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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 

für 


Sächsische  Geschichte 


und 


Alterthumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrath. 


Achter   Band. 


Dresden  1887. 
Willielm  Baensch  Verlagshandlung. 


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Inhalt. 


Seite 


I.  Die   Anfänge  des   sächsischen  Schulwesens.     Von  Ober- 
lehrer Dr.  Johannes  Müller  in  Waldeubiirg  i.  S.     .     .     .      1 
n.  Von  Passau  bis  Sievershausen   1552  — 1558.     Von  Ober- 
lehrer Dr.  S.  Issleib  in  Bautzen 41 

in.  Urkunden  über  den  Streit  der  Eechtsgelehrten  mit  den 
Laien  im  Schöppenstuhle  zu  Leipzig  1574.  Eingeleitet 
und  herausgegeben  von  Archivrath  Dr.  Theodor  Distel  in 
Dresden 104 

IV.  Archivalische   Beiträge   zur   Reformationsgeschichte    der 

Stadt  Freiberg  (1525—1528).     Vom  Herausgeber     .     .     .129 

V.  Kleinere  Mittheilungen 138 

1.  Handschriftliches  zur  Genealogie  der  Wettiner.  Von 
Prof.  Dr.  L.  Weiland  in  Gröttiugen.  S.  138.  —  2.  Ziu- 
Geschichte  der  Preistellen  bei  der  Landessehule  zu 
Meissen.  Vom  Präsidenten  der  Oberrechnungskammer 
B.  von  Schönberg  in  Dresden.  S.  142.  —  3.  Das 
Altarbild  in  der  Sakristei  der  Stadtkirche  zu  Torgau. 
Von  Gurt  Jacob  in  Torgau.  S.  145.  —  4.  Kunst- 
geschichtliche Notizen.  Von  Archivrath  Dr.  Distel 
in  Dresden.  S.  148.  —  5.  Die  Einführung  der  berg- 
mämiischen  Scbiessarbeit  durch  Pulver  in  Sachsen. 
Von  Oberlehrer  Dr.  Heydenreich,  Dozent  an  der 
königl.  Beigakademie  zu  Freiberg.   S.  151. 

Literatur 154 

VI.  Eine  politische  Denkschrift  des  kurfürstlich  sächsischen 
Geheimen  Käthes  Abraham  von  Sebottendorf  für  Johann 
Georg  I.  vom  Jahre  1639.     Eingeleitet  iiud  herausgegeben 

von  Professor  Dr.  J.  0.  Opel  in  Halle 177 

VII.  Die  Anfänge  des  sächsischen   Schulwesens.      Von   Ober- 
lehrer Dr.  Joh.  Müller  in  Waidenburg  i.  S.  (Schluss) .     .  243 
Vin.  Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens  in  Dresden  (1539  — 

1600).     Von  Oberlehrer  Dr.  Georg  Müller  in  Dresden      .  272 
IX.  Der  kursächsische  Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich 

Göding,    Von  Dr.  K.  Berliug  in  Dresden 290 

Literatur 347 

Register 356 


IV  Inhalt. 

Besprochene  Sclirifteii. 


Seite 

Baclimami,  Briefe  und  Acten  zur  Österreich. -deutschen  Geschichte 

(Ermisch)  .     .     .    , 154 

Distel,  Der  Leipziger  Schöppenstuhl  (Knothe) .  163 

Ehses,  Landgraf  Philipp  v.  Hessen  und  Otto  v.  Pack  (Kawerau)  15G 
Fietz,  Prinzenunterricht  im  16.  und  17.  Jahrh.  (Gr.  Müller)  .  .  170 
Geering,  Handel  und  Industrie  der  Stadt  Basel  (Hasse)    .     .     .169 

Hallwich,  Töplitz  (Knothe) 162 

Hasse,  Geschichte  der  Leipziger  Messen  (Scliönherr)    ....  166 
Hofmann,    Die  kirchl.   Zustände   der   Stadt  Pirna  vor   der  Ein- 
führung der  Reformation  (G.  Müller) 347 

Knothe,  Geschichte  des  Ober-Lausitzer  Adels  II  (v.  Mülverstedt)  349 

Lehmann,  Aus  alten  Akten  (Ermisch) 161 

Lobe,    Die    oberste    Einanzkontrolle   des   Königreichs    Sachsen 

(Hasse) 164 

Meltzer,  Die  Kreuzschule  zu  Dresden  (G.  Müller) 161 

Mitzschke,    Des  Paulus  Jovius   Chronik   der  Grafen   von  Orla- 

münde  (Anemüller) 155 

Noack,    Die   Exception  Sachsens   von   der  Wahl   Ferdinand   I. 

(Kawerau) 348 

Wolfram,  Chronik  der  Stadt  Borna  (Ermisch) 160 


Die  Anfänge  des  säclisisclien  Schulwesens. 


Von 

Johannes  Müller. 


Über  die  ältesten  Schulen  im  Gebiete  des  heutigen 
Königreichs  Sachsen  geben  die  Schriften,  welche  das 
frühere  sächsische  Scliulwesen  behandeln  —  von  Fidler- 
Mencken  (1701),  Chr.  E,  Weisse  (1796),  Wittich  (1857), 
Borott  (1857),  Kämmel  (N.  Lausitzer  Magazin  39.  Bd. 
1862,  vergl.  Gesch.  des  deutschen  Schulwesens  1882)  — 
nur  ganz  unvollständige,  ja  nicht  einmal  genügend  ver- 
bürgte Nachrichten.  Spärlich  genug  ist  freilich  unsere 
Kenntnis  über  die  ältere  Zeit;  nur  wenige  Schulen 
Sachsens  sind  es,  die  mit  Sicherheit  ihre  Geschichte  bis 
in  das  13.  oder  14.  Jahrhundert  zurückführen  können, 
darüber  hinaus  nur  eine  einzige.  Ist  ja  doch  auch  vor 
dem  Ende  des  11.  Jahrhunderts  von  einem  regeren 
geistigen  Leben,  von  einem  Streben  nach  sittlichen  Zielen 
innerhalb  der  Grenzen  des  jetzigen  Königreichs  Sachsen, 
wo  selbst  das  Heidenthum  noch  bis  ins  12.  Jahrhundert 
hinein  seine  Anhänger  hatte,  sehr  wenig  zu  erkennen. 
Erst  Ende  des  11.  Jahrhunderts,  nachdem  100  Jahre  seit 
der  Gründung  der  drei  Bisthümer  Meissen,  Merseburg 
und  Zeitz  (968)  vergangen  Avaren,  entstanden  zur  mittel- 
baren oder  unmittelbaren  Verbreitung  des  Christenthums 
und  seiner  Kultur  Klöster,  und  erst  im  12.  .Jahrhunderte 
mehrte  sich  nachhaltig  die  Zahl  der  Kirchengründungen 

Neues  Archiv  f.  8.  (i.  u.  A.    VIII.    1.  2.  1 


2  Johannes  Müller: 

wie  der  festen  Orte^).  So  kann  eine  Errichtung  von 
Schulen  in  grösserem  Umfange  vor  dem  13.  Jahrhundert 
kaum  erwartet  werden,  und  auch  da  wird  man  vorsichtig 
sein  müssen  in  dem  Urtheil  über  Zahl,  Art  und  Bedeutung 
der  Schulen.  Haben  sich  ja  selbst  an  den  alten  Bischofs- 
sitzen: Naumburg  (wohin  bekanntlich  1209  die  Leitung 
des  bisherigen  Bisthums  Zeitz  verlegt  worden  ist)  und 
Merseburg,  die  beide  dem  thüringischen  Kulturgebiete 
näher  liegen,  als  das  Bisthum  Meissen,  bis  jetzt  erst  für 
das  Ende  des  11.,  bez.  den  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
Schulen  nachweisen  lassen :  in  Naumburg  für  das  Jahr  1089 
ein  Odelricus  magister  scolarum'^)  und  in  Merseburg  für 
das  Jahr  1166  ein  Wicbertus  scholasticus'^).  Im  Nach- 
folgenden sei  emmal  versucht,  auf  Grund  neuerer  Forsch- 
ungen die  ersten  Jahrhunderte,  die  Urzeit  des  jetzt 
blühenden  sächsischen  Schulwesens  bis  1400  in 
kurzen  Strichen  zu  beschreiben.  Von  einer  Erwähnung 
imd  Widerlegung  vorliegender  unrichtiger  Behauptungen 
sei  dabei  thunlichst  Abstand  genommen. 

Nui'  neunzehn  Ortschaften  des  jetzigen  Königreichs 
sind  es  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Forschung, 
in  denen  wii^  vom  Ende  des  12.  bis  zum  Ende  des 
14.  Jahrhunderts  Schulen  antreffen.    Sie  liegen  zerstreut 


*)  Vergl.  eil.  Gr.  Lorenz,  Die  Stadt  Grimma  histor.  beschrie- 
ben (Leipzig  1856—70)  S.  1240  flg.  0.  Posse,  Die  Markgrafen 
von  Meissen  etc.  (Leipzig  1881)  S.  288  flg.  F.  M.  Tittmann, 
Geschichte  Heinrichs  des  Erlauchten  I  (Dresden  1845),  310  flg. 

-)  C.  P.  Lepsius,  Gesch.  d.  Bischöfe  des  Hochstifts  Naum- 
burg (1846)  S.  263.  Ferner  erscheint  1145  Heiuricus  magister 
scholarum  in  Naumburg  (Lepsius  S.  249),  1174  Cunradus  magister 
scolarum  (J.  M.  Schamelius,  Kurze  histor.  Beschreibung  von  dem 
ehemal.  Kloster  zu  St.  Moritz  vor  Naumburg,  ebenda  1729,  S.  17), 
den  15.  und  27.  August  1223  Fridericus  scolasticus  zu  N.  (Chr. 
Schott  gen  und  G.  Kreysig,  Diplomataria  et  scriptores  historiae 
germanicae,  Altenburgi  1755,  S.  440  u.  439). 

^)  Chr.  Schöttgen,  Historie  Graf  Wieprechts  zu  Groitzsch  etc. 
und  des  Klosters  zu  Pegau  (Regensburg  1749),  Cod.  probation.  S.  14. — 
Den  5.  August  1203  ein  Scholastikus  ohne  Namen  (Codex  diplomat. 
Saxoniae  regiae  [citiert  mit  C  S]  11.  I,  68),  im  Jahre  1217  ein  Ernestus 
scolast.  zu  Merseburg  (Ed.  Beyer,  D.  Cistercienserstift  u.  Kloster 
Alt-Zelle,  Dresden  1855,  S.  529).  desgl.  10  Juni  1224  u.  22.  Dec. 
1225  (Beyer  S.  533  u.  535);  wohl  derselbe  2.  Sept.  1239  Ernestus 
scolast.  Merseb.  (C  S  II.  IX,  10),  16.  Juli  1242  Robertus  scolast. 
(Beyer  S.  544),  30.  April  1246  Otto  scolast.  (C  S  IL  IX,  12),  1274 
magister  Fridericus  doctor  scolarium  (E.  G.  Gersdorf,  Die  Uni- 
versität Leipzig  im  ersten  Jahre  ihres  Bestehens,  im  Bericht  der 
deutschen  Gesellschaft  in  Leipzig  1847,  S.  22). 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  3 

in  allen  Tlieilen  des  Landes,  abgesehen  jedoch  von  den 
Gegenden  des  Erzgebirges,  die  damals  noch  wenig  kul- 
tiviert waren.  Alle,  mit  Ausnahme  des  nicht  in  der  Stadt 
selbst  befindlichen  Klosters  Geringswalde,  waren,  als  in 
ihnen  zum  ersten  male  Schulen  erwähnt  werden,  Städte; 
von  einem  Dorf  Schulwesen  in  Sachsen  ist  bis  jetzt  für 
jene  Zeit  keine  sichere  Spur  gefunden.  Die  Gründungs- 
jahre der  Anstalten  können  ausser  bei  der  Chorschule 
zu  S.  Afra  in  Meissen  und  bei  der  Nikolaischule  zu 
Leipzig  (deren  Errichtung  freilich  in  der  Zeit,  da  die 
päpstliche  Erlaubnis  ertheilt  wurde,  nichts  weniger  als 
sicher  ist)  mit  Bestimmtheit  nicht  angegeben  werden; 
man  darf  aber  annehmen,  dass  ihre  Entstehung  über  die 
ersten  Daten  ihres  urkuudlichen  Vorkommens  noch  um 
eine  Keihe  von  Jahren  zurückreicht.  Sie  hängt  offenbar, 
mit  Ausnahme  von  ein  paar  Fällen,  überall  zusammen 
mit  der  Geschichte  der  Kirche  und  den  kirchlichen 
Verhältnissen,  sei  es  nun,  dass  die  Schule  nur  gottes- 
dienstlichen  oder  klerikalen  Zwecken  diente,  wie 
die  Dom-  und  Stiftsschulen  in  Meissen,  Bautzen,  Würzen 
und  die  Schule  beim  Frauenkloster  Geringswalde,  sei  es 
dass  sie  vorwiegend  die  Ausbildung  von  Weltgeistlichen 
bezweckte,  daneben  aber  auch  Laien  offen  stand,  wie 
die  äussere  Klosterschule  zu  S.  Thomas  in  Leipzig, 
oder  dass  sie  ursprünglich  als  Pf  arr schule  mit  geringer 
Schülerzahl  ebenfalls  für  gottesdienstliche  Zwecke  be- 
stimmt war,  aber  sich  früher  oder  später  zu  einer  mehr 
oder  minder  selbständigen  öffentlichen  Stadtschule 
entwickelte,  wie  wahrscheinlich  die  Mehrzahl  der  säch- 
sischen Schulen.  Nur  die  zwei  im  14.  Jahrhundert  vor- 
kommenden Juden  schulen  in  Meissen  und  Leipzig 
haben  eine  andere  Mutter,  als  die  christliche  Kirche; 
sie  sind  aber  auch  nur  vorübergehende,  nicht  weiter  ent- 
wickelte Anstalten.  Die  unter  rein  städtischem 
Patronate  erscheinenden  Schulen  zu  Dresden,  Zittau, 
Löbau  und  Chemnitz  dürften  schwerlich  aus  sogenannten 
deutschen  Schreibschulen  oder  Privatschulen  hervor- 
gegangen sein,  ihren  Ursprung  also  nicht  zunächst  all- 
gemeinen bürgerlichen  Bedürfnissen  verdanken,  sondern 
aus  Pfarr-  oder  Kirchenchorsclmlen  hervorgewachsen 
sein,  aber  schon  früh  ihre  Weiterbildung  erfahren  haben. 
Jedenfalls  wird  eine  nähere  Betrachtung  der  säch- 
sischen Schulen  vom  Ende  des  12.  bis  14.  Jahrhmiderts 
erkennen  lassen,  dass,    wie    anderwärts  in  Deutschland, 


4  Johannes  Müller: 

SO  auch  in  Sachsen  im  Mittelalter  die  Schulverhältnisse 
an  den  verschiedenen  Orten  sich  nicht  gleichartig 
entwickelt  und  gestaltet  haben,  sondern  nach  lokalen 
Bedingungen,  wenn  schon  durch  den  Zusammenhang  der 
Schulen  mit  der  Kirche  und  durch  die  im  Wesentlichen 
gleichartigen  Bedürfnisse  der  letzteren  in  allen  mittleren 
Städten  die  unterrichtlichen  und  sonstigen  Aufgaben  der 
Schulen  dem  Kirchendienste  gegenüber,  soweit  es 
nicht  blos  klerikale  Anstalten  waren,  gewiss  wenig  Ver- 
schiedenheit gezeigt  haben.  Weiter  wird  eine  nähere 
Betrachtung  ergeben,  dass  eigentliche  Volks-  und  Er- 
zieh u  n  g  s  s  c  h  u  1  e  n  in  j  enen  Jahrhunderten  gefehlt 
haben.  Schulen,  die  nicht  bloss  den  Zwecken  einzelner 
Stände,  in  Sonderheit  des  Klerus  und  der  Kirche,  son- 
dern allgemeinen  Bildungszwecken,  dem  geistigen  Leben 
der  einzelnen  sittlichen  Persönlichkeit  als  solcher  und  um 
ihrer  selbst  willen  und  zwar  nach  selten  aller  seiner 
Hauptinteressen  und  Bethätigungen,  sowie  dem  geistigen 
Leben  der  ganzen  Nation  dienen  wollen,  wie  es  unsere 
heutigen,  aus  dem  Geiste  des  Humanismus  und  der  Re- 
formation geborenen  evangelischen  und  auch  die  von 
diesem  Geiste  beeinflussten  katholischen  Schulen  thun. 
Der  Pol,  um  den  sich  das  Schulleben  der  ältesten  Zeit 
bewegte,  war  der  Kirchendienst,  dieser  der  Kern,  an 
den  sich  allmählich  und  zwar  weniger  durch  theologische 
und  kirchliche  oder  klerikale,  als  durch  bürgerliche  Li- 
teressen bedingt,  ein  weiterer  Unterricht  kristallisierte. 

Hohe  Ziele  innerhalb  ihrer  Sphäre  scheinen  sich  die 
alten  sächsischen  Schulen  nicht  gesteckt  zu  haben,  es 
müssten  denn  etwa  einzelne  Kloster-  oder  Stiftsschulen 
ganz  in  der  Stille  die  Wissenschaften  gepflegt  haben ; 
bis  jetzt  schweigt  freilich  davon  die  Geschichte  gänzlich. 
Die  landläufige  Ansicht,  nach  welcher  in  der  Regel  das  so- 
genannte Trivium  (Grammatik,  Rhetorik,  Dialektik)  und 
Quadriviura  (Arithmetik,  Geometrie,  Musik,  Astronomie) 
die  Unterrichtsgegenstände  der  mittelalterlichen  Schulen 
gebildet  haben  sollen,  bedarf  ja  überhaupt  der  Berich- 
tigung und  mindestens  der  Einschränkung  auf  höher 
organisierte  Dom-  und  Klosterschulen  und  auf  die  Uni- 
versitäten; auf  die  sächsischen  Schulen  des  12.  bis 
14.  Jalirhunderts  kann  sie  jedenfalls  nicht  ohne  weiteres 
übertragen  werden,  am  allerwenigsten  auf  die  klerikalen 
Anstalten  Sachsens.  An  dem  Scheinleben  und  Verfalle, 
woran  während  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  anderwärts 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens,  5 

selbst  solche"  Klöster  und  Stifte  litten,  die  früher  wegen 
ihi^es  wissenschaftlichen  Geistes  berühmt  waren,  an  diesem 
Scheinleben  nahmen  die  sächsischen  Klerikalsclmlen  ge- 
wiss theiP),  wird  ja  selbst  noch  um  1500,  wo  anderwärts 
ein  neuer  Aufschwung  des  wissenschaftlichen  Strebens 
und  eine  rege  Eutwickelung  des  Schulwesens  zu  bemerken 
ist,  die  Eibgegend  und  die  Gegend  um  Leipzig  eine  bar- 
barische genannt'^);  und  wenn  nachweislich  am  1.  Juli 
1358  von  13  Mitgliedern  des  Domkapitels  in  Meissen, 
dem  Hauptsitze  des  sächsischen  klerikalen  Lebens,  fünf, 
darunter  der  Grosspropst,  der  Kantor  und  der  ArcM- 
diakon  von  Nisan,  nicht  fähig  waren,  eine  Urkunde  selbst 
zu  unterschreiben*^),  ja  wenn  den  12.  Februar  1350  unter 
15  Domherrn  nur  5  eigenhändig  unterschrieben''),  so  kann 
von  einem  Eifer  für  die  Wissenschaften,  ja  selbst  von 
einem  halbwegs  ordentlichen  Elementarunterrichte  und 
einer  Fortbildung  in  jenen  klerikalen  Kreisen  des  14.  Jahr- 
hunderts nicht  die  Rede  sein. 

Besser  scheint  es  in  denjenigen  sächsischen  Schulen 
ausgesehen  zu  haben,  die  mit  dem  praktischen  täglichen 
Leben  in  engerem  Zusammenhange  standen,  als  die  kle- 
rikalen, in  den  Pfarr-  und  Stadtschulen.  Über  Lehrstoffe, 
Lehrgang,  Lehrformen  etc.  in  diesen  Schulen  erfahren 
wir  jedoch  unmittelbar  aus  den  bisher  erschlossenen 
Geschichtsquellen  nichts.  Nur  aus  einer  lausitzer  Schul- 
ordnung, die  dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  ange- 
hört, aber  schon  bestehende  Verhältnisse  fixiert  (siehe 
nachher  bei  Bautzen),  und  aus  der  Analogie  der  Schul- 
zustände in  anderen  deutschen  Ländern,  besonders  den 
Nachbarländern  Sachsens,  lässt  sich  ein  annähernd  richtiges 
Bild  entwerfen.  Die  Mehrzahl  der  älteren  sächsischen 
Schulen  hat  gewiss  nur  zu  der  Gattung  der  sogenannten 
kleinen   Schulen    („scolae   parvae"    oder  „minores") 


*)  Vergl.  Kämmel,  Gesch.  des  deutschen  Schulwesens  im 
Übergange  vom  M.-A.  zur  Neuzeit  (1882)  S.  30  mit  Literaturnach- 
weis; vergl.  S.  6  f. 

^)  S.  meinen  Art.:  Die  Zwickauer  Schulovdmmg,  ein  Beitrag 
z.  Gesch.  des  dreisprachigen  Unterrichts,  in  Flcckeisen  und  Masius, 
Neue  Jahrbb.  f.  Philo],  u.  Tädag.  Bd.  120,  2.  Abtheil.  (Leipzig  1879) 
S.  608.  —  Nur  die  Schulen  zu  Zwickau  (besonders  unter  Val.  Strudel) 
und  zu  Chemnitz  (unter  Paul  Niavis)  erfreuten  sich  Ende  des 
15.  Jahrh.  eines  guten  Rufes;  beide  aber  waren  damals  Stadtschulen. 

«)  ÜS  IL  II,  15  (der  Propst  etc.  lassen  ausdrücklich  erklären: 
„quia  scribere  non  potui")  und  IL  I,  XXI.    Tittmann  II,  79. 

')  C  S  IL  I,  369  flg. 


Q  Johannes  Müller: 

gehört,  die  sich  schon  im  13.  Jahrhundert  vielfach  theils 
als  selbständige  und  sehr  oft  aus  Pfarrschulen  hervor- 
gewachseneLehranstalten,  theils  als  Yorhereitungsanstalten 
zti  höheren  Kloster-  oder  Stiftsschulen  finden,  und  deren 
Unterricht  sich  auf  Folgendes  beschränkte:  Lesen,  Schrei- 
ben, Ziffernkenntnis,  elementare  lateinische  Formenlehre 
nach  der  kleineren  (in  Frage  und  Antwort  abgefassten) 
Grammatik  des  Donatus,  elementarste  lateinische  Satz- 
lehre nach  den  sogenannten  „regulae  pueriles",  Lektüre 
und  Memorieren  eines  lateinischen,  dürftigen  religiösen 
Lesestoffs  (des  „pater  noster",  „credo",  „ave  Maria") 
sowie  der  lateinischen  kurzen  Sittensprüche  des  soge- 
nannten Cato  und  öfters  auch  des  aus  künstlich  gebauten 
lateinischen  Distichen  bestehenden  Kirchenfestkalenders 
„Cisiojanus",  und  wo  keine  Kloster-  oder  Domschule 
kollidierte,  auf  einfachen,  übrigens  wohl  fast  überall  nur 
von  einzelnen  geeigneten  Knaben  geübten  Kirchengesang^). 
Und  der  Aufschwung  des  sächsischen  Schulwesens  geht, 
wie  ein  weiterer  Blick  auf  seine  Geschichte  l)is  ins 
16.  Jahrhundert  lehren  würde,  Hand  in  Hand  mit  der 
Entwickelung  der  grösseren  Selbständigkeit  der  Städte 
und  mit  der  Aufnahme  der  humanistischen  und  evan- 
gelisch-reformatorischen Ideen. 

Wenn  aber  anderwärts  einerseits  das  mehr  oder 
weniger  berechtigte  Selbstherrlichkeitsverlangen  der  Stadt- 
regierungen und  die  ungenügende  Zahl  oder  Beschaffen- 
heit der  vorhandenen  Klerikalschulen  oder  unter  geist- 
licher Leitung  stehenden  Schulen  und  andererseits  der 
sei  es  berechtigt  oder  in  Anmassung  geltend  gemachte 
Anspruch  der  Scholaster  und  Stiftsobersten,  die  facultas 
docendi  zu  verleihen  und  die  Oberaufsicht  über  alle 
Schulen  des  betreffenden  Orts,  beziehentlich  der  betreffen- 
den Diöcese  auszuüben,  im  Verein  mit  finanziellen  In- 
teressen schon  im  13.  und  14.  Jahrhundert  emen  „Kultur- 
kampf" um  die  Schule  bewirkt  haben,  so  ist  in  Sachsen 
davon  wenig  zu  spüren  gewesen ;  für  die  beiden  genann- 
ten Jahrhunderte  lässt  sich  nur  hinsichtlich  der  Bautzener 
und  Leipziger  Schulen  etwas  derartiges  behaupten. 


^)  S.  meine  Quellenschriften  und  Gesch.  des  deutschsprachl. 
Unterrichts  bis  zur  Mitte  des  16.  Jahrh.  (Gotha  1882,  auch  4.  Bd. 
von  K.  Kehr  s  Gesch.  der  Methodik)  S.  315  flg.  u.  207  flg.  Vergi. 
F.  A.  Specht,  Gesch.  des  Unterrichtswesens  in  Deutschland  bis 
zur  Mitte  des  13.  .Tahrh.  (Stuttgart  1885)  S.  249  f. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  7 

Die  älteste  Schule  Sachsens  ist  die  mit  dem  Dome 
z  II  M  e  i  s  s  e  11  verbundene.  Hier  in  Meissen,  dem  Centrum 
des  früheren  kirchlichen  und  klerikalen  Lebens  Sachsens, 
hat  die  vaterländische  Schulgeschichte  ihren  Anfang 
genommen.  Die  Existenz  der  Doraschule,  wenn  man  sie 
kurzweg  so  nennen  darf,  ergiebt  sich  aber  zunächst  nur 
aus  dem  Vorkommen  von  Schola stiel  in  der  Reihe  der 
Meissner  Domherren.  Der  erste  urkundlich  belegbare 
ist  ein  „Sigemundus  scholasticus"  am  9.  Juni  1183^). 
Ob  dieses  Amt  schon  lange  vorher  begründet  worden 
ist,  wissen  wir  nicht.  Meissen  als  Sitz  der  Wissen- 
schaften und  in  Sonderheit  den  Bischof  Benno  (1066 — 1106) 
als  Pfleger  derselben  im  11.  und  12.  JaMiundert  anzu- 
sehen, liegt  kein  Grund  vor;  die  Benno  zugeschriebene 
Anweisung  zum  Brief stü  (liber  dictaminum)  und  die 
Erklärung  der  Sonntagsevangelien  (expositiones  breves 
super  evangelia  dominicalia)  auf  der  Herzoglichen  Bib- 
liothek zu  Wolfenbüttel  haben  höchst  wahrscheinlich 
nicht  Benno,  und  noch  weniger  in  der  Zeit  seines  Meissener 
Bisthums,  sondern  wohl  den  Abt  des  Benediktinerklosters 
Goseck  bei  Naumburg  oder  den  Kardinal  Benno  zum 
Verfasser ^^).  Die  Reihe  der  nach  Sigemund  bekannten 
Meissener  t)omscholastici  nach  der  Zeit  ihres  ersten  ur- 
kundlichen Vorkommens  ist  folgende  :  1206  (13.  December) 
Martinus  scolasticus^M,  1214  (23.  April)  Wipertus^^), 
um  1222  H.i=^),  1227  (18.  Oktober)  Ulricus  de  Kurin^*), 
1249  (8.  Dezember)  Erpho^'^),  1262  (1.  März)  Conradus^^), 


9)  Urk.  No.  87  im  H.-St.-A.  Dresden;  vergl.  J.  Chr.  Hasche, 
Diplomat.  Gesch.  Dresdens  I  (Dresden  1816),  67.  Gewiss  derselbe 
ist  der  Sigemundus,  der  ohne  den  Titel  Scliolasticus  in  Urk.  vom 
6.  Juni  1185  u.  v.  J.  1186  s.  d.  (H.-St.-A.  Dresden  Orig.  No.  90 
u.  92  b)  vorkommt. 

^ö)  E.  Machatschek,  Gesch.  der  Bischöfe  des  Hochstifts 
Meissen  (Dresden  1884)  S.  69. 

")  OS  II.  I,  73.  Auch  noch  1213:  C  S  IL  IV,  2.  Er  ist 
wohl  identisch  mit  dem  „magister  Martinus",  der  in  der  Urk.  vom 
5.  März  120.5  als  letzter  Meissener  Domherr  Mitzeuge  ist:  CS  II. 
IV,  10.5  u.  103. 

12)  C  S  IL  I,  78.  Ferner  31.  Mai  1216:  IL  I,  80  f;  18.  Aug. 
1217:  IL  IX,  4. 

13)  C  S  IL  IV.  444. 

")  OS  IT.  I,  96.  Auch  den  19.  .Tuni  1233:  IL  IV,  5;  den 
28.  März  1237:  Beyer  a.  a.  0.  S.  541. 

^'>)  C  S  IL  I,  133.    Um  1256  ist  er  gestorben;  s.  ebenda  S.  148. 

10)  0  S  IL  I,  154.  Den  24.  Juli  1266:  IL  I,  160.  Sein 
Siegel,  das  älteste  z.  Z.  bekannte  Siegel  eines  sächs.  Scholastikus, 


8  Johannes  Müller: 

1272  (21.  Januar)  Theodericus  ^^),  1277  (16.  März)  Con- 
radus  de  Boruz^^),  1288  (20.  August)  Theodericus^^), 
1307  (15.  Juni)  Otto  de  Donyn-«),  1339  (25.  Oktober) 
Arnoldus  (de  Rydebeck)-i).  1342  (23.  Oktober)  Tanuno 
de  Luppe-),  1350  (12.  Feijruar)  Theodericus  de  Gogh 
(Gocli)^^^),  1353  (11.  März)  Tyczko  (Theodericus)  de 
Capeindorf-*),  1377  (30.  Januar)  Theodericus  de  Goch-'^), 
1383  Hermann  2^). 

Die  genannten  Scholastici  waren,  wie  anderwärts, 
sämtlich  Domherren  und  stehen  in  der  Reihenfolge  der 
Urkundenzeugen  meist  immer  hoch  oben  unter  den  Haupt- 
würdenträgern des  Hochstifts,  nach  dem  Bischof,  Dekan 
und  Propst,  vor  oder  auch  gelegentlich  gleich  nach  dem 
Kustos  oder  Kantor'-'^).  Während  anderwärts  —  in 
Mainzer,  Wormser,  Kölner  Urkunden  —  der  Titel 
scholasticiis  seit  dem  13.  Jahrhundert  die  allem  übliche 


hängt  an  der  im  StiftsarcMve  zu  Meissen  befindlichen  Urk.  vom 
12.  Januar  1266;  s.  C  S  IL  IV,  7  (leider  weder  beschrieben  noch 
abgebildet;  vergl.  Note  24). 

")  C  S  II.  I,  175  f.  Im  J.  1273  ist  er  Archidiakonus  in  Nisan: 
C  S  II.  I,  177  (Couradus  tunc  ibidem  scolasticus  arbitrandus). 

^*)  Schöttgen  imd  Kreysig,  Diplomat.  II.  197;  damals  war 
C.  zugleich  custos.  Am  8.  Aug.  1281  (C  S  IL  I,  193)  bis  1291 
(C  S  n.  I,  237,  vergl.  1288  CS  IL  XII,  33),  ist  C.  Schatzmeister 
des  Hochstifts  (thesaurarius  ecclesiae),  den  9.  Xov.  1292  (C  S  II. 
I,  241)  custos,  ebenso  noch  den  18.  Mai  1296  (C  S  IL  I.  247). 

^»)  C  S  n.  XII,  33. 

20)  C  S  IL  I,  268.  vergl.  271  u.  283.  Noch  5.  April  1312 : 
C  S  IL  IV,  19. 

21)  C  S  IL  I,  351,  vergl.  345  f.  Den  22.  Juni  1341  ist  A.  Propst 
in  Hayn:  C  S  IL  I.  353.  360. 

")  C  S  IL  I,  360.  Den  6.  Sept.  1349  ist  T.  Propst  in  Hayn: 
IL  I,  368  f. 

23)  C  S  IL  I,  372.  Den  31.  Dec.  1352  meister  Dyterich  von 
Grogli  techant:  IL  I,  388;  den  11.  März  1353  heisst  er:  Theodericus 
de  Gogh  in  medicina  magister  decanus:  IL  I,  390. 

24)  C  S  IL  I,  390;  vergl.  412.  IL  II,  5.  8  (1357).  13.  15 
(1358).  u.  ö.  Noch  am  28.  Juni  1369  Tb.  d.  C.  scolasticus:  IL  II,  101. 
An  der  im  Stiftsarchiv  Meissen  befindl.  Urk  vom  L  Jixli  1358 
hängt  sein  Siegel  mit  dem  Bilde  des  heil.  Laurentius:  IL  II,  15  flg. 

25)  C  S  IL  II,  164. 

2ö)  C  S  IL  II,  208 :  Hermann  schulmeyster  czu  Missen  doctor 
des  geistlicliin  rechten. 

27)  So  folgt  den  9.  Juni  1183  (s.  Note  9)  Sigemundus  schol.  auf 
Propst,  Dekan  und  Kustos,  ebenso  Wipertus  den  23.  April  1214; 
Martinus  scol.  aber  steht  den  13.  Dec.  1206  ausnahmsweise  tief  nach 
Propst,  Dekan,  Kustos  und  nach  weiteren  8  Domherren  als  drittletzter 
in  der  Reihe  der  Domherren.'  —  Machatschek  a.  a.  0.  S.  40  flg. 
fusst  nicht  auf  Originalen  und  ist  zu  berichtigen. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  9 

und  feststehende  Bezeichnung  für  den  einer  Stiftsschule 
vorgesetzten  Kanoniker  geworden  ist,  nachdem  vorher 
im  11.  und  12.  Jahrhundert  die  Benennung  mcu/ister 
scholarum  die  gewöhnlichere  gewesen  war-®),  so  finden 
wir  in  Meissen,  dass  in  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts 
ein  und  dieselbe  Person  sich  bald  des  Titels  scolasticus, 
bald  des  andern  Titels  scJmlmeistir  bediente"-^),  während 
vorher  nur  der  erstere  üblich  war.  Eine  Vereinigung 
des  Scholasteramts  mit  einem  andern  lässt  sich  bis  zum 
15.  Jahrhundert  nur  einmal  belegen :  den  16.  März  1277 
ist  Conradus  de  Boruz  ecclesiae  scholasticus  et  custos'^^). 
Die  Verleihung  der  Scholasterei  war  Sache  des 
Bischofs  zu  Meissen,  und  hielt  derselbe  auf  dieses 
Recht,  Avenigstens  im  13.  Jahrhundert,  ebenso  wie  auf 
das  der  Ernennung  des  Kustos,  wie  aus  einer  die  Wahl 
des  Bautzener  Kanoniker  l^etreffenden  und  unten  N.  83 
nochmals  zu  erwähnenden  Urkunde  vom  29.  Januar  1226 
hervorgeht.  Über  die  Bepfründung  der  Meissner  Scho- 
lasterei wissen  wir  so  gut  wie  nichts  "'^).  Auch  über  die 
Obliegenheiten  des  Scholastikus  fehlen  bestimmte 
Anweisungen,  wie  sie  anderwärts  z.  B.  vom  Domstift 
Basel  aus  dem  Jahre  1289,  Speier  1343,  Augsburg  1439 
überliefert  sind.  Nur  gelegentliche  Aufträge,  welche  dem 
Meisseuer  Scholastikus  vom  Papste  oder  dem  Markgrafen 
von  Meissen  ertheilt  worden  sind,  kennzeichnen  seine 
Stellung  und  sein  Arbeitsfeld  als  ein  einflussreiches  und 
setzen  eine  höhere  Bildung,  namentlich  juristischer  Art, 
und  praktisches  Geschick  voraus,  stehen  aber  mit  seiner 
eigentlichen  Amtspflicht,  von  der  er  den  Namen  trug, 
mit  den  Pflichten  und  Rechten  gegenüber  der  Schule,  in 
keinem  Zusammenhange.  So  hatte  um  1222  der  Scho- 
lasticus H.  nebst  dem  Domherrn  A.  namens  des  päpst- 
lichen Legaten  einen  Streit  zwischen  einem  Presbyter 
Thuringus  und  dem  Kreuzkloster  zu  Meissen  wegen 
8  Hufen  Landes  beizulegen  ■^^) ;  so  wurde  den  19.  Juli  1234 


2«)  Specht  a.  a.  O.  S.  183. 

-ö)  Dietr.  v.  Capi>cliulorf  unterschreibt  sich  und  wird  sonst 
stets  bezeichnet  als  scolasticus,  den  14.  Okt.  1365  aber  heisst  er: 
her  Titzko  von  Cappilndorf  schulmcistir  (C  S  11.  II,  6H),  den 
27.  Okt.  1366  wieder  scolasticus  (II.  11,  76).  In  der  ebenfalls 
deutsch  abgefassten  Urk.  v.  J.  1383  erscheint  „er  Heiiuaun  scbnl- 
meyster  czu  Missen"  etc.  (s.  Note  26). 

^*')  A'ier  Pfund  im  Meissener  Zoll  (theoloniuni)  gehörten  1296 
(26.  Okt.)  zur  Scholasterei  von  alters  her.     C  S  II.  I,  251. 

»0  C  S  II.  IV,  444. 


10  Juhaniies  Müller: 

dem  Bischof.  Propst  und  Scholasticus  des  Meissener  Hoch- 
stifts  von  Papst  Gregor  IX.  befohlen,  den  Ungebühr- 
nissen,  welchen  das  Kloster  zu  Biewniow  bei  Prag  am 
Tage  der  unschuldigen  Kindlein  (28.  Dezember)  her- 
kömmlich ausgesetzt  war,  zu  steuern"-);  am  1.  Juli  1274 
erhielt  der  Scholasticus  allein  den  Auftrag  von  Papst 
Gregor  X.,  alle  dem  Marienkloster  in  Chemnitz  ent- 
fremdete Güter  wieder  an  dasselbe  zu  bringen'^"),  und 
im  Jahre  1383  ging  „er  Hermann,  schulmeyster  (Scho- 
lasticus) czu  Missen,  doctor  des  geistlichen  rechten"  als 
Abgesandter  der  Markgräfin  von  Meissen  und  ihrer 
Söhne  nach  Frankreich'^*).  Schweigen  nun  zwar  die 
vorhandenen  Quellen  über  die  eigentlichen  Amtspflichten 
des  Scholasticus  am  Hochstift  zu  Meissen,  so  müssen  wir 
doch  annehmen,  dass  diese,  wenn  anders  die  Scholasterei 
nicht  eine  blosse  Pfründe  und  Titulatur  war,  im  Wesent- 
lichen dieselben  waren,  Avie  die  anderer  Domscholaster. 
Ein  solcher  aber  hatte  alles  anzuordnen,  was  die  Schule 
betraf,  besonders  die  Austeilung  und  Entlassung  des 
Lehrerpersonals,  des  rector  oder  magister  puerorum  und 
(bez.  oder)  scolarium ;  ihm  lag  die  Annahme  und  Zurück- 
weisung der  nicht  kanonischen  Schüler,  die  Beaufsich- 
tigung und  Visitation  der  Schule,  die  besondere  sabbath- 
liche  Vorbereitung  der  jungen  Kanoniker  auf  ihre  sonn- 
täglichen Schriftverlesungen,  die  Leitung  der  Prüfungen 
und  die  Ertheilung  des  Reifezeugnisses  an  die  jungen 
Kanoniker  zur  Erlangung  der  niederen  Weihen  (ordines 
minores)  ob,  beziehentlich  auch  die  Oberaufsicht  über  alle 
an  den  Stifts-  und  Pfarrkirchen  der  Diöcese  bestehenden 
Schulen;  ferner  hatte  er  die  Briefe  und  Urkunden  für 
das  Kapitel  zu  diktieren  oder  selbst  zu  schreiben,  die 
einlaufenden  Briefe  etc.  zu  lesen  und  aufzubewahren"'^). 
Nur  scheint  der  Meissener  Scholastikus  nicht  alle  diese 
Funktionen  besessen  oder  geübt  zu  haben;  denn  wir 
hören  weder  je  etwas  von  der  erwähnten  Oberaufsicht 
noch  von  jungen  Kanonikern  und  deren  Ausbildung. 
Die  Schule  am  Aleissener  Dome  war  für  andere  Zwecke  da. 


32)  C  S  II.  I,  104.     33)  0  S   II.  VI,   273.     ^4)  c  S  II.  II,   208. 

35)  Vergl.  die  oben  erwähnten  Statuten  von  Basel  nnd  Speier 
bei  J.  Mone,  Zeitschr.  f.  d.  {lesch.  des  Oherrbeins  I  (Karlsruhe  1850), 
26fi  imd  II,  138  flg.;  desgl.  die  von  Frankfurt  a.  M.  bei  J.  Helfen- 
stein, Die  Entwickelung  des  Sclnüwesens  I  (Frankfurt  1858),  127  flg. ; 
die  von  Augsburg  in  der  Zeitschr.  d.  bist.  Vereins  für  ScbwaWn  etc.  II 
(Augsbui-g  1875),  105  flg.    Vergl.  Specht  a.  a.  O.  S.  486  flg. 


Die  Anfänge  des  säclisischen  Schulwesens.  H 

Sie  selbst  und  Schüler  "werden  erst  im  Jalii-e  r2o6 
erwähnt,  wo  ein  Domherr,  , Albert,  genannt  von  Döbeln 
zur  Erhöhung  der  Feier  der  täglichen  Messe  eine  Stiftung 
machte  und  dabei  verordnete,  dass  die  bei  der  Messe 
thätigen  vier  „scolares"  zur  Verbesserung  der  Schule 
und  der  Bücher  (pro  emendatione  scolarum  pariter  et  li- 
brorum)  einen  Geldzins  erhalten  sollten-'**).  Die  Be- 
stimmung der  Art  der  Schule  hat  einige  Schwierigkeit. 
Die  vier  genannten  „scolares"  werden  1256  zum  Tragen 
von  brennenden  Kerzen  und  von  Eauchfässern  gebraucht. 
Am  1.  Februar  1269  ist  von  einem  „Scolaris"  die  Eede, 
welcher  bei  einem  ständigen  Vikare  in  einer  neugestifteten 
Kapelle  des  heiligen  Andreas  im  Kreuzgange  nicht  näher 
gekennzeichnete,  mit  6  Schilling  zu  belohnende  Dienste  zu 
verrichten  hatte'"),  am  19.  Januar  1298  von  armen  Chor- 
schülern (pauperibus  scolaribus  choro  deservientibus), 
denen  der  Vikar  eines  Altars  im  Dome  wöchentlich  ein 
Dritt  heil  der  Brote  von  einem  Schelf el  Weizen  austheilen 
sollte  ■^^).  Mit  den  Armen  auf  eine  Linie  gestellt  werden 
die  Scholaren  auch  in  dem  Testamente  des  Propstes 
Dietrich  vom  18.  Januar  1299''^).  Genauer  hinsichtlich 
ihrer  dienstlichen  Verrichtungen  werden  sie  im  14.  Jahr- 
hundert gekennzeichnet,  besonders  wenn  am  30.  April  1360 
ein  wöchentlich  zu  behändigender  Antheil  an  den  jähr- 
lichen Zinsen  von  6  Schock  breiter  Groschen  für  die  im 
Chor  der  Meissener  Kathedralkirche  während  der  kano- 
nischen Stunden  dienenden  Chorschüler  (pro  scolaribus 
choralibus  choro  kathedralis  Mysnensis  ecclesiae  in  horis 
canonicis  deservientibus)  bestimmt  ^")  und  am  28.  Mai  1381 
den  vier  armen  Schülern,  welche  das  seidene  Kelchtucli 
bei  dem  Umgang  in  der  Kirche  über  dem  Sakrament  zu 
halten  hatten  (scolaribus  pauperibus  velum  sive  pannum 
super  sacramentum  per  circuitum   ecclesiae  portantibus), 


36)  0  S  II.  I,  149. 

3')  Et  sex  solldi  residni  deservieutis  capellae  pretinm  sint  Sco- 
laris.    C  S  II.  I,  167.     3S)  c  S  IT.  T.  2o4. 

^^)  Reinhardus  in  anniversario  nieo  quindecim  solidos  dividet 
iuter  pauperes  et  scolares  .  .  .  item  de  secundo  talento  dabit  in  bona 
sexta  feria  pauperibus  et  scolaiibus  decem  solidos.  C  S  II.  I,  259. 
Vergl.  die  Stiftung-  desselben  Dietrichs  vom  20.  Jan.  1299  bei  G. 
Köiiler,  Cod.  dijd.  Lusatiae  .super.  I  ((iörlitz  1856),  161:  Der 
Vikar  dos  gestifteten  Altars  Nicolai  etc.  im  Meissener  Doin(>  soll 
wöchentlich  austheilen  „panes  de  uno  modio  siliginis,  pauperibus 
scolaribus  choro  deservientil)us  tertiam  partem,  alias  duas  partes 
communibus  pauperibus  et  Imsarinen".     ■'**)  C  S  TL  II,  28. 


12  Johannes  Müller: 

1  Groschen  legiert  wircl^^).  Darnach  haben  wir  also  unter 
den  Scholaren  zunächst  Chorschüler  zu  verstehen,  wie 
sie  auch  in  deutschen  Ui^kunden  analog"  den  lateinischen 
ausdrücklich  genannt  werden*-).  Bei  der  grossen  Bedeu- 
tung des  Chorgesangs  für  die  gottesdienstlichen  Funktionen 
der  Domherren  und  der  grossen  Zahl  kirchlicher  Festtage 
waren  derartige  Schüler,  die  zugleich  beim  Messopfer 
ministrieren,  bei  Prozessionen  zu  einfachen  Hilfeleistungen 
und  zur  Erhöhung  des  Eindrucks  Verwendung  finden 
konnten,  durchaus  nothwendig  und  in  grösserer  Anzahl 
erwünscht  und  demgemäss  bei  den  Kathedralkirchen  wohl 
stetg  vorhanden  *").  Es  waren  in  der  Regel  Kinder  armer 
Bürgersleute  oder  auch  auswärtiger  ärmerer  Eltern,  die 
dazu  gewählt  und  angenommen  wurden;  wie  es  scheint, 
nahm  man  am  liel)sten  solche,  welche  ein  hübsches  Äussere 
besassen  und  den  Eindruck  der  Gesittung  machten,  wo- 
möglich auch  schon  lesen  und  singen  gelernt  hatten**). 
Für  ihre  Gegenwart  bei  den  Hochämtern,  Vigilien,  Seel- 
messen, in  den  kanonischen  Stunden  und  bei  anderen 
gottesdienstlichen  Handlungen  erhielten  sie  wie  ander- 
wärts, so  in  Meissen  aus  Stiftungen  Geldspenden  oder 
einfache  Nahrungsmittel,  wie  Brot  und  Heringe*'^).  Na- 
mentlich in  den  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts 
überhand  nehmenden  Seelmessstiftungen  (zu  Gunsten  ab- 
geschiedener, im  ßeinigungsfeuer  gedachter  Seelen)  sind 
sie  und  der  noch  zu  besprechende  magister  scolarium  von 
den  Gläubigen  selten  unbedacht  geblieben. 


^^)  C  S  II.  II,  197. 

^")  D.  10.  Aug-  1386:  Den  chorschulern  wer  grosschin  v  czu 
der  czit  czu  presenczien  (C  S  IL  II,  225).  D.  18.  Oktbr.  139.5: 
Dem  „kindermeister,  orgiln  vnd  kirchenere  vnde  chorschulern"  soll 
einer  der  Vikare  am  Nikolaustage  eben  so  viel  geben  wie  am  Georgen- 
tage (C  S  II.  II,  272). 

43)  Specht  S.  176  f.  Moue  I,  131.  G.  A.  v.  Mülverstedt,  Bei- 
träge zur  Kunde  des  Schulwesens  im  M.-A.  und  über  den  Begriff 
Scolaris  (Magdeburg  1875)  S.  5.  11.  17  f. 

■*')  S.  meine  Vor-  und  frühreformatorischen  Schulordnungen  u. 
Schulverträge  in  deutscher  u.  niederländ.  Sprache  (13.  Heft  der  Samm- 
lung selten  geAvordener  pädag.  Schriften  früherer  Zeiten ,  herausge- 
geben von  A.  Israel  u.  .1.  Müller,  Zschopau  188ii)  II,  295  f. 
Vergl.  C  S  II.  II,  290  (2.  Juni  1401):  singen  (im  Meissener  Dom) 
mit  schulern,  so  man  die  best  gehahin  mag,  die  da  wol  singen  kunnen. 

''■^)  S.  oben  sub  38.  40.  41.  Den  30.  .lau.  1408  eignen  die 
Meissener  Markgrafen  dem  Dome  gewisse  Grundstücke,  „dauon  das 
capitel  czu  Missin  alle  jar  eyne  thunue  heringis  zugen  vnde  kouffen 
vnde  die  yn  der  vastin  vndir  die  kor  schuler  teilin  sollin"  (C  S  IL 
II,  339). 


Die  Anfänge  des  säclisischen  Schnlwesens.  13 

In  der  Regel  werden  sie  dabei  Knaben  (pueri)  ge- 
nannt, auch  einmal  ,, Kinder"  und  ,,parvnli",  ihr  Leiter 
meistens  magister  oder  rector  scolarium,  auch  einmal 
„Kinderraeister''  und  „rector  parvulorum'*  '•^).  Das  erste 
Mal,  wo  eine  solche  das  Alter  andeutende  Angabe  erfolgt, 
in  einer  Urkunde  vom  20.  November  1279^'),  ist  eine 
Verbindung  der  zwei  Ausdrücke  für  Schüler  und  Knaben : 
„scolares  pueri''  gewählt,  im  Jahre  1405  (den  6.  März 
und  20.  Mai)  eüie  identihzierende  Zusammenstellung  der 
Bezeichnung  Schüler  mit  der  Bezeichnung  „die  Kleinen" 
(rector  scolarium  seu  parvulorum)^^).  Im  Jahre  1279  ge- 
schieht auch  eine  Mittheilung  über  die  Gesammtzahl  solcher 
Schüler,  aus  der  zugleich  hervorgeht,  dass  dem  Schul- 
meister vom  Dome  ebenso  wie  dem  vom  Chorherrenstift 
zu  St.  Afrain  Meissen  die  Gewinnung  der  uöthigen  Schüler 
nicht  immer  glückte  und  iufolge  dessen  die  beiden  Schul- 
meister sich  gegenseitig  die  Scholaren  abspenstig  zu  m.achen 
suchten.  Papst  Nikolaus  III.  musste  nämlich  damals  ver- 
ordnen, dass  dem  Chorherrenstift  die  Schule  der  24  Schüler- 
knaben unter  der  Bedingung  gehören  solle,  dass  kehier 
der  Lehrer  an  der  grösseren  Meissener  Kirche  und  an 
der  Afrakirche  die  Scholaren  des  anderen  ohne  dessen 
Zustimmung  annehmen  solle  ^^).  Es  erscheint  darnach 
sehr  fraglich  ob  die  Zahl  der  Domherren  des  Hochstifts, 
welche  gegen  14  betrug  •^*^),  von  der  Zahl  der  Chorschüler 
bedeutend  übertroffen  wurde. 

Die  Unterweisung  und  nächste  Beaufsichtigung  der 
letzteren  lag  dem  schon  genannten  magister  scolarium 
ob;  doch  fehlen  darüber  jegliche  Festsetzungen,  wie  wir 
sie  anderwärts  antreffen,  und  nur  nach  Analogie  dieser 
anderweiten  Satzungen  können  wir  ein  Bild  der  Stellung 
und  Thätigkeit  jener  Meissener  Schulmeister,  die  am  zu- 
treffendsten wohl  Chorschulmeister  zu  nennen  sind ,  ent- 


^*')  D.  9.  Jan.  13(32 :  I  grossns,  si  bene  cantaverit,  rectori  sco- 
larium, de  portioue  doininorum  canonicorum  (C  S  II.  II,  50).  D.  28.  Mai 
1381:  magistro  scolarium,  ut  cum  pueiis  lideliter  (einem  .Jahrgcdäclit- 
nisse)  intersit  et  laboret,  nnumgi'ossnm  . .  .  rectori  scolarium,  ut  bene 
cantet,  un.  gross.  (C  S  IL.  II,  196).  Vergl.  II.  II,  2H7  f.  D.  18.  Okt. 
1395:  dem  kindermeistere,  daz  da  kiiuiei-  czu  chore  gehen,  eyuen 
grosschen  (C  S  II.  II,  272).     Vergl.  Anm.  42  u.  48  u.    oben    S.   15. 

^^)  CS  IL  IV,  118.     'M  C  S  II.  il.  317  u.  320. 

*^)  Et  scolas  XXIIII  scolarium  ))uerorum  hac  conditione  et  jure, 
ut  nullus  magistrorum  tam  majoris  Misnensis  ecclesiae  (luam  vestrae 
ecclesiae  [Afraej  alterius  scolares  rccipiat  in  ejus  preiudicium  sine 
bona  alterius  voluntate.    s")  0  S  II.  I,  S.  XX. 


14  Johannes  Müller: 

werfen.  Das  erstemal,  wo  ein  solcher  Schulmeister  ur- 
kundlich erscheint,  eben  in  der  Urkunde  vom  20.  No- 
vember 1279,  ist  die  gebrauchte  Bezeichnung-  „nullus 
magistrorum"  derart,  dass  nicht  noth wendig  das  Institut 
von  Schulrektoren  im  eigentlichen  Sinne,  ein  besonders 
angenommener  Schulleiter  darunter  verstanden  werden 
muss;  es  kann  der  gewählte  Ausdruck  auch  auf  einen 
oder  mehrere  etwas  wissenschaftlich  und  gesanglich  ge- 
bildete Angehörige  des  Domstifts  gedeutet  werden,  dem 
oder  denen  die  Leitung  der  Scholaren  und  ihre  Unter- 
weisung vom  Bischof  oder  Propst  oder  vom  Scholasticus 
übertragen  worden  war.  Das  hatte  den  Vorzug  der  Ein- 
fachheit und  Billigkeit  und  würde  der  z.  B.  in  den  Statuten 
der  regulierten  Augustiner- Chorherren  zu  Leipzig  vom 
10.  September  1445  vorgeschriebenen  Praxis  bei  der  Er- 
ziehung von  Novizen  (der  eine  Probezeit  für  das  Kloster 
durchmachenden  jungen  Leute)  entsprechen.  Hier  be- 
stimmte nämlich  der  Propst  einen  zuverlässigen  und  gottes- 
fürchtigen  geistlichen  Klosterbruder  zum  magister  noviti- 
orum,  der  die  Novizen  über  die  Klosterregel  und  das 
Officium,  im  Gesang  und  in  den  Zeichen  und  Bräuchen 
des  Ordens  sowie  über  das  äussere  Benehmen  im  Chor- 
dienste u.  s.  w.  zu  unterrichten  hatte,  und  unter  dessen 
besonderer  Aufsicht  und  Leitung  die  Novizen  bis  zu  ihrer 
Zulassung  zur  Professio  (dem  Klostergelübde)  standen  ■^^). 
Ebenso  hatte  der  Propst  für  einen  zuverlässigen  Lelii^er 
(instrudor)  zu  sorgen,  welcher  die  Konversen  (die  in 
dem  Kloster  aufwartenden  Laienbrüder)  in  der  Kloster- 
regel und  anderen  Bräuchen  unterweisen  und  wo  nöthig 
in  der  Muttersprache  die  betreffenden  Schriften  zu  lesen 
und  auszulegen  hatte ■'^-).  In  diesem  durch  den  Novizen- 
und  Konversenmeister,  beziehentlich  durch  den  Kantor 
ertheilten  Unterrichte  bestand  wohl  meistens  das,  was 
man  in  Stiften  und  Klöstern  Schule  nannte,  eine 
dem  modernen  Begriff  von  Schule  freilich  wenig  ent- 
sprechende Einrichtung,  die  natürlich  je  nach  dem  Zu- 
drang  von  Novizen  oder  Konversen  (auch  sogen.  Oblati) 
und  je  nach  deren  Alter  von  kürzerer  oder  längerer  Dauer 
und  grösserem  oder  kleinerem  Umfange  war,  und  von  der 
die  eigentlichen  und  ständigen  Stifts-  und  Klosterschulen 
zu  unterscheiden  sind,  av eiche  durchaus  nicht  bei  allen 
Klöstern  und  Stiften  vorhanden  waren  und  entweder  nui* 


"•')  V.  S  II.  IX,  208 f.     '>•'')  C  S  II.  IX,  224. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  15 


für  gottesdienstliche  Zwecke,  besonders  den  Chorgesang, 
errichtet  und  in  der  Regel  von  einer  geringen  Zahl  armer 
einheimischer  oder  umherwandernder  Knaben  und  Jüng- 
linge gebildet  wurden ,  oder  einem  mehr  oder  weniger 
wissenschaftlichen  Unterrichte  dienten,  theils  bloss  für  ein- 
heimische und  fremde  Kleriker,  theils  als  öffentliche  und 
sogenannte  äussere  Schulen  (schola  publica,  schola  exterior) 
auch  für  Laien. 

Wann  nun  die  Chorschule  am  Meissener  Dom  zuerst 
einen  besonderen  Rektor  erhalten  hat,  der  nicht  zu  den 
Kanonikern  oder  den  Vikaren  des  Domstifts  zählte,  wissen 
wir  nicht.  Der  erste  uns  namentlich  bekannte  Schul- 
meister am  Dome  ist  wohl  jener  „magister  Heinricus  de 
Wystroph  rector  scolarium",  der  olme  weitere  Angabe, 
auch  ohne  jede  Bezeichnung  als  Domherr,  Vikar, 
Priester  u.  s.  w.,  in  einer  zu  Meissen  am  18.  November 
1323  ausgestellten  Urkunde  des  Burggrafen  von  Meissen 
erscheint  und  zwar  an  letzter  Stelle  unter  den  Zeugen, 
die  in  dem  Propste  von  Würzen,  drei  Meissener  Dom- 
herren, den  Pfarrern  von  Lössnitz  und  Seuslitz  und  eben 
jenem  Heinrich  bestehen  ■^■^).  Der  zweite  bekannte  Schul- 
meister ist  der  Zeuge  in  einer  Urkunde  vom  20.  Januar 
1358'^^),  Johannes  von  Schildow  „der  schuler  meistir",  zu 
dessen  Zeiten  der  in  den  Jahren  1357  und  1358  wiederholt 
vorkommende  Dietrich  von  Capellendorf  (siehe  S.  8  No.  24) 
Domscholastikus  war.  Zu  den  Nachfolgern  jenes  Hein- 
rich und  Johannes  ist  wohl  auch  „dominus  Franciscus 
rector  parvulorum  in  Castro  Misnensi"  zu  rechnen,  dem 
am  20.  Mai  1405  vom  Markgrafen  Wilhelm  von  Meissen 
einer  am  6.  März  von  den  Testamentsvollstreckern  beur- 
kundeten Stiftung  eines  Dekans  zufolge  das  dem  ,, rector 
scolarium  seu  parvulorum  in  Castro  Misnensi*'  übertragene 
Kollaturrecht  von  vier  Vikarien  bei  der  Domkirche  nur 
für  den  nächsten  Vakanzfall  belassen  ward,  indem  der 
Markgraf  für  die  weitere  Zukunft  zur  grösseren  Sicherung 
vor  ferneren  Beeinträchtigungen  das  Patronatsrecht  für 
sich  und  seine  Nachfolger  übernahm"'"').  Die  Stellung 
dieser  Schulmeister,  die  nach  dieser  Stiftung  an  die  der 
Scholastici  heranzureichen  scheint  "'*'),  war  in  Meissen  often- 


5«)  C  S  II.  IV.  140.     •>')  CSU    II.  9.     ■'••')  C  S  II.  II,  320. 

^^)  Dass  unter  dem  rector  Franciscus  nicht  ein  Scholastikus  zu 
verstehen  ist,  ergiebt  sich  aus  der  Thatsache,  dass  den  19.  Jan.  1405 
Joh.  V.  Schleinitz  als  Scholastikus  erscheint  (C  S  IT.  II,  317).  —  In 
einer  Stiftung  vom  30.  Juli  1338  steht  der  Schulmeister  tiefer;    da 


16  Johannes  Müller: 

bar  dieselbe,  wie  sie  solche  Rektoren  anderwärts  hatten. 
Diese  wurden  auf  Kündigung  —  in  der  Regel  auf  viertel- 
jährige —  angenommen,  brauchten  nicht  gerade  Geist- 
liche zu  sein  und  standen  unter  dem  Scholastikus ,  der 
sie  anzunehmen,  zu  beaufsichtigen  und  zu  entlassen  hatte. 
In  Bezug  auf  den  Gesang  waren  sie  von  den  Anord- 
nungen des  Kantors  abhängig,  der  in  allen  Stiften  einer 
der  Hauptwürdenträger  war,  im  Chor  gewöhnlich  zur 
Seite  (aber  unterhalb)  des  Propstes  stand,  das  Chorgebet, 
die  Lesimgen,  den  Gesang  der  Kanoniker,  Vikare,  Kapläne 
wie  der  Scholaren  zu  überwachen,  beziehentlich  einzu- 
üben und  sonst  vorzubereiten  hatte-").  Ihre  Obliegen- 
heiten wurden  gewöhnlich  in  zweifache  gegliedert:  in 
solche  bezüglich  der  Schule  und  in  solche  bezüglich  des 
Chors.  Der  Unterricht  in  der  Schule  war  je  nach  Art 
der  letzteren  verschieden,  in  den  Chorschulen  aber  sehr 
dürftig  (Lesen,  Schreiben,  Singen  und  Memorieren  des  zum 
Gottesdienst  Nöthigen,  etwas  Latein);  auf  dem  Chore 
hatten  die  Schulrektoren  vor  allem  auf  ordnungsgemässes, 
sittsames  Benehmen  der  Schüler  zu  halten  und  das  Fehlen 
wie  nachlässige  Singen  derselben  zu  verhüten  ^^).  Dafür 
dass  der  Schulmeister  mit  seinen  Knaben,  beziehentlich 
einer  bestimmten  Anzahl  derselben  den  Jahrgedächtnissen, 
Vigilien  und  Messen  beiwohnte  und  auf  guten  Gesang 
hielt,  wurde  ihm  zu  Meissen  bei  Stiftungen  solcher  Seel- 
messen u.  s.  w.  in  der  Regel  ein  Geldbeitrag  oder  auch 

wird  den  beim  Feste  der  1100  Jungfrauen  anwesenden  Domherren 
je  1  Pfund,  den  Vikaren  Va  Pfund,  dem  magistro  scolarium  und  dem 
Glöckner  je  1  Schilling  zugewiesen  (C  S  II.  I,  351). 

ö'')  A'ergl.  z.  B.  Helfenstein  a.  a.  O.  —  Die  Reihe  der  nach- 
weisbaren Kantoren  am  Dome  zu  Meissen  bis  1400  ist  folgende: 
1263,  18.  Oktbr.  Conradus  cantor  (C  S  IL  VII,  4;  ungenau  Machat- 
schek  9  u.  199);  1273  Amol  du  s  felicis  memoriae  archidiacon.  quon- 
dam  Nisaniae  et  cantor  eccles.  Misn.  (II.  I,  177);  1271,  8.  März 
Heidricus  (IL  IV,  9);  1273  Heidenricus  deDewin  (IL  I,  177; 
noch  1292,  9.  Nov.:  IL  I,  241);  1296,  18.  Mai  Conradus  (IL  I,  250; 
noch  1305,  30.  Jan  :  IL  I,  2H5);  1311,  26.  Mai  Lutoldus  (IL  III, 
276;  L.  de  Gurwitz  IL  III,  287;  noch  1323,  18.  Nov.  IL  IV,  139); 
1325,  15.  Jan.  Albertus  de  Lisenik  (IL  L  319;  1326,  Mai:  IL 
I,  321);  1328,  27.  Pebr.  Hermannus  de  Wolfticz  (IL  I,  324;  noch 
1339,  25.  Okt.:  IL  I,  351);  1.342,  23.  Okt.  Palbertus  de  Mul- 
husin  (IL  I,  360,  vergl.  IL  IV,  27;  noch  1379,  14.  Okt.  IL  II,  174; 
1381,  28.  Mai  t  olim:  IL  II,  196 f.);  1383,  16.  Okt.  Otto  de  Donyn 
(IL  VI,  339);  1395,  1.  Febr.  Andreas  Grauwe  (IL  II,  266,  vergl. 
294;  1405,  17.  Sei)t.  Andreas  Grawe  sangmeister  vnde  thumherre: 
IL  IL  327;  1407,  13.  Aug.  quondam:  IL  II,  337). 

■"*)  S.  meine  Schulordnungen  etc.  I  (Zschopau  1885),  45  u.  ö. 


Die  Allfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  17 

eine  Portion  Wein  ausgesetzte^).    Über  seine  sonstigen 
Einnahmen  ist  nichts  bekannt. 

Ergiebt  sich  aus  dem  Bisherigen,  dass  die  Schule  am 
Meissener  Dom  zunächst  eine  Choi'schule  armer  Knaben 
war,  so  machen  sich  im  14.  Jahrhundert  und  in  den  ersten 
Jahrzehnten  des  15.  Jahi^hunderts  Umstände  geltend, 
welche  zwar  das  Wesen  der  Meissener  Domschule  als 
einer  blossen  Chorschule  nicht  alterieren,  aber  doch  einen 
Unterschied  unter  den  Schülern  anzunehmen nöthigen. 
Am  14.  Juni  1376  hören  wir,  wie  dem  Schulrektor  (rector 
scolarum)  bei  Stiftung  eines  Jahresgedächtnisses  2  Groschen 
vermacht  werden,  damit  er  mit  den  Knaben  und  Scholaren 
(cum  pueris  et.  scolaribus)  den  Vigilien  und  der  Messe 
beiwohne*^**).  Ähnlich  werden  am  12.  April  1405  die  Scho- 
laren (scolares),  die  für  ihre  Dienste  in  den  Vigilien  und 
Messen  an  einem  vom  Markgrafen  Wilhelm  gestifteten 
Altar  über  dem  Grabe  seiner  Gemalilin  Elisabeth  von 
den  jährlich  42  Schock  Meissener  Groschen  betragenden 
Stiftungsrenten  jährlich  11  Schock  erhalten  sollen,  von 
den  Chorschülern  (choralibus)  unterschieden,  die  für  jeden 
Termin  4  Groschen  empfingen  *^^).  Am  6.  März  1405  wii^d 
endlich  dem  Rektor  der  Scholaren  oder  Kiemen  (rectori 
scolarium  seu  parvulorum)  im  Meissener  Schloss  (s.  ob.) 
einer  Stiftung  gemäss  das  KollatiUTecht  über  4  bei  der 
Domkiixhe  gestiftete  Vikarien  derart  zugesprochen,  dass 
der  Rektor  mit  Zustimmung  eines  älteren  Kapitelherrn 
und  eines  Domvikars  für  diese  Vikarien  einen  von  den 
Chorälen  (choralibus)  der  Domkii'che  präsentieren  solle, 
der  ein  volles  Jahr  vor  der  Vakanz  der  Vikarie  ununter- 
brochen das  Amt  eines  Choralis  verrichtet  habe  (in  hujus 
modi  officio  choralium  continue  serviverit  per  annum  inte- 
grum precedentem)  und  zur  Erlangung  der  Priesterwürde 
geeignet  sei  (unum  ex  choralibus  ecclesiae  Misn.  idoneorem 
et  ad  presbyteratus  ordinem  promoveri  magis  habilem)*'-). 
Aus  alle  dem  ergiebt  sich,  zumal  wenn  Avir  noch  die  uns 
genauer  bekannten  Verhältnisse  an  anderen  Stiften  in 
Betracht  ziehen,  dass  im  14.  Jahrhundert  drei  Gruppen 
von  Schülern,  wenn  wir  sie  so  nach  mittelalterlicher, 
unseren  modernen  Begriffen  freilich  nicht  ganz  konformer 

^^)  1373,  10.  Nov.:  dimidia  stopa  vini  pro  rectore  scolarum,  ut 
cum  pueris  intersit  (einer  Seelmesse  am  10.  iS'ov.),  de  portione  cano- 
nicorum  et  vicariorum  primitus  deducta  et  reservata  (C  S  11. 11, 151). 
Vergl.  Note  42  u.  4(3.      e»)  C  S  IL  II,  161.    »^  CSU.  II,  318. 

ö2)  C  S  II.  II,  317. 

Neues  Archiv  f.  S.  Ci.  u.  A.  Vlll.  1.  2.  * 


18  Johannes  Müller: 

Terminologie  nennen  wollen,  unter  der  Leitung  des  Meissener 
Chor-Scliulrektors  standen:  1.  pueri  oder  parvuli,  Knaben, 
2.  Scholaren,  scolares  im  engeren  Sinne,  3.  Clior- 
schüler,  chorales  im  engeren  Sinne.  Es  sind  dies 
drei  Gruppen,  deren  Unterschiede  vielfach  nicht  ins  Auge 
gefasst  werden,  wodurch  dann  die  Vorstellungen  vom 
mittelalterlichen  Schulwesen  sich  leicht  unrichtig  gestalten 
und  man  verleitet  wird  und  verleitet  worden  ist,  Ein- 
richtungen anzunehmen,  die  unserem  gegenwärtigen  Jugend- 
und  Volksschulwesen  zu  ähneln  scheinen,  während  man  es 
thatsächlich  nur  mit  Scholaren  und  Chorälen  im  engeren 
Sinne  d.  h.  mit  erwachsenen  jimgen  Leuten  oder  gar  schon 
mit  jungen  Männern  zu  thun  hat,  die  rein  klerikale  oder 
kirchliche  Aufgaben  erfüllten,  beziehentlich  Berufsarten 
bildeten  ^'^). 

Über  die  Scholaren  im  engeren  Sinne  ist  später 
noch  genauer  zu  handeln;  hier  genüge  vorläufig  die  Be- 
merkung, dass  darunter  einzelne  jüngere  oder  ältere  Ge- 
hilfen, Begleiter,  Schreiber  und  dergl.  von  Pfarrern  und 
Kanonikern  zu  verstehen  sind,  die  in  Pfarreien  in  der  Regel 
vom  Pfarrer,  in  Stiften  von  dem  Schulmeister  anzulernen 
waren ^'^j.  Über  das  Institut  der  Chorälen  geben  ge- 
nügende Aufsclüüsse  die  Hausordnung  für  die  12  Chor- 
schüler in  der  Spitalschule  zu  Nüi-nberg  v.  J.  1343  ^^), 
die  Statuten  des  Scholasteramts  zu  Xanten*'*^),  die  Stiftung 
für  6  Chorälen  zu  Cleve  v.  J.  1433*^"),  ein  Vertrag  zwischen 
Stift  und  Rath  zu  Emmerich  vom  24.  Februar  1453  ^^)  mid 
eine  Stiftung  der  Frau  Brigitta  Somiewald  zu  Torgau 
v.J.  1484*^^).  In  der  Nürnberger  „korschuler  regel"'  von 
1343  werden  die  Chorschüler  von  den  „deinen  schulern"  und 
im  Emmericher  Vertrage  von  den  Bürgerkindern  und  den 
Kindern  von  auswärts,  „dat  gheen  [keine]  Chorälen  en  syn", 
ausdrücklich  unterschieden  ;  in  der  Torgauer  Stiftung  wird 


<'^)  Selbst  F.  A.  Specht  lässt  noch  die  rechte  Klarheit  A'er- 
missen,  bespricht  überhaupt  die  letztgenannten  zwei  Gruppen  nicht. 

*^)  Vergi.  meine  Schulordnungen  I,  45.  Im  Stift  Beromünster 
in  Kant.  Luzern  sollte  der  Schulmeister  jedem  Chorherrn  „ein  schuler 
one  Ion  leren". 

"5)  Meine  Schulordn.  I,  17  flg. 

ß*^)  F.  Nett  es  heim,  Gesch.  der  Schulen  im  alten  Herzogthum 
Geldern  etc.  (Düsseldorf  1881)  S.  374  f. 

6^)  Nettesheim,  S.  133. 

68)  Meine  Schulordn.  II,  292  flg. 

<**>)  C.  Knabe,  Die  Torgauer  Visitationsordnung  von  1629 
(Torgau  1881)  S.  16  sab  18. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  19 

bestimmt,  dass  die  Cliorales  nicht  Schüler  zu  sein  brauchen ; 
nach  den  Xantener  Statuten  sollten  sie  Studenten  sein. 
In  Cleve  sollten  die  6  Chorälen  auf'  Rath  des  Rektors 
und  Scholasters  aus  Knaben,  die  von  dürftigen  Eltern 
abstammten,  aber  im  Singen  und  Lesen  tüchtig  wären, 
gewählt  werden.  In  Xanten  wohnten  sie  in  den  Häusern 
der  Kanoniker  oder  Beneficiaten,  in  Nürnberg  im  Spital. 
In  Nürnberg  sollte  sie  der  Schulmeister  lehren,  „darumb, 
daz  frum  gaistlich  leut  gezogen  Averden,  daz  sie  zu  grozzerm 
gotz  dinst  kumen  mügen'',  und  ,,wer  niht  priester  werden 
wil,  den  sol  man  zu  korschuler  nilit  nemen,  vnd  wenn  ein 
priester  stirbt,  so  sol  man  dem  paz  gelersten  vnd  aller 
endlichstem,  der  vnter  den  zwelf  korschulern  ist,  die  selben 
pfrünt  leihen".  In  Emmerich  hatten  die  Chorälen  Feier- 
und Wochentags  zu  Chore  zu  gehen  bei  der  Messe,  Prime, 
Seelmesse,  Vesper  und  im  Sommer  zur  None;  anderwärts 
war  es  ähnlich.  Und  in  Meissen,  wo  schon  im  Jahi^e  1205 
über  die  Nachlässigkeit  der  Domherren  geklagt  werden 
musste  und  sich  dieselben  für  die  Besorgung  des  Gottes- 
dienstes durch  Annahme  von  Priestern,  von  ständigen  oder 
zeitweisen  Vikaren  (vicarii  perpetui  ac  temporales),  Er- 
leichterung schafften  mid  auch  die  Seelsorge  anderen  über- 
liessen,  bildete  das  Institut  der  Chorälen  offenbar  die 
Vorstufe  zu  den  Vikarien  und  waren  die  jungen  Leute 
vor  allem  dazu  da,  an  Stelle  der  Domherren  die  Hören 
zu  singen  ^°).  Da  nun  am  Meissener  Dom  die  ausser  den 
Scholaren  und  Chorälen  im  engeren  Sinne  vorkommenden 
Knaben  oder  Kleinen  (pueri,  parviüi)  nach  Obigem  offen- 
bar auch  nur  den  kii'chlichen  und  speziell  den  Chor- 
zwecken dienten,  so  muss  abschliessend  die  Behauptung 
aufrecht  erhalten  werden,  dass  die  Meissener  Domschule 
vom  12.  bis  15.  Jahrhundert  nur  eine  Chorsclmle  war  oder, 
um  mit  den  Worten  aus  einer  Ordnung  für  den  Stifts- 
schulmeister zu  Münster  im  Kant.  Luzern  vom  Jahre  1420 
(beziehentlich  1326)  zu  reden,  dass  es  der  Chor  war, 
,;dem  zuo  dienst  die  schuol  gestifft  ist",  imd  auch  der  dort 
gleich  folgende  Zusatz  wird  auf  die  Meissener  Schule 
Anwendung  erleiden  dürfen,  dass  der  Chor  „nit  harwider 
durch  daz  zitt  [Zeit]  der  1er  niemer  versumpf  werde"  '"*). 


''^)  An  dem  i.  J.  1480  gegründeten  KoUegiatstift  zu  unserer 
lieben  Frauen  in  Freiberg  standen  die  Chorälen  unter  besonderer 
Leitung  des  Dekans  („choralibus  presit  eosque  suscipiat  ac  dirigat," 
1480,  14.  Aug.     C  S  II.  XII,  540).       'O*)  Yergl.  Note  64. 

2* 


20  Johannes  Müller: 

Neben  der  Domschule  treffen  wir  in  Meissen  sehr 
bald  eine  zweite,  zugleich  die  zweite  Schule  Sachsens, 
deren  Vorhandensein  sich  urkundlich  belegen  lässt.  Bischof 
Dietrich  II.  von  Meissen  gründete  nämlich  im  Jahre  1205 
(3.  März)  zui'  Beförderung  des  religiösen  Lebens  wegen 
der  Nachlässigkeit  der  Kanoniker  vom  Dome  zu  Meissen 
(pro  negligentiis  fratrum  nostrorum  tam  presencium  quam 
futurorum  religionem  de  novo  plantare  volentes)  einen  Kon- 
vent von  Augustmer-Chorherren  an  der  Kii'che  S.  Afra, 
denen  er  auch  die  Seelsorge  in  Meissen  und  Umgegend 
übertrug;  zugleich  verordnete  er  bei  S.  Afra  die  Grün- 
dung einer  Schule  von  zwölf  weltlichen  Knaben 
behufs  Hebung  des  Gottesdienstes  in  der  genamiten  Kirche 
(ut  divinum  officium  sollempnius  celebretur,  scolae  illic 
XII  puerorum  secularium  habeantur")  ^^).  Aus  dem  Aus- 
drucke: weltliche  Knaben,  die  den  kanonischen  gegen- 
überstehen, erhellt,  dass  die  Schule  nicht  für  zukünftige 
Domherren,  zur  Gewinnung  eines  geistlichen  Nachwuchses 
und  seiner  wissenschaftlichen  Bildung  bestimmt  war,  son- 
dern nur  zu  gottesdienstlichen  Zwecken.  Wie  die  Zahl 
der  Schüler  eine  sehr  besclu^änkte  war,  so  kam  es  nur 
darauf  an,  einige  Laienknaben  oder  Jünglinge  zu  haben 
und  dazu  zu  befähigen,  dass  sie,  wie  die  Chorschüler  am 
Dome,  bei  Hochämtern,  Vigilien,  Seelmessen,  Prozessionen 
u.  s.  w.  Gesänge  ausfülu-en  mid  in  sittsamer,  verständiger 
Weise  Helferdienste  verrichten,  vielleicht  auch  zeitweise 
bestimmte  Stücke  verlesen  konnten.  Die  „Schule''  verfolgte 
also  ebensowenig  wie  die  am  Dome  allgemeine  sittliche 
Erziehungszwecke,  sondern  nur  kirchliche  und  trug 
nicht  im  Entferntesten  den  Charakter  der  Öffentlichkeit 
und  Allgemeinheit  noch  der  Wissenschaftlichkeit;  sie  war 
ebenfalls  nur  Chorschule'-).  Die  Schülerzahl  scheint 
sich  laut  der  schon  besprochenen  Urkunde  vom  20.  November 
1279  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  von  12  auf  24  ver- 
doppelt zu  haben.    Füi-  ihre  Dienste  erhielten  die  Schüler 


'1)  C  S  II.  IV,  102  u.  die  kürzere  Urk.  v.  3.  März  1205  eben- 
da 104. 

'^)  Wenn  noch  Machatschek  S.141  diese  Schule  der  12  welt- 
lichen Knaben  zu  einer  „Pflanzstätte  des  Christenthums,  katholischer 
Theologie  und  jeder  schönen  Wissenschaft"  macht,  wenn  er  sagt, 
dass  die  12  Knaben  „darin  Unterricht  in  der  Musik,  latein.  Sprache, 
Schreib-  und  Dichtkunst,  Malerei  und  im  Chorgesange  erhalten 
sollten ,  um  zu  den  geistlichen  und  kirchlichen  Amtem ,  die  man 
ihnen  in  der  Folge  anvertrauen  wollte ,  geschickt  zu  sein" ,  so  ist 
das  eine  völlig  unkritische  Schönfärberei. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  21 

wahrscheinlich  ihren  Lebensunterhalt  oder  wenigstens 
einen  Lohn  vom  Stifte,  \aelleicht  auch  aus  Almosen.  Ver- 
mächtnisse und  Stiftungen  zu  ihrem  Besten,  wie  sie  uns 
oben  bei  Besprechung  der  Dom  -  Chorschule  für  deren 
Schüler  begegnet  sind,  lassen  sich  nicht  nachweisen. 

Auffälligerweise  erscheint  erst  sehr  spät  ein  Schul- 
meister, beziehentlich  auch  ein  Kantor  am  Afrastift:  erst 
den  1.  Dezember  1360  ein  Johannes  Dypoldswalde  protunc 
rector  scolarium  scolae  sanctae  iVffrae'^-')  und  gar  erst  den 
28.  September  1396  ein  „Friczoldus  de  Nassow  cantor"  '^). 
Die  Schule  scheint  darnach  in  der  älteren  Zeit  imter 
Leitung  des  Priors  oder  Propstes  selbst  gestanden  und, 
da  niemals  ein  Scholastikus  oder  magister  principalis  er- 
wähnt wird,  eines  solchen  besonderen  höheren  Leiters  ent- 
behrt zu  haben,  wie  er  am  Domstift  Meissen  seit  dem 
12.  Jahrhundert  stets  vorhanden  war.  Der  letztere  Um- 
stand erklärt  aber  zugleich  das  Fehlen  eines  Scholasti- 
kus am  Chorherrenstift;  die  Stellung  des  Domscholasters 
vertrug  eine  Konkurrenz  am  Orte  und  in  der  Nachbar- 
schaft nicht. 

Eine  gelehrte  Schule  beün  Afrastift  neben  der  Chor- 
schule anzunehmen,  dazu  berechtigt  der  Umstand,  dass 
später  bei  S.  Afra  das  noch  jetzt  berülunte  Gymnasium 
entstanden  ist,  gar  nicht.  Auch  wenn  wir  in  der  Zeit 
von  1371  —  1452  von  verschiedenen  Abstufungen  innerhalb 
des  Konvents  hören,  wonach  dessen  Mitglieder  in  „eman- 
cipati''  und  „seniores"  d.  h.  solche,  welche  die  Priester- 
weihe empfangen  hatten  und  Sitz  und  Stimme  im  Konvent 
besassen,  und  in  „non  emancipati,  juniores  domini",  „junge 
herren"  zerfielen''-^),  so  kann  aus  dieser  Thatsache  noch 
nicht  ohne  weiteres  auf  das  Bestehen  einer  sogenannten 


'"")  C  S  II.  IV,  152.  Den  4.  Okt.  1361  giebt  er  sich  noch  die 
nähere  Bestimmung:  de  Dresden;  s.  C  S  II.  IV,  154  Nr.  215.  Den 
12.  Jan.  1362  nennt  er  sich  „Joh.  Dipolsswalde  rector  scolae  eiusdem 
monasterii",  und  gleich  nach  ihm  in  der  Zeugenreihe  steht  ein 
.Andreas  Fabri  de  Missna  Scolaris«;  s.  CS  IL  IV,  153  Nr.  216. 
Über  den  Scolaris  s.  später.      '*)  0  S  II.  IV,  169. 

■=")  C  S  n.  IV,  155  Urk.  v.  7.  .Juli  1371 :  canonicis  regularibus 
dividere  taliter,  quod  emancipati  integras  portiones  percipere  debeant 
et  alii  non  emancipati  percipere  debeant  mediam  portionem  de  pe- 
cunia.  Vergl.  C  S  II.  IV,  170  u.  278.  —  Am  Dome  zu  Meissen 
wird  schon  24.  .Tnni  1246  verordnet,  dass  ein  canonicus  in  minori  pre- 
benda  constitutus,  postquam  integratus  fuerit,  die  ersten  zwei  Mark 
abzugeben  habe  (II.  I,  123),  u.  26.  Okt.  1296,  dass  allein  den  „per- 
sonis  emancipatis"  die  Praelaturen  gegeben  werden  sollen  (IL 
I,  251),  u.  den  10.  Nov.  1373   ist  von  „canonici  emancipati  et  inte- 


22  Johannes  Müller: 

inneren,  für  die  gelehrte  Ausbildung  der  Klostergeistlich- 
keit bestimmten  Stiftsschule  geschlossen  werden.  Anders 
scheint  sich  aber  unser  Urtheil  gestalten  zu  müssen,  Avenn 
die  jungen  Herren  „domini  juvenes  scolas  intrantes"  ge- 
namit  werden  und  von  einem  „regularis  scolas  intrans"  oder 
auch  von  „sedentes  in  scolis"  geredet  wird.  Und  das  ge- 
schieht im  letzten  Viertel  des  14.  und  zu  Anfang  des 
15.  Jahrhunderts^*^).  Allein  trotzdem  dünkt  es  mich  ge- 
wagt, eine  wirkliche  wissenschaftliche  Ausbildung  der 
jungen  Kleriker,  das  Bestehen  einer  gelehrten,  nach  Obigem 
selbstverständlich  auf  die  Klosterinsassen  beschränkten 
Stiftsschule  anzunehmen.  Es  verlautet  darüber  auch 
später  nie  etwas,  was  zu  dieser  Annahme  irgendAvie 
nöthigte;  wohl  aber  werden  in  einer  Ordnung  für  die 
Prozession  in  der  Frohnleichnamsoktave  v.  J.  1503  „sco- 
lares"  und  „chorales"  zu  S.  Afra  neben  den  Kanonikern 
unterschieden  ").  Darnach  und  bei  der  Weite  des  mittel- 
alterlichen Begriffs  von  scola  möchte  ich  meinen,  dass  es 
sich  in  der  Schule  für  die  „jungen  Herren"  d.  h.  für 
die  im  Jünglings-  oder  niederen  Mannesalter  stehenden 
Kleriker,  die  allmählich  zur  Priesterweilie  gelangten  und 
in  die  Chorherrenpfründe  einrückten,  im  "Wesentlichen  nur 
um  Belehrungen  und  Übungen  für  den  Kirchendienst  und 
für  das  Klosterleben  handelte,  ähnlich  dem,  was  oben 
S.  14  aus  den  Statuten  der  Leipziger  Augustiner-Chorherren 


grati  vocem  in  capitulo  habentes"  die  Rede  im  Unterschied  von  den 
Vikaren  u.  s.  w.  (II.  II,  151,  vergl.  IL  I,  297). 

■'ö)  C  S  II.  IV,  161  den  14.  April  1382:  campanatori  tantum, 
quantnm  uni  regulari  scolas  intranti,  ut  melius  pulset;  ebenso  C  S  II. 
IV,  168  d.  11.  Nov.  1392;  ähnlich  C  S  II.  IV,  193  d.  28.  Aug.  1405: 
campanatori  tantum,  quantum  uni  conventuali  de  iuvenibus  dominis 
scolas  intranti;  desgl.  II.  IV.  207  d.  I.Mai  1417:  quantum  mii  ex 
minoribus  dominis  adhuc  scolas  intranti.  Den  21.  Dez.  1403 :  de  qui- 
bus  fructibus  mihi  praeposito  .  .  .  similis  portio  utpote  alteri  con- 
ventuali, juvenibus  vero  dominis  scolas  iutrantibus  media  dumtaxat 
tribuatur;  C  S  II.  IV,  192.  Am  24.  Jau.  1406  bestimmt  Bischof 
Thimo  die  ßangstellung  von  Mitgliedern  des  Dom-  u.  des  Afrastifts 
derart,  dass  der  Propst  von  Afra  zur  Seite  des  Doradekans,  die  Pres- 
byter (Priester)  von  Afra  über  den  Vicarii  perpetui  des  Doms,  die 
.,sedentes  vero  in  scolis  supra  omnes  vicarios  temporales"  ihren  Platz 
haben  (C  S  II.  TV,  194).  —  Den  23.  Aug.  1408:  „alle  montage  vnd 
mittewochen  sulle  wir  (Propst,  Prior  etc.)  selemessen  singin  mit  den 
jungen  herren  in  der  cappelle  .  .  die  messen  .  .  .  sullen  die  jungen 
herren  helfen  singen  one  wedirrede";  C  S  II.  IV,  197. 

")  C  S  II.  IV,  253.  Dazu  kommen  die  letzten  Sätze  sub  76 
über  die  Verpflichtungen  der  „jungen  Herren"  in  Betracht. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  23 

vom  Jahre  1445  mitgetheilt  Trorden  ist^^).  Unter  wessen 
Leitims:  diese  Schule  stand,  ob  die  Dinge  so  lagen,  "wie 
bei  der  Domschule  oder  anders,  das  wissen  wir  nicht, 
auch  nicht,  in  welchem  Verhältnisse  sie  sich  zu  der  Schule 
der  12—24  weltlichen  Chorknaben  befand. 

Fast  gleichzeitig  mit  den  bisher  besprochenen  kleri- 
kalen Schulen  zu  Meissen  zeigen  sich  die  ersten  Spinaen 
zweier  ganz  ähnlicher:  der  Stiftsschulen  zu  Bautzen 
und  Würzen. 

Von  Meissen  aus  war  Ende  des  10.  Jalulianderts  die 
Herrschaft  der  Deutschen  und  mit  ihr  das  Christenthum 
in  die  Oberlausitz  gekommen,  und  der  erste  bekannte 
oberste  Geistliche  der  letzteren,  der  Archidiakon  (bischöf- 
liche Vertreter)  des  Landes  Budissin,  Nikolaus  zu  Bautzen, 
der  zuerst  im  Jahre  1216  erwähnt  wird,  war  zugleich 
Domherr  zu  Meissen  und  bekundete  damit  den  alten  Zu- 
sammenhang der  Bautzener  Kirche  mit  der  Meissener 
Mutterkirche '^).  In  Bautzen  selbst,  das  ziun  ersten 
Male  im  Jahre  1002  Stadt  (urbs  Budusin)  heisst,  soll  im 
Jahre  1074  das  erste  christliche  Kirchlein  durch  Bischof 
Benno  von  Meissen  zur  Pfarrkirche  umgebaut  worden 
sein,  worauf  diese  nach  nochmaligem  Umbau  von  Bischof 
Bruno  IL  den  24.  Juni  1221  eingeweiht  wui^de.  Zuvor 
war  noch  an  Stelle  der  blossen  Stadtpfarrei  ein  Kollegial - 
Stift  mit  einem  Propste  und  sechs  anderen  Kanonikern 
errichtet  (und  eben  deshalb  jedenfalls  auch  der  Chor  der 
Kirche  neu  gebaut)  ^'^)  worden.  Unter  den  Kanonikern 
erscheint  nun  schon  den  13.  März  1218  ein  „Johaimes 
scolasticus"^^),  der  den  5.  August  1221  von  Bischof 
Bruno  IL  „Johannes  notarius  noster,  scolasticus  Bud- 
sinensis"^^)  genannt  wird,   also,  wie  dies  meist  bei  den 


'*)  Eine  andere  Auffassung  bei  Th.  Flathe,  Das  Kloster  der 
Augustiner-Chorhenen  zu  S.  Afra,  in  K.v.  Wehers  Archiv  f.  sächs. 
Gesch.    N.  Folg.  II  (1876).  74  flg. 

'0)  C  S  IL  I,  81. 

^)  H.  Knotlie,  Zur  ältest.  Gesch.  der  Stadt  Bautzen,  in  dieser 
Zeitschr.  V  (Dresden  1884),  S.  80  u.  57  flg.  —  F.F.  (Prihonsky), 
Statuten  des  CoUegiatstifts  S.  Petri  zu  Budissin  in  ihrer  Entsteh- 
ung und  Fortbildung  (Budissin  1858)  S.  2flg. 

81)  Beyer  a.  a.  0.  S.  529.  Um  1220:  C  S  H.  IV,  443;  den 
25.  Febr.  1222:  IL  I,  87;  d.  27.  Sept.  1222:  C.  0.  Gercken,  Historie 
der  Stadt  Stolpen  (Dresden  1764)  S.  542;  d.  19.  Jan.  1223  u.  29.  Jan. 
1226:  G.  Köhler,  Cod.  dipl.  Lusat.  I,  S.  35»  u.  38;  noch  den 
15.  Jan.  1228:  Beyer  S.  538. 

82)  Schöttgen  u.  Kreysig,  Diplomat.  11,  176.  Vergl.  suh 
9.  Febr.  1223  C  S  IL  IV,  108. 


24  Joliaimes  Müller: 

Scholasteni  der  Fall  war,  das  Amt  eines  Kanzlers  und 
Archivars  des  Stifts  verwaltete.  Am  19.  Februar  1223 
wurde  die  Wahl  des  Scholastikus  und  des  Kustos  des 
Bautzener  Stifts  dem  Meissener  Bischof  vorbehalten, 
während  die  Bautzener  Domherren  ihren  Propst  und  _De- 
kan,  wie  anderwärts,  selbst  wählen  durften ^^).  Über 
die  Schule  selbst  wissen  wir  z.  Z.  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert gar  nichts.  Offenbar  war  dieselbe  aber  der 
Meissener  Dom  -  Chorschule  nachgebildet,  und  damit 
stimmen  die  aus  dem  14.  Jahrhundert  auf  uns  gelangten 
Nachrichten.  In  den  vom  Bischof  Konrad  von  Meissen 
den  31.  Oktober  1372  bestätigten  Statuten  des  Bautzeuer 
Domkapitels  wird  §  17  von  dem  erst  jüngst  errichteten 
Amte  eines  Kantors  gehandelt  und  dabei  dem  Kantor 
aufgegeben,  dass  er  zu  bestimmten  Zeiten  und  bei  be- 
stimmten Gesängen  mit  seinen  Gehilfen  bei  den  Knaben 
auf  dem  Chore  stehen  (cantor  cum  provisoribus  stabit 
juxta  pueros  in  choro),  beziehentlich  aufstehen  solle  (sur- 
gent  cantor  et  provisores  et  stabunt  circa  pueros  in  choro) ; 
und  von  den  Knaben  hören  wir,  dass  sie  ebenso  wie  die 
im  Meissener  Dome  zu  räuchern  hatten  und  zwar  auch 
ihren  Kantor  und  seine  Gehilfen  (tunc  duo  pueri  cum 
thuribulis  venient  et  thurificabimt  ambo,  cantorem  primo 
et  tunc  quilibet  illorum  puerorum  thuriflcabit  unum  ex 
provisoribus)  ^^),  und  dass  sie  an  Festtagen  alle  mit  der 
Cappa,  dem  mit  einer  Kapuze  versehenen  Schulterum- 
hang oder  Mantel,  bekleidet  sein  mussten  und  seitens 
des  Kantors  durch  einen  Aufpasser  —  em  in  den  mittel- 
alterlichen Schulen  sehr  beliebtes  disciplinelles  Institut  — 
überwacht  werden  sollten  (et  in  choro  habeat  cantor 
correctorem  puerorum)  ^^).  Das  Amt  des  Kantors  wird 
in  den  Statuten  übrigens  nicht  als  dignitas  (Würde), 
sondern  als  officium  bezeichnet;  er  gehörte  also  nicht  zu 


83)  Knothe  S.  89.  Am  29.  Jan.  1226  wurde  von  Bischof 
Bruno  II.  vonMeisseu  bestimmt  (F.  P.,  Statut,  des  Colleg.  S.  4,  u.  G. 
Köhler,  Cod.  dipl.  Lusat.  I,  37):  Et  decauum  eligaut  [die  Kanoniker] 
de  cousortio  suo  sibi  ita  quod  scholarum  et  custodiae  donatio  nobis 
et  nostris  successoribus  reservetur,  sicut  etiam  in  majori  ecclesia 
Misnensi  actenus  hahuit  se  jus  nostrum. 

8*)  Stat.  d.  Colleg.  S.  13  flg.  Machatschek  a.  a.  0.  S.  306flg. 
—  Dem  ohigen  Satz  folgt:  Et  illa  thurificatione  facta  cantor  stabit 
in  medio  chori  ante  pulpitum,  et  provisores  stabunt  juxta  pueros, 
quilibet  in  uno  choro,  quousque  dicetur  Gloria  patri ;  tunc  etiam  can- 
tor ibit  et  stabit  juxta  pueros,  quousque  compleatur  antiphona. 

85)  Stat.  d.  Coli.  S.  15.    Machatschek  S.  307. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  25 

den  Prälaten    und    stand    dann    als  Lehrer   unter   dem 
Scliolastikus. 

Sonach  war  die  Schule  am  Bautzener  Stift  nur  eine 
von  einem  Kantor,  m  älterer  Zeit  nur  von  dem  Schola- 
stikus  geleitete  Chors chule,  neben  welcher  vielleicht 
noch  die  rein  klerikale  Instruktion  etwaiger  jüngerer 
Chorherren  einhergegangen  ist^").  Mit  dem  Unterrichte 
der  städtischen  Jugend  Bautzens  hatten  die  Stiftsschule 
und  die  Pfründe  des  Scholastikus  und  das  Amt  des  Kantors 
anfangs  gewiss  nichts  zu  thun^'^).  Im  14.  Jahrhundert 
machte  jedoch  der  Scholastikus,  wie  die  Domscholaster 
an  anderen  Orten,  den  Anspruch  geltend,  die  im  Kirchen- 
sprengel entstehenden  und  bestehenden  Schulen  zu  ver- 
leihen, die  Erlaubnis  zum  Schulehalten  zu  ertheilen  und 
über  alle  Schulen  die  Oberaufsicht  zu  führen.  Wir  kommen 
darauf  weiter  unten  zu  sprechen. 

In  Würzen  war  ebenfalls,  wie  in  Bautzen,  von 
Meissen  aus  die  Organisation  des  kirchlichen  Lebens  er- 
folgt und  im  Jahre  1114  von  Bischof  Herwig  von  Meissen 
em  kleines  Münster  (monasteriolum)  oder  Kollegiatstift 
gegründet  worden*^*).  Aber  erst  über  100  Jahre  später 
stossen  wir  auf  den  ersten  „scolasticus  Wurcinensis", 
namens  Heinricus,  als  Zeugen  in  einer  Urkunde  vom 
26.  März  1227^"),  den  1.  März  1262  auf  einen  Johannes 
scolasticus  Wurcinensis  ^*^).  Die  Einrichtung  der  Wurzener 
Stiftsschule  war  sicherlich  derjenigen  der  Meissener  und 
Bautzener  Dom-  und  Stiftsschulen  ganz  verwandt.  In 
den  im  Jahre  1476  fixierten,  aber  im  Wesentlichen  emer 
früheren  Zeit,  vorwiegend  dem  Jahre  1362  angehörigen 
Statuten  des  Stifts  zu  Würzen  ^^)  werden  mehrere  nähere 


*^)  In  den  Statuten  von  1372  werden  „praelati,  canonici  et 
vicarii  sive  perpetui  sive  temporales"  unterschieden. 

8')  Ebenso  urtheilt  Knothe  a.  a.  O.  113. 

««)  Chr.  Schöttgen,  Historie  der  churfürstlichen  Stiftsstadt 
Würzen  (Leipzig  1717),  S.  147flg.  85flg. 

*")  C  S  II.  I,  95.  Wohl  ident.  mit  dem:  „Heinricus  scolasticus 
de- Wrcin"  v.  19.  Sept.  1233:  C  S  II.  IV,  304  u.  Beyer  S.  539. 

9«)  C  S  II.  I,  154.  Den  24.  .luli  12R6  magister  Joh.  scol. 
AVurc:  II.  I,  160;  vergl.  II.  IV,  7.  —  Einen  Scholast.  Otto  i.  J. 
1340  (resigniert  1348)  verzeichnet  Clir.  Schöttgen,  Hist.  196; 
einen  Otto  scolast.  s.  auch  4.  Mai  1352  in  CS  II.  I,  384.  Im 
Exempl.  der  Dresdner  Kgl.  Bibl.  von  Schöttgen,  Hist.  196  ist 
hdschl.  noch  eingetragen:  „1306  Hermannus"  („in  Kloster  Nimbschen 
Briefe"). 

"*)  Chr.  Schöttgen,  Hist.  von  Würzen,  Anhang  einiger  Do- 
kumente  S.  68  u.  80,  vergl.  S.  65  u.  95. 


26  Johamies  Müller: 

Vorschriften  für  die  Scholaren  und  den  Schulrektor  ge- 
geben, welche  für  die  Geschichte  des  sächsischen  Schul- 
wesens einige  Bedeutung  haben,  da  sie  aus  jener  Zeit 
die  einzigen  bis  jetzt  bekannten  dieser  Art  sind.  Sie  be- 
ziehen sich  aber  nur  auf  den  Chor  dienst  und  kenn- 
zeichnen die  für  diesen  nöthige  Unterweisung. 

Darnach  sollte  der  Schulrektor  (rector  scholae)  bei 
allen  Metten,  denen  er  mit  seinen  Scholaren  (scholaribus) 
beizuwohnen  hätte,  die  zwei  feierlich  zu  singenden  Lek- 
tionen und  zwei  Verse  zuvor  angemessen  vertheilen  (dis- 
ponere);  die  S.Lektion  sollte  immer  ein  jüngerer  Chorale 
(junior  choralis)  lesen  und  das  Benedicamus  singen.  Die 
Scholaren  mussten  gleichzeitig  in  Prozession  den  Chor 
betreten.  Vom  ersten  Schlage  der  Vesper  (4 — 5  Uhr  Nach- 
mittags) an  bis  zum  Schlüsse  des  Kompletoriums  (d.  h. 
des  Gebetes  gleich  nach  Sonnenuntergang)  und  vom 
ersten  Schlage  der  Mette  bis  zur  Nona  (2 — 3  Uhr  Nach- 
mittags) sollte  keiner  ohne  Mantel  in  die  Kirche  kommen, 
keiner  unter  (oder  nach)  dem  Evangelium  und  der  Epistel 
und  vom  Sanctus  bis  zum  Vaterunser  und  wenn  zwei 
einen  Vers  singen  oder  das  Gra duale  und  Hallelujah  ge- 
sungen werde,  den  Chor  betreten  oder  verlassen  noch 
von  einem  Chor  zum  andern  gehen.  Keiner  sollte  sitzen, 
wenn  die  anderen  stehen,  und  umgekehrt.  Wenn  die 
Senioren  (seniores)  die  Kniee  beugen  oder  Häupter  neigen, 
sollten  dies  die  Scholaren  auch  thun,  ebenso  wenn  das 
Gloria  patri,  Sanctus,  Adoramus,  Gloria  tibi  domine  und 
die  Worte  im  Credo:  „Et  homo  factus  est  et  simul  ado- 
ratur"  gesungen  werden;  andernfalls  sollten  sie  Schläge 
mit  der  flachen  Hand  oder  im  Wiederholungsfalle  mit 
Ruthen  erhalten.  Wer  nicht  rechtzeitig  zu  Chore  komme 
oder  nicht  daselbst  ausharren  wolle  oder  sich  zur  Unzeit 
setze  oder  aufstehe,  den  sollten  die  Scholaren  auszischen 
(debent  scholares  sibilare) ,  bis  er  sich  ordnungsgemäss 
verhalte.  Ähnlich  sollte  es  dem  ergehen,  der  zu  gewissen 
Zeiten  bedeckten  Hauptes  gesehen  würde.  Voreiliger 
Beginn  der  Lesungen  und  der  Gesänge  war  verboten. 
Beim  Sprechen  oder  Singen  des  Priesters  am  Altare 
sollten  sich  alle  zum  Altar  wenden,  auch  dem  Propst  und 
Dekan,  wenn  sie  den  Chor  betreten,  durch  Erheben  von 
den  Sitzen  und  Verneigen  allezeit  Ehrfurcht  bezeugen '^^). 


■'2)  Schott  gen,  Hist.  v.  Wnrzeii,  Anhang  S.  101— 103,  §55flg. 
der  Statuten. 


Die  Anfänge  des  säclisischeu  Scliuhveseiis.  27 

Auch  sollte  der  Schulmeister  (magistei"  scholae\  — 
der  ja  nicht  zu  den  Kanonikern  gehörte ,  —  wenn  die 
Kanoniker  und  Vikare  ihre  Kappen  trug:en  und  in  der 
oberen  Ordnung-  standen,  in  der  unteren  stehen,  weil  die 
Kleidung  der  Herrn  in  der  ol)eren  einförmig  sein  müsse  ^^), 

Dass  es  in  Würzen  neben  oder  unter  den  Scholaren 
auch  Chorales  gab,  erhellt  ausser  aus  dem  Vorstehenden 
aus  einer  Urkunde  vom  12.  März  1470.  wo  dieselben 
gleich  nach  den  Vikaren  und  Kaplänen  angeführt  sind, 
was  zu  der  obigen  Charakteristik  dieser  Personen  als 
meist  erwachsener  Kleriker  stimmt  ^^).  Weiteres  über 
die  Stiftsschule  ist  z.  Z.  nicht  bekannt,  in  Sonderheit 
nicht,  ob  ausser  den  Scholaren,  über  deren  Alter  wir 
ebenfalls  jeder  bestimmten  Nachricht  entbehren,  der 
Schulrektor  Schüler  hatte,  die  nicht  zunächst  und  vor- 
wiegend dem  Chorgesang  und  kirchlichen  Handlungen 
dienten. 

Unklar  ist  auch  die  Bedeutung  und  Aufgabe  der 
ältesten  und  einzigen  bekannten  Scholastica  Sachsens, 
iener  Hermudis,  welche  in  einer  Urkunde  vom  20.  Fe- 
bruar 1247 ''■^)  an  dem  auf  Befehl  des  Papstes  Lucius  III. 
(1181  —  85)  von  Hermann  von  Schönburg  gegründeten 
und  den  2.  Januar  1233  testamentarisch  dotierten  ^'') 
Benediktiner  -  Nonnenkloster  zu  Geringswalde  er- 
scheint. In  jener  Urkunde  von  1247  rangiert  die  „Scho- 
lastica" unter  den  Zeuginnen  nach  der  Priorin  und  Sub- 
priorin  aber  vor  der  Celleraria,  Sacrista,  Portaria,  Came- 
raria etc.  In  einer  Urkunde  vom  Jahre  1265  ist  Hermudis 
Priorin,  und  fehlt  neben  den  noch  mit  Namen  angeführten 
Würdenträgerinnen  (der  Kämmerin,  Küsterin,  Keller- 
meisterin etc.)  eine  Scholastica;  dafür  steht  an  4.  Stelle 
(unmittelbar   vor    der    Custrix    und    der    Celleraria   und 


»«)  Schöttgen,  Hist.  von  Würzen,  Anh.  S.  87,  §  30. 

0^)  Schöttgen,  Hist.  S.  170.  —  Auch  die  wohl  dem  Anfang 
des  Ifi.  Jahrh.  angehörende  Nachricht  ehenda  S.  108  bestätigt  Obiges. 
Darnach  empfingen  für  den  Gesang  des  Salve  regina  in  der  Fasten 
die  Domschüler  Dienstags  nach  Palmarum  jeder  Knahe  2  Bretzeln, 
„die  Schuldiener  aber  u.  Chnralisten  eine*  Kollation"  (ein  frugales 
Abendmahl)  von  den  Kirchvätern. 

05)  Beyer  a.  a.  0.  546. 

»8)  A.  Tobias.  Regesten  des  Hauses  Schönburg  bis  1326 
(Zittau  1865)  S.  11.  —  Die  päpstliche  Bestätigung  durch  Gregor  IX. 
erfolgte  den  29.  Okt.  1238.  G.  A.  Bernhardi,  Beitrag  zu  einer 
Geschichte  von  Geringswalde  (Leipzig  1777)  S.  54. 


28  Johamies  Müller: 

gieicli  nach  der  Cameraria)  eine  Elyzabeth  cantrix^^). 
Nach  allem,  was  wir  über  das  Kloster  Geringswalde 
zur  Zeit  wissen,  kann  aus  dem  vorübergehenden  Auftreten 
einer  Scholastica  nicht  ohne  weiteres  auf  das  Vorhanden- 
sein einer  ständigen  Klosterschule  für  junge  Mädchen, 
die  nicht  Novizinnen  waren  oder  werden  sollten,  ge- 
schlossen werden,  noch  weniger  aus  dem  Umstände,  dass 
später  die  Herren  von  Schönburg  dieses  ihr  Marienstift 
zu  der  übrigens  nur  drei  Jahre  (von  1566 — 1568)  be- 
stehenden Schönburgischen  Landesschule  für  Knaben 
verwendeten'-'^),  auf  das  einstmalige  Vorhandensein  einer 
Schule,  die  auch  jüngeren  Knaben,  welche  Geistliche 
werden  wollten,  zugänglich  war  ^^).  Es  kann  sich  wohl 
nur  um  den  Unterricht  junger  Mädchen,  die  Nonnen 
werden  wollten,  oder  um  den  der  Novizinnen  und  der 
Nonnen  selbst  handeln,  also  um  eine  sogenannte  innere 
Klosterschule,  in  der  geistlichen  Jungfrauen  oder 
Mädchen  vor  allem  Lesen  und  Schreiben  und  einiges 
Latein,  der  Psalter,  Gebete  und  Lesungen  (das  Brevier), 
kanonische  Vorschriften,  ascetische  Übungen  und  Hand- 
arbeiten gelehit  wurden  ^°'').  Vielleicht  kam  es  auch  nur 
darauf  an,  sogenannte  „moniales  literatae  id  est  choro 
addictae  et  in  choro  legentes",  wie  sie  anderwärts  um 
1213  genannt  wurden^"^),  für  ihre  Gesänge  und  Vor- 
lesungen imd  Gebete  im  Chordienste  zu  instruieren.  Da 
eme  Scholastica  nur  einmal,  in  den  ersten  Zeiten  des 
Bestehens  des  Klosters,  nachweisbar  ist,  und  schon  1265 
dieses  Amt  verschwindet,  so  scheint  die  Klosterschule 
als  eigentliche  Anstalt  auch  nur  dieser  ersten  Zeit,  wo 
das  Kloster  in  Aufnahme  kam,  angehört  zu  haben.  Ist 
doch  auch  damals,  am  1.  April  1280,  von  einer  Schule 
gar  nicht  die  Eede,  als  ein  Ritter  Heidenreich  von  Lichten- 
walde  seine  drei  Töchter  ins  Kloster  zu  Geringswalde 
gab,  offenbar  damit  sie  einmal  Nonnen  werden  möchten. 


^'')  Schöttgen  und  Kreysig,  Diplom.  11.  446. 

"*)  Th.  Distel,  Der  Flacianismus  und  die  Scbönburg  sehe 
Landesschule  zu  Geringswalde   (Leipzig  1879)  S.  5  flg. 

^")  Vergl.  über  diesen  schon  zu  Karls  des  Grossen  Zeiten  ver- 
botenen, aber  doch  hier  nnd  da  gepflogenen  Brauch  Specht  a.  a.  0. 
S.  282  flg. 

^^-)  Specht  S.  258  flg.  und  die  Rostocker  Kinderlehre  aus 
dem  Anf.  des  15.  Jahrg.  (Instruktion  eines  Franziskaners  an  Schwester 
Adelheid  über  den  Lehrgang),  veröflentl.  von  K.  Krause  im  Progr. 
der  grossen  Stadtschule  zu  Rostock  1873,  S.  13  flg. 

'fi)  Specht  S.  262. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  29 

und  als  er  ihnen  eine  jährliche  Rente  von  6\'.,  Pfund 
Silber  aussetzte,  die  nach  seinem  Tode  dem  Kloster  zu- 
fallen sollten,  auch  wenn  eine  oder  alle  Töchter  das 
Kloster  wieder  verlassen  würden ^'^'-). 

Während  so  die  bisher  besprochenen  ältesten  Schulen 
Sachsens  nur  für  kirchliche  oder  klerikale  Zwecke  er- 
richtet waren  und  erhalten  Avurden,  ging  man  in  der 
nächsten  für  das  13.  Jahrhundert  nachweisbaren  säch- 
sischen Schule  einen  Schritt  weiter.  Bei  dem  im  Jahre 
1212  durch  Markgraf  Dietrich  von  Meissen  gegründeten 
Augustiner-Chorherrenstifte  zu  St.  Thomas  in  Leipzig 
ward  nämlich  von  den  Chorherren  eine  Schule  unterhalten, 
welche  eine  äussere  (schola  exterior)  genannt  wird, 
somit  zwar  unter  klerikaler  Leitung  stand  und  zunächst 
und  vorwiegend  der  Ausbildung  zukünftiger  Weltkleriker 
(Leutpriester)  diente,  aber  doch  auch  —  im  Unterschiede 
von  den  nur  für  zukünftige  Ordensgeistliche  und  Kanoniker 
bestimmten  ,, inneren"  (inferiores)  Schulen  und  im  Unter- 
schiede von  den  nur  füi'  den  Chordienst  errichteten  Chor- 
schulen —  von  den  Laien,  also  in  Leipzig  von  den 
Bürgerskindern  zu  einer  nach  damaligen  Begriffen 
mehr  oder  weniger  gelehrten  Bildung  mit  benutzt 
werden  konnte.  Ihrer  wird  zum  ersten  Male  in  einer 
Urkunde  vom  20.  Februar  1254  gedacht;  damals  wies 
der  Klosterpropst  einen  Theil  (tria  talenta)  der  Einkünfte, 
welche  das  Kloster  aus  der  „äusseren  Schule"  bezog, 
und  Avelche  der  von  ihm  bestellte  Schulmeister  viertel- 
jälirlich  zu  zahlen  hatte  (anuuatim  singulis  quatuor  tem- 
poribus  XV  solidi,  quos  eiusdem  scolae  magister  dabit 
et  praesentabit  alicui  dominorum),  zur  Verbesserung  der 
Krankenpflege  an^^-^).  Der  Tenor  der  Urkunde  erweckt 
den  Eindruck,  als  ob  die  äussere  Schule  erst  vor  Kurzem 
angelegt  sei  und  nun  zum  ersten  Male  über  deren  Ein- 
künfte Verfügung  getroffen  würde.  Von  ehier  sogenannten 
inneren  Schule  zu  St.  Thomas  verlautet  um  jene  Zeit 
und  im  ganzen  13.  Jahrhundert  nichts.  Doch  schliesst 
der  Ausdruck  „scliola  exterior"  eigentlich  ihre  Existenz 
ein.  Auch  wird  in  einer  Urkunde  vom  IG.  August  1342^"'), 
worin  der  Prior  und  Konvent  des  Thomasklosters  hin- 
sichtlich der  Wirthschaftsverwaltung  einiges  festsetzen. 


^<>-)  Urk.  gedr.  in  den  Mittheihingen  der  deutschen  Gesellschaft 
in  Leipzig  I  (1856),  162. 

1"»)  C  S  II.  IX,  13.     10^)  C  S  11.  IX,  82. 


30  Johannes  Müller: 

von  Herren  und  Knaben  des  Konvents  (doniini  et  pueri 
conventuales  sicut  et  praebendarii)  und  von  Knaben,  die 
sich  dem  Klosterleben  widmen  (puer  religioni  nobiscum 
se  reddens),  gesprochen.  Freilich  ein  unzweideutiger 
Beleg  für  (las  Bestehen  einer  inneren  Schule  ist  diese 
Nachricht  nicht,  und  noch  weniger  ist  für  die  Ständigkeit 
der  Schule  der  Beweis  erbracht.  Im  Jahre  1339  (4.  April), 
wo  gewisse  Gefälle  zur  Bekleidmig  der  Chorherren  be- 
stimmt werden,  ist  von  Knaben  (pueri  conventuales, 
canonici)  gar  nicht  die  Eede,  nur  von  erwachsenen  Kle- 
rikern und  zwar  von  solchen,  die  den  Chordienst  ver- 
sehen, wozu  ja  sonst  Knaben  vorzugsweise  verwendet 
wurden  ^"•^).  Die  innere  Schule  am  Thomaskloster  war 
offenbar  nur  eine  zeitweilige,  je  nach  Vorhandensein  eines 
jungen  NachAvuchses  zur  Klostergeistlichkeit  Sie  stand 
dann  wohl  unter  Leitung  des  Propstes  oder  eines  von 
ihm  beauftragten  Chorherrn,  wie  später  die  oben  (S.  14) 
schon  erwähnten  Statuten  des  Thomasstifts  vom  10.  Sep- 
tember 1445  ausdrücklich  verordneten.  Die  äussere 
Klosterschule  hatte  dagegen  ihren  vom  Propst  erwählten 
eigenen  Schulmeister.  Der  erste  mit  Namen  bekannte, 
der  erste  Leipziger  Schulmeister  überhaupt,  erscheint  als 
Zeuge  im  Jahre  1295:  „Thidericus  rector  scolarimn  in 
Lypz"^^'');  er  ist  der  emzige  aus  der  Zeit  bis  1443, 
dessen  Name  überliefert  ist^*^').  Der  gebrauchten  Aus- 
drucksweise („scolarium  in  Lypz"  schlechthin)  zufolge 
muss  er  zugleich  der  einzige  Schulmeister  in  der  Stadt 
gewesen  sein,  und  da  noch  im  15.  Jahrhundert  (s.  Note  107) 
dieselbe  Bezeichnungsweise  üblich  ist,  so  erscheint  die 
Existenz  einer  zweiten  öffentlichen  Schule  in  Leipzig 
bis  zum  Jahre   1511   (s.  später)    ausgeschlossen.     „Der 


^'-^)  C  S  II.  IX,  76:  dominis  nostris  solum  praesentibus  choro 
deservientibus  tarn  iuvenibus  quam  veteranis.  Letztere  werden  als 
„vh'ibus  destituti"  bezeichnet. 

^ö«)  C  S  II.  IX,  35.  Er  steht  dort  als  drittletzter  unter 
7  Zeugen,  die  alle  Laien  sind. 

^^'^)  Im  J.  1443  (28.  Jan.)  ist  es  Petrus  Sehehusen,  der  damals 
„rector  scolarium  domini  prepositi"  (II.  IX,  195  flg.)  und  1451 
(12.  Okt.)  Petr.  Zehuse  rector  scolarium  in  Lipzk  ^11.  IX,  264) 
genannt  wird,  1443  den  8.  Febr.  artium  magister  decretorumque 
baccalarius  (ibid.  196)  und  1460  (31.  März)  JSotar  ist  (ibid.  285). 
Im  .7.  1460  (31.  März)  ist  Johannes  Forcheym  rector  parvulorum 
in  Lipczk  (1470,  den  19.  April  wohl  Propst  zu  Mühlberg,  ibid.  295). 
1495,  11.  Juni  heisst's  vom  verstorbenen  Magister  Gregorius  Wess- 
nigk :  „hat  sich  eyn  laugzeit  inn  vnd  neben  vnserm  kloster  enthal- 
denn,  gedienet,  schulregiret"  (ibid.  353). 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  31 

Schulmeister  zw  s.  Thomas'-  hatte  auch,  wie  aus  einer 
Urkunde  vom  9.  Dezember  1437  ersichtlich  ist^*^^),  an 
der  Parochialkirche  St.  Nikolai,  welche  gemäss  päpst- 
licher Bulle  vom  18.  Dezember  1221  dem  Thumaskloster 
gehörte,  die  Vigilien  und  Messen  etc.  mit  „etzlichen 
Schülern-'  zu  singen.  —  Inwieweit  nun  die  Bürger  Leip- 
zigs die  gebotene  Füglichkeit,  in  der  Thomasschule  ihren 
Kindern  eine  lateinische  Bildimg  geben  zu  lassen,  aus- 
genutzt haben,  ist  aus  den  vorhandenen  Quellen  nicht 
zu  erkennen.  Wir  hören  nur  von  der  Verwendung  von 
Schülern  („sclmler",  „scolares")  bei  gottesdienstlichen 
Handlungen,  und  zwar  erst  seit  dem  vorletzten  Jahr- 
zelmte  des  14.  Jahrhmiderts^"").  Von  einem  Unterschiede 
von  reichen  und  armen  Schülern  verlautet  dabei  nichts. 
Doch  empfingen  die  Schüler  für  ihre  Dienste  eine  Ent- 
schädigung; die  Auszahlung  scheint  sich,  wenn  nicht  füi- 
immer,  so  doch  für  bestimmte  Fälle  der  Prior  vorbehalten 
zu  haben  (s.  Note  109) ;  im  15.  Jahrhundert  ist  sie  auch 
einmal  Sache  des  Kloster-Siechenmeisters  "*^).  Chorschüler 
(„korschuler'-,  „chorales")  werden  urkundlich  erst  im 
15.  Jahrhundert  erwähnt;  sie  unterstanden  der  Aufsicht 
des  Schulmeisters^").  —  Im  Laufe  der  Jahre,  zumal 
je  mehr  sich  der  Handel  Leipzigs  entwickelte  (was  im 
14.  Jahrhundert  geschah),  muss  die  Thomasschule  den 
Wünschen  und  Bedürfnissen  der  Bürger   nicht  mehr  ge- 


10«)  C  S  IL  IX,  186. 

109)  So  1383,  16.  Dez.  (C  S  II.  IX,  131):  vier  schnler,  die 
deme  prister,  der  du  messe  singet,  sullen  helfen  singen  obir  deme 
altare;  1384,  18  Juni  (ib.  132):  messe  singen  mit  acht  schulern; 
vergl.  1387,  16.  März  (ib.  135),  1390,  1.  März  (ib.  139);  1392, 11.  März 
(ib.  148):  prior  scolaribus  [den  8  bei  der  Fronleichnamsmesse]  salla- 
rium  ministrabit. 

iioj  1440,  29.  Nov.  (CS  IL  IX,  190):  der  „inürmarius"  sollte 
den  „loeati  [Gehilfen,  die  hier  zum  1.  male  vorkommen]  ad  scolas 
et  octo  scolares"  für  Frühmessen  in  der  Adventszeit  geben  den 
Locaten  jährlich  V«  Schock  Ch'osch.,  den  8  Scholaren  füi'  jede  Messe 

1  Pfemi.;  wenn  die  Locaten  nacldässig  wären,    sollte   ihnen   allemal 

2  Gr.  abgezogen  werden,  und  wenn  sie  ganz  luichlässig  wären,  so 
könnten  die  Chorh  erren  mit  Erlaubnis  des  Propstes  „dictam  missam, 
prout  prius  consueverant,   per  sc  decantare". 

"1)  C  S  IL  IX,  186  den  9.  Dec.  1437:  die  messe  durch  etz- 
liche  Schüler  ader  sust  yraandes,  sunderlichen  durch  die  korschüler 
...  zw  singen;  .  .  .  dem  Schulmeister  zw  sant  Thomas,  der  solche 
viglien  vnd  messen  mit  etzlichen  schülern  singen  sal.  Vergl.  1463, 
25.  Aug.:  2  chorales  (ib.  290);  desgl.  1473  u.  ö.  ib.  307,  309,  315.  — 
1470,  19.  April  (ib.  29.5)  treten  auch  „korschüler  zu  s.  Jörgen  vor 
Lipczk  in  dem  hospitali"  auf. 


32  Johannes  Müller: 

iiügt  haben.  Die  Stadt,  welche  schon  bei  Gründung  des 
Thomasstiftes  lebhaften  Widerspruch  bekundet  hatte ^^^), 
machte  zunächst  Anspruch  auf  die  Kollatur  der  Schule 
oder  suchte  wenigstens  Einfluss  auf  die  Wahl  und  Be- 
stallung des  Schulmeisters  zu  erlangen,  so  dass  es  zu 
Streitigkeiten  kam,  die  durch  einen  Spruch  des  Mark- 
grafen Wilhelm  von  Meissen  vom  7.  November  1373 
unter  Berufung  auf  frühere  Praxis  zu  Gunsten  des 
Klosterkonvents  entscliieden  wurden;  es  wurde  verordnet: 
„der  pro  bist  sal  die  schule  czu  sende  Thomas  lihen,  als 
her  von  aldir  getan  hat"^)".  Die  Bürger  trugen  sich 
nun  mit  dem  Gedanken,  eine  eigene,  von  dem  Propste 
unabhängige  Schule  in  der  Nikolai -Parochie  für  ihre 
Zwecke  zu  errichten  und  wendeten  sich  mit  einem  Ge- 
suche an  Papst  Bonifacius  IX.  Dieser  willfahrtete  dem- 
selben am  11.  März  1395  in  noch  zu  besprechender  Weise. 
Doch  kann  es  nach  dem  Obigen  (s.  Note  108)  nicht  zur 
Anlage  einer  wirklichen  Stadtschule  gekommen  sein,  und 
selbst  im  Jahre  1511,  wo  die  Stadt  die  Nikolaischule 
erbaute,  di^ang  der  Konvent  des  Thomasklosters  mit  Erfolg 
auf  die  Aufrechterhaltung  der  ihm  im  Jahre  1373  ver- 
brieften Rechte  ^^*). 

Die  nächstälteste  Schule  Sachsens  nach  den  bisher 
besprochenen  würde  die  zu  Zwickau  sein,  wenn  Zwickau 
als  Wohnsitz  jenes  Schulrektors  Heinrich  (Heinricus  rector 
scholae)  angesehen  werden  darf,  der  den  2.  November  1291 
in  der  eine  Frühmesse  in  der  Zwickauer  Marienkirche 
bestätigenden  Urkunde  des  im  Jahre  1219  von  Zwickau 
nach  Eisenberg  verlegten  Benediktinerinnen -Klosters  als 
letzter  Zeuge  nach  einigen  Zwickauer  Priestern  und 
Rathsherrn  erscheint  ^^■^).  Annehmbare  Gründe  sprechen 
dafür,  zumal  die  Pfarr-  oder  Marienkirche  zu  Zwickau 
schon  im  Jahre  1118  gegründet  worden  ist  und  das 
Kirchenpatronat  in  der  Stadt  Zwickau  seit  1212  (bis  1505) 
dem  genannten  Kloster  zustand.  Eben  dieses  Frauen - 
kloster  besass  nach  Urkunden  des  Naumburger  Bischofs 
vom  24.  April  1330  auch  das  Schulpatronat  (,.jus  scho- 
lasticum")    zu   Zwickau"**).     Näheres    über   die    Schule 


^1-)  C  S  II.  VIII,  XVIII  flg.    "3)  c  S  IL  IX,  111. 

"1)  C  S  IL  IX,  369. 

115^  Well  er,  Altes  aus  allen  Theilen  der  Gesch.  (Chemnitz 
1760  flg.)  II,  S.  74;  vergl.  E.  Herzog,  Gesch.  des  Zwickauer 
Gymnas.  (1869)  S.  1  flg. 

"0)  Herzog  S.  2  u.  154. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  33 

selbst  ist  uns  bis  zum  Anfang  des  15.  Jahrhunderts  nicht 
überliefert  worden  "^).  Sie  war  wohl  anfangs  eine  Pfarr- 
schule, aus  der  sich  im  Laufe  der  Zeit  unter  nicht 
aufgeklärten  Umständen,  aber  wahrscheinlich  bei  der 
räumlichen  Entfernung  des  klösterlichen  Patrons  und  der 
zunehmenden  3Iacht  des  Magistrats  der  damaligen  Reichs- 
stadt ohne  besondere  Kämpfe  die  unter  städtischem 
Patronate  stehende  Schule  entwickelte,  der  wir  im  15.  Jahr- 
hundert begegnen.  Damit  repräsentiert  die  Zwickauer 
Schule  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  einen  weiteren  Fort- 
schritt in  der  Ent Wickelung  des  sächsischen  Schulwesens 
über  die  bisher  genannten  und  gekennzeichneten  Schul- 
arten hinaus.  Die  Stifts-  (bez.  Dom-)  und  Klosterschulen 
dienten  beinahe  ausschliesslich  kirchlichen  Zwecken  und 
übten  in  der  Regel,  was  jetzt  auch  eine  besonnene  katho- 
lische Geschichtsschreibung  bekennt"^),  keinen  bedeutenden 
direkten  Einfluss  auf  die  Bildung  der  Laien  aus,  am 
wenigsten  auf  die  eigentliche  Volksbildung.  Anders  die 
Pfarrschulen.  Wenn  schon  sie  ursprünglich  aus  gottes- 
dienstlichen Bedürfnissen  entstanden  sind  und  auch  lange 
Zeit  nur  diesen  dienten,  demgemäss  anfangs  eine  minimale 
religiöse  oder  richtiger  kirchliche  Unterweisung  und 
einigen  ungelehrten  Vulgärunterricht  neben  dem  Gesang 
bloss  als  Mittel  zu  gottesdienstlichen  Zwecken  oder  als 
Beigabe  zur  Seelsorge  gewährten,  auch  anfangs  nur  eine 
sehr  geringe  Schülerzahl  und  ohne  Beschränkung  auf  das 
Kindesalter  umfassten,  so  hat  sich  doch  aus  ihnen  all- 
mählich ein  nicht  unbeträchtlicher  Theil  der  Stadtschulen 
herausgebildet,  welche  grösseren  Volkskreisen  eine  sich 
nach  und  nach  erweiternde  Bildung  vermittelten  und  später 
den  grossen  Geistesbewegungen  des  15.  und  16.  Jahrhun- 
derts einen  wohlthätig  umgestaltenden  Einfluss  gestatteten. 
Mit  den  Schulen  zu  Meissen,  Bautzen,  Würzen, 
Geringswalde,  Leipzig  und  Zwickau,  von  denen,  wie  wir 


^1')  Es  ist  nur  in  einer  Eisenberger  Klosterurkunde  v.  J.  1372, 
welche  eine  Seelgeräth-Stiftuug  in  der  Zwickauer  Katharinenkirche 
betrifft,  von  der  Mitwirkung  des  „rector  scholarium"  u.  von  der  in 
2  Grosch.  bestehenden  Honoriciung  seines  Chordienstes  die  Rede. 
Herzog,  Chronik  von  Zwickau  11,  891. 

"8)  Specht  S.  230.  Vergl.  dagegen  noch  A.  Stock  1,  Lehrb. 
d.  Gesch.  d.  Pädagogik  (Mainz  1870);  F.  Nettes  heim  a.  a.  0. ; 
H.  Schmitz,  Das  Volksschulwesen  des  M.-A.  (in  P.  Haff n er "s 
Frankfurter  zeitgemässen  Broschüren  2.  Ed.  10.  Heft,  Frankfurt  a.  M. 
1881);  H.  Schoulau,  Geschichtl.  Notizen  über  Volksschulen  vom 
9.  bis  14.  Jahrh.  (Paderborn  1885). 

Neues  Ariliiv   t.  «.  (;.  u.  A.   VUl.   1.  2.  3 


34  Johannes  Müller: 

gesehen  haben,  nur  die  beiden  letzteren  anf  die 
Volksbildung  unmittelbar  einwirkten,  ist  nach  dem 
gegenwärtigen  Stande  der  Forschung  die  Eeihe  der  im 
13.  Jahrhundert  vorkommenden  Schulen  des  jetzigen 
Königreichs  Sachsen  erschöpft.  Namentlich  fehlt  bei  den 
übrigen  zahlreichen  Klöstern  Sachsens,  die  im  12.  und 
13.  Jalu-hundert  angelegt  worden  sind,  bis  jetzt  für  die 
Zeit  bis  1400  jede  sichere  Spur  einer  Schule.  Weder 
bei  den  Benediktinern  zu  Chemnitz  und  Pegau,  noch  bei 
den  Franziskanern  zu  Zwickau,  Freiberg,  Dresden,  Meis- 
sen,  Löbau,  Kamenz,  noch  bei  den  Dominikanern  in  Leipzig, 
Freiberg  und  Plauen,  noch  bei  den  Cisterciensern  in 
AltzeUa,  Ilgenthal  (Buch)  und  Grünhain,  noch  bei  den 
Augustinern  m  Zschillen,  Crimmitschau  und  Grimma,  noch 
bei  den  Cölestinern  auf  dem  Oj^bin  —  Klöster,  über  die 
wir  zum  Theil  gut  unterrichtet  sind  —  lässt  sich  zur  Zeit 
füi'  jene  Jahrhmiderte  eine  innere,  geschweige  denn  eine 
äussere  Schule  nachweisen;  ebenso  steht  es  bei  den 
Nonnenklöstern  zu  Marienthal,  Marienstern,  Grossenhaüi, 
Riesa,  Nimbschen,  Leipzig,  Remse"^),  und  nur  bei  den 

"^)  Es  sei  aus  der  einschlägig.  Literatur  hervorgehoben  über 
Altzelle:  Beyer  a.  a.  0.  S.  104  flg.,  Buch:  Schöttgen  und 
Kreysig,  Diplom.  II,  171  flg.,  Hingst,  Annalen  des  Klosters 
Buch  in  Mittheil.  d.  Gesch.-  u.  Alterthums -Vereins  Leisnig  V.  u. 
VII.  Heft  (1878  u.  1886);  Chemnitz:  C  S  II.  VI  (hier  S.  278 
vergl.  506  liat  H.  Ermisch  berichtigt,  was  er  in  seiner  Gesch.  des 
Benediktinerklosters  zu  Chemnitz  in  v.  Weber's  Archiv  f.  sächs  Gesch. 
N.  F.  IV [1878] ,  278  gesagt  hatte :  der  Cunradus  scolasticus  vom  12.  März 
1300  ist  ein  Mersebiirger) ;  Crimmitschau:  G.  Göpfert,  Gesch. 
des  Pleissengrundes  (Zwickau  1794)  S.  208  flg.  imd  Chr.  Kästner, 
Chronik  von  Crimmitschau  (1853)  S.  163  flg.;  Dresden:  CS  IL  V; 
Ereiberg:  C  S  IL  XII;  Grimma:  Lorenz  a.  a.  0.  511  flg.; 
Grossenhain:  Urkunden,  das  Jungfraueukloster  zu  Hayn  betr., 
Mscpt.  in  Kgl.  Bibl.  Dresden;  C.  W.  Hering,  Gesch.  der  Stadt 
Grossenhain  (1849),  S.  20  flg.;  Grünhain:  E.  Herzog,  Gesch.  des 
Klosters  Grünhain,  in  v.  Weber's  Archiv  f.  sächs.  Gesch.  VII  (1869), 
64  flg.;  Kamenz:  C  S  IL  VII  und  H.  Knothe,  Die  Franziskaner- 
klöster zu  Löbau  und  Kamenz,  in  den  Beiträgen  zur  sächs.  Kirchen- 
gesch.,  herausgeg.  von  D  i  b  e  1  i  u  .s  und  L  e  c  h  1  e  r  I  (Leipzig  1882),  99  flg.; 
Leipzig:  CS  IL  VIII  u  IX;  Löbau:  CS  IL  VII  und  Knothe 
a.  a.  0.;  Marienthal:  J.  B.  Schönfelder,  Urkiuidl.  Gesch.  des 
Klosters  Marieuthal  (Zittau  1834);  Marienstern:  G.  Köhler, 
Cod.  dipl.  Lusatiae  super.  II  (1854),  Anhang  (Urkimd.);  Meissen: 
CS  IL  IV;  Nimbschen:  J.  Chr.  Hasche,  Magazin  der  sächs. 
Gesch.  IL  VL  VII.  Theil  (1785  flg.);  Oybin:  A.  Moschkau, 
Oybin-Chronik  (Leipa  1884)  S.  139  flg.;  Pegau:  Chr.  Schöttgen, 
Hist.  Wieprechts  zu  Groitsch  wie  auch  des  Klosters  in  Pegau 
(ßegensburg  1749);  J.  Lud  ewig,  Reliquiae  manuscriptorum  (Lips. 
1720  flg.)  II,   176  flg.;     Mencke,    Scriptores    rerum   germanic.  II 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  35 

Benediktineriniien  zum  heiligen  Kreuz  in  Meissen  und 
bei  den  Nonnen  der  heiligen  Maria  Magdalena  von  der 
Busse  zu  Freiberg  scheint  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
etwas  Schulartiges  vorhanden  gewesen  zu  sein;  wir 
kommen  darauf  noch  zu  sprechen.  Allerdings  darf  aus 
dem  Schweigen  der  Überlieferung  bei  den  genannten 
anderen  Klöstern  nicht  ohne  weiteres  gefolgert  werden, 
dass  überhaupt  niemals  mit  denselben  Schulen  im  Sinne 
des  Mittelalters  verbunden  gewesen  seien,  dass  hier  keine 
Fortbildung  der  Kleriker,  keine  Unterweisung  der  Novizen 
oder  etwaiger  „liberi  oblati"  stattgefunden  habe ;  dagegen 
vergl.  das  oben  S.  14  Bemerkte^-");  allein  so  liegen  die 
Dinge  auch  sicher  nicht,  wie  noch  immer  behauptet 
wii'd,  dass  jedes  Kloster  seine  Schule  im  eigentlichen 
Siime  des  Wortes  als  ständiges  Institut,  womöglich  gar 
„in  der  Regel"  auch  eine  den  Laien  zugängliche  „äussere" 
gehabt   habe^'-^).    Und  wenn  noch  jüngst  Ed.   Schmidt 

(Lips.  1728),  103  flg. ,  F.  A.  Fussel,  Anfang  und  Ende  des  Klosters 
St.  Jakob  zu  Pegau  (Leipzig  1857);  Plauen:  meine  Mittheilungen 
des  Alt.-Ver.  zu  Plauen  I-V  (1880  flg.);  Remse:  K.  Eckardt,  Zur 
Gesch.  des  Klosters  E,.,  in  v.  Weber's  Archiv  f.  sächs.  Gesch.  III  (1865), 
203  flg.  344  flg.;  Zschillen:  Lepsius,  Zur  Gesch  des  Klosters 
Zsch.,  in  der  Variscia  (Greiz  1831),  3.  Lief.  S.  5  flg.;  1.  Bericht 
an  die  deutsche  Gesellsch.  zu  Leipzig  1833,  S.  75  flg.;  Zwickau: 
Herzog,  Chronik  von  Zw.  und  Gesch.  des  Gymnas.  (blosse  Kon- 
jektur, ohne  urk.  Belege).  —  Auch  die  Durchsicht  der  Registr, 
Stifter  und  Klöster  im  H.-St.-A.  Dresden  führte  zu  negativ.  Resultate. 

^~^)  In  Altzelle  gab  es  den  27.  Sept.  1431  eine  „cella  novicio- 
rum"  (Beyer  S. 673  u.  56),  19.  Juli  1500  einen  JVIatheus  Stelmecherus 
novitiorum  magister  (Urk.  in  Dresden,  vergl.  Beyer  S.  709).  —  In 
Nimbschen  1368,  den  6.  Juni:  „gekogeltin  vrouwen  vnd  nouicien". — 
In  Pegau  den  13.  Juni  1308  doch  wenigstens  ein  „cantor"  (Lud ewig, 
Reliq.  mscpt.  II,  263),  1375  den  13.  Nov.  „Nicolaus  cantor"  (Schött- 
g  e  n ,  Wipr.  zu  Groitsch,  cod.  probat.  S.  87),  1506  auch  ein  Jo. 
Venator  instihitor  novitiorum  (Schöttgen,  Wipr.  zu  Groitsch 
S.  171).  Vergl.  auch  später  über  die  Pegauer  Schule  von  1379.  — 
Der  Konvent  zu  Buch  versichert  den  14.  Sept.  1486,  dass  er  in 
Beigern  gewöhnlich  einen  weltlichen  Lehrer  für  die  Unterweisung 
der  jüngeren  Klostergeistlichkeit  gehabt  habe  (ubi  consuetum  est 
habere  niagistrum  secularem  pro  ejusdcm  nionasterii  juvenibus  in 
primitivis  scientiis  instruendis^  und  das  Generalkapitel  des  Cister- 
cienserordens  eriiclitet  dort  nach  Urk.  vom  13.  Juli  1487  eine  Bil- 
dungsanstalt (Studium  nostrum  Beigern)  für  die  Mönche  (juvcnes  reli- 
giosi,  fratresj,  die  zugleich  von  den  übrigen  Klöstern  des  Ordens  ge- 
braucht werden  solle.  Schöttgeuund  Kreysig,  Diplomat.  II, 304 flg. 

1-1)  So  noch  M.  Daisenbcrger,  Volks-Schulen  der  2.  Hälfte 
des  M.-A.  in  der  Diöcese  Augsburg  (Progr.  Dillingen  1885)  S.  53. 
Dagegen  s.  Gabr.  Meier,  Gesch.  d.  Schule  v.  S.  Gallen  im  M.-A, 
(Jahrbuch  f.  schweizerische  Gesch.  X  [1885],  119);  derselbe  kennt  „eine 
solche  Doppelschule,    wie   sie   nur   zu   häuüg   ohne  Grund  in  allen 


36  Johannes  Müller: 

in  seinem  Aufsatze:  „Erziehung  und  Unterricht  in  Deutsch- 
land während  des  Mittelalters*'^--)  schreibt:  „Wollten 
wir  alle  Pflanzstätten  geistiger  Kultur  im  deutschen 
Reiche  aufzählen,  so  dürfte  wohl  kein  Bischofssitz,  kein 
Kloster  unerwähnt  bleiben,  da  alle  zu  gewissen  Zeiten 
und  in  gewissen  Bildungsfächern  Hervorragendes  leisteten", 
• —  so  ist  das  eine  schöne  Phrase,  gegen  die  schon  die 
Thatsache  spricht,  dass  im  Mittelalter  die  Errichtung 
von  Schulen  bei  Klöstern  und  Stiften  selbst  bloss  zur 
Gewinnung  uud  Erziehung  eines  geistlichen  Nachwuchses 
(von  sogen,  inneren  Schulen)  immer  und  immer  wieder 
empfohlen  und  befohlen  werden  musste;  auch  bekennen 
katholische  Schriftsteller,  die  sich  jetzt  um  die  Geschichte 
des  vorreformatorischen  Schulwesens  eifrig  bemühen,  dass 
durchaus  nicht  immer,  wo  ein  Stift  bestand,  auch  ehie 
Scholasterei  und  Schule  vorhanden  war^-'^). 

Noch  einem  anderen  Missverständnisse  muss  vorge- 
beugt werden,  w^elches  in  schulgeschichtlichen  Publikationen 
wiederholt  gefunden  ■\\ird.  Erfreut  und  überrascht  könnte 
man  nämlich  das  Bestehen  einer  sächsischen  Dorfschule 
vermuthen,  wenn  man  von  einem  „Scolaris"  in  einem 
Dorfe  liest,  so  in  einer  Urkunde  des  Bischofs  Heinrich 
von  Meissen  vom  28.  März  1237  und  des  Bischofs  Withego 
vom  7.  März  1293  von  einem  „Scolaris"  in  Zadel  bei 
Meissen  ^■-^).  Allein  der  Zusammenhang  des  Textes  in 
den  Urkunden  zeigt,  dass  hier  nicht  an  Schüler  im  Sinne 
von  Chorschülern  (Chorknaben)  oder  gar  im  Simie  von 
erziehungspfliclitigen  und  planmässig  um  ihrer  selbst  willen 
auszubildenden  Kindern  jeden  Standes  und  Geschlechts 
zu  denken  ist.  Im  Jahre  1237  ist  es,  wie  die  Urkunde 
sagt,  ein  einzelner  „Scolaris  minister",  den  das  Kloster 
Altzelle  dem  Pfarrer  in  Zadel  zur  Aushilfe  halten  musste, 
und  ebenso  1293  ein  Pfarrgehilfe.  Auch  wenn  uns  später 
als  letzter  Zeuge  in  einer  Urkunde  der  Herren  von 
Vogtsberg  vom  3.  Juni  1303  ein  „Heinricus  Scolaris  de 
Mechtildegrune"  begegnet  ^'-^),  so  kann,  da  dieser  Heinrich 

Klöstern  angenommen  wird",  „während  des  ganzen  M.-A's."  ausser 
in  S.  Gallen  nur  noch  in  S.  Hubert  in  den  Ardennen. 

122)  Zeitschr.  f.  allg.  Gesch.,  Cultur-  etc.  Gesch.  (Stuttgart) 
1886  2.  Heft  S.  93. 

123)  Yevgl.  Falk,  Schulen  am  Mittelrhein  vor  1520,  bei  J.  Hein- 
rich und  Ch.  Moufang,  Der  Katholik,  Zeitschr.  f.  kathol.  Wissen- 
schaft Jahrg.  62  (Mainz  1882),  36.  44.     Specht  S.  192  flg. 

12^)  Beyer  S.  541  u.  568,  vergl.  S.  251. 

125)  Meine  Mittheil,  des  Alterth.-Ver.  zu  Plauen  2.  Jahresschr. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens,  37 

von  Mechelgrün  bei  Plauen  im  Vogtland  eben  ein  Ur- 
kundenzeiige  ist,  nur  an  eine  erwachsenere  Person  ge- 
dacht werden.  Dasselbe  gilt  von  dem  schon  oben 
Note  73  angeführten  Zeugen  „Andreas  Fabri  de  Misna 
Scolaris"  vom  12.  Januar  1362.  Am  20.  September  1339 
ist  auch  von  einem  Scholaren  des  Bautzener  Propstes 
(„Petro  scolare  domini  prepositi''  [seil.  Budisnensis] )  als 
Zeugen  die  Rede,  der  gleich  nach  den  „canonici  reguläres" 
und  dem  sich  unterzeichnenden  Notar  einrangiert  ist^"^^). 
Auch  der  dem  Altaristen  (rector  altaris  et  missae  per- 
petuae  observator)  auf  Schloss  Püchau  beigegebene  Scho- 
laris,  dem  nach  einer  Urkunde  des  Bischofs  Nikolaus 
von  Meissen  vom  12.  November  1380  die  Schlossherreji 
von  Püchau  nach  alter  Sitte  ein  Almosen  (eleemosinam 
de  mense)  zu  reichen  hatten,  wird  als  Ministrant  (Scolaris 
eidem  rectori  et  missae  obedienter  serviens)  gekennzeich- 
net^-'). Solche  mittelalterliche  Pfarrgehilfen,  auf  die 
wir  schon  oben  S.  18  zu  sprechen  gekommen  sind,  einzelne 
jüngere  oder  ältere  Begleiter,  Assistenten,  Lektoren, 
Schreiber,  Diener  von  Geistlichen  unter  dem  Namen 
scholares  oder  scholarii,  die  zum  Theil  durch  niedere 
Weihen  zu  mehr  selbständiger  Ausübung  des  Kirchen- 
dienstes befähigt  wurden,  hat  Mülverstedt  (s,  Note  43)  zur 


(1882)  Urk.  Nr.  CLV.  —  Mechelgrün  hat  übrigens  nicht  selbst  eine 
Kirche,  sondern  ist  nach  Theuraa  eingepfarrt.  Die  Präposition 
, de". bezeichnet  Mechelgrün  auch  nur  als  Heimath  des  Scholaren; 
Wohn-  und  Amtierungsort  war  vielleicht  Wiedersberg,  von  wo  einer 
der  anderen  Zeugen  stammte. 

'-«)  G.  Köhler,  Cod.  dipl.  Lusat.  I^  335,  —  Wenn  übrigens 
Tittmann,  Heinr.  d.  Erlaucht.  I,  295  von  einer  Urk.  im  H.-St.-A. 
Dresden  vom  2.  Juli  1326  (Nr.  2367)  sagt,  dass  darin  geradezu  die 
Bestimmung  eines  Scholaris  zur  Unterstützung  des  Pfarrers  zu 
Reichenbach  i.  Vogtl,  in  seinen  Amtsverrichtungen  ausgesprochen 
sei,  so  ist  das  sachlich  richtig;  der  Ort  aber  ist  Weissenfeis.  Die 
Äbtissin  des  St.  Clara-Klosters  daselbst,  als  L^xtroiiin  der  Pfarrei, 
ward  damals  von  Bischof  Heinrich  von  Naumburg  veranlasst,  zu 
jenem  Behufe  (in  subsidium  insuper  ipsi  rectori  [parochiae]  etc.)  einen 
Priester  und  einen  Scholaren  auf  Kosten  des  Klosters  anzunehmen; 
jenem  sollte  die  übliche  Besoldung  gegeben  werden,  „scolari.s  vero 
ad  arbitrium  abliatissae,  ubi  eidem  placuerit,  coUocetur" ;  beide  sollten 
dem  Pfarrer  gehorsam  sein  (tam  presbiter  quani  Scolaris  rectori  in 
hiis  quae  ad  suum  officium  pertinent,  obediant  sicut  decet). 

1'-^)  Schöttgen,  Hist.  von  Würzen  725  flg.  —  Vergl.  damit 
die  „seolares  ministrantes  ad  altaria"  zu  Wernigerode  v.  J.  1406  flg., 
welche  an  einzelnen  Altären  den  Kirchendienst  versahen  und  auf 
dem  Schlosse  den  Psalter  lasen.  Ed.  Jacobs,  Der  Rektor  und  die 
Stiftsschule  zu  Wernigerode  am  Ende  des  M.-A.,  in  der  Zeitschr, 
des   Harz -Vereins   für  Gesch.   etc.   Jahrg.  18    (Wernig.  1885) ,  302. 


38  Johannes  Müller: 

Genüge  nachgewiesen.  Sie  sind  eine  alte  Einrichtung^-^), 
die  man  vielfach  fälschlich  mit  der  der  späteren  eigent- 
lichen Pfarrschul-  und  Küsterschullehrer  identifiziert 
hat^-''),  die  aber  mit  Recht  als  deren  Vorläufer  aufgefasst 
werden  darf.  Der  Scholaris  musste  eben  für  die  kirchlichen 
Zwecke  ausgebildet  werden  und  hatte  andererseits  wohl 
als  Lehrer  des  für  die  Beichtpraxis  erforderlichen  reli- 
giösen Minimallernstoffes  (Pater  noster,  Credo)  den  Geist- 
lichen zu  vertreten  ^■^**);  beides  aber,  namentlich  auch 
diesen    letzteren,   gewöhnlich   in   der   Kirche    ertheilten 


128)  Vergl.  Specht  S.26;  Mülverstedt  S.  25;  meine  Quellen- 
schriften etc.  S.  326  flg.  Als  allgemeine  Einrichtung  von  Karl  d.  Gr. 
durch  Kapitular  v.  Novemh.  809  anhefohlen:  jeder  Priester  (presbyter) 
sollte  so  erzogene  und  unterrichtete  Scholaren  (scholarios  ita 
nutritos  et  institutos)  haben,  dass  sie  im  Behinderungsfalle  des 
Pfarrers  ordnungsmässig  Gottesdienst  halten  könnten  (signum 
in  tempore  suo  pulsent  et  officium  honeste  deo  persolvant.  Monu- 
menta  Germaniae  Leges  I,  160).  Vergl.  u.  a.  das  Gelöbnis  des 
Kaplans  Joh.  Guldin  zu  Lauingen  v.  J.  1417  bei  M.  Daisen- 
b erger  S.  26:  „Ich  wil  vnd  sol  auch  allwegen  ainen  schuler 
haben,  der  lüte  meines  altares  warte  vnd  die  andern  altaer  zu 
messen  ordne  vnd  beraite,  vnd  darumb  sol  mir  volgen  vnd  werden 
brot,  ayrlein,  flachs,  ops  on  gelt,  was  vff  die  vier  altaer  kompt,  daz 
ich  den  schuler  dest  bas  gehaben  müge".  S.  auch  Falk  a.  a.  0.  43. 
Vergl.  Mecklenburger  ürkundenbuch  IX  No.  6252:  Die  Filialkirche 
Mistorf  bei  Schwan  wurde  bei  ihrer  Begründung  1842  verpflichtet 
zur  Haltung  eines  Scholaren  und  dieser  geradezu  als  Küsler  be- 
zeichnet (necnon  scolarem  sive  custodem,  qui  praedicto  sacerdoti 
capellam  officianti  deserviat).  Die  Statuten  des  deutschen  Ordens 
fordern,  „das  ein  prister  vnde  ein  schuler  alle  suntage  sprechen  von 
deme  tage  das  ampt"  (d.  i.  Messe  lesen).  E.  Hennig,  Die  Sta- 
tuten d.  deutsch.  Ord.  (Königsberg  1806)  S.  87. 

120)  So  erklärt  B.  Lesker,  Mittelalt  Volksbildung  in  Mecklen- 
burg (Der  Katholik,  Zeitschr,  etc  Jahrg.  66  Mainz  1886)  S.  807  flg., 
die  in  Dörfern  und  kleinen  Städten  nachweisbaren  Scholaren  für 
Schulmeister,  obwohl  ihn  die  von  ihm  selbst  als  einziger  Beleg  an- 
gezogene (aber  nicht  wörtlich  mitgetheilte)  Urk.  des  Fürsten  Albrecht 
V.  Mecklenburg  v.  10.  Mai  1333  (Mecklenb.  Urk.-B.  VIII  No.  5421), 
worin  dieser  einen  von  Fürst  Wizlav  v.  Rügen  angestellten  Scho- 
laren, Peter  von  Aven,  im  pommer.  Städtchen  Barth  als  Schulrektor 
und  Küster  bestätigt  und  ihm  die  Erlaubnis  zur  Verehelichung  er- 
theilt  (Petro  de  Aven  Scolari  .  .  .  dictum  scole  et  custodie  officium 
de  novo  confeiimus,  dantes  eidem  Petro  facultatem  matriraunium 
contrahendi),  liei  genauerem  Hinsehen  hätte  belehren  können,  dass 
Scholar  und  Schulmeister  nicht  identische  Begriffe  sind! 

130)  Yergl.  Corpus  jur.  canon.  Decretal.  1,  III  tit.  1  c.  3:  Ut 
quisque  presbyter,  qui  plebem  regit,  clericum  habeat,  qui  secum 
cantet  et  epistolam  et  lectionem  legat,  et  qui  possit  scholas 
tenere  et  admonere  suos  parochianos,  ut  filios  suos  ad  fidem  dis- 
cendam  mittant  ad  ecclesiam,  quos  ipse  cum  omni  caritate  erudiat. 
Vergl.  meine   Quellenschriften  326,   Anm.  65.     Specht  38  flg.  (der 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  39 

minimalen  Religionsunterricht  nannte  man  im  Mittelalter 
schon  Schule  (s.  Note  130)  und  hat  dann  im  Laufe  der  Zeit 
und  je  nach  den  finanziellen  Verhältnissen  der  Kii'che 
oder  Gemeinde  zur  Erhöhung  der  gottesdienstlichen  Feier- 
lichkeiten die  Zahl  der  Scholaren  (im  engeren  Sinne) 
vermehrt  oder,  was  billiger  war,  Kinder  zum  Kirchen- 
dienst herangezogen  und  ausgebildet.  Aber  die  Existenz 
einer  wirklichen  Dorfschule  ist  aus  dem  blossen  Auftreten 
eines  Scholaris  bei  einer  Kirche  oder  Kapelle  nicht  zu 
folgern.  Das  Vorkommen  eines  rector  oder  magister 
scholae  oder  scholarium  würde  dagegen  zur  Annahme 
einer  Schule  drängen,  aber  immernoch  kein  Beweis  sein 
für  eine  öffentliche,  sondern  nur  für  die  Existenz  einer 
kuxhlichen  Zwecken  dienenden  Chorschule,  wie  wir  sie  in 
Meissen  kennen  gelernt  haben,  oder  für  die  Ausbildung 
einer  Anzalil  von  Scholaren  im  Sinne  von  Pfarrgehüfen, 
Pfarrdienern.  „Auf  dem  Lande  die  Küsterschule" 
als  die  schon  im  Mittelalter  ,, gewöhnliche  Einrichtung" 
zu  bezeichnen,  ist  mehr  als  gewagt ^•^^).  Li  Sachsen  in 
Sonderheit  ist  das  Dorf-  und  eigentliche  Volksschulwesen 
sicher  erst  die  Frucht  der  Lutherischen  Reformation. 
Unerfindlich  ist  es  mir,  wie  Machatschek  ^'^-)  dazu  kommt, 
von  „Diöcesanschulrektoren"  zu  reden  und  einen  zur  Zeit 
nicht  urkundlich  zu  erhärtenden,  wenn  aber  wii'klich 
historischen,  dann  wohl  nur  auf  den  Meissener  Schul- 
rektor zu  beziehenden  Erlass  des  Bischofs  (Johann  III.) 
von  Meissen  vom  Jahre  1893  dahin  zu  deuten,  dass  durch 
denselben  verordnet  sei,  dass  „die  Wahl  der  Diöcesan- 

übrigens  hierbei  sehr  unklar  und  niissverständlich  von  „Schulen  in 
Pfarrhöfen-'  redet). 

^^'^)  Zumal  wenn  es  unter  Berufung  auf  die  Verfügung  der 
Diöcesansynode  von  S.  Omer  und  auf  die  „Sattungen  des  kusteren 
vnt  schulmesteren "  in  der  westfäl.  Pfarrei  Bigge  geschieht,  wie 
dies  noch  0.  Will  manu  (Prag),  Didaktik  als  ßildungslehre  nach 
ihren  Beziehungen  zur  Sozialfor.schung  u.  z.  Gesch.  der  Bildung  I 
(Braunschweig  1882),  246  flg.,  Nettesheim  a.  a.  0.  62,  Daisen- 
berger  S.  63  thun.  Die  Synodus  Audomarensis  war  nicht  i.  J.  1183, 
sondern  1583!!  Und  jene  „Sattungen"  können  niclit  i.  J.  1270  er- 
lassen sein,  sondern  etwa  in  der  2.  Hälfte  des  16.  Jahrb. !  Vergl. 
meine  QueUenschriften  327  flg.,  Anm.  67  flg.  —  Es  ist,  nebenbei 
bemerkt,  ein  ebenso  unkritisches,  wenn  auch  beliebtes  Verfahren, 
auf  Grund  des  Vorkommens  von  Dorfsclmlen  seit  der  Mitte  des 
16.  Jahrb.  oder  gar  erst  seit  dem  17.  .lalirh.  die  Entstehung  dieser 
Schulen  in  die  vorreformatorische  Zeit  zurück  zu  datieren,  ohne 
verbürgte  und  Avohl  abgewogene  Nachrichten  darüber  zu  haben,  als 
a  priori  die  Existenz  von  Dorfschulen  vor  dem  3.  Jahrzehute  des 
16.  .lahrh.  zu  verneinen.      ^^2^  Gesch.  der  Bischöfe  von  Meissen  S.386. 


40    Johannes  Müller:  Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens 

s  cliulrekt  oren  nicht  von  den  betreffenden  Ge- 
meinden, sondern  vom  Pfarrer  selbst  etc.  gescliehen 
müsse".  Sclmlrektor  einer  ganzen  Diöcese  war  oder 
wollte  wenigstens  sein  der  betreffende  Domscliolastikus, 
und  mit  dessen  Wahl  hatten  die  Gemeinden  nie  etwas 
zu  thun.  Die  Wahl  der  Schulmeister  in  den  einzelnen 
Gemeinden  der  Diöcesen  aber  war  lokal  sehr  verschieden 
geregelt,  je  nach  der  geschichtlichen  Ent Wickelung  des 
kiix'hlichen  Wesens  und  der  Schule;  m  den  Städten  der 
Meissener  Diöcese  war  sie  durchaus  nicht  allemal  Sache 
und  Vorrecht  des  Pfarrers,  wie  wir  noch  sehen  werden ; 
jene  Verordnung  wäre  dann  eir.e  ganz  unkluge  und  un- 
gesetzliche Handlung  der  Anmassung  und  Herrschsucht. 
Von  Landschulen  aber,  für  die  sie  noch  am  ersten  Sinn 
und  Berechtigung  hätte,  kann  damals  in  Sachsen  noch 
nicht  geredet  werden  ^^^). 


"ä)  Die  ganze  Stelle  in  Georg.  Fabricii  Reium  Misnicarum 
libri  VII  (Lips.  recens  edita  [Dedicat.  Iö69] )  p.  136  und  zwar  in 
den  Annales  urbis  Misnae  lib.  II,  auf  die  sich  Machatschek  beruft, 
lautet  wörtlich:  •  „MCCOXCIII  Decretum  a  praesule  est,  ut  rector 
ab  ipso  parocho,  non  a  parochialibus  eligatur,  neque  eligatur  (ut 
diplomatis  utar  verbis)  secundum  sortem,  sed  secundum  artem".  Man 
hat  den  Eindruck,  als  ob  es  sich  um  einen  Versuch  der  Meissener 
Bürger  handle ,  auf  die  Afraschule  Einfluss  zu  erlangen ,  ähnlich 
dem  Versuche,  der  i.  J.  Ib73  bei  der  Thomasschule  in  Leipzig  vom 
dasigen  Rath  gemacht  wurde   (s.  ob.). 

(Schluss   folgt.) 


II. 
Aon  Passau  bis  SieYersliaiiseu  1552-1553. 

Von 

S.  Issleil)^). 


L  heraus  mühsam  waren  die  Passauer  Verhandhiiigen 
durch  König"  Ferdinand  zum  Ahschluss  gebracht  worden; 
schwer  wurden  die  Bundesfürsten,  Kurfürst  Moritz  von 
Sachsen  und  Landgraf  Wilhelm  von  Hessen ,  zur  An- 
nahme des  Passauer  Vertrages  bewogen,  schwerer  Karl  Y. 
Des  Kaisers  Verhalten  gab  zu  dauerndem,  verhängnis- 
vollem Misstrauen  Anlass.  Zunächst  aber  endete  der 
deutsche  Krieg,  und  die  schlagfertigen  Waffen  wurden 
gegen  die  auswärtigen  Feinde  gerichtet.  Der  Kaiser  zog 
gegen  Frankreich,  der  Kurfürst  gegen  die  Türken. 

Nach  einem  mehrtägigen  Aufenthalte  in  Dresden 
traf  Kurfürst  Moritz  am  2.  September  1552  in  Wien  ein^), 
um  mit  König  Ferdinand  die  für  den  Türkenkrieg  noth- 
wendigen  Vereinbarungen  festzusetzen;  das  Kriegsvolk 
nahte  von  Donauwörth.  Eine  Reihe  von  Tagen  schwankte 
der  König,  ob  er  selbst  mit  in  das  Feld  ziehen  solle. 
Mitte  September  aber  wurde  der  Kurfürst  zum  General- 
obristen  über  alle  königlichen  Trui)pen  in  Ungarn  ernannt 


^)  Verfasser  verweithete  zu  dieser  Abhandlung',  die  sich  an 
den  Aufsatz  in  dieser  Zeitschrift  VII,  1  i\g.  anscliliesst,  anselinli(-hcs 
Quelleuiuatcrial  der  Archive  zu  Baniberii',  Dresden,  ^Marburg,  Mün- 
chen, Weimar,  Wien,  Wolfenbüttel.  Das  Berliner  Material,  welches 
noch  einige  beachtenswerthe  Aufschlüsse  bietet,  konnte  hier  nicht 
mehr  benutzt  werden. 

2)  Dresden,  Loc.  8485  Acta  niiscellanea  1560  flg.  Bl.  2. 


42  S.  Issleib: 

und  mit  den  Vollmachten  eines  obersten  Heerführers  aus- 
gestattet'^). 

Ein  ausführliches  Memorial"^)  wies  ihn  an,  sich  mit 
dem  Kriegsvolke  nach  Pressburg  zu  verfügen  und  dort 
ein  Lager  aufzuschlagen,  wo  schon  1543  das  deutsche 
und  böhmische  Kriegsvolk  gelagert  hatte.  Nach  umsich- 
tigen Berathungen  mit  den  Kriegsräthen  ^)  sollte  er  dann 
dahin  ziehen,  wo  es  „am  sichersten  und  besten"  sein 
werde.  Es  war  erlaubt,  dem  Feinde  bei  günstiger  Ge- 
legenheit allen  möglichen  Abbruch  zu  thun;  aber  der 
Kurfürst  sollte  nicht  zu  viel  wagen  und  offenbare  Ge- 
fahren vermeiden.  Hauptaufgabe  bildete,  den  Feind  zu- 
rückzuhalten und  sein  Vordringen  zu  verhindern,  bis  der 
König  stattlicher  rüsten  könne '^).  Mit  Castaldo  (Mark- 
grafen in  Siebenbürgen)  und  den  anderen  Befehlsleuten 
in  Raab,  Papa,  Komorn,  Tata  und  weiter  östlich  bis 
Erlau,  auch  mit  denen  in  den  nördlichen  Bergstädten 
sollte  er  gute  Korrespondenz  halten  und  sein  grösstes 
Augenmerk  auf  Raab  und  Komorn  richten.  Auf  Ver- 
langen gab  König  Ferdinand  die  schriftliche  Versicherung, 
dass  er  dem  Kurfürsten  keine  Schuld  beimessen  oder 
seine  Ungnade  fühlen  lassen  wolle,  wenn  das  Kriegsvolk 
durch  widerwärtige  Umstände  oder  Unfälle  eine  Nieder- 
lage erleide.  Für  den  Fall,  dass  der  Kurfürst  in  Gefangen- 
schaft gerathe,  sollte  der  König  zu  seiner  Befreiung  alles 
aufbieten. 

Vor  seiner  Abreise  nach  dem  Kriegsschauplatze 
stellte  Kurfürst  Moritz  eine  geforderte  Gegenversicherung 
auf  die  vom  Herzog  Johann  Friedrich  in  Augsburg  be- 
willigte, doch  ihm  nicht  genügende  Assekuration  aus'). 
Misstrauen  gegen  den  Vetter  und  seinen  Anhang  bewog 
ihn,  um   des  Königs  Erlaubnis   nachzusuchen,  mit  dem 


3)  Dresden,  Originalurkunden  11459  und  11460;  Loc.  9323  Hun- 
g'arische  Expedition  1552. 

*)  Dresden,  Loc.  9323  Hungarische  Expedition  1552  Bl.  41, 
Wien,  16.  September. 

^)  Darunter  Heinrich  von  Plauen,  Burggraf  von  Meissen  und 
Grosskanzler  von  Böhmen. 

*^)  Unbegründet  war  Rankes  Vermuthung  V,  210^:  „Es  scheint, 
als  habe  ihm  Ferdinand  doch  nicht  ganz  getraut"   u.  s.  w. 

■')  S.  Issleib,  Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  1552,  in  dieser 
Zeitschrift  VII,  58.  Vom  Gnadenbriefe  des  Kaisers,  den  Johann 
Friedrich  am  27.  August  in  Augsburg  erhalten  hatte,  erfuhr  Kur- 
fürst Moritz  erst  im  folgenden  Jahre  Bestimmtes. 


Vun  Passau  Ins  Sievei'shauseii  1552 — 1553.  43 

Kriegs  Volke   sofort  aus   Ungarn   heimkehren    zu    dürfen, 
wenn  etAvas  gegen  sein  Land  unternommen  werde. 

Am  16.  September  zog  er  mit  ungefähr  5000  Reitern 
und  6000  Knechten  nach  Pressburg  und  anfangs  Oktober 
nach  Eaab  ^).  Überaus  misslich  standen  die  Verhältnisse 
in  Ungarn.  Nach  vielen  Berichten  hatten  die  Türken 
diesmal  grösseren  Schaden  zugefügt  als  auf  den  früheren 
Zügen.  Temesvar  war  genommen,  der  feste  Pass  an  der 
Theiss  Szolnok  erstürmt,  und  Eiiau  wurde  seit  fast  zwei 
Monaten  mit  bedeutender  Heeresmacht  belagert. 

Da  sowohl  König  Ferdinand  als  auch  der  Kriegs- 
rath  eine  Schlacht  zu  liefern  widerriethen ,  so  begnügte 
sich  der  Kurfürst  mit  der  Befestigung  Raabs.  Indessen 
ermuthigte  seine  Anwesenheit  in  Ungarn  die  Besatzung 
von  Erlau  derartig,  dass  sie  Stand  hielt  und  die  Türken 
nach  drei  verlorenen  Hauptstürmen  abziehen  mussten. 
Die  erbeuteten  Fahnen  brachte  man  in  das  kurfürstliche 
Lager ^).  Auch  ein  von  Komorn  aus  geplanter  Streifzug 
glückte.  Ungefähr  1000  Husaren  zogen  bis  vor  Gran  — 
die  Donauflotte  unterstützte  — ,  legten  sich  in  einen 
Hinterhalt  und  entsandten  etliche  aus  ihrer  Mitte,  um 
Vieh  hinwegzutreiben.  Sobald  dies  die  Türken  in  der 
Stadt  bemerkten,  eilten  gegen  500  Mann  heraus.  Kaum 
aber  waren  sie  am  Hinterhalte  vorübergeeilt,  so  setzten 
die  Husaren  zu:  gegen  zweihundert  wurden  „erstochen 
und  niedergesäbelt,"  und  über  hundert  gefangen  ge- 
nommen. Die  abgehauenen  Türkenköpfe  und  die  Beute 
brachte  man  in  das  Lager.  Obgleich  der  Feldzug  ganz 
unbedeutend  war,  so  konnte  sich  doch  der  Kurfürst  rüh- 
men, dass  seit  seiner  Ankunft  der  Türke  kein  einzig 
Dorf  mehr  der  Christenheit  genommen  habe^"). 


8)  Vorübei'geheucl  war  er  am  24.  September  in  Wien.  Marburg, 
0.  W.  S.  386  Schmalkaldischer  Bund  1552/53,  Brief  vom  24.  Sep- 
tember an  den  A\'il(I-  und  Rheingrafen  Johann  Philipp;  Druffel  II, 
1780  A.  1. 

ö)  Weiteres  ül)er  Erlau  in  Dresden,  Loc.  9323  Hungarische 
Expedition  1552  Bl.  110,  Brief  vom  18.  Oktober  an  den  Herzog 
von  l»reussen;  Loc.  8498  Sclircil)cn,  so  Churfürst  Moritz  ausgehen 
lassenn  etc.  1547—52  B1.59,  Brief  vom  28.  Oktober  an  die  lläthe  in 
Dresden;  Loc.  9145  Hessisdie  entledigung  etc.  III  Bl.  710,  Brief 
vom  31.  ()ktol)er  an  Landgraf  Pliilijip  von  Hessen. 

'")  Abfällig  dagegen  urtlu'ilte  des  Kaisers  Rath  (Iranvella  über 
die  Leistunge)!  gegen  die  l'ürken.  AVien,  Zasius'  Relationen  1552. 
Druffel  II,  1814  (der  Brief  gehört  in  den  Monat  November). 


44  S.  Issleib: 

In  Ungarn  nun  erfuhr  Moritz  von  der  so  lange,  fast 
ehrlos  verzögerten  Heimkehr  des  Landgrafen  Philipp  von 
Hessen  und  erntete  in  hohem  Grade  den  Dank  des 
befreiten  Schwiegervaters  für  alle  aufgewandte  Mühe. 
Allerdings  war  der  Landgraf  nicht  wenig  über  des  Kur- 
fürsten persönlichen  Zug  gegen  die  Türken  bestürzt.  Mit 
dem  Wunsche,  Grott  wolle  Hilfe,  Glück,  Sieg  und  Heil 
verleihen,  bat  er  inständig,  gute  Achtung  zu  geben  und, 
sobald  er  mit  Ehren  abkommen  könne,  wieder  zu  Weib 
und  Kind  heimzukehren,  dort  werde  er  genug  zu  schaffen 
finden.  Der  Kurfürst  hoffte  königlichen  Urlaub  zu  er- 
langen und  bald  bei  Weib  und  Tochter,  Land  und  Leuten 
sein  und  ruhig  bleiben  zu  können. 

Noch  vor  dem  Türkenzuge,  in  Wien,  beschäftigte 
ihn  Frankreich").  Seit  der  Annahme  des  Passauer  Ver- 
trages wusste  er  nicht,  wie  er  bei  Heinrich  II.  stand, 
ob  er  noch  etwas  gelte  oder  ganz  abgethan  sei.  Um- 
gehend sollte  Landgraf  Wilhelm  mittheilen,  was  er  er- 
fahren habe.  Ehe  jedoch  dessen  Antwort  ankam,  liefen 
französische  Schreiben  ein.  Hocherfreut  theilte  er  nun- 
mehr dem  Schwager  (Ende  Oktober)  mit:  „Unsere  Sachen 
stehen  bei  Hildebrand  (Heinrich  IL)  sehr  wohl,  dann  wir 
ein  so  gar  freundlich  Schreiben  von  ihm  bekommen,  dass 
wir  nicht  eine  Summe  Geld  dafür  nehmen  wollten ^^)". 
König  Heinrich  war  bereit,  ein  „neues  weiteres  und  wohl- 
g  egründetes  Bündnis"  zu  schliessen.  Beiden  Fürsten  lag 
viel  daran,  des  Königs  Freundschaft  zu  erhalten,  damit 
die  Gegner  auf  ihn  sehen  müssten.  Weil  ihre  Sachen, 
wie  sie  meinten,  noch  nicht  ganz  aufs  Trockne  gebracht, 
sondern  Widriges  zu  befürchten  sei,  so  sollte  der  König 
nicht  aus  den  Händen  gelassen  werden.  Der  Kurfürst 
schlug  vor,  die  „sorglichen  Läufe  der  untreuen  Welt 
wahrzunehmen"  und  nichts  zu  übereilen ;  nach  dem  Winde 
sollten  sich  die  xleste  biegen.  —  Nach  seiner  Rückkehr  aus 
Ungarn  wurden  in  der  That  die  neuen  Bundesverhand- 
lungen eingeleitet.  Im  Frühjahre  1553  kam  es  zu  einem 
dreifachen  Angebote;  aber  der  jähe  Tod  des  Kurfürsten 
zerriss  dann  die  ausgespannten  Fäden. 


^')  Dresden,  Loc.  7281  Französische  Verlnmdnisse  Bl.  20.5  flg. 
Originalurkunde  No.  11463  b.  Marburg,  0.  W.  S.  386,  Schmalkaldischer 
Bund  1052/3,  912,  Sachsen,  albert.  Linie  1552/3,  1160  Kriegssachen 
1552.   Ranke  V*  231flg.   Vgl.  Maurenbrecher,  Karl  V.  S.  310flg. 

'2)  Dresden,  Loc.  9145  Hessische  entledigiing  III  Bl.  716,  Brief 
vom  30.  Oktober  an  Landgraf  Wilhelm. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552 — 1553.  45 

Über  Markgraf  Albreclit  erhielt  der  Kmfürst  Nacl>- 
richt,  dass  er  sich  erdreiste,  ihn  und  Landgraf  Wilhehn 
wegen  des  Passauer  Vertrages  und  dei'  Trennung  von 
Frankreich  weidlich  ziu-  Bank  zu  hauen  und  scliinipfliche 
Reden  zu  führen  ^•^).  Wer  hätte  damals  zu  ahnen  ver- 
mocht, dass  dergleichen  Dinge  nur  den  geringsten  Grund 
zu  einem  blutigen  Kriege  mit  hätten  geben  können! 
Nach  der  Meinung  des  Kurfürsten  erforderte  die  Noth- 
durft,  fleissig  Achtung  zu  geben.  Landgraf  Wilhehn 
sollte  alle  Zeitungen  senden,  welche  über  den  Maikgrafen, 
den  Kaiser  und  König  Heinrich  einlaufen  würden.  Selbst 
die  Politik  der  rheinischen  Kurfürsten,  der  Herzöge  von 
Baiern,  Würtemberg,  Jülich  etc.  beschäftigte  den  Kur- 
fürsten in  Ungarn. 

Norddeutschland  aber  nahm  seine  grösste  Aufmerksam- 
keit in  Anspruch.  Von  dort  erhielt  er  zahlreiche  Berichte 
über  den  befreiten  Vetter  Herzog  Johann  Friedrich,  den 
Grafen  Volrad  von  Mansfeld,  Herzog  Heinrich  von  Braun- 
schweig und  die  braunschweigischen  Junker,  über  das  Erz- 
bisthum  Magdeburg  und  den  Markgrafen  von  Küstrin. 

Wenn  Markgraf  Hans  in  den  Jahren  1548  — 1551 
vielen  erhebliche  Sympathien  abgewinnt,  so  schwindet 
das  Interesse  für  ihn  vom  Tage  zu  Lochau  an  (Ende 
September  1551).  Seine  Haltung  während  des  Krieges 
gegen  den  Kaiser  (1552)  reizt  fast  zur  abfälligen  Beur- 
theilung.  Jetzt  erfuhr  Kurfürst  Moritz,  dass  der  Mark- 
graf in  kaiserliche  Dienste  getreten  und  selbst  in  das 
kaiserliche  Lager  gezogen  sei.  Bald  darauf  wurden  be- 
denkliche Vermuthungen  an  seine  Heimkehr  geknüpft,  und 
die  Räthe  zu  Dresden  unterliessen  nicht,  den  Laudes- 
fürsten  melu^fach  darauf  hinzuweisen.  Fast  gleichgiltig 
jedoch  entgegnete  dieser,  dass  er  über  die  Reise  und 
Rückkehr  des  Markgrafen  weder  erfreut  noch  erschrocken 
sei^*).  Und  als  der  Herzog  von  Preussen  von  neuem 
Aussöhnung  mit  dem  Markgrafen  befürwortete,  da  er- 
klärte er,  niemals  zu  Unwillen  und  Unfreundschaft  Ur- 
sache gegeben  zu  haben.  Wenn  der  Markgraf  aber  sich 
zu  ihm  nöthigen  oder  müssigen  wollte,  so  erschrecke  er 

^'■^)  Dresden,  Handschreiben  la  Bl.  150;  München,  Kcichs- 
archiv,  Brandenburg  Y,  Bl  113,  D ruffei  II  1745.  Brief  Albrechts 
vom  4.  September  an  Kurpfalz,  Herzu:;-  Albiecht  von  Baj^ern  und 
Christof  von  Wünteinl)ery,  11,  186H. 

")  Dresden,  Loc.  9323  Hungarische  Expedition  ]51.  107,  110. 
170,  Druff el  II,  1792/3. 


46  S.  Issleib: 

darüber  nicht  und  Avolle  dieser  Sachen  nicht  mehr  ge- 
denken, sondern  Gott  befehlen.  —  Wissenswerth  ist,  dass 
Markgraf  Hans  bald  darauf  einige  Anstrengungen  für 
die  Nachfolge  Philipp  II.  im  Reiche  machte  und  ganz 
gern  eine  Vereinigung  gegen  Moritz  zu  Stande  gebracht 
hätte  ^^). 

Graf  Volrad  von  Mansfeld  erschien  damals  mit  seinem 
Anhange  in  Medersachsen  als  ein  Kriegsunwetter,  welches 
sich  gegen  jedermann  plötzlich  entladen  konnte.  Niemand 
Avusste,  für  wen  er  zu  schlagen  bereit  war;  die  einen 
vermutheten  für  Frankreich,  die  andern  für  Johann  Frie- 
drich. Mit  ihm  einverstanden  waren  die  Stadt  Braun- 
schweig und  die  verjagten  braunschweigischen  Junker. 
Kursachsen,  Magdeburg -Halberstadt,  die  Grafen  von 
Mansfeld,  Fürst  Wolf  von  Anhalt  u.  a.  fürchteten.  Schutz- 
gesuche eilten  nach  Ungarn.  Da  befahl  der  Kurfürst 
dem  Bruder  Augustus,  ein  Aufgebot  ergehen  zu  lassen, 
mit  Kurbrandenburg,  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig, 
mit  Anhalt,  Mansfeld,  Magdeburg -Halberstadt  gute  Kor- 
respondenz zu  halten  und  alle  Mittel  zur  Beschützung 
der  eigenen  und  der  Nachbarlande  aufzubieten.  Für  den 
Fall,  dass  ernstliche  Gefahr  drohe,  wollte  er  bald  in  der 
Heimath  sein  ^^). 

Als  darauf  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig  mit 
der  Landschaft  des  Erzbisthums  Bremen  den  mansfelcli- 
schen  Kriegshaufen  zu  trennen  und  zu  schlagen  versuchte, 
da  sagte  Graf  Volrad  die  Fehde  an,  und  der  Kampf  be- 
gann. Zunächst  wurde  das  Stift  Bremen  heimgesucht 
und  zum  Vertrage  genöthigt,  dann  der  Herzog.  Bald 
fiel  Steinbrück,  Goslar  wurde  belagert,  man  nahm  die 
Bergwerke  im  Harze  und  brachte  den  Fürsten  zu  Wol- 
fenbüttel in  die  grösste  Bedrängnis.  Bis  zur  Trennung 
(Ende  Februar  1553)  blieb  das  mansfeldische  Kriegsvolk 
für  das  Herzogthum  Braunschweig  eine  schwere  Landes- 
plage und  für  die  Nachbarn  eine  lästige  Sorge.  —  Überall 
suchte  der  Herzog  Hilfe.  Anfang  Dezember  1552  eilte 
er  in  das  kaiserliche  Lager  vor  Metz.  Dann  finden  wii' 
ihn  in  Speier,  Würzburg  und  Nürnberg.   Hier  in  Franken 


15)  D  ruf  fei  II,  1769,  1798,  1869.  Weimar,  Reg.  K.  fol.  179 
LL.  No.  1  fol.  192  MM.  No.  3;  Reg.  C.  fol.  69  No.  36,  Briefwechsel 
zwischen  dem  Markgrafen  und  Herzog  Johann  Friedrich. 

'")  Dresden,  Loc.  9323  Hungarische  Expedition  Bl.  146  flg. 
Wien,  Brandenburg  1552.     Druffel  II,  1782,  1839. 


Von  Passau  bis  Sievershansen  1552 — 1553.  47 

arbeitete  er  im  Januar  1553  au  einem  gegenseitigen 
Schutz-  und  Trutzbüudnisse  ^'). 

In  jenen  Tagen  der  allgemeinen  Besorgnisse  (am 
3.  Oktober)  starb  der  Erzbiscliof  von  Magdeburg-Halber- 
stadt, Markgraf  Friedrich  von  Brandenburg,  und  das 
Stift  wui^de  Tummelplatz  fürstlicher  Praktiken^^).  Bran- 
denburg, Braunschweig,  Weimar^'*)  suchten  einen  Prinzen 
ihres  Hauses  in  den  erzbischöflichen  Sitz  zu  bringen. 
Die  kursächsischen  ßäthe  Hessen  die  Kapitel  auffordern, 
einen  Erzbischof  zu  wählen,  welcher  dem  Schutzherrn 
nicht  zuwider  sei,  und  empfahlen  als  Kandidaten  den 
Pursten  Georg  von  Anhalt  und  Julius  Pflug,  Bischof  von 
Naumburg.  Betreffs  beider  aber  versprach  sich  Kurfürst 
Moritz  wenig  Glück  und  schlug  seinerseits  Herzog  Ulrich 
von  Mecklenburg,  Bischof  von  Schwerin,  als  geeignet 
vor  -^).  Mit  dem  Befehle,  die  Stadt  Magdeburg  Avohl  zu 
verwahren  und  die  Besatzung  zu  verstärken,  beauftragte 
er  seine  Räthe,  die  Kapitel  zu  vermögen,  bis  zu  seiner 
Heimkehr  die  Entscheidung  zu  verzögern.  Mittlerweile 
aber  beeilte  das  Magdeburger  Kapitel  die  Wahl  zu 
Gunsten  des  Kurfürsten  von  Brandenburg.  Am  19.  Ok- 
tober wurde  dessen  fünfzehnjähriger  Sohn,  Markgraf 
Sigismund,  zum  Erzbiscliof  erkoren  und  postuliert-^).  Das 
Bisthum  Hall)erstadt  schloss  sicli  kurze  Zeit  darauf  an, 
und  Kurfürst  Moritz    war  mit  der  Wahl  einverstanden. 

Die  Heimkehr  des  Herzogs  Johann  Priedrich  aus  der 
Gefangenschaft  erregte  in  Kursachsen  grosse  Besorgnis, 
denn  er  sollte  mit  hohen  Gnaden  vom  Kaiser  entlassen 
sein.  „Herzog  Johann  Friedrich  ist  wieder  zu  Lande 
kommen,"  meldete  Franz  Kram  nach  Ungarn,  „und  seiner 
Befreiung,  auch  etlicher  kaiserlicher  Vertröstung  halben 
fallen  allerlei  Reden,  darauf  sonderliche  Aclit  zu  geben, 
auch  bei  den  Kaiserischen  zu  erforschen,  ^^'ie  und  welcher 

")  Weimar,  Reg.  K.  fol.  195  No.  5.  Wolfenbüttel,  acta 
publica  355  a. 

i*')  Über  Mai>(leburo- Halberstadt:  Dresden,  Loc.  9323,  Hun- 
garische  Expedition  El.  188.  209  tig.  275,  vergl.  9153  Mugdeburgische 
Händel  etc.     1550/7  Bl.  191  flg.  8485  acta  miscell.  1550  flg. 

^»)  Weimar,  Reg.  K.  Ibl.  216  No.  H  u.  9. 

"")  Über  das  Verhältnis  Mecklenburgs  zum  Krzstifte  Magde- 
burg und  Kurfürsten  Moritz  siehe  Fv.  Willi.  Schirrmacher, 
Johann  Albrecht  I.  von  Mecklenburg  (1885)  I,  200  flg.  JI  No.  73  flg. 

-*)  Wien.  Brandenburg  1552,  Kurfürst  Joachims  Briefe  an 
König  Maximilian  vom  30.  Oktober.  24.  November  1552  und  vom 
24.  Januar  1553. 


48  S.  Issleib: 

Gestalt  er  vom  kaiserlichen  Hofe  abgeschieden.  Etliche 
der  Seinen  haben  sich  einer  Restitution  gerühmt.  Ich 
hoffe  aber,  sie  solle  ihm  langsam  widerfalu^en,  ^vurden 
zuvor  einander  wüste  Kappen  setzen  und  konnte  er  wohl 
um  das  Übrige  auch  kommen"  etc.  Es  fiel  auf.  dass  der 
Herzog  seit  der  Rückkehr  den  Titel  eines  „gebornen 
Kurfürsten"  führte  und  Gotha  befestigen  Hess.  Münzen 
mit  dem  Kurwappen  und  der  Aufschrift  verus  eledor- 
kamen  in  Umlauf;  auch  verlautete,  dass  für  ihn  in  Strass- 
burg  Geschütze  gegossen  würden.  Überaus  verdächtig 
erschien  das  lebhafte  Kriegsgewerbe  in  Niedersachsen, 
seitdem  man  erfulu%  ein  Sohn  des  Herzogs  sei  beim 
Kriegshaufen  und  Volrad  von  Mansfeld  in  Weimar  ge- 
wesen'-'-). Johann  Friedlich  beabsichtige  nicht  blos  —  es 
war  antangs  Oktober  —  seinen  Sohn  Johann  AVilhelm 
in  die  Stifter  Magdebiu-g- Halberstadt  einzudrängen,  son- 
dern er  verfolge  weitere  Pläne.  „Das  Nesselblatt  soll 
verdorren,"  schrieb  ein  Anhänger  des  Herzogs,  „und  das 
Rautenkränzlein ,  das  ist  mein  gnädiger  Herr,  soll  nach 
seinem  Unfälle  wieder  grünen  und  grün  bleiben."  Es 
wurde  hinterbracht ,  der  Herzog  rüste  und  habe  auf  den 
Kurfürsten  in  Ungarn  solche  Kundschaft,  dass  er  fast 
täglich  erfahre,  wie  es  um  ihn  und  sein  Kriegsvolk  stehe; 
der  Kurfürst  sei  mit  Verrätherei  wohl  umgeben.  Kern 
Wunder,  wenn  daher  die  kurfürstlichen  Räthe  über  den 
herzoglichen  Landtag  in  Saalfeld  die  genauesten  Erkun- 
digungen einzuziehen  suchten,  und  wenn  sie,  wie  gele- 
gentlich die  Landgrafen  von  Hessen,  ihren  Herrn  fort  und 
fort  bestürmten,  zurückzukehren  und  die  schwebenden 
Irrungen  mit  dem  ernestinischen  Vetter  beizulegen.  Der 
Kurfürst  aber  erwiderte,  seine  Sache  sei  es  nicht,  die 
Gegner  hoch  zu  feiern  oder  demüthig  um  Vertrag  zu 
bitten.  Seine  Noth  erfordere  noch  nicht,  Vergleichung 
anzubieten.  Auch  fürchte  er  sich  nicht  so  sehr.  Habe 
Johann  Friedrich  Mängel  oder  Gebrechen,  so  werde  er 
sie  wohl  bei  ihm  suchen  etc.  Die  Münzen  werde  gewiss 
ein  Goldschmied  als  Fuchsschwänzerei  gemacht  haben. 
Mecto7-  natus  könne  er  nicht  sein,  weil  zur  Zeit  seiner 
Geburt  Herzog  Friedrich  Kurfürst  gewesen,  und  thäte 
er  daher  seiner  Mutter  selbst  ungütlich.     Wenn  es  aber 


--)  Johanu  Friedrich  hatte  vorübergehend  mit  dem  Grafen  Volrad 
zu  Gunsten  des  Brzstiftes  Magdeburg  verhandelt,  um  dadurch  das 
J^^apitel  zu  gewinnen.     Weimar,  Keg.  X.  lol.  216  No.  6  (9). 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553.  49 

nicht  eing-estellt  werde,  so  sei  ihm  soviel  nicht  daran 
gelegen,  dann  wolle  er  sich  dagegen  wohl  auch  natus, 
donatus,  coronatiis  et  verus  elector  schreiben,  wenn  es 
an  einem  nicht  genug-^^). 

Indessen  wie  er  sich  schon  vorher  an  König  Ferdi- 
nand wegen  der  Asseknration,  die  des  Friedens  halben 
geändert  werden  müsse,  gewendet  hatte,  so  beschwerte 
er  sich  jetzt,  weil  Johann  Friedrich  Gotha  befestige,  sich 
gebornen  Kurftii^sten  nenne,  das  kurfürstliche  Wappen 
führe  und  Geschütze  giessen  lasse.  An  die  Wittenberger 
Kapitulation  habe  derselbe  in  seiner  Asseknration  einen 
Anhang  gebracht,  welcher  Thür  und  Thor  öffne.  Ent- 
weder erhalte  er  eine  geänderte  Versicherung,  schrieb 
er,  oder  er  wolle  gar  keine  annehmen  und  die  Sache  auf 
die  Faust  setzen. 

Bereits  am  17.  Oktober  mid  später  ersuchte  König 
Ferdinand  den  Kaiser  um  Abstellung  der  kurfürstlichen 
Beschwerden;  denn  Johann  Friedrich  führe  den  Titel 
eines  geborenen  Kurfürsten  mit  Unrecht,  und  gegen  alle 
alten  Rechtsgewohnheiten  lasse  er  Münzen  mit  dem  Kur- 
wappen prägen;  die  Befestigung  von  Gotha  widerspreche 
der  Wittenberger  Kapitulation  und  berge  Gefahren  für 
die  Ruhe  im  deutschen  Reiche.  Auf  die  alte  und  1546, 
wieder  erneute  Erbeinigung  zwischen  der  Krone  Böhmen 
und  Kursachsen  verweisend,  erklärte  er  offen,  im  Falle 
der  Noth  müsse  und  werde  er  dem  Kui'fürsten  gegen  den 
Herzog  Hilfe  leisten"^). 

Eben  im  Oktober  suchte  Kurfürst  Moritz  gegen 
jedermann  einen  Rückhalt  und  hielt  für  das  Beste, 
König  Ferdinand  ein  Schutzbündnis  anzutragen.  Am 
26.  d.  M.  übergab  er  Heinrich  von  Plauen  eine  Werbung, 
welche  dieser  am  königlichen  Hofe  gelegentlich  anbringen 
und  dann  beantworten  sollte-^'). 

In  der  Absicht  des  Kurfürsten  hatte  es  gelegen,  um 
Martini  in  der  Heimath  zu  sein.   Krankheit  aber  hielt  ihn 


23)  Dresden,  Loc.  9323  Hungarische  Expedition  BI.  135,  180. 
Druffel  II,  1780  %. 

24)  Lanz  III,  505.  AVien,  Saxonica  1548/52  fasc.  2.  Graz, 
11.  Dezember  1552.  Wien,  Kriegssachen  1553.  Aus  Rosenbergs  Zei- 
tung: der  Kaiser  soll  Herzog  Hans  zum  Krieg  reizen  und  Ferdinand 
Herzog  Moritz  nicht  verlassen  wollen  (vom  10.  .ianuar). 

^^)  Wien,  Saxonica  1548/52  fasc.  2.  Zu  gleicher  Zeit  trug  sich 
Komerstadt  in  Dresden  mit  Bundesgedanken  zum  Schutze  Sachsens: 
Dresden,  Loc.  9323  Hungarische  Expedition  Bl.  245.  Brief  vom 
27.  Oktober. 

Neues  Arcbiv  l.  Ö.  G.  n.  A.     VIII.  1.  2,  4 


50  S.  Issleib: 

zurück.  Elend  und  schwach  verliess  er  am  1.  November 
Raab-*^)  und  zog  über  Wien  nach  Neustadt  in  Oesterreich. 
Er  sei  hart  ki'ank  gewesen,  schiieb  er  der  Gattin  am 
20.  November-^),  und  habe  besorgt,  sie  nicht  wiederzu- 
sehen. Vor  Kopfreissen  und  Hitze  habe  er  oft  nicht 
gewusst,  ob  er  lebendig  oder  tot  sei.  Zwölf  Tage  habe 
er  weder  stehen  noch  gehen  noch  essen  können,  das 
Trinken  allein  habe  ilm  ernährt.  „Aber  Gott  hat  wieder 
geholfen,"  scliloss  er  seinen  Ki-ankheitsbericht  und  stellte 
seine  Heünkehr  auf  den  4.  Dezember  in  Aussicht.  Die 
Hofleute  sollten  AVein,  Bier  und  andere  Dinge  von  Dres- 
den nach  Radeberg  mitnehmen ;  er  wollte  sich  gern  er- 
quicken, „weil  der  dicke  Hofifart  von  Weimar"  so  frölüich 
über  sein  Unglück  sein  solle  und  sich  hören  lasse,  er  sei 
geschossen  worden"-^).  Sobald  als  möglich  trat  der  Kur- 
fürst die  Heimreise  an.  Am  6.  Dezember  traf  er  in 
ßadeberg  ein,  wo  er  einige  Zeit  jagte  mid  des  Leibes 
pflegte. 

Was  ihn  hier  viel  beschäftigte,  war  des  Markgrafen 
Albrecht  Bruch  mit  Frankreich  und  seine  Aussölmung 
mit  dem  Kaiser.  Schon  auf  der  Heimreise  hatte  er  da- 
von gehört;  bei  seiner  Ankimft  in  Radeberg  fand  er  aus- 
fühi'liche  Meldungen  vom  Pfalzgrafen  Ottheinrich  vor^^). 
Jener  Vorgang  musste  nothweudiger  Weise  Aufsehen  er- 
regen und  Grund  genug  zur  Verwunderung  und  scharfen 
Beurtheilung  bieten. 

Ende  Dezember  berührte  Heinrich  von  Plauen  die 
Angelegenheit  und  hob  hervor,  was  der  Markgraf  früher 
an  etliche  Kiufürsten  geschiieben  habe.  Dazu  sei  nicht 
zu  schweigen;  er  solle  jetzt  seine  eigne  Handlmig  an- 
sehen und  wie  er  des  Reiches  Libertät  bedacht,   der  er 


-ß)  Dresden,  Originalurkunde  No.  11465  enthält  des  Königs 
bewüligteu  Abschied,  den  er  dem  Kurfürsten  am  13.  Dezember  in 
Graz  ausstellte;  D ruffei  II,  1820. 

-")  Dresden,  Loc.  8498  Kurfürst  Moritz'  meist  eigenhändige 
Schreiben.  1547—53  Bl.  30. 

2*)  Über  seine  Krankheit  wurden  allerlei  schlimme  Reden  ge- 
führt. Daher  schrieb  er  (am  7.  Januar  1553)  an  Landgraf  Philipp: 
er  achte,  vielleicht  dazu  geboren  zu  sein,  dass  man  ihm  allewege  mehr 
und  ärger  nachrede,  denn  man  Grund  und  Ursache  habe.  Weil  er 
aber  einem  jeden  nicht  das  Maul  stopfen  könne,  so  wolle  er  böser 
Leute  Geschwätz  so  hoch  nicht  achten.  Marburg,  Sachsen,  alberti- 
nische  Linie  1.552 '3,  0.  W.  S.  912.    Druffel  II,  1816. 

"^)  Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  wider  Markgrafen  Albrecht 
von  Brandenburg  1553  Bl.  10,  14,  68. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553.  51 

sich  SO  heftig  habe  annehmen,  auch  seinen  Herren,  dem 
er  so  treu  habe  dienen  wollen'^"). 

Der  Markgraf  hatte  sich,  wie  bekannt,  mit  König 
Heinrich  II.  überworfen  und  war  mit  seinen  Truppen  in 
die  Dienste  des  Kaisers,  welcher  Metz  belagerte,  ge- 
treten=^^).  Auf  Verlangen  wollte  er  auch  das  m  seinem 
Fürstenthume  befindliche  und  alles  andere  mit  ihm  im 
Zusammenhang  stehende  Kriegsvolk  zur  Verfügung  stellen 
oder  beurlauben.  Dafür  bestätigte  der  Kaiser  die  Ver- 
träge, welche  der  Markgraf  am  19.  und  21.  Mai  von  den 
Bischöfen  von  Bamberg  und  Würzburg  erzwungen  hatte, 
und  versprach  den  Grafen  Volrad  und  Albrecht  von 
Mansfeld  seine  G-nade,  wenn  sie  sich  mnerhalb  zweier 
Monate  gehorsam  erzeigen  würden.  Welch  em  Schritt! 
Um  Frankreichs  Kriegsmacht  zu  schwächen,  erschütterte 
der  Kaiser  sein  Ansehen  in  Deutscliland. 

Die  erwähnten  Verträge  nämlich  hatte  er  Ende  Au- 
gust für  null  und  nichtig  erklärt,  weil  der  Markgraf  den 
Passauer  Vertrag  verwarf.  Infolge  kaiserlicher  Mandate 
hatten  sich  (um  Mitte  Oktober)  eine  Anzahl  fränkischer 
Stände,  vor  allem  Bamberg,  Würzbm^g  und  Nürnberg, 
zusammengethan  und  einen  Bund  gegen  den  Markgrafen 
gestiftet^^-).  Die  vier  rheinischen  Kurfürsten  waren  auf 
einer  Versammlung  in  Worms  (am  2.  November)  zur 
Handhabung  des  Landfriedens  bereit.  Nim  erfolgte  die 
Zurücknahme  der  Kassation  der  bischöflichen  Verträge. 
Der  Markgraf  verlangte  Vollziehung  derselben,  und  die 
Bischöfe  bemühten  sich,  den  neuen  kaiserlichen  Vertrag 
widerruflich  zu  machen.  Karl  V.  sah  sich  zu  einer  aus- 
führlichen Auseinandersetzung  veranlasst,  dass  die  Noth 
ihn  zu  dem  Vertrage  gezwungen  habe.  Er  ersuchte  die 
Bischöfe,  ihre  Verträge  zu  halten  und  vertröstete,  den 
Schaden  später  gut  machen  zu  wollen.  Welcher  Konflikt 
musste  nun  entstehen,  wenn  die  Bischöfe  auf  der  kaiser- 
lichen Kassation  und  der  Markgraf  auf  der  Batifikation 
der  Verträge  verharrten.    Der  kaiserliche  Kath  Dr.  Seid 


30)  D  ruf  fei  II,  1866/7. 

31)  DanU)er  handelte  ausführlich  Johannes  Voigt,  Markgraf 
Albrecht  Alcibiades  (Berlin  1852)  I,  342  flg.  Für  die  folgende  Zeit 
ist  dieses  verdienstvolle  Werk  immer  zu  Rathe  gezogen  worden,  ob- 
gleich in  vielen  Einzelheiten  Abweichungen  stattünden  mussten. 

32)  Bamberg,  Kriegssachen  1552.  No.  568,  I.  Vereinigung 
13.  Oktober.  No.  596,  Wormser  Abschied  vom  2.  November,  Druf- 
fel  II,  1827.    Weimar,  Reg.  C.  fol.  47,  No.  9. 

4* 


52  S.  Issleib: 

hatte  eifrig  gegen  die  cassatio  cassationis  gesprochen  und 
Schlimmes  prophezeit.     Granvella  überbot  ihn-^'^). 

Heinrich  von  Plauen  gab  dem  Kurfürsten  Moritz  zu 
bedenken,  was  erfolgen  köime,  wenn  der  Markgraf  die 
Bischöfe  mit  Kj-iegsvolk  überziehe,  und  stellte  die  Frage, 
ob  ihm  der  „Vorstreich"  zu  lassen  sef^*). 

Die  Vorgänge  der  letzten  Monate  Hessen  den  Kur- 
fürsten keineswegs  gleichgiltig.  Wenn  er  bedachte,  dass 
er  diu'ch  seinen  Kriegszug  des  Kaisers  Gimst  verscherzt 
hatte,  dass  dagegen  Herzog  Johann  Friedrich  hoch  be- 
gnadigt, Markgraf  Hans  bevorzugt  und  Markgraf  Albrecht 
kaiserlicher  Verbündeter  war,  so  komiten  sich  äusserst 
gefährliche  Verhältnisse  entwickeln  ■^•^).  Wie  stand  es 
dann  auch  um  den  vom  Landgrafen  Philipp  zwar  überaus 
gebilhgten,  aber  von  anderen  Seiten  stark  angefochtenen 
Passauer  Vertrag  ?  Das  war  die  Aufgabe  des  Kurfürsten : 
seine  Stellimg  zu  sichern  und  den  Passauer  Vertrag  auf- 
recht zu  erhalten. 

Dem  Passauer  Vertrage  gemäss  nahm  er  sich  zunächst 
der  braunschweigischen  Junker  an.  Da  war  bedacht 
worden,  dass  er  ueben  dem  Kurfürsten  von  Brandenbm'g, 
dem  Markgrafen  Hans  von  Küstrin  und  dem  Herzoge 
Philipp  von  Pommern  als  kaiserlicher  Kommissar  die 
Restitution  der  Junker  imierhalb  dreier  Monate  vollziehen 
solle.  Ungeachtet  der  Protestation  Herzog  Heinrichs 
von  Braunschweig  war  er  an  die  Lösung  der  Aufgabe 
herangetreten.  Schon  während  semer  Abwesenheit  in 
Ungarn  hatte  er  neben  dem  Kurfürsten  von  Brandenburg 
an  den  Herzog  gesendet  und  sich  durch  eine  verdriess- 
liche  Antwort  nicht  abschrecken  lassen  ^^).  Eine  lästige 
Schwierigkeit  war  dadurch  eingetreten,  dass  die  Junker, 
untereinander   zerfallen,    sich   in  Kriegs-  und  Vertrags- 

^^)  Wien,  Zasius'  Relationen  1553,  Brief  au  König  Ferdinand 
vom  23.  März  ans  Worms. 

3i)  D  ruf  fei  II.  18H6,  Prag  am  2.5.  Dezember. 

^■')  Zweimal  versuchte  Markgraf  Hans  sich  auf  Wunsch  des 
Kaisers  Herzog  Johann  Friedrich  zu  nähern:  einmal  auf  der  Rück- 
reise vom  Kaiser,  das  zweite  Mal  im  Februar  1553.  Was  er  das 
erste  Mal  gewollt,  ist  nicht  ersichtlich,  das  andere  Mal  sollte  Johann 
Friedrich  mit  ihm  zwischen  Herzog  Heinrich  und  den  Junkern  ver- 
handeln und  sich  selbst  mit  dem  Herzoge  versöhnen  lassen.  Allein 
Friedrich  wies  die  Verhandlung  zurück  und  zeigte  an,  dass  Ernst 
von  Braunschweig  sich  der  Versöhnung  schon  befleissigt  habe.  Wei- 
mar, Reg.  K.  fol.  179,  No.  1,  192,  No.  3,  C.  fol.  69  No.  36. 

3ß)  Dresden,  Loc.  9323  Hungarische  Expedition  Bl.  111,  209; 
Loc.  9157  Mansfeldische  Irrungen  1552/3  Bl.  10.    Lanz  III,  501.  . 


Von  Passan  bis  Sievershausen  1552 — 1553.  53 

juiiker  scliieden.  Die  letzteren  hielten  am  Passauer  Ver- 
trage und  an  der  friedlichen  Restitution  durch  die  kaiser- 
lichen Kommissare  fest,  die  ersteren  suchten  mit  Hilfe 
des  Grafen  Volrad  von  Mansfeld  auf  dem  Wege  der  Ge- 
Avalt  ilu^e  Güter  und  Gerechtigkeiten  wieder  zu  gewinnen. 
Anfangs  ISTovember  hatte  Kurfürst  Joachim  mit  den  säch- 
sischen Käthen  einen  Verhandluugstag  zu  Halberstadt 
angesetzt-").  Der  Herzog  war  erschienen,  ritt  aber,  so- 
bald die  sächsischen  und  brandenburgischen  Bevollmäch- 
tigten anlangten,  Avieder  davon.  Vierzehn  Tage  lang 
wurde  dann  die  Junkerfrage  vergeblich  behandelt-'*);  die 
braunschweigischen  Räthe  verwarfen  alle  Vorschläge  und 
protestierten  heftig,  ja  ehrenrührig  gegen  den  Passauer 
Vertrag.  Nichtsdestoweniger  setzten  schliesslich  die  Sub- 
delegierten  einen  Restitutionstag  auf  den  12.  Januar 
1553  fest. 

Mit  Zustimmung  des  heimgekehrten  Kurfürsten 
Moritz  trafen  nun  die  sächsischen  und  brandenburgischen 
Räthe  zur  bestimmten  Zeit  in  Braunschweig  ein  und  baten 
Herzog  Philipp  Magnus  in  Abwesenheit  des  Vaters  um 
Geleit.  Trotzdem  derselbe  ihr  Gesuch  rund  abschlug,  be- 
gannen sie  am  17.  Januar  die  Restitution.  Zwei  Tage 
darauf  aber  wiu^den  sie  in  schonungsloser  Weise  von 
einem  herzoglichen  Rittmeister  (umgeben  von  einer  Schaar 
Reiter)  aufgefordert,  sich  ihres  Werkes  gänzlich  zu  ent- 
halten und  bis  zur  Ankunft  Herzog  Heinrichs  heimzu- 
ziehen. Ja  Übelthätern  und  Ruhestörern  gleich  brachte 
man  sie  vor  Wolfenbüttel ,  liess  sie  bis  Sonnenuntergang 
vor  dem  Thore  warten,  protestierte  endlich  gegen  die  Ein- 
weisung der  Junker,  erklärte  die  bisherige  Restitution 
für  null  und  nichtig  und  schickte  sie  von  dannen.  Über 
Braunschweig  zogen  die  Bevollmächtigten  verletzt  und 
gekränkt  in  die  Heimath  ■''*).  Erst  später  konnte  der 
Kurfürst  die  Sache  mit  grösserem  Glücke  in  die  Hand 
nehmen. 

Gedenken  wir  hier  kurz  einer  kurfürstlichen  Sendung 

37)  Wien,  Kriegssachen  1553;  Weimar.  Reg.  K.  fol.  179  No.  1, 
Reg.  C.  fol.  69  No.  36. 

''*)  Glücklicher  verlief  die  gleichzeitige  Verhandlung  mit  den 
Grafen  von  Mansfeld.  Zwischen  ihnen  bahnte  Knrfiirst  Joachim 
einen  Vergleich  erfolgreich  an,  den  später  Kurfürst  Moritz  in  Leipzig 
endgültig  zum  Abschluss  brachte.     Weimar,  Reg.  C. 

^^)  Nach  der  Rückkehr  des  Herzogs  geriethen  dann  die  Ver- 
tragsjunker in  grosse  Noth,  so  dass  sie  am  8.  März  den  Kaiser  er- 
suchten, den  Fürsten  in  die  Acht  zu  erklären. 


54  S.  Issleil): 

an  den  Kaiser^"),  Bereits  in  Passau,  unmittelbar  nach 
Schluss  der  Yerhandlungen,  empfahlen  der  Kanzler  Mord- 
eisen und  Christof  von  CarloAvitz,  sich  des  Krieges  halben 
beim  Kaiser  ungesäumt  zu  entschuldigen.  In  Folge  des 
empörenden  kaiserlichen  Verhaltens  aber  wurde  die  An- 
gelegenheit verschoben  und  erst  während  des  Türken- 
zuges wieder  in  Anregung  gebracht.  König  Ferdinand 
hielt  für  angezeigt,  einen  vertrauten  Eath  zu  senden. 
Darauf  wurde  Carlowitz  in  das  Auge  gefasst,  weil  ihn 
der  Kaiser  und  dessen  Käthe  wohl  leiden  konnten.  Carlo- 
■\vitz  sträubte  sich  und  betonte,  früher  möchte  er  viele 
Gnade  und  grosses  Vertrauen  gehabt  haben;  allein  da 
er  vor  dem  Kriege  stets  gute  Vertröstungen  gegeben 
hätte,  dessen  Gegentheil  hernach  erfolgt  wäre,  so  würde 
die  kaiserliche  Gunst  erschüttert  und  verloren  sein.  In- 
ständig bat  er,  eine  Person,  die  noch  keiue  Ursache  zum 
Misstrauen  gegeben  habe,  zu  schicken.  Indessen  im  De- 
zember 1552  musste  Carlomtz  die  beschwerliche  Reise 
in  das  kaiserliche  Kriegslager  unternehmen,  um  den  Kur- 
fürsten zu  entschuldigen  mid  treuen  Gehorsam  zu  ent- 
bieten, damit  der  bestehende  Groll  falle  und  das  alte  Ver- 
trauen wieder  hergestellt  werde. 

Zu  Diedenhofen  gewährte  der  Kaiser  (im  Januar  1553) 
Audienz,  bei  der  er  einerseits  seinen  Schmerz  und  Kummer 
über  die  erlittene  Unbill  zu  erkennen  gab,  andererseits 
versicherte ,  durch  den  Passauer  Vertrag  habe  er  gänz- 
lich verziehen  und  dem  allmächtigen  Gott  alle  Dinge 
anheimgestellt.  Daran  knüpfte  er  die  Hoifnung,  der  Kur- 
fürst werde  nicht  allein  die  zugefügte  Beleidigung  zeit- 
lebens gebührlich  wieder  abvercÜenen,  sondern  auch  den 
durch  den  Krieg  veranlassten  Unrath  im  Eeiche  mit  be- 
seitigen helfen.  Der  Verspätung  wegen  habe  es  keiner 
Entschuldigung  bedurft,  da  der  Kurfürst  gegen  die  Türken 
gezogen  sei.  Als  Carlowitz  für  sich  der  zwischen  dem 
Kurfürsten  und  Herzog  Johann  Friedrich  schwebenden 
Irrung  gedachte,  erklärte  der  Kaiser,  kernen  Theil  be- 
vorzugen, sondern  gleiche  "VVage  halten  zu  wollen.  Schrift- 
lich Hess  dann  Karl  V.  den  Kurfürsten  ersuchen,  Carlo- 
witz' mündlichen  Bericht  zu  hören  und  damit  zufrieden 
zu  sein. 

Welche  Eindrücke  der  kurfürstliche  Rath  mit  von 


*o)  Dresden,  Loc.  9145  Hess^ische  entledigiing  III  Bl.  520,  529, 
536,  730  flg.,  746  flg.     Wien,  Reichsakten  miscell.  1552. 


Von  Passau  bis  Sievershansen  1552—1553.  55 

(lanneii  nahm,  wissen  wir  nicht;  allein  des  Kurfürsten 
Misstrauen  gegen  den  Kaiser  hat  er  nicht  beseitigt,  und 
später  erfahren  wir,  dass  er  selbst  keineswegs  davon  frei 
gewesen  ist. 

INIittlerweile  hatte  sich  Heinrich  von  Plauen  des  kur- 
fürstlichen Auftrages  (vom  26.  Oktober)  in  Graz  am 
9.  Dezember  entledigt  und  war  auf  fi-eundliches  Ent- 
gegenkommen gestossen*^).  König  Ferdinand  zeigte 
Neigung  zu  einem  Bündnisse.  Der  Kurfürst  sollte  seine 
Vorschläge  überschicken'''-),  dann  wollte  er  sich  umgehend 
schlüssig  machen  und  womöglich  mit  ihm  in  Böhmen  zu- 
sammen kommen.  Es  geschah  dies,  um  Zeit  zu  gewinnen 
und  mit  dem  Kaiser  vorher  berathen  zu  können.  Am 
liebsten  hätte  der  Kurfürst  gesehen,  wenn  der  König  die 
Bundesartikel  aufgestellt.  Da  das  nicht  erfolgte,  so  über- 
sandte er  (Januar  1553)  an  Heinrich  von  Plauen  ein  Kon- 
zept *'^) .  welches  die  Hauptpunkte  eines  zuverlässigen 
Schutz-  und  Trutzbündnisses  enthielt  und  als  Mitglieder 
die  Kurfürsten  von  Pfalz  und  Brandenburg,  den  Land- 
grafen von  Hessen,  die  Herzöge  von  Bayern  und  Braun- 
schweig, den  Erzbischof  von  Magdeburg-Halberstadt,  die 
Bischöfe  von  Bamberg  und  Würzburg,  den  Fürsten  von 
Plauen  und  die  Stadt  Nürnberg  in  Vorschlag  brachte**). 

Während  dem  hatte  der  König  dem  Kaiser  (am  1 6.  De- 
zember)*'') mitgetheilt,  der  Kurfürst  suche  vor  allem  an 
ihm  und  an  nachbarlichen  Ständen  eine  Stütze  zu  gewinnen 
und  gedenke  mit  ihm  nicht  nur  füi-  Böhmen  und  inkor- 
porierte Länder,  sondern  auch  für  alle  österreichischen 
Erbländer  und  gegen  die  Türken  ein  Schutzbündnis  zu 
schliessen.  Zur  Empfehlung  fügte  er  bei,  dass  der  neue 
Bund  Kaiser  und  Reich  nützen,  die  französischen  und 
die  anderen  Verschwörungen  vernichten,  die  beständigen 
Truppenansammlungen  in  Sachsen  beenden  und  gegen  die 
Türken  Schutz  bieten  werde.  Ohne  grosse  Pflichten  und 
Kosten  könne  der  Kaiser  selbst  Haupt  des  Bundes  sein. 
Der  Kurfürst  eile,  seinen  Willen  zu  erfahren;  allein  ohne 


*i)  Wien,  Saxoiiica  1548/52. 

*"')  Drnffel  II,  1866  (25.  Dezember). 

•*'')  Marl)uri>-,  O.  W.  S.  379.  Reichs-  und  Kieissachen  Militaria 
I — IV.  Bgeische  Bündnis  1553  Vol.  III.  Die  Artikel  waren  am 
17.  Januar  in  den  Händen  des  Fürsten  von  Plauen. 

■'*)  Es  fehlten  Herzog  Johann  Friedrich  und  die  Markgrafen 
Hans  und  Albrecht. 

*6)  Lanz  m,  525  flg. 


56  S.  Issleib: 

Wissen  des  Kaisers  habe  er  sich  nicht  einlassen  wollen. 
Darauf  erwiederte  Karl  V.,  ehe  er  sich  entscheiden  könne, 
müsss  er  die  Bedingungen  und  die  Mitglieder  des  Bundes 
kennen.  In  Sachsen  würden  sich  wenige  Stände  bethei- 
ligen, da  der  Kurfürst  allgemein  verhasst  sei.  Alle  Lasten 
würden  dann  auf  ihn  und  den  König  fallen,  und  der  Bund 
würde  am  meisten  gegen  Herzog  Johann  Friedrich  ge- 
richtet sein.  Auf  den  Herzog  aber  sei  mehr  Verlass  als 
auf  den  Kurfürsten.  Weitmehr  verwies  der  Kaiser  den 
Bruder  auf  den  kaiserlicherseits  geplanten  süddeutschen 
Bund''«). 

Aus  diesem  Umstände  erklärt  sich  die  dem  Kur- 
fürsten ziemlich  verspätet  zugeschickte  Antwort*'') ,  der 
zufolge  der  Kaiser  Haupt  des  Bundes  sein  sollte  und 
Ferdinand  selbst  nur  mit  den  böhmischen  Kronländern, 
den  fünf  niederösterreichischen  Erbländern  und  der  fürst- 
lichen Grafschaft  Görz  in  den  sogenannten  sächsischen 
Bund  eintreten  wollte;  die  ober-  und  vorderösterreichischen 
Länder  dagegen  sollten  der  oberländischen  Vereinigung 
zugeführt  werden.  Die  Bestimmung  über  Ort  und  Zeit 
ihrer  Zusammenkunft  überliess  der  König  dem  Kurfürsten. 
Beide  kamen  dann  überein,  dass  die  erste  Versammlung 
den  16.  April  in  Eger  stattfinden  sollte"*'^). 

Von  einigem  Interesse  ist  zu  wissen,  dass  Landgraf 
Philipp  von  Hessen  Ende  Dezember  1552  gleichfalls  mit 
Bundesvorschlägen  hervortrat ''^).  Die  wunderlichen  Händel, 
welche  hin  und  her  schwebten,  die  bedrohte  Lage  der 
Bischöfe  zu  Münster  und  PaderlDorn  von  Seiten  des  säch- 
sischen Kriegshaufens,  und  die  der  Bischöfe  von  Bam- 
berg und  Würzburg  von  Seiten  des  Markgrafen  Albrecht 
hatten  den  Gedanken  reifen  lassen.  Und  wiewohl  die 
Bischöfe  des  Glaubens  willen  widrig  seien,  meinte  er, 
so  sei  doch  gut,  wenn  grosse  Herren  wie  Bayern,  Württem- 
berg, Pfalz,  Sachsen,  Brandenburg  und  andere,  auch  ge- 
nannte Bischöfe  ein  Bündnis  auf  Grund  des  allgememen 


*^)  Am  27.  Februar  1553  berief  der  Kaiser  eine  Versammlung: 
der  angesehensten  Stände  des  schwäbischen  und  bayrischen  Kreises 
nach  Memmingeu  auf  den  5.  April.  Dresden,  Loc.  9155  Schriften 
Herzog  Johann  Friedrichs,  Markgrafen  Albrechts  etc.     Bl.  193. 

*')  Graz  13.  Februar  1553  siehe  Note  43.  Am  14.  Februar  schickte 
König  Ferdinand  die  kurfürstlichen  Artikel  an  den  Kaiser. 

*^)  Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  Avider  Markgrafen  Albrecht 
von  Brandenburg  1553  Bl.  117. 

*ö)  Marburg,  0.  W.  S.  912  Sachsen,  albertinische  Linie  1552/3 
(28.  Dezember). 


Von  Passai;  bis  Sievershausen  1552 — 1553.  57 

Landfriedens  sclüiessen  würden,  damit  nicht  jede  geringe 
Person,  der  die  Laus  über  die  Leber  liefe,  einen  Kriegs- 
liaufen  an  sicli  hängen  imd  dem  einen  heute,  dem  andern 
morgen  Schaden  zufüge.  Man  spüre  wohl,  was  das  säch- 
sische Kriegsvolk  jetzt  thue,  und  sollte  man  zusehen, 
dass  die  Bischöfe  gänzlich  dermassen  gezAvungen  würden, 
so  möchte  es  vielleicht  auch  an  andere  kommen.  Es 
dürfe  aber  einer  dem  andern  des  Glaubens  halben  keinen 
Schaden  zufügen  und  weder  durch  Anstiftung  des  Konziles 
noch  sonst  vom  Glauben  abbringen,  auch  kein  Bundes- 
genosse niemanden  des  Glaubens  willen  im  Lande  töten 
noch  verfolgen,  wenn  er  sonst  gehorche.  Wiewohl  er 
keine  grosse  Lust  zu  Bündnissen  habe,  so  wolle  er  doch 
zur  Vermeidung  grossen  Schadens  seinen  Antheil  nach 
Vermögen  geben,  sofern  es  geschickt  und  recht  ange- 
fangen werde '^^). 

Der  Kurfürst  gab  zu  erkennen,  dass  er  bereits  mit 
König  Ferdinand  in  Bundesverhandlungen  stehe,  schon 
habe  er  Vorschläge  übersendet  und  erwarte  Resolution. 
Wenn  die  königliche  AntAvort  eintreffe,  wolle  er  sie  ihm 
Fastnacht  zu  lesen  geben.  Rathsam  sei,  dass  die  geist- 
lichen Fürsten  allerorten  nach  Möglichkeit  in  gutem  Willen 
erhalten  würden.  Der  Landgraf  möge  AVeltliche  und 
Geistliche  für  einen  Bund  geneigt  machen  helfen. 

Fastnacht  1553  sollten  Philipp  und  sein  Sohn  Wilhelm 
in  Dresden  als  liebe  Gäste  verweilen.  Der  Vater  lehnte 
die  wiederholte  Einladung  wegen  allerlei  Leibesbeschwerden 
ab^^),  aber  Landgraf  Wilhelm  erschien.  Für  die  Politik 
des  Kurfürsten  Moritz  ist  jene  Fastenzeit  wichtig  ge- 
wesen. Zwischen  den  beiden  jugendlichen  Fürsten  wurden 
in  jenen  Tagen  alle  denkbaren  Verhältnisse  zur  Sprache 
gebracht,  erörtert  und  behandelt.  In  Anwesenheit  des 
Schwagers  hat  der  Kurfürst  Schritte  gethan,  welche  die 
darauffolgenden  denkwürdigen  Verwickelungen  einleiteten. 

Vom  Vater  beauftragt  erforschte  Landgraf  Wilhelm 


■'^)  In  g-leicher  Weise  schrieb  Landgraf  Philipp  an  (l(>n  Kur- 
fürsten von  der  Pfalz.  Dieser  aber  widerrieth  die  Aufnahme  von 
Bischöfen.  Dresden.  Loc.  9157  Ki'iegszug-  wider  ]\rarksrafen 
Albrecht  etc.  1553,  Landgraf  Philipp  an  Moritz,  Marburg  4.  März 
1553. 

■'^)  Marburg,  O.  W.  S.  912.  Sachsen,  albertinische  Linie  1552/3, 
Briefe  vom  30.1)ezeniber  1552,  vom  10.  Januar  1553  flg.  Die 
Schwester  des  Landgrafen,  Herzogin  Elisabeth  von  Rochlitz,  kannt_e 
andere  Gründe,  welche  Philipp  zurückhielten.  Weimar,  Heg.  K. 
fol.  194  No.  4,  Brief  vom  19.  Januar  1553  an  Herzog  Johann  Friedrich. 


58  S.  Issleib: 

zunächst  die  Gesinnung  des  Kurfürsten  gegen  Herzog 
Johann  Friedrich,  und  da  er  ihn  ziemlich  versöhnlich 
fand,  ermunterte  er  zur  Wiederaufnahme  der  eingestellten 
Verhandlungen  •''-).  Einig  waren  ferner  die  beiden  Fürsten 
darüber:  die  im  Januar  angeknüpften  französischen  Ver- 
bindungen fest  zu  halten  •''■^) ,  mit  Kurpfalz ,  Baj^ern  und 
anderen  Fürsten  gutes  Einvernehmen  zu  pflegen ,  sowie 
die  braunschweigischen  und  fränkischen  Wirren'^*)  scharf 
ins  Auge  zu  fassen.  Gegen  den  Kaiser  hegten  beide 
grosses  Misstrauen,  nicht  minder  gegen  seinen  Verbün- 
deten, Markgrafen  Albrecht;  gegen  ihn  vor  allem  trat 
hohe  persönliche  Empfindliclikeit  und  Gereiztheit  zu  Tage. 

Was  hatte  der  Kurfürst  nicht  alles  mit  Albrecht 
durchlebt,  und  was  hatte  er  seit  dem  Passauer  Vertrage 
von  ihm  zu  erwarten?  Darüber  wünschte  er  Klarheit  zu 
haben.  Von  verschiedenen  Seiten  sei  er  benaclirichtigt 
worden,  schrieb  er  am  19.  Februar  1553  •'^■^),  der  Mark- 
graf habe  sich  nach  Annahme  des  Passauer  Vertrages 
und  nach  dem  Abzüge  von  Frankfurt  etlicher  beschwer- 
licher, auch  zum  Theile  ehrenrühriger  Worte  seiner  Person 
halber  vernehmen  lassen,  wozu  er  keine  Ursache  gegeben. 
Weil  sie  nach  längerer  Unterredung  über  den  Passauer 
Vertrag  von  Frankfurt  freundlichen  Abschied  von  emander 
genommen,  so  habe  er  die  angezeigten  Reden  noch  nicht 
glauben  wollen.  Um  zu  erfahren,  wessen  er  geständig 
sei,  erkundige  er  sich  nach  altem  ehrlichen  deutschen 
Brauche  persönlich  bei  ihm.  Oifen  solle  er  erklären,  ob 
es  bei  der  früheren,  jahrelangen  Freundschaft  bleiben 
solle,  oder  ob  er  sich  eines  anderen  in  Zukunft  zu  ver- 
sehen habe.  So  gern  er  mit  ihm  im  Einverständnis  zu 
bleiben  wünsche,  so  trage  er  doch  keinen  grossen  Kummer, 
wenn  er  sich  unverdienter  Weise  gegen  ihn  verhetzen 
lasse.  Noch  hoffe  er,  der  Markgraf  werde  als  geborner 
deutscher  Fürst  und  als  kaiserlicher  Diener  Friede,  Ruhe 
und  Wohlfalirt  befördern  helfen. 

Von  derPlassenburgaus  entgegnete  Markgraf  Albrecht 

^2)  Den  ersten  Anstoss  dazu  gaben  ganz  im  Geheimen  Herzog 
Jobann  Friedrich  und  Herzogin  Elisabeth  von  E-ochlitz.  Weimar, 
Reg.  K.  fol.  194  No.  4.     Briefe  im  Dezember  1552,  Januar  1553  flg. 

53)  Siehe  Note  11. 

^'*)  Am  2.  Februar  1552  hatte  der  Kurfürst  den  Bischöfen  von 
Bamberg  und  Würzburg  die  erbetene  Hilfe  nicht  abgeschlagen.  Dres- 
den, Loc.  9155  Kriegssache  wider  Markgrafen  Albrecht  1553  Bl.  148. 

■'^)  Dresden,  Loc.  9155  Kriegssache  wider  Markgraf  Albrecht 
1553  Bl.  2.    Albrechts  Antwort  vom  1.  März  Bl.  4. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553.  59 

am  1.  März'**'):  wohl  Avisse  er  sich  dessen  zu  erinnern, 
was  er  über  den  Kurfürsten  und  andere  hohen  und  niederen 
Standes  geredet  habe.  Würden  ihm  die  Worte  angezeigt, 
welche  er  geredet,  und  die  Orte,  wo  er  sie  geredet,  und 
die  Personen,  durch  welche  sie  hinterbracht  Avorden,  dann 
wolle  er  zur  Zufriedenheit  antworten.  Da  aber  mehr 
geredet  werde,  als  wahr  sei,  so  solle  ihn  der  Kurfüi^st 
entschuldigen.  Beide  hätten  stets  ganz  gern  einander 
gedient.  Wohl  werde  sich  der  Kurfürst  aller  vor  Frank- 
furt stattgefundenen  Unterredungen  und  des  Abschiedes 
vor  Ankunft  Heinrichs  von  Plauen  mit  dem  Vertrage 
erinnern.  Wie  gar  gering  er  in  demselben  l)edacht,  das 
bringe  der  Buchstabe  mit  sich.  Eines  besseren  Ange- 
denkens habe  er  sich  versehen,  derhalben  er  wohl  allerlei 
vorwenden  könne.  Weil  ihm  aber  der  allmächtige  Gott 
durch  besonderes  gnädiges  Glück  nach  der  französischen 
Untreue  zu  einem  ehrlichen  und  aufrichtigen  Vertrage 
beim  Kaiser  verholfen  habe,  so  rühme  er  sich  des  Passauer 
Vertrages  nicht,  lasse  auch  denselben  und  alle  deswegen 
erfolgten  Handlungen  auf  sich  beruhen.  Das  Verfahren, 
sich  bei  ihm  selbst  zu  erkundigen,  erkenne  er  an.  Bisher 
habe  er  sich  gegen  ihn  nicht  verhetzen  lassen,  dagegen 
könne  er  sich  billigerweise  beschweren,  dass  der  Kurfürst 
die  Werbung  etlicher  Reiter  gegen  die  siegelbrüchigen 
und  treulosen  Bischöfe  in  seinem  Lande  nicht  gestattet. 
Er  habe  keine  Ursache  zu  Argwohn  gegeben  und  er- 
warte, dass  sich  der  Kurfürst  zu  keiner  Unfreundschaft 
bewegen  lasse.  Zur  Ruhe  und  zum  Frieden  sei  er  ge- 
neigt, nur  wolle  er  zu  seinen  Verträgen  kommen  und 
verspreche  sich  dabei  kurfürstlicher  Hilfe  und  Förderung. 
Als  die  Antwort  in  Leipzig  einlief,  hatte  der  Kur- 
fürst soeben  mit  einem  Ausschusse  seiner  Landstände  und 
Räthe  verhandelt  und  Gesandte  an  Herzog  Johann  Fried- 
rich abgefertigt"),  eben  den  jahrelangen  Streit  der  mans- 


^^)  Ende  Februar  war  er  dahin  zurückgekehrt.  Dresden,  Loc. 
9157  Kriegszug  wider  Markgrafen  Albrecht  etc.  1553  Bl.  70,  81. 
Wien,  Zasius'  Relationen  1553  (vom  15.  Februar),  dagegen  .Jo- 
hannes Voigt  II,  29  (Anfang  Februnr).  Am  14.  Febr.  aber  langte 
der  Markgraf  in  Heidell)erg  an  und  blieb  länger  als  fünf  Tage  dort. 

")  Weimar,  Reg.  K.  fol  189  No.  2  u.  4.  Als  Landgraf  Wilhelm 
mit  Moritz  in  Torgau  über  die  Liquidationssacbe  redete  und  .einen 
Brief  des  Vaters  vorzeigte,  darin  die  Abtretung  einiger  Amter 
gerathen,  wurde  der  Kurfürst  ernst  und  sagte:  „Da  wii-d  nichts 
draus." 


00  ■  S.  Issleib: 

feldiseheii  Vettern  und  Brüder  endgiltig  geschlichtet^^) 
und  den  Grafen  Voh-ad  an  den  König  von  Frankreich  abge- 
sendet''■').  Wenig  zufriedengestellt  durch  des  Markgrafen 
Brief*'^')  Hess  er  sofort  in  seinem  Lande  und  im  Stifte 
Magdeburg- Halberstadt  alle  Pässe  verlegen,  damit  keine 
niedersächsischen  Eeiter  nach  dem  fränkischen  Muster- 
platze Kulmbach  ziehen  könnten.  Gleichzeitig  ersuchte 
er  seinen  Schwiegervater,  Landgrafen  Philipp,  um  Schlies- 
sung aller  Pässe  in  Hessen  und  auf  dem  Eichsfelde  und 
Herzog  Johann  Friedrich  um  Sperrung  aller  Strassen 
durch  Thüringen*^^).  Da  der  Landgraf  dem  Wunsche  des 
Kurfürsten  entsprach,  musste  sich  der  Herzog  von  Wei- 
mar fügen.  —  Damals  gerade  herrschte  zwischen  den  Höfen 
zu  Dresden  und  Weimar  arges  Misstrauen*^^).  Beide 
Fürsten  wandten  ansehnliche  Summen  und  alle  persön- 
lichen Verbindungen  auf,  um  einander  auszukundschaften. 
Jeder  fürchtete.  Wenn  man  die  an  beiden  Orten  ein- 
gelaufenen Berichte  jener  Tage  liest,  so  erstaunt  man, 
wie  viel  ihnen  zugetragen  wurde,  darunter  freilich  auch 
vieles  Falsche,  Avas  irreleitete,  den  wahren  Thatbestand 
trübte  und  die  lauernde  Begierde  schädlicherweise  an- 
spannte. 

Sobald  Landgraf  Wilhelm  von  Leipzig  aus  die  Rück- 
reise nach  Hessen  angetreten  hatte,  eilte  der  Kurfürst 
nach  Halle,  um  am  10.  März  mit  Herzog  Heinrich  von 
Braunschweig  zusammenzutreffen.  Im  Februar  hatten 
beide  das  mansfeldische  Kriegsvolk,  welches  in  der  zweiten 


58)  Dresden,  Loc.  9157  Mansfeldische  Irrungen  1552/3  ßl.  10, 
12  flg.,  vergl.  München,  Reichsarchiv,  Brandenburg  VII,  des 
Kaisers  Brief  vom  3.  3Iärz.  Alle  Grafen  waren  erschienen;  Graf 
Albrecht  kam  mit  seinem  Sohne  Volrad  wieder  zur  Herrschaft.  Die 
Lehnspflicht  gegen  Kursachsen  wurde  erneuert. 

5ö)  Siehe  Note  11. 

"'>)  In  Dresden  liegt  Loc.  9155  Kriegssache  etc.  Bl.  7  das 
Reinkonzept  einer  geharnischten  Erwiderung  vom  6.  März,  jedoch 
mit  dem  Indorsat  von  Dr.  Mordeisen:  „ist  nicht  ausgangen. "  (Konzept 
mit  vielen  Korrekturen  Loc.  9157  Kriegszug  etc.  fol.  7.)  Daher  haben 
Lange nn  I,  557,  Joh.  Voigt  II,  45  u.  A.  den  Brief  vom  6.  März 
und  das  „Verzeichnis  der  Schmähungen"  mit  Unrecht  so  verwerthet, 
wie  geschehen.     Ranke  V,  224'*  folgte  ihnen  mit  Vorsicht. 

***)  Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  wider  Markgrafen  Albrecht 
1553  Bl.  108,  117,  120.     Weimar,  Reg.  C.  fol.  51  No.  14. 

«'-)  Wien,  Zasius"  Relationen  1553,  vom  15.  und  20.  Februar. 
Der  kaiserliche  Rath  Dr.  Hase,  welcher  den  ganzen  Winter  bei  den 
vier  rheinischen  Kurfürsten  für  Philipp  II.  praktizierte,  habe  offen 
gesagt,  „es  werde  in  kurzem  ein  unsauber  Gerauf  zwischen  dem  alten 
und  neuen  Kurfürsten  in  Sachsen  angehen." 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552 — 1553.  61 

Hälfte  des  Monats  getrennt  wurde,  grösstentheils  an 
sich  gezogen  und  bei  dieser  Gelegenheit  einen  wichtigen 
Berührungspunkt  gefunden.  Ausserdem  drängte  vieles  zu 
einer  Aussprache*'"),  vor  allem  die  bischöfliche  Frage  in 
Franken. 

Während  die  Räthe  mühsam  an  einem  Vergleiche 
zwischen  dem  Herzoge  und  den  Vertragsjuiikern  arbei- 
teten*'*), behandelten  die  Fürsten  unter  sich  in  vertrauen- 
voller Offenheit  alle  Privat-  und  Reichs  Verhältnisse.  Der 
Herzog  ging  so  weit,  dass  er  „in  seinen  Reden  ganz 
wunderlich"  erschien.  Unter  anderem  sagte  er*'"'),  man 
solle  zulugen,  sobald  des  Kaisers  Sachen  an  andern  Or- 
ten besser  würden,  habe  ganz  Deutschland  grosse  Gefahr 
zu  erwarten.  Man  gehe  damit  um,  die  deutschen  Fürsten 
durcheinander  zu  hetzen;  die  Markgrafen  Hans  und  A\- 
brecht  seien  die  vornehmsten  Rädelsführer  dieses  Han- 
dels. Sein  Sohn  Dr.  Spies'''')  sei  oberster  Rath  des 
Kaisers  und  habe  Kommission,  ihn  und  Herzog  Hans 
Friedrich  zu  versöhnen  und  die  Sache  dahin  zu  richten, 
ob  sie  dem  Kurfürsten  etwas  anhaben  könnten'").  Aber 
er  habe  sich  in  nichts  einlassen  wollen,  sondern  gesagt, 
er  wäre  schon  zweimal  um  des  Kaisers  willen  verjagt 
worden,  zum  dritten  Male  wollte  er  es  nicht  wagen;  es 
wäre  zum  Verderben  des  deutschen  Landes.  Ausserdem 
verglich  sich  sein  Geblüt  mit  dem  Manne  nicht,  er  wisse 
wohl,  von  welchem  Hause  Sachsens  ihm  mehr  Gutes 
widerfahren  wäre.  Weiter  habe  er  gesagt,  sein  Sohn 
Dr.   Spies   sei   zu   Braunschweig,   erginge  sich  in  aller 


63)  Wolfenbüttel,  acta  publica  No.  274;  Marburg,  0.  W.  S.  912. 
Sachsen,  albertinische  Linie  1552/3,  eigenhändiger  Brief  des  Kur- 
fürsten vom  13.  März  an  Landgraf  Wilhelm;  Xvien,  Zasius'  Re- 
lationen 1553  (27.  März). 

•**)  Li  Brannschweig  verhandelte  Markgraf  Hans  anfangs  März 
mit  den  Kriegsjunkern  und  der  Stadt  Braunschweig  14  Tage  lang. 
Jedermann  glauljte  an  einen  glücklichen  Al)S('hluss  Da  scheitelte 
die  Sache  an  einigen  Artikeln,  welche  dea  Junkern  verdächtig  er- 
schienen. Der  Markgraf  soll  gesagt  haben,  es  möchte  jeder  machen, 
was  er  wollte,  und  reiste  ab.  Dresden,  TjOC.  7277  Marggraft'en  Jo- 
hannsen  heudel  etc.  1548  53  Bl.  28,  Weimar,  Reg.  C.  fol.  fil)  No.  3»i. 
Wien,  Zasius'  Relationen  1553  (26.  März),  Wolfenbüttel,  acta  publ. 
No.  274. 

•*->)  Man  erinnere  sich,  dass  Herzog  Heinrich  im  Dezember  1552 
im  kaiserliehen  Feldlager  vor  Metz  war.     S    oben  S.  4H. 

"")  Markgraf  Hans  war  Herzog  Heinrichs  Schwiegersohn;  in 
vertraulichen  Briefen  wurde  er  stets  Dr.  Siiies  genannt. 

•'■')  Vielfach  trifft  man  auf  veitrauliche  Mittheilungen,  der  Kaiser 
wolle  den  Kurfürsten  verjagen. 


62  S.  Issleib: 

Klugheit  und  handelte  auf  Befehl  des  Kaisers  auch  mit 
den  Städten  Lübeck,  Hamburg,  Lüneburg  etc.  wegen 
eines  Bündnisses,  befugt,  der  lieligion  halben  grosse  Ver- 
sicherungen zu  geben.  In  Summa,  es  wäre  alles  darauf 
berechnet,  Deutsehland  eine  Kappe  zu  schneiden,  doch 
werde  Dr.  Spies  nicht  viel  ausrichten,  sie  trauten  dem 
Lecker  nicht.  Obgleich  Markgraf  Albrecht  einer  der 
kaiserlichen  Hetzhunde  sei,  so  könne  man  am  Hofe  wohl 
leiden,  es  ginge  ihm  ein  Ead  über  ein  Bein,  thue  es 
gleich,  wer  da  wolle.  Gegen  ihn  und  seine  armen  Unter- 
thanen  habe  derselbe  so  gehandelt*^*),  dass  er  zu  Gott 
hoffe,  sich  an  seinem  Gute  und  Blute  noch  rächen  zu 
können.  Um  Deutschlands  Gefahr  zu  beseitigen,  rieth 
Herzog  Heinrich,  sich  von  allen  Seiten  vertraulich  zusam- 
men zu  thun.  Der  Kurfürst  sollte  seiner  mächtig  sein. 
Obgleich  nicht  seines  Glaubens,  so  wollte  er  doch  gern  ein 
freier  Deutscher  bleiben  wie  er  und  andere  und,  so  oft 
es  Noth  thue,  seine  alte  Haut  treu  mit  zusetzen.  Vorm 
Jahre  hätten  sie  zu  sehr  geeilt,  sonst  hätten  sie  wohl 
mehr  Spiessgesellen  bekommen.  Damals  habe  er  sich  so 
verhalten,  dass  zu  befinden,  keine  Krähe  hacke  der  andern 
die  Augen  aus.  Die  Bundesbestrebungen  des  Kurfürsten 
von  der  Pfalz  und  des  Landgrafen  kannte  er;  Pfalz  aber 
hielt  er  für  furchtsam,  lieber  den  Landgrafen  redeten 
beide  viel  mit  einander,  und  Moritz  gewann  den  Eindruck, 
sei  das  Herz  wie  das  Wort,  dann  könnten  dieselben 
wieder  die  besten  Freunde  werden.  Sonntag  den  12.  März 
beschlossen  der  Kurfürst  und  Herzog  Heinrich,  in  unge- 
fähr acht  Tagen  in  der  Nähe  von  Magdeburg  zu  erscheinen. 
Dann  wollte  der  Herzog  seine  Vorschläge  über  ein  Bünd- 
nis schriftlich  übergeben,  damit  der  Kurfürst  mit  seinen 
weiteren  Freunden  davon  reden  und  daraus  entnehmen 
könne,  was  allen  gut  wäre. 

Gemäss  der  Leipziger  Verabredung  überschickte  Kur- 
fürst Moritz  dem  Schwager  Wilhelm  einen  eigenhändigen 
Bericht  über  die  Begegnung  zu  Halle  und  schloss  mit 
den  Worten:  „In  Summa,  wo  einiger  Glaub  und  Treu 
auf  der  Welt  sein  soll,  so  find  ich  Heinz  auf  einem  guten 
Weg"«»). 


^^)  Diu'ch  Volracl  von  Mansfeld. 

<*'^)  Weimar,  Reg.  C.  fol.  65  No.  28.  Der  herzogliche  Sekretär 
Antonius  Pastell  in  Weimar  theilte  Herzog  Johann  Friedrich  in 
Gotha  am  18.  März  von  der  Zusammenkunft  in  Halle  mit,  dass  die 
beiden  Fdrsteu  viele  heimliche  Gespräche  gehalten  hätten    und   in 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552— 1B53.  63 

Fast  ununterbrochen  findet  man  von  nun  an  den  Kur- 
fürsten nach  dieser  und  jener  Richtung  hin  thätig.  Wenige 
Tage  nach  der  Zusammenkunft  in  Halle  verhandelte  er 
mit  dem  königlichen  Rath  Dr.  Kaspar  von  Niedbruck 
über  die  bevorstehende  Bundesversammlung  zu  Eger  und 
gesellte  ihm  Anselm  von  Zeschwitz  bei,  um  gemeinsam 
den  Landgrafen  von  Hessen,  den  Kurfürsten  von  der 
Pfalz  und  andere  Reichsstände  für  die  königlichen  Bundes- 
bestrebungen zu  gewinnen  ^").  Darauf  ritt  er  nach  Magde- 
burg und  suchte  sich  mit  dem  neuen  Erzbischof  und  dem 
Domkapitel  über  alle  unerledigten  Punkte  aus  der  Zeit 
der  Belagerung  zu  verständigen'^).  Am  22.  März  setzte 
er  mit  Herzog  Heinrich  die  in  Halle  begonnene  Verhand- 
lung zu  Neuhaldensleben  fort  und  vereinbarte  mit 
ihm  am  24.  eüien  in  der  That  wichtigen  Vertrag'-). 
Darnach  sollte  keiner  den  andern  befehden  oder  be- 
kriegen und  Vergarderungen  herrenlosen  Kriegsvolkes 
im  Lande  zum  Schaden  des  andern  dulden.  Werde  der 
eme  widerrechtlich  überzogen  oder  vergewaltigt,  dann 
sollte  der  andere  innerhalb  Monatsfrist  zuziehen  und 
helfen,  der  Kurfürst  mit  mindestens  600  Reitern  und 
2000  Knechten,  Herzog  Heimich  mit  400  Reitern  und 
1500  Knechten,  im  Falle  der  Noth  mit  allen  Kräften  etc. 
Verdacht,  Unwille,  Zwist  sollte  sofort  durch  persönliche 
Zusammenkunft  gehoben  oder  durch  Rechtsgang  und  Reichs- 
ordnung beseitigt  werden.  Der  Kurfürst  behielt  sich 
vor,  den  Verbindlichkeiten  des  Passauer  Vertrages  nach- 
kommen zu  dürfen,  für  den  Fall  der  herzogliche  Streit 
mit  den  Vertragsjunkern  nicht  beigelegt,  oder  der  er- 
langte Vertrag  nicht  gehalten  und  seine  Hilfe  beansprucht 
werde.  Dagegen  wurde  dem  Herzog  zugestanden,  an 
seinen  Rechten  und  Gerechtigkeiten,  an  der  Protestation 
gegen  den  Passauer  Vertrag  und  an  anderen  Besclilüssen 

aller  Fröhlichkeit  und  Freundschaft  von  einander  geschieden  seien. 
Boten  seien  alsbald  mit  vielen  Briefen  nach  Bamberg  und  Würz- 
burg geritten.  Der  Kurfürst  habe  den  Landgrafen  mit  dem  Herzog 
ausgesöhnt.  Herzog  Johann  Friedrich  zweifelte  au  diesen  Mitthei- 
huigen,  fol.  51  No.  14. 

™)  Dresden,   Loc.  9157   Kriegszug  wider  Markgrafen  Albrecht 

Bl-  117. 

^1)  Wien,  Kriegäsachen  1553,  Brief  Niedbrucks  vom  17.  März 
aus  Dresden  an  König  Maximilian.  Der  königliche  Eatli  brachte 
die  vom  Kaiser  korrigierte  Assekuration  mit  nach  Dresden,  Weimar, 
Reg.  K.  fol.  189  No.  2.  . 

'-)  Wolfenbüttel,  actapubl.  No.  274  u.  355  a,  Dresden,  Original- 
urkunden No.   11470/1. 


64  S.  Issleib: 

vorläufig  festzuhalten.  Jede  Anfeindung  der  Junker 
sollte  bis  auf  Weiteres  unterbleiben.  Gegenseitig  ver- 
sprachen die  Fürsten,  den  Vertrag  unverbrüchlich  zu 
halten;  ihre  Zusagen  l3ekräftigten  sie  durch  Handschlag 
und  vereinbarten,  in  Monatsfrist  oder  zum  längsten  am 
folgenden  Verhandlungstage  in  der  Junkerangelegenheit 
die  Vertragsurkunden  auszuwechseln.  Ihr  Defensivbünd- 
nis sollte  nicht  gegen  den  Kaiser,  den  König  oder  einen 
Einigungsverwandten,  dessen  sie  zu  Gleich  und  Recht 
mächtig,  gerichtet  werden.  Dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg und  Erzbischof  von  Magdeburg,  Herzog  Erich  von 
Braunschweig  und  anderen  benachbarten  Ständen  sollte  der 
Eintritt  in  den  Bund  gestattet  sein.  Ferner  stellte  der 
Kurfürst  dem  Herzog  seine  Wiederbefreundung  mit  dem 
Markgrafen  Hans  anheim.  Für  Philipp  von  Hessen  wirkte 
er  völlige  Sicherheit  aus'-^)  und  bemühte  sich,  den  Zwist 
zwischen  dem  Herzoge  und  Fürsten  Wolf  von  Anhalt 
durch  Festsetzung  einer  zu  zahlenden  Geldsumme  abzu- 
thun.  Gegen  Erlegung  von  20  0U0  Thalern  sollte  das 
Erzstift  Magdeburg  vor  jedem  feindlichen  Angriff  von 
Seiten  des  Herzogs  und  des  versammelten  Kriegsvolkes 
sicher  sein.  Zur  Erhaltung  der  Reiter  und  Knechte  be- 
willigte der  Kurfürst  eine  Unterstützung,  zu  der  auch 
der  Kurfürst  von  Brandenburg  und  nach  Verhältnis  alle 
Harzgrafen  (ausgenommen  Graf  Albrecht  von  Mansfeld) 
vermocht  werden  sollten'^).  Schliesslich  verständigte  man 
sich,  den  fränkischen  Bischöfen  im  Nothfalle  gegen  Mark- 
graf Albrecht  Hilfe  zu  gewähren^'). 

Fasst  man  alles  zusammen,  so  waren  die  Tage  von 
Neuhaldensleben  von  nicht  geringer  Bedeutung.  Kurfürst 
Moritz  gewann  dort  den  Bundesgenossen,  welcher  mit 
ihm  den  Kampf  gegen  Markgraf  Albrecht  kühn  auf- 
nahm und  treuen  Beistand  leistete. 

Noch  in  anderer  Beziehung  gelangte  der   Kurfürst 


"^)  Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  wider  Markgraf  Albreclit 
1553  Bl.  120,  125  flg.  Wolfeubüttel,  acta  publ.  No.  249  b.  Brief  Chri- 
stofs von  Carlowitz  an  Herzog  Heinrich  vom  10.  Mai  u  16.  Juli  1553. 

'*)  Weimar,  Reg.  C  fol.  51  No.  14.  Vol.  I  u.  II.  fol.  55  No.  15, 
fül.  69  No.  36.  Die  beiden  Fürsten  sollten  sich  zusammen  verbrüdert 
haben.  Der  Kurfürst  vor  allem  wolle  dem  Markgrafen  gern  in  die 
Haare  und  sei  Willens,  den  Biscliöfen  zu  helfen.  Beide  seien  ver- 
bunden um  Herzog  Johann  Friedrich  zu  zermergeln,  ehe  er  auf  die 
Beine  und  zu  Macht  komme. 

'''"')  Wolfeubüttel,  acta  publ.  355  a.  Moritz'  Brief  an  Herzog 
Heinrich,  Ziegenhain  8.  April. 


Von  Passau  bis  Sievershauseu  lö52— 1553.  65 

damals  einen  Schritt  vorwcärts'^^).  Die  am  4.  März  in 
Leipzig-  erwählte  Gesandtschaft  hatte  sich  nach  Koburg" 
zum  Herzog-  Johann  Friedrich,  welcher  die  Hinterlassen- 
schaft seines  verstorbenen  Bruders  Johann  Ernst  ordnete, 
begeben  und  hatte  am  -21.  März  einen  Verhandlungstag 
zur  Beilegung  des  Liquidationsstreites  und  zur  Vollziehung 
der  Assekuration  vereinbart.  Die  Fürsten  verglichen 
dann  einen  Tag  für  den  7.  Mai  in  Eisenberg. 

Wichtig  ist  ferner  eine  Reise  des  Kurfürsten  nach 
der  Pfalz.  Um  deren  Bedeutung  zu  würdigen  bedarf  es 
folgender  Angaben. 

Kui'fürst  Friedrich  hatte  am  23.  Januar  1553  bei 
Bayern,  Württemberg  und  Jülich  eine  persönliche  Zu- 
sammenkunft beantragt  zur  Beratliung,  auf  welche  Weise 
dem  Zwist  und  Streit  zwischen  Markgraf  Albrecht 
und  den  fränkischen  Bischöfen,  Herzog  Heinrich  und  den 
Junkern,  Kurfürst  Moritz  und  Herzog  Johann  Friedrich, 
Landgraf  Philipp  und  Wilhelm  von  Nassau,  dem  Herzog 
von  Württemberg  und  dem  Deutschmeister  abzuhelfen 
sein  möchte^').  Alle  drei  Fürsten  hielten  gleichfalls  für 
höchst  wünschenswerth,  die  kläglichen  Reichsverhältnisse 
zu  bessern  und  warei]  damit  einverstanden,  zunächst  unter 
sich  einen  möglichst  engen  und  festen  Anscliluss  zu  fördern. 
Dann  sollten  die  Pfalzgrafen,  Landgraf  Philipp*  und  w  enn 
möglich  Kurfürst  Moritz  nebst  anderen  Fürsten  zu  ihrer 
Vereinigung  zugezogen  werden,  Geistliche  aber  in  Folge 
sclilimmer  Erfahrungen  vorläufig  ausgeschlossen  bleiben"). 
Für  nöthig  hielt  man,  den  Kaiser  vom  Vorhaben  in  Kennt- 
nis zu  setzen^")  und  die  Parteien  durch  Gesandtschaften 
oder  Schriften  zur  Einräumung  von  Verhandlungen  an- 
zugehen. Ungesäumt  schritt  man  ans  Werk.  Da  wollte 
aber  Markgraf  Albrecht  die  Verträge  stracks  vollzogen 
wissen  ^^'),  und  der  Bischof  von  Bamberg  verwies  auf  die 
kaiserliche  Kassation;  zugänglicher  erschien  der  Bischof 
von  Würzburg.  Landgraf  Philipp  und  Kurfürst  Moritz 
waren  gewillt,  sich  den  Bundesfürsten  zu  nähern  und 
ihrenStreit  mitNassau  und  Weimar  verhandeln  zu  lassen  ^^). 

'8)  Weimar,  Reg.  K.  fol.  189  No.  2. 

■'■')  Münchon,  Reichsarchiv.  Brandenburg'  VI  Bl.  38,  Hl  flg. 

'«)  Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  etc.  1553  Bl.  90,  92,  102. 

"")  Wien,  Zasius"  Relationen,  kaiserliche  Briefe  vom  10.  u.  15. 
März  an  Kurpfalz. 

•^)  Dresden,  Loc.  9156  Markgraf  Albrecht  etc.  1553  Bl.  8,  lOflg. 
9157.     Kriegszug  etc.  1553  Bl.  81. 

»1)  S.  Note  78. 

Neues  Artliiv  (.  .S.  C.  u.  .\.     VllF.   1.  2.  5 


66  S.  Issleib: 

Mitte  Februar  hatte  Kurfürst  Friedrich  Gelegenheit, 
die  Scliärfe  des  fränkischen  Streites  zu  erkennen.  Der 
Bischof  von  Würzburg  und  Markgraf  Albreclit  waren 
nacheinander  in  Heidelberg;  jener  suchte  ßath  und  neigte 
zum  Vergleiche;  dieser  wollte  sich  „nicht  biegen  lassen" 
und  war  entschlossen,  mit  dem  Schwerte  in  der  Faust 
die  Verträge  zu  erzwingen.  Um  nun  dem  offenen  Kriege 
in  Franken  noch  zuvor  zu  kommen  —  längst  tobte  die 
Fehde  — ,  berief  der  Kurfürst  die  Herzöge  von  Baj^ern, 
Württemberg  und  Jülich  auf  Sonntag  Oculi  (5.  März) 
nach  AVimpfen^-).  Weitere  Emladungen  ergingen  an 
die  Pfalzgrafen  Ottheinrich,  Wolfgang,  Friedrich  etc., 
an  den  Markgrafen  von  Baden,  an  die  fränkischen  Stände, 
an  Hessen,  Kursachsen  etc.  Wegen  Unwohlseins  des 
Kurfürsten  erschienen  am  8.  März  die  Herzöge  von 
Baj'ern  und  Württemberg  und  die  jülichschen  Gesandten 
in  Heidelbergs-^),  ausserdem  der  Bischof  von  Wüi'zburg, 
Markgraf  Albrecht  und  bambergische  Räthe;  verspätet 
(am  17.)  traf  der  hessische  Gesandte  iVlexander  von  der 
Thann  ein,  noch  später  (am  20.  nach  Schluss  der  frän- 
kischen Verhandlungen)  der  Herzog  von  Jülich  und  die 
Erzbischöfe  von  Mainz  und  Trier  s^).  Kurfürst  Moritz 
wurde  eifrig  mnworben*^'^). 

Durch  begütigende  Vorschläge  suchte  man  vor  allen 
Dingen  die  fränkische  Frage  zu  lösen  ^'^).  Der  Markgraf 
wurde  zur  Nachgiebigkeit  ermahnt  und  die  bischöfliche 
Partei  angegangen ,  den  Verträgen  wenigstens  in  der 
Hauptsache  nachzukommen.  Neigmig  zum  Frieden  zeigte, 
wie  früher,  der  Bischof  von  Würzburg;  allein  die  Ab- 
geordneten des  Bischofs  von  Bamberg  hatten  Instruktion, 
auch  nicht  das  Mindeste  einzuräumen;  nicht  einmal  den 
beantragten  und  vom  Markgrafen  zugestandenen  vierzehn- 
tägigen Waffenstillstand  wollten  sie  bewilligen^').     Weil 


82)  S.  Note  80.      «3)  Wien,  Zasius'  Relationen  1553  im  März. 

8*)  Weimar,  Reg.  K.  fol.  565  No.  12.  Wilhelm  von  JiUiclis 
Brief  vom  20.  März  aus  Heidelberg:  diesen  ^lorgen  sei  er  eingeritten. 

s5)  Marburg,  0.  W.  S.  912,  Sachsen,  albertinische  Linie  1552/3, 
Briefe  vom  19.  22.  26.  März. 

'*")  Das  kaiserliche  Schreiben  vom  10.  März  (A.  79) ,  welches 
die  Heidelberger  Versammlung. billigte,  langte  erst  nach  Schluss  der 
fränkischen  Verhandlung  an.  Über  diese  Verspätung  und  über  die 
Art  der  Abfassung  war  man  höchst  aufgebracht.  Wien,  Zasius'  Re- 
lationen 1553.  (23.  Aprilj. 

*■')  Damals  war  der.  Bischof  von  Bamberg  dem  Markgrafen  an 
Kriegsvolk  überlegen.    Überdies  hatte  Herzog  Heinrich  am  17.  Febr. 


Von  Passau  bis  Sievershauseii  1553—1553.  ß7 

nun  Markgraf  Albreclit  seinerseits  auch  nicht  einen  Buch- 
staben der  kaiserlichen  Ratifikation  fallen  lassen  wollte 
und  die  Bischöfe  zufolge  ihrer  Vereinigung  mit  Nürn- 
berg etc.  unmöglich  zu  trennen  waren,  so  zersclilug  sich 
die  Verhandlung  gänzlich.  Am  19.  März  ^^)  musste  man 
den  unerledigten  Handel  an  den  Kaiser  verweisen.  Trotzig 
und  stürmisch  ritt  der  Markgraf  am  folgenden  Tage  von 
dannen. 

Beachtenswerth  ist^**),  dass  Albrecht  sich  von  Heidel- 
berg aus  (am  13.  März)  und  auf  der  Heimreise  von 
Pforzheim  aus  (21.)  an  Kurfürst  Moritz  wandte,  den 
Kaiser  der  feindlichsten  Absichten  beschuldigte,  von 
gegnerischen  Bündnissen  und  von  Praktiken  Herzog 
Johann  Friedrichs  berichtete  und  die  pfäffische  Art  der 
brief-  und  siegelbrüchigen  Bischöfe  schonungslos  geisselte. 
Gutes  Aufsehen  zu  haben,  sei  angezeigt;  denn  der  Kaiser 
werde  den  zugefügten  vorjährigen  Schimpf  nicht  schenken. 
Der  Passauer  Vertrag  solle  als  Nothvertrag  nicht  gehalten 
werden.  Za  allem  ziehe  man  Johann  Friedrich  in  das 
Spiel.  Warum  nenne  er  sich  geborenen  Kurfürsten?  Die 
Heidelberger  Versammlung  habe  sich  zerschlagen,  nun 
müsse  er  mit  Grottes  und  der  Freunde  Hilfe  das  Seine 
zu  erlangen  suchen.  Und  weil  die  Pfaffen  mit  ihrem 
Anhange  nichts  anderes  und  Besseres  als  Kampf  wollten, 
so  müsse  er  ihnen  dazu  verhelfen. 

Nur  weniger  Tage  bedurfte  es,  und  der  Krieg  loderte 
in  Flammen.  Die  Ausschreiben  der  Bischöfe  und  des 
Markgrafen  an  alle  Reichsstände  vom  25.  und  27.  März 
bildeten  die  lärmenden  Kampfsignale  ^^). 

Wie  weit  die  übrigen  fürstlichen  Irrungen  und  die 
Reichsverhältnisse  in  Heidelberg  verhandelt  wurden,  ist 
kaum  ersichtlich.  In  allen  Stücken  aber  ging  man  auf 
den  Passauer  Vertrag  zurück,  den  man  in  allen  Punkten, 


e^eschrieben :  Kurfürst  Moritz  sei  zu  bewusstev  Sache  oder  zur  Ver- 
mittelung  wohl  geneigt,  später  solle  rr  darüber  verständigt  werden. 
Sein  Rath  gehe  dahin,  sich  mit  Albrecht  weder  auf  den  alten  noch 
auf  einen  neuen  Vertrag  einzulassen.  So  viel  wisse  er,  obschon  er 
sich  mit  dem  Markgrafen  vergliche,  so  werde  er  doch  bald  anderes 
zu  gewärtigen  haben.     Wolfenbüttel,  acta  publ.  355 a. 

'^*)  Dresden,  Loc.  9155  Schlitten  Herzog  .lohann  Friedrichs  etc. 
Bl.  184,  Loc.  9156  Markgrafen  Albrechts  Kriegssache  etc.  Bl.  113; 
Weimar,  Reg.  C.  fol.  49  No.  11  u    12. 

■'^>)  Dresden,  Loc.  9155  Schriften  etc.  Bl.  170/1,  Kriegssache  B1.5ß. 

■"')  Johannes  Voigt  11,41;  Dresden.  Loc.  915«.  Markgrafen 
Albrechts  Kiiegssache  etc.  1553  Bl.  119 flg. 


68  S.  Issleib: 

selbst  in  Betreif  der  Einberufung  des  Reichstages,  als  das 
rechte  Richtscheid  ansah  und  streng  gehalten  wissen 
wollte  ^^). 

Am  Abende  des  grünen  Donnerstages  (30.  März) 
zogen  die  Fürsten  von  Heidelberg  nach  dem  neuen 
Schlosse  (eine  Meile  von  Worms),  um  dort  möglichst 
geheim  zu  verhandeln.  Laut  eiliger  Meldung  des  Land- 
grafen erwartete  man  Kurfürst  Moritz  am  Charfreitag^-). 
„Auf  alle  Strassen  schickten  alle  unter  Augen  und  "waren 
mit  besonderem  Verlangen  seiner  stündlich  gewärtig".  Ob- 
gleich sich  dann  seine  Ankunft  verzögerte  ^'^) ,  so  waren 
alle  entschlossen,  zu  bleiben  imd  die  Beschlüsse  der  Dinge 
einstweilen  einzustellen.  Am  heiligen  Ostertage  endlich, 
den  2.  April  Nachmittags  2  ühr,  ritt  der  Kurfürst  im 
neuen  Schlosse  ein  und  trat  alsbald  mit  den  versammelten 
Fürsten  in  Berathung  ®^). 

Im  engsten  Kreise  ohne  Beisein  der  Räthe  wurde 
verhandelt,  um  sich  den  Spähern  und  Kundschaftern  zu  ent- 
ziehen^"'). Der  Herzog  von  Bayern  versah  das  Amt  eines 
Kanzlers.  Wie  in  Heidelberg  so  legte  man  auch  hier 
allen  Besprechungen  den  Passauer  Vertrag  zu  Grunde. 
Man  verweilte  bei  den  Freiheiten  der  deutschen  Nation 
und  beim  allgemeinen  Frieden  und  erwog,  ob  nicht  dem 
Zwiespalt  der  Religion  durch  ein  Nationalkonzil  abzu- 
helfen sei.  Die  Fürsten  verlangten  die  Berufung  eines 
Reichstages  ^^).  Ernstlich  berieth  man  über  die  Beilegung 
der  hauptsächlichsten  Irrungen  im  Reiche.     Des  Mark- 


^1)  Wien,  Zasius'  Relationen  1553,  Briefe  im  März  (am  6.  bis  27.). 

»*)  Marburg,  0.  W.  S.  912,  Saclisen,  albertinische  Linie  1552/3-, 
Wien,  Zasius'  Relationen  1553,  Ende  März  und  April. 

^V  Am  27.  März  war  er  in  Leipzig  und  schrieb  an  die  Ge- 
mahlin: nichts  in  der  Welt  solle  ihn  abhalten,  jetzt  zum  Landgrafen 
zu  reiten  wegen  Anzeigen,  daran  viel  gelegen,  die  sich  aber  der 
Feder  nicht  anvertrauen  Hessen.  Sonntag  nach  Ostern  (9.  April)  wollte 
er  bei  ihr  sein.  Dresden,  Loc.  8498  Moritz'  eigenhändige  Schreiben 
1547/53.  Bl  34.  Auf  der  Reise  nach  der  Pfalz  Avurde  der  Kurfürst 
vielfach  gesehen  und  erkannt  in  Buttelstedt,  in  Erfurt,  bei  Georgen- 
thal, in  Salzungen  etc.  Weimar,  Reg.  C.  fol.  51  No.  14.  Vol.  11 
fol.  57  No.  17,  meist  Nachrichten  Bernhards  von  Mila,  vergl.  fol.  68 
No.  35. 

^^)  Wien,  Zasius'  Relationen  1553  (2.  April  post  script.). 

"■')  Dresden,  Loc.  8499  Ferrair  1548/53  B1.72.  Brief  vom  17.  Aprih 
Dort  befindet  sich  auch  das  türkische  Angebot,  welches  an  den  Kur- 
fürsten herantrat. 

"ö)  Am  24.  Mai  berief  der  Kaiser  einen  Reichstag  nach  Ulm 
auf  den  21.  August  1553.  Dresden,  Loc.  10189  Reichstag  zu  Ulm. 


Von  Passau  bis  Sievershauseu  1552—1553.  69 

grafeil  Sache  hätte  man  vor  allem  gern  vertragen  ge- 
sehen. Obgleich  die  meisten  ihm  günstiger  gestimmt 
waren  als  den  Bischöfen,  so  wurde  doch  ausdrücklich 
hervorgehoben:  weil  Albrecht  sich  dem  Passauer  Ver- 
trage widersetzt  und  ihn  in  bestimmter  Zeit  nicht  ange- 
nommen, habe  der  Kaiser  die  unbilligen  Verträge  in 
optima  forma  kassiert;  den  späteren  kaiserlichen  Schritt 
aber,  dass  er  die  Kassation  wieder  kassiert  und  die  tyran- 
nischen Verträge  ratifiziert  habe,  hielt  man  wegen  des 
Passauer  Abschiedes  für  gänzlich  unzulässig. 

Mit  der  Eegierungsweise  Karls  V.  war  überhaupt 
niemand  einverstanden,  auch  nicht  mit  den  kaiserlichen 
Vorschlägen  betreffs  des  neuen  deutschen  Reichshofrathes  ^ ' ), 
oder  mit  der  Aufrichtimg  des  oberdeutschen  Bundes.  Unver- 
hohlen wurde  laut,  der  kranke  Kaiser  sei  zu  schwach,  um 
noch  der  Regierung  vorzustehen,  und  über  die  „unlauteren 
Handlungen  und  welschen  Possen"  Granvellas  war  jeder- 
mann aufgebracht.  Auch  den  gut  kaiserlich  Gesinnten 
galt  der  Bischof  von  Arras  als  der  „schwarze  welsche 
Pfaffe",  als  „Arrius  der  Ketzer".  Ihn  sah  man  als  die 
Quelle  jedes  Verrathes  und  allen  Unrathes  im  Reiche  an. 
Wegen  der  elenden  Art,  wie  er  in  allen  Winkeln  Spione 
und  Spioninnen  unterhielt,  erschien  er  verhasster  als  das 
„wilde  Feuer".  Gern  wollte  man  sich  dieses  verrufenen 
Gubernators  entledigen.  Rücksichtslos  brach  der  Unwille 
gegen  alles  Spanische  hervor.  Den  Durchzug  eines 
neuen  Kriegsvolkes  unter  dem  Prinzen  Philipp  wollten 
die  Fürsten  in  Deutschland  gar  nicht  zulassen.  Gegen 
ihn  und  seine  Nachfolge  im  Reiche  verhielten  sie  sich 
gänzlich  ablehnend'*^).  "  Aller  Augen  waren  auf  König 
Ferdinand  und  Maximilian  gerichtet,  vorausgesetzt,  dass 
beide  sich  streng  an  den  Passauer  Vertrag  halten,  die 
deutsche  Freiheit  wahren  und  einen  dauernden  Frieden 
aufrichten  würden.  Kurfürst  Moritz  voran  bekundete 
eine  anhängliche  Gesinnung  für  beide,  obgleich  auf  dem 
neuen  Schlosse  sein  Eifer  für  die  bevorstehende  Bundes- 
verhandlungen zu  Eger  etwas  erkaltete.  Für  ihn  bildete 
die  Hauptsache,  dass  der  Heidelberger  Bund  jetzt  die  feste 
und  sicherste  Stütze  des  Passauer  Vertrages  war ;  daher 
gedachte  er  an  allen  Abmachungen  treu  festzuhalten""). 

"')  Ranke  V   220. 

ö^)  Unwillkürlich  wird  man  an  die  Tage  der  Kurvereine  erinnert. 

"")  Am   8.  April   verweilte   der    Kurfürst  in  Ziegenliain  beim 

Schwiegervater  Pliilipp,  am  9.  ritt  er  nach  Sachsen  zurück.    Wolfen- 


70  S.  Issleib: 

Gedrängt  durch  die  Heidelberger  Verliaiidlungen  und 
ermalmt  durch  König  Ferdinand,  berief  der  Kaiser  am 
9.  ApriP"*')  einen  Tag  nach  Frankfurt  am  Main  auf  den 
16.  Siaij  Avo  neben  kaiserlichen  und  königlichen  Kom- 
missaren die  Gesandten  der  Heidelberger  und  anderer 
Fürsten  die  fränkischen  und  braunschweigischen  und  wenn 
nötliig  auch  die  sächsischen  Streitigkeiten  schlichten 
sollten,  damit  dann  ein  allgemeiner  Eeichstag  desto  ruhiger 
und  ungehinderter  zusammentreten  und  tagen  könne.  Bis 
dahin  sollte  allgemeiner  Friede  herrschen. 

Der  Memmin ger  Tag^"^),  welcher  auf  Geheiss  des 
Kaisers  zur  Errichtung  eines  oberdeutschen  Bundes  ab- 
gehalten wurde,  blieb  wegen  der  Gleichgiltigkeit  Bayerns 
und  Württembergs  ohne  Erfolg. 

Die  königlichen  Bundesverhandlungen  zu  Eger  be- 
gannen nach  Mitte  April  1553.  So  viel  ersichtlich,  waren 
nur  Gesandte  anwesend,  kein  Fürst ^*'-).  Weitschichtige 
Entwürfe  über  die  Ziele  und  Organisation,  über  die  Dauer 
und  Leistungen  des  Bundes  wurden  zur  Diskussion  ge- 
stellt. Die  einen  betonten  allgemeinere  Gesichtspunkte, 
die  anderen  verfolgten  nächstliegende  Sonderinteressen. 
Ahnlich  wie  zu  Heidelberg  berührte  man  den  Passauer 
Vertrag,  den  Reichs-  und  Religionsfrieden.  Die  könig- 
lichen Räthe  zogen  eine  Türkenhilfe  in  die  Debatte,  die 
bischöflichen  Abgeordneten  die  Nothlage  ihrer  Herren, 
und  als  man  Gesandten  des  Markgrafen  Albrecht  Gehör 


b' 


ertheilte,  da  standen  Kläger  und  Angeklagte  gegenüber. 


büttel,  acta  publ.  355a.    Moritz'  Brief  vom  8.  April,  Dresden,  Loc. 
9155  Kriegssache  etc.  1553  Bl.  18. 

100)  Dresden,  Loc.  9155  Kriögssache  etc.  1553  Bl.  156,  Loc.  9157 
Kriegszug  etc.  Bl.  186.  Kurfürst  Moritz  erhielt  erst  den  30.  April 
das  kaiserliche  Ausschreiben  durch  Markgrafen  Hans;  darüber  be- 
schwerte er  sich  beim  Kaiser.  Die  Sache  war  geeignet,  sein  Miss- 
trauen zu  steigern.  Loc.  7872  Kreistage  und  Handel  etc.  1553 
Bl.  Iflg.,  Lanz  IIL  549flg. 

101)  Dresden,  Loc.  91 55  Schriften  Herzog  Johann  Friedrichs  etc. 
1553  Bl.  40,  193.  Wien,  Zasius'  Relationen  1553,  März  und  April, 
dann  König  Ferdinands  Instruktion  vom  18.  Juni  für  Heinrich  von 
Plauen. 

i"2)  Vertreten  waren  König  Ferdinand,  Kursaclisen,  Kurbranden- 
burg,  Hessen,  Herzog  Heinrich  von  Brannschweig  und  die  fränki- 
schen Stände.  Herzog  Johann  Friedrich  war  gegen  den  Willen  des 
Kaisers  nicht  eingeladen  worden.  Kurpfalz  uiul  Baj'ern  hatten  den 
Besuch  des  Tages  abgelehnt.  Marburg,  O.  W.  S.  379  Reichs  -  und 
Kreissachen  Militaria  I  -IV,  Egersche  Bündnis  1553  III.  Wien, 
Brandenburg  1553,  Januar  bis  Mai,  Moritz'  Brief  vom  13.  Mai.  Dresden, 
Loc.  9156  Markgrafen  Albrechts  Kriegssache  etc.  1553  Bl.  181,  208. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552 — 1553.  71 

Zu  landenden  Beschlüssen  oder  anderen  Erfolgen  kam 
es  in  Eger  nicht.  Indessen  nannte  Kurfürst  Moritz  das 
Resultat  der  Verhandlungen  eine  „gute  Zubereitung  für 
einen  künftigen  Berathungstag".  Und  sollte  dann  etwas 
ausgerichtet  werden,  so  hielt  er  für  nützlich  und  gut, 
dass  zuvor  der  König  und  er  über  etliche  Artikel  unter- 
einander verglichen  seien ^''■'). 

Während  dem  tobte  in  Franken  der  Kampf.  Seit 
der  Rückkehr  von  Heidelberg  bemühte  sich  Markgraf 
Albrecht,  den  Bischöfen  gewachsen  zu  sein.  Allerorten 
in  Franken  und  in  Baden,  in  Süd-  und  Norddeutschland 
suchte  er,  vielfach  sogar  in  des  Kaisers  Namen,  Reiter 
und  Knechte  an  sich  zu  bringen.  Kurpfalz,  Württem- 
berg und  Bayern  sprach  er  um  Unterstützung  an,  und 
alle  Glieder  der  Häuser  Brandenburg,  Sachsen  und  Hessen 
rief  er  auf  Grund  der  alten  Erbverbrüderung  gegen  die 
treulosen  Pfaffen  und  gegen  die  Nürnberger  Erbfeinde 
um  Hilfe.  Nicht  nur  brieflich  wandte  er  sich  an  Kur- 
fürst Moritz  und  Philipp  von  Hessen,  sondern  er  schickte 
auch  seine  Räthe  Graf  Georg  Ernst  von  Henneberg 
und  Sigmund  Luchau,  um  sich  zu  entschuldigen,  zu 
rechtfertigen  und  Förderung  seines  Vorhabens  zu  erlangen. 
Den  Kurfürsten  Joachim  bat  er  um  Vermittelung^"*).  Er 
könne  sich  nicht  entsinnen,  schrieb  er,  wodurch  er  dem 
Kurfürsten  Ursache  zur  Feindschaft  gegeben  habe;  böse 
Leute  allein  wollten  die  Häuser  Sachsen  und  Brauden- 
burg  entzAveien.  Fern  liege  ihm,  Zwietracht  zu  säen, 
oder  den  Kurfürsten  anzugreifen.  Seine  Sachen  stünden 
so,  dass  er  vielmehr  der  Freunde  als  der  Feinde  l)edürfe ; 
überdies  habe  der  Kurfürst  Moritz  neben  ihm  in  Sachen, 
die  er  ihm  zugeschrieben,  wohl  aufzusehen.  Von  nie- 
mandem lasse  er  sich  gegen  ihn  verhetzen  und  vertröste 
sich  deshalb  seiner  ferneren  Freundschaft. 

Dann  stürmte  er  gegen  den  Bischof  von  Bamberg. 
Am  IL  ApriP'^'^)  glückte  ein  Anschlag  gegen  sechs  Fähn- 
lein Knechte  und  400  Reiter  würzburgischer  Hilfsti-uppen, 
welche  allzu  sorglos  dalierzogen.  Mit  1200  Reitern  l)og 
er  vor,  griff  sie  bei  Ponnnersfelden  von  allen  Seiten  an 
und  sprengte  sie  herzhaft  auseinander.     Betreffs  der  Be- 


^^^)  Am  24.  .Tuli  sollte  zu  Zeitz  die  nächste  Versammhuig  statt- 
ünden. 

1'^')  Dresden,  Loc.  9155  Kriegssache  etc.  1553  Bl.  10,  18.  27flg.; 
Loc.  9157  Kriegszug-  etc.  Bl  224  flg. 

106)  Weimar,  Reg.  C.  fol.  68  "Nr.  35,  Zeitung  vom  13.  April. 


72  S.  Issleib: 

lieiuligkeit  zeigten  sich  seine  Reiter  „nicht  als  Menschen, 
sondern  als  Teufel".  Darauf  nahm  er  Bamberg,  die  Alten- 
hurg  und  das  ganze  Stift  bis  auf  Forchheim.  Glimpflich 
kam  damals  der  Bischof  von  Würzburg  davon;  gegen 
Nürnberg  aber  loderte  der  alte  Hass  auf.  Die  Stadt- 
gebiete wurden  gebrau dschatzt ,  geplündert,  beraubt, 
Schlösser,  kleine  Städte,  Dörfer  und  Klöster  niederge- 
brannt; nicht  einmal  die  Lehen  der  böhmischen  Krone 
verschonte  er^'"').  Lauf  und  Altdorf  giugen  in  Flammen 
auf,  später  nahm  er  die  Reichsstadt  Schweinfurt.  Ln  Mai 
beherrschte  er  die  fränkischen  Bundesgebiete,  dann  nahte 
die  Bedrängnis. 

Ein  über  das  andere  Mal  baten  die  bedrängten  Bi- 
schöfe den  Kurfürsten  Moritz,  Herzog  Heinrich,  Landgraf 
Philipp  und  andere  um  Hilfe.  Dabei  erinnerten  sie  immer 
heftiger  an  die  gegebenen  Vertröstungen  und  Zusagen, 
verwiesen  auf  kaiserliche  Mandate,  auf  die  Landfriedens- 
ordnung und  boten  zuletzt  grössere  Summen  für  Hilfs- 
truppen und  Kriegsräte  ^"*'). 

Die  Lage  des  Kurfürsten  von  Sachsen  war  im  April 
1553  keineswegs  beneidenswerth.  Von  allen  Seiten  wurde 
er  mit  Gesuchen,  Anliegen,  Bitten  und  Mahnungen  be- 
stüi'mt.  Landgraf  Philipp  Avünschte,  dass  er  sich  nicht 
im  Zorne  hinreissen  und  es  dem  Markgrafen  entgelten 
lassen  sollte,  wenn  derselbe  unnütze  Worte  geredet  habe. 
Jederman  kenne  ihn;  der  Schimpf  scheine  ihn  zu  gereuen, 
er  entschuldige  und  demüthige  sich.  Kurfürst  Joachim 
von  Brandenburg  Ijeinitzte  seine  Anwesenheit  in  Torgau, 
um  die  persönliche  Sache  beizulegen  ^•^^).  Herzog  Hans 
Albrecht  von  Mecklenburg  bot  seine  Vermittelung  an  ^^^). 
Mit  den  Hilfsgernichen  der  Bischöfe  rangen  die  Werbungen 
des  Grafen  von  Henneberg  und  Sigmunds  Luchau.  Ende 
April  erklärte  Markgraf  Albrecht,  den  sächsischen,  bran- 
denburgischen und  hessischen  Einigungsverwandten  güt- 
liche Verhandlung  bewilligen  zu  wollen;  in  allen  Dingen 
sollten  sie  seiner  zu  Gleich  und  Recht  mächtig  sein,  so- 


^'^^)  Später  Aviirde  dies  stets  betont,  aucb  dass  er  den  köDiglich 
böhmischen  Kebellen  Kaspar  Pflug  an  sich  ziehe. 

^ö')  Dresden,  Loc.  9156  Markgrafen  Albrechts  Kriegssache  Bl. 
Sbüg.,  Loc.  9157  Kriegszug  etc.  (16.  April);  Wolfenbüttel,  acta  publ. 
355  a  (16.  April). 

los)  Siehe  Note  104. 

109)  Dresden,  Loc.  9165  Markgrafen  Albrechts  Krieg  etc.  1553 
Bl.  3,  23. 


Von  Passau  bis  Sievershauseu  1 552— 1553.  73 


fern  sie  seine  Verträge  aufreclit  erhalten  nnd  auf  Er- 
stattung- der  neuen  Kriegskosten  dringen  würden.  Gegen 
Garantie  der  Verträge  wollte  er  alle  eroberten  Gebiete 
wieder  herausgeben.  Mitte  Mai  stellte  er  dem  Kurfürsten 
Joachim  seine  Aussöhnung  mit  Moritz  völlig  anheim ,  wo- 
rauf jener  inständig  bat,  nichts  Thätliches  gegen  den 
Markgrafen  vorzunehmen.  Nicht  jedem  Geiste  sollte 
Kurfürst  Moritz  glauben,  vielmehr  bedenken,'  dass  es  in 
solch  schweren  Zeiten  für  alle  weltlichen  Fürsten  höchst 
nöthig  sei,  ihre  Angelegenheit  in  guter  Achtung  zu  haben 
und  freundlich  zusammen  zu  halten.  Den  Feinden  Albrechts 
solle  er  keine  Hilfe  gewähren,  sondern  gütliche  Ver- 
handlung einräumen. 

Allein  Kurfürst  Moritz  glaubte  den  freundschaft- 
lichen Versicherungen  des  Markgrafen  nicht  und  traute 
ihm  ebensowenig  wie  dem  Kaiser.  Fortwährend  zog  er 
in  Betracht,  was  ihm  in  Sachen  des  Passauer  Vertrages 
begegnet  war,  auf  welche  Weise  der  Markgraf  seinen 
Abzug  von  Frankfurt  geschädigt,  welche  Reden  er  im 
kaiserlichen  Feldlager  und  an  anderen  Orten  ausgestossen, 
welche  Praktiken  er  jüngst  beim  niedersächsischen  Kriegs- 
haufen gegen  ihn  betrieben  hatte  ^^*^).  Auf  seine  im  Fe- 
bruar gestellte  Anfrage  war  keine  zufriedenstellende, 
sondern  eine  „ganz  dunkle"  Antwort  gefallen.  Des  Mark- 
grafen sonstige  Zuschriften  und  Klagen,  seine  gehässigen 
Verdächtigungen  und  Beschuldigungen  boten  keine  Ga- 
rantie für  eine  gefahrlose  Zukunft.  Überdies  liefen  be- 
ständig beunruhigende  Zeitungen  vom  kaiserlichen  Hofe 
ein;  man  flüsterte  von  einer  geheimen  Verbindung  der 
Herzöge  von  Weimar  und  Jülich^")  mit  den  See-  und 
Hansestädten  gegen  Kursachsen  etc.  Was  war  da  dem 
Markgrafen  nicht  zuzutrauen? 

Schon  auf  der  Rückreise  vom  neuen  Schlosse  nach 
Sachsen  hatte  der  Kurfürst  von  Ziegenhain  aus  (am 
8.  April)  an  Herzog  Heinrich  geschrieben :  wenn  er  etwas 
im  Sinne  habe,  dann  solle  er  nicht  feiern,  Verzug  sei  in 
solchen  Sachen  nicht  vortheilhaft.  Nach  dem  Überfalle 
bei  Pommersfelden  glaubte  er,  der  Markgraf  werde  sich 
nun  seines  Glückes  überheben,  und  ersuclite  den  Herzog, 
den  Bischöfen  ungesäumt  zur  Hilfe  zu  ziehen,  damit  „dem 
Manne  nicht  zuviel  Vortheil  und  Raum  gelassen  werde"^^-). 

"0)  Weimar,  Reg.  C.  fol.  57  No.  17. 
1")  Weimar,  Reg.  C.  fol.  65  No.  28. 
"-)  Wolfenbüttel,  acta  publ.  355a,  Brief  vom  16.  April. 


74  S.  Ir^sleib: 

Leider  war  Herzog  Heinrich  damals  in  so  viele  Händel 
verwickelt,  dass  er  nicht  ohne  Weiteres  aufbrechen  konnte. 
Fast  in  jeder  Hinsicht  zeigte  er  in  Norddeutschland  ein 
ähnliches  Ungestüm  wie  der  Markgraf  in  Franken.,.  An 
allen  suchte  er  sich  zu  rächen ,  welche  nach  seiner  Über- 
zeugung ihn  vor  wenigen  Monaten  gegen  den  mansfeldischen 
Kriegshaufen  und  früher  im  Stiche  gelassen  hatten""^). 
Arg  büssten  einige  Junker;  Paderborn,  Lippe,  Schaum- 
burg und  Tecklenburg  beschleunigten  eine  Verständigung ; 
Magdeburg-Halberstadt  erkauften,  wie  wir  wissen,  ihre 
Sicherheit.  Fürst  Wolf  von  Anhalt  stand  in  Unterhand- 
lung. Heinrichs  Sohn  Philipp  Magnus  stürmte  in  das  Land 
des  Vetters  Erich,  weil  er  gegen  den  Grafen  Volrad  und 
seinen  Anhang  keinen  Beistand  geleistet,  und  erzwang 
einen  Vertrag,  nach  welchem  er  in  Monatsfrist  20000Thaler 
zahlen  sollte.  Von  da  rückte  der  fehdelustige  Fürst  in 
die  Stifter  Minden  und  Osnabrück  und  übersandte  dem 
Bischöfe  von  Münster  einen  Fehdebrief,  da  er  1542  an 
der  Vertreibung  seines  Vaters  thätigen  Antheil  genommen 
habe.  In  Folge  dieses  Briefes  glaubte  sich  auch  der  Land- 
graf von  Hessen  als  Anstifter  jener  That  gefährdet.  So 
war  der  Norden  voller  Erregung. 

Li  alle  Händel  wurde  Kurfürst  Moritz  mehr  oder 
minder  hineingezogen.  Wie  für  die  Junker,  für  Anhalt, 
für  Magdeburg-Halberstadt  und  die  Harzgrafen,  so  Avar 
er  genöthigt,  für  seinen  Schwager  Herzog  Erich  und  füi 
den  Landgrafen  einzutreten.  Wiederholt  ermahnte  er  den 
„tollen  Heinz",  sich  nicht  zu  viele  Feinde  zu  machen,  und 
warnte  Herzog  Philipp  Magnus,  den  Bogen  zu  straff  zu 
spannen,  damit  nicht  „das  andere  Vorhaben  für  das  all- 
gemeine Wohl''  gänzlich  geschädigt  werde.  Obgleich  der 
Kurfürst  nichts  versäumte ,  um  nach  Möglichkeit  allen 
gerecht  zu  werden ,  so  konnte  er  doch  nicht  jedermann 
genügen.  Gerade  sein  Schwager  Herzog  Erich,  welcher 
den  Kaiser  und  alle  Welt  um  Hilfe  rief,  beschuldigte  ilm 
voll  Erbitterung,  dass  er  seine  Interessen  nicht  gewahrt, 
sondern   ihn  völlig  preisgegeben   habe.     Entrüstet    über 


"'')  Über  diesen  Abschnitt  lindet  sich  näheres:  Dresden,  Loc. 
91.56  Markgrafen  Albrechts  Kriegssache  etc.  1553  u.  Loc.  9157  Kriegs- 
zug etc.  1.553;  Marburg,  0.  W.  S.  379,  Reichs-  und  Kreissachen  Mi- 
litaria  I— IV,  Egersche  Bündnis  1553  III,  526  Akten  Landgrafen 
Philipps  Vertragsverliandlungen  mit  Herzog  Heinrich  etc.  1553/4; 
Wien,  Kriegssachen  1553  (April,  Mai);  Wolfenbüttel,  acta  publ 
No.  274,  365  a,  359. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553.  75 

den  erzAviuigenen  Vertrag  trat  er  mit  ßraimscliweig  und 
anderen  Hansestädten,  mit  dem  Grafen  von  Oldenburg 
und  dem  Markgrafen  Albreclit  gegen  Herzog  Heinrich 
in  Verbindung  ^^^).  In  diesem  Thun  und  Handebi  be- 
stärkte ihn  seine  Mutter,  Herzogin  von  Minden,  vermählte 
Gräfin  von  Henneberg.  So  ebnete  sich  in  Medersachsen 
der  Boden  zum  gefährlichen  Tummelplatz  einer  blutigen, 
verhängnisvollen  Schlacht. 

Indessen  trotz  aller  Erregung  und  Bewegung  wurde 
der  geplante  Hilfszug  nach  Franken  nicht  aufgegeben. 
Als  der  bischöfliche  Bevollmächtigte  Hans  Fuchs  zur 
Verhandlung  eingetroffen  war,  kamen  Kurfürst  Moritz 
und  Herzog  Heinrich  am  9.  Mai  in  Torgau  zusammen"'). 
Hier  bewilligte  der  Herzog,  sein  Kriegsvolk  auf  seine 
Kosten  bis  an  die  würzburgische  Grenze  zu  führen  und 
dann  in  bischöfliche  Besoldung  treten  zu  lassen.  Der 
Kurfürst  wollte  im  Falle  der  Noth  zehn  Stück  Mauer- 
brecher samt  Munition  leihen,  wegkundige  Knechte  als 
Führer  nach  Mühlhausen  senden  und  des  Herzogs  Land 
während  seiner  Abwesenheit  in  Schutz  nehmen.  Ferner 
übernahm  er,  den  Landgrafen  Philipp  mit  dem  Herzoge 
auszusöhnen  und  womöglich  ein  Bündnis  zwischen  ihnen 
dreien  aufzurichten,  sowie  Herzog  Erich  und  die  jungen 
Vettern  von  Lüneburg  zur  Beachtung  aller  bestehenden 
Verträge  anzuhalten  und  von  feindlichen  Verbindungen 
abzutrennen.  Die  Fehde  gegen  Braunschweig  sollte  ruhen. 
Sorgenfrei  wurden  die  Stifter  Magdeburg-Halberstadt  und 
die  Harzgrafen.  Lüneburg,  Hamburg,  Lübeck,  selbst 
Pommern  sollten  sich  keiner  unbilligen  That  versehen, 
wenn  sie  alle  feindlichen  Praktiken  fallen  lassen  würden. 

Wegen  der  Erbverbrüderung  trug  Kurfürst  Moritz 
Bedenken,  sich  schon  jetzt  offen  gegen  Markgraf  Albrecht 
zu  erklären,  doch  war  er  gewillt,  Hans  von  Heideck  mit 
600  Reitern  und  vier  Fähnlein  Knechten  nach  Franken 
ziehen  zu  lassen  und  700  hessische  Beiter  unter  Wilhelm 
von  Schachten  und  Daniel  von  Hotzfcld  bereit  zu  halten. 


i'i)  "Wilhelm  von  Grumbach  war  eifrig  thatig  in  Braunscliweig, 
in  Hannover  etc.  ]\Ian  hoffte,  die  Herzöge  von  Pommern,  ]\lecklen- 
burg,  Lauenburg,  Holstein,  die  See-  und  Hansestädte,  Markgrafen 
Hans  und  selbst  Herzog  Johann  Friedrich  zu  einer  Koalition  zu 
bringen. 

"■')  Dresden,  Loc.  9156  Markgrafen  Albrechts  Kriegssache  etc. 
Bl.  184flg,  Orieinalurkunde  No.  11477;  Wi.lfenbüttel ,  acta  ]mbl. 
No.  274,  275. 


76  S.  Issleib : 

Unter  allen  Umständen  wahrte  er  sich  die  Freiheit,  zum 
Schutze  seines  Landes  die  Mannschaft  jederzeit  zurück- 
fordern zu  dürfen. 

Nach  diesen  Abmachungen  eilte  Hans  Fuchs  nach 
Würzburg-  zurück;  Kurfürst  Moritz  gab  Befehle  zum 
Anritt  und  zur  Musterung  ^^'^) ,  Herzog  Heinrich  brach 
die  verhassten  Fehden  ab,  zog  die  Truppen  zusammen 
und  stellte  die  Marschroute  fest. 

Hier  sei  erwähnt,  dass  des  Kurfürsten  Gremahlin 
Agnes  gegen  Ende  April  nach  Ems  ins  Bad  gereist  war 
und  Moritz  ihr  einen  Besuch  in  Aussicht  gestellt  hatte  ^^'). 
Die  kriegerischen  Verwickelungen  aber  hielten  ihn  zurück 
und  vernichteten  seine  dj^nastischen  Hoffnungen.  Beide 
sahen  einander  nicht  wieder. 

Um  Mitte  Mai  nahm  auch  Herzog  Augustus  vom 
Bruder  Abschied  und  reiste  nach  Dänemark,  um  beim 
Schwiegervater  die  Freuden  des  Besuches  mit  dem  Ernste 
politischer  Geschäfte  zu  verbinden"^).  Wohl  ahnte  er 
nicht,  dass  ein  unabwendbares  Verhängnis  ihn  bald  zu- 
rückfordern würde!  Aus  der  Verhaltungsinstruktion,  welche 
er  seinen  Uäthen  zurückliess,  geht  hervor,  wie  ernst  er 
die  damalige  politische  Lage  auffasste. 

Brüderlichem  Auftrage  zufolge  sollte  er  König 
Christian  III.  für  ein  Schutz-  und  Trutzbündnis  oder  doch 
für  Unterstützung  in  der  Noth  zu  gewinnen  suchen.  Ihm 
gegenüber  sollte  er  die  Anfechtungen,  Avelche  der  Passauer 
Vertrag  erlitten  habe  und  noch  erleide,  samt  der  Gefahr, 
welche  daraus  entspringe,  betonen.  Dann  sollte  er  ein- 
gehend erörtern,  wie  nützlich  es  sei,  für  den  Fall  der 
Kaiser  demnächst  sterben  Averde,  in  solch  bedenklichen 
Zeiten  fest  und  stark  verbündet  dazustehen  und  den 
„Stein  im  Brette  zu  behalten".  Zuletzt  sollte  er  die  Noth- 
wendigkeit  gegenseitigen  Beistandes  hervorheben,  wenn 
einer  von  ihnen  in  Folge  seltsamer  Praktiken  unver- 
schuldet und  unvermuthet  angegriffen  werde. 

Kaum  hatte  Herzog  Augustus  seine  Reise  angetreten. 


^'^)  Hans  von  Heifleck  und  die  kuifürstlichen  Kriegsräthe 
sammelten  ihre  Truppen  nm  Mühlliausen. 

"^)  Marburg,  O.W.  !S.  912.  Sachsen,  albertinische  Linie  1552/3. 
(Briefe  vom  18.  u.  22.  April).  Agnes  sollte  den  26.  April  in  Wan- 
fried  an  der  Grenze  empfangen  werden.  Dresden,  Loc.  8498  Moritz" 
eigenhändige  Schreiben  1547/53  Bl.  36. 

"S)  Dresden,  Loc.  7280  Schreiben  etc.  1553  Bl.  2flg.,  Loc.  10042 
Instruktion  Herzogs  Augustus  etc.  Bl.  3  flg. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553.  77 


SO  bat  Kurfürst  Moritz  den  Herrn  von  Plauen  dringend 
um  eine  Zusammenkunft"^).  Es  habe  bei  ihm,  schrieb 
er,  schon  lange  das  Ansehen  gehabt,  dass  sich  die  frän- 
kischen Sachen  nicht  durch  Briefe  würden  stillen  lassen. 
Bei  vielen  errege  es  allerlei  Nachdenken ,  dass  von  den 
hohen  Häuptern  nicht  ernstlicher  dazu  gethan  wei'de. 
Zu  welchen  Weiterungen  könne  es  führen,  wenn  dem 
Manne  alles  nach  seinem  Willen  gehen  sollte !  Wolle  man 
das  Reich  vor  dem  äusserst en  Verderben  erretten,  die 
übrigen  Stumpfe  erhalten  und  den  Türken  einigen  Wider- 
stand leisten,  so  sei  die  höchste  Zeit,  mit  Ernst  zur  Sache 
zu  thun  und  Frieden  zu  machen.  Daher  hielt  er  eine 
Unterredung  für  höchst  wünschenswerth. 

Ehe  es  jedoch  dazu  kam,  beschäftigten  andere  An- 
gelegenheiten den  Kurfürsten. 

In  Eisenberg  ^■-*^)  wurde  vom  7.  Mai  an  über  die 
Liquidationssache,  über  die  Assekuration ,  über  die  Be- 
festigung Gothas  und  über  den  Kurtitel  samt  Wappen 
verhandelt.  Kurtitel  und  Wappen  glaubte  Herzog  Johann 
Friedrich  als  Sprosse  des  kurfürstlichen  Stammes  und 
als  gewesener  Kurfürst  mit  Recht  führen  zu  dürfen. 
Überdies  gestatte  es  die  goldene  Bulle,  die  Wittenberger 
Kapitulation  verbiete  es  nicht  und  die  Anwartschaft  auf 
das  Gesamtlehen  des  Hauses  Sachsen  lasse  es  zu.  Dann 
sei  Herkommen  und  Brauch,  dass  sich  Fürsten  nach  Län- 
dern schrieben,  auf  die  sie  nicht  einmal  Anwartschaft  be- 
sässen.  Der  Bau  der  Festung  Gotha  sei  vom  Kaiser 
ausdrücklich  bewilligt  worden.  Dem  gegenüber  wurde 
geltend  gemacht,  der  Festungsbau  Verstösse  gegen  die 
Wittenberger  Kapitulation.  Das  Kursiegel  Johann  Frie- 
drichs habe  der  Kaiser  vor  Wittenberg  zerschlagen  lassen, 
womit  alles  andere  falle.  Herzog  Augustus  besitze  nähere 
Anwartschaft  auf  das  Gesamtlehen  und  führe  ähnlich  den 
Pfalzgrafen  weder  Kurtitel  noch  Wappen,  Die  kaiser- 
liche Kanzlei  pflege  dem  Herzoge  den  Titel  des  gebornen 
Kurfürsten  nicht  beizulegen.  Wozu  also  solche  Neuerung, 
Avenn  man  nicht  darauf  ausgehe  zu  verletzen.  Wie  voraus- 
zusehen war,    Hess   sich    hier  nur  fruchtlos  rechten  und 


^'")  Wien,  Brandenburg  1553.  Januar  bis  Mai,  Brief  vom  13. Mai ; 
Dresden,  Loc.  9155  Kriegssadie  etc.  1553.   151.  43. 

^-'")  Dresden,  Loc.  9139  Des  gewesenen  Kurfürsten  etc.  Bl. 
250flg.,  Loc.  9151  Eisenbergischer  Tag  1553  BI.  lüg.;  Münclien, 
Reiclisarchiv,  Brandenburg  VII.  382 flg.;  Wien,  Brandenburg  1553 
(13.  Mai),  Reichsakten  niisc.  1553. 


78  S.  Issleib : 


streiten.  Der  Aiistrag  der  beiden  Punkte  wurde  kaiser- 
licher Entscheidung  anheim  gegeben.  Betreffs  der  Asse- 
kuration  kam  man  so  weit,  dass  die  Versicherungsverträge 
bis  zum  18.  Juli  vollzogen  und  gleichen  Tages  in  Torgau 
und  Weimar  ausgehändigt  werden  sollten.  Die  Beilegung 
des  Liquidationsstreites  scheiterte  wieder  daran,  dass  der 
Kurfürst  die  fehlende  Summe  am  jährlichen  Einkommen 
von  50000  Fl.  nur  durch  einen  jährlichen  Geldzuschuss 
ergänzen  und  nicht  durch  Grund  und  Boden  sichern  wollte. 
Am  20.  Mai  wurde  ein  anderer  Verhandlungstag,  zu  wel- 
chem der  Landgraf  von  Hessen  und  der  Kurfürst  von 
der  Pfalz  als  Vermittler  zugezogen  werden  sollten,  auf 
den  18.  Juni  in  Eisenberg  anberaumt.  Für  den  Fall  dann 
keine  Einigung  erzielt  werde,  sollte  die  Sache  kaiserlicher 
Verfügung  gemäss  nach  Frankfurt  oder  auf  den  Reichs- 
tag gebracht,  werden. 

Mitte  Mai  begannen  auch  gleichzeitig  die  Verhand- 
lungen in  Frankfurt^'-^)  und  Halberstadt^--).  Hier  tag- 
ten die  Kurfürsten  von  Sachsen  und  Brandenburg  in  Streit- 
sachen Herzog  Heinrichs  und  der  Junker,  dort  suchten 
zahlreiche  Vertreter  der  Reichsstände  Ruhe  und  Frieden 
in  deutscher  Nation  zu  stiften.  An  beiden  Orten  blieben 
die  Resultate  weit  hinter  den  Erwartungen  zurück.  Da 
in  Eisenberg  und  Halberstadt  die  sächsischen  und  braun- 
schweigischen  Angelegenheiten  verhandelt  wurden,  so  war 
in  Frankfurt  die  Aufmerksamkeit  hauptsächlich  auf  die 
fränkischen  Händel  gerichtet.  Eine  klägliche  Rolle  spielten 
die  kaiserlichen  Kommissare.  Statt  einzugreifen  und 
die  Sitzungen  zu  leiten,  wollten  sie  nur  hören  und  ent- 
scheiden lassen.     Auf  Verlangen  der  Stände  war  Mark- 


graf  Albrecht  zur  Bewilligung  eines  monatlichen  Waffen- 
stillstandes bereit;  allein  die  Bischöfe  schlugen  das  Ge- 
such rund  ab.  Wie  früher  hielten  ihre  Räthe  streng  an 
der  kaiserlichen  Kassation  und  Restitution  und  die  mark- 
gräflichen hartnäckig  an  der  Konfirmation  und  Ratifika- 
tion der  Verträge  fest.  Alle  vergleichenden  Vorschläge 
wurden  von  beiden  Parteien  verworfen.  Fruchtlos  und 
trostlos  tagieistete  man  bis  zum  19.  Juni^--^).    Dann  wurde 


'21;  Dresden,  Loc.  7235  Frankfurter  Handlung  1.553  Bl.  Iflg.. 
Loc.  7872  Kreistage  und  Handel  etc.   1553,4  Bl.  15. 

1-'-)  Ebenda,  Loc.  7235,  Bl.  18-,  Wien,  Reichsakten  1553,  mis- 
cell.   Herzog  Heinrich  an  Kaiser  Karl,  14.  Mai. 

'-^)  Viele  Vertreter  der  weltlichen  Fürsten  neigten  auf  die 
markgräfliche   Seite.     Der  kursächsische  Gesandte  Dr.  Franz  Kram 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553,  79 

der  Kaiser  ersucht,  sich  endlich  für  die  Kassation  oder  Ra- 
tifikation zu  entscheiden.  Eine  Kommission  wurde  nach 
Franken  entsendet,  alles  aufzubieten,  was  zur  Beilegung- 
des  Streites  dienlich  sei. 

Nach  diesen  traiuigen  Tageleistungen  schrieb  Dr.  Franz 
Kram^-^):  „Ich  besorge,  es  sei  mit  diesem  Reiche  wie 
mit  allen  anderen  Dingen  fast  am  Ende,  Gott  gebe  nur, 
dass  wir  recht  thun  und  wohl  fahren.  Wenn  es  nicht 
eine  sichtliche  Strafe  Gottes,  so  wäre  wahrlich  hoch  zu 
klagen  und  zu  erbarmen,  dass  wir  alle  sollten  zusehen, 
dass  in  einem  schönen  grossen  w^olil  fundierten  und  ei-- 
bauten  Hause  zwei  oder  drei  Säulen  oder  Balken  an- 
fangen zu  brennen  und  sogar  niemand  löschen  und  retten 
will,  sondern  lassen  zusehend  das  Feuer  dergestalt  in  das 
inwendige  Gebäude  kommen  und  also  überhand  nehmen, 
dass  es  nicht  wohl  mehr  zu  löschen  sei''. 

Indem  man  empfindet,  wäe  treffend  der  kursächsische 
Rath  den  Zustand  des  Reiches  schilderte,  sieht  man  sich 
nicht  ungern  wieder  nach  dem  Fürsten  um,  welcher  bei 
längererLebensdauer  Deutschland  wohl  hätte  retten  können. 

Kurfürst  Moritz  weilte  Ende  Mai  1553  in  Radeberg 
und  empfing  hier  fast  gleichzeitig  den  Grafen  Georg  Ernst 
von  Henneberg  ^"-^^),  den  Gesandten  des  Markgrafen  und 
Heinrich  von  Plauen.  Nochmals  Hess  der  Markgraf 
um  die  alte  Freundschaft  anhalten  und  zufolge  der 
Erbverbrüderung  um  Hilfe  bitten.  Am  2G.  Mai  gab  der 
Kurfürst  sein  Bedauern  zu  erkennen,  dass  die  freund- 
liche Erklärung  nicht  früher  gekommen;  dann  hätte 
mancherlei  unterbleiben  können,  was  jetzt  nicht  mehr  zu 
ändern  oder  rückgängig  zu  machen  sei.  Da  er  die  lange 
Verzögerung  für  einen  x^bschlag  seiner  früheren  Forde- 
rimg habe  halten  müssen  und  mittlerweile  viele  Warnungen 
aus  Franken  und  Niedersachsen  erfolgt  und  bedenkliche 
Drohungen   hinterbracht    worden    seien'-*'),   so    habe    er 


schrieb:  „Es  gefällt  nicht  allen  Leuten,  dass  mein  gnädiger  Herr  den 
Bischöfen  Kriegsvolk  zukommen  lässt." 

1-^)  Dresden,  Loc.  915fi  Markgrafen  Albrechts  Handlung  etc. 
1553  BI.  114,  Brief  vom  1.  Juli  an  Komerstadt. 

^-■')  Nicht  zu  ermitteln  war,  ob  Sigmund  Lucliau  den  Grafen 
begleitete.  Beide  waren  am  27.  Ai)ril  in  Torgau.  Des  Grafen  Cre- 
denz  ist  datirt  Bamberg  am  19.  Mni,  Dresden,  Loc.  9157  Kriegs- 
zug etc.  1553  Bl.  230.  234. 

1-")  Unter  anderem:  wenn  man  mit  den  Bischöfen  fertig,  dann 
wolle  man  ins  Land  zu  Meissen  ziehen.  Alle  Kurfürstlicheu  wolle 
man  in  die  Eisen  schlagen  und  hängen  etc. 


80  S.  Issleib : 

einiges  Kriegsvolk  in  Yerspruch  genommen  und  sich  ge- 
fasst  gemacht.  Den  Bischöfen  habe  er  für  seine  Person 
trotz  aller  Bittgesuche  und  kaiserlichen  Mandate  keine 
Hilfe  geleistet;  doch  habe  er  es  zuletzt  geschehen  lassen, 
dass  sich  etliche  seiner  Diener  und  Befehlsleute  in  Be- 
reitschaft gesetzt  hätten,  um  den  fränkischen  Einigungs- 
verwandten auf  deren  Kosten  zuzuziehen,  wie  ja  auch 
einige  seiner  Unterthanen  dem  Markgrafen  dienten,  ohne 
dass  er  sie  zurückgefordert  habe  ^-').  Über  die  beantragte 
Hilfe  auf  Grund  der  Erbeinigung  wolle  er  sich  mit  dem 
Kurfürsten  von  Brandenburg  verständigen.  Schreibe  der 
Markgraf  bis  zum  10.  Juni  längstens  mit  eigenhändiger 
Namensunterzeichnung  zu,  dass  er  in  Zukunft  wirklich 
Freund  zu  bleiben  gedenke,  also  dass  weder  er  (Moritz), 
noch  sein  Land,  noch  sein  Kriegsvolk  etwas  Beschwerliches 
zu  befürchten  hätten,  dann  wolle  auch  er  sich  zur  Zufrieden- 
heit erklären.  Trotz  des  augenblicklichen  Vortheils  möge 
der  Markgraf  den  gesamten  Streit  über  Verträge,  Schäden 
und  Unkosten  in  Frankfurt  verhandeln  lassen  und  nicht 
dem  ungewissen  Kriegsausgange  vertrauend  das  deutsche 
Vaterland  in  Jammer  und  Verderben  bringen. 

Am  31.  Mai  hielt  der  Graf  von  Henneberg  nochmals 
um  eine  gnädigere  und  bestimmtere  Erklärung  an;  allein 
der  Kurfürst,  welcher  unterdessen  mit  Heinrich  von  Plauen 
verhandelt  hatte,  verwies  auf  seine  gegebene  Antwort 
und  begegnete  der  Forderung,  die  Pässe  seines  Landes 
zu  sperren  und  den  Zug  des  braunschweigischen  Herzogs 
nach  Franken  zu  verhmdern,  mit  einer  ausführlichen  Dar- 
legung, dass  Herzog  Philipp  Magnus  zufolge  kaiserlicher 
Mandate  den  Bischöfen  zur  Hilfe  ziehe,  und  dass  er  sich 
gegen  Herzog  Heinrich  in  keinerlei  Weise  einlassen  könne, 
weil  derselbe  nach  mehrfachen  Gesuchen  und  persönlichen 
Verständigungen  seine  Freundschaft  erworben  habe. 

Die  Reise  Heinrichs  von  Plauen  zum  Kurfürsten 
hatte  König  Ferdinand  durchaus  gebilligt^-**).     Beide  ver- 


^-■')  Ganz  ähnlich  beurlaubte  Herzog  Johann  Friedrich  einzelne 
seiner  Bediensteten,  um  in  des  Markgrafen  Bestallung  zu  treten. 
Weimar,  Reg.  C.  fol.  57  No.  17. 

^-*j  Wien,  Keichskanzlei,  Berichte  aus  dem  Reiche  1553/4. 
Wien  22.  Mai:  Heinrich  von  Plauen  „thue  recht  und  wohl,  dass  er 
mit  dem  Kurfürsten  zusammenkommen  wolle".  Über  die  Radeberger 
Zusammenkunft:  Wien,  Brandenburg  1553,  Januar  bis  Mai ;  Dresden, 
Loc.  9155  Kriegssache  etc.  1553  Bl.  43.  Marburg,  0.  W.  S.  379. 
Reichs  -  und  Kreissachen  Militaria  I — IV,  Egersche  Bündnis  1553 
III.  Brief  vom  1.  Juni. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553.  81 

eiiiig-ten  sich  am  31.  Mai  zu  folgender  „vertraulichen 
Abrede'".  Für  den  Fall  dass  König-  Ferdinand  zum  Schutze 
Böhmens^-'-'),  Sachsens  und  des  deutschen  Vaterlandes 
1500  Reiter  bewillige,  wollte  der  Kurfürst  gleichfalls 
1500  Reiter  zur  Verfügung  stellen  und  den  Landgrafen 
von  Hessen  zur  Annahme  von  1000  Reitern  zu  bewegen 
suchen.  In  Monatsfrist,  also  bis  zum  1.  Juli,  sollten  die 
königlichen  Reiter  derartig  an  der  böhmischen  Grenze 
anlangen,  dass  sie  nach  erfolgter  Kriegserklärung  oline 
weiteres  in  das  Land  des  Markgrafen  einfallen  könnten, 
um  ihn  zu  zwingen,  entweder  gutwillig  vom  Kriege  und 
von  weiterer  Verheerung  abzulassen,  oder  mit  einem  und 
dem  andern  Haufen  zu  schlagen.  Oberster  Feldherr  der 
königlichen  Reiter  sollte  Erzherzog  Ferdinand  sein,  dem 
der  Kurfürst  auf  Verlangen  mit  Rath  und  That  beistehen 
wolle.  Li  kurzem  sollte  bedacht  werden,  in  W' essen  Namen 
und  unter  welchem  Vorwande  der  Krieg  erklärt  und  die 
Verwahrungsschrift  zugestellt  werden  könne,  ob  es  ange- 
zeigt sei,  ein  öffentliches  Ausschreiben  unter  die  Leute 
zu  bringen,  wie  man  dem  Markgrafen  alle  Vortheile  seines 
Landes  abzustricken  vermöge,  ohne  den  anderen  mitbe- 
lehnten Markgrafen  gerechte  Ursache  zur  Beschwerde 
zu  geben,  ob  es  zweckmässig,  eine  Achtserklärung  zu 
beantragen.  Der  königlichen  Entscheidung  blieb  die 
Unternehmung  des  Kiieges  vorbehalten,  auch  wenn  der 
Landgraf  nur  geringe  Hilfe  oder  gar  keine  stelle.  Li 
Summa,  über  alle  Punkte  und  über  alles,  was  zu  tliun 
und  zu  lassen,  sollte  Heinrich  von  Plauen  in  zehn  oder 
elf  Tagen  eine  königliche  Antwort  senden. 

Darauf  ersuchte  der  Kurfürst  den  Kaiser  am  2.  Juni, 
allen  Unruhen  in  Franken  und  Sachsen  zu  steuern  und 
besonders  Herzog  Erich,  samt  den  Herzögen  von  Lüne- 
burg, Pommern,  Mecklenburg,  Lauenburg,  Holstein,  sowie 
den  Grafen  zu  Schaumburg  und  den  Städten  Lübeck, 
Hamburg,  Bremen,  Lüneburg  ernstlich  zu  befehlen,  alle 
Vergarderungen  zu  trennen  und  keine  Zusammenrottung 
zu  dulden.  Am  Sclüusse  des  Schreibens  bat  er  um  kaiser- 
liche Antwort^-'''). 


120)  Der  Markgraf  hatte,  wie  schon  mitgetheilt  ist,  böhmische 
Lehen  angegriffen  und  sich  beim  Trünke  hören  lassen,  „er  verhoffe 
nicht  zu  sterben ,  er  habe  denn  zuvor  eine  böhmische  königliche 
Krone  auf  seinem  Haupte  gehabt".  Dresden,  Loc.  7235  Frankfurter 
Handlung  etc.  Bl.  35. 

i^^j  Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  etc.  1553  Bl.  340. 

Neues  Archiv  f.  b.  G.  u.  A.     VIII.  1.  2.  Ö 


82  S.  Issleib: 

Inzwischen  hatte  Herzog  Philipp  Magnus  die  vom 
mansfeldischen  Kriegshaufen  besetzte  väterliche  Feste 
Steinbrück  wieder  zurückerobert  und  war  durch  Thüringen 
nach  Franken  vorgerückt ^•^^).  Bei  Meiningen  vereinigte 
er  sich  (am  3.  Juni)  mit  Hans  von  Heideck,  Hans  von 
Diskau  und  Wolf  Tiefst etter  und  beschloss, .  den  Feind 
vor  Schweinfurt  aufzusuchen. 

Markgraf  Albrecht  aber  hatte  diese  Stadt  bereits 
wieder  verlassen  und  befand  sich  im  Gebirge,  wo  er  eben 
mit  den  Nürnbergern  zusammengestossen  und  zur  Eück- 
kehr  genöthigt  worden  war^'^-).  In  Bamberg  erhielt  er 
(am  5.  Juni)  vom  Anmärsche  Heidecks  und  des  Herzogs 
von  Braunschweig  sichere  Nachricht  und  beschwerte  sich 
sofort  in  einem  Schreiben  an  Kurfürst  Moritz  über 
diesen  feindlichen  Kriegszug.  Dann  bat  er  inständig, 
nicht  den  Pfaffen  und  Nürnbergern  zu  helfen  und  ihn  aus 
dem  Lande  zu  treiben,  vielmehr  ungehindert  bei  dem 
Seinen  zu  lassen.  Der  Kurfürst  sollte  Hans  von  Heideck 
zurückfordern,  wohl  erwägend,  was  auch  ihm  hernach  durch 
andere  Leute  begegnen  könne,  weil  er  ebenfalls  einen 
kaiserlichen  Vertrag  besitze.  Von  Heidelberg  aus  habe 
er  vertraulich  an  ihn  geschrieben;  hätte  er  es  böse  ge- 
memt,  so  wolle  er  wohl  geschwiegen  haben.  Allzeit  habe 
er  sich  treu  erzeigt. 

Darauf  überdachte  er  seine  Lage,  die  sich  in  Franken 
nach  allen  Seiten  hin  bedenklich  anliess.  Und  weil  das 
Herz  doch  anders  empfand  und  der  Mund  anders  redete, 
als  die  Hand  schrieb,  so  findet  man  seinen  Entschluss 
begreiflich,  sein  Land  preiszugeben  und  die  Kriegsfackel 
nach  Norddeutschland  zu  tragen  ^■^■^).     Ohne  Zögern  liess 


^2^)  Dresden,  Loc.  9156  Markgrafen  Albreclits  Kriegssache  etc. 
1553  Bl.  240;  Wolfenbüttel,  acta  publ.  355a;  Marburg-,  O.W.  S.  526. 
Braunscbweig- Wolfenbüttel,  März  bis  Juni  1553. 

^"-)  In  Folge  dessen  wurde  die  Markgraf scbaft  Ansbach  be- 
droht. Die  Regierung  zu  Onolzbach  rief  den  Kurfürsten  Moritz,  als 
Oheim  und  Vormund  des  jungen  Markgrafen  Georg  Friedrich,  um 
Hufe  an ;  allein  derselbe  fertigte  sie  ab,  weil  sie  ihn  sonst  nicht  um 
Rath  gefragt.    Dresden,  Loc.  9157    Kriegszug  etc.  1553  Bl.  300% 

12")  Herzog  Johann  Friedrich  sah  auf  G-rund  eingelaufener 
Nachricliten  fast  genau  voraus,  wie  sich  die  Verhältnisse  nun  ge- 
stalteten. Höchst  interessant  ist  sein  Brief  an  den  alten  Dr.  Brück 
vom  3.  .Juni;  Weimar,  Reg.  C.  fol.  57  No.  19.  Mitte  Mai  kam 
Johann  Friedricli  in  grosse  X^erlegenheit  dadurch,  dass  der  Markgraf 
eine  Post  durch  sein  Land  legen  wollte.  Des  Herzogs  Räthe  waren 
dafür,  ilim  mündlich,  nicht  schriftlich  mittheilen  zu  lassen,  wenn  er 
die  Post  durchaus  legen  müsse,  dann  möchte  er  solches  im  Geheimen 


Von  Passaii  bis  Sievershanseu  1552—1553.  83 

er  seine  Reiterei  (ungefähr  1500  Mann)  aufbrechen,  die 
wie  ein  Kriegs wett er  in  das  Thüringerland  über  Lichten- 
fels,  Gräfenthal  und  Arnstadt  hineinzog^-"*^).  Er  selbst 
eilte  auf  die  Plassenburg,  gab  Verhaltungsmassregeln  und 
jagte  seiner  Mannschaft  nach.  Am  8.  Juni  ritt  er  in 
Arnstadt  ein  und  zeclite  „gestiefelt  und  gespornt"  bis 
11  Uhr  abends  auf  dem  Schlosse  beim  Grafen  von  Schwarz- 
burg. Andern  Tages  sah  man  ihn  davon  ziehen  in  einem 
Panzerhemd,  drei  Büchsen  und  zwei  Faustkolben  am 
Rosse  führend  und  mit  einem  Hute  voller  Hahnenfedern^""^). 

An  die  Herzöge  von  Braunschweig  schickte  er  Felide- 
briefe;  Herzog  Johann  Friedrich  liess  er  entbieten,  ihm 
solle  kein  Huhn  gescheucht  werden;  Kurfürst  Moritz 
benachrichtigte  er^'^*^):  gezwungen  habe  er  sein  Land  ver- 
lassen ,  ihm  aber  werde  er  auf  dem  Durchzuge  keinen 
Schaden  zufügen;  er  versehe  sich  alles  fremidlichen  und 
brüderlichen  Willens.  So  zog  er  über  Erfurt,  Heldrungen, 
Eisleben  1=^')  nach  Halberstadt  ^^^). 

Kurfürst  Moritz  erhielt  die  erste  Kunde  vom  Zuge 
des  Markgrafen  am  9.  Juni  in  Herzberg.  Nach  dem 
Eintreffen  genauerer  Nachrichten  lud  er  ihn  (am  10.)  zu 
einer  Besprechung  nach  Leipzig  oder  Torgau  ein ;  gleich- 
zeitig bot  er  aber  seine  Ritterschaft  auf,  berief  einen 
Landtagsausschuss  nach  Leipzig,  bat  Herzog  Heinrich, 
sich  mit  aller  Macht  in  Bereitschaft  zu  setzen,  ersuchte 
den  Bischof  von  Wüi'zburg,  Herzog  Philipp  und  Heideck 
unverzüglich  zu  beurlauben,  und  befahl  als  Schutzherr 
Rüstung  im  Erzstift  Magdeburg.  In  Leipzig  angelangt 
wurde  ihm  am  13.  Juni  früh  ,5  Uhr  des  Markgrafen  eigen- 
händige Antwort  aus  Eisleben  (vom  12.)  zugestellt,  wo- 


und  ohne  Wissen  und  Bewilligung  des  Herzogs  tliun,  weil  die  Greguer 
es  ihm  sonst  übel  deuten  möchten,  Reg.  C.  fol.  50  No.  13.  Auf  solche 
Weise  könne  auch  das  „Durchpostieren"  stattfinden.   (15.  u.  18.  Mai). 

lai)  Weimar,  Reg.  C.  tbl.  55  No.  15.  Am  6.  Juni  war  die 
Reiterei  vor  Lichtenfels,  am  7.  langte  sie  gegen  Abend  in  Arnstadt 
an.  Wolfenbüttel,  acta  publ.  355a,  Kurfürst  3Ioritz  an  Herzog 
Heinrich ,  Herzberg  den  9.  .Tuni ,  nach  einem  Schreiben  des  (irafen 
Günther  von  Schwarzburg-. 

'•'■■')  Dresden,  Loc.  9157  K)iegszug  etc.  15.53  Bl.  384,  vergl. 
Bl.  378 flg.,  dann  Loc.  9155  Schriften  etc.  Bl.  228. 

lao)  Yo,^  Öhrdruff  aus  am  10.  Juni. 

^")  Von  Eisicben  schrieb  er  am  11.  Juni  nach  Leipzig  an  den 
Ausschuss  der  kurfürstlichen  Landstände. 

'■")  Vom  Domkapitel  foiderte  er  15000  Thlr.,  vom  Erzstifl 
Magdeburg  25000  Fl,  von  Nordhausen  12000  Fl.,  von  Mühlhausen 
8000  Fl.  etc. 

6* 


84  S.  Issleib : 

nach  derselbe,  zu  einer  persönlichen  Begegnung  gewillt, 
das  kurfürstliclie  Geleit  in  Halberstadt  erwarten  wollte ^■'^). 

Ein  derartiges  Entgegenkommen  hatte  wohl  Moritz 
nicht  vermuthet.  Das  Schreiben  brachte  ilm  in  Verlegen- 
heit; stündlich  erwartete  er  des  Königs  Antwort  auf 
die  ßadeberger  Verabredungen.  Im  Begritfe  nach  Dresden 
zu  reisen,  befahl  er  seinen  Räthen  Mordeisen  und  Carlo- 
witz,  zu  erwägen,  was  zu  thun  sei,  um  nach  der  Rück- 
kehr sofort  handeln  zu  kömien.  Aus  dem  vorliegenden 
gemeinsamen  Konzept  beider  Räthe  erkennt  man,  wie 
schwer  die  Lösung  der  heiklen  Aufgabe  war.  Der  Ent- 
wurf blieb  dann  unberücksichtigt. 

Wenn  der  Kurfürst  wirklich  in  Dresden  gewesen 
ist,  dann  verweilte  er  nur  wenige  Stunden;  am  15.  Juni 
empfing  er  die  königliche  Antwort  in  Torgau,  die  ihn 
völlig  befriedigte;  in  Monatsfrist  sollten  1500  Reiter  an 
der  böhmischen  Grenze  sein.  Von  Leipzig  aus^'"')  setzte 
er  dem  Könige  (am  16.)  die  rasch  veränderten  Verhält- 
nisse auseinander  und  sah  für  hohe  Nothdurft  an,  die  in 
Eger  und  Teplitz  bereits  versammelten  Reiter  bis  zum 
20.  Juni  nach  Zeitz  zu  bringen  und  die  fehlenden  eiligst 
zu  ergänzen  oder  durch  Knechte  zu  ersetzen.  Er  selbst 
wollte  nicht  nur  über  1500  Reiter,  sondern  auch  Fuss- 
truppen  aufbringen,  sich  mit  dem  aus  Franken  zurück- 
kehrenden braunschweigischen  und  heideckschen  Kriegs- 
volke vereinigen  und  weder  den  Markgrafen  noch  den 
sächsischen  Haufen  aufkommen  lassen.  Beim  Kaiser  sollte 
der  König  vorstellig  werden,  dass  er  dem  Beginnen  des 
Markgrafen  Einhalt  thue  und  die  kurfürstliche  und  land- 
gräfliche Rüstung  nicht  missdeute  und  beargwöhne  ^^'). 

Dem  in  Leipzig"-)  tagenden  Ausschusse  der  Land- 
stände liess  er  nicht  allein  einen  wirkungsvollen  Über- 
blick über  alle  seine  Vermittelungs-  und  Friedensverhand- 
lungen hinsichtlich  der  braunschweigischen  Junker,  der 
Grafen  von  Mansfeld,  des  Herzogs  von  Braunschweig, 
des    Landgrafen    von   Hessen,    der   Herzöge    von  Lüne- 


13»)  Dresden,  Loc,  9157  Kriegszug  etc.  1553  Bl.  482 flg. 

'*°)  Wien,  Brandenburg  1553,  Juni  und  Juli. 

^^1)  Der  König  entsprach  dem  kurfürstlichen  Wunsche  am 
21.  Juni.  Wien,  Brandenburg  1553,  Juni  und  Juli  und  Reichsakten 
miscell. 

1'-)  Dresden,  Loc.  9149  Kurfürsten  Moritz  u.  Johann  Friedrich 
betreffend  etc.  1553  Bl.  9flg.,  Loc.  9155  Markgrafen  Albrecht  belan- 
gend postobitum  Mauritii  Bl.  6  flg.,  Loc.  9157  Kriegszug  etc.  Bl.  651  flg. 


Von  PassaiT  bis  Sieversliansen  1552—1553.  85 

])uig  etc.,  sondern  auch  einen  ausführlichen  Bericht  über 
Markgraf  Albrecht  von  den  Passauer  Verhandlungen 
an  bis  zu  seinem  Zuge  nach  Norddeutschland  erstatten. 
Alles,  was  gegen  denselben  sprach,  wurde  scharf  hervor- 
gehoben. 

Der  Ausschuss  widerrieth,  sich  in  Krieg  einzulassen, 
und  machte  geltend,  dass  des  Markgrafen  Zug  erst  durch 
den  Herzog  von  Braunschweig  und  Heideck  veranlasst 
worden  sei.  Sache  der  Bischöfe  bleibe,  zu  hintertreiben, 
dass  Albrecht  wieder  in  ihre  Stifter  ziehe.  Sei  derselbe 
gesonnen,  den  Streit  mit  den  Bischöfen  seinen  Erbeinigungs- 
verwandten  anheimzustellen,  so  erscheine  besser  für  die 
Bischöfe,  etwas  zu  verlieren  als  alles  in  Gefahr  zu  setzen 
und  die  Ki'iegskosten  zu  tragen.  Würden  sie  die  Be- 
soldung des  Herzogs  und  Heidecks  nicht  bewilligen,  noch 
den  Vorschlägen  der  Vermittler  folgen,  warum  sollte  dann 
der  Kurfürst  ihrethalben  mit  dem  Markgrafen  samt  dem 
Gardliaufen  Krieg  beginnen?  Man  möge  eine  Erklärung 
fordern,  dass  er  den  Kurfürsten  und  seine  Einigungsver- 
wandten nicht  angreifen  oder  lieschweren  wolle.  Bis  da- 
hin solle  der  Kurfürst  dem  Ausschusse  der  Stände  Ur- 
laub ertheilen ;  denn  die  Ritterschaft  sei  bereit  und  könne 
jederzeit  ohne  Säumen  anreiten.  Müsse  er  aber  nothge- 
drungen  ausser  Landes  ziehen,  dann  solle  er  dasselbe 
nicht  entblössen  und  die  Festungen  wohl  verwahren. 

Unbeachtet  liess  der  Kurfürst  die  Bedenken  und 
Rathschläge  seines  landständischen  Ausschusses.  Seitdem 
er  einen  unzweifelhaften  Rückhalt  am  König  Ferdinand 
besass,  zauderte  er  nicht  mehr,   entschieden  vorzugehen. 

Kaum  hatte  er  den  Landgrafen  von  Hessen  zur 
Hilfe  angespornt  und  Herzog  Heinrich  zur  Eile  ange- 
trieben, so  schrieb  er  dem  Markgrafen  die  vorgeschlagene 
Zusammenkunft  und  Unterredung  Megen  Mangels  an  Zeit 
ab  und  überschickte  ihm  zur  Beantwortung  seine  Erklärung 
vom  9.  Juni,  welche  er  schon  in  Herzberg  auszuarbeiten 
befohlen  hatte  ^*'').  Dann  setzte  er  den  Kurfürsten  von 
Brandenburg  von  allen  Vorfällen  der  letzten  Tage  in 
Kenntnis,  theilte  mit,  dass  er  zur  Beschützung  seiner 
Lande,  Freunde  und  Verwandten  rüste,  und  bat  um  güt- 


^*'^)  Dresden,  Loc.  0155  Kriegssache  etc.  1553  Bl.  113.  verpl. 
Wien,  Brandenburg  1553  .Juni  und  Juli  (Brief  vom  25.  .Funi  an  den 
König),  Zum  Vorwurf  inacbte  er  dem  Markgrafen,  dass  er  gegen 
Braucli  und  Herkommen  ohne  sein  Wissen  durch  sein  (.xebiet  gezogen 
sei  und  seine  Unterthanen  und  Schutzverwandten  geschädigt  habe. 


86  S.  Issleib : 

liehe  Verhandlung.  In  Folge  dieser  Zuschrift  sandte 
Kurfürst  Joachim  seinen  Sohn  Markgrafen  Johann  Georg 
nebst  einigen  Käthen  an  den  Markgi-afen  ab  und  ermahnte 
den  Kurfürsten  von  Sachsen,  sich  nicht  zu  übereilen. 

Daran  hielt  von  nun  an  Moritz  fest,  der  Markgraf 
sollte  die  fränkischen  Händel  durch  gütlichen  Vergleich 
beilegen  lassen  und  weder  seine  Erbeinigungs-,  Schutz- 
oder Lehnsverwandten,  noch  Herzog  Heinrich,  weder 
König  Ferdinand  noch  Landgraf  Philipp,  Herzog  Augustus, 
Herzog  Johann  Friedrich,  clie  Stifter  Magdeburg -Halber- 
stadt, die  Grafen  von  Mansfeld,  Erfurt  etc.  feindlich 
angreifen.     Anderen  Vorschlägen  wich  er  aus^*^). 

Eine  Reihe  Einzelheiten  häuften  sich  in  jenen  Tagen 
zusammen.  So  ersuchte  der  Kaiser  am  17.  Juni^^'^)  die 
in  Frankfurt  tagenden  Stände,  insbesondere  die  Kurfürsten, 
durch  weitere  Verhandlungen  den  fränkischen  Streit  zu 
schlichten  und  ihm  vertraulich  zu  rathen,  wie  man  den 
verderblichen  Praktiken  und  Empörungen  im  Reiche  aufs 
beste  begegnen  könne.  Gleichen  Tages  beantwortete  der 
landständische  Ausschuss  in  Leipzig  die  kurfürstliche 
Proposition.  Am  18.  Juni  fertigte  König  Ferdinand  den 
Burggrafen  von  Meissen  an  den  Kurfürsten  zu  weiteren 
Berathungen  ab,  Markgraf  Albrecht  verliess  nach  einem 
viertägigen  Aufenthalte  Halberstadt,  Herzog  Heinrich 
nahm  mit  seinen  verfügbaren  Reitern  Stellung  bei  Ganders- 
heim,  Graf  Christof  von  Oldenburg  rückte  von  Verden 
aus  mit  fliegenden  Fahnen  vor  und  Herzog  Erich  be- 
lagerte im  Stifte  Minden  die  Philipp  Magnus  zugehörige 
Feste  Petershagen.  Tags  darauf  wurden  die  Frankfurter 
Verhandlungen  abgebrochen  und  die  erwählten  Friedens- 
kommissare nach  Franken  entsendet.  Am  20.  Juni  be- 
auftragte der  Kurfürst  von  Brandenburg  seinen  Sohn 
Johann  Georg  und  etliche  Räthe,  beim  Markgrafen  um 
Friedensverhandlungen  nachzusuchen ,  Landgraf  Philipp 
von  Hessen  stand  im  Begriffe,  seinen  Sohn  Wilhelm  nach 
der  Pfalz  zu  schicken,  um  die  Heidelberger  Bundesfürsten 
zu  einer   monatlichen   Geldhilfe   gegen   den  Markgrafen 


144-)  Vergl.  Dresden,  Loe.  9155  Kriegssache  etc.  Bl.  53flg. 

^*^)  Von  Frankfurt  aus  zu  einer  Erklärung  gedrängt,  ob  er  die 
Kassation  oder  die  Ratifikation  bevorzugt  wissen  wollte,  meinte  er, 
solche  Deklaration  sei  aus  vielen  Ursachen  für  ihn  hochbedenklich. 
Dresden,  Loc.  9155  Markgrafen  Albrecht  bei.  post  obitum  Mau- 
ritii  etc.  Bl.  1. 


Von  Passau  bis  Sievershaiisen  1552 — 1553.  87 

aufzufordern^^'*),  Herzog  Philipp  Magnus  und  Heideck 
rüsteten  zur  Rückkehr  aus  Franken,  Markgraf  Albrecht 
hielt  einen  stattlichen  Einzug  in  Braunschweig,  und  Kur- 
fürst Moritz  zog  über  Merseburg  nach  Querfurt,  um  dann 
Sangerhausen  und  iS[ordhausen  zu  erreichen. 

Von  Braunschweig  aus^^^)  entgegnete  der  Markgraf 
(am  20.  Juni)  auf  das  kurfürstliche  Schreiben  aus  Leipzig 
(vom  16.),  welches  ihm  noch  in  Halberstadt  überbracht 
worden  war.  Darnach  gab  er  zu,  dass  es  im  Reiche 
Herkommen  sei,  nicht  ohne  Wissen  des  Fürsten  ein  Land 
zu  durchziehen;  aber  es  sei  auch  Herkommen,  niemanden 
unverwahrt  und  unabgesagt  zu  bekriegen.  Die  Bischöfe 
hätten  nie  abgesagt,  ebensowenig  der  Herzog  von  Braun- 
schweig und  Hans  von  Heideck;  sondern  alle  hätten  ihn 
heimlich  hinterziehen  und  ihren  Vortlieil  suchen  Avollen. 
Als  er  von  Bamberg  aus  geschrieben,  habe  er  selbst  noch 
nichts  von  seinem  Zuge  gewusst,  hätte  sich  auch  nünmer- 
mehr  versehen,  dass  Heideck  mit  kurfürstlichem  Kriegs- 
volke gegen  ihn  ziehen  sollte.  Über  diesen  Überfall 
könne  er  sich  wohl  mehr  beschweren  als  der  Kurfürst 
über  den  unschädlichen  Durchzug  etc.  Er  sei  willens  ge- 
wesen, nach  Leipzig  zu  kommen,  und  habe  zu  seinem 
grössten  Nachtheile  vier  Tage  in  Halberstadt  auf  Bescheid 
gewartet.  Indessen  da  der  Kurfürst  andere  Geschäfte 
habe,  so  müsse  er  es  geschehen  lassen  und  gelegenere 
Zeit  erwarten.  Seiner  vorigen  Erklärung  wisse  er  nichts 
mehr  zuzufügen;  doch  sei  er  gesinnt,  den  Kurfürsten  zum 
Freunde  zu  behalten.  Des  unfreundlichen  Gemüthes  aber 
sei  zu  viel,  ihn  in  Frankfurt  durch  parteiliche  Unter- 
händler von  seinen  Verträgen  abbringen  und  seine  Feinde, 
die  ehr-  und  treulosen  Schelmen,  die  Pfaffen  und  Nürn- 
berger samt  ihrem  braunschweigischen  x4.nhange,  vor 
Rache  schützen  zu  wollen.  Solch  dringendem  Suchen 
wisse  er  nicht  stattzugeben  etc.  Und  sei  er  um  das  Gut 
gar  bis  auf  wenige  Festungen  gekommen,  so  wolle  er  auch 
die  Haut  daran  strecken,  und  hätten  sie  eins,  so  sollten 
sie  das  andere  haben. 

Darauf  bemühte  er  sich,  gleichsam  im  Namen  de^ 
Kaisers,  das  niedersächsische  Kriegsvolk  vor  Verden  an 


s 


^''«)  Kurpfalz,  Mainz,  Trier,  Württemberg,  Bayern  sollten  drei 
Monate  lang  je  12000  Fl.  erlegen,  die  gleiche  Summe  wollte  der 
Landgraf  dem  Kurfürsten  Moritz  zukommen  lassen.  Dresden,  Loc.  9157 
Kriegszug  etc.  1553  Bl.  545  flg. 

">)  Dresden,  Loc.  9155  Kriegssache  etc.  1553  BL  163. 


147\ 


88  S.  Issleib: 

sich  zu  bringen,  und  liess  seine  Reiterei  über  Hameln 
und  Minden  vor  Petersliagen  ziehen,  wo  er  dann  selbst 
eintraf. 

In  Merseburg'  angekommen,  ermunterte  der  Kurfürst 
sowohl  Hans  von  Heideck  als  auch  Herzog  Philipp 
Magnus  in  grösster  Eile  herbei  zu  kommen,  um  dem 
Feinde  den  Rückzug  nach  Franken  gemeinsam  zu  sperren 
und  mit  aller  Macht ^'^*)  sein  Vorhaben  zu  brechen.  Die 
hessische  Reiterei  unter  Wilhelm  von  Schachten  und  Hotz- 
feld  sollte  sich  von  Salza  nach  Frankenhausen  wenden 
und  weitere  Befehle  erwarten.  —  An  die  Gattin  Agnes, 
welche  ihn  aufsuchen  wollte  ^^*'),  schrieb  er,  dass  sich  die 
Dinge  zu  eitel  Krieg  schickten.  Heftig  stärke  sich  der 
Markgraf  im  Lande  Braunschweig  und  nöthige  ihn  zu 
rüsten.  Könne  er  Frieden  haben,  so  wäre  es  ihm  am 
liebsten,  wo  nicht,  so  geschehe  Gottes  gnädiger  Wille. 
Gott  werde  ihn  nicht  verlassen,  obgleich  seiner  Feinde 
so  viel  wären  als  Sterne  am  Himmel;  denn  er  habe 
keine  Ursache  gegeben.  Der  Markgraf  biete  jetzt  viele 
gute  Worte,  aber  wenn  er  sich  nach  Gefallen  gestärkt 
habe,  werde  er  anders  handeln.  Keinen  Fleiss  wolle  er 
sparen,  um  den  Krieg  abzuwenden  und  seiner  Zusage  zu 
genügen,  bei  ihr  (Agnes)  zu  sem.  Müsse  er  aber  seiner 
tJnterthanen  und  Verwandten  halber  etwas  thun,  so  sei 
er  dessen  nicht  zu  verdenken;  es  sei  billig,  dass  jeder 
Hirt  für  seine  Schäflein  aufsetze,  was  er  habe.  Er  ziehe 
nach  Sangerhausen,  um  seine  thüringischen  Reiter  zu  be- 
sichtigen. „Gott  geb  uns  Gnad,"  schloss  er,  „dass  wir 
hinfüro  lang,  lang,  lang  mögen  beisamen  wohnen."  In 
Sangerhausen  setzte  er  tags  darauf  das  Schreiben  gleich- 
sam fort  mit  den  Worten:  müsse  er  Krieg  führen,  so 
thue  es  ihm  leid;  dann  bedürfe  er  wohl  der  Leute,  wel- 
che ihm  kochen,  sieden,  braten  mid  rathen  helfen  möch- 
ten, dass  er  es  gut  mache;  es  könne  sich  jede  Stunde 
zutragen,  dass  der  Feind  in  die  Nähe  rücke.  Agnes 
sollte  über  Salza  nach  Kindelbrück  reisen,  damit  sie  den 
23.  Juni  zeitlich  bei  ihm  eintreffe''**).  Die  Reise  zer- 
schlug sich. 

Noch  suchte  der  Kurfürst  von  Brandenburg  verderb- 
lichen Krieg  und  blutigen  Kampf   zu   verhüten.     Nicht 

'**)  Wolfenbüttel,  acta  pxibl.  No.  355  a  u.  358. 
"^)  Sie  war  von  Ems  aus  in  Kassel  eingetroffen. 
^^)  Dresden,  Loc.  8498    Moritz'  eigenbändige   Schreiben  IM7 
bis  1553  Bl.  31,  32. 


Von  Passau  h\<  Sieversliausen  1552 — 1553.  89 

nur  sein  Öolni  und  die  Käthe  erschienen  in  Sangerhausen, 
um  die  Wege  des  Friedens  often  zu  halten;  er  selbst 
folgte  und  hoffte  sogar,  durch  eine  persönliche  Zusammen- 
kunft in  Magdeburg  oder  Zerbst  das  alte  Vertrauen 
zwischen  Moritz  und  Albrecht  wieder  herstellen  zu 
können ^•'*^).  Indessen  der  Kurfürst  führte  zu  Gemüth, 
dass  der  Markgraf  seinem  letzten  Briefe  nach  den  Streit 
mit  den  Bischöfen  gar  nicht  zum  Vertrage  kommen  lassen 
und  sich  der  kurfürstlichen  Erbeinigungs- ,  Schutz-  und 
Bundesverwandten  halben  nicht  bindend  erklären  Avolle; 
das  beweise  seine  feindliche  Gesinnung  deutlich.  Von 
einer  Zusammenkunft  versprach  er  sich  nichts  mehr ;  doch 
bewilligte  er  sie,  wenn  der  Markgraf,  König  Ferdinand 
und  Herzog  Heinrich  damit  einverstanden  seien  ^^'-).  Kur- 
fürst Joachim  Hess  sich  zur  Zusage  beAvegen,  im  Falle 
der  Noth  Moritz  zur  Hilfe  zuziehen;  allein  der  Bischöfe 
wollte  er  sich  nicht  annehmen. 

In  dieser  Hinsicht  hatte  Kurfürst  Moritz  auch  einen 
schweren  Stand  beim  Landgrafen.  Obgleich  dieser  im  März 
Hilfe  zugesagt  hatte,  für  den  Fall,  dass  der  Schwiegersohn 
vom  Markgrafen  bedroht  werde,  so  wollte  er  doch  eine 
direkte  Gefahr  noch  nicht  zugeben  und  meinte,  der  Krieg 
sei  zu  vermeiden.  Mehrfach  hielt  er  dem  Kurfürsten 
vor,  es  wäre  besser  gewesen,  wenn  er  sich  nicht  soweit 
eingelassen  hätte.  Ungern  Hess  er  Wilhelm  von  Schachten 
und  Hotzfeld  ziehen ;  schwer  war  er  zu  einer  geringen 
Geldunterstützung  zu  bewegen,  die  nur  dann  erfolgen 
sollte,  wenn  der  Markgraf  sich  als  Feind  öffentlich  er- 
kläre. Keinesfalls  sollte  sein  Sohn  Wilhelm  den  Kriegs- 
händeln beiwohnen;  vielmehr  wurde  derselbe  mit  dem 
oben  erwähnten  Auftrage  nach  Heidelberg  geschickt. 
Dem  Drängen  des  Kurfürsten  zu  grösseren  Opfern  be- 
gegnete Philipp  zunächst  mit  der  Bitte,  einen  willigen 
Esel  nicht  so  hart  zu  nöthigen  und  bis  zur  Noth  zu 
sparen.  Dann  schrieb  er:  hätten  der  Markgraf  und  die 
Bischöfe,  Herzog  Heinrich  und  Erich  Krieg  führen  wollen, 
so  hätten  sie  es  ihrem  Gefallen  nach  thun  mögen.  Um 
Rath  gefragt,  hätte  er  schwerlich  dem  Kurfürsten  erlaubt, 


ir.i)  Wolfciibüttel,  acta  \n\h\.  359,  des  Kurfürsten  von  Branden- 
burg Brief  vom  29.  Juni.  Dresden.  Loc.  9155  Xries'ssaclie  etc.  Bl. 
166,  171,  vergl.  Loc.  91.57  Acta  I.  (8.  .Juli). 

'■'■-)  Herzog  Heinrich  war  vor  dem  Kurfürsten  von  Branden- 
burg in  Sangerhausen.  Wien,  Brandenburg  15.53,  .luni  und  .Juli, 
Moritz'  Brief  an  Ferdinand,  Sangerliausen  um  25.  Juni. 


90  S.  Issleib: 

sich  so  weit  einzulassen,  wie  geschehen.  Zuletzt  sprach 
er  sich  dahin  aus:  für  seine  Person  habe  er  weder  mit 
dem  Markgrafen  noch  mit  den  Bischöfen  etwas  zu  thun, 
nur  den  Schaden  des  Kurfürsten  Avolle  er  mit  verhüten 
helfen  1-^^^). 

Der  Kurfürst  sah  sich  genöthigt.  von  Querfurt,  San- 
gerhausen und  Nordhausen  aus  scharf  und  ausführlich  zu 
entgegnen  ^''*^). 

Aus  der  Antwort  des  Markgrafen  sei  klar  zu  er- 
kennen, schrieb  er,  dass  er  jede  Verhandlung  in  Sachen  der 
Bischöfe  rund  abschlage  und  hinsichtlich  Sachsens,  Hessens, 
des  Königs  Ferdinand,  des  Herzogs  Heinrich,  der  Stifter 
Magdeburg -Halberstadt  und  der  anderen  Erbeinigungs- 
und Schutzverwandten  keine  genügende  Erklärung  ab- 
geben wolle.  Nach  erfolgter  Vereinigung  mit  dem  nieder- 
sächsischen Kriegshaufen  werde  er  niemanden  verschonen. 
Er  kenne  den  Mann,  lasse  man  ihm  Luft,  so  werde  er 
trotz  aller  Versicherungen  nicht  nur  Sachsen,  sondern 
auch  Hessen ,  Böhmen  und  andere  Länder  heimsuchen. 
Hätte  er  für  sich  und  sein  Land  ausser  Gefahr  und  Sorge 
sein  könhen,  so  würde  er  jede  Kriegsrüstung  vermieden 
haben.  Doch  unerträglich  sei,  dass  der  Markgraf  ihn 
unverschuldet  und  ungeachtet  aller  erzeigten  Wohlthaten 
hin  und  her  mit  ehrenrührigen  Lästerschriften  und  Schraäh- 
reden  antaste,  dass  er  statt  einer  geraden  Erklärung 
höhnische  und  spitzige  Briefe  schreibe  und  ungescheut 
beschwerliche  Drohungen  ausstosse,  seinen  Hochmuth 
übe,  unverwahrt  durch  sehi  Land  ziehe,  seine  Schutzbe- 
fohlenen beraube,  von  Halberstadt  Geld  erpresse,  Magde- 
burg bedrohe,  von  Mühlhausen  und  Nordhausen  Brand- 
schatzung fordere,  Herzog  Erich  gegen  ihn  verhetze,  die 
ungehorsamen  Junker  und  das  niedersächsische  Kriegs- 
volk gegen  ihn  aufliringe  etc.  Sollte  er  da  stillsitzen 
und  des  ersten  Backenstreiches  im  eigenen  Lande  ge- 
wärtig sein?  Nicht  fürwitzig,  sondern  wohlbedacht  habe 
er  zur  Beschützung  seiner  Lande,  seiner  Verwandten  und 
Bundesgenossen  gerüstet.  Mit  Hilfe  seiner  Freunde  hoffe 
er    der  markgräflichen  Gewalt   und  Tyrannei   genugsam 


i'^3)  Dresden,  Loc.  OL^iV  Kriegszug  etc.  451  flg.  Nicht  minder 
wie  der  Landgraf  rieth  ein  Theil  iler  kurfürstlichen  Räthe  vom 
Kriege  ab. 

i'^*)  Marburg,  O.W.  S.  012,  Sachsen,  albertinische  Linie  1552/3, 
Brief  von  Querfurt  20.  Juni;  Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  etc. 
Bl.  557flg. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552 — 1553.  91 

ZU  begegnen,    möchten   gleich  kaiserische,    burgmulischc 
oder  spanische  Praktiken  dahinter  stecken. 

In  diesem  Vorhaben  bestärkte  ihn  in  Nordhausen 
Herzog  Heinrich  und  der  eben  eingetroffene  Hans  vo)i  Hei- 
dek  (am  25.  und  27.  Juni).  Die  x4nkunft  des  Fürsten  von 
Plauen  steigerte  dann  seine  kühne  Entschlossenheit  zur 
zuversichtlichen  Kampfl^egierde. 

Beide  verhandelten  am  29.  Juni,  Heinrich  von  Plauen 
mit  unbeschränkter  Vollmacht  ^■"•■'^).  Auf  Wunsch  des 
Königs  wurde  der  Kurfürst  an  Stelle  des  Erzherzogs  Fer- 
dinand mit  dem  Kriegszuge  nach  Niedersachsen  beauf- 
tragt. Unverzüglich  sollten  die  gerüsteten  königlichen 
Reiter  über  Gera  vorrücken  und  der  fehlende  Theil  (von 
den  1500)  durch  drei  Fähnlein  Knechte  ersetzt  werden. 
Auf  Grund  der  Erbeinigung  mit  der  böhmischen  Krone 
sollte  der  König  die  beiden  Kurfürsten  von  Brandenburg 
und  Pfalz,  sowie  Markgraf  Hans  zur  Hilfe  auffordern. 
Eine  Verwahrungsschrift^'"')  wurde  ausgearbeitet,  und 
sofern  sie  alle  Ursachen  zur  Defensive  enthielt,  sah  man 
von  einem  Ausschreiben  ab.  Diese  Schrift  sollte,  von 
Osterode  den  I.Juli  datiert,  dem  Markgrafen,  dem  Kaiser, 
dem  gesamten  brandenburgischen  Hause,  den  Frankfurter 
Vermittelungsfürsten  und  den  sächsischen  Kreisständen 
vom  Kurfürsten  von  Sachsen  und  in  Vertretung  des 
Königs^"'')  vom  Herrn  von  Plauen  zugeschickt  werden.  Die 
Ächtung  des  Markgrafen  zu  beantragen  hielt  man  für 
nothwendig.  Der  Landgraf  von  Hessen  sollte  zunächst 
nicht  weiter  in  Anspruch  genommen  werden.  Hinsicht- 
lich des  Krieges  wurde  beschlossen,  dem  Markgrafen 
stracks  unter  Augen  zu  ziehen  und  nicht  von  ihm  al)zu- 
lassen,  wohin  er  sich  auch  wenden  möge.  Da  vielleicht 
des  Scheines  Avillen  der  Feind  die  rothen  kaiserlichen 
Feldzeichen  führte,  so  sollte  man  die  schon  angelegten 
rothweissen  Feldzeichen  beibehalten^"'^).  Falls  aber 
der  Feind  die  rothe  mit  der  weissen  Farbe  ver- 
tauschen werde,    so   wollte   man   das  rothe  Feldzeichen 

155^  Wien,  Brandenburg  1553,  .Juni  bis  Juli,  vergl.  Reichs- 
kanzlei, Berichte  aus  dem  Reiche  1553/4,  Kredenz  und  Instruktion 
für  Heinrich  v(jn  Plauen  aai  18.  Juni. 

^■'^")  Man  eilte,  denn  Hesse  man  die  Schrift  erst  nach  Wien  ge- 
langen, so  möchten  allerlei  Bedenken  fallen. 

^'''')  Heinrich  von  Plauen  machte  geltend,  es  sei  nicht  königlicher 
Brauch,  sich  gegen  einen  Fürsten  in  Person  zu  verwahren. 

^■^*)  Es  waren  die  böhmischen  und  österreichischen  Purben, 
Heinrich  von  Plauen  schlug  die  rothgelben  Feldzeichen  vor. 


92  S.  Issleib: 

annehmen.  Alle  Markgrafen  des  Hauses  Brandenburg 
sollten  ersucht  werden,  sich  des  Vetters  nicht  anzu- 
nehmen. Dem  Könige  wurde  freigestellt,  Verhandlung 
zu  gestatten  oder  auszuschlagen.  Ungeachtet  geringer 
Hoffnung  auf  Hilfe  wollte  der  Kurfürst  die  sächsischen 
Kreisstände  den  6.  Juli  noch  Jüterbogk  berufen. 

Unmittelbar  nach  den  Verhandlungen  eilte  Heinrich 
von  Plauen  über  Zeitz,  Gera  und  Plauen  nach  Prag^"'"), 
der  Kauzler  Dr.  Mordeisen  nach  Leipzig  und  Torgau. 
Der  Kurfürst  verliess  Nordhausen,  um  den  Feind  zu 
suchen,  hocherfreut,  die  königliche  Majestät  als  einen 
grossen  Vogel  endlich  mit  ins  Netz  gebracht  zu  haben, 
um  zu  erfahren,  ob  der  Markgraf  am  Kaiser  einen  Eück- 
halt  habe  oder  nicht ^*^"). 

Am  1.  Juli  1553  rastete  Moritz  in  Osterode  und 
überschickte  durch  den  Edelknaben  Vitzthum  dem  Mark- 
grafen die  Verwahrungsschrift.  Dann  dankte  er  der 
Herzogin  von  Rochlitz,  jener  rastlosen  und  scharfzüngigen 
Vermittlerin,  für  alle  Friedensbemühungen  und  zeigte  ihr 
an,  dass  er  neben  dem  römischen  König  und  dem  Fürsten 
von  Plauen  dem  Markgrafen  abgesagt  habe  und  bald 
sehen  wolle,  ob  dieser  (wie  er  sich  habe  vernehmen 
lassen)  ihm  den  gelben  oder  er  jenem  den  rothen  Bart 
ausreissen  werde^''^). 

Markgraf  Albrecht  empfing  die  Verwahrungsschrift  ^'^'-) 
im  Lager  vor  Petershagen  am  2.  Juli,  als  er  eben  mit 
Herzog  Erich  und  seinen  angesehensten  Befehlshabern 
im  Zelte  bei  Tafel  sass.  Ohne  böse  Worte  auszustossen 
—  man  meinte  er  sei  erschrocken  gewesen  ■ —  Hess  er 
den  Edelknaben  abtreten  und  dann  den  Fehdebrief  durch 
Wilhelm  von  Grumbach  verlesen.  Darnach  forderte  er 
den  Buben  wieder  vor,  fragte,  ob  der  Kurfürst  seine 
Pfalfen  und  Husaren  zu  Häuf  gebracht,  und  befahl  anzu- 


159)  Weimar,  Reg.  C.  fol.  58,  No.  21.  Am  1.  Juli  nachmittag-s 
5  Uhr  traf  Heinrich  von  Plauen  in  Gera  ein,  dann  ritt  er  nach 
Plauen,  am  6.  nach  Prag.  Hier  war  er  am  8.  Juli.  Wien,  Hein- 
rich Burggraf  zu  Meissen  an  König  Ferdinand  1552/3.  (April  bis 
Dezember). 

^^)  Dresden,  Loc.  9156  Markgrafen  Albrechts  Handlung  und 
Abschied  zu  Frankfurt  etc.  Bl.  118.  Dr.  Mordeisen,  von  Miltitz  und 
Komerstadt.  Leipzig  am  3.  Juli  1553. 

161)  Weimar,  Reg.  0.  fol.  68,  No.  35. 

162)  Dresden,  Loc.  9157  Acta  etc.  1553  A^ol.  L,  Brief  vom  7. 
u.  8.  Juli.  Wien,  Heinrich  Burggiaf  von  Meissen  etc.  1552/3.  April 
bis  Dezember,  Carlowitz  eigenhändiger  Brief  vom  4.  Juli. 


Von  Passau  bis  Sievershauseii  1552—1553.  93 

zeigen:  wenn  der  Kurfürst  etwas  mit  ihm  zu  reden  habe, 
so  wolle  er  ihn  vor  Petershagen  erwarten.  Darauf  schenkte 
er  ihm  vier  Kronen  mit  den  Worten :  gern  würde  er  ihm 
mehr  geben ;  aber  er  bedürfe  des  Geldes  selbst,  der  Fran- 
zose werde  ihnen  genug  Kronen  geben. 

Weiteren  Meldungen  zufolge  erhielten  dann  die  an- 
kommenden kurbrandenburgischen  Friedensgesandten  im 
freien  Felde  und  im  Beisein  des  jungen  Vitzthum  eine 
„schnelle,  spitzige  und  ganz  trotzige  Antwort",  die  in 
iSchmähreden  gegen  Kurfürst  Moritz  endete.  Vom  Land- 
grafen Philipp  traf  Bescheid  ein,  er  habe  keine  Lust  sich 
mit  ihm  und  Herzog  Erich  in  ein  Bündnis  einzulassen. 
Indem  Albrecht  dies  der  Herzogin  von  Rochlitz  schrieb, 
befahl  er  sich  Gott,  der  zur  Zeit  alles  wohl  rächen  werde. 

Kurfürst  Moritz  verliess  am  2.  Juli  Osterode,  vereinigte 
sich  in  der  Nähe  Northeims  beim  Kloster  Katlenburg  mit 
den  Truppen  des  Herzogs  Philipp  Magnus  und  Hans'  von 
Heideck  und  rückte  bis  Eimbeck  vor^^'-'),  wo  man  am  fol- 
genden Tage  Herzog  Heinrichs  Reiter  aus  Gandersheim 
begrüsste,  nothdürftige  Ordnung  herstellte  und  Kundschaft 
einzog.  Man  bezweifelte  des  Markgrafen  Verbleiben  vor 
Petershagen;  aber  über  sein  Vorhaben  waren  die  Mei- 
nungen get heilt.  Die  einen  muthmassten,  er  Averde  seit- 
wärts ausbrechen  und  entweder  durch  das  Stift  Halber- 
stadt nach  Sachsen,  oder  durch  Hessen  nach  Franken 
eilen,  die  andern,  er  werde  über  Osnabrück  und  Pader- 
boin  nach  den  Niederlanden  ziehen.  —  Wohl  fertigte  er 
am  3.  Juli  Herzog  Erich  an  den  Kaiser  ab,  um  ihm  gegen 
Schutz  und  Schirm  unter  günstigen  Bedingungen  9000  Reiter 
und  80-100  Fähnlein  Knechte  anzubieten  ^*^^). 

Am  4.  Juli^^''*)  setzten  sich  die  Verbündeten  Grolmde 
an  der  Weser  zum  Ziele,  um  von  da  direkt  auf  den  Feind 
loszumarschieren.  Sobald  der  Markgraf  davon  benacli- 
richtigt  war,  verliess  er  Petershagen  und  zog  ü])er  das 
Gebirge  nach  dem  Stifte  Hildesheim  zu.  Durch  einen 
Eilmarsch  aber  bis  zum  Orte  Elze  an  der  Leine  kam  der 
Kurfürst  zuvor  und  verlegte  den  Weg  nach  dem  Erzstift 
Magdeburg-Halberstadt.  Der  Übervortlieilung  inne  sclilug 
der  Gegner  die  Richtung  nach  Hannover  ein.     Während 


^ö^)  Dresden,  Loc.  8498  Moritz'  ei^euliäiKlige  Schreiben  1547/53 
Bl.  35.  Loc.  9157  Acta  etc.  und  Kriegszug  etc. 

>«^)  Dresden,  Loc  9157  Kiiegzug  etc.  Bl.  700.  Wien,  Branden- 
burg 1553,  ,Juni  bis  Juli. 

^^■')  Dresden,  Loc.  9157  Acta  etc.  und  Kriegszug  etc.  Iö53. 


94  S.  Issleib: 

der  Rast  in  Elze  verweilte  ^erzog  Johann  Albrecht  von 
Mecklenburg'  (am  6.  Juli)  im  Lager  und  begab  sich  tags- 
darauf  mit  geringer  Hoffnung  zum  Markgrafen. 

Um  Mitternacht  zum  7.  Juli  verliess  der  Kurfürst 
seine  Stellung  bei  Elze  und  zog  nördlich  nach  Sarstedt. 
Jenseits  der  Leine  hatte  der  Markgraf  die  Höhen  bei 
Calenberg  besetzt.  Die  Brücken  waren  zerstört,  und  die 
Feinde  blieben  getrennt;  nur  Schützen  scharmützelten  an 
der  Fürth  des  Flusses.  Aber  der  Weg  nach  Sachsen 
war  wiederum  verlegt;  es  galt  zu  schlagen  oder  zu 
weichen.  Man  redete  von  grosser  Unzufriedenheit,  welche 
im  markgräflichen  Lager  herrsche;  viele  Knechte  sollten 
heftig  nach  Geld  geschrieen  haben,  zufolge  der  königlichen 
und  kurfürstlichen  Abforderungsschriften  erw^artete  man 
ansehnlichen  Abfall. 

Den  8.  Juli  morgens  gegen  9  Uhr  brach  der  Mark- 
graf auf,  rückte  bis  Pattensen,  hielt  dort  mehrere  Stunden 
in  Schlachtordnung,  zog  dann  oberhalb  Hannover  über 
die  Leine  und  rastete  während  der  Nacht  in  der  Nähe  von 
Bothfeld^*''').  Die  Verbündeten  lagen  an  diesem  Tage  still, 
um  abzuwarten,  wohin  der  Gegner  eile;  nöthigenfalls 
wollten  sie  um  Mitternacht  nachrücken.  Stündlich  er- 
wartete man  die  böhmischen  und  schlesischen  Reiter. 

Lii  Lager  vor  Sarstedt  langte  das  kaiserliche  Schreiben 
vom  17.  Juni  an,  worin  er  sein  Einverständnis  mit  dem 
Maikgrafen  in  Abrede  stellte,  vertraulichen  Rath  suchte, 
wie  den  Empörungen  im  Reiche  abzuhelfen  sei,  und  künf- 
tig alle  Reichssachen  mit  den  Kurfürsten  behandeln  und 
erledigen  wollte.  Daneben  befand  sich  ein  ausführliches 
Entschuldigungsschreiben  des  Lazarus  von  Schwendi  ^*''). 
Über  diese  Sendung  schrieb  Christof  von  Carlowitz  sofort 
an  Heinrich  von  Plauen  und  liess  deutlich  durch  die 
Zeilen  blicken,  wie  man  im  kurfürstlichen  Lager  über 
den  Kaiser  denke. 

Zweifellos  ist  wohl  nun:    die  Rettung  des  Passauer 


^"")  Auf  dem  Marsche  sollten  drei  Geschwader  niederländischer 
Reiter  zu  ihm  gestossen  sein;  man  vermuthete,  der  Kaiser  habe  ihn 
damit  „ausstafftrt". 

^''■')  Dresden,  Loc.  91.57  Acta  I  u.  Wien,  Reichsakten  miscell. 
1553,  eigenhändiger  Brief  Christofs  von  Carlowitz  vom  8.  Juli,  vergl. 
Lanz  IIT,  571.  Vor  Sarstedt  erhielt  wohl  auch  der  Kurfürst  des 
Bruders  Brief  vom  23.  Juni  aus  Kopenhagen,  worin  er  schrieb,  dass 
er  seine  Rückkehr  zur  Zeit  noch  nicht  für  nöthig  erachte  und  jetzt 
in  Dänemark  nützlicher  als  draussen  im  Lande  sein  könne.  Dresden, 
Loc.  7280  Schreiben  etc.  Bl.  7. 


Von  Passau  bis  Sieversbansen  1552 — 1553.  95 

Vertrages  und  des  Friedens  im  Reiche,  persönliche  Ge- 
reiztheit gegen  den  Markgrafen  und  liohes  Misstrauen 
gegen  den  Kaiser  trieben  den  Kurfürsten  gegen  Albrecht 
von  Brandenburg  in  den  Kampf. 

Sobald  sichere  Nachricht  eingelaufen  war,  wohin  der 
Feind  gezogen,  glaubte  der  Kurfürst,  Albrecht  wolle  ihm 
den  Vorsprung  nach  Sachsen  abgewinnen.  Deshalb  brach 
er  Sonntag  den  9.  Juli  gegen  4  Uhr  früh  auf,  um  den  Weg 
nach  Braunschweig  zu  sperren  und  in  der  Landwehre 
nordwestlich  Peine  bei  der  vortheilhaften  Abbenser  Fürth 
die  Nacht  zuzubringen.  Voran  zog  die  Reiterei  mit  den 
leichten  Geschützen,  die  Fusstruppen  und  die  schwere 
Artillerie  samt  dem  Trosse  folgten.  Der  Zug  bewegte 
sich  in  nordöstlicher  Richtung  und  steuerte  mittags  nörd- 
lich von  Peine  dem  Ziele  zu:  —  da  wurde  die  Nähe  des 
Feindes  gemeldet. 

Am  Morgen  des  Tages  hatte  der  Markgraf  Befehl 
zum  Marsche  über  Burgdorf  und  weiter  in  südöstlicher 
Richtung  nach  der  Fürth  von  Abbensen  und  Peme — Braun- 
schweig gegeben  und  war  selbst  nach  Hannover  geritten, 
um  mit  Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  über 
die  gestellten  Friedensvorschläge  zu  verhandeln.  Bald 
nahm  er  dieselben  an  sich  und  versprach,  nach  erfolgter 
Unterredung  mit  seinen  Vertrauten  abends  im  Lager 
hinter  Burgdorf  Antwort  zu  geben.  Darauf  jagte  er  dem 
Kriegsvolke  nach  und  erfuhr  in  der  Nähe  von  ßurgdorf, 
dass  die  Gegner  in  der  Landwehre  von  Peine  vorrückten. 
Sofort  sprengte  er  durch  den  Burgdorfer  Wald,  erblickte 
vom  südlichen  Rande  desselben  aus  die  ersten  feindlichen 
Truppen  und  beschloss  den  Kampf  aufzunehmen. 

So  kam  es  Sonntag  den  9.  Juli  lö5o  zur  Schlacht 
bei  Sievershausen  ^*^^). 

Zwischen  Hannover  (W.)  und  Braunschweig  (O.), 
zwischen  Peine  (S.)  und  Burgdorf  (N.)  dehnt  sich  das 
Schlachtfeld  vom  Dorfe  Innuensen  (W.)  in  massigem 
Bogen  nach  Süden  über  Arpke,  Sicvershausen  bis  Abben- 
sen (0.)  aus,  das  flache  Terrain  senkt  sicli  wenig  be- 
merkbar vom  Burgdorfer  Walde  südöstlich  iiacli  dem 
Flüsschen  Fuse  zu.  Die  Hauptstrassc  von  Hurgd(»rf  nach 
BraunscliAveig  berührte    die    Abl)enscr   Fürth.     Heutigen 


^''^)  Zuletzt  bandelten  nlier  diese  Sublaclit:  Wol  dem ar  Olafe, y, 
in  den  Mittbeilungen  des  königlich  säcbsisciien  Altertbnnis-Vereins 
Heft  20  27  (Dresden  1877);  H.  Seuff,  in  der  Zeitscbrift  des  histo- 
rischen Vereins  liir  Niedersacbsen  .labrgang  1880. 


96  S.  Issleib: 

Tages  sind  die  Wege  verändert,  die  Waldungen  zmück- 
gesclioben  und  die  damals  weiten  morastigen  Sümpfe 
(Meer  genannt)  beträclitlicli  eingeengt.  Der  vielgenannte 
Teiclidamm  ist  verschwunden. 

Gegen  ein  Uhr  nachmittags  stiessen  die  Spitzen  der 
beiderseitigen  Vorhut  aufeinander  ^^^).  Die  Verbündeten 
waren  zum  grossen  Theile  in  der  Nähe  des  Teichdammes 
südlich  von  Sievershausen  angelangt,  des  Markgrafen 
Truppen  arbeiteten  sich  aus  dem  Burgdorfer  Walde 
heraus.  Während  der  Kurfürst  der  gesamten  Mann- 
schaft Befehl  ertheilen  Hess,  den  Damm  zu  überschreiten 
und  im  Felde  bei  Sievershausen  und  östlich  davon  Stell- 
ung zu  nehmen,  mn  den  feindlichen  Vormarsch  durch  die 
Abbenser  E'urth  zu  verhindern,  schob  der  Markgraf  seine 
Vorhut  über  Arpke  vor.  Langsam  entwickelte  sich  auf 
beiden  Seiten  die  Schlachtordnung;  weit  zurück  waren 
die  Fusstruppen. 

Die  Stärke  der  Gegner  lässt  sich  nicht  genau  be- 
stimmen; doch  liegen  einige  sichere  Angaben  vor.  Die 
Verbündeten  zählten  23  Geschwader  Reiter  und  30  Fähn- 
lein Knechte,  oder  nach  einer  Aufzählung  Herzog  Hein- 
richs bis  in  die  7000  Reiter  und  in  die  8000  Knechte. 
Markgraf  Albrecht  besass  nach  eigner  Angabe  19  Ge- 
schwader Reiter  und  nach  anderen  Mittheilungen  unge- 
fähr 50  Fähnlein  ^'^)  Knechte  oder  etwa  5000  Reiter  und 
gegen  12000  Knechte.  Alle  Berichte  stimmen  darin  über- 
ein, dass  die  Verbündeten  an  Reiterei,  der  Markgraf  an 
Fussvolk  überlegen  war. 

Nach  zwei  Uhr  ungefähr  hatten  die  Truppen  der 
Verbündeten  den  Teichdamm  überschritten  und  rückten 


löö)  Hier  ist  das  kurfürstliche  Schreiben  an  den  Bischof  von 
Würzburg  vom  Schlachtfelde  in  der  Nacht  vom  9.  zum  10.  Juli 
durchweg  zu  Grunde  gelegt:  Marburg,  0.  W.  S.  912,  Sachsen,  alber- 
tinische  Linie  15n2  3,  München,  Reiclisarchiv,  Markgrafenthum  Bran- 
denburg VIII.  Bl.  408.  Weimar,  Reg.  C.  fol.  68,  No.  35.  Wien, 
Brandenburg  1553,  Juni  bis  Juli.  Ausser  diesem  Schreiben  lagen 
Verfasser  noch  über  dreissig  küi'zere  und  längere  Schlachtenberichte 
vom  Herzog  Heinrich,  vom  Markgrafen,  von  sächsischen  und  braun- 
schweigischen  Käthen  und  Offizieren,  von  Nürnberger  Gesandten, 
von  Kundschaftern  etc.  vor.  Ein  Berichterstatter  ist  Wendeil 
Förster  (Dresden,  Loc.  9157  Kriegszug  etc.  Bl.  738),  aus  dem 
Langenu  I  ö81  und  dann  alle  anderen  (Voigt,  Glafey,  Senff  etc.) 
einen  Förster  Wendel  gemacht  haben. 

"^)  Nach  der  Anzahl  der  Fahnen  lässt  sich  die  Truppenstärke 
nicht  bestimmen;  oft  Hessen  120— löO  Knechte  oder  60—70  Reiter 
eine  Fahne  fliegen. 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552—1553.  97 

allmählich  iii  das  Schlachtfeld  ein.  Die  schnellere  Vor- 
hut bewegte  sich  in  der  Richtung  Sievershausen- Arpke, 
der  gewaltige  Reiterhaufen  rückte  nach,  während  die 
30  Fähnlein  Knechte,  in  drei  Regimenter  formiert,  mit 
der  Nachhut  langsam  und  mühsam  folgten  und  ziemlich 
spät  in  den  Kampf  eingriffen.  Die  Säumigkeit  der  Ar- 
tillerie erregte  des  Kurfürsten  Ungeduld.  —  Des  Mark- 
grafen Vorhut  lehnte  in  der  Nähe  von  Arpke  an  einem 
kleinen  Gehölze,  welches  Schützen  besetzten.  Sein  grosses 
Reitertreffen  formierte  sich  nordöstlich  von  Arpke  gegen 
Sievershausen.  Die  nach  und  nach  am-ückenden  Fähur 
lein  Knechte  gewannen  Fühlung  mit  der  Reiterei  und 
breiteten  sich  —  hinter  ihnen  die  Nachhut  —  im  freien 
Felde  aus.  Die  markgräfliche  Schlachtordnung  hatte  in 
Folge  der  Ausdehnung  mid  Überzahl  des  Fussvolkes  und 
der  sanften  Senkung  des  Terrains  „ein  stattlich  gross 
Ansehen".  Die  „kleine  Übei-höhung  und  der  Wind"  ge- 
reichten ihr  zum  Vortheile.  Die  Kurfürstlichen  kämpften 
wegen  der  Sumpfniederungen  hie  und  da  mit  erheblichen 
Schwierigkeiten. 

Sobald  die  Formierung  der  Treffen  einigermassen  er- 
folgt war,  „hat  man  nicht  lang  gefeiert,  sondern  von 
beiden  Theilen  mit  dem  Feldgeschütz  ohne  sonderlichen 
Schaden  gearbeitet  und  sind  allgemach  die  Schlachtord- 
nungen gegeneinander  gerückt".  Zunächst  stiess  die 
beiderseitige  Vorhut  mit  den  Läufern  dermassen  zusam- 
men, „dass  sie  das  Weiss  in  den  Augen  hätten  sehen 
mögen".  Beiderseits  wm-de  „männlich  angegriffen  und 
hart  geschlagen". 

Darauf  trafen  fünf  markgräfliche  Reiterfähulein  in 
der  Nähe  des  Gehölzes  links  der  Schlachtordnung  der  Ver- 
bündeten auf  drei  ihnen  entgegen gescliickte  Fähnlein ^^^). 
Unterstützt  von  den  im  und  am  Wäldchen  zerstreuten 
Schützen  sprengten  die  Brandenburger  mit  grosser  Kühn- 
heit vor  und  hieben  ein.  Scharf  gerieth  man  an  einander. 
Die  Markgräflichen  drängten  mit  solchem  Ungestüm,  dass 
die  Verbündeten  trotz  vieler  Zurufe,  Stand  zu  halten, 
wichen  und  theilweise  schimpflich  flohen^'-).  In  diesem, 
Avilden    Anstürme    durchritten    zwei    markgräfliche    Ge- 


^'M  Zwei  hessische  Fähnlein  unter  Wilhelm  von  Schachten  und 
Hotzfeld  und  ein  meissnisches. 

'  ■'-)  Zur  Entschuldigung  diente  dann,  sie  hätten  vor  Wind  und 
Staub  nichts  thun  können. 


Neues  Archiv  f.  S.  U.  ii.  A.     Vlll.  1.  2. 


98  S.  Issleib: 

schwader  die  gelockerten  Glieder  der  Gegner,  suchten  das 
Weite,  jagten  über  den  Teichdamm  und  weiter  vorwärts 
in  der  Eichtung  nach  Hildesheim  und  Braunschweig.  Selt- 
sames Schauspiel:  siegreiche  Flüchtlinge  und  überwältigte 
Fliehende!  Der  Ausgang  dieses  Reitergefechtes  hatte 
nachtheilige  Folgen.  Mittlerweile  nämlich  hatte  sich  das 
Reitertreffen  der  „gewaltigen  Haufen"  entwickelt;  acht 
markgräfliche  Reiterfahnen  stürmten  gegen  die  Verbün- 
deten vor.  Die  eben  erfolgte  Entscheidung  wirkte  auf 
dieses  Haupttreifen ;  hier  entflammter  Muth,  dort  grim- 
mige Verlegenheit!  Ein  Theil  der  verbündeten  Reiterei 
wurde  erschüttert,  wankte  und  wich,  als  der  Markgraf 
persönlich  seine  „alten  Reiter"  gegen  die  vier  sächsischen 
Spiesserfahnen  anrennen  liess.  Ferner  waren  die  eben  er- 
wähnten Flüchtlinge  und  Fliehenden  auf  nachrückendes 
Fussvolk  und  auf  den  Tross  gestossen  und  hatten  ziem- 
liche Verwirrung  angerichtet.  Mit  lautem  Geschrei  schlös- 
sen sich  viele  der  Flucht  an;  Trossknechte  durchhieben 
die  Stränge,  warfen  sich  auf  die  Pferde,  Hessen  die  Wagen 
im  Stiche  und  jagten  davon. 

Es  war  jener  bedenkliche  Zeitpunkt,  wo  viele  „nicht 
anders  gewusst  als  die  Schlacht  sei  verloren",  wo  fast 
alle  sächsischen,  braunschweigischen  und  fränkischen  Räthe 
und  Gesandten  sich  nach  Hildesheim  und  Wolfenbüttel 
zurückziehen  mussten,  um  dort  den  Ausgang  der  Dinge 
zu  erwarten,  während  die  Fürsten  persönlich  alles  auf- 
boten, um  eine  Niederlage  zu  verhüten.  In  jene  Augen- 
blicke gehört  jedenfalls  die  Antwort  des  Kurfürsten  auf 
die  Mahnung  der  nächsten  Umgebung,  sich  nicht  allzu- 
sehr der  Gefahr  auszusetzen:  „Ich  will  ehrlich  handeln 
und  neben  meinen  getreuen  Unterthanen,  die  ich  ins  Feld 
vermocht,  hinein  setzen". 

Als  ein  grosser  Theil  der  Reiterei  wich  und  die  er- 
wähnten sächsischen  Spiesserfahnen  in  hoher  Bedrängnis 
standen,  da  rafften  die  Bundesfürsten  alle  noch  verfügbaren 
Streitkräfte  zu  Ross  zusammen  und  führten  ihre  Hof-  und 
Haupt fahnen,  die  Edelsten  Sachsens  und  Braunschweigs, 
persönlich  in  den  Kampf.  „Allda  ist  erst  ein  sehr  hart 
Treffen  angegangen".  Da  die  vier  Spiesserfahnen  wegen 
der  Enge  des  Kampfplatzes  und  der  Nähe  der  Feinde 
ilu^e  Hauptwaffe  nicht  handhaben  konnten,  so  gebrauchten 
sie  ihre  Büchsen.  Mann  kämpfte  gegen  Mann!  Die 
jungen  braunschweigischen  Herzöge  stritten  muthig  im 
Vordertreffen    der  Ehren truppen,   ebenso    der  Ku)^fttrst; 


Von  Passau  bis  Sieversliauseu  1552 — 1553.  99 

auf    schnellem   Rosse  setzte    er  jäh  in  die  Feinde  und 
schlug"  wacker  drein. 

Indem  drang  ]Markgi'af  Alhrecht  an  der  Spitze  kampf- 
erprobter Eecken  nach  den  Hauptfahnen  durch.  Ein 
blutiges  Ringen  erfolgte.  Im  Avilden  Strausse  sank  zuerst 
Herzog  Philipp  Magnus  entseelt  zu  Boden;  dami  traf 
die  tödliche  Kugel  den  älteren  Bruder  Karl  Viktor"^), 
der  Bastard  Theuerdank  fiel,  und  die  herzogliche  Hof- 
fahne wich  zurück.  Das  sächsische  „Hofgesinde"  aber 
hielt  sich  „männlich  und  ritterlich",  obgleich  es  die  gröss- 
ten  Verluste  erlitt  und  der  edle  Fahnenträger  Herzog 
Friedrich  von  Lüneburg  schwer  verwundet  wurde  ^'*). 
Nicht  genug!  Als  der  Kurfürst  so  ganz  bei  der  Sache 
ermunternd  und  ermuthigend  „vor  dem  gewaltigen  Haufen 
hielt",  da  traf  auch  ihn  das  Blei;  der  Schuss  einer  Faust- 
büchse durchbohrte  Panzer  und  Rücken  unter  dem  linken 
Sclmlterblatte.  Es  w^ar  in  jenen  furchtbaren  Augen- 
blicken, als  wegen  der  Hast  und  Hitze  des  Kampfes  nie- 
mand mehi^  auf  die  durch  Pulverdampf  und  Staub  un- 
kenntlichen Feldbinden  achtete  und  wiegen  der  ungleich- 
massigen  Bewegungen  der  vordringenden  und  weichen- 
den Truppen  Freunde  und  Feinde  in  den  Vorderglie- 
dern durcheinander  geriethen  und  ohne  Wahl  nieder- 
hieben oder  niederschössen.  Demungeachtet  feuerte  der 
Kurfürst,  schonungslos  gegen  sich  selbst,  nach  wie  vor 
die  Truppen  an  und  ertheilte  Befelüe,  bis  die  Kräfte 
ermatteten. 

Bald  nahte  die  schwere  Entscheidung.  Während 
die  Reiterei  blutig  mit  einander  rang,  war  es  kurfürst- 
lichen Anordnungen  zufolge  dem  sächsischen  und  braun- 
schweigischen  Fussvolke  gelungen,  sich  auszubreiten, 
kühn  zu  schwenken  und  dem  Feinde  in  beide  Flanken 
zu  fallen.  „Tiefstetters  Regiment",  unterstützt  durch  zwei 
Geschwader  Reiter,  hat  „des  Markgrafen  Fussvolk  mit 
Freuden  angelaufen  und  angegriffen".  Kaum  hatten  sie  die 
drei  ersten  Glieder  durchbrochen  und  zum  Theil  nieder- 
geschossen oder  niedergestochen,  da  wandten  sich  die  Übri- 
gen zur  leidlich  geordneten  Flucht.  ZAvar  gelang  es  den 
Führern,  die  Weichenden  nochmals  zu  halten;   allein  ein 


"•')  Als  dieser  getroffen  war,  soll  Herzog  Heinrich  ausgerufen 
haben:  „Das  ist  zu  viel!". 

i'O  Die  Tapferkeit  der  sächsischen  Hoffahne  wurde  allgemein 
anerkannt:  aber  sie  verlor  aucli  segoii   vier  Fünftel  der  Jlanusc.haft. 


100  S.  Issleib: 

erneuter  Sturm  brachte  sie  in  stärkere,  dann  unauflialtsame 
Flucht,  „darüber  etliche  Tausende  gefangen,  die  anderen 
erstochen  und  hin  und  wieder  zerstreut  worden  sind". 

Unterdessen  tobte  der  Keiterkampf  aus;  die  Glieder 
wui'den  dmxhi'itten,  die  Reihen  zerschmettert.  „Wer  zu 
erreichen  war,  wurde  erstochen,  oder  erschossen'*;  rück- 
wärts rasten  die  Fliehenden,  vorwärts  sprengten  die  Sieger. 
Der  Markgraf  verschwand;  Ross  _und  Filzmantel,  Büchse 
und  Schwert  wurden  erbeutet.  Überall  erscholl  das  Ge- 
rücht, er  sei  gefangen"^);  aber  leicht  verwundet  rettete  er 
sich  nach  Hannover.  Bis  gegen  Burgdorf  ging  die  Ver- 
folgung und  dauerte  bis  tief  in  die  Nacht  hinein^'**). 

So  wurde  von  den  Verbündeten  die  Schlacht  ge- 
wonnen und  das  Feld  behauptet^'^).  Aber  welch  blutiger 
Sieg  war  es,  für  den  man  Gott  die  Elu-e  gab!  Kein 
Kj'iegsmann  jener  Zeit  hatte  einem  ernsteren  Kampfe  bei- 
gewohnt...  Kaum  konnte  die  Freude  den  Schmerz  über- 
bieten. Über  4000  Tote  bedeckten  das  weite  Schlacht- 
feld, darmiter  etwa  250  vom  Adel  und  Männer  von  be- 
deutendem Kriegsrufe.  Herzog  Heinrich,  selbst  unver- 
sehrt, betrauerte  seine  beiden  Söhne  und  seinen  Bastard; 
der  junge  Herzog  Friedrich  von  Lüneburg  erlag  noch 
am  Schlachttage  seiner  Wunde,  üngewiss  war  das  Schick- 
sal des  Kurfüi'sten.  Welche  Zukunft,  wenn  er  Avieder 
genas!  Als  Eberhard  von  der  Thann  von  seinem  Siege 
hörte,  schrieb  er  (am  12.  Juli)  an  Herzog  Johann  Friedrich: 
„Wo  nun  dem  also,  so  wird  es  nicht  allein  in  deutschen 


i'S)  Ein  Reiterprofoss,  der  einst  unter  ihm  gedient  hatte,  sollte 
ihn  wieder  freigegeben  haben. 

^'**)  Ein  Braunschweiger  Offizier  endete  seinen  Schlachtbericht: 
„Und  ist  dieser  Augriff  geschehen  den  9.  Juli  zwischen  3  und  4  Uhr 
nachmittags  bei  Sievershausen  vor  dem  Abbenser  Fürth,  die  Nieder- 
lage geschehen  bei  Arpke  und  Immensen,  und  hat  die  Nachjagd  ge- 
wälu-t  bis  Burgdorf  etc.    Wolfenbüttel,  acta  publ.  355  a. 

'■■')  Der  Markgraf  hat  nie  den  geringsten  Hehl  aus  seiuer 
Niederlage  gemacht.  Auf  die  Anfrage  des  Herzogs  Johann  Friedrich 
schrieb  er  am  20.  .Juli  aus  Bremen,  dass  er,  Moritz  und  seine  Ver- 
bündeten im  Felde  als  Kriegsleute  zusammengestossen  seien  und  ihr 
Heil  miteinander  versucht  hätten  etc.  Er  habe  die  Schlacht  ver- 
loren und  sei  ungefährlich  geschossen  worden  etc.  „So  haben  E.  L. 
zu  bedenken ,  wo  Kriegsleut  also  zu  beiden  Theilen  gegeneinander 
handeln,  so  muss  ein  Theil  verlieren,  demnach  Ijeide  nicht  gewinnen 
können  etc.".  Weimar,  Reg.  C.  fol.  68  No.  35.  Vergl.  Brief  an  die 
Herzogin  Elisabeth  von  Rochlitz,  Marburg.  O.  W.  S.  379,  Reichs-  und 
Kreissachen,  Militaria  I.  IV,  Egersche  Bündniss  1553.  III.  (12.  u. 
14.  Juli). 


Von  Passau  bis  Sievershansen  1552—1553.  101 

Landen,  sondern  auch  zwischen  dem  Kaiser  und  König" 
von  Frankreich  eine  grosse  Veränderung  bringen"  ^'^). 

Mittlerweile  hatte  das  Schicksal  anders  entschieden! 

Nach  erlangtem  Siege  wurde  das  kurfürstliche  Zelt 
auf  der  blutigen  Wahlstatt  „am  Vogelherde"  aufge- 
schlagen und  der  Verwundete  verbunden.  Die  Ärzte ^'^) 
trösteten,  und  der  Kurfürst  befahl  sich  der  Allmacht  und 
Gnade  Gottes.  Er  fand  Beruhigung  im  Gedanken,  dass 
seine  That  gegen  den  Landesbeschädiger  und  seinen  un- 
ruhigen Anhang  aus  Eifer  für  Friede,  Ruhe  und  Einig- 
keit im  heiligen  Reiche  geschehen  sei.  Noch  in  derselben 
Nacht  unterzeichnete  er  das  Schreiben  an  den  Bischof 
von  Würzburg,  in  welchem  nach  der  Schilderung  der 
Schlacht  und  des  blutigen  Sieges  gebeten  wurde,  überall, 
bei  der  Plassenburg,  bei  Hof,  Salfeld,  Meiningen,  Schmal- 
kalden,  Fulda,  Eisenach  etc.  fleissig  zu  streifen  für  den 
Fall,  dass  der  Markgraf  nach  Franken  fliehen  und  sich  mit 
den  Seinigen  durchschleifen  wolle.  Gleichen  Auftrag  er- 
hielten daim  der  Hauptmann  und  Schösser  zu  Salza  für 
den  Thüringer  Kreis. 

Am  10.  Juli  Vormittags  war  der  Patient  „noch  fröh- 
lich und  guter  Dinge"  und  „redete  ganz  frisch  und  un- 
kränklich"; in  ein,  zwei  Tagen  gedachte  man  mit  ihm 
über  Land  ziehen  zu  können.  Nachmittags  aber  schon 
standen  die  Ärzte  im  Zweifel,  ob  er  am  Leben  bleiben 
oder  seiner  Wunde  erliegen  werde ;  die  Schmerzen  wuchsen, 
die  Kräfte  schwanden.  Oft  liess  er  sich  von  seinem  Feld- 
bette auf  einen  Stuhl  heben  und  dann  wieder  nieder- 
legen ;  vergeblich  suchte  er  Linderung.  Dabei  entwickelte 
er  eine  erstaunliche  Fassung,  eine  rührende  Ergebung  in 
Gottes  AVillen,  eine  kaum  glaubliche  Frömmigkeit. 

Schon  am  Abende  der  Schlacht  liess  er  den  Hof- 
prediger Johannes  AVeiss  (Albinus)  zu  sich  kommen  und 
begehrte  Trost^^").  Tags  darauf  beichtete  er  „mit  grossem 
Ernste  und  wohlbedachtem  Muthe"  und  liess  sich  Abso- 
lution ertheilen.  Als  in  der  Nacht  vom  10.  zum  11.  Juli 
sein  Zustand  hoffnungslos  geworden  war,  liess  er  sich  in 
aller  Frühe  das  „hochwürdigo  Sakrament"  unter  beiderlei 
Gestalt  mit  „grosser  Andacht  und  guter  Vernunft"  dar- 


"8)  Weimar,  Re^.  C.  fol.  68  No.  35. 

™)  Einer  derselben  war  der  Leibarzt  Dr.  Johannes  Neefe 
(Neffe). 

180)  Bericht  des  Albinus  in  Abschrift  zu  Weimar,  Reg.  C.  fol. 
68  No.  35. 


102  S.  Issleib: 

reichen,  dann  machte  er  in  Gregenwart  von  acht  Zeugen 
noch  vor  Sonnenaufgang  sein  Testament  und  unterzeich- 
nete es  mit  schwacher  Hand^^^).  Darauf  verlangte  er 
vom  Hofprediger,  ihn  zu  trösten  und  ihm  Sprüche  vor- 
zusagen und  niclit  aufzuhören,  selbst  wenn  er  sprachlos 
werden  sollte.  Das  geschah.  Als  die  Schmerzen  über- 
gross wurden,  hub  er  an  und  sprach:  „Ach  mein  Gott, 
wie  lang  bist  du  aussen,  willst  du  es  nicht  schier  ein 
Ende  machen".  Da  Hess  ihn  "Weiss  auf  einen  Stuhl 
setzen;  doch  weil  die  Schmerzen  weiter  überhand  nahmen, 
ersuchte  er,  ilm  wieder  niederzulegen.  Schon  brachen 
die  Augen;  aber  noch  sprach  er  „mit  starken  Worten" 
nach:  „Vater  in  Deine  Hände  befehle  ich  Dir  meinen 
Geist".  Zuletzt  bat  Weiss:  „Da  er  sterben  wollte  als 
ein  christgläubiger  und  seliger  Mensch,  sollte  er  ein 
Zeichen  von  sich  geben".  Darauf  nickte  er  mit  dem 
Kopfe,  richtete  ihn  wieder  auf  und  wandte  sich  zur  Seite. 
So  „ist  er  in  Jesu  Christo  seliglich  verschieden  und  ent- 
schlafen", in  der  Blüthe  der  Jugend,  im  Alter  von 
32  Jahren. 

Wähi-end  am  9.  und  10.  Juli  die  Berichte  über  den 
heissen  Kampf  und  blutigen  Sieg  verbreitet  wurden, 
musste  vom  11.  Juh  an  der  deutschen  Nation  die  „ganz 
traurige  Botschaft"  verkündet  werden,  dass  der  Kurfürst 
in  Folge  des  erhaltenen  Schusses  von  dieser  Welt  ge- 
schieden sei.  Alle  Beileidsschreiben  vom  kaiserlichen 
an  gerechnet  rühmten  den  Dahingeschiedenen  als  ritter- 
lichen und  tapferen  Helden,  als  männlichen  und  sieg- 
haften Landesfürsten;  nur  Herzog  Johann  Friedrich  gab 
zu  erkennen,  der  Kurfürst  würde  noch  am  Leben  sein, 
wenn  er  der  Frankfurter  kaiserlichen  Versammlung  ge- 
mäss Friede  gehalten  hätte.  Herzog  Heinrich  von  Braun- 
schweig beklagte  seinen  „vertrautesten  und  liebsten 
Bruder",  Heinrich  von  Plauen  betrauerte  seinen  „liebsten 
und  besten  Freund",  König  Ferdinand  „einen  gar  treuen 
Freimd",  Herzog  Johann  Friedlich  verlor  seinen  unver- 
söhnten Feind  ^^^). 


1*^)  Dresden,  Originalurkunde  No.  11481.  In  Abwesenheit  des 
Kanzlers  Mordeisen  erfolgte  die  Niederschrift  des  Testamentes  durch 
Carlowitz  bis  auf  die  Stelle,  wo  der  treue  Rath  selbst  bedacht  wurde. 
Über  des  Kurfürsten  Testament  handelte  ausführlich  Theodor 
Distel  in  v. Webers  Archiv  f.  d.  Sachs.  Gesch.  N.F.  VI,  lOSflg.  (1880). 

^*2)  In  Weimar  redete  man,  Herzog  Moritz  habe  „der  Natur 
Schuld   bezahlt".    Als   der   Stadtrath  Braiinschweigs   den  Tod   des 


Von  Passau  bis  Sievershausen  1552 — 1553.  103 

Untröstlich  war  die  Witwe  Agnes,  erschüttert  Phi- 
lipp von  Hessen;  das  sächsische  Land  trauerte. 

x\m  13.  Juli  erfolgte  der  Aufliruch  der  Sachsen  von 
der  Wahlstatt.  Die  Truppen  aus  Thüringen  und  Meissen 
wurden  bis  zur  Ankunft  des  Kurfürsten  Augustus  beur- 
laubt. Fünf  Geschwader  Reiter  mit  der  stark  gelichteten 
„Hauptfahne"  begleiteten  die  Leiche  des  Kurfürsten  über 
Wolfenbüttel,  Halberstadt,  Aschersleben,  Halle,  Leipzig 
nach  Freiberg.  Im  dortigen  Dome  erfolgte  am  23.  Juli 
1553  die  feierliche  Bestattung. 


Kurfürsten  anzeigte ,  schrieb  ein  herzoglicher  Kath  auf  die  Rück- 
seite des  Briefes:  „Gottes  gerechte  Crerichte".  Sofort  schmiedete 
Johann  Friedrich  Pläne  gegen  den  Kurfürsten  Augustus  und  schickte 
seinen  Sohn  nach  Brüssel  zum  Kaiser  mit  der  Bitte  x\m  Zurückgabe 
der  Kur  und  der  verlorenen  Lande.    Weimar,  Keg.  C.  fol.  (58  No.  35. 


in. 

Urkunden 

über  den  Streit  der  ßechtsgelehrteii  mit  den 
Laien  im  Schöppenstuhle  zu  Leipzig  1574. 

Eingeleitet  und  herausgegeben  von 

Theodor  Distel. 


Der  von  Kurfürst  August,  dem  sächsischen  Justinian, 
me  man  den  grossen  Gesetzgeber  mit  Recht  genannt  hat, 
schon  vor  dem  Erlasse  seiner  Konstitutionen^)  geplanten 
Umgestaltung  des  Schöppenstuhls  zu  Leipzig  ging  ein 
Streit  der  Rechtsgelehrten  in  diesem  Spruclikollegium 
mit  den  Bürgermeistern  unmittelbar  vorauf.  Derselbe  ist 
ebenso  wie  die  ihm  schnell  folgende  Neugestaltung  des 
Stuhls  bisher  noch  nie  nach  den  wohl  vollständig-)  auf 
uns  gekommenen  Akten  dargestellt  worden-^). 

Wir  wissen,  dass  von  den  so  \1elseitig  beschäftigten 
Juristen  Scheibe,  der  Ordinarius  Thömingk  und  der  Senior 
der  Juristenfakultät,  Badehorn,  soAvie  Funcke  ihrer  Raths- 
pflichten,  da  nach  des  Kurfürsten  Meinung  jedes  Amt  auch 


*)  Vergl.  die  verdienstvolle  Arbeit  von  Schletter,  Die  Consti- 
tutionen Kurfürst  Augi;sts  von  Sachsen  u.  s.  w.     (Leipzig  1857). 

-)  Das  Rathsarchiv  zu  Leipzig  soll,  wie  man  mir  von  dort 
mitgetheilt  hat.  keine  bezüglichen  Schriftstücke  besitzen. 

^)  Die  folgenden  Mittheilungen  schliessen  sich  eng  an  meinen 
kürzlich  erschienenen  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  der  Savignv-Stiftung 
für  Rechtsgeschichte  (Germ.  Abth.  Bd.  YII  No.  VII)  an.  '  Daselbst 
ist,  wie  ich  zu  berichtigen  hier  gleich  Gelegenheit  nehme,  S.  92. 
Anm.  1.  Z.  7  für  V.  „VI."  zu  lesen. 


Th.  Distel:  Urkunden  über  den  Streit  d.  Rechtsgel.  etc.     105 

seinen  Kopf  haben  müsse,  entbunden  worden  waren.  Audi 
erfahren  wir  aus  dem  sogen.  Oelhaffeschen  Buche,  welclies 
Christian  Thomasius  in  seinen  Annalen  fleissig  benutzt 
hat  und  dessen  Originalmanuskript,  Avie  beiläufig  bemerkt 
sei,  vor  kürzerer  Zeit  im  Stadtarchive  zu  Leipzig^) 
aufgefunden  wurde,  dass  die  aus  dem  Rathsvereine  ent- 
lassenen Vier  auch  fortan  uicht  die,  mit  der  Rathsptlicht 
verbundene,  Abwartung  des  Stadtgerichts  für  geboten 
erachteten,  zumal  ihnen  kein  Entgelt  dafür  mehr  zu  Theil 
wurde.  Dass  aber  der  Sitz  im  Schöppenstuhle,  d.  h.  die 
Erledigung  der  von  auswärts  in  denselben  gelangten 
Rechtsfragen  auch  nur  eine  Berechtigung  dazu  auserkorner 
Rathsmitglieder  war,  diesen  Umstand  übersahen  die 
Büi'germeister  sowohl  als  die  durch  ihre  Thätigkeit  im 
Stuhle  so  reich  bezalilten  Rechtsgelehrten.  Die  letzteren 
besuchten  denselben  vielmehr  weiter,  indem  sie  sich 
bemühten,  die  seit  längerer  Zeit,  weil  meistens  dem 
Juristenstande  angehörig,  im  Stuhle  sitzenden  Bürger- 
meister'^), welche  die  Rechtsdoktoren  allerdings  bei  ihren 
fachmännischen  Entscheidungen  in  keiner  Weise  unter- 
stützen konnten,  betreffs  ihres  Einkommens  aus  dem 
Spruchvei-eine  zu  schmälern.  ■ — 

Ausser  Thömingk  und  Badehorn  (Scheibe  und  Funcke 
waren  verstorben)  sassen  1574  noch  die  Rechtsgelehrten 
Dr.  Balthasar   Schelhammer  —  nach   Thomingks  (f  15. 


*)  Tit.  1,  22  e.  Vol.  I.  —  Das  fragliche  Manuskript  rührt  von 
dem  Bürgermeister  Bernhard  Oelhaffe  (f  18.  April  1609),  welcher  mit 
Badehorns  Tochter,  Veronika,  vermählt  war,  her  (vergl.  Gretschel, 
Beiträge  zur  Geschichte  Leipzigs  [Leipzig  1835]  S.  56)  und  trägt 
vom  den  Vermerk  des  Bruders  Jakoh  Thomasius',  Michael  Tliomas, 
aus  welchem  wir  erfahi-en,  dass  das  Buch  von  der  Witwe  Isaac 
Oelhaifes,  eines  Enkels  Leonhards  des  Aelteren,  Magdalena  (Anna 
Magdalena,  gel).  Hofmann),  an  ihn  durch  Schenkung  gelangt  war. 
Das  bereits  von  Christian  Thomasius  vergeblich  gesuchte  sogenannte 
Priligk'sche  Buch,  dessen  A^erfasser,  Johann  P.,  im  Jahre  1617  als 
Bürgermeister  verstorben  ist,  hat  sich  dagegen  nicht  ermitteln  lassen, 
doch  bin  ich  im  H.-St.-A.  auf  einen  aus  dem  Ende  des  siebzehnten 
Jahrhunderts  staniiiicnden  (^)riginalaufsatz  gekommen,  zu  welchem 
dieses  Buch  mitbenutzt  worden  ist.  (Akten  des  H.-St.-A.:  Loc.  10368 
Fundatio  etc.  Bl    90,  l)zw.  II). 

•"*)  An  sich  war  jedes  Rathsmitglied  in  den  Schöppenstuhl  wähl- 
bar, aber  schon  1527  kam  es  vor,  dass  der  Kathsherr  AX'iedcmann 
Bürgermeister  und  Schöppe  zu  gleicher  Zeit  wurde.  Die  1574  im 
im  Stuhle  sitzenden  Bürgermeister  waren  keine  Juristen,  Rauscher 
verstand  jedoch  lateinisch;  im  H.-St.-A.  befindet  sich  ein  lateinischees 
Schreiben  von  ihm  an  den  Sekretär  Valerius  Craco  (Loc.  8573.  IT, 
126,  vergl.  11,  25). 


106  Theodcr  Distel: 

August  1576)  Tode  Ordinarius  der  Juristenfakultät^)  — 
und  Hartman  Pistoris ') ,  der  Papinian  Sachsens ,  im 
Stuhle,  die  ebenfalls  das  Stadtgericht  nicht  besuchten, 
da  sie  keine  Rathsmitglieder  waren.  Ersterer  war  nur 
als  Substitut  für  den  verstorbenen  Funcke^)  in  den  Schöp- 
penstuhl  gelangt  und  Pistoris  hatte  sich  erst  kürzlich, 
seiner  Ausbildung  wegen"),  darein  begeben;  er  vertrat 
wohl  zugleich  den  in  diesem  Jahre  fehlenden  dritten 
Bürgermeister,  wie  ja  auch  Rauscher  und  Lotter  sich 
durch  einen  Adjunkten  im  Stuhle  vertreten  Hessen^'')  und 
1574  Mag.  Johann")  Andreae  (Andreas)  dafür  mit  ein- 
hundert Thalern  jährlich  honorierten.  Als  der  Streit 
zwischen  den  Doktoren  und  Laien  noch  währte,  erboten  sich 
zwar  Rauscher  und  Lotter,  um  die  früheren  Rathsmitglieder 
aus  dem  Juristenstande  zur  Abwartung  des  Stadtgerichts 
zu  bewegen,  von  ihren  Einnahmen,  auch  wenn  kein  neuer 
Adjunkt  angestellt  werde,  noch  weitere  einhundert  Thaler 
jährlich  abzutreten,  doch  die  Rechtsgelehrten  meinten 
dazu,  dass  ihnen  „unabgerichtete  Leute",  wie  man  solche 
eben  für  nur  einhundert  Thaler  jährlich  erwarten  könne, 
wenig  nützen  würden,  das  Stadtgericht  aber  —  auch  in 
anderen  ansehnlichen  Städten  sässen  nur  Laien  darin  — 
der  Juristen  keineswegs  bedürfe.  Die  Verhandlungen 
der  streitenden  Theile  dauerten,  ohne  dass  dieselben  zu 


^)  Von  den  Bürgermeistern  (Laien)  sassen  Hieronymus  Rauscher 
(starb,  schuldlos  verschuldet,  erst  am  7.  (nicht  6.)  Dezember  1576  früh 
2  Uhr  und  zwar  am  Zipperlein,  nicht  an  Gift,  H.-St.-A. :  Copial  376 d 
unter  A  Bl.  238  b,  242  b,  243,  247,  252)  und  Hieronymus  Lotter,  der 
tüchtige  Baumeister,  im  Stuhle.  Weitere  Nachrichten  über  alle  hier- 
genannten Mitglieder  desselben  gedenke  ich  später  einmal  in  dieser 
Zeitschrift  zu  bringen.  Ihre  Autographen  wurden  dem  (Herrn  Geh. 
Hofrath  Prof.  Dr.  jur.  0.  Müller  in  Leipzig  als  Festgabe  zu  seinem 
filnfundzwanzigj  ährigen  Jubiläum  als  Ehrenvorstand  des  Arien  ge- 
widmeten) Separatabdrucke  dieses  Aufsatzes  beigegeben. 

')  Über  ihn  vergl.  Stintzing,  Geschichte  der  deutschen  Rechts- 
wissenschaft (München  und  Leipzig  1880)  1,  568  und  den  später 
erscheinenden  Artikel  in  der  allgemeinen  deutschen  Biographie. 

*)  Er  starb  nach  Stepner,  luscript.  Lips.  (Leipzig  1675)  Nr.  644, 
am  8.  Dezember  1573.  Leider  ist  Funcke  in  der  allgem.  Deutsch. 
Biographie  nicht  berücksichtigt  worden. 

»)  Nach  den  Akten  des  H.-St.-A.:  Loc.  10367  Fundatio  etc. 
I.  Buch  Bl.  42. 

^^)  Nach  Rauschers  Angabe  kommt  der  erste  Substitut  im  Stuhle 
1559  für  den  Bürgermeister  Volkmar  (f  10.  September  1561)  vor. 

")  Er  wird  fälschlicher  Weise  auch  Jakob  genannt.  Später 
(1588)  kommt  er  als  Advokat  im  Oberhofgerichte  vor.  Akten  H.- 
St.-A.  :  Loc.  9820  Oberhofgericht  etc.  1580-1669  Bl.  162. 


Urkiuuleu  etc.  107 

einem  wirklichen  Abschlüsse  gekommen  Avären,  bis  über 
die  Mitte  des  Monats  Juli  Ibrt^-). 

Die  Juristen  im  Stuhle  —  dies  sei  noch  hervor- 
gehoben —  führten  in  der  Zwischenzeit  den  Titel:  ver- 
ordnete Doktoren  und  Recht sverständige  (bzw.  Rechts- 
gelelu'te)  des  Schöppenstnhls^'^). 

Im  Monat  August  verscluitt  der  Kmiürst  zur  Um- 
gestaltung des  Spruchkollegs.  Der  erste  an  die  Räthe  zu 
Torgau  deshalb  ergangene  Befehl  ist  nicht  aufzufinden 
gewesen,  der  Kurfürst  dürfte  ihn  mündlich  gegeben  haben, 
war  er  doch  an  dem  Tage,  von  w^elchem  das  Antwort- 
schreiben datiert,  25.,  bzw.  26.  August  1574^*),  selbst  in 
Torgau  ^■'). 

Über  den  weiteren  Verlauf  der  Dinge  gedenke  ich 
mich  in  nicht  allzulanger  Zeit  einmal  in  der  Zeitschrift 
der  Savign}^- Stiftung  äussern  zu  können. 


'-'}  Die  säniintlichen  auffindbar  gewesenen  Wechsel  Schriften  imd 
(lergl.  sind  in  den  anliegenden  Urkunden  (1 — 13)  wieder  gegeben. 
Sie  bieten  des  Wissenswerthen  so  manches,  dazu  kommt,  dass  ein 
Theil  derselben,  wohl  schon  in  früherer  Zeit,  stückweise  arg  ver- 
modert ist  und  in  nicht  allzulauger  Zeit  zerfallen  dürfte.  Bis  auf 
die  unter  2  abgediuckte  Urkunde  habe  ich  dieselben  jetzt  alle  zix 
einem  Aktenstücke  vereinigt. 

^^)  Die  Rechtssprüche  tragen  die  hergebrachte  Unterzeichnmig: 
Schoppen  zu  Leipzig  zunächst  fort.  Eine  Unterzeichnung,  wie  sie 
Stölzel,  Die  Entwickelung  des  gelehrten  Richterthums  etc.  I  (Stutt- 
gart 1872),  231  Aura  193  gefunden  haben  will,  ist  mir  in  der  frag- 
lichen Zeit  nicht  vorgekommen. 

1*)  Das  Konzept  von  Laurentius  Lindemans  Hand  befindet 
sich  in  den  Akten  H.-St.-A.:  Bedenken  etc.  Loc.  8233,  Bl.  125 
flgd.,  das  Original  im  ersten  Buche  der  fuudatio  etc.  Loc.  10367, 
Bl.  1  flgde. 

15)  H.-St.-A.:  Copial  384,  Bl.  223b. 


108  Theodor  Distel: 


U  r  k  II 11  d  e  n. 


I.  Die  Korrespondenz  der  Rechtsgelehrten  im  Leipziger 
Schöppenstulile  mit  der  Regierung. 

Ko.  1.    1574  April  6. 

Die  Juristen   (Badehorn,    Thöminyk,   ScheJhammer,    Pistoris)    an 

den  Kurfürsten  August. 
Abschrift  (von  der  Hand  des  unter   No.  10   Anm.  24   erxoähnten 
Trueh).     H.-St.-A.:    Loc.  10367.     Des    Schöppenstuhls   zu    Leip- 
zig etc.  1557  flg.,  Bl.  85. 

Durchlauchtigster,  hochgehorner  churfurst.  E.  churf.  g.  seint 
unsere  underthenigste,  gehorsame  und  gautzwillige  dienste  höchstes 
vermugens  zu  vorn.  Gnädigster  churfurst  und  her.  üb  wol  E. 
churf.  g.  gnedigst  vor  gutt  angesehen,  das  wir  mit  des  raths  ge- 
schefften,  unter  andern  der  ursacli  und  meynung,  domit  wir  den 
hendeln,  so  in  der  schöppenstuebe  zuvorsprechen  in  grosser  auzahl 
teglich  gelangen,  desto  hesser  und  bekquemlicher  obligen  möchten, 
hinfort  nicht  belahden  noch  zuschaffen  haben  solten,  und  dan  auch 
dadurch,  das  wir  vom  rathstule  abgesondert  (dorinnen  dan  E. 
churf.  g.  gnedigsten  willen  und  gefallen  wir  underthenigst  gern 
gehorsammet)  auch  von  den  gerichten  gescheiden  und  abgesondert 
seint,  sinthemahl  solche  gerichte  dem  rathsstande  necessario  an- 
hengigk,  also  auch,  das  ihe  und  allewege  und  gleich  über  menschen 
gedencken  nihemals  erfahrn,  das  zu  gemelten  gerichten  jhemants 
anders  were  gezogen  ader  gebraucht  worden,  dan  allein  diejhenigen, 
so  dem  rathstuehl  verwant  gewesen,  derwegen  dan  ich,  doctor  Jacobus 
Thömingk,  Ordinarius,  das  jungst  veiflossene  jhar  über,  weil  ich  dem 
rath  nicht  mehr  zugethan  gewesen,  in  die  gerichtshanck  nihe  ge- 
kommen, dobey  mich  dan  auch  die  hern  burgermeister  und  der  rath, 
die  gantze  zeit  über,  also  geruiglich  haben  bleiben  lassen,  und  dan 
auch  doctor  Andreas  Funck,  nuhmer  seliger,  ob  ihme  wol  doctor 
Wolffgangs  Scheiben  [auch  sjeligen,  als  eines  gewesenen  schöppen, 
stelle  aßignirt,  dennoch  aus  obgedachten  Ursachen,  bis  in  seine 
grübe,  nicht  vermocht  werden  können,  sich  den  gerichten  pflichtbar 
zumachen,  vielweniger  aber  sich  in  die  gerichtsbangk  nider  setzen 
zulassen,  inmasen  dan  auch  die  hern  burgermeister  mich,  doctor 
Balthassarn  Schelhammer,  ob  ich  gleich  in  gedachts  hern  doctor 
Andreae  Funcken  stelle  in  der  schöppenstube  mit  ihrem  selbst  willen 
und  zuthuen  ferner  substituirt,  dennoch  eben  aus  derselben  Ursachen, 
das  ich  dem  rathstuel  nicht  verwant,  zu  den  gerichten  nihemals 
erfordert,  vielweniger  aber  begert,  mich  zu  denselben  voreiden  zu- 
lasen, domit  ich  dan  gar  wol  zufriede  gewesen,  auch  nachmals 
domit  gar  wol  fridlich  bin,  das  also  die  hern  burgermeistere  selbst 
dardurch  re  et  facto  ipso  mehr  dan  genugksam  und  gantz  clerlich 
bezeuget  und  zuerkennen  gegeben,  das  die  gericht  mit  keynen 
andern  dan  allein  mit  rathspersohnen  können  noch  mugen  bestalt 
werden.    Des  aber  dennoch  ungeacht,  gnedigster  churfurst  und  her, 


Urkunden  etc.  109 

understehen  sich  nuhmer  gemelte  heni  burgermeistere  in  uns  zu- 
dringen, das  wir  uns  zu  besetzung  und  bestellung  der  gerichte  uffs 
neu  widerumb  gebrauchen  lasen  sollen.  Dan  nachdem  sie,  jiingst- 
vorschiener  weil,  sich  gegen  uns  erljotten  und  Yornehmen  lassen, 
das  sie  sich  mit  uns,  wasergestalt  es  in  der  schöppenstube  und  mit 
derselben  einkommen,  auch  sunst,  ihrer  und  unserer  persobnen  halben, 
hinfort  zuhalten,  utf  billiche  und  leidliche  wege  zuvergleichen  be- 
dacht, [haben]  wir  uns  hinwider  dorauff  erclert,  das  wir  ihre  ange- 
botene furschlege  gern  anhören  wolten  und  unter  andern  zubedencken 
gebeten,  weil  wir  nuhmer  von  dem  rathe,  den  gerichten,  auch  der- 
selben emolumenten  und  einkommen  gentzlich  abgesondert,  gleichwol 
aber  nichst  destoweniger  nachmals,  wie  zuvoru,  die  gar  grosse, 
unauffhörliche  und  stets  fort  und  f(irt  wehrende  last,  muhe  und  arbeit, 
so  wir  auff  vorlehsung,  berathsclilaguug  und  vorsprechung  der 
schöppenhendel  vor  unsere  persohnen  allein  (dan  uns  gedachte  hern 
burgermeistere  nicht  im  aller  geringsten  helffen  nach  übertragen 
können)  mit  grosser  beschwehrung  und  vorseumung  anderer  nutz- 
barlichen  hendel,  auch  mit  mergliclier  schwechuug  gesundts  leibes 
und  lebens,  teglich  und  one  unterlas  vielfeltiglich  wenden,  jha  auch, 
sonst  unsere  gantze  zeit  darüber  zubrengen  und  vorzehren  musen, 
das  sie  solchs  vernunfftiglich  bedencken  und  derwegen  uff  solche 
mittel  und  wege  bedacht  sein  wolten,  domit  uns  gegen  solcher  unsern 
gar  grosen  beschwehrung,  vielfeltigen  muhe,  vleis  und  arlieit  ge- 
bührliche Ijilliche  vorgleichung  und  ergetzligkeit  gemacht  werden 
ixnd  widerfahren  möchte.  Haben  sie  sich  understanden,  solche  imsere 
erclerung  dergestalt  zu  asumiren,  als  solten  wir  gemeint  sein,  uns 
von  ihren  gerichten  nicht  abzusondern,  do  wir  uns  doch  nicht  allein 
uff  diese  meynung  gar  nicht,  sundern  viel  mehr  des  widerspiels  vor- 
nehmen lasen,  als  nemblich,  das  wir  von  dem  rathsstuel,  den  ge- 
richten, auch  derselben  einkommen  und  emolumenten  nuhmer  albereit 
abgesondert  weren,  [allein],  das  unter  aiulerm  daneben  voi meldet 
worden,  das  wir-  (weil  solchs  von  ihnen  bey  uns  anfenglich  gesucht 
worden)  vor  unsere  persohnen  auch  nicht  gern  ursach  geben  wolten, 
das  der  schöppenstuel  vom  rathe  getrennet  ader  gesondert  werden 
möchte. 

Als  wir  uns  nuhn,  unserer  notdorfft  nach,  uff  solche  ihre  in 
gefastem  unrechtem  vei'stande  und  dem  claren  buchstaben  unserer 
erclerung  gerade  zuwider  angemaster  assumption  alsbaldt  hinwieder 
vornehmen  lasen,  das  solchs  in  unserer  ercleiungsschrifft  deigestalt 
nicht  zubefinden,  uns  auch  dorauff  ferner  und  zum  ubeiflus  aus- 
drucklich dohin  ercleret,  nachdem  wii-  durch  beschehene  absondei'ung 
des  rathstuels  (welche  uns  dan  gar  nicht  zuwider)  auch  von  den 
gerichten,  als  die  dem  rathstande  necessario  anhengigk,  abgesondeit 
weren,  das  es  uns  demenach  sehr  vorkehrlich,  vorwei^lich  und  zu 
einer  grosen  vormesenheit  gerechnet  und  gedeutet  werden  wolte, 
wan  wir  uns,  als  vom  rath  und  di'U  gerichten  einmahl  abgesonderte 
persohnen,  zu  denselben  widerumb  gebrauchen  und  also  in  frembde 
hendel,  so  uns  amptswegen  nicht  mehr  obliegen,  ungebührlicher 
weis  dringen  und  stecken  lasen  mochten,  haben  sie  uns  nicht 
allein  keine  mittel  ader  wege,  doi'aiift'  die  von  ihnen  anfenglich  uns 
angebotene  vorgleichung  zurichten,  furgeschlagen,  sundern  uns  auch 
gar  eyne  stumpfte  mündliche  antwort  durch  ihren  stadtschreyber 
anmelden  lasen,  un«efehrlich  uff  difc  meynung,  das  sie  nicht  be- 
dacht, sich  mit  uns  in  fernere  (jis])Utation  eiiizulasen,  sundern  wolten 
[darauff  ihre]  notdoifft  zubedencken  vvol  wisen,  doraus  da[n],  gnedigster 


ö 


110  Theodor  Distel: 

churfurst  vmd  here,  leichtich  abzimehmeu,  das  vielgemelte  hern  burger- 
meistere  doran  nicht  begnugigk  noch  ersettiget  zusein  vonneynen, 
das  sie  nuliu  viel  jharlangk  heio  des  schüppenstuels  einkommeu 
(ungeacht,  das  sie  uns  zu  unserer  schwehren  muhseligen  arbeit' gantz 
und  gar  nichts  gehollfen  noch  zu  helft'en  vermocht,  wie  sie  uns  dan 
nachmals  darzu  gar  nichts  helffen  können)  nichtsdestoweniger  gleich 
uns ,  als  den  allein  arbeitenden  jpersohnen ,  geuosen  (wie  sie  dan 
ferner  auch  viel  andere  forteil  mehr,  an  vorsprechung  der  Ordinarien 
gerichtshendel  und  sunst,  so  auch  nicht  gering  zuacliten  und  langk 
zuerzehlen  sein  wolten ,  bis  anhero  aus  unserer  arbeit  genislich 
entpfunden),  auch  nicht  allein  das  einkommen  der  schöppenstube,  mit 
unserer  (die  wir  die  last  der  arbeit  gar  allein  tragen  musen)  groser 
merglicher  beschwehrung,  nachmals  wie  bevor,  zuparticipiren  bedacht, 
sundern  uns  darüber  auch  die  beschwehrliche  last  der  gericht 
widerumb  auffzudringen  sich  mit  allem  vleis  bemuhen,  ungeacht, 
das  unserer  aller  und  des  schöppenstuels  gelegenheit  itziger  zeit 
viel  in  einem  andern  stände  ist,  als  sie  etwan,  do  man  gemelte  hern 
burgermeistere  zu  dem  einkommen  des  schöppenstuels  mit  zugelasen, 
und  demenach  ihe  nicht  unbillich,  das  uns  hinwider,  gegen  unserm 
in  dem  rathstuel  und  den  gerichten  ervolgten  abgang.  und  doch 
nichts  destoweniger  nachmals  stets  welirender  arl)eit  (welche  dan 
nicht  geringer,  sundern  teglich  jhe  lenger  jhe  schwehrer  und  muhe- 
seliger wirdt)  gleichmessige  vorgleichung  gemacht  werde,  jaxta  illud: 
(^uae  de  novo  emergunt,  novo  indigent  [auxilio].  welchs  wir  doch, 
gnedigster  churfurst  und  her,  der  nieynung  nicht  melden,  das  wir 
des  einkominens  ausm  rathstuele  und  aus  den  gerichten  nachmals 
teilhafftigk  znsein  und  uns  also  in  solche  empter,  E.  curf.  g.  gue- 
digst  beschehener  anordnung  (damit  wir  dan  uuderthenigst  wol 
zufride)  zuentgegen,  widerumb  oblique  einzudringen  gedechten, 
sundern  aus  der  Ursache,  das  wir,  unseres  underthenigsten  verhoffens 
nach,  itziger  gelegenheit  gahr  genugk  theten,  wan  wir  entwar  den 
hern  burgermeistern  in  gemein,  ader  aber  ider  zeit  dem  regirenden 
hern  burgernieister  allein,  einen  teil,  soviel  unserer  einer  zubekommen 
pflege,  betten  volgen  und  zukommen  lassen,  in  gnedigster  betrachtung, 
das  wir  die  arbeit  gar  allein  tragen  musen  und  sie  uns  darzu  (wie 
droben  auch  underthenigst  gemeldt)  bis  anhero  gar  nichts  geholffen, 
auch  nachmals  ader  hinfort  nichts  werden  helffen  können,  und  sie 
dan  hierüber  auch  ihre  sunderliche  einkommen  und  zugenge  vom 
burgermeister  ampt  aus  der  rathstube  zugewarten  haben. 

So  können  auch,  gnedigster  churfurst  und  her,  wir  mit  warheit 
wohl  sagen,  das  uns  auch  zu  der  zeit,  als  wir  dem  rathstuel  noch 
verwant  gewesen,  nichts  beschwehrlichers  furgefallen,  dan  das  wir 
in  den  gerichten  sitzen  und  suuderlich  öffentliche  iibeltheter  per- 
söhnlich  coudemnirn  und  verteiln  helffen  sollten.  Weil  wir  aber  solcher 
beschwehrung  damals,  wegen  unseres  tragenden  ampts  des  [rath- 
stanjdes,  deme  die  gerieht  anhengigk,  nicht  genbriget  [werden]  mngen, 
[haben]  wir  dieselbe  zeit  über,  nach  gemeinem  Sprichwort,  aus  der 
noet  eine  tugent  macheu  musen, 

Nachdem  wir  aber  numehr  dardurch,  das  wir  den  rathstuel 
nicht  mehr  verwandt,  auch  den  gerichten  (als  die  dem  radtstande 
anhengigk  und  derwegen  auch  mit  eitel  rathspersohnen  besatzt  und 
bestelt  werden  musen,  wie  dan  solchs  aucli  von  undencklicher  zeit 
hero  in  stettem  und  unverrucktem  gebrauch  des  raths  und  der  gericht 
alhier  ist  gehalten  worden)  in  necessariam  consequentiam  auch  nicht 
mehr  zugethan,  so  wolte  bey  menniglich  und  sunderlich  bei  E.  churf. 


Urkimden  etc.  111 

g.  selbst  ein  seltzam  ansehen  gewinnen,  wan  wir  uns  in  solch  he- 
schwehrlich  ampt.  desen  wir  einniahl  gebührlich  entlediget,  uifs  neue 
widerumb  stecken  lasen  solten.  Suiiderlich  aber  wurde  es  von  etlichen 
gewislich  dafür  gehalten  werden  wollen,  als  bette  man  uns  mit  gelde 
(welchs  aber  gericlitspersohnen  gar  nicht  gebührt  nach  anstehet)  darzu 
widerumb  erkaufft,  welchs  wir,  weils  uns  zum  höchsten  voiweislich 
sein  wurde,  uns  jhe  nicht  gern  nachsagen  lasen  wollen,  dorinnen  dan 
E.  churf.  g    zweiffelson  uns  in  Ungnaden  nicht  vordenckeu  werden. 

Und  können  sich  die  heru  burgermeistere  und  der  rath  hiermit 
nicht  behelffen,  als  könten  sie  ane  doctores  die  gericht  nicht  hegen 
noch  halten,  weil  andere  stedte  und  auch  dörffer  im  lande  ane  do- 
ctores ihre  gepichte  halten  und  bestellen  können,  auch  E  churf.  g. 
empter  keine  doctores  darzu  gebrauchen,  so  ist  ihnen  iderzeit  unbe- 
nommen, das  sie  nichts  wenigers,  als  andere  gerichte  [in  bürg] liehen 
und  peinlichen  Sachen  des  recht  sich  im  [fall]  der  noth  bey  uns 
ader,  do  ihnen  solches  nicht  gefelligk,  anderswoh  erholen  mugen.  Und 
so  dan  nuhn,  guedigster  churfurst  und  her,  diesem  allenthalben  also, 
und  sichs  ferner  bey  uns  dafür  ansehen  lest,  das  die  hern  burger- 
meistere, oder  auch,  uff  ihr  schaffen,  der  gantze  rath,  diesen  handel 
an  E.  churf.  g.  gelangen  lasen  und  suchen  möchten,  uns  auffzulegen, 
das  wir  ihren  gerichten,  nachmals,  wie  zuvorn,  in  ungeändertem 
Stande,  aus  erheischung  des  damals  tragenden  rathstandes  geschehen, 
beiwoliuen  solten,  als  haben  wir  aus  erheischung  unserer  holieu  not- 
dorfft  nicht  umbgehen  können,  E.  churf.  g.  mit  diesem  unserm  war- 
hafftigen  bericht  in  underthenigkeit  zuersuchen,  underthenigst  bittende, 
dieselbe  E.  churf.  g.  wolten  die  hern  burgermeistere  ader  den  rath, 
uff  itztgemelten  fall,  mit  ihrem  unbefugten  suchen  nicht  hören,  nach 
gestatten,  das  uns  die  bestellung  und  besetzung  der  gericht  und  also 
ein  frembdt  ampt,  dessen  wir  einmahl  gebührlich  entledigt  und  uns  also 
nichts  mehr  angehet,  wider  unserm  willen,  jha  auch  mit  imserergroscn 
und  gleich  ehren  [sie!]  verletzlicher  beschwehrung  von  ihnen  unbefug- 
ter weis  auffgedruugen  werde,  sundern  vielmehr  die  gnedigste  Verschaff- 
ung bey  ihnen  thuen,  damit  sie  uns  mit  solcher  beschwehrlichen  und  vor- 
drieslicheu  annmtung  verschonen,  sich  auch  ferner  mit  uns  der  billig- 
keit  nach  uff'  dero  von  uns  droben  in  underthenigkeit  furgeschlagener 
gleichmesiger  wege  einen  (in  gnedigster  ansehung,  das  sie  zu  dero 
von  ihnen  selb  [st  angebotjener  vorgleichung  vor  ihre  persohnen  uns 
einige  mittel  und  wege,  ungeacht,  das  sie  sich  anfenglich  selbst  auch 
dai'zu  erbotten,  nuhmer,  wie  wir  vormercken,  zuthuen  nicht  liedacht) 
förderlich  vorglichen,  domit  wii'  also  den  schöppenhendel  (so  teglich 
in  grosser  anzahl  und  mennige  aus  vielerlei  landen  anhero  gelangen. 
und  uns  mit  grosser  muhe  und  arl)eit,  mit  vorseumung  anderer  vieler 
hendel,  derer  wir  sonsten  gar  wol  geniesen  könten,  auch  mit  nierg- 
licher  beschwelirung  und  unwidei'brenglicher  schwechung  unserer 
gesundtheit,  zuverfertigen  allein  obliegen)  desto  beser  abwarten  und 
dieselben  desto  fuglicher  und  scldeuniger  vorsprechen  und  voiiichten 
mugen,  inniasen  wir  dan  in  underthenigstem  gehoi'sam  zuthuen  orböttigk. 

Solchs  seint  uml)  E.  cluuf.  g  wir,  über  das,  das  er  an  ilnne 
selbst,  zu  biliicher  förderung  des  rechtens  und  der  geiecbtigkeit,  und 
dan  hii:al)er  auch  zu  E.  chuif.  g.  selbst  sondeilicheu  grosen  ruhnil), 
so  wol  auch  zu  derselben  lande,  und  sunderlich  zu  disser  ilirei'  Stadt 
Leiptzigk  (als  do  sich  viel  furnehme  potentaten,  auch  lande,  stedte 
und  allerlei  leute  hohes  und  nicilrigen  Standes,  in  und  ausserhalb  des 
heiligen  römischen  reichs,  des  recliten  teglich  in  grosser  anzahl  er- 
holen) merglichen  nutz,  eheren  und  frommen  |gel|ingen  und  gereichen 


112  Theodor  Distel: 

thuet,  höchstes  veriimg[ens]  uiiderthenigst  zuverdienen  ider  zeit  er- 
böttigk  und  gantzwilligk.  Datum  den  sechsten  Aprilis,  anno  etc.  vier 
und  siebentzigk.  E.  churf.  g. 

uuderthenigste  gehorsamme 

Verordente  doctores  und 

rechtsvorstendige  des  schüp- 

penstuels  zw  Leiptzigk. 

'S!'.  2.    Dresden  1574:  April  17. 

Antivort  des  Kurfürsten  auf  das  vorher  (feilende  Schreiben. 
Konzept  ebenda:  Copial  392  Bl.  143b. 

An  die  vorordente  doctores  und  rechtsvorstendige  des  sclioppen- 
stuls  zu  Leipzig. 

Hochgelerte  lieben  getrewen.  Uns  ist  euer  schreiben  für- 
getragen wurdenn;  do  nun  der  rathe  zu  Leipzigk  solcher  in  itzt- 
beiueltein  euerm  schreiben  angezogenen  Sachen  halben  etwas  auhero 
gelangen  lassen  würdet,  wollen  wir  euers  izigen  suchens  ingedenek 
sein  und  uns  dorauft'  der  gebure  zuerzeigen  wissen.  Mochten  wir 
euch  hinwieder  nicht  vorhalten.  Datum  Dreßden  den  17.  Aprilis 
ao.  74, 

Nr.  3.    1574  April  -26. 

Die  Juristen  an  den  Kurfürsten. 
Orig.  mit  dem  Schöppensiegel  (Abb.  in  der  Zeitschrift  der  Savigny- 
stiftnng  a.  a.  0.  S.  115  unter  2)  ebenda  Loc.  10367  Des  Schöppcn- 
stuhls   etc.  flg.   93.     Abschrift  von  derselben  Hand   (vergl.  No.  10 

Anm.  1)  Bl.  98. 

Durchlauchtigster  hochgeborner  churfurst.  Euern  churfurst- 
lichen  gnaden  seint  unsere  underthenigste  gehorsamme  und  gantz- 
willige  dieuste  höchstes  vermugens  zuvoru.  Gnedigster  churfurst 
und  her.  E.  churf.  g.  gnedigsts  schreiben,  die  irrung,  so  sich 
zwuschen  uns  und  den  hern  burgermeistern  alhier  ereuget,  betref- 
fend, haben  wir  mit  gebührlicher  ehererbietung  underthenigst  ent- 
pfangen  und  vorlesen.  Wiewol  nuhn  an  E.  churf.  g.  von  itztgemelten 
hern  burgermeistern  ader  dem  rath  dieses  handeis  halben  nach  zur 
zeit  nichts  gelanget,  so  liabeu  wir  dennoch  die  underthenigste  nach- 
richtung,  das  solchs  nachmals  geschehen  werde.  Weil  wir  uns  dan 
zubefabreu,  es  möchte  E.  chuif.  g.  villeicht  allerlei  zu  unserm  un- 
glimpif  furgetragen  werden  (inmasen  uns  dan  allerley  furkömpt),  als 
erfordert  unsere  hohe  notdoifft,  denselben  E.  churf.  g.  fernem  grund- 
lichen und  underthenigsten  bericht  zuthuen,  gantz  undertheniglich 
bittend,  E.  churf.  g.  wolten  darob  keinen  vordi-us  haben,  sundern 
disen  unsern  warhafftigen  bericht  gnedigst  von  uns  vormercken,  do- 
mit  nuhn  E.  churf.  g.  des  gantzen  handeis  kurtzen  und  grundlichen 
bericht  gnedigst  einnehmen  mugen.  So  stehet  derselbe  uff  diesen 
zweien  puncten. 

Der  erste  ist,  das  wir  des  raths  gerichte,  nachmals  wie  zuvorn, 
besitzen  und  halten  helffen  sollen. 

Der  ander,  weil  wir  nulimer  vom  rath  und  dem  einkommen 
oder  zugengen ,  dero  wir  vor  diser  zeit  dohero  gewertigk  und  teil- 
haiftigk  gewesen,  gentzlich  abgesondert  und  also  der  handel  in  vo- 
rigem Stande  nicht  mehr  ist,  das  demenach,  unsers  eraehtens,  gantz 
unl)illich  sein  wolte,  das  wir  die  grose  überschwengliche  last,  muhe 
und   arbeit    des  schöpi)enstuels   allein    (wie  wir  dan  thuen  müssen) 


Urkunden  etc.  113 

tragen  und  nichts  destoweniger  gemelte  Lern  burgermeister  unge- 
acht,  das  sie  uns  gar  nicht  übertragen,  jha  auch  gar  nichts  helffen 
noch  helffen  [sie!]  können,  nichtsdestoweniger  das  einkommen  des 
schöppenstuels  participiren  und  einen  iden  soviel  nehmen  und  volgen 
lasen  solten,  als  unserer  einer  zubekommen  pfleget. 

Soviel  nuhu  den  ersten  punct  anlanget,  haben  E.  churf.  g.  wir 
in  unserer  vorigen  supplicationschrift  albereit  in  aller  underthenig- 
keit  zu  erkennen  gegeben,  aus  waserlei  wichtigen  und  hochbedenck- 
licheu  Ursachen  wir  uns  zu  bestellung  des  raths  gerichten  widerumb 
nicht  gebrauchen  lasen  können.  Dan  weil  solche  gericht  dem  rath- 
stuel  necessario  anhengigk,  auch  weit  über  menschengedencken,  in 
stedter  unverruckter  ubung  gehalten  worden  ist,  das  ihe  und  alle- 
wege eitel  rathspersohnen  darzu  gebraucht  worden,  und  kein 
exempel  angezogen  werden  magk,  das  jhemals  eine  einige  persohn. 
so  dem  rathstuel  nicht  verwant  gewesen,  in  die  gerichtsbanck  kom- 
men und  die  gericht  sitzen  ader  hegen  helffen,  so  haben  E.  churf.  g. 
aus  hochbegabtem  fürstlichem  verstände  selbst  gnedigst  zuermesen. 
das  uns  keinswegs  gel)uhren  wolte,  uns  zu  dem  ampt  des  gerichts- 
stuels,  desen  wir  durch  die  beschehene  absunderung  vom  rath- 
stande  (welche  uns  dan  gar  nicht  zuwider)  in  gnedigster  betrach- 
tung,  das  die  gerichte  dem  rathstande  necessario  anhengigk,  eins- 
mals  gebührlich  entlediget  und  erlasen,  widerumb  vermugen  lasen 
solten ,  sinthemal  nicht  allein  eine  gemeine  und  gewise  rechtsregul : 
quod  culpa  sit  immiscere  se  rei  ad  se  uon  pertinenti,  sundern  auch 
sunst  bey  idermenniglich  ein  seltzam  nachdencken  machen  wurde, 
das  wir  uns  zu  des  raths  gerichten ,  darzu  wir  itzo  nicht  mehr  ge- 
hörigk,  nichts  destoweniger  nachmals  gebrauchen  liesen,  nicht  anders 
(dafür  sichs  sunder  zweiffei  ansehen  lasen  wurde),  als  betten  wir 
uns  mit  gelde  uffs  neu  darzu  erkeuff'en  und  vermugen  lasen,  welche 
beschwehrliche  verdacht  wir  autt'  uns  jhe  nicht  gern  lahden  wolten, 
in  deme  dan  E.  churf.  g.  uns  in  Ungnaden,  unsers  gentzlichen  un- 
dertbenigsten  verhoffens ,  nicht  werden  verdencken,  zu  geschweigen, 
das  uns  auch  vor  diser  zeit,  do  wir  dem  rathstuel  noch  verwandt 
gewesen,  nichts  beschwehrlichers  furgefallen,  dan  das  wir  die  ge- 
richtsbanck mit  besetzen  und  sunderlich  iiublicorum  criminum  reos 
persöhnlich  condemuirn  und  verurteiln  helffen  sollen,  desen  wir  dan 
gute  rechtmesige  und  bestendige  Ursachen  gehapt,  auch  nachmals  haben. 

So  kan  auch,  gnedigster  churfurst  und  her,  der  rath  ane  unsere 
hulff  und  zuthuen  die  gerichte  gar  wol  bestellen,  sinthemahl  auch 
auserhalb  der  hern  burgermeister  etliche  viel  andere  rathspersohnen 
vorhanden,  welche  nicht  allein  zu  den  gerichten  simpliciter  ge- 
schworn,  sundern  auch  vor  diser  zeit  das  richterampt  selbst  ver- 
waltet, welche  dan  auch  ane  das  zu  haltung  der  gericht  pflegen 
gebraucht  zuwerden ,  also ,  das  off'tmals  nuhr  ein  einiger  doctor  auch 
vor  dieser  zeit  bey  ihnen  gesesen,  inmasen  dan  auch  ich,  doctor 
Jacobus  Thömingk.  Ordinarius,  die  zeit  über,  nachdem  von  E.  churf. 
g.  ich  des  rathstandes  wegen  obligender  und  tragender  leibschwach- 
heit  gnedigst  erlasen  (desen  ich  mich  dan  nachmals  underthenigst 
bedancken  thue),  in  die  gerichtsbanck  niehemals  kommen,  auch  dobei 
bisanhero  geruiglichen  gelasen  woi'den. 

Ferner  können  auch  in  gütliche)'  vorgleichung,  so  uns  von  den 
hern  burgermeistern  vor  diser  zeit  selbst  angebotten  worden,  aber 
itzo  von  ihnen,  sunder  zweiff'el  zu  ihrem  verhofftem  vorteil,  mit 
vleis  auffgezogen  wirdt,  mit  uns  die  mittel  und  wege  wol  getroffen 
werden,   das   von  uns  naciimals  wie  zuvorn  in  allen  und  iden  vor 

Neues  Archiv  i.  S.  Li.  u.  A.     VIU.  1.  2.  8 


114  Theodor  Distel: 

gericht  und  in  der  schöppenstube  rechthengigen  Sachen,  die  urteil 
gestalt  und  begriffen,  von  den  liern  burgermeistern  sampt  ihren  bei- 
sitzern  in  ihren  als  der  gerichte  nahmen  volgents  eröffnet  werden, 
wie  dan  dergleichen  wol  in  geringem  stedten,  jha  aiich  in  schlech- 
ten pauergerichten,  do  gar  keine  gelarte  beysitzer  vorhanden,  hin 
und  wider  geschieht,  inmasen  die  tegliche  erfahrung  clerlich  aus- 
weiset, wie  wir  dan  noch  vor  wenigk  tagen  sehr  viel  urteil  in  causis 
ordinariis  verfertiget,  dem  rath  auch  etlicher  gefangener  halben 
unser  bedencken,  idoch  mit  vorbehält  dero  uns  angebotener  vor- 
gleichung,  unbeschwert  mitgeteilt,  domit  sie  desto  weniger  ursach 
haben  mugen,  uns  zur  ungebuhr  zuverunglimpffen. 

Also  und  gleicher  gestalt  kau  auch  mit  uns  die  vorgleichung 
wol  gemacht  werden,  das  auch  alle  andere  hendel,  als  voipfeudun- 
gen,  aufflasungen,  belehnungen,  insinuationes  ultimarum  voluntatum, 
productiones  tarn  testium  quam  instrumentorum ,  publication  der  ur- 
teil imd  dergleichen ,  nichts  aussgeschlosen ,  in  der  schöppenstube 
gelasen  werden  und  also  dieselbe  allenthalben  in  vorigem  stände 
bleiben  muge,  inmasen  wir  uns  dan,  uff  vorgehende  gebührliche  vor- 
gleichung, zu  Vorrichtung  solcher  hendel  aller,  nachmals  wie  zuvorn, 
hiermit  underthenigst  erbieten,  damit  also  die  hern  burgermeister 
oder  der  rath  jhe  nicht  ursach  haben  nmgen,  furzugeben,  als  solte 
dardurch,  das  wir  von  den  gerichten  abgesundert,  einige  Zerrüttung 
des  schöppenstuels  ervolgeu. 

Do  nuhn  die  hern  burgermeister  oder  der  rath  mit  diesem  un- 
serm  rechtmesigen ,  billichen  und  uberflusigem  erbieten  nicht  ge- 
settiget  sein,  sundern  nachmals  dorauff  zudringen  sich  imderstehen 
weiten,  das  wir  die  gericht  (domit  wir  doch  nuhmer  nichts  zu- 
schaffen  haben)  nachmals  hegen  und  halten  helff'en  selten,  so  könten 
wirs  anders  nicht  vorstehen,  dan  das  sie  uns  in  obgedachten  un- 
glimpffund  verdacht,  davon  droben  underthenigste  meidung  geschehen, 
mit  vleis  zustecken  und  uns  unsere  nun  sehr  viel  jhar  lang  hero  in 
der  schöppenstube  gehapte  grose  muhe,  vleis  und  arbeit  (dero  dan 
die  hern  burgermeistere,  als  nicht  arbeitende  persohnen,  jha  so  wol 
genosen  als  wir)  dergestalt  zu  belohnen  bedacht  sein  musten,  welchs 
aber  E.  churf.  g.  als  ein  rechtliebender  churfurst,  unsers  underthe- 
nigsten  gentzlichen  vorhoffens,  ihnen  keines  wegs  billichen  werden. 
Und  soviel  von  dem  ersten  punct. 

Was  aber  nuhn,  gnedigster  churfurst  und  her,  den  andern  irri- 
gen punct  anlanget,  ^/ollen  E.  clmrf.  g.  wir  mit  weitleufttigkeit 
nicht  vordrieslich  sein,  sundern  uns  derselben  mit  vleis  underthe- 
nigst mesigen,  und  ist  demenach  einmahl  an  deme,  das  uns  die  hern 
burgermeister  in  Vorlesung  der  hendel  und  acten,  auch  in  Stellung 
oder  fasung  der  urteil  und  rechtsbelernungen,  nicht  allein  nicht  über- 
tragen, sondern  auch  gar  nichts  helff'en  können,  selten  wir  sie  nuhn 
alle  beide,  wie  bisanhero,  eher  sich  die  furgelauffene  vorenderung 
zugetragen  und  wir  aus  dem  rathstuel  noch  allerlei  vorteil  und  zu- 
genge zugewarten  gehapt,  nachmals  übertragen,  solclis  wolte  jhe, 
unsers  underthenigsten  erachteus,  gar  eine  grose  unbilliche  ungleich- 
eit  sein  und  lasen  uns  demenach  underthenigst  beduncken,  do  wir 
entwar  dem  regirenden  hern  burgermeister  allein  übertrugen,  ader 
aber  sie  beide,  als  nicht  arbeitende  persohnen  einen  teil,  gleich  unserer 
arbeitenden  persohnen  einer,  nach  gelegenheit  itzigen  zustaudes,  par- 
ticipirn  und  nehmen  liesen,  es  solte  solchs  gar  genugk  sein. 

Zuforderst,  weil  sich  nicht  allein  die  hern  burgermeister  und 
der  gantze  rath,   sundcru  auch  der  richter  und  seine  beysitzer,  wie 


Urkimden  etc.  115 

bisauhero,  nachmals,  idoch  uff  vorgehende  gebührliche  vorgleichuug 
(wie  droben  auch  underthenigst  gemeldt)  ihres  gefallens  raths  bey 
uns  zuerholen  haben  wurden,  do  sie  doch  ane  das  andere  leute,  die 
sich  darzu  gebrauchen  lasen  möchten,  mit  auö'wendung  groser  und 
ansehenlicher  summen  wurden  vermugen  und  bestellen  musen,  das 
sie  demeuach  auch  disfals  gar  einen  grosen  ausehelichen  vorteil 
haben  wurden. 

Welchem  allem  nach,  guedigster  churfurst  und  her,  gelauget 
an  E.  churf.  g.  nachmals  unsere  underthenigste  bit,  E.  churf.  g. 
wolten  unser  guedigster  churfurst  und  her  sein  und  bleiben  und  den 
heru  burgermeistern  oder  dem  rath  alhier  nicht  gestatten,  uns  zu 
haltung  der  gericht,  dero  wir  diu'ch  beschehne  absunderung  vom 
rathstande  (dorait  wir  dan,  wie  obgemelt,  in  aller  undertheuigkeit 
gar  wol  zufriede)  unbillicher  und  schimpfflicher  weis  nicht  zudrin- 
gen, sondern  luis  uusers  ampts  im  schöppenstuel,  mit  Vorlesung  der 
heudel  und  acten,  auch  mit  Stellung  der  urteil  und  rechtsbeleruungeu 
(denen  wir  dan  gebuhrlichs  vleis  beizuwohnen  und  obzuligeu  under- 
thenigst erböttigk)  warten  lasen,  sich  auch  ihrem,  aus  eigenem  be- 
wegnus  besehenen  erbieten  nach  mit  uns  uif  biliche  mittel  und  wege 
förderlich  vorgleichen,  domit  also  die  gerichts  und  andere  heudel  in 
der  schöppenstube  desto  schleuniger  gefördert  und  durch  der  hern 
burgermeister  vorsetziglichen  auffziigk,  dero  von  ihnen  selbst  ange- 
botenen gutlichen  vorgleichuug,  in  besch wehrliche  und  nachteilige 
vorschleitfung  nicht  gerathen  nmgen.  Solchs  gereicht  E.  churf.  g. 
zu  sunderlichem  grossen  ruhmb  und  ehren,  auch  zu  billiger  befor- 
deruug  des  rechtens  und  der  gerechtigkeit,  so  seint  es  hiruber  umb 
E.  churf.  g.  auch  wir  höchstes  vermugens  in  aller  undertheuigkeit 
zuvordienen  iderzeit  erböttigk  und  gantzwilligk.  Datum  Montags 
nach  Misericordias  domini  den  26.  Aprilis,  anno  etc.  vieruudsiebenzigk. 

E.  churf.  g.  underthenigste  gehorsame 

Verordente  doctores  und  rechtsversteudige 
des  schöppenstuels  zw  Leiptzigk. 

No.  i.    1574  April  29. 

Dieselben  an  die  geheimen  Hofräthe. 
Original  mit  vier  Siegeln,  ebenda  fol.  103. 

Unsere  gantzwillige  dienste  mit  sunderm  vleis  zuvorn.  Edle, 
gestrenge,  ehrnvheste  und  hochgelarte,  insuudern  gunstige  liebe 
hern,  förderer,  schwegere  und  gevatter.  Euer  gunsten  werden  sunder 
zvveiöel  erfahren  haben,  das  wir  mit  den  hern  burgermeistern  alhier 
zweier  punct  halben  (nemblich,  das  sie  in  uns  zudringen  sich  under- 
stehen,  das  wir  ihre  gerichte  nachmals  wie  zuvorn,  do  wir  dem 
rathstuel  nach^")  verwant  gewesen,  uiigeacht,  das  Avir  von  solchem 
rathstuel  und  also  auch  in  necc^ssai'iam  consequentiam  von  den  ge- 
richten,  als  die  dem  i'athstuel  necessario  anhengigk,  nuhinei'  abge- 
sundei't,  hegen  und  bestellen  helfl'en  sollen,  und  das  sie  das  ein- 
kommeu  des  schöppenstuels,  ob  sie  wol  darzu  wider  i'')  heller  noch 
pfennigk  vordienen  ader  erwerben  können,  nichts  destoweniger  neben 
uns  nachmals  volkomlidi  zu  participiren  gedencken)  jungstvorschiuer 
weil  in  ii'rung  geratheu. 


^•y  noch. 
^''j  iveder. 


8^ 


11^  Theodor  Distel: 

Weil  dan  dem  chiirfui-sten  zu  Sachsen  etc.  und  Inirggraffen  zu 
Magdeburgk,  unserm  gnedigsten  lierrn,  wir  des  handeis  in  zwoen 
supplicationchrifften  ^'')  nach  aller  notdurfft  in  underth[enigkeit] 
grundtlich  berichtet,  als  thuen  wir  [E.  g.]  cope[ien]  derselben  zur 
nachrichtung  h[iermit  ujberschicken,  vleisigk  und  gantz  f[reundtlich 
bittenjd,  dieselbe  weiten  propter  publ[icani]  utilitatem  et  comnmnia 
studia  unbeschwerhrt  sein,  diesen  handel  hochgedachtem  churfursten 
zu  Sachsen  etc.  und  biirggraifen  zu  Magdeburgk,  unserm  gnedigsten 
hern,  zu  erster  gelegeuheit  mit  vleis  furzutragen,  auch  ferner  die 
gunstige  fiu'wendung  zu  thuen,  damit  unserm  underthenigsten  recht- 
mesigen  und  billichem  suchen  gnedigst  Stadt  gegeben,  dogegen  aber 
den  hern  burgermeistern  ader  dem  rath,  uns  und  andere  gelerte 
(darzu  sie  es  als  laicae  personae  zu  brengen  mit  sunderm  vleis  sich 
understehen)  gar  zu  underdrucken  nicht  gestattet  ader  nachgehangen 
werde.  Solchs  seint  umb  E.  g.  wir  höchstes  vleises  hinwider  nach 
muglichkeit  zuvordienen  jederzeit  erböttigk  und  gantz  willigk. 
Datum  den  29.  Aprilis  anno  etc.  vierundsiebenzigk. 

E.  g. 

willige 
Vorord[ente]  doctores  [und  rjechtsge- 
larte  des  [schöppeujstuels  zw  Leipzigk. 


II.    Schriften  der  Parteien  untereinander. 

No.  5.     [1574]. 

Die  Juristen  an  die  Bürgermeister. 

Orig.  ebenda  fol.   77.     Von  Rauscher  mit  A  signiert,   daher  wohl 

älter  als  die  folgenden  mit  B,  C  etc.  signierten. 

Ernvheste  und  hochweise  gunstige  hern.  Nachdem  Euer  hochw. 
nechstvorschiener  zeit,  als  sie  bei  mir,  doctor  Leonart  Badehorn,  ge- 
wesen, gesucht  und  gebeten,  das  ich  mich  wegen  der  vorgefallenen 
vorenderuug  des  raths  von  E.  hochw.  nicht  sondern,  auch  die  andern 
verordente  hern  des  schöppenstuels  dahin  anhalten  und  vermahnen 
wolte,  das  sie  gleicher  gestalt  auch  tliun  möcliten,  als  habe  ich  ge- 
melte  hern  zu  mir  erfordert  und  ihnen  solches  mit  allem  vleis  vor- 
gehalten, welche  sich  beneben  mir  volgender  antwort  vorglichen,  das 
wir  uns  vor  unsere  persohn  nicht  zuberichten,  das  wir  jhemals  Ur- 
sachen zu  einiger  sonderung,  Zerrüttung  oder  trennuug  gegeben, 
seint  auch  daselbige  zuthun  nachmals  nicht  bedacht,  sondern  viel- 
mehr dahin  gemeint,  wie  das  schöne  cleinodt  des  schöppenstuels, 
soviel  muglich,  bei  dem  rath  möchte  bleiben  und  erhalten  werden, 
idoch  stellen  wir  in  keinen  zweiff'el,  weil  wii'  nuhnier  von  dem  rath 
und  gerichten  der  besoldung  und  emolumente}i  halben  gesondert,  und 
die  arbeit  im  schöppenstuel  sehr  schwehr  ist,  darautt'  nicht  allein 
die  frue  stunden,  sondern  fast  die  gantze  zeit  mit  lesung  und  refe- 
rirung  der  acten,  urteilfasen  und  studiren  mus  angewendet  werden. 
E.  hochw.  wei'den  ihrem  erbieten  nach  uff  leidliche  mittel  und  wege, 
wie  es  forthin  in  dem  schöppi'nstuel  allenthall>en  gehalten  wei'den 
solle,    gedencken  und  uns   dieselben   foiderlich   zuerkennen   geben, 


^ä)  vergl.   Nr.   1  und  3.    Nr.  1   hat    sich   als  Abschrift  nicht 
vorgeftmden. 


Urkunden  etc.  117 

flomit  man  desto  eher  zu  einer  hilliclien  voioknchung-  kommen  und 
allerlei  vmrichtigkeit  in  zeiten  vorluitet  werden  mugen,  welches  e. 
hoehw.  wir  in  autwoi't  nicht  verhalten  sollen,  und  seint  e.  hochw.  zu 
dienen  willigk.         Leonhart  Badehorn.  D. 

Jacobus  Thömingk.  D.  und  Ordinarius,  sscrips. 

Balthasar  Schelhammer.  Do.  in.  p. 

Hartman  Pistoris  zu  Seusselitz  m.  p. 

No.  6.     [1574]. 

Die  Bürgermeister  an  die  Juristen. 
Konzept  (von  Uauschers  Hand^'^)  ebenda  fol.  78. 

Hochgelarte  grosachtpare  besonder  gunstige  liebe  herren,  schwe- 
ger  unndtt  gute  freunde.  Was  wir  für  diesem,  treuer  undtt  guter 
wolmeinung,  bei  E.  g.  eins  teils,  das  der  radtt  unndtt  die  herren 
scheppen,  wie  bisanher  gescheen,  inn  freundlichem  gutem  willen, 
beisammen  pleiben  imnd  eins  dem  andern  die  band  reichen  unnd 
übereinander  halten  muchten,  gesuchtt  haben,  dessen  wissen  Avir  unnss 
wol  zu  erindern. 

Welcbs  dann  nichtt  one  sonderliche  bedenken  unnd  furnemlich 
derwegen  gescheen,  domith  inn  vorpleibung  der  freundlichen  vor- 
gleichung  der  hohen  obrigkeitt  zu  anderem  einsehen  nichtt  ursach 
gegeben,  der  radtt  auch  seine  gerechtigkeitt  erhalten  muchte. 

Und  haben  derwegen  aus  dem  schreiben-*^),  so  ir  an  unns  gethan, 
gerne  vor[nJomen,  das  die  herren  semptlich  der  meinung  seindtt,  das 
sie  sich  vonn  dem  radtt  unnd  den  gerichten  nicht  sondern  wollen, 
nemen  solch  E.  g.  erbieten  vonn  radtts  wegen  zu  freundlichem  dank 
unnd  gefallen  an,  unnd  wollen  unnss  solchem  zu  folge  genzlichen 
vorsehen,  E.  g.  werden  sich  kegen  dem  radtt  unnd  den  gerichten, 
inmassen  bisher  gescheen,  mith"  beistand  unnd  derselben  redlichen 
bedenken  gutwillig  erzeigen. 

Darkegen  wirdtt  denn  herren  scheppen,  was  ihnen  von  radtts 
unndtt  gerichtswegen  hiebevorn  allemal  gereichtt  worden  ist,  billich 
unvormindertt  gefolgett. 

Unnd  demnach  des  adiuucti  stelle  nunmer  auch  widerumb  er- 
seztt  unnd  der  sclieppenstul  gott  lob  mith  furnhemen.  erfarenen 
unndtt  gelerten  leuten  zur  noturflt  vorsehen,  so  stellen  wir  in  keinen 
zweiifel,  do  allerseits  geburender  fleis  angewant  wirdtt,  es  werden 
die  Sachen  zu  sonderlichem  rhum  des  schoppenstuls  und  zu  erhaltung 
dieses  kleinots,  dafür  es  bei  dieser  stadtt  billich  geachtt  wirdtt,  der- 
massen  gefordertt  werden,  das  sich  mit  billigkeitt  nimand  darüber 
zu  beschweren,  doran  wir  unsers  teils,  so  vil  freundschafftt,  einigkeit 
und  guten  willen  zu  erhajlten  und  was  sonsten  zu  uftnemung  des 
scheppenstuls  dinstlich  lind  unss  zu  thun  geburt,  nix  wollen  erwinden 
lassen  unnd  seinnd  E.  g.  froundwillige  dinste  zu  bezeigen  iderzeitt 
erbutig. 

No.  7.     1574  April  5. 

Die  Juristen  an  die  Bürgermeister. 

Original  ebenda  fol.  74. 

Ernvheste  und  hochweise  gunstige  liebe  hern  burgermcistere, 
schwegei-e   und  gevattern.     Auff  der  hern  heutiges  tags  ubergebene 


19)  Alle  Schriftstücke  Bauschers  sind  sehr  flüchtig  und  stellen- 
tveise  schwer  leserlich  geschrieben. 

20)  Vcrgl.  No.  5. 


118  Theodor  Distel: 

schriefft"^)  forderlich  und  kurtzlich  zu  antworten,  wissen  wir  uns 
nicht  zuentsinnen,  als  sollten  wir  uns  in  unserm  vorigen  schrei))en, 
inmassen  dasselbst  von  den  hern  assumii't,  dohin  ercleret  haben,  das 
wir  uns  von  den  gerichten  nicht  sollten  sondern  wollen,  thuen  uns 
auch  nachmals  und  zum  uherfluss  hirmit  aussdrucklich  ercleren ,  das 
wir  berurt  unser  schreyl)en  dohin  nicht  geraeint  noch  verstanden 
haben  wollen,  in  sunderlicher  betrachtung,  das  wir  durch  beschehene 
absonderung  des  rathstuhls  auch  von  den  gerichten,  als  die  demselben 
auhengigk,  albereit  abgesondert  sein  und  demenach  bei  uns  nicht 
stehet,  ob  wir  uns  von  den  gerichten  itzo  allererst  absondern  wollen 
oder  nicht.  Und  wolte  uns  sehr  vorkehrlich,  vorweisslich  und  zu 
einer  gar  grossen  vormessenheit  gedeutet  werden,  wan  wir-,  als  nuh- 
mehr  vom  rath  und  also  auch  in  consequentiam  von  den  gerichten 
(als  die  dem  rathstande  anhengigk)  albereit  abgesonderte  persohnen, 
zu  denselben  widerumb  gebrauchen  lassen  solten,  zugeschweigen,  das 
es  uns  auch  sunst  aus  vielerlei  andern  sehr  bedencklichen  und  hoch- 
bewegenden Ursachen  keines  wegs  thuelich  sein  wil. 

Do  nuhu  den  hern  gelegen,  uns  auff  obgeraeltes  schreyben  und 
uff  diesse  unsere  dorauff  ervolgte  erclerung  billiche,  leidliche  und 
solche  wege,  domit  wir  friedlich  sein  können  und  mugen.  ihrem  ge- 
thanen  erbieten  nach  furzuschlahen ,  wollen  wir  derselben  gern  ge- 
wertigk  sein. 

lind  ob  wol  nicht  on,  das  der  ruhmb  des  schöppenstuels  nicht 
unbillich  hoch  zuachten,  so  ist  dennoch  doneben  auch  wol  zubedencken, 
das  solchen  schöppenstuel  niemandes  anders,  dan  eben  gelarte  und 
der  rechte  erfahrne  leute  in  auifiiehmen,  ruhmb,  ansehen  und  gleich 
in  itzigen  stand  gebracht  und  erhoben,  dorinnen  er  dan  nechst  gott 
dem  almechtigen  durch  unsere  tegliche  grosse  schwere  muhe,  vleiss 
und  unaufhörliche  arbeit  (ungeacht  das  wii-  eins  teils  nicht  laut  dar- 
von  schreien,  gleichwol  aber  alle  feuste  vol  und  viel  mehr,  als  avo[1] 
etliche  meinen ,  glauben  oder  auch  erkennen  mugen ,  mit  schöppen- 
hendeln  zuthuen  haben  mit  vorseumung  anderer  vieler  nutzbarlichen 
hendel,  auch  mit  merglicher  schwe[chjung  gesimdes  leibes  und  lebens) 
nachmals  löblich  wirdt  erhalten,  welchs  dan  die  hern  vcrnunfftiglich 
zubedencken  und  die  Sachen  dahin  zurichten  werden  wiss[enj,  domit 
billiche  gleicheit  und  ergetzung  verfuget  und  angeordenet  werden 
möge. 

Sunderlich  aber  wolte  in  allewege  vonnöten  sein,  das  eigentlich 
und  stuckweiss  specificiret  werden  möchte,  uff  was  mittel  und  wege 
die  hern  sich  mit  uns  zuvergleichen  willens. 

Und  stellen  in  keinen  zweiffei,  ein  ider  werde  sich  seines  ampts 
und  gebuhi'enden  vleisses  zuerinnern  wissen,  ader  aber  in  mangel 
dess  ihme  nicht  zuentgegen  sein  lassen,  das  man  ihnen  deselben 
erinnere. 

Welchs  wir  den  hern  (denen  wir  hinwider  freundtliche  dienste 
zubezeigen  iderzeit  erbüttigk  und  gantz  willigk)  zu  forderlicher  ant- 
wort  nicht  vorhalten  wollen.  Datum  den  funfften  Aprilis  anno  etc. 
vier  und  siebenzigk. 

Leonhart  Badehorn.  D. 

.Tacohus  Thömingk.  D.  und  Ordinarius,  sscrips. 
Balthasar  Schelhammer.    Do.  m.  p. 
Hartman  Pistoris  zu  Seusselitz  m.  p. 


21 


)   Vergl.  No.  6. 


Urkunden  etc.  119 

No.  8.     1574.     April  H. 

Die  Bürgermeister  an  die  Juristen^^). 
Konzept  (von  Rauschers  Hand)  ebenda  fol.  72. 

Hochgelarte  gros  achtpare  besonder  gunstige  lierreu,  schwegere 
und  gi;te  freunde. 

Aus  E.  g.  nnnss  zugestelten  erklerung  befinden  wir,  das  durch 
die  wexelsehi'ifften .  so  der  gestalt  wie  angefangen  daniitli  solte  vor- 
faren  werden,  die  furstehende  vorgleichung  mer  zu  weitleuffigkeitt, 
dazu  wir  unsers  teils  nichtt  gerne  ursach  geben  weiten,  dan  zu 
freundlicher  Voreinigung,  gereichen  kunte. 

Unnd  weil  l)ei  unns,  wie  gerne  wir  es  auch  anders  gesehen, 
nichtt  gestanden  ist,  die  vorenderung,  welclie  der  chuifurst  zu  Sachsen 
etc.  unser  genedigster  herr,  im  radtt  furgenomen  hatt  zu  hinderzihen. 
unss  aber  unnss  [sie!],  ungeachtt  derselben,  einem  eiliarn  radtt  an 
seiner  habenden  gerechtikeiten ,  wie  die  herren  als  die  hochvorsten- 
digen  zu  erachten ,  ichtes  zu  begeben  mith  nichten  geburen  Avill, 
so  werden  unnss  die  herrenn  ni('ht  vorJenkeun,  das  wir  diese  ding, 
mith  gutem  radtt  bedachtt  unnd  bequemer  gelegenheitt,  ferner  zu- 
gelangen unnd  unnss  geburlichs  bescheidtts  zu  erholen  nichtt 
umbgehen  kunnen. 

Unnd  sind  sonsten  E.  g.  freundliche  unnd  angenelime  dinste  zu 
bezeigen  willig.     Datum  Leipzigk  den  6ten  Aprilis  anno  74. 

Hieronynius  Lotter  der  elter. 
Hm.  Rauscher. 


No.  9.    [1574]. 

Instruktion  für  eine  Meldung  der  Bürgermeister  an  die  Juristen. 
Ko}izept  (von  Rauschers  Hand)  ebenda  fol.  69. 

Die  lieide  herren  borgermeister  lissen  den  vorordenten  Jierren 
doctoribus  des  scheppenstnls  iren  freundlichen  grus  sagen  und  dar- 
neben vormelden,  das  ihnen  der  richter  eine  protestation  schritft, 
welche  sie  vorgangenen  sonnabents  neben  vier  urteln  übergeben,  zu- 
gestelt  hette,  daraus  sie  vernoraen,  das  die  herren  doctores  ursacli 
suchen,  dem  richter  uff  sein  liegeren  ir  rechtlich  l)edenken  zuwider 
vorigen  brauch  zu  eroffenen,  und  sonderlich  derhalben  das  gedachte 
borgermeister  mith  der  vorgleichung,  dazu  sie  sich  bisher  erbotten, 
auffzihen,  ihnen  aber  nicht  gelegen  sein  weit  sich  also  die  lenge 
uffhalten  zu  lassen  in  diser  ungewisheit  zu  haften  und  gleichwol 
teglich  mith  allerlei  radtts,  gerichts  und  schepptn  hendeln  bemuhet 
zu  werden  etc.,  mith  diser  ausdruklichen  erklerung,  das  sie  sich  hir- 
durch  den  gericliten,  davon  sie  einmal  gesondert,  niclit  anhengig 
machen,  sondern  nochmals  der  gutlichen  vorgleichung,  dazu  sich  die 
herrn  borgermeister  sollen  erltotten  haben,  zum  furderlichsten  ge- 
wertig  sein  wollen. 

Wann  sich  den  die  herrn  doctores  hie  l)evorn  in  ezlichen 
schreiben  dergleichen  und  sonderlichen  auch  dessen  vornemen  lassen, 
das  es  ihnen  sher  vorkerlich  vorweislich  und  zu  einer  gar  grossen 
vormessenheit  gedeutet  werden  konte,  wan  sie  sich,  als  nun  mer  vom 


22)  Auf  der  Rückseite  hat  Rauscher  bemerkt,  dass  der  frag- 
liche „Bescheid"  auf  der  Bürgermeister  Befehl  durch  den  Stadt- 
schreiber an  Schclhammer  und,  Pistoris  zur  Meldung  an  die  beideti 
anderen  Doktoren  gegeben  worden  sei, 


]^20  Theodor  Distel: 

raflt  und  auch  also  in  consequentiam  von  den  gerichten  als  die  den 
radtstand  anh engig-  alhreid  aligesonnderte  personen  weren,  zu  den 
gerichten  solten  gehrauchen  lassen  und  aus  iztgemelter  protestatio 
und  weiteren  schreiben  so  viel  zu  befinden,  das  sie  gerne  die  herrn 
l)orgermeister  ires  gefallens  zwingen  wollen,  sich  mith  ihnen  in  ver- 
gleichung  einzulassen. 

Das  sich  gleichwol  die  herrn  borgermeister  als  die  so  wol  als 
die  herrn  doctores  zum  scheppenstul  geschworen  seindt  und  ires  teils 
zu  einigem  misvorstand  oder  nachteiligen  vorenderuug  nicht  gerne 
lu'sach  geben  wolten,   gar  nicht  vorsehen,  wissen  sich  auch  keiner 
vorgleichung,    dazu    sie    sich    erbotten  solten   haben,    zu    erindern, 
ausserhalb   dessen  das  sie   sich  jungst  in  irer  schrifftlichen  antwort 
dohin  erklert,  wofern  die  herrn  doctores    in  massen  bisher  gescheen 
sich    kegen   rad   und   den   gerichten    mith   beistand   und   derselben 
redlichem  bedenken  gutwillig  erzeigen  wurden,   das  darkegen,    was 
ihnen    von    radtts    und    gerichts   wegen    hiebevor   allemal   gereicht 
worden   ist,    auch    nochmals    unvermindert    solte    gefolget   werden. 
Des   erbietens  mann  dan  auch  noch  ist  und  weil  das  scheppenampt 
dem    borgermeisterampt    nicht    allein    über    verwerte  zeit,    sondern 
weit  über  100  jare    einverleibt   und   incorporirt   gewesen,    also   wer 
zu    einem   borgermeister   erwhelett,    das    derselbe    das    ampt   eines 
scheppen  mith  bekompt,   wie  dan  die  herrn   scheppen   solchs  für  20 
jaren  dem  churfursten  zu  Sachsen  unsern  gnedigsten  herrn  nach  ab- 
sterben des  herrn  doctor  Scheffels  seligen  s.  eh.  f.  g.  seine  stell  mith 
einer  andern  dergleichen  person  zu  erseczen  bevholen   domith  end- 
schuldigen,  das  sie  ehe  dan  ein  ander  borgermeister  an  seine  stad 
erwhelet  wurde  dazu  nicht  komen  konten,  dessen  concept'-^)  unter  des 
herrn  doctor   Fachsen    seligen   band   noch  vorhanden,    und  der   herr 
doctor   bei  und  über   das    zu   Ijeforderung   der   scheppen  hendel  die 
beide   herrn  borgermeistern  aus  gutwillikeit  und  keinen  pflichten  nu 
ezliche  jar  einen  adjunctum,  der  ja  so  vil  arbeit  als  der  herrn  doctor 
einer  gethan  gehalten,  dem  sie  jerlichen   von   irem  gebureiiden  teil 
200  taler   gegeben,   welchs   vorhin   ander   borgermeister,  die    nicht 
doctores  gewesen,   ausserhalb  Volkomers  nie  gethan,   so  heften  sie 
sich  genzlichen  vorsehen  ,   es   solten  die   herrn  doctores   solche    ire 
gutwillikeit  zu  freundlichem  gefallen  angenomen  haben,  sonderlichen 
weil  dem  jezigen  adiuncto  nicht  mer  dan  100  taler  jerlichen  gegeben 
wirdtt   und   die    herrn   borgermeister,  wo   fern  die   herrn   doctores 
keine  neuerung  einfureten,   zufriden  sein  kunten,  das  entweder  von 
den  uberigen  100  talern  noch  ein  adiunctus  gehalten,  oder  dieselben 
sonsten  den  herrn  doctoribus  zu  gut  gehen  solten,  und  wüsten  nicht, 
mith  was  fug  oder  billikeit  die  heren  doctores  etwas  weiter  von  den 
hern  borgermeisteru  begeren  solten. 

Weil  man  sich  auch  ei-botten  hatt  den  herren_  scheppen  von 
radtts  und  gerichts  wegen  alles  dasjenige,  so  sie  bisanher  gehabt 
und  ul)er  den  radtt  gangen  ist,  folgen  zu  lassen,  will  man  sich  auch 
nicht  vorsehen  das  sie  durch  die  erlassung  des  radstuls,  dessen  _  sie 
vom  churfursten  zu  Sachsen  etc.  unsern  genedigsten  herrn  und  nicht 
dem  radtt  endsezt  sein,  ursach  suchen  werden,  dem  radtt  und  den 
gerichten,  in  rechtsacben,  so  furlaufen  muchten,  ir  redlich  bedenken 
inmassen  es  vil  und  lange  jare  also  von  iren  vorfaren  und  ihnen  ge- 
halten  ist   worden,   mithzut eilen ,  noch  sich  als   scheppen   von    den 


23)  Abschrift  (von  Ludwig  Truebs  Hand?)  i»i  H.-St.-A.:  Loc. 
10048  BedenUn  1574  Bl.  195. 


Urkunden  etc.  121 

gerichteii  abzusondern ,  domith  es  bei  liochgedacbtem  churfuistrii 
nicht  das  ansehen  haben  muge,  das  es  mer  s.  eh.  f.  g.  dan  dem  radtt, 
bei  welchem  es  nicht  gestanden  ist  diese  ding  zu  endern,  zu  truz 
geschee. 

Unnd  weil  ein  erbain  radtt  in  die  alisoiiderung  der  herrn  doc- 
toren  aus  den  gerichten  nicht  will  geburen  zu  willigen,  sich  auch 
der  confirmation  der  scheppen  keines  weges  ane  genedigsten  vor- 
wissen hochgedachtes  churfursten  ires  gnedigsten  herrn  zu  begeben, 
bedacht,  so  will  mann  bei  den  herrn  doctoribus  nochmals  freundlich 
gesucht  haben,  sie  wollen  zu  vorhutung  allerlei  weitleuft'tikeit,  die 
besorglich  aus  irer  voi-weigerung  erfolgen  muchte,  mit  dem  radtt  und 
den  gerichten  in  eintrechtigem  vorstand  wie  bisher  gesehen  pleil)en, 
domith  in  Verweigerung  dessen  der  rad  solchs  an  die  hohe  ol)rigkeit 
nicht  durfte  gelangen  lassen,  zuvorsichtig  s.  eh.  f.  g.  werden  dem 
radtt  bei  irer  lang  hergebrachten  gerechtikeit  genedigst  zu  schuezen 
wissen. 

Hierauff  der  herrn  doctoren  unvorzugliche  antAvort,  weil  es  dem 
radtt  ja  so  wenig  als  ihnen  gelegen,  lenger  in  der  ungewisheit  zu 
stehen,  eine  fernere  disputatio,  dorein  sich  die  herrn  horgermeister 
mith  ihnen  einzulassen  nicht  bedacht,  erwartende. 

No.  10.     [17.5-1]. 

Die  Juristen  an  die  Bürgermeister-^). 
Original  ebenda  fol.  59. 

Die  verordente  hern  doctores  und  rechtsgelarten  des  schöppen- 
stuels  betten  lengst  gern  gesehen,  das  sie  "mit  den  hern  bürger- 
meisteru  fördei-lich  verglichen  Averden  mügen,  wie  sie  dan  vor  ihre 
persohnen  an  ihnen  disfals  gantz  und  gar  nichts  erwinden  lassen, 
dan  über  das,  das  sie  mit  Übergebung  ihrer  Schriften  nicht  geseu- 
met,  so  haben  sie  auch  eben  aus  disser  ursach,  damit  solche  ver- 
gleichung  desto  eher  ervolgen  möchte,  vor  gutt  angesehen,  die 
wöchentliche    teylung  biss  nach  ervolgter  vorgleichung  einzustellen. 

Weil  dan  uuhn  vor  wenigk  tagen  von  den  beiden  hern  burger- 
meistern  ihnen  abermals  eine  schrift  zukommen,  dorauft"  sie  sich  mit 
antwort  alsbalt  vornehmen  zulassen  durch  denen  damals  gleich  mit 
eingefallenen  margkt  und  durch  mannichfaltige  in  demselben  fur- 
gefallene  vorhinderungen,  wider  ihren  willen,  abgehalten  worden, 
als  thuen  sie  sich  nuhmer,  so  baldt  sie  nuhr  ein  wenigk  zeit  und 
Aveil  bekommen,  dorauft'  volgendergestalt  ercleren. 

Und  anfenglich  thuen  sie  aurt'  ihrer  hiebevor  gethaner  erclerung, 
das  sie  sich  den  gerichten,  derer  sie  durch  ervolgte  sunderung  des 
rathstandes,  in  necessariam  consequentiam,  einmahl  erlassen,  widerumb 
nicht  zugethan  noch  pflichtbar  machen  lassen  können,  aus  Ursachen, 
so  in  solcher  ihrer  erclerung  nach  der  lenge  gemeldet,  und  dan  auch 
auff  il)rer  jungst  iibei'gebenen  protestationschrift ,  gelipter  kurtz 
halben,  nachmals  vehstiglich  verharren  und  beruhen,  und  dan  daneben 
auch  utts  neue  protestirn,   das   sie  den  hern  burgermeistern,    durcli 

2*j  Lauscher  bezeichnet  das  Schreiben  als  der  Doktoren  letzte 
Antivort.  Dasselbe  ist  von  des  schon  lange  und  noch  viele  Jahre 
später  in  Bathssachen  thätig  gewesenen  Schöppenschreibcrs  Mag. 
Ludivig  Truebs  Hand,  ivie  auch  die  früher  mitgcf heilte  alte  Schöppen- 
ordnung  und  die  vorstehenden  Schreiben  unter  i,  5,  4,  5  und  7, 
geschrieben. 


122  Theodor  Distel: 

die  jungst  angemaste  teylung,  gantz  und  gar  nichts,  so  itztgemelteu 
hern  burgenneisteni  zu  vorteil,  und  ihnen  den  hern  doctorn  und 
rechtsgel arten  zu  nachteil  ader  beschwehrung  eingerlei  weiss  ge- 
reichen könte  ader  möchte,  gestattet  oder  eingereumpt,  auch  uff  den 
fall,  do  man  sich  hinfort  dergleichen  teylungen  understehen  wui'de, 
toties  quoties,  in  futurum  dowider  zierlich  imd  öffentlich  hiermit 
wollen  protestirt  und  bedinget  haben. 

Es  feldt  aber  den  hern  verordenten  doctoribus  und  rechtsgelarten 
des  schöppenstuels  (welche  dan  vor  ihre  persohnen,  zu  einigem  raiss- 
verstande  oder  nachteiliger  vorenderung  des  schöppenstuels  jha  so 
ungern,  als  die  hern  burgermeister,  ursach  geben  wolten)  etwas 
befrembdlich  für.  das  die  hern  burgermeister  sich  der  angebotenen 
vorgleichung  nicht  zuerinnern  wissen  wollen;  do  sie  doch  anfenglich 
aus  eigenen  bewegnus,  und  vor  sich  selbst  zum  hern  seniorn,  doctor 
Leonart  Badehoru,  in  seine  behaussung  gekommen  und  mit  ihme 
doraus  geredt,  welcher  es  an  die  hern  ferner  gelangen  lassen.  Und 
wiewol  man  sich  ihres  hernach  beschehnen  schriftlichen  furschlags 
wol  zuerinnern  weiss,  so  werden  sich  dennoch  die  hern  burgermeister 
hinwider  auch  zuberichten  wissen,  das  die  verordente  hern  doctores 
\ind  rechtgelarte  des  schöppenstuels  sich  alsbaldt  dorauff  aussdruck- 
lich  vornehmen  lassen,  das  sie  sich  zu  bestellung  der  gericht  hinfort 
nicht  mehr  gebrauchen  und  also  uff  solchen  der  hern  burgermeistern 
gethanen  furschlag  nicht  einlassen  könten  (wie  sie  dan  auch  nach- 
mals aus  vielen  rechtmessigen  hochbedencklichen  und  notwendigen 
Ursachen  nicht  thuen  köimen)  mit  dissem  anhang,  do  die  hern 
Irargermeister  sich  sunst  in  andere  wege  mit  ihnen  dergestalt  zu- 
vorgleichen bedacht,  das  sie  in  dem  schöppenstuel  nachmals,  wie 
bissanhero  geschehen,  beysammen  bleiben  möchten,  waren  sie  doraufit 
solcher  vorgleichung  gewertigk,  dohin  sie  sich  dan  nachmals  hiermit 
thuen  ercleren.  Aus  was  Ursachen  aber  solche  vorgleichung  domals 
nicht  vor  die  handt  genommen  worden,  sundern  bissanhero  ersitzen 
blieben,  wissen  sich  die  hern  burgermeister,  one  einige  erinnerung, 
am  besten  ziiberichten. 

Es  halten  es  aber  die  hern  doctores  und  rechtsgelarte  gentzlich 
darfur,  das  wol  mittel  und  wege  könten  getroffen  werden,  domit  alle 
hendel  tarn  voluntariae  quam  contentiosae  jurisdictionis,  nachmals 
wie  bissanhero  in  der  schöppenstube  bleiben  und  durch  die  hern 
doctores  und  rechtsgelerte,  nachmals  wie  zuvorn,  vorrichtett  werden, 
und  also  gar  keine  schedliche  vorenderung  ader  Zerrüttung  des 
schöppenstuels  ervolgen  möchte,  wan  man  sich  recht,  schiedtlich, 
und  freundtlich  in  den  handel  schicken  wolte. 

Das  aber  das  schöppenarapt  dem  burgermeisterampt  nicht 
allein  über  vorwehrte  zeit,  sundern  auch  von  anfangk  des  schöppen- 
stuls,  und  weit  über  hundert  jhar,  einvorleibt  oder  incorporirt  sein 
solte,  solchs  können  die  hern  doctores  und  rechtsgelerten  den  hern 
burgermeistern  nicht  einreumen,  sinthemahl  sie  diesse  gewisse  un- 
zweiffeliche  nachrichtung  haben,  das  alle  und  ide  schöppen,  so  offt 
sieh  eine  schöppenstelle  vorlediget,  aus  den  dreien  rethen,  gekorn 
und  erwehlt  werden  sollen  und  müssen. 

Das  aber  nuhv.  etliche  jharlang  die  hern  burgermeister  darzu 
gekorn  und  erwehlet  worden,  ist  ans  der  ursach  geschehen,  das 
gemelte  hern  burgermeister,  dieselbe  zeit  über,  mehrers  teils  doctores 
und  rechtsgelarten,  und  also  auch  one  das  dem  schöppenstuel  _  ver- 
wandt, und  dan  auch  gemeiniglich  zwene  doctores  im  burgermeister- 
ampt gewehsen.    Das  nuhn  dieselben  den  dritten  bm-germeister,  so 


Urkunden  etc.  123 

keyn  rechtsgelarter  gewesen,  aus  Gutwilligkeit  übertragen,  rlorans 
kau  oder  magk  keine  gerechtigkeit  gemacht  noch  erzwungen  werden, 
zugeschweigen,  das  auch  vor  zeiten  eine  solche  grosse  stets  weh- 
rende muhe  und  arbeit,  wie  itzo,  in  der  schöppenstube  nicht  gewesen, 
das  man  also  zu  solchem  übertragen  tertii  consulis  laici  damals  auch 
desto  besser  und  leichter  kommen  können, 

So  ist  droben  auch  albereit  gemeldt,  das  die  hern  doctores  iind 
rechtsgelarten,  keine  trennung  oder  neuerung  in  dem  schöppenstuel 
suchen,  sundern  vielmfhr  sich  dohin  aussdrucklich  erclereu,  das  sie 
nicht  ungeneigt,  sich  mit  den  hern  Inirger meistern  uff  die  mittel 
und  wege  zuvergleichen,  domit  sie  und  die  hern  burgermeister  nach- 
mals wie  zuvorn  in  der  schöppenstube  beysammen,  jha  auch  die 
schöppenstube  selbst  unil  ihre  hendel  aller  dinge  in  ihrem  alten  und 
vorigen  stände  bleiben  mngen. 

Das  sie  sich  aber  den  gerichten,  derer  sie  einsmals  erlassen, 
Avideruml)  nicht  verwant  machen  lassen  können,  in  deme  suchen  sie 
keyne  trennung  noch  neuerung.  sundern  tliuen  disfals  allein  das- 
jhenige,  was  ihnen  rechtswegen  gebührt. 

Wiewrd  aber  auch  einem  adiuncto  im  cchöppenstuhl  allererst 
vor  wenigk  jharen  wöchentlicli  vier  thnler  gegeljen  worden  (do 
doch  zuvorn  ihrer  wol  drey  ader  vier  adiuncti  nicht  mehr  dan 
j herlieh  nuhr  einhi;ndert  thaler  gehapt),  so  wirdt  dennoch  hinwider 
aucli  nicht  unbillich  liedacht,  das  nuhn  etliche  jharlaugkhero  zwene 
laici  consules  gewesen,  welche  die  hern  doctores  und  recht sgelarte 
(in  ansehung  das  sie  ihnen  in  fassung  der  urteil  und  rechtsbelernungen 
nichts  räthlich  noch  behulfflich  erscheinen  mngen)  mit  ihrer  schwehreu 
grossen  muheseligen,  auch  fort  und  fort  wehrender  arbeit  beide 
übertragen  müssen,  das  also  die  beide  hern  burgermeister  hinwider 
nicht  unbillich  einen  adjunctum  gehalden,  ob  sie  nnhn  gleich  den- 
selben in  disser  geschwinden  teueren  zeit  etwas  mehr,  dan  den 
vorigen  adjunctis,  wie  nicht  unbillich,  gegeben,  so  ist  dennoch  dar- 
durch  den  andern  hern  doctoribus  und  rechtsgelarten  disfals  keine 
neue  gutwilligkeit  widerfahren  noch  einiger  vorteil  geschaft't  worden. 

Ferner  seint  auch  die  sachen  itzo  nicht  mehr  in  vorigem  stände, 
sinthemahl  ihnen  dasjhenige,  was  sie  hiel)evor  vonwegen  des  rath- 
standts  einzukommen  gehapt,  gentzlich  abgangen,  und  dogegen  muhe 
und  arbeit  jhe  lenger  jhe  mehr  und  grösser  wirdt,  nuhn  ist  aber 
eine  gemeine  und  gewisse  rechtslehre:  quod  ea  quae  de  novo  emer- 
gunt,  novo  indigeant  auxilio. 

Ob  auch  gleich  der  itzige  neue  adiunctus  nach  zur  zeit  mit 
hundert  thalern  friedlich,  so  gibt  dennoch  solchs  den  hern  burger- 
meistern  auch  nichts  zuschaffen,  sinthemahl  es  die  hern  doctores 
und  rechtsgelerten  mit  gemeltem  neuen  adjuncto  uff  disse  wege  ge- 
handelt, und  dan  die  ulbrigen  hundert  thaler  ihnen  den  herrn  doc- 
toribus und  rechtsgelarten  auch  aus  der  ursach  l)illich  zu  gute  gehen, 
das  sie  dissen,  so  wol  auch  alle  andere  adjuncten,  so  zuvor  sich 
des  urteilstellens  nicht  geliraudit,  und  in  den  hendeln  ungeübt, 
etliche  zeitlangk  mit  vleiss  abrichten,  aucli  sunst  desto  mehr  muhe 
und  arbeit  seinethalben  hahen,  und  ertragen  müssen,  darzu  abermals 
die  hern  burgermeister  nichts  rathen  nach  helffcn  können. 

Weiter  folget  auch  gar  nicht,  die  hern  burgermeister  haben 
sich  erbotten,  den  hern  doctoribus  und  rechtsgelarten,  von  raths  und 
gerichtswegen ,  alles  dasjhenige,  so  sie  bissanhero  gehapt,  volgen 
zulassen,  ergo  können  die  vonwegen  der  l)eschehnen  erlassung  des 
rathstuels  etc.  sich  nicht  vorweigern,  dem  (rath  und  gerichten  ihr 


124  Theodor  Distel: 

rechtlich  bedeuckeii  mitzuteiln,  nach  sich  von  den  gerichten  absun- 
dern  etc.  Dan  erstlich  seint  die  heru  doctores  dadurch,  das  sie  vom 
rathstande  durch  den  churfursten  zu  Sachssen  etc.  und  burggraffen 
zu  Magdeljurgk ,  unssern  gnedigsten  hern  (der  es  dan  als  der  lands- 
furst  und  hohe  oljrigkeit,  auch  one  einige  des  raths,  als  der  under- 
thanen,  einwilligung,  gar  wol  zuthuen  gehapt).  abgesundert  (welchs 
ihnen  dan  gar  nicht  zuwider),  auch  der  gericht  so  dem  rathstande 
anhengigk,  in  necessariam  consequentiam,  einmahl  gentzlich  erlassen, 
sinthemahl  eine  gemeine  und  gar  gewisse  lahr  ist,  quod  sublato 
principali  necessario  corruat  accessorium,  quippe  quod  per  se  solum 
consistere  nullo  modo  possit.  Wie  dan  ferner  auch  unmuglich,  das 
dasjhenige,  so  einmahl  erloschen,  durch  das  angezogene  blosse  erbiten, 
widerumb  solte  erweckt  werden  mugen,  juxta  illud:  jus  extinctum 
non  reviviscit;  item:  a  privatione  ad  liabitum  non  datur  regressus. 
Da  aber  die  hern  burgermeister  oder  ein  erbar  rath  sich  mit  ihnen 
uff  billiche  leidtliche  wege  vorgleichen  wurden ,  weren  sie  uff  den 
fall  (wie  hiebevor  auch  gemelt)  einem  erbaru  rath  und  den  gerichten 
ihr  räthlich  und  rechtlicli  bedencken  gntwilligk  mitzuteiln,  nachmals 
nicht  ungeneigt. 

Weil  aber  auch  kurtz  znvorn  gesagt,  und  au  ihme  selbst  nicht 
anders  ist,  dan  das  den  hern  doctorn  und  rechtsgelarten  die  beschehne 
absonderung  vom  rathstande  gautz  und  gar  nicht  zuentgegen,  so 
kan  und  magk  es  auch  diss  ansehen  nicht  haben,  als  weiten  sie 
hochgedachten  churfursten  zu  Sachssen  etc.  und  burggraffen  zu 
Magdeburgk  etc.  unserm  gnedigsten  liern,  oder  auch  dem  rath  zu 
trotz  von  den  gerichten  sich  absundern,  zuforderst  weil  sie,  wie 
obgemeldt,  solcher  gericht  hiebevor  alliereit  erlassen. 

Jha,  wan  sich  die  hern  doctores  und  rechtsgelarten ,  widerumb 
zu  bestelhmg  und  Vorsehung  der  gericht,  dero  sie  einmahl  erlassen, 
widerumb  vermugen  und  gebrauchen  Hessen,  uff  den  fall  könte  und 
mochte  es  bej'  hochgemeltem  churfursten  zu  Sachssen  etc.  und  burg- 
grafen  zu  Magdeburgk,  unserm  gnedigsten  hern,  diss  ansehen  nicht 
unbillich  gewinnen,  als  gedechten  sie  sich,  seiner  churf.  g.  einmahl 
beschehener  anordnung  zuentgegen,  dardurch  in  den  rathstandt,  als 
deme  solche  gerichte  anhengigk,  oblique  saltem  widerumb  einzu- 
dringen. Weil  sie  aber  solcher  seiner  churf.  g.  gnedigster  anordnung 
underthenigst  zugeleben  und  zugehorsamen  willens  und  erböthigk, 
so  kan  auch  solcher  angezogener  verdacht  wider  sie  nicht  geschöpfft 
werden. 

Weil  aber  auch  die  hern  burgermeister  und  ein  erbar  rath  viel 
hochgedachtes  churfursten  zu  Sachssen  etc.  unsers  gnedigsten  hern, 
nichts  weniger,  als  die  verordente  hern  doctores  und  rechtsgelarte 
des  schöppenstuels,  underthaneu  seint,  so  ist  vernimffti glich  zu 
erachten,  das  obgemelte  seine  churf.  g.  als  der  hohen  obrigkeit 
disfals  beschehne  gnedigste  anordnung,  auch  one  einige  des  raths 
bewilligung  (als  die  disfals  gar  nicht  vonnöten),  crefftigk  und 
bestendigk,  juxta  illud:  Inferior  non  tollit  legem  superioris,  item: 
Par  in  parem  non  habet  Imperium:  nedum  inferior  vel  subditus  in 
superiorem.  Derwegen  dan  auch  die  angezogene  confirmation  des 
raths  also  crefftigk  nicht  sein  kann,  das  sie  unserer  gnedigsten  hohen 
ordentlichen  obrigkeit  des  churfursten  zu  Sachssen  etc.,  unsers  gne- 
digsten hern,  angeschaffte  Ordnung  solte  hintertreiben  oder  auffheben 
können. 

Das    aber    auch    etwau   die    hern    doctores    und    rechtsgelarte 
hiebevorn   eine   lange  zeit  beim  rath  gestanden,   solches  hat  seine 


Urkunrlen  otc.  125 

ui'sach,  sinthemahl  sie  zur  selben  zeit  dem  rath  auch  verwaut  ge- 
wesen und  ihnen  demnach  aus  erheischung-  ihres  tragenden  rathampts 
nicht  anders  gebühren  wollen.  Disse  meynung  liats  aber  itziger  zeit, 
do  sie  vom  rathstande,  und  also  auch  von  den  geriehten  abgesundert, 
gantz  und  gar  nicht,  und  heist  derwegen  nubnier  also:  Diversa 
ratio  reformat  actum;  item:  Culpa  est  immiscere  se  rei  vel  officio 
ad  se  non  pertinenti. 

Und  wollen  sich  demnach  verordente  hern  doctores  und  rechts- 
gelarteu  des  schöppenstuels ,  gentzlich  vorsehen,  die  hern  burger- 
meister  werden  vielgemelte  vorgleichung  zu  nachteil  des  scliöppen- 
stuels  und  demselben  anhengiger  hendel  lenger  nicht  auffhalten 
nach  vorschleiffeu,  und  dan  auch  die  verordente  hern  doctorn  und 
rechtsgelarte  berurtes  schöppenstuels,  aus  oberzalten  und  andern 
hiel)evor  deducirten  bestendigen  rechtmessigeu  hochbedencklichen 
Ursachen,  freundlich  entschuldiget  nehmen,  das  sie  sich  zu  den 
geriehten,  dero  sie  einsmals  erlassen,  zu  ihrem  selbst  schirapff  und 
unglimpft',  wideramb  vermugen  und  gebrauchen  lassen  solten,  welchs 
dan  (in  ansehung,  das  sie  mit  solchen  geriehten  itziger  zeit  nicht 
mehr  zuschaften  haben)  vor  keine  vorweigerung  gehalten  werden 
kan  noch  magk,  derwegeu  sich  dan  auch  keine  weitleuiftigkeit  doraus 
zu  befahren,  sunderlich  angesehen,  weil  die  hern  doctores  und  rechts- 
gelarte erböttigk,  sich  mit  den  hern  burgermeistern  in  gebührliche 
vorgleichung  einzulassen,  damit  die  schöppenstub  und  derselben 
hendel  allenthalben  in  vorigem  stände  und  wehsen  vorbleiben  mugen, 
und  dan,  got  lob,  im  rathstuel  viel  geschickter  und  tuglicher  leute 
verhauden,  mit  denen,  auch  one  hulff  und  zuthuen  der  hern  doctorn 
und  rechtsgelarten,  die  gericht  (wie  dan  dergleichen  in  vielen  andern 
ansehelichen  stedten  durch  gantz  Deutschlandt  geschieht)  gar  wol 
besatzt  und  bestalt  werden  mugen, 

Do  aber  die  hern  burgermeister  oder  auch  ein  erbar  rath  mit 
dissem  der  verordenten  hern  doctorn  und  rechtsgelarten  des  schöppen- 
stuels nicht  allein  liillichen,  sundern  auch  fast  ubermessigen  erbieten 
(dessen  man  sich  zu  ihnen  keineswegs  vorsehen  kan  noch  wil)  nicht 
ersettiget  sein,  sundern  dessen  ungeacht  dissen  handel  au  die  hohe 
Obrigkeit  (dorinneu  man  ihnen  dan  nicht  ziel  noch  mass  zusetzen 
hat)  gelangen  lassen  möchten,  so  stehet  man  in  der  underthenigsten 
zuvorsicht,  ihre  churfurstliche  gnaden,  als  ein  hochlöblicher  recht- 
liebender chttr-  und  laudsfurst,  wurden  uff  denselben  fall  die  recht- 
messige  billigkeit  darauff  zuvoifügen  nicht  underlassen.  Do  aber 
einige  weitleuftigkeit  doraus  ervolgeii  wurde,  so  könten  die  hern 
doctorn  und  rechtsgelarte  mit  guten  reynen  gewissen  sagen  und 
bezeugen,  das  sie  darzu  keine  ursach  gegeben. 

Welchs  sie  den  hern  burgermeistern  zu  gesuchter  un vorzug- 
licher antwoit,  so  baldt  es  ihnen  unvorsohentlich  furgefallener  vor- 
hinderung  halben  muglich  gewesen,  freundlicher  meynung  nicht 
verhalten  wollen. 

Ko.  11.     \rüi  Mai  '2'L 

Hartmann  Pistoris  an  Rauscher. 

Orifjinal  (ciffenhänduj)  ebenda  fol.  84. 

Ehicnvhestei'  hochweiser  heiT  buigcrmeister,  besonder  günstiger 

lieber  herr  scliwager  undt  gevatter.     Es  hatt  es  heutte  die  gelegon- 

heit  niclit  geben  avoIIcu  ,    das   ich  dci-  hcrren  cnttliche  iiicinuiiii-  aulf 

E.  livv.  crcdcruiii!'  licttc   voiiudimen   moiieii.     Weil   es  alicr   iiiiclimals 


126  Theodor  Distel: 

allein  hierumb  zu  tliun,  ob  die  herreii  doctorn  die  furgeschlageue 
bestailung  des  siudicats  halben  annehmen  oder  aber  lieber  bei  dem- 
jheningen  wie  es  hielievor  gehalten  worden  bleiben  woltten.  so  haltte 
ich  es  darfur,  es  werde  dieser  punct  der  anderen  getroffenen  ver- 
gleichung  gar  nicht  abtreglich  sein,  sondern  bey  derselben,  es  ge- 
reiche gleich  auft'  einem  oder  den  andern  weg,  nichtsdestoweniger 
Ideiben.  Ist  allein  an  e.  hochw.  mein  dienstliche  bitt,  sie  wolle  des 
Verzugs  keinen  misfallen  tragen  und  diese  Sachen  mittlerweile  zum 
besten  wenden  helffen.  Das  nmb  E.  hochw.  zu  verdienen  bin  ich 
iederzeit  willig  und  gevlissen,  wuutzsche  derselben  hiermit  eine  gutte 
nacht  und  zu  der  furstehendeu  reysen  glück,  heil  undt  alle  wohlfart. 
Den  2i.  Mai  im  74.  ^^    , 

^-  ^^-  Hartman  Pistoris 

zu  Seusselitz. 

No.  12.   [1571Juli]25). 

Bericht  über  die  zwischen  Rauscher  und  Pistoris  gepflogenen  Ver- 
handlungen. 
Konzept  (von  Rauschers  Hand)  ebenda  fol.  56. 

Wofern  die  hen-en  doctores  mith  der  session  in  den  gerichten, 
darinnen  ihnen  irem  anzeigen  nach  als  von  dem  radtt  abgesonderten 
personen  zu  siezen  nichtt  geburen  will,  vorschonett  werden,  welchs 
dann  ein  erbar  radtt,  wofern  es  bei  dem  churfui'sten  zu  Sachsen  etc. 
unserem  gnedigsten  herren  zu  erhalten  (darbei  dan  von  radttswegen 
aller  fleis  angewant  werden  soll),  auch  kann  gescheen  lassen,  so  seind 
sie  zu  erhaltung  freundlichs  willens  rhue  und  einikeitt,  auch  zu  bei- 
legung  alles  eingerissenen  misvorstandtts  erbutig,  dem  radtt  und 
den  gerichten,  aller  massen  wie  bisher  gescheen,  in  Sachen,  darinnen 
man  ires  rechtlichen  bedenkens  und  erkendnis  bedurften  wirdt,  gut- 
willig zu  raten  und  ir  rechtlich  bedenken  zu  eröffenen. 

Unnd  weil  sie  gleichwol  in  sachen  den  radtt  unnd  die  gerichtt 
belangende  vil  muhe  unnd  zeitt  uffwenden,  unnd  andere  hendel  hind- 
annen  seczen  musten,  so  geschehe  ihnen  auch  darkegen  nichtt  un- 
billich  eine  ergeczung  und  achteten  es  dafür,  weil  sie  nun  mer 
sonsten  vom  radtt  keinen  zugang  heften,  das  idem  der  dreier  herren 
doctoren  jerlichen  40  f.  und  also  allen  zusammen  120  f.  von  radtts- 
wegen gegeben  werden  solte. 

Dem  nach  auch  der  radtt  jezigem  zustande  nach  einen  sindi- 
cum  zu  halten  schwerlich  umbgehen  kunte,  so  weren  sie  erbutig. 
wofern  ihnen  der  radtt  zu  obbemelten  120  f.  eine  zulage  thi;n  wurde, 
dem  radtt  an  stadtt  eines  sindici  in  allen  hendeln,  so  dem  radtt  fur- 
fallen  wurden,  zu  raten  unnd  zu  dienen,  und  so  dem  radtt  sachen 
fnrstissen,  es  were  uff  landtegen  oder  in  andern  handlungen,  das 
mann  einen  rechtsgelerten  vorschicken  und  brauchen  muste,  so  solte 
der  herren  doctor  einer  schuldig  sein,  voun  radttswegen,  neben  an- 
dern radttspersonen ,  oder  wie  es  die  gelegenheitt  geben  muchte, 
sich  uff  solche  tage  oder  handlungen  prauchen  zu  lassen  und  dem 
radtt  treulich  beizustehen. 

Doch  wollen  sie  ihnen  furhehalten  haben,  wider  den  churfursten 
zu  Sachsen  und  die  universitet  alhie  nichtt  zu  dienen. 


25j  j)f,y.  streit  ruhte  nach  No.  11  fast  zwei  Monate,  wenigstens 
finden  sich  keinerlei  Schriftstücke  ans  der  Folgezeit  vor. 


Urkunden  etc.  127 

Umid  ob  ihnen  wol  hartt  endkegen,  dass  der  lehen,  welche  nun 
mer  über  menschen  gedenken  beim  scheppenstul  gewesen,  do  dannen 
und  für  den  radtt  soltenn  gezogen  werden,  mith  furwendung  das 
nicht  alleine  der  scheppen  auturitet,  sondern  auch  das  einkommen 
geschwecht  und  dardurch  den  scheppen  nichtt  geringer  eingriff 
geschee,  weil  ihnen  aber  darkegen  allerlei  zu  gemut  gefurt,  waruuib  der 
radtt  nun  mer,  bei  dieser  voranderung,  die  lehen  bei  den  scheppen  zu 
lassen  nichtt  gestatten  kunte,  so  haben  sie  endlich  uff  vielfaltige  under- 
handlung  dergestaltt  darein  gCAvilligett,  das  es  ihnen  nicht  endkegen 
und  kunteii  gescheen  lassen,  das  der  radtt  die  lehen  inn  der  radttstube 
reicheten,   dieselben   contract  auch  beim  radtt  eingeschriben  wurden. 

Der  vorsicheruug  halben,  welche  uff  heuser  oder  andere  guter 
gemachtt  und  vorschriben  wirdtt,  seind  allerlei  dispatationes  furge- 
laufen  und  darauft'  gangen,  das  dieselben  auch  beim  radtt  betten 
gescheen  mugeu. 

Weil  sie  aber  straks  darauff'  beharrett,  das  solches  actus  judi- 
ciales  weren,  die  far  richter  und  scheppen,  wofern  sie  im  rechten 
krefftig  sein  und  nichtt  disputirt  oder  darwider  erkant  werden  solte, 
gescheen  müssen,  so  ist  dieser  artikel  auch  uff'  erklerung  eines  er- 
barn  radtts  gesteift  worden. 

Und  do  manu  dessen  allen  einig,  solte  aller  unwill  und  mis- 
vorstandtt  genzlicheu  uffgehoben  und  sonsten  alle  Sachen  im  scheppen- 
stul in  vorigen  stand  pleiben. 

Denn  19.  Julii  hat  uö'  der  rechtsgelerten  im  scheppenstul  begera 
mich  berichtett,  do  sie  das  sindicat  uff"  sich  nehmen  solten,  das  sie  vierlei 
ausnehmen  weiten:  erstlich  wider  m.  gst.  herrn  nicht  zu  dienen,  2. 
wider  die  univers[it]eten,  3.  in  hoff'gerichtssachen,  4.  uff  landtegen  etc. 

ISO.  13.     [1.574  Juli]. 

Endliche  des  )-adtts  erklerung  -'^). 
Konzept  (von  Rauschers  Hand)  ebenda  fol.  52. 

Ein  erbar  radtt  will  die  scheppenstube  mith  holz,  papier  unnd 
dinten,  inn  niassen  bisher  gescheen,  versehen. 

So  ist  auch  der  radtt  erbutig,  ann  stadtt  der  40  f.,  welche  der 
herren  doctor  einer  jerlichen  vonn  wegen  des  radttstuls  gehatt,  nun 
mer  dem  rechttsgelerten  im  scheppenstul  50  f.  zu  geben. 

Dem  (iberscheppenschreil)er  sollen,  wie  hiebe  vorn,  jerlichen  47  f. 
3  g.,  desgleichen  dem  underscheppenschreiber  de  criminalibus  20  f. 
gefolgett  werden. 

Darkegen  sollen  die  herren  doctores  inn  den  gerichten  zu 
siezen  gefreiett,  aber  doch  schuldig  scsinn,  wie  es  hiebevorn  gehalten, 
denn  radtt  unnd  den  g^richtenu  ideizeitt  inn  Siichen,  dorinnen  mann 
derer  bedenken  bedarff,  iren  radtt  unweigerlichen  niitbzuteilen.  Die 
lehen  sollen  vom  radtt  gegeben  werden,  desgleichen  die  vorpfend- 
ungen  unndt  Vorsicherungen  furm  radtt  gescheen. 

Denn  20.-'')  Julii  hat  sich  her  Ilartmann  Pistoris  von  wegen 
der  rechtsgelerten  im  scheppenstul  erkleitt,  ob  es  ihnen  wol  bedenk- 


"-**)  Diese  Erklärung  tuurde  nach  Rauschers  Vermerk  (Bl. 
53h  cit.)  den  Doktoren  am  17.  Juli  durch  den  obersten  Schreiber 
(Mag.   Ludwig  Trucb)  zugestellt. 

2'')  Der  Platz,  welchen  dieser  weitere  Passus  —  bis  „vorglichen 
sein"  —  einnimmt,  lässt  darauf  schliessen,  dass  Rauscher  das  an 
der  betr.  Stelle  noch  unbeschrieben  gewcsoie  Rainer  bentitzt  hat. 


128  Theodor  Distel:  Urkunden  etc. 

lieh,  dasjenige,  was  lange  zeit  beim  scheppenstul  gewesen,  davon 
komen  zu  lassen,  weil  sie  aber  dem  radtt  hierinnen  keine  masse 
geben  wollen,  so  stellen  sie  es  ufs  radtts  vorantwurtung,  wollen  sich 
aber  Vdrsehen,  was  etwan  die  gemeinen  accidentalia  als  der  radtts 
vorehrungen  anlangett,  welche  mann  bisher  ihnen  gegeben,  die  wirde 
mann  ihn  nochmals  folgen  lassen,  desgleichen  das  kabelhau -s),  und 
denn  scheppenschreiber  die  10  f.  hauszins,  sonsten  solte  es  laut  ob- 
bemelter  artikel  gehalten  werden. 

Dorauff  ich  gesagtt,  das  die  accidentalia  ihnen  wie  hiebevorn 
solten  geben  werden,  das  heu  aber  kunte  ihnen  nicht  gefolgtt  werden, 
weil  es  imter  die  12  radttspersonen  muste  geteilt  werden;  die  10  f. 
hauszins  solte  der  scheppenschreiber  auch  haben;  und  hierdurch  dieser 
liaudel  genzlich  vorgiichen  sein. 

Do  die  rechtsgelerten  im  scheppenstul  sich  vorpflichten  werden, 
das  sindicat  uff  sich  zu  nehmen  unnd  dem  radtt  inn  rechtt  unnd 
andern  furfallenden  Sachen,  darinnen  mann  irer  bedurffen  wurde,  inn 
oder  ausserhalb  der  stadtt,  desgleichen  uff  landtegen  zu  dienen  unnd 
beistand  zu  leisten,  so  soUenn  ihnen  wegen  des  sindicats  jerlichen 
150  f.  unnd  do  der  herr  senior  doctor  Badehorn,  den  gott  g-nediglich 
lang  erhalten  wolle,  mith  tode  abgehen  wurde,  die  50  f.,  welche  inie 
bisanher  und  noch  vonn  dem  sindicat  gereichtt,  auch  gegeben  werden. 

Signatum  16.  Julii  ao.  74. 

Hierauff  haben  sich  die  herren  durch  hern  Hartman  Pistoris 
erklertt,  das  sie  das  sindicat  obangezeigter  massen  ulf  sich  nehmen 
wollten,  doch  mith  dem  beding  und  vorbehaltt,  das  sie  erstlich  wider 
imsern  genedigsten  herrn,  zum  andein  wider  die  nniversitet,  zum 
dritten  in  Sachen,  so  fürs  hoffgericht  gehorn,  zum  virten  uff  land- 
tegen dem  radtt  nicht  dienen  kunten. 

Weil  aber  der  radtt  merenteils  umb  der  lezten  dreier  artikel 
willen  eines  sindici  benötigett,  so  ist  hern  Hartman  Pistoris  diese 
antwortt  geben,  das  der  radtt,  so  vil  das  sindicat  anlangett,  die 
herren  scheppen  domith  vorschonen  und  noch  ein  Zeitlang  zusehen 
und  mittler  weil  bedenken  wolten,  wie  dasselb  zu  bestellen  sein  muchte. 

Domith  dan  die  herrn  doctores  auch  avoI  zufriden  gewesen. 


2«)  Gabelheu. 


IV. 

Archivalische  Beiträge  zur  Eeformatious- 
gescliiclite  der  Stadt  Freiberg  (1525     1528). 

Von 

Hubert  Erniiscli. 


Den  früher  an  dieser  Stelle  verüffentlicliten  Mit- 
tlieilungen  ans  der  Eeformationsgeschiclite  der  Stadt 
Freiberg  M  füge  ich  hier  einige  bisher  unbekannt  ge- 
bliebene Schriftstücke  bei,  auf  welche  meine  Arbeiten 
für  das  ürkundenbuch  der  Stadt  mich  aufmerksam  ge- 
macht haben.  Sie  sind  grüsstentheils  dem  Freiberger 
Rathsarchive  entnommen  und  stammen  aus  einer  Zeit, 
in  welcher  Herzog  Heinrich,  veranlasst  theils  durch  seine 
Stellung  zu  seinem  Bruder  Herzog  Georg,  theils  durch 
die  Bauernkriege,  der  neuen  Lehre  mit  mehr  Fifer  ent- 
gegentrat, als  es  seiner  Überzeugung  und  seinem  Cha- 
rakter entsprach'-). 

Zur  Geschichte  des  Bauernkrieges  selbst,  der  Freiberg 
nicht  unmittelbar  berührt  hat,  war  eine  Ausbeute  im 
Rathsarchiv  daselbst  nicht  zu  erwarten.  Ein  Aufgebot 
gegen  die  Bauern  vom  26.  April  1525  wiid  von  Möller'') 
erwähnt.  Ausserdem  fand  ich  nur  noch  den  als  No.  1 
mitgetheilten  Befehl  des  Herzogs  Heinrich  vom  9.  Mai  1525, 
der  gleichlautend  wohl  auch  an  andere  gerichtet  worden  ist. 


0  A'i-rgl.  meine  Aufsätze:  „Herzogin  Ursula  von  Münsterberg" 
und  „Die  Briefe  Valentin  Einers",  in  dieser  Zeitschr.  III,  290  flg. 
V,  321  flg. 

-)  Vergi.  diese  Zeitschrift  V.  327. 

3)  Möller,  Theatr.  Ereiberg.  chron.  II,  182. 

ISeucs  Archiv  f.  S.  C!.  u.  A.     VIII.  1.  3.  9 


130  Hul)ert  Ermisch: 

Wie  unruhig-  die  dem  Bauerukriege  folgenden  Monate 
waren,  davon  legt  das  Verbot  des  Watfentragens,  welches 
der  Herzog-  am  5.  Juli  1525  erliess  (No.  2),  ein  beredtes  Zeug- 
nis ab.  Vor  allem  wandte  sich  die  aufgeregte  Volksstimm- 
ung gegen  die  Vertreter  der  allen  Lehre.  Bekannt  ist,  dass 
am  28.  Juni  1525  ein  Befehl  des  Herzogs  an  den  Rath 
erging,  in  welchem  die  Beschimpfung  und  Belästigung 
der  Prediger  zu  S.  Peter  und  S.  Nikolaus  sowie  anderer 
Priester  ernstlich  untersagt  wurde  ^).  Dass  dieser  Befehl 
nicht  besonders  wirksam  war,  ergiebt  sich  schon  aus 
einem  zweiten  ähnlichen  Inhalts  vom  12.  Mai  1526,  dessen 
Wortlaut  übrigens  klar  andeutet,  dass  ein  Druck  von 
aussen  her  die  Hauptursache  von  Heinrichs  Verhalten 
war  (No.  3).  Eine  um  dieselbe  Zeit  einlaufende  Be- 
schwerde (No.  4)  des  Domherrn  und  Pfarrers  zu  S.  Niko- 
laus, Reinfried  Gross  ■'^),  hatte  einen  weiteren  Befehl  an 
den  Rath  vom  31.  Mai  1526  zur  Folge  (No.  5),  der 
in  allgemeinerer  Form  am  8.  November  1526  wiederholt 
wurde '^). 

In  der  Peterskirche,  wo  bereits  1524  das  Auftreten 
Sebastian  Küchenmeisters  zu  ärgerlichen  Auftritten  ge- 
führt hatte'),  erregte  im  Anfange  des  folgenden  Jahres 
der  Magister  Joh.  Müller*)  durch  eine  Predigt  über  die 
Jugenderziehung,  in  welcher  er  sehr  persönlich  geworden 
zu  sein  scheint,  allgemeüien  Unwillen;  gegen  die  ihm 
drohenden  Angriffe  rief  er  den  Beistand  des  Herzogs  an, 
was  diesen  veranlasste,  dem  Rathe  in  einem  Schreiben 
vom  18.  Januar  1527  ernstlich  den  Schutz  des  gefährdeten 
Priesters  ans  Herz  zu  legen,  allerdings  in  einer  Form, 
die  erkennen  lässt,  dass  er  das  Verhalten  desselben  nicht 
durchweg  billigte  (No.  6). 

Einen  drastischen  Beweis,  wie  feindselig  die  Ein- 
wohnerschaft der  Stadt  der  alten  Lehre  gegenüberstand, 
gab  das  Fronleichnamsfest  des  Jahres  1527.  Die 
Innungen  weigerten  sich,  mit  ihren  Fahnen  und  Lichtern 
mit  umzuziehen;   statt  dessen  fanden  in   den  Bier-  und 

4)  Vergi.  diese  Zeitschrift  V,  327. 

")  Vergl.  üher  ihn  Möller  a.  a.  0. 1,  211.  Glross  starh  übrigens 
nicht  1533,  Avie  hier  angegeben  Avird,  sondern  lebte  noch  1535,  vergl. 
Cod.  dipl.  11,  12,  626  Z  27  (H.-St.-A.  Cop.  96  fol.  56). 

f')  Möller  a.  a.  O.  I,  215.  Das  Original  habe  icli  nicht  auf- 
zufinden vermocht. 

')  Vergl.  diese  Zeitschrift  V,  325. 

*)  Vergl.  über  seine  Anstellung  1526  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II. 
12,  618-,  dazu  Möllei'  a.  a.  ().  1,  210. 


Archivalisclie  Beiträge  zur  Reformatiousgeschichte  etc.     \Py] 

Weiiiliimsern  Gelage  statt,  bei  denen  gotteslästerliche 
Spottlieder  erschollen.  Damals  scheint  nicht  dagegen 
eingeschritten  worden  zu  sein.  Erst  im  folgenden  Jahre 
sah  sich  Herzog  Heinrich  zu  mehreren  Erlassen  bewogen, 
die  dem  Verfalle  des  kirchlichen  Lebens  steuern  sollten. 
So  wandte  er  sich  in  einer  Verordnung  vom  16.  Januar  1528 
gegen  die  Entheiligung  der  Festtage,  die  Verletzung  der 
kirchlichen  Fastengebote,  den  geringen  Besuch  der  Messe 
und  die  frevelhaften  Reden,  die  man  auf  der  Gasse  und 
in  den  Schenken  vernehmen  konnte  (No.  7).  Ein  weiterer 
Erlass  vom  7.  Juni  1528  bezweckte  die  Vermeidung  von 
Auftritten,  wie  sie  im  vorhergehenden  Jahre  l)ei  der 
Fronleichnamsprozession  stattgefunden  (No.  8) ;  am  selben 
Tage  erfolgte  eine  Verordnung,  die  sich  hauptsächlich 
gegen  die  säumige  Entrichtung  der  den  Geistlichen  ge- 
bührenden Opfer  wandte  (No.  9).  Wie  wenig  die  letztere 
gewii'kt  hat,  geht  daraus  hervor,  dass  wenige  Monate 
später,  am  30.  Oktober  1528,  eine  neue  Verordnung 
ähnlichen  Inhalts  erging  (No.  10). 

Wenn  wir  diese  theilweise  doch  recht  scharfen 
Befehle  durchlesen,  so  müssen  wir  unwillkürlich  einer 
Äusserung  gedenken,  die  Frej^diger  dem  Herzog  Hein- 
rich in  den  Mund  legt:  er  wolle  lieber  alles  tlmn  als 
schreiben'*).  Aus  den  meisten  von  ihnen  spricht  nicht 
sein  Geist,  sondern  der  seiner  lläthe,  die  der  Reforma- 
tion feindselig  gegenüberstanden^").  Sie  mögen  eben 
deswegen  bei  Weitem  nicht  so  streng  gehandhabt  worden 
sein,  als  sie  lauteten;  trotz  ihrer  machte  die  evangelische 
Lehre  täglich  Fortschritte  in  Freiberg,  und  als  der 
Herzog  1537  offen  zu  derselben  übertrat,  mochte  die 
alte  Kirche  ausserhalb  der  Klöster  nur  noch  wenig 
Anhänger  zählen. 


No.  I.    (152.5  Mai  !).) 

NacJi,  de  Dl  Original  im  liathsarchiv  zu  Freibercj. 

Von  gots  genadeu  Hainrich  hertzoge  zu  Sachsseiin  :c. 

Lieben  gdtrawen.  Euch  ist  uuvorporgen .  wie  sicli  manch- 
feltige  entpörunge  und  uft'rur  crhclicn.  W'an  wir  dan  nit  wi.s.scn, 
wohin  sich  dirselbigen  Icnden  (a^ic)  und  richten  woHen,  wil  uns 
gebueren,  unser  thun  in  gutter  achtung,  wie  ir  zum  teyl  wisset,  zu 
halttenn.    Derwegen   bcgeieu  wir  an   euch,   ir  wollet  euere   leutte, 


")  Vergl.  Cilafey.  Kern  der  (rcschiclite  des  Hauses  Sachsen  121. 
'")  Vergl.  diese  Zeitschrift  \',  323  Hg. 

9* 


1P,2  Hubert  Ermisch: 

so  viel  ir  derselbigen  von  uns  zu  leben  innebabt,  uifs  forde liicbste 
mösternn  lassenn  und  gutte  uffmergkunge  furwenden,  das  sie  mit 
barnasch  und  were,  wie  ir  und  sie  uns  in  der  volge  dinste  zu  dienen 
vorpliicbtet  gerust  und  gescbigkt  sein,  zu  tage  und  nacbt  in  solcber 
bereytscbafft  sitzenn  uns  uff  unser  erfordern  gepurlicben  geborsam 
zu  geleisten.  Doran  bcscbiedt  zusanipt  der  pilligkeji:  unnser  gentz- 
liche  rnaynunge.  Geben  zu  Freybergk  dinstags  nocb  jubilate  anno 
domiui  ic.  XXV". 

No.  2.    (1525  Juli  5.J 

Nach  dem  Original  ebenda. 

Von  gots  gnaden  Heinrich  hertzoge  zw  Sachssenn  ?c. 

Liebenn  getruwen.  Nacbdeme  inn  dieseiin  leufften  bin  und 
wider  fast  uffrurigk  sich  ertzeiget  und  vill  sieb  mit  den  bucbssen 
und  armbrosten  ane  binderniß  getragen,  so  hat  der  bocbgeporne 
furste  her  George  bertzog  zw  Sachssen  jc.  unser  freuntlicber  lieber 
bruder  uud  gefatter  in  rath  frucbtparlicb  befundenn  dieselbigenn 
weren  in  seiner  lieb  furstentbumb  zu  vorbitten.  Weyll  wir  dan 
seiner  lieb  meynunge  vor  nützlich  und  guth  ansehen,  will  uns 
getzymen,  das  Avir  uns  inn  deme  auch  mit  seiner  lieb  vorgleicben. 
Ist  demnach  unser  begern,  das  ir  eweru  undertbanen  von  unsernt- 
wegen  ansaget  und  gebiettet  sich  der  Imchsseu  und  armbrost  ge- 
brauebuuge,  außgeschlossen  was  sich  zum  zcyel  zu  schiessen  aber  uff 
öffentliche  schießböfe  ader  das  unser  dinstliche  volge  erfordert  unnd 
zuchet,  gentzlich  zu  enthalten.  Ap  aber  ymandts  darüber  mit  solcher 
vorbothner  were  befunden,  die  wollet  inen  zu  nhemen  und  sie  nach 
gelegenbeit  der  ubertrettuug  zu  straffen  vorfugenn.  Euch  also  und 
nicht  anders  haltet.  Darum  bescbiedt  unser  gentzliche  gefeilige 
meynung.  Geben  zw  Freybergk  mitbwocbs  nach  visitacionis  Marie 
anno  :c.  XXV». 

No.  3.    (1526  Mai  12.) 

Nach  dem  Original  ebenda. 

Von  gots  genaden  Hainrich  hertzoge  zu  Sachssen  — . 

Lieben  getrawen.  Vorlauffener  zeyt  haben  wir  euch  zu  meher- 
malen  befolen  gutte  uffmergkunge  zu  haben,  das  wider  ordenunge 
der  heylligen  cristlichen  kirchen  alhier  in  unser  Stadt  Freybergk 
kein  newkeyt,  sonderlichen  gottes  unnd  seiner  außerweltten  lieben 
heilligen  ehererbiettunge,  auch  christliche  und  thugentlicbe  auwey- 
sunge  imd  erbalttunge  armer  einfeltiger  leutte  betreffende  eingefburet 
werde,  auch  insonderheit  derselbigen  geistlichen  und  weltlichen 
dienern,  pfarhern,  capplanen  und  andern  ire  gewouliche  opffergebure 
und  schuldige  zinse  unwegerlicheu  zu  vorrichten.  AVir  kommen  aber 
in  glaubwirdige  erfbarimge,  das  solch  unser  befbelich  zu  vil  über- 
gangen. Weyl  wir  uns  dan  der  ordentlichen  öberkeyt  gehorsam  zu 
geleisten  scbuldigk  eikennen,  gelanget  ahn  euch  zum  Überfluß  unser 
ernstlicbs  begeren,  ir  wollet  unser  stadt  einwoner  alhier  in  vor- 
samlunge  voriger  und  itziger  unser  befbelich  öffentlich  erinnern  und 
inen  gebietten  eynicherley  newkeyt  Avider  ordenunge  christlicher 
kirchen  nicht  vortzunhemen  bey  voi'meydunge  schwerer  straft'  leibs 
und  gutts.  Und  a])  wir  zu  viel  gedult  biß  anbeir  getragen,  wyl  uns 
forder  ane  merglichenn  nacbteyl  solebs  nicht  getzymen.  Darumb 
sich  darauff  gar  nit  haben  zu  vorlassen  mit  vorwarunge,  wan  wir 
nit  straffen  wuiden.    mochten   inen   kurtzlichen   dennoch   gepurliche 


Archivalisclie  Beiträiie  zur  lieformationsgeschiclite  etc.      133 

abweuduiige  irer  vorhanclelmig'en  liogegiieu.  Das  w  olteu  wir  giiediger 
wolinaj'nunge  aitcli  -woenach  zu  richten  nicht  ]iergen.  Geben  zu 
Frej'bergk  sonualients  noch  der  hj'melfart  Christi  anno  domini  ;c. 
XV^'  sechs  und  tzwantzigsten  jare. 

Aufschrift  an  den  Bath  zu  Freiberg. 

>o.  i.    (1526  vor  Mai  31.) 

Nach  dem  Original  ebenda. 

DurchUxuchter  hocligeborner  fürst,  gnediger  herr. 

—  —  —  Sinttmols  ich  von  e.  f.  g.  auß  gestrackttem  und 
ernstem  befelhe  gegeben  (wie  wohl  mir  gantz  schwerlichen  und 
meynes  alters  auch  leiplichei-  sterck)  hinfurt  unmogliclien  dy  jjfarre 
zcu  s.  Niclaus  zcu  regircn  Avidder  ein  zceit  anzcimehmeu,  wellichs 
ich  mich  gnediges  gehorsam  biß  anher  gehaldenn  und  vill  auch 
mancherley  derhalben  erduldet  und  erlyden,  wde  den  oifeutlich  am 
tage  und  unnotlien  alle  stuck  zcw  erczelcn,  adder  inn  besunderheit 
gelj  ich  e.  f.  g.  clagen  ■will  zu  vermelden  undirthenig  etzlicher  ge- 
brechen, so  sich  erej^gen  inn  der  kirchen  zcu  s.  Xiclaus.  an  wellichenn 
sich  das  volck  wochlichen  groß  ergert,  als  der  geczeitten  unßir  lieben 
fraAven,  ouch  der  messen  gottliciien  ampts,  dann  die  eylendt  und 
schnell  auch  voisewmlichen  gehalden  werden,  und  kommen  dolier. 
das  die  vorstehir  des  altars  sich  nicht  halden  lauts  der  confirmation, 
das  man  das  .ministerium  beute  virginis  keynem  leyhen  sali,  er  sey 
denn  priester  adder  uft's  wenigste  inn  eyn  jar  priester  werden  sali. 
Solchs  iczt  übergangen  und  ungehalden  wirt,  besundern  mitt  myttling 
bestellet,  ouch  personen  coralen  und  priestern  auifnemen  an  meynen 
bewuhst,  das  sie  ouch  andern  bet'ell  haben  von  e.  f.  g.  rethe,  dodurch 
die  personen  wenig  und  gar  nichtes  uff  eynen  pfarrer  geben  und 
alles  noch  yrem  gefallen  machen.  Sie  stehen  auch  iim  den  gestulenn 
priester  und  chorales  anc  chorröcko  und  zcirheitt,  wie  sich  denne 
geburt  zcu  haben.  Auch  seint  die  zcinße  des  i)redigstuls  lautt  der 
confirmation  bißher  noch  nicht  angezceigt  noch  die  brieff  uberanttwert 
inn  gewieße  Verwahrung  zcu  legen,  wie  woll  mir  von  ynen  viel- 
mals zeugesaget  aber  nicht  gescheen.  Dieweill  es  dann  eyn  nawe 
stifftung  des  predigstuls  ist  zcu  der  ei'e  gottes  und  Seligkeit  der 
menschen  auffgericht  und  nicht  widder  fallen  mocht  adder  abenehmen. 
dodurch  togentliche  prediger  nicht  erhalten  werden  mochten  und  das 
wort  gottis  nicht  geprediget,  hat  e.  f.  g.  woll  zcu  bedencken,  Avas 
guttis  hirauß  erwachßen  wurdet.  Ist  derwegen  an  e.  f.  g.  meyne 
gantz  unttirtenig  bitt,  e.  f.  g.  als  ein  cristlicher  fürst  wollen  gne- 
diyliche  eynsehung  solche  beschwerung  wie  angeczeiget  beht'rtzen 
und  vorschaifen  gcAvandelt  zcu  werden,  domitt  die  ere  und  dinste 
gottis  loblichen  mögen  eibalden  Averden.  Das  Avill  ich  umb  e.  f.  g. 
langes  lebeun  und  gluckselige  regiruug  gegen  got  zcu  vorbittenii 
und  Avilligcn  gehorsam  diensten  allezceit  geflisscn  sein  zu  vordynen. 

E.  f.  g.  undirteniger  capi)lan 

Reffridus  Groß  magister 
pfarrer  zcu  s.  Nicolaus. 

No.  5.    (15-26  Mai  31.) 

Xadi   dem    Original   ebenda. 

Von  gots  genaden  Hainrich  hertzoge  zu  Sachssenu  n\ 
Lieben  getrawen.     \\"as  beflieliche  Avir  euch  liie\'or  die  christen- 
liclic  oi'denunge  Ijelangende  gegeben  und  sonderliche  gutte  uffmerg- 


134  Hubert  Ermisch: 

kung'e  zu  habeu,  das  die  gütliclieu  ampter  und  diiiste  iu  unser  stadt 
alhier  getreulich  und  vleissigk  gehaltten  werden  g-ottes  zorn  und 
aiich  andere  fharligkeyt,  so  ane  das  uns  uund  unsern  luiderthanen 
tliut  drawen,  zu  verhütten,  seiudt  ir  untzwej'ffelich  wol  eingedengk. 
geutzlicher  vorlossunge,  ir  werdet  euch  darynnen  schuldiges  gehor- 
samen vleisses  entzeigen  und  haltten.  Deme  also  noch  gelanget 
unser  hegern  an  euch,  ir  wollet  uff  hierin  vorwartte  supplicacion 
mit  den  Vorstehern  und  kirchenvettern  zu  sant  Nigklas,  so  diß  be- 
langet, vorfugen  und  geburlichs  einsehen  lurAvenden.  uff  das  die 
göttlichen  dinst  unnd  ampter  nicht  mit  niytlingenn,  sonder  in  aller 
massen  und  gestalt,  wie  die  erstifftet  und  bestettiget,  mit  ordenlicher 
herligkejt  und  ehererbiettunge  gottes  und  seiner  ausserweltten 
unverpruchlich  gehaltten  imd  sonderlich  dem  prediger  gewisse  zinse 
angetzeiget.  auch  die  priester  i;nd  chorales  also  auffgenhomen  werden, 
das  sie  sich  kegen  dem  pfarhern,  so  Avir  dohin  bestellet,  zimlichs 
gehorsams  beweysen.  uff  das  Avir  ferner  eiuseheus  sie  auch  gebur- 
licher  vorAvirgkter  straffe  mögen  vorschonet  bleiben.  Dorau  geschiet 
unser  gefellge  mavnunge.  (leben  zu  rrevl)erg  am  tage  corporis 
Christi  an  XXYI"." 

Aufschrift  an  den  Eath  zu  Freiberg. 

IVo.  6.    (1527  Januar  18.) 

Xach  dem    Original  ebenda. 

Von  gots  genaden  Hainrich  hertzoge  zu  Sachssen. 

Lieben  getraAven.  Es  hat  der  Avirdige  unser  lieber  andechtiger 
und  vorordentter  pfarrher  alhier  zu  sant  Peter  etzliche  bescliAverunge, 
die  ime  seins  achtens  uuvorschuldet  und  Avider  die  billigkeyt  be- 
gegnet, ahn  uns  clagende  pracht.  Avie  ir  Inhalts  zu  vorneiuen.  Die- 
weylle  denne  gemeltter  pfarher  die  Avort,  der  sich  etzliche  junge 
leutte  angenhomen.  niemande  zu  vorunrechtunge ,  sondern  alleiue 
die  eitern  zu  togenthafftiger  zucht  ii'er  kinder  und  die  jogent  zu 
abschaAven  von  bösen  handeln  und  untogcnt  zu  bewegen  uff'  der 
cancell  geredt,  auch  dartzu  erbüttig,  ap  inen  imandt  darüber  an- 
sprechen Avolte,  mit  demselbigen  vortzukomenn  und  unser  Aveysunge 
darinnen  zu  gCAvartten.  ist  unser  begeren,  das  ir  obbenantten  unsern 
vorordentteu  pfarhern  kegen  menniglichen  vor  gewalt  und  unrecht 
getreAvlich  und  vleissigk  (Avie  ir  auß  A^orwantter  pflicht  schuldigk) 
hanthabet  und  schützet,  auch  dei'  gemein  solchen  unsern  befhelich 
antzeigt  mit  vermeldunge,  das  wir  inen  allen  imd  einem  iden  be- 
sondern zu  iren  zuspruclien.  so  sie  Avider  den  pfarhein  mit  guttem 
grivnde  gehaben  mögen,  uff'  ir  ansuchen  vorbeschiedt  unnd  notturftige 
vorhöre  gestatten  und  alle  rechtliche  billigkeyt  darinnen  i)flegen 
Avollen.  Wirt  aber  imandes  darüber  seinen  ubermut  üben,  des  sal 
er  rechtlicher  straffe  bey  uns  nicht  mangeln.  Darnach  sich  zu  richten 
habenn.     Geben  zu  Freyberg  freytags  nocli  Anthonii  an  XXA'II. 

>o.  7.    (1528  .Januar  16.) 

Nach  dem  Original  ebenda. 

Von  gots  genaden  Hainricli  hertzoge  zu  Sachssenn  n'. 

Lieben  getrawen.  Wir  haben  euch  unsere  haymlichen  rethe 
lieben  getraAven  und  andechtigenn  hern  lludolffen  A'on  BunaAv  ritter 
hoff'meistei-  und  Georgen  von  Rotschitz.   cantzlern  antzeigen  lossen, 


Archivalische  Beiträge  zur  Ilefonnationsg-eschichte  etc.     1  35 

das  Ulis  vorkominen,  wie  etzliclie  unsere  uudertbaue  alliier  zu  Frey- 
bergk  sich  untterfaiigen  die  fest  und  feyerlichen  tag-e  gottes  uiid 
seiner  lieben  lieillioeun,  die  von  der  cristenlicheu  kirelien  Toiordeut 
und  außgesatzt,  mit  handtarbeyt  uund  allerley  hanttiruuge  mutwilligk 
und  ane  notb  zu  vorbrechen,  desgleichen  an  vorbottenen  tagen  fleisch 
zu  essenu  k..  mit  befhehel,  solchs  bey  A'ermeyduiige  unser  ungenade 
abtzuschaffeu  und  die  vorbreclier  zu  straffen.  Darauft'  uns  heutte 
dato  euer  antwort  diß  vormögens  einkommen,  das  ir  dovoii  nit  wissen 
trüget  und  euers  vormuttens  möchte  sich  das  bey  etzlichen  vielleicht 
daraus  georsacht  haben,  das  die  prediger  die  heilligen  und  fasttage 
uff  den  cantzlen  nicht  vorkundigen  und  das  gemeine  volgk,  weß  sichs 
hieriime  zu  haltten,  nit  underweisen.  Lassen  wir  dieselb  euer  aut- 
wert ahn  iren  wirden  :c.  Wauii  uuns  denne  darüber  och  vorge- 
tragenu,  das  viel  unser  underthanen  alhier  die  aniptter  des  götliclien 
Worts  und  heilligen  messen,  darinnen  der  weg  der  seligkeyt  gelernet, 
das  leydeii  Christi  und  unser  erlöesunge  betrachtet,  auch  andere 
lieylbare  uiind  heillige  sacrament  vorachten,  got  und  seine  ausser- 
weltten  lieben  heilligenn  mit  gar  vielen  untzimliehen  scheltwortten 
fluchen  und  schAveren  öffentlich  uff'  der  gassen  in  hier-  und  wein- 
heusern  schmehelichen  lestern  imd  viel  andere  imtugent  und  boßheit 
ulienn,  also  das  es  christenlicheu  hertzeu  wer  schmertzlich  zu  erfaren, 
dan  auß  solchen  suntlichen  und  sehentlichen  begynnen  unns  und 
auch  unsern  underthanen  von  dem  almechtigen  gote  tuid  auch  von 
unser  ordentlichen  obrigkeyt  mergkliche  grosse  uuvorwintliche  be- 
schwerunge  und  noehteyl  befaiiich  erwachsseil  und  zufallen  möchtenn, 
des  wir  euch  auß  gnediger  wolmaynunge  vorwarnet,  und  ist  <ler- 
halben  nochmaln  unnser  begern,  das  ir  mittelst  euer  pflicht,  domit 
ir  ims  vorwandt,  gittten  vleis  und  sorgfeldigkeyt  furwendet,  uff'  das 
alhier  Avider  gestaltte  ordenunge  gantzer  cristenlicher  kirchen  und 
samlunge  keine  nawykeyt  fuergenhomen,  eingefhuret  nach  vorstattet 
und  Avidei'  diejlienigenn,  so  sich  einicherley  newerunge  widder  ge- 
nieltte  christenliche  ordenunge  understehen,  mit  geburlicher  straäe 
vorfaren  werde,  wie  wir  uns  zu  euch  gentzlich  verlossen.  Woe  ir 
aber  daiinne  seumig  befunden,  werden  wir  georsacht,  uff  geburliche 
Wege  darkegen  dermossen  zu  trachten,  darauß  zu  vorinergken,  das 
uns  solch  begynnen  als  einem  cristenlicheu  fursten  nit  leidlicli  itnd 
doran  keinen  gefallen  tragen.  Wolten  wir  euch  in  gnaden  darnacli 
zu  richten  nit  pergen.  Geben  zu  Freyberg  doriistags  Marcclli 
anno  :c.  XXVIH". 

Aufschrift  an  den  Rath  zu  Freiberg. 

>'o.  S.     (I5'-'S  Juni  7.) 

XacJi,  dem  Original  ebenda.    Das   Konzept  im  HauptstaatsarcMv 
ZK  Dresden  (Cop.  95  fol.  10  b.) 

\'on  gors  gnaden  Hainrieb  hertzogk  zu  Sachssenn  ,h'. 

Lieben  getrawen.  Wir  seindt  in  glawbwirdigk  (>rfaruiige 
komiueii,  das  ytzo  vor  einem  jare  etzliche  zwiiffte  und  haiidtwerge 
uff  den  liailigeu  fronleichiiams  tage  unsers  scliöppfers  und  erlöst'rs 
Jliesu  Christi  nach  althergebrachtter  ordenlichn  christlicher  und 
löblicher  i'ibuiige  und  gewunlieit  mit  iren  lichtten  und  kertzen  vor- 
eehtlich  nit  uiiiiigangen,  uueli  etzliche  in  hier-  uiind  weinhewsern 
sich  über  die  massen  gefüllet,  unzüchtige  gescnge,  geschrey  und 
scliimpffliehe    gcberdc   gebraucht   liabeii,    alles   zu    selimeelicher  vor- 


13G  Hubert  Ermiscli: 

aclittuiige  u'ots  des  almechtigenii.  dodurcli  sein  götlirlier  zoni  sorg- 
lichen erregett.  Welchs  miß  alß  einem  christenlichen  fürsten  zw- 
zwsehen  und  zu  vorstatten  gar  nit  gezimpt,  tragen  dorap  ouch  nicht 
unliillich  sonderlichs  vordrißliclis  raisfallenn.  Derhalben  wii"  ernst- 
lich Viegerenn,  ir  woldett  mit  allenn  zuniften  und  handtwergern  vor- 
schaffenn,  Avan  die  procession  mit  dem  hayligen  fronleichnam  ixnsers 
herren  Jhesu  Christi  gehakten ,  das  sie  sich  mit  iren  kertzen,  lichtten 
und  fanen  in  christlicher  ubunge  in  stillem  fridsamen  wandeil  mit 
schuldiger  erherliiettmige  gote  danckhar  ei'zaigen,  dorneben  vor 
alles,  das  in  der  gantzen  clnistuhait  luid  im  hailigen  Römischen 
reiche  von  nütten  und  sonderlich  umb  guedigeun  iVidoii  und  einickait 
von  dem  almechtigen  getrewlich  bitten  helffen,  und  darneben  zu 
vorfügeu,  das  ]>innen  zeit  der  götlichn  amptter  und  untter  der  ge- 
meltten  procession  in  bir-  \ind  weinsclienckenhewsern  keine  zeche 
gehaltt enn  werde.  Ap  aber  imauds  wider  solchs  unser  gebott  mit 
schimpfflichn  ader  spötlichen  geberden  in  wortten  ader  wercken  sich 
einzwlossen  understwnde,  das  der  ader  die  sich  unzimlichen  mwt- 
willens  irntteriingen  zw  gefencknis  bracht  und  ane  gelmrliche  straffe 
der  ordenlichen  rechte  nach  gelegenhait  eins  itzlichen  vorlirecbungc 
dorauß  nit  gelossen  ader  uns  zwgestalt  Averdenn.  Das  alßo  und 
nicht  anders  bey  vorhuttuuge  unser  Ungnade  halttett.  Dorahn  ge- 
schidt  unser  gentzliche  meinunge.  Geben  zw  Freibergk  sontags  der 
liailigenn  dreyfalttickait  anno  domini  ;c.  XXVIII. 


No.  9.    (15-28  Juni  7.) 

Nach  dem  Konzept  im  HaiiptstaatsarcJdv  zu  Dresden  (Cop.  95  fol.  1 7). 

Bürgermeister  und  rathe  zw  Freybergk. 

Lieben  getrawen.  ünß  ist  manchfeltig  vor])racht,  das  unßer 
underthane  alhier  zw  Freybergk  arm  und  reich  denn  pfarhern  und 
seelwartteru  ir  schuldig  opffer  vormcssenlicli  vorhalten,  daraus  er- 
volget,  daß  wir  die  pfarlehen.  so  uns  von  dem  wolwirdigen  capittel 
Unser  Lieben  Fraweu  stifftkirchen  uiisern  lieben  andechtigen  auff- 
gelossen,  mit  tüglichen  seelwertern  nicht  möchten  Vorsorgen  und 
also  alle  gancze  ader  hallie  jare  nawe  pfarrer  suchen  musten. 
welchs  dem  armen  einfcdtigen  volke  zw  abbrach  christenlicher  under- 
weisung  und  niclit  kleiner  beschwerung  irer  seien  gereichen  wurde  n'. 
Dieweil  danne  sulch  opffer  von  gütlichen  und  menschlichen  rechten 
den  pfarhern  und  seelwartteru  geburet,  haben  wir  euch  zw  mehr- 
malen befolen  entrichtunge  desselbigen  inen  zu  verschaffen,  wie  wir 
uns  darauff  und  das  ir  euch  darinne  schuldigs  gehorsams  vorhalten 
soltet  genczlich  vorlossen.  Weil  wir  aber,  das  es  von  euch  unacht- 
sam übergangen,  befunden,  habt  ir  zw  bedencken,  was  gutts  gefallens 
wir  darop  tragen  mögen.  Derhallien  wir  begeren,  das  ir  in  einer 
iden  pfarren  von  eins  itzlichen  wirttes  und  haußgesindes  personen, 
die  in  czehen  jaren  imd  darüber  seindt,  ein  eigentlich  voi'zceichnus 
machen  losset  und  sulchs  in  unser  cauczlei  forderlich  überreichet. 
Alßdanne  wollen  wir  mit  czeittigem  rathe  darauff  trachten,  das  die 
scliuldigen  opfferpfenuige  einkommen  und  die  pfarher  und  seelwertter, 
der  wir  zw  förderunge  unser  und  der  unsern  selikeit  niclit  entperen 
können,  mögen  erhaltten  werden.  Und  ist  sulchs  unser  entliche 
meynung.  Datum  ut  supra  [Freybergk  sontags  der  heyligen  drey- 
faltikeit  anno  domini  :c.  XXVIIF]. 


Arcliivalisclie  Beiträge  zur  Reformationsgeschichte  etc.     137 

>o.  10.    (1528  Oktober  30.) 

Nach  dem  Konzept  ebenda  (fol.  5Sb.) 

Bmgenneister  und  rathe  zw  Freihcrgk. 

Liehen  getraweu.  Die  Römische  kej-serliche  majestet  \inscr 
allergenedigister  herre  hat  in  vorgehenden  jaren  allen  nud  itzlichen 
geistiichen  und  werntlichen  tüi'sten  und  stenden  des  heiligen  reichs 
durch  öffentliche  orer  kej'serlichen  majestet  edict  und  geltotshiicflc 
hey  Verhüttung  orer  niajt.  unginide,  entsetzung  aller  eren,  wirdcn, 
stanfls,  regalien  und  Privilegien,  so  sie  und  ein  itzlicher  in  Sonderheit 
vom  heiligen  reich  cntpfangen  und  zu  erkennen  schnldisr.  auch  vor- 
meiiluug  anderer  straffen  in  den  heiligen  recliten  und  itzogedachtcr 
keyserlicher  niajt.  hrift'licher  ankündigung  hegriffeu  und  außgedruckt 
seindt,  ernstlichen  geboten,  in  iren  fiiistenthumlien,  landen,  öhirkeitcn 
und  herschafften  keine  newikeyth,  die  von  gemeiner  christenliclien 
kirchea  nicht  api»robirt,  zwzwlasseu,  ahuzunehmen  adder  zu  vorstaten. 
sondern  sich  der  gemeinen  christeidn'it  hestetigten  und  bewereteu 
ordeimng  in  underthenigem  gehorsam  zu  vorhalten,  bis  so  lange 
durch  ein  gemeins  chi istlich  concilium.  des  wir  uns  kürczlich  vor- 
trösten und  teglich  des  ausschreiliens  gewartten,  zimliche  anderunge 
der  misbreuche  halben  gt'machet.  Weil  dan  sulches  gebot  uns  als 
einen  fursten  und  glydt  des  heiligen  reichs  mitte  belanget,  haben 
Avir  euch  nud  andern  unsern  underthanen  dieselhigen  keyserlichen 
mandat  durch  unserer  rethe  ansage  und  auch  vilfeltige  schriff'te 
publicircu  und  anzeigen  lassen,  wie  ir  euch  deß  wohl  werdet  erinnern 
und  der  unwissenschaft  mit  nichte  entschuldigen  mögen  :c.  )So  nue 
zw  melier  maheln  uns  clagen  vorkommen,  das  sich  etzliche  in  vor- 
achtung  irer  pflicht  und  auß  mutwilligem  ungehorsam  viler  newikeit 
alhier  vleissigen  und  den  sehehvartten  ire  schuldige  gerechtikeit  und 
besondern  uff'  die  höchsten  festa  und  feyertage  die  oppfferpfennigc 
nicht  reichen  :c.,  euch  solche  Vorenthaltung  den  götlichen  geboten 
und  weltlichen  rechlen  entkegen,  darop  von  gote  und  weltlicher 
öbii'keit  beschwerUche  straffe  und  nachteyl  zw  befliaren,  ist  unser 
genczlichs  liegeren.  das  ir  arm  und  reich  alhier  in  gemeine  uff' 
morgen  Sonnabend  vorsamlet,  inen  allen  semptli^h  xmd  sonderlich 
von  unsertwegen  ernstlich  gebietet  keyserlicher  majt  und  unsern 
geboten  vori)flicliten  gehorsam  zw  geleisten,  kein  newkeit  zw  suchen 
noch  einzufüri'n  und  ein  itzlicher  haußwirt  vor  sich,  seine  kindcr 
und  liaußgesinde,  die  binnen  czehen  jaren  alt  und  inen  der  heiliucn 
sacramcnt  als  Christen  menschen  zw  gebrauchen  gebüi'ct.  den  pt'arhern 
uif  zwkünff'tigen  allerheiligenfest  und  oppfertag  vor  ide  person  einen 
gutten  nawen  czinspfennig  Sechsischer  gangkhafftiger  alhier  vor- 
ordenter  fürstenmüntze  uff  dye  altaria  adder  den  pfarhern  in  ore 
behausunii'  reichen  und  entrichten,  sulchs  uit  anders  halten,  und  das 
diß  also  geschee  euer  voyth  und  diener  nach  gestalten!  vorczeichnussc 
uffmerkunge  haben  lossendt,  wie  wir  ahne  das  och  zw  bestellen 
iK'dacht,  und  Avelcher  darahn  seumig,  der  sali  hernach  das  o])i)fer 
seinem  pfarhei'u  tz\\('ifac!i  zalcn  und  unser  zimliche  straffe  nicht 
entgehen.  Sich  darnach  wissen  zu  richten.  Datum  freytags  mich 
Simonis  Jude  ao.  XXVIII. 


V. 

Kleinere  Mittheihmgeu. 

1.    Handschriftliches  zur  Genealogie  der  Wettiner. 

Von  L.  Weiland. 

Die  imclifolgeiiden  Notizen  habe  ich  vor  Jahren 
aus  der  Handschrift  der  Dresdener  BibHothek  J  53  ab- 
geschrieben, welche  früher  Liber  hibllotliecae  Oscha- 
ciensis  war,  also  wohl  dem  Barfüsserkonvent  in  Oschatz 
gehörte^).  Diejenigen  unter  I.  stehen  auf  der  Rückseite 
des  Vorsetzblattes,  die  unter  II.  füllen  den  freien  Raum 
hinter  der  Vorrede  des  Martin  von  Troppau  auf  fol. -1. 
Die  Einzeichnungen  waren  sehr  verblasst  und  schwer  zu 
entziffern,  wenn  ich  mich  recht  entsinne,  nur  durch  An- 
wendung von  Chemikalien,  und  nicht  alles  wurde  heraus- 
gebracht. Ob  die  beiden  Theile  von  verschiedenen  Schrei- 
bern herrühren,  habe  ich  nicht  angemerkt;  nach  dem 
Inhalte  scheint  es  aber  fast  so.  Ob  bei  dem  ersten 
Theile  die  Schreiberverse  das  Jahr  der  Eintragung  der 
ersten  Hälfte,  1357,  bezeichnen,  ist  zweifelhaft.  Heisst 
in  der  zweiten  Hälfte  der  Markgraf  Friedrich  der  Ernst- 
hafte noch  dominus  noster.  so  ist  man  hierdurch  wohl 
nicht  genöthigt  Einzeichnung  vor  seinem  Tode  1349  an- 
zunehmen; gegen  Ende  erscheint  ja  noch  die  Jahres- 
zahl 1350.  Der  zweite  Theil  mag  wohl  in  derselben 
Zeit  geschrieben  sein.  Unter  demselben  steht  zwar 
Anno  domini  1398  in  vigilia  sancti  Frmidsci  confessoria, 
die  Jahreszahl  in  arabischen  Ziffern,   doch  deutet  nichts 


1)  Yergl.  über  diese  Handschrift  Falkeu.^teiu,  Beschreibung 
der  kihiigl.  öftentl.  Bibliothek  zu  Di'esden  (1839)  S.  336,  Herschel 
im  Serapeum  XA^  (1854),  234  flg.,  Schnorr  v.  Carolsfeld,  Katalog 
der  Handschriften  der  königl.  öffentl.  Bibl.  zu  Dresden  II  (1883),  31. 


Kleinere  Mittheiluugeii.  139 

auf  so  späte  ALfassmig'.  AValirsclieinlicli  ist,  dass  die 
Einzeichnnng'en  im  Kloster  Oscliatz  selbst  gemacht  wur- 
den; schwerlich  ist  wegen  des  Schlusses  von  I.  an  den 
benachbarten  i^onnenkonvent  Seusslitz,  der  gleichen 
Ordens  war,  zu  denken.  Sehr  viel  Neues  ist  ja  diesen 
Notizen  wohl  nicht  zu  entnehmen,  doch  mögen  sie  viel- 
leicht einige  Daten  bestätigen  oder  korrigieren,  die  man 
seither  nur  aus  späteren  Autoren  kannte.  Ich  möchte 
vor  allem  aufmerksam  machen  auf  die  Geburtstage  und 
Geburtsorte  der  Kinder  Friedrichs  des  Ernsthaften. 
Erstere  weichen  von  den  rezipierten  mehrfach  ab.  In 
den  Anmerkungen  habe  ich  nur  das  AUernöthigste  aus 
Cohn's  Stammtafeln  zur  Erläuterung  beigefügt  und  an- 
gemerkt, wo  diese  abweichende  Angaben  haben. 


I. 

Anno  doniini  MCCLXXII  doniiue  intraverunt  claustrura  Suselicz. 
Anno  (lomini  MCCCL  fuerunt  LXXVIII  anni. 

Spalte  a. 

Hen|ricns]  marcliio  Missnensis  oliiit  anno  doniini  MCCLXXVIII. 
AUjeitus-)  obiit  aiuio  domini  MCCLXVIII. 

Theodei'icns '^j  obiit  anno  domini  MCCLXXXV.     Helena  uxor  ejus. 
Fridericns  Clcnimc  anno  domini  MCCCVIII-*). 
Donnia  Agnes  uxor  Hen[rici]  oliiit  anno  domini  MCCLXVIII. 
Domna  MechthiUlis  ')  anno  dnnüni  MCCCXLVI. 
Fridericns  niarehio  Missnensis  obiit  anno  domini  ]\LCCCXLIX"). 
Et  genuerunt  IX  pueros,  qninqne  tilios  et  IUI  filias. 
Filie:  Elisabet,  Jieati'ix,  Anna,  Clara. 

Filios :  prininm  Fridericnm,  II.  Frideiicum.  III.  Balthasar,  Uli.  Lu- 
dewioum,  V.  dictum  W'ilhelmum. 

Spalte  b. 

Fridericus  ■')   anno   domini  MCCCXA^I.     Et  Elisabet  mater  predicti 
Clemmonis  ^)  MCCCXXXIII. 


-)  Abertus   Ih.     Alhrccht  der  I^/i(irtl(je   starl)   übrigens   1314. 

3)  chod'  .//.s. 

^)  Friedrich  der  Kleine  f  1310 ;  unten  icird  sein  Todesjahr 
richtifj  angegeben. 

^)  Getnahlln  Friedrichs  des  Ernsthaften. 

")  Dahinter  ist  ausgestrichen:  et  domna  Meclithildis  anno 
domini  MCCCXLVI. 

"')  dem  oder  der  Kleine.  Durch  einen  Querstrich  (irrthüni- 
licJi)  mit  Theodericus  icnd  Helena  vertiundcn. 

-*)  clemois  J/.s.  Et  — MCCCXXXIII  ist  ein  Zusatz  von 
((ndenr   Hand. 


140  KUniiere  3Iittheiluiiycii. 

Thiceiuan  anuo  domiiii  MCCOVII»). 

Hen[)icusi]  anno  clomini ^'^). 

Fridericus  elaudus  anno  domini"). 

Marchio  Tute  anno  domini  MCCCXCIX^^). 

Helena  mater  ejus  uxor  Theoderici'")  aimo  domini  MCCCIII. 

Zcu  lone  suUit  ir  mich  nuwe  cleidin,  das  uch  got  behüte  for 
allim  leide,  anno  domini  MOCCLVIP.     Quod  fiat  sine  dubio  i*). 

Fi'idericus^"')  dominus  noster  duxit  filiam  Ludewici  imperatoris 
et  genuit  V  filios :  Friderieum  primura  in  Rochelicz,  sepultum  in 
Misna  in  summo'")  anno  domini  .  .  .^");  Friderieum  II"i  Dresden  in  die 
S.  Burkardi  a.  d.  MCCCXXXIl  i");  Balthasar  ITI^i'"  in  Wisinfelcz  in 
die  sancti  Thome  i"')  anno  domini  MOCCXXXYI ;  Ludewicum  IIII>""  in 
Wartberg  Mathie^«-)  anuo  domini  MCCCXL;  Willielmum  Dresden 
Lu  octava  Christi-")  domini  nostri  anno  domini  MOCCXLIII.  Item  IUI 
filias:  prima  Elisabet  in  Wartberch  in  die  sancte  Cecilie-i)  anuo 
domini  MCCCXUX ;  Beatricem  secuudam  in  Wartberg  in  die  sancti 
Egidii")  anno  domini  MCCOXXXIX;  Anna  et  Clara  IIL-^  et  Ulla 
in  Dresden  Douati^-)  anno  domini  MCCCXLV. 

Domna  Beatiix  vestita  est  in  Suselicz  anno  domini  MCCCL 
anno  iiifra  octavam  nativitatis  sancte  Marie -^),  domna  Anna  anno 
domini  MCCCXLV  in  divisione  apostolorum -■'"')  et  veuit  cum  sua 
nuti'ice  ad  claustrum. 

Proviucia  Saxonie  habet  loca  fratrum  XC.  custodias  XII,  loca 
dominarum  VII.  Bohemie  loca  fratram  XLII.  custodias  VII,  loca 
domiuarum  XI.  Austrie  custodias  VI,  loca  fratrum  XX,  loca  domi- 
narum XIIII.  Ungarie  custodias  VIII,  loca  fratrum  XLIIII, 
dominarum  IUI. 

II. 

Incipit   genealogia-'*)    principum   Misnensium   per   annos   sancte 
Hedewigis. 

Cunradus    Misenensis    et    Orientalis    marchio    cum   fratre    suo 


'')  Durch  einen  Querstrich  mit  domna  Agnes  «.  -s.  w.  verbunden. 

^")  Das  Jahr  fehlt. 

")  Das  Jahr  fehlt.  Durch  einen  Querstrich  mit  Theodericus 
imd  Helena  verbunden. 

^-)  Vielmehr  1291.  Marchio  bis  hierher:  Zusatz  von  anderer 
Hand. 

1^)  Thd  Hs.     Die  letzte  Zeile  ein  Znsatz  von  anderer  Hand. 

^*)  Diese  (von  anderer  Hand  nachgetragenen)  Verse  bedeuten 
nach  Ilerschel  a.  a.  ()..  dass  für  1.357  eine  neue  BeMeldung  des 
Seusslitzer  Altarbildes  beschlossen  war. 

i-"^)  der  Ernsthafte  f  1349.     i«)  sc.  choro. 

1')  14.  Oktober;  nach  Cohn:  6.  Oktober  1331. 

18)  21.  Dezember,     ^o)  25.  Februar. 

-")  1.  Januar;  Cohn:  19.  Dezember. 

-')  22.  November.  Die  Jahreszahl  ist  sicher  falsch;  Cohn 
giebt  1332,  was  aber,  wenn  Friedrich  der  Strenge  vnrklich  am 
20.  August  1332  geboren  sein  sollte,  auch  Glicht  riclitig  sein  könnte. 

2-)  1.  September.    -^)  7.  August.     -^)  15.  September.    -^)  15.  Juli. 

-")  gen^olia  Hs. 


Kleinere  Mittheilungen.  141 

Tlieotlerico -')  fundaverunt  claustrum  cauonicorum  regularium  in  j\loute 
Sereno,  et  habuit  uxorem  nomine  Lntart,  de  qua  gennit  VI  filios  et 
tot    Alias.       Primus    Tlieodcricus     fnndavit    monasterium    Dobirlng'. 

Secundus  Thedo,  avus  sancte  Hedewigis,  fundavit  Zcilleu 

Tercius-'')  monasterium  sanctimonialium.  Quartus  Otto  Missnensis 
et  Orientalis  marchio  fundavit  Cellam  sancte  Jlaric;  habuit  uxorem 
Hedewigis  liliam  Alberti  ducis  Saxonie-")  ot  habuit  duos  filios. 
Primus  Albertus,  secundus  Theodericus  qui  duxit  filiam  lantgi-avii 
Hermanni  et  genuit  ex  ea  Hen[ricum]  den  mildin''"),  qui  fuit  Miss- 
nensis et  Orieutalis  marchio  etc.  Et  iste  Hen[ricus]  habuit  in  nxores 
primo  Constanciam  filiam  ducis  Austrie,  de  qua  nati  sunt  dno  filii: 
primus  Albertus  lantgravius  Thuringie,  secundus  Theodericus  mai'chio 
de  Landesberg.  Hen[ricus]  secundo  Agnem  de  claustro  Präge '^i). 
que  mortua  est  sine  berede;  tercio  Elisabet  matrem  Clementis "-) 
domini  in  Dresden.  Albertus  primus  fijius  Hen[rici]  duxit  uxorem 
Margaretam  Friderici  secundi  imperatoris,  de  qua  habuit  III  filios. 
Primus  Hen[ricus],  secundus  Fridericus,  tercius  Thitemannus.  Pi'imus 
Hen[ricus]  duxit  uxorem  Hedewigis  filiam  ducis  Slesie,  ex  qua 
habuit  Anelant"").  Secundus  Fridericus  marchio  duxit  Agnem  filiitni 
ducis  Karintie,  et  habuit  ea  Fridericum  et  obiit  sine  berede  ■■'). 
Tercius  Thitemannus  lantgravius  Thu[i'ingii' |  duxit  uxorem  Mariani '^•'') 
filiam  Bertoldi  de  Henneberg.     Theo<lericus  de  Jjandesberg  secundus 

filius"*')  duxit  Elenam  filiam  marchionis ^"'J^  de   qua  genuit 

Fridericum  nomine  Tute,  qui  duxit  filiam  ducis  Bavarie  et  obiit  sine 
berede.     Alberti    secundus    filius    Frideiicus    aliam  duxit'''')  uxorem 

filiam  comitis  de "'■'},  de  qua  liabuit  11  filios  F Miss- 

nensem  et  Orientalen!  "^),  qui  ultra  habuit  II  filios  Fridericum  clau- 
dum  et  Fridericum  .  .  ,  ."). 


-'•)  Vielmehr  Dedo. 

-^)  Heinrich.  Die  richtige  Altersfolge  ist  aber:  Otto,  Diet- 
rich, Dedo,  Heinrich. 

-")   Vielmehr  Albrechts  des  Bären. 

^'^)  Gewöhnlich  der  Erlmichte  (jrnannt. 

'*')  Agnes  war  die  Tochter  König  Wenzels  I.  von  BöJnnen ; 
führt  sie  den  Beinamen  vielleicht  desshalb,  weil  sie  indem  Klarissen- 
konvent zu  Prag  erzogen  icar.  den  ihre  gleichnamige  Tante  qc- 
stiftet  hatte  i' 

''^-)  Friedrich  genannt  Clem  oder  der  Kleine. 

•^^)  Heinrich  bekommt  selbst  gewöhnlich  den  Beinamen  „ohne 
Land" ;  sein  Sohn  hiess  Friedrich. 

^)  Friedrich  der  Lahme  f  1315. 

'•^)  Geivöhnlich  tvird  sie  Jutta  genannt. 

"")  Heinriclis  des  Erlanchten. 

^'•)  Brandenburgensis. 

'■'''^)  Hs.  iriederholt  hier  aliam. 

•'")  Hs.  scheint  hier  Marasav  zu  haben  ;  die  zweite  (rcmahlin 
Friedrichs  des  Freidigen  ivar  FJisabeth.  Tuelder  Ottos  vonArnshaug. 

'")  Aus  der  zireiten  Ehe  Friedrichs  des  Freidigen  ist  nur 
ein  Sohn  bekannt,  Friedrich  der  Ernsthafte  geb.  1310  f  134'J. 

")  Friedrich  der  Ernsthafte  hatte  zwei  Söhne  seines  Namens, 
einen,  geb.  und  f  1330.  dann  Friedrich  den  Strengen,  geb.  1331, 
f  1381.  In  der  Hs.  folgt  noch  eine  unleserliche  Zeile;  an  deren 
Schluss  steht  etc.   K9  an.  a. 


142  Kleinere  Mittheilnngen. 

2.    Zur   Geschiclite   der   Freistellen  bei  der  Laiides- 

scliule  zu  3Ieissen. 

Von  Beruh iird  von   Schönberg. 

Auf  mehrfach  geäusserten  Wunsch  folgt  hier  als  Nach- 
trag zu  memem  Aufsatze  „Zur  Entstehungsgeschichte 
der  städtischen  und  adeligen  Patronatsstellen  in  den 
sächsischen  Landesschulen"  (in  dieser  Zeitschrift  Bd.  VII 
S.  60  flg.)  noch  eine  gedrängte  Darstellung  der  bei  den 
Freistellen  in  der  Landesschule  zu  Meissen  stattgefun- 
denen Wandlungen. 

Das  dort  S.  84  erAvähnte  Reskript  vom  3L  Juli  15ö7 
bestimmt : 

Erstlich  wollen  Wir  vor  Uns  in  solcher  Schulen  4  Knaben  zu 
benennen  haben. 

Die  vom  Adel  sollen  aus  ihren  Geschlechtern  zu  benennen 
haben  24  Knaben,  nämlich  6  die  von  Schönberg-  zu  Heinsberg,  2  die 
von  Schünlterg  zur  Xeueusorge,  3  die  von  Schleinitz.  2  die  von  Miltitz. 
2  die  von  Housberg,  je  1  die  Karas  zu  Keinhartsgrimma,  die  Ziegeler. 
die  Spiegel,  die  von  Karlowitz,  die  von  Starschedel,  die  Pfluge,  die 
von  Lüttichau,  die  von  Bünau,  die  von  Breitenbach    [zusammen  9]. 

Unsere  Städte  sollen  zu  l)enennen  haben  42  Knaben,  nämlich 
5  Neuen -Dresden,  1  Alten -Dresden.  7  Freiberg.  1  die  Knappschaft 
daselbst,  3  Pirna,  5  Sanct  Annalierg,  4  Meissen,  je  1  Altenberg,  Grlas- 
hütte,  Gottleuba,  Lommatzsch,  Ortrand,  Zahna,  Brück.  Ximegk,  Giess- 
hübel,  Grüuhain,  Schiettau,  Zwönitz,  Eosswein,  Siebenlehn,  Xossen. 
Penig  [zusammen  16].  ... 

Weil  auch  viele  arme  Priester  um  Einnehmung  ihrer  Kinder 
ansuchen,  so  wollen  Wir  dersell»en  10  Knaben  in  solche  Schulen  zu 
benennen  haben.  .  .  . 

Summa  der  vorgesetzten  Knaben:   80. 

Solche  sollen  in  dieser  Unserer  Schule  mit  Kost.  Lager.  Trank, 
Herberge  und  Lehre,  aiich  der  Kleidung.  Avie  vor  dieser  Zeit,  bis 
auf  Unser  Wiederabschaifen  derer,  so  die  Benennung  nicht  haben, 
unterhalten,  w-enn  sich  aber  die  sechs  .Tahre  enden,  Uns  solches  zu- 
geschrieben werden.  .  .  . 

Darüber  sollen  20  Kostknaben  in  dieser  Schule  gehalten,  und 
von  jedem  jährlich  15  5L,  als  jedes  Quartal  3  3L  15  gr.  9  /S».,  ge- 
nommen, und  sie  dagegen  den  andern  Knaben  gleich  unterhalten 
werden.    Als  etc.     [Es  folgen  24  Namen.]     Thut  24  Knaben. 

Unter  solchen  sollen  4  Knaben,  welche  die  unvermögendsten 
Eltern  haben,  als  Famuli  bis  zur  Endung  der  6  Jahre,  die  anderen 
20  aber,  wofern  sie  zum  Studio  geschickt,  um  das  Kostgeld  bis  auf 
Unser  Abschaifen  in  der  Schule  gelitten  werden.  Und  ob  hierüber 
einige  Knaben  Überlei.  denen  soll  förderlich  aufgelegt  werden,  die 
Schule  zu  räumen. 

Darüber  sollen  20  Knaben  nach  Unserem  Gefallen  und  mit 
Unserem  Wissen  die  Lehre  in  der  Schule  haben,  sich  aber  auf  ihre 
Kosten  mit  Herberge,  Kost,  Trank,  Kleidung  und  andei-er  Nothdui'ft 
in  der  Stadt  versehen  und  den  Professoren  jeder  alle  (Quartale  für 
ihre  Mühe  einen  Gulden  entrichten. 


Kleinere  ]\Tittheiluugen.  14?) 

Und  soll  solcher  Unserer  Ordnung  bis  zu  endlicher  Vollziehung 
der  Fundation  und  Unserem  ferneren  Schaffen  mit  Fleiss  nach- 
gegangen worden,  und  der  gehorsame  und  willige  Folge  geschehen. 

Ein  Verzeichnis  vom  7.  September  1574')  stimmt 
mit  dem  vorstehenden  zwar  in  der  Hauptsache  überehi, 
doch  erscheinen  darin  die  Stellen  der  Edellente  von  24 
auf  28  erhöht,  indem  zwar  die  Stelle  der  Spiegel  ohne 
Bezeichnung-  eines  Grundes  unerwähnt  bleibt,  dagegen 
die  Schleinitz'schen  Stellen  von  3  auf  6  erhöht  werden, 
und  je  eine  neue  Stelle  für  die  von  Bernstein  (Bärenstein) 
und  den  kurfürstlichen  Kanzler  Dr.  Hieronjinus  Kiese- 
wetter (später  die  „Kiesewetter  zu  Dittersbach")  ange- 
fügt ist. 

lieber  die  Begründung  dieser  beiden  letzten  Stellen 
vergl.  Flathe,  St.  Afra  S.  90.  —  Die  Vermehrung  der 
Schleinitz'schen  Stellen  beweist,  dass  der  Standpunkt  der 
Antwort  auf  das  Fristverlängerungs  -  Gesuch  der  Schön- 
berge vom  30.  Juni  1543  (vergl.  Bd. VHS. 80)  sich  doch 
nicht  allenthalben  hatte  aufrecht  erhalten  lassen. 

Die  „vacirenden",  d.  h.  von  den  Kollaturberechtigten 
nicht  vergebenen,  Stellen  blieben  nicht  unbesetzt,  sondern 
wurden  vom  Kurfürsten,  jedoch  nur  auf  die  Dauer  der 
Vakanz,  vergeben.  „Es  hat  aber  mit  diesen  Knaben 
solche  Gelegenheit:  wemi  die  vom  Adel  ihre  Stellen  er- 
setzen, müssen  diese  weichen"  (vergl.  Bd. VII  S.  89  dieser 
Zeitschrift,  und  Flathe,  St.  Afra  S.  91  Anm.  2). 

Allerdings  kommt  auch  der  gänzliche  Verlust  des 
Kollaturrechtes  durch  dauernden  Nichtgebrauch  vor.  So 
wird  in  den  Verzeichnissen  vom  S.Mai  1578 -)  und  vom 
30.  Januar  1579'^)  bemerkt,  dass  die  Bünau,  Starschedel 
und  Breitenbach  von  ihrem  Kollaturrechte  niemals  Ge- 
brauch gemacht  hätten,  und  sind  dann  im  Verzeichnisse 
vom  18.  September  1582'*)  diese  3  Stellen  ohne  weitere 
Begründung  ausgelassen,  so  dass  von  da  an  die  Zahl  der 
adeligen  Freistellen  sich  wieder  auf  25  vermindert. 

Ueber  die  Verwandlung  dei'  beiden  Stellen  des 
Sachsenburger  Hauptzweiges   der  Schönberge  sowie  der 


>)  H.-St.-A.  Loc.  10405  Akten;  Kmlürstl.  Schulen  etc.  Vcr- 
zeichniss  der  Knaben  Ao.  1574,  Bl.  25. 

-)  H.-St.-A.  Uoc.  10407,  Akten:  Bestellung  der  Präzeptoreu 
etc.  Bl.  12. 

»)  H.-St.-A.  Loc.  10405.  Akten:  Schriften,  betr.  die  kurfür.stl. 
Schulen  etc.  Bl.  22. 

')  Ebendaselbst  Bl.  60. 


144  Kleinere  Mittheilungen. 

Kaias'sclien  Stelle  in  kurfürstliche  Gnaclenstellen ,  deren 
Zahl  dadurch  von  4  auf  7  stieg-,  ist  schon  Bd.  VII  S.  89 
berichtet  worden. 

Eingezogen  wurden  noch  die  Ziegler'sche  Stelle, 
welche  im  Jahre  1610  auf  die  vom  Loss  übergegangen 
war,  im  Jahre  1852  infolge  des  Erlöschens  dieses  letz- 
teren Geschlechtes  im  Mannesstamme  ■^),  und  die  Lütti- 
chau'sche,  später  auf  die  Besitzer  des  Eittergutes  Gross- 
kmehlen  übertragene  Stelle  im  Jahre  1796*^). 

Von  den  beiden  Stellen  der  Honsberge  ist  die  eine 
im  Jahre  1633  an  die  von  Friesen  auf  Rötha,  die  andere 
im  Jahre  1660  an  die  von  Pflugk  auf  Kottewitz  abge- 
treten worden"^). 

.  Die  Bärenstein'sche  Stelle  ward  zwar  nach  dem 
Erlöschen  der  Oberpolenzer  Linie  dieses  Geschlechtes 
durch  Entscheidung  des  Oberkonsistoriums  vom  Jahre 
1720  als  dem  Geschlechte  und  nicht  dem  jeweiligen  Be- 
sitzer des  Rittergutes  Oberpolenz  zustehend  anerkannt, 
gleichwohl  aber  seit  dem  Jahre  1795  als  die  Oberpolenzer 
Stelle  bezeichnet^). 

Die  Kiesewetter'sche  Stelle  endlich  verblieb  auf 
Grund  einer  Entscheidung  des  Oberkonsistoriums  vom 
Jahre  1751  bei  den  Besitzern  des  Rittergutes  Ditters- 
bach,  auch  nachdem  dasselbe  aus  der  Famüie  gekommen 
war,  weil  sie  mit  Rücksicht  auf  die  besonderen  Vorgänge 
bei  der  Stiftung  ausnahmsweise  als  ein  Realrecht  anzu- 
sehen sei^). 

Der  gegenwärtige  Stand  ist  bei  Zugrundelegung 
einer  Bekanntmachung  der  Schulinspektion  vom  April 
1885  folgender: 

A.  Unter  Kollatur  des  Kultusministeriums: 

a)  39  Freistellen,  nämlich:  7  Gnadenstellen,  5  Frei- 
stellen'"),  10  Priesterstellen,  1  wendische  Priesterstelle, 
4  Famulaturstellen.  6  Trützschler'sche  Stellen,  6  Bose'sche 
Stellen. 

b)  15  ordentliche  und  10  ausserordentliche  Kost» 
stellen. 


■•)  Fiat  he,  8t.  Afra  S.  89. 
")  Ebendaselbst  «.  90. 
')  Ebendaselbst  S.  89. 
^)  Ebendaselbst  S.  90. 
")  Ebendaselbst  S.  90. 

^")  Voraussetzlich    aus    den    eingezosienen    Stellen    der  Biinau. 
Starschedel,  Breitenbach,  Ziegler  und  Lüttiehau  entstanden. 


Kleinere  Mittlieilungen.  145 

B.  20  adelige  Freistellen,  nämlich  6  die  von  Schön- 
berg des  Eeinsberger  Hauptzweiges,  6  die  von  Schleinitz, 
2  die  von  Miltitz,  1  die  von  Friesen  auf  Eötha,  1  die 
von  Pflugk  auf  Kottewitz,  1  die  von  Carlowitz'sche  Ge- 
schleclitsgenossenschaft,  1  die  von  Pflugk'sche  Geschlechts- 
genossenschaft, 1  der  Besitzer  des  Eittergutes  Ober- 
polenz,  1  der  Besitzer  des  Eittergutes  Dittersbach  (zur 
Zeit  vom  Kultusministerium  vertreten). 

C.  45  städtische  Freistellen,  nämlich:  6  Dresden, 
7  Freiberg.  1  die  Knappschaft  daselbst,  3  Pirna,  3  An- 
naberg, 4  Meissen,  je  1  Altenberg,  Glashütte,  Gottleuba, 
Lommatzsch,  Berggiesshübel,  Grünhain,  Schlettau,  Zwö- 
nitz,  Eosswein,  Siebenlehn,  Nossen,  Penig  (zusammen  12), 
2  Grossenhain,  je  1  Hohenstein,  Königsteiu,  Neustadt 
bei  Stolpen,  Schandau,  Sebnitz,  Stolpen,  Stadt  Wehlen 
(zusammen  7). 

3.  Das  Altarbild  in  der  Sakristei  der  Stadtkirche  zu 

Torgau. 

Von  Cni't  Jacob. 

In  der  Marien-  (Haupt-)  Kirche  zu  Torgau  ist  in  der 
Sakristei  ein  Hochaltar  aufgestellt,  der  eine  ungemein  be- 
lebte Kreuzigung  auf  dem  Hauptbilde  und  die  Martern 
Christi  in  acht  Darstellungen  auf  den  Flügeln  zeigt.  Der 
Altar  befand  sich  ursprünglich  in  der  „Kapelle  zum  heiligen 
Kreuz",  zu  welcher  Kurfürst  Friedrich  der  Weise  vor  seiner 
Wallfahrt  nach  dem  heiligen  Lande  1493  den  Grundstein 
gelegt  und  die  er  mit  vielen  Eeliquien  ausgestattet  hatte. 
Man  nannte  die  Kapelle  „die  schöne"  und  „das  Volk  lief 
zu  daselbst  Ablass  zu  holen;  darwider  Dr.  Luther  eifrig 
gepredigt,  sagend :  sie  sollten  ihr  Verdienst  und  Trost  nicht 
auf  Menschenwerk  setzen."  Die  auf  der  Eückseite  des 
Altars  über  einem  sehr  schönen  „Schweisstuch  der  heiligen 
Veronika"  angebrachte  Jahreszahl  1509  mit  dem  Buchstaben 
L  (?)E  oder  K,  der  Inschrift  „erat  (?)  Kepfe  (KopheV)" 
und  dem  Wappen  einer  Pflugschar  lässt  die  Aufstellung 
wohl  mit  Eecht  in  dieses  Jahr  verlegen  und  als  Stifter  ein 
Glied  der  um  jene  Zeit  in  Torgau  blühenden  Patrizier- 
familie Koppe  (Koeppe)  —  vielleicht  Erasnuis  oder 
Ehrhardt  Koeppe  —  vermuthen  ').    Bald  nach  Einführung 


^)  In  den  Torgauer  Rathsrechnuugen  kommt  neben  fünf  andei-n 
Grliedern  dieser  Eamilie  ein  Erasmus  K.  vor,  geb.  1471,  gest.  1553. 

Neue.s  Archiv  f.  S.  O.  u.  A.    VIII.   1.  2.  10 


146  Kleinere  Mittheiluiigen. 

der  Eelbrmatiou  im  dritten  Jahrzehnt  des  16.  Jahi'huuderts 
hat  die  Kapelle  aufgehört  zu  existieren,  und  das  Altar- 
bild wanderte  in  die  Franziskaner-Klosterkirche.  Als  1811 
Torgau  Festung  und  diese  Kirche  zu  Montierungskammern 
ausgebaut  wurde,  kam  der  Hochaltar  nach  seinem  jetzigen 
Aufbewahrungsorte.  Während  das  Bild  der  Rückseite, 
wenn  auch  mannigfach  beschädigt,  noch  in  den  alten 
Farben  erhalten  blieb,  ist  leider  das  Hauptbild  mit  den 
Flügeln  in  späterer  Zeit  übermalt  worden.  Soviel  lässt 
sich  aber  mit  Bestimmtheit  behaupten,  dass  dies  Bild 
keines  Falls  eine  Cranachsche  Arbeit  ist;  man  kann  viel- 
mehr aus  mancherlei  Umständen  schliessen,  dass  man  es 
hier  mit  einem  Werke  der  Dürerschen  Schule  in  Nürn- 
berg zu  thun  hat.  Wenn  nun  trotzdem  „das  Altarbild 
der  Kapelle  zum  heiligen  Kreuz"  durch  alle  Cranach- 
Biographien  als  ein  Werk  dieses  Meisters  hindurchgeht, 
so  dürfte  die  Richtigstellung  dieser  Thatsache  vorliegende 
Zeilen  wohl  rechtfertigen.  Es  ist  übrigens  nicht  ohne  In- 
teresse zu  verfolgen,  wie  die  Notiz,  welche  Lindau  in 
seinem  Werke  (Lucas  Cranach,  1883)  über  das  Altarbild 
bringt,  entstanden  ist.  Die  erste  Erwähnung  des  Bildes 
findet  sich  in  Koehler's  Beiträgen  zur  Ergänzung  der 
deutschen  Literatur-,  und  Kunstgeschichte  1792  Bd.  II. 
S.  219.  Hier  heisst  es:  „Ein  mit  vieler  Kunst  gemalter 
Altar  in  der  Klosterkirche  zu  Torgau.  Churfüi'st  Friedrich 
Hess  ihn  1509  für  die  Kapelle  zum  heiligen  Kreuz  in  Torgau 
fertigen,  nach  10  Jahren  aber  in  der  Klosterkirche  zu 
Torgau  aufstellen.  An  dem  oberen  Theile  der  hinteren 
Seite  findet  man  ganz  oben  das  Monogramm  des  Künst- 
lers (?)  mit  der  Jahreszahl:  L.  K.  1509.  Darüber  stehen 
die  Worte  von  einer  späteren  Hand:  Dieser  Altar  ist  1519 
von  der  Kapelle  zum  heiligen  Kreuz  hierher  gebracht 
worden.''  Seite  223  erwähnt  Koehl er  ein  anderes  Bild, 
welches  seit  langer  Zeit  spurlos  verschwunden 
ist,  „ein  Gemälde  von  vielem  Werth  auf  einer  hölzernen 
Tafel,  der  Vermuthung  nach  ein  ehemaliges  iVltarblatt  in 
der  Sakristei  der  Stadtkirche  zu  Torgau.  Es  stellt  vier 
Heilige  der  römischen  Kirche  dar:  Franz  und  Benedict, 
die  Väter  zweier  Mönchsoi-den  mit  der  Tonsur,  Moritz 
mit  einer  Fahne  und  den  Jagdpatron  Hubert  mit  einem 
Hirschgeweih,  in  dessen  Mitte  ein  Kreuz  abgebildet  ist." 
Der  nächste  Cranach-Biograph  Heller  (Lukas  Cranach 
des  Älteren  Leben  und  Werke  1851  Bd.  I  S.  98)  schreibt: 
„Torgau  in  der  Klosterkirche:    Ein   Altarblatt  mit  vier 


Kleinere  Mittheilungen.  147 

Heiligen,  Frauz,  Benedict,  Moritz  und  Hubert,  mit  den 
Zeichen  L.  K.  1509.  Churfürst  Friedrich  der  Weise  Hess 
es  (!)  1509  für  die  Kapelle  zum  heiligen  Kreuz  fertigen, 
es  wurde  aber  1519  hierher  gesetzt  (Koehler  II,  209,  223)." 
Also  Heller  hat  beide  Angaben  von  Koehler  zu  einer 
vereinigt,  und  Lindau  wiederholt  diese  Notiz  S.  79  mit 
den  Worten:  „  . .  Vornehmlich  das  Altarbild  in  der  Kloster- 
kirche zu  Torgau,  die  Heiligen  Franziskus,  Benedict,  Moritz 
und  Hubert  darstellend  mit  dem  Zeichen  der  Schlange  (!) 
und  der  Jahreszahl  1509.  Kurfürst  Friedrich  schmückte 
mit  diesem  Gemälde  die  Torgauer  Kapelle  zum  heiligen 
Kreuz,  die  er  1493  zu  bauen  begonnen  und  avozu  er  zwei 
Tage  vor  seinem  Aufbruch  zum  heiligen  Grabe  (17.  März) 
den  Grundstein  gelegt  hatte.  Da  aber  diese  Kapelle  gleich 
nach  der  Eeformation  wieder  einging,  so  kam  dieses  Bild 
(1519)  in  die  sogenannte  Klosterkirche  (Koehler  II,  209, 
233)."  Dass  Lindau  diese  Notiz  kritiklos  aus  Heller 
entnommen  hat,  geht  auch  daraus  hervor,  dass  er  den 
Druckfehler  Hellers:  Koehler  p.  209  statt  219  wiederholt, 
dem  er  noch  einen  weiteren  Druckfehler  hinzufügt:  233 
statt  223. 

Die  beiden  Bilder  von  Lukas  Cranach  dem  Älteren, 
die  Torgau  in  der  That  besitzt,  werden  in  keiner  Biographie 
erwähnt.  Es  sind  dies  ein  Altarblatt  „die  vierzehn  Noth- 
helfer"  in  der  Sakristei  der  Stadtkirche,  Avelches  zu  einem 
Altar  gehörte,  den  Kurfürst  Friedrich  HL  und  dessen 
Bruder  Herzog  Johann,  beim  Ableben  der  Gemahlin  des 
letzteren,  Sophia  von  Mecklenburg,  1505  zu  Ehren  der 
heiligen  Anna  und  der  vierzehn  Nothhelfer  stifteten,  und 
eine  „Himmelfahrt  Christi,"  ein  Devotionsbild  aus  einer 
der  früher  zahlreichen  Kirchen  und  Kapellen  Torgaus 
stammend,  neuerdings  als  Geschenk  des  Malers  A.  Conrad 
zu  Berlin  in  die  „städtische  Sammlung  sächsischer  Alter- 
thümer"  übergegangen. 

Wenn  Lindau  ferner  S.  365  in  der  Anmerkung  be- 
richtet, dass  Katharina  von  Bora  1552  in  Halle  gestorben 
sei,  so  ist  dies  dahin  zu  berichtigen,  dass  der  Tod  von 
Luthers  Gattin  in  Torgau,  wo  sie  auch  begraben  liegt, 
erfolgt  ist. 

Es  ist  schliesslich  noch  nachzutragen,  dass  sich  das 
bei  Lindau  S.  32G  erwähnte  Jagdbild  von  Lukas  Cranacli 
im  Schlosse  Moritzburg  bei  Dresden  auch  in  der  kgl. 
Gemäldegallerie  zu  Madrid  befindet  und  zwar  nebst  einem 
Pendant  von  gleicher  Grosse.     Jedes   der  beiden   Bilder 

10* 


148  Kleinere  Mittheilungen. 

in  Madrid,  von  denen  das  eine  eine  Hirsclijagd,  das  an- 
dere eine  Saujagd  darstellt,  zeigt  etwa  vierzig  sorgfältig 
in  Miniatur  gemalte  Porträtfiguren  und  als  Hintergrund 
Scliloss  Hartenfels  mit  Torgau,  doch  jedesmal  von  anderer 
Seite.  Es  sind  dies  übrigens,  —  die  Bilder  in  Madrid 
sind  mit  der  Jahreszahl  1540  versehen,  —  die  ältesten 
bekannten  Ansichten  von  Torgau. 

4.    Kunstgeschichtliche  Notizen. 

Mitgetheilt  von  Theodor  Distel. 

Alabaster   aus    den   Niederlanden   für 

Sachsen    1554. 

Kurfürst  August  reskribierte  unterm  14.  Juni  1554 
(Königl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv :  Cop.  260  Bl.  234b) 
an  den  Amtshauptmann  und  Oberrüstmeister  Hans  von 
Dehn-Rothf eiser ^)  also: 

„Lieber  getreuer.  Inliegend  schickenn  wir  dir  ungefehrlich 
vertzaichnus  oder  anschlag  was  die  bilder  oder  contrafacturen  unser 
vorfarn  loblicher  gedechtnus,  so  wir  ann  die  altartafeln")  von  ala- 
baster  machen  zu  lassen  entschlossen  seinn,  inn  Niederland  zuver- 
ferttigen  gestehen  wurden,  gnedig  begerend,  du  wollest  unser  vorigen 
derhalben  mit  dir  gehaltener  unterrehdung  nach  ein  ungefehrlich 
muster  stellen  lassenn,  wie  die  tafel  gemacht  und  die  contrafactiu'en 
darneben  einbracht  werden  mochten,  auch  einen  uugeferlichen  anschlag 
nach  dem  itzigen  machen,  was  das  gantze  werck  zuverferttigen  und 
gegen  Dresden  zu  bringen  kosten  und  gesteheun  werde  unnd  uns 
alsdan  denselben  neben  deinem  guthbedunken  zuschicken." 

Den  kursächsischen  Bildhauer  Zacharias 
Hegewald  betreffend. 

In  Nr.  5  des  Jalu-g.  1885  der  Zeitschrift  für  Museolo- 
gie  etc.  habe  ich  einiges  über  den  kursächsischen  Bildhauer 
Zacharias  Hegewald  mitgetheilt.  Damals  unterliess  ich 
zu  bemerken,  dass  er  nebst  Sebastian  Walther  ^)  Schüler 


1)  Vergl.  über  ihn  Lindau,  Dresden  (2.  Aufl.  1885)  S.  252, 
Steche,  Hans  von  Dehn-Rothfelser  (Dresden  1877),  v.  Wehers 
Archiv  f.  d.  Sachs.  Gesch.  XI,  92,  Anm.  12. 

-)  August  baute  die  von  seinem  Bruder  Moritz  begonnene 
Schlosskapelle  1555  aus  (Lindau  a.  a.  0.  S.  339). 

")  Vergl.  über  ihn:  J.  und  A.  Erbstein,  Katalog  des  Kgl. 
grünen  Gewölbes  S.  172  Nr.  37  und  S.  132  Anm.  1  a.  E.  Den 
ebenda  S.  112  Nr.  140  erwälmten  Hans  Schlottheini  nennt  Stockbauer, 
wie  nebenher  bemerkt  sei,  in  den  „Kunstbestrebungen  am  baj'erischen 
Hofe  etc."  (Wien  1874)  S.  103  irrthümlicher  Weise  Schlotthammer. 


Kleinere  Mittlipilungen.  149 

des  berühmten  Nosseni  gewesen,  dem  beide  auf  Bestellung 
seiner  Wittwe  in  der  Sopliienkirche  zu  Dresden  ein 
Denkmal  (Ecce  homo)  errichtet  haben,  welches  seit  1834 
in  einer  Nische  der  westlichen  Vorhalle  neben  der  Treppe 
aufgestellt  worden  ist.  Ueber  dasselbe  vergl.  man  die 
Mittheilungen  des  Königi.  Sachs.  Alterthumsvereins  II, 
63  flg.  und  III,  45,  sowie  Lindau,  Dresden  (2.  Aufl.) 
SS.  335,  394,  450. 

Aus  der  Drehstube  des  Kurfürsten  August. 

Unter  den  am  Hofe  des  Kurfürsten  August,  welcher 
selbst  ein  tüchtiger  Drechsler  war,  thätig  gewesenen 
Meistern  ist  vornehmlich  Georg  Wecker  zu  nennen.  Der- 
selbe war  ein  Sohn  des  baierischen  Hofdrechslers  Hans 
Wecker  und  der  Barbara,  welche  1578  als  WitAve  in  der 
Schwäbinger  Gasse  zu  München  wohnte.  Damals  war 
Georg  bereits  kursächsischer  Hofdrechsler  zu  Dresden, 
Avohnte  auf  der  Scheffelgasse  daselbst  und  vermählte  sich 
am  30.  September  genannten  Jahres  mit  Marie,  der  Tochter 
des  kurfürstlichen  Kammerschreibers  Michael  Springkleh*). 
Ausser  den  von  ihm  im  königlichen  grünen  Gewölbe  vor- 
handenen Arbeiten  finde  ich  in  den  Akten'')  noch  folgende 
Stücke  seiner  Kunst  genannt: 

Drei  Kunststücke  mit  Kugeln  und  versetzter  Arbeit, 
sowie  ein  solches  „in  einem  grünen  Futter,  sonst  ein  Misch- 
masch genannt".  1602  erhielt  Wecker  57  fl.  3  gr.  für 
vier  aus  Elfenbein  gedrehte  Kunststücke,  1610  schuldete 
ihm  der  Kurfürst  648  fl.  6  gr.  für  gelieferte  Elfenbein- 
arbeiten. Hübner  erwähnt  Wecker  ebenfalls  in  v.  Webers 
Archiv  II,  189.  Unterm  26.  November  1599  erlaubte  ihm 
der  Kurfürst  August,  dass  er  nach  Prag  reise,  um  dem 
Kaiser  eine  Drehbank  „anzurichten"''). 

Unterm  12.  Oktober  1586  wurden  David  Usslaub  für 
die  Kunstkammer  folgende  165  Stücke'),  welche  der  am 


*)  K.  S.  Hau])tstaatsarcliiv :  Loc.  9835  Kurf.  Kimstkammer 
1591-1694  Bl.  31)  tig. 

•"')  Ebenda  Bl.  2b.  ferner  Wocheiizotrel  1609—11  Loc.  3741 
Bl.  253b,  Posten  etc.  Loc.  10377  Bl.  Ib.  Wochenzettel  1601—1603 
Loc.  7839  Bl.  273. 

6)  K.  S.  Hanptstaatsarchiv :  Cop.  599  Bl.  272  b. 

■')  Akten  Anm.  1.  Daselbst  sind  auch  Bl.  2  b  die  Arbeiten 
Egidius  Lelicnichs  verzeichnet.    Dersellie  stammte   aus  Köln  a.  Kli. 


150  Kleinere  Mittheilnngen. 

11.  Februar   zuvor  verstorbene  Kurfürst   selbst   gedi'elit 
liatte,  übergeben: 

„Sieben  buckgallen  gross  und  klein,  von  helfenbein,  der  vor- 
nehmste darunder  ist  unden  am  fuss  nnd  oben  umb  den  ranth  mit 
reiften  von  guttem  goldt  belegt.  Ein  grosser  credentz  becher  oben 
iif  dem  decket  ein  springbrun.  Achtzehn  credentz  becher  klein  und 
gross.  Ein  schalen  mit  einer  i-unden  kuegel.  Ein  runde  kuegel  mit 
einem  fuss.  Ein  kunstück  mit  fünft'  schalen  über  einander.  Drey 
schalen  mit  deckein.  Ein  schal  ohne  decket.  Zwei  andiquitetische 
kruglein  so  holt  gedrehet.  Sechs  leuchter  mit  silbern  dillen.  Zwei 
schellichen  mit  decket.  Ein  kunstück  mit  zehen  buxen  i;ltereinan- 
der.  Ein  kunstück  mit  drey  buxen  übereinander.  Ein  kunstück 
mit  zwo  buxen  übereinander.  Ein  kunstück  mit  zwey  buxlein  über- 
einander und  oben  mit  einem  versetzten  stucklein.  Zwei  doppelte 
buxlein  oben  mit  kleinen  becherlein.  Zwo  buxen  darinnen  das 
sexische  und  dennemerckische  wappen.  Ein  conterfectbuxlein  da- 
rinnen aber  nichts.  Ein  klein  buxlein  mit  einem  decket.  Acht 
kunstucklein  von  becher  und  buxlein.  Ein  kunstück  so  versetz 
mit  drey  buxlein  uf  ein  ander,  oben  ein  klein  kunstück  darauf.  Ein 
buxen  darinnen  ein  kegelspiel.  Ein  klein  doppelt  buxlein.  Zwei 
einfache  buxlein.  Sechsundsechczigk  audiquitetische  becherlein  und 
kleine  kunstucklein.  Zweiunddreyssig  stein  zu  einem  schachtspiet 
gehörig"  ®). 

Über  sonstige  Arbeiten  Weckers,  Lebeniclis  und  des 
Kurfürsten  vergl.  auch  den  Erbstein'sclien  Katalog  zum 
Königliclien  grünen  Gewölbe  SS.  11 — 35;  es  sei  jedoch  zu 
S.  12  Anm.  2  bemerkt,  dass  Wecker  sich  selbst  Wecker 
oder  Wekher  schrieb  und  zu  S.  12  (vergl.  IX)  hinzuge- 
fügt, dass  die  sämmtlichen  Elfenbeinarbeiten  (23  Stück), 
welche  um  2300  Gulden  gekauft  wurden,  von  Jacob  Zeller 
herrühren"). 


und  scheint  bis  1584  bei  dem  berühmten  Leonhard  Danner  in  Nürn- 
berg beschäftigt  gewesen  zu  sein.  Donner  nennt  ihn  (abgekürzt) 
Gilg,  er  starb  wohl  1.595.  Einmal  wird  er  Jülich  genannt,  auf  einer 
seiner  Arbeiten  (Erbstein'scher  Katalog  des  grünen  GewöUjes  S.  28 
Nr.  28fi)  heisst  er  Gilius  Lebenich.  (K.  S.  Hauptstaatsarchiv:  Loc. 
8524  Band  VI,  201,  Loc.  7302  Kammersachen  Band  II,  121). 

*)  Vergl.  die  Anm.  l  cit.  Akten  Bl.  1.  Daselbst  befindet  sich 
Bl.  4  flg.  ein  Verzeichnis  der  in  Weckers  Drehstube  den  13.  April  1591 
aufgefundenen  sechzig  Gegenstände,  mit  Abbildungen  der  Dreh- 
eisen, desgleichen  Bl.  13  flg.  der  damals  in  Lebenichs  Drehstube  be- 
findlichen Sachen  u.  Bl.  16  flg.  ein  solches  über  die  Polzendrehbänke 
nebst  dem  dazugehörigen  Zeuge  (Bl.  2).  Daselbst  stehen  auch  Elfen- 
beinsachen verzeichnet,  welche  dem  Kurfürsten  August  vom  Herzog 
von  Baieru  und  dem  Erzherzog  Karl  geschickt  worden  waren. 

»)  Ebenda  Bl.  48,  49,  (78).  Daselbst  sind  die  Stücke  einzeln 
genannt. 


Kleinere  Mittlieilvingen.  151 

5.  Die  Einfülirung  der  bergmänuisclieii  Schiessarbeit 
durch  Pulver  in  Sachsen. 

Von  Eduard  Heydenreich. 

Die  ältesten  bestimmten  Nacliricliten  über  das  Boli- 
ren  und  Scliiessen  in  Sachsen  treten  für  das  Jahr  1613 
auf  und  zwar  auf  einem  Freiberger  Ausbeutebogen  vom 
Quartale  Trinitatis  Anno  1715,  woselbst  bei  Gelegenheit 
eines  auf  Altväter  Fundgrube  durch  einen  erhaltenen 
Schuss  getöteten  Untersteigers  die  folgende  Bemerkung 
gemacht  ist: 

„Das  Bohren  und  Scliiessen  ist  Anno  1613  von 
Martin  Weigeln,  Oberbergmeister  zu  Freiberg,  erfun- 
den worden,  und  wurden  anfangs  Pflöcke  dazu  gebraucht 
und  in  die  Bohrlöcher  gethan;  seit  etlichen  30  Jahren 
[also  circa  1680]  ist  solches  viel  sicherer  und  leichter  mit 
Letten  verrichtet  Avorden.  Auch  hat  man  nunmehro  hie- 
sigen Ortes  gewisse  kleine  Handböhrer  introduzieret, 
durch  welche  die  Häuer  dem  festen  Gestein  mit  sonder- 
lichem Vortheil  grossen  Abbruch  thun  können." 

Diese  Nachricht  ist  allerdings  sehr  jung,  und  deshalb 
bezweifeln  sie  Baader,  Be3^trag  zur  Geschichte  der 
Sprengarbeit,  in  Koehler's  Bergmännischem  Journal  1790, 
S.  539  flg.,  und  Hoppe,  Beiträge  zur  Geschichte  der 
Erfindungen  I  (1880),  24.  Allein  ein  durchschlagender 
Grund  ist  gegen  dieselbe  nicht  beigebracht  worden. 

Mit  der  Jahreszahl  1613  für  die  erste  Vornahme  des 
Bohrens  und  Schiessens  ist  zu  vergleichen  eine  von 
Gätzschmann,  Lehre  von  den  bergmännischen  Gewin- 
nungsarbeiten (Freiberg  1846),  S.  329  flg.  veröffentlichte, 
vom  Berghauptmann  Frei  es  leben  angegebene  Notiz 
eines  Scholiasten  zu  Eösslers  „Hellpoliertem  Bergbau- 
spiegel" : 

„Dass  vermöge  eines  im  Konzepte  vorhandenen  Be- 
richtes an  Churfürstl.  Durchlaucht  zu  Sachsen  unterm 
30.  October  1613  von  Martin  Weigeln,  Oberbergmeister, 
erstattet,  derselbe  Inventor  vor  denen  Bohrern  sein  Avolle, 
u.  daher  chrfstl.  Durchlaucht  umb  Ertheilung  eines  Pri- 
vilegii  dieserhalben  ersuchet  habe." 

Ob  dies  freilich  als  eine  wirkliche  Bestätigung  an- 
zusehen ist,  bleibt  nach  Hoppe  a.  a.  0.  S.  12  flg.  zwei- 
felhaft. Deim  „Bohrer"  brauchen  sich  nicht,  wie  Fr. 
Rziha,  Lehrbuch  der  gesamten  Tunnelbaukunst  I  (1867), 
49  flg.  will,  nothgedrungen  auf  das  Scliiessen  mit  Pulver 


152  Kleinere  jVIittheilungen. 

ZU  beziehen :  Bohrer  sind  beim  Bergbau  schou  angeAvaudt 
worden,  ehe  man  an  die  Schiessarbeit  dachte  (Gaetzsch- 
mann  a.  a.  0.  S.  347). 

Dieser  „Weigel"  (nicht  „Weigold",  wie  er  irrthüm- 
lich  genannt  wird  bei  Aug.  Beyer,  Das  gesegnete  Marck- 
grafenthum  Meissen  1732)  war  1555  zu  Schwarzenberg 
in  Sachsen  geboren,  wurde  damaliger  Ausbildungsweise 
gemäss  mit  dem  zwölften  Jahr  nach  den  Harzer  Berg- 
werken geschickt,  um  daselbst  zu  arbeiten,  kehrte  nach 
Sachsen  zurück,  wurde  Steiger,  daim  Markscheider, 
schliesslich  1601  Oberbergmeister.  Als  solcher  starb  er 
1618. 

Aber  es  dauerte  noch  ziemlich  lange  Zeit,  bis  die 
neue  Erfindung  im  Freiberger  Eevier  praktisch  eingeführt 
wurde.  Erst  1643  wurde  auf  der  Grube  Hohe  Birke 
das  Schiessen  eingefülu^t.  Aber  auch  nachher  war  die 
Entwickelung  dieser  Gewinnungsarbeit  eine  höchst  lang- 
same: 1644  wurden  auf  der  Grube  Hohe  Birke  nur  57 
Schüsse  gethan  und  dabei  117  Pfund  Pulver  verbraucht. 
1675,  also  31  Jahre  später,  waren  daselbst  nur  erst  3 
Centner  verAvandt  worden,  während  in  ebendemselben 
Jahre  (1675)  im  gesamten  Freiberger  Revier  der  Pulver- 
verbrauch bereits  auf  100  Centner  gestiegen  war.  Im 
Jahre  1843  dagegen  betrug  dieser  Bedarf  daselbst  2439^/^ 
Centner. 

Wie  wichtig  das  Freiberger  Revier  durch  die  neue 
Erfindung  für  die  gesamte  deutsche  Bergarbeit  wurde, 
giebt  Rziha  a.  a.  O.  S.  57  mit  folgenden  Worten  an: 
„In  den  Marken  der  Bergstadt  Freiberg  entstand  das 
neue  Gewinnungs- Problem,  wurden  fast  alle  neuen  Vor- 
schläge ausgedehnt  geprüft,  erscholl  zum  ersten  Male  im 
unterirdischen  Baue  der  Stoss  der  Bohrmaschinen  durch 
Yermittelung  komprimierter  Luft  und  wurde  die  beste 
Scluift,  welche  die  Bergbaulitteratur  über  Sprengarbeit 
aufzuweisen  hat  (von  Gätzschmann)  geschiieben." 

Wenn.,  nun  auch  kern  genügender  Grund  vorhanden 
ist,  die  Überlieferung  zu  verwerfen,  wonach  Weigel 
schon  1613  die  bergmännische  Schiessarbeit  erfand,  so 
muss  doch  der  Freiberger  Bergbau  den  Ruhm  der  ersten 
praktischen  Einführung  dem  Harzer  überlassen. 
Denn,  wie  Hoppe  a.  a.  0.  nachweist,  ist  derselbe  that- 
säclilich  im  Jahre  1632  beim  deutschen  Bergbau  und 
zwar  zu  allererst  beim  Harzer  Bergbau  eingeführt 
worden,  also  mehr  als  ein  Jahrzehnt  früher  als  in  Frei- 


Kleinere  ^rittheilungen.  153 

berg.  Vom  Harz  aus  wurde,  wie  aul"  den  westlalisclien 
und  rlieiiiländischen  Bergbau,  so  auch  auf  den  sächsischen 
die  neue  Gewinnungsart  übertragen. 

Caspar  Morgenstern  überbrachte  die  Kunde  da- 
von vom  Harz  nach  Freiberg.  Dies  erhellt  aus  der  Arbeit 
von  Joh.  Fr.  Lempe,  Anfang  des  Versuches  über  die 
Hereinschüssung  des  Gesteines  (Magazin  für  die  Berg- 
baukunde 1792,  S.  345  flg.).  Hier  heisst  es:  „Im  Jahre 
1644  und  zwar  im  Quart.  Remin.  wurde  eine  Probe  mit 
Hereinschüssung  des  Gesteins  bey  Hohe -Birke  Ob.  9  bis 
10  Maas  gemacht.  Diese  Grube  war  zu  dieser  Zeit  eine 
der  ergiebigsten  und  vertheilte  40  fl.  Ausbeute  auf  ein 
32.  Theil.  Auf  dieser  Grube  machte  ein  Bergmann, 
Namens  Caspar  Morgenstern,  mit  dieser  Arbeit  den  An- 
fang. Dieser  Mann  soll,  wie  ich  von  H.  Oberbergmeister 
Schmidt  benachrichtigt  worden  bin,  die  Arbeit  mit  dem 
Hereinsprengen  des  Gesteins  mittelst  Pulvers  auf  dem 
Harz,  wo  solche  damals  schon  gangbar  war,  getrieben 
und  dieselbe  alsdann  nun  auch  hier  angcAvendet  liaben." 


Literatur. 


Briefe  iiiid  Acten    zur  österreichisch  -  deutschen  (ieschichte  im 

Zeitalter  Kaiser  Friedrich  III.  Gresammelt  und  herausgegeben  von 
Adolf  Bachmann,  ord.  Prof.  der  österr.  Gesch.  an  der  Präger 
deutschen  TTniversität.  Wien,  in  Comni.  bei  Karl  Gerolds  Sohn. 
1885.  XXXVI.  712  SS.  (A.  u.  d.  T. :  Fontes  rerum  Austriacarum. 
Oesterreichische  Geschichtsquellen.  Herausgegeben  von  der  histo- 
rischen Comraission  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften 
in  Wien.    Zweite  Abtheilung.    Diploraataria  et  Acta.   XLW.  Band.) 

Wir  haben  an  dieser  Stelle  bereits  auf  verschiedene  Arbeiten 
von  Bachmann  hingewiesen,  weil  dieselben  auch  für  die  sächsische 
Geschichte  des  15.  Jahrhunderts,  in  der  noch  so  viel  zu  tlmn  übrig  ist, 
von  entschiedener  Wichtigkeit  sind.  Ebenso  wie  von  den  „Urkunden 
und  Aktenstücken  zur  österreichischen  Geschichte"  (vgl.  Bd.  I  S.  203) 
und  vom  ersten  Bande  der  „Deutschen  Reichsgeschichte  im  Zeitalter 
Friedrich  III.  und  Max  I."  (vergl.  Bd.  V  S.  155)  gilt  dies  von  der 
vorliegenden  Sammlung,  die  sich  ergänzend  an  die  erstgenannte  an- 
schliesst  und  zur  „Reichsgeschichte"  einen  grossen  Theil  der  für 
dieselbe  benutzten,  jedoch  auch  manche  erst  nachträglich  gefundene 
Archivalien  beibringt. 

Die  mitgetheilten  Urkunden  stammen  aus  den  Jahren  ca.  1450 
bis  1471 ;  der  weitaus  grijsste  Theil  von  ihnen  (442  von  548  Num- 
mern) aber  gehört  der  Zeit  von  1460  bis  1464  an.  Die  reichste 
Ausbeute  hat  dem  Verfasser  diesmal  das  Kreisarchiv  zu  Bamberg 
gewährt,  welches  bekanntlich  das  alte  Plassenburger  Archiv  und  damit 
eine  Fülle  der  Avichtigsten  Materialien  zur  Geschichte  des  Mark- 
grafen Albrecht  von  Brandenburg  enthält.  Dieser  aber  und  Lud- 
wig von  Bayern  stehen  neben  König  Georg  von  Böhmen  und  dem 
Kaiser  während  jener  Jahre  im  Vordergrunde;  die  sächsischen 
Fürsten  treten  hinter  ihnen  zurück,  obwohl  namentlich  Herzog  Wil- 
helm einen  keineswegs  unerheblichen  politischen  Einfluss  ausgeübt 
hat.  Dies  zeigt  sich  schon  darin,  dass  auch  dem  Gesamtarchiv  zu 
Weimar ,  das  bisher  noch  nicht  genügend  für  diese  Zeit  benutzt 
worden  ist,  eine  grosse  Anzahl  theilweise  hochwichtiger  Dokumente 
entnommen  werden  konnte,  unter  denen  in  erster  Linie  die  Berichte 
der  Räthe  des  Markgrafen  aus  dem  Jahre  1461  (während  seiner  Reise 
ins  heilige  Land)  genannt  zu  werden  verdienen.  Auch  aus  dem 
Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  ist  vieles  mitgetheilt  worden ;  Nach- 
träge zu  den  Ijöhmisch- sächsischen  Grenzstreitigkeiten  bis  zu  den 
Egerer  Verträgen  (1459)  und  mancherlei  spätere  Verhandlungen. 
AVie  sorgsam  auch  in  Dresden  die  politischen  Vorgänge  beobachtet 
wurden,  beweist  ein  besonders  stark  benutztes  Aktenstück  (Loc.  9132 
Schriften  bei.  vornehmlich  die  Irrungen  und  Kriegshandlung  zwischen 
Pfalzgraf  Ludwigen  ...  an  einem  und  Marggraf  Albrecht  zu  Bran- 


Literatur.  155 

(lenburg-  auderiitheils  14n9 — 62  flg),  welches  gTösstentheils  aus  Ab- 
schritten diplomatischer  Korrespondenzen  und  Verhandlungen,  die 
oft  in  keiner  unmittelbaren  Beziehung  zu  Sachsen  stehen,  zusammen- 
gesetzt ist.  Weniger  Auslieute  gewährten  die  Archive  zu  Frank- 
furt a.  M.,  Eger,  München  u.  a. 

Eine  Vollständigkeit  der  Sammlung  konnte  bei  der  erdrücken- 
den Reichhaltigkeit  der  archivalischen  Quellen  für  das  spätere  ]\[ittel- 
alter  nicht  im  Plane  des  Herausgebers  liegen;  immerhin  glaubt  er 
versichern  zu  können,  dass  für  die  Geschichte  des  Kampfes  zwischen 
Kaiserthum  und  Territorialität  (1459—1463)  an  den  1)ekannten  Stellen 
sich  kaum  neues  Material  finden  dürfte. 

Tn  formeller  Beziehung  verdient  auch  diese  Bachmann'sche 
Publikation,  deren  ]'eicher  Inhalt  dui'ch  ein  sorgfältiges  Register 
zugänglich  gemacht  wird,  alle  Anerkennung,  besonders  wenn  man 
lierücksichtigt ,  dass  der  \'erfasser  l)ei  seinen  archivalischen  Keisen 
in  erster  Linie  nicht  die  Abfassung  eines  Urkundenwerkes,  sondern 
eine  darstellende  Bearbeitung  des  Gegenstandes  im  Auge  hatte  und 
dass  man  daher  auf  kleine  üngleichraässigkeiten  kein  Gewicht  legen 
darf.  Um  den  massenhaften  Stoff  in  einem  massigen  Bande  untei- 
zubringen,  musste  dei'  Herausgeber  vielfach  Auszüge  statt  vollstän- 
diger Abdrücke  geben;  dieselben  erwiesen  sich  überall,  wo  wir  nach- 
geprüft hallen,  als  zuveilässig.  Ferner  wurde  alles  bereits  Gedruckte 
ausgelassen;  doch  hat  <ler  Verfasser  hier  und  da  einen  Druck  über- 
sehen: so  sind  No.  6  in  des  Referenten  Freiberger  Urkundenliuch  1 
(Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  12).  201,  Xo.  19  in  J.  J.  Müllers  Keichstags- 
theatr.  Frid.  V.  2.  A^orst.  cap.  9  p.  536,  Xo.  32  (von  welcher  sich 
ebenso  wie  von  No.  39  nicht  blos  eine  Kopie,  sondern  auch  das  Ori- 
ginal im  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  befindet)  mehrmals,  z.  B. 
bei  Lünig  Corp.  jur.  feiul.  II,  551.  ein  mit  No.  183  gleichlautendes 
Schreiben  an  Kurf.  Friedrich  l)ei  Hasselhold-.Stockheim  Albrecht  IV. 
I,  1  Urkk.  441,  Xo.  505  in  meinen  Studien  zur  Geschichte  der  böh- 
misch-sächsischen Beziehungen  S.  107,  die  Gegenurkunde  zu  No.  545 
bei  Kremer  Kurfürst  Friedrich  von  der  Pfalz  II,  398  abgedruckt. 
Das  Datum  von  No.  21  lautet  am  dornstag  vigilia  Jacobi  (also 
24.  .Juli  1455);  No.  11  ist  vom  28.,  nicht  29.  Januar,  No.  110  vom  7., 
nicht  8.  August. 

Hoffen  wir,  dass  auch  der  zweite  Band  der  «Reichsgeschichte", 
dessen  Erscheinen  wir  mit  Spannung  entgegenseiien,  dem  Verfasser 
zu  gleich  dankensAverthen  Quellenpul»likationen  den  Anlass  giebt. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Des  Taiiliis  Jovius  Chronik  der  Grafen  von  Orlamüiide.  Heraus- 
gegeben von  I>aul  Mitzschke.  Leipzig,  Robolsky.  1886.  80  SS.  8". 
Als  der  fleissige  Jovius  seine  gi'osse  Chronik  der  Grafen  von 
Schwarzburg  schrieb,  sammelte  und  ordnete  er  zugleich  die  Nach- 
richten, welche  ihm  bei  jener  Arbeit  über  andere  thüringische  (ira- 
fen-  und  Herrengeschlechter  aufstiessen.  Eine  dieser  kleineu  auf 
solche  Weise  entstandenen  Chroniken  ist  die  der  Grafen  von  Oila- 
niünde,  welche  Mitzschke  jetzt  zum  ersten  Male  herausgielit.  Der 
Herausgeber  hat  den  Text  der  Chronik  auf  (irund  der  von  ihm  ver- 
glichenen sieben  Handschriften,  deren  N'erhältnis  zu  einander  er 
genau  erörtert,  äusserst  sorgfältig  festgestellt.  In  der  Einleitung 
weist  er,  nachdem  er  über  die  Entstehungsart  der  Schrift  ges))rochen, 
auf  die  durch  dieselbe  bedingte  Ungleichmässigkeit  der  Behandlung 
hin.     „Die  orlamündische  Chronik  von  I'aulus  .lovius  ist  sonach  als 


156  Literatur. 

ein  rechtes  Kiud  ihrer  Zeit  weder  vollständig  noch  kritisch,  auch 
lange  nicht  in  allen  Stücken  zuverlässig"  (S.  12).  Mit  vollem  Rechte 
aber  meint  Mitzschke,  dass  trotzdem  ihre  Herausgabe  nicht  uunöthig 
sei.  Unter  den  Gründen  daiur  sei  besonders  der  hervorgehoben,  dass 
Jovius  manche  uns  anderweitig  nicht  bezeugte  Nachrichten  über- 
liefert, also  aus  jetzt  unbekannten  oder  verlorenen  Quellen  schöpfte  — 
ein  Umstand,  der  übrigens  auch  seiner  schwarzburgischen  Chronik 
eigen  ist.  Inwieweit  freilieh  solche  Nachrichten  glaubwürdig  sind, 
muss  natürlich  in  jedem  einzelnen  Falle  besonders  untersucht  werden. 

Dem  Texte  der  Chronik  hat  der  Herausgeber  in  sehr  dankens- 
werther  AVeise  in Fussnoten  Berichtigungen,  erklärende  xmd  ergänzende 
Zusätze  und  Literaturnachweise  hinzugefügt.  Eine  „berichtigte 
Verwandtschaftstafel"  der  in  Jovius'  Chronik  erwähnten  Mitglieder 
des  Hauses  Orlamünde  beschliesst  die  Schrift. 

Detmold.  Ernst  AnemüUer. 

Landgraf  Pliilii)i)  von  Hessen  und  Otto  von  Pack.  Eine  Ent- 
gegnung von  Stephan  Ehses.  Freiburg  im  Breisgau,  Herder. 
1886.     XI,  164  SS.     80. 

Man  durfte  erAvarten,  dass  Ehses  die  scliarf  einschneidende 
Kritik,  welche  seine  , Geschichte  der  Packschen  Händel"  (Freiburg 
1881)  durch  Hilar.  Schwarz'  „Landgraf  Philipp  von  Hessen  und  die 
Packschen  Händel"  (Leipzig  1884)  —  vergl.  diese  Zeitschrift  IV, 
160  flg.  und  VI,  319  flg.  —  erfahren  hatte,  zu  beantworten  ver- 
suchen werde.  Seine  Entgegnimg  ist  zu  einem  Buche  von  164  Sei- 
ten angewachsen.  Er  ist  des  Glaubens,  dass  sein  Gegner  aus  der 
Beweiskette,  mit  welcher  er  Landgraf  Philipp  zu  dem  intellektuellen 
Urheber  des  Packschen  Betruges  hatte  machen  wollen,  auch  nicht 
den  kleinsten  Ring  herausgebrochen  habe,  und  er  giebt,  stolz  darauf, 
ein  „ultramontaner  Geschichtschreiber"  gescholten  zu  werden,  seiner 
Überzeugung  Aiisdruck  in  Redewendungen,  die  zu  dem  stärksten 
und  herausfordeiTidsten  gehören,  was  diese  Spezies  von  Geschicht- 
schreibeni  in  neuester  Zeit  geleistet  hat.  Seinen  Gegner,  dessen 
Arbeit  sein  Lehrer  Prof.  Maurenbrecher  mit  einem  kurzen  Vorwort 
eingeleitet  hatte,  höhnt  er  ob  des  „vortrefflichen  Vorspanns,  den  ihm 
Maurenbrecher  geleistet"  (S.  VI),  und  kanzelt  ihn  mit  den  spöttischen 
Worten  ab:  „so  hätte  doch  wohl  auch  Schwarz  mit  Mauren- 
l/rechers  Hilfe  einsehen  können  u.  s.  w."  (S.  47).  Dass  Schwarz 
den  von  Schomburgk  gesammelten  archivalischen  Apparat  benutzen 
konnte,  verleitet  Ehses  zu  der  Bemerkung:  er  sei  „wde  ein  lahmer 
Hase  in  den  üppig.<ten  Kleesamen  gesetzt  worden"  (S.  92).  Schwarz 
.ironisiert  mit  selbstgefälligster  Albeniheit  gegen  mich"  (S.  79)  u.  dergl. 
Dass  Schwarz  auf  die  von  Philipp  gegen  Kurfürst  Joachim  erhobenen 
Ansclmldigungen  auf  eheliche  Untreue  näher  eingeht  und  die  Rich- 
tigkeit dieser  Anklagen  erweist,  nachdem  Ehses  in  seiner  früheren 
Schrift  S.  135  diese  selbige  Materie  besprochen  und  als  „vulgäre  Ver- 
leumdungen" gekennzeichnet,  die  eben  bewiesen,  dass  der  Landgraf 
kein  gutes  Gewissen  gehabt  habe,  das  Avird  jetzt  von  demselben 
Ehses  folgendermassen  abgeschüttelt:  „Es  ist  meinem  Gegner  auch 
möglich  geAvesen,  in  getreuer  Nacliachnning  des  Landgrafen,  den  er 
zugleich  aber  noch  um  viele  Kahnlängen  überholt,  eine  Skandal- 
geschichte in  die  Sache  hineinzuziehen  und  mit  behaglicher 
Breite  auszumalen,  für  die  ein  Zusammenhang  mit  unserer  Frage 
auch  durch  das  empfindlichste  Mikroskop  nicht  zu  entdecken  ist" 
(S.  VII).     Das  sind  doch  Avohl  Feclitorstreiche,   ebenso  Avie  die  vor- 


Literatur.  157 

nehm  reservierte  Aussage,  es  habe  ihm  ferne  gelegen,  die  Richtig- 
keit des  von  Schwarz  vorgeführten  Anklagematerials  gegen  Joachim 
jetzt  zu  untersuchen.  Er  hat  ja  übrigens  schon  in  seiner  früheren 
Schrift  das  Feigenl)latt  gefunden,  mit  welchem  er  die  Scandala 
Joachims  zudeckt:  es  sind  das  „Mängel,  die  in  der  Schwäche  der 
menschlichen  Natur  begründet  lagen"  (a.  a.  0.  S.  135).  Dabei  erlaubt 
er  sich  Luther  für  „moralisch  inkompetent"  zu  erklären,  als  „zür- 
nende Geissei  des  Ehebruchs-  zu  fungieren,  und  erklärt  es  , seltsam", 
dass  Schwarz  gewagt  habe,  Luthers  Zeugnis  in  dieser  Beziehung 
anzurufen.  Dem  lehrreichen  Kapitel  der  Schwarzsehen  Arbeit  über 
„die  Lage  der  evangelischen  Partei  in  Deutschland",  welches  die 
Besorgnisse  dieser  Partei  vor  Gewaltmassregeln  der  kathol.  Fürsten 
anschaulich  darstellt,  setzt  er  ein  Kapitel  entgegen:  „Hatten  die 
Anhänger  Luthers  bis  zum  Jahre  1528  Veranlassvmg,  bei  den  kathol. 
Fiü'steu  Deutschlands  aggressive  Absichten  gegen  sie  zu  fürchtend" 
Er  schiebt  aber  bei  seiner  Ausführung  charakteristischerweise  sofort 
das  Wörtlein  „widerrechtlich"  ein  („war  den  Lutheranern  die  Be- 
rechtigung gegeben,  sich  für  widerrechtlich  angegriffen  und  be- 
droht zu  halten?")  und  beweist  dann  mit  leichter  Mühe,  dass  alle 
Gewaltmassregeln  und  Pläne  der  kathol.  Fürsten  nur  den  Charakter 
berechtigter  Defensive  trugen:  denn  Aufrührer  waren  ja  die 
Evangelischen,  sie  bedrohten  die  Ordnung  des  Reiches,  es  handelte 
sich  also  nur  um  die  „Auseinandersetzung  zwischen  der  alten  Ord- 
nung und  der  neuen  Unordnung".  Natürlich  musste  diese  Ausein- 
andersetzung gewaltsam  erfolgen,  aber  die  Iteiden  kathol.  Fürsten, 
„die  wohl  einem  ernsten  Eingreifen  geneigt  waren.  Herzog  Georg 
von  Sachsen  und  Kurfürst  Joachim  von  Brandenbvug,  besassen  für 
.sich  weitaus  nicht  die  nöthige  Macht  dazu."  „Glücklicherweise  war 
Deutschland  noch  nicht  so  sehr  heruntergekommen,  dass  es 
sich  derartige  Neuerungen  ruhig  bieten  liess."  Nur  bedauert  Ehses, 
dass  sich  der  Widerstand  dagegen  nicht  energisch  und  nicht  früh- 
zeitig genug  regte  (S.  12).  Was  war  denn  das  „hauptsächlichste 
Triebrad"  für  den  Fortgang  der  Reformation?  „Bei  reiclien  Besitzern 
lohnt  sich  der  Raub,  eine  arme  Kirche  wäre  weder  in  ihrem  Be- 
stände gefürchtet,  noch  in  ihrer  Beraubung  ergiebig  gewesen;  aber 
wo  es  reiche  Kirchen,  Klöster  und  Stifte  zu  plündern  gab,  da  war 
neben  dem  reichen  Zuwachs  an  gouvernementaler  Macht,  an  landes- 
herrlicher und  finanzieller  Bereicherung  kein  lioher  Grad  von  religiö- 
ser Überzeugung  nöthig,  um  Fürsten  und  Städte  zahlreich  der  Neue- 
rung zuzuführen"  (S.  14).  So  spiegelt  sich  in  diesem  „ultramonta- 
nen"  Kopfe  die  Reformationsgeschichte.  Aber  er  wird  selber  nicht 
beanspruchen  wollen,  bei  dieser  Stimmung  und  Prädisposition  für  die 
Werthschätzung  der  evangelischen  Partei  in  DeutS(;hland  nodi  ein 
unbefangenes  und  sachliches  Abwägen  der  Schuld  odei-  Unschuld 
Landgraf  Philipps  vornehmen  zu  können. 

Was  er  nun  an  (iründen  vorbringt,  um  Philipps  raoralisclie 
Urheberschaft  des  Packschen  Betruges  aufs  neu(^  zu  erhärten ,  das 
wird  ebensowenig  in  dieser  zweiten  Darlegung  überzeugen,  als  in 
der  ersten.  So,  wenn  er  jetzt  argumentiert:  ging  die  Initiative  von 
Pack  aus,  so  hatte  dieser  ja  schönste  Zeit  vom  3lai  1527  an,  sich 
seine  Fälschung  zu  überlegen  inid  ilir  eine  wahrscheiuliiherc  Form 
zu  geben,  als  sie  thatsäcldich  hernach  liei  der  Eile,  mit  dei'  dieselbe 
konzipiert  worden  ist,  erhalten  hat.  Ich  weiss  nicht,  wem  Ehses 
dieses  Argument  eigentlich  entgcgenlialten  will,  denn  wir  andern 
nelimen  ja  keineswegs  an,  dass  Pack   seit  Monaten  diesen  Betrug 


1 58  Literatur. 

geplant  habe,  soiido'ii  (laut  der  Aussageu  Philipps),  dass  iu  Kassel, 
wo  der  Landgraf  ihn  über  etwaige  Pläne  der  kathol.  Fürsten  aus- 
zufragen sucht,  Pack  sich  stellt,  als  wisse  er  von  besonderen  An- 
schlägen, und  dann  auf  weiteres  Drängen  erklärt,  er  wisse  von  einem 
Bündnis,  und  endlich  auf  noch  stärkeres  Drängen  sich  bereit  erklärt, 
die  Urkunde  desselben  zu  Iteschalfen,  vergl.  Schwarz  S.  22.  Hier  ist 
also  der  Betrüger  in  immer  weiterer  Konsequenz  seiner  Flunkereien 
genöthigt  worden,  um  sich  selbst  nicht  Lügen  zu  strafen,  plötzlich 
zur  Falirikation  einer  Bündnisurkunde  zu  schreiten.  Dass  er  mit 
diesem  Falsitikat  schon  seit  ^  4  Jahren  sich  getragen  habe,  hat  kein 
Mensch  behauptet.  Was  sind  das  also  für  Luftstreiche?  Ehses  scheint 
seinen  Gegner  gar  nicht  verstanden  zu  haben,  wenn  er  ihm  die 
Meinung  unterschiebt.  Pack  habe  sich  an  Landgraf  Philipp  insinuieren 
lassen,  um  diesen  Betrug  mit  dem  Breslauer  Bündnis  in  Szene  zu 
setzen  —  und  daraus  schliesst;  dann  musste  er  das  Aktenstück  schon 
fertig  haben  und  nach  Kassel  mitbringen.  Schwarz  hat  jedoch  nur 
gesagt:  „die  ganze  Initiative  der  ersten  Annäherung  ist  von 
Pack  ausgegangen."  Ehses  bleil)t  ferner  dabei,  dass  Philipps  Ver- 
sicherung, „da  habe  ich  an  seinen  blossen  Worten  nicht  wollen  ge- 
sättigt sein,  sondern  begehrt  das  Original  zu  sehen,"  thatsächlich 
nur  das  Verlangen  nach  einer  Kopie,  nicht  nach  dem  Original  selbst 
ausdrücke.  Er  bleibt  dabei.  Pack  habe  in  Kassel  nur  eine  Kopie 
versprochen,  obgleich  wir  doch  hören,  dass  Philipp  ihm  eben  in  Kassel 
seinen  Schutz  zusagte,  wenn  er  das  Original  bringe. 

Aus  den  weiteren  mit  derselben  Weitschweifigkeit,  wie  in  der 
ersten  Schrift,  vorgetragenen  Argumentationen  hebe  ich  einen  Punkt 
hervor,  in  welchem  Ehses  thatsächlich  seinen  Gegner  korrigiert,  S.  80 flg., 
wo  er  mit  Recht  in  dem  Rothenburg,  nach  welchem  sich  Pack  von  Bres- 
lau aus  begiebt,  nicht  wie  Schwarz  Rotheiibuig  in  Hessen,  sondern 
Rothenburg  in  Schlesien  (genauer  Oberlausitz)  erkennt.  Dadurch 
kommt  in  die  Fahrten  des  Abenteurers  in  den  Tagen  vom  4.— 16.  Mai 
erst  ()rdnung  hinein.  Auf  die  Schuldfrage  ist  diese  Korrektur  jedoch 
ohne  Einfluss.  Auf  Seite  114  lesen  wir  die  Anschuldigung  gegen 
Schwarz,  dieser  behaupte  zwar  immer  wieder,  Luther  und  Me- 
lauclithon  hätten  an  die  Existenz  des  Breslauer  Bündnisses  geglaubt, 
habe  aber  keinen  Beweis  dafür  geliefert.  Ich  weiss  nicht,  wie 
Ehses  solche  Anschuldigung  aufrecht  erhalten  will.  In  dem  Gut- 
achten bei  de  Wette  III,  319  flg.  soll  Luther  nach  ihm  sich  „über 
Wahrheit  oder  Falschheit  der  Sache  gar  nicht  äussern"  —  er  hat 
wohl  auf  S.  320  die  Worte  „weil  sie  selbs  [nämlich  die  feindlichen 
Fürsten]  bezeugen,  dass  sie  u.  s.  w."  gar  nicht  beachtet.  Auf  dem- 
selben indifferenten  Standpunkt  soll  das  Gutachten  bei  de  Wette  III, 
316  flg.  stehen.  Aber  wenn  es  dort  heisst,  dass  jene  Bundesfürsten 
[des  vermeintlichen  Breslauer  Vertrages]  schuldig  seien,  die  Kosten 
der  Rüstung  zu  erstatten,  im  Fall,  dass  ein  gütlicher  Ausgleich  zu 
Stande  komme,  gleichwohl  möge  man  auf  diesen  Kostenersatz  ver- 
zichten im  Interesse  des  Friedens,  so  verstehe  ich  nicht,  wie  man 
das  interpretieren  will,  ohne  den  Glauben  an  die  Existenz  dieses 
Bündnisses  vorauszusetzen.  Auch  die  Worte :  „avo  sie  aber  würden 
solch  Verbündnis  leugnen  oder  mit  umschweifenden  Worten  nicht 
richtig  zu  antworten"  gehen  doch  von  dem  Glaulicn  an  die  That- 
sächlichkeit  des  Bündnisses  aus.  Wenn  Luthei'  darauf  besteht,  ehe 
man  zum  Angriff  schreitet,  erst  jene  Fürsten  zu  „verhören",  so  räth 
er  das  nicht,  weil  er  in  jenes  Bündnis  Zweifel  setzt,  sondern  weil 
das   ihm   der  christlich  rechtliche  modus  procedendi  zu  sein  scheint 


Literatur.  159 

und  weil  er  auf  diesem  Wege  hofft  Blutvergiessen  noch  verhindern 
und  zu  „Frieden  und  Vertrag"  gelangen  zu  können.  Wenn  Ehses 
dann  an  den  späteren  Gutachten  konstatiert,  dass  in  ihnen  beide 
Reformatoren  dem  Eifer  des  Landgrafen  Zügel  anzulegen  sich  be- 
mühen, gütliche  Mittel  versucht  haben  wollen  anstatt  eines  unver- 
mittelten üeginnens  des  Krieges  —  so  meint  er  damit  bewiesen  zu 
haben,  dass  sie  von  der  Wahrheit  des  Breslauer  Bündnisses  nicht 
überzeugt  gewesen  seien  (S.  123).  Diese  Logik  vermag  ich  nicht  zu 
verstehen.  Ich  würde  nur  in  Bezug  auf  Melanchthons  Brief  vom 
15.  Juli  1528  (Corp.  Ref.  I,  984)  den  Satz  einschränken,  dass  dieser 
noch  an  die  Wahrheit  des  Bündnisses  glaube  (vergl.  Schwarz  S.  148). 
Zwar  zeigt  er  deutlich,  dass  ursprünglich  in  Wittenberg  das  Bünd- 
nis allgemein  als  echt  angenommen  worden  ist.  Man  meinte  Grund 
zu  haben,  dieser  „conjuratio"  gegenüber  ,,iracundiam  nostram"  walten 
zu  lassen  und  anzugreifen:  gleichwohl  taucht  jetzt  die  Frage  auf: 
„quid  si  falso  credita  est  coiijuratio'^"  Ein  Dunkel  erkennt  er  an, 
welches  die  Ziikunft  aufhellen  werde,  gleichwohl  steht  ihm  auch  jetzt 
noch  fest:  „non  enim  prorsus  conficta  est."  Für  völlige  Verblendung 
muss  ich  es  aber  halten,  wenn  Ehses  Seit  125  aus  Corp.  Ref.  I,  997 
herausliest:  „Melanchthon  hält  es  für  möglich,  dass  Philipp  selbst 
mit  dem  Betrüger  Pack  gemeinsame  Sache  gemacht  habe".  Das  soll 
in  den  Worten  liegen:  „N\jv\  Se  Siaocovet  ttii;  8ir\-{riai(a^  t)  aizoloyla. 
etc."  Nicht  an  des  Landgrafen  bona  fides  ist  er  irre  geworden,  son- 
dern an  der  des  Pack,  der  doch  anfangs  versichert  hatte,  das 
Original  des  Vertrages  gesehen  zu  haben.  Wenn  also  jetzt  ein 
böser  Verdacht  in  Melanchthons  Herzen  aufsteigt,  so  kann  es  nur 
der  sein,  dass  Philipp  einem  Betrüger  zum  Opfer  gefallen  ist,  aber 
nicht,  dass  er  mit  diesem  gemeinsame  Sache  gemacht  habe.  Die 
Basis,  auf  der  sie  bisher  gestanden,  dass  es  sich  um  eine  conjuratio 
handle,  ist  ihm  jetzt  erschüttert,  und  darum  dankt  er  Gott,  dass 
sie  von  Anfang  an  dem  Kriege  widerrathen  haben.  Selbst  wenn 
man  das  „videbatur  incensus  ab  illo  tragico"  dahin  pressen  wollte, 
als  gebe  Melanchthon  zu  verstehen,  dass  Philipps  Erregung  über 
das  Breslauer  Bündnis  nur  trügerischer  Schein  gewesen  wäre,  so 
widerspräche  dem  entschieden  das  Nachfolgende,  w^o  Philipp  aus- 
drücklich als  „TüiaTsuaa?  iHi"  [Pack]  bezeichnet  wird  und  nur  über 
die  „facilitas  vel  incogitantia  vel  etiam  timor"  geklagt  wird,  die  ihn 
verleitet  hätten.  Pack  Glauben  zu  schenken.  Somit  bleibt  es  dabei, 
dass  Ehses  hier  die  Quellen  durchaus  parteiisch  interpretiert.  — 
Wiederholt  nimmt  Elises  davon  Akt,  dass  ich  in  meiner  Anzeige  in 
diesen  Blättern  IV,  162  seiner  fiüheren  Arbeit  den  Vormuf  gemacht, 
er  habe  die  verschiedenen  in  Betracht  kommenden  Archive  nicht  aus- 
giebig genug  benutzt.  Er  referiert  darüber  S.  92  folgendermassen: 
„Der  Clarraannsclie  Kodex  war  also  nach  Kawerau  ganz  entbehrlich. 
.  .  .  Wie  soll  ich  es  nun  in  Zukunft  dem  guten  Manne  recht  maclienV" 
Er  verschweigt,  dass  ich  diese  Heranzieliung  des  Würzburger 
Kodex  seinerseits  ausdrücklich  hervorgehoben,  aber  zugleich 
bemerkt  habe,  das  hier  neu  erschlossene  Material  beziehe  sich  ,,ira 
wesentlichen  nur  auf  die  weiteren  politischen  und  kriegerisclien  Ver- 
wickelungen .  .  .  über  die  Schuldfrage  gewährt  es,  soweit  wir  er- 
kennen können,  gar  keine  neuen  Anhaltspunkte."  Ich  nmss  dieses 
Urtheil  auch  jetzt  noch  aufrecht  erhalten,  mit  der  Einschränkung, 
dass  die  wenigen  für  die  Schuld  frage  etwa  zu  verwerthenden 
Dokumente  dieses  Aktenstückes,  so  die  den  geriebenen  Falsarius 
offenbarenden  Briefe  Packs  an  Valentin  Kröll  (vergl.  Ehses"  frühere 


160  Literatur. 

Schrift  S.  162  üg.),  doch  höchstens  gegen  die  von  Ehses  versuchte 
Konstruktion  der  Verhältnisse  sprechen.  Den  Kuhm  eines  „ultra- 
montanen" Historikers  wollen  wir  Ehses  nach  dieser  neuen  Probe 
seiner  Forschungen  nicht  absprechen-,  ob  seine  Parteigenossen  von 
Form  und  Inhalt  seinei'  „Entgegnung"  sehr  erbaut  sein  werden, 
bleibt  zu  bezweifeln. 

Kiel.  G-.  Kawerau. 

Chronik  der  Stadt  Borna  mit  Berücksichtigung  der  umliegenden 
Ortschaften.  Neu  bearbeitet  von  Robert  Wolfram,  Seminar- 
oberlehrer em.  Borna,  im  Selbstverlage  des  Verfassers.  1886. 
2  BU.  452,  XVI  SS.     8^\ 

Um  sich  die  etwas  wunderliche  Form  zu  erklären,  in  welcher 
das  vorliegende  Buch  in  die  Öffentlichkeit  tritt,  muss  man  einen  Blick 
auf  seine  Entstehungsgeschichte  werfen.  Bereits  im  Jahre  1859 
hat  Wolfram  eine  Chronik  von  Borna  herausgegeben;  sie  erschien 
im  Selbstverlage  des  Verfassers  und  das  gestattet  bei  lokalgeschi ert- 
lichen Werken  fast  immer  den  Rückschluss,  dass  die  Herausgabe 
dem  Autor  nicht  unbedeutende  Opfer  auferlegt  und  wohl  avtch  manche 
Enttäuschung  bereitet  hat.  Zu  den  letzteren  gehörte,  dass  die 
ersten  sechs  Bogen,  die  der  Verfasser  als  Probeheft  versandt  hatte, 
theils  gar  nicht,  theils  in  unbrauchl)arem  Zustande  wieder  in  seine 
Hände  gelangten;  so  kam  es,  dass  allmählich  etwa  hundert  inkom- 
plete  Exemplare  des  Werks  übrig  blielieu.  Um  dieselben  verwenden 
zu  können,  entschloss  sich  der  Verfasser  zu  einer  neuen  Bearbeitung 
der  ersten  sechs  Bogen;  da  er  jedoch  während  des  Vierteljahrhunderts, 
das  seit  der  ersten  Ausgabe  verstrichen  war,  eifrig  weiter  gesammelt 
hatte,  auch  dem  Werke  eine  Fortsetzung  bis  zur  Gegenwart  geben 
wollte,  so  wurden  aus  den  sechs  Bogen  ihrer  zwölf  und  die  Zahl 
würde  eine  noch  grössere  geworden  sein,  Avenn  nicht  ein  überaus 
ökonomischer  und  von  dem  älteren  Theile  abweichender  Satz  an- 
gewandt worden  wäre;  ferner  raussten,  damit  der  Anschluss  an 
Bogen  7  flg.  erreicht  werden  konnte,  die  Seiten  80 -^  bis  80^^  ein- 
geschaltet werden.  Am  Schlüsse  trat  dann  noch  ein  Nachtrag  von 
ö6  Seiten  hinzu.  Ijetzterer  sowie  die  ersten  Bogen  in  ihrer  erwei- 
terten Gestalt  sind  für  den  Besitzer  der  Ausgabe  von  1859  als 
„Ergänzungsband"  veröifentlicht  worden,  während  das  Ganze  als 
„Neubearbeitung"  der  Chronik  erscheint.  So  sieht  das  Werk  seltsam 
bunt  aus,  und  auch  sein  Inhalt  macht  einen  etwas  buntscheckigen 
Eindruck.  Der  Verfasser  gehört  zu  jenen  auch  heute  nicht  ganz 
seltenen  Chronisten,  die  mit  warmer  Liebe  für  ihre  Heimaths- 
stadt  und  emsigem  Fleisse  alle  Mussestunden  daran  setzen  zu  sammeln 
und  dann  das  aus  Akten  und  Büchern  Zusammengesuchte  ihren 
Mitbürgern  schlicht  erzählen  wollen ;  der  Leserkreis,  den  sie  im  Auge 
haben  —  und  der  freilich  ihre  Erwartungen  nicht  selten  enttäuscht  — , 
hat  dieselben  Bedürfnisse  wie  sie  selbst,  er  will  aus  der  älteren 
Geschichte  der  Stadt  allerhand  Interessantes  im  weitesten  Sinne 
erfahren,  ergänzt  bei  dieser  Gelegenheit  gern  manche  Lücken  seines 
Wissens  in  der  Landesgeschichte  und  lässt  sich  daher  auch  aus 
dieser  manches  erzählen,  wenn  es  auch  nur  in  sehr  losem  Zusammen- 
hange mit  der  Stadtgeschichte  steht  und  sich  in  jedem  beliebigen 
anderen  Geschichtswerke  findet,  legt  dagegen  weniger  Gewicht  auf 
kritische  Sichtung  des  Stoffes  und  wissenschaftliche  Vertiefung  der 
Aufgabe.  So  sind  vielfach  unsere  Stadtchroniken  des  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts   entstanden,   und   unter   ihnen   giebt    es   manche   wackere, 


Literatur.  1Q\ 

ehrenwertlie  Arl)eit,  die  wir  lieutzutage  zwar  nicht  als  A'orliild  auf- 
stellen möchten,  die  aber  so  manche  in  unserer  Zeit  entstandene  Stadt- 
geschiciite  au  Brauchbarkeit  weit  überragt.  Dem  Verfasser  schwebte 
etwas  Ähnliches  vor,  und  so  erinnert  sein  Buch  vielfach  an  jene  älteren 
Chroniken.  Wie  viele  von  diesen,  hat  auch  er  an  den  Schluss  „Aunalen" 
gesetzt,  die  sich  freilich  theilweise  mit  dem  Anfaugsabschnitt  „Ge- 
schichtliches" decken,  wie  denn  überhaupt  ein  Blick  auf  das  Register 
zeigt,  dass  scharfe  (jliederung  des  Stoffes  nicht  die  Stärke  des 
Verfassers  ist.  So  manche  andere  Bedenken,  die  uns  beim  Lesen 
des  Buches  aufstiessen  und  die  theilweise  ihren  Grund  darin  haben, 
dass  das  Dresdner  Hauptstaatsarchiv,  diese  reichste  Fundgi'ube  säch- 
sischer Stadtgeschichte,  gar  nicht  und  die  neuere  Literatur  sehr 
ungenügend  benutzt  woi'deu  ist,  wollen  wir  mit  Rücksicht  darauf, 
dass  wir  es  mit  der  gut  gemeinten  Lel)cnsarbeit  eines  für  die  Geschichte 
seiner  Vaterstadt  begeisterten  Mannes  zu  thun  haben  und  dass  der- 
selbe weniger  an  weitere,  als  an  die  engsten  Leserkreise  gedacht 
hat,  gern  unterdrücken.  Wer  sich  für  die  Geschichte  des  sächsischen 
Städtewesens  interessiert,  wird  gut  thun,  das  nur  in  geringer  Auflage 
gedruckte  Werk  nicht  zu  übersehen;  innnerhin  bringt  es  aus  dem 
ziemlich  i'eichhaltigen  Bornaer  Stadtarchive  manches  Literessaute. 
Es  sei  gestattet,  in  dieser  Hinsicht  nur  auf  das  viel  benutzte  Stadt- 
buch von  1434  aufmerksam  zu  machen;  bekanntlich  lial)eu  sich  nur 
sehr  wenige  mittelalterliche  Stadtbücher  sächsischer  Städte  ei'halten. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Aus  alten  Akten.  Bilder  aus  der  Entstehungsgeschichte  der  Israe- 
litischen  Religionsgemeinde    zu   Dresden.     Von   Emil   Lehmann. 

Dresden,  Tittmann.     1886.     XVI,  77  SS.    S«. 

Im  Anschlüsse  au  seine  früher  an  dieser  Stelle  (VII,  165  flg.) 
I)esprochene  Schrift  über  den  polnischen  Residenten  Berend  Lehmann 
und  die  Begründung  einer  israelitischen  Religionsgemeinde  zu  Dres- 
den veröffentlicht  der  \"erfasser  eine  Reihe  von  IVIittheilungen  aus 
der  Geschichte  der  letzteren  von  der  Mitte  des  vorigen  bis  zur  Mitte 
dieses  Jahrhunderts.  Sind  diese  Mittheilungen  auch  zunächst  uui- 
für  die  Mitglieder  der  Gemeinde  von  Interesse,  so  mag  doch  ein 
kurzer  Hinweis  auf  dieselbe  auch  hier  Raum  finden.  Die  Arlieit 
beruht  durcliweg  auf  den  Akten  des  Dresdner  Rathsarchiv;  so  reidi- 
lialtig  dieselben  auch  sind,  so  ist  doch  zu  bedauern,  dass  von  einer 
Benutzung  des  Hauptstaatsarchivs  sowie  der  betreffenden  Ministerial- 
akten  abgesehen  worden  ist.  Gewidmet  ist  das  Schriftchen  dem 
Andenken  an  den  kürzlich  verstorbenen  verdienten  ()l)errabbinei- 
Dr.  Landau,  dessen  Bildnis  ihr  beigefügt  ist. 

Di-esden.  H.  Ermisch. 

Die  Kreiizscliule  zu  Dresden  l)i8  zur  Einführung  der  Reformation 
(1539).  Von  Prof.  Dr.  Otto  Melt/er,  liektor  des  Wettiuer  Gym- 
nasiums zu  Dresden.  (A.  u.  d.  T.:  IVIittheilungen  des  \'ereins  für 
Geschichte  und  Topographie  Dresdens  und  seiner  Umgebung. 
7.  Heft).     Dresden,  Tittmann  (Komm.).     1886.     IV,  60  SS.     8". 

Seitdem  Ciiristian  Schöttgen  die  älteste  Geschichte  der  Kreuz- 
schule behandelte,  ist  wohl  manches  werthvolle,  einschlagende  Ma- 
terial veröffentlicht  worden,  so  der  5.  .Band  des  Codex  diplomaticns 
Saxoniae  regiae  und  O.  Richters  Verfassungsgeschichte  von  Dresden. 
Trotzdem  würde  dasselbe  nicht  hingereicht  haben,  Schöttgeus  wenige 
Seiten    zu  dem  vorliegenden,  umfangreichen  Hefte  auszugestalten. 

Neues  Archiv  f.  H.V..  u.  A.  Vlll.  1.  2.  11 


162  Literatur. 

wenn  es  Verfasser  nicht  verstanden  hätte,  iiubenutzte  Quellen  lieran- 
zuziehen.  Mit  imendlich  entsagungsvoller  Sorgfalt  sind  vor  allem 
die  Raths-  und  Brückenamtsrechnungen  des  15.  Jahrhunderts  ver- 
werthet,  deren  reiche  Ausbeute  der  Darstellung  nicht  nur  lebendige 
Anschaulichkeit  und  fesselnde  Lokalfarbe  verleiht,  sondern  auch 
helles  Licht  auf  bisher  dunkle  Parthien  wirft.  Dies  zeigt  sich  be- 
sonders im  3.  Abschnitte  über  Lehre  und  Kirchendienst  (S.  15—27), 
sowie  über  die  Lehrer  (S.  28  flg.),  deren  farblose  Namen  theilweise 
hier  zum  ersten  31ale  in  deutlicher  Charakteristik  erscheinen.  Für 
weitere  Kreise  ist  hieraus  von  Interesse  (vergl.  auch  Anhang  I 
S.  54—59)  Peter  von  Dresden,  sowie  der  erste  Vertreter  des  Hu- 
manismus an  der  Schule,  M.  Ludwig  (.rötz  de  Werdis,  der  zu 
Herzog  Georg  dem  Bärtigen  in  näherer  Beziehung  steht.  Durch 
sorgfältige  Nachforschungen  in  der  Kirchenbibliothek  zu  Annaberg 
ist  es  unter  anderem  dem  Verfasser  gelungen,  nicht  nur  die  aus 
zahlreichen  Inkunabeln  bestehende  Bibliothek  jenes  Dresdner  Huma- 
nisten festzustellen,  sondern  auch  ihre  Erwerbung  in  Siena,  zum 
Theil  selbst  den  Ankaufspreis  der  einzelnen  Bände,  nachzuweisen. 
Je  dunkler  die  Anfänge  des  Humanismus  in  Sachsen  noch  sind,  um 
so  werthvoUer  erscheint  dieser  Beitrag.  Für  den  Kulturhistoriker 
bietet  die  Schrift  auch  sonst  werthvolleu  Stoff,  z.  B.  finden  sich  in 
dem  Abschnitte  über  Schulzucht  kostbare  Beispiele  von  Jugeud- 
übermuth  und  strenger  Ahndung. 

Dresden.  Georg  Müller. 

Töplitz.  Eine  deutschböhmische  Stadtgeschichte  von  Dr.  Hermauu 
Hallwich.  Mit  24  Illustrationen.  Leipzig,  Drmcker  &  Humblot. 
1886.     XIII,  471  SS.    8'\ 

Wenn  wir  diese  mit  bekannter  Gründlichkeit,  Übersichtlichkeit 
und  Anschaulichkeit  geschriebene  Geschichte  einer  Stadt  Böhmens 
kurz  hier  erwähnen,  so  geschieht  dies,  weil  sich  darin  auch  für  die 
sächsische  Geschichte  ein  reichhaltiges,  bereits  wohlgeordnetes  Ma- 
terial vorfindet;  wir  meinen  vorzugsweise  das  Kapitel  „Ausbreitung 
der  meissnischen  Herrschaft"  im  nordwestlichen  Böhmen  (S.  44  flg.). 
Im  Jahre  1398  nämlich  hatte  Borso  von  Riesenburg  seine  gleich- 
namige Stammburg  nebst  dem  Kloster  Ossegg,  der  Stadt  Brüx  und 
sonstigem  zahlreichen  Zubehör  (um  40  000  Mk.  Silber)  an  Landgraf 
AVilhelm  von  Thüringen,  Markgrafen  von  Meissen,  verkauft.  Bald 
darauf  erwarb  letzterer  auch  die  damals  noch  zu  Böhmen  gehörige 
Burggrafschaft  Dohna,  das  Schloss  Köuigstein,  die  Stadt  Pirna,  das 
Schloss  Wehlen,  sowie  die  im  Meissnischen  gelegenen,  aber  böh- 
mischen Herren  gehörigen  Grafschaften  Leisnig  und  Kolditz.  Nicht 
minder  waren  dem  Markgrafen  von  böhmischen  Herrschern  die  Ein- 
künfte aus  den  Städten  Brüx  und  Laun  verpfändet,  von  Benesch  v. 
Duba  dessen  Schloss  Kostenblatt  und  von  Wenzel  v.  Wartenberg 
dessen  Burg  Blaukensteiu  „geöffnet"  und  darauf  aus  den  Häiulen 
des  Markgrafen  zu  Lehn  genommen  worden.  So  gebot  denn  letz- 
terer jetzt  über  eine  sehr  grosse  Anzahl  ritterlicher  Vasallen  in 
Nordböhmeu  und  trug  hierdurch  nicht  wenig  zur  völligen  Germaui- 
sierung  desselben  bei.  Ereilich  wurde  durcli  diese  böhmischen  Be- 
sitzungen nun  Markgraf  Friedrich  der  Streitbare  von  Meissen,  wel- 
chem Kaiser  Siegmund  auch  noch  Aussig  pfandweise  überlassen 
hatte,  alsbald  auch  in  die  tramigen  Hussitenkriege  verwickelt,  welche 
unter  anderem  die  Niederlage  des  sächsischen  Heeres  bei  Aussig 
(1426),  die  Wn'wüstung  selbst  der   meissnischen  Lande  und   endlich 


Literatur.  X63 

den  Verlust  aller  südlich  vom  Erzgebirge  gelegenen  Besitzungen  (1451) 
zur  Folge  hatten.  Für  das  nördliche  Böhmen  aber  bedeutete  der 
Sieg  des  Hussitismus  zugleich  die  völlige  Czechisierung  des  bis 
dahin  deutsch  gewesenen  Landes,  wie  besonders  in  dem  Abschnitte 
„Um  Sprache  und  Freiheit"  (S.  85  flg.)  nachgewiesen  wird. 
Dresden.  Knothe. 

Der  Leipziger  SchöppeustuliL    I.  Abschnitt.    Von  Theodor  Distel. 

Weimar.  1886.  27  SS.  S».  (Separatabdruck  aus  der  Zeitschrift 
der  Savigny-Stiftung  für  Rechtsgeschichte  Germ.  Abth.  Bd.  VU 
S.  89 — 115:  Beiträge  zur  älteren  Verfassungsgeschichte 
des  Seh ö p p e n  s t u hl s  zu  L  e i  p  z i g.  Mit  urkundlicTien  Beilagen 
und  Siegelabbilduugen). 

Unter  diesem  Titel  giebt  der  Verfasser  eine  quellenmässige 
Darstellung  der  zumal  für  die  ältere  Zeit  noch  niemals  im  Zu- 
sammenhange beai-beiteten  Geschichte  des  Leipziger  Schöppenstuhls 
und  zwar  zunächst  bis  zu  dessen  Umgestaltung  im  Jahre  1574. 
In  gedrängter,  aber  auch  das  Interesse  des  Nichtjuristen  in  An- 
spruch nehmender  Form  weist  derselbe  nach,  wie  in  dem  durch 
seinen  Handel  rasch  aufblühenden  Leipzig  auch  das  städtische  Ge- 
richt sich  alsbald  nah  und  fern  allgemeinen  Ansehens  und  Vertrauens 
zu  erfreuen  hatte.  Schon  1325  wies  König  Johann  von  Böhmen 
die  damals  noch  zu  seinen  Landen  gehörige  Stadt  Pirna  im  Falle 
von  Rechtsnoth  an  „die  Bürger  von  Leipzig",  und  aus  dem  ]\Iit- 
weidaer  Stadtbuch  von  1412  ergiebt  sich,  dass  man  auch  da  Recht 
zu  holen  pflegte  „zu  Leipzig  und  zu  Dresden-.  Von  einer  „Stiftung" 
des  Leipziger  Schöppenstuhls  kann  nicht  die  Rede  sein,  da  sich  der- 
selbe nur  „nach  und  nach  seine  Wirksamkeit  selbst  geschaffen  hat". 
Genauere  Kunde  über  die  Besetzung  desselben  erhält  man  erst  aus 
dem  ältesten  Leipziger  Stadtbuche  vom  Jahre  1420.  Aus  diesem 
geht  hervor,  dass  damals  unter  einem  zum  Rathe  gehörigen  Richter 
(seit  1423  hatte  der  Rath  die  Obergerichtsbarkeit  erlangt)  meist 
sechs  auf  Lebenszeit  gewählte  Schoppen,  unter  denen  stets  die  drei 
Bürgermeister  der  Stadt,  „das  Gericht  sassen"  und  nicht  blos  die 
Stadtsachen,  sondern  auch  „die  fremden  Sachen",  letztere  natürlich 
gegen  Entgelt,  versprachen.  Bis  1432  sind  es  lediglich  Laien,  welche 
dies  Schöppengericbt  bildeten.  Seit  dieser  Zeit  erlangte  das  rechts- 
gelehrte Element,  vertreten  durch  Doktoren  der  Juristenfakultät  zu 
Leipzig,  mannichfachen  Einfluss  auf  den  Rath,  sowie  auf  den  Schöppen- 
stuhl.  Manche  Sprüche,  zumal  die  verwickeiteren  Rechtssaclien,  sind 
unterzeichnet  sowohl  von  Doktoren  als  von  den  Schöppeii.  Seit  etwa 
1514  aber  sassen  im  Schöppenstuhl  immer  mindestens  zwei  rechts- 
gelehrte Doktoren.  Hatte  schon  Herzog  Georg  der  Bärtige  die 
Sprüche  des  Schö])penstuhls  gelegentlich  wegen  allzugrosser  J^lilde 
in  peinlichen  Saclien  getadelt,  so  wurden  zumal  unter  Kurfürst 
August  die  Klagen  über  säumige  Ausfertigung  der  Urthel,  ül)er 
gar  zu  lange  Authaltung  der  Boten  und  daher  über  allzutheure 
Rechtsprechung  immer  häufiger.  I)ei'  Grund  davon  lag  vor  allem 
darin,  dass  jene  rechtsgelehrten  31itglieder  des  Schöppenstuhls  in 
erster  Linie  Professoren  an  der  Universität,  oft  aber  zugleich  auch 
Mitglieder  des  Raths,  Prokuratoren,  Konsistoi'ialräthe,  Hofgerichts- 
beisitzer etc.  waren  und  daher  bei  solcher  Häufung  der  Ämter  und 
der  Gehälter  nur  spät  erst  zur  Ausfertigung  der  ihnen  zugetheilten 
Schöppensprüche  kommen  konnten.  Aber  auch  andere  Klagen  wurden 
zumal  von   ilen  Landstäiuleu    erhoben,  dass   nämlich  die  Urthel   des 

11* 


164  Tiiteratur. 

Schöppenstuhls  zu  Leipzig,  des  zu  Wittenberg,  des  Hofgeriolits 
uud  des  Oberhofgerichts  einan  1er  häufig  widersprächen.  Infolge  alles 
dessen  ordnete  Kurfürst  Augast  nicht  nur  au,  dass  sich  diese  ver- 
schiedenenen  Gerichtsbehörden  seines  Landes  über  die  leitenden 
Reehtsgrundsätze  vereinigen  sollten,  sondern  wusste  iu  seiner  ener- 
gischen Weise  zumal  den  ün  Schöppenstuhl  und  an  der  Universität 
zu  Leipzig  eingerissenen  Übelständen  dadurch  zu  steuern,  dass  er 
ersteren  lö74  völlig  reformierte.  Diese  Reform  sellist  und  die  fer- 
nere Geschichte  des  Leipziger  Schöppenstuhls  behält  sich  der  Ver- 
fasser vor,  iu  einem  zweiten  Abschnitt  eingehend  zu  behandeln. 

Dresden.  Knothe. 

Die  oberste  Finanzkontrolle  des  Königreichs  Sachsen  in  ihrer 
organischen  Entwickelung  von  den  ältesten  -Zeiten  bis  auf  die 
Gegenwart.  Von  Dr.  E.  Lobe,  Geheimem  Oberrechnungsrath  in 
Dresden.  127  SS.  8".  (Separatabdruck  aus:  Finanzarchiv,  heraus- 
gegeben von  Georg  Schanz.    Jahrg.  1885.     Bd.  II). 

Diese  gründliche  und  übersichtliche  Arbeit  bietet  ein  überaus 
schätzenswerthes  Hilfsmittel  für  die  Wirthschaftsgeschichte  Sachsens 
im  Allgemeinen  und  die  Finanzgeschichte  xxnd  die  Geschichte  der 
Behördenorganisation  im  besonderen.  Das  Ergebnis  der  Arbeit  lässt 
erkennen,  dass  auch  auf  diesem  Gebiete  der  inneren  Staatsverwaltung 
das  Kurfürstenthum  Sachsen  schon  frühzeitig  eine  hohe  Stelhuig 
eingenommen  hat  uud  den  meisten  deutschen  Staaten  vorausgeeilt 
ist.  Freilich  haben  auch  in  dieser  Beziehung  die  erleuchteten  und 
sorgsamen  Bestrebungen  der  Landesherren  uiul  der  sie  berathenden 
obersten  Staatsmänner  immer  nur  eine  theilweise  Verwirklichung 
gefunden  und  der  offene  Kampf  der  Verwaltung  gegen  die  Kontrolle, 
welcher  fast  im  ganzen  XVIII.  Jahrhundert  geführt  worden  ist, 
mehr  aber  noch  der  passive  Widerstand,  welcher  naturgemäss  jeder 
Kontrolle  zu  allen  Zeiten  und  in  allen  Verhältnissen  geleistet  wird, 
haben  die  Thätigkeit  der  für  die  Kontrolle  getroffenen  Einrichtungen 
zum  Theil  und  in  manchen  Perioden  geradezu  unwirksam  gemacht. 
Die  Absicht,  dies  durch  Beispiele  zu  erhärten,  führte  den  Verfasser, 
wir  dürfen  sagen  leider  nur  in  zu  bescheidenem  Umfange,  dazu,  auch 
einige  Einblicke  in  die  Geschichte  der  sächsischen  Finanzen  selbst 
zu  gestatten.  Man  gewinnt  dabei  erneixt  den  Eindruck,  dass  Sachsen 
eine  gewissermassen  unverwüstliche  wirthschaftliche  Lebensfähigkeit 
besessen  haben  muss,  wenn  es  gelaug,  die  zahllosen  Missstände  und 
ungeheuren  Schuldenlasten  glücklich  zu  überwinden. 

Die  ersten  Anfänge  einer  geregelten  Kontrolle  des  landesherr- 
lichen Finanzwesens  lassen  sich  in  Sachsen  urkundlich  bis  zum  Jahre 
1349  zurück  verfolgen.  Die  Rechnuugsablegung ,  welche  sich  vor- 
wiegend auf  die  Eiträgnisse  der  landesherrlichen  Regalien  in  den 
Aemtern ,  Münzen,  Zehntereien  uud  Hütten  erstreckte  und  welche 
zum  Theil  durch  Vermittelung  der  Hofämter  vor  sich  ging,  war  ein 
vorAviegeud  mündliches  Verfahren  („Rechnung  hören")  mit  schrift- 
licher Schlussregistratur.  Bei  derselben  waren  die  Landesherren 
vielfach  auch  persönlich  thätig.  Um  die  Mitte  des  XV.  Jahrhunderts 
erfolgte  aber  bereits  die  Anstellung  eines  besonderen  obersten  Rech- 
nungs-  und  KoutroUebeamten,  des  Landrentmeisters.  Ein  wesentlicher 
Theil  der  Kontrolle  der  Staatsfinanzen  lag  aber  auch  den  seit  dem 
XIV.  Jahrhundert  in  Sachsen  bestehenden  Laudständen  insofern  ob, 
als  dieselben  von  jeher  sich  nicht  nur  die  Kontrolle,  sondern  auch 
die  Vorwaltung  selbst  der  von  ihnen  bewilligten  Landessteuern  vor- 


Literatur.  1 G5 

behalten  haben.  Nicht  einmal  die  Kasse  dieser  Steuern  fand  sich 
in  der  kurfürstlichen  Residenz,  sondern  meist  war  es  der  Rath  der 
Stadt  Leipzig,  bei  welchem  diese  Gelder  deponiert  wurden,  wie  es 
auch  die  Leipziger  Messen  waren,  bei  denen  die  ständischen  Aus- 
schüsse zur  Prüfung  der  Steuerrechuungen  zusammen  traten.  Hier- 
aus hat  sich  später  die  landständische  Kontrolle  der  Staatsschulden 
entwickelt. 

Mit  dem  XVI.  Jalirhundert  trat  an  die  Stelle  der  mündlichen 
Rechnungsabbör  aasscliliesslich  das  System  der  Ablegung  schrift- 
licher Reclinungen  und  begann  die  Kodifikation  der  erlassenen  In- 
struktionen und  Ordnungen:  Bergordnung  des  Herzogs  Georg  des 
Bärtigen  von  L509,  Münzordnung  des  Kurfürsten  August  von  1558, 
Holzordnung  von  1560,  Instruktion  für  das  Aratsrechnungswesen  von 
1563,  Errichtung  des  Geheimen  Rathes  von  1575,  des  Kammer- 
kollegiums 1589.  Unter  Christian  li.  wurde  die  Finanzkontrolle  mit 
der  Aufsicht  über  das  Kammerschuldenwesen  verbunden,  eine  schwere 
Aufgabe,  da  bei  dem  Regierungsantritte  Johann  Georgs  II.  allein 
die  Rentkamraer  mit  der  ungeheuren  Summe  von  11867720  Gulden 
verschuldet  war. 

Im  XVII.  Jahrhundert  blieben  die  zahllosen  Einschärfuugen 
bestehender  Vorschriften  und  die  Abänderungen  und  Ausdehnungen 
(auf  die  Rechnungen  der  Städte)  der  Kontrolleeinrichtungen  recht 
häufig  wirkungslos.  Audi  im  Anfange  des  XVIII.  Jahrhunderts, 
als  die  damals  nebeneinander  bestehenden  5  zentralen  Landeskassen, 
nämlich  die  Rentkammer,  die  Geueralkriegskasse ,  die  Generalaccis- 
kasse,  die  Kasse  der  Oberkämmerei  und  die  Obersteuereinnahme, 
die  Errichtung  einer  einheitlichen  Kontrolle  des  Rechnungswesens 
erforderten  und,  als  erste  ihrer  Art  in  Deutschland,  eine  oberste 
Rechnungsrevisionsbehörde  unter  dem  Namen  Ober-Rechen- Kannner 
im  Jahre  1707  geschaffen  und  gleich  den  übrigen  Landeskollegien 
dem  Landesherrn  immittelbar  untergeordnet  wurde,  war  der  Kampf 
dieses  Kontrolle -Kollegiums  gegen  die  eigentliche  Verwaltung  zum 
grossen  Theil  erfolglos.  Auch  die  Umgestaltung  dieses  selbständigen 
Kollegiums  in  eine  aus  Delegierten  der  betheiligten  obersten  Laudes- 
Itehörden  zusammengesetzte  Deputation  im  Jahre  1734  war  ziemlich 
vergeblicli,  besonders  als  der  bekannte  Günstling  von  Brühl  „aus 
besonderem  gnädigsten  Vertrauen"  zum  Direktor  der  neuen  Behörde 
gemacht  und  damit  der  Bo':;k  zum  Gärtner  gesetzt  wurde.  Eine 
Besserung  trat  erst  1763  durch  Brühls  Nachfolger,  den  Kaltinets- 
ministei'  Grafen  von  Stubenberg,  ein. 

Unter  König  Anton  erhielt  die  Oberrechnungsdeputation  1828 
eine  neue  Instruktion.  Alier  schon  1831  wurde  die  Kompetenz  der- 
selben durcli  den  Erlass  der  Verfassungsurkunde  wesentlich  geän- 
dert und  1842  wurde  die  Deputation  unter  Beseitigung  der  Depu- 
tierten wiederum  zu  einer  Olierrechnungskammer  umgestaltet.  Der 
jetzige  Wirkungski'eis  und  die  (iescbäftsordnung  dieser  Beliörde  ist 
durch  Verordnung  vom  4.  April  1877  geregelt,  nachdem  die  Versuche, 
ein  bezügliches  Gesetz  zu  stände  zu  l)ringen,  mehrfach  gescheitert 
sind.  Lobe  wünscht  eine  Umgestaltung  der  Mit^\■irkung  der  Ober- 
recbuungskanuner  bei  der  Trüfung  des  gesamten  Stnatsbausluiltes 
durch  die  Landstände,  um  die  Stäudeversammlung  in  die  Lage  zu 
bringen,  in  bewusster  Ueberzeugung  nicht  nur  eine  wirthschaftliche, 
sondern  auch  eine  etatrechtliche  sowie  sonst  legale  Prüfung  der  ge- 
samten Finanzgcliarung  vorzunelimen. 

Leipzig.  E.  Hasse. 


\Q(^  Literatur. 

(ieschichte   der   Leipziger   Messen   von   Ernst   Ilasse.     Gekrönte 
Preisschrift.    Leipzig,  S.  Hirzel.     1885.     VII,  516  SS.    8«. 

Unter  vorstehendem  Titel  hat  der  Leiter  des  statistischen  Amtes 
der  Stadt  Leipzig,  Herr  Dr.  phil.  Ernst  Hasse,  eine  von  der  fürst- 
lich Jablonowskischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  gekrönte 
Preisschrift  veröffentlicht,  die  anf  dem  verhältnismässig  spärlich 
liebauten  Gebiete  der  Handelsgeschichte  unseres  engereu  Vaterlandes 
eine  geradezu  epochemachende  Erscheinung  genannt  zu  werden 
verdient.  Zwar  äussert  der  Verfasser  selbst  im  Eingang  seines 
Werkes  die  wohlbegründete  Ansicht,  dass  in  Ermangelung  wichtiger, 
auf  seinen  Gegenstand  Bezug  haljender  Vorarbeiten  der  Zeitpunkt 
für  die  Abfassung  einer  Geschichte  der  Leipziger  Messen,  welche  die 
Bedeutung  dieser  letzteren  nach  allen  Seiten  ins  Licht  zu  kehren 
vermöchte,  noch  nicht  gekommen  sei.  Um  so  höher  hat  man  aber 
den  Werth  einer  Arbeit  anzuschlagen,  die  nicht  begonnen  werden 
konnte,  ehe  der  Verfasser  auf  Grund  einer  langen  Reihe  eingehender 
Spezialvoruntersuchungeu  durch  eigene  Mühe  den  Boden  geebnet 
hatte,  um  dann  in  erstaunlichem  Sammelfleiss  und,  wie  hervorgehoben 
sei,  unter  recht  geschickter  und  vorsiclitigei-  Benutzung  des  oft  fast 
überreich  gebotenen  Quellenmaterials  ein  ül.)ersiclitlich  und  sauber 
ausgearbeitetes  Erzeugnis  zu  liefern,  ilas  für  spätere  Arbeiten  auf 
demselben  Gebiet  immerhin  von  grundlegende!'  Bedeutung  bleiben 
wird.  Denn  trotz  des  mehr  als  ein  halbes  Jahrtausend  umfassenden 
Zeitraums,  auf  den  die  Forschungen  des  Verfassers  sich  zu  erstrecken 
hatten,  zeichnet  sich  sein  Werk  doch  durch  eine  so  eingehende  und 
gründliche  Behandlung  des  Stoffes  aus,  durch  so  viele  neue,  wertli- 
voUe  Ergebnisse  seiner  vielseitigen  statistischen  Studien  und  durch 
eine  so  reiche  Fülle  interessanter  Denkwürdigkeiten  nicht  nur  über 
jene  grossen  internationalen  Märkte,  sondern  über  die  Aveitverzweigten 
Handelsbeziehungen  Leipzigs  überhaupt,  dass  dasselbe  über  den 
Rahmen  einer  blossen  „archivalischen  Studie",  wie  er  es  nennen 
möchte,  weit  hinausgeht  und   seinen  Titel  mit  vollem  Eechte  führt. 

In  Ansehung  des  überaus  reichlialtigen  Stoffes,  der  in  Hasse's 
„Geschichte  der  Leipziger  Messen"  ohne  sonderliche  Rücksicht  auf 
Raumersitarnis  bewältigt  wird,  verbietet  es  sich  von  selbst,  an  dieser 
Stelle  ausführlicher  auf  den  Inhalt  des  Werkes  einzugehen  oder  gar 
etwa  Kritik  an  einzelnen  subjektiven  Aufstellungen  zu  üben,  die 
ohnehin  vor  der  Masse  wohl  beglaubigter  Thatsachen,  die  uns  be- 
richtet werden  und  die  an  sich  schon  eine  hinreichend  deutliche 
Sprache  reden,  zurücktreten.  Um  aber  Avenigstens  die  Umrisse  an- 
zudeuten, in  denen  sich  die  Darstellung  bewegt,  so  genüge  es  zu 
sagen,  dass  der  Verfasser  zuvörderst  über  den  Ursprung  der  Leip- 
ziger Messen  in  einem  Abschnitt  handelt,  der  unter  Anderem  aiich 
die  Ansicht  widerlegt,  als  sei  die  Entstehung  derselben  auf  die 
Ertheilung  irgend  Avelcher  kaiserlicher,  landesherrlicher  oder  sonstiger 
Privilegien  zurückzuführen.  Geschriebenen  Erlassen  verdanken 
wenigstens  die  Oster-  imd  Michaelismesse  ihren  Ursprung  nicht. 
Ein  Ergebnis  des  schon  im  13.  Jahrhundert  regen  Handelsveikehrs 
auf  den  Märkten  Leipzigs,  haben  sie  sich  vielmehr  allmählich  selb- 
ständig aus  den  letzteren  heraus  entAvickelt,  Avenn  andrerseits  auch 
A'om  Verfasser  nachgeAviesen  wird,  dass  sie  durch  kaiserliche,  könig- 
liche, kurfürstliche  und  fürstliche,  ja  selbst  durch  päpstliche  Ver- 
günstigungen in  ihrem  Gedeihen  schon  früh  sehr  gefördert  Avurden. 
So  milderte  u.  A.   Martin  V.,  um  aus   den   sehr   zahlreichen  Privi- 


Literatur.  167 

legieu  älteren  Datums  ein  Beispiel  päpstlicher  Huldbezeuguugeu 
herauszugreifen,  die  Strenge  der  grossen  Kirchenstrafen  herab  für 
den  Fall,  dass  damit  Belegte  nach  Leipzig  kommen  und  sich  daselbst 
auflialten  würden.  Ungleich  bedeutsamer  als  diese  und  eine  Menge 
anderer,  Avichtigerer  Bestimmungen,  die  vor  allem  für  eine  rasche 
Entwickelung  des  Messverkehrs  nach  aussen  hin  von  Yortheil  waren ; 
bedeutungsvoller  auch  als  alle  nachträglich  noch  bewilligten  Vorrechte 
und  Freiheiten  sind  nun  aber  die  kaiserlichen  Privilegien  von  1497 
und  lo07,  die.  indem  sie  alle  früher  ertheilten  landesherrlichen  Ver- 
günstigungen betretfs  der  Messen,  dos  Stapels  \ind  der  Niederlagen 
Leipzigs  aufs  neue  bestätigten  und  zum  Theile  wiederum  erwei- 
terten, die  Messen  zur  selben  Zeit  mit  öffentlich  rechtlichen 
Formen  umgaben,  um  sie  auf  diese  AVeise  „gleichsam  mündig"  zu 
sprechen.  Dabei  war  es  von  Belang,  dass  diese  umsichtigen  handels- 
politischen Massnahmen  auch  gerade  in  eine  Zeit  fielen,  in  der  im 
Gebiete  Leipzigs  und  in  den  benachbarten  Landstrichen  Frieden 
und  Ruhe  herrschten. 

Bedeuten  sonach  die  Wende  d.es  fünfzehnten  und  der  Anfang 
des  sechzehnten  Jahrliunderts  einen  sehr  Avichtigen  Fortschritt  in 
der  Konsolidierung  der  Leipziger  Messen,  die  man,  vorübergehende 
Störungen  abgerechnet,  von  da  an  bis  zur  Mitte  des  30jährigen 
Krieges  regelmässig  abgehalten  zu  haben  scheint,  so  werden  nun 
aber  andrerseits  schon  in  der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahr- 
hunderts doch  auch  Bestrebungen  wahrnehmbar,  die,  zumeist  von 
benachbarten  ^farktorten  ausgehend,  dem  Aufblühen  dieser  Messen 
entgegenarbeiteten.  Neben  sehr  vielen  kleinereu  und  kleinen  Orten, 
die  den  Leipziger  ßath  auf  diese  Weise  in  Streitigkeiten  und  Kämpfe 
verwickelten,  sind  es  besonders  Halle,  Magdeburg,  Erfurt,  Naumburg, 
Braunschweig  und  Frankfurt  am  Main,  deren  langjährige  Zwistig- 
keiten  mit  Leipzig  in  Hasse" s  Werk  eingehender  behandelt  werden, 
wobei  es  der  Verfasser  an  kulturhistorisch  interessanten  Streiflichtern 
auf  die  Politik  der  l)etheiligten  Orte,  der  Landesherren  und  des 
kaiserlichen  Hofs  nicht  fehlen  lässt. 

Die  feindseligen  Besti-ehungen  der  mit  Leipzig  rivalisierenden 
Städte,  die  zum  Theil  auf  ältere  verbriefte  Gerechtsame  pochen 
konnten  als  dieses;  die  kluge  und  thatkräftige  Politik  des  grossen 
Kurfürsten,  der  Johann  Georg  I.  und  dessen  unmittelbarer  Nach- 
folger durchaus  nicht  immer  gewachsen  waren;  eine  „zwanzigjährige 
Zeit  ununterbrochener  Drangsal",  die  Leipzig  von  der  Mitte  des 
dreissigjährigen  Krieges  an  (1631)  zu  erdulden  hatte,  dazu  die  un- 
geheure Schuldenlast,  die  dieser  Krieg  auf  die  Stadt  wälzte;  end- 
lich —  um  der  grossen  Pest  von  1680  gar  nicht  erst  Aveiter  zu 
gedenken  —  eine  langandauernde,  „unbeschieibliche"  Bechtsunsicher- 
heit,  die  einen  allgcmieiuen  Niedergang  in  Industrie,  Verkehr  und 
Handel  nach  sich  zog  —  alle  diese  und  andere  Missstäude  mehr 
vermochten  indessen  nicht,  eine  Einrichtung  zu  stürzen,  deren  ZAveck- 
mässigkeit  sich  unter  Sclnvierigkeiten  mannigfachster  Art  bereits 
zu  lange  glänzend  bewährt  hatte,  als  dass  sie  nunmehr  noch  der 
Ungunst  vorübergehendi'r  äusserer  Verhältnisse  zum  Opfer  hätte 
fallen  sollen. 

Im  Gegentheil,  der  Abschnitt,  Avelchen  der  Verfasser  der  Ge- 
schichte dei-  Ijcipzige)'  IVlessen  vom  Ende  des  dreissigjährigen  Krieges 
bis  zum  Jahre  1711  gCAvidraet,  lässt  erkennen,  dass  dieselben  von 
der  Mitte  des  sielizehnten  Jahrhundei'ts  an,  besonders  aV)er  seit  dem 
Regierungsant)itt  Johann  Georgs  IIL,  einen  langsamen,  doch  stetigen 


1G8  Literatur. 

Aufschwung  naliineu,  der  iliueu  bereits  im  ersten  Jahrzehnt  des 
achtzehnten  Jahrhunderts  zum  Übergewicht  über  alle  anderen  Reichs- 
messen, selbst  die  von  Frankfurt  am  3Iain  mit  inbegriffen,  verholfen  hatte. 

Es  ist  bekannt,  dass  Leipzig  diesen  erfreulichen  Vorsprung 
bis  auf  den  heutigen  Tag  zu  wahren  und  zu  vergrössern  verstanden 
hat,  wiewohl  es  hierbei,  wenigstens  während  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts, staatlicherseits  nicht  eben  immer  in  der  wünschenswerthen 
"Weise  gefördert  wurde  ^). 

Abgesehen  von  der  nicht  gefährlichen,  doch  unbeciuemen  Kon- 
kurrenz Braunschweigs,  von  dem  Verbot  der  Waareneinfuhr  aus 
Frankreich  und  von  den  im  achtzehnten  Jahrhundert  permanent 
gewordenen  Zollstreitigkeiten  aller  Staaten  unter  einander  war  aber 
ein  anderer  Faktor,  der  Leipzigs  Handel  und  Messgeschäft  und 
zAvar  am  allerschwersten  Abbruch  that,  der  siebenjährige  Krieg,  in 
welchem  Friedricli  der  Clrosse  die  Stadt  „geradezu  systematisch  aus- 
saugte". Der  Verfasser  macht  ül)er  die  für  jene  Zeit  ganz  unge- 
heuren Bedrückungen,  die  Leipzig  damals  über  sich  ergehen  lassen 
musste,  recht  interessante  Mittheilungen,  kommt  aber  doch  zu  dem 
Schlüsse,  dass  „vom  siebenjährigen  Krieg  an  bis  zu  den  napoleo- 
nischen Kriegen  die  äussere  Entwickelung  der  Leipziger  Messen 
eine  ruhige,  von  besonderen  Zufällen  nicht  gestörte  war". 

Dieser  Stand  der  Dinge  änderte  sich  in  der  letzten,  von  1806 
bis  zur  Gegenwart  reichenden  Periode. 

Die  unglücklichen  Folgen  der  Schlacht  bei  Jena,  die  zur  defi- 
nitiven Besetzung  Leipzigs  durch  Davoust  führte;  die  Verhängung 
der  Kontinentalsperre,  die  den  Handel  mit  England  lahm  legte  und 
zur  Beschlagnahme  aller  in  Leipzig  lagernden  Waareu  englischen 
Ursprungs  führte;  die  Verhängnisse  des  .Jahres  1813.  in  welchem  die 
Stadt  bald  in  den  Händen  der  Franzosen,  liald  in  denen  der  Russen 
war;  endlich,  um  nur  noch  eine  wichtige  politische  Umgestaltung  zu 
erwähnen,  die  Theilung  Sachsens,  die  die  alteu  Zollstreitigkeiten 
mit  Preussen  von  neuem  wachrief  —  alles  dies  musste  für  Leipzigs 
Handel  und  seine  Messen  zu  neuen,  schweifen  Krisen  führen,  denen 
schon  nach  wenigen  Jahrzehnten  einschneidende  Umwälzungen 
anderer  Art  folgten :  der  Beitritt  Sachsens  zu  dem  Zollverein  und 
die  Umgestaltung  der  Verkehrsverhältnisse  durch  die  Eisenbahnen. 

Auch  über  die  vorstehend  kurz  berührten  Ereignisse  und  ihre 
wirthschaftlichen  Folgen  giebt  der  Verfasser  ausführlichere  Rechen- 
schaft, um  sodann  noch  einen  Blick  auf  das  Leipziger  Ausstellungs- 
wesen zu  werfen,  während  Mittheilungen  über  die  Jlessen  der 
Jahre  1866  und  1870  den  Schluss  der  fortlaufenden  Geschichte  jener 
grossen  Märkte  bilden. 

So  viel  ül)er  den  Theil  des  Hasseschen  Werkes,  welcher  der 
äusseren  Geschichte  der  Leipzige}'  Messen  gCAvidmet  ist.  Es 
folgen  dann  noch  in  neun  weitej'en  Abschnitten  ziemlich  umfang- 
reiche, detailliert  gehaltene  Forschungen  und  Studien  über  die  Ver- 
fassung derselben,  über  den  Umfang  des  Waaren-,  des  Geld-  und 
des  Personenverkehrs  während  der  Messen,  sowie  über  den  Verlauf 
und    die    Bedeutung    derselben    seit    1729  —  Untersuchungen,    die 


^)  Der  Verfasser  bringt  hierfür  auf  Seite  147  tig.  sehr  drastische 
Belege  bei.  Wie  aus  verschiedenen  Petitionen,  u.  A.  einer  vom 
Jahre  1800  (Aul.  Xo.  XXXIII)  erhellt,  waren  sich  Rath  und  Kauf- 
mannschaft Leipzigs  der  Vernachlässigung  ihrer  Interessen  seitens 
der  Regierung  übrigens  klar  bewusst. 


Literatur.  lOO 

ihrem  ^^'eseu  uacli  wenig  aiigeilian  sind,  in  Kürze  und  au  dieser 
Stelle  besprochen  zu  werden.  Dagegen  bleibe  nicht  unerwähnt,  dass 
der  Verfasser  seinem  Werke  ausser  einer  beträchtlichen  Anzahl 
zum  Theile  auszugsweise  abgedruckter  wichtiger  Urkunden  (Anl.  I — L, 
pag.  4n5 — 505)  ein  mit  vieler  Mühe  zusammengestelltes  Jnhalts- 
verzeichnis  beigegeben  hat,  das  insbesondere  dem  Kaufmann  und 
Industriellen  bei  der  Benutzung  des  Buches  gute  Dienste  thun  wird. 
Denn  Hasse's  Werk  hat  nicht  nur  auf  des  Historikers  Interesse 
Anspruch :  der  Handels-  und  Gewerbestand  kann  daraus  die  A'ei- 
gangenheit  kennen  lernen,  um  die  Gegenwart  zu  verstehen  und  auf 
die  Zukunft  zu  schliessen. 

Leipzig.  Georg  Schönherr. 

Handel  und  Industrie  der  Stadt  BaseL  Zunftwesen  und  Wirth- 
schaftsgeschichte  bis  zum  Ende  des  XVII.  .lahrhunderts  aus  den 
Archiven  darüestellt  von  Traugott  dieering',  Dr.  phil.  Basel  1886. 
XXVL     678  ^SS.     8«. 

Für  die  Würdigung  dieser  ausserordeutlicli  inhaltreichen  wirth- 
schafcsgeschiclitliclien  Arbeit  nach  ihrem  Hauptinhalt  ist  hier  nicht 
der  Ort.  Es  sollen  nur  einige  Punkte  besprochen  werden,  welche 
sich  auf  die  Wirthschaftsgeschichte  Sachsens  beziehen  und  natürlich 
doit  nur  gelegentliche  Behandlung  finden. 

Während  Basel  in  einer  ersten,  nicht  näher  bekannten  Blüthe- 
periode  nach  den  Messen  in  der  Champagne  gravitiert,  ist  sein  wirth- 
schaftliches  Leben  vom  XIV.  .Tahrhundert  an  auf  das  innigste 
mit  den  Messen  in  Frankfurt  a.  M.  verknüpft.  Die  Beziehungen 
Basels  zu  den  Leipziger  Messen  sind  dagegen,  wie  es  nach  den 
Ausführungen  Geerings  scheint,  bis  zum  Ende  des  XVII.  .Jahrhun- 
derts auffiillig  belanglos  und  beschränken  sich  auf  den  Buchhandel: 
„In  Leipzig  rinden  wir  uuseie  Baseler  Di'ucker  ausnahmsweise  fi'üli. 
Bernhard  Ricliel  hat  1473  ff.  beträchtliche  Exstanzen  bei  anderen 
Druckern.  Mit  dem  Einzug  eines  Theiles  (20  Fl.)  zu  Weihnachten 
in  Lipx  beaufti'agt  er  den  Niclaus  Kessler.  Falls  dieser  nicht  nach 
Leipzig  geht,  ist  die  Summe  bis  Fronleiclinam  an  ihn  selbst  nach 
Basel  zu  entrichten  ...  Im  ]\littelpunkt  aber  steht  durchaus  Frank- 
furt." , Leipzig  erhielt,  1603  zum  erstenmal,  das  Uebergewicht  über 
Frankfurt.  Für  Basel  war  diese  Verschiebung  aber  offenbar  nach- 
theilig, da  sie  die  Entfeinung  vom  Hauptmarkte  verdoppelte." 

Die  starken  Beziehungen  der  Basler  und  schweizer  Industrie 
zu  den  Leiiiziger  Messen,  welche  die  Geschichte  der  letzteren  er- 
kennen lässt,  fallen  erst  in  das  von  Geering  nur  flüchtig  hehandelte 
XVIII.  .Jahrhundert. 

Bei  Bespreehuug  der  Verkehrsverhältnisse  des  XVII.  .lalir- 
h)uiderts  wird  erwähnt,  dass  damals  eine  Art  IJeaktion  zu  gunsten 
der  Wasserstrassen  eingetreten  sei,  dass  aber  damals  der  sächsische 
Oberbergmeister  Weigel  begonnen  habe ,  die  Sprengarbeit  dem 
Strassenbau  nutzbar  zu  machen. 

Audi  die  Industrie  der  Schweiz  ist,  wie  die  anderer  mittel- 
europäischer Länder,  auf  das  gliicklicliste  durch  die  französischen 
und  italienischen  (üaubensverfolgten  beeinrtusst  worden.  Vielfach 
war  die  Schweiz  für  dieselben  ein  DuTchgangsi>unkt,  so  dass  deutsche 
industi'ielie  Anlagen  melirfach  in  tirster  Linie  auf  die  Schweiz,  in 
letzter  Instanz  aber  auf  die  Refugianttm  zurückzuführen  sind.  So 
begründete  Paris  Appiano  1557  die  Seidenfärberei  und  Sammtweberei 


1 70  Literatur 

in  Züricli.  Eiuer  seiner  Arbeiter  Jakol»  Duiio  riclitete  aber  dem 
Kurfürsten  von  Sachsen  in  Meissen  eine  Fabrik  ein. 

Während  Frankreich  im  XVII.  Jahrmmdert  auf  dem  Gebiete 
der  industriellen  Produktion  Italien  verdrängte  und  zum  ersten 
Range  emporstieg,  hat  sich  Deutschland  30  Jahre  lang  im  blutigsten 
Kriege  zerfleischt.  Seit  dem  Frieden  al)er  drohte  Frankreichs  ma- 
terielle Uebermacht  unter  der  unerreichten  Verwaltung  Colberts  den 
östlichen  Nachbar  vollends  zu  ersticken.  Es  ist  ein  Stück  von  der 
Politik  Heinrichs  IV.,  die  unter  Richelieu  und  Louis  XIV.  zur 
Reife  gedeiht.  Deutschland  soll  in  foitdauerndem  Kriegszustand  er- 
halten bleiben,  es  soll  dazu  dienen,  französische  Heere  zu  nähren 
imd  in  Übung  zu  erhalten  u.nd  endlich  soll  ein  Stück  guten  deutschen 
Bodens  nach  dem  andern  abbröckeln.  Es  sollen  ihm  aber  auch  seine 
wirthschaftlichen  Kräfte  unterbunden  bleiben. 

Geering  bezeichnet  es  als  das  Verdienst  des  grossen  Kurfürsten 
und  des  sächsisch-polnischen  Königshauses,  zum  Theil  auch  der  Stadt 
Hamburg,  den  Gegner  von  dieser  wirthschaftlichen  Seite  her  klar 
erkannt  und  ihm,  Avenu  auch  mit  ungleichen  Mitteln,  doch  mit 
wachsender  Macht  und  schliesslich  im  Zollverein  unseres  Jahrhun- 
derts, überhaupt  in  der  deutschen  Einheit  des  neuen  Reiches,  mit 
Erfolg  begegnet  zu  haben.  Zu  der  politischen  Ohnmacht  der  klei- 
neren süddeutschen  Staaten  kam  im  XVII.  Jahrhundert  der  zünftige 
Starrsinn,  welcher  eine  wirthschaftliche  Entwickelung  unmöglich 
machte.  Nur  im  Norden,  wo  einsichtige  Füreten  über  grössere  Ter- 
ritorien geboten  und  Macht  und  Entschiedenheit  genug  l)esassen,  um 
gegen  die  kleinhandwerkerliche  Einseitigkeit  des  solidarischen  deut- 
schen Zunftwesens,  hauptsächlich  gegen  die  enggeschlossene  Phalanx 
der  Gesellentyraimis  aufzukommen,  da  trat  nt'ben  den  Verfall  des 
Zunftwesens  eine  milchtig  aufstreliende  moderne  Bewegung.  Diese 
wirthschaftliche  Seite  der  Entwickelung  wird  in  ihrer  Bedeutung 
als  Vorarbeit  für  die  Verschiebung  des  Schwerpunktes  im  neuen 
deutschen  Reiche  nicht  hinlänglich  beachtet.  Vor  allem  Sachsen, 
dann  Brandenburg,  Hamburg  und  der  Niederrhein  hielten  das  deutsche 
Wirthschaftsleben  im  XVII.  und  XVIII.  Jahrhundert  aufrecht. 

Gelegentlich  wird  erwähnt,  dass  der  30jährige  Krieg  den 
Tabakgenuss  auch  in  Sachsen  verbreitet  habe,  wo  1631  die  ersten 
Tabakpflanzungen  angelegt  worden  seien.  Dass  nach  dem  Kriege 
die  sächsische  Tuchindustrie  aucli  in  der  Schweiz  wieder  ein  Absatz- 
gebiet gefunden  hat,  ist  nicht  auffällig,  bemerkenswerth  aber,  dass 
„die  Meissner"  Scheinfuss  aus  Reichenbach  und  Kürtzel  aus  Meissen 
in  Basel  den  Versucli  gemacht  haben,  den  Tuchausschnitt  im  ein- 
zelnen au  sich  zu  bringen. 

Leipzig.  E.  Hasse. 

Prinzenunterricht  im  16.  und  17.  Jahrhundert  nach  Handschriften 
der  Königl.  öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden.     Von  Dr.  C.  Fietz. 

Jahresbericht  des  Neustädter  Realgymnasiums  zu  Dresden 

Dresden.  1887.  2.5  SS.  40. 
Bealjsichtigt  auch  der  A'erfasser  vorliegender  Programmabhand- 
lung nach  dem  gewählten  Titel  eine  Aveitere  Fassung  des  Themas,  so 
beschäftigt  er  sich  doch  fast  ausschliesslich  mit  der  Erziehung  der 
Prinzen  aus  dem  Hause  Wettin  und  bietet  nach  Seite  der  Methode  wie 
der  Resultate  einen  AverthvoUen  Beitrag  zur  sächsischen  Geschichte. 
Als  Quellen  dienten  ihm  eine  Reilie  von  handschriftlichen  Heften  wie 
gedruckten  Lehrbüchern,    welche   sich  im  Gebrauche  der  fürstlichen 


Literatur.  171 

Zöglinge  befanden  und  jetzt  der  hiesigen  Königlichen  ölfentlichen  Bil)- 
liothek  angehören.  Als  Resultat  ergiebt  sich,  dass  die  einzelnen  Strö- 
mungen, welche  durch  die  Geschichte  der  Pädagogik  in  diesen  .lahr- 
hunderten  hindurchgehen,  mehr  oder  weniger  auch  die  Fürstenerzieh- 
ung beeintlusst  haben.  Deutlich  lassen  sich  die  verschiedenen  Perioden 
unterscheiden  Mit  Interesse  verfolgt  man  die  einzelnen  Lehrfächer, 
über  deren  Betrieb,  praktische  Ausgestaltung  und  Erfolge  wir  in  ein- 
yehendster  Weise  unterrichtet  werden,  während  uns  sonst  in  dieser 
Kichtung  oft  genug  die  Quellen  fehlen.  So  fesseln  uns  beim  Schreib- 
unterricht nicht  nur  die  Leistungen  der  jugendlichen  Schreibkünstler 
bezüglich  der  Form  mit  ihrer  grösseren  oder  geringeren  Gewandtheit, 
sondern  namentlich  auch  der  Inhalt  der  "\'orlagen  und  Uebungen,  wel- 
cher mit  seinen  (Tlückwunschgedichten  in  akrostichischer  Form,  Adres- 
sen an  die  hohen  Vei'wandten,  moralischen  Sentenzen,  Gebeten  wider 
den  Türken  ganz  die  Stimmungen  und  den  Charakter  der  Zeit  wider- 
spiegelt. In  den  klassischen  Sprachen  fallen  uns  die  Reimregeln  auf, 
deren  Menge  und  Form  heute  wohl  nicht  nur  bei  den  geschworenen 
Gegnern  dieser  Blüthe  des  lateinischen  Unteriichts  ein  gelindes  Gruseln 
veranlassen  würde.  Die  Ertheilung  des  Religionsunterrichts  durch 
Hofprediger  (S.  5)  dürfte  wohl  auf  ältere  Zeit  zurückzuführen  sein. 
Man  darf  annehmen,  dass  diese  Verbindung  bereits  seit  Nikolaus  Sei- 
necker geblieben  ist.  Unter  den  Fäcliern  wird  das  Hebräische  nicht  ge- 
nannt. In  dieser  Sprache  genoss  Johann  (xeorg  II.  drei  Jahre  lang  den 
Unterricht  des  Rektors  der  Dresdener  Kreuzschule,  M.  Johann  Bohe- 
mus.  Er  wai'  der  letzte,  der  diesen  Bildungsgang  durchmachte.  Leider 
scheint  sich  dai'ül)er  im  hiesigen  Königlichen  Hauptstaatsarchiv  nichts 
erhalten  zuhaben.  Vergl.  Meltzer,  31  .lohaan  Bohemus. .  .  S. 39,47.49. 
Über  die  einzelnen  Persönlichkeiten  der  Lehier  fügt  Berichterstatter 
folgende  Xotizen  l)ei.  In  Herzog  Heinrichs  Hofstaat  erscheint  1534 
ein  „Her  alerten  des  J.  Hern  Preceptor";  von  ihm  wird  auch  ein  Bücher- 
kauf für  den  Gebraucli  des  Zöglings  erwähnt.  Yergl.  Seideniann,  Die 
Reformationszeit  in  Saclisen.  Handexera])lar  des  Verfassers  in  der  hie- 
sigen Königl.  öffentl.  Bibliothek  (H.  cccl.  E  826)  S.  48  Beililatt.  Eben- 
dort  S.  171  wird  erwähnt  vom  .Jahre  lö37  „M.  Andreas  Walwitz,  Prä- 
ceptor  für  die  jungen  Herrn  und  Mattes  Weller  sein  Junge'".  Ebendort 
linden  sich  Notizen  übei'  den  (J ehalt  von  Herzog  Augusts  Lehrer  M 
Nontaler  S.  171b;  vergl.  auch  S.  241b  und  Dresdner  Hauptstaatsarchiv 
Cop.  222.  fol.  107.  Im  Geschossbuch  fürs  Jahr  l.öSö  Bl.  88b  (ebenda, 
vormal.  Finanzarchiv)  wii'd  genannt  Heinrich  von  Hagen,  der  jungen 
Herrschaft  Hofemeister.  Vorstehende  Notizen  sollen  als  ?!og'.; 
c'/l-fTi-t  9iA-fiT£  dem  Verfasser  das  Interesse  bezeugen,  mit  dem  Ref. 
die  Allhandlung  gelesen  hat. 

Dresden.  Georg  Müller. 


Übersiclit  über  neuerdings  erschienene  Schriften 
und  Aufsätze  zur  sächsisch -thüringischen  Geschiclite  und 

Alterthumskunde. 

am  Ende,  E.  Pastor  Carl  Heinrich  Nicolai  zu  Lohmen,  der  erste 
Wegweiser  durch  die  s'ichsisehe  Schweiz :  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1886.     No.  71.     S.  423—425. 

—  Die  Leich'schen  Stiftungen:    ebenda  No.  72.     S.  431. 


172  Literatur. 

Behns.  Bad.  Die  ]\Iühleu  der  Stadt  Zittau:  Neues  Lausitzer 
JEagaziü.     Bd.  LXII  (1886).     S.  217—244. 

Graft.  Benst,  Frdr.  Ferd.  Aus  drei  Viertel- Jahrhunderten.  Er- 
innerungen und  Aufzeichnungen.  2  Bde.  Stuttgart.  Cotta.  1887. 
XV,  462  und  VIII,  579  SS.     S». 

Boettcher,  Frdr.  Eduard  Stephani.  Ein  Beitrag  ziir  Zeitgeschichte, 
insbesondere  zur  Cieschichte  der  nationalliberalen  Partei.  Leipzig, 
Brockhaus.     1887.     IX,  299  SS.     S» 

V.  Borries,  H.  Vorgeschichtliche  Grräber  bei  Bossen  (Kr.  Merseburg) 
und  Kuckenburg  (Kr.  Querfurt).  Herd-  und  Brandstellen  aus 
vorgeschichtlicher  Zeit  in  Giebichenstein  bei  Halle,  vorgeschicht- 
licher Begräbnisplatz  bei  DüUiugen  und  vorgeschichtliche  Grab- 
hügel in  Lohholze  bei  Schkölen.  Berichte  über  Ausgrabungen, 
unternommen  von  H.  v.  B.  (A.  u.  d.  T.:  Vorgeschichtliche 
Alterthürae)'  der  Provinz  Sachsen  und  angrenzender  Gebiete. 
Herausgegeben  von  der  historischen  Commission  der  Provinz 
Sachsen.  I.  Abtheilung.  3.  und  4.  Heft.)  Halle,  Hendel.  1886. 
24  SS.  und  7  Tafeln,    gr.  4». 

Braun,  J.  Geschichte  der  Buchdrucker  und  Buchhändler  Erfurts 
im  15.  bis  17.  .Jahrhundert:  Archiv  für  Geschichte  des  deutschen 
Buchhandels  X  (Leipzig  1886).     S.  59—116. 

f Briden,  Casp.J  Maria  Josepha,  Königin  von  Polen.  Churfürstin  von 
Sachsen  1699—1757:    St.  Benno-Kalender.     1887.     S.  51—71. 

Buchwald.  Beiträge  zur  Geschichte  des  vogtländischen  Adels: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1887.  No.  17. 
19,  21.     S.  98  flg.,  109  flg.,  121—124. 

Biisson,  A.  Friedrich  der  Freidige  als  Prätendent  der  sicilischen 
Krone  und  Johann  von  Procida:  Historische  Aufsätze  dem  An- 
denken an  Georg  "Waitz  gewidmet.  (Hannover,  Hahn.  1886.) 
S.  324—336. 

Distel,  Theodor.  Der  Leipziger  Schüppenstuhl.  I.  Abschnitt. 
Weimar  1886.  27  SS.  8".  (Separat- Alidruck  aus  der  Zeitschrift 
der  Savigny- Stiftung  für  Bechtsgeschichte  Geim.  Abth.  Bd.  VII. 
S.  89-115). 

Dittrich.  Max.  Beim  Reo'iment  des  Prinzen  Friedrich  August 
1870  71.  Kriegs-Erinneruugen.  Dresden,  Fi'.  Tittel  Nachf.  1886. 
110  SS.     8^'. 

E.  Der  Militär-St -Heinrichsorden.  Zum  7.  Oktober,  dem  150  jäh- 
rigen Stiftungstage  desselben :  Wissenschaftliche  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.     1886.     No.  80.     S.  477—480. 

Ebeling.  Friedr.  W.  August  von  Sachsen  (1553—1586).  Berlin, 
J.  j.  Heine.     1886.     IV,  108  SS.     8«. 

Ermisch,  H.  Urkundenbuch  der  Stadt  Freibfrg  in  Sachsen.  Im 
Ax;ftrage  der  Königlich  Sächsischen  Staatsregiernng  herausgegeben. 
II  Band:  Bergbau,  Bergrecht,  Münze.  Mit  einer  Tafel.  (A.  u. 
(1.  T. :  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae.  Im  Auftrage  der 
Königlich  Sächsischen  Staatsregierung  herausgegel)en  von  Otto 
Posse  und  Hubert  Ermisch.  Zweiter  Haupttheil.  XIII.  Band). 
Leipzig  1886.     LXVIII,  529  SS.     4^ 

Fietz,  C.  Prinzenunterricht  im  16.  und  17.  Jahrhundert  nach  Hand- 
scliriften  der  königl.  öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden  (Jahres- 
bericht des  Neustädter  Realgymnasiums  zu  Dresden).  Dresden. 
1887.     25  SS.    40. 


Literatur.  173 

Frankenstein,  Knno.  Bevölkerung  und  Hau.sindustrie  im  Kreise 
Schmalkalden  seit  Anfang  dieses  Jahrhunderts.  Ein  Beitrag  zur 
Socialstatistik  und  zur  Wirthschaftsgescliichte  Thüringens.  31it 
mehreren  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen.  (A.  u.  d.  T. :  Bei- 
träge zur  (reschichte  der  Bevölkerung  in  Deutschland  seit  Anfang 
dieses  Jahihunderts.  Herausgegeben  von  Fr.  J.  Neumann.  Bd.  2.) 
Tübingen.  Laupp.     1887.     XI,  284  SS.     8». 

Hey,  Gustav.  Slavische  Ortsnamen  in  deutschem  Gewände:  Wissen- 
schaft). Beilage  zi;r  Leipziger  Zeitung.    1887.   Xo.  20.   S.  117—119. 

Jacob,  G.  Die  Gleichberge  bei  Römliild  als  Kulturstätten  der  La 
Tenezeit  Mitteldeutschlands.  (A.  u.  d.  T. :  Yorgeschichtliche 
Altertliümer  der  Provinz  Sachsen  und  angrenzender  Gebiete. 
Herausgegeben  von  der  historischen  Commission  der  Pi'ovinz 
Sachsen.  L  Abtheilung.  5.-8.  Heft.)  Halle,  Hendel.  1887. 
50  SS.  mit  8  Tafeln  und  eingedruckten  Figuren,     gr.  4". 

Kirchhoff,  Albr.  Ein  etwas  räthselhaftes  Document  [zur  älteren 
Geschichte  des  Leipziger  Buchhandels]:  Archiv  für  Geschichte 
des  deutschen  Buchhandels  X  (Leipzig  1886).     S.  9 — 26. 

—  Lesefrüchte  aus  den  Acten  des  städtischen  Archivs  zu  Leipzig  11 : 
ebenda  S.  117—158. 

—  Cliristo})h  Kirchner  in  Leipzig  und  sein  Concurs  1597/98 :  ebenda 
S.  174—206. 

—  Der  Leipziger  Katli  als  Mäcen:  ebenda  S.  231  flg. 

—  Noch  Einiges  zu  Johann  Herrgotts  Beziehung  zu  Leipzig: 
ebenda  S.  282  flg. 

—  Aus  dem  Familienleben  Leipziger  Buchhändler:  ebenda  S.  232 — 247. 

—  Zum  Yögelin-Kopf "sehen  Streit:  ebenda  S.  247  flg. 

—  Noch  einmal  der  Leipziger  Mes-skatalog :  ebenda  S.  248 — 2.50. 

—  Die  Anfänge  der  Insinuation  von  Piivilegien  durch  den  Kath  zu 
Leipzig:  ebenda  S.  256 — 265. 

—  Zu  den  Streitigkeiten  der  Leipziger  Buchhändler  mit  den  Mess- 
freunden: ebenda  S.  267—270. 

Kirchner^  K.    Biographie  Adam  Sibers.     Chemnitz,  0.  Mav  (Komm.). 

1887.     206  SS.     8«. 
Knabe,  C.    Das  Amt  Torgau;  Volkszahl  von  Torgau  1505  und  1535. 

(A.  u.  d.  T. :  Publikationen  des  Alterthums-Vcreins  zu  Torgau  I.j 

Torgau,  Fr.  Jacob.     (Komm).     1887.     37  SS.     8'\ 
Knothe,  H.     Wie  Seifhennersdorf  zur  Oberlausitz  geschlagen  wu)-(le: 

Neues  Lausitzer  Magazin.     Bd.  LXII  (1886).     S.  286—288. 

—  Wie  die  Burg  Kailsfried  und  die  Zittaucr  Yogtei  für  die  Krone 
Böhmen  reklamiert  werden  sollte:   ebenda  S.  288 — 292. 

I — ]  Kriegserlebnisse  eines  Soldatenscliulmeisters  aus  dem  Jahre  1 866 : 
Sonntags -Extrabeilage  zu  den  Bautzener  Nachrichten.  1886. 
No.  35—38.     S.  137  flg..  141—143,  145  flg.,  149  flg. 

Koch.  Ernst.  ]\[agister  Stephan  Reich  (Kicciu.'<).  Sein  Leben  und 
seine  Schriften  (1512—1588).  1.  Theil.  .Mit  Reichs  lUldnis  iii 
Lichtdruck.  (I'rogramm  des  Gynmasium  Bernbardinum  zu  Mei- 
ningen.)    Meiningen.     1886.     40  SS.     4". 

—  Urkundlicher  Stammbaum  der  Familie  Triller  vom  Geschlechte 
des  Köhlers,  welcher  im  Jahre  1455  die  Befreiung  des  Prinzrn 
Albrecht  von  Sachsen  herbeiführte.  Meinini>en,  L.  v.  Eye.  1887. 
20  SS.     4'^. 

Köhler,  J.  A.  E.  Das  Königreich  Sachsen  und  seine  Fürsten.  Für 
Schule  und  Haus  bearlieitet.  RH  26  Bildnissen  sächsischer  Fürsten. 
Leipzig,  Hirschfeld.     1886.     IV,  306  SS.     8". 


1 74  Literatur. 

Korscheit,  G.  Das  Bombardement  von  Zittau  am  23.  Juli  1757: 
Neues  Lausitzer  Magazin.     Bd.  LXII  (188ti).     S.  206—216. 

V.  Krosigl",  Konr.  Urkundenbucli  der  Familie  v.  Krosigk.  Eine 
Sammlung-  von  Regesten,  Urkunden  und  sonstigen  Nachrichten 
zur  (Teschichte  der  Herreu  v.  Krosigk  und  ihrer  Besitzungeu. 
Im  Auftrage  der  Familie  v.  Krosigk  gesammelt  und  bearbeitet. 
3.  Heft.    2.  Abtheilung-.    Halle,  Schmidt.    1885.    S.  123—248.  8'\ 

Lehmann,  Einil.  Aus  alten  Acten.  Bilder  aus  der  Entstehungs- 
geschichte der  Israelitischen  Religionsgemeinde  zu  Dresden. 
Dresden,  Tittmaun.     1886.     XVI,  77  SS.     8«. 

Lobe,  J.  und  Löhc,  E.  Geschichte  der  Kirchen  und  Schulen  des 
Herzogthums  Sachsen- Altenburg,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Ortsgeschichte.  Erster  Band.  Altenburg,  Bonde.  1886. 
IV,  642  SS.     8". 

Frhr.  v.  Mansherg,  B.  Die  Minnelieder  Heinrichs  des  Erlauchten : 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1886.  No.  73, 
77.  79.  81,  83.  85.  S.  437—439,  457-460,  473-475,  485—487, 
498—500,  509-512. 

Meitzen.    Die  (Jberlausitz    und    Hermann    Knothe:    (iöttinger    (ie- 

•     lehrte  Anzeigen.     1887.    No.  2.     S.  66—73. 

F.  Herrn.  Meyer .  Die  Messrelationeu  Abraham  Lambergs:  Archiv 
für  Geschichte  des  deutschen  Buchhandels  X  (Leipzig  1886). 
S.  250—256. 

Müller.  Georg.  Quellenstudien  zur  Geschichte  der  sächsischen  Hof- 
prediger. I.  Kaspar  Füger,  Hofprediger  der  Herzogin  Katharina 
von  Sachsen.  IL  Hieronyraus  Opitius,  Hofprediger  der  Herzogin 
Katharina  von  Sachsen  und  Reformator  von  Bischofswerda :  Zeit- 
schrift für  kirchliche  Wissenschaft  und  kirchliches  Leben.  Jahrg. 
1886.     Heft  X.     S.  518—531.     Heft  XII.    S.  624-632. 

V.  Miilverstedt,  G.  A.  Regesta  archiepiscopatus  Magdeburgensis. 
Sammlung  von  Auszügen  aus  Urkunden  und  Annalisten  zur  Ge- 
schichte des  Erzstifts  und  Herzogthums  Magdeburg.  Nach  einem 
höhern  Orts  vorgeschiiebenen  Plane  in  Gemeinschaft  mit  Ed. 
Jacobs,  K.  Janicke,  F.  Geisheim,  C.  Sattler  und  M.  Krühne 
bearbeitet  und  auf  Kosten  der  Provinzial-Vertretung  der  Provinz 
Sachsen  herausgegeben.  Dritter  Theil.  Von  1270  bis  1305. 
Nebst  Nachträgen  zu  den  drei  Theilen  und  einer  chronologischen 
Tabelle  über  die  ersteren.  Magdeburg,  E.  Baensch.  1886.  IV. 
810  SS.     8°. 

Xeedon,  B.  Zur  Entstehung  der  obersächsischen  Familiennamen: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  liCipziger  Zeitung.  1886.  No.  103. 
S.  645-650. 

—  Der  sächsische  Historiker  .Johann  Christian  Schöttgen.  Zur  Er- 
innerung an  seinen  zweihundertjährigen  Geburtstag:  ebenda  1887. 
No.  20.     S.  114  flg. 

Oerfel.  G.  Sachsens  wüste  Marken :  ebenda  1886.  No.  100.  S.  621 
bis  623. 

—  Slavische  Reste  in  Sachsen:  ebenda  1887.     No.  7.     S.  37—39. 

Pfotenhaner.  P.     Sechsstädter    auf  der  Universität  Frankfurt   a.  0. 

1506—1606:  Neues  Lausitzer  Magazin  Bd.  LXII  (1886).     S.  181 

bis  205. 
Pilk,  Georg.    Der  Heidenfriedhof  auf  dem  Falkenberse :  Über  Berg 

und  Tluil.     Jahrg.  10  (1887).     No.  2.     S.  111-113. 


Literatur.  175 

Pohle,  Fr.  W.  Cbruuik  vou  Loschwitz.  Auf  Grruiid  vou  amtliclieu 
Quellen  und  mit  Benutzung  des  königl.  sächs.  Hauptstaatsarchivs, 
des  Rathsarchivs  der  königi.  Haupt-  und  Residenzstadt  Dresden 
sowie  der  königl.  Bibliothek  zusammengestellt  und  bearbeitet. 
Dresden,  Teich/  1886.     333  SS.  8". 

(Rentsch,  Joh.  G.)  Aus  Kittlitz  [Personalien  über  liervorragende  Lau- 
sitzer aus  den  Cleburts-  und  Taufregistern  der  Parochie  K.] :  Xeues 
Lausitzer  Magazin.     Bd.  LXII  (1886).     S.  282  flg. 

—  Abschrift  eines  Lehnbriefes  über  die  Dörfer  Kittlitz,  Georgewitz 
und  Krappe  vom  Jahre  1396:  ebenda  S.  284—286. 

Schmidt,  Gustav.  Urkundenbuch  des  Hoclistifts  Halberstadt  und 
seiner  Bi;chöfe.  Dritter  Theil.  1304—1361.  Mit  6  Siegeltafeln. 
(A.  u.  d.  T. :  Publikationen  aus  den  K.  Preussischeu  Staatsarchiven 
27.  Bd.)     Leipzig  1887.    VI,  710  flg.     8*'. 

Schneidewind,  E.  Der  tugendhafte  Schreilter  am  Hofe  der  Land- 
grafen von  Thüringen.  Eine  Festschi  ift  des  Karl-Friedrich- 
Gyrauasiums  zu  Eisenach.    Gotha,  Perthes.    1886.    A'II,  24SS.  8". 

Schönerinarck,  Gustav.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau- 
und  Kunstdenkmäler  der  Stadt  Halle  und  des  Saalkreises  (A.  u. 
d.  T. :  Beschreibung  der  älteren  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der 
Provinz  Sachsen  und  angrenzenden  Geljiete,  herausgegeben  von 
der  historischen  Commissiou  der  Provinz  Sachsen  Neue  Folge. 
Bd.  1.)     Halle,  Hendel.    1886.     VIII.     619  SS.     S». 

V.  Schubert.  Charakteristik  der  Kriegführung  im  7jährigen  Kiiege, 
ndt  besonderer  Beziehung  auf  den  Kriegsschauplatz  in  Sachsen: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1886.  No.  83. 
S.  493—498. 

Schnm,  W.  Jahresberichte  über  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der 
Geschichte  von  Obersachsen,  Thüringen  und  Hessen  im  Jahre 
1882 :  .lahresberichte  der  Geschichtswissenschaft,  im  Auftrage  der 
Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin  herausgegeben  von  J.  Her- 
mann, J.  Jastrow,  Edm.  Meyer.  .Jahrg.  V  (Berlin,  Mittler  und 
Sohn.     1886).     IL  S.  174—187.     III.  S.  88—105. 

Steche,  B.  Über  ältere  Bati-  und  Kunstwerke  in  der  Amtshaupt- 
mannschaft Schwaföenberg :  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leip- 
ziger Zeitung.     1886.     JNo.  98.     ö.  605—607. 

—  Das  Palais  im  Königlichen  Grossen  Garten  zu  Dresden:  ebenda 
No.  103  S.  650  flg. 

Steiti.  Die  wendiscdien  Marken  des  deutschen  Reiches  unter  der 
Regierung  Kaiser  Heinrich  IV. :  .lahresbeiicht  des  herzoglichen 
Friedrichs -Realgynmasiums  zu  Dessau  1886.     38  SS.    4". 

Frhr.  v.  Tettau,  W.  J.  A.  Gescbiclitliche  Darstellung  der  Gebiete 
der  Stadt  Erfurt  und  der  Besitzungen  der  doitigen  Stiftungen. 
Mit  einer  Uebersichtskarte.  (A.  u.  d.  T. :  .Jahrbücher  der  königl. 
Akademie  gemeinnütziger  Wissenschaften  zu  Erfurt,  N.  F.  Heft 
14.)     Erfurt,  Villaret.    1886.     265  SS.     8'\ 

—  Erfurts  Unterwerfung  unter  die  Mainzische  Landeshoheit.  [1648 
bis  1664.J  (A.  u.  d.  T. :  Neujahrsblätter,  herausgegeben  von  der 
historischen  Conmiission  der  Provinz  Sachsen.  11.)  Halle,  Pfeiler 
(Komm.).    1887.     56  SS.     8". 

Theile,  F.  Pastor  Carl  Heinrich  Nicolai  zu  Lohmen :  Über  Berg 
und  Thal.    Jahrg.  9.     (1886.)    No.  12.     S.  93—97. 

Thümer,  K.  A.  Geschichte  des  Gymnasiums  zu  Freiberg  1811— 1842. 
(Programm  des  Gvmnasium  Albertinum  zu  Freiberg.)  Freiberg. 
1887.     39  SS.  4"." 


176  Literatur. 

(v.  Tümpling.  Wolf.)  Regesten  zu  Tümplingschen  Urkunden  im 
Staats-  und  Ernestiuischen  Gresamnitarchiv  zu  Weimar.  Weimar. 
1886.     2t>  SS.  nebst  einem  Stammbaum  und  drei  Siegeltafelu.   4". 

Venediger,  E.  Das  Unstrutthal  und  seine  geschiclitliche  Bedeutung. 
Ein  landeskundlicher  Versuch:  .Jahresbericht  des  Stadt  - (lymna- 
siums  zu  Halle  188H.     S.  1—38. 

Grf.  Vitzthum  v.  Eckxtädt.  C.  Frclr.  St.  Petersburg  und  London 
in  den  Jahren  1852 — 1864.  Ans  den  Denkwürdigkeiten  des  da- 
maligen königl.  Sachs,  ausserordentlichen  Gesandten  und  bevoll- 
mächtigten Ministers  am  köuiül.  grossbritann.  Hofe  C.  F.  Gr.  Y. 
v.E.  2''Bde.  Stuttgart.  Cotta.  1886.  XV'I,  356undXYIII,390SS.  8". 

TF.,  J.  Leipzig  und  sein  Theater  vor  60  .Tahren.  Aus  dem  Reise- 
tagebuche eines  Parisers  vom  Jahre  1827  :  Wissenschaftliche  Bei- 
lage der  Leipziger  Zeitung.    1887.    Xo.  19.    S.  110  flg. 

Frhr.  r.  Zedtwitz,  Arthur.  [Die  Wappen  der  im  Königreiche  Sach- 
sen blühenden  Adelsfamüien.  v.  Auenmüller  —  v.  Criegern]:  Dres- 
dener Residenz -Kalender  tur  1887.  (Dresden.  Warnatz  &  Leh- 
mann.)    S.  159—^170. 

Antheil  der  Sachsen  an  der  Eroberung  Ofens  1686:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipz.  Zeitung.  1886.  No.  68,  69.  S  405—407.  412  flg. 

Mittheihmgen  des  Vereins  für  Anhaltische  Geschichte  und  Alter- 
thximskundc.   Bd.  IV,  Heft  9.    Dessau.    1886.     8". 

Lihalt:  Becker,  Über  einige  vorgeschichtliche  Funde  von 
der  Osthälfte  „der  Gatersleber  See".  Maurer.  Nachgrabungen 
bei  der  Schlosskii'che  zu  Nienburg  a.  d.  Saale.  Hosäus,  Elisa 
von  der  Recke  in  ihi'en  Beziehungen  zu  Dessau  und  Wörlitz. 
Krause,  Resultate  der  Bohrversuche  auf  den  Feldmarken  von 
Gröbzig  und  Schortewitz  1841 — 1844.  Wolfram,  Heinricus  de 
Saxonia  de  oppido  Bernburg  in  Strassburger  Urkunden.  Littera- 
rische Nachweise  zur  Ge.-chichte  der  Landeskunde  Anhalts. 

Mittheilungen  des  Vereins  fvr  Geschichte  der  Stadt  Meissen.  Bd.I, 
Heft  5  (Schluss).     Meissen,  L.  ^lösche  (Komm.)    1886.     8". 

Lihalt:  Langer,  Bischof  Benno  von  Meissen,  sein  Leben  und 
seine  Kauouisation.  Krej'ssig,  Meissens  evangelische  Stadt- 
geistlichkeit 1539 — 1885.  Buchwald,  Zu  dem  Briefwechsel  des 
Johann  Rivius.  Loose,  Meissner  Poiizeiordnungen  des  fünf- 
zehnten und  sechzehnten  .Jahrhunderts.  Ders.,  Zur  Geschichte 
des  Theaters  in  Meissen.    Kleinere  Mittheihmgen. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  und  Topographie  Dres- 
dens und  seiner  Umgebung.  7.  Heft.  Dresden,  C.  Tittmann 
(Komm.).    1886.     8«. 

Inhalt:  0.  Meltzer,  Die  Kreuzschule  zu  Dresden  bis  zur 
Einführung  der  Reformation  (1539). 

Mittheilungen  vom  Freiberger  Alter  thumsv  er  ein.  herausgegeben  von 
Heinrich  Gerlach.     Heft  22.     1885.    Freiberg  i.  S    1886.   8". 

Inhalt:  Knebel.  Handwerk.sbriiuche  früherer  Jahrhunderte, 
in.sbesondere  in  Freiberg..  (1.  Das  Lehrlingswesen).  Pfoten- 
hauer, Über  Freibergs  Arzte  und  Heilkünstler  in  den  ältesten 
Zeiten.  Gerlach,  Bilder  aus  Freibergs  Vergangenheit  (No.  5. 
Die  alte  Freiberger  Bergmannstracht).  Knautii,  Heinrich  von 
Freiberg  und  seine  Werke.  Heydenreich ,  Zur  Bibliographie 
über  die  Geschichte  der  Stadt  Freiberg.  Ger  lach,  Th.  Distel 
u.  a.,  Kleinere  Mittheilungen. 


VI. 

Eine  politische  Denkschrift 

des  kui'fiirstlich  siichsiscJien  Geheiinen  Ratlies  Abraliaiii 
Yon  Sebüttendorf  für  Joliaini  Georg  I.  vom  Jahre  1()39. 

Eingeleitet  und  herausgegeben 

von 

J.  0.  Opel. 


Der  Verfasser  der  nachfolgenden  politischen  Denk- 
schrift, der  kursächsische  Geheime  Rath  und  spätere 
Geheimrathsdirektor  Abraham  von  Sebottendorf,  ist  von 
Geburt  ein  Öchlesier.  Er  war  der  älteste  Sohn  Johanns  II. 
(Hans  II.)  von  Sebottendoif  auf  Gaulau  im  Kreise  Ohlau 
und  seiner  Gattin  Barbara  von  Bilitsch  aus  dem  Hause 
Sitzmannsdorf  in  demselben  Kreise  und  am  22.  Juli  1585 
geboren').  Johann  II.  von  Sebottendorf  gehörte  der  Lorzen- 
dorfer  Linie  dieses  Geschlechts  an  und  scheint  noch  ein 
Mann  vom  alten  Schlage  gewesen  zu  sein,  der  sich  selbst 
zu  seinem  Rechte  und  zu  dem,  was  er  als  solches  ansah, 
zu  verhelfen  wusste.  Mit  gewappneter  Hand  und  durch 
einen  reisigen  Zug  setzte  er  sich  einst  in  den  Besitz 
einer  Anzahl  von  Eichenstämmen,  welche  ihm  die  bischöf- 
liche Regierung  verweigert  hatte.  Ein  sehr  begüterter 
Herr  war  wohl  aber  der  Vater  unsers  Geheimen  Rathc^s 
nicht,  denn  er  sah  sich  vier  Jahre  nach  der  Geburt 
seines  ältesten  Sohnes  Abraham  genöthigt,  sein  Gut  und 
Dorf  Gaulau   für   die   verhältnismässig   geringe   Summe 


^)  Die  Zeitangabeu  siud  in  (iiuseiii  Aufsatze  unverändert  stehen 
geblieben  und  also  wahrscheinliili  durchweg  Angaben  des  alten 
Kalenders. 

NeUBS  Archiv   I.  S.  (i.   u.   A.     VIU.   3.  4.  l^i 


178  J-  O.  Opel: 

von  3000  Tlialern  an  Kaspar  Panwitz  zu  Mechwitz  auf 
ein  Jahr  zu  verpfänden.  Johann  von  Sebottendorf  starb 
im  Jahre  1591. 

Abraham  von  Sebottendorf  hat  wenigstens  drei 
Geschwister  gehabt,  einen  jüngeren  Bruder,  Hans  III., 
der  später  in  Weigwitz  und  Krauschau  im  Kreise  Ohlau 
angesessen  war  und  1632  (22.  Oktober)  starb,  und  zwei 
Schwestern,  von  denen  die  eine  kein  höheres  Alter  er- 
reichte, während  die  andere  mit  Friedrich  von  Hohberg 
verheirathet  war.  Hans  III.  von  Sebottendorf  war  Landes- 
ältester des  Ohlauer  Weichbildes  und  soll  bei  seinem  Tode 
zwölf  Kinder  luuterlassen  haben'-). 

Abraham  von  Sebottendorf  verlor  seinen  Vater,  als 
er  erst  sechs  Jahr  alt  war,  so  dass  die  ausschliessliche 
Leitung  seiner  Jugenderziehung  der  Mutter  zufiel.  Die 
ersten  Grundlagen  seiner  gelehiten  Bildung  legte  der 
Knabe  in  der  Stadtschule  zu  Ohlau  und  seit  1594  in  der 
Fürstenschule  zu  Brieg.  Schon  im  sechzehnten  Lebens- 
jahi'e  (1601)  bezog  der  fähige  Jüngling  die  Universität 
zu  Frankfurt  a.  O.,  ging  darauf  nach  Altorf  und  besuchte 
dann  auch  noch  die  Universitäten  Leipzig,  Wittenberg 
und  Giessen.  Erst  1609  kehrte  er  von  der  Universität 
nach  Hause  zurück.  Aus  seinen  späteren  politischen 
Denkschriften  darf  man  wohl  den  Schluss  ziehen,  dass 
er  sich  schon  in  der  Jugend  sehr  eifrig  der  Rechtswissen- 
scliaft  hingegeben  hat.  Walirscheinlich  gehörte  er  auch 
schon  damals  jener  für  einen  Schlesier  natürlichen  poli- 
tischen Richtung  an,  welche  in  der  Kaisergewalt  die 
alleinige  Grundlage  der  Reichsverhältnisse  erblickte.  Nur 
ein  Jahr  nach  dem  Abschlüsse  seiner  Universitätsstudien 
(1610)  finden  wir  ihn  als  Hofmeister  bei  den  jungen 
Herzögen  Heinrich  Wenzel  mid  Karl  Friedrich  von  Oels- 

")  Ausser  G auh es  Adelslexikon  I,  1079  enthält  auch  das  Königl. 
Haupt-Staats-Archiv  zu  Dresden  einige  Mittheilungen  zur  Geschichte 
des  sächsischen  Zweiges  dieser  Familie.  Ferner  verdankt  der  Ver- 
fasser der  Güte  des  Herrn  Archivars  Dr.  Pfotenhauer  zu  Breslau 
schätzenswerthe  Ergänzungen,  welche  zumeist  einem  im  Königl. 
St.-A.  zu  Breslau  befindlichen  Stammbaume  dieses  Geschlechts  ent- 
nommen sind.  Einige  nicht  unwichtige  Züge  zur  Lebensgeschichte 
Abrahams  von  Sebottendorf  finden  sich  in  der  von  dem  Superinten- 
denten Christophorus  ßuläus  am  (5.  Dec.  16B4  zu  Dresden  gehaltenen 
und    später    veröffentlichten  Leichenpredigt   (Der  Geistlichen  llber- 

winder  Himlische  Vergeltung Zum  Brieg,  druckts  Christoph 

Tschorn.  4).  Von  dem  seltenen  Schriftchen, besitzt  die  Königl.  Uni- 
versitätsbibliothek zu  Breslau  ein  Exemplar,  dessen  Benutznng  uns 
durch  die  Güte  der  Königl.  Bibliotheksverwaltung  ermöglicht  wwde. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  179 

Benistadt,  deren  Vater  Herzog  Karl  zu  Münsterberg' 
damals  oberster  Hauptmann  von  Ober-  und  Nieder- 
sclilesien  war.  Zugleich  übertrug  ihm  aber  der  Herzog 
Karl  au  eil  die  Leitung  seines  Mündels,  des  Herzogs  Georg 
Rudolf  zu  Liegnitz. 

In  dieser  Stellung  kann  jedoch  Abraham  von  Sebotten- 
dorf  nicht  lange  ausgehalten  haben,  da  er  sich  1611  mit 
einer  Geschlechtsverwandten  Judith  von  Sebottendorf, 
einer  Tochter  Heinrichs  (Eriedrichs  ?)  von  Sebottendorf 
auf  Kuhnern  und  Schönfeld  (Kreis  Ohlau),  verheirathete. 
Dieser  Ehe  entsprossen  drei  Söhne,  welche  alle  in  einem 
noch  jugendlichen  Alter,  der  zweite  im  sechzehnten  und 
der  dritte  im  vierzehnten  Jahi'e,  verstarben.  Seine  Ver- 
heirathung  ist  vielleicht  auch  die  Folge  davon  gewesen, 
dass  er  in  diesen  Jahren  sein  väterliches  Gut  Gaulau 
(Gaul)  übernommen  hat,  in  dessen  Besitz  er  seit  1612 
urkundlich  nachzuweisen  ist.  Später  wurde  er  Rath  des 
Herzogs  und  obersten  Hauptmanns  Johann  Christian  zu 
Liegnitz  und  Brieg  und  hatte  als  solcher  auch  allgemeine 
Landessachen  zu  bearbeiten.  Als  Rath  dieses  Herzogs 
ist  er  spätestens  seit  1621  thätig  gewesen. 

Als  jedoch  der  Herzog  Georg  Rudolf  von  Liegnitz 
in  die  Stellung  eines  obersten  Hauptmanns  von  Ober- 
und  Niederschlesien  eintrat,  wurde  Sebottendorf  von 
seinem  früheren  Zöglinge  zum  Oberamtskanzler  in  Schle- 
sien ernannt.  Als  solcher  trug  er  auf  dem  allgemeinen 
Fürsten-  und  Ständetage  zu  Breslau  am  12.  Mai  1626 
im  Namen  des  Oberamts  das  Ersuchen  des  Kaisers  vor, 
ihm  150000  Thlr.  zur  Reise  nach  Nürnberg,  ferner  die 
gleiche  Summe  zur  Unterhaltung  der  ungarischen  Grenz- 
festungen und  endlich  ebenso  viel  zur  Befriedigung  der 
Zinsforderungen  des  Kurfürsten  von  Sachsen  zu  be- 
willigen ^).  Ferner  leitete  er  im  Juni  und  Juli  desselben 
Jahres  die  Verhandlungen  der  Stände  der  Fürstenthümer 
Schweidnitz  und  Jauer,  infolge  deren  diese  Stände  ihrem 
neuen  Landesherrn  Ferdinand  III.,  dem  ältesten  Sohne 
des  Kaisers  Ferdinand  IL,  den  Eid  leisteten.  Nach  dem 
Einrücken  der  Kaiserlichen  in  Sch]('si{Mi  und  nachdem  der 
Herzog  Georg  Rudolf  bereits  im  Jahre  1627  von  der  Ober- 
amtsverwaltung zurückgetreten  war,  legte  jedoch  auch 
der  Oberamtskanzler  ein  Jahr  darauf  sein  Amt  nieder. 


")  Krebs,   Acta  itnlilicn,  Verhandlimgeii  niid  Correspondonzon 
der  sclilesischen  Fürsten  und  Stände  Vi,  147,  258. 

12* 


180  J-  O.  Opel: 

In  dieser  seiner  Stellung"  hatte  nämlich  Öebotten- 
dorf  auch  die  Aufgabe,  alle  Massregeln,  welche  von  der 
allgemeinen  Landesverwaltung  zur  Abwehr  der  Mans- 
felder  und  der  sogenannten  weimarischen  Truppen  ge- 
troffen wurden,  dui'chführen  zu  helfen.  Als  sich  jedoch 
die  Östei;reicher  dauernd  im  Lande  niederliessen,  wird  auch 
ihn  derselbe  Widerwille  wie  seinen  Herrn  ergriffen  haben, 
so  dass  er  jeder  Verantwortung  für  die  traurige  Lage 
des  Landes  enthoben  zu  sein  wünschte.  Vielleicht  trug 
aber  zu  seinem  Entschlüsse  auch  der  Umstand  bei,  dass 
sich  im  Jahre  1627  seine  Vermögensverhältnisse  durch 
eine  nicht  unbedeutende  Erbschaft  im  Kurfürstenthum 
Sachsen,  wo  seüi  Geschlecht  bereits  im  16.  Jahrhundert 
Grundbesitz  erworben  hatte,  noch  erheblich  verbesserten. 

Damian  von  Sebottendorf  (Sibottendorf)  stand  in  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  im  Dienste  des  alber- 
tinischen  Hauses  und  war  im  Jahre  1547  in  eüiem  nicht 
mehr  ganz  jugendlichen  Alter,  da  er  dem  Herzoge  Moritz 
in  den  Kampf  gegen  Johann  Friedrich  folgte  und  vom 
Lager  bei  Mühlberg  aus  an  Dr.  Komerstadt  über  die 
Gefangennahme  des  Kurfürsten  berichtete*).  Zwei  Jahre 
darauf  verheirathete  sich  Sebottendorf  als  kurfürstlicher 
Kammersekretär  mit  Aim-d  Komerstadt,  einer  Tochter 
des  bekannten  kui'fürstlichen  ßathes'^).  Im  Jahre  1554 
kaufte  er  von  den  Brüdern  Hans,  Georg  und  Wolf  von 
Rottwerndorf  das  Eittergut  Kottwerndorf  bei  Pirna  nebst 
Krietzschwitz  und  Xaundorf  (Neundorf)"). 

Auch  der  Kurfürst  August  erhielt  sich  die  Dienste 
Sebottendorfs :  im  Jahre  1555  erscheint  derselbe  als  ßath 


*)  F.  A.  V.  Laugenn,  Moritz,  Herzog  und  Churfürst  von  Sach- 
sen II,  306.  D.  V.  S.  war  der  Sohn  des  Hans  von  Sebottendorf  zu  Kuneni 
und  soll  im  August  1519  geboren  sein.  Nach  demselben  Uewährs- 
nianu,  dem  v^ii"  diese  JVIittheilung  entnehmen,  soll  er  nach  Böhmen 
gegangen  sein  und  sich  „aus  dem  Hause  Peterswalde  geschrieben" 
haben.     Siuapius,  Schlesische  Curiositäten  I,  868. 

■"')  Die  Eheberedung  vom  11.  September  1549  hat  sich  im  Ori- 
ginal in  der  Stadtbibliothek  zu  Leipzig  erhalten.  Vergl.  Naumann, 
Prodromus  et  specimen  catalogi  S.  267:  Compositio  Georgii  Komer- 
stadt j.  V.  d.,  domini  in  Xalckreuth,  et  Damiani  a  Siltottendorff,  Se- 
cret.  Camer.  Elect.  Sax.  Ich  verdanke  die  Benutzung  derselben  der 
Güte  des  Herrn  (Jberl)ibliothekars  Dr.  Wustmaun  in  Leipzig. 

'')  Lehnbrief  des  Kurfüi'sten  August  vom  3.  April  1554  im 
H.-St.-A.  Dresden  Loc.  9872  Das  halbe  Dorft'  Heynersdorff  etc.  fol.  59. 
Vergl.  Sinapius  a.  a.  O. ,  nach  welchem  Hans  von  Sebottendorf 
im  Jahre  1551  auch  das  Haus  auf  der  Moritzstrasse  gekauft  liaben 
soll.    Ebenda  findet  sich  eine  Bemerkung  über  seine  Kinder. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  181 

lind  1556  als  Beisitzer  am  Oberhofo'ericht  zu  Leipzig. 
Damian  von  Sebottendorf  war  mit  Melchior  von  Osse 
verschwägert  nnd  verhandelte  mit  diesem  auf  Veranlassung 
des  Kurfürsten  ül)er  die  Abfassung  seines  Testamentes"). 
Später  (15(53)  wurde  er  zum  Einnehmer  der  Tranksteuer 
ernannt-);  gei-aume  Zeit  hindurch  war  er  auch  Reichs- 
pfennigmeister^).  Zuletzt  imhm  ihn  der  Kurfürst  unter 
die  Zahl  seiner  Geheimen  Rätlie  auf.  Und  AAährend  nun 
einst  Sebottendorf  in  einer  politischen  Sendung  ausser- 
halb Landes  verweilte,  erbaute  ihm  nach  einer  land- 
läufigen Überlieferung  sein  dankbarer  Landesherr  in 
Rottwerndorf  einen  herrschaftlichen  Landsitz.  In  AVahr- 
heit  dürfte  aber  wohl  Sebottendorf  selbst  der  Erbauer 
seines  Schlosses  gewesen  sein,  was  auch  die  sich  noch 
heute  in  dem  Bauwerke  vorfindenden  Jahi-eszahlen  (1556, 
1561,  1579)  zu  bezeugen  scheinen^").  Der  Schlussherr 
von  Rottwerndorf  kann  überhaupt  kein  unbemittelter 
j\Iann  gewesen  sein,  denn  ausser  den  genannten  Gütern 
besass  er  auch  noch  ein  freies  Haus  in  der  Moritzstrasse 
zu  Dresden  und  einen  Antheil  des  Dorfes  Heinersdorf 
(Langhennersdorf?).  Im  Jahre  1578  wurde  er  nebst 
andern  Rätheu  zum  Empfange  der  Reichslehen  zum 
Kaiser  Rudolf  IL")  nach  Prag  gesendet.  Er  starb  im 
.Jahre  1585.  Sein  Sohn  Johann  Georg  (f  1612)  scheint 
el)ensowenig  wie  sein  von  diesem  abstammender  Eiüvel 
Hans  Damian  von  Sebottendorf  eine  Stellung  in  der 
kui-sächsischen  Ijandesverwaltung  bekleidet  zu  haben. 
Mit  dem  kinderlosen  Tode  dieses  letzteren  (f  1627) 
gingen  die  sächsischen  Güter  in  die  Hände  des  mit- 
belehnten und  oben  genannten  Geschlechtsverwandten  in 
Schlesien  über. 

Diese  sächsische  Erbschaft  hat  nun  nach  einigen 
Jahren  eine  entsclieidende  AVendung  in  den  Lebensver- 
hältnissen Abrahams  von  Sebottendorf  herbeigeführt. 
Wahrscheinlich  übernahm  derselbe  schon  im  Jahre  1627 
die  Güter  Rottwerndorf,  Krietzscliw  itz  und  Naundorf, 
als   deren  Besitzer    er   uns    bald    begegnet.     Auch  wird 


■')  Th.  Distel,    Zvir    Entstelmng'Si^eschiclite   des   Testamentes 
Melchiors  von  Osse.  in  dieser  Zeitschrift  \'Il,  1.0/5. 
■-)  H.-St.-A.  Dresden  Cop.  321  fol.  109  h,  110. 
.      ")  Vergl.  z.  B.  ehendii  Cop.  382  Bl.  24,  Cop.  448  Bl.  134''. 
^**)  Steche,   Besciireihende   Darstellung  der  älteren  Bau-  und 
Knnstdenkmäler  des  Köniurcichs  Sachsen  I.  79. 
")  J.  S.  Müller,  Annales  S.  168,  169,  174. 


182  ^T.  0.  Opel: 

man  annelimen  dürfen,  dass  um  diese  Zeit  der  Kurfürst 
zuerst  die  persönliclie  Bekanntschaft  des  begabten  Mannes 
gemacht  haben  wird.  Sicher  ist  jedoch  nur,  dass  Abra- 
ham von  Sebottendorf  im  Januar  des  Jahres  1629  im 
geheimen  Auftrage  der  Herzöge  von  Liegnitz  und  Brieg 
nach  Dresden  gesendet  wurde,  um  den  Sclnitz  Johann 
Georgs  gegen  die  wachsenden  religiösen  Bedrückungen 
der  schlesischen  Protestanten  anzurufen^-).  Sebottendorf 
muss  aber  bei  dieser  Gelegenheit  oder  schon  früher  einen 
sehr  vortheilhaften  Eindruck  gemacht  haben,  da  ihn  der 
Kurfürst  kurz  darauf  zu  seinem  Hofrath  ernannte  und 
ihm  unter  dem  11.  März  1629  seine  Bestallung  ausfer- 
tigen liess^").  Nach  Schlesien  scheint  derselbe  auf  die 
Dauer  nicht  Avieder  zui'ückgekehrt  zu  sein,  obgleich  er 
noch  eine  Zeit  lang  Rath  des  Herzogs  Johann  Christian 
von  Liegnitz-Brieg  blieb,  denn  noch  im  Jahre  1630  (2.  Mai) 
wird  er  von  diesem  als  solcher  bezeichnet.  Neben  seinen 
sächsischen  Gütern  besass  er  bis  zu  seinem  Tode  auch 
noch  sein  väterliches  Gut  Gaulau^^). 

Als  kursächsischer  Hofrath  sollte  Sebottendorf  immer 
am  Regierungssitze  anwesend  sein,  aber  erforderlichen 
Falls  aucli  Reisen  übernehmen.  Er  war  verpflichtet,  die 
Parteien  zu  hören  und  iln-e  Streitigkeiten  nach  Recht 
und  Billigkeit  zu  entscheiden.  Die  Abfassung  von  Gut- 
achten gehörte  gleichfalls  zu  seinen  Obliegenheiten,  welche 
nicht  rein  juristischer  Natur  gewesen  sein  können.  Sein 
Raths-  und  Dienstgehalt  betrug  jährlich  600  Gulden. 
Später  erhielt  er  auch  Sitz  und  Stimme  im  Appellations- 
gerichte und  füln'te  den  Titel  Hof-  und  Appellations- 
rath. 

Zu  irgend  einer  eiheblicheren  politischen  Thätigkeit 
scheint  man  ihn  bis  zum  Jahre  1634  nicht  herangezogen 
zu  haben  ^■^).  Denn  schon  damals  erldickte  der  ehemalige 
Kanzler  des  01)ei'hauptmanns  in  Schlesien  in  den  Scliwe- 
den  wohl  viel  eher  Ausländer,  als  Glaubens-  und  Bundes- 
genossen und  war  wohl  ein  Gegner  der  während  dieser 


'^)  Vergl.  Palm  in  der  Zeitschrift  f.  schles.  Geschichte  III, 
232  flg. 

1«)  H.-St.-A.  Dresden  Loe.  71H9  Acta  Derer  Churfürstl.  S.  Ge- 
heimen Räthe  Bestallungen  "10^4 — 1697  betr. 

^*)  Gütige  Mittheilung  des  llei'i'u  Archivars  Dr.  Pfotenhauer  in 
Breslau. 

^•'')  Nach  der  Leic]uMi])redigt  ci'suclite  ihn  der  Kurfürst  schon 
im  Jaiire  1(531  iu  den  Geheimen  Ilath  einzutreten. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  183 

Jahre  in  Dresden  vorlierrsclienclen  jxilitisclien  Sti'ömung. 
Aus  diesem  Grunde  map"  man  Sebottendorf  ancli  für 
einen  geeigneten  Vertreter  Kursachsens  auf  dem  Kom- 
positionstage in  Frankfurt  a.  M.  (1631)  erachtet  und  drei 
Jahre  darauf  abermals  nacli  Frankfurt  gesendet  haben, 
um  auf  dem  sogenannten  Konvente  mit  den  oberen  Ständen 
der  Missl)illigung  des  Kurtursten  Ausdruck  zu  geben, 
dass  sicli  die  oberen  Kreise  einer  fremden  Führung  unter- 
geordnet hatten,  und  einen  Frieden  vorzubereiten'*^). 

Allein  im  Januar  des  Jaln-es  1635  führten  un- 
sern  Hof-  und  Appellationsrath  sehr  ernste  politische 
Aufträge  des  Kurfürsten  nach  Berlin '').  Mit  Hans 
Zeidler  zusammen  machte  er  hier  Mittheihnigen  über 
den  Stand  der  pirnaischen  Friedensverhandlungen.  Bei 
dieser  Gelegenlieit  trat  die  drückende  Geldverlegenheit, 
in  welcher  man  sich  in  Dresden  befand,  recht  deutlich 
hervor;  man  war  eine  Zeit  lang  ausser  Stande,  das 
Reisegeld  für  die  kurfürstlichen  Gesandten  herbeizu- 
schaffen, bis  Dr.  Döring  endlich  nocli  100  meissnische 
Guhlen  aufbrachte.  Nach  seüier  Ilückkehr  aus  Berlin 
trug  Sebottendorf  aber  sein  Landesherr  eine  neue  Gesandt- 
schaftsreise nach  Prag  auf,  welche  er  mit  dem  Kammer- 
rathe  Dr.  Ditring  imd  dessen  Schwiegersolme,  deniHofrathe 
Dr.  Oppel  (Opel),  unternehmen  sollte.  Nur  nach  grossem 
und  allem  Anschein  nach  aufrichtigem  Widerstreben  —  er 
machte  geltend,  dass  ihm  die  Ausführung  dieses  Auftrages 
„Avegen  seiner  hinfallenden  Memorie  und  aus  Avichtigen 
Motiven  hochbedenklich  sei"  —  fügte  sich  Sebottendorf 
dem  Willen  des  Kurfürsten.  In  Prag  unterzeichnete  er 
dann  mit  seinen  Gefährten  den  Frieden  Kursachsens  mit 
Österreich  und  brachte  auf  diese  Weise  seinen  Namen  mit 
einer  so  bedeutenden  Wendung  des  grossen  deutschen 
Krieges  hi  Verbindung.  Der  einst  zum  Schutze  seines 
Glaubens  nach  Sachsen  entsendete  schlesische  Protestant 
unterschrieb  einen  Friedensvertrag,  welcher  die  wohl- 
erworbenen Rechte  des  schlesischen  Protestantisnnis 
])reisgab.  Da  ist  es  deini  nicht  gerade  zu  verwundei'u, 
dass  auch  sein  guter  Name  bei  der  gehässigen  Spannung 
der  politisch-religiösen  (legensätze,  welche  dieser  Friede 
hervorrief,    von  seinen    politischen    Gegnern    verdächtigt 


^ö)  Hei  bis",  J)er  rrjmcr  Fricnle,  iu  Fr.  v.  ivaiiuier,s  histuiischcni 
Taschonbuche,  .tahri^-.  1858  S.  578,  582. 
")  Heibig  a.  a.  O.  S.  573. 


184  J-  0.  Opel: 

wurde.  Man  betrachtete  Sebottendorf  sowie  Döring;  und 
Oppel  als  Werkzeuge  der  österreichiscli-spanischen  Politik 
und  warf  ihnen  vor,  dass  sie  sich  von  Österreich  hätten 
besteclien  lassen.  Infolgedessen  wird  sich  Sel)ottendorfs 
AViderwille  gegen  politische  Geschäfte  wohl  nicht  gerade 
geschwächt,  sondern  eher  gesteigert  haben,  besonders  da 
auch  der  Hof  selbst  in  zwei  einander  ziemlich  schroff 
gegenüber  stehende  Parteien  getheilt  Avar. 

Auf  der  andern  .Seite  sah  sich  jetzt  Johann  Georg 
um  so  mehr  genöthigt  zu  Käthen  wie  Sebottendorf  seine 
Zuflucht  zu  nehmen,  als  sie  den  grossen  Umschwung 
hatten  herbeiführen  helfen.  Als  daher  der  Kurfürst  im 
August  des  Jahres  1635  über  Halle  gegen  Magdeburg 
zog,  mussten  ihn  von  seinen  Käthen  auch  Sebottendorf 
und  Timäus  begleiten.  Beide  scheinen  ununterbrochen 
bis  zum  Jahresschlüsse  in  der  Umgel)ung  ihres  Herrn, 
welcher  damals  die  Schweden  aus  dem  Erzstift  Magde- 
burg drängte,  ausgehalten  zu  haben.  Doch  wirkte  sich 
der  erstere  um  diese  Zeit  Urlaub  aus  und  begab  sich 
Aneder  zurück  nach  Dresden.  An  seine  Stelle  trat,  und 
zwar  auf  seinen  besondej-en  Vorschlag,  Georg  von  Wer- 
thern, der  sich  seiner  Kränklichkeit  wegen  auch  gern 
von  der  Unruhe  des  Hauptquartiers  fern  gehalten  hätte. 
Die  nächsten  Monate  verlebte  Sebottendorf  wider  in 
Dresden  und  auf  seinen  Gütern  bei  Pirna.  Damals  übte 
er  auf  die  besondere  Weisung  des  Kurfürsten  auch  poli- 
tischen Einfluss  auf  den  Kurprinzen  aus  und  suchte  ihn  in 
dem  politischen  Ideenkreise  seines  Vaters  festzuhalten^^). 

Bei  der  Wiedereröffnung  des  Feldzuges  im  Jahre  1636 
wurde  jedoch  Sebottendorf  abermals  in  das  Hauptquartier 
berufen,  obwohl  er  dem  Kurfürsten  schon  im  vorigen 
Jahre  sehr  ungern  gefolgt  war  und  ihm  sogar  Vorstell- 
ungen gemacht  hatte.  Und  auch  diesmal  erhob  er  Ein- 
wendungen gegen  den  kurfürstlichen  Befehl  und  machte 
geltend,  dass  ihm  als  Justiz-  und  Appellationsrathe  eine 
Verwendung  in  politisch -militärischen  Angelegenheiten 
nicht  zugemuthet  werden  sollte.  Als  ihm  indessen  der 
Kurfürst  seine  Verwunderung  über  eine  solche  Weigerung 
wenn  auch  unter  Anerkennung  des  Grundes  ausdrückte 
und  seinen  Befehl  Aviederholte,  fügte  sich  Sebottendorf 
und  löste  Timäus  ab,  der  nun  fast  ein  ganzes  Jahr 
das  Hoflager  des  Kurfürsten  begleitet  hatte.      Ausser 


'*)  K.  A.  Müller,  Kurfürst  Juliauu  Georg  der  Erste  S.  82. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  185 

Sebotteiidorf  wurde  zu  derselben  Zeit  auch  Dr.  Johann 
Georg  Oppel  in  das  Haui)tf[uartier  uezogen,  welclies 
nach  der  Übergabe  der  Stadt  nach  Magde])rirg  ver- 
legt wurde.  Sebottendorf  verweilte  darauf  wochenlang 
in  Magdeburg^");  suchte  sich  al)er  gerade  damals  den 
wiederholten  Anträgen  Johann  Georgs,  nach  welchen  er 
als  Geheimer  ßatli  den  ganz  veränderten  politischen 
Verhältnissen  des  Kurttirstenthums  auch  nach  aussen 
hin  ihr  besonderes  Gepräge  geben  sollte,  mit  aller 
Macht  zu  entziehen.  Bald  drängte  er  den  Kurfürsten 
wieder,  ihn  nach  Hause  zu  entlassen;  ja  er  trug  sich 
sogar  damals  mit  der  Absicht,  seine  Güter  zu  ver- 
äussern und  ganz  aus  dem  kurtTirstlichen  Dienste  aus- 
zuscheiden. Die  Ausführung  dieses  Entschlusses  hätte 
jedoch  den  Kurfürsten  in  eine  um  so  empfindlichere 
Verlegenheit  gesetzt,  als  derselbe  gerade  damals  mehrere 
seiner  politischen  Rathgeber  durch  den  Tod  verloren  hatte. 
Der  Nachfolger  Kaspars  von  Schönberg  als  Direktor 
im  Geheimen  liath  war  Georg  von  Werthern.  Er  über- 
reichte dem  Kurfürsten  am  30.  September  1(329  eine 
Denkschrift  über  die  Einrichtung  dieser  damals  besonders 
wichtigen  Behörde;  auf  seinen  Antrag  Avurden  ferner  in 
demselben  Jahre  Nikolaus  Gebhard  von  Miltitz  auf  Sieben- 
eichen und  Burkersdorf  berufen,  nachdem  kurz  zuvor  der 
ehemalige  Kanzler  der  erzstiftisch-magdeburgischen  Ke- 
gierung  Dr.  Johann  Timäus  gleichfalls  zum  Geheimen 
Ratlie  ernannt  worden  war.  Mit  diesen  Männern  wirkte 
in  den  folgenden  für  Kursachsen  so  verhängnisvollen  Jahren 
bis  zu  seinem  Tode  auch  Joachim  von  Loss  als  G  eheimer 
Rath  und  Reichspfeiniigmeister  zusammen .  starb  aber 
bereits  am  14.  Oktober  16o3.  Und  als  auch  Miltitz  sein 
Lebensziel  am  9.  April  1(335  erreichte,  waren  in  der  mit 
Arbeiten  überhäuften  Behörde  zwei  Stellen  erledigt,  und 
dem  Kui'fürst(Mi  musste  die  Wiederbesetzung  derselben  um 
so  mehr  am  Herzen  liegen,  als  sich  die  politischen  Ge- 
schäfte nach  dem  Präger  Frieden  l)edeutend  vermehrten. 


'")  Am  9.  Miii  hi'fiuideu  sicli  Timäus  uiiil  Schutt fiidurl'  im 
Hauptqiiaiti(;r  zu  Grosssalza  (Krause,  Aktcustiickc  III,  597).  F/uw 
Eiiihiduus'  an  Soliottcntlorf  und  Üppcl,  zu  ihm  ins  Hauptquartier  zu 
komnicu,  erliess  dei'  Kurfüist  schon  am  20.  .Inni  l()H(i.  Sie  wurde 
unter  dem  11.  Juli,  wo  sicli  .loliaun  (Jeorii-  hei  dem  Domdeehantcn 
in  ]\Iagdehurg'  einquaitiert  liatte,  wie(hM'liolt;  aher  erst  nach  mehreren 
Wocheu  kamen  hei(U'  Kätlie  in  JMagileburg  an  (Krause  a.  a.  ü. 
S.  H54).  Noch  am  11^.  September  a.  St.  befand  sieh  Sebottendorf  i)i 
Magdebm-g.     H.-St.-A.  Dresden. 


186  'T.  0.  Opel; 

Demung'eaclitet  ist  es  aiiffällif>:,  dass  gerade  den  bei- 
den Hofrätlien  Sebottendorf  und  Dr.  Oppel  der  Auftrag', 
die  Friedensverliandlunsen  mit  dem  Kaiser  zum  Abschlüsse 
zu  l)rin,üen,  ertlieilt  wurde  und  nicht  einem  der  Geheimen 
Rätlie.  Der  Grund  kann  nur  darin  liegen,  dass  die  beiden 
Hofräthe  für  geeigneter  gehalten  wurden,  den  bedeuten- 
den Umschwung  der  kursächsischen  Politik  in  das  Werk 
zu  setzen.  Trotzdem  entliess  der  Kurfürst  aber  auch 
keinen  von  den  Männern,  deren  Rathschlägen  er  bis  zu 
diesem  Augenblicke  Gehör  geschenkt  hatte. 

Doch  richtete  er  im  Frühjahr  1636  wiederholt  das 
Ersuchen  an  Georg  von  Werthern,  den  Geheimen  ßath 
durch  einige  Persönlichkeiten  vom  Adel  und  Doktoren 
wieder  zu  ergänzen.  Werthern  beschäftigte  sich  mit  der 
offenbar  sein'  schwierigen  Frage  angelegentlichst  und  be- 
zeichnete endlich  dem  Kurfürsten  den  Hofmeister  seines 
älteren  Sohnes  Kurt  von  Ehisiedel-")  und  den  Dr.  Ga- 
briel Tüntzel  als  geeignete  Persönlichkeiten.  Allein  ohne 
eine  persönliche  Rücksprache  mit  dem  Kurfürsten  wollte 
er  die  Angelegenheit  doch  nicht  zu  Ende  führen.  Johann 
Georg  billigte  darauf  die  ihm  gemachten  Vorschläge  aus- 
drücklich und  ertheilte  Georg  von  Werthern  von  neuem 
Befehl,  die  Angelegenheit  zum  Abschlüsse  zu  brmgen. 
Dieser  aber  konnte  den  Weisungen  seines  Herrn  nicht 
mehr  nachkommen,  da  der  Tod  ihn  allen  diesen  politischen 
Sorgen  enthob.     Er  starb  am  10.  Juni  1636. 

Nach  einiger  Zeit  übertrug  der  Kurfürst  die  Ord- 
nung der  Angelegenheit  dem  Dr.  Timäus  und  dem  Kanz- 
ler AVolf  von  Lüttichau'-^)  und  bezeichnete  selbst  beide 
als  Mitglieder  der  neu  zu  bildenden  Behörde.  Zugleich 
brachte  er  aber  auch  eine  Anzahl  anderer  Persönlicli- 
keiten  in  Vorschlag  und  erschwerte  dadurch  die  Sache 
nicht  wenig,  wie  aus  einem  Schreiben  Sebottendorfs  klar 
hervt)rgeht.  Dieser  selbst  wird  übrigens  unter  den  von 
dem  Kurfürsten  damals  vorgeschlagenen  nicht  ausdrück- 
lich genannt. 

Mitten    im   Drange   militärischer    Geschäfte    erliess 


-°)  Der  Name  scheint  in  dem  Schi'eiben  irrtliümlich  angegeben 
zu  sein  (Heinrich  Hildehrand  von  Einsiedel),  vergl.  S.  287. 

-')  Der  weiter  unten  erwähnte  Cieheinie  Rath  Wolf  Siegfried 
von  Lüttichau  war  ein  Geschlechtsverwandter  des  Kauzlers. 

-■-)  H.-St.-A.  Dresden  Loc.  7169.  Acta  Derer  Churfürstl.  S. 
Uehcimeu  Käthe  Bestallungen  1564 — 1697. 


Eiue  politische  Denkschrift  etc.  187 

dann  der  Kurfürst  aus  Perleberg  am  9.  September  1636  -^) 
einen  neuen  ausführliclien  Befehl  an  Timäus,  Sebotten- 
dorf  und  Dr.  Oppel,  welcher  deutlich  beweist,  wie  sein- 
er sich  die  Neugestaltung  seiner  höchsten  Staats-  und 
Verwaltungsbehörde  angelegen  sein  liess,  aber  auch,  wie 
unbestimmt  seine  eignen  Anschauungen  über  die  zu  be- 
rufenden Persönlichkeiten  immer  nocli  waren. 

«Wegen  Eestallnng  der  (xeheimen  Rathstube",  so  lässt  sich 
Johann  Georg  vernehmen,  ,ist  nnsere  nochmalige  Meinnng,  dafs  Ihr, 
Herr  Dr.  Timaee,  nehenst  dem  Kanzler  dasjenige  zu  Werke  stellet, 
was  wir  ilera  von  Wertheni  sei.  gnädigst  comniittiret.  Und  woW 
wir  Herrn  Dr.  Tüntzels,  welcher  anf  solche  Mals,  wie  mit  Dr  Aiih- 
nianuen  geschehen,  bestellet  werden  soll,  allbereits  versichert,  so  hatt<'t 
es  noch  an  dem  von  Einsiedel  znm  Scharftenstein,  mit  dem  Inhalts 
nnsei'er  vom  25.  ]\[aji  ans  Salza  an  den  von  Werthern  ergangeneu 
Resolution  zu  scliliel'sen  und  ihm  die  Bestallung  auszufertigen  ist. 
Zu  diesen  zählen  wir  auch  Euch,  den  von  Sebottendorf,  und  lialten 
uns  Euer  nicht  weniger  vergewissert,  inmafsen  wir  Euch  auch  hier- 
bei al)Sonderlich  beantwortet.  Und  weilen  wir  hoclmötig  halten,  dafs 
über  Euch,  Herrn  I))-.  Timäum  und  HeiTii  Dr.  Tüntzeln,  die  Ihr 
beide  allbereits  zu  ziendicbem  Alter  gediehen,  zum  wenigsten  noeb 
vier  in  den  Geheimen  Rat  bestellet  Averden,  so  haben  wir  Euch  fei'iwi' 
unsers  geliebten  altern  Sohns  Hofmeister  Kurten  v.  Einsiedel  wie 
auch  den  v.  Feilitsch,  markgräflichen  Kanzler,  den  von  Schleiniz, 
Kanimergericbtsassessoren  zu  Speier,  .loliann  Friedrichen  v.  Brandt, 
fürstlichen  altenburgischen  Rat,  und  Pliilipi)  Adolfen  v.  Münchhausen 
benennet,  auch  darneljen  auf  etliche  Doctores,  als  Dr.  Engelbreehten, 
Dr.  Ziegemneyern,  Dr.  Carpzovium,  Dr.  Fal)ern  gedacht,  so  als  reichs- 
verständige gerühmet  werden,  um  aus  selbigen  die  bedüiftige  Anzahl 
zu  erfüllen." 

Mit  Kurt  von  Einsiedel  sollten  sofort  Verhandlungen 
angeknüpft  werden,  denn  dem  Kurfürsten  lag  vor  allem 
daran,  durcli  ilm  s(^inen  ältesten  Sohn  genauer  mit  den 
lleichsverhältnissen  bekannt  zu  machen.  Deswegen  wollte 
er  Einsiedel  auch  seinen  dauernden  Aufenthalt  in  Dres- 
den anweisen.  Alle  diese  von  dem  Kurfürsten  genannten 
Persönlichkeiten  sollten  der  ei-fordcnlidien  Ivücksprachc 
wegen  nach  Dresden  entboten  werden,  und  wi'nii  sich 
die  zuerst  Einberufenen  etwa  (mtschuldigen  würden, 
sollte  man  die  nächsten  auffordern,  bis  man  die  nöthige 
Anzahl  von  Räthen  zusanimeng(>l)racht  liaben  würde.  Man 
ei-kennt  also  aus  di(;sen  Weisungen,  wie  schwierig  es  dem 
Kurfürsten  selbst  eischien,  die  für  den  Dienst  erforder- 
lichen Beamten  wirklich  zu  gewinnen.  Schon  aus  diesem 
Grunde  scheint  er  daher  auch  empfolden  zu  liabeu,  bei 
der  Besetzung  eiledigter  Stelh'U  im  .lustizrathe  vor  aHen 
solche  Persinilichkeiten  zu  beificksichtigen ,  die  man  im 
Nothfalle  auch  zu  politischen  Geschäften   und  zur  Bear- 


188  -T.  O    Opel: 

beitung"  der  Reichsangelegeiilieiten  mit  Nutzen  heran- 
ziehen konnte. 

Sehott  enclorf  aber  liess  der  Kurfürst  noch  ein  be- 
sonderes Schreiben'-'')  zugehen,  in  \\eh;hem  er  die  Ab- 
sicht, seinen  damaligen  Hof-  und  x\.ppellationsrath  enger 
au  sich  zu  fesseln,  wiederliolte.  Er  versagte  ihm  zwar 
die  Genehmigung  zu  der  erbetenen  Rückkehr  auf  seine 
Güter  nicht,  trat  aber  seiner  Absicht,  die  sächsischen 
Besitzungen  Avieder  zu  veräussern,  mit  einer  offenen  Ab- 
mahnuno^  entgegen.  Er  rief  ihm  in  die  Erinnerung  zu- 
rück, „welcher  Gestalt  wir  euch  zu  unserm  Geheimen 
Rat  begehret  mit  dieser  Erklärung,  dals  ihr  nicht  vei'- 
bündig  sein  solltet,  uns  bei  Kriegsreisen,  sondern  allein 
zu  Dresden  und  andern  solchen  Orten  aufzuwarten,  da 
es  nicht  so  beschwerlich  und  euere  Gegenwart  notwendig 
erfordert  würde.  Demnach  halten  Avir  uns  für  allerdings 
vergewissert  und  befinden  nicht  ratsam,  dals  ihr  die  Güter 
itzo  gelielset.  da  sie  ohne  das  wenig  gelten  und  vielleicht 
ins  künftig  besser  auszubringen  sein  werden.  Wollten 
euch  lieber  unsern  Lehenmann  wissen  und  nicht  zweifeln, 
es  werden  sich  Mittel  geben,  dals  ihr  l)ei  den  Gütern 
bleibet  und  euch  derselben  zu  eurer  Haushaltung,  auch 
bisweiligen  Recreation  bedienen  könnet". 

Indessen  stellten  sich  der  Ausführung  dieser  Vor- 
schläge abermals  Hindernisse  entgegen;  jedenfalls  machten 
auch  die  Folgen  der  unglücklichen  Schlacht  von  Witt- 
stock die  schleunige  Erledigung  dieser  für  das  Kurfürsteii- 
thum  so  Avichtigen  Frage  unmöglich.  Mehrere  der  ins 
Auge  gefassten  Persönlichkeiten,  Avenn  nicht  die  meisten, 
hatten  überdies  den  Antrag  abgelehnt,  Avie  der  Kurfürst 
noch  am  7.  Februar  1637  dem  Kanzler  von  Lüttichau 
und  dem  Dr.  Tüntzel  klagte.  Da  nun  aber  kurz  vorher 
(am  2.  Februar  1637)  auch  Dr.  Timäus  gestorben  Avar, 
ersuchte  Johann  Georg  die  eben  Genannten  von  neuem, 
die  Entschuldigungen  der  Vorgeschlagenen  nochmals  in 
Berathung  zu  ziehen  und  ihm  neue  Vorschläge  zu  machen. 
Und  darauf  ist  man  dem  Ziele  allmählich  näher  gekom- 
men, obgleich  uns  von  den  erneuten  Vorschlägen,  die  dem 


"^)  Perleberg  9.  September,  pr.  Magdeburg  12.  September  1636: 
H.-St.-A.  Dresden  Loc.  7169,  Acta  Derer  Chiirfürstl.  S.  (ieheimeu 
Räthe  Bestallungen  1564—1697.  Im  Eingange  lieziebt  sich  der  Kur- 
fürst auf  das,  „was  Sebottendorf  fast  vor  einem  Jahre  zu  (Irüningen 
(Groningen),  Saudau  und  Jericho  vorgebracht",  also  jedenfalls  auf  ab- 
lehnende Antworten  desselben. 


Eine  iiolitische  Denkschrift  etc.  189 

Kiirfüisten  gemacht  sein  mögen,  nichts  bekannt  ist. 
Als  der  Kurfürst  im  März  1637  abermals  das  An- 
sinnen an  Sebottendorf  richtete,  an  der  oberen  Leitung 
der  kursächsischen  Politik  als  Geheimer  Rath  theil  zu 
nehmen,  gab  dieser  dem  Wunsche  seines  Landesherrn 
endlich  nach. 

Dass  die  Gründe  seiner  früheren  Ablehnung  politi- 
scher Natur  waren,  daraus  hatte  Sebottendorf  dem  Kur- 
fürsten gegenüber  schon  damals  kein  Geheimnis  gemacht-'*). 
Er  glaubte  Johann  Georg  nicht  mit  Nutzen  dienen  zu 
können,  weil  er  sich  keines  gedeihlichen  Zusammenwirkens 
mit  den  Persönlichkeiten  versehen  konnte,  welchen  der  Kur- 
fürst die  im  i'rieden  von  Prag  übernommene  Bescliützung 
des  ober-  und  niedersächsischen  Reiches  und  die  mit  ihr 
zusammenhängende  Vertreibung  der  Feinde  vom  Reichs- 
boden abermals  aufgetragen  hatte.  Er  bediente  sich  dabei 
des  Gleichnisses  von  einem  Wagen,  den  vier  bis  sechs 
richtig  gespannte  Pferde  seinem  Ziele  entgegenzuführen 
bestrebt  sind,  während  hinten  zehn,  ja  zwanzig,  dreissig 
und  mehr  Pferde  das  Gefährt  nach  der  entgegengesetzten 
Richtung  weiter  zu  l)rnigen  suchen-'^).  Sebottendorf  ver- 
zweifelte otfenbar  eine  Zeit  lang  daran,  den  Kurfürsten 
wirklich  in  dem  durch  den  Prager  Frieden  vorgezeich- 
neten Geleise  zu  erhalten,  da  sich  in  seiner  näheren  Um- 
gebung noch  sehr  viele  einÜussreiche  Personen  befanden, 
welche  ihn  wieder  zur  schwedisch -französischen  Partei 
hinüberführen  wollten.  Li  der  Darstellung  dieser  Ver- 
hältnisse dem  Kurfürsten  gegenüber  wird  sich  Sebotten- 
dorf gewiss  keiner  Uebertreibung  schuldig  gemacht  haben. 
War  doch  selbst  die  Knrfürstin  Magdalena  Sibylla  einc^ 
leidenschaftliche  Gegnerin  dieses  Friedens  und  arbeitete 
direkt  und  durch  sehr  drastische  Mittel  auf  seinen  Brucli 
hin.  Ja  sie  liess  endlich  sogar  den  politischen  Bauern- 
propheten Werner  (Warner)  zu  sich  kommen,  der  auf 
Befehl  Jesu  Chiisti  dem  Hause  Sachsen  fünf  Blutsünden 
„vorschreiben  musste",  durch  welche  es  Gott  sehr  er- 
zürnt hatte.  Werner  hatte  im  Geiste  den  Untergang 
des  Kurfürsten thums  Sachsen  und  sogar  den  Einstui'z  der 
Schlösser  in  Dresden  gesehen  und  liösste  durch  seine 
wahnwitzigen    Schilderungen    der   Kurfürstin    einen   töt- 


24)  vergl.  Sebottendorf s  Denkscluift,  unten  S.  :M5  flg. 
"•■')  Vergi.  S.  315  der  Donksrlnift. 


190  J-  0.  Opel: 

liehen  Schrecken  ein.    Li  ihrer  Aufregung  [schrieb  sie  an 

den  Kurfürsten-*^): 

„Werner  hat  mir  und  meinem  Sohn,  Herzog  Johann  Georg,  alles 
gesaget,  von  allen  Gresichtern,  die  er  gesehen  in  Entzückung,  drohet 
viel  Böses  auf  Befehl  des  Herren  Christi  B.  L.  und  Ihrem  Land  und 
uns  allen  und  dem  ganzen  kurfürstlichen  Stamme  Sachsen,  wo  E.  L. 
Ihr  Inteut  ferner  wollten  fortsetzen  und  wider  die  Kirche  Glottes 
streiten.  Bitte  E.  L.  durch  Gott  und  um  des  jüngsten  Gerichtes 
willen,  B.  L.  setzen  es  nicht  weiter  auf  die  Spitzen,  sie  conjungiren 
sich  mit  den  Schweden,  folgen  meinem  Rath  und  gehn  auf  verträg- 
liche Mittel.  Und  weil  E.  L.  doch  sehen,  dafs  E.  L.  betrogen  sein 
von  dem  Kaiser  und  den  Katholischen,  bitte  ich  nochmals :  E.  L.  ver- 
gleichen sich  mit  den  Schweden  .  .  Gott  wird  es  den  Leuten  in 
Ewigkeit  nicht  vergeben,  die  E.  L.  zu  solchem  bösen  Frieden,  der 
gemacht  ist,  gebracht  haben,  werden  gewifs  in  der  Hölle  schwitzen 
müssen.  Schick  E.  L  hierbei,  was  mir  Hans  Werner  mit  seiner 
eigenen  Hand  geschrieben  hat  Wo  E.  L.  nicht  Frieden  mit  den 
Schweden  machten,  würde  dieses  alles  über  E.  L.  ergehen." 

Allen  solchen  und  andern  Einwirkungen  setzte  jedoch 
der  Kurfürst  einen  im  ganzen  erfolgreichen,  wenn  auch 
nicht  immer  gleich  starken  Widerstand  entgegen. 

Nach  der  Versicherung  Sebottendorfs  Avar  es  ganz 
ausschliesslich  seine  lebendige  Theilnahme  an  dem  Zu- 
stande der  öffentlichen  Angelegenheiten,  den  er  durch  den 
Prager  Erieden  hatte  herstellen  helfen,  welche  ihn  bewog, 
den  Gesuchen  seines  Landesherrn  Gehijr  zu  schenken  und 
in  den  Geheimen  Kath  einzutreten,  und  niclit  etwa  irgend 
ein  eigensüchtiger  Trieb.  Ja  er  erhob  bis  gegen  den 
Schluss  des  Jahres  1639  für  seine  Mühewaltung  als  Ge- 
heimer Rath  nicht  den  germgsten  Anspruch  auf  eine  Ent- 
schädigung und  hatte  sogar  durchgesetzt,  dass  in  seine 
uns  leider  unbekannte  Bestallung  niclit  ein  Pfennig  als 
Gehalt  oder  Entschädigung  eingesetzt  worden  war-'^).  In- 
folge dessen  scheint  er  auch  als  Geheimer  Rath  bis  gegen 
Ende  des  Jahres  1639  keine  Besoldung  oder  Vergütiguiig 
irgend  welcher  Art,  ausser  etwa  für  Reisen  und  ausser 
dem   Unterhalte,    während    er    am   Hofe   anwesend   war 


2«)  Der  Brief  ist  vom  22.  Januar  1636.  Vergl.  K.  A.  Müller, 
Kurfürst  Johann  Georg  der  Erste  S.  64  flg.  Dieser  Johann  AVerner 
oder  Warner  aus  Bockendorf  wurde  im  .labre  1638  zur  Verantwor- 
tung vor  das  kuifürstliche  Konsistorium  geladen,  wo  mau  ihm  mit 
Auslieferung  an  den  General  Hatzfeld  drohte.  Später  begleitete  er 
eine  Zeit  lang  die  schwedische  Armee,  vergl.  Arnolds  Kirchen- 
und  Ketzergeschichte  III  (1715),  223  flg.  Einige  Mittheilungen 
finden  sich  noch  bei  Hitzigrath,  Die  Publicistik  des  Prager  Frie- 
dens. Auch  für  die  kaiserliche  Partei  wirkten  ähnliche  politisch- 
religiöse Schwärmer,  vergl.  Opel,  Valentin  Weigel  S.  321  flg. 

"■')  Vergl.  weiter  unten  S.  341  der  Denkschrift. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  191 

oder  den  Kurfürsten  auf  seinen  Feldzügen  begleiten 
musste,  erhalten  zu  haben.  Denn  die  Berufung  auf  das 
Zeugnis  des  Kurfürsten  selbst  schliesst  mit  den  Worten : 
„[Ich]  habe  meine  Armut  und  Dürftigkeit  in  lauterer 
Geduld  und  Stille  mit  Anrufung  göttlicher  Hülfe  willig 
ertragen,  nicht  dals  ich  einiger  Geldbesoldung  nicht  wäre 
bedürftig  gewesen,  sondern  dals  E.  K.  D.,  so  ohne  das 
in  dergleichen  gnungsame  Beschwer  haben,  ich  nicht 
dörfte  molest  sein,  zugleich  aber  im  Werke  erweislich 
machte,  dals,  wie  ich  von  dreissig  Jahren  her,  da  ich  das 
erste  Mal  zu  Herren  Diensten  erfordert  worden,  also  auch 
noch  nicht  [nach]  meinen  eignen  Nutz,  Geschenke,  Gaben 
und  dergleichen  Eitelkeiten,  sondern  blofs  meiner  Herren 
Elu^e,  Frommen  und  Aufnehmen  zu  trachten  gesonnen 
wäre".  Diese  Versicherung  gewinnt  dadui'ch  an  Wahr- 
haftigkeit, dass  sich  Sebottendorf  überhaupt  nur  bereit 
finden  Hess,  die  ihm  angebotene  Stelle  im  Geheimen  Ratlie 
auf  ein  halbes  Jahr,  etwa  bis  Michaelis  1637,  zu  über- 
nehmen. Da  sich  jedoch  um  diese  Zeit  der  Kurfürst 
gerade  auf  seiner  Huldignngsreise  in  der  Lausitz  befand, 
führte  er  sein  Amt  bis  Weihnachten  1638  fort,  kam  aber 
dann  wirklich  um  seine  Entlassung  ein,  die  ihm  indessen 
versagt  wurde. 

In  einem  Verzeichnisse  der  Geheimen  Räthe  vom 
14.  Juli  1637  finden  wir  Heinrich  von  Friesen  auf  Rötha 
bei  Leipzig,  Abraham  von  Sebottendorf,  Dr.  Gabriel 
Tüntzel  und  Dr.  Johann  Georg  Oppel  als  solche  auf- 
geführt. Der  Superintendent  Buläus  aber  hat  in  seiner 
Leichenrede  auf  den  erstgenannten  den  8.  Mai  1637  als 
den  Tag  bezeichnet,  an  welchem  der  Kurfürst  Heinrich 
von  Friesen  die  Stelle  eines  Geheimen  liathes  anfing. 

Heinrich  von  Friesen-^)  gehörte  wie  Sebottendoi-f 
dem  landsässigen  Adel  an  und  war  bei  seinem  Ein- 
tritt in  den  Geheimen  liath  sclion  ein  Mann  von  gercif- 
teren  Jahren.  Er  war  im  Jahre  1578  auf  dem  alten- 
burgischen  Familienstammgute  Kauern  geboren,  hatte 
längere  Zeit  in  Jena  studiert  und  nach  dem  Tode  seines 
Vaters, des  altenburgischen  (Geheimen  ]laths,Hofmars('halls 
und  Hauptmanns  der  Kreise  Alteiibuig,  Roiniebuig  und 
Eisenberg,  Karls  von  Friesen,  der  vom  Kurfürsten 
Christian  I.  1588  zum  Obeiküchenmeister  ernannt  worden 


"'^)  Herrraann,   Der  Kampf  um  Erfurt   S.  80,  87,   nennt  ihn 
fälschlich  ,H.  v.  Fries." 


192  -T.  O.  Opel: 

war,  die  Verwaltung  seiner  Familiengüter  übeinommen. 
Zu  diesen  gehörte  auch  Rütha  bei  Leipzig,  welches 
sein  Vater  im  Jahre  1589  erworben  hatte.  In  die  Be- 
amtenlaufbahn trat  Heinrich  von  Friesen  erst  im  Jahre  1613 
ein,  wo  er  zum  Rathe  am  Appellationsgericht  zu  Dresden 
ernannt  wurde;  1626  erhielt  er  die  Hauptmannschaft 
der  Ämter  Colditz,  Rochlitz,  Leisnig  und  Borna,  und 
drei  Jahre  darauf  erfolgte  seine  Beförderung  zum  Direktor 
des  höchsten  Landesgerichtshofs,  des  Appellationsgerichts 
zu  Dresden.  In  demselben  Jahre  (1629)  übertrug  man 
ihm  auch  noch  die  Stelle  eines  Obereinnehmers  der  Land- 
und  Tranksteuer  im  Kurfürstenthum  Sachsen  und  einige 
Jahre  darauf  die  eines  Vorsitzenden  des  Steueiamts  zu 
Leipzig.  Nach  dem  Zeugnisse  eines  Zeitgenossen  rich- 
tete der  Kurfürst  bei  seinen  Bemühungen  um  die  Neu- 
gestaltung des  Geheimen  ßaths  sein  Augenmerk  haupt- 
sächlich auch  auf  Friesen-'*).  Allein,  wie  Sebottendorf, 
wies  auch  er  die  Anträge  seines  Landesherrn  wieder- 
holt zurück:  zum  ersten  Male  war  er  dem  Kurfürsten 
schon  1629  von  dem  Kanzler  von  Lüttichau,  der  das 
Amt  seines  Alters  wegen  abgeleimt  hatte,  zum  Direktor 
dieser  höchsten  Landesbehörde  empfohlen  worden.  Und 
doch  zeigte  er  sich  acht  Jahre  später  auch  erst  nach 
einer  persönlichen  Zuspräche  und  Mahnung  Johann 
Georgs  gefügiger.  Er  übernahm  endlich  (1637)  die 
ihm  zugedachte  Stelle  auf  zwei  Jahre  und  zwar  von 
Anfang  an  als  Direktor  oder  Präsident  und  wurde  am 
14.  Juli  1637  wahrscheinlich  mit  den  übrigen  neu  er- 
nannten Rätlien'^*')  vor  dem  Kuifürsten  verpflichtet.  Seine 
Amtshauptmannschaft  legte  er  bei  dem  Antritte  dieses 
Amtes  nieder,  doch  rückte  er  im  Jahre  1638  noch  in 
die  Würde  eines  Dompropsts  zu  Merseburg  ein.  Da 
Friesen  ein  Politiker  war,  der  sich  durch  seine  Persön- 
lichkeit leicht  Geltmig  zu  verschaffen  wusste,   übertrug 


-")  Sanctius  consilium  Princii)is,  quod  ipsoiuet  praeside  statum 
roipublicae  universae  et.  salutem  dispensat  atque  ordinal,  oxhanstuiri 
fuerat  peuitus.  Quo  tempoi-e  qui  iel»us  fesisi.s  succiureret ,  qui  la- 
baiitia  sustineret,  qui  lestauraict  collapsa,  qui  niinisteriuin  comnio- 
darct  laboriosissimo  quantumvis  Piincipi  .  .  .  repertus  est  Friesen. 
Et  ille  quidem  refugiebat  onus  ....  Alis  der  Gedächtnisrede  des 
Professors  Franckenstein  in  Leipzig  (lß.59),  der  auch  die  Angaben 
über  Friesens  Leben  meist  entnommen  sind.  Andere  stammen  aus 
der  Leichenrede  des  Superintendenten  Buläus  (IfiöO). 

'^>)  Sebottendorf  übernahm  sein  Amt  nach  der  Leichenpredigt 
des  Buläus  am  13.  Juli  1637. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  193 

man  ihm  wichtige  politische  Gesandtschaftsreisen ;  aber 
er  gab  auch  der  Prinzessin  Magdalena  Sibylle  das 
Geleit  nach  Kopenhagen  zu  ihrer  Vermählung  mit  dem 
dänischen  Thronfolger  und  wurde  im  Jahre  1638  als 
Brautwerber  an  den  Markgrafen  Clnistian  von  Branden- 
burg-Culmbach  entsendet,  um  das  Ehel)ündnis  zwischen 
dessen  Tochter  Magdalena  Sibylle  und  dem  Kur])rinzen 
durch  eine  feierliche  Verlobung  vorzubereiten.  Er  er- 
reichte ein  Alter  von  82  Jahren.  Von  seinen  Kindern 
war  die  älteste  Tochter  Rahel  zuerst  an  Hans  von  Berbis- 
dorff  auf  Niederforchheim  und  in  zweiter  Ehe  an  den 
bekainiten  Obersten  Joachim  von  Mitzlaff  verheirathet, 
aber  schon  vor  dem  Vater  gestorben  (1641).  Seine 
beiden  Söhne  Heinrich  und  Karl  waren  bei  dem  Tode 
ihres  Vaters  (1659)  gleichfalls  kurfürstliche  Geheime 
Rätlie.  In  seinem  Amte  als  Direktor  des  Geheimen 
Rathes  hat  Friesen  einen  sehr  bedeutungsvollen,  wenn 
auch  vielleicht  nicht  den  massgebenden  Einfluss  ausgeübt. 
Auch  Dr.  Johann  Georg  Oppel  (Opel)  stand  bei 
seiner  Berufung  in  den  Geheimen  Rath  schon  längere 
Zeit  in  kurfürstlichen  Diensten  und  zwar  als  Hof-  und 
Justizrath.  Er  war  der  Sohn  David  Oppels  auf  Silber- 
strasse und  Culm  im  Reussischen  •^^)  und  von  der  Mutter 
her  ein  Enkel  des  Valerius  Cracau,  der  einst  Rath  und 
Geheimer  Kammersekretär  des  Kurfürsten  August  ge- 
wesen war.  Er  hatte  sieben  Jahre  auf  den  sächsischen 
Universitäten  Jena  (1613),  Leipzig  und  Wittenberg  zu- 
gebracht, darauf  eine  Studienreise  durch  Holland  nacli 
England,  Frankreich  und  die  Schweiz  gemacht  und  sich 
endlich  in  Basel  sein  Doktordiplom  erworben  (Juli  1621). 
Seine  Rückreise  aus  der  Schweiz  benutzte  er  dazu,  die 
süddeutschen  Reichsstädte  kennen  zu  lernen.  Noch  in 
ziemlich  jugendlichem  Alter  wurde  er  darauf  von  dem 
Grafen  Heinrich  Reuss  Posthumus  zum  Regierungsrathe 
nach  Gera  berufen,  von  wo  aus  er  auch  seinem  in  C^ulm 
angesessenen  Vater  ohne  grosse  Beschwerden  zur  Hand 
gehen  konnte.  Schon  hier  begannen  seine  diplomatischen 
Wanderfahrten.  Als  die  Einquartierungen  der  Kaiser- 
lichen auch  die  reussischen  Gebiete  erreicht  hatten,  wurde 
er  an  den  kaiserlichen  Hof  und  auch  mehrmals  nach 
Dresden  entsendet.  Dieser  geschäftliche  Verkehr  des 
kenntnisreichen   und  ebenso  gewandten  wie  energischen 

*')    Er  war  am  20.  Juni  1594  zu  Dresden  geboren. 

Neues  Archiv  f.  S.  ü.  u.  A.     VIU.  3.  4.  13 


194  J.  O.  Opel: 

Mannes  mit  den  höheren  knrsächsischen  Beamten  und 
dem  Kurt'üi^sten  selbst  gab  wohl  die  erste  Veranlassung 
zu  seiner  Berufung  in  den  kursächsisclien  Dienst.  Der 
Kurfürst  berief  Oppel  zu  seinem  Hof-  und  Justizrathe. 
Am  26.  Oktober  1629,  ungefähr  sieben  Monate  nach  der 
Übersiedelung  Sebottendorfs,  übernahm  derselbe  sein  Amt 
in  emem  Alter  von  noch  nicht  36  Jahren  und  verhei- 
ratliete  sich  schon  am  16.  November  desselben  Jahres 
mit  Marie  Sophie  Döring,  einer  Tochter  des  Kammer- 
raths  David  Döring  auf  Bohlen.  Im  Juli  1631  verhan- 
delte er  zu  Plauen'^-)  mit  Vertretern  der  schwäbischen 
und  fränkischen  evangelischen  Stände  und  wurde  bald 
nach  seiner  Zurückkunft  auf  den  sogenannten  Kompo- 
sitionstag nach  Frankfm't  a.  M.  entsendet.  Drei  Jalire 
darauf  leitete  er  mit  Nicol  Gebhard  von  Miltitz  die  ver- 
traulichen Verhandlungen  zwischen  dem  Kaiser  mid  dem 
Kurfürsten  in  Leitmeritz  ein,  musste  sich  aber  unter 
Lebensgefahr  bei  Bauers  Annäherung  nach  Pirna  tiüchten. 
Als  durch  die  Schlacht  von  Nördlingen  diese  Friedens- 
bestrebungen eine  jähe  Unterbi'echung  erlitten,  kehrte 
er  nach  Dresden  ziu^ück,  musste  aber  schon  im  Januar  1635 
die  Obersten  von  der  Pforte  und  Dietrich  von  Taube 
nach  Aussig  und  von  da  nach  Laun  begleiten,  wo  ein 
Waffenstillstand  zwischen  den  Kaiserlichen  mid  den 
Sachsen  abgeschlossen  wui'de.  Und  kaum  war  er  wieder 
nach  Hause  zurückgekehrt,  so  erhielt  er  den  Auftrag, 
die  Friedensverhandlungen  in  Prag  fortführen  zu  helfen. 
In  Prag  blieb  Oppel  auch,  als  Döring  und  Sebottendorf 
auf  emige  Zeit  nach  Dresden  zurückberufen  wurden. 
Im  folgenden  Jahre  (1636)  begleitete  er  den  Kurfürsten 
auf  dem  unglücklichen  Feldzuge  nach  Norddeutschland. 
Schon  damals  hatte  ihm  Johann  Georg  eine  Stelle  in 
seinem  Geheimen  ßathe  zugedacht,  die  er  am  2U.  Mai 
1637  auch  übernahm.  Ein  sehr  anstrengendes  Jahi-  muss 
für  Oppel  das  Jahr  1638  gewesen  sein,  wo  er  den  Kur- 
fürsten auf  dem  erzstiftischen  Landtage  zu  Kalbe  vertrat, 
die  Huldigmig  der  Amter  Querfurt,  Jüterbock,  Dahme 
mid  Bui'g  entgegennahm,  dann  mit  Friedrich  von  Metzsch 


ä-)  Heibig,  Gustav  Adolf  iiud  die  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
Brandeubiu'g  S.49.  Vergl.  hierzu  die  Angaben  in  Joh.  Jul.  Eugen  Cr ün- 
thers  Schrift,  Die  Politik  der  Kurfürsten  von  Sachsen  und  Branden- 
burg nach  dem  Tode  Gustav  Adolfs  (Dresden  1877)  S.  100.  Wir 
halten  die  in  Zimmermanns  Leichenrede  befindliche  Angabe,  der  Avir 
folgen,  für  vereinbar  mit  dem,  was  Günther  aus  den  Akten  berichtet. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  195 

nacli  Prag  zum  Empfang  der  Lehen  ging  und  hier  längere 
Zeit  vei'weiltc.  niii  eine  persönliche  Znsammenkmift  des 
Kurfürsten  mit  dem  Kaiser  Ferdinand  III.  zu  Leitmeritz 
zu  vt'rmittehr'-'j,  an  der  er  auch  selbst  Theil  nahm. 
Und  in  demselben  Jahre  führte  er  auch  nocli  den  Herzog 
August  in  seine  erzbiscliöfliche  Residenz  Halle  ein.  Von 
seinen  späteren  diplomatischen  Verwendungen  erwähnen 
wir  nur  noch  die  langwierigen  Verhandlungen  mit  Torsteii- 
son  hl  Leipzig  (1646),  w^elche  endlich  zum  Waffenstill- 
stände mit  den  Schweden  führten.  Nach  dem  Frieden 
wollte  ihm  der  Kurfürst  die  Ordnung  seines  sehr  zei-- 
rütteten  Finanzwesens  übertragen,  allein  er  lehnte  diesen 
Antrag  ab,  übernahm  aber  noch  im  Jahre  1649  die  Stelle 
eines  Obersteuereinnehmers. 

Oppel  mag  von  Haus  aus  nicht  unbegütert  gew-esen 
sein  und  auch  durch  seine  Verheiratiuig  sein  Vermögen 
verbessert  haben.  Später  besass  er  Güter  in  Lomnitz. 
Gosda,  Ober-  nnd  Niederlichtenau,  Lamperts-  und  Wellers- 
walde  und  war  offenbar  ein  sehr  reicher  Mann.  Auch 
zum  kaiserlichen  Pfalzgrafen,  sowie  zum  Gefreiten  des 
heiligen  römischen  Reichs  (Exemtus)  war  er  erhoben 
worden.  Er  war  Vater  von  zehn  Söhnen  nnd  zwei  Töchtern, 
von  denen  ihn  die  noch  unverheiratheten  Töchter  nnd  fünf 
Söhne  überlebten.  Am  11.  November  1655  rührte  den 
starken  und  äussern  Einflüssen  gegenüber  sehr  wider- 
standsfähigen Mann  bei  dem  Begräbnis  seines  Kollegen 
Friedrich  v.  Metzsch  der  Schlag,  so  dass  er  mitten  ans 
dem  Trauerzuge  nach  Hause  gebracht  werden  musste. 
Er  erholte  sich  zwar  damals  w'ieder,  starb  aber  doch  in- 
folge zunehmender  Scluväche  am  19.  Juni  1661,  noch 
nicht  65  Jahre  alt. 

Auch  Oppel  war  einst  seiner  Betheiligung  an  dem 
Prager  Frieden  wegen  unter  denjenigen  sächsischen  Po- 
litikern genannt  worden,  welche  sich  angeblich  durch 
unlautere  Mittel  für  die  kaiserliche  Sache  hatten  gewinnen 
lassen.  Bei  seinem  Tode  scheinen  jedoch  diese  Anschul- 
digungen gänzlich  verstummt  gewesen  zu  sein:  keiner 
seiner  Lob-  und  Leichenredner  denkt  nur  daran,  ihn 
gegen  solche  Anklagen  in  Schutz  zu  nehmen.  Dagegen 
rühmte  man  ihm  als  ein  allbekanntes  Verdienst  nach,  dass 


'^^)  Am  6.  September   1638  rietheu  auch   die  üeheimen  Käthe 
,H.  V.  Friesen,  Fr.  Metzsch  nnd  (lahriei  Tüntzol  dem  Kurfürsten  zu 
dieser  von  Oppel  in  Anregimg  gebrachten   pcrsünlielien  Zusiuumen- 
kunlt.    H.-St.-A.  Dresden. 

13* 


196  J-  0.  Opel: 

er  eiii^aufriclitiger  Diener  seines  Herrn  und  in  den  aller- 
gefähi'liclisten  Zeiten  ein  treuer  Patriot  des  Kurfürsten- 
thums  gewesen  sei.  Sein  Ortspfarrer  pries  besonders 
seine  politische  Vorsicht  und  Behutsamkeit,  infolge  deren 
er  „den  Kurfürsten  und  sein  Land  nicht  in  den  Koth 
hineinführte  und  nicht  auf  dem  fahlen  Pferde  ertappt 
wurde".  Auch  seine  Gerechtigkeitsliebe  wurde  aner- 
kannt. „Er  spielte  nicht  mit  der  Jurisprudenz,  noch 
machte  er  arme  Leute,  hängte  auch  sein  Gewissen  nicht, 
wie  viele  Juristen,  an  den  Nagel."  Zu  den  hervorragendsten 
Eigenschaften  des  Diplomaten  gehörte  eine  sehr  eindrucks- 
volle Beredsamkeit:  „seine  berühmte  und  annehmliche 
Suada,  die  nicht  einem  umschweifenden  Geplärr  glich, 
das  nur  die  Ohren  füllete,  sondern  penetrierte,  haftete 
und  bewegte".  Dass  diese  in  ihi^en  Mitteln  nicht  allzu 
wählerische  Beredsamkeit  ilii'e  Stärke  bisweilen  auch  an 
dem  Kurfürsten  selbst  erprobte,  ist  bekannt  ■^^). 

Der  Doktor  Tüntzel,  Erbherr  auf  Tunzenhausen,  war 
bei  seiner  Erhebmig  zum  Geheimen  Bath  ebensowenig 
ein  Neuling  in  politisch- diplomatischen  Geschäften  wie 
Oppel;  auch  sein  Name  tritt  in  den  zalüreichen  Verhand- 
lungen während  der  Jahre  1630  bis  1635  öfters  hervor. 
Von  den  vier  bisher  genannten  Geheimen  Bäthen  starb 
er  zuerst  (21.  Dezember  1645)  imd  zwar  nach  einer  mehr 
als  dreissigj ährigen  Dienstzeit  und  im  72.  Lebensjahre. 
Um  so  eigenthümlicher  erscheint  bei  diesem  Dienstalter 
eine  von  Tüntzel  im  Hinblick  auf  seinen  Tod  schon  im 
Jahi'e  1642  aufgesetzte  Bittschrift,  welche  seine  Kinder 
und  Erben  dem  Kurfürsten  zugleich  mit  der  Nachricht 
von  seinem  Ableben  un verweilt  einsendeten.  Tüntzel 
hatte  den  Kurfürsten  in  derselben  gebeten,  seinen  Hinter- 
bliebenen aus  seiner  rückständigen  und  auf  einige  lOüO 
Gulden  angegebenen  Besoldung,  die  er  zum  Theil  noch 
von  seiner  Hofrathszeit  her  zu  fordern  hatte,  wo  nicht 


^)  Die  Darstellung  folgt  zum  Theil  den  Leicheupredigten  des 
M.  Christian  Zimmermann  (Christliche  Leich-Predjgt .  .  .  .  Wit- 
tenberg, Gedruckt  bey  Job  Wilhelm  Finzelio  1662.  4)  und  des  Pre- 
digers in  Lomuitz  Gottfried  Gebauer  (Summa  beate  morientium 
Felicitas  .  . .  Wittenberg,  Gedruckt  be}'  Job  Wilhelm  Fincelio  16H2.  4). 
In  der  Universität  Wittenberg  hielt  der  Professor  Georg  Kaspar 
Kirchmaier  im  April  1662  eine  werthlose  Gedächtnisrede,  die  mit 
einer  Anzahl  lateinischer  Verse  und  deutscher  Reimereien  derselbe 
Buchhändler  veröffentlichte.  Der  Bibliothekar  David  Schirmer  pries 
den  Verstorbeneu  auch  deswegen,  dass  er  sogar  bei  der  Steuer  „noch 
manches  Herz  ergötzt  habe". 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  107 

„begnadigiings  -  doch  absclilagsweise"  einen  Beitrag  zu 
seinem  Leichenbeg-änjrnisse  zu  gewähren!  Er  begründete 
seine  Bitte  damit,  dass  er  in  seinem  l)es<'lnverlichen  Amte 
„in  langer  Zeit  nichts  l^ekommen  und  alles  darüber  habe 
zusetzen  und  einbüssen  müssen,  wovon  er  seinen  Kindern 
und  Kindeskindern  etwas  ersparen  und  also  auch  zu  Be- 
gräbniskosten beilegen  können". 

xluftallig  ist,  dass  sich  unter  diesen  vier  Geheimen 
Käthen  keine  der  einst  vom  Kurfürsten  selbst  vorge- 
schlagenen Persönlichkeiten  befindet,  weder  Kurt  von 
Einsiedel  noch  der  kulmbachische  Kanzler  von  Feilitsch, 
und  dass  auch  der  Vorschlag  des  Kurfürsten,  den  Ge- 
heimen Rath  wenigstens  mit  sechs  Mitgliedern  zu  besetzen, 
keine  Berücksichtigung  gefunden  hat:  möglicher  Weise  ist 
bei  der  Wahl  zuletzt  die  Rücksicht  auf  die  Landesange- 
hörigkeit des  zu  Wählenden  ausscldaggebend  gewesen. 
Auch  wurde  derselbe  allerdings  schon  im  folgenden  Jahre 
durch  ein  neues  Mitglied  verstärkt,  indem  der  Kurfürst  noch 
Friedrich  von  Metzsch'^"')  berief.  Dieser  schon  im  Jahre 
1619  zum  Hof-  und  Justizrath  und  bald  darauf  zum 
Appellationsrathe  ernannte  und  seitdem  in  mancherlei 
Geschäften  verwendete  Beamte,  welcher  1628  nach  dem 
Tode  des  Präsidenten  Sebastian  Friedrich  von  Kötteritz 
den  Vorsitz  im  Konsistorium  erhielt,  muss  gleichfalls  ein 
sehr  begüterter  Mann  gewesen  sein,  denn  er  besass  nicht 
nur  die  Güter  Reichenbach,  Friesen  und  Mylau,  sondern 
hatte  auch  Besitzungen  in  und  um  Zschopau,  welche  nach 
dem  Tode  des  kurfürstlichen  Kammerraths  und  Haupt- 
manns zu  Augustusl)urg,  Rudolfs  von  Vitzthum,  sein 
Eigenthum  geworden  waren.  Ja  vielleicht  hat  gerade 
diese  günstige  äussere  Lage  bei  seiner  Berufung  eine 
entscheidende  Rolle  gespielt.  Denn  der  Kurfürst  war 
auch  mit  der  Entrichtung  des  Gehaltes  an  Metzsch  sehr 
im  Rückstande  geblieben:  noch  am  22.  August  1638,  also 
nach  seiner  Berufung  zum  Geheimen  Rath,  ersuchte  der- 
selbe seinen  Landesherrn,  ihm  von  der  sich  auf  .'^OOO  Gulden 
belaufenden  Forderung  einen  Viert(>ljahresbetrag  seines 
Hofrathsgehaltes,  nämlich  225  Gulden,  zahlen  zu  lassen. 


^^)  Er  war  am  8.  Dezember  1.579  geboren,  studierte  von  1596 
bis  IfiOä  in  Wittenliorg  und  .Tcna  und  trat  darauf  sofort  eine  läiiii-erc 
Reise  nach  Frankroich  an,  die  er  auch  Ix-sclirieb.  Nach  seiner  Rück- 
kehr (1607)  machte  er  sich  im  .lalirc  1609  nach  Italien  auf,  wo  er 
länger  als  ein  .Tahr  verweilte.  Er  vorlieirathcte  sich  1612  mit  Anna 
Elisabeth  von  Schönberg  aus  dem  Hause  Maxen. 


198  J.  0.  Opel: 

Metzscli  hat  seinen  Herrn  oft  auf  Land-  und  Kreistagen 
vertreten  und  nahm  aucli  Kui'sachsens  Rechte  auf  dem 
Kollegialtage  zu  Nürnberg  1639/40  wahr.  Von  da  wurde 
er  auf  den  Reichstag'  nach  Regensburg  entsendet  und 
begab  sich  nach  dem  Schhisse  desselben  mit  dem  kaiser- 
lichen Hofe  nach  AVien.  Auf  dieser  ganzen  Gesandt- 
schaftsreise brachte  er  etwa  zwei  Jahre  und  neun  Monate 
zu.  In  Wien  übertmg  ihm  der  Kaiser  noch  das  Amt 
eines  Reichspfennigmeisters  für  Ober-  und  Niedersachsen. 
Metzsch  hatte  als  Oberkonsistorialpräsident  auch  für 
Kirchen,  Schulen  und  Universitäten  Sorge  zu  tragen  und 
wurde  l^ei  seinem  Tode  als  Gönner  und  Schützer  der 
Lehrer  und  Prediger  sehr  gepriesen.  AVie  Heinrich  von 
Friesen  war  er  ferner  eui  Freund  der  Wissenschaften; 
der  Professor  Buchner  in  Wittenberg  wendete  sich  in 
seinen  Nöthen  öfter  an  ihn ;  von  Büchner  erbat  sich 
Metzsch  schon  zehn  Jahre  vor  seinem  Tode  eine  akade- 
mische Gedächtnisrede ,  welche  dieser  auch  später  ge- 
halten hat  3«). 

Metzsch  erhielt  als  Geheimer  Rath  anfangs  1000  Gulden 
Gehalt  und  auf  vier  Kutschpferde  Dienstgeld,  wenn  er 
sie  wirklich  hielt,  und  zwar  288  Gulden-").  Wenn  er 
den  Kurfürsten  auf  Reisen  zu  begleiten  hatte,  wurde  ihm 
samt  seinem  Gefolge  vollständig  freie  Verpflegung  und 
für  andere  Dienstreisen  volle  Entschädigung  gewährt. 
Seiner  Bestallung  zufolge  war  er  zu  einer  halbjährigen 
Kündigungsfrist  verpflichtet. 

Li  dem  Entwürfe  einer  Art  von  Geschäftsordnung 
für  den  Geheimen  Rath  (vom  14.  Juli  1637)  erklärt  der 
Kurfürst,  dass  er  das  Kollegium  nach  vielfältigen  Be- 
rathschlagungen  aus  eignem  Entschlüsse  wieder  vervoll- 
ständigt und  bestellt  habe.  Die  Geheimen  Räthe  sollten 
schon  früh  von  8  bis  10  Uhr  und  an  vier  Wochentagen 


'^)  Panegyricns  illustri  viro  Friderico  Metschio  in  Keicheiibach 
et  Friesen  ...  in  acaderaia  Witteljergensi  dictus  puljlice  ab  Ano;usto 
Buchnero.  Typis  Johanuis  Röhneri,  Acad.  Typogr.  Anno  16.56.  Vergl. 
hierzu  D.  Jakob  Wellers  Leichenpredigt  (Drefsden,  In  Verlegung 
Christian,  Druckts  Melchior  Bergen,  Gebrüder.    1655). 

2'')  Im  Jahre  1661  bezogen  die  CTcheimen  Eäthe  schon  höhere 
Gehalte,  nämlich  Abraham  von  Sebottendorf  1142  Gulden  18  Gro- 
schen, Johann  Georg  von  Oppel  1288,  Heinrich  Frh.  von  Friesen 
2200  Gulden,  Dr.  Benedict  Carpzov  1288,  Karl  Frh.  von  Friesen 
2200  Gulden,  Reinhard  Dietrich  Frh.  von  Taube  1574  Gulden 
18  Groschen,  Wolf  Siegfi'ied  von  Lüttichau,  Kanzler.  Sa.  11 893  Gulden 
15  Groschen.    Xöuigi.  St.-A.  in  Dresden,  Fiuanzarchiv. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  199 

auch  ]Sraclimittaj>:s  von  2  bis  5  Ulir  in  dem  ihnen  über- 
wiesenen Amtszimmer  anwesend  sein,  während  ihnen  der. 
Nachmittag-  am  Mittwoch  und  Sonnabend  zur  Besorgmig 
ihrer  eignen  Geschäfte  frei  gehissen  wurde.  Der  Kur- 
fürst sicherte  seinen  Käthen  freien  Zutritt  ohne  Anmel- 
dung zu  und  vers[)rach,  sie  täglich  früh  zwischen  neun 
und  zehn  Uhr  und  Nachmittags  zwischen  vier  und  fünf 
Uhr  zu  empfangen.  xA.uf  der  Reise  sollten  sie  Gehör 
finden,  so  oft  die  Geschäfte  es  erforderten. 

Vier  Tage  darauf  übersendeten  die  Geheimen  liäthe 
dem  Kurfürsten  eine  Denkschrift/^^),  in  welcher  sie 
um  die  Genehmigung  einer  Instruktion  für  den  Ge- 
heimen Rath,  wahrscheinlich  der  eben  erwähnten,  nach- 
suchten und  noch  eine  ziemliche  Anzalü  anderer  Fragen, 
Avelche  sich  fast  alle  auf  die  Neubesetzung  erledigter 
Amter  bezogen,  seiner  Entscheidung  anheim  gaben.  Bei 
der  Häutung  der  Geschäfte  fanden  sie  eine  Vermehrung 
der  Anzahl  der  Geheimen  Räthe  auf  sechs  nothwendig ; 
sie  suchten  um  die  Besetzung  von  vier  erledigten  Stellen 
im  Justizrathe  (Justizministerium)  nach  und  machten  auch 
auf  die  Erledigung  mehrerer  untergeordneter  Stellen  in 
der  Reichs-  und  Kammerkanzlei  aufmerksam.  Als  Ge- 
heimen Sekretär  in  der  Reichskanzlei  brachten  sie  Da- 
niel Kirchner  in  Vorschlag,  der  bereits  längere  Zeit  in 
den  Reichs-  und  Lausitzischen  Sachen  gearbeitet  hatte 
und  auch  Sekretär  im  Archiv  war. 

Ferner  aber  legten  sie  dem  Kurfürsten  dringend  an 
das  Herz,  die  erforderlichen  Mittel  für  die  Weiterführung 
der  Landesverwaltung  und  die  Erhaltung  des  Hofes  in 
Bereitschaft  zu  halten.  Wie  schlimm  es  damals  mit  den 
kurfürstlichen  Finanzen  bestellt  gewesen  sein  mag,  geht 
aus  dem  Wortlaut  ihres  Gesuchs  hervor:  „Vor  allen 
Dingen  [will  es]  die  höchste  Noth  erfordern,  solche  Mittel 
an  die  Hand  zu  bringen,  dadurch  man  sich  nicht  allein 
solcher  nothwendiger  Spesen  erholen,  sondern  auch  nächst 
Erhaltung  der  Hofstatt  die  RathskoUegia,  Kanzleien  und 
andere  arme  Diener  ihrer  Besoldungen  versichern,  die- 
selben nicht  sogar  ohne  allen  Trost  lassen  und  sie  sich 
wie  bisher  etzliche  Jahr  ferner  zu  beklagen  Ursach  haben, 
dass  sie  bei  ihrer  schweren  Aufwartung  nicht  allein  alle 
das  Ihrige  ein-  und  zubüssen,  sondern  sich  auch  hierüber 


38)  Sie  ist  vom  18.  ,Tnli  1636  und  nicht  namentlich  unterzeichnet 
H.-St.-A.  Dresden  Loc.  7169. 


200  J.  0.  Opel: 

in  schwere  Schulden  vertiefen,  ja  ihrer  viel  bei  solchem 
langwierigem  Mangel  mit  Weib  und  Kind  in  Hunger  und 
Kummer  verderben,  ihre  Aemter  mit  Seufzen  und  Wehe- 
klagen verrichten  müssen,  und  manigmal  so  viel  nicht 
haben,  dass  sie  einen  Toten  davon  zur  Erde  bestatten 
können".  Die  Räthe  stellten  dem  Kurfürsten  ferner  vor, 
dass  die  Beamten  unmöglich  unter  solchen  Verhältnissen 
weiter  dienen  könnten,  und  dass  sich  neue  schwerlich  zum 
Eintritt  in  Raths-  und  Kanzleidienste  bereit  finden  lassen 
würden,  und  erinnerten  ihn  daran,  „wie  schwer  sichs  bei 
denjenigen,  die  man  etwan  zu  Dienst  begehrt,  gestoßen''^)". 
Diese  Denkschrift  liegt  uns  anscheinend  nur  im  Entwürfe 
vor,  der  wohl  auch  deshalb  nicht  namentlich  gezeichnet 
ist.  Doch  kann  über  die  Persönlichkeiten  der  Verfasser 
kein  Zweifel  obwalten. 

Am  18.  August  1637  wohnte  der  Kurfürst  einer 
Sitzung  des  Geheimen  Rathes  bei,  in  welcher  über  eine 
verbesserte  Instruktion  für  die  Mitglieder  berathen  und  Be- 
schluss  gefasst  wurde.  Dieser  zufolge  sollte  auch  der  Erb- 
prinz mit  seinem  Hofmeister  K.  von  Einsiedel  an  der  Be- 
rathung  wichtiger  Reichs-  und  Landessachen  theilnehmen ; 
ebenso  ward  Herzog  August  die  Verpflichtung  auferlegt, 
mit  seinem  Hofmeister  diejenigen  Sitzungen  zu  besuchen, 
in  welchen  erzstiftisch-magdeburgische  Fragen  zur  Ver- 
handlung kamen.  Ferner  bescliloss  man  aber  auch  den 
kurprinzlichen  Hofmeister,  der  sein  Amt  wegen  des  Aus- 
bleibens seines  Gehalts  aufgegeben  hatte,  an  seme  Pflicht 
zu  erinnern,  „dass  er  nicht  den  Anfang  machen  sollte, 
aus  diesem  Grunde  vom  Kurfürsten  abzusetzen" ;  denn 
der  Kurfürst  wäre  auf  Mittel  bedacht,  wie  die  Besoldung 
„auf  ein  Gewisses"  gebracht  werden  könnte,  und  Einsiedel 
sollte  auch  seinen  Ratli  hierzu  ertheilen.  Ferner  wurden 
noch  Berathungen  über  die  Wiederbesetzung  der  erledigten 
Stellen  in  der  Hofrathsstube  hi  dieser  Sitzung  gepflogen. 
Als  am  dritten  Tage  darauf  im  Geheimen  Rathe  Perso- 
nalfragen, welche  die  Geheime  Kanzlei  betrafen,  erledigt 
wurden,  war  der  Kurfürst  wiederum  anwesend ^*^). 


^^)  Eine  ähnliche  Klage  erhebt  der  Kurfürst  selbst  noch  im 
Jahre  1640.  Vergl.  Joh.  Falke,  Die  Steiierverhandhmgen  des  Kur- 
fürsten Johann  Georgs  I.  mit  den  Landständen  während  des  dreissig- 
iährigen  Krieges,  in  K.  v.  Webers  Archiv  für  die  sächs.  Geschichte, 
N.  F.  I,  318. 

<«)  H.-St.-A.  Dresden  Loc.  7169,  Acta  Derer  Chnrfürstl.  S.  Ge- 
heimen Räthe  Bestallungen  1594—1697. 


Eiue  politische  Denkschrift  etc.  201 

Sebottendorf  hat  in  den  ersten  Jahren  keinen  Gehalt 
als  Geheimer  Rath,  sondern  wohl  nur  seine  frühere  Besol- 
dung als  Hofrath  bezogen.  Dagegen  mag  er  infolge  seiner 
Denkschrift  vom  18.  Dez.  1639,  an  deren  Schhiss  er  die 
Erwartung  einer  Besoldung  als  Geheimer  Rath  durch- 
blicken lässt,  Metzsch  und  den  übrigen  Räthen  gleichge- 
stellt worden  sein.  Erst  nach  behiahe  zwanzig  Jahren 
(am  4.  Januar  1659)  wurde  sein  Gehalt  von  lOOC)  Reichs- 
thalern  durch  eine  Zulage  von  600  Gulden  aus  dem 
Fleischpfennige  erhöht.  Der  Kurfürst  wollte  dadurch 
nicht  allein  seine  bisherigen  treuen  Dienste  belohnen, 
sondern  dem  nun  schon  bejahrten  Manne  auch  seine 
wärmste  Anerkennung  dafür  an  den  Tag  legen,  dass  er 
sich  entschlossen  hatte,  ihm  und  seinem  Hause,  so  lange 
ihm  Gott  Kräfte  und  Gesundheit  verleihen  werde,  seine 
Dienste  zu  widmen.  Möglicher  Weise  ist  aber  Sebotten- 
dorf diese  Zulage  nicht  sofort  gezahlt  Avorden. 

Sebottendorfs  Einfluss  auf  die  kursächsische  Politik 
ist  mehrere  Jahrzente  hindurch  ein  sehr  bedeutender  ge- 
wesen, ja  er  scheint  sogar  nicht  erst  nach  dem  Tode 
des  Geheimenrathsdirektors  Heinrich  von  Friesen  der  in 
den  meisten  Fällen  entscheidende  geworden  zu  sein. 
Seinem  Wunsche,  nicht  zu  auswärtigen  Sendungen  ver- 
wendet zu  werden,  trug  der  Kurfürst  Rechnung.  So 
Hess  sich  Johann  Georg  selbst  auf  dem  obersächsischen 
Kreistage  im  November  1638  durch  Friedrich  von  Metzsch 
und  den  Professor  der  Rechte  in  Leipzig  Doktor  Finckel- 
thauss  vertreten.  Und  auf  dem  Kurfürsten  tage  zu  Nürn- 
berg 1640  erschien  von  Seiten  Knrsachsens  wiederum 
der  eben  genannte  Geheime  Rath  nebst  dem  Hof-  und 
Justizrathe  Heinrich  von  Friesen  dem  Jüngern.  Trotz 
seiner  Abneigung  gegen  Reisen  begleitete  Sebottendorf 
dagegen  den  Kurfürsten  zu  der  bereits  erwähnten  Zu- 
sammenkunft mit  dem  Kaiser  in  Leitmeritz  im  Jahre  1(538 
und  folgte  ihm  auch  auf  seinen  Befehl  auf  einer  Reise 
nach  Prag  im  Jahre  1 652,  welche  denselben  Zweck  hatte. 
Sehr  viele  Angelegenheiten  bearbeitete  er  auf  sehiem 
Gute  Rottwerndorf  ganz  selbständig;  doch  wurde  er 
auch  öfter  von  da  für  den  nächsten  Tag  nach  Dresden 
entboten. 

Das  für  Kursachsen  so  veiliängnisvolle  Testament 
Johann  Georgs  I.  trägt  auch  die  Unterschrift  Sebotten- 
dorfs. Seiner  politischen  Gesinnung  ist  derselbe  im  all- 
gemeinen treu  geblieben.    Er  soll  zwar  im  Anfange  ein 


202  J.  0.  Opel: 

Geg'iier  des  zu  Kötzsclienbroda  und  Eilenburg  verhandelten 
Waffenstillstandes  gewesen  sein,  empfahl  aber  endlich 
doch  in  Gemeinschaft  mit  den  übrigen  Rätlien  den  Ab- 
schluss  des  Vertrages"). 

Nach  dem  Tode  des  älteren  Heinrich  von  Friesen 
stieg  der  Verfasser  unsrer  Denkschrift  zum  Direktor  des 
Geheimen  Raths  auf. 

Von  seinen  weiteren  persönlichen  Schicksalen  ist 
jedoch  nicht  viel  mitzutheilen.  Seine  Güter  waren,  wie 
er  selbst  klagt,  im  Kriege  gänzlich  verwüstet  Avorden. 
Im  Jahre  1647  verlor  der  Kinderlose  auch  seine  Gattin. 
Unter  dem  Eindrucke  der  furchtbaren  Kriegsleiden  zog 
er  sich  allmählich  immer  mehr  in  die  Einsamkeit  zurück 
und  lebte  besonders  in  den  späteren  Jahren,  so  viel  es 
seine  Geschäfte  gestatteten,  frommen  Betrachtungen. 
Sein  Eifer  in  der  Erfüllung  seiner  Amtspflichten  wurde 
bei  seinem  Tode  ausserordentlich  gerühmt;  im  Haupt- 
Staatsarchive  zu  Dresden  und  in  der  archivalischen  Samm- 
lung des  Herrn  Freiherrn  von  Friesen  auf  Eötha  finden 
sich  heute  noch  zahlreiche  von  seiner  Hand  geschriebene 
Briefe  und  Denkschriften  als  Beweise  derselben.  Sein 
Leichenredner  Buläus  rühmte  ihm  nach,  dass  er  nicht 
allein  zu  Hause  „seine  Hauskirche  zum  Lobe  Gottes  mit 
Beten,  Lesen  und  Singen  stetig  und  ohne  Unterlass  an- 
gefüllt", sondern  auch  auf  seine  Untergebenen  in  gleichem 
Sinne  eingCAvirkt  habe.  Er  war  vorsichtig  und  nüchtern 
in  seiner  Lebensführung,  wozu  ihn  auch  die  Rücksicht  auf 
seine  schwankende  Gesundheit  nöthigte.  Im  Jahre  1661 
that  er  auf  seinem  Gute  Eottwerndorf  einen  schweren  aber 
unschädlichen  Fall,  von  dem  der  Superintendent  Buläus 
in  Dresden  als  von  einem  augenscheinlichen  Beweise 
der  göttlichen  Hilfe  auf  seine  eigne  Veranlassung,  wenn 
auch  ohne  Namensnennung,  im  Gottesdienste  berichtete. 
In  diesen  späteren  Jahren  bekannte  er  von  sich,  dass  er 
„lebenssatt,  allezeit  in  steter  Gelassenheit  stehe  und  in 
christlicher  Bereitschaft  gefunden  werde,  wenn  Gott 
Feierabend  mit  ihm  machen  werde",  und  liess  schon  einige 
Jahre  vor  seinem  Tode  seinen  Sarg  und  die  übrigen  Be- 
dürfnisse zur  Bestattung  seines  Leichnams  in  Bereitschaft 
stellen.    Nachdem  er  noch  am  10.  November  1664  Abends 


^1)  Vergl.  Hei  big,  Die  säclisiscli-scliwedischen  Verhandhtngfen 
zu  Kötzsclienbroda  und  Eilenburg-,  in  K.  v.  Webers  Archiv  für  die 


Sachs.  Geschichte  V,  267  und  280. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  203 

seiner  Gewolinheit  nach  mit  Sinaen,  Beten  und  Lesen 
seine  Andacht  yerrirhtet  liatte,  legte  er  sich  zur  Ruhe 
und  erwaclite  nicht  wieder*-).  Der  Jahrzehnte  lang- 
kränkelnde  Mann,  welcher  schon  im  Jahre  1639  sein  Ende 
nalie  glaubte,  erreichte  ein  Alter  von  80  Jahren.  Von 
der  kurfürstlichen  Familie  wurde  er  besonders  in  seinen 
letzten  Tiebensjahren  wie  ein  Freund  hoch  geehrt.  Na- 
mentlich Johann  Georg  1.  fühlte  sich  dem  Manne,  der  ihn 
durch  die  letzten  Stürme  der  furchtbaren  Kriege,  weini 
auch  öfter  sehr  wider  seinen  Willen  geleitet  hatte,  tief 
vei'itflichtet.  Als  der  ehemalige  Geheimerathsdirektor  am 
(j.  Dezeml)er  in  der  alten  Frauenkirche  zu  Dresden  be- 
stattet wurde,  folgte  seinem  Sarge  auch  Johann  Georg-  II. 
nebst  seinem  Sohne. 

Ausser  dem  Sn[)erintendenten  Buläus  widmete  ihm 
hier  noch  der  Hof-  und  Justizrath  Johann  Georg  von 
Dölau  tief  empfundene  Abschiedsworte.  Noch  einmal 
hob  er  „seinen  tiefsinnigen  Verstand,  sein  unbeflecktes 
Leben,  die  Treue  gegen  seine  Obrigkeit  und  seine  grosse 
Erfahrung  in  den  Reichsgeschäften"  hervor.  Wenn  dieser 
kurfürstliche  Rath  in  Gegenwart  seines  Landesherrn  aus- 
sprach, was  man  damals  am  Hofe  über  die  Leitung  der 
politischen  Geschäfte  durch  den  Verstorbenen  urtheilte, 
so  wird  man  annehmen  müssen,  dass  jeder  Tadel  derselben 
schon  längst  verstummt  war.  Er  bekannte :  „seine  höchst 
vernünftigen  und  von  Gott  gesegneten  Rathschläge  hahen 
soviel  gewirket,  dass  uns  oftmals  in  vorigen  Zeiten  mitten 
in  Finsternis  der  Trübsal  das  Licht  der  Freuden  auf- 
gehen __müssen".  In  seiner  bewundernden,  aber  verzeih- 
lichen Überschätzung  des  Verblichenen  beklagte  der  Redner, 
dass  ,.ihnen  ein  grosser,  herrlicher  Mann  entfallen  und 
eine  theure  Seele  entrückt"  worden  sei.  — 

Und  doch  hatte  man  einst  den  eifrigen  Vertreter  der 
kaiserlichen  Autorität,  ebenso  wie  Metzsch  und  Oppel, 
bei  seinen  Lebzeiten  unter  die  österreichischen  Pensionäre 
gerechnet.  Es  ist  sogar  möglich,  dass  Sebottendorf 
dieser  Vorwurf  zu  Ohren  gekommen  ist,  obgleich  er  in 
seinen  Denkschriften,  so  weit  wir  sie  kennen,  keine  da- 
rauf bezügliche  Bemerkung  gemacht  hat.  Doch  könnte 
der  Umstand,  dass  in  seiner  Bestallung  zum  Geheimen 
Rathe  jede  Bezeichnung    des   Gehalts    oder   einer  Ent- 


■^-)  Tm   Titel   der  Leichenpredigt  des  Buläus  wird  der  11.  Xo- 
veniber  als  Todestai?  auicee'ebeu. 


204  -T.  0.  Opel: 

Schädigung  gerade  auf  seine  eigene  Veranlassung  unter- 
blieb, allerdings  so  gedeutet  werden,  als  habe  er  damit 
dem  Vorwurfe  der  Habsucht  entgegen  treten  wollen.  Im 
übrigen  hat  sich  die  Verdächtigung,  als  habe  er  geradezu 
im  österreichischen  Solde  gestanden,  bis  jetzt  nicht  erweisen 
lassen  und  findet  auch  in  dem  Eindrucke  seiner  weiter 
lüiten  abgedruckten  Denkschrift  keine  Unterstützung. 
Wie  es  lieisst.  soll  Ferdinand  II.  im  Jahre  16ö5  nicht 
nur  Sebottendorf  persönlich,  sondern  auch  seinen  Stamm 
in  den  Freiherrnstand  erhoben  haben ;  allein  der  sächsische 
Geheime  Rath  machte  angeblich  von  dieser  Standeser- 
höliung  keinen  Gebrauch.  — 

Die  von  uns  zum  Abdruck. .gebrachte  Denkschrift 
Sebottendorfs,  welche  nicht  für  die  Öffentlichkeit  bestimmt 
war,  erhellt  das  Dunkel,  welches  über  den  inneren  Ver- 
hältnissen des  sächsischen  Hofes  in  dieser  Zeit  ruht,  in 
sehr  erwünschter  Weise.  Und  gerade  die  Persönlichkeit 
des  Kurfürsten  selbst  erscheint  nach  diesem  unverdäch- 
tigen Zeugnisse  in  einem  neuen  Lichte.  Während  man 
bisher  ziemlich  allgemein  annahm,  dass  die  Selbständig- 
keit des  Geistes  und  Charakters,  welche  dieser  Kurfürst 
zu  entwickeln  vermochte,  eine  sehr  geringe  gewesen  sei, 
erkennen  wir  jetzt  in  ihm  eine  Beharrlichkeit  des  Sinnes, 
welche  man  fast  als  Hartnäckigkeit  bezeichnen  könnte. 
Während  man  von  Johann  Georg  damals  glaubte,  dass  er 
der  willenlose  Diener  seiner  Diener  sei,  befand  er  sich 
in  einem  jalu'elangen  Kampfe  mit  ihnen,  in  welchem  er 
sogar  Siege  zu  verzeichnen  hatte.  Nur  mit  grossem 
Widerstreben  folgte  er  nach  dem  Friedensschlüsse  den 
Mahnungen  seiner  kaiserlich  gesinnten  Räthe  und  ging 
in  sehr  wichtigen  Fragen  noch  immer  seine  eignen  Wege. 
So  konnte  er  sich  nicht  überwinden  trotz  der  wiederholten 
Erinnerungen  der  Räthe  seine  Truppen  dem  Kaiser  ver- 
eidigen zu  lassen  ^^)  und  war  noch  weniger  dahin  zu 
bringen,  sie  im  März  1639  unter  den  Oberbefehl  Picco- 
lomini's  zu  stellen,  sondern  betrachtete  dieses  Ansinnen 
geradezu  als  einen  Versuch,  ihn  des  Oberbefehls  in  seinen 
eignen  Landen  zu  entsetzen.  Damals  äusserte  er  sich  da- 
hin, „ehe  er  sich  das  Kommando  in  seinen  Landen  neh- 
men lasse,  wollte  er  lieber  das  ganze  Werk  umwerfen"  ^^). 

Eine  ganz  ähnliche  Meinungsverschiedenheit  zwischen 


^3)  Sehottendorfs  Denkschrift,  unten  S.  332—334. 

")  Vergl.  Brock  ha  US,  Der  Xurfürstentag  zu  Nürnherg  S.  48. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  205 

dem  Kurfürsten  und  seinen  Eätlien  war  schon  im  Jahre 
1638  zu  Tage  getreten  ^•^).  Johann  Georg  erachtete  sich 
nicht  für  verbunden,  den  Gesuchen  des  Kaisers  zu  will- 
fahren und  seine  Regimenter  zur  Befreiung  der  Küste 
nach  Pommern  zu  entsenden.  Er  herief  sich  darauf,  dass 
sem  nach  dem  Prager  Frieden  mit  Ferdinand  IL  abge- 
sclilossenes  Bündnis  mit  dessen  Tode  hinfälüg  geworden 
sei,  und  dass  der  Kaiser  auch  seine  Verpflichtungen  gegen 
ihn  niclit  erfüllt  habe.  Trotz  öfterer  Mahnungen  zur 
Zahlung  der  Kosten  für  die  von  ihm  unterhaltenen  Re- 
gimenter hatte  der  Kurfürst  nicht  das  Geringste  erhalten 
können.  Ferner  hatte  der  Graf  Gallas  auch  die  Entrichtung 
der  Johann  Georg  von  Ferdinand  11.  und  seinem  Nach- 
folger überwiesenen  Römerzugsgelder  des  niedersächsi- 
schen Kreises  durch  seine  Einquartierung  unmöglicli 
gemacht.  Endlich  theilte  Johann  Georg  die  allgemeinen 
Besorgnisse  für  seine  und  seiner  Stammesvettern  Lande, 
wenn  die  im  Norden  siegreichen  katholischen  Heere  ihren 
Rückmarsch  antreten  würden,  und  fürchtete  besonders 
auch  für  Erfurt.  Er  hegte  die  Besorgnis,  dass  die  Kaiser- 
lichen sich  unterstehen  möchten,  „an  der  erfurtischen 
Bemächtigung,  und  was  derselben  anhängig,  Theil  zu 
haben".  Im  Bewusstsein  ihrer  patriotischen  Pflicht,  aber 
nicht  gerade  selu'  zuversichtlich,  da  ilu-e  Rathschläge  dem 
Kurfürsten  mehr  als  eimnal  sehr  missfällig  gewesen  waren, 
traten  die  Räthe  auch  dies  Mal  den  Bedenken  ihres 
Herrn  entgegen;  sie  erinnerten  ihn  daran,  dass  die  Be- 
dingungen des  Prager  Friedens  eine  solche  Hilfsleistung 
unweigerlich  forderten,  und  machten  ihn  ausserdem  darauf 
aufmerksam,  dass  er  sich  dem  Kaiser  noch  durch  ein 
besonderes  Schreiben  an  Eidesstatt  verpflichtet  habe. 
Diese  Verbindung  hatte  aber  ihrer  Auffassung  zufolge 
nicht  Johann  Georg  mit  Ferdinand  IL,  sondern  der  Kur- 
fürst von  Sachsen  mit  dem  Kaiser  und  dem  Reiche  ge- 
schlossen, welches  letztere  „Gott  lob,  noch  vorhanden  war". 
Überdies  hatte  der  Kurfürst  ja  selbst  Ferdinand  ILL.  um 
Hilfe  wider  die  Schweden  ersucht  und  sie  auch  erhalten. 
Und  dann  galt  doch  diese  vom  Kaiser  geforderte  Unter- 
stützung der  Erhaltung  des  Erzstifts  Magdeburg  und 
Pommerns ;  für  das  letztere  aber  einzutreten  war  der  Km- 
fürst  schon   durch  die  Erbvereinigung  mit  Brandenburg 


^■•)  H.-St.-A.  Dresden  Loc.  10055,237.  Derer  Herreu  Geheimen 
Räthe  Bedenken  A»-  1637—1640. 


206  J-  O.  Opel: 

und  als  Kreisoberster  verpflichtet.  „Die  hohe  an  Eides- 
statt bei  kurfürstlichen  Ehren,  Würden,  Treu  und  Redlich- 
keit gethane  Versprechnis,  mit  gesamter  Macht  unweiger- 
licli  gegen  dem  Eeinde  zu  gehen,  ist  vorhanden.  Und 
wenn  es  gleich  nicht  wäre,  so  seind  E.  K.  D.  ein  fürneh- 
mer,  weltlicher  Kurlürst  des  ßeiclis  und  daher  nach  An- 
weisung derßeichsgesetze  wider  alleßeichsfeinde  zu  gehen, 
nicht  aber  mit  dem  Volke  stille  zu  sitzen,  verpfliclitet. 
Sie  sind  in  specie  Kreisoberster,  also  nach  Erheischung 
der  Kreisverfassung  die  Feinde  aus  dem  Kreise  . . .  bringen 
zu  lielfen,  tlieuer  verbunden".  Daran  aber,  dass  der 
Kaiser  sein  Wort  im  betreff  der  Bezahlung  des  Kriegs- 
volks nicht  gehalten  hat,  trägt  nicht  sein  Wille,  sondern 
die  traurigen  Verhältnisse,  welche  es  ihm  unmöglicli 
machten,  die  Schuld.  Auch  die  ßömerraonate  aus  dem 
ober-  und  niedersächsischen  Kreise  würden  dem  Kurfürsten 
wohl  zu  gute  gekommen  sein,  wenn  er  die  ihm  kraft  des 
Friedensschlusses  zugefallene  Aufgabe  der  Befreiung  der 
Kreise  hätte  erfüllen  können  und  nicht  vielmehr  zwei 
Jahre  nach  einander  die  Kaiserlichen  hätte  zur  Unter- 
stützung heranziehen  müssen.  Ueber  den  Entschluss  des 
Kurfürsten,  die  sächsischen  Truppen  zur  Vertheidigung 
der  eigenen  Lande  und  erforderlichen  Falles  sogar  gegen 
die  Kaiserlichen  selbst  zu  verwenden,  drücken  die  Käthe 
sich  mit  einer  gewissen  Vorsicht  aus.  „Dass  E.  K.  D.  ihr 
Volk  dieser  Ursach  wegen  zurückhalten  wollen,  dieweil 
sie  muthmassen,  es  seie  unter  den  Katholischen  eine  neue 
Machination  und  Betrug  wider  die  Evangelischen,  sonder- 
lich wider  E.  K.  D.  im  Werke,  so  sich  in  kurzem  ent- 
decken, und  also  nicht  thunlich  oder  im  Gewissen  ver- 
antwortlich sein  würde,  das  Volk  von  sich  zu  lassen, 
ruhet  in  E.  K.  D.  Wolgefallen".  Die  Räthe  haben  von 
einem  solchen  Betrüge  noch  nichts  gemerkt,  sondern  nur 
die  Wahrnehmung  gemacht,  dass  der  Kaiser  die  eignen 
Lande,  z.  B.  im  Elsass  oder  andere  Gebiete  katholischer 
Fürsten  preis  gegeben  hat,  um  nur  den  Kurfürsten  nicht 
hilflos  zu  lassen  ^*^). 

So  ganz  und  gar  unselbständig  zeigte  sich  also  dieser 
viel  geschmähte  Kurfürst  von  Sachsen  damals  doch  nicht*^). 


*")  Denkschrift  der  namentlich  unterzeichneten  fünf  Greheimen 
]läthe  vom  2n.  Juni  1638.  H.-St.-A.  Dresden  Loc.  10055,  Derer 
(leheimen  Käthe  Bedenken  A«-  1637—1640. 

'^)  Das  Urtheil,  welches  Brock  haus  in  seinem  sehr  inhalt- 
reickeu  Buche  (Der  Kurfüi'stentag  zu  Nürnberg  S.  75,  76)  über  die  pro- 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  207 

Ja  es  gab  eine  Frage,  in  welcher  er  so  empfindlich  w  ai . 
dass  er  sich  den  Vorschlägen  seiner  Käthe  niemals  fügte, 
sondern  fest  und  beharrlich  seinen  eignen  Gefühlen  und 
Grundsätzen  folgte.  So,  nachgiebig  er  sich  im  Prager 
Frieden  auch  gegen  die  Österreicher  im  betreff'  der  Krieg- 
führung gezeigt  liatte,  so  kräftig  trat  er  seinen  Jiäthen 
entgegen,  wenn  diese  ihm  die  volle  Verschmelzung  seiner 
Armee  mit  den  Truppen  des  Kaisers  empfahlen  und  ihm 
sogar  riethen,  von  der  Aufstellung  eines  grösseren  beson- 
deren Heeres  ganz  und  gar  Abstand  zu  nehmc^n.  Das 
thaten  die  vier  oft  genannten  Rätlio  z.  JB.  in  einem  Gut- 
achten vom  10.  Januar  Ki.'JB^^),  in  welchem  die  Stelle 
vorkommt :  „Unnötig  erachten  wir  so  vieler  Regimenter 
Bestallung,  denn  da  ist  durch  göttliche  Hilfe  der  Feind 
aus  E.  K.  i).  Landen  allenthalben  abgetrieben,  und  wann 
E.  K.  D.  noch  ferner  Kriegsvolk  unterhalten  und  jener 
Orte  abschicken  wollte,  beschiehet  einig  und  allein  Kur- 
brandenburg zum  Besten".  Obgleich  der  Kurfürst  selbst 
dem  Kaiser  bereits  mitgetheilt  hatte,  dass  er  ein  eignes 
Kriegsheer  werben  und  anführen  wolle,  erklären  die  Räthe 
ihm  dennoch,  dass  er  an  den  kaiserlichen  Truppen  einen  ge- 
nügenden Beistand  habe,  imd  dass  er  daher  ausser  zu  den 
Besatzimgen  seines  Landes,  und  „dals  er  als  ein  kai- 
serlicher General  etwas  unterhielte,  vieles 
Kriegsvolks  itziger  Zeit  nicht  bedürftig  sei". 
Auch  die  von  den  Gegnern  der  Kaiserlichen  geäusserte 
Verdächtigung,  dass  die  Österreicher  nach  der  Vertrei- 
bung der  Schweden  aus  dem  Reiche  sich  auf  Kürsachsen 
stürzen  würden,  stellen  sie  als  grundlos  hin  und  ver- 
weisen Johann  Georg  auf  die.Kurfürsten  Moritz  und  Au- 
gust, die  es  doch  beide  mit  Österreich  gehalten  hatten. 
Sie  geben  ihm  endlich  zu  bedenken,  dass  er  bei  solchen 
Anschauungen  über  die  Pläne  der  Kaiserlichen  genöthigt 
sein  würde,  ein  den  kaiserlichen  Truppen  überlegenes 
Heer  zu  unterhalten,  wozu  doch  die  Mittel  des  Kur- 
staates ganz  unzureichend  waren.  Diese  für  den  Kur- 
fürsten sehr  delikate  Frage  berührten  die  Ilätlie  auch  in 
dem  bereits  oben  angeführten  Gutachten  vom  25.  Juni 
1638.    Man  stellte  ihm  hier  vor,  dass  er  die  Mittel  nicht 


testantischen  Kurfürsten  und  ihre  iiersönliche  Betheilig-ung  au  den 
Kegierungsgeschaften  ausspriclit,  dürilr  dahi'r  im  bctreif  der  Thätig- 
keit  .Johann  üeorgs  1.  in  dieser  Zeit  doch  wohl  zu  weit  gehen. 

•'ä)  Jj.-St.-A.   Dresden   Loc   10055.    Derer  Herren   üeheimen 
Käthe  Bedenken  A«-  lf)37— 1640. 


208  J-  0.  Opel: 

iiiideu  werde,  auch  nur  fünf  Regimenter  z.  R.  und  vier 
z.  F.  zum  Schutze  seines  Landes  während  des  Krieges 
des  Kaisers  gegen  die  Schweden  und  Franzosen  zu  be- 
solden. „Also  bedünckt  uns  eine  wahre  Unmöglichkeit 
[zu]  sein,  so  viel  Regimenter,  Stäbe,  Befehlshaber  u.  s.  f. 
die  ganze  Zeit  über  in  E.  K.  D.  Landen  allein  zu  er- 
tragen, bis  der  Kaiser  mit  allen  seinen  Feinden  fertig 
und  alsdaim  auf  E.  K.  D.  zu  gehen  resolviert  werde." 

Man  erkennt  also  hieraus,  dass  die  Geheimen  Räthe 
auffallender  Weise  einer  gänzlichen  und  bis  zur  Beendi- 
gung des  Krieges  währenden  Vereinigung  der  kurfürst- 
lichen Truppen  mit  den  kaiserlichen  das  Wort  redeten  und 
dem  Kurfürsten  nur  die  Stellung  eines  kaiserlichen  Gre- 
nerals  walu^ten.  Wenn  sich  diese  Pläne  verwirklicht 
hätten,  würde  natürlich  von  der  Militärhoheit  des  Kur- 
fürsten nicht  viel  übrig  geblieben  sein,  ja  ihr  militärisches 
Übergewicht  hätte  die  kaiserliche  Gewalt  mit  Nothwen- 
digkeit  auch  zu  Eingriffen  in  die  Landesverwaltung,  wie 
z.  B.  zu  direkten  Verhandlungen  mit  den  Ständen  führen 
müssen. 

Johann  Georg  Hess  sich  indessen  niemals  dazu  be- 
wegen, diesen  Anschauungen  Gehör  zu  schenken,  sondern 
hielt  seine  Militärhoheit  trotz  der  äussersten  Noth  auf- 
recht. Er  war  also  weit  weniger  kaiserlich  und  öster- 
reichisch, als  seine  Räthe. 

Dass  dieser  Kampf  der  Geheimen  Räthe  mit  ihrem 
Herrn  selbst  nach  der  persönlichen  Zusammenkunft  Jo- 
hann Georgs  mit  Ferdmand  III.  zu  Leitmeritz  auch  im 
Jahre  1639  noch  zu  keiner  Entscheidung  geführt  hatte, 
ja  dass  wenigstens  Sebottendorf  überhaupt  daran  ver- 
zweifelte, den  Kurfürsten  ganz  und  gar  für  seine  An- 
schauung von  der  Würde  und  Hoheit  der  kaiserlichen 
Majestät  zu  gewinnen,  davon  legt  auch  seine  Denkschrift 
vom  18.  Dezember  1639  Zeugnis  ab.  Sie  beweist  klar  und 
deutlich,  dass  Johann  Georg  den  Mahnungen  seines  Ka- 
bmets nur  sehr  widerwillig  sein  Ohr  lieh,  und  dass  er 
sogar  noch  immer  die  Möglichkeit  erwog  hi  die  gerade 
entgegengesetzten  Bahnen  einzulenken.  Denn  wozu  hätte 
Sebottendorf  sonst  dem  Kurfürsten  so  ausführlich  und 
nachdrücklich  die  Folgen  geschildert,  welche  der  Sieg 
der  Reichsfeinde  für  das  ganze  Reich  und  auch  für  Kur- 
sachsen seiner  Anschauung  nach  haben  musste?  Und 
noch  nach  Jahren  gab  es  in  der  Umgebung  des  Kur- 
fürsten eine  einflussreiche  Partei,  welche  den  Geheimen 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  209 

Käthen  entgegenarbeitete  und  siclierlicli  aus  den  edelsten 
Absichten  emen  Umschwung  der  Dinge  herbeizufülu-en 
suchte. 

Zu  dieser  Partei  gehörten  auch  noch  immer  die  Kur- 
fürstin und  ihre  »Söhne,  besonders  der  Administrator  Au- 
gust^'*). Noch  im  Jahre  1643  nannt(i  dieser  Sebotten- 
(loi't  einen  verderblichen  Eathgeber,  „der  wie  Wolf  Mans- 
feld,  Christian  Osteihausen  und  Dr.  Wolf  heimliclier 
Katholik  gewiesen".  Ja,  Herzog  August  machte  sogar 
den  Verfasser  unserer  Denkschrift  für  die  unglückse- 
lige Lage,  in  welche  der  Kurfürst  durch  den  Verlauf 
der  Kiiegsereignisse  versetzt  w  urden  w  ar,  verantwortlich, 
zog  sich  aber  dafür  eine  ernste  Rüge  seines  Vaters  zul 
Dieser  trat  der  auf  den  heimlichen  Katliolizismus  seines 
Kaths  bezüglichen  Anscluildigung  mit  den  Worten  ent- 
gegen ^^^):  „Solches  habe  ich  gleich  sehr  niclit  spüren 
können;  gesetzet  dals  er  es  wäre,  so  doch  dahin  stehet, 
schmerzet  mich  nicht  w^enig,  dals  man  judiciren  wollte, 
als  wäre  ich  so  em  Herr,  der  sich  von  einem  oder  dem 
andern  seiner  Räte  verfüluen  Heise,  sich  stracks  an  einen 
hängte,  demselben  sich  allein  vertraute".  Und  nachdem 
er  seinem  guten  Glewissen  über  alles,  was  bei  seiner  Re- 
giermig  vorgegangen,  noch  einmal  Luft  gemacht  hat, 
schliesst  er  die  merkwürdige  Sti-afepistel  mit  den  charak- 
teristischen Worten:  „Dals  icli  nun  den  Namen  sollte 
haben,  ich  liels  mich  Leute  verführen,  die  des  ganzen 
Hauses  Sachsen  Untergang  verursachten,  der  mir 
das  saget,  der  greift  mich  niclit  im  Herzen,  soiidein  an 
meiner  Seele  an.  E,  L.  wollen  hinfüro  solche  Einbildung, 
als  wenn  ich  so  ein  junger  Lappe,  der  keine  Erfahrung 
oder  Experienz  hätte,  von  sich  lassen,  mein  treuer  Au- 
gustus  l)leiben.  Icli  bleibe  Euei-  treuer  Vater".  Auch 
seinem  Sohne  gegenüber  verwahrte  sich  also  Johann  Georg 
sehr  energiscli  gegen  eine  Verdächtigung,  welche  ihm  die 
Selbständigkeit  des  Wollens  und  Entschliessens  abzu- 
sprechen wagte. 

Li  Wahrheit  liat  er  unter  nocli  ungünstigeren  Ver- 
hältnissen, als  später  der  Grosse  Kurfürst  es  durchsetzte, 
sich   und    seinem  Lande   eine    selbständige   Stellung   zu 


'"^)  Doch  verwahrte  auch  er  sich  gegen  den  Vorwuri',  schwe- 
disch gesinnt  zu  sein,  vergl.  Heibig,  Die  sächsisch-schwedischen 
Verhandlungen  zu  Kötzschenbroda  und  Eilenburg,  in  K.  v.  Wcljcrs 
Archiv  für  die  sächs.  üeschichte  V,  268  tlg. 

•'«)  X.  A   Müller,  Kurfürst  Job.  Ueorg  I.  S.  84 

Neues  Archiv   r.  S.  G.  u.  A.     Vlll.  ,3.  4.  M 


210  J-  0.  Opel: 

sicliera  versucht,  wälirend  er  seinen  Räthen  in  seinen 
Verpflichtungen  gegen  den  Kaiser  nicht  genug  thuen 
konnte.  Dass  dieser  Zwiespalt  der  politischen  Anschau- 
ungen am  kurfüi-stlichen  Hofe  auf  die  Füluung  des  Krieges 
ausserordentlich  nachtheilig  einwirkte,  entwickelt  Sebot- 
tendorfs  Denkschrift  sehr  ausfüln-lich^^).  Zum  ersten 
Male  erhalten  wir  überhaupt  in  derselben  einen  zuverläs- 
sigen und  eingehenderen  Bericht  über  die  Zustände  und 
politischen  Bestrebungen  dieses  Hofes  in  jenen  kritischen 
Zeiten,  für  deren  Beurtheilung  noch  iimner  so  ganz  ver- 
schiedene Massstäbe  verwendet  werden.  Wii^  vernehmen 
aus  diesem  Berichte,  dass  seit  dem  Jahre  1637  die  Siche- 
rung der  kaiserlichen  Autorität  und  des  ganzen  auf  sie 
gegründeten  B,eichsverbaudes  der  politische  Grundsatz 
war,  von  welchem  sich  diese  sächsischen  Politiker  leiten 
Hessen.  Und  je  deutlicher  in  den  Plänen  der  schwedisch- 
französischen Partei  der  Sturz  des  Kaisers,  dessen  Wahl 
sie  als  eine  nicht  zu  recht  bestehende  betrachteten,  als 
letztes  Ziel  hervortrat,  um  so  lauter  und  eindringlicher 
scheinen  auch  die  Mahn-  und  Warnungsrufe  der  säch- 
sischen Geheimen  Räthe  an  ilu^en  Herrn  geworden  zu  sein. 
Da  ist  es  denn  ein  eigenthümliches  Zusammentreffen, 
dass  diese  sächsische  Denkschrift  gerade  zu  einer  Zeit 
niedergeschrieben  wurde,  wo  ein  auf  der  Gegenpartei 
stehender  Politiker  seine  leidenschaftliche  Schmäh-  und 
Drohschrift  gegen  das  Haus  Habsburg  abschloss,  in  wel- 
cher er  die  Deutschen  geradezu  aufforderte,  mit  dieser 
Reichs  Verfassung  mid  diesem  Kaiser  ein  Ende  zu  machen. 
Denn  gegen  das  Ende  des  Jahres  1639  wird  auch  der 
Verfasser  der  „Dissertatio  de  ratione  Status  in  imperio 
nostro"  sem  Werk  dem  Abschluss  entgegengeführt  haben'^'-). 
Während  man  bisher  besonders  auf  j mystischer  Seite  in 


51)  Vergl.  unten  S.  326—328. 

5-)  Die  Wahrscheinlichkeit,  dass  Hippolithus  a  Lapide  seinen 
Traktat  gerade  um  diese  Zeit  abgefasst  hat,  wird  der  Verfasser  dieses 
Aufsatzes  an  einer  anderen  Stelle  darzuthun  versuchen.  Selbstver- 
ständlich spricht  auch  der  Inhalt  der  Denkschrift  Sebottendorfs  da- 
für. Stintzing  scheint  in  der  Geschichte  der  deutschen  Rechts- 
wissenschaft von  einer  ähnlichen  Annahme  auszugehen,  indem  er 
Abtheil.  II,  S.  47  sagt:  „Bin  seit  1613  zum  ersten  Male  wieder  (1640) 
einberufener  Reichstag  stellte  Versöhnung  des  Kaisers  mit  den  Reichs- 
ständen und  ihre  Vereinigung  zur  Vertreibung  der  Fremden  in  Aus- 
sicht. Unter  dem  Eindrucke  dieser  für  die  schwedische 
Partei  so  gefahrvollen  Wendung  ist  das  Werk  des  Hip- 
polithus entstanden". 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  211 

dieser  nacli  Inhalt  und  Form  gleich  ausgezeichneten  Par- 
teischrift mehr  das  Ergebnis  des  akademisch  geschulten 
politischen  Forschens  und  der  dogmatischen  Divination  ■'^) 
sah,  wird  man  sich  nun  davon  überzeugen  müssen,  dass 
sich  deutsche  Politiker  schon  vor  der  Veröffentlichung 
dieser  Sclirift  mit  ihren  Grundgedanken  als  den  gefürch- 
teten Plänen  der  französisch-schwedischen  Partei  beschäf- 
tigten und  ihre  Massnahmen  darnach  trafen.  In  diesem 
Zusammenhange  gewinnt  aber  Sebottendorfs  Denkschrift 
eine  neue  und  erhöhte  Bedeutung.  Sie  ist  gewsser- 
massen  eine  Beantwortung  des  Programms  der  Gegen- 
partei, bevor  dasselbe  noch  in  der  Dissertatio  de  ratione 
Status  den  Politikern  und  wissenschaftlich  gebildeten 
Deutschen  in  so  fesselnder  und  die  politische  Leidenschaft 
herausfordernder  Weise  empfohlen  wurde.  „ 

Durch  den  Frieden  von  Prag  hatte  Österreich  der 
alten  kaiserlichen  Militärhoheit  eine  ganz  neue  Grund- 
lage gegeben,  nämlich  die  eines  Vertrags  mit  den  ein- 
zelnen deutschen  Ständen,  kraft  dessen  dem  Kaiser  eine 
weit  höhere  Autorität,  als  er  sie  früher  besass,  zuge- 
sprochen wurde.  Dem  Kaiser  ward  das  Eecht  eingeräumt, 
ohne  Berücksichtigung  der  früheren  militärischen  Stellung 
der  Kreisobersten  den  Oberbefehl  über  das  ganze  Reichs- 
heer oder  seine  einzelnen  Bestandtheile  nach  freiem  Er- 
messen zu  übertragen.  Und  von  diesem  Rechte  gedachte 
Ferdinand  III.  Gebrauch  zu  machen''^).  Vier  Armeen 
sollten  im  Jahre  1638  aufgestellt  werden,  die  auch  die 
bairischen,  kursächsischen  und  kurbrandenburgischen  Trup- 

•''")  Stintzinu'  bezeichnet  die  Schrift  als  die  „theoretische 
Rechtfertigung  desjenigen  ßechtszustandes,  welchen  der  westfälische 
Friede  nnter  dem  fühlbaren  Druck  der  fremden  Mächte 
in  Deutschland  feststellte".  Ueber  die  frühere  Verbreitung 
einiger  Hauptgedanken  der  Schrift,  besonders  der  über  das  Verhält- 
nis des  Kaisers  zum  Reiche,  ist  Ritters  Aufsatz,  Hortleder  als 
Lehrer  der  Herzöge  Johann  Ernst  und  Friedrich,  in  dieser  Zeitschr. 
I,  194  flg.  zu  A^ergleichen. 

■'■^)  Vergl.  Krause,  Urkunden,  Aktenstücke  und  Briefe  IV,  1, 
34.')  und  357.  Der  Ei'zherzog  Leopold  Wilhelm  schrieb  aus  Kirch- 
heim am  3.  November  l(i40  an  den  Kaiser,  dass  kein  besser  Mittel 
gefunden  wertlen  könnte,  „zur  Stabilirung  eines  beständigen  Frie- 
dens, als  das  Stabiiinient  dieser  kaiserlichen  und  römischen  Reichs 
Waffen".  Und  am  ö.  November  1640  erklärte  er  dem  Kaiser,  zur 
Verstärkung  und  Erhaltung  des  Heeres  müsste  jeder  aufrichtige, 
getreue  deutsche  Patriot,  „das  Unterste  ergreifen",  damit  man  einmal 
zur  Ruhe  kommen  möchte  und  nicht  der  ganzen  Welt  zum  Hohn 
und  Spott  noch  länger  also  unte)-  fremdem  Dominat,  Angst  und  Be- 
schwernissen stecken  müsste.     Köuigl.  Gr.-St.-A.  in  Berlin. 

14* 


212  J.  0.  Opel: 

peiitheile  in  sich  fassten.  Aber  keinem  der  weltlichen 
Kurfürsten  war  der  Oberbefehl  auch  nur  über  eine  Armee 
zugedacht,  und  die  kurfürstlichen  Trupi)entheile  blieben 
ihrer  Stärke  nach  in  jeder  Armee  hinter  den  kaiserlichen 
zurück.  Alle  vier  Überbefehlshaber  sollten  österreichische 
Offiziere  und  alle  Katholiken  sein. 

Auf  die  französisch-schwedische  Partei  wirkte  diese 
in  Aussicht  stehende,  ja  zum  Theil  zur  Tliatsache  ge- 
wordene Veränderung  der  militärischen  Verhältnisse  des 
Reichs  in  sehr  aufregender  Weise  ein.  Denn  wenn 
(Österreich  die  grosse  Mehrheit  der  Reichsstände  unter 
seiner  militärischen  Führung  um  sich  schaarte,  wurde  es 
den  Fremden  sehr  schwer,  wenn  nicht  unmöglicli,  ihre 
Heere  auf  deutschem  Boden  aufzustellen  und  zu  erhalten. 
Daher  musste  man  vor  allem  den  Kaiser  seiner  Autorität 
ül)er  die  Stände  zu  berauben  suchen,  und  der  drohenden 
österreichisch-deutschen  Militärmonarchie  durch  die  Er- 
richtung eines  stehenden  Heeres,  welches  die  deutschen 
Staaten  im  Verein  mit  den  Franzosen  und  Schweden 
aufzustellen,  aber  wo  möglich  allein  zu  unterhalten  hatten, 
entgegentreten.  Dann  musste  man  mit  Macht  darauf 
hinarbeiten,  den  Kaiser  und  sein  Haus  zu  stürzen  und 
an  seine  Stelle  einen  andern  Vorsteher  der  deutschen 
Nation  von  hervorragenden  kriegerischen  Fähigkeiten 
zu  erwählen''^). 

Solche  und  ähnliche  Gedanken  hat  man  auch  Johann 
Georg  I.  in  das  Ohr  geraunt,  und  sie  sind  nicht  ohne 
Eindruck  auf  sein  Selbstgefühl  geblieben,  wie  uns  diese 
Denkschrift  Sebottendorfs  bezeugt.  Was  aber  würde 
wohl  geschehen  sein,  wenn  ein  Kurfürst,  wie  Johann 
Georg  einer  war,  den  Prager  Frieden  für  nicht  mehr 
verbindlich  erklärt  und  sich  den  Schweden  und  Franzosen 
von  neuem  angeschlossen  hätte?  Würde  menschlichem 
Ermessen  nach  der  Protestantismus  in  eüiem  solchen 
Kampfe  gefördert  worden  sein?  Oder  lässt  sich  anneh- 
men, dass  das  Reich  mit  geringerer  Gebietseinbusse  aus 
einem  Kiiege  hervorgegangen  sein  würde,  in  dem  Oster- 
reich vollständig  vernichtet  worden  wäre? 


''^)  Administratlo  vero,  sed  limitata  et  restricta,  seu  adiniuistra- 
tionis"  potius  directorinm  uiii  alicui,  luiperatoris  nomine,  committa- 
tur  .  .  .  luque  ea  electione  non  tam  faniiliae  ant  divitiarum  et  po- 
tentiae,  quam  virtutum  ac  prudentiae  tam  civilis  quam  militaris  ratio 
habetor.  Hippolitlius  a  Lapide,  De  ratione  Status  cap.  III, 
sect.  1,  S.  24  (J.  1640). 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  213 

Wer  sich  diesen  und  älmliclien  Erwägungen  hingibt, 
wird  zugleich  einen  Massstab  für  die  eigenthümliche 
Bedeutung  dieser  politischen  Rathgeber  gerade  in  jenen 
kritischen  Jahren  gewinnen,  denen  sich  Johann  Georg 
trotz  alles  Sträubens  fügte. 

Aber  die  politische  Richtung,  welche  nach  dem  Prager 
Frieden  in  Kursachsen  zur  Herrschaft  gelangte,  gewann 
auch  einen  sehr  starken  Einfluss  ganz  anderer  Art  auf 
die  spätere  Stellung  Kursachsens  im  Reiche.  Johann 
Georgs  I.  von  1611—1656,  also  über  fünfundfünfzig  Jahre 
währende  Regierung  ist  schon  an  und  für  sich  eine  für 
die  politische  Bedeutung  Kursachnens  in  Deutschland 
sehr  erhebliche  Thatsache.  Und  dass  diesem  Kurfürsten 
gerade  Hauptvertreter  jener  politischen  Richtung  bis  zu 
seinem  Tode  unablässig  zur  Seite  blieben,  verstärkte  das 
eigenthümliche  Gepräge  seiner  Regierung  noch  mehr. 
Kursachsen  verzichtete  allmählich  darauf,  sein  besonderes 
Ge\Aacht  Österreich  gegenüber  geltend  zu  machen,  und 
zwar  gerade  zu  einer  Zeit,  wo  der  andere  Kurfürst  des 
obersächsischen  Kreises,  Friedrich  Wilhelm  von  Branden- 
burg, mit  grösster  Thatkraft  und  einer  Freiheit  des 
Handelns,  welche  bald  durch  ihre  Vorsicht  und  Klugheit, 
bald  durch  ihre  Kühnheit  der  Welt  Staunen  und  Bewun- 
derung abnöthigte,  den  Grund  zu  einem  neuen  Staats- 
wesen legte. 

Das  Ministerium,  dessen  einzelne  Hauptmitglieder 
wir  oben  aufgeführt  haben,  ist  der  Träger  dieser  kur- 
sächsischen Politik  gewesen,  welche  Sebottendorf  vermöge 
seines  hohen  Alters  auch  auf  Johann  Georgs  IL  Regierung 
als  die  allem  für  Sachsen  zweckmässige  und  patriotische 
übertrug. 


Des  Chili- -  Fürstlich -Sächfsischen  Geheimhten  ßaths 
Herrn  Abraham  von   Sebottendorf s 

(Jutachten  und  aufsfülirlicher  Beweis,  dal's  Chur  -  Fürstliche  Durch- 
laucht zu  iSachl-ien,  vermöge  der  Güldnen  Bull,  aucli  ihrer  Eyd  und 
l'tlicht  bey  Keyserlichcr  Majestät  und  den  Ständen  des  heyligen 
Kölnischen  lieiclis  unlieweglich  zu  halten  verlnindcn  und  nicht  zu 
den  Feinden  des  Kelchs  treten  oder  sich  mit  ihnen  conjungiren  solle  ''*'}. 


■"'*')  Der  Aljdruck  folgt  einer  Abschrift  der  Königl.  Bildiothek 
zu  Dresden  (K.  111),  welche  aus  24  Folioblättern  besteht  und  aus 
dem  17.  Jahrlumdert  stammt  (vergl.  Schnorr  von  Carolsfeld,  Katalog 
der  Handschriften  der  Königl.  öftentl.  Bibliothek  zu  Dresden  11.  223). 


214  J-  0.  Opel: 

Durchlauchtigster,  Hochgebohrner  Chur- Fürst, 

Ew.  Chur- Fürstlichen  Durchlaucht  sind  meine  miterthenigste  Dienste 
bestes  Vermögens  jederzeit  zuvor, 

Gruädigster  Herr. 
Ich  verspühre,  dafs  der  liebe  Gott,  in  defsen  Händen  aller 
Menschen  Wandel.  Zeit  und  Leben  beruhet,  mit  mir  in  kurtzen  eine 
Aendenmg  fürhabe,  und  meines  Bleibens  allhier  vielleicht  in  die 
Länge  nicht  seyn  möchte.  Wenn  ich  mich  denn  defsen  erinnere, 
was  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  neulicher  Zeit  den  10.  Octobris 
nach  des  Königlich  Dänemarckischen  Gesandten  Abreise'''')  den 
Geheimen  Räthen  in  der  Geheimliden  ßaths-Stuben  beweglich  für- 
gehalten, die  gegenwärtige  Gefahr  zu  Gemüthe  gezogen  und  sie 
ihrer  treuen  Pflicht  eifrigst  angemahnet,  so  bedüncket  mich  meiner 
unterthänigsten  Gebühr  zu  seyn,  vorher  liey  Ew.  Chur-Fürstlicheu 
Durchlaucht  zu  wiedej'holen,  was  für  einen  Zweck  nebst  der  Ehre 
Gottes  und  seines  heyligen  Wortts,  dafs  iins  in  unsers  elenden  Lebens 
Pilgramschaift  nicht  nur  zur  Seeligkeit  unterweisen,  sondern  auch 
seelig  machen  kan,  ich  in  meinen  ijifsherigen  treugenieinten  Rath- 
schlägen  geftihret,  und  was  für  starke  unhintertreibliche  oppositiones 
entzwischen   getreten,    die    alle   meine   uuterthänigste  Bemühungen 


Dieselbe  ist  wahrscheinlich  nach  der  Urschrift,  d.  h.  nach  der  eige- 
nen Handschrift  Sebotteudorfs,  angefertigt  woi-den.  Wir  schliessen 
dies  letztere  besonders  aus  den  ziemlich  zahlreichen  Lesefehlern, 
zu  welchen  die  nicht  ganz  mühelos  zu  entziffernde  Handschrift 
Sebotteudorfs  einem  älterer  Schriftzüge  unkundigen  Schreiber  Ver- 
anlassungen genug  geboten  haben  mag.  Viele  von  diesen  Ver- 
sehen, ja  wohl  die  meisten  Hessen  sich  berichtigen;  auch  einige 
Lücken  hat  der  Herausgeber  auszufüllen  versucht.  Andere,  wenn 
auch  nur  wenige  Stellen  boten  jedoch  allen  Verbesserungsver- 
suchen Trotz.  Auch  die  Rechtschreibung  ist  etwas  einheitlicher 
gestaltet  worden.  Das  Original,  d.  h.  die  von  Sebottendorf  mit 
eigner  Hand  augefertigte  Denkschrift  oder  den  Entwurf  dersel- 
ben, habe  ich  weder  im  Hauptstaatsarchive  zu  Dresden  noch  in 
der  archivalischen  Sammlung  des  Herrn  Freiherrn  von  Friesen 
zu  Rötha  aufgefunden;  vielleicht  ist  es  von  dem  Abschreiber  gar 
nicht  zurückgegeben  worden.  Die  Al»schrift  der  Königl.  Bibliothek 
zu  Dresden  dürfte  die  einzige  sein,  wenigstens  habe  ich  keine  Spur 
von  dem  Dasein  einer  anderen  entdeckt.  Für  die  Benutzung  der 
Handschrift  bin  ich  Hrn.  Oberbibliothekar  (jeh.  Hofrath  Dr.  Förstemann 
in  Dresden,  für  die  Nachforschungen  im  Archiv  zu  Rötha  Herrn 
Freiherrn  von  Friesen  daselbst  und  für  die  aus  andern  Denkschriften 
mitgetheilten  Stellen  dem  Hauptstaatsarcbiv  zu  Dresden  und  insonder- 
heit auch  dem  Herrn  Herausgeber  dieser  Zeitschrift  zu  verbindlich- 
stem Danke  verpflichtet. 

•''■')  Dieser  Gesandte  war  Bernd  v.  Hagen  gen.  Geist.  Sein 
Recreditiv  ist  vom  Kurfürsten  am  10.  Oktober  1639  ausgefertigt.  Er 
sollte  etwaige  Besorgnisse  Johann  Georgs  über  die  Einmischung 
Christians  IV.  in  die  Angelegenheiten  des  niedersächsischen  Kreises 
ziiräckdrängen  und  hervorheben,  dass  die  Bestrebungen  des  Königs 
nur  der  Schonung  des  Kreises  und  der  Beförderung  des  Friedens 
dienen  sollten.  Vergl.  Fridericia,  Danmarks  j'dre  politiske  Histo- 
rie i  Tiden  fra  Freden  i  Prag  til  Freden  i  Brömsebro,  S.  131,  132. 
(Gütige  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Fridericia  in  Kopenhagen). 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  215 

evacuiret  und  den  von  mir  gewüntschton  Effect  grofsen  Theils  ge- 
hindert und  abgenüthiget.  Aus  welcher  Erzehlung  Ew.  Chur-Fürst- 
liche  Durchlanclit  im  Wercke  gnädigst  sich  werden  zu  versichern 
haben,  wie  solcher  unterthenigst  ertheilter  Consilien  wegen  mich 
mein  Gewifsen  gar  nicht  kräncket  oder  l)eschuldiget,  dals  ich  keine 
Scheu  trage,  solche  auff  erforderten  Fall  neltst  Ew.  Chur-Fürstlichen 
Durchlaucht  für  dem  Römischen  Keyser,  für  denen  getreuen  Chur- 
Fürsten  und  Ständen  des  Kömisi-hen  Reiclis  standthafft  zu  verandt- 
wortten,  auch  dals  das  verliaudene  grufse  Unglück  vou_  denselben !») 
keines  Weges  herrühre,  darzuthun.  Gestalt  ich  denn  hierüber  nicht 
allein  mit  unerschrockenem  Hertzen  mein  letztes  Stündlein  auff 
dieser  Welt  nach  dem  gnädigen  AVillen  (iottes  fröhlich  zu  beschliefsen 
verhoffe,  sondern  auch  dermalil  einst  an  jenem  grofsen  (lerichts-Tage 
für  dem  Richter  alles  Fleisches  in  Beyseyn  der  himmlischen  Heer- 
schaaren  und  aller  ]\[enschen,  die  von  Anfang  bifs  ans  Ende  der  AVeit 
gelebet  haben,  mit  grofser  Freudigkeit  und  unverzagtem  Gewifsen 
diesertweoeu  zu  erscheinen  getraue  und  als  ein  treuer  Knecht  in 
meines  Herrn  erworbene  Freude   einzugehen  ungezweiffelt  lebe. 

Anfangs  bitte  ich  unterthänigst,  Ew.  Chur- Fürstliche  Durch- 
laucht wolte  sich  desjenigen  gnädigst  erinnern,  was  Deroselben  ich, 
als  Sie  meiner  wesentlichen  Auffwartung  liey  der  geheimen  Rath- 
Stuben  allhier  gnädigst  Itegehret,  zu  meiner  wohlgegründeten  Ent- 
schuldigung gehorsamlist  zu  Gemüthe  geführet,  und  dafs  alle  mein 
unterthänigstes,  treuhertziges  Einrathen  bey  dergleichen  Sinn  derer- 
jenigen  sonderlich,  die  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  zu  über- 
nommener Beschützung  des  Ober-  und  Nieder-Sächfsischen  Creyfses 
und  AVegbringung  der  Feinde  von  dem  Reichs-Boden  zu  ge1)rauchen 
vermeinet  gehabt,  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  eiuigen  Nutz 
nicht  schaffen,  mir  aber  zu  sondern  Schimpff,  ja  Betrübnifs  und 
künnnerlicher  Beängstigung  über  Aem^)  daraufs  besorgten  Unglück 
des  Vaterlandes  gereichen  und  aussclilai^enf)  würde,  aufsführlich 
erinnert  und  das  ungefährliche  Gleichnifs  von  einem  AVagen  ge- 
brauchet ö'^),  da  vier  in  sechfs  Pferde  zwar  richtig  gespannet  und 
den  ordentlichen  AVeg  zu  Fortbringung  des  AVagens  innen  zu  halten 
bemühet  wären,  aljer  hinten  an  \\pn  Wagen  in  zehen,  zwantzig, 
dreyfsig  iind  mehr  Pferde  sich  legeten,  denselben  mit  Gewalt  und 
allerhand  A^ortheil  zurücke  und  auff  einen  andern  Weg  zu  ziehen 
sich  bearl)eiteten,  da  dann  entweder  die  fördern  Pferde  in  Beharrung 
ihrer  Strafsen  in  Stücke  zersprenget  oder  sonsten  untüchtig  gemacht, 
oder  der  AVagen  gänzlich  zerril'sen  werden  müfse.  Denn  da  habe 
ich  mir  alsobald  für  Augen  gestellet,  durch  Antrtttung  solclier  Be- 
stallung würde  ich  nicht  einem  schlechten  Fürsten  oder  Stande  des 
Reichs,  sondern  einem  Chur-  und  AVahl- Fürsten,  dafs  ist  einem 
solchen  Reichs-Fürsten,  dienen,  der  neben  andern  seclifsen  Macht 
habe,  einen  Römischen  Keyser  zum  Ober-Haupt  der  Christenheit  zu 
erwehlen,  welchen  Kaiser 'nicht  imr  alle  andere  Fürsten,  (iraffen, 
Herren,  Stände  und  Städte  des  Reichs,  ob  sie  gleich  bey  der  Wabl 
nicbts  gethan,  auch  nicht  einmnl'»)  (lal)ey  sein  dürften,  für  einen 
Keyser,  Herrn  unil   Oberhaupt  zu   erkennen  schuldig,  sondern   den 


a)  demselben.     '')  den.     <•)  auff'schlagen.     d)  einer. 

^'^)  Eine  Denkschrift,  in  welcher  dieses  Gleichnis  vorkommt,  ist 
mirf  nicht  bekannt ;  doch  könnte  sich  Seb.  auch  auf  einen  mündlichen 
Vortrag  beziehen. 


216  J-  0.  Opel: 

auch  alle  Potentaten  in  der  Christenheit  darfür  ehren,  ja  auch  aufser- 
halh  der  Christenheit  die  heydnischeu  Monarchen,  Türken,  Persianer, 
Tartern  veneriren  nud  grofsachten ;  je  höher  denn  die  Ehre  und 
Würde  der  Reichs  Cliur-Fürsten  von  etlich  hundert  Jahren  her  ge- 
schätzet worden,  hey  diesen  Zeiten  aber  lauter  Hafs,  Neid  und 
Wiederwärtigkeit  nach  sich  zögen,  je  schwehrer  und  gefährlicher  hat 
mich  zu  seyn  bedüncket,  eines  Chur-Fürsten  geheimen  Rathschlägen  ») 
nicht  nur  zur  Conservation  seiner  eigenen  Hoheit,  sondern  auch  zur 
Beschutzung  defsen,  den  er  auff  vorhero  gehenden  th eueren  Eyd- 
schwur  zu  einem  Römischen  Keyser  und  weltlichen  Oberhaupt  der 
Christenheit  erwehlen  helffen,  ja  zu  fester  Handhabung  des  gautzen 
Römischen  Reichs  und  defsen  löblicher  bey  aller  i»)  Welt  berühmten 
Verfassung  nutzbarlich  beyzuwohnen. 

Denn  dafs  die  Herren  Chur-Fürsten  nicht  nur  der  Praecellenz 
Römischer  Keyserlicher  Wahl  sich  zu  erfreuen,  sondern  auch  diese 
Schuldigkeit  auff  sich  haben,  ihre  theure  beschwohrne  Wahl  gegen 
raänniglich  zu  vertreten  und  bey  dem  von  ihnen  erwehlten  Keyser 
Leib  und  Blut,  Haab  und  Guth,  Land  und  Leuthe,  alfs  welche  sie 
einig  und  allein  von  ihme  zu  Lehen  tragen,  treulich  zuzusetzen  und 
sich  weder  vom  Keyser  noch  unter  einander  selbst  zu  trennen,  son- 
dern neben  einander  ohne  einige  Forderung  standhaftt  mit  Rath  und 
That  zu  beharren  und  aufszutauern,  darzu  werden  sie  neben  ihren 
absonderlichen  Pflichten  durch  die  güldene  Bull,  fürnelnnlich  aber 
durch  die  Chur-Fürstliche  Vereinigung  fest^)  verbunden  und  durch 
ihrer  Vorfahren  löbliche  Exempel  kräfftiglich  angemahnet,  gestalt 
denn  die  Wortte  der  Chur-Fürstlichen  Vereinigung  des  clahren 
Inhalts  •'*9): 

„Wäre  es  Sache,  dafs  iemand,  wer  der  wäre,  niemands 
aufsgenommen,  einigen  unter  den  Chur-Fürsten  mit  Gewalt 
ülierziehen,  bekriegen,  beunruhigen''),  oder  da  einige  Unruhe, 
wiederwartige  Empörung  oder  Versambhing  wieder  die  Römische 
Keyserliche  Majestät  entstünde,  oder  ob  jmand,  wer  der  wäre, 
nach  dem  Heyligen  Reich  stehen  würde,  oder  ob  sich  sonsten 
unterwunden e)  werden  wolte,  dafselbe  von  Teutscher  Nation, 
durch  was  ilittel  das  Aväre,  zu  transferiren  oder  zu  verändern, 
darinnen  sollen  die  Chur-Fürsten  einander  beyräthig,  behülfflich 
und  beyständig  sein,  keiner  den  andern  verlafsen,  sondern  alfs- 
dann  einander  sämmtlich  mit  gantzen  Treuen,  Landen,  Leuthen, 
Schlöfsern  und  aller  Macht  behelffen  und  berathen  seyn,  von 
einander  nicht  setzen  noch  scheiden,  in  keinem  Wege  ohn  alle 
Gefährde  etc." 

Da  nun  zur  Zeit  der  mir  im  Martio  A.  1637  angetragener 
Bestallung  etliche  Fürsten  des  Reichs  sich  nicht  wenig  0  beschwert 
gemacht,  dafs  sie  auff  den  vor  sell)iger  Zeit  ausgeschrieljen  Chur- 
Fürstlichen   Collegial-Tag  nicht  wären   erfordert  und  ihr  Gutachten 


a)  Raths  Schlägen.  '')  alter.  <")  Es  steht:  „Verein  festigung". 
d)  beunruhete.     e)  unterwinden,      f)  weniger. 

^^)  Die  Texte  der  kurfürstlichen  Vereinigungen  zu  Gelnhausen 
(v.  J.  1502)  und  zu  Worms  (L521)  finden  sich  bei  Lünig,  Reichs- 
archiv V,  238—240  und  244.  Die  obigen  Bestimmungen  sind  aber 
in  keinem  dieser  Texte  wörtlich  enthalten,  sondern  sind  gekürzt  und 


Eine  politische  Ucuk^elirift  etc.  'J]7 

über  den  vorgehenden  conoiliis  vernommen  worden''*'),  welches  doch 
der  (TÜhlnen  Bnll  inul  dem  Herkommen  nicht  i>emäfs.  habe  ich  mir 
ni<-lit  nnzeitii;'  eingel>iklet ,  es  wollte  durch  dieses  AusiThen  nnd  an- 
dei'c  füryebrochene  Bezeigungen  dasjenige  nicht  unscheinbar  herfür 
zu  leuchten  beginnen,  was  vor  zwantzig,  vierzig,  funffzig  Jahren 
etlichen  Fürsten  des  Reichs  von  unruhigen  Leuthen  eingebildet  seyn 
mag:  sie  wären  eben  des  Geblüths,  hoher  Ankunfft,  Macht  und  Ver- 
mögens, defsen  die  weltlichen  Chur-Fürsten  sich  rühmen  könten,  sey 
demnach  wieder  die  Billigkeit,  dafs  sie  die  Fürsten  von  der  Walil 
eines  Keysers  gantz  aufsgeschlofsen  und  solche  nur  den  geist-  und 
weltlichen  Chur-Fürsten  gelafsen  würde,  da  doch  die  geistlichen  Clinr- 
Fürsten  gemeiniglich  blofs  von  adelicher  Ankunft  entsprolsen .  den 
Fürsten,  Gräften  und  Herrn  des  Reichs  gar  nicht  zu  gleichen,  weniger 
ihnen  bey  der  Wahl  des  Oberhaupts  fürzuziehen  wären  Mann  solte 
es  vielmehr  in  den  alten  Stand  richten,  dafs  wo  nicht  die  gesambten 
Stände  des  Reichs,  doch  zum  wenigsten  die  Fürsten  defselben  Recht 
imd  Fug  haben  möchten,  einen  Keyser  zu  wehlen,  und  der  Herrn 
Cliur- Fürsten  Collegium  gantz  auffheben,  oder  könte  das  Reich 
auch  wohl  ohne  einen  Keyser  bleiben,  und  ein  jeder  Fürst  oder 
Stand  seine  vertraute  Land  und  Leuthe  selbst  beherrschen  und  gni- 
berniren.  Wie  nun  die  Praeeminenz  aller  Chur-Fürsten  ingesamlit 
durch  dergleichen  Einstrenungen  nicht  Avenig  zu  periclitii'cn  ich  an 
meinem  Orth  erachtet,  also  hatt  sich  solche  besorgte  Clefahr  dahei'o 
stärcker  vermehret,  indem  zur  selben  Zeit  aufsgebrochen,  dafs  Franck- 
reich  neben  seinen  Adhaerenten  dem  erwehlten  Römischen  Keyser 
den  Titul  des  Kaysers  zu  geben  und  für  einen  Römischen  König  zu 
erkennen  verweigert,  wodurch  doch  die  Herren  Chur-Fürsten,  so 
ihn'i)  gewelilet,  bey  denen  ohne  dafs  fovirten  Reichs-Troublen  in 
äufserste  Verkleinerung  und  grofse  Difficultaet  einsincken  Avürden, 
denn  was  unter  Wegerung  des  Keyserlichen  Titul s  vei'borgen  liege, 
lafse  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  ich  gerne  hochvernünftig  er- 
mefsen.  An  meinem'')  ringen  Orth  will  sich  nicht  ohne  Ursach  fol- 
gender Schlufs  hervorzuthun  vermutheu  (!).  Die  beyde  in  Teutsch- 
land streitende  Cronen  tadeln  den  itzigen  Keyser  entweder  darumb, 
dafs  er  die  Qualitaeten  eines  Keysers  nit")  an  sich  habe,  oder  darum 
dals  die  Chur-Fürsten  nicht  Macht  gehabt,  einen  Keyser  zu  erwehlen. 
Dafs  erste,  gleichsam  der  Keyser  die  Qualitaeten  eines  Rom.  Key- 
sers nicht  habe,  kan  von  keinem  unpassionirtend)  mit  gutem  Grunde 
gesaget  Averden ,  es  sind  dieselben  männiglich  kund ,  nicht  nöthig, 
sie  in  snecie  anzuführen,  es  würden '')  durch  solch  Vorgeben  die 
Herren  Chur  -  Fürsten  eines  Falsches  und  Mein  -  Eydes  angeschul- 
diget,  als  die  bey  der  Wahl  einen  cörperlichen  Eyd  geschworen,  sie 
wolten  bey  denen  Treuc^n,  damit  sie  Gott  und  dem  Heyligen  Reich 
verbunden  wären,  nach  aller  ihrer  verständigen  Erkäntiiifs  und  Ver- 
nunftt  mit  Gottes  Hülft'e  ei'wehlen  ein  Aveltlich  Haupt  dem  Christ- 
lichen Volck,  das  ist  einen  Römischen  Keyser,  der  darzu  tu  glich 
sey"!).    Dem  aber  wären  sie  nicht  nachkommen,  sondern  hätten  einen 


a)  ihme.     '')  einen.     '^)  mit.     '')  impassionirten.     f)  würde. 

"")  Scbottendorf  hat  hierbei  offenbar  nicht  allein  an  das  öfter 
gedruckte  Protestschreil)en  des  Pfalzgrafen  Karl  Ludwig  vom  17.  Ja- 
nuar 1637  gedacht. 

"1)  Der  Eid  der  Kurfürsten  vor  der  Wahl  bei  Goldast,  Defs 
Heyligen  Rom.  Reichs  Constitution,   Ortlnungcn   vnud  Aiiläschreil)eii 


218  J-  0.  Opel: 

flermafsen  nntangiielien  Keyser  erwehlet,  den  Franckreich  und  Schwe- 
den durch  Kriegs-Macht  alisetzen,  mit  dem  Römischen  Keyserthurab 
aber  eine  andere  (lestalt  nnd  Anoi-dnung  treffen  müfsen.  Weil  nun 
aber  den  Herrn  Chur-Fürsten  dergleichen  Unbedacht  und  Falschheit 
niemand  mit  Billigkeit  lieymefsen  kan,  so  folget  nothwendig  das  an- 
dere, nelunlicli  es  hätten  die  Herren  Chur-Fürsten  nicht  Macht  ge- 
habt einen  Eihnischen  Keyser  zu  erwehlen,  oder  ob  sie  ihn  schon 
erwehlet,  möchte  doch  defsen  unerachtet  er  sich  nicht  zum  Keyser 
auffwoiffen,  der  die  gröste  Gewalt  habe.  Dergleichen  Beschimpff- 
und Auft'hebung  der  Fürstlichen  Praeeminenz,  Macht  und  Hoheit  ist 
den  Herren  Chur-Fürsten  Aveder  von  Franckreich  noch  Schweden 
oder  einigen  Christlichen  Potentaten  begegnet  iind  wiederfahren, 
sondern  sie  haben  vor  dieser  Zeit  den  von  dem  melirern  Theil  der 
Herrn  Chur  -  Fürsten  erwehlteu  Keyser  für  den  rechten  erwehlten 
ordentlichen  Römischen  Kayser  unstreitig  erkennet,  ohne  Wieder- 
rede geehret  und  gebühi'lich  respectiret.  Dafs  aber  heydes  dem 
ietzigen  Keyser  seine  Kayserliche-i)  Majestät  und  Hoheit  alfs  auch 
den  Herrn  Chur-Fürsten  ihr  Wahb'echt  durch  die  frembden  Kriegs- 
Waffen  angezapft'ti')  und  abgenöthiget  werden  wollen,  davon  hatt 
man  gleichwohl  so  lange  stille  geschAviegen  und  zunicke  gehalten, 
bifs  mann  gesehen,  dafs  Franckreicli  im  Elsafs,  dei'  Schwedische  Feld- 
Mai'schall  Baiier  al)er  dieses  Orths  glücklichen <")  Progress  *"'-)  genom- 
men: da,  da  kommet  es  an  das  helle  Tage  Licht  und  Avird  in  offenen 
Druck  geschrieben*'^),  theils  der  ietzige  Keyser  sey  nicht  rechtmäfsig 
erAA-ehlet,  Aveil  1.,  Pfaltz-draff'  Carl  LudcAvig  als  ein  Chur-Fürst  am 
Rhein  zur  Wahl  nicht  beschrieben,  2.,  Chur-Trier  gefänglich  gehalten, 
3.  die  anderen  Chui'-Fürsten  mit  CTeschencke  ül)erkauftt.  DefsAA'eaen 
sey  das  Reich  ietzo  in  einer  Vacantz  und  würde  bemeldter  Pfaltz- 
Graff  seiner  Chur  -  Fürstlichen  Hoheit  und  Yicariat  sich  nunmehro 
gebrauchen,  einen    aufswärtigen   tüchtigen   Kayser  AA^ehlen,  die 


a)  Seiner  Kayserlichen.     '■)  „angezopft".     f)  „glücklicher". 

flfiOT)  S.  124.  Der  Erzbischof  von  Mainz  legte  im  Jahre  1636  den 
SchAvur  mit  folgenden  Worten  ab:  juro,  quod  ego  per  fidem,  qua  ego 
Deo  et  Sacro  Romano  Imperio  sum  astrictus,  secundum  onmem  discre- 
tionem  et  iutellectum  meum  cum  Dei  adjutorio  eligere  volo  tempo- 
rale Caput  populo  Christiano,  id  est  Regem  Romanorum  in  Caesarera 
promovendum.  qui  ad  hoc  existat  idoneus,  in  quantum  discretio 
et  sensus  mei  nie  dirigunt.  Examen  comitiorum  Ratisbouensium 
(1637)  S.  57. 

^-)  Der  Verfasser  denkt  offenbar  au  das  Jahr  1637.  Ueber 
Bauers  Einbruch  in  Sachsen  berichtet  die  Schrift:  Gründliche  RE- 
LATION Was  sich  seithero  der  Banier  mit  der  SchAvedischen  Armee 
ins  Land  von  Meissen  gangen,  von  1.  Januarij  Anno  1637  bis  auff 
den  21.  Tag  Juni]  begeben  hat.    Im  Jahr,  3IDCXXXV1I.  C  4. 

*'^)  Eine  der  hervorragendsten  dieser  Schriften  ist  französischen 
Ursprungs:  Examen  Comitiorum  Ratisboneusium  sive  Disquisitio  Po- 
litica  de  nupera  Electione  novissimi  Regis  Rümanorum.  In  qua  per- 
spicue  ostenditur.  neque  Conventum  Electoralem  Rati.sbonae  rite  in- 
stitutum,  neque  designationem  Regis  Romanorum  legitime  celebratam 
esse.  AAthore  Justo  Asterio,  ICto.  Der  Verfasser  ist  liekanntlich 
der  aus  Zweibrücken  gebürtige  Stella.  In  dieser  Schrift  S.  29  findet 
sich  auch  eine  Stelle,  in  Avelcher  die  Kurfürsten  der  Bestechung  be- 
schuldigt werden. 


Eine  politische  Denl<schrift  etc.  219 

Chur -Würde,  derer  sich  die  andern  mit  Geschenck  überkaufften  f'lmr- 
Fürsten  niehrentheils  verlustig  gemacht,  anff  andere  chi'istliche  Für- 
sten hring'en,  so  der  Oesterreich  -  Spanischen  ]\Iacht  Fefsehi  anlegen, 
inner  und  aul'ser  Kelchs  mehr  h endigen  solten.  Theils  wird  in 
solchen  Tractaten  geschrieben,  die  Chur-Fürsten  hätten  ihr  AVahl-Recht 
von  niemnnd  andern,  als  den  Fürsten  des  Reichs  empfangen.  Weil 
denn  die  Chur-Fürsten  einen  untüchtigen  Keyser  erAvchlct  und  sich 
ihres  Wahlrechts  selbst  verlustig  gemacht,  so  würden  die  andern 
Fürsten,  die  an  Macht  und  Hoheit  (als  der  König  in  Dennemarck 
wegen  Hollstein)  den  andern  überlegen  wären,  neben  den  übrigen 
Reichs-Ständen  das  ('hurfürstliche  Collegiuni  für  (ierichte  fordern, 
die  Sache  ei'wegen ,  das  Wahlrecht  grolsen  Mil'sbrauchs  halber  von 
ihnen  an  sich  nehnieu  und  solches  tüchtigen  Fürsten  anvertrauen. 

Ol)  nun  gleich  auff  solche  Schrifften  so  genauer  Fufs  nicht  zu 
setzen"*),  weil  aber  die  Verweigerung  des  Keyserlichen  Tituls "■''),  die 
Vergewaltigung  der  Herren  Chur-Fürsten  und  andere  ungewöhnliche 
Proceduren  mit  Häuften  berfürlirechen,  so  hat  mann  desto  wach- 
samer auff  sich  Acht  zu  geben.  Dann  solten  zu  dieser  Beschimpff- 
und Vergewaltigung  die  Herren  Chur-Fürsten  gautz  stille  sitzen, 
oder  ein  jeder  nui'  auft'  sich  sehen,  seine  Krieges-Macht  an  und  vor 
sich  behalten,  durcli  allerhand  Einbildung  schädlicher  Leuthe  zu- 
wieder  ihres  obengezogeuen  Eydschwures  sicli  von  einander  trennen 
und  die  aufswärtigen  Waffen  im  Reich  von  Tage  zu  Tage  mächtiger 
werden  lafsen,  so  gienge  das  herrliche  Kleinod  des  Römischen  Key- 
serthuinbs  von  den  Teutschen  Aveg,  die  Chur-Fürsten  würden  herunter 
gesetzet  und  zum  wenigsten  den  andern  Ständen  gleich  gemacht, 
wera)  auch  gewifs  anders  nichts,  denn  eine  Umbstürtzung  des  gantzen 
Reichs  zu  befürchten. 

Denn  mann  würde  zwar  Anfangs  an  Seiten  der  aufswärtigen 
Trohnen  die  Wahl  eines  Keysers  den  Teutschen  zu  entziehen  nicht 
angesehen  seyn  wollen,  sondern  dieselbe,  nur  zum  blossen  Schein, 
wo  nicht  auff  alle  Reichs  -  Stände  doch  auff  den  gantzen  Fürsten- 
[Standjb),  uuib  seinen'')  als  ietziger  Zeit  des  stärcksten  F^avor  zu  ge- 
Avinnen  und  auff  seine  Seite  zu  bringen,  erAveitern.  Hernach  und 
da  mann  versichert  ist,  dafs  die  gesannnbten  Fü)'sten  über  die  Wahl 
sich  nimmer  vergleichen  könten,  soudein  (Avie  in  Ungarn,  ehe  die 
Sieben  Chur-Fürsten  auffkommen,  mehrmals  geschehen)  einander  in 
die  Haare  fallen,  sich  selbst  erinieden,  schAvächen  und  auffziehen 
Avürden;  alfsdenu  hätte  man  Gelegenheit  wahr  zu  nehmen,   sich  mit 


a)  war.     i))  fehlt.     <")  und  seiner. 

"*)  Der  Verfasser  schätzt  diese  Schriften  nicht  sehr  hoch,  Aveil 
sie  offenbar  ausländischen  Ursprungs  sind. 

'^^)  In  Frankreich  wurde  Ferdinand  III.  damals  geAvöhulich  als 
König  von  Ungarn  l)ezeichnet,  in  dem  französisch-sclnvedischen  Bun- 
desA'ertrage  vom  H.  l\lärz  1H38  als  Sohn  Ferdinands  II.  (Koch,  (re- 
schichte  d.  d.  Reiches  unter  d.  liegiei'ung  Ferdiminds  III.  I,  93). 
Jener  Johann  von  Hep])e  aber,  welcher  im  Sommer  1639  von  Riche- 
lieu an  die  Kurfürsten  in  offiziellem  Auftrage,  aber  nicht  geradezu 
als  Gesandter  abgeschickt  Avurde,  (M'liiclt  die  Ermächtigung  in  seinen 
Veihandlungen  den  König  von  Ungarn  auch  Kaiser  zu  nennen,  Aveil 
er  eben  den  (Jbaraktei'  eines  fianzösischen  Gesandten  nicht  haben 
sollte.  Vergl.  Koch  1,  189  flg.,  Avenel,  Lettres  VI,  458  flg.  Lc 
pretendu  cmpereur  d'Allemagne,  Avenel,  a.  a.  0.  385. 


220  J-  0.  Opel: 

Gewalt  anzudringen,  alle  Wahl  im  Reich  auffzuhehen  und  sirh  in 
deftelben  Provincien  eines  und  andern  Orts  einzutlieilcn.  dadurch 
gien^e  die  santze  Verfafsuns-  des  Eömisclien  Reichs  bey  den  Teut- 
scheii  üliern  Hauffen;  [mana)j  wüste  nicht,  wer  Herr  oder  Knecht,  Ober- 
oder Unterthaner  im  Reich  verbliebe,  dürffte  aber  auch  alfsdenn 
Franckreich  und  Schweden  selbst  streitig  werden,  weil  Franckreich 
die  Römisch -Catholische  Stände  im  Reich  erhalten,  Schweden  die- 
sellien  weg  gebracht  wifsen  will.  Auff  was  Maafse  dergleichen 
schimpffliche.  vorhin  unerhörte  Abstürtz-  und  Degradirung  der  *>)  HeiTU 
Chur- Fürsten  sowohl  als  defsen  von  ihnen  einhellig  erwehlten  Rö- 
mischen Keysers  (den  gleichwohl  Hispanien.  Engelland.  Fohlen, 
Dännemarck.  ja  der  Türckische  Kayser  selbst  für  den  ordentlichen 
Römischen  Keyser  erkennen,  ehren,  nennen  und  respectiren)  bey  so 
starck  andringenden  Waifen  Franckreichs  und  Schweden  abzuwenden, 
das  will  in  allewege  einem  reiflich  zu  bedenken  stehen,  der  von 
einem  Chur-Fürsten  des  Reichs  zum  geheimen  Rath  erfordert  wird. 

Vor  Jahren  hätte <=)  man  mit  Beandtwortung  dieser  Frage  ohne 
sonders  hinter  sich  Dencken  wohl  durchkommen  können,  wpun  man 
gesaget,  der  Keyser  soll  neben  die  Chur-Fürsten  und  Stände  des 
Reichs,  imd  diese  hinwieder  neben  den  Keyser  treten  und  mit  zu- 
sammengesetzter Macht  die  aufswärtige  Feinde  von  des  Reichs  Bo- 
den abtreiben,  dadurch  die  in  aller  Welt  berühmte  Teutsche  Nation 
Itey  der  ^^lajestät  des  Römischen  Keyserthums  einmüthig  handhaben 
und  difs  edle  Kleinodt  von  den  Teutschen  so  liederlich  ie  nicht  weg- 
kommen lafsen,  denn  darzu  sey  ein  Römischer  Keyser  durch  [den]  <^) 
den  Herrn  Chur-Füi-sten  abgelegten  Eyd,  die  Chur-Fürsten  hingegen 
sambt  andern  Reichs-Ständen  dnrch  die  dem  Römischen  Keyser  ge- 
schworene teuere  Pflicht  in  alle  Wege  obligiret  und  verbunden. 
Defsen  haben  Ew.  Chur- Fürstlichen  Durchlaucht  geehrte  Vorfahren. 
Väter  und  Orofs-Herren- Väter  löblichen  (Tedenckens  sich  auif  eine 
und  andere  Begebenheit  erinnert,  ihre  geleistete  Pflicht  treulich  und 
sorgfältig  in  Acht  genommen,  ohne  alles  Verwegern  und  Scmpuliren 
im  Werck  erstattet,  wieder  ihre  (irlaubens  Genofsen,  wieder  ihre  An- 
verwandte die  Waifen  zu  führen,  sie  zur  Billigkeit  gegen  die  Ca- 
tholische und  andere  Reichs- Stände  wie  auch  zur  Observanz  der 
Reichs-Ordnungen  zu  l)ringen  kein  Bedenckeu  gehabt. 

Da  ich  nun  zur  Zeit  der  mir  angetragenen  Bestallung  für 
Augen  gesehen,  dafs  unter  gläntzendem  Schein  entweder  einer  Uni- 
versal-Amnistie  (!)  oder  der  Religion  oder  anderer  Dinge  nichts  ?)  so 
sehr,  als  die  spöttliche  Abstofsung  des  Keysers,  Auffhebung  des  Chur- 
fürstlichen  Collegii,  Zerrüttung  des  gantzen  Reichs  und  aller  Stände 
durch  die  frembde  Waffen  gesucht  würde  und  hingegen  mich  be- 
kümmert, Avas  Ew.  Chur-Fürstliche  Dui-chlaucht  für  Mittel  hätten, 
sich  selbst  und  Dero  Nachkommen  liey  dem  werthen  Chur-  und 
WahD)-Recht  schützen  zu  helffen.  auch  den  von  ihr  gewehlten  Rö- 
mischen Keyser  mit  aller  Macht  (wie  die  Wortte  der  Chur-Fürstlichen 
Vereinbahrung  oben  angezogen)  zu  retten  und  beyzustehen,  und  aber 
wahrgenommen,  dafs  weit  mehr  Leute  in  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durch- 
laucht Diensten  und  Bestallungen  wären,  die  des  Feindes  AVaffen 
vertheidigten  und  recht  sprächen,  den  Römischen  Keyser  aber  und 
alles),  die  auff  seiner  Part  stehen,  anfeindeten,  verflucheten  und  ver- 
dammeten,  habe  ich  mir  also  balde  Anfangs  keine  andere  Rechnung, 


")  fehlt.   »)  den.    <^)  hatte,    d)  fehlt,  c)  nicht,   f)  Wohl,  e)  aller. 


,    Eine  politische  Denkschrift  etc.  221 

denn  eines  dem  gantzen  Römischen  Reich  und  sonderlich  Ew.  Cluu- 
Fürstlichen  Durchlancht  selbst  höchstgetahrlichen ,  schädlichen  luid 
knmmerhafften  Auisganges,  der  nmimehro  vor  aller  Welt  Augen 
stehet,  machen  und  anlegen  können.  Denn  da  will  heutiges  Tages 
weder  ii)  die  \'orschützung  dels^')  dem  Römischen  Keyser  geleisteten 
Eides  und  Pflicht  noch  die  bey  [dcnj^)  Tcutschen  von  so  vielen  hundert 
Jahren  erhaltene  Dignitaet,  einen  Römischen  Keyser  auls  ihrem 
Mittel  <^)  zu  erwehlen,  oder  das  gute  Erinnern,  die  teutsche  Ereyheit 
und  in  aller  Welt  berühmbte  Heirlichkeit  den  frembden  sclavisch 
und  dienstliahr  nicht',)  /u  unterweili'eii,  Itey  vielen  Geistlichen  und 
Weltlichen  etwas  gelten  oder  geschätzet  werden.  Viel  unter  denen 
Geistlichen  haben  keine  Scheu  getragen  und  noch,  von  sich  zu 
schreiben,  theils  von  öffentlicher  üantzel  zu  lehren,  man  könne  mit 
gutem,  unversehrtem  Gewilsen  nelii'n  den  Papisten  nicht  Krieg  lilhreu 
oder  von  ihnen  zu  Rettung  Land  und  Leuthe  Hüllte  begehren ''"). 
Wer  dieses  thue,  Aver  schrillt-  oder  mündlich  darzu  rathe,  der  habe 
tienieinschaftl  mit  Belial,  er  handele  wider  die  Vermahnung  des 
Apostels  Pauli,  der  die  Fürsten  warnet  und  spricht :  Ziehet  nicht  an 
frembdeni  .loch  mit  den  Ungläubigen**').  Er  befördere  des  Anliclirists 
Reich,  da  man  doch  solte  auisgehen  von  Babel^  damit  maini  nicht 
theilhafftig  werde  ibrer  Hunde.  Dergestalt  und  durch  diese  Lehre 
werden  alle  Reichs-Aljscbiede,  Ordnungen '),  Religions-  und  Jjaiid- 
Eriede,  welche  mit  den  Römisch  -  Catholisclien  aulfgerichtet,  mit 
schwerem  Eyde  betheuert,  übern  Hautfeii  gewirrten,  und  können  \']\v. 
Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  N'urfahren,  welche  zu  Rettung  Catiio- 
lischer  so  wohl  als  der  andern  Stände  Krieg  gefiihret,   auch  zum 

Theil  ihr  Leben  darüber  eingeljülset, S)   wehren  mit  bösem 

Gewilsen  von  dieser  Welt  abgeschieden  und  also  neben  der  Seeli«;- 
keit  hingangen.  Auff  solche  Weise  werden  alle  Lutherischen  Theo- 
logen von  Lutheri  Zeiten  her  verdammet,  weil  sie  die  ^'erfafsung 
des  Reichs  dem  Wortte  und  Befehl  Gottes  in  alle  Wege  gemäls  ge- 
lehret und  jedermann  zu  derer  unveibiüchlichen  Observanz  wiedei- 
die  autt'ruhrische  Müntzerische  Rotte  eitfrig  angewiesen.  Solchem 
Vorgeben  nach  könte  kein  geheimer  Rath  die  Reichs -Pflicht  mehi' 
ablegen  oder  mit  gutem  Gewii'sen  derselben  nachsetzen  und  dahin 
Fleifs  haben,  dafs  nechst  göttlicher  Hülffe  die  Reichs-Stände  beyder- 
seits  Religion  neben  einander  i'uhig  und  fiiedlicb  wohnen  und 
menschlicher  Gesellschattt  unter  einander  pflegen  möchten.  An  Ew. 
Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  eigener  Hottstadt  mögen  sich  Leuthe 
und  derer  nicht  wenig  oder  geringe  funden  haben,  und  noch,  bey 
denen  der  Römische  Keyser  in   dermal'sen   Hals  und  Beschimplfiuig, 


a)  wieder.  '')  dass.  <•;  fehlt.  ■')  ihren  Mitteln,  e)  statt  „nicht" 
steht  „sich",     f)  Ordnungs.    s)  Hier  scheint  etwas  zu  fehlen. 

"**)  Der  Kurfürst  nnisste  ein  Verbot  gegen  die  Angrilt'e  ani' 
den  Frieden  zu  Prag  und  auf  diejenigen,  welche  ihn  abgeschlossen 
hatten,  erlassen,  in  Stettin  bf^zeichneten  zwei  Prediger  in  den 
Passionspicd igten  den  Fiieden  als  ein  Werk  des  Teufels  und  seine 
Anhänger  als 'l'eutVdskinder.  Vergl.  (Opel),  Eine  Pi'obe  politischer 
Pnblicistik  aus  den  Zeiten  des  dreissigjäiirigen  Krieges,  Preussistdu' 
.lahrltücher  IX,  330;  dazu  noch  Hitzigratii,  Die  Pnblicistik  des 
Prager  Friedens,  S.  21  flg. 

"^)  11.  Coriuth.  0,    14.  15.  17. 


222  J.  O.  Opel: 

dals  sie  ihn  unwürdig  .  .  .»),  seiner  in  guten  zu  gedenckeu,  will  ge- 
schweigen,  ihiue  zu  Handhalmng  seines  Trolins,  darai;ff  ihn  doch 
Ew.  Chur-Fürstliche  L>uichlaucht  selbst  zu  Erhaltung  ihres  hohen 
Wahlrechts  haben  ^')  erhöhen  helfen,  auff  einerley  Weise  beförder- 
lich zu  seyn. 

Die  Erfahrung  hat  es  bifshero  gnungsahm  dai'gethan,  wenn  der 
Feind  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Lande  bedränget,  und  der 
Keyser  wegen  Ferne  des  Weges  und  Entlegenheit  des  (Jrths,  da 
sich  die  Keyserliche  Reichs-Armade  befunden,  nicht  bald  Hülffe  thun 
können,  wie  solche  Leuthe  dem  Keyser  schimpiflich  nachgeredet,  ihn 
gelästert,  geschändet,  vertlucht,  auch  wohl  angeschuldiget,  es  wäre 
keine  Treue,  kein  Glaube  bey  ihm,  er  hielte  nichts,  was  er  zugesaget, 
Heise  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  im  Unglück  baden  und  stecken. 
Ist  denn  aber  Succurs  kommen,  und  vom  Volcke  Schaden  geschehen, 
so  hat  der  Keyser  bey  solchen  Leuthen  abermahls  leiden,  übele  Nach- 
rede dulden,  und  es  wieder  nicht  recht  gethau  seyn  müfsen,  indem 
man  blofs  auff  den  Schaden  des  Kriegs- Volcks,  nicht  autf  difs,  das 
der  Feind  aufsm  Lande  bracht,  sein  Absehen  gestellet,  den  Keyser 
übermafsen  hefftig  aulsgerichtet  und  ohne  Scheu  füi'gegeben ,  der 
Succurs  wäre  von  ihm  zu  nichts  anders,  als  Ew.  Chur  -  Fürstliche 
Durchlaucht  endlich  und  gäntzlich  zu  vertreiben  und  die  Religion 
aufszutilgen,  gemeinet;  unbetracht,  dafs  hiesiges  Volck  es  wo  nicht 
weit  ärger,  doch  nicht  viel  befser  gemacht,  und  selbst  die  Keyser- 
lichen  zu  allerhand  Excessen  verleitet,  auch  wohl  manchmahl  aufs 
Mangel  guter  Ordnung  ein  uud  ander  Unfug  bey  der  Soldatesca 
fürgegangen  seyn  mag,  doch  hat  alles  Übel  dem  Keyser  zugerechnet 
werden  müfsen. 

Hatt  er  Succurs  gehabt,  so  ists  ihm  unrecht  gewest,  und  die 
Aufstilgung  der  Religion  dardurch  augezielet;  hat  er  ihn  nicht  ge- 
schickt, so  ists  abermahl  uurecht,  und  der  Keyser,  als  hielte  er  keine 
Zusage  und  Glauben,  gescholten  worden.  Nun  kau  und  wird  nie- 
mand vernunfftig  wiederreden,  dafs  nicht  geringer  Schade  in  diesem 
Lande  vom  Keyserlichen  Volcke  geschehen,  dafs  aber  die  Schuld  dem 
Keyser  beyzumelsen  oder  daraufs  etwas  ungleiches  uud  zu  einer  Ab- 
sonderung gnungsahmes  zu  vermuthen  sey,  Avill  gleichwohl  nicht 
folgen,  so  wenig  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  der  Schaden 
zuzuschreiben,  der  von  Ihrem  Volck  auch  wohl  zu  der  Zeit 
den  Ständen  hin  und  her  zugefüget  worden,  da  Sie  in  Ohur- 
Fürstlicher  Persohn  unter  vorgegangenem  Feldzug  dabey  ge- 
wesen. Mann  kau  nicht  darthun,  dafs  der  Keyser  seinem  Volck 
dergleichen  befohlen;  so  hat  es  an  scharff'er  Bestraftüng  nicht 
gemangelt;  auch  will  zu  bedencken  seyn,  ob  bey  ietzigen  bösen 
Zeiten  ein  einiger  Succui's  ohne  Schaden  aligehen  möge;  ob  denn 
auch  der  Schade  vom  Keyserlichen  A'olck  weit  gröfser  sey,  als  den 
der  Feind  damahls  verübet,  oder  wenn  das  Keyserliche  "Volck  damals 
nicht  ankouunen,  und  der  Feind  länger  rmabgetrieben  im  Lande 
Idieben  wäre,  feiner  hätte  thun,  sich  des  gantzen  Landes  vollends 
bemächtigen,  [mit]  <")  Ew.  Chur-Fürstlichon  I)nrchlaucht  seines  guten 
Gefallens,  Wilsens  und  Beliebens  handeln,  Sie  von  Ijaud  und  Leuthen 

d)  ijey  der  Chur-Fürstliclien   Würde  und   Hoheit   entweder 

lafsen  oder  auff  eine  andere  Weise  gegen  Ihr  veifahren  köinieu  und 
Av ollen.     Denn  gewifs  ist  es,  dafs  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht 

"■)  Hier  fehlt  ein  Wort,  i')  halben,  cj  fehlt,  d)  Hier  fehlt 
wenigstens  ein  Wort. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  223 

Volck  den  Feind  zur  selben  Zeit  nicht  allein  aufs  dem  Lande  hätte 
bringen  können,  sondern  auch  nicht  abwehren  mögen,  dal's  er  nicht 
bifs  in  hiesige  Vestung  gestreilft,  die  nahe  gelegene")  Dörfier  in  die 
Asche  geleget,  und  wie  er  immer  gewollt,  hin  und  her  gehauset'*'*). 
Ob  nun  alle  diese  feindliche  Procedureu  zu  vergefsen,  gegen  den 
Schaden  vom  Keyserlichen  Volck  geringer  zu  achten  und  gleichsam 
für  recht  aufszusprechen,  wird  billich  an  seineu  Orth  gestellet. 

Wie  aber  dergleichen  obangeführte,  seltzame,  wiedersinnische, 
ungereimte  Urthel  der  gewehligen,  wollüstigen  Leutlie,  die  bald 
dieses  bald  jenes '')  wollen  und  doch  hernach  alles  unrecht  heilsen, 
dem  Allerhöchsten  zu  gefallen  und  seinen  gerechten  Zorn  auch  so 
ferne  zu  erwerben  pflegen,  dafs  er  eines  gantzen  Landes  Inwohnere 
über  solchem  unzeitigen  Aberwitz  und  gewehliger  Klugheit  endlich 
in  die  Hände  der  Feinde  geratheu,  und  ob  sie  gleich  hernach  zu  ihm 
schreyen,  sie  doch  ohne  Erhörung  und  alles,  was  sie  zu  Abtreibung 
der  Feinde  anfangen,  den  Krebs-Gang  wandern  und  zu  nichte  werden 
läfset,  das  weisen  au  dem  Yolcke  (iottes  des  alten  Testaments  die 
billigen  Historien  von  dermal'sen  Leuthen  auch;  denen'')  kein  von 
Gott  geschicket  Mittel  taug,  sondern  sie  alles  zu  tadeln  wilsen, 
fället  unser  Heyland  ein  solch  Urtheil  und  spricht:  „Wem  soll  ich 
difs  Geschlecht  vergleichen"^  Es  ist  gleich  den  Kindern,  die  am 
Marckte  sitzen,  ruffen  ihren  Gesellen  und  sprechen:  Wir  haben  euch 
gepfiffen  und  ihr  wollet  nicht  tautzen;  wir  haben  euch  geklaget,  und 
ihr  wollet  nicht  weinen 0^)".  Uberdiels  mögen  in  Ew.  Chur-Fürst- 
lichen  Durchlaucht  Diensten  sich  Leuthe  gefunden  haben  und  noch 
heutiges  Tages  finden,  die  da  fürgeben,  wolte  der  Keyser  Keyser 
bleiben,  so  möchte  er  sich  selber  schützen,  Ew.  Chur-Fürstliche 
Durchlaucht  oder  ein  ander  Stand  des  Reichs  sey  nicht  eben  schuldig, 
des  Keysers  Sachen  ertragen  zu  helffen,  sein  Vermögen  beym  Keyser 
einzubüfsen,  Land  und  Leuthe  iu  Gefahr  zu  stellen,  sondern  es 
möchte  ein  Chiu'-Fürst  entweder  seines  guten  Gefallens  gar  stille 
sitzen  und  dem  Spiele  des  Krieges  zusehen,  oder  wolte  er  iu  etwas 
Kriegs- Volck  haben,  möchte  er  es  nur  in  seinem  Lande  und  zu  defsen 
blofsem  Schutz  behalten,  der  Keyser  müfse  ihm  noch  wohl  hierbey 
den d)  Kriegs- Verlag  heischaffen,  und  gleich  wohl  ohne  Zuthat  einiges 
ßeichs-Standes  die  Waffen  allein  aulsführen. 

An  meinem  wenigen  Theil  kan  ich  mir  nicht  wohl  einbilden, 
dafs  dergleichen  Leuthe  so  gar  weit  aufssehender  e)  Censur  sich  unter- 
ziehen würden,  Avenn  sie  nach  Anleitung  der  Reichs-Ordnungen, 
Abschiede  und  Gesetze  bedächten,  dafs  ein  Chur- Fürst  so  wenig  ohne 
Keyser,  alfs  der  Keyser  ohne  die  Chur-Fürsten  seyn  und  bestehen 
könne,  auch  die  Herren  Chur-Fürsten,  gleich  wie  sie  für  allen  andern 
Fürsten  und  ^^tänden  einen  Römischen  Keyser  zu  eiwehlen  bemäch- 
tiget, also  und  hingegen  sie  schuldig  und  verbunden  sind,  neben  und 
für  demselben  über  deme,  was  die  vor  ihm  fürgeschriebene  Capitu- 
lation  erfordert,  alles  zuzusetzen  iind  beyzutragen,  was  sie  haben 
und  vermögen. 


»)  noch   angelegene.      '■)  jenen.      «)  denn.     J)   dem.     e)  aufs- 
stehender. 

•"*)  Der  Verfasser  scheint  den  Einbruch  P.aners   und   die  Ein- 
nahme von  Pirna  am  23.  A]iril/3.  Mai  U)39  im  Auge  zu  haben. 
•*")  Ev.  Matthäi,  Kap.  II,  Vers  1«  flg. 


224  J.  0.  Opel: 

Denn  sobald  die  Herren  Chnr-Pürsten  einen  K.e3'ser  erwehlen, 
so  wilsen  Ew.  Cliur-Fürstliclie  Durchlaucht,  dal's  er  ihnen  au  statt 
des  gantzen  Reichs  auft'  die  Capitulatiou  schwehren  niuls,  hernach 
einptähet  ein  jeder  Chur-J^'urst  und  Stand  seine  Land  und  Leuthe 
vom  Römischen  Keyser  zu  Lehen  und  leget  darauff  deniselhen'ij 
durch  cörperlichen  Eydschwui'  die  Ptlicht  ah.  Wie  nun  ein  jeder 
Lehenmann  seinem  Chnr-Fürsten  uud  Stande''),  von  deme  er  die 
Lehen-liüther  traget  uud  die  Pflicht  leistet,  mit  ]jeib  und  Blut, 
Haalj  und  Guth  verhunden  ist,  also  auch  die  Chur-b'ursten,  Fürsten 
und  Stände  dem  Römischen  Keyser.  Würde  nun  einem  Chur-Fiirsteu, 
Fürsten  odei'  Stande  nicht  gefallen,  dals  sein  Lehnmann  blols  die 
Ahlegung  der  Pflicht  erstatten,  wenn  aber  eine  Noth  auff  den  Lehen- 
Herrn  stiefse,  ihn«)  sitzen  lalsen  untl  furweuden  wolte,  der  Lehn- 
Herr  möchte  sein  selbst  wahrnehmen,  es  sey  genuug,  dafs  der  Lehn- 
mann, wie  er  immer  künte,  sich  verwahrete;  so  ist  ohnschwer»';  zu 
erachten,  dafs  in  solchem  Fall,  da  der  Xeyser  wieder  die  heschworne 
Capitulation  von  den  Reichs-Fürsten  gedrungen  werden  will,  keinem 
Fürsten  odei'  Stand,  viel  weniger  aber  einem  Chur-  und  Wahl- 
Farsten,  dem  Spiel  zuzusehen  und  sich  allein  in  Acht  zu  nehmen, 
gebühren  wolte,  sonderlich  da  sicli  die  in  deni'^')  hochbeschwornen 
Chui'-Fürstlichen  V^erein  wohlbedachte  Fälle  ietzund  in  vollem 
Schwange  ereignen,  indem  ].,  nicht  nur  Ew.  Chur-Fürstliche  und 
Chui--Braudeuburgische  Durchlaucht  nicht  mit  (lewalt  überzogen, 
bekrieget,  soudern  auch  2.,  die  Keyserlicheu(!)  uns  angefallen,  :i.,nach 
dem  heyligen  Reich  gestanden,  das  delselben  freye  Xayserliche  Wahl 
von  ihn  weggeriisen  werden  will.  Da  treten  die  eydiich  obengedachte 
Worthe  der  Chur-Fürstlichen  Verein  dergestalt  ins  Mittel  und  er- 
fordern, die  Herren  Chur- Fürsten  sollen  beyräthig,  hehülfflich  und 
beyständig  seyn,  keiner  den  andern  verlafsen,  sondern  ein  jeder 
sambtl.  (I)  mit  gantzen  Treuen,  Landen,  Leuthen,  Schlöfsern  und 
aller  Macht  heholffen  und  beratheu  seyn  etc. 

Und  difs  um  so  viel  mehr  in  gegeuwertigem  Fall.  Denn  da  die 
Feinde  das  Ertz-Stifft*)  IMagdeburg  behaupten  wollen,  welches  der 
Keyserlichen  Capitulation  zuwieder,  hat  der  Römische  Keyser  krafit 
seines  Eydes  auil'  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Begehreu  solch 
Stiftt  mit  aller  Macht  aufs  des  Feindes  Hand  retten  helffen-'^).  Da 
der  Feind  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Lande  grofsen  Theils 
in  anno  ItJB?  occupiret  gehabt,  hatt  der  Keyser  krafi't  seiner  PÜicht 
gleiche  Rettung  gethan,  ob  er  gleich  seine  eigene  Lande  hernach 
darüber  eingebüsset.  Dringet  denn  dens)  Keysei'  seine  f")  Ptlicht  zu 
solcher  Assistenz ,  vielmehr  die  Chur- Fürsten,  Fürsten  und  Stände, 
die  vom  Keyser  ihr  Land  und  Leuthe  zur  Lehn  tragen  und  nehmen 
müfsen.  Es  wäre  zu  wüntschen,  dafs  die  oben  bedeutete  gute  Leuthe, 
ehe  sie  mit  solchen  den  Chur-Fürsten  selbst  höchst  gefährlichen  prin- 
cipiis  heraufs  brechen,  sich  zuvor  der  Reichs-Fundainental-CTesetze 
erkundigten  und  nicht  eher  urtheileten  oder  judicirten,  sie  hätten 
denn  vorhero  erlernet,  was  für  unaufflösliche,  mit  hohen  Eyd-  uud 
Pflichten  verknupffte  Bande  zwischen  dem  Keyser  und  Cliur-Fürsten  ') 


•i)  dennselben.     '')   Stände.     «)  ihm.      •')  ohnschAvert.     e)  der. 
0  des  Ertz  Stitfts.     a)  dem.     '')  zu  seiner.     0  Chur  Fürst. 

"'")  Sebottendorf  denkt  wohl  besonders  an  die  Belagerung  Mag- 
deburgs durch  die  Kaiserlichen  im  .Jahre  Kiijrt;  am  3.  Juli  musste 
sich  die  Stadt  ergeben. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  225 

sich  enthalten,  und  dafs  insonderheit  Ew.  Chur-Fürstliche  Durch- 
laucht 1.,  wegen  der  Chur,  2.,  wegen  der  Hertzogthümer  Jülich,  Cleve 
und  Berg,  3..  wegen  Thüringen  und  ileifseu,  4.,  Avegen  Ober-  und 
Nieder-Lausitz,  5.,  wegen  Voigt-Land  und  anderer  unterschiedlicher 
Reichs  und  Böhmischer  Particular-Lehen  mit  mehr  den  sechsfachen 
Eyden  dem  Komischen  Kej'ser  verljunden  wären,  auch  dals,  wie  ob- 
gemeldet,  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Vorfahren  niclir  hlofs 
ihr  Land  und  Leuthe,  sondern  ihr  Chur  -  fürstliches  Blut  für  des 
Reichs  Wohl  und  Ruhestand  zuzusetzen  und  sich  selbst  dadurch  bej' 
der  Chur-Fürstlichen  Würde  und  Hoheit  zu  manuteniren  nicht  ge- 
scheuet haben,  darum  denn  jener  Chur-Fürst  zu  Sachfsen  mit  gutem 
Grunde  von  seinem  Chur-  und  Fürstlichen  Haufse  schreiben  und 
zeugen,  es  auch  bifs  auff  heutigen  Tag  in  offenem  Druck  gelesen 
werden  kau:  „Es  ist  von  den-i)  Fürsten  des  Hauses  Sachfsen  zu 
vernehmen  niclit  seltsam  noch  neu  bifsher  gewest,  dafs  sie  Rö- 
mischen Kaysern  und  Königen  in  ihren  und  des  Reichs  Obliegen '') 
mit  ihrem  eigenen  mercklichen  Darstrecken  gedienet  und  nicht  aufs 
Mangel  Liefferung  und  Bezahlung  oder  andern  Practiqueu  in  Nöthen 
verlafsen". 

Gestalt  auch  defselben  Kriegs-Officirer  gar  nicht  mit  unzeitigen 
Disputaten,  ungleichen  Einbildungen  und  andern  zu  ihren  Yortheilen 
aufslaufenden  Verzögerungen  des  Krieges  vorgebrochen,  sondern  mit 
lauterer  Freudigkeit  für  die  Hoheit,  Ehre  und  Freyheit  des  Vater- 
landes und  ihrer  Herren  ohne  alles  Bedencken  aufigezogen,  den 
Feind,  wer  und  wie  starck  er  gewesen,  ritterlich  angegriffen  und 
ihr  Blut  zu  vergiefsen  für  die  gröfseste  Ehi'e  geschätzet,  auch  darzu 
Tag  und  Nacht  bereit  erschienen. 

Was  entgegen  seither  dem  Pragischen  Friedens-Schluß  hie- 
innen  sich  ereignet,  davon  ist  unnötig  viel  Wortte  zu  macheu.  Ew. 
Chur-Fürstliche  Durchlaucht  geruhe  nur  zurück  gnädigst  sich  zu 
errinneru,  was  bei  Deroselben  ihre  damahlig  Geheimen  Räthe,  der 
von  Werther  und  Herr  D.  Timaeus  nuumehro  Seelige  bald  nach 
geschlol'senem  Friede  und  fürgenommeuem  Feldtzuge  theils  uuter- 
thanigst  erinnern  lafsen  theils  selbst  erinnert  und  mehrfältig  ge- 
bethen,  weil  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  krafl't  defs  auft'  ihrer 
Seiten  beschehenen  Reservats ^'j  uud  Bedingung,  den  Ober-  und 
Nieder-Sächfsischen  Creyfs  zu  defendireu,  auch  in  Entstehung  der 
Güte  mit  ihrem  Yolck  ohne  einige  Zutliat  der  Keyserlicheu  die 
Schweden  heraufszubriugen  übernommen  und  sich  delken  gegen  die 
Keyserliche  Majestät  durch  den  Marggraffen  von  Caretto'*)  aner- 
bothenen  Succurs  von  8000  Mann  auff'  Rath  bevvufster  Kriegs-Offi- 


")  dem.     '')  Oblieben.     ')  reservatis. 

"')  Der  Marchese  Caretto  di  Grana  wurde  später  österreichischer 
Gesandter  zu  Madrid.  —  Diese  Armee  soll  in  der  ersten  Hälfte  des 
Jahres  1H3.Ö,  auf  Avelche  die  Stelle  zu  beziehen  ist,  sogar  lOOUOM. 
stark  gewesen  sein.  „Sie  spielten  mit  dem  Land  den  Garaus  .  .  . 
Deim,  was  die  Vorigen  hinterlassen  hatten,  das  nahmen  diese  mit, 
und  machte  das  Landvolk  den  Unterschied,  dass  sie  den  Herzog 
von  Friedland  den  grossen  Feind,  den  General  Lamboy  den  kleinen 
Feind  und  den  Marchese  di  Grana  den  Kehraus  nannten,  und  war 
grosse  Theuerung  und  Huugersnoth".  Karche,  Jahrbüciicr  der  H.  S. 
Residenzstadt  Coburg  I,  211.  Dass  der  Kurfürst  die  Truppen  des 
Markgrafen  zurückgewiesen  hat,  ist  bisher  nicht  bekannt  gewesen. 

Neues  Archiv  f.  S.  O.  u.  A.     VIII.  3.  4.  lf> 


226  J.  0.  Opel: 

ciers  unter  ihr  Volck  zu  nehmen  verweigert,  vielmehr  aus  dem  Co- 
burgischen weg  und  gegen  den  Reihnstrom  zurück  commandiret. 
Ew.  Chur-Fürstliche  Durchhiucht  wolte  doch  ihren  fürnehmeu  Ge- 
neralen  und  Kriegs-Ofticieren  sich  vorhero  für  allen  Dingen  dieser 
Ursach  halben  wohl  versichern,  dals  dieselben  zum  Theil  angeben 
und  verlautet,  sie  könten  mit  gutem  Gewifsen  wieder  die  Schweden 
als  Glaubens  -  Genolsen  und  die  biis  dahin  neben  ihnen  gestanden, 
keine  Waffen  führen,  gedächten  wieder  sie  ihren  Degen  nicht  zu 
zücken  noch  eine  Pistol  zu  lösen,  zum  Theil  in  irautzösich-  und 
schwedischen  Pensionen,  Diensten  und  Bestallungen,  wie  vom  Xey- 
serlichen  Hoffe  dermahln  geschrieben  worden,  sich  befindeten,  zum 
Theil  aber  für  Gut  achteten,  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchl.  solten 
ihr  Volck  wieder  die  Schweden  ja  nicht  wagen  oder  hazardireu, 
sondern  zu  dem  Ende  lieber  gantz  bey  einander  behalten,  damit, 
wenn  die  Catholischen  dermahleinst  obsiegeten,  und  Ew.  Chur-Fürst- 
liche Durchlaucht  aufallen  Avolten.  Sie  ihnen  alsdenn  mit  dem  Volcke 
(üe  Stirne  biethen  und  ihrem  vermutheten  Fürnehmeu  gewaltsam 
begegnen  könten. 

Welche  der  Officirer  uugescheut  verlauteten  Reden  und  Inten- 
tionen solche  principia  in  sich  gefafst  zu  haben  bey  Ew.  Chur-Fürst- 
lichen  Durchlaucht  Käthen  angesehen  werden,  [dafsja)  sie  schnur- 
stracks wieder  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Pflicht  und  damahls 
gantz  neu  gethane  Yersprechnifs,  wieder  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durch- 
laucht als  eines  *>)  lürnehmen  Chur-Fürsten  des  Reichs  Ampt,  Würde 
und  Hoheit,  auch  dahin  aufslauffen  dürfften,  dais  in  derer  Fortstel- 
luug  der  Feind  wohl  nimmei'mehr  aus  den<^)  zum  Schutz  von  Ew. 
Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  übernommenen  Über-  und  Nieder-Sächfs- 
ischen  Creylsen  gebracht,  vielmehr  das  gantze  Römische  Reich 
durch  immerwährende  feindseelige  Kriege  der  Aufswärtigen  an  einem 
Theil  und  folgenden  kostbahren  Unterhalt  so  vieler  tausend  Völcker 
zu  Rofs  und  Fufs  am  andern  Theil  in  unaulssprechlichen  \' erderb 
einrennen,  darauls  es  sich  in  fielen  Zeiten  und  Jahren  nicht  würde 
aulswinden  können,  sondern  wohl  gröfsern  Theils  zu  einer  wüsten 
Einöde  und  der  Aufswärtigen  laug  gewüntschten  Dominat  unter- 
würftig,  dem  Ejiegs- Volck  selbst  unter  der  Praetension  vieler  rück- 
ständiger Besoldung  endlich  zu  einem  Länder  -  Raub  und  freyen 
Beuthe  offen,  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  aber,  auff'  deren 
Versprechen  wegen  der  Schweden  Wegbringung  Keyserliche  Maje- 
stät und  das  gantze  Reich  sich  verlafsen,  aller  Schaden  zugemefsen 
werden,  sie  dadurch  in  schimpft'üche  Nachrede  imd  allerhand  Unge- 
mach beym  Reich  gerathen  mögten,  inmafsen  bey  verspüretem  der 
gütlichen  Handlung  stetem  Vorzug  die  vorige  Keyserliche  Majestät 
lobseligster  Gedächtnifs  sowohl  ietziger  Römischer  Keyser,  ingieichen 
Herrn  Langraffen  Georgens  zu  Helsen  Fürstliche  Gnaden  mit  viel- 
feltigen  treuhertzigen  Verwarnungen  nach  Anweisung  der  Acten 
ebenfalls  einkommen  sind. 

Auch  haben  erwehnte  Geheimen  Rethe  für  ein  gar  wieder- 
sahraische,  ungereumte  und  weit  aufssehende  fi)  Pntdenz  gehalten,  dem 
Feinde  e),  welcher  in  Gegenwart  Ew.  Chur  -  Fürstlichen  Durchlaucht 
nach  der  Würde,  Hoheit  und  Dignitaet,  nach  Land  und  Leuthe  Ver- 
tarb  (!),  nach  des  gantzen  Vaterlandes  Zerrüttung  mit  Gewalt 
trachtete,  sich  nicht  entgegen  zu  stellen,  sondern  ihme  seines  Gefal- 


a)  fehlt.    '0  einen,    «j  dehme.    d)  aufssteheude.    ^)  Friede. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  227 

lens  blofs  dieser  Ursache  wegen  hausen  zu  lafsen,  damit  man  das 
Krieges -Volck  auff  küiift'tige,  ungewifse  Fälle,  die  durch  Gottes 
G-uade  verhütet  werden  und  wohl  nimmermehr  geschehen  dürftten. 
verspahren  könte.  Uberdifs  wird  Ew.  Chur- Fürstliche  Durchlaucht 
zweiffelsohne  unentfalleu  seyn.  was  in  währendem  Feldtzuge  hin  und 
her  fürgegaugen,  und  wie  auff  etlicher  Kriegs  -  Ofrtcii'er  inständig 
Begelireu  die  Zeit  mehr  mit  vergeblichen  Tractaten,  als  mit  einigem 
gehörigen  Ernst  der  Waffen  gegen  dem  Feinde  zugebracht,  da  bald 
der  schwedische  Eeichs-Cantzler'^^-)  jju  gütlicher  Handlung  sich  er- 
klähret  und  doch  endlich  stillschweigend  von  ]\Iagdebu)g-  abgereiset, 
bald  der  Feldt-Marschall  Bauer  derselben  sich  zu  nuternehmen  an- 
gegeben und  doch  wieder  abgelafsen,  bald  die  teutscheu  Kriegs- 
Ofticirer  unter  den  Schweden  das  gantze  Friedens- Werck  zu  erheben 
getrauet,  an  Ew.  Chur -Fürstliche  Diuchlaucht  uuteischiedene  ihres 
Mittels  abgeschicket,  von  Ew.  Chur -Fürstlichen  Durchlaucht  der- 
gleichen Ofticirer  mit  ihnen  zu  traotiren  begehret,  welches  Ew.  Chur- 
Fürstliche  Durchlaucht  gewilliget ;  und  als  Derselben  Kriegs- Ofticirer  . 
nach  Schönbeck''*)  erschienen,  jene  sich  zwar  auch  eingestellet, 
aber  einer  nach  dem  andern  mit  Vertröstung  schleuniger  Wiederkunft't 
allmählig  davon  gezogen,  bifs  Ew.  Chm-Fürstlichen  Durchlaucht 
Officirer  selbigen  Orths  gantz  alleine  sitzen  blieben,  und  [dieja) 
scheinbar  fürgewandte  Tractaten  zu  lauter  Wafser  worden  sind.  Doch 
ist  sich  hierinnen,  weil  es  bereit  vor  etlichen  Jahren  geschehen,  wie- 
wohl defselben  unglückseelige  Operation  bils  gegenwärtige  Stunde 
sich  ereignet,  länger  nicht  auffzuhalten.  Wanu  Ew.  Chur-Fürstliche 
Durchlaucht  Weile  und  üelegenheit  hätten,  Ihr  auffsuchen  zu  lalsen. 
was  Sie  vor  Ordre  im  vorigen  1638.  Jahre  einem  und  andern  Obristen 
zum  Auffbrach  nach  der  Kej'serlichen  Reichs -Armade  zugeschickt, 
so  würde  es  sich  finden,  ob  einer  oder  der  ander  die  in  der  Ordre 
gesetzte  Zeit  in  Acht  genommen  habe  und  nicht  vielmehr  seines  Oe- 
fallens  mit  Einwendung  nichtiger  Ursachen  fortgegangen  sey  und  so 
lange,  als  es  ihm  beliebet,  unterwegens  zugebracht. 

a)  fehlt. 

'2)  Diese  Verhandlungen  mit  Oxenstierna  ziehen  sich  vom  .Tuli 
1635  bis  in  den  Septembei'  hinein.  Eine  Übei'sicht  über  den  \'erlauf 
derselben  gewähren  die  in  Londorps  Sammlung  IV,  487—516  ge- 
druckten Aktenstücke.  Bauers  Bemühungen  waren  gegen  das  Zu- 
standekommen des  Friedens  überhaupt  gerichtet.  Vergl.  sein  Schrei- 
ben vom  14./24.  Mai  1685  an  Johann  Georg,  und  die  Briefe  des 
Kurfürsten  vom  18./28.  Mai  und  vom  4./14.  Juni,  Londorp  IV, 
458  und  486. 

")  In  Schönebeck  bei  Magdeburg  langten  am  18.  Septbr.  1635 
von  Seiten  der  schwedischen  Armee  imd  ohne  Vor  wissen  des  Reichs- 
kanzlers die  Generalmajore  von  Lohausen  und  von  Wedel  nebst  dem 
01)ersten  Crakau  an,  wälirend  den  Kurfüisten  der  Generaimajoi- 
Vitzthum  und  Oberst  Mitzlaff  veitraten.  Später  stundeten  die  Schwe- 
den den  Grafen  von  Brandenstein.  Damals  erhöhte  der  Kui-fürst 
die  von  den  protestantischen  Ständen  au  die  Schweden  zu  zahlende 
Abfindungssumme  von  15  auf  20  Tonnen  Gold,  während  die  Schweden 
80  Tonneu  gefoi'dert  haben  sollen.  In  seinem  Ablieiufungsmandat 
vom  1.  Februar  1636  versicheit  Joliann  Geoig-,  25  Tonnen  geboten 
zu  haben.  Chemnitz,  Königlichen  Schwedischen  In  Teutschland 
geführten  Kriegs  Ander  Theil,  S.  774,  777,  815  fig. 

15" 


228  J-  0.  Opel: 

Was  für  gute  Occasionen,  dem  Feinde  Abbruch  zu  thun,  aufser 
Händen  geronnen,  wie  der  Krieg  ie  länger  ie  weiter  verzögert,  die 
Stände  des  lieichs  in  den  Quartieren  übermäfsig  und  also  bedränget, 
dal's  sie  Klage  führen  müliseu,  sie  könten  ihren  Stand  nicht  mehr 
durchbringen,  Ew.  Chur-Furstlicheu  Durchlaucht  be^^  vielen  Ständen 
nicht  wenig  Hals  und  biis  noch  wehrender  Unwillen  zugezogen,  wie 
das  Armuth  höchst  bedrücket,  dem  Feinde  aber  zum  gegenwärtigen 
Vorthel")  nicht  weniger  Anlais  gegeben  worden,  solches  bedarff  nicht 
vieler  Aul'sführung.  Wolten  denn  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht 
auch  Zeit  nehmen,  sich  aul's  denen  Acten  zu  informiren,  wie  der 
Römische  Keyser,  wie  der  Cluir-Fürst  zu  Brandenburg  und  der  Kej^- 
serliche  General-Lieutenant ''*)  um  den  schleunigen  Auffbruch  und 
Zuschickung  des  Yolcks  vorm  Jahre  inständig  gebethen,  geschrieben, 
geschickt  und  zugleich  erinnert,  mau  solte  durch  ungesaumbte  Ma- 
turirung'')  der  höchstnöthigen  Oonjunctur  den  zur  selben  Zeit  hinter 
Stetin  und  Pommern  rasenden  Feind  jener  Orte  an  den  See  kanten 
beschliefsenc),  ehe  er  gröfsere  Macht  zusammen  brächte  und  hernach 
der  Kayserlichen  Armada  überlegen  wäre''),  sie  zurück  tiiebe,  sedem 
belli  in  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  oder  des  Feindes  (!)  Lande, 
wie  defsen  Erfolg  leyder  für  Augen,  eintiechtete,  —  so  würde  sich 
handtgreiftlich  iiuden,  ob  au  dem  gegenwärtigen  oder  —  Gott  wende 
es  gnädiglich!  —  an  dem  noch  künfftigen  Unglück  entweder  Ew. 
Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Geheime  Käthe  oder  vielmehr  diejenigen 
eine  Ursache  sind,  welche  darfür  geachtet,  Ew.  Chur-Füi'stlicheu 
Durchlaucht  Volck  hätte  selbige  Zeit  die  drey  Monathe  über  die 
Quartirung  nicht  gnungsahm  genofsen,  da  doch  die  Key  serlichen 
gröfsern  Theils  entweder  niemals  in  die  Quartier  kommen  odei-  nur 
einen  einigen  Monath  in  gar  schlechtem  Tractament  darinnen  geduldet 
worden,  den  Aufsgang  (!)  aber  in  Pommern  unweigerlich  leisten 
müfsen.  Es  würde  sich  augenscheinlich  linden,  ob  nicht  die  ienigen^j 
des  vorhandenen  Jammers  Beförderer  zu  achten,  welche  eben  ziu" 
selben  Zeit,  da  Gott  Mittel  gewiesen,  den»)  Feind  an  der  See  anzu- 
sperreu  und  von  diesen  Landen  gantz  abzuhalten,  ein  Disputat  auff- 
jagen  und  wohl  in  Zweifi'el  ziehen  dürffeu,  ob  Ew.  Chui'-Fürstliche 
Durchlaucht  dem  ietzigen  Keyser,  weil  der  Pragische  Friedens- 
Schlufs  nicht  mit  ihm,  sondern  mit  dem  vorigen  Keyser  auftgerichtet, 
zu  assistiren  und  Hüliie  zu  schicken  verbunden  wäre,  da  doch  die  be- 
gehrte Hülffe  in  Pommern  nicht  dem  Keyser,  als  der  nicht  einen 
Bauer  darimien  zu  verliehren  hat,  sondern  dem  Chur-Fürsten  zu 
Brandenburg  zu  Gute  gemeinet,  dem  Ew.  Chur-Fürstliche  Durch- 
laucht ohne  difs  nicht  nur  als  ein  naher  Bluts-Freund,  nicht  nur  als 
ein  Krieges-Obrister,  nicht  nur  als  ein  Nachbahr,  sondern  Avegen  der 
mit  cörperlichem  Eyde  beschwornen  absonderlichen  Erbeinigung ''•'*) 
darzu  so  hoch  verptiichtet  gewesen. 

Da  über  dieses  solche  Leuthe  gewust  oder  ie  aus  den  Reichs- 
Gesetzen,  ja   der  natürlichen  Vernunfft  selbsten  wilsen   sollen,  mit 

a)  Urthel.  b)  mutii'ung.  c)  beschiefsen.  <^)  wären.  «)  ihrigen, 
f)  dem. 

'^*)  Der  in  Pommern  und  später  in  Meklenburg  stehende  Gallas 
ist  gemeint. 

■'^}  Der  Verfasser  erinnert  an  den  Erbsuccessionsvergleich  zwi- 
schen den  Häusern  Brandenburg,  Sachsen  und  Hessen,  welcher  zu 
Naumburg  am  30,  März  1614  abgesclüossen  wurde,  vergl.  v.  Mörner, 
Kurbrandenburgische  Staatsverträge  S.  62  flg. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  229 

was  schweren  Pflichten  die  Herren  Chur-Fürsten  einem  jeden  Keyser 
obgfehörter  marseu  verbunden  und  verknupiitt  seyn,  nnd  da  solche 
Lenthe  für  Ano-en  e'eseheu,  dafs  niemand  anders,  als  eben  der  ietzige 
Keyser  alle  seine  flacht  unter  (ii-affr-n  Hazfeldt,  (Tratten  (lötzen''"), 
Freyherrn  von  (leleen "'') '')  bluls  zu  Ew.  CIiur-Fürstliclien  Durchlaucht 
Besten  und  zu  Wegbringuno-  des  Feindes  aufs  hiesigen  Landen  im 
1637.  Jabre  geschickt,  dadurch  seine  selbst  eigene  Elsafsischo  Lande 
und  darüber  die  füruchnie  Vestniig  Brcusach  sambt  deme  darinne 
gewesenen  ansehnlichen  ^^()^■l•ath  in  die  St'liantze  gesetzt  und  nmi- 
mehro  in  des  Feindes  Hanil  g:erathen  lafseu  niülsen'^). 

Was  hierbey  zu  selbiger  Zeit  Ew.  Chur-Fürstlichen  Diirchlancht 
Geheimen  ßäthe  ihres  Orths  müud-  und  schriftlich  gerathen,  erinnert, 
gebethen,  auch  auCs  dringender  Ptlii'ht,  Schuldigkeit  nnd  Treue  das 
grofse  Unglück  umbständlich  bedeutet,  welches  sich,  wenn  die  so 
eiffrig  begehrte  Conjuuctur  mit  der  Haupt -Arniade  gegen  Ponuiiern 
länger  verzogen  werden  solte,  ereignen  dörffte,  solches  können  die 
Acta  bezeugen  und  zugleich  darthun,  dafs  die  Eäthe  ihr  damahliges 
unterthänigstes  wohlgemeintes  Gutachten  mit  folgenden  Worten  be- 
schlofsen : 

„In  Summa  wir  bekennen,  dafs  wir  des  Jamnierns, 

Übeln   Nachredens,   Schimpft  und    Schadens,    so   aus 

Hinterbaltung  des  Volcks  diesen  und  andern  Landen 

des  Eömischen  Reichs   entstehen  könte,   einig  Maafs 

*       oder  Ende  nicht  ersehen,  nicht  erdencken  mögen." 

Freylich  ist  uunmehro  leyder  aufs  Gottes  gerechter  Straffe  neben 
der  holien  Gefahr  des  gantzen  Reichs  das  vermuthete  Übel,  Elend, 
Schaden,  Noth  und  Tiübsahl  dieses  Landes  für  Augen,  und  erzeiget 
sicli  allen  defsellien  Ständen  vom  liöclisten  bifs  zum  niedrigsten.  Es 
gehet  fast  keine  Woche  hin,  da  Ew.  Chur- Fürstliche  Durchlaucht 
über  dem  in  ihrer  Hoffstatt  Avachsenden  Mangel,  Abgang  und  Un- 
seegen  nicht  Klage  führeten  und  dafs  Sie  denselben  zu  ersetzen  kein 
Mittel  absehen  kirnten,  vermeldeten. 

Es  ist  dahin  kommen,  dafs  die  inner  und  aufser  dem  Römischen 
Reich  bekandte  Jülichiscbe  Succession- Sache  blofs  aufs  Mangel  ge- 
hörigen Verlags  dem  gantzen  Haufse  Sachfsen  zu  höchstem  Schimi)ff 
und  Schaden  aufslauffen  dörffte.  Wenn  andere  niedrige  Stände  die 
auff  des  Keyserlichen  Cnmmer-Gerichtes  •')  zu  Speyer  [Unterhaltung] ') 
nothwendige  Kosten  herzuschiefsen  und  tiscalische  Processe  zu  ver- 
meiden bemuhet  seyn,  will  es  dieses  Orths  wieder  ermangeln,  unge- 
achtet ein  Keyserliches  Monitorial  nach  dem  andern  einlanget. 

Wie  (>s  mit  der  mehrern  Rilthe  und  Diener  Besoldung  eine 
geraume  Zeit  in  Stecken  gerathen"'*).  auch  daher  allerhand  Unord- 
nung bey  denen  Expeditionen  und  Policey  häuftig  eingerifsen,  ist 
Ew.  (]lmr-Fürstlichen  Durchlaucht  ohne  dil's  wohl  bewust,  und  mehrere 
Inconvenienten  täglich  zu  befahren.  Dafs  Ew.  Ghur-Fürstlicheu  Dunh- 


a)  Golären.     >')  Gerichte.     ')  fehlt. 

'")  Vergl.  S.  V.  Pufendorfs  Schwedisch  und  Deutsche  Kriegs- 
Geschichte,  Buch  IX,  S.  375  Hg. 

")  Dei'  Fieilierr  GottfVicd  v.  Geleen  rückte  nach  Thüringen 
vor,  vergl.  Herrmann,  Der  Kampf  um  Erfurt  S.  31,  37  flg. 

■^8)' Die  Festung  ergab  sich  am  7./ 17.  Dezember  1638,  der  Aus- 
zug der  Besatzung  fand  am  9.  19.  Dezcinl)er  statt. 

™)  Vergl.  die  frähereu  Ausführiuigeu  S.  296,  299  f. 


230  J-  0.  Opel: 

lancht  geliebter  Sohn,  der  Herr  Ertz  -  Bisclioff,  wegen  des  mit  so 
schwerer  Mühe  und  Sorgfalt  erhandelten  Ertz-Stiiftes'')^^)  in  augen- 
scheinlichen Pericul  und  Verlust  zu  des  gautzeu  Chur-  und  Fürst- 
lichen Hauses  unaufslöschlichem  Spott  l)egriffen,  davon  hegehre  ich 
nicht  viel  Wortte  zu  machen  und  meinen  aufs  unterthänigster  Treue 
gefafsteu  Hertzens-Kummer  zu  vernieliren. 

Im  Kirchwesen  findet  sichs  nicht  viel  hefser.  Beyde  Universi- 
taeten^i),  die  edelste  Kleinod  dieses  Landes,  durch  welche  der  Nähme 
des  Chur-  und  Fürstlichen  Hauses  Sachfsen  in  der  Christenheit  noch 
mehr  liekannt  und  lieruhniet  worden,  haben  bifshero  durch  vielfeltige 
Schreiben,  Abschickungen  und  andere  bewegliche  Contestationen  ihre 
bevorstehende  Ruin,  Dissipation  und  Untergang  ttberfiüfsig  angegeben 
und  um  derselben  Verursachung  wehnmthige  Klage  geführet. 

Die  herrlichen  Fürsten-  oder  Landt-Schulen  sollen  nunmehro 
auch  dahin  gehen  und  wegen  Abgang  des  Unterhalts  darnieder  liegen. 
Viel  hundert  Kirchen  im  Lande  mangeln  des  ordentlichen  Gottes- 
Diensts^^),  weil  entweder  kein  Mensch  mehr  in  Dörffern  zu  finden, 


a)  Stiffter. 

^)  Der  zweite  Sohn  des  Kurfürsten,  Herzog  August,  war  unter 
dem  25.  .Taimar  1628  zum  Erzbischof  von  Magdeburg  postuliert  worden. 

^^)  Der  Professor  Buchner  i'ühmt  in  seiner  (Tedächtnisrede  die 
rastlosen  Beniüliungen  des  Konsistorialpräsidenten  Fr.  von  Metzsch 
um  die  Erhaltung  der  Universität  Wittenberg  mit  folgenden  Worten: 
,.vos  memorare  poteritis  .  .  . ,  quos  sustinuerit  labores  dies  noctesque, 
non  raro  certamina  etiam,  ut  salva  ac  integra  Acadeuiiae  jura,  ut 
privilegia  docentium  publice  sarta  tectaque  manereut;  tum  ut  aerarii 
instaurarentxu-  ruinae.  qua  possent,  stipendiaque  nobis  procederent 
rursus,  quae  effera  hactenus  bellorum  rabies  absorpserat. 
Quam  inardescere  soleliat,  quoties  increparet  saevitiam  tem- 
porum,  quam  miserari  ac  dolere,  cum  efficacia  satis 
remedia  expedire  malis  nostris  atque  in  tempore  quidem 
hand  posset.  Panegyricus  illustri  viro  Friderico  Metschio  .  . 
dictus  ab  A.  Buchner  i65H.  Im  Jahre  1639  schrieb  Buchner  an 
Heinrich  von  Friesen:  „Wir  hungern  wacker;  von  Tag  zu  Tag  geht 
es  uns  schlechter". 

^-)  In  einer  gleichfalls  in  den  obersächsischeu  Landen  erschie- 
nenen Schrift  heisst  es:  „So  waren  auch  Anno  1635,  so  der  Pragische 
Friede  geschlossen,  wo  nicht  alle,  doch  die  allermeisten  Evangelischen 
noch  in  viel  erträglicherm  Zustande,  als  sie  jetzo  seyn.  Aber  diese 
vier  Jahr  vber,  do  uns  unsere  (llaubensgenossen  augefeindet,  ist  wol 
der  zehende,  ja  auch  wol  der  fünffte  Theil  von  den  Evangelischen 
vor  Kummer  vnd  Jammer  leider  dahin  gefallen  vnd  gestorben.  Den 
vorigen  Krieg  hätte  man  auch  fast  nicht  einmal  in  diesen  Evan- 
gelischen Landen  gefühlet,  und  hätten  diese  vier  Jahr  ülier  viel 
tausend  Christen  von  dem  Verderben  errettet  werden  können.  Vnd 
Aveil  in  einem  eintzigen  Evangelisehen  Lande  in  die  400  Lutherisdie 
Kirchen  solche  Zeit  über  verwüstet  seyn  sollen.  So  dörffte  man  bald 
gedencken.  Als  niöcliten  in  dem  gantzen  Evangelischen  Bezircke 
wol  zum  wenigsten  2000  Kirchen  letzt  öde  stehen".  Nothwendigc 
I  INFORMATION,  |  Ob  den  Itzigen  Reichs  Feinden,  |  So  lange  sie 
sich  wider  das  Haupt,  oder  |  die  (ilieder  des  Heil.  Rom.  Reichs 
feindselig  erweisen,  |  Mit  worten  oder  wercken  beyzupflichten?  Ge- 
druckt im  Jahr  M.  DC.  XXXIX.  4.  D  4. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  231 

oder  doch  dieselben  in  dermafsen  Arninth  und  Ahnehraen  s'eratheu, 
dafs  sie  den  Kirchen-Dienern 'M  ihr  Geliülu'nifs  oder  nur  nothdüi'Htigen 
Unterhalt  zu  reichen  durchaufs  nicht  vermögen,  ja  auch  seihst  das 
Bettel-Bi'od  'eisen  (»der  auch  wolil  mit  unnatüj'lichen  Dingen  ihr 
Leben  elendiglich  durchbringen  nuifsen.  Keine  Stadt  im  Lande  soll 
sich  befinden,  derer  Kath -Hanfs  und  aerarium  nicht  in  dcrmafsen 
Schulden  stecke,  dal's  sie  daraul's  zu  kommen  keine  Hoffnung  halien 
mögen  *•'). 

A^iel  hundert  Dörff'er  liegen  in  der  Asche  oder  sonst  wüsste 
und  oede.  die  sich  aber  noch  ie  '')  etwas  hauen,  die  leben  für  Freunden 
sowohl  als  Feinden  in  lauter  Fuicht,  Angst  und  Quaal,  sindemahl 
ibnen  bereits  anietzo,  da  die  Zeit  der  Ernte  kaum  oder  noch  nicht 
Avohl  ein  Viertel-Jahr  verfloi'sen,  dennoch  der  heurige  Zuwachs  meistens 
aligenomiuen  worden,  das  üljrige  mehr  in  des  Soldaten  freveler  Ge- 
walt, als  in  ihrer  Verwahrung  stehet,  und  ihnen  kein  menschlich 
Mittel  gelafsen  ist,  dadurch  sie  sich  sambt  den  Ihrigen  hlofs  mit 
trockenem  Brodt  bifs  künfftige  Erndte  erhalten  könten,  wie  wohl 
der  allerweinigste  Theil  des  Landes  ietzo  über  Winter  angebauet 
worden  und  ihme  dahero  der  geringste  Hauffe  der  armen  anfsge- 
brefsten  Inwohner  auff  künfftige  Brnflte,  aller  Kriegs-Gefahr  zu  ge- 
schweigen,  einige  Hoffnung  der  Befserung  machen  kann. 

Wie  es  um  Handel  und  Wandel  stehet,  dafs  fast  kein  Mensch 
ohne  starcke  Confoy  über  die  Ciräntze  sichei'  kommen  möge,  auch 
die  Schiffarthen  von  Pirn  bifs  anhero  nicht  frey  seyn,  sondern  von 
denen  Keuthern  in  Sti'ohm,  so  weit  sie  nur  gründen  können,  geritten, 
in  die  Schiffe  g(»scholsen  und  sie  dadurch  zu  Hergebung  vermeinter 
Beuthe  oder  Rantion  angehalten  werden  wollen,  wird  täglich  beklaget. 
\Vas  es  für  einen  sorglichen  Zustandt  mit  der  in  gantz  Euro])a 
berühmt'')  gewesenen  Handels- Stadt  Leipzig '^^)  erlanget,  das  hat  der 


•')  Diener.     '')  in.     ')  berühmten. 

^^)  „Ach!  wo  seynd  die  Vorstädte  von  Leipzig,  Freyberg, 
Zwickau,  Wittenberg,  Naumbui'g,  Pirn,  Dölitzscb,  Hertzberg  und 
viel  andere  '•?  Wo  seynd  die  Gottes  -  Raths  -  Bürger-  oder  gemeiner 
Stadt  Häusser  zu  Adorff,  Beigern,  Bautzen,  Bischoff'swertha,  Colditz, 
Chemnitz,  Dennstädt,  Dippoldifswalda ,  Dahlen,  Dieben,  Dalima, 
Dommitzsch,  Elterlein,  Fi'eyburg,  Franckenberg,  Fi'auen-Priefsuitz, 
Gommern,  Gräfenhainichen,  Giünhain,  Groitzsch,  Hoyerswei't,  König- 
stein, Kirchhain,  Kindelbrück,  Kcmbei'g,  Lancha,  Lommitzsch,  Lützeu, 
Lauchstcdt.  Lcissnig,  Lieben,  Liebenwert,  Lochau,  Mücheln,  Mit- 
wcida,  Meissen,  Mutzschen,  Niemeck,  Newstatt,  Nebra,  Oederan, 
Oi'drant,  Oelfsnitz,  Pretzsch,  Plauen,  Rosen,  Rissa,  Rotburg,  Rofs- 
wein,  Radeburg,  Ranstädt,  Rochlitz,  Schkölen,  Schlieben,  Schweinitz, 
Senffrenl>erg,  Sebenitz,  Schiida,  Schneel)erg,  Schkeuditz,  Stolberg, 
Strelen,  Stolpen,  Schmidcberg,  Tau^ha,  Thomaslmick,  Weyda,  Wur- 
tzen,  Zschopa,  und  an  vielen  andein  Orten,  Enden  und  l'lätzen  mehr. 
Insonderheit  auch  an  Schlüssein,  Rittei'gütern,  Freyhäusern,  För- 
stereyen,  Forwercken  und  dergleichen?"  Klag  vnd  Seufftzen  [Des 
I  betiüliten,  bcträiigten  vnd  verderb-  |  ten  lieben  |  A'aterlandes,  i  je. 
Anno  M.D(!  XIjII.  4.  \'crgl.  ausserdem  eine  nrkundliclie  Mitthei- 
lung Hclbigs  über  den  Zustand  der  liittergüter  im  Amte  Torgan 
im  Jahre.UUH  in  K.  von  Webers  Ai'chiv  f.  d.  Sachs.  Gesch.  \',  282. 

*•)  Über  die  Störungen,  welche  die  Messe  erlitt,  berichtet  aus- 
führlich Hasse,  Geschichte  der  Leipziger  Messe,  S.  108— 1B2. 


232  J-  0.  Opel: 

ßath  selbigen  Orths  durch  Schickung  und  schriftliche  Ausführung 
mehrmals  bezeuget;  und  ist  nicht  wohl  zu  venieineu,  dafs  frembde 
Handels-Leuthe,  wenn  sie  über  Gebühr  beschwehret  und  sonsten 
verunsichert  werden,  an  einen  gewiiseu  Orth  der  Handlung  sich  nicht 
so  genau  binden  lafsen.  Es  hat  solches  die  Erfahrung  an  der  für- 
nehmen Stadt  Lübeck  gnungsam  erwiesen,  ungeachtet  sie  eine  freye 
Reichs-Stadt  und  das  Haupt  der  andern  Seestädte,  von  Römischen 
Keysern  herrlich  und  wohl  jn^ivilegiret ,  ungeachtet  auch  einige 
Accisen-Unsicherheit  dazu  nicht  Aulafs  gegelien,  bat-i)  sie  es  doch 
dahin  nicht  bringen  können,  dafs  die  völlige  Handlung  wäre  bey  ihr 
blieben  und  von  frembden  Handels-Lenthen  gröfseren  Theils  nicht 
nach  Hamlnirg,  Avie  am  Tage,  transportirt  worden. 

So  bleibet  unvorgefsen,  wie  sehr  man  sich  noch  für  wenig 
Jahren  bennihet,  dem  Leipziger  Mar(dvt  Eintrag  zu  thnn,  Aväre  auch 
unzweiffelich  erfolget,  wenn  Ew.  Chur- Fürstliche  Durchlaucht  den 
Keyserlichen  Favor  so  starck  auff  ihre)'  Seiten  nicht  gehabt  hätten. 
Die  Noth  und  Beschwehr  des  Landes  will  sich  auch  dannenhero  nicht 
wenig  vermehi'en,  indenie  dieses  Ew.  Chur -Fürstlichen  Durchlaucht 
Land  hinter  dem  Pragerischen  Friedens-Schlufs  viel  Tonnen  (joldes 
an  baarem  Clelde,  Getreyde  rmd  anderes  hergegeben  und  auffgewendet 
haben  mag,  über  welches  aber  bifs  gegenwärtige  Stunde  eine  richtige 
und  beständige  Liquidation  nicht  soll  zur  Hand  gebracht  Avorden 
seyn,  da  doch  solche  sehr  nöthig  und  nützlich  dannenhero  erachtet 
wird.  Dann  weil  aus  Ew.  Chur -Fürstlichen  Durchlaucht  Landen 
lunhaltes  der  Pragerischen,  Regenspurgischen  und  Leipzigischen 
Verwilligung**^)  über  zehenmal  hundert -tausend  Gulden  Rheinisch 
hätten  gefallen  sollen,  so  mufs  ie,  woran  und  wie  es  erfolget  und 
eingelii'acht,  an  gehörigen  Orthen  liquidiret  und  dargethan  werden. 
Sonsten  bleibt  das  Land  der  Kriegs  -  Gassen  jedesmahl  auff  ein 
unterschiedliches  verbunden ,  daraufs  es  sich  nicht  endlich  wird 
flechten  können,  bey  Keyserlicher  Majestät  aber  so  wiei>)  denen  andern 
Clhur-Fürsten  und  Ständen  in  dem  ungleichen  Verdacht,  als  hätte 
es  gar  nichts  von  den  Verwilligungen  beygetragen.  Nützlich,  gut 
und  sehr  zuträglich  wolte  diese  Liquidation  seyn:  Denn  da  errin- 
nern  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  sich  gnädigst,  wie  treulich 
die  Geheimen  Räthe  nach  dem  Pragerischen  Friedens-Schlufs  gerathen 
und  mehrmals  nntei'thänigst  gebethen,  Ew.  Chur-Fürstliche  Durch- 
laucht wolten  nach  Erheischung  des  unter  Hand  und  Siegel  gethanen 
Versprechnifs  ihr  unterhabendes  Kriegs -Volck  die  zu  Praag  ver- 
glichene und  abgefaste  Notul  der  Pflicht  zu  dem  Ende  ablegen 
ialsen,  damit  das  Volck  ihren  Sold  und  Unterhalt  aufs  der  Reiclis- 
Casseu  empfangen  und  nicht  etwan  dermableinst  Ew.  Chur-Fürstliche 
Durchlaucht  oder  Dero  Land  in  proprio  anfallen  und  eine  lautere 
Unmöglichkeit  anfszuprefsen  sich  unterstehen  möchte.  Wiewohl  nun 
weder  damahls  noch  bifs  ietzige  Stunde  beyzubi'ingen  seyn  wird, 
dafs  die  Räthe  für  sich  einigen  Nutz  daruntei'  gesuchet,  sondein 
blofs  Eav.  Chur- Fürstlichen  I)urchlaucht  Zusage  und  dai-an  hafftende 


a)  hab.     b)  ■vviu. 

^^)  Im  Pi-ager  Frieden  wurden  120  Römermonate  bcAvilligt, 
Londorp  IV  (1668),  467.  Dersel))e  Beschluss  wurde  auch  in  Regens- 
hurg  angenommen.  Die  Majorität  der  obei'sächsischen  Kreisstände 
einigte  sich  am  12.  '22.  November  1638  zu  Leipzig  in  dem  Beschlüsse 
ebensoviel  Monate  aufzubringen,  Krause,  IV,  1,  368. 


Eine  politische  Deiikschiift  etc.  233 

Cliur-Fürstliche  Reputation,  iugleichen  Alnveiiduiii?  Dero  und  des 
Landes  besorgiidien  Schadens,  wie  aucli  die  Billigkeit,  dafs  die,  so 
dann  dem  Reich  dienen  würden,  eben  hey  des  Reichs  Cassa  die 
Zahhuiü'  suchen  solten,  für  Augen  g'ehaht:  so  sind  doch  zur  selben 
Zeit  wiedciuiii  Leuthe  gewesen,  die  den  guten  Rath  verhindert  und 
zu  ihrem  seihst  eigenen  Besten  durchgetrungen  und  die  Ahlegung 
solchei"  Pflicht  bifs  gegenAvärtige  Stunde  verwehret  halien*'*). 

Und  eben  dieses  wilsen  [sich]-')  dennoch  nicht  nur  die  im 
Lande  gebliebene,  sondern  aucli  und  fürnehmlich  die  aufs  Böhmen 
zurückgegangene  Retiimenter  wohl  |zu|  •')  Nutze  zu  maclien,  iudeme 
sie  alle  mit  einander  Quartier,  Zalilung  und  Accommodation  bey 
niemanden  andern,  dann  bey  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  und 
in  Dero  Landen  zu  suchen  begehren,  also  gar  die,  wie  Ew.  Chur- 
Fürsf  liehe  Durchlaucht  ohn  Zweift'el  gnädigst  iudenck  seyn ,  in 
Böhmen  gewesene,  nicht  allein  den')  zu  Pi'ag  abgehandelten,  von 
Ew.  Ohur- Fürstlichen  Durchlaucht  versprochenen  Eyd  abzulegen, 
einen  Monath  Sohlt  zu  nehmen  und  in  Böhmen  zu  bleiben  verweigert, 
soudeiii  auch  den  eigenmächtigen  Rückzug',  welcher  nac-h  des  Obiisten 
Hanau**")  in  seinen  unterschiedenen  Schreilieu  gefällten  Th'thcl  Ehren- 
und  Lebens-Verlust  nach  sich  zeucht,  unternonmien.  Hätten  sie  die 
Reichs -Pflicht  abgeleget,  so  wäre  ein  solches  wohl  nachldieben'') 
oder,  ob  es  ie  erfolget,  so  würden  doch  Ew.  Chur-Füi'stliche  Durch- 
laucht mit  mehrern  Befugnils,  ais  ietzo,  da  kein  einiger  Mann  bey 
der  Reichs- Armade  blieben,  an  Ihre  Kaysei'liche  Majestät  haben  be- 
gehren können,  dafs  Sie  Ihr  an  die  andei'u  Stände  des  Ober-Sächfs- 
ischeu  Ci'eyfses  zu  Einnehmung  defs  der  Kayserlichen  IMajestät  und 
dem  Reich'")  verpflichteten  Volckes  Dero  i)i'omotoriales  erthcilcn.  und 
dafs  die  Last  aulf  Ew.  Chur-Fürstlichcn  Durchlaucht  Landen  alleino 
niclit  Ideiben  dürifte,   allergnädigst  vermitteln   wollen;    unbegrüfset 


")  fehlt,     b)  fehlt.     »■)  denie. .   <i)  Belieben.     <=)  Reichs. 

^')  Nach  den  Bestimmungen  des  Prager  Friedens  blieb  der 
Kaiser  armiert.  Mit  seinem  Heere  sollten  sich  aber  auch  Regimenter 
Kursachsens  und  aller  andern  Kurfürsten  und  Stände  zu  einer  ITaupt- 
arniee  verliinden.  welche  „Der  R.  K.  M.  und  des  h.  Reichs  Kriegs- 
heer"  heissen  sollte.  Alle  Armeen  sollten  dem  Kaiser  und  dem 
Reiche  „ülier  diejenige  Pflicht,  welche  sie  bereits  geleistet  hatten", 
vereidigt  wei'den.  Nur  dem  Könige  von  Ungarn  und  den  Kurfüi'stcn, 
wenn  sie  im  Namen  des  Kaisers  und  des  Reichs  .einen  (leneralat" 
führten,  wuidc  der  persönliche  Kid  in  (Inaden  erla'^sen.  Sebottcn- 
dorfs  Ausfülirnngen  nach  ist  also  dieser  sehr  wichtige  Punkt  des 
Prafi'er  Friedens  längere  Zeit  hindurch  in  Kui'sachsen  nicht  aus- 
gefühit  worden.  Dagegen  Avird  in  der  Geschichte  der  sächsischen 
Armee  von  Schuster  und  Francke  S.  69  versichert,  dass  gerade 
die  Klagen  über  die  Ver])flegung  der  Tiu])pen  in  Prag  den  Kur- 
fürsten veranlasst  hätten,  die  (lenehmigung  dazu  zu  erthcilcn,  die 
sächsischen  Tru])pcn  in  Reiclispflicht  zu  nehmen.  Wenn  dies  richtig 
ist,  so  könnte  es  nur  nach  dem  IR.  Dezember  16S9  geschehen  sein. 
Brandenburgische  ilegimenter.  welche  freilieb  auf  Kosten  des  Kaisei's 
geworben  waren,  hatten  im  .lahre  Ui.n  diesen  Doppeleid  geleistet. 
Die  Regimenter  der  Liga  waren  im  dänischen  Kriege  dem  Kaiser 
nicht  vereidigt. 

*')  Oberst  August  von  Hanau  (Hanow)  führte  ein  kursächsisches 
Reiterregiment. 


234  J-  0.  Opel: 

der  Stämle  ihnen  die  Regfimenter  ins  Land  zu  schicken,  zweiffeie 
ich.  ob  es  dahero  rathsani.  dafs  die  Stände  alfs  denn  zur  Desperation, 
Unwillen  nnd  einer  o-änfzlichen  Separation  g'ehracht,  und  wenn  die 
Einqnartirunsi:  ohne  Keyserliche  Vermitteluna;  sreschehen;  woran  (!) 
Ew.  Chur-Fürstliclien  Durchlauclit  das»)  daraus  erwachsende  Unheil'') 
vollends  heye:euiefsen  werden  möchte,  sonderlich  weil  man  nicht 
wifsen  kan,  wefsen  sich  zu  den  Regiementeru  zu  versehen.  Denn 
blieben  sie  in  dem  Fiirsatz,  defsen  sich  die  gesamliten  Officierer 
durch  den  verstorlienen  Obristen  -  Lieutenant  LischAvitz  zu  dreyen 
inalilf'u  nach  einander  behari'lich  angegelien  und  in  eingeschickten 
unterschieden  Schreiben  wiederhohlet,  auch  durch  den  eigenthätigen 
Rückzug  im  Wercke  erweifslicli  gemacht,  durch  ietziges  Erbieten 
al)er  blofs  die  Quartiere  zu  geniefsen  meinen  mögen,  —  so  wird  sich 
der  Keyser  ihres  Diensts  wenig  zu  erfreuen,  auch  vielleicht  nicht 
grofse  Beliebung  haben,  mit  solchem  Yolck  die  Stände  des  Reichs 
zu  belegen  und  ihm«)  damit  wiediig  oder  abfällig  zu  machen,  Ew. 
Churfürstliche  Durclilaucht  aber,  ob  sie  ihnen  gleich  ihr  gantzes 
Land  vollends  dahin  geben,  endlich  innen  werden,  dafs  Sie  mit 
solchen  (ohne  Keyserliclies  Volck)  des  Feindes  Macht  zu  begegnen 
nicht  vermögen:  dergestalt  alle  bifsher  auff  sie  verwendete  Kosten 
gantz  vei'gel)ens  angeleget  bleiben. 

Dem  aber  sey,  wie  es  wolle,  wenn  dennoch  E.  Chur-Fürstlicdie 
Durchlaucht  gnädigst  beliebig  Aväre,  die  Hfiuidationera  defsen,  was 
an  Oelde,  Cietreyde  und  andern  von  Zeit,  da  nach  den  Pragerischen 
Friedens-Schlufs  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlauclit  zu  Felde  gezogen, 
hergegen  aus  den  Aembtern  hin  und  her  einbringen  zu  lafsen,  in- 
mafsen  die  Stadt  Leipzig  auff  etliche  viertzig  tausend  (rulden,  die 
Stadt  Naumburg  auch  auff  ein  hohes  nur  in  eintziger  Einquartierung 
kommend),  würde  sichs  alsdann  zeigen,  was  doch  dieses  Land  ein 
und  andern  Orts  beygetragen,  was  ihme  abgenommen,  was  denie) 
Soldaten  zu  gute  gaiigen,  und  er  ihme  in  seiner  Forderung  kürtzen 
zu  lafsen  schuldig  und  verbunden  sey.  Li  längerer  Aufsenbleibung 
bemeldeter  Liquidationen  und  Hontinuirung  der  ungescheueten  ge- 
waltsahmen  Insolentien  des  Soldaten,  der  alles  im  Lande  Ra\;b  und 
Preifs  zu  seyn  ihme  einbildet,  ist  zu  wüntschen.  dafs  die  noch  wenigen 
Einwolmer,  wie  in  andern  Landen  mehr  geschehen,  nicht  getrimgen 
werden  aus  lauter  Desperation,  Hunger  und  Kummer  ihre  Hütten 
zu  verlafseu  und  derer  Orthe  sich  zu  begeben,  da  sie  unter  andern 
Reichs- Ständen  oder  auch  dem  Feinde  weit  befsere  Erträglichkeit 
und  mehrere  Erbarmnifs,  denn  bey  hiesigem  Volck  zu  erlangen  ver- 
hoffen. Was  für  Jammer  und  Elend  daraufs  zu  Itesorgen,  weiset 
das  Land  der  Chur  und  ]\Iarck  Brandenliurg.  Ew.  Chur-Fürstliche 
Durchlaucht  werden  vielleicht  allbereit  sich  haben  berichten  lafsen, 
wie  imterschiedliche  stattliche,  Ihr  selbst  zubehörige  nutzbare  For- 
wero'e  f)  und  Wirthschafften  blofs  dieser  Ursach  halber  unarebauet 
und  ohne  allen  Xutz  zu  der  ordentlichen  Eiukünffte  merckliclien 
Verringerung  liegen  bleiben  raüfsen,  dafs  die  Unterthanen  nicht  mehr 
vorhanden,  auch  keine  Leuthe  sind,  die  man  zu  nothwendiger  Pe- 
stelluna"  des  Ackerbaues  und  anderer  vor  diesem  gewöhnlicher  Er- 
träglichkeiten gelirauchen  können. 

Auch  bleibeu  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  noch  wohl  in- 
gedenck,  was  Sie  vorm  Jahre  bey  den  vorgehabten  Jagten  für  einen 
Mangel  der  LeiTthe  bereits  verspühret   haben,  welcher  Abgang  sich 

a)  des.    ^)  Urtheil.    <^)  ihn.    dj  einkommeu.    ^)  deu.    f)  Forwege. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  235 

seither  mächtig-  vermehret  und  hey  wachsenrlor'')  Soldaten  Licenz 
von  Tage  zu  Tage  wachset  und  zunimmet,  da  heute  diesem,  morgen 
einem  andern  sein  letzter  Bifsen  von  Soldaten  aufsgerifsen,  er  in  den 
bittern  Hunger  und  daraufs  folgenden  Todt  gesetzet,  auch  wohl  kein 
Tag  vorliey  gehet,  darinnen  dieses  nicht  gegen  vielen  armen  Leuthen 
ohne  Erliarmnifs  verübet  wird. 

Der  Feind  streitet  anietzo  autf  zweyerley  Weise:  ein  mahl  in 
ötfi'utliclier  Gewalt,  welcher  zu  wiederstehen  Ew.  Chur-Fürstlichen 
Durchbiucht  Volck,  ol)  sich  gleich  die  Regimenter,  welches  doch  bey 
notorischem  des  Landes  Unvermögen  und  so  vielen  darin  befindlichen 
Guariiisonen  eine  pur  lautere  Unmuglichkeit  scheinet  *>),  völlig  er- 
gäntzeteu,  nicht  vermag. 

Gehet  die  Conjunctur  der  Königsmarckischen  mit  denen  Völckern, 
so  in  der  alten  Marck,  Stifft  Halberstadt  und  Quedlinburg  gelegen, 
für  sich'^^\  oder  schicket  der  Baner'*'')  etliche  Regimenter  entgegen, 
so  dürffen  sie  mit  Zuziehung  der  Reuterey  aufs  Erfurth"")  und 
Chemnitz^')  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Vok-k  von  allen 
Seiten  tnnfafsen,  bedrängen  und  überwältigen.  Oh  denn  gleich  Ev/. 
Chur-Fürstliche  Durchlaucht  Keyserliches  Volck  zum  Succurs  i'odern 
weite,  so  wird  es  nicht  allein  zu  späth  seyn,  sondern  es  hat  fürs 
andere  der  Feind  in  Böhmen  bereits  den  Vorthel  ergriffen  und  kan 
es  dieser  Orth  auch  thun,  dafs  er  wo  nicht  durch  Brand,  doch  durch 
gewaltsahme  Abnehmung  und  unerschwingliche '")  exactiones  des  Ge- 
treydes  allen  Vorrath  entwedei-  verderbet  oder  an  sich  zeucht,  da- 
mit dem  Keyserlichen  Volck  die  Mittel  des  Unterhalts  entgehen  und 
aufs  dei'er  ]\ian2el  sich  solcher  Orthe  wieder  ihn  zu  tentiren  nicht 
vermögen,  ge.stalt  auch  Nachricht  einlanget,  dafs  des  Feindes  hin 
und  her  für  Einhohhing  der  Contribution  liegende  Gflicirer  nuuiuehr 
nicht  so  sehr  auff  Geld  als  Getreydes  Einbringung  zielen  und  dringen 
solteu.  "Wann  nun  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  \'olck  der 
unordentlichen  Abnahm  \\m\  Verösiuigd)  der  wenigen  Früchte  und 
Viehes  sich  ferner  unterwinden  wolte,  so  Avird  der  Land-Man  mit 
dem  hinterstelligen  Bifsen  Brod  und  wenigen  Vieh  vollends  bald 
fertig  gemacht.  Ist  alsdenn  nicht  allein  kein  Proviant  für  Ew. 
Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Volck  mehr  vorhanden,  sondern  weil 
dafselbe  gegen  dem  Feinde  nicht  bastant,  bleibet  auch  kein  ander 
Mittel  übrig,  ander  Volck,  ob  es  gleich  zum  Succurs  erfordert  werden 


=')  wachsenden.    •>)  scheünt.    <=)  unerschwindliche.   ^)  Vernösuug. 

8«)  Sebottendorfs  Befürchtungen  erfüllten  sich  zum  Theil,  wenn 
auch  in  anderer,  als  der  hier  angedeuteten  Weise,  vergl.  Pufendorf 
a.a.O.  Buch  XII,  S.  535  und  Barthold,  Geschichte  des  grossen 
deutschen  Krieges  II,  245  f. 

"")  Baner  stand  damals  in  Böhmen,  vergl.  Gretschel  a.  a.  O. 
II,  317. 

^)  In  Erfurt  befand  sieh  eine  kleine  sdiAvedische  Besatzung 
unter  Heini-ich  von  der  Golz. 

»1)  Bauer  hatte  im  April  1^39  bei  seinem  Abzüge  von  Cheuniitz 
nach  Freiberg  ])()lnisches  Fussvolk  und  ein  Reuiment  Riiter  unter 
dem  Obersten  Prinz  in  der  Stadt  liinterlassen.  Im  April  Kilo  rückte 
eine  Ahth(>ilung  der  Kaiserlichen  unter  dem  Herzoge  von  Hiagmiza 
heran,  und  am  25.  April  musste  sich  der  schwedische  Kommandant 
ergeben.  Vergl.  Kretschraar,  Chemnitz,  wie  es  war  und  wie  es 
ist  (1822),  S.  112  flg. 


236  J.  0.  Opel: 

solte,  mit  srehöriger  Notlulu.rfft  zu  versehen  und  Ew.  Cliuv-Fürstlichen 
Durchlaucht  Land  von  des  Feindes  Uherlast  auff  einigerley  Weise  zu 
liberiren.  Die  Verwüstung'  dieses  Landes  gewinnet  von  Tage  zu 
Tage  mehr  Kraift,  und  Ew.  Chur  -  Für.stlichen  Durchlaucht  Ein- 
künfften  (andern  ülielu  Befahrnifs  zu  geschweigen)  fallen  gantz  dahin 
und  bleiben  aiifsen. 

Ob  dem  Römischen  Keyser,  ob  dem  Reich,  ob  Ew.  Chur-Fürst- 
lichen  Durchlaucht  selbst  zu  derer  allerseits  Intention,  die  Yerfafsung 
des  Reichs  sonderlich  zwischen  dem  Keyser  und  Chur-Fürsten  zu 
erhalten  und  den  Feind  dermahleiust  daraus  wegzutreiben,  hierdurch 
etwas  zu  gute  gehe,  haben  Ew.  Chur-Ftirstliche  [Durchlaucht]  ■■^) 
gnädigst  zu  ermefseu. 

Alles  dieses,  Gnädigster  Chur-Fürst  und  Herr,  habe  bey  Ew. 
Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  ich  fürnflimlich  aufs  zweyerley  Ur- 
sachen etwas  umständlicher  anführen  wollen:  Einmahl  dafs  Ew. 
f  ■hur-Füi'stliche  Durchlaucht  gnädigst  zu  vernelimen  betten''),  wie  um 
derer  bifsher  von  mir  geforderten  Rathschläge  Avilleii,  gleichsam 
hätte  ich  meine  Pflicht  dabey  so  genau  nicht  in  Acht  genommen, 
mich  mein  Gewifsen  gar  nicht  kräncke  oder  beschuldige,  ich  vielmehr 
eine  zuversichtige  Freudigkeit  für  Gott  und  der  erbahren  Welt  da- 
rinnen empfinde.  Mein  Zweck  nechst  der  Ehre  Gottes  und  Erhal- 
tung seines  seeliamachcnden  Wortts  ist  gewesen,  weil  von  Ew. 
Chur-Fürstlichen  Dm-clilaucht  als  einem  Wahl-  und  C'hur-Fürsten  im 
Römischen  Reich  ich  zu  Dienste  (von  deme  mich  kein  unterthänigstes 
Bitten  entledigeu  mögen)  erfordert  worden,  dafs  ich  ie  zu  nichts 
]-iethe,  dadurch  Ew.  Chiu- -  Fürstliche  Durchlaucht  an  Dero  hohen 
Würde  imd  Praeeminenz  solcher  freyen  Chur  und  Wahl  für  sich 
oder  Dero  Nachkommen  gefähret ^l,  sondern  bey  derselben  Ew.  Chur- 
Fürstlichen  Durchlaucht  geehrte  Vorfahren  sambt  Land  und  Leuthen, 
ja  dem  gantzen  Römischen  Reich  nahe  in  hundert  Jahr  sich  recht 
[wohl]  '•)  befunden,  neben  freyer  und  ungehinderter  Übung  des  Gottes- 
dienstes an  Macht,  Ehre  und  Vermögen  glücklich  zugenommen;  das 
zeigen  die  nnlaugliahren  Historien.  Eben  den  Zweck  haben  Ew. 
Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  gewesene  fürnehme  Geheimde  Räthe 
die  gantze  Zeit  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  laug  und  rühm- 
lich geführter  Regierung  (bifs  auif  erfolgten  Zwies])alt)  für  sich  ge- 
habt, ich  also,  wieAvohl  denselben^)  herrlichen  Leuthen  gar  nicht  zu 
vergleichen,  kein  Ursach  gesehen,  meine  consilia  auff  etwas  anders 
zu  richten. 

Wohin  aber  derer  Leuthe  SuspicionenO-  Bezeig-  und  Einbil- 
dungen in  kurtzem  aufsschlagen  dürfften,  die  den  Reichs-Feindeu  das 
Wortt  reden,  ja  wohl  um  der  gegenwärtigen  Progress  willen  ver- 
lauten wollen,  es  sey  befser  wo  nicht  gar  auff  Seiten  der  Reichs- 
Feinde  zu  treten,  doch  zum  wenigsten  gegen  ihnen  still  zu  sitzen, 
die  alle  ihre  Unthaten,  Pressuren  und  Violentien  mit  Demolirung 
fester  Orther,  Niederbrennung  Städte  und  Dörffer  etc.  Ew.  Chur- 
FürstliehenDiirchlaucht  lauter  zum  Besten  gemeinet  und  gut  heifsen, 
den  [Kays er] g)  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  von  Tage  zu 
Tage  verdächtiger  machen,  ihme  hülffliche  Hand  zu  biethen  mifs- 
rathen  oder  für  seine  hohe  Majestät,  ungeachtet  eben  und  allein  zu 
dem  Ende  sie  viel  Tonnen  Goldes  von  den  Ständen  des  Reichs  und 
sonsten  eingehoben,  zu  fechten  Bedencken  tragen  und  dadurch  denen- 

a)  fehlt.  i')  hatten.  ")  geführet.  <i)  fehlt.  «)  demselben. 
f)  Successiouen.     s)  Es  steht:  „den,  von  Ew". 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  237 

jenigen  guten  Vorschub  thun,  die  das  Reich  mit  Abstofsuug  des 
Xeysers  und  der  Herrn  Chur-Fürsten  in  eine  neue  Form  zu  richten 
benmhet  stehen,  dals  wird  (iott  und  der  Tag  öffnen.  Verständige, 
auffrichtige,  gewissenhaffte  Käthe  müi'sen  nicht  nur  a\iffs  blinde  ver- 
gängliche Ulück  sehen,  sondern  auch  die  vorgegangene  und  künff'tige 
Fälle  für  Augen  stellen,  fürnehmlich  autf  üoites  Ordnung  und  Ge- 
l)oth  ihr  Absehen  faisen  und  demselben  nach  ihre  consiiia  gründen 
und  befestigen. 

Solten  gleich  aufs  Grottes  gerechtem  Verhängnifs  zur  Straff  der 
Sünden  die  Schwedischen  Success  nochmahls  also  lortgehen,  so  haben 
Ew.  Chur  -  Füi'stliche  Durchlaucht  zu  unterschiedenen  mahlen  das 
Exenipel  mit  dem  Haufse  Braunschweig  und  Lüneburg,  was  sich 
dafselbe  auff  solchen  Fall  zu  versehen,  erwehnet;  es  können  auch 
hiervon  die  iutercipirte  Schwedische  Schreiben  nicht  undeutlich  Zeug- 
nifs  fürbilden.  Wendete  sich  das  Blatt  auff  die  andere  Seiten,  so 
haben  Ew.  Chur- Fürstliche  Durchlaucht  gleicher  (iestalt  hochver- 
nünfftig  erwogen,  wie  die  Hiuterhaltung  des  Kriegs- Volcks,  daj's 
man  blofs  zu  Beschützung  seines  Landes  bedüifftig  zu  seyn  auge- 
geben und  dem  Spiel  stillschweigend  zuzusehen  vermeinet,  angesehen 
werden  möchte.  Dafs  der  Keyser  und  das  Römische  Reich  Gottes 
Ordnung  und  die  letzte  dem  Fropheten  Daniel  länger  denn  für  zwey 
tausend  Jahren  gezeigte  Monarchie'^-)  mit  göttlichem  Wortt  imd 
Schutz  als  einer  starcken  und  festen  Mauer,  wie  Lutherus  redet, 
umschrenckt  sey  und  bifs  an  grosteu  Tag  der  herrlichen  Ersclieiuung 
unsers  Heylandes,  obgleich  auff  schwachen  Füfsen,  [mitj'^j  vielen 
Anstöfs-  und  Wieder wärtigkeiten  stehen  bleiben  soll,  haben  die 
Lutherischen  Theologen  aus  Gottes  Wortt  reichlich  bewiesen  und 
dargethan. 

Der  Allerhöchste  hat  den  zugesagten  Schutz  seiner  göttlichen 
Ordnung  (älterer  Geschieht  und  Exempel  zu  geschweigen)  bey  Lebe- 
zeiten des  vorigen  Römischen  Keysers  augenscheinlich  erwiesen,  mit 
deme  es,  wie  Reichs  kundig,  so  weit  kommen,  dafs  die  König-Reiche 
Ungarn,  Böhmen  und  fast  alle  seine  Erblande  bifs  auff'  die  Stadt 
W^ien,  darinnen  er  doch  auch  belagert  worden,  ins  Feindes  Hände 
gerathen,  da  aufs-  und  innländische  Potentaten  wieder  ihn  gekrieget 
und  doch  theUs  zurücke  gehn,  durch  gütlichen  Vergleich  abkommen, 
die  mehrern  ihr  Leben  darüber  einbüssen,  ihn  aber  Keyser  und  Ober- 
haupt bleiben  lafsen  müssen.  So  ist  unvergefsen,  dafs  des  Keysers 
Sache  in  Anno  lb84.  fast  noch  gefährlicher  als  ietzo  gestanden,  in- 
dem beynahe  der  gantze  Rheinstrolim,  Schwaljcn,  Franken,  Beyerlandt, 
der  gantze  Donau-Strohm  vom  Schweitzerischen  Gebürge  bifs  an 
Pafsau  in  des  Feindes  Händen,  auch  die  Böhmischen  Creyfse  wie 
ietzo  Schlesien  aber  fast  gantz  an  Jägerndorff'  (!)  dem  Keyser  abge- 
nommen etc.,  plötzlich  und  gleichsam  über  aller  Menschen  \'erhott'en 
durch  die  eintzige  Nördlinger  Schlacht  sich  der'')  ganze  Staate)  ge- 
ändert, der  Keyser  aber  Keyser  und  Oberhaupt  blieben. 

Von  dem  ueugebildeten  Reich  tlnde  ich  meines  wenigen  Orths 
weder  einig  Wortt  Gottes  noch  gelehrter  Leutlie  bewehrte  Meynung: 
könte  sich  leicht  geben  (wie  auch  oljen  etwas  erwehnet),  ob  darinnen 
Franckreich  und  Schweden  lange  einig  blieljen,  imd  was  denn  wohl 
vor  eine  Consonnanz  und  Einhelligkeit  zwischen  den  Reichs-Ständen. 


a)  fehlt.     ^}  die.     <)  Stadt. 

"-)  Vergl.  Kap.  7  des  Propheten  Daniel. 


238  J-  0.  Opel: 

weuu  sie  alle  an  eines  Keysers  "Walil  Tlieil  haben  oder  gar  ohne 
Haupt  und  Keyser  seyn  oder  auch  durch  Gewalt  von  einem  frenib- 
den  Aufsländischen  heheri'schet  werden  selten,  sich  ereignen  würden. 
Es  hats  bereits  die  zwischen  etlichen  evangelischen  Chur- Fürsten ») 
und  Ständen  für  nalie  30  Jahien  auftgerichtete,  nach  aller  mensch- 
lichen Witz,  Klugheit  und  Verstand  aufegearbeitete,  abgespitzte  iind 
wohl  veifafsete,  aber  wenig  Jahre  hernach  zergangene  Union  im  Werck 
erweifslich  gemacht,  darmn  ich  mich  in  solche  freml)de,  uugewilse, 
sehr  gefährliche  Intentionen  einflechten  zu  lallen,  meines  selbst  eigenen 
Vaterlandes  heilsahme  Verfafsnng  niederreifsen  zu  helffen  oder  aber 
blofs  um  des  wanckenden,  unbeständigen  Glücks  willen,  das  heute 
blühet,  in  einen  Augenblicke  verwelcket,  von  der  ßichtsclmur  gött- 
liches Wortts,  von  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  löldichen  Vor- 
fahren Exempel,  von  den  theucrn,  beschworenen  Reichs-Ordnuni;:en 
nnd  geleisteten  schweren  Eydes  -  Pflichten  abzuweichen  oder  dahin 
einigen  ßath  zu  ertheilen  niemals  Beliebung  getragen,  es  auch 
weder  gegen  Gott  noch  Ew.  Chur- Fürstliche  Durchlaucht  zu  ver- 
antworten getrauet. 

So  kan  ich  mich  gleichwohl  an  meinen  Orth,  nach  Gewifsen  zu 
sagen,  nicht  bescheiden,  dafs  der  Römische  Keyser  seiter  des  Prage- 
rischen  Friedens  etwas  gewiedert'')  und  abgeschlagen,  was  Ew.  Cluu'- 
Fürstliche  Diu'chlaucht  zu  ihrem  und  ihrer  Lande  Besten  <")  iemahls 
begehret. 

Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  haben  übernommen,  die  Schwe- 
den aufs  Ober-  und  Meder-Sachfsen  zu  bringen,  defswegen,  wie  oben 
ei'wehnet,  dafs  untern  Comniando  des  Marg-Graft'en  von  Caretto  an- 
erbothene  Volck  zurück  mandiret;  Ihre  Keyserliche  Majestät  (olin- 
geachtet  Sie  vielleicht  ein  anders  lieber  gesehen)  sind  damit  zu- 
frieden gewesen. 

Bald  darnach  haben  Ew.  Chur  -  Fürstliche  Durchlaucht  den 
Graff  Marazind)"»)  -q^h  ^en  Keyserlichen  Völckern  aufs  Schlesien  zu 
einer  Diversion  begehret,  die  sind  imweigerlich  abgeschicket.  Sie 
hal)en  gemuthet,  von  denen  in  Präge  geschlofsenen  Eömerzugs«)- 
Geldern,  den  HO.  (!)]VIonath,  aufsu  Ober- und  Meder-Sächfsischen  Creyfs 
Zahlung  für  ihr  Volck  zu  erlangen;  Kayserliche  Majestät  habeus  ge- 
williget und  defswegen  an  die  Stände  beyder  Creyse,  und  zwar  jedem 
absonderlich  vielfältige  Befehl  ergehen  lafsen,  worauff  auch  etwas 
eingebracht;  dafs  aber  Nieder- Sachfsen  fast  gantz  und  gar  aufsen  ge- 
blieben und  von  ihnen  bifs  diese  Stunde  die  Abrichtung  verweigert 
wird,  auch  kein  Mittel  sich  ereignet,  sie  dahin  zu  bringen,  dafselbe, 
n1)  es  mit  Billigkeit  Kaiserlicher  Majestät  wohl  zugemefsen  werden 
mög,  stelle  ich  an  seinen  Orth. 

Und  ob  zwar  die  Schweden  aus  f )  den  beyden  Sächfsischen 
Creyfsen  nicht  gebracht,  sondern  Ilire  Keyserliche  Majestät  von 
Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  ersucht  sind  so  wohl  im  Jahr 
Anno  1636.  als  1637.,  Succurs  zu  schicken,  welcher  auch  in  starker 
und  solcher  Anzahl  erschienen,  dafs  er  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durch- 
laucht Volck  drey-  und  mehi'fach   überstiegen,  haben  doch  Kayser- 


a)  Fürst.  »>)  gewiedmet.  <=)  bestens,  ^j  Marim,  Marien  (?). 
e)  Römerzuge.     O  auch. 

^^)  Der  Verfasser  scheint  an  den  Marsch  der  Kaiserlichen  unter 
dem  genannten  General  im  Dezember  1635  zu  denken.  Vergl. 
Gretschel,  Gesch.  des  Sachs.  Volkes  und  Staates  li,  309. 


Eine  politische  Denkschrift  etc.  239 

liehe  Majestät  dem  Reichs -Pfennig- -Meister  befohlen,  den  dritten 
Theil  aus  den  rücknehinenden  (!)  Römer  -  Zugs  -  (ieldera  Ew.  Chur- 
Fürstlichen  Dm'chlaucht  zu  lieffern.  Dals  es  aber  wiederum  biis 
gegenwärtige  Stunde  von  den  Ständen  nicht  eingebracht  wird,  delsen 
wird  meines  wenigen  Erachtens  Keyserlichc  Majestät  einst  wohl  zu 
entgelten  haben. 

Wie  Ew.  Chur-Fürstliehe  Durchlaucht  auf  Ihr  Anhalten  mit 
den  hilspauischen  tTelderu  in  Anno  1636.  gewillfahret  worden'");  Avie 
sie  derer  für  die  Sächlkischeu  Regimenter  anlier  gebrachten  Uelder 
sich  nutzbar  bedienet,  wie  Kaj'serlichc  Majestät,  dals  Sie  noch  An- 
weisung der  Reichs  -  Gesetze  für  sich  allein  zu  thun  nicht  schuldig, 
nicht  nur  die  sechs  tausend  Reichsthaler  nach  Magdeburg  gewilliget, 
sondern  auch  den  füuff  Regimentern  in  Böhmen  einen  Monath  Sold 
antragen  lafstn,  das  ist  nuumehro  bekanndt.  So  offt  Ew.  Chur-Eürst- 
liche  Durchlaucht  um  promotoriales  »)  [anj  i')  die  Stände  zu  Derlanguiig 
der  Quartier  für  ihr  Vulck  angesucht,  sind  sie  vom  Keyser  Ihi'  zu- 
geschicket  woiden.  In  Summa  wer  die  ergangene  acta  durch  und 
durch  ersehen  und  gegen  den  Reichs-kundigen  Verlauffen  (!)  wohl 
erwegen  wird,  der  hat  sich  daraufs  zu  informiren,  dafs  der  Römische 
Keyser  eher  seine  Elsassische  <")  Lande  verlieliren,  als  Ew.  Chur- 
Eürstlichen  Durchlaucht  Lande  ungerettet  lafsen  wollen. 

Die  That  und  das  Werck  ist  am  Tage,  läiset  sich  ohne  Abbiuch 
der  Wahrheit  nicht  verneinen,  dannenhero  zweifele  ich  fast  sehr,  ob 
ein  einiger  gewifsenhaffter,  redlicher,  unpussiouirter  Mann  aufs  bifs- 
herigeu  Rezeigungen  dem  Römischen  Keyser  einige  Ungebührnifs, 
Falschheit  oder  Untreu  gegen  Ew.  Chur-Furstliche  Durchlaucht  bey- 
zubringen  habe,  oder  auch  einiger  vernunfftiger  Rath  defswegen  zu 
einem  Abtritt  und  Separation  sich  vernehmen  lalsen  möge. 

Auff  weme  die  Verzögerimg  des  Krieges  in  Ober-  und  Nieder- 
Sachfsen  beruhe,  das  ist  Reichs-kundig.  So  wenig  nun  Ew.  Chur- 
Fürstliche  Dm-chlaucht  Ihr  die  Schuld  hieriunen  wird  beimefscn 
lafsen  wollen,  so  wenig  läfset  es  sich  muthmafsen,  dafs  au  den  ietzigen 
Verzug  des  Krieges  der  Römische  Keyser  Grefallen  haben  mag,  als 
defsen  Elsafsische  Lande  noch  in  des  Feindes  Händen,  wie  auch  der 
gröfseste  und  beste  Theil  des  König -Reichs  Böhmen  und  ein  ziem- 
licher District  im  Lande  Schlesien  von  den  Schwedischen  Völckern 
occupiret  ist,  die  andern  Erb -Länder  alle  unter  äufserster^')  Er- 
schöpffung  und  Bedrängnifs  täglich  seuftzcn  und  wehklagen.  Dafs 
nun  noch  bifs  die  Stunde  sich  Leuthe  hnden,  welche  gleichwohl 
meines  Wifsens  die  schwehre  Pflicht  der  Ueheimeu  Räthc  niemahls 
abgeleget  und  doch  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  ungleiche  Ein- 
bildungen beyzubringen  in  voller  Arbeit  sind,  auch  wolil  dem  Kö- 
mischen Keystir  mit  allerhand  harten  Bedrohungen  entgegen  zu 
gehen  rathsam  achten,  das  lafse  ich  dahin  gestellet  seyn.  Ich  ver- 
wahre und  vertheidige  meine  geleistete  Ptlicbt  und  christliches  de- 
wifsen,  weil  auch  sonderlich  die  Historien  berichten,  dafs  aller  dreyer 
weltlicher  Chur- Fürsten  Linien  einig  und  allein  von  der  Römischen 
Keyserlichen  Gnade  zur  Chur-Würde  kommen  sind,  und  es  gar  leicht 


a)  promotorialesen.     '')  fehlt.     <^)  Eisasche,     ^i)  aufserste. 

"*)  Diese  bedeutungsvolle  Stelle  beweist,  in  wie  grosser  Ab- 
hängigkeit von  Spanien  sich  auch  Ferdinand  111.  befand.  Vergl. 
übrigens  K  0  c  h ,  Geschichte  des  deutschen  Reichs  unter  Ferdinand  Ili. 
I,  85  flg.,  90  Hg.,  207. 


240  J.  0.  Opel: 

ist,  die  Chur-Würde  zu  verlieliren,  aber  sehr  schwelir  wieder  darzu 
zu  gelangen,  iumafseu  denn  mehr  denn  ein  Exempel  innerhalb  hun- 
dert Jahren  solches  Avahr  gemacht  und  aller  Welt  zu  erkennen  geben 
liabeu.  Ich  gerathe  auch  in  nicht  wenigen  Zweiffel,  solte  einige  Se- 
paration, da  üott  vor  sey!,  erfolgen  und  Ew.  Chur-Fiirstlichc  L)urch- 
lau(!htaj  sich  selbst  vom  Chur-Fürstlichen  Collegio  trennen,  es  dürff'te 
der  Favor  der  Schwedischen  gegen  Ew.  Chur-Eürstliche  Jjurcldauclit 
so  grol's  nicht  seyn,  dal's  sie  nicht  lieber  die  Churwürde  auff  andere, 
denn  auff  Ew.  Chiir-Fürstliche  Durchlaucht  zu  bringen,  ihre  Waffen 
führen  würden.  AV^afs  sich  aber  solchen  Falls  Ew.  Chur- Fürstliche 
Durchlaucht  auff  andere  Stände  zu  verlal'sen,  dlü'ff'te  alsdeuu  eher 
beklaget,  als  ietzo  mit  gutem  Grunde  einige  Hoffnung  dai'auft"  ge- 
stellet werden  mögen. 

Fürs  andere  habe  ich  auch  dieser  Ursachen  willen  etwas  um- 
ständlichere Aufsführung  thun  wollen,  damit  bey  Ew.  Chur-Fürst- 
licheii  Durchlaucht  ich  abermahls  (wie  zur  Zeit  übernommener  Be- 
stallung geschehen)  an  Tage  gebe,  öffentlich  bekennete  und  aufsagete, 
mein  Sinn,  Verstand  und  Nachdencken  sey  mir-  von  Gott  so  hoch 
nicht  gegeben,  dafs  mir  für  meine  Persohu  müglich  wäre,  bey  so 
vielen  beharrlichen,  täglich  wachsenden,  starken  und  durchdringenden 
Oppositionen  derer  Geist-  imd  Weltlichen,  Leyeu  und  Gelehrten, 
Krieges-  und  andern  Leuten  etwas  nutz  bahr-  und  dienstliches  nielir 
einzurathen.  Weil  sie  doch  Tag  und  Nacht  sich  bearbeiten  "j),  dem 
Kcyser,  er  thue  auch,  was  er  immer  wolle,  bey  Ew.  Chur-Fürstlichen 
Dui'chlaucht  verhast,  wiedrig  iind  verdächtig  zu  macheu,  ihm  gebüh- 
rende Assistenz  zu  hindern,  alle  Avohlgemeinte  consilia  niederzu- 
drücken und  hierauff'  Ew.  Chur -Fürstliche  Durchlaucht  und  denen 
andern  Herren  Chur -Fürsten  Ihre  Herr[lichkeitJ,  Praecellenz  der 
Chur  und  Wahl  (wie  der  leidige  Effect  nuumehro  an  Tag  giebet) 
wifsend  und  unwifsend  allmählich  supprimiren  zu  heltt'en,  ist  zu  be- 
sorgen, der  Allerhöchste  möchte  bey  seltzsamen  Proceduren  und  Mo- 
litiouen  sonderlich  bey  noch  immerwährenden  ruchlosem,  unbufsfer- 
tigem  Weltwesen  in  die  Länge  stillschweigende  nicht  zusehen.  Wie 
auch  ietzermelteter  Leuthe  wiedrige  Erzeug-  und  Bemühungen,  wenn 
Ihro  Kayserliche  Majestät  davon  Bericht  erlangen,  (Aveil  doch  hie- 
siger Ürth  ein  solch  Glück  hatt,  dafs  leichtlich  nichts  pfleget  ver- 
schwiegen zu  bleiben)  in  Dero  Hertz  steigen,  sie  kräncken  und  jam- 
mern mögen,  als  tue  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  Lande  zu 
retten  ihre  eigene  Erb-Lande  hindan  gesetzet,  die  Haupt-Stadt  und 
Schlüfsel  der  Elsafsischeu  Provincien  darüber  verlohren,  hingegen 
nunmehro  erfahren  müssen,  dafe  von  Ew.  Chur- Fürstlichen  Dui'ch- 
laucht nicht  ein  Mann  zu  Rettung  Ihro  Keyserüchen  Majestät  Lande 
zu  erscheinen  und  neben  der  Keyserlichen  Arniade  zu  verbleiben  ge- 
dencket,  sondern  wohl  unbegrüst  zuwieder  Ew.  Chur-Fürstlichen 
Durchlaucht  Verwilligung  davon  zu  ziehen,  Ihre  Kayserliche  Ma- 
jestät noch  mehr  zu  schimpff'en  und  zu  betrüben  keine  Scheu  tragen, 
wie  auch  was  hierinneu  endlich  wohl  für  ein  Aufsgang  zu  erwartten 
seyn  möchte,  wird  billig  zu  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  hoch- 
erleuchteten Nachsinnen  gestelltet. 

Ich  solte  zwar  diese  andere  Ursach  verschweigen  und  meinen 
Unverstand  in  den  Rathschlägen  lieber  gedeckt,  als  geöffnet  haben, 
allein  ich  will  eher  bekennen,  was  ich  nicht  vermag,  als  übernehmen, 
was   ich  nicht   getraue   aufszurichten.     Nur   blofser  Ehr  Nutz  und 


a)  hier  findet  sich  noch  „durch".     ^)  bearbeiteten. 


Eine  politisclie  Denkschrift  etc.  241 

Privat-Geniefs,  ein  so  hohes  Anipt  zu  bcdieueu,  mag'  \icUei(iit  bey 
Welt-Leuthen  grok  Ansehen  bringen,  bey  mir  aber  würde  ich  mich 
vor  einem  sehwehren  (lewirsen  zu  fürchten  haben,  da  ich  docli  wie 
sonsten  also  auch  in  gegenwärtiger  Bestalhmg  mein  privatum  durch- 
aufs  bei  Seite  gesetzet  und  meine  wenige  Rath-Scbläge  nur  zu  Be- 
hauptung der  löblichen  heilsahmen  Reichs-Harmonie  zwischen  Key- 
ser,  Chur-Fürsten  und  Ständen  des  Reichs,  zu  unverbrüchlicher  Ob- 
servanz derer  von  Ew.  Chur  Fürstlichen  Durchlaucht  abgelegter  eyd- 
lichen  Pflicht,  auch  darin  enthaltener  Chur- Fürstlicher  Ehren,  Wür- 
den und  hoch  aestimirlichen  Reputation  angeziehlet,  um  welches  willen 
(wie  Ew.  Chur-Fiirstliche  Durchlaucht  wüfsend)  ich  bey  Eintretung 
meines  Dienstes  einig  Greld  oder  Greldes  Werth  zum  (leheimen  Raths 
Sold  nicht  gefodert,  auch  defswegen  nicht  einen  Groschen,  nicht  einen 
Pfennig  nach  Aulsweisung  des  Buchstabens  in  meine  Bestallung  ein- 
rücken zw  lafsen  begehret. 

Ich  will  nicht  lioffen,  dafs  Ew.  Chur- Fürstliche  Durchlaucht 
von  mir  in  währender  Geheiraer-Raths-Bestallung  angelauffen  worden, 
mir  einige  Expectanz ,  Anwartimg  oder  anders  zu  versprechen,  auf 
dieses  oder  jenes  Ampt,  Stadt  oder  Orth  Anweisung  zir  geben,  dieses 
oder  ein  andres  zu  verehren,  Gnade  zu  thun;  sondern  habe  meine 
Armuth  und  Dürfftigkeit  in  lauterer  Gedult  und  Stille  mit  Anruftüng 
göttlicher  Hülffe  willig  ertragen,  nicht  dal's  ich  einiger  Geld-Besol- 
dung nicht  wäre  bedürlftig  gewesen,  sondern  dafs  Ew.  Chur-Fürst- 
liche  Durchlaucht,  so  ohne  das  in  dergleichen  gmmgsahmen  Be- 
schwehr  haben,  ich  nicht  dürffte  molest  seyn,  zugleich  aber  in  "\^'ercke 
erweilslich  machte,  dafs,  wie  ich  vor  dreifsig  Jahren  her,  da  ich 
|das]'>)  ersteniabl  zu  Herren -Diensten  erfordert  worden,  also  auch 
noch  nicht  [nach] '')  meinem  eigenen  Nutz,  Geschencke,  Gaben,  Ruhm 
und  dergleichen  Eitelkeiten,  sondern  blofs  [nach]*")  meines  Herren 
Ehre,  Frommen  und  Aufthehmen  zu  trachten  gesonnen  wäre. 

Bey  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  ist  hoffentlich  gnädigst 
unvergessen,  dafs  ich  die  Auffwarttung  iu  der  Geheimen-Raths- Stube 
Anfangs  mir  bil's  an  Michael  1637.  übernonnnen,  dieselbe  aber  her- 
nach, weil  damals  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  auff  der  Laufsnitz 
ihre  Huldigung  sich  abwesende  befunden,  und  ich  in  währender 
Reise  mit  meiner  Lofskündigiuig  beschwerlich  zu  seyn  J)  nicht  un- 
billig Bedencken  gehabt,  bifs  an  Weynachten  vorigen  Jahres  über 
mir  behalten,  daselbst  aber  um  gnüdigsten  Abschied  oder  Resolution 
so  schrifftlich  so  mundlich  mit  schuldigster  Ehrerbietung  angesuchet. 
Wenn  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  mir  eine  solche  Dimission  gnä- 
digst hätten  wiederfahren  lal'sen,  und  ich  hiesige  meine  Gütter  meines 
Bruders  Söhnen  als  Mitbelehenten  meinem  längst  gefafsten  X'orhaben 
nach  damahls  übo'geben;  so  wäre  ich  dem  verderblichen  Schaden, 
der  mir  Zeit  her  zwar  mehr  von  Freunden,  als  Fehiden  begegnet, 
zeitlich  entgangen,  manchen  Kununers,  Sorge  und  Bctrübnifs  frey 
geblieben;  nun  mir  aber  letzt  ermeldtes  Unglück  bey  Ew.  Chur- 
Fürstlichen  Durclilaucht  wälirenden  Diensten  begegnet,  würden  Die- 
selben verhüffentlich  mir  zu  Ungnaden  nicht  gedeutet  haben,  wenn 
liey  Derselben  ich  mich  unterthänigst  angemeldett  und  zum  wenig- 
sten an  statt  des  Soldes  um  Ertheilung  ein-  oder  andrer  Gnade 
sollicitiret  hätte.  Ich  habe  auch  solches  eher  unterlal'sen  und  ledig- 
lich Ew.  Chur-Fürstlichen   Durchlaucht  Gut- Befinden  unterthänigst 


& 


a)  fehlt,    b)  fehlt.    0  fehlt,    d)  Hier  findet  sich  noch  einmal  „ich". 

Neues  Archiv  f.  S.  Ci.  u.  A.  VIII.  8  4-  16 


242  J-  0-  Opel:  Eiue  politische  Denkschrift  etc. 

anheim   gegeben,    als  einigen  Privat  -  Gesuch  (!)   Nutz  (!)  bestricken 
lafsen  wollen  a). 

Vergnüge  mich,  dafs  Gott  und  mein  Gewifsen  ietzo  und  ins 
künfftige  meine  Redlichkeit,  Treue  und  Auffrichtigkeit  bezeugen  und 
an  Tag  bringen  wird,  dafs  kein  andere,  den  obig  mehrmals  ange- 
führte Intention  bey  meinen  consiliis  ich  für  Augen  und  nicht  mehr 
gewüutschet  gehabt,  denn  dafs  ihr  von  eigennützigen,  vorthelhafften 
Leuthen  durch  wiedrige  uugegrundete  Impressionen  nicht  so  viel 
Hiuderuifs  in  Weg  gestreuet  und  Ew.  Cliur-Fürstliche  Durchlaucht 
hoch  -  preifsliche  Chur- Würde,  Reputation  und  Hoheit  sambt  Dero 
Lande  und  Leuthen  in  gegenwärtiges  Pericul  nicht  gesetzet  worden 
wären.  An  deme  wie  ich  einige  Schuld  zu  tragen  mir  nicht  be- 
Avust  bin,  also  da  bey  ietzigem  sorglichen  Zustande  des  Vaterlandes 
und  täglich  zunehmenden,  weit  aufssehenden  Molitionen,  das  verur- 
sachte Unheil  zu  wenden  und  die  von  einem  Geheimen  Rathe  ge- 
forderte Ersprielslichkeit  zu  verstatten  in  meinem  Verstände  und 
Vermögen  nicht  bestehet,  weil  sonderlich  durch  den  unaufthörlichen 
beschwerlichen  Haupt-Flufs  und  andere  Zufälle  die  Leibes-  und 
Gemüths-Kräffte  ie  mehr  und  mehr  dahingehen,  haben  Ew.  Chur- 
fürstliche  Durchlaucht  zu  erwegen,  ob  es  ihr  selbst  reputirlich  sey 
dermafsen  mit  ungleichen  Dienerin)  in  kostliahrer  Besoldung,  ohne 
welche  bey  dem  verderbten  Zustand  meiner  Güther  "'')  hiesiges  Orths 
Tag  für  Tag  ferner  auffzuwartten  mir  nicht  müglich,  solche  aber 
auch,  wenn  ich  sie  nicht  verdienen  könte,  zu  fordern  mir  bedencklich 
fallen,  mich  auch  wohl  in  meiner  letzten  Stunde  kräncken  würde, 
zu  unterhalten,  oder  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht  vielmehr 
beliebig  seyn  wolte,  mir  nach  Inuhalt  und  buchstäblichem  Laut 
meiner  Bestallung  einen  gnädigsten  Abschied  zu  ertheilen  und  mein 
gnädigster  Herr  jedesniahl  zu  verbleiben.  Hierüber  Ew.  Chiu-- 
Fürstlichen  Durchlaucht  gnädigste  Erklährung  mit  gehöriger  Reverenz 
unterthänigst  zu  erwarten  und  alsdenu  meine  Schuldigkeit  darbey 
in  Acht  zu  nehmen,  Avird  [mirjc)  in  alle  Wege  gebühren,  gehorsambst 
bittende,  Ew.  Chur-Fürstliche  Durchlaucht  wolle  dieses  zu  Eröffnung 
meiner  geschwornen  Pflichten  nach  bifsher  geführeter  Intention  ge- 
meintes, etwas  umständliches  unterthäniges  Angeben  zu  Chur-Fürst- 
lichen Gnaden  vermerken  und  sich  versichern,  dafs  Deroselben  unter- 
thänigster  Treue  Dienste  zu  erweisen  ich  stets  befliefsen  seyn  wei'de. 

Drefsden  Ew.  Chur-Fürstlichen  Durchlaucht 

am  18.  Decembris  1639.  gehorsambster  Diener 

und  ünterthan. 


■•1)  wolte.     i')  So  steht  (!).     ')  fehlt. 

'■'^)  Sel)ottendorfs  Güter  hatten  jedesfalls  in  den  Kämpfen  um 
Pirna  während  dieses  Jahres  sehr  gelitteu.  Vergl.  Christian  H  e  c  k  e  1 , 
Historische  Nachrichten  von  dem  was  .  .  vor  hundert  Jahren  nehinlich 
Anno  1639  in  dem  sogenannten  30jährigen  Kriege  der  Stadt  Pirna 
wiederfahren  (1739). 


VII. 

Die  Anfäuge  des  säclisisclieu  Scliiilweseus. 

Von 
Johannes  Müller. 

(Scliluss.) 


iieiclier,  als  im  13.  Jaliili.,  fliessen  die  Quellen  zur 
säclisisclien  Scliulgescliiclite  im  14.  Jalu'h.  Die  Keibe  der 
Orte,  für  welche  sich  in  dieser  Zeit  Schulen  nachweisen 
lassen,  eröffnet  Dresden  und  zwar  in  gewissennassen 
epochemachender  AVeise.  AVir  treffen  nämlich  liier  die 
erste  eigentliche  Stadtschule  Sachsens.  Den 
6.  April  1300  erscheint  in  einer  zu  Dohna  ausgestellten  Ur- 
kuude  des  Burggrafen  Otto  von  Dohna  als  letzter  Zeuge 
ein  Eektor  der  Knaben  in  Dresden,  namens  Konrad,  der 
zugleich  Kaplan  des  Burggrafen  ist^"'),  mid  in  eniem  zu 
Kloster  Cella  ausgefertigten  Briefe  des  Pfarrers  Heinrich 
von  Leubnitz  vom  10.  März  1334  tritt  unter  den  Zeugen 
ein  Meister  Heiinann,  Rektor  der  Kleinen  in  Dresden 
und  Pfarrer  zu  Altranstädt,  auf^^^^).    Lassen  auch  diese 

^*')  Cunradus  rector  pfuerojruiii  in  Dresden  noster  capellamis. 
Ulk.  Nr.  H)33  im  H.-St.-A.  Dresden.  J.  Chr.  Hasche,  Diplom. 
Gesch.  Dresdens  (Dresd.  181H  flg.),  Urk.-Buch  S.  59  (vergl.  Beyer 
Alt-Zelle  S.  572  n.  271)  ergänzt  die  wohl  schon  zn  s.  Z.  l)Oschädif,''te 
Stelle  des  Peri;anients  im  S.Worte  yax  purrulorum,  O.  Meltzer, 
Die  Kreuzschnle  z.  Dresden  his  z.  Einführung'  d.  Jveforiu.  (Dresd. 
1886)  S.  5  dagegen  zu  imerorum. 

"•')  Mag.  Ueiiuannus  rector  parvnlorum  in  Dresden  et  ])l('I)anus 
in  llanstete.  Urk.  Nr.  2650  im  ll.-St.-A.  Dresden.  Vergl.  ]\leltzer 
S.  5.     Ungenau  bei  Beyer  S.  590  u.  234.    Herrn,  steht  nach  zwei 

16* 


244  Joliannes  Müller: 

ältesten  Nachrichten  über  das  Bestehen  einer  Schule  zu 
Dresden  im  Vereine  mit  den  nächsten  aus  dem  14.  Jahrh. 
darüber  keinen  Zweifel,  dass  Chor-  und  sonstiger  Kirchen- 
dienst zu  den  Obliegenheiten  der  Dresdner  Rektoren,  wie 
fast  aller  mittelalterlichen  Schulmeister,  abgesehen  von  den 
Leitern  der  sogen,  deutschen  Schreibschulen  und  der  Bei- 
und  Winkelschulen,  gehörte,  und  zählen  auch  die  beiden 
ältesten  Dresdner  Schulmeister  zum  geistlichen  Stande, 
so  lassen  doch  schon  ihre  Bezeichnungen:  „Bektor  der 
Knaben"  und  „Rektor  der  Kleinen  in  Dresden"  die  An- 
nahme zu,  dass  die  betr.  Schule  eine  öffentliche  war, 
natürlich  nur,  wie  alle  Schulanstalten  vor  der  Reforma- 
tion, eine  fakultative  und  eine  von  den  oben  (S.  5  flg.) 
gekennzeichneten  sog.  klemen  Schulen  (vergl.  nachher). 
Auf  den  Gedanken,  dass  wir  es  mit  einer  Stadtschule 
d.  h.  mit  einer  unter  rein  städtischem  Patronate  und 
städtischer  Leitung  stehenden  zu  thun  haben,  bringt  uns 
einmal  der  Umstand,  dass  im  14.  Jahrh.  und  später  alle 
Beziehung  zu  dem  (zuerst  den  7.  Juni  1272  vorkommen- 
den) Franziskanerkloster  in  Dresden  fehlt;  ferner  aber 
wäre  die  xlunahme  von  Männern,  welche  zugleich  aus- 
wärts geistliche  Ämter  (die  doch  nicht  blosse  Pfründe 
gewesen  sein  können)  bekleideten,  zu  Schulrektoren  sei- 
tens des  Ortsgeistlichen,  hier  also  seitens  des  Pfarrers 
an  der  noch  ausserhalb  der  Stadtmauer  liegenden  Lieb- 
frauenkirche, oder  gar  nur  seitens  eines  Altaristen  an 
der  Kreuzkapelle,  bei  der  die  Schule  lag,  und  die  Unter- 
ordnung solcher  Männer  unter  diese  Geistliche  als  Pa- 
trone etc.  sehr  unwahrscheinlich  oder  wenigstens  etwas 
ganz  aussergewöhnliches,  so  dass  also  der  Gedanke,  jene 
zwei  Rektoren  seien  Kloster-  oder  blosse  Chorschulmeister 
gewesen,  ausgeschlossen  erscheint.  Ja  bei  den  eigen- 
thümlicheu  in  Dresden  obwaltenden  kiichlichen  Verhält- 
nissen, wornach  eben  die  im  alten  Dorftheile  ausserhalb 
der  Stadtmauern  gelegene  Frauenkirche  damals  die  Pfarr- 
kirche der  Stadt  und  Festung  Dresden  w^ar,  kann  auch 
eine  Pfarrschule  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes  für 
Dresden  nicht  angenommen  w^erden.  Zur  vollen  Gewiss- 
heit aber,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Stadtschule  zu  thun 
haben,  wird  unsere  Vermuthung  durch  eine  Urkunde  vom 


Priestern  (darunter  der  Kaplan  Jakob  bei  den  siechen  Frauen  bei 
Dresden)  und  vor  zwei  Dresdner  Bürgern  (darunter  Nicolaus  Mone- 
tarius,  der  am  6.  Jan.  1329  als  magister  consulura  erscheint  C  S  II. 
V,  33). 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  245 

S.Oktober  1380.  Da  ordnen  die  Bürger  und  Schöffen 
der  Stadt  an,  dass  von  allen  Schulmeistern,  dem  damaligen 
und  den  zukünftigen,  in  der  Zeit  von  Sonnenuntergang 
bis  Mitternacht  immer  6  „schuler"  bereit  gehalten  werden 
sollen,  welche  vorkommenden  Falls  den  Priestern,  die  mit 
dem  Leib  des  Herrn  zu  kranken  und  siechen  Leuten 
gehen,  auf  dem  Hin-  und  Herwege  mit  Gesang  vornii- 
schreiten;  und  dabei  nennen  sie  die  Schulmeister  noch 
ausdrücklicli  „vnsere  schulemeyster"  und  die  Schule  „vnsir 
schule"  ^'^*^).  Nicht  minder  ist  den  11.  Juli  1394  dem 
Dresdner  Rathe  „der  erb  er  prister  meister  Francz"  „vnser 
Schulemeister  von  Dypuldis^^'alde"  ^■").  Dazu  kommt,  dass 
nach  den  noch  aus  der  Zeit  um  1370  erhaltenen  Rech- 
nungen des  Brückenamts  die  gesamte  äussere  Verwaltung 
der  Schule  vom  Brückenamte,  welchem  das  eine  Einheit 
bildende  Vermögen  der  Kreuzkapelle  (Kieuzkirche)  und 
der  Eibbrücke  unterstellt  war,  geführt  wurde,  dieses  x\mt 
aber  schon  zu  Anfang  des  14.  Jahrh.  als  dem  Rathe 
unmittelbar  zuständig  nachgewiesen  werden  kann^"^).  Die 
Dresdner  Schule  war  darnach  zweifellos  eine  Stadtschule : 
der  Rath  besass  die  Kollatur.  Ob  und  wie  weit  der 
Bischof,  bez.  der  Domscholastikus  zu  Meissen  ein  Be- 
stätigungsrecht den  vom  Rathe  erwählten  Schulmeistei-n 
gegenüber  hatte,  lässt  sich  bei  dem  Mangel  unzweideutiger 
Nachrichten  nicht  bestimmen  ^•^^) ;  ebenso  wenig  giebt  es 
vollgiltige  Belege  dafür,  dass  dem  Bischöfe  als  geistlicher 
Behörde  das  Oberaufsiclitsrecht  über  die  Dresdner  Schule 
zugestanden   nnd  er  ein  solches  ausgeübt  liabe^'").     Nur 

^^^)  C  S  IL  V,  fi7  f.  Vergl.  meine  Vor-  und  frühreformator. 
Schulordnungen  etc.  II  (1886),  '26(5  f. 

1"^)  0  S  II.  V,  94.  Er  heisst  in  einer  Urk.  vom  21.  Dez.  1418 
„der  erbar  prister  meyster  Francze  von  DipiJokliswalde  eyn  lerer  der 
heiligen  schritt't,  wonhalftig  zcu  Dresden".     C  8  IL  V,  137. 

^■'«)  Meltzer  a.  a.  ü.  7. 

^"^)  Meltzer  3  f.  34  f.  deutet  einen  Eintrag  in  der  Kämmerci- 
rechnung  |K  R|  1418  („2  gr.  eynem  hotin  keyn  Süssen  \imhe  den 
nuwen  schulmcistir")  dahin,  dass  es  sich  um  Einholung  der  bischöH. 
Bestätigung  geluindelt  habe. 

'1")  Meltzer  S.  3,  38  u.  52  glaubt,  solche  Belege  zu  haben  in 
2  Vermerken  in  KU  1471/72:  „32  gr.  hat  vorczert  der  Schulmeister 
mit  eynem  statkneeht  zcum  bischof  keyn  Wuiczen,  als  yn  dei'  ollicial 
von  eyns  schulers  wegen  geladen  hatte,  sabbato  post  Lncie"  (14.  l)e/..) 
....  „6  gr.  6  i)f.  nuncio  keyn  Wurczen  zcum  liischotl',  als  man  l'ur 
den  Schulmeister,  do  yn  der  official  geladen  hatte  von  eyns  schulers 
wegen,  den  er  gehauwen  hat  mit  rutten,  tertia  Lncie"  (17.  Dez.), 
desgl.  in  KR  14r)3/4:  „1  schock  40  gr.  gegeben  Hannse  (loran,  die 
der    bischoff  do   vorczert,    also    sich   die    schuler   geslagen    hatten." 


246  Johannes  Müller: 

SO  viel  dürfte  sicli  auf  Grund  vereinzelter  und  unvoll- 
ständiger Mittlieilungen,  für  welche  die  arcliivalisclien 
Unterlagen  auch  erst  aus  dem  15.  Jahrhundert  und  nicht 
aus  früherer  Zeit  vorhanden  sind,  annehmen  lassen,  dass 
der  Bischof  eine  Jurisdiktion  besass  oder  wenigstens  in 
Anspruch  nahm  einmal  über  den  Schulmeister,  wenn  der- 
selbe dem  geistlichen  Stande  angehörte,  das  andere  Mal 
über  die  Schüler,  wenn  diese  Scholaren  im  engeren  Sinne 
(s.  oben  S.  18  u.  37)  waren,  also  auch  zu  diesem  Stande 
gerechnet  wurden,  und  dass  er  Schulangelegenheiten  vor 
sein  Forum  zog,  wenn  in  ihnen  ein  Moment  der  Sünde 
obwaltete  imd  dagegen  die  Hilfe  des  geistlichen  Richters 
durch  Denunziation  gesucht  Avurde.  In  andern  Fällen 
linden  wir  gleichzeitig  eine  Jurisdiktion  des  Landesherrn 
und  eine  Rechtserholung  bei  der  Leipziger  Universität  ^^^). 
Wenn  ferner  die  beiden  ersten  Schulmeister  Dresdens 
neben  ihrem  Schul amte  geistliche  Stellen  bekleideten, 
zumal  in  so  entfernten  Orten,  wie  Altranstädt,  so  hat 
diese  Thatsache  ihr  Analogon  in  dem  Auftreten  von 
Pfarrern  als  fürstliche  Schreiber  etc.^^-),  legt  aber  zu- 
gleich den  Schluss  nahe,  dass  das  Dresdner  Schulrektorat 
ein  einflussreicheres  und  gewinnbringenderes  Amt  war, 
als  jene  Stellen,  die  wohl  von  ständigen  Vikaren  ver- 
waltet wurden.  Doch  erfahren  wir  von  den  Einnahmen 
des  Dresdner  Schulmeisters  nicht  viel.  Um  1370  erhielt 
er  am  Johannistage  für  seine  Betheiligung  an  dem  zu 
Ehren  des  heil.  Kreuzes  gefeierten  Feste  vom  Brücken- 
amte ^/.2  Pfund  Heller;  ferner  empfing  er  dafür,  dass  er 
mit  semen  Genossen  allsabbathlich  einer  den  1.  März 
1371  von  dem  Meisseiier  Markgrafen  gestifteten  Messe 
am  Marien-  und  Maternialtare  in  dei'  Kreuzkirche  bei- 
wohnen musste  (rectori  scolarium,  ut  cum  sociis  intersit), 

Allein  eiuestheils  kann  es  sich  hier  kaum  um  Knaben,  ihre  Züch- 
tigung oder  gegenseitige  Kraftprobe  handeln,  sondern  um  erwachsene 
Schüler,  anderntheils  ergiebt  sich  aus  der  Citation  des  Schulmeisters 
durch  den  geistlichen  Richter  die  juristische  Natur  der  betr.  Fälle. 
Dasselbe  gilt,  wenn  endlich  noch  die  K  R  1471/2  von  einem  „Schrei- 
ber", d.  i.  einem  erwachsenen  Schüler  \ind  Lehr-  u.  Pfarrgchilfeu  er- 
zählen, der  bei  einem  Vergehen  wider  das  6.  Gebot  ertappt  worden 
war  und,  wie  Meltzer  52  angiebt,  „nach  Stolpen  (zum  Bischof)  ge- 
bracht" wurde.  —  Vergl.  unten  S.  265. 

"1)  K  R    1475/6:     „Hanns    stadtknecht   vorczert   zcu   meynen 

gnedigen  hern  von  wegen  der  ungehorsamen  schulern 8  gT.  6  pf. 

eym  botten  keyn  Leipczk  an  dy  doctores  belangende  die  ungeliorfsam 
schuller  mit  czwehen  fragen."     Meltzer  52. 

"=)  Tittmann,  Hcinr.  d.  Erlauchte  I,  294. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Sehuhvesens.  247 

vom  Altaristen  jälirlich  ein  Schock  G-roschen,  seine  Ge- 
nossen (sociis  scolae)  für  jedes  Bad  am  Sabbath  2  Gro- 
schen; nach  einer  Stiftnng-  eines  Lor.  Bnsman  für  die 
Krenzkirche  vom  28.  Mai  1398  sollte  gegeben  werden 
„dem  Schulmeister  czn  Dresden  vnde  sinen  gesellin  vier 
schog  grosschin,  ein  schog  eyger  vnde  vier  hunre" 
(1  Schock  Groschen  zu  jedem  Qnatember,  Eier  nnd  Hüh- 
ner zu  Michaelis),  „darvmbe  sie  daz  Salve  regina  mit  den 
schulern  in  der  cappellin  czum  heiligin  crucze  alle  tage 
so  bie  der  sunnen  vndirgange  singen  sollin  Ynäe  darczu 
die  antiphona  von  dem  heiligin  crucze  0  crux."  ^^•^).  In 
sehr  guten  Verhältnissen  muss  sich  der  oben  genamite 
Schulmeister  Franz  befunden  haben ;  er  besass  in  Dippol- 
diswalde  ein  Haus  als  Erbe,  das  er  nach  Urkunde  vom 
29.  Sept.  1419  den  Dresdner  Franziskanern  zur  "Wohnuug 
eines  Terminirers  „vmb  gotis  willen  gegebin  had";  er 
war  (11.  Juli  1394)  ein  „erbhere"  der  Badestube  in  der 
Schreibergasse  zu  Dresden  ^^^) ;  er  stiftete  oder  renovierte 
wenigstens  in  der  Kreuzkirche  2  Altäre:  einen  zu  Ehren 
des  Laurentius,  Donatus,  Hieronj^mus  und  der  Elisabeth, 
den  andern  zu  Ehren  des  heil.  Kreuzes,  und  stattete  sie 
reichlich  aus^*'^),  und  er  erkaufte  (21.  Dez.  1418)  Zinsen 
und  Gefälle  zum  Besten  einer  alle  Dienstag  abzuhalten- 
den Kreuzmesse  (in  der  Kreuzkirche) ^^*^).  Eigenthümlicher 
Weise  richtete  sich  sein  so  Avohlthätiger  Sinn  nicht  auf 
die  ihm  am  nächsten  liegende  Schule  —  eine  Erfahrung, 
die  wir  im  Mittelalter  mehrfach  machen  (s.  u.). 

Die  Dresdner  Schule  war  wohl  schon  in  der  ältesten 
Zeit  da  errichtet,  wo  sie  im  14.  Jahrh.  erscheint  ^^'],  bei 
der  Kreuzkü'che.  Für  ihre  Fenster  ist  zuerst  1388  eine 
Ausgabe  verzeichnet,  desgl.  um  1396  „den  estrich  vf  der 
schule  czu  sclohen  24  gr."  ^^^).  Ausserhalb  der  Stadt- 
mauer besass   die  Schule  auch  einen  eigenen  Spiel-  luid 


"3)  0  S  IL  V,  57.  58.  101. 

1")  C  S  IL  V,  291.  94. 

iJ-^)  C  S  IL  V,  91  (.Ulk.  V.  25.  Nov.  1391).  142  (26.  Sept.  1425) ; 
vergl.  134. 

iȧ)  C  S  IL  V,  137 

117)  C  S  IL  V,  92  (Urk.  v.  24.  Mai  1393).  Sie  mit  Mcltzor 
S.  7  anfänglich  auf  »lio  Sclii-ciliergassc  zu  verlegen,  dazu  erhlickc 
ich  in  dem  blossen  Is^'uneu  dieser  (rasse  nicht  genügenden  (Jnmd. 
Denn  jener  Name  rührt  schwerlich  nur  von  Scliülern  her,  wie  M. 
vermuthet,  sondern  wohl  von  wirklic;hcn  Lohnsclireibcrn ,  Stulil- 
Schreibern  oder  privaten  deutschen  Schreibhihrcru. 

"^)  C  S  IL  V,  77.     Meltzer  8,  Anm.  14. 


248  Johannes  Müller: 

Tummelplatz  für  die  Scliüler  und  zwar  sogar  ein  Gebäude, 
dessen  zuerst  in  der  Baurechnung-  vom  Jahre  1410  wie- 
derholt gedacht  whd:  „der  schuler  schimpf  haus  vor 
der  stat",  au  das  offenbar  „der  schuler  garten"  vor 
dem  Frauenthore,  den  die  Zinsamtsrechnungen  von  1413 
an  aufführen,  unmittelbar  angrenzte^'-').  Dass  in  Dresden 
nicht,  wie  anderwärts  ^■^''),  nur  der  Kirchhof  unter  strenger 
Aufsicht  zu  Spiel  und  Kurzweil  der  Schüler  benutzt 
Avurde,  das  hängt  offenbar  mit  der  Lage  des  Schulhauses 
(nicht  l)ei  dem  Kirchhofe  der  Frauenkirche,  sondern  an 
der  Kreuzldrche),  mit  der  wohl  schon  in  alter  Zeit  vor- 
handenen Beschränktheit  der  Plätze  in  der  Umgebung 
der  Kreuzkirche  und  mit  der  freieren,  weniger  klerikalen 
Artung  der  Schule  zusammen,  wie  sie  die  städtische  Lei- 
tung jnid  Verwaltung  mit  sich  brachten. 

Über  die  Zahl  der  Schüler  wissen  wir  nichts  ge- 
wisses. Gering  kann  sie  nicht  gewesen  sein,  da  sich 
unter  ihnen  schon  eine  beträchtliche  Schaar  erwachsener 
hervorhebt;  sie  führen  im  15.  Jahrh.  meist  den  Namen 
„Schreiber".  Und  wenn  in  der  Jahresreclmung  des 
Brückenraeisters  von  1388  ^■'^^)  unterm  Johannistag  der 
„rector  scholarium  cum  18  sociis"  figuriert,  so  können 
letztere  bei  ihrer  grossen  Zahl  nicht  die  später  „Bacca- 
larien"  genannten  und  von  den  „anderen  Gesellen"  unter- 
schiedenen^^-), vom  Schulmeister  angenommenen,  eigent- 
lichen Lehrer  sein,  sondern  eben  nur  solche  ältere,  auch 
„Schreiber"  genannte  Schüler,  welche  über,  einzelne 
Schülerabtheilungen  (Locatien)  als  Aufseher,  Überhörer 
des  Lernstoffs  u.  dergl.  gesetzt  wurden,  daher  auch  „Ge- 
sellen" des  Schulmeisters  hiessen  und  gelegentlich  niedere 
Kirchendienste  verrichteten  und  als  Scholaren  im  engeren 
Sinne  (s.  oben  S.  37)  fungierten  ^■^"). 

"»)  Meltzer  53.  0.  Richter,  Verfassnngs- n.  Verwaltungs- 
gesch.  d.  St.  Dresden  I  (Dresd.  1885),  11  f.  .32. 

150)  So  nach  den  Schulordnungen  von  Wien  1446,  von  Bayreutli 
1464,  Crailsheim  1480,  Landshut  1492  u.  ö.-,  nach  dem  „Latinum 
ideoma"  v.  Paul  Niavis  um  1500  auch  in  Chemnitz.  Vergl.  meine 
Vor- und  frühreformator.  Schulordnungen  und  meinen  Artikel:  „Die 
Memminger  Schulordnung  v.  1513  —  1514"  in  K.  Kehrs  Pädagog. 
Blättern  f.  Lehrerbildungsanstalten  XIV  (Gotha  1885),  470  f. 

^■•1)  C  S  II.  V,  76. 

^■'")  K  R  1451/2:  „24  gr.  gegeben  den  baccularien  unde  den 
andern  gesellen,  die  den  salter  lofwen  [Psalter  lesen]  vor  iinsers  her- 
gots  [Christi]  grabe".    Meltzer  27. 

i"""*)  Den  28.  Mai  1398  werden  unterschieden  der  „Schulmeister", 
„sine  gesellin"  und  die  „scliuler"  (CS  IL  V,  101}.    Nach  der  KR 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  249 

Auf  den  Unterrichtsbetrieb  in  der  Dre.sdner 
Sclnüe  des  14.  Jahrli.  erlauben  einen  Rücksehluss  die 
Aufzeiclinungen  in  der  Vornuindscliaftsreclinmig  für  einen 
Bürgerssolin,  den  „jungen  Sclionerst",  aus  den  Jahren 
1425 — 32  ^'•^).  Im  Jahre  1425  ward  für  diesen  angeschafft 
ein  „Benedicite",  d.  h.  die  meist  vom  Schulmeister 
oder  seinen  Gehilfen  geschriebenen,  aus  Luthers  kleinem 
Katechismus  als  Benedicite  und  Gratias  bekannten  und 
schon  im  9.  Jahrhundert  nachweisbaren  Tischgebete,  für 
2  Groschen;  ferner  im  Jahre  1426  ein  Donat,  d.  i.  die 
in  Frage  und  Antwort  abgefasste  lateinische  Formenlehre 
des  Grammatikers  Aelius  Donatus  in  Rom  (um  350  n.  Gin-.) : 
Donati  de  partibus  orationis  ars  minor,  für  20  Groschen. 
Es  folgten  1427  „eyne  regele",  d.  i.  die  elementare 
latemische  Formen-  und  Konstruktionslehre  eines  wohl 
aus  Florenz  stammenden  Benediktiners  llemigius  (f  1312), 
gewöhnlich  betitelt  „regulae  pueriles  Remigii",  für  1  Gr. 
und  „eyn  buch  genant  prima  pars'--,  d.  i.  der  1.  Tlieil  des 
„Doctrinale  puerorum"  des  aus  Villa  dei  (j.  Ville-Dieu 
des  Poeles)  gebürtigen,  später  die  Würde  eines  Stifts- 
herrn von  S.  Andre  zu  Avranches  üi  der  Normandie  be- 
kleidenden Klerikers  Alexander  (um  1200),  einer  in  2660 
leoninischen  Hexametern  abgefassten  und  in  12  Kapitel 
getheilten  lateinischen  Grammatik,  deren  1.  Theil  (Kap. 
1 — 7)  in  1082  Versen  die  Declination,  Heteroclita,  Com- 
paration,  Genera  (der  Nomina),  sowie  die  Perfecta  und 
Sui)ina,  Defectiva  und  Anomala  und  die  4  Formen  der 
Zeitwörter  behandelt.  Auch  ein  „Katho"  wurde  noch 
1427  nöthig  (mit  der  „i)rima  pars"  zusammen  für  7  Gr.); 
es  ist  das  wegen  seiner  einfachen  kurzen  Lebensregeln 
(56  breves  sententiae)  in  allen  mittelalterlichen  Schulen 
beliebte,  in  Prosa  geschriebene  kleine  Schulbuch,  das 
fälschlich  den  Namen  des  durch  seine  Sittenstrenge  be- 
kannten Römers  Cato  Censorinus  trägt  und  vielfach  einer 
im  3. — 4.  Jalirh.  n.  Chr.  in  4  Büchern  zusammengestellten 
Sammlung  von  Sittensprüchen  (Disticha  Catonis  de  mori- 


von  1407  lasen  Andreas  (Sclaihiieister)  und  „syne  j^csellen"  (für  18  p-.) 
den  Psaltoi'  in  dei'  Marter(Kar-)w()(lie  und  erliielten  24  ^i:  „von  dem 
8alter  czu  Icscmi  vun  dem  L;Tid>c  viifscs  hcrcn";  desyl.  1412  zu  Ostcrii 
die  „sehrihcr"  24  yr.  „von  dem  saltcr  /.cu  lelsin",  dcs^l.  142H  dii' 
„locaten,  dy  do  haben  den  salter  i'-ek'.sen  obir  dem  i>ral)f"  24  yr. 
Meltzer  27;  vergl.  51  (die  „Sdireil)er"  erhalten  14i»4  (icld  für  das 
Läuten,  erbitten  1451   Geld  zur  Osterkerze  u.  s.  w.).  52.  2^. 

'••')  Kathsarchiv  Dresden  A  X  VI.   lo  Bl.  I<;b  f!g-.    Meltzer  lü  C. 


250  Johannes  Müller: 

biis  ad  filium)  voraiifgesetzt,  meist  aber  für  sich  allein 
verbreitet  und  verwertliet  wurde.  In  den  Jahren  1431 
bis  1432  brauchte  der  junge  Schonerst  noch  2  Bücher  (für 
10\/o  und  6^/2  G-r.),  welche  leider  nicht  näher  bezeichnet 
sind,  aber  vielleicht  der  2.  und  3.  Theil  des  Doctrinale 
Alexandri  waren,  d.  h.  jene  Theile,  von  welchen  der 
eine  das  8.  und  9.  Kapitel  (Vers  1083—1558)  des  Doctri- 
nale und  darin  die  Rektions-  und  Konstruktionslehre,  der 
andere  das  10.  Kapitel  (Vers  1559—2294)  mit  der  Quan- 
titätslehre umfasste.  Sämtliche  Schulbücher  waren  in 
lateinischer  Sprache  geschrieben  und  sind  die  in  den  ge- 
wöhnlichen lateinischen  Schulen  des  13.^ — 15.  Jahrh.  üb- 
lichen ^■'-'),  die  schon  oben  S.  7  theilweise  berührt  worden 
sind  und  denen  wir  in  Bautzen  (i.  J.  1418)  wieder  be- 
gegnen werden. 

Aus  der  Zeit  der  für  diese  Schulbücher  jremachten 
Ausgaben  und  ihrer  Aufzeichnung  fällt  auch  zum  ersten- 
male  einiges  Licht  auf  die  Dauer  des  Schulbesuchs  in 
Sachsen.  Der  junge  Schonerst  ging  darnach  und  weil 
für  ihn  zu  Michaelis  1434  zum  letztenmale  das  Schul- 
geld bezahlt  worden  ist,  vom  Jahre  1425  bis  1435  un- 
unterbrochen zur  Schule,  also  10  Jahre  lang.  Da  schon 
im  14.  Jahrh.  gewöhnlich  mit  dem  vollendeten  7.  Lebens- 
jahre der  Eintritt  in  die  Schule  erfolgte,  so  dürfte  der 
Abgang  des  gen.  Schülers  in  sein  17.  Lebensjahr  gefallen 
sein.  Und  diese  schönen  Jugendjahre  wurden  im  Schul- 
unterricht vorwiegend  mit  der  Erlernung  —  oder  richtiger 
dem  Einpauken  —  trockener  lateinischer  Formen,  B,egeln 
und  Distinctionen  und  entsetzlich  langweiliger,  schwüls- 
tiger Verse  grammatischen  und  metrischen  Inhalts  hin- 
gebracht!     Die    Humanisten    und   Reformatoren    haben 


•  ^■^■')  Vergl.  meine  Quellenschriften  und  Geschichte  des  deutsch- 
sprachl.  Unterriclits  bis  zur  Mitte  des  16.  Jahrh.  (Gotha  1882)  S.  208  f. 
218  flg.  259.  214  ilg.,  sowie  den  oben  sub  150  citiert.  Art.  in  Kehrs 
päd.  Bl.  S.  382;  ferner  K.  J.  Neu  deck  er,  Das  Doctrinale  des 
Alexander  de  Villa -Dei  (Leipzig.  Inaugur.-Dissert.,  Pirna  1885) 
S.  5  flg.  —  In  einer  für  den  jungen  Eabian  Romchin  in  Dresden  vom 
J.  1434—38  geführten  Rechnung  (Meltzer  16  f.)  sind  abgesehen  von 
den  beiden  ersten,  dem  „Benedicite"  u.  „Donat",  dieselben  Schul- 
bücher verzeichnet,  nur  dass  da  der  1.  Theil  des  Doctrinale  Alexandri, 
Avie  auch  anderwärts  regelmässig,  niclit  schon,  wie  oben,  gleichzeitig 
mit  dem  Cato,  sondern  erst  später  erscheint.  Im  J.  1434  wurden 
nämlich  ausgegeben  für  „eine  regel  vnd  Kathonem*  15  Grosch., 
1436  für  „eyn  buch  genant  ■prima  pars"'  8  Grosch.,  1437  für  „eynen 
Alexandrnm''  (wohl  2.  u.  3.  Theil  des  Doctrinale)  16  Gr.  und  für 
noch  ,eyn  buch"  3  Groschen. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  251 

wenigstens  für  das  14.  Jahrh.  und  die  1.  Hälfte  des  15. 
Recht,  wenn  sie  die  lateinischen  Schulen  Marteranstalten 
und  „carnificinae"  nannten. 

Gehen  wir  in  der  chronologischen  Folge  der  säch- 
sischen Schulen  Aveiter,  so  kommt  im  Jahre  lo04  in 
Lössnitz  am  Fiisse  des  Erzgebirges  ein  „Ch.  vice- 
plebanus  in  Lesnitz  sacerdos  rector  scholarum  ibidem" 
vor  und  zwar  als  1.  Zeuge  in  einer  Urkunde  des  Burg- 
grafen Meinliard  von  Meissen  ^"").  Er  war,  da  er  sich 
vor  allem  stellvertretender  Pfarrer  und  Priester  nennt, 
übrigens  auch  die  Ansiedelung  von  Mönchen  in  Lössnitz 
durch  ein  Privilegium  des  Burggrafen  Meinliard  von 
Meissen  vom  19.  Febr.  1284  geradezu  verboten  war,  otten- 
bar  der  Leiter  einer  Pfarrschule,  vielleicht  einer,  die 
sich  schon  zu  einer  Stadtschule  erweitert  hatte. 

Als  Stadtschule  sicher  nachweisbar,  die  Zweitälteste 
Sachsens  neben  der  Dresdner,  ist  die  Schule  zu  Zittau. 
Zum  erstenmale  wird  ihrer  den  24.  Mai  1310  in  euiem 
Vertrage  des  Eathes  mit  den  Kreuzherren  gedacht ;  die- 
selben traten  damals  der  Stadt  einen  ihnen  gehörigen 
Platz  neben  der  Schule  (area  sita  circa  scholas)  ab^"). 
Dass  letztere  unter  städtischem  Patronate  stand,  lässt 
schon  der  Umstand  vermuthen,  dass  der  erste  bekannte 
Schulmeister  Zittaus  „Chunradus  magister  scole"  den 
21.  August  1312  als  Zeuge  unter  den  12  Geschworenen 
(juratis)  der  Stadt  (und  zwar  als  6.)  auftritt ^'^^) ;  es  erhellt 
aber  zweifellos  aus  einem  Vertrage  vom  Jahre  1352,  worin 
sie  der  Rath  ausdrücklich  als  „vnsere  Stadtschule" 
bezeichnet  und  sie  unter  Wahrung  aller  seiner  Rechte 
der  Leitung  des  Johanniter  -  Komthurs  unterstellte,  weil 
dieser  „sich  besser  verstehet,  welch  meister  zu  der  schul 
tüchtig  sey".  Der  Komthur  sollte  die  Schule  dem  Schnl- 
meister  „reichen,  um  dals  er  [der  Sclmlmeister]  auch 
furcht  vor  ihm  [dem  Komthur]  haben  möge,  dals  er  den 
chor  und  auch  die  schule  halte  nach  ehren  und  nach 
weilsheit  und  auch  nach  rechte"  ^"^).    Der  erste  bekannte 


^58)  G.  F.  Ocsfeld,  Hist.  Besclireihnng  einiger  merkwürdiger 
Städte  im  Erzgoliirge,  insonderheit  ...  Lössnitz  I  (iiiiUe  177(i),  184. 

1")  U.  Kollier,  Cod.  diplom.  Lusat.  L-  (Görlitz  1856),  19(5. 
Th.  Gärtner,  Die  Zittauer  Sc^imlc  bis  z.  (Jriindung  des  (iyninas. 
(in  d.  Festschr.  d.  Gymu.  188«)  S.  2. 

'ö«)  G.  Köhler,  Cod.  diplora.  Liisat.  II  (Görlitz  1851),  ii8 
(v.  Gärtner  üherseheii). 

i"'")  Meine  Vor-  u.  friihref.  Schalordn.  T,  23  f. 


252  Johannes  Müller: 

Scliulmeister  Zittaus,  jener  Cliunradiis,  hat  möglicher- 
Aveise  sein  Amt  ziemlich  lange  innegehabt ;  denn  auch  im 
Jahre  1327  war  ein  Conradus  „magister  scholarum".  Im 
Jahre  1363  erscheint  Petrus  Zwicker  von  Wormditt  (bei 
Königsberg  in  Preussen)  als  Leiter  der  Schule,  der  dann 
1381  in  das  Coelestinerkloster  auf  dem  Oybni  als  Prior 
eintrat  ^''*^).  Die  Schule  muss  damals  eine  beträchtliche 
SchiUerzahl  gehabt  haben;  denn  noch  gleichzeitig  mit 
Zwicker  \Yar  Conrad  Weissenbach  aus  Escliwege  in 
Hessen  drei  Jahre  lang  Locat  (Unterlehrer)  und  Suc- 
centor^''^).  Beide  Lehrer  stammten  also,  wie  das  bei 
dem  Wanderleben  von  Lehrern  und  Schülern  in  jener 
Zeit  nichts  Seltenes  war,  aus  weiter  Ferne,  ebenso  der 
iSachfolger  Zwickers,  Mag.  Johann  de  Luberosa  (Liebe- 
rose nördlich  von  Kottbus),  der  1403  Kaplan  in  Zittau 
wurde  ^*'-).  —  Dass  es  an  armen  Schülern  in  Zittau  nicht 
fehlte,  belegt  ein  Vermächtnis  einer  Katharina  Hoft'mann 
vom  Jahre  1397;  dieselbe  legierte  G  Schock  Prager  Münze, 
„davon  füuf  Stück  Tuch  zu  kanten  und  die  mit  einander 
auf  einmal  aruien  Schülern  in  der  Schule  nach  bestem 
Gewissen  und  Verstände  auszutheilen"  ^^'■^). 

Ähnlich  wie  mit  der  Lössnitzer  Schule  verhält  es 
sich  auch  mit  den  beiden  auf  die  Zittauer  zeitlich  fol- 
genden Schulen  zu  lleichenbach  und  Plauen  im  Vogtlande. 
Uuterm  28.  Februar  1315  wird  als  Zeuge  in  einer  das 
Deutschordenshaus  zu  Peichenbach  betreffenden  Ur- 
kunde und  an  letzter  Stelle  nacli  den  Deutschordens- 
brüdern,  aber  ohne  die  Bezeichnung  „frater"  ein  H.  [d.  i. 
wohl  Heinrich]  Priester  und  Rektor  der  Kleinen  („sacer- 
dos  rector  parvulorum  ibidem")  genannt  ^*^^).  Vier  Jahre 
später  erscheint  der  älteste  bekannte  Schulmeister  von 
Plauen:  „Mag.  H.  rector  parvulorum  de  Plawe"  in  einer 
Urkunde  vom  24.  Febr.  1319,  gemäss  deren  er  dem  deut- 
schen Orden  25  Mark  Silbers  schenkte  —  ein  Zeichen 
eines   gewissen  Wohlstandes  — ,    damit   für   ihn   in   der 


■160)  Gärtner  S.  3.  Verg-l.  dazu  über  Zwicker  C  S  II,  VII,  2.13 
u.  Mo s eil k an,  Oylün-Clironik  S.  139. 

^•>i)  Gärtner  S.  5  lässt  ihn  v.  1370—81  in  Zittan  amtieren-,  das 
stimmt  nicht  zu  den  „tribus  amiis"  in  der  Aufzeichnung'  v.  .1.  1305 
im  C  S  II,  VII,  243.  Im  J.  139.T  wurde  Wisziiibach  Stadtsclir(>iber 
in  Zittau,  zuvor  war  er  11  Jahre  Kektor  u.  Stadtsch reiber  in  Löbau, 
3  Jahre  vorher  Succentor  1 2.  Kantor  neben  dem  zugleich  das  Kantorat 
verwaltenden  SchuhneisterJ  in  Zittau. 

"'2)  Gärtner  S.  3.  —  lo»)  Gärtner  S.  7. 

10')  Meine  Mittlieil.  d.  Alt.-Ver,  z.  Plauen  IV  <  1884),  Urk.  Nr.  54. 


Die  Aiifäne-e  des  sächsischen  Schulwesens.  253 


■■to 


Kirche   zu  Adorf  Seelmessen   gehalten    würden^"'').     In 
Plauen,  dessen  erste  Kirche  (S.  Johannis)  im  Jahre  1122 
gegründet  worden  ist,  hatte  der  deutsche  Orden  im  Jahre 
1224  die  Kirche  mit   allem  Zubehör  von  Vogt  Heinrich 
von  Weida  geschenkt  erhalten,  ebenso  den  28.  Febr.  1265 
Kii'che   und  Patronatsrecht   in   Eeichenbach   vom  Vogte 
zu  Plauen.     Da  nun   noch   in  den  Deutschordens -Gülte- 
registern vom  Jahre  1448  (im  St.-Arch.  Königsberg)  aus- 
drücklich je  „1  schulemeistir"  in  Reichenbach  und  Plauen, 
für  Plauen   auch  „1  schulerbruder"  (Scholar  im  engeren 
Sinne),   als   zu  den  dasigen  Deutschhäusern  gehörig  auf- 
geführt wird,   schwerlich   aber  an  diesen  Orten  mehrere 
Schulmeister    zugleich    amtiert    haben,    so    dürften    die 
Schulen  beider  Städte  Stiftungen   des   deutschen  Ordens 
sein^*'^),  der  ja  ohnehin  im  Vogtlande  wie  nirgends  sonst 
in  Sachsen    sesshaft    und    eintiussreich   war.     Sie  waren 
offenbar  zunächst  Pfarrschulen.     Doch  muss  nach  ander- 
weiten   Nachrichten     ein    Conpatronat    des    Stadtraths, 
wenigstens    für   Plauen,    angenommen   werden   und    der 
Schulmeister    ebenso   im   Dieuste    der    Stadt    wie    des 
deutschen   Hauses    gestanden   haben .     Am  24.  Juli 
1382   Avar   der  „Pector  scolarum"  Friedr.  Ey banger   aus  > 
Nürnberg,   der   sich  1388  „magister  artium  liberal."  etc. 
nennt,  zugleich  Stadtschreiber  (prothonotarius)  und  legte 
auf  bürgermeisterlichen  Befehl  ein  Privilegien-  und  Zins- 
buch  an,    ebenso   den  23.  März  1388 1«').    Diese  Ver- 
einigung  des  Stadtschreiber-  und  Schulmeisteramts 
ist  bei  Rektoren,  die  des  Lateinischen  kundig  waren,  also 
die  im  14.  Jahrh.  noch  vielfach   lateinisch    ausgestellten 
Urkunden  lesen  oder  anfertigen  konnten,  nicht  selten,  in 
Sachsen   aber   für   das  14.  Jahrh.  ausser  bei  Plauen  nur 
noch    bei    Löbau    belegbar.       Auf    den    Unterricht    der 
Schüler   war   diese  Vereinigung   sicher  nicht   ohne  Ein- 
fluss ;    er  wurde  mehr  auf  das  praktische  Bedürfnis  des 
Lebens  gewiesen  und  gestattete   der  sogen,  „ars  dicta- 
minis"  oder  dem  Formularschreiben,  d.  h.  der  Anleitung 
zur  Anfertigung  von  aUerliand  Geschäfts-  und  sonstigen 
Briefen  und  Schriftstücken   und  jedenfalls  auch  in  deut- 
scher   Sprache,    der    sogen,   deutschen    Rhetorik,    mehr 
Raum^*^^).    Im  übrigen  mögen  die  Ziele  der  beiden  vogt- 

1«'^)  Mitth.  (I.  A.-Ver.  Plauen  II  (1882),  Urk.  Nr.  CG. 
ißo)  Ebenda  I  (1880),  S.  33  f.    Vogtl.  Anzeiger  1884  Nr.  248,  S.  2. 
Iß')  Jklitth.  d.  A.-Ver.  Plauen  V  (1885),  Urk.  Nr.  DXXVllI. 
168)  Meine  Quellenschriften  etc.  S.  358  Üg. 


254  Johannes  Müller: 

ländischen  Schulen,  ebenso  wie  die  der  Dresdner  und 
Zittauer  Schule,  die  der  oben  beschriebenen  „kleinen 
Schulen"  gewesen  sein.  Beachtlich  ist  auch  der  Umstand, 
dass  der  Plauensche  Rektor  Eybanger  ein  an  einer  Uni- 
versität rite  promovierter  Magister  war,  der  erste  säch- 
sische Schulrektor  dieser  Art,  und  dass  er  aus  Nürnberg, 
dieser  für  alles  Reale  wie  Ideale  damals  gleichmässig 
empfänglichen  Stadt  stammte,  nicht  mmder,  dass  er  sein 
Amt  so  lange  Jahre  hinter  einander  verwaltet  hat:  die 
Zeit  des  steten  Rektorenwechsels  und  die  Praxis  der 
Bestallung  der  Schulmeister  auf  nur  ein  Jahr  scheint  in 
Sachsen  im  14.  Jahrh.  noch  nicht  angefangen  zu  haben. 
Vergl.  nachher  Lobau. 

Gleichen  Alters,  wie  die  älteste  Nachricht  über  die 
zwei  vogtländischen  Schulen,  ist  die  über  die  Schule  zu 
Pirna.  Die  erste  Kunde  von  ihrem  Vorhandensein  giebt 
der  Vertrag,  in  welchem  ein  zwischen  dem  Dominikaner- 
kloster zu  Pirna  und  dem  dortigen  Stadtpfarrer  Albert 
ausgebrochener  Streit  den  30.  März  1317  beigelegt  worden 
ist.  Da  ward  u.  a.  den  Mönchen  das  Recht  zugestanden, 
bei  sich  jeden  zu  beerdigen,  der  es  wünsche;  aber  zu- 
gleich ward  dem  Pfarrer  das  Recht  gewahrt,  den  Leichen- 
zug bis  zur  Klosterpforte  zu  veranstalten  unter  Beglei- 
tung von  Schülern  („cum  processione  scolarium").  Ebenso 
ist  am  8.  Sept.  1335  von  „den  schulern"  die  Rede,  mit 
welchen  arme  elende  Leute  „czu  der  kirche  vnd  czu 
deme  grabe"  gebracht  werden;  „deme  schulemeistir"  soll- 
ten dafür  von  einem  Stiftungskapital  jährlich  10  Groschen 
gezahlt  werden;  2  Groschen  wurden  demselben  noch  zu- 
gewiesen für  seine  Anwesenheit  bei  dem  damals  gestif- 
teten Jahrgedächtnis  für  einen  Pirnaischen  Bürger  und 
sein  Eheweib  ^*^^).  Das  sind  die  einzigen  Mittheilungen 
über  die  Schule  zu  Pirna  aus  dem  14.  Jahrh.  Zu  dem 
Dominikanerkloster  hat  dieselbe  gemäss  der  Urkunde  vom 
30.  März  1317  offenbar  in  keinem  Abhängigkeitsverhält- 
nisse gestanden,  sondern  war  wohl  eine  Pfarr-  oder 
Stadtschule.  Lag  sie  doch  auch  nach  einer  Urkunde 
vom  20.  März  1436  gleich  bei  der  Pfarrkirche  und  zwar 
wohl   seit   alter   Zeit"*^).      Ob   das  Cistercienserkloster 


160)  C  S  II.  V,  472  u.  350.  Vergl.  R.  Hofmann,  Die  kirchl. 
Zustände  d.  St.  Pirna  vor  d.  Einführung  d.  Reformation  i.  J.  1539 
(Pirna  1887,  Realsclmlprogr.)  S.  87. 

1™;  0  S  IL  V,  417. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  255 

Ossegg  in  Bölimen,  welches  i.  J.  1331  Patron  der  Pfarrei 
Pirna  wurde"'),  auf  die  Schule  Einfluss  hatte,  ist  unbe- 
kannt. 

Am  19.  Nov.  1320  begegnen  wir  der  ersten  Juden- 
schule und  zwar  an  demselben  Orte,  von  wo  die  Ge- 
schichte des  sächsischen  Schulwesens  ihren  Anfang  ge- 
nommen hat:  in  Meissen""-).  Hier  hören  wir  im  Jahre 
1286  (den  6.  Juli)  von  einem  Judenberge;  aber  schon 
früher  hatten  sich  die  Juden  in  der  Markgrafschaft 
Meissen  des  Handels  angenommen  und  trieben  solchen 
aucli  verbotener  Weise,  so  dass  in  der  Fürstenversamm- 
lung im  Jahre  1009  dem  Markgrafen  Gunzelin  von 
Meissen  vorgeworfen  wurde,  er  habe  Leibeigne  an  Juden 
verkauft  ^'•^).  Im  Laufe  der  Zeit  mehrte  sich  ihre  Zahl, 
so  dass  Markgraf  Heinrich  im  Jahre  1265  eine  allgemeine 
Judenordnung  erliess,  zu  einer  Zeit,  wo  man  sonst  sehi^ 
wenig  an  allgemeine  Gesetze  dachte"^).  Die  Stadt  Meissen 
wurde  die  Metropole  der  Juden  in  den  Marken  Meissen 
und  Osterland.  Seit  der  2.  Hälfte  des  14.  Jahrh.  führten  die 
Markgrafen  sogar  den  sogen.  Judenkopf  als  Helmschmuck, 
wozu  wohl  die  ihnen  von  den  Kaisern  bestätigte  Berech- 
tigung zur  Ausübung  des  Judenschutzes  und  die  Beleli- 
nung  mit  den  damit  verbundenen  Einkünften,  dem  Juden- 
schatze, aus  der  1.  Hälfte  des  14.  Jahrh.  Anlass  gegeben 
hatten"').  Unter  diesen  Umständen  und  bei  dem  noch 
heute  beachtlichen  Bildungsstreben  der  Juden  ist  es  nur 
natürlich,  wenn  wir  im  Jahre  1320  jene  Judenschule  an- 
treffen. Näheres  über  ihre  Gründung  und  Einrichtung 
wissen  wir  nicht.  Wenn  W.  Schäfer  Eecht  hat,  so  ^\ar 
es  eine  der  bedeutendsten  jüdischen  Lehranstalten,  „in 
welclier  jüdische  Gelehrte  und  Rabbiner  gebildet  wurden"; 
dann  wäre  es  ein  „Studium  generale"  "•*),  wie  es  im  15. 


"1)  C  S  IL  V,  342  f.  345  f.  355.  376  f.    Hof  mann  S.  U  f. 

i''-)  C  S  IL.  I,  311:  scola  Judaeoruin  contra  Alhim. 

'■3)  C  S  IL  IV,  124.  —  Posse,  \).  ]\Larlvgi-af.  v.  Meissen  S.  2(»9. 

"*)  Gedruckt  bei  K.  Sidori,  Gesch.  der  Juden  in  Sadiseu 
(Leipzig-  1840),  S.  140  flg.  O.  .Stohlie,  Die  .luden  in  Deutschhind 
während  des  M.-A's.  (Brauuschweig  18He>)  S.  305  f.  Vergl.  Titt- 
mann  I,  393  f. 

^''■>)  Urk.  Ludwigs  IV.  f.  sein.  Schwiegersohn,  Markgr.  Fiiedr. 
den  Ernsten  v.  13.  Apr.  1330.  Vergl.  G.  Klemm  etc.,  Sachsengrün 
1.  Bd.  (Dresden  1861)  S.  24  u.  42.  Mitth.  des  V.  f.  Gesch.  d.  Stadt 
Meissen  I,  3,  20  flg. 

"")  Bei  Klemm,  Sachsengrüu  S.  42. 


256  Johannes  Müller: 

Jalirli.  Regensburg  besass^"),  ein  sogen,  grosses  Lehr- 
haus gewesen,  welches  nach  einer  alten  jüdischen  Schul- 
ordnung aus  dem  12.— 13.  JahrhJ'^)  am  Sitze  der  Landes- 
regierung bestehen  und  durch  Steuern  der  jüdischen 
Einwohnerschaft  erhalten  werden  sollte;  in  solchen  An- 
stalten sollten  vom  13.,  bez.  16,  Lebensjahre  an  abgeson- 
dert im  Alumnate  lebende  Jünglinge  7  Jahre  lang  eine 
theologisch -juristische  Bildung  erhalten  und  die  sogen, 
grossen  Traktate  (Talmud)  lernen;  sie  dienten  sowohl  als 
Bildungsanstalten  für  Lehrer  als  auch  sollte  die  Rechts- 
pflege für  die  israelitische  Gemeinschaft  von  ihnen  aus- 
gehen. Wahrscheinlicher  war  die  Meissener  Judenschule 
nur  ein  sogen,  kleines  Lehrhaus,  welches  nach  jener  Schul- 
ordnimg überall  in  anderen  Städten  in  Verbindung  mit 
dem  Bethause  erbaut  werden  sollte.  Darin  erlangten 
Knaben  vom  5.  (bis  8.)  Lebensjahre  an  7  Jahre  lang  den 
im  Mittelalter  ausschliesslich  i'eligiös  gearteten  öffent- 
lichen Unterricht,  bestehend  in  der  Kenntnis  des  Lesens 
(und  Schreibens?),  der  Lektüre,  Übersetzung  und  Einprä- 
gung  der  leichteren  religiösen  Schriften  (2  Jahre  Thorali 
[5  Bücher  Mose],  2  Jahre  Propheten  und  Hagiographen, 
3  Jahre  die  kleinen  Traktate  [Mischna]).  Je  10  Knaben 
standen  allemal  unter  einem  Lehrer,  der  täglich  die- 
selben 4 — 5  mal  zu  unterrichten  und  wöchentlich,  monat- 
lich und  semesterweise  Generalrepetitionen  und  Prüfungen 
anzustellen  hatte,  alle  Lelu^er  unter  einem  Rektor,  der 
bis  100  Schüler  annehmen,  diese  aber  nicht  selbst  unter- 
richten, sondern  nur  die  Lehrer  (Repetenten)  zu  beauf- 
sichtigen  und   ihnen   täglich  zweimal  instruierende  Vor- 


"')  Gemeiner,  Reichstadt  Regeusburgische  Chronik  (Regensb. 
1800—24)  III,  617.  Urk.  v.  1478:  stud.  generale  . ..  hiucque  factum 
est,  ut  ipsi  reliqiiorum  in  uatione  Grermanica  Judaeoriim  veluti  doc- 
tores  et  patres  evaserint.  —  Stobbe  S.  80.  —  Nach  Bavaria, 
Landes-  u.  Volkskunde  d.  Kgr.  Bayern  II  (München  1863),  '682  zählte 
die  Regensburger  Judenschule  1.  J.  1519  bei  der  Judenvertreibung 
über  80  Schüler. 

^'*)  .Das  Ruch  der  alten  Gesetze  der  Lehre"  bei  M.  Güde- 
mann,  Gesch.  des  Erziehungswesens  u.  der  Kultur  der  Juden  in 
Frankreich  u.  Deutschland  v.  10.— 14.  Jahrb.  (Wien  1880)  S.  93  flg. 
(deutsch);  S.  267  flg.  (hebrä.).  Vergl.  dieA^erbesserungen  in  Text,  Über- 
setzung, Zeitbestimmung  durch  Virt  bei  Z.  Frankel-H.  Graetz, 
Monatssclirift  f.  Gesch.  u.  ^Mssensch.  des  Judenthums,  XXIX  (1880), 
428  flg.  u.  durch  D.  Kaufmann  i.  Göttinger  gelehrt.  Anzeig.  1881, 
Stück  52,  S.  1648  flg. 


Die  Anfänge  des  sächsisclien  Sclinlvveseus.  257 

träge  zu  halten  liatte ''■').  —  Den  16.  Okt.  134y  wird  die 
Judenscliule  zu  Meissen  nochmals  urkundlich  erwähnt  ^^*^), 
und  den  25.  Nov.  1377  wurde   „dy   iudenschiüe,   dy   do 


1™)  Verg'l  ausser  den  „Clesetzen  der  Lehre"  bei  Güdemann 
noch  S.  117  üif.  —  Eine  Synagoge  im  engeren  Sinne,  wie  man 
nach  Grimm's  Deutsch.  Wörterb.  IV,  2.  Abth  Sp.  2356  meinen  könnte, 
ein  blosses  Bethaus  kann  die  Meisseuer  „Judeuschule"  nicht  gewesen 
sein,  da  die  Juden  auf  die  Lehre  das  Hauptgewicht  legten  u.  es  für 
ein  frömmeres  Unternehmen  galt,  Grehl  für  Unterrichtszwecke,  als  für 
die  Erbauung  von  Gotteshäusern  zu  spenden,  und  demgemäss  öftent- 
liche  Schulen  von  den  Juden  des  M.-A's.  überall  unterhalten  wurden 
(Güdemann  117;  vergl.  bei  B.  Strassburger,  Gesch.  d.  Erzieh. 
u.  d.  Unterr.  bei  den  Israeliten  bis  auf  d.  Gegenwart  [Stuttgart  1885J, 
S.  114  f.  das  jüdisch-kastilian.  Gemeindestatut  v.  J.  1432,  wornach 
jede  Gemeinde  von  15  Familien  einen  Jugendlehrer,  jede  Gemeimle 
von  40  Familien  einen  Talmudlehrer  anstellen  sollte;  ausserdem 
ebenda  S.  100  f.  u.  135).  Und  wenn  Luther  das  griech. -biblische 
Wort  Sj'nagoge  mit  Judenschule  verdeutscht,  so  muss  zu  seiner  Zeit 
und  im  M.-A.  unbedingt  etwas  Schulartiges  dagCAvesen  sein,  und  die 
Synagoge,  die  schon  in  altjüdischer  Zeit  nicht  bloss  zum  Gottesdienste, 
sondern  als  „Gemeindehaus"  diente  (E.  Riehm,  Handwörterb.  d. 
bibl.  Alterthums,  Leipzig  1884,  II,  1594  u.  Strassburger  S.  10), 
ausser  den  Zwecken  des  Gottesdienstes  und  der  Rechtspflege  aucli 
denen  des  Unterrichts  gedient  haben,  falls  nicht  unmittelbar  mit  ili)- 
ein  besonderes  Lehrhaus  verbunden  war  (vergl.  u.  a.  die  zwei  Judeu- 
schulen  und  Synagogen  zu  Erfurt  und  Halle  in  d.  Urk.  Kaiser 
Friedr.  III.  v.  18.  März  1407  bei  J.  C.  v.  Dreyhaupt,  Beschr.  des 
Saalkreises,  Halle  1755,  II,  501  u.  M.  AViener,  Regesten  z.  Gesch. 
d.  Juden  in  Deutschi,  im  M.-A.,  Hannover  18K2,  S.  158,  103  u.  ö.). 
In  ärmeren  Gemeinden  musste  dann  ein  und  derselbe  Beamte  die  Ge- 
schäfte des  Rabbi,  Lehrers  und  Vorbeters  versehen  (Güdemann 
115).  —  Was  Grimm,  Weigand,  Lexer  etc.  in  ihren  deutsch,  u.  mhd. 
Wörterbüchern  im  Artikel  Judenschulc  sagen,  istsehr  unzureicbcnd. 
Aus  den  angezogenen  Belegstellen,  soweit  sie  nicht  Luthers  IMliel- 
übersetzung  entnommen  sind  (bei  Grimm  die  älteste  v.  28.  Febr. 
143B,  bei  Lexer,  bez.  Weigand  v.  15.  Nov.  1387  u.  Apr.  1478), 
ergiebt  sich  schon,  dass  die  ..Judenschule"  als  Gerichtsstätte  diente, 
wie  es  der  8.  Artikel  der  (latcin  )  ]\reissener  Judenordnung  v.  1205 
ebenfalls  voraussetzt.  Für  die  Ik'dcutnng  des  Wortes  ^Judi-nschule" 
im  Sinne  einer  öffentl.  Lehranstalt  spiicht  ganz  klar  ein  Nüinberger 
Rathserlass  v.  Hl.  Aug  1400,  woi'in  befohlen  wurde,  dass  „lürbasz 
ze  Nüinberg  dlicin  judenscliule  nit  sein  snl",  der  Rabbi  entlassen 
werden  und  die  jüdischen  Bürger  ihre  Kinder  privatim  in  iliren 
Häusein  unterrichten  lassen  sollen  (s.  meine  „Schulordnungen  etc." 
IE,  270  f.;  ül)rig(!ns  wii'd  damals  die  Judenschule  auch  als  das 
„gemein  haws"  bezeichnet).  Eiinnert  sei  auch  nocli  an  den  „Ysaack 
Jude  kindclei-er"  im  Bedebuch  v,  Fi'ankfurt  a.  M.  v.  1402  (G.  Kriegk, 
Deutsch.  Bürgeithum  im  Äl.-A.,  N.  Folge,  Frankf.  1871,  S.  359,  (;2) 
und  an  den  Priester  „Johannes  Jodinschiib'r"  in  Pirna  (d.  2.^.  Febr. 
1418  im  C  S  II.  V,  394  f.)  oder  den  Rathmann  „Niclaus  .Luh-n- 
schuler-  ebenda  (15.  Febr.  1415,  ebenda  390,  vergl.  510). 

180)  CSU.  I,  308. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.  Vlll.  3.   I.  1''' 


258  Johannes  Müller: 

gelegin  ist  in  der  pharre  czu  sente  Niclaus,  dye  dy 
bürgere  mit  allem  rechte  gehabt  haben",  von  Mark- 
graf Balthasar  von  Meissen  mit  Zustimmung  der  Bürger 
dem  Pfarrer  zu  S.  Nikolaus  in  Meissen  verliehen  und 
gegeben,  während  der  Pfarrer  auf  seine  Ansprüche  an 
die  Hofstätten  der  Judenliäuser  zu  Gunsten  der  Bürger 
verzichtete  ^^^).  Man  möchte  meinen,  dass  es  sich  bei 
letzterem  Vergleiche  um  ein  leer  stehendes  oder  wenig- 
stens von  den  Juden  nicht  mehr  gebrauchtes  Schul- 
gebäude handelte,  nicht  bloss  um  den  Niessbrauch  der 
von  der  Schule  zu  entrichtenden  Abgaben.  Man  müsste 
dann  annehmen,  dass  im  Jahre  1348  oder  1349,  wo  Mark- 
graf Friedlich  eine  Judenverfolgung  vornehmen  liess^*^-), 
die  Meissener  Judenschule  aufgehoben  und  mit  den  an- 
deren jüdischen  Gebäuden  oöenes  Lehen  gCAVorden  sei. 
Die  Meissener  Bürger  könnten  aber  auch  dadurch  Rechte 
auf  die  Judenschule  erlangt  haben,  dass  zu  einer  Zeit, 
wo  den  Juden  der  Erwerb  von  Grundbesitz  untersagt 
war,  diese  den  Grund  und  Boden  gegen  einen  Erbzins 
von  den  Bürgern  erhalten  hatten  ^^'^). 

Am  24.  Juni  1331  tritt  in  Bautzen,  von  dessen 
Stifts-Chorschule  schon  oben  S.  23  flg.  die  Rede  war,  als 
Zeuge  in  einer  Schenkungsurkunde  für  das  Domstift,  der 
erste  mit  Namen  bekannte  Schulmeister  auf:  Petrus  rec- 
tor  scolarum  in  Budissin^*^).  Es  ist  nicht  ersichtlich, 
was  für  einer  Schule  dieser  Rektor  vorstand.  Die  Be- 
titelung  lässt  die  Annahme  einer  Stadtschule  zu,  und 
dazu  würde  die  Thatsache  passen,  die  mit  der  Existenz 
einer  vom  Stift  vollständig  abhängigen  äusseren  Stifts- 
schule nicht  wohl  vereinbar  ist,  dass  in  den  oben  er- 
wähnten Konradinischen  Stiftsstatuten  vom  Jahre  1372 
zwar  mehrfach  von  Schülern  die  Rede  ist,  nie  aber  von 
einem   Schulrektor,   und   die   Schüler   dem   Stiftskantor, 


i«i)  CS  IL  IV,  35.  Hasche,  Dipl.  Gesch.  Dresdens,  Urk.- 
Buch  S.  235. 

isa')  Verl?!.  0.  Richter,  Verfassimgsgesch.  der  Stadt  Dresden 
(Dresd.  1885)"^  S.  227. 

1^3)  Stobbe  169.  So  geschah  es  d.  27.  Ang.  1500  zu  Schwein- 
furt:  das  Eigeuthum  an  der  .Judcnschule  nnd  dem  Judenkirchhof 
sollte  der  Stadt  gehören,  die  Juden  den  Besitz  haben.  M.  Wiener, 
Begesten  z.  Glesch.  der  Juden  in  Deutschi,  während  des  M.-A's.  I 
(Hannover  1862),  211  Nr.  706. 

'^^)  Urk.  im  Domarchiv  Bautzen.  Herrn.  Knothe,  Zixr  ältest. 
üesch.  der  Stadt  Bautzen,  in  dieser  Zeitschr.  V  (1884),  113. 


Die  Anfäiigo  des  sächsischen  Schiilwesens.  2o9 

der  zuerst  1355  erwähnt  sein  solP^'*),  und  seinen  Pruvi- 
sores  unmittelbar  unterstellt  erscheinen.  Auch  hören  wii" 
nie  etwas  von  einer  eigentlichen  sogen,  äusseren  Schule 
beim  Stift;  wohl  aber  stellt  sich  im  Anfange  des  15. 
Jalirh.  (1418)  die  Bautzener  Schule  als  eine  städtische 
dar,  so  dass  man  annehmen  muss,  dass  neben  der  Stifts- 
Chorschule  sich  eine  öffentliche  Schule  bei  der  Pfarr- 
kirche^^*') entwickelt  hat.  Über  die  Kollatur  dieser 
öffentlichen  Anstalt  wurde  im  14.  Jahrhundert  lange  Zeit 
(dudum)  zwischen  dem  Stiftskapitel,  dessen  Scholastikus 
wie  anderwärts  die  Oberaufsicht  und  die  Sportein  bean- 
sprucht haben  muss,  und  dem  Käthe  der  Stadt  Streit 
geführt.  Kaiser  Karl  IV.  entschied  denselben  am  19. 
Juni  1364^^")  zu  Gunsten  des  Kapitels ;  es  wurde  damals 
verordnet,  dass  die  Wahl  (electio)  eines  Schiürektors 
(rector  scholae)  dem  Kapitel  zustehe  und  dass  dieses 
einen  geeigneten  Mann  anzunehmen  (assumere)  habe, 
welcher  dem  Schulregiment  vorzustehen  vermöge  und  so- 
wohl der  Kirche  als  den  Knaben  oder  Scholaren  (tam 
ecclesiae  quam  pueris  seu  scholaribus)  nützlich  sei  und 
dieselben  zweckmässig  in  Wissenschaften  und  Sitten  un- 
terweisen (in  scientia  et  moribus  informarc^  könne,  und 
dass  die  Knaben  oder  (seu)  Scholaren  gehalten  seien,  an 
allen  Festtagen  bei  der  Messe  und  der  Vesper  lediglicli 
(duntaxat)  in  der  Stiftskirche  (also  wohl  nicht  in  der 
1293  begründeten  Marienkirclie)  anwesend  zu  sein.  Es 
scheint  aber,  dass  die  Schule  dem  Einflüsse  des  Stifts- 
kapitels bald  wieder  weniger  unterstellt  war,  da  in  den 
Stiftsstatuten  vom  Jahre  1372,  wie  schon  erwähnt  -wor- 
den ist,  eines  Schulrektors,  der  vom  Stifte  abhängig 
wäre,  gar  nicht  gedacht  wird,  sondern  nur  eines  Kan- 
tors. Hinsichtlicli  ihrer  Leistungen  und  Ziele  ist  die 
Schule  nur  für  eine  jener  „kleinen  Schulen"  zu  halten, 
von  denen  schon  öfters  gesprochen  ist  und  deren  Lehrer 
ebensogut  Laien  wie  Geistliche  sein  komiten,  wenn  sie 
nur  den  Stiftskapiteln  füi^  gewisse  gottesdienstliche  Ver- 
richtungen Schüler  stellten,  bez.  auch  selbst  mit  zu  Ge- 
bote  standen,    die   ausbedungenen  Abgaben   entrichteten 

18^)  C.  Wilke,  Chronik  der  St.  Budissin  (ebenda  1843)  S.  20 
u.  40  f. 

'*"*)  Dafür,  dass  sich  die  Schule  in  dem  angeblich  v.  121«— 2H 
erbauten  Franziskanerkloster  befunden  habe,  wie  Wilke  S.  i:U 
(vergl.  21)  angielit,  linde  ich  keine  Belegt'. 

1")  Nachlese  Oberlausitzischer  Nachrichten  (Zittau  1771)  S.  '.»:}. 

17* 


260  Johannes  Müller: 

und  sonst  die  gebührende  Ehre  erwiesen.  Auf  die  inter- 
essanten Bestimmungen  der  deutschen  Bautzener  Schul- 
ordnung vom  Jahre  1418,  der  ersten  sächsischen  dieser 
Art,  welche  Abgaben  der  Schulkinder  fixiert,  die  gewiss 
schon  im  14.  Jahrh.  üblich  Avai'en,  kann  hier  nur  kurz 
eingegangen  werden  ^^^).  An  der  Schule  wirkten  damals 
ausser  dem  Rektor  und  ausser  einem  Kantor,  der  vielleicht 
der  oben  angeführte  Stiftskantor  war,  „Locatoren"  (oder 
Locati)  und  ein  „Signator"  ■ — ■  letzterer  wohl,  wie  an- 
derwärts, als  Metten-,  Tertien-  und  Vespersänger,  als 
Wächter  äusserer  Reinlichkeit  und  Beauftragter  des 
Rektors   in    gewissen  Lektionen  ^'^^).     Das  Schuljahr  be- 


^***)  Abdruck  in  meinen  Schulordnungen  etc.  I,  38  f.  nach 
der  „Nachlese  Oberlaus.  Nachr."  (1771)  S.  94  f.  Wilke  a.  a.  O. 
S.  134  flg.  verlegt  die  Schulordnung  ins  J.  1417,  giebt  aber  offenbar 
einen  korrumpierteren  Text,  als  die  „Nachlese  etc.".  Die  vorhan- 
denen sachlichen  Differenzen  können  nur  durch  das  Axiffinden  des 
Originals  oder  einer  zuverlässigen  Kopie  gehoben  werden.  Neuer- 
dings von  mir  wieder  angestellte  Nachforsciiungcu  sind  bis  jetzt  ver- 
geblich gewesen. 

^*')  Dem  Titel  „signator"  für  einen  Lehrer  und  zwar  Unter- 
lehrer bin  ich  nur  in  schlesischen  und  lausitzer  Urkunden  begegnet, 
zuerst  d.  29.  Mai  1369  in  einer  die  Elisabethschule  zu  Breslau  l)etr. 
Urk.,  wo  ein  „Bei'uardus  signator,  cleiicus  Misnensis  diocesis"  neben 
dem  Rektor  und  Succentor  (auch  neben  dem  Oampanator)  erscheint, 
dann  in  einer  Stiftung  für  einen  Altar  in  der  Magdalenenkirche  zu 
Breslau  v.  29  Mäi-z  1442,  wo  die  l^ehrer  der  Magdalenenschule  in 
folgender  Al)stufung  aufgezählt  sind:  Magister  seu  rector,  signator, 
locati  (vom  locatus  senior  abwärts),  suhsigvator ;  weiter  in  den  Sta- 
tuten des  Breslauer  Domstifts  aus  dem  In.  ,lahrh.,  wo  für  den  Be- 
hinderungsfall des  llector  scholae  zum  Kii'chendienste  vei])flichtet 
werden  seine  „a<ljutores  tarn  in  choro  quam  in  scholis,  puta  signator, 
subsignntor  et  locatus".  0.  Schönborn,  Beiträge  z.  Gesch.  der 
Schule  u.  des  Gymn.  zu  S.  Mar.  Magdalena  in  Breslau  II  v.  1400 
bis  ir370  (Progr.  1844),  8.  6  f.  9;  vergl.  Beiträge  I  (Progr.  1843), 
20  f.  (Urk.  V.  30.  Juni  1375:  Eector  u.  Signator  an  der  Magdalenen- 
schule sollen  in  der  Kii'che  mit  den  Schülern  singen).  In  einem 
Vertrage  zwischen  Pfarrer  und  Schulmeister  zu  Görlitz  v.  1446  wird 
letzterer  v(;rpflichtet,  zwei  Messen  „durch  synen  signatorem"  und 
3  Schüler  singen  zu  lassen.  Meine  vor-  u.  frühreform.  Schuloidii. 
II,  283  (vergl.  350).  Vollen  Axifschluss  übei'  die  Pflichten  eines 
Signators  giebt  aber  das  Kapitel  vom  „Officium  signatoris"  in  den 
„Leges  scholae  Nissensis"  v.  J.  1498  bei  A.  Kastner,  Aus  d.  Gesch. 
des  Pfarrgymnas.  Iiei  der  Pfarrkirche  zum  h.  Jacobus  in  Neisse 
(Progr.  d.  kathol.  Gyran.  1865)  S.  12.  Der  „Signator  vel  auditor" 
rangiert  da  nach  dem  Eector,  Baccalaureus  major  und  B.  minor  und 
Cantor.  Sein  Amt  war  vor  allem:  zu  den  Metten  zu  Avecken  u.  sie 
zu  beginnen,  die  Vigilieu  zu  singen  u.  die  Leichen  zu  begleiten,  die 
Tertien  zu  singen  u.  die  Messe  zu  beginnen,  die  täglichen  Gesänge 
vom  Sakristan  sich  angeben  zi;  lassen   u.  dem  Kantor  mitzutheilen. 


Die  Anfänge  des  säclisischon  Schulwesens.  261 

gann  am  Gregoriustage  (12.  März).  Die  Schulbücher 
kauften  die  Schüler  von  dem  Locator,  der  sich  oifenhar 
durch  ihr  Anfertigen,  Avie  sehr  viele  Lelu-er  anderwärts, 
einen  Theil  seines  Einkommens  verschaffte  und  daher 
von  den  Kindern,  die  ihre  Bücher  nicht  von  ihm  bezogen, 
entschädigt  werden  musste,  von  einem  reichen  Kinde  mit 
2,  von  einem  „mittelmässigen",  d.  h.  halbbemittelten  mit 
1  Groschen.  Die  Schulbücher  bez.  die  für  dieselben  an 
den  Locator  zu  entrichtenden  Preise  waren:  das  Abc, 
Pater  noster,  Credo,  Benedicite  („jegliches  1  Gr."), 
der  Donat  (10  Gr.),  die  „regel",  d.  h.  die  regulae 
pueriles  Remigii  und  Cato  moralis  (8  oder  5  Gr.), 
prima  pars  Alexandri  (15  Gr.),  —  also  dieselben,  die 
wir  schon  S.  7  und  S.  249  kennen  gelernt  haben;  nur 
weichen  die  Preise  von  den  auf  S.  249  mitgetheilten  ab : 
in  Bautzen  waren  zu  Anfang  des  15.  Jahrh.  die  vom 
Schüler  zuerst  gebrauchten  Bücher  billiger  als  in  Dres- 
den, während  sich  für  die  später  nöthigen  Bücher  ein 
umgekehrtes  Preisverhältnis  herausstellt.  Das  Schul- 
geld betrug  vierteljährlich  2  Groschen  für  die  reichen, 
1  Groschen  für  die  minderbegüterten  Kinder;  die  armen 
hatten  nichts  zu  zahlen.  Beim  ersten  Eintritt  in  die 
Schule  war  das  2.  Vierteljahr  frei,  wenn  der  Knabe 
„bleibet  bey  der  schule".  Zur  Heizung  der  Schule 
hatte  jedes  wohlhabende  Kind  den  Winter  über  täglich 
ein  Scheit  Holz  mitzubringen  oder  ein  Fuder  Holz  zu 
kaufen  oder  dem  Schulmeister  2  Groschen  Holzgeld  zu 
geben,  die  „mittelmässigen"  die  Hälfte  von  alledem,  arme 
nichts.  Wenn  die  Kinder  über  den  im  Auschluss  an  die 
4  Tafelbücher  (Abc  —  Benedicite)  ertheilten  elementaren 
Leseunterricht  hinaus  den  lateinischen  eigentlichen  Sprach- 
unterricht besuchen  wollten  („Donat  gehen  wollen"),  so 
musste  jedes  einen  Pfennig  zalden;  nur  die  armen  waren 
frei.  Kinder,  die  man  „setzt  zu  dem  cantu",  sollten  in 
3  Raten  G  Heller,   8  Heller  und  1  Groschen  entrichten. 


alle  Invitatoiicu  u.  Hymnen,  die  in  den  Metten,  Tertien  u.  Vespern 
gesungen  worden  sollten,  auf  eine  Tafel  zu  schreiben  (?  tabulare),  ebenso 
das  Evangelium  u.  die  Epistel  „pro  latino",  ausserdem  alle  ihm  vom 
Rector  zugewiesenen  Lektionen  (ob  bloss  Lesungen  in  der  Kirche?) 
zu  halten  (lectiones  a  rectore  sibi  injunctas  sunima  diligentia  comijlere) 
u.  darauf  zu  achten,  dass  alle  Plätze  (?  palatia)  u.  das  „hospitale 
scliolarum"  regelmässig  durch  „IMendicantes"  (bettelnde  Schüler?) 
gereinigt  würden.  Über  die  sonstige  Bedeutung  des  Wortes  Signator 
vergl.  Du  Gange,  Glossarium  mediae  et  infimae  latinitatis  VI,  249 
u.  E.  Brinckmeier,  Glossarium  diplomaticura  II,  548. 


262  Johannes  Müller: 

wenn  sie  wohlhabend  waren,  die  armen  nichts.  Jedes 
wohlhabende  Kind  sollte  sein  Brot,  das  es  mit  in  die 
Schule  bringe,  wochentags  zur  Hälfte  seinem  Locator, 
sonntags  dem  Signator  geben  oder  dafür  wöchentlich 
1  Heller.  Zum  neuen  Jahre  sollten  reiche  Kinder  dem 
Schulmeister  6  Heller,  dem  Locator  2  (1  ?)  Groschen, 
„mittelmässige"  halb  soviel  bringen.  Zu  Johannis  (24. 
Juni)  waren  dem  Rector  4  Heller,  dem  Locator  6  oder  ein 
halber  Topf  „mit  geschlagenem  [d.  h,  wohl  festgedrücktem] 
Kornmelü",  zu  Mariae  Himmelfahrt  (15.  Aug.)  dem  Eector 
und  Locator  je  1  Heller  (zu  Honigtrank:  „Metlie  Heller") 
und  am  Tage  Katharinae,  der  Schutzpatronin  der  Wissen- 
schaften (den  25.  Nov.),  wo  im  10.  Jahrh.  in  S.  Gallen  der 
sogen.  Schulabt  von  und  aus  der  Schülerschar  gewählt 
wurde,  1  Gr.  zu  entrichten.  Ausserdem  sollte  der  Kan- 
tor je  1  Pfennig  zu  Ostern,  Pfingsten,  Michaelis  und 
"Weihnachten  als  „austreibe  heller"  ^^*^)  empfangen. 
Arme  Schüler  waren  von  allen  diesen  Abgaben  frei. 


'^^)  Zuerst  in  emem  die  Schule  zu  Nordhausen  betr.  Vertrage 
V.  1394  ist  der  Sitte  des  Austreibens  gedacht;  da  musste  dem  Rector 
ein  Licht  u..  dem  Unterlehrer  dps  betr.  Schülers  zwei  Lichter  am 
20.  Dez.,  „in  vigilia  s.  Thomae,  quum  [lies:  quando]  expelluntur  pueri," 
gegeben  werden.  B.  Gr.  Förstemanu,  Nachr.  von  den  Schulen 
zu  Nordhausen  vor  der  Reform.  (Nordh.  1830)  S.  L5.  In  Osterwieck 
hatten  1450  zu  Ostern,  Michaelis  u.  Weihnachten  die  reichen  Kinder 
2  Pfennige  „to  vtslanden  pennighen",  die  armen  einen  zu  entrichten ; 
in  Nüruljerg  ward  l4Srt  zu  Neujahr  „vfstreibgelt"  und  an  den  Bam- 
berger deutschen  Schulen  1491  zu  Weilmaehten  „ein  austreibe  pfennig" 
durch  Verordnungen  festgesetzt.  Meine  vor-  u.  frühreform.  Schul- 
ordn.  S.  291.  103  f.  109.  In  Wernigerode  geschah  ein  gleiches  um 
1510  so,  dass  die  „expulsionales"  jährlich  dreimal,  am  Thomastage 
(21.  Dec),  am  Gründonnerstage  u.  am  Donnerstag  vor  der  gemeinen, 
d.  i.  der  auf  Michaeli  folgenden  Woche,  fällig  waren.  E.  .Jacobs, 
D.  Rektor  u.  d.  Stiftsschule  zu  Wernigerode  etc.  in  der  Zeitschr.  des 
Harzvereins  XVIII  (1886),  323.  Die  Sitte  des  Austreibens  muss 
schon  sehr  alt  sein.  Schon  im  11.  Jahrh.  wurden  in  Klosterschulen 
am  20.  Dez.  alter  Gewohnheit  nach  die  Schüler,  ohne  etwas  ver- 
brochen zu  haben,  mit  schmerzvollen  Schlägen  bedacht.  Specht 
a.  a.  0.  210  f.  Andererseits  Aviu'den  noch  im  17.  u.  18.  Jahrh.,  ja 
zu  Anfang  des  19.  in  Süddeutschland  die  Schulkinder  vor  den  drei 
hohen  Festen  „ausgetriben"  oder  „ausgestrichen",  indem  sie  der 
Lehrer  zwischen  den  Beinen  durchkriechen,  einen  Streich  in  posteriora 
in  Empfang  nehmen  u.  dafür  noch  ein  Anstreichgeld  entrichten  Hess. 
A.  Schmeller,  Bayer.  Wörterbuch,  2.  Aufl.  II  (München  1877), 
Sp.  806  f.  Es  bedarf  noch  der  Untersuchung  über  den  Zusammen- 
hang dieses  Brauchs  mit  dem  schon  diu'ch  eine  alte  deutsche  Predigt 
verbürgten  des  Streichens  oder  Hauens  um  den  Lebzelten  (Kuchen) 
an  dem  Tage  der  unschuldigen  Kindlein  (28.  Dez.)  oder  mit  dem 
noch   jetzt   an   diesem   Tage   in    Süddeutsch land   üblichen   Pfeffern, 


Die  Aufäuoe  des  sächsischen  Schulwesens.  263 


^■r> 


Aus  dem  6.  Jahrzehnt  des  14.  Jahrh.  stammen  unsere 
ältesten  Naclirichten  über  drei  weitere  Schulen  Sachsens, 
nämlich  in  Leipzig,  Grimma,  Löbau.  Unterm  28.  Okt. 
1352  wird  eine  Judenschule  zu  Leipzig  erwälmt,  die 
zweite  in  Sachsen.  Markgraf  Friedrich  von  Meissen  be- 
lehnte damals  d.  d.  Altenbiu'g  seinen  Marschall  Tymo  von 
Kolditz  mit  derselben  ^^^).  Ob  es  eine  Belelmung  war 
mit  einem  nicht  mehr  für  jüdische  Schul-  und  Gottes- 
dienstzwecke gebrauchten  Grundstücke  oder  ob  es  sich 
um  eine  noch  durch  Abgaben  ertragsfähige,  bestehende 
Schule  handelte,  lässt  sich  nicht  erkennen;  nach  Analogie 
des  Wortlauts  von  ähnlichen,  anderwärtsher  bekannten 
Belehnungen  möchte  man  das  letztere  annehmen^-'"-),  wenn 
nicht  die  oben  schon  angeführte  Judenverfolgung  vom 
Jahi-e  1348  flg.  ernste  Bedenken  dagegeii  erweckte.  Die 
Sache  wird  unentschieden  bleiben  müssen.  Dagegen  wis- 
sen wir,  dass  am  28.  April  1368  der  Leipziger  Jude  Ben- 
jamin einen  eigenen  Schulmeister,  d.  h.  wohl  einen 
Privatlehrer  für  seine  Kinder  und  vielleicht  auch  für  die 
einiger  befreundeten  Familien  hatte  ^^•'). 

Die  Existenz  der  Schule  zu  Grimma  ergiebt  sich 
zuerst   aus   einer  Urkunde  eines  Grimmaischen  Büi-gers 


Fitzeu  (Fizeln)  oder  Kindein  d.  h.  Schlagen  mit  einer  grünen  Ruthe, 
sei  es  ausgeübt  von  Kindern  an  Erwachsenen  oder  von  Knaben  und 
Burschen  an  Mädchen  und  umgekehrt,  um  ein  Geschenk  an  Geld 
oder  Esswaren  zu  erhalten  (Seh melier  II,  1119.  I,  422.  781.  1262), 
oder  auch  mit  dem  im  Vogtlande  noch  vorkommenden  und  einer 
gleichen  Absicht  dienenden  „frische  Grüne  peitschen"  oder  Dengeln 
am  2.  u.  3.  Weihnachtsfeiertage  (H.  Dunger,  Rundas  u.  Keimspiele 
aus  d.  Vogtl.,  Plauen  1876,  S.  195)  oder  endlich  mit  dem  „Stiepen" 
in  Norddeutschland  (K.  S  im  rock,  Dei;tsche  Mythologie,  3.  Auil. 
Bonn  1869,  S.  52H).  Ob  Altheidnisches  zu  Grunde  liegt  (Simrock 
a.  a.  O.)  oder  christlicher  Exorcismus  u.  Benediktion  (A.  llorawitz- 
Wien  l)ei  Jacobs  a.  a.  0.  S.  303;  vergl.  Korrespondenzblatt  des  Ge- 
samtvereins der  deutsch.  Gesch.-  u.  Altert-Vereine  33.  Jahrg.,  Berlin 
1885,  S.  72)  oder  beides'^ 

i»i)  C  S  II.  YlII,  29:  Item  contulit  ipsi  marschalco  scolam 
judaeorum  in  Lipczk  perpetue  habendam  et  ad  suos  usus  vendendo 
vel  ut  melius  slld  })lacuerit,  convci'tendo. 

192)  Bei  Übergabe  der  Judenschulc  zu  Neustadt  a.  d.  Haai-dt 
an  das  Spital  zu  Branchweiler  den  3.  Febr.  1394  wird  die  „jüdeu- 
schule"  ausdrücklich  als  dem  I'falzgrafen  Kupi'ccht  III.  infolge  der 
Landesverweisung  der  .luden  „ledig  geworden"  bezeichnet,  was  in 
der  Leipz.  Urk.  nicht  der  Fall  ist.  F.  J.  Mone,  Zeitschr.  f.  d. 
Gesch.  des  Oberrheins  II  (Karlsruhe  1851),  272. 

103)  Markgraf  Friedr.  befreite  damals  auf  2  Jahre  von  der^ Be- 
zahlung der  Judensteuer  den  „Benjamin,  sines  wibes  mutev,  Eliaz 
synen  Schulmeister  vnd  Jacob  sinen  kuecht".     CS  II.  \'I1I,  40. 


264  Johannes  Müller: 

betreffs  des  Klosters  Mmbschen  vom  30.  Sept.  1357.  Da 
stellt  unter  den  Zeugen,  und  zwar  wie  es  scheint  als 
erster  Laie,  ein  „Jolians  Mauricii  der  schulmejster  czu 
Grymme"  ^^^).  Derselbe  muss,  da  sich  bei  dem  dasigen 
Augustinerkloster  nicht  die  geringste  Spur  einer  Schule 
nachweisen  lässt,  der  Leiter  einer  Pfarrschule  oder 
einer  aus  einer  solchen  hervorgegangenen  Stadtschule  ge- 
wesen sein.  Im  Jahre  1372  wird  in  einem  städtischen 
Verzeichnisse  der  Gehalte  und  Zinsen  der  „magister  sco- 
larium"  mit  genannt  ^^■^).  Den  19.  Nov.  1389  gab  es  neben 
dem  Schulmeister  noch  einen  „vndir  meyster" ;  nach  einer 
damals  gemachten  Stiftung  einer  Witwe  Rochlitz  sollten 
beide  bei  einer  Seelmesse  mitwirken  und  von  den  Altar- 
leuten der  Schulmeister  8,  der  Untermeister  4  Groschen 
erhalten;  und  4  Schulknaben  sollten,  so  oft  das  heilige 
Sakrament  aus  der  Kirche  in  ein  Haus  in  der  Stadt  (zu 
einem  Kranken)  und  wieder  zurück  gebracht  werde,  es 
sei  bei  Tage  oder  bei  Nacht,  4  brennende  Wachskerzen 
vortragen  und  dabei,  wenn  thunlich,  singen^'-**').  —  Auch 
eine  Juden  schule  muss  schon  im  14.  Jalirh.  in  Grimma, 
wo  durch  den  häufigen  Aufenthalt  der  Wettiner  Fürsten, 
durch  die  Abhaltung  von  Landdingen  u.  s.  w.  ein  reges 
Leben  herrschte  und  infolge  dessen  viel  Juden  weilten, 
bestanden  haben;  sie  wird  jedoch  erst  in  einem  Gerichts- 
buche vom  Jahre  1406  gelegentlich  namhaft  gemacht  und 
nur  dies  einemal  ^"'^). 

Von  einer  Schule  zu  Lob  au  hören  wir  zuerst  den 
4.  Nov.  1359.  Li  einer  Urkunde  des  dortigen  Raths  er- 
scheint als  Zeuge  u.  a.  „Marcus  nostrarum  scolarum  in- 
formando  gubernator"  ^^^).  Die  absonderliche  Betitelung 
lässt  immerhin  klar  erkennen,  dass  die  Schule  eine 
städtische  Anstalt  war  (nostrarum  scol.).  Zu  dem  seit 
1336  nachweislichen  Franziskanerkloster  bestand  kein 
Abhängigkeitsverhältnis^"'").  Ln  Jahre  1395  ward  jener 
Konrad  Weissenbach  aus  Eschwege,  dem  wir  schon  oben 
bei  der  Geschichte  der  Zittauer  Schule  begegnet  sind 
(S.  252),  nach  Zittau  als  Stadtschreiber  berufen,  nachdem 
er  zuvor  11  Jahre  lang,  also  wohl  von  1383 — 94,  „rector 


lö»)  Hasche,  Magazin  d.  sächs.  Gesch.  VII  (1790),  40. 

195)  Lorenz  a.  a.  0.  474. 

iȧ)  Lorenz  511  u.  355. 

1"'')  Lorenz  418:  eine  Erbe  „gelegen  hintler  judenschule". 

108)  C  S  II.  VII,  233. 

'99)  Ebenda  S.  XXXIX. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  265 

scolae  et  notarius  cmtatis  Loboviae"  gewesen  war-*'"). 
Sowohl  die  fremde  Herkunft,  als  die  lange  Amtsdauer 
und  die  Verbindung  des  Schul-  und  Stadtschreiberamts 
erinnern  an  den  fast  gleichzeitigen  Schulrektor  Eybanger 
in  Plauen  i.  V.  und  das  oben  S.  253  f.  Bemerkte. 

Im  Jahre  1367  treifen  wii'  in  Oschatz  den  ersten 
Schulmeister:  Magister  Johannes  de  Ossacz  rector  par- 
vulorum'-*'^).  Zu  dem  Kloster,  das  zuerst  den  8.  Nov. 
1240  vorkommt,  scheint  er  nicht  in  Beziehung  gestanden 
zu  haben,  sonach,  wofür  auch  schon  sein  Titel  spricht, 
Stadt-  oder  Pfarrschulmeister  gewesen  zu  sein.  Leider 
fehlen  über  die  Oschatzer  Schule  alle  Nachrichten  aus 
der  nächstfolgenden  Zeit.  Erst  1  >  14  ist  wieder  von 
einem  Schiümeister,  Joh.  Frust,  und  seinen  Gesellen  die 
Rede;  das  Singen  des  „Salve  regina"  wurde  ihnen  damals 
aufgetragen'-"-). 

Nur  sehr  Dürftiges  ist  uns  auch  über  das  älteste 
Schulwesen  zu  Pegau  überliefert.  Durch  Wiprecht  von 
Groitzsch  war  in  Pegau  das  schon  oben  S.  34  flg.  erwähnte 
Benediktinerkloster  S.  Jacobi  gegründet  worden,  das  im 
Jahre  1097  geweiht  und  1106  von  Papst  Paschalis  IL 
bestätigt  wurde  -"").  Das  Kloster  besass  im  14.  Jahrh. 
die  geistliche  und  weltliche  Gerichtsbarkeit  in  der  Stadt 
und,  wenn  die  in  einer  Urkunde  vom  10.  Juni  1502  -*'*) 
vorausgesetzten  Rechtsverhältnisse  sämtlich,  wie  es 
scheint,  älteren  Datums  waren,  auch  die  geistlichen 
Lehen  und  das  Schulpatronat.  Im  Jahre  1379  hatte  nun 
zwischen  zwei  jungen  Leuten,  von  denen  der  eine  „ein 
schuler"  war,  eine  uns  niclit  näher  bekannte  Streiterei 
stattgefunden,  die  ein  Nachspiel  in  einem  Streite  zwischen 


2o<>)  c  S  II.  VII,  243. 

"^^)  Gersdorf,  D.  Univers.  Leipzig  im  1.  Jahre  etc.  in  K. 
Espe's  Bericht  v.  J.  1847  an  die  Mitglieder  der  deutschen  Uesell- 
schaft  in  Leipzig  S.  22.  —  Nach  J.  CI.  Hoff  mann,  Hist.  Nach- 
richten von  d.  üftentl.  Stadtschule  zu  Oschatz  (Friedrichstadt  1784), 
S.  8  soll  schon  IBfiö  ein  Oschatzer  Schulmeister  vorkommen,  „der 
zugleich  hei  der  Kirche  u.  Schule  das  Singen  besorgen  musste". 

2"2)  Hoff  mann  S.  8  u.  47. 

-O'^)  Chr.  Schöttgen,  Historie  des  berühmt.  Wipr.  z.  Groitzsch 
etc.  wie  auch  des  von  ihm  gestift.  Klosters  zu  Pegau  (Kegensburg 
1749)  S.  n.'i  u.  Cod.  prohation.  S.  4  f. 

20')  Damals  erhielt  Herzog  Georg  zu  Sachsen  gegen  Erlass 
gewisser  Schulden  vom  Abte  u.  Konvent  zu  Pegau  die  ganze  Ge- 
rechtigkeit des  letzteren  in  der  Stadt  Pegau,  nichts  ausgeschlossen 
als  die  geistlichen  Lehen,  Schulen  u.  geistlichen  Geiichte.  Urk.  im 
H.-St.-A.  Dresden;  vergl.  die  ganz  ähnl.  v.  19.  Dez.  1508. 


266  Johauues  Müller: 

dem  Abte  Gottscbalk  und  den  Bürgern  zu  Pegau  fand. 
Zur  Beilegung  des  Zwistes  entschied  den  29.  März  1379 
zu  Leipzig  Markgraf  Wilhelm  von  Meissen  etc.  in  fol- 
gender Weise:  „Ouch  vmme  Wispachs  son  vnnd  Apecz 
Kursener  son  scheiden  wir.  Sint  mal  der  apt  in  der 
stad  zcu  Pygaw  geistlich  vnd  werltlich  gerichte  hat  vnnd 
sin  voit  Apecs  Kurseners  son  darczu  gedrungen  hat,  daz 
her  Wispachs  sone,  der  ein  scJmler  ist,  beclagen  muste 
vnd  sich  nu  der  apt  vmme  den  schuler  annymt  mit 
geistlichem  gerichte,  so  sal  der  apt  darczu  fugen,  daz 
dem  leyen  rechtcz  gehulfen  wurde  vmme  sine  wunden 
vnnd  sal  den  ban  abe  tun*'  -"'').  Das  ist  alles,  was  wii- 
z.  Z.  von  jenem  Streite  und  über  das  Pegauer  Schulwesen 
im  Mittelalter  wissen.  Es  scheint,  dass  der  Schüler  ein 
Chorschüler  oder  em  Scholar  im  engeren  Sinne  war  und 
die  Schule  eine  unter  dem  Patronate  des  Klosters  stehende 
Pfarrschule. 

Auffällig  spät  erfahren  wir  auch  etwas  Zuverlässiges 
über  das  Schulwesen  in  Freiberg.  Wenngleich  die 
Stadt  selbst  erst  1221  urkundlich  genannt  wird,  so  be- 
standen doch  schon  1225  fünf  Pfarrkirchen  daselbst ;  dazu 
gab  es  seit  1243  Dominikaner,  seit  1248  ein  Nonnen- 
kloster des  Ordens  der  h.  Maria  Magdalena  von  der  Busse 
und  wohl  ebenfalls  seit  dem  13.  Jahrli.  Franziskaner  in  der 
volkreiclien  Stadt  und  dazu  eine  bedeutende  Industrie"-'*^). 
Aber  erst  vom  April  —  der  Tag  ist  nicht  sicher  zu  be- 
stimmen —  1382  haben  wir  das  erste  urkundliche  Zeug- 
nis von  einer  Schule  und  zwar  bei  der  Pfarrkirche  zu 
S.  Marien ;  es  Avar  eine  Schule,  „darynne  man  die  kyn- 
dere  leret".  Die  Meissener  Markgrafen  verordneten  da- 
mals, dass  keine  weitere  Schule  in  oder  vor  der  Stadt 
errichtet  werden  und  der  Pfarrer  zu  S.  Marien,  wie  vor 
alters,  die  Schule  verleihen  solle"-''').  Letztere  war  also 
eine  Pf arr schule  und  vielleicht  doch  schon  im  13.  Jahr- 
hundei't  begründet,  da  die  Marienkirche  schon  im  Jahre 
1225  bestand  und  damals  als  erste  unter  den  genannten 
5  Pfarrkirchen  galt-**^).  Dass  der  Pfarrer  auf  sein  altes 
Recht  hielt,  wird  ihm  niemand  verübeln ;  gegen  wen  sich 


-o^j  21.  Punkt  des  betr.  Vergleichs  bei  Chr.  Schöttgeii,  Hist. 
Wipr.  z.  Gröitzsch  S.  95.  J.  P.  v.  Lud  ewig",  Eeliquiae  nianuscrip- 
torum  oinnis  aevi  diploiuatura,  tom.  II  (Lip.s.  1720),  325. 

20«)  C  S  IL  XII,  S.  XXI.  S    327.  402    375. 

20')  C  S  IL  XII,  97.     Vergl.  mpine  Sdiulordn.  I,  27  f. 

20*)  C  S  IL  XII,  3. 


Die  Anfönge  des  sächsischeu  Schulwesens.  267 

aber  die  Spitze  jener  landeslierrliclieii  Verfügung  kelu-t, 
ob  gegen  Versuclie  der  Klöster,  Scliiilen  zu  errichten, 
oder  gegen  "Wünsche  des  Stadtraths  nach  eigenem  Schul- 
patrouate  oder  einer  selbständigen  Stadtschule,  darüber 
sind  wir  im  Dunkeln. 

Nonnenklosterschulen  möchte  man  annehmen,  wenn 
in  einer  kirchlichen  Stiftung  vom  21.  Nov.  1383  beim 
Kloster  der  Benediktinerümen  zum  h.  Kreuz  in  Meissen 
und  in  einer  desgleichen  vom  23.  Juni  1384  beim  Kloster 
der  Nonnen  der  h.  Maria  Magdalena  von  der  Busse  zu 
Freiberg  ganz  gleichlautend  angeordnet  wrd.  der 
Küsterin  so  viel  zu  geben,  wie  einer  Nonne,  welche  die 
Schule  besucht  (custrici  tantum,  quantum  uni  moniali  sco- 
las  intranti,  ut  melius  pulset) -^'^).  Allein  der  gebrauchte 
Ausdruck  ist  so  formelhaft -^^)  und  die  Geschichte  der 
beiden  Klöster  giebt  sonst  so  wenig  Anhalt  für  das  Be- 
stehen einer  wirklichen  Schule  bei  denselben,  sei  es  eine 
imiere  oder  eine  äussere,  dass  es  gewagt  sein  dürfte,  ein 
solches  zu  behaupten,  zumal  der  Ausdruck  selbst  noch 
die  Schwierigkeit  bietet,  dass  man  verAvundert  fragen 
muss,  wofür  denn  eigentlich  eine  lernende  Nonne  etwas 
erhalten  soll,  oder  wie  es  kommt,  dass  eine  lehrende  mit 
einer,  welche  bloss  die  Glocke  schlägt,  gleich  besoldet 
werden  soll.  Bei  den  Meissener  Benediktinerinnen  er- 
scheinen den  4.  Nov.  1395  überdies  neben  einem  Propste 
und  Kaplan  auch  „schuler",  offenbar  Chorschüler  oder 
Scholaren,  welche  „zcu  den  vigilien  vnd  ouch  zcu  der 
messe  gehen"  und  dafür  Gebühren  erhalten -^^);  mit  deren 
Unterweisung  hatten  die  Nonnen  aber  schwerlich  etwas 
zu  thun.  Den  Nonnen  der  h.  Maria  Magdalena,  deren 
Kloster  in  Freiberg  zuerst  den  2.  Jan.  1248  vorkommt'-^'-), 
war  es  allerdings  in  der  von  Papst  Gregor  IX.  den 
23.  Okt.  1232  gegebenen  Ordensregel  gestattet,  ausnahms- 
weise Mädchen  unter  11  Jahren  aufzunehmen,  unter  der 
Bedingung,  dass  diese  dann  für  sich  getrennt  erzogen 
und  in  guten  Sitten  bis  zum  14.  Lebensjahre  unterwiesen 


2«")  C  S  II.  IV,  325  (Meisseu)  u.  II.  XII,  413  (Freiberg).  Das 
„Quantum"  seihst  bleibt  beidemal  uube.stimmt! 

"'**)  Er  erinnert  an  den  bei  Stiftungen  in  ^lünelisklüsteru  be- 
obachteten: campanatori  tantum  quantum  uni  regulari  scolas  intranti, 
ut  melius  pulset.     CS  II.  IV,  IHl  u.  168  (s.  oben  S.  22  Anm,  7H). 

211)  (J  S  II.  IV,  336,  vero-l.  379  (1495,  5.  Nov.). 

2'-)  C  S  Li.  XII,  402. 


268  Johannes  Müller: 

würden -^'^);  aber  von  einer  eigentliclien  nnd  ständigen 
Scliule  irgend  welcher  Art  beim  Freiberger  Kloster  ver- 
lantet  im  13.  mid  14.  Jahrli.  gar  nichts;  wohl  aber  heisst 
es  den  25.  Juli  1480  und  den  26.  Juli  1493"-^^),  dass  das 
Kloster  unter  der  früheren  Leitung  so  abgenommen  habe, 
dass  nicht  mehr  als  4  geistliche  Personen  vorhanden  ge- 
wesen seien,  und  erst  jetzt  unter  der  Priorin  Barbara 
Schi^öter  (von  14b  0)  hätten  sich  die  Verhältnisse  güns- 
tiger gestaltet,  so  dass  nun  (1493)  30  geistliche  Personen 
unterhalten  und  zu  dem  Behufe  9 — 15jährige  Stadtkinder 
(Mädchen)  „umb  gottis  willen"  aufgenommen  werden 
könnten.  Nach  alledem  dürften  unter  der  Schule,  welche 
im  Jahre  1383  bez.  1384  von  Nonnen  besucht  ward,  nur 
eben  Instruktionsstunden  an  erwachsene  Klosterschwestern 
zu  verstehen  sein.  Stunden,  in  denen  dieselben  für  ilu^e 
Gesänge,  Vorlesungen  und  Gebete  im  Chordienste  Beleh- 
rung und  Übung  erlangten  (vergl.  oben  S.  28,  Anm.  101). 
In  Bischof swerda,  dessen  Hauptkirche  zu  S.  Ma- 
rien zuerst  im  Jahre  1229  namhaft  gemacht  wird-^'*), 
wurde  im  Jahre  1392  der  Bau  einer  Kapelle  zu  Unserer 
lieben  Frauen,  welche  ein  vermögender  Bürger  gestiftet 
hatte,  vollendet  und  am  G.  Januar  die  Stiftung  und  die 
Einrichtung  des  Gottesdienstes  in  der  Kapelle  von  dem 
Pfarrer,  dem  Bürgermeister  und  zehn  „ratluten  und  ge- 
swornen  daselbies"  bestätigt.  Unter  letzteren  steht  an 
letzter  Stelle  „Stephan  sculmeistir" -^*^),  ähnlich  dem  ersten 
bekannten  Schulmeister  Zittaus  (s.  oben  S.  251).  Stephan, 
mit  dessen  Auftreten  uns  die  erste  Nachricht  über  die 
Bischofswerdaer  Schule  gegeben  wird,  war  also  ein  Bür- 
ger der  Stadt  und  seine  Schule  eine  städtische  oder  eine 
Pfarrschule.  Dass  er  vom  Bischof  von  Meissen  direkt 
ernannt  worden  sei,  ist  daraus,  dass  der  Stadtrath  von 
Bischofswerda  unter  der  Oberherrlichkeit  des  Bischofs 
stand  und  letzterer  vom  Jahre  1406  an  die  Verordnungen 
des  Raths  durch  Anhängen  des  bischöflichen  Siegels  be- 
stätigte-^'^),  nicht  zu  folgern.  Hatte  doch  die  Bürger-. 
Schaft   das  Recht,   ihren  Bürgermeister  und  Rath   selbst 


-^")  C  S  II.  XII,  397  (uutriantnr  seorsum  et  diligenter  bonis 
moribus  usque  ad  aunum  quartum  deciiuuin  iuformentur). 

-11)  C  S  II.  XII,  432  u.  442  f. 

-1-^)  0.  W.  Mittag,  Cbionik  der  kgl.  säclis.  St.  Bischofswerda 
(1861)  S.  16  f. 

21'^)  Mittag  S.  23  f. 

='■')  Mittag  S.  47  f. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Scluihvesens.  269 

ZU  erwählen  und  niu'  die  Erwählten  dem  Bischöfe,  wie 
es  fast  allerwärts  die  Unterthanen  ihrem  Landesherrn 
gegenüber  thun  mussten,  zu  präsentieren-^^).  Waln^- 
scheinlich  aber  war  der  Schulmeister  zu  Bischofswerda 
der  Oberaufsicht  des  Domscholastikus  zu  Meissen  als 
obersten  Schulmeisters  unterstellt.  Über  seine  Obliegen- 
heiten und  Besoldungsverhältnisse  sind  nur  ganz  nnvoll- 
kommene  Naclirichten  aufbewahrt.  Nach  der  Urkunde 
vom  6.  Jan.  lo92  hatte  er  „mit  den  kyndern"  in  der  oben 
genannten  Kapelle  am  Tage  der  Barbara  (4.  Dez.)  eine 
Seelmesse  und  tags  zuvor  eine  Vigilie  mit  singen  zu 
helfen  und  ausserdem  alle  Montage  „eynen  schuler  zu 
senden  yn  dy  capelle,  der  da  hellfen  zal  [soll]  singen  die 
zelemezse"...  Für  beides  sollte  er  jährlich  4  Groschen 
erhalten.  Ähnliches  und  zum  Theil  noch  Dürftigeres  ist 
aus  dem  15.  Jahrh.  überliefert'-^^). 

Die  vorletzte  sächsische  Schule,  deren  urkundlich 
beglaubigte  Anfänge  in  das  14.  Jahrh.  zurückreichen,  ist 
die  Nikolai  schule  zu  Leipzig.  Hier,  wo  im  13. 
Jahrh.  die  äussere  Klosterschule  zu  S.  Thomas  und  im 
14.  Jahrh.  eine  Judenschule  in  die  Gescliichte  eingetreten 
sind,  und  wo  schon  vor  1373  Kämpfe  zwischen  Rath  und 
Thomasstift  über  das  Schulpatronat  geführt  waren,  er- 
hielt unterm  11.  März  1395  der  E.ath  der  Stadt  von 
Papst  Bonifacius  IX.  das  Recht,  innerhalb  der  Parochie 
der  Nikolaikirche  eine  Schule  zum  Unterrichte  der  Schüler 
in  der  Grammatik  und  anderen  Anfangskenntnissen  sowie 
in  den  freien  Künsten  (pro  eruditione  scolarium  in  gram- 
matica  et  aliis  primitivis  scientiis  ac  artibus  liberalil)us) 
zu  errichten  und  für  diese  Schule,  ohne  erst  die  Zu- 
stimmung des  Propstes  und  Konvents  von  S.  Thomas 
einholen  zu  müssen,  Schulmeister  nach  eigenem  Belieben 
anzunehmen  und  zu  entlassen;  der  Schulmeistei'  sollte 
der  Kirche  gegenüber  nur  verpÜichtet  sein,  mit  Schülern 
am  Gesänge  bei  Gottesdiensten  in  der  Nikolaikirche  sich 
zu  betheiligen-"-").  Es  ist  jedoch,  wie  wir  oben  schon 
gesehen  haben,  damals  scliweiiich  zur  Gründung  der 
Nikolaisclmle  gekommen,  jedenfalls  nicht  als  einer  ölfent- 


2")  Mittag-  8.40. 

-1")  Ebenda  S.  44  u.  27  n.  Mich.  Pusch,  Episcopoligraphia  his- 
torica,  d.  i.  wahrhaft,  hist.  Beschreib,  d.  St.  Bischofswerda  (Dresden 
l(>o8)  S.  54. 

--")  C  S  II.  VIII,  65. 


270  Johannes  Müller: 

liehen  städtisclien  und  höher  organisierten  Bildungs- 
anstalt --\). 

Anders  steht  es  mit  der  Schule  zu  Chemnitz.  Sie 
hat  sicher  schon  vor  dem  25.  März  1399,  wo  wir  zum 
ersten  male  von  einem  „Schulmeister"  zu  Chemnitz  hören, 
längere  Zeit  bestanden  und  zwar  als  Stadtschule.  Am 
genannten  Tage  wurde  von  einem  Schiedsgerichte  dem 
Pfarrer  aufgegeben,  „die  Stadt  bie  eren  rechten  ze  lassen"; 
doch  sollte  andererseits  der  Schulmeister  „noch  aldir  ge- 
wonhaid"  der  Kirchen  ihr  „recht  thun",  d.  h.  bei  den 
gottesdienstlichen  Handlungen  die  übliche  Hilfe  mit  Ge- 
sang u.  dergl.  leisten -■-"-).  Vielleicht  ist  jener  „Fredericus 
Macherin  de  Oschatz  in  artibus  baccalaurius",  der  in 
einer  Urkunde  vom  3.  Juni  1367  als  Zeuge  zwischen  dem 
Chemnitzer  Bürgermeister  und  einem  anderen  Chemnitzer 
steht,  der  erste  bekannte  Leiter  der  Chemnitzer  Schule 
gewesen  --'^). 

Hiermit  ist  die  Reihe  der  im  14.  Jahrh.  sicher  ver- 
bürgten Schulen  des  jetzigen  Königreichs  Sachsen  er- 
schöpft. Doch  haben  gewiss  noch  manche  andere  Orte 
schon  im  14.  Jahrh.  eine  Schule  besessen,  wenn  diese 
auch  urkundlich  erst  später  auftritt.  So  dürfen  wir  es 
für  Penig  annehmen,  wo  am  23.  Febr.  1404  „er  Krystan 
Schulmeister"  erscheint  -"-*). 

Überblicken  wir  zum  Schluss  die  Reihe  der  vor  1400 
vorkommenden  Schulen,  so  gehört  1  schon  dem  12.  Jahrh. 
an  (Schule  am  Dome  zu  Meissen  1183),  G  dem  13.  Jahrh. 
(Schule  am  Afrastift  Meissen  1205,  Stiftsschule  Bautzen 
1218,  Stiftsschule  Würzen  1227,  Nonnenklosterschule 
Geringswalde  1247,  S.  Thomas  zu  Leipzig  1254,  Zwickau 
1291),  die  übrigen  16  genügend  beglaubigten  erscheinen 
erst  im  14.  Jahrh.  Die  Schulen  des  12.  und  13.  Jahrh. 
sind  mit  Ausnahme  der  letzten,   der  zu  Zwickau,  Stifts- 


--1)  S.  oben  S.  30  u.  32  (z.  Gesch.  d.  Thomasschule).  Vergl. 
J.  H.  LipsiiTS,  Ziu-  Einweihung  der  neuen  Nikolaisclmle  (Leii)z., 
Progr.  1872)  S.  5.  Erst  i.  J.  löU  ist  die  Schule,  welche  die  Bürger 
„als  pedagogium  vor  yre  Stadtkinder  haben"  wollten,  errichtet  worden. 
C  S  IL  IX,  368  f. 

222)  C  S  II.  VI,  57.    Vergl.  meine  Schulordn.  I,  32. 

223)  Orig.-Urk.  im  H.-St.-A.  Dresden  Nr.  3862. 

22-t)  Schüttgen  u.  Kreysig,  Diplomat.  II,  389.  Unter  den 
Zeugen  des  Bui'ggrafen  All»r.  v.  Leisnig:  Er  Günther  von  Hugwitz 
probst  zu  Penig,  er  Wenzelav  von  Kemuitz  prediger,  er  Krystan 
Schulmeister  daselbst."  —  G.  E.  Krieg,  Gesch.  d  Stadt  Penig  (Penig 
1838)  weiss  v.  der  Schule  erst  v.  J.  1552  an  zu  berichten. 


Die  Anfänge  des  sächsischen  Schulwesens.  271 

und  Klosterschiüen,  und  zwar  vorwiegend  Cliorsclmlen, 
nur  eine  (beim  Thomasstift  zu  Leipzig)  eine  sogen,  äussere 
Klosterscliule.  Von  den  im  14.  Jalnii.  auftauchenden 
Schulen  standen  4  unter  rein  städtischem  Patronate:  die 
zu  Dresden  (1300),  Zittau  (1310),  Löbau  (1359),  Chem- 
nitz (1399);  2  standen  wolil  unter  dem  Patronate  des 
Stadtraths  und  des  Deutschordens:  die  zu  Reichenhach 
(1315)  und  Plauen  (1319),  1  unter  dem  eines  Pfarrers: 
die  zu  Freiherg  (1382),  2  unter  dem  eines  Klosters:  die 
zu  Zwickau  und  zu  Pegau  (1379),  1  unter  dem  eines 
Stiftskapitels:  die  zu  Bautzen;  hei  5  lässt  es  sich  nicht 
sicher  bestimmen,  ob  es  Pfarr-  oder  Stadtschulen  waren: 
Lössnitz  (1304),  Pirna  (1317),  Grimnm  (1357),  Oscliatz 
(1367),  Bischofswerda  (1392);  2  waren  Judenschulen:  zu 
Meissen  (1320)  und  Leipzig  (1352). 


VI  LI. 

Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens 
in  Dresden.    (1539—1000.) 

Von 
Georg  Müller. 


Mehrfach  ist  neuerdings  auf  die  Nothwendig-keit  hin- 
gewiesen worden,  die  Entstehung  und  Entwickelung  des 
sächsischen  Volksschulwesens  genauer  zu  untersuchen^). 
Wenn  noch  so  wenig  in  dieser  Richtung  geschehen  ist, 
so  hat  dies  nicht  zum  geringsten  seinen  Grund  in  dem 
Mangel  an  Quellen  Dies  gilt  auch  von  Dresden.  Die 
Chroniken  behandeln  wohl  die  lateinischen  Schulen,  be- 
rücksichtigen aber  die  deutschen  meist  erst  in  der  spä- 
teren Zeit.  Leider  bieten  die  Archive  nur  spärliche 
Nachrichten.  Das  Rathsarchiv  enthält  eine  Reihe  von 
Gesuchen  und  Beschwerden  der  deutschen  Schulmeister, 
die  Rechnungen  geben  nur  nothdürftige  Anhaltepunkte, 
sind  ausserdem  aus  den  ersten  Jahrzehnten  nicht  voll- 
ständig erhalten,  während  die  Rathsprotokolle  selbst  die 
Anstellung  der  deutschen  Schulmeister  bis  zum  Jahre 
1553  gar  nicht,  und  später  nur  kurz,  Streitigkeiten  bis- 
Aveilen    mit    kaum   verständlicher   Knappheit   erwähnen. 


1)  Theodor  Vogel  im  Artikel  „Sachsen"  in  Schmid,  Ency- 
klopädie  des  gesamten  Erziehiings-  und  Unterrichtswesens  VII -,762. 
Lecliler  in  den  Beiträgen  zur  sächsischen  Kirchengeschichte  (Leipzig 
1882)  I,  41. 


G.  Müller :  Die  Anf.  des  deutschen  Schulwesens  etc.         273 

Diese  Umstände   mögen   die  Lücken   entscliuldigen,   die 
sich  in  der  folgenden  Zusammenfassung  finden. 

Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens  im  Gegen- 
satz zu  dem  überlieferten  lateinischen  gehen  auf  die 
Zeiten  zurück,  in  welchen  das  städtische  Element  er- 
starkte, Handel  und  Wandel  aufblühte,  Eechtsprechimg 
und  Verwaltung  sich  hob.  Da  musste  die  deutsche 
Sprache  und  gewandte  Handhabung  derselben  aiich  in 
den  niederen  Kreisen  eine  grössere  Rolle  spielen').  So 
finden  wir  die  ersten  Lebenszeichen  in  den  grossen  Hansa- 
und  Reichsstädten,  m  denen  Reichthum  imd  Handel  be- 
sonders stark  vertreten  war.  Freilich  auch  hier  konnte 
sich  die  neue  Richtung  nur  unter  schweren  Kämpfen  Be- 
rechtigung und  Anerkennung  verschaffen,  und  über  eine 
untergeordnete  Stellung  hat  sie  es  nicht  gebracht. 

Von  dieser  Bewegung  spüren  wii'  in  Sachsen  vor  der 
Reformation  nur  sehr  wenig.  Das  Eibgebiet  war  den 
Slaven  erst  spät  unter  schweren  Kämpfen  abgerungen 
worden  und  fing  im  15.  Jalu-hundert  nur  allmähg  an,  sich 
eine  Kultur  anzueignen,  die  andere  Gegenden  seit  Jahr- 
hunderten besassen-').  Der  Reichthum,  welcher  durch 
den  Silberbergbau  und  den  Gewerbfleiss  ins  Land  kam, 
gewährte  die  jMittel  zur  Anlegung  von  lateinischen  Schu- 
len, aber  trotzdem  blieb  das  Land  in  den  Augen  der 
Humanisten    eine   harhara  tellus  oder  harharims  ATbis^). 

Erst  die  Reformation  veranlasste  eine  kräftigere 
Entwickelung  des  sächsischen  Schulwesens  überhaupt, 
wie  die  Gründung  der  deutschen  Schule.  Schon  im 
15.  Jahrhundert  begegnet  uns  der  Name ;  in  einem  Briefe 
an  Johann  Agricola  vom  18.  April  1526'^)  spricht  Luther 
von  einer  schola  vernamla  instituenda  und  darnach  findet 


2)  C.  Kehr,  Gesch.  der  Methodik IV.  Band.  Anhang- 
Quellenschriften  und  Geschichte  des  deutschsprachl.  Unterrichts 

Von  Johannes  Müller  (Gotha  1882)  S.  314  f.  Vergl.  ebenda  S.  276  f. 
auch  den  Ausspruch  des  Gregor  von  Heimburg-,  der  erst  Nürnberger 
Rathsschreiber,  später  Rath  der  sächsischen  Fürsten  war:  „das  ein 
yetklich  tütsch,  das  vfs  guten  zierlichen  vnd  wol  gesat^zten  latin 
getzogen  vnd  recht  vnd  wol  getranfsferyeret  wer,  ouch  gut  zierlich 
tütsch  vnd  lobs  wirdig  heifsen  vnd  sj-n  raufs". 

3)  Ebenda  S.  323.  Koldewey,  Braunschweigische  Schulord- 
nungen. Bd.  1:  Schulordnungen  der  Stadt  Braimschweig  (Berlin  188«) 

S.  XL. 

*)  Johs.  Müller,  Quellenschriften  S.  322,  Anm.  48,  Z.  3. 

'")  de  Wette,  Dr.  Martin  Luthers  Briefe,  Sendschreiben  und 
Bedenken  III,  103.  Eckstein,  Die  Gestaltung  der  Volksschule 
durch  den  Frankeschen  Pietismus  (Leipzig  1867)  S.  5. 

18 


Neues  Archiv  f.  S.  (i.   u.  A.     VI  11.  3.  4. 


274  Georg  Müller: 

sicli  die  Bezeiclmung  „deutsche  Schule"  für  die  Anstalten, 
die  bisher  unter  dem  Namen  „Schreib-  und  Eechen- 
schulen",  wohl  auch  „Beischulen"  erscheinen'^),  in  einer 
Reihe  von  Kirchenordnungen,  so  in  der  Braunschweigi- 
schen von  Bugenhagen,  wo  ein  besonderer  Abschnitt  „Yon 
den  dudeschen  jungen  scholen"  handelt^). 

Noch  aber  war  der  Begriff  nicht  klar.  Eine  dop- 
pelte Auffassung  machte  sich  geltend.  Die  eine,  durch 
Luthers  und  Melanchthons  Urtheil  über  die  Nothwendig- 
keit  der  klassischen  Sprachen  beeinflusst,  liess  nur  die- 
jenige Bildung  gelten,  die  auf  der  Kenntnis  des  Latei- 
nischen und  Griechischen  beruhte  und  hielt  Knabenschule 
und  Lateinische  Schule  für  gleichbedeutend.  Sie  verstand 
unter  der  deutschen  Schule  die  Mädchenschule,  unter  dem 
deutschen  Schulmeister  den  Mädchenlehrer.  Den  deut- 
lichsten Ausdruck  hat  diese  Anschauung  in  der  Lipper 
Kiixhenordnung  gefunden,  wo  es  heisst :  „Man  muss  auch 
deutsche  Schulmeister  halten  in  Städten  und  Dörfern  für 
die  jungen  Mädchen,  schreiben,  lesen  und  den  Katechis- 
mus neben  andern  guten  Zuchten  zu  lehren"  ^).  Auch  in 
Sachsen  finden  wir  diese  Anschauung  vertreten.  So 
suchten  die  Visitatoren  noch  1538  in  Freiberg  die  deut- 
schen Knabenschulen  zu  unterdrücken^). 

Eine  zweite  Auffassung  macht  sich  in  der  Dresdener 
Visitation  von  1539  geltend.  Hier  wird  die  Bestimmung 
getroffen:  „Ein  Rat  sol  auch  vorordenen,  das  tzwo 
deutzsche  Schneien,  eine  vor  die  Megdtlein,  die  ander 
vor  die  Kneblein  bestalt,  vnd  durch  sie  versorget  wer- 
den" ^%  Wenn  hier,  vne  an  einer  anderen  Stelle ")  der- 
selben Verordnung,  die  Mädchenschule  zuerst,  vor  der 
für  die  Knaben  genannt  wird,  so  darf  man  wohl  daraus 
schliessen,  dass  den  Visitatoren  die  erstere  besonders  am 
Herzen  liegt.  Immerhin  wird  hier,  im  Gegensatz  zu  der 
oben  erwähnten,  in  Freiberg  vertretenen  Anschauung 
einem   neben   der   lateinischen  Schule  bestehenden  deut- 


6)  Koldewey  a.  a.  0. 1,  XL.  Müller,  Quellenschriften  S.  321. 
Die  Bezeichming  „Beischulen"  findet  sich  auch  noch  im  Jahre  1562 
im  Dresdener  Raths-Archiv  (DRA)  D.  I,  El.  169. 

')  Koldewey  a.  a.  0.  I,  36. 

*)  Heppe,  Geschiehte  des  deutschen  Volksschulwesens  I,  9. 

*')  Süss,  Geschichte  des  Gymnasiums  zu  Freiberg  II  (Freiberg 
1877),  54. 

10)  DRA.  A.  II,  66.  Bl.  37b. 

")  Ebenda  Bl.  35. 


Die  Anfänge  des  dentschen  Schiüwesens  in  Dresden.       275 

sehen  Unterricht  gesetzliche  Geltung  zu  theil.  Ob  man 
damit  einem  Bedürfnis  entgegenkommen  wollte  oder  der 
Erfahrung  Rechnmig  trug,  dass  der  Kampf  früher  ver- 
geblich gewesen  war^-),  mag  dahin  gestellt  bleiben. 
Jedenfalls  finden  wir  auch  in  Chemnitz,  das  bei  der- 
selben Visitation  besucht  wurde,  eine  deutsche  Knaben- 
schule^-^), der  freilich  erst  auf  Antrag  des  Rathes  vom 
11.  November  1542  eine  Unterstützung  durch  Besoldung 
des  Lehrers  zu  theil  wurde  '^). 

Was  geschah  nun  von  selten  des  Raths,  um  den  ge- 
troffenen Anordnungen  nachzukommen?  Zunächst  galt 
es  die  Beschaffung  eines  Gebäudes.  Für  die  Mädchen- 
schule wurde  das  Seelhaus  ^•'')  verwendet,  welches  dem 
Rathe  überlassen  worden  war.  Ob  die  Knabenschule  ein 
eigenes  Haus  erhalten  habe,  ist  nicht  klar.  Beinahe 
scheint  es,  als  ob  der  Knabenschulmeister  bei  einem 
Bürger  zur  Miethe  gewohnt  habe  ^'^).  Ferner  musste  das 
Gebäude  für  die  Mädchenschule  hergerichtet  werden.  So 
findet  sich  im  Jahre  1541  eine  umfangreiche  Ausgabe. 
Das  Haus  erhält  ein  neues  Schindeldach,  wird  mit  Fen- 
stern völlig  neu  ausgestattet  und  erfährt  auch  im  Innern 
eine  Erneuerung '').  In  den  folgenden  Jahren  finden  sich 
von  Zeit  zu  Zeit  weitere  Ausgaben  für  Erneuerung  des 
Estrichs,  des  Ofens  u.  s.  w.^^j.  Im  Ganzen  sind  freilich 
dieselben  sehr  gering.  Vergleicht  man  sie  mit  den  Sum- 
men, die  alljährlich  für  die  geistlichen  Häuser  verwendet 
werden,  so  muss  man  staunen,  wie  wenig  die  deutsche 
Schule  kostete.  Auch  die  Ausstattung  Avar  ziemlich 
ärmhch.    „l  Tisch,  Bette  vnd  was  sein  Inventarium  mit- 


12)  Süss   a.  a.  0.  II,  54. 

1'')  Lenipe.  Mag.  Wolfgang  Fues  nach  ui'kixndlichen  Quellen 
(Chemnitz  1877)  S.  50. 

")  Kirchner,  Biographie  Adam  Sibers  S.  41.  42.  A.  Über 
die  „Jungfernschnle"  nnd  den  „deiitschen  Schreiber"  in  Zwickau  s. 
Herzog,  Gesch.  des  Zwickauer  Gymnasiums  (Zwickau  1869)  S.  23. 
Herzog,  Chronik  von  Zwickau  I,  182;  II,  438. 

^■')  DRA.  A.  XV  b.  56  a.  Nr.  3.  Bl.  16  a.  Vergl.  Cod.  dipl  Sax. 
reg.  II,  5,  46. 

1«)  Ebenda  A.  XV  b.  56  a.  Nr.  4.  Bl.  23  a.  Oder  ist  es  der 
Mädchenschulmeister,  der  zur  Miethe  wohnt,  bis  seine  Dienstwohnung 
in  der  Schule  fertig  gestellt  war. 

'')  DRA.  A.  XV  b.  56  a.  Nr.  3.  Bl.  12b.  14a. 

1«)  Ebenda   BL  15    (1544),    24b   (1549).    A.  XVb.  56a.  Nr.  5. 

ib   und  namentlich  in  den  Religionamtsrechnungcn  unter  „Gc- 


Bl.  23 

Ausgaben". 

18 


meine  Ausgaben" 


276  Georg  Müller: 

bringet"  ^■*)  wird  von  dem  „alten  Schulmeister"  über- 
nommen, später  wurde  eine  Wandtafel  angeschafft-"); 
erst  1580  nach  dem  Neubau  der  Schule  findet  sich  für 
Bänke  ein  Posten  von  16  gr.-^). 

Ebenso  bescheiden  sind  auch  die  Gehaltsverhältnisse. 
Zur  Bestreitung  der  Ausgaben  für  Kirche  und  Schule 
war  in  Leisnig,  Wittenberg  und  Zwickau  nach  Einfüh-' 
rung  der  Reformation  der  „gemeine  Kasten"  eingerichtet 
worden,  dessen  Verwaltung  nicht  in  den  Händen  der 
Kirche,  sondern  des  Raths  lag--).  In  Dresden  hiess 
diese  Kasse  „Religion -Amt"  oder  abgekürzt  „Religion", 
nur  selten  findet  sich  der  Ausdruck  „gemeiner  Kasten"  -^). 
Es  flössen  hierzu  die  Einnahmen  der  Kirchen,  namentlich 
der  Kreuzkirche;  merkwürdigerweise  bestand  daneben 
noch  die  Kasse  der  „vorledigten  Lehen",  die,  ursprünglich 
zu  verschiedenen  Altären  und  Bruderschaften  gehörig, 
dem  Rathe  von  den  Yisitatoren  überwiesen  worden 
waren'-*).  Die  Einnahmen  überstiegen  in  der  Regel  die 
Ausgaben,  so  dass  die  Überschüsse  zinsbar  angelegt  wer- 
den konnten.  Freilich  war  diese  günstige  Finanzlage 
weniger  die  Folge  der  grossen  Einnahmen,  als  sorgsamer 
Sparsamkeit,  die  sich  dem  Schulwesen  gegenüber  bedenk- 
lich geltend  machte,  namentlich  auch  die  deutschen 
Schulen  nur  spärlich  bedachte.  Der  deutsche  Schul- 
meister bezog  während  des  ganzen  16.  Jahrhunderts 
höchstens  10  Gulden -^^)  Gehalt,  ebensoviel  als  der  Infi- 
mus,  der  letzte  Lehrer  der  Kreuzschule;  nicht  selten 
wurde  die  Summe  sogar  unter  mehrere  mehr  oder  minder 


^^)  DRA.  Käramerei  -  Rechnung  vom  Jahre  1539.  Gemeine 
Ausgaben. 

20)  Ebenda.  A.  XV  b.  56  a.  Nr.  4.  Bl.  23  b. 

21)  Religionamts-Rechnungen  vom  Jahre  1580.     Gemeine  Ausg. 

22)  Vergl.  Kaw^erau,  Zur  Leisniger  Kastenordnung,  in  dieser 
Zeitschr.  III,  78  flg. 

2ä)  Religionamts-Rechnung  1.568/69:  5  fl.  15  gr.  vor  essen  denen 
die  den  gemeinen  kästen  dienenn.  Ahnlich  in  der  Rechnung  1562/63 : 
7  fl.  vor  die  Collation  allenthalben  vor  die  deutzschen  Singer  vnd 
kastenherren. 

2^)  DRA.  A.  II,  66.  Bl.  35. 

25)  Siehe  die  Rechnungen:  1541  A.  XV.  31m.  Bl.  116:  14  fso 
dem  deutschen  schul(meister) ;  1542  Bl.  167  b  ebensoviel.  Die  spä- 
teren Rechnungen  weisen  für  4  Quartale  (Trinitatis,  Crucis,  Lucie 
und  Reminiscere)  je  10  Gulden  auf.  In  Chemnitz  erhält  der  deutsche 
Schulmeister,  wie  der  Mädchenschulraeister  jährlich  10  Gulden. 
Kirchner,  Biographie  Adam  Sibers   S.  41.  42.  A. 


Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens  in  Dresden.       277 

gleichmässig  getheüt-^)  und  nach  des  einen  Tode  der 
Betrag-  einfach  zu  gunsten  der  Stadtkasse  eingezogen-'). 
Als  später  auch  in  Neustadt  eine  Mädchenschule  ent- 
stand, erhält  der  Schulmeister  20  Gulden  und  6  Scheffel 
Korn-^).  Der  Schulmeister  zu  St.  Bartholomaei,  später 
Annae,  wurde  mit  12  Gulden  bedacht-^),  wozu  später 
1  Schrägen  Holz  im  Werthe  von  5  Gulden  und  ein  Neu- 
jahrsgeschenk von  3  gr.  kam^*^). 

Unter  diesen  Verhältnissen  war  man  natürlich  stark 
auf  das  Schulgeld  angewiesen.  Leider  haben  ^vii'  über 
die  Schulgeldsätze  der  ersten  Zeit  keine  Nachricht,  da 
in  den  Visitationsakten  die  Bestimmungen  fehlen  =^^).  Im 
Jahre  1574  zahlt  der  Knabe  wöchentlich  1  gr.,  das 
Mädchen  anfangs  3  bis  6  pf.,  später  9  pf. "-).  In  der 
Schule  zu  St.  Bartholomaei  bezahlt  dagegen  der  Knabe 
anfangs  3  pf.,  später  6  pf."^).  Da  beidemal  bei  Bestim- 
mung dieser  Sätze  von  Mädchen  keine  Eede  ist,  so 
dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  diese  nach  der  deutschen 
Schule  gewiesen  waren,  wenn  hier  überhaupt  im  Anfang 
bei  den  beschränkten  vorstädtischen  Verhältnissen  ein 
Bedürfnis  vorlag.  Da  mit  dieser  Stelle  das  Amt  eines 
Glöckners  und  Kantors  verbunden  war,  so  kamen  zu  dem 
Gehalte  noch  die  Gebühren  für  Amtshandlungen,  z.  B. 
Begräbnisse  •"^). 

Über  diese  Schulen  führte  der  Rath  die  Aufsicht. 
Schon  kurz  vor  der  Reformation  bemerken  wir  Bemüh- 
ungen desselben,  die  lateinische  Schule  seiner  Kollatur 
zu  unterstellen.    Im  Jahre  1537  hatte  sich  der  Bürger- 


26)  Keligionamts-Rechuung  1574 :  die  Peschelin  und  Paul  Speck 
je  5  Gulden  pro  Quartal.  1579  Lucie:  die  Peschelin  5  Gulden,  Paul 
Speckin  2  fl.  10  gr.  6  pf.,  Valten  Emerich  2  fl.  10  gr.  6  pf. 

2')  Eeligionamts  -  Rechnung  1585  und  die  folgenden  Jahre: 
Valten  Emerich  7  fl.  10  gr.  6  pf.  pro  Quartal  =  30  Gulden  pro  Jahr. 
10  Gulden  wurden  also  erspart. 

2"»)  A.  II,  66.  El.  190  a. 

20)  D.  I,  193. 

''O)  Das  Holz  wird  erwähnt  in  den  Rechnungen  (Allgem.  Aus- 
gaben) seit  1575,  das  Neujahrsgcsehenk  seit  1579. 

31)  In  Chemnitz  lernen  „vil  Armer  leuth  kynder  vmbsonst 
deutzsch  schreiben  vnd  lesen".  Der  Lehrer  bekommt  von  den  Kin- 
dern nichts  „dan  was  ine  von  einsteils  knaben,  doch  wcnigk  gegeben 
wirth".    Kirchner,  Biographie  Adam  Sibers,  S.  41. 

32)  A.  II,  66.  Bl.  87  a.    A.  II,  100  c.  El.  249. 

33)  D.  I,  193. 

3*)  z.  B.  für  Leichen  von  den  Dörfern  ij  gr.  iij  pf.,  fürs 
Läuten  j  gr. 


278  Georg  Müller: 

meister  Peter  Byener  und  der  Stadtsclireiber  zum  Bischof 
begeben  und  mit  ilmi  unterhandelt  ■^■^).  Das  Resultat  war 
ein  Abkommen,  in  einer  bischöflichen  Urkunde  vom  24. 
August  niedergelegt,  nach  welchem  die  Anstellung  des 
Schulmeisters  dem  Rathe  überlassen  wurde  "^).  Bezüglich 
der  lateinischen  Schule  ging  dieses  Recht  bald  verloren, 
indem  die  kurfürstliche  Regierung  die  Bestätigung  für 
sich  in  Anspruch  nahm  und  deshalb  die  Bestimmung  traf, 
dass  der  Schulmeister  nicht  ohne  Genehmigung  des  Super- 
intendenten gewählt  werden  solle""). 

Bezüglich  der  deutschen  Schule  scheint  eine  Be- 
schränkimg der  städtischen  Verwaltung  nicht  eingetreten 
zu  sein.  Die  Visitationen  treffen  allerdings  mehrfach 
neue  Bestimmungen,  aber  diese  Schemen  doch  auf  Antrag 
und  mit  Genehmigung  des  Raths  erfolgt  zu  sein  ^^).  Der 
Stadtprediger,  der  zugleich  Schulinspektor  war,  erwähnt 
die  deutschen  Schulen  in  seinem  Berichte  ■^^),  aber  von 
einer  näheren  Betheiligung  an  der  Verwaltung  ist  nicht 
die  Rede.  An  den  Rath  sind  die  Gesuche  um  Verleihung 
des  Amtes  mit  seinen  Einkünften  und  Vorrechten  ge- 
richtet; an  ihn  wenden  sich  die  konzessionierten  Schul- 
meister, wenn  die  Privatschulen  ihnen  den  Verdienst 
schmälern.  Infolge  der  Visitationsverhandlungen  von  1555 
wird  beschlossen,  jähi^ich  zweimal,  in  der  Fastenzeit  und 
zu  Michaelis,  auch  die  Mädchenschule  visitieren  zu 
lassen  ^'^).  Auch  bezüglich  der  Privatschulen  wird  mehr- 
fach die  Nothwendigkeit  einer  näheren  Aufsicht  hervor- 
gehoben ^^).  Es  scheint  jedoch  in  dieser  Richtung  über 
Anregungen  nicht  hinausgekommen  zu  sein;  wir  finden 
nur  Massregeln  gegen  sie,  wenn  wirkliche  Übelstände 
gemeldet  worden  waren  und  es  galt,  die  im  Dienste  der 
Stadt  stehenden  Lehrer  zu  schützen. 


35)  Dienstag-  nach  Exaudi  s.  DRA.  A.  II,  64c.  Bl.  167a. 

8«)  Ebenda  BI.  167b.  169,  vergl.  bes.  die  Worte:  In  quibus 
Omnibus  conscientiam  prEedictorum  Consulum  ac  Seuatorum  oneramus, 
ad  quos  jus  ac  facultas  einsmodi  ludi  prpefectum  afsumendi,  ac  ex  causis 
rationabilibus  rursum  depouendi  spectabit .... 

")  DRA.  A.  II,  66.  Bl.  109.    D.  I,  30  flg.    Vergl.  G.  II,  18  b. 

^^)  1555  werden  zwei  Mädchenschulen  verboten.    D.  I,  177. 

^°)  A.  II,  66.     Visitationsakten  von  1578. 

•*«)  D.  I,  4b. 

**)  Ebenda  imd  später  in  einem  Berichte  Peter  Glasers.  In 
Chemnitz  inspiziert  der  Superintendent  Euess  die  deutsche  Schule. 
Kirchner,  Biographie  Adam  Sibers,  S.  43. 


Die  Anfänge  des  deutschen  Scliuhvesens  in  Dresden.       279 

Über  die  Persönlichkeiten  sind  wir  wenigstens  thcil- 
weise  unterrichtet.  Sie  sind  flu-  uns  insofern  von  beson- 
derem Interesse,  weil  wir  erfahren,  woher  sich  dieser 
neue  Lehrerstand  rekrutierte.  Der  lateinischen  Schule 
hatte  die  Universität  fast  ausschliesslich  die  Lehrkräfte 
vorgebildet,  welche  die  Schulthätigkeit  sehr  oft  nur  als 
eine  Übergangszeit  behufs  Übernahme  eines  Amtes  in  der 
Kirche  oder  im  städtischen  Verwaltungsdienste  ansahen. 
A.ber  woher  sollte  die  deutsche  Schule  ilire  KJräfte  neh- 
men, die  neben  einer  untergeordneten  Stellung  nur  ge- 
ringen Gehalt  bieten  konnte?  Da  in  Dresden  im  Anfang 
die  Mädchenschule  weitaus  am  meisten  Interesse  erregt, 
so  hätte  man  für  sie  wohl  auch,  wie  anderwärts,  z.  B.  in 
Zwickau^-),  eine  Nonne  als  Lehrerin  verwenden  können. 
Aber  von  Anstellung  einer  Lehrfrau,  oder  wie  sie  sonst 
genannt  werden  mögen,  finden  wir  anfangs  in  Dresden 
keine  Nachricht;  nur  eine  Witwe  führt  längere  Zeit 
das  Amt  ihres  Mannes  fort,  nachdem  dieser  gestorben 
war  *^). 

Im  Jahre  1539  wird  ein  Lehrer  namens  Leupolt  er- 
wähnt ^^).  Sein  Gehalt  erscheint  nicht  unter  den  regel- 
mässigen Ausgaben  des  Religionamts,  sondern  als  Grati- 
fikation unter  der  „Gemeinen  Ausgabe"  der  Kämmerei- 
ßechnungen,  also  im  Extraordinarium.  Auch  seine  Stel- 
lung scheint  noch  nicht  klar  zu  sein.  Sem  Titel  wechselt 
bei  jedem  Posten.  Er  heisst:  der  Kindertzuchtmeister, 
der  alte  Kindertzuchtmeister,  der  alte  Schulmeister,  der 
alte  deutzsche  Schreiber.  Da  der  Zusatz  „alte"  sonst 
im  Sprachgebrauch  soviel  als  ehemalig,  früher  bedeutet, 
und  seit  Januar  1540  erscheint,  so  dürfte  Avohl  die  An- 
nahme nicht  zu  fern  liegen,  er  habe  erst  eine  Schreib- 
schule  nach   altem  Muster   geleitet   und   sei    durch   die 


^")  Georg  Müller,  Paul  Lindenau,  der  erste  evangelische  Hof- 
prediger in  Dresden,  S.  22.  Vergl.  Herzog,  Chronik  von  Zwickau 
I,  182  flg. 

■1»)  OttUia  Peschelin  von  Crucis  1568  bis  158.5  (1.  Termin). 
s.  die  Religionamts  -  Rechnungen  dieser  Jahre.  Auch  Paul  Specks 
Witwe  sollte  das  Amt  ihres  Mannes  fortführen  und  dessen  halben 
Gehalt  beziehen,  da  sie  sich  aber  „durch  sonderliche  Schickung  Gottes 
des  Allmechtigen"  bald  wieder  verheirathete,  so  gab  sie  ihren  Schul- 
dienst auf.  Ihr  Gehalt  erscheint  dalier  nui'  in  zwei  Terminen,  Lucie 
und  Reminiscere,  des  Rechnungsjahres  1579.  Ihr  Schreiben  an  den 
Rath   D.  I,  292. 

■^^)  Kämmerei-Rechnuug  1539. 


280  Georg  Müller: 

Gründung   der   neuen   deutschen  Schule   überflüssig   ge- 
worden ^^). 

Der  1540  genannte  „deutsche  Schuhneister"  Erhart 
Auerbach  wn^d  mit  einer  Gratifikation  von  20  gr.  be- 
dacht^«). 

Erst  durch  Joseph  Knaus  scheint  indes  die  Mädchen- 
schule ihre  selbständige  Gestaltung  erhalten  zuhaben^'). 
Im  Jahre  1542^^)  trat  er  an,  nachdem  er  vorher  in 
Oschatz  „Stuhlschreiber",  deutscher  Schul-  und  Rechen- 
meister gcAvesen  war^^).  In  Dresden  scheint  seine  Thä- 
tigkeit  auch  äusserlich  von  Erfolg  begleitet  gewesen  zu 
sein,  da  er  sich  noch  einen  Gehülfen  hielt.  Schliesslich 
gerieth  er  mit  dem  Rath  in  Differenz,  weil  er  im  Wider- 
spruch zu  seiner  Bestallung  neben  den  Mädchen  auch 
Knaben  in  seine  Schule  aufnehmen  wollte'^").  Der  Kon- 
flikt endete  mit  seiner  Entlassung.  Lorenz  Pretzschen- 
dorf  ül)erkam  auf  kurze  Zeit  das  Amt;  aber  noch  ein 
Jahrzehnt  später  ist  seine  Wii-ksamkeit  in  gutem  An- 
denken ^'^). 

Im  Jahre  1554  finden  wir  als  deutschen  Schulmeister 
den  Stulilsclii^eiber  Caspar  Peschel,    der   bis   zu   seinem 


*-^)  War  dies  vielleicht  der  Nachfolger  „des  alden  signators", 
dessen  in  einer  Verhandhing  vom  12.  Dezember  1498  gedacht  wird? 
Sein  Nachlass  besteht  aus  folgenden  Gregenständen,  die  zur  Ab- 
schätzung gelangen:  Item  iij  bette,  ein  pfui,  j  küssen,  ij  mannes- 
hemde,  iiij  leibach  vor  iiij  gülden  mitsampt  einer  virtelskannen  (?), 
Item  ald  elter  futter  vor  xxx  gr.,  Ein  swartze  hasucke  reinfach,  vnd 
ein  swartzen  zwifachten  Eock  mit  weisem  gewande  vnterzcogen, 
drey  Joppen,  ij  bar  Hosen  vor  ij  gülden,  Bin  tisch  vor  xv  gr., 
j  kästen  vor  x  gr.,  Item  ij  bucher  als  ein  deutzsche  retho- 
rica  vnd  ein  nurnbergische  rechnunge  vor  x  gr.,  macht 
alles  iij  fs  xj  gr..  So  bleibt  ein  clanicordium  mit  einem  pedall  vnd 
xxiij  schulbucher.  H  -St  -A.  Loc.  8579.  Stadtbuch  der  Stadt  Dres- 
den. 1495—1505.  Bl.  42  b. 

*'^')  Kämmerei-Eechnung  1540. 

'*■')  Gesuch  des  deutschen  Schreibers  Oswald  Saupe  an  den  Eath. 
D.  I,  173  b.  Er  nennt  sich  hier  einen  Schüler  des  Joseph  Knaus, 
„der  erstlich  die  Meydtleinschul  in  Vorwaltung  gehapt". 

^*)  xl  gr.  Joseph  dem  deutschenn  Schulmeister  von  seynem  ge- 
rethe  herzufhurenn.    DEA.  A.  XV  b.  56  a.  Nr.  4.  Bl.  22  b. 

^^)  Hoff  mann,  Beschr,  von  Oschatz  I,  618.  In  Dresdener 
Akten  findet  sich  keine  Andeutung  über  die  Identität  der  Person, 
aber  da  in  Oschatz  kurz  darauf  ein  neuer  deutscher  Schulmeister 
genannt  Avird,  so  ist  der  Schluss  wohl  gestattet. 

SO)  DEA.  D.  I,  173b. 

si)  Ebenda  174. 


Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens  in  Dresden.       281 

Tode  im  Jahre  1568  die  Mädchenschule  vei-waltet'^-). 
Da  er  im  Anfang  stets  mit  dem  Titel  des  Stuhlschi^eibers 
erscheint,  so  macht  es  den  Eindruck,  als  ob  er  dieses 
Amt  in  einer  der  Dresdener  Kirchen  verwaltet  habe'^*^). 
Leider  findet  sich  dafür  kein  Nachweis,  namentlich  auch 
nicht  darüber,  ob  er  neben  dem  Küsteramt  schon  eine 
Sammelschule  gehalten  hal)e.  Während  dies  anderwärts 
vielfach  der  Fall  war,  ergiebt  sich  für  diese  Zeit  aus 
den  Dresdener  Akten  nicht  ein  einziger  Fall  mit  Aus- 
nahme des  vorstädtischen  Schulmeisters  zu  St.  Bartho- 
lomaei.  Jedenfalls  stand  unter  Caspar  Peschel  die  Schule 
in  grossem  Ansehen.  Nicht  nur  er  selbst  spricht  von 
sich  in  sehr  selbstbewusster  Weise  •^*):  er  nennt  sich  den 
„Hauptschulmeister",  seine  Schule  die  „Hauptschule", 
auch  von  andern  wird  sein  Vorzug  anerkannt.  Als  er 
nach  15 jähriger  Wirksamkeit  starb,  bestand  die  Aner- 
kennung seiner  Thätigkeit  darin,  dass  man  seiner  Witwe 
das  vielumworbene  Amt  noch  liess  und  ihr  die  Hälfte  des 
Einkommens  gönnte''^). 

Die  andere  Hälfte  wurde  dem  deutschen  Schulhalter 
in  Prag,  Paul  Speck,  bewilligt""''),  der  sich  nicht  nur  auf 
eine  längere  Wirksamkeit  im  Schuldienst,  sondern  auch 
auf  eine  litterarische  Thätigkeit  berufen  konnte.  Sein 
Bewerbungsschreiben^'),  in  welchem  er  seinen  Lebens- 
lauf erzählt,  gestattet  uns  einen  Einblick  in  das  unstäte 
Wanderleben  eines  deutschen  Schulmeisters.  Selbst  Zög- 
ling einer  deutschen  Schule,  hat  er  zunächst  in  Leipzig 
eine  solche  über  10  Jahre  gehalten,  aber  da  die  Univer- 
sität derselben  grossen  Abbruch  gethan  hat,  sich  nach 
Prag  gewendet.  Von  dem  böhmischen  Statthalter  Fer- 
dinand hatte  er  die  Erlaubnis  erhalten,  in  einer  „der  drei 
Städte  Prag"  eine  deutsche  Schreib-  und  Kechenschule 
zu  gründen.  Was  ihn  veranlasste,  gerade  nach  Prag  zu 
gehen,  war  die  Hoffnung,  Maximilian  IL  werde  auch  den 

s'-)  Ebenda  A.  II,  100c.  Bl.  38  b.  Er  scheint  anfangs  mit  ge- 
wissen Ansprüchen  bejiüg-lich  der  Konzession  aufgetreten  zu  sein, 
von  deren  Zurückweisung  das  llathsprotokoll  a.  a.  0.  Bl.  29  b  be- 
richtet. .. 

5«)  Späterhin  fällt  der  Titel  weg;  er  hat  also  nach  llljernalnne 
der  Schule  sein  Kirchenamt  aufgegeben.  Über  die  Tflichten  des 
Stuhlschreibcrs  siehe  0.  Richter  in  dieser  Zeitschr.  IV  (1883),  110. 

"^  DRA.  D.  I,  177  b. 

65)  Rathsprotokoll  vom  24.  Juli  1568.    A.  n,  100  c.  Bl.  249. 

66)  DRA.  D.  I,  240b.    A.  II,  100  c.  Bl.  324. 

■^^)  Ebenda  Bl.  239.    Sitzung  am  15.  April  1569. 


282  Georg  Müller: 

Protestanten  seine  Gunst  zuwenden.  Als  aber  nach 
dessen  frühem  Tode  unter  Kudolf  II.  die  Aussichten  für 
den  Protestantismus  ungünstig  wurden  und  infolge  der 
Pest  seine  Schule  längere  Zeit  geschlossen  war,  wendet 
sich  Paul  Speck  an  den  hiesigen  Rath  um  Verleihung  der 
Knaben-  und  Mädchenschule,  Avelche  letztere  von  seiner 
Frau  übernommen  werden  soll. 

Interessant  ist  in  seinem  Gesuche  der  Bericht  über 
seine  schriftstellerischen  Unternehmungen.  Er  hat  nämr 
lieh  einige  Schriften  verfasst,  die  theils  dem  Unterrichte 
dienen,  theils  eine  Reform  der  deutschen  Schule  im  Auge 
haben.  Das  erste  Buch  handelt  von  den  Uebelständen 
im  deutschen  Schulwesen,  die  durch  Eltern,  Schüler  und 
Schulhalter  veranlasst  sind,  giebt  eine  eingehende  In- 
struktion über  die  Pflichten  der  einzelnen  Personen  und 
enthält  zuletzt  Vorschriften  über  die  Einrichtung  deut- 
scher Schreib-  und  Rechenschulen.  Das  zweite,  „nit  ein 
grosses  Buch,  sondern  ein  Kunststück  der  Schreiberei", 
ist  eine  grosse  Tafel  mit  12  Kanzleischriften,  welche  die 
Entstehimg  der  Buchstaben  „auls  dem  Quadrat  undZirckel" 
erläutern.  Das  dritte  ist  wesentlich  religiösen  Inhalts. 
Es  bietet  eine  Reihe  von  Mahnungen  zu  frommem  Leben, 
Gebete  für  Schüler  (im  Leben  und  Sterben)  in  Reim- 
versen jedenfalls  nach  dem  beliebten  Motto: 

„Lies,  schreib  und  recline  jederzeit, 
Der  jüngste  Tag  ist  nicht  mehr  weit"  ^^). 

Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  uns  diese  Schriften  nicht 
erhalten  sind,  sie  würden  uns  jedenfalls  einen  Einblick 
in  den  Zustand  und  die  Methode  des  damaligen  deutschen 
Schulwesens  gestatten.  Über  seine  Thätigkeit  hier  in 
Dresden  berichtet  uns  ein  Visitationsprotokoll  aus  dem 
Jahre  1578'^^).  Darnach  unterrichtet  er  die  Knaben, 
seine  Frau  die  Mädchen,  und  zwar,  wie  ausdrücklich 
hervorgehoben  wird,  „ein  ides  die  seinen  in  \Tiderscliied- 
lichen  Stuben,"  jedenfalls  in  einem  Hause  an  dem  Neu- 
markte'^'^•).     Die  Wohnung   scheint   mangelhaft   gewesen 


ö*)  Schraid,  Encyklopädie  des  gesamten  Unterrichts-  und  Er- 
ziehmigswesens.  VI-,  808. 

•"•)  DRA.  A.  II,  66.  El.  164  (Original),  161b  (Abschrift). 

60)  Ebenda  A.  II,  100  c.  Bl.  309.  Vergl.  über  den  Ankauf  die 
Kämmerei-ßechnungeu  vom  Jahre  1571:  400  Schock  oder  1000  thaler 
Laux  Zimmermanns  erben  ufs  haufs  so  man  gemeiner  Stadt  zum 
besten   zur  maigdel-  und  deutzschen  knabenschule  umb  2000  thaler 


Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens  in  Dresden.       283 

ZU  sein,  wenigstens  werden  von  den  Visitatoren  behufs 
Herstellung-  derselben  Anordnungen  getroffen''^).  Die 
Folge  davon  ist  der  Neubau  der  Schule,  der  in  die  fol- 
genden Jahre  fällt '^■-).  Paul  Speck  hat  ihn  nicht  mehr 
erlebt.  Denn  am  Trinitatistermin  1579  wird  zum  letzten- 
male  sein  Gehalt  aufgeführt,  in  dem  folgenden  Viertel- 
jahre muss  er  gestorben  sein;  denn  beim  Termin  Crucis 
(14.  September)  fehlt  sein  Name*").  Zwar  wird  seiner 
Witwe  Amt  imd  Gehalt  belassen,  aber  nur  zweimal  er- 
scheint letzterer  in  den  Rechnungen;  in  einem  Schreiben 
an  den  Rath  bittet  sie  um  Befreiung  vom  Schulmeister- 
dienst, weil  sie  sich  „durch  sonderliche  Schickung  Gottes 
des  Allmechtigen  anderweit  vorehelichet"  habe"^).  Ihr 
Einkommen  wird  dem  bisherigen  Knabenlehrer  Valien 
Emrich  zugelegt,  dem  1581  die  neuerbaute  deutsche 
Schule  eingeräumt  wird.  Als  die  Veteranin,  Ottilia 
Peschel,  nach  mehr  als  30j ähriger  Thätigkeit  stirbt*'"), 
ist  er,  bis  ans  Ende  des  Jahrhunderts,  der  einzige  vom 
Rathe  bezahlte  deutsche  Schulmeister*^''),  bekommt  aber 
nicht  die  ursprünglich  ausgesetzte  Summe,  sondern  nur 
30  Giüden. 

Freilich  werden  neben  ihm  eine  Reihe  von  Privat- 
lehrern erwähnt,  deren  Schulen  zumtheil  vom  Rathe 
konzessioniert,  aber  nicht  durch  Geldmittel  unterstützt, 
grosse  Anziehungskraft  ausgeübt  zu  haben  Schemen.  Zu 
ihnen  gehört  in  den  ersten  Jahrzehnten  auch  die  Knaben- 
schule des  Raths.  Als  erster  Lehrer  derselben  erscheint 
der  „deutsche  Schreiber"  Oswald  Saupe.  Auch  er  hat 
seine  Bildung  in  der  deutschen  Schule  erhalten.  Bei 
Joseph  Knaus  hat  er  seine  Lehrthätigkeit  um  1545  be- 
gonnen •*').    Nachdem   er   ungefähr  3  Jahre  bei  ihm  ge- 


gekaufft 11  Schock  50  gr.  11  pf.  oder  33  fl.  17  gr.  11  pf.  dem 

deutzschen  Schulmeister  Paul  Speck  wegen  pesserung  defs  hauses  an 
Unser  Lieben  frawen  kirchoff  wiedergeben  19.  Octob.  1572.  Vergl. 
die  Kämmerei-Rechnung  vom  .lahre  1579. 

«1)  DRA.  A.  II,  66.  El.  235  b.    Vergl.  auch  Bl.  183.  184.  234. 

«'2)  Ebenda.    D.  I,  344. 

«2)  Ebenda.    Religionamts-Rechnungen  vom  Jahre  1579  u.  1580. 

'")  Ebenda.     D.  I,  292. 

'••')  Eljenda.    Religionamts-Rechnungen  vom  Jahre  1585. 

*"')  Einstimmiger  Rathsbeschluss,  dass  künftig  neben  der  latei- 
nischen Schule  nicht  melir  als  eine  deutsche  Schule  gehalten  werden 
sollte.     D.  II,  lila. 

«')  Ebenda.    D.  I,  173  b. 


284  Georg-  Müller: 

wesen,  wird  ihm  die  deutsche  Knabenschule  üb  ertragen  *^^); 
wie  lange  er  dieselbe  geleitet,  ist  nicht  klar,  da  die 
Rechnungen  ihn  nicht  ein  einzigesmal  erwähnen;  1562 
erscheint  er  in  seiner  Eigenschaft  als  Knabenlehrer  bei 
Gelegenheit  einer  Feststellung  der  Dresdener  Privat- 
schulen *^^).  Sein  Nachfolger  war  jedenfalls  Valten  Em- 
rich,  dem  nach  Paul  Specks  Tode  auch  die  deutsche 
Mädchenschule  übertragen  wird.  Die  moralische  Unter- 
stützung, die  dieser  Knabenlehrer  von  selten  des  Raths 
genossen,  scheint  sie  nicht  vor  mancherlei  Schwierigkeiten 
bewahrt  zu  haben,  die  ihnen  von  selten  der  neben  ihnen 
bestehenden  Privatschulen  bereitet  wurden.  Abgesehen 
davon,  dass  letztere  ihnen  die  Schüler  entzogen  und  das 
Verdienst  schmälerten,  wurden  dieselben  auch  beschuldigt, 
die  straffe  Disziplin  zu  untergraben.  Oswald  Saupe  be- 
klagt sich,  „wenn  man  der  Jugend  ein  wenig  zu  scharff 
zuspricht  vimd  sie  vmb  begangenen  Muttwillen  strafft, 
das  sie  als  den  aus  einer  Schull  in  die  andere  lauffen." 
Da  habe  es  „vor  Zeittenn,  do  die  deutschen  Schulen 
nicht  so  gemein  gewest,"  ganz  anders  um  die  Disziplin 
gestanden,  da  „hatt  man  in  Latteynischen  Schulen  die 
Jugent  in  gutter  Zucht  vnnd  forcht  halten  können,  aber 
itzundt  gehet  es  viel  anders  zu"  '°).  Freilich  wurden 
diese  Schulen  bisweilen  von  Persönlichkeiten  geleitet,  die 
keinen  sehr  vertrauenerweckenden  Eindruck  machen,  wenn 
auch  die  Beschwerdeschriften  oft  zu  schwarz  malen  mögen. 
Da  greift  denn  der  Rath  ein,  wie  auch  die  Visitation 
gegen  diese  "Winkelschulen  einschreitet. 

So   hatten  die  kurfürstlichen  Kommissarien '^)  1555 
die  beiden  Mädchenschulen  von  Magister  Arnold'^)  und 


öS)  Ebenda.  D.  I,  1701).  Ums  Jahr  1553  hat  er  einen  Streit 
mit  Caspar  Peschel,  wobei  der  Rath  auf  Seite  Oswald  Saupes  tritt. 
D.  I,  170  a.  Darauf  bezieht  sich  jedenfalls  das  Protokoll  der  Raths- 
sitzuug  A.  II,  100c.  El.  29b:  Caspar  dem  stulschreiber  ist  beschiedt 
gegeben,  der  jugent  sei  viel,  dartzn  auch  viel  lewtte  gehören,  so  sei 
das  schreiben  und  rechnen  eyne  fi'eie  kunst,  derhalben  sei  es  schwur, 
dy  lewt  an  eynen  o)'t  zcu  zcwingen,  und  man  könne  ihn  nicht  hin- 
dern, do  er  seyne  besserung  wisse. 

69)  Ebenda  D.  I,  172. 

™)  Ebenda  173  a. 

'1)  Ebenda  177  a. 

■^2)  Er  war  früher  Lehrer  an  der  lateinischen  Schule  zu  Alten- 
Dresden.    D.  I,  172. 


Die  Anfange  des  deutschen  Schulwesens  in  Dresden.       285 

der  Pretzsclmerin '■^)  untersagt,  aber  nur  letztere  fügte 
sich.  Magister  Arnold  unterrichtet  noch  1562  Knaben 
und  Mädchen'^).  Ausser  diesem  erscheinen  in  diesem 
Jahre  neben  den  Eathsschulen  noch  drei  Winkelschul- 
meister, einer  davon  in  der  Wilsdruffer  Vorstadt '^"'),  1581 
eine  vor  dem  Ziegelthor,  die  andere  auf  der  Pirnschen 
Gasse  u.  a.  m.'*^).  Wenn  aber  die  konzessionierten  Schul- 
meister von  dem  Rathe  die  Entfernung  dieser  Eindring- 
linge'^) verlangen,  so  willfahrtet  derselbe  nicht  ohne 
weiteres  diesem  Gesuche,  sondern  verweist  die  Petenten 
darauf,  dass  „schreiben  und  rechen  eyne  freie  kunst", 
also  nicht  den  Schranken  der  Zunftgesetze  unterworfen 
sei'^).  Er  berücksichtigte  jedenfalls  auch  den  Umstand, 
dass  zeitweilige  Überfüllung''*)  der  Eathsschulen,  sowie 
die  Entfernung  ^*^)  derselben  von  einzelnen  Stadttheilen 
das  Entstehen  neuer  Schulen  wünschenswerth  erscheinen 
Hessen.  Vor  allem  ist  für  ihn  die  Garantie  der  sittlichen 
Führimg  massgebend.  „Eyn  ledige  person  lernet  dy 
kyndere  uff'  der  Borngassenn;  ist  ime  undersagt  (ange- 
sagt), solle  geduldet  werdenn,  do  er  sich  ehrlich  vor- 
halten wirdet,"  berichtet  ein  EathsprotokoU  ^').  Dagegen 
greift  der  Rath  rücksichtslos  ein,  wenn  bezüglich  der 
moralischen  Haltung  Bedenken  vorliegen  ^-).  Solche  wer- 
den z.  B,  über  Michael  Eaber  berichtet,  der  eine  „vnleid- 


'3)  steht  sie  in  Beziehung-  zu  Paul  Pretzschner,  Pfarrer  zu  Ht. 
Bartholomaei,  der  als  Pfarrer  und  Superintendent  nach  Eger  berufen 
wird?    D.  I,  311. 

'*)  D.  I,  172. 

'■')  Es  war  dies  Paul  Conradt,  der  sich  unter  Benifung-  auf 
seine  dreijährige  Lehrthätigkeit  1563  um  den  Schuldienst  zu  St. 
Bartholomaei  bewirbt,    D.  I,  213. 

^ö)  Gesuch  der  Ottilia  Peschelin  Ostern  1581.     D.  I,  296. 

")  So  dann  gemelter  Faber  nicht  zur  rechten  Thür,  sondern 
zum  Fenster  hineingestiegenn,  vnnd  vnordentlicher  weise  mit  hinder- 
listigen Practiken  vnd  subtilen  giieffen  eindringen.  D.  I,  177  b. 
Vergl.  D.  I,  170b:  es  will  „nicht  folgenn,  das  ein  Jder,  der  Schrey- 
benn  vnd  Rechen  kan,  Schule  haltenn  sol". 

78)  Siehe  Anm.  68.     A.  II,  100  c.  Bl.  29  b. 

™)  Bericht  über  die  Mädchenschule  1575:  es  sei  „sondeilich  zu 
Sommers  Zeiten  die  Schule  von  den  Mägdlein  deiinasseii  vbei'- 
menniget,  das  sie  zuweilen  wegen  des  Uedrenges  wul  krank  diircli- 
einander,  vielweniger  nach  Notturft't  vberhoret  vnd  vnterweyset  können 
werden".     D.  I,  269  b. 

**»)  D.  I,  269b. 

si)  A.  II,  100  f.  Bl.  76  b.     Montag  nach  Trinitatis  1555. 

**•-)  Der  Kath  berief  sich  hierljei  auf  die  kurfürstliche  Kirchen- 
ordnung.   D.  II,  114. 


286  Georg  Müller: 

liclie"  Schule  fü.^  Knaben  und  Mädchen  gegründet  hat®-^). 
Bereits  als  Kreuzschüler  hat  er  in  der  Schule  Nachhilfe- 
unterricht auf  Empfehlung  des  Rektors  ertheilt,  später 
aber  durch  sein  leichtsinniges  Leben  mancherlei  Anstoss 
gegeben,  die  Geistlichen  beleidigt,  den  Rektor  verhöhnt 
und  durch  nächtlichen  Unfug  sich,  wie  es  scheint,  wenig- 
stens eine  Untersuchungshaft  zugezogen.  Diese  That- 
sachen  bieten  dem  lateinischen  und  deutschen  Schulmeister 
Grelegenheit,  gegen  die  Konzessionierung  des  neuen  zwei- 
felhaften Kollegen  zu  protestieren.  Ähnlich  ist  der  Sturm, 
als  Donat  Fehrmann  1585  eine  Schule  gründen  wollte. 
Der  Rath  musste  allerdmgs  gegen  ihn  misstrauisch  wer- 
den, wenn  derselbe  selbst  zugestand,  dass  er  „in  seinem 
Studieren  verwahrlost  worden  sei"  ^^)  und  wenn  gegen 
ihn  Thatsachen  vorlagen,  die  es  bedenklich  erscheinen 
Hessen,  ihm  den  Mädchenunterricht  zu  gestatten*^').  So 
wurde  sein  Gresuch  abgelelmt  **^),  trotzdem  dass  seine 
Mutter  in  einem  beweglichen  Schreiben  darauf  hinwies, 
wie  ilu'  Sohn  durch  einen  Schuss  in  die  linke  Achsel  zum 
Krüppel  geworden,  kein  Handwerk  habe  lernen  können, 
und  wie  es  sie  „einen  zinüichen  Pfennig  gestanden",  dass 
sie  „ihn  schreiben  vnnd  rechnen  vnd  was  sonsten  ein 
Schulhalter  kennen  soll,  nicht  allhier,  sondern  dasselbe 
anderswo,  habe  solches  lernen  lassen"*').  Auf  ihr  An- 
erbieten, im  Fall  der  Gewährung  ihrer  Bitte  dem  Gottes- 
kasten dreissig  Gulden  zu  vermachen,  wird  ihr  geant- 
wortet, „doran  thette  sie  Gott  einen  gefallen  vnd  das 
mochte  sie  woll  thun  nach  irer  gelegenheit"  *^).  Der 
Streit  hat  für  uns  noch  besonderes  Interesse  durch  die 
Schreiben  Jakob  Fehrmanns,  in  denen  er  dem  Rathe  das 
Programm  seiner  Schule  vorlegt.  Gefällt  es  sich  auch 
in  mancherlei  Übertreibungen,  so  gewährt  es  doch  einen 
Einblick  in  den  Gang  des  Unterrichts. 

Es  ist  leicht  erklärlich,  wenn  die  Methode  der  deut- 
schen Schule  sich  zunächst  noch  an  das  Mittelalter  an- 
schloss,  soweit  nicht  die  Bestimmungen  der  Visitationen 
und   Kirchenordnungen    ausdrücklich   neue  Anordnungen 


*^)    Siehe   zum   folo'endeu   die    Schreiben   des    Kektors   Tobias 
Mostelius  D.  I,  175  f.  und  Caspar  Peschels  D.  I,  177  f. 
8^)  D.  II,  109. 
s"*)  D.  II,  111b. 
80)  D.  II,  112b. 
8-')  D.  II,  113. 
8S)  D.  II,  114  b. 


Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens  in  Dresden.       287 

trafen.  Letztere  bezogen  sich  fast  ausschliesslich  auf 
den  Religionsunterricht,  der  den  Mittelpunkt  des  Unter- 
richts bildete,  bezüglich  des  Ganges  und  Stoffes  ziemlich 
eingehend  festgestellt  und  besonders  ernstlich  eingeschärft 
wurde.  In  den  Meissener  Visitationsartikeln  von  1539  "*'•') 
wurde  vorgeschrieben,  „dals  auch  in  alle  wegen  der  kleine 
und  grolse  Katechismus  sammt  der  Litanei  in  der  Schüler 
und  Schulmägdlein  Gegenwart  mit  Fleils  getrieben  und 
geführt  werden  soll",  w^ozu  im  Jahre  1540  die  Vorschrift 
kam,  dass  „was  man  am  Sonntage  vorgelegt  hat,  man 
den  Kindern  in  der  Woche  auf  einen  Tag  oder  zwei, 
nachdem  der  Kinder  viele  oder  wenige  sind,  wieder  über- 
hören soll."  So  wird  auch  in  Dresden  in  dem  einzigen 
ausführlicheren  Einweisungsprotokoll  der  deutschen  Leh- 
rerin ihr  Versprechen  erwähnt,  „die  Kinder  im  cathechismo 
und  gottes  W'Orth  etc.  treulich  und  vleiisig  zu  under- 
weisenn,  soviel  ir  verstandt  mittbringet"  '"^•).  Es  könnte 
darnach  den  Anschein  haben,  als  ob  hier,  nach  Luthers 
erstem  Vorschlag  ^^),  nur  religiöser  Unterricht  ertheilt 
worden  wäre,  wenn  bei  der  Bestimmung  des  Schulgeldes 
nicht  ausdrücklich  vom  Lesen  und  Schreiben  die  Rede 
wäre.  Diese  beiden  Fächer  bezeichnen  allgemein,  bis- 
weilen mit  dem  Singen*-'"-)  verbunden,  die  untersten  Stufen 
oder  Klassen  der  Mädchen-  wie  Knabenschule.  Ihr  Be- 
trieb wird  jedenfalls  der  mittelalterliche'-*")  gewesen  sein; 
bezüglich  des  ersteren  finden  sicli  mit  Ausnahme  der 
Erwähnung    von   Lesetafeln  ■'^)    keine    näheren   Notizen, 


^^)  Heppe,  Geschichte  des  deutschen  Volksschulwesens  1,  16. 

^)  DRA.  A.  II,  100  c.  Bl.  249. 

^^)  An  den  christlichen  Adel  deutscher  Nation  . . .  Bearbeitet . . . 
von  Karl  Benrath  (Halle  1884)  S.  26  f.:  Und  wollte  (lott,  eine 
jegliche  Stadt  hätte  auch  eine  Mädcheiiscliule,  darinnen  des  Tags  die 
Mägdlein  eine  Stunde  das  Evangelium  hörten,  es  wäre  auf  deutsch 
oder  lateinisch.  —  Nur  religiöser  Unterricht  für  die  Mädchen  wird 
auch  in  Braunschweig  erwähnt  in  der  Schulordnung  von  1528. 
Koldewey,  Braunschweigische  Schulordnungen  ...  I,  '67.  Z.  10  flg. 
Über  die  Yei'schiedenheit  und  Entwickeluiig  des  Unterrichts  in  den 
Mädchenschulen  siehe  Johannes  M ü  1 1  e i' ,  Luthers  refuriiiatoiische 
Verdienste  um  Schule  und  Unterricht.  2.  Aufl.  (Berlin  1883)  S.  34  f. 

"■-)  Hans  Schrötters hat  erstlicli  Meidtlcin  vnd  Knaben,    im 

lesen  und  singen  vnterwiesen ein  junii'er  Geselle  (l'aul  Conrad) 

zuuor  hat  er  sich  auch  mit  der  deutzschen  schreib  und  singschul 

beholffen.     D.  I,  172. 

*'■')  Vergl.  Specht,  Geschichte  des  Unterrichtswesens  in  Deutsch- 
land ....  67  flg. 

«)  DRA.  D.  I,  239  b. 


288  Georg  Müller: 

wälireud  für  den  Sclireibuuterricht  öfters  mit  besonderer 
Sorgfalt  ausgeführte  Zusammenstellungen  der  Alpliabete 
auf  Papier  oder  Pergament^"')  benutzt  wurden. 

Die  oberste  Stufe  bildete  der  Reclienunterriclit.  Aus- 
drücklich wird  er  zum  erstenmal  im  Jahre  1550  erwähnt, 
in  welchem  ein  deutscher  Schreiber"")  die  Erlaubnis  er- 
hält, „Rechen-  und  Fechtschulen" "')  zu  halten  ^^).  Aber 
wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass  schon  Joseph  Knaus 
seit  dem  Anfange  der  vierziger  Jahre  die  in  dieser  Zeit 
so  ausserordentlich  schnell  emporgekommene  Wissen- 
schaft-*") in  seiner  Schule  getrieben  hat,  da  er  bereits  in 
Oschatz  Rechenmeister  genannt  wird  und  ausserdem  sein 
Nachfolger  in  der  Mädchenschule  wie  sein  Schüler  in  der 
Knabenschule  das  Rechnen  treiben  ^*^*').  Auch  Specks 
Frau  hat  bereits  in  Prag  den  Mädchen  Rechen  Unterricht 
ertheilt  ^'^^).  Er  selbst  erscheint  im  Jahre  1574  unter 
dem  Titel  Rechenmeister  ^^^).  Regelmässig  werden  zwei 
Rechnungsarten :  auf  der  Linien  und  mit  der  Feder  unter- 
schieden^*^''). Jacob  Fehrmann  verspricht  in  seinem  Pro- 
gramm auch  noch  das  höhere,  kaufmännische  Rechnen  zu 
treiben:  „nach  dem  Fortheil  oder  Practica  genand,  auch 
darneben  Aulsziehung  der  Wurzeln  der  Quatraten,  des- 
gleichen Buchhalten  durch  drey  Bucher,  als  Zornal  (Jour- 
nal), Kaps  (Capsula)  und  Schuldbuch"  ^*'*). 

Von  sonstigen  Fächern  finden  wir  nichts  vertreten. 
Es  ist  dies  auch  völlig  für  die  Knabenschulen  erklärlich, 
wenn  z.  B.  Oswald  Saupe  ausdrücklich  hervorhebt,   dass 


^■')  Ebenda  240  a.     D.  II,  109  a. 

96)  Ist  dies  etwa  Melchior  Zceischen?  Vergl.  DRA.  A.  XV b. 
63.  Tagzettel  1549. 

'•'■')  Siehe  tlber  die  Geschichte  und  Bedeutung  der  Fechtschulen 
für  die  Städte  M.  Jahns,  Geschichte  des  Kriegswesens  (Leipzig 
1880)  S.  92H. 

'■**)  A.  XV  b.  63.  Tagzettel  1550:  Eym  dewtzschen  Schreiber  ist 
erlewbt  rechen-  und  fechtschulen  zcu  halten,  ist  inn  der 
Willischen  gassenn  zcur  miet  eyngetzogen. 

"'■')  Siehe  über  die  Schätzung  der  Rechenkunst  in  Sachsen: 
Schmid,  Encyclopädie  des  ges.  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens 
VI,  788  flg. 

1^'^)  Ä.  II,  100  c.  29  b.     D.  I,  170.  170  b.  172.  173.  173  b. 

'•»)  D.  I,  239  a. 

^'>-)  A.  II,  100  c.  Bl.  324. 

10'^)  Über  dieselben  Schmid,  Encyklopädie VI,  790  flg. 

^'^4  Vergl.  dazu  M.  Henrici  grammatici  (Schreyber)  Rechen- 
büchleiii ....  (Frankfurt  a.  M.  1572),  erwähnt  bei  Schmid,  Encyklo- 
pädie ....  VI,  793. 


Die  Anfänge  des  deutschen  Schulwesens  in  Dresden.        289 

er  nur  die  „arme  . .  .  Jiigent"  "^'^),  „diejenig-en  die  nicht 
geschickt  zum  Studiren,  oder  sonsten  Armuts  halben  das- 
selbige  nicht  erstrecken  können"  ^'^^),  in  seiner  Schule 
habe.  In  der  Mädchenschule  wird  allerdings  schon  „Neben 
vnd  andere  weibliche  Arbeit"  erwähnt ^^^^). 

Über  die  Art  und  Weise  des  Unterrichts  geben  uns 
die  Quellen  keine  Auskunft;  doch  scheint  das  Ansagen 
und  Überhören  (Verhören)  die  Hauptrolle  gespielt  zu 
haben  ^^'^).  Die  Disziplin  war  der  Sitte  der  Zeit  ent- 
sprechend streng,  die  Bestrafung  hart.  Wenn  auch  oft 
davon  in  glimpflichen  und  euphemistischen  Ausdrücken, 
wie :  ein  wenig  zureden,  ein  Avenig  scharf  zusprechen  etc. 
gehandelt  Avird,  so  findet  sich  doch  auch  „die  gebükrliche 
Züchtigung"  oft  genug ^-'^).  Immer  stärker  Averden  die 
Klagen  über  die  Schädigung  der  Disziplin  durch  die 
Winkelschulen.  Wie  dem  Emporkommen  derselben  der 
di'eissigj  ährige  Krieg  sehr  förderlich  war,  so  hat  er  die 
EntAvickelung  des  jungen  deutschen  Volksschuhvesens  in 
beklagenswerthem  Masse  gehindert. 


i«'^)  DRA.  D.  I,  170b. 
10")  Ebenda  173  b. 
10^)  Ebenda  239  a. 

lo«)  Item   soll   die  Abecedarios  helifen  verhorenn  vnnd  sie  im 
Schreibern!  oben  helfteu.    D.  I,  265. 
109)  D.  II,  lila.    D.  I,  173a. 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  VJII.  3.  4.  19 


IX. 

Der  kursächsische  Hofmaler  und  Kupferstecher 
Heinrich  Göding/) 

Yon 

K.  Berliug. 


Heinrich  Göding")  der  Altere  ist,  wie  aus  seiner 
Grabschrift  (s.  unten  S.  341)  hervorgeht,  im  Jahre  1531 
zu  Braun  schweig  geboren.  Ausser  dieser  kui'zen  Angabe 
war  weiteres  über  seine  Geburt,  Familie,  künstlerische 
Erziehung,  kurz  über  die  ganze  Jugendzeit  nicht  in  Er- 


^)  Die  nachfolgende  Studie  ist  auf  Anrathen  meines  Freundes, 
des  Herrn  Cornelius  Gurlitt,  entstanden,  der  mir  zu  diesem  Zwecke 
nicht  nur  sein  reichhaltiges  Notizenmaterial  zur  Verfügung  stellte, 
sondern  mich  auch  im  Verlaufe  der  Arbeit  mit  seinem  ilathe  wesent- 
lich unterstützte. 

-)  Ich  habe  dieser  Schreibweise  des  Familiennamens  den  Vor- 
zug gegeben,  weil  sich  dieselbe  in  den  Kreisen  der  neueren  Kunst- 
schriftsteller bereits  eingebürgert  hat.  Der  Maler  selbst  hat  sich  mit 
„Gödiug"  meines  Wissens  nur  einmal  unterschrieben  und  zwar  bei  dem 
zum  I.  Bande  des  von  ihm  verfassten  Kupferwerkes  „Sachs.  Historien" 
gehörigen  Vorworte,  während  er  in  zwei  Briefen,  die  sich  im  Kgl. 
Sachs.  Hauptstaatsarchiv  (H.-St.-A.)  befinden,  und  einem  Gedichte.  Avel- 
ches  das  Wolfenbüttler  Archiv  bewahrt,  „Götting"  wählte,  eine  Form, 
die  sich,  doch  hier  o  statt  ö,  auch  einst  auf  seiner  Grabschriftvorgefun- 
den  hat.  Seine  Kupfertafeln  hat  er  ferner  mehrfach  mit  „Godig",  „Goe- 
digen",  „Göde"  und  „Gödi."  bezeichnet,  während  sich  endlich  noch 
in  den  ihn  betreffenden  Akten  die  Schreibarten  „Goding",  „Gödding", 
„Godeckh",  „Godick"  etc.  vorfinden.  —  Um  Verwechselungen  vorzu- 
beugen, möge  hier  erwähnt  sein,  dass  in  den  Akten  des  H.-St.-A. 
aus  dieser  Zeit  mehrfach  Notizen  vorkommen,  welche  sich  auf  einen 


K.  Berling:  Hofmaler  u.  Kupferstecher  H.  Göding.  291 

fahrung  zu  bringen'^).  Doch  möchte  ich  schon  hier,  und 
zwar  aus  stilistischen  Gründen,  der  von  Schuchardt^) 
ausgesprochenen  Ansicht,  seine  Werke  Hessen  vermuthen, 
dass  er  in  den  Niederlanden  die  ersten  malerischen  Stu- 
dien gemacht  habe,  entschieden  entgegentreten;  vielmelu- 
weisen  dieselben  auf  einen  deutschen  Lehrer  hin.  Es  ist 
dies  aber  eine  Annahme,  die  auch  Öchuchardt  nicht  ganz 
ausgeschlossen  wissen  will,  da  er  etwas  später  auf  der- 
selben Seite  sagt:  „Dass  es  in  Gödigs  Jugendzeit  in 
Braunschweig  selbst  geschickte  Maler  gegeben .  habe,  be- 
weist schon  die  Nachricht,  dass  Cranach  der  Ältere  von 
einem  dortigen  Künstler  Porträts  leiht,  um  sie  zu  copii-en 
oder  andere  darnach  zu  malen". 

Es  vermag  sich  somit  die  nachfolgende  Studie  nur 
mit  den  Arbeiten  Gödiugs  zu  beschäftigen,  die  er  im 
Kurfürstenthum  Sachsen,  wo  er  die  längste  Zeit  seines 
Lebens  als  Maler  und  Kupferstecher  thätig  war,  aus- 
führte. Wann  er  nach  dieser  seiner  neuen  Heimath  ge- 
kommen ist,  lässt  sich  wenigstens  annähernd  bestimmen. 
Denn  in  der  Vorrede  zu  einem  von  Göding  1597  und  1598 
verfassten  Kupferwerke,  das  unten  ausführlicher  be- 
sprochen wird,  sagt  er,  dass  er  „dem  Hoclüöblichsten 
Churf  Haus  zu  Sachlsen  in  die  40  Jahr  mit  seiner 
Mahlerkunst  unterthenigst  gedienet"  habe.  Darf  man 
nun  auch  wohl  die  Angabe  „in  die  40  Jahi^"  nicht  wört- 
lich nehmen,  sondern  dieselbe  nur  als  ungefähre  Zeit- 
bestimmung betrachten,  so  berechtigt  sie  jedenfalls  zu 
der  Annahme,  dass  Heinrich  Göding  vom  Ausgange  der 
50er  Jahre  an  in  Sachsen  thätig  war. 


Büchsenmacher  Heinrich  Gütting  von  Mühlhausen  beziehen.  Der- 
selbe hatte  gegen  Ende  des  Jahres  1572  seine  Bestallung  als  Büchsen- 
meister zu  I)resden  erhalten,  welche  ihm  aber  im  Mai  l.ö77  wieder 
entzogen  wurde,  weil  er  „ob  seinem  ungehorsamen  Verhalten  und 
Unfleifs"  das  höchste  Missfallen  des  Kurfürsten  August  erregt  hatte. 
**)  Wie  mir  Archivar  Dr.  Zimmermann  in  Wolfenbüttel,  dem  ich  an 
dieser  Stelle  für  mehrere  mir  gütigst  überlassene,  Göding  betreffende 
Notizen  meinen  Dank  ausspreche,  mittheilt,  sind  in  Braunseliweig  Kir- 
chenbücher aus  so  alter  Zeit  niclit  mehr  vorhanden,  auch  hat  sich  in 
den  Archiven  zu  Biaunschweig  und  Wolfeid)üttel  bis  jetzt  über  Göding 
mit  Ausnahme  des  bereits  erwähnten  Gedichtes  nichts  vorgefunden. 
Letzteres  gedenkt  Dr.  Zimmermann,  der  sich  mit  mir  audi  in  der 
Schreibweise  „Göding"  geeinigt  hat,  in  nächster  Zeit  in  «1.  Beitr.  zur 
Gesch.  der  deutschen  Sprache  u.  Literatur  zu  veröffentlichen. 

^)  Ch.  Schucliardt,  Heinrich  Godig,  in  Naumanns  Arcliiv  f. 
d.  zeichnd.  Künste.  1855.  S.  95. 

lü* 


292  K.  Berliug: 

Die  erste  urkundliche  Notiz,  welche  sich  im  H.-St.-A. 
auffinden  Hess,  und  welche  lautet'^): 

„6  fl.  18  g.  Heinrich  Gottiugernn  Mahlern  vonn  3  stähelin  hogenu 
Zu  mahlenn  vnd  Zu  uorgoklenn  laut  einer  vnderschriebenen  Zeildel", 

ist  indessen  erst  vom  2.  Okt.  1563  datiert.  Es  liegt  aber 
in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  urkundlichen  Quellen 
über  eine  so  bescheidene  Thätigkeit,  wie  sie  die  ersten 
Jahre  seines  sächsischen  Aufenthaltes  ausgefüllt  zu  haben 
scheint,  nur  sehr  spärlich  fliessen.  Wohl  erst  allmählich 
ist  es  ihm  gelungen,  die  Aufmerksamkeit  des  Kurfürsten 
auf  sich  zu  ziehen  und  sich  die  Gunst  der  Kurfürstin  zu 
erwerben,  so  dass  ihm  die  Ausführung  grösserer  Arbeiten 
an  dem  Sclilosse  und  der  Schlosskapelle  zu  Stülpen^) 
übertragen  wm^de.  Über  diese  schi-eibt  August  selbst  in 
einem  an  den  dortigen  Schösser  gerichteten  Briefe'): 

„L.  g.  Aufs  inligendem  vor  Zaichnus  findest  du,  wafs  der 
mahler  zum  Stolpen  Heinrich  Godingen  von  den  hirschen  für  unser 
efsstuben  unnd  dem  predigstuhle  inn  der  kirchen  Zu  mahlen  Zu  uor- 
gulden  und  aufsZustreicheu  fordert.  Weill  wir  dan  bedacht  bereits 
Zwei  stuck  noch  mahlen  Zu  lafsen,  so  befehlen  wir  Dir,  du  Avollest 
mit  ime  des  lohns  halben  aufis  genaweest  dingen  und  Vorgleichiing 
treffenn,  Damit  es  künftig  nach  vorferttigimg  dieser  gemeide  keiner 
sonderlichem!  handlung  mit  Ime  bedorffe.    Das  soll  etc. 

Drefsden  d.  12.  Feb.  1564." 

Von  der  Ausmalung  dieser  „Essstube"  ^)  ist  nichts 
mehr  erhalten,;  der  „Predigtstuhl"  (Kanzel)  jedoch,  der 
früher   an    der   südlichen  Wand  der  Schlosskapelle  auf- 


5)  H.-St.-A.  Loc.  8679.  Tagesregst.  1563—64. 

^)  Das  Schloss  Stolpen  sowie  die  Stadt  Bischofswerda  waren 
am  18.  Jan.  1559  in  den  Besitz  des  Kurfürsten  August  gekommen. 
Vergl.  Mitthlg.  d.  K.  S.  Alterth.-Yer.  XX,  53.  Näheres  über  den 
Stolpener  Schlossbau  siehe  R.  Steche,  Bau-  u.  Kuustdenkmäler  d. 
Kngr.  Sachsen  I,  83  flg. 

')  H.-St.-A.  Cop.  321  (H)  fol.  24. 

*)  Walirscheinlich  ist  hiermit  der  im  westl.  Theile  gelegene, 
jetzt  gänzlich  verfallene  „Fürstenbau"  gemeint.  Es  wäre  jedoch 
möglich,  dass  auch  die  Malereien  in  einigen  daneben  liegenden  Ge- 
mächern von  Göding  gemalt  waren,  von  denen  v.  Zehmen,  Bemer- 
kungen über  d.  Stolpener  Schloss  (1792)  Bl.  4  b  (Manuscr.  in  d.  Kgl. 
Offtl.  Biblioth.  zu  Dresden)  wie  folgt  berichtet:  „Hier  (im  4.  Schloss-- 
hofe)  war  sonst  rechter  Hand  gleich  beim  Eingange  ein  schöner 
Säulengang,  worauf  Stuben  gebaut,  die  mit  ä  la  fresco  gemahlt 
w^aren.  Da  sich  einige  eben  nicht  sittliche  Bilder  in  diesen  Stuben 
befanden,  so  Hess  man  sie  überweissen,  allein  die  Farben  haben  sich 
unter  dem  Kalk  sehr  gut  gehalten  und  man  kann  immer  noch  etwas 
von  dieser  Mahlerey  sehen.  Leider  sind  diese  Stuben  und  schönen 
Säulen-Gänge  auch  niedergerissen". 


Hofmaler  luid  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  293 

gestellt  war,  befindet  sich  jetzt  in  der  BegTäbniskirche 
zu  Bischofswerda^).  Indessen  ist  auch  hier  noch  die 
Thätigkeit  des  Malers  eine  recht  untergeordnete,  sie  be- 
sclu"änkt  sich  lediglich  auf  das  Ausmalen  und  Vergolden 
der  vom  Bildhauer  gefertigten  Figuren  und  Ornamente. 

Erst  zwei  Jahre  später  erscheint  Göding  als  mit 
selbständigen  Aufträgen  bedacht  und  zwar  mit  einem  füi- 
dieselbe  Kapelle  bestimmten  Werke.  Denn  im  Jahre 
1566  führte  er  den  vom  Kurfürsten  erhaltenen  Auftrag 
aus,  die  Aussenseiten  der  Flügel  des  Hauptaltars  zu  über- 
malen und  die  zu  demselben  gehörige  Predella  neu  zu 
schaffen^").  Dieser  Altar,  dessen  beide  Flügel  und  Pre- 
della sich  jetzt  im  Museum  des  K.  S.  Alterthums-Vereins 
zu  Dresden  (unter  Nr.  69^^,  ''  und  ")  befinden"),  war  von 
Johann  V.  (von  Weissenbach),  Bischof  von  Meissen,  im 
Jahre  1486  errichtet  worden.  Früher  waren  im  Lmern 
desselben  die  lebensgrossen  aus  Holz  geschnitzten  Figuren 
der  Maria  mit  dem  heil.  Erasmus  imd  der  heil.  Barbara 
aufgestellt,  die  inzwischen  verschwunden  sind,  aber  noch 
im  Jahre  1792  vom  Kammerherrn  von  Zehmen  an  Ort 
und  Stelle  gesehen  wurden^-). 

Sobald  durch  den  Kurfürsten  August  vom  Amte 
Stolpen,  das  er  von  den  Meissner  Bischöfen  gegen  das 
Amt  Mühlberg  eingetauscht  hatte,  Besitz  genommen  war, 
hatte  er  auch  hier,  wie  in  seinen  übrigen  Ländern,  die 
Lehre  Luthers  eingeführt  ^='),  eine  Neuerung,  die  ausser 
einer  gänzlichen  Renovation  der  Kapelle  auch  viele  Ver- 
ändermigen  in  derselben  nach  sich  zog.  Unter  anderem 
wurde  der  Altarschrem,  weil  die  Heiligenfiguren  bei  dem 
veränderten  kirclilichen  Ritus  Anstoss  erregten,  walu-- 
scheinlich  von  dieser  Zeit  an  meistens  verschlossen  ge- 
halten. So  wenigstens  erklärt  sich  am  besten  der  Um- 
stand, dass  Göding  die  Aussenseiten  der  Flügel  über- 
malen musste,   diese  sich  aber  bei  weitem  nicht  so  gut 


0)  Vergl.  R.  Steche  a.  a.  0.  89,  wo  eine  genaue  Beschreibmig 
dieser  Kanzel  gegeben  ist. 

^0)  Für  seine  Thätigkeit  in  Stolpen  ist  Göding  vom  Kurfürsten 
mit  600  fl.  „bei>iiadet"  worden  (H.-St.-A.  Cop.  321,  fol.  6''). 

'1)  Vergl.  V.  Eye,  Führer  durch  d.  Museum  d.  Alt.-Ver.  S.  35 f. 
und  R.  Steche  a.  a.  0.  88. 

1-)  Derselbe  schreibt  a.  a.  O.  S.  6  allerdings  fälschlich,  dass 
„die  Mutter  Gottes  mit  Joseph  und  Cliristo"  darinnen  gestanden 
hätten.  Vergl.  dagegen  Gercken,  Historie  der  Stadt  und  Berg- 
festung Stolpen  (1764)  S.  46  f. 

13)  Gercken  a.  a.  ü.  S.  38  f. 


294  K.  Berling: 

erhalten   haben,   wie   die   fast   ein  Jalnlnmdert   älteren 
Innenbilder. 

Göding  theilte,  analog  den  letzteren,  seine  beiden 
Tafeln  in  einen  oberen  grösseren  und  emen  unteren  klei- 
neren Abschnitt,  die  er  dui^ch  ein  etwas  steifes  links  ^*) 
mit  dem  sächsischen,  rechts  mit  dem  dänischen  Wappen 
verziertes  Kartuschenwerk  trennte. 

Die  Tafel  links  stellt  in  ihrem  oberen  Theile  die 
Ausgiessmig  des  heiligen  Geistes  dar.  Die  12  Apostel, 
welchen  in  der  naiv  anschaulichen  Weise  der  damaligen 
Zeit  der  heilige  Geist  in  Gestalt  eines  Flämmchens  ins 
Haupt  zu  dringen  scheint,  umgeben,  meist  in  grosser 
Verzückung,  die  Gottesmutter,  welche  als  eine  würdige 
Matrone  mit  gefalteten  Händen,  das  volle  Gesicht  dem 
Beschauer  zugewandt,  behäbig  dasitzt.  Über  ihnen 
schwebt  die  Taube  (von  bläulicher  Färbung  mit  grell- 
rothem  Schnabel  mid  Beinen),  von  welcher  der  Geist 
strahlenförmig  ausgeht  und  den  ganzen  Hintergrund  mit 
einem  ki^assen  Gelb  anfüllt.  Rechts  wird  die  Darstellung 
durch  eme  Renaissancesäule,  links  durch  eine  mächtige 
Freitreppe  und  ein  Rundbogenportal,  welches  den  Diu'ch- 
blick  in  eine  Stadt  gestattet,  abgeschlossen. 

Das  darunter  befindliche,  kulturgeschichtlich  sehr 
interessante  Bild  stellt  im  Vordergrunde  —  mit  sehr 
vielen  Figuren  —  einen  in  der  Stadtkkche  zu  Witten- 
berg nach  neuem  Ritus  abgehaltenen  Gottesdienst  dar. 
Lüiks  predigt  von  der  Kanzel  herab  der  grosse  Refor- 
mator Luther;  vor  ihm  sitzt,  eng  an  einander  gereiht, 
die  andächtige  Gemeinde,  von  der  in  der  Mitte  der 
Kirchendiener  im  Klingelbeutel  die  Gelder  einsammelt. 
Ganz  rechts  sitzt  in  eüier  kleinen  Nische  der  Kurfürst 
August,  das  Haupt  von  einem  hohen  schwarzen  Hute  mit 
rother  Feder  bedeckt.  Im  Hintergrunde  des  Bildes  sieht 
man  die  Austheilung  des  heiligen  Abendmahles  in  beider- 
lei Gestalt.  Der  untere  Rand  desselben  zeigt  neben  der 
Jahreszahl  1566  des  Malers  Monogramm  Wi^'^). 


")  Ijiuks  und  rechts  bezieht  sich  auf  die  jetzige  AufsteUung 
im  Museum,  wo  die  von  Göding  gemalten  Aussenflügel  nach  innen 
gekehrt  sind. 

15)  Ausser  diesem  einfachen,  aus  den  beiden  Anfangsbuchstaben 
von  Vor-  u.  Nachname  gebikleteu  Monogramm  findet  sich  häufig  ein 
anderes  vor,  bei  welchem  zu  dem  H  u.  ü  noch  ein  kleines  b  tritt 
und  das  —  wohl  richtig  —  „Heinrich  Göding  Brunsuicensis"  ge- 
lesen wii'd. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Gödiiig.  295 

Die  andere  Tafel  stellt  in  iln^em  oberen  Theile  die 
Taufe  Christi  dar.  Die  lendenumgiii'tete,  sonst  nackte 
Gestalt  des  Heilandes,  der  mit  gekreuzten  Armen  im 
Jordan  steht,  ist  ziemlich  schlecht  gezeichnet.  Eechts 
von  ihm  kniet,  gleichfalls  etwas  ungeschickt,  auf  einem 
Felsblock  Johannes  in  härenem  Gewände  und  weitem 
grellrothen  Mantel.  Etwas  besser  als  das  Figürliche  ist 
hier  das  Landschaftliche  behandelt,  wenn  auch  für  unsere 
Augen  das  Grün  ein  wenig  zu  grell  erscheinen  mag. 

Im  unteren  Bilde,  das  gleichfalls  die  Jahreszahl  1566, 
doch  keine  Namenscliiffre  trägt,  sieht  man  die  Taufe 
eines  Solmes  des  Stolpner  „SchlossAvächter"  ßarthel  von 
Tolckwitz  dargestellt,  bei  welchem  August,  Anna  und 
Johann  von  Holstein,  ein  Bruder  der  letzteren,  Pathen- 
stelle  vertraten  ^*'). 

Die  zu  diesem  Altare  gehörige  Predella,  welche 
ebenfalls  von  Göding  gemalt  ist,  zeigt  auch  das  gleiche 
Monogramm  und  dieselbe  Jalu^eszahl  wie  die  erste  Tafel. 
Es  beruht  somit  die  Ansicht  von  Zehmens,  dass  die 
Jalireszahl  1554  dem  Monogramme,  welches  er  überdies 
falsch  wiedergegeben  hat,  beigeschrieben  sei,  auf  einem 
Irrthum").  Bemerkenswerth  bei  diesem  Bilde,  welches 
das  Abendmahl  des  Herrn  darstellt,  ist  der  Umstand, 
dass  der  Maler  in  der  von  Lucas  Cranach  eingeführten 
Sitte,  die  Gestalten  der  biblischen  Geschichte  dmxh  Por- 
träte seiner  Zeitgenossen  auszudrücken,  nicht  eben  ge- 
schmackvoller Weise  soweit  gegangen  ist,  dass  er  sogar 
dem  Heilande  die  Züge  semes  Kurfürsten  verliehen  hat. 

Was  den  künstlerischen  Werth  dieser  drei  auf  Holz 
gemalten  Temperabilder  anlangt,  so  muss  ich  gestehen, 
dass  ich  denselben  eine  grosse  Bedeutung  nicht  zu- 
sprechen kann.  Es  sind  anscheinend  Erstlingswerke  des 
Malers,  der,  obgleich  er  bereits  im  36.  Lebensjalu-e  stand, 
doch  hier  zum  erstenmale  selbständig  grössere  Motive 
behandelt  zu  haben  scheint.     Aus  diesem  Grunde  erklärt 


16)  Gercken  a.  a.  0.  S.  48. 

")  Derselbe  sagt  über  dieses  Bild  a.  a.  0.  S.  5  f.  wortlich: 
„An  dem  Altar  ist  viel  Kunst  und  Gold  verschwendet.  Das  untere 
Stück,  welches  das  Abendmahl  vorstellet,  ist  von  einem  sein-  be- 
rühmten Mahler  mit  Oelfarben  auf  Holz  gemahlt;  seinen  Namen  hat 
er  mit  den  Buchstaben  CH  bezeiclniet  und  die  .Jalireszahl  lö.o4  ist 
diesen  beigesetzt.  Ausser  der  Schönheit  der  (iewändcr  der  dasigen 
Personen  herrscht  übrigens  noch  sehr  viel  Ausdruck  in  den  Mienen 
des  Erlösers  sowohl  als  auch  seiner  Jünger." 


296  K-  Berling: 

sicli  denn  auch  das  Unsicliere  in  der  Komposition,  das 
häufige  Verzeichnen  im  Figürlichen  u.  a.  m.,  Fehler, 
welche  in  den  Bildern  aus  späterer  Zeit  mehr  und  mehr 
vermieden  sind.  Es  zeigt  sich  jedoch  schon  hier  eia 
charakteristisches  Merkmal  aller  seiner  biblischen  Histo- 
rienbilder: jenes  krasse  Gelb,  das  vom  Heiligenscheine 
ausgehend,  den  ganzen  Hintergrund  der  Gemälde  erfüllt, 
und  die  aus  demselben  sich  ergebende  Absicht,  durch 
Lichteffekte,  wie  sie  auch  der  jüngere  Cranach  anstrebte, 
zu  wirken.  Aber  dieser  naturalistische  Zug  der  Malerei 
war  nicht  mit  dem  hinreichenden  koloristischen  Können 
gepaart,  so  dass  das  Resultat  ein  ziemlich  klägliches  ist. 
In  der  Zeichnung  offenbart  sich  ein  gewisses  Streben 
nach  Eleganz,  welches  als  Einfluss  der  Schule  Goltzius' 
bezeichnet  werden  kann.  Freilich  entspricht  das  Wollen 
auch  hier  zunächst  nicht  dem  Können,  so  dass  es  an 
Gliederverrenkungen  und  unklaren  Verkürzungen  nicht 
fehlt.  Deutsch  ist  dagegen  das  ehrliche  Streben  nach 
individueller  Ausbildung  der  einzelnen  Gestalten,  ein  Zug 
von  Gödings  Kunst,  der  sich  bei  seiner  späteren  Viel- 
geschäftigkeit leider  mehr  und  mehr  verflüchtigt. 

Über  die  weitere  Thätigkeit  Gödings  bis  zum  Jahre 
1570  erfahren  wir  nur  im  allgemeinen,  dass  er  an  Bauten 
in  Dresden  beschäftigt  war,  und  zwar  aus  einem  vom 
Kurfürsten  an  den  Kammermeister  zu  Dresden  gerich- 
teten Briefe,  welcher  lautet^*): 

„L.  g.  Wir  liabenn  Inliegend  Heinrich  Göddeck  Mahlers  viider- 
thenigst  siipplication  gnädigst  gewilligt  Ime  an  den  310  fl.,  so  Ime 
durch  vnsere  Befehlchhaber  der  Gehende  Zu  Dresden  an  seiner  da- 
selbst verferttigten  arbeit  abgebrochen  worden,  200  fl.  zu  einer  gne- 
digstenn  nachfolge  vnd  erstattung  aus  gnadenreichen  Zulassen  be- 
willigt. Befehlen  dir  derhalben,  du  wollest  Ihme  solche  200  fl.  gegen 
einer  geburliehen  Quittantz  aus  vnser  Renth-Cammer  vberantwortten 
vnd  zustellen  etc.     d.  24.  Aug.  1569." 

Welcher  Art  nun  diese  Arbeiten  des  Malers  gewesen 
sind,  lässt  sich  nicht  mehr  mit  Sicherheit  feststellen. 
Wahrscheinlich  ist  es  jedoch,  dass  dem  Göding  ein  Theil 
der  inneren  Ausmalung  des  vom  Kurfüi^sten  in  den  Jah- 
ren 1565—67  erbauten  Kanzleihauses  übertragen  wurde; 
in  demselben  ^^)  hatte  sich  noch  bis  vor  kurzem  eine 
Decke  erhalten,  welche  die  gleiche  Technik  wie  mehrere 


18)  H.-St.-A.  Cop.  356  a  fol.  191. 
1^)  Im  Gange  des  ersten  Geschosses. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  297 

von  Göding  auf  der  Augustusburg  und  dem  Freudenstein 
ausgeführte  Decken  zeigte. 

Auf  das  eben  erwähnte  Gesuch  Gödings  um  Aus- 
zahlung der  rückständigen  Gelder  bezieht  sich  walu-- 
scheinlich  auch  ein  Vermerk,  der  sich  in  einem  anderen 
Aktenstücke  des  H.-St.-A.,  welches,  ohne  Angabe  von 
Jahreszahlen,  die  Notizen  eines  kurfürstlichen  Referenten 
enthält,  vorfindet.     Es  heisst  nämlich  in  demselben '-°): 

„Heinrich  Gotting  Maler  hittet,  das  Ime  zu  VoUbriugung  seiner 
augestelten  Hochzeit  Von  seiner  Verdinten  arbeit  an  den  400  fl. 
itzo  wo  nicht  gar,  doch  3  oder  200  fl.  gewifs  aufsgezalt  werden 
mögen." 


-'ö^ 


Diese  Sache  scheint  an  dem  betreffenden  Tage  nicht 
zum  Vortrage  gekommen  zu  sein,  denn  wenige  Seiten 
weiter"-^)  ist  dieselbe  Angelegenheit  wieder  erwähnt  mit 
den  Worten:  „Heinrich  Gottings  sach  wegen  seines  gel- 
des",  und  am  Rande  steht  der  Vermerk:  „Cammermeister 
Zu  Zustellen".  Es  stimmt  nun  freilich  die  von  Göding 
zu  fordernde  Summe  im  Befelil  an  den  Kammermeister 
nicht  mit  der  im  Vortrage  angegebenen  Summe  überein; 
es  könnte  diese  Differenz  aber  immerhin  darauf  beruhen, 
dass  in  der  letzteren  Notiz  die  ganze  Summe,  welche  der 
Maler  überhaupt  zu  fordern  hatte,  genannt  ist,  von  Avel- 
cher  Göding  aber  bereits  vor  dem  24.  August  1569,  dem 
Tage,  an  welchem  der  Kurfürst  den  Befehl  zur  Aus- 
zalüung  an  den  Kammermeister  gelangen  liess,  90  fl.  er- 
halten haben  konnte.  Auch  ist  nicht  anzunehmen,  dass 
der  Maler  in  den  nächsten  Jahren,  während  seiner  Au- 
gustusburger  Thätigkeit,  eine  derartige  Forderung  noch 
geltend  machte,  denn  in  dem  aus  dieser  Zeit  erhaltenen 
sehr  reichhaltigen  Aktenmateriale  findet  sich  hiervon 
nichts  erwähnt.  Seine  Verheiratlmng --)  muss  jedenfalls 
um  diese  Zeit  erfolgt  sein.  Aus  dieser  Ehe  stammten  — 
soweit  nachweisbar  ist  —  zwei  Söhne,  Andi^eas  und 
Heinrich,  „  welche  beide  dem  Vater  in  der  Malerkunst 
folgten.  Über  deren  künstlerische  Thätigkeit  wii'd  weiter- 
hin ausführlicher  gesprochen  werden. 


20)  H.-St.-A.  Loc.  7333  Allerhandt  Vortragen  Vol.   III  fol.  15. 

21)  a.  a.  ü.  fol.  22. 

22)  Göding  war  laut  der  bereits  erwähnten  Grabschrift  yerniiihlt 
mit  einer  Frau  Helene  (der  Vatersname  derselben  wird  niclit  ge- 
nannt), die  im  Jahre  1541  geboren  und  am  1.  September  1591  ge- 
storben ist. 


298  K.  Berling: 

Als  der  Kurfürst  August  die  Feste  Grimmenstein 
bei  Gotha  zerstört  und  damit  die  Grumbach'sclien  Hän- 
del zu  seinen  Gunsten  beendet  hatte,  beschloss  er,  gleich- 
sam als  ein  monumentales  Zeichen  seines  Sieges-*^),  auf 
dem  Schellenberge  im  Zschopauthale  an  Stelle  des  1547 
durch  den  Blitz  zerstörten  alten  Gebäudes  em  neues 
Schloss  zu  errichten,  welches  er  sich  zu  Ehren  die  Au- 
gustusburg  nannte.  Mit  der  Erbauung  desselben  beauf- 
tragte er  den  alten  Leipziger  Bürgermeister  Hieronymus 
Lotter-^). 

Am  30.  März  1568  hatte  die  feierliche  Grundstein- 
legung stattgefunden,  aber  so  eifrig  der  Baumeister  auch 
die  Arbeit  betrieb,  so  ging  doch  der  Bau  auf  der  steilen 
Höhe  nur  langsam  von  statten.  Erst  am  31.  Mai  1570 
konnte  Lotter  an  August  berichten-^),  dass  er  hoffe  zu 
Jakobi  das  Sommerhaus,  welches  er  zuerst  begonnen 
hatte,  fertig  zu  stellen,  „und",  fährt  er  in  seinem  Be- 
richte hierüber  fort,  „mangelt  mir  daran,  dals  Eur  Churf. 
G.  gnädigst  mir  den  Maler  nit  zuschickenn,  der  mir  die 
Deckenn  im  obersten  Gebenden  Sahl  und  Sahlstuben 
ferttig  machen  kundte." 

Mit  der  malerischen  Ausschmückung  dieses  Schlosses 
hatte  der  Kurfürst  nun  Heinrich  Göding  beauftragt,  des- 
sen Arbeiten  er,  wie  oben  angedeutet,  zu  verschiedenen 
Malen  kennen  und  schätzen  zu  lernen  Gelegenheit  gehabt 
hatte.  Auch  muss  er  denselben  etwa  um  diese  Zeit  zu 
seinem  Hofmaler  ernannt  haben  ^®). 

Göding  war  bereits  am  15.  Mai  1570  vom  Kurfürsten 
aufgefordert  worden,  sich  zur  Abreise  nach  der  Augustus- 


^^)  Die  dem  Grundstein  eingelegte  Schrift  enthält  u.  a.  die 
Worte :  „Da  hat  hochgebohrner  Chuifürst,  als  gewesener  Feldlierr, 
diefs  Sclilofs,  zu  einem  ewigen  Gedächtnifs  des  gemachten  Friedens, 
zu  erbauen  verordnet."  v.  Schütz,  Histor.  Beschreib,  v.  d.  Schlofs 
u.  Ampte  Augustusburg  (1710). 

-^)  Siehe  über  diesen  sowie  über  den  Schlossbau  G.  Wust- 
mann, Hieronymus  Lotter  (1875);  über  letzteren  Haenel,  Adam 
u.  Gurlitt,  Sachs.  Herrensitze  u.  Schlösser  u.  E.  Steche  a.  a.  0. 
Heft  VI. 

-•^)  H.-St-A.  Loc.  4450.  Akt.  Augustushurger  Schlossb.  belg. 
fol.  152. 

-**)  Eine  Bestallung  Gödings  Hess  sich  leider  nicht  auffinden, 
doch  nennt  August  ihn  in  einem  vom  10.  Juni  1570  datierten  Briefe 
meines  Wissens  zum  erstenmale  seinen  „hofimahler".  (Cop.  345 
fol.  361b  f.) 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  299 

bürg  bereit  zu  halten.   Es  geschah  dies  in  nachfolgendem 
Briefe-'): 

„L.  g.  Wir  begeren  vnnd  befeien  dir  hiemit,  Du  wollest 
dich  mit  allerlei  färben  vnnd  deinem  gesinde  darnach  achten  vnnd 
gefast  machen,  wan  dich  vnser  ßawmeister  auff  der  Augustusburg 
Jheronimus  Lotter  Zu  sich  vffn  Schellenberg  erfordern  vnd  1)6- 
schreiben  wirdet.  Das  du  dich  vnseumlich  vnnd  vuuorhindert  dahin 
verfliegen  vnnd  das  steinAA'erck  an  fenstern,  thuren  vnd  Caminen, 
Auch  die  thui'en  tisch  vnd  bencke  In  denn  gemachen  In  dem  erst 
angefangenen  eckhause  vermöge  vnsres  dir  zugestellten  mcmorials 
mit  den  Wapen  vber  den  thuren  auffs  lustigist  mahlen  vnnd  Zu- 
richten mögest,  das  solch  haufs  für  Jakobj  künftig  gewifs  gentzlich 
ferttig  vnnd  zu  bewohnen  sey.    Daran  etc." 

Nachdem  Göding  nun  auf  diese  Weise  vorbereitet 
war,  erhielt  er  auf  die  Bitte  Lotters,  ihm  den  Maler  zu 
schicken,  den  Befehl-^)  abzureisen,  während  August 
gleichzeitig  seinem  Baumeister  schrieb"'-'): 

„L.  g.  —  Wollen  dir  gnedigst  nicht  bergen  das  wir  vnserm 
hoffmahler  zu  Dresden  Heinrich  Göding  von  dieser  Zeit  befohlen, 
sich  auff  dein  erfordern  vnseumlich  vff  den  Schellenberg  Zuuorfuegen 
vnnd  die  Gemach  vnserem  schlifft! ichen  vertzaichnus  nach,  Dauon 
Ime  auch  ein  abschrifft  Zuogestellet,  Zu  mahlen.  Wie  er  vns  dan 
uewlich  berichten  lafsen,  das  er  sich  mit  färben  vnd  gesinde  not- 
turfttig  gefast  gemacht  vnnd  nur  deiner  erforderung  wartte.  Der- 
halben  würdest  du  Ime  wohl  zu  beschreiben  wissen  etc. 

Heidelberg  d.  10.  Juni  1570." 

So  begann  nun  Göding  Ende  Juni  1570  seine  Thätig- 
keit  auf  der  Augustusburg  mit  dem  Ausmalen  des  Som- 
merhauses. 

Lotter  hatte  zwar  dem  Kurfürsten  das  Versprechen 
gegeben,  bis  Jakobi  das  erste  Eckhaus  des  aus  vier  Pa- 
villons und  vier  Verbindungsflügeln  bestehenden  Schlosses 
fertig  zu  stellen,  jedoch  lediglich  unter  der  Voraussetzung, 
dass  die  Malerarbeiten  mit  genügenden  Kräften  in  An- 
griff genommen  imd  thunlichst  gefördert  würden.  Als 
nun  aber  Göding  nur  mit  einem  Gesellen  und  drei  Jungen 
auf  dem  Baue  eingetroifen  war,  erklärte  Lotter,  dass  es 
eine  Unmöglichkeit  sei,  unter  diesen  Umständen  sein  Ver- 
sprechen zu  halten. 

Da  riss  plötzlich  dem  Bauherrn  die  Geduld;  schon 
häufig  hatte  die  vermeintlich  zu  langsame  Förderung  des 
Schlosses  und  die  vielen  Mehrausgaben,  die  dasselbe  ver- 
schlang,  seinen  Unwillen   erregt,   bis   nun  endlich  diese 


")  H.-St.-A.  Cop.  356^^  fol.  313. 

28)  Ebenda  Cop.  356  a  fol.  302»'  v.  11.  Juni  1570. 

20)  Ebenda  Cop.  345  fol.  361  ^  f. 


300  K.  Berliug: 

abermalige,  diesmal  imscliiüdigerweise  durch  Göding  her- 
beigeführte Verzögerung  den  ersten  direkten  Anstoss  zum 
Bruche  zwischen  ihm  und  seinem  alten  Baumeister  gab. 
August  forderte  nun  einen  genauen  Anschlag  über  das, 
was  der  Bau  noch  kosten  würde,  bewilligte  zur  Vollen- 
dung des  Sommerhauses  die  völlig  ungenügende  Summe 
von  4114  Gulden,  verlangte  aber  die  Fertigstellung 
desselben  bis  Martini,  die  der  übrigen  Eckhäuser  bis 
Michaelis  ^«). 

Göding  scheint  sich  dem  in  Ungnade  befindlichen 
Lotter  gegenüber  sehr  vorsichtig  benommen  zu  haben; 
wenigstens  hat  er,  wie  aus  den  Akten  hervorgeht,  wieder- 
holt, ohne  Wissen  des  ihm  übergeordneten  Baumeisters, 
direkt  an  den  Kurfürsten  Gesuche  gerichtet.  So  bewil- 
ligte ihm  letzterer  am  8.  August  1570  auf  seine  Bitte 
hin  einen  wöchentlichen  Lohn  von  4  Gulden  und  ausser- 
dem für  Fertigung  eines  jeden  Gemaches  eine  besondere 
Vergütung  von  1  Gulden"^).  Ein  anderes  Gesuch-^'-)  vom 
Dezember  1571  wird  allerdings  abschlägig  beschieden, 
indessen  der  Maler  mit  emer  nach  Vollendung  seiner  Ar- 
beiten verheissenen  „Begnadung"  vertröstet. 

Selbst  die  Unterordnung  unter  den  Baumeister  scheint 
er  nicht  immer  anerkannt  zu  haben,  denn  in  einem  Be- 
richte vom  24.  Sept.  1571  schreibt  Lotter  an  den  Kur- 
fürsten*^^): 

„So  wirdt  Meister  Heinrich  dem  Maliler^^)  auch  Zu  befehlen 
sein,  Was  er  weitter  mahlen  sol,  dan  sie^^)  woUenn  vieleicht  nit, 
das  ich  ihnen  etwas  zu  befehlen  habe." 

Immerhin  muss  aber  Göding  recht  fleissig  gearbeitet 
haben,  so  dass  der  Kammersekretär  Hans  Jenitz,  den 
August  auf  den  Bau  geschickt  hatte,  um  genauen  Ein- 
blick über  den  Stand  desselben  zu  erhalten,  am  17.  Aug. 
1570  über  die  Thätigkeit  des  Malers  berichten  ^'')  konnte, 
dass  im  Sommerhause  nur  noch  der  Saal  und  zAvei  „Ge- 
mäclüein"  im  2.  Geschoss   zu   malen   übrig   wären.     Er 


30)  Wust  mann  a.  a.  0.  S.  58. 

31)  H.-St.-A.  Cop.  356a  fol.  336 1>. 


32)  Ebenda  Cop.  367  fol.  175  b. 

33)  Ebenda  Loc.  4450  fol.  255. 
3^)  So  wird  Göding-  häufig  in  den  Akten  genannt. 

3^)  Ausser  Göding  war  noch  der  Bergwerksverwalter  Planer 
gemeint,  der  die  Oberleitung  über  die  Brunnenarbeiten  auf  der 
Augustusbiu'g  hatte. 

36)  H.-St.-A.  Loc.  4450  fol.  162. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  301 

g-laubte  zwar,  dass  Göding  auf  das  Anmalen  der  Tische 
zuviel  Mühe  verwende,  weshalb  er  angeordnet  habe,  dass 
er  diese  Arbeit  vorläufig-  unterbrechen  und  mit  dem  Aus- 
malen der  Zimmer  forttkhi-en  möge. 

Dem  Kurfürsten  genügten  jedoch  bei  seiner  Furcht, 
von  Lotter  übervortheilt  zu  werden,  die  günstigen  Be- 
richte seines  Kammersekretärs  nicht,  vielleicht  mochte  er 
denselben,  weil  er  ein  Schw^ager  des  Baumeisters  war, 
nicht  für  unbeeinflusst  halten,  jedenfalls  verlangte  er  auch 
von  Göding  eine  ausführliche  schriftliche  Mittheilung  über 
den  Schlossbau,  besonders  aber  über  seine  eigene  Thätig- 
keit  auf  der  Augustusburg,  die  ich,  weil  sie  nach  vielen 
Seiten  hin  recht  interessant  ist,  liier  im  Wortlaut  folgen 
lasse  •") : 

„Heinrich  Mahlers  hericht  den  Baw  vnd  seine  arbeitt 
vff  der  Augustusburg  belangend. 

Auf  Ewer  begereu  fuge  ich  euch  gutwillig  Zu  wiefsenn,  das 
ich  mit  meinem  gesinde  keine  Zeit  vnnutzlich  vorlaufen  lasse,  wie 
wohl  mir  Neulichs  gesellen  gewandert  sein,  dennoch  halje  ich  mit 
den  Vbrigenn  so  angehalttenn,  das  wir  mit  diesem  Hause-'*)  halt 
auf  das  Letzte  kommen  seinu.  Dan  die  gemach,  so  gewelbet  seinn, 
sein  lengest  vorferttiget  samljt  denn  fursählen,  auch  alle  thuren  auf 
eingeleget  holtzartt,  sampt  allenn  tischenn  vndt  benckenn,  habe  auch 
bereit  eine  decke  von  12  feldernn  verferttiget,  so  vor  dem  tantzsahle 
vber  denn  treppenn  ist  auf  geschlagenn,  gar  vorferttiget,  auch  noch 
eine  decke  auf  dem  Tanz  Sahle,  hat  16  fehler,  ist  auch  gar  verdich 
gemacht,  Welche  die  tische  [r]  Itzo  auf  schlagen  sol[len],  auch  balde  der 
friese  dartzu  gemachtt  vnd  mit  gedretten  Puckelnn  gezihret  werden, 
Welche  Puckelnn  auch  schonn  ferttig  seinn.  Die  dritte  decke,  so 
kegen  dem  walde  hiuaufs  gehet,  haben  wir  auch  angefangen  arbeitten, 
Vn  mer  daher.  In  der  sahl  Stubenn  ist  die  perspectivische  decke 
auch  halb  ferttigk,  ist  auch  schon  aufgeschlagenn  vndt  ausgebessert, 
die  Andere  helffjte  mahle  ich  Jetzo.  Diese  drey  deckenn  vorhoffe  ich 
mit  gottlicher  Hulffe  Innerhalb  14  tagenn  zu  uoi'ferttigenn.  Darnach 
ist  noch  eine  decke,  so  kegen  dem  Hofe  aufsgehet,  sol  auch  mit  den 
andern  ahngefangen  werden.  Zum  letzten  den  thorm,  so  hat  sollen 
mit  brettem  Vnder  dem  dache  gewelbet  werdenn.  Weil  Aber  solch 
gewelbe  von  Holtz  an  die  sparren  hat  müssen  genagelt  werden  Im 
thorm  vndt  ein  langkweiligei-  arbeit,  So  hat  man  auch  gar  nicht 
Zum  dache  kommeii  können,  so  was  dran  Zubrochcn  wehre,  _  das 
auszubessern  wehre,  Welches  ich  dem  Heirn  baumeistcr  vndt  meistcr 
erhart  gezeiget  habe,  habe  in  auch  meinem  einfelttigen  Kath  be- 
riclitet,  das  man  ein  geralide  decke,  vor  solch  locli  sdilusse  vndt 
perspectivisch  gemahlt,  wie  man  sonst  hindurch  Sehge,  den  es  eine 
grose  hohe  hat,  vndt  mit  brettern  vorleget,  Das  man  darauf  gehen 
kondt  vnd  Zum    dach    sehenn.     Solcher  Vorschlagk   hat   dem  Hern 


")  H.-St.-A.  Loc.  4450  fol.  176  f. 
^*')  Das  Somijierhaus. 


302  K.  Berling: 

Baumeister  fast  wohl  gefallen  vndt  meister  Erhart  vndt  habens  be- 
schlossen nach  meinem  gut  dunckenn  Zu  niachenn.  An  welcher 
decke  ich  den  eine  fast  grolse  Arbeit  haben  werde,  den  sie  fast 
gros  ist,  mufs  auch  das  furnemste  allein  dran  mahlen,  doch  mus  sie 
mich  auch  nicht  gefangen  nehmen.  Mit  diesem  wirdt  das  haufs  gar 
ferttigk.  Alle  steinerne  genge  aul'serhalbenn  am  hause  mit  den 
SuUenn  vndt  simfsen  sein  auch  lengest  fertig.  Was  das  haufs  an 
der  linden  anlanget  ist  gahr  aufgebauet,  auch  aufswendich  gar  aufs 
bereit  Sampt  dem  vndern  geschosse  an  der  Erdemi  geweist  vndt  die 
bohdem  geleget,  auch  die  gegitter  alle  eisen  färb  angestrichenn.  Es 
ist  auch  mit  Ziegel  lengst  behenget.  Jetzo  decket  maus  ein.  Nach 
meinem  beduncken  sol  es  fast  ferttigk  werdenn  auf  Michaelifs.  Das 
Kuchen  haufs  ist  auch  fast  aufgemauert,  man  kondt  wohl  kochen 
drin  erhalten,  den  das  vnder  geschofs  an  der  Erdenn  ist  auch  gar 
aufs  bereit  vndt  geweiset,  auch  die  thuren  gehangen  vndt  vorschlos- 
sen,  man  hat  auch  Schon  angefangen  das  gesper  di-auff  zu  setzen. 
Wir  habenn  gott  lob  14  tage  gar  gut  wetter  gehabtt.  Solches  habe 
ich  euch  gutwillig  nicht  wollen  vorhalten;  den  mir  Zweifelt  nicht  ir 
werdet  offte  hierauf  gedenckenn,  vndt  vns  gut  gewitter,  gluck  vndt 
Alles  gutes  wünschen  Zu  beforderung  des  ganzen  gebendes,  darmit 
wir  mochten  kegenn  vnser  gnest.  vndt  Chur.  desto  besser  bestehenn, 
Wie  wir  dan  Trostlichen  vorhoffenn.  Ich  habe  vor  mich  nich  viel 
gefeyert  mit  meinenn  gehulfenn,  wie  ir  dan  wohl  erachten  könnet, 
dan  wir  noch  nicht  12  wochen  alhier  sein  gewesen  vnndt  haben 
balde  23  gemach  vorferttiget  mit  gemeide  vnndt  22  tische  vonn  ohi 
färben  gemahlet  sampt  einer  grofsen  menge  benckelein,  vndt  fehlet 
noch  an  meinem  fleifsigen  ahnhaltten  nicht.  Vorhoff  es  wirdt  mir 
der  Herr  Baumeister  vber  solches  ein  guth  Zeugnus  gebenn,  wie  er 
dan  selber  bekandt,  dan  arbeitten  ist  aller  vnser  beste  Kurtzweil  die 
wir  In  dieser  ein[ü]den  haben  konnten.  Es  hat  auch  der  Baumeister 
fast  gentzlich  beschlossenn,  wir  solten  den  wintter  hier  bleibenn, 
vndt  Nach  der  vorferttigung  dieses  hauses,  das  andere  an  der  linden 
ahngefangeun.  Er  wil  uns  verlohrenn  ofenn  lassenn  In  die  gemacher 
setzenn.  Dartzu  krieget  das  haufs  viel  deckenn  die  man  alle  den 
wintter  konde  mahlen,  auch  die  tische  vnndt  bencke  auch  Zur  noth 
drein  gemachett;  doch  habe  ich  gentzlich  nicht  drein  willigen  können. 
Den  es  fast  eilendt  wurde  sein,  ist  auch  schwer  alhir  essenn  Zu  be- 
kommen, man  mufste  ■^tis  lichte  geben  des  abents.  Ich  habe  auch 
solches  mit  den  2  meistern  geredt.  So  von  Dresden  seinn.  Ob  sie 
auch  wolten  bleibenn,  haben  schon  gewilliget,  auch  meine  gesellen 
wollen  auch  mir  Zu  gefallen  bleiben,  vndt  so  es  mein  gnedigst.  Herr 
habenn  wolte,  mulste  es  geschehenn.  Welches  der  Baumeister  wirdt 
erkundenn,  Ich  hab  mich  auch  halb  darein  ergeben.  Dan  ich  be- 
sorge, so  ich  mich  zu  Dresden  sol  einrichtenn,  mufste  ich  wieder 
herauffer,  welches  mir  dann  fast  schadet  an  meyner  Nahrung.  Ich 
wunsclie  gar  offte  das  es  mochte  ferttigk  sein  schonn  vndt  so  es  sein 
muste,  musten  wir  mit  gewalt  dran  setzen;  was  wir  heuer  machen, 
dorffen  wir  Zum  Jar  nicht  machen.  Dan  ich  gerne  daheim  sein  vndt 
bleiben  mochte,  Vorschlag  auch  viel  gutter  arbeit  drüber.  Solches 
habe  ich  euch  nicht  mögen  vorhalttenn,  Ich  vorhoffe  In  kurtz  Zu 
Dresden  sein,  will  Ich  euch  allen  bericht  Zahlen. 

Augustusburg  d.  18.  Sept.  [1570]." 

Es  vermochte  indessen  auch  dieser  ausführliche  Be- 
richt  den  Kurfürsten   nicht   günstiger  gegen  Lotter  zu 


Hofmaler  und  Kupfersteclier  Heinrich  Göding.  303 

stimmen,  die  Spannung  zwischen  Bauherrn  und  Bau- 
meister erweiterte  sich  im  Gegentheil  mehi'  und  mehr. 
So  eifrig  Lotter  auch  die  Arbeiten  am  Baue  betrieb,  so 
sehr  er  sich  einschränkte,  Löhne  verkürzte,  die  Ställe, 
die  in  Stein  geplant  waren,  in  Lehm  ausführen  Hess 
u.  a.  m,  —  die  ihm  bewilligten  Gelder  wollten  nicht 
reichen.  Im  Ganzen  hatte  August  ihm  noch  25000  Gul- 
den zugesichert,  jedoch  gefordert,  dass  hiermit  —  was 
Lotter  nicht  für  möglich  gehalten  hatte  —  auch  die 
rückständigen  Löhne  und  Auslagen  der  Maler  bezahlt 
werden  sollten.  Doch  so  sehr  er  auch  den  Kurfürsten 
bat,  ihm  wenigstens  die  1762  Gulden,  welche  er  aus 
seiner  eigenen  Tasche  für  die  Maler-  und  Brunnenarbeiten 
ausgelegt  hatte,  zurückzuerstatten,  der  Bauherr  blieb  bei 
seinem  einmal  gefassten  Beschlüsse  bestehen.  Selbst  bei 
der  Kurfürstin  Anna,  die  Anfang  Oktober  1571  den 
Schlossbau  in  xlugenschein  nahm,  vermochte  Lotter  so 
gut  wie  nichts  zu  erreichen.  Als  dann  Ende  desselben 
Monats  August  selbst  auf  die  Augustusburg  kam,  vollzog 
sich  der  vollständige  Bruch.  Lotter  wurde  seines  Amtes 
entsetzt  und  der  „welsche  Graf",  Eochus  Quirmus  von 
Linar,  an  seiner  Stelle  zum  Baumeister  des  Sclilosses 
ernannt  ■'^). 

Dass  Göding  unter  diesen  Differenzen  recht  häufig 
pekuniär  zu  leiden  hatte,  ist  wohl  erklärlich,  denn  Lotter, 
der  ihn  zu  bezahlen  angewiesen  war,  hatte  hierzu  nicht 
die  genügenden  Mittel.  Doch  scheint  letzterer  alles,  w^as 
in  seinen  Kräften  stand,  gethan,  endlich  aber  selbst  dem 
Maler  gerathen  zu  haben,  er  solle  beim  Kurfürsten  um 
einen  besonderen  Befehl  einkommen,  da  er  (Lotter)  seine 
Baureclmungen  bereits  (14.  Dez.  1571)  geschlossen  habe  ■*"). 
Nichtsdestoweniger  hatte  er  aber  demselben  noch  in  der 
letzten  Zeit,  wie  aus  einem  an  die  Kurfürstin  gerichteten 
Briefe  ^ ^)  Lotters  hervorgeht,  auf  sein  anhaltendes  Bitten 
hin  etliche  Farben  gekauft  und  Geld  gegen  Quittungen 
verabfolgt.  Als  Antwort  auf  das  von  Göding  auch  wirk- 
lich eingereichte  Gesuch  schrieb  August  am  15.  Januar 
1572  an  Lotter*-): 


^'>)  Ausführlicher  behandelt  diese  An{>:elegenheit  Wustmann. 
Über  Linar  siehe  auch  C.  Gurlitt,  Der  Bau  d.  Freiberger  Sclilosses 
Freudenstein,  in  d.  Slittli,  d.  Freib.  AUertliunisvereins  XV,  1417  flg. 

•'»)  u.  '1)  H.-St.-A.  Loc.  4450  lol.  277''. 

*■)  Ebenda  Cop.  367  fol.  184. 


304  K.  Berling: 

„L.  g.  Was  Heinrich  Goding  Mahler  seines  hinderstelligen 
Wochenlohns  Vnd  etzlichen  aufsgelegten  geldes  halber  vor  färben 
A'nd  gold  an  vns  vnderthenigst  Suppliciret  vnd  bittet,  findest  du  In- 
uorschlosseu  Zuuornehmeun.  Darauff  begeren  wir  vnd  befehleun  dir 
hiermit,  du  wollest  Ihnie  dasselbe  hinderstellige  geldt  bifs  vff  die 
Zeitt,  als  wir  Jungst  auff  der  Augustusburgk  gewesen,  Zustellen  vnd 
entrichten  vnd  dasselbe  gleich  wie  Zuuorn  In  deine  Rechnung 
bringen.    Daran  etc." 

Gleichzeitig  aber  befalil  der  Kurfürst  dem  Schösser 
auf  der  Augustushurg,  die  ferneren  Geldauszahlungen  an 
Göding  zu  übernehmen^-'). 

Die  erwähnte  Petition  Gödings  scheint  mehi^  eine 
gegen  Lotter  gerichtete  Anklageschrift  gewesen  zu  sein, 
auf  welche  letzterer,  als  er  bereits  seines  Amtes  entsetzt 
war,  von  Leipzig  aus  wie  folgt  sich  zu  rechtfertigen 
sucht  ^^) : 

„Das  ich  Heinrich  Gotting  Mahler  seines  hinderstelligen  Wochen- 
lohns vimdt  etzsliches  Aufsgelegten  geldefs.  So  man  Ihm  Zimor  vnndt 
bifs  auff  die  Zeit,  alfs  euer  Churfurstlich  Gnaden  Jungst  auff  der 
Augustusburgk  gewest,  schuldig  gebliebenn,  Bezahlenn  vndt  end- 
richten solle,  defs  hab  Euer  Churf.  G.  befhel  ich  in  vnderthenigkeit 
sambt  eingeschlofsenner  Klagschrifft  empfangeun,  darinue  er  anzeiget, 
Ich  hette  ihn  ein  Zeitt  langk  mit  seinenn  gehulffenn  ihres  ver- 
dienten Wocheulohnes  vnnd  aufsgelegten  geldes  auffgehalten.  Solcher 
Klage  hett  ich  mich  Zu  ihme  nit  versehenn,  Vnnd  kann  Euer  Chur- 
furstlichen  G.  hinwieder  Inn  Vndertheuigkeitt  nit  verhaltenn,  das 
ich  bemeltenn  Heinrich  Gotting  Zu  mehr  alfs  einem  mahl,  alfs  Euer 
Chiufiu'stlich  G.  nechst  im  Monatt  October  auff  der  Augustusburgk 
gewest,  gebetten,  das  er  des  vierdenn  Hauses  halbenn  Zumahlenn 
vmb  einen  Befhel  vnderthenigst  ansuchen  wolte,  Vnndt  da  ich  den 
bekehme,  So  sollt  er  on  geltt  nit  gelafsen  werdenn.  Er  hatt  mir 
aber  keinen  andern  bescheidt  gebrachtt,  dan  wer  Zuuor  geltt  aufs- 
gebenn  hett,  der  soltt  es  noch  thun,  defs  hab  ich  bedencken  gehabt. 
Noch  habe  ich  aufserhalb  beuehls  Im  volgendenn  Monatt  December 
vff'  sein  Bittlich  anhaltten  Noch  funff  vnndt  Siebenzigk  gülden  funff- 
zehen  groschenn  auff  seine  quittanzen  geliehen  vndt  fm-gestracktt,  das 
ist  viel  mehr,  alfs  er  wil  aufsgelegt  habenn,  solch  geltt  ist  er  noch 
zu  berechnen  schuldigk.  d.  19.  Jan.  1572." 

Ob  Göding  nun  wirklich  undankbar  gegen  Lotter 
handelte  und  ihn  ungerechterweise  anklagte,  oder  ob  er 
vielmehr,  des  ewigen  Betteins  um  Lohn  müde,  nur  seine 
Geldangelegenheiten  ein  für  allemal  beim  Kurfürsten  zum 
Abschluss  brmgen  wollte,  lässt  sich  kaum  mehr  entschei- 
den. Das  wenigstens  scheint  er  erreicht  zu  haben,  dass 
unter  der  nun  folgenden  Oberleitung  Linars  derartige 
Gesuche  nicht  mehr  nöthig  waren. 


")  Ebenda  Cop.  367  fol.  184. 
«)  Ebenda  Loc.  4450  fol.  287. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Gödiug-.  305 

Göding  war  iiuu  noch  bis  zum  November  1572  auf 
der  Augustusburg  tliätig.  Er  berichtete  daim  dem  Kur- 
fürsten, dass  er  mit  den  Arbeiten  am  Schlosse  fertig  sei, 
worauf  er  von  demselben  folgendes  Abberufungsschreiben  ^■'') 
erhielt : 

„L.  g.  "Wir  haben  dein  schreiben  vorlesen  vnd  daraus  gnedigst 
vornomraen,  das  du  mit  deiner  ar])eit  aiü'  der  Augustusburgk  so  weit 
fertig,  vnd  ist  vnser  begeren,  du  wollest  dich  aufs  förderlichste  Zw 
vns  gegen  Sitzenroda  vorfugen,  So  wollen  wir  a'us  mit  dir  ferner 
vnderreden  vnd  dir  befehlen,  was  du  for  arbeit  diesen  winter  vber 
Zw  Dresden  machen  sollest,  vnd  magst  indes  dein  gesiude  nach 
Dresden  abschicken,  du  darfst  dich  aber  mit  vnnottigen  gesellen  oder 
Jungen  nicht  belegen,  wolten  wir  dir  zur  antwort  nicht  vorhalten. 

Grimma  d.  19.  Kovb.  1572." 

Die  Thätigkeit  Gödmgs  auf  der  Augustusburg  ist 
so  gut  wie  gänzlich  verschwunden,  Avas  Schuchardt  ^*^) 
mit  Recht  besonders  der  wenig  dauerhaften  Technik"*^) 
zuschreibt  —  nur  spärliche  Reste  sind  im  Hasenhause 
zu  sehen.  Daher  kommt  es  wohl  auch,  dass  mehrfach 
nur  die  Malereien  in  diesem  Gebäude  ihm  zugeschrieben 
worden  sind.  Dass  aber  von  Gödings  eigener  Hand  oder 
unter  seiner  Oberleitung  sämmtliche  vier  Eckhäuser  aus- 
gemalt sind'^),  geht  aus  dem  oben  angezogenen  Akten- 
materiale  deutlich  hervor. 

Mau  ist  also,  will  man  sich  ein  Bild  machen  von 
dem,  was  der  Künstler  hier  einst  geschaffen,  lediglich 
auf  die  zufälligen  Notizen  in  den  verschiedenen  Berichten 
aus  dieser  Zeit  und  auf  die  Angaben  einiger  alter  Chro- 
nisten angewiesen. 

Zunächst  möge  hier  erwähnt  sein,  dass  Göding  auch 
die  mehr  handwerksmässigen  Arbeiten  seiner  Kunst  aus- 
zuführen nicht  verschmähte,  denn  sämmtliche  Tische  und 
Bänke,  eiserne  Gitter  u.  s.  w... wurden  unter  seiner  Lei- 
tung oder  von  ihm  selbst  mit  Ölfarben  gestrichen.  Diese 
Art  Arbeiten  hat  er  sogar  nicht  für  etwas  Nebensäch- 
liches gehalten,  sondern  dieselben  mit  grossem  Eifer  aus- 
geführt, wie  man  aus  dem  oben'*')  angefülu^ten  Berichte 
des  Kammersekretärs  Jenitz  ersieht,   nach  dessen  Mei- 


«)  Ebenda  Cop.  367  fol.  328''. 
■1«)  a.  a.  0.  S.  97. 

'*■')  Die  Arbeiten  waren  auf  trocknen  Kalkgi-und  gemalt. 
*^)  In  der  Schlosskirche  waren  Lucas  Cranach  der  .Jüngere  und 
Hans  Schröer  als  Maler  thätig. 
«)  S.  300. 

Neues  Archiv  ]'.  S.  U.  u.  A.     Vlll.  3.  i.  20 


306  K.  Beding- : 

nung  der  Maler  zu  viel  Mühe  und  Zeit  auf  das  Anmalen 
der  Tische  verwandte. 

In  dem  zuerst  begonnenen  Sommerhause  waren,  ob- 
wohl der  Kurfürst  selbst  dem  Göding  ein  genaues  Ver- 
zeichnis über  seine  Arbeiten  vorgeschrieben  hatte,  die 
Malereien  von  der  einfachsten  Art.  Thür-  und  Fenster- 
einfassungen sowie  die  Kamine  waren  marmorartig  an- 
gestrichen, während  die  Thüren  selbst  „auf  eingeleget 
holtz  artt"  behandelt,  über  denselben  aber  sächsische  und 
dänische  Wappen  angebracht  waren.  Die  Deckenmale- 
reien scheinen  sich  hier  meist,  wie  bei  den  Thüren,  auf 
Holzimitationen  besclu'änkt  zu  haben  •^**).  Die  neben  dem 
Saale  gelegene  Saalstube  erhielt  jedoch  eine  perspek- 
tivisch gemalte  Decke,  über  deren  Ausführung  Lotter  in 
einem  vom  3.  Juli  1570  datierten  Briefe  wie  folgt  an  den 
Kurfürsten  berichtet  ^^): 

„Vnndt  ich  lasse  lim  die  Sahl  Stubenn  Vnndt  ai;if  dem  Sabl 
mit  Latteiiii  Vierung  maclienn,  die  werdenn  glatt  mit  Leynwadt 
vberzogemi,  vnnd  ahn  ein  ander  gebessertt,  das  es  Im  ansehenn 
keine  Vnterscheydt  gewinnet,  dann  es  Avirdt  gar  ganzs.  Darauff 
sollen  Runden,  vnndt  mitten  dorein  nichts  als  Himmel  Vnndt  was 
himlische  ding  sein  gemahltt  werdenn,  Welches  gewaltig  stehen 
vnndt  ein  grofs  ansehenn  gewinnet"^-)." 

Eine  ähnliche  Behandlung  erfuhr  die  Decke  im 
Thurme,  die  als  Gewölbe  geplant  war,  aber  auf  Vor- 
schlag des  Malers,  aus  praktischen  Gründen,  flach  her- 
gestellt wurde;  sie  zeigte  gleichfalls  den  Himmel  in  per- 
spektivischer Darstellung,  eine  Arbeit,  der  sich  Göding 
mit  grosser  Liebe  im  wesentlichen  allein  unterzog. 

Das  Lindenhaus,  welches  die  kurfürstlichen  Wohn- 
zimmer enthielt,  scheint  malerisch  viel  reicher  behandelt 
zu  sein.  In  den  im  Erdgeschosse  gelegenen  Gemächern 
des  Kurfürsten  mid  der  Kurfürstin  waren  Heldenthaten 
des  Herzogs  Moritz  in  Verbindung  mit  Episoden  aus  dem 
Alterthume  dargestellt.  Im  zweiten  Geschosse,  wo  sich 
die  Zimmer  des  Kurprinzen  befanden,   unter   denen   die 

^)  Wahrscheinlich  sind  auch  hier  Decken  zur  Anwendung  ge- 
kommen, bei  denen  der  aus  Holz  hergestellte  Grund  mit  bemalten 
„papiernen  flasern"  belegt  wurde,  welche  bezwecken  sollten,  auf  diese 
Weise  eine  reiche  Holztäfelung  zu  imitieren.  Über  diese  Technik 
vergl.  C.  Gurlitt   a.  a.  O.  1408. 

^0  H.-St.-A.  Loc.  4450  fol.  155. 

^-)  Der  Saal  selbst  erhielt  eine  aus  16  Feldern  bestehende,  mit 
gedrehten  Knöpfen  verzierte  Holzdecke  (siehe  den  S.  301  f.  abge- 
druckten Bericht  Gödings). 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  307 

Gemsen-,  Affen-,  Turteltauben-  und  Zeisigstube  erwähnt 
werden,  haben  sich  die  Malereien  wohl  auf  diese  Benen- 
nungen bezogen  •'^^).  Von  dem  im  dritten  Geschosse  ge- 
legenen „Vogel-"  oder  „Kaisersaal"  wird  berichtet'"'*),  dass 
Göding  hier  „die  Wappen  des  ganzen  Haulses  Sachfsen 
in  die  deckenn  gemahlet  vnndt  gebracht"  habe. 

Im  „Küchenhause"  war  der  im  dritten  Geschosse 
befindliche  Speisesaal  mit  Wand-  und  Deckengemälden 
besonders  reich  versehen,  welche  in  der  derb  -  komischen 
Weise  der  damaligen  Zeit  gegen  Unmässigkeit  und  Völ- 
lerei predigen  sollten. 

Die  Ausschmückung  des  Hasenhauses,  welches  nach 
den  von  Göding  geschaffenen  Malereien  seinen  Namen 
führt,  erfolgte  auch  nach  einer  genauen  Vorschrift  des 
Kurfürsten,  wie  aus  einem  an  den  Maler  gerichteten, 
vom  24.  Dezember  1571  datierten  Briefe  hervorgeht,  in 
welchem  es  folgendermassen  heisst  ■^■'') : 

„—  Wir  liaben  auch  Zu  Zierung  des  vierdten  Hasenhauses 
auif  etzliche  Iniiention  gedacht,  die  darein  zu  mahlen  sein  mochten, 
Welche  wir  dir  hiebej  verZaichent  vberschickenn  vnnd  hegeren  du 
wollest  denselben  ferner  nachdencken  vnnd  die  so  viell  dir  muglich 
verbessern  vnd  vifs  artlichst  vnd  musterlichste  Im  gemeide  zu  werck 
bringen." 

Es  waren  m  diesem  ganzen  Gebäude,  an  den  Decken, 
den  Wänden,  über  den  Thüren,  kurz  überall,  wo  es  nur 
möglich  war,  Hasen  angebracht,  welche  menschliche  Ver- 
richtungen nachahmten,  wobei  natürlich  dem  Spiele  der 
Phantasie  und  des  Witzes  ein  weites  Feld  geöffnet  war ; 
es  lässt  sich  jedoch  schwerlich  noch  feststellen,  was  wir 
davon  auf  Rechnung  der  Vorschrüt,  was  auf  die  des 
Malers  zu  setzen  haben.  Die  Hasen  halten  Reichstag, 
ziehen  gegen  ihre  Feinde,  die  Jäger  und  Hunde,  zu  Felde 
und  besiegen  sie ;  dann  feiern  sie  Friedensfeste,  Hochzeit, 
Turniere,  Tanz  u.  s.  w^,  werden  aber  endlich  wieder  von 
den  Jägern  besiegt,  getötet  und  —  gebraten-^*'). 


55)  Vergl.  R.  Steche  a.  a.  0.  VI,  37  flg. 

54)  H.-St.-A.  Loc.  4450  fol.  240. 

55)  H.-St.-A.  Cop.  367  fol.  175''. 

5")  Yergi.  R.  Steche  a.  a.  O.  S.  40,  wo  ancli  zwei  dieser 
Bilder  nacli  im  Freiberger  Alterthiims- Museum  belindlii'beii  Zeich- 
nungen reproduziert  sind  —  Ich  habe  geglaubt  auf  cim;  ciiigcben- 
dere  Beschreibung  dessen,  was  die  Malereien  einst  dargestellt  haben, 
verzichten  zu  müssen,  da  dies  vor  kurzem  von  dem  Herrn  Pastor 
Freyer  in  ausführlicher  Weise  in  dieser  Zeitschrift  (VIT,  297  flg.) 
geschehen  ist. 

20* 


308  K.  Berling: 

Die  malerische  Tliätigkeit  auf  der  Aiigustusburg  er- 
füllte jedoch  nicht  allein  iliren  Schöpfer  mit  Stolz,  son- 
dern befriedigte  auch  den  Km^fürsten  August  in  hohem 
Grade,  so  dass  die  lang  verheissene  „Begnadung"  sehr 
günstig  für  Göding  ausfiel.  Die  liierüber  ausgefertigte 
Verfügung  lautet  wörtlich"): 

„Von  Gottes  gnaden  Wir  Ai;gustus  Herzog  Zu  Sachfsen  etc. 
Churfurst  Vor  uns  unsere  Erben  vnd  Nachkommen  vnnd  sonst  gegen 
menniglicli  Thun  kuudt  vnd  ])ekennen,  Das  wir  vnserm  Hofmahler 
vnd  lieben  getreuen  Heinrichen  Godiggen  von  Braunschweig  vnd 
seinen  Erben  aufs  sondern  gnaden  vnd  wegen  seiner  treuen  vleifsigen 
dinst,  so  er  vns  sonderlich  Zu  Zirung  etzliche  vnser  Schlofsgebeude 
und  Heuser  bifshero  geleistet  auch  noch  kuufltig  leisten  sol  und  wil, 
von  dato  an  auf  Zwanzig  Jar  lang  Zwei  tausent  gülden  gnaden  gelt 
gnedigst  bewilligt  und  dergestalt  vorschrieben  haben,  das  Ime  die- 
selben Jehrlichen  mit  100  11.  münz  aufs  vnser  Renth-Cammer  abgelegt 
Vnd  diesen  Izigeu  Leipzischen  Neuen  Jars  marckt  damit  angefangen, 
vnd  hernacher  alzeit  auf  Weihnachten,  Infs  er  oder  seine  Erben  sol- 
cher heubtsumma  gentzlichen  vorgnuget,  mit  hundert  fl.  Jahrlich 
nachgeuolget  werden  soll  — .  Dogegen  aber  hat  er  sich  vnder- 
thenigst  vorpflichtet  vnd  Zugesagt  vns  mit  der  arbeit,  so  wir  Im 
künfftig  vordingen  werden,  nicht  zu  vbersetzen.  Beuhelen  der- 
wegen  etc.  Torgau  d.  1.  Jan.  1573." 

Wie  bereits  erwähnt,  Hess  sich  der  Kurfürst  seinen 
Hofmaler  nach  Beendigung  der  Augustusburger  Arbeiten 
nach  seinem  Schlosse  Sitzenroda  kommen,  um  demselben 
neue  Aufträge  zu  ertheilen.  Welcher  Art  nun  diese 
Aufträge  waren,  lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  mehr 
feststellen,  wahrscheinlich  jedoch  hat  Göding  schon  von 
dieser  Zeit  an  damit  beginnen  müssen,  eine  grosse  An- 
zahl von  Thierköpfen  mit  den  dazu  gehörigen  Schildern, 
die  der  Hoftischler  Georg  Fleischer  schnitzte,  anzumalen, 
wie  sie  der  Kurfürst  vielfach  zur  Innendekoration  seiner 
Schlösser,  ganz  besonders  aber  der  Augustusburg,  ver- 
wandte. So  berichtet  der  mehrfach  erwälmte  v.  Schütz 
in  seiner  Augustusburger  Clu^onik'^): 

„Die  Stuben  und  Kammern  sind  hin  und  wieder  mit  mancher- 
ley  geschnitzten  Thierköpfen,  so  mit  Geweihen  versehen  sind,  aus- 
gezieret,  davon  der  gröfste  Theil  1632  bey  dem  Einfall  der  kayser- 
lichen  Kroaten,  Avelche  das  Schlols  geplündert,  theils  verbrannt 
Avorden,  theils  sonst  verlohren  gegangen." 

Eine  Anzahl  derselben  ist  jedoch  nach  der  Albrechts- 
burg zu  Meissen  und  von  dort  nach  Moritzbui'g  überführt 


")  H.-St.-A.  Oop.  223  fol.  19. 

^*)  a.  a.  O.  S.  21.  v.  Schütz  sah  die  Augustusburg  bereits 
in  ihrem  Verfalle ;  vergl.  auch  H.-St.-A.  Loc.  32445,  Inventar  d.  Au- 
gustusburg A^on  1612. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Gödiug.  309 

worden,  wo  sie  sich  noch  befinden  und  sich  dui'ch  die  in 
deutscher  Renaissance  geschnitzten  Kartuschen  als  Werke 
aus  dieser  Zeit  kennzeichnen'^). 

Urkundlich  mrd  freilich  erst  vom  16.  März  1575 
eine  derartige  Thätigkeit  Gödings  in  Dresden  bezeugt, 
wo  er  im  Verein  mit  Georg  Fleischer  zu  diesem  Zwecke 
emige  Gemächer  entweder  im  Kanzleihause  oder  im 
Sclüosse  inne  hatte;  denn  als  August  den  Besuch  des 
Kaisers  Maximilian  11.  in  seiner  Hauptstadt  erwartete, 
sandte  er  seinem  Kammermeister  folgenden  Befehr'*^): 

„ —  Als  befehlen  wir  dir  ferner,  Du  wollest  Heinrich  Mahlern 
vnd  Jörg  Fleifser**!)  dem  Hoftischer  von  Vnsertwegen  ansagen  vnnd 
auferlegen,  Das  sie  die  Gemach,  Kammern  vnd  Sähle'^-)  so  sie 
Innegehabtt  gentzlich  aufsreumen,  vnd  alle  Gehörne,  geschnitzte 
Köpff  vnd  Schilde,  sie  sein  gemahlt  oder  vngemahltt,  alles  in  Mel- 
chior Häufte  haufs**^)  etwa  ufi'  einen  boden  zusammenschaffen." 

Mit  derartigen  Arbeiten  hat  sich  Göding  wahr- 
scheinlich bis  in  sein  hohes  Alter  hinein  beschäftigen 
müssen,  bezeugt  wird  dies  noch  zweimal,  und  zwar  in 
Akten  vom  3.  Aug.  1583«^)  und  vom  29.  Okt.  1585 ''•'^). 

Von  einer  anderen  Art  kunstgewerblicher  Thätigkeit 


^^)  Haenel,  Adam  u.  Gurlitt,  Sachs.  Herrensitze  u.  Schlösser 
S.  4  und  W.  Rossmann,  D.  künstlerische  Ausschmückung  d.  Al- 
brechtsburg S.  14. 

60)  H.-St.-A.  Cop.  407  fol.  37'^. 

"1)  Georg  Fleischer;  über  ihn  siehe  C.  Gurlitt,  Das  Schloss 
Freudenstein  a.  a.  0.  1423  flg. 

"•-)  AugTist  stellte  dem  Kaiser  während  dessen  Anwesenheit  in 
Dresden  (12.— 18.  April  1.57.'i)  sein  ganzes  Schloss  ziir  Verfügung, 
während  er  selbst  in  dieser  Zeit  das  Kanzleihaus  bewohnte.  Weck, 
Beschreibung  d.  Resid.  Dresden  (Nürnberg  1679)  S.  387. 

63)  Dies  Gebäude,  das  1760  abgebrannt  ist,  lag  einst  am 
Festungswalle  vor  der  Kreuzstrasse.  Melchior  Hauffe,  ein  ehe- 
maliger Schuster,  der  bei  der  Belagerung  von  Magdeburg  zu  hohen 
militärischen  Ehrenstellen  gelangt  und  später  Dresdner  Festungs- 
kommandant geworden  war,  hatte  es  sich  im  Jahre  1550  von  Hans 
V.  Dehn  -  Rothfelser  erbauen  lassen.  Schon  1570  trat  er  mit  dem 
Kui-fürsten  wegen  Verkauf  dieses  Hauses  in  Unterhandlungen  (H.- 
St.-A.  Cop.  356  a  fol.  339,  452  u.  458).  Am  1.  Jan.  1571  verkaufte 
er  es  um  5000  fl.,  jedoch  unter  der  Bedingung,  dass  er  dasselbe  bis 
an  sein  Lehensende  bewohnen  und  imstande  halten  sollte  (ebenda 
Cop.  223  fol.  17).  Der  Kurfürst  kaufte  dies  Gebäude  also  schon  zu 
Lebzeiten  des  Hauffe  diesem  ab,  nicht  nach  dessen  Tode  den  Erben 
desselben,  wie  Weck  (a.  a.  0.  S.  73  f.)  angiebt,  ein  Irrthum,  den  die 
Dresdner  Chroniken  von  Hasche  u.  Lindau  übernommen  haben. 

64)  H.-St.-A.  Cop.  484  fol.  142b. 

65)  Ebenda  Cop.  501  fol.  122. 


310  K-  Berliug: 

Gödings  zeugt  ein  Bericht  des  Kuifüi'sten  an  den  Kam- 
mermeister  vom  5.  Okt.  1573,  in  dem  es  heisst  *'^) : 

„Du  käst  allhier  von  uns  verstanden,  das  vnfs  das  Muster  von 
den  Messenen  haken  oder  schrauben,  so  vns  Burgermaister  Rauscher 
von  Leiptzig-  geschickt,  nicht  gefalle,  derwegen  wir  Ime  dieselbigen 
widerumb  zugeferttigt  haben,  vnd  wiewohl  Heinrich  der  Mahler  vns 
beyliegende  drei  andere  muster  geriXsen,  so  gefeilet  vns  doch  der- 
selben auch  keines,  Sondern  begern  gnedigst,  du  wollest  dich  mit 
Rauschern  vnterrehden,  das  er  sich  umbsehe,  ob  nicht  von  Nurem- 
berg  etc." 

Wenn  nun  aucli  Göding-  diesmal  nicht  die  Zufrieden- 
heit seines  Herrn  erlangte,  so  ist  es  doch  immerhin  inter- 
essant, zu  erfahren,  dass  er  nach  den  verschiedensten 
Richtungen,  also  hier  auch  nach  der  gewerblichen  hin, 
seine  Kunst  bethätigt  hat. 


'^ö" 


Ob  Göding  seine  Thätigkeit  in  Dresden,  die  wahr- 
scheinlich von  Anfang  1573  bis  Anfang  1575  währte,  ein- 
mal mit  einer  solchen  auf  der  Annaburg  unterbrochen 
hat,  lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  feststellen,  da  man 
im  Schloss  bei  seinem  jetzigen  Zustande'"'')  die  Arbeiten 
des  Malers  nicht  mehr  erkennen  kaim,  eine  kunstgeschicht- 
liche Bearbeitung  dieses  Baues  aber  nicht  vorhanden  ist, 
und  endlich  die  betreffenden  Akten,  mit  einer  einzigen 
Ausnahme,  hierüber  nichts  berichten.  Aus  dieser  einen 
Ausnahme,  einem  Briefe  des  Wolf  von  Kanitz  an  die 
Kurfürstin  Anna,  ersehen  wir  jedoch  nur,  dass  Göding 
mit  Lukas  Cranach  dem  Jüngeren  zusammen  zum  Malen 
des  Innern  der  Annaburg  ausersehen  war,  denn  in  diesem 
Berichte  *^^)  spricht  Kanitz  die  Hoffnung  aus,  das  Innere 
des  Schlosses  in  vier  Wochen  fertig  zu  stellen,  „es  welu'e 
dan  Sache,  dafs  Lucas  Mahler  ^^)  Ynd  der  Hofmahler  Zu 
Dresden'**)  seumen  möchten." 


66)  H.-St.-A.  Cop.  384  fol.  358. 

•'■')  Nach  einer  Mittheilung  C.  Gurlitts  beherbergt  das  Schloss 
Annaburg,  jetzt  Militärwaisenhaus,  nichts  mehr  von  seiner  einstigen 
malerischen  Ausschmückung  ausser  den  Rest  einer  höchst  inter- 
essanten Decke  im  Gange  des  zweiten  Geschosses.  Der  grösste 
Theil  derselben  ist  wie  die  übrigen  Wände  und  Decken  moderner 
Übertünchung  verfallen.  Jener  Rest  zeigt  die  mehrfach  (S.  306,  311) 
erwähnte  Flasernmalerei,  hier  rosettenartige  Muster  mit  Ornamenten 
im  Stile  Peter  Flötners,    auf  einem  Blatte  das  sächsische  Wappen. 

68)  H.-St.-A.  Loc.  4449,  Schreib.  Annabg.  belg.  fol.  127. 

6")  Lucas  Cranach  d.  Jüngere. 

™)  Hiermit  kann  kein  anderer  als  Göding  gemeint  sein. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  311 

Eeichliclier,  wenn  auch  nicht  erschöpfend,  fliesseu 
die  aktenraässigen  Quellen  über  die  Thätigkeit  des  Ma- 
lers auf  dem  Freudenstein  in  Freiberg.  Hans  Jenitz, 
der  Baumeister  dieses  Schlosses,  hatte  dem  Kurfürsten 
einige  Muster  zu  Decken  vorgelegt,  unter  denen  auch 
zwei  waren,  die  Göding  entworfen  hatte.  Diese  gefielen, 
wie  es  scheint,  dem  Bauherrn  am  besten,  so  dass  der- 
selbe in  einem  Briefe")  an  seinen  Hofmaler  diesen  auf- 
forderte, einen  Kostenanschlag  einzuschicken,  „damitt", 
^vie  er  schreibt,  „wir  du-  die  übrige  Arbeitt  auch  gönnen 
können".  Es  mag  hierbei  auch  wohl  der  Umstand  zu 
Gunsten  Gödings  entschieden  haben,  dass  August  die 
Sorgfalt,  mit  welcher  der  Maler  seine  Arbeiten  auszu- 
fühi-en  pflegte,  sehr  wohl  anerkannte,  umsomehr,  da  man 
ihm  über  einige  von  anderen  Künstlern  in  Freiberg  ge- 
malte Decken  das  Gegentheil  berichtet  hatte.  Es  scheint 
ausserdem  noch  Hans  Irmisch  über  diese  Decken  dem 
Kurfürsten  genauen  Bericht  abgestattet  zu  haben,  infolge 
dessen  dem  Göding  endlich  die  Ausführung  derselben 
übertragen  worden  ist.  Dass  diese  Decken,  welche  leider 
nicht  mehr  erhalten  sind,  dieselbe  einfache  Technik  zeig- 
ten, wie  sie  oben  mehrfach  bereits  besprochen  sind,  geht 
aus  einem  vom  5.  Okt.  1575  datierten,  an  den  Baumeister 
des  Schlosses  gerichteten  Briefe  des  Kurfürsten  heiTor, 
welcher  lautet '^-): 

„L.  g.  Vns  ist  dein  schreiben  vnsern  Schlofsbau  vffin  Freuden- 
stein Zu  Freiberg,  sonderlich  aber  die  Decken  in  den  Zweien  vor- 
fertigten heusern  belangende,  sambt  beigelegte  verzeichnufsen,  was 
einer  Jdenn  art  von  decken  nach  der  Ehlen  kosten  wurde,  auf 
vnserer  Verordenten  Post  hernach  geschickt  wordenn  vnd  wollen(lir 
darauf  Zu  nachrichtigen  bescheidt  nicht  vorhalten,  Das  wir  uiclit 
bedacht  sein,  auf  die  decken  defsgleichen  auch  das  Schlofsthor  vnd 
den  Predigstuhl  viel  zu  wenden  mitt  kostlichen  gemelden  vnd  ge- 
hauenen biltwerg  zieren,  Sondern  solchs  alles  nur  sonst  fein  schlecht 
vnd  Reinlich  vorfertigen  Zu  lassen,  ^^'eil  dan  die  deckenn  mit  den 
Papiernen  Flaser  vnd  mit  dem  mahlwerg  als  eingelegt  holtz  vermöge 
des  anschlages  am  negsten  Zu  erZeugen  sein,  So  begeren  wir  vnd 
befehlen  Dir  hirrait  gnedigst,  Du  wollest  die  vbrigen  decken  auf 
solche  beide  arthen  mit  Papieren  Flaser  vnd  dem  Mahlwerg  nach 
eingelegter  art  durch  31.  Heinrich  Götting  vnnd  Hanns  Willkommen 
Vollent  aufs  machen  lassen,  doch  Ihnen  beiden  Yndersagen,  das  sie 
solche  Ihre  arbeit  mit  der  färbe  des  Flasers  oder  sonst  nach  gelegen- 
heit  vorendern,  damit  vnter  den  decken  ein  Ynterscheidt  sey,  Vnd 
nicht  eine  deck  wie  die  andere  aussehe  etc." 


")  H.-St.-A.  Cop.  407  fol.  177''. 
'2)  Ebenda  Cop.  404  fol.  254  ••  f. 


312  K.  Berling: 

"Weit  bedeutender  als  diese  Deckenmalereien  war 
jedoch  in  Freiberg  die  Tliätigkeit  des  Malers  an  dem 
grossen  Altarwerke  der  Scblosskapelle. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  Göding,  als  man  ihn,  den 
eigentlichen  Maler  des  Schlosses  Augustusburg,  bei  der 
Ausführung  der  Altartafel  überging  und  dieselbe  Lukas 
Cranach  dem  Jüngeren  ^•^)  übertrug ,  sich  in  seinem 
Künstlerstolze  tief  verletzt  gefühlt  hat.  So  erklärt  sich 
wenigstens  am  besten  die  Hast,  mit  welcher  er  die  erste 
Gelegenheit,  die  sich  ihm  darbot,  ergriff,  um  diese  Scharte 
wieder  auszuwetzen.  Denn  noch  lange  bevor  die  Scliloss- 
kapelle  in  Freiberg  fertiggestellt  war,  bat  er  durch  Ver- 
mittelung  von  Hans  Jenitz  den  Kurfürsten,  ihn  mit  der 
Verfertigung  des  Altars  zu  beauftragen,  ein  Gesuch, 
welches  August  am  10.  Mai  1574  insofern  günstig  beant- 
wortete'^), dass  er  dagegen  im  Grunde  nichts  einzuwenden 
habe,  jedoch  zuvor  zu  sehen  wünsche  einen  „Abreifs  wie 
du  denselben  anzuordnen  und  was  du  daran  Zu  mahlen 
bedacht".  Dieser  Forderung  ist  denn  der  Maler  noch  in 
demselben  Jahre  nachgekommen,  denn  am  26,  Dez.  1574 
konnte  ihm  August  folgenden  Brief  senden'^): 

„L.  g.  Vnfs  ist  dein  Muster  oder  abrifs,  welchergestalt  du  den 
Altar  Inn  die  Sclilofskirche  zu  Freiberg  machen  Zulassen  vnd  Zu- 
niahlen  gedenckest,  vorgetragen  worden,  Vnnd  lassen  vnfs  dasselbig 
gnedigst  gefallenn.  Begeren  derhalben  wann  du  mit  deiner  andern 
vnsern  augedingten  arbeit  ferttig,  du  wollest  an  solchem  altar  an- 
faheu  vnd  denselbigeu  hernach  mit  bestem  vleifs  vorferttigen  etc." 

Von  diesem  Altarwerke,  welches  nach  dem  Entwürfe 
Gödings  von  Georg  Fleischer  für  die  Summe  von  110  fl. 
in  Holz  geschnitzt'*^),  von  ersterem  selbst  aber  gemalt 
wurde,  ist  ausser  den  beiden  knieenden  Figuren  des  Kur- 
fürsten August  und  der  Kurfürstin  Anna,  Holzschuitz- 
werke,  welche  das  Freiberger  Alterthumsmuseum  unter 
Nr.  48  aufbewahrt,  und  der  wahrscheinlich  dazu  gehörigen 
Figur  Gott  Vaters  nichts  mehr  erhalten. 


''^)  Cranach  wäre  wohl  schwerlich  zur  Übersiedelung  nach  der 
Augustusburg  zu  veranlassen  gewesen;  er  erscheint  hier  und  auch 
sonst  als  der  vornehmere  Meister. 

'*)  H.-St.-A.  Cop.  384  fol.  273  b 

'5)  Ebenda  fol.  307. 

'«)  Ebenda  fol.  183 '^  und  (F.  A.)  Hauptregst,  auff  d.  Schlofs 
Freudenstein  1577—79  (23.  Okt.  1578). 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  313 

Einen  ungefähren  Begriff  von  der  ganzen  Anordining 
des  Altars  giebt  Wilisch"),  der  hierüber  sagt: 

„In  der  Kirchen  (Schlosskapelle)  erblicket  man  zuerst  den  Al- 
tar, allwo  oben  ein  Crucifix  stehet,  und  darunter  Gott  der  Vater  ab- 
gebildet, welcher  dem  Churfurst  August  die  rechte  und  seiner  Ge- 
mahlin Annen  die  linke  Hand  aufs  Haupt  leget,  als  welche  beyde 
in  Gips"*)  gebildet  allda  knien.  Seitwärts  stehet  Moses  und  Jo- 
hannes der  Täuffer  und  in  der  Mitten  das  Churfürstl.  Sachs.  \\'appen 
gantz  übergüldet.  An  der  Tafel  des  Altars,  darauf  das  Al)en(liuiihl 
des  Herrn  Christi  mit  seinen  Jüngern  abgemahlet,  sind  etliche  nach- 
denckliche  Bilder  und  unten  auf  der  rechten  Seiten  diese  Worte  in 
Gips  gedrucket  und  übergüldet  zu  lesen: 

Deo  trino  &  uni 
Aeterno  Patri,  coaeterno  Filio  &  Spiritui  Sancto,  totius  universitatis 
conditori  &  conservatori  ter  opt.  max.  haue  aedem  &  aram  dicavit 
Augustus,  Dux  Saxoniae,  Sacr.  Rom.  Imperii  Archimarschallus  & 
Elector,  Landgravius  Thuringiae,  Marchio  Missniae  &  Burggravius 
Magdeburgensis,  cum  amore  natalis  soll  arcem  hujus  oppidi  Freuden- 
steinum  vetustate  ex  fundamentis  erexisset,  Anno  MDLXXYII." 

Obgleich  nun  die  Schlosskapelle,  wie  Wilisch  a.  a.  0. 
weiter  berichtet,  schon  am  18.  Juli  1576  in  Gegenwart 
des  Kurfürsten  geweiht  sein  soll,  so  hat  Göding  doch 
erst  mit  Ausgang  des  nächsten,  auch  in  der  Inschrift 
angegebenen  Jahres  diesen  Altar  vollendet,  denn  einen 
Brief,  der  vom  14.  März  1578  datiert  ist,  scheint  er  bald 
nach  der  Fertigstellung  des  letzteren  an  August  geschrie- 
ben zu  haben.  Weil  daraus  hervorgeht,  mit  wie  grossem 
Stolze  die  Vollendung  des  Altarwerkes  den  Verfertiger 
erfüllte,  lasse  ich  denselben  hier  im  Wortlaute  folgen  ^^): 

„Duchlauchtigster  etc. 
Nach  dem  E.  Churf  G.  mir  gnedigist  bevohlen  E.  Chuif.  G. 
Einen  Altar  in  die  Schlofskirchen  Zu  Freibergk  Zu  Mahlen,  Vnnd 
dem  Muster  so  E.  Chuif.  G.  Ich  vnderthenigist  Jhiabe  vortragen  lafsen 
gemefs  Zuuerfertigen,  Demselben  E.  Churf  G.  gnedigisten  bevehlich 
habe  ich  gehorsamlich  nach  gelebtt,  ^'nnd  nun  solch  wergk  mit 
Gottlicher  Verleihung  allenthalben  Vorfertigt,  Daran  ich  dann  keine 
muhe,  vleis,  geldt  noch  arbeitt  gesparett.  Wie  E.  Churf  G.  solches 
auch  itzlicher  Kunst  Vorstendiger,  so  es  auf  gemacht  wirdett.  sehen 
werden,  will  auch  E.  Churf  G.  dieses  Stuck  ohnn  rulim  A'or  ein 
solch  Stuck  hiemit  angeben.  Das  ich  vorhoft"  vber  diesen  altar  In 
Kunst  oder  vleis  itzo  Keiner  in  E.  Churf.  G.  Landen  sein  soll. 
Weil  dan  gnedigister  Churf  ich  dis  wergk  E.  Chiu-f.  G.  zu  schatzenn 


"^)  Wilisch,  Kirchen -Historie  der  Stadt  Freyberg  (Leipzig 
1737)  II,  106  f. 

'*)  Es  waren  Holzschnitzwerke  mit  einem  leichten  Überzug 
aus  Gipsmasse. 

™)  H.-St.-A.  Loc.  8523,  Schreib,  an  Churf.  Aug.  Buch  III  fol.  34. 


314  K-  Berliug: 

bedenclien  trage,  Damit  ich  nicht  etwo  Vormerckt,  als  das  ich  denen 
Dingen  nicht  Zuuil  thun  mochte,  So  wil  ich  solches  E.  Chitrf.  G. 
als  einem  Knnst  Vorstendigen  Chur  nnd  meinen  lieben  Landesfursten 
anheim  gestellt  haben"  etc. 

Er  schlägt  dann  weiter  vor,  der  Kurfürst  möge  ihm 
als  Belohnung  eine  im  Amte  Pirna  gelegene  „Mahl 
Mühlen  vf  der  Mugelsbarg"  sampt  der  dazu  gehörigen 
Wiese  und,  zum  Instandsetzen  derselben,  anderthalb 
hundert  Thaler  übergeben  lassen.  Wenn  auch  eine  Nach- 
richt über  die  Bewilligung  dieses  Wunsches  nicht  vor- 
handen ist,  so  lässt  sich  doch  mit  ziemlicher  Gewissheit 
annehmen,  dass  ihm  in  Anbetracht  seiner  selbst  so  sehr 
hervorgehobenen  Verdienste  die  betreifende  Mühle  über- 
lassen und  Göding  somit  im  Pirnaer  Kreise  ansässig 
wurde,  denn  es  finden  sich  noch  mehrfach  Gesuche  vor, 
die  sich  auf  kleine,  in  dieser  Gegend  gelegene  Ländereien 
und  Privilegien  für  dieselben  Tjeziehen.  So  bewilligte 
ihm  der  Kurfürst  am  14.  Juli  1579^**)  ein  „stuck  Eisch- 
wasser",  „so  Peter  Pfeiffern  Jtzo  vmb  einen  lals  Zins 
vff  widerrufen  Innen  hatt",  welches  „in  der  Mügelitzbach 
vnter  Dohna  bils  an  die  HofFscheunen"  gelegen  war. 

Beiläufig  möge  hier  erwähnt  sein  die  eigenthümliche 
und  für  das  damalige  Verhältnis  des  Hofmalers  zum 
Fürsten  recht  charakteristische  Forderung,  von  der  Au- 
gust die  Bewilligung  abhängig  machte,  denn  er  schreibt 
gleichzeitig:  „Dogegen  aber  wollen  wir  dir  hirmit  auf- 
erlegt vnd  befohlen  haben.  Das  du  einen  Jungen  vf  der 
Meisenpfeiffen  mit  allem  vleifs  Vnnd  dermafsen  abrichten, 
das  er  das  locken  so  viel  kan  als  du". 

Das  dem  Göding  verliehene  Privilegium  Avurde  einige 
Jahre  später  (4.  Juni  1584)  noch  einmaP^)  durch  Christian, 
den  Sohn  Augusts,  bestätigt^-),  unter  ausdrücklicher  Be- 
tonung, dass  er  sonst  solche  Gewässer  zu  verpachten 
nicht  willens  sei,  doch  in  diesem  Falle  mit  dem  Hofmaler 
seines  Vaters  eine  Ausnahme  machen  und  demselben 
überdies  noch  den  jähi^lichen  Pachtzins,  den  August  ge- 
fordert hatte,  gänzlich  erlassen  wolle. 


80)  H.-St.-A.  Cop.  448  fol.  230. 

81)  Ebenda  Cop.  534  fol.  256  b,  vergl.  auch  Cop.  535  fol.  160»'. 

82)  Christian,  als  Kurfiii-st  Christian  I.,  war  schon  1570  mit 
dem  Vorsitze  in  der  Landesregierung  und  drei  Jahre  darauf  mit 
einem  grösseren  Antheil  an  den  Staatsgeschäften  beauftragt  worden. 
Flathe,  Geschichte  Sachsens  II,  94. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Gödiug-.  315 

Es  ergiebt  sich  aus  den  Akten -■=')  weiter,  dass  Gö- 
düig  sich  in  seiner  im  Amte  Pirna  gelegenen  Mühle, 
wahrscheinlich  derselben,  um  die  er  1578  gebeten  hatte, 
ein  „Steinschueidezeug"  errichtet  hatte,  füi^  welches  er 
im  Jahre  1597  die  Vergünstigung  nachsuchte,  dass  inner- 
halb von  12  Jahren  und  auf  12  Meilen  im  Umkreis  keine 
ähnliche  Mühle  gebaut  werden  dürfe.  Dies  Gesuch  Avurde 
ihm  freilich  vom  Kuradministrator  Friedrich  Wilhelm,  der 
für  den  minderjährigen  Christian  II.  die  Regierungs- 
geschäfte verwaltete,  abschlägig  beschieden  mit  dem  Hm- 
weise,  dass  er  es  nicht  für  zweckmässig  halte,  derartige 
Privilegien  zu  ertheilen,  er  überdies  auch  dem  Bildhauer 
Johann  Maria  Nosseni  auf  dessen  Bitte  hin  die  Erlaubnis 
zur  Errichtung  eines  ähnlichen  Werkes  gegeben  und  dem- 
selben zu  diesem  Zwecke  das  alte  Pochwerk  nahe  dem 
Wilsdruffer  Thore  bewilligt  habe^^). 

Dieser  Besitzerwerbung  im  Pirnaer  Kreise,  welche 
wohl  Gödings  zeit  weisen  Aufenthalt  daselbst  bedingte, 
muss  auch  der  Umstand  zugescluieben  werden,  dass  in 
dieser  Gegend  hin  und  wieder  Kunstwerke  von  seiner 
Hand  angetroffen  werden.  So  befindet  sich  z.  Z.  in  der 
neuen  Lohmener  Ejixhe  das  Mittelbüd  und  die  beiden 
Flügel  ^•'^)  des  für  die  alte  Kirche  zu  Lohmen  verfertigten 
Altarwerkes,  welches  laut  Inschrift  ^*^)  Heinrich  Göding 
im  Jahre  1575  gemalt  hat. 

Das  ca.  anderthalb  Meter  im  Quadrat  grosse  Mittel- 
bild stellt  die  Kreuzigung  Christi  dar,  wobei  man  ein 
nicht  erfolgloses  Streben  zur  kräftigeren  und  richtigeren 
CJharakterisieruug  der  einzelnen  Personen  in  Gesichtern 
und  Stellungen  wahrnimmt.  Bei  weitem  weniger  gut 
sind  die  beiden  Flügel  behandelt,  welche  die  Anbetung 
der  Hirten  und  die  Himmelfahrt  Christi  darstellen,  so 
dass  die  Vermuthung  nahe  liegt,  Göding  habe  die  Aus- 
führung derselben  zum  grössten  Theile  seinen  Schülern 
überlassen. 

Es  befinden  sich  ferner  in  der  Hauptkirche  zu  Pirna 
vier  Werke  von  des  Künstlers  Hand.  Es  sind  dies  im 
Innern  aufgehängte  Epitaphien,  welche  in  mehr  oder 
weniger    reicher    Ausführung    etwa    folgenden    Aufbau 


83)  H.-St.-A.  Loc.  7306,  Caminers.  1597  Theil  II  foL  545. 

»t)  Ebenda  fol.  555. 

85)  Erwähnt  von  R.  Steche  a.  a.  0.  I,  50. 

8»)  Das  Mittelbikl  trägt  die  Bezeichnung:  Kk  1575. 


316  K.  Berling: 

zeigen:  In  der  Mitte  eines  mächtigen  auf  Konsolen 
ruhenden  Sockels^')  befindet  sich  ein  auf  Holz  gemaltes 
Bi]d,  das  die  Donatorenfamilie  darstellt,  welche  (1.  die 
männlichen,  r.  die  weiblichen  Mitglieder  derselben)  hinter 
einander  knieend,  andachtsvoll  das  in  der  Mitte  in  einem 
nach  Gödingscher  Art  gelblichen  Heiligenscheine  befind- 
liche Lamm  Gottes  anbeten.  Darüber  ist  zwischen  zwei 
reichverzierten  einzelnen  oder  doppelten  Eenaissaucesäulen 
das  gleichfalls  auf  Holz  gemalte  Hauptbild  angebracht. 
Die  Säulen  werden  von  einem  mächtigen,  bei  der  reicheren 
Anordnung  mehrfach  verkröpften  Gebälke  beki^önt,  auf 
das  sich  der  ganze  Säulenbau,  als  Rahmen  eines  kleineren 
Bildes,  noch  einmal  in  verkleinertem  Massstabe  wieder- 
holt. Endlich  wü\l  derselbe  mit  einem  Spitz -Giebel  ge- 
schlossen. 

Die  Besclireibung  der  einzelnen  Kunstwerke  möge 
hier  in  Kürze  folgen  ^^): 

Nr.  1,  dem  Andenken  des  Pirnaer  Bürgers  Markus 
Scipien  und  dessen  Ehefrau  gewidmet,  stammt  laut  In- 
schrift^") aus  dem  Jahre  1581.  Das  Mittelbild  hat  die 
Auferstehung  Christi  zum  Vorwurf.  In  der  Mitte  sieht 
man  die  blutbefleckte,  schlecht  gezeichnete  Gestalt  des 
Heilands  aus  dem  Grabe  emporschweben,  oben  rechts 
und  links  jubilierende  Engel,  von  denen  der  eine  ein 
Kreuz  trägt,  andere  mit  einer  weiblichen  Gestalt  in  die 
Wolken  emporsteigen ;  im  Vordergrunde  erblickt  man  die 
schlafenden  und  die  aufgeschreckten  Wächter  des  heiligen 
Grabes.  Im  Hintergrunde  zeigt  das  Bild  auf  beiden 
Seiten  zwei  Thore,  welche  kleine,  recht  gute  Durchblicke 
in  die  trefflich  behandelte  Landschaft  gestatten,  in  denen 
rechts  drei  Frauengestalten,  links  zwei  Jünglinge,  eilig 
zum  schon  verlassenen  Grabe  strebend,  sichtbar  werden. 
Im  Oberbilde  ist  die  Verklärung  Moses  zur  Darstellung 
gebracht. 

Nr.  2  zeigt  im  Mittelbilde  auf  dem  Halsbande  eines 
links  stehenden  Hundes  das  bekannte  Monogramm  Gödings, 


")  Zwischen  den  Konsolen  ist  mehrfacli  eine  oder  auch  zwei 
Inschrifttafeln  angebracht. 

88)  Vergl.  R.  Steche  a.  a.  0.  I,  70,  ferner  G.  A.  Abend- 
roth,  D.  Führer  um  und  in  d.  Hauptliirche  zu  Pirna  (1865)  und 
desselben  Verf.  Manuskript  „Die  Kirche  zu  Pirna  betr.",  in  welches 
der  Rathsarchivar  Herr  Direktor  Dr.  Muth  dem  Verfasser  gütigst 
Einblick  gestattete. 

8ö)  Im  Mittelb.  steht  unter  den  Füssen  des  Heilands:   1581  Mi 


Hofmaler  und  Kvipfersteclier  Heinrich  Göding.  317 

jedoch  olme  Jahreszahl,  letztere,  und  zwar  MDLXXXIII, 
findet  sich  im  Rahmen  auf  den  Seiten  des  blaugemalteu 
Hauptfrieses  vor.  Es  ist  hier  dasselbe  Motiv  wie  m 
Lohmen,  Christus  am  Kreuze,  verwandt,  doch  hat  der 
Künstler  die  Darstellung  viel  enger  zusammenziehen 
müssen,  was  dem  Bilde  nicht  gerade  zum  Vortheil  ge- 
reicht, da  die  Anordnung  im  grossen  Ganzen  beibehalten 
worden  ist;  so  smd  auch  die  drei  würfelnden  Kriegs- 
knechte im  Vordergrund,  der  Schimmelreiter,  der  hier 
freilich  auf  die  andere  (linke)  Seite  gestellt  ist,  die 
Schacher  mit  ihren  Gliederverrenkungen  einfach  Wieder- 
holungen aus  der  Altardarstellung.  Das  gut  erhaltene 
Oberbüd  zeigt,  bei  sehr  schönem  landschaftlichen  Hinter- 
grunde, die  Grablegung  Christi. 

Nr.  3,  welches  mit  Wii  85.  bezeichnet  ist^'^)  und  im 
Hauptbilde  die  Geburt  Christi  darstellt,  ist  derartig  be- 
schädigt, dass  die  einzelnen  Figuren  kaum  noch  zu  er- 
kennen sind.  Das  obere  Bild  zeigt,  ähnlich  wie  das 
Hauptbild  bei  Nr.  1,  die  Himmelfahrt  Christi,  doch  ist 
hier  als  Hintergrund  eine  grosse  mit  vielen  Thürmen  ver- 
sehene Stadt  verwandt,  während  die  in  den  Lüften  jubi- 
lierenden Engel  ganz  fehlen. 

Nr.  4,  dem  Andenken  des  Bürgermeisters  Heinrich 
Promnitz  und  dessen  Ehefrau  gewidmet,  hat  bei  einer 
vortrefflichen  Ausführung  die  reichste  Anordnung  erfahren. 
Das  Mittelbild -'^j  zeigt  das  Gesicht  des  Johannes  von 
dem  Throne  der  Majestät  und  Herrlichkeit  Gottes  (Offb. 
Jüh.,  Kap.  4),  während  sich  im  Oberbilde  die  Taufe  Christi 
dargestellt  findet. 

Diese  Privatthätigkeit  hinderte  jedoch  den  Künstler 
nicht,  von  Zeit  zu  Zeit  neue  Aufträge  des  Kurfürsten 
entgegenzunehmen  und  auszuführen. 

In  dem  herzoglichen  Kunstkabinett  zu  Gotha  befindet 
sich  ein  kleines  Brevier,  welches  13  Miniaturgemälde, 
Scenen  aus  dem  Leben  Jesu  darstellend,  enthält,  auf 
dessen  innerer  Deckelseite  unter  der  Darstellung  der 
Dreieinigkeit  das  Monogramm  Gödings  in  Goldschrift  zu 


*»)  Diese  Inschrift  steht  ganz  unten  auf  dem  Hanpthilde;  der 
Rahmen  trägt  indess  auf  derselben  Stelle,  wie  der  hei  Nr.  2,  mit 
dem  er  überhaupt  grosse  Ähnlichkeit  besitzt,  die  Jahreszahl 
MDLXXXVI. 

")  Unten  r.  auf  einem  Felsblocke  steht:  HGb  1586. 


318  K.  Berling: 

lesen  ist"-).  Eine  Jahreszahl  findet  sich  leider  nicht  vor, 
doch  giebt  der  Inhalt  des  Buches  selbst  hierüber  einen 
wenn  auch  nur  annähernden  Aufsclüuss.  Es  hat  längere 
Zeit  hindurch  ün  Hause  Mecklenburg  als  Stammbuch  ge- 
dient und  finden  sich  viele  Namen  fürstlicher  Personen 
darin  verzeichnet''"^).  Allen  voran  stehen  Kurfürst  Au- 
gust und  Kurfürstin  Anna  mit  der  Jahreszahl  1579. 
Hier  liegt  nun  die  Verniuthung  nahe,  dass,  da  ein  säch- 
sischer Hofmaler  dies  Buch  angefertigt  hat,  dasselbe  als 
Greschenk  des  sächsischen  Kurfürsten  hi  den  mecklen- 
burgischen Besitz  gekommen  ist  und  dass  der  Schenk- 
geber selbst  sich  und  seine  Gemahlin  zuerst  in  dasselbe 
eingeschrieben  hat.  Daher  glaube  ich  mich  nicht  zu  irren, 
wenn  ich  das  Jahr  1579  auch  als  das  der  Entstehimg 
dieser  kleinen  mit  grosser  Feinheit  ausgeführten  Malereien 
angebe. 

Noch  in  demselben  Jahre  beauftragte  August  seinen 
Hofmaler  mit  einer  andern  Arbeit,  und  zwar  galt  es 
diesmal  einen  in  zwei  Tafeln  getheilten  Stammbaum  des 
sächsischen  Herrscherhauses,  den  der  Kaplan  von  Mühl- 
berg, Peter  Guttenberg,  entworfen  hatte,  „fein  sauber 
abzumahlen"  "*),  ein  Werk,  das  möglicherweise  noch  in 
einem  der  königlichen  Schlösser  aufzufinden  sem  wird. 

Aus  dem  Jahre  1582  haben  sich  der  Nachwelt  noch 
zwei  kleine  Bilder  erhalten,  über  die  urkundliche  Notizen 
gänzhch  fehlen,  es  sei  denn,  dass  dieselben  zu  den  vielen 
„Kunststucken"  gehören,  wie  sie  Göding  häufig  seinem 
Herrn,  wie  es  scheint,  aus  freiem  Antriebe  geliefert  hat. 
Dieselben  befanden  sich  früher  im  sogen.  Vorrath  der 
Dresdner  Gemäldegallerie '•''} ;   von  dort  sind  sie  an  das 


**")  Wie  mir  Hofrath  Aldenhoven  auf  meine  Anfrage  gütigst 
mittheilt,  sind  die  beiden  Deckel  durch  häufiges  Angreifen  arg  mit- 
genommen. Das  Monogramm  ist  aber,  trotzdem  es  ziemlich  verwischt 
ist,  doch  noch  unfehlbar  als  das  Grödings  zu  erkennen. 

ö3)  Siehe  A.  Bube,  D.  Herzogl.  Kunstkab.  zu  Gotha  (1846), 
S.  56  Nr.  1.  Das  Büchlein  wurde  von  der  Grossherzogin  Louise  von 
Mecklenburg-Schwerin  (f  1808)  an  die  Herzogin  Louise  von  Sachsen- 
Coburg  geschenkt  und  kam  von  hier  nach  Gotha.  Bemerkenswerth 
ist  auch  noch  der  Umstand,  dass  Benvenuto  Oelliui  als  Verfertiger 
des  kostbaren  zu  diesem  Buche  gehörenden  Deckels  genannt  wor- 
den ist. 

'")  H.-St.-A.  Cop.  448  fol.  310,  datiert  v.  2.  Nov.  1579. 

**■'')  J.  Hübner  in  v.  Webers  Archiv  f.  d.  sächs.  Gesch.  II 
(1864),  184. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Hehiricli  Göding.  319 

historische  Museum  abgegeben  worden,  in  dessen  „Entree- 
saal"  sie  noch  heute  zu  sehen  sind. 

Auf  jeder  der  beiden  Tafeln  ^'^),  welche  mit  HG  1582 
bezeichnet  sind,  ist  eine  eigenthümlich  verschränkte  Gruppe 
von  drei  pausbackigen  Knaben  dargestellt,  von  denen  der 
eine  seinen  Kopf  nach  oben,  die  beiden  andern  den  ihren 
nach  unten  gerichtet  haben,  und  deren  Leiber  durch  ein 
breites  farbiges  Band  zusammengehalten  werden,  welches 
mit  kühnem  Schwünge  die  Lücken  des  Bildes  ausfüllt 
und  unten  in  zwei  goldene  Quasten  ausläuft.  Li  dem 
einen  Bildchen,  das  eine  etwas  reichere  Anordnung  zeigt, 
hält  der  mittlere  Junge  überdies  noch  in  seinen  Händen 
zwei  mächtige  rothe  Kurschwerter,  auch  sind  in  dem- 
selben in  den  beiden  unteren  Ecken  das  sächsische  und 
das  Kurwappen  angebracht.  Da  bei  beiden  als  Hinter- 
grund eine  Holztäfelung  gemalt  ist,  so  liegt  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  Göding  dieselben  dem  Kurfürsten 
als  Deckenmuster  eingesandt  habe,  denn,  wie  oben  mehr- 
fach erAvähnt,  hat  der  Künstler  in  den  kurfürstlichen 
Schlössern  zu  verschiedenen  Malen  die  in  einzelne  Felder 
getheilten  Holzdecken  mit  Malereien  versehen;  diese  An- 
sicht gewinnt  um  so  mehr  an  Wahrscheinlichkeit,  wenn 
man  bedenkt,  dass  das  verwandte  Motiv,  weil  es  der 
Richtung  nach  völlig  neutral  ist,  sich  gerade  hierzu  vor- 
trefflich eignen  würde,  und  dass  ähnliches  als  mehrfach 
zu  derartigem  Zwecke  verwandt  kunstgeschichtlich  nach- 
gewiesen werden  kann. 

Von  einem  andern  Auftrage,  den  Göding  von  August 
erhielt,  zeugt  ein  an  ihn  gerichtetes  kurfürstliches  Hand- 
schreiben vom  15.  Aug.  1584,  in  dem  es  heisst'*^): 

„L.  g.  Vnser  Secretari  Hans  .Teuitz  liat  vns  vff  dein  bitt  \\m\ 
bescheidt  gefraget,  welchergestalt  Du  die  altten  Renn-  vnd  Stechbuclier 
abmahlen  und  nachmachen  HoUest.  Darauif  begeren  wir  du  wollest 
dieselben  alle  auf  Pergament,  auch  in  der  grofse  und  arth,  wie  du 
angefangen,  dieselbigen  vollent  nachmalen  unnd  vorferttigen." 

Dieses  Werk,  das  aus  55  auf  Pergament  gemalten 
Aquarellen  besteht,  ist  noch  vorhanden  und  befindet  sich 
in  der  kgl.  öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden  (J.  14)'***). 
Der  Titel  zu  demselben  lautet  wörtlich  wie  folgt: 


"")  Auf  Leinw.  gemaltem  Olbibler,  31  :  62  cm  gross. 

»')  H.-St.-A.  Cop.  492  foh  92. 

'"^)  Vergl.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  Katalog  d.  Handschriften 
der  Kgl.  öffentl.  l^ibl.  zu  Dresden  II,  .5.  Das  letzte  (5.5.)  Blatt  ist 
mit  MJj  1584  bezeichnet.    Der  Einband  zeigt  die  Jahreszahl  1585. 


320  K.  Berling 


a  • 


„Vorzeichnus  vnd  warhafftige  eigentliclie  Contrafacturu  aller 
Schärft"  rennen  vnd  Treffen,  so  der  Durchlauchtigiste  hocligeborne 
Fürst  vnd  Herr  Herr  Augiistus  Hertzog  zu  Sachfsen  etc.  vor  vnnd 
inn  S.  Cliurf.  G.  Churfürstlichenn  Regierung  mitt  sonderlicher  ge- 
schicklichkeit  auch  grofser  Lust  vnnd  ver^vunderung  aller  Zuseher 
gantz  Ritterlich  vnd  rühmlich  gethan  vnd  verbracht  hat  auch  Zu 
wes  Zeitt  an  welchem  ortt  vnnd  mitt  was  Personen  ein  Jedes  Rennen 
geschehen,  Zu  Ewigem  Löblichem  gedechtnus  S.  Churf.  Gr.  gevbtem 
mannlichen  Ritterspielen  deroselben  Posteritet  also  fürge stellet." 

Die  Blätter  (63 :  23,5  cm  gross)  sind  mit  grossem 
Fleiss  gemalt,  nur  der  bei  allen  in  Sepia  getuschte  Erd- 
boden und  die  aus  Eollwerk  gebildeten  Rahmen,  in  denen 
die  Inschriften  stehen,  sind  ein  wenig  flüchtig  behandelt. 
Goldverzierungen  sind  reichlich  angebracht,  im  übrigen 
aber  starke  Farbenkontraste  sehr  beliebt.  Die  Ritter 
sowohl  als  auch  die  Pferde  sind  mit  grosser  Lebendigkeit 
geschildert,  wenn  sie  auch  hin  und  wieder  in  etwas  un- 
natürlichen Stellungen  erscheinen.  Eme  grosse  Abwechs- 
lung ist  aber  in  den  Rüstungen  angestrebt  worden,  und 
der  Beschauer  weiss  nicht,  soll  er  deswegen  die  Phan- 
tasie des  Künstlers  oder  die  der  Kämpfenden  selbst  be- 
wundern; denn,  wie  aus  dem  oben  angezogenen  Akten- 
stücke hervorgeht,  konnte  sich  Göding,  da  von  emem 
„abmahlen  und  nachmachen"  die  Rede  ist,  nach  älteren 
Turnieraufzeichnungen  richten,  die  möglicherweise  das 
Aussehen  der  Ritter-  und  Pferderüstungen  genau  wieder- 
gaben. Auch  sind  wohl  eine  gi-osse  Anzahl  derselben 
nach  der  Natur  gezeichnet  und  gemalt  worden. 

Die  Phantasie  hat  hier  aber  wunderbare  Früchte 
getrieben.  So  sind  z.  B.  die  Schabracken  nicht  nur  mit 
Wappen  oder  mit  vortrefflich  gezeichneten  Ornamenten 
(wobei  Gold  und  Silber  bevorzugt  wurden)  bedeckt,  son- 
dern es  finden  sich  auch  die  sonderbarsten  Dinge  auf 
denselben  zur  Darstellung  gebracht.  Die  eine  Decke 
(Bl.  19)  zeigt  eine  Menge  spielender  Hasen  und  den  Vers : 

„Niemandt  weifs  mein  Sinn 

Ob  Ich  ein  Fuchs  oder  Hase  bin", 

eine  andre  (Bl.  20)  ist  mit  schwarzen  Mäusen  auf  grauem 
Grunde  ganz  bedeckt,  auf  einer  dritten  endlich  (Bl.  26) 
ist  eine  ganze  Jagd  mit  Jägern,  Hunden,  Hirschen  und 
Hasen  dargestellt  und  ähnliches  mehr,  das  ganz  dem 
Kunstsinne  des  Kurfürsten  und  semer  derben,  witzlosen 
Komik  entsprach. 

Dies  Werk  Gödings  gewinnt  aber  für  den  Beschauer 
dadurch   noch   mehr  an  Interesse,    dass   es   ihn   zu  der 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  321 

nächsten  Arbeit  des  Meisters  und  zwar  zu  der  grössten, 
die  er  je  unternommen  hat,  hinüberleitet.  Denn  wenn 
sich  auch  nicht  behaupten  lässt,  die  Beauftragung  mit 
diesen  Aquarellen  sei  seiner  Zeit  in  der  Voraussicht  ge- 
schehen, dass  sie  Vorstudien  zu  einigen  von  Göding  in 
dem  neuerbauten  Stallhofe  zu  Dresden  ausgeführten  Ge- 
mälden sein  sollten,  in  Wirkliclikeit  sind  sie  es  doch  ge- 
wesen. 

Kurfürst  Christian  I.,  der  nach  dem  im  Januar  des 
Jahres  1586  erfolgten  Tode  seines  Vaters  diesem  in  der 
Regierung  gefolgt  war,  hatte  bereits  am  6.  Juni  desselben 
Jahres  den  Grundstein  zu  dem  mächtigen  Stallhofe  ge- 
legt, einem  Baue,  den  er  unter  Leitung  des  Stallmeisters 
Nicol  von  Miltitz  von  dem  Baumeister  Paul  Buchner  mit 
solchem  Eifer  fördern  Hess,  dass  derselbe  schon  innerhalb 
Jahr  und  Tag  unter  Dach  gebracht  werden  konnte  ■^^). 

Der  grossartige  Anblick  dieses  prächtigen  Gebäudes, 
von  dem  Weck  u.  a.  sagt,  dass  es  mehr  einem  Schlosse 
als  einem  Stalle  geglichen  habe,  erfüllte  alle  alten  Dres- 
dener Chronisten  ^*^^}  mit  grossem  Stolze.  Es  hatte  im 
Äussern  sowohl  als  auch  im  Innern  seinen  Hauptschmuck 
durch  die  Hand  des  Malers  erhalten.  Denn  wie  bei  dem 
nahegelegenen  Kanzleihause  waren  die  giebelgeschmück- 
ten, sonst  glatten  Wände  der  langen  Fassaden  einst  über 
und  über  mit  Malereien  geschmückt.  Leider  hat  die  Un- 
gunst unseres  nordischen  Klimas  dieselben  völlig  ver- 
schwinden lassen.  Eine  ungefähre  Vorstellung  von  deren 
einstiger  Pracht  geben  indessen  zwei  Abbildungen  aus 
Wecks  Chronik ^**^),  auf  denen  ganz  besonders  die  nach 
der  Augustusstrasse  zu  gelegene  lange  „Stallgallerie", 
der  Theil  des  Gebäudekomplexes,  der  sich  noch  heute 
fast  ganz  in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  erhalten  hat, 
veranschaulicht  worden  ist. 

Die  Hofseite  dieser  letzteren  zeigte,  den  erwähnten 
Abbildungen  gemäss,  eine  mächtige  auf  20  dorischen 
Säulen  ruhende  Arkadenhalle  ^"'^),  in  deren  Innern  19  edle 
Rosse,  wahrscheinlich  die  Bilder  berühmter  Pferde  des 
kurfürstlichen  Stalles,   in  ruhigen  Stellungen,    auf  einem 


89)  Weck  a.  a.  0.  S.  53  u.  61. 

'^^)  Ausser  Weck  erwähne  ich  hier  noch:  Tz  seh  immer, 
Durchlauchtigste  Zusammenkunft;  Klemm,  Sammler  S.  192;  Tobias 
Beutel,  Cedern-Wald  (1683)  u.  a.  m. 

1'^')  Tafel  14  u.  15. 

1°-)  Diese  Arkaden  sind  jetzt  zugesetzt. 

Neues  Archiv  f.  S.  ti.  u.  A.     VUI.  3.  4.  21 


322  K.  Berling: 

breiten,  mit  Blumenguirlanden  g-eschraückten  Sockel 
stehend,  gemalt  waren.  Über  diesen  Arkaden  zog  sich 
anter  den  gekuppelten,  mit  Spitzverdachung  geschlossenen 
Fenstern  durch  die  ganze  Länge  des  Gebäudes  ein 
schmaler  Fries  hin,  der  mit  Blattoruamenten,  aus  denen 
einzelne  Engelsköpfe  herausschauten,  geziert  war.  Zwi- 
schen den  Fenstern  waren  in  reichen  aus  Rollwerk  be- 
stehenden Rahmen  die  Thaten  des  Herakles  ziu-  Darstel- 
lung gebracht  ^°").  Die  an  den  Ecken  und  in  der  Mitte 
emporragenden  kräftig  profilierten  Giebel,  welche  mit 
einer  Figur  bekrönt  waren,  zeigten  eine  dem  Fries  ähn- 
liche ornamentale  Behandlung,  nur  waren  die  Formen 
hier,  wohl  weil  sie  dem  Auge  des  Beschauers  entfernter 
waren,  kräftiger  ausgebildet.  An  der  nach  der  Augustus- 
strasse  zu  gelegenen  anderen  Seite  dieses  Baues  waren 
ein  langer  fortlaufender  Beiterzug  und  darüber  und  dar- 
unter einzelne  antike  Heldengestalten  zur  Anschauung 
gebracht  ^"^). 

Die  erwähnten  Abbildungen,  besonders  die  Tafel  15, 
lassen  aber  erkennen,  dass  auch  sämmtliche  andere  zum 
Stallhofe  gehörigen  Gebäudetheile  einst  gleichfalls  in 
ähnlicher  Weise  aufs  reichste  durch  Malereien  geschmückt 
waren. 

Es  hatte  aber,  wie  ich  oben  bereits  andeutete,  nicht 
nur  bei  den  Fassaden,  sondern  auch  im  Innern  ^''^)  dieses 
mächtigen  Baues  die  malerische  Thätigkeit  eine  derartige 
Ausdehnung  genommen,  wie  sie  in  der  verhältnismässig 
kurzen  Zeit^*^*')  von  einem  Maler  allein  kaum  entfaltet 
werden  konnte,  so  dass  die  Annahme  nahe  liegt,  eine 
ganze  Reihe  von  Künstlern   sei   hierbei   beschäftigt  ge- 


i'^ä)  Hier  befand  sicli  avtch,  etwa  in  der  Mitte  der  Fronte,  eine 
grosse  Sonnenuhr  gemalt,  deren  Umrisse  noch  heute  deutlich  zn  er- 
kennen sind. 

1^^)  Diese  Fassade,  die  gegen  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
dui'ch  Feuer  arg  gelitten  hatte,  hat  bekanntlich  vor  einigen  Jahren 
nach  einem  Entwürfe  des  Malers  Walther  einen  neuen  malerischen 
Schmuck  erhalten. 

i*''')  Es  erzählt  u.  a.  Weck  a.  a.  0.  S.  n5,  dass  sich  im  zweiten, 
nach  dem  Jüdenhof  zu  gelegenen  Geschosse  vier  „Fürstenzimmer" 
befanden,  in  denen  die  Decken  „von  allerhand  Romanischen  Historien 
aufs  schönste  gemahlet"  waren  und  auch  die  Decken  in  zwei  daneben 
befindlichen  Kammern  „mit  stattlichen  Figuren  und  Römischen  Histo- 
rien ausgebutzet"  waren. 

100)  Weck  a  a.  0.  S.  55  berichtet,  dass  der  ganze  Bau  inner- 
halb 208  Wochen  fertiggestellt  worden  sei. 


Hofmaler  imd  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  323 

wesen.  Leider  ist  das  mir  zugängliche  Akteinnaterial  so 
lückenhaft,  dass  die  Thätigkeit  der  einzelnen  Maler  und 
—  worauf  es  bei  dieser  Studie  besonders  ankommt  —  die 
Heinrich  Gödings  nicht  fest  begrenzt  werden  kann.  Dass 
aber  der  letztere,  auf  den  auch  Christian  I.  die  Gunst, 
die  sein  Vater  ihm  die  vielen  Jahre  Mndurcli  gewährt 
hatte,  in  vollem  Masse  übertrug,  hierbei  in  ganz  hervor- 
ragender Weise  th.ätig  war,  daran  kann  nicht  gezweifelt 
werden. 

Dasjenige  Aktenstück,  Avelches  über  die  Malerarbeiten 
an  und  in  dem  Stallhofe  am  meisten  Aufschluss  giebt, 
einen  an  den  „Stal  vnd  Zeugmeister  zu  Drefsden"  ge- 
richteten Brief  Christians,  lasse  ich  hier  im  Wortlaute 
folgen  ^*'^) : 

„L.  g.  Vns  ist  euer  bericht  belangendt  das  Mahlwerg  an 
vnserm  Neuen  Stall  Vnderthenigst  furbracht  worden.  Weil  wir  dan 
daraus  vernehmen,  das  Ir  mit  den  mahlern  der  gemelt  halben,  so  in 
vnd  aufswendig  des  Stalls  gemacht  werden  sollen,  weniger  nicht,  den 
ein  Tausent  drey  hundert  vnd  acht  vnnd  achtzigk  gülden  nehmen 
wollen,  So  seindt  wir  damit  auch  gnst.  Zufrieden,  haben  der  wegen 
vnserm  Cammermeister  hii'bey  beuohlen  solch  geldt  hiertzu  volgen 
Zu  lassen,  werden  derhalben  bey  den  Mahlern  mitzuhelfen  wissen, 
das  sie  solch  Mahlwerck  bestes  vleifses  vorrichten  Vnd  mit  dem 
ehisten  alfs  Ihnen  möglich  vorferttigen  etc. 

Nossen   d.  22.  Jul.  1587." 

Über  eine  besondere  Thätigkeit  Gödings  sind  freilich 
die  archivalischen  Quellen  ein  wenig  ergiebiger.  Diesen 
zufolge  erhielt  er  den  Auftrag,  eine  Anzahl  von  „Inven- 
tiones",  d.  h.  von  festlichen  Aufzügen,  auf  Leinwand  zu 
malen,  Bilder,  welche,  wie  es  in  der  einen  Notiz  ^"^) 
heisst,  „vnderm  neuen  langen  Gange  neben  der  Renn- 
bahne" angebracht  werden  sollten.  Zur  Ausführung 
können  allerdings  nur  eine  kleine  Anzahl  von  diesen  ge- 
kommen sein,  da  der  Kuradministrator  Friedrich  Wilhelm, 
der  während  der  Minderjährigkeit  des  jungen  Kurfürsten 
Christian  IL  von  1591  bis  1601  die  Regierimgsgeschäfte 
besorgte,  wohl  aus  Sparsamkeitsrücksichten  die  weitere 
Fertigstellung  dieser  Tafeln  einzustellen  befahl  hi  einem 
vom  11.  Juli  1593  datierten,  an  den  Kammermeister  ge- 
richteten Briefe  ^^^): 


10')  H.-St.-A.  Oop.  543  fol.  182 1'. 

^^^)  Ebenda  Loc.  4451  Act.  Kurtz.  Sumrsch.  Extract  über  die 
churf.  Gebende  1590  fol.  64;  vergl.  auch  Copial  in  Cammersachen 
1592  fol.  562  iJ. 

i"'*)  Ebenda  Copial  in  Cammersachen  1593  fol.  362''. 

21* 


324  K.  Berling: 

„L.  g.  Dir  ist  sonder  Zweifel  bewust,  das  mit  Heinrich  Malern 
von  wegen  der  19  taffein,  darauf  die  Inuentiones,  dor  Innen  Chur- 
furst  Christian  Zu  Sachfsen  etc.  Christmilder  seliger  gedechtnus  in 
Ritterspilen  aufgetzogen  gemalet  werden  soll,  eines  benenten  gedinges 
verglichen  vnd  Ime  Von  Jder  taffei  lüö  Taler  anheischick  worden 
seindt,  wie  dan  auch  gedachter  Maler  364  fl.  6  gr.  albereit  vf  Rech- 
nung aus  der  Cammer  empfangen  haben  soll.  Weil  wir  aber  nun- 
mehr dahin  geschlossen.  Das  es  Zu  disem  mal,  bifs  vf  weitere  Ver- 
ordnung, allein  bey  den  ersten  6  taffein,  so  fast  denn  mehrerteil 
fertick  sein,  bewenden  soll.  Als  ist  vor  vns  vnd  der  hochgeborneu 
fursten  etc.  vnser  begeren.  Du  wollest  Ime,  wan  du  nachrichtung,  das 
die  bemalten  6  taffeln  allenthalben  vorsatzt  Vnnd  ausbereittet,  die 
630  taler,  nach  abziehung  des  albereit  entpfangeuen  geldes,  voll- 
stendick  volgen  lassen  Vnd  Zu  den  Stall  Baw  aulsgaben  in  Hech- 
nung  verschreiben.     Daran  etc." 

Der  Kurfürst.  Christian  I.  hatte  bei  der  Bestellung 
dieser  19  Tafeln  die  Absicht  gehabt,  dieselben  in  den 
Sockeln,  welche  unter  die  19  in  den  Arkaden  befindlichen 
Pferdebildnisse  gemalt  waren,  anbringen  zu  lassen.  So 
wenigstens  muss  man  gemäss  der  Weckschen  Abbildung 
Nr.  14  urtheilen.  Es  befinden  sich  hier  an  dieser  Stelle  "") 
drei  solche  Tafeln,  auf  denen  festliche  Aufzüge  angedeutet 
sind,  angebracht.  Die  Frage  jedoch,  ob  Göding  nur  diese 
drei  an  Ort  und  Stelle  versetzte,  oder  ob  Weck  sich  hier 
in  seiner  Zeichnung,  da  der  angeführte  Brief  von  sechs 
solchen  Tafeln  spricht,  eine  Ungenauigkeit  hat  zu  Schul- 
den kommen  lassen,  kann  nicht  entschieden  werden;  es 
ist  dies  auch  nur  von  geringem  Belang,  da  sich  wohl 
kaum  hoffen  lässt,  dass  sich  auch  nur  eine  derselben  bis 
auf  unsere  Zeit  erhalten  haben  wird.  Von  weit  grösserem 
Interesse  als  diese  Thätigkeit  Gödings  ist  eine  andere 
und  zwar  die  hervorragendste  am  Stallgebäude,  wenn 
nicht  seine  bedeutendste  Arbeit  überhaupt:  die  vollstän- 
dige malerische  Ausschmückung  des  zweiten  Geschosses 
der  Stallgallerie  ^^^),  die  sich  bis  auf  unsere  Zeit  voll- 
kommen unversehrt  erhalten  hat.  Selbst  die  Decke, 
welche  man  im  Jahre  1861  aus  praktischen  Gründen  er- 
höhen musste,  ist  getreu  nach  dem  Vorbilde  der  alten 
erneuert  worden.  Sie  ist  in  84  kleine  quadratische 
Felder  getheilt,  auf  denen  eine  reiche  Ornamentik  ange- 
bracht ist. 

Der  Künstler  hat  diesen  langen  schmalen  Raum  zu 
einer  Ahnengallerie  des  sächsischen  Regentenhauses  um- 


11**)  Unter  dem  5.,  6.  u.  14.  Pferde  von  links  gerechnet. 
1")  Hier   befindet   sich  bereits  seit  1733  die  Gewehr- Gallerie. 
Vergl.  auch  C.  Claus,  Katalog  zu  derselben  1873. 


Hofmaler  mid  Ki;pferstecher  Heinrich  Göding.  325 

geschaffen.  Zwischen  den  Fenstern  hängen  in  mächtigen, 
aus  ßollwerk  bestehenden,  reich  vergoldeten  Holzrahmen 
die  einstigen  Herrscher  des  kriegerischen  Sachsenstam- 
mes"-). In  ruhiger,  würdiger  Haltung  blicken  sie,  die 
der  Maler  in  Lebensgrösse  gebildet  hat,  auf  den  Be- 
schauer herab. 

Die  Idee  einer  derartigen  Saaldekoration,  bei  der 
von  den  Wänden  herab  die  Geschichte  eines  ganzen 
Volkes  durch  die  Bildnisse  seiner  Herrscher  gepredigt 
wird,  ist  dem  Künstler  wohl  durch  L.  Cranach  dem  Jün- 
geren geworden,  der  ähnliches  bereits  im  „Fürstensaale" 
auf  der  Augustusburg  versucht  hatte  "^).  Es  scheint  mir 
sogar  die  Vermuthung  nicht  zu  gewagt,  dass  hier  wie 
einst  beim  Freiberger  Altarwerke  "'^)  der  Ehrgeiz,  der 
es  Göding  als  persönliche  Zurücksetzung  empfinden  liess, 
wenn  L.  Cranach  ihm  gegenüber  als  der  vornehmere 
Künstler  behandelt  und  mit  den  werthvolleren  Arbeiten 
beauftragt  wurde,  die  treibende  Kraft  geworden  ist. 
Diese  hat  dann  aber  nicht  allem  bewirkt,  dass  Göding 
die  nächste  Gelegenheit,  die  sich  ihm  darbot,  ergriff,  um 
ein  ähnliches  Werk  zu  schaffen,  sondern  man  muss  ihr 
auch  den  Umstand  zuschreiben,  dass  der  Maler  bei  der 
Ausführung  desselben  sein  ganzes  künstlerisches  Können 
eingesetzt  .hat.  So  sind  denn  diese  46  "■^)  auf  Leinwand 
gemalten  Ölbilder  mit  dem  äussersten  Fleiss  und  nicht 
geringem  Geschick  in  sehr  kurzer  Zeit  gefertigt  worden. 
Sie  zeugen  von  einem  frischen,  etwas  derben  Farbensinne 
und  einer  brillanten  Technik,  die  sich  ganz  besonders 
auch  in  den  mit  grosser  Liebe  ausgeführten  Beiwerken 
und  den  hin  und  wieder  vorkommenden  Architekturen 
zeigt. 

Etwas  flüchtig  sind  freilich  die  völlig  sagenhaften 
Herrscher  behandelt,    denn   die  ersten  22  können  sicher 


"2)  Auf  jedem  Rahmen  ist  oben  und  unten  das  betreffende 
Wappen  des  Dargestellten  auf  Holz  gemalt.  Einige  dieser  Bilder 
(3,  4-5,  12,  37  u.  38-39)  sind  mit  m  F.  1588,  andere  (29-30  u.  44-45) 
mit  demselben  Zeichen  und  der  Jahreszahl  1489  bezeichnet.  Dann 
und  wann  sieht  man  zwei  Porträte  unter  einem  Rahmen  (4-5,  12-13, 
29-30,  38-39  u.  44-45). 

"3)  Siehe  die  erwähnte  Abhandlung  in  dieser  Zeitschrift  VII, 
305  flg. 

"*)  Siehe  S.  312. 

"■"')  Nur  die  46  ältesten  (bis  mit  Christian  I.)  sind  von  Göding 
gemalt,  die  übrigen  6  haben  Bottschild,  J.  H.  Meyer  u.  a.  später 
gefertigt. 


326  K.  Berling: 

auf  gescliiclitliclien  Werth  keinen  Anspruch  machen.  Erst 
mit  Widukind,  der  im  Jahre  783  als  der  erste  Sachse 
die  heilige  Taufe  empfangen  hatte,  befindet  man  sich 
einigermassen  auf  geschichtlichem  Boden,  der  freilich  noch 
vielfach  verlassen  wird,  um  den  Anschluss  der  Ahnenlinie 
an  die  ältesten  geschichthchen  Wettiner  zu  erlangen. 
Ganz  besonders  gut  sind  dem  Künstler  die  Bildnisse  von 
Friedrich  dem  Gütigen  (41)  und  Moritz  (44),  auch  von 
August  (4,5)  und  Christian  I.  (46)  gelungen,  doch  ist  der 
Kopf  bei  August  minder  fein,  bei  Cluistian  wohl  charak- 
teristisch, aber  doch  gar  zu  wenig  schmeichelhaft  ^^^). 

Unter  einem  jeden  dieser  Bildnisse  befindet  sich  eine 
längere  deutsche  Inschrift  und  ein  lateinisches  Distichon, 
in  denen  in  Kürze  die  Lebensschicksale  des  Dargestellten 
erzählt  werden  ^^^).  Darunter  sind  wieder  kleine  mit 
grosser  Feinheit  auf  Holz  gemalte  Bilder  angebracht, 
welche  mit  einer  reichen  Erfindungskraft,  wenn  auch 
manchmal  in  etwas  naiver  Auffassung  denkwürdige  Epi- 
soden aus  dem  Leben  der  einzelnen  HeiTscher  zur  An- 
schauung  bringen"^).      Schliesslich    befinden    sich   noch 

"")  In  der  Kgl.  öffentl.  Bibliothek  zu  Dresden  befindet  sich 
(.1,  1)  ein  Band  (gr.  fol.)  Miniaturmalereien  auf  Pergament,  welcher 
eine  Kopie  dieser  Fürsten])ilder  enthält.  Er  ist  laut  Beischrift  am 
2.  Nov.  1645  begonnen  worden.  Götze  (D.  Merkwürdigkeiten  d. 
Kgl.  Bibl.  zu  Dresden  1744.  I,  105  flg.)  schreibt  hierüber:  „Nach 
solchen  Gremählden  (die  in  der  Stallgallerie  sind  gemeint)  sind  auf 
hohen  Befehl  des  Glorwürdigsten  Churfürstens  Johannis  Georgii  I 
diese  Miniaturen  verfertiget  und  in  ein  Buch  zusammen  gebracht 
worden."  Weiter  berichtet  Götze,  dass  er  die  auf  dem  Stalle  be- 
findlichen Inschriften  habe  dazu  schreiben  lassen.  Es  beruhen  mit- 
hin wohl  die  Ansichten  von  Ebert  (Gesch.  d.  Dresd.  Biblioth.  1822, 
S.  160)  und  Falken  stein  (Beschr.  d.  Kgl.  Öffentl.  Biblioth.  1837, 
S.  329  f.),  die  meinen,  dass  das  betreffende  Buch  sich  bereits  1574 
beziehentl.  1599  in  der  kurfürstlichen  Bibliothek  befunden  habe,  auf 
Irrthum. 

^")  Man  findet  diese  Unterschriften  wörtlich  wiedergegeben  in 
dem  bereits  erwähnten  Kataloge  zur  Gewehr-Gallerie  S.  26  flg. 

^^*)  Diese  kleinen  Gemälde  sind  von  D.  v.  Biedermann  in 
der  Zeitschr.  f.  Museologie  etc.  1880,  Heft  6  u.  7  ausführlich  be- 
sprochen. Hier  ist  nun  die  Vermuthung  ausgesprochen  worden,  dass 
die  Inschriften  und  die  kleinen  Bilder  möglicherweise  erst  von  Bott- 
schild  (1640 — 1707)  hinzugefügt  seien,  „da  sie",  wie  es  dort  heisst, 
„nach  den  Erzählungen  des  Newen  Stammbuchs  von  Petrus  Albinus 
und  des  von  Birkenschen  sächsischen  Heldensaals  entworfen  zu  sein 
scheinen;  diese  Werke  erschienen  aber  erst  1602  u.  1617."  Gegen 
Bottschilds  Urheberschaft  spricht  aber  der  Umstand,  dass  die  in  der 
Kgl.  öff'.  Bibl.  befindlichen  Kopien  der  Hauptbilder  sowohl  als  auch 
die  der  kleinen  Bilder  (denn  diese  zeitlich  zu  trennen  ist  nicht  mög- 
lich) schon  1645  begonnen  worden  sind. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heiurich  Göding.  327 

unter  den  Fenstern  gleichfalls  auf  Holz  gemalte  Turnier- 
hilder,  von  denen  oben  bereits  gesagt  wurde,  dass  die 
Aquarellen,  die  ihnen  als  Vorstudien  dienten,  bereits  im 
Jahre  1584  von  Göding  auf  Bestellung  des  Kurfürsten 
August  gemalt  worden  seien.  Die  Darstellimgen  gleichen 
sich  bei  beiden  Arbeiten  völlig,  nur  zeigen  die  Gemälde 
in  der  Stallgallerie,  welche  von  55  auf  29  reduziert  sind, 
ausser  den  beiden  kämpfenden  Reitern  noch  den  ganzen 
mit  vielen  Zuschauern  besetzten  Kampfplatz,  wodurch 
der  Beschauer  ein  recht  anschauliches,  interessantes  Bild 
von  der  Art  und  Weise  der  damaligen  Turnierspiele  ge- 
winnt. 

Noch  wälu-end  Göding  mit  diesen  vielfachen  ehren- 
vollen Arbeiten  am  Stallhofe  beschäftigt  war,  betheiligte 
er  sich  an  einer  kleinen  Konkurrenz,  bei  der  Zacharias 
Wehme,  ein  bedeutend  jüngerer  Künstler,  sein  Gegner 
war.  Es  galt  diesmal  eme  Farbenskizze  anzufertigen, 
nach  welcher  das  vom  Kurfürsten  August  im  Jahi^e  1552 
an  der  Dresdner  „grossen  Bastei"  errichtete  Moritzmonu- 
ment erneuert  werden  sollte.  Die  Restauration  ist  laut 
einer  noch  heute  am  Denkmal  befindlichen  Inschiift  im 
Jahre  1591  auch  wiiMich  erfolgt.  Die  mit  den  Skizzen 
zusammen  emgelieferten  genau  spezifizierten  Kostenan- 
schläge beider  Maler  werden  noch  heute  im  H.-St.-A."**) 
bewahrt.  Wenn  Göding  auch  diesmal  seinem  jüngeren 
Kollegen  unterliegen  musste,  denn  seine  Arbeit  wurde 
zur  Ausführung  nicht  angenommen,  so  bleibt  doch  immer- 
hin wissenswerth,  wie  hoch  er  hierbei  jede  einzelne  kleine 
Arbeit  berechnet  haben  wollte,  ganz  besonders  aber  des- 
halb, weü  die  dem  ausfühi-enden  Maler,  Z.  Wehme,  wirk- 
lich be^villigte  Summe  nach  diesem  von  Gödmg  aufge- 
stellten, hin  und  wieder  —  wie  sich  vermuthen  lässt  — 
von  Paul  Buchner  reduzierten  Kostenanschlage  festge- 
stellt zu  sein  scheint  i-**).  Ich  lasse  daher  diesen  im 
Wortlaute  folgen  ^-^): 


"ö)  Loc.  4451,  Den  Festungsbau  zu  Dresden  belangend,  fol. 
89  u.  90. 

120)  Der  Kosteuanschlag  Wehmes  sowie  Näheres  über  diese 
Restauration  sind  von  Th.  Distel  in  d.  Z.  f.  Museologie  etc.  1883, 
S.  123  mitgetheilt,  wo  auch  die  noch  erhaltene  Aquarellskizze  dieses 
Malers  abgebildet  ist. 

121)  Das  cursiv  Gred)-uckte  ist  von  einer  anderen,  nach  der  An- 
sicht D isteis  Paul  Buchners  Hand. 


328  ^-  Berling: 

Den  4.  July  an.  91. 
Heinrich  Maliler. 

5  fl.  von  einen  Schilde  der  seint  fuuffe  thut  25  fl.  ist  mit 
5  talern  zu  frieden,  Von  den  ober  gesims  25  fl.  25  taler.  Von 
einen  wapen  3  fl.  davon  seint  22,  thnt  66  f.  SVa  taler.  Von  den 
zwu  schwartzen  taffehi  mit  den  schriff'ten  40  fl.  40  taler.  Von  den 
zwu  kleineu  taffelu  mit  den  schrifften  20  fl.  bleibt.  Von  den  beiden 
eusersten  seiüen  12  fl.  bleibt.  Von  den  andern  beiden  seulen  8  fl. 
bleibt.  Von  den  feldern  hinder  den  conderfect  8  fl.  10  fl.  Von 
beiden  Churf.  26  taler.  Von  Churf.  Moritz  gemahl  4  fl.  5  fl.  Von 
Churf.  Augusty  gemahl  7  fl.  7  taler.  Von  den  vier  krack  steinen 
vnd  den  Pollen  20  fl.  21  taler.  Von  den  feldern  neben  den  Chur- 
fursten  50  fl.    50  taler.    Tuht  285  fl.    Ist  mit  305  talern  Zufrieden. 

Den  4  July  an  91.  liatt  mein  gnedigster  Herr  bewilliget,  datz 
man  dem  Maler  meister  Zacharias  305  taler  geben  Magk. 

Christian  I.  hatte,  wie  aus  einigen  archivalischen 
Notizen  hervorgeht,  noch  wenige  Monate  vor  seinem  Tode, 
also  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1591,  den  beiden 
Malern  Göding  und  Cyriacus  Röder^^-)  eine  grössere 
künstlerische  Arbeit  übertragen.  Man  muss  indessen  hier 
die  Quellen  mit  etwas  Vorsicht  gebrauchen,  da  sie  — 
wie  ich  aus  eigener  Erfahrung  bezeuge  —  leicht  auf  eine 
falsche  Fährte  zu  führen  im  Stande  sind.  Denn  die  ge- 
fertigte Arbeit  selbst  lässt  sich  nicht  mehr  nachweisen, 
die  Akten  drücken  sich  aber  theilweise  so  unbestimmt 
aus,  dass  nach  ihnen  eine  doppelte  Lesart  möglich  ist. 

Es   kommt   hier   zuerst   ein   an  den  Kammermeister 

gerichteter   Befehl   des   Kuradministrators   in   Betracht, 

welcher  lautet  ^-^): 

„L.  g.  Den  beiden  Mahlerrn  Heinrich  Goding  Vnd  Ciriax 
Röderu  haben  wier  von  Churfurst  Aiigustj  &  Christseliger  gedecht- 
mis  Vnd  des  Chmfursten  Zu  Brandenburgs  &  beiden  Conterfecten,  Als 
Jederm  Achtzigk  gülden,  Vor  Ire  arbeit  genedigest  bewilligt.  Ist 
derowegen  Vor  Vns  Vnd  S.  des  Churfursten  Zu  Brandenburgs  Bilde 
In  gesambter  Vormundschaflt  etc.  Vnnser  genedigsts  begeren.  Du 
wollest  obgedachten  beiden  Mahlern  Ihr  Jderm  Vor  sein  gefertigt 
Conterfect  ^80  fl.  kegen  Ihren  bekentnufs  aus  der  Cammer  vorgnugen 
lassen.    Dessen  etc.  den  19.  Dezb.  92." 

Ein  Auszug  aus  den  Eenntn.-  und  Kammerbefehlen 
bezeugt  ferner,  dass  diese  Auszahlung  am  29.  Dez.  1592 
wü^klich  erfolgte,  denn  es  heisst  in  dem  betreffenden 
Aktenstücke  ^^*) : 

1--)  Ein  von  C.  Röder  gemaltes,  recht  charakteristisch  auf- 
gefasstes  Bild  des  Kurfürsten  August  befindet  sich  im  Entreesaale 
des  historischen  Museums. 

i"3)  H.-St.-A.  Cop.  in  Cammers.  1592  fol.  766. 

12*)  H.-St.-A.  Loc.  7295,  Act.  Extract.  d.  Eenntn.-  u.  Cammbf. 
fol.  244. 


Hofmaler  und  Kxipferstecher  Heinrich  Göding.  329 

„Den  beiden  Mahleru  Heinrich  Göding  md  Ciriacns  Rödern 
Jeden  80  fl.  vor  Chiu-furst  Augiistj  vnd  des  Churfurst  zu  Branden- 
burgks  beiden  contrafecten." 

Wahrschemlich  hat  sich  nun  die  Arbeit  doch  als 
grösser  herausgestellt  oder  —  was  so  ziemlich  auf  das- 
selbe herauskommt  —  mehr  Zeit  beansprucht,  als  man 
bei  der  Bestellung  angenommen  hatte,  jedenfalls  ist  den 
beiden  Malern  eine  Mehrf orderung  bewilligt  worden,  wie 
aus  einer  dritten  Notiz,  die  ich  hier  gleichfalls  im  Wort- 
laut folgen  lasse,  hervorgeht  ^"^) : 

„Yf  beuehl  Hertzogk  Friederich  Wilhelms  Zu  Sachfsen  der 
Chm-  Sachfsen  Atministratorn,  Vnsers  gnst.  Herrn,  soll  der  Churf. 
S.  in  Vormundtschafft  verordtneter  Cammermeister  Gregor  Vnwierdt, 
Heinrich  Godigeru  Vndt  Cyriax  Rödern,  Mahleru,  Wegen  der  Zweyen 
Contrafect,  so  sie  Vff  Churf.  Christian  lobl.  vnd  sehliger  ged.  be- 
uehlich  Zuuorfertigen  Vndterhanden.  Vber  das  Jenige,  so  sie  Zuuorn 
empfangen,  noch  50  fl.  vff  Rechnung  gegen  ihre  Quittung  volgen 
lassen.  Drefsden  d.  3  Juni  1592." 

Es  sind  nun  —  meiner  Meinung  nach  —  diesem  an- 
gezogenen Aktenmateriale  gemäss  zwei  verschiedene  Fälle 
denkbar.  Es  kann  nämlich  erstens  jeder  Maler  ein  Bild, 
auf  dem  nur  der  eine  dieser  beiden  Fürsten  dargestellt 
war,  angefertigt  haben,  es  kann  aber  auch  zweitens  jeder 
von  ihnen  ein  Doppelbild,  auf  denen  man  beide  zusammen 
erblickte,  gemalt  haben.  Zu  dieser  letzteren  Ansicht  ist 
man  leicht  geneigt,  wenn  man  den  Umstand  in  Betracht 
zieht,  dass  sich  in  der  Dresdner  Gemäldegallerie  ein  sol- 
ches Doppelbild  ^-*')  mit  den  Porträten  dieser  beiden  Kur- 
fürsten befindet,  dessen  Verfertiger  in  den  Katalogen  als 
„Unbekannt"  aufgeführt  wird,  dessen  Entstehung  aber 
der  Malweise  nach  ungefähr  in  diese  Zeit  G-ödingscher 
Kunst  fallen  muss^").  AVäre  dies  in  der  Gallerie  be- 
findliche das  eine  der  oben  erwähnten  Bilder,  so  müsste 
das  andere  sich  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  noch  in 
dem  ehemaligen  kurbrandenburgischen  Besitze  nachweisen 
lassen.  Eine  nach  dieser  Richtung  hin  angestellte  Unter- 
suchung blieb  indes  ohne  Erfolg ^-^),  konnte  von  mir  aber 


125)  H.-St.-A.  Cop.  in  Cammers.  1592  fol.  UbK 

126)  Im  Katalog  zur  Gemäldegallerie  1884.  Nr.  1954. 

i«'')  W.  Schaf  er  (D.Kgl.Gemäldegall.  zuDresdcnlll,  Nr.  lf)97) 
schreibt  dies  Bild  ohne  weitere  Begründung  dem  Zacharias  Wehnie 
zu.    Ob  er  aber  hierin  Recht  hat,  ist  zum  mindesten  fraglich. 

12«)  In  den  Museen  Berlins  und  —  wie  mir  auf  meine  Anfrage 
das  Kgi.  preuss.  Hofmarschallamt  gütigst  raittheilt  —  in  den  Kgl. 
preuss.  Schlössern  findet  sich  ein  derartiges  Doppelporträt  nicht  vor. 


330  E..  Berling; 

auch  deshalb  imbeendigt  abgebrochen  werden,  weil  ich 
zu  dieser  Zeit  in  einem  weiteren  Aktenstücke  eine  neue 
auf  diese  Angelegenheit  bezügliche  Notiz  fand,  die  von 
den  beiden  oben  als  möglich  aufgestellten  Fällen  den  zu- 
erst angenommenen  zur  Wahrscheinlichkeit  erhob.  Es 
heisst  nämlich  darin  ^■-^): 

„Nachdem  Ciriax  Röder  dem  Maler  von  des  Churf.  Zu  Branden- 
burgks  etc.  Viisers  gnst.  Herrn  Conterfect  80  ü.  versprochen  worden, 
Darauf  ehr  den  albereit  50  taler  aus  der  Cammer  entpfangen  haben 
soll,  Als  soll  Ime  der  nachstaudt  Vollents  hernach  entricht,  Dem 
Cammermeister  auch  darauf  befelich  vberschickt  werden. 

Dresden  d.  21.  Deeb.  92." 

Somit  hätte  also  Eöder  das  Bild  des  Kurfürsten 
Johann  Georg  von  Brandenburg,  Göding  das  des  Kur- 
fürsten August  gemalt.  Diese  Ansicht  wird  zur  Gewiss- 
heit durch  einen  zweiten  archivalischen  Beleg,  der  sich 
in  einem  vom  Kuradministrator  an  den  Kammermeister 
gerichteten  Briefe  vorfindet,  demzufolge  Göding  um  diese 
Zeit  wirklich  ein  Porträt  Augusts  an  die  Kunstkammer 
abgeliefert  hat.    Dieser  Brief  lautet  ^^") : 

„L.  g.  Heinrich  Göding  Mahler  alhier  hatt  vnns  vnnderthenigst 
berichtett,  das  ehr  Churfurst  Christiano  loblicher  gedechtnufs  drey 
Conterfect  alfs  Königs  Christiani  in  Dennemargkt '^ij  vnnd  desselben 
gemahlfs  So  wohl  Churfurst  Augusti  neben  zweyen  gTofsen  Kupfer- 
blechen'»=)  darauf  die  belagerung  Gotha  vnd  Grimmenstein  gestochen 
in  die  Kunstkammer  vnderthenigst  vorehrett  vnnd  derowegen  zuvoru 
wie  auch  jetzo  abermals  Vnderthenigst  Ihme  Ziir  ergetzlichkeit  des- 
selben mit  vier  Centner  geschlagen  Kupferblech  gnedigst  zu  be- 
dencken,  AVelches  wir  ihm  also  zu  gnaden  bewilliget.  Begehren 
derowegen  etc.  Drefsden  d.  21  Novb.  1594." 

Dass  Göding  ausser  diesen  vielen  vom  Kurfürsten 
geforderten  Aufträgen  auch  hin  und  wieder   solche  für 


129)  H.-St.-A.  Cop.  in  Cammers.  1592  fol.  766. 

130)  H.-St.-A.  Cop.  in  Cammers.  1594  fol.  481  »j-,  vgl.  auch  ebenda 
Loc.  7295,  Act.  Remitn.-Cammbfl.  fol.  161. 

"1)  Das  hier  erwähnte  Porträt  von  Christian  III.,  dem  Schwie- 
gervater des  Kurfürsten  August,  scheiiit  mit  dem  im  Parterresaale 
des  Schlosses  zu  Grosssedlitz  befindlichen  identisch  zu  sein.  Dies 
Bild,  dessen  Fläche  in  späterer  Zeit  einmal  um  etwa  eine  Handbreite 
auf  jeder  Seite  vergrössert  worden  ist,  hat  durch  die  Ungunst  der 
Zeit  entsetzlich  gelitten.    Es  trägt  folgende  Inschrift: 

„Von  Gottes  Gnaden  Christian 

Der  3  König  zu  Denemarck 

AVar  geboren  1503 

Starb  1559.    Im  55  Jahr 

SpiTiGs  Alters." 
"2)  Auf  diese  Kupferplatten  werde  ich  später  zurückkommen. 


Hofmaler  imd  Kupferstecher  Heinrich  Gödiug.  331 

Privatleute  ausführte,  bezeugt  eine  zufällig  aufbewahrte, 
aus  dem  Jahre  1594  stammende  Rechnung,  worin,  ganz 
handwerksmässig,  wie  beim  Kostenanschlag  zur  Erneue- 
rung des  Moritzmonuments,  jede  einzelne  kleine  Arbeit 
beim  Ausmalen  eines  phantasievoll  gestalteten  Schlittens 
aufs  genaueste  berechnet  wird.  Diese  Rechnung  lautet  ^=^^^): 

„Dem  Edelnu  gestrengemi  Heinrich  Vonn  Hagenn  Fürstich. 
Sechfsischer  Hofmeister  gemacht.     Wie  folgt. 

Erstlich  einen  grofsen  Schwann,  Mit  feinem  Silber  Vherlegt 
Vnd  etzliche  federnn  daran  gebapbet,  Vnnd  die  Krone,  sambt  dem 
Halsljanndt,  mit  giittem  Vngrischenn  golde  verguldt:  Dutt  dauonu 
14  thaler. 

Mehr  ein  bar  Kuffen  mit  Ollfarbenn  Rott  ahngestrichenn  vnnd 
mit  feinem  sillier  Vorsilbert,  Sambt  einer  grofsenn  Mehr  Mnsehelnn, 
welche  auch  gar  Versilbert,  Vnnd  gemahlet  mit  Ollfarbenn  wie 
Wasser  Wellen,  ihn  welcher  Muschel  der  Schwann  sitzet:  Dutt 
dauor  6  thaler. 

Item  ein  Konnte  Kugel,  auf  welche  Von  Ollfarbenn,  mit  fleis 
des  himmels  lauff  gemahlet  Vnd  mit  guttem  Vngrischenn  golde,  Vnnd 
Silber  gezieret:    Dut  dauor  3  thaler. 

Item  auch  einenn  adeler,  dorauf  der  Jupiter  sitzet,  auch  mit 
Vngrischen  golde  gezieret,  Vnnd  mit  Ollfarbeim  aufsgefafset,  gehört 
auf  die  Kugell :     Dutt  dauor  2  thaler. 

Item  auch  zwo  Kummet  mit  Flügelnn  von  Ollfarbenn  Rott 
ahngestrichenn,  Vnnd  mit  feinem  sillier  Vorsilbert,  Sambt  Zwenenn 
Schweneuu,  so  gar  Vorsilbert,  Vnnd  die  Kronen  mit  guttenn  Vng- 
rischenn golde  Vorguldt:     Dutt  dauor  8  thaler. 

Mehr  2  bar   stangenn,  A'onn    Ollfarbenn   Rott   ahngestrichenn, 
Vnnd  mit  silber  geziert:     Dutt  dauor  2  thaler. 
Summa  Vber  alles  35  thaler. 

Ist  bezahlt.  Heinrich  Götting^^*) 

Mahler." 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass,  obgleich  in  der  Rechnung 
selbst  hiervon  nichts  erwähnt  wird,  nicht  nur  die  Maler- 
arbeiten, sondern  auch  der  ganze  Entwurf  selbst  von 
Göding  herrührte.  Zu  dieser  Ansicht  wenigstens  gelangt 
man,  wenn  man  bedenkt,  dass  er  sich  schon  früher  einmal 
mit  der  Erfindung  eines  ähnlich  phantastisch  geformten 
Schlittens  befasst  hatte,  wie  eine  von  ihm  äusserst  sauber 
Avenn  auch  ein  wenig  kleinlich  ausgeführte  getuschte 
Federzeichnung  bezeugt.  Dies  Blatt,  das  die  Dresdner 
Kupferstichsammlung  bewahrt,  ist  mit  HG  1583  bezeich- 
net, so  dass  an  Gödings  Urheberschaft  kaum  gezweifelt 


133)  H.-St.-A.  Loc.  7301,  Oanmiers.  1.594  Theil  III  fol.  149. 
13-1)  Hier  ist  der  eine  der  beiden  beim  Beginn  dieser  Studie  er- 
wähnten Fälle,  dass  sich  der  Maler  mit  „Götting"  unterschiieben  hat. 


332  K.  Berling: 

werden  kann.  Dargestellt  findet  sich  ein  Schlitten,  des- 
sen Vordertheil  ans  einem  schwarz  geschuppten,  mit  weit 
aufgesperrtem  Eachen  wüthend  um  sich  schlagenden 
Drachen  mit  einem  mächtigen  weissen  Federbusche  auf 
dem  Kopfe  besteht.  In  diesem  letzteren  sitzt  ein 
mit  voller  Rüstung  angethaner  Ritter,  der  mit  seiner 
Lanze  zum  verderbenbringenden  Stosse  auf  den  Drachen 
ausholt.  Hierbei  wirken  nun  freilich  die  so  ungemein 
verschiedenen  Massverhältnisse  ein  wenig  komisch;  bei 
der  verhältnismässig  grossen  Ausdehnung  des  Ungeheuers 
ist  dessen  endlicher  Besieger  in  gar  zu  winzigen  Dimen- 
sionen dargestellt.  Ausserdem  sind  noch  auf  der  Decke 
und  dem  Sattelzeuge  des  Pferdes  ein  grösserer  schwarzer 
und  zwei  kleinere  weisse,  sich  gegenseitig  bekämpfende 
Drachen  angebracht.  Im  Schlitten  selbst  sitzt  eine  Dame 
und  auf  der  Pritsche,  die  Zügel  des  Pferdes  führend, 
deren  Begleiter.  Beide  haben  blonde  Haare  und  von  der 
Kälte  geröthete  Gesichter  und  Ohren  und  sind  in  schwarze 
Anzüge  mit  weissen  Ärmeln,  Halskrausen  und  Hand- 
schuhen gekleidet,  wobei  vielfach,  wie  an  den  Hüten,  am 
Kleiderbesatz,  den  Halsketten,  in  Gödings  beliebter  Weise 
Gold  verwandt  ist.  Auf  die  Pferdedecke  und  auf  den 
Schild,  den  der  Ritter  in  der  Linken  hält,  ist  das  säch- 
sische Wappen  gemalt,  ein  Umstand,  der  schliessen  lässt, 
dass  auch  diese  Arbeit  für  den  Kurfürsten  angefertigt 
worden  ist  ^•^^). 

Zwei  Aktenstücke  ^=^*''),  die  vom  4.  und  23.  Dez.  1601 
datiert  sind,  berichten  ferner,  dass  Göding  dem  Kiu'- 
administrator  „Sechs  schöne  gemahlte  Kunststück  ver- 
ehret" habe.  Dieselben  nachzuweisen  oder  auch  nur 
näher  zu  bezeichnen,  Avar  mii'  indessen  nicht  möglich. 
„Kunststücke"  könnten,  wie  aus  einer  anderen  Notiz  ^'") 
hervorgeht,  dem  damaligen  Sprachgebrauche  gemäss  aller- 
dings Kupferstiche  bedeuten  sollen.  Wäre  dies  der 
Fall,    so  liesse  sich  eine  zusammenhängende  Folge  von 


'•"'^)  Ich  möchte  hier  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  ein  gleich- 
falls iu  der  Dresdner  Kupferst.-Samml.  l)efindliches  Aquarell,  wahr- 
scheinlich das  Bildnis  eines  sächsischen  Fürsten,  dem  Göding  zuge- 
schriel)en  wird  und  zwar  —  wie  mir  scheint  —  mit  Um-echt.  Das 
Blatt,  welches  keine  Inschrift  trägt,  zeigt  eine  Ausführung,  die  mit 
der  Gödings  durchaus  nicht  ühcreinstimmt. 

"6)  H.-St.-A.  Loc.  7313,  Cammers.  1601  fol.  235  u.  Loc.  7339, 
Wocliztt.  1601—3     fol.  109 '>. 

13'')  Ebenda  Loc.  7295,  Extr.  d.  Renntn.-  u.  Cammbf  fol.  161. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Güiling.  333 

6  Blättern,  die  ungefähr  um  diese  Zeit  abgegeben  sein 
könnten  ^^^),  schon  nachweisen.  Da  aber  in  den  beiden 
angezogenen  Quellen  von  gemalten  Kunststücken  die 
Rede  ist,  muss  wohl  auf  diese  Lösung  der  Frage  ver- 
zichtet werden. 

Aus  den  Jahren  1601  und  1602  stammen  zwei  kleine 
auf  Kupfer  gemalte  Ölbilder,  die  Gröding  für  den  Kur- 
fürsten Chiistian  II.,  der  im  Jahre  1601  die  Regie- 
rung selbst  übernommen,  verfertigt  hatte ^■'^^).  Diese 
Bilder  wurden  mit  vielen  anderen  Gegenständen  zusam- 
men am  19.  Jan.  1612  an  die  Kunstkamraer  abgegeben 
und  über  diesen  Akt  em  ausführliches  Protokoll  aufge- 
nommen, in  welchem  ihrer  folgendermassen  Erwähnung 
geschieht  ^'^"): 

„Vft'  Kupffer  gemalte,  vnd  in  rahmen  eingefafste  Biblisehe 
Historien,  davon  eines  von  5  Klugen  vndt  Dörichten  Jungfrawen, 
Das  ander  das  Königliche  Pancket  Belsazers  Zue  Assyrien,  hat 
Heinrich  Göttingk  der  elter  1601  vnnd  1602  gemahlet." 

In  dem  „Verzeichniss  der  im  Vorrath  befindlichen 
Gemälde"  der  Dresdner  Gallerie  findet  man  diese  beiden 
Werke  Gödings  unter  Nr.  493  u.  494  mit  dem  Vermerk 
„zum  Verkaufe  ausgesetzt  d.  23.  Jan.  1841"  erAvähnt,  und 
ferner  im  „Auszug  aus  dem  Verzeichniss  der  Vorraths- 
bilder  der  Königl.  Gemäldegallerie  C"^")  die  sich  auf 
das  letztere  der  beiden  beziehende  Notiz: 

„258)  Unbek.  bez.  HG  1602,  Frauen  mit  brennenden  Lampen, 
Schlafende,  Ritter,  erleuchtete  Häuser.  9"  hoch  13"  br.  auf  Kupfer, 
neuer  schw.  Rahmen,  leidlieh  erhalten,  d.  16  Aprl.  1860  verk.  für 
12  rthlr.  1  gr." 

Über  den  weiteren  Verbleib  dieser  beiden  Bilder 
konnte  ich  nichts  in  Erfahrung  bringen,  doch  ist  der 
Fall,  dass  dieselben  einst  wieder  ans  Tageslicht  gelangen, 
immerhin  denkbar.  Viel  empfindlicher  als  von  diesem 
wird  man  indessen  von  einem  anderen  Verluste  betroff'en: 
das  ist  die  sichere  Vernichtung  einer  grossen  Reihe  von 
Malereien,  die  Göding  einst  für  die  alte  Frauenkirclie 
schuf.  Es  waren  dies  Gemälde,  in  welchen  die  Geburt 
und  Leidensseschichte  des  Heilands  zur  Anschauung  ge- 


138)  Sie  sind  1595  u.  98  datiert. 
"")  H.-St.-A.  Loc    7339,  Wochztt.   1603—5  fol.  534. 
1'^)  Ebenda  Loc.  7207,  Altsch.  aufs  d.  Einnahm,  d.  Kunstk.  fol.  9. 
'")  Beide  Aktenstücke  wurden  mir  vom  Galleriedirektor  Herrn 
Prof.  Woermann  gütigst  zur  Durchsicht  überlassen. 


334  K.  Berling: 

bracht  war.  Michaelis^*-)  berichtet  hierüber  nach  Auf- 
zählung dessen,  was  in  ihnen  dargestellt  war,  dass  alles 
gemalt  sei  „zwar  schlecht  jedoch  mit  etlichen  Worten, 
so  darbey  stehen,  erleutert,  aber  auch  Glaubens-  und 
Liebes -voll,  malsen  sich  die  Urheber  dieser  Gemählde 
nicht  geschämt,  theils  ihre  Nahmen  und  Wappen,  theils 
auch  nur  das  Wappen  allein  denen  Nachkommen  zu  über- 
lassen." Unter  Urheber  dürfen  hier  aber  nicht  die  Ver- 
fertiger, sondern  müssen  die  Stifter  dieser  Bilder  verstan- 
den werden,  denn  einerseits  findet  sich  unter  diesen, 
deren  Namen  (gegen  30)  Michaelis  alle  einzeln  aufzählt, 
meines  Wissens  nur  ein  einziger  Maler,  Andreas  Brett- 
schneider, andrerseits  spricht  aber  Michaelis  ferner  vom 
Verfertiger  nur  in  der  Einzahl.  Er  fährt  nämlich  fort: 
„Hierüber  ist  nicht  zu  vergessen,  dafs  an  der  Decke  oben 
gegen  das  sogenannte  Müntzer-Thor  zu,  der  Mahler  sich 
selbst  auf  einem  Gerüste  sitzend,  nebenst  seinen  bey  ihm 
stehenden  Farben -Töpfgen  und  Pinseln  gemahlt,  auch 
gleich  an  der  Tauife  Christi  am  Jordan  noch  arbeitende." 

Führt  nun  schon  der  eigenartige  Gedanke,  der  sich 
in  diesem  eben  erwähnten  Bilde  ausgesprochen  findet, 
unwillkürlich  auf  Gödings  Thätigkeit,  da  dieser,  wie 
zweifellos  feststeht  ^^•'),  ganz  etwas  ähnliches  bereits  in 
dem  im  dritten  Geschosse  des  Hasenhauses  gelegenen 
sogenannten  Venussaale  auf  der  Augustusburg  ausgeführt 
hatte,  so  wird  seine  Urheberschaft  dieser  Gemälde  über- 
dies noch  von  Hohlfeldt  in  einem  Aufsätze"^),  der  die 
Sophienkirche  in  Dresden  behandelt,  als  sicher  bezeugt. 
Hier  finden  sich  nämlich  gelegentlich  der  Besprechung 
der  Veränderungen,  welche  die  im  Jahre  1738  erfolgte 
Verlegung  des  Hofgottesdienstes  in  diese  Kirche  mit  sich 
brachte,  folgende  Worte:  „An  den  Brustlehnen  der  ersten 
Emporkirche  wurden  die  noch  vorhandenen  18  Gemälde 
aus  der  Lebensgeschichte  Jesu,  welche  vorher  in  der 
alten  Frauenkirche  ^^'^j  gewesen  und  von  Heinrich  Gotting, 
der  1606  starb,  gemalt  worden  waren,  angebracht." 

Leider   findet   sich  an  Ort  und  Stelle   heute   nichts 


"-)  Drefsdnische  luscriptiones  u.  Epitaphia  d.  Frauen  Kirche 
Alt-Drefsd.  1714,  Vorrede. 

143)  Frey  er  in  dieser  Zeitschr.  VII,  321. 

^")  Der  Sammler  f.  Gesch.  u.  Alterth.  Dresd.  I  (1837),  198. 

^*'')  In  der  alten  Franenkii'che  ist  zuletzt  am  9.  Febr.  1727 
Gottesdienst  gehalten  und  dann  dieselbe  eingerissen  worden  (Nachr. 
über  d.  Erbamiug  d.  Frauenkirche.     Dresden  1834.). 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Goding.  335 

mehr  hiervon  vor.  Auch  die  Entstehuiigszeit  dieser  Ar- 
beiten lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  mehr  feststellen, 
wahrschemlich  ist  jedoch,  dass  dieselben  gegen  Ausgang 
des  16.  Jahrhunderts  entstanden  sind,  da  die  jüngste  der 
wenigen  Jahreszahlen,  die  nach  Michaelis  hin  und  wieder 
den  Namen  der  Stifter  beigeschrieben  waren,  1596  ist. 

Es  wird  endlich  noch  mehrfach  erwähnt ^^'•),  dass  Hein- 
rich Göding  zusammen  mit  den  beiden  Malern  Zacharias 
Wehme  und  Michael  Treutting  bei  der  1602  begonnenen 
Eenovierung  des  Dresdner  Sclilosses  thätig  war.  Ich 
glaube  aber,  dass  hiermit  nicht  der  1531  geborene  Hein- 
rich Göding,  sondern  vielmehr  sein  gleichnamiger  Sohn 
gemeint  sein  wird,  denn  es  widerstrebt  mir,  zu  denken, 
dass  der  nmimehr  70jährige  Meister  noch  den  Muth  be- 
sessen haben  sollte,  eine  derartige  anstrengende  Arbeit, 
bei  der  ein  Herumsteigen  auf  den  Gerüsten  unvermeidlich 
war,  zu  unternehmen. 

Hiermit  wäre  die  Aufzälüung  der  Arbeiten,  die  der 
Maler  Heinrich  Göding  der  Ältere  geschaffen  hat,  be- 
endet, und  es  erübrigt  nur  noch,  seine  Verdienste  als 
Kupferstecher  hervorzuheben.  Ich  werde  mich  aber  hier- 
bei so  kurz  wie  möglich  fassen,  da  diese  Seite  seiner 
künstlerischen  Thätigkeit  bereits  mehrfach  verdiente  Wür- 
digung gefunden  hat,  ganz  besonders  von  A.  Andresen""). 
Ich  beschränke  mich  mithin  darauf,  der  Vollständigkeit 
und  des  Zusammenhanges  wegen  die  einzelnen,  Göding 
zugeschriebenen  Blätter  zu  erwähnen  und  das  wenige 
Ergänzende  hinzuzufügen. 

Es  ist  eine  eigenthümliche,  vielleicht  nur  zufällige 
Erscheinung,  dass  die  uns  erhaltenen  Kupferstiche  Gödings 
sämtlich  aus  dem  letzten  Jahrzehnt  des  16.  Jahrhunderts 
stammen.  Nur  ein  einziges  Blatf^^^),  (1.)  Die  Anbetung  der 
Könige,  macht  liiervon  eine  Ausnahme,  da  dasselbe  nach 
Heinecken  "^)  im  Jahre  1569  entstanden  sein  soll  und 
somit  der  frühesten  Zeit  seiner  künstlerischen  Thätigkeit 
angehören  würde.  Wenn  Göding  bei  seiner  vielgeschäf- 
tigen Thätigkeit   auch   erst   in   seinem  Alter  Zeit   und 


1*0)  H.-St.-A.  Loc.  7314,  Cammers  1602  Theil  III  fol.  130"' ; 
Loc.  7339,  Wochztt.  1601-3  fol.  SU'';  Wochztt.  1603-5  fol  185. 

'")  A.  Andres en,  Der  deutsche  Peiutre -  Graveur  I  (Leipzig 
1864),  71  flg. 

''»*)  Andre  seil  a.  a.  O.  93   Nr.  7. 

"»)  Es  soll  mit  „Heinrich  Goedigeu  B.fecit  1569"  bezeichnet  sein. 


336  K.  Berling: 

Müsse  gewinnen  konnte,  grössere  Arbeiten  im  Knpfer- 
sticli  zn  vollenden,  die  Kunst  selbst  muss  ihm  schon 
viel  früher  geläufig  gewesen  sein,  da  ein  im  Jahre  1574 
angefertigter  Bibliothekskatalog  ^•'^'-),  welcher  die  auf  der 
Annaburg  befindlichen  Bücher  aufzählt,  auch  ein  von  ihm 
verfasstes  Buch  über  die  Theorie  des  Kupferstechens  etc. 
enthält.  Das  letztere,  das  sich  leider  nicht  mehr  auf- 
finden liess,  führte  dem  erwähnten  Kataloge  zufolge  fol- 
genden Titel:  „Nr.  1532.  Kunstbüchleüi  vonn  etzen  auff 
allerley  Metall,  auch  Vonn  Vorgülden  Vnnd  wie  man  auif 
Grlafs  mahlen  soll.  Hemrich  Gotingers  Malers  Zu  Drelsden." 
Dass  Göding  sich  auch  sonst  viel  mit  ähnlichen  tech- 
nischen Untersuchungen  abgegeben  habe,  bezeugt  die 
einem  oben  bereits  erwähnten  Briefe  ^■''^)  beigegebene 
Nachschrift,  in  der  es  heisst: 

„Nachdem  E.  Cliurf.  Gr.  mir  gnedigist  bevohlen,  mich  Zu  be- 
fleifsea  die  Etze  auf  Helffenhein  Zu  befinden,  welches  ich  bis  anhero 
Vumoglich  geachtt,  Weil  ich  aber  diesem  mit  vleis  nach  setze,  befinde 
das  es  möglich  ist,  wie  wol  ich  es  vor  nicht,  auch  von  Keinem  ge- 
hörtt,  das  es  gemachtt  wehre,  Wiel  mich  derowegen  Zum  Vieifsig- 
sten  Vnnd  Vnderthenigisten  bemuhen  E.  Churf.  G.  innerhalb  3  tagen 
Ein  Muster  Zimorferttigen,  auch  anderem  Vngewohulichem  Ettzen 
nach  denckeu,  Vnd  solches  E.  Churf.  G.  Vnderthänigist  vnd  willigk 
Lernnen." 

Von  den  Gödingschen  Kupferstichen  zählt  Andresen 
noch  folgende  Blätter  auf^'^-): 
(2.)  Kurfürst  Cliristian  I.  im  Sarge,  vom  Jahre  1591. 
(3.)  u.  (4.)  Belagerung  von  Gotha  u.  d.  Grimmenstein ^''^^). 
(5—10.)  Landschaften  mit  Staffage   aus   der  biblischen 

Geschichte,  1595  u.  9S^^'). 
(11 — 14.)  Grotesken,  Jäger,  Vogelsteller,   Fischer   und 
Musiker;   die  beiden  ersten  mit  1596  bezeichnet. 


^'^)  Dies  Manuskript,  das  folgenden  Titel  fühlt:  „Registratur 
der  bucher  in  der  Churfursten  zu  Saxen  liberey  zur  Annaburg  1574", 
wird  im  Archiv  der  Kgl.  Öff.  Biblioth.,  Vol.  20,  aufljewahrt. 

i'^i)  H.-St.-A.  Loc.  8523,  Schreib,  an  d.  Churf.  August  Buch  III 
fol.  35.  vom  14.  März  1578. 

^■'-)  Ich  habe  die  Stiche  nicht  wie  Andresen,  sondern  nach  ihrer 
Entstehungszeit  geordnet. 

^■'^)  Eine  Jahreszahl  findet  sich  hier  nicht  vor.  Da  aber,  Avie 
oben  (S.  333)  erwähnt,  die  Kupfertafeln  zu  diesen  Stichen  im  Jahre 
1594  an  die  Kunstkammer  abgegeben  worden  sind,  so  wird  man  wohl 
nicht  sehr  irren,  wenn  man  dies  Jahr  auch  als  das  der  Entstehungs- 
zeit derselben  annimmt. 

i'^)  Auf  diese  Blätter,  welche  Schuchardt  a.  a.  0.  S.^100  die 
Vorzüglichsten  von  allen  seinen  Radierungen  nennt,  ist  oben  (S.  332  f.) 
bereits  hingewiesen. 


Hofmaler  nnd  Ki;pferstechei-  Heinrich  Göding.  337 

(15.)  Geschichte  des  Volkes  der  Sachsen,  1597  u.  98^''^^). 

(16.)  Das  sächsische  Wappen,  1598. 

(17.)  Martin  Luther  auf  Pathmos,  1598^-^'^). 

(18.)  Landschaft  mit  den  Brenn-  und  Schmelzöfen,  1599. 

Das  grosse  zweibändige  Geschichtswerk,  Nr.  15  der 
obigen  Aufzählung,  das  den  Titel:  „Aufszug  der  Eltisten 
vnd  fürnembsten  Historien  des  vralten  streitbarn  vnd  be- 
rulienen  Volks  der  Sachfsen  etc."  führt,  hat  Göding  dem 
Kuradministrator  und  den  sächsischen  Prinzen  gewidmet 
und  von  diesen  für  den  ersten  Band  desselben  ein  „hono- 
rarum"  von  100  Thalern,  für  den  zweiten  ein  solches  von 
100  f  1.  erhalten,  Summen,  die  ihm  am  12.  Juni  1597,  bez. 
am  2.  Sept.  1598  ausbezahlt  worden  sind^"). 

In  dem  bereits  mehrfach  erwähnten  zu  diesem  Werke 
gehörigen  Vorworte  berichtet  der  Verfasser  ausführlich, 
wie  er  zur  Abfassung  desselben  gekommen  sei.  Er  wollte 
sich,  so  erzählt  er,  nachdem  er  dem  kurfüi^stlichen  Hause 
so  viele  Jahre  hindurch  mit  seiner  Kunst  gedient  habe, 
ein  Gedächtnis  aufrichten  „zuförderst  Gott  zu  lob,  nach- 
mals auch  diesem  Lande,  darinnen  mir  Gott  bifshero 
meinen  auflenthalt  bescheret,  vnd^derselben  Hochlöblichen 
Herrschafft  zu  Vnterthenigen  Ehren."  Da  habe  ihm  nun 
der  kurfürstliche  Sekretär  Petrus  Albinus  gerathen,  zu 
diesem  Zwecke  das  nachfolgende  Werk  anzufertigen  und 
ihm  auch  einen  Auszug  aus  seiner  Neuen  Sachs.  Eürsten- 
Chronik  zur  Verfügung  gestellt  ^■^^).  Dass  er  aber  auch 
ausserdem  keine  Mühe  und  Arbeit  gespart  habe,  um  ein 
für  die  damalige  Zeit  möglichst  vollkommenes  Bild  von 
den  alten  Zeiten  geben  zu  können,  beweist  das  verhält- 
nismässig grosse  Quellenstudium,  dem  er  sich  zu  diesem 
Zwecke  unterzogen  hatte,  denn  er  berichtet  weiter:  „in 
welchen  (in  den  Kupfern)  ich  dann  die  gebende  vnd 
sonsten,  zum  teil  aus  der  perspectiua  vnd  architectur  ge- 


1™)  Ist  in  einem  Exemplar  in  d.  Kgl    Öff.  Biblioth.  vorhanden. 

^^^")  Hiervon  befindet  sich  ein  Exemplar  in  der  im  Besitz  Sr. 
Kgl.  Hoheit  des  Prinzen  Georg-  befindlichen  Knpferstichsammlung. 

1")  H.-St.-A.  Loc.  7306  Cammers.  1597.  Tiwii  11^  fol.  I80  u.  Loc. 
7307  Cammers.  1598,  Theii  11^  fol.  536. 

i'^'*)  1589  war  Petrus  Albinus'  Meifsnische  Land  vnd  Berg 
Chronica  zu  Dresden  erschienen.  Da  der  letztere  ihm  hier  als  ge- 
schichtlicher Beirath  gedient  hat,  so  lässt  sich  vermuthen,  dass  der- 
selbe ihm  auch  bei  den  Porträten  und  den  kleinen  Bildern  in  der 
Gewehrgallerie  geholfen  habe,  wenn  auch  die  letzteren  von  den  hier 
dargestellten  Episoden  dann  und  wann  abweichen. 

Neues  Archiv   f.  S.  G.  ii.  A.     VIII.  3.  4.  22 


338  K.  Berling: 

nommen,  Auch  weil  ich  in  meiner  jugendt  mancheiiey 
Art  von  Habit,  Trachten  vnd  Kleidung  der  Sachsen  vff 
gemälden  vnd  ausgehauenen  bildwerck  gesehen  vnd  auff- 
gemercket,  habe  ich  dieselben  an  etlichen  orten,  wo  sichs 
scliicken  wollen,  hierzu  gebrauchet.  Dieweil  dann  auch 
desgleichen  kunstbücher,  Als  aus  den  Ovidischen  vnd 
andern  Poetischen  fabeln,  so  wol  aus  den  Römischen  ge- 
schichten  vnd  fürnemlich  Livij  büchern  vnd  sonsten,  ge- 
nommen, so  von  alten  kunstvorstendigen  Malern,  vor 
dieser  Zeit,  jedermenniglich  zu  gutem  Exempel  vnd  Leh- 
ren in  Kupff'erstichen  vnd  Holtzschniedt  vorfertiget  vnd 
ausgangen  sein." 

Haben  es  nun  auch  die  sagenhaften  und  häufig 
recht  phantastischen  Darstellungen,  die  der  Beschauer 
m  diesen  Blättern  erblickt,  zwar  nicht  vermocht,  der 
fortschreitenden  Wissenschaft  standzuhalten,  so  sind  sie 
doch  immerhin  insofern  auch  heute  noch  von  grossem 
Interesse,  weil  sie  ein  wohlgelungenes  und  wahres  Bild 
von  dem  geschichtlichen  Wissen  der  damaligen  Zeit  zu 
geben  imstande  sind. 

Als  19.  erwähne  ich  endlich  noch  ein  kleines  Kupfer- 
werk, welches  folgenden  Titel  führt:  „Künstliche  Wohl- 
gerielsene  Figuren  der  Sieben  Planeten,  auch  Sieben 
Wunderwercke  der  Welt,  sampt  andern  Wolproportio- 
nirten  Figuren  etc."  Es  wurde  im  Jahre  1610  zu  Dres- 
den von  dem  Buchdrucker  Gimel  Berger  herausgegeben. 
Laut  den  beiden  hierzu  gehörigen  Vorreden,  die  von 
1599  und  1600  datiert  sind,  war  Heinrich  Göding  im 
Verein  mit  dem  Maler  Friedrich  Berg  der  Verfertiger 
desselben  ^^^). 

In  allen  seinen  Stichen  und  Eadierungen  zeigt  sich 
Göding  als  tüchtiger,  fertiger  Künstler,  der  bei  einer 
kräftigen,  breiten  Vortragsweise  die  Technik  vollkommen 
beherrscht  und  mit  fester,  energischer  Hand  den  Griffel 
zu  führen  versteht.  Es  fehlt  ihm  nicht,  obgleich  sich 
manchmal  grobe  perspektivische  Verzeichnungen  vorfinden, 
an  dem  durch  fleissiges  Studium  der  Natur  erworbenen 
Verständnis  für  richtige  Formen.  Die  landschaftlichen 
Hintergründe  sind  auch  hier,  wie  in  seinen  Malereien, 
mit  besonderer  Vorliebe  behandelt  und  theilweise  vor- 
trefflich gelungen.     Und  doch  lassen  sämmtliche  Werke 


'^'')  Ein  Exemplar  dieses  Werkes  bewahrt  das  Dresdner  Kupfer- 
siichkabiuet. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  339 

Heinrich  Gödiiigs,  Gemälde  sowohl  als  auch  Kupferstiche, 
den  Beschauer  heutigentages  kalt.  Man  muss  bei  ihnen 
die  Technik  loben,  den  Fleiss  bewundern,  auch  hin  und 
wieder  die  zu  Grunde  liegenden  Ideen  gutheissen,  er- 
wärmen kann  man  sich  für  sie  nicht. 

Dieser  scheinbare  Widerspruch  findet  aber  in  dem 
Umstände  seine  Erklärung-,  dass  die  Schönheitsideale  zu 
Gödings  Zeiten  von  den  unsrigen  weit  entfernt  sind. 
Will  man  also  dem  Maler  gerecht  werden,  das  heisst 
seine  Verdienste,  die  er  sich  um  die  Kunst  erworben  hat, 
und  den  Einfluss,  den  er  auf  seine  Umgebung  ausgeübt 
hat,  in  vollem  Masse  anerkennen,  so  ist  man  genöthigt, 
die  Beurtheilung  des  Malers  durch  seine  Zeitgenossen 
mit  in  Rechnung  zu  ziehen. 

Nach  den  überlieferten  Akten  war  aber  Göding  zu 
seiner  Zeit  nicht  nur  der  angesehenste  Maler  zu  Dresden, 
sondern  hat  es  auch  verstanden,  sich  während  der  ßegie- 
rungszeit  dreier  Kurfürsten  in  hohem  Masse  die  Gunst 
derselben  zu  erwerben  und  zu  erhalten.  Zum  Beweise 
hierfür  erwähne  ich  zuerst  seine  1570  erfolgte  Ernennung 
zum  Hofmaler.  Will  man  aber  auf  diese  Titelverleihung 
nicht  allzuviel  Gewicht  legen,  der  Umstand,  dass  der  ein 
wenig  sparsam  angelegte  Kurfürst  August  ihm  zu  ver- 
schiedenen Malen  für  die  damalige  Zeit  nicht  unbeträcht- 
liche Geldsummen  als  „Verehrungen"  zukommen  Hess, 
muss  jedenfalls  als  ein  Zeichen  von  dessen  höchster  Zu- 
friedenheit angesehen  werden.  Auch  ausserdem  ist  er 
dann  und  wann  mit  Grundstücken,  Fischereigerechtig- 
keiten imd  ähnlichen  Dingen  belohnt  worden.  Er  erhielt 
sogar  einmal,  am  22.  Sept.  1575^^"),  von  August  ein  von 
Tizian  gemaltes  Porträt  des  Kurfürsten  Moritz  verehrt, 
eine  Schenkung,  die  freilich  auf  das  Kunstverständnis  des 
Schenkgebers  ein  etwas  sonderbares  Licht  zu  werfen  be- 
rechtigt. 

Und  wie  der  Kurfürst  August,  so  haben  auch  seine 
beiden  Nachfolger  immerwährend  durch  Ertheilung  neuer 
Aufträge  und  dafür  verliehene  Belohnungen  die  künst- 
lerische Thätigkeit  Gödings  als  eine  im  höchsten  Grade 
befriedigende  anerkannt. 

Wenn  ferner  August,  wie  es  mehrfach  geschehen  ist, 
in  die  Verlegenheit  kam,  jungen  Leuten  auf  seine  Kosten 
eine   malerische  Erziehmig   zu   geben,   Göding  war  stets 


löo)  H.  St.-A.  Cop.  304  fol.  248  b. 

22* 


340  K.  Berling: 

der  erste,  den  er  sich  zum  Lehi-er  derselben  erwählte. 
So  befahl  er  dem  letzteren  am  29.  Mai  1576,  einen  Sohn 
des  verstorbenen  Georg  Stubers  als  Lehrling  bei  sich 
aufzunehmen,  eine  Anordnung,  die  er  allerdings  bereits 
am  5.  Juni  desselben  Jahres  zurückzog,  weil  der  Junge 
schon  bei  einem  andern  Meister,  Friedrich  Brecht,  vorher 
Unterkommen  gefunden  hatte  und  bei  demselben  gelassen 
werden  sollte  ^*^^).  Einen  andern  Schüler,  den  der  Kur- 
fürst zu  ihm  schickte,  Adam  During  mit  Namen,  scheint 
er  wirklich  zum  Maler  ausgebildet  zu  haben  ^*^-). 

Auch  der  mehrfach  erwähnte  Zacharias  "Wehme,  der 
sogar  später  mit  Göding  erfolgreich  in  Konkurrenz  trat, 
hatte  den  Kurfürsten  einst  gebeten,  ihn  zu  Göding  in  die 
Lehre  zu  geben;  derselbe  musste  aber,  weil  er  bei  letz- 
terem nicht  unterkommen  konnte,  zu  Cranach  d.  J.  nach 
Wittenberg  gehen  ^*^-^). 

Über  die  Ausführung  von  Malerarbeiten,  die  andere 
Meister  miter  Händen  hatten,  scheint  Göding  dann  und 
wann  eine  Art  von  Oberaufsicht  geführt  zu  haben.  Einen 
derartigen  Fall  bezeugen  wenigstens  folgende  Worte,  die 
in  einem  an  den  Kurfürsten  gesandten  Berichte  vorkom- 
men ^^^) : 

„Was  das  Sommergewelbe  (zu  Zabeltitz)  Zu  mahlen  anlaugett, 
hat  He.ymirich  Mahler  Den  Malernu  ^"■'')  auff  E.  C.  F.  Gr.  gnedigsten 
hefehlich  Ordnung  gebeun.  d.  29  Juli  91." 

Zuletzt  führe  ich  noch  einen  Ausspruch  des  Kammer- 
sekretärs Ö.  Jenitz  an,  der  die  oben  behauptete  Berühmt- 
heit Gödings  recht  deutlich  beweist.  Dieser  findet  sich 
in  einem  an  August  gerichteten  Briefe  vor  und  lautet  ^*^'') : 

„So  hatt  es  mir  an  visirlichen  mahlern  die  auch  ein  wenig  ge- 
hirn  Im  kopff  gehabt  gemangelt  i^'^),  Dann  Benedicts  der  Welsehe  i**^) 


"1)  H-St.-A.  Cop.  413  fol.  148  bez.  fol.  158. 

iß2)  Ebenda  Cop.  439  fol.  57  ^  f. 

163)  Ebenda  Loc.  8747,  Act.  Eödcr  u.  Wehme  fol.  SK 

ißi)  Ebenda  Loc.  4455,  Act.  Bau  z.  Moritzburg.    1591.    fol.  81. 

1"^)  Die  Maler  Hans  Fasold  und  Christoph  Groliman  haben  dies 
Gewölbe  mit  „Jägerei  Historien  und  Weidwerck"  geziert.  (Loc.  4469, 
Act.  Bau  z.  Zabelt.    1591.   fol.  14.) 

ißß)  Ebenda  Loc.  9126,  Artolorey  vnd  Bausachen.  1553—81. 
Buch  I  fol.  141. 

1"')  Es  handelte  sich  um  Muster  zu  den  berühmten  Flacianer 
Geschützen. 

'"*)  Benedict  de  Thola,  vergl.  über  ihn:  Gurlitt,  Das  Königl. 
Schloss  zu  Dresden,  in  den  Mittheil.  d.  K.  Sachs.  Alterthunisvereins 
XXVIII,  51  f. 


Hofmaler  mul  Kupferstecher  Heinrich  Göcliiig.  341 

Ist  bej    Ewer   Chuif.  G.  zu  Torgau,   so   Ist  Meister  Heiuiich  vfl'm 
Schellenherg.  d.  3  Okt.  1570." 

Es  ist  wahrscheiulicli,  dass  die  beiden  angefüluien 
Ölbilder,  die  in  den  Jahren  1601  imd  1602  entstanden 
waren,  des  Meisters  letzte  Arbeiten  gewesen  sind.  Be- 
richtet wird  wenigstens  von  später  geschaffenen  Werken 
nichts  mehr.  Ob  nun  Krankheit  den  greisen  Künstler 
die  letzten  Jahre  seines  Lebens  arbeitsunfähig  machte, 
oder  ob  dies  Schweigen  der  Akten  über  eine  etw^aige 
Thätigkeit  nur  ein  zufälliges  ist,  das  sind  Fragen,  die 
nicht  mehr  zu  entscheiden. .sind. 

Heinrich  Göding  der  Altere  starb  am  28.  April  1606. 
Seine  Leiche  wurde  an  der  Seite  seiner  Gattin,  die  ihm 
schon  15  Jahre  früher  in  den  Tod  vorangegangen  w^ar, 
in  einem  Schwibbogen  des  alten  bei  der  Frauenkirche 
gelegenen  Friedhofes,  dem  Erbbegräbnisse  des  kurfürstl. 
Sachs.  Seki^etärs  und  Kunstkämmerers  Tobias  Beutel,  l)ei- 
gesetzt.  Ihr  gemeinsames  Grab,  an  dessen  beiden  Seiten 
sich  „zwei  Statuen  nebst  andern  Laubwerck"  befanden, 
deckte  ein  Leichenstein  mit  folgender  Inschrift^**'-*): 

„CONDITVR  HIC  HBINKICVS  GOTTING,  SENIOR,  D.  D. 
AVGVSTI  D.  D.  CHRISTIANI  PRIMI,  ET  D.  D.  CHRISTIANI 
SECVNDI,SERENISSIMORVM  PRINCIPYM  ELECTORVMQVE 
SAXONLE  PICTOR  CELEßERRIMVS,  QVI  IN  CHRISTO 
OBIIT  28.  APRILIS  ANNO  l(i06.  ^ETATIS  SA^iE  75.  CA^M 
SVA  CONJATiE  HELENA  qVJE  ETIAM  IN  CHRISTO  OBIIT 
1.  SEPT.  ANNO  1591.     ^TATIS  SV^  50." 


Zum  Schlüsse  füge  ich  noch  das  aufgefundene  Akten- 
material an,  welches  über  die  Thätigkeit  der  beiden 
Söhne  Güdings,  Heinrich  und  Andreas,  einigen  Aufschluss 
zu  geben  vermag.  Wie  oben  bereits  erwähnt,  folgten 
beide  ihrem  Vater  in  der  Malerkunst.  Werke  von  ihrer 
Hand  Hessen  sich  indessen  mit  Sicherheit  nicht  nach- 
w^eisen;  wo  aber  in  den  Akten  solche  näher  bezeichnet 
sind,  habe  ich  diese  mitgetheilt,  in  der  Hoffnung,  dass  es 
mit  der  Zeit  möglich  sein  wird,  an  der  Hand  dieser  No- 
tizen das  eine  oder  das  andere  Werk  seinem  Urheber 
zuzuweisen. 

Aus  einem  noch  erhaltenen  Gesuch  ^'^j,   das  beide 


"»)  J.  G.  Michaelis,  Epitapliia  d.  Frauenkirche  (1714)  S.  97. 
^"*)  Dresdner  Raths  -  Archiv.   Confirmt.  über  Haiulwk.  Innung. 
1612—21.    CLXXA^II,  fol.  235  f. 


342  K.  Berling: 

mit  andern  Malern  zusammen  unterschrieben  haben,  geht 
hervor,  dass  sie  sich  noch  ganz  auf  dem  Standpunkte 
eines  Handwerkers  befanden,  den  auch  ihr  Vater,  der 
lange  Zeit  hindurch  der  „geschworene  Elteste"  der 
Dresdener  Maler -Innung  gewesen  war,  sein  Leben  lang 
eingenommen  hatte.  Ich  erwähne  hier  diesen  Umstand, 
weü  gerade  zu  ihrer  Zeit  sich  in  Dresden  eine  Gegen- 
strömung bemerkbar  machte-,  ausgehend  von  Männern 
wie  Z.  Wehme  und  C.  Röder,  die  der  Malerei  mehr  die 
ihr  gebührende  Stellung  einer  freien  Kunst  verschaffen 
wollten  "1). 

Von  Heimich  G-öding  d.  J.  wird  ausser  seiner  — 
wenn  meine  oben  ausgesprochene  Vermuthung  richtig  ist 
—  Thätigkeit  an  der  Schlossrenovatiou  berichtet,  dass  er 
am  19.  Aprü  1610  „vor  etzliche  wüden  Thieren  vf  ein 
Tuch  Zu  mahlen  vnnd  in  ein  grühn  angestrichenen  Zum 
theil  vergülden  rahmen  Zu  fafsen"  30  fl.  und  am  24.  Dez. 
desselben  Jahres  für  Vergolden  und  Ausmalen  zweier 
kurfürstlicher  Schlitten  154  fl.  6  g.  erhalten  liabe^'"). 

Es  wird  ferner  bezeugt,  dass  er  im  Jahre  1620  an 
Stelle  eines  andern  Malers  ^'-^l  die  alte  handwerksmässige 
Kunst,  die  sein  Vater  so  viele  Jahre  hindurch  getrieben 
hatte,  das  Bemalen  und  Vergolden  von  Hirschköpfen^^^), 
unternommen  habe^'-^). 

Heinrich  Göding  d.  J.  muss  im  Anfang  des  Jahres 
1621  gestorben  sein,  da  in  einem  von  Georg  Dhüme  an 
den  Kurfürsten  gerichteten  Briefe  vom  15.  Mai  1621  ^'^) 
sich  folgende  Worte  finden :  „  Wan  dan  gedachter  Götting 


"1)  H.-St.-A.  Loc.  8747,  Act.  Röder  u.  Wehme  fol.  3  b. 

1^2)  Ebenda  Loc.  7341,  Wochz.  1609—11.  fol.  267^  bez.  fol.  539. 

i''^)  Georg  Dhüme,  der  wegen  auswärtiger  Arbeiten  eine  Zeit 
lang  von  Dresden  fern  war. 

^■'*)  Der  Bildschnitzer,  der  hierin  der  Nachfolger  Georg  Fleischers 
wurde,  hiess  Donat  Zimmermann  (H.-St.-A.  Loc.  7341,  Wochz. 
Crucis   1623  fol.  140  b  und  143  b). 

"5)  H.-St.-A.  Loc.  7341,  Wochz.  1620   fol.  142,    143  und  218  b. 

"")  Ich  möchte  hier  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  W.Schäfer 
a.  a.  ü.  S.  1068  diesem  Maler  ein  Bikl  zuschreibt,  das  früher  in  der 
Dresdner  Gemälde- Gallerie  war,  sich  jetzt  aber  im  Grünen  Gewölbe 
befindet.  Es  ist  dies  ein  Brustbild  des  Kurfürsten  Christian  IL 
Schäfer  sagt  über  dasselbe:  „Das  Bild  ist  auf  Kupfer  gemalt,  wie 
alle  Porträts  von  des  jüngeren  Göttings  Hand  und  ist  von  geringem 
Kuastwerthe,  obgleich  der  Spitzenkragen  mit  gewandter  Technik 
fleissigst  ausgeführt  worden  ist."  Da  ich  keine  sicher  als  Werke 
H.  Göding  des  Jüngeren  bezeichnete  Porträte  kenne,  vermag  ich 
hierin  Schäfer  nicht  zu  folgen. 


Hofmaler  uiul  Kupferstecher  Heinrich  Göding.  343 

nunmehr,  nach  dem  gnedigen  Willen  Gottes,  todes  Vor- 
blichen." 

Etwas  reichhaltiger  sind  die  Nachrichten  von  An- 
dreas Gödings  Thätigkeit.  Von  ihm  kaufte  am  5.  Okt. 
1607  die  Kurfürstin "')  „2  von  Öehlfarbenn  vf  Kupifer 
gemahlte  bilder"  für  40  fl.,  eine  Geldsumme,  die  ihm  am 
28.  Nov.  1609  ausgezahlt  wurde  i^^). 

Ferner  hat  er  ansehnliche  Summen  für  mehrere  an- 
dere Werke  erhalten,  deren  folgendermassen  Erwähnung 
geschieht  ^ '^) : 

„Auff  die  luuentionen.  133  fl.  7  g.  Ann  140  fl.  zu  20  g.  Andreas 
Göttingenn  Mahlern,  Zu  geutzlicher  hezahlung.  der  940  fl.  welcher 
die  Inuention  so  ann  des  Churf.  eltestenn  Freuleins  Frewleins  So- 
pliien  Eleonoren  Kindtauffe,  den  20.  Decembris  anno  1609  gehaltenn 
wordenn^'^''),  so  wohl  vf  ein  grofses  Tuch  Historiam  wie  Wittikündus 
der  letzte  liönig  der  Sachfsenn  zum  Christlichen  Glauhenn  bekehrett 
vundt  getauft  wordenn,  gemahlet,  sowohl  inn  leistenn  gefasst,  vndt 
mit  guten  goldte  vergüldet  vf  Churf.  vnterschrift  zahlt  den  28  Junij 
1623." 

„Vff  die  Inuentionen.  190  fl.  10  g.  Ann  200  fl.  zu  20  g.  Andreas 
Götting  Mahlern,  zu  gentzlicher  erfüUung  der  1300  fl.  vor  ein  grofs 
gemahlt  stück,  drey  ein  hoch  vnud  7  ein  lang.  Als  Nemlich  das  grofs 
haubt  Feuerwergk  oder  Bergk,  beneben  etzlicher  vnterscliiedener 
Feuerwercken,  welche  den  23  Septembris  Anno  1604  ann  Vnsers 
gnedigstenn  Churfürstenu  vnndt  Herrn  etc.  erstenn  Beylager  vf  der 
Vestung  hinter  dem  Schlofse  zu  Drefsden  gehalten  worden,  so  wohl 
vor  eine  Vhr  alte  Sächfs.  Historia,  wie  sich  ein  S.  gefangener  König 
aufs  vnmuth  beneben  seine  Feinde,  so  ihn  gefangenn,  inn  einen 
Paucket  verbrennet,  welches  beydes  Von  Öhlfarbenn  gemahlet,  iun 
Rahmen  gefast,  vnndt  mit  feinen  Golde  vergüldet  vf  Churf  Vnter- 
schrift Zahlt  den  11  Septembris  Anno  1623." 

Von  zwei  weiteren  Arbeiten  berichtet  ein  Akten- 
stück, bei  dem  leider  das  Datum  fehlt;  da  es  aber  an 
den  Kurfürsten  Johann  Georg  I.  gerichtet  ist,  so  muss 
es  nach  dem  23.  Juni  1611,  an  welchem  Tage  der  letz- 
tere seine  Regierung  antrat,  geschrieben  worden  sein. 
Es  lautet  1^1): 

„Dem  Diu'chl.  etc.  Herrn  Johann  Georgio  Hertzg.  zu  Sachs,  etc. 
Meinem  gnedigsten  Churfursten  vnd  Herrn. 

Auft'  femers   anordnen    Herrn  Ludwig  Wilh.  Mosern  Ohurfl. 


"')  Hiermit  ist  wohl  Hedwig,  Tochter  Friedrich  II.  von  Däne- 
mark, gemeint,  die  seit  1602  mit  Christian  IL  vermählt  war. 

"8)  H.-St.-A.  Loc.  7341,  Wochz.  1609—11  fol.  80. 

1™)  Ebenda  Loc.  7341,  Wochen-Auszüge  d.  Henth-Kammer  1623 
Quart.  Tfin.  fol.  84  und  fol.  196''. 

^ä*^)  Es  ist  ein  Ringrennen  gemeint. 

^")  H.-St.-A.  Loc.  8687,  Hof-Mahlerey  belg.  fol.  1. 


344  K-  Berling: 

Säch.  woll  uorordneten  gelieymeteu  Cammer  Secretarieu  etc.  Vutter- 
tlienigst  gemaclitt,  wie  folget.  Zwey  Cimterfect,  als  Churfurst  Au- 
gust!, Vnd  Seiner  Churfl.  Grii.  Vielgeliebtes  gemahl,  Christmilder  Vnd 
seligster  gedeehtuus,  raitt  gantzeu  fleis  im  gantzen  Staude  Vou 
Mineatur  färben  auf  Bergamendt  geniablet,  Vnd  mitt  feinem  gemah- 
lem  golde  Vnd  Silber  allenthalben  Vorhöhet,  wie  Zu  ersehen,  thut 
Vor  alle  beyde  10  fl.  Item  Vntter  solche  Zwey  Cunterfect  Zwey 
wapen  als  das  Churfürstliche  Sächsische,  Vnd  königliche  Dennemär- 
kische  mit  ileis  gemahlet  Vnd  mit  gemahlen  golde  Vnnd  silber  Vor- 
höhett,  thut  Vor  beyde  3  11.     Summa  13  fl.  Andreas  Götting 

Maler  Mp." 

Es  ist  ferner  in  einem  an  den  E,ath  zu  Dresden  ge- 
richteten Schreiben  ^^■-)  davon  die  Rede,  dass  der  Kur- 
fürst „etlicli  tafeln  Ime  Götting  Vf  Vnser  Stallbau  ge- 
hörig Zu  malen  Vnd  Zu  verfertigen  vfgetragen"  habe, 
dabei  aber  gleichzeitig  erwähnt,  dass  der  Maler  dieselben 
bis  zum  21.  Mai  1521  noch  nicht  abgeliefert  habe.  Was 
dies  für  Arbeiten  gewesen  sein  mögen,  ist  nicht  ersicht- 
lich, wahrscheinlich  aber  waren  es  Fortsetzungen  der 
unvollendet  gelassenen  "Werke  seines  Vaters.  Dass  er 
noch  em  anderesmal  und  zwar  auf  einem  ganz  anderen 
Gebiete  die  Absicht  hatte,  eine  Arbeit  seines  Vaters,  das 
grosse  Kupferwerk  sächsischer  Geschichte,  fortzuführen, 
ergiebt  sich  aus  einer  Notiz  ^^■^),  in  der  es  heisst: 

„Andres  Gotting,  Maler,  Will  seines  Vätern  Kupferstich  von 
den  Sachfsischen  Historien  continuirn,  Wann  man  Ime  vf  60  Kupfer 
bletter  Verlag  thun  will." 

Hierbei  ist  an  den  Rand  der  Vermerk  geschrieben: 
„Soll  Zuuor  etwas  delinijru." 

Es  scheint  aber  wohl  bei  diesem  Wunsche  geblieben 
zu  sein,  denn  zur  Ausführung  ist  ein  dritter  Band  schwer- 
lich gekommen,  da  sich  derselbe  jedenfalls  in  einem  Exem- 
plare bis  heute  erhalten  haben  würde. 

In  der  Dresdner  Kupferstich-Sammhmg  befindet  sich 
eine  getuschte  Zeichnung,  welche  in  sehr  manirierter 
Weise  das  verhängnisvolle  Gastmahl  Belsazer's  darstellt. 
Dies  Blatt  wird  dort  Heinrich  Göding  d.  A.  zugeschrieben, 
weicht  jedoch  von  dessen  Mal  weise  derartig  ab,  dass  man 
an  seiner  Urheberschaft  bereits  mehrfach  gezweifelt  hat  ^^^), 
und  dies  mit  um  so  grösserem  Rechte,  weil  dasselbe  mit 
„A5  Pictor  fecit"  bezeichnet  ist,  ein  Monogramm,  das  der 


182)  H.-St.-A.  Loc.  7327,  Cammers.  1621.  fol.  57. 

183)  Ebenda  Loc.  7333,  Ailerh.  Vortrag  III  fol.  417. 
18*)  Vgl.  u.  a.  Schuchardt  a.  a.  0.  S.  98. 


Hofmaler  und  Kupferstecher  Heinrich  Gödirg.  345 

ältere  Göding  sicherlich  nie  geführt  hat.  Doch  die  Ver- 
mutung, dass  dasselbe  auf  Andreas  Göding  gehe,  liegt 
hier  nahe.  Er  konnte  wohl  üi  der  Werkstatt  seines 
Yaters'^')  das  von  dessen  Hand  auf  Kupfer  gefertigte 
Ölbild,  welches,  wie  oben^^^)  erwähnt,  den  gleichen  Vor- 
wurf hatte,  kopiert  haben.  Hiergegen  spricht  nun  keines- 
wegs der  Umstand,  dass  er  ein  anderes  Mal  eine  von 
dieser  abweichende  Bildung  seiner  gleichfalls  aus  den 
Anfangsbuchstaben  von  Vor-  und  Zunahme  zusammenge- 
setzten Namenschiffre  angewandt  haben  soll,  denn  der- 
artige Veränderungen  lassen  sich  vielfach  nachweisen. 
Ich  meine  hier  das  auf  der  das  Grab  Christian  II  im 
Freiberger  Dome  bedeckenden  Messingplatte  im  Schatten 
des  zur  Seite  stehenden  Helmes  angebrachte  Monogramm 
Mj,  demzufolge  H.  Gerlach  ^^^)  dem  Andreas  Göding  die 
Urheberschaft  dieser  Platte  zuschreibt. 

In  dem  bereits  mehrfach  erwähnten  Aktenstücke, 
dessen  kurzen  Notizen  Jahreszahlen  leider  nicht  beige- 
schrieben worden  sind,  finden  sich  einige  Gesuche  A. 
Göding's  vor.  In  ihnen  bittet  er  um  „2  schräg  hart 
Vnd  ein  schräg  Weich  holtz"  oder  25  Tlilr.^^^),  oder  auch 
allgemein  um  eine  „Verehrung"  '^^)  wegen  „verfertigter 
Inuention  Vnd  gemeld;"  nur  einmal  wird  die  Arbeit  et- 
was näher  bezeichnet  mit  den  Worten:  „Inuention  vom 
Eitter  S.  Georgen^^") ;  ein  andres  mal  aber  das  Gesuch 
mit  dem  Umstände  begründet,  dass  der  Maler  jetzt  krank 
darnieder  liege  ^^^). 

Andere  Notizen  beziehen  sich  auf  Beschwerden  des 
Malers.  So  beklagt  er  sich,  dass  man  ihm  an  der  Be- 
zahlung für  das  obenerwähnte  Ringrennen  100  fl.  habe 
abkürtzen  wollen  ^''■^);  ein  anderes  mal  bittet  er  um  Aus- 
zahlung der  ihm  noch  schuldigen  110  fl.^""^). 

Zum  Schlüsse  füge  ich  noch  folgende  auf  ihn  bezüg 
liehe  Notiz  an^'-*^): 

„Andres  Gottings  Malers  erhen,  und  derselben  Vormünder  bit- 
ten,  Weil   er  Gotting  an  dem  geding  am  lusthaus  300  fl.  schuldige, 


o 


^^^)  Sicherlich  waren  beide  Söhne  Schüler  des  älteren  Göding. 
18«)  S.  128. 

IS-!)  Mitth.  d.  Freib.  Alterth.-Vereins  IV  (1865),  387. 
188)  Fol.  401''.       189)  Fol.  4031'.       i»»)  Fol.  412.       ^'■>^)  Fol.  2371'. 
192)  Fol.  347.      193)  Fol.  462.      i9ij  j>ol.  381. 


346  K.  Berling:  Hofmaler  u.  Kupferstecher  H.  Gödiug. 

Er   aljer  Wegen   etliclier  luuentious  auch  souil  zu  fordern,   das  eins 
gegen  den  andern  vfgehoben  Werden  mochte." 

Da  hier  von  seinen  Erben  die  Rede  ist,  muss  er  zu 
der  Zeit,  als  dies  Gesuch  dem  Kurfürsten  vorgetragen 
wurde,  bereits  gestorben  sein.  Wann  aber  sein  Tod  er- 
folgt ist,  lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  angeben.  Ich 
denke  aber,  dass  man  hierin  —  da  die  spätesten  Nach- 
richten über  ihn  vom  11.  Septbr.  1623  datiert  sind  — 
mit  dem  Jahre  1624  nicht  allzusehi^  irren  wird. 


Literatur. 


Die  kirchlichen  Zustände  der  Stadt  Pirna  Tor  der  Einführung 
der  Reformation  im  Jahre  1539.  Nach  urkundlichen  Quellen  be- 
arbeitet von  Reinhold  Hofmann,  Realschuloberlehrer.  (Beigabe 
zu  dem  Programm  der  ßealschule  mit  Progymnasium  zu  Pirna.) 
1887.     113  SS.     8». 

Verfasser  hat  mit  der  vorliegenden  Erstlingsarbeit  einen  glück- 
lichen Griff  gethan,  da  eine  Reihe  wichtiger  Akten  und  Chroniken 
des  Pirnaer  Rathsarchivs  ihm  zur  Ergänzung  der  Urkunden  des  Codex 
diplomaticus  Saxoniae  regiae  reichen  Stoff  boten.  Er  hat  denselben 
mit  treuem  Fleisse  ausgebeutet  und  zu  einem  interessanten  kultur- 
geschichtlichen Bilde  verarbeitet.  Erwägt  man,  dass  am  Ausgange 
des  Mittelalters  die  Stadt  Pirna  eine  grosse  Bedeutung  für  das 
obere  Eibthal  bis  nach  Böhmen  hinein  hatte,  so  erklärt  sich,  dass 
die  vorliegende  Schrift  einen  werthvollen  Beitrag  nicht  nur  zur  Ge- 
schichte der  Stadt,  sondern  der  ganzen  Umgegend  bildet.  Nament- 
lich das  in  umfangreiclien  Anmerkungen  aufgespeicherte  Detail  ist 
in  hohem  Grade  anziehend.  Hervorgehoben  zu  werden  verdienen 
die  Angaben  zur  Baugeschichte  S.  27  flg.  Fabrikation  der  verschie- 
denen Ziegelsorten,  Arbeitslöhne,  Bauhütten,  Glockenanschaffungen 
werden  in  zahlreichen  Beispielen  vorgeführt  Das  kirchliche  Leben 
gelangt  in  den  Abschnitten  über  das  Hospital  (S.  45 — 53),  das  Do- 
minikanerkloster (S.  53 — 76),  die  geistlichen  Brüderschaften  (S.  76 — 82) 
sowie  die  allgemeinen  kirchlichen  Zustände  (S.  96 — 109)  zur  Dar- 
stellung. Für  die  Schule  hat  sich  verhältnismässig  Avenig  Material 
gefunden.  Referent  fügt  die  Notiz  hinzu,  dass  nach  Bartholomäus 
Walthers  Bericht  Wolfgang  Meurer  hier  im  Jahre  1524  bei  Johann 
Schadius  neben  dem  Lateinischen  das  Griechische  lernte.  (Meltzer, 
Geschichte  der  Kreuzschule  zu  Dresden  S.  17).  Der  Pirnaische 
Mönch  und  sein  AVerk  werden  eingehend  besprochen  S.  63  flg.  S.  64 
Z.  7  dürfte  wohl  statt  condemnitet  zu  lesen  sein  condenmirct.  Re- 
ferent fügt  als  bescheidenen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Klosters 
eine  im  hiesigen  Haupt- Staats- Archive  befindliche  Urkunde  (Loc. 
8579,  Stadtbuch  der  Stadt  Dresden  1495—1505  Bl.  28  b)  bei,  welche 
insofern  von  einigem  Interesse  ist,  als  sie  die  Namen  mehrerer  bisher 
unbekannter  Klosterbrüder  bietet: 

Die  wirdigen  andechtigen  brudere  predigerordens  zu  Pirne  eins 
vnd  Hans  Audiar  anders  teils  seindt  komen,  gebeten  nochuolgenden 
briff'  lauts  ins  statbuch  zu  setzen. 

Wir  nochgeschribene  mit  nomen  Dominicus  Rwdel  der  heiligen 
schlifft  lesemeister  prior,  Martinus  Libental  subprior,  Johannes 
Lindener  lesemeister.  Andres  Gertener,  Vincencius  Radeburgk  vnd 
Johannes  von  Würzburgk  die  eldisten,  mitsampt  allen  andern  brudern 
des  Conuents  zu  Pirne  predigerordens,  bekennen  in  diesem  vnserm 


348  Literatur. 

briue  vor  meniglichcn  die  in  besichtigen,  das  vns  von  wegen  vnsers 
bruders  Vrban  Rymers  Hans  Audiar  desselbigen  stiffuater  mitbnrger 
zu  Dresden  fuuff  gute  schogk  vff  fruntliche  gutliche  beredunge  vor 
dem  Ersamen  Rath  doselbist  gescheen  vberantwurt  ^^ld  lieczalt  hat 
die  wir  au  vnsers  closters  luitz  vnd  gebende  gewanth  haben;  Ge- 
reden vnd  geloben  wir  vor  vns  vnd  vnser  nochuolgende  vnsers  con- 
ueuts,  wenne  xnd  sooffte  bemelter  Hans  Audiar  solchs  geldis  rechtlich 
ader  an  anderer  clageweise  angezogen  wurde,  angezceigten  Hans 
Audiar  oue  seines  entgeltnis  vff  vnsere  eigene  kost  vor  meniglich 
zuuortreten  vnd  in  der  fünft'  schogken  schadelos  halten.  Des  zuur- 
kunde  haben  wir  vnsers  conuents  lusigill  wissentlich  vff"  diesen 
brieff  zu  ende  gedrugkt.  Gescheen  im  iare  noch  Christi  geburt 
vnccca-cfjj  Sontag  noch  Lucie  (17.  Dezember  1497). 

Dresden.  Georg  llüUer. 

Die  Exception  Sachsens  von  der  Wahl  Ferdinand  I.  und  ihre 
reichsrechtliche  Begründung.  A'^on  Dr.  Friedr.  Noack.  (Jahres- 
bericht der  Realschule  zu  Crefeld.)     1886.     31  SS.     4^. 

Der  Verfasser  setzt  hier  fort,  was  er  1882  in  seinem  Aufsatz 
„die  Wahl  Ferdinand  I.  und  die  sächsische  Ivurstimme"  in  „Forsch- 
ungen zur  deutschen  Geschichte"  Bd.  XXII  begonnen  hatte.  Galt 
es  in  seiner  ersten  Abhandlung  besonders  der  Darlegung  der  ver- 
eitelten Absichten  des  Kaisers,  die  sächsische  Kurstimme  bei  dem 
Wahlakt  in  Köln  auszuschliessen,  so  jetzt  der  Darlegung  der  reichs- 
rechtlichen, der  goldenen  Bulle  entnommenen  Gründe,  mit  welchen 
Kursachseu  es  ablehnte,  an  der  Erhebung  Ferdinands  zum  römischen 
König  mitzuwirken.  Und  wie  der  Verfasser  dort  schon  etliche  Stücke 
aus  einem  Aktenfascikel  der  Giessener  Universitätsbibliothek  ver- 
öffentlichte (vor  allem  Kaiser  Karls  Instruktion  an  Loaysa,  der  ihm 
vom  Papste  zwei  Breven  beschaffen  sollte,  mittels  deren  er  so  oder 
so  Ferdinands  Wahl  hoffte  durchsetzen  zu  können),  so  hier  aus  der- 
selben Quelle  den  „Gegenbericht"  der  Kurfürsten  gegen  die  Sachs. 
„Exception"  vom  29.  Dez.  1530  und  sodann  die  „Äbleinung  Ko.  M. 
und  der  Kurfürsten  wider  die  Exception".  Man  merkt  dem  Verfasser 
die  Genugthuung  an,  die  es  ihm  gewährt,  in  dieser  Sache,  in  welcher 
sich  der  protestantische  Kurfürst  dem  Willen  des  Kaisers  entschlossen 
entgegenstellte,  den  Nachweis  führen  zu  können,  dass  jener  nicht 
allein  das  verbriefte  Recht  der  Reichsverfassung  dabei  auf  seiner 
Seite  gehabt  habe,  sondern  auch,  dass  er  in  voller  Überzeugung  für 
die  Bewahrung  der  ständischen  Rechte  gegenüber  kaiserlicher  Will- 
kür eingetreten  sei.  Ich  vermag  ihm  in  diesen  Ausführungen  nicht 
durchweg  zu  folgen.  Zwar  das  ist  unzweifelhaft,  dass  die  goldene 
Bulle  nur  des  Falles  gedenkt,  da  die  Kurfürsten  nach  Ableben 
des  Kaisers  zur  Wahl  schreiten,  und  nur  für  diesen  Fall  das  zu  be- 
obachtende Verfahren  näher  bestimmt.  Al)er  dass  damit  jede  Königs- 
wahl vivente  impcratore  verfassungsmässig  ausgeschlossen  war,  ist 
doch  nicht  ohne  weiteres  zuzugestehen.  Ich  verweise  auf  die  Be- 
merkungen, die  Ulmann  über  diesen  Punkt  in  seinem  Aufsatz  „die 
Wahl  Maximilians  I."  in  „Forschungen"  XXII  S.  l.öO,  151  gemacht 
hat.  Jedenfalls  war  bei  diesem  Präzedenzfall  die  Meinung  vertreten 
worden,  dass  bei  einer  Wahl  bei  Lebzeiten  des  Kaisers  „die  Bulle 
der  Wahl  halber  nicht  in  Übung  sei".  Dazu  kommt,  was  der  Ver- 
fasser unbeachtet  gelassen,  dass  Kurfürst  Johann,  nachdem  er  die 
Vorladung  zur  Wahlhandlung  erhalten,  mit  Luther  und  Melanchthon 
über  das  von  ihm  zu  beobachtende  Verhalten  durch  Brück  hat  ver- 


Literatur.  349 

handeln  lassen.  Luther  gegenüber  scheint  von  den  Rechtsbedeuken 
we^-en  der  Reichsverfassung  gar  nicht  die  Rede  gewesen  zu  sein, 
denn  seine  Antwort  (12.  Dez.  1.530,  de  Wette  lY  201  flg.)  nimmt 
hierauf  auch  Dicht  mit  einer  Silbe  Bezug.  Da  ist  olfenbar  nur  der 
Gesichtspunkt  betont  worden,  dass  durch  die  Wahl  Ferdinands  die 
katholische  Partei  eine  Verstärkung  erfahre;  nach  dieser  Seite  hat 
Johann  sich  als  im  Gewissen  beschwert  bezeigt  und  Luthers  Ge- 
wissensrath  begehrt;  und  dieser  lautet,  die  Wahl  getrost  „auf  Gott 
zu  wagen",  denn  Gott  allein  sei  Meister  und  Regierer  zukünftiger 
Fälle.  Auf  ganz  anderem  Gebiete  bewegt  sich  dagegen  die  Vor- 
verhandlung mit  Melanchthon,  vergl.  Corp.  Ref.  II,  447  flg.  Bei  dem 
geschichtskundigen  Gelehrten  zieht  der  Kurfürst  Erkundigung  ein, 
ob  schon  früher  in  deutscher  Geschichte  der  Fall  vorgekommen  sei, 
dass  vivo  imperatore  Königswahlen  vollzogen  seien.  Und  dieser 
wartet  seinem  Herrn  mit  einem  langen  Register  derartiger  Fälle 
ai;f  Dabei  ist  besonders  interessant,  dass  Melanchthon  die  goldene 
Bulle  nicht  etwa  als  Begründung  einer  neuen  Reichsverfassung  be- 
trachtet, sondern  nur  als  Bestätigung  alter  Rechte.  Karl  IV.,  so 
sagt  er,  hat  die  Bulla  „renoviret".  Daher  verweist  er  denn  auch 
den  Kurfürsten  auf  die  zahlreichen  älteren  Vorkommnisse  in  der 
deutschen  Geschichte,  da  ein  Kaiser  noch  bei  Lebzeiten  seinen  Sohn 
zum  römischen  König  hat  krönen  lassen.  Er  verschweigt  ferner 
nicht,  dass  es  Zeugnisse  gebe,  die  König  Wenzels  Wahl  missbilligen, 
aber  nicht  etwa,  weil  es  gegen  die  Reichsverfassung  Verstösse,  son- 
dern „vielleicht  sonderlich  derhalbeu,  dass  er  soll  etliche  des  Reichs 
Regalia  und  anderes  derhalben  vergeben  haben."  Daraus  schliesse 
ich,  1)  dass  die  Rechtsfrage  doch  bei  weitem  nicht  so  klar  liegt,  als 
der  Verfasser  annimmt,  2)  dass  dem  Kurfürsten  selbst  die  rechtlichen 
Bedenken  doch  nur  willkommene  Handhabe  bei  seinem  Protest  waren, 
aber  durchaus  nicht  das  treibende  Motiv.  Ob  er  weislich  daran  ge- 
than,  Luthers  nnd  Melanchthons  inhaltlich  so  verschiedene,  aber  in 
der  praktischen  Tendenz  völlig  harmonirende  Urtheile  unbeachtet  zu 
lassen,  möge  hier  nicht  weiter  untersucht  werden.  —  Aus  Spalatins 
Bericht  über  die  Kölner  Wahlverhandlungen  entnimmt  Noack,  dass 
die  erste  Unterredung  Johann  Friedrichs  mit  dem  Kaiser  am  20.  Dez. 
„gnädiger,  als  man  erwartete",  gewesen  sei  (S.  11.  12).  Aber  das 
ist  in  das  Quellenzeugnis  eingetragen.  Denn  Spalatin  berichtet  über 
den  Verlauf  dieser  Audienz  gar  nicht,  sondern  sagt  nur  (Struve, 
Neu  -  Eröffnetes  Historisch  und  Politisclies  Archiv  I,  09),  Johann 
Friedrich  habe  „um  gnedigs  Verhör  bitten  lassen,  welchs  S. 
Gn.  auch  desselbigen  Tags  gnediglich  wiederfahren". 

Kiel.  Kawerau. 

Geschiclitc  des  Ober-Lansitzer  A«lels  nnd  seiner  Güter,  von  Dr. 

Hermann  Kiiothe,  Professor.     II.  Von  ]\ütte  des  16.  Jahrhunderts 

bis    ziun   Jahre    1620.    Dresden,   Warnatz   und   Lehmann.     1887. 

174  SS.     B».     (Aus  Neues  Lausitz.  Mag.  Bd.  LXIII  Heft  1.) 

Die  gegenwärtige  Schrift  bildet  die  Fortsetzung  des  grösseren 

über  700  Seiten   starken  Werkes,   welches   aus  der  Feder_  desselben 

Verfassers  vor   acht  Jahren  erschienen  und  in  dieser  Zeitschrift  I, 

107  flg.  besprochen  worden  ist.     Es  bedarf  daher  jetzt  keiner  neuen 

Einführung   der  Leser  in  den  l'lan  der  vorliegenden  Arbeit,  nicht 

einer  Dailegung  der  Zwecke,  Avolche  der  Autor  verfolgt,  nicht  der 

Hervorhebung   des   hohen   Werthes    eines    solchen    durch   Kuothes 

nimmerrastende  Thätigkeit  und    seine   grosse  historische  Begahimg 


350  Literatur. 

geschaffenen  Werkes,  wie  es  in  dieser  Art  und  auf  solchen  Grund- 
lagen kein  anderes  deutsches  Land  besitzt.  Denn  möchte  man  ihm 
auch  etwa  Sinapius  altberühmtes  Adelsbuch  von  Schlesien  (die 
„Schlesischen  Curiositäteu")  an  die  Seite  stellen,  so  fehlt  diesem 
trotz  seines  unglauljlich  reichen  Inhaltes  und  trotz  des  bienenhaften 
Fleisses,  mit  welchem  hier  genealogisches  Material  aus  zahllosen 
Schriften  und  Schriftchen  zusammengetragen  ist,  doch  der  Werth 
der  auf  Verarbeitung  eines  solchen  Stoffes  beruhenden  geschichtlichen 
Darstellung,  besonders  aber  der  Werth  des  sicheren  Fundamentes 
urkundlicher  archivalischer  Forschung.  Dieses  beides  ist  es,  welches 
der  hier  in  Rede  stehenden  Schrift  Knothes  gleichwie  ihrem  ersten 
Theile  so  grosse  Vorzüge  giebt.  Keineswegs  etwa  Unvollständiges 
war  es,  was  der  Verfasser  im  ersten  Bande  seines  Werkes  geschaffen 
hatte,  der  mit  der  Mitte,  hier  und  dort  auch  mit  dem  Ende  des 
sechzehnten  Jahrhunderts  abschloss ,  als  für  den  Oberlausitzischen 
Adel  ein  Wechsel  in  seinen  Verhältnissen  eingetreten  war,  die  durch 
die  politische  Geschichte  seiner  Heimath  bekannt  sind.  Das  Leben 
und  Weben  dieses  wichtigen  Gliedes  der  Landesregierung  weiter  zu 
erforschen  und  darzustellen  war  der  lebhafte  Wunsch  des  Verfassers. 
Er  setzte  sich  als  Zeitpunkt  für  seine  Arbeit  das  bedeutungsvolle 
Jahr  1620  oder  im  Allgemeinen  den  Beginn  des  grossen  deutschen 
Krieges,  der,  wie  überall  in  Deutschland,  doch  namentlich  im  nörd- 
lichen und  mittleren  dem  Adel  so  tiefe  Wunden  schlug,  zu  grossem 
Theile  zur  Verarmung  führte  und  alte,  namentlich  an  Mitgliedern 
nicht  zahlreiche  Familien  verdorren  liess.  Bis  dahin  aber  und  be- 
sonders auch  noch  während  der  Schlussjahre  des  16.  Jahrhunderts 
waren  die  Zeiten  für  den  Adel  der  Oberlausitz  keine  trüben,  sondern 
solche,  die  ihn  meistens  in  Kraft  und  Macht,  selten  beengt  durch  die 
Fesseln  der  Noth  erscheinen  und  in  der  Heimath  wie  in  der  Fremde 
Läufig  ein  Wohlleben  führen  Hessen,  das  nicht  selten  in  Prunksucht 
und  Verschwendung  ausartete.  Dies  führte  nothwendig  zu  Ent- 
äusserungen  von  Grundbesitz  und  zu  dem  Zwange,  in  fremder  Herren 
Dienste  den  Unterhalt  zu  suchen. 

Nicht  sowohl  die  Erfolge,  welche  Professor  Knothe  durch  den 
ersten  Theil  seines  Werkes  errang  und  die  Anerkennung  die  ihm 
dafür  ward,  führte  ihn  zu  dem  Entschlüsse  einer  Fortsetzung  des- 
selben, sondern,  wie  man  sieht,  die  Liebe  zur  Sache  selbst,  vielleicht 
ohne  dass  die  noch  blühenden  Familien  des  Ober-Lausitzischen  Adels, 
deren  Geschichte  er  langjährige  Arbeit  und  viele  Mühe  gewidmet, 
oder  die,  deren  Ahnen  sich  auf  viele  dort  behandelte,  bereits  er- 
loschene Geschlechter  zurückführen  lassen,  ihm  Ermunterung  und 
Unterstützung  gewährten,  auf  welche  doch  der  Verfasser  durch  das 
von  ihm  zum  Besten  und  zur  Ehre  so  vieler  edler  Geschlechter  Ge- 
leistete ein  Anrecht  haben  durfte. 

Gleichwie  im  ersten  Theile,  gliedert  sich  der  Lihalt  des  ge- 
genwärtigen in  zwei  Hauptabschnitte,  einen  allgemeinen  \md  einen 
speziellen.  Den  ersteren  42  Seiten  füllenden  bildet  eine  7  Kapitel 
umfassende  Übersicht  über  die  allgemeinen  Verhältnisse  des  Ober- 
Lausitzischen  Adels,  nämlich :  1)  über  seinen  Bestand,  2)  seine  Ver- 
armung, 3)  über  das  Privilegium  der  gesamten  Hand,  4)  über  die 
Lehnskommission,  5)  über  das  Lehns-Paclum,  6)  über  das  Vorschlags- 
recht für  die  Laudeshauptmannschaft  und  die  Landvogtei  und  7)  über 
die  Kulturverhältnisse  des  Ober-Lausitzischen  Adels.  Die  schwierige 
Untersuchung  und  klare  Darstellung  der  erwähnten  Gegenstände  hat 
der  Verfasser  mit  gewohntem  sicherem  Blicke  und  bewährter  Feder 


Literatur.  351 

ausgefühlt  uud  niclit  uuterlasseu,  den  Resultaten  seiner  Forschung 
überall  die  zu  Grunde  lieg-enden  Quellen  beizufügen.  Es  will  uns 
bedünken,  als  wenn  der  Verarmung  des  Ober-Lausitzischeu  Adels 
eine  zu  allgemeine  Beziehung  auf  ihn  gegeben  wäre ;  sie  trifte  sicher 
bei  einer  längeren  Reihe  kleiner  auf  geringen  Gütern  sitzender, 
an  Mitgliedern  zahlreicher  Adelsfamilien  zu,  nicht  aber  bei  hervor- 
ragenden, von  alten  Zeiten  her  reichbegüterten,  schlossgesessenen, 
die  wenigstens  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  sich  nicht 
als  nothieidende ,  von  ausreichenden  Mitteln  zu  staudesmässigem 
Leben  entblösste  darstellen. 

In  derselben  Weise  und  Form,  wie  im  ersten  Theile,  behandelt 
im  gegenwärtigen  der  zweite  Hauptabschnitt  im  Speziellen  •  103 
Adelsgeschlechter  der  Ober-Lausitz,  von  denen  das  an  Mitgliedern 
überaus  zahlreiche  Geschlecht  von  Nostitz  den  grössten  Raum  ein- 
nimmt, da  die  v.  Gersdorff  diesmal  ausgefallen  sind,  weil  der  Ver- 
fasser beim  Mangel  an  zuverlässigen  Vorarbeiten  nicht  im  Stande 
war,  in  das  genealogische  Gewirr  gerade  dieser  Familie  befriedigende 
Ordnung  zu  bringen.  Meist  im  Lapidarstyle  gesckriebene  Nachrichten 
über  die  einzelnen,  in  jenem  Zeiträume  lebenden  Mitglieder  der  be- 
treffenden Geschlechter  bilden  den  Inhalt  jedes  einzelnen  Artikels 
und  ein  vortreffliches  lückenloses,  wohl  durchweg  noch  imgekanntes 
Material  für  ihre  Genealogie,  sowie  für  die  Kenntnis  ihres  Grund- 
besitzes und  seiner  Schicksale.  So  muss  nicht  nur  jede  der  noch 
heute  blühenden  Familien,  deren  Geschichte  in  gedrängter  Kürze 
gegeben  ist,  ihre  Freude  an  dem  Buche  haben,  sondern  auch  jeder 
Genealoge  und  Freund  der  Adelsgeschichte  überhaupt,  sei  es  um 
Stammregister  zu  entwerfen  und  zu  vervollständigen,  oder  nach  Ge- 
schlechtsverbindungen aus  alter  Zeit  zu  forschen,  sei  es,  um  die 
Lebenswege  ritterlicher  Geschlechter  während  einer  merkwürdigen 
Geschichtsperiode  kennen  zu  lernen. 

Mit  derselben  Würdigung  und  mit  denselben  Wünschen,  mit 
denen  wir  das  Erscheinen  des  ersten  Theiles  der  Geschichte  des 
Adels  in  der  Ober  -  Lausitz  begrüssten,  schliessen  wir  auch  diese 
kurze  Anzeige  in  der  Hoffnung,  dass  das  neue  Verdienst,  welches 
der  hochgeehrte  Herr  Verfasser  sich  um  die  Geschichte  jenes  Ge- 
bietes aufs  Neue  erworben,  ihm  die  dankbare  Anerkennung  der  be- 
theiligten Kreise  einbringen  und  in  ihm  den  Vorsatz  reifen  lasse, 
uns  mit  einer  weiteren  Fortsetzung  seines  —  derartig  in  der  Li- 
teratur einzig  dastehenden  —  Werkes  auch  für  den  übrigen  Theil 
des  17.  Jahrhunderts  zu  beschenken. 

Magdeburg.  G.  A.  v.  Mülverstedt. 


Übersicht  über  neuerdings  erschienene  Scliriften 
und  Aufsätze  zur  sächsisch -thüringischen  Geschichte  und 

Alterthumskunde. 


am  Ende,  E.  Der  Königliche  Grosse  Garten  bei  Dresden  in  Ver- 
gangenheit und  Gegenwart.  Dresden,  v.  Zahn  und  Jaensch.  1887. 
36  SS.     80. 

Bech,  Fedor.  Lexikalische  Beiträge  aus  Pegauer  Handschriften  des 
14.  und  15.  Jahrhunderts:  Programm  des  K.  Stifts-Gymnasiums 
in  Zeitz.     1887.     S.  1—22.    4o. 


352  Literatur. 

Beyer,  Carl.  Zur  Geschichte  der  Erfurter  Volksschulen  bis  zur 
Einverleibung-  der  Stadt  in  den  preussischen  Staat  im  Jahre  1802: 
Wissenschaftliche  Beilage  zum  Jahresbericht  der  städtischen 
höheren  Bürgerschule  zu  Erfurt.     Erfurt  1887.     23  SS.     40. 

Biedermann,  Karl.  Mein  Leben  und  ein  Stück  Zeitgeschichte.  Eine 
Ergänzung  zu  desVerfassers  „Dreissig  Jahre  Deutscher  G-eschichte." 
Bd.  I  IL     Breslau,  Schottlaender.    1886.    393  u.  42.5  SS.     8». 

Bohne,  Wold.  Die  Erziehung  der  Kinder  Erusts  des  Frommen  von 
Gotha :  Programm  des  Realgymnasiums  zu  Chemnitz.  1887. 
S.  1—41.    40. 

Buchivald.  Aus  dem  ungedruckten  Briefwechsel  eines  Correctors 
mit  einer  Leipziger  Druckerei  während  der  Reformationszeit: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1887.  No.  60. 
S.  362—364. 

—  Beiträge  zur  Geschichte  des  vogtländischeu  Adels.  (IV.  Die  Fa- 
milie V.  Römer.  V.  Die  Familie  v.  Bünau) :  ebenda  No.  39. 
S.  233  flg.     No.  64.    S.  381—385. 

V.  Eberstein,  Louis  Ferd.  Frhr.  Urkundliche  Nachträge  zu  den 
Geschichtlichen  Nachrichten  von  dem  reichsritterlichen  Geschlechte 
Eberstein  von  Eberstein  auf  der  Röhn.  Sechste  Folge.  Berlin. 
1887.     342  SS.     8». 

—  Entwurf  einer  zusannueuh äugenden  Stammreihe  des  freifränkischen 
Geschlechts  Eberstein  von  den  in  den  ältesten  Urkunden  erschei- 
nenden Vorvätern  an  bis  zur  Gegenwart.  Zugleich  enthaltend : 
Fehde  Mangold's  von  Eberstein  zum  Brandenstein  gegen  die 
Reichsstadt  Nürnberg.  1516  bis  1522.  3.  Aufl.  Berlin.  1887. 
136  u.  79  SS.     80. 

Erndsch,  H.  Das  sächsische  Bergrecht  des  Mittelalters.  Mit  einer 
Tafel.    Leipzig,  Giesecke  &  Devrient.    1887.    CLXIV,  249  SS.  8». 

—  Eine  verschollene  Quelle  der  sächsischen  Städtegesehiehte:  Wissen- 
schaftliche Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1887.   No.  43.  S.  257  flg. 

Fischer,  0.  Die  goldene  Pforte  zu  Freiberg:  Repertorium  für  Kunst- 
wissenschaft Bd.  IX  (1886).     S.  293—306. 

Flemming,  Max.  Das  Lehrlingswesen  der  Dresdner  Innungen  vom 
15.  bis  zum  Ende  des  17.  Jahrhunderts:  Programm  der  Annen- 
schule zu  Dresden-Altstadt.     1887.     S.  1—35. 

Freytag,  Bich.  Entstehungsgeschichte  der  Königlich  Sächsischen 
Lehrerbildungsanstalten :  Pädagogische  Blätter.  Jahrgang  1886. 
S.  454-468. 

—  Die  Mitarbeiterschaft  an  der  Gründung  sächsischer  Lehrerbil- 
dungsanstalten seitens  evangelischer  Geistlicher:  Sachs.  Kirchen- 
und  Schulblatt.    1887.   No.  11— 13.  Sp.  89— 93,  97—100,  105—110. 

—  König  Johann  von  Sachsen  und  die  sächsischen  Lehrerbildungs- 
anstalten: Erzichungsschule  (Zeitschrift  f.  Reform  der  Jugend- 
erziehung).    Jahrg.  VII  (1887).    No.  4.    S.  37—40. 

Friedberg,  E.  Otto  Stobbe.  Rede,  gehalten  bei  der  akademischen 
Gedächtnisfeier  der  Leipziger  Juristenfakultät  am  28.  Juni  1887. 
Mit  einer  Portrait-Radirung.     Berlin,  Hertz.    1887.    40  SS.    8«. 

—  Hundert  Jahre  aus  dem  Doctorbuche  der  Leipziger  Juristenfacultät 
1600—1700.     (Programm.)     Leipzio-,  1887.     27  SS.     4«. 

•Gerlach,  H.  Kleiner  Führer  durch  die  Bergstadt  Freiberg  in  Sachsen. 
Freiberg  i.  S.,  Gerlach'sche  Buchdruckerei.    1887.    44  SS.    12». 

Grünhagen,  C.  Schlesisches  aus  London.  Gesandtschaftsberichte,  den 
Anfang  des  30  jährigen  Krieges  betreffend,  auszüglich  mitgetheilt: 
Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthum  Schlesiens, 


Literatur.  353 

Bd.  XXI  (1887).  S.  297  — 317  [u.  a.  über  den  Laiisitzer  Feldzug 
des  Kurfüi-sten  Johann  Georg  L  1620]. 

[Härtwiq.]  Abschied,  das  geistliche  Einkommen  der  Stadt  Oschatz 
betreffend,  de  Ao.  1555:  Oschatzer  Gemeinnützige  Blätter  v. 
7.  Mai  1887. 

—  Die  erste  Visitation  zu  Oschatz  1539:  ebenda  v.  21.  Mai  1887, 

Hofmann,  Reinh.  Die  kirchlichen  Zustände  der  Stadt  Pirna  vor 
der  Einführung  der  Reformation  im  Jahre  1539.  Nach  urkund- 
lichen Quellen  bearbeitet.  (Beigabe  zum  Programm  der  Realschule 
zu  Pirna.)     1887.     113  SS.     8». 

Hosäiis,  Wilh.  Elisa  von  der  Recke  in  ihren  Beziehungen  zur  Her- 
zogin Luise  von  Anhalt -Dessau:  Wissenschaftliche  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.    1887.   No.  29.    S.  169—172. 

Jackel,  H.  Zur  Geschichte  Hedvpigs  von  Breslau  und  der  Landgrafen 
Heinrich  von  Altenburg  und  Friedrich  ohne  Land:  Zeitschiift 
des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthum  Schlesiens.  Bd.  XXI 
(1887).     S.  219—238. 

Kade,  R.  Der  sächsische  Historiker  Andreas  Möller:  Wissensch. 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1887.    No.  48.     S.  290  flg. 

Knothe,  Herrn.  Fortsetzung  der  Geschichte  des  Oberlausitzer  Adels 
und  seiner  Güter  von  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  bis  1620:  Neues 
Lausitz.  Magazin.     Bd.  LXIII  (1887).     Heft  1.     S.  1—174. 

Krusclmitz,  Paul.  Johann  Mentzer,  ein  sächsischer  Liederdichter: 
Wissensch.  Beilage  der  Leipz.  Zeitung.    1887.   No.  39.   S.  234  flg. 

Leimann,  0.  Das  Cölestinerkloster  auf  dem  Köuigstein:  Jahres- 
bericht der  Section  Dresden  des  Gebirgsvereins  für  die  sächsisch- 
böhmische  Schweiz  über  die  Jahre  1885  und  1886.     S.  3—20. 

Lemcke,  Paul.  Elisa  von  der  Recke  in  Leipzig:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.    1887.    No.  64.    S.  385  flg. 

Müller,  Georg.  Quellenstudien  zur  Geschichte  der  sächsischen  Hof- 
prediger. III.  Daniel  Greser,  Superintendent  in  Dresden:  Zeit- 
schrift für  kirchliche  Wissenschaft  und  kirchliches  Leben.  Jahrg. 
1887.     Heft  IV.     S.  180-197. 

Obst,  Emil.  Bitterfeld  und  Umgebung  während  des  dreissigjährigen 
Krieges;  insonderheit  die  Schwedenplünderuug  zu  Bitterfeld  im 
Jahre  1637.  Gedächtnisschrift.  2  vermehrte  Auflage.  Bitterfeld. 
(Halle,  Reichardt).     1887.     38  SS.     8«. 

Oertel,  G.  Das  Wappen  des  Königreichs  Sachsen  und  die  sächsischen 
Landesfarben:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung. 
1887.     No.  45.     S.  269  flg. 

Posse,  O.  Die  Lehre  von  den  Privaturkunden.  Mit  vierzig  Tafeln 
nach  den  photographischen  Aufnahmen  des  Verfassers  in  Licht- 
druck ausgeführt.  Leipzig,  Veit  &  Comp.  1887.  VIII,  242  SS.  4*». 

Rösch,  Hugo.  Sang  und  Klang  im  Sachsenland.  Eine  Blumenlese 
heimathiicher  Volkslieder.  Mit  Bildern  von  Krause,  Lewin  und 
Will.    Leipzig,  Rengner.     1887.     XVI,  208  SS.    8». 

(W.  Rossmann.)  Künstlerbriefe  aus  den  Jahren  1760— 1830  (I— VI): 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1887.  No.  52, 
54,  56,  58,  64,  66.  S.  312—314,  325—328,  337—339,  349-351, 
387  flg.,  398—400. 

Schönwälder.  Das  Quellgebiet  der  Görlitzer  Neisse  cider  der  ^Za- 
gost  und  seine  Bevölkerung :  Neues  Lausitz.  Magazin.  Bd.  LXIII 
(1887).    Heft  1.    S.  175—196. 

Steche,  R.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  \ind  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.     Auf  Kosten  der  Königlichen 

Neues  Archiv  f.  8.  G.  u.  A.  Vlll.  3   4.  23 


354  Literatur. 

Staatsregiermig  herausgegeben  vom  Königl.  Sachs.  Alterthums- 
verein.  Achtes  Heft:  Amtshauptmaimschaft  Schwarzenberg. 
Dresden,  C.  C.  Meinhold  und  Söhne.     1887.    68  SS.     8». 

Theüe.  Das  ehemalige  berühmte  grosse  Fass  auf  dem  Königstein: 
Über  Berg  und  Thal.    Jahrg.  10.    No.  4.     S.  127—129. 

Trauer,  Ed.  An  welchem  Orte  Sachsens  wurde  Bischof  Arno  von 
Würzburg  erschlagen'?  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.    1887.    No.  54.    S.  321—325. 

van  Werveke,  N.  Briefwechsel  zwischen  dem  Grafen  Yirnenhurg 
und  den  sächsischen  Gesandten  in  Luxemburg  1^43,  6.  August 
bis  28.  Oktober:  Beiträge  zur  Geschichte  des  Luxemburger  Landes 
von  N.  van  W.    Heft  II  (Luxemburg  1886).     S.  89—118. 

Zirkel.  Zur  Geschichte  des  Sächsischen  Bergbaus  (Festrede):  Wis- 
sensch.  Beil.  der  Leipz.  Zeitimg.     1887.    No.  34.     S.  197—202. 

Zöllner,  W.  Aus  der  Kampfzeit  der  sächsischen  Bauniwollindustrie 
im  18.  Jahrhundert:    ebenda  No.  58,  59.     S.  345—349,  353—355. 

Zunqje,  Jul.  Geschichte  über  das  Rittergut  mit  dem  Messingwerk 
und  der  Sächsischen  Messinghandluug  zu  Niederauerbach  i.  Vgtl. 
Zusammengestellt  und  bearbeitet  auf  Grund  vorgefundener  Ori- 
ginal-Urkunden und  Akten.  Reichenbach,  Druck  von  Haun  und 
Sohn.  (1887.)  31  SS.  80. 

Die  Stadtverordneten  zu  Dresden  1837 — 1887.  Festschrift  zur  fünfzig- 
jährigen Jubelfeier  des  Kollegiums  am  11.  Mai  1887.  Dresden, 
W.  Baensch.     1887.     107  SS.     8». 


56.  und  57.  Jahresbericht  des  Vogtländischen  Alterthumsforsch. 
Vereins  zu  Hohenleuhen  und  8.,  9.  und  10.  Jahresbericht  des 
Geschichts-  und  alter thums forschenden  Vereins  zu  Schleiz.  Im 
Auftrage  des  Direktoriums  herausgegeben  von  M.Dietrich.  (1887.)  8*^. 

Inhalt:  Schack,  Nachrichten  über  die  in  der  Kirche  zu  Hohen- 
leuhen befindliche  Familiengruft  des  vormals  gräflichen,  jetzt 
fürstlichen  Hauses  Reuss-Köstritz.  B.  Schmidt,  Berichtigungen 
und  Zusätze  zur  Genealogie  des  Reussischen  Hauses.  Wehr  de, 
Einiges  über  die  Pflege  Reichenfels  in  den  Schlesischeu  Kriegen. 

Mittheilungen  des  Alterthumsvereins  für  Zwickau  tmd  Umgegend. 
Heft  I.    Zwickau.     1887.    S'\ 

Inhalt:  E.  Fabian,  Die  Stadt  Zwickau  unter  den  Einwir- 
kungen des  schmalkaldischen  Kriegs.  Mit  urkundlichen  Beiträgen 
aus  dem  Zwickauer  Rathsarchiv  und  einer  Ansicht  von  Zwickau 
aus  dem  Jahre  1630. 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Anhaltische  Geschichte  und  Alter- 
thumskunde.    Band  V,  Heft  1.   Dessau.     1887.   8". 

Inhalt:  Stenzel,  Die  Münzen  xmä  Medaillen  des  Fürsten 
Joachim  Ernst  von  Anhalt.  Aue,  Herzog  Ferdinand  von  An- 
halt-Köthen  und  sein  Austritt  ans  der  preuss.  Armee  im  Jahre 
1806.  Franke,  Zur  Biographie  des  Dichters  Wilhelm  Müller. 
Gedichte,  welche  dem  Andenken  Wilhelm  MüUer's  gewidmet  und 
kurz  nach  dem  Tode  desselben  veröffentlicht  worden  sind.  Ho- 
säus,  Briefwechsel  des  Herzogs  Leopold  Friedrich  Franz  von 
Anhalt-Dessau  mit  Friedrich  Gottlieb  Klopstock  im  Jahre  1779. 
Fränkel,  Av6  Lallemant.  Blume,  Literar.  Nachweise  zur 
Geschichte  und  Landes)i.unde  Anhalts. 


Literatur.  355 

Mitthcilnnfjcn   des    Vereins  für   Chemnitzer  Geschichte.     V.  Jahr- 
buch für  1884—1886.     Chemnitz.    1887.    S». 

Inhalt:  K.  Kirchner,  Adam  Siber  imd  das  Chemnitzer  Ly- 
ceum  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jalirhunderts.  A.  Matiug- 
S animier,  Die  Beziehungen  der  Stadt  Chemnitz  zu  Böhmen  im 
Mittelalter. 
Mittheilnngcn  des  Vereins  für  Geschichte  und  Alterthumshunde 
von  Erfurt.  Heft  13.  Mit  einer  Karte  vind  8  Tafeln.  Erfurt 
1887.    8". 

Inhalt:  W.  v.  Tettau,  Geschiclitliche  Darstellung  des  Ge- 
bietes der  Stadt  Erfurt  und  der  Besitzungen  der  dortigen  Stif- 
tungen. Zschiesche,  Beitrag  zur  Vorgeschichte  Thüringens. 
I.  Die  Besiedelung  des  unteren  Gerathaies.  11.  Grabstätte  aus 
der  Bronzezeit  bei  Waltersleben. 

Mittheilunqen   des    Vereins  für    Geschichte   und  Alterthumshunde 
zu  KaJila  und  Boda.    III.  Bd.  2.  Heft.   Kahla.     1886.    S». 

Inhalt:     Lommer,     Flurnamen    im    Amtsbezirke    Kahla. 
Mitzschke,  Die  orlamündische  Grafenchronik  des  Paulus  Jovius. 
Mittheilunqen  vom  Freiherger  Alterthumsverein,  herausgegeben  von 
Heinrich  Gerlach.     Hefe  23.    1886.    Freiberg  i.  S.  1887.    8». 

Inhalt:  Kade,  Studien  zum  Freiberger  Chronisten  Dr.  Andr 
Möller  (mit  Bildnis).  Kade,  Eine  neuentdeckte  Freiberger  Fa- 
milien-Chronik. Knebel,  Handwerksbräuche  früherer  Jahrhun- 
derte in  Freiberg  (2.  Der  Gesellenstand).  Knothe,  Freiberger 
Urkundenbuch.  Knauth,  Heinrich  von  Freiberg.  Heyden- 
reich.  Literarische  Umschau. 


Eegister. 


Adorf  253. 

Agiies,  Grem.  Heiur.  d.  Erlaucht. 
139.  141. 

—  Gem.  Friedr.  d.  Freid.  141. 

—  Gem.  d.  Kurf.  Moritz  50. 76.  88. 
Aiclimaun,Dr.,  kursächs.  Rath  187. 
Albinus,  Petr.  337. 

Albrecht  (d.  Stolze),  Mkgr.  von 
Meissen  141. 

—  (d.  Entartete),  Landgraf  von 
Thüringen  139.  141. 

—  Mkgr.  V.  Brandenburg  -  Ciilm- 
bach  45.  50  ff.  58  f.  61  ff. 

Altenberg:  Freistelle  in  Meissen 

142.  145. 
Altranstädt  s.  Hermannus. 
Altzelle,  Kloster  34  ff.  141. 
Andreae,  Job.,  Mag.  106. 
Anhalt  s.  Georg,  Wolf. 
Anna,  T.  Friedrich  des  Ernsth., 

Nonne  in  Seuslitz  139  f. 

—  Gem.  des  Kurf.  August  292. 
295.  303.  310.  312  f.  318. 

Annaberg:  Freistellen  in  Meissen 

142.  145. 
Annaburg,  die  310.  336. 
Arnold,  Mag.,  Lehrer  in  Dresden 

284  f. 
Arnoldus  cantor  Misn.  16. 
Arpke  bei  Burgdorf  95  ff. 
Auerbach,  Erh.,  Lehrerin  Dresden 

280. 
August,  Kurf.  V.  Sachsen  46.  76. 

94.  103  ff".  148  ff.  280  f.   291  ff. 

—  Hrz.  zu  Sachsen,  Administr. 
zu  Magdeburg  195.  200.  209. 
230. 

Augustusburg  297  ff.  312.  325. 

Badehorn,  Dr.  jur.,  Ordin.  der  Ju- 

ristenfakult.  in  Leipzig  104  ff. 
Balthasar,  Landgr.  v.  Thüringen 

139  f.  2.58. 
Bamberg,  Bischof  von  51  f.  55  ff. 

65  ff. 
Baner,  schwed.  General  194.  218. 

223.  227.  235. 


Bautzen,  Schulen  3.  6.  23  ff.  258  ff'. 
Beatrix,   T.  Friedr.   des  Ernsth., 

Nonne  in  Seuslitz  139  f. 
Beigern  35. 
Benno,  Bischof  v.  Meissen  7. 

—  Cardinal  7. 

—  Abt  zu  Goseck  7. 

V.  Berbisdorf,  Hans,  auf  Nieder- 
forchheim 193. 

—  Rahel,  geb.  v.  Friesen,  seine 
Gem.  193. 

Berg,  Friedr.,  Maler  338. 

Berggiesshübel :  Freistelle  in 
Meissen  142.  145. 

V.  Bernstein :  Freistelle  in  Meissen 
143  f. 

Bischofswerda  292  f..  Schule  268. 

Bonifacius  IX.,  Papst  32. 

Böhmen  s.  Ferdinand. 

V.  Bora,  Katharina  147. 

V.  Boruz,  Conr.,  scolast.  Misn.  8  f. 

V.  Böse:  Freistellen  in  Meissen 
144. 

Bottschild,  Maler  325  f. 

Brandenbm'gs.Albrecht,Christian, 
Friedricii,  Georg  Wilhelm,  Jo- 
achim, Johann,  Joh.  Georg, 
Sigismund. 

V.  Brandenstein,  Graf  227. 

V.  Brandt,  Joh.  Friedr.,  altenburg. 
Rath  187. 

Braunschweig  45  f.  52  f.  61.  75. 
290  f.  s.  a.  Erich,  Ernst,  Hein- 
rich, Karl  Victor,  Philipp 
Magnus. 

Brecht,  Friedr.,  Maler  340. 

Breisach  229. 

V.  Breitenbach:  Freistelle  in 
Meissen  142  ff. 

Bremen,  Erzbisth.  46. 

Brewniow,  Kloster  bei  Prag  10. 

Brück :  Freistelle  in  Meissen  142. 

Bruno  IL,  Bischof  v.  Meissen  23  f. 

Buch,  Kloster  34  f 

Buchner,  Aug.,  Professor  in  Wit- 
tenberg 198. 

—  Paul,  Baumeister  321.  327. 


Register. 


357 


Buläus,  Superintendent  202  f. 
V.  Büuau:  Freistelle  in  Meissen 
142  ff. 

—  Rudolf,  Hofmeister  des  Herz. 
Heinrich  134. 

Burgdorf  bei  Wolfenbüttel  95. 100. 
Byener,  Peter,  Bürgermeister  zu 
Dresden  278. 

de    Capeindorf,    Tyzko,    scolast. 

Misn.  8  f.  1.5 
V.  Carlowitz:  Freistelle  i.Meissen 

142.  145. 

—  Christoph  54.  84.  94.  102. 
Carpzov,  Bened.,  Geh.  Rat    187. 

198. 
Castaldo,  Mrkgr.  in  Siebenbürgen 

42. 
Chemnitz.  Kloster  10.  Schulen  3. 

5.  270.  275  f. 
Christian  I.,  Kurf.  v.  Sachen  191. 

314.  321  ff. 

—  II.,  Kurf.  V.  Sachsen  315.  323. 
345. 

—  Markgr.  v.  Br and enb. -Kulm- 
bach 193. 

—  III.,  König  V.Dänemark  78.330. 

—  IV.,  König  V.  Dänemark  214. 
Christoph.  Graf  v.  Oldenburg  86. 
Clara,  T.  Friedr.  d.  Ernsth.  139  f. 
Cleve  19. 

V.  Colditz,  Thirao,  Marschall  263. 
Conradus  marchio  Misn.  140. 

—  Bischof  V.  Meissen  24. 

—  cantor  Misn.  16. 

—  mag.  Scholar.  Numbuvg.  2. 

—  scolast.  Merseburg.  34. 
Misn.  7. 

—  rector  pueroi'um  i.  Dresden  243. 

—  Schulmeister  in  Zittau  251  f. 
Conradt,  Paul,  Lehrer  in  Dresden 

28.5. 
Constantia,    Gem.  Heinrichs   des 

Erl.  141. 
Crakau,  schwed.  Oberst  227. 
Cranach,  Lucas  d.  Ä.  146  f.  29L 

295. 
d.  J.  296.    305.    310.    312. 

325.  340. 

Dänemark  s.  Christian. 

Dedo,  M)kgr.  v.  Meissen,  Sohn 
Konrads  d.  Gr.  141. 

V.  Dehn-Rothfelser,  Hans,  Amts- 
hauptmann u.  Oberrüstmeister 
148.  309. 


de  Dewin,  Heidenr.,  cantor  Misn. 

16. 
Dhüme,  Georg,  Maler  342. 
Dietrich  s.  Theodoricus. 

—  II.,  Bischof  V.  Meissen  20. 

—  Propst  zu  Meissen  11. 
Dippoldiswalde,  Meister  Franz  v., 

Schulmeister  zu  Dresden  245. 
247. 

—  Joh.,  Schulmeister  in  Meissen 
21. 

V.  Diskau,  Hans  82. 
Dittersbach,  Rittergut:  Freistelle 

in  Meissen  144  f. 
V.  Döbeln,    Albert,    Domher    in 

Meissen  11. 
Dobrilug,  Kloster  141. 
V.  Dölau,  Joh.  Georg,   Hof-  und 

Justizrath  203. 
de  Donyn,  Otto,  scolast.  Misn.  8. 

cantor  Misn.  16. 

Döring,  Dr.,  kursächs.  Kammer- 

irath  183  f.  194. 
Dresden  148  f.  Frauenkirche  333. 

Freistellen    in    Meissen    142. 

145.    Kanzleihaus  296.  308  ff. 

Moritzmonument  327  f.  Schloss 

335.    Schulen  3.  243  ff,   272  ff. 

Stallhof  321  ff.  344. 

Eger,  Tag  zu  (1553)  70  ff. 
V.  Einsiedel,  Kurt  186  f.  197.  200. 
Eisenberg  32  f.  77  f. 
Elisabeth,    Gem.    Heinrichs    des 
Erl.  139.  141. 

—  T.  Friedr.  d.  Ernsth.  139  f. 

—  Gem.  Mrkgr.  Wilhelm  I.    17. 

—  (v.  Rochlitz),  Gem.  d.  Herz. 
Johann  57  f.  92  f. 

Elyzabeth  cantrix  in  Gerings- 
walde 28. 

Elze  an  der  Leine  93  f. 

Emmerich  18  f. 

Emrich,  Valten,  Lehrer  in  Dres- 
den 283  f. 

Engelbrecht,  Dr.  187. 

Erich,  Herzog  v.  Braunschweig 
64.  74  f.  81.  86.  89  f.  92  f. 

Erlau  43. 

Ernestus  scolast.  Merseburg.  2. 

Ernst,  Herz.  v.  Braunschweig  52, 

Erpho  scolast.  Misn.  7. 

Eybanger,  Friedr.,  v.  Nürnberg, 
rector  scolar.  u.  Stadtschreiber 
in  Plauen  253  f. 


358 


Register. 


Faber,  Mich..  Lelu'er  in  Dresden 
285. 

—  Dr.  187. 

Fasoldt,  Hans,  Maler  340. 

Felirmauu,  Douat,  Lehrer  i.  Dres- 
den 286.  288. 

V.  Feilitsch,  brandeub.-kiümliach. 
Kanzler  187.  197. 

Ferdinand  I..  König  von  Böhmen 
41  ff. 

—  II.,  Kaiser  179.  204  ff. 

—  III.,  Kaiser  179.  19.5.  205  ff. 
Finckelthauss,  Professor  i.  Leipzig 

201. 
Fleischer,  Georg,  Hoftischler  308  f 

312. 
Forcheym,  Joh.,   Schulmeister  in 

Leipzig  30. 
Förster,  Wendel  96. 
Franciscaner,  Ordensprovinzen 

140. 
Franciscus  rector  parvnl.  in  castro 

Misn.  15. 
Frankfiu-t  a.  M.  78.  80.  86.  183. 

194. 
Frankreich  44  ff.  s.  a.  Heinrich. 
Freiberg  129  ff.   151  ff.     Dom  19. 

345.     Freistelleu    in   Meissen 

142.  145.  Schloss  Freudenstein 

297.  311  ff".  Schulen  266  ff.  274. 
Fridericus  scolast.  Naumb.  2. 

—  doctor  scolarium  Merseb    2. 
Friedrich  d.  Kleine   (Olemnie)  v. 

Dresden  139. 

—  (Tuto)j  Mrkgr.  v.  Meissen  140  f. 

—  d.  Freidige,  Mrkgr.  v.  Meissen 
141. 

—  (Anelant),  Mrkgr.  v.  Meissen 
141. 

—  d.  Lahme,  Mrkgr.  v.  Meissen 
140  f. 

—  d.  Ernsth.,  Mrkgi-.  v.  Meissen 
13ftff.  258. 

—  d.  Strenge,  Mrkgr.  v.  Meissen 
139  ff.  263. 

—  des  vorigen  Bruder  139  f. 

—  d.  Weise,  Kmf.  von  Sachsen 
145  ff. 

—  Mrkgr.  v.  Brandenburg,  Erzb. 
V.  Magdeburg-Halberstadt  47. 

—  Herzog  V.  Lüneburg  99  f. 

—  Kurf.  V.  d.  Pfalz  65.  r,7.  78. 

—  Wilhelm,  Administrator,  Her- 
zog zu  Sachsen  315.  323.  328 f. 
337. 


Friesen  bei  Reichenbach  197. 
V.  Friesen :  Freistelle  in  Meissen 

144  f. 
v.Friesen,Heinr.,  Frlir.,  auf  Rötha, 

Geh.  Raths-Direktor   191  ff. 

195.  201. 

—  d.  J.,  kursächs.  Geh.  Rath  193. 
198.  201. 

—  Karl,  altenb.  Geh.  Rath  und 
Hofmarschall  191. 

—  Karl,  Frhr.,  kurs.  Geh.  Rath 
193.  198. 

Fuchs,  Hans,  würzb.  Rath  75  f. 
Funcke,  Andr.,  Dr.jur.  104  ft\  108. 

Gallas,    kais.     Generallieutenant 

228. 
Gaulau,  Kr.  Ohlau  177  ff.  182. 
V.  d.  Geist,    Bernd  Hagen,    dän. 

Gesandter  214. 
V.  Geleen,  Gottfr.  Frhr.,  kaiserl. 

General  229. 
Georg,  Herzog  zu  Sachsen  129  ff. 

—  Fürst  V.  Anhalt  47. 

Georg  Rudolf,  Herz.  v.  Liegnitz- 

Brieg  179. 
Georg  AVilhelm,  Kurf.  v.  Branden- 

Inirg  228. 
GeringsM^alde,  Schulen  3.  27  f. 
Glashütte :   Freistelle  in  Meissen 

142.  145. 
Göding,  Andr.,  Maler  297.  343  ff. 

—  Heinrich  d.  1.,  Hofmaler  290  ff'. 

—  Heinrich  d.  J.,  Maler  297.  335. 
341  f. 

de  Gogh  (Goch),  Theod.,  scolast. 

Misn.  8. 
Goltzius,  Maler  296. 
V.  d.  Golz,  Heinrich  235. 
Gosda  195: 
Goseck  s.  Benno. 
Gotha  48  f  77.  317.  330. 
Götting,   Heinr.,  Büchsenmeister 

zu  Dresden  291. 
Gottleuba:   Freistelle  in  Meissen 

142.  145. 
Gottschalk,  Abt  zu  Pegau  266. 
Götz,  Graf,  kais.  General  229. 
di  Grana,  Caretto,  Marchese  225. 

238. 
Granvella  52.  69. 
Grauwe,  Andr.,  cantor  Misn.  16. 
Gregor  IX.,  Papst  10. 

—  X.,  Papst  10. 
Grimma,  Schule  263  f. 


Register. 


359 


Grimmeiisteiu  h.  Gotha  298.  330. 
Grolimaun,  Chrph.,  Maler  340. 
Gross,  Reinfr.,  Domlierr  u.  Pfarrer 

zu  Freiberg  130.  133. 
Grosseiibaiu :  Freistelle  i.  Meisseu 

145. 
Grosssedlitz  330. 
V.  Grumbach,  Wilhelm  75  92.  298. 
Grüiihain:   Freistelle  in  Meisscii 

142.  145. 
Gimzelin,  Mrkgr.  v.  Meissen  255. 
ile  Gurwitz,  Lutoldns,caiitorMisii. 

16. 
Gutteuberg,    Peter,    Kaplan  von 

Mühlberg  318. 

H.  scolastieus  ]\Iisn.  7.  9. 

V.  Hagen,  Heinrich,    Hofmeister 

331. 
Halljerstadt  78.  84. 
V.  Hanau,  August,  kurs.  Oberst 

233. 
Hauffe,    Melch.,    Festungskomm. 

V.  Dresden  309. 
Hazfeldt,  Graf,  kais.  General  229. 
Hedwig,   Gem.  Mrkgr.   Otto   des 

Reichen  141. 

—  Gem.  Albrechts  d.  Entarteten 
141. 

—  Gem.  Kurf.  Christiaus  II.  343. 
Hegewald,  Zachar.,    kurs.    Bild- 
hauer 148  f. 

V.   Heideck,    Hans    75  f.  82.   85. 

87  f.  91.  93. 
Heidelberg  fi6  ft'. 
Heidricus  cantor  Misn.  16. 
Heinersdorf    (LanghennersdorfV) 

181. 
Heinrich  d.  Erl.,  Mrkgr.  v.  Meissen 

139.  141.  2.55. 

—  Sohn  Albrechts  d.  Entarteten 
141. 

—  d.  Fromme,  Herz,  v.  Sachsen 
129  K 

—  Herzog  v.  Braunschweig  45  f. 
52  f.  60  ff.  72  ff.  78.  80.  83  ff. 
89  ff.  93.  96.  100  102. 

—  IL,  König  von  Franki-eich 
44  ff.  51. 

—  Bischof  V.  Naumburg  37. 
Heinricus  mag.  scolar.  (Naumb.)  2. 

—  scolast.  Wurcin.  25. 

—  rector  scholae  (Zwickau)  32. 
Heinrich  AVenzel.  Herzog  v.  Oels- 

Bernstadt  179. 


Helena.  Gem.  Dietrichs  (d. Feisten) 

139  if. 
Henneberg,  Georg  Ernst  Graf  v. 

71  f.  79  f. 
Hermannus  rector  parvuloruiu  in 

Dresden  u.  Pfarrer  z.  Altran- 

städt  243. 

—  scolast.  Misn.  8  ff . 
Wurcin.  25. 

Hermudis  scolastica  in  Gerings- 
walde 27. 

Hessen  s.  Philipp,  Wilhelm. 

v.  Hohberg,  Friedr.  178. 

Hohenstein:  Freistelle  i.  Meissen 
145. 

Holstein  s.  Johann. 

V.  Honsberg:  Freistellei.  Meissen 
142.  144. 

V.  Hotzfeld,  Daniel   75.  88  f.  97. 

Jenitz,  Hans ,  Kammersekretär 
300  f.  305.  311  f.  319.  340. 

.Joachim  II.,  Kiuf.  von  Branden- 
burg 53.  71  ff.  85  f.  88  f. 

Johann  d.  Beständige,  Herzog  v. 
Sachsen  147. 

—  Herzog  v.  Holstein  295. 

—  Markgr.  v.  Brandenburg-Ktts- 
trin  45  f  52.  61  f  64.  91. 

—  III.,  Bischof  V.  Meissen  39. 

—  V.,  Bischof  V.  Meissen  293. 
Johannes  scolast.  Budissin.  23. 
Wurcin.  25. 

—  de  Ossacz,  Schulmeister  da- 
selbst 265. 

Johann  Albrecht,  Herz.  v.  Meck- 
lenburg 72.  94  f. 

Johann  Christian,  Herz.  v.  Lieg- 
nitz-Brieg  179.  182. 

Johann  Ernst,  Herz.  z.  Sachsen 
65. 

Johann  Friedrich,  Herz.  z.  Sachsen 
42.  45  ff. 

Johann  Georg  L,  Kurf.  v.  Sachsen 
177  ff.  343. 

II.,  Kurf.  V.  Sachsen  184. 

200.  209. 

.Johann  Georg,  Mrkgr.  v.  Branden- 
burg 86. 

Johann  Wilhelm,  Herz.  z.  Sachsen 
48. 

Irmisch,  Hans,  Baumeister  311. 

Jülich'sche  Succession  229. 

Jutta  (Maria),  Gem.  des  Markgr. 
Diezmann  141. 


360 


Register. 


V.  Karas:    Freistelle  iu  Meissen 

142.  144. 
V.  Kanitz,  Wolf  310. 
Karl  IV.,  Kaiser  259. 

—  V.,  Kaiser  41  ff. 

—  Herzog  V.  Münsterberg  179. 
Karl  Friedrich,  Herzog  v.  Oels- 

Bernstadt  179. 

Karl  Victor,  Herzog  v.  Braun- 
schweig 99. 

Kiesewetter :  Freistelle  i,  Meissen 
143  f. 

—  Hieron.,  Dr.,  kursächs.  Kanz- 
ler 143. 

Kirchner, Dan.,  Geh.  Sekretär  199. 

Knaus,  Jos.,  Schulmeisterin  Dres- 
den 280.  283.  288. 

Komerstadt,  Dr.,  kurs.  Rath  180. 

Komorn  42  f. 

Königsteiu :  Freistelle  in  Meissen 
145. 

Koppe  (Koeppe),  Erasmus  145. 

V.  Kötteritz,  Seb.  Friedr.,  Kou- 
sistorialpräsident  197. 

Kötzschenbroda ,     Waffenstill- 
standsverhandlungen 202. 

Kram,  Franz,  Dr.  79. 

Krietzschwitz  bei  Pirna  180  f. 

Krystan,   Scliulm.  zu  Penig  270. 

Küchenmeister,  Seb.,  Domherr  zu 
Freiberg  130. 

de  Kmin,  scolast.  Misn.  7. 

Lampertswalde  bei  Oschatz  195, 

a  Lapide,  Hippolithus  210  f. 

Lebenich,  Egid.,  Drechsler  149  f. 

Leipzig  59  f.  83  ff.  231  f.  234. 
Schöffenstuhl  104  ff.  Schulen 
3.  6.  14.  22.  29ff.  263.  269.  281. 

Leisnig  276. 

—  Albertus  de  Lisenik,  cantor 
Misn.  16. 

Leupolt,  Lehrer  in  Dresden  279. 

Lichtenau,  Ober-  und  Nieder-,  bei 
Pulsnitz  195. 

V.  Lichtenwalde,  Heidenreich  28. 

Lieberose :  Mag.  Johannes  de  Lu- 
berosa,  Lehrer  in  Zittau  252. 

Liegnitz  u.  Brieg  s.  Georg  Ru- 
dolf, Johann  Christian. 

V.  Liuar,  Rochus  Quiiinus,  Bau- 
meister 303  f. 

Lischwitz,  kursächs.  Oberstlieut. 
234. 

Löbau,  Schulen  3.  252.  264. 


V.  Lohausen,  schwed.  General- 
major 227. 

Lohmen  315. 

Lommatzsch :  Freistelle  in  Meissen 
142.  145. 

Lomnitz  bei  Pulsnitz  195. 

vomLoss :  Freistelle  i.  Meissen  144. 

—  Joachim,  kursächs.  Geheimer 
Rath  185. 

Lössnitz  i.  Erzgeb.,  Schule  251. 
Lotter,  Hieron..  Bürgermstr.  von 

Leipzig  106  ff.  298  ff. 
Luchau,   Sgm.,   brandenb.-kulrab. 

Rath  71  f. 
Lucius  III.,  Papst  27. 
Ludwig,  Sohn  Friedr.  d.  Ernsth. 

139  f. 
Lüneburg  s.  Friedrich, 
de  Luppe,Thammo,  scolast.  Misn.  8. 
Lutart,  Gern  Mkgr.  Konrads  141. 
v.Lüttichau:  Freistellei.  Meissen 

142.   144. 

—  Wolf  Siegfr.,  Kanzler  186. 
188.  192.  198. 

Macherin,   Freder.,    de   Oschatz, 

Schulm.  in  Chemnitz  (?)  270. 
Madrid,  Gemäldegallerie  147  f. 
Magdalena    Sibvlla,    Gem.    Joh. 

Georgs  I.  189  f.  209. 

Tochter  Joh.  Georgs  I.  193. 

Gem.  Joh.  Georgs  IL  193. 

Magdeburg  45  ff.   64.    90.    184  f. 

s.  a.  August,  Sigismuud. 
Mansfeld,   Albrecht   Graf  v.   51. 

60.  64. 

—  Volrad,  Graf  v.,  45  f.  48.  53. 
60.  74. 

Marazin,  kais.  General  238. 

Marcus,  Lehrer  in  Löbau  264. 

Margareta,  Gem.  Albrecht  d.  Ent- 
arteten 141. 

Martinus  scolast.  Misn.  7  f. 

Mauricii,  Joh.,  Schulmeister  zu 
Grimma  264. 

Maximilian  IL,  Kaiser  69. 281. 309. 

Mechelgrün  bei  Plauen  i.  V.  36  f. 

Mechthiklis,  Gem.  Friedi-.  des 
Ernsth.  139. 

Mecklenburg  318.  s.  a.  Joh.  Al- 
brecht, Ulrich. 

Meinhard,  Burggr.  v.  Meissen  251. 

Meissen,  Schulen  3.  5.  7  ff.  13. 
20  ff.  255  ff.  267  f.  Landes- 
schule 142  ff. 


Register. 


361 


MeissPii,  Markgrafen  s.  Agnes, 
Albrecht,  Anna,  Beatrix,  Cla- 
ra, Conradus,  Constantia,  Dedo, 
Elisabeth,  Friedrich,  Gmizelin, 
Hedwig,  Heinrich,  Helena, 
Jutta,  Ludwig,  Lutart,  Mar- 
gareta  ,  Mechthildis  ,  Otto, 
Theodericus,  Thiceman,  Wil- 
helm. S.  a.  Sachsen,  Thüringen. 

—  Burggrafen  s.Meinhard,  Plauen. 

—  Bischöfe  s.  Benno,  Bruno,  Con- 
radus, Dietrich,  Johannes,  Ni- 
colaus, Thimo. 

Meniminger  Tag  70. 

Merseburg,  Schulen  2. 

Metz  .51." 

V.  Metzsch,  Friedr.,  Konsistorial- 

präsident  194  f.  197  f.  201.  230. 
Meyer,  J.  H.,  Maler  325. 
V.  Miltitz  :  Freistellen  in  Meissen 

142.  14n. 

—  Nicol.,  Stallmeister  321. 

—  Nie.  Gebh..  ki^rf.  Geh.  Bath 
185.  194. 

V.  Mitzlaff,  Joachim,  Oberst  193. 

227. 
Mons  Serenus,  claustrum  141. 
Mordeisen,  Kanzler  .54.  84.  92. 
Morgenstern,Kasp.,Bergmannl53. 
Moritz,  Kmf.  v.  Sachsen  41  ff.  180. 
Moritzburg  147.  308. 
de   Mulhusin,    Palbertus,   cautor 

Misn.  16. 
Müller,    Joh.,    Mag.,   Pfarrer  zu 

Freiberg  130. 
V.  Münchhausen,  Phil.  Adolf  187. 
Münster,  Bischof  von  74. 
Münsterberg  s.  Karl. 
Mylau  397. 

Nassau  s.  Wilhelm. 

de    Nassow,    Friczoldus,    cantor 

Misn.  21. 
Naumburg  334.  Schulen  2.  Bisch. 

s.  Heinrich,  Pflug. 
Naundorf  (Neundorf)  b.  Pirna  180f 
Neues  Schloss  bei  Worms  68. 
Neuhaldensleben  63. 
Neustadt  b.  Stolpen :  Freistelle  in 

Meissen  145. 
Niavis,  Paul  5. 

V.  Niedbruck,  Kasp.,  kgl.  Rath  68. 
Nimegk:  Freistellei.  Meissen  142. 
Nicolaus  III.,  Papst  13. 
—  Bischof  V.  Meissen  37. 


Nimbschen,  Kloster  34  f. 
Nossen :  Freistelle  in  Meissen  142, 

145. 
Nosseni,  Joh.  Maria  149.  315. 
Nürnberg   18  f.   51.   55.  71  f.  82. 

198.  201. 

Oberpolenz,  Rittergut:  Freistelle 
in  Meissen  144  f. 

Odelricus    mag.    scolar.    (Naum- 
burg) 2. 

Oelhaffe,   Beruh.,   Bürgermeister 
zu  Leipzig  lüo. 

Oels-Bernstadt  s.  Heinrich  Wen- 
zel, Karl  Friedrich. 

Oldenburg,     Grafen     75.     s.    a.. 
Christoph. 

Oppel,  David  193. 

—  Joh.   Georg,    kursäclis.    Geh. 
Rath  183  ff. 

Ortrand :  Freistelle  in  Meissen  142. 
Oschatz,  Kloster  138  f.     Schule 

265.  280.  288. 
V.  Osse,  Melchior  181. 
Ottheinrich,  Pfalzgraf  50. 
Otto  d.  Reiche,  Mkgr.  v.  Meissen 

141. 

—  scolast.  Mersel).  2. 

—  scolast.  Wurcin.  25. 
Oxenstierua,  schwed.  Kanzler  227. 

V.  Pack,  Otto  156  ff. 

Panwitz,  Kasp., auf  Mechwitz  178. 

Passauer   Vertrag   41.  44.   51  ff. 

58  f.  67  ff 
Pegau,  Kloster  34  f.  Schule  265  f. 

s.  a.  Gottschalk. 
Peine  95. 
Penig:  Freistelle  in  Meissen  142. 

145.     Schule  270. 
Peschel,  Casp.,  Lehrer  in  Dresden 

280  f.  284. 
Pescheliu,  Ottilie,   Lehrerin  277. 

279.  283.  285. 
Petershagen  b.  Minden  86.  88.  92  f. 
Petrus  rector  scol.  in  Budissin  258. 
Pfalz  s.  Friedrich,  Ottheinrich. 
Pflug:  Freistelle  in  Meissen  142. 

144  f. 

—  Casp.  72. 

—  Julius,  Bisch,  v.  Naunil)urg  47. 
V.  d.  Pforte,  Oberst  194. 
Philipp,    Landgr.   z.  Hessen  44. 

52.    56  f.   60.   63  ff.    71  ff.  78. 
83  ff.  89  ff. 

—  IL,  König  V.  Spanien  46.  60. 69. 


362 


Register. 


Philipp  Magnus,  Herz.  \.  Brauii- 
schweig  53.  74.  80.  82  f.  86  ff. 
93.  99. 

Pirna,  Amt  254. 

—  Freistelle  in  Meissen  142. 145. 
Schule  254.    Kirche  315  ff. 

Pistoris,  Hartmann  lOß. 

Planer,  Bergwerksverwalter  300. 

Plauen  i.  V.  Schule  252  ff. 

V,  Plauen,  Heinr. ,  Burggraf  v. 
Meissen,  böhm.  Grosskauzier 
42.  49  f.  52.  55.  59.  77.  79  ff. 
91  f.  94.   102. 

Prag,  Schule  281.  288. 

Prager  Friede  (1635)  183. 22 1. 232  f. 

Pressburg  42. 

Pretzscheudorf,  Lor.,  Lehrer  in 
Dresden  280. 

Pretzschnerin,  Lehrerin  in  Dres- 
den 285. 

Promnitz,  Heinr.,  Bürgerm.  zu 
Pirna  317. 

Püchau  37. 

Raab  42  f.  50. 

Radeberg  50.  79. 

Rauscher,  Hieron.,  Bürgermeister 

zu  Leipzig  105  ff.  310. 
Regensbui'g,  Reichstag  198. 
Reichenbach  197.     Schule  252  f. 
Robertus  scol.  Merseb.  2. 
Röder,  Cyriacus,  Maler  328  ff'.  342. 
Rossweiu:  Freistelle  in  Meissen 

142.  145. 
V.  Rothschitz,  Georg,  Kanzler  d. 

Herzogs  Heinrich  134. 
RottAverudorf  bei  Pirna  180  f.  201. 
V.  Rottwerndorf,  Georg,  Hans  u. 

Wolf  180. 
Rudolf  IL,  Kaiser  181.  282. 
V.    Rydebeck,    Arnold.,    scolast. 

Misn.  8. 

Sachsen  s.  Agnes,  Anna,  Atigust, 
Christian,  Elisabeth,  Fried- 
rich, Georg,  Hedwig,  Hein- 
rich, Johann,  Job.  Ernst,  Joh. 
Friedrich,  Joh.  Georg,  Joh. 
Wilhelm,  Magdal.  Sibylla,  Mo- 
ritz ,  (Sophia,  Sophie  Elenore. 

Sarstedt  bei  Hildesheim  94. 

Saupe,  Oswald,  Lehrer  in  Dresd. 
280.  283  f.  288. 

V.  Schachten,  Wilh.  75.  88  f.  97. 

Schandau :  Freistelle  i.Mei3senl45. 


Scheffel,  Dr.  120. 
Scheibe,  Wolfg.,  Dr.  jur.  104.  108. 
Schelhammer,  Balth.,  Dr.  jur.  105  ff. 
Schellenberg  s.  Augustusburg. 
V.  Schildow,  Job.,  Schulmeister  in 

Meissen  15. 
V.  Schleinitz:  Freistellein  Meissen 

142  f.  145. 

—  Kammergerichtsassessor  187. 

—  Joh.  scholast,  Misn.  15. 
Schiettau:    Freistelle  in  Meissen 

142.  145. 
T.  Schönberg :  Freistellen  i.  Meissen 
142  1.  145. 

—  Kasp,,  Geh.  Raths-Direkt.  185. 
V.  Schönburg,  Herreu  28. 

—  Herm.  27. 

Schröer,  Hans,  Maler  305. 

Schröter,  Barb.,  Priorin  in  Frei- 
berg 2H8. 

Schweden  182  ff. 

V.  Schwemli,  Lazarus  94. 

Schwerin  s.  Ulrich. 

Scipio,  Marcus,  Bürger  z.Pirna  316. 

Sebnitz :  Freistelle  in  Meissen  143. 

V.  Sebottendorf ,  Abr.,  kursächs. 
Geh.  Rath  177  ff. 

—  Anna  (geb.  Komerstadt)  180. 

—  Barbara  (geb.  v.  Bilitsch)  177. 

—  Damian  180  f. 

—  Haus  (II)  177. 

—  Hans  (III)  178. 

—  Hans  Damian  181. 

—  Heinrich  (Friedrich'?)  179. 

—  Johann  Georg  187. 
Sehehusen,  Petr.,  Lehrer  in  Leip- 
zig 30. 

Seid,  kaiserl.  Rath  51. 

Seusslitz,  Kloster  139  f. 

Siebenbürgen  s.  Castaldo. 

Siebenlehn :  Freistelle  i.  Meissen 
142.  145. 

Sievershausen,  Schlacht  bei  95. 

Sigemundus  scholast.  Misn.  7  f. 

Sigismuud,  Markgr.  v.  Brandenb., 
post.  Erzbisch.v.  Magdeb.  47.64. 

Sophia,  Gem.  Johanns  d.  Bestand. 
147. 

Sophie  Elenore,  Tochter  Christi- 
ans II.  343. 

Spanien  239.  s.  a.  Philipp. 

Speck,  Paul,  Lehrer  i.  Leipz.,  Prag, 
Dresden  277.  279.  281  ff.  288. 

V  Spiegel:  Freistelle  in  Meissen 
142  f. 


Register. 


363 


V.  Starschedel :  Freist,  in  Meisseii 

142  ff. 
Steiubrück  bei  Hildesheim  82. 
Stephan,  Schulmeister  in  Bischofs- 

werda  2H8. 
Stolpen  292  ff.  Freist,  in  Meiss.145. 
Strödel,  Val.  5. 

V.  Taube,  Dietr..  Oberst  194. 

—  Reiuh.  Dietr.,  Geh.  Rath  198. 
V.  d.  Thamm,   Alex.,    hess.    Ge- 
sandter KB. 

Theodericus,  marchioMisn.  (fi'ater 
Conradi)  141. 

(ülius  Com-adi)  141. 

(d.  Bedr.)  141. 

—  de  Landesberg  (d.  Feiste)  139. 
141. 

—  scolast.  Misn.  8. 
Thiceraann,  niarchio  Misn.  140  f. 
Thidericiis,  rect.  scolar.  in  Leip- 
zig- 30. 

Tiefstetter,  Wolf  82. 

Thimo,  Bisch,  von  Meissen  22. 

de  Thola,  Bened.,  Maler  340. 

Thömingk,  Jacob,  Dr.  jur.,  Or- 
dinär, der  Jui'istenfakultät  in 
Leipzig  104  ff. 

Thüringen  s.  Albrecht,  Balthasar. 
Vergl.  Meissen,  Sachsen. 

Timäus,  Job.,  Geb. Rath  184 ff.  225. 

Tizian  339. 

Torgau  18.  145  ff. 

TorstensoD,  schwed.  General  195. 

Treutting,  Mich.,  Maler  335. 

Trueb,  Ludw.,  Mag.,  Schöppen- 
schreiber  zu  Leipzig  120  f. 

V.  Trützschler :  Freistellen  in 
Meissen  144. 

Tüntzel,  Gabr.,  Dr.,  kurs.  Geh. 
Rath  18«  ff.  191.  195  f. 

Türken  41  ff. 

Ulrich,  Herz.  v.  Mecklenb.,  Bisch. 

V.  Schwerin  47. 
Usslaub,  David  149. 

V.  Vitzthum,  kurs.  Generalmajor 
227. 

—  Rud.,  kurs.  Kammerrath  und 
Hauptni.  z.  Augustusburg  197. 

V.  Vogtsberg,  die  Herren  36. 

Walther,  Seb.,  Bildhauer  148. 
Wecker,  Georg,  Bildhauer  149. 
V.  Wedel,  Generalmajor  227. 


Wehme,  Zachar.,  Bildhauer  327  ff. 

335.  340.  342. 
Wehlen:  Freistelle  in  Meissen  145. 
Weigel,  Martin,  Oberbergmeister 

in  Freiberg  151  f.  169. 
Weiss,  Job.   (Albinus),  Hofpred. 

des  Kurf.  Moritz  101  f. 
Weissenbach,    Conr.,    aus   Esch- 
wege,   Scliulm.    u.    Stadtschr. 

in  Löbau,  dann  Locat  in  Zittau 

252.  264  f. 
Weissenfeis,  Kloster  37. 
Wellerswakie  bei  Oschatz  195. 
Werner,     Hans    (Bauernprophet) 

189  f. 
V.  Wertheru.     Georg,    Geheime- 

rathsdirektor  184.  186  f.  225. 
Wessnigk,  Grg.,  Mag.  30. 
Wicpertus  scholast.  Sierseb.  2. 

—  scolast.  Misu.  7. 

Wilhelm  (I),  Mkgr.  v. Meissen  15. 
17.  32.   139  f.  266. 

—  Landgr.  zu  Hessen   41.  44  f. 
57  ff.  62.  86.  89. 

—  Graf  V.  Nassau  65. 
Willkommen,  Haus,  Maler  311. 
Wimpfen  66. 

Wittenberg  276. 

AVolf,  Fürst  V.  Anhalt  46.  64.  74. 
deWolfticz,  Herm.  ,cantor.Misn.l6. 
Würzburg.  Bischof  von  51  f.  55  ft". 

65  ff. 
Würzen,  Schulen  3.  23.  25  ff. 
de  Wj'stroph,   Heiuricus ,   rector 

scolar.  (Meissenj  15. 

Xanten  19. 

Zabeltitz  340. 

Zadel  bei  Meissen  36. 

Zahna:  Freistelle  in  Meissen  142. 

Zeidler,  Hans  183. 

V.  Zeschwitz,  Auselm  63. 

V.  Ziegeler:  Freistelle  i.  Meissen 

142.  144. 
Ziegenmeyer,  Dr.  187. 
Zimuiermann,Douat,  Bildschnitzer 

342. 
Zittau,  Schulen  3.  251  f. 
Zschilleu,  Kloster  141. 
Zwickau,  Schulen.  5.  32  f.  276.279. 
Zwicker,    Petrus,    v.    Wormditt, 

Schulmstr.  in  Zittau  252. 
Zwönitz:    Freistelle   in   Meissen 

142.  145. 


Berichtigungen. 


Seite  105  Zeile  13  von  unten:  lies  Peiligk'sche. 
„      149      „       13      ,.        „        lies  1579  (statt  1599). 
„     150      „      15      „        „        lies  Dann  er. 


Ol'titin:  Wilhelm  Baensch.     Dresden. 


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n.      .