinen des ersten Theiles der Geschichte des
Adels in der Ober - Lausitz begrüssten, schliessen wir auch diese
kurze Anzeige in der Hoffnung, dass das neue Verdienst, welches
der hochgeehrte Herr Verfasser sich um die Geschichte jenes Ge-
bietes aufs Neue erworben, ihm die dankbare Anerkennung der be-
theiligten Kreise einbringen und in ihm den Vorsatz reifen lasse,
uns mit einer weiteren Fortsetzung seines — derartig in der Li-
teratur einzig dastehenden — Werkes auch für den übrigen Theil
des 17. Jahrhunderts zu beschenken.
Magdeburg. G. A. v. Mülverstedt.
Übersicht über neuerdings erschienene Scliriften
und Aufsätze zur sächsisch -thüringischen Geschichte und
Alterthumskunde.
am Ende, E. Der Königliche Grosse Garten bei Dresden in Ver-
gangenheit und Gegenwart. Dresden, v. Zahn und Jaensch. 1887.
36 SS. 80.
Bech, Fedor. Lexikalische Beiträge aus Pegauer Handschriften des
14. und 15. Jahrhunderts: Programm des K. Stifts-Gymnasiums
in Zeitz. 1887. S. 1—22. 4o.
352 Literatur.
Beyer, Carl. Zur Geschichte der Erfurter Volksschulen bis zur
Einverleibung- der Stadt in den preussischen Staat im Jahre 1802:
Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht der städtischen
höheren Bürgerschule zu Erfurt. Erfurt 1887. 23 SS. 40.
Biedermann, Karl. Mein Leben und ein Stück Zeitgeschichte. Eine
Ergänzung zu desVerfassers „Dreissig Jahre Deutscher G-eschichte."
Bd. I IL Breslau, Schottlaender. 1886. 393 u. 42.5 SS. 8».
Bohne, Wold. Die Erziehung der Kinder Erusts des Frommen von
Gotha : Programm des Realgymnasiums zu Chemnitz. 1887.
S. 1—41. 40.
Buchivald. Aus dem ungedruckten Briefwechsel eines Correctors
mit einer Leipziger Druckerei während der Reformationszeit:
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 60.
S. 362—364.
— Beiträge zur Geschichte des vogtländischeu Adels. (IV. Die Fa-
milie V. Römer. V. Die Familie v. Bünau) : ebenda No. 39.
S. 233 flg. No. 64. S. 381—385.
V. Eberstein, Louis Ferd. Frhr. Urkundliche Nachträge zu den
Geschichtlichen Nachrichten von dem reichsritterlichen Geschlechte
Eberstein von Eberstein auf der Röhn. Sechste Folge. Berlin.
1887. 342 SS. 8».
— Entwurf einer zusannueuh äugenden Stammreihe des freifränkischen
Geschlechts Eberstein von den in den ältesten Urkunden erschei-
nenden Vorvätern an bis zur Gegenwart. Zugleich enthaltend :
Fehde Mangold's von Eberstein zum Brandenstein gegen die
Reichsstadt Nürnberg. 1516 bis 1522. 3. Aufl. Berlin. 1887.
136 u. 79 SS. 80.
Erndsch, H. Das sächsische Bergrecht des Mittelalters. Mit einer
Tafel. Leipzig, Giesecke & Devrient. 1887. CLXIV, 249 SS. 8».
— Eine verschollene Quelle der sächsischen Städtegesehiehte: Wissen-
schaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 43. S. 257 flg.
Fischer, 0. Die goldene Pforte zu Freiberg: Repertorium für Kunst-
wissenschaft Bd. IX (1886). S. 293—306.
Flemming, Max. Das Lehrlingswesen der Dresdner Innungen vom
15. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts: Programm der Annen-
schule zu Dresden-Altstadt. 1887. S. 1—35.
Freytag, Bich. Entstehungsgeschichte der Königlich Sächsischen
Lehrerbildungsanstalten : Pädagogische Blätter. Jahrgang 1886.
S. 454-468.
— Die Mitarbeiterschaft an der Gründung sächsischer Lehrerbil-
dungsanstalten seitens evangelischer Geistlicher: Sachs. Kirchen-
und Schulblatt. 1887. No. 11— 13. Sp. 89— 93, 97—100, 105—110.
— König Johann von Sachsen und die sächsischen Lehrerbildungs-
anstalten: Erzichungsschule (Zeitschrift f. Reform der Jugend-
erziehung). Jahrg. VII (1887). No. 4. S. 37—40.
Friedberg, E. Otto Stobbe. Rede, gehalten bei der akademischen
Gedächtnisfeier der Leipziger Juristenfakultät am 28. Juni 1887.
Mit einer Portrait-Radirung. Berlin, Hertz. 1887. 40 SS. 8«.
— Hundert Jahre aus dem Doctorbuche der Leipziger Juristenfacultät
1600—1700. (Programm.) Leipzio-, 1887. 27 SS. 4«.
•Gerlach, H. Kleiner Führer durch die Bergstadt Freiberg in Sachsen.
Freiberg i. S., Gerlach'sche Buchdruckerei. 1887. 44 SS. 12».
Grünhagen, C. Schlesisches aus London. Gesandtschaftsberichte, den
Anfang des 30 jährigen Krieges betreffend, auszüglich mitgetheilt:
Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens,
Literatur. 353
Bd. XXI (1887). S. 297 — 317 [u. a. über den Laiisitzer Feldzug
des Kurfüi-sten Johann Georg L 1620].
[Härtwiq.] Abschied, das geistliche Einkommen der Stadt Oschatz
betreffend, de Ao. 1555: Oschatzer Gemeinnützige Blätter v.
7. Mai 1887.
— Die erste Visitation zu Oschatz 1539: ebenda v. 21. Mai 1887,
Hofmann, Reinh. Die kirchlichen Zustände der Stadt Pirna vor
der Einführung der Reformation im Jahre 1539. Nach urkund-
lichen Quellen bearbeitet. (Beigabe zum Programm der Realschule
zu Pirna.) 1887. 113 SS. 8».
Hosäiis, Wilh. Elisa von der Recke in ihren Beziehungen zur Her-
zogin Luise von Anhalt -Dessau: Wissenschaftliche Beilage der
Leipziger Zeitung. 1887. No. 29. S. 169—172.
Jackel, H. Zur Geschichte Hedvpigs von Breslau und der Landgrafen
Heinrich von Altenburg und Friedrich ohne Land: Zeitschiift
des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Bd. XXI
(1887). S. 219—238.
Kade, R. Der sächsische Historiker Andreas Möller: Wissensch.
Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 48. S. 290 flg.
Knothe, Herrn. Fortsetzung der Geschichte des Oberlausitzer Adels
und seiner Güter von Mitte des 16. Jahrhunderts bis 1620: Neues
Lausitz. Magazin. Bd. LXIII (1887). Heft 1. S. 1—174.
Krusclmitz, Paul. Johann Mentzer, ein sächsischer Liederdichter:
Wissensch. Beilage der Leipz. Zeitung. 1887. No. 39. S. 234 flg.
Leimann, 0. Das Cölestinerkloster auf dem Köuigstein: Jahres-
bericht der Section Dresden des Gebirgsvereins für die sächsisch-
böhmische Schweiz über die Jahre 1885 und 1886. S. 3—20.
Lemcke, Paul. Elisa von der Recke in Leipzig: Wissenschaftliche
Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 64. S. 385 flg.
Müller, Georg. Quellenstudien zur Geschichte der sächsischen Hof-
prediger. III. Daniel Greser, Superintendent in Dresden: Zeit-
schrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben. Jahrg.
1887. Heft IV. S. 180-197.
Obst, Emil. Bitterfeld und Umgebung während des dreissigjährigen
Krieges; insonderheit die Schwedenplünderuug zu Bitterfeld im
Jahre 1637. Gedächtnisschrift. 2 vermehrte Auflage. Bitterfeld.
(Halle, Reichardt). 1887. 38 SS. 8«.
Oertel, G. Das Wappen des Königreichs Sachsen und die sächsischen
Landesfarben: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung.
1887. No. 45. S. 269 flg.
Posse, O. Die Lehre von den Privaturkunden. Mit vierzig Tafeln
nach den photographischen Aufnahmen des Verfassers in Licht-
druck ausgeführt. Leipzig, Veit & Comp. 1887. VIII, 242 SS. 4*».
Rösch, Hugo. Sang und Klang im Sachsenland. Eine Blumenlese
heimathiicher Volkslieder. Mit Bildern von Krause, Lewin und
Will. Leipzig, Rengner. 1887. XVI, 208 SS. 8».
(W. Rossmann.) Künstlerbriefe aus den Jahren 1760— 1830 (I— VI):
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1887. No. 52,
54, 56, 58, 64, 66. S. 312—314, 325—328, 337—339, 349-351,
387 flg., 398—400.
Schönwälder. Das Quellgebiet der Görlitzer Neisse cider der ^Za-
gost und seine Bevölkerung : Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXIII
(1887). Heft 1. S. 175—196.
Steche, R. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- \ind Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der Königlichen
Neues Archiv f. 8. G. u. A. Vlll. 3 4. 23
354 Literatur.
Staatsregiermig herausgegeben vom Königl. Sachs. Alterthums-
verein. Achtes Heft: Amtshauptmaimschaft Schwarzenberg.
Dresden, C. C. Meinhold und Söhne. 1887. 68 SS. 8».
Theüe. Das ehemalige berühmte grosse Fass auf dem Königstein:
Über Berg und Thal. Jahrg. 10. No. 4. S. 127—129.
Trauer, Ed. An welchem Orte Sachsens wurde Bischof Arno von
Würzburg erschlagen'? Wissenschaftliche Beilage der Leipziger
Zeitung. 1887. No. 54. S. 321—325.
van Werveke, N. Briefwechsel zwischen dem Grafen Yirnenhurg
und den sächsischen Gesandten in Luxemburg 1^43, 6. August
bis 28. Oktober: Beiträge zur Geschichte des Luxemburger Landes
von N. van W. Heft II (Luxemburg 1886). S. 89—118.
Zirkel. Zur Geschichte des Sächsischen Bergbaus (Festrede): Wis-
sensch. Beil. der Leipz. Zeitimg. 1887. No. 34. S. 197—202.
Zöllner, W. Aus der Kampfzeit der sächsischen Bauniwollindustrie
im 18. Jahrhundert: ebenda No. 58, 59. S. 345—349, 353—355.
Zunqje, Jul. Geschichte über das Rittergut mit dem Messingwerk
und der Sächsischen Messinghandluug zu Niederauerbach i. Vgtl.
Zusammengestellt und bearbeitet auf Grund vorgefundener Ori-
ginal-Urkunden und Akten. Reichenbach, Druck von Haun und
Sohn. (1887.) 31 SS. 80.
Die Stadtverordneten zu Dresden 1837 — 1887. Festschrift zur fünfzig-
jährigen Jubelfeier des Kollegiums am 11. Mai 1887. Dresden,
W. Baensch. 1887. 107 SS. 8».
56. und 57. Jahresbericht des Vogtländischen Alterthumsforsch.
Vereins zu Hohenleuhen und 8., 9. und 10. Jahresbericht des
Geschichts- und alter thums forschenden Vereins zu Schleiz. Im
Auftrage des Direktoriums herausgegeben von M.Dietrich. (1887.) 8*^.
Inhalt: Schack, Nachrichten über die in der Kirche zu Hohen-
leuhen befindliche Familiengruft des vormals gräflichen, jetzt
fürstlichen Hauses Reuss-Köstritz. B. Schmidt, Berichtigungen
und Zusätze zur Genealogie des Reussischen Hauses. Wehr de,
Einiges über die Pflege Reichenfels in den Schlesischeu Kriegen.
Mittheilungen des Alterthumsvereins für Zwickau tmd Umgegend.
Heft I. Zwickau. 1887. S'\
Inhalt: E. Fabian, Die Stadt Zwickau unter den Einwir-
kungen des schmalkaldischen Kriegs. Mit urkundlichen Beiträgen
aus dem Zwickauer Rathsarchiv und einer Ansicht von Zwickau
aus dem Jahre 1630.
Mittheilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alter-
thumskunde. Band V, Heft 1. Dessau. 1887. 8".
Inhalt: Stenzel, Die Münzen xmä Medaillen des Fürsten
Joachim Ernst von Anhalt. Aue, Herzog Ferdinand von An-
halt-Köthen und sein Austritt ans der preuss. Armee im Jahre
1806. Franke, Zur Biographie des Dichters Wilhelm Müller.
Gedichte, welche dem Andenken Wilhelm MüUer's gewidmet und
kurz nach dem Tode desselben veröffentlicht worden sind. Ho-
säus, Briefwechsel des Herzogs Leopold Friedrich Franz von
Anhalt-Dessau mit Friedrich Gottlieb Klopstock im Jahre 1779.
Fränkel, Av6 Lallemant. Blume, Literar. Nachweise zur
Geschichte und Landes)i.unde Anhalts.
Literatur. 355
Mitthcilnnfjcn des Vereins für Chemnitzer Geschichte. V. Jahr-
buch für 1884—1886. Chemnitz. 1887. S».
Inhalt: K. Kirchner, Adam Siber imd das Chemnitzer Ly-
ceum in der ersten Hälfte des 16. Jalirhunderts. A. Matiug-
S animier, Die Beziehungen der Stadt Chemnitz zu Böhmen im
Mittelalter.
Mittheilnngcn des Vereins für Geschichte und Alterthumshunde
von Erfurt. Heft 13. Mit einer Karte vind 8 Tafeln. Erfurt
1887. 8".
Inhalt: W. v. Tettau, Geschiclitliche Darstellung des Ge-
bietes der Stadt Erfurt und der Besitzungen der dortigen Stif-
tungen. Zschiesche, Beitrag zur Vorgeschichte Thüringens.
I. Die Besiedelung des unteren Gerathaies. 11. Grabstätte aus
der Bronzezeit bei Waltersleben.
Mittheilunqen des Vereins für Geschichte und Alterthumshunde
zu KaJila und Boda. III. Bd. 2. Heft. Kahla. 1886. S».
Inhalt: Lommer, Flurnamen im Amtsbezirke Kahla.
Mitzschke, Die orlamündische Grafenchronik des Paulus Jovius.
Mittheilunqen vom Freiherger Alterthumsverein, herausgegeben von
Heinrich Gerlach. Hefe 23. 1886. Freiberg i. S. 1887. 8».
Inhalt: Kade, Studien zum Freiberger Chronisten Dr. Andr
Möller (mit Bildnis). Kade, Eine neuentdeckte Freiberger Fa-
milien-Chronik. Knebel, Handwerksbräuche früherer Jahrhun-
derte in Freiberg (2. Der Gesellenstand). Knothe, Freiberger
Urkundenbuch. Knauth, Heinrich von Freiberg. Heyden-
reich. Literarische Umschau.
Eegister.
Adorf 253.
Agiies, Grem. Heiur. d. Erlaucht.
139. 141.
— Gem. Friedr. d. Freid. 141.
— Gem. d. Kurf. Moritz 50. 76. 88.
Aiclimaun,Dr., kursächs. Rath 187.
Albinus, Petr. 337.
Albrecht (d. Stolze), Mkgr. von
Meissen 141.
— (d. Entartete), Landgraf von
Thüringen 139. 141.
— Mkgr. V. Brandenburg - Ciilm-
bach 45. 50 ff. 58 f. 61 ff.
Altenberg: Freistelle in Meissen
142. 145.
Altranstädt s. Hermannus.
Altzelle, Kloster 34 ff. 141.
Andreae, Job., Mag. 106.
Anhalt s. Georg, Wolf.
Anna, T. Friedrich des Ernsth.,
Nonne in Seuslitz 139 f.
— Gem. des Kurf. August 292.
295. 303. 310. 312 f. 318.
Annaberg: Freistellen in Meissen
142. 145.
Annaburg, die 310. 336.
Arnold, Mag., Lehrer in Dresden
284 f.
Arnoldus cantor Misn. 16.
Arpke bei Burgdorf 95 ff.
Auerbach, Erh., Lehrerin Dresden
280.
August, Kurf. V. Sachsen 46. 76.
94. 103 ff". 148 ff. 280 f. 291 ff.
— Hrz. zu Sachsen, Administr.
zu Magdeburg 195. 200. 209.
230.
Augustusburg 297 ff. 312. 325.
Badehorn, Dr. jur., Ordin. der Ju-
ristenfakult. in Leipzig 104 ff.
Balthasar, Landgr. v. Thüringen
139 f. 2.58.
Bamberg, Bischof von 51 f. 55 ff.
65 ff.
Baner, schwed. General 194. 218.
223. 227. 235.
Bautzen, Schulen 3. 6. 23 ff. 258 ff'.
Beatrix, T. Friedr. des Ernsth.,
Nonne in Seuslitz 139 f.
Beigern 35.
Benno, Bischof v. Meissen 7.
— Cardinal 7.
— Abt zu Goseck 7.
V. Berbisdorf, Hans, auf Nieder-
forchheim 193.
— Rahel, geb. v. Friesen, seine
Gem. 193.
Berg, Friedr., Maler 338.
Berggiesshübel : Freistelle in
Meissen 142. 145.
V. Bernstein : Freistelle in Meissen
143 f.
Bischofswerda 292 f.. Schule 268.
Bonifacius IX., Papst 32.
Böhmen s. Ferdinand.
V. Bora, Katharina 147.
V. Boruz, Conr., scolast. Misn. 8 f.
V. Böse: Freistellen in Meissen
144.
Bottschild, Maler 325 f.
Brandenbm'gs.Albrecht,Christian,
Friedricii, Georg Wilhelm, Jo-
achim, Johann, Joh. Georg,
Sigismund.
V. Brandenstein, Graf 227.
V. Brandt, Joh. Friedr., altenburg.
Rath 187.
Braunschweig 45 f. 52 f. 61. 75.
290 f. s. a. Erich, Ernst, Hein-
rich, Karl Victor, Philipp
Magnus.
Brecht, Friedr., Maler 340.
Breisach 229.
V. Breitenbach: Freistelle in
Meissen 142 ff.
Bremen, Erzbisth. 46.
Brewniow, Kloster bei Prag 10.
Brück : Freistelle in Meissen 142.
Bruno IL, Bischof v. Meissen 23 f.
Buch, Kloster 34 f
Buchner, Aug., Professor in Wit-
tenberg 198.
— Paul, Baumeister 321. 327.
Register.
357
Buläus, Superintendent 202 f.
V. Büuau: Freistelle in Meissen
142 ff.
— Rudolf, Hofmeister des Herz.
Heinrich 134.
Burgdorf bei Wolfenbüttel 95. 100.
Byener, Peter, Bürgermeister zu
Dresden 278.
de Capeindorf, Tyzko, scolast.
Misn. 8 f. 1.5
V. Carlowitz: Freistelle i.Meissen
142. 145.
— Christoph 54. 84. 94. 102.
Carpzov, Bened., Geh. Rat 187.
198.
Castaldo, Mrkgr. in Siebenbürgen
42.
Chemnitz. Kloster 10. Schulen 3.
5. 270. 275 f.
Christian I., Kurf. v. Sachen 191.
314. 321 ff.
— II., Kurf. V. Sachsen 315. 323.
345.
— Markgr. v. Br and enb. -Kulm-
bach 193.
— III., König V.Dänemark 78.330.
— IV., König V. Dänemark 214.
Christoph. Graf v. Oldenburg 86.
Clara, T. Friedr. d. Ernsth. 139 f.
Cleve 19.
V. Colditz, Thirao, Marschall 263.
Conradus marchio Misn. 140.
— Bischof V. Meissen 24.
— cantor Misn. 16.
— mag. Scholar. Numbuvg. 2.
— scolast. Merseburg. 34.
Misn. 7.
— rector pueroi'um i. Dresden 243.
— Schulmeister in Zittau 251 f.
Conradt, Paul, Lehrer in Dresden
28.5.
Constantia, Gem. Heinrichs des
Erl. 141.
Crakau, schwed. Oberst 227.
Cranach, Lucas d. Ä. 146 f. 29L
295.
d. J. 296. 305. 310. 312.
325. 340.
Dänemark s. Christian.
Dedo, M)kgr. v. Meissen, Sohn
Konrads d. Gr. 141.
V. Dehn-Rothfelser, Hans, Amts-
hauptmann u. Oberrüstmeister
148. 309.
de Dewin, Heidenr., cantor Misn.
16.
Dhüme, Georg, Maler 342.
Dietrich s. Theodoricus.
— II., Bischof V. Meissen 20.
— Propst zu Meissen 11.
Dippoldiswalde, Meister Franz v.,
Schulmeister zu Dresden 245.
247.
— Joh., Schulmeister in Meissen
21.
V. Diskau, Hans 82.
Dittersbach, Rittergut: Freistelle
in Meissen 144 f.
V. Döbeln, Albert, Domher in
Meissen 11.
Dobrilug, Kloster 141.
V. Dölau, Joh. Georg, Hof- und
Justizrath 203.
de Donyn, Otto, scolast. Misn. 8.
cantor Misn. 16.
Döring, Dr., kursächs. Kammer-
irath 183 f. 194.
Dresden 148 f. Frauenkirche 333.
Freistellen in Meissen 142.
145. Kanzleihaus 296. 308 ff.
Moritzmonument 327 f. Schloss
335. Schulen 3. 243 ff, 272 ff.
Stallhof 321 ff. 344.
Eger, Tag zu (1553) 70 ff.
V. Einsiedel, Kurt 186 f. 197. 200.
Eisenberg 32 f. 77 f.
Elisabeth, Gem. Heinrichs des
Erl. 139. 141.
— T. Friedr. d. Ernsth. 139 f.
— Gem. Mrkgr. Wilhelm I. 17.
— (v. Rochlitz), Gem. d. Herz.
Johann 57 f. 92 f.
Elyzabeth cantrix in Gerings-
walde 28.
Elze an der Leine 93 f.
Emmerich 18 f.
Emrich, Valten, Lehrer in Dres-
den 283 f.
Engelbrecht, Dr. 187.
Erich, Herzog v. Braunschweig
64. 74 f. 81. 86. 89 f. 92 f.
Erlau 43.
Ernestus scolast. Merseburg. 2.
Ernst, Herz. v. Braunschweig 52,
Erpho scolast. Misn. 7.
Eybanger, Friedr., v. Nürnberg,
rector scolar. u. Stadtschreiber
in Plauen 253 f.
358
Register.
Faber, Mich.. Lelu'er in Dresden
285.
— Dr. 187.
Fasoldt, Hans, Maler 340.
Felirmauu, Douat, Lehrer i. Dres-
den 286. 288.
V. Feilitsch, brandeub.-kiümliach.
Kanzler 187. 197.
Ferdinand I.. König von Böhmen
41 ff.
— II., Kaiser 179. 204 ff.
— III., Kaiser 179. 19.5. 205 ff.
Finckelthauss, Professor i. Leipzig
201.
Fleischer, Georg, Hoftischler 308 f
312.
Forcheym, Joh., Schulmeister in
Leipzig 30.
Förster, Wendel 96.
Franciscaner, Ordensprovinzen
140.
Franciscus rector parvnl. in castro
Misn. 15.
Frankfiu-t a. M. 78. 80. 86. 183.
194.
Frankreich 44 ff. s. a. Heinrich.
Freiberg 129 ff. 151 ff. Dom 19.
345. Freistelleu in Meissen
142. 145. Schloss Freudenstein
297. 311 ff". Schulen 266 ff. 274.
Fridericus scolast. Naumb. 2.
— doctor scolarium Merseb 2.
Friedrich d. Kleine (Olemnie) v.
Dresden 139.
— (Tuto)j Mrkgr. v. Meissen 140 f.
— d. Freidige, Mrkgr. v. Meissen
141.
— (Anelant), Mrkgr. v. Meissen
141.
— d. Lahme, Mrkgr. v. Meissen
140 f.
— d. Ernsth., Mrkgi-. v. Meissen
13ftff. 258.
— d. Strenge, Mrkgr. v. Meissen
139 ff. 263.
— des vorigen Bruder 139 f.
— d. Weise, Kmf. von Sachsen
145 ff.
— Mrkgr. v. Brandenburg, Erzb.
V. Magdeburg-Halberstadt 47.
— Herzog V. Lüneburg 99 f.
— Kurf. V. d. Pfalz 65. r,7. 78.
— Wilhelm, Administrator, Her-
zog zu Sachsen 315. 323. 328 f.
337.
Friesen bei Reichenbach 197.
V. Friesen : Freistelle in Meissen
144 f.
v.Friesen,Heinr., Frlir., auf Rötha,
Geh. Raths-Direktor 191 ff.
195. 201.
— d. J., kursächs. Geh. Rath 193.
198. 201.
— Karl, altenb. Geh. Rath und
Hofmarschall 191.
— Karl, Frhr., kurs. Geh. Rath
193. 198.
Fuchs, Hans, würzb. Rath 75 f.
Funcke, Andr., Dr.jur. 104 ft\ 108.
Gallas, kais. Generallieutenant
228.
Gaulau, Kr. Ohlau 177 ff. 182.
V. d. Geist, Bernd Hagen, dän.
Gesandter 214.
V. Geleen, Gottfr. Frhr., kaiserl.
General 229.
Georg, Herzog zu Sachsen 129 ff.
— Fürst V. Anhalt 47.
Georg Rudolf, Herz. v. Liegnitz-
Brieg 179.
Georg AVilhelm, Kurf. v. Branden-
Inirg 228.
GeringsM^alde, Schulen 3. 27 f.
Glashütte : Freistelle in Meissen
142. 145.
Göding, Andr., Maler 297. 343 ff.
— Heinrich d. 1., Hofmaler 290 ff'.
— Heinrich d. J., Maler 297. 335.
341 f.
de Gogh (Goch), Theod., scolast.
Misn. 8.
Goltzius, Maler 296.
V. d. Golz, Heinrich 235.
Gosda 195:
Goseck s. Benno.
Gotha 48 f 77. 317. 330.
Götting, Heinr., Büchsenmeister
zu Dresden 291.
Gottleuba: Freistelle in Meissen
142. 145.
Gottschalk, Abt zu Pegau 266.
Götz, Graf, kais. General 229.
di Grana, Caretto, Marchese 225.
238.
Granvella 52. 69.
Grauwe, Andr., cantor Misn. 16.
Gregor IX., Papst 10.
— X., Papst 10.
Grimma, Schule 263 f.
Register.
359
Grimmeiisteiu h. Gotha 298. 330.
Grolimaun, Chrph., Maler 340.
Gross, Reinfr., Domlierr u. Pfarrer
zu Freiberg 130. 133.
Grosseiibaiu : Freistelle i. Meisseu
145.
Grosssedlitz 330.
V. Grumbach, Wilhelm 75 92. 298.
Grüiihain: Freistelle in Meisscii
142. 145.
Gimzelin, Mrkgr. v. Meissen 255.
ile Gurwitz, Lutoldns,caiitorMisii.
16.
Gutteuberg, Peter, Kaplan von
Mühlberg 318.
H. scolastieus ]\Iisn. 7. 9.
V. Hagen, Heinrich, Hofmeister
331.
Halljerstadt 78. 84.
V. Hanau, August, kurs. Oberst
233.
Hauffe, Melch., Festungskomm.
V. Dresden 309.
Hazfeldt, Graf, kais. General 229.
Hedwig, Gem. Mrkgr. Otto des
Reichen 141.
— Gem. Albrechts d. Entarteten
141.
— Gem. Kurf. Christiaus II. 343.
Hegewald, Zachar., kurs. Bild-
hauer 148 f.
V. Heideck, Hans 75 f. 82. 85.
87 f. 91. 93.
Heidelberg fi6 ft'.
Heidricus cantor Misn. 16.
Heinersdorf (LanghennersdorfV)
181.
Heinrich d. Erl., Mrkgr. v. Meissen
139. 141. 2.55.
— Sohn Albrechts d. Entarteten
141.
— d. Fromme, Herz, v. Sachsen
129 K
— Herzog v. Braunschweig 45 f.
52 f. 60 ff. 72 ff. 78. 80. 83 ff.
89 ff. 93. 96. 100 102.
— IL, König von Franki-eich
44 ff. 51.
— Bischof V. Naumburg 37.
Heinricus mag. scolar. (Naumb.) 2.
— scolast. Wurcin. 25.
— rector scholae (Zwickau) 32.
Heinrich AVenzel. Herzog v. Oels-
Bernstadt 179.
Helena. Gem. Dietrichs (d. Feisten)
139 if.
Henneberg, Georg Ernst Graf v.
71 f. 79 f.
Hermannus rector parvuloruiu in
Dresden u. Pfarrer z. Altran-
städt 243.
— scolast. Misn. 8 ff .
Wurcin. 25.
Hermudis scolastica in Gerings-
walde 27.
Hessen s. Philipp, Wilhelm.
v. Hohberg, Friedr. 178.
Hohenstein: Freistelle i. Meissen
145.
Holstein s. Johann.
V. Honsberg: Freistellei. Meissen
142. 144.
V. Hotzfeld, Daniel 75. 88 f. 97.
Jenitz, Hans , Kammersekretär
300 f. 305. 311 f. 319. 340.
.Joachim II., Kiuf. von Branden-
burg 53. 71 ff. 85 f. 88 f.
Johann d. Beständige, Herzog v.
Sachsen 147.
— Herzog v. Holstein 295.
— Markgr. v. Brandenburg-Ktts-
trin 45 f 52. 61 f 64. 91.
— III., Bischof V. Meissen 39.
— V., Bischof V. Meissen 293.
Johannes scolast. Budissin. 23.
Wurcin. 25.
— de Ossacz, Schulmeister da-
selbst 265.
Johann Albrecht, Herz. v. Meck-
lenburg 72. 94 f.
Johann Christian, Herz. v. Lieg-
nitz-Brieg 179. 182.
Johann Ernst, Herz. z. Sachsen
65.
Johann Friedrich, Herz. z. Sachsen
42. 45 ff.
Johann Georg L, Kurf. v. Sachsen
177 ff. 343.
II., Kurf. V. Sachsen 184.
200. 209.
.Johann Georg, Mrkgr. v. Branden-
burg 86.
Johann Wilhelm, Herz. z. Sachsen
48.
Irmisch, Hans, Baumeister 311.
Jülich'sche Succession 229.
Jutta (Maria), Gem. des Markgr.
Diezmann 141.
360
Register.
V. Karas: Freistelle iu Meissen
142. 144.
V. Kanitz, Wolf 310.
Karl IV., Kaiser 259.
— V., Kaiser 41 ff.
— Herzog V. Münsterberg 179.
Karl Friedrich, Herzog v. Oels-
Bernstadt 179.
Karl Victor, Herzog v. Braun-
schweig 99.
Kiesewetter : Freistelle i, Meissen
143 f.
— Hieron., Dr., kursächs. Kanz-
ler 143.
Kirchner, Dan., Geh. Sekretär 199.
Knaus, Jos., Schulmeisterin Dres-
den 280. 283. 288.
Komerstadt, Dr., kurs. Rath 180.
Komorn 42 f.
Königsteiu : Freistelle in Meissen
145.
Koppe (Koeppe), Erasmus 145.
V. Kötteritz, Seb. Friedr., Kou-
sistorialpräsident 197.
Kötzschenbroda , Waffenstill-
standsverhandlungen 202.
Kram, Franz, Dr. 79.
Krietzschwitz bei Pirna 180 f.
Krystan, Scliulm. zu Penig 270.
Küchenmeister, Seb., Domherr zu
Freiberg 130.
de Kmin, scolast. Misn. 7.
Lampertswalde bei Oschatz 195,
a Lapide, Hippolithus 210 f.
Lebenich, Egid., Drechsler 149 f.
Leipzig 59 f. 83 ff. 231 f. 234.
Schöffenstuhl 104 ff. Schulen
3. 6. 14. 22. 29ff. 263. 269. 281.
Leisnig 276.
— Albertus de Lisenik, cantor
Misn. 16.
Leupolt, Lehrer in Dresden 279.
Lichtenau, Ober- und Nieder-, bei
Pulsnitz 195.
V. Lichtenwalde, Heidenreich 28.
Lieberose : Mag. Johannes de Lu-
berosa, Lehrer in Zittau 252.
Liegnitz u. Brieg s. Georg Ru-
dolf, Johann Christian.
V. Liuar, Rochus Quiiinus, Bau-
meister 303 f.
Lischwitz, kursächs. Oberstlieut.
234.
Löbau, Schulen 3. 252. 264.
V. Lohausen, schwed. General-
major 227.
Lohmen 315.
Lommatzsch : Freistelle in Meissen
142. 145.
Lomnitz bei Pulsnitz 195.
vomLoss : Freistelle i. Meissen 144.
— Joachim, kursächs. Geheimer
Rath 185.
Lössnitz i. Erzgeb., Schule 251.
Lotter, Hieron.. Bürgermstr. von
Leipzig 106 ff. 298 ff.
Luchau, Sgm., brandenb.-kulrab.
Rath 71 f.
Lucius III., Papst 27.
Ludwig, Sohn Friedr. d. Ernsth.
139 f.
Lüneburg s. Friedrich,
de Luppe,Thammo, scolast. Misn. 8.
Lutart, Gern Mkgr. Konrads 141.
v.Lüttichau: Freistellei. Meissen
142. 144.
— Wolf Siegfr., Kanzler 186.
188. 192. 198.
Macherin, Freder., de Oschatz,
Schulm. in Chemnitz (?) 270.
Madrid, Gemäldegallerie 147 f.
Magdalena Sibvlla, Gem. Joh.
Georgs I. 189 f. 209.
Tochter Joh. Georgs I. 193.
Gem. Joh. Georgs IL 193.
Magdeburg 45 ff. 64. 90. 184 f.
s. a. August, Sigismuud.
Mansfeld, Albrecht Graf v. 51.
60. 64.
— Volrad, Graf v., 45 f. 48. 53.
60. 74.
Marazin, kais. General 238.
Marcus, Lehrer in Löbau 264.
Margareta, Gem. Albrecht d. Ent-
arteten 141.
Martinus scolast. Misn. 7 f.
Mauricii, Joh., Schulmeister zu
Grimma 264.
Maximilian IL, Kaiser 69. 281. 309.
Mechelgrün bei Plauen i. V. 36 f.
Mechthiklis, Gem. Friedi-. des
Ernsth. 139.
Mecklenburg 318. s. a. Joh. Al-
brecht, Ulrich.
Meinhard, Burggr. v. Meissen 251.
Meissen, Schulen 3. 5. 7 ff. 13.
20 ff. 255 ff. 267 f. Landes-
schule 142 ff.
Register.
361
MeissPii, Markgrafen s. Agnes,
Albrecht, Anna, Beatrix, Cla-
ra, Conradus, Constantia, Dedo,
Elisabeth, Friedrich, Gmizelin,
Hedwig, Heinrich, Helena,
Jutta, Ludwig, Lutart, Mar-
gareta , Mechthildis , Otto,
Theodericus, Thiceman, Wil-
helm. S. a. Sachsen, Thüringen.
— Burggrafen s.Meinhard, Plauen.
— Bischöfe s. Benno, Bruno, Con-
radus, Dietrich, Johannes, Ni-
colaus, Thimo.
Meniminger Tag 70.
Merseburg, Schulen 2.
Metz .51."
V. Metzsch, Friedr., Konsistorial-
präsident 194 f. 197 f. 201. 230.
Meyer, J. H., Maler 325.
V. Miltitz : Freistellen in Meissen
142. 14n.
— Nicol., Stallmeister 321.
— Nie. Gebh.. ki^rf. Geh. Bath
185. 194.
V. Mitzlaff, Joachim, Oberst 193.
227.
Mons Serenus, claustrum 141.
Mordeisen, Kanzler .54. 84. 92.
Morgenstern,Kasp.,Bergmannl53.
Moritz, Kmf. v. Sachsen 41 ff. 180.
Moritzburg 147. 308.
de Mulhusin, Palbertus, cautor
Misn. 16.
Müller, Joh., Mag., Pfarrer zu
Freiberg 130.
V. Münchhausen, Phil. Adolf 187.
Münster, Bischof von 74.
Münsterberg s. Karl.
Mylau 397.
Nassau s. Wilhelm.
de Nassow, Friczoldus, cantor
Misn. 21.
Naumburg 334. Schulen 2. Bisch.
s. Heinrich, Pflug.
Naundorf (Neundorf) b. Pirna 180f
Neues Schloss bei Worms 68.
Neuhaldensleben 63.
Neustadt b. Stolpen : Freistelle in
Meissen 145.
Niavis, Paul 5.
V. Niedbruck, Kasp., kgl. Rath 68.
Nimegk: Freistellei. Meissen 142.
Nicolaus III., Papst 13.
— Bischof V. Meissen 37.
Nimbschen, Kloster 34 f.
Nossen : Freistelle in Meissen 142,
145.
Nosseni, Joh. Maria 149. 315.
Nürnberg 18 f. 51. 55. 71 f. 82.
198. 201.
Oberpolenz, Rittergut: Freistelle
in Meissen 144 f.
Odelricus mag. scolar. (Naum-
burg) 2.
Oelhaffe, Beruh., Bürgermeister
zu Leipzig lüo.
Oels-Bernstadt s. Heinrich Wen-
zel, Karl Friedrich.
Oldenburg, Grafen 75. s. a..
Christoph.
Oppel, David 193.
— Joh. Georg, kursäclis. Geh.
Rath 183 ff.
Ortrand : Freistelle in Meissen 142.
Oschatz, Kloster 138 f. Schule
265. 280. 288.
V. Osse, Melchior 181.
Ottheinrich, Pfalzgraf 50.
Otto d. Reiche, Mkgr. v. Meissen
141.
— scolast. Mersel). 2.
— scolast. Wurcin. 25.
Oxenstierua, schwed. Kanzler 227.
V. Pack, Otto 156 ff.
Panwitz, Kasp., auf Mechwitz 178.
Passauer Vertrag 41. 44. 51 ff.
58 f. 67 ff
Pegau, Kloster 34 f. Schule 265 f.
s. a. Gottschalk.
Peine 95.
Penig: Freistelle in Meissen 142.
145. Schule 270.
Peschel, Casp., Lehrer in Dresden
280 f. 284.
Pescheliu, Ottilie, Lehrerin 277.
279. 283. 285.
Petershagen b. Minden 86. 88. 92 f.
Petrus rector scol. in Budissin 258.
Pfalz s. Friedrich, Ottheinrich.
Pflug: Freistelle in Meissen 142.
144 f.
— Casp. 72.
— Julius, Bisch, v. Naunil)urg 47.
V. d. Pforte, Oberst 194.
Philipp, Landgr. z. Hessen 44.
52. 56 f. 60. 63 ff. 71 ff. 78.
83 ff. 89 ff.
— IL, König V. Spanien 46. 60. 69.
362
Register.
Philipp Magnus, Herz. \. Brauii-
schweig 53. 74. 80. 82 f. 86 ff.
93. 99.
Pirna, Amt 254.
— Freistelle in Meissen 142. 145.
Schule 254. Kirche 315 ff.
Pistoris, Hartmann lOß.
Planer, Bergwerksverwalter 300.
Plauen i. V. Schule 252 ff.
V, Plauen, Heinr. , Burggraf v.
Meissen, böhm. Grosskauzier
42. 49 f. 52. 55. 59. 77. 79 ff.
91 f. 94. 102.
Prag, Schule 281. 288.
Prager Friede (1635) 183. 22 1. 232 f.
Pressburg 42.
Pretzscheudorf, Lor., Lehrer in
Dresden 280.
Pretzschnerin, Lehrerin in Dres-
den 285.
Promnitz, Heinr., Bürgerm. zu
Pirna 317.
Püchau 37.
Raab 42 f. 50.
Radeberg 50. 79.
Rauscher, Hieron., Bürgermeister
zu Leipzig 105 ff. 310.
Regensbui'g, Reichstag 198.
Reichenbach 197. Schule 252 f.
Robertus scol. Merseb. 2.
Röder, Cyriacus, Maler 328 ff'. 342.
Rossweiu: Freistelle in Meissen
142. 145.
V. Rothschitz, Georg, Kanzler d.
Herzogs Heinrich 134.
RottAverudorf bei Pirna 180 f. 201.
V. Rottwerndorf, Georg, Hans u.
Wolf 180.
Rudolf IL, Kaiser 181. 282.
V. Rydebeck, Arnold., scolast.
Misn. 8.
Sachsen s. Agnes, Anna, Atigust,
Christian, Elisabeth, Fried-
rich, Georg, Hedwig, Hein-
rich, Johann, Job. Ernst, Joh.
Friedrich, Joh. Georg, Joh.
Wilhelm, Magdal. Sibylla, Mo-
ritz , (Sophia, Sophie Elenore.
Sarstedt bei Hildesheim 94.
Saupe, Oswald, Lehrer in Dresd.
280. 283 f. 288.
V. Schachten, Wilh. 75. 88 f. 97.
Schandau : Freistelle i.Mei3senl45.
Scheffel, Dr. 120.
Scheibe, Wolfg., Dr. jur. 104. 108.
Schelhammer, Balth., Dr. jur. 105 ff.
Schellenberg s. Augustusburg.
V. Schildow, Job., Schulmeister in
Meissen 15.
V. Schleinitz: Freistellein Meissen
142 f. 145.
— Kammergerichtsassessor 187.
— Joh. scholast, Misn. 15.
Schiettau: Freistelle in Meissen
142. 145.
T. Schönberg : Freistellen i. Meissen
142 1. 145.
— Kasp,, Geh. Raths-Direkt. 185.
V. Schönburg, Herreu 28.
— Herm. 27.
Schröer, Hans, Maler 305.
Schröter, Barb., Priorin in Frei-
berg 2H8.
Schweden 182 ff.
V. Schwemli, Lazarus 94.
Schwerin s. Ulrich.
Scipio, Marcus, Bürger z.Pirna 316.
Sebnitz : Freistelle in Meissen 143.
V. Sebottendorf , Abr., kursächs.
Geh. Rath 177 ff.
— Anna (geb. Komerstadt) 180.
— Barbara (geb. v. Bilitsch) 177.
— Damian 180 f.
— Haus (II) 177.
— Hans (III) 178.
— Hans Damian 181.
— Heinrich (Friedrich'?) 179.
— Johann Georg 187.
Sehehusen, Petr., Lehrer in Leip-
zig 30.
Seid, kaiserl. Rath 51.
Seusslitz, Kloster 139 f.
Siebenbürgen s. Castaldo.
Siebenlehn : Freistelle i. Meissen
142. 145.
Sievershausen, Schlacht bei 95.
Sigemundus scholast. Misn. 7 f.
Sigismuud, Markgr. v. Brandenb.,
post. Erzbisch.v. Magdeb. 47.64.
Sophia, Gem. Johanns d. Bestand.
147.
Sophie Elenore, Tochter Christi-
ans II. 343.
Spanien 239. s. a. Philipp.
Speck, Paul, Lehrer i. Leipz., Prag,
Dresden 277. 279. 281 ff. 288.
V Spiegel: Freistelle in Meissen
142 f.
Register.
363
V. Starschedel : Freist, in Meisseii
142 ff.
Steiubrück bei Hildesheim 82.
Stephan, Schulmeister in Bischofs-
werda 2H8.
Stolpen 292 ff. Freist, in Meiss.145.
Strödel, Val. 5.
V. Taube, Dietr.. Oberst 194.
— Reiuh. Dietr., Geh. Rath 198.
V. d. Thamm, Alex., hess. Ge-
sandter KB.
Theodericus, marchioMisn. (fi'ater
Conradi) 141.
(ülius Com-adi) 141.
(d. Bedr.) 141.
— de Landesberg (d. Feiste) 139.
141.
— scolast. Misn. 8.
Thiceraann, niarchio Misn. 140 f.
Thidericiis, rect. scolar. in Leip-
zig- 30.
Tiefstetter, Wolf 82.
Thimo, Bisch, von Meissen 22.
de Thola, Bened., Maler 340.
Thömingk, Jacob, Dr. jur., Or-
dinär, der Jui'istenfakultät in
Leipzig 104 ff.
Thüringen s. Albrecht, Balthasar.
Vergl. Meissen, Sachsen.
Timäus, Job., Geb. Rath 184 ff. 225.
Tizian 339.
Torgau 18. 145 ff.
TorstensoD, schwed. General 195.
Treutting, Mich., Maler 335.
Trueb, Ludw., Mag., Schöppen-
schreiber zu Leipzig 120 f.
V. Trützschler : Freistellen in
Meissen 144.
Tüntzel, Gabr., Dr., kurs. Geh.
Rath 18« ff. 191. 195 f.
Türken 41 ff.
Ulrich, Herz. v. Mecklenb., Bisch.
V. Schwerin 47.
Usslaub, David 149.
V. Vitzthum, kurs. Generalmajor
227.
— Rud., kurs. Kammerrath und
Hauptni. z. Augustusburg 197.
V. Vogtsberg, die Herren 36.
Walther, Seb., Bildhauer 148.
Wecker, Georg, Bildhauer 149.
V. Wedel, Generalmajor 227.
Wehme, Zachar., Bildhauer 327 ff.
335. 340. 342.
Wehlen: Freistelle in Meissen 145.
Weigel, Martin, Oberbergmeister
in Freiberg 151 f. 169.
Weiss, Job. (Albinus), Hofpred.
des Kurf. Moritz 101 f.
Weissenbach, Conr., aus Esch-
wege, Scliulm. u. Stadtschr.
in Löbau, dann Locat in Zittau
252. 264 f.
Weissenfeis, Kloster 37.
Wellerswakie bei Oschatz 195.
Werner, Hans (Bauernprophet)
189 f.
V. Wertheru. Georg, Geheime-
rathsdirektor 184. 186 f. 225.
Wessnigk, Grg., Mag. 30.
Wicpertus scholast. Sierseb. 2.
— scolast. Misu. 7.
Wilhelm (I), Mkgr. v. Meissen 15.
17. 32. 139 f. 266.
— Landgr. zu Hessen 41. 44 f.
57 ff. 62. 86. 89.
— Graf V. Nassau 65.
Willkommen, Haus, Maler 311.
Wimpfen 66.
Wittenberg 276.
AVolf, Fürst V. Anhalt 46. 64. 74.
deWolfticz, Herm. ,cantor.Misn.l6.
Würzburg. Bischof von 51 f. 55 ft".
65 ff.
Würzen, Schulen 3. 23. 25 ff.
de Wj'stroph, Heiuricus , rector
scolar. (Meissenj 15.
Xanten 19.
Zabeltitz 340.
Zadel bei Meissen 36.
Zahna: Freistelle in Meissen 142.
Zeidler, Hans 183.
V. Zeschwitz, Auselm 63.
V. Ziegeler: Freistelle i. Meissen
142. 144.
Ziegenmeyer, Dr. 187.
Zimuiermann,Douat, Bildschnitzer
342.
Zittau, Schulen 3. 251 f.
Zschilleu, Kloster 141.
Zwickau, Schulen. 5. 32 f. 276.279.
Zwicker, Petrus, v. Wormditt,
Schulmstr. in Zittau 252.
Zwönitz: Freistelle in Meissen
142. 145.
Berichtigungen.
Seite 105 Zeile 13 von unten: lies Peiligk'sche.
„ 149 „ 13 ,. „ lies 1579 (statt 1599).
„ 150 „ 15 „ „ lies Dann er.
Ol'titin: Wilhelm Baensch. Dresden.
GETTY CENTER LIBRARY
n. .