Skip to main content

Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

See other formats


iilF 


'..•i;■'''^:l^''l'!l'^||>s|l;ll'l' 

■  ri'y'i'J.tJ.i.tii'i'i'ii 

,  ',    oVt' II 15 ''-'-"'•'•'■ 

r'-  ,'i'.'  I.'l  lll  if»  I 


;;;ii!;|!|i!;[|;i;!;;;!;!;;i:!  ' 


mW 


'r'i','i'iKO;iWi'i'i'  'Xrt'i'i'i'ii.r.rt'r 


;:;;   '■ 


üiiiüSiii:: 


/ 


l , 


|(  iwi|i[iiiiii!niintiiiiTii!iTiwinTiTTiirnTirnni^Tmmfiiiiiiiiiiiiiiii)!iiMn 


,^:JiilMli^;ailMiaiil^:3ll!illl(iiilllllliliililll!!ll^^^ 


Neues  Archiv 

für 

Sächsische  Geschichte 

und 

Altertumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermiscli, 

K.  Arcliivrat. 


Vierzehnter  Band. 


Dresden  1893. 
Wilhelm  Baensch,  K.  S.  Hofverlagsbuchhandlung. 


Das  Neue  Archiv  für  Sächsische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde, welches  im  Auftrage  der  Königlichen  Staats- 
regierung und  des  Königlichen  Altertumsvereins  heraus- 
gegeben wird,  erscheint  in  vierteljährlichen  Heften,  von 
denen  je  vier  einen  Band  von  ungefähr  22  Bogen  bilden. 


iHEGETTYCti'JltK 


Inhalt. 


Seite 

I.  Aus  der  Vergangenheit  der  Universität  Leipzig. 

Von  Bibliothekar  Dr.  Bruno  Stiibel  in  Dresden.      1 
II.  Eine  kursächsische  Gesandtschaft  nach  Frank- 
reich im  Jahre  1540.    Von  Dr.  Paul  Vetter  in 
Dresden 21 

III.  Kurfürst  August  und  die  Anfänge  des  nieder- 
ländischen Aufstands.    Von  Dr.  Gustav  Wolf 

in  Freiburg  i.  B 34 

IV.  Schweizer  Soldtruppen  in  kursächsischen 
Diensten  1701  —  1815.     Von  Oberstlieutenant 

a.  D.  A.  von  Welck  in  Basel 78 

V.  Richard  Steche.  Ein  Nekrolog.  Von  Dr.  H.  A. 
Lier,  Kustos  an  der  Konigl.  Bibliothek  in  Dresden  125 

VI.  Kleinere  Mitteilungen 138 

1.  Der  Marschallstab  des  Kiirfürsten  August  und 
dessen  Kleidung  auf  dem  Reichstage  zu  Augsburg 
1566.  Von  M.  v.  Ehrenthal,  Direktor  des  königl. 
histor.  Museums  in  Dresden.  S.  138.  2.  Zur  Ge- 
schichte der  Jesuitenkomödie  in  Sachsen.  Von 
Professor  Dr.  Georg  Müller  in  Dresden.  S.  140. 
3.  Zur  Geschichte  des  Freiberger  Gymnasiums  im 
18.  Jahrhundert.  Von  Oberlehrer  Dr.  Georg 
Heydenreich  in  Schneeberg.  S.  141.  4.  Eine 
Rast  des  Königs  Friedrich  August  I.  von  Sachsen 
bei  seiner  Überführung  von  Leipzig  nach  Berlin 
im  Oktober  1813.  Von  Reinhold  Schmidt  in  Zörbig. 
S.  147. 

Litteratur 149 

VII.  Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Eols  bis  zur 
Errichtung  des  stehenden  Heeres.  Aus  dem 
Nachlaß  des  Wirkl.  Geh.  Rats  und  Oberhof- 
meisters a.  D.  August  von  Minckwitz.  Heraus- 
gegeben von  Oberst  z.  D.  Georg  von  Schimptf 
in  Dresden 177 

VIII.  Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen  1547 

bis  1552.     Von  Prof.  Dr.  S.  Ilsleib  in  Leipzig  211 
IX.  Schweizer     Soldtruppen     in     kursächsischen 
Diensten  1701—1815  (Schlufs).     Von  Oberst- 
lieutenant a.  D.  A.  von  Welck  in  Basel      .     .  267 

X.  Über  die  älteste  Schulordnung  der  Kreuzschule 
zu  Dresden.  Von  Rektor  Prof.  Dr.  Otto  Meltzer 
in  Dresden 201 


TV  Inhalt. 


Seite 


XI.  Die  Entstellung  und  Bildung;  bürgerlicher 
Familiennamen  in  den  Sechsstädten  der  Über- 
lausitz bis  gegen  Mitte  des  14.  Jahrhunderts. 
Von  Prof.  Dr.  Hermann  Knothe  in  Dresden  .  .312 

XII.  Kleinere  Mitteilungen 324 

1.  Bruchstück  eines  alten  Nekrologiums  des  Klosters 
Pegau.  Mitgeteilt  von  Archivar  Dr.  Paul  Mitzschke 
in  Weimar.  S.  324.  2.  Sachsens  uud  Brandenburgs 
gemeinsames  Vorgehen  bei  der  Resignation  Karls  V. 
und  der  Kaiserwahl  Ferdinands  I.  Von  Dr.  Wilh. 
Altmaun ,  Kustos  an  der  Univ.-Bibl.  zu  Greifs- 
w^ald.  S.  330.  3.  Zwei  Harnische  von  Matthäus 
Frauenpreis  dem  Alteren  im  königl.  histor.  Museum 
zu  Dresden  und  auf  der  Wartburg.  Von  M.  v. 
Ehrenthal,  Direktor  des  königl.  histor.  Museums 
zu  Dresden.  S.  336.  4.  Ein  Schreiben  des  Hof- 
narren Fröhlich  an  seinen  Herrn  (1727).  Von 
Archivrat  Dr.  Th.  Distel  in  Dresden.  S.  339. 
5.  Zwei  in  Kursachsen  beseitigte  Drucke  (1745, 
1757).    Von  denselben.    S.  341. 

Litteratur 344 

Register 357 


Besprochene  Schriften. 


Auerbach,  Bibliotheca  Ruthenea  (B.  Schmidt) 348 

Bachmann,  Urkundliche  Nachträge  zur  Österreich. -deutscheu  Ge- 
schichte (Ermisch) 346 

Beiträge  zur  sächs.  Kircheugeschichte  VI.  und  VII.  (G.  Müller)  157 
Brockhaus'  Konversations-Lexikon  II— V.  (Ermisch)      ....  168 

Dresdens  Festungswerke  im  Jahre  1811  (Ermisch) 164 

Dresdner  Strafsenansichten  vom  Jahre  1678  (Ermisch)  ....  164 
Einert,  Aus  den  Papieren  eines  Rathauses  (Lippert)     ....  159 

Häbler,  Maria  Josefa  Amalia  (Knothe) 156 

Heydenreich,  Geschichte  und   Poesie  des  Freiberger  Berg-  und 

Hüttenwesens  (Knauth) 163 

Klotz,  D.  Veit  Wolfram  (G.  Müller) 158 

Lenz,    Briefwechsel    Landgraf  Philipps    des   Grofsmütigen   von 

Hessen  mit  Bueer  I— III.  (Vetter) 149 

Loose,  Alt-Meifsen  in  Bildern  (Ermisch) 164 

Opitz,  Die  Schlacht  bei  Breitenfeld  (Krebs) 153 

Röfsler,  Geschichte  der  königl.  sächs.  Fürsten-  und  Landesschule 

Grimma  (G.  Müller) 160 

v.  Schimpft',  König  All)ert  fünfzig  Jahre  Soldat  (Ermisch)  .  .  344 
Schneider,  Geschichte  der  Schule  zu  Nossen  (G.  Müller)  .  .  .161 
Simon,  Die  Verkehrsstrafsen  in  Sachsen  (L.  Schmidt)  ....  347 
Wustmann,  Leipzig  durch  drei  Jahrhunderte  (Ermisch)     .     .     .164 


-■i^Ä-Jle©-*-®-*-®-*- 


^  ©  *  ©  *  &  :)|e  ©^ 


o    o    o    o    o    o    o 


\ 


D 


^«äS*i»S*!t»»»!l!«i»!^ 


^-s^. 


er  vierzehnte  Band  des  „Neuen  Archivs 
^\o       für  Sächsische  Geschichte  und 
Altertumskunde"   erscheint    zu   einem 
bedeutungsvollen  Zeitpunkte. 

Seine  Majestät  unser  allergnädigster  König 
und  Herr  feierte  soeben  den  fünfzigsten  Jahres- 
tag seines  Eintritts  in  die  Armee. 

Die  militärische  Wirksamkeit,  die  Seine  Maje- 
stät in  einem  halben  Jahrhundert  rastloser  Arbeit 
entfaltet  hat,  gehört  nicht  allein  der  Geschichte 
unseres    engeren   Vaterlandes   an.      Für    die   Ge- 


VI 


schichte    Gesamtdeutschlands    ist   sie    von    hoher 
Wichtigkeit  geworden. 

In  den  Kämpfen  um  die  Schleswig -holstein- 
schen  Lande,  die  den  schlummernden  nationalen 
Gedanken  zuerst  wieder  aufleben  liefsen  und  das 
Vorspiel  bildeten  zu  einem  langen  und  lange 
vergebHchen  Ringen  nach  Deutschlands  Einheit 
und  Macht,  empfing  der  jugendHche  Prinz  die 
Feuertaufe.  Sein  Verdienst  war  es,  wenn  aus 
den  traurigen,  aber  unvermeidlichen  Kämpfen  des 
Jahres  1866  Sachsens  Waffenehre  ungemindert 
hervorging.  Vor  allem  unvergefslich  aber  wird 
dem  deutschen  Volke  jederzeit  der  Anteil  bleiben, 
den  der  Kronprinz  von  Sachsen  an  dem  glor- 
reichen Kriege  der  Jahre  1870/71  nahm.  Auf  den 
blutgetränkten  Schlachtfeldern  von  St.  Privat,  von 
Beaumont  und  Sedan,  von  Le  Bourget  und  Villiers 
that  auch  er  seine  Hammerschläge  auf  den  Grund- 
stein des  deutschen  Reiches. 

Und  was  der  Kronprinz  begann,  das  hat 
der  König  in  zwanzigjähriger  reichgesegneter 
Friedensthätigkeit  fortgesetzt.    Wenn  noch  heute 


—   vn   — 

die  deutsche  Armee  für  die  erste  der  Welt  gelten 
darf  und  wenn  dies  stolze  Gefühl  MilHonen  jene 
Sicherheit  giebt,  ohne  die  auch  die  Werke  des 
Friedens  sich  nicht  zu  gesegnetem  Gedeihen  ent- 
falten können,  so  gebührt  ein  wesentlicher  Anteil 
daran  dem  Wirken  Seiner  Majestät  des  Königs 
Albert. 

So  war  es  mit  Recht  ganz  Deutschland,  das 
an  diesem  Tage  dem  erlauchten  Herrn  seine  Glück- 
wünsche darbrachte.  Allein  in  erster  Linie  darf 
doch  das  Sachsenland  ihm  zujubeln. 

Auch  unsere  Zeitschrift  kann  den  für  die  Ge- 
schichte Sachsens  so  wichtigen  Gedenktag  nicht 
vorübergehen  lassen,  ohne  dem  König  ihre  Hul- 
digung darzubringen. 

Den  ersten  Band  des  „Neuen  Archivs  für 
Sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde"  er- 
öffneten wir  mit  einem  Bilde  des  hochseligen 
Königs  Johann,  der  in  mehrfacher  Hinsicht  als  der 
Begründer  einer  neuen  Aera  der  sächsischen 
Geschichts-  und  Altertumsforschung  gelten  darf. 
So  möge  denn  diesem  Bande  das  wohlgetroffene 


—     VIII    — 

Bild  Seiner  Majestät  des  Königs  Albert  beigefügt 
werden,  zur  Erinnerung  an  das  Jubelfest,  das 
Hochderselbe  gefeiert,  und  zugleich  als  schwaches 
Zeichen  des  Dankes  für  die  hohe  Huld,  der  sich 
eine  lange  Reihe  von  Jahren  hindurch  unsere  Zeit- 
schrift erfreuen  durfte. 


% 


I. 

Aus  der  Vergangenheit  der  Universität 

Leipzig. 

Von 

Bruno  Stübel. 


Es  ist  eine  eigentümliche  Erscheinung,  dafs  die 
deutschen  Universitäten,  auf  welche  die  Nation  mit  Stolz 
und  auf  die  das  Ausland  mit  Neid  zu  blicken  pflegt, 
keine  originalen  Schöpfungen,  sondern  Nachahmungen 
fremder  Muster  sind^).  Vor  allem  ist  es  die  Universität 
Paris  gewesen,  die  das  Vorbild  der  meisten  unserer 
Hochschulen  abgegeben  hat.  Paris  war  überhaupt  die 
gefeiertste  Universität  im  Mittelalter,  in  welcher  sich 
gewissermafsen  die  gesamte  Gelehrsamkeit  des '  Mittel- 
alters konzentrierte,  die  Hauptpflegerin  der  damals  und 
bis  zur  Reformation  tonangebenden  Scholastik.  Nach 
Pariser  Muster  wurde  dann  in  Deutschland  zuerst  die 
Universität  Prag  1348  gegründet;  hierauf  folgten  Wien, 
Heidelberg,  Köln,  Erfurt,  Würzburg  in  seiner  älteren 
Gestalt,  Leipzig,  Rostock.  Diese  acht  von  der  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  bis  zum  Anfang  des  15.  Jahrhunderts 
gegründeten  Universitäten  bilden  die  älteste  Gruppe  unserer 
deutschen  Hochschulen.  Von  der  Mitte  des  15.  bis  zum 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  schlieist  sich  dann  die  zweite 
Gruppe  an,  die  in  rascher  Aufeinanderfolge  die  Univer- 
sitäten  Greifs wald,  Freiburg,   Trier,  Basel,   Ingolstadt 

')Vergl.  Hartfelder,  Der  Zustand  der  deutschen  Hochschulen 
am  -Ende  des  Mittelalters,  in  Sybels  histor.  Zeitschrift  N.  F. 
XXVIII  (1890),  50  ff. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XIV.  1.  2.  1 


2  Bruno  Stübel: 

(jetzt  München),  Tübingen,  Mainz,  Wittenberg  (jetzt 
Halle),  Frankfurt  a.  O.  (jetzt  Breslau)  unüalst.  Bekannt- 
lich ist  nun  die  Leipziger  Universität  ein  direkter  Ab- 
kömmling der  Prager.  Nationale  Zwistigkeiten  inner- 
halb des  Lehrkörpers  und  der  Studentenschaft  bewirkten 
es,  dals  eine  Anzahl  Lehrer  und  Studierende  Prag  ver- 
lieisen  und  unter  Führung  des  Magisters  Johannes  Otto 
von  Münsterberg  sich  nach  Leipzig  wandten. 

Noch  ehe  die  Landesfürsten,  Markgraf  Friedrich  und 
sein  Bruder  Wilhelm,  die  mit  Freuden  auf  das  Gesuch, 
in  ihrem  Lande  eine  Universität  oder  wie  es  damals  hiels 
ein  Generalstudium  zu  errichten  eingingen,  ein  Studium, 
welches  in  allem  als  eine  unmittelbare  Fortsetzung  des 
Prager  Studiums  betrachtet  werden  sollte,  ihre  offizielle 
Genehmigung  erteilen  konnten,  war  zu  allererst  die  Zu- 
stimmung des  päpstlichen  Stuhles  erforderlich,  ohne  die 
nach  den  Anschauungen  der  damaligen  Zeit  die  Gründung 
eines  Generalstudiums  nicht  denkbar  war^).  Denn  die 
Universitäten  waren  ursprünglich  klerikale  Institute,  sie 
waren  der  Ausfluls  eines  Bundes  zwischen  der  geistlichen 
und  der  weltlichen  Macht.  Lehrer  und  Schüler  Avaren  in 
der  Regel  Kleriker,  ihr  Leben  war  ein  klosterähnliches, 
sie  waren  verpflichtet  in  Kollegien  oder  Bursen  zusammen 
zu  leben,  wie  das  gewissermalsen  auf  den  englischen 
Hochschulen  noch  jetzt  der  Fall  ist.  Strenge  Strafen 
standen  darauf,  wenn  ein  Universitätsmitglied  aulserhalb 
dieser  Kollegienhäuser,  Avenn  es,  wie  es  damals  hiefs,  bei 
den  gemeinen  Leuten,  d.  h.  bei  den  Bürgern,  wohnte,  und 
nur  in  ganz  besonderen  Fällen  konnte  der  Rektor  von 
diesem  Gebote  dispensieren. 

Als  die  erste  und  älteste  Urkunde  unserer  Hoch- 
schule haben  wir  sonach  die  päpstliche  Bestätigungsbulle 
zu  betrachten,  welche  von  Papst  Alexander  Y.  am  9.  Sep- 
tember 1409  zu  Pisa  ausgestellt  worden  ist'^),  aber  erst 
am  12.  November  desselben  Jahres  in  Leipzig  eintraf. 
Zuvörderst  wird  in  dieser  Bulle  Leipzig  als  ein  sehr  ge- 
eigneter Ort  zur  Errichtung  eines  Generalstudiums  be- 
zeichnet.   Die  Stadt  liege  in   einer  volkreichen,  frucht- 


^)  Vergl.  Gersdorf,  Beitrag  zur  Geschichte  der  Universität 
Leipzig,  in  Mitteüungsn  der  deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig, 
V  (1872),  11. 

^)  Stübel,  Urkundonbuch  der  Universität  Leipzig  von 
1409  bis  1555  (Codex  diplom. Saxon. regiae  II,  11)  S.l— 3  (im  Folgenden 
citiert  mit  „Urkundenbuch"). 


Ans  der  Vergangeiilieit  der  Universität  Leipzig-.  3 

baren,  gottgesegneten  Gegend,  nnter  einem  gemälsigten 
Klima,  von  allen  Seiten  von  angenehmen  Ortschaften  um- 
geben, in  einem  Lande,  in  welchem  unter  dem  Schutze 
der  fürstlichen  Brüder  Friedrich  und  Wilhelm  Friede 
und  Sicherheit  blühten.  Die  Bewohnerschaft  sei  leutselig 
und  wohlgesittet.  Unter  solch'  günstigen  Verhältnissen, 
hoft'e  der  Papst,  könne  ein  Generalstudium  recht  wolil 
gedeihen.  Dieses  Studium  solle  nun  bestehen  aus  den 
Fakultäten  der  heiligen  Theologie,  des  geistlichen  sowie 
weltlichen  Rechts,  der  Medizin  und  der  sieben  freien 
Künste.  Unter  diesen  verstand  man  im  klassischen  Alter- 
tum diejenigen  Kenntnisse  und  Fertigkeiten,  die  zum 
Unterrichte  des  Freien  im  Gegensatze  zu  der  Beschäftigung 
des  Sklaven  gehörten,  und  man  rechnete  darunter:  Gram- 
matik, Arithmetik,  Geometrie,  Musik,  Astronomie,  Dialektik 
und  Rhetorik.  Die  ersten  drei  wurden  in  den  Schulen 
des  Mittelalters  gewöhnlich  das  Trivium,  die  letzteren 
vier  das  Quadrivium  genannt,  und  zwar  wurde  das  Trivium 
in  den  darnach  benannten  Trivial-  oder -Elementarschulen, 
das  Quadrivium  dagegen  nur  in  höheren  Lehranstalten 
gelehrt.  Aus  dieser  Fakultät  der  sieben  freien  Künste 
ist  dann  später  die  philosophische  Fakultät  hervorge- 
gangen, die  aber  ihrem  Ursprünge  gemäfs  in  den  Ur- 
kunden bis  tief  in  das  16.  Jahrhundert  hinein  facultas 
arthon,  Artistenfakultät,  Fakultät  der  freien  Künste,  freie 
Kunstfakultät,  ja  sogar  einmal  kunstreiche  Fakultät  artium 
genannt  wird.  Ihre  Mitglieder  hielsen  Artisten.  Sie 
wurde  von  Haus  aus  als  die  vornehmste  Fakultät  an- 
gesehen, durch  welche,  wie  es  in  einer  Urkunde  heilst, 
die  Universität  vor  allem  erhalten  würde*). 

Die  päpstliche  Bulle  bestimmt  dann  ferner,  dals  es 
hinsichtlich  der  Vorlesungen,  Disputationen  und  anderer 
akademischer  Handlungen  gehandhabt  werden  möge  wie 
an  der  Universität  zu  Paris,  und  ernennt  zum  Kanzler 
der  Universität,  da  Leipzig  zum  Merseburger  Sprengel 
gehörte,  den  jeweiligen  Bischof  von  Merseburg,  dem  die 
Beaufsichtigung  der  Magister-,  Doktoren-,  Baccalaureats- 
prüfungen,  überhaupt  die  Erwerbung  aller  akademischen 
Würden  und  Grade  obliegen  sollte.  —  Wenn  somit  die 
päpstliche  Bulle  die  Anerkennung  der  Universität  seitens 
der  geistlichen  Macht  zum  Ausdruck  brachte ,  so  war 
nunmehr  zur  Konstituierung  der  Universität  als  politischer 


*)  Urknndeiibnch  S.  290. 


4  Bruno  Stübel: 

Korporation  die  urkuiHllicli  ausgesprochene  Anerkenimiig 
seitens  der  weltlichen  Macht,  d.  h.  der  Landesherren 
erforderlich,  und  dieser  feierliche  Akt  fand  am  2.  Dezember 
1409  durch  Aushändigung  der  Stiftungsurkunde  im 
Refektorium  der  Augustiner  -  Chorherren  zu  St.  Thomas 
in  Leipzig  in  Gegenwart  der  Markgrafen  Friedrich  und 
Wilhelm  und  der  dazu  eingeladenen  Bischöfe,  Prälaten, 
Magister  und  anderer  statt ■^).  Nun  erst  Avar  die  Gründung 
der  Universität  in  aller  Form  vollzogen. 

Aus  der  landesherrlichen  Stiftungsurkunde  wollen 
wir  hier  nur  zwei  wächtige  Bestinnnungen  hervorheben, 
weil  sie  Listitutionen  betrafen,  welche  sich  an  der  Uni- 
versitätjahrhundertelang, bis  in  die  neuere  Zeit  erhalten 
haben,  das  ist  die  Institution  der  Nationen  und  die  der 
Kollegien.  Die  Lehrer  und  Studirenden  der  gröfseren 
Universitäten  des  Mittelalters  schieden  sich  nicht  nur 
nach  den  Wissenschaften,  scientiae  oder  facultates,  wie  es 
ja  jetzt  noch  der  Fall  ist,  sondern  auch  nach  ihren  Heimat- 
landen, nationes*'').  Durch  korporative  Vereinigung  der 
Landsleute  w^ollte  man  nämlich  den  von  fern  Hergekommenen, 
und  der  Besuch  einer  Universität  war  ja  bei  dem  gänzlichen 
Mangel  eines  regelrechten,  gesicherten  Reiseverkehrs  im 
Mittelalter  ein  ungeheueres  Opfer  für  einen  jungen  Mann, 
grölsere  Sicherheit  und  Schutz  gewähren,  und  dann,  was  die 
Studierenden  betrifft,  deren  Angehörigen  in  der  Heimat 
eine  Bürgschaft  für  das  Wohlbefinden  ihrer  Familien- 
glieder leisten,  w'as  geschehen  konnte,  Avenn  der  Student 
gemeinschaftlich  mit  Landesgenossen  am  fremden  Orte 
Wohnung  und  Kost  hatte  und  seine  Studien  von  den 
Genossen  überwacht  und  geleitet  wurden.  So  wurden  die 
Angehörigen  der  Universität  Paris  in  vier  Nationen  ein- 
geteilt, darnach  ebenfalls  wieder  in  vier  Nationen  die  der 
Universität  Prag,  nämlich  in  die  der  Böhmen,  Bayern, 
Polen  und  Sachsen,  und  darnach  wieder  die  unserer  Leip- 
ziger Universität,  hier  ursprünglich  in  die  der  Meilsner, 
Sachsen,  Bayern  und  Polen,  dann  nach  der  Erwerbung 
des  Herzogtums  Sachsen  durch  Friedrich  den  Streitbaren  in 
der  Reihenfolge  der  Sachsen,  Meilsner,  Bayern  und  Polen. 
Die  sächsische  Nation  reichte  bis  zur  Nord-  und  Ostsee,  be- 
griff auch  Schweden  und  Norw^egen  mit,  zu  der  meilsnischen 
Nation  wurde  auch  Thüringen  gerechnet,  zu  der  bayrischen 


°)  Urkundenbiicli  S.  5. 

ö)  Gersdorf  a.  a.  O.  S.  9. 


AiLs  der  Vcryaiigeiilieit  der  Universität  Leipzig'.  5 

Nation  beinahe  das  ganze  Süddeutscliland,  die  Schweiz, 
Italien,  Spanien,  Portngal,  England,  zu  der  pohlischen 
endlich  Schlesien,  Preuisen,  Böhmen,  die  Lausitzen, 
Mähren,  Ungarn,  Rulsland.  Wenn  also  z.  B.  ein  Italiener 
oder  Portugiese  nach  Leipzig  kam,  um  dort  zu  studieren, 
so  mulste  er  in  die  bayrische  Nation  eintreten.  Auf  diesen 
vier  Nationen  hat  die  Regierung  der  Universität  bis  zum 
Jahre  1830  beruht,  in  welchem  Jahre  überhaupt  die 
ganze  alte  Universitätsverfassung  reorganisiert  worden  ist. 
An  die  Einteilung  der  Universitätsmitglieder  in  Nationen 
erinnern  übrigens  gegenwärtig  noch  in  der  Studentenschaft 
die  Landsmannschaften  und  Korps. 

Die  zweite  wichtige  Bestimmung  in  der  landesherr- 
lichen Stiftungsurkuude  betrifft  die  Gründung  der  beiden 
Kollegien,  des  grofsen  und  des  kleinen  Fürstenkollegs. 
Dies  w^aren  Gebäude,  in  welchen  die  Vorlesungen,  Dis- 
putationen und  alle  übrigen  akademischen  Handlungen 
vorgenommen  werden  sollten,  welche  die  Landesherren 
von  allen  Steuern,  Gefällen,  Lasten  befreiten  und  die 
eine  vollständig  exceptionelle  Stellung  innerhalb  der  Stadt- 
gemeinde einnahmen.  Zu  diesen  beiden  Kollegienhäusern 
gesellte  sich  dann  einige  Jahre  später  das  Kollegium  zu 
Unserer  Lieben  Frauen,  collegium  heatae  Mariae  virginis, 
welches  von  dem  Markgrafen  Friedrich  mit  denselben 
Freiheiten  begnadigt  wurde,  wie  die  beiden  anderen. 

Zum  Abschluls  der  Gründung  der  Universität  war 
nach  der  feierlichen  Eröffnung  nun  noch  ein  wichtiger  Akt 
notwendig,  das  war  die  Wahl  ehies  Oberhauptes,  eines 
Rektors,  der  sie  zu  leiten  und  zu  schützen  hatte.  Man 
wählte  zum  ersten  Rektor  jenen  Magister  Johannes  Otto 
von  Münsterberg  in  Schlesien,  unter  dessen  Führung  mit 
die  Auswanderung  von  Prag  nach  Leipzig  erfolgt  war, 
der  den  höchsten  akademischen  Grad,  den  eines  Doktors 
der  Theologie,  besafs  und  auch  bereits  im  Jahre  1398 
Rektor  in  Prag  gewesen  war.  In  den  Statuten  wurde 
alsdann  bestimmt,  dafs  zum  Amt  eines  Rektors  ein  ehr- 
bares, unbescholtenes  Mitglied  der  Universität,  welches 
das  25.Lebensjahr  erreicht  habe  und  legitim  geboren  sei,  ge- 
wählt werden  könne.  Dem  klerikalen  Charakter  der 
Universitäten  des  IVIittelalters  gemäfs,  mulste  ferner  der 
Rektor  unverheiratet  und  Kleriker  sein,  mindestens 
die  niederen  Weihen  empfangen  haben').    Der  im  Jahi^e 


')  Gersdorf  a.  a.  Ü.  S.  14.15. 


g  r?niiiii  Stübel: 

1518  zum  Rektor  erwählte  Dr.  Georg  Schilt el  iiuilste  das 
Rektorat  iiiedeilegeu,  weil  er  sich  verlobt  hatte.  Gewählt 
wurde  der  Rektor  auf  ein  halbes  Jahr,  also  gab  es  für 
das  Sommer-  undAVintersemcster  einen  besonderen  Rektor, 
Avelche  Einrichtung  bis  zum  Jahre  1831  beibehalten  worden 
ist,  von  wo  an  erst  die  AVahl  auf  ein  ganzes  Jahr  er- 
folgte. Eigentümlich  ist  es,  dals,  obgleich  den  Studierenden 
bei  der  Rektorwahl  keine  Mitwirkung  zugestanden  war, 
wie  das  doch  z.  B.  auf  den  durch  Studierende  gegründeten 
italienischen  Universitäten  zu  Bologna  und  Padua  uud  in 
Deutschland  auf  der  Universität  zu  Erfurt  geschah,  trotz- 
dem ein  Studierender,  allerdings  vornehmeren  Standes, 
zum  Rektor  erwählt  werden  konnte.  So  ist  in  Leipzig 
Adolf,  Fürst  zu  Anhalt,  für  das  Sommerhalbjahr  1475  zum 
Rektor  gewählt  worden,  höchstwahrscheinlich  der  erste 
Student,  dem  dieses  Amt  auf  einer  deutschen  Universität 
zu  teil  wurde.  Da  aber  Fürst  Adolf  erst  17  Jahre  alt 
war,  so  mulste  ihm  ein  Vizerektor  zur  Seite  gegeben 
werden.  Später  wurde  dann  geradezu  bestimmt,  dals  ein 
Herzog,  Graf,  Baron,  worunter  damals  auch  die  Edlen 
Herren  von  der  Lippe,  Reuis  von  Plauen,  Schönburg  und 
andere  Adelsgeschlechter  verstanden  wurden,  ehrenhalber 
oder  aus  Rücksicht  auf  den  Nutzen  der  Universität,  auch 
wenn  er  noch  nicht  das  25.  Lebensjahr  erreicht  habe, 
Rektor  werden  könne,  dafs  aber  diesem  dann  ein  Pro- 
rektor beizuordnen  sei^).  Zu  wiederholt enmalen  haben 
demgemäfs  Fürsten  das  Amt  eines  Rektors  bekleidet,  so 
z.  B.  im  17.  Jahrhundert  der  Herzog  Philipp  Julius  von 
Stettin  und  Pommern,  Fürst  zu  Rügen,  der  Herzog  Adolf 
Friedrich  von  Mecklenburg,  der  Herzog  Jakob  von  Kur- 
land und  Semgallen  und  noch  einige  andere. 

Der  Rektor  der  Universität  war  nur  das  Oberhaupt 
einer  Korporation,  welche  zufolge  ihrer  Verfassung,  die 
auf  den  mit  grolser  Sorgfalt  ausgearbeiteten  Statuten  be- 
ruhte, eine  ganz  besondere,  sehr  freie,  politische  Stellung 
mit  eigner  Civil-  und  Kriminalgerichtsbarkeit  über  ihre 
Mitglieder  einnahm,  das  Oberhaupt  eines  Staates  im 
Staate,  das  Oberhaupt  einer  Korporation,  innerhalb  welcher 
die  einzelnen  vier  Fakultäten  wiederum  vollständig  ge- 
schlossene Körperschaften  bildeten,  und  diese  Verfassung 
hat  sich  mit  ihren  Modifikationen  Jahrhunderte  lang  er- 
halten in  einer  Weise,  wie  dies  bei  keiner  andern  Uni- 


^)  Gersdorf  a.  a.  U.  S.  16. 


Aus  der  Verg-aiigeiihoit  <ler  Universität  Leipzig.  7 

versität  der  Fall  gewesen  ist.  Ein*  die  älteste  Zeit  ihres 
Bestehens,  bis  zur  Mitte  des  16.  Jahrhunderts,  bis  zur 
Einführung  der  Kirchenreformation,  war  die  Universität 
Leipzig,  wie  der  um  die  geschichtliche  Erforschung  der- 
selben hochverdiente  Friedrich  Zarncke  treöend  bemerkt, 
geradezu  die  Repräsentantin  einer  mittelalterlichen  Normal- 
universität ^). 

Die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  ist  nun  aber  noch 
ganz  besonders  dadurch  wichtig  für  unsere  Hochschule 
geworden,  dals  ihr  zu  dieser  Zeit  fürstliche  Munificenz 
reichen  Grundbesitz  und  für  damalige  Verhältnisse  an- 
sehnliche Schenkungen  zu  Teil  werden  liels.  Hatte  schon 
Kurfürst  Friedrich  der  Sanftmütige,  der  Nachfolger 
Friedrichs  des  Streitbaren,  im  Jahre  1438  der  Univer- 
sität 240  Schock  Groschen  jährliche  Einkünfte  von  den 
drei  Städten  Weifsenfeis,  Torgau  und  Mittweida  und  aufser- 
dem  noch  von  42  Dörfern  zugewiesen  ^"^j,  war  sie  dann 
noch  im  Besitz  verschiedener  geistlicher  Pfründen  und 
mannigfacher  weltlicher  Stiftungen  gelangt,  so  war  es 
doch  erst  Herzog  Moritz,  der  ihr  eine  gesicherte  finan- 
zielle Unterlage  verschaifte,  ihr  überhaupt  reiche  Gnade 
und  Gunst  erteilte.  Mit  vollem  Rechte  hat  man  ihn 
den  zweiten  Gründer  der  Universität  genannt.  So  eignete 
er  ihr  bald  nach  seinem  Regierungsantritt  im  Jahre  1542 
2000  Gulden  aus  dem  Einkommen  der  aufgehobenen  Klöster 
zu  Pegau  und  auf  dem  Petersberg  bei  Halle  zu,  die 
unter  die  einzelnen  Fakultäten  zu  verteilen  imd  zur 
jährlichen  Besoldung  der  Lehrer  derselben  zu  verwenden 
seien^'),  so  schenkte  er  in  Gemeinschaft  mit  seinem 
Bruder  August  der  Universität  im  Jahre  1544  fünf  dem 
ehemaligen  Thomaskloster  zu  Leipzig  gehörige  Ortschaften 
Holzhausen ,  Zuckelhausen ,  Klein  -  Pölsna ,  Wolfshain 
und  Zweenfurt.  mit  allem  Zubehör  und  Zinsen  im  Be- 
trag von  556  Gulden  8  Groschen  9  Pfennigen  und  einem 
alten  Pfennig,  samt  andern  bisher  dem  Thomas-,  Georgen- 
und  Paulinerkloster  in  Leipzig  fällig  gewesenen,  nicht 
unbeträchtlichen  Zinsen,  wozu  noch  das  dem  letzteren 
gehörige  Gehölz  bei  Wolkwitz  kam,  welches  417^/.,  Acker 
Wald  umfafste  und  das  jetzige  Universitätsholz  beiLiebert- 
wolkwitz  ist;  so  überwies  Herzog  Moritz  ferner  der  Uui- 

*•)  Z  a  r  n  c  k  e ,  Die  urkundlichen  Quellen  zur  Geschichte  der  Univer- 
sität Leipzig-  in  den  ersten  150  Jahren  ihres  Bestehens.    Leipzig  1857. 
10)  Urkundenbuch  S.  27-30. 
")  Ebendaselbst  S.  540—541. 


8  Bruuo  Stübel: 

versität  die  sämtlichen  zu  dem  ehemaligen  Pauliner- 
kloster gehörigen  Gebäude  und  Räundichkeiten,  wie  sie 
die  Paulinermönche  innegehabt  hatten,  mit  allen  Frei- 
heiten und  Gerechtigkeiten  und  verordnete  gleichzeitig, 
dals  unter  anderm  darin  ein  gemeiner  Tisch  errichtet 
werden  solle,  zu  dem  die  fünf  obenerwähnten  Ortschaften 
jährlich  Korn  und  Weizen  zu  liefern  hatten.  Dieser 
gemeine  Tisch  besteht  heute  noch  an  unserer  Universität 
unter  dem  Namen  Konviktorium,  in  welchem  täglich  mit- 
tags und  abends,  auch  während  der  Ferien,  288  Studie- 
rende unentgeltlich  gespeist  werden,  eine  Einrichtung, 
wie  sie  keine  zweite  Universität  im  deutschen  Reiche 
besitzt.  In  derselben  Ui'kunde  gründet  dann  Herzog 
Moritz  schlielslich  noch  fünf  Stipendien  für  Studierende 
der  Theologie '-).  Diese  Schenkungen  des  Herzogs  bilden 
den  Grund  zu  dem  späteren  Reichtum  unserer  Universi- 
tät. —  Dais  sich  übrigens  die  Finanzen  der  Universität 
im  allgemeinen,  sowie  der  Fakultäten  und  Kollegien  im 
Besondern  schon  in  den  frühesten  Zeiten  eines  guten 
Ansehens  zu  erfreuen  hatten,  das  geht  aus  den  zahl- 
reichen Anleihen  hervor,  die  Private  sowie  Korporationen 
bei  ihnen  machten,  so  dals  sie  gewissermalsen  die  Stelle 
eines  Bankinstituts  vertraten.  So  hat  z.  B.  die  Stadt 
Dresden  in  den  Jahren  1499  und  1502  je  1400  Gulden 
und  1900  Gulden  gegen  eine  jährliche  Verzinsung  von  70, 
beziehentlich  95  Gulden  von  der  Artistenfakultät  geliehen 
bekommen'-').  Ja  sogar  der  Landesfürst  Herzog  Georg 
hat  einmal  zwar  und  in  demselben  Jahre  1502  die 
Artistenfakultät  um  ein  Darlehn  von  500  rheinischen 
Goldgulden  ersucht.  In  dem  Schreiben  des  Herzogs,  das 
datiert  ist  vom  23.  Juli  1502,  heilst  es  unter  anderm: 
„Uns  sein  merckliche  und  grolse  Sache,  doran  uns  viel 
gelegen,  zugefallen,  dorzu  wir  etlichs  Geldes  zu  gebrauchen 
notdurftig  sein.  Dieweil  wir  uns  denn  des  so  eilends 
nicht  wissen  erholen,  werden  wir  vorursacht  diejenigen 
bei  den  wirs  zu  bekommen  wissen  ....  dorumb  anzu- 
langen'^)". Doch  waren  derartige  Gesuche  in  damaliger 
Zeit  durchaus  nichts  seltenes. 

Allein  die  Universität  lieh  nicht  nur  Geld  an  Fürsten 
aus,   sie   verehrte   auch  denselben  Geld  zum  Geschenk. 


'-)  Urkundenbuch  S.  567—569. 
")  Ebendaselbst  S.  2nH  und  262. 
'0  Ebendaselbst  IS.  261. 


Aus  der  Vergangeiibeit  der  Universität  Leipzig.  9 

Als  Herzog  Heiiiricli,  der  im  Jahre  1539  zur  Regierung 
gelangte,  1512  zu  Freiberg  seine  Hochzeit  mit  Katharina, 
der  Tochter  des  Herzogs  von  Mecklenburg,  feierte  und 
hierzu  die  Universität  einlud,  iiberreichte  diese  der  fürst- 
lichen Braut  als  Hochzeitsgeschenk  hi  einer  Kredenz 
20  Goldgulden,  wobei  ausdrücklich  bemerkt  wird,  dafs 
das  Geschenk  der  Braut  und  nicht  dem  Herzog  präsen- 
tiert worden  sei '■'^). 

Wenn  wir  nun  unsere  Blicke  auf  den  Lehrkörper  der 
früheren  Zeit  lenken,  so  stolsen  wir  da  allerdings  auf  Er- 
scheinungen, die  meist  nicht  gerade  erfreulicher  Natur 
sind.  Aus  den  zahlreichen  Urkunden,  Akten  und  son- 
stigen Dokumenten,  die  sich  im  Königl.  Hauptstaatsarchiv 
zu  Dresden  befinden'"),  ersehen  wir,  dals  die  Harmonie 
innerhalb  des  Lehrkörpers  oft  sehr  viel  zu  wünschen  übrig 
liels,  dafs  Eifersucht  und  Neid  unter  den  Lehrern  der 
einzelnen  Fakultäten  gegen  einander,  sowie  der  jüngeren 
Lehrer  gegen  die  älteren  das  Gedeihen  der  Hochschule 
nicht  unwesentlich  hinderten.  Alle  Klagen  und  Be- 
schwerden der  Fakultäten  im  allgemeinen,  sowie  der 
Mitglieder  derselben  im  besondern,  Klagen  und  Be- 
schwerden, die  sich  auch  auf  milsbräuchliche  Handhabung 
der  Universitätsstatuten  erstreckten,  wurden  direkt  an 
den  Landesherrn  gerichtet,  und  es  mufs  einer  grolsen 
Geduld  und  einer  guten  Laune  seitens  des  Fürsten  be- 
durft haben,  diese  langathmigen ,  allerdings  oft  nicht 
unberechtigten  Beschwerdeschriften  einer  eingehenden 
Prüfung  zu  unterwerfen,  selbst  wenn  er  sich  dazu  der 
Hilfe  seiner  Räte  bedient  hat.  Die  gewöhnlichen  Klagen 
bei  dem  Lehrkörper  betrafen  die  mangelhafte  Ausübung 
der  Lektionen,  meist  hervorgerufen  durch  die  sogenannten 
Absentien,  d.  h.  die  oft  Jahre  lang  dauernde  Abwesenheit 
der  Lehrer  von  Leipzig.  So  befiehlt  z.  B.  Herzog  Georg 
im  Jahre  1502  den  Doktoren  der  heiligen  Schrift,  deren 
es  nur  wenige  gab,  die  aber  mit  Pfründen  versehen  waren, 
einen  festen  Gehalt  bezogen  und  aulserdem  noch  Dom- 
herrnstellen innehatten,  ihre  Vorlesungen  aber  nicht  Welten, 
weil  sie  gar  nicht  am  Orte  waren,  Avas  bei  einigen  sogar 
16  Jahre  lang  der  Fall  gewesen  war  '^),  zwischen  AnfangNo- 


15)  Urkundenbuch  S.  401. 

lö)  Sie  sind  gröfstenteils  im  Urkundenbuch  der  Universität 
Leipzig,  welches  überhaupt  den  vorliegenden  Mitteilungen  zu  Grunde 
gelegt  ist,  veröffentlicht  worden. 

")  Urkundenbuch  S.  3u7. 


3^0  Vyumn  Stiilifl: 

vember  und  Ostern  des  nächsten  Jahres,  also  150B,  nach 
Leipzi?:  zu  kommen  und  in  ihrer  Fakultät  zu  lesen.  Auch 
über  die  Mitglieder  der  andern  Fakultäten  wird  geklagt, 
dafs  sie  wegen  Abwesenheit  ihre  Pflichten  nicht  erfüllten. 
Die  Juristen  trieben  noch  nebenbei  advokaturische  Praxis, 
sie  wurden,  wie  es  einmal  heilst  „in  der  Leute  Sachen 
aus  der  Universität  gezogen",  oder  sie  bekleideten  höhere 
Kicliterstellen ;  sie  waren  z.  B.  Mitglieder  des  Hofgerichts, 
des  Eatskollegiums.  Der  Ordinarius,  d.  i.  der  erste 
Professor  der  Juristenfakultät,  rechtfertigt  sich  gelegent- 
lich vor  Herzog  Georg  deswegen,  dals  man  ihm  Vor- 
würfe darüber  mache,  dafs  er  seine  Vorlesungen  nicht  ordent- 
lich hielte^^).  Aber  wie  könne  er  denn  das  thun,  wenn  ihn 
der  Herzog-^  selbst  nach  Mühlhausen  auf  sechs  Wochen 
mitgenommen  habe,  wenn  er  dann  auf  drei  bis  vier  Wochen 
in  Appellationssachen  nach  Dresden  hätte  reisen  müssen 
und  wenn  er  alsdann  auf  sechs  Wochen  nach  Kassel  ge- 
schickt worden  sei.  Das  wäre  alles  in  eine  Zeit  ge- 
fallen, in  der  das  beste  Lesen  gewesen  sei,  weshalb  er 
denn  auch  viele  Schüler  verloren  habe.  Das  \\isse  Gott, 
dafs  er  in  eigenen  Angelegenheiten  oder  in  anderen  Sachen 
innerhalb  zweier  Jahre  nicht  vierzehn  Tage  von  Leipzig 
fortgewesen  sei.  Am  schlimmsten  scheint  es  hinsichtlich 
der  Lektionen  in  der  medizinischen  Fakultät  gewesen  zu 
sein.  Da  wird  geklagt^^),  dafs  die  Doktoren  Avegzögen, 
ohne  andere  bestellt  zu  haben,  die  ihre  Vorlesungen  hielten. 
Mancher  sei  ohne  weiteres  zwei  bis  drei  Jahre  fortge- 
blieben. Die  Studenten  beschwerten  sich  darüber,  dafs 
diejenigen  Lehrer,  die  nützlich  läsen,  von  denen  sie  also 
etwas  lernen  könnten,  selten  zu  hören  seien,  dafs  statt 
dessen  die  weniger  guten  Lehrer  öfter  Lektionen  hielten. 
Das  hatte  zur  Folge,  dafs  die  Studenten  bei  diesen  nicht 
mehr  erschienen  und  die  Lehrer  dann  auch  von  Leipzig 
fortzogen.  So  kam  es,  dafs  die  ganze  medizinische  Fakul- 
tät manchmal  kaum  zwei  oder  drei  Studenten  hatte.  Über 
den  Dekan  dieser  Fakultät  wird  geklagt ,  dafs  er  mit 
unerträglicher  Mühe  beladen  sei,  sodafs  es  ihm  nicht 
möglich  wäre  fleifsig  zu  lesen  und  den  Nutzen  der  Fakul- 
tät im  Auge  zu  haben.  Denn  er  sei  im  Ratskollegium, 
im  Schöppenstuhl,  sei  Leibarzt  des  Kurfürsten  von  Sachsen, 
Kollegiat,  Dekan,  Lektor,  aufserdem  noch  mit  Haussorgen 


1«)  Urknndenbuch  S.  393. 
10)  Ebendaselbbt  S.  393. 


Ans  (lor  Vergangpiiheit  der  Uiiiveisität  Leipzig.  H 

beschwert,  zu  guleilelzt  sei  er  aber  auch  noch  l'aul. 
Wenn  die  Lehrer  überhaupt  nicht  fleilsiger  wären,  so 
würden  voraussichtlich  wenig  gelehrte  Ärzte  aus  Leipzig 
hervorgehen. 

Allerdings  mufs  man  nun  hierbei  berücksichtigen,  und 
das  kann  einigermalsen  zur  Eechtfertigung  der  säumigen 
Lehrer  dienen,  dals  die  Besoldungen  derselben,  selbst  für 
damalige  Verhältnisse,  aul'serordentlich  gering  waren,  wo- 
runter namentlich  die  Mitglieder  des  Artistenfakultät  zu 
leiden  hatten  und  worüber  auch  viel  geklagt  wui'de. 
Gab  es  doch  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  unter  ihr 
Lehrer,  welche  20,  18,  16  oder  auch  nur  12  Gulden  für 
einzelne  bestimmte  Lektionen  jährlich  erhielten.  Für 
20  Gulden  mufste  z.  B.  ein  Lektor  in  einem  Jahre  Moral- 
philosophie, die  politischen,  ökonomischen  und  ethischen 
Schriften  des  Aristoteles  und  Ciceros  Werk  über  die 
Pflichten  lehren.  Nach  dem  zweiten  Jahre  mulste  der 
ganze  Kursus  darüber  beendet  sein.  Ebenso  war  ein 
zweijähriger  Kursus  bestimmt  mit  20  Gulden  Besoldung 
für  jedes  Jahr  für  die  Erklärungen  des  Terenz,  von  Ovids 
Fasten  und  Virgils  Aeneide.  Etwas  höher  im  Preise 
standen  die  Vorlesungen  über  Plinius;  für  diese  sollte 
der  betreffende  Lehrer  jährlich  30  Gulden  erhalten,  und 
zwar  solle  ein  ganz  besonderes  Gewicht  auf  sie  gelegt 
werden,  da  Plinius  ein  vortrefflicher  Autor  sei-").  Da 
wurde  nun  aber  entgegengehalten,  dafs  man  um  diesen 
Preis  keinen  geschickten  und  gelehrten  Mann  finden 
werde,  um  so  weniger  als  zur  Erklärung  des  Plinius 
viele  Bücher  notwendig  seien.  Bei  der  Auswahl  in  den 
Lektionen  über  die  griechischen  und  römischen  Schrift- 
steller wurde  übrigens  darauf  Rücksicht  genommen,  av eiche 
Ausgaben  derselben  am  wohlfeilsten  für  die  Studenten 
zu  bekommen  waren.  Livius  wurde  z.  B.  hauptsächlich 
aus  dem  Grunde  nicht  vorgetragen,  weil  eine  Ausgabe 
desselben  einen  Gulden  und  noch  mehr  kostete,  die  Aus- 
gaben auch  schwer  sich  vermehren  konnten,  da,  wie  es 
heifst,  in  diesen  Landen  nicht  gedruckt  werde.  Das  be- 
treffende Schriftstück  ist  um  das  Jahr  1509  geschrieben-^). 
Allerdings  sei  Livius  auch  etwas  schwer  verständlich. 
Terenz  und  Virgil  seien  dagegen  für  den  Anfang  und  zur 
Unterweisung  des  gemeinen  Lateins  für  den  Studenten 


20)  Urkundenbuch  S.  371. 
-')  Ebendaselbst  S.  373. 


12  T'.ruiKi  Stübel: 

meistens  bequemer  und  wohlfeiler  zu  bekommen.  Andere 
Lehrer  bekamen  überhaupt  gar  keine  Besoldung:?  für  ihre 
Lektionen.  Zu  diesen  Glücklichen  gehörte  unter  andern 
der  Lehrer  der  Institutionen  des  römischen  Rechts,  also 
einer  sehr  Avichtigen  Materie. 

Da  ist  es  denn  nun  freilich  nicht  zu  verwundern, 
wenn  die  Lehrer  durch  Nebenämter  ihren  Unterhalt  zu 
verbessern  trachteten.  Daher  auch  die  Anhäufung  von 
Ämtern  bei  einer  einzigen  Person,  wie  wir  das  oben  bei 
dem  Dekan  der  medizinischen  Fakultät  sahen,  wobei 
wiederum  das  geringe  Angebot  von  gelehrten  Männern 
in  der  damaligen  Zeit  zu  berücksichtigen  ist.  Die  Be- 
soldungsverhältnisse wurden  übrigens  miter  der  Regierung 
des  Herzogs  Moritz  besser,  der  ja  so  reichliche  Schenkungen 
der  Universität  zuflielsen  liefs. 

Mitten  unter  diesen  Klagen  und  Beschwerden  über 
Milsstände  an  der  Universität  wird  doch  hervorgehoben, 
dals  der  Universität  Leipzig  keine  in  deutschen  Landen 
überlegen  sei,  auch  nicht  das  heilige  Köln,  dals  sie  nach 
Paris  die  berühmteste  Universität  sei.  Dabei  solle 
sich  jedermann  und  das  ganze  Haus  von  Sachsen  be- 
ruhigen--). 

Unter  den  Fakultäten  nahm  die  philosophische  oder 
Artistenfakultät  von  Anfang  an  eine  hervorragende  Stellung 
ein,  wie  schon  oben  berührt  wurde.  Nicht  nur,  dals  ihre 
Mitglieder  in  der  Regel  die  volle  Hälfte  der  Gesamt- 
zahl der  Universitätsmitglieder  überhaupt  betrugen,  nicht 
nur,  dafs  die  philosophische  Magisterwürde  vor  allem  er- 
forderlich war,  um  in  einer  anderen  Fakultät  eine  Würde 
zu  erlangen,  sondern  die  Fakultät  galt  eben  auch  als 
die  Vertreterin  der  allgemeinen  und  grundlegenden  Studien 
für  alle  übrigen  Spezialfächer-'^),  sie  wurde  als  der  Ur- 
sprung und  die  Mutter  der  anderen  Fakultäten  betrachtet. 
Das  Studium  der  Philosophie  insonderheit  habe,  so  heilst 
es  in  einem  Schreiben  an  Herzog  Georg,  von  Gründung 
der  Universität  an  immer  den  Vorzug  gehabt,  wovon  die 
Folge  gewesen  sei,  dals  die  Leipziger  bei  den  anderen 
Universitäten  lange  Zeit  in  dem  Rufe  guter  Philosophen 
gestanden  hätten.  Das  Studium  der  Philosophie  habe 
bisher  die  Universität  erhalten  und  daher  sei  es  ge- 
kommen, daliä  die  Universitäten  zu  Ligolstadt,  Wittenberg 


22)  Urknndeiibuch  S.  288.  290. 

23)  Gersdorf  a.  a.  0.  S.  13.  14. 


Aus  der  Vergangenheit  der  Universität  Leipzig.  13 

und  Frankfurt  a.  0.  so  in  Ansehen  stünden,  weil  sie 
durch  die  drei,  früher  in  Leipzig  wirkenden  Philosophen 
Johannes  Permeter,  Martin  Pollich  und  Konrad  Koch  mit 
errichtet  worden  seien -^).  Deswegen  solle  man  alles  auf- 
bieten, solch  Fundament  nicht  zu  zerstören.  Denn  sollten, 
und  das  scheint  die  Fakultät  befürchtet  zu  haben,  Jura 
und  Poetica  die  Oberhand  gewinnen,  so  würden  Zustände 
eintreten  wie  an  der  Universität  Mainz,  wo  oftmals  kaum 
100  Studenten  vorhanden  seien,  eben  weil  dort  diesen 
beiden  Fächern  der  Vorzug  eingeräumt  sei. 

Von  einer  freien  und  tiefergehenden  Behandlung  der 
Wissenschaften  konnte  damals  am  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts an  den  Universitäten  noch  keine  Rede  sein; 
mulsten  diese  doch  gleichzeitig  noch  die  Stelle  einnehmen, 
die  heute  unsere  Gymnasien  einnehmen,  mulsten  sie  die 
Studierenden  doch  erst  zu  den  höheren  Studien,  zu  den 
Universitäten  im  heutigen  Sinne  des  Wortes,  vorbereiten. 
Das  wurde  erst  mit  dem  Auftreten  des  Humanismus, 
erst  mit  der  Reformation  anders,  als  die  scholastischen 
Fesseln,  in  denen  die  Wissenschaften  bis  dahin  gelegen 
hatten,  allmählich  zerbrochen  wurden. 

Es  war  den  einzelnen  Fakultäten  genau  vorgeschrieben, 
welche  Disziplin  und  zu  welcher  Zeit,  zu  welcher  Stunde 
diese  vorgetragen  werden  mulste.  So  war  z.  B.  in  der 
Juristenfakultät  der  Ordinarius  verpflichtet,  im  Sommer 
früh  um  fünf  und  im  Winter  früh  um  sechs  Uhr  geist- 
liches oder  kanonisches  Recht,  d.  h.  die  ersten  beiden 
Bücher  der  Dekretalen  des  Corpus  juris  canonici,  jedes 
bis  zu  einem  genau  angegebenen  Titel  oder  Paragraphen, 
zu  lehren.  Dann  sollte  im  Sommer  früh  um  sieben  und 
im  Winter  früh  um  acht  Uhr  weltliches  Recht,  worunter 
man  damals  nur  das  in  Deutschland  bereits  eingeführte 
römische  Recht  verstand,  gelehrt  werden,  also  z.  B.  die 
Pandekten,  hierauf  wieder  zu  einer  späteren  Stunde  die 
Institutionen  u.  s.  f.-'').  Wie  das  römische  Recht  damals 
im  16.  Jahrhundert  interpretiert  wurde,  so  wird  es  grölsten- 
teils  noch  heute  an   unseren  Universitäten  interpretiert. 

Die  Mediziner  waren  in  den  frühesten  Zeiten ,  und. 
das  lag  ja  in  der  Natur  der  Sache,  mehr  auf  die  Theorie 
ihrer  Wissenschaft  angewiesen,  und  zwar  war  für  die 
ganze  Medizin  ein  dreijähriger  Kursus  vorgeschrieben-"). 

2*)  Urkundeubuch  S.  318. 
2^0  Ebendaselbst  S.  334. 
26)  Ebendaselbst  S.  337. 


14  r>rnno  Stnbol : 

Auch  hier  beg-aiin  man  frühzeitig  am  Tage  die  Vor- 
lesungen. Im  Sommer  früh  um  sechs,  im  Winter  früh 
um  sieben  Uhr  wurden  der  Kanon  des  Avicenna-'), 
die  Arzneikunst  des  Galenus  und  die  Aphorismen  des 
Hippokrates  vorgetragen.  Der  praktische  Kursus  bestand 
in  der  Erklärung  der  Bücher  des  ebenfalls  berühmten 
arabischen  Arztes  Rhazes"^)  über  die  Fieber  und  über 
die  Heilkunde  im  allgemeinen.  Wie  schlimm  es  aber 
eigentlich  mit  der  praktischen  Medizin  bestellt  war,  das 
geht  daraus  hervor,  dafs  man  an  das  Fundament  des 
medizinischen  Studiums,  an  die  Anatomie,  bis  zum  Jahre 
1506  noch  gar  nicht  gedacht,  geschweige  denn  es  gelehrt 
hatte.  Die  damaligen  Ärzte  kurierten  die  Menschen  meist 
ohne  irgend  welche  praktisch  -  anatomischen  Kennt- 
nisse zu  besitzen.  Erst  nach  dem  Jahre  1506  wird  ein- 
mal bemerkt,  dafs  es  zur  Anspornung  zu  dem  Studium 
der  Medizin  nicht  wenig  beitragen  würde,  wenn  die 
Doktoren  ihren  Schülern  Anatomie  oder  die  Zergliederung 
unvernünftiger  Tiere  oder  auch  zum  Tode  verurteilter 
Menschen  zeigten,  damit  die  Schüler  den  menschlichen 
Leib  kennen  lernten.  Dieser  AVunsch  wurde  dann  später 
wiederholt,  und  erst  im  Jahre  1555  gelang  es  der  Fakultät 
ein  Lokal  für  ein  anatomisches  Theater  zu  erlangen-^). 
Die  dritte  Professur  in  der  medizinischen  Fakultät,  die 
der  Physiologie,  wurde  von  Herzog  Georg  erst  im  Jahre 
1531  gegründet-^").  Originell  ist  es,  dals  dabei  dem  jedes- 
maligen Lehrer  der  Ph3^siologie  zur  Pflicht  gemacht  wurde, 
den  in  dem  Johannis-Hospital  befindlichen,  mit  der  fran- 
zösischen Kj-aukheit  behafteten  armen  Leuten  unentgeltlich 
ärztlichen  Rat  zu  erteilen.  Übrigens  hatten  die  damaligen 
praktischen  Mediziner  mit  einer  Plage,. .einem  Übel  zu 
kämpfen,  mit  dem  auch  unsere  heutigen  Ärzte,  und  heute 
mehr  denn  je,  zu  kämpfen  haben,  nämlich  mit  den  so- 
genannten Kurpfuschern  oder  Naturärzten.  Nur  waren 
damals  diese  Auswüchse  in  Anbetracht  des  traurigen 
Standes  der  ärztlichen  Wissenschaft  sehr  erklärlich.  Zu 
wiederholtenmalen   ersuchen  die  Doktoren    der   Medizin 


-■')  Ibii  Sina  Avicenna,  berühmter  arabischer  Arzt  und  Philosoph, 
gest.  lO.'W.  Sein  Kanon  ist  ein  im  wesentlichen  an  Galen  sich  an- 
schliefsendes  System  der  Medizin,  eine  aus  arabischen  Quellen  ge- 
schöpfte Kompilation  der  griechischen  Medizin. 

-'*)  Geboren  850,  gestorben  um  das  Jahr  932. 

2»)  Urkundenbuch  S.  G28. 

«")  Ebendaselbst  S.  485. 


Aus  der  Veri>angenheit  der  Universität  Leipzig.  15 

den  Herzog-,  dafs  die  Landfahrer,  „die  do  Arzeneien  pflegen 
und  die  Kunst  nie  gelart,  und  die  empirici  une  erlaubnus 
der  doctoren"  in  der  Arznei  nicht  zugelassen  werden 
sollen.  Es  trieben  sich  viele  Landläufer  im  Lande  um- 
her, die  den  Leuten  Arznei  in  den  Leib  und  auf  andere 
Weise  gäben,  wodurch  das  Volk  betrogen  würde.  Keiner 
solle  auf  dem  Lande  und  in  der  Stadt  Leipzig  zugelassen 
werden,  der  nicht  in  der  Universität  seine  Kunst  und 
sein  Doktorat  nachweisen  könne  ^'). 

Kommen  wir  nun  schlielslich  auf  die  Studentenschaft 
der  damaligen  Zeit  zu  sprechen,  so  ist  in  den  Urkunden 
und  Akten  über  den  Geist,  der  in  derselben  herrschte, 
wahrhaftig  kein  Mangel  an  Klagen  und  Beschwerden  an- 
zutretfen.  Dals  der  Eleiis  der  Studenten  sehr  viel  zu 
wünschen  übrig  liels,  das  kann  uns  freilich  nicht  Wunder 
nehmen,  wenn  wir  erwägen,  dals  es  ja  auch  die  Lehrer 
vielfach  an  Fleils  und  Anregung  fehlen  liefsen.  Doch 
dieser  Vorwurf  des  mangelhaften  Fleilses,  den  man  der 
Studentenschaft  machen  konnte,  wäre  allenfalls  noch  zu 
ertragen  gewesen,  er  ist  wohl  zu  jeder  Zeit  nicht  ganz 
unberechtigt,  wenn  nur  die  Sitten,  der  Lebenswandel,  die 
Gewohnheiten,  die  -  Disziplin  der  Studenten  manchmal 
besser  gewesen  wären.  Aber  auch  in  diesem  Falle  müssen 
wir  zur  Entschuldigung  den  damaligen  Zeitgeist  in  Betracht 
ziehen.  Wenn  heutzutage  der  junge  Mann,  der  die 
Schule  verlassen  hat,  die  Universität  bezieht  und  im  Be- 
griäe  steht,  die  akademische  Freiheit  in  vollen  Zügen  zu 
geniefsen,  das  Bewulstsein  hat,  nunmehr  als  Student  eine 
gewisse  Stellung  in  der  Gesellschaft  einzunehmen,  sich 
von  Anfang  an  im  Kreise  gleichgebildeter  Männer  frei 
bewegen  kann,  so  hat  er  es  besser,  als  es  der  Mulus  der 
früheren  Zeiten  hatte.  Wenn  der  in  eine  Universitäts- 
stadt einzog,  so  wurde  er  sofort  von  den  älteren  Studenten 
mit  Rohheiten  und  derben  Spälsen  empfangen,  die  oftmals 
verhängnisvoll  für  seine  Gesundheit  wurden.  Er  galt 
nämlich  nicht  als  ein  Mensch,  sondern  als  ein  Tier,  als 
pecus  campi,  und  mufste  erst  zu  einem  Menschen  gemacht, 
mulste  erst  enttiert  werden.  Das  geschah  durch  die  so- 
genannte Deposition  oder  Fuchstaufe,  wobei  dem  Be- 
treifenden ein  groliser  Hut  mit  Bockshörnern  aufgesetzt 
und  der  ganze  Körper  mit  unglaublichen  Instrumenten 
bearbeitet  wurde.     Die   deutsche   Gesellschaft   zur   Er- 


«')  Urkiindenbuch  S.  341. 


16  Bruno  Stübel: 

Ibrscliung   vaterländischer   Sprache    und   Altertümer    zu 
Leipzig    ist   im   Besitze   einer   vollständigen    Sammlung 
solcher  Depositionsinstrumente ,   die  kulturhistorisch  von 
hohem    Werte    ist.      Erst    nach    dieser   Prozedur,    die 
der  Betreffende,  wie  gesagt,  nicht  selten  mit  dem  Leben 
hülsen  mulste,  galt  der  Mulus  als  ein  anständiger  Mensch, 
konnte    er   sich   immatrikulieren   lassen,   erhielt   er    das 
akademische  Bürgerrecht.   Aber  auch  während  der  ganzen 
ersten  Zeit  hatte  der  nunmehrige  junge  Student  von  bos- 
haften  Quälereien   und  Neckereien   seitens   der   älteren 
Kommilitonen  viel  zu  leiden,   die  trotz  aller  Strafen  da- 
gegen   doch    fortbestanden,    und  die   der  Student  dann 
natürlich  später   selbst  an  anderen  ausübte.     In  einem 
Schreiben  an  Herzog  Georg   heilst  es  unter  anderm,   es 
sei  am  Tage,    dals  man  der  Universität  fromme  und  ge- 
horsame Kinder  herscliicke,   wie   sie  aber  wiederum  ins 
väterliche  Haus  kämen,   das  wisse  Gott.    Es  sei  zu  be- 
sorgen,   mit    wenig    Freuden    der    Eltern.     Deswegen 
sei  es  notwendig,  dafs  ein  jeder  Magister  fleilsig  auf  die 
Seinen    achte,    denn  nur   bei   guten  Sitten  könnten   die 
Wissenschaften  gelernt  werden-^-).    Damit  dies  nun  der 
Fall  sein  konnte  und  weil  die  jungen  Leute  meist  in  sehr 
jugendlichem  Alter  die  Universität  bezogen,   wurde  ver- 
ordnet, dais  jedem  Studenten  ohne  Ausnahme  ein  Präzeptor, 
d.  h.  ein  Doktor  oder  Magister  zur  Seite  gegeben  werden 
solle,  dem  die  Pflicht  oblag,   für  ihn  zu  sorgen,   ihn  an- 
zuweisen,  welche  Studien  am  nützlichsten  für  ihn  seien, 
ihn  überhaupt  in  Zucht  und  Gehorsam  zu  halten.   Wenn 
es  ursprünglich  Sitte  war  und  gesetzlich  fest  bestimmt, 
dafs  die  Lehrer  und  Studierenden  gemeinschaftlich  in  den 
Kollegien  oder  Bursen  zusammenleben  sollten,  so  war  diese 
Bestimmung  im  Laufe  der  Zeit  vielfach  aulser  Acht  ge- 
lassen worden,    und   im   Anfange   des   16.  Jahrhunderts 
stolsen   wir  auf  wiederholte  Verordnungen,    die  es   den 
Universitätsmitgliedern  auf  das  strengste  einschärfen,  dieses 
Zusammenleben  nicht  zu  umgehen.    Denn  es  sei,  so  klagen 
die  Mitglieder  der  Artistenfakultät   einmal   bei  Herzog 
Georg,  ein  merkliches  Gebrechen   an  dieser  Universität, 
dals  die  Studenten  schwer  daran  zu  gewöhnen  seien,  in 
den  Kollegien  oder  Bursen  zu  leben,  sondern  statt  dessen 
bei  den  Bürgern  in  der  Stadt  wohnten,   mit  den  Hand- 
werksleuten umgingen,  des  Nachts  aus  ihren  Wohnungen 

3-)  Urkundenbuch  S.  28«. 


Aus  der  Vergangenheit  der  Universität  Leipzig.  17 

liefen,  die  Leute  beschädigten,  Aufruhr  anstifteten,  ein 
böses,  schändliches  Leben  führten,  wodurch  sie  von  dem 
Studium,  den  Disputationen,  dem  Lateinsprechen,  den 
guten  Sitten,  wodurch  sie  von  Gehorsam,  Zucht  und  Ehre 
abgezogen  würden.  Zu  allem  diesen  sollten  sie  eben  in 
den  Kollegien  angehalten  werden.  Lidessen  so  muster- 
haft güig  es  auch  hier  nicht  zu.  Da  wird  geklagt"^'^), 
dals  die  Studenten  z.  B.  bei  den  gemeinschaftlichen  Mahl- 
zeiten sich  ohne  Scheu  und  Sitten  betrügen,  kein  Latein 
sprächen,  dagegen  sich  auf  das  allerschändlichste  von 
fleischlichen  Sachen  unterhielten,  geklagt,  dals  einer 
den  andern  verführe,  dals  sie  nach  dem  Essen  an  unehr- 
liche Orte  gingen,  wo  sie  gleichgesinnte  Genossen  zu 
Haufen  anträfen.  Wenn  nun  dann  der  Propst  desKollegiums 
oder  irgend  ein  anderer  Kollegiat  oder  Magister  ihnen 
Vorwürfe  darüber  machten,  so  drohten  sie  mit  Schlägen, 
denn  sie  trügen  alle  täglich  lange  Messer  ohne  Scheu 
bei  sich.  Zu  den  ständigsten  Klagen  über  die  Studenten 
gehörten  überhaupt  diejenigen,  die  das  Führen  von  Waffen 
oder  anderen  gefährlichen  Gegenständen  betrafen,  ebenso 
wie  es  die  Bürger  zu  thun  pflegten.  Da  heilst  es,  dafs 
die  Studenten  öffentlich  Messer,  Degen  und  andere  Waffen 
bei  sich  führten,  was  sie  doch  nicht  durften.  Lud  sie  nun 
der  Eektor  vor  sich,  um  sie  deswegen  zur  Rechenschaft 
zu  ziehen  und  zu  strafen,  so  weigerten  sie  sich  die  Strafe 
über  sich  ergehen  zu  lassen,  indem  sie  sagten,  sie  wären 
edel"^).  Gegen  dieses  Verbot  des  Waffentragens  seitens 
der  Studenten  liefs  sich  aber  nichts  machen,  so  lange  es 
nicht  auch  den  Bürgern  und  Handwerksgesellen  verboten 
wurde,  bewaffnet  einherzugehen.  Diese  Unsitte  führte 
nun  oftmals  zu  furchtbaren  Excessen  zwischen  den  Bürgern 
und  den  Studenten,  Excessen,  die  zu  förmlichen  Schlachten 
ausarteten,  wie  wir  sie  in  den  Akten  des  16.  Jahrhunderts 
so  drastisch  geschildert  flnden.  Die  dabei  beteiligten 
Studenten  waren  in  der  Regel  eben  solche,  die  nicht  in 
den  Kollegien,  sondern  bei  den  Bürgern  in  der  Stadt 
wohnten  und  verköstigt  wurden  und  behaupteten  gänzlich 
ihren  freien  Willen  zu  haben  und  niemandem  gehorchen 
zu  müssen.  Ein  solcher  Excels  fand  z.  B.  zu  Pfingsten 
des  Jahres  1520  statt.  Da  hatte  ein  Fechtmeister  auf 
dem  fürstlichen  Schlosse  zu  Leipzig  Fechtschule  gehalten 


33)  Urkundenbuch  S.  313. 
>^)  Ebendaselbst  S.  279. 

Neues  Archiv  f.  S.  0.  u.  A.  XIV.  1.  •,'. 


18  Brano  Stübel: 

und  war  darnacli,  wie  es  Sitte  war,  mit  seinen  Gesellen 
mit  Trommeln  und  Pfeifen  durch  die  Gassen  gezogen  und 
zuletzt  auch  durch  die  Ritterstrafse ,  wo  sich  das  neue 
Kollegium  befand.  Aus  diesem  kamen  nun  die  Studenten 
herausgelaufen,  fielen  über  den  Fechtmeister  und  seine 
Truppen  her,  zerstachen  und  zerschlugen  ihnen  die  Trom- 
meln, warfen  mit  Steinen  und  verursachten  somit  einen 
gewaltigen  Aufruhr,  der  mehrere  Tage  dauerte  und  immer 
von  neuem  wieder  ausbrach,  wobei  es  viele  tötliche Ver- 
wundungen gab,  ein  Schustergeselle  sogar  auf  der  Stelle 
getötet  worden  war.  Ein  anderer  schwerer  Excefs  er- 
eignete sich  im  Jahre  1539,  dadurch  hervorgerufen,  dals 
ein  Riemergeselle  auf  freier  offener  Gasse  einen  Studenten, 
namens  Christoph  Potzscher  aus  Timm,  der  unbewaffnet 
gewesen  war,  ermordet  und  ihn  seiner  Sachen  beraubt 
hatte.  Auch  mit  den  Kürschnergesellen  standen  die 
Studenten  oft  auf  gespanntem  Fulse.  Natürlich  konnten 
solche  Zwistigkeiten  zwischen  den  Handwerkern  und  den 
Studenten  auch  die  Harmonie  zwischen  dem  Rate  der 
Stadt  Leipzig  und  der  Universität  nicht  erhöhen,  denn 
beide  nahmen  gewöhnhch  Partei  für  die  Ihrigen.  In 
Betreff  des  Waffentragens  wollte  keiner  von  ihnen  nach- 
geben. Der  Rat  behauptete,  die  Universität  müsse  den 
Anfang  mit  dem  Verbote  machen,  und  die  Universität 
wieder  behauptete,  dem  Rate  käme  es  zu,  die  Initiative 
zu  ergreifen.  Erst  Herzog  Moritz  erlieis  am  3.  Mai  des 
Jahres  1545  eine  energische  Verordnung"^"*),  wonach  be- 
fohlen wurde,  dafs  hinfürder  kein  Student,  weis  Standes  oder 
Alters  er  auch  sei,  eineWehre,  Büchse,  Messer,  Bleikugel  etc. 
tragen  dürfe,  welches  Gebot  der  Rektor  alle  Vierteljahre 
zu  verkünden  habe,  desgleichen,  dals  alle  Handwerksleute, 
ob  sie  gleich  eigene  Häuser  hätten  und  Bürger  seien,  dazu 
alle  Handwerks-  und  andere  ledige  Gesellen  in  der  Stadt 
Leipzig  ebenfalls  keine  Wehre  tragen  sollten  bei  Strafe 
des  Gefängnisses  und  der  Verweisung.  Auch  der  Rat 
solle  es  alle  Vierteljahre  verkünden  und  in  den  Herbergen 
der  Handwerksgesellen  schriftlich  anschlagen  lassen.  Denn 
weil  die  Stadt  Leipzig  Frieden,  Recht  und  Schutz  habe, 
so  befiehlt  der  Herzog,  dals  die  Ungehorsamen  und  Ver- 
ächter dieses  seines  Gebotes  nicht  ungestraft  bleiben 
sollten.    Kein  Student  noch  Bürger  dürfe  bei  nächtlicher 


'•')  Urkuiulcnbuch  S.  584.  585. 


Aus  der  Vergangfenheit  der  Universität  Leipzig.  10 

Zeit  iiacli  nenn  Uhr  anf  der  Gasse  ohne  Geschäfte  und 
zur  Winterszeit  ohne  Licht  gehen. 

Hatte  nun  die  Universität  oftmals  Grund  genug,  sich 
bei  dem  Landesfürsten  über  das  Betragen  der  Studenten 
zu  beschweren,  so  kamen  doch  auch  umgekehrt  Fälle  vor, 
wo  sich  die  Studenten  über  die  Universität,  d.  h.  über 
die  Lehrer,  bei  dem  Fürsten  beschwerten.  So  hatten 
unter  andern  im  Jahre  1516  die  Studenten  bei  Herzog 
Georg  geklagt  ■^'^),  dals  sie  von  den  Lehrern  wie  die  Blut- 
egel ausgesaugt  würden;  wie  diese  das  Blut  saugten,  also 
saugten  sie,  die  Lehrer,  ihnen  das  Geld  aus  dem  Beutel, 
auch  zu  Zeiten  mit  V^erletzung  der  Ehre  und  des  guten 
Rufes  der  Studenten.  Da  behauptete  nun  die  Universität, 
das  sei  nicht  wahr,  im  Gegenteil  würden,  gemäls  der 
Verordnung  des  Herzogs,  alle  Lektionen  und  Exerzitien 
ohne  Geld  und  ohne  Aussaugung  der  Studenten  umsonst 
gelesen.  Das  Geld  würde  nur  denjenigen  Studenten  aus 
dem  Beutel  gezogen,  die  ungehorsam  seien,  d.  h.  die  ohne 
Präzeptoren  bei  den  Bürgern  lebten  und  mit  diesen  um- 
gingen, aber  nicht  denjenigen,  die  wöchentlich  für  fünf 
Groschen  bei  einem  Magister  Essen  und  Trinken  hätten. 
Ebensowenig  sei  es  wahr,  dafs,  wie  die  Studenten  klagten, 
alles,  was  die  Universität  vornähme,  nur  nach  Gunst  und 
Heuchelei  ginge,  dals  alles  nur  aus  Geiz  um  des  Geldes 
Willen  geschähe  und  dafs  kein  Unterschied  zwischen 
Gelehrten  und  Ungelehrten  gemacht  würde,  dafs  die  taug- 
lichen Lehrer  vertrieben  und  die  untauglichen  befördert 
würden.  Das  seien  alles  böswillige  Verleumdungen. 
Und  nun  folgt  noch  eine  lange  Rechtfertigung  vor  dem 
Herzog,  auf  die  wir  jedoch  hier  nicht  näher  eingehen 
wollen. 

Wenn  wir  bei  unseren  Betrachtungen  über  die  Ver- 
gangenheit der  Leipziger  Hochschule  vor  allem  das 
16.  Jahrhundert  ins  Auge  gefalst  haben,  so  hat  das  ein- 
mal seinen  Grund  darin ,  dals  uns  für  diesen  Zeitraum 
ein  überaus  reiches  handschriftliches  Material  zu  Gebote 
steht,  und  sodann ,  dals  diese  Zeit  im  Hinblick  auf  die 
Verfassungsgeschichte  ,  die  Behandlung  der  einzelnen 
Wissenschaften,  auf  das  soziale  Leben  an  unserer  Uni- 
versität, ungeachtet  so  mancher  Schattenseiten  und  so 
arger  Milsstände,  von  ganz  besonderer  Bedeutung  ge- 
wesen ist.    Fallen  doch  in  diese  Zeit  hochwichtige  Ver- 


3«' 


)  ürknn.leiibnfh  S.  424.  425. 


20       T^-  Stübel :  Aus  der  Verg-angenheit  der  Universität  Leipzig. 

änderungeii,  welche  unter  den  Regierungen  der  Herzöge 
Georg,  Heinrich  und  Moritz  mit  der  Verfassung  der 
Universität  vorgenommen  worden  sind  und  diese  für 
eine  lange  Zeit  zum  Abschluls  gebracht  haben,  fällt 
doch  in  diese  Zeit  die  ungeheuere  Umwälzung,  welche 
die  Wissenschaften  durch  die  Reformation  erlitten,  die 
gewaltige  Gährung,  die  durch  dieses  weltgeschichtliche 
Ereignis  ohne  Gleichen  sich  der  Gemüter  der  Menschen 
bemächtigt  hatte.  Wie  im  grossen  das  IG.  Jahrhundert 
eine  der  bedeutsamsten  Zeitepochen  der  AVeltgeschichte 
ist,  so  ist  es  im  kleinen  auch  in  der  Geschichte  unserer 
Universität  eine  der  bedeutsamsten,  interessantesten 
Epochen  gewesen. 


II. 

Eiue  kursächsische  Gesandtschaft  nach 
Frankreich  im  Jahre  1540. 

Vou 

Paul  Vetter. 


Trotz  des  wertvollen  Materials,  das  in  neuerer  Zeit 
ßamngarten  und  insbesondere  Lenz  für  die  Aufklärung 
der  Beziehungen  Frankreichs  zum  schmalkaldischen  Bunde 
beigebracht  haben,  giebt  es  eine  Reihe  von  Fragen,  über 
die  eine  endgiltige  Entscheidung  noch  nicht  getroifen 
werden  kann.  Gerade  für  eine  Anzahl  sehr  wertvoller 
gelegentlicher  Äulserungen  vortrefflich  Unterrichteter 
fehlten  und  fehlen  bisher  noch  die  urkundlichen  Belege. 
Schon  Seckendorf  ^)  hatte  in  seiner  Geschichte  der  Luthe- 
rischen Kirchenreformation  auf  eine  Gesandtschaft  des 
Kurfürsten  von  Sachsen  nach  Frankreich,  auf  die  Sen- 
dung des  Matthias  von  Wallenrod,  aufmerksam  ge- 
macht, auch  einige  Notizen  aus  der  Relation  wieder- 
gegeben, ohne  dals  sich  weitere  Nachforschungen  an  diese 
hingeworfenen,  mit  den  geschilderten  Ereignissen  nicht 
allzusehr  in  Verbindung  stehenden  Bemerkungen  geknüpft 
hätten.  Einiges  neue  Material  brachte,  von  einer  Notiz 
bei  Neudecker'-)  abgesehen,  erst  Bucholtz  im  IX.  Bande '^j 
seiner  Geschichte  Ferdinands  I.  bei,  in  dem  wir  von  einer 
sächsischen  Gesandtschaft  nach  Frankreich  im  Juli  1540 
hören,  ohne  freilich  über  die  Person  des  Gesandten  und 


*)  Commeutarius  de  Lutherauismo  III,  21  §  LXXVIII. 
2)  Neudecker,  Urkunden  aus  der  Eeforniationszeit  S.  568. 
»)  S.  256  ff.,  vergi.  auch  IV,  B6U. 


22  Taul  Vetter : 

den  Zweck  der  Sendung  näheres  zu  erlaliren.  Auf  eine 
Mitteilung  bei  Eeccadelli')  endlich,  ni  der  seitens  des 
Nuntius  am  französischen  Hofe  von  protestantischen  Ge- 
sandtschaften gesprochen  wird,  hat  neuerdings  Dittrich''*) 
hingewiesen.  Inwieweit  die  letztere  der  Berichtigung 
bedarf,  werden  die  folgenden  Erörterungen  darlegen"). 
Sehr  bemerkenswert  ist  es,  dafs  wir  in  dem  von  Lenz 
herausgegebenen  Briefwechsel  Philipps  von  Hessen  mit 
Bucer  und  seinen  hervorragendsten  hessischen  Staats- 
männern auch  nicht  eine  nur  versteckte  Anspielung  auf 
diese  Gesandtschaft,  die  auf  die  kaiserlichen  Minister 
bedeutenden  Eindruck  gemacht  zu  haben  scheint,  vor- 
finden. Ja  selbst  in  dem  Briefwechsel  Sleidans  und  des 
Kardinals  du  Bellay,  von  dem  freilich  nur  ein  sehr 
geringer  Teil  erhalten  ist,  wird  der  Sendung  Wallenrods 
nirgends  gedacht.  Unter  solchen  Umständen  wird  die 
Mitwisserschaft  Sieberts  von  Löwenberg,  des  diplo- 
matischen Agenten  Philipps  in  den  Niederlanden,  eines 
gewandten  aber  ehrgeizigen  Mannes,  der  damals  nichts 
sehnlicher  wünschte,  als  auf  die  Politik  seines  Herrn 
gegenüber  dem  Kaiserhofe  einen  entscheidenden  Eintiuls 
auszuüben,  geradezu  verdächtig.  Wie  kam  der  Landgraf 
dazu,  ihm  vor  allen  anderen  Käten  sein  Vertrauen  zu 
schenken  und  ihn  Einsicht  in  AVallenrods  Eelation  nehmen 
zu  lassen?  Bei  der  fast  wörtlichen  Übereinstimmung  des 
Berichts'},  den  der  kaiserliche  Rat  Cornelius  Scepper 
von  den  Enthüllungen  Sieberts  über  die  Beziehungen 
der  Protestanten  zu  Frankreich  Granvelle  gab,  mit 
der  genannten  Relation  selbst  möchte  man  glauben,  dafs 
Siebert  eine  Abschrift  in  die  Niederlande  mitgenommen 
habe.  Durch  ihn  haben  die  Minister  Karls  erst  genauere 
Kenntnis  von  dem  Erfolge  der  Mission  Wallenrods  erhalten, 
wenn  auch  die  Gesandtschaft  als  solche  ihnen,  dank  der 
Mitteilsamkeit   der   kaiserfreundlichen   Partei    am   Hofe 


^)  Mon.  di  varialetteratura  I,  2, 128—131,  vergl.  dazu  Dittrich, 
Regesten  und  Briefe  des  Cardinnls  G.  Contarini  S.  100  und  Vetter, 
Religionsverhandlungen  auf  dem  Reichstage  zu  Regensburg  1541, 
S.  51. 

'>)  Dittrich,  G.  Contarini  S.  590. 

^)  Von  den  neueren  Bearbeitern  der  Ereignisse  des  Jahres  1540 
gedenken  nur  Janssen  und  Moses  des  Scepperschen  Berichts ,  ohne 
ihn  jedoch  mit  Wallenrods  Gesandtschaft,  deren  Erwälinung  bei  Secken- 
dorf  ihnen  entgangen  ist,  in  Verbindung  zu  l)ringen. 

')  Abgedruckt  bei  Bucholtz  IX,  256  ff. 


Eine  kiirsächsische  Gesandtschaft  1540.  23 

Franz  I.,  nicht  unbekannt  geblieben  sein  mag^).  Die  Frage, 
ob  Siebert  zu  solchen  Eröffnungen  ermächtigt  gewesen 
ist"),  lälst  sich  vorläufig  noch  nicht  mit  völliger  Gewils- 
heit  beantworten.  Könnte  nachgewiesen  werden,  dals  von 
den  hessischen  Staatsmännern  Siebert  allein  von  Wallen- 
rods  Sendung  Kenntnis  erhalten,  dann  dürfte  erwiesen 
sein,  dafs  der  Landgraf  bereit  war,  sich  auf  Kosten 
seines  Bundesgenossen,  durch  offenen  Verrat  seiner  Be- 
ziehungen zu  Frankreich  die  Verzeihung  des  Kaisers  zu 
erkaufen. 

Die  nachfolgenden  Mitteilungen  über  die  Gesandt- 
schaft Wallenrods  sind  den  Akten  des  Marburger  Archivs^*') 
entnommen. 

Nach  dem  Scheitern  der  Ausgleichsverhandlungen 
mit  Karl  V.  in  den  Jahren  1539  und  1540  war  am  Hofe 
Franz  I.  ein  völliger  Umschwung  in  den  politischen  Partei- 
verhältnissen'^)  eingetreten.  Zu  tief  hatte  sich  der 
Connetable  Montmorency  mit  dem  Kaiser  eingelassen, 
um  noch  weiterhin  einen  bedeutenderen  Einflufs  auf  die 
änlsere  Politik  seines  Herrn  ausüben  zu  können,  wenn- 
gleich erst  Ende  1540  seine  schöne  Feindin,  die  Herzogin 
von  Estampes,  seinen  Sturz  herbeizuführen  vermochte. 
Sein  Erbe  traten  zunächst  der  Kanzler  Poj^et  und  der 
Kardinal  von  Tournon  an,  beide,  in  besonderem  Grade 
Poyet,  ehrgeizige  Naturen  ohne  höhere  staatsmännische 
Befähigung,  ja  ohne  ein  nur  halbwegs  durchführbares 
politisches  Programm,  die  sich  dem  Könige  lediglich  durch 
ihren  katholischen  Eifer  und  die  fanatische  Verfolgung 
der  Bekenner  des  Protestantismus  in  Frankreich  empfahlen. 
Franz  I.  war  über  das  Scheitern  der  Verhandlungen  um 
so  tiefer  erregt,  je  grölsere  Hoffnungen  er  auf  sie  gesetzt. 
Alle  seine  Bemühungen,  all  sein  Entgegenkommen  waren 
erfolglos  gewesen.  Nicht  nur  dafs  er  der  Versuchung, 
sich  Karls  Person  auf  der  Reise  durch  Frankreich  zu 
bemächtigen,  widerstanden,  daß  er  Gents  Erhebung  un- 
benutzt gelassen,  er  hatte  seine  Beziehungen  zu  den 
deutschen  Protestanten  abgebrochen,  ja  zugelassen,  dafs 


8)  Vergl.  Ruble,  Le  manage  de  Jeanne  d' Albret  S.  64,  (i6f.,  70. 

0)  Vergl.  auch  Lenz ,  Briefwechsel  Philipps  von  Hessen  mit  Bucer 
I,  492  f. 

^0)  Marb.  Archiv:  Schmalkaldischer  Bund  1540. 

")  Über  die  Verhältnisse  am  französischen  Hofe  vergl.  Ruble, 
Le  mariage  de  Jeanne  d' Albret  (Paris  1877)  undDecrue,  Anne  de 
Montmorency  (Paris  1885). 


24  Paul  Vetter: 

Moiitmorency  den  Kaiser  Einsicht  in  den  Briefwechsel 
mit  denselben  nehmen  liels.  Nnn  sollte  all  die  ver- 
schwenderische Gastfrenndscliaft ,  die  gToIsmütige  Preis- 
gabe wiclitiger  politischer  Momente  nnd  Interessen  ohne 
greifbaren  Nutzen  gewesen  sein!  Die  Erbitterung  über 
die  fehlgeschlagenen  Hoffnungen  wuchs  mit  der  Einsicht, 
dafs  ein  Krieg  gegen  den  Kaiser  vor  der  Hand  wenig 
Aussicht  auf  Erfolg  verspracli.  Siegreich  hatte  Karl  den 
Aufstand  der  Genter  niedergeschlagen,  der  Friede  in 
Deutschland  schien  wenigstens  bis  zum  Ausfalle  des  ge- 
planten Eeligionsgesprächs  vorläufig  gesichert.  Unter 
solchen  Umständen  war  es  nicht  zu  verwundern,  wenn 
am  Hofe  zu  Blois  die  Männer  Einflufs  gewannen,  die  ein 
Zusammengehen  Frankreichs  mit  den  deutschen  Prote- 
stanten befürworteten.  Abermals  erhielten  die  Brüder 
du  Bella}^  Einflufs  auf  die  Politik  ihres  Königs,  freilicli 
nur  langsam  und  allmählich  und  immer  im  Kampfe  mit 
dem  fanatischen  Eifer  des  Kanzlers  und  seiner  Partei. 
Jean  du  Bellay,  der  Kardinal  von  Paris,  ist  ein  würdiger 
Vorgänger  jener  grofsen  französischen  Staatsmänner  des 
17.  Jahrhunderts,  die  wie  ihn  der  Purpur  des  Kardin alats 
schmückte.  Umsichtig  und  staatsklug  in  hohem  Mafse, 
wenig  bedenklich  in  der  Wahl  der  Mittel,  wenn  es  die 
Erreichung  des  Zieles  gilt,  immer  bereit  sich  mit  den 
Feinden  seines  Glaubens  zu  verbinden,  ein  unversöhnlicher 
Gegner  der  habsburgischen  Weltmacht,  hat  ihm  nur  der 
mafsgebende  Einflufs  gefehlt,  um  Grofses  zu  leisten.  Der 
französischen  Politik  war  das  Ziel  gesteckt,  alle  Gegner 
des  Kaisers  an  sich  ziehen,  insbesondere  Karls  Stellung 
in  Deutschland  zu  untergraben.  Zunächst  gelang  es,  den 
Herzog  von  Jülich  und  Kleve,  der  mit  dem  Kaiser  um 
den  Besitz  von  Geldern  im  Streite  lag,  ins  französische 
Interesse  zu  ziehen.  Mit  leidenschaftlichem  Eifer  betrieb 
Franz  die  Verlobung  seiner  Nichte  Jeanne  d'Albret  mit 
dem  Herzoge,  trotz  der  Intriguen  Spaniens  und  Englands. 
Nach  Deutschland  auf  den  Hagenauer  Tag,  der  die 
Religionsvergleichung  vorzubereiten  bestimmt  war,  ward 
eine  Gesandtschaft  abgeordnet,  um,  wenn  sich  ein  Bünd- 
nis mit  den  Protestanten  unmöglich  zeigen  sollte,  doch 
wenigstens  die  Einigung  der  streitenden  Konfessionen  zu 
erschweren  und  zu  verhindern. 

Da  war  es  verhängnisvoll  für  die  Pläne  des  so  um- 
sichtigen und  staatsklugen  Kardinals,  dafs  zum  Unter- 
händler  mit  den  deutschen  Protestanten  auf  dem  Hage- 


Eine  kursächsische  Gesandtschaft  1540.  25 

iiauer  Tage  ein  Mann  auserselien  wurde,  der,  selbst  ein 
eifriger  Katliolik,  noch  dazu  vom  Kanzler  Poyet  seine 
Instruktion  erhielt'-).  Die  kühle  Zurückhaltung,  mit  der 
Bait  den  Protestanten  begegnete,  war  um  so  weniger  an- 
gebracht, als  gerade  bei  den  Führern  des  Schmalkaldischen 
Bundes  nach  den  mannigfachen  Enttäuschungen  und  Be- 
fürchtungen, die  die  Verhandlungen  mit  den  kaiserlichen 
Ministern  hervorgerufen  hatten,  der  Gedanke  eines  Bünd- 
nisses mit  Frankreich  immer  wieder  aufgetaucht  war''^). 
Inwieweit  Sleidans  geheime  Sendung,  die  du  Bellay,  der 
Baifs  bedenkliche  Eigenschaften  zu  spät  erkannt  zu  haben 
scheint,  noch  nachträglich  durchzusetzen  wufste,  Erfolg 
gehabt,  vermögen  wir  leider  nicht  völlig  nachzuweisen. 
Aus  französischen  Nachrichten^^)  geht  hervor,  dafs  die 
protestantischen  Buudesoberhauptleute  eine  Gesandtschaft 
nach  Frankreich  in  Aussicht  gestellt:  ob  in  ihrem  Namen 
oder  von  Bundeswegen,  mufs  dahingestellt  bleiben.  Wie 
wir  aus  einer  bisher  unbekannten  Korrespondenz  des 
Landgrafen  mit  dem  Kurfürsten  erfahren ,  müssen  die 
Bundespläne  viel  weiter  gegangen  sein,  als  man  bisher 
angenommen  hat  '"•).  Aus  einem  undatierten  Briefe  Philipps, 
der  etwa  in  die  letzten  Tage  des  Juli  oder  in  den  Anfang 
des  August  zu  setzen  ist^*^),  ersehen  Avir,  dals  bei  den 
protestantischen  Führern,  w^olü  nach  dem  Mifserfolge  der 
Gesandtschaft  an  den  Kaiser,  der  Plan  entstanden,  im 
Bündnisse  mit  den  Königen  von  Ungarn,  Frankreich  und 
Polen  Karl  V.  entgegenzutreten.  Sowohl  Franz  I.  wie 
Johann  Zapolya  hatten  durch  besondere  Gesandte  ^") 
darum  geworben,  und  Philipp  und  Johann  Friedrich  waren 
übereingekommen,  zunächst  nach  Frankreich  und  zwar 
zuvörderst  im  eignen  Namen  eine  Gesandtschaft  zu 
schicken.  Die  Festsetzung  der  Instruktion  war  dem 
Kurfürsten  überlassen  worden.  Da  verdarb  im  letzten 
Momente  Philipps  Benehmen  in  der  leidigen  Frage  der 


'*)  Leaz  I,  197.  Baum  garten,  Sleidans  Briefwechsel  S.  15  f. 
Vergl.  auch  Moses,  Religionsverhandlungen  zu  Hagenau  und  Worms 
1540  und  1541  S.  49  ff. 

'3)  Neudecker,  Urkunden  S.  532,  547  u.  ö. 

")  Baumgarten,  Sleidans  Briefwechsel  S.  6,  14  u.  ö. 

1^)  Vergl.  auch  Lenz  I,  210  ff. 

16-)  Vergl.  Neudecker,  Urkunden  S.  567. 

^■')  Franz  durch  Sleidan,  Johann  durch  Kaspar  Winzer,  vergl. 
auch  Lenz  I,  473._  Über  die  geplante  Gesandtschaft  nach  Polen: 
Lenz  I.  .■)77.  .o80.  Über  die  Gesandtschaft  nacli  Ungarn:  Lenz  1,211. 
377.    Neudecker,  Urkunden  S.  524  ff. 


2Q  Taiil  Vetter: 


JJigamie  die  Ausführung  des  Planes.  Mit  Mühe  und  nur 
unter  der  Bedingung  der  Geheimhaltung  hatte  er  die 
Zustimmung  der  Wittenberger  Reformatoren  zu  einer 
Nebenehe  mit  einem  Hoffräulein  seiner  Schwester,  der 
Herzogin  von  Rochlitz,  erlangt.  Kurz  nach  der  Schlielsung 
dieser  Ehe  war  durch  die  Schuld  des  Landgrafen  das 
Geheimnis  verletzt  worden.  Hierauf  lehnten  der  Kur- 
fürst und  seine  Theologen  weitere  Zugeständnisse  ab, 
Johann  Friedrich  verweigerte  sogar  eine  Unterstützung 
für  den  Fall,  dals  der  Landgraf  vom  Kaiser  für  die 
Digamie  zur  Rechenschaft  gezogen  werde.  Als  nun  Ende 
Juli  der  Kurfürst  die  Instruktion,  deutsch  und  lateinisch 
ausgefertigt,  dem  Landgrafen'^)  zusandte,  hatte  die 
Stellung  Johann  Friedrichs  und  mit  ihm  der  Mehrzahl 
der  protestantischen  Stände  zur  Digamie  Philipps  Ge- 
danken so  weltbewegenden  Plänen  bereits  Avieder  ent- 
fremdet. Die  Sorge  um  die  eigne  Haut  war  an  die  Stelle 
der  kühnen  Offensivpolitik  getreten,  und  ein  Jahr  lang, 
in  der  kritischsten  Lage,  in  der  sich  Karl  V.  je  befunden, 
dreht  sich  die  ganze  Staatskunst  des  Landgrafen  um 
diesen  einen  Punkt.  Der  Kurfürst  erhielt  eine  abschlägige 
Antwort.  Der  Hauptgrund ,  den  Philipp  für  sein  Ver- 
halten anfühl  te,  war  die  Besorgnis,  den  Kaiser  noch  mehr 
zu  erbittern  und  die  Vergleichung  zu  erschweren.  So- 
dann bedachte  er  auf  einmal,  dafs  man  ohne  Rat  und 
Vorwissen  der  anderen  Bundesstände  nicht  wohl  vorgehen 
könne '^);  ihre  Zustimmung  aber  werde  nicht  sobald,  wie 
es  der  Kurfürst  wünsche,  zu  erreichen  sein.  Ein  selb- 
ständiges Vorgehen  werde  sie  beide  nur  dem  Zorne  des 
Kaisers  blofsstellen,  und  er,  Philipp,  wisse  noch  nicht  ein- 
mal, was  er  dann,  wenn  ihn  der  Kaiser  für  die  Digamie 
zur  Rechenschaft  ziehe,  von  seinen  Bundesgenossen  zu 
erwarten  habe.  Lasse  man  ihn  dann  im  Stiche,  so  fehlten 
ihm  die  Mittel,  sich  Kaiser  und  König  gnädig  zu  machen. 
Schon  taucht  der  Gedanke,  für  des  Kaisers  Gnade  sich 
in  seinen  Dienst  gegen  feindliche  Potentaten  zu  begeben, 
auf;  offen  gesteht  er  seinem  Verbündeten,  dals  er  lieber 
ein  „Verständnis"  mit  dem  Kaiser  suchen  wilP").  Der 
Kurfürst  antwortete  mit  dem  Hinweise,  dals  Philipp  selbst 
ein  Bündnis  mit  Frankreich   gewollt.    Die  Digamie   als 


IS)  Vergl.  Neu  decke  r,  Urkuudeu  S.  367. 

10)  Vergl.  auch  LenzI,  216. 

20)  Vergl.  dazu  Bucholtz  iX,  258. 


Eine  kursäclisi.sche  Gesandtschaft  1540.  27 

Relipfionssaclie  zu  betrachten,  lehnte  er  rundweg  ab;  wenn 
der  Landgraf  sich  den  Eisenacher  Bestimmungen  gemäls 
gehalten  hätte,  wäre  seine  Sorge  unnötig. 

Mit  der  Weigerung  Philipps  war  aucli  für  Kursachsen 
ein  Bündnis  mit  Frankreich  zunächst  aulser  Frage  gestellt. 
Aber  die  Beziehungen  zu  Kleve -^)  gestatteten  einerseits 
dem  Kurfürsten  nicht,  die  Verbindung  mit  Frankreich 
völlig  fallen  zu  lassen;  gaben  ihm  doch  die  jülichschen 
Heiratsverträge,  wenngleich  noch  unbestätigt,  wertvolle 
Ansprüche  auf  diese  Länder.  Andrerseits  lag  es  im  Literesse 
der  Protestanten  selbst,  den  König  nicht  durch  eine 
schroffe  Zurückweisung  seiner  Bündnisabsichten  zu  reizen, 
vielmehr  den  AVeg  zu  einer  Verständigung  so  lange  als 
möglich  offen  zu  halten.  Eben  noch  bevor  er  Philipps 
abschlägige  Antwort  erhalten,  hatte  Johann  Friedrich 
auf  Wilhelms  von  Kleve  Betrieb-^)  seinen  Amtmann  von 
Schneeberg,  Matthias  von  Wallenrod^*^),  als  Gesandten  an 
den  Hof  Franz  I.  geschickt,  ohne  Vorwissen  der  Bundes- 
stände, mit  Ausnahme  des  Landgrafen,  „damit  man 
erfahren  mocht,  wie  des  Königs  Gemüet  gegen  Kay. 
Mjt.  auch  uns  und  unsres  Teils  stehe" -^). 

Weiter  wagte  er  fürs  erste  nicht  zu  gehen.  Die 
Instruktion  des  Gesandten  enthielt  daher  unter  einem 
Schwalle  höflicher  Phrasen  nur  den  Dank  des  Kurfürsten 
für  das  letzte  Schreiben  des  Königs  und  die  Bitte,  seinen 
Schwager  Wilhelm  von  Jülich  und  Kleve  zu  schützen. 
Leider  erfahren  wir  vom  Verlaufe  dieser  Gesandtschaft 
nicht  eben  viel  mehr,  als  über  die  des  Jahres  154L 
Aulser  der  Antwort  des  Königs  ist  uns  nur  der  Teil  der 
Relation  erhalten,  den  der  Kurfürst  am  17.  September 
dem  Landgrafen  zusandte;  zum  Glück  enthält  er  den 
Bericht  Wallenrods  über  seinen  Aufenthalt  am  Königshofe. 

Als  der  Gesandte,  der  unter  Jülichschem  Geleite  ge- 


21)  Ruble,  Le  mariag-e  de  Jeanne  d' Albret  S.  67. 

22)  Neudecker,  Urkunden  S.  568. 

2»)  Über  ihn  vergl.  Seckendorf,  Conim.  Ill  21 ,  §  LXXVIII. 
Lehmann,  Chronik  von  Schneeberg- 1,  191.  W.  war  von  15.39— 1543 
Amtmann  oder  Hauptmann  zu  Schneeberg,  später  finden  wir  ihn  in 
gleicher  Stellung  in  Koburg,  vergl.Kawerau,  Briefwechsel  des  Jnstus 
Jonas  II,  .320.  Im  Herbste  1541  sandte  ihn  der  Kurfürst  noch  ein- 
mal an  den  klevischen  Hof.  Ruble,  Le  mariage  de  Jeanne  d' Albret 
S.  154.  Über  seine  Beziehungen  zu  .lohann  Friedrich  dem  Mittleren, 
vergl.  Beck,  Johann  Friedrich  der  "Mittlere  TT,  170  u.  a. 

-*)  Neudecker,  Urkunden  S.  568. 


28  Paul  Vetter: 

reist  war-"^),  eintraf,  hatte  die  Partei  der  du  Bellays  noch 
mit  dem  vollen  EinÜusse  des  Kanzlers  zu  kämpfen ;  selbst 
Montmorency  war  noch  ein  gefährlicher  Gegner,  wenn 
schon  sein  Einflnis  sich  seinem  Ende  zuneigte  und  der 
König  lebhafter  denn  je  ein  Bündnis  mit  Jülich  und  den 
deutschen  Protestanten  wünschte.  Durch  den  Gesandten 
Herzog  Wilhelms,  Dr.  Cruser,  ward  Wallenrod  kurz  nach 
seiner  Ankunft  am  Hofe  eine  Audienz  vermittelt.  Am 
bestimmten  Tage  liels  der  König  durch  den  Kardinal  von 
Tournon  anzeigen,  dals  er  dem  Gesandten  Kursachsens 
nach  der  Tafel  Gehör  schenken  werde.  Die  Absicht  des 
Königs  war  der  kaiserfreundlichen  Partei,  Montmorency 
an  der  Spitze,  kaum  zu  Ohren  gekommen,  als  sie  den 
päpstlichen  Nuntius'-*')  davon  benachrichtigte.  Als  Wallen- 
rod sich  in  Begleitung  Crusers  ins  Schlois  verfügte,  fand 
er  den  Nuntius  bereits  vor,  der  sich  ebenfalls  zur  Audienz 
anmelden  liels.  Montmorency  und  etliche  Kardinäle  ge- 
leiteten ihn  selbst  zum  Könige.  Wie  der  Nuntius  noch 
nicht  lange  im  Audienzsaale  ist,  hören  Wallenrod  und 
Cruser,  die  im  Vorzimmer  warten,  Franz  laut  und  zornig 
schreien.  Dr.  Cruser  übersetzt  Wallenrod,  der  selbst 
kein  Französisch  versteht-'),  die  A¥orte  des  Königs,  die 
also  gelautet:  Was  der  Orator  des  Papstes  im  ersten 
Artikel  angezeigt,  sei  falsch  und  nicht  wahr.  Durch  eine 
vertraute  Person  erfahren  sie  später,  dals  der  Nuntius 
zum   Könige   gesagt:    Er   höre,   dals  Franz   Leuten   in 


2''')  Ende  Juni  1540  sandte  Wilhelm  von  Jülich  seinen  Kanzler 
Goghreff  und  seinen  Rat  Wachtendonck  an  den  französischen  Hof, 
um  im  Verein  mit  Cruser  das  schon  länger  geplante  Bündnis 
mit  Frankreich  vollziehen  zu  lassen.  Die  Vollmacht  der  Ge- 
sandten ist  am  21.  Juni  in  Düsseldorf  ausgestellt.  Das  am  17.  Juli 
zu  Anet  geschlossene  Defensivbündnis  unterzeichnete  der  Herzog  am 
7.  August.  Gleichzeitig  gaben  sich  Johanna  d'Albret  und  Wilhelm 
von  Jülich  ein  schriftliches  Eheversprechen.  Eechtsgiltig  vollzogen 
ward  dieEhe  erst  am  14.  Juni  1541,  wie  Ruble,  La  mariage  de  Jeanne 
d'Albret  S.  VII,  61,  116 ff.  und  Herminjard,  Correspondence  des 
reforraatcurs  VII,  184  ff.  überzeugend  nachgewiesen  haben.  Die  In- 
struktion und  das  Bündnis  sind  gedruckt  bei  Ribier,  Lettres  et 
mömoires  d'estat  I,  a50ff.,  das  Eheversprechen  bei  Ruble  S.  273 ff. 
Der  neueste  Geschichtsschreiber  der  Reformationszeit,  Egelhaaf,  giebt 
(II,  375)  für  die  Vollziehung  der  Ehe  ein  falsches  Datum  an. 

-")  Hieron.  Dandino. 

-■')  Seckendorf  läfst  ihn  Latinae  et  Gallicae  linguae  gnarus  sein; 
die  Relation  behauptet  das  Gegenteil,  wenigstens  betreffs  der  Kennt- 
nis der  französischen  Sprache. 


Eine  knrsächsische  Gesandtschaft  IH-JO.  29 

Sachen  des  Herzogs  von  Greldern  ^*^),  um  mit  ihm  ein 
Bündnis  zu  schliefen,  Audienz  erteilen  wolle.  Nun 
möchte  er  ihn  treulich  davor  gewarnt  haben.  Ein  Bündnis 
mit  dem  Herzoge  von  Geldern,  der  noch  dazu  ein  Luthe- 
raner sei,  werde  dem  Papste  Grund  zum  Miisfallen  geben, 
aulserdem  auch  den  Vertrag  zerreilsen,  den  der  Papst 
zwischen  Kaiser  und  König  aufgerichtet  habe.  Darauf 
sei  der  König  zornig  geworden  und  habe  erwidert:  Es 
sei  falsch  und  nicht  wahr,  dafs  der  Herzog  ein  Lutheraner 
sei.  Der  Kaiser  habe  ihm,  dem  Könige,  sowie  dem  Ver- 
trage in  mehreren  Artikeln  nicht  Glauben  gehalten ;  seinet- 
wegen könne  er  sich  andere  Freunde  nicht  „abstricken" 
lassen^'*). 

Nachdem  er  den  Nuntius  in  dieser  Weise  abgefertigt, 
nimmt  der  König  Wallenrod  zu  sich  in  ein  Fenster  und 
hört  ihn  an.  Den  Nuntius,  die  Kardinäle  und  den  Conne- 
table  läfst  er  im  Saale  stehen  und  zieht  niemanden  zum 
Gespräche  zu  als  den  Gesandten  Jülichs,  dessen  er  als 
Dolmetscher  bedurfte.  Auf  seines  Herrn  Instruktion 
erhält  Wallenrod  eine  äulserst  gnädige  Antwort  voll  fein 
berechneter  Schmeicheleien  für  den  Kurfürsten.  Franz 
erklärt  sich  nicht  nur  bereit  Jülich  zu  schützen,  er 
wünscht  ein  enges  Bündnis  mit  den  Protestanten  und 
zeigt  sich  bereit,  einen  Gesandten  zu  ihnen  zu  schicken 
oder  den  ihren  zu  empfangen.  Auch  versäumt  er  nicht, 
vor  dem  Kaiser  zu  warnen,  der  smf  einen  Bürgerkrieg 
in  Deutschland  wartet,  um  sich  die  deutschen  Fürsten 
zu  unterjochen.  Der  König  rät  daher,  vor  allem  einen 
inneren  Krieg  zu  vermeiden,  vielmehr  Köln  und  Kurpfalz 
in  das  protestantische  Bündnis  zu  ziehen''").  Wie  der 
Nuntius  sieht,  dals  der  König  Wallenrod  „mit  fröhlichem 
Gemüte"  hört,  wendet  er  sich  nach  beendigter  Audienz 
abermals  an  ihn:  Er  habe  gesehen,  dafs  er  einen  Ge- 
sandten des  Kurfürsten  von  Sachsen  empfangen,  und  man 
sage,  Frankreich  werde  sich  mit  den  deutschen  Prote- 
stanten verbinden.  Mit  Schmerz  habe  er  hören  müssen, 
dals  der  König  sich  „mit  solchen  Lutherischen  lästerlichen 
Leuten"    einlassen   wolle.    Ein   solches  Vorgehen  werde 


2*)  Es  ist  sehr  bezeichnend,  dafs  der  Herzog  von  französischer 
Seite  stets  nach  dem  ihm  vom  Kaiser  streitig  gemachten  Herzogtum 
Geldern  benannt  wird. 

-'')  Vergl.  auch  Ruble,  Le  mariage  de  Jeanne  d'Albret  S.  67. 

s"^)  Bucholtz  IX,  260  f. 


30  Paul  Vetter: 

zudem  dem  Papste  zum  höchsten  zuwider  sein.  Wie  zu- 
vor wird  der  König  heftig  erzürnt  und  fragt,  wie  er  dazu 
komme,  sich  des  Papstes  und  des  Kaisers  wegen  seine 
Freunde  „abstricken"  zu  lassen.  Der  Papst  habe  ihm  in 
der  höchsten  Not  nicht  beigestanden,  vielmehr  seinen 
Feinden  geholfen ,  obwohl  er  und  seine  Vorfahren  zur 
Erhaltung  des  Papsttums  viel  getlian.  Wie  maii  ihm 
solche  Gutthat  vergolten,  des  sei  er  wohl  inne  geworden. 
Deshalb  wolle  er  sich  Freunde  machen,  wie  denn  über- 
haupt von  Alters  her  zwischen  der  Krone  Frankreichs 
und  den  deutschen  Fürsten  Freundschaft  und  ein  Bündnis 
bestanden  hätten.  Dies  gedenke  er  nicht  zu  verlassen, 
sondern  zu  behalten.  Ihn  fechte  auch  nicht  der  Luther 
oder  der  deutschen  Fürsten  Glauben  an.  Sie  möchten 
nach  ihrer  Weise  glauben,  desgleichen  denke  er  auch 
zu  thun.  Könne  er  zwischen  dem  Papste  und  den 
Lutheranern  vermitteln,  so  sei  er  gern  dazu  bereit;  könne 
aber  in  Güte  nichts  ausgerichtet  werden,  so  lasse  er 
jeden  glauben,  was  er  wolle;  er  gedenke  sich  Freunde 
zu  machen. 

Auch  die  Königin  von  Navarra  empfing  Wallenrod 
überaus  gnädig;  der  Gesandte  hörte,  wie  sie  Franz 
erinnert,  „dals  er,  wenn  er  über  diese  Fragen  viel  mit  den 
Kardinälen  verhandeln  wolle,  nichts  ausrichten  werde"  •^'). 
Der  König  sollte,  so  Avard  erzählt,  darauf  geantwortet 
haben:  „Wer  mir  rät,  dais  ich  mich  mit  dem  Herzoge 
von  Geldern  nicht  in  ein  Bündnis  einlassen,  desgleichen, 
dafs  ich  die  deutschen  Fürsten  nicht  zu  Freunden  be- 
halten soll,  der  gönnt  mir  und  meinen  Erben  nichts  Gutes. 
Deshalb  sollen  die  deutschen  Fürsten  und  Geldern  mit 
niemandem  reden  und  verhandeln,  denn  mit  mir  allein." 
Einige  Zeit  später  liefe  die  Königin  Wallenrod  durch 
Cruser  anzeigen,  dafs  der  Kaiser  zu  dem  französischen 
Gesandten •'^-)  an  seinem  Hofe  gesagt:  „Ich  hab'  gehört, 
dein  König  habe  sich  mit  dem  Herzoge  von  Geldern 
verbunden,  und  dein  König  hält  mir  nit,  was  er  mir  hat 
zugesagt.  Nu  will  ich  dem  Herzog  von  Geldern,  ehe 
ich  wieder  von  dannen  komme,  einen  solchen  herben 
Krieg  machen,  den  er  nit  wird  leiden  können,  und  wohl 
sehen,    was    dein    König    dazu    thun  will."      Als   Franz 


3')  Vergi.  auch  Lenz  I,  213. 

'■'-)  Georges  de  Selve,  Bischof  von  Lavaur,  vergi.  Ruble,  Le 
mariage  de  Jeanne  d'Albret  S.  64. 


Eine  kursächsische  Gesandtschaft  1540.  31 

den  Bericht  seines  Gesandten  gelesen,  habe  er  in  Gegen- 
wart seiner  Gemahlin ■"'•')  und  der  Königin  von  Navarra 
ausgerufen:  Wenn  der  Kaiser  zu  drohen  beginne,  so  thue 
er  nichts;  denn  er  habe  kein  Geld='^).  Was  er  den 
Flaniländern  abgeschätzt,  werde  er  in  Italien  brauchen, 
das  wisse  er  wohl.  Sollte  er  sich  aber  etwas  gegen  den 
Herzog  unterstehen,  so  solle  er  wissen,  dals  er,  Franz, 
ihm  heftig  widerstehen  werde. 

Auch  der  König  benutzte  Cruser,  um  Wallenrod 
weitere  Warnungen  vor  dem  Kaiser  zugehen  zu  lassen; 
so  sollte  Karl  während  seiner  Anwesenheit  in  Frankreich 
zum  Könige  gesagt  haben:  die  Lutheraner  wollten  im 
Kriegsfalle  100000  streitbare  Männer  wider  ihn  schicken. 
Er  nun  werde  sich  hüten,  für  seine  Person  mit  ihnen 
Krieg  zu  führen.  „Aber  bellum  intestinum,  den  will  ich 
ihnen  anrichten,  dafs  sie  selbst  einander  schlahen 
müssen!"  Was  Wallenrod  am  meisten  imponierte,  war  die 
Vertrautheit  des  Königs  mit  den  Hagenauer  Verhand- 
lungen: wie  Ferdinand  eitel  bösen  Willen  gezeigt  und 
auf  ein  foedus  defensivum  et  offensivum  gedrungen  habe. 
SchlieMich  erhielt  der  Gesandte  noch  die  Mitteilung, 
der  Kaiser  habe  England  um  eine  größere  Summe  Geldes 
angegangen,  sei  aber  zu  seinem  grofsen  Verdrusse  ab- 
schlägig beschieden  worden. 

Nach  Paris  zurückgekehrt  trafen  die  Gesandten 
Graf  Georg  von  Oldenburg,  der  im  Auftrage  des 
Dänenkönigs  sich  an  den  französischen  Hof  begeben 
sollte  ^^■^). 

Soweit  die  Mitteilungen  Wallenrods.  Der  Kurfürst 
zögerte  nicht,  diesen  Bericht,  den  ihm  sein  Gesandter 
von  Nürnberg  aus  zugeschickt,  dem  Landgrafen  zustellen 
zu  lassen^**).  Abermals  richtete  er  an  ihn  das  Ersuchen, 
sich  an  einer  Gesandtschaft  nach  Frankreich  zu  beteiligen. 
Jetzt  sei  die  beste  Zeit  und  Gelegenheit  zu  einem  Bünd- 
nisse. Freilich,  und  das  war  das  Entscheidende  für  den 
Landgrafen,  die  Digamie  riet  er  beim  Bündnisschlusse 
ganz  aus  dem  Spiele  zu  lassen,  sie  sei  Profansache.  Der 
Kurfürst  kam  zu  spät;  bereits  lebte  Philipp  ganz  und 
gar  in  dem  Gedanken  eines  Bündnisses  mit  dem  Kaiser. 


^^)  Eleonore,  eine  Schwester  Karl  V 
3J)  Vergl.  Bncholtz  lY,  261. 
=^»)  Bncholtz  IX,  260. 
äö)  Am  17.  September. 


32  Paul  A^etter: 

Selbst  ein  Eingehen  des  Kurfürsten  auf  alle  seine  Wünsche 
würde  ihn  kaum  noch  umgestimmt  haben.  Nur  das 
Zügern  der  kaiserlichen  Minister  liels  ihn  vorläufig  zu 
einer  prinzipiellen  Ablehnung  der  Bundesabsichten  Johann 
Friedrichs  noch  nicht  kommen.  Zu  wiederholten  Malen 
erklärte  er  sich  zu  einem  Bündnisse  mit  dem  Könige 
bereit,  gab  auch  zu,  dals  jetzt  vielleicht  der  günstigste 
Moment  zu  einem  solchen  sei,  hatte  aber  immer  eine 
Reihe  von  Bedenken  in  Bereitschaft,  hinter  die  er  sich 
zurückziehen  konnte.  Die  Sendung  de  la  Forces^')  nach 
Worms  mufste  unter  solchen  Umständen  erfolglos  bleiben, 
ja  Philipp  hatte  bei  seiner  ablehnenden  Haltung  die  Genug- 
thuung  auf  die  strengen  Edikte  des  Königs  gegen  die 
Anhänger  der  Reformation  in  Frankreich  hinweisen  zu 
können.  Als  im  Dezember  Wilhelm  von  Fürstenberg 
durch  Heideck  den  Kurfürsten  zu  einer  Gesandtschaft 
nach  Frankreich  auffordern  liefs,  die  man  nach  Mont- 
morencys  Sturze  immer  dringender  am  französischen 
Hofe  zu  wünschen  begann,  gelang  es  den  Bemühungen 
des  Kurfürsten  zwar  Philipp  zu  bewegen,  die  Gesandt- 
schaft nach  Frankreich  auf  die  Tagesordnung  der  Naum- 
burger Bundesversammlung  zu  setzen,  aber  trotz  der 
weitgehendsten  Vorsprechungen  Kleves  und  du  Bellays'^**), 
dals  auch  Philipps  Geheim sache  mit  in  den  Vertrag  auf- 
genommen werden  solle,  war  der  Landgraf  dem  Gedanken 
eines  Bündnisses  mit  dem  Kaiser  nicht  mehr  zu  ent- 
reilsen.  Die  hessischen  Gesandten  zum  Bundestage 
erhielten  die  entsprechende  Instruktion  =^^),  dem  Kur- 
fürsten erklärte  Philipp  am  21.  Dezember  rund  heraus, 
er  werde  sich  an  einer  Gesandtschaft  nach  Frankreich 
vorläufig  nicht  beteiligen^"),  riet  vielmehr  mit  dem 
Bündnis  bis  zum  Ausgange  des  Regensburger  Reichstages 
zu  warten. 

Damit  war  das  Schicksal  der  kursächsischen  Bündnis- 
bestrebungen von  vornherein  entschieden,  zum  Schaden 
des  Protestantismus.  Auch  Morelets  Gesandtschaft  ver- 
mochte Philipps  Entschluß  nicht  mehr  zu  ändern.  Die 
Sendung   Georgs  von    der   Planitz    1541    trug    wie    die 


")  LenzI,  239.    Baumgarten,  Sleidans  Briefwechsel  10 f. 
3»)  Lenz  I,  270  f.  Baumgarten,  Sleidans  Briefwechsel  S.  21  f. 
30)  Lenz  I,  287. 

'*<')  Gegen   Bucer  hatte   er   sich   schon    früher    ausgesprochen. 
Lenz  I,  214,  216,  232,  254  ff.,  279  u.  a. 


Eine  kiusächsisclie  Gesandtschaft  1540.  33 

Wallciirods  naturj^emäls  den  Charakter  einer  HöÜiclikcits- 
bezengnng  des  Kurfiirsten '^).  Erst  Johann  Friedrichs 
Nachfolger  in  der  Kurwürde  hat  die  für  das  protestantische 
Interesse  damals  unerläfsliche  Verbindung  mit  Frankreich 
vollzogen,  freilich  unter  wesentlich  ungünstigeren  Ver- 
hältnissen als  im  Jahre  1540. 


*^)  Vergl.  Vetter,  Keligiousverhaudluiigen  auf  dem  Reichstage 
zu  Regensburg  1541  S.  160  ff.. 


Neues  Archiv  f.  S.  (i,  u.  A.  XIV.  1.  a. 


in. 

Kurfürst  August  und  die  Anfänge  des 
niederländischen  Aufstands. 


Von 
Gustav  Wolf. 


Unter  denjenigen  Akten  des  Dresdner  Hanptstaats- 
archivs,  welche  sich  auf  die  auswärtige  Politik  des  Kur- 
fürsten August  beziehen,  nehmen  die  Korrespondenzen 
über  den  niederländischen  Aufstand  eine  hervorragende 
Stelle  ein^).  Es  haben  daher  schon  mehrere  Forscher 
mit  ihrer  Durchsicht  begonnen,  sie  sind  indess  über  die 
Anfänge  nicht  hinausgekommen.  Das  liegt  teils  an  der 
Sprödigkeit  des  Stoffes,  teils  an  der  Unübersichtlichkeit 
der  umfassenden  gedruckten  Litteratur,  teils  endlich  an 
dem  Umstände,  dals  die  einschlägigen  Archivalien  auf 
hunderte  von  Bänden  verstreut  sind  und  sicli  eine  ab- 
solute Vollständigkeit  nicht  erreichen  lälst. 

Zu  einem  praktischen  Ergebnis  haben  die  vielfachen 
Bemühungen,  die  deutschen  Protestanten  zur  thatkräftigen 
Unterstützung  ihrer  fi-anzösischen  und  niederländischen 
Glaubensgenossen  zu  bewegen,  bekanntlich  niemals  ge- 
führt. Die  Akten  erzählen  uns  nur  von  Interventionen 
und  Demonstrationen,  welche  ihren  Zweck  schon  darum 
verfehlen  mulsten ,  weil  die  Könige  von  Frankreich  und 
Spanien  an  ihren  Ernst  nicht  glaubten.  Eine  erscliöpfende 
Darstellung   der  in  Betracht  kommenden  Verhandlungen 


*)  Blök,    Verslaag'  aangaande    een   onderzoek   in  Duitschlaml 
naar  archivalia  belaugrijk  voor  de  geschiedeuis  van  Nederland. 


Kurfürst  August  und  der  niedcrliindischo  Aufstand.  35 

wäre  deshalb  eine  ebenso  undankbare  wie  unerquickliche 
Aufgabe.  Aber  eine  gedrängte  Skizze,  wie  wir  sie  auf 
den  folgenden  Blättern  versuchen  wollen,  ist  schon  des- 
halb lehrreich,  weil  in  diesen  Fragen  der  Charakter  der 
augusteischen  Politik  sehr  scharf  hervortritt  und  wir  die 
staatsmännische  Gewandtheit  Oraniens  von  einer  bisher 
Avenig  gewürdigten  Seite  kennen  lernen. 


Die  erste  persönliche  Bekanntschaft  der  beiden 
Männer  fällt  in  das  Jahr  1558.  Der  damals  fünfund- 
zwanzigjährige Prinz  Wilhelm  von  Oranien  war  von 
Karl  V.  beauftragt,  dem  Kurfürstentag  in  Frankfurt  a.  M. 
den  Verzicht  auf  die  Kaiserwürde  anzuzeigen  und  die 
AVahl  Ferdinands  zu  Karls  Nachfolger  zu  bewirken. 
AVenige  Monate  nachher  beginnen  dann  die  Verhand- 
lungen über  die  Heirat  Oraniens  mit  der  Nichte  des 
Kurfürsten  August,  der  Prinzessin  Anna  von  Sachsen, 
welche  anfangs  vom  Landgrafen  von  Hessen  heftig  be- 
kämpft, von  August  jedoch  ebenso  entschieden  gefördert 
und  trotz  vieler  Schwierigkeiten  1561  zu  einem  erfolg- 
reichen Ende  geführt  wurden.  Schon  während  dieser 
Verhandlungen,  noch  mehr  aber  seit  der  Hochzeit  und 
dem  Kurfürstentage  von  1562,  auf  welchem  August  und 
Oranien  abermals  zusammenkamen,  begann  zwischen  beiden 
Männern  ein  vertrauter  Briefwechsel,  welcher  alle  poli- 
tischen Tagesfragen,  das  Reich,  Holstein,  Dänemark,  in 
steigendem  Malse  die  Niederlande  selbst  betraft). 

Schon  diese  äufsere  Thatsache  einer  umfassenden 
intimen  Korrespondenz  weist  darauf  hin,  dals  auf  beiden 
Seiten  der  Heirat  politische  Berechnungen  zu  Grunde 
lagen  •^).  InwicAveit  Oranien  schon  zu  seiner  späteren 
Gegnerschaft  gegen  die  Krone  Spanien  entschlossen  war, 
lälst  sich  aus  der  schriftlichen  Überlieferung  nicht  mehi" 
feststellen.  Jedoch  unter  der  Decke  spielte  bereits  in 
den  Niederlanden  der  Antagonismus  zwischen  ein- 
heimischen und  spanischen  Elementen,  zunächst  in 
Finanz-  und  Steuerfragen,  und  wenige  Jahre  später 
artete  er   zu  heftigen  persönlichen  Konflikten   aus,   die 


2)  Hauptstaatsarchiv  Dresden  (=  Dr.  A.)  III,  51a  fol.  18  No.  62. 

^)  Van  der  Horst,  Het  huwelijk  van  Willem  van  Oranje  met 
Anna  van  Saxen.  Bakhuizen  van  den  Brink,  Het  huwelijk  van 
Willem  van  Oranje  met  Anna  van  Saxen  —  Eine  neue  Monographie 
auf  Dresdner  und  Marburger  Archivalien  beruhend  Avürde  manche 
neue  Ergebnisse  erzielen. 


36  Gustav  Wolf: 

den  niederländischen  Großen  vorübergehende  Erfolge 
brachten,  jedoch  dem  nnvermeidlichen  Entscheidnngs- 
kampf  vorarbeiteten^).  Noch  mehr  wurde  derselbe  durch 
die  Komplikation  mit  den  religiösen  Zeitströmungen  be- 
schleunigt. 

Durch  die  vielfachen  Handelsbeziehungen  der  Nieder- 
lande zu  den  Nachbargebieten,  besonders  zu  Frankreich, 
war  der  Protestantismus  in  weite .  Volksschichten  ge- 
drungen, und  zwar  unter  der  Ägide  des  leiblichen 
Bruders  von  Oranien,  des  Grafen  Ludwig  von  Nassau"'), 
während  der  Prinz  selbst,  wenigstens  äulserlich,  sich 
von  der  Bewegung  fernhielt.  Ludwig  erblickte  seine 
Aufgabe  in  einem,  möglichst  engen  Bunde  zwischen 
niederländischen,  französischen  und  deutschen  Evan- 
gelischen und  nahm  deshalb  1565  den  Plan  auf,  durch 
eine  Synode  die  Unterschiede  zwischen  Lutheranern  und 
Reformierten  auszugleichen.  Die  Ausführung  scheiterte 
am  Widerwillen  der  deutschen  Fürsten  gegen  erneute 
Diskussionen  über  die  viel  umstrittenen  Fragen.  Aber 
die  damals  gewechselten  Schreiben  bildeten  den  ersten 
Versuch  der  Niederländer,  mit  ihren  deutschen  Glaubens- 
genossen gemeinsame  Sache  zu  machen. 

Oranien  und  sein  Bruder  trugen  sich  mit  IkjcIi- 
fliegenden  Plänen.  Zweifellos  war  die  Protestantisierung 
der  Niederlande  nur  durchführbar  im  Widerstände  gegen 
die  Krone.  Zu  einem  solchen  lagen  die  Verhältnisse  in 
den  Niederlanden  insofern  günstig,  Aveil  es  Oranien  ge- 
lang, den  nationalen  Gegensatz  mit  dem  religiösen  zu 
verquicken  und  dadurch  auch  den  katholischen  Adel,  ins- 
besondere die  Grafen  Egmont  und  Hoorne  zu  gewinnen. 
Die  Doppelzüngigkeit,  mit  welcher  die  spanischen  Staats- 
männer Egmont  während  seines  Aufenthalts  in  Madrid 
bethört,  hatte  die  diplomatischen  Fähigkeiten  des  Grafen 
in  sehr  schlechtem  Lichte  erscheinen  lassen  und  bewog 
Egmont  zu  noch  engerem  Anschlüsse  an  Oranien. 

Man  dachte  in  evangelischen  Kreisen  bereits  an  eine 
entschiedene    Offensive   gegen   den   König   von   Spanien 


*)  Über  die  Anfänge  des  niederländischen  Aufstandes  besonders: 
Kolligs,  Wilhelm  von  Oranien  und  die  Anfänge  des  nieder- 
ländischen Aufstands.  Ritter  in  Histor.  Zeitschr.  LVIIl,  385  ff. 
Die  niederländische  Litteratur  ist  so  umfangreich,  dafs  eine  auch  nur 
einigermafsen  vollständige  Übersicht  hier  unmöglich  ist. 

•'■')  Über  den  Grafen  Ludwig  Blök,  Correspondcntie  van  en 
betreffende  Lodewijk  van  Nassau.  —  Derselbe,  Lodewijk  van  Nassau. 


Kurfürst  Anglist  und  der  niederhändische  Aufstand.  37 

und  seine.  Halbschwester,  die  Generalstatthalterin  der 
Niederlande,  Herzogin  Margarete  von  Parma;  die  Er- 
stürmung des  Antwerpener  Rathauses  wurde  geplant, 
und  Georg  von  der  Holle,  der  sich  während  der  letzten 
Dezennien  einen  gefürchteten  Namen  als  deutscher  Reiter- 
fülirer  gemacht  hatte,  weilte  vorübergehend  bei  den  nieder- 
ländischen Grofsen. 

Da  trat  Oranien  offener  als  bisher  hervor.  Auch 
er  war  entschlossen,  nötigenfalls  die  Niederlande  mit 
Waffengewalt  zu  verteidigen  und  ein  spanisches  Heer, 
das  der  König  zu  schicken  beabsichtigte,  nicht  herein- 
zulassen. Spuren  von  Söldnerwerbungen  gehen  bis  Ende 
15G5  zurück;  seit^  Juli  1566  arbeitete  man  rastlos  in 
dieser  Hinsicht.  Überall  strebte  der  Prinz  nach  vorteil- 
haften Verbindungen,  mit  dem  Engländer  Gresham  in 
Antwerpen ,  mit  den  Hugenotten ,  mit  Georg  von  der 
Holle.  Graf  Ludwig  stellte  einen  bestimmten  Entwurf 
über  die  Beschaffung  der  erforderlichen  Truppen  und 
Geldmittel  auf.  Sein  Rentmeister  Hederich  reiste  mit 
Geldsummen  zu  Ludwigs  Bruder,  dem  Grafen  Johann 
von  Nassau,  nach  Dillenburg,  damit  dieser  aulser  den 
von  Holle  angebotenen  2000  Reitern  noch  weitere  1000  be- 
stellen konnte.  Auch  mit  anderen  Reiterführern,  nament- 
lich Christof  von  der  Malsburg,  wurde  verhandelt*'). 

Aber  trotz  alledem  war  Oranien  mit  den  weit- 
gehenden Angriffsplänen  extremer  Elemente  nicht  ein- 
verstanden. Sein  Hauptaugenmerk  war  auf  eine  ge- 
schlossene und  wohl  vorbereitete  Defensive  und  auf 
Allianzen  mit  den  protestantischen  Reichsfürsten  gerichtet. 

Die  letzteren  waren  allerdings  von  einander  durch 
Interessen  und  Anschauungen  vielfach  geschieden.  Die 
gröfste  Aussicht  auf  Erfolg  hatten  die  niederländischen 
Werbungen  am  Hofe  des  pfälzischen  Kurfürsten 
Friedrich  HI.  Derselbe  stand  in  dogmatischer  Beziehung 
den  Reformierten  am  nächsten,  zahlreiche  Prediger,  die 
in  den  Niederlanden  wirkten,  hatten  früher  unter  ihm 
gelebt  und  er  war  der  vornehmste  Vertreter  einer  pro- 
testantischen Aktionspolitik,  welche  gieichmälsig  der 
rücksichtslosen  Protestantisierung  der  Kurpfalz  wie  der 
etwaigen    Abwehr    befürchteter    katholischer    Angriffe 

®)  Kervyn  de  Lettenhove,  Relations  politiques  des  Pays- 
Bas  et  de  l'Angieterre  IV,  352  ff'.  —  Groen  van  Pr  in  st  er  er, 
Archives  ou  correspondance  inedite  de  la  maison  de  Nassau-Orange  II, 
156,  178  ff'.,  205  ff.     Blök,  Verslaag-  S.  291  ff. 


38  Gustav  Wolf: 

gelten  sollte.  Und  da  er  namentlich  eine  Verbindung 
der  katholischen  Mächte  zur  gewaltsamen  Durchführung 
der  Tridentiner  Beschlüsse  und  Unterdrückung  der 
lutherischen  Lehre  befürchtete,  so  sah  er  in  jedem  An- 
griff auf  die  Glaubensfreiheit  der  ausländischen  Pro- 
testanten die  Einleitung  zu  einem  deutschen  lleligions- 
krieg  und  befürwortete  ein  rechtzeitiges  Eintreten  gegen 
derartige  Gefahren. 

Der  Gesinnung  nach  waren  die  Häupter  der  deutschen 
Lutheraner  Oranien  ebenso  günstig  als  die  Pfälzer.  Ver- 
banden ihn  doch  mit  den  Höfen  von  Dresden  und  Kassel 
Freundschaft  und  Verwandtschaft!  Auch  teilten  Land- 
graf Philipp  und  sein  Sohn  Wilhelm  vollständig  die 
pfälzischen  Besorgnisse  vor  einem  internationalen  Ge- 
samtangriff. Ereilich  zu  waghalsigen  Unternehmungen 
waren  die  Hessen  nicht  geneigt.  Wenn  sie  ein  Zu- 
sammengehen aller  deutschen  Protestanten  und  energische 
Schutzmalsregeln  verlangten,  so  wollten  sie  nicht  wie 
Friedrich  evangelische  Aktionspolitik  treiben,  sondern 
nur  wissen,  wessen  sie  sich  in  der  Stunde  der  Gefahr 
zu  versehen  hätten.  Um  Oranien  jedoch  nicht  blofs  durch 
Sympathieen,  sondern  offen  und  nachhaltig  zu  unterstützen, 
dazu  bedurften  sie  des  Rückhalts  der  einflufsreichen 
Häupter  des  Protestantismus,  namentlich  des  Kurfürsten 
von  Sachsen. 

So  bildete  August  den  entscheidenden  Faktor  unter 
den  deutschen  Anhängern  der  Augsburger  Konfession. 
Er  konnte  die  niederländischen  Bestrebungen  nach  Be- 
lieben zur  Unfruchtbarkeit  verurteilen  oder  ihnen  das 
Übergewicht  verschaffen.  Für  Oranien  war  es  nun  eine 
gefährliche  Klippe,  dafs  Augusts  Lage  und  Anschauungen 
von  den  pfälzisch-hessischen  wesentlich  abwichen.  Nach- 
dem der  Kurfürst  durch  Erneuerung  der  alten  Erb- 
einignngen  und  durch  die  1555  vollzogene  Aufrichtung 
eines  dauernden  Religions-  und  Landfriedens  sich  und 
seine  Unterthanen  völlig  gedeckt  glaubte,  war  sein 
Hauptziel  die  Erhaltung  des  gewonnenen  Standpunktes. 
Solche  Auffassung  wurde  unterstützt  durch  ausgezeichnete 
Beziehungen  zu  einzelnen  katholischen  Fürsten  und 
Staatsmännern  und  durch  den  Umstand,  dals  August  bei 
Überfällen  evangelischer  Reichsstände  nicht  in  erster 
Linie  bedroht  gewesen  wäre,  vielmehr  seine  Hau])tgefahr 
in  den  Plänen  erblickte,  w^elche  die  Herzöge  von  Weimar 
zur  Wicderei-langung  der  verlorenen  Kur  teils  föi'deiten. 


Kurfürst  August  und  der  niedorländisclie  Aufstand.  39 

teils  selbst  hegten.  Diese  Anschläge,  die  sich  oft  sogar 
gegen  das  Leben  des  Kurfürsten  richteten,  veranlalsten 
ihn  zum  engen  Anschlüsse  an  den  kaiserlichen  Hof. 

So  standen  die  Dinge  in  Deutschland,  als  die  Nieder- 
länder den  konfessionistischen  Reichsständen  ihre  Wünsche 
übermittelten.  Dieselben  hielten  sich  zunächst  in  be- 
scheidenen Grenzen;  nicht  sofort  enthüllte  Oranien  seinen 
umfassenden  Verteidigungsplan.  In  seinen  Briefen  hatte 
er  wiederholt  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  seine  anti- 
spanischen Tendenzen  verraten;  dadurch  hatte  er  das 
Vertrauen  seines  Oheims  erweckt  und  den  Adressaten 
zu  grösserem  Entgegenkommen  veranlalst,  als  wenn  er 
mit  seinen  ganzen  Oppositionsprojekten  hervorgetreten 
wäre.  Auf  der  freundschaftlichen  Gesinnung,  Avelche  er 
so  sich  zu  verschaffen  gewulst,  fulste  er,  als  Ende  1565 
Graf  Ludwig,  der  Advokat  Leclerc  und  der  prinzliche 
Privatsekretär  Johann  Lorich'')  in  Deutschland  erschienen 
und  um  eine  Interzession  bei  Margarete  und  deren  Eat- 
gebern  und  um  geeignete  Ratschläge  nachsuchten^). 
Derartige  Fürbitten  waren  den  Hugenotten  wiederholt 
gewährt  worden,  und  nachdem  August  und  die  anderen 
Protestanten  dem  Prinzen  ihr  Wohlwollen  vielfach  be- 
kundet, konnten  sie  ein  derartiges  Verlangen  nicht  wohl 
abschlagen. 

Allerdings  so  rasch  als  es  die  Niederländer  ge- 
wünscht hätten,  ging  es  nicht.  Obgleich  dem  Anfang 
1566  abgehaltenen  Reichstag  zu  Augsburg  aulser  den 
drei  genannten  Vertrauensmännern  Oraniens  auch  Graf 
Johann  beiwohnte^)  und  die  Anwesenheit  zahlreicher 
evangelischer  Fürsten  die  niederländischen  Bestrebungen 
zu  begünstigen  schien,  so  trat  das  Interesse  für  dieselben 
infolge  der  mannigfaltigen  Reichstagsgeschäfte  völlig 
zurück,  und  die  ganze  Sache,  welche  in  einer  Eingabe 
der  Konfessionisten  an  den  Kaiser  am  25.  Mai  beiläufig 
erwähnt  war,  verlief  im  Sande'").  Dennoch  diente  der 
Reichstag  zu  einer  Belebung  der  Beziehungen  zwischen 
Oranien  und  den  deutschen  Protestanten,  und  die  letzteren 


')  Über  Leclerc  Ritter  in  v.  Webers  Archiv  f.  d.  sächs.  Gesch. 
N.  F.  V,  321.  Über  Lorich  Dr.  A.  III,  51a  fol.  18  No.  «2  ßl.  214. 
Kopiale  321  Bl.  45.  —  Blök,  Verslaag  75. 

»)  Kluckhohn,  Briefe  Friedrichs  des  Frommen  I,  621. 

**)  Häberliu,  Neueste  teutsche  Reichsgeschichte  VI,  142. 

")  Ritter,  Deutsche  Geschichte  I,  352. 


40  Gnst.iv  Wolf: 

begannen  von  nun  an  gröfseren  Anteil  am  Schicksal  ihrer 
Nachbarn  zu  nehmen. 

Bereits  zu  Augsburg-  waren  die  Gesandten  von  ver- 
schiedenen protestantischen  Ständen  auf  den  Kaiser  hin- 
gewiesen worden.  Diesen  Weg  betrat  jetzt  August 
selbst  und  zeigte  dadurch,  dals  er  dem  Prinzen  mit 
dem  moralischen  Gewicht  seiner  Persönlichkeit 
beizusijringen  gesonnen  war. 

Die  Politik  Maximilians  II.  war  keine  einheitliche; 
sie  wurde  beeinflulst  durch  zwei  entgegengesetzte  Strö- 
mungen, eine  spanische  und  eine  sächsische.  Die  ersterc 
fand  ihre  Führer  in  der  Umgebung  der  Kaiserin,  der 
Schwester  Philipps  II.,  und  im  spanischen  Gesandten 
Chantonnay;  ihr  kam  zu  statten,  dafs  eine  Heirat 
zwischen  dem  spanischen  Infanten  Don  Carlos  und  einer 
Tochter  des  Kaisers  geplant  war,  dafs  dessen  beide 
ältesten  Söhne  unter  den  Augen  Philipps  II.  erzogen 
wurden  und  dafs  die  spanisch-habsburgische  Linie  dem 
Erlöschen  nahe  schien.  Andererseits  teilte  Maximilian 
völlig  das  kursächsische  Streben  nach  Aufrechterhaltung 
des  Friedens.  Infolgedessen  war  er  nicht  nur  mit  August 
eng  befreundet,  sondern  bedurfte  seiner  ebenso  sehr  wie 
umgekehrt;  denn  wenn  der  Kaiser  August  vor  den  Kopf 
stiefs,  hätte  er  ihn  gewaltsam  auf  die  pfälzische  Seite 
hinübergetrieben  und  damit  diejenige  Partei  verstärken 
helfen,  welche  es  auf  eine  Machterweiterung  des  Pro- 
testantismus und  mittelbar  auf  eine  Verschiebung  der 
politischen  Verhältnisse  zu  Ungunsten  des  Kaisers  ab- 
gesehen hatte.  So  war  Augusts  Einflufs  am  Wiener 
Hofe  bedeutend,  zum  Vorteil  Oraniens  und  zum  grofsen 
Verdrusse  Chantonnays,  der  seinem  Ärger  darüber  offen 
Luft  machte").  Persönliche  Momente  förderten  Augusts 
Ansehen.  Chantonnay  war  Maximilian  unsympathisch. 
Ferner  war  die  Gesundheit  des  Kaisers  niemals  eine 
sehr  feste,  so  dafs  man  ihm  schon  vor  seinem  Regierungs- 
antritt keine  lange  Lebensdauer  voraussagte  ^-) ;  schmerz- 
hafte Anfälle  fesselten  ihn  oft  ans  Bett  und  führten 
häufig  zu  einer  Änderung  seiner  Dispositionen  und  zur 
Einschränkung  seiner  Thätigkeit.  Daher  lag  die  Last  der 
Regierungsgeschäfte  im  wesentlichen  auf  den  Schultern 

")  Koch,  Quellen  zur  Geschichte  Maximilians  I,  46  f.  —  II  i  tt e  r 
in  V.  Webers  Arch.  N.  F.  V,  .^42  f. 

'2)  .luste,  Les  pays-bas  sous  Philipp  IL  1,  146.  —  Alberi, 
Relazioni  degli  anibasciatori  Veneti  I,  8,  151. 


Kurfürst  August  und  der  niederländische  Aufstand.  41 

des  Vizekanzlers  Ulrich  Zasius,  der  nicht  nur  einer  der 
eifrigsten  beim  Abschlüsse  des  Augsburger  Religious- 
friedens  gewesen,  sondern  auch  seit  den  Tagen,  da  er 
die  Nachfolge  Philipps  im  Reiche  bekämpft,  ein  groiser 
Feind  der  Spanier  und  namentlich  Granvelles  geworden 
war;  Granvelle  aber  w^ar  der  Bruder  des  jetzigen 
spanischen  Gesandten  und  flöfste  diesem  wieder  das 
grölste  Mils trauen  gegen  Zasius  ein. 

In  bewulstem  Antagonismus  arbeiteten  nun  Spanier 
und  Antispanier  am  kaiserlichen  Hofe  einander  entgegen. 
Chantonnay,  welcher  als  Schwager  des  bekannten  nieder- 
ländischen Edelmanns  Brederode  mancherlei  Beziehungen 
in  den  Niederlanden  hatte  und  sich  namentlich  durch  den 
Bistumsverweser  seines  Bruders,  Morillon,  fortlaufend 
berichten  liels^'^),  war  Maximilian  auf  den  Reichstag  gefolgt 
und  hatte  den  Rat  Köbel  und  den  Grafen  von  Mansfeld, 
welche  im  speziellen  Auftrag  der  Generalstatthalterin  zu 
Augsburg  erschienen  waren,  nach  Kräften  unterstützt'''). 
Und  wenn  die  Evangelischen  wünschten,  dafs  Maximilian 
durch  sein  offenes  Eintreten  Philipp  von  Gewaltmalsregeln 
zurückhalten  sollte,  so  richteten  die  Spanier  und  Margarete 
ihr  Augenmerk  auf  die  Gefahr,  die  für  sie  aus  der 
Verstärkung  ilirer  Gegner,  besonders  aus  den  Söldner- 
werbungen, entstehen  konnte. 

Infolge  dieser  entgegengesetzten  Einflüsse  war  der 
Charakter  der  kaiserlichen  Politik  unbestimmt  und 
schwankend.  Man  gab  in  Wien  nach  beiden  Seiten  die 
besten  Versicherungen,  ohne  jedoch  entschieden  auf- 
zutreten. Fest  stand,  wie  bemerkt,  das  Streben  nach 
Erhaltung  des  Friedens  und  die  Furcht  vor  seiner  Ge- 
fährdung. Deshalb  waren  Maximilian  die  Werbungen 
der  Niederländer  in  Deutschland  zuwider.  Andererseits 
durfte  August,  besonders  so  lange  er  mit  Gratifikationen 
an  Zasius  nicht  sparte,  hoffen,  dals,  wenn  er  Maximilian 
und  dessen  Diplomaten  von  der  Grölse  der  Gefahr  über- 
zeugte, diese  bei  Philipp  mit  möglichstem  Nachdruck  für 
die  Abwendung  blutiger  Malsregeln  eintreten  würden. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1566  begannen 
sich  nun  die  Verhältnisse  in  den  Niederlanden  wesentlich 
zuzuspitzen  und  demgemäfs  die  Hilfegesuche  nach  Deutsch- 
land dringender  zu  werden.    Die  längst  vorhandene  reli- 


^^)  Poullet,  Correspondance  du  cardiual  de  Granvelle  I,  351  ff. 
•*)  Poullet  I,  32.5  ff. 


43  Gustav  Wolf: 

giöse  Gäliruiig  hatte  sich  zum  Bildersturm  verdichtet; 
die  Kirchen  und  Klöster  Antwerpens  und  anderer  Städte 
waren  einige  Tage  der  Willkür  des  aufgeregten  Pöbels 
preisgegeben. 

Der  Prinz  sowohl  als  Graf  Ludwig  haben  ihrem 
Bruder  Johann  versichert  —  und  bei  dem  freundschat't- 
lichen  Verhältnisse  zwischen  den  Brüdern  haben  wir 
keinen  Grund,  an  der  Aufrichtigkeit  dieser  Erklärung 
zu  zweifein  — ,  dals  sie  an  den  Excessen  völlig  unschuldig, 
dals  diese  ihnen  im  Gegenteil  sehr  unwillkommen  gewesen 
seien  ^■''j.  Wirklich  waren  die  Folgen  für  Uranien  nicht 
die  günstigsten.  Rechtfertigten  die  Ereignisse  doch  die 
Prophezeihungen  des  Kardinals  Granvelle  und  seiner 
Freunde,  welche  den  König  fortwährend  vor  dem  Aus- 
bruch solcher  Unruhen  gewarnt  hatten!  Es  war  zu  be- 
fürchten, dals  Philipp  die  Ausführung  der  längst  ge- 
planten IVIalsregeln  beschleunigen  und  strenger  wie  sonst 
auftreten  w^ürde.  Die  zweite,  fast  noch  wichtigere  Folge 
war  die,  dals  nunmehr  bestimmter  als  bisher  die  kirch- 
liche Frage  in  den  Vordergrund  trat  und  der  katholische 
Adel  kopfscheu  gemacht  wurde;  er  fühlte  sich  in  seiner 
religiösen  Ehre  verletzt,  und  die  Wege  Egmonts  und 
seiner  F'amilie  trennten  sich  nunmehr  von  denen  des 
oranischen  Kreises.  Hierdurch  wurde  die  Widerstands- 
kraft der  Niederländer  gegen  Philipps  Pläne  und  Oraniens 
Aussicht  auf  eine  glückliche  Verteidigung  gemindert. 

Auch  in  Deutschland  war  der  Eindruck  der  flan- 
drischen Excesse  für  die  oranische  Sache  nachteilig.  Um 
denselben  abzuschwächen,  schob  der  Prinz  die  Schuld 
auf  die  Hartnäckigkeit  des  Königs  und  auf  das  Eindringen 
des  Kalvinismus.  Das  letztere  war  nicht  unbegründet; 
wie  überall  waren  auch  in  den  Niederlanden  die  Re- 
formierten diejenigen,  welche  im  Gegensatze  zu  den 
Lutheranern  vorwärtsdrängten  und  vor  schneidigen  Mitteln 
nicht  zurückschreckten.  Und  da  der  Prinz  vom  leiden- 
schaftlichen Treiben  der  Bilderstürmer  nichts  wissen 
wollte,  stand  er  gewifs  damals  den  Lutheranern  durch 
Geshnmng  und  Freundschaft  näher  als  den  Reformierten. 
Trotzdem  war  die  Erwähnung  des  Kalvinismus  ein  ent- 
schiedener Milsgriff.  Es  mag  ja  sein,  dals  die  Erfah- 
rungen, die  Oraniens  Parteigänger  in  Deutschland  schon 


'••)  Grioen  II,  306  ff.  —  Vergl.  Gacbanl,    llelations   iuedits 
S.  144. 


Kwrfürst  August  und  der  niederläiulischo  Aufstand.  43 

damals  —  von  später  ist  es  bezeugt  —  gemacht,  den 
Prinzen  zu  einer  schärferen  Stellungnahme  gegen  die 
Reformierten  bestimmten.  Aber  weil  Philipp  und  Margarete 
die  Unpopularität  der  „Sakramentierer"  in  Deutschland 
kannten,  hatten  sie  mit  Vorliebe  dieses  Mittel  gewählt, 
um  deutsche  Fürsten  und  Reiter  zu  gewinnen;  z.  B. 
hatten  sie  die  Herzöge  Ernst  und  Philipp  von  Braun- 
schweig auf  diese  Weise  für  ihre  Dienste  erlangt^''). 
Mulste  man  nun  nicht  durch  Oraniens  Äulserungen  in 
der  von  seinen  Gegnern  verbreiteten  Ansicht  bestärkt 
werden?  Und  mulsten  nicht  die  strengen  Lutheraner 
stutzig  gemacht  werden? 

In  der  That  lielsen  die  Folgen  nicht  auf  sich  warten. 
Noch  in  Augsburg  hatten  die  evangelischen  Reichsstände 
ein  Glaubensbekenntnis  der  Niederländer  für  echt  lutherisch 
erklärt ;  von  nun  an  begann  man  in  Deutschland  schärfer 
als  bisher  zwischen  niederländischen  Konfessionisten  und 
Reformierten  zu  scheiden  und  die  letzteren  von  der 
Unterstützung  auszuschliefsen.  So  arbeitete  Oranien 
selbst  gegen  sich  und  schwächte  die  Wirkung  seiner 
eigenen  Politik  ab. 

Am  20.  September  schickte  Oranien  den  Grafen 
AVittgenstein  zu  den  befreundeten  deutschen  Fürsten, 
um  dieselben  nochmals  zu  einer  diingiichen  Fürbitte  bei 
Philipp  und  Margarete  zu  veranlassen  und  den  Herzog 
von  Weimar  Johann  Friedrich  den  Mittlern  und  dessen 
Reiter  in  seine  Dienste  zu  nehmen.  Indem  Wittgenstein 
beauftragt  wurde,  auch  von  letzterer  Absicht  die  Höfe 
von  Dresden  und  Kassel  in  Kenntnis  zu  setzen,  lüftete 
der  Prinz  zum  ersten  Male  etwas  den  Schleier  über  seine 
Verteidigungspläne  "). 

Es  war  eine  Steigerung  des  im  Frühjahr  gestellten  Ver- 
langens, aber  in  so  geschickter  Form,  dals  August  und  Land- 
graf Philipp  dazu  eine  bestimmte  Stellung  nehmen  mulsten. 
Allerdings  war  der  Kurfürst  zu  streng  lutherisch,  um 
sich  zur  Unterstützung  der  Reformierten  herzugeben;  auch 
waren  seine  Anschauungen  von  der  Pflicht  der  Unter- 
thanen  gegen  die  Obi-igkeit  viel  zu  ausgeprägte,  als  dafs 
er  die  Vorgänge  in  Antwerpen  und  anderen  Städten  ge- 


'")  Kluckholm  I,  705;  vergl.  Ernst  von  Brauuschweig  an 
August  löm  Oktober  3  Harzburg  (Dr.  A.  III,  82  Niederländische 
Sachen  fol.  21  Religionssachen  No.  1  Bl.  24  f.). 

'■)  Groen  II,  288  ft.  —  Blök,  Verslaag  S.  291.  —  Vergl.  ürt- 
loff,  üeschichte  der  CTrumbachschen  Händel  III,  252  ft". 


44  Gustav  Wolf: 

billigt  hätte.  Aber  er  wulste  recht  wohl,  dals  König 
Philipp  zwischen  Lutheranern  und  Reformierten  nicht 
unterschied  und  die  Alleinherrschaft  der  katliolischen 
Kirche  in  den  Niederlanden  wiederherstellen  wollte. 
Darum  dachte  er  auch  an  die  Eventualität  einer  völligen 
Vergeblichkeit  jeder  1^'ürbitte.  Und  wenn  er  sich  auch 
scheute,  Oranien  in  diesem  Falle  offen  zur  Notwehr  zu 
raten,  so  wurde  er  doch  durch  die  Erwähnung  Johann 
Friedrichs  erschreckt  und  zu  Gegenvorschlägen  ver- 
anlaßt ^^).  Und  diese  bewiesen,  dals  der  Wettiner  mit 
der  Möglichkeit  eines  gewaltsamen  Widerstands  zu 
rechnen  begann,  mochte  er  auch  Wittgenstein  noch  so 
sehr  von  einem  solchen  abraten  '■'). 

Gleichzeitig  erbot  sich  August  nicht  nur  zur  Teil- 
nahme an  der  gewünschten  Interzession,  sondern  fafste 
auch  behufs  einer  positiven  Unterstützung  Oraniens  zwei 
Wege  ins  Auge:  er  suchte  den  Kaiser  zu  gewinnen  und 
die  Bestallungen  deutscher  Söldner  durch  die  General- 
statthalterin  möglichst  zu  verhindern  oder  wenigstens  zu 
erschweren.  Als  Ernst  von  Braunschweig  ihm  von  seinen 
spanischen  Werbungen  berichtet,  hatte  August  die  enge 
Freundschaft,  die  ihn  mit  dem  Herzog  verband,  benutzt, 
um  diesen  über  die  Absichten  Philipps  aufzuklären  und 
vor  unvorsichtigen  Schritten  zu  warnen;  und  Ernst  be- 
dang sich  wirklich  aus,  nicht  gegen  die  Augsburgische 
Konfession  und  die  Häuser  Sachsen  und  Hessen  dienen  zu 
müssen^").  Zugleich  erneuerte  August  am  Tage  nach 
seiner  Erklärung  an  Wittgenstein  seine  Vorstellungen 
beim  Kaiser-^). 

Dieser  sah  sich  wieder  von  beiden  Seiten  bestürmt. 
Die  Herzogin  von  Parma  hatte  ihn  bereits  Anfang  August 
gebeten,  den  Holle  und  Mündiliausen  die  Werbungen  im 
Reiche  zu  untersagen'-').  Als  dann  der  Bilderaufstand 
kam,  ihatte  sie  die  Vermittelung  Chantonnays  zum  gleichen 
Zwecke  angerufen-'^).  Maximilian  kam  der  Aufforderung 
nach:    gleich    Karl  IX.    von   Frankreich   verbot    er   die 


**)  Er  riet,  Johann  Wilhelm  von  Sachsen  statt  Johann  Friedrich 
zu  bestallen. 

'ö)  Green  n,  393  ff. 

2">)  Dr.  A.  III,  82  Niederländische  Sachen  fol.  21  Religions- 
sachen  No.  1  Bl.  76  tf.  —  Khickhohn  I,  715. 

2')  Dr.  A.  a.  a.  O.  Bl.  12(j  ff. 

22)  Gachard,  Philippe  I,  441. 

2a)  Ebenda  I,  463. 


Kiarflü'st  August  ixnd  der  uiederläudische  Aufstand.  45 

oraiiischen  Werbungen  in  seinen  Ländern.  Aber  er 
knüpfte  seine  fernere  Bereitwilligkeit  an  die  Bedingung, 
dals  man  ihn  zum  Unterhändler  zwischen  Spanien  und 
dem  Prinzen  zuliefse.  Er  hoffte,  auf  diese  Weise  sowohl 
im  Reiche  den  Frieden  zu  erhalten,  als  auch  in  den 
Niederlanden  ein  gewaltsames  Vorgehen  Philipps  abzu- 
wenden; denn  eine  friedliche  Verständigung  der  beiden 
Parteien  war  nur  möglich  bei  gegenseitiger  Nachgiebig- 
keit, insbesondere  bei  einer  milden  Politik  des  Königs 
auf  religiösem  Gebiete  ^^).  Indessen  die  Herzogm  von 
Parma  lehnte  das  Ansinnen,  mit  Oranien  auf  gleichem 
Fufse  behandelt  zu  werden,  als  eine  Verletzung  der 
königlichen  Ehre  ab-'^),  und  Philipp,  der  bereits  feste 
Entschlüsse  über  die  in  den  Niederlanden  zu  befolgende 
Politik  gefafst  hatte,  billigte  die  Meinung  seiner 
Schwester-*'). 

Inzwischen  schwebten  äufserst  schleppende  Verhand- 
lungen zwischen  den  evangelischen  Reichsständen.  Als 
Wittgenstein  mit  Augusts  Erbieten,  sich  einer  Gesamt- 
petition der  deutschen  Protestanten  an  Philipp  und  Mar- 
garete anzuschlielsen ,  in  Kassel  eintraf,  nahm  Landgraf 
Wilhelm  die  Sache  in  die  Hand  und  schrieb  an  verschiedene 
Fürsten.  Jedoch  die  dogmatischen  Diflferenzen  lähmten 
ein  geschlossenes  Vorgehen.  Nur  der  Pfälzer  trat  eifrig 
und  energisch  für  die  Niederländer  ein:  er  verglich  die 
Gründe,  welche  Philipp  und  Margarete  geltend  machten, 
mit  denen,  deren  sich  Karl  V.  und  seine  Staatsmänner 
vor  dem  Schmalkaldischen  Kriege  bedient  hatten ;  er  wies 
auf  die  Zusammenkunft  in  Bayonne  und  andere  Anzeichen 
der  neuen  Ära  hin ;  er  ermahnte  seine  fürstlichen  Kollegen, 
ihre  Räte  zusammenzuschicken ,  den  Kaiser  um  Ver- 
mittelung  zu  ersuchen,  Margarete,  Oranien,  Egmont 
schriftlich  oder  mündlich  zum  Schutze  der  bedrängten 
Protestanten  aufzufordern ;  „  denn  so  sie  im  Bade  usge- 
waschen,  würde  man  unser  als  der  nechsten  Genachberten 
der  Religion  verwandten  Stenden  mit  dem  zwagen  gewils- 
lichen  nicht  verschonen".  Um  aber  den  Forderungen  an 
Maximilian  und  Margarete  Nachdruck  zu  verleihen,  ver- 
langte Friedrich,    daß  man  den  Spaniern  den  Duixhzug 


-*)  Gachard,  Philippe  I,  472.  Vergi.  Ritter,  Deutsche  Ge- 
schichte I,  .399, 

25)  Ebenda  I,  480. 

-«)  Ebenda  I,  496.  —  Vergl.  Gachard.  Les  bibliotheques  de 
Madi-id  et  de  l'Escurial  S.  91. 


46  Gustav  Woli: 

versperren  und  dem  Kaiser  die  „Hinterstelligmachung" 
der  Türkenliilfe  nicht  gerade  offen  androhen,  aber  doch 
versteckt  andeuten  sollte-'). 

Die  Aufforderungen  des  Kurfürsten  fielen  meist  auf 
steinigen  Boden.  Johann  Wilhelm  von  Weimar,  an  den 
Friedrich  einen  eigenhändigen  Brief  geschrieben  hatte, 
war  viel  zu  sehr  in  die  Zwistigkeiten  seines  Hauses  ver- 
wickelt, als  dafs  er  diesen  Dingen  grolse  Aufmerksamkeit 
hätte  schenken  können.  August  unterschätzte  die  Gefahr, 
welche  den  niederländischen  Protestanten  drohte,  nicht; 
aber  obwohl  er  den  Versicherungen  der  Generalstatt- 
halterin,  dals  Oranien  und  seine  Freunde  Rebellen  seien, 
nicht  glaubte,  fürchtete  er  doch  die  Reformierten  und 
Sekten  in  ihren  abweichenden  Meinungen  zu  bestärken, 
wenn  er  sie  in  seine  Fürbitte  einschlösse.  Noch  weiter 
ging  Herzog  Christoph  von  Württemberg,  er  lehnte  nicht 
nur  die  von  Pfalz  wiederholt  angeregte  Gesandtenkonferenz 
beharrlich  ab,  sondern  verlangte  auch,  dafs  alle  nieder- 
ländischen Protestanten  sich  auf  der  Grundlage  der 
Wittenberger  Konkordie  verglichen  und  dals  sich  Friedrich 
an  Interzessionen  nicht  beteilige'-*^). 

So  hatte  denn  auch  eine  von  Friedrich  veranstaltete 
Zusammenkunft  in  Heidelberg  ein  sehr  geringes  Ergebnis. 
Nur  Gesandte  der  Landgrafen  von  Hessen  und  des  Mark- 
grafen von  Baden  fanden  sich  ein,  jedoch  mit  dem  Be- 
fehl nur  zuzuhören  und  nichts  zu  beschlielsen.  Das  einzige, 
worüber  man  sich  einigte,  war  die  baldige  Einberufung 
eines  Fürstentages,  für  den  eine  umfangreiche  Tages- 
ordnung aufgestellt  wurde-'').  Als  jedoch  Friedrich  dem 
Beschlüsse  Folge  leisten  wollte,  war  derselbe  durch  die  Er- 
eignisse längst  überholt. 

Denn  immer  näher  rückte  die  Krisis  in  den  Nieder- 
landen; die  Maföregeln  der  Generalstatthalterin  gegen  die 
Protestanten  wurden  schärfer  und  schärfer,  die  spanischen 
Söldnerwerbungon  mehrten  sich.  Und  nun  kam  die  Nach- 
richt, dals  der  König  unter  Führung  des  Herzogs  Alba 
eine  starke  Armee  schicken  werde. 


2')  Kluckhohn  I,  70(>  tt'.;  (lesf!:leicheu  IMedrich  an  August 
156H  November  3  (Dr.  A.  111,  82  Niederläiulisclie  Sachen  t'(.l.  21 
Rcligionssacheii  Xo.  1.  Bl.  111  ff). 

28)  Christoph  au  Wilhelm  1566  Oktober  29  Stiittgart  (Dr.  A.  III, 
82  lol.  21  Religionssachen  No.  1  Hl.  i:i7  ff).  —  Kugler,  Christoph 
Herzog-  zu  Wirtemlierc:  II,  500  ff'. 

2''j  Kluckhohn^ II,  3. 


Kurfürst  August  und  der  niederländische  Aufstand.  47 

Oraiiien  meldete  jeden  gefahrdrohenden  Vorgang  nach 
Kassel  und  Dresden;  am  1.  Dezember  1566  schickte  er 
seinem  Bruder  Johann  eine  lange  Instruktion  für  ihn, 
Königstein  und  Wittgenstein  an  die  süddeutschen  Fürsten. 
Ende  des  Monats  reiste  AVolf  Mühlich,  Mitte  Januar 
Graf  Ludwig  nach  Deutschland. 

Den  Verhältnissen  entsprechend  steigerte  der  Prinz 
seine  Anforderungen.  Im  Sommer  und  Herbst  hatte  er 
nur  Fürbitten  verlangt,  jedoch  schon  damals  durch  die 
geschickte  Art,  Avie  er  die  Werbungen  von  Söldnern  mit 
Wittgensteins  Sendung  nach  Hessen  und  Sachsen  ver- 
einigt hatte,  es  erreicht,  dafs  August  und  Wilhelm  einen 
Widerstand  Oraniens  gegen  den  König  in  den  Kreis  ihrer 
Berechnungen  gezogen  hatten.  Jetzt  ging  Oranien  einen 
Schritt  weiter:  er  liefs  durch  den  Grafen  Ludwig  an- 
fragen, ob  er  die  Niederlande  verlassen  oder  den  Er- 
eignissen Trotz  bieten  solle  •^*').  Ein  formelles  Unter- 
stützungsgesuch war  ja  dieses  Memorial  nicht;  aber  wenn 
Oranien  betonte,  dals  er  durch  seinen  Weggang  sich  selbst 
schuldig  bekennen,  durch  sein  Bleiben  aber  thatsächlich 
dem  König  und  den  Niederlanden  einen  Dienst  erweisen 
würde,  so  liefs  er  seinen  Wunsch  klar  durchblicken;  denn 
zum  Widerstände  bedurfte  er  der  fremden  Beihilfe.  Noch 
deutlicher  trat  seine  Absicht  in  dem  Bittgesuch  hervor, 
welches  seinem  Verlangen  gemäls  die  deutschen  Fürsten 
an  Philipp  und  Margarete  richten  sollten.  Um  den  Ein- 
druck zu  erhöhen  und  seine  Freunde  zu  ermutigen,  bat 
er  um  Einfügung  einer  Drohimg:  die  Fürsten  sollten  er- 
klären, wenn  Philipp  die  Inquisition  und  Ketzergesetze 
nicht  fallen  lasse,  „so  könten  sie  auch  aus  christlicher 
Liebe  und  Treuw  dieselben  irer  Religion  Verwandten  nicht 
lassen,  sondern  wollten  inen  als  iren  Glaubensgenossen 
alle  christliche  Hilf  und  Beistand  leisten".  Das  war  eine 
offene  Ankündigung  des  Widerstandes  gegen  etwaige  Ge- 
waltmafsregeln  Philipps.  Aus  allem  geht  hervor:  Oranien 
Avollte,  die  deutschen  Fürsten  sollten  sich  schrittweise  zu 
einer  kräftigen  Unterstützung  seiner  Genossen  enga- 
gieren"^^). 

Die  Zeit  war  allerdings  wenig  dazu  angethan,  August 
zu   einer  Aufgabe  seiner  reservierten  Stellung  zu  veran- 

30)  Dr.  A.  III,  82  fol.  21  Religionssachen  Xo.  1  Bl.  182  ff.  — 
AugTists  Antwort  Groen  III,  32  ff.  u.  Dr.  A.  a.  a.  0.  mit  dem 
Datum  des  12.  Februar. 

»')  Groen  III,  27  ff. 


48  Gustav  Wolf: 

lassen.  Der  Kaiser  hatte  Johann  Friedrich  in  die  Acht 
erklärt  und  den  Kurfürsten  mit  der  Exekution  beauftragt; 
dieser  war  gerade  damals  mit  den  Vorbereitungen  zur 
Belagerung  der  ernestinischen  Festung  Gotha  beschäftigt. 
Aber  er  kam  doch  schon  vor  der  Ankunft  des  Grafen 
Oranien  einen  Schritt  entgegen.  Während  er  im  Herbste 
sich  nur  den  übrigen  protestantischen  Fürsten  hatte  an- 
schliefsen  wollen,  ergriff  er  jetzt  selbst  die  Initiative  und 
berief  eine  Zusammenkunft  der  kursächsischen,  hessischen 
und  württembergischen  Räte  für  den  ersten  Februar  nach 
Fulda.  Die  Pfälzer  wurden  nicht  eingeladen.  Sie  würden 
in  eine  Beschränkung  der  Fürbitte  auf  die  Konfessionist en 
nicht  gewilligt  haben.  Der  für  August  ausschlaggebende 
Grund  war  aber  nicht  die  kalvinische  Gesinnung  Friedrichs, 
welche  der  Wettiner  zum  Vorwand  nahm,  sondern  die  Be- 
sorgnis, dafs  die  Pfälzer  für  eine  thatkräftige  Unterstützung 
der  Niederländer  eintreten  und  bei  den  anderen  Gesandten 
Beifall  finden  würden. 

Das  Ergebnis  der  Konferenz  entsprach  den  Grund- 
sätzen der  kursächsischen  Politik  und  msbesondere  der 
Instruktion ,  welche  August  seinem  Rat  Erich  Volkmar 
von  Berlepsch  mitgegeben  hatte-^-).  Man  beschlols  eine 
Bittschrift  an  Philipp,  eine  stattliche  Gesandtschaft  an 
Margarete,  einen  Bericht  an  den  Kaiser  und  auf  Ver- 
anlassung der  hessischen  Gesandten  ein  Gesuch  an  die 
Königin  -  Mutter  von  Frankreich,  sich  gleichfalls  für  die 
Niederländer  zu  verwenden.  Diese  vier  Schreiben  sollten 
durch  die  Herren  der  anwesenden  Gesandten  vollzogen 
und  dann  auch  an  andere  Fürsten  geschickt  werden; 
doch  wurde  trotz  der  hessischen  Einsprache  Kurfürst 
Friedrich  ausdrücklich  von  der  Teilnahme  ausgeschlossen''-'). 

Während  dieser  Beratungen  verhandelte  Graf  Ludwig 
mit  den  befreundeten  Höfen.  Aber  nur  in  Kassel  brachte 
man  den  Werbungen  ein  Verständnis  entgegen.  Philipp 
und  Wilhelm  erkannten  die  Notwendigkeit  umfassender 
Schutzmalsregeln  an-'*);  ja  sie  schlugen  selbst  einen  ihrer 

32)  Die  Instruktion  vom  21.  Januar  1567:  Dr.  A.  III,  82  fol.  21 
lleligionssachen  No.  1  BI.  167  ff. 

•"')  Neudecker,  Neue  Beiträge  II,  114  ff.  —  Heppe,  Ge- 
schichte des  deutschen  Protestantismus  in  den  Jaliren  1555—85  II, 
168  ff.  —  Kluckhohn  a.  a.  0.  II,  5  f.  —  Green  IH,  80  ff".  — 
Ritter  in  v.  Wehers  Arch.  N.  F.  V,  326  f. 

^^)  Eigenhändiges  Sclu-eiben  des  Grafen  Ludwig  an  Günther  von 
Schwarzburg  s  d.  (Dr.  A.  III,  82  fol.  21  Religionssachen  No.  1  Bl.  286  ff.) : 
Die  Landgrafen  raten  „.  .  das  man  .  .  fortfulu'e  und  sehe,  wie  man 


Kurfürst  August  und  der  niederländische  Aufstand.  49 

Unterthaneii,  llatzenberger,  für  Oraniens  Dienste  vor  und 
lielsen  den  Grafen  in  Kassel  Reiter  für  seinen  Bruder 
engagieren.  Dennoch  scheuten  sie  sich,  offen  für  die 
Niederländer  Partei  zu  ergreifen  und  wollten  die  Drohung, 
welche  die  deutschen  Fürsten  nach  Oraniens  Vorschlag 
ihrer  Bittschrift  an  Margarete  anfügen  sollten,  ohne  Zu- 
stimmung des  Kurfürsten  von  Sachsen  nicht  bewilligen; 
es  war  aber  vorauszusehen,  dais  August  niemals  einen 
solchen  Druck  auf  die  Entschlüsse  des  Königs  und  der 
ßegentin  billigen  würde. 

Dagegen  legte  der  alte  Landgraf  das  gröfste  Gewicht 
auf  eine  kaiserliche  Vermittelung.  Deshalb  befahl  er  — 
vielleicht  veranlalst  durchVorschläge  und  Winke  Oraniens'^'"') 
—  seinen  Gesandten,  die  er  auf  den  Reichstag  nach 
Regensburg  abfertigte,  die  Türkenhilfe  nur  dann  zu  be- 
willigen, wenn  Maximilian  sich  in  der  niederländischen 
Sache  geneigt  zeigen  würde.  Ein  so  bestimmtes  Vor- 
gehen hatte  bisher  nicht  einmal  der  Kurfürst  Friedrich, 
dessen  Taktik  doch  sonst  eine  entsprechende  war,  offen 
vorzuschlagen  gewagt. 

Es  könnte  auffallen,  dafs  gerade  Philipp,  welcher 
in  anderen  Dingen,  wie  der  Aufhebung  des  geistlichen 
Vorbehalts  grolse  Zurückhaltung  beobachtete,  plötzlich  so 
energisch  und  zielbewulst  auftrat.  Thatsächlich  war  diese 
Entschiedenheit  in  den  ganzen  Anschauungen  der  hessischen 
Politiker  begründet.  Denn  es  handelte  sich  nicht  wie  bei 
der  Aufhebung  des  Vorbehalts  und  denReligionsbesch  werden 
um  „Privataö'ekte"  und  um  Spezialinteressen  einzelner 
Stände,  sondern  der  Landgraf  betrachtete  die  Niederlande 
als  eine  Vormauer  des  deutschen  Protestantismus,  nach  deren 
Fall  der  Religionskrieg  in  Deutschland  entbrennen  würde. 
Um  des  eigenen  Schutzes  willen  verlangte  er  den  der 
niederländischen  Glaubensgenossen,  so  lange  es  Zeit  sei. 

Die  kursächsischen  Gesandten  waren  verblüfft,  als 
der  hessische  Kanzler  Jakob  Lerlsener  ihnen  und  den 
anderen  evangelischen  Räten  einen  Auszug  aus  seiner 
Instruktion  vorlegte  und  mehrfach  um  Bescheid  anhielt  ■''*). 

sich  alshald  der  vornemsten  stedt,  auch  Hollands  versichern  möge 
und  etliche  pferd  und  fuefsvolk  uff  die  beine  bringe,  damit  man  von 
den  adversariis,  so  sich  von  tag  zu  tag  Sterken,  nicht  uberhuet  und 
das  vorteil  sampt  den  pessen  also  von  inen  abgelaufen  werde,  das 
auch  solchs  ohne  einigen  Verzug  in  das  werk  gestellet  werde  .  .  .  ." 

35)  Green  II,  65  ff.  —  Vergl.  Gachard,  Philippe  I,  492  ff. 

3ö)  Iläte  au  August  1567  März  27  Regensburg  (Dr.  A.  II T, 
111  fol.  182  No.  1  Bl.  69  ff.). 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.  XIV.  1.  •>.  4 


50  Gustav  Wolf: 

Hatte  August  doch  noch  kürzlich  im  Lager  vor  Gotha 
zum  Grafen  Ludwig  gesagt,  dals  Oranien  sich  der  von 
Gott  geordneten  Obrigkeit  nicht  widersetzen  und  mit 
einer  Rechtfertigungsschrift  begnügen  müclite-").  Seinen 
Eeichstagsgesandten  hatte  er  zwar  befolilen,  sich  in  der 
niederländischen  Frage  von  den  übrigen  nicht  zu  trennen 
und  alles  zu  thun,  „was  zur  Abwendung  der  armen  Leute 
Not  und  Gefahr  zu  tliun  möglich".  Aber  ausdrücklich 
hatte  er  betont,  die  Türkenhilfe  müsse  der  Kaiser  er- 
halten. 

Die  hessische  Aktion  wurde  durch  den  Tod  des  alten 
Landgrafen  vereitelt.  Hessen  zerfiel  fortan  in  mehrere 
Teile,  deren  gröfster  mit  der  Hauptstadt  Kassel  an  den 
ältesten  Sohn  Wilhelm  kam.  Obgleich  derselbe  in  den 
letzten  Jahren  sein  Wohlwollen  gegen  Oranien  vielfach 
bewiesen,  so  stand  er  an  Macht  und  Ansehen  hinter 
seinem  Vater  zurück  und  lenkte  durchaus  in  das  kur- 
sächsische Fahrwasser;  wenn  er  der  Zustimmung  und  des 
Rückhalts  Augusts  nicht  sicher  Avar,  wagte  er  keine  aktive 
Politik.  So  konnte  der  Kurfürst  den  Landgrafen  in  einer 
persönlichen  Zusammenkunft  mit  leichter  Mühe  zur  Zurück- 
nahme des  väterlichen  Befehls  bestimmen.  Als  dann  im 
Kurfürstenrate  über  die  Türkenhilfe  verhandelt  wurde, 
machten  die  Pfälzer  noch  einen  schüchternen  Versuch 
und  forderten  vorherige  Abschaffung  der  „Abgötterei  und 
des  Blutvergiefsens",  sowie  der  niederländischen  und 
gothaischen  Wirren ;  aber  obgleich  Brandenburg  zustimmte, 
votierten  die  Kursächsischen  doch  nach  ihren  Befehlen 
und  bildeten  mit  den  Geistlichen  zusammen  die  Mehrheit. 
Der  hessisch-pfälzische  Vorstofs  war  gescheitert-^^). 

Inzwischen  vollzog  sich  in  den  Niederlanden  eine 
entscheidende  Wendung.  Da  es  Oraniens  Anstrengungen 
nicht  gelang,  die  durch  den  Bildersturm  bewirkte  Spal- 
tung des  Adels  wieder  zu  beseitigen  und  einen  geschlossenen 
Widerstand  gegen  die  zu  befürchtenden  Angriffe  zu 
organisieren,  brach  er  die  bis  dahin  noch  unterhaltenen 
Beziehungen  mit  Margarete  und  der  spanischen  Regierung 
völlig  ab  und  begab  sich  erst  nach  Breda  und  am 
22.  April  nach  Deutschland'^"). 


3'0  Groeu  III,  32  ff. 

3*)  Räte  an  August  1567  April  Ifi  Regeusburg  (Dr.  A.  111, 
111  Reichstagssachen  fol.  182  No.   1  VA.  128  f.). 

8")  Vergi.  den  ansclianlichen  IJriff  Landgraf  Wilhelms  an  August 
loOy  April  26  (Dr.  A.   III,  (i7a  fol.  350  No.  4  Bl.  101   tf). 


Kurfürst  Aug'iist  und  der  niederländische  Anfstand,  51 

Der  Schritt  darf  nicht  als  ein  Akt  augenblicklicher 
Mutlosigkeit  angesehen  werden'*").  Erstens  entsprang  er 
keinem  plötzlichen  Entschlüsse,  zweitens  war  er  gefafst 
mit  Rücksicht  auf  die  allgemeine  Lage,  und  drittens 
setzte  Oranien  genau  dieselbe  Politik  fort,  die  er  vorher 
in  den  Niederlanden  befolgt  hatte.  Die  Abreise  bildete 
ein  Glied  in  der  Kette  der  oranischen  Politik.  Äufse- 
rungen,  dals  er  sich  nach  Deutschland  zurückziehen  wolle, 
hatte  der  Prinz  schon  oft  fallen  lassen.  Egmont  und 
Hoorne  liielten  sich,  wie  wir  sahen,  von  Oranien  fern; 
trotz  eines  Angebots  von  Antwerpener  Kaufleuten  fehlte 
es  zum  Kriege  an  Geld,  und  Landgraf  Wilhelm  liels 
dem  Grafen  Johann  sagen,  dals  auf  deutsche  Hilfe  nicht 
zu  rechnen  sei").  Schlielslich  hatte  Ludwig  noch  gehofft, 
bei  seiner  Anwesenheit  im  Lager  vor  Gotha  die  Be- 
lagerer oder  Belagerten  zu  gewinnen.  Aber  auch  das 
wurde  vereitelt,  da  nach  dem  Falle  der  Stadt  der  Kaiser 
die  vakant  gewordenen  Truppen  in  Wartegeld  nahm. 
Wenn  nun  Oranien  alles  dies  zusammenfafste  und  damit 
die  gewaltigen  Vorbereitungen  und  Rüstungen  der 
Spanier  verglich,  dann  mulste  ihm  das  Festhalten  an 
seinem  Defensivplan  als  ein  tollkühnes  Unternehmen 
erscheinen.  Eher  durfte  er  erwarten,  dafs  die  Spanier 
durch  ein  strenges  Regiment  Niederländer  wie  Deutsche 
aufreizen  und  dem  Prinzen  in  die  Hände  arbeiten  würden. 

Währenddes  setzte  Kurfürst  Friedrich  seine  Be- 
mühungen fort.  Den  Hessen  war  der  Ausschküs  des 
Pfälzers  von  den  Fuldaer  Beratungen  niemals  sympathisch 
gewesen.  August  hatte  seinen  Hauptzweck,  den  er  mit 
der  Zurückweisung  des  Pfälzers  verband,  erreicht  und 
zu  weit  gehende  Beschlüsse  verhindert.  Und  auch  Christoph 
lenkte  ein  und  schickte  die  Kopieen  der  Fuldaer  Verab- 
redungen an  den  Kurfürsten.  So  wurde  dieser  plötzlich 
von  allen  drei  Seiten  zwar  nicht  zum  Auschluls  auf- 
gefordert, aber  doch  von  den  Verhandlungen  verständigt 
und  konnte  den  Plan  einer  süddeutschen  Gesandten- 
konferenz mit  besserem  Erfolge  wieder  aufnehmen. 
Anfang  April  traten  die  württembergischen,  badischen 
und  pfälzischen  Räte  in  Heidelberg  zusammen  und  be- 
schlossen durch  die  rheinischen  und  schwäbischen  Kreis- 
stände den  Kaiser  zu  bewegen,  dafs  er  Philipp  die  Be- 


4«)  So  stellt  es  Ritter  (Deutsclie  Geschichte  I,  372  f.)  dar. 
^1)  Blök,  Correspondentie  S.  62  K 

4* 


52  Gustav  Wolf: 

scliwerung'  deutscher  ßeiclisangehüriger  durch  Durchzüge 
und  Truppenansammhingen  verbiete,  und  im  Weigerungs- 
falle Maximilian  die  Verringerung  der  Tiirkenhilfe  nicht 
otten  anzudrohen,  aber  wenigstens  anzudeuten.  Um  aber 
auch  wirklich  vor  Überfällen,  Werbungen  und  ähnlichen 
Belästigungen  sicher  zu  sein,  einigten  sich  die  Eäte  über 
die  Aufstellung  einer   gemeinschaftlichen  Defensivmacht. 

Indes  der  Heidelberger  Abschied  blieb  unausgeführt. 
Herzog  Christoph  und  Markgraf  Karl,  welche  ihr  Gebiet 
nicht  unmittelbar  bedroht  sahen  und  deshalb  die  erheb- 
lichen Kosten  für  die  Truppen  scheuten,  genehmigten  die 
Beschlüsse  nicht.  Friedrich  legte  zwar  der  Verabredung 
gemäls  dem  kurrheinischen  Kreistag  ein  Schreiben  an 
den  Kaiser  vor.  La  jedoch  die  geistlichen  Kurfürsten 
in  den  Niederländern  nur  Rebellen  sahen  und  an  der 
Freistellung  der  evangelischen  Religion  in  Philipps 
Ländern  kein  Interesse  hatten,  vereitelten  sie  das  Vor- 
haben und  lehnten  die  Bittschrift  ab*-). 

Der  Kurfürst  wurde  durch  solche  Erfahrungen  nicht 
entmutigt.  Er  schickte  seinen  Sohn  Johann  Kasimir  zu 
Christoph,  um  ihm  über  die  Lage  zu  berichten  und  seine 
persönlichen  Beziehungen  zu  ihm  zu  befestigen.  Obgleich 
Landgraf  Wilhelm  auf  Augusts  Veranlassung  sich  nach- 
träglich den  Bedenken  Christophs  und  Karls  gegen  den 
Heidelberger  Abschied  angeschlossen  hatte,  benutzte 
Friedrich  doch  eine  Zusammenkunft  der  hessischen  Brüdei', 
um  durch  seinen  soeben  zurückgekehrten  Sohn  für  seine 
Wünsche  Stimmung  zu  machen*^).  Aber  der  Bescheid, 
welchen  Johann  Kasimir  erlangte,  wurde  von  Wilhelm 
selbst  als  „rauh"  bezeichnet.  Die  Landgrafen  baten  den 
Pfälzer,  sich  der  Augsburgischen  Konfession  anzuschlielsen 
und  die  verschrieensten  Theologen  abzuschaffen,  und 
erinnerten  ihn,  dals  er  durch  die  Wiederaufnahme  der 
aus  den  Niederlanden  zurückgekehrten  Prediger  den 
Spaniern  Ärgernis  gegeben  habe;  im  übrigen  verwiesen 
sie  ihn  an  August  und  Christoph'*). 

So  blieb  als  einziges  wirkliches  Ergebnis  aller  Ver- 
handlungen jene  Gesandtschaft  übrig,  die  nach  Augusts 
Vorscldägen  in  Fulda  beschlossen  w'orden  war.    Jedoch 


"2)  Klnckhohn  11,  24  f.  59. 

-'S)  Kluckholm  11,  40  ff. 

")  Die  Antwort  der  Landgrafen  vom  17.  Mai  Ziegenhain  (Dr. 
A.  in,  67a  fol.  350  Nu.  4  JJl.  177  ff.);  vergl.  Wiliielin  an  August 
1067  Mai  18  Ziogonliain  (Dr.  A.  ebenda  Bl.   i:}4  f.). 


Knifürst  Anglist  niid  der  niederländische  Anfstand.  53 

trotz  Oianieiis  Mahnungen  zur  Eile  kam  der  Mai  heran, 
ehe  die  Räte  in  Köln  zusammentrafen.  Um  Bespre- 
chungen derselben  mit  den  niederländischen  Protestanten 
zu  hindern,  wollte  Margarete  sie  erst  durch  ihren  Sekretär 
Scharnberger  an  der  Grenze  abfertigen  lassen.  Mit 
Mühe  erreichten  sie,  dafs  sie  nach  Antwerpen  kommen 
durften.  Aber  sie  wurden  ängstlich  bewacht  und  schnell 
beschieden.  Sie  waren  gerade  beim  Frühstück,  als  Gi-af 
Peter  Ernst  von  Mansfeld  sie  zur  Herzogin  berief;  als 
sie  sich  mit  ihrer  augenblicklichen  Ungelegenheit  ent- 
schuldigten, wurden  sie  schroff  bedeutet,  dafs  man  sie 
jetzt  erwarte.  Am  Tage  nach  der  Werbung  wurde  die 
Antwort,  welche  die  von  den  Zwecken  der  Mission  schon 
wochenlang  unterrichtete  Herzogin  längst  vollendet  hatte, 
in  die  Wohnung  der  Gesandten  geschickt:  Margarete 
verbat  sich  jede  Einmischung  in  innere  ßegierungs- 
angelegenheiten  und  lehnte  eine  eigenmächtige  Änderung 
ihrer  Politik  ab*'^). 

Die  Behandlung  der  Gesandten  wurde  von  den 
deutschen  Fürsten  ganz  allgemein  als  eine  Verhöhnung 
empfunden.  Die  meisten  wollten  sich  dergleichen  nicht 
gefallen  lassen;  insbesondere  der  Pfälzer  erneuerte  seine 
Ermahnungen  zu  einem  engeren  Bündnis  der  evangelischen 
Reichsfürsten  und  überredete  Christoph,  Wilhelm  und  den 
Markgrafen  von  Baden,  welche  Ende  Mai  seine  Gäste 
im  neuen  Schlosse  bei  Heidelberg  waren,  in  einem  Ge- 
samtschreiben den  Kurfürsten  von  Sachsen  auf  die  Grölse 
der  Gefahr  aufmerksam  zu  machen''*').  Aber  August 
blieb  unerschütterlich ;  er  antwortete ,  man  dürfe  die 
Nachrichten  nicht  in  den  Wind  schlagen*' ) ;  das  war  alles, 
was  er  zu  sagen  hatte.  Das  Bündnis  gegen  den  Pro- 
testantismus, welches  die  Heidelberger  Fürsten  ihrem 
Briefe  abschriftlich  beigefügt  hatten,  bezeichnete  er  als 
„eines   unruhigen  Kopfs   müssigen  Wahn  und  Discurs". 

Es  war  klar,  August  wollte  die  Linie,  die  er  sich 
vorgezeichnet,  nicht  verlassen.  Vermöge  seiner  Bezieh- 
ungen zu  den  katholischen  Fürsten  war  er  optimistischer, 


^s)  Groen  III,  90  ff.  93  ff.  —  Wolf  Keller  an  August  1567 
3Iai  17  Lier  (Dr.  A.  in,  82  l  21  Religionssacheu  No.  1  Bl.  393  ff.). 
—  Hoynck  van  Papendrecht,  Analecta  Belgica  I,  426  fi".  Poullet 
II,  463  ff". 

*«)  Kluckhohn  11,  49.  —  Wilhelm  au  August  1567  Juni  2 
Mainz  (Dr.  A.  III,  67  a  fol.  350  No.  4  Bl   210  ff). 

")  August  an  Wilhelm  1567  Juni  12  (ebenda  Bl.  226). 


54  (Justav  Wolf: 

nach  seinem  Charakter  zurückhaltender  als  Friedrich  und 
Wilhelm.  Diese  sahen  die  beginnenden  AVirren  in  den 
Niederlanden  als  Vorboten  eines  deutschen  Religions- 
krieges an;  war  doch  Alba  der  „Ketzerfeldherr",  der  den 
Landgrafen  einst  gefangen  genommen!  Es  entging  auch 
August  nicht,  dals  trotz  des  Schwindens  der  Opposition 
die  niederländische  Regierung  ihre  Truppen  mehr  und 
mehr  verstärkte  und  dals  aulserordentliche  Ereignisse 
sich  vorbereiteten.  Aber  eben  deshalb  hielt  er  die  Lage 
der  deutschen  Protestanten  augenblicklich  für  ziemlich 
sicher;  wie  sollte  Philipp  gerade  jetzt,  da  er  die  Nieder- 
lande unterwerfen  wollte  und  dort  genug  zu  schaffen 
hatte,  sich  durch  einen  Angriff  auf  Reichsgebiet  neue 
Eeinde  machen  und  seine  Lage  unnötig  erschweren  ?  Eine 
Gefahr  für  das  Reich  erblickte  er  nur  unter  einer  Vor- 
aussetzung: wenn  einzelne  Fürsten  die  Niederländer  mit 
Waffengewalt  oder  sonst  unterstützen  und  dadurch  die 
Gegnerschaft  der  Spanier  herausfordern  würden.  August 
meinte,  dals  dann  die  Spanier  sich  nicht  mit  der  Ver- 
teidigung begnügen,  sondern  gegen  die  Verbündeten  ihrer 
Feinde  die  Offensive  ergreifen  möchten.  Der  Ausgang 
eines  solchen  Kampfes  schien  ihm  aber  unter  den  da- 
maligen militärischen  Verhältnissen  nicht  zweifelhaft. 

Darum  wollte  August  diesen  letzteren  Fall  unbedingt 
vermeiden  und  nichts  tliun,  was  Philipp  und  Alba  reizen 
konnte.  So  riet  er  Oranien  von  seinem  Plane,  sich  in 
einef  Schrift  an  die  deutschen  Fürsten  zu  rechtfertigen, 
ab;  der  Prinz,  sagte  er,  dürfe  den  König  nicht  verun- 
glimpfen^*^). Desgleichen  war  er  gegen  die  Konferenz 
evangelischer  Fürsten  oder  Räte  behufs  eines  engeren 
Verteidigungsbündnisses  zwischen  den  konfessionistischen 
Reichsständen,  weil  er  den  Argwohn  der  Gegner  fürchtete 
und  sich  daher  mehr  Schaden  als  Nutzen  davon  versprach; 
er  meinte,  ein  evangelischer  Bund  werde  einen  katholischen 
Gegenbund  hervorrufen  *"). 

Unter  diesen  Umständen  prallten  alle  Vorschläge  des 
Pfälzers  in  Dresden  ab.  Immer  fieberhafter  wurde  dessen 
Thätigkeit,  immer  neue  Pläne  ersann  er  zur  Abwendung 
der  besorgten  Gefahr.  Er  schlug  Christoph  vor,  die  Lehns- 
leute  und  Unterthanen   aus   den  Diensten   der  General- 


is) Blök,  Verslaag  S.  81. 

*")  August  an  die  Heidelberger  Fürsten  1567  Juni  17  Dresden 
(Dr.  A.  111,  51a  fol.  19  No.  78  Bl.  150  ff.). 


Kurfürst  August  uml  der  niederlänclische  Aufstand.  55 

statilialterin  abzuberufen.  Als  die  Spanier  Truppen  in 
(las  Gebiet  des  Kurfürsten  von  Trier  legten,  schienen 
sie  die  Befürchtungen  Friedrichs  und  Wilhelms  zu  recht- 
fertigen; war  dies  nicht  die  vorausgesagte  Verletzung 
des  Reichsgebietes?  Der  Kurfürst  wurde  auch  durch 
Augusts  kühle  Antwort  .auf  das  Schreiben  der  Heidel- 
berger Fürsten  an  der  Aveiteren  Verfolgung  seines  Planes 
nicht  gehindert.  Er  veranstaltete  eine  neue  Fürsten- 
zusammenkunft in  Maulbronn,  in  welcher  man  beschloß, 
die  Gesinnungen  der  geistlichen  Kurfürsten  auszuforschen, 
untei'  einander  fest  zusammenzuhalten  und  die  übrigen 
protestantischen  Fürsten  zur  Teilnahme  an  diesem  Bunde 
einzuladen"^").  Auch  eine  Eeplik  an  den  Kurfürsten  von 
Sachsen  wurde  entworfen  und  ihm  abermals  die  Grölse 
der  Gefahr  zu  Gemüte  geführt.  Kurz  vorher  hatte  Fried- 
rich seinen  Rat  Dr.  Hartmann  nach  Dresden  geschickt 
und  in  gleichem  Sinne  zu  wirken  gesucht. 

August  ging  auf  alle  diese  Pläne  nicht  ein.  Wenn 
der  Kurfürst  von  Trier  sich  verletzt  fühlte,  warum  ergriff 
er  nicht  selbst  die  Initiative  und  wendete  sich  an  die 
Reichsstände?  Indem  August  seine  aufrichtig  religiöse 
Gesinnung  beteuerte  und  im  Falle  wirklicher  Rechts-  und 
Friedensverletzung  seinen  Glaubensgenossen  Hilfe  und 
Beistand  versprach,  wiederholte  er  seine  früheren  Er- 
Avägungen  und  verweigerte  die  ihm  in  Maulbronn  ange- 
sonnene Berufung  eines  niederdeutschen  Konventes ■^^). 
Seinem  Erbieten  gemäls  ermächtigte  er  allerdings  die 
Räte,  welche  er  auf  den  Reichsdeputationstag  nach  Erfurt 
abgefertigt  hatte,  mit  den  anderen  protestantischen  Ge- 
sandten die  niederländische  Frage  zu  besprechen;  aber 
die  Adressaten  konnten  aus  seinen  Befehlen  deutlich 
genug  sehen,  welchen  geringen  Wert  der  Kurfürst  auf 
solche  Verhandlungen  legte  ■^-). 


Während  des  Erfurter  Tages  traf  Alba  in  den  Nieder- 
landen ein.  „Es  giebt  wenige  Personen,  Avelche  sich  seiner 
Ankunft  freuen'',  so  schildert  lakonisch  ein  Spanier  in  der 
Umgebimg  Margaretes   die   damalige  Stimmung   in   den 


^^)  Kluckliohn  II,  66  f.  —  v.  Bezold,  Briefe  des  Pfalzgrafen 
Johann  Kasimir  I,  22. 

51)  Kluckhohn  II,  80  ff. 

•'■'-;  August  an  seine  Erfm-ter  Räte  1567  August  7  Krottendorf 
(Dr.  A.  III,  109  fol.  6  No.  1  El.  33  f.).  —  Augaist  an  Karlowitz 
(ebenda  Bl.  67  f.).  —  Kluckhohn  II,  103. 


56  Gustav  Wolf: 

Niederlanden''-').  Auch  aufserhalb  derselben  balte  man 
etAvas  ganz  anderes  erwartet  und  befürwortet.  Einhellig 
waren  alle  königlich  Gesinnten  im  Rufe  nach  der  persön- 
lichen Anwesenheit  Philipps  und  überwiegend  die  Stim- 
mung für  möglichste  Milde  gewesen.  Der  Kaiser  hatte 
durch  den  Oberhofmeister  seiner  Söhne,  Adam  von  Dietrich- 
stein, verlangt,  zwischen  Lutheranern  und  Reformierten 
zu  unterscheiden  und  ersteren  freien  Abzug  zu  gewähren, 
also  mit  anderen  Worten  den  Augsburger  Religionsfrieden, 
unter  dem  in  Deutschland  die  Ruhe  aufrecht  erhalten 
wurde,  auf  die  Niederlande  anzuwenden.  Der  König 
hatte  dieses  Ansinnen  höflich  abgelehnt ■'^^).  Granvelle 
hatte  vor  dem  Bilderaufstand  Philijjp  geraten,  mit  mög- 
lichst geringer  militärischer  Bedeckung  rasch  selbst  nach 
den  Niederlanden  zu  reisen  und  sich  zu  Genua  von  Egmont 
und  Oranien  empfangen  und  weiter  geleiten  zu  lassen; 
er  erwartete,  dafs  der  König  bei  seiner  Ankunft  sofort 
einen  groisen  Teil  des  Adels  zu  seinen  Diensten  bereit 
finden  und  durch  Belohnungen  und  lockende  Aussichten 
an  sich  fesseln  Avürde ''*•''•).  Selbst  nach  dem  Bilderaufstande 
hatte  er  möglichste  Schonung  und  Milde  empfohlen '''•). 

Allen  diesen  Vorschlägen  war  das  eine  gemeinsam, 
dals  sie  die  Opposition  nicht  gewaltsam  unterwerfen, 
sondern  beschwichtigen  und  in  ihre  verschiedenen  religi- 
ösen und  politischen  Bestandteile  durcli  Klugheit  und 
Mälsigung  auflösen  wollten.  Aber  Philipp  dachte  anders. 
Er  hatte  von  seinem  Vater  den  Grundsatz  geerbt,  dafs 
Gewissens-  und  Religionsfreiheit  der  Unterthanen  zu  dem 
Rechte  der  Religionslosigkeit  führen  müsse,  und  war  zu 
entschiedenem  Vorgehen  entschlossen.  Indem  er  seine 
Reise  in  die  Niederlande  für  eine  nahe  Zukunft  in  Aus- 
sicht stellte,  schickte  er  seinen  ersten  Peldherrn  mit  den 
umfassendsten  Vollmachten  und  einem  schlagfertigen  Heere 
voraus. 

Über  die  Bedeutung  der  Ankunft  All)as  war  niemand 
in  Zweifel ;  man  kannte  ihn  als  den  treu  ergebenen  Diener 
seines  Herrn,  als  einen  strengen  Anhänger  der  katholischen 
Kirche,  als  den  harten  und  zielbewulsten  Kriegsmann, 
der  vor  keinem  Mittel  zurückschreckte.  Der  Herzog 
rechtfertigte  völlig  die  gehegten  Erwartungen.    Die  Ein- 


•^s)  Gachard,  Philippe  I,  558. 

^)  Koch  I,  192. 

"5)  Ponllet  I,  268. 

''0^  PouUet  1,  441.    Gachard,  Philippe  I,  584  f. 


Knifürst  Aiigu.st  und  der  uiederläiidisclie  Aufstand.  57 

Setzung  des  Eats  der  Unruhen,  die  vielfachen  Exekutionen 
niacliten  böses  Bhit;  das  gTöfste  Aufsehen  erregte  aber 
allenthalben  die  Verhaftung  der  Grafen  Egmont  und 
Hoorne.  Diese  Mafsregel  war,  politisch  betrachtet,  ein 
grol'ser  Fehler.  Der  geheime  Sekretär  Margaretes, 
Thomas  Armenteros,  dessen  Briefe  wir  manche  treffende 
Charakteristik  der  in  den  Niederlanden  handelnden  Per- 
sonen verdanken,  schildert  Egmont  als  wohlwollend  und 
dünkelhaft,  leicht  zu  beherrschen  von  denen,  welchen  er 
einmal  sein  Vertrauen  geschenkt  hat").  Dazu  kam  seine 
katholische  Gesinnung  und  seine  Anhänglichkeit  an  den 
König.  Selbst  Granvelle,  gewils  kein  Freund  des  nieder- 
ländischen Adels,  hatte  aus  jahrelangem  Zusammenwirken 
den  Eindruck  empfangen ,  dafs  Egmont  wissentlich  nie- 
mals die  Interessen  seines  Herrn  und  seiner  Religion  ver- 
letzt hätte  und  höchstens  von  anderen  irre  geleitet  worden 
wäre^'^).  Da  der  Graf  nun  einerseits  in  den  Niederlanden 
ein  grolses  Ansehen  genofs  und  andrerseits  nach  Gunst- 
bezeugungen der  Krone  haschte,  so  war  er,  Avie  auch 
Granvelle  sehr  richtig  bemerkte,  zum  Werkzeug  des 
Königs  hervorragend  geeignet.  Statt  dessen  stempelte 
ihn  Alba  zum  Märtyrer. 

Die  Erwägung,  dafs  das  Vorgehen  gegen  die  Grafen 
einen  ungünstigen  Eindruck  erwecken  werde,  drängte  sich 
allerdings  auch  Alba  auf.  Er  schrieb  deshalb  auch  sofort 
an  einige  befreundete  Fürsten  und  an  Chantonnay,  um 
die  besoigte  Wirkung  zu  verhüten"'-').  Aber  obgleich 
sich  infolge  der  Trennung  Oraniens  und  Egmonts  an 
manchen  Orten  eine  gewisse  Schadenfreude  über  das  dem 
letzteren  bereitete  Schicksal  geltend  machte*"'"),  so  war  doch 
im  allgemeinen  die  Erregung  eine  grofse  und  beschränkte 
sich  nicht  auf  evangelische  Kreise"').     Der  Kaiser,  sein 


s^O  Gachard,  Pbilippe  I,  343. 

58)  PouUet  III,  67  f.  100  ff.  189. 

5")  Coleccion  de  documeiitos  ineditos  para  la  historia  d'Espafia 
IV,  452  f.  XXXVII,  30  f.  168  ff.  —  Alba  au  Heiurich  von  Braim- 
schAveig  (Dr.  A.  III,  67  a  fol.  850  No.  5  Bl.  129  ff.). 

öO)  Kervyn  de  Lettenhove,  Relation.s  politiques  des  Pays- 
Bas  et  de  l'Angleterre  V,  8  ff.  Calendar  of  State  papers  fo- 
reign  1566—68  S.  347.  —  Wilhelm  an  August  1567  September  21 
Zapfenburg  (Dr.  A.  III,  67  a  fol.  350  No.  5  Bl.  104  f.). 

«»)  Zasius  an  August  1567  September  80  und  Oktober  21  Wien 
(Dr.  A.  in,  51a  fol.  24  Xo.  10  Bl.  203  ff):  „Gott  woll,  daz  dils  werk 
nicht  ainen  seer  l>raiten  fnefs  hab  und  zumal  noch  vil  ärgers,  dafs 
sich   auch  viel  weiter  erstrecke,  hernach  volge.    Wau  es  dan  allein 


58  Gustav  Wolf: 

Bruder  Erzlicrzog  Karl,  selbst  der  strenggläubige  Albreclit 
von  Bayern  traten  offen  für  die  Grafen  ein"-). 

Ein  aktives  und  entschiedenes  Vorgehen  wagte  indes 
nur  der  Kurfürst  von  der  Pfalz.  In  Bayonne  war 
zwischen  Spanien  und  Frankreich  eine  entschiedene  Be- 
kämpfung der  neuen  Lehre  verabredet  worden.  Die 
Hugenotten,  welche  am  Hofe  Karls  IX.  sehr  mächtig 
Avaren,  hatten  indessen  von  der  ihnen  drohenden  Gefahr 
gehört,  und  als  Katharina  von  Medici  nach  der  Ankunft 
Albas  immer  feindseliger  auftrat,  so  brach  der  zweite 
Hugenottenkrieg  aus*'*').  Im  evangelischen  Deutschland 
glaubte  man  damals  ganz  allgemein,  das  Auftreten  Albas 
habe  Conde  und  seine  Freunde  zum  Widerstände  ange- 
facht und  den  Kampf  verschuldet.  Die  bald  darauf  her- 
vortretende enge  Verbindung  zwischen  der  französischen 
Krone  und  Alba  —  letzterer  scheute  sich  nicht,  die  fran- 
zösischen Katholiken  rückhaltlos  zu  unterstützen  und  für 
ihre  Unterstützung  bei  den  deutschen  Fürsten  einzu- 
treten''M  —  gab  dieser  Ansicht  neue  Nahrung.  Da  er- 
laubte Friedrich  seinem  Sohne  Johann  Kasimir,  Reiter 
zu  werben  und  den  französischen  Glaubensgenossen  zu 
Hilfe  zu  ziehen  ^^). 

Der  Entschlufs  erregte  allseitig  Bedenken.  August 
w^arnte,  dafs  durch  Friedrichs  Parteinahme  die  deutschen 
Katholiken  auf  die  Gegenseite  gedrängt  würden.  Aber 
trotz  dieser  Abmahnungen  des  Wettiners,  trotz  des 
Widerstands  Christophs  gegen  die  Söldner  Werbungen  in 
Württemberg  und  trotz  des  Unwillens  des  Kaisers  liels 
sich  Friedrich  nicht  irre  machen. 

Der  Ausbruch  des  Hugenottenkrieges  hatte  indessen 


diese  teufelskopf  treffen  thät  und  über  ihre  liälfs  aufssieng,  so  Avere 
es  bald  und  leicht  zu  verclageu.  Ich  besorge  aber  ein  anderes  und 
das  die  trimmer  auch  an  die  mit  der  zeit  springen  mochten,  so  der 
Sachen  nicht  allein  unschuldig,  sondern  auch  verdrussig  und  veind 
sein,  wie  dan  die  Kai.  Mt.  herüber  sehr  unlustig  und  übel  zufrieden." 
Die  kaiserliche  Hilfe  wird  den  Grafen  nicht  viel  helfen,  „weil  diefs 
belzebubisch  spanisch  Ungeziefer  das  heftt  schon  ergriffen  und  in  irem 
hochmütigen,  hoffertigen  sinn  der  ganzen  weit  stark  genug  zu  sein 
sich  gedenken." 

«•-)  Gachard,  Philippe  1,  580.  11,  16. 

"3)  Kervyn  de  Lettenhove,  Les  huguenots  et  les  gueux  II, 
42  ff, 

«*)  Alba  an  August  1567  November  16  Brüssel  (Dr.  A.  III,  82 
fol.  21    Keligionssachen   No.  1   Bl.  575  f.).     Desgl.   an   Heinrich   von 
Braunschweig  (Dr.  A.  III,  51  a  fol.  19  No  79  Bl.  8  f.). 
..       "»)  v.  Bezold  a.  a.  0. 1,  17  ff'. 


Kurfürst  August  und  der  niederländische  Aufstand.  59 

noch  eine  zweite  wichtigere  Folge.  Da  Alba  für  die  fran- 
zösische Regierung  eintrat,  suchten  deren  Gegner  mit 
Uranien  Fühlung  zu  nehmen;  sie  gedachten,  den  fran- 
zösischen und  niederländischen  Konflikt  zu  einem  einzigen 
Unabhängigkeitskampf  zu  verschmelzen. 

Oranien  hatte  inzwischen  nichts  weniger  als  an 
Resignation  gedacht.  In  Heidelberg,  Kassel  und  Stutt- 
gart hatte  er  persönlich  für  seine  Sache  gewirkt  und  das 
Augenmerk  besonders  auf  eine  Fürbitte  für  Egmont  und 
Hoorne  und  auf  eine  Zusammenkunft  der  bedeutendsten 
evangelischen  Fürsten  gerichtet.  Dasselbe  wollte  er  in 
Dresden  thun.  Aber  wenn  schon  Wilhelm  aus  Furcht 
vor  Albas  Verdacht  nur  ungern  die  persönliche  Zusammen- 
kunft bewilligt  hatte*'*'),  war  August  noch  viel  bedenk- 
licher; er  benutzte  die  bevorstehende  Entbindung  der 
Kurfürstin  als  Vorwand  und  lehnte  den  Empfang  Oraniens 
ab"^).  Insgeheim  schickte  er  jedoch  Berlepsch,  welcher  im 
Februar  der  oben  erwähnten  Fuldaer  Konferenz  bei- 
gewohnt und  während  des  Kasseler  Aufenthalts  des 
Prinzen  gleichfalls  dort  geweilt  hatte,  nach  Sondershausen, 
wo  Oranien  damals  die  Gastfreundschaft  seines  Schwagers, 
des  Grafen  Günther  von  Schwarzburg,  genofs*'^).  Dort 
entwickelte  der  Prinz  dem  sächsischen  Gesandten  seine 
umfassenden  Ideen.  Beginnend  mit  der  Fürbitte  für  die 
gefangenen  niederländischen  Grafen  berichtete  er  vom 
hugenottischen  Angebot  und  verlangte  eine  persönliche 
Zusammenkunft  der  evangelischen  Stände,  wenigstens 
Augusts,  Christophs  und  der  hessischen  Landgrafen.  Da 
solle  man  sich  darüber  einigen,  ob  es  sich  in  der  nieder- 
ländischen Frage  um  Rebellion  —  wie  König  Philipp 
und  seine  Leute  immer  vorgaben  —  oder  um  Religion 
handele.  Im  letzteren  Falle  werde  der  Prinz  durch  sein 
Gewissen  zur  That  gedrängt  und  dürfe  aulser  der  fran- 
zösischen auch  englische  und  schweizerische  Hilfe  er- 
warten.   Aus  politischen  Gründen  sich  gegen  die  Obrig- 


«6)  Wilhelm  an  August  1567  Oktober  22  Kassel  (Dr.  A.  III, 
67a  fol.  350  No.  5  Bl.  142  ff.)-  Über  die  Kasseler  Zusammenkunft 
vergl.  noch  Wilhelm  an  August  1567  Oktober  25  Kassel  (ebenda 
Bl.  155  ff.)  und  Berlepsch  an  August  1567  Oktober  31  Kassel  (Dr. 
A.  III,  82  fol.  21  Religionssachen  No.  1  Bl.  541  ff.).  —  Blök,  Ver- 
slaag  S.  180  f. 

"'')  August  an  Oranien  1567  November  10  Dresden  (Dr.  A.  III, 
82  fol.  21  Religionssachen  No.  1  Bl.  530  ff.). 

^'*)  August  an  Berlepsch  1567  November  11  Dresden  (Dr.  A.  III, 
67  a  fol.  350  No.  8  Bl.  474.). 


60  (iustav  Wolf: 

keit  zu  empören  hielt  Oranieii  zwar  für  bedenklich ;  aber, 
meinte  er,  dann  mülisten  er  nnd  seine  Freunde  erwägen, 
„wie  sie  oblieg-ender  Beschwerung  anderer  Gestalt  one 
Verletzung  irer  Gewilsen  lols  werden  möchten  und  daizu 
S.  F.  G.  so  balde  also  ettwan  andere  wol  Gelegeidieit 
zu  finden."  Oranien  schlols  seine  Ausführungen  mit  der 
Beteuerung,  bis  an  sein  Ende  der  christlichen  Wahrheit 
treu  bleiben  zu  wollen''"). 

So  hatte  Oranien  den  letzten  Schritt  gethan,  um  den 
Kurfürsten  in  seine  Pläne  einzuweihen.  In  den  ersten 
Jahren  hatte  er,  scheinbar  absichtslos,  durch  seine  nieder- 
ländischen Schilderungen  Augusts  Vertrauen  erweckt. 
Als  er  dessen  sicher  war,  hatte  er  um  die  Interzession 
des  Kurfürsten  und  der  protestantischen  Reichsstände 
gebeten  und  dadurch  die  passive  Teilnahme  für  seine 
Sache  in  eine  demonstrative  umgewandelt.  Ei'  hatte  dann 
die  gothaischen  Wirren  und  Augusts  Besorgnis  vor  den 
uni'uhigen  Gesellen  Johann  Friedrichs  benutzt,  um  aus 
dem  Wettiner  Erwägungen  über  einen  etwaigen  Wider- 
stand herauszulocken.  Er  hatte  endlich  durch  seinen 
Bruder  jene  Gesandtschaft  der  evangelischen  Fürsten  an 
Margarete  veranlalst,  welche  zwar  ihren  Zweck  gründlich 
verfehlt,  aber  eben  darum  den  in  seiner  Ehre  emi)find- 
lichen  Kurfürsten  äufserst  erbittert  hatte.  Von  den  AVer- 
bungen  Wittgensteins  und  Ludwigs  war  es  nur  ein  kleiner 
Schritt  zu  den  Enthüllungen  in  Sondershausen.  Aller- 
dings, scheinbar  forderte  auch  jetzt  Oranien  keine  Hilfe, 
sondern  überlieis  August  die  Entscheidung.  x\ber  alle 
Fragen  waren  vom  Prinzen  so  gestellt,  dals  sie  eine  be- 
stimmte Antw^ort  erheischten.  Die  Alternative,  ob  es 
sich  um  eine  Verteidigung  des  Protestantismus  oder  um 
eine  politische  Empörung  handele,  hatten  die  evangelischen 
Reichsfürsten  thatsächlich  längst  entschieden;  die  Möglich- 
keit, dals  dieselben  die  niederländische  Bewegung  als  Auf- 
ruhr ansehen  würden ,  war  umsomehr  ausgeschlossen, 
nachdem  sie  ihre  Meinung  vor  einem  halben  Jahre  der 
Generalstatthalterin  ins  Gesicht  gesagt  hatten^'').  Blieb 
aber  nur  der  letzte  Fall,  die  religiöse  Verteidigung,  übrig, 
so  hatte  Oranien  klar  genug  ausgesprochen,  wozu  ihn 
die  Rücksicht  auf  die  „ehrliebenden  Leute"  dränge.   Der 


"")   Beiiepsch    an   Aiigust    1567    November  17    Aiustadt    (Dr. 
III,  82  fol.  21  Keligionssachen  No.  1   Bl.  .549  ff.). 
™)  Groen  111,  82. 


Kurfürst  August  mu\  der  nioflorläiulischo  Aufstand.  61 

ganze  Vortrag  des  Prinzen  war  die  verblümte  Ankündigung- 
eines  Aktionsprogramms. 

Der  Kurfürst  von  Saolisen  befand  sich  gegenüber 
solchen  Ausführungen  in  einer  peinlichen  Verlegenheit, 
Denselben  zuzustimmen  und  ein  gewaltsames  Vorgehen 
gegen  Spanien  ausdrücklich  zu  billigen,  entsprach  seinen 
Grundsätzen  nicht;  wir  sahen  ja,  warum  er  noch  vor 
wenigen  Wochen  die  parallelen  pfälzischen  Bestrebungen 
bekämpft  hatte.  Aber  ebensowenig  vermochte  er  dem 
Prinzen  offen  zu  widersprechen,  ohne  sich  selbst  zu  wider- 
sprechen und  ohne  namentlich  die  Fuldaer  Gesandten- 
instruktion zu  verleugnen,  die  nach  seinen  Angaben  ent- 
worfen und  Uranien  vom  kursächsischen  Teilnehmer  vor- 
gelegt Avorden  war.  So  gelangte  er  zu  einer  unbestimmten 
nichtssagenden  Antwort,  welche  nur  sehr  dürftig  die 
Verlegenheit  der  Dresdner  Staatsmänner  verhüllte.  Wie 
vor  Gotha  gegenüber  dem  Grafen  Ludwig  lehnte  er  aber- 
mals aus  Mangel  an  Sachkenntnis  jede  Direktive  ab  und 
überliefs  dem  Prinzen,  sich  an  den  Kaiser  zu  wenden, 
noch  einige  Zeit  zuzusehen  und  sich  bei  Philipp  und  Alba 
zu  erkundigen,  wessen  er  sich  „seiner  Person,  Lande 
und  Leute,  auch  Gewissen"  halber  zu  versehen  habe'^). 

Die  kursächsische  Erklärung  ist  weniger  interessant 
durch  ihre  positive  Seite  als  durch  das,  was  sie  zwischen 
den  Zeilen  erraten  liels.  Denn  die  Vorschläge  waren 
teils  zwecklos,  teils  unausführbar;  Oranien  wäre  ausge- 
lacht worden,  wenn  er  an  den  König  oder  Herzog  eine 
derartige  Anfrage  gerichtet  hätte  und  die  Nutzlosigkeit 
von  Interzessionen  mufste  jedermann  einsehen,  nachdem 
die  Vorstellungen  des  Kaisers,  der  Herzogin  von  Parma, 
Granvelles,  der  deutschen  Reichsfürsten  das  strenge 
Regiment  Albas  nicht  verhindert  hatten.  Das  Wesentliche 
hingegen  in  Augusts  Resolution  war,  dals  er  dem  Prinzen 
nicht  eine  friedliche,  sondern  nur  eine  abwartende  Haltung 
empfahl  und  dals  er  für  diesen  Rat  keine  Verantwortung 
zu  übernehmen  sich  getraute. 

Oranien  entnahm  aus  dem  Bescheide,  was  er  daraus 
entnehmen  mulste :  in  seinen  Vorbereitungen  fortzufahren 
und  bis  zu  deren  Vollendung  der  weiteren  Entwickelung 
freien  Lauf  zu  lassen.    Er  wulste,  dals  die  Sympathieen 


")  Groen  III,  130  ff.,  vergl  Groen  III,  146  ff.  (Das  Origi- 
nal dat.  Dilleiiburg  den  24.  Dezember  Dr.  A.  III,  82  fol.  21  Religions- 
saclien  Xo.  1  Bl.  598  ff) 


62  (iiTstav  Wolf: 

für  ihn  und  die  Antipathieen  gegen  Spanien  mit  der 
längeren  Fortdauer  des  Alba'schen  Regiments  ununter- 
brochen zunehmen  mulsten. 

Inzwischen  versuchten  sich  einige  Gönner  des  Prinzen 
in  den  ausgefahrenen  Geleisen  der  gütlichen  Yermittelung. 
Auf  dem  Kurfürstentag  von  Fulda,  welchen  der  Kaiser 
um  verschiedener  Händel  willen  Anfang  1568  berufen, 
liefs  er  dem  Ausschreiben  gemäls  über  die  Schritte  Bericht 
erstatten,  welche  er  gethan  hatte,  um  Philipp  zu  einem 
milderen  Verfahren  zu  bewegen.  Die  Gesandten  der 
weltlichen  Kurfürsten  benutzten  die  Gelegenheit  zu  einer 
Erörterung  der  niederländischen  Frage  und  forderten  den 
Kaiser  auf,  seine  Bemühungen  fortzusetzen.  „Dann," 
meinte  der  Pfälzer,  „ein  Baum  falle  von  einem  Streich 
nicht,  so  weren  auch  mer  Stunden  am  Tage."  Am  eif- 
rigsten waren  wie  gewöhnlich  die  Gesandten  des  Kur- 
fürsten Friedrich,  welche  viel  von  einer  internationalen 
Verschwörung  der  Katholiken  gegen  die  Evangelischen 
redeten  und  für  die  Niederlande  und  Frankreich  einen 
umfassenden  Religionsfrieden  verlangten.  Die  Geistlichen 
wollten  von  alledem  nichts  wissen :  wenn  die  Evangelischen 
sich  auf  den  Augsburger  Religionsfrieden  beriefen,  so 
durften  sie  erwähnen,  dafs  die  spanische  Regierung 
katholisch  war  und  andersgläubige  Unterthanen  nicht  zu 
dulden  brauchte;  wenn  Vorschläge  zur  Beratung  gemacht 
wurden,  so  bezogen  sie  sich  auf  die  Ausschreiben  zum 
Kurfürstentage,  welche  ausdrücklich  nur  eine  kaiserliche 
Berichterstattung,  nicht  aber  eine  Debatte  in  Aussicht 
genommen  hatten.  Schließlich  einigte  man  sich  über 
einige  allgemeine  Sätze,  in  denen  man  dem  Kaiser  für 
sein  bisheriges  Verhalten  dankte  und  denselben  bat,  nicht 
nachzulassen  und  Alba  zur  Beobachtung  der  Reichs- 
gesetze aufzufoi'dern ;  dem  Wunsche  der  Geistlichen  ge- 
mäls blieb  die  Religion  unerwähnt"-). 

Indessen  gingen  die  Dinge  in  den  Niederlanden  ihren 
Weg  ruhig  weiter;  gerade  während  die  Gesandten  in 
Fulda  über  die  Mahnungen  zur  Milde  berieten,  geschahen 
einige  Ereignisse,  welche  in  Deutschland  das  grölste  Auf- 
sehen erregten.    Die  Grundstücke,  Einnahmen  und  Güter 


■^2)  Sitzungsprotokoll  vom  19.  Januar  (Dr.  A.  TIT,  22  fol.  16 
No.  5  Bl.  ;34  ff.).  —  Relation  an  die  kaiserlichen  Konnuissare  vom 
23.  Januar  (No.  3  Bl.  161  ff.).  —  Berlepsch,  Lindeman  und  Bock  an 
August  1568  .lanuar  25  und  Felmxar  1  (No.  3  Bl.  144  ff.  215  ff").  — 
Fuldaer  Abschied  (No.  3  Bl.  452  ff).  —  Kluckhohn  II,  143.  174  ff 


Kurfürst  August  und  der  niederländische  Aufstand.  63 

Oraniens  auf  spanischem  Gebiete  wurden  beschlagnahmt, 
seine  Briefe  und  Register  versiegelt.  Aulserdem  iiels 
Alba  gegen  Oranien,  Hoochstraten  und  andere,  die  ge- 
flüchtet waren,  einen  Kontumazialprozels  einleiten  und 
am  22.  Januar  auf  den  Stralsen  von  Brüssel  eine  feier- 
liche Proklamation  verkünden,  in  welcher  der  Prinz  als 
Anstifter  des  Aufstandes  und  als  Hochverräter  hingestellt 
wurde '•^).  Endlich  liels  auf  Granvelles  Rat  der  Herzog 
Oraniens  ältesten  Sohn,  den  Grafen  von  Büren,  der  unter 
seinem  Hofmeister  Wildberg  zu  Löwen  seinen  Studien 
oblag,  wegführen  und  nach  Spanien  bringen'^). 

Dem  Kurfürsten  von  Sachsen  gingen  die  Dinge  sehr 
nahe.  Konnte  er  doch  leicht  in  Mitleidenschaft  gezogen 
werden,  wenn  seine  Nichte  und  deren  Gemahl  ihrer  Er- 
werbsquellen beraubt  wurden.  Zuerst  wurde  er  hierdurch 
veranlaßt,  energischer  in  den  Kaiser  zu  dringen. 

In  Wien  hatte  damals  die  sächsisch -oranienfreund- 
liche  Partei  die  Oberhand.  An  sich  bewiesen  das  aller- 
dings weder  die  wortreichen,  aber  inhaltsarmen  eigen- 
händigen Schreiben  des  Kaisers  an  August,  noch  auch 
die  giftigen  Äulserungen  des  österreichischen  Vizekanzlers. 
Aber  es  bestanden  doch  gewisse  Momente,  welche  die 
Stimmung  zu  Ungunsten  der  Spanier  beeinflussen  mulsten. 
Unangenehm  berührte  die  Thatsache,  dals  Philipp  trotz 
der  freundschaftlichsten  Versicherungen  allemal  das  Gegen- 
teil von  dem  that,  was  ihm  sein  Schwager  empfahl.  So 
lange  das  jetzige  Regiment  in  den  Niederlanden  anliielt, 
schien  der  Friede  gefährdet.  Dasjenige  aber,  was  Maxi- 
milian am  meisten  verdrofs,  waren  die  bekannten  Gewalt- 
mafsregeln  gegen  Don  Carlos,  welche  der  König  ohne 
Wissen  und  Willen  seines  Schwagers  getroffen  und  diesem 
ohne  jede  Begründung  mitgeteilt  hatte,  obgleich  der 
Kaiser  schon  wegen  der  geplanten  Heirat  zwischen  dem 
spanischen  Infanten  und  seiner  Tochter  am  Schicksale 
des  zukünftigen  Schwiegersohnes  lebhaft  interessiert  war. 

So  kam  es,  dals  Maximilian  den  Aufforderungen  der 
Fuldaer  Gesandten  und  dem  Drängen  Augusts  nachgab 
und    seine    Bemühungen    verdoppelte.     Mit    Chantonnay 


'"^)  Oranien  an  August  1568  Januar  17  und  Februar  24  (Dr. 
A.  III,  67a  fol.  350  No  8  Bl.  13  f.  25  fi.)-  -  Anna  an  die  Kurfürstin 
von  Sachsen  (Dr.  A.  III,  51a  fol.  26  No.  6  Bl  156  f.  —  eigenhändig). 

■'^j  Wildberg  an  Oranien  1568  Februar  15  Löwen  (Dr.  A.  III, 
67a  fol.  350  No.  8  Bl.  35  f.).  —  Blök,  Verslaag  S.  83.  Documentos 
ineditos  XXXVII,  87  ff.  187  ff. 


64  Gustav  Wolf: 

pflog  er  lange  Gespräche;  rasch  nach  emander  schickte 
er  mehrere  Kuriere  nach  Spanien;  durch  Dietrichsteiu 
liefs  er  seinen  Schwager  auf  die  grolse  Gährung  hin- 
weisen, welche  Albas  Verhalten  hervorgerufen  hatte;  ja 
das  Verfahren  gegen  die  Grafen  wurde  von  ihm  offen  als 
Rechtsverletzung  bezeichnet. 

Alle  diese  Schritte  konnten  den  König  nicht  zu  einem 
Verzichte  auf  seine  Pläne  bestimmen.  Philipp  dankte 
für  die  freundlichen  Ratschläge  und  versprach  möglichste 
Berücksichtigung.  Und  wenn  der  Kaiser  Chantonnay 
drohte,  die  oranienfreundliche  Partei  würde  die  Spanier 
gewaltsam  aus  den  Niederlanden  vertreiben,  so  erwiderte 
der  Gesandte,  es  sei  mifslich  zu  dulden,  dals  „jeder  be- 
liebige Geringste  aus  Deutschland  sich  anmafse,  Souverän 
fremder  Monarchen  zu  sein  und  seine  Pläne  auf  Gewalt 
und  Drohungen  stütze,  während  diese  Fürsten  nicht  ein- 
mal unter  sich  einig  seien  und  sich  sogar  der  Türken 
nicht  erwehren  könnten"'^)." 

Oranien,  der  von  der  Aussichtslosigkeit  der  kaiser- 
lichen Politik  völlig  überzeugt  war,  setzte  inzwischen 
seine  Vorbereitungen  zum  Kampfe  gegen  Alba  fort.  Ge- 
rade damals  kamen  ihm  von  verschiedenen  Seiten  günstige 
Nachrichten.  Eine  finanzielle  Beihilfe  wurde  ihm  von 
Freunden  angeboten.  Alsdann  hörte  er,  dafs  die  nieder- 
ländischen Städte  nur  auf  seinen  Angriff  warteten,  um 
sich  zu  ihm  zu  schlagen  und  das  spanische  Joch  abzu- 
schütteln, unter  w^elchem  sie  infolge  der  Handelsstockungen, 
der  Kontributionen,  der  Einquartierungen  seufzten.  Durch 
den  Anschluls  der  Städte  hätte  aber  Oranien  nicht  nur 
wichtige  strategische  Punkte  und  die  erforderlichen  Geld- 
mittel zur  Bezahlung  seiner  Soldaten  gewonnen,  sondern 
zugleich  Albas  Berechnungen  zerstört,  der  durch  den 
niederländischen  Kaufmannsstand  die  bisherigen  und 
künftigen  Kosten  der  spanischen  Verwaltung  zu  decken 
hoffte.  Derartige  Momente  wogen  für  den  Prinzen 
schwerer  als  die  Rücksicht  auf  einige  kaiserliche  Kuriere 
und  deren  erfolglose  Gnadengesuche.  Er  entwarf  eine 
Rechtfertigungsschrift ,  um  dur-ch  deren  öffentliche  Ver- 
breitung für  sich  Stimmung  zu  machen  und  Albas  An- 
klagen zu  widerlegen;  er  sprach  mit  verschiedenen  Reiter- 


''^)  Maximilian  an  Dietrichstein  1568  März  2  Wien  (Dr.  A.  III, 
51a  Handschreiben  fol.  24  No.  10  131.  442  ff.).  —  Docunientos  ineditos 
XXXVII,  112  ff.  168  ff. 


Kurfürst  August  uud  der  niederländische  Aufstand.  65 

führern,  mit  den  Pfalzgrafeii  Johann  Kasimir  und  Hans 
Georg:'").  Er  liels  durch  den  Grafen  Günther  von 
Schwarzburg  in  Dresden  über  seine  Lage  berichten  und 
um  Vorschläge  bitten,  wie  er  trotz  der  schwebenden  Ver- 
handhingen freie  Hand  behalten  könne"). 

Das  war  eine  neue  Verlegenheit  für  den  sächsischen 
Kurfürsten.  Eben  hatte  er  vom  Kaiser  die  Aufforderung 
empfangen,  den  Prinzen  von  gewaltsamen  Schritten  zu- 
rückzuhalten. Und  nun  kam  gerade  Oraniens  Vertrauter 
an  seinen  Hof,  der  ihm  die  Pläne  des  Prinzen  schonungs- 
los aufdeckte  und,  wenn  sich  August  entschieden  gegen 
dieselben  aussprach,  den  Wettiner  mit  seinen  eigenen 
früheren  Aulserungen  schlagen  konnte!  Denn  wenn  August 
schon  zuvor  dem  Unternehmen  Oraniens  nicht  energisch 
entgegengetreten  war,  so  konnte  er  dies  jetzt  um  so 
weniger,  nachdem  Albas  Regiment  wirklich  aufgerichtet 
worden  war  und  die  Prophezeiungen  des  Prinzen,  die 
gütlichen  Beschwichtigungsversuche  seitens  des  Kaisers 
und  der  Reichsfürsten  würden  erfolglos  bleiben,  sich  bis- 
her vollkommen  erfüllt  hatten ! 

August  beschränkte  sich  darauf,  dem  Grafen  Günther 
das  kaiserliche  Schreiben  mitzuteilen  und  die  Recht- 
fertigimgsschrift,  welche  er  im  Dezember  bekämpft  hatte, 
jetzt  aber  nach  Albas  persönlichen  Angriffen  selbst  für 
nötig  erkannte,  anzuraten.  Im  übrigen  empfahl  er  statt 
eines  gewaltsamen  Vorgehens  „alle  anderen  Mittel  und 
Wege  zu  versuchen."  Aber  er  fügte  hinzu,  „er  könne 
nicht  sehen,  wie  durch  die  kaiserliche  Interzession  Uranien 
die  Hände  gebunden  würden."  Hierauf  lenkte  er  wieder 
ein:  „in  dem  werden  sich  S.  F.  G.  gleichwol  wol  vorzu- 
sehen und  was  zu  trauwen  sei,  zu  bedenken  wissen.  Das 
aber  S.  F.  G.  dieselben  und  alle  andere  Mittel,  so  S.  F.  G. 
zu  staten  kummen  mugen,  nicht  ausschlagen,  sondern  an 
der  Hand  behalten  und  sich  zum  besten  gefalst  machen, 
dessen  wird  S.  F.  G.  unsers  Ermessens  niemants  zu  ver- 
denken haben,  doch  das  es  S.  F.  G.  nach  dem  Sprich- 
wort halten  oninia  x'riiis  scqnenter  quam  armis  experiri 


™)  Groen  III,  190.  208  ff.,  vergl.  von  Bezold  I,  30  f. 

"^"'S  Oraniens  Instruktion  für  Graf  Günther  von  Schwarzhurg 
1568  Februar  29  Dillenburg  (Dr.  A.  III,  67  a  fol.  .350  No.  8  Bl.  45  ff). 

■'«)  Groen  III,  177  ff.  (Dr.  A.  III,  67a  Kriegssachen  fol.  351 
No.  8  Bl.  8,S  dfit.  il.  März).  —  Undatiertf  .\utwort  Augusts  auf 
Günthers  Werbung  (ebenda  Bl.  50  ff'.). 


Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.   A.     XIV.   1.  ■>. 


66  Gustav  Wolf: 

Es  gohörte  zu  den  stehenden  Eig-entümlichkeiten  der 
damaligen  Dresdner  Politiker,  mit  ihrer  Meinung-  gegen- 
über fremden  »Ständen  und  Gesandten  möglichst  zurück- 
zuhalten. Aber  so  sehr  war  diese  Gepflogenheit  der 
sächsischen  Kanzlei  noch  niemals  zum  Ausdruck  gelangt 
wie  in  der  eben  genannten  Ilesolution.  Und  doch  trotz 
der  Virtuosität  der  Inhaltlosigkeit  war  der  Bescheid 
Wasser  auf  die  Mühle  für  Oranien.  Denn  das  war  ja 
das  von  August  nicht  beachtete  Kennzeichen  aller  seiner 
Antworten,  dals  er,  weil  er  Oranien  nicht  zurückweisen, 
sondern  nur  gütlich  beschwichtigen  wollte,  immer  stärker 
seine  persönliche  Teilnahme  bekundete,  je  vertrauter  der 
Prinz  ihn  in  seine  Ideen  einweihte.  Nachdem  er  das  Spiel 
einmal  angefangen,  mulste  er  es  fortsetzen,  wenn  er  sich 
nicht  den  Vorwurf  der  Inkonsequenz  zuziehen  wollte, 
und  Oranien  wäre  nicht  der  grolse  Staatsmann  gewesen, 
wenn  er  die  Notlage  seines  Oheims  nicht  ausgebeutet 
und  denselben  immer  weiter  vorwärts  gedrängt  hätte. 
Im  Dezember  hatte  er  dem  Prinzen  eine  abwartende 
Haltung  empfohlen,  die  Möglichkeit  eines  kriegerischen 
Vorgehens  hatte  er  bereits  früher  erörtert.  Jetzt  war 
er  über  den  damaligen  Standpunkt  hinausgegangen,  und 
obgleich  er  abermals  dem  Prinzen  von  waghalsigen  Unter- 
nehmungen abgeredet,  hatte  er  doch  zugegeben,  dals  die 
Fürbitten  seiner  Freunde  ihm  nicht  die  Hände  bänden. 
Das  war  es  aber  eben,  was  Oranien  zu  hören  wünschte 
und  worauf  er  fernerhin  fulsen  konnte. 

Freilich  wie  weit  der  Prinz  noch  von  einer  aktiven 
Unterstützung  durch  August  entfernt  war,  erkennt  man 
am  besten,  wenn  man  mit  der  sächsischen  Politik  jener 
Tage  die  Entschiedenheit  der  Pfälzer  vergleicht.  In 
Heidelberg  war  man  noch  viel  ängstlicher  als  früher  ge- 
worden, seit  in  Fulda  die  kaiserlichen  Kommissare  — 
aus  Gründen,  deren  Besprechung  auiserhalb  unserer  Auf- 
gabe liegt  —  Friedrichs  Gesandten  einen  Auszug  aus 
einem  Schreiben  vorgelegt  hatten,  der  vom  bevorstehenden 
Abschlüsse  eines  katholischen  Bundes  sprach  und  die  be- 
stehenden Besorgnisse  zu  bestätigen  schien''*).  Der  Kur- 
fürst war  jetzt  erst  recht  entschlossen,  zur  eigenen 
Sicherheit  den  französischen  und  niederländischen  Prote- 
stanten zu  helfen.  Hierzu  liels  er  kein  Mittel  unbenutzt; 
er    unterhandelte    mit    England    über    eine   Privatunter- 


'»)  KlucklH.hii  IK  ISH  If. 


iviu'für&t  August  und  der  niederländische  Aufstand.  ßy 

Stützung:;  nach  Dresden  reiste  sein  vertrauter  Rat  Wenzel 
Zuleger  und  legte  August  verschiedene  Fragen  über  die 
finanzielle  Beihilfe  zu  Condes  Unternehmungen,  die  Zurück- 
haltung des  deutschen  Kriegsvolkes  von  den  Königlichen 
u.  a.  vor.  Aus  den  Für  und  Wider,  welche  die  kur- 
sächsischen Eäte  in  ihrem  Bedenken  über  die  Werbung 
verzeichneten,  lernt  man  am  besten  die  Unsicherheit 
kennen,  die  damals  an  Augusts  Hofe  herrschte.  Sollte 
man  die  Könige  von  Spanien  und  Frankreich  reizen, 
sollte  man  die  Katholiken  in  einen  Gegenbund  treiben 
und  den  Religionstrieden  aufs  Spiel  setzen?  Auf  der 
anderen  Seite  stellten  die  Räte  ihrem  Herrn  die  Gefahren 
vor,  welche  den  Protestanten  aus  den  niederländischen 
und  französischen  Wirren  erwuchsen  und  durch  Neutralität 
nicht  beseitigt  wurden.  So  war  die  Antwort  Augusts 
wieder  eine  halbe,  teils  ablehnend,  teils  entgegenkommend. 
Erst  als  Zuleger,  durch  deren  verbindliche  Form  ermutigt, 
eine  gemeinschaftliche  Geldunterstützung  der  ausländischen 
Glaubensgenossen  vorschlug,  wurde  der  Ton  bestimmter. 
August  wies  darauf  hin,  dals  er  im  Gothaischen  Kriege 
dem  Reiche  eine  grolse  Geldsumme  vorgeschossen,  aber 
noch  nicht  zurückerhalten  hatte  und  dals  Friedrich  aufs 
neue  die  kaiseiliche  Ungnade  zu  besorgen  habe*'^). 

Indessen  betrieb  Oranien  sein  Werk  immer  offenbarer 
und  intensiver.  Er  schickte  einen  seiner  Agenten,  Johann 
Bassins,  nach  Holland,  um  besonders  in  den  groisen 
Handelsstädten  noch  mehr  an  Boden  zu  gewinnen**). 
Alsdann  verhandelte  er  mit  den  Wetterauischen  Grafen 
und  reiste  im  April  über  Köln  nach  Kleve.  In  Duisburg 
traf  der  Prinz  mit  Malsburg  zusammen,  der  von  Johann 
Kasimir  abgefertigt  war.  Dieser  war  durch  die  soeben 
erfolgte  Beendigung  des  französischen  Hugenottenkrieges 
beschäftigungslos  geworden  und  bot  seine  fünftausend 
Reiter  und  sieben-  bis  achttausend  Gascogner  an;  er 
versprach,  dals  diese  vier  bis  fünf  Monate  keinen  Sold 
fordern  würden,  wenn  sie  einen  Monat  Bezahlung 
erhielten.  Aber  Oranien  besafs  noch  nicht  die  genügen- 
den Mittel  und  lehnte  das  Anerbieten  vorläutig  ab^"-). 
Dennoch  verzagte  er  nicht :  er  liels  seine  Rechtfertigungs- 
schrift in  Druck  ausgeben  —  gewissermalsen  als  Vorläufer 

"^j  Kluckliohn  il,  2()(i  ff. 
si)  üroen  Ili,  196  ff. 

*^)  Lang-uet,  Arcana  saeaili  XYI.  Epistolae  secretae  ad  prin- 
cipem  Augustum  ],  H4. 

5* 


68  Gustav  Wolf: 

seines  Zuges  —  und  stellte  noch  im  April  zwei  Heer- 
haufen  unter  Hoochstraten  und  dem  Grafen  Ludwig-  ins 
Feld. 

Das  Aufsehen  über  diesen  Vorstols  war  allgemein. 
Der  Kaiser  erliels  ein  Mandat  an  Oranien  und  verbot 
ihm  weitere  Werbungen  unter  Androhung  der  lieichs- 
acht*^-') ;  er  ermahnte  August  aufs  neue,  seinen  Verwandten 
zurückzuhalten  und  nötigenfalls  seine  Pflichten  als  ober- 
sächsischer Kreisoberster  wahrzunehmen"^').  Der  Kur- 
fürst fand  seine  Erwartungen  bestätigt  und  seine  Vor- 
sicht gerechtfertigt^'^).  Aber  Landgraf  Wilhelm,  den 
Oranien  durch  einen  Vertrauten  in  seine  Pläne  hatte 
einweihen  lassen,  nahm  für  den  Prinzen  Partei  und  be- 
dauerte lebhaft  die  erlittene  Schlappe;  er  sah  die  Spanier 
bereits  in  seiner  Nachbarschaft  in  Dillenburg''*');  über  das 
kaiserliche  Ansinnen  an  die  Kreisobersten  sprach  er 
seine  Verwunderung  aus^"). 

Bald  folgte  auf  die  Niederlage  Hoochstratens  ein 
Sieg  des  Grafen  Ludwig.  Dieser  w^ollte  in  Friesland 
einfallen  und  brachte  bei  Heiligerlee  den  spanischen 
Truppen  eine  empfindliche  Schlappe  bei.  Alba  suchte 
allerdings  die  Bedeutung  des  Gefechts  in  seinen  Briefen 
an  Philipp  abzuschwächen  "^^j ,  aber  er  traf  doch  um- 
fassende militärische  Vorkehrungen  und  zog  selbst  mit 
einem  Heere  gegen  den  Grafen  heran. 

Bei  der  Ungleichheit  der  Kräfte  der  beiden  Parteien 
mulste  Oranien  auf  eine  Verstärkung  bedacht  sein.  Sein 
Bruder  hatte  nach  seinem  Erfolge  die  Belagerung  von 
Groningen  begonnen;  ohne  dessen  Einnahme  und  ohne 
fremde  Hilfe  war  er  verloren^'*).  Diese  Erwägungen  ver- 
anlalisten  den  Prinzen  zu  seinem  ersten  niederländischen 
Feldzuge.  In  jenen  Tagen  —  Anfang  Juni  —  war  unge- 
achtet aller  Fürbitten  und  Gesandtschaften  das  Todes- 
urteil   an    den  Grafen  Egmont   und  Hoorne   vollstreckt 


«3)  Gachard,  Guillaume  III,  1  ff. 

»*)  Groen  III,  215  ff. 

»■')  August  an  Wilhelm  1568  Mai  17  Dresden  (Dr.  A.  III,  H7a 
Kriegssachen  fol.  338  No.  16  Bl.  92  f.). 

86)  Wilhelm  an  August  l.n68  Mai  8  und  13  Kassel  (Dr.  A.  III, 
67  a  Kriegssachen  fol.  338  No.  16  Bl.  81  ff  86  f.). 

8')  Wilhelm  an  August  1568  Mai  8,  13.  27  (Dr.  A.  III,  67  a 
Kriegssachen  fol.  338  No.  16  Bl.  81  ff.  86  f  154  ff.). 

88)  Gachard,  Philippe  11,  2S. 

8»)  Vergl.  August  an  Wilhelm  156H  .liuii  !•  Drcsd.ii  (T>v.  A.  ITT. 
67a  Kriegssachen  fol.  338  No.  16  Bl.  184). 


Kurl'iirst  August  und  iIlt  üinlciläiidisclie  Aufstaiul.  69 

worden;  Uranien  suchte  die  hierdurch  hervorgerufene 
Erregung"  zu  seinen  Gunsten  auszubeuten.  Er  bat  ver- 
schiedene protestantische  Städte  in  der  Schweiz,  ihm 
Geld  zu  leihen ^^).  August  und  Wilhelm  gegenüber 
betonte  er  die  NotAvendigkeit  rascher  Maisregeln'").  In 
Heidelberg  bat  sein  Gesandter  offen  um  Hilfe.  Graf 
Johann  reiste  zu  verschiedenen  Fürsten  und  suchte  sie 
am  Unternehmen  seines  Bruders  zu  beteiligen. 

Es  zeigte  sich,  dals  die  Hinrichtungen  in  Brüssel 
das  spanische  Prestige  in  Deutschland  vermindert  hatten. 
Schon  vorher  hatte  der  pfälzische  Kanzler  Chiistoph  Ehern 
im  Auftrage  Friedrichs  bei  Mainz  die  Berufung  eines 
rheinischen  Kurfürstentages  durchgesetzt.  Jetzt  gingEliem 
nach  Hessen  und  Sachsen  und  verlangte  kräftige  Unter- 
stützung des  Prinzen.  Und  diesmal  erklärte  sich  August 
wirklich  zu  einer  Geldhilfe  bereit,  vorausgesetzt  dafs  es 
ganz  geheim  bliebe  und  die  flandrischen  Städte  gewonnen 
würden*'-). 

So  war  also  Uranien  dem  Ziele  nahe  gekommen. 
Durch  sein  geschicktes  Auftreten  hatte  er  den  sonst  so 
reservierten  Wettin  er  aus  seiner  Zurückhaltung  heraus- 
gedrängt und  ihn,  der  den  pfälzisch-hessischen  Schwarz- 
malereien jederzeit  eine  grofse  Skepsis  bewiesen  hatte, 
von  der  Wichtigkeit  und  Tragweite  des  niederländischen 
Kampfes  überzeugt.  Er  verdankte  seinen  Erfolg  einer- 
seits der  Stufenfolge,  in  der  er  August  in  seinen  Ideen- 
kreis einzwängte;  er  verdankte  die  sächsische  Bereit- 
willigkeit zweitens  der  Malshaltung  in  seinen  Berichten 
über  die  gegnerischen  Absichten.  Denn  während  die 
Pfälzer  und  Hessen  ununterbrochen  allarmierende  Zei- 
tungen über  katholische  Komplotte  verbreiteten,  deren 
Grundlosigkeit  leicht  ersichtlich  war,  prophezeite  Oranien 
regelmälsig  diejenigen  Vorgänge,  welche  er  nach  seiner 
Kenntnis  der  Personen  und  Verhältnisse  wirklich  erw^artete, 
Vorgänge,  welche  stets  eingetroffen  waren  und  den  Kur- 
fürsten Lügen  gestraft  hatten,  falls  er  den  Mitteilungen 
des  Prinzen  mifstrauisch  begegnet  war. 

»0)  Koch  II,  137  ff. 

o>)  Oranien  an  Angust  1568  .Juni  14  Dillenburg  ^Dr.  A.  III,  67  a 
Kriegssachen  fol.  350  No.  8  Bl.  92  f.).  Desgl.  an  Wilhelm  1568  Juni  15 
(Dr.  A.  III,  67a  Kriegssachen  fol.  338  No.  16  Bl.  •>41). 

92;  Ehems  Werbung  1568  Jnni  18  (Dr.  A.  III,  67a  fol.  337 
No.  10  ßl.  80ff.  —  Kopie  mit  Ehems  Korrekturen).  —  Kluckhohn 

II.  224  f.  —   Vergl.  Angust  an  Wilhelm  1568  .Tnni  30  Salza  (Dr  A. 

III,  67  a  fol.  338  No.  16  Bl.  203). 


70  Gustav  Wulf: 

Als  der  Landgraf  von  Angnsts  Entschlnts  hörte, 
schickte  er  sofort  Friedrich  von  Rollshausen,  „seinen  ver- 
trauesten  und  geheimesten  rath,  der  auch  der  kriegs- 
hendel  vor  andern  einen  guten  verstand  hatte,  sonderlich 
aber  der  landarth  gute  gelegenheit  wufste,"  mit  Ehern  zu- 
sammen zur  Festsetzung  eines  genauen  Planes  zum  Prinzen. 
Dieser  legte  nun  den  beiden  Gesandten  dar,  dals  die 
niederländischen  Städte  duich  Albas  Himiclitungen  zwar 
ihrer  Führer  beraubt,  jedocli  gerade  darum  dem  Prinzen 
geneigt  wären,  wenn  er  mit  einem  stattlichen  Kriegsvolk 
käme,  dals  die  Königin  Elisabeth  ihn  mit  Geld  unter- 
stützen würde,  weini  nur  einige  deutsche  Fürsten  das 
Gleiche  thäten ,  dals  ihm  aus  England  zweitausend 
Schützen,  zwanzig  Stück  grobes  Geschütz  und  Munition 
argeboten  wären,  dals  ihn  die  Hugenotten  auf  fünfzehn- 
hundert Reiter  und  achttausend  Fulssoldaten  gegen  einen 
einmonatlichen  Sold  von  je  drei  Kronen  vertröstet  hätten, 
dals  ihm  endlich  auch  die  Reichsstädte  beistehen  würden. 
Er  hoffte  mit  Geldanleihen  seitens  Augusts  und  anderer 
Fürsten  fünftausend  Reiter  und  drei  Regimenter  Fuls- 
truppen  aufstellen  und  wenigstens  einen  Monat  bezahlen 
zu  können.  Um  keine  Zeit  zu  verlieren,  hatte  er  bereits 
mit  der  Ausführung  seines  Planes  begonnen  und  eine 
stattliche  Summe  als  Anrittgeld  ausgegeben. 

Darauf  liels  Friedrich  durch  Zuleger  dem  Landgrafen 
sagen,  dafs  er  hunderttausend  Thaler  dem  Prinzen  be- 
willige. Wilhelm  verständigte  sich  mit  Oranien,  und  beide 
schickten  gemeinsam  Simon  Ring  nach  Dresden,  der  dem 
Kurfürsten  über  alle  Verhandlungen  berichtete''").  Der 
Kurfürst  erklärte  sich  gleichfalls  bereit,  hunderttausend 
Gulden  zu  leihen  ^^). 

Dals  es  August  mit  der  Zusage  völlig  Ernst  meinte, 
ist  unter  anderem  aus  dem  lebhaften  Eifer  ersichtlich, 
durch  welchen  sein  damaliger  leitender  Staatsmann,  der 
Kanzler  Crackow,  die  mannigfachen  Sclnvierigkeiten  aus 
dem  Wege  zu  räumen  suchte.    Aber  verschiedene  Gründe 


""•)  AVilhelms  Instruktion  für  Biuy  ]5()8  Juli  14  Ziegenhain  (Dr. 
A.  III,  (j7a  Kriegssaclien  fol  ;538  No.  16  Bl.  ;Jlüff.).  Öraniens  In- 
.strnktion  für  Bing  1568  Juli  19  Dillenburg  (Dr  A.  III,  67  a  Kriegs- 
sacben  fol.  ;J50  No  8  Bl.  256  ff.). 

"')  Mündliche  Antwort  August.^  (undat.  Knnzeitt.  Dr.  A.  III, 
67  a  Kriegssachen  fol.  ;iii8  No.  16  151.  ;U8).  —  Über  ein  hessisches 
Darlehen  Kerwn  de  Letten hove,  Kelations  des  Pays-has  et  de 
l'Angleterre  V,  139. 


Kurfürst  August  uml  iler  uieclerlänclischc  Aufstaiul.  71 

vi'rliintlerten  die  Erfüllung"  des  gegebenen  Versprecliens. 
Zunächst  konnten  oder  wollten  die  Grafen  von  Scliwarz- 
burg  die  Garantie  für  die  Rückzahlung,  welche  der  noch 
vom  gothaischen  Kriege  her  schwer  belastete  Kurfürst 
verlangte,  nicht  übernehmen  ■'■^).  Alsdann  aber  wurde  die 
ganze  Sache  durch  den  Verlauf  der  Dinge  überholt. 

Wir  sahen,  immer  war  es  Augusts  Wunsch  gewesen, 
den  Kaiser  für  die  niederländische  Sache  zu  interessieren. 
In  solcher  Politik  erkannten  die  Räte  des  Kurfürsten  das 
geeignete  Mittel,  wie  man,  ohne  bei  den  Katholiken  Ver- 
dacht zu  erregen,  den  Prinzen  auf  die  Avirksamste  AVeise 
unterstützen  und  eine  intime  Verbindung  mit  ihm  ein- 
gehen konnte.  Und  gerade  während  über  die  Modalitäten 
des  sächsischen  Darlehn s  disputiert  wurde,  schwebten 
Verhandlungen,  die  ein  Eintreten  nicht  nur  des  Kaisers, 
sondern  des  gesamten  Reiches  in  Aussicht  stellten  und 
schlielslich  zu  einer  Intervention  des  Kaisers  im  großen 
Stile  führten.  Der  Kulfürst  von  Mainz  hatte  auf  pfäl- 
zische Veranlassung  einen  Kurfürstentag  nach  Oberwesel 
ausgeschrieben,  der  auf  den  25.  Juli  verschoben  und  nach 
Bacharach  verlegt  wurde^*^).  Die  Aufgabe,  sich  mit  der 
niederländischen  Frage  zu  beschäftigen,  trat  an  denselben 
von  verschiedenen  Seiten  heran.  Mehrere  süddeutsche 
Fürsten  hatten  sich  zu  einer  Gesamtpetition  vereinigt^''). 
Desgleichen  bat  der  westfälische  Kreis  um  Beihilfe  zur 
Beseitigung  der  Werbungen^®).  Endlich  aber  hatte  Alba 
auch  die  rheinischen  Fürsten  in  hohem  Grade  beunruhigt. 
Einmal  hatte  er  sich  in  die  trierischen  Wirren  eingemischt, 
zweitens  aber  den  Herzog  von  Jülich  mehrfach  verletzt. 
Dieser  hatte  trotz  seiner  engen  Verwandtschaft  mit  dem 
Kaiser  entsprechend  seiner  schwankenden  religiösen 
Haltung  eine  geAvisse  Mittelstellung  in  der  niederländischen 
Frage  eingenommen:  er  hatte  mit  den  Konföderierten 
auf  gutem  Fufse  gestanden,  den  Söldnern  Margaretes 
den  Durchgang  verAvehrt  und  sein  Ort  Wesel  hatte  einen 
Sammelpunkt  der  niederländischen  Ausw^anderer  gebildet; 

05)  Verhandlungen  darüber  Dr.  A.  III,  119  fol.  49  No.  12. 

^*')  Auf  Grund  einer  persönlichen  Besprechung  zwischen  Daniel 
und  Friedrich,  veröl.  Friedrich  an  August  1568  Juli  12  Heidelberg 
(Dr.  A.  in,  67a  fol.  337  No.  10  Bl.  1-32  ff.). 

"')  Christoph  und  Genossen  an  die  rheinischen  Kurfürsten  1568 
Juni  3U  (Dr.  A.  III,  67a  fol.  338  No.  16  Bl.  298ff.). 

"*)  Der  westfälische  Kreis  an  die  rheinischen  Kurfürsten  1568 
.Tuli  90  [Kmn]  (Dr.  A.  TU,  39  Französische  Sachen  fol.  49  No.  19 
Bl.  77  ft"). 


72  Clustav  Wulf: 

auch  jetzt  war  er  gegen  Oianieii  freiiiKllicli  gesinnt, 
duldete  dessen  Kriegsvolk  und  milsbilligte  laut  das  neue 
niederländische  Regiment.  Alba  hatte  deshalb  Hooch- 
straten  nicht  nur  bis  in  das  jülichsche  Gebiet  verfolgt, 
sondern  um  dem  ihm  feindlichen  Auftreten  des  Nachbars 
ein  Ende  zu  machen,  hatte  er  auch  die  Aufnahme  eines 
Burgunders  in  den  geheimen  Hat  des  Herzogs  verlangt 
und  gedroht,  er  Avolle  seine  Feinde  an  der  Tafel  des 
Herzogs  von  Jülich  aufsuchen. 

So  war  man  in  Bacharach  allgemein  gegen  die 
Spanier  erbittert  und  beschlols  einstimmig,  durch  eine 
Gesandtschaft  den  Kaiser  um  Beendigung  des  Krieges 
in  den  Niederlanden  und  um  Wiederanknüpfung  der  unter- 
brochenen Handelsbeziehungen  zu  bitten;  August  und 
Joachim  wurden  zum  Anschluls  an  diese  Abrede  ein- 
geladen*-'^). 

Nach  Reichsrecht  hätte  Oranien  in  die  Acht  erklärt 
werden  müssen ,  da  er  trotz  der  kaiserlichen  Mandate 
seine  Werbungen  fortgesetzt  hatte.  Chantonnay  wies 
auch  in  Wien  auf  die  Behandlung  Johann  Friedrichs  und 
Grumbachs  hin.  Aber  der  Kaiser  dachte  gar  nicht  daran, 
dem  Prinzen  ein  derartiges  Schicksal  zu  bereiten.  Im 
Gegenteil  hörten  er  und  Zasius  nicht  auf,  ihre  freund- 
schaftlichen Gesinnungen  gegen  Oranien  zu  beteuern  '^'^). 
Ja,  die  Beratungen  in  Bacharach  fanden  unter  den  Augen 
eines  kaiserlichen  Kommissars  statt,  der  die  Geneigt- 
heit seines  Herrn   zu  neuen  Vermittelungen  ausdrücklich 

kundgab'"'). 

Die  nächsten  Ereignisse  vermehrten  den  allgemeinen 

°^)  Rheinische  Kurfürsten  an  Christoph  und  Genossen  1568  Juni  30 
Bacharach  (Dr.  A.  IIT,  89  fol.  49  No.  19  Bi.  70ff.).  —  Bacharacher 
Instruktion  für  die  Gesandten  an  den  Kaiser  (Dr.  A.  ITT,  67  a  fol.  3.50 
No.  9  BI.  Iff. ).  —  Daniel,  Sebastian  und  Friedrich  an  August  1568 
Juli  31  Bacharach  (Dr.  A.  TU,  39  fol.  49  No.  14  Bl.  (>6  ff.).  —  Antwort 
an  Hegenmüller  (ebenda  Bl.  91  ff.).  —  Calendar  of  State  pajjers  foreign 
1566-68  S.  509  f.  Ritter  in  v. Webers  Arch.  f.  s.  Gesch.  N.F.V,  339 f. 

"'**)  Zasius  an  Aug'U-st  Juni  22  Wien  (über  die  Hiniichtung- 
der  Grafen):  „Ich  bin  ab  diser  giausamen  handlung  dermassen  ent- 
setzt und  bevvögt,  das  ich  gleich  nicht  raehrers  davon  schreiben  kann; 
sollte  aber  dieses  adenlich  teutsche  i)laet  uiigerochen  bleiben  und 
Alva  mit  seinem  pluerdürstig-en  unzifer  wideiumb  lebendig  in  Hispanien 
kommen,  daz  wcre  je  sünd  und  schad,  ja  Gott  im  himmel  leid"  (Dr.  A. 
111,  51  a  fol.  24  No.  10   IU.479). 

^•"j  Älaximiliaus  Instruktion  für  Dr.  Johann  Hegenmüller  in 
Oberwesel  1568  Juni  29  (Dr.  A.  III,  51a  fol.  11  No.  4  B1.328ff.).  — 
Maximilian  an  seinen  Kommissar  in  Bacharrt(;li  1568  duli  23  Wien 
(Dr.  A.  III  51  a  fol.  24  .No.  10  Bl.  538  ff.). 


Kuifür.st  Aimiist  uiul  der  iiiederliiiidisclic  Avifstaiid.  7,3 


•o 


Unwillen  geg-en  Spanien.  Alha  schlug-  mit  leichtei-  Mühe 
den  Grafen  Ludwig,  und  als  dieser  sich  nach  Friesland 
zurückzog,  verfolgte  ihn  der  Herzog  über  die  Grenze. 
Nach  unseren  heutigen  Anschauungen  war  er  zweifellos 
berechtigt,  jeden,  der  seinen  Feinden  Zuflucht  bot,  gleich- 
falls als  Feind  zu  behandeln.  In  der  damaligen  nervösen 
Stimmung  betrachteten  aber  nicht  nur  die  Protestanten, 
sondern  auch  der  Kaiser  das  Vorgehen  Albas  gegen  die 
Grafen  von  Friesland  und  Oldenburg  als  den  Anfang 
eines  deutschen  Krieges  und  als  rechtswidrige  Verletzung 
der  Reichsstände.  Die  bedrohten  Fürsten  wendeten  sich 
überallhin  um  Hilfe,  nach  England ^*^"-),  Lauenburg,  Braun- 
schweig und  namentlich  auch  an  Sachsen ''^■^). 

August  teilte  durchaus  die  Anschauungen  vom  Un- 
rechte Albas  und  war  für  entschiedene  Gegenmalsregeln. 
Aufser  Crackow  nahm  sich  noch  ein  anderer  sächsischer 
Eat  des  Prinzen  auf  das  wärmste  an.  Christoph  von 
Karlowitz  auf  Rotenhaus,  der  einst  die  rechte  Hand  des 
Kurfürsten  Moritz  gewesen ,  war  der  alte  geblieben. 
Nicht  durch  den  Kaiser  allein  sollte  man  auf  gütlichem 
Wege  für  Oranien  wirken.  Nein,  Karlowitz  plante  ein 
radikales  Vorgehen  wie  1552.  Wenn  Graf  Ludwig  und 
seine  Leute  siegen,  dann  sollen  alle  Reichsstände  sich 
zusammenthun  und  die  Spanier  aus  den  Niederlanden 
hinaustreiben.  Unterliegen  sie,  dann  mufs  man  sich  über 
eine  Verteidigung  gegen  die  spanische  Macht  ohne  Zaudern 
verständigen.  ,.Es  wird  vor  eine  hohe  notdurft  geachtet, 
das  dem  Uranien  als  dessen  furgenommener  zug  nicht 
mer  vor  ein  privatwerk,  sondern  vor  ain  gemein  werk 
der  ganzen  deutschen  nation  zu  achten,  durch  churfursten, 
fursten  und  stende  nach  eines  jeden  vermugen  alle  mög- 
liche hülfe,  furschub  und  furderung  beschehen,  damit  er 
wider  den  gemeinen  feind  der  deutschen  nation  etwas 
fruchtbars  ausrichtete  oder  zum  wenigsten  das  kriegsvolk 
ganz  aufrecht  und  unzertrent  bei  einander  erhalten 
möchte."  Ja,  Karlowitz  riet  nötigenfalls  zu  einer  offenen 
Verbindung  mit  Oranien'*^*). 


'"■-)  Calendar  of  state  papers  foreign  156fi— 68  S.  520. 

"'**)  Instruktiun  des  Grafen  Anton  von  Oldenburg  für  seineu 
Sohn  Christian  1568  Juli  22  Oldenburg  (Dr.  A.  III,  67a  Kriegs- 
sacheu  fol.  350  No.  8  Bl.  261  ff.'). 

101)  Karlowitz  au  August  1568  Juli  28  Rotenhaus  und  1568 
September  24  Wien  (Dr  A.  III  ,  51a  Handschr.  fol.  24  No.  12  Bl.  1  ff. 
36  ff.). 


74  nnstav  \\'(A\': 

Solclie  Aiisiclitcii  standen  allerdings  in  giellem  Wider- 
spnich  mit  der  Politik  der  deutschen  Fürsten;  abei-  sie 
kamen  doch  von  einem  Manne,  der  am  kaiserlichen  wie 
kursächsischen  Hofe  grolsen  Einflufs  besal's  und  dessen 
Meinung'  fiir  Oranien  Avohl  von  Bedeutung  werden  konnte. 

So  nahm  denn  August  in  der  ostentativsten  AVeise 
für  Oranien  Partei.  Die  Grafen  von  Oldenburg  und 
Ostfriesland  verwies  er  an  den  Kaiser  und  an  die 
Kreise^""');  um  die  Verstärkung  Albas  durch  deutsches 
Kriegsvolk  zu  hindern ,  riet  er  eine  strenge  Bewachung 
des  Rheines  an^°")-  Das  Schwergewicht  legte  er  aber 
auf  eine  Verschärfung  der  Bacharacher  Beschlüsse;  er 
einigte  sich  mit  Joachim  über  eine  Separat  Werbung,  in 
der  Maximilian  aufgefordert  wurde,  in  den  Niederlanden 
die  Reichsgesetze,  besonders  den  Religions-  und  Land- 
frieden geltend  zu  machen  und  mit  einem  kräftigen  Ein- 
schreiten der  Reichsstände  zu  drohen,  „daran  es  dan  die 
churfursten ,  fursten  und  stende  ires  teils  nicht  manglen, 
sondern  wie  sie  zu  thuen  schiüdigk,  bei  J.  Kai.  Mt.  leib, 
leben,  guet  und  alles  vermügen  drufsetzen  und  also  pro 
patriae  focis  et  aris  im  fal  der  not  manlich  streiten 
wurden"  ^*^'\  Und  um  Indiskretionen  zu  verhüten  und 
etwaigen  Gegenagitationen  der  spanischen  Partei  vorzu- 
beugen ,  liels  August  seine  Räte  nicht  der  Verabredung 
gemäfs  in  Regensburg,  sondern  erst  in  Wien  zu  den  übrigen 
Gesandten  stolsen^'*^). 

Am  22.  September  erfolgte  die  tlbergabe  der  Bitt- 
schriften an  den  Kaiser :  der  Bacharacher,  der  sächsisch- 
brandenburgischen  und  der  fürstlichen.  Verschiedene 
evangelische  Stände  hatten  sich  mit  Erfolg  um  eine 
zahlreiche  Beteiligung  bemüht. 

Chantonnay  hielt  sich  w^ährend  der  Audienzen  im 
Palast  auf,  um  sogleich  zur  Stelle  zu  sein  und  die  Sache 
Philipps  zu  vertreten.  Aber  der  Kaiser  gewährte  dem 
Grafen  trotz  mehrfacher  Gesuche  keine  Einsicht  in  die 
Werbungen  der  Gesandten.     Erst  nachdem    diese  schon 


lo.'i)  Aiiffusts  Antwort  an  Graf  Christian  1568  Jnli  24  Eocken- 
(lorf  (Dr.  A.  IIT,  67a  fol.  -.W)  No.8  Kl. 264).Vergl.  August  an  Maximilian 
1568  Juli  29  Bockendorf  (ebemla  265  ff. V 

"'«)  Angu.st  an  Wilhelm  (Dr.  A.  Hl,  .39  fol.  If»  No.  19  151.109.). 

'"')  Auszug  aus  der  Werbung  bei  Ritter  in  v.  Webers  Arcb. 
f.  s.  Ge.sch.  N.  F.  V,  341  f. 

^"8)  Graf  Eberstein  Kinii  vor  allen  anderen  an.  Dncuraentos 
ineditos  XXXVll,  437  fi. 


Kurfürst  Aii;L;iist  und  th-v  uicileiläudisrlii'  Auf^taiul  75 

abgefertigt  waren  und  Char.tonnay  den  Bescheid  für  die- 
selben nicht  mehr  ändern  konnte,  wurde  er  verständigt^''^). 

Sprach  sich  schon  liierin  deutlicli  die  antispanisclie 
Strömung  am  kaiserlichen  Hofe  aus,  so  zeigten  diese 
Maximilians  Entschlüsse  noch  klarer.  Der  Kaiser  ver- 
einbarte mit  den  Gesandten  eine  doppelte  Vermittelung. 
Erstens  sollten  Kommissare  bei  Alba  und  Oranien  auf 
Waffenruhe  dringen.  Zweitens  aber  schickte  er  seinen 
Bruder  Karl  mit  einer  ausführlichen  Instruktion  nach 
Spanien,  in  der  er  sich  ganz  die  sächsischen  Argumente 
aneignete.  Obgleich  die  Rechtsverbindlichkeit  des  Reichs- 
abschieds von  1555  für  die  Niederlande  bestritten  wurde, 
stellte  Maximilian  sie  doch  als  unzweifelhaft  hin;  ohne 
auf  den  Unterschied  zwischen  der  Bacharacher  und 
sächsischen  Werbung  einzugehen,  meinte  er,  dafs  Alba 
alle  Gemüter  der  Deutschen,  „der  grolsen  und  der  kleinen, 
der  geistlichen  und  weltlichen",  gekränkt  habe.  Die 
Drohung  Augusts  und  Joachims,  mit  Gut  und  Blut  für 
ihre  Forderungen  einzustehen,  war  nicht  vergessen  und 
schien  in  Karls  Instruktion  eine  Drohung  sämtlicher 
Kurfürsten  zu  sein.  Der  Kaiser  verstieg  sich  zu  der 
Äulserung,  es  könne  sich  ereignen,  dafs  von  ihm  als 
römischem  Kaiser  nach  seiner  kaiserlichen  Pflicht  seine 
Hilfe  und  Beistand  gegen  den  Aufruhr  verlangt  werde ^^"). 

Dem  Wortlaute  nach  war  diese  Instruktion  eine  offene 
xA.ndrohung  des  Reichskrieges,  beinahe  ein  Ultimatum, 
xlugust  Avar  seinem  Zwecke,  das  Reich  für  Oranien  zu 
gewinnen,  sehr  nahe  gekommen  und  hielt  sich  für  gedeckt 
genug,  um  entschiedener  die  Sache  des  Prinzen  zu  fördern. 
Ob  die  beschlossene  Friedensvermittelung  zum  Ziele 
führen  würde,  war  mehr  als  fraglich.  Philipp  und  Alba 
waren  wütend,  dafs  sie  mit  den  aufrührerischen  Unter- 
thanen  auf  einem  Fufse  behandelt  wurden,  auch  besafs 
Alba  zu  einem  Vergleiche  keine  Vollmacht  und  konnte 
höchstens  unverbindlich  abschliefsen.  Dann  war  aber  für 
Oranien  eine  Bereitwilligkeit  zum  Frieden  mifslich.  Denn 
er  konnte  seine  Truppen  nicht  lange  beisammen  halten 
und  war  auf  rasche  Erfolge  angewiesen.  Durch  einen 
Waffenstillstand  wäre   er  hinoehalten  und   vielleicht  zur 


10»)  Documentos  ineditos  XXXVII,  441  if. 

"0)  Cabrera,  Historia  de  Feli^ie  II.  I,  613  ff.,  vergl.  Ritter 
in  V.  Webers  Arch.  N.  F.  V,  343  f.  —  Über  die  Wiener  Verhandlungen 
im  allg-enieinen  Gachard,  Philippe  II,  43  f.  4fi  Calendar  nf  state 
papers  foreign  1566  —  68  S.  536.  559.  563  f. 


Tf)  Gustav  Wolf, 

Wiedei'aufiialiiiic  des  Kampfes  zu  ungeleg'oner  Zeit  ge- 
zwungen worden.  Deshalb  schickte  August  an  den  Prinzen 
den  Entwurf  einer  Antwort,  in  der  die  Waffenruhe  nicht 
gerade  abgelehnt,  aber  an  unannehmbare  Bedingungen 
geknüpft  wurde^'^). 

Jedoch  kam  Uranien  nicht  in  die  Lage,  dieses  Vor- 
schlages sich  zu  bedienen.  Sein  Feldzugsplan  war  darauf 
berechnet,  durch  einen  Handstreich  in  den  Besitz  feind- 
licher Plätze  zu  gelangen  und  durch  einen  raschen  in 
die  Augen  fallenden  Erfolg  die  Städte  zum  Anschluis 
fortzureifsen  und  mit  deren  Hilfe  den  ferneren  Krieg 
bezahlen  zu  können.  Diese  Voraussetzungen  erfüllten  sich 
nicht.  Bei  seinem  Einfall  blieb  alles  ruhig,  und  durch 
Verhandlungen  mit  dem  Bischof  von  Lüttich,  der  dem 
Prinzen  den  Durchzug  verweigerte,  verlor  er  kostbare 
Zeit.  Da  aulserdem  Alba  die  Schwächen  des  Gegners 
kannte  und  deshalb  das  Schlachtenglück  nicht  versuchte, 
sondern  Oranien  durch  Hin-  und  Herziehen  ermüdete,  so 
wurde  dieser  jeder  Aussicht  auf  einen  Erfolg  beraubt 
und  niuiste  bald  weichen.  Er  dankte  den  grölsten  Teil 
seiner  Truppen  ab  und  führte  den  Rest  den  Hugenotten 
zu,  die  damals  einen  neuen  Kampf  begannen.  Als  die 
kaiserlichen  Kommissare  aufbrechen  wollten,  befand  sich 
Oranien  bereits  jenseits  der  Grenze. 

Der  rasche  Verlauf  des  niederländischen  Feldzuges 
wirkte  natfulich  auch  auf  die  Mission  des  Erzherzogs 
Karl  zurück.  Schon  vor  dessen  Ankunft  in  Spanien 
machte  König  Philipp  aus  seiner  Unzufriedenheit  über 
die  kaiserlichen  Ansprüche  kein  HehP'-),  und  in  seiner 
Behandlung  des  österreichischen  Vetters  war  er  bei  aller 
Freundlichkeit  so  entschieden  als  möglich.  Er  habe  — 
so  lautete  seine  Antwort  —  für  seine  niederländische 
Politik  Dank  erwartet  und  müsse  das  Verlangen  des 
Kaisers  und  der  Reichsstände  auf  falsche  Informationen 
zurückführen.  Die  römische  Kirche  allein  entscheide  über 
die  Pflichten  der  Gläubigen ;  mit  zwei  Religionen  neben 


'")  Ungeverliche  artickel  und  bedenckeu,  welcliermassen  sich  der 
priuz  zu  Uranien  auf  beschelicne  der  Rom.  Kai.  Mt.  chur-  und  fursten 
scliickung'  gegen  den  verordneten  kai.  commissarien  und  churfiir.stl. 
retlien  mit  antwort  vemelimen  lassen  möge  s.  d.  (Dr.  A.  Hl,  39 
Franzüsische  Sachen  fol.  49  \n.  14  Bl.  369  if.),  vergl.  August  an  Fried- 
rich 1568  Oktober  31  Dresden  (I^r.  A.  ebenda  151.  375;  teilweise 
K  luckhohn  II,  252). 

"-;_Gachard,  Philippe  11,  48. 


Kurfürst  August  und  der  niederländische  Aufstand.  77 

einander  zu  reo-ieren,  sei  unniü<^"lich.  Oranieii  habe  den 
Bildersturm  entfacht  und  dann  einige  deutsche  Fürsten 
aufgehetzt  und  seine  Vergehen  seien  notorisch.  Die 
Gleichstellung  Philipps  und  des  Prinzen  enthalte  eine 
Beleidigung  für  jenen,  da  derselbe  König,  Oranien  da- 
gegen ein  rebellischer  Unterthan  sei. 

In  einer  Spezialantwort,  die  nur  für  den  Kaiser 
bestimmt  war,  warf  der  König  diesem  vor,  dals  er 
Oranien  habe  Truppen  werben  und  durch  deutsche  Fürsten 
unterstützen  lassen,  und  protestierte  gegen  Maximilians 
Rechtsanschauungen.  Erzherzog  Karl  überreichte  aller- 
dings eine  sehr  gereizte  Replik  und  erinnerte  den  König 
sehr  deutlich  an  den  Aufstand  des  Kurfürsten  Moritz; 
aber  Philipp  liefs  es  bei  seiner  ersten  Antwort  bewenden 
und  entliels  den  Erzherzog  mit  einem  Geldgeschenk  von 
100  000  Dukaten"^). 

So  blieb  vorläufig  in  den  Niederlanden  der  Kurs  der 
alte.  Erst  als  Alba  durch  seine  Steuerreform  die  Städte 
noch  mehr  belastete  und  zur  Selbsthilfe  zwang,  konnte 
Oranien  seine  Pläne  mit  besserer  xlussicht  auf  Erfolg 
wäeder  aufnehmen. 


"3)  Gachard,  Philippe  II,  55.  58  f.  59  ff.  66  ff.  —  Docuraeutüs 
inöditos  XXXVII,  476  ff.  —  Vergl.  Uitter  in  v. Wehers  Arch.  N.  F.V, 
343  ft". 


IV. 


Schweizer  Soldtruppeii  in  kiirsäclisischeu 
Diensten.   1701—1815. 


Von 

A.  von  Welck. 


Die  letzten  Jahre  des  17.  Jahrhunderts  brachten 
wichtige  Ereignisse  für  Sachsen. 

Nach  dem  am  27.  A\)y\\  1694  erfolgten  Tode  des  Kur- 
fürsten Johann  Georg  IV.  hatte  sein  Bruder  Friedrich 
August  den  Thron  bestiegen.  Der  junge  Fürst,  geistig  wie 
körperlich  reich  begabt,  war  voller  Thatendrang  und 
namentlich  voll  kriegerischer  Passionen. 

Er  erneuerte  zunächst  den  schon  von  seinem  Bruder 
mit  Kaiser  Leopold  I.  abgeschlossenen  Subsidien vertrag, 
nach  welchem  Sachsen  12  000  Mann  zum  Reichsheere  — 
im  Kriege  gegen  Frankreich  —  zu  stellen  hatte ;  als  aber 
der  Kurfürst  den  von  ihm  gewünschten  Oberbefehl  über 
das  lieichsheer  nicht  erhielt,  und  zudem  der  Wunsch  des 
Kaisers,  den  sich  immer  erneuernden  Feindseligkeiten  der 
Türken  ein  endliches  Ziel  zu  setzen ,  mehr  und  mehr  in 
den  Vordergrund  trat,  kam  es  am  15.  April  1695  zum 
Abschluls  eines  Vertrages  zwischen  beiden  Fürsten,  nach 
welchem  der  Kurfürst  ein  Hilfskorps  von  8000  Mann  für 
die  Dauer  von  zwei  Jahren  nach  Ungarn  sendete  und 
den  Oberbefehl  über  das  gesamte  dort  vereinigte  Reichs- 
heer (ca.  50000  Mann)  übernahm.  Anfang  August  traf 
der  Kurfürst  bei  der  Armee  ein. 

Im  folgenden  Jahre  verstärkte  er  das  sächsische 
Kontingent    um   weitere    .')     1000   Mann    und    zwar   so, 


Schweizer  Soldtruppeii  1701—1815.  79 

dals  die  Regimenter  von  2  auf  3  Bataillone  gebracht 
wurden. 

Den  Winter  von  1696  —  97  verbrachte  der  Kurfürst 
in  Sachsen,  kehrte  aber  im  März  nach  Wien  zurück,  wo 
die  diplomatischen  Verhandlungen  wegen  der  Besetzung 
des  erledigten  polnischen  Thrones  geführt  wurden,  welche 
damit  ihren  Abschlufe  fanden,  dais  der  Kurfürst  die 
auf  ihn  gefallene  Wahl  zum  König  von  Polen  annahm. 
Als  solcher  wurde  er  in  den  nordischen  Krieg  verwickelt, 
und  die  unvermeidliche  Folge  dieses  Umstandes  war  eine 
von  Jahr  zu  Jahr  sich  steigernde  Vermehrung  der  Truppen, 
teils  durch  Neuformation,  teils  durch  Ersatz  der  Verluste. 

Der  König  hatte  zufolge  seiner  Erwählung  die 
pacta  conventa,  d.  i.  die  Verfassungsbestimmungen,  welche 
das  Verhältnis  zwischen  Krone  und  Volk  regelten,  be- 
schwören müssen;  sie  waren  aber  in  diesem  konkreten 
Falle  durch  eine  grolse  Anzahl  von  Spezialbestimmungen 
erweitert  worden.  Eine  derselben  besagte,  dals  der  König 
„trachten  solle,  die  Ukraine  zu  recuperiren  und  mit  dem 
moscowitischen  Zar  einen  ewigen  Frieden  zu  machen"  ; 
namentlich  aber  sollte  er  die  Festung  Camiuiec,  die  in  der 
Gewalt  der  Türken  war,  wiedergewinnen,  sie  „mit  eignen 
Unkosten  fortificiren,  die  ßepublic  aber  solche  Vestung 
unterhalten."  Um  dieses  zu  können,  erhielt  der  König, 
entgegen  der  Verfassung,  die  Genehmigung,  sächsische 
Truppen  nach  Polen  zu  ziehen.  Hierdurch  wurden  die 
Erblande  aber  von  Truppen  entblölst,  und  hierin  lag  die 
erste  Veranlassung  zu  dem  mit  Dänemark  im  März  1698 
abgeschlossenen  Defensiv  vertrag,  demzufolge  dieses  sich 
verpflichtete,  ein  Hilfskorps  von  4  Infanterie-,  einem  Reiter- 
und einem  Dragonerregiment  an  Sachsen  zu  überlassen. 
Dasselbe  verblieb  bis  zum  folgenden  Jahre  im  Lande 
und  kehrte  wieder  in  die  Heimat  zurück,  als  zufolge  des 
Friedens  von  Carlowitz  die  sächsischen  Truppen  disponibel 
wurden  und  wieder  in  die  Erblande  einrücken  konnten^). 

Die  weitere  Folge  dieses  ersten  sächsisch-dänischen 
Vertrages  war  ein  förmliches  Schutz-  und  Trutzbündnis, 
welches  König  August  mit  dem  König  von  Dänemark, 
der  seit  längerer  Zeit  bereits  mit  Schweden  in  Fehde 
lag,  abschlols,  und  welchem  im  November  1699  auch  der 
russische  Zar  beitrat. 


\)  Schuster  u.  Fraucke,  Gesch.  der  sächs.  Armee  (Leipzig  1S85) 
•I,  138: 


yQ  A.  von  Welck : 

Die  sächsische  Feldarmee  bestand  zu  dieser  Zeit 
aus  drei  Kompagnien  Leibtiabantengarde ,  5  Kürassier-, 
4  Dragoner-  und  11  Infanteriereginientern,  sowie  1  Feuer- 
werker-, 3  Kanonier-  und  1  Minirkompagnie-). 

Die  Feindseligkeiten  gegen  Schweden  begannen  be- 
reits im  Februar  1700  mit  der  Unternehmung  gegen  Jiiga 
und  der  Einnahme  derKoberschanze,  während  König  August 
erst  im  Juni  die  förmliche  Kriegserklärung  eiliels. 

Da  aber  Dänemark  im  August  desselben  Jahres  einen 
Separatfrieden  mit  Schweden  abschlols  und  die  Küssen 
am  21.  November  eine  ernste  Niederlage  bei  Narva  er- 
litten, so  hätte  auch  der  König  von  Polen  gern  die  Hand 
zum  Frieden  geboten.  Seine  dahin  zielenden  Bemühungen 
hatten  aber  keinen  Erfolg,  und  es  fand  infolgedessen  im 
Frühjahr  des  folgenden  Jahres  eine  Erneuerung  des 
sächsisch-russischen  Bündnisses  statt.  (Vertrag  von  Birsen 
vom  9.  März  1701.) 

Die  wieder  beginnenden  Feindseligkeiten  und  die 
speziellen  Vertragsbestimmungen  machten  eine  Vermehrung 
der  sächsischen  Armee  zur  zwingenden  Notwendigkeit, 
und  es  wurde  infolgedessen  noch  im  Jahre  1701  das 
Projekt  ausgearbeitet,  die  Infanterie  von  10  auf  24  Regi- 
menter zu  vermehren.  Doppelt  notwendig  erschien  diese 
Malsregel,  nachdem  die  vereinigten  Russen  und  Sachsen 
am  19.  Juli  an  der  Düna  von  Karl  XII.  empfindlich 
aufs  Haupt  geschlagen  worden  waren,  und  die  Sachsen 
allein  einen  Verlust  von  mehr  als  1000  Mann  erlitten 
hatten. 

Diese  geplante  Vermehrung  der  sächsischen  Armee 
—  bereits  am  3.  Dezember  wurden  die  Kommandeure  der 
neu  zu  errichtenden  Regimenter  ernannt  —  interessiert 
uns  um  deswillen  ganz  speziell,  weil  zu  diesem  Zweck 
die  Anwerbung  von  Schweizern  wieder  ins  Auge  ge- 
falst  wurde.  Während  nämlich  die  Regimenter  21  und  22 
(Dönhoff  und  Flemming)  in  Polen  ausgehoben  werden 
sollten,  beal »sichtigte  man,  die  Regimenter  23  und  24  in 
der  Schweiz  anzuwerben"). 

Zur    Ausführung    dessen    erteilte    der    König    dem 


")  Schuster  u  Francke,  Geschichte  der  sächsischen  Armee 
I,  142. 

»)  Schuster  u.  Francke  a  n.  O.  I,  14;}.  Gleichzeitig  wurde 
hestimmt,  dafs  je  zwei  Kei^iirienter  die  ii-lciclie  Uniform  traa-en  sollten  ; 
siimtlicli  roten  Lcibrock  mit  verscliiidcntaibiger  Doublure. 


Schweizer  Soldtnippen  1701—1815.  81 

Oberst  und  Generalacljutant  Baron  de  Je  Jay^)  den 
Befehl,  nach  der  Schweiz  zu  reisen,  um  daselbst  die 
erforderlichen  Verhandlungen  einzuleiten.  Derselbe  wurde 
durch  ein  Schreiben  des  Königs  d.  d.  Warschau  am 
29.  Septembei-  1701,  beglaubigt"'),  in  welchem  es  heilst, 
le  Jay  solle  um  die  Genehmigung  zur  Anwerbung  „einiger 
Kegimenter"  bitten  und  gleichzeitig  die  Bedingungen  er- 
öffnen, unter  denen  dieselbe  stattfinden  solle.  Besonderer 
Wert  wird  zunächst  auf  ein  Regiment  Infanterie  gelegt, 
welches  für  den  Groiskanzler  Graf  Beuchlingen")  formiert 
werden  solle. 

Oberst  le  Jay  begab  sich  zunächst  nach  Zürich  und 
überreichte  daselbst  das  königliche  Schreiben.  Aulserdem 
richtete  er  aber  aus  der  Stadt  selbst  am  14.  November 
ein  schriftliches  Gesuch  an  den  Rat  zu  Zürich"),  in 
welchem  er,  unter  Hinweis  auf  jenes,  um  die  Genehmigung 
zur  xlnwerbung  eines  Infanterieregimentes  bittet  und 
die  „Articul  und  Bedingnusse"  beifügt,  „under  welchen 
Ihr  Königl.  Mayst.  in  Fohlen  und  Churfürstl.  Durchlt.  in 
Saxen  ein  Regiment  Schweitzer  auffzurichten  verlangt"  ^). 

Die  Hauptpunkte  dieser  Kapitulation  sind:  1.  freie 
Religionsübung  und  zu  dem  Zwecke  Anstellung  von  Geist- 
lichen in  der  Garnison  und  im  Felde ,  2.  Aufstellung  von 
2  Bataillonen  ä  12  Kompagnien  Füsiliere  oder  Grenadiere, 
3.  dreijährige  Dienstzeit,  4.  Standquartier  Sachsen  und 
nicht  Polen,  5.  Dauer  des  Vertrages  auf  10  Jahre, 
6.  Rekrutierung  in  der  Schweiz. 

Sofort  nach  Eingang  dieser  Schriftstücke,  und  zwar 
in  den  Tagen  vom  16.  bis  18.  desselben  Monats,  teilte 
Zürich  den  übrigen  Kantonen  dieselben  abschriftlich  mit 
und  bat  um  baldmögiichste  Antwort.  Die  Kantone 
möchten  sich  aussprechen ,   was  sie  darüber  dächten  und 


"*)  Die  Familie  le  Jay  stammt  aus  Savoj-en,  Arrond.  Bonneville 
(nach  C-rrillet,  Dictioii.  histor.,  litter.  et  Statist,  des  Departements  du 
Montblanc  et  du  Leman.  Chambery  1807).  Näheres  ül)er  Oberst 
le  Jay  konnten  wir  nicht   ermitteln. 

5)  St.-A.  Zürich   Acta  Sachsen  No.  3,  d.  d.  29.  September  1701. 

^)  Graf  Wolfgang'  Dietrich  von  Beuchlingen,  geb.  1665  als  Sohn 
des  Geheimen  Rats  Hermann  von  Beuchling,  ward  1700  Minister  und 
Grofskanzler,  kurze  Zeit  nachher  auch  Uberhofmarschall  und  in  den 
Grafenstaud  erhoben.  Bereits  im  Jahre  1703  fiel  er  in  Ungnade  und 
wurde  auf  den  Königstein  gebracht,  wo  er  bis  zum  Jahre  1709  als 
Gefangener  blieb.  Alsdann  begnadigt,  lebie  er  iiuf  seinem  Gute  Zschorna 
bei  Würzen  und  starb  im  Jahre  1725. 

'')  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  Xo.  4n. 

^)  Ebenda  No.  4b. 

6 

Neues  Archiv  f.  8.  Ü.  u.  A.  XIV.  1.  •>. 


32  A.  von  Welck: 

wie  sie  sich  dem  Begehren  des  Königs  gegenüber  stellen 
wollten"). 

Im  Laufe  der  nächsten  14  Tage  gingen  diese  Ant- 
worten ein^").  Die  Mehrzahl  spricht  sich  dahin  aus,  dafs 
die  nächste  eidgenössische  Tagsatzung  abzuwarten  sei, 
um  sich  mündlich  beraten  zu  können.  Bern  und  Solo- 
lliurn  fügen  aber  die  Bemerkung  bei,  dals  man  keinen- 
lälls  eine  Entscheidung  treffen  könne,  ehe  nicht  die  Höhe 
des  Soldes  festgesetzt  sei,  und  der  ersterc  Kanton  macht 
aulserdem  darauf  aufmerksam,  dais  es  sehr  wünschens- 
wert erscheine,  Avenn  als  Oberst  des  neu  zu  errichtenden 
Regimentes  ein  Schweizer  angestellt  werde  und  wenn 
die  Besetzung  der  Hauptmannsstellen  den  „Orten"  über- 
lassen bleibe.  Ebenso  sei  eine  ausdrückliclie  Erklärung 
darüber  zu  verlangen,  ob  die  Schweizer  Truppen  „otfen- 
siv"  oder  nur  „defensiv"  verwendet  werden  sollten.  Glarus 
und  Unterwaiden  ob  d.W.  sind  für  definitive  Ablehnung, 
und  der  Abt  von  St.  Gallen,  Leodegarius,  macht  auf  eine 
sehr  erhebliche  Erschwernis  aufmerksam,  die  in  den  bereits 
vorliegenden  mehrfachen  Werbebegehren  anderer  Mächte 
begründet  sei. 

Nach  dem  Eingang  dieser  Antworten  veranlafste 
Zürich,  welches  die  ausgesprochenen  Bedenken  jedenfalls 
teilte,  zunächst  den  Oberst  le  Jay  die  Kapitulations- 
bedingungen etwas  bestimmter  zu  formulieren.  Derselbe 
überreichte,  dieser  Aufforderung  nachkommend,  am  28.  De- 
zember ein  Memorial,  welches  als  Ergänzung  und  Er- 
läuterung der  oben  genannten  „Articul  und  Bedingnusse" 
gelten  sollte").  Das  Wesentliche  dieses  Memorials  be- 
stand darin,  dais  die  Kapitulation,  die  Graf  Lodron  im 
Auftrage  des  Kaisers  im  Jahre  1090  mit  den  Eidgenossen 
abgeschlossen    hatte '-)   und   nach    welcher   jeder   Mann 

»)  St.-A.  Bern  L^  pag.  669,  d  d.  18.  Novcmlier  1801. 
'0)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen,    vom  ;^1.  November  bis  S.De- 
zember 1701. 

")  Ebenda  No.  6. 

^-)  Diese  Kapitulation,  auf  welche  noch  mehrfach  Bezug  ge- 
nommen wird,  wurde  während  der  genieineidgenössischen  Tagsatzung 
zu  Baden  {i-Z.  Mai  bis  3.  Juni  1690)  abgeschlossen.  Vergl.  Sammhuig 
derEidgenössischen  Abschiede  [=  E.  A.J  VI  2^  No.  181  lit  n.  Der  erste 
Artikel  dieser  21  Punkte  umfassenden  Kapituhvtion  lautet:  „Soll  ein 
ordentliches  Regiment  under  einem  Obersten  und  anderen  darzu  ge- 
hörigen hochen  officieren  in  10  conipagniiMi  abgetheilt,  jede  von  100 
und  70  iHann  effective  und  die  prima  plana  darunder  begrift'en,  also 
samendtlich  1000  und  700  Jlann  geworben  mit  über  und  undergewöhr 
gleich  Loth  schiofsendten  Mnsquoten  snmbr  bnjoneten,  i<Tauwcn  weiten 


Schweizer  Soldtruppen  1701—1815.  83 

einen  monatlichen  Sold  von  5  Rtlilrn.  erhielt,  als  Grund- 
lage dienen  sollte.  Eine  entsprechende  Summe  solle  als 
Bürgschaft  in  Leipzig  deponiert  werden,  die  Kapitulation 
selbst  eine  Geltung  auf  10  Jahre  haben,  und  endlich  wünsche 
der  König  aulser  dem  für  Graf  Beuchlingen  anzuwerbenden 
Regiment  auch  eine  besondere  Leibwache  von  200  Mann 
aus  den  katholischen  Kantonen  für  seinen  polnischen 
Hofhalt. 

Da  aber  trotz  dieses  erläuternden  Memorials  noch 
immer  Unklarheiten  zwischen  dem  Rat  zu  Zürich  und 
dem  Oberst  le  Jay  über  die  Modalitäten  dieser  Anwerbung 
bestanden,  so  gab  der  letztere  am  29.  Dezember  noch 
eine  besondere  „Erklärung"  zu  ProtokolP-^).  In  dieser 
versicherte  er  zunächst,  dals  er  unbedingte  Vollmacht 
habe,  eine  Kapitulation  abzuschlielsen  und  dals  er  auch 
für  die  richtige  Bezahlung  der  erforderlichen  Kaution 
sorgen  werde.  Er  bezieht  sich  in  der  Hauptsache  wieder 
auf  die  Lodronsche  Kapitulation;  doch  solle  jede  Kom- 
pagnie nur  auf  90  Mann  gerichtet  und  10  Mann  zur 
Gratifikation  eingerechnet  werden.  Über  einige  andere 
Fragen,  die  aufgeworfen  wurden,  erklärt  er,  augenblicklich 
keine  definitive  Antwort  geben  zu  können,  so  namentlich 
darüber ,  ob  die  Mannschaften  für  das  Beuchlingsche 
Regiment  nur  aus  den  evangelischen  oder  auch  aus  den 
katholischen  Kantonen  sollten  angeworben  werden ;  hin- 
gegen könne  er  versichern,  dafs  der  König  beabsichtige, 
eine  förmliche  Kolonie  von  Schweizern  nach 
Sachsen  zu  verpflanzen. 

Le  Jay  hatteschon  vorher  die  Notwendigkeit  empfunden, 
sich  vor  Beginn  der  Unterhandlungen  noch  genauere  In- 
struktionen einzuholen,  und  hatte  zu  diesem  Zwecke  bereits 
am   6.  Dezember  von  Bern  (?)   aus  an  den  Grolskanzler 


röckhen,  rothen  grofsen  Ueberschlägen,  gleich  hüeten  mondieret  auf 
den  von  Ihrer  Kays.Mayst.  bestimbten  rendevons  gestelt  werden  lengst 
innerhalb  (3  wuchen  Zeit."  Die  hai^ptsächlichsten  Punkte,  die 
sonst  durch  diese  Kapitulation  bestimmt  werden,  sind:  o  Rthlr.  — 
7'/2  Gulden  monatlichen  Sold  und  für  den  Stab  monatlich  750  Gulden. 
Die  „Obristeu  Haubtleüthe"  werden  vom  Kaiser  ernannt,  die  Subaltern- 
offlziere  von  den  Hauptleuten.  Das  Regiment  soll  in  der  Garnison 
„Dach,  Fach  und  Services"  gleich  den  anderen  kaiserlichen  Soldaten 
erhalten;  „Krud  u.  Loth^'  wiid  umsonst  geliefert",  die  Kranken  werden 
auf  ihre  eigenen  Kosten  verpflegt;  den  Evangelischen  wird  „ein 
anständig  orth  zu  privat  Hebung  Ihrer  religion  gestattet". 
^•^)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  No«  7. 


84  A.  vuii  Wi'lck  : 

g-eschriebeii  ")  und  angefragt,  ob  der  König  die  Soldaten 
aus  allen  Kantonen  haben  wolle,  d.  li.  ob  das  anzu- 
werbende Regiment  aus  Evangelischen  und  Katholischen 
bestehen  könne  ?  In  demselben  Briefe  richtet  le  Jay  die 
IMtte  an  den  Grolskan/.ler,  ihm  Geld  zu  schicken,  da  das 
Jjeben  in  der  Schweiz  teurer  sei  als  in  Sachsen. 
Se.  Excellenz  möge  das  Geld  an  den  schweizerischen 
Kaufmann  Escher  in  Leipzig  schicken ,  dessen  Bruder 
in  Zürich  lebe. 

Dieses  Thema  der  Bitten  um  Geld  wird  von  nun  an 
ein  stehendes,  dem  wir  in  allen  sich  oft  wiederholenden 
Briefen  le  Jays  begegnen. 

Ob  diesem  eine  Antwort  auf  die  Anfrage  vom  6.  De- 
zember zuging ,  ist  nicht  zu  ersehen ;  jedenfalls  war  sie 
am  29.  Dezember  noch  nicht  in  seineu  Händen. 

Mittlerweile  benutzte  er  aber  die  Mulse,  die  ihm 
der  Aufenthalt  in  Zürich  gewährte,  um  den  Grafen 
Beuchlingen  mit  Briefen  zu  überschütten,  in  welchen  er 
teils  seinen  Hoftnungen  auf  günstige  Abwickelung  seiner 
Geschäfte,  teils  —  und  zwar  als  Hauptthema  —  seinen 
Bitten  um  Geld  Ausdruck  leiht.  Das  Königl.  Sachs. 
Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  hat  mehrere  derartige 
Briefe  (u.  a.  vom  17.,  28.,  31.  Dezember)  aufbewahrt''^); 
in  einem  derselben,  ohne  Datum'"),  wird  daraufhinge- 
wiesen, dafs  es  in  diesem  Moment  schwer  halte,  in  der 
Schweiz  Truppen  zu  bekommen,  weil  der  Kaiser,  Frank- 
reich, Spanien  und  Holland  ebenfalls  Soldtruppen  von 
den  Eidgenossen  begehrten  und  eüi  Abgesandter  den 
andern  in  seinen  Anerbietungen  überböte.  In  dem 
Schreiben  vom  31.  Dezembei-  versichert  er,  dals  nicht 
nur  der  König  hochgeehrt  und  geliebt  sei  in  der  Schweiz, 
sondern  auch  „Se.  Excellenz"  (!).  Dieser  schmeichel- 
haften Mitteilung  fügt  er  aber  sofort  wieder  die  Bitte 
um  Geld  bei  und  sagt,  dals,  wenn  er  jetzt  hhireichende 
Mittel  besälse,  er  gewüls  die  ganze  Werbungsangelegen- 
heit in  kürzester  Frist  zum  Abschluls  bringen  werde, 
„puisque  tous  les  Cantons  ou  J'ay  ete  sont  resolue  et 
content  d'en  donner  au  Roy  pour  le  meme  prix  de 
rEmpereur".  Falls  er  aber  von  Sr.  Excellenz  nicht  bald 
und   genügend    mit   Geld    versehen  werde,    so  droht  er: 

")  K.  S.  H.-St.-A.  Dresden.  Loc.  1154.    Die    Erriflitnng-  zweier 
Schweizer  ßegimeuier  etc.  1701  —  1704,  Kl  8. 
'■')  Ebenda  Bl.  25,  30,  li]. 
1«)  Ebenda  Bl.  18. 


Scliweizer  Soldtnippen  1701       isiö.  85 

„Je  serez  obligez  de  nie  retirer  tout-ä-fait,  poiir  iie  pas 
recevoir  im  affront  publique,  en  n'osaiit  paraitre  ä 
TAssemblee  generale  des  Etats  que  se  tiendronts  dans 
trois  ou  quatre  seraaines". 

Die  Kantone  hatten  tliatsäclilich  beschlossen,  zur 
Erledigung-  der  vielfachen  an  sie  herantretenden  Ansuchen 
um  Überlassung  von  Soldtruppen  im  Beginn  des  Jahres 
1702  eine  allgemeine  eidgenössische  Tagsatzung  abzu- 
halten; vorher  aber  wollten  die  evangelischen  Kantone 
noch  eine  besondere  Konferenz  unter  sich  in  Aarau  ab- 
halten ^■').  Hiervon  war  le  Jay  auch  unterrichtet  und  wegen 
einer  definitiven  Entscheidung  auf  die  Beschlüsse  jener 
Tagsatzung  verwiesen  worden. 

Oberst  le  Jay  verblieb  vorläufig  in  Zürich  und  unter- 
hielt nach  wie  vor  eine  lebhafte  Korrespondenz  mit  Graf 
Beuchlingen.  Am  4.  Januar  schreibt  er,  man  möge  ihm 
umgehend  3  —  400  Dukaten  schicken,  denn  ohne  Geld 
könne  er  weder  selbst  leben,  noch  könne  er  die  Interessen 
des  Königs  wirksam  vertreten ^^). 

Am'  7.  Januar  lälst  er  bereits  wieder  einen  Brief 
folgen ^^),  in  dem  es  heilst:  Da  er  kein  Geld  hätte,  um 
in  des  Königs  Angelegenheiten  selbst  zu  reisen,  so  habe 
er  wenigstens  nach  allen  Himmelsgegenden  Briefe  ge- 
schrieben und  sogar  expresse  Boten  auf  Kredit  entsendet  (!). 
Auf  diese  Weise  habe  er  auch  erfahren,  dals  in  allen 
Kantons  die  grölste  Bereitwilligkeit  herrsche,  dem  König 
die  gewünschten  Truppen  zu  bewilligen.  Die  endgültige 
Entscheidung  werde  auf  der  Tagsatzung  zu  Baden  statt- 
finden. Auf  Bern  und  Zürich  könne  er  sich  ganz  unbe- 
dingt verlassen.  Er  schlieist  dieses  Schreiben :  „Je  reste, 
attendant  toujours  de  l'argent,  dont  J'ay  un  extreme 
besoing,  avec  un  profond  respect"  etc. 

Drei  Tage  später  —  am  10.  Januar  —  macht  er 
dem  Grolskanzler  in  einer  abermaligen  Zuschrift-")  die 
wichtige ,  aber  wie  sich  zeigt  ganz  unbegründete  Mit- 
teilung, dafs  er  im  Monat  Mai  die  anzuwerbenden  Truppen 
selbst  nach  Sachsen  geleiten  werde.  Der  Kanton  Frei- 
burg  —  fügt  er  hinzu  —  wolle  lauter  sehr  schöne 
Leute  stellen,    die  zudem   deutsch    und   französisch 


")  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  No.  8  a  und  b. 
'S)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154  A.  cit.  Bl.  33. 

19)  Ebenda  Bl.  35. 

20)  Ebenda  Bl.  37. 


80  A:  von  Wekk: 

spiäclien.  —  Als  Naclitrag  zu  dioscin  Briete  meldet  er 
den  ricbtig-en  Empfang-  eines  Wechsels  über  500  Gulden, 
gezogen  auf  H.  Eschers  Bruder  in  Zürich,  und  fügt  noch 
hinzu,  dafs  am  23.  Januar  die  Konferenz  der  evangelischen 
Orte  in  i\.arau  zusammentreten,  am  28.  Februar  aber  die 
allgemeine  Tagsatzung  in  Baden  ihren  Anfang  nehmen 
werde.  Dafs  le  Jays  unausgesetztes  Diängen  um  Geld 
nicht  erfolglos  war,  beweist,  dafs  er  nur  4  Tage  später 
—  am  14.  Januar  —  bereits  in  der  Lage  war,  Sr.  Ex- 
cellenz seinen  unterthänigen  Dank  für  200  Dukaten  aus- 
zusprechen. Er  erwähnt  hier  nochmals  die  bevor- 
stehende Konferenz  der  evangelischen  Orte  und  glaubt, 
dais  sie  sich  willfähri^^er  zeigen  würden,  als  die  katho- 
lischen Orte. 

In  den  Tagen  vom  23.  bis  27.  Januar  fand  nun  in 
der  That  diese  Versammlung  statt,  auf  welche  le  Jay  so 
grolse  Hoffnungen  gesetzt  liatte-').  Leider  sollten  sich 
aber  dieselben  nicht  erfüllen.  Ei- brachte  seinen  Antrag 
vor,  ihm  die  Anwerbung  eines  Kegimentes  von  2G  Kom- 
pagnien ä  90  Mann  effektiv  bei  10  Mann  Gratifikation 
zur  Verteidigung  der  kursächsischen  Lande  zu  genehmigen 
und  überreichte  zu  dem  Zwecke  einen  vollständigen  Kapitu- 
lationsentwurf in  18  Artikeln-'-),  welcher  eine  Zusammen- 
stellung derjenigen  Punkte  enthält,  welche  in  den  „Articul 
und  Bedingnussen"  und  in  dem  diesen  beigefügten 
„Memorial"    und   „Erklärung"  le   Jays  enthalten  waren. 

Die  evangelischen  Orte  gingen  aber  auf  le  Jays 
Begehren  nicht  ein,  und  gaben  als  hauptsächlichen  Grund 
hierfür  den  Umstand  an,  dafs  dieser  Antrag  schon  früher 
an  die  gesamte  Eidgenossenschaft  gerichtet  worden  und 
auf  die  Tagesordnung  der  nächsten  allgemeinen  eid- 
genössischen Tagsatzung  geschrieben  sei;  es  ginge  dem- 
nach nicht  recht  an,  dafs  jetzt  nur  ein  Teil  der  Stände 
auf  einer  Spezialkonferenz  darüber  beschliefse.  Zur  Sache 
selbst  aber  sprachen  sich  die  Orte  dahin  aus.  dafs  man 
bei  den  gegenwärtigen  Zeitläufen  und  den  anhängigen 
Werbungsbegehren  des  Kaisers,  Fiankieichs  und  Spaniens 
diesen  Antrag  um  so  Aveniger  berücksichtigen  kinine, 
als  man  mit  Sachsen  in  keinem  Bündnis  stehe  und  der 
Bestand  des  Königreichs  Polen  infolge  des  gegen- 
wärtigen Krieges  mit  Schweden  zweifelhaft  sei.  — 


21)  E.  A.  VT.  1.  Hälfte,  No.  484. 

22)  Militär-Bibliothek  Basel  A.  13  No.  üb  Mskrpt. 


Scliweizer  Suldtiuppeu  IVUl  — 1815.  87 

Nur  Bern,  ,. welches  eine  grolse  Anzahl  Offiziere  und 
Volk  besitzt",  lehnte  nicht  definitiv  ab,  weil  das  Regiment 
nur  defensiv  verwendet  werden  solle;  nur  müsse  man 
trachten,  eine  noch  günstigere  Kapitulation  zu  erlangen--^). 

Trotz  dieses  ungünstigen  Resultates  scheint  sich 
le  Jay  noch  immer  mit  grofsen  Hoff'nungen  getragen  zu 
haben,  denn  er  richtet  am  30.  Januar,  also  wenige  Tage 
nach  Schlufs  der  Konferenz,  aus  Basel  an  den  Grols- 
kanzler  die  Bitte,  ihm  das  Kommando  eines  der  beiden 
anzuwerbenden  Regimenter  auszuwirken.  Er,  alsAusländer 
und  Katholik,  eigne  sich  besonders  gut  zum  Komman- 
danten eines  katholischen  Schweizer-Regiments-*). 

Unter  dem  nämlichen  Datum  schreibt  le  Jay  auch  einen 
langen  Brief  an  den  Geheimen  Kriegsrat  von  Benken- 
dorff-'')  nach  Sachsen.  Er  dankt  ihm  für  eine  erhaltene 
Zuschrift  und  bezieht  sich  wegen  der  geschäftlichen  An- 
gelegenheiten auf  sein  an  Graf  Beuchlingen  gerichtetes 
Schreiben.  Hiernächst  spricht  er  seine  au  [serordentliche 
Freude  aus,  dals  der  König  seine  —  Benkendorffs  — 
treue  und  ausgezeichnete  Dienste  würdig  belohnt  habe 
und  bittet  um  die  Ehre  und  das  Glück  seiner  ferneren 
Freundschaft.  Weiterhin  teilt  er  dem  Geheimen  Kriegsrat 
mit,  dals  er  soeben  von  der  Konferenz  in  Aarau  käme 
und  dafs  man  ihm  auf  derselben  schon  beinahe  fest  die 
Stellung  von  1500  —  2000  Mann  versprochen  habe  (!) ; 
doch  hänge  der  definitive  Bescheid,  wegen  der  Stimmen 
der  katholischen  Kantone,  noch  von  den  Beschlüssen  der 
allgemeinen  Tagsatzung  ab,  die  demnächst  in  Baden  statt- 
finden werde.    Die  katholischen  Kantone  würden  wahr- 


es) E.  A.  VI2,  1.  Hälfte  No.  484  lit.  b.  Es  erscheint  hiernach, 
dafs  le  Jay  in  Aarau  von  einer  nur  defensiven  Verwendung  der 
Schweizer  gesprochen  hat,  was  durchaus  nicht  in  der  Absicht  lag.  — 
Im  Originalabschied  (St.-A.  Zürich  Allg.  Absch.  Bd  82  fol.  2)  lautet 
diese  Erklärung  Berns:  ,L.  Stands  Bern  E.  Gesante  aber  haben  sich 
zu  diserem  begehren  in  betrachtung  vormahliger  gar  vortheilhafter 
genossener  Conditionen,  der  Vilheit  in  Ihrer  Statt  und  Landschaft 
befindender  Officieren  und  Gemeinen  Volks,  welches  sonsten  den  be- 
nachbarten zulaufen  thäthe,  insonderheit  aber  weilen  dise  Völker  nur 
zur  defension  der  Chursächsischen  landen,  die  in  keinem  Krieii'  be- 
griffen und  dahin  kein  beschwärlicher  march  noch  kostbahres  Equi- 
page erforderlich,  verlanget  werden,  jedoch  mit  vorbehält  besserer 
Capitulation,  nicht  ohngeneicht  bezeuget." 

21)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  BL  42. 

-^)  Derselbe  war  zugleich  Generallieutenant.  Er  fiel  mit  Graf 
Beuchlingen  gleichzeitig  in  Ungnade  —  1703  —  und  kam  mit  ihm 
zusammen  auf  den  Königstein. 


88  A.  V..11  Wolck: 


scluMiilk-li  tVeic  Heligioiisiibiiiig  und  die  Besoldung  üirer 
Geistlichen  verlangen.  Alle  Schweizer  Offiziere,  schreibt 
er  weiter,  wollten  weit  lieber  dem  König  von  Polen,  als 
irgend  einem  anderen  Fürsten  dienen-*'). 

Diesem  Schreiben  legt  le  Jay  ein  „Memoire"  bei 
über  diejenigen  Fragen,  die  noch  festzustellen  seien,  ehe 
die  Anwerbung  abgeschlossen  werden  könne-').  Dasselbe 
nmfalst  12  Punkte,  deren  hauptscächlichste  die  nach- 
stehenden sind:  1.  Die  Kom])agnien  sollen  nicht  nur 
150  Mann  zählen,  sondern  ITcTMann,  mit  20  Mann 
Gratifikation;  auch  möchten  dieselben  anstatt  mit  4  mit 
5  Offizieren  besetzt  werden.  2.  Der  monatliche  Sold 
möchte  pro  Kopf  6  Thaler  und  für  den  Stab  500  Thaler 
betragen;  dies  werde  namentlich  deshalb  gewünscht,  weil 
die  Leute  so  weit  weg  von  ihrem  Vaterlande  mülsten,  im 
Vergleich  zu  den  von  Österreich  angeworbenen  Mann- 
schaften, welche  nur  in  den  Grenzfestungen,  nahe  der 
Schweiz,  Verwendung  fänden.  3.  Würde  die  Voraus- 
zahlung von  3000  Thalern  für  die  Aushebung  ehier  jeden 
Kompagnie  von  150  Mann  und  von  4000  Thalern  für  die 
einer  solchen  von  170  Mann  erforderlich  sein.  4.  Für  den 
Marsch  nach  Sachsen  sei  eine  Monatsgage  gratis  zu  ge- 
währen. 5.  Werde  gewünscht,  dals  die  Patente  für  beide 
llegimentsstäbe  und  für  alle  Kapitäns,  ebenso  auch  für 
die  Gardekompagnie,  nach  der  Schweiz  geschickt  würden, 
so  dals  daselbst  nur  die  Xamen  auszufüllen  seien.  6.  Sei 
zu  bestimmen,  ob  die  Regimenter  zu  10  oder  zu  12  Kom- 
pagnien formiert  werden  sollten.  7.  Verlangt  man  seitens 
der  Kantone,  dals,  wenn  eine  Kompagnie  aufgelöst  oder 
vor  dem  Feind  oder  durch  böse  Krankheiten  vernichtet 
werden  sollte,  dem  Kapitän  eine  Frist  v(m  zwei  Monaten 
zur  Beschatfung  neuer  Mannschaften  gewährt  werde, 
während  welcher  Zeit  er  aber  seine  Gage  nach  Malsgabe 
des  Mannschafts-Etats  bei  der  letzten  Musterung  fort  be- 
ziehe. 8.  Kehrten  die  Truppen  nach  einer  10jährigen 
Dienstzeit  zuriick,  so  möchte  ihnen  eine  zweimonatliche 
Gage  zui-  Rückreise  bewilligt  werden. 

Als  i)ersönliche  i^.nsicht  fügt  le  Jay  noch  hinzu,  dals 
es  voi'teilhaft  sein  dürfte.  8000  bis  lOOOÖ  Thaler  zu  opfern 
^pour  gagner  les  principaux,  parceciue  les  autres  concurents 


2«)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  Bl.  44. 
"")  „Jlemoire  des  Articles  qui  reste  k  conclure  poiir  la  lev6e  des 
deux  Kegimens  Siiisse,  que  Sr.  Maj.  desire  d  avoir." 


Schweizer  Süiatruppen  ]7(il— IS15.  89 

poiirois  bien  l'emporter  sur  noiis  par  les  grauds  ofFres, 
qu'ils  fönt  anx  Suisses.  Comme  on  le  poiirra  aisement 
voir  par  les  copie  des  capitulatioiis  Etraiigeres,  que 
J'envoye  ci  jointe." 

Er  legt  zu  dem  Zweck  die  Kapitulationen,  „so  die 
Herrschaft  Venedig  den  löbl.  Orten  Lucern,  Ury,  Scliweitz, 
Unterwaiden  und  Zug  anerbietet,"  ferner  die  zwischen 
dem  Kaiser  und  den  Kantonen  vom  Jahre  1690  und  end- 
lich die  zwischen  Frankreich  und  den  Eidgenossen  zuletzt 
abgeschlossene  in  Abschrift  bei.  IVIan  ersieht  bei  einer 
Vergleichung ,  dafis  die  Proposition,  die  le  Jay  gemacht 
hatte,  in  Hinsicht  der  Bezahlung  günstiger  war,  als 
jene,  während  anderseits  allerdings  die  in  österreichischen 
Sold  ti-etenden  Schweizer  nur  nach  Constanz,  Rheiufelden, 
in  die  Waldstätte  und  den  Schwarzwald  dislociert  werden 
durften-«). 

Zwei  Tage  später  —  am  1.  Februar  —  lälst  le  Jay 
noch  einen  Nachtrag  zu  dem  obigen  Schreiben  an  den 
Geheimen  Kriegsrat  abgehen,  in  welchem  er  sagt,  dals  die 
Sclnveizer  Herren  sehi^  wünschten,  dals  ihr  Eegiment  den 
Titel  erhielte:  „Guardes  oder  Regiment  Royalle  Suisse 
de  Sa  Majeste"--^). 

Die  Ansicht  des  Oberst  le  Jay,  dals  die  evangelischen 
Orte  willfähriger  sein  würden,  als  die  katholischen,  scheint 
in  Sachsen  geteilt  worden  zu  sein,  denn  der  König  stellte 
ihm  d.  d.  Warschau,  den  1.  Februar  1702,  ein  erneutes, 
ganz  speziell  „ahn  die  Vier  Evangelischen  Orth  der  Eyd- 
genossenschaft  Zürich,  Bern,  Basel  und  Schaif hausen" 
adressiertes  Kreditiv  zu"^*').  Dasselbe  ist  annähernd  gleich- 
lautend —  aber  in  deutscher  Spraclie  abgefafst  —  mit 
dem  ersten  Beglaubigungsschreiben  vom  29.  September  1701, 
welches  an  alle  Kantone  gerichtet  war.  Es  bezieht  sich 
aber  zunächst  nur  auf  die  Aufstellung  „furnehmblich  einess 
Regiments  zu  Fuess",  welches  le  Jay  wohl  glaubte  von 
den  genannten  vier  evangelischen  Kantonen  erhalten  zu 
können. 

Mittlerweile  rückten  die  entscheidenden  Tage  der 
,.aufserordentlich  gemein- eidgenössischen  Tagsatzung  der 
XIII  Orte,  Abt  und  Stadt  St.  Gallen  und  Biel"  in  Baden 
heran ,  welche  nicht  allein  für  die  Wünsche  des  Oberst 


2S)  Verg-1.  Note  12. 

29)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  ]  154.  A.  cit.  Bl.  63. 

»0)  Ebenda  Bl.  61. 


00  A.   Voll   Wdck: 

le.  Jay,  sondern  ancli  füi-  die  «ileicbzeitigen  A\'erl)eljegeliren 
ÖsteiTeichs,  Frankreichs  und  Spaniens  die  Entsclieidimg 
bringen  sojlte. 

Die  Tagsatzung  Avurde  am  8.  Februar  1702  eröffnet; 
Oberst  le  Jay  kam  aber  erst  am  15.  d.  M.  dazu,  seinen 
Antrag  mündlich  vorzubringen.  Der  „Abschied""')  sagt 
darüber,  dals  le  Jay,  als  Gesandter  des  Königs  von  Polen, 
einen  „Aufbruch"  von  einigen  tausend  Mann  und  eine 
Kompagnie  ,.Hellebardiers"  katholischer  Eeligion  als 
Leibgarde  und  für  den  Glanz  des  königlichen  Hauses 
verlangt  und  gleichzeitig  einen  Kapitulationsvertrag  vor- 
gelegt habe  Mehrere  Orte  wären  geneigt  gewesen,  dem 
Anwerben  zu  entsprechen,  wenn  die  gegenwärtigen  Zeit- 
umstände und  die  Rücksicht,  dals  man  sich  leicht  für 
eigene  Notfälle  zu  sehr  entblölsen  könnte,  nicht  davon 
abrieten.  —  (Die  Gesandten  der  Kantone  Zürich,  Bern, 
Luzern,  Uri,  Zug,  Glarus,  Basel  und  Freiburg  nahmen 
den  Antrag  le  Jays  „ad  referendum".) 

In  diesem  Sinne  wurde  ein  Schreiben  an  den  König 
abgefafst  und  bereits  am  16.,  von  sämtlichen  Gesandten 
unterschrieben,  abgesendet^-).  —  Das  Resultat  war  also, 
dals  das  Werbebegehren  einfach  abgeschlagen  wurde, 
Auch  die  Gesandten  Österreichs,  Frankreichs  und  Spaniens 
waren  nicht  viel  glücklicher. 

Trotz  der  bestimmten  Ablehnung,  welche  le  Jays 
Antrag  am  15.  Februar  erfahren  hatte,  gab  er  die  Hoff- 
nung noch  nicht  auf,  sondern  richtete  an  verschiedene 
Kantone  direkte  Zuschriften  und  bat,  sie  möchten,  trotz 
des  ablehnenden  Beschlusses  der  Tagsatzung,  seinen 
AVünschen  günstig  gesinnt  sein;  er  sei  ermächtigt,  fügt 
er  hinzu,  „mit  annoch  einigen  mehreren  advantages  und 
Vortheil-'  zu  werben.  Diese  Schreiben  le  Jays  sind  in 
den  Archiven  von  Luzern  and  St.  Gallen  noch  vorhanden  ■^^), 
während  sich  in  Zürich  nur  die  darauf  bezügliche  Be- 
merkung im  Ratsmanual  vorfindet-'^). 

Mittlerweile  hatten  die  in  Baden  versammelten  eid- 
genössischen  Gesandten    an   ihre    Obrigkeiten    über   die 


«•)  E.  A.  VI,  2.  Abt.  1.  Hälfte  Ko.  485  lit.  (.. 

32)  Stifts-A.  St.  Gallen  Tom.  797  S.  18«.  —  Das  Scliieibeu  ist 
miterzeiclinet  von  den  „hie  anwesende  al)gesante  der  13  und  zue  ge- 
wanten  Ortlieu". 

3«)St. -A.  Luzern  Acta  Chursachsen  1701-1703,  S.  13. 
Stifts.-A.  St.  Gallen  T.  797,  S.  174. 

3*)  Katsman.  Zürich  v.  J.  170;^,  Sitzung-  vom  18.  Februar. 


Schweizer  Sokltruppeii  1701—1815.  91 

Sitzung  vom  15.  Februar  berichtet  und  resp.  um  weitere 
Verhaltung'smafsregeln  gebeten. 

Die  Gesandten  von  Luzern,  Schultheils  Johann  Carl 
Balthasar  und  Venner  Franz  Laurenz  von  Fleckenstein, 
melden  am  16.'^'^)  an  ihre  Regierung,  dals  der  polnische 
Gesandte,  Mr.  le  Jay,  um  einen  Aufbruch  von  etlichen 
tausend  Mann  und  eine  Leibgarde  von  100  „Halepierten" 
geworben  habe  und  zwar  auf  Grund  einer  „ziemlich  ver- 
besserten Kapitulation".  Die  meisten  Kantone  hätten  aber 
unter  den  jetzigen  Konjunkturen  Bedenken  getragen,  darauf 
einzugehen ;  nur  Bern  habe  sich  geneigt  gezeigt.  Da  nun 
die  Gesandten  eine  schleunige  Antwort  wünschten,  so 
bäten  sie  um  Befehl,  ob  die  Sache  noch  weiter  hinaus  zu 
schieben  sei  oder  ob  man  dem  Baron  le  Jay  in  Überein- 
stimmung mit  dem  gröfsten  Teile  der  anderen  Kantone 
eine  „fr.  antwort"  erteilen  solle,  dafs  man  sich  zwar  der 
Ehre  bedanke,  dem  Anwerben  aber  unter  den  jetzigen 
Verhältnissen  nicht  willfahren  könne. 

Ähnliche  Anfragen  haben  jedenfalls  auch  die  Gesandten 
der  anderen  Kantone,  welche  das  Begehren  le  Jays  ad 
referendum  genommen  hatten,  an  ihre  heimatlichen  Obrig- 
keiten gerichtet.  —  Luzern  beantwortete  diejenige  seiner 
Delegierten  bereits  am  folgenden  Tage  dahin,  dals  man 
unter  den  jetzigen  Umständen  die  Anwerbung  nicht  be- 
willigen könne,  umsoweniger,  als  man  mit  dem  König 
von  Polen  in  keinem  Bündnis  stehe.  Die  katholische 
Leibgarde  sei  wahrscheinlich  nur  um  deswillen  begehrt 
worden,  „damit  der  vor  das  Sächsische  Churfürstenthumb 
begehrte  Aufbruch  darmit  möchte  facilitiert  werden"; 
sollte  le  Jay  noch  beabsichtigen,  eine  derartige  Leibgarde 
anzuwerben,  so  „seindt  wir  der  Meinung,  das  man  Unsers 
Ohrts  wegen  nicht  abbrechen ,  sondern  ferners  darauf 
reflectieren,  also  ad  referendum  es  neramen  solle"  etc.'^^). 

Für  die  rastlose  Thätigkeit,  welche  le  Jay  in  dieser 
Zeit  entwickelte,  zeugt  auch  ein  Brief,  den  sein  Begleiter, 
ein  Herr  von  Malleiarques  (derselbe  wird  später  noch 
mehrfach  erwähnt)  am  21.  Januar  an  den  Grafen  Beuch- 
lingen  richtete^').  Er  rühmt  in  demselben  le  Jays 
Thätigkeit  und  Eifer  aufs  wärmste,  fürchtet  aber  trotz- 
dem schlechte  Erfolge,  weil  der  Kaiser,  Frankreich  und 


3'^)  St.-A.  Luzern  Acta  Cbursachsen  1701—1703,  S.  21. 

36)  Ebenda  8.  22. 

'^")  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  El.  68. 


()')  A.  von   Wilck: 

Spanien  "ieiclie  Wünsche  heo-fen.  Nur  Born  und  vier 
Mildere  Kantone  schienen  noch  schwache  Hott'imng-  zu 
bieten. 

Abg-esehen  von  den  schriftlichen  Gesuchen,  welche 
le  Jaj^  Mitte  Februar  an  einen  Teil  der  Kantone  richtete 
(S.  90),  versuchte  er  auch  in  niündlicher  Verhandlung- 
nochmals sein  Glück  bei  den  evangelischen  Kantonen, 
als  dieselben  —  wie  gewohnt  —  zu  einer  besonderen 
Konferenz  während  der  Dauer  der  allgemeinen  Tag- 
satzung zusammentraten.  Er  trug  den  Abgesandten  in 
eindringlichster  Weise  seinen  Wunsch  vor,  zwei  oder  doch 
mindestens  ein  Regiment  anzuwerben,  und  begründet  dieses 
erneute  Eintreten  in  die  Verhandlung  mit  dem  neuen 
Kreditiv  (vom  1.  Februar  1702),  welches  ihm  von  seinem 
Monarchen  zugegangen  sei^''*).  Da  le  Jay  aber  erst  am 
letzten  Tage  dieser  Separatkonferenz  —  2.  März  —  in 
derselben  erschien,  so  betrachtete  man  dies  als  will- 
kommenen Grund,  um  das  Gesuch  nicht  mehr  zu  beraten, 
sondern  es  einfach  ad  referendum  zu  nehmen  ■^^). 

Die  Badener  Tagsatzung  ging  also  in  den  ersten 
Tagen  des  März  auseinander,  ohne  dals  es  dem  Oberst 
le  Jay  gelungen  war,  irgend  welche  bestimmte  Zusage 
zu  erhalten;  ja  —  streng  genommen  —  hatte  man  ihn 
sogar  aller  Aussichten  beraubt.  Möglich  ist  es  immer- 
hin, dals  der  eine  oder  der  andere  der  Abgesandten  ihn 
noch  auf  direkte  Verhandlungen  mit  einzelnen  Kantonen 
verwiesen  hätte,  Avenn  auch  damit  das  eben  erst  wieder 
in  Erinnerung  gebrachte  Prinzip,  dals  über  alle  Volks- 
aufbrüche von  fremden  Staaten  von  der  Eidgenossen- 
schaft in  corpore  entschieden  werden  müsse,  verletzt 
worden  wäre.  Mag  dem  nun  sein  wie  ihm  wolle,  jeden- 
falls kehrte  le  Jay  nicht  etwa  entmutigt  nach  Sachsen 
zurück,  sondern  er  begab  sich  von  Baden  aus  nach 
Schaifhausen  und  setzte  von  dort  aus  seine  fleifsige 
Korrespondenz  nach  Sachsen  sowohl  wie  an  einzelne 
Kantone  fort.  So  befindet  sich  z.  B.  im  Ratsmaiiual  zu 
Zürich  über  die  Sitzung  vom  13.  März  die  nachstehende 
Registratur : 

„Auf  der  von  Ihr  Wht.  dem  H.  Burgeniieister  Escher  be- 
schehcuen  Anzug  was  der  Kgl.  Pohl.  H.  Abgesandte  l^>aron  de  le  Jay 
über  sein  ad  referendum  genomnes  Begehren  sollicitht,  und  wegen 
einer  Leibguardi  für  den  ('hurprinzen  in  Haxen  angebracht  habe,  war 


3'*)  K.  S.  H.-St.-A.  Log    1154.  A.  cit.  Bl.  (il. 
3»)  E.  A.  VI,  2.  Hälfte  i  No.  484  lit.  e. 


Schweizer  Soldtruppen  1701—1815.  93 

in  reyffer  Erdaurnng  der  Zeitlien  und  Sachen  Bewandtnus  einhellig- 
erkandt,  dass  bemeltem  H.  Abges.  die  Canzley  anzeigen  solle  welcher 
gestalten  M.  g.  H.  von  Ihr  Gn.  dem  regier.  H.  Bürgermeister  ver- 
nommen, was  der  H.  Abges.  zuhanden  M.  g.  H.  vortragen  wollen. 
Darüber  man  es  des  vor  diesem  angesuchteu  Regimts  halben  he^'  vor- 
maligen Declarationen  bewenden  lasse  i;.  also  M.  g  H  bereit  ver- 
bleiben in  kunfftigeu  Öccurenzien  Ihr  K.  Mt  allen  möglichst  dienst- 
fertigen Willen  zu  bescheinen,  bey  gegenwärtigen  Conjnncturen  aber 
davon  absehen." 

Am  19.  März  richtete  le  Jay  ein  ausführliches 
Schreiben  au  General  von  Benkendortf"''),  in  welchem  er 
sich  über  seine  nächsten  Absichten  und  über  seine  Aus- 
sichten ausspricht.  Er  sagt,  dals  es  ihm  durchaus  nicht 
unmöglich  erscheine,  bei  einigen  Kantonen  (jedenfalls  die 
in  dem  Brief  vom  22.  Februar  genannten:  Bern,  Basel, 
Schaff  hausen ,  Luzern,  Freiburg  und  Zürich)  noch  ein 
günstiges  Resultat  zu  erzielen.  Man  verlange  jetzt 
monatlich  500  Thaler  für  den  Stab,  ferner  „le  pain  de 
munition  gratis  et  les  armes  pour  la  premiere  fois".  Die 
Hauptsache  sei  aber,  dals  man  ihm  persönlich  Geld  zu 
seinem  Lebensunterhalte  schicke.  Sobald  er  bei  Kasse 
sei,  werde  er  nach  Bern  reisen,  um  dort  die  Sachen 
energisch  zu  betreiben.  Auch  während  der  Tagsatzung 
in  Baden  habe  es  ihm  nur  am  nötigen  Gelde  gefehlt. 
Wäre  der  Brief  des  Generals  mit  der  Geldanweisung 
früher  angekommen  (er  bekannte  aber  am  10.  Januar  den 
Eingang  eines  Wechsels  über  800  Gulden  und  dankte  am 
14.  Januar  für  den  Empfang  von  200  Dukaten),  so  hätte 
er  bereits  in  Baden  sämtliche  Kontrakte  abschlielsen 
können  (!).  In  der  Schweiz  sei  ohne  Geld  nichts  zu 
machen.  Sehr  schlimm  sei  es,  fährt  er  fort,  dals  die 
Züricher  so  französisch  gesinnt  seien  und  es  würde  des- 
halb sehr  vorteilhaft  sein ,  wenn  man  „direkt  auf  den 
französischen  Gesandten  einwirken  könne,  damit  er  den 
Zürichern  zum  Abschluls  einer  Kapitulation  mit  Sachsen 
zurede  —  cela  ferait  des  vermeilles!"  Le  Jay  scheint 
sich  nicht  klar  gewesen  zu  sein,  dals  eine  Beeinflussung 
des  französischen  Gesandten  zu  Gunsten  des  Königs  von 
Polen,  der  bereits  im  Januar  1702  der  gegen  Frankreich 
gerichteten  „grofsen  Allianz"  beigetreten  war,  schon  aus 
politischen  Gründen  undenkbar  erscheinen  mufste. 

Die  Antworten  des  Generals  von  Benkendorff  oder 
des  Grafen  Beuchlingen  auf  die  zahllosen  Briefe  le  Jays 
liegen  nicht  vor;  man  darf  aber  annehmen,   dals  man  in 


39 


')  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  Bl.  74. 


94  A.  von  Wekk: 

Sachsen    die    sanguinischen    Hütt'nungen    desselben   nicht 
teilte. 

Am  23.  März  führt  le  Jay  in  einem  an  General 
von  Benkendortf  gerichteten  Briefe  *")  bittere  Klage  über 
die  Eidgenossen,  die  seine  Geduld  sehr  herausforderten. 
Nichts  destoweniger  habe  er  aber  noch  immer  Hoff- 
nung, seinen  Zweck  zu  erreichen.  Allerdings  werde  der 
König  die  für  den  Stab  geforderten  500  Thaler  i)ro 
Monat  jedenfalls  beAvilligen  müssen,  da  der  Kaiser  die 
gleiche  Summe  zugesagt  habe"). 

Am  29.  März  teilt  le  Jay  —  immer  noch  aus  Schatf- 
hausen  —  dem  General  Benkendorff  mit^-),  dals  er  jetzt 
selbst  eine  Kapitulation  entworfen  und  dieselbe  eigen- 
händig niedergeschrieben  habe.  Er  habe  sie  dann  drucken 
und  in  der  ganzen  Schweiz  verbreiten  lassen ^-^j.  Diese 
Maisregel  habe  so  guten  Erfolg  gehabt,  dafs  die  Berner 
ihn  sofort  aufgefordert  hätten,  dahin  zu  kommen,  um  den 
Kontrakt  abzuschliefsen.  Er  werde  die  von  ihm  ent- 
worfene Kapitulation  durch  einen  Offizier  an  den  König 
zur  Unterschrift  schicken.  Die  Sache  habe  aber  grolse 
Eile  und  sei  überhaupt  nur  dann  ausführbar,  wenn  er 
Geld  erhielte.  —  Er  habe  in  dieser  Kapitulation  sowohl 
„den  Intentionen  Sr.  Excellenz  als  auch  den  (jewohnheiten 
der  Schweizer"  zu  entsprechen  gesucht. 

Noch  an  demselben  Tage  —  29.  März  —  schickt 
wirklich  Oberst  le  Jay  einen  Offizier  (jedenfalls  den 
schon  erwähnten  Herrn  von  Mallerarques)  an  den  König 
mit  dieser  Kapitulation  ab,  welcher  er  noch  die  mittler- 
weile mit  Bern  geführten  Korrespondenzen  beifügt. 
Ebenso  legt  er  eine  besonders  aufgestellte  Kapitulation 
für  die  katholischen  Mannschaften  der  anzuwerbenden 
Leibgarde  bei'''*)   —   die   aber  ebenfalls  nicht  ins  Leben 


^0)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.   Bl.  81. 

'")  In  diesem  Schreiben  spricht  er  die  Bitte  aus,  die  für  ihn 
liestiinmten  Briefe  au  seine  Frau  nach  Nürnberg  zu  schicken,  durch 
welche  er  sie  4  bis  5  Ta^;e  früher  erhielte. 

^^)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  Bl.  8;J. 

•»»)  Vaterländische  Bibliothek  Basel.  H.  19  No.  2.  Gedrucktes 
Exemplar.  Im  K.  S  H.-St.-A.  Dresden  IjOc.  1154  befindet  sich  die 
von  le  Jav  übersendete  Abschrift. 

■■•')  K.  S.  H.-St.  A.  Loc.  1154.  A.  cit.  151.  !i;}.  ..Capitulation,  so  Ihr 
Künigl.  Majestät  iu.Pohleuund  Churlürstl.  Durchbnicht  in  Sachsen 
verlangen  von  der  Tjöbl.  Eydtgenoss.  cathol.  ürthen".  Es  soll  hier- 
nach von  den  katholischen  .Mannschnften  eine  Ijeiligarde-Koiiipayuie 
aufgerichtet  werden  in  der  Stärke  von  Itil  j\liuin  mit  ein<'i-  monat- 
lichen   Besoldung    von    134<t    Thaler.      Eine    N'orausbezaidung    von 


Schweizer  Soldtruppen  1701  — 1815.  95 

trat  —  und  den  Orig'inalbescheid  der  Badener  Tagsatzung 
vom  15.  Februar.  Charakteristisch  für  die  Auffassung 
le  Jays  ist  der  Inhalt  des  an  den  König  selbst  gerichteten 
Schreibens,  welches  der  Offizier  zu  überreichen  hatte. 
Er  sagt  nämlich  in  demselben ^•■^).-  „Die  Sache  ist  so  gut  wie 
abgemacht"  ;  es  käme  nur  noch  auf  Sr.  Majestät  Ge- 
nehmigung, auf  eiligste  Zurücksendung  und  auf  Gewährung 
der  erforderlichen  Geldmittel  an.  In  zwei  Monaten  könne 
dann  die  ganze  Anwerbung  beendet  sein,  und  zu  Johannis 
die  Truppen  in  Sachsen  eintreffen.  Die  Leute  würden 
durchgängig  Protestanten  sein,  weil  die  Katholiken  die 
Bedingung  privaten  Messelesens  stellten,  w^orüber  er  — 
le  Jay  —  doch  erst  die  Befehle  Sr.  Majestät  zu  er- 
warten habe. 

Ob  nun  die  ihm  von  Bern  gewordenen  Mitteilungen 
eine  so  günstige  Auffassung  der  Sachlage  wirklich  recht- 
fertigten, läfst  sich  nicht  bestimmt  beurteilen,  da  die 
betreffenden  Schriftstücke  nicht  vorliegen.  Aus  dem 
Briefe  aber,  den  le  Jay  an  dem  nämlichen  29.  März  an 
einen  Herrn  in  Bern  —  vermutlich  den  Schultheils 
von  Graffenried  *'')  —  richtet  ^^),  möchte  man  es  beinahe 
annehmen.  Doppelt  merkwürdig  erscheint  es  dann,  dals, 
wie  wir  sehen  w^erden ,  auch  diese  Verhandlungen  sich 
wieder  vollständig  zerschlugen.  Oberst  le  Jay  schreibt 
nämlich  nach  Bern: 

„Monsieur!  Je  vous  suis  tres  sensiblement  oblige  de  la  bonne 
nouvelle,  que  vous  m'avez  donne.  Je  part  dans  ce  moment  pour  lue 
rendre  ä  Bern  ou  jespere  d'arriver  vendredy  ou  Samedy  s'il  piaist 
ä  Dien.  Esperant  que  la  Capitulation  que  je  vous  aporte  ne  vous 
deplaira  pas  puisquelle  est  en  tout  conforme  a  vos  manieres  ancienne 
qui  sonts  ce  me  semble  les  meilleurs  et  les  plus  profitables".    .     .     . 

Aber  nicht  genug  damit,  dals  le  Jay  dem  König 
direkt  Kenntnis  von  seinen  Hoffnungen  und  von  der 
günstigen  Sachlage  gab  mittelst  des  Schreibens  vom 
29.  März  —  er  schüttet  auch  dem  General  Benkendorff 
am  folgenden  Tage    sein  Herz  in    einem  längeren  Briefe 


2000  Thalern  soll  stattfinden,  die  erst  nach  6 monatlicher  Dienst- 
leistung wieder  in  Abrechnung-  kommen  darf.  10jährige  Dauer  der 
Kapitulation  und  Ernennung  der  Kapitäns  imd  Oberoffiziere  durcli 
den  König. 

-'S)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  Bl.  85. 
''<')  Emanuel  von  Graffenried,  Herr  zu  Bellerive  und  Vallemand, 
war  seit  1700  in  diesem  Aait. 
''')  St.- A.Bern  L-  S.  695. 


96  A.  von  AVelck: 

ans''^)  und  schreibt  ihm,  dais  er  in  Züricli  noch  einmal 
tiichtig  geschürt  habe ,  damit  man  daselbst  dem  guten 
Beispiele  Berns  folge.  Man  habe  es  ihm  auch  fest  ver- 
sprochen, und  so  hoffe  er  denn,  dals  alle  protestantischen 
Kantone  die  Anwerbung  gestatten  würden.  „Mein  Cirkular 
hat  Wunder  gethan!"  Er  bemerkt  noch,  dals  der  Hat 
zu  Bern  den  König  um  Überlassung  eines  Kanonengielsers 
aus  Dresden  bitten  wolle.  Benkendorff  möge  doch  ja 
die  G  ewährung  dieses  Wunsches  befördern ;  es  könne  dies 
nur  nützlich  sein. 

Le  Jay  trat  nun  die  Reise  nach  Bern  an  voll  der 
festen  Zuversicht,  seine  Zwecke  daselbst  endlich  zu 
erreichen.  Dieser  Sicherheit,  welche  ihn  erfüllte,  ist  es 
wohl  auch  zuzuschreiben,  dals  er  während  der  Durchreise 
durch  Zürich  —  am  31.  März  —  an  den  dortigen  Rat 
(aux  magniflques  et  puissants  Seigneurs  de  l'Illustre  et 
tres  louable  canton  et  Republique  de  Zürig)  eine  Art 
von  Ultimatum  abgab,  in  welchem  er  in  kategorischer, 
seiner  sonstigen  äulserst  liöttichen  Form  nicht  entsprechen- 
den Weise  um  definitive  Antwort  bat.  Nachdem  er  die 
letzten  Befehle  des  Königs  über  die,  bezüglich  Anwerbung 
von  zwei  oder  mindestens  einem  Regiment  abzuschlielsende 
Kapitulation  erhalten  habe,  sei  ihm  gleichzeitig  der  sehr 
bestimmte  Auftrag  geworden,  sofort  auf  eine  entschiedene 
Antwort  zu  dringen  —  „si  oui  ou  non"  — ,  ob  Zürich 
auf  Gi-und  der  bekannten  Punktationen,  welche  er  nun 
zum  letzten  Male  vorlege,  bereit  sei,  die  Anwerbung 
zu  gestatten.  Er  bäte,  ihm  eine  prompte  Antwort  nach 
Bern  zu  schicken,  wohin  er  sich  begebe,  um  die 
Kapitulation  abzuschlieisen.  Mau  habe  ihm  von  dort 
geschrieben,  so  schnell  als  möglich  hin  zu  kommen,  da 
der  Abschluis  ganz  sicher  sei.  Ebenso  hoffe  er,  dals  die 
Entscheidung  von  Zürich  eine  günstige  sein  werde**). 

Von  Haus  aus  scheinen  sich  auch  le  Jays  Geschäfte 
in  Bern  in  befriedigender  Weise  abgewickelt  zu  haben, 
so  dals  er  am  5.  April  an  den  General  von  Benkendorlf 
berichten  konnte,  dals  die  Aussichten  sehr  günstig  seien. 
Er  schreibt:  „  .  .  .  .  il  n'y  a  donc  plus  de  difficultee. 
Enfin  l'afaire  est  arette  et  conclue,  il  n'y  a  plus  (|u'ä  la 
signer,  ce  (pie  je  nie  suis  dispense  de  faire  jus(iu'ä  la 
Ratification  du  Roy  ayant  envoyez  par  le  dit  oficier  la 


*8)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  dt.  Bl.  87. 

■"'j  St.-A.  Züricli  Acta  Sachsen  No.  fta. 


Schweizer  Soldtruppen  1701  —  1815  97 

ditte  capitulation  ä  S.  Ece  et  a  vous  Monsieur  dont 
Jattandre  la  reponse  ä  Scliaffliouse"  etc.  In  wie  weit 
Oberst  le  Jay  berechtigt  war,  so  siegesgewifs  zu 
schreiben  —  dies  entzieht  sich  unserer  Kenntnis.  Mög- 
lich ist  es  ja,  dais  er  in  den  ersten  Tagen  seines  Berner 
Aufenthaltes  vielseitiges  Entgegenkommen  fand;  wahr- 
scheinlich erscheint  aber  auch  dies  nicht,  da  —  wie  der 
Fortgang  zeigt  —  die  Hoffnungen  schliefslich  in  keiner 
Weise  in  Erfüllung  gingen.  Man  möchte  daher  beinahe 
annehmen,  dafs  le  Jay  besondere  Gründe  hatte,  seine  Be- 
mühungen in  möglichst  günstigem  Lichte  darzustellen  — 
eine  Annahme,  die  ihre  Begründung  findet  in  der  Fort- 
setzung des  Briefes.  Er  eröffnet  nämlich  dem  General 
Benkendorff,  dais  er  bedeutende  Schulden  kontrahiert  habe 
und  zwar  habe  er  in  Schaff  hausen  200  Dukaten  geborgt; 
weitere  100  Dukaten  brauche  er  noch  während  seines 
Aufenthaltes  in  der  Schweiz.  Diese  300  Dukaten  müsse 
er  also  sofort  haben ;  er  werde  aber  über  dieselben  getreue 
Rechnung  ablegen,  ebenso  wie  über  die  früher  erhaltenen 
500  Dukaten,  und  zu  seiner  Rückreise  bedürfe  er  auch 
noch  einer  Summe  von  mindestens  150  Dukaten.  Dals 
le  Jay  unter  diesen  Umständen  bemüht  sein  mulste,  seine 
Mission  in  diesem  Momente  als  erfolgreich  hinzustellen, 
liegt  sehr  nahe. 

Je  länger  sich  le  Jays  Aufenthalt  in  Bern  hinzog, 
desto  mehr  Schwierigkeiten  stellten  sich  ihm  in  den  Weg, 
und  als  das  Osterfest  (16.  April)  eine  Unterbrechung  der 
Verhandlungen  bedingte,  reiste  er,  kurz  entschlossen,  von 
Bern  ab  und  begab  sich  nach  dem  Kloster  Rheinau,  um 
—  als  guter  Katholik  —  dort  die  Festzeit  zu  verbringen. 
Über  den  ungünstigen  Stand  der  Geschäfte  und  über 
le  Jays  hierdurch  gereizte  Stimmung  giebt  ein  Brief 
Aufschlufs,  den  er  am  4.  April  (a.  St.'^°)  aus  dem  Kloster 
an  denselben  Herrn  nach  Bern  richtet,  an  welchen  er 
am  29.  März  aus  Schaffhausen  geschrieben  hatte '^^j.  Er 
bittet  denselben  zunächst,  während  seiner  Abwesenheit 
von  Bern,  seine  Interessen  zu  vertreten.  Er  selbst  — 
le  Jay  —  habe  sich  überzeugt,  dals  vor  dem  Feste  doch 
nichts  mehr  zu  erreichen  sei  und  deshalb  habe  er  sich 
nach  dem  Kloster  begeben,  um  die  Feiertage  daselbst  zu 


^j_,V.^y>^lJ,  tt.Jl         ^*i^       J.     ^.V.i    UIA,QV 


5")  Für  die  auffällige  Anwendung-   des  Datums  a.  St.  fehlt  die 
Erklärung. 

5')  St.-A.  Bern  L^  S.  699. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XIV.  1.  2.  7 


98  A.  von  Weick: 

verbringen  nnd  um  Oidnung  in  seinen  „lettres  de  change" 
zu  machen,  sowie  in  den  Kautionspapieren,  die  zur  Ab- 
schlielsung  der  Werbeangelegenheit  so  wichtig  wären. 
„Je  vous  envuye  cy  Joint  les  noms  des  principaux 
marchands  de  la  Suisse  ou  eile  (die  Kaution)  pouroit  etre 
adresse  et  remise  comme  l'ont  suuhaite  Mrs.  les  deputee 
deVotre  illustre  Canton"  etc.  Schlielslich  spricht  le  Jay 
aber  den  Wunsch  aus ,  man  möge  ihn  nicht  wieder  um- 
sonst nach  Bern  kommen  lassen.  „Monsieur"  möge  doch 
die  Ordnung  der  Angelegenheit  lieber  selbst  in  die  Hand 
nehmen,  da  er  groise  Eile  habe,  wieder  nach  Sachsen 
zurück  zu  kehren. 

Dieser  Brief  erhielt  jedenfalls  eine  ungünstige  Be- 
antwortung, denn  Oberst  le  Jay  kehrte  von  Rheinau 
nicht  nach  Bern  zurück,  sondern  begab  sich  nach  Schaff- 
hausen. Von  dort  schrieb  er  am  22.  April  noch  einmal 
nach  Bern,  anscheinend  die  Frage  stellend,  ob  er  etwa 
noch  einmal  selbst  dahin  kommen  solle.  Man  ersieht 
dies  wenigstens  aus  der  hierauf  erfolgenden  Antwort 
d.  d.  29.  April,  deren  Konzept  im  „Teutschen  Missivenbuch" 
in  Bern  aufbewahrt  ist*-).  Dieselbe  besagt,  dals  man 
sehr  gern  dem  König  „in  allerhand  begebenheiten  dienst- 
willig" sei;  im  vorliegenden  Falle  könne  man  aber  keine 
Hoffnung  schöpfen  und  es  müsse  demnach  dem  H.  Ge- 
sandten anheim  gestellt  werden,  ob  er  sich  noch  einmal 
nach  Bern  verfügen  wolle  oder  nicht.  Jedenfalls  köime 
nur  dann  von  einer  Fortsetzung  der  Verhandlungen  die 
Rede  sein,  wenn  die  Gelder  für  Soldzahlung  im  Voraus 
sicher  gestellt  und  dafür  gute  Bürgen  bezeichnet  wüiden. 

Wenn  le  Jay  unter  diesen  Umständen  wohl  an  und 
für  sich  vorgezogen  haben  würde,  nicht  wieder  nach 
Bern  zu  reisen,  so  wurde  ihm  dies  auch  dadurch  unmöglich 
gemacht,  dals  er  Befehl  erhielt,  nach  Sachsen 
zurückzukehren. 

Nach  seinem  aus  Bern  datierten  und  an  den  General 
Benkendorlf  gerichteten  Briefe  vom  5.  April  hielt  man 
es  höheren  Ortes  doch  für  wünschenswert,  sich  von  ihm 


''"-)  St.-A.  Bern  L^  S.  70a.  Extrakt  aus  dem  „Tentsdieii 
Missivenbuch"  No.  XXXVI  fol.  iioß.  Eine  Abschrift  davon  befindet 
sich  in  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  No.  1 1  b.  Le  Jay  hatte  dieses 
Schreiben  zur  Kenntnisnahme  nach  Züricli  geschickt.  Auch  an 
Luzern  gab  er  eine  Abschritt  davon,  so  dafs  mau  annehmen  möclite, 
dafs  le  Ja.v  den  Inhalt  liir  günstig  hielt  —  so  unglaublich  es  auch 
eischeint. 


Schweizer  Soldtruppen  1701—1815.  99 

persönlich  Bericht  erstatten,  namentlich  aber  baldmöglichst 
Eechnung  ablegen  zu  lassen.  Er  wurde  demnach  nach 
Leipzig  zitiert,  wohin  der  König  im  Laufe  des  Monat 
Mai  kommen  wollte. 

Oberst  le  Jay  setzte  von  dieser  seiner  bevorstehenden 
Abreise  nach  Sachsen  die  Kantone  Bern ,  Basel ,  Zürich 
und  Luzern  schriftlich  in  Kenntnis  —  d.  d.  Schaff  hausen, 
3.  Mai''"^)  — ,  indem  er  denselben  gleichzeitig  mitteilte, 
dals  der  Offizier,  den  er  nach  Warschau  geschickt  habe  — 
unmittelbar  nach  dem  Beschlufs  der  Badener  Tagsatzung 
vom  15.  Februar  —  zurückgekehrt  sei  und  ihn  während 
seiner  Abwesenheit  vertreten  werde.  Er  für  seine  Person 
müsse  bereits  am  8.  Mai  in  Leipzig  eintreffen ,  um  sich 
daselbst  Sr.  Majestät  vorzustellen.  An  Bern  schreibt  er, 
dafs  sein  Stellvertreter  persönlich  dahin  kommen  werde, 
um  die  Verhandlungen  fortzuführen.  Der  König  hoffe 
noch  immer,  dals  die  Orte,  die  während  der  Tagsatzung 
von  Baden  das  Werbebegehren  ad  referendum  genommen 
hätten  (S.  90),  dasselbe  schlielslich  auch  bewilligen  würden. 
In  4—5  Wochen  gedenke  er  übrigens  selbst  wieder  nach 
der  Schweiz  zurückzukehren. 

Ob  der  fragliche  Offizier  sich  wirklich  nach  Bern 
begab,  wissen  wir  nicht;  es  scheint  aber  beinahe  so,  da 
„Schultheils  und  Rat  der  Stadt  Bern"  unter  dem  16.  Mai 
noch  einmal  eine  Zuschrift  an  le  Jay  erlassen  (wohin 
ist  nicht  zu  ersehen,  da  nur  das  Konzept  vorliegt),  aus 
welcher,  wenn  auch  in  höflichster  und  gewundendster 
Form  abgefalst,  zu  ersehen  ist,  dals  augenblicklich  auf 
die  Stellung  von  Truppen  verzichtet  werden  müsse ■^^). 

Wenig  erfreulich  mag  le  Jays  Empfang  in  Leipzig 
gewesen  sein,  und  die  erste  Forderung,  die  man  an  ihn 
stellte,  war  —  Rechnungsablegung. 

Am  23.  Mai  gab  er  infolgedessen  seine  Abrechnung 
ein,  wonach  sich  seine  Ausgaben  während  des  Aufent- 
haltes in  der  Schweiz  auf  4398  Thaler  8  Groschen  be- 
liefen, sein  Empfang  aber  auf  2933  Thaler  8  Groschen'^*''), 
so  dals  er  noch  ein  Guthaben  von  1465  Thalern  berechnete'^*'). 
Diese  Rechnung  wurde  dem  „Ratli  Ritter"  zur  Prüfung 


53)  St.-A.  Bern  L^  S.  707.     St.-A.  Basel  St.  96  F  No.  8.   St.-A. 
Zürich   Acta   Sachsen  IIa.     St.-A.  Luzern  Acta   Chursachsen  S.  27. 

")  St.-A.   Bern    L^    S.  711.      Extrakt    aus    dem    „Teutschen 
Missiveubuch." 

^^)  Diese  Summe  entspricht  den  oben  berechneten  9.ö0  Dukaten. 

■'^6)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  Bl.  102  ff. 

ijf* 


100  -^^^  von  Welck: 

Übergeben,  und  aus  den  betreifenden  Monita'''),  welche 
vom  Generallieutenant  Graf  Benkendorff'  mit  unterzeichnet 
sind ,  ersieht  man  nicht  allein ,  wie  gewissenhaft  und 
peinlich  diese  Revision  stattfand,  sondern  auch,  dals  dies 
notwendig  war"'^). 

Es  würde  zu  weit  führen,  wenn  wir  hier  speziell 
auf  diese  ßechnungsrevision  eingehen  wollten;  nach  den 
aufgestellten  19  Monita  seien  nur  einige  wenige  Punkte 
erwähnt,  welche  besonders  charakteristisch  sind,  und  aus 
denen  man  ersieht,  in  welch'  grolsartiger  Weise  Oberst 
le  Jay  gemeint  hat,  in  der  Schweiz  auftreten  zu  müssen. 
Es  heilst  da  u.  a.: 

„Was    aber   noch   überdem    an    Extraordinairen    Spesen,    vor"s 

tractiren  n.  Trinkfickl  angesetzt  wird,  ist  ungewöhnlich"  etc 

„Die  Aussgabe  an  kleine  Praesenter  erfordert  nicht  allein  Specification, 
Wdrin  solche  Praesenter  bestanden  haben ,  und  an  wem  sie  gegeben 
worden,  sondern  auch  noch  überdehm  allergnäd.  Special-Befehl,  aufser- 
dem  Sie  nicht  passierlich".  ... 

„Besoldung  und  Livree  auf  4  übrige  Laquayuen ,  weil  solche 
ohne  Befehl  angenommen  worden,  und  nicht  dargethan  ist,  dafs  die 
Nothwendigkeit  einen  so  grofsen  etat  zu  der  dernialigen  aufgetragenen 
Veiiichtung  erfordert  hätte ,  nicht  passierlich.'^  —  „Kost  und  l.e- 
soldung  eines  Secretary"  fällt  ebenmäfsig  hinweg,  „weil  zu  dergl. 
commissionen  kein  Secretarius  pflegt  gut  gethan  zu  werden,  wie  es 
denn  auch  nicht  von  Nöthen  gewesen  ist,  da  Hr.  Obrister  seine  Briefe 
und  Berichte  alle  eigenhändig  herein  geschrieben  hat." 

Rat  Ritter  hatte  nahezu  5  Monate  Zeit  bedurft,  um 
sich  durch  diese  Aufgabe  durchzuarbeiten.  Erst  am 
12.  Oktober  wurden  die  „Erinnermigen"  dem  Oberst 
le  Jay  zur  Beantwortung  übergeben.  Derselbe  brauchte 
hierzu  nur  wenige  Tage  und  lieferte  einen  erneuten 
Beweis  für  seine  Arbeitskraft  mit  der  Feder,  denn  bereits 


67)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  Bl.  107  ff.  „Erinnerungen 
über  die  vom  Hr.  übrist  u.  Gen.  Adjutant  le  Jay  eingegebene 
Rechnung"  d.  d.  Warschau,  1:^.  Oktober  1702. 

^'^)  Man  ersieht  aus  diesem  Rechnungswerk,  dafs  der  der 
Regierungsperiode  Augusts  des  Starken  vielfach  gemachte  Vorwurf 
einer  wenig  geordneten  Finanzwirtschaft,  insoweit  die  Kontrolle 
in  Frage  kam,  unbegründet  ist.  Bereits  im  Jahre  1702  bestanden 
5  gesonderte  Hauptkassen  und  dem  entsprechend  5  oberste  Revisions- 
instanzon.  Im  vorliegenden  Falle  trat  das  Ueh.  Kriegsrats-Kollegium 
in  Tliätigkeit,  dessen  ]\litglied  der  Rat  Ritter  war,  und  es  würde 
unter  heutigen  Verhältnissen  kaum  eine  peinlichere  und  gewissen- 
haftere Revision  stattfinden  können.  —  Im  Jahre  1707  wurde  als- 
dann eine  zentrale  Rechnungsrevisionsbehörde  in  der  „Ober- 
Reclnuingskammer"  gegründet.  Vergl.  hierül)er  Fi.  Lölie,  Die  oberste 
Finanzkontrolle  des  Königreichs  Sachsen:  Finanz- Archiv  11  (1885), 
2,  49  fg. 


.SL-liweizer  SoldtruiJpcii  1701  —  l«lö.  loi 

am  17,  Oktober  überreichte  er  seine  „Verantwortung'' 
auf  8  Folioseiten,  Selbstverständlicher  Weise  sucht 
er  sich  vollständig  rein  zu  waschen  und  seine  grofsen 
Ausgaben  mit  den  besonderen  Verhältnissen  und  Schwierig- 
keiten zu  rechtfertigen,  mit  denen  er  in  der  Schweiz  zu 
kämpfen  hatte.  Auf  wie  schwachen  Fülsen  seine  Ver- 
antwortung aber  vielfach  ruht,  kann  man  u.  a.  aus  einem 
Passus  bezüglich  der  oben  monierten  4  Lakaien  ersehen ; 
er  schreibt  da:  „Je  devais  paroitre  ä  la  Diette  comme 
Envo3^e  Extraordinaire,  selon  le  Desire  des  Suisses,  qui 
ne  voulaient  rien  conclure  avec  moy  sans  cela,  ce  qui 
m'a  oblige  a  mettre  quatre  Laquais  en  Livree  pour  aller 
ä  l'audience  publique,  ou  J'ay  ete  demande  ainsi,  que 
Je  n'ai   pue  faire  autrement,  pour  bien  servir  le  Ko}". 

Le  Jay  würde  sich  wohl  kaum  den  Konsequenzen 
dieser  Untersuchung  ganz  haben  entziehen  können,  wenn 
nicht  die  sich  immer  ernster  gestaltenden  politischen  Ver- 
hältnisse die  Blicke  des  Königs  und  seiner  Räte  von  diesen 
kleinen  Milshelligkeiten  ab-  und  den  Weltereignissen  zu- 
gelenkt hätten. 

Der  König  war  —  wie  schon  auf  S.  78  erwähnt  — 
in  seiner  Eigenschaft  als  deutscher  Reichsfürst  der  großen 
Allianz  gegen  Frankreich  beigetreten  und  hatte  sich 
mittelst  des  Traktates  vom  16.  Januar  1702  verpflichtet, 
dem  Kaiser  ein  Hilfskorps  von  8000  Mann  zu  stellen  zu 
dem  zu  Gunsten  der  österreichischen  Erbfolge  in  Spanien 
entbrannten  Kriege.  Der  Kaiser  seinerseits  bewilligte 
dem  König  August  eine  jährliche  Subsidienzahlung  von 
200000  Thalern,  versprach,  im  Falle  seine  Erblande 
durch  den  König  von  Schweden  angegritfen  werden 
sollten,  ein  Hilfskorps  von  8000  Mann  zu  stellen  und 
machte  sich  weiterhin  verbindlich,  auf  den  Abschlufs 
eines  Friedens  zwischen  dem  König  und  Schweden  hinzu- 
wirken. 

Bei  dem  Mangel  an  Truppen,  unter  welchem  der 
König  litt,  könnte  es  unbegreiflich  erscheinen,  dals  er 
eine  derartige  Verpflichtung  einging,  wenn  man  nicht  die 
besonderen  Verhältnisse  der  damaligen  Kriegführung, 
namentlich  aber  der  damaliger.  Politik  in  Betracht  zöge. 
Für  den  König  war  die  wichtigste  Frage,  dafs  er  sich 
auf  dem. .polnischen  Thron  erhielt  und  dals  dje  Grols- 
mächte:  Österreich,  Holland  und  England  diesen  Besitz 
garantierten.  Nächstdem  mufste  ihm  alles  daran  gelegen 
sein,  dals  er  sich  einer  kräftigen  Unterstützung  versicherte 


10;^  A.  von  \\'i;l(k: 

für  den  Fall,  dals  Karl  XII.  den  Kiiegss('liaii|)latz  nach 
Sachsen  verlegen  oder  doch  als  Feind  daselbst  einrücken 
sollte. 

Der  König  betrachtete  demnach  die  Übernahme  eines 
Hilfskorps  seitens  des  Kaisers  unter  den  obigen  Bedin- 
gungen und  zu  einer  Zeit,  wo  der  Abschluls  eines  Friedens 
mit  Schweden  noch  vollständig  im  Bereiche  der  Wahr- 
scheinlichkeit lag,  der  eigene  Bedarf  an  Truppen  demnach 
kein  so  zwingender  war,  als  einen  grolsen  Vorteil.  Dafs 
der  König  wirklich  diese  Anschauung  hegte,  geht  auch 
daraus  hervor,  dals  er  den  Kaiser  ersuchte,  bei  den  See- 
mächten dahin  zu  wirken,  dals  dieselben  ebenfalls  ein 
sächsisches  Hilfskorps  von  12000  Mann  in  Sold  nehmen 
möchten  gegen  Garantierung  des  polnisch  -  sächsischen 
Besitzstandes.  Aus  dem  geplanten  Frieden  wurde  aber 
nichts;  Karl  XII.  fiel  im  Frühjahr  1702  in  Polen  ein, 
trit^b  die  schwachen  Streitkräfte  des  Königs  zurück  und 
hielt  seinen  siegreichen  Einzug  in  Warschau.  Weit 
schmerzlicher  noch  war  der  Verlust  der  Schlacht  bei 
Klissow,  die  den  Sachsen  einen  Verlust  von  ca.  2500  Mann 
kostete  und  die  Abtrennung  der  6000  Mann  zählenden 
polnischen  Armee  zur  Folge  hatte. 

Um  sein  kleines  Heer  wieder  zu  reorganisieren,  ver- 
suchte der  König  in  Sachsen  selbst  so  viele  Truppen 
als  möglich  aufzulDringen,  ohne  aber  viel  Erfolg  zu  erzielen. 
Die  Milizen,  obgleich  nur  im  Lande  selbst  zum  Waffen- 
dienste verpflichtet,  waren  zum  Teil  schon  nach  dem 
Kriegsschauplatz  abgegangen,  und  die  Ritterschaft,  die 
durch  wiederholte  Befehle''^'')  zur  Stellung  der  liitterpferde 
behufs  Verteidigung  der  Erblande  aufgeboten  wurde, 
erwies  sich  aufserordentlich  säumig,  dieser  Verpflichtung 
nachzukommen. 

Auch  die  Absendung  des  gedachten  Hilfskorps  zur 
kaiserlichen  Armee  verzögerte  sich  infolge  dieser  unglück- 
lichen Verhältnisse.  Erst  am  1.  November  1702  konnte 
es  in  der  Stärke  von  2.300  Reitern  und  .3350  Mann 
Infanterie  unter  dem  Befehl  des  Generals  von  Röbell,  der 
aber  bald  durch  den  später  berühmt  gewordenen  General 
von  Schulenburg  ersetzt  wurde,  nach  Böhmen  abmarschieren, 
wo   es  Winterquartiere   bezog.    Im  folgenden   Frühjahr 


«»)  Befehl  d.  d.  Dresden,  am  2>.  Mai  und  am  1!>.  .Tuni  1702.  Ali- 
gedruckt  bei  Hoff  mann,  Codex  legnm  militarium  Saxonieus  (Dres- 
den 1763)  S.  ly. 


Sdiweizer  Sol.ltruppcn  1701  —  1815.  103 

wurde  es  an  den  Rhein  zur  Teilnahme  an  dem  spanischen 
Erbfolgekrieg  gezogen. 

Diese  wichtigen  politischen  Ereignisse  waren  es, 
welche  dem  Oberst  le  Jay  nicht  allein  in  der  oben 
erwähnten  Weise  zu  gute  kamen,  sondern  auch  insofern, 
als  man  sich  der  grofsen  Thätigkeit,  die  er,  wenn  auch 
ohne  besonderen  Erfolg,  in  der  Schweiz  entwickelt  hatte, 
und  seiner  genauen  Kenntnis  der  dortigen  Verhältnisse 
erinnerte.  Der  König  entschlols  sich  nämlich  angesichts 
der  geringen  Aussicht  auf  baldigen  Friedensschluls  mit 
Schweden  und  in  Berücksichtigung  der  wenig  günstigen 
Resultate,  die  man  in  Sachsen  mit  der  Aufbringung  von 
Feldtruppen  erzielt  hatte,  noch  einmal  seine  Zuflucht  zu 
den  Eidgenossen  zu  nehmen,  noch  ehien  Versuch  zu 
machen,  von  ihnen  die  Bewilligung  eines  Volksaufbruchs 
zu  erlangen. 

Man  liefs  deshalb  die  Rechnungsangelegenheit  le  Jays 
einstweilen  unerledigt,  und  Graf  Beuchlingen  erteilte  ihm 
anfangs  Dezember  im  Auftrage  des  Königs  den  Befehl, 
sich  mit  den  Kantonen  zum  Zwecke  einer  Anwerbung  in 
Verbindung  zu  setzen.  Graf  Beuchlingen  schreibt  hierauf 
bezüglich  d.d.  Warschau,  4.  Dezember*^'*)  an  Oberst  le  Jay, 
dals  der  König  alle  Punkte  der  von  ihm  aufgestellten 
Kapitulation  genehmige  und  verspreche,  die  evangelischen 
Schweizer  nicht  in  Polen  zu  verwenden. 

Oberst  le  Jay  begab  sich  aber  diesmal  zur  Aus- 
führung dieses  Befehls  nicht  persönlich  nach  der  Schweiz, 
sondern  leitete  die  Verhandlungen  von  Nürnberg  aus  ein. 
Man  darf  wohl  annehmen,  dafs  hierbei  finanzielle  Rück- 
sichten in  erster  Linie  mafsgebend  waren.  Nächstdem 
verspürte  aber  wohl  auch  le  Jay  keine  grofse  Lust,  wieder 
nach  der  Schweiz  zurückzukehren,  wo  ihm  so  viele 
Enttäuschungen  zu  teil  geworden  waren,  sondern  zog  es 
vor,  aus  der  Entfernung  zuerst  das  Terrain  zu  sondieren, 
eine  Malsnahme,  die  ihm  gleichzeitig  gestattete,  das 
Weihnachtsfest  im  Kreise  seiner  Familie  zu  verbringen 
(vergl.  seinen  Brief  an  Benkendorf  vom  23.  März  d.  J.). 

Von  hier  aus  erläfst  nun  Oberst  le  Jay  d.  d.  18.  De- 
zember   1702**^)    aufserordentlich  höflich   und   devot  ge- 


60)  K.  S.H.-St.-A.  Loc.  1154.  A.  cit.  Bl.  117. 

6i)St. -A.  Zürich  Acta  Sachsen.  St.-A.  Bern  L"-  S.  713. 
Ob  sich  le  .Tay  nur  an  diejenigen  Kantone  wendet,  mit  denen  er  zu- 
letzt in  Verhandlungen  stand,  oder  an  alle,  ist  nicht  zu  ersehen. 


104  A.  voll  AVclck: 

lialtene  i^nfragen  —  in  fleiitscher  und  französischer 
Spraclie  —  an  die  Kantone ,  „ob  Sie  belieben  wollten, 
die  capitulation ,  welche  Ihnen  vorzulegen  Ich  die  ehr 
gehabt,  ohn  eingestellt  zu  schlielsen  und  vest  zu  stellen, 
da  hergegen  der  König  Mein  Herr  thenr  verspricht  Ihnen 
dies  Orts  eine  Caution  des  Werts  von  6  Monaten  Sold 
zageben,  so  auf  150000  Thaler  steigt".  Diese  Kaution 
würde  in  der  Schweiz  selbst  liinteilegt  werden,  ehe  die 
Anwerbung  der  zAvei  Regimenter  ihren  Anfang  nehme, 
zu  denen  Se.  Majestät  als  Oberste  und  sonstige  Offiziere 
nur  solche  „aus  Ihrer  hochberiihmt-  und  löbl.  selbsteigener 
Nation,  welche  Sie  unvergleichlich  hochschätzet",  ernennen 
würde.  Er  erwähnt  noch,  dals  ein  naher  Friede  in  Aus- 
sicht stände,  und  bittet  um  baldige  Antwort. 

In  den  Akten  der  Staatsarchive  Zürich''-)  und  Bern"") 
befindet  sich  hier  nach  diesem  Schreiben  le  Jays  eine 
Zusammenstellung  von  Kapitulationsbedingungen  zur  Auf- 
stellung von  zwei  Regimentern.  Dieselben  sind  gleich- 
lautend mit  den  während  der  Konferenz  in  Aarau  den 
evangelischen  Ständen  vorgelegten;  der  Unterschied  be- 
steht nur  darin,  dals  damals  nur  ein  Regiment  zu 
26  Kompagnien  ä  90  Mann  effektiv  und  10  Mann  Grati- 
fikation verlangt  wurde  ,  während  jetzt  le  Jay  2  Regi- 
menter ä  13  Kompagnien  ä  150  Mann  effektiv  mit 
15  Mann  Gratifikation  anzuwerben  wünscht. 

Stellt  man  diese  drei  Kapitulationsentwürfe  des 
Jahres  1702  neben  einander,  so  ergiebt  sich,  dals  der- 
jenige, den  le  Jay  selbst  entwoifen  und  in  Schaffhausen 
hatte  drucken  lassen,  der  bei  weitem  günstigste  war, 
namentlich  insofern,  als  nach  diesem  die  Kompagnie 
180  Maini  mit  20  Mann  Gratifikation  zählen  sollte  gegen 
nur  150  oder  90  Mann  in  den  andeien  Entwürfen.  Auch 
die  Bestimmung,  dals  bei  Entlassung  aus  dem  Dienste 
ein  zweimonatlicher  Sold  als  Rückreisegelder  gewährt 
werden  sollte,  befindet  sich  nui-  in  dieser  erstgenannten 
Kapitulation. 

Auch  diese  Bemühungen  le  Jays  waren  aber  ohne 
Elfolg.  Liegen  auch  nur  die  Beschlüsse  und  Antworten 
von  Bern  und  Luzern  vor,  so  sprachen  sich  die  anderen 
Kantone  unzweifelhaft  in  analoger  Weise  aus,  denn  es 
ist    konstatiert,    dals    zu    dieser    Zeit   keine   Schweizer 


«2)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  No.  9  c. 
«3j  St.-A.  Bern  L-  S.  721. 


Sclnvcizer  Soldtrapiieu  1701-  islö.  105 

Soldaten  in  sächsische  Dienste  eintraten.  In  Bern  fand 
zufolge  des  oben  erwähnten  Schreibens  le  Jaj'S  am 
2.  Januar  1703  eine  Sitzung  des  „Kriegsrats"  statt, 
über  welche  das  nachstehende  Protokoll  aufgenommen 
wurde  *'^) : 

„Zufolg-  Ilu-  Gud.  befelchs  vom  30.  Dec.  lefethin  habeu  M.  g.  H. 
die  Kriegs  Räht  des  Polnischen  Hrn.  Envoye  de  le  Jay  letstes 
begeren,  wie  auch  Seine  hin  vorige  propositionen  und  darüber  ge- 
machten reflectiouea  ordoniret;  Demnach  befxmden,  dass"  —  es  folgen 
nun  durchgestrichene  Zeilen  des  Inhalts,  dafs  Frankreich  die  Ge- 
währung von  Truppen  übel  vermerken  könne  —  „zu  dem  ungewiss 
ob  nit  in  kurtzem  Ihre  Gnd.  ihr  bestes  Volk  selbs  zu  gebrauchen 
haben  möchten,  das  beste  sein  werde  Hrn.  de  le  Jay  dieses  Seines 
Begerens  höflich  abzuweisen,  also  ihme  in  Antwort  zu  verdeuten, 
wie  mit  diesem  Ihr  Königl.  Polnisch.  Mayst.  nochmaligem  Ansuchen 
Ihr  Gnd.  sich  trefflich  beehret  finden  und  demselben  gern  verlangter- 
raassen  entsprechen  wollen,  aber  ihnen  sehr  Leid  seye  dafs  gegen- 
wertige Conjunctm-en,  als  die  ihnen  nit  zugeben  sich  von  Volk  zu 
entblöfsen,  ihnen  die  Möglichkeit  benemmind  ihre  zu  solches  wilfahr 
tragende  Disposition  hi  der  That  zuerzeigen ,  und  welches  befinden 
E.  Gnd.  hierait  nnmasgeblich  hinderbracht  wird. 

Act.  2.  Jan.  1703.  Kriegs  Rahtschreiber." 

Im  Sinne  dieses  Besclilusses  der  Kriegsräte  wurde 
am  5.  Januar,  vor  „Schultheils,  Klein-  und  Grofs  Räht 
der  Statt  Bern"  an  le  Jay  geschrieben  und  die  Werbung 
„höflich  abgelehnt"  ''''). 

In  Luzern  kam  man  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Monats  Januar  zu  einem  Entschlüsse,  und  „Schultheils  und 
Rhatt  aucli  der  groise  Rhatt  so  nennet  die  Himdert  der 
Statt  Lucern"  erlielsen  am  21.  Januar  das  Antwort- 
schreiben an  le  Jay  nach  Nürnberg''''),  in  welchem  es 
heilst,  man  wisse,  die  .Jvönigl.  propension  und  Freündt- 
schaft  mit  geziemendt  tiefestem  respect  und  hochschätzung 

zue    venerieren " ,    da   man   aber   in   verschiedenen 

Werbungen  begriffen  sei  für  Fürsten  und  Potentaten,  mit 
welchen  man  in  Bündnis  stehe,  so  befände  man  sich,  wie 
gern  man  auch  möchte,  in  der  Unmöglichkeit,  dem  Be- 
gehren nachzukommen. 

Unter  diesen  Umständen  hielt  es  Oberst  le  Jay  nicht 
für  erforderlich,  sich  persönlich  nach  der  Schweiz  zu  be- 
geben. Er  kehrte  vielmehr  nach  Sachsen  zurück  und 
erhielt    daselbst    das    Kommando    eines    neu    errichteten 


öl)  St.-A.  Bern  L^  S.  717. 

«5)  St.-A.  Bern  L-  S.  719.   Extrakt  aus  dem  „Teutschen  Missiven- 
bnch"  No.  XXXVI  fol.691. 

^•'j  St.-A.  Luzern  Acta  Chursachsen  S.  3(j. 


]()(;  A.  Villi  W'clrk: 

Dragoiienegimeiits.    welclies  durcli   den  Erbprinzen   von 
Bayreutli  formiert  worden  war"').  — 

Die  schon  oben  besprochenen  Ereignisse  des  Jahres 
1702,  der  Einfall  der  Schweden  in  Polen  und  der  Verlust 
der  Schlacht  bei  Klissow,  welche  den  König  veranlalsten, 
die  Aushebung  von  Truppen  in  Sachsen  zu  versuclien, 
nötigten  ihn  auch,  dem  ausdrücklichen  Wunsche  der  Polen 
Folge  leistend,  alle  noch  in  Sachsen  befindlichen,  bereits 
formierten  Regimenter  nach  Polen  zu  ziehen.  Es  waren 
dies  4  Kürassierregimenter,  4  Dragonerregimenter, 
die  Infanterieregimenter:  1.  und  2.  Garde.  Königin,  Kur- 
prinz, Beuchlingen,  Pistoris,  Steinau  und  Götz  und  ein 
Bataillon  Artillerie  mit  44  Geschützen.  Von  jedem  der 
Infanterieregimenter  blieb  1  Kompagnie  zurück,  welche 
zur  Komplettierung  der  Regimenter  Biron,  Thielau,  Sacken, 
Rothenburg,  Egidy,  Marschall  und  Reuss  dienen  sollten. 
Diese  sollten  dann  mit  drei  Kürassierregimentern  das 
Korps  des  Generals  von  Röbell  bilden,  welches  zur  kaiser- 
lichen Armee  stiels  (S.  102)«^). 

Die  sächsischen  Truppen  blieben  während  des  Winters 
in  Polen.  Im  Frühjahr  1703  eröffneten  die  _  Schweden 
die  Feindseligkeiten  von  neuem,  und  am  1.  Mai  erlitt  der 
sächsische  Feldmarschall  von  Steinau  eine  entscheidende 
Niederlage  bei  Pultusk.  Der  Feldzug  von  1703  hatte 
die  sächsische  Armee  beinahe  ganz  vernichtet*'^). 

Unter  diesen  Umständen  mulste  der  König  abermals 
auf  eine  Komplettierung  der  Armee  bedacht  sein  und  es 
gelangten  infolgedessen  noch  in  diesem  Jahre  verschiedene 
Truppenabteilungen  zur  Aufstellung:  das  schon  erwähnte 
Dragonerregiment  des  Erbprinzen  von  Bayreuth,  zu 
dessen  Kommandant  der  Oberst  le  Jay  ernannt  wurde, 
und  das  Dragonerregiment  von  Oertzen,  während  betreffs 
der  Infanterieregimenter  die  Angaben  schwanken.  Die 
Geschichte  der  sächsischen  Armee'")  nennt  ein  Regiment, 
welches  durch  den  Oberst  von  Hayn  (bestand  aus  nur 
1  Bataillon  unter  Oberstlieutenant  von  Nehmitz),  und  ein 
Regiment  zu  4  Bataillonen,  welches  durch  den  Chevalier 
de  la  Martiniere'')  formiert  wurde.    Nach  der  auf  besten 


ö')  Schuster  u.  Francke  a.  a.  O.  1,  156. 
«*)  Ebenda  150. 
«»)  Ebenda  157. 
■'•')  Ebenda  156. 

'1)  Der  Chevalier  d»>  la  Martiniere  oder  Martinerie  ist  vermut- 
lich identisch  mit  Heinrich  von  Martines,  einem  Schweizer,  der  nach 


Schweizer  Soldtiuppeu  1701  — 1SI5  107 

Quellen  berulienden  Zusammenstellung  iii  der  Wissenscliat't- 
liclien  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1885,  No.  69  wäre 
aber  dieses  letztgenannte  Regiment  nie  zur  Aufstellung 
gelangt.  Man  begegnet  auch  diesem  Namen  in  der  Folge 
nicht. 

Im  Januar  des  folgenden  Jahres  —  1704  —  erteilte 
der  König  aber  dem  Generalmajor  de  la  Tour  du  Pin, 
Baron  de  Mallerarques^-),  den  Befehl,  ein  Regiment  zu 
Fuls  unter  der  Bezeichnung  als  „Regiment  des  Gardes 
Suisses"  anzuwerben.  Dasselbe  sollte  am  1.  Juni  komplett 
und  marschfertig  in  Sachsen  stehen  und  die  Mannschaft 
aus  Schweizern,  Franzosen  und  anderen  untadelhaften 
Leuten  im  Alter  zwischen  20  und  40  Jahren  bestehen. 
Als  Etat  wurde  der  Stab  zu  15  Köpfen  und  12  Kompagnien 
ä  128  Köpfe  inkl.  prima  plana  festgestellt''^). 

Welche  Schritte  General  von  Mallerarques  that ,  um 
diesem  Befehle  nachzukommen,  ist  nicht  bestimmt  nach- 
zuweisen; jedenfalls  scheint  er  sich  weder  mündlich  noch 
schriftlich  an  die  Schweizer  Kantone  gewendet  zu  haben, 
da  sonst  in  den  dortigen  Archiven  irgend  welche  Nach- 
richten zu  finden  sein  müfsten.  Konstatiert  ist  nur,  dals 
es  ihm  gelang,  bis  zum  Sommer  ca.  1000  Mann  aufzu- 
bringen, die  im  Monat  Juni  in  Sachsen  eintrafen  und  in 
Großenhain,  Meilsen,  Oschatz,  Lommatzsch,  Mühlberg, 
Beigern  und  Radeberg  untergebracht  wurden. 

Diese  Mannschaften  sollen  zum  grölsten  Teile  aus 
Franzosen  bestanden  haben;  es  sprechen  aber  ver- 
schiedene Umstände  für  die  x\nnahme,  dals  die  Mehrzahl 
Schweizer  waren,  die  bis  dahin  in  der  französischen 
Armee  gedient  hatten. 

Nicht  allein,  dals  in  der  Folge  von  zwei  Bataillonen 
Schweizern  und  nur  von  einem  aus  Franzosen  gebildeten  die 
Rede  ist,  sondern  auch  die  kriegerischen  Verhältnisse  lassen 
es  kaum  als  wahrscheinlich  erscheinen,  dals  schon  in  der 
ersten  Hälfte  des  Jahres  1704,  zu  einer  Zeit,  wo  sich 
Frankreich  selbst  in  einem  bis  dahin  glücklich  geführten 


Leu  (AUg.  Helvet.  Eydffen.  Lesicoii)  und  Girard  (Hist.  abregee  des 
officiers  Suisses)  unter  König  August  II.  als  Oberst  in  sächsischen 
Diensten  gestanden  hätte  und  dessen  Sohn  Peter  Franciscus  von 
1737—45  ebenfalls  in  Sachsen  diente. 

■^2)  Jedenfalls  ein  Verwandter  des  Offiziers  gleichen  Namens, 
der  mit  Oberst  le  Jay  in  der  Schweiz  Avar.  Seine  Charge  als 
General  schliefst  es  aus,  dafs  es  der  nämliche  war.  Wir  haben 
nichts  Näheres  über  seine  Person  oder  Familie  finden  können. 

'3)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.431.  Bd.  5  Bl.  175. 


108  A.   von   W'elck: 

Krieo'e  Itpfand.  grülsere  Abteilungen  von  Franzosen  fremden 
8üld  genommen  hätten.  Anders  lag  es  bezüglich  der 
Schweizer,  die  in  französischem  Solde  standen.  Dieselben 
litten  während  des  Feldzugs  ganz  besonders  unter  der 
Kalamität,  ihren  Landsleuten  im  österreichischen  wie  im 
holländischen  Heere  feindlich  gegenüber  zu  stehen,  und 
es  ist  daher  sehr  wohl  begreiflich,  dals  sie  gern  bereit 
waren,  den  französischen  Dienst  zu  vertauschen  gegen 
den  des  Kurfürsten  von  Sachsen,  dessen  Truppen  bereits 
im  Frühjahre  1704  von  der  Reichsarmee  abberufen 
wurden''). 

Jedenfalls  führte  General  von  Mallerarques  seine  An- 
werbungen in  Süddeutschland  in  der  Nähe  des  Kriegs- 
schauplatzes aus  und  zwar  —  wie  wir  sahen  —  mit  ver- 
hältnismälsigem  Erfolg. 

Immerhin  fehlten  an  dem  bestimmten  Etat  noch  etwa 
500  Mann  und  derselbe  dürfte  sich  in  den  nächsten 
Monaten  durch  Desertion  noch  wesentlich  verringert  haben, 
denn  als  Ende  Oktober  1704  das  in  den  oben  genannten 
sächsischen  Städten  untergebrachte  Regiment  nach  dem 
Lager  bei  Guben  dislociert  wurde,  trafen  daselbst  anstatt 
der  erwarteten  1445  Mann  nur  etwa  800  ein'"').  Die 
Beförderung  derselben  erfolgte  mittelst  vierspänniger 
Wagen,  welche  die  Gemeinden  stellen  mufsten^'"').  Das 
Regiment  wurde  —  im  Lager  eingetroffen  —  so  viel 
sich  feststellen  läfst,  unter  die  Befehle  des  Oberst 
Cäsar  de  la  Tour  du  Pin,  Baron  de  Mallerarques,  des 
Bruders  des  Generals,  gestellt  und  die  Leute  w^urden  aus- 
drücklich als  „aulserhalb  Landes  geworbene  Schweizer 
und  refugirte  Franzosen"  bezeichnet. 

General  Mallerarcjues  war  mittlerweile  unausgesetzt 
bemüht,    die  Lücken,    welche   das  von  ihm   aufgestellte 


■^^)  In  der  österreichischen  Armee  unter  Herzog  Eugen  weiden 
die  beiden  Schweizer  Regimenter  Erlach  und  Styrlii  genannt  (Fehl- 
züge des  Prinzen  Eugen  von  Savo.yen,  nach  den  offiziellen  öster- 
reichis<'hen  Feldakten  von  der  Abteilung  für  Kriegsgeschichte  des 
K.  K.  Kriegsiirchivs  bearbeitet,  Wien  lS7ß).  während  der  Herzog 
von  Malljorough  in  dem  Gefeclit  bei  Scliellenlierg  am  l.  Juli  1704  u.  a. 
die  l)eiden  Schweizer  Regimenter  Tscharner  und  Mav  unter  seinen 
Befehlen  hatte  (May  a.  a.  0.  II,  .•53:^). 

'^■')  In  den  auf  die  Konzentration  bei  Guben  bezüglichen  offiziellen 
Unterlagen  heilst  es,  nachdem  die  Truppenteile  aufgeführt  sind: 
Hierzu  noch  „insofern  sie  kommen  werden" :  etc.  etc.  Regiment 
Malleraques  2  Bataillons,  8  Kompagnien,  1445  Mann. 

™j  Reskripte  vom  14.  und  27.  Oktober  1704. 


Schweizer  Soldtruppen  1701—1815.  109 

Regiment  noch  auswies,  durch  weitere  Anwerbungen  zu 
komplettieren.  Er  begab  sich  zu  dem  Zwecke  abermals 
nach  dem  süddeutschen  Kriegsschauplatze  und  scheint 
sich  die  grolse  Anzahl  von  Gefangenen,  welche  nach  der 
Schlacht  von  Höchstädt  am  13.  August  1704  in  die  Hände 
der  Alliierten  gefallen  waren,  für  seine  Zwecke  nutzbar 
gemacht  zu  haben.  Nur  so  läfst  es  sich  erklären,  dais 
verschiedene  Schriftsteller  berichten,  das  Mallerarques- 
sche  Regiment  sei  aus  den  in  dieser  Schlacht  gefangenen 
Franzosen  und  Baj-ern  formiert  worden").  Dafs  diese 
Angabe  in  dieser  Form  eine  irrtümliche  ist,  geht  daraus 
hervor,  dais  —  wie  wir  sahen  —  General  von  Mallerarques 
bereits  im  Juni  1000  Mann  vereinigt  hatte,  also  zwei 
Monate  vor  der  Schlacht  bei  Höchstädt'*,.  Dais  hingegen 
eine  Komplettierung  auf  diese  Weise  versucht  und  auch 
bis  zu  einem  gewissen  Punkte  durchgeführt  wurde,  darf 
angenommen  werden.  Besonders  zu  erwähnen  ist  die 
Angabe  in  der  „Geschichte  der  beiden  Sachs.  Grenadier- 
Regimenter  von  H.  V.  S."  (s.  u.  Anm.  77),  dais  die  An- 
werbungen aus  2  Bataillonen  Schweizern  und  1  Bataillon 
Franzosen  bestanden  haben,  dais  dieselben  aber  auf  das 
Jahr  1705  verlegt  w^erden  und  nicht  speziell  auf  die 
Gefangenen  von  Höchstädt  hingewiesen  wird. 

Uns  lag  zunächst  daran,  festzustellen,  ob  an  der 
zweiten  Schlacht  bei  Höchstädt  —  in  welcher  der  Herzog 
von  Malborough  und  der  Prinz  Eugen  einen  glänzenden 
Sieg  über  die  vereinigten  Franzosen  und  Bayern  unter 
den  französischen  Marschällen  Tallart  und  Marsin  und 
dem  Kurfürsten  Max  Emanuel  von  Bayern  erfochten  — 
in  französischem  Solde  stehende  Schweizer  Regimenter 
teilgenommen  hatten.    Nur  in  diesem  Falle  wäre  ja  die 


")  D.  F.  (assmanii),  Friedrich  Augusts  Leben-  und  ,HeIden- 
thaten  (Frankfurt  und  Leipzig  1734)  S.  461.  C.  Gretschel  u.  Bülau, 
Gesch.  des  sächs.  Yolkes  und  Staates  (Leipzig  ISfiB)  II,  547. 
F.  Graf  Beust,  Feldzüge  der  sächsischen  Armee  (Erfurt  1801)  II, 
241.  H.  V.  S.,  Geschichte  der  beiden  K.  S.  Greuadierregimenter 
(Dresden  1877)  S.  44. 

''*)  Die  sogenannte  zweite  Schlacht  bei  Höchstädt,  in  welcher 
eine  grofse  Anzahl  Gefangener  seitens  der  verbündeten  Deutschen 
und  Engländer  gemacht  wurde,  fand  erst  am  13.  August  1704  statt. 
Die  erste  Schlacht  aber,  die  diesen  Namen  trägt  und  die  am  21.  Sep- 
tember 1703  geschlagen  wurde,  kann  um  deswillen  nicht  gemeint  sein, 
weil  in  dieser,  die  für  die  Alliierten  unglücklich  verlief,  über- 
haupt keine  Gefangenen  in  deren  Häcde  tielen  und  weil  aufserdera, 
wie  wir  sahen,  General  Mallerarques  erst  im  Januar  1704  den  Befehl 
erhielt,  Truppen  anzuwerben. 


110  A.  von  Wekk: 

Anwerbung  von  Schweizern  nach  der  gedachten  Schhicht 
möglich  gewesen. 

Die  auf  diese  Frage  bezüglichen  Nachforschungen 
wurden  dadurch  erschwert,  dals  die  bekannten  schwei- 
zerischen Werke  von  Zurlauben''')  und  May^")  keine  Aus- 
kunft darüber  geben.  Es  werden  wohl  —  namentlich  bei 
May  —  die  eidgenössischen  Regimenter  genannt,  die 
unter  Ludwig  XIV.  in  französischem  Solde  standen,  jedoch 
die  Teilnahme  eines  derselben  an  der  genannten  Schlacht 
wird  nicht  erwähnt.  Aber  auch  die  französischen  Quellen 
sind  ganz  unzureichend  und  können  nicht  Anspruch  auf 
volle  Zuverlässigkeit  machen.  Quincy^^),  der  eine  ziem- 
lich ausführliche  Beschreibung  der  Schlacht  bietet,  er- 
wähnt die  Brigade  Greder  und  die  Brigade  Zurlauben, 
ohne  sie  speziell  als  Schweizer  zu  bezeichnen,  doch  be- 
stand die  erstere  unzweifelhaft  aus  solchen.  (General 
Zurlauben  ^-)  persönlich  befehligte  den  rechten  Flügel  der 
Kavallerie,  die  nordwestlich  von  ßlindheim  stand.)  Etwas 
speziellere  Auskunft  findet  man  in  „Campagne  de  Mr. 
le  Marechal  de  Marsin  en  Allemagne"^'^).  Kommt  auch 
in  der  Ordre  de  Bataille,  die  er  von  seinem,  dem  Kur- 
fürsten von  Bayern  mit  unterstellten  Korps  giebt,  kein 
Regiment  mit  einem  Schweizer  Namen  vor,  so  ergiebt 
sich  aus  der  späteren  Aufzählung  der  in  Gefangenschaft 
geratenen  Bataillone,  dals  sich  unter  denselben  2  Bataillone 
Greder  und  2  Bataillone  Zurlauben  befanden,  die  dem- 
nach dem  Hilfskorps  des  Marschalls  Tallard  angehört 
haben  müssen.  Das  Regiment  Greder  wird  ausdrücklich 
als  ein  SchAveizer  Regiment  bezeichnet^*).    Es  sei  hier 


''^)  Zurlauben,  Histoire  inilitaire  des  Suisses  (Paris  1703). 

»")  May  de  Romainmortier,  Histoire  milit.  de  la  Suisse  et 
c(;lle  des  Suisses  dans  les  differcns  Services  de  l'Eiu'ope  (Lausanne  1788). 

**)  de  Quincy,  Histoire  milit.  du  regne  de  Louis  le  Grand, 
i'oy  de  France  (Paris  17;dH)  IV,  279 ff.  Ebenso  auch  in  Campagne 
de  Mr.  le  Marechal  de  Tallard  1704  (Amsterdam  1768)  11,  2(51. 

*-)  Beat  Jacques  zur  Lauben  hob  —  bis  dahin  Kapitän  im 
deutschen  Regiment,  Königsmark  in  französischen  Diensten  —  1687 
ein  „deutsches-  Peginient  seines  Namens  aus,  welches  er  bis  zu  seinem 
Tode  —  1704  —  besafs.  Er  starb  am  21.  September  1704  an  den 
Folgen  der  bei  Höchstädt  erhaltenen  Wunden  (vergl.  zur  Lauben 
a.  a.  0.  III,  11). 

^")  Campagne  de  Monsieur  le  Marechal  de  Marsin  en  Allemagne 
Fan  1704.  (Amsterdam  1762)  I,  260. 

^)  Das  ppgiment  Ureder  war  1673  errichtet  worden.  Sein  erster 
Oberst  war  Wolfgang  Greder.  Gleiclizeitig  hat  aber  —  nach  Girard, 
Histoire  aliregee  des  ofticiei's  suisses  etc.  —  noch  ein  zweites  Regi- 


Schweizer  Soldtruppeu  1701  —  1815.  Hl 

bereits  erwähnt,  dafs  nach  dieser  Quelle  vom  Regiment 
Greder  29  Kapitäns,  33  Lieutenants,  60  Sergeanten  und 
Soldaten  in  Gefangenschaft  gerieten  und  in  Dillingen 
untergebracht  wurden,  während  vom  Regiment  Zurlauben 
28  Kapitäns,  30  Lieutenants,  29  Souslieutenants  und 
200  Sergeanten  und  Soldaten  in  Feindes  Hände  fielen, 
denen  Weilsenburg  als  Aufenthalt  angewiesen  wurde**''). 

Deutscherseits  liefert  das  Theatrum  Europaeum  eine 
Besprechung  der  Schlacht,  die  namentlich  insofern  interes- 
sant für  unsere  Zwecke  ist,  als  sie  ebenfalls  die  Namen 
der  in  Gefangenschaft  geratenen  Bataillone  angiebt.  Die- 
selben stimmen  aber  nur  teilweise  mit  den  bei  Marsin 
genannten  überein;  das  Theatrum  Europaeum  führt  zudem 
27  Bataillone  an  (was  richtig  sein  dürfte)  gegen  nur  23, 
die  in  dem  französischen  Werke  genannt  werden.  Die 
beiden  Bataillone  Zurlauben  erscheinen  im  Verzeichnis 
des  Theatrum  Europaeum  ebenfalls,  während  von  dem 
Regiment  Greder  nicht  die  Rede  ist.  Wir  halten  in  dieser 
Beziehung  die  französischen  Angaben  für  richtig.  — 
Die  bei  weitem  eingehendste  und  nebenbei  kriegswissen- 
schaftlich äufserst  wertvolle  Besprechung  der  Schlacht 
findet  sich  in  J.  v.  H.'s  Anleitung  zum  Studium  der  Kriegs- 
geschichte^'*). Von  spezieller  Bezeichnung  der  Truppen- 
teile wird  aber  darin  ganz  abgesehen,  und  nur  bei  Be- 
sprechung der  Aktionen  selbst  wird  das  „Regiment  Zur- 
lauben" erwähnt^''). 

Fassen  wir  diese  verschiedenen  Nachrichten  zu- 
sammen, so  dürfen  wir  es  als  ziemlich  sicher  annehmen, 
dals  4  Schweizer  Bataillone  —  2  Greder  und  2  Zurlauben  — 
an  der  Schlacht  bei  Höchstädt  teilnahmen  und  zum  gröfsten 
Teile  in  Gefangenschaft  gerieten ^^). 


raent  Glrecler  bestanden,  welches  früher  FürsteDljerg  hiefs,  am  3.  Sep- 
tember 1686  dem  Oberst  F.  L.  Greder  gegeben  wurde  und  1703  dessen 
Bruder  Balthasar.  Ob  das  letztgenannte  im  Jahre  1704  noch  den 
Namen  Greder  führte,  ist  uns  unbekannt.  Jedenfalls  dürfte  das 
erster e,  1673  errichtet,  dasjenige  sein,  welches  an  der  Schlacht  bei 
Höchstädt  teil  nahm. 

^■')  Mars  in,  Campagne  etc.  a.  a.  0.  II,  152. 

80)  J.  T.  H. ,  Anleitung  zum  Studium  der  Kriegsgeschichte. 
(Darmstadt  und  Leipzig  1868—1878.) 

«^)  J.  V.  H.  a.  a.  0.  II,  359. 

8»)  Leider  macht  das  erwähnte  Werk:  „Feldzüge  des  Prinzen 
Eugen  von  Savoyeu"  keine  speziellen  Angaben  über  die  Zusammen- 
setzung der  französischen  Armee  oder  übei'  die  in  Gefangenschaft 
geratenen  Abteilungen. 


112  A.  von  Welck: 

Über  das  Schicksal  der  Gefangenen,  deren  Zahl 
nicht  genau  festzustellen  ist  (nach  Quincy  waren  es 
967  Offiziere  und  8892  Mann),  entspannen  sich  längere 
Verhandlungen,  die  damit  endeten,  dals  sich  der  Herzog 
von  Malburough  und  Prinz  Eugen  in  dieselben  teilten.  Der 
erstere  erhielt  3729  Fuiissoldaten ,  175  Reiter  und  571 
Dragoner,  der  letztere  aber  3750  Fufssoldaten,  175  Reiter 
und  589  Dragoner  (alles  excl.  Offiziere)*";.  Ein  Teil  der- 
selben wurde  bald  ausgewechselt. 

Die  für  uns  speziell  interessanten  Nachrichten  über 
das  Schicksal  der  Gefangenen  bieten  die  „Kriegs-  und 
Staatsschriften  des  Markgrafen  Ludwig  von  Baden"""). 
Es  findet  sich  daselbst  ein  Originalschreiben  des  Kaisers 
an  den  Markgrafen  d.  d.  Wien,  30.  August  1704  abge- 
druckt, in  welchem  es,  nachdem  auf  die  wünschenswerte 
Auswechselung  von  Gefangenen  aufmerksam  gemacht 
worden  ist,  weiter  heilst: 

„Dises  Alles  (nämlich  der  Modus  der  Auswecliseluug)  aber  ist 
allein  von  denen  Gefangenen  frantzösischer  Nation  zu  verstehen,  dan 
wegen  der  Bayrischen  und  deren  darunter  befindlichen  Teütschen, 
habe  Ich  geschlossen,  dals  die  gemeine  iinter  Meine  Regimenter  ge- 
stofsen,  und  zu  solchem  ende  entweders  in  Italien  oder  Hungarn  ab- 
geschikht,  wider  die  Offtciers  aber,  welche  immediat  Reichs  oder 
Oesterreicliische  Unterthanen  seynt,  nach  denen  verkündigt  und  ver- 
schörftten  advocatoriis ,  die  aussgesetzte  Bestraffangen  zu  Handt- 
habung  Meiner  Kayserlichen  Authoritet,  andern  zum  beyspill  voll- 
führet werden  solle,  wie  es  aldorthen  bey  der  Armada  recht  und 
urthl  orkhennen  wird,  fahls  aber  unter  denen  Frantzosen  ein 
Seh  v/eitzerisches  gantzes  Corpo  von  Battaillon  oder 
Regiment  oder  aber  zerstreuet  da  und  dorthen  einige  von 
solcher  Nation  sich  befindeten,  so  were  derley  Corpo  zu 
dissolviren,  und  die  Soldaten  davon  sowohl,  alfs  Officier 
Avie  auch  ybrige  particulares  nacher  Haufs  zu  entlassen, 
iedoch  mit  der  geschwornen  Bedingnufs,  dafs  selbige  auf 
eine  bestimbte  gewisse  Zeith  wider  Mich,  des  Reichs  und 
der  Allyrten,  nicht  mehr  die  AVaaffen  tragen  selten." 

Es  stand  demnach  einer  Anwerbung  der  Schweizer 
von  Seiten  Kursaclisens  kein  Hindernis  im  Wege,  da  die- 
selben dadurch  nicht  in  die  Lage  kamen,  gegen  den 
Kaiser  oder  seine  Alliierten  die  Waffen  zu  tragen.  —  Dals 
fibrigens  die  Entlassung  der  schweizerischen  Gefangenen 
nach  diesen  kaiserlichen  Litentionen  nicht  ohne  weiteres, 
vielleicht  gar  nicht,  ins  Werk  gesetzt  wurde,  ergiebt  sich 


«»)  Quincy  a.  a.  0.  S.  286. 

'*)  Rüder  von  Diersburg,  Kriegs-  und  Staatsschriften  des 
Markgrafen  Ludwig  von  Barlen  über  den  spanischen  Erlifnlgokrieg 
(Karlsruhe  1S50;  II,  8:;;  (Urk.  No.  221). 


Schweizer  Soldtruppen  1701  —  1815.  113 

aus  dem  oben  (S.  110)  schon  erwähnten  Verzeichnis  der 
Gefangenen  in  „Campagne  de  Marsin"  *").  Dieses  Ver- 
zeichnis interessiert  uns  aber  noch  nach  einer  anderen, 
hier  zu  erwähnenden  Ilichtung  hin.  In  demselben  werden 
die  gefangenen  Offiziere  und  Mannschaften  von  7  fran- 
zösischen und  2  Schweizer  Infanterieregimentern  beziffert. 
Das  Verhältnis  bei  den  erstgenannten  stellt  sich  ohne 
Ausnahme  durchschnittlich  so,  dafs  die  Anzahl  der  in 
Gefangenschaft  geratenen  Offiziere  10**/^  der  gefangenen 
Soldaten  beträgt,  während  vom  Schweizer  Regiment  Greder 
62  gefangene  Offiziere  und  60  Soldaten  und  vom  Eegiment 
Zurlauben  87  Offiziere  und  200  Soldaten  aufgeführt 
werden.  Die  Annahme  liegt  hier  gewils  nahe,  dafs  sich 
dieses  auffallende  Mifsverhältnis  zwischen  Offizieren  und 
Soldaten  bei  den  beiden  Schweizer  Regimentern  dadurch 
ergiebt,  dals  es  dem  General  von  Mallerarques  gelang,  kurz 
nach  der  Schlacht  einen  grofsen  Teil  der  in  Gefangen- 
schaft geratenen  Schweizer  Soldaten  anzuwerben^-).  — 

Bis  zum  2.  November  war  das  von  General  Mallerarques 
geworbene  Regiment  im  Lager  bei  Guben  eingetroffen 
(vergl.S.108)"-^)  und  sollte  dort  einem  kurfürstlichen  Befehle 
zufolge  —  wie  alle  Truppenteile  —  gemustert  werden. 
Hierüber  liegt  uns  der  Rapport  des  mit  der  Musterung 
beauftragten  Generalkommissariats- Sekretärs  Schmieder 
vor,  dessen  hierher  bezüglichen  Teil  wir  folgen  lassen,  da 
er  in  verschiedener  Hinsicht  von  Interesse  ist: 

„Extract  des  General  Commissariats-Secretarii  Schmieders  de 
dato  Guben  den  8.  ^Jovember  1704  erstatteten  allerunterthänigsten 
Berichts. 

Wie  Ew.  König'l.  Mjt.  etc.  unterm  4.  dieses  allerunterthänigst 
mit  berichtet,  dass  den  2.  vorh^^ro  die  Marleraquische  Schweizer  hier 
eingerÜL-ket ,  und  Dero  Ober  Kriegs  Commissarius  Raschke  mit  mir 
verlassen,  alle  aus  Sachsen  nach  Fohlen  marschirende  Troupes  zu 
mustern,  mit  dem  Nehmitzischen  Bataillon  Grenadier  die  Musterung 
den  31.  passato  erfolget  war,  so  meldete  bei  dem  Obristen  derer 
Schweizer"*)    mich  alsofort  und   bekahrae  zur  Antwort,    dafs  Alles 


"')  Mar  sin,  Campagne  etc.  a.  a.  0. 

"-)  Das  sächsische  Korps,  Avelches  bis  dahin  zur  Reichsarmee 
gehört  hatte,  hatte  zufolge  eines  Befehls  des  Kurfürsten  d.  d. 
10.  März  1704  unter  General  von  Schulenburg  in  den  ersten  Tagen  des 
April  den  Eückmarsch  nach  Sachsen  angetreten  und  traf  am  20.  Mai 
in  der  Gegend  von  Dresden   ein. 

»■')  Im  offlziellen  Beiicht  heifst  e.s:  „Im  Monat  October  rückten 
endlich  auch  das  ]).  p.  Malleraque'sche  Regiment  des  Gardes  Suisses 
du  Roi  in  2  Bataillons  800  Mann  stark  etc.  über  Guben  gegen  die 
Obra  vor". 

»*)  Jedenfalls  der  Oberst  Cäsar  Barou  Mallerarques. 

Neues  Ai-chiv  f.  S.  G.  u.  A.  XIV.  1.  2.  8 


114  A.  von  Welck: 

vom  General  Marleraq,  welcher  nächster  Tage  erwartet  würde  und 
also  auch  die  Ordre  verlangter  Musterung  dependirte.  Nachdem 
dieser  General  auch  anlangete,  meldete  deswegen  mich  wieder  ge- 
bührend und  wurde  dergestalt,  dafs  sobald  Ordi-e  von  Gen.  Lieut. 
Patkul,  an  den  ein  Couiier  abgeschicket  wäre,  zum  Mardie  nacli 
Fohlen  eingienge,  sollte  mir  es  wissend  gemachet  und  die  Mann- 
schaften zur  IMusterung  gestellet  werden,  bescheidet.  Alsotort  aber 
Euer  Köuisil.  Äljt.  etc.  allcrguädigston  Befehl  unterm  1.  dieses  mit 
allerunterthäuigster  Devotion  den  (1  darauf  erhielte,  und  sell)igen  zu 
aller  pflichtschuldigsten  Folge,  beym  General  Marleracq  die  Musterung 
seines  Kegiments  suchete,  wurde  die  Ordre  dazu  zu  sehen  verlangt 
und  auf  deren  Froduction  von  mehr  vermeldeten  General  mir  gesaget, 
wenn  anstatt  Regiment  zu  Fufs,  Sein  unterhabendes  Corps  nicht 
Königl.  Schweizer  Guarde  tituliret  würde,  nehme  er  nichts  an,  und 
liefse  sich  keines  Weges  mustern,  dieses  könnte  ich  nur  berichten, 
dafs  also  in  so  weit  es  beruhen  lassen  müssen"  etc. 

Aus  diesem  ScliriftstLicke  geht  unzweifelhaft  hervor, 
dafs  das  Regiment  wenigstens  zum  grölsten  Teile  aus 
Schweizern  bestand  und  infolge  dessen  auch  dem  ent- 
sprechend bezeichnet  wurde. 

Obgleich  die  Musterung  des  Regiments  infolge  dieser 
von  General  Mallerarques  erhobenen  Schwierigkeiten  nicht 
stattfand,  so  liels  es  sich  doch  nicht  verheimlichen,  dals 
eine  grolse  Anzahl  von  Mannschaften  an  der  etatsmäisigen 
Stärke  fehlten,  und  es  wurden  deshalb  hier  schon  Vor- 
bereitungen zur  Ergänzung  desselben  getroffen.  General 
Mallerarques  trat  aber  zu  dem  Zwecke  nur  für  das  erste, 
von  seinem  Bruder,  dem  Oberst  de  Mallerarques,  befehligte 
Bataillon  ein,  während  die  I^omplettierung  des  zweiten 
Bataillons  dem  Kommandanten  desselben,  Oberstlieutenant 
de  Mestral  de  Coinsin^^),  überlassen  blieb.  Zugleich 
wurde  angeordnet,  dafs  dieses,  unter  Abgabe  der  Fran- 
zosen an  das  erste  Piataillon,  nur  aus  Deutsciien  und 
Schweizern  bestehen  solle  ^''). 


^^)  Henri  FrauQois  de  JVlestral,  Seigneur  de  Vincy  et  Coinsins, 
colonel  au  Service  de  Pologne  (de  Saxe)  f  1730.  Verheiratet  mit  Laure 
de  Berncastel  d'Orange.  (Vergl.  F.  von  Mül inen,  Geneal.  Stamm- 
tafeln, Mskpt  Tom  III  p.  156.)  Der  Betreffende  wird  fälschlicher- 
weise meist  nur  de  Coinsin  genannt,  ebenso  wie  das  von  ihm  befehligte 
Bataillon.  Sein  eigentlicher  Name  ist  aber  de  Mestral,  dem  der 
Name  der  Herrscbatt  Coinsin  zur  Unterscheidung  von  den  anderen 
Zweigen  der  Familie  beigefügt  war. 

'"*)  Das  Regiment,  welches  zuerst  (s  S.  1()8)  dem  Oberst  Mallerarques 
übergeben  worden  war,  wurde  also  jetzt  in  2  Bataillone  formiert,  von 
denen  das  erste,  aus  Franzosen  bestehend,  demselben  verblieb,  während 
das  zweite,  aus  Deutschen  und  Schweizern  formiert,  unter  die  Befehle 
des  01)erstlieutenants  de  Mestral  de  Coinsin  gestellt  wurde.  Das 
ReL'imcnt  behielt  in  seiner  (Tcsamtheit  den  Namen  Mallerarques,  nach 
dem  General,  der  es  formiert  hatte. 


Schweizer  Soldtmppen  1701-1815.  115 

Das  Regiment  marschierte  in  dieser  Formation  in 
der  ersten  Hälfte  des  Monats  November  vereint  mit  dem 
oben  genannten  Grenadierbataillon  Nehmitz  und  mit 
zwei  Kompagnien  des  Infanterieregiments  Wolfenbüttel 
nach  der  Obra.  Ob  es  von  da,  wie  Schuster  und  Francke 
(a.  a.  0.  I,  161)  berichten,  noch  bis  in  das  befestigte 
Lager  von  Kopnitz  vorrückte,  erscheint  fraglich.  Dieses 
letztere  war  zu  der  Zeit  nur  von  wenigen  Abteilungen 
besetzt,  da  General  von  Schulenburg,  der  an  Steinaus 
Stelle  interimistisch  das  Oberkommando  übernommen  hatte, 
mit  2000  Mann  Infanterie  und  2000  Pferden  gegen  Posen 
aufgebrochen  war,  um  die  dort  befindliche  schwedische 
Armee  sowie  die  Festung  selbst  zu  überfallen.  Diese 
Unternehmung  gelang,  zufolge  Verrats,  nicht  vollständig 
und  Schulenburg  erhielt  den  Befehl,  zu  der  bei  Warschau 
stehenden  Armee  des  Königs  zu  stolsen.  Diese  Ver- 
einigung erfolgte  am  18.  September  bei  Wisogrot.  Da 
aber  der  König  mittlerweile  —  zufolge  des  Überganges 
des  schwedischen  Heeres  auf  das  linke  Weichselufer  — 
den  Entschlufs  gefalst  hatte,  sich  zurückzuziehen  und  den 
gröfsten  Teil  der  Armee  unter  Schulenburg  nach  Sachsen 
zu  schicken,  so  erhielten  auch  die  im  Kopnitzer  Lager, 
resp.  an  der  Obra  stehenden  Abteilungen  entsprechende 
Ordre. 

Die  zuletzt  genannten  Truppenteile  —  Regiment 
Mallerarques,  Bataillon  Nehmitz  und  2  Kompagnien 
Wolfeubüttel  —  können  demnach  nur  wenige  Tage  da- 
selbst verblieben  sein.  Sie  traten  ihren  Rückmarsch  nach 
der  Lausitz  an ,  und  in  Görlitz  fand  am  15.  Dezember 
endlich  die  Musterung  des  Regiments  Mallerarques  statt ^'). 
Es  erscheint  als  wahrscheinlich,  dals  dasselbe  dort  die 
Winterquartiere  bezog. 

Mit  dem  beginnenden  Frühjahr  —  1705  —  traten 
die  Befürchtungen  eines  schwedischen  Einfalles  in  die 
Erblande  wieder  in  den  Vordergrund,  und  der  König 
erliels  deshalb  den  Befehl,  die  sächsischen  Truppen  in 
vier  Lagern:  bei  Dresden,  Meilsen,  Torgau  und  Mühlberg 
zu  konzentrieren.  Das  Regiment  Mallerarques  wird  in 
den  offiziellen  Listen  am  18.  April  1705  als  im  Lager 
bei  Dresden  aufgeführt.    Nach  Lindau ^^)  wurde  im  Juni 


'^^)  In  Polen  verblieben  nur  etwa  4000  Mann  unter  General 
von  Paykul  (vergi.  Schuster  und  Francke  a.  a.  0.  I,  163). 

^^)  Lindau,  CTeschichte  der  königl.  H^uipt-  und  Residenzstadt 
Dresden  (2.  Aufl.)  S.  560. 

8* 


IIQ  A.  von  Welck; 

ein  Lager  auf  dem  „Sande"  bei  Neustadt  abgesteckt, 
welches  von  einem  Teil  des  Regiments  Fürstenberg,  vom 
Leib-  und  vom  „Malaraquisclien  Schweizer-Regi- 
ment" bezogen  wurde;  bereits  am  3.  Juli  erhielten  das 
Leib-  und  das  Schweizerregiment  ihren  Lagerplatz  auf 
der  „Wiese  an  der  Elbe",  das  Fürstenbergische  Bataillon 
aber  in  der  Nähe  des  Provianthauses  in  Neustadt.  An- 
fangs September  aber  gingen  sämtliche  bei  Dresden  ver- 
einigte Truppen  (aulser  den  genannten  Avird  noch  das 
Lifanterieregiment  Braun  aufgeführt)  mit  der  Artillerie 
nach  Guben  ab,  „wo  Schulenburg  für  den  verderblichen 
Krieg  fast  mit  den  letzten  Kräften  des  erschöpften 
Landes"  ein  Heer  sammelte :  32  Schwadronen  sächsische 
Reiterei,  19  sächsische  und   11  russische  Bataillone""). 

Da,  nachdem  die  in  Polen  unter  Paykul  stehende 
sächsische  und  polnische  Kavallerie  —  13  Regimenter  — 
vor  Warschau  eine  schwere  Niederlage  erlitten  hatte,  die 
Befürchtung  des  Vorrückens  der  schwedischen  Armee 
nach  Sachsen  an  Begründung  gewann,  so  wurden  die 
Städte  Lübben,  Görlitz,  Bautzen  und  Sorau  mit  starken 
Besatzungen  belegt.  Aber  bereits  im  November  wurden 
die  Truppen  wieder  nach  ihren  Garnisonen  zurück  dirigiert, 
um  den  Winter  in  denselben  zu  verbringend*^"). 

Die  Vorgänge  in  Polen,  namentlich  aber  die  am 
4.  Oktober  1705  erfolgte  Krönung  des  Gegenkönigs  Stanis- 
laus  lielsen  keinen  Zweifel,  dals  das  Jahr  170G  von  neuem 
kriegerische  Aktionen  herbeiführen  werde,  eine  Annahme, 
■die  sich  voll  bewahrheiten  sollte. 

Bereits  am  8.  Januar  brach  Karl  XIL  aus  seinen 
Winterquartieren  auf.  Da  aber  seine  Gegner  auf  diesen 
frühzeitigen  Wiederbeginn  der  Feindseligkeiten  ebenfalls 
vorbereitet  waren,  beschlossen  sie  —  der  Zar  und  König 
August  —  den  Schweden  zuvorzukommen  und  die  Offen- 
sive zu  ergreifen. 

Da  Feldmarschall  von  Steinau,  der  bis  jetzt,  wenigstens 
dem  Namen  nach,  an  der  Si)itze  der  sächsischen  Armee 
gestanden   hatte,  in   venetianische  Dienste  übertrat,    so 


ö")  Lindau  a.  a.  0.  S.  560,  Auch  „Leben  und  Denkwürdig- 
keiten des  Graten  Schulenburii"  (Leipzig  1834)  1,  213,  bezeichnet 
das  Lauer  bei  Guben,  während  nach  Schuster  und  Francke 
a.  a.  O.  T.  Ifi.S,  sich  dasselbe  zwisc:hon  Muskau  und  Spremberg-  be- 
funden hätte.  Wir  möchten  diese  h'tztere  Angabe  für  die  richtige 
halten. 

100)  Vergl.  Schuster  und  Francke  a.  a.  0.  1,  163. 


Schweizer  Soldtrnppen  1701  —  1815.  117 

erlieft  der  König  an  den  General  von  Scluilenbnrg  den 
Befehl,  alle  in  Sachsen  verfügbaren  Truppen  nach  Polen 
zu  führen  und  das  Kommando  über  sie  zu  über- 
nehmen. Derselbe  konzentrierte  infolgedessen  die  Armee 
anfangs  Februar  bei  Sorau ,  um  von  da  aus  den  Weiter- 
marscli  anzutreten.  Diese  bestand  aus  19  Bataillonen 
Sachsen  =  9711  Mann  und  aus  10  Bataillonen  Russen 
=  6362  Mann.  Unter  den  ersteren,  zu  denen  auch  das 
ßegiment  Mallerarques  gehörte,  wird  bei  Schuster  und 
Francke  '*'')  ein  Bataillon  Martiniere  aufgeführt,  während 
in  den  „Denkwürdigkeiten  Schulenburgs"  "''^)  dieser  Name 
nicht  vorkommt,  sondern  „ein  Bataillon  französischer 
Grenadiere  Joyeuse".  Diese  letztere  Bezeichnung  dürfte 
die  richtige  sein;  der  Name  Joyeuse  tritt  uns  später  noch 
öfter  entgegen,  während  wir  den  Namen  Martiniere 
nirgends  finden  konnten ^*'=^).  Die  Reiterei  unter  General- 
lieutenant von  Plötz  zählte  42  Schwadronen  -  2000  Pferde 
und  die  Artillerie  1  Bataillon  ä  4  Kompagnien  =  300  Mann 
mit  32  Geschützen.  Die  Gesamtstärke  des  ganzen  Korps 
bezifferte  sich  hiernach  auf  18300  Mann. 

Am  7.  Februar  brach  die  Armee  von  Sorau  auf  und 
rückte  in  Schlesien  ein.  Dieselbe  war  aber  noch  in  ihren 
Etats  vielfach  inkomplett,  und  namentlich  waren  in  den 
Infanteriebataillonen  eine  grofse  Anzahl  von  Rekruten 
eingestellt. 

Da  speziell  auch  das  „Schweizer  Regiment",  wie 
das  Regiment  Mallerarques  in  „Schulenburgs  Leben"  ein- 
fach genannt  wird,  nicht  komplett  war,  so  erhielt  der 
Oberstlieutenant  de  Mestral  de  Coinsin,  Kommandant 
des  2.  Bataillons ,  am  26.  Januar  den  Befehl,  auf  Grund 
eines  besonders  aufzustellenden  „Kontraktes"  den  Versuch 
zu  machen,  durch  Anwerbungen  diese  Lücken  auszufüllen. 
Da  aber,  wie  wir  oben  sahen,  die  Armee  bereits  am 
7.  Februar  nach  Polen  aufbrach,  so  konnte  von  einem 
Erfolg  dieser  Mafsregel  keine  Rede  sein. 

Bereits  wenige  Tage  nach  dem  Abmarsch  erlangte 
Schulenburg  Fühlung  mit  dem  Feinde  und  am  13.  Februar 
erlitt  er  die  verhängnisvolle  Niederlage  bei  Fraustadt. 
Näher  auf  diese  Schlacht  hier  einzugehen  verbietet  uns 
der  Raum.     Nur  soviel  mag  hier  bemerkt  sein,   dafö  die 


101)  Vergl.  Scliustei-  imd  Francke  a.  a.  0.  I,  167. 
i«2)  Schulenburg  a.  a.  0.  I,  239. 

103)  Vergl.   die  Bemerkung  auf  S.  107,   wonach  die  Errichtung 
eines  Regiments  Martiniere  (Martineriej  nicht  zu  stände  kam. 


118  A.  vDii  Wolclv: 

beiden  Schweizer  Bataillone  (nach  einem  unoedruckten 
aber  authentischen  Schlachtbericht,  in  den  uns  Einsicht 
gestattet  wurde)  im  ersten  Treffen  und  zwar  auf  dem 
rechten  Flügel  kämpften.  Sie  gehörten  —  wenn  man 
alle  Berichte  zusammenfalst  —  zu  denjenigen  Truppen- 
teilen, welche  erst  nach  langem  tapferen  Kampfe  der 
vom  linken  Flügel  her  sich  verbreitenden  Deroute  nach- 
geben ninlsten;  auf  dem  Rückmarsche  gegen  Fraustadt 
streckten  sie  die  Waffen;  sie  sollen  dann  nach  Schulen- 
burgs  ersten  Meldungen  fast  sämtlich  niedergehauen 
worden  sein.  Oberst  von  Mallerarques  ward  verwundet 
und  gefangen,  sein  Bruder,  der  General,  scheint  sich 
während  der  Schlacht  nicht  beim  Schulenburgschen  Korps 
befunden  zu  haben.  Beiden  Brüdern  sind  wir  in  der 
Folge  in  den  uns  vorliegenden  Schriften  über  die  sächsische 
Armee  nicht  mehr  begegnet. 

Die  sächsische  Armee  war  so  gut  wie  vernichtet; 
nach  Schulenburgs  Angaben  wären  von  11900  Sachsen, 
die  an  der  Schlacht  teilnahmen,  10  774  geblieben  oder  in 
Gefangenschaft  geraten,  und  der  Gesamtverlust  der 
18  300  Mann  zählenden  Armee  hätte  ca.  15000  Mann 
betragen.  Wenn  es  auch  nicht  ganz  so  schlimm  gewesen 
sein  dürfte  —  wir  begegnen  u.  a.  später  wieder  einem 
aus  Schweizern  gebildeten  Bataillon  '"^)  — ,  so  stiels  doch 
die  Neubildung  der  Armee,  die  Schulenburg  übertragen 
worden  war,  auf  grolse  Schwierigkeiten;  namentlich  stellte 
sich  die  Aufbringung  der  Mannschaften  im  Inlande  bald 
als  fast  unmöglich  heraus. 

In  dieser  seiner  Not  und  Ratlosigkeit  gritf  Schulenburg 
wieder  zu  dem  beliebten  Mittel,  die  Komplettierung  seiner 
Truppen  durch  Schweizer  Söldner  zu  versuchen,  wozu 
er  die  Genehmigung  des  Königs  erhielt.  Es  war  wieder  der 
Oberst  le  Jay,  welcher  mit  der  Führung  der  betreffenden 
Unterhandlungen  beauftragt  wurde.  Es  liegen  aber  nur 
schweizerische  Nachrichten  über  diese  erneute  Mission 
des  kostspieligen  Unterhändlers  vor,  und  auch  diese  sind 
dürftig.  Das  Staatsarchiv  zu  Bern  enthält  nämlich  den 
„Extrakt"  aus  dem  „evangelischen  Abscheidbuch  des  ge- 
haltenen Tags  zu  Aarauw  vom  3.  Juni  1706 '"■'')",  welcher 
lautet: 


101)  Vergl.  die  Noten  107  und  109. 

10»)  St.-A.  Bern,  Evang.  Absclieidbuch  lit.  P.  S.  363.   Vergl.  auch 
E.  A.  VI,  Abth.  21  No.  606  lit.  b. 


Schweizer  Soldtruppen  1701— 1815.  119 

„Von  den  H.  Ehrengesandten  Lobl.  Stanrtts  Zürich  ward  vorge- 
tragen, welcher  gestahlt  der  H.  Ohrist  Baron  de  le  .Tay  der  im  ver- 
flossenen 1702t<'n  Jahr  im  Namen  Ihro  Königl.  Jlajestät  in  Polen, 
und  Chuifiirstl.  Dchlt.  zu  Sachsen  hy  Lobl.  Evangel.  Eydffenossschaft 
umb  einichenVolcksaufbruch  Anweibung  gethann,  sich  würklich  allhier 
befinde,  und  mit  Vorlegung  zweyer  Schryben  von  denen  H.  Generalen 
von  Schulenburg  und  Hoim  so  viell  bemerket,  dafs  nebst  Darstellung 
Ihro  Mayestett  gnädigen  Grasses,  Er  befelchnet  difs  Geschafft 
vifiederumb  in  Bewegung  zubringen,  und  umb  eine  beliebende  Anzahl 
einig  hundert  Mann  zu  einer  Königl.  Leibguardi  das  frl.  Ansuchen 
zumachen,  werde  dahero  nöthig  sein  eine  gemeinsamme  Antwort 
sothane  Anbringens  halber  abzufassen,  weilen  man  hierunter  nit 
instruiert  were,  hat  mann  solches  lediglich  dem  Abseheid  einverleibt 
und  es  den  H.  Obrist  durch  den  Secretarium  antwortlich  verdeüthen 
lassen". 

Irgend  etwas  weiteres  findet  sich  bezüglich  dieses 
Werbebegehrens  nicht  vor;  auch  die  erwälinten  Schreiben 
des  Generals  von  Schuleniiurg  und  des  Geheimen  Rats 
V.  HGymb^*^*^)  sind  nicht  vorhanden.  Ganz  undenkbar  ist  es, 
dals  die  Soldaten  wirklich  zu  einer  Leibwache  verlangt 
wurden;  um  so  mehr,  als  das  Gesuch  nicht  vom  König, 
sondern  von  den  beiden  Genannten  ausging,  welche  im  Jahre 
1706  vielfache  Verhandlungen  über  das  Schicksal  der  Armee 
und  über  die  Möglichkeit  ihrer  Ergänzung  pflogen. 
Möglicherweise  wurde  die  Form  der  „Leibwache"  nur 
gewählt,  weil  man  hoffte,  auf  diese  Weise  leichter  Truppen 
zu  erhalten,  als  wenn  man  die  Einstellung  derselben  in 
die  Feldarmee  als  Zweck  bezeichnet  hätte. 

Einen  Erfolg  hatte  dieser  Anwerbungsversuch  keinen- 
falls,  wie  schon  aus  der  Fassung  des  eidgenössischen 
Abschiedes  zu  entnehmen  ist.  — 

Das  Jahr  1706  sollte  in  seinem  weiteren  Verlauf 
schweres  Unglück  auf  die  Kurlande  häufen.  Der  König 
war  nach  der  Katastrophe  von  Fraustadt  in  Polen  ge- 
blieben und  verfügte  daselbst  noch  über  13  sächsische 
Kavallerieregimenter.  Er  hoffte,  dafs  sich  Karl  XII.  hier 
gegen  ihn  wenden  werde  und  dafs  es  ihm  —  besonders 
nachdem  er  infolge  der  Vereinigung  mit  einem  russischen 
Korps  über  26  000  Mann  verfügen  konnte  —  gelingen 
werde,  das  schwedische  Heer  so  von  einem  Zuge  nach 
Sachsen  abzuhalten.  Diese  Hoffnung  ging  aber  nicht  in 
Erfüllung.  Bereits  am  27.  August  erreichten  die  Spitzen 
des  schwedischen  Heeres  die  sächsisch-schlesische  Grenze. 
Da  die  ca.  9000  Mann,  über  die  General  von  Schulenburg, 


'*'ö)  Nicht   General,    wie  in  dem  obigen  Abschied  irrtümlich 
angegeben. 


120  A.  von  Welck: 

dem  (üp  Verteidio-niio-  (\(^^  Landes  anvoi-fiaut  war,  ver- 
fügte, iiiclit  «genügen  koiniteii,  um  die  drohende  Invasion 
abzuhalten,  so  wurde  die  Aufstelhuig-  von  Provinzial- 
regimentern  anhefolilen ,  die  aber  der  Kürze  der  Zeit 
wegen  niclit  mehr  zur  Ausfülirung  kommen  konnte. 
Schulenbui'g  zog  sich  infolgedessen  auf  das  linke  Eib- 
ufer zurück,  indem  er  in  den  Lausitzen  zur  Beobachtung 
nur  6  schwache  Kavallerieregimenter  zurückliefs.  Als 
dei-  König  von  Schweden  anfangs  September  mit  einer 
Armee  von  24000  Mann  wirklich  in  Sachsen  einrückte, 
und  diese  Reiterabteilungen  zuiückwarf,  setzte  Schulen- 
burg seinen  Rückzug  über  Leipzig  nach  Thüringen  fort, 
die  festen  Plätze  des  Landes,  namentlich  Dresden  und 
Leipzig,  mit  schwachen  Besatzungen  belegend,  die  zum 
grölsten  Teile  aus  den  wenigen  Provinzialtruppen  be- 
standen, deren  Aufstellung  zufolge  der  oben  erwähnten 
Verordnung  nach  und  nach  ermöglicht  worden  w^ar. 

Das  kleine  Korps ,  welches  Schulenburg  mit  sich 
führte,  bestand  nur  noch  aus  2800  Mann  sächsischer 
Lifanterie,  nämlich  den  4  Bataillonen:  Weifsenfeis,  Drost, 
Reibnitz  und  Coinsin-Schweizer,  aus  1200  Russen  und 
aus  1800  Mann  Reiterei  'f"). 

Uns  interessiert  hier  in  der  Hauptsache  das  Vor- 
handensein von  Schweizern  noch  in  der  zweiten  Hälfte 
des  Jahres  1706.  Es  scheint  aulser  Zweifel,  dals  sich 
dieselben  aus  der  Schlacht  von  Fraustadt  gerettet  und 
unter  dem  Kommando  des  Oberstlieutenants  de  Mestral 
de  Coinsin  wieder  vereinigt  hatten. 

Schulenburg  hatte  die  Absicht,  um  diese  schwachen 
Überreste  der  sächsischen  Armee,  über  deren  mangelhafte 
Disziplin  er  übrigens  wiederholt  bittere  Klage  führt,  dem 
Könige  womöglich  zu  erhalten,  dieselben  entweder  zur 
Reichsarmee  oder  nach  Holland  zu  führen.  Er  trat  hier- 
über, während  er  in  der  Nähe  von  Ilmenau  stand,  in 
Einvernehmen  mit  dem  Geheimen  Rat  von  Hojmb,  welcher 
sich  zu  der  Zeit  in  Erfurt  aufhielt.  Ehe  aber  noch  ein 
Entschluls  zur  Ausführung  kommen  konnte,  erfolgte  am 
23.  September  ein  Angriff  der  Schweden ,  die  ihm 
bis    hierher    gefolgt    waren.      Nach    den    „Denkwürdig- 


'"')  Nach  Schulenburg'  a.  a.  0.  I,  -274.  —  Schuster  uiul 
Francke  a.  a.  O  I,  109  geben  als  Stärke  der  (lisponibbn  Infanterie 
zu  Ende  des  Jahres  1706  an:  2500  Sachsen,  1800  „Ausländer  ver- 
schiedener Nationalitäten",  sowie  schwache  Abteilungen  Defensioner. 
Wegen  des  Bataillons  Coinsin  vergl.  Anm.  No.  95. 


Schweizer  Soldtinppen  1701  —  1815.  121 

keiten"  "^'^)  leisteten  hier  die  „Moscowiter"  guten  Wider- 
stand und  wiesen  den  Feind  zurück;  „allein  das  von 
französischen  Deserteurs  zusammengestellte  Bataillon 
Coinsin  im  sächsischen  Dienst  that  nicht  seine  Schuldig- 
keit, daher  es  dem  Feinde  gelang,  dem  Korps  einigen 
Verlust  beizubringen"  ^"^). 

Trotz  des  für  Schulenburg  ungünstigen  Ausgangs 
des  Gefechtes  sahen  die  Schweden  von  einer  Aveiteren 
Verfolgung  ab.  Hierdurch  ward  es  ihm  ermöglicht,  seine 
Infanterie  ohne  weitere  Behelligung  nach  dem  Rhein  zu 
führen  und  sie  bei  Philippsburg  mit  der  Reichsarmee  zu 
vereinigen.  Die  Kavallerie  kehrte  hingegen  nach  Sachsen 
zurück,  da  mittlerweile  der  Friede  zu  Ältranstädt  abge- 
schlossen worden  war,  welcher  den  sächsischen  Truppen 
gestattete,  einstweilen  Kantonnementsquartiere  im  thürin- 
gischen Kreis  zu  beziehen. 

Die  Geschichte  des  Altranstädter  Friedensschlusses 
in  ihren  traurigen  Folgen  für  das  Land  Sachsen,  in  ihren 
verhängnisvollen  Konsequenzen  für  die  beiden  sächsischen 
Bevollmächtigten,  Imhoff"  und  Pfingsten,  ist  bekannt.  — 

Die  nächsten  Jahre  waren  ausgefüllt  mit  diplo- 
matischen Unterhandlungen  und  Versuchen,  Allianzen 
gegen  SchAveden  zum  Abschlufs  zu  bringen  ^^"),  aber  erst 
Ende  Oktober  1709  kam  es  endlich  zu  dem  Abschlufs 
eines  neuen  Bündnisses  zwischen  dem  Zar  und  dem 
König-Kurfürst. 

Dieser  letztere  hatte  die  Friedensperiode  dazu  benutzt, 
um  ein  neues  System  für  die  Ergänzung  des  Heeres  fest- 
zustellen: das  bisherige  Defensionswesen  sollte  ersetzt 
werden  durch  ein  Milizsj^stem  (Erlafs  vom  4.  Mai  1708  und 
Mandat  vom  21.  September  1709).  Der  definitive  Befehl 
hierzu  wurde  aber  erst  am  25.  Juli  1710  erlassen,  und 
die  thatsächliche  Aufstellung  der  Kreisregimenter  erfolgte 
erst  im  April  1711 1"). 

Da  demnach  diese  Neuorganisation  bei  Abschlufs  des 


lOs)  Schuleiiburg  a  a.  0.  I,  281. 

109)  Diese  auf  das  Bataillon  Coinsin  bezügliche  Bemerkung 
stimmt  mit  der  früheren  Bezeichnung  desselben  als  ,, Schweizer- 
Bataillon"  (S.  120)  nicht  überciu.  M  an  trifft  \vohl  das  Richtige,  wenn 
man  annimmt,  dafs  dieses  Bataillon  aus  den  Überresten  des  3.  Bataillons 
j\Iallerarques,  Coinsin  und  Joyeuse  formiert  worden  war  und  demnach 
aus  Schweizern  und  Franzosen  bestand. 

"")  Siehe  hierüber  Danielson.  Zur  Geschichte  der  sächsischen 
Politik  1706-1709  (Helsingfors  1878). 

"')  Sielie  V.  Webers  Archiv  für  die  sächsische  Geschichiel,  226 f. 


122  A.  von  Wolck: 

oben  erwähnten  Bündnisses  mit  dem  Zar  nucli  nicht 
funktionierte,  so  suchte  sich  der  Kurfürst  wieder  auf 
andere  Weise  zu  helfen  und  erteilte  im  Winter  1710 — 11 
nochmals  dem  mittlerweile  zum  General  avancierten  Baron 
de  le  Jay  den  Befehl,  bei  den  Eidgenossen  —  vorläufig 
in  vertraulicher  Weise  —  anzufragen,  ob  die  Anwerbung 
von  Söldnern  seitens  der  Kantone  würde  genehmigt 
werden.  Dafs  solche  „vertrauliche  Vorfragen"  stattfanden, 
lernt  man  erst  aus  den  späteren  Korrespondenzen  kennen. 
Das  offizielle  unter  dem  23.  März  1711  an  sämtliche 
Kantone  gerichtete  Gesuch  schickte  General  le  Jay  an 
Zürich ^^^)  mit  der  Bitte,  ihm  eine  möglichst  baldige 
Antwort  zukommen  zu  lassen. 

Man  ersieht  aus  dem  Schreiben  des  Generals  le  Jay, 
dals  derselbe  ermächtigt  war,  ein  oder  zwei  Regimenter 
anzuwerben  und  aufserordentlich  günstige  Bedingungen 
zu  stellen.  Als  Basis  der  Verhandlungen  schlägt  er 
entweder  eine  der  früheren  Kapitulationen  vor  oder 
die  kaiserliche  oder  endlich  „le  projet  le  plus  convenable 
qu'il  leurs  plaira".  Die  erstmalige  Ernennung  aller 
Offiziere  —  auch  des  Obersten  —  soll  den  Kantonen 
übellassen  sein,  während  für  später  der  König  sich  ver- 
pflichtet, die  Offiziere  stets  aus  denjenigen  Kantonen  zu 
entnehmen,  aus  welchen  die  zuerst  ernannten  stammten. 
Le  Jay  fügt  noch  hinzu,  dafs  er  auf  die  erste  günstige 
Antwort  hin  sofort  mit  den  erforderlichen  Geldern  nach 
der  Schweiz  kommen  werde. 

Zürich  kam  dem  Wunsche  des  Generals  insofern 
nach,  als  es  unter  dem  15.  April  den  übrigen  Kantonen 
von  dem  Begehren,  unter  Übersendung  einer  Abschrift 
des  betreffenden  Schreibens,  Kenntnis  gab  '^•^). 

Jetzt  zeigte  es  sich  nun,  dals  le  Jay  bereits  vor 
längerer  Zeit  bei  einzelnen  Kantonen  in  vertraulicher 
Weise  angeklopft  hatte.  Es  liegt  nämlich  ein  Brief  des 
Ratsschreibers  Grols  von  Bern  an  „Mr.  Holzhalb,  seigneur 
chancelier  et  secretaire  d'Etat  de  Zürich"  vom  7.  April 
vor'"',  in  welchem  mitgeteilt  wird,  dals  le  Jay  im 
Januar  d.  J.  an  den  Schultheils  von  Graffenriedt  in  Bern 
geschrieben  und  wegen  einer  Werbung  für  den  Kurfürsten 
„zur  Defension   der  Säxischen    Länder"  angefragt  habe. 


"2)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen. 

''3)  St.-A.  Bern  L-  S.  751. 

"•*)  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen  No.  19. 


Schweizer  Soldtruppeii  1701—1815.  128 

Es  sei  ihm  damals  aber  eine  „höfliche  und  ablehnende" 
Antwort  zu  teil  geworden.  Da  derselbe  nun  jetzt  das 
nämliche  Gesuch  abermals  an  alle  Kantone  richte,  so  sei 
beinahe  anzunehmen,  dals  der  Brief  des  Schultheifsen 
von  Graffenriedt  verloren  gegangen  sei.  Man  teile  dies  an 
Zürich  mit,  damit  dieses  für  alle  Fälle  Kenntnis  von  den 
Anschauungen  in  Bern  erhalte. 

An  dem  nämlichen  Tage,  an  welchem  Zürich  das 
Gesuch  le  Jays  den  anderen  Kantonen  übermittelte,  also 
am  15.  April,  richtete  es  auch  eine  Zuschrift  an  diesen 
selbst,  in  welcher  die  Bereitwilligkeit  ausgesprochen  wird, 
die  sächsischen  Wünsche,  den  Kantonen  gegenüber,  zu 
vertreten.  Von  diesem  Schreiben  erhält  man  Kenntnis 
durch  die  darauf  erfolgende  Antwort  le  Jays  aus  Dresden 
vom  2.  Mai^^'^),  welche  lediglich  Empfangsbescheinigung 
und  Dank  enthält. 

Die  Antworten  der  Kantone  gingen  im  Laufe  der 
nächsten  zwei  bis  drei  Wochen  in  Zürich  ein,  lauteten 
aber  ausnahmslos  ungünstig. 

Die  Kantone  Bern'^*')  (22.  April),  Luzern  (25.  April) 
und  Appenzell  a.  Rh.  (29.  April)  schlugen  das  Be- 
gehren definitiv  ab,  während  die  übrigen:  Basel,  Schaff- 
hausen, Solothurn,  beide  Unterwaiden,  Uri,  Ereiburg, 
Stadt  und  Abt  St.  Gallen,  Biel  und  zuletzt  —  erst  am 
6.  Mai  —  auch  noch  Glarus,  sich  dahin  aussprachen,  dafs 
man  entweder  die  nächste  Tagsatzung  abwarten  oder 
doch  sonst  gemeinsame  Schritte  reiflich  beraten  müsse. 
Glarus  macht  besonders  darauf  aufmerksam,  dafs  nach 
altem  Herkommen  und  Gewohnheit  jede  Konfession  ge- 
sondert zu  beraten  und  zu  beschlielsen  habe^^'). 

Die  Antwort,  welche  Zürich  nach  Eingang  dieser 
Beschlüsse  der  Kantone  an  General  le  Jay  richtete,  mag 
ihn  wohl  auf  die  Entscheidung  der  nächsten  Tagsatzung 
vertröstet  haben.  Dieselbe  fand,  als  „gemein-eidgenössische 
Tagsatzung  der  XIII  Orte,  Abt  und  Stadt  St.  Gallen" 


"5)  Rt.-A.  Zürich  Acta  Sachsen. 

"ö)  St.-A.  Bern.  Extrakt  aus  dem  „Teutschen  Missivenhuch" 
No.  XLI  fol  910.  Bern  bedankt  sich  für  die  participation :  ,.Ueber 
die  Sach  selbsten  aber  habend  wir  befunden  dafs  dieser  Vorschlag 
mit  vielfaltigen  difiieulteteu  begleitet,  und  aufs  verschiedenen  con- 
siderationen  nit  thunlich  sein  darein  zu  tretten.  In  massen  also  wir 
unsertheils  Euwer  wohlbestelte  Cantzley  überlassen  haben  wollend, 
fahls  die  gedanken  der  lobl.  orten  auch  mitstimmen  würdend  in  ge- 
samt Eydgenossischera  nahmen  diesem  H.  ablehnend  zu  antworten". 

"')  St.-A.  Zürich  Acta  Sachsen. 


124        A.  von  Welck:  Schweizer  Soldtnippen  1701— IBlo. 

Alltang  Juli  desselben  Jahres  in  Baden  statt.  Der  Ab- 
schied sagt  darüber"^):  „Auf  das  Gesuch  des  General- 
major le  Ja}',  Namens  des  Königs  von  Polen  vom  23.  März, 
um  Überlassung  einer  Anzahl  eidgenössischer  Truppen 
kann  angesichts  der  ernsten  Zeitlage  nicht  eingetreten 
werden,  was  Zürich  im  Namen  der  Eidgenossen  dem 
Gesuchsteller  mitteilen  soll".   — 

Für  eine  längere  Reihe  von  Jahren  schliefsen  hier- 
mit die  Versuche,  eidgenössische  Unterthanen  in  sächsische 
Dienste  zu  ziehen. 

Dafs  die  Leibgarde  der  ,. Trabanten  zu  Fuls"  nicht 
aus  Schweizern  bestand,  dais  dieselbe  überhaupt  nur 
irrtümlicher  Weise  hin  und  wieder  Schweizer 
Garde  genannt  wurde,  weil  sie  vermutlich  nach  deren 
im  Jahre  1681  stattgehabten  Auflösung,  ihre  Uniform 
erhielt,  wurde  schon  früher  (vergl.  diese  Zeitschrift  XIII, 
268)  bemerkt. 


"8)  E.  A.  Bd.  VI  21  No.  7:>(i  lit.  c. 

(Schlufs  folgt.) 


V. 

Kichard  Steche/') 

Ein  Nekrolog". 

Von 

H.  A.  Lier. 


Bereits  bei  der  Begründung  des  königlich  sächsischen 
Altertumsvereins  im  Jahre  1825  wurde  die  Erforschung 
und  Erhaltung  der  im  Lande  verstreuten  Kunstdenkmäler 
als  eine  der  obersten  Aufgaben  des  Vereins  bezeichnet. 
Aber  wenn  auch  der  Gedanke  der  Inventarisation  von 
dem  Verein  gleich  in  seinen  Anfängen  erfalst  wurde,  so 
sollten  doch  volle  sechzig  Jahre  vergehen,  bis  seine  Ver- 
wirklichung ernstlich  in  Angriff  genommen  werden  konnte. 
Die  Gründe  dieser  Verzögerung  waren  sehr  verschiedener 
Natur:  der  Mangel  an  Mitteln  und  andere  unaufschieb- 
bare Aufgaben  führten  dazu,  dafs  der  Plan  der  Inven- 
tarisation immer  wieder  zurückgedrängt  wurde ;  vor  allem 
aber  fehlte  die  geeignete  Persönlichkeit,  die  durch  die 
nötige  praktische  und  wissenschaftliche  Vorbildung  und 
die  eigentümliche  Richtung  ihres  Studienganges  genügende 
Sicherheit  für  eine  brauchbare  Ausführung  der  schwierigen 
Aufgabe  geboten  hätte  und  gewillt  gewesen  wäre,  den 
besten  Teil  ihrer  Kraft  für  das  Werk  einzusetzen.  So- 
bald diese  Persönlichkeit  gefunden  und  erprobt  war,  wurde 
die  Arbeit  mit  Energie  in  Angriff  genommen  und  mit 
einer  in  der  That  staunenswerten  Schnelligkeit  gefördert, 
so  dais  Sachsen  auch   auf  diesem  Gebiete  einem  grolsen 


*)  Mit  Benutzung'  einer  eig^enhändigen  Aufzeichnung    Steches 
über  sein  Leben  vom  10.  Juli  1885. 


126  H.  A.  Lier: 

Teile  der  übrigen  deutschen  Staaten  einen  nicht  unbe- 
trächtlichen Vorsprung  abgewann  und  sein  Inventarisations- 
werk  späteren  Unternehmungen  dieser  Art  vielfach  als 
Muster  dienen  konnte. 

Das  Hauptverdienst  an  dieser  erfreulichen,  von  der 
wissenschaftlichen  Kritik  fast  einstimmig  anerkannten  That- 
sache  gebührt,  wie  die  Leser  des  „Archives"  alle  wissen, 
demjenigen  Manne,  der  sich  jahrelang  in  der  Stellung 
eines  zweiten  Direktors  als  eines  der  regsten  Mitglieder 
des  Vereins  bewiesen  hat  und  in  allen  mit  der  Kunstwissen- 
schaft und  Altertumskunde  zusammenhängenden  Fragen 
das  eigentlich  treibende  Element  desselben  gewesen  ist: 
Richard  Steche.  Es  dürfte  daher  wohl  am  Platze 
sein  und  nur  als  eine  Pflicht  der  Dankbarkeit  erscheinen, 
wenn  hier  der  Versuch  gemacht  wird ,  in  einem  kurzen 
Überblick  über  das  Leben  Steches  die  Summe  derjenigen 
Verdienste  zu  ziehen,  die  sich  der  Verstorbene  durch  seine 
ausgebreitete  Thätigkeit  um  die  Kunstgeschichte  und 
speziell  um  die  Erforschung  der  sächsischen  Altertümer 
erworben  hat. 

Von  vornherein  erscheint  es  klai",  dafs  für  die  erfolg- 
reiche Durchführung  einer  so  umfassenden  Arbeit,  wie 
das  Inventarisationswerk  ist,  eine  Keihe  ganz  besonderer 
Eigenschaften  erforderlich  sind,  die,  wenn  nicht  schon 
ursprünglich  vorhanden,  nur  selten  noch  nachträglich  er- 
worben werden  können.  Lebhaftes  Kunstinteresse,  ein 
feiner  Spürsinn,  Ausdauer  und  eine  gewisse  Gewandheit 
im  Umgang  mit  den  verschiedensten  Schichten  der 
Bevölkejung  dürften  dabei  ganz  unerlälslich  sein.  Dazu 
kommt  dann  noch  ein  bestimmtes  Mals  von  Kenntnissen 
auf  allen  Gebieten  der  Kunstwissenschaft  und  praktische 
Erfahrung  im  Bauwesen  und  Zeichnen,  die  sich  der  blols 
auf  unseren  Universitäten  gebildete  Kunsthistoriker  nicht 
so  leicht  aneignen  kann.  Alle  diese  Bedingungen  aber 
waren  bei  Steche  in  reichem  Malise  vereinigt,  und  wenn 
ihm  vielleicht  auch  die  eigentliche  Akribie  in  der  Be- 
nutzung des  gedruckten  und  handschriftlichen  Quellen- 
materials abging,  so  war  das  ein  iMangel,  der  sich  am 
ehesten  bei  der  Benutzung  seines  AVerkes  nachträglich 
ergänzen  läist. 

Den  künstlerischen  Sinn  brachte  Steche  als  Erbteil 
seines  elterlichen  Hauses  für  seinen  Beruf  mit.  Geboren 
zu  Leipzig  am  17.  Februar  1837  als  Sohn  des  geachteten 
Rechtsanwalts  A.  Steche,  wuchs  er  in  einem  Kreise  auf, 


Eichard  Steche.  127 

in  dem  künstlerische  Interessen  nicht  nur  gelegentlich 
gepflegt,  sondern  recht  eigentlich  zu  den  Bedürfnissen 
des  täglichen  Lebens  gerechnet  wurden.  Die  Seele  dieses 
künstlerischen  Treibens  scheint  die  Mutter,  Frau  Lidy 
Steche,  geborene  x\ngermann,  gewesen  zu  sein.  Vor  ihrer 
Vermählung  war  sie  zwei  Jahre  lang  als  Sängerin  bei 
den  Gewandt hauskonzerten  thätig  gewesen.  Nach  ihrei- 
Verheiratung  übernahm  sie  die  Leitung  eines  Gesang- 
vereins, mit  dem  sie  im  Jahre  1853  Wagners  „Lohen- 
grin"  noch  vor  seiner  ersten  öffentlichen  Aufführung  auf 
dem  Theater  zu  Leipzig  mit  ausgezeichnetem  Verständnis 
in  einem  Konzert  zu  Gehör  brachte^).  In  ihrem  Hause 
gingen  alle  auf  musikalischem  Gebiete  damals  in  Leipzig 
hervorragenden  Männer  ein  und  aus,  neben  Mendelsohn 
und  Schumann,  David  und  Friedrich  Schneider  kamen 
Richard  Wagner  und  Liszt,  und  aulser  den  Einheimischen 
pflegten  auch  die  auf  der  Durchreise  begriffenen  fremden 
Künstler  in  dem  Stecheschen  Hause  vorzusprechen.  Ein 
stammbuchartiges  Album  im  Besitz  der  Familie,  das  eine 
lange  Reihe  wertvoller  Autographen  enthält,  giebt  noch 
heute  Zeugnis  von  jenem  künstlerischen  Leben  und  Treiben 
in  Steches  elterlichem  Hause. 

Indessen  sollte  die  spezielle  Begabung  der  Mutter 
nicht  direkt  auf  den  Sohn  übergehen,  sondern  überhaupt 
nur  künstlerische  Neigungen  in  ihm  entwickeln,  die  sich 
schon  in  seinen  Jugendjahren  den  bildenden  Künsten 
zuwandten.  In  der  Erziehungsanstalt  des  Pastors  Grund- 
mann zu  Kloschwitz  bei  Plauen  im  Vogtlande  vorgebildet, 
legte  Steche  schon  während  seiner  Gymnasialzeit  auf  der 
Thomasschule  in  Leipzig,  die  er  in  den  Jahren  1850  bis 
1856  besuchte,  ein  entschiedenes  Interesse  für  die  Kunst- 
wissenschaft und  Altertumskunde  an  den  Tag,  wobei  nach 
seinen  eigenen  Angaben  der  Einflufs  seines  Lehrers  Aug. 
Christ.  Ad.  Zestermann,  der  in  jenen  Jahren  mit  Puttrich 
zusammen  an  der  Herausgabe  des  Werkes  über  die  Bau- 
und  Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen  und  der 
thüringischen  Länder  thätig  war,  den  gröisten  Anteil 
hatte.  Er  hätte  am  liebsten  schon  damals  das  Studium 
der  Kunstgeschichte  zu  seiner  Lebensaufgabe  gemacht; 
doch  nötigte  ihn  der  Wille  seiner  Eltern,  von  diesem 
Wunsche   abzusehen  und   sich  dem  Architektenberufe  zu 


1)  Vergl.  Fiauz  Liszts  Briefe,    herausgegeben    vou   La  Mara 
(Leipzig  1893)  I,  129. 


128  ^-  A.  Lier: 

widmen,  der  für  ihn  die  beste  Vorschule  für  seine  spätere 
Thätigkeit  werden  sollte.  Am  Schlulse  des  Jahres  1856 
bezog  er  die  Bauschule  in  Dresden,  wohin  ihn  die  reichen 
Kunstsammlungen  der  Stadt  gelockt  hatten.  Soviel  ihm 
sein  architektonisches  Studium  Zeit  übrig  liels,  suchte  er 
sich  mit  dem  Inhalt  dieser  Sammlungen  vertraut  zu 
machen.  Nebenbei  aber  besuchte  er  die  kunstgeschicht- 
lichen Vorträge  Hettners  und  fing  schon  damals  an ,  die 
Ergebnisse  seiner  auf  häufigen  Ausflügen  angestellten 
Beobachtungen  in  kleineren  Aufsätzen  für  wissenschaft- 
liche Zeitschriften  zu  verwerten.  Einer  davon,  den  er 
selbst  in  späteren  Jahren  noch  für  beachtenswert  hielt, 
beschäftigte  sich  mit  der  romanischen  Kirche  von  Ober- 
Böblingen  bei  Halle.  Zur  Vollendung  seiner  architek- 
tonischen Ausbildung  besuchte  Steche  in  den  Jahren 
1859  bis  1861  die  Bauakademie  in  Berlin,  an  der  damals 
Männer  wie  Strack,  Stier  der  jüngere,  Adler,  Lübke  und 
von  Arnim  als  Lehrer  wirkten.  Besonders  trat  er  hier 
dem  Oberhof  baurath  Job.  Heinrich  Strack  nahe.  Strack, 
der  gar  bald  die  zeichnerischen  Fähigkeiten  Steches 
erkannte,  nahm  ihn  als  Gehilfen  in  sein  Atelier  auf  und 
eröffnete  ihm  den  Zutritt  in  sein  Haus.  Auf  diese  Weise 
wurde  Steche  Mitarbeiter  an  einer  Anzahl  der  wich- 
tigsten Bauwerke,  die  damals  von  Strack  ausgeführt 
wurden.  Er  war  u.  a.  beschäftigt  mit  Plänen  für  den 
Umbau  des  kronprinzlichen  Palais  in  Berlin,  für  die 
Villa,  das  Comptoir-  und  Fabrikgebäude  Borsigs  in 
Moabit  und  für  die  Rheinbrücke  bei  Köln.  Damals  führte 
er  auch  seine  erste  selbständige  architektonische  Arbeit, 
zwei  Pläne  für  Landhäuser  in  Plagwitz  bei  Leipzig,  aus. 
Von  Strack  wandte  er  sich  zu  Richard  Lucae,  dem  späteren 
Direktor  der  Berliner  Bauakademie.  Li  seinem  Atelier 
hatte  er  u.  a.  die  Pläne  für  die  Villa  des  Stadtrates 
Soltmann  auf  der  Hollmannstralse  selbständig  zu  ent- 
werfen und  die  Überwachung  der  Bauausführung  zu  be- 
sorgen. Der  Verwendung  Lucaes,  der  sich  ihm  als  väter- 
licher Freund  ervviels,  hatte  er  es  zu  danken,  dals  er  mit 
den  ersten  künstlerischen  und  litteiarischen  Kreisen  des 
damaligen  Berlin  in  Verbindung  treten  und  sich  aus  dem 
Verkehr  mit  ihnen  eine  Fülle  neuer  geistiger-  und  künst- 
lerischer Anregungen  holen  durfte. 

Unter  solchen  Umständen  wird  es  leicht  begreiflich, 
dals  Steche  nur  ungern  von  Berlin  schied,  um  im  Winter 
von   1863  auf  1864   eine  Stellung   als  Architekt  bei  der 


Kichard  Steche.  129 

Direktion  der  Mecklenburgischen  Friedricli-Frauz-Eisen- 
balin  anzunehmen.  In  ihrem  Auftrag"  erbaute  er  die 
Bahnhöfe  in  Neubrandenburg  und  Oertzenhof.  wobei  ilnn 
die  unter  Stracks  Leitung  erworbenen  und  bei  den 
Borsigschen  Bauten  in  Berlin  bereits  erprobten  Kennt- 
nisse im  Backsteinbau  wesentlich  zu  statten  kamen.  In- 
dessen gewährte  ihm  die  rein  praktische  Thätigkeit  keine 
volle  Befriedigung.  Die  Neigung  zu  wissenschaftlicher 
Forschung  brach  sich  aufs  neue  bei  ihm  Bahn,  so  dals 
er  sich,  soweit  Zeit  und  Kraft  es  gestatteten ,  in  seinen 
Mußestunden  auf  das  Studium  der  mittelalterlichen 
Kirchen-  und  Profanbauten  Mecklenburgs  verlegte.  Bei 
diesem  Bestreben  bestärkte  ihn  die  Bekanntschaft,  die 
er  damals  mit  dem  Geheimen  Archivrat  Dr.  Lisch  in 
Schwerin  und  mit  Dr.  CruU  in  Wismar  anknüpfte.  Auch 
fand  er  in  jenen  Jahren  zum  ersten  Mal  Gelegenheit, 
seine  historischen  Kenntnisse  als  Restaurator  praktisch 
zu  verwerten.  Er  erhielt  von  dem  Oberhauptmann 
W.  von  Oertzen  den  Auftrag,  die  Kirche  zu  Lübberstorf 
im  Sinne  ihrer  mittelalterlichen  Entstehung  zu  restau- 
rieren, und  erbaute  für  Herrn  Altwig  von  Arenstorff  die 
neue  Kirche  zu  Sadelkow^  im  Kreise  Stargard.  Am  ein- 
gehendsten beschäftigten  ihn  aber  die  interessanten  Thor- 
bauten Neubrandenburgs.  Er  plante  ein  eigenes  Werk 
über  diesen  Gegenstand  und  machte  die  dazu  nötigen 
Aufnahmen,  die  sich  in  seinem  Nachlasse  erhalten  haben. 
Da  er  jedoch  keinen  Verleger  fand,  mufste  er  sich  be- 
gnügen, die  Hauptergebnisse  seiner  Untersuchung  nach- 
träglich in  einem  Artikel  in  Lützows  Zeitschrift  (Bd.  12, 
Leipzig  1877,  S.  374—380)  niederzulegen. 

Im  Herbste  1867  kehrte  Steche  nach  Sachsen  zurück, 
um  sich  in  Dresden  niederzulassen,  wo  er  am  20.  Juni  1868 
das  Examen  vor  der  Prüfungskommission  für  Bauhand- 
werker gut  bestand.  Inzwischen  der  Eltern  beraubt  und 
auf  den  Erwerb  angewiesen,  war  er  hier  anfangs  haupt- 
sächlich als  praktischer  Architekt  thätig,  wobei  er  manchen 
Erfolg  zu  verzeichnen  hatte.  So  gelang  es  ihm  bei 
einer  Konkurrenz  für  die  Kirche  in  Lindenau  bei  Leipzig 
im  Jahre  1868  den  ersten  Preis  zu  erringen.  In  das 
Jahr  1876  fällt  die  Vollendung  des  Eilenburger  Bahnhofs 
in  Leipzig,  dessen  sämtliche  Baulichkeiten  Steche  ent- 
worfen und  zur  Zufriedenheit  seiner  Auftraggeber  hatte 
ausführen  lassen.  Als  dann  zu  Anfang  der  siebziger 
Jahre    die   kunstgewerbliche   Bewegung,    der   wir   einen 

Neues  Archiv  f.  S.  G,  u.  A.  XIV.  1.  3.  9 


130  H-  A.  Lier: 

entschiedenen  Aufschwung  auf  allen  Gebieten  der  Klein- 
kunst verdanken,  auftauchte,  gehörte  Steche  zu  den  ersten 
Männern  in  Sachsen,  die  sich  ihr  begeistert  anschlössen. 
Die  im  Jahre  1875  in  Dresden  veranstaltete  Ausstellung 
älterer  kunstgewerblicher  Arbeiten,  eine  der  ersten  in 
Deutschland,  war  der  Hauptsache  nach  sein  Werk.  Der 
von  ihm  bearbeitete  Fühier  erschien  in  zwei  Ausgaben 
und  fand  die  Anerkennung  der  Fachmänner.  Steche  hatte 
zu  seiner  Herstellung  umfassende  Studien  unternommen 
und  fühlte  sich  von  ihnen  so  gefesselt,  dais  er,  obwohl 
seit  dem  Jahre  1872  verheiratet,  mehr  und  mehr  die 
Praxis  aus  den  Augen  liels,  um  ungehindert  seiner  Lieb- 
lingsbeschäftigung, der  Kunstwissenschaft  und  Archäologie, 
nachgehen  zu  können.  Um  den  Kreis  seiner  Anschau- 
ungen zu  erweitern,  unternahm  er  jährlich  grölsere  Reisen, 
von  denen  er  stets  eine  Fülle  neuer  Eindrücke  und  Be- 
obachtungen mit  heimbrachte.  War  ihm  doch  die  Gabe, 
Unbekanntes  aufzuspüren  und  für  seine  Zwecke  auszu- 
nutzen, in  hervorragendem  Maise  eigen.  Er  hatte  die 
Leidenschaft  und  die  nötige  Ausdauer  des  Sammlers  und 
ging  in  diesen  Dingen  vollständig  auf.  Es  war  sein 
Wunsch,  die  reiche  Ausbeute  dieser  Reisen  nach  Voll- 
endung des  Inventarisationswerkes  in  einer  Schilderung 
derselben  zu  verwerten,  und  wir  müssen  umsomehr  be- 
dauern, dais  dieser  Plan  nicht  zur  Ausführung  gekommen 
ist,  je  weniger  die  Unmasse  von  Notizen  und  Aufzeich- 
nungen über  seine  Reisebeobachtungen,  die  sich  in  seinem 
Nachlals  vorgefunden  haben,  wegen  ihrer  fragmentarischen 
Art  geeignet  ist,  von  einem  fremden  Bearbeiter  ver- 
wertet zu  werden.  Immerhin  abei-  sind  uns  die  Früchte 
dieser  Reisethätigkeit  Steches  nicht  ganz  verloren.  Er 
hat  für  zahlreiche  Fachzeitschriften,  namentlich  für 
die  von  Schorn  herausgegebene  Zeitschrift:  Kunst  und 
Gewerbe,  für  die  Zeitschrift  für  christliche  Kunst 
und  für  die  wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung,  eine  lange  Reihe  von  Beiträgen  geliefert, 
deren  Aufzählung  hier  zu  weit  führen,  deren  Ver- 
einigung aber  einen  vollgültigen  Beweis  für  die  Viel- 
seitigkeit seiner  Avissenschaftlichen  und  künstlerischen 
Literessen  ergeben  würde.  Ebenso  ausgebreitet  wie  diese 
ist  das  Gebiet,  das  er  auf  seinen  Reisen  durchstreift  hat. 
Zum  Teil  wiederholt  hat  er  Italien,  Frankieich,  die  Nieder- 
lande, England  und  Dänemark  bereist;  am  liebsten  aber 
blieb  er  auf  deutschem  Boden  und  hier  wieder  im  Norden, 


Richard  Steche.  131 

WO  Dithmarschen  und  Holstein  die  Provinzen  waren,  in 
denen  er  sich  wie  zu  Hause  fühlte.  Die  in  der  Fremde 
gemachten  Erfahrungen  kamen  dann  wieder  dem  Studium 
der  Kunstgeschichte  seines  engeren  Vaterlandes  zu  gute, 
das  von  Jahr  zu  Jahr  melir  seine  eigentliche  Domäne 
werden  sollte.  Er  ging  hierbei  von  dem  ihm  Nächst- 
liegenden aus,  von  der  Baugeschichte  und  künstlerischen 
Entwickelung  Dresdens.  Zunächst  untersuchte  er  die 
Entstellung  des  königlichen  Schlosses  und  stellte  in  seiner 
Schrift  über  Hans  von  Dehn-Rothfelser  (Dresden  1877), 
auf  Grund  deren  er  in  Leipzig  promovierte,  fest,  dafs 
Dehn-Rothfelser  nicht  als  der  eigentliche  Urheber  des 
Schlosses  zu  betrachten  sei,  wie  man  bisher  annahm, 
sondern  dais  ihm  nur  der  Ruhm,  der  Oberleiter  des 
Baues  gewesen  zu  sein,  gebühre.  Im  gleichen  Jahre 
suchte  er  in  einem  Artikel  des  Dresdner  Anzeigers 
(8.  Juni  1877)  den  Beweis  zu  führen ,  dals  Georg  Bär 
der  selbständige  Schöpfer  der  Dresdner  Frauenkirche 
gewesen  sei.  Im  weiteren  Verfolg  dieser  Studien  gelangte 
er  dazu ,  die  erste  umfassende  Arbeit  über  die  Bau- 
geschichte Dresdens  zu  liefern.  Sie  erschien  im  Jahre  1878 
als  ein  Abschnitt  des  von  dem  sächsischen  Ingenieur-  und 
Architektenverein  herausgegebenen  Werkes  über  die 
Bauten  Dresdens  und  wird  immer  als  eine  grundlegende 
Untersuchung  Wert  behalten,  so  viel  auch  die  spätere 
Einzelforschung  daran  nachbessern  mag.  Fügen  wir 
dazu  noch  den  Artikel  „Über  einige  Monumentalbauten 
Sachsens"  im  4.  Bande  dieses  „Neuen  Archivs"  vom 
Jahre  1883,  in  dem  er  namentlich  über  das  Moritz- 
monument und  das  ehemalige,  jetzt  seitlich  vom  Johan- 
neum  aufgestellte  Schlolskirchenportal  handelt,  den  Auf- 
satz über  „Das  Palais  im  königlichen  Grolsen  Garten  zu 
Dresden"  in  der  „Wissenschaftlichen  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung"  vom  Jahre  1886  (,No.  103)  und  „Die  Würdigung 
Augusts  des  Starken  in  seinem  Verhältnis  zu  Dresden" 
im  2.  Bande  der  Neuen  Monatshefte  des  Daheim  vom 
Jahre  1887,  so  dürften  wir  alles  genannt  haben,  was 
Steche  speziell  über  die  Dresdener  Kunstgeschichte  ge- 
schrieben hat. 

Auiser  für  die  Entwickelung  der  Architektur  inter- 
essierte sich  Steche  namentlich  auch  für  die  der  Klein- 
kunst. Er  hat  eingehende  Studien  über  die  Geschichte 
der  Möbel,  der  Öfen  und  ..namentlich  auch  über  die  des 
Bucheinbandes  gemacht.     Über  den  letzteren  Gegenstand 

9* 


132  H.  A.  Lier: 

lieferte  er  in  seinem  Büchlein  „Zur  Geschiclite  des  Buch- 
einbandes mit  besonderer  Berücksichtigung-  seiner  Ent- 
wickelung  hi  Sachsen"  (Dresden  1877)  eine  überaus 
übersichtliche  und  brauchbare  Arbeit.  Ausgehend  von  den 
reichen  Schätzen  der  königlichen  öffentlichen  Bibliothek 
an  kostbaren  Bucheinbänden,  die  er  in  Einvernehmen 
mit  der  Bibliotheksleitung  zum  erstenmal  nach  kunst- 
historischen Gesichtspunkten  für  eine  bleibende  Aus- 
stellung in  den  Räumen  der  Bibliothek  ordnete,  verbreitete 
er  sich  über  die  gesamte  Entwickelung  der  Buchbinder- 
kunst von  ihren  Anfängen  bis  zu  ihren  neuesten,  auf  der 
Wiener  Weltausstellung  im  Jahre  1873  hervorgetretenen 
Leistungen ,  die  einzehien  Stilperioden  und  die  Eigen- 
tümlichkeiten der  wichtigsten  Liebhaberbände  durchweg 
nur  kurz,  aber  überall  mit  treffenden  Worten  würdigend. 
Steclie  benutzte  übrigens  die  ebengenannte  Arbeit, 
für  deren  Vervollständigung  und  Neubearbeitung  er  bis 
an  sein  Ende  thätig-  war,  dazu,  um  sich  auf  Grund  der- 
selben im  Wintersemester  1878/79  an  der  königlichen 
technischen  Hochschule  als  Privatdozent  für  die  Geschichte 
der  technischen  Künste  zu  habilitieren.  Li  seiner  Probe- 
vorlesung handelte  er  über  das  Verhältnis  des  Eisens  zu 
den  technischen  Künsten,  anknüpfend  an  die  mit  ihnen 
eng  verbundene  Architektur.  In  seiner  Antrittsrede  aber 
suchte  er  die  Frage  zu  beantworten:  „Was  haben  wir 
unter  den  technischen  Künsten  zu  verstehen  und  aus 
welchen  Gründen  dürfte  sich  eine  spezielle  Behandlung 
derselben  an  unserer  technischen  Hochschule  rechtfertigen?" 
Dementsprecliend  verbreitete  er  sich  in  seinen  Vorlesungen 
über  die  verschiedenen  Gebiete  der  technischen  Künste, 
wobei  er  die  Anregungen  verwertete,  die  sich  ihm  in 
Sempers  epochemachendem  AVeike  über  den  Stil  darboten. 
Die  von  Semper  gefundene  Einteilung  dieses  Stoffes  in 
Keramik,  Textilkünste,  Metallotechnik  und  Tektonik  lag 
auch  seinen  Vorlesungen  zu  Grunde,  für  die  er  später 
den  zusammenfassenden  Titel:  „Praktische  Ästhetik" 
wählte.  In  anderen  Vorlesungen  besprach  er  die  Ent- 
wickelung der  Künste  in  Sachsen  in  der  romanischen, 
gotischen  und  Renaissancezeit,  und  einmal  .kündigte  er 
auch  ,.ausgewählte  Kapitel  angewandter  Ästhetik"  an. 
Um  auch  weiteren  Kreisen  einen  Einblick  in  seine  Lehr- 
thätigkeit  zu  geben  —  war  er  doch  der  erste  Vertreter 
des  Faches  an  einer  Hochschule  — ,  veranstaltete  er  im 
Winter  1885  vier  öffentliche  Vorlesungen  über  Textilkunst 


Kichanl  Steclie.  133 

in  der  Aula  des  königlichen  Polyteclinikiiras.  Seit  dem 
1.  Oktober  1889  als  Lehrer  an  der  königlichen  Kunst- 
gewerbeschule in  Dresden  angestellt,  hielt  er  auch  an 
ihr  Vorlesungen  über  denselben  Stoff. 

Steche  hat  in  seiner  Lehrthätigkeit  manches  gute 
Samenkorn  ausgestreut  und  eine  Anzahl  Schüler  für  seine 
Ideen  begeistert,  die  ihm  ihre  dankbare  Verehrung  dauernd 
erhalten  haben.  Doch  würde  man  fehlgehen,  wenn  man  seine 
akademische  Wirksamkeit  für  den  wichtigsten  Teil  seiner 
Thätigkeit  ansehen  wollte.  Obwohl  er  am  1.  April  1880  zum 
aufserordentlichen  Professor  ernannt  worden  Avar  und  seit 
dem  Jahre  1883  für  die  von  ihm  vertretenen  Fächer  die 
Staatsprüfungen  abzuhalten  hatte,  konnte  er  doch  bei  der 
ganzen,  vorwiegend  für  das  praktische  Leben  berechneten 
Richtung  der  technischen  Hochschule  niemals  solchen  Ein- 
flufs  auf  die  studierende  Jugend  gewinnen,  wie  ihm  dies 
vielleicht  an  einer  Universität  möglich  gewesen  wäre. 

Mit  um  so  gröfserem  Eifer  liels  er  sich  daher  die 
Erfüllung  derjenigen  Pflichten  angelegen  sein,  die  ihm 
seine  Stellung  als  Leiter  des  sächsischen  Inventarisations- 
werkes  in  reichstem  Malse  zuführte.  Seit  dem  4,  De- 
zember 1876  Mitglied  des  königlich  sächsischen  Altertums- 
vereins, wurde  er  schon  nach  kurzer  Zeit  am  4.  März  1878 
als  Nachfolger  Hettners  zum  zweiten  Direktor  des 
Vereins  gewählt.  Als  solcher  widmete  er  sich  mit  der 
ihm  eigenen  Energie,  mit  der  er  alle  ihn  näher  berührenden 
Angelegenheiten  behandelte,  der  Erforschung  der  vater- 
ländischen Kunstaltertümer  und  Denkmäler.  Schon  ehe 
er  die  Inventarisationsarbeit  in  Angriff  nahm ,  hatte  er 
im  Auftrag  des  königlichen  Ministeriums  des  Innern  und 
des  evangelisch  -  lutherischen  Landeskonsistoriums  zahl- 
reiche Gutachten  über  alle  möglichen  in  dieses  Gebiet 
einschlagenden  Fragen  zu  erstatten,  wodurch  er  sich  eine 
von  Jahr  zu  Jahr  immer  mehr  sich  ausbreitende  und 
vertiefende  Kenntnis  der  sächsischen  Kunstgeschichte 
erwarb.  Unter  diesen  Umständen  konnte  es  keine  Frage 
sein,  wem  die  Ausführung  des  Inventarisationswerkes, 
für  dessen  Inangriffnahme  sich  der  Verein  durch  einen 
Beschluls  vom  7.  Februar  1881  entschieden  hatte,  anzu- 
vertrauen sei.  Steche  hat,  wie  schon  bemerkt  wurde, 
das  in  ihn  gesetzte  Vertrauen  glänzend  gerechtfertigt 
und  es  verstanden,  in  allen  Heften  seiner  „Beschreibenden 
Darstellung"  dieselbe  Höhe  einer  gleichmäfsig  genauen, 
sorgfältigen  und  eindringenden  Betrachtung  zu  behaupten, 


134  H.  A    Lier: 

welche  die  Kritik  der  Facligenossen  gleich  an  dem  ersten, 
im  Jahre  1882  erschienenen  Hefte,  das  die  Amtshanpt- 
mannschaft  Pirna  behandelte,  rühmend  hervorhob.  AVas 
die  Arbeit  Steches  vor  anderen  Unternehmnngen  dieser 
Art  vorteilhaft  auszeichnet,  beruht  im  wesentlichen  auf 
zwei  Momenten:  erstens  auf  dem  Umstände,  dals  Steche 
sich  nirgends  auf  fremde  Anschauungen  verliefs,  sondern, 
systematisch  im  Lande  umherreisend,  alles,  was  er  be- 
schrieb, mit  eigenen  Augen  besichtigte,  und  zweitens  auf 
der  knappen,  rein  sachlichen  Behandlung  seines  Gegen- 
standes und  auf  der  übersichtlichen  und  klaren  Anordnung 
seines  Stoffes,  für  die  ihm  die  von  W.  Lotz  bearbeitete 
Kunsttopographie  Deutschlands  als  Muster  diente.  Nur 
so  war  es  möglich,  dais  er  in  der  verhältnismäfsig  kurzen 
Zeit  bis  zum  Sommer  des  Jahres  1892  im  ganzen  15  Hefte, 
welche  alle  Amtshauptmannschaften  des  östlichen,  süd- 
lichen und  nordwestlichen  Sachsen  umfassen,  von  Pirna 
anfangend  und  bis  Borna  reichend,  vollenden  und  noch 
die  Vorbereitung  für  die  Bearbeitung  der  Stadt  Leipzig 
treffen  konnte.  Ein  weiterer  Vorzug  der  Stecheschen 
Arbeit  ist  es,  dafs  sie  sich  nicht  auf  die  Beschreibung 
mittelalterlicher  Kunstwerke  beschränkt,  sondern  vor  allem 
auch  die  Werke  der  Renaissancezeit  und  der  folgenden 
Kunstperioden  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  ins 
Auge  fafst  und  sowohl  die  Erzeugnisse  der  Architektur 
und  Plastik  als  auch  die  der  Malerei  und  Kleinkunst 
gleichmäfsig  berücksichtigt.  Da  in  diesem  „Archive" 
sämtliche  Hefte  von  berufener  Seite  kritisch  gewürdigt 
worden  sind,  ist  es  nicht  nötig,  hier  im  einzelnen  auf 
die  vielseitige  Förderung  hinzuweisen,  die  unsere  Kennt- 
nis der  sächsischen  Kunstgeschichte  durch  das  Inven- 
tarisationswerk  erfahren  hat.  Doch  sei  wenigstens  mit 
ein  paar  Woi-ten  daran  erinnert,  dafs  Steches  Arbeit 
vielfacli  niclit  nur  der  Erforschung,  sondern  auch  der  Er- 
haltung und  Wiederherstellung  sächsischer  Kunstdenk- 
mäler zu  gute  kam.  Die  Akten  über  das  Museum  des  Alter- 
tumsvereins lassen  erkennen,  wie  jahrelang  Steches  Ansicht 
für  die  Erweibung  oder  Aufnahme  eines  neuen  Gegenstandes 
malsgebend  war,  und  noch  häufiger  dürften  die  Fälle 
sein,  wo  ein  Kirchengerät,  eine  Kanzel,  ein  Altar,  Glocken 
oder  sonstige  Denkmäler  aus  älterer  Zeit  rings  im  Lande 
auf  seine  Berichterstattung  hin  oft  gegen  den  Willen 
der  zunächst  beteiligten  Kreise  vor  der  Vernichtung 
oder  Verschacherung    bewahrt    worden    sind.     Wie    er 


Richard  Steche.  135 

gleich  beim  Eintritt  in  den  Altertums  verein  den  Anstols 
gab,  dals  das  Grab  Dehn  -  Rothfelsers  in  Leuben  auf 
Kosten  des  Vereins  restauriert  wurde,  so  hat  er  u.  a. 
noch  im  Jahre  1891  die  Verhandlungen  über  die  Herstellung 
des  Epitaphiums  Hugo  von  Schönburgs  in  der  Stadtkirche 
zu  Waidenburg  eingeleitet  und  die  Übertragung  der  Arbeit 
an  den  Bildhauer  Hasenohr  durchgeführt.  Ein  hervor- 
ragender Anteil  gebührt  ihm  ferner  an  der  Erneuerung 
der  Stadtkirche  in  Pirna,  für  die  er  die  ersten  Voran- 
schläge und  Skizzen  entwarf-),  und  wie  sehr  er  sich  die 
wohlgelungene  Restauration  der  Dreikönigskirche  in  Dres- 
den-Neustadt angelegen  sein  liefs,  das  hat  sein  Freund 
und  Seelsorger,  Herr  Pastor  Dr.  Sülze,  noch  an  seinem 
Sarge  mit  besonderem  Danke  hervorgehoben. 

Die  vielseitigen  Kenntnisse  Steches  als  Architekt 
und  Kunstforscher  wurden  aber  nicht  nur  in  seinem 
engeren  Vaterlande ,  sondern  vielleicht  noch  in  höherem 
Grade  aufserhalb  Sachsens  anerkannt.  Er  stand  mit  den 
bedeutendsten  Fachmännern  in  Deutschland  in  brieflichem 
Verkehr  und  durfte  sich  ihres  Einverständnisses  mit  seiner 
Thätigkeit  fortwährend  versichert  halten.  Dieser  allge- 
meinen Wertschätzung  verdankte  er  es,  dafs  er  nach 
Hettners  Tode  in  den  Verwaltungsausschufs  des  germani- 
schen Museums  gewählt  wurde,  nachdem  er  vorher  jahre- 
lang die  Pflegerschaft  des  Museums  für  Dresden  versehen 
hatte. 

Eine  besondere  Gunst  genols  Steche  von  Seiten 
des  herzoglichen  Hauses  Schleswig -Holstein.  Seitdem 
er  das  Epitaphium  für  den  am  14.  Januar  1880  ver- 
storbenen Herzog  Friedrich  VIII.  in  der  Stadtkirche  zu 
Wiesbaden  und  die  Pläne  für  das  Prinzenpalais  und  die 
Kapelle  in  Primkenau  entworfen  hatte,  wurde  er  nicht 
nur  von  der  verwitweten  Herzogin  Mutter,  sondern  auch 
von  den  übrigen  hohen  Mitgliedern  des  Hauses,  namentlich 
auch  von  Seiten  der  Prinzessin  Leopold  von  Preufsen, 
durch  zahlreiche  Beweise  des  Wohlwollens  und  der  Hoch- 
achtung ausgezeichnet.  Bei  seinem  Aufenthalt  in  Eng- 
land im  Frühjahr  1885  war  er  der  Gast  des  Prinzen 
Christian,  der  ihn  auf  seinem  Landsitz  zu  Cumberland 
Lodge  bei  sich  aufnahm.  Jedenfalls  in  Anerkennung 
seiner    dem    Holsteinischen    Hause    geleisteten    Dienste 


2)  Vergl.  Reinhold  Hofmann,  Geschichte  der  Stadtkirche  zu 
Pirna  (Pirna  189U)  S.  93   94. 


130  H.  A.  Lier: 

Dienste  erhielt  er  am  ]7.  Jaimai-  1882  das  Ritterkreuz  des 
Herzoglich  Sachsen -Eriiestinischen  Hansordens,  während 
seine  Leistungen  für  die  sächsische  Kunstgeschichte 
im  Jahre  1892  durch  die  Verleihung  des  Ritterkreuzes 
1.  Klasse  vom  Albrechtsorden  anerkannt  wurden.  Zu 
besonderer  Freude  gereichte  es  ihm,  dafs  er  seine 
letzte  wissenschaftliche  Arbeit,  die  Pläne  für  das  könig- 
liche Zeuühaus  und  ein  Stallgebäude  zu  Berlin  aus  dem 
Nachlals  des  Generals  de  Bodt  (Berlin  1891,  fol.),  die 
er  in  der  Bibliothek  des  königlich  sächsischen  Ingenieur- 
korps zu  Dresden  gefunden  hatte,  Sr.  Majestät  dem  Kaiser 
Wilhelm  H.  am  14.  Januar  1891  in  ))esonderer  Audienz 
überreichen  durfte. 

Leider  war  es  Steche  nicht  beschieden,  sein  greises 
Werk  und  die  sonstigen  wissenschaftlichen  Pläne,  die  er 
mit  sich  herum  trug,  zu  Ende  führen  zu  können.  Sein 
Körper  war  den  schweren  Anforderungen,  die  sein  viel- 
seitiger Beruf  an  ihn  stellte,  nicht  gewachsen.  Schon 
im  Jahre  1887  erkrankte  er  an  einer  gefährlichen  Rippen- 
fellentzündung, von  der  er  sich  jedoch,  namentlich  infolge 
eines  längeren  Aufenthaltes  in  Oberhof  in  Thüringen, 
wieder  erholte.  Er  fühlte  seitdem,  dals  sein  Leben  nicht 
mehr  von  langer  Dauer  sein  würde,  und  sprach  es 
Freunden  gegenüber  wiederholt  aus,  dals  er  die  Voll- 
endung des  Inventarisationsw'erkes  nicht  erleben  werde. 
Zum  teil  mit  aus  Rücksicht  auf  seine  Gesundheit  siedelte 
er  zu  Ostern  1889  von  Dresden  nach  Niederlölsnitz  bei 
Kötzschenbroda  über,  wo  er  auf  der  mittleren  Bergstralse 
ein  Gi-undstück  erwarb,  dafe  er  mit  dem  ihm  eigenen 
Geschick  nach  und  nach  in  ein  überaus  trauliches  Heim 
umzugestalten  wulste.  Im  Frühjahr  vorigen  Jahres  fühlte 
er  sich  so  abgespannt  und  arbeitsunfähig,  dals  er  noch 
vor  Vollendung  des  Sommersemesters  um  Urlaub  ein- 
kommen  mulste.  Er  suchte  in  der  Kaltwasserheilanstalt 
zu  Haizburg  Genesung,  kam  aber  im  August  nur  müder 
und  kränker  nach  Hause.  Bald  darauf  zeigte  es  sich, 
dals  er  an  Lungen-  und  Darmtuberkulose  litt.  Doch  ver- 
gingen noch  volle  fünf  Monate,  Itis  er,  langsam  dahin- 
siechend, am  3.  Januar  dieses  Jahres  in  seiner  Behausung 
zu  Niederlölsnitz  starb. 

Steche  war,  wie  allseitig  nach  seinem  Tode  anerkannt 
worden  ist,  eine  überaus  anregende  Persönlichkeit.  Seine 
Thatkraft  war  erstaunlich,  sein  Fleiis  und  seine  Hingabe 
an  seinen  Beruf  nicht  gewöhnlich.  Wer  ihn  näher  kannte, 


Richard  Steche.  137 

wulste,  dals  mit  diesen  Eigenschaften  die  weniger  an- 
ziehenden Seiten  seines  Wesens  eng-  zusammenhingen. 
Stark  ausgeprägter  Ehrgeiz  und  hochgradige  Nervosität, 
die  durch  mancherlei  bittere  Lebenserfahrungen  und  Ent- 
täuschungen erzeugt  war,  lielsen  ihn  ferner  Stehenden  oft 
weniger  liebenswürdig  erscheinen ,  als  er  es  in  Wirklich- 
keit war.  So  kam  es,  dals  er  manchen  Gegner  besals; 
aber  weit  gröfser  war  doch  die  Zahl  seiner  Freunde,  die 
aufrichtige  Trauer  über  sein  Hinscheiden  empfinden  und 
sein  Andenken  in  Ehren  halten  werden.  Vor  allem  ziemt 
es  dem  Altertumsverein,  die  Erinnerung  an  seinen  lang- 
jährigen zweiten  Direktor  hoch  zu  halten,  denn  der  Name 
Steches  wird  für  immer  aufs  engste  mit  seiner  Geschichte 
verbunden  bleiben,  da  er  jedenfalls  als  eines  seiner  ver- 
dienstvollsten Mitglieder  angesehen  werden  darf. 


VI. 

Kleinere  Mitteilungen. 

1.    Der  Marscliallstab  des  Kurfürsten  August  und 
dessen  Kleidung  auf  dem  Reichstage  zu  Augsburg  1566. 

Von  M.  \.  Ehren thal. 

Nur  seine  aulserordentliclie  Einfachheit  und  Sclilicht- 
heit  lälst  es  erklärlich  erscheinen,  dafs  ein  historisch  so 
interessantes  und  wertvolles  Stück  fast  der  Vergessen- 
heit anheim  fallen  konnte,  wie  der  im  königl.  historischen 
Museum  zu  Dresden  befindliche  iMarschallstab  des  Kur- 
fürsten August  von  Sachsen,  den  dieser,  nach  einer  Auf- 
zeichnung im  Inventar  von  1606  „uff  den  Reichstagen 
pflegte  zu  gebrauchen". 

Von  schwarz  gebeiztem  Eichenliolz  gefertigt,  ist  der 
Stab  an  beiden  Enden  mit  silbernen  vergoldeten  Kappen, 
in  welche  das  Kurwappen  eingraviert  ist,  versehen  und 
mifst  1,40  m. 

Als  Erzmarschall  des  Deutschen  Reiches,  welches 
Amt  die  Herzöge  von  Sachsen  schon  zur  Zeit  des  Sachsen- 
spiegels führten  und  welches  später  auf  Kursachsen  über- 
ging, lag  es  den  sächsischen  Kurfürsten  ob,  für  Ordnung 
auf  den  Reichstagen,  insbesondere  bei  den  Beratungen 
zu  sorgen  und  mag  denniach  der  Marschallstab  aulser  als 
Zeichen  der  Würde  auch  dem  praktischen  Zwecke  ge- 
dient haben,  durch  Aufstolsen  auf  den  Boden  aufmerksam 
zu  machen,  wenn  der  Erzmarschall  zur  Ordnung  das 
Woit  zu  nehmen  wünschte.  Hieraus  erklärt  sich  seine 
auffallende  Länge,  während  gewöhnliche  Marschallstäbe 
um  diese  Zeit  nur  zwischen  60  und  80  cm  messen. 

Der  Stab  ist  gegenwärtig  einem  Harnisch  des  Kur- 
fürsten August  auf  dem  ersten  Pferde  des  Turniersaales 
beigegeben.  — 


Kleinere  Mitteilungen.  139 

Eine  andere  Stelle  des  obengenannten  Inventares  be- 
schreibt die  Kleidimg  des  Kurfürsten  „anno  1566  uif  dem 
Eeiclistage  zu  Augsburg". 

Es  heilst  da  wörtlich: 

,,Ein  schwarzer  sammeter  rock  mit  lang  ermelu ,  der  schürz 
unten  herumb  ausgeschnitten  und  mit  güldenen  Posamentborten  ver- 
brämet, darzwüschen  güldene  schnüre  parweis  aufgenehet  und  durch- 
aus mit  gelbseidenem  Atlas  gefuttert,  daran  Acht  und  zwanzig  bar 
güldene  bünden, 

Ein  bahr  hosen  von  güldenem  Stück,  kreuzweis  mit  schwartzen 
Schleier  durchhefft,  zwischen  dem  schleier  ausgehauene  röfslein  auf- 
gehefft,  davon  ein  bahr  gellie  seidene  Strumpf, 

Ein  gelb  seidenatlafser  leib  mit  ermein  von  gleicher  arbeit  und 
rosen  behefft, 

Ein  schwarz  sammeter  huet  mit  güldenen  bosamentborten, 
darauf  ein  Federbusch  von  gelb:  straufs:  schwarz  unl  weiss:  kleine 
schwalbenfedern." 

Einige  Stücke  dieses  Kostümes  werden  in  der  Samm- 
lung noch  ganz  oder  teilweise  bewahrt: 

so  die  Hosen  von  güldenem  Stück,  einem  noch 
heute  goldschimmernden,  auf  dem  Posamentenstuhle  ge- 
fertigten seidenen  Gewebe.  Sie  sind  nach  damaliger 
Mode  kurz  und  geschlitzt,  mit  einer  sogenannten  Scham- 
kapsel von  gleichem  Stoffe  versehen  und  mit  gelber  Seide 
gefüttert;  der  „schwarze  Schleier"  und  die  „ausgehauenen 
Eöslein",  mit  denen  er  aufgeheftet  war,  fehlen; 

ferner  der  gelbseidene  Atlasleib  mit  Ärmeln  von 
„gleicher  Arbeit";  was  jedenfalls  auf  den  aufgehefteten 
schleierartigen  Stoff  sich  bezieht,  der  hier  teihveise  noch 
vorhanden  ist.  Er  ist,  in  einem  in  festem  Maschengewebe 
aufgelegten  Muster,  aus  Seidenfäden  geklöppelt  und  dürfte 
eines  der  ältesten  noch  vorhandenen  Erzeugnisse  unserer 
erzgebirgischen  Spitzenindustrie  sein.  Der  Atlasleib  selbst 
hat  die  Form  einer  kurzen  bis  zur  Taille  reichenden 
Jacke  und  wird  vorn  durch  elf  Knöpfe  zugeknöpft; 

endlich  der  Hut,  in  der  Form  einem  niedrigen 
Cylinder  ähnlich,  mit  schmaler,  auf  der  einen  Seite  empor- 
geschlagener Klumpe,  an  welcher  jedenfalls  der  nicht 
mehr  vorhandene  Federbusch  mittelst  Agraffe  befestigt 
war. 

Die  Stücke  werden  im  Kleiderzimmer,  im  Schranke 
am  ersten  Fensterpfeiler  aufbewahrt. 

AVer  sich  das  Kostüm  vergegenwärtigen  will,  be- 
trachte ein  Porträt  des  Kurfürsten  August,  ganze  Figur, 
von  Hans  Krell  1561  gemalt,  welches  sich  gleichfalls  im 
historischen  Museum,  Abteilung  Kunstkammer,  befindet. 


140  KlHiiu've   Mitteilungni. 

'i.  Zur  Geschichte  der  Tesiiitcnkomödie  in  Sachsen. 

Von  Georg'  Müller. 

Im  Jahre  1660  hatte  die  Anffiilirung-  einer  deutschen 
Schulkomödie  an  der  Tliomasschule  zu  Leipzig  einen  hef- 
tigen Streit  zwisclien  dem  dortigen  Konsistorium  und 
Rate  veranlalst,  derschlielslich  vom  Kurfürsten  geschh'chtet 
wurde  (G.  Wustmann  in  den  Schriften  des  Vereins  für 
die  Geschiclite  Leipzigs.  2.  Sammhing.  Leipzig,  1878. 
S.  82  —  92).  Über  diese  Felide  finden  sich  einige  Ergän- 
zungen in  den  Erlassen  des  Dresdner  Oberkonsistoriums 
(Loc.  2060.  Consistorium  Leipzig  vom  3.  December  1656 
bis  14.  Januar  1667).  Hier  sind  mehrere  Schreiben  ver- 
einigt, die  den  Gang  der  Verhandhingen  in  Dresden 
zeigen,  z.  B.  der  Erlafs  vom  1.  Juni  (Bl.  345),  in  welchem 
das  Oberkonsistorium  das  Leipziger  Konsistorium  zum 
Bericht  auffordert  gegenüber  der  Beschwerde,  die  der 
Leipziger  Rat  unter  dem  2.  Mai  an  den  Kurfürsten  ge- 
richtet hatte.  Wichtiger  ist,  dafs  auch  hier  der  Ober- 
hofprediger D.  Jakob  Weller  von  Molsdoi-f,  der  in  seiner 
Zeit  auch  als  Dichter  angesehen  war,  sich  persönlich  in 
scharfer  Weise  gegen  die  Aufführung  der  Jesuitenkomödie 
aussprach,  wie  zwei  Jahre  später  in  dem  ähnlichen 
Dresdner  Streite  (vergl.  in  dieser  Zeitschrift  XII,  305). 
Der  ursprüngliche  Entwurf  des  Erlasses  vom  16.  Juli 
(Bl.  359,  372)  wurde  von  Weller  wesentlich  verändert 
und  in  die  Fassung  gebracht,  von  der  AVustmann  (S.  89) 
eine  Reihe  von  Pro1)en  giebt.  Wir  erfahren  auch  des 
Censors  Bedenken  (Bl.  363),  die  teils  dogmatischer, 
teils  sittlicher  Natur  sind.  Aus  ihnen  ergiebt  sich,  dafs 
die  Verfasser  der  Stücke  italienische  Jesuiten  waren. 
Der  Name  der  einen  Komödie  war  „Androphilus",  die 
andere  war  „Tobiä  Freuden spiehl"  überschrieben.  Vom 
Nachspiel  Sylvia  wurden  S.  28  und  29  als  nimis  obscoenae 
gebrandmarkt.  Carlos  Sommervogel  in  seinem  Dictionnaire 
des  ouvrages  anonymes  et  Pseudonymes  publies  par  des 
religieux  de  la  compagnie  de  Jesus  (Paris  1884)  hat 
keines  dieser  Stücke  verzeichnet.  Sollte  das  „Freuden- 
spiel Tobiä"  wohl  das  Stück  „Von  der  Verschickung  des 
jungen  Tobias"  sein,  das  11  Jahre  später  in  Gegenwart 
des  Kurprinzen  von  Sachsen,  Johann  Georg  IIL,  in 
Würzburg  aufgeführt  wurde  ?  ( Vei'gl.  in  dieser  Zeitschrift 
XII,  299,  Anm.  5.) 


Kleinere  Mitteilungen.  14X 

3.  Zur  Geschichte  des  Freiberger  Gymuasiums  im 

18.  Jahrlmndert. 

Von  Eduard  Heydenreich. 

Wenn  wir  von  kleineren  Arbeiten  (vergl.  mein  Reper- 
torium  der  Geschichte  Ereibergs  No.  202  if.)  absehen, 
welche  zur  Geschichte  des  altehrwürdigen  Freiberger 
Gymnasiums  veröffentlicht  worden  sind,  müssen  vier  Pro- 
gramme, die  diese  Anstalt  in  unserem  Jahrhundert  hat 
erscheinen  lassen,  genannt  werden  als  solche,  welche 
eine  ausführliche  und  gründliche  wissenschaftliche  Dar- 
stellung einzelner  Perioden  des  Schullebens  bieten.  Die 
Zeit  bis  zum  Ende  des  17,  Jahrhunderts  behandelte 
Süfs  1876  und  1877,  die  Jahre  1811  —  1842  Thümer 
1887,  und  über  Konrektor  Moritz  Döring  schrieb  B. 
Richter  1884.  Für  das  18.  Jahrhundert  fehlt  es  bis 
jetzt  an  einer  eingehenderen  Darstellung.  Einzelne  Nach- 
richten bieten  die  Freiberger  Gymnasialprogramme  jener 
Zeit,  freilich  nicht  im  Sinne  unserer  heutigen  Schulnach- 
richten. Über  den  Unterrichtsbetrieb,  die  gelesenen  Schrift- 
steller, die  benutzten  pädagogischen  EQlfsmittel  pflegen 
jene  Programme  ebenso  wenig  etwas  zu  verraten,  wie 
über  den  Personalbestand  von  Lehrern  und  Schülern.  Nur 
am  Schluls  der  in  der  Regel  lateinisch  geschriebenen  Ab- 
handlung über  irgend  einen  wissenschaftlichen  Gegenstand 
erwähnte  der  Rektor,  welcher  ständiger  Programmatar 
war,  die  Namen  der  zur  Universität  abgehenden  Schüler. 
Dazu  bieten  bisweilen  die  Einleitungen  zu  den  gelehrten 
Abhandlungen  eine  Notiz  über  die  Veranlassung,  welche 
das  Schulleben  dem  Verfasser  zur  Wahl  seines  Stoffes 
bot.  Da  die  Programme  am  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts nur  aus  vier,  später  aus  acht  kleinen  Quart- 
seiten bestanden,  so  ist  es  verhältnismäfsig  recht  wenig, 
was  an  Notizen  für  die  Geschichte  des  Freiberger  Gym- 
nasiums aus  ihnen  zu  gewinnen  ist.  Eine  Ausnahme 
machen  einerseits  die  Programme  des  Rektor  Sam. 
Müller,  welcher  1711—1747  der  Schule  vorstand  und  der 
nicht  nur  1715  über  die  milden  Stiftungen  des  ihm  unter- 
stellten Gymnasiums^)  handelte,   sondern  auch  1723 — 27 


')  Oratio  soleunis  qua  tertio  ineunte  seculo  gymuasinm  in  Her- 
inuiiduris  Freibergeiise,  divina  superiorum  teinporuin  beueficia  repetit. 
(Dresdner  Köuigl.  öffentl.  Bibliothek  Hist.  Sax.  H.  250,  46). 


142  Kleinere  Mitteilungen. 

einzelne  Teile  rler  Gymnasialbibliotliek  beschrieb-),  schon 
damals  einer  der  respektabelsten  sächsischen  Schulbiblio- 
theken, —  andererseits  ein  Teil  der  Programme  Jo. 
Gottlieb  Bidermanns.  Dieser  hatte  1747  das  Rek- 
torat der  Schule  zu  Naumburg  mit  dem  der  Freiberger 
vertauscht  und  stellte  in  einer  Reihe  von  Programmen 
nach  der  alphabetischen  Folge  der  Familiennamen  die 
Schüler  zusammen,  welche  von  aulserhalb  Freibergs  das 
Gymnasium  dieser  Stadt  besucht  haben'').  Diese  Bider- 
mannschen  Schülerverzeichnisse  sind  jetzt  höchst  selten. 
Dem  Berichterstatter  waren  sie  weder  in  Dresden  noch 
in  Freiberg  bekannt  geworden.  Er  entdeckte  sie  mit  noch 
anderen,  ebenfalls  sehr  seltenen  Freiberger  Programmen 
des  vorigen  Jahrhunderts  in  einem  Sammelbande  der  Schnee- 
berger  Gymnasialbibliothek. 

Dieser  Band,  welcher  gegenwärtig  die  Signatur  „Ge- 
schichte 381  f"  trägt,  gehörte  früher  zur  Bibliothek  des 
alten  Schneeberger  Lyceums^),  ist  in  einem  Anbau  der 
St.  Wolfgangskirche  aufbewahrt  gewesen  und  dadurch, 
wie  die  alten  Lyceumshandschriften'*),  der  Nachwelt  ge- 
rettet worden.  Demjenigen,  der  sich  einmal  die  lohnende 
Aufgabe  stellt  in  der  AVeise  von  Flathe  (Geschichte  der 
Fürstenschule  zu  St.  Afra) ,  Rölsler  (Geschichte  der 
Fürstenschule  zu  Grimma)  oder  Herzog  (Geschichte  des 
Zwickauer  Gymnasiums)  eine  zusammenhängende  Ge- 
schichte des  Freiberger  Gymnasiums  zu  schreiben,  wird 
diese  Sammlung  unentbehrlich  sein.  Ihr  sind  die  folgen- 
den Notizen  entnommen. 


")  Hieme  discussa  . . .  bibliotheca  hoc  ipso  tempore  rursus  aperienda 
1723  ff.,  teils  typis  Eliae  Nicolai  Kulifusii,  teils  litei'is  Christoph. 
Matthaei  gedruckt.  (Dresdner  Köuigl.  öftentl.  Bibliothek  Hist.  Sax. 
H.  33  m.) 

")  Memoria«  discipulorum  extraneorum  in  schola  Freibergensi 
versatorum  praemittit  M.  Jo.  (lottl.  liidennaun  R.  1752  ff. 

*)  Was  das  Freiberger  Gymnasium  für  das  untere  Erzgebirge 
war  das  Schneeberger  Lyceum  für  das  (tbere.  Auch  diese  altehr- 
würdige Lehranstalt  hat  eine  lange  Reihe  von  Programmen  er- 
scheinen lassen.  Der  Berichterstatter  benutzt  diese  Gelegenheit,  alle 
Altertumsfreunde  hierdurch  um  Nachricht  zu  bitten,  wenn  irgendwo 
in  Bibliotheken  sich  alte  Schneeberger  Prograname  befinden  sollten. 
Bis  jetzt  sind  die  Bemühungen,  die  Lücken  im  alten  Schneeberger 
Programmenbestand,  welcher  der  Bibliothek  des  Königl.  Gymnasiums 
daselbst  einverleibt  ist,  zu  ergänzen,  noch  nicht  erfolgreich  gewesen. 

'')  Vergi.  über  dieselben  meine  Mitteilungen  in  "der  Festschrift 
des  Schneeberger  Gymnasiums  (1891)  imd  in  dieser  Zeitschrift  oben 
S.  91    ff. 


Kleinere  Mitteilungen.  143 

Zum  dreiliundertjälirigeii  Gedächtnis  der  Einnahme 
Konstantinopels  schrieb  M.  Jo.  Andr.  Luther,  welcher 
seit  1730  Konrektor  des  Freiberger  Gymnasiums  war*^), 
eine  lateinische  Abhandlung'),  mit  der  er  zur  feierlichen 
Entlassung  von  Gottfr.  Sam.  Frommelt  aus  Freiberg 
aufforderte.  Wie  dieses,  so  sind  auch  die  beiden  anderen 
Luther'schen  Programme^)  des  Schneeberger  Sammelbandes 
litteris  Matthaeanis  gedruckt.  Das  eine  derselben  knüpft 
an  den  200  Jahre  vorher  geschlossenen  Augsburger 
Religionsfrieden  an  und  bemerkt  einleitungsweise :  „Der 
hochehrwürdige  Vorstand  unseres  Kirchenwesens  Christian 
Friedrich  Wilisch,  Doktor  der  Theologie  und  höchst  an- 
gesehener Inspektor  unseres  Gymnasiums,  hat  sich  nicht 
damit  begnügt  alles,  was  zu  grölserer  Feierlichkeit  des 
Festes  diente,  in  Stadt  und  Umgegend  gut  und  weise 
nach  dem  Willen  der  Oberkii'chenbehörde  (ad  voluntatem 
senatus  sanctioris)  einzurichten  und  in  einem  gelehrten 
Programme  die  Vorteile  des  Passauer  Friedens  für  die 
Schulen  auseinanderzusetzen",  sondern,  so  führt  Luther 
weiter  aus,  er  hat  ihn  auch  zu  den  im  vorliegenden  Pro- 
gramm enthaltenen  theologischen  und  philosophischen  Be- 
hauptungen, die  in  bunter  Reihe  aneinander  gefügt  und 
von  denen  zwei  näher  begründet  werden,  veraulalst.  Das 
Titelblatt  ladet  zur  Disputation  darüber  ein,  in  welcher 
unter  Vorsitz  des  Konrektor  Luther  Friedrich  Gottlieb 
Bidermanu  aus  Naumburg  die  aufgestellten  Thesen  gegen 
Mor.  Erdmann  Engel  aus  Chemnitz,  Christian  Friedrich 
Müller  aus  Berneck,  Christian  Theodor  Küchenmeister 
aus  Dorf hayn  und  Karl  Friedlich  Hmdenburg  aus  Dresden 
verteidigen  soll.  Als  1756  genannter  ßidermann,  „der 
treffliche  Sohn  des  trefflichen  Vaters",  von  der  Schule 
abgehen  und  dabei  in  lateinischer  Rede  eüien  Vergleich 
zwischen  den  Schulen  und  der  Erzbereitung  halten  sollte, 


")  Er  war  zuerst  coUega  quiutus  am  Freiberger  Gymnasium. 
Vergi.  Grernhard,  Gymnasii  Fribergensis  sacra  saecularia  tertia  1815 
(Dresdner  Königl.  öffentl.  Bibl.  Hist.  Sax.  H.  243  m).  In  diesem  Gem- 
hardtscheu  Programm  finden  sich  über  das  Jahrhundert  1715—181.5 
zusammengestellt:  rectores,  conrectores,  collegae  tertii,  cantores  et 
collegae  quarti,  baccalaurei  primi  sive  collegae  quinti,  bacealaurei 
secundi  sive  collegae  sexti,  succentores  des  Freiberger  Gymnasiums, 

'j  Memoria  B.  Jo.  Christophori  Richteri  nunquam  intermoritura 
etc.  Freibergae   1753. 

*j  Laus  satura  positionum  aliquot  miscellarum  1755.  —  De 
aniniae  humauae  origine  1756. 


» 


144  Kleinere  Mitteilungen. 

sclirieb   Koni'ektor  Luther  ein  Programm   über  den  Ur- 
sprung" der  Menschenseele. 

Es  folgen  im  Sclmeeberger  Sammelbande  21  Pi-o- 
gramme  des  Freiberger  Rektor  M.  Jo.  Gottl.  Bider- 
mann,  teils  „mit  Matthäischen  Schriften",  teils  bei 
Sam.  Friedr.  Barthel  gedruckt.  Die  über  Bergmünzen, 
über  „die  Ehre  des  Weilsen  Adler-Ordens"  und  über  ge- 
lehrte Freiberger  sind  in  deutscher ,  die  übrigen  in  latei- 
nischer Sprache  geschrieben.  Die  Not  des  siebenjähri- 
gen Krieges,  von  dem  ja  gerade  auch  die  Freiberger 
Gegend  schwer  zu  leiden  hatte^),  ist  in  der  6.  Abhand- 
lung über  ßergraünzen  des  Jahres  1759  angedeutet  mit 
den  Worten:  „Wie  bey  gegenwärtigen  verwirrten  Zeit- 
läuften die  Wünsche  aller  redlich  gesinnten  Patrioten  in 
dem  Verlangen  nach  dem  Frieden  als  in  einem  Mittel- 
punkte zusammenkommen,  so  haben  auch  unsere  Musen- 
söhne diesen  edlen  Gegenstand  zu  ihrem  Augenmerk  er- 
wählet. Und  zwar  werden  sie  dieses  sehnliche  Verlangen 
aus  sechs  unterschiedenen  Quellen  herleiten,  nemlich  1.  der 
gerechten  Furcht  vor  dem  Kriege,  2.  dem  empfindlichen 
Schaden  nach  dem  Kriege,  3.  dem  Wohlstande,  4.  dem 
Nutzen,  5.  der  Notwendigkeit  und  6.  der  Annehmlichkeit 
des  Friedens."  Auch  aus  dem  Programm  de  Panda  pacis 
dea  atmet  noch  ganz  die  Not  des  Krieges^") ;  ein  Schul- 
aktus  mit  carminibus  varii  generis  et  sermonis,  der  im 
Kaufhaus  (in  domo  mercatoria,  foro  publico  contigua) 
stattfinden  sollte,  wurde  in  diesem  Programm  angekündigt. 
Bidermami  unternalim  den  sehr  dankenswerten  Versuch 
die  in  Möllers  Chronik  und  Wilischens  Kirchenhistorie 
von  Freiberg  unerwähnt  gebliebenen  berühmten  „gelehrten 
Freyberger"    zusammenzustellen.      Mit   Recht   rühmt   er 

").  Vergl.  Heydenrcicli,  Kriegsdrangsale  von  Freibergs  länd- 
licher Umgebung  187J). 

'")  De  Panda  pacis  dea  succincto  commentatus  1763,  litteris 
.Sara.  Fridr.  Barthelii.  pag.  1 :  „Tandem  aliquando,  quod  Dens  felix, 
faustuni  et  toitunatum  esse  iubeat,  annus  desideratissimus  et  dies 
albis  siguanda  lapillis  illuxit,  qua  pax  et  tranquillitas  publica,  tot 
votis  expetita  et  veluti  sol  exoptatissimus ,  gravissimis  procellis 
superatis,  resurgit  postquam 

armoruni  sonitum  tote  Germania  caelo 
audiit  (Virg.  Georg.  I  473). 
Das  Programm  schliefst  unter  Hinweis  auf  Virg.  Aen.  XI.  3.'ifi  mit 
den  Versen : 

0  aeterne  pater  repaiato  pignore  grato 
baue  pacem  populis  aeterno  foedcre  lange. 


Kleinere  Mitteilungen.  145 

dabei"),  „dals  die  Freybergische  Schule  seit  der  Refor- 
mation ein  gesegneter  Pflanzgarten  gewesen,  darinnen 
junge  Leute  zu  allerley  Ständen  glücklich  zubereitet 
worden."  Unter  den  von  Bidermann  behandelten  Männern 
verdient  D.  Joh.  Gottlieb  Naumann  hervorgehoben 
zu  werden,  zu  Freiberg  1695  geboren  und  Schüler  des 
dortigen  Gymnasiums.  Er  studierte  in  Halle  und  erwarb 
daselbst  die  Doktorwürde.  Dann  begab  er  sich  in  seine 
Vaterstadt,  „wo  er  mit  vielen  Ruhm  bis  an  sein  Ende 
practiciret,  dabey  war  er  Berg-Commissions-Rath ,  wie 
auch  Stadt -Amt -Land -Berghütten-  und  Saigerhütten- 
Physicus."  Er  starb  61  Jahre  alt,  nachdem  er  auch 
wiederholt  litterarisch  aufgetreten  war^-). 

Von  besonderem  Werte  für  die  Geschichte  des  Frei- 
berger  Gymnasiums  sind  die  von  Bidermann  in  mehreren 
Programmen  gebotenen  Verzeichnisse  ehemaliger  Schüler 
dieser  Lehranstalt.  Das  Schülerverzeichnis,  welches  1875 
gelegentlich  der  Einweihung  des  neuen  Gymnasialgebäudes 
gedruckt  wurde,  reicht  nur  bis  1800  zurück.  Die 
Bidermannschen  Zusammenstellungen  sind  also  doppelt 
willkommen.  Der  erste  „liber  in  quo  nomina  eorum 
consigiiantur  qui  disciplinae  ac  institutioni  nostrae  sese 
committunt"  versichert,  dals  die  Schule  über  geringe 
Zahl  von  Zöglingen  sich  nicht  beschweren  könne;  der 
Rektor  Bidermann  habe  bereits  1752  mehr  als  300 
Schüler  aufgenommen  Hohes  Lob  verdiene  der  Frei- 
berger  Rektor  Sam.  Müller,  welcher  1953  Schüler  in 
das  Album  der  Anstalt  eingetragen  habe.  Als  aus- 
wärtige Schüler  behandelt  Bidermann  auch  solche  aus 
der  unmittelbaren  Nähe  der  Stadt,  wie  aus  Grofsschinna, 
Tuttendorf,  Konradsdorf,  Hilbersdorf  Unter  den  zahl- 
reichen meifsnischen  Ortschaften,  avo  die  Freiberger  Schüler 
geboren  waren,  hatten  Grimma,  Meilsen,  Schneeberg, 
Zittau  und  Zwickau  selber  humanistische  Lehranstalten. 
Zahlreich  waren  auch  Schüler,  deren  Wiege  fern  von 
Sachsen  lag.  Aus  allen  Gauen  Deutschlands,  auch  aus 
Böhmen  kamen  die  Schüler  auf  das  Freiberger  Gymnasium. 

Es  ist  von  Interesse,  den  Verlauf  eines  öffentlichen 


")  Die  Erste  Nachlese  von  gelehrten  Freybergern  1756,  S.  1. 
J*")  Aufser  seiner  Dissertation  de  praeservandis  metallicolaruni 
morhis  hat  er  zum  Druck  befördert:  De  fluxu  et  refluxu  sanguinis 
microcosmico  Drefsden  1728.  —  Medicinisclier  Entwurf  von  dem  bey 
Purschenstein  erfundenen  Gesundbrunnen  1733.  —  Nützliche  Ijehi-e 
von  der  articulation  des  menschlichen  Körpers  1745. 

JSeues  Archiv  f.  8.  G.  u.  A.  XIV.  1.  2.  lU 


146  Kleinere  Mitteilungen. 

Valediktionsaktns  unter  Rektor  Bidermanii  kennen  zu 
leinen.  In  der  „Vierten  Abhandlung  von  Berg-Müntzen", 
die  1754  erschien  und  mit  der  Abbildung  einer  dem  kur- 
prinzlichen Münzkabinette  angehörigen  Bergmünze  des 
Jahres  17j34  geziert  ist,  wird  angekündigt,  dais  zunächst 
Fiiedr.  Gottlieb  Bidermann  aus  Naumburg  in  einem 
lateinischen  heroischen  Gedichte  ehies  Kegenten  Vorsorge 
vor  das  gemeine  Beste  rühmen  und  diejenigen  Worte  zu 
Grunde  legen  whd,  welche  auf  einer  Münze  des  römi- 
schen Kaisers  Augustus  zu  lesen  sind:  Respublica  amplior 
et  tranquillior.  Dann  sollte  Frdr.  Lbr.  Klingsohr  aus 
Freiberg  in  französischer  Sprache  die  Geduld  und  Be- 
ständigkeit als  eines  Regenten  besondere  Zierde  zeigen 
und  die  Münze  des  Herzogs  von  Sachsen -Lauenburg 
Augusti  zum  Augenmerk  nehmen ,  worauf  diese  Worte 
zu  lesen:  Dura  pati  virtus  1620.  Sodann  sollte  Joh. 
Friedr.  Pistorius  aus  Freiberg  in  einer  lateinischen  Rede 
das  einem  Regenten  so  nötige  Vertrauen  auf  Gott  nach 
Malsgebung  derjenigen  Münze  angreifen,  welche  der  Kur- 
fürst von  Sachsen  Augustus  schlagen  liels,  worauf  ein 
Schiff  unter  Gottes  Aufsicht  mit  diesen  Worten  :  te  guber- 
nante ;  ferner  sollte  Ernst  Gottlieb  Richter  aus  Ober- 
schöna  in  deutschen  reimlosen  Versen  die  Klugheit  als 
eine  unentbehrliche  Tugend  eines  guten  Regenten  dar- 
legen nach  Anleitung  der  Münze  des  braunschweigischen 
Herzogs  Augusti  vom  Jahre  1643,  worauf  die  AVorte  zu 
lesen:  Alles  mit  Bedacht!  Weiter  solle  Friedr.  Sam. 
Fritsche  aus  Freiberg  in  einer  deutschen  Rede  die  Ge- 
rechtigkeit an  einem  Regenten  loben,  und  zwar  nach  Ge- 
legenheit der  Münze,  welche  dem  vorigen  Könige  von 
Polen  Augusto  II..  im  Jahre  1699  geschlagen  worden, 
worauf  die  Sonne,  welche  die  Finsternis  vertreibt,  und 
diese  Worte :  illustrat  et  arcet.  Nächst  diesen  sollte 
Joh.  Friedr.  Kämnitz  aus  Biberstein  in  lateinischer  Sprache 
eines  rühmlichen  Regenten  Fleils  und  Emsigkeit  und  zwar 
nach  dem  Leitfaden  derjenigen  Münze  bewundern,  welche 
1697  dem  Könige  Augusto  II.  .nach  vollbrachter  Königs- 
wahl geprägt  wurde,  mit  der  Überschrift:  Nee  me  labor 
ille  gravabit.  Und  endlich  sollte  Friedr.  Gottlieb  Wiese- 
mann aus  Freiberg  in  einer  deutschen  Rede  denjenigen 
Wunsch  auf  unseren  Landesvater  anwenden ,  welcher 
dem  Herzog  zu  Sachsen  und  Administrator  zu  Magdeburg 
Augusto  im  Jahre  167S  auf  einer  Münze  mit  diesen 
Worten    gebracht    wurde ;     Augeat    Augustes    Augusto 


Kleinere  Mitteilungea  147 

Altissimus  Aiinos.  Diese  geschickte  Verwendung-  von 
Augustusmünzen  ist  originell.  Heutzutage  wird  schw'er- 
licli  irgendwo  bei  Valediktionsreden  eine  so  umfängliche 
Anwendung  der  Numismatik  vorkommen. 

Den  Schluls  des  Schneeberger  Sammelbandes  bilden 
acht  Programme  des  Rektor  Friedrich  August  Hecht, 
welcher  der  Freiberger  Schule  seit  1795  vorstand.  Alle 
acht  sind  in  der  G-erlach'schen  Druckerei  hergestellt. 
Die  vom  Jahre  1798  und  1799  handeln  über  die  damaligen 
Hindernisse  des  Schulwesens  (de  impedimentis  rei  scho- 
lasticae  hodie  objectis),  die  übrigen  vergleichen  das  engli- 
sche und  deutsche  Schulwesen.  Diese  Programme  wurden 
auch  dann  gedruckt,  wenn,  wie  1799,  nur  ein  einziger 
Schüler  (im  genannten  Jahre  war  es  Georgius  Guilelmus 
Kuhnius  aus  Freiberg)  abging.  So  endet  das  letzterhaltene 
Programm  des  Schneeberger  Sammelbandes  mit  dem 
Wunsch:  „Wir  bitten  inständig,  dals  Inspektoren,  Pa- 
trone und  Gönner  der  Schule  zahlreich  zusammenkommen 
mögen,  um  diesen  Jüngling  zu  hören." 


4.    Eine  Rast   des  Königs  Friedrich  August  I.  von 

Sjichsen   l)ei   seiner  Übertuhrung    von  Leipzig  nach 

Berlin  im  Oktober  1813. 

Von  Reinliold  Schmidt. 

Auf  der  traurigen  Reise,  welche  Friedrich  August  I. 
nach  der  Schlacht  bei  Leipzig  als  Gefangener  der  Alliirten 
von  Leipzig  nach  Berlin  machen  mulste,  fand  er  in  dem 
damals  noch  sächsischen  Städtchen  Zörbig  zu  kurzer 
Rast  Aufnahme  in  dem  Hause  eines  Privatmannes,  des 
Tabaksfabrikanten  Chr,  G.  Jäger  (f  1830).  Eine  im 
Besitze  des  Verfassers  befindliche  handschriftliche,  von 
dem  Barbier  G.  D.  W.  Frost  (geb.  1780,  f  1853)  geführte 
Chronik  Zörbigs  berichtet  über  das  noch  jetzt  in  der 
Bewohnerschaft  überlieferungsweise  bekannte  Ereignis 
wörtlich  (in  einer  längeren  Einquartierungsliste  zum  Jahre 
1813):  „Den  23.  Octbr.  um  10.  Uhr  früh  Sr.  Magestätten 
der  König,  die  Königin  und  Prinzelsin  Augusta  von 
Sachsen,  fiele  Minister  und  Generale  und  hof  bedienten, 
der  Fürst  Gallicin  als  Efskorte  nebst  100  Mann  Kosacken, 
weil  die  Herschaften  Gefangene  wahren.  Der  König  von 
Sachsen  mit  den  ganzen  Gefolge  nahmen  in  der  Tabaks- 

10* 


148  Kleinere  Mitteilung^en. 

fabrik  bey  lierr  Jägern  Quartier  und  ein  Frühstiick.  Die 
hiesige  Schützen  Kompanie  machten  Parade  und  stunden 
Wache  für  den  König  seine  Zimmer.  Um  1  Uhr  Mittags 
reisten  die  Herschaften  wieder  fort  unter  Glockengeleite 
über  Aken  nach  Berlin."  —  Eine  andere  handschriftliche 
Clironik  (Jägersche  Familienchronik,  geführt  von  Jägers 
Hauslehrer  Fr.  Matthisson,  einem  Vetter  des  gleichnamigen 
Dichters,  im  Besitze  der  Jägerschen  Nachkommen)  führt 
aulser  den  schon  Genannten  im  Gefolge  Friedrich  Augusts 
noch  auf:  den  russischen  Minister  von  Amstätten,  den 
sächsischen  Minister  von  Einsiedel,  Gen.-Lieut.  von  Zeschau, 
Gen.-Adjut.  von  Böse,  Hofmarschall  von  Vitzthum,  Beicht- 
vater P.  Schneider  u.  s.  w.,  im  Ganzen  etwa  70  Per- 
sonen. —  Eine  erst  am  18.  August  1892  gestorljene  Tochter 
Jägers,  Frau  Mathilde  Rudolphi  geb.  Jäger  in  Halle  a.  d.S. 
(geb.  1802),  wuIste  sich  des  königlichen  Besuches  recht 
gut  zu  erinnern,  jedoch  keiner  weiteren  Einzelheiten,  als 
dafs  die  Königin  viel  geweint  habe  und  dals  die  be- 
gleitenden Kosacken  sehr  schmutzig  gewesen  seien.  Der 
König  hat  übrigens  die  Gastfreundschaft  Jägers  jederzeit, 
auch  nach  dem  1815  erfolgten  Anfall  Zörbigs  an  Preulsen, 
in  dankbarer  Erinnerung  behalten  und  z.  B.  einem  Sohne 
Jägers  Aufnahme  in  eine  sächsische  Erziehungsanstalt 
gewährt.  Die  Jägersche  Tabaksfabrik,  der  „Dorotheen- 
hof",  ist  zwar  1824  eingegangen,  ihre  Gebäude  stehen 
aber  noch  jetzt  (heutiger  Besitzer  W.  Pfeffer)  und  nament- 
lich war  der  Saal  des  für  damalige  Zeiten  sehr  statt- 
lichen und  vornehmen  Wohnhauses,  welcher  zur  Bewirtung 
des  Königs  diente,  noch  bis  1885  ganz  in  dem  Zustande, 
wie  1813;   seitdem  ist  er  in  Stube  und  Kammer  geteilt. 


Litteratiir. 


Brief>vechsel  Landgraf  Philipps  des  fTfrossmüthigen  von  Hessen 
mit  Bncer.     Herausgegeben  imd  erläutert  von  5lax  Lenz.     T.  I 
bis  III.     (A.  u.  d.  T  T  Publicationen  aus  den  Königl.  Preufsischen 
Staatsarchiven  Bd.  V,  XXVIII  und  XL VII.)     Leipzig,   S.  Hirzel. 
1880.   1887.    1891.     VIII,  542  SS.  X,  506  SS.  1  BI.  638  SS.  8*». 
Mit  dem  Erscheinen  des  III.  Bandes  des  Briefwechsels  Philipps 
von  Hessen  mit  Bucer  ist  eine  Quellenpublikation  zu  Ende  geführt, 
wie   wir  eine  ähnliche  für  das  eigentliche  Reform ationszeitalter  nicht 
wieder  besitzen.     Vom  Marburger  Eeligionsgespräch  bis   zum  Aus- 
gange  des  Schmalkaldischen  Krieges  reichen  die  Aktenstücke,   die 
uns  hier  neu  oder  docli  wenigstens  in  einer  vollständigeren  und  besseren 
Ausgabe  vorliegen :    ein    reiches   Material    für   eine  Geschichte  der 
protestantischen  Politik  in  den  Jahren  1539  bis  1547.     Kaum  eine  der 
wichtigeren  Fragen   der  Zeitgeschichte  ist  in  diesem  Briefwechsel 
unberührt  gelassen:   die  politische  Geschichte  sowohl  wie  der  innere 
Entwicklungsgang   des  Protestantismus    erhalten  neue  Beleuchtung. 
Es  kann  an  dieser  Stelle  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  auf  die  einzelnen 
Phasen  der  häutig  unklaren  und  wenig  zielbewufsten  hessischen  Po- 
litik  einzugehen,   wir   müssen  uns   beschränken  das   wichtige  Neue 
hervorzuheben,  was  der  Briefwechsel  speziell  für  die  Sächsische  Ge- 
schichte bringt. 

Derselbe  erstreckt  sich,  Avie  schon  erwähnt,  über  die  Jahre 
1529  bis  1547.  Doch  finden  wir  bis  zum  Jahre  15.39  nur  vereinzelte 
Aktenstücke,  erst  von  da  an  gewinnt  die  Publikation  einen  gröfseren 
Zusammenhang.  V^on  den  Aktenstücken  der  beiden  ersten  Bände  ist 
ein  Teil  bereits  verarbeitet  oder  doch  wenigstens  benutzt.  Referent 
gedenkt  hier  nur  der  Arbeiten  eines  Varrentrapp,  Bruns,  Moses,  K^annen- 
giefser  u.  a.  Gleich  die  ersten  Briefe  fahren  uns  zu  den  Vorbereitungen 
für  das  Marburger  Religionsgespräch,  zu  dem  ohne  Vorwisseu  Kur- 
sachsens und  seiner  Reformatoren  der  Landgraf  die  Schweizer  heran- 
zieht. Die  Aktenstücke  der  nächsten  9  Jahre  betreffen  den  Abendmahl- 
streit und  die  Reformation  in  Württemberg.  Auch  das  Leipziger  Reli- 
gionsgespräch, der  letzte  Versuch  Herzog  Georgs  seinem  Lebenswerke 
wenigstens  in  den  wichtigsten  Punkten  Bestand  zu  sichern,  ist  mit 
einem  wertvollen  Berichte  Bucers  bedacht,  in  dem  die  Äusserungen 
über  seine  katholischen  Gegner  "Wicel  und  Cochlaeus  von  besonderem 
Interesse  sind.  \ov  allem  bemerkenswert  erscheint  die  Stellung 
Georgs  von  Carlowitz  zu  den  religiösen  Streitpunkten.  Leider  er- 
fahren wir  über  die  Korrespondenz  Bucers  mit  Philipp  und  Carlo- 
witz vor  und  nach  dem  Gespräche' so  gut  wie  nichts.  Gegen  das 
Ende  der  dreifsiger  Jahre  sind  es  die  Bemühungen  der  Protestanten 


150  Litteratur. 

um  ein  Einvernehiueu  mit  dem  Anslixiide  uml  den  katholisrhen  Fürsten 
Deutschlands,  die  Digamie  und  die  daraus  heivort^ehenden  Verhand- 
lungen rhi!ii)i»s  mit  ilem  Kaiser  hez.  (iranveHe  zu  Worms  und 
Regenshurg,  die  das  Hauptinteresse  in  Anspruch  nelimen  Das  Bündnis 
mit'  dem  Auslände  zerstörten  religiöse  Bedenken,  den  deutscheu 
Fürstenbund  gegen  den  Kaiser  verhinderte  der  geheimnisvolle ,  ge- 
rade die  rrotestanten  so  sehr  beherrschende  Nimbus  der  Kaiservvürde 
als  der  höchsten,  von  Uott  eingesetzten  Obrigkeit,  der  Quelle  des 
Rechts.  Weniger  mit  seiner  reellen  Machtstellung  hat  Karl  A'.  sich 
der  Protestanten  seit  dem  Augsburger  l^eichstage  erwehrt,  als  mit 
dem  blofsem  Klange  des  Kaisernamens,  und  gerade  im  Schmalkaldi- 
schen  Kriege  hat  das  Bewufstsein  gegen  die  rechtmälsige  Obrigkeit 
zu  kämpfen  den  protestantischen  Führern  mehr  Schaden  gebracht  als 
die  Hausmacht  des  Kaisers. 

Nur  mit  wenigen  Andeutungen  ist  der  Streit  Hessens  mit  Herzog- 
Heinrich  von  Sachsen  um  das  Erbe  Herzog  Georgs  bedacht,  die  erst 
die  Verträge  vom  11.  Januar  und  ib.  Oktober  1541  beendet  haben. 
Was  die  Digamie  betrifft,  so  hat  Lenz  die  erste  aktenmäfsige 
Darstellung  gegeben.  Sie  ist  der  Grund  der  Trennung  Hessens  von 
einer  rein  protestantischen  Politik,  der  Grund  zu  einem  Bündnisse 
Pliililips  mit  dem  Kaiser,  dem  die  Verhandlungen  mit  Granvelle 
in  Worms  und  Regensburg  vorangehen.  Auch  das  Geheimgespräch 
zu  Worms  hat  dirrch  Lenz  die  erste  beglaubigte  Darstellung  erhalten. 
Das  Benehmen  Philipps  in  der  Frage  der  Digamie  ward  vom  Dresdner 
Hofe  nicht  ohne  Grund  als  Beleidigung  des  Hauses  Sachsen  angesehen. 
Herzog  Heinrich  liefs  die  Frau  von  der  Saale  verhaften  und  zum 
Verhör  nach  Dresden  bringen;  nicht  minder  empört  zeigte  sich  Elisa- 
beth von  Rochlitz  über  das  Benehmen  Philipps.  Die  geplante  Ehe 
Herzog  Moritzens  mit  einer  Tochter  des  Landgrafen  ward  dadurch 
in  Frage  gestellt;  doch  gelang  es  Philipp  den  jungen  Fürsten  auf 
seine  Seite  zu  ziehen:  Moritz  ver.sprach  seinem  zukünftigen  Schwieger- 
vater für  Frau  von  der  Saale  in  Dresden  einzutreten.  Leider  sind 
der  darauf  bezüglichen  Aktenstücke  nur  sehr  wenige,  was  um  so 
mehr  zu  bedauern  ist,  als  gerade  für  die  Jahre  1537  bis  1540  die 
Geschichte  Herzog  Moritzens  der  Aufklärung  noch  sehr  beda)-f.  So 
ei'fahren  wir  auch  nicht,  wo,  wodurcii  und  wann  es  Philipp  gelungen, 
den  jungen  Fürsten,  um  den  ei'  sich  bis  1589  so  gut  Avie  gar  nicht 
gekiimmert,  zu  gewinnen.  Schon  1538  hatten  Katharina  und  Elisa- 
beth über  eine  Heirat  Moritzens  mit  einer  Tochter  des  Landgrafen 
mit  eiiiindei-  verhandelt.  Der  Streit  um  das  Erbe  Geoigs  drohte 
alle  Bemühungen  Elisabeths  zu  vereiteln.  Mifsvergnügt  schieden 
15B9  Katharina  und  Philipp  in  Kassel  von  einander.  Der  Kurfürst 
riet  ganz  offen,  Moritz  mit  einer  dänischen  Prinzessin  zu  ver- 
mählen. Erst  zu  Salza  gelang  es  Feige  und  Schönberg,  einen  Be- 
such .^loritzens  in  Hessen  zu  vermitteln.  Hier  wufste  Philipp  den 
jungen  Herzog  für  eine  Heirat  mit  Agnes  zu  gewinnen.  Moritz 
kehrte  als  eifriger  Freund  des  Landgrafen  heim  und  drohte  allen 
Widersachern  desselben  „auf  das  maul  zu  kloppen."  Die  Beharr- 
lichkeit, mit  der  der  Landgraf  die;  Erbforderung  seiner  Gemahlin 
vertrat,  vergiiifserte  namentlich  in  Katharina  die  Abneigung  gegen 
die  geplaute  Heirat.  Erst  durch  die  Sendung  Schönfelds  im  Herbste 
1540  gelang  es  dem  Landgrafen,  Moritzen  endgiltig  für  die  Heirat 
und  zugleich  zur  Anerkennung  der  Erbansprüche  Christines  zu  ge- 
winnen. Moritz  versprach,  kurz  nach  Weihnachten  nach  Marburg 
zu  kommen. 


Litteratnr.  151 

Sehr  luerkwürdio-  ist  in  den  Jahren  1540  und  1541  die  Stellung 
der  beiden  Carlowitze;  wir  sehen  sie  in  Unterhandlungen  mit  katho- 
lischen und  protestantischen  Fürsten,  ohne  recht  zu  wissen,  wohinaus 
ihre  Bemühungen  laufen. 

Die  Aktenstücke  über  den  Regensburger  Reichstag  beginnen 
mit  Briefen  über  die  Werbungen  Frankreichs  an  die  deutschen  Pro- 
testanten ,  die  gegen  den  Willen  Kursachsens  im  wesentlichen  an 
Hessens  Widerstände  scheiterten.  Referent  hat  hier  ein  Eingeli-en 
auf  die  Correspondenz  Philipps  mit  dem  Kurfürsten,  die  sich  an  die 
Sendung  des  Matthias  von  Wallenrod  1540  nach  Frankreich  an- 
schliefst, vennifst.  Auch  für  die  Ereignisse  der  nächsten  Jahre: 
die  Wurzener  Fehde,  die  Eroberung  Braunschweigs,  den  Jülichschen 
Krieg,  die  Kölner  Reformation  und  die  Kämpfe  mit  dem  Schmal- 
kaldischen  Bunde  wird  neues  wertvolles  Material  mitgeteilt.  Nur 
bringt  der  Briefwechsel  hier  meist  Aktenstücke,  die  speziell  die 
hessische  Politik  betreffen.  Für  Kursachsen  und  Moritzens  Stellung 
zu  den  Ereignissen  wird  in  den  Briefen  selbst  weniger  gegeben. 
Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  die  Exkurse  über  den  Streit  Luthers 
mit  den  Schweizern,  über  Moritz  und  über  Kursachsens  Stellung 
zu  den  Reformationseiitwürfen.  Bemerkenswert  für  die  Glaubwürdig- 
keit des  Sleidanschen  Geschichtswerks  sind  die  wiederholten  Bemüh- 
ungen Philipps  demselben  authentisches  Matei'ial  für  seine  Reforma- 
tionsgeschichte zu  verschaffen. 

Hatten  schon  die  beiden  ersten  Bände  nicht  durchweg  Briefe 
Bucers  enthalten,  so  bringt  der  dritte  eine  Reihe  von  Aktenstücken, 
die  von  1541  bis  1546  reichend  die  Hauptereiguisse  der  Zeit  weiter 
erläutern.  Fast  ein  Drittel  derselben  gehört  dem  Reichstage  zu 
Regensburg  1541  an.  Vorausgeschickt  sind  Depeschen  Gereon  Sailers 
an  den  Landgrafen  über  seine  Verhandlungen  mit  Eck  und  Granvelle. 
Dann  folgt  ein  Protokoll  Aitingers  über  die  Beratungen  der  Schmal- 
kaldischen  Bundesstände  während  des  Reichstags.  Leider  ist  Aitinger 
gerade  in  der  wichtigsten  Periode,  in  der  Zeit  des  Gesprächs  erkrankt, 
so  dafs  vom  9.  Mai  bis  zum  9.  Juni  eine  grofse  Lücke  im  Protokolle 
sich  befindet,  was  um  so  mehr  zu  beklagen  ist ,  da  sowohl  die  kur- 
sächsischen Gesandten,  wie  die  Gesandten  Herzog  Heinrichs  ein 
Sitzungsprotokoll  nicht  geführt  haben.  Einen  nur  geringen  Ersatz 
für  das  Verlorene  bietet  das  Protokoll  der  Aussagen  der  Theologen 
vor  den  Ständen  am  8.  Mai.  Wichtiger  wäre  ein  solches  über  die 
Konferenz  derselben  am  7.  Mai  gewesen,  über  die  wir  nur  von  ka- 
tholischer Seite  etwas  Näheres  hören.  Mit  den  Beratungen  über  den 
Reformationsentwurf  des  Brandenburger  Kurfürsten  setzt  das  Protokoll 
wieder  ein,  das  hier,  wohl  um  Raum  zu  sparen,  nur  auszugsweise 
gegeben  wird.  Referent  hatte  an  anderer  Stelle  darauf  hingewiesen, 
dafs  in  all  den  folgenden  Verhandlungen  sich  Stimmen  im  Bundes- 
rate erhoben ,  die  eine  Einigung  unter  Preisgabe  einiger  streitiger 
Punkte  befürworteten,  und  dafs  diese  Bestrebungen  durch  das  ent- 
schiedene Auftreten  Kursachsens  unschädlich  gemacht  wurden.  Auf 
Aitingers  Protokoll  sich  stützend,  lengnet  Lenz  das  Vorhandensein 
dieser  uiiionistischen  Elemente.  Nun  beseitigt  aber  das  Fehlen  in 
dem  recht  flüchtigen  Protokoll  Aitingers  keineswegs  die  dafür  vor- 
handenen positiven  Zeugnisse  vorzüglich  Unterrichteter,  und  dafs  auch 
einsichtige  hessische  Staatsmänner  wie  Sailer  und  Feige  diese  Elemente, 
deren  vornehmster  Beweggrund  die  Furcht,  vor  dem  Kaiser  war, 
wohl  kannten,  zeigen  ihre  g-elegentlichen  Äusserungen  S.  130,  132 
und  145.     Leider  sind  uns  die  wichtigen  Verhandlungen  der  letzten 


152  Litteratur. 

.lunitay-c  ebenfalls  mir  im  Exzerpte  i>'egeI)CMi,  da  die  Kiitzifteniiig  der 
Schrifc  Aitiiiyers  grofse  Schwierigkeiten  verursacht  haben  würde. 
Mit  dem,  was  wir  so  oi'halten  haben,  läfst  sich  freilich  auch  nicht 
viel  anfangen.  Erst  mit  dem  11.  Juli,  wo  die  unionistischcn  p]lemente 
eiulffiltii^-  zurückgedrängt  waren,  erhalten  wii'  wieder  ein  ausführ- 
liches Protokoll.  Ein  ungemein  verdienstliches  Unternehmen  war  die 
Herausgabe  des  lange  ersehnten  Originalentwurfs  zum  Regensburger 
Ruche.  Denselben  aufgefunden  zu  haben  ist  Lenzens  A'enÜenst.  Die 
Verausgabe  beschränkt  sich  darauf,  die  Abweichungen  des  JJuchs 
vom  Entwürfe  wied^rztigeben,  und  sind  für  dasselbe  die  Ausgaben 
im  Corpus  Reformatorum  und  bei  Hergang  zu  Grunde  gelegt.  Nur 
der  5.  viel  umstrittene  Artikel  ist  vollständig  abgedruckt.  Freilich 
ist  jetzt  nachgewiesen,  dafs  nicht  dieser,  sondern  ein  neuer,  von  den 
kattiolischen  Collocutoreu  gestellter  Artikel  dem  verglichenen  zu 
Grunde  gelegen  hat.  Die  Abweichungen  des  Buchs  vom  Entwürfe 
dürften  doppelter  Art  sein:  solche,  die  von  der  Hand  der  CoUocu- 
toren  herrühren,  und  solche,  die  durch  die  Nachlässigkeit  der  Ab- 
sclii-eiber  entstanden  sind.  Dem  Buche  folgt  eine  Reihe  von  Ver- 
handlungen Philipps  mit  dem  Kaiser  und  der  Regensbargjär  Vertrag 
vom  13.  Juni  ir>41.  Der  letztere  war  bisher  nur  aus  einem  bei 
Rominel  abgedruckten  ungenauen  Excerpte  zugänglich.  Einige  schad- 
hafte Stellen  dos  Originals  sind  von  Lenz  glücklich  ergänzt,  nur 
S.  9K  ist  zu  lesen:  „und  wollen  auch  daran  sein  und  verfuegen." 
Für  die  Geschichte  Sachsens  hat  der  Vertrag  die  verhängnisvolle 
Bedeutung,  dafs  durch  ihn  Herzog  Moritz  dem  protestantischen  Interesse 
entfremdet  und  an  die  kaiserliche  Politik  gefesselt  ward.  Die  fol- 
genden Aktenstücke  enthalten  die  Instruktion  des  Landgrafen  lür 
seine  zurückbleibenden  Gesandten  und  deien  Bericdite  über  den 
Jleichstag.  Von  besonderem  Interesse  für  uns  sind  die  Berichte  Feiges 
und  Aitingers  vom  5.  und  IL  Juli.  Der  Erstere  liefert  uns  einen 
interessanten  Beitrag  über  die  Thätigkeit  Chiistofs  von  Carlowitz 
auf  dem  Heicbstage,  durch  Aitinger  erhalten  wir  zum  ersten  Male 
genauere  Kunde  von  den  Vorgängen  im  Füistenrale  in  den  ersten 
.lulitagen.  Bisher  wufsten  wir  aus  den  Berichten  der  kursächsischen 
Gesandten  nur  von  einer  Schmähschrift  Wilhelms  von  Bayern,  die, 
wie  auch  aus  Aitinger  heivorgebt,  identisch  ist  mit  der  Corp.  Ref. 
IV,  450  ff',  abgedruckten,  die  Lenz  wohl  ül)ersehen  hat.  Sie  ist  das 
am  1.  Juli  dem  Fürstenrate  vorgelegte  Schiiftstück.  Aus  Aitingers 
Berichte  erfahien  wir  nun,  dafs  da.sselbe  abgelehnt  wurde  und  Herzcg 
Wilhelm  sich  entschliefsen  mufste,  einen  neuen  schriftlichen  Entwurf 
einer  Antwoit  an  den  Kaiser  aufzustellen,  der  alsdaiui  im  Fürsten- 
rate durchdrang.  Als  diesen  zweiten  Entwurl'  könnte  man  vielleicht 
das  bei  Pastor  abgedruckte  Aktenstück,  das  Referent  keineswegs 
übersehen  hat,  annehmen;  nach  Ansicht  des  Kefeienten  ist  es  ein 
Älemorial  eines  bayi'ischen  Staatsmannes  uder  Theologen  für  Herzog 
\yillielm,  dessen  .sichere  Datierung  bis  jetzt  unmöglich  erscheint. 
Über  die  Verhandlunuen,  die  den  Rezefs  betreffen,  geben  uns  die 
Briefe  vom  29.  Juli  und  IL  August  erwünschte  Ausknnft.  Sehr  zu 
beklagen  ist,  dafs  wir  über  die  Thätigkeit  Morelets  in  Regensburg 
und  die  Sendung  Georgs  von  der  Planitz  nach  Frankreich  so  gut 
wie  nichts  erfahren.  Nur  eine  kuize  Relation  scheint  sich  von  der 
letzteren  erhalten  zu  haben;  die  Dejjeschen,  deren  Übergabe  die  Cleve- 
schen  Gesandten  zu  vermitteln  hatten,  dürften  aufgefangen  worden  sein. 
Den  Akten  aus  der  Zeit  des  Reichstages  folgen  die  Schiift- 
stücke,  die  den  bisher  wenig  beachteten  Naumburger  Fürsteutag  be- 


Litteratur.  153 

treffen.  An  sie  reihen  sich  die  Berichte  Sailers  üher  seine  Verhand- 
lungen mit  Eck.  Sechs  Jahre  lang  ziehen  sie  sich  hin,  Kiirsachsen 
zeigt  sich  zn  einem  Bündnisse  mit  Bayern  bereit,  ln43  scheint  es 
einen  Augenblick,  als  oh  der  von  Eck  gegen  die  Habsburger  geplante 
Fürstenbund  zu  Stande  kommen  würde.  Nach  Philipps  Weigerung 
fällt  Eck  in  seine  alte  Rolle,  die  Protestanten  und  den  Kaiser  gegen 
einander  zu  hetzen,  zurück,  die  er  auch  nach  dem  Bündnisse  Bayerns 
mit  dem  Kaiser  noch  fortsetzt.  Den  Schlufs  der  Publikation  bildet 
ein  Exkuis  über  den  Augsburger  Stadtschreiber  Georg  Frölich  und 
seine  Beziehungen  zu  Philipp.  Lenz  sucht  zu  erweisen,  dafs  Frölich 
der  Verfasser  der  in  Menckes  Scriptores  III  abgedruckten  Schrift 
vom  Schmalkaldischen  Kriege  ist,  im  Gegensätze  zu  Voigt,  der  sich 
für  Nicolaus  Meier,  und  von  Druffel,  der  sich  für  Gabriel  Arnold 
entschied. 

Beigefügt  sind  dem  III.  Bande  ein  Litteraturverzeichnis  und  eine 
sehr  sorgfältige  Zusammenstellung  der  abgedruckten  Aktenstücke,  so- 
wie ein  Namen-  und  Sachregister. 

An  kleineren  Versehen  sind  dem  Referenten  im  III.  Bande  fol- 
gende anfgestofsen :  S.  127  wird  dasselbe  Aktenstück  unter  dem 
16.  Juli  wie^lerholt,  dessen  Inhalt  bereits  unter  dem  U.  Juli  (S.  124) 
angegeben  ist.  S.  144  Zeile  1  nmfs  es  statt  erliche  etliche  heifsen, 
S.  292  Zeile  2  tleifsigst  geda(h)t  für  dreifsigst  gebat.  S.  30  ist  in  der 
Antwort  der  kursächsischen  Räte  richtig  gelesen,  auch  hat  Aitinger 
keine  Worte  ausgelassen.  Die  Antwort  der  Räte  enthält  im  ersten 
Absätze  immer  den  Gegenstand  der  Debatte  und  ihre  Autwort  darauf, 
so  dafs  hinter  .anzuregen"  ein  Kolon,  hinter  dem  ersten  „darinnen" 
ein  Punkt,  hinter  „angetast"  und  „absolute  steen  lassen"  je  ein 
Kolon  zu  setzen  sind. 

Dresden.  Paul  Vetter. 

Die  Scblacht  bei  Breiteufeld.    Von  Dr.  Walter  Opitz.    Leipzig 
A.  Deichert.     1892.     116  SS.  8"  und  2  Pläne. 

Die  Max  Lenz  gewidmete  und  wahrscheinlich  auf  Anregung 
des  genannten  Berlinei-  Historikers  entstandene  Schrift  zerfällt  in 
einen  kritischen  und  einen  erzählenden  Teil.  Der  erstere  enthält 
die  Angabe  der  Quellen  1.  zu  den  politischen  Ereignissen  im  Sommer 
1631  (die  (Quellen  dafür  bilden  meist  ungediuc.kte  Akten  aus  dem 
Dresdener  und  dem  Weimarschen  Archive),  2.  zu  den  Schlacht- 
ereignissen. Der  Verfasser  teilt  die  Quellen  für  letztere  wieder  in 
Briefe,  Fingschriften,  Kriegsakten  und  ordnet  sie  nach  ihrem  Ur- 
sprünge von  schwedischer,  sächsischer  und  kaiserlich -ligistischer 
Seite.  Die  Vergleichung  und  kritische  Sichtung  der  Berichte  ist 
von  0.  mit  grofsem  Scharfsinne  durchgeführt  worden.  An  verschie- 
denen Stellen  tritt  er  der  in  dieser  Zeitschrift  von  G.  Droysen  ver- 
öffentlichten Zusammenstellung  d^r  Berichte  über  die  Schlacht  ent- 
gegen. Referent  will  kein  Urteil  über  diese  Polemik  abgeben,  hätte 
aber  doch  gewünscht,  dafs  der  Verfasser  der  Verdienste  Droysens 
um  diese  Sammlung  mit  einem  anei'kennenden  Worte  gerecht  ge- 
worden wäre.  Die  vornehmlich  in  der  Berliner  und  der  sehr  reich- 
haltigen Dresdener  Bil)liothek  befindlichen  Flugschriften  teilt  0.  nach 
ihrer  Beurteilung  und  Schilderung  der  Schlacht  in  drei  Hauptrich- 
tungen, die  auf  Horns,  Burckersdorfs  und  des  Kurfürsten  Johann 
Georg  Berichte  zurückzuführen  sind.  In  eingehender  und  fesselnder 
Weise  wird  gezeigt,  wie  schwankend  und  sich  widersprechend  schon 


1 54  Litteratur. 


bald  mich  der  .Schlacht  das  Verhalten  der  Sachsen  im  Kampfe  dar- 
gestellt wordeu  ist.  Gustav  Adolf  läfet  in  einem  drei  Tage  nach  der 
Schlacht  verfafsten  Briefe  Arnims  Anteil  an  der  Entscheidung  ein- 
fach weg  und  „verschiebt  dadurch  das  Gesamtbild".  Der  Kurfürst 
selbst,  der  übrigens  sclion  am  IS.  September  von  der  ., Schlacht  liei 
Breitenfeld"  spricht,  und  einige  von  sächsischer  Seite  stammende 
Flugschriften  suchen  die  Flucht  der  sächsischen  Regimenter  rasch 
zn  vertuschen;  .es  werde  viel  schlimnier  gemacht,  als  es  sei".  Von 
den  zalilreich  vorhandenen  gleiclizeitigcn  Bildern  über  die  Schlacht 
bespricht  der  Verfasser  nu)'  den  Ivupferstich  von  Hewer  ausführlicher. 

Der  zweite,  darstellende  Teil  der  Schrift  l)eschäftigt  sich  zuerst 
mit  Tillys  Einfall  in  Sachsen.  0.  hebt  die  militäiischen  Beweg- 
gründe, welche  den  kaiserlichen  Feldherrn  dazu  veranlafsten,  schärfer 
hervor,  betont  Arnims  EinÜuls  auf  den  Entschlufs  Johann  Georgs, 
sich  mit  den  Schweden  zu  verbünden,  und  weist  aus  einem  Akten- 
stücke des  Dresdener  Archivs  nach,  dafs  die  Berufimg  des  Frank- 
furter Kompositionstages  den  Kurfürsten  nicht  bis  zum  letzten 
Augenblicke  von  der  Entscheidung  abgehalten  haben  könne.  Als 
Hauptvei  anlassung  zur  Schlacht  sieht  der  Verfasser  Tillys  Kriegs- 
plan (Verbindung'  mit  der  kaiserlichen  Armee  in  Schlesien  durch  Er- 
oberung eines  Elbpasse.s)  xmd  die  Notwendigkeit  an,  das  für  diesen 
Blau  in  der  Annälierung  des  schwedisch-sächsischen  Heeres  bestehende 
Flindernis  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Sehr  anschaulich  scliildert  0. 
nach  eigner  Untersuchung  das  Schlachtfeld.  In  der  Berechnung  der 
Truppenzahl  fällt  die  Angabe  auf,  dafs  die  Zahl  der  schwedischen 
Ofliziere  3280,  fast  soviel  wie  die  Zahl  der  Pikeniere  (3440)  betragen 
haben  soll.  Die  Beschreibung  der  eigentlichen  Schlacht  ist  der 
schwächste  Teil  der  Arbeit,  und  man  darf  wohl  behaupten,  dafs  noch 
eine  zweitt;  Untersuchung  angestellt  werden  mufs,  bevor  wir  zur 
vollen  Khuheit  über  den  wirkiicluin  Schlachtverlauf  kommen  werden. 
Es  ist  gewifs  nicht  Schuld  des  \'erfassers,  der  sich  redlich  bemüht 
hat,  ein  reiches  Quellenmaterial  zusammenzutragen,  dafs  das  Ergebnis 
seiner  Forschung  in  Bezug  auf  diesen  Punkt  nicht  ausreicht.  Im 
einzelnen  führt  Referent  zu  diesem  Kapitel  folgendes  an: 

Die  Schilderung  der  Infanterieaufstellung  Tillys  auf  S.  92  ist 
undeutlich  und  schwer  verständlich.  Die  von  O.  bekämpfte  Ansicht 
Rüstows  über  die  Dreitreffenstellung  der  Tillyschen  Infanterie- 
bataillone auf  Grund  der  spanischen  Brigadeformation  wird  (S.  100) 
durch  Horns  Ausdruck  von  ,,vier  yrofsen  spanischen  Bataillons"  ge- 
stützt. S.  93  schreibt  0.:  Man  wird  kaum  annehmen  können,  dafs 
dif  se  Truppen  in  mehreren  Treffen  aufgestellt  wai'cn.  \\'elche  Trupi)en 
sind  damit  gemeint?  Doch  nur  die  des  linken  kaiserlichen  Flügels; 
das  massierte  Centrnm  mufs  in  Linien  hintereinander  gestanden 
haben.  Die  Angabe  auf  S  94,  Johann  Willudm  von  Altenbnrg  und 
Mindauf  hätten  den  Regimentern  Cronberg  und  Schönburg  gegenüber- 
gestanden, stimmt  nicht  mit  der  Einzeichnung  auf  Jvarte  I  überein. 
Nach  der  folgenden  Seite  ist  Tillys  Schlachtreihe  kürzer,  als  die  der 
Verbündeten,  aber  wie  diese  („ebenfalls")  etwas  über  eine  halbe 
Meile  lang  gewesen.  Die  ebenda  stehende  Behauptung,  Tillys  Linie 
müsse  kürzer,  als  die  schwedisch -sächsische  gewesen  sein,  weil 
Pappenheim  bei  seinem  Angriffe  auf  den  schwedischen  rechten  Flügel 
erst  ein  Stück  nach  links  marschiert  sei ,  ist  nur  für  die  Annahjne 
einer  Frontattake  lichtig;  nach  Horns  Bericht  (S.  96)  hat  indes  eine 
Linksschwenkung  der  Pa]ipenheimer  stattgefunden.  Auf  derselben 
Seite  ist  dem  A'erfasser  das  Unglück  passiert,  dass  er  Tillys  liaiken 


Litteratur.  155 

und  rechten  Flügel  verwechselt:  ..Hinter  die  Höhe  kommt  Tillys 
linker  [mufs  heifsen  rechter]  Flügel  zu  stehen.  Daran  reiht  sich 
das  Centrum  und  der  rechte  [mnfs  heifsen  linke]  Flügel.-'  Die  Be- 
rechnnno-  der  Zeit  für  die  Augrifte  Pappenheim.s  ist  schwer  möglich, 
namentlich  nicht  mit  Heranziehung  ähnlicher  und  doch  wieder  ganz 
anderer  Vorgänge  in  Magdeburg  und  vor  Nördlingeu.  Zu  S.  99  ist 
zu  bemerken,  dafs  das  Regiment  Holstein  nach  der  Flucht  der  kaiser- 
lichen Reiter  den  Kampf  unmöglich  bis  ans  Ende  der  Schlacht  fort- 
gesetzt haben  kann;  das  würde  allen  Erfahrungen  andeier  Schlachten 
des  30jährigen  Krieges  widersprechen.  Selbst  die  13  oder  16  kaiser- 
lichen "Regimenter  des  Centrums  konnten  sich  (Regensbeigers  Bericht 
S.  109)  mich  der  Flucht  ihrer  Reiter  nicht  lange  mehr  halten,  um 
wieviel  weniger  also  das  vereinzelt,  abgetrennt  stehende  Regiment 
Holstein.  Ganz  unaufgeklärt  bleibt  das  S.  10-.i  und  108  erwähnte 
merkwürdige  und  rätselhafte  Halten  der  beiden  Infanterieregimenter 
AVangler  und  Pappenheim.  Warum  nahmen  sie  nicht  weiter  an  der 
Schlacht  teil"^  Die  Antwort  S.  109  „infolge  ihrer  Stellung"  reicht 
nicht  aus.  weil  diese  Infanterie  von  schwedischer  Reiteiei  angegriffen 
wurde.  S.  106  Avird  plötzlich  von  einem  Angi'ilfe  Horus  mit  der 
westgothischen  Reiterei  gesprochen,  von  dem  wir  vorher  nichts  er- 
fahren haben.  S.  108  heifst  es:  „Aus  allem  mufs  geschlossen  werden, 
dafs  auch  der  rechte  (kaiserlich-ligistisehe)  Flügel  in  irgend  einer 
Weise  in  die  Niedeilage  der  Reiterei  des  Centrums  verwickelt 
wurde".  Ja,  aber  wie?  Es  ist  doch  höch.st  auffallend,  dafs  diese 
eben  noch  siegreiche  Kavallerie  Fürstenbergs  plötzlich  zur  Flucht 
gezwungen  wird.  S.  HO  steht.  „Der  Anteil  der  Musketiere  wird 
nur  fürden  letzten  Angriff  hervorgehoben."  Man  weifs  nicht  recht, 
wie  das,  was  Burckersdorf  S.  106  über  die  Thätigkeit  der  Musketiere 
berichtet,  damit  zu  vereinigen  ist.  Die  sächsische  Aufstellung  aiif 
Karte  I  ist  sehr  summarisch  und  ihre  Einzeichnimg  im  Verhältnis 
zu  der  der  Schweden  viel  zu  kurz  ausgefallen.  Bei  Khevenhiller, 
im  Theatr.  Europ  und  besonders  bei  Chemnitz  finden  sich  sehr  aus- 
führliche Mitteilungen  über  die  Einzelaufstellung  der  Schweden  wie 
der  Sachsen,  deren  nähere  Piüfung  sich  wohl  verlohnt  hätte;  die 
Angabe  bei  Chemnitz  über  die  Verteilung  der  Musketiere  zwischen 
die  Reiter  des  eisten  schwedischen  Treffens  erscheint  sehr  glaubwürdig. 

Manche  Ausdrücke  des  Verfassers  sind  zu  lapidarisch  und  erst 
nach  längerem  Nachdenken  verständlich.  So  S.  99  „bei  Hörn  bleibt 
es  unklar,  wie  weit  das  Regiment"  (nämlich  Holstein),  S.  102  >die 
Reiterei  des  rechten  Flügels"  (sc.  der  Kaiserlichen),  S  10.3  „die  beiden 
Brigaden"  (Hebron  und  Vitzthum),  S.  111  „die Stadt"  (Halle).  S  69  steht 
verwinden,  statt  er  winden,  S.  82  der  Kupfer  statt  das  Kupfer;  das 
14  bataillons  auf  S.  93  ist  entweder  in  4  umzuändern  oder  ganz 
wertlos,  die  S.  98  angeführten  Regimenter  Rheingraf,  Caldenbach, 
Sperreuter  und  die  Musketiere  dazwischen  vermifst  man  auf  Karte  IL 
S.  100.  Note  n  hätte  statt  auf  „Quellen  II"  besser  auf  S.  61  ver- 
wiesen werden  können.  Auf  Karte  I  steht  Emvitte  gedruckt  statt 
Ervitte,  wie  es  S.  91  richtig  heifst. 

Schliefslich  sei  noch  au.sdrücklich  bemerkt,  dafs  diese  Aus- 
stellungen durchweg  nicht  den  Kern  der  Sache  lierühreu.  Die  Arbeit 
von  Opitz  bleibt  trotzdem  eine  fleifsige  und  gründliche  Untersuchung; 
eine  genaue  und  einwandsfreie  Darstellung  des  eigentlichen  Verlaufs 
der  Schlacht  scheint  auf  Grund  der  heute  erschlossenen  Quellen 
noch  nicht  möglich  zu  sein. 

Breslau.  J.  Krebs. 


156  Litteratur. 

Maria  Josda    Vinalia,   Herzogin  zu  Sachsen,  Köuigin  von  Spanien. 
Von  Konra«!  lläbler.  Dresden,  W.  Baensch.  1892.  4B11.  247  SS.  8". 

^'orlic;i;en(lcs  Bucli  hat  zwar  zunächst  den  Zweck,  ein  getreues 
Lel)ensbild  einer  ebenso  lieltenswürdigen  als  hochgebihleten  säch- 
sischen Prinzessin  zu  zeichnen,  welche  auf  den  damals  durch  Revo- 
lutionen •  tief  erschütterten  Thron  Spaniens  berufen  wurde  und  dort 
frühzeitig  den  Tod  fand;  über  die  liiei'bei  nötig  gewordene  ausführ- 
liche und  gewissenhafte  Darstellung  jener  inneren  Kämpfe  um  die 
Verfassung  des  Landes  verleiht  der  Schrift,  zu  welcher  nicht  nur 
die  Geheimarchive  Spaniens  und  Sachsens,  sondern  auch  die  umfäng- 
lichen Briefwechsel  all  der  beteiligten  Personen  benutzt  werden 
konnten,  auch  einen  allgemeinen  historischen  Wert. 

Prinzessin  Josefa,  geboren  den  7.  Dezember  1803,  war  das 
siebente  Kind  des  Prinzen  Max,  des  Bruders  von  König  Friedrich 
August  dem  Cierechten,  also  eine  Taute  König  Alberts  von  Sachsen. 
Der  am  liebsten  im  Kreise  seiner  zahlreichen  Familie  verkehrende 
Vater  suchte  in  seinen  Kindern  schon  frühzeitig  den  Sinn  für 
Kunst  zu  wecken  und  zu  fördern  und  veranstaltete  deshalb  häufig 
kleine  theatralische  und  musikalische  Aufführungen,  an  denen  sich 
auch  die  Kinder  zu  beteiligen  pflegten.  So  entwickelte  sich  bei 
Prinzessin  Josefa  zeitig  der  Sinn  für  Poesie,  dem  sie  zumal  in 
späterer,  schwerer  Zeit  sogar  in  spanischer  Sprache  ergreifenden 
Ausdruck  verlieh. 

Als  1818  König  Ferdinand  VII.  von  Spanien  zum  zweiten 
Male  Witwer  geworden  war,  oline  dafs  ihm  bisher  Kinder  geschenkt 
worden  waren,  liefs  er  im  folgenden  Jahre  durch  eine  besondere  Ge- 
sandtschaft um  die  Hand  der  erst  siel)zeluijährigen  Prinzessin  Josefa 
anhalten.  Am  29.  August  181!)  fand  in  Dresden  die  feierliche  Trau- 
ung durch  Prokuiatiou  statt,  und  nach  einer  ganzen  Reihe  anstrengen- 
der Festlichkeiten  trat  nun  die  junge  „Königin  von  Spanien"  mit 
grofsem  Gefolge  die  weite  Reise  nach  Spanien  an.  Obgleich  sie  das 
Incognito  einer  Grätin  von  Plauen  angenommen  hatte,  wurde  sie 
nicht  nur  innerhalb  der  Grenzen  Saclisens,  sondern  auch  in  ganz 
Süddeutschland  überall  mit  königlichen  Ehren  empfangen.  Der  Weg 
ging  ülierStrafsljurgund  auf  besonderen  Wuiisch  König  Ludwiiis  XVIII. 
von  Fiankreich  auch  ülicr  Fontainebleau  bis  Bayonne,  Hier  mufste 
die  Königin  von  ihrem  sächsischen  Gefolge  Abschied  nehmen  und 
wurde  (3.  Oktober)  am  jenseitigen  Ufer  des  Grenzflusses  Bidassoa 
feierlichst  ihrem  neuen  spanischen  Hofstaate^  übergelien.  Von  hier 
an  empfing  sie  in  allen  Städten  der  laute  Jubel  der  Bevölkerung. 
Beim  Einzüge  in  Madrid  wurden  ihr  sogar  die  Pferde  ausgespannt 
und  der  Prunkwagen  von  jungen  Männern  durch  die  lange  via  trium- 
phalis  bis  zum  königlichen  Schlosse  gezogen.  Erst  nach  der  nun 
auch  vollzogenen  kirchliehen  A'ermählung  und  den  daran  sich  scb lie- 
fsenden Festlichkeiten  konnte  ,. Königin  Amalia"  —  so  wurde  sie  in 
Spanien  genannt  -  sich  von  (len  bisherigen  Anstrengungen  einiger- 
mafsen  erholen.  Der  in  i)olitisehen  Angelegenheiten  unentschlossene 
und  oft  sclivvaukende  König  schenkte  und  bewahrte  seiner  jungen 
Gemahlin,  tretzdem  dais  auch  diese  Ehe  kinderlos  blieb,  die  liebe- 
vollste Zuneigung  bis  zu  ihrem  Tode,  so  dafs  ihre  Ehe  als  eine 
glückliche  zu  bezeichnen  ist  Aber  freilich  gestalteten  die  damals 
fast  ununterbrochenen,  mit  höchster  Erbitterung  geführten  Kämpfe 
um  die  Verfassung  Spaniens  auch  ihr  Leben  zu  einem  an  Auf- 
regiuigeu,  Soi'gen,  ja  sogar  Gefahren  übei-reicheu. 


& 


Litteratur.  157 

Als  König  Ferdinand  YII.  aus  seiner  sechsjälirigen  Gefangen- 
schaft während  der  Gewaltherrschaft  Napoleons  ans  Frankreich  nach 
Spanien  zurückkehrte,  war  daselbst  das  frühere  absolute  Königtum 
wieder  hergestellt  worden.  Allein  die  unter  den  gebildeten  Ständen 
und  zum  Teil  selbst  unter  der  Armee  vorherrschende  Partei  der 
Liberalen  begehrte  die  Wiedereinfühiimg  der  nach  französischem 
Muster  gebildeten  Verfassung  vom  Jahre  1812,  welche  die  Staats- 
gewalt ganz  in  die  Hände  der  Cortes  legte.  Der  offene  Aufstand 
verbreitete  sich  182(J  von  dem  radikal  gesinnten  Süden  aus  schnell 
bis  Madrid  und  nötigte  den  König,  endlich  den  Eid  auf  jene  Ver- 
fassung abzulegen.  Als  aber  die  nun  herrschende  revolutionäre 
Partei  in  ihrem  Umsturzstreben  von  dem  Könige  auch  die  Auf- 
hebung sämtlicher  Klostergüter  und  die  Auflösung  der  getreuen 
Garden  erzwungen  und  der  Pöbel  zu  Madrid  einen  königlichen 
Kaplan  ermordet  hatte,  sammelten  sich  1822  die  Königsgetreueu  um 
den  Hof  zu  Aranjuez,  um  eine  Kontrerevolution  ins  Werk  zu  setzen. 
Allein  die  Miliztruppen  der  Regierung  siegten  über  die  Bataillone 
des  Königs,  und  als  König  Ludwig  XVIII.  von  Frankreich  darauf 
zum  Schutze  des  bourbonischen  Königtums  seine  Truppen  in  Spanien 
eiurückeu  liefs,  wurde  1823  der  ganze  Hof  von  den  lil>eralen  Ministern 
unter  militärischer  Eskorte  erst  nach  Sevilla,  später  sogar  nach  Cadix 
übergeführt.  Erst  als  auch  Cadix  von  den  Franzosen  nach  längerem 
Bombardement  zur  Kapitulation  gezwungen  worden  war,  wurde  der 
König  wieder  frei  und  zog  unter  dem  Jubel  der  treuen  Landbevölkerung 
wieder  nach  Madrid  zurück. 

All  diese  Erlebnisse  hatten,  wie  begreiflich,  auf  die  zarte  Kon- 
stitution der  Königin  sehr  nachteilig  eingewirkt.  Sie  litt  an  Ner- 
vosität, krampfartigen  Anfällen  und  Melancholie.  Eine  letzte  und 
innige  Freude  bereitete  ihr  1828  der  Besuch  ihres  Vaters,  des  Prinzen 
Max,  und  ihrer  älteren  Schwester,  der  Prinzessiü  Amalie  Schon 
1829  aber  machte  ein  Sumpffieber,  das  sie  sich  in  Aranjuez  zugezogen 
hatte  und  das  endlich  in  Nervenfieber  und  Lungenentzündung  über- 
ging, nach  rührendem  Abschiede  von  ihrer  gesamten  Umgebung  am 
17.  Mai  ihrem  jungen  Lehen  ein  Ende.  Ilirer  Leiche  öffnete  sich 
das  grofse  Hauptportal  der  Kirche  im  Eskurial;  ihr  Herz  aljer  wurde 
zu  Dresden  in  der  sächsischen  Königsgruft  beigesetzt. 

Dresden.  H.  Knothe. 

Beiträge  zur  sächsischen  Kircheugeschichte.  Herausgegeben  im 
Auftrage  der  Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte  von 
Franz  Dibelius  und  Theodor  Brieger.  6.  und  7.  Heft.  Leipzig, 
Barth.     1891  und  1892.     140  und  148  SS.  8". 

Die  vorliegenden  zwei  Hefte  bieten  wieder  wertvolle  Beiträge 
aus  den  verschiedenen  Perioden  der  sächsischen  Kirchengeschichte. 
In  das  Mittelalter  führt  eine  Studie  des  Mitherausgebers  Dr.  Dibelius 
„über  die  alte  Eibbrücke  zu  Dresden",  die  u.  a.  charakteristische 
Züge  über  Heiligenkultus,  Wallfahrten  und  Brüderschalten  beibringt. 
Prof  Knothe  beantwortet  die  Frage:  Wann  und  wie  ist  der  erz- 
priesterliche  Stuhl  Sorau  in  der  Niederlausitz  unter  die  Präpositur 
Bautzen  gekommen?  dahin,  dafs  dies  im  Jahre  1350  geschah,  wo 
auf  einer  Bautzner  Fürstenversammlung  Karl  IV.  von  Böhmen  nach 
Beilegung  der  Wirren  des  falschen  Waldemar  seinem  Gegner  Ludwig 
von  Brandenliurg  zwar  die  übi-ige  Niedeilausitz  verlieh,  sich  aber 
Sorau   und    Triebel    vorbehielt.      Ein  Brief  des  Pfarrers   Dr.  Peter 


158  Litteratur. 

Ej'ssenberg"  an  den  Dresdner  R;it  bei  seinem  Weggänge  n;uh  Ein- 
führung der  Keforniation,  veröffentlicht  von  Dr.  0.  Richter,  ist  wie 
ein  Grnfs  des  scheidenden  ]\Iittelalters  an  das  in  eine  neue  Zeit 
tretende  Dresden.  Zur  Sittengescliichte  des  Ausgangs  des  IH.  Jahr- 
hunderts bietet  Dr.  Loose  einige,  aus  Kirchenbüchern  entnommene 
Züge,  während  das  IT.  Jahrhundert  durch  eine  Studie  von  Dr.  Beck 
über  den  böhmischen  Exuh\nten  Tobias  Hauschkon  vertreten  ist,  der 
zu  angesehenen  Theologen,  wie  Dr.  Weiler  und  Bnläus,  und  Gelehrten, 
wie  Rektor  Daum  in  Zwickau,  in  näherer  Beziehung  stand.  In  das 
18.  Jahrhundert  mit  seinen  Kämpfen  führt  eine  auf  eingehenden 
Studien  im  Königlichen  Hauptstaatsarchive  ruhende  Arbeit  Pastor 
Blanckmeisters  ,, über  Christine  Eberhardine,  die  letzte  evangelische 
Kurfürstin  von  Sachsen".  Eine  Reihe  wichtiger  Briefe  sind  als 
Beilagen  beigegeben.  Derselbe  Verfasser  bietet  zwei  Biographieen, 
die  von  Theodor  Körners  Grofsvater,  dem  Leipziger  Superintendenten 
D.  Johann  Gottfried  Körner,  und  die  von  dem  Dresdner  Hofrate 
Johann  Burkhard  Frejstcin,  dem  mutmafslichen  Dichter  des  Liedes: 
Mache  dich,  mein  Geist,  bereit.  Zur  Entstehung  des  mit  dem  Ende 
des  vorigen  Kirchenjahres  aufser  Kraft  getretenen  Perikopeubuches 
von  1840  macht  D  Dibelius  wertvolle  Mitteilungen,  die  wieder 
die  Bedeutung  des  Oberhofpredigers  Dr.  Reinhard  in  ein  helles  Licht 
stellen.  Einzelne  Episoden  aus  der  Kirchengeschichte  der  letzten 
beiden  Jahrhunderte  behandeln  Miscellen  von  Distel,  Buchwald  n.  a. 

Dresden.  Georg  Müller. 

D.Veit  Wolfrum,   Superintendent  zu  Zwickau,  1593  —  1626.     Eine 
Studie   zur    sächsischen  Kirchengeschichte    von  Horniaun  Klotz^ 

Diakouus  in  Zwickau.     Zwickau,  R.  Zückler.    1892.    84  SS.  S^. 

In  der  langen  Reihe  der  Zwickauer  Superintendenten  nimmt 
D.  Veit  Wolfrum,  den  vorliegende  Festschrift  zum  Gegenstande  hat, 
eine  hervorragende  Stelle  ein.  Hochverehrt  von  seinen  Zeitge- 
nossen ,  später  völlig  vergessen ,  hat  er  infolge  seiner  litterarischen 
Thätigkeit  auch  heute  noch  Anspruch  auf  Beachtung.  Und  so  hat 
der  Verfasser  mit  der  Wahl  des  Themas  zu  seiner  Erstliugsschrift 
einen  glücklichen  Griff  gethan.  Hervorgehoben  sei  aus  der  Dar- 
stellung namentlich  der  4.  Abschnitt  über  „Zwickaus  kirchliche  Ver- 
hältnisse im  Jahre  1592",  wie  das  7.  bis  O.Kapitel,  wo  von  der 
wissenschaftlichen  Thätigkeit  des  l)ekenntnistreuen,  immer  kampflie- 
reiten.  sachlich  wolil  fundierten  Streiters  für  die  reine  Lehre  gehandelt 
wird.  Wolfrum  hat  sich  nicht  nur  durch  Herausgabe  eines  Gesang- 
buches ein  Verdienst  um  die  Hel)uug  des  Kirchengesangs  in  Zwickau 
ei'\vorl)en,  bis  in  unser  Jahrhundert  haben  sich  einige  von  ihm  ge- 
dichtete Liedei'  in  den  Gesangbüchern  erhalten.  Unser  sächsisches 
Landesgesangbuch  hat  allerdings  keines  aufgenommen.  Von  Inter- 
esse ist  noch,  dafs  er  mit  den  orientalischen  Sprachen  in  ungewöhn- 
lichem Mafse  vertrarrt  war.  Es  wird  uns  nicht  wundern,  wenn  er 
nach  damaliger  Übung  seine  Lieblingsfächer  auch  im  Zwickauer 
Gjmnasium  lehrte,  für  dessen  Hebung  er  mit  unermüdlicher  Sorg- 
falt bemüht  war.  Gern  würde  man  etwas  Eingehenderes  über  Wolf- 
rums Verwaltungsthätigkeit  in  seiner  Eigenschaft  als  Superinten- 
dent erfahren  haben.  Ich  füge  aus  Akten  des  hiesigen  Königl. 
Hauptstaatsan  bivs  ein  Beispiel  an,  das  ich  kürzlich  fand.  Hi09  be- 
schwert sich  Wolfrum  übei-  den  l'fnrrer  David  Purzel  zu  Tluirm  in 
der  Herrschaft  Schönl>urg   i^vei'gl.  Kreyfsig,   Album  der  evangeliscli- 


Litteratur.  159 

lutherischen  Geistlichen  S.  513)  wegen  eines  Aratsübergriffs,  nnd 
ein  kurfürstlicher  Befehl  weist  das  Leipziger  Konsistorium  an,  den 
Pfarrer  vor  sich  zu  bescheiden  und  ihn  wegen  des  „  Eingriifs 
in  Unsere  geistliche  hohe  Botinäfsigkeit"  zu  vernehmen.  (Befehl  vom 
25.  August  l(i09.  Loc.  2058.  Reskripte  an  das  Leipziger  Konsistorium. 
Jahrg.  1609.  Bl.  356)  Da  der  Angeklagte  behauptete,  dafs  es  sich 
um  Kopulationen  gehandelt  habe,  die  mit  Vorwissen  des  Hauptmanns 
und  des  Diakouus  Bartholomäus  "Walther  geschehen  seien,  so  sollte 
sich  das  Leipziger  Konsistorium  weiter  erkuudigeu.  (Loc.  2058.  Re- 
skripte an  das  Leipziger  Konsistorium  Jahrg.  1610.  Bl.  1.)  .Sollte  es 
wohl  zufällig  sein,  dals  hier  Walther  seine  Hand  im  Spiele  hat, 
nach  dem.  was  Verfasser  über  dessen. Stellung  zum  Superintendenten 
berichtet  (S.  o4ff  und  sonst)"?  —  Über  Wolfrums  Thätigkeit  im 
Zwickauer  Konsistorium,  dem  er  während  des  Bestehens  desselben 
angehörte,  erfahren  wir  z.  B.  mancherlei  aus  Akten,  die  einen  Streit 
des  Zwickauer  Amtes  mit  dem  Gemeinen  Kasten  zu  Werdau  betreffen. 
(Loc.  2057.  Reskripte  an  das  Konsistorium  zu  Leipzig,  in  denen  von 
dem  geweseneu  Konsistorium  zu  Zwickau,  namentlich  Bl.  70  —  78 
unter  Beifügung  von  Urkunden  mehrfach  die  Rede  ist.)  —  Bezüglich 
der  Krankheit  Wolfrums  sei  noch  erwähnt,  dafs  ihm  unter  dem 
19.  Juli  1626  Urlaub  ins  Warmbad  gewährt  wird.  Es  wird  ihm  an- 
heimgegeben, für  geeignete  Vertretung  zu  sorgen.  (Loc  2059.  1625 
bis  1634.  Bl.  111.)  —  Über  die  Wiederbesetzung  der  Stelle  nach 
Wolfrums  Tode  geben  die  Konsistorialverordnungen  mehrfach  Aus- 
kunft. Erwähnt  sei  nur,  dafs  bereits  am  6.  September  1626  vom 
Kurfürsten  Lic.  Laur.  Andreae  zum  Nachfolger  vorgeschlagen  wird. 
Der  Archidiakonus  soll  ihm  die  Kanzel  eröffnen,  und  wenn  die  Ge- 
meinde nichts  gegen  ihn  einzuwenden  hat ,  soll  ihm  der  Hauptmann 
und  der  Rat  die  Vokation  vermögend  inliegender  Form  übergeben. 
Weitere  Verordnungen  behandelten  dessen  Promotion  zum  Doktor 
der  Theologie  in  Wittenberg.  (Ebenda  Bl.  265.  405.)  —  Bezeichnend 
ist  die  Besetzung  der  Stelle  nach  Andreae's  Tode.  Der  Rat  schlug 
1632  den  Diakonus  Bösewetter  (vergi.  Kreyfsig,  Album  S.  572)  vor. 
Aber  das  Oberkonsistorium  wollte  dem  Patron  Vorhaltung  thuu  und 
beschied  ihn  vor  sich;  obwohl  der  Rat  mehrfach  Einwendung  erhob, 
mufste  er  sich  doch  fügen.  Die  geistliche  Behörde  wünschte  die 
Besetzung  der  SteUe  mit  einer  „hochgraduierten"  Person.  Schliefs- 
lich  erhielt  sie  ein  Zwickauer  Stadtkind,  der  Wittenberger  Diakonus 
Eusebius  Bohemus,  mufste  sich  aber  auch  die  Würde  eines  Doktors 
der  Theologie  erwerben.  Kurz  darauf  wurde  die  tragische  Nachricht 
gemeldet,  dafs  der  Superintendent  uud  die  gesamte  Geistlichkeit  der 
Pest  erlegen  seien.  Der  Rat  wurde  zu  Vorschlägen  aufgefordert,  die 
wieder  mehrfache  Auseinandersetzungen  zur  Folge  hatten.  (Ebenda 
Bl.  603 f.  609.  614.  622.  645.  665  f.) 

Dresden.  Georg  Müller. 

Aus  den  Papieren  eines  Rathauses.  Beiträge  ziu-  deutschen  Sitten- 
geschichte von  E.  Einert.  Amstadt,  Emil  Frotscher.  1892.  3  BU. 
196  SS.  80. 

Von  einem  rührigen  Forscher  auf  dem  lohnenden  Gebiet  thü- 
ringischer Stadtgeschichte  liegt  unter  obigem  Titel  eine  neue_  Arbeit 
vor7  die  zum  Teil  frühere  Aufsätze  zusammenzieht,  zum  Teil  aiich 
neues  Material  verwertet.  Es  ist  ein  ansprechendes  Büchlein,  keine 
zusammenhängende  Geschichtserzähluiig,    sondern   einzelne   Skizzen, 


160  Litteratur. 

aus  denen  aber  doch  eine  deutliche  Vorstellung'  vom  alten  Arnstädter 
Leben  und  Treiben  sich  ergiebt ;  denn  die  von  Einert  gewählte  Form 
leichter,  flüssiger  Darstellung,  die  sich  ab  und  zu  in  geschickter 
Weise  der  Anlehnung  an  den  alten  si)rachlichen  Ausdruck  bedient, 
führt  eine  Fülle  vou  Zügen  kleinstädtischen  Lebens  besonders  des 
16. — 18.  Jahrhunderts  vor.  Neue,  ungeahnte  Aufschlüsse  bietet  E. 
nicht;  was  er  bringt,  ist  in  gleicher  oder  ähnlicher  Weise  meist  schon 
ans  anderen  (Jrten  bekannt;  doch  jenes  war  auch  kaum  der  Zweck 
des  Buches,  das  sich  an  einen  weiteren  Leserkreis  wendet,  der  für 
die  deutsche  Veigangenheit  Interesse  hegt.  Aber  auch  der  Fachmann, 
besondei's  der  Knlturhistoriker ,  wird  die  Schrift  nicht  ohne  (ienufs 
und  Nutzen  lesen,  denn  er  findet  für  manche  Erscheinung  einen  neuen 
Beleg,  einen  schätzeuswerten  Beitrag  So  wiid  im  Abschnitt  1 
„Flurzug  und  Flurstreit"  der  Sagenforscher  mit  Interesse  die  Zeugen- 
aussagen über  die  Steinkreuze  au  Wegen  und  den  an  sie  anknüpfenden 
Volksglauben  lesen.  Näher  auf  Einzelheiten  einzugehen,  ist  leider 
nicht  möglich.  Abschnitt  ■.l  —  -i  behandeln  den  grofsen  Brand  von 
1.Ö81,  den  Brandstittungspruzefs  und  den  Wiederaufbau;  5  die  Rück- 
kehr der  Wittvve  Grat  Günthers  des  Streitbaren  vou  Schwarzburg 
mit  ihres  Gatten  Leiche  1585;  6  die  Steinbufse  (strafweise  Lieferung 
von  Steinfuhren);  7  die  Kircheuverordnungen  1618;  8  die  Zeit  der 
Kipper  und  Wipper  (Münzverschlechteiung  und  Kreditzerrüttuug 
16:^0—1623;;  9  Johann  Georgs  I.  von  Sachsen  Besuch  1624;  10  die 
Pest  1625;  11—13  und  15  Szenen  des  .-Wjährigen  Krieges  (Leiden  durch 
die  einquartierten  Merodebrüder  1627,  1628,  Verwilderung  der  Ein- 
wohnerschaft, Räuberbanden  16;)1,  Plünderung  durch  Banu6rs  Truppen 
1610,  Erpressung  durch  Graf  ILatzfelds  Hauptquartier  1640;;  16  bis 
19  rechtliche  Vorgänge  (Achtprozefs  wegen  Todschlages  1664,  Hexen- 
prozefs  1691,  Flurumgang  mit  Grenzstreit  17().^,  Geläntskostenprozefs 
bei  Kaiser  Leopolds  L  Tod  1705);  14,20  —  22  Schulverhältnisse 
(Mädchenschule,  Lateinschule,  Schulkomödien,  Weihnachtsspiele  u.  a., 
Aufführung  von  Rektor  Treibers  lokalpatriotischer  Operette  über 
das  arnstädter  Weizenbier  1705,  deren  Musik  angeblich  der 
damals  in  Arnstadt  lebende  Seb.  Bach  komponierte);  23  Kriegs- 
erlebuisse  und  Friedensfest  1762,  176.3;  24  eine  vergessene  Dichterin 
(die  1717  zu  Erfurt  geborene,  1740  in  der  Gera  bei  Augelroda  ver- 
unglückte kaiserliche  gekrönte  Poetin  Sidonia  Zäunemannin,  die 
allerdings  mit  Ainstadt  nur  in  oberflächlicher  Beziehung  steht). 

Dresden.  Woldemar  Lippert. 

(ireschichte    der   Königllcli   Siielisischcii   Fürsten-   und  Laiules- 
schule  («rimina  von  Professor  Dr.  phil.Karl  Julius  Köfsler.     Mit 

2  Grundplänen.     Leipzig,  B.  G.  Teubner.    1891.    XII,  323  SS.  8". 

Wiewohl  die  jüngste  der  drei  sächsischen  Landesschulen,  war 
Grimma  doch  diejenige,  zu  deren  Geschichte  zuerst  die  Unterlagen 
gesammelt  wurden.  Bereits  in  dem  dritten  Vieitel  des  16.  Jahr- 
hunderts gab  es  handscluiftliche  Annalen,  die  von  dem  Tertius  Schel- 
lenl)erg  begonnen  und  von  dem  als  Lustspieldichter  bekannten  Rektor 
Ilayneccius  fortgesetzt,  als  Ikrichte  vou  Augenzeugen  eine  Quelle 
ersten  Ranges  sind.  Und  auch  später  wurde  vieles  gesammelt,  bis 
in  unserem  Jahrhundert  Palm  und  Lorenz  wertvolle  Beiträge  ver- 
öffentlichten. Trotzdem  war  es  zu  einer  einheitlichen  Geschichte 
der  Anstalt  nicht  gekommen.  Und  nach  dem  Erscheinen  von  Theodor 
Flathes    epochemachender  Geschichte    der  Meifsner  Schwesteranstalt 


Litteratur.  161 

konnte  die  Frage  entstehen,  ob  sich  eine  gesonderte  Darstellung  für 
Grimma  lohnen  würde.  Die  vorliegende  Festschrift  entkräftet  die 
Bedenken.  Sie  ist  ans  Anlafs  der  EinAveihung  des  neuen  Schul- 
gebäudes entstanden,  das  von  der  Königlichen  Staatsregierung  und 
den  Ständen  mit  seltener  Freigebigkeit  ausgestattet  und  von  der 
Bauleitung  mit  feinem  Kunstverständnis  ausgeführt  worden  ist. 

Das  Werk  Röfslers  weicht  in  seinem  Charakter  von  dem 
Flathe'schen  wesentlich  ab.  Behandelt  dieses  die  Geschichte  der 
Meifsner  Schule  unter  steter  Beziehung  zur  allgemeinen  geschicht- 
lichen Bewegung,  namentlich  auf  dem  Gebiete  des  Schulwesens,  so 
beschränkt  sich  Rüfsler  wesentlich  auf  die  Darstellung  der  Verhält- 
nisse zu  Grimma.  Auch  die  Anordnung  ist  durchaus  anders.  Hatte 
Flathe  die  geschlossene  Darstellung  der  einzelnen  Perioden  gegeben,  so 
zieht  Röfsler  die  sachliche  Einteilung  vor  und  behandelt  jedes  Kapitel 
von  der  Gründung  der  Anstalt  bis  auf  unsere  Tage.  Kapitel  1  —  3 
schildert  die  Gründungsgeschichte  und  erste  Einrichtung  der  Schule. 
Es  folgt  die  äufsere  Geschichte.  Am  umfangreichsten  ist  der  5.  Ab- 
schnitt: die  innere  Geschichte,  die  auch  sachlich  das  meiste  neue 
Material  bietet.  Hervorgehoben  seien  die  Ausführungen  über  Schul- 
gesetze und  Unterrichtsmittel  (S.  127—218).  Mannigfache  Ergän- 
zungen erfahren  dieselben  durch  zahlreiche  Beilagen,  z.  B.  die  Stunden- 
pläne aus  der  Zeit  von  Johann  Schütz ,  der  in  jugendlichem  Alter 
zu  der  verantwortlichen  Stellung  eines  Rektors  berufen,  sich  bald 
unmöglich  machte.  Von  kulturgeschichtlichem  Interesse  sind  ferner 
die  Abschnitte  über  die  Schulkomödie.  Die  Schule  hatte  selbst 
mehrere  bekanntere  Dichter  aufzuweisen,  z.  B.  Hayneccius.  —  Die 
Darstellung  zeigt  überall  bis  ins  einzelnste  die  peinliche  Genauig- 
keit und  gewissenhafte  Sorgfalt,  wegen  deren  der  unterdess  der 
Schule  durch  den  Tod  entrissene  Verfasser  als  Lehrer  die  Hochach- 
tung seiner  Schüler  geuols.  Von  kleineu  Mifsverständnisseu  sei  zu  S.  55 
bemerkt,  dafs  Andreae  schon  unter  Kurfürst  August  seine  Entlassung 
bekommen  hatte,  deren  Gründe  bekanntlich  noch  nicht  genügend 
aufgeklärt  sind. 

Dresden.  Georg  Müller. 


o 


Die  Geschichte  der  Schule  zu  Kosseu.  Zugleich  ein  Beitrag  zur 
Geschichte  der  Schulen  in  den  kleinen  und  mittleren  Städten 
Sachsens.  Eine  Festschrift  zur  Feier  der  Einweihung  des  Nossener 
neuen  Bürgerschulgebäudes  von  E.  d.  Paul  Schneider,  Schul- 
direktor.    Nossen,  Emil  Hensel.    (1892.)     70  SS.    8«. 

Vorliegende  Festschrift,  der  aufser  den  Nossener  Quellen  die 
Visitationsprotokolle  des  hiesigen  Königlichen  Hauptstaatsarchivs 
und  handschriftliche  Urkunden  der  Meifsner  Bezirksschulinspektion 
zu  Grunde  liegen,  bietet  nach  einem  allgemeinen  Überblick  im 
5.  Kapitel  wertvolle  Mitteilungen  zur  Geschichte  des  Xossener  Schul- 
wesens bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts.  Die  einzelneu  Abschnitte : 
Lehrer,  Schulhaus,  Amtseinkünfte,  Unterricht  enthalten  eine  Reihe 
von  einzelnen  Angaben,  die  auch  für  den  Charakter  des  sächsischen 
Schulwesens  im  allgemeinen  von  Interesse  sind.  Verwiesen  sei 
z.  B.  auf  den  Lektionsplan  von  1737.  Hier  erscheint  zum  ersten 
Male  als  neuer  Gegenstand  im  Zusammenhange  mit  den  Bestrebungen 
A_.  H.  Franckes  der  Realunterricht  in  drei  Stunden.  In  zwei  Stunden 
wird  Hübners  Geographie  und  Landcharten  und  in  einer  Stunde 
Hübners   politische   Historie   behandelt.     Ein   anderer  ausführlicher 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  n.  A.  XIV.  1.  2.  '11 


16;^  Litteratur. 

Stumlenplau  stammt  aus  dein  vorletzten  Jahrzehnt  des  vorigen  Jahr- 
hunderts. Zwei  Schlufsabschnitte  behandeln  das  Nossener  Schulwesen 
im  19.  Jahrhundert.  —  Ich  füge  einige  Ergänzungen  hinzu,  die  ich  kürz- 
lich gelegentlich  in  Dresdner  Konsisiorialverordnungen  gefunden  habe. 
Sie  füllen  z.  B  die  Lücken  des  Knauthschen  Lehrerveizeichnisses 
(S.  29)  aus.  Durch  Verordnung  vom  1().  April  lö88  wird  David 
Kopp  aus  Mittweida  zum  Schulmeister  vorgeschlagen,  „dieweil  er 
uns  seiner  Geschicklichkeit  hall)en  wohl  bekannt,  auch  bisauhero  sich 
unter  leuthen  fromm  und  tleilsig  vorhalten  hat".  (Lnc.  löüf»,  Jahrg. 
1588,  Bl.  114.)  Am  8.  März  1.Ö89  wird  Caspar  Piniiovius  aus  „liryps- 
walda  aufs  Pommern"  zum  Schulmeister  vociert.  Er  ist  vom  Kon- 
sistorium examiniert  worden  und  für  tüchtig  befunden.  Der  Super- 
intendent von  Fieiberg  soll  ilm  zum  Schulmeister  „anohrdnen".  ihn 
auch,  dafs  er  sich  in  Lehr,  Leben  und  Wandel  der  Schulordnung 
geraäfs  halte,  mit  Ernst  ,,vntersagen".  (Loc.  1536,  Jahrg.  1589, 
ßl  80 b.)  Sollte  der  M.  Elias  Dittrich,  dem  laut  Verordnung  vom 
10  Februar  1589  der  Pfarrer  von  Zeit  zu  Zeit  die  Kanzel  öffnen 
sollte,  nicht  vielleicht  auch  in  der  Schule  ihiitig  gewesen  sein"^ 
(Ebenda  Blatt  55.)  Am  7.  August  1593  wird  Matthäus  Krüger, 
gewesener  Kantor  zu  Radeberg,  der  vom  Amtsschösser  nach  Nossen 
als  Schulmeister  vociert  und  berufen  worden  ist,  vom  Konsistorium 
konfirmiert  (Loc.  1537,  Jahrg.  1593,  II,  82).  —  Am  31.  Oktober  1642 
wird  Georg  Schumann,  der  den  Kurfürsten  um  Beförderung  zum 
erledigten  Schuldienst  in  Nossen  gebeten  hat,  dazu  empfohlen.  Da 
das  Ober-Konsistorium  nicht  weifs,  wem  das  Patronat  zusteht,  sollen 
der  Superintendent  zu  Freiberg  und  der  Schösser  zu  Nossen  erst 
darüber  berichten ,  beziehentlich ,  „wenn  das  Patronat  dem  Rat  zu- 
ständig ist,  nach  Befindung  seiner  Qualität  ihn  nel)enst  der  Vokation 
zur  Konfirmation  anhero  präsentieren".  (Loc  1549,  Jahrg.  1642, 
Bl.  139.)  —  Im  Jahre  1673  ist  der  vereinigte  Schul-  und  Kantordieust 
wieder  erledigt.  Laut  Verordnung  vom  28.  April  1673  haben  sich  be- 
worben Adam  Walther,  Regent  bei  der  Dresdner  Kreuzschule,  und 
Daniel  Köhler  zu  Dippoldiswalde.  Der  Freiherger  Superintendent  und 
der  Nossener  Schösser  sollen  die  Probe  „im  Singen,  Ijehren  und 
andern  zu  solchen  Diensten  gehörigen  Verrichtungen"  thun  lassen  und 
Bericht  erstatten.  Durch  Verordnimg  vom  2().  Mai  wird  der  erstere 
bestätigt,  da  er  die  Probe  gut  bestanden  hat.  Der  Amtmann  soll  ihm 
die  Vokation  zum  Schul-  und  Kantordienst  aushändigen,  der  Superinten- 
dent ihn  dem  Ober-Konsistorium  präsentieren.  Da  der  Gewählte  aber 
bald  starb  und,  wie  es  scheint,  sein  Amt  kaum  angetreten  hat,  so  wurde 
vom  Ober-Konsistorium  M.  Johann  Georg  Schreiber  für  dic^  Stelle  em- 
pfohlen; „weiln  bishei'o  wegen  der  Vacanz  Itei  der  Jugend  viel  ver- 
säumt worden  ist",  soll  die  Probe  so  bald  als  möglich  gehalten  werden. 
Die  Gemeinde  war  mit  dem  Vorgeschlagenen  nicht  zufrieden.  Aber 
im  Oktober  verordnete  das  Ober- Konsistorium _,  der  Kandidat  sollte 
die  Stelle  trotzdem  haben,  da  er  in  Dresden  in  der  Musik  geprüft 
worden  sei  und  gut  Itestanden  habe,  er  auch  gelobt  habe,  sehi  Amt 
treu  zu  verwalten  und  dem  Pfairer  Respekt  und  Gehorsam  zu  leisten. 
(Loc.  1554,  Jahrg.  1673,  Bl.  102.  116.  201.  240.)  —  In  demselben 
Jahre  wurde  auch  der  Organistendieust  mit  Christoph  Helmrich  be- 
setzt, nachdem  er  die  Probe  bestanden  hatte.  (Ebenda  Bl.  79,  Ver- 
ordnung vom  29.  Januar.)  —  Um  das  Jalir  1666  scheint  eine  neue 
Orgel  gebaut  worden  zu  sein,  wenigstens  bitten  in  diesem  .lahre 
die  Erben  des  Orgelmachers  Christoph  Fleck  um  Auszahlung  der 
rückständigen  15  Fl.  (Loc.  1551,   Jalirg.  1666,   Bl   63)  —   Ums  ,Iahr 


Litteiatur.  ^163 

1590  waren  neue  Glocken  angeschafft  worden ;  der  Grlockengiefser, 
Wolf  Hilliger  in  Freiberg,  mnfste  auf  dem  Wege  der  Klage  sich  die 
Bezahlung  sichern.     (Loc.  1536,  Jahrg.  1590,  Bl.  177.) 

Dresden.  Georg  Müller. 

Gescliichte  und  Poesie  des  Freiberger  Berg-  niid  Hütteinvesens. 
Von  Dr.  ph.  Eduard  Heydenreich,  Überlehrer  am  Kgl.  Gymnasium 
zu  Schneeberg.  Freiberg  i.  S.,  Graz  &  Gerlach  (Joh.  Stettner). 
189;^.  XII,  180  SS.  S». 

Seitdem  das  mittelalterliche  Quellenmaterial  der  Freiberger 
Bergbaugeschichte  in  dem  dreibändigen  Urkundenbuche  der  Stadt, 
das  Dr.  Hubert  Ermisch  herausgegeben  hat,  vollständig  vorliegt,  hat 
sich  das  Bedürfnis  einer  neuen  Darstellung  der  Geschichte  des 
obersächsischen  Bergwesens  geltend  gemacht. '  In  die  Reihe  der  Vor- 
läufer einer  solchen  tritt  auch  die  vorliegende  Schrift.  Der  Verfasser 
hat  sie_  dem  Herausgeber  des  Freiberger  Urkundenbuches,  das  allein 
ihm  seine  Arbeit  ermöglichte,  dankbai-  zugeeignet.  Er  bringt  nicht 
nur  Ergebnisse  eigener  wissenschaftlicher  Forschung  auf  dem  vor- 
liegenden Gebiete,  sondern  eine  gemeinverständliche  Zusammenfassung 
des  bisher  Gebotenen  in  schöner  und  klarer  Darstellung,  wohlgeeignet, 
jedermann,  insbesondere  alle,  die  irgend  eine  Beziehung  zum  Frei- 
berger Bergwesen  haben,  für  dessen  Geschichte,  Poesie  und  Sage  zu 
erwärmen.  Demnach  wird  auch  der  Jünger  der  Geschichtswissen- 
schaft, in  der  ja  die  Wirtschaftsverhältnisse  einen  immer  hervor- 
ragenderen Platz  einnehmen,  das  Buch  freudig  begrüfsen  und 
manches  anderwärts  nur  schwer  zu  Erlangende  darin  vorfinden. 

Nach  einer  allgemeinen  Charakteristik  des  Freiberger  Berg- 
revieres  giebt  der  Verfasser  im  ersten  Teile  seines  Baches  eine  kurze 
Darstellung  der  Geschichte  des  Freiberger  Berg-  und  Hüttenwesens. 
Darin  behandelt  er  die  Gründuugsgeschichte  der  Freiberger  Berg- 
mannskolonie,  legt  dar,  wie  die  ältesten  Bergleute  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  Xiedersachsen  waren  und  weist  den  von  Klotzsch  be- 
haupteten böhmischen  Ursprung  mit  Recht  ab,  giebt  sodann  eine 
Schilderung  des  Berg-  und  Hüttenbetriebes  im  Mittelalter,  wobei  er 
der  zur  Förderung  des  Bergbaues  getroffenen  Einrichtungen  aus- 
führlicher gedenkt  und  besonders  auch  auf  das  noch  im  ersten  Jahr- 
hundert des  sächsischen  Bergbaues  entstandene  meifsnische  Bergrecht 
hinweist,  mit  dessen  Entstehung  auch  die  des  Freiberger  Stadtrechtes 
eng  verbunden  ist.  Von  besonderem  Interesse  ist  die  Darlegung  über 
die  Arbeitsgenossenschaften  und  die  schon  damals  üblichen  Streitig- 
keiten um  Arbeitslohn,  Arbeiterschutz  und  Arbeitsordnung.  Hat 
schon  im  15.  Jahrhundert  der  Einflufs  der  Landesherren,  z.  B.  durch 
Anstellung  von  Bergmeistern  sich  wachsend  geltend  gemacht,  so  ent- 
wickelt sich  im  IH.  Jahrhundert  der  Hüttenbetrieb  zum  landesfürst- 
lichen Monopol  und  aus  den  Satzung'en  der  einzelnen  Reviere  entsteht 
ein  Landesbergrecht.  Besonders  ist  hierbei  der  Bemühungen  des 
Kurfürsten  Augusts  gedacht,  die  sich  auf  die  Gnaden-  und  Stollen- 
steuern, die  Erhöhung  .des  Silberpreises,  die  Minderung  des  Zehnten, 
den  Erzkauf  und  die  Übernahme  von  Kuxen  erstreckten.  Die  Zeit 
vom  16.  bis  zum  18.  Jahrhundert  gipfelt  in  der  Gründung  der  Berg- 
akademie, die,  Ostern  1766  eröffnet,  besonders  seit  der  1775  erfolgten 
Berufung  Werners  einen  Weltruf  erlangte.  Anschaulich  und  lebhaft 
schildert  der  V^erfasser  die  Thätigkeit  einerseits  der  ersten  Pro- 
fessoren, die  eine  neue  Glanzzeit  des  Freiberger  Bergwesens  herauf- 

11* 


164  Litteratur. 

führten,  andererseits  die  Aufgaben,  die  dem  wissenschaftliclieii  Berg- 
manne gest^,llt  sind.  Der  letzte  Abschnitt  des  geschichtlichen  Teils 
giebt  eine  Übersicht  über  Bergbau  und  Hüttenbetrieb  seit  der  Crrün- 
dung  der  Bergakademie,  schildert  den  Aufschwang,  den  die  Produktion 
les  Freiberger  Bergliaues  bis  1882  genommen,  worauf  allerdings  in- 


s 


folge  der  Mitwirkung  einer  lleihe  ungünstiger  Umstände  ein  wirt- 
schaftlicher Rückgang  eingetreten  ist,  dessen  nachteiligen  Folgen  die 
königliche  Staatsregierung  durch  Verstaatlichung  der  wichtigsten 
Gruben  vorgebeugt  hat.  Ein  Anhang  zu  diesem  Teile  bringt  das 
von  Johann  Bocer  verfafste  Loblied  auf  Freibergum  in  Misnia  in  der 
Übersetzung  von  Reinhard  Kade. 

Im  zweiten  Teile  seines  Buches  behandelt  Heydenreich  das 
Freiberger  Berg-  und  Hüttenwesen  in  Sage  und  Lied.  Die  Sagen 
beziehen  sich  teils  auf  die  Gründung  des  Bergwerksbetiiebes  in  Frei- 
berg, teils  auf  einzelne  Gruben  und  Orte,  wie  St.  Michaelis,  Brand, 
die  sogenannte  Mordgrube,  den  Untergang  des  Höckendorfer  Silber- 
bergwerkes. In  der  Phantasie  der  Beiglente  bildete  sich  ein  ganzer 
Kreis  abergläubischer  Vorstellungen ,  wie  das  Erz  entstehe ,  wie  es 
wieder  vergehe,  wo  man  es  finde ;  letzteres  zeigte  die  Wünschelrute 
an.  Hierher  gehört  auch  dei-  (ilaube  an  die  bösen  Berggeister,  ferner 
die  Hilfe,  die  der  Knappe  um  hohen  Lohn  den  sogenannten  Venedigern 
gewährt.  Das  Bedürfnis,  die  harte  Arbeit,  wie  Agricola  sagt,  „ringer 
und  leichter  zu  machen",  hat  zu  den  Berggesängen  und  Bergreihen 
geführt;  von  ihnen  teilt  der  Verfasser  aus  dem  Leipziger  Berglieder- 
Büchlein  Proben  mit,  ebenso  von  den  geistlichen  Bergreihen.  Aus- 
führlicher wird  Döring- Anackers  bekannter  „Bergmannsgrufs"  be- 
handelt und  schliefslich  auch  der  dramatischen  Gestaltungen  des 
Freiberger  BerKmannslebens  gedacht  ,  besonders  des  Friedrich 
Schlenkertschen  Stückes  „Markgraf  Friedrich  oder  Bergmannstreu", 
das  nicht  ohne  dramatische  Kraft  und  Lebendigkeit  ist,  und  der  ge- 
wandten Dichtung  von  Otto  Leuteritz  und  Max  Rachel  „Bilder  aus 
Freibergs  Vergangenheit",  die  im  Jahre  der  AVettinfeier  wiederholt 
in  Freiberg  aufgeführt  wurde.  Mit  Proben  aus  der  Poesie  der  Frei- 
berger Bergstudenten  schliefst  das  verdienstliche  Schriftchen. 

Freiberg  i.  S.  Paul  Knauth. 

Alt-Meissen  in  JJilderu.    Mit  erklärendem  Text  von  I)r,  \V.  Loose. 

Meifsen,  Louis  Mosche.    1889.     12  SS.  47  Taff.  fol. 

Leipzig  durch  drei  Jalirliunderto.  Ein  Atlas  zur  Geschichte  des 
Leipziger  Stadtbildes  im  sechzehnten,  siebzehnten  und  achtzehnten 
Jahrhundert  Mit  kurzen  Erläuterungen  herausgegeben  von  Dr. 
(ifnstav  Wustmanii,  Stadtbibliothekar  und  Direktor  des  Raths- 
archivs  in  Leipzig.  Leipzig,  Duncker  und  Humblot  (Komm.).  1891. 
VIII,  24  SS.  und  72  Tatf.  fol. 

Dresdens  Festungswerke  iiu  Jahre  1811.  90  Ansichten  und  2  Pläne 
in  Lichtdruck  nach  Aquarellen  von  Friedrich  August  Kannegiefser. 
Für  seine  Mitglieder  herausgegeben  vom  Verein  für  Geschichte 
Dresdens.  Dresden,  Lichtdruck  von  Stengel  und  Markert.  189U. 
17  SS.  und  92  Taff.  qu.-fol. 

Dresdner  Strassenansichten  vom  Jahre  1(578.  Xach  Gabriel 
Tzschimmers  Kupferwerk  „Die  durchlauchtigste  Zusninmenkunft". 
Mit  Einleitung  und  Erläuterungen  von  Dr.  Otto  Kichter,  Raths- 
archivar.      Für  seine  Mitglieder    herausgegeben   vom  Verein    für 


Litt  erat  UV.  1G5 

GescTiichte  Dresdens.   Dresden,  Lichtdruck  von  Stengel  und  Markert. 
1892.     18  BU.  qu.-fol.  und  21  SS.  fol. 

Die  oft  gehörte  Klage,  dafs  wir  im  Zeitalter  der  Bilderbücher 
für  Erwachsene  leben,  ist  nicht  immer  unberechtigt ;  die  grofsen  Fort- 
schritte der  Technik  haben  manclien  Verleger  verleitet,  die  Illustration 
lediglich  als  Rekiamemittel  zu  gebrauchen  und  auch  da  anzuwenden, 
wo  es  an  jedem  Innern  Grunde  dafür  fehlt.  Aber  der  Schaden,  der 
dadurch  etwa  angerichtet  wird,  fällt  doch  kaum  ins  Gewicht  gegen- 
über den  grofsen  Vorteilen,  welche  die  hohe  Entwickelung  der 
graphischen  Künste  bietet.  Abgesehen  davon,  dafs  für  populäre 
Werke  die  lebendige  Anschauung,  wie  sie  gut  gewählte  Nachbildungen 
alter  Vorlagen  gewährten,  von  nicht  zu  bezweifelndem  Werte  ist,  auch 
die  ernstere  Forschung  zieht  reichen  Nutzen  aus  den  modernen  Ee- 
produktionsweisen.  Unser  Inventarisationswerk,  das  an  dieser  Stelle 
schon  oft  zur  Besprechung  gelangt  ist,  verdankt  einen  guten  Teil 
seines  Wertes  den  zahlreichen,  gut  ausgewählten  und  ausgeführten 
Abbildungen.  Ihm  schliefsen  sich  in  würdiger  Weise  die  oben  ge- 
nannten Illustrationswerke  an,  die  sämtlich  in  der  Reihe  der  Quellen- 
werke zur  sächsischen  Oitsgeschichte  eine  ehrenvolle  Stelle  be- 
anspruchen dürfen.  Aus  diesem  Grunde  möchten  wir  sie  hier  nicht 
unerwähnt  lassen,  wenn  wir  auch  auf  die  technischen  Fragen,  die 
sich  daran  knüpfen  liefsen,  nicht  eingehen  können. 

Das  an  erster  Stelle  genannte  Werk  bietet  auf  47  in  der  litho- 
graphischen Anstalt  von  Steinmetz  und  Bornemann  (H.  Griefsbach) 
zu  Meifsen  ausgefüllten  Blättern  wohlgelungene  Wiedergaben  von 
älteren  Ansichten  der  Stadt  Meifsen,  ihrer  Plätze,  Strafsen  und 
Gebäude  sowie  ihrer  Umgebung.  Die  Vorlagen  befinden  sich  wohl 
meist  in  der  reichen  Sammlung  des  Meifsner  Geschichtsvereins,  über 
welche  Wilh.  Loose  in  den  Mitteilungen  dieses  Vereins  I,  6.3  fgg. 
eine  erschöpfende  Zusammenstellung  bietet.  Das  16.  Jahrh.  ist  nur 
durch  die  Ansicht  der  Stadt  nach  Hiob  Magdeburg  (1558),  das  17. 
durch  eine  Ansicht  nach  Merian  (1650)  und  einen  eigentlich  wohl 
nicht  hierher  gehörenden  Schutzbrief  des  General  Torstenson  von 
1642  vertreten,  das  18.  durch  13  Blätter,  unter  denen  die  Arbeiten  von 
Gottlob  Ehrlich  und  das  vortreffliche  Bild  des  Schlosses  von  C.  A. 
Günther  vor  allem  Beachtung  verdienen.  Weitaus  die  meisten  Blätter 
geben  Aufnahmen  des  1 9.  Jahrhunderts  wieder,  darunter  mehrere  von 
Ludwig  Richter  und  Ei  win  Oehme.  Von  grofser  Beherrschung  des  Stoffes 
zeugt  der  von  Wilhelm  Loose  verfafste  begleitende  Text,  eine  Vor- 
arbeit zu  seiner  „Topographie  der  Stadt  Meifsen",  deren  Anfang 
kürzlich  im  vorletzten  Hefte  der  schon  genannten  Mitteilungen  (III,  1) 
erschienen  ist. 

Während  das  eben  besprochene  Werk  lediglich  ein  Verlags- 
uuternehmen  ist  und  sich,  so  viel  uns  bekannt,  keiner  Subvention  zu 
erfreuen  gehabt  hat,  sind  für  Wustmanns  „Leipzig  dru'ch  drei  Jahr- 
hunderte" durch  den  Verwaltungsausschufs  der  Stiftung  für  die  Stadt 
Leipzig  freigebig  Mittel  zur  Verfügung  gestellt  worden;  es  ist  daher 
begreiflich,  dafs  die  Ausstattung  eine  weit  vornehmere  sein  konnte. 
Die  fast  durchweg  durch  Leipziger  Firmen  hergestellten  Tafeln 
stellen  der  Leistungsfähigkeit  derselben  das  rühmlichste  Zeugnis  aus. 
Meist  wurde  Zinkätzung  angewandt;  ein  Bild  wurde  mit  der  erhal- 
tenen Originalkupferplatte  gedruckt,  für  einige  andere  wurde  Licht- 
druck oder  Lithographie  angewandt.  Den  Preis  verdienen  die  4  in 
Heliogravüre   ausgeführten  Wiedergaben   Heckelscher   Kupferstiche 


166  Litteratnr. 

und  die  1:^  prächtigen  lüldchen  von  K.  IJ.  Schwarz,  die  chromo- 
lithographisch reproduziert  worden  sind.  Wie  formell,  so  steht  auch 
inhaltlich  das  Leipziger  "Werk  ül)er  dem  Meifsner,  woraus  dem  letzteren 
natürlich  kein  X'orwurf  zu  machen  ist:  Leipzigs  Vergangenheit  hot 
naturgeniäfs  ein  viel  i'oicheri'S  ]Material,  und  der  Herausgeber  hat 
es  trefflich  verstanden,  mit  bewährter  Sachkenntnis  und  feinem  Kunst- 
sinn das  Interessanteste  auszuwählen ;  nicht  blofs  die  Baugeschichte 
der  Stadt  führt  er  uns  ansc  baulich  vor  Augen,  sondern  wir  verdanken 
ihm  auch  manchen  willkommenen  Einblick  in  das  Leben  und  Treiben, 
wie  es  sich  auf  der  Strafse  und  in  den  Häusern  der  Stadt  zur  Zeit 
unserer  Altvordern  abspielte  Das  Ki.  Jahrhundert  ist  durch  7  Blätter 
vertreten;  darunter  drei  Stadtpläne:  die  Darstellung  der  Belagerung 
von  l.i47  als  das  älteste  erhaltene  Stadtbild,  der  Stadtplan  in  dem 
bekannten  Weike  von  Biauu  und  Hogenberg  (157i)  und  der  Knob- 
loch'sche  Stadtplan  von  1595:  ferner  finden  wir  vier  Innenansichten 
von  Leipzig,  welche  Strafsenscenen  aus  der  Zeit  der  Kalvinisten- 
verfolgung  darstellen  (1591 — 1593).  Zehn  weitere  Blätter  gehören 
dem  17.  Jahrhundert  an :  darunter  die  Stadtausichteu  von  Bietschneidei' 
(1615)  und  Dilich  (1()2H)  und  zwei  Pläne  von  ]H(j5,  während  Gablers 
Plan  von  16.-J7,  das  bedeutendste  Werk  dieser  Zeit,  der  die  Grund- 
lage vieler  anderen  Pläne  bildet,  wegen  seiner  Gröfse  und  der 
schlechten  Beschaffenheit  der  vorhandenen  Exemplare  ausgeschlossen 
wurde.  Aufserdem  sind  Ansichten  der  Pleifsenburg  von  1(}82,  1<>42 
und  1646,  des  Rathauses,  des  Eingangs  zur  Ratsliibiiothek,  des  Ein- 
gangs zur  Börse,  des  Inneren  der  Neukirche,  sämtlich  aus  dem  Ende 
des  17.  (odei-  Anfang  des  18.)  Jahrhunderts,  aufgenommen  worden. 
Weit  reiche]',  mit  nicht  w^eniger  als  54  Blättern,  ist  das  18.  Jahr- 
hundert, das  in  Leipzigs  Baugeschichte  eine  Glanzzeit  bildet,  ver- 
treten. Da  finden  wir  die  4  kleinen  Romstet'schen  Prospekte  von 
1700,  das  eigenartige  von  Joh.  Chrph.  Müller  1747  gezeichnete 
und  gestochene  Stadtbild,  den  in  seiner  Weise  vorzüglichen  Homann- 
schen  Plan  von  1749,  den  erst  der  ebenfalls  mitgeteilte  Stadtplan 
aus  Leonhardis  Geschichte  und  Beschreibung  von  Leipzig  (1799) 
wieder  erreicht.  Die  prachtvollen  vier  Ansichten  Christian  Heckeis 
„Leipzig  vor  den  4  Thoren"  (17()4)  sowie  die  reizende,  von  Karl 
Benjamin  Schwarz  gestochene  Folge  von  zwölf  Bildchen,  die  das 
Aufsenbild  Leipzigs  wiedergeben,  wie  es  sich  bei  einem  Gange  „ums 
Thor"  zeigt  (1784),  haben  wir  oben  schon  erwähnt.  Die  grofse  Menge 
der  Innenansichten  Leipzigs  vermögen  wir  nicht  einzeln  anzuführen. 
AVir  wollen  davon  nur  hervorheben  die  vortrefflichen  von  Joh. 
Georg  Schirraer  gezeichneten  und  gestochenen  Ansichten  des  Markts, 
der  Kathai'inenstrafse,  des  Thomaskirchhofes  und  des  Sacks.  Unter 
den  Abbildungen  i)räclitiger  Privathäuser,  die  damals  in  grofser  Zahl 
entstanden,  rühren  auch  mehrere  von  Scliirmer  her;  andere  sind  der 
in  Peter  Schencks  Verlag  (Amsterdam)  erschienenen  Sammlung  von 
Leipziger  Häuseransichten  entnommen  Mehrere  Prospekte  gestatten 
\;ns  Einblicke  in  die  damals  hochbeiühmten  Gartenanlagen  in  Leipzigs 
Vorstädten,  wie  den  Apelschen,  die  Boseschen  Gärten.  Dafs  Avigu.st 
der  Starke  die  Umwandlung  des  Rosentbals  in  einen  J'ark  und  die 
Erbauung  eines  Palais  daselbst  beabsichtigte,  zeigt  ein  1707  vom 
kurfürstlichen  Überingenieur  Major  Naumann  entAVorfener  Rifs.  Als 
öffentlicher  Garten  kam  das  Rosenthal  erst  Ende  des  Jahrhunderts 
in  Aufnahme:  den  Eingang  in  dasselbe  sowie  das  bunte  Leben  auf 
der  Promenade  zeigen  uns  zw^d  prächtige  Stiche  von  Rosmäsler 
(1777);  von  gleichem  kultiirgeschichtlichen  Interesse   ist  eine  dritte 


Litteratur.  1G7 

Arbeit  desselben  Künstlers,  die  Auerbachs  Hof  darstellt.  —  Diese 
Proben  genügen,  um  von  dem  reichen  Inhalt  des  Werkes  einen  Be- 
griff zu  geben.  Mit  dem  Ende  des  vorigen  Jahrhiuiderts  schliefst 
Wustmaun  seine  Sammlung  ab. 

Die  Absicht,  mit 'dem  Bilderwerke  eine  ausführliche  Baugeschichte 
Leipzigs  zu  verbinden,  gab  der  Verfasser  wegen  der  grofsea  Menge 
des  ihm  zufliei'senden  Materials  auf;  hoffentlich  läfst  er  dieselbe  in 
nicht  zu  lange!'  Frist  als  besondere  Publikation  erscheinen.  Die  bei- 
gefügten Erläuterungen  besprechen  die  einzelnen  Bilder  nach  ihrer 
Herkunft  und  ihrem  gegenseitigen  A^erhältnis,  die  Künstler,  die  sie 
gezeichnet  und  gestochen,  ferner  die  geschichtlichen  Verhältnisse, 
an  die  sie  erinnern,  alles  in  knapper,  klarer  Form  und  geschmack- 
voller Sprache.  Manchem  Benutzer  wäre  es  willkommen  gewesen,  wenn 
die  Übersichtlichkeit  des  Werkes  durch  Numerierung  der  Tafeln  ixnd 
Beifügung  eines  Inhaltsverzeichnisses  erhöht  worden  wäre. 

Das  Beispiel,  das  die  beiden  vorstehend  genannten  Werke  ge- 
geben haben,  verdiente  recht  viel  Nachahmung;  in  der  Mehrzahl 
unserer  alten  Städte  ist  Stoff  genug  für  ähnliche  Verölfeutlichungen 
vorhanden,  und  die  Kosten  sind  bei  den  moderneu  Reproduktions- 
mitteln nicht  sehr  erheblich.  Vor  allem  wünschten  wir  für  zwei 
Städte  gleiche  Bilderwerke:  für  Dresden  und  für  Freiberg.  — 

Als  Voiläufer  für  ein  solches  möchten  wir  die  beiden  verdienst- 
lichen Publikationen  ansehen,  die  der  Verein  für  Geschichte  Dresdens 
in  den  .lahren  1890  und  1892  seinen  Mitgliedern  geboten  hat.  Die 
Kupferstichsammlung  Seiner  Königlichen  Hoheit  des  Prinzen  Georg 
enthält  eine  künstlerisch  wie  geschichtlich  AvertvoUe  Sammlung  von 
90  Ansichten  der  Dresdner  Festungswerke  vor  ihrer  1811  begonnenen 
Abtragung,  die  auf  Veranlassung  des  Organisten  an  der  evangelischen 
Hofkirche,  Friedr.  Georg  Kirsten,  in  den  Jahren  1821  —  25  nach  älteren 
Skizzen  durch  den  Landschaftsmaler  Friedrich  August  Kaunegiefser 
in  Wasserfarben  ausgeführt  wnrde;  diese  Sammlung,  deren  Haupt- 
vorzug die  grofse  Treue  der  Wiedergabe  ist,  veröffentlicht  das  an 
dritter  Stelle  genannte  Werk  in  vorzüglichen  Lichtdrucken.  Bei- 
gefügt ist  die  von  Kirsten  verfafste  Beschreibung  der  Ansichten; 
Ratsarchivar  Dr.  Otto  Richter,  der  die  Herausgabe  besorgte,  hat 
sie  mit  einigen  erläuternden  Verweisen  auf  die  heutigen  Bezeich- 
nungen der  erwähnten  ()rtlichkeiten  begleitet. 

Otto  Richters  Anregung  verdanken  wir  auch  die  an  letzter 
Stelle  genannte  Publikation.  Das  vielbenutzte  und  jetzt  im  Buch- 
handel immer  seltener  werdende  Prachtwerk  von  Galriel  Tzschimmer 
„Die  Durchlauchtigste  Zusammenkunft",  das  bekanntlich  die  Er- 
innerung an  die  im  Februar  1678  gelegentlich  der  Zusammenkunft 
des  Kurfürsten  Johann  Georg  IL  mit  seinen  3  Brüdern  stattgehabten 
Festlichkeiten  verewigen  sollte,  ist  auch  für  die  Kenntnis  des  damaligen 
Stadtbildes  eine  wertvolle  Quelle;  die  Strafsen-  und  Häuseransichten, 
die  den  Hintergrund  für  die  Darstellung  der  Aufzüge  und  sonstigen 
Festlichkeiten  bilden,  sind,  namentlich  was  die  architektonischen 
Formen  der  Häuserfassaden  anlangt,  von  unbestreitbarer  Treue  und 
für  uns  um  so  intei'essanter,  als  nur  wenige  Häuser  noch  heute  in 
dem  damaligen  Zustande  erhalten  sind.  Es  war  daher  gewifs  ein 
guter  Gedanke,  die  betreffenden  Kupferstiche  durch  den  Lichtdruck 
allgemeiner  bekannt  zu  machen.  Fast  alle  irgendwie  beachtens- 
werten Teile  der  damaligen  Stadt:  Neumarkt,  Moritzstrafse ,  Ram- 
pische Gasse,  An  der  Frauenkirche,  Kreuzgasse,  Schlofsgasse ,  Alt- 
markt,   Wilsdruffer    Gasse,    Jüdeuliof,    in  Neustadt   der  Markt  und 


1  fi8  Littorntnr. 

die  Klostergasse  konnteil  berücksichtigt  werden.  Besondere  Aner- 
kennung verdienen  die  von  O.  Jüchter  verfafsten  Erläuterung-en, 
welche  die  Cieschichte  jedes  einzelnen  der  dargestellten  Grundstücke 
mit  urkundlicher  Genauigkeit  bis  zur  ^'euzeit  verfolgen. 

Das  Einzige,  was  wir  bei  beiden  Publikationen  im  Interesse 
der  Sache  bedauern,  ist,  dafs  sie  nicht  im  ]]uchhandel  erschienen  und 
dadurch  weiteren  Kreisen  zugänglich  gemacht  worden  sind. 

Dresden.  H.  Ermisch. 

Hrockhaus'  Konversatioiis-Lexiko«.  Vierzehnte  vollständig  neu 
bearbeitete  Autiago.  In  16  Händen.  Zweiter  bis  fünfter  Band 
(Astrachan— Elektrodiagnostik).  Mit  zahlreichen  Tafeln  und  Text- 
abbildungen. Leipzig,  Berlin  und  Wien,  F.  A.  Brockhaus.  1892. 
Je  1018  SS.  8«. 

Von  der  neuen  Auflage  des  Brockhausschen  Konversations- 
Lexikons,  dessen  ersten  Band  wir  Bd.  XIII  S.  169  angezeigt  haben, 
sind  im  Laufe  des  Jahres  1892  vier  weitere  Bände  erschienen,  die 
mehrere  für  die  Geschichte  Sachsens  in  Betracht  kommende  Artikel 
enthalten.  Von  den  Landesfürsten  haben  die  Kurfürsten  August, 
Friedrich  August  I.  und  IL  (letztere  unter  ihren  polnischen  Königs- 
namen August  IL  und  III.)  ausführlichere,  Christian  I.  und  IL 
kürzere  Behandlung  gefunden;  eine  solche  hätte  wohl  auch  Landgraf 
Balthasar  verdient,  der  ganz  übergangen  worden  ist.  Die  natürlich 
auf  das  notwendigste  eingeschränkten  Litteraturangabe/?  legen  von 
neuem  Zeugnis  davon  ab,  Avie  dürftig  doch  im  (4 runde  unsere  ge- 
schichtliche Litteratur  ist;  dafs  das  Hauptwerk  über  eine  so  bedeu- 
tende Erscheinung  wie  Friedrich  August  L,  die  polnisch  geschriebene 
zweibändige  Biographie  vor  Jarocbowski  (1874),  noch  nicht  durch 
eine  Übersetzung  auch  uns  zugänglich  gemacht  worden  ist,  ist  doch 
recht  anfallend;  unter  diesen  Umständen  wäre  wohl  ein  Hinweis  auf 
die  allerdings  in  vieler  Hinsicht  unerfreuliche  Leben.sbeschreibung 
Friedlich  Augu.sts  von  Fafsmann  (1733,  2.  Aufl.  17.34),  vielleicht  auch 
auf  das  bekannte  Werk  von  PoUnitz  La  Saxe  galante  angebracht 
gewe.'en.  Im  übrigen  rühren  diese  Artikel,  wie  auch  die  über 
die  Staatsmänner  Beust.  Brühl  und  Grell,  über  Joh.  Friedrich 
Böttger,  den  Eriinder  des  Porzellans,  den  Historiker  Karl  Wilhelm 
Böttiger  (dessen  immerhin  recht  vei dienstliche  Geschichte  Sachsens 
uns  eine  weniger  scharfe  Beurteilung  zu  verdienen  scheint)  u.  s.  w. 
offenbar  von  sachvei'ständigen  Verfassern  her  und  gehen  keinen  An- 
lafs  zu  Bedenken.  Von  sächsischen  Städten  haben  Bautzen,  Chemnitz 
und  Dresden  eingehende,  auch  die  geschichtlichen  Verhältnisse  be- 
rücksichtigende Behandlung  gefunden;  zur  Baugeschichte  von  Chem- 
nitz wäre  wohl  auf  Steches  Beschreibende  Darstellung  der  älteren 
Bau-  und  Kunstdenkmäler  Sachsens,  Heft  7  (1886),  zu  der  von 
Dresden  auf  das  im  Jahre  1878  vom  Dresdner  Architektenverein 
herausgegebene  Werk  „Die  Bauten  von  Dresden"  (in  welchem  der 
betreffende  Abschnitt  ebenfalls  von  Steche  bearbeitet  ist)  hinzuweisen 
gewesen.  In  den  Abschnitten  Bergbau,  Bergrecht,  Bergscböftenstuhl 
u.  s.  w.  hätte  die  so  wichtige  (ieschichte  des  Freiberger  Bergbaues 
und  Bergrechts,  über  die  neuerdings  ja  mehrere  eingehende  Arbeiten 
veröffentlicht  worden  sind,  mehr  Berücksichtigung  verdient. 

Dresden.  H.  Ermisch. 


Litteratur.  169 

Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschiclite  und  Altertumskunde.*) 

Arras,  Paul.  Regesteiibeiträge  zur  Geschichte  König  Ludwigs  II. 
von  Ungarn  und  Böhmen.  Zusammengestellt  auf  Grund  der  Ur- 
kunden, welche  sich  im  Baixtzner  Ratsarchive  vorfinden.  (Wissen- 
schaftliche Beilage  zu  dem  Programm  des  Gymnasiums  zu  Bautzen.) 
Bautzen.     1893.    25. SS.  4». 

Baumgürtel,  H.  Die  Übergabe  der  Lausitz  an  den  Kurfürsten  von 
Sachsen:  Wöchentliche  Beilage  zu  den  Bautzner  Nachrichten. 
1892.     No.  37-41 

—  Die  Huldigung  Johann  Georgs  L:    elienda.     1893.     No.  9—12. 

Beck,  Eich.  Ein  Stundenplan  für  die  Zwickauer  Gelehrtenschule 
von  1676 :  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs- 
und Schulgeschichte.     Jahrg.  I  (1891).     S.  238—242. 

Beer,  Bndolf.  Moritz  Hauptmann.  Ein  Gedenklatt  zu  seinem  100.  Ge- 
burtstage, 13.  Okt.  1892:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.    1892.    No.  122.     S.  485—487. 

Berling,  Karl.  Von  der  Dresdener  Elfenbeinausstellung:  Vom  Fels 
zum  Meer.     1892/93.     Heft  6.     S.  48,5—^94. 

Bolte,  Johannes.  Zwei  sächsische  Dorf sclmlordnun gen  des  17.  Jahr- 
hunderts (Reinersdorfund  Schönfeld):  Mitteilungen  der  Gesellschaft 
für  deutsche  Erziehuugs-  und  Schulgeschichte.  Jahrg.  II  (1892). 
S.  131-142. 

Börner,  K.  Aus  Sachsens  Volksschulen  im  18.  Jahrhundert  (Schlufs) : 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1892.  No.  110. 
S.  437-440. 

Bornhak,  F  Anna  Amalia  Herzogin  von  Sachsen-Weimar-Eisenach, 
die  Begründerin  der  klassischen  Zeit  Weimars.  Nebst  Anhang-: 
Briefwechsel  Anna  Amalias  mit  Friedrich  dem  Grossen.  Mit 
zwei  Porträts  und  einem  Facsimile.  Berlin,  F.  Fontane  &  Co. 
1892.     2  Bll.     372   SS.  8». 

V.  Boetücher.  Grabsteine  und  Epitaphien  in  der  Kirche  zu  Göda: 
Neues  Lausitz.  Magazin.     Bd.  LXVIII  (1892).     S.  224-249. 

Buchivald,  G.  Stadtschreiber  M.  Stephan  Roth  in  Zwickau  in  seiner 
litterarisch-buchhändlerischen  Bedeutung  für  die  Reformationszeit: 
Archiv  für  Geschichte  des  Deutschen  Buchhandels.  XVI  (1893). 
S.  6-246  (mit  6  Bll.  Abbild.). 

Burkhardt.  Die  Münzen  und  Medaillen  des  Herzogs  Ernst  Aug-ust 
von  Sachsen -Weimar,  1731  —  1748.  A.  Die  Münzen:  Blätter  für 
Münzfreunde.  1892.  Sp.  1740—1743.  1750  f.  1765  —  1767.  1778 
bis  1780.  1786-1793. 

Dihelius.  Aus  der  Geschichte  der  Kreuzkirche :  Unsere  Kreuzkirche. 
Festschrift  zur  Erinnerung  an  die  vor  hundert  Jahren  erfolgte  Ein- 
weihung  des    Kirchengebäudes,    der    Gemeinde   dargeboten    vom 


*)  Der  Herausgeber  bittet  angelegentlich  die  Herren  Verfasser, 
Verleger  und  Redakteui-e,  durch  Zusendung  der  neu  erschienenen 
Publikationen  auf  dem  Gebiete  der  sächsischen  Geschichte,  besonders 
solcher,  die  leicht  der  Beachtung  entgehen,  wie  Gelegenheitsscbriften, 
Programme,  kleinere  Aufsätze  in  Zeitungen  und  Zeitschiiften,  zur 
Vollständigkeit  der  bibliographischen  Übersichten  beitragen  zu  wollen. 


1 70  Litteratur. 

Kirclieuvorstand  der  Kreuzparocliic  in  Dresdeu  (Dresden  1892). 
S.  3-18. 

Dietrich,  Ad.  Friedricli  iler  Freidig-e.  Ruliiiie.slilätter  und  Sagen- 
klänge aus  Thüringen.  Dresden  und  Leipzig.  Pierson.  189'^.  141 
SS.  80. 

Distel,  Th.  Zur  Todesstrafe  gegen  Wilderer  in  Kursachsen.  Neues 
aus  der  Gesetzgebung  und  Sprnchpraxis  vor  dem  Mandate  vom 
10.  Oktober  1.Ö84:  Zeitschrift  für  die  gesamte  Straft-echts Wissen- 
schaft.    Bd.  XIII  (1892/93).     S.  259-278. 

—  Span  und  Käsen:  Zeitschrift  der  Savigny-Stiftung  für  Rechts- 
geschichte.    M.  XIII.     Herrn.  Abth.  (1893).     S.  22(5. 

—  Einiges  zur  Person  des  Verbrenners  lutherischer  Schriften  in 
Dresden  (um  !ö2()):  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte.  Bd.  XIII 
(1892).     S.  389. 

—  Xeue,  Luthers  und  Melanchthons  Ende  betreffende  Archivalien: 
ebenda  S.  .393  -396. 

—  Eindruck  der  Nachricht  vom  Tode  Melanchthons  auf  den  Kur- 
fürsten August  zu  Sachsen:  ebenda  S  394—396. 

—  Findlinge  (l.Weihnachtsspiel  im  sächsischen  Erzgebirge.  2.  Michael 
Becker,  der  lateinische  Bauer.  3.  Noch  ein  Gedicht  der  Neu- 
berin  an  Brühl):  Vierteljahrsschrift  für  Litteraturgeschichte. 
Bd.  V  (1892).     S.  598-607. 

—  Kunstgeschiclitliche  Findlinge  aus  dem  K.  S.  Hauptstaatsarchive : 
Zeitschrift  für  bildende  Kunst.     N.  F.  IV  (1892/93).     S.  70f.  95  f. 

—  Aus  von  Racknitzens  Kunstberichten  (1801):  Monatshefte  für 
Musikgeschichte.     Jahrg.  24  (1892).     S.  139-142. 

—  Erinnerungen  an  die  Gi'illenburg.  Mit  Abliildung:  Weidmann 
Bd.  XXIV  (1892/93).     S.  5. 

—  Das  Grafendiplom  für  Moritz  von  Sachsen:  Dresdner  Anzeiger. 
1892.     No.  256.     S.  4. 

Dittrich,  Mox.  General -Feldmarschall  Prinz  Georg  Herzog  zu 
Sachsen.  Ein  militärisches  Lebensbild.  ■Mit  dem  Bihhiiss  des 
Prinzen.     Dresden,  Albanus'sche  Buchdruckerei.    1889.   .34  SS.  8". 

—  Militär -Jubelfeste  Sr.  Majestät  des  Königs  Albert  von  Sachsen: 
Norddeutsche  Allgemeine  Zeitung.     1892.     No.  486. 

—  Habsbnrg  und  Wettin.  Ein  historischer  Rückblick:  Zwickauer 
Wochenblatt.     1893.     No.  13. 

Doehner,  A.  W.  Peter- Vischer-Studien.  II.  Die  metallenen  Grab- 
platten in  der  Kurfürstlichen  Begräbniskapelle  des  Doms  zuMeifsen : 
Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stailt  Nürnberg. 
Heft  9  (1892).     S.  169-184. 

Erbstein,  Jul.  Das  Königl.  Grüne  Gewölbe  in  seiner  neuen  Auf- 
stellung.    Dresden  1892.     24  SS.    8". 

—  Die  Denkmünze  auf  den  Besuch  Sr.  Majestät  des  Königs  Al])ert 
von  Sachsen  in  der  Königlichen  Münzstätte  Muldener  Hütte  am 
16  .luli  1892:  Blätter  für  Münzfreunde.  1892.  Sp.  1738-1710 
(mit  Abbild.). 

Erhard,  Kunifj.^  Stiller,  Gust.,  Stiller,  Gtist.,  u.  Gerlach,  G.  Theod.  Die 
Nachkomuu-n  von  Johann  Christoph  Stiller,  Rathmann  in  Hirsch- 
berg (Schlesien),  und  seines  mittelsten  Sohnes  Johann  Cliristoph 
Stiller.  Postmeister  und  Raths-Scnior  in  Strehlen  (Schlesien).  Nach 
zuverlässigen  Angaben  zusammengestellt  im  Jahic  1890.  Köln 
1891.     31   SS.   80  und  I   Tabelle. 

Foucart.  Une  division  de  cavalerie  legere  en  1813.  Operations  sur 
les  Communications  de  l'armee.   Combat  d'Altenburg-  28.  Septembre 


Litteratur.  171 

1813.  Paris  et  Naucv,  Librairie  Militaire  Berger-Levrault  et  Cie. 
1891.     138  SS.  80  uiad  1  Plan. 

Freytng,  Ernst  Bich.  Historische  Volk.slieder  des  sächsischen  Heeres. 
Aus  fliegenden  Blättern,  handschriftlichen  Quellen.  Liedersamm- 
lungen und  dem  Yolksmunde  gesammelt  und  herausgegeben. 
Dresden,  Glöfs.     1892.     VIT,  175  SS.  8". 

F [ritzen],  A.  Georg  der  Bärtige  von  Sachsen  iind  die  religiöse 
Neuerung:  St.  Benno-Kalender.     1893     S.  63-77. 

Gehmlich^  Ernst.  Aus  der  Geschichte  der  Schule  in  Baalsdorf  bei 
Leipzig  (17-29— -1785):  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschichte.     Jalu'g.  II  (189:2).     S.  251—253. 

—  Die  städtischen  Lateinschulen  des  sächsischen  Erzgebirges  im 
16.  Jahrhunderte.     Leipzig-Reudnitz.    1893.     78  SS.  80. 

Frhr.  v.  Hansen,  Clemens.  Vasallen-Geschlechter  der  Markgrafen 
zu  Meifsen,  Landgrafen  zu  Thüringen  und  Herzöge  zu  Sachsen 
bis  zum  Beginn  des  17.  Jahrhunderts.  Auf  Grund  des  im  königl. 
Hauptstaatsarchive  zu  Dresden  befindlichen  Urkundenmaterials 
zusammengestellt.    Berlin,  C.  Heymann.    1892.   3  Bll    643  SS.  8'^. 

Heigel,  K.  Th.  Die  Wettiner :  Heigel,  Essays  aus  neuerer  Geschichte 
(München,  Bamberg,  Leipzig,  C.  C.  Buchner  1892).     S.  272-297. 

Helmolt.  Leipzig  und  Torstensson:  Wissenschaftliche  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.     1892.     No.  146.     S.  .581f. 

Hockanf,  Anton.  Das  Erbe  Heinrichs  von  Schleinitz  bei  der  Theilung 
im  Jahre  1566:  Mittheilungeu  des  Nordböhmischen  Excursions- 
Clubs.     Jahrg.  XV  (1892).     S.  348— 3.n0. 

Hühner,  Carl.  Zur  Geschichte  der  kursächsischen  Politik  beim  Aus- 
bruche des  östen'eichischen  Erbfolgestreites.  Inaug.  -  Dissertation. 
Leipzig-Reudnitz.     1892.     114  SS.  8o. 

Kirchhoff,  Albrecht.  Wirthschaftsleben  im  älteren  Buchhandel.  Ernst 
Vögelin  in  Leipzig:  Archiv  für  Geschichte  des  Deutschen  Buch- 
handels.    XVI  (1893).     S.  247-354. 

Knothe,  H.  Die  Dörfer  des  Weichbildes  Löbau:  Neues  Lausitz. 
Magazin.     Bd.  LXVIII  (1892).     S.  176—223. 

—  Entgegnung  [auf  den  .Aufsatz  von  A.  v.  Mülverstedt  s.  d.]:  ebenda 
S.  270—272. 

Köhler.  Die  meifsnische  Land-  und  Bergchronik  des  Petrus  Albinus, 
eine  Vorläuferin  unserer  Landeskunden:  Glückauf!  Organ  des 
Erzgebirgs-Vereins.    Jahrg.  12  (1892).     S.  36-39.  45—50. 

Körner,  E.  Das  Altargemälde  im  hohen  Chore  des  Domes  zu  Meifsen: 
Cliristliches  Kunstblatt  für  Kirche,  Schule  und  Haus.  Jahrg.  1Ö91. 
S.  148—152. 

Korscheit,  G.  Kriegsereignisse  der  Oberlausitz  zur-  Zeit  des  bay- 
rischen Erbfolgekrieges:  Gebirgsfreund.  Jahrg.  V  (1893).  S.  2 
bis  4.  15  f.  32  f.    37—39. 

Köster.  Dr.  Nicolaus  Krottenschmidt.  Naumburger  Anualen  vom 
Jahre  1305  bis  1547  nach  seiner  im  städtischen  Archiv  be- 
findlichen Handschrift.  Naumbui-g  a/S. ,  H.  Sieling.  1891. 
94  SS.  80. 

—  M.  Sixtus  Braun,  Naumburger  Anualen  vom  .Jahre  799  bis  1613. 
Nach  seiner  im  städtischen  Archiv  befindlichen  Handschrift  heraus- 
gegeben.    Naumburg,  H.  Sieling.     1892.     537  SS.  8^. 

Köstlin,  Jul.  Eiiedricli  der  Weise  und  die  Schlofskirche  zu  AVitteu- 
berg.  Festschrift  zur  Einweihung  der  Wittenberger  Schlofskirche 
am  Tage  des  Reformationsfestes  den  31.  Oktober  1892.  Witten- 
berg, R.  Herrose.     1892.     111  SS.  4^. 


172  TJtteiatnr. 

Krause,  Bruno.  Kurzgefaistcr  Altrifs  der  Geschichte  des  Grofn- 
herzoglichen  Hauses  von  Toscana  und  der  Verwandtschaftsver- 
hältnisse zwisciion  den  beiden  Fürstonhäusern  von  Wettin  und 
von  Toscana.  Goscliichtlich(i  Studie  mit  5  Lichtdrucktafeln, 
1  Kartenskizze  und  1  Stammtafel.  Dresden,  Alvpin  Huhle  (Komm.). 
^  1893.     19  SS.  8». 

Kriebel,  Ed.  Einiges  über  Hohnstein :  Über  Berg  und  Thal.  Ürgan 
des  Gebirgsvereins  für  die  sächsische  Schweiz.  Jahrg.  15  (1892). 
S.  803—306. 

Kröher,  P.  F.  E.  Aus  der  Verganjienheit  von  Meuselwitz  und  Um- 
gegend. Im  gemeinnützigen  Verein  zu  Meuselwitz  erzählt.  Selbst- 
verlag des  Verfassers  (1892).     64  SS.  8». 

Lange.  Die  Eröffnung,  das  Verfahren  und  die  Beendigung  des 
Mansfelder  Konkurses:  Mansfelder  Blätter.  Jahrg.  VI  (1892). 
S.  22—26. 

Laue,  M.  Sachsen  und  Thüringen :  Jahresberichte  der  Geschichts- 
wissenschaft im  Auftrage  der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin 
herausgegeben  von  J.  Jastrow.  Jahrg.  XIV.  1891.  (Berlin, 
Gärtner  1893.)     II.  S.  209-251. 

Lehmann,  Oscar.  Ernst  Gedikes  Bemühungen  für  Einrichtung  der 
Bürgerschule  in  Sachsen :  Sächsische  Schulzeitung.  1892.  No.  40. 
S.  497-501. 

Lenz,  Max.  Zur  Schlacht  bei  Frankenhausen:  Historische  Zeitschrift, 
herausgegeben  von  Heinrich  von  Sybel  und  M.  Lehmann.  N.  F. 
Bd.  33  (1892).     S.  193-:208. 

Leßke,  Friedr.  Aug.  Beiträge  zur  Geschichte  und  Beschreibung 
des  Plauenschen  Grundes.  Erster  Teil.  Dresden  und  Leipzig, 
W.  Reuter  (Komm.).    445  SS.  80. 

Lippert,  Wohl.  Markgraf  Ludwig  der  Ältere  von  Brandenburg 
und  Markgraf  Friedrich  der  Ernste  von  Meifsen:  Forschungen 
zur  Brandenburgischen  und  Preufsischen  Geschichte.  Bd.  V,  2.  Hälfte 
(1892).    S.  208-218. 

—  Deutscher  Sprachunterricht  eines  sächsischen  Prinzen  am  Ende 
des  XV^II.  .Jahrhunderts:  Zeitschrift  des  allgemeinen  deutschen 
Sprachvereins.    Jahrg.  VII.     No.  10.     Sp.  153—155. 

Latz,  Walter.  Die  drei  Flugschriften  über  den  Münzstreit  der  säch- 
sischen Albertiner  und  Ernestiner  um  1530.  Unter  Mitwirkung 
von  K.  F.  Jötze  in  Übersetzung  herausgegeben  und  erläutert. 
(A.  Tl.  d.  T. :  Brentano  und  Leser,  Sammlung  älterer  und  neuerer 
staatswissenschaftlicher  Schriften  des  In-  und  Auslandes,  No.  2.) 
Leipzig,  Duncker  &  Humblot.      IS93     IX,  117  SS.  8«. 

Lungwitz,  Herrn.  Die  Teuerung  und  Hungersnot  im  Erzgebirge  in 
den  Jahren  1771  und  1772:  Annaberger  Wochenblatt.  1892. 
No.  236. 

—  Weihnachten  im  Übererzgebirge:  Beilage  zum  Annaberger  Wochen- 
blatt.    1892.     No.  287. 

—  Evan  Evans,  der  erste  Baumwollspinner  Sachsens:  ebenda.  1893. 
No.  35. 

M.,  M.  Die  Eibschifffahrt  in  diesem  Jahrhundert:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung  1892.  No.  131.  133.  S.  521—524. 
529     532. 

May,  Emil.  Die  Zittauer  Rathsbibliothek  :  Leipziger  Zeitung.  1893- 
No.  35.    S.  .508f. 

V.  Minciaritz.  A.  Sächsische  CarabinieT's :  Wissenschaftliche  Bei- 
lage der  Leipziger  Zeitung.     1892.     No.  150.     S.  597—599. 


Litteratnr.  173 

Mitzschke,    P.     Hohes   Alter,    Wiedcrvermählungen ,    Kindersegen 

und  Ehejubiläen    im  Hause  Wettin:    Jenaische   Zeituny.     1892. 

No.  234.  236. 
V.  MiUverstedt,  Ad.    In  Sachen  der  Frage  über  die  Nationalität  alter 

oberlausitzischer  Adelsgeschlechter,  insbesondere  auch  in  Betreff 

der  V.  Maxen:    Neues    Lausitz,   Magazin.      Bd.  LXVIII   (1892). 

S.  261—272. 
NfagelJ.      Ein   Brenaer   Denar:    Blätter   für   Münzfreunde.      1892. 

Sp.  1718  (mit  Abbild.). 
Needon,   R.     Die  Pest  in  Sachsen:    Wissenschaftliche  Beilage   der 

Leipziger  Zeitung.     1892.    No.  111.     S.  441-444. 
Neubert,   K.  Heim:     Aus  Dresdens  Leidenstagen   1760:    Dresdner 

Anzeiger.     1892.     No.  329f. 

—  Aus  der  Geschichte  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  Vortrag  aus 
Anlafs  der  einhundertjährigen  Feier  der  Weihe  der  jetzigen  Kreuz- 
kirche gehalten.     Dresden,  v.  Zahn  &  Jaensch.    1893.    62  SS.  80. 

Pahner,  Pich.  Veit  Ludwig  von  Seckendorff  und  seine  Gedanken 
über  Erziehung  und  Unterricht.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
Pädagogik  des  17.  Jahrhunderts.  Liaug. -Dissertation.  Leipzig  1892. 
59  SS.  8". 

Pfau,  W.  C.  Die  Rochlitzer  Garnison  vor  1788 :  Vereinigtes  Wochen- 
blatt für  Rochlitz  u.  s.  w.     1892.     No.  121. 

—  Die  alte  Bruderschaft  der  Rochlitzer  Leineweber :  ebenda  No.  133. 
Pßitz,    E.     Beiträge   zur   Lokalgeschichte   der   oberen    sächsischen 

Schweiz.      Krippen:    Über   Berg   luid   Thal.      Jahrg.  15    (1892). 
S.  283f.  306  f. 

—  Die  Lobedänze:  ebenda.     Jahrg.  16  (1893).     S.  341  f. 
Pilk,  Georg.    Ein  Gefangener  auf  Hohnstein:   ebenda  S.  337 f. 

—  Historische  Streifzüge  (I.  Spreethal,  Wilthener  Berge):  Gebirgs- 
freund.     Jahrg.  V  (1893).     S.  26-28.  39-41. 

—  (u.  A.  Paudler).  Ortsgeschichtliche  Findlinge :  Mittheilungen  des 
Nordböhmischen  Excursions-Olubs.  Jahrg.  XV  (1892).  S.  226-231. 
329-334. 

Reineck,  Carl.  Erfurt  und  das  tolle  Jahr.  Ein  Geschichtsbild.  Ham- 
burg, Verlagsanstalt  und  Druckerei.     1893.     56  SS.  8**. 

Richter,  Bernhard.  Erinneruugsblätter  an  das  100jährige  Jubiläum 
der  Ratsfreischule  zu  Leipzig.  Berlin,  Max  Hesse.  1893.  47  SS.  8». 

—  Paul  Emil.  Litteratnr  der  Landes-  und  Volkskunde  des  König- 
reichs Sachsen.  Herausgegeben  für  den  Verein  für  Erdkunde. 
Nachtrag  1.     Dresden,  A.  Huhle  (Komm.).     1893.    43  SS.  8«. 

Roepell,  R.  Das  Interregnum.  Wahl  imd  Krönung  von  Stanislaus 
August  Poniatowsky.  5.  Oktober  1763  bis  7.  Dezember  1764: 
Zeitschrift  der  Historischen  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen. 
Jahrg.  VI  (1891).    S.  255-342.     Jahrg.  VII  (1892).    S.  1-81. 

Romint,  Gerhnrt.  Der  Dom  zu  Meifsen:  Das  Atelier.  Jahrg.  III. 
Heft  55  (1893).     S.  5  f. 

Saß,  E.  Die  v.  Oertzen  in  der  Lausitz.  Die  Gruppe  Mittel-Helpte, 
nämlich  die  Häuser  Leppin-Rattey-Laubsdorf,  Horno  und  Bagenz. 
Schwerin,  Ed.  Herberger.  1892.  XXXII,  330  SS.  8^  und  1  Stamm- 
tafel. (Separatabdruck  aus  Lisch  u.  Safs,  Urkundliche  Geschichte 
des  Geschlechts  von  Oertzen.     Bd.  V.    Schwerin  1889.     S.  209 ff.) 

Scheutßer.  Bruchstücke  einer  Selbstbiographie  des  kursächsischen 
(Oberhofpredigers  D  Mathias  Hoe  v.  Hoenegg:  Jahrb  d.  Gesell- 
schaft f.  d.  Gesch.  d.  Protestanten  in  Oesterreich.  Jahrg.  XIII 
(1892).     S.  28-40.  105—135. 


X74  Litteraüir. 

Scheuffler.  Die  evangelisch-lutherische  Gemeinde  Schirgiswalde.  Vor- 
trag, gehalten  in  der  Versammlung  der  evangelischen  Hausväter 
zu  Schirgiswalde  am  3.  Mai  1892.  Schirgiswalde ,  Selbstverlag 
der  evangelisch-lutherischen  Gemeinde.     1892.     IK  SS.  8*^. 

f  Schmidt,  Ludio.J  Die  Nothwendigkcit  der  Begründung  einer  histo- 
rischen Commission  für  sächsische  Geschichte:  Wissenschaftliche 
Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1893.     No.  10.    S.  37 f. 

[Schneider.]  Aus  der  älteren  (iescliiehte  Sachsens  I—V:  K.  sächs. 
concessiou.  vaterländischer  Kalender.  (Dresden,  E.  Schneider.) 
Jahrg.  1889-1893. 

Schneider,  Georg.  Burkhai'dtsdorf  zur  Zeit  des  30jährigen  Krieges: 
Burkhardtsdorfer  Zeitung.     1892.     No.  20—27. 

Schulte,  Wilh.  Jbrähim  ibn  Jaqübs  Reiselinie  durch  die  heutige 
Provinz  Sachsen  nach  Böhmen :  Archiv  für  Landes-  und  Volks- 
kunde der  Provinz  Sachsen.     Jahrg.  II  (1S92).     S.  71—83. 

Siedet,  Ernst,  Vierzig  Amtsjahre  in  der  Kiichfahrt  Tharand.  Ein 
pastoraler  Rechenschaftsbericht  beim  Abschiede  seiner  theuern 
Gemeinde  gewidmet.  Dresden,  J.  Naumann  (Komm.).  1891. 
17  SS.  8«. 

Siegert,  Gustav.  Die  Heimatsgeschichte  Leipzigs  in  den  Schulen 
Leipzigs.  Ein  Handbuch  für  Lehrer  und  Erzieher.  Leipzig, 
R.  Voigtländer.     1892.     45  SS.  8°. 

Simon,  A.  Die  Verkelu'sstrafscn  in  Sachsen  und  ihr  Einflul's  auf 
die  Städte-Entwickelung  bis  zum  Jahre  1500.  Mit  einer  Karte. 
(Forschungen  zur  deutschen  Landes-  und  Volkskunde ,  im  Auf- 
trage der  Centralkommission  für  wissenschaftliche  Landeskunde 
in  Deutschland  herausgegeben  von  A.  Kirchhoff.  Bd.  VII.  Heft  2.) 
Stuttgart,  J.  Engelhorn.     1892.     S.  173-271. 

Sponsel,  Jean  Louis.  Die  Frauenkirche  zu  Dresden.  Geschichte 
ihrer  Entstehung  von  Georg  Bähr's  frühesten  Entwürfen  an  bis 
zur  VoUendmig  nach  dem  Tode  des  Erbauers.  Lieferung  I.  IL 
Dresden,  Wilhelm  Baensch.  1893.  2  Bll.  S.  1-48.  4«  und 
10  Tafeln. 

Stein,  Gustav.  Aus  den  Schicksalen  des  Aunaberger  Silberbeigbaues: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1892.  No.  132. 
S.  525 f 

—  Altes  und  Neues  von  Schneeberg  und  seinem  Bergbau:  ebenda 
1893.     No.  28.     S.  109-111. 

Stephan,  G.  Lehr-  und  Lektionsplau  einer  Leipziger  Winkelschule 
aus  dem  Jahre  1711:  ]\Iitteilungen  der  Gesellschaft  für  deutsche 
Erziehmms-  und  Schulgeschichte.  Jahrg.  I  (1891).  S.  148 
bis  151. 

Theile.  Bergbau  am  Wilisch:  Über  Berg  und  Thal.  Jahrg.  15  (1892). 
S.  285.  307. 

UfhleJ,  P.  Johann  Neefe  aus  Chemnitz  über  die  Pest:  Chemnitzer 
Tageblatt  und  Anzeiger.     1892.     No.  247.    S.  15. 

Vetter,    Faul.      Witzeis    Flucht    aus    dem    albertinischen    Sachsen: 
Zeitschrift  für  Kirchengeschichte.    Bd.  XllI  (1892).     S.  282-310. 
Weidamr.    Die  Geschichte  unserer  St.  Georgenkirche  [in  Glauchau]: 
Glauchauer  Tageblatt.     1891.    No.  277. 

Weiße,  Richard.  Dresdner  alte  Schmiedearbeiten  des  Barock  und 
Rococo.  Zeichnerische  und  i)hotographische  Aufnahmen.  Dresden, 
Gilhers.     (1892.)     30  BlJ.  fol. 


Littorntur.  175 

Winckelmann ,  Otto.  Der  Schmalkaldische  Bund  1530—1532  und 
der  Nürnberger  Religiousfriede.  Stral'sburg,  J.  H.  Ed.  Heitz.  1892. 
XIV,  313  SS.  8». 

Windhaus.  Die  Schule  zu  Sclmeeberg  unter  dena  Rektor  Paul  Ober- 
meier 1555  —  1575:  Mittheilungen  der  Gesellschaft  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschichte.     Jahrg.  I  (1891).     S.  197-215. 

(Winter,  J.)  Unser  Rector  und  seine  CoUegen.  Erinnerungen  eines 
alten  Grimmensers.  Mit  Eduard  Wunders  Porträt.  Leipzig,  Dürr. 
1892.     VIII,  56  SS.  8». 

Wolf ,  Gustav.  Die  Anfänge  des  Magdeburger  Sessionsstreits  im 
16.  Jahrhundert :  Forschungen  zur  Brandeuburgischen  rmd  Preufsi- 
schen  Geschichte.     Bd.  V,  2.  Hälfte  (1892).     S.  1—49. 

Frhr.  v.  Zedtwitz,  Arthur.  [Die  Wappen  der  im  Königreich  Sachsen 
blühenden  Adelsfamilien:  v.  Baensch.  v.  Nostitz  —  Edle  v.  Quer- 
furth]:  Dresdner  Residenz  -  Kalender  fiir  1893.  S.  173—183  mit 
6  Tafeln. 

Zürn,  E.  S.  Die  Raute  als  heraldische  Pflanze  im  sächsischen  Wappen: 
Leipziger  Zeitimg.     1892.    No.  278.    Erste  Beilage. 

Albrecht  der  Beherzte.  Ein  Vortrag:  St.  Benno-Kalender.  1893. 
S.  78-86. 

Die  vormalige  Commission  für  die  Straf-  und  Versorganstalten ;  Ver- 
waltungsbericht der  IV.  Abtheilung  des  Könisl.  Ministeriums  des 
Innern  auf  die  Jahre  1886  bis  mit  1891.     S.  148-159  (164). 

Eine  Erinnerung  an  das  Jahr  1866  [betr.  das  Verhältnis  v.  Bleich- 
röders  zum  sächsischen  Gesandten  Grafen  Hohenthal  und  zum 
Minister  v.  Friesen] :  Mittheilungeu  des  Vereins  für  die  Geschichte 
Berlins.     1893.     No.  3.     S.  28 f. 

Unseres  Vaters  [Friedr.  Gottl.  Priber  1793—1868]  Leben  und  Wirken: 
Gemeinsame  Familien-Blätter  zur  Pflege  der  Geschichte  und  aller 
verwandtschaftlichen  Beziehungen  der  von  Friedr.  Gottl.  Priber 
abstammenden  Familien  Priber,  Bornemann,  Bär  und  Peters,  so- 
wie deren  Verzweigungen,  herausg.  von  K.  Bornemann.  I  (Znaim 
1893).     S.  3-13. 

Zittauer  Kunstdenkmäler.    I.  Das  Thürgitter  an  der  Finkschen  Gruft: 

•      Gebirgsfreund.     Jahrg.  V  (1893).     S.  57. 


Beiträge  zur  sächsischen  Kirchetigeschichte.  Herausgegeben  im  Auf- 
trage der  Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte  von  Franz 
Dibelius  und  Theodor  Brieger.  Siebentes  Heft.  Leipzig,  Barth. 
1892.  80. 

Inhalt:  Blauckmeister,  Johann  Gottfried  Körner,  Doktor 
und  Professor  der  Theologie,  Domherr,  Superintendent  und  Pfarrer 
an  St.  Thomä  in  Leipzig,  Theodor  Körners  Grofsvater.  Beck, 
Tobias  Hauschkon,  ein  böhmischer  Exulant.  Ein  Beitrag  zur  sächs. 
Gelehrtengeschichte  des  17.  Jahrhunderts.  Knothe,  Wann  und 
wie  ist  der  erzpriesterliche  Stuhl  Sorau  in  der  Niederlausitz  unter 
die  Präpositur  Bautzen  gekommen  V  Blauckmeister,  Sächsische 
Kirchenliederdichter.  I.  Johann  Burkhard  Freystein.  Dibelius, 
Die  Perikopenordnungen  der  evang.-luth.  Kirche  im  Königreich 
Sachsen.  Distel.  Vorschlag  zu  einem  Ehrenzeichen  füj-  säch- 
sische Geistliche  (1818).  O.  Richter,  Der  Abschiedsbrief  des 
letzten  mittelalterlichen  Pfarrers  von  Dresden.  Dibelius,  A  kten- 
stücke  über  der  evangel.-luther.  Landeskiiche  Sachsens  Freude 
und  Leid  im  Jahre  1717.    Derselbe,  Kollekten  für  Dresden. 


j^iyg  Lifteratnr. 

Dresdner  Geschichtsblätfcr ,  herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.  Jahrg.  I  (1892).  No.  3.  n.  4.  Jahrg.  II  (1893). 
No.  1.     Dresden,  W.  Baensch     S.  33-68.  40. 

Inhalt:  Frhr.  v.  Biedermann,  Goethe  in  Dresden.  R. 
Kade,  Kurfürst  Moritz  und  die  Musik.  0.  Richter,  Zeit- 
genössische Aufzeiclmungen  üher  die  Einführung  der  Reformation 
in  Dresden.  Derselbe,  Der  erste  Dresdner  Buchhändler.  —  H. 
E r m i s c h .  Das  älteste  Dresdner  Stadtbuih.  W.  L i p p e r t ,  Histo- 
rische Austlüge  in  Dresdens  Umgebung.  I.  Die  Zschouer  ^lühle. 
II.  Die  Meixmühle.  0.  Richter,  Merkwürdige  Häuser.  II.  Alt- 
raarkt  No.  10  (Marienapotheke)  —  Urbach,  Das  geistige  Leben 
Dresdens  am  Ausgange  des  18,  Jahrhunderts.  Kade,  Kurfürst 
Moritz  in  der  Kunst.  O.  Richter,  Über  die  altniederländischen 
Bilderteppiche  in  der  Königl  Gemäldegalerie.  Derselbe,  Der 
hölzerne  Esel.  D  er  s elb  e ,  Ein  Mahnbrief  des  Rathes  zu  Dresden 
an  Herzog  Heinrich  1517.  Derselbe,  Das  Wa.ssertriaken. 
Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen.  Bd.  III. 
Heft  2.     Meifsen,  Mosche  (Komm.)  1893.     S.  157-244.  8». 

Inhalt:  Wolf,  Das  Meifsner  Gewerbegericht.  Markus, 
Meifsen  während  der  Napoleonischen  Kriege.  Leicht,  Meifsner 
Inschriften  und  Abzeichen  (Foitsetzung).  31  [  a  r  k  u  s  ] ,  Ehrengabe 
des  Rates  an  Georg  Fabricius  für  die  Widmung  seiner  Annalen 
der  Stadt  Meifsen.  L  o  o  s  e ,  Die  älteren  Meifsner  Zunftordnungen. 
I.  Die  Bäcker. 
Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  von  Annaberg  und  TJm- 
qegend.  III.  Jahrbuch  für  1891—92.  Annaberg-,  H.  Graser  (Komm.). 
1893.     90  SS   8". 

Inhalt:  Beruh.  Wolf,  Einwanderung  böhmischer  Protestanten 
in  das  obere  Erzgebirge  zur  Zeit  der  Gegenreformation. 
Mitteilungen  vom  Freiberger  Altertumsverein  mit  Bildern  aus  Frei- 
bergs Vergangenheit.  Herausgegeben  von  Heinrich  Gerlach. 
Heft  28:  1891.  Freiberg  i./S,  Gerlach'sche  Buchdruckerei.  1892. 
92  SS.  S^. 

Inhalt:  Gerlach,  Zur  Feier  der  Erinnerung  an  die  vor  250 
Jahren  erfolgte  Befreiung  Freibergs  von  der  schwedischen  Be- 
lagerung (hierzu  ein  Original-Kupferstich  vom  Jahre  1743).  R. 
Kade.  Freibergs  alte  Apotheken.  Ger  lach,  Doktor  und  Apo- 
theker Derselbe,  Freiberger  Polizeiordmingen  aus  alter  Zeit  I. 
Derselbe,  Alte  Freiberger  Rats-Ordnungen  und  Bestallungen  I. 
Th.  D  istel.  Kleinere  Mitteilungen.  Ger  lach.  Die  Erbhubligung 
zu  Freiberg  für  Kuifürst  Friedrich  August  IL  den  9.  Juni  1733. 
Derselbe,  Freiberger  Gedenkbuch.  Derselbe,  Heimatliche 
Lilteratur  1890/91.  Derselbe,  Die  Aussclnnückung  der  Dom- 
krettzgänge  durch  einen  gemalten  Fries  betreffend. 


vn. 

Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zn  Boss 
bis  znr  Erriclitung  des  stehenden  Heeres. 

Aus  dem  Nachlafs  von  August  von  Minckwitz. 

Herausgegeben  von 

Georg  von  Schiinpif. 


1.   Das  reisige  Hofgesinde. 

Die  Leibwache  des  Kurfürsten  von  Sachsen  bildete 
im  Mittelalter  das  reisige  Hofgesinde.  Eine  Leibwache 
im  heutigen  Sinne  des  Wortes,  ein  geschlossener  Truppen- 
körper,  war  das  reisige  Hofgesinde  nicht,  es  bestand  aus 
den  zahlreichen  Kriegsmännern  aus  dem  Stande  der 
Fürsten,  Grafen,  Herren  und  Edelleute,  welche  die  Um- 
gebung des  Kurfürsten  bildeten,  nebst  einer  kleinen  Schar 
von  einspännigen  Knechten,  das  lieifst  von  Reitern,  welche 
nur  mit  einem  Pferde  dienten. 

Die  Fürsten,  welche  unter  dem  reisigen  Hofgesinde 
vorkommen,  waren  meist  junge  Herren,  welche  ihre  ritter- 
liche Ausbildung  am  Hofe  zu  Dresden  empfingen').  Die 
Grafen  und  Herren  entstammten  vorzugsweise  dem  in- 
ländischen hohen  Adel:  den  Grafen  Schwarzburg,  Mans- 
feld,  Barby,  Sohns,  den  Reufsen  Herren  von  Plauen, 
den  Herren   von  Schönburg  und   den  Schenken  Herren 


')  Im  Jahre  1558  findet  sich  unter  dem  reisigen  Hofgesinde 
aufgeführt:  Herzog  Magnus,  königlicher  Würden  in  Dänemark  Sohn. 
Er  erhielt  die  Kost  zu  Hofe,  sowie  die  Kleidung  für  sich,  seinen 
Hofmeister,  seine  beiden  Junker,  seine  beiden  Edelknaben,  seinen 
Sattelknecht,  Barbier  und  Schneider,  sowie  Hafer  auf  10  Pferde. 
Besoldet  wurden  Hofmeister  und  Diener  vom  König  von  Dänemark. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XIV.  3.  4.  12 


178  Ct.  V.  Schimpff: 

von  Tautenburg.  Doch  finden  sich  nnter  denselben  auch 
die  Namen  fremder  Grafen  und  Herren,  wie  die  der 
Waldeck,  Oldenburg,  Hohenlohe,  Scheftenberg ,  Warten- 
berg und  andere  mehr. 

Den  eigentlichen  Kern  des  reisigen  Hofgesindes 
bildeten  jedoch  Mitglieder  der  meifsnischen ,  sächsischen 
und  thüringischen  Vasallengeschlechter,  welchen  auch  die 
unter  dem  reisigen  Hofgesinde  mit  aufgeführten  kurfürst- 
lichen Räte  fast  ohne  Ausnahme  angehörten. 

Das  reisige  Hofgesinde  begleitete  den  Kurfürsten  auf 
seinen  Kriegszügen,  Reisen  und  Jagden,  nahm  .Teil  an 
den  Tänzen,  Turnieren  und  anderen  ritterlichen  Übungen 
und  wartete  auf  bei  den  am  Hofe  veranstalteten  Festlich- 
keiten. 

Den  Oberbefehl  über  das  reisige  Hofgesinde  führte 
der  Hofmarschall. 

Ging  der  Kurfürst  ins  Feld,  so  ritt  derjenige  Teil 
des  Hofgesindes,  welcher  nicht  auf  den  Leib  des  Kur- 
fürsten wartete,  unter  der  Rennfahne,  mit  welcher  der 
Marschall  jederzeit  einen  Tagesmarsch  vorauseilte,  um 
den  Platz  für  das  Lager  zu  wählen,  für  die  Verpflegung 
Sorge  zu  tragen  und  im  übrigen  alles  für  das  Eintreffen 
des  Herrn  vorzubereiten.  Ebenso  hatte  im  wesentlichen 
Hoflager  das  reisige  Hofgesinde  des  Marschalls  Befehl 
und  Anordnung  zu  gewarten. 

Was  die  Anzahl  des  am  Hofe  unterhaltenen  reisigen 
Gesindes  betrifft,  so  ist  darüber  aus  der  älteren  Zeit 
keine  sichere  Nachricht  vorhanden  und  mag  dieselbe,  je 
nach  den  Zeiten  und  Verhältnissen,  eine  sehr  verschiedene 
gewesen  sein. 

Als  im  Jahre  1553  Kurfürst  August  zur  Regierung 
gelangte,  wurde  vorgeschlagen  die  Stärke  des  reisigen 
Hofgesindes  in  folgender  Weise  festzusetzen:^' 

6  Kamm erj linker,  jeder  mit  4  Pferden, 
12  Junker,  jeder  mit  2  Pferden, 
1  Einspänniger  Hauptmann  mit  40  einspännigen  Knechten. 

Hierüber  seien  zu  bestallen: 
4  Rittmeister,  jeder  mit  15  Fünf-Rössern^)  unter  seinem  Befehl. 
Diese  4  Rittmeister  mit  60  Fünf-Rössern  sollten  je- 
doch von  Haus  aus  dienen  (d.  h.  sie  dienten   von  ihren 
Häusern   aus)  und  nur  auf  Erfordern  zur  Dienstleistung 
am  Hofe,  im  Felde  und  zu  Verschickungen  sich  einstellen. 


^)  Jnnker,  welche  mit  5  Rossen  dienten. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs.  179 

Es  ist  jedoch  nicht  dazu  gekommen,  den  Etat  des 
reisigen  Hofgesindes  in  dieser  Weise  festzustellen.  So 
findet  sich  am  4.  Oktober  1553,  laut  eines  dem  Hofmarschall 
Heinrich  von  Schönberg  übergebenen  Verzeichnisses ,  die 
Stärke  des  reisigen  Hofgesindes  in  folgender  Weise  be- 
zitfert=^}: 

9  Pferde  die  Trompeter  und  der  Heerpauker, 

6  „       der  Marschall, 

8  „  Herzog  Wolf  von  Braunschweig, 

8  „  Herzog  Wilhelm  von  Lüneburg*), 

8  „  Graf  Hans  Hoyer  von  Mansfeld, 

8  „  Graf  Hans  Ernst  von  Mansfeld, 

8  ,  der  Graf  von  Schwarzburg, 

8  „  der  Graf  von  Reinstein, 

10  „  Graf  Friedrich  Magnus  Solms, 

8  „  Graf  Albrecht  zu  Barby, 

2  „  Graf  Burkhard  zu  Barby, 

10  „  Christoph  von  Ragewitz, 

10  „  Siegmund  von  Miltitz, 
ferner : 

45  Vier-Rösser, 

7  Drei-Rösser, 
15  Zwei-Rösser, 

1  Fourier  (2  Pferde), 

5  reitende  Boten  (jeder  mit  1  Pferd), 

Summa:  308  Pferde. 

Hierzu  waren  noch  zu  rechnen: 

n9  Pferde  der  Räte  „in  Sr.  kurf.  Gnaden  Regierung,  die  an 
dem  Hoflager  bleiben  und  nit  allezeit  gerüstet  reiten",  doch  in 
voller  Besoldung  (für  ihre  Pferde)  stehen. 

Der  Einspännigen  geschieht  in  diesem  Verzeichnisse 
nicht  Erwähnung. 

In  den  hierauf  folgenden  Jahren  blieb,  Inhalts  der 
Hof  Verzeichnisse,  die  Zusammensetzung  des  reisigen  Hof- 
gesindes wesentlich  die  nämliche,  und  nur  die  Anzahl  der 
am  Hofe  unterhaltenen  Reisigen  zeigt  sich  bald  ansehnlich 


2)  An  des  Kurfürsten  eigenen  Pferden  wurden  1553  im  kur- 
fürstlichen Stall  unterhalten:  24  Hengste,  19  türkische,  spanische  und 
wälsche  Rosse,  V6  Jagd-  und  Reise -Klepper,  die  warten  alle  auf 
Sr.  kurf.  Gn.  Leib  und  Ihre  Buben,  12  ungarische  Kutschenpferde, 
6  dänische  Pferde,  5  Pferde  der  erwachsenen  Buben,  so  auf  meines 
gnädigen  Herrn  Leib  und  Rüstung  warten,  17  Renn-Gäule,  9  Maul- 
esel, 6  Pferde  meiner  gn.  Frauen  Wagenpferde,  106  Pferde  für  den 
Silberwagen,  Kanzlei -Wagen,  Küchen-  und  Keller-Wagen  etc. 

*l  Herzog  Wilhelm  von  Lüneburg  befindet  sich  noch  1558  unter 
dem  reisigen  Hofgesinde  aufgeführt  Er  erhielt  damals  685  Gulden 
Dienstgeid  und  Pferdesold,  Hafer  auf  6  Pferde,  die  Kost  und  Kleidung 
für  sich  selbst  und  5  Diener. 

12* 


180  Cr.  V.  Schimpff: 

vermindert,  bald  wieder  vermehrt,  auch  fand  hinsichtlich 
der  Art  und  Weise  des  Unterhaltes  des  reisigen  Gesindes 
ein  mehrfacher  AVechsel  statt. 

In  vergangenen  Zeiten  hatte  das  reisige  Hofgesinde 
keine  oder  doch  nur  eine  sehr  geringe  Besoldung  in 
barem  Gelde,  dagegen  Futter,  Mahl  und  Kleidung  vom 
Hofe  empfangen.  Kurfürst  Moritz  liefs  wegen  seiner 
vielen  Kriegszüge,  welche  eine  Lieferung  in  Naturalien 
erschwerten,  an  Stelle  derselben  eine  Besoldung  auf  die 
Pferde  in  Geld  treten.  Im  Jahre  1555  stellte  zwar 
Kurfürst  August  die  alte  Einrichtung  der  Lieferung  von 
Futter,  Mahl  und  Kleidung  wieder  her,  jedoch  bereits 
unter  dem  1.  Januar  15G3  führte  er  die  Besoldung  in  Geld 
von  neuem  ein. 

Auch  in  anderer  Beziehung  war  dieser  1.  Januar  1563 
von  wesentlichem  Einflufs  auf  die  Einrichtung  des  Hof- 
wesens. Durch  eine  von  gedachtem  Tage  datierte  Ver- 
ordnung wurde  das  Hofmarschallamt  in  ein  Marschallamt 
auf  Reisen  und  in  Jagdlagern  und  in  ein  Marschallamt 
im  wesentlichen  Hoflager  geschieden,  aulserdem  aber  über 
das  reisige  Hofgesinde  in  der  Person  Heinrichs  von  Schön- 
berg ein  besonderer  Befehlshaber  ernannt. 

Seine  Bestallung  besagt  im  wesentlichen  folgendes: 

Von  Gottes  Gnaden  Wir  Augnstus,  Herzog  zu  Sachsen,  Kur- 
fürst etc.  bekennen  und  thun  kund: 

Nachdem  Wir  erheblicher  Ursachen  halber  an  Unserem  Hofe 
des  Speisens,  Futters  und  Mahls  halber  Änderung  gemacht  und 
Unsere  Junker,  Einspännige  und  andere  Diener  dermafsen  bestellt, 
dafs  sie  auf  ihren  Leib,  ihre  Pferde  und  Knechte,  anstatt  der  vorigen 
Lieferung  Monatssold  haben  sollen ■'^),  vxnd  die  Notturft  erfordert,  dals 
über  dieselben  ein  besonderer  Befehlshaber  geordnet  -werde,  dafs  Wir 
demnach  Unseren  lieben  getreuen  Heinrichen  von  Schönberg  auf  der 
Glaufsnitz  vor  Unseren  Obersten  Kämmerling  und  Rittmeister  solcher 
Soldreuter  bestallt  und  aufgenommen  haben,  bestallen  ihn  auch  hier- 
mit dazu,  nämlich  also: 

Dafs  sich  die  Soldreuter  gehorsamlich  gegen  ihn  bezeigen,  sich 
seines  Schattens,  Gebotes  und  Verbotes  halten  sollen. 

Er  soll  Achtung  daraufhaben,  dafs  kein  Soldreuter  einem  fremden 
ausländischen  Herren  mit  Diensten  behaftet  sei. 

Wann  fremde  Fürsten  zum  Besuche  anwesend  sein  werden,  so 
soll  er  mit  den  Junkern,  so  unter  seinem  Befehl  sind,  die  Dienst- 
wartung bestellen  und  sich  selbst  dieselbe  Zeit  für  einen  Marschall 
gebrauchen  lassen. 


■*)  Der  Monatsold  richtete  sich  nach  der  Anzahl  der  Pferde, 
auf  die  ein  jeder  bestallt  war,  und  betrug  auf  jedes  Pferd  jährlich 
150  Gulden.  Hierüber  wurde  je  nach  der  Stellung,  Erfahrung,  Ge- 
schicklichkeit und  sonstigen  Gelegenheit  des  Betrefteuden  ein  iJienst- 
oder  Vorteilgeld  gewährt. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zn  Rofs.  181 

Wenn  die  Monatbe-soldung-  in  der  Kammer  gereicht  wird,  soll 
er  gegenwärtisf  sein. 

Er  Süll  (larob  sein,  dafs  die  Junker  und  Einspännigen  mit  guten 
und  tüchtigen  Pferden  und  Knechten  versehen  sind,  auch  dafs  der 
Junker  und  der  Knechte  Kleidung  überein  gemacht  sei,  nach  dem 
Muster,  wie  bisher  ara  kurfürstlichen  Hofe  gebräuchlich  gewesen. 

Wenn  eiuem  Soldreuter  ein  Graul  umfiele  oder  verdürbe,  so  soll 
sich  derselbe  innerhalb  14  Tagen  wieder  beritten  machen. 

Alle  zwei  Monate  einmal  sollen  die  Soldreuter  gemustert  werden. 

Ferner  soll  er  darob  sein,  dafs  sowohl  die  Soldreuter  und  ihre 
Knechte,  als  die  Einspännigen,  Harnisch  und  Schützen- Geräthe  mit 
Pickelhauben  führen,  wie  es  sich  gebührt,  doch  können  die  Junker 
innerhalb  Landes  wenn  der  Kurfürst  es  verstatte,  damit  verschont 
werden,  das  Geräthe  zu  führen. 

Kein  Junker  noch  Knecht  noch  andere  Soldreuter  soll  unerlaubt 
seiner  verreiten. 

Bei  Leibesstrafe  soll  er  verbieten,  dals  jemand  in  den  kurfürst- 
lichen Ämtern  das  Fischen  und  Waidewerk  zu  üben  sich  unterstehe. 

Im  Felde  habe  ein  jeder  in  seinem  Gliede  und  in  seiner  Ordnung 
zu  bleiben  und  soll  der  Rittmeister  niemand  verstatten,  vom  Haufen 
voran  zu  ziehen  noch  nachzuhudeln. 

Wenn  der  Kurfürst  aufser  Landes  reise,  auf  den  Fall  wollte 
der  Kurfürst  Seinen  Soldreutern  Futter,  Mahl  und  Auslösung  reichen, 
wie  bisher  gebräuchlich  gewesen,  und  ihnen  dagegen  den  Monatsold, 
so  lange  die  Reise  währt,  innen  behalten. 

Auf  Reisen  im  Lande  solle  den  Soldreuteni  der  Hafer  gegen 
ortsgliltige  Bezahlung  aus  den  Ämtern  geliefert  werden. 

Der  Rittmeister  und  Oberkämmerling  soll  auf  niemandes,  denn 
auf  des  Kurfürsten  Befehl  zu  gehorsamen  schuldig  sein  und  wenn 
er  Bescheids  bedürftig,  solchen  bei  dem  Kurfürsten  erholen  und  an 
niemand  anders  als  an  den  Kurfürsten  gewiesen  sein. 

Der  Rittmeister  und  Oberkämmerling  soll  auch  den  Junkern, 
so  unter  seinem  Befehl  sind,  auflegen,  dafs  sie  jeden  Morgen  um 
8  Uhr  gegen  Hof  sich  einstellen  und  in  dem  Gemach,  so  man  ihnen 
anzeigen  wird,  bis  zur  Mahlzeit  verziehen,  damit  sie  in  der  Nähe 
anzutreffen.  Ebenso  sollen  die  Junker  täglich  sich  um  3  Uhr  ein- 
stellen und  bis  ziu-  Abendmahlzeit  aufwarten. 

Unter  den  Junkern  soll  der  Rittmeister  und  Oberkämmerling 
keinen  Hader  und  Unwillen  dulden;  da  sich  aber  Irrungen  und  Zwie- 
spalt zutrügen,  so  soll  er  die  Schuldigen  in  Bestrickung  nehmen  und 
sich  bei  dem  Kurfürsten  Bescheides  erholen. 

Als  Besoldung  erhielt  Heinrich  von  Schönberg  600 
Gulden  Mouatsold  auf  5  Pferde  und  400  Gulden  Vorteilgeld. 

Bereits  nach  3  Jahren  legte  der  Oberkämmerling 
und  Rittmeister  Heinrich  von  Schönberg  sein  Amt  nieder ; 
es  wurde  die  Verteilimg  der  Obliegenheiten  des  Hof- 
marschalls zwischen  einem  Marschall  im  wesentlichen 
Hoflager  zu  Dresden  und  einem  Marschall  für  die  Reisen 
und  Jagdlager  wieder  aufgehoben,  und  der  neuernannte 
Hofmarschall  Benno  Pflugk  vereinigte  mit  der  alleinigen 
Leitung  des  Hofmarschallamtes  auch  die  Funktion  als 
Befehlshaber  über  das  reisige  Hofgesinde. 


182  Gr.  V.  Schimpft': 

Die  später  noch  unter  der  Regierung  des  Kurfürsten 
August  und  zwar  zur  Zeit  der  Verwaltung  des  Marschall- 
amtes durch  Abraham  Bück  und  Hans  Georg  von  Krosigk 
angestellten  „Hofrittmeister"  Hans  Philipp  von  ßerlepsch 
und  Christoph  Stammer  nahmen  dem  Hofmarschall  gegen- 
über nicht  eine  so  vollkommen  unabhängige  Stellung 
ein,  wie  der  Oberkämmerling  und  Kittmeister  Heinrich 
von  Schönberg,  wenn  auch  im  wesentlichen  ihre  Obliegen- 
heiten die  nämlichen  blieben. 

Unterdessen  hatte  im  w^eiteren  Verlaufe  der  ße- 
gierungszeit  des  Kurfürsten  August,  einer  Zeit,  welche 
durch  vielfach  auf  einander  folgende  Versuche  und  Umge- 
staltungen aus  den  locker  gefügten  mittelalterlichen  Ver- 
hältnissen zu  einer  fester  gebildeten  Organisation  im 
Staatsleben  wie  im  Hofhalte  hinüberführte,  auch  die 
Gliederung  des  kurfürstlichen  Hofge^^indes  sich  schärfer 
ausgeprägt.  Abgesehen  davon,  dals  die  Kammer-  und 
Hofräte  nicht  mehr  im  Verzeichnis  der  Reisigen  erscheinen, 
lassen  sich  in  den  späteren  Jahren  der  Regierung  des 
Kurfürsten  August  hinsichtlich  der  ihnen  auferlegten 
Dienstverpflichtungen  unterscheiden:  die  Grafen  und 
Herren,  sowie  die  Vier-  und  Fünf-Rösser  als  Soldreuter 
im  engeren  Sinne  des  Wortes,  sodann  die  Kammerjunker, 
die  Truchsesse  und  die  einspännigen  Knechte. 

In  der  Soldreuter,  einschlielslich  der  Grafen  und 
Herren,  Bestallung  ist  nur  gesagt:  dafs  sich  dieselben 
am  Hofe  wesentlich  ent halfen  und  jederzeit  gefalst  sein 
sollen  mit  ihren  Pferden  und  Knechten  zur  Aufwartung 
am  Hofe,  auf  Reisen,  zu  Felde,  sowie  in  allen  Sachen, 
so  der  Ehrbarkeit  und  Billigkeit  gemäls,  sich  gebrauchen 
zu  lassen. 

Die  Kammerjunker  oder  Kämmerlinge  waren  auf  die 
Kammer  und  den  Leib  des  Kurfürsten  beschieden  und 
hatten  dem  Kurfürsten  auf  Reisen,  beim  Jagen  und 
Pirschenreiten  mit  ihren  Pferden  zu  folgen  und  was  ihnen 
vertraut  werde,  bis  ins  Grab  verschwiegen  bei  sich  zu 
behalten.  Für  ihre  Person  genossen  die  Kammerjunker 
die  Kost  zu  Hofe,  auch  ritten  sie,  weil  sie  bei  der  hohen 
Person  des  Kurfürsten  blieben,  nicht  unter  der  Hoffahne, 
sondern  stellten  nur  ihre  Knechte  dahin. 

Den  Truchsessen  lag  es  ob,  für  die  kurfürstliche 
Tafel  das  Essen  und  Trinken  zu  tragen,  vor  der  Tafel 
aufzuwarten  und  sonst  der  Dienstwartung  halber  des 
Hofmarschalls  Bescheid  zu  gewarten. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Hufs.  18B 

Die  einspännigen  Knechte  endlich  hatten  mit  einem 
wohlgerüsteten  Pferde  dienstgevvärtig  zn  sein,  am  Hofe 
sich  wesentlich  zu  enthalten  und  bei  den  Reisen  und 
Jagden  auf  des  Kurfürsten  Leib  treulich  zu  warten. 
„Und  da  Wir  einem  Einspännigen  auferlegen  lassen,  an 
andere  Orte  zu  verreiten  oder  Unseren  Feinden  und 
Widerwärtigen  nachzutrachten  und  die  niederzuwerfen", 
demselben  soll  er  jederzeit  gehorsam  sein.  Eine  nicht  in 
der  Bestallung  enthaltene  Verfügung  verlangte  von  den 
Einspännigen,  dafs  sie  wegekundig  und  mit  flüchtigen 
Pferden  beritten  seien. 

Die  zufällig  erhaltene  Aufzeichnung  über  die  Ein- 
teilung der  Nachtwache,  als  Kurfürst  August  im  Sep- 
tember 1584  bei  Klotzsche  ein  längeres  Jagdlager  hielt, 
bietet  ein  Beispiel  der  Dienstverrichtung  des  reisigen 
Hofgesindes^). 

Nach  Anordnung  des  Hofmarschalls  wachten  nämlich 
in  der  ersten  Nacht:  Stallmeister  Balzer  Wurmb  mit 
Seiner  Kurf.  Gn.  eignen  Pferden  und  Knechten;  in  der 
zweiten  Nacht :  Christoph  von  Landskron,  der  Einspännigen 
Hauptmann,  mit  dem  halben  Teil  der  Einspännigen  und 
seinen  eigenen  Knechten;  in  der  dritten  Nacht:  Albrecht 
von  Loeben,  Lieutenant  der  einspännigen  Knechte,  mit 
seinen  Knechten  und  der  anderen  Hälfte  der  Einspännigen; 
in  der  vierten  Nacht:  der  Hofmarschall  Dietrich  Marschall 
von  Herrn-Gosserstädt  mit  seinem  Sohne,  seinen  Knechten 
und  den  reitenden  Trompetern;  in  der  fünften  Nacht: 
Christoph  Stammer  und  Christoph  Balz  er  von  Beschwitz 
mit  ihren  und  Veit  Köders  Knechten;  in  der  sechsten 
Nacht:  Wolf  Ernst  von  Wolfframsdorfi"  mit  seinen  und 
des  Hofmeisters  (der  Kurfürstin)  Siegfried  von  Lüttichau 
Knechten;  in  der  siebenten  Nacht:  Christoph  Heinrich 
von  Feilitzsch  mit  seinen  und  Hans  Georg  Wehsens 
Knechten;  in  der  achten  Nacht:  Tham  Löser  mit  seinen 
und  Georg  Lösers  Knechten;  in  der  neunten  Nacht: 
Richard  von  Belau ,  Wolf  Theler,  Reinhardt  von  Boyne- 
burg,  Joachim  von  Biesenbrow  und  Werner  von  Lützelburg 
mit  ihren  Knechten.  Am  10.  Tage  zog  dann  der  Kurfürst 
nach  Dresden  zurück. 

Bei   einer  ähnlichen  Gelegenheit,    als   der  Kurfürst 
auf   der    Hirschfeist    mehrere    Tage    in    Sebnitz    blieb, 


«)  Im  wesentlichen  Hof  lager  versahen  die  Wache  im  Schlosse 
zu  Dresden  die  Trabanten  zn  Fufs. 


184  ('•  V.  Schimpff: 

Winde  die  AVaclic  zu  Rols  foljreiidennalseii  gestellt.  Zu 
8r.  Kuif.  Gn.  Aiikuiitt  haben  7  Eint^iiäiinige  die  Wache 
versehen.  Folgends  bezogen  täglich  die  Wache  7  Ein- 
spännige nebst  7  der  Kaninierjunker  Knechten  und  wurden 
dieselben  jedesmal  abends  G  Uhr  aufgeführt.  Hierüber 
hatte  der  Rat  zu  Pirna  60  guter  Büchsenschützen  nach 
Sebnitz  geschickt,  von  denen  alle  Nacht  30  Mann  die 
AVache  neben  den  Trabanten  an  den  Schlägen  versahen. 

Zur  Zeit  des  Kurfürsten  Christian  I.  trug  die  Ein- 
richtung des  reisigen  Hofgesindes  noch  das  nämliche 
Gepräge,  wie  zu  den  Zeiten  seines  Vaters,  des  Kur- 
fürsten August,  nur  war  die  Hofstatt  noch  zahlreicher 
und  glänzender.  Neben  dem  häufig  schon  als  Oberhof- 
marschall bezeichneten  Hofmarschall  erscheinen  ein  Ober- 
schenk und  ein  Oberküchenmeister,  welche  ebenfalls  ge- 
rüstet reiten.  Unter  den  Grafen  und  Herren  werden, 
nächst  den  Angehörigen  der  dem  Hause  Sachsen  mit 
Lehenpllicht  verwandten  Geschlechter,  namentlich  Mit- 
glieder des  böhmischen  hohen  Adels  benannt,  aus  den 
Familien  Lobkowitz,  Hardeck,  Adersbach -Berka,  der 
Krsinetzki  Herren  von  Ronow,  der  Schlick  Grafen 
von  Bassano  und  der  Sezina  Herren  von  Ausch.  Auch 
ein  Lichtenstehi  und  ein  Burggraf  von  Dohna  dienten 
dem  Kurfürsten  Christian. 

Im  Jahre  1588  ordnete  Kurfürst  Christian  eine  allge- 
meine Musterung  an,  sowohl  des  reisigen  Hofgesindes,  als 
der  gesamten  Pferde  der  Rittei'schaft')  und  der  wehr- 
haften Mannschaft  in  den  Städten.  Die  Musterung  des 
reisigen  Gesindes  fand  zu  Dresden  am  18.  März  hinter 
dem  Schlosse  statt.  Im  Anzüge  bildete  die  Vorwart  der 
Eeiterhauptmann  Job  von  Milkau  mit  den  44  Einspännigen, 
den  8  Leibknechten ,  6  Wagenknechten ,  2  Fouriere  und 
dem  Futtermarschall.  Darauf  folgten  3  Trompeter  und 
auf  diese  „die  Grafen,  Herren  und  Junker,  so  wesentlich 
an  Sr.  Kuif  Gnaden  Hof  seind",  geführt  von  dem  Hof- 
marschall Wolf  von  Schönberg  *^)  zu  Pulsnitz  und  dem 
Hofrittmeistei-  Albrecht  von  Miltitz  zu  Munzig.  Ihnen 
zunächst    zogen    die  Grafen,   die  Herren    und   die  Hof- 


'')  Es  wurden  6735  Pferde  gefunden. 

«)  Hans  Wolf  von  Schönberg-  zu  Pulsnitz,  Hofmarschall  und 
Kriegs -Obrist,  der  Bruder  des  Marschalls  von  Frankreich,  Caspar 
von  Schönberg,  war  der  Stifter  der  Lausitzer  Linie  des  von  Schön- 
bergschen  Geschlechts. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs.  185 

Offiziere''),  jeder  von  einem  Spiefsjungen  begleitet;  dann 
die  Kammeijnnker  '"),  zum  Teil  ebenfalls  mit  ihren  Spiels- 
jiingen,  die  Soldreiter '^),  die  Truclisesse'-)  und  die  kur- 
fürstlichen Amtshauptleute,  soweit  dieselben  nicht  selbst 
zu  Musterherren  verordnet  waren.  Ihnen  folgten  dann 
ferner:  die  Junker  des  Grafen  Sebastian  Schlick  und 
des  Herrn  Heinrich  Krsinetzki,  der  Junker  Knechte,  so 
ihre  Rüstungen  angelegt  hatten,  die  Jungen  mit  den 
Trolskleppern  und  zum  Schluls  der  Grafen,  Herren  und 
Junker  Kutschenpferde. 

Als  Musterherren  Avaren  verordnet :  der  Hofmarschall 
von  Schönberg,  der  Kammerrat  und  Hauptmann  zu 
Grimma  Hans  Georg  von  Ponickau,   der  Hauptmann  zu 


9)  Graf  Sebastian  Schlick,  Herr  Heinrich  Krsinetzki,  Hans 
Georg  von  Ponikau,  Herr  Joachim  Adersbach-Berka ,  Herr  Georg 
Schenk,  Herr  Christoph  von  Hassenstein ,  Herr  Victorin  Rosinetzki, 
der  Oberschenk  Christoph  vom  Lofs  zu  Pillnitz,  der  Oberküchenmeister 
Hans  von  Wolffersdorff ,  der  Hofmeister  der  Kurfürstin  Christoph 
Marschall  von  Herrn-Gosserstädt,  Otto  von  Dieskau,  der  Jägermeister 
Paul  Gröbel,  der  Hofschenk  Hans  von  Miltitz,  der  Fürstl.  Teschensche 
Hofmeister  Titz  von  Starschedel ,  Werner  Vitzthum  von  Apolda ,  so 
uf  die  kalte  Küche  wartet.  Der  Mundschenk  des  Kurfürsten  Haus 
Christoph  von  Ragewitz  imd  der  Mundschenk  der  Km-fürstin  Caspar 
von  Haugwitz  ritten  unter  den  Kammerjunkern.  Der  Oberstall- 
meister,  der  Unterstallmeister  und  der  gesamte  reisige  Marstall 
waren  bei  der  Musterung  nicht  beteiligt,  ebensowenig  die  Jägerei 
mit  Ausnahme  des  erwähnten  Jägermeisters. 

1")  Stellanus  von  Holtzendorff,  Hans  von  Osterhausen,  Heinrich 
von  Schönberg,  Georg  von  Knobelsdorff,  Hans  Georg  Wehse,  Wolf  Ernst 
von  Wolfframsdorff,  Vespasian  von  Reinsperg,  Christoph  von  Lands- 
kron,  Heinrich  von  Hagen,  Georg  von  Wallenfels,  Eustachius  Hacke, 
Heinrich  von  Nizschwitz,  Hans  von  Arnswald,  Rudolph  von  Gersdorff, 
Joachim  von  Biesenbrow,  Hans  Christoph  von  Ragewitz,  Caspar 
von  Haugwitz,  Georg  Bindeuff,  Thil  von  Osterhausen,  Heinrich 
von  Winterfeld,  Dietrich  von  Miltitz. 

")  HillebrandAVinkler,  Gebhard  Dreschkau,  Christoph  von  Schön- 
berg, AVolf  von  Schönberg,  Günther  von  Bünau,  Christoph  von  Wallen- 
fels, Friedrich  Wilhelm  "von  Milkau,  Wenzel  Röpler,  Fritz  Polenz, 
Werner  von  Lützelburg,  Asmus  Bock. 

12)  Georg  Krähe,  Dietrich  Rabiel,  Reichard  von  Belau,  Bastian 
Kalkreuter,  Wolf  von  Belau,  August  von  Carlowitz,  Wolf  von  Carlo- 
witz,  Ernst  von  Miltitz.  Christian  von  Miltitz,  Heinrich  von  Bünau 
zu  Tetschen,  Haubold  Schleinitz,  Wolf  Lindenau,  Fritz  Starschedel, 
Balzer  Starschedel,  Albert  von  Wolfen,  Caspar  Pflugk,  Seyfried 
von  Bernstein,  Abraham  Popschitz,  Andreas  Wilhelm  Gebhardt, 
Asmus  von  Knobelsdorff,  Hans  von  Schönbeck,  Caspar  von  Lipsdorf, 
Wolf  von  Breitenbauch,  Georg  Preufs.  Georg  von  Landskron,  Wille- 
waldt  Goldacker,  Friedrich  Pudewels,  Siegmund  Wallrodt,  Hans 
von  Brandenstein,  Ludolf  von  Alvensl eben,  Wolf  Widemann,  Barthel 
Götz,  Friedrich  Fritzsche. 


186  ^-  V.  Schimpft': 

Hohnstein  Hans  Jenitz.  Es  wurden  im  fjanzen  von  den- 
selben gemustert  503  gerüstete  Pferde,  36  Trolsklepper 
und  100  Kutschenklepper, 

Als  Kurfürst  Christian  im  Juli  1589  mit  zahlreichem 
Gefolge  nach  Berlin  zog,  waren  die  54  Pferde  der  Ein- 
spännigen sowie  die  Leibknechte  auf  dem  Wege  dahin 
in  4  Etappen  verteilt  und  es  begleiteten  den  Kurfürsten: 
die  dritte  Rotte  Einspänniger  von  Dresden  bis  Elster- 
werda,  die  zweite  Rotte  Einspänniger  von  Elsterwerda 
bis  Lebus,  die  kurfürstlichen  Leibknechte  von  Lebus  bis 
Mittenwalde  und  die  erste  Rotte  der  Einspännigen  mit 
dem  Hauptmann  Job  von  Milkau  von  Mittenwalde  bis 
Berlin.     Ebenso  wurde  es  im  Rückzuge  gehalten. 

Kurfürst  Christian  errichtete  im  Jahre  1590  im 
Januar  aus  jungen  Edelleuten  die  Leibgarde  der  Carabiners 
oder  Edlen  Pursch.  Sie  bestand  unter  dem  Befehle 
Hansens  von  Osterhausen  aus  4  Rotten,  jede  Rotte  zu 
einem  Rottmeister  und  12  Edlen  Pursch''^).  Allein  der 
Bestand  dieser  Leibgarde  war  ein  sehr  kurzer,  denn  be- 
reits im  November  1591,  nach  des  Kurfürsten  Christian  I. 
frühem  Ableben,  erfolgte  deren  Wiederauflösung  ^-). 

^^)  Die  Bestallung  sämtlicher  Einrösser  von  Adel  datiert  vom 
2.  Januar  1590.  Der  Hauptmann  über  die  Edlen  Pnrsch,  Unterstall- 
meister Hans  von  Osterhausen,  hatte  6  reisige  und  4  Kutschenpferde 
und  nOO  G.  auf  seinen  Leib.  Der  Lieutenant  über  die  Edleu  Pursch, 
Georg  von  Carlowitz,  5  reisige  und  2  Kutschpferde,  200  G.  Vortel- 
geld.  Ferner:  4  Rottmeister,  jeder  mit  2  Pferden  und  50  G., 
.-56  Carabiner,  jeder  mit  1  Pferd  und  50  G.  Erste  Potte:  Georg 
(Christoph  von  Nessa  Rottmeister,  Gabriel  von  Schleinitz,  Christoph 
von  Kreuscha,  Jobst  von  Haugwitz,  Ernst  von  Miltitz,  Georg 
von  Schellendorff,  Heinrich  von  Krakau,  Jahn  von  Haugwitz,  Wolf 
Al)raham  von  Ponickan,  Georg  von  Kleist.  Andere  Rotte:  Hans 
Caspar  von  Kospoth  Rottmeister,  Caspar  von  Nizschwitz,  Hans 
von  Kitzscher,  Caspar  von  Porsdorf,  Hans  ßarthel  von  Gorbitz,  Jobst 
Heinrich  von  Schweichel,  Friedrich  von  Schönberg,  Josua  von  Nessau, 
Siegmund  von  Gortzke,  Hans  Quirin  von  Hain.  Dritte  Rotte: 
Antonius  von  Pritzke  Rottmeister.  Abraham  von  Carlowitz,  AVolf 
Heinrich  von  Günterode,  Heinrich  von  Trandorf,  Moritz  Bastian 
von  Zehmen,  Polycarp  von  Arras,  Rudolph  Linke,  Wolf  Cliristoph 
Edler  von  der  Planitz,. Ernst  Bock,  Haubald  Pflugk.  Vierte  Rotte: 
Philipp  Wilhelm  Ruder  Rottmeister,  Friedrich  von  Schönberg  d.  ä., 
Dietrich  Scharrt,  Hans  von  Zschieren,  Hans  Joacliim  von  Arras,  Karl 
von  Priesen,  Wolif  von  Wolffersdorff',  Caspar  von  tiünterode,  Reinhard 
von  Tamsdorff,  Hans  Caspar  von  Günterode,  Fourier  Caspar  Kuchler. 

")  Jeder  Rottmeister  erhielt  zum  Abzüge  ;35  G.,  jeder  adlige 
Pursch  25  G.  Herr  von  Osterhausen  blieb  bis  zu  weiterer  Ver- 
gleichung  und  erhielt  eine  Kette  für  200  G.  mit  dem  Contrefect. 
Georg  von  Carlowitz  wurde  entlassen  und  erhielt  die  Abfertigung 
wie  ein  Kammerjuuker,  d.  h.  eine  Kette  für  150  G.  mit  dem  Contrefect. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs.  187 

Für  die  Geschichte  des  reisigen  Hofgesindes  bildet 
der  Zeitpunkt  dieses  Regierungswechsels  einen  wichtigen 
Abschnitt,  indem  durch  den  Administrator  Herzog 
Friedrich  Wilhelm  zu  Sachsen  als  Vormund  des  jungen 
Kurfürsten  das  gesamte  reisige  Hofgesinde  entlassen 
wurde.  Damit  aber  neigte  sich  überhaupt  die  zeitherige, 
noch  durchaus  im  Herkommen  des  Mittelalters  wurzelnde 
Einrichtung  des  reisigen  Hofgesindes  dem  völligen  Ab- 
schlüsse zu,  denn  in  gleicher  Weise  und,  was  namentlich 
die  grolse  Anzahl  der  am  Hofe  unterhaltenen  Grafen, 
Herren  und  Soldreiter  betrifft,  in  gleicher  Ausdehnung 
wurde  dasselbe  nicht  wieder  aufgerichtet  ^'^j. 

Auf  den  jungen  Kurfürsten  und  seinen  Bruder  warteten 
nur  der  Hof-  und  Stallmeister  Nickel  von  Miltitz  auf 
Siebeneichen,  an  dessen  Stelle  später  Hans  Georg 
von  Ponickau  zu  Pomsen  trat,  nebst  6  oder  8  Junkern, 
unter  denen  sich  ein  Graf  und  ein  Herr  befanden:  Graf 
Joachim  Andreas  Schlick^**)  und  Herr  Burkard  Schenk 
Freiherr  zu  Tautenburg,  welch  letzterem  die  spezielle 
Leitung  der  Erziehung  anvertraut  gewesen  zu  sein  scheint. 

Nach  der  im  Jahre  1601  erfolgten  Übernahme  der 
Regierung  durch  Kurfürst  Christian  H.  erscheinen  dann 
anfangs  wohl  in  den  Hofstaatsverzeichnissen  unter  dem 
Kapitel  des  reisigen  Hofgesindes  aufs  neue  einige  Sechs- 
rösser  und  Fünfrösser,  bald  aber  beschränkt  sich  die 
Abteilung  des  reisigen  Hofgesindes  am  Hofe  des  Kurfürsten 
Christian  H.,  wie  an  dem  seines  Nachfolgers,  des  Kur- 
fürsten Johann  Georg  I.,  auf  die  Hofoffiziere,  die  Kammer- 
junker, die  Truchsesse  und  eine  geringe  Anzahl  von  ein- 
spännigen Knechten. 


2.   Die  Hoffahne. 

Mit  dem  Ausbruch  des  dreißigjährigen  Krieges  traten 
zwar  für  das  Kriegswesen  vollständig  neue  Verhältnisse 
ins  Leben,  zunächst  verblieb  jedoch  dem  als  Hoffahne  be- 


^^)  Auch  die  sämtlichen  Hofoffiziere  wurden  entlassen  und  die 
Führung  der  Hofwii'tschaft  übernahm  der  Witthumsmarschall  der 
Kurfürstin -Mutter,  Christoph  vom  Lofs  zu  Pillnitz,  später  ersetzt 
durch  Wolf  Ernst  von  Wolfframsdorft". 

^^)  Jedenfalls  ist  dies  derselbe  Joachim  Andreas  Graf  Schlick, 
welcher  nach  der  Schlacht  am  weifsen  Berge  16;21  in  Prag  enthauptet 
wurde. 


188  (J.  V.  Schiinpff: 

zoichneten  reisigen  Hofgesinde  seine  Bestimmung,  dem  Kur- 
fürsten als  Leibwache  zu  dienen,  und  als  Kurfürst  Johann 
Georg  I.  den  Auftrag  des  Kaisers  übernommen  hatte,  die 
Oberlausitz  zum  Gehorsam  zurückzuführen,  erfolgte  nächst 
der  Anwerbung  einer  Anzahl  von  Regimentern  zu  Rols 
und  zu  Fuls^'j  auch  eine  ansehnliche  Verstärkung  des 
reisigen  Hofgesindes,  an  Hofjunkern  sowohl  als  namentlich 
an  einspännigen  Knechten. 

Zum  Befehlshaber  über  die  Hoffahne  Avurde  in  der 
Person  Kraffts  von  Bodenhausen  aufs  neue  ein  Hofritt- 
meister angestellt,  dessen  Bestallung  vom  30.  August  1620 
datiert.  Am  25.  August  1620  fand  bei  Dresden  die 
Musterung  der  Hoffalme  statt. 

Laut  der  Musterrolle  war  dieselbe  in  folgender  Weise 
zusammengesetzt  : 

Sr.  Kurf.  Gn.  eigene  Pferde ,   einschliefslich  des  Herrn 

Stallmeisters  32  Pf. 

Obristlieutenant   Bernhard    von   Starschedel    als    Hof- 
marschall 
Rittmeister  Krafft  von  Bodenhausen 
Lieutenant  Wolf  Marschall 
Cornet  Heinrich  Schenk 
Fahnenjunker  Friedrich  von  Tjüttichau 
40  Edelleute'S) 

2  Fouriere 

1  Proviantraeister 

1  Profos 
17  Trompeter  und  1  Kesselpauker 

1  Wagenmeister 

1  Musterschreiber 


7    „ 

10    „ 

7    „ 

7    „ 

4    , 

142     „ 

4    „ 

3    „ 

2    „ 

18    „ 
2    „ 

2    „ 

Sa.: 

:  240  Pf. 

")  Es  wurden  aufgestellt:  1200  Pferde,  7000  Mann  zu  Fufs, 
1600  Ritterpferde,  94H4  Mann  beim  Defensionswei'k  zu  Fufs. 

'*)  Hennig  von  Ziegesar,  George  Pflugk,  Bernhard  von  Kanna, 
Ludewig-  Lauin  Hain,  Christian  von  Osterhausen,  Ludewig  von  Taube, 
Christof  von  Schleinitz,  Heinrich  von  Taube,  Reinhardt  von  Taube, 
Joacliiml)  von  Schleinitz,  Christov  von  Liebenaw,  Herr  Zdenke 
Siegmundt  von  Wallenstein,  Hans  Wilh.  Riimer,  Hans  von  Schönbergk, 
Jobst  von  Wüstenhoff,  UUrirh  von  Griinrodt,  Korporal,  Hans  Albrecht 
von  Bei'ustein,  Hartwig  Christoph  Kürkölssky,  Korporal,  Andres 
von  Schönbergk,  Friedrich  Herrmann  von  Ruckrodt,  Philipp 
von  Rödern,  Heinrich  Otto  von  Starschedel,  Georg  Christopli 
von  Kalbe,  Korporal,  Georg  Ernst  von  Kalbe,  Woff  Dieterich 
von  Arafs,  Georg  Wilhelm  von  Bernfsdorf,  Adam  von  Rodewitz, 
Christof  von  der  Lanke,  Hans  Bastian  von  Schleinitz,  Christoph 
Heinrich  von  Milkaw.  .lobst  Heinrich  von  Mitschellfahll.  Wolf  Otto 
von  Lindenaw,  Heinrich  Sittich  von  Westerhagen,  Melchior  von  Hagen, 
Thobias  Mitschellfall ,  Johann  Persohnn,  Sieemund  Hübener,  Hans 
Wilhelm  Kestener,  Walthauser  Blennagel,  Balzer  Kauxdorf. 


Die  kurftirstlicben  Leibwachen  zu  Rofs.  189 

Ferner  die  kurfürstlichen  Einspännigen: 


Simon  Göderitz,  Lieutenant 

4  Pf. 

38  Einspännige 

38    „ 

Sa.:     42  Pf. 

Ferner  die  reitenden  Jäger: 

Georg  Ernst  von  Weissenbach,  Lieutenant, 

3  Pf. 

1  Trompeter 

1    « 

2  Korporale 

4    ., 

Hans  Georg  von  Carlowitz 

4    „ 

Jobst  Christoph  Römer 

4    „ 

1  Fourier 

37  reitende  Jäger,  mit  1  bis  3  Pferden  bestallt 

1  Schmied 

1  Regimentsdiener 

Sa. :     67  Pf. 

Die  vorerwähnten,  zur  Hoff  ahne  gehörigen  40  Edel- 
leute  waren  zum  Teil  die  kurfürstlichen  Kamnierjunker 
(jeder  mit  4  bis  5  Pferden),  zum  Teil  Truchsesse  (jeder 
mit  2  bis  3  Pferden),  zum  Teil  zu  der  Hoffahne  besonders 
angeworbene  und  meist  auf  2  Pferde  bestallte  Junker. 
Die  Kammerjunker  und  Truchsesse  erhielten  vom  Tage 
der  Musterung  an  die  Besoldung  auf  ihre  Pferde  nicht 
mehr  aus  der  kurfürstlichen  Kammer,  sondern  von  der 
Hoffahne,  während  sie  ihre  persönliche  Besoldung  (das 
Vorteilgeld)  aus  der  Kammer  fortbezogen.  Der  reitenden 
Jäger,  welche  dem  Personal  des  Forst-  und  Jagdwesens 
angehörten,  geschieht  in  den  vorhandenen  Nachrichten 
seit  der  Musterung  nicht  wieder  Erwähnung. 

Was  die  Einspännigen  betrifft,  so  besagte  die  Be- 
stallung des  einspännigen  Lieutenants  Simon  Göderitz  im 
wesentlichen  folgendes.  Er  soll  über  die  einspännigen 
Keuter  das  Kommando  führen  und  selbst  mit  4  wohl- 
gerüsteten Pferden  und  tüchtigen  Knechten,  welche  jeder- 
zeit, gleich  bei  den  anderen  Einspännigen,  mit  reiten  und 
aufwarten,  dienstgewärtig  sein.  Er  soll  sich  am  Hofe, 
auf  den  Reisen,  in  Jagd-  und  anderen  Lagern,  wo  jederzeit 
der  Kurfüi  st  sich  befindet,  wesentlich  enthalten  und  ohne 
des  Kurfürsten  oder  des  Hofmarschalls  Vorwissen  nicht 
verreiten.  Wenn  der  Kurfürst  reist  oder  jagt,  so  soll  er 
auf  Ihn  fleilsig  und  treulich  warten  und  wenn  ihm  der  Kur- 
fürst durch  den  Hofmarschall  anbefehlen  lälst,  an  andere 
Orte  zu  verreiten  oder  „unsern  Feinden  nachzutrachten 
und  die  nieder  zu  werfen",  so  soll  er  dem  jederzeit  gehor- 
samen, auch  sich  sonsten  des  Hofmarschalls  Befehl  gehor- 
samlich verhalten  und  sich  der  Hofordnung  gemäls  bezeigen. 


190  Gr.  V.  Schimpff: 

Die  Estandarte  der  Hoffahne  war  von  rotem  Taffet, 
reich  mit  Gokl  und  Silber  besetzt.  Auf  der  einen  Seite 
befanden  sich  die  Kurschvverter  kreuzweis  übereinander- 
geschränkt  mit  der  Umsclirift:  Uterque  tempore  pacis  et 
belli.  (Sowohl  in  Kriegs-  als  in  Friedenszeiten.)  Auf 
der  anderen  Seite  zeigte  sich  der  Kurhut  und  über  dem- 
selben die  Inschrift:  A  Deo,  sowie  unter  demselben  die 
Inschrift:  Pro  imperio. 

Der  Kurfürst  brach  am  28.  August  1620  mit  der 
Hoffahne  von  Dresden  gegen  Bautzen  auf  und  musterte 
dieselbe  in  eigener  Person  am  16.  September  bei  Bischofs- 
werda. 

Nach  der  Einnahme  von  Bautzen,  am  5.  Oktober  1620, 
kehrte  der  Kurfürst  nach  Dresden  zurück.  Am  3.  Juli  1621 
folgte  die  Hoffahne  dem  Kurfürsten  nach  Camenz  zum 
Landtage,  den  28.  Juli  nach  Görlitz,  den  4.  August  nach 
Zittau,  den  6.  August  nach  Löbau  und  den  7.  August 
nach  Bautzen,  ebenso  zog  die  Hoffahne  zur  Begleitung 
des  Kurfürsten  am  3.  November  1621  nach  Breslau,  wo 
derselbe  im  Namen  des  Kaisers  die  Huldigung  der 
schlesischen  Stände  entgegennahm,  und  1622  im  Mai  nach 
Langensalza  zur  Vereinigung  mit  den  daselbst  ver- 
sammelten kurfürstlich  sächsischen  Truppen. 

Den  Befehl  über  die  Hoffahne  hatte  unterdessen  an 
Stelle  Kraflfts  von  Bodenhausen,  welcher  1621  am  19.  No- 
vember zum  Obristen  über  ein  Regiment  von  1000  Arque- 
busierreitern  bestallt  worden  war^^),  Wolf  Marschall 
von    Herrn -Gosserstädt  als   Hofrittmeister  übernommen. 

Der  Kurfürst  liels  im  September  und  Oktober  1622 
einen  grofsen  Teil  der  Truppen  abdanken.  Im  folgenden 
Jahre  erfolgten  zwar  neue  Werbungen,  jedoch  nur  für 
kurze  Zeit,  denn  in  den  Jahren  1624,  1625  wurden  aufs 
neue  alle  Truppen  entlassen,  bis  auf  die  Fulstrabanten 
(Ober-Guardia),  die  Besatzung  von  Dresden  (Unter- 
Guardia)  und  die  Hausartilleric.  Auch  die  Hoffahne 
teilte  das  Schicksal  der  übrigen  Truppen,  indem  am 
6.  Mai  1624  die  zur  Hoffahne  angeworbenen  Junker,  so- 
wie die  Einspännigen,  welche  im  Verlaufe  der  Jahre  sich 
auf  140—150  Pferde  verstärkt  hatten,  ihre  Entlassung 
erhielten. 


1'^)  Das  Regiment  wur(l(^  1622  abjjodunkt,  worauf  Krafft  von  Boden- 
hausen  ein  Regiment  Ritterpferde  als  Obrist  erhielt.  Er  wurde  1H24 
Amtshauptmann  zu  Torgau  und  Liebenwerda  und  starb  am  29.  De- 
zember 162B. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs.  191 

Kurz  vor  Abdankung  der  Hoffalme,  im  Februar  1624, 
kam  der  Kurfürst  von  Brandenburg  nach  Dresden.  Kur- 
fürst Johann  Georg  ritt  ihm  eine  Strecke  Weges  entgegen ; 
die  Zugordnung  war  dabei  folgende: 

Im  Vorzuge  sind  gewesen:  Rittmeister  von  Kalkstein  mit  seiner 
geworbenen  Kompagnie  von  150  Pferden;  3  Trompeter;  der  Lieutenant 
Simon  Göderitz  mit  den  Arquebusierern  der  kurf.  Leib-Guardia  zu 
Kofs  von  Einspännigen,  142  Pferde  stark,  allezeit  5  im  Gliede; 
3  Rüstknechte,  12  Handrofse,  3  Leibknechte. 

Darauf  folgten:  der  Heerpauker,  12  Trompeter,  8  Lakaien;  der 
Kurfürst  von  Sachsen ;  7  Glieder  vornehmer  Ofüziere,  Kammerjunker 
und  anderer  Junker;  2  Glieder  Kammerjungen;  6  Glieder  der  Oflizierer 
und  Junkergesindchen;  3  kurfürstliche  Kammerdiener. 

Im  J«Jachzuge  sind  gewesen:  10  Trompeter;  der  Hofrittmeister 
Wolf  Marschall ;  die  Hoffahue,  188  Pferde  stark,  allezeit  5  im  Gliede ; 
der  Feldprediger  und  der  Hofprofos ;  Rittmeister  Friedrich  Wambold 
von  Umbstadt  mit  seiner  geworbenen  Kompagnie  von  123  Pferden. 

Wolf  Marschall  wurde  laut  einer  neuen  Bestallung 
vom  24.  Mai  1624  „über  die  bisher  gerichtete  Hoffahne" 
wieder  zum  Hofrittmeister  in  Jahresbesoldung  aufge- 
nommen, erhielt  jedoch  statt  dessen  am  17.  September  1628 
die  Ernennimg  als  Hauptmann  der  Ämter  Salza,  Weilsensee 
und  Sachsenburg  und  am  27.  April  1632  zugleich  Be- 
stallung als  Obristlieutenant  bei  des  übristen  Cäsar  Pflugk 
Regiment  Ritterpferden. 

Die  Hoffahue  selbst  ist  seit  der  Abdankung  am 
6.  Mai  1624  nicht  wieder  aufgerichtet  worden. 


3.   Die  Leibkompagnie  der  Einspännigen. 

An  Stelle  der  Hoff  ahne  beschlofs  der  Kurfürst  eine 
Kompagnie  Einspänniger  als  Leibgarde  zu  Rols  zu  unter- 
halten. Der  bisherige  Lieutenant  der  Einspännigen, 
Simon  Göderitz,  genannt  der  tolle  Simon,  wurde  beauf- 
tragt, diese  Kompagnie  aus  den  von  der  Hoffahne  ent- 
lassenen Einspännigen  zu  formieren. 

Im  Verfolg  dessen  liels  Simon  Göderitz  dem  Kur- 
fürsten etliche  Erinnerungspunkte  überreichen.  Diese 
Erinnerungspunkte  selbst  haben  sich  nicht  aufgefunden, 
allein  aus  der  Resolution  des  Kurfürsten  lälst  sich  ihr 
Inhalt  ersehen.    Die  Resolution  besagt  nämlich: 

Jeder  Reuter  solle  auf  das  Pferd  150  G.  erhalten,  ein  Corporal 
300  G.  auf  2  Pferde  und  30  G.  Vortheilgeld. 

Wenn  einem  oder  dem  anderen  wegen  geschwinden  Fortreitens 
ein  Gaul  umfiele,  solle  ihm,  nach  Umständen,  zur  Wiederanschaffung 
eine  Beisteuer  gereicht  werden. 


192  G.  V.  Schimpff: 

Den  Einspännigen  solle  der  Scheffel  Hafer  in  der  Festung 
Dresden  um  den  halben  Marktpreis,  Heu  und  Stroh  für  jedes  Pferd 
täglich  um  2  Groschen,  auf  den  ßeisen  der  Sclieffel  Hafer  um 
12  Gr.,  Heu  und  Stroh  um  1  Gr.  Auslösegeld  gelafsen  werden. 

Für  die  Losamenter  sollen  die  ledigen  Einspännigen  jährlich 
einen  Monatsold  zu  geben  schuldig  sein  und  die  Verheiratheten  sich 
mit  ihren  Wirthen  vergleichen. 

Der  Tisch  solle  ihnen  sowohl  in  Dresden  als  auf  Reisen  monatlich 
um  1  (iulden  gereicht  werden. 

HieriiächsterhieltSimonGöderitz  unter  dem  14.Mai  1624 
Befehl,  über  diejenigen  Einspännigen,  welche  sich  ferner 
unterhalten  lassen  wollten,  eine  richtige  Rolle  zu  verfertigen 
und  dann  folgenden  Morgens  9  Uhr  mit  den  Einspännigen 
nach  den  Trachenbergen  hinaus  zu  reiten,  auch  die  Rolle 
hierbei  zu  überantworten. 

Die  neu  angeworbenen  Einspännigen,  einschliefslich 
der  Knechte  des  Lieutenants  und  der  anderen  Offiziere, 
leisteten  am  1.  Juni  1624  dem  Hofmarschall  Bernhard 
von  Starschedel-'')  den  Eid  und  bestand  nunmehr  die 
Leibkompagnie  der  Einspännigen ,  oder ,  wie  dieselbe  bei 
dieser  Gelegenheit  benannt  wird,  die  Kurfürstliche  Leib- 
Guarde  zu  Rofs,  aus: 

dem  Lieutenant  Simon  Göderitz  mit 

dem  Kaltküchenraeister 

1  Fourier 

3  Corporalen 

1  Trompeter 

1  Schmied 
42  Einspännige 

Die  Leibkompagnie  der  Einspännigen,  welche  ein 
Cornet  von  gelb  und  blau^^)  führte,  war  an  die  Befehle 
des  Hofmarschalls  verwiesen,  und  gelegentlich  hatte  der 
Kurfürst  selbst  geäulsert :  er  betrachte  die  Einspännigen 
mehr  als  Hofdiener,  denn  als  Soldaten^^).  In  der  That 
befand  sich  die  Kompagnie  jederzeit  am  Hoflager  und, 
wenn  der  Kurfürst  reiste  oder  im  Lande  jagte,  vollständig 
oder  doch  zum  Teil  in  seiner  Begleitung.  Selbst  als  der 
Kurfürst   1G25    zur  Kur  ins  Wiesenbad  ging,    gehörten 


6  Pferden 

2 

vt 

2 

n 

je 

2 

» 

1 

w 

1 

n 

je 

1 

n 

60  Pferden. 

20)  Bernhard  von  Starschedel,  zugleich  Kriegsobrister,  war  Hof- 
marschall von  1623  bis  1635. 

21)  In  der  Regel  sollte  bei  allen  Truppenteilen  die  Farbe  von 
Rock  und  Aufschlägen  übereinstimmen  mit  der  Farbe  der  Standarte 
oder  Fahne,  allein  es  herrschte  hierin  viel  Willkür. 

22)  Die  Äufserung  geschah  aus  Anlafs  einer  Beschwerde  über 
das  allzu  scharfe  Kommando  der  Offiziere. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs.  193 

Sämtliche  Einspännige  zu  der  den  Kurfürsten  begleitenden 
Hofstatt.  Bei  der  Einholung  fremder  Fürsten  und  der- 
gleichen Gelegenheiten  pflegten  die  Einspännigen  sich  an 
der  Spitze  des  Zuges  zu  befinden. 

Im  Jahre  1627  erhielt  an  Stelle  des  Lieutenant 
Simon  Güderitz  der  bisherige  Korporal  Hans  Rau  als 
Lieutenant  den  Befehl  über  die  Leibkompagnie  der  Ein- 
spännigen, und  als  im  Jahre  1631  der  Kurfürst  aufs  neue 
Kriegsvülker  werben  liels,  wurde  Hans  Rau  zum  Ritt- 
meister ernannt  mit  dem  Befehle,  den  Bestand  der  Kom- 
pagnie auf  125  Mann  zu  bringen.  In  dieser  Stärke  er- 
schien in  der  Musterung  bei  Mühlberg  am  6.  Mai  1631 
die  als  Leib-Guardia  zu  Rols  bezeichnete  Kompagnie  von 
Arquebusier-Reitern--').  Als  kurz  darauf  Rittmeister  Rau 
erkrankt  und  zu  Torgau  verstorben  war,  erhielt  unter 
dem  16.  Juli  1631  das  Kommando  über  die  Leibkompagnie 
der  Rittmeister  Georg  Christoph  Marschall  von  Herrn- 
Gosserstädt-^).  Seiner  Bestallung  zufolge  hatte  er  sich 
wesentlich  am  Hofe  aufzuhalten,  es  sei  im  gewöhnlichen 
Hoflager  oder  auf  Reisen,  und  täglich  bei  Hofe  aufzu- 
warten. Ferner  sollte  er  getreulich  ins  Werk  richten: 
„was  Wir  ihm  befehlen  werden  und  was  nach  Uns  Unser 
Hofmarschall  oder  im  Felde  Unser  über  die  Arthillerie 
und  Unser  sämmtliche  Leib-Guardia  zu  Rofs  bestallter 
Obrist-Lieutenant,  Ober-Stallmeister  Dietrich  Taube  ihm 
befehlen  wird." 

Die  hier  auliser  der  Leibkompagnie  der  Einspännigen 
erwähnte  Leib-Guardia  zu  Rofs  bestand  aus  5  Kom- 
pagnien Arquebusier-Reitern,  welche  den  Stamm  zu  dem 
bald  darauf  formierten  kurfürstlichen  Leibregiment  zu 
Rols  bildeten. 

In  Verbindung  mit  diesen  Arquebusierkompagnien 
focht  die  Leibkompagnie  der  Einspännigen  unter  dem 
Befehle  des  Oberstallmeisters  Dietrich  Taube  in  der  für 
die  Sachsen  unglücklichen  Schlacht  bei  Breitenfeld  am 
7.  September  1631.  Bei  Tillys  zunächst  gegen  den  von 
den  Sachsen  gebildeten  linken  Flügel  gerichtetem  An- 
griffe gerieten  die  sächsischen  Regimenter  in  Unordnung, 
und  nächst  der  Leibkompagnie  der  Einspännigen  hielten 
Stand  nur   die  Taubeschen  Kompagnien  und  das  Arnim- 

-^)  Die  Arquebusiere  bildeten  im  Zeitalter  des  dreifsigj ährigen 
Krieges  die  leichte  Reiterei. 

-•*)  Rittmeister  Marschall  erhielt  monatlich  10  Thaler  auf  jedes 
seiner  6  Pferde  und  170  G.  Vorteilgeld. 

Neues  Archiv  f.  S.  ü.  u.  A.  XIV.  3.  4.  13 


194  G.  V.  Scaümpff: 


sehe  Regiment.  Oberstallmeister  Taube  selbst  wurde 
verwundet  und  Kittmeister  Georg  Christoph  Marschall 
vor  der  Front  der  Leibkompagnie  durch  eine  Kanonen- 
kugel getötet'-'^). 

An  Stelle  des  Rittmeisters  Marschall  erhielt  hierauf 
das  Kommando  der  Leibkompagnie  der  bisherige  Lieute- 
nant Georg  Herfurth  als  Rittmeister. 

Im  Anfange  des  Jahres  1635  brachte  der  Rittmeister 
Hans  Georg  von  Loeben  eine  Kompagnie  von  110  Pferden 
auf,  welche  mit  den  Einspännigen  marschierte  und  die 
andere  Leibkompagnie  genannt  wurde.  Im  Jahre  1639 
zog  jedoch  der  Hofmarschall  Obrist  Dietrich  Taube  diese 
Kompagnie,  welche  seit  1637  an  Loebens  Stelle  der  Ritt- 
meister Philipp  Junghanns  führte,  zu  dem  unter  seinem 
Befehle  stehenden  Leibregiment  zu  Rols. 

Bei  der  Sonderstellung,  welche  die  Leibkompagnie 
der  Einspännigen  den  übrigen  Truppen  gegenüber  ein- 
nahm, ist  es  nicht  zu  verwundern,  dals  in  den  Annaleu 
des  dreifsigj ährigen  Krieges  der  Thaten  der  Leibkompagnie 
selten  Erwähnung  geschieht.  In  einem  Briefe  des  Obrist- 
lieutenant  Caspar  Ernst  von  Eichendorff  aus  Zatzschnau 
an  den  kaiserlichen  Generalwachtmeister  Grafen  Peter 
Götzen  vom  15./25.  März  1637  findet  sich  jedoch  erwähnt, 
dals  der  Obristlieutenant  von  Rochow  „nebst  Sr.  churf. 
Durchlaucht  Leibkompagnie  und  etlichen  Dragonern"  den 
Obristlieutenant  Stubart  in  Neustadt  überfiel  und  das 
ganze  Regiment  ruinierte,  so  dafs  nur  der  Obristlieutenant 
mit  30  Pferden  davon  kam,  während  die  Übrigen  nieder- 
gehauen oder  gefangen  wurden.  Ferner  meldet  Weck  in 
seiner  Chronik  von  Dresden,  dals  am  14.  Juni  1643 
schwedische  Truppen  bis  vor  das  Wilsdrufier  Thor  streiften, 
denen  sich  die  kurfürstlichen  Einspännigen  „präsentirten". 
Auch  wurden  vom  Kreuzturme  einige  Stücken  gegen  die 
Schweden  gelöst,  worauf  sich  dieselben  wieder  zurück- 
zogen. 

Das  Kommando  der  einspännigen  Leibkompagnie  er- 
hielt am  24.  Juni  1644  an  Stelle  des  Rittmeisters  Her- 
furth  der   bisherige   Lieutenant   der   Kompagnie,   Hans 


2^)  Georg  Christoph  Marschalls  Beisetzung  erfolgte  zu  Leipzig 
in  der  Pflugkschen  Kapelle  der  St.  Pauli-Kirche.  Die  angebrachte 
Inschrift  besagt,  dafs  Georg  Christoph  Marschall,  Rittmeister  über 
die  Leibkompagnie,  in  der  grofsen  Schlacht  bei  Leipzig  vor  seiner 
Kompagnie  aus  einem  Stück  getroffen  worden  und  also  ritterlich  für 
das  Vaterland  gestorben  sei.    Stepner  luscriptiones  Lipsienses  No.  330. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zn  Rnfs  195 

Craushaar,  unter  Bestallung  zum  Kapitänlieutenant,  und 
gleichzeitig  wurde  die  Leibkorapagnie  dem  unter  Kom- 
mando des  Obristwachtmeisters  Rudolph  von  Neitzschitz 
neu  errichteten  Leibesquadron  zu  Rols  zugeteilt. 

Zu  diesem  Leibesquadron  gehörten  aulser  der  Leib- 
kompagnie der  Einspännigen  die  Kompagnien  der  Ritt- 
meister Ludolph,  Bretwiss,  Landmann  und  Rennebeck. 

Wegen  der  letztgedachten  vier  Kompagnien  war 
Obristwachtmeister  von  Neitzschitz  direkt  an  die  Befehle 
des  Kurfürsten  gewiesen.  Dagegen  sollte  er  wegen  der 
Leibkompagnie  Einspänniger,  da  dieselbe  der  Hofauf- 
wartung halber  vom  Hofmarschalle  dependiere,  sein 
Absehen  nach  dem  Kurfürsten  auf  den  Hofmarschall 
haben  und  bei  der  Kompagnie  alles  mit  dessen  Vorwissen 
richten  und  schlichten. 

Die  Verbindung  der  Leibkompagnie  der  Einspännigen 
mit  dem  Leibesquadron  währte  jedoch  nur  wenige  Jahre, 
denn  1648  im  Februar,  nach  dem  Tode  des  Rittmeisters 
Landmann ,  erhielt  Rudolph  von  Neitzschitz  unter  gleich- 
zeitiger Ernennung  zum  Obristlieutenant  dessen  Kom- 
pagnie als  eigene  Leibkompagnie  und  wurde  dagegen  die 
Leibkompagnie  der  Einspännigen  wieder  vom  Leib- 
esquadron-*^)   abgetrennt.      Die  Leibkompagnie  der  Ein- 


26)  Was  die  ferneren  Schicksale  des  Leibesquadrons  betrifft,  so 
erfolgte  im  Herbst  des  Jahres  16n0  dessen  Reduktion  bis  auf  eine 
Kompagnie,  welche  zu  einer  neu  gebildeten  Leibguardia  zu  Rofs 
kam.  und  da  bei  Formierung  dieser  Leibguardia  die  Leibregimenter 
zu  Rofs  beteiligt  waren,  sei  an  dieser  Stelle  ein  kurzer  Rückblick 
auf  die  Geschichte  der  beiden  Leibregimenter  zu  Rofs  geworfen. 

Im  Verlaufe  des  Jahres  1631  brachte  der  Oberstallmeister  und 
Obristlieutenant  über  die  Artillerie,  Dietrich  Taube,  ein  Leibregiment 
zu  Rofs  auf,  und  zwar  zunächst,  sogleich  bei  Beginn  der  Werbung, 
fünf  Kompagnien  als  Leibguardia  zu  Rots,  später  jedoch,  noch  im 
Herbste  desselben  Jahres,  anderweite  fünf  Kompagnien  Arquebusier- 
Reiter.  Diese  zehn  Kompagnien  bezeichnete  man  nunmehr  als  Leib- 
regiment zu  Rofs,  und  Dietrich  Taube,  welcher  unterdessen  die  Be- 
stallung als  Obristlieutenant  bei  der  Artillerie  niedergelegt  hatte, 
wm-de  zum  Obristen  über  dasselbe  ernannt.  Die  Standarte  des  Regi- 
ments war  schwarz  mit  Silber.  Dietrich  Taube  warb  im  Herbste 
1633  ein  zweites  Leibregiment  zu  Rofs  und  zu  derselben  Zeit  erhielt 
er  auch  das  Leibregiment  zu  Fufs  als  Obrist  anvertraut.  Das  zweite 
Leibregiment  zu  Rofs  kommandierte  unter  ihm  sein  Bruder  Claus 
Taube,  und  in  den  Kriegsannalen  jener  Zeit  wird  es  meist  als  das 
Jung- Taubesche  Regiment  bezeichnet.  Die  Standarte  war  gelb  und 
blau.  Das  Kommando,  über  diese  Regimenter  behielt  Dietrich  Taube 
bei,  trotz  der  hohen  Ämter  und  Würden,  zu  denen  er  auch  ander- 
weit gelangte,  denn  zur  Zeit  seines  Ablebens  war  er  Hofmarschall 
(er  hatte   unter  Resignation  des  zuvor  bekleideten  Oberstallmeister- 

13* 


196  Gr-  V.  Schimpff: 

spännigen  gehörte  keinem  militärischen  Verbände  mehr 
an,  sondern  dependierte  ausschlieislich  nur  vom  Hof- 
marschall. 

Dieses  Verhältnis  währte  bis  zum  Ableben  des  Kur- 
fürsten Johann  Georg  I.  Kurz  nach  dem  Regierungswechsel 
beschlofs  sein  Nachfolger,  Kurfürst  Johann  Georg  II., 
die  Leibkompagnie  der  Einspännigen  abzudanken. 

Auf  kurfürstliche  Verordnung  beschieden  infolge- 
dessen am  13.  Februar  1657  der  Geheime  und  Kammer- 
rat Siegmund  Siegfried  von  Lüttichau  und  der  Kammerrat 
Johann  Adolph  von  Haugwitz  die  Offiziere  und  Unter- 
offiziere der  einspännigen  Leibkompagnie  vor  sich  in  die 
Geheime  Kriegskanzlei,  und  that  ihnen  der  Kammerrat 
von  Haugwitz  den  Vortrag:  der  Kurfürst  erinnere  sich 
ihrer  geleisteten  Dienste  und  vermerke  dieselben  in 
Gnaden;  nachdem,  aber  kurfürstliche  Durchlaucht  mit 
dero  Hofstatt  in  Änderung  begriifen,  so  wären  dieselben 


amtes  das  Hofmarscliallamt  1635  an  Stelle  Bernhards  von  Starschedel 
übernommen ;  ihm  folgte  als  Hofmarschall  sein  Vetter  Heinrich  Taube 
auf  Püchau-Nöthnitz,  zugleich  Oberkämmerer),  Landvogt  in  der 
Oberlausitz,  Generalwachtmeister  über  die  Kavallerie  und  Obrist 
über  die  Leibregimenter  zu  Rofs  und  zu  Fnfs.  Auch  hatte  der 
Kaiser  ihn  in  den  Freiherrnstand  erhoben. 

Nach  des  Freiherrn  Dietrich  Taube  Ableben  im  Januar  1639 
blieb  der  Befehl  über  die  Leibregimenter  nicht  in  einer  Hand  ver- 
einigt, sondern  es  erhielten  das  Kommando  über  die  Regimenter  die 
bisher  bei  denselben  angestellt  gewesenen  Obristlieutenants  unter  Er- 
nennung zu  Obristen,  und  es  befehligten  daher  nunmehr:  das  erste 
Leibregiment  zu  Rofs  Obrist  Curt  Reinicke  Freiherr  von  Callenberg 
(später  Oberhofmarschall  und  Landvogt  in  der  Oberlausitz)  und  nach 
ihm  1645  Oberstlieutenant  Georg  Wilhelm  von  Milkau,  das  zweite 
Leibregiment  zu  Rofs  Obrist  Johann  Friedrich  Knoch  und  nach  ihm 
1643  Obrist  Hans  Abraham  von  Gersdorff. 

Als  nach  Beendigung  des  dreifsigj ährigen  Krieges  die  Truppen 
fast  sämtlich  entlassen,  die  Leibregimenter  und  der  Leibeskadron 
reduziert  wurden,  blieb  von  jedem  der  beiden  Leibregimenter  zu 
Rofs  und  ebenso  vom  Leibeskadron  je  nur  eine  Kompagnie  stehen, 
und  aus  diesen  drei  Kompagnien,  zu  denen  noch  zwei  Dragoner- 
kompagnien stiofsen,  lief«  der  Kurfürst  unter  dem  Obristen  Hans 
Abraham  von  Gersdorft'  eine  neue  Leibguardie  zu  Rofs  folgender- 
mafsen  formieren:  eine  Kompagnie  vom  reduzierten  zweiten  Leib- 
regiment zu  Rofs,  Obrist  von  Gersdorff;  eine  Kompagnie  vom  redu- 
zierten Leibeskadron,  Obristlieutenant  von  Neitzschitz ;  eine  Kom- 
pagnie vom  reduzierten  ersten  Leibregiment  zu  Rofs,  Obristwacht- 
meister  von  der  Planitz;  eine  Kompagnie  Dragoner,  Hauptmann 
Georg  Götz;  eine  Kompagnie  Dragoner,  Hauptmann  Johann  Heinrich 
Taube.  Bereits  im  Jahre  1651  wurden  jedoch  auch  diese  fünf  Kom- 
pagnien vollständig  abgedankt.  "Von  der  gesamten  Reiterei  blieb 
1651  nichts  stehen  als  die  Leibkompagnie  der  Einspännigen. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs.  197 

gemeint,  sie  gnädigst  zu  entlassen;  die  Kompagnie  solle 
sich  dahero  an  Ort  und  Stelle,  die  man  ihr  bezeichnen 
werde,  einstellen  und  der  Abdankung  gewarten. 

Der  Kapitänlieutenant  war  krank,  der  Lieutenant 
nicht  erschienen,  und  der  das  Wort  führende  Cornet,  der 
Sohn  des  Kapitänlieutenants  Craushaar,  erklärte  nach 
langen  Verhandlungen  über  die  Berichtigung  der  be- 
deutenden Soldrückstände,  sie  wären  zu  wenige,  sich  zu 
widersetzen,  begehrten  dasselbe  auch  nicht  zu  thun  und 
würden  durch  den  Hofmarschall  Taube  beim  Kurfürsten 
ihre  Not  klagen  lassen. 

Einen  Aufschub  der  Abdankung  erreichten  sie  jedoch 
durch  die  angebrachte  Klage  nicht,  denn  bereits  am 
14.  Februar  1657  wurde  die  Leibkompagnie  der  Ein- 
spännigen in  der  kurfürstlichen  Reitbahn  vom  General- 
wachtmeister von  Hanau  und  dem  Kammerrat  von  Haug- 
witz  ihrer  Dienste  entlassen  und  vollständig  aufgelöst. 


4.   Die  teiitsche  Leil)gar(le  zu  Rofs. 

AVenige  Tage  nachdem  die  Leibkompagnie  der  Ein- 
spännigen abgedankt  worden  war,  liefs  Kurfürst  Johann 
Georg  II.  am  16.  Februar  1657  im  kurfürstlichen  Reit- 
hause  seine  neue  Leibgarde  zu  Rofs  mustern  und  zur 
Estandarte  schwören. 

Durch  die  Herübernahme  der  noch  diensttüchtigen 
einspännigen  Knechte  aus  der  alten  Leibkompagnie  in 
die  neue  Leibgarde  blieb  zwischen  beiden  ein  gewisser 
Zusammenhang  erhalten,  wie  denn  überhaupt  die  Er- 
innerung an  die  zeither  obwaltenden  Verhältnisse  nur 
allmählich  verschwand.  Häufig  findet  sich  die  neue  Leib- 
garde noch  als  Leibkompagnie  bezeichnet,  und  der  Aus- 
druck Hoffahne  für  die  Leibgarde  zu  Rofs  kommt  selbst 
in  offiziellen  Aktenstücken  noch  vor. 

Die  Verpflichtung  der  neuen  Leibgarde  zu  Rofs  fand 
statt  durch  den  Oberhofmarschall  von  Rechenberg  und 
den  Kammerrat  von  Haugwitz. 

Der  Oberhofmarschall,  welcher  Inhalts  seiner  Be- 
stallung Macht  und  Gewalt  haben  sollte  nicht  allein  über 
die  Hofofflziere  und  alle  anderen  Diener  und  Hofgesindel, 
sondern  auch  über  sämtliche  Leibguardien  zu  Rols  und 
zu  Fuls,  stellte  bei  dieser  Gelegenheit  den  bisherigen 
Obristlieutenant  von   den  Ritterpferden,   Kammerjunker 


198  n.  V.  Scbiniiiff: 

und  Amtsliauptinaiin  zu  Mülilberg,  Rudolph  von  Neitzschitz 
zu  JBoitlien  und  liühisdoil',  der  Leibgarde  als  Obiisten'-') 
vor,  und  durch  diesen  erfolgte  sodann  die  Vorstellung  der 
übrigen  Offiziere,  nämlich  des  Kammer  Junkers  und  bis- 
herigen Trabantenhauptmanns  Christian  Ernst  Kanne  als 
Obristlieutenant,  des  Kannnerjunkers  und  bisherigen  Ritt- 
meisters bei  den  Ritterpferden  Wolf  Heinrich  von  Spohr 
als  Rittmeister,  Caspar  Heinrichs  von  Grünrodt  als 
Lieutenant  und  des  Kammerherrn  Wolf  Lorenz  Graf 
von  Hotfkirch'-^)  als  Cornet.  Ihm  wurde  das  kurfürst- 
liche Leibeornet  übergeben  und  anvertraut  dergestalt, 
dals  er  sich  dasselbe  wie  seine  Ehre  und  sein  Leben 
anbefohlen  sein  lassen,  auch  Leib  und  Blut  daran  setzen 
solle. 

Der  Etat  der  Leibgarde  war  laut  der  Musterliste 
folgender : 

der  Obrist  100  Thaler  Leibesbesoldung  und  11  Pferde 

der  Obristlieutenant  80  „  „  „  7  „ 

der  Rittmeister  60  „  „  „  4  „ 

der  Cornet  40  „  .  „  4  „ 

der  Lieutenant  30  „  „  „  3  „ 

der  Quartierineister  20  .  „  „3 

drei  Korporale  36  „  „  „  6  ,. 

ein  Fourier  6  „  „  „  2  „ 

ein  Feldscheer  6  „  „  „  1  „ 

ein  Profos  8  „  „  „  1 

vier  Trompeter  20  „  „  „  4  „ 

ein  Pauker  5  „  ,,  ,,  1  „ 


411  Thaler  Leibesbesoldung  und  47  Pferde 
beim  ersten  Blatt  (prima  plana) 

14  Truchsesse,  jeder  mit  2  Pferden,  28  Pferde 
30  Einspännige  30       „ 


Summa  105  Pferde. 


Die  Truchsesse  waren  Edelleute,  von  denen  jeder  mit 
einem  Knecht  und  zwei  Pferden  diente.    Dieselben  be- 


■■^■')  Obrist  von  Neitzschitz  wurde  zugleich  zum  Kammerherrn 
ernannt  und  verblieb  Amtshauiitmann  zu  Mühlberg.  Seine  bisherigen 
Bezüge  jedoch  als  Aratshaui»tniiuin,  sowie  als  Kamnierjunker  und 
als  Obristlieutenant  von  den  Ritterpferden  kamen  in  Wegfall.  Die 
neue  Besoldung  für  sich,  auf  sein  Gesinde  und  seine  Pferde  betrug 
die  für  jene  Zeit  anseludiche  Summe  von  jährlich  2:i5H  Thalern.  Die 
Amtshauptniannschaft  zu  Mühlberg  vertauschte  jedoch  Neitzschitz 
später  gegen  die  Anitshauptmannschaft  zu  Stolpen  und  diese  1691 
gegen  die  Aratshauptniannscliaft  zu  Pirna. 

-*)  Bereits  16äy  am  1.  September  folgte  ihm  als  Cornet  der 
Kammerberr  Friedrich  Albrecht  von  Götz,  nachmals  Oberstallmeister. 


Die  kurfürstUclien  Leibwachen  zu  Rofs.  199 

zogen  ebensowenig-  wie  die  Einspännigen  eine  Leibes- 
besoldung,  sondern  es  hatten  die  Einspännigen  mit  iliren 
Pferden,  sowie  die  Truclisesse  mit  ihren  Knechten  und 
Pferden  von  dem  auf  jedes  Pferd  mit  8  Thalern  ausge- 
worfenen Solde  sich  selbst  zu  unterhalten. 

Von  den  Offizieren  erhielt  ein  jeder  aufser  der  Leibes- 
besoldung für  sich  jährlich  ein  Ehrenkleid,  sowie  für  sein 
Gesinde  gleichmälsige  Liberey  wie  die  Reiter  bei  der 
Kompagnie  und  auf  die  Dienstpferde  8  Thaler  gewöhn- 
liches Reitertraktament. 

Der  Sold  auf  die  105  Pferde  der  Kompagnie  betrug 
demnach  840  Thaler;  wird  hierzu  die  Leibesbesoldung  beim 
ersten  Blatt  mit  411  Thaleru  gerechnet,  so  erheischte 
der  Unterhalt  der  neuen  Leibgarde  einen  Aufwand  von 
monatlich  1251  Thalern,  welcher  von  den  für  die  Solda- 
tesca  ausgeworfenen  Geldern  zu  bestreiten  war. 

Der  Kommandant  der  neuen  Leibgarde,  welcher  sich 
in  seiner  Bestallung  als  Obrister  über  die  Leibgarde  zu 
Rofs,  sonst  aber  häufig  als  Hofobrister  bezeichnet  findet, 
sollte  Inhalts  seiner  Instruktion  die  ihm  anvertraute  Leib- 
garde in  guter  Ordnung  und  Disziplin  halten.  Seiner 
Dependenz  halber  war  er  unmittelbar  an  die  Befehle 
des  Km^fürsten  verwiesen  und  hatte  von  niemand  sonst 
Ordre  anzunehmen.  Wenn  jedoch  der  Oberhofmarschall 
ihrer  viele  oder  wenige  aus  denen  vom  Adel  oder  den 
Einspännigen  zur  Hofaufwartung,  zum  Convoy  oder  zur 
Verschickung  benötigt,  so  sollte  der  Obrist  ihm  damit 
unweigerlich  zur  Hand  gehen.  Ferner  hatte  der  Obrist 
die  Reiter  und  Knechte  eintretenden  Falles  nach  dem 
Articulsbriefe  selbst  zu  strafen,  wegen  Bestrafung  der 
Adligen  hingegen,  welche  sich  etwas  zu  Schulden  kommen 
lielsen,  sich  mit  dem  Oberhofmarschalle  zu  vernehmen 
oder  dieselben  dem  Kurfürsten  selbst  anzuzeigen  und  Be- 
scheides zu  erwarten.  Für  seine  Person  sollte  der  Obrist 
jederzeit  an  dem  Orte,  wo  der  Kurfürst  sich  aufhalte, 
es  sei  im  Hoflager  zu  Dresden,  auf  Reisen  oder  zu 
Felde,  bei  der  Garde  sich  persönlich  befinden. 

Wenn  grofse  Festlichkeiten  bevorstanden,  so  wurden 
im  Hofmarschallamte  Memoriale  für  die  sämtlichen  Hof- 
beamten ausgearbeitet,  worin  einem  jeden  seine  Obliegen- 
heiten vorgeschrieben  waren.  So  hatte  z.  B.  im  Jahre 
1662  bei  der  Vermählung  der  Tochter  des  Kurfürsten  mit 
dem  Markgrafen  von  Brandenburg-Baireuth  Rudolph  von 
Neitzschitz,  Ritter,  Hofobrister,  Kammerherr  und  Amts- 


200  G.  V.  Schiinpif: 

liauptmaiiii  zu  Mühlberg,  laut  des  ihm  zugestellten  Memo- 
rials, bei  dem  bevorstehenden  liochfürstlichen  Eeilager  zu 
beobachten:  1.  welche  Bedienung  ihm  selbst  zukommen 
mochte,  werde  er  jedesmal  in  Zeiten  benachrichtigt 
werden;  2.  den  Truchsessen  werde  er  zu  befehlen  be- 
lieben, dafs  sie  insgesamt  die  Speisung  auf  die  kurfürst- 
liche Haupttafel  tragen  und  sich  sonst  in  dem,  was  ihnen 
aufgetragen  werde,  gebührend  bezeigen  sollen;  3.  der 
Einspännigen  sei  man  zur  Aufwartung  im  Kiesengemach 
und  in  den  Hofstuben  benötigt  und  werde  der  Herr 
Obrist  ihnen  befehlen,  auf  Ansage  der  Hoffouriere  an 
den  Orten,  wo  jeder  hin  bestellt  werde,  fleilsig  aufzu- 
w^  arten. 

Die  Verpflichtung  für  die  Truchsesse  von  der  Leib- 
garde, das  Essen  auf  die  kurfürstliche  Tafel  zu  tragen, 
blieb  in  der  Regel  bei  allen  gröfseren  Hoffestlichkeiten 
dieselbe.  Zuweilen  wurden  dieselben  jedoch  auch  zu 
anderen  Dienstleistungen  verwendet.  Bei  der  Vermählung 
des  Kurprinzen  waren  unter  anderem  zw^ei  Truchsesse 
von  der  Leibgarde  zu  Pferd  zur  Dienstleistung  als  Mar- 
schälle für  das  gräfliche,  freiherrliche  und  adlige  Hof- 
und  städtische  Frauenzimmer  befehligt.  Andere  Truch- 
sesse versahen  bei  derselben  Gelegenheit  den  Dienst  als 
Mundschenken  bei  den  anwesenden  fürstlichen  Personen, 
soweit  nicht  Kammerjunker  hierzu  befehligt  waren,  und 
bei  den  fremden  Abgesandten. 

Wegen  der  nächst  der  Hofaufwartung  und  dem 
Convoy  erwähnten  Verschickungen  schienen  grolse  Mils- 
bräuche  stattgefunden  zu  haben.    So  erging  am  18.  März 

1667  die  Ordre:  der  Obriste  Neitzschitz  solle  nicht  ein- 
räumen, dals  ein  jeder  unter  dem  Prätext  kurfürstlicher 
Angelegenheiten  die  Einspännigen  von  der  Leibgarde  zu 
Rols  zu  Verschickungen  gebrauche,  er  sei  denn  genugsam 
versichert,  dals  die  kurfürstlichen  Hof-  und  Kriegsdienste 
es  also  eiforderten. 

Ferner  erhielt  der  Obrist  von  Neitzschitz  am  16.  März 

1668  Befehl,  den  Mifsbrauch  abzustellen,  dais  die  Ein- 
spännigen von  der  Leibgarde  zu  Rofs  mit  Bestellung  von 
Posten  und  Privatbriefen  übernommen  würden,  indem  da- 
durch die  Pferde  und  die  Montierung  in  grolses  Abnehmen 
gerieten. 

Was  die  Uniformierung  der  Leibgarde  betrifft,  so 
trug  sie  rote,  gelb  ausgemachte  Röcke  und  mindestens 
bei  festlichen  Gelegenheiten  Hauben  oder  Casquets,  sowie 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  E,ofs.  201 

Brust-  und  Rückenstücken^^}.  Bei  den  Truchsessen  waren 
die  eisernen  Nasenfedern  an  den  Casquets  vergoldet  und 
die  Karabinerriemen  mit  goldenen  Gallonen  eingefafst. 
Die  Trompeter  trugen  ebenfalls  rote,  jedoch  mit  Gold  und 
schwarzen  Schnüren  besetzte  Röcke.  An  den  Trompeten 
befanden  sich  rote  damastene  Fahnen  mit  dem  kurfürst- 
lichen Wappen  und  Quasten  von  rot  und  gelb. 

Die  Estandarte  der  Leibgarde  war  von  weifsem  mit 
Gold  gestickten  Atlas.  Auf  der  einen  Seite  befand  sich 
unter  dem  Kurhute  das  kurfürstliche  Wappen  in  Farben 
und  in  Gold  und  Silber  gestickt.  Auf  der  anderen  Seite 
erschien  eine  Pyramide,  in  deren  Mitte  sich  in  einem 
goldenen  Oval  des  Kurfürsten  Namenszug  in  Silber  zeigte. 
Über  dem  Namenszuge  erblickte  man  ein  Casquet  mit 
dahinter  kreuzweise  geschränktem  Schwerte  und  Palmen- 
zweige und  zu  Oberst,  wie  auch  zu  unterst  ein  Auge. 
Oben  darüber  aber  erschien  ein  goldener  Strahl  mit  dem 
Worte  Jehovah  in  hebräischer  Schrift.  Zu  beiden  Seiten 
der  Pyramide  zeigte  sich  reich  und  künstlich  gestickt  des 
Kurfürsten  Symbolum:  „Sursiim  deorsum"^^).  In  dem 
vergoldeten  und  auf  jeder  Seite  mit  16  großen  Rubinen 
besetzten  Krönlein  war  das  Wort  Jehovah  durchbrochen. 

Die  Leibgarde  zu  Rofs  begleitete  zunächst  im  Herbst 
des  Jahres  1657  den  Kurfürsten  auf  seiner  Huldigungs- 
reise im  Lande"^)  und  1658  im  Frühjahr,  nachdem  sie 
auf  27  Truchsesse'"-)  und  50  Einspännige  verstärkt  worden 


2ö)  In  den  Hofmarschallamts-Akten  Eep.  B.  No.  15  findet  sich 
die  Abbildung  eines  Aufzuges  aus  jener  Zeit.  Soviel  sich  unter- 
scheiden läfst,  hatten  die  über  dem  Kürafs  getragenen  Röcke  keine 
Ärmel.  Die  Offiziere  sind  mit  Hüten  abgebildet,  auf  denen  ein 
wallender  Federbusch  erscheint.  Auch  der  Pauker  imd  die  Trom- 
peter trugen  Hüte  mit  Federbüschen. 

^^)  Sursum  deorsum  heifst  wörtlich  übersetzt:  ,,Nach  oben, 
nach  unten".  Der  Sinn  dieses  Wahlspruches  des  Kiu'fürsten  läfst 
eine  sehr  verschiedenartige  Deutung  zu.  Ein  Zeitgenosse  hat  den- 
selben folgendermafsen  ausgelegt: 

Aufwärts  ich  zu  Gott  mit  hebe, 
Abwärts  ich  dem  Nächsten  lebe. 

^^)  So  lange  diese  Reise  dauerte,  wurde  statt  Futter  und  Mahl 
wöchentlich  1  Thaler  Zulage  gewährt,  wovon  ein  jeder  seine  vivres 
und  seine  Fourage  selbst  zu  bezahlen  hatte, 

^^)  Truchsesse  waren:  Sechs  Gersdorff,  zwei  Metzradt,  je  ein 
Bomsdorff,  Kalkreuther,  Hermsdorft',  Schleinitz,  Wallizsch,  Werthern, 
Polenz,  Bünau,  Geysing,  Feldheim,  Zescha,  Luttitz,  Rabenau,  Haiig- 
witz,  Ende,  Friesen,  Weifsenbach,  Zedlitz,  Hopfgarten.  Später  kamen 
noch  hinzu  die  Truchsesse  Milkau,  Seebach,  Buchwald,  Berga,  zwei 
Kospoth  und  zwei  Sicherod. 


202  (;.  v.Scliimpfl": 

wai-,  zur  Kaiserwalil  nach  Frankfurt.  Bei  dem  Einzüge 
in  Fiankfurt  am  22.  März  1658  marschierte  die  Leibgarde 
zu  Rois  in  folgender  Ordnung  •^^): 

Ein  Heerjunker  und  fünf  Trompeter;  Rudolph  von  Neitzschitz, 
Kaninierlierr  und  Hofobrister  über  die  Leibguardie  zu  Rofs,  in 
Brust-  und  Rückenstücken  und  mit  blofsem  Degen. 

Ihm  folgten:  Christian  Ernst  Kanne,  Obristlieutenant;  Wolf 
Heinrich  von  Spohr,  Rittmeister,  beide  mit  Brust-  und  Rückenstücken 
und  mit  blofsem  Degen ;  Wolf  Loi'enz  Graf  Hoff'kirch,  Kammerherr  und 
Cornet,  gleichfalls  gewaftnet  und  führte  er  selbst  die  Leibestandarte; 
30  Glieder  von  der  Leibguai'die  zu  Rofs,  worunter  30  vom  Adel,  je 
vier  im  Gliede,  alle  mit  Brust-  und  Rückenstücken,  präsentiertem 
Karabiner  und  Casquetten  auf  dem  Haupte. 

Den  Schlufs  bildete:  Hans  Caspar  von  Grünrodt,  Lieutenant, 
mit  Brust-  und  Rückenstücken  und  mit  blofsem  Degen. 

Von  Frankfurt,  wo  der  Obrist  von  Neitzschitz  vom 
Kaiser  zum  Ritter  geschlagen  worden  war,  begleitete  die 
Leibgarde  den  Kurfürsten  nach  Dresden  zurück. 

In  den  folgenden  Jahren  wechselte  der  Etat  der 
Leibgarde,  w^elclie  man  seit  dem  Jahre  1660  zum  Unter- 
schiede von  der  damals  in  kurfürstliche  Dienste  auf- 
genommenen Leibgarde  Kroaten  als  die  deutsche  Leib- 
garde zu  Rols  zu  bezeichnen  pflegte,  mehrfach.  Bei  der 
Musterung  am  11.  Oktober  1662  befanden  sich  im  ersten 
Blatt  56  Pferde,  indem  nicht  allein  den  Offizieren  mehrere 
Pferde  zugelegt  wurden,  sondern  auch  neu  hinzugetreten 
waren:  ein  Wachtmeister"^^),  ein  Musterschreiber,  zwei 
Fahnenschmiede,  ein  Sattler,  ein  Plattner.  Dagegen 
befinden  sich  die  sechs  Pferde  der  Korporale  nicht  mehr 
beim  ersten  Blatt,  sondern  in  der  Liste  der  Mannschaft 
aufgeführt. 

Aulser  gedachten  56  Pferden  im  ersten  Blatt  zählte 
die  Leibgarde  186  Pferde  in  drei  Korporalschaften,  daher 
jede  Korporalschaft  22  Pferde,  nämlich:  2  Pferde  der 
Korporal,  32  Pferde  die  16  Truchsesse,  30  Pferde  die 
30  Einspännigen.  Eingerechnet  in  diese  Anzahl  war  der 
ebenfalls  neu  hinzugekommene  Fahnenjunker,  w^elcher 
unter  den  Truchsessen  der  zweiten  Korporalschaft  ritf^'^). 


^ä)  Die  Zugordnung  war  nicht  immer  die  nämliche. 

"*)  Die  neubegründete  Wachtmeisterstelle  hatte  am  1.  Februar 
16(U  der  bisherige  Korporal  Hans  Georg  von  Bärenstein  erhalten. 
Beim  Marsche  der  Leibgarde  pflegte  nebst  dem  Lieutenant  der 
Wachtmeister  den  Zug  zu  schliefsen. 

^■')  Korporals  waren  1662  Caspar  Otto  von  Nostitz,  Caspar  Sieg- 
mund von  Metzradt,  Siegfried  von  Gersdorff;  Fahnenjunker  war 
Wendel  von  Bomsdorff. 


Die  kuifürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs.  203 

Nachdem  sodann  für  kurze  Zeit  eine  Reduktion  des 
Etats  der  Leibgarde  auf  200  Pferde  stattgefunden  hatte, 
stieg  derselbe  bald  wieder  und  betrug  im  Jahre  1675 
250  Pferde,  daher,  bis  auf  wenige  Pferde,  ebenso  viel, 
als  bei  der  Musterung  am  11.  Oktober  1662. 

Unterdessen  hatten  sich  auch  unter  den  Offizieren 
vielfache  Veränderungen  zugetragen.  Was  namentlich 
die  Obristlieutenants  betrifft,  so  dankte  der  Obristlieute- 
nant  Christian  Ernst  Kanne  am  14  März  1661  infolge 
seiner  Ernennung  zum  Hofmarschall  ab  und  seine  Stelle 
wurde  dem  bisherigen  Obristwachtmeister  bei  den  Eitter- 
pferden,  Christoph  Melchior  von  Neitzschitz^^**),  verliehen. 
Diesem  folgte  1663  am  6.  Dezember  als  Obristlieutenant 
der  seit  1659  in  den  Listen  der  Leibgarde  nicht  mehr 
aufgeführte  frühere  Cornet  Wolf  Lorenz  Graf  Hoffkirch. 
Als  letzterer  jedoch  wegen  einer  dem  Kurprinzen  zu- 
gefügten Beleidigung  in  Ungnade  fieP^'),  erhielt  der  Hof- 
obrist  von  Neitzschitz  am  29.  Juni  1667  Befehl,  die  Leib- 
garde des  Gehorsams  gegen  den  Obristlieutenant  Grafen 
Hoffkirch  zu  entbinden  und  an  seiner  Stelle  den  Obrist- 
wachtweister  Caspar  Heinrich  von  Grünrodt  als  Obrist- 
lieutenant vorzustellen.  Infolge  dieses  raschen  Wechsels 
in  Besetzung  der  Obristlieutenantsstelle ,  welcher  Auf- 
rückungen mit  sich  führte,  sowie  infolge  neuer  Ernen- 
nungen, befanden  sich  im  Jahre  1675  als  Offiziere  bei  der 
teutschen  Leibgarde  zu  Rols:  Obrist  Rudolph  von  Neitz- 
schitz, Ritter,  seit  1671  auch  Kriegsrat;  Obristlieutenant 
Caspar  Heinrich  von  Grünrodt;  Obristwachtmeister  Johann 


3ö)  Christoph  Melchior  von  Neitzschitz  war  in  den  Wirren  des 
dreifsigjährigen  Krieges  verschollen  gewesen.  Er  kehrte  jedoch 
zurück  und  erhielt  die  ihm  für  diesen  Fall  aufbehaltene  übrist- 
wachtraeisterstelle  beim  zweiten  Regiment  Eitterpferde.  Er  wurde 
1661  Obristlieutenant  bei  der  Leibgarde  zu  Rofs,  und  als  er  diese 
Stelle  resignierte,  erhielt  er  1663  im  Dezember  die  ihm  vom  Obristen 
Rudolph  von  Neitzschitz  cedierte  Amtshauptmannschaft  zu  Mühlberg. 
1673  wurde  er  Kommandant  vom  Königstein  und  starb  er  als  solcher 
1684. 

s')  Der  Kurprinz  war  am  3.  Juni  1667  mit  mehreren  Kavalieren, 
unter  denen  sich  auch  Graf  Hoffkirch  befand,  nach  einer  Mühle  im 
Plauenschen  Grunde  geritten,  um  das  Mittagsmahl  daselbst  einzu- 
nehmen. Während  desselben  kam  es  zu  einem  heftigen  Streite,  und 
Graf  Hoffkirch  vergafs  sich  soweit,  den  Degen  gegen  den  Kur- 
prinzen zu  ziehen.  Graf  Hoffkirch  wurde  verhaftet  und  die  Unter- 
suchung gegen  ihn  eingeleitet.  Nachdem  er  sich  jedoch  verpflichtet, 
die  Residenz  binnen  drei  Tagen  zu  verlassen,  erhielt  er  den  Degen 
zurück. 


204  t^-  ^-  Scliimptf: 

Friedlich  von  RodeAvitz;  Cornet  Hans  Karl  von  Neitz- 
schitz.     Die  Stelle  des  Lieutenants  war  unbesetzt. 

Im  Herbst  des  Jahres  1675  beschlols  Kurfürst 
Johann  Georg  IL,  die  teutsche  oder  wie  es  in  der  be- 
treffenden Ordre  heilst,  die  hochteutsche  Leibguarde  zu 
Rofs  in  drei  Kompagnien  zu  formieren.  Die  Detail- 
bestimmungen deshalb  rühren  von  der  Hand  des  Kur- 
fürsten, wie  denn  überhaupt  der  Kurfüi'st,  wenn  er  auch 
nicht  selbst  ins  Feld  gezogen  ist=^^),  mit  den  militärischen 
Angelegenheiten  sich  doch  sehr  eingehend  beschäftigte. 
So  pflegte  der  Kurfürst  die  Musterungen  meist  in  Person 
abzuhalten,  die  höheren  Offiziere  selbst  zu  benennen  und 
über  Organisation  und  Zusammensetzung  des  Truppen- 
teils seine  Meinung  schriftlich  zu  erkennen  zu  geben. 

Im  vorliegenden  Falle  benannte  der  Kurfürst  als 
Kommandanten  der  drei  zu  formierenden  Kompagnien 
den  Hofobristen  Rudolf  von  Neitzschitz,  welcher  gleich- 
zeitig Kommandant  der  Garde  blieb,  den  Obristwacht- 
meister  Hans  Friedrich  von  Rodewitz  und,  unter  Er- 
nennung zum  Rittmeister,  den  bisherigen  Cornet  Hans 
Karl  von  Neitzschitz,  Sohn  des  Obristen  von  Neitzschitz. 

Die  erste  Musterung  der  Leibgarde  in  drei  Kom- 
pagnien, bei  welcher  zugleich  der  Obrist  von  Neitzschitz 
in  der  ihm  neu  verliehenen  Würde  als  Generalwacht- 
meister vorgestellt  wurde,  fand  am  6.  Januar  1676  im 
Schmelzgarten  vor  dem  Wilsdruffer  Thor  in  Gegenwart 
des  Kurfürsten  und  Kurprinzen  statt. 

Der  Bestand  der  Garde  war: 

Leib- Kompagnie,  131  Pferde. 

1  Heerpauker  und  4  Trompeter  mit  4  Pferden. 

Stab: 
Obrist  von  Neitzschitz 
Quartiermeister  Meusel 
Secretarius  Melchior  Becke 
1  Fehlscheer 
1  Plattner,  1  Sattler 
1  Profos 

28  Pf, 


12  Pf. 

3 

2  Knechte 

2 

1 

2 

dessen  Gesell 

2 

2 

dessen 

Steckenknecht 

^^)  Deshalb  fand  auch  die  Leibgarde  keine  Gelegenheit,  sich 
im  Felde  auszuzeichnen.  Dagegen  wurde  dieselbe  mehrfach  zur  Es- 
kortierung der  Artillerie  bei  ihren  Märschen  im  Lande,  sowie  zur 
Sicherung  der  Strafsen,  namentlich  während  der  Zeit  der  Leipziger 
Messe,  verwendet.  Im  Jahre  1H80  erhielt  Lieutenant  von  Nostitz 
Befehl,  mit  einer  starken  Abteilung  der  Leibgarde  zu  Rofs  die  Mause- 
partie im  Zellaer  Walde  anfzusucEen. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zn  Rofs. 


205 


Prima  Plana: 
Cap.-Lieut.  Georg  Heinrich  von  Carlowitz 
Cornet  Otto  Christoph  von  Rochau 
Fourier  Caspar  Werde 
1  Fahnenschniied 

Erste  Korporalschaft: 
Wachtmeister  Hans  Georg  von  Bernstein  2^) 
Nicolaus  Perich 
Johann  Schulte 
Joachim  Bernhard  von  Ihlau 
Hans  Georg  von  Krähe  aus  Rofsthal 
Hans  Christoph  Claudi 
Hans  Georg  von  Döhlau  aus  Welssdorf 
Sigfried  von  Lüttichau  aus  Kmehlen 
15  Einspännige 


5  Pf. 

2  Kn. 

4 

1) 

2 

)) 

2 

1) 

1 

11 

1 

n 

12 

Pf. 

3  Pf. 

2 

Kn. 

je  2 


je  1    „  — 


32  Pf. 


Zweite  Korporalschaft: 
Koi-poral  Hans   Christoph  von  Gersdorff  aus 

Hammerstädt  bei  Görlitz *<>)  2  Pf.  1  Kn. 

Fahnenjunker  Joachim  Friedrich  von  Kospoth  aus 

Cotta  bei  Pirna*') 
Heinrich  Adolph  von  Borau  gen.  Kessel  aus 

Perzdorf  in  Böhmen 
Otto  von  Tacherodt 
Hans  Christoph  Römer  aus  Ober-Neumark  bei 

Zwickau 
Hans  Günther  von  Lochen  aus  Hermsdorf  bei 

Küstriu 
Johann  Adam  Friedrich    von   Schöuberg    aus 

Wilsdruff 
Georg  Ernst  von  Ölsnitz  aus  Ober-Ranitsch 
15  Einspännige  je  2    „  — 


je 


31  Pf. 

Dritte  Korporalschaft: 

Korporal  Wolf  Dietrich  von  Polenz   aus  Linz  bei 

Ortrand  *2)  2  Pf.  1  Kn. 

Hans  Friedrich  von  Schönberg  aus  Rothschönberg 
Georg  Dietrich  von  Carlowitz  aus  Thüi'msdorf 
Julius  Heinrich  von  Wolffersdorff 
Adam  Friedlich  von  Carlowitz  aus  Kreischa 
Joachim  von  Plötz  aus  Colmen  bei  Würzen 
Franz  Ferdinand  von  Troilo 
14  Einspännige 


je  2 


jel 


1 


28  Pf. 


2»)  Hatte  2  Jahr  als  Reuter  Dänemark,  dann  20  Monate  als  Reuter 
und  10  Monate  als  Korporal  in  Frankreich  unter  Kardinal  Mazarin 
im  Leibregiment  gedient.  Bei  der  Leib-Guarde  dann  seit  18  Jahren 
IOV.2  Monaten. 

**')  1  Jahr  als  Reuter  der  Krone  Polen  gedient,  seit  18  Jahren 
4  Monaten  in  der  Leib-Guarde. 

^1)  Bei  der  Leib-Guarde  seit  17  Jahren  2  Monaten. 

*2)  Seit  17  Jahren  2  Monaten  bei  der  Leib-Guarde. 


206 


G.  V.  Schimpft: 


'Oberstwachtinoistcrs  Kompaiinie,  102  Pferde. 
Prima  Plaua: 

Oberstwachtmeister  HansFriodrich  v.  Küdewitz  7  Pf.  4  Kn 
Lieutenant  Heinrich  Adolph  von  Kubeuau        4    „    2    „ 
Cornet  Caspar  Siegmnnd  von  Rodewitz  —    „  —  „ 

1  Fourier  2    ,,    1    „ 


1  Älusterschreiber 


1 


1  Haudpf. 


20  Pf. 


Erste  Korporalschaft: 

Wachtmeister  Caspar  Otto  von Nostitz  aus  Triebitz^^)  2  Pf. 
Ci  Ottfried  Magnus  vonGersdorff  ausHammerstädt ' 
Friedrich  Adolph  von  Kalkreuter  aus  Weifsdorf 

bei  Friedland 
David  Heinrich  von  Gersdorff  aus  Taubenheim 
Karl  Friedrich  von  Nostitz 
Georg  Rudolph  von  Glüx 
Heinrich  Friedrich  von  Rabenau 
Gottlob  Ernst  von  Sander 
12  Einspännige  


1  Kn. 


je  2 


je  1 


28  Pf. 

Zvpeite  Korporalschaft: 

Korporal  Hans  Georg  von  Reimbz  aus  Seidenberg-»*)  2  Pf.  1  Kn. 

Fahnenjunker  Christoph  Friedrich  von  Luttitz 

Friedrich  Adolf  von  Gersdorff 

Georg  Abraham  von  Kyau 

Hans  Christoph  von  Schilling  /  je  2 

Hans  Caspar  von  Nostitz 

Christoph  Gottlob  von  Gersdorff 

Hans  Nicol  von  Schwanitz  aus  Hochkirch 

12  Einspännige  .  je  1 


Dritte  Korporalschaft: 

Korporal  Georg  Adam  von  Schweinack  a.  d.  Ober- 
lausitz 
Otto  Heinrich  von  Scherz  und  Pliskowitz 
Caspar  Adolph  von  Ponikau 
Hans  Christoph  von  Luttitz 
Georg  Abraham  von  Tliier 
Hans  Christoph  von  Mediger 
Hans  Otto  von  Kolberitz 
12  Einspännige 


28  Pf. 


2  Pf.  1  Kn. 


je  2 


je  1 


26  Pf. 


")  Hat  66  Monate  als  Reuter  unter  dem  Nassischen  Regiment 
und  227  Monate  als  Korporal  bei  der  Leib-(iuarde  gedient. 

*')  Diente  der  Krone  Schwreden  66  Monate  als  Lieutenant,  in 
der  Leib-Guarde  seit  129  Monaten. 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs. 


207 


Rittiueister  Neitzschitz'  Kompagnie,  102  Pferde. 

Prima  Plana: 

2  Trompeter 

Rittmeister  Hans  Karl  von  Neitzschitz 

Lieutenant  Kaspar  Magnus  von  Metzradt  aus 

Hermsdorf  in  der  Oberlausitz  *^) 
Cornet  Hans  Pflugk  aus  Strebla^") 
1  Fourier 
1  Musterschreiber 


2  Pf. 

7    „ 

2  Kn.  2  Handpf 

4    „ 
4    „ 
2     „ 
2     „ 

2    „ 
2    „ 
1    „ 

20  Pf. 


Erste  Korporalschaft: 


Wachtmeister  Johann  Melchior  von  Milkau  aus  Pilzig 

bei  Rochlitz 
Wolf  Joachim  von  Fitzscher 
Adam  Friedlich  von  Kospoth  aus  Cotta 
Paul  Rittiger 

Christoph  Friedrich  von  Thier 
Hans  Melchior  von  Milkau 
Christoph  Franz  von  Grunewald  aus  Laacka  in 

Preufsen 
Hans  Caspar  von  Konnewitz  aus  der  Mark 
12  Einspännige 


2  Pf.  1  Kn. 


je  2 


je  1 


28  Pf. 


Zweite  Korporalschaft: 

Korporal  Hans  Heinrich  von  Minckwitz   aus  dem 

Hause  Gablenz  in  der  Mark*') 
Wolf  Adolph  von  Grünrodt  aus   Wiederoda, 

Fahnenjunker 
Moritz  Albrecht  von  Hartitzsch 
Georg  Dietrich  von  Birkholz 
Hans  Georg  von  Werther 
Adam  Heinrich  von  Darstettel 
Georg  Asmus  von  Hartitzsch 
Georg  Friedrich  von  Osterhausen 
12  Einspännige  _ 


2  Pf.  1  Kn. 


.  je  2 


je  1 


28  Pf. 


*')  Hatte  3  Jahre  der  Krone  England  als  Reuter,  unter  Oberstl. 
Böse,  dann  2  Jahre  der  Krone  Schweden  als  Frei -Reuter  gedient. 
Bei  der  Leib-Guarde  seit  18  Jahren  10  Monaten. 

**^)  Hatte  3  Jahre  als  Reuter  unter  des  Grofsherzogs  von  Florenz 
hochdeutscher  Leib-Comp.  Cuirassier  unter  des  Obersten  Graf  Consagi 
Kompagnie  gedient. 

*■')  Hatte  4  Jahre  als  Reuter  und  1  Jahr  als  Cornet  bei  Obrist 
Promnitzens  Leib-Comp.  unter  General- Wachtmstr.  Pfuhl  dem  Kur- 
fürsten von  Brandenburg  gedient,  seit  9  Monaten  bei  der  Leib- 
Guarde. 


je 


208  G-  V.  Schimpif : 

Dritte  Korporalschaft: 

Koi'poral  Christoph  Cäsar  von  Auerswalile  2  Pf.  1  Kn. 

Franz  Hmlolph  von  Schmiodt 

Hans  Friedrit'h  von  Weither 

Leonhard  Christian  von  Engell   aus  Sassh^ben 

(Niederlansitz) 
Hans  Heinrich  von  Leipziger 
Magnus  Friedrich  von  Carhnvitz  aus  Rabenstein 
Carl  Baltliasar  von  Boitha  aus  Neundorf  bei 

Eilenburg 
12  Einspännige  je    1    „ 

26  Pf. 

Die  Leibgarde  war  daher  325  Pferde  stark. 

Für  jedes  Pferd  wurden  monatlich  (der  Monat  zu 
36  Tagen  und  das  Jahr  zu  10  Monaten  gerechnet)  10 
Thaler  gewählt  und  betrug  der  Aufwand  für  die  Leib- 
garde, einschliesslich  der  Besoldungen  für  die  Offiziere, 
Unteroffiziere,  die  Trompeter,  den  Pauker,  den  Schmied, 
den  Sattler,  den  Plattner  4060  Thaler. 

Jede  Kompagnie  besals  ihre  eigene  Standarte.  Die 
Leibstandarte  befand  sich  bei  der  Kompagnie  des  Obristen, 
Generalwachtmeisters  von  Neitzschitz;  dieselbe  war  von 
weiiser  Seide,  reich  mit  Gold  gestickt  und  mit  goldenen 
Fransen  besetzt.  Auf  der  einen  Seite  erschienen  des 
Kurfürsten  Embleme  mit  dem  Symbolum:  Sursum.  deorsum, 
auf  der  anderen  Seite  zeigte  sich  der  Hosenbandorden 
mit  dem  Bildnis  des  heiligen  Georg  und  der  bekannten 
Umschrift  des  Ordens:  Hony  soit  qui  mal  y  pense. 

Bei  den  beiden  anderen  Kompagnien  waren  die 
Standarten  ebenfalls  von  weiiser  Seite,  reich  mit  Gold 
gestickt,  mit  den  Kurschwertern,  dem  Kurhut,  dem 
Namenszug  des  Kurfürsten  in  einem  Rautenkranz  und 
mit  der  Umschrift:  Sni^snm  deorsum. 

Zur  teut sehen  Leibgarde  zu  Rols  trat  am  1.  Januar 
1677  noch  eine  vierte  Kompagnie  hinzu  unter  dem  Kammer- 
herrn und  Hofmarschall  Friedrich  Adolph  von  Haugwitz 
als  Obristlieutenant.  Die  Stärke  und  Verpflegung  der- 
selben war  die  nämliche,  wie  bei  den  übrigen  Kom- 
pagnien. Der  Stab  und  drei  Kompagnien  empfingen 
ihren  Unterhalt  aus  dem  Kriegszahlamte,  die  Kompagnie 
des  Obristwachtmeisters  wurde  dagegen  aus  den  Ober- 
lausitzer  Einkünften  verpflegt. 

In  der  Kapitulation  mit  dem  Hofmarschall  Obristlieute- 
nant von  Haugwitz  ist  rücksichtlich  der  bei  der  Militär- 
gerichtspflege   damals    üblichen  Einrichtungen    folgender 


Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rols.  209 

Passus  bemerkenswert:  der  Disziplin  und  Justiz  halber  wolle 
der  Kurfürst  geschehen  lassen ,  dals  der  Hofmarschall  als 
Obristlieutenant  die  gemeinen  Reiterdelicta,  der  Kriegs- 
observanz  gemäfs  und  nach  den  Articulsbriefen,  zu  strafen 
Fug  und  Macht  habe.  Kriminal-  und  Hauptverbrechen  da- 
gegen solle  er  jedes  Mal  selbst  oder  durch  den  General- 
w^achtmeister  von  Neitzschitz  als  Obristen  an  den  Kur- 
fürsten bringen  lassen  und  gebührende  Anordnung  erwarten. 
In  dem  Bestände  von  vier  Kompagnien  verblieb  die 
teutsche  Leibgarde  zu  Rots  unter  den  Befehlen  des 
Obristen,  Generalwachtmeisters  von  Neitzschitz,  welchem 
1677  im  Januar  gleichzeitig  auch  das  Kommando  der 
Leibgarde  der  Kroaten  und  der  Dragoner  ^^)  übertragen 


**)  Es  sei  hier  noch  des  Leibesquadrons ,  des  Leibregiments, 
sowie  der  kurpriuzlichen  Leibgarde  zu  Ross  gedacht. 

Übrist  Georg  Friedrich  von  Wolfframsdorff  hatte  am  1.  Juni  1664 
zur  obersächsischen  Kreishilfe  drei  Kompagnien,  jede  103  Pferde 
stark,  aufgebracht. 

Hofmarschall  und  Obrist  Christian  Ernst  Kanne  erhielt  unter 
dem  16.  Mai  1666  Auftrag,  eine  Kompagnie  Reiter  „zu  Unserer 
Leib-Guarde"  zu  errichten.  Im  Oktober  1666  warb  der  Obristwacht- 
meister  Gabriel  von  Berg  eine  zweite  Kompagnie  zu  dieser  Leib- 
garde, welche  nunmehr  Leibesquadron  zu  Rofs  benannt  wurde.  Der 
Leibesquadron  trug  rote,  blau  aufgeschlagene  Röcke. 

Der  Kurfürst  befahl,  als  Obrist  von  Wolft'ramsdorff  1668  starb, 
die  bisher  von  ihm  geführten  drei  Kompagnien  zum  Leibesquadron 
zu  stofsen  und  aus  diesen  fünf  Kompagnien  unter  Hinzuwerbung 
einer  sechsten  das  Ijeibregiment  zu  iiofs  unter  den  Befehlen  des 
zeitherigen  Kommandanten  des  Leibesquadrons,  des  Hofmarschalls 
Obristen  Kanne,  zu  formieren.  Nachdem  letzterer  1671  Oberkämmerer 
und  1672  zugleich  Oberhofmarschall  geworden  war,  resignierte  er 
1675  das  Kommando  ü))er  das  Leibregiment  zu  Hofs  und  verlieh  auf 
Befürwortung  des  Kurprinzen  der  Kurfürst  dasselbe  als  Obristen 
dem  Feldmarschalllieuteuant  und  Oberfalkeumeister  Gerhard  Grafen 
von  Dernath,  unter  Abtrennung  jedoch  der  Kompagnie  des  Obrist- 
lieutenants  von  Goldacker  vom  Regimentsverbaude. 

Diese  letztgedachte  Kompagnie  befehligte  als  Freikompagnie 
der  zum  Obiisten  beförderte  Obristlieutenant  von  Goldacker  bis  zu 
seinem  Ableben,  worauf  sie  1678  im  April  unter  Kommando  des 
Obristwachtmeisters  Richard  von  Wolffersdorff  dem  Kurprinzen  als 
Leibgarde  übergeben  wurde. 

Nächst  dieser  kurprinzlichen  Leibgarde  bestand  noch  ein  kur- 
prinzliches Leibregiment  zu  Pferd,  errichtet  1673  in  sechs  Kom- 
pagnien uud  im  Jahre  1676  verstärkt  auf  zehn  Kompagnien. 

Das  kurprinzliche  Leibregiment  zu  Rofs  sowobl,  als  die  kur- 
prinzliche Leibgarde  blieben  in  gleicher  Weise,  wie  die  teutsche 
Leibgarde  zu  Rofs,  zunächst  von  der  Reduktion  unberührt,  als  im 
Frühjahr  1680  nach  dem  Nymwegener  Frieden  der  gröfste  Teil  der 
sächsischen  Truppen  und  mit  ihnen  auch  das  Leibregiment  zu  Rofs 
bis  auf  die  Leibkompagnie  des  Grafen  von  Dernath  abgedankt  wiu'de. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XIV.  3.  i.  I4 


210     ^^-  V.  Schimijff:  Die  kurfürstlichen  Leibwachen  zu  Rofs. 

worden  war,  nachdem  er  am  30.  September  1677  das 
Prädikat  als  Geheimer  Kriegsrat  erhalten  hatte,  bis 
zum  Ableben  des  Kurfürsten  Johann  Georg  IL  im 
August  1680. 

Nach  dem  Regierungswechsel  erhielt  Generalwacht- 
meister von  Neitzschitz  Ordre,  gegen  den  Kurfürsten 
Johann  Georg  III.  in  der  Pflicht,  mit  welcher  er  Seiner 
kurfürstlichen  Durchlaucht  höchstseligem  Herrn  Vater 
verbunden  gewesen,  gleichfalls  zu  verharren,  auch  an  die 
unter  seinem  Kommando  stehenden  Offiziere  von  Kom- 
pagnie zu  Kompagnie  Befehl  zu  stellen,  die  Kompagnie 
förderlichst  aufs  neue  zu  vereiden;  allein  bereits  Anfang 
November  1680  erging  die  Anordnung  zur  Auflösung  der 
Garde,  indem  die  Kompagnien  des  Generalwachtmeisters 
von  Neitzschitz  und  des  Rittmeisters  Hans  Karl  von 
Neitzschitz  abgedankt,  die  Kompagnien  des  Obristlieute- 
nants  von  Haugwitz*'')  und  des  Obristwaclitmeisters  von 
Rodewitz  dagegen  dem  neu  zu  formierenden  Regimente 
des  Generalwachtmeisters  Ulrich  Grafen  Promnitz,  dem 
jetzigen  Gardereiterregimente,  zugeteilt  wurden.  General- 
wachtmeister von  Neitzschitz  selbst  trat  in  den  Ruhe- 
stand und  erhielt  „in  gnädigster  Consideration  seiner  dem 
Churhause  geleisteten  langwierigen  treuen  Dienste"  ein 
Wartegeld  von  jährlich  2000  Thalern.  Rudolph  von 
Neitzschitz  zu  Röhrsdorf  und  Borthen,  geb.  am  4.  August 
1614,  starb  am  14.  Februar  1682. 

Bei  der  Errichtung  des  stehenden  Heeres  durch 
Kurfürst  Johann  Georg  III.  trat  an  die  Stelle  der 
teutschen  Leibgarde  zu  Rofs  eine  neu  errichtete  Tra- 
bantenleibgarde zu  Rofs,  das  spätere  Regiment  der  Garde 
du  Corps,  welches,  nachdem  es  eine  der  gröfsten  Reiter- 
thaten  aller  Zeiten,  die  Erstürmung  der  Rajefski-Schanze 
in  der  Schlacht  bei  Borodino,  ausgeführt  hatte,  in  den 
Schneefeldern  Rufslands  1812  fast  bis  auf  den  letzten 
Mann  zu  Grunde  ging. 


■*")  Obristlieutenant  Hofinarschall  Friedrich  Adolph  von  Haug- 
witz  wurde  nach  dem  Regierung-sautritt  Johann  Georgs  III.  über- 
hofmarschall,  Wirklicher  Geheimer  Rat,  überstouerdirektor  etc.  und 
verblieb  während  der  ganzen  Regierungszeit  des  Kurfürsten  eine 
der  einflufsreichsten  Persönlichkeiten. 


VIII. 

Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen 

1547-1552. 

Von 
S.  Ifsleib. 


Landgraf  Philipp  von  Hessen  war  am  19.  Juni  1547 
in  Halle  durch  einen  listigen  kaiserlichen  Gewaltstreich 
verhaftet  und  dann  trotz  aller  Bitten  und  Vorstellungen 
nicht  wieder  freigegeben  worden.  Die  beiden  hart  be- 
troffenen Kurfürsten,  Moritz  von  Sachsen  und  Joachim  II. 
von  Brandenburg,  folgten  Kaiser  Karl  V.  nach  Naum- 
burg, um  wenigstens  durchzusetzen,  dals  der  Gefangene 
nach  Ablauf  einer  bestimmten  Zeit  in  Freiheit  gesetzt 
werde.  Allein  sie  gewannen  nur  den  Eindruck,  als 
werde  Philipp  in  vier  bis  sechs  Wochen  nach  Hessen 
zurückkehren  dürfen.  Zuletzt  sahen  sie  sich  genötigt, 
heimzureiten.  Ehe  sie  sich  jedoch  vom  Kaiser  verab- 
schiedeten, schickten  sie  ihre  beiden  vertrauten  Räte, 
Christof  von  Carlowitz  und  Wilhelm  von  Neuhausen,  dem 
davongeführten  Landgrafen  nach,  um  ihn  von  allem  in 
Kenntnis  zu  setzen. 

Am  26.  Juni  berichteten  die  kurfürstlichen  Abge- 
ordneten in  Kahla  an  der  Saale  ^)  dem  Gefangenen  von 
dem  unermüdlichen  Fleilse  der  Kurfürsten  für  seine  Be- 


1)  Berlin  39.  4.  Philipp  von  Hessen  1547,  Bl.  124  flg.;  Dresden, 
Loc.  9143.  Landgreuische  hessische  gepflogene  Versunungshendel  etc. 
1547,  Bl.  86  flg.  Marburg  0.  W.  S.  (oberer  Westsaal),  Gef.  5,  Land- 
grafen Philipps  Gefangenschaft  betreffend;  Verhandlungen  mit  Sachsen 
und  Brandenlnrrg  1547 — "iO,  und  Gef.  3,  Korrespondenz  des  Land- 
grafen etc.  Juni  und  Juli  1547.  I. 

14* 


212  S.  IMeib: 


freiuiig  und  von  der  gereizten  Stimmung  des  Kaisers, 
Avelcher  vorläufig  nicht  mehr  zulasse,  dals  bei  ihm  weiter 
angehalten  werde,  gleich  als  ob  man  seiner  in  Halle  ge- 
gebenen Antwort  nicht  traue.  Er  habe  den  Kurfürsten 
befehlen  lassen,  heimzuziehen  und  erst  auf  dem  Reichs- 
tage wieder  vor  ihm  zu  erscheinen.  Auch  der  Herzog 
von  Alba  und  der  Bischof  von  Arras  hätten  nach  hoft- 
nungsvollen  Vertröstungen  treulich  geraten,  heimzukehren 
und  vor  allem  dafür  Sorge  zu  tragen,  dalis  sie  nicht  von 
Hessen  aus  an  ihre  Verpflichtung  gemahnt  würden;  denn 
das  werde  mehr  schaden  als  nützen.  Wie  Erzherzog 
Maximilian,  so  hätten  alle  kaiserlichen  Räte  versprochen, 
öfters  Fürbitte  für  den  Landgrafen  beim  Kaiser  einzu- 
legen. Der  Bischof  von  Arras  habe  aulserdem  zugesagt, 
dals  er  sich  möglichst  bald  mit  ihm  (Philipp)  unterreden 
wolle,  da  er  denke,  es  solle  alles  gut  werden.  —  Nun  möge 
der  Landgraf  über  die  Heimreise  der  Kurfürsten  nicht 
ungehalten  sein,  sondern  kurze  Zeit  Geduld  haben  und 
gebieten,  dals  vorläufig  keine  „Einmalmung"  nach  Kassel 
erfolge.  Er  solle  die  Ausführung  des  mit  dem  Kaiser 
geschlossenen  Vertrages  auf  alle  Weise  beschleunigen  und 
schon  in  Bamberg  wenigstens  100000  Gulden  Strafgelder 
erlegen  lassen.  Werde  er  nach  Vollziehung  der  Kapitu- 
lation nicht  freigegeben,  dann  wollten  sich  die  Kurfürsten 
entweder  bei  ihm  oder  in  Hessen  einstellen  und  nicht 
eher  weichen,  als  bis  er  die  Freiheit  erlangt  habe.  Beide 
seien  entschlossen,  in  den  nächsten  Tagen  einige  Räte 
dem  Kaiser  nachzusenden,  die  eifrig  um  Befreiung  an- 
halten sollten;  König  Ferdinand  werde  auch  bereits  um 
seine  Fürsprache  angegangen. 

Gefaßter  und  ruhiger,  als  man  erwartet  hatte,  hörte 
der  Landgraf  die  beiden  Räte  an  und  zeigte  keine  Un- 
geduld darüber,  dals  die  Kurfürsten  dem  Kaiser  nur  bis 
Naumburg  gefolgt  waren.  Mit  ernsten  Worten  aber  er- 
innerte er  an  das  Geleit,  an  die  Verschreibung,  an  die 
Zusagen  und  Verpflichtungen  des  Schwiegersohnes  und 
des  Schwagers  und  erwartete  von  ihnen  fürstliche  Treue 
und  Ehrlichkeit.  Eine  Haft  von  vier  bis  sechs  Wochen 
wollte  er  ertragen ;  doch  sollten  die  Kurfürsten  womöglicli 
kurz  hinter  Bamberg  oder  spätestens  in  Ulm  wieder  bei 
ihm  eintreffen  und  um  kaiserlichen  Bescheid  anhalten. 
An  dem  Rechte  der  Söhne,  die  Kurfürsten  nach  Kassel 
einzufordern,  hielt  er  fest  —  schon  hatte  er  Befehl  zur 
Einmahnung  gegeben  — ;  doch  zeigte  er  sich  willig,  die 


Die  Gefangenschaft  Philii)ps  von  Hessen.  213 

Einstellung  bis  zur  Vollzielmng  des  Vertrages  und  bis 
zur  erlangten  kaiserlichen  Erklärung  vertagen  zu  lassen. 
Schleunige  Ausführung  der  Kapitulation  war  ihm  ernstlich 
erwünscht.  Ein  kaiserlicher  Herold  sollte  ungesäumt  die 
100000  Gulden  von  Kassel  nach  Bamberg  geleiten,  die 
anderen  50000  Gulden  gedachte  er  in  wenigen  Wochen 
in  Speier  oder  Frankfurt  zu  erlegen.  Gern  hörte  er, 
dafs  der  Bischof  von  Arras  mit  ihm  reden  wolle ^). 

Nach  Ankunft  der  Räte  in  der  Heimat  zeigte  Kur- 
fürst Moritz  grofse  Neigung,  sofort  nach  Bamberg  oder 
Ulm  aufzubrechen;  Kurfürst  Joachim  dagegen  meinte, 
die  Reise  sei  völlig  nutzlos,  weil  der  Kaiser  schon  in 
Naumburg  ihre  Anwesenheit  höchst  ungern  gesehen  habe. 
Viel  besser  sei  es,  möglichst  bald  auf  dem  Reichstage  zu 
erscheinen,  wo  sie  geduldet  werden  mülsten  und  wo  nie- 
mand sagen  könne,  sie  seien  allein  des  Landgrafen  wegen 
gekommen.  An  dieser  Meinung  hielt  er  auch  dann  fest, 
als  der  Landgraf  anfing,  heftig  zu  klagen,  zu  ermahnen 
und  zu  beschuldigen^). 

Wider  Erwarten  erfolgte  bereits  am  1.  Juli  die  erste 
Einforderung  der  Kurfürsten  nach  Kassel.  Die  jungen 
Landgrafen  verlangten  die  Einstellung  bis  zum  7.  August, 
falls  der  Vater  bis  dahin  nicht  heimgekehrt  sei*).    In  der 


2)  An  frühere  Pläne  anknüpfend,  liefs  der  Landgraf  seinen 
Schwiegersohn  Moritz  hitten,  ihm  seinen  kleinen  Geldkasten,  welchen 
der  Diener  Hans  Schönewald  in  Verwahrung  habe,  schleunigst  nach 
Bamberg  zu  schicken,  falls  er  selbst  dort  noch  nicht  eintreffen  könne. 
Am  6.  Juli  bat  er  von  Forchheim  aus  wieder  um  das  Kästlein;  denn 
er  brauche  Geld  und  hoffe,  „eine  gute  Vorbereitung  zu  machen", 
wenn  Moritz  nicht  zu  lange  ausbleibe.  —  Am  16.  Juli  liob  ein  kaiser- 
liches Mandat  Philipps  Acht  in  Nürnberg  auf. 

^)  Philipp  klagte  über  grofse  Leibesbeschwerden;  er  werde  übel 
gehalten, ..in  alle  stinkende  Häuser  geschleppt  und  verwahrt  wie  der 
gröfste  Übelthäter.  Die  Kurfürsten  hätten  ihn  in  sein  Elend  ge- 
bracht und  sollten  nun  als  ehrliche  Freunde  keinen  Stein  ixnbewegt 
lassen  etc. 

*)  Anfangs  Juli  zeigte  Landgraf  Philipp  den  Kurfürsten  an, 
dafs  die  Verpflichtungsurkunde  vom  4.  Juni  nicht  mehr  in  seiner 
Hand  liege,  sondern  in  der  seiner  Kinder,  Räte  und  Landstände; 
doch  versehe  er  sich,  dafs  sich  dieselben  freundlich  und  gebührlich 
verhalten  würden.  Nichtsdestoweniger  gab  er  am  11.  Juli  den  Seinen 
geheimen  Befehl,  die  Kurfürsten  dringend  einzumahnen  und  festzu- 
halten und  so  zu  behandeln,  wie  ihm  geschehe.  Hielte  man  ihn 
härter  als  bisher,  dann  sollte  ihnen  ein  Gleiches  widerfahren,  bringe 
man  ihn  um  den  llals,  dann  sollten  sie  dasselbe  leiden,  denn  sie  hätten 
ihn  in  solche  Not  gebracht.  Nichts  dürfe  man  aber  auf  seine  Person 
schieben;  stets  werde  er  sagen,  er  habe  mit  den  Dingen  nichts  zu 


214  S.  Ifsleil): 

gemeinsamen  Antwort  vom  9.  Jnli  an  Philipp  und  seine 
kSüline  versicherten  Moritz  und  Joachim,  dals  sie  alles 
thun  wollten,  was  zur  raschen  Befreiung  führen  möge. 
Schon  seien  stattliche  Räte  an  den  Kaiser  und  König 
gesendet  worden,  um  so  ernstlich  anzuhalten,  als  seien 
sie  selbst  anwesend.  Werde  ihre  Mühe  milsachtet  und 
die  erbetene  Befreiung  verzögert,  dann  wollten  sie  sich, 
wenn  man  es  für  nützlich  und  dienlich  halte,  in  Kassel 
einstellen.  Zuvor  aber  möge  die  Kapitulation  vollzogen 
werden.  Überdies  teilte  Moritz  seinerseits  dem  Landgrafen 
Philipp  mit,  dals  er  notgedrungen  einen  Landtag  halten 
müsse,  xluch  sei  seine  Anwesenheit  im  Lande  unum- 
gänglich nötig,  weil  sein  Kriegsvolk  noch  in  Böhmen 
weile  und  uni'uhige  Bewegungen  in  Norddeutschland  ihm 
bedrohlich  erschienen.  Im  August  aber  WH)llte  er  sich 
zeitig  auf  dem  Reichstage  einfinden  und  für  seine  Be- 
freiung alles  aufbieten.  Ähnlich  schrieb  er  an  die  jungen 
Schwäger  in  Kassel  und  bat  zugleich  um  Verlängerung 
der  Einstellungsfrist.  Es  sei  zu  erwägen,  was  der  Kaiser 
sagen  werde,  wenn  sie  jetzt  durchaus  auf  der  Einstellung 
bestehen  würden.  König  Ferdinand  habe  seinen  Sohn 
Maximilian  beauftragt,  sich  beim  Kaiser  fleilsig  für  den 
Gefangenen  zu  verwenden. 

Darauf  verlängerten  die  jungen  Landgrafen  die  Ein- 
stellungsfrist bis  zum  31.  August,  doch  beanspruchten  sie 
Brief  und  Siegel  darüber,  dals  dieser  Termin  eingehalten 
werde.  Ohne  Zögern  lielis  Kurfürst  Moritz  die  verlangte 
Zusage  ausfertigen  und  eine  Abschrift  an  Joachim  ab- 
gehen; allein  dieser  verweigerte  seine  Zustimmung  und 
erklärte,  sie  seien  nicht  schuldig,  eine  neue  Verpflichtung 
einzugehen.  Zwar  erkannte  er  den  natürlichen  kind- 
lichen Eifer  der  jungen  Fürsten  an,  doch  sollten  sie 
auch  ohne  weitere  Schriftstücke  davon  überzeugt  sein, 
dals  für  den  Vatei-  alles  gethan  werde,  was  möglich  sei. 
Er  könne  bis  Ende  August  nicht  zum  Kaiser  reiten  und 
nach  vergeblicher  Mühe  am  Hofe  auch  noch  in  Kassel 
erscheinen.  Unverhohlen  verlangte  er  Geduld  bis  zum 
Reichstage  und  rasche  Vollziehung  des  Vertrages.  Seine 
Ansicht    war,   dals  jede   persönliche   Verwendung   beim 


ö 


thiin.  Sei  er  gezwungen,  anders  zu  schreiben,  so  sollten  sie  sich 
nicht  irre  machen  lassen,  es  wäre  denn,  dals  er  Simon  Bing  oder 
Kurt  Dieden  mit  eigenhändigen  Schreiben  schicke. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  215 

Kaiser  viel  nützlicher  sei  als  die  Einstellung  in  Kassel, 
Avodurch  alles  weit  schwieriger  und  langwieriger  werde'^j. 

Da  Kurfürst  Moritz  ernstlich  gesonnen  war,  Mitte 
August  in  der  Nähe  des  Kaisers  zu  sein,  so  drängte  er 
zum  Aufbruch  und  bat  den  Kurfürsten  von  Brandenburg, 
mit  ihm  am  10.  August  in  Hof  zusammenzutreffen.  Joachim 
aber  hielt  damals  wegen  der  anhaltenden  Kriegsunruhen 
in  Norddeutschland  mit  seinen  vornehmsten  Landräten 
Beratungen  über  die  Verteidigung  seines  Landes  und 
wollte  nicht  davon  ziehen.  Deshalb  beauftragte  er  seinen 
Sohn  Markgraf  Johann  Georg,  Moritz  zu  begleiten. 
Einige  Tage  verspätet,  reisten  beide  über  Plauen,  Roth, 
Weilsenburg  und  Eichstätt  vorwärts*'),  täglich  Erkundi- 
gungen einziehend,  Avie  alle  Dinge  in  Augsburg  stünden, 
weil  der  Kaiser,  wie  berichtet  wurde,  schwach  und  krank 
darniederliege. 

Während  sie  Herzog  Wilhelm  von  Bayern  einen 
Besuch  abstatteten,  wii^kte  Christof  von  Carlo witz  am 
kaiserlichen  Hofe')  die  Erlaubnis  aus,  dals  sie  den  ge- 
fangenen Landgrafen  in  Donauwörth  sehen  und  sprechen 
durften.  Infolgedessen  langten  sie  erst  am  1.  September 
früh  4  Uhr,  am  Tage  der  Eröffnung  des  Reichstages, 
in  Augsburg  an. 

Kurfürst  Moritz  fand  Erzherzog  Maximilian,  den 
Herzog  von  Alba,  den  alten  Granvella  sowie  seinen 
Sohn,  den  Bischof  von  Arras,  u.  a.  zur  Verwendung  für 
den  Landgrafen  scheinbar  sehr  willig  und  geneigt.  Als 
er  aber  gleich  am  2.  September  beim  Kaiser  persönliche 
Fürbitte  einzulegen  wünschte,  gab  man  zu  verstehen,  dafs 
er  wegen  der  Krankheit  des  Monarchen  erst  in  5  oder 
6  Tagen  Audienz  erhalten  könne.  Darauf  wurde  Moritz 
beim  alten  Granvella  vorstellig,  dafs  man  doch  den 
Schwiegervater  auf  Urlaub  in  die  Heimat  ziehen  lassen 
möge,  weil  derselbe  seinen  ältesten  Sohn  und  etliche 
vornehme  Räte  als  Geiseln  geben  und  so  lange  Lands- 
knechte  oder  Spanier  in  die  Festung,   die   ihm   bleibe, 


•^)  Diese  Vorstellungen  erreichten  einen  Aufschub  der  Einstellung 
bis  zum  7.  September. 

^)  Am  10.  August  war  Moritz  in  Torgau,  am  14.  in  Plauen, 
am  19.  in  Roth,  am  21.  in  Eichstätt  etc. 

')  Dort  war  das  Gerücht  verbreitet,  dafs  die  beiden  Km-fürsten 
nicht  eher  auf  dem  Reichstag  erscheinen  \vtirden ,  als  bis  der  Land- 
graf frei  sei;  dem  Kaiser  war  die  Nachricht  schwer  zu  Gemüt  ge- 
gangen. 


ö 


21  ß  S.  Tfsleih: 

anfnelimon  wnllp,  bis  die  andere  geschleift  sei.  Obgleich 
Gianvella  Willfalirigkeit  in  allen  Dingen  zeigte,  so  gab 
er  doch  nniiniwunden  zu  erkennen,  dals  die  Befreiung  des 
Landgrafen  ganz  allein  im  Belieben  des  Kaisers  stehe; 
niemand  vermöge  ihn  zu  nötigen,  selbst  wenn  man  zur 
gelegensten  Zeit  das  Beste  versuche.  Auf  die  Frage, 
ob  nicht  Kassel  als  landgräfliche  Hofstadt  geschont  und 
dafür  Ziegenhain  geschleift  werden  könne,  entgegnete  der 
Rat,  er  habe  die  Entschlielsung  des  Kaisers  darüber  bis 
zur  Ankunft  der  Kurfürsten  hinhalten  wollen,  weil  aber 
der  Landgraf  allzu  heftig  auf  raschen  Bescheid  gedrungen 
habe,  so  sei  der  Kaiser  in  seiner  (Granvellas)  Abwesen- 
heit von  Milsgünstigen  dahin  beeintlulst  worden,  dafe  er 
sich  für  die  Schleifung  Kassels  entschieden  habe;  kaum 
könne  daran  noch  etwas  geändert  werden*^). 

Vom  Verhalten  des  Landgrafen  in  seiner  Haft  wohl- 
unterrichtet, gab  Granvella  den  guten  Hat,  ihn  zu  be- 
wegen, dafs  er  sich  nicht  so  oft  zu  unanständigen  Ge- 
berden und  üblen,  heftigen  Reden  hinreiisen  lasse,  weil 
alles  meist  schlimmer  hinterbracht  und  dargestellt  werde, 
als  es  gemeint  sei.  Der  Gefangene  müsse  Geduld  haben 
und  dürfe  nicht  so  ungestüm  drängen  und  hasten"). 

Wie  vorher  schon  mehrfach,  so  bat  Philipp  Mitte 
September  von  neuem  um  Urlaub  in  die  Heimat  mit  der 
Versicherung,  dais  er  die  Kapitulation  vollziehen,  alle 
Reichstagsbeschlüsse  halten,  einen  Sohn  als  Geisel  stellen 
und  auf  Verlangen  binnen  14  Tagen  auf  dem  Reichstag 
erscheinen  wolle  ^°).  Dann  klagte  er  über  die  lange 
Dauer  seiner  Haft  und  schalt  am  23.  September  darüber, 
dafs  Moritz  nun  schon  über  drei  Wochen  da  sei  und  noch 
nichts  erreicht  habe.  Der  junge  Markgraf  reite  wieder 
heim,  ohne  vom  Kaiser  gehört  worden  zu  sein*');   seine 


8)  Am  24  September  begann  die  Schleifung  Kassels. 

")  (leheime  Knndscliaft  hatte  Ende  Angust  angezeigt,  dafs  die 
Hessen  eine  Post  über  Nürnberg  nach  Strafsbui'g  etc.  gelegt  hätten. 
Infolgedessen  liefs  der  Herzog  von  Alba  den  Gefangenen  und  alle 
Peisonen,  wclclie  bei  ihm  ein-  und  ausgingen,  streng  überwachen 
Philipp  legte  dagegen  \'er\valirung  ein  und  forderte,  die  Post,  die 
durch  Württeml)erg  und  Pfalz  nach  Kassel  führe,  bereiten  und  be- 
sichtigen zu  lassen.  Auch  entschuldigte  Kurfürst  Moritz  den  unliel)- 
samen  Zwiscbentall  und  erklärte  Granvella,  die  Post  solle  sofort  ge- 
ändert werden,  wenn  sie  dem  Kaiser  ungelegen  erscheine. 

'")  Er  wollte  auch  den  Sohn,  den  ihm  die  Gattin  Christine  am 
10.  September  geboren  hatte,  taufen  lassen  etc. 

")  Johann  Georg  ritt  am  21.  September  in  die  Heimat. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  217 

Sache  werde  „auf  die  lange  Bank  geschoben".  Wenn  er 
niclit  befreit  werde,  dann  wolle  er  die  Reichsstände 
um  Hilfe  anrufen,  und  seine  Söhne  sollten  die  Kur- 
fürsten einmahnen. 

In  jenen  Tagen  zog  Kurfürst  Moritz  wie  Herzog 
Wilhelm  von  Bayern,  Markgraf  Albrecht  von  Branden- 
burg u.  a.  mit  dem  Kaiser  auf  die  Jagd  und  überreichte 
ihm'-)  in  einem  günstigen  Augenblicke,  als  er  sehr  lustig 
zu  sein  schien,  eine  Denkschrift  in  französischer  Sprache. 
Der  Monarch  las  und  entgegnete  huldreich,  er  erinnere 
sich  seiner  Zusage  in  Halle  und  Naumburg  wohl;  wenn 
er  in  drei  Tagen  werde  nach  Augsburg  zurückgekehrt 
sein,  dann  möge  der  Kurfürst  die  Sache  wiederum  an- 
regen. Nach  vier  Tagen  fragte  Moritz  den  Kaiser  im 
freien  Felde,  ob  er  den  Landgrafen  bis  Ende  des  Reichs- 
tages hinzuhalten  gedenke.  Da  wandte  derselbe  sein 
Antlitz  ab  und  lächelte;  indessen  beim  Abschiede  ver- 
tröstete er  auf  baldige  günstige  Antwort. 

Sofort  liels  der  Kurfürst  den  ungeduldigen  Gefangenen 
von  seiner  Verwendung  für  ihn  in  Kenntnis  setzen  und 
ihm  versichern,  dals  er  vorläufig  nichts  weiter  thun  könne. 
Keine  Sache  auf  Erden  gehe  ihm  so  zu  Gemüt  als  seine 
Gefangenschaft,  und  doch  wisse  er  nicht  anders  zum 
Handel  zu  kommen  als  dadurch,  dafs  er  gute  Gelegenheit 
abwarte.  Der  Landgraf  aber  gab  sich  damit  nicht  zu- 
frieden, sondern  zürnte,  klagte,  beschuldigte  und  quälte 
sich  und  andere  mit  der  Befürchtung,  dals  er  nach  Italien 
oder  in  die  Niederlande  oder  nach  Spanien  geschleppt 
werden  solle.  Vom  Vater  ohne  ünterlals  angetrieben, 
mahnten  die  jungen  Landgrafen  am  1.  Oktober  die  beiden 
Kurfürsten  wieder  nach  Kassel  ein,  und  nur  mit  vieler 
Mühe  Avurde  die  Einstellung  bis  zum  15.  Dezember  vertagt. 

Am  16.  Oktober  fand  Moritz  abermals  Gelegenheit, 
sich  beim  Kaiser  für  den  Schwiegervater  zu  verwenden. 
Fröhlichen  Gemütes  hörte  er  die  gnädige  Erklärung  des 
Monarchen,  dals  er  entschlossen  sei,  in  kurzem  ihn  und 
den  Kurfürsten  von  Brandenburg  von  ihrer  Beschwerde 
zu  befreien.  Demungeachtet  bemühte  er  sich  im  Vereine 
mit  Herzog  Wilhelm  von  Bayern,  eine  Anzahl  Kurfürsten 
und    Fürsten    zu    einer    gemeinsamen    Fürbitte    für 


12)  Am  26.  September  nachmittags  5  Uhr.  Marburg,  0.  W.  S. : 
4.  Landgraf  Philipps  Gefangenschaft  betreffend.  Lersnersche  Korre- 
spondenz, August  bis  Dezember  1547. 


218  S.  lisleib: 

den  Landgrafen  zu  l)ew6g'en.  Die  Ankunft  Fvönig-  Ferdi- 
nands^'') und  des  Kurfürsten  von  Brandenburg-  belebte  in 
hohem  Grade  seine  Hoffnung  auf  eine  günstige  Wendung. 
Unglücklicherweise  aber  erkrankte  der  Kaiser  von  neuem; 
niemand  wurde  vorgelassen.  König  Ferdinand  bat  die 
Kurfürsten,  vorläufig  nicht  um  eine  Audienz  nachzu- 
suchen; deini  der  Kaiser  müsse  von  allem  verschont 
bleiben,  da  er  seine  eigenen  Angelegenheiten  weder 
hören  noch  ei-ledigen  könne.  Man  möge  erst  dann  Für- 
bitte einlegen,  wenn  Kassel  geschleift  sei.  Als  die  Kur- 
fürsten versicherten,  dals  sie  sich  ehrenhalber  in  Kassel 
einstellen  mülsten,  entgegnete  der  König,  nein,  dahin 
solle  es  nicht  kommen. 

Kaum  vermag  man  zu  schildern,  welche  unbändige 
Ungeduld  der  Landgraf  damals  an  den  Tag  legte.  Lieber 
wolle  er  im  Turm  sitzen,  schrieb  er,  als  in  solcher  be- 
schwerlichen Haft  leben  ^*).  Alle  Welt  solle  wissen,  wie 
man  Zusage,  Geleit,  Verschreibung,  Treue,  Ehre  und 
Glauben  halte.  Die  Kurfürsten  hausten  in  Freude  und 
AVollust,  man  jage  und  bankettiere  täglich  und  vergesse 
ihn  gänzlich.  Ohne  Zweifel  sei  er  längst  frei,  w^enn  man 
dem  Kaiser  nur  keck  und  ohne  Scheu  einen  w^ahrheits- 
getreuen  Bericht  von  allen  Vorgängen  vor  seiner  Ge- 
fangennahme erstattet  habe;  aber  man  lasse  ihn  am 
Kreuze  hängen  und  w'olle  ihn  gar  um  den  Hals  bringen. 
Die  Kurfürsten  würden  noch  in  ein  unauslöschlich  übles 
Geschrei  kommen,  und  von  ihrem  Verhalten  würde  einst 
die  Geschichte  berichten  etc. 

Beide  entgegneten,  dals  sie  sich  weder  durch  Jagden 
noch  Bankette  abhalten  lielsen,  fort  und  fort  um  eine 
Audienz  beim  Kaiser  anzuregen;  aber  ebenso  wie  dessen 
Krankheit,  so  verschulde  seine  (Philipps)  ungestüme 
Heftigkeit  immer  neuen  Verzug.  Er  möge  doch  be- 
denken, dals  es  sich  wahrlich  nicht  gezieme,  den  Kaiser 
wider  seinen  Willen  zum  Gehör  zu  zwingen.     Kurfürst 


'*)  Die  Ankunft  erfolgte  am  20.  Oktober  früh  6  Uhr;  schon 
waren  hessische  Gesandte  anwesend,  um  die  Reichsstände  um  Für- 
bitte für  den  Landgrafen  anzugehen. 

")  Die  Spanier  seien  teils  mit  Pestilenz,  teils  mit  französischer 
Krankheit  beladen.  Alle  drei  Stunden  kämen  tags  und  nachts  andere 
Wächter  und  lägen  ihm  auf  dem  Halse ;  er  könne  weder  ruhen  noch 
schlafen.  Jede  neue  Rotte,  welche  des  Nachts  komme,  öffne  den 
Bettvorhang,  um  zu  sehen,  ob  er  nicht  durch  einen  Ritz  oder  durch 
ein  Mauseloch  entwischt  sei  etc. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  219 

Moritz  beteuerte,  dals  er  nur  seinetwegen  in  Augsburg 
bleibe,  sonst  wäre  er  längst  davongeritten. 

Schon  nahte  eine  neue  Verdrielslichkeit. 

Auf  Befehl  Philipps  schickten  die  Landgräfin  Chri- 
stine, ihre  jungen  Söhne  und  die  Verordneten  der  Land- 
stände eine  stattliche  Gesandtschaft  nach  Augsburg, 
welche  die  Reichsstände  um  Verwendung  für  den  Ge- 
fangenen anrufen  sollte.  Gleich  nach  ihrer  Ankunft 
meldete  sie  sich  beim  Erzkanzler  des  Reiches,  dem 
Erzbischof  von  Mainz,  an  und  bat  um  Gehör  vor  den 
Ständen.  Erhaltener  Weisung  zufolge  unterliels  sie  aber, 
die  Kurfürsten  von  Sachsen  und  Brandenburg  aufzu- 
suchen und  um  Rat  zu  fragen,  wie  sie  wohl  ihre 
Werbung  am  besten  ausführen  möchte.  Selbstverständ- 
lich blieb  ihre  Absicht  so  wenig  Geheimnis  wie  ihre 
Anwesenheit,  und  bei  erster  Gelegenheit  gaben  einige 
kursächsische  Räte  einem  der  hessischen  Gesandten  unum- 
wunden zu  erkennen,  wie  sehr  man  sich  über  ihr  Ver- 
halten verwundere;  ob  damit  der  Werbung  gedient  werde 
oder  nicht,  möchten  sie  erwägen. 

Indem  sie  vor  jedem  unbedachten  Schritte  warnten, 
teilten  sie  ernsten  Sinnes  mit,  dafs  Kurfürst  Moritz  und 
Herzog  Wilhelm  von  Bayern  mit  Wissen  und  Willen  des 
Kaisers  bereits  alle  Kurfürsten  aulser  dem  Mainzer  ^'^j 
und  viele  Fürsten  für  eine  gemeinsame  Fürbitte  zu 
Gunsten  des  Landgrafen  gewonnen  hätten;  sobald  es  des 
Kaisers  Gesundheit  gestatte,  hoffe  mau  gehört  zu  werden. 
Es  wäre  gut,  zu  warten  bis  die  fürstliche  Fürbitte  erfolgt 
sei.  Darauf  lielsen  die  hessischen  Gesandten  den  kur- 
fürstlichen Räten  sagen,  sie  hätten  keinen  Befehl  an  die 
beiden  Kurfürsten,  sondern  allein  an  die  Reichsstände. 
Wollten  sie  aber  ihre  schriftliche  Werbung  sehen,  dann 
solle  sie  ihnen  einer  aus  ihrer  Mitte  vertraulich  zeigen. 
Die  kurfürstlichen  Räte  entgegneten,  es  erscheine  ihnen 
nützlich,  wenn  sie  alle  befreundeten  Kurfürsten  und 
Fürsten  der  Reihe  nach  um  Fürbitte  angingen  und  allen 
einen  geheimen  Einblick  in  ihre  Instruktion  gewährten. 
Allein  die  Hessen  erwiderten:  ihr  Befehl  verbiete,  die 
Fürsten  einzeln  aufzusuchen;  sie  sollten  vor  den  Reichs- 
ständen werben,  und  daran  wüIsten  sie  nichts  zu  ändern. 
Infolgedessen  hielten  es   die   Sachsen   für   unnötig,   die 


^^)  Zwischen  Kurmainz  und   Hessen  schwebten  viele  Streitig- 
keiten. 


220  S.  Ifsloil)-. 

lipssisclie  Tnstinktioii  zu  seilen;  doch  ermahnten  sie  wieder- 
holt zur  Vorsicht  und  Geduld. 

Da  die  Fürbitte  der  Kurfürsten  und  Fürsten  wegen 
der  anhaltenden  Krankheit  des  Kaisers  immer  wieder 
verschoben  wurde,  so  lieis  sich  die  hessische  Gesandt- 
schaft trotz  wohlgemeinter  Gegenvorstellungen  nicht 
zurückhalten. 

Am  17.  November'")  schenkten  ihr  die  Reichsstände 
Gehör  und  nahmen  die  für  sie  bestimmten  Schriftstücke 
entgegen,  die  von  allen  Verhandlungen  vor  der  Gefangen- 
nahme des  Landgrafen  und  von  allen  Vorgängen  während 
und  nach  derselben  bis  zum  Reichstage  gründlichen  Auf- 
schlufs  gaben.  Eins  wurde  damit  zweifellos  erreicht: 
Die  Reichsstände  erhielten  jetzt  einen  lichten  Einblick  in 
die  bis  dahin  für  sie  dunkle  Zeit  des  schmalkaldischen 
Krieges.  Der  Kaiser  dagegen  Avar  tief  verletzt  und 
schwer  erzürnt,  weil  nunmehr  Dinge  offenbar  wurden"), 
die  er  geheim  gehalten  wissen  wollte. 

Acht  Tage  später  liels  er  vor  den  versammelten  Reichs- 
ständen sein  hohes  Milsfallen  über  das  hessische  Vor- 
gehen zum  Ausdruck  bringen  und  seinerseits  ausführlich 
anzeigen,  wie  der  Landgraf  in  die  Haft  gekommen  sei 
und  wie  er  sich  seitdem  verhalten  habe'^).  Der  kaiser- 
liche Bericht,  welcher  manche  Unrichtigkeit  und  einige 
absichtliche  Entstellungen  enthielt,  hob  zuletzt  hervor, 
dafs  zur  Zeit  noch  erheblicher  Mangel  an  der  Ausführung 
des  Vertrages  befunden  werde,  darum  könne  der  Land- 
graf nicht  freigegeben  werden.  Auch  habe  er  sich  ehe- 
mals unterstanden,  kaiserliche  Diener  mit  Praktiken 
dahin  zu  bewegen,  dals  sie  ihre  Pflicht  hätten  hintan- 
setzen und  seine  Wünsche  befolgen  sollen '•').    Den  Reichs- 


^")  Damals  verweilten  die  beiden  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
Brandenburg-  mit  Köni^  Ferdinand  auf  der  Jagd. 

'■')  Z.  ]i.  die  kurfürstliche  Verpflichtung  vom  4.  Juni  1547,  das 
Geleit,  die  V'ersicherung  betreffs  der  Religion  etc. 

'^)  Dresden,  Loc.  t)143,  Landgreuische  hessische  gepflogene  Ver- 
sunungshendel  etc.  1547—51,  Bl.  22  flg.;  Lanz  II,  589.  Vergleiche 
diese  Zeitschrift  XI,  177  flg.:  S.  Ifsleib,  Die  Gefiingennahnie  des 
Landgrafen  Philipp  von  Hessen  1547.  Die  geheimen  Artikel  vom 
2.  bez.  4.  Juni  1547  wurden  den  Reichsständen  nach  der  französischen 
Niederschrift  des  Bischofs  von  Arras  zugestellt,  ebenda  XI,  217  flg. 

^®)  Noch  von  Schwabach  aus  hatte  Landgraf  Philipp  seinen 
Sekretär  an  den  Bischof  von  Arras  geschickt  mit  der  Bitte,  seine 
Befreiung  zu  liefördern.  Je  nach  den  Umständen  sollte  der  Bote  für 
den  guten  Willen  danken  und  einen  „Sack  voll  Kronen"  schenken. 
Der  Bischof  scheint  eine  „Verehrung"  abgelehnt  zu  haben. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  221 

ständen  werde  dies  alles  eröffnet,  damit  sie  sich  nicht 
durch  andere  gefärbte  Darstellungen  eine  falsche  Vor- 
stellung machen  sollten;  denn  der  Kaiser  wolle,  dafs  die 
Aufrichtigkeit  seiner  Handlungen  insonderheit  von  den 
Reichsständen  jederzeit  klar  erkannt  werde. 

Die  beiden  Kurfürsten,  die  nunmehr  genötigt  waren, 
den  Reichsständen  auch  ihrerseits  anzuzeigen,  wie  sich 
einst  alles  zugetragen  habe,  hätten  manchen  Punkt  zur 
vollen  Klarheit  bringen  können ;  allein  sie  wagten  es  nicht, 
dem  Kaiser  kühn  entgegenzutreten,  um  nicht  durch  ihre 
Offenheit  die  Lage  des  Landgrafen  zu  verschlimmern. 
Kurz,  vorsichtig,  etwas  dunkel  und  nachgiebig  lielsen  sie 
am  26.  November  Bericht  erstatten  und  angeben:  die 
Dinge  möchten  liegen,  wie  sie  wollten;  ihrerseits  hätten 
sie  alles  treu  und  ehrlich  gemeint  und  alles  darangesetzt, 
um  den  Krieg  zu  beendigen,  armer  Leute  Verderben  zu 
verhüten,  Frieden  und  Ruhe  zu  begünstigen,  den  Kaiser 
von  beschwerlichen  Unkosten  zu  befreien  und  sein  An- 
sehen sowohl  im  Reiche  wie  gegen  auswärtige  Feinde  zu 
erhöhen.  Weil  sie  keine  Gefangennahme  besorgt  oder 
befürchtet,  hätten  sie  den  Landgrafen  dahingebracht,  dals 
er  auf  Treue,  Glauben  und  Versicherung  nach  Halle  ge- 
kommen sei  und  alle  Artikel  der  Kapitulation  bewilligt, 
sowie  Fulsfall  und  Abbitte  gethan  habe.  Wider  Erwarten 
sei  er  dann  verhaftet  worden.  Nun  möchten  die  Reichs- 
stände sie  mehr  als  den  Landgrafen  bedenken  und  mit 
ihnen  den  Kaiser  bitten,  dals  er  den  Gefangenen  freigebe, 
damit  alle  Beschwerden  fielen. 

Nachmittags  4  Uhr  mulsten  die  beiden  Kurfürsten 
vor  dem  Kaiser  erscheinen  und  sein  grolses  Milsfallen 
über  die  hessische  Gesandtschaft  anhören.  Es  wurde  vor 
allem  dargelegt,  dafs  der  Kapitulation  in  ungenügender 
Weise  Folge  geleistet  werde.  In  der  Entgegnung  baten 
die  Kurfürsten,  den  Landgrafen  wegen  der  unzeitigen 
Werbung  zu  entschuldigen  und  um  ihretwillen  freizu- 
geben; sie  seien  erbötig,  noch  weitere  Verpflichtungen 
als  seither  einzugehen^").  Darauf  liels  der  Kaiser  er- 
widern: er  könne  den  Landgrafen  nicht  entschuldigen; 
es  sei  nicht  glaubhaft,  dals  er  von  der  Werbung  nichts 
gewulst  habe;  denn  der  hessische  Bericht  verrate,  dafs 


20)  Auf  den  Kat  Granvellas  uuterliefsen  es  die  Kurfürsten,  ihre 
Obligation  vom  4.  Juni  zu  erwähnen ,  um  nicht  den  Kaiser  zu  er- 
zürnen. 


222  S.  Ifsloib: 

er  selbst  die  Gesandtschaft  angestiftet  habe.  Vor  völliger 
Vollziehung-  des  Vertrages  werde  er  den  Landgrafen 
nicht  freilassen. 

Sobald  nun  die  Kurfürsten  deutlich  erkannt  hatten, 
dals  die  hessische  Gesandtschaft  mehr  geschadet  als  ge- 
nützt habe,  klärten  sie  sowohl  den  Landgrafen'-'),  als 
auch  seine  Gemahlin  und  Söhne,  sowie  den  Statthalter 
und  die  Räte  darüber  auf.  Zugleich  ermahnten  sie  in- 
ständig, die  Einforderung  nach  Kassel  in  Rücksicht  auf 
den  ungnädigen  Kaiser  bis  zur  gelegeneren  Zeit  zu  ver- 
schieben-"-). 

Am  29.  November  eilte  Kurfürst  Moritz  in  die  Hei- 
mat, um  alle  ßeichstagsangelegenheiten  mit  dem  Aus- 
schüsse seiner  Landstände  zu  beraten;  doch  beauftragte 
er  seine  zurückbleibenden  Räte,  sich  neben  dem  Kur- 
fürsten von  Brandenburg  der  Sache  des  Landgrafen  so 
anzunehmen,  als  sei  er  selbst  anwesend. 

Philipp  wurde  in  jenen  Tagen  von  Donauwörth  nach 
Nördlingen  übergeführt,  damit  er,  wie  er  selbst  angab, 
wegen  der  grölseren  Entfernung  nicht  so  oft  um  seine 
Befreiung  anhalten  könne--^).  Bald  erschien  vor  ihm  der 
oberste  kaiserliche  Kriegskommissar  von  Lier  und  warf 
ihm  vor,  dals  er  sich  durch  seine  Räte  an  die  Reichs- 
stände gewendet  und  dem  Kaiser  samt  seinen  Räten 
allerhand  aufgebürdet  habe,  als  sei  er  wider  jede  Abrede 
gefänglich  eingezogen  worden;  auch  würden  die  Kur- 
fürsten von  seinen  Söhnen  eingemahnt.  Auf  Befehl  des 
Kaisers  solle  er  seinen  Kindern  gebieten,  die  kurfürstliche 
Obligation  samt  den  anderen  brieflichen  Urkunden  inner- 
halb 20  Tagen  herauszugeben.  Aulserdem  solle  er  durch 
einen  Handschein  die  Kurfürsten  von  ihrer  Verpflichtung 
freisprechen. 


21)  Philipp  war  selir  aufgebracht  über  die  Erfolglosigkeit  der 
Gesandtschaft  und  nicht  minder  unwillig  über  die  Kurfürsten,  weil 
sie  in  so  langer  Zeit  nichts  durchgesetzt  hatten. 

2'-)  Die  jungen  Landgrafen  meinten,  der  Kaiser  könne  nichts 
gegen  die  P^inmahnung  haben;  der  Vater  habe  mit  der  Sache  gar 
nichts  zu  schaffen  etc.  Die  Kurfürsten  sollten  sich  am  1.5.  Dezember 
in  Kassel  einstellen. 

2ä)  Damals  traten  der  Erzbischof  von  Mainz  und  der  Deutsch- 
meister sowie  (xraf  Reinhard  von  Solms  und  der  Graf  von  Nassau  mit 
alten  Forderungen  heftiger  als  je  gegen  den  Landgrafen  auf,  so  dafs 
er  meinte,  wenn  er  alles  gewährleisten  solle,  dann  müsse  seine  Familie 
Land  und  Leute  verlassen  und  betteln  gehen. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  223 

Der  Landgraf  versetzte:  mit  der  Werbung  an  die 
Reichsstände  habe  er  nichts  zu  thun,  sonst  würde  er  alles 
vermieden  haben,  was  den  Kaiser  oder  seine  Räte  hätte 
verdrielseu  können;  denn  damit  geschehe  ihm  kein  Ge- 
fallend^). Die  Obligation  hätten  die  Kurfürsten  einst  mit 
dem  Geleite  freiwillig  überschickt,  um  ihn  zur  Reise  nach 
Halle  zu  bewegen.  Es  stehe  nicht  in  seiner  Gewalt,  sie 
innerhalb  20  Tagen  auszuliefern;  denn  sie  laute  nicht  auf 
ihn,  sondern  auf  seine  Kinder,  die  sie  im  Besitze  hätten. 
Die  Kurfürsten  seien  nicht  ihm,  sondern  seinen  Söhnen 
verpflichtet.  Ein  Freibrief  von  ihm  habe  für  die  Kur- 
fürsten keine  Kraft.  Zuletzt  ersuchte  er,  den  Kaiser  um 
seine  Befreiung  zu  bitten. 

Mit  gleicher  Bitte  ging  er  den  Kurfürsten  von 
Brandenburg  und  den  kursächsischen  Rat  Christof  von 
Carlowitz  an.  Beide  sollten  dem  Kaiser  zu  Fülsen  fallen 
und  alles  aufbieten,  dals  er  in  etlichen  Monaten  oder  am 
Ende  des  Reichstages  losgelassen  oder  an  einen  be- 
freundeten Fürstenhof  gebracht  werde.  Bewillige  der 
Kaiser  solches  schriftlich,  dann  wolle  er  seine  Söhne  zu 
bewegen  suchen,  die  kurfürstliche  Obligation  herauszu- 
geben. 

Kurfürst  Joachim  versäumte  keine  Gelegenheit,  bald 
König  Ferdinand,  bald  dessen  eingetroffene  Schwester 
Marie,  Königinwitwe  von  Ungarn,  zu  Gunsten  des  Land- 
grafen anzugehen.  Allein  man  riet,  nicht  so  heftig  zu 
bitten,  als  wolle  man  den  Kaiser  zwingen.  Derselbe 
werde  den  Landgrafen  auch  in  keines  anderen  Fürsten 
Hand  stellen;  wenn  er  ihn  einmal  loslasse,  dann  wolle  er 
ihn  ganz  freigeben.  So  oft  Joachim  anzeigte,  dafs  er 
ehrenhalber  am  15.  Dezember  in  Kassel  einreiten  müsse, 
erklärte  man:  erfolge  die  Einmahnung,  dann  w^erde  der 
Kaiser  die  Einstellung  mit  Gewalt  verhüten.  —  Keine 
Bemühung  wollte  etwas  fruchten,  obgleich  der  Kurfürst 
am  5.  Dezember  beim  Kaiser,  dann  wieder  bei  den  kaiser- 
lichen Geschwistern  und  Räten  Fürbitte  einlegte.  Karl  V. 
liels  sich  vernolimen,  mit  welchem  Rechte  man  ihn  so  oft 
belästige;  er  werde  den  Landgrafen  nicht  eher  losgeben, 
als  bis  alle  Reichstagssachen  erledigt  seien.  Der  Kur- 
fürst gewann  die  Überzeugung,  dals  nichts  helfen  werde, 
man  thue,  was  man  w^olle,  wenn  nicht  zuvor  der  Kaiser 


2*)  Der  Landgraf  schickte  am  28.  September  den  Entwurf  zu 
einer  Bittschrift  au  die  Reichsstände  nach  Hessen. 


224  S.  Ifsleib: 


seine  Ungnade  von  selbst  vergesse  und  seinen  Willen  in 
allen  Reiclisangelegenheiten  durchgesetzt  habe-"'). 

Heftiger  als  zuvor  wuchs  des  Kaisers  Ungnade  gegen 
den  Gefangenen.  Seine  Haft  \\  urde  strenger. .  Man  ent- 
fernte von  ihm  seinen  Leibarzt,  seinen  Sekretär  und  seine 
Diener  bis  auf  zwei  Edelknaben,  einen  Küehenschreiber, 
einen  Koch  und  einen  Schenk.  Tinte  und  Papier  wurden 
ihm  fast  gänzlich  entzogen. 

In  dieser  Not  begünstigte  Philipp  den  von  andern 
längst  entworfenen,  aber  von  ihm  stets  bekämpften  Plan, 
dals  seine  Gattin  nach  Augsburg  ziehen  und  für  ihn  bitten 
solle-**).  Früher  wollte  er  nur  zulassen,  dals  seine  beiden 
Töchter,  Moritz' Gemahlin  Agnes  und  Anna,  Pfalzgräfin  von 
Zweibrücken,  vor  dem  Kaiser  erscheinen  sollten.  Beide 
seien  auch  vom  Geblüte  Hei'zog  Georgs  von  Sachsen  und 
könnten  als  junge  Weiber  besser  als  die  Mutter  wandern. 
Am  5.  Dezember  erklärte  er:  wenn  sich  die  Kurfürsten 
am  15.,  wie  bestimmt  sei,  in  Kassel  eingestellt  hätten, 
dann  möge  sein  Weib  mit  den  Töchtern  zum  Kaiser  ziehen 
und  um  seine  Befreiung  anhalten.  Drei  Tage  später 
wünschte  er,  Christine  solle  sich  mit  Agnes  und  Moritz 
sowie  mit  Anna  und  Wolfgang  darüber  verständigen,  dafs 
sie  alle  an  einem  bestimmten  Tage  in  Augsburg  an- 
kommen möchten'").  Dann  schickte  er  selbst  Boten  an 
die  beiden  Töchter,  um  sie  zu  bewegen,  mit  der  Mutter 
an  einem  Orte  zusammen  zu  kommen  und  mit  ihr  nach 
Augsburg  zu  eilen  ^^). 

Am  5.  Januar  1548  baten  zwei  hessische  Räte  in 
Torgau,  Kurfürst  Moritz  möge  mit  seiner  Gemahlin  am 
20.    d.  M.  in  Donauwörth   eintreffen,   um    dann  mit  der 


^■')  Mittlerweile  befahl  der  Landgraf  seinen  Söhnen,  die  kur- 
fürstliche Obligation  unter  keinen  Umstäiulen  herauszugeben ,  selbst 
wenn  man  mit  Krieg  drohe. 

-")  Marljurg,  ti.  W.  S.  3,  Korresjjondenz  des  Landgrafen  etc. 
September  bis  Dezember  L'i47,  IL 

-■')  Infolgedessen  wurde  am  19.  Dezember  die  kurfürstliche  Ein- 
stellung in  Kassel  bis  Ende  des  Reichstages  vertagt. 

^*)  Agnes  meldete  am  Neujahrsabend  eigenhändig  nach  Kassel: 
sie  wolle  lierzlich  gern  mit  nach  Augsburg  reisen,  wenn  nur  der 
allmächtige  Gott  gäbe,  dafs  sie  etwas  Gutes  ausrichteten.  Ihr  herz- 
lieber Herr  besorge  aber,  dafs  sie  zur  Zeit  noch  nichts  erreichten 
und  viel  eher  Schimpf  erlangten.  Moritz  wolle  erst  wieder  auf  den 
Reichstag  ziehen,  und  wenn  er  innerhalb  vier  Wochen  nicht  zurück- 
kehre, dann  solle  sie  mit  der  Mutter  reisen.  Marburg,  U.  W.  S.  9, 
Agnes  1527 — 1555;  3,  Verhandlungen  mit  Sachsen  und  Brandcnbui'g, 
Juni  1547  bis  Dezember  1549. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  225 

Landgräün  samt  Wolfgang  und  Anna  von  Zweibrücken 
nach  Augsburg  zur  gemeinsamen  Fürbitte  vorzurücken. 
Moritz  war  nicht  ungeneigt,  seine  Gattin  zu  bestimmter 
Zeit  in  Donauwörth  ankommen  zu  lassen;  doch  besorgte 
er,  dalis  der  Kaiser  die  Landgräfin  und  sie  alle  lange 
hinhalten  werde,  ehe  er  eine  Audienz  gewähre.  Daher 
schien  es  ihm  besser  zu  sein,  wenn  seine  Gattin  zunächst 
nur  bis  nach  Onoltzbach  (Ansbach)  reise  und  dort  bei 
seiner  Schwester  warte,  bis  gelegene  Zeit  zur  Fürbitte 
nahe.  Er  selbst  war  entschlossen,  möglichst  bald  wieder 
nach  Augsburg  aufzubrechen. 

Während  er  Ende  Januar  wieder  auf  den  Reichstag 
eilte,  zog  die  Landgräfln  nach  Donauwörth  und  erwartete 
Anna  und  Wolfgang  von  Zweibrücken.  Anfang  Februar 
erschien  sie  in  Augsburg^*'). 

Wie  früher  die  beiden  Kurfürsten,  so  mufste  die 
Landgräfin  zu  ihrer  grölsten  Betrübnis  die  bittere  Er- 
fahrung machen,  dais  der  Kaiser  die  inständig  erbetene 
Audienz  von  Woche  zu  Woche  verschob  =^*^).  Als  endlich 
das  ersehnte  Gehör  bewilligt  wurde,  bat  sie  mit  der 
Königin  Maiie ,  der  Kurfürstin  von  Brandenburg,  der 
Herzogin  von  Bayern  und  von  Zweibrücken  nebst  anderen 
hohen  Frauen  den  Kaiser  fulsfällig  um  Gnade  für  ihren 
Gemahl;  allein  sie  erreichte  nichts  als  die  Vertröstung 
auf  eine  gnädige  Antwort,  da  es  zur  Zeit  noch  an  der 
Ausführung  der  Kapitulation  mangele  =^^). 

Sofort  drängten  die  beiden  Kurfürsten  die  jungen 
Landgrafen,  alle  Vertragsartikel  schleunigst  zu  vollziehen, 
Kassel  bis  auf  die  Schlolsmauern  zu  schleifen  und  alle 
geforderten  Urkunden  einzusenden.  Dann  baten  sie  so- 
wohl den  Kaiser  als  den  König  mündlich  und  schriftlich 
um  gnädige  Antwort,  damit  die  arme  Landgräfin  bald 
Avieder  zu  ihren  Kindern  heimziehen  könne.  Ein  kaiser- 
licher Kommissar  möge  zur  Besichtigung  nach  Kassel 
verordnet  werden.  Am  17.  Mai  erwiderte  der  Kaiser 
schliefslich ,  dals  die  Ursachen,  derentwegen   er  vormals 


20)  Der  Kaiser  gestattete  ihr  nicht,  vorher  den  gefangenen 
Gemahl  zu  hesuchen.  —  Wenige  Tage  später  eilte  Kurfürst  Joachim 
mit  seiner  Gemahlin  nach  Ansbach  zur  Hochzeit  seines  Sohnes 
Johann  Geoi'g. 

***)  Unterdessen  wurde  Landgraf  Philipp  von  Nördlingen  nach 
Heilbronn  geschafft. 

ä')  Moritz  hatte,  soviel  ersichtlich  ist,  die  Gattin  Agnes  nicht 
nach  Augsburg  kommen  lassen. 

Neues  Archiv  f.  8.  Ü.  u.   A.  XIV.  3.  4.  15 


o 


226  S.  Ifsleib: 

keine  endgiltige  Antwort  habe  gehen  können,  noch  vor- 
handen seien.  Er  habe  zur  Besichtigung  nacli  Hessen 
senden  lassen  und  erwarte  täglich  Bericht;  die  Bundes- 
urkunden möge  man  schleunig  ausliefern.  Zur  gelegenen 
Zeit  wolle  er  die  getreuen  Dienste  der  Kurfüisten  an- 
sehen und  der  Füi-bitte  der  Königin  und  der  anderen 
Frauen  zu  Gunsten  der  Landgräfin  und  ihrer  Kinder  ein- 
gedenk sein. 

Als  jetzt  zweifellos  feststand,  dals  die  Befreiung 
Philipps  vorläufig  nicht  zu  erreichen  sei,  so  trat  die  tief- 
bekümmerte Landgräfin  Ende  Mai  die  Heimreise  an-^-). 
Der  Fürsprache  des  Königs  war  es  zu  danken,  dals  sie 
einen  Tag  beim  gefangenen  Gemahl  in  Heilbronn  zu- 
bringen durfte.  Schwermütig  und  trostlos  bat  der  Land- 
graf sie  flehentlich,  mit  den  beiden  Kurfürsten  spätestens 
im  August  wieder  vor  dem  Kaiser  zu  erscheinen,  damit 
er  endlich  frei  werde. 

Auf  die  Nachricht  Joachims,  dafs  der  Kaiser  vor 
seiner  Entscheidung  vor  allem  die  Schleifung  der  Festungen 
und  die  Annahme  des  Interims  verlange,  erklärte 
Philipp  am  22.  Juni:  er  wolle  das  Interim  bewilligen  und 
in  seinem  Lande  ernstlich  halten  lassen,  wenn  er  Urlaub 
zur  Heimreise  erlange.  „Um  Gottes,  der  Mutter  Gottes 
und  aller  Engel  und  Heiligen  willen"  möge  der  Kaiser 
als  christlicher  Herr  und  Vater  ihm  vergeben,  sowie  er 
selbst  von  Gott  Vergebung  begehre  und  hoffe;  er  solle 
bedenken,  dafs  er  harte  Bulse  ertragen  habe  und  schon 
ein  ganzes  Jahr  in  der  Haft  lebe.  Stets  wolle  er  treu 
zum  Kaiser  gegen  alle  Feinde  stehen ;  stattliche  Geiseln 
sollten   gegeben  werden.    Allein  alles  blieb   erfolglos  '•^). 

Unmittelbar  nach  ihrer  Ankunft  in  Kassel  lud  die  Land- 
gräfin Christine  die  beiden  Kurfürsten  inständig  zu  weiterer 
Fürbitte  für  den  gefangenen  Gemahl  ein;  doch  vermochte 
keiner  ihrer  Bitte  zu  willfahren-'^^).     Moritz  erwiderte •'^'^), 


^2)  Auch  Moritz  ritt  in  die  Heimat. 

ä^)  Auf  des  Kurfürsten  VerAvendung  hin  durften  wieder  der 
Leibarzt,  sowie  zwei  Herren  vom  Adel  und  andere  Diener  zum  Land- 
grafen. 

^}  Marburg,  0.  W.  S.  5,  Verhandlungen  der  Landgräfin  und 
Söhne  mit  Sachsen  luid  Brandenburg,  Juni  1547  bis  Dezember  1549 
flg.;  Schmalkaldener  Bund,  Kriegssachen  1547  —  48.  Dresden, 
Loc.  9143  Landgraf  Philipps  von  Hessen  Capitnlation  etc. ,  Vol.  IL 
1548,  Bl.  184  flg. 

'"')  Brief  vom  4.  Juli  1548.  Der  Kurfürst  verhandelte  damals 
in  Meifsen  mit  dem  Ausschusse  seiner  Landständc  über  das  Literim. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  227 

dafs  ihn  überaus  notwendige  Regierungsgesciiäfte  und  die 
bevorstehende  Hochzeit  seines  Bruders  August  von  der 
persönlichen  Teilnahme  abhielten,  und  Joachim  gab  zu 
erkennen'^*'),  dals  er  kaum  fünf  Tage  vor  der  anberaumten 
Zeit  die  Heimat  erreichen  werde.  Zugleich  war  er  davon 
überzeugt,  dafs  man  vor  der  Annahme  des  Interim  in 
Hessen  und  vor  der  Schleifung  sämtlicher  Festungen 
aufser  Ziegenhain  beim  Kaiser  gar  nichts  durchsetzen 
werde. 

Demungeachtet  trat  die  Landgräfin  die  geplante 
Eeise  an  und  erwartete  den  von  Augsburg  nach  den 
Niederlanden  ziehenden  Kaiser  in  Speier.  Am  1.  Sep- 
tember durfte  sie  eine  Bittschrift  überreichen,  in  der  sie 
um  Befreiung  oder  wenigstens  um  Beurlaubung  des  Ge- 
mahls nachsuchte,  damit  er  die  Kapitulation  völlig  voll- 
ziehen, das  Interim  einführen  und  das  äulserste  Verderben 
seines  Landes  verhüten  könne. 

Zwei  Tage  darauf  liefs  der  Kaiser  aber  wissen,  dals 
es  vorläufig  bei  der  in  Augsburg  erteilten  Antwort  bleiben 
müsse.  Die  abermals  hart  enttäuschte  Fürstin  erhielt 
nur  die  Erlaubnis,  acht  Tage  bei  ihrem  Gemahl  bleiben 
zu  dürfen. 

Darauf  berieten  am  16.  September  sächsische  und 
brandenburgische  Räte  in  Jüterbogk,  was  denn  eigentlich 
nun  noch  für  den  Landgrafen  geschehen  könne,  da  alle 
persönlichen  Fürbitten  ganz  fruchtlos  geblieben  seien. 
Man  nahm  die  Kapitulation  zur  Hand  und  prüfte  sorg- 
fältig, welche  Artikel  dem  Kaiser  wohl  noch  ernstlichen 
Grund  zu  Ausstellungen  geben  möchte.  Schlielslich 
einigte  man  sich  darüber,  dals  die  beiden  Kurfürsten 
genaue  Erkundigungen  über  alle  vollzogenen  Vertrags- 
artikel in  Hessen  einziehen  und  dann  den  Kaiser  möglichst 
bald  von  der  Ausführung  des  Vertrages  überzeugen  und 
um  Gnade  für  den  Gefangenen  bitten  sollten. 

Zufolge  dieser  Verständigung  zogen  Mitte  Oktober 
vier  kurfürstliche  Bevollmächtigte  nach  Kassel,  um  zu 
sehen  und  zu  hören,  wie  alles  stehe.  Da  man  die  Lage 
der  Dinge  für  günstig  erachtete,  eilte  der  kurbranden- 
burgische  Rat  Dr.  Jung  mit  dem  hessischen  Vizekanzler 
Heinrich  Lersner  an  den  kaiserlichen  Hof.  Die  anderen 
kehrten  heim  und  erstatteten  genauen  Bericht,  worauf 
die  Kurfürsten    den   sächsischen   Rat  Franz   Kram   mit 


^^)  Briefe  vom  8.  und  9.  Juli  aus  Pfaffeuhofen  und  Ingolstadt. 

15* 


228  S.  Ifsleib: 

einer  vereinbarten  Instruktion  ebenfalls  nach  Brüssel 
schickten. 

Von  dort  kam  die  Kunde,  dals  der  Landgraf  in 
trüben  Stunden  seiner  strengen  Haft  zu  Oudenaarde  an 
der  Scheide  seine  Kleider  zerreilse,  die  wachthabenden 
Spanier  Schelme  über  Schelme  schelte  und  öfter  wild 
wünsche,  ihn  mit  dem  Schwerte  zu  durchbohren.  Es  sei 
zu  besorgen,  dafs  er  in  Schwermut  verfalle  und  allmählich 
ganz  von  Sinnen  komme.  Als  ihn  Dr.  Jung  am  27  No- 
vember mit  kaiserlicher  Erlaubnis  besuchte"'"),  jammerte 
er  heftig  über  seine  elende  Lage  und  flehte  inständig, 
ihn  zu  befreien.  Wenn  in  kurzem  des  Kaisers  Sohn 
Prinz  Philipp  aus  Spanien  komme  und  durch  Deutschland 
ziehe,  dann  sollten  die  Kurfürsten  sich  zu  ihm  verfügen, 
Fürbitte  einlegen  und  mit  nach  Brüssel  reiten.  Sie 
möchten  sich  zu  stattlichem  Kriegsdienste  erbieten  und 
auf  Verlangen  des  Kaisers  den  Prinzen  zum  römischen 
König  wählen.  Werde  die  günstige  Gelegenheit,  die 
sich  bei  Ankunft  des  Prinzen  darbiete,  versäumt,  dann 
schwinde  jede  Hoffnung  auf  baldige  Befreiung.  Auf  Rat 
des  Kurfürsten  von  Brandenburg  habe  er  das  Interim 
angenommen  und  schon  zweimal  Augustin,  Ambrosius  und 
Eusebius  durchgelesen ;  auch  sei  er  etliche  Mal  in  die 
Messe  gegangen.  Damit  niemand  denke,  er  höre  die 
Messe  aus  Heuchelei,  so  habe  er  sich  öfter  erboten,  mit 
dem  kaiserlichen  Beichtvater  oder  mit  einem  anderen 
Theologen  über  seinen  Glauben  zu  reden.  Mit  wohl- 
bedachtem Mute  wolle  er  dem  Kaiser  in  religiösen  Dingen 
willfahren.  —  Mehrfach  wiederholte  er  die  Bitte,  die 
Kurfürsten  möchten  dem  kaiserlichen  Prinzen  entgegen- 
ziehen ^^). 

In  vielen  Briefen  gebot  er  seiner  Gemahlin,  seinen 
Söhnen  und  Räten,  die  beiden  Kurfürsten  unermüdlich  an 
ihre  Ehre  und  Pflicht  zu  erinnern,  auf  der  Einstellung  in 
Kassel  zu  bestehen  und  die  Reise  zum  Prinzen  Philipp 
und  an   den  kaiserlichen  Hof  zu  fordern;  man  solle  mit 


")  Berlin  B9,  5.  Landgraf  Philipp  von  Hessen  1549;  Mar- 
burg, 0.  W.  S.  4,  Landgraf  Philipp,  die  Gefangenschaft  betreffend, 
1648— 5L 

^^)  Sie  sollten  zur  Jagdzeit  die  Wildschweine  nicht  lieber  Imben 
als  ihn,  den  armen,  gefangenen  Freund  und  Bruder.  Da  Joachim 
wohl  30000  Gulden  in  Augsburg  für  Perlen  und  Edelsteine  aus- 
gegeben habe,  so  möge  es  ihn  nicht  leuen,  etwa  10000  Gulden  auf 
einer  Reise  für  seinen  Schwager  zu  verzehren,  um  ihn  zu  retten. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  229 

einem  öffentlichen  „Ausschreiben"  drohen.  Auch  ent- 
sandte er  Heinrich  Lersner  nach  Sachsen  und  Branden- 
burg, um  zur  Reise  und  Fürbitte  anzuspornen. 

Obgleich  sich  Dr.  Jung  in  Brüssel  für  den  Land- 
grafen eifrig  verwendete,  so  blieben  seine  Bemühungen 
doch  völlig  erfolglos.  Ebensowenig  erreichte  die  geschäf- 
tige Fürsprache  des  angekommenen  kursächsischen  Rates 
Franz  Kram  eine  veränderte  Lage  des  Gefangenen. 
Allerseits  vertröstete  man  mit  der  Ankunft  des  Prinzen 
Philipp,  dem  zu  Ehren  der  Kaiser  viele  Beweise  der 
Gnade  geben  werde;  jedermann  hielt  es  für  gut  und 
nützlich,  wenn  die  Kurfürsten  ihn  auf  seinem  Zuge  durch 
Deutschland  begrülsen  würden. 

Nun  w^ar  anfangs  Januar  1549,  unmittelbar  nach  dem 
bekannten  Leipziger  Landtage,  sowohl  ein  Brief  des 
Kardinals  von  Trient,  als  auch  eine  hessische  Gesandt- 
schaft nicht  ohne  Einflufs  auf  Kurfürst  Moritz. 

Gemäls  einer  in  Augsburg  erfolgten  Verabredung 
zeigte  der  Kardinal '^^)  von  Barcelona  aus  die  bevorstehende 
Reise  des  Prinzen  Philipp  über  Genua  und  Trient  nach 
Deutschland  und  den  Niederlanden  an  und  riet  dem  Kur- 
fürsten, die  günstige  Gelegenheit  zu  einer  Begrülsung 
nicht  zu  versäumen.  Er  möge  dem  Prinzen  entgegen- 
reiten und  dessen  Freundschaft  suchen;  vielleicht  sei  es 
der  beste  und  einzige  Weg  zur  Befreiung  des  Schwieger- 
vaters. Als  darauf  Moritz  noch  erwog,  was  er  thun 
sollte,  erschienen  hessische  Räte  in  Torgau  und  führten 
ihm  am  9.  Januar  1549  zu  Gemüte*'^),  dals  der  gefangene 
Landgraf  alle  Hoffnungen  auf  die  Ankunft  des  kaiser- 
lichen Prinzen  setze  und  inständig  bitten  lasse,  dem  Sohne 
des  Kaisers  zwischen  Italien  und  den  Niederlanden  ent- 
gegenzureiten, ihn  freundlich  anzusprechen  und  mit  ihm 
nach  Brüssel  zu  ziehen,  um  die  ersehnte  Befreiung  durcli- 


^®)  Moritz  war  während  des  Reichstages  in  nahe  Bezielmng 
zum  Kardinal  getreten  und  hatte  ihn  als  Vertrauten  des  Kaisers 
öfter  um  Fürsprache  für  den  Landgrafen  gebeten.  Dann  erhielt  der 
Kardinal  wie  der  Herzog  von  Alba  den  ehrenvollen  Auftrag,  den  Sohn 
König  Ferdinands,  Erzherzog  Maximilian,  nach  Spanien  und  anderer- 
seits Prinz  Philipp  von  Spanien  diuxh  Italien  und  Deutschland  nach 
den  Niederlanden  zu  begleiten.  Dresden ,  Loc.  8498 ,  An  Churfürst 
Moritz  abgelafsne  Handschreiben  1541—51;  eigenhändiger  Brief  an 
Christof  von  Carlovvitz,  Varzellona  (Barcelona),  19.  Oktober  1548. 
Der  Brief  an  Moritz  war  nicht  zu  finden. 

*°)  Dresden,  Loc.  9143,  Landgraf  Philipps  von  Hessen  Kapi- 
tulation, Vol.  III,  1549—51. 


230  S.  Ifsleib: 

zusetzen.  Im  Juli  1548  habe  Moritz  bestimmt  erklärt, 
dals  er  nach  der  Hochzeit  des  Bruders  au  den  kaiser- 
lichen Hof  ziehen  und  den  Schwiegervater  retten  wolle, 
selbst  wenn  er  ein  ganzes  Jahr  warten  und  anhalten  solle. 
Darauf  setzte  der  Kurfürst  den  hessischen  Räten  aus- 
einander, Avie  beschwerlich  und  gefährlich  es  für  ihn  sei, 
in  höchst  unruhiger  Zeit  sein  Land  zu  verlassen.  Völlige 
Ungewilsheit  herrsche  auch  noch  darüber,  wann  der 
Prinz  in  Deutschland  eintreffen  werde.  Solle  er  jetzt 
aufs  Geradewohl  hinausreiten,  so  erscheine  das  für  ihn 
fast  schimpflich.  Sobald  er  jedoch  merke,  dals  etwas 
Gutes  ausgerichtet  werden  könne,  so  wolle  er  mit  dem 
Kurfürsten  von  Brandenburg  die  Reise  antreten  und  thun, 
was  möglich  sei. 

Indessen  nach  einem  raschen  Entschlüsse  übertrug 
er  am  folgenden  Tage"*')  dem  Grafen  Wolf  von  Barby 
samt  etlichen  Räten  die  Statthalterschaft  und  die  Regie- 
rung des  Landes  und  liefs  zur  Abreise  rüsten.  AVie 
Christof  von  Carlowitz,  so  sollte  ihn  der  eine  hessische 
Rat  Christof  Hülsing  begleiten.  Wegen  Mangels  an  Geld 
war  Kurfürst  Joachim  aufser  Stande  mitzuziehen**^). 

Mit  stattlichem  Gefolge  reiste  Moritz  durch  Süd- 
deutschland. In  Füssen  liels  er  den  grölsten  Teil  seiner 
Begleitung  zurück  und  ritt  durch  die  Ehrenberger  Klause 
über  Innsbruck  nach  Trient,  w^o  er  Prinz  Philipp  begrülste 
und  mit  ihm  mehrere  Tage  verlebte^'').  Nach  einer  ein- 
gehenden Besprechung  mit  dem  Kardinal  von  Trient  ging 
er  ihn  am  27.  Januar  zugleich  im  Namen  Joachims  in 
feierlicher  Audienz  um  Verwendung  für  den  gefangenen 
SchAviegervater  an"*^),  Philipp  sollte  die  beiden  Kurfürsten, 
deren  Ehre,  Treue  und  Glauben  hoch  verpfändet  sei, 
mehr  als  den  Landgrafen   berücksichtigen.     Durch  eine 


"")  Dresden,  Loc.  1004] ,  Chiufürst  Moritz'  heiragelassene  In- 
struktionen; Original,  Torgau,  10.  Januar  1549. 

■*-)  Daher  boten  ihm  die  Hessen  ein  Darlehen  von  6000  Gulden 
an,  damit  er  wenigstens  an  den  kaiserlichen  Hof  nach  Brüssel  ziehen 
könne. 

^'•^)  Berlin  39.  2.  .lohann  Friedlich  und  Moritz  von  Sachsen 
1547—49,  eigenliändiger  Brief  Christofs  von  Carlowitz  an  Kurfürst 
Joachim,  Torgau,  16.  März  1,549. 

**)  Zeuge  waren  der  Herzog  von  Alba,  die  Kardinalbischöfe  von 
Trient  und  Augsburg  etc.  Carlowitz  trug  die  kurfürstliche  Bitte 
lateinisch  vor.  Ed.  Duller,  Neue  Beiträge  zur  Geschichte  Philipps 
des  Grofsmütigen  (Darnistadt  1842),  S.  101;  statt  22.  mufs  es  27.  Ja- 
nuar heifsen. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  231 

erfolgreiche  Fürsprache  verpflichte  er  sie  zu  ewigem 
Dienst  und  Dank.  Gleichzeitig  hat  Moritz  um  die  Er- 
laubnis, dals  der  Kardinal  von  Trient  ihn  in  jeder  Be- 
ziehung vertreten  dürfe,  weil  er  selbst  wegen  überaus 
dringender  Geschäfte  nicht  mit  nach  Brabant  und  Flan- 
dern reisen  könne.  Der  Prinz  erteilte  durch  den  Herzog 
von  Alba  gnädige  Antwort  und  wollte  beim  Kaiser  Für- 
sprecher der  beiden  Kurfürsten  sein  in  der  Hoffnung,  dafs 
er  als  Sohn  vielleicht  etwas  mehr  als  andere  ausrichten 
werde.  Gern  nahm  er  den  Kardinal  als  „Sollicitator" 
an ;  seinen  Vorstellungen  und  Anregungen  wollte  er  ebenso 
folgen  und  nachgehen,  als  wenn  sich  Moritz  persönlich 
bemühe. 

Unter  dem  Vorwande,  dafs  er  den  Prinzen  wegen 
seines  geringen  Gefolges  nicht  ehrenvoll  genug  über  Land 
begleiten  könne,  entschlols  sich  der  Kurfürst,  mit  dem 
Kardinal  Otto  von  Augsburg  etliche  Tage  nach  Italien 
zu  eilen,  um  einige  Fürsten  zu  begrülsen  und  mehi-ere 
Städte  und  Festungen  zu  besichtigen.  In  ehrenvollster 
Weise  nahm  ihn  der  Herzog  von  Venedig  auf.  Mit 
Herzog  Herkules  II.  von  Ferrara,  der  durch  seine 
Gattin  dem  französischen  Hofe  nahe  stand,  knüpfte  er 
freundschaftliche  Beziehungen  an.  In  Mantua  besuchte 
er  den  Kardinal  Hercole  Gonzaga.  Nachdem  er  seinen 
Ausflug  bis  Mailand  ausgedehnt  hatte,  jagte  er  zurück, 
zog  in  Füssen  sein  Gefolge  wieder  an  sich  und  holte  den 
Prinzen  in  München  ein.  Sowohl  hier  wie  in  Augsburg 
erneuerte  er  seine  Fürbitte  für  den  Schwiegervater  und 
gab  dem  eingetroffenen  hessischen  Hofmarschall  Wilhelm 
von  Schachten  und  anderen  guten  Bescheid  an  die  Land- 
gräfin und  an  ihre  Söhne.  Kurz  vor  der  Verabschiedung 
erinnerte  er  in  Günzburg  an  der  Donau  am  27.  Februar 
den  Prinzen  zum  letzten  Male  an  die  zugesagte  Ver- 
wendung für  den  gefangenen  Landgrafen  mid  bat  den 
Herzog  von  Alba  um  freundliche  Unterstützung  in  der 
wichtigen  Angelegenheit.  Über  den  Erfolg  der  prinzlichen 
Fürbitte  beim  Kaiser  und  über  die  Stimmung  am  Hofe 
versprach  der  Kardinal  von  Trient  rasche  Anzeige  zu  er- 
statten, damit  unter  Umständen  Moritz  mit  Joachim  von 
Brandenburg  schnell  zur  persönlichen  Verhandlung  in  die 
Niederlande  kommen  könnten. 

Auf  der  Heimreise  begriffen,  schrieb  der  Kurfürst 
am  28.  Februar  in  Dillingen  an  Landgraf  Philipp  über 
seine  Reise  zum  Prinzen  und  über   die  Vereinbarungen 


232  S.  Ifsleib: 

mit  dem  Kardinal  von  Trient.  Wohlmeinend  ermunterte 
er  ihn,  den  Sühn  des  Kaisers,  Alba  und  den  Kardinal 
um  Fürbitte  anzugehen  und  sich  so  zu  verhalten,  dafs  er 
nicht  durch  Ungeduld  und  durch  üble  Worte  und  Ge- 
berden gegen  die  Spanier  die  Gnade  des  Kaisers  aber- 
mals verscherze.  Sobald  es  ersprielslich  erscheine,  wollte 
er  ungesäumt  nach  Brüssel  reisen.  Für  gut  sah  er  an, 
dafs  der  Landgraf  seinen  zweiten  Sohn  Ludwig  an  den 
Hof  des  Herzogs  von  Ferrara  schicke,  um  die  italienische 
Sprache  zu  erlernen  und  um  anderer  Vorteile  willen;  er 
w^ar  erbötig,  den  Plan  in  jeder  Beziehung  zu  befö)-dern ■*"'). 

Nach  seiner  am  12.  März  erfolgten  Ankunft  in 
Wolkenstein  wandte  sich  Moritz  an  den  Kardinal  von 
Trient  und  erneuerte  die  Bitte  um  Verwendung  für  den 
Landgrafen"').  In  einem  Briefe  an  den  Kaiser  ersuchte 
er,  den  Gefangenen  um  seines  geliebten  Sohnes  Fürbitte 
willen  gnädig  freizugeben ;  denn  dadurch  werde  der  Prinz 
grolsen  Ruhm  in  der  deutschen  Nation  erwerben.  Aufser- 
dem  solle  der  Kaiser  ihn  (Moritz),  Kurfürst  Joachim, 
die  Landgräfin  Christine  als  Tochter  Herzog  Georgs  von 
Sachsen  und  ihre  kleinen  unerzogenen  Kinder  bedenken. 

Unterdessen  zog  Prinz  Philipp  von  Günzbui'g  aus 
über  Ulm  nach  Heidelbei-g  und  war  sehr  gnädig,  als  auf 
Betrieb  des  Kardinals  von  Trient  der  Kurfürst  von  der 
Pfalz  mit  sechs  Fürsten  eine  „ansehnliche,  dienliche  und 
tapfere"  Fürbitte  für  den  Landgrafen  einlegte'').  In 
Speier  hörte  er  das  demütige  Bittgesuch  hessischer  Ge- 
sandten^^) und  in  Neustadt  an  der  Hardt  nahm  er  eine 


*^)  Hieraus  erkennt  man  bereits  Moritz'  weitgreifende  Pläne. 
In  Münclien  wandte  er  sich  mit  Otto  von  Aiig-sburg  am  7.  März 
an  Herkules  II.  von  Ferrara  wegen  der  ehelichen  Verbindung  einer 
bayerischen  Prinzessin  mit  seinem  Sohne. 

'"')  Dresden,  Loc.  9144,  Landgreffische  Verf5unung  1549  —  50, 
Bl.  1  flg.,  Brief  vom  17.  März.  Aufserdem  schickte  Moritz  dem 
Kardinal  eine  Vollmacht,  dafs  er  jederzeit  in  seinem  Namen  beim 
Kaiser  und  beim  Prinzen  Philipp  vorstellig  werden  könne.  Als  Bei- 
lage sandte  er  den  hallischen  Vertrag  vom  19.  Juni  1547,  die  Ant- 
wort des  Kaisers  in  Halle  und  Naumburg,  den  kurfürstlichen  Ver- 
sicherungsbrief vom  4.  Juni  1547  und  ein  genaues  Verzeichnis  von 
allem,  was  die  Hessen  dem  Vertrage  gemäfs  geleistet  hatten. 

■")  Eigenhändiger  Brief  des  Kardinals  an  Christof  von  Carlowitz, 
Heidelberg,  11.  März  1.549;  Dresden,  Loc.  8498  Au  Churfürst  Moritz 
abgelassene  Handschreiben  1.541—51,  Hl.  ,54. 

•*^)  Marburg,  O.  W.  S.  4,  Landgraf  Philipps  Gefangenschaft 
betreffend  1548-51 ;  Berlin  39.  5,  Philipp  von  Hessen  1.549;  Druffel  I, 
No.  279.     In  jener  Zeit  war  die  Laudgräfin  Christine  krank. 


Die  Gefangeiischaft  Philipps  von  Hessen.  233 

kurbrandenburgische  Bittschrift  vom  Kanzler  Christof  von 
der  Strafsen  entgegen. 

Kaum  war  dann  der  Prinz  in  Brüssel  eingezogen ■*^), 
so  drängten  die  anwesenden  sächsischen,  brandenburgischen 
und  hessischen  Bevollmächtigten  täglich  zur  Fürbitte  für 
den  Landgrafen.  Der  Kardinal  von  Trient'^")  erinnerte 
den  Prinzen  und  den  Herzog  von  Alba  und  sprach  öfter 
mit  der  kaiserlichen  Schwester,  Königin  Marie,  mit 
Granvella  und  seinem  Sohne,  Bischof  von  Arras,  mit 
Dr.  Viglius  und  anderen  kaiserlichen  Räten.  Dann  äulserte 
er,  Prinz  Philipp  bedürfe  keiner  Sporen;  er  werde  sich 
den  Dank  aller  Fürsten,  denen  er  seine  Verwendung  zu- 
gesagt habe,  verdienen.  Vertraulich  teilte  er  dem  säch- 
sischen Rat  Franz  Kram  mit:  „es  müsse  etwas  Frucht- 
barliches  ausgerichtet  werden,  oder  das  Blut  müsse  ihm 
aus  den  Nägeln  springen";  fleilsig  unterbaue  man  die 
Sache  beim  Herrn  Granvella  und  beim  Bischof  von 
Arras  ^^). 

Als  am  10.  April  Prinz  Philipp  eine  väterliche 
Audienz  erhielt,  erschien  der  Kaiser  „wohl  zufrieden 
und  fröhlich"  und  wollte  der  Bitte  des  Sohnes  eingedenk 
sein;  doch  übergab  er  zunächst  die  Angelegenheit  dem 
geheimen  Rate''^). 

In  jenen  Monaten  bestürmte  der  Landgraf  seine 
Söhne  und  Räte  unaufhörlich,  dals  sie  den  beiden  Kur- 
fürsten mit  „öffentlichen  Ausschreiben,  Anschlägen  und 
Schandgemälden"  drohen  sollten,  wenn  sie  säumig  w^ären, 
ihn  zu  befreien.  Die  Haft  sei  sein  Tod.  Moritz  und 
Joachim  könnten  ihn  schon  frei  machen,  wenn  sie  nur 
wollten,  entweder  durch  die  Wahl  Philipps  zum  römischen 
König  oder  durch  Kriegsdienste  gegen  Frankreich  und 


*^)  Der  feierliche  Einzug  erfolgte  am  1.  April. 

^)  Dresden ,  Loc.  8238,  Magister  Franzens  Schriften,  so  er  von 
Brüssel  aus  gethan  etc.  1549 ;  Marburg,  0.  W.  S.  1159  Kriegssachen 
1547  II,  Briefe  vom  April. 

5>)  Dresden,  Urkunde  11391,  Ach  6.  Juni  1549,  enthält  eine 
Verschreibung  des  Kiirdinals  über  16000  Thaler,  welche  ihm  Moritz 
vorgeschossen  hat,  um  sie  nach  „leidlicher  Frist"  wieder  zurückzu- 
zahlen. Als  nach  Moritz'  Tode  Kurfürst  August  das  Geld  einmahnte, 
verwies  der  Kardinal  auf  die  grofsen  Dienste,  die  er  dem  Bruder  ge- 
leistet habe. 

^-)  Manche  tadelten,  dafs  des  Prinzen  Bitte  nicht  so  heftig  ge- 
wesen sei,  als  mau  hätte  erwarten  müssen;  anderen  mifsfiel,  dafs  die 
Sache  durch  den  Kardinal  von  Trient  und  nicht  durch  die  Kurfürsten 
betrieben  werde.  Über  den  Erfolg  der  Fürbitte  waren  die  Meinungen 
sehr  geteilt. 


234  S.  Ifsleib: 


gegen  die  ungehorsamen  deutschen  Städte,  oder  durch 
andere  Anerbieten  und  Zusicherungen.  Auf  alle  Fälle 
sollte  man  Moritz  zur  Reise  an  den  kaiserlichen  Hof  be- 
Avegen;  denn  wenn  er  nach  Venedig  und  Mailand  spazieren 
reiten  könne,  um  Italien  zu  sehen,  dann  könne  er  auch 
in  die  Niederlande  ziehen  und  seinen  Schwiegervater  be- 
freien, wie  ihm  ehrenhalber  gebühre.  Jedermann  müsse 
sich  wundern,  dals  er  dem  Kardinal  von  Trient  soviel 
Vertrauen  schenke.  Komme  er  nicht  selbst,  so  müsse 
der  Kaiser  denken,  es  sei  ihm  wenig  an  der  Befreiung 
des  Schwiegervaters  gelegen.  Da  Moritz  sonst  „ein  solch 
hohes  und  tapferes  Gemüt  habe,  dals  er  sich  nicht  gern 
kränken  und  an  seiner  Ehre  verletzen  lasse",  so  sollten 
sie  alles  aufbieten,  um  seine  Eeise  in  bestimmter  Zeit  zu 
erzwingen.  Weder  der  Kardinal,  noch  die  kurfürstlichen 
Räte  genügten,  um  seine  Befreiung  durchzusetzen,  und 
zum  Prinzen  werde  der  Kaiser  wie  ein  Vater  zum  Sohne 
sagen:  Du  verstehst  diese  Dinge  nicht,  lafs  mich  ge- 
währen; dann  müsse  er  stillschweigen.  Die  Kurfürsten 
allein  könnten  ihm  nützen,  wenn  sie  die  volle  Wahrheit 
berichteten  und  mit  Ernst  anhielten;  sie  nur  könnten 
offen  reden,  widerlegen  und  überzeugen. 

Von  den  jungen  Landgrafen  vor  die  Entscheidung 
gestellt,  entweder  nach  Brüssel  zu  reiten  oder  sich  am 
31.  Mai  in  Kassel  einzustellen,  entgegneten  die  Kur- 
fürsten: sobald  die  Nachricht  eintreffe,  dals  ihre  per- 
sönliche Anwesenheit  nützlich  und  nötig  erscheine,  dann 
wollten  sie  beide  oder  Moritz  allein  an  den  kaiserlichen 
Hof  reisen.  Eindringlich  aber  warnten  sie  vor  jeder 
Übereilung  und  vor  verführerischen  Zuflüsterungen,  damit 
nicht  wieder  alles,  was  Moritz  mit  Fleilis  bestellt  und 
angeordnet  habe,  verdorben  werde  wie  einst  in  Augsburg. 
Den  übersendeten  Drangbrief  vom  6.  April  wollten  sie 
an  den  gefangenen  Vater  schicken,  damit  er  darüber  nach- 
denke, ob  Übereilung  nütze  oder  schade. 

Währenddem  starb  Landgräfin  Christine  nach  längerem 
kummervollen  Leiden"'''^.  Tief  erschüttert  klagte  Land- 
graf Philipp:  wie  er  um  seine  Festungen  und  um  sein 
Geld  und  Gut  gekommen  sei,  so  habe  er  nun  auch  sein 
frommes  Weib  verloren.  Gar  leicht  könne  er  selbst 
sterben,  da  er  öfters  krank  sei;  schon  sitze  er  fast  zwei 
Jahre   auf  Treu  und  Glauben  im  elenden  Kerker.     Die 


^'^)  Am  15.  April 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  235 

Kurfürsten  möchten  endlich  einmal  ihre  Ehre  retten  und 
ihn  befreien,  sonst  mülste  man  sie  vor  Gott  und  aller 
Welt  als  unwahrhaftige  und  wortbrüchige  Leute  an- 
klagen. Seine  Söhne  sollten  beide  so  lange  erinnern  und 
nötigen,  bis  es  helfe;  keinesfalls  sollten  sie  die  kurfürst- 
liche Verpflichtung  herausgeben,  „es  gehe  suis  oder  sauer"'^^). 

Als  Heinrich  Lersner  am  5.  Mai  in  Torgau  vorstellig 
wurde,  dals  die  Kurfürsten  sich  doch  an  den  kaiserlichen 
Hof  verfügen  und  den  Landgrafen  heimbringen  möchten, 
legte  Moritz  dar,  dafs  es  sich  infolge  der  mit  Prinz 
Philipp  und  dem  Kardinal  von  Trient  vereinbarten  Ab- 
machungen nicht  gezieme,  ohne  weiteres  an  den  kaiser- 
lichen Hof  nachzureisen;  der  Anstand  erheische  vielmehr, 
vorläufig  freundlich  zu  vertrauen.  Der  Prinz  habe  bereits 
persönliche  Fürbitte  eingelegt  und  erwarte  in  kurzem 
väterlichen  Bescheid.  Der  Kardinal  vertröste,  und  alle 
Welt  gebe  gute  Hoffnung.  Da  jetzt  der  geheime  Rat 
des  Kaisers  die  Sache  berate  und  erwäge,  so  könne  vor- 
derhand niemand  etwas  ausrichten.  Die  persönliche 
Gegenwart  und  die  emsige  Fürsprache  habe  einst  in 
Halle  und  Naumburg  und  dann  in  Augsburg  wenig  ge- 
nützt; zur  Zeit  werde  sie  auch  nichts  helfen.  Wie  der 
Kardinal,  so  habe  der  Prinz  versprochen,  zu  schreiben,  was 
erreicht  werde,  und  zu  raten,  was  gut  sei.  Wenn  man  nun 
plötzlich  und  unerwartet  in  Brüssel  erscheine,  so  mülisten 
sie  diesen  Schritt  für  ein  grofses  Milstrauen  gegen  ihre 
Person  halten  und  alles  werde  verdorben.  Hielten  beide  für 
gut,  nach  Brüssel  zu  kommen,  dann  wolle  er  dahin  eilen 
und  alles  versuchen,  um  den  Landgrafen  zu  befreien. 

Kurfürst  Joachim  war  gleichfalls  der  Ansicht,  dafs 
man  die  Antwort  des  Piinzen  abwarten  müsse,  ehe  man 
an  den  kaiserlichen  Hof  ziehen  könne. 

Vierzehn  Tage  später  erheischte  ein  neues  Gesuch 
der  jungen  Landgrafen  abermals  die  Reise  zum  Kaiser  ^■^). 


^*)  Nach  der  Einstellung  sollten  die  Kurfürsten  in  Ziegenhain 
sorgfältig  überwacht  werden. 

^^)  Schreiben  vom  19.  Mai,  kurfürstliche  Antwort  vom  16.  Juni. 
Am  6.  Juni  besuchte  Franz  Kram  den  Landgrafen  in  seiner  strengen 
Haft.  Während  der  Unterredung  brachte  der  Gefangene  ein  Glas 
AVein  und  befahl,  Moritz  zu  schreiben,  dafs  er  ihm  Bescheid  thun 
und  ihn  als  armen,  verlassenen  Fürsten  nicht  vergessen  solle ;  er  möge 
die  Jagd  und  das  Wild  nicht  lieber  haben  als  ihn.  —  Als  er  später 
von  Moritz'  Reise  zum  König  Ferdinand  Kunde  erhielt,  sagte  er 
jammernd,  nach  Italien  und  Böhmen  könne  Moritz  wohl  reiten,  zum 
Kaiser  aber  wolle  er  nicht  ziehen  etc. 


236  S.  Tfsleil): 

Man  versprach  sich  Erfolg  dann,  wenn  die  Kurfürsten 
vor  allem  erbötig  seien,  den  Sohn  des  Kaisers  zum 
römischen  König  zu  wählen.  Moritz  und  Joachim  er- 
widerten, die  Reise  nach  Brüssel  solle  unternommen 
werden,  wenn  es  für  nützlich  und  nötig  gehalten  werde. 
Bedenklich  aber  und  leichtfertig  erscheine  es  ihnen,  wenn 
sie  sich,  ehe  darum  nachgesucht  werde  ^  erbieten  sollten, 
Prinz  Philipp  zum  römischen  König  zu  wählen.  Bereits 
habe  man  einen  römischen  Kaiser  und  einen  römischen 
König. 

Anfangs  August  beschlossen  die  Kurfürsten,  gegen 
Ende  des  Monats  vertraute  Räte  nach  Kassel  zu  schicken, 
um  über  die  bis  zum  31.  August  begehrte  Einstellung  zu 
verhandeln  und  um  die  Hessen  über  die  verbreiteten  Ge- 
rüchte, dals  die  Befreiung  des  Landgrafen  nicht  zu  er- 
reichen sei,  zu  beruhigen.  Noch  hegten  sie  die  Hoffnung, 
dafs  der  Kaiser  durch  gnädige  Antwort  erfreuen  werde. 
Bald  darauf  kamen  der  hessische  Hofmarschall  Wilhelm 
von  Schachten  und  der  Kammersekretär  Simon  Bing  nach 
Sachsen  und  berichteten  dem  Kurfürsten  am  22.  August 
in  Annaberg  ■^*')  ausführlich  über  die  in  Hessen  bestehen- 
den drückenden  Verhältnisse  als  Folge  der  harten  kaiser- 
lichen Kapitulation  und  der  Gefangenschaft  des  Land- 
grafen. Ohne  Hehl  sprachen  sie  aus,  dafs  man  in  Hessen 
w^euig  günstig  über  die  Kurfürsten  urteile;  fast  alle  Leute 
seien  der  Meinung,  dais  sie  nicht  tapfer  und  ernst  genug 
zu  Werke  gingen.  Die  Verwendung  des  Kardinals  von 
Trient  sei  jetzt  fruchtlos  erloschen;  man  müsse  befürchten, 
dafs  auch  die  kurfürstlichen  Räte  demnächst  vom  kaiser- 
lichen Hofe  mit  ihren  Bitten  zurückgeAviesen  würden. 
Nichts  bleibe  übrig  als  die  persönliche  Fürsprache  der 
Kurfürsten.  Wenig  stichhaltig  erscheine  ihr  Vorwand, 
dafs  sie  nicht  eher  nach  Brüssel  ziehen  dürften,  als  bis 
sich  der  Kaiser  auf  die  Fürbitte  seines  Sohnes  erklärt 
habe.  Gerade  ihre  Ankunft  werde  Prinz  Philipp  um  so 
mehr  Ursache  geben,  heftiger  anzuhalten.  Die  Kur- 
fürsten möchten   das  Elend  des  gefangenen  Landgrafen, 


^)  Dresden,  Loc.  9144  Landgreffisclie  Versumiiig  etc.  1549 
bis  1.550,  Bl.  Ifil  flg.,  aufserdem  Loc.  9144  Hessische  Handlung-  1549, 
Bl.  45  flg.  Kurz  zuvor  hatte  Moritz  mit  König  Ferdinand  ungefähr 
14  Tage  in  der  Gegend  von  Zschopau  uml  Marienberg  gejagt.  Loc.  8030 
Chur-  und  fürstl.  säclisische  Verträge  1544-50,  Bl.  101  flg.  und  8031, 
Brüderliche  Irrungen  III,  Bl.  118;  Brief  Moritz'  an  August,  Marien- 
berg, 15.  August  1549. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  237 

die  Not  seiner  armen  ünterthanen'")  und  ihren  eigenen 
guten  Ruf  und  Namen  bedenken.  Finde  die  Reise  zum 
Kaiser  nicht  statt,  dann  mülsten  sie  sich  bis  zum  31.  Ok- 
tober in  Kassel  einstellen,  um  ihre  verpfändete  Ehre  zu 
retten;  denn  wenn  das  einst  dargebotene  Geleit  und  die 
schriftliche  Verpflichtung  nicht  als  erdichtetes  und  ge- 
fährliches Blendwerk  erscheinen  solle,  durch  welches  sie 
den  Landgrafen  vorsätzlich  getäuscht  und  in  sein  Unglück 
geführt  hätten,  dann  mülsten  sie  sich  einstellen,  um  öffent- 
lich zu  bezeugen,  dals  sie  einst  ehrlich  gehandelt  hätten 
und  dafs  ihnen  die  Not  des  Freundes  in  Wahrheit  leid  thue. 

Zwei  Tage  darauf  erwiderte  Kurfürst  Moritz:  da 
die  Sache  des  Landgrafen  überaus  wichtig  sei  und  der 
Kurfürst  von  Brandenburg  mit  ihm  zugleich  hafte,  so 
könne  er  sich  ohne  ihn  weder  über  die  Reise  noch  über 
die  Einstellung  bindend  erklären.  Schon  seien  etliche 
Räte  beauftragt,  nach  Hessen  zu  ziehen  und  mit  Land- 
graf Wilhelm  zu  beratschlagen.  Unbilliger  weise  beschuldige 
man  sie  der  Nachlässigkeit ;  nichts  sei  von  ihnen  hintan- 
gesetzt worden,  um  für  den  Landgrafen  einzutreten.  Wer 
aber  könne  den  Kaiser  zwingen,  den  Gefangenen  freizu- 
lassen? Die  jungen  Landgrafen  sollten  sich  zu  keinem 
Argwohn  verleiten  oder  zu  unvorsichtigen  und  nachteiligen 
Schritten  bewegen  lassen.  Drohe  Gefahr,  dann  werde 
man  Hessen  gegen  jedes  ungehorsame  oder  mutwillige 
Vorhaben  schützen  helfen. 

Wichtig  ist,  dals  sich  Moritz  in  Annaberg  mit 
Schachten  und  Bing  längere  Zeit  im  geheimen  darüber 
unterredete,  wie  wohl  der  Landgraf  befreit  werden  könne. 
Obgleich  Prinz  Philipp  noch  nicht  geschrieben  habe,  so 
stehe  doch  zweifellos  fest,  dals  der  Kaiser  den  Gefangenen 
gegenwärtig  nicht  loslasse.  Erst  dann,  wenn  er  wieder 
in  das  Reich  gekommen  sei,  heifse  es,  wolle  er  eine  be- 
stimmte Erklärung  geben.  Ganz  vertraulich  wurde  der 
Gedanke  ausgesprochen,  man  müsse  mit  Frankreich  in 
Verbindung  zu   treten  suchen '^^j;   dann  könne  man  viel- 

^■')  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig,  der  Graf  von  Nassau, 
der  Erzbischof  von  Mainz,  der  Deutschmeister  etc.  zeigten  gegen 
Hessen  feindliche  Gesinnung. 

^^)  Kurfürst  Moritz  weihte  keinen  seiner  Räte  je- 
mals in  die  Pläne  mit  Frankreich  ein;  alle  Verhandlungen 
wurden  durch  hessische  Vertrauensmänner  geführt.  In 
dieser  Angelegenheit  schrieb  Moritz  stets  eigenhändig 
nach  Hessen.  Seine  Briefe  aus  jener  Zeit  bilden  einen 
kostbaren  Schatz  des  Marburger  ötaatsarchives. 


238  S.  Ifsleib: 

leicht  den  Landgrafen  entführen  und  anf  französischen 
Boden  retten.  Ende  September  sollte  Heinrich  von 
Schachten  (Bruder  Wilhelms)  an  den  Hof  König  Hein- 
richs II.  ziehen  und  hören,  „was  für  Wind  da  zu  finden 
sei".  Aufserdeni  sollten  anschlägige  und  verschwiegene 
Personen  den  Plan  zur  Flucht  gründlicli  erwägen  und 
den  Weg  von  Oudenaarde  bis  zur  französischen  Grenze 
sorgfältig  abreiten.  Auch  eine  Entführung  nach  England 
wurde  in  Betracht  gezogen. 

Nach  dieser  geheimen  Unterredung  gaben  die  hes- 
sischen Vertrauten  die  Weiterreise  zum  Kurfürsten  von 
Brandenburg  auf  und  kehrten  ungesäumt  in  die  Heimat 
zurück^^).  Fast  gleichzeitig  mit  ihnen  kamen  die  oben- 
erwähnten sächsischen  und  brandenburgischen  Räte  in 
Hessen  an  und  erhielten  anfangs  September  in  Trej'sa 
Gehör  und  Antwort '^^^).  Bitter  klagte  Landgraf  Wilhelm 
über  das  Ungemach  des  Vaters  und  über  die  elende 
Lage  seines  Landes.  Die  armen  Unterthanen  würden  von 
allen  Seiten  so  bedrängt,  dals  man  besorgen  müsse,  alles 
werde,  wenn  Gott  nicht  ganz  besondere  Wege  der  Gnade 
verleihe,  zuletzt  gänzlich  zerrüttet  und  zu  Grunde  ge- 
richtet. Die  Not  des  Landes  fordere  dringend  die  Heim- 
kehr des  Vaters,  um  endlich  wieder  eine  geordnete  Re- 
gierung zu  Schäften.  Mit  grolser  Geduld  habe  man  schon 
Unmenschliches  ertragen.  Unmöglich  könne  man  warten, 
bis  der  Kaiser  abermals  ins  Reich  komme  und  dann 
seinen  EntschluCs  fasse.  Da  dieser  weder  Gehör  noch 
Gnade  gebe,  so  habe  man  fast  „keinen  leuchtenden  Stern". 
Nach  Gott  setze  man  das  höchste  Vertrauen  auf  die 
beiden  Kurfürsten.  Durch  nichts  auf  Erden  sollten  sie 
sich  von  der  Reise  zum  Kaiser  abhalten  lassen.  Hindere 
sie  ihre  Gesundheit  daran,  dann  sollten  sie  wenigstens 
dem  Gefangenen  zum  Tröste  besonders  vertraute  Räte, 
wie  Dr.  Fachs  und  Eustachius  von  Schlieben,  nach  Brüssel 
schicken.  Es  sei  zu  hoft'en,  dals  dann  die  Sache  nicht 
völlig  fruchtlos  verlaufe.  Nutze  aber  auch  dieses  nichts, 
dann  sollten  die  Kurfürsten  durch  ihre  ehrliche  Ein- 
stellung den  Kaiser  zur  Gnade  bewegen. 


■^^)  Doch  schickten  sie  eine  Abschrift  ihrer  Instruktion  mit  der 
Bitte  um  eine  günstige  Erklärung  an  Joachim. 

'^')  Die  säclisisciien  Käte  waren  am  30.  August  in  Kassel,  tags 
darauf  nahten  die  Brandenburger;  alle  verweilten  vom  2.  bis  4.  Sep- 
tember in  Treysa. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  239 

Nach  erfolgter  Rückkehr  der  Räte  war  Moritz  zu 
allem  bereit  und  forderte  Joachim  auf,  darüber  zu  ent- 
scheiden, ob  sie  selbst  in  die  Niederlande  reisen  oder 
vertraute  Räte  schicken  sollten.  Währenddem  traf  der 
längst  erwartete  Brief  des  Prinzen  Philipp  ein*'^),  aus 
dem  sich  ergab,  dafs  des  Kaisers  Gemüt  znr  Zeit  etwas 
mehr  als  sonst  gereizt  sei,  weil  der  Landgraf  die  Voll- 
ziehung des  Vertrages  allzu  sehr  verzögere  und  mit 
seinen  Söhnen  und  Räten  in  Sachen  der  Religion  etwas 
wankelmütig  und  unbeständig  erscheine.  Infolge  dieser 
Nachricht  war  Kurfürst  Joachim  der  Meinung,  dafs  eine 
Reise  zum  Kaiser  jetzt  nichts  nütze;  aber  dem  Land- 
grafen zum  Tröste  könne  man  ja  einige  Räte,  darunter 
Fachs  und  Schlieben,  in  die  Niederlande  senden.  Darauf 
ermahnte  Moritz  die  jungen  Landgrafen  zur  Geduld  und 
bat,  die  Einmahnung  bis  zur  Rückkehr  der  Räte  zu  ver- 
tagen. 

Inzwischen  hatte  er  auch  über  die  in  Annaberg  ent- 
worfenen geheimen  Pläne  weiter  nachgedacht  und  den 
Kammersekretär  Bing  noch  vor  der  Abreise  Heinrichs 
von  Schachten  zu  sich  entboten  ^^).  Zweck  dieser  zweiten 
geheimen  Besprechung  war,  dals  Schachten  in  Frankreich 
auch  zu  erfahren  suchen  solle,  wessen  sich  Moritz  vom 
König  Heinrich  zu  versehen  habe  oder  welcher  Wind 
für  ihn  dort  wehe.  Gebe  man  Neigung  zur  Freundschaft 
zu  erkennen,  dann  sollte  er  um  ein  freundliches  Brief  lein 
bitten,  damit  man  ferner  mehr  darüber  nachdenken  könne, 
„wie  wohl  einer  den  andern  besser  verstehen  möge". 
Gern  war  Moritz  bereit,  den  Hessen  eine  Beisteuer  zu 
den  für  die  geheimen  Kundschafter  nötigen  Ausgaben 
zu  geben. 


^1)  Dresden,  Loc.  9144,  Landgreffische  Versunung  1549  —  50, 
Bl.  268,  Abschrift  BI.  2fir,  Duller  S.  109;  Prinz  Philipps  Brief  vom 
31.  August  kam  am  2.  Oktober  in  Dresden  au.  Der  Prinz  versicherte, 
er  habe  als  treuer  Fürbitter  gehandelt  und  vpoUe,  sobald  er  spüre, 
dafs  der  Vater  milder  und  zugänglicher  sei,  keinen  Fleifs  sparen, 
um  die  Sache  zu  einem  guten  Ende  zu  führen. 

^2)  Marburg,  O.W.  S.  4,  Landgraf  Philipp,  die  Gefangenschaft 
betreffend.  Die  französische  Allianz  etc.  1549—51.  Vergleiche 
C.  A.  Cornelius,  Kurfürst  Moritz  gegenüber  der  Fürstenver- 
schwöruug  1550—51 ,  München  1867.  —  Damit  die  Umgebung  des 
Kurfüi'sten  nicht  das  Geringste  vermuten  könne,  erschien  Bing  auf 
Moritz'  Geheifs  mit  einem  sogenannten  „Scheinbrief"  des  Landgrafen 
Wilhelm,  den  er  dann  gleichsam  amtlich  zustellte,  um  wie  sonst 
in  Sachen  des  Landgrafen  zu  verhandeln. 


240  S-  Ifsleib: 

Als  LanflgTaf  Philipp  geheime  Kunde  von  dem  Plane 
zu  seiner  Entt'iihrung  erhielt"'''),  gab  er  zunächst  froher 
Hoffnung  Raum  und  beauftragte  seine  Getreuen,  Schachten 
und  Bing,  dem  Kurfürsten  für  die  gute  Absicht  herzlich 
zu  danken.  Dann  fing  er  an  zu  grübeln  und  bedenklich 
zu  werden.  Plötzlich  vermutete  er,  Moritz  habe  jeden- 
falls aus  Furcht  vor  einem  öffentlichen  Ausschreiben  oder 
aus  Scheu  vor  der  Einstellung  in  Kassel  den  Plan  ent- 
worfen, wohl  wissend,  dals  er  ihn  nicht  auszuführen  ver- 
möge. Gleichzeitig  besoi'gte  er,  dafs  „der  grolse  Herr 
und  Moritz  nicht  unter  eine  Kappe  gebracht"  werden 
könnten;  denn  König  Heinrich  sei  vielleicht  dem  alten 
Kurfürsten  noch  mehr  geneigt  als  dem  neuen  und  vei-- 
lange  die  Zurückgabe  des  Kurlandes,  was  Moritz  nicht 
thun  werde.  Auch  hielten  die  grolsen  Herren  nur  so- 
lange an  jhren  Zusagen  fest,  als  es  ihnen  nützlich  er- 
scheine. Überdies  sei  der  ganze  Plan  und  Handel  unge- 
wils,  weil  er  auf  Glück  und  Unglück  stehe  und  gar  leicht 
versehen  werden  könne.  Darum  wollte  er  am  liebsten, 
wenn  es  irgend  möglich  w^äre,  durch  die  Gnade  des 
Kaisers  seine  Freiheit  wieder  erlangen.  Der  Weg  zur 
Freiheit  durch  die  Einstellung  der  Kurfürsten  erschien 
ihm  auf  alle  Fälle  christlicher,  ehrlicher  und  verant- 
wortlicher als  ein  gewagtes  Unternehmen  mit  Hilfe  Frank- 
reichs, Erst  dann,  wenn  beim  Kaiser  auch  auf  dem  bevor- 
stehenden Reichstage  alles  vergeblich  bleibe  und  die  äulserste 
Not  treibe,  sollte  die  Entführung  ins  Werk  gesetzt  werden. 

Gut  erschien  ihm,  wenn  iVloritz  sich  schriftlich  ver- 
pflichte, in  bestimmter  Zeit  für  seine  Befreiung  alles  zu 
versuchen.  Sei  er  willig,  dann  möge  man  die  Einforde- 
rung nach  Kassel  vertagen;  zögere  er,  dann  solle  man 
drängen,  bis  beide  Kurfürsten  zum  Kaiser  schickten  oder 
in  Hessen  einritten  oder  auf  dem  nächsten  Reichstage 
anhielten,  damit  er  durch  die  Gnade  des  Kaisers  frei 
werde.  Zweckmälsig  sei  es  auiserdem,  auch  die  Kur- 
fürsten von  Pfalz,  Köln  und  Trier  und  andere  Fürsten 
um  Fürsprache  beim  Kaiser  anzugehen.  Schlage  alles 
fehl,  dann  sollte  man  versuchen,  ob  der  geheime  Plan 
zur  Freiheit  führe.  In  vielen  Briefen  riet  er,  sowohl  die 
Gnade  des  Kaisers  als  auch  die  Hilfe  Frankreichs  im 
Auge  zu  behalten,  in  anderen  mahnte  er  zur  Vorsicht, 
falls  Moritz  einerseits  gegen    die  Einstellung  viele  Ein- 


es 


)  Philipp  wufste  am  24.  Oktober  1549  davon. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  241 

Wendungen  erhebe  und  andererseits  das  geheime  Unter- 
nehmen von  Zeit  zu  Zeit  aufschiebe.  Ohne  Zweü'el 
fürchte  sich  Moritz  vor  der  Einstellung ;  darum  werde  er 
zwar  viel  versprechen,  aber  wenig  leisten.  Da  er  beim 
römischen  König  „mächtig  wohlstehe"  und  am  kaiser- 
lichen Hofe  grolses  Ansehen  geniefse,  so  sei  schwer  zu 
glauben,  dafs  er  ernstlich  an  irgendwelche  geheime  Unter- 
nehmung mit  Frankreich  denke.  Man  solle  sich  davor 
hüten,  dafs  er  die  ganze  Sache  von  Zeit  zu  Zeit  und  von 
Jahr  zu  Jahr  verschleppe.  Unaufhörlich  entwickelte  der 
Gefangene  in  zahllosen  Schreiben,  es  sei  das  Beste,  die 
Kurfürsten  anzuhalten,  dals  sie  endlich  in  Kassel  einritten 
und  dann  Bürgen  stellten  und  sich  verschrieben,  in  be- 
stimmter Zeit*^*)  mit  Ernst  und  Fleifs  seine  Befreiung  zu 
betreiben,  damit  er  endlich  durch  des  Kaisers  Gnade  aus 
dem  Elend  und  Jammer  herauskomme.  Mehrfach  rief  er 
seinen  Söhnen  und  Räten  zu:  „Lalst  Euch  meines  Elendes 
erbarmen."  Im  Dezember  versprach  er  demjenigen,  welcher 
ihn  entführe  und  rette,  30000  Gulden  oder  ein  Amt  im 
Werte  von  dieser  Summe. 

Mittlerweile  einigten  sich  die  beiden  Kurfürsten  über 
die  Sendung  einer  stattlichen  Botschaft  nach  Hessen  und 
an  den  kaiserlichen  Hof.  Schon  waren  die  Sachsen  auf 
dem  Wege  dahin,  als  am  17.  Dezember  1549  zwei  hes- 
sische Räte,  Heinrich  Lersner  und  Hermann  von  Hundeis- 
hausen, in  Dresden  ankamen  und  Moritz  zur  Reise  in  die 
Niederlande  aufforderten,  ehe  der  Kaiser  nach  Deutsch- 
land komme  und  der  Landgraf  vielleicht  nach  Spanien 
oder  Italien  geführt  werde.  Zugleich  teilten  sie  mit, 
dafs  die  rheinischen  Kurfürsten  aulser  Mainz,  Pfalzgraf 
Wolfgang  von  Zweibrücken,  Herzog  Wilhelm  von  Bayern, 
der  Kardinal  von  Trient  u.  a.  ersucht  worden  seien,  den 
Kaiser  um  Befreiung  des  Landgrafen  zu  bitten  und  die 
beiden  Kurfürsten  an  ihre  Ehre  und  Pflicht  zu  erinnern. 
Darauf  gab  Moritz  zu  erkennen,  dals  er  sich  mit  Joachim 
über  eine  gemeinsame  Antwort  verständigen  wolle. 

Am  Weihnachtsfeste  erhielt  er  dann  ein  Schreiben 
von  Franz  Kram  aus  BrüsseP-^),  welches  seine  vor  einigen 


6^)  Einige  Male  setzte  er  den  31.  Mai  1550  als  Zeitpunkt  fest. 

65)  Dresden,  Loc.  9144,  Hessische  Handlung  1549,  Bl.  42. 
Druff  el  I,  353,  Brief  vom  5.  Dezember.  Franz  Kram  war  während 
eines  Besuches  mit  dem  gefangenen  Landgrafen  übereingekommen, 
dafs  die  Einmahnung  der  ilurfürsten  erst  dann  erfolgen  solle,  wenn 
der  Kaiser  zur  Zeit  des  Reichstages  die  Befreiung  verweigere. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XIV.  3.  4.  16 


242  S-  Ifsleib: 

Wochen  gestellte  Anfrage  dahin  beantwortete,  dals  die 
Abfertigung  von  Räten  an  den  Hof  des  Kaisers  ganz 
nutzlos  sein  werde.  Hierdurch  beeinfluist,  beantworteten 
die  Kurfürsten  am  13.  Januar  1550  von  Jüterbogk  aus 
das  letzte  hessische  Gesuch.  Jedermann,  schrieben  sie, 
solle  doch  billigerweise  glauben,  dals  ihnen  die  Sache  des 
Landgrafen  nicht  weniger  als  anderen  am  Herzen  liege 
und  dals  ihnen  „keine  lleise  auf  dieser  Welt  zu  Wasser 
oder  zu  Lande  zu  bescliwerlich  sein  solle",  wenn  sie  nur 
Erfolg  haben  werde.  Alle  Befreiungsversuche  hätten 
bisher  nichts  geholfen.  Sobald  der  Kaiser  nach  Deutsch- 
land auf  den  Reichstag  komme,  wollten  sie  zu  ihm 
schicken  oder  selbst  zu  ihm  ziehen.  Ob  man  Grund  ge- 
habt habe,  ihretwegen  an  Kurfürsten  und  Fürsten  zu 
schreiben,  wollten  sie  dahingestellt  sein  lassen.  Ihres 
Erachtens  aber  brauche  sie  niemand  an  ihre  Pflicht  zu 
erinnern.  Alles,  was  dienlich  und  nützlich  sei,  hätten  sie 
getlian  und  wollten  sie  thun;  Unmögliches  aber  könnten 
sie  nicht  leisten.  Ihre  Einstellung  führe  zu  nichts  und 
schade  unendlich.  ^  Sie  seien  entschlossen,  an  König  Ferdi- 
nand zu  senden  und  zu  versuchen,  ob  das  förderlich  sei. 
Zuletzt  baten  sie,  die  zugeschickten  Räte  wieder  heim- 
ziehen zu  lassen  und  nicht  nutzlos  in  die  Niederlande 
abzufertigen.  Den  Räten  selbst  wurde  Krams  Brief 
übersendet  und  die  Rückkehr  erlaubt;  doch  sollten  sie  in 
Gottes  Namen  an  den  kaiserlichen  Hof  eilen,  wenn  die 
jungen  Landgrafen  auf  der  Weiterreise  bestehen  würden. 

Sobald  diese  Weisung  in  Kassel  eingetroffen  war, 
lielsen  sich  die  Räte  nicht  länger  zurückhalten,  sondern 
traten  in  Abwesenheit  des  Landgrafen  Wilhelm  die  Heim- 
reise an.  Darüber  führte  der  junge  Fürst  heftige  Klage 
und  forderte  die  Kurfürsten  auf,  an  den  Kaiser  zu  senden 
und  später  selbst  zu  ihm  zu  reiten. 

Die  fernere  Haltung  der  Kurfürsten  wurde  nicht 
unwesentlich  durch  gute  Ratschläge,  die  aus  Italien 
kamen,  bestimmt*"^).  Der  vertraute  Bote,  welchen  Moritz 
im  Herbste  1549  an  den  Kardinal  von  Trient  wegen  des 
Landgrafen  und  wegen  der  Zurückgabe  der  geistlichen 
Güter  geschickt  hatte,  war  am  12.  November  in  Mantua 
gehört  und  beschieden  worden.  Lebhaft  bedauerte  der 
Kardinal  zunächst,   dafs  trotz  der  Fürbitte  des  Prinzen 


''^)  Dresden,  Loc.  9146,   Des  Landgrafen  gesuchte  Erledigung 
und  Tag  zu  Linz  1552,  Bl.  8;  Druffel  1,  348. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  343 

Philipp  und  seiner  eigenen  eifrigen  Bemühungen  die  Haft 
des  Landgrafen  noch  fortdauere.  Dann  gab  er  vertraulich 
einen  Weg  an,  der  vielleicht  zur  Befreiung  führen  werde. 
Da  der  Kaiser,  meinte  er,  auf  dem  nächsten  Reichstage 
der  Anwesenheit  der  Kurfürsten  wolil  bedürfe,  so  sollten 
sie  nach  erfolgter  Einladung  in  ihrer  Antwort  hervor- 
heben, wie  sehr  sie  bei  Verwandten  und  Freunden,  beim 
gemeinen  Manne  und  bei  fremden  Nationen '  in  Schimpf, 
Verachtung  und  Milstrauen  gekommen  seien,  weil  der 
Landgraf,  den  sie  gegen  ihren  Willen  in  ßestrickung  ge- 
bracht hätten,  noch  immer  gefangen  gehalten  werde. 
„Auf  das  heftigste  müsse  man  die  üblen  Nachreden  her- 
ausstreichen" und  dann  erklären,  dafs  man  wegen  der 
anhaftenden  Schmach  und  Schande  Scheu  trüge,  sich  auf 
dem  Reichstage  sehen  zu  lassen.  Der  Kaiser  solle  ihre 
kurfürstliche  Ehre  und  Treue  bedenken  und  den  Land- 
grafen der  Haft  entlassen.  Erweise  er  ihnen  diese  Gnade 
nicht,  dann  möge  er  ihr  Ausbleiben  entschuldigen.  Zweck- 
mälsig  sei  es  wohl  auch,  die  Sache  dem  Bischof  von 
Arras  durch  Botschafter  zu  Gemüte  führen  zu  lassen. 
Er  selbst  wolle  dem  Prinzen  Philipp  und  dem  Herzog 
von  Alba  schreiben,  dafs  man  dem  Nichterscheinen  der 
Kurfürsten  auf  dem  Reichstage  in  entgegenkommender 
Weise  vorbeugen  möge. 

Moritz  und  Joachim  waren  dem  Kardinal  dankbar 
und  beherzigten  seine  wohlgemeinten  Angaben.  Zwar 
sahen  sie  anfangs  Januar  1550,  als  König  Ferdinands  Ge- 
sandter von  Herberstein  sie  auf  Wunsch  des  Kaisers  um 
ihr  Gutachten  über  die  Notwendigkeit  eines  Reichstages 
anging,  davon  ab,  die  landgräfliche  Sache  in  der  allgemein 
gehaltenen  Antwort  zu  berühren;  doch  einigten  sie  sich 
am  13.  Januar  in  Jüterbogk  über  ihre  künftige  Haltung 
hinsichtlich  des  Reichstages  und  über  eine  besondere 
Botschaft  an  König  Ferdinand. 

Im  März  berichteten  zwei  Räte  am  königlichen  Hofe, 
dafs  die  Kurfürsten  wegen  der  Gefangenschaft  des  Land- 
grafen nicht  auf  dem  Reichstage  erscheinen  könnten*'^). 
Es  bleibe  überaus  bedauerlich,  dals  alle  ihre  Bemühungen 
bisher  zu  keinem  wünschenswerten  Ergebnis  geführt 
hätten.     Die  Sache  gereiche  ihnen  nicht  nur  im  heiligen 

^')  Eine  ausführliche  Darlegung  aller  Begebenheiten  vor  der 
Gefangennahme  sollte  beweisen,  dafs  die  Kurfürsten  alles  treu  und 
ehrlich  gemeint  hätten  und  wider  Erwarten  in  ihre  mifsliche  Lage 
geraten  seien. 

16* 


244  S.  Ifsleib: 

Keiclie,  sondern  auch  in  fremden  Ländern  zur  Unehre. 
Argwohn,  Milstrauen,  Schimpf  und  üble  Nachrede  ver- 
kleinere ihren  guten  Namen  und  ihren  fürstlichen  Stand. 
Helfe  man  dem  nicht  ab,  so  erscheine  es  für  sie  höchst 
bedenklich,  mit  Schimpf  und  Schande  behaftet  den  Reichs- 
tag zu  besuchen.  Nach  vielen  Einmahnungen  müfsten  sie 
endlich  in  Kassel  einreiten  und  dort  bis  zur  Heimkehr 
des  Gefangenen  ausharren.  Unmöglich  aber  könnten  sie 
gleichzeitig  die  Einstellung  vollziehen  und  den  Reichstag 
besuchen.  Daher  möge  der  König  die  Befreiung  des 
Landgrafen  auf  alle  Weise  befürworten ;  denn  solange  er 
zurückgehalten  werde,  so  lange  sei  ihre  Ehre  verpfändet, 
selbst  wenn  sie  von  der  Pflicht  des  Einsteilens  befreit 
werden  sollten.  Der  König  könne  ihnen  keine  gröfisere 
Gnade  erzeigen,  als  wenn  er  dem  Gefangenen  zur  Frei- 
heit verhelfe. 

König  Ferdinand  gab  an:  wenn  der  Landgraf  noch 
in  Haft  gehalten  werde,  so  geschehe  es  ohne  Zweifel 
aus  wichtigen  Gründen  und  könne  nicht  als  Ungnade  des 
Kaisers  gegen  die  Kurfürsten  erachtet  werden.  Nach 
seiner  Ansicht  könnten  sie  ihm  aber  am  besten  durch  den 
Besuch  des  Reichstages  dienen.  Ihre  Abwesenheit  nütze 
dem  Gefangenen  nichts  und  wälze  auf  sie  allerlei  Ver- 
dacht. Den  Kurfürsten  zu  Gefallen  wolle  er  beim  Kaiser 
vorstellig  werden. 

Infolge  dieser  „schlechten  und  weitläufigen"  Antwort 
riet  Kurfürst  Joachim  von  einer  Reise  zum  Kaiser  vor 
dem  Reichstage  durchaus  ab.  Es  sei  vorzuziehen,  ihn 
während  des  Zuges  ins  Reich  durch  einige  Räte  begrüfsen 
und  seine  Stimmung  ausforschen  zu  lassen.  Höchst  be- 
denklich und  gefährlich  sei  es,  jetzt  zu  ihm  zu  reiten, 
hart  zu  drängen  und  dann ,  wenn  er  eine  unerwünschte 
Antwort  gebe,  den  Besuch  des  Reichstages  stracks  ab- 
zuschlagen oder  gegen  seinen  Willen  wegzubleiben. 

Unterdessen  hatte  die  Verhandlung  mit  König  Hein- 
rich IL  ihren  Anfang  genommen.  Heinrich  von  Schachten 
war  anfangs  Februar  1550  mit  einem  „Scheinbrief"  an  die 
Herzogin  von  Lothringen*'^)  davongeritten  und  glücklich 
nach  Frankreich  gelangt.  Der  vom  Kaiser  geächtete 
schmalkaldische  Parteigänger  Georg  von  Reckerod  em- 
pfahl ihn  dem  Konnetable  von  Montmorency,  und  dieser 


^*)  In   demselben  wm'de  um  Verwendung  für  den  gefangenen 
Landgrafen  gebeten. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  245 

verschaffte  ihm  geheimen  Zutritt  zum  König.  In  der 
gewährten  Audienz  erzählte  Schachten  von  der  harten 
Gefangenschaft  des  Landgrafen  und  von  dem  Plane 
etlicher  gutherziger  Leute,  den  Fürsten  zu  befreien,  wenn 
sie  Wülsten,  dals  er  in  Frankreich  Aufnahme  fände.  So- 
fort ergriff  der  König  das  Wort  und  sagte:  er  höre 
solches  gern,  doch  erscheine  ihm  das  Werk  fast  un- 
möglich. Gebe  aber  Gott  Glück,  dann  wolle  er  den 
Landgrafen  Avohl  aufnehmen;  einem  flüchtigen  Türken 
schon  beweise  er  guten  Willen,  geschweige  denn  einem 
christlichen  Fürsten. 

Darauf  fragte  der  König,  wie  nahe  Kurfürst  Moritz 
dem  Landgrafen  stehe  und  ob  ihm  dessen  Befreiung  am 
Herzen  liege.  Schachten  erwiderte:  der  Kurfürst  nähme 
sich  als  Tochtermann  der  Sache  des  Landgrafen  heftig 
an.  Es  stolse  ihn  hart  vor  den  Kopf,  dals  der  Kaiser 
ihn  und  den  Kurfürsten  von  Brandenburg -dermalsen  am 
Kreuze  hängen  lasse.  Wenn  der  Kurfürst  des  Königs 
Freundschaft  erlangen  könne,  dann  werde  er  gewifs  zu 
ihm  schicken,  ihm  dieses  und  jenes  Anliegen  entdecken, 
seine  treuen  Dienste  entbieten  und  alles  so  einrichten, 
dafs  einer  den  andern  künftig  besser  verstehen  möge.  Es 
wäre  gut,  wenn  der  König  ein  Brief  lein  an  Moritz 
schreibe  und  so  den  Anfang  zur  Verständigung  mache. 
König  Heiniich  versetzte  darauf:  Avohl  wisse  er,  dals 
sich  der  Kurfürst  einst  mehr  als  andere  Fürsten  gegen 
Frauki'eich  habe  gebrauchen  lassen ;  allein  solcher  Dinge 
gedenke  er  nicht  mehr,  alles  sei  vergessen.  Er  habe  ganz 
besondere  Neigung  zur  Freundschaft  mit  seinem  „Vetter 
Moritz".  Zwar  sei  er  nicht  abgeneigt,  ein  Brief  lein  an 
ihn  mitzugeben,  doch  weil  Schachten  nichts  Schriftliches 
von  ihm  überreicht  habe,  so  werde  man  gewifs  auch 
seinen  Worten  vertrauen.  Wolle  der  Kurfürst  zu  ihm 
schicken,  dann  solle  man  Postrosse  an  der  Grenze  finden. 
Beim  ganzen  Handel  aber  müsse  Treue,  Glauben  und 
Verschwiegenheit  herrschen.  Am  französischen  Hofe 
werde  nur  der  Konnet able  davon  erfahren. 

Darauf  beriet  Kurfürst  Moritz  am  18.  April  mit 
Wilhelm  von  Schachten   und  Simon  Bing  in  Dresden®^) 


^^)  Damit  niemand  den  eigentlichen  Zweck  ihrer  Reise  erfahre, 
überreichten  sie  einen  Scheinbrief  des  Landgrafen  "Wilhelm,  welcher 
aufforderte,  bis  zum  31.  Juli  sich  einzustellen  oder  den  gefangenen 
Landgrafen  zu  befreien. 


246  S.  Ifsleib: 

ernster  als  früher  über  die  Flucht  des  Schwiegervaters 
und  über  ein  Bündnis  mit  Frankreich.  Schon  hatte  Hans 
ßatzenberger  den  Weg  von  Oudenaarde  bis  zur  fran- 
zösischen Grenze  abgeritten  und  wollte  mit  Klaus  Berner 
auch  den  Weg  nach  der  See  besichtigen.  Ein  anderer 
redlicher  und  tapferer  Geselle  sollte  sich  hi  Bremen  nach 
einem  Rettungsschiife  umthun.  Der  Kurfürst  war  bereit, 
vorläufig  600  Thaler  Unterstützungsgelder  zu  gewähren. 
Da  Heinrich  von  Schachten  zum  zweiten  Male  an  den 
französischen  Hof  ziehen  sollte,  so  mulste  Bing  eine  Voll- 
macht mit  den  nötigen  Anweisungen  ausfertigen.  Moritz 
wollte  dem  Könige  „guten  Wind  halten"  und  alles,  was 
mit  Ehren  geschehen  könne,  zu  seinem  Besten  befördern. 
Damit  er  aber  beim  Kaiser  nicht  unnütz  in  Verdacht 
falle,  so  müsse  alles  im  geheimsten  Vertrauen  bleiben. 
Bestimmt  wollte  er  wissen,  ob  er  mit  seinen  Genossen 
beim  König  Heinrich  Sicherheit  und  Freundschaft  finden 
W'erde,  wenn  er  des  Landgrafen  und  anderer  Dinge  halber 
in  des  Kaisers  Ungnade  gerate  und  notgedrungen  von 
ihm  abfallen  müsse.  Beabsichtige  der  König  jemanden 
nach  Deutschland  zu  schicken,  dann  solle  er  nicht  eine 
Person  von  hohem  Ansehen  senden,  sondern  einen  Manu 
von  Treu  und  Glauben,  mit  dem  Moritz  selbst  reden 
könne,  denn  er  sei  der  fremden  Sprache  nicht  kundig  und 
lasse  nicht  gera  durch  andere  Personen  verhandeln.  Wenn 
möglich,  sollte  der  königliche  Vertrauensmann  bis  zum 
1.  Juni  in  Kassel  eintrefl'en  und  Wilhelm  von  Schachten 
aufsuchen'"). 

Fast  zur  selben  Zeit  setzte  Landgraf  AVilhelm  den 
Vater  vom  Erfolge  der  ersten  Verhandlung  mit  Frankreich 
in  Kenntnis  und  fragte  an,  wie  es  mit  der  Einforderung 
der  Kurfürsten  gehalten  werden  solle,  wenn  Moritz  sich 
die  geplante  Rettung  ernstlich  angelegen  sein  lasse.  Zu- 
gleich zeigte  er  an,  dals  er  zum  Herzog  von  Preulsen 
als  vertrautem  Freunde  des  Vaters  geschickt  habe,  um 
zu  erfahren,  ob  er  im  Notfalle  bei  ihm  eine  Zufluchts- 
stätte finden  könne.  Die  Festung  Ziegenhain  und  alles 
werde  so  bestellt,  dals  man  einige  Zeit  aushalten  könne, 
wenn  der  Kaiser  gegen  Hessen  vorgehe. 

Landgraf  Philipp  ermahnte  den  Sohn,  zunächst  nur 
„christliche,  ehrliche  und  mögliche  Wege"  zu  seiner  Be- 


■'<*)  Die  zweite  Abfertigung  Heinrichs  von  Schachten  verzögerte 
sich  bis  zum  11.  Juni. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  247 

freiung  einzuschlagen.  Zwar  sei  vom  Kaiser  vor  dem 
Konzile  wenig  zu  erwarten;  allein  Moritz  biete  auch 
keinen  Trost.  Seit  drei  Jahren  habe  er  viel  versprochen, 
aber  nichts  gehalten.  Obgleich  er  ihm  (Wilhelm)  jetzt 
das  Maul  lange  schmiere,  so  sei  doch  alles  nur  Wind  und 
kein  Werk.  Darum  solle  er  die  Kurfürsten  einmahnen 
und  dann  gegen  Bürgen  betagen,  um  zum  Kaiser  zu 
reiten  und  ihn  zu  befreien.  Wilhelm  möge  das  Land 
erst  dann  verlassen,  wenn  wirkliche  Gefahr  vorhanden 
sei;  er  solle  sich  nicht  selbst  jagen.  Ehe  der  Kaiser 
ernste  Schritte  thue,  werde  er  vorher  schicken,  schreiben 
und  drohen. 

Fort  und  fort  gab  er  dann  in  einer  langen  Eeihe 
von  Briefen  zahllose  Verhaltungsmalsregeln  an  und  be- 
tonte unaufhörlich,  dals  die  Einstellung  der  Kurfürsten 
den  Kaiser  zur  gnädigen  Verhandlung  zwingen  werde. 
Am  liebsten  wollte  er  durch  des  Kaisers  Gnade  frei  sein. 
Die  Kurfürsten  sollten  sich  vor  dem  Besuche  des  Reichs- 
tages einstellen;  denn  ritten  sie  vorher  dahin,  dann  möchte 
sie  der  Kaiser  von  ihrer  Verpflichtung  lossprechen.  Finde 
der  Besuch  des  Reichstages  vor  der  Einstellung  statt, 
dann  solle  man  ihnen  keine  längere  Frist  als  Ende  Juli 
oder  Juni  geben.  Philipp  forderte  vom  Sohne  Wilhelm 
unbedingten  Gehorsam,  sonst  werde  er  laute  Klage  und 
ein  mächtiges  Zetergeschrei  erheben.  Überaus  traurig, 
bitter  und  ungestüm  wurden  seine  Briefe,  als  er  Ende 
Mai,  vor  der  Abreise  des  Kaisers  ins  Reich,  von  Oude- 
naarde  nach  Mecheln  geschafft  wurde. 

Li  jenen  Tagen,  als  Lazarus  von  Schwendi  die  Kur- 
fürsten im  Namen  des  Kaisers  zum  Besuche  des  Reichs- 
tages einlud,  mahnten  die  jungen  Landgrafen  zuerst  bis  zum 
31.  Juli  und  dann  schon  bis  zum  30.  Juni  ein.  Moritz  und 
Joachim  zeigten  sich  gegen  den  kaiserlichen  Botschafter 
ablehnend;  darauf  berieten  sie  am  21.  Mai  1550  in  Jüter- 
bogk''),  wie  sie  sich  verhalten  sollten,  wenn  der  Kaiser 
den  Besuch  des  Reichstages  befehle  und  die  Hessen  den 
Zeitpunkt  der  Einstellung  nicht  verlängerten.  Nach  reif- 
lichen Erwägungen  beschlossen  sie,  die  jungen  Landgrafen 
und  ihre  angesehensten  Räte  für  den  1.  Juni  zu  einer 
Besprechung  nach  Suiza  einzuladen,  wo  Moritz  auf  alle 


^1)  Berlin  39.  5/6  u.  6.  Landgraf  Philipp  von  Hessen  1549  bis 
1551  lind  1550;  Dresden,  Loc.  9144,  Landgreffische  Handlung  1550 
bis  1551,  Bl.  17  flg. 


248  S.  Ifsleib: 

Fälle  persönlich  erscheinen  wollte.  Eilig  wurde  eine 
kurfürstliche  Einladung  am  22.  Mai  nach  Hessen  ge- 
schickt. 

Eine  Woche  später  fand  sich  Moritz  in  Suiza  ein  und 
forderte  umgehend  WilJielm  von  Schachten  und  Simon  Uing 
noch  besonders  auf,  mit  Landgraf  Wilhelm  umgehend  zu 
erscheinen.  Aulser  drei  anderen  hessischen  Käten  langten 
beide  am  1.  Juni  an,  doch  vorläufig  ohne  den  jungen 
Jjandgrafen.  Als  brandenburgische  Uevollmächtigte  trafen 
Adam  Trott  und  Jacob  Schilling  ein. 

Tags  darauf  hörte  der  Kurfürst  die  hessischen  Räte 
zunächst  allein  ohne  Beisein  der  Brandenburger,  da  sie 
nur  an  ihn  ein  Beglaubigungsschreiben  besalsen.  Kurz  und 
bündig  wurde  erklärt:  wenn  die  beiden  Kurfürsten  den 
jungen  Landgrafen  und  sie  nur  deshalb  nach  Suiza  einge- 
laden hätten,  um  sie  zu  überreden,  dafs  die  Einstellung 
am  letzten  Juni  unterbleibe,  so  könne  man  sich  nicht  darauf 
einlassen.  Hätte  der  Kurfürst  aber  Dinge  zu  offenbaren, 
an  denen  dem  gefangenen  Landgrafen  und  seinem  Lande 
viel  gelegen  sei,  so  möge  er  davon  Bericht  erstatten 
lassen.  Bestehe  man  ohne  wichtige  und  dringende  Gründe 
auf  der  Ankunft  Landgraf  Wilhelms,  so  werde  jeder 
Versuch  der  Überredung  „wenig  verfangen"  und  alles 
„einen  stumpfen  Abschied  gebären".  Nach  Hinzuziehung 
der  Brandenburger  wurde  gemeinsam  darauf  hingewiesen, 
was  man  bisher  für  den  gefangenen  Landgrafen  gethan 
habe  und  wie  der  Verdacht,  als  suchten  sich  die  Kur- 
fürsten ihrer  Verbindlichkeit  zu  entschlagen,  völlig  un- 
berechtigt sei.  Moritz  habe  sich  aus  Gründen,  die  wohl 
Beachtung  verdienten,  persönlich  eingefunden ;  daher  möge 
auch  Landgraf  Wilhelm  erscheinen.  Nun  ersuchten  die 
Hessen  um  die  Artikel,  die  behandelt  werden  sollten, 
damit  sie  ihren  Herrn  von  der  Wichtigkeit  der  Zusammen- 
kunft überzeugen  könnten.  Der  Kurfürst  liels  erwidern: 
es  solle  nur  eine  vertrauliche  Besprechung  über  alles 
stattfinden,  was  die  Sache  des  gefangenen  Landgrafen 
angehe;  Landgraf  Wilhelm  solle  nur  kommen.  Darauf 
baten  die  Hessen  nicht  nur  um  ein  Leibgeleit  für  ihren 
Herrn,  sondern  auch  um  ein  schriftliches  Geleit,  welches 
sie  nötigenfalls  den  Landständen  vorlegen  könnten.  Moritz 
gab  zu  erkennen,  dafs  für  das  Leibgeleit  bereits  Sorge 
getragen  sei ;  schriftliches  Geleit  aber  sei  zwischen  Fürsten 
und  Blutsverwandten  nicht  gebräuchlich.  Er  wolle  ungern 
eine  Neuerung  einführen,   doch  auf  besonderen  Wunsch 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  249 

auch  ein  schriftliches  Geleit  übergeben  lassen.  Vor  allem 
solle  man  dafür  sorgen,  dals  Landgraf  Wilhelm  am  näch- 
sten Vormittage  eintreffe'^). 

Als  der  junge  Fürst  gegen  Mittag  des  folgenden 
Tages  erschienen  war,  begannen  die  Verhandlungen  nach 
der  Mahlzeit  in  Moritz'  Gemach.  Man  berichtete  über 
die  seither  beobachtete  Haltung  der  Kurfürsten  hinsicht- 
lich des  Reichstagsbesuches,  sprach  über  die  Einstellung 
am  letzten  Juli  oder  Juni  und  erwog  die  entstehenden 
Folgen  und  Gefahren,  wenn  die  Kurfürsten  vom  Reichs- 
tage fernblieben  und  in  Kassel  einritten.  Keinesfalls  er- 
reiche man,  sagte  Moritz,  die  Befreiung  des  Landgrafen, 
wenn  man  den  Schein  erwecke,  als  halte  man  sich  mit 
Absicht  vom  Kaiser  fern  und  wolle  trotzig  etwas  er- 
zwingen ;  das  werde  diesen  veranlassen,  selbst  mit  Gewalt 
einzuschreiten.  Alles  gipfelte  in  der  Frage,  ob  es  nicht 
nötig  sei,  die  Einstellung  zu  vertagen  und  den  Reichstag 
zu  besuchen.  Die  anwesenden  Räte  wurden  veranlagt,  ihre 
Bedenken  darüber  schriftlich  vorzulegen. 

Während  der  vertraulichen  Unterredung  am  Nach- 
mittage des  4.  Juni  liels  Landgraf  Wilhelm  ein  Schrift- 
stück überreichen,  in  welchem  er  die  Einstellung  bis  zum 
letzten  Juli  vertagte;  doch  sollten  die  Kurfürsten  unter 
keinen  Umständen  den  Reichstag  besuchen,  wenn  nicht 
vorher  die  Befreiung  des  Vaters  stattfinde  oder  in  nahe 
und  sichere  Aussicht  gestellt  werde.  Darauf  bemühte 
sich  Moritz,  grölsere  Freiheit  zu  gewinnen.  Es  sei  nicht 
seine  Absicht,  sagte  er,  so  stracks  auf  den  Reichstag  zu 
ziehen ;  doch  wolle  er  auch  nicht  die  Lage  des  gefangenen 
Schwiegervaters  verschlimmern.  Es  möge  gestattet  sein, 
den  Reichstag  zu  besuchen,  wenn  die  Gelegenheit  zur 
Befreiung  günstig  erscheine.  Mit  Gottes  Hilfe  solle 
nichts  verdorben  werden;  wieder  Joachim  noch  er  dächte 
daran,  sich  der  übernommenen  Verpflichtung  zu  entziehen 
oder  sich  besonderen  Wünschen  des  Kaisers  zu  fügen. 
Niemand  solle  daran  Anstols  nehmen,  wenn  er  vielleicht 
mit  Markgraf  Johann  Georg  noch  vor  dem  Reichstage 
zum  Kaiser  ziehe  und  vorstellig  werde.  Nichts  sei  zu 
besorgen;  er  werde  Wege  zu  finden  wissen,  wie  er  wieder 
wohl  und  sicher  davonkomme. 

Dagegen  warnte  Landgraf  Wilhelm  vor  dem  Ritte 
zum   Kaiser    oder    vor    dem    Besuche   des   Reichstages. 


''^)  Der  Landgraf  weilte  an  der  hessisch-thüringischen  Grenze. 


250  S.  Ifsleib: 

Beides  sollte  unterbleiben,  wenn  man  nicht  sicher  sei, 
dais  es  dem  Vater  nütze.  Keinesfalls  sollte  dadurch  die 
Verpflichtung  zur  Einstellung  bis  zum  letzten  Juli  ab- 
geschwächt werden.  Moritz  versicherte,  wenn  keine 
günstige  Gelegenheit  eintrete,  dem  Schwiegervater  aus 
der  Haft  und  ihnen  allen  aus  der  bestehenden  schwierigen 
Lage  zu  helfen,  so  solle  weder  der  Ritt  zum  Kaiser  noch 
der  Besuch  des  "Reichstages  stattfinden.  Man  möge  ihm 
Vertrauen  schenken  und  ihm  anheimstellen,  was  zu  thun 
sei;  Freundschaft  und  Treue  solle  Bestand  behalten. 

Um  Mitternacht  erregte  noch  das  von  Bing  verfalste 
Protokoll  ernsten  Anstols,  weil  die  eine  Stelle  so  ver- 
standen werden  mufste,  dafs  es  nicht  im  Ermessen  der 
Kurfürsten  allein  stehe,  zu  entscheiden,  ob  dem  gefan- 
genen Landgrafen  mit  dem  Ritte  zum  Kaiser  oder  mit 
dem  Besuche  des  Reichstages  gedient  werde,  sondern  dafs 
die  Hessen  vorher  die  Gelegenheit  oder  „Occasion"  mit- 
zuprüfen  und  zu  begutachten  hätten.  Noch  am  folgenden 
Tage  wurde  über  diesen  Punkt  verhandelt,  bis  zuletzt 
eine  geheime  Unterredung  zwischen  Landgraf  Wilhelm, 
Kurfürst  Moritz  und  den  brandenburgischen  Räten  dem 
Streite  ein  Ende  machte.  Wie  das  geschah,  erfuhren  die 
anderen  nicht.  Als  Moritz  aus  dem  Gemache  heraustrat, 
sagte  er  nur  zu  Christof  von  Carlowitz:  „Die  Sachen 
stehen  wohl."    Dann  bestieg  man  die  Rosse  und  ritt  davon. 

Am  11.  Juni  zog  Heinrich  von  Schachten  zum  zweiten 
Male  an  den  französischen  Hof'-'),  um  im  Namen  des 
Landgrafen  Wilhelm  zu  wiederholen,  wie  der  Vater  in 
die  Gefangenschaft  geraten  sei  und  was  man  gethan 
habe,  um  ihn  zu  befreien.  Da  alles  nichts  helfe,  so  sei 
man  endlich  „auf  das  äulserste  remedium,  auf  das  Ein- 
stellen, verfallen."  Ohne  Zweifel  werde  dieser  Schritt 
den  Kaiser  hart  verdrießen,  so  dafs  man  einen  Kriegszug 
gegen  Hessen  zu  befürc^hten  habe.  Nun  wolle  Wilhelm 
,.das  Nest  wohl  bestellen",  doch  sich  selbst  daraus  ent- 
fernen. Er  bitte  den  König  um  eine  Erklärung,  ob  er 
ihm  nötigenfalls  Zuflucht,  Gnade,  Freundschaft  und  Unter- 
halt gewähren  und  unter  billigen  Bedingungen  sein  be- 
drohtes Land  entsetzen  helfen  w^olle;  er  könne  ja  dem 
Feinde  in  Deutschland  ebenso  leicht  wie  in  Frankreich 
die  Stirn  bieten.    Aufserdem  sollte  Schachten  anzeigen, 


")  Daraus  erkennt  man,  dafs  Moritz  und  Wilhelm  in  Suiza  die 
französische  Augelegeuhcit  persönlich  besprochen  haben. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  251 

dafs  Moritz  geneigt  sei,  der  Verhandlung  halber  selbst 
nach  Frankreich  zu  kommen  oder  einen  mit  Vollmacht 
ausgestatteten  Vertrauten   des  Königs  zu  empfangen'*). 

Auf  Grund  der  Sulzaer  Verabredungen  schien  Kur- 
fürst Moritz  die  Eeise  zum  Kaiser  vor  Eröffnung  des 
Reichstages  allen  Ernstes  ausführen  zu  wollen.  An  einem 
bestimmten  Tage  gedachte  er  mit  Markgraf  Johann  Georg 
von  Brandenburg  in  Zeitz  zusammenzutreffen.  Nach  vor- 
liegenden Angaben  fand  er  sich  rechtzeitig  ein;  doch  bald 
erschienen  brandenburgische  Räte  und  berichteten,  Johann 
Georg  sei  unterwegs  vom  Pferde  gestürzt,  habe  sich  den 
einen  Schenkel  verletzt  und  könne  nicht  weiter  reiten'^). 
Gleichzeitig  liefen  verschiedene  Nachrichten  von  gefähr- 
lichen Unruhen  und  Praktiken  in  Braunschweig  und 
Magdeburg  ein,  wodurch  Sachsen  und  Brandenburg  ernst- 
lich bedroht  würden. 

Sofort  gab  Moritz  die  angetretene  Reise  auf,  ritt 
nach  Leipzig  und  fertigte  seinen  Rat  Christof  von  Carlo- 
witz  und  den  Brandenburger  Jacob  Schilling  an  den 
Kaiser  ab.  Dann  schrieb  er  an  Kurfürst  Joachim,  an 
Landgraf  Philipp  und  Wilhelm  über  die  jüngsten  Er- 
eignisse. 

Carlowitz  und  Schilling  zogen  eiligst  über  Würzburg 
in  der  Richtung  Speier  vorwärts.  Als  sie  in  Mosbach 
erfuhren,  dals  der  Kaiser  bereits  nach  Bretten  vorrücke, 
wandten  sie  sich  südlich  nach  Göppingen.  Li  der  zu 
Ulm  am  3.  Juli  gewährten  Audienz  erstatteten  sie  Bericht 
über  die  beabsichtigte  Reise  des  Kurfürsten  von  Sachsen, 
über  den  Unfall  des  Markgrafen  Johann  Georg  und  über 
die  beunruhigenden  Nachrichten  aus  Braunschweig  und 
Magdeburg.  Dann  legten  sie  umständlich  dar,  dals  die 
Kurfürsten  des  gefangenen  Landgrafen  wegen  den  Reichs- 
tag nicht  besuchen  könnten,  weil  sie  sich  endlich  ehren- 
halber in  Kassel  einstellen  mülsten.  Nur  die  Gnade  des 
Kaisers  vermöge  sie  aus  ihrer  drückenden  Lage  zu  be- 
freien, wenn  er  den  Landgrafen  der  Haft  entlasse. 

Obgleich  der  Kaiser  sonst  ernst  und  erregt  zu  werden 
pflegte,  sobald  vom  Landgrafen  die  Rede  war,  so  zeigte 
er  damals,  wie  beobachtet  wurde,  keine  Ungeduld.  Gnädig 


'*)  Wenn  möglich,  sollte  König  Heinrich  auch  den  geächteten 
Städten  Magdeburg  und  Bremen  einigen  Trost  zukommen  lassen. 

'^^)  Es  liefs  sich  nicht  genau  feststellen,  ob  der  Unfall  sich 
wirklich  ereignete  oder  oh  die  Anzeige  eine  abgekartete 
Sache  war. 


252  S.  Ifsleib: 

dankte  er  für  die  beabsiclitigte  Reise  des  Kurfürsten  und 
des  Markgrafen  und  bedauerte  ebenso  den  Unfall  wie  die 
betrübenden  Mitteilungen  über  die  Städte.  Gerade  die 
Unruhen  und  Praktiken  in  Braunscliweig  und  Magdeburg 
aber  gaben  ihm  Anlals  hervorzuheben,  wie  wichtig  die 
Anwesenheit  der  Kui'fürsten  auf  dem  Reichstage  sei,  wo 
über  die  ungehorsamen  Rebellen  beraten  w^erden  solle. 
Zur  Zeit  sei  die  Not  noch  nicht  so  grois,  um  sich  be- 
irren zu  lassen.  Früher  habe  er  die  beiden  Kurfürsten 
so  beherzt  gefunden,  dalis  sie  sich  vor  grölseren  Gefahi'en 
nicht  gescheut  oder  entsetzt  hätten.  Sie  möchten  nur 
nach  Augsburg  kommen.  Da  des  Landgrafen  Sache 
„ganz  wichtig,  tapfer  und  grofö"  sei,  so  gebiete  die  hohe 
Notdurft,  guten  Rat  zu  gebrauchen.  Gern  übe  er  Güte 
und  Milde,  aber  des  Landgrafen  Verhalten  in  der  Haft 
mahne  zur  Vorsicht.  Lebhaft  bedauere  er  jede  Ehren- 
kränkung, welche  den  Kurfürsten  widerfahre;  trotzdem 
er  ihnen  wohlgeneigt  sei,  so  müsse  er  doch  auch  des 
Reiches  Notdurft,  Sicherheit  und  Wohlfahrt  bedenken. 
Die  Räte  sollten  ihre  Werbung  schriftlich  übergeben ; 
dann  wolle  er  ihnen  in  Augsburg  nach  stattgefundener 
Unterredung  mit  König  Ferdinand  eine  gnädige  Antwort 
zu  teil  werden  lassen. 

Am  folgenden  Tage  zog  der  Kaiser  von  Ulm  über 
Sontheim  nach  Giengen,  um  seinem  Sohne  die  ehemalige 
Lagerstätte  der  Schmalkaldner  zu  zeigen,  dann  rückte 
er  nach  Augsburg  vor.  Mitte  Juli  empfingen  die  kur- 
fürstlichen Räte  die  in  Aussicht  gestellte  Antwort,  in 
der  ausgeführt  wurde,  dals  die  Gefangennahme  des 
Landgrafen  besonders  aus  dem  Grunde  mit  erfolgt  sei, 
um  ihn  den  kaiserfeindlichen  Verhandlungen  mit  den  un- 
gehorsamen Städten  zu  entziehen.  Jetzt  sei  wohl  zu  er- 
wägen, ob  der  Kaiser  den  Kurfürsten  willfahren  und  den 
Gefangenen  der  Haft  entlassen  könne,  ehe  man  sehe,  wie 
sich  alle  Dinge  auf  dem  Reichstage  anlielsen.  Die  beiden 
Kurfürsten  möchten  sich  vorläufig  damit  begnügen,  dals 
die  Söhne  des  Landgrafen  ihre  Einforderung  aufgeben  und 
niemanden  am  Besuche  der  Reichstages  hindern  sollten. 

Aulserdem  zeigte  der  Vizekanzler  Dr.  Seid  an,  da(s 
der  König  von  Frankreich  vorhabe,  etliche  Kurfürsten 
und  Fürsten  vom  Reichstage  abzuhalten.  Dem  Kaiser 
falle  zwar  nicht  ein,  zu  glauben,  dals  einer  der  beiden 
Kurfürsten  jetzt  oder  später  solchen  Umtrieben  angehöre; 
aber  er  weise  darauf  hin,  damit  sie  jeden  Argwohn  fern- 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  253 

halten  könnten,  der  bei  anderen  entstehen  möge,  wenn 
sie  den  Eeichstag  nicht  besuchten.  Sofort  baten  die  kur- 
fürstlichen Räte  inständig-,  keinen  Verdacht  aufkommen 
zu  lassen. 

Andern  Tages  versicherte  König  Ferdinand,  von  Arg- 
wohn könne  keine  Rede  sein.  Er  selbst  habe  die  Kur- 
fürsten entschuldigt  und  dem  Kaiser  gesagt,  er  kenne  sie 
dermafsen,  dafs  er  ihre  Treue  wohl  verbürgen  könne;  sie 
stünden  solchen  Praktiken  und  Umtrieben  gänzlich  fern. 
Rasch  habe  der  Kaiser  entgegnet,  der  Bürgschaft  bedürfe 
es  nicht,  denn  er  hege  keinen  Verdacht  und  sei  den 
Kurfürsten  ganz  wohl  und  gnädig  geneigt'^). 

Auf  Befehl  des  Kaisers  reiste  am  18.  Juli  der  Truch- 
sefs  Lazarus  von  Schwendi  nach  Hessen,  um  das  hohe 
kaiserliche  Mifsfallen  übei-  die  Einmalinung  der  Kurfürsten 
anzuzeigen.  Bei  Vermeidung  schwerer  Ungnade  sollten 
die  jungen  Landgrafen  davon  ablassen,  sowie  alle  auf 
die  Einstellung  bezüglichen  Briefe  und  Verschreibungen 
herausgeben  und  urkundlich  auf  jede  Forderung  an  die 
Kurfürsten  verzichten,  damit  dadurch  keine  Angelegen- 
heit des  Kaisers  und  Reiches  benachteiligt  werde. 

Eben  hatte  Landgraf  Wilhelm  die  beiden  Kurfürsten 
nochmals  aufgefordert,  sich  Ende  Juli  einzustellen,  als  von 
Schwendi  in  Hessen  anlangte.  Nun  war  man  nicht  wenig 
darüber  entsetzt,  dafs  dem  Kaiser  die  Einforderung  der 
Kurfürsten  so  hart  zu  Gemüte  gehe.  Der  junge  Land- 
graf, der  Statthalter  und  die  vertrautesten  Räte  erklärten 
am  29.  Juli :  Gott  sei  ihr  Zeuge,  dafs  es  ihnen  fern  liege, 
den  Kaiser  zu  verletzen  oder  seine  gute  Absicht  für  das 
Reich  zu  beeinträchtigen  oder  seine  Ungnade  auf  sich  zu 
laden.  Da  Landgraf  Philipp  trotz  des  treu  vollzogenen 
Vertrages  noch  immer  in  harter  Haft  sitze,  so  hätten  sie 
als  arme  verlassene  Kinder  und  Unterthanen  aus  kind- 
licher Liebe,  natürlicher  Zuneigung  und  schuldiger  Pflicht 
das  Mittel  der  Einforderung  zur  Hand  genommen,  um 
den  Fleils  der  Kurfürsten,  der  bisher  so  wenig  genützt 
habe,  etwas  zu  schärfen.  Die  Einmahnung  sei  schon 
früher  als  vor  einem  halben  Jahre  erfolgt  und  nur  etliche 
Male  wieder  in  Erinnerung  gebracht  worden.  Unmittelbar 
nach  der  Einberufung  des  Reichstages  habe  man  die  Kur- 
fürsten verständigt,  sie  nach  der  Einstellung  betagen  zu 
wollen.    In  zwei  Tagen  erwarte  man  sie;  falls  sie  ein- 


''^)  Die  Räte  kamen  am  26.  Juli  in  Dresden  an. 


254  S.  Ifsleib: 

treffen  würden,  sollten  sie  sich  von  der  Vollziehung  des 
Vertrages  iiberzeugen  und  dann  zum  Kaiser  reiten. 
Blieben  sie  fern,  so  seien  sie  jedenfalls  schon  auf  der 
Reise  nach  Augsburg.  Dem  Kaiser  zu  Ehren  und  Ge- 
horsam wolle  man  dann  die  Einmahnung  auf  sich  beruhen 
lassen  in  der  Hoftiumg,  dals  er  den  Landgrafen  endlich 
freigebe.  Ohne  Zustimmung  des  befangenen  könnten  sie 
die  kurfürstliche  Verpflichtungsurkunde  nicht  herausgeben. 
Schwendi  möge  sie  entschuldigen,  damit  der  Kaiser  ihr 
treues  Verhalten  gegen  den  Gefangenen  nicht  für  Un- 
gehorsam gegen  ihn  lialte. 

Sobald  Kurfürst  Moritz  die  Kunde  aus  Hessen  er- 
halten hatte"),  dals  der  Besuch  des  Reichstages  nicht 
mehr  angefocliten  werden  solle,  schlug  er  dem  Kur- 
fürsten von  Brandenburg  eine  allgemeine  Zusammenkunft 
in  Naumburg  vor,  um  gründlich  zu  beraten,  wie  wohl 
die  Befreiung  des  Landgrafen  in  Augsburg  am  besten 
betrieben  werden  könne.  Umgehend  liels  Joachim  melden, 
dals  er  wegen  der  Unruhen  in  Magdeburg  kaum  vor 
Michaelis  auf  den  Reichstag  ziehen  könne;  aulserdem 
möge  die  Zusammenkunft  in  Naumburg  erst  gegen  Mitte 
September  stattfinden.  Darauf  erschienen  am  12.  August 
zwei  Brandenburger  in  Dresden,  um  sich  mit  Moritz  über 
die  Reise  nach  Augsburg  zu  verständigen.  Nach  ge- 
troffener Vereinbarung  wurde  an  den  Kaiser  und  König 
geschrieben,  dals  die  hessische  Einmahnung  eingestellt  sei 
und  beide  Kurfürsten  in  der  Hoffnung  auf  Befreiung  des 
Landgrafen  den  Reichstag  besuchen  wollten.  Hielten  sie 
wichtige  Obliegenheiten  wider  Erwarten  längere  Zeit 
zurück,  so  möge  man  gnädige  Geduld  tragen.  Ferner 
wurde  in  Dresden  verabredet,  dafs  eine  allgemeine  Zu- 
sammenkunft am  3L  August  in  Jüterbogk  abgehalten 
werden  solle. 

Bald  drängte  Kurfürst  Moritz  zum  Aufbruche  nach 
Augsburg;  Joachim  aber  äulserte,  der  rasche  Ritt  sei 
vergebliche  Eile,  denn  vor  Ende  des  Reichstages  würden 
sie  kaum  etwas  zu  Gunsten  des  Landgrafen  ausrichten. 
Dagegen  machte  Moritz  geltend,  dals  eine  verspätete 
Abreise  um  des  Kaisers  und  Landgrafen  willen  zu  ver- 
meiden sei,  weil  es  sonst  das  Ansehen  habe,  als  nehme 
man  sich  der  Sache  des  Gefangenen  nicht  mit  rechtem 
Ernste  an.    Er  hielt  für  gut,  Landgraf  Wilhelm  zu  ver- 


n 


')  Am  5.  Anglist  in  Freiberg'. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  255 

anlassen,  dafs  er  vierzelm  Tage  nach  Empfang-  eines  kur- 
fürstlichen Schreibens  etliche  Eäte  nach  Augsburg  schicke, 
um  zu  sehen,  wie  ernstlich  man  die  Sache  des  Landgrafen 
betreibe.  Wenn  Joachim  damit  einverstanden  sei,  dann 
bedürfe  es  der  Zusammenkunft  in  Jüterbogk  nicht.  Kur- 
fürst Joachim  billigte  Moritz'  Vorschlag,  unterzeichnete 
das  überschickte  Schreiben  an  Landgraf  AVilhelm  und 
sandte  es  unverzüglich  nach  Kassel.  Dort  stimmte  man 
zu  und  vertagte  am  12.  September  die  Einstellung  der 
Kurfürsten  bis  Ende  des  Reichstages. 

Li  jener  Zeit  rückten  die  französischen  Verhand- 
lungen vorwärts.  Heinrich  von  Schachten  hatte  seine 
zweite  Reise  nach  Frankreich  glücklich  ausgeführt.  König 
Heinrich  war  bereit,  sich  trotz  der  bestehenden  Friedens- 
verträge mit  dem  Kaiser  gegen  Landgraf  Wilhelm  mög- 
lichst freundlich  zu  erzeigen  und  ihm  im  Falle  der  Not 
eine  Zufluchtsstätte  zu  gewähren  ^^).  Auch  gegen  Kur- 
fürst Moritz  zeigte  er  die  beste  Gesinnung  und  wollte 
ihn  gern  wie  jeden  unterdrückten  deutschen  Fürsten  nach 
erfolgter  Bitte  mit  aller  Macht  zu  retten  suchen'^). 

Darauf  verhandelte  Moritz  am  14.  August  in  Zscho- 
pau  mit  Wilhelm  von.  Schachten  und  Simon  Bing,  fest 
entschlossen,  die  begonnenen  französischen  Verhandlungen 
getrosten  Mutes  fortzusetzen.  Noch  einmal  sollte  dem 
König  umständlich  auseinandergesetzt  werden,  wie  der 
Landgraf  in  die  Gefangenschaft  geraten  sei  und  wie  er 
behandelt  werde,  wie  kein  Flehen,  Bitten  und  Erbieten 
etwas  nütze  und  die  Kurfürsten  schimpfliche  Nachreden 
erdulden  mülsten.  Nun  wolle  Moritz  lieber  Geld  und  Gut, 
Leib  und  Leben  verlieren,  als  die  grofse  Schande  auf  sich 
sitzen  lassen;  er  gedenke  das  äufserste  zu  wagen,  um 
seine  Ehre  und  seinen  guten  Ruf  zu  retten.  Jedermann 
sehe  jetzt  wohl,  „warum  der  Tanz  zu  thun  wäre".  Der 
Kaiser  wolle  einem  nach  dem  andern  zusetzen  und  dann 
die  deutsche  Nation  ganz  unterdrücken.  Sei  das  ge- 
schehen, dann  werde  er  auch  Frankreich  nicht  verschonen. 
Zwar  beabsichtige  er  (Moritz)  nicht,  jemanden  zusammen- 
zuhetzen,  aber  die  Zeit  gebiete  zu  überlegen,  ob  man 
„mit  gefafstem  Schild  sitzen",  gute  Gelegenheit  miisachten 


'8)  Wenn  er  kein  grofses  Geschrei  erhehe,  sagte  der  König,  so 
könne  er  sich  in  seinem  Reiche  wohl  verbergen. 

™)  Als  Moritz  am  22.  Jnli  davon  Kunde  erhielt,  beschied  er 
sofort  Schachten  imd  Bing  zu  sich;  allein  beide  waren  abgehalten  zu 
kommen,  weil  damals  von  Schwendi  in  Hessen  eintraf. 


256  S.  Ifsleib: 

und  sicheren  Vorteil  verscherzen  oder  jeder  Gefahr  rasch 
und  glücklich  zuvorkommen  solle.  Wolle  der  König-  mit 
Ernst  ans  Werk  schreiten  und  die  Befreiung  des 
Landgrafen  als  einen  Hauptpunkt  gelten  lassen, 
dann  könne  er  neben  anderen  guten  Freunden  „mit  Ehren 
zusprengen"  und  derartig  dienen,  dals  Heinrich  Ruhm 
und  Nutzen  davon  haben  werde.  Er  meine  es  treu  so- 
wohl mit  dem  Könige  als  mit  dem  deutschen  Vaterlande, 
dessen  Freiheit  und  Selbständigkeit  in  Gefahr  schwache. 
Vor  allem  sollte  Heinrich  II.  eine  vertraute  Person 
schicken,  mit  der  er  (Moritz)  ohne  Dolmetscher  reden 
könne.  Die  Reise  auf  den  Reichstag  möge  keinen  An- 
stoss  verursachen,  denn  Moritz  reite  nur  dahin,  um  zum 
letzten  Male  die  Befreiung  des  Landgrafen  anzuregen^"). 

Während  der  ganzen  Verhandlung  gewannen  die 
hessischen  Vertrauensmänner  den  Eindruck,  dals  es  Moritz 
durchaus  ernst  meine.  Den  Bund  mit  Frankreich  hielt 
er  für  das  letzte  und  sicherste  Mittel,  w^odurch  „dem 
Landgrafen  und  allen  frommen  Deutschen  geholfen" 
w^erden  könne.  Wenn  dieser  Stern,  meinte  er,  recht 
scheine  und  fortrücken  wolle,  dann  sollten  mit  Gottes  Hilfe 
„noch  viele  gute  Leute   an  den  Tanz  gebracht  werden". 

Die  Entführung  des  Landgrafen  kam  abermals  zur 
Sprache.  Der  Kurfürst  redete  mehr  zu  als  ab;  doch 
sollte  mit  grölster  Vorsicht  zu  Werke  gegangen  werden, 
damit  der  Plan  nicht  mifsrate.  Ihn  und  seinen  Namen 
sollte  man  dabei  ganz  aus  dem  Spiele  lassen,  damit  er 
nicht  in  des  Kaisers  Verdacht  komme,  sonst  sei  er  auf 
dem  Reichstage  gar  übel  daran.  Indem  er  Glück  zum 
Handel  wünschte,  ermahnte  er,  alles  so  anzufangen,  dals 
es  Hand  und  Fufs  habe^'). 

Infolge  unliebsamer  Verzögerungen  trat  Heinrich  von 
Schachten  mit  einem  kurfürstlichen  Vertrauten  —  Heini'ich 
von  Gleilsenthal  genannt^"-)  —  erst  am  17.  September 
seine  dritte  Reise  nach  Frankreich  an.  Wenige  Tage 
später    erhielt   Moritz    ein   vertrauliches    Schreiben    aus 

^°)  Es  wurde  aiis<>-oinacht,  Georg  von  Keckerod  zu  veranlassen, 
dafs  er  am  französischen  Hofe  jedes  Mifstraucn  ausrede.  Man  be- 
dachte auch,  wie  die  Boten  von  Frankreich  aus,  ohne  Aufsehen  zu 
erregen,  in  Augsburg  mit  Moritz  reden  könnten. 

*')  Wiederum  wollte  er  eine  Untei-stützung  von  600  Gulden 
gel)en.  Bald  aber  stockte  das  Vorhaben  und  mufste  verschoben 
werden. 

^2)  War  es  wohl  Friedrich  von  Reifenberg,  der  später  als  Ver- 
trauter erscheint? 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  257 

Mainz  von  Konrad  von  Hanstein,  das  ihn  in  die  gröfste 
Sorge  und  Aufregung  versetzte ;  denn  aus  ziemlich  dunklen 
Andeutungen  und  unklaren  Worten  glaubte  er  entnehmen 
zu  müssen,  dalis  Schachten  und  Gleilsenthal  „niederge- 
worfen" seien;  die  Sache  stehe  übel,  man  sei  verraten 
und  verkauft.  Sofort  befahl  er  Wilhelm  von  Schachten 
und  Bing,  tags  und  nachts  Kundschaft  einzuziehen  und 
ihn  so  schnell  als  möglich  aufzuklären. 

Schon  war  die  Abreise  nach  Augsburg  auf  Freitag 
den  26.  September  festg:eseizt;  jetzt  mufste  er  „gemach 
thun".  Und  weil  ihm  „nicht  wenig  davor  grauste,  dals  ein 
trübes  Wetter  über  ihn  herfallen  möge",  so  gewann  er  in 
Eile  den  „Gardhaufen",  mit  dem  Herzog  Georg  von 
Mecklenburg  vor  Magdeburg  sein  Glück  versucht  hatte, 
und  entschuldigte  damit  dem  Kaiser  gegenüber  sein  Aus- 
bleiben vom  Reichstage.  Von  Ungeduld  und  Schlaflosig- 
keit geplagt,  lag  er  dann  mehrere  Tage  in  Leipzig  still 
und  erwartete  Nachricht  aus  Hessen. 

Schachten  und  Bing  versicherten,  dafs  die  Abreise  der 
Vertrauten  nach  Frankreich  mit  der  grölsten  Vorsicht  ge- 
schehen und  bisher  kein  Unfall  gemeldet  worden  sei.  Der 
Kurfürst  möge  sich  beruhigen  und  alle  Sorgen  aus  dem 
Sinne  schlagen.  Konrad  von  Hanstein  sei  wie  sein  Genosse 
Asmus  von  der  Hauben  ein  seltsamer  Mensch,  auf  dessen 
Anzeige  man  wenig  geben  dürfe.  Am  6.  Oktober  bekannte 
Moritz  otfen,  dals  er  eine  Zeitlang  ganz  irre  gewesen  sei; 
nun  wolle  er  wieder  guten  Mut  haben.  Dann  berichtete 
er,  Herzog  Georg  habe  vor  Magdeburg  ein  wüstes  Treiben 
begonnen,  so  dals  man  besorgen  müsse,  der  Kaiser  werde 
„aufgeweckt  und  herbeigelockt".  Geschehe  es,  so  erscheine 
Vorsicht  dringend  geboten.  Der  „weidliche  Haufen"  vor 
Magdeburg  stehe  ihm  ebenso  gut  wie  einem  andern  zu 
Gebote.  Komme  der  Kaiser  und  begehre  die  Knechte, 
dann  müsse  er  ihm  auch  gute  Worte  geben,  sonst  „steche 
er  den  Magdeburgern  keine  Maus".  Vor  Abschluls  des 
Handels  mit  Frankreich  müsse  er  „laviren",  so  gut  er 
könne;  nach  erfolgter  Verständigung  aber  werde  er  „Hals 
und  Bauch  dabei  aufsetzen".  Auf  den  Reichstag  wolle 
er  nicht  eher  eilen,  als  bis  er  höre,  wohin  alle  Winde 
wehen  würden.  Den  Kaiser  habe  er  gebeten,  sich  zu 
erklären,  was  er  gegen  Magdeburg  thun  wolle;  er  selbst 
hoffe,  „es  solle  eine  Gans  daraus  werden". 

Zuletzt  stellte  er  die  ernste  Frage,  was  die  Hessen 
zu    thun    gesonnen    seien,     wenn    er,    falls    der   kranke 


Neues  Archiv   I".  S.  G.  u.  A.  XIV.  3.  4. 


258  S.  Ifsleib: 

Kaiser  bald  sterbe,  eine  gewaltige  That  zu  Gunsten  des 
Landgrafen  und  zum  Besten  des  deutschen  Vaterlandes 
unternehmen  werde.  Landgraf  Wilhelm  erwiderte  am 
9.  Oktober,  dals  er  für  seine  Person  alles  thun  wolle, 
was  ihm  möglich  erscheine;  weil  er  aber  noch  nicht  zur 
Regierung  gelangt  sei  und  der  Vater  alle  wichtigen  An- 
gelegenheiten entscheide,  so  müsse  er  seinen  Hat  auch  in 
dieser  ISache  einholen.  Ungesäumt  werde  er  nach  Mecheln 
senden.  Zehn  Tage  später  sah  Moritz  für  gut  an,  dafs 
man  nicht  so  lange  „in  der  Armbrust  liege,  denn  die 
Blätter  am  Baume  würden  von  Tag  zu  Tag  dürrer  und 
es  möchte  sich  zutragen,  dais  sie  bald  ganz  abfielen". 
Unterdessen  machten  ihn  die  Hessen  auf  das  weit- 
verbreitete Gerücht,  dals  er  sich  dem  Kaiser  gegenüber 
zum  Dienste  gegen  Magdeburg  erboten  habe,  aufmerksam 
und  fragten  verwundert,  wie  sich  denn  die  französische 
Verhandlung  mit  dem  kaiserlichen  Dienste  zusammen- 
reimen solle.  Keinesfalls  möge  er  unterlassen,  sich  beim 
König  zu  entschuldigen,  sonst  versetze  er  dem  begonnenen 
Werke  einen  Stofs,  der  es  zum  Falle  bringe.  Kurfürst 
Moritz  gab  kund:  nachdem  er  die  Knechte  und  Reiter 
vor  Magdeburg  in  seinen  Dienst  gebracht,  habe  der 
Kaiser  befohlen,  das  Kriegsvolk  unter  keinen  Umständen 
„verlaufen"  zu  lassen.  Da  nun  die  Verhandlungen  mit 
Frankreich  noch  zu  keinem  Abschluls  gediehen  seien,  so 
könne  er  sich  vorläufig,  um  Argwohn  zu  vermeiden,  dem 
Befehle  nicht  entziehen.  Obgleich  er  grofse  Sorge  trage, 
dafs  die  Magdeburgische  Sache  dem  Handel  mit  Frank- 
reich einen  starken  Stols  versetzen  werde,  so  gebiete 
doch  die  Vorsicht,  „dals  er  nicht  zwischen  zwei  Stühlen 
niedersitze".  Bedauerlicherweise  dirigierten  die  Anhänger 
Magdeburgs  die  Sache  nicht  auf  den  rechten  Weg.  Es 
sei  zu  befürchten,  dals  sie  noch  alles  verderben  würden, 
denn  der  Kaiser  werde  nicht  mehr  von  der  Stadt  lassen. 
Auf  die  Dauer  möchten  aber  die  Leute  wohl  nicht  aus- 
halten können.  Bekomme  dann  der  Kaiser  —  er  nannte 
ihn  Ralfzahn *^^)  —  die  Stadt,  so  werde  er  alle  setzen, 
wie  sie  reiten  sollten.  Schnell  möchten  Schachten  und 
Bing  zu  ihm  kommen,  weil  die  Dinge  einer  Unterredung 
bedürften.  In  Eile  sollte  man  Georg  von  Reckerod 
wissen  lassen,  wie  alle  Dinge  zwischen  ihm,  Magdeburg 


^*)  Diesen  Namen  erhielt  der  Kaiser  wegen  seiner  beiden  vor- 
stehenden Zähne. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  259 

und  dem  Kaiser  stünden,  damit  er  jedem  Argwohn  König 
Heinriclis  begegnen  könne. 

Aus  Frankreich  erhielt  man  in  den  ersten  Noveniber- 
tagen  die  Nachricht  ^^):  der  König  lebe  jetzt  allenthalben 
in  Euhe  und  Frieden  und  werde  in  kurzer  Zeit  seine 
begonnenen  Befestigungen  vollenden,  große  Schätze  zu- 
sammenschlagen und  gutes  Kriegsvolk  zusammenbringen. 
Trotz  vieler  wichtiger  Regierungsgeschäfte  wolle  er  doch 
für  die  Freiheit  der  Deutschen  Sorge  tragen;  denn  er 
sei  allen  Fürsten  und  Ständen  des  Reiches  dermalsen 
zugethan,  dafs  er  ihre  Unterdrückung  und  ihren  Unter- 
gang ungern  sehe.  Da  Kurfürst  Moritz  habe  anzeigen 
lassen,  dafs  er  mit  der  Zeit  wohl  zur  Wehre  greifen 
müsse,  um  sich  selbst  zu  schützen  oder  den  Landgrafen 
zu  befreien  oder  der  Wohlfahrt  des  Reiches  zu  nützen, 
so  möge  er  ihn  darüber  verständigen,  welche  Freunde 
und  Bundesgenossen  er  habe,  wie  stark  sie  seien,  wie 
und  wie  lange  sie  das  Kriegsvolk  zu  unterhalten  ge- 
dächten, wie  sie  den  Feind  angreifen  und  schädigen 
wollten  etc.  Sobald  man  ihn  davon  in  Kenntnis  gesetzt 
habe,  werde  er  sich  rasch  entscheiden. 

Von  Mecheln  kam  der  Bescheid  des  gefangenen 
Landgrafen,  dals  sich  Moritz  erst  einmal  einstellen  möge; 
darauf  solle  man  ihn  gegen  Bürgen  vertagen.  Bleibe  der 
Kaiser  allen  Bitten  unzugänglich  und  biete  sich  günstige 
Gelegenheit,  um  etwas  für  die  ersehnte  Befreiung  zu  thun, 
dann  solle  man  Moritz  mit  allen  Kräften  beistehen*'*).  Wie 
vorher,  so  drängte  auch  nachher  Landgraf  Philipp  fast 
täglich,  man  solle  ihn  retten  entweder  durch  Bitten  oder 
durch  Entführung.  Keiner  der  beiden  Kurfürsten  ziehe 
auf  den  Reichstag,  um  in  seiner  Sache  etwas  zu  thun. 
Moritz  bringe  lauter  erdichtete  Entschuldigungen  vor,  die 
man  nicht  glauben  dürfe.  Man  sehe,  wie  sein  Erbieten 
gegen  Frankreich  mit  dem  Vorgehen  gegen  Magdeburg 
zusammenstimme.  Alle  seine  Angaben  seien  Wind.  Weil 
die  Magdeburger  gegen  den  Herzog  von  Mecklenburg 
einen  Unfall  erlitten  hätten,  so  hofie  er  nun  die  Stadt 
zu  gewinnen  und  das  Stift  dazu. 


**)  Marbui'g,  Sachsen  albertinische  Linie  etc.  1550;  Langenn 
II,  319;  Druffel  I,  No.  504. 

^^)  Landgraf  Philipps  Meinung  gelangte  anfangs  November 
nach  Kassel ;  allein  Moritz  erfuhr  erst  am  5.  Dezember  in  Wittenberg 
davon. 

17* 


260  S-  Ifsleib: 

Zufolge  väterlichen  Befehles  forderten  die  jungen 
Landgrafen  die  Kurfürsten  am  9.  November  auf,  nach 
Augsburg  zu  ziehen  und  zu  bitten,  oder  sich  sofort  nach 
beendetem  Eeichstage  enizustellen,  um  der  Welt  zu  be- 
zeugen, daliä  der  Vater  wider  ihren  Willen  verhaftet  worden 
sei^**).  Müsse  Moritz  vor  Magdeburg  bleiben,  dann  solle 
Kurfürst  Joachim  mit  den  beiden  Schwestern,  Kurfürstin 
Agnes  und  Pfalzgräfin  Anna  und  mit  hochangesehenen 
Räten  wie  Dr.  Fachs  reisen.  Gewils  werde  der  Kaiser 
die  Schwestern  zu  Ehren  des  weiblichen  Geschlechtes  mit 
gnädigen  Augen  ansehen.  Die  Kurfürsten  erwiderten  am 
24.  November:  dem  Kaiser  zu  Ehren  und  Gefallen  lielsen 
sie  sich  gegen  Magdeburg  gebrauchen.  Dadurch  glaubten 
sie  sein  Gemüt  gnädig  zu  stimmen  und  mehr  zu  erreichen, 
als  durch  eine  Rei>e  nach  Augsburg.  Sobald  aber  Hoff- 
nung vorhanden  sei,  etwas  durchzusetzen,  so  wolle  Joachim 
mit  Moritz'  Gattin  Agnes  dahin  eilen.  Die  Einmahnung 
möge  man  einstweilen  ruhig  verschieben. 

Vier  Tage  später ^^)  ersuchten  die  Kurfürsten  ähnlich 
wie  schon  am  4.  November  den  Kaiser  und  König,  die 
Freiheit  des  Landgrafen  gnädig  zu  bewilligen,  oder  doch 
anzugeben,  unter  welchen  Bedingungen  sie  gewährt  wei'den 
solle.  Wie  sie,  so  werde  sich  auch  Philipp  gegen  die 
kaiserlichen  Rebellen  und  Ungehorsamen  willig  gebrauchen 
lassen,  bis  alle  zur  gebührlichen  und  unterthänigen  Pflicht 
gebracht  worden  seien.  Der  Kaiser  möge  endlich  Gnade 
walten  oder  über  die  grölsten  Sicherstellungen  verhandeln 
lassen. 

Der  vor  Magdeburg  weilende  Truchsefs  von  Schwendi 
teilte  am  2.  Dezember  dem  Kaiser  mit^^),  dals  sich  die 
Kurfürsten  schon  oft  über  die  fortgesetzte  Haft  des  Land- 
grafen bitter  beklagt  hätten,  weil  sie  dadurch  in  eine 
überaus  schwierige  Lage  gekommen  seien.  Man  verhandele 
mit  Magdeburg  zum  Teil  deshalb  erfolglos,  weil  einige 
Bundesgenossen  der  Stadt  offen  erklärten,  der  Kaiser 
schlielse  Verträge ,    ohne  sie  zu  halten.    Niemand  traue 

**")  Auf  dem  Reichstage  sollten  sie  sich  dazu  bereit  erklären, 
dafs  sie  Prinz  Pliilipp  zum  römischen  König  wählen  und  gegen  alle 
kaiserlichen  Feinde  dienen  wollten.  Landgraf  Pliili})p  war  bereit, 
das  Tricnter  Konzil  und  dessen  Beschlüsse  in  gleicher  Weise  wie  die 
Kurfürsten  anzuerkennen.  Die  Religion  solle  in  Hessen  wie  iu  den 
kurfürstlichen  Ländern  ausgeübt  werden  etc. 

*■')  Wien,  Saxonica  1548—52  fasc.  2.  Erst  am  25.  Februar  1551 
beantwortete  der  Kaiser  das  kurfürstliche  Schreibeu  vom  28.  Nov.  1550. 

s8)  Druffel  1,533,  S.  537. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  261 

den  Vorschlägen  der  Kurfürsten,  und  Magdeburg  schrecke 
vor  bindenden  Abmachungen  zurück.  Moritz  und  Joachim 
seien  auf  das  äulserste  gekränkt. 

Kaum  hatte  Eberhard  Bruch  im  Namen  des  ge- 
fangenen Landgrafen  vor  Magdeburg  zur  Fürbitte  und 
Thatkraft  ermahnt,  so  nahten  Wilhelm  von  Schachten  und 
Bing,  um  mit  Moritz  über  die  landgräfliche  Sache  und 
über  das  Bündnis  mit  Frankreich  zu  verhandeln.  Am 
5.  Dezember ^^)  führten  sie  ihm  in  Wittenberg  eindringlich 
zu  Gemüt,  dafs  der  Kaiser  überall  ötfentlich  habe  aus- 
breiten lassen,  der  Landgraf  habe  sich  aus  lauter  De- 
speration und  ohne  jede  Bedingung  in  die  Haft  begeben. 
Um  solcher  unbilligen  Nachrede  zu  begegnen,  sei  die  Ein- 
stellung der  Kurfürsten  unbedingt  nötig,  damit  sie  aller 
Welt  bezeugten,  dals  der  Landgraf  wider  Erwarten  ge- 
fangen genommen  worden  sei.  Nach  der  Einstellung 
werde  man  sie  ohne  langen  Verzug  gegen  eine  neue 
Verschreibung  und  gegen  genügende  Bürgschaft  vertagen. 
Wolle  dann  Moritz  etwas  vornehmen,  so  werde  ihm  Land- 
graf Wilhelm  nach  Kräften  helfen.  Vor  Magdeburg  möge 
er  sich  nicht  selbst  zu  Gunsten  des  Kaisers  erschöpfen. 

Moritz  wollte  die  bösen  Nachreden  gern  abwenden; 
aber  er  bezweifelte,  dals  die  Einstellung  dazu  dienen  werde. 
Längst  hatte  er  bei  sich  gedacht,  wenn  König  Heinrich 
—  er  nannte  ihn  Hildebrand  —  den  Rappen  recht  rühre 
und  sich  der  Sache  des  Gefangenen  tapfer  annehme,  so 
erscheine  seine  Einstellung  nötig,  um  mit  Fug  und  Grund 
am  Werke  teilzunehmen.  Leicht  könne  er  sich  dann  als 
Verwandter  und  Freund  mit  Landgraf  Wilhelm  über  die 
Betagung  verständigen.  Der  Kaiser,  sagte  er,  gedenke 
ihm  jetzt  die  Würde  eines  Oberfeldherrn  vor  Magdeburg 
zu  übertragen.  Nun  stehe  er  vor  der  Entscheidung,  ob 
er  sich  gleich  abwenden,  oder  etwa  drei  Monate  lang 
eine  Bestallung  vom  Kaiser  und  Reich  annehmen  solle. 
Falls  ein  Bündnis  mit  König  Heinrich  zu  stände  komme, 
so  könne  er  nach  Verlauf  eines  Vierteljahres  wieder  frei 
dastehen.  Als  man  ihn  fragte,  was  werden  solle,  wenn 
die  neugeplante  Entführung  des  Landgrafen  gelinge,  sagte 
er :  wenn  Gott  dem  alten  Herrn  wunderbarlich  davonhelfe, 
so  wolle  er  für  ihn  sein  höchstes  Vermögen  dransetzen^"). 

89)  Marburg-,  0.  W.  S.  4.  Landgraf  Philipp,  die  Gefangenschaft 
betreffend,  1550-52,  IV. 

^)  Die  früher  bewilligten  600  Thaler  sollten  in  Snlza  aus- 
gehändigt werden. 


262  S.  Ifsleib: 

König  Heinrich  sollte  erfahren,  wie  gern  man  geliört 
habe,  dals  er  viele  Orte  befestige  und  Geld  zusammen- 
schlage, denn  das  sei  der  rechte  Weg,  um  dem  Gegner  die 
Stirn  zu  bieten.  Seine  Freunde  könne  Moritz  wohl  sehen 
lassen,  sie  lielsen  sich  gut  anschauen.  Herkömmlich  eröffne 
man  aber  nur  einem  Bundesgenossen,  wie  stark  man  sei ; 
zweifellos  werde  man  7000  Reiter  und  30000  Knechte 
zusammenbringen.  Vorläufig  dürfe  man  der  Feder  nicht 
anvertrauen,  wie  und  wie  lange  das  Kriegsvolk  bei- 
sammen gehalten  werden  solle ;  doch  gedenke  man  bis  zum 
äufsersten  auszuharren.  Der  Angriff  des  Gegners  müsse 
sich  nach  den  Umständen  richten.  Über  eine  vertrauliche 
Unterredung  möge  der  König  entscheiden.  Moritz  sei 
nicht  abgeneigt,  sich  in  die  Nähe  Heinrichs  zu  begeben, 
um  möglichst  bald  einen  Vergleich  abzuschlielsen.  Eile 
erscheine  geboten ,  da  jede  Verzögerung  schaden  könne. 
Der  Kurfürst  werde  sich  zunächst  nicht  länger  als  drei 
Monate  gegen  Magdeburg  verpflichten.  Erfolge  bis  dahin 
eine  Verständigung,  dann  wolle  er  sich  „ganz  nach  dem 
gemeinen  Werke  richten""^). 

Mitte  Dezember  1550  sah  sich  Moritz  genötigt,  von 
Magdeburg  aus  gegen  das  um  Verden  versammelte  Kriegs- 
volk zu  ziehen.  Zur  selben  Zeit  eilte  der  hessische  Zeug- 
meister Hans  Rommel  mit  vertrauten  Gesellen  in  die 
Niederlande,  um  Landgraf  Philipp  zu  entführen^-).  Als 
aber  in  der  Frühe  des  22.  Dezembers  die  That  vollbracht 
werden  sollte,  milsglückte  sie.  Der  Landgraf  geriet  in 
die  gröfste  Verzweiflung,  und  der  Kaiser  kam  in  wilde 
Aufregung.  Lange  hatte  man  ihn  nicht  so  zornig  und 
aufbrausend  gesehen;  unbedingt  wollte  er  erfahren,  wer 
die  That  angestiftet  und  wohinaus  man  gewollt  habe. 
Die  Umgebung  des  Monarchen  „schrie  das  Kreuzige  über 
den  Landgrafen"  und  behauptete,  der  Kaiser  sei  nun  nicht 
mehr  an  seine  Zusage  von  Halle  gebunden ;  der  Gefangene 
müsse  nach  Madrid  oder  auf  ein  festes  spanisches  Schloß 
geschafft  werden. 

In  Hessen  war  ungewöhnliche  Bestürzung.  Land- 
graf Wilhelm,   Schachten,  Bing  und  Genossen  besorgten 


*')  Obgleich  man  gehört  hatte,  dafs  andere  Leute  —  auch  die 
Eniostiner  —  beim  König  um  Unterstützung  nachsuchten, 
so  hoffte  man  doch,  Moritz  werde  als  Kurfürst  mehr  als  sie  ausrichten. 

»2)  Dresden,  Loc.  10189  Ein  Buch  von  Dr.  Franz  Kram  und 
Lorenz  Ulmann  1550  Bl.  311;  Weimar  Reg.  K.  S.  120  J.  J.  No.  14. 
Eduard  Duller,  Neue  Beiträge  S.  119  flg. 


Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen.  263 

das  Schlimmste.  Allein  in  einer  vertraulichen  Sitzung-  am 
8.  Januar  1551 ''■^)  entschuldigten  der  Statthalter  und  die 
anwesenden  Räte  das  milsglückte  Vorhaben  und  beschlossen, 
allen  Beteiligten  mit  Rat  und  That  beizustehen.  Kurfürst 
Moritz  beklagte  das  mifslungene  Unternehmen  und  ver- 
sprach Beistand  in  Gefahr  und  Verwendung  für  den 
unglücklichen  Schwiegervater. 

Kaum  hatte  sich  der  Gefangene  in  das  Unvermeid- 
liche gefügt,  so  gebot  er  wiederholt,  die  beiden  Kur- 
fürsten von  Stund  an  einzumahnen  und  ihnen  höchstens 
bis  zum  15.  Mai  Frist  zu  geben.  Darauf  forderte  Land- 
graf Wilhelm  den  Schw'ager  zur  raschen  Verständigung 
mit  Frankreich  auf,  und  Moritz  bat,  nach  Dresden  zu 
kommen  und  mit  ihm  zu  reden. 

Am  25.  Februar  1551  verhandelten  Landgraf  Wilhelm, 
Schachten  und  Bing  mit  Moritz  über  eine  kurfürstliche 
Botschaft  an  den  Kaiser  und  über  die  geheimen  Pläne. 
Ganz  vertraulich  sprach  der  Kurfürst  von  der  Ver- 
handlung^*), die  er  wenige  Tage  zuvor  mit  Markgraf 
Hans  von  Küstrin  über  die  Verteidigung  der  Religion 
und  der  Freiheit  des  Reiches,  über  die  Befreiung  der 
gefangenen  Fürsten  und  über  die  Beilegung  des  magde- 
burgischen Krieges  gepflogen  hatte  und  eröffnete  einen 
fast  ungeahnten  Blick  auf  ein  mächtiges  Bündnis  gegen 
den  Kaiser,  der  die  Befreiung  des  Landgrafen  hart- 
herzig verweigerte,  wie  bald  von  neuem  klar  ersichtlich 
wurde. 

Im  Briefe  vom  25.  Februar  gab  Karl  V.  zu  erkennen, 
dals  des  Landgrafen  Verhalten  stets  neuen  Grund  zur 
weiteren  Haft  biete.  Durch  sein  böswilliges  Unterfangen, 
mit  Gewalt  zu  entfliehen,  habe  er  die  kaiserliche  Hoheit 
und  Obrigkeit  in  den  Niederlanden  auf  das  schwerste 
verletzt.  Kraft  höchster  Machtvollkommenheit  erklärte 
der  Kaiser,  dafs  die  Kurfürsten  nicht  schuldig  sein  sollten, 
der  angemalsten  und  gänzlich  unbefugten  Einmahnung 
nach  Hessen  Folge  zu  leisten.  Gelegentlich  werde  er 
gegen  die  jungen  Landgrafen,  die  durch  ihre  nichtige 
Einforderung  und  durch  das  oifenbare  Einverständnis  mit 


^3)  Marburg  O.W.  S.  1159,  Kriegssachen  1547  etc.  II,  Mis- 
cellanea,  und  geheime  Sachen  etc. ;  Dresden,  Loc.  9144,  Landgrefiische 
Handlung  1550—51,  Bl.  342  flg. 

94)  Vergl.  S.  Ifsleib,  Moritz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  in 
dieser  Zeitschrift  Bd.  VI,  218  flg.  und  VII,  1  flg.  Cornelius  S.  56. 


264  S.  Tfsleil): 

dem  Vater  hinsichtlich  der  geplanten  Flucht  ernste  Strafe 
verdient  hätten,  nach  Verdienst  verfahren. 

Hiervon  benachrichtiot ,  äulserte  Landgraf  Wilhelm: 
nun  bleibe  nichts  mehr  übrig  als  Leib  und  Gut  oder 
Ehre  und  Ruf  in  Gefahr  zu  setzen.  Ein  Biedermann 
werde  aber  schnell  zu  küren  wissen,  „es  krache  gleich 
Rippe  und  Bauch".  Gott  möge  ihn  vor  ewiger  Schande 
und  Unehre  gnädig  behüten  und  bewahren.  Die  Kur- 
fürsten sollten  den  Vater  befreien  oder  sich  einstellen. 

Nach  den  bekannten  Bnndesverhandlur.gen  in  Naum- 
burg und  Torgau  wurde  eine  Zusammenkunft  in  Suiza 
vereinbart,  wo  im  Juli  sächsische,  brandenburgische  und 
hessische  Räte  über  die  Einstellung  der  Kurfürsten  und 
über  eine  allgemeine  Eürbitte  möglichst  vieler  Fürsten 
beim  Kaiser  Beschluis  fassen  sollten.  Moritz  meinte: 
„Hilft  es  nichts,  so  schadet  es  auch  nichts,  doch  wird 
es  bei  vielen  Leuten  guten  Glimpf  bringen,  wodurch  man 
viele  Dinge  vorbereitet".  Unbekümmert  um  die  geheimen 
Verabredungen  sollte  Landgraf  Wilhelm  heftig  und  un- 
erbittlich die  Einstellung  fordern  lassen,  „damit  dadurch 
das  grolse  Interim  —  Kurfürst  Joachim  —  auch  etwas 
springen  gemacht  werde". 

Daraufhin  hielten  die  Hessen  in  Suiza  vom  16,  bis 
19.  Juli  unbeirrt  an  der  Einstellung  der  Kurfürsten 
fest^'^}.  Wegen  der  allgemeinen  Fürsprache  sollte  Kur- 
fürst Moritz  die  drei  Kurfürsten  von  Pfalz,  Trier  und 
Köln,  die  Herzöge  von  Bayern,  Württemberg,  Simmern, 
Jülich  und  Lüneburg  sowie  Pfalzgraf  Wolfgang  von  Zwei- 
brücken und  Markgraf  Ernst  von  Baden  angehen;  dagegen 
übernahm  es  Kurbrandenburg,  die  Könige  von  Polen  und 
Dänemark,  die  Herzöge  von  Pommern,  Mecklenburg,  Lauen- 
burg und  Markgraf  Hans  von  Küstrin  zu  ersuchen.  Kaiser 
Karl  und  König  Ferdinand  sollten  von  den  beiden  Kur- 
fürsten noch  besonders  um  gnädiges  Gehör  gebeten  werden. 

Um  ein  Bündnis  zwischen  Frankreich,  Kurfürst 
Moritz,  Landgraf  Wilhelm,  Markgraf  Hans  und  anderen 
Gesinnungsgenossen  zu  vereinbaren,  begannen  am  25.  Sep- 
tember 1551  die  denkwürdigen  geheimen  Verhandlungen 
in  Lochau.  Leider  kam  es  dabei  zum  Bruche  zwischen 
Moritz  und  JNIarkgraf  Hans,  so  dals  dieser  mit  den  Voll- 
machten Herzog  Albrechts  von  Preufsen   und  Heinrichs 


^^)  Berlin  39,  6.   Landgraf  Philipp  von  He.^seu  1551;  Dresden, 
Loc.  9144  Landgreuische  Handlung  1551,  Bl.  10  flg. 


Die  GefaDgenschaft  Philipps  von  Hessen.  265 

von  Mecklenburg-  davonritt.  Trotzdem  gelangte  man  mit 
dem  französischen  Bevollmächtigten  zu  Festsetzungen,  die 
schliefslich  zum  Vertrage  mit  König  Heinrich  führten. 

Zum  Zwecke  der  allgemeinen  Fürbitte  für  den  Land- 
grafen fanden  sich  um  Michaelis  Abgeordnete  von  Sachsen 
und  Brandenburg,  von  Dänemark,  Kurpfalz,  Simmern, 
Zweibrücken,  Württemberg,  Baden  und  Mecklenburg  in 
Donauwörth  ein  und  folgten  dann  dem  Kaiser  nach  Inns- 
bruck^*^). In  der  am  17.  November  gewährten  Audienz 
stellte  derselbe  gnädige  und  gute  Antwort  in  Aussicht. 
Als  aber  Kurfürst  Moritz  gelegentlich  eines  Berichtes 
über  Magdeburg  sich  erbot,  auf  Verlangen  selbst  nach 
Innsbruck  zu  kommen,  liels  der  Kaiser  den  harrenden 
Abgeordneten  am  2.  Dezember  anzeigen,  dals  er  dem- 
nächst mit  dem  Kurfürsten  von  Sachsen  persönlich  über 
die  Angelegenheit  des  Landgrafen  und  über  die  not- 
wendigen „Sicherheiten"  verhandeln  werde.  Es  sei  jeder- 
mann gestattet,  wieder  heimzuziehen. 

Am  L  Februar  1552  trat  Moritz  die  Eeise  zum  Kaiser 
scheinbar  an;  von  Chemnitz  aus  ritt  er  aber  nach  Hessen 
und  brachte  das  Bündnis  mit  Frankreich  in  Friedewalde 
zum  Abschlufs.  Dann  berief  er  einen  Landtag  nach 
Torgaü  und  erwartete  die  mit  Landgraf  Wilhelm  ver- 
abredete „scharfe  Einmahnung".  Trotz  aller  Bemühungen 
der  sächsischen  Landstände  und  des  hei'beigeeilten  Kur- 
fürsten Joachim  verweigerten  die  Hessen  eine  neue  Ver- 
tagung, und  Moritz  wollte  seine  Ehre  unter  allen  Um- 
ständen endlich  retten.  Während  Joachim  besorgt  und 
unschlüssig  nach  Brandenburg  zurückkehrte,  übertrug 
Moritz  seinem  Bruder  August  die  Regierung  seines 
Landes  und  verliels  am  15.  März  Torgau,  um  „ein zureiten" 
und  den  gefangenen  Schwiegervater  durch  einen  kühnen 
Kriegszug  gegen  den  Kaiser  zu  befreien.  Nachdem  er 
in  Schweinfurt  die  Einstellung  in  aller  Form  vollzogen 
hatte ^"),  rückte  er  mit  seinem  Schwager  und  den  andern 
Bundesfürsten  samt  dem  Kriegsvolke  nach  Süddeutsch- 
land vor. 

Zwar  hatte  Landgraf  Philipp  in  den  letzten  Monaten 
wie   früher   die  Einstellung  unermüdlich  verlangt,   doch 


"*')  Dresden,  Loc.  9145,  Hessische  entledigun?  etc.  I>  Bl.  1  flg., 
Berlin  39.  5/6,  1549-51,  Bl.  218  flg.  Schriftliche  Fürbitte  lief  ein  vom 
König  Ferdinand  und  Siglsmund  von  Polen,  von  Bayern,  Lüneburg 
und  Lauenburg. 

''■^)  Kurfürst  Joachim  erhielt  Frist  bis  zum  24.  April. 


266       ''^-  Ifsleib:  Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen. 

wiederriet  er  durchweg  einen  Krieg  gegen  den  Kaiser  als 
allzugefälirliclr'^).  Er  wollte  auch  nicht  recht  glauben, 
dals  Moritz  Mut  genug  dazu  besitze,  schon  aus  Furcht 
vor  dem  Dicken  —  Johann  Friedrich  — ,  der  dann  vielleicht 
wieder  zum  Kurfürstentum  gelangen  könne.  Überdies  sei 
zu  bezweifeln,  ob  Gott  viel  Glück  geben  werde,  weil 
Moritz  im  letzten  Kriege  abenteuerlich  gehandelt  habe. 
Unablässig  quälte  der  Gefangene  sich  ab;  bald  erschien 
ihm  jedes  Mittel  gut  genug,  wenn  er  nur  loskomme,  bald 
wollte  er  nur  der  Gnade  des  Kaisers  seine  Freiheit  ver- 
danken; kaum  hatte  er  in  Stunden  der  Verzweiflung  den 
Krieg  gut  geheilsen,  dann  warnte  er  wieder  davor.  Als 
das  Kriegsvolk  in  Bewegung  war,  ermahnte  er  zur  Ver- 
handlung und  milsbilligte  jeden  wagehalsigen  Kampf.  Sein 
Sohn  AVilhelm  aber  erklärte  am  8.  April  1552  von  Augs- 
burg aus  fest  und  entschlossen,  dals  er  das  ergriifene 
Schwert  erst  dann  wieder  niederlegen  werde,  wenn  der 
Vater  befreit  sei;  bis  dahin  möge  er  ihn  mit  Bitten 
und  Vorstellungen  verschonen.  Demungeachtet  erneuerte 
Philipp  seine  Mahnung  zur  Verhandlung  und  den  Rat  zum 
Frieden  mit  dem  Kaiser. 

Die  Tage  von  Linz  und  Passau  sicherten  endlich 
seine  Befreiung.  Im  August  wurde  er  der  Haft  in  Mecheln 
entlassen;  aber  erst  im  September  kehrte  er  von  Brüssel 
in  die  Heimat  zurück. 

Als  nun  Kurfürst  Moritz  seine  verpfändete  Ehre 
ritterlich  gerettet  hatte,  bat  er  den  Schwiegervater  um 
Zustellung  der  Verpflichtungsurkunde  vom  4.  Juni  1547 
mit  dem  üblichen  Revers.  Einverstanden  damit,  ersuchte 
Landgraf  Philipp  ihn  um  ein  Zeugnis  darüber,  dals  er 
sich  nicht  zaghaft  oder  freiwillig  in  die  Gefangenschaft 
begeben  habe,  sondern  dafs  er  auf  Treue  und  Glauben 
zufolge  kurfürstlicher  Verpflichtung  und  Verschreibung 
nach  Halle  gekommen  und  vom  Kaiser  wider  Erwarten 
in  Haft  genommen  worden  sei.  Während  eines  kurzen 
Besuches  in  Hessen,  in  der  Woche  vor  Ostern  1553,  ver- 
sprach Moritz ,  den  AVunsch  des  Schwiegervaters  zu  er- 
füllen""). Ehe  jedoch  die  Auswechselung  der  Schrift- 
stücke erfolgte,  beendete  der  jugendliche  Kurfürst  sein 
thatenreiches  Leben  bei  Sievershausen, 


»'^)  Er  nannte  den  Kaiser  einen  „schweren  und  grofsen  Vogel", 
öö)  Dresden,  Loc.  9145,  Hessische  entledigung  III  B1.724,  Torgau, 
23.  April  1553. 


IX. 

Schweizer  Soldtruppen  in  kursäclisisclien 
Diensten.   1701—1815, 

Von 
A.  Yon  Welck. 

(Schlufs.) 


Der  nordische  Krieg  wurde  auch  während  des  zweiten 
Dezenniums  des  18.  Jahrhunderts  mit  wechsehidem  Glücke 
fortgeführt.  König  August  erlangte  die  polnische  Krone 
wieder,  hatte  aber  unausgesetzt  mit  Empörungen  und 
Verrätereien  seiner  polnischen  Unterthanen  zu  kämpfen. 
Wiederholt  wurden,  namentlich  russischer  Seits,  Versuche 
gemacht,  den  unheilvollen  Krieg  durch  einen  Friedens- 
schlufs  zu  beenden,  doch  scheiterten  dieselben  an  der 
Halsstarrigkeit  Karls  Xu.  Erst  als  dieser  am  11.  De- 
zember 1718  in  den  Laufgräben  von  Friedrichshall  seinen 
Tod  gefunden  hatte,  konnten  die  Friedensunterhandlungen 
mit  mehr  Aussicht  auf  Erfolg  wieder  aufgenommen  werden. 
Im  Dezember  1719  kam  es  thatsächlich  zum  Abschlufs 
eines  Präliminarvertrages  zAvischen  Schweden  und  dem 
König  August ;  doch  erst  10  Jahre  später  wurde  derselbe 
in  einen  förmlichen  Friedensvertrag  umgewandelt. 

Sobald  die  politischen  Verhältnisse  es  irgend  ge- 
statteten, war  der  König  darauf  bedacht,  die  finanziellen 
Lasten,  unter  denen  Sachsen  infolge  des  langjährigen 
Kriegszustandes  seufzte,  zu  mildern.  Bereits  im  Jahre 
1717  erliefs  er  den  Befehl  zu  einer  umfassenden  Reduktion 
und  veränderten  Formierung  der  Armee.  Diesen  Mafs- 
nahmen  zufolge  blieben  nur  11360  Mann  unter  den  Waffen. 


268  A.  von  Welck: 

4  Kürassier-,  4  Drag'oner-  und  2  Infanteriereg-imenter 
wurden  aufg-elöst  und  melirere  fremde,  in  sächsischem 
Sold  gewesene  Regimenter  entlassen.  Auch  das  Dresdner 
„Garnisonsregiment"  wurde  aufgelöst  und  endlich  die 
verbleibenden  Infanterieregimenter  von  12  auf  8  Kom- 
pagnien reorganisiert . 

Die  Trabantenleibgarde  wurde  von  der  Reorganisation 
insofern  berührt,  als  ihr  Etat  von  90  Mann  um  4  „Musici" 
erhöht  wurde. 

Im  Jahre  1719  trat  für  diese  Garde  eine  Uniform- 
veränderung ein. 

Der  Kurfürst  scheint  die  Absicht  gehabt  zu  haben, 
hierzu  von  der  bisherigen  Schweizer  Tracht  abzuweichen 
und  Schnitt  und  Farbe  mehr  dem  Altdeutschen  anzu- 
passen. Diese  Annahme  findet  ihre  hauptsächlichste  Be- 
gründung in  dem  Umstände,  dals  sich  in  der  königlichen 
Gewehrgalerie  zu  Dresden  das  lebensgroise  mit  Ölfarben, 
auf  Holz  gemalte  und  ausgeschnittene  Modell  eines 
englischen,.  Schweizergardisten ^)  befindet,  welches, 
mündlichen  Überlieferungen  zufolge,  König  Georg  I.,  der 
1714  den  englischen  Thron  bestiegen  hatte,  an  den  Kur- 
fürsten geschickt  hatte,  um  nach  diesem  Vorbilde  die 
Uniformierung  der  sächsischen  Schweizergarde  festzu- 
stellen. Ein  Blick  auf  jene  Figur  zeigt,  dafs  hier  that- 
sächlich  von  der  traditionellen  Schweizer  Tracht  abgewichen 
und  dafür  die  altdeutsche  adoptiert  worden  war.  Diese 
Absicht  des  Königs,  welche  jedenfalls  auch  schriftlich 
zum  Ausdruck,  aber  -  wie  wir  annehmen  müssen  — 
nicht  zur  Ausführung  gelangte,  mag  die  Veranlassung 
sein,  dals  es  in  der  Geschichte  der  sächsischen  Armee 
heifst-):  „1719  erhielt  die  Trabantenleibgarde  zu  Fuls, 
welche  bisher  Schweizer  Tracht  getragen  hatte,  eine 
neue  Uniform,  das  sogenannte  ,Deutsche  Habit'  etc." 
Die   an   derselben   Stelle  gegebene  Beschreibung   dieses 


')  Über  Erriclitung  oder  Existenz  einer  Scliweizergarde  in 
England  haben  wir  an  keiner  Stelle  Angaben  finden  können.  Wil- 
helm TII.  erbat  allerdings  durch  seinen  Gesandten  Cox  im  Jahre 
1690  von  den  evangelischen  Orten  ein  Hilfskorps  von  6—8000  Mann, 
von  denen  die  Hälfte  Garde  werden  sollte,  doch  kam  dieser  Auf- 
briich  —  infolge  der  französischen  Gegenvorstellungen  —  nicht  zur 
Peifektion.  Aiich  Macaulays  Geschichte  Englands,  die  genaue 
Angaben  über  das  englische  Heer  und  speziell  die  Gardetruppen  in 
der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  macht,  erwähnt  keine 
Schweizer. 

-)  Schuster  und  Francke,  Gesch.  der  sächs.  Armee,  S.  196. 


Schweizer  Soldtruppen  1701  —  1815.  269 

„Habits"  besagt,  dafs  die  Offiziere  „blaiisamtene  (bleu 
mourant)  Röcke  und  Hosen,  silberbesetzte  Westen,  silberne 
Garnitur  und  Gehänke,  Schuh  und  Strümpfe",  die  Tra- 
banten aber  „gelben  Rock  mit  blauem  Aufschlag  und 
Kamisol,  Hosen  und  Mantel  von  Tuch,  als  Waffe  Helle- 
barden resp.  Partisanen"  erhielten.  Die  Frage  des 
Schnittes  wird  hier  allerdings  nicht  berührt,  hingegen 
finden  wir  bei  Fassmann -^j  ausdrücklich  erwähnt,  dafs 
diese  neue  Uniform,  welche  zum  ersten  Male  bei  dem 
festlichen  Einzüge  der  Kui-prinzessin  Maria  Josepha  in 
Dresden,  Anfang  September  1719,  getragen  wurde,  der 
historischen  Schweizer  Tracht  entsprach.  Bei  Be- 
schreibung dieser  Festlichkeiten  heilst  es  nämlich:  „Heber 
den  SchloMiof  machten  die  neu -montierten  Adelichen 
Cadets  ihre  Parade;  die  Treppe  hinauf  die  Schweitzer- 
Garde,  oder  Trabanten  zu  Fuls  in  ihrer  n  e  u  e  n  S  c  h  w  e  i  t z  e r  - 
Kleidung  und  blauen  Schuh-Rosen"  etc.  Und  weiter 
vom  Zuge  selbst:  „24  Schweitzer  in  ihrem  Schweitzer- 
Habit.  Vorne  an  giengen  ihre  Über-Officiers  ebenfalls  in 
Schweitzer-Habit"  ....  „Neben  der  Carosse  auf 
bey  den  Seiten  giengen  24  Schweitzer  in  ihrem  Seh  weitz  er- 
Habit mit  ihren  Helleparten." 

Da  man  diese  bis  ins  kleinste  Detail  eingehenden 
Schilderungen  des  citierten  Chronisten  als  zuverlässig 
annehmen  darf,  so  wird  dadurch  auch  die  spätere  Be- 
merkung bei  Schuster  und  Francke  hinfällig,  dafs  „die  von 
1725  an  ,Scliweizergarde'  genannte  Haustruppe  in  diesem 
Jahre  wieder  die  Schweizer  Tracht  erhalten  habe." 

Wir  kehren  nach  Besprechung  dieser  Uniformfrage 
zu  den  historischen  Ereignissen  zurück. 

Der  nun  gesicherte  Friede  und  die  sich  allmählich 
wieder  bessernden  finanziellen  Verhältnisse  lenkten  im 
Laufe  der  nächsten  Jahre  die  Blicke  des  prachtliebcnden 
Königs  wieder  mehr  und  mehr  auf  die  Erhöhung  des  Glanzes 
seines  Hofstaates.  Es  wurde  zunächst  im  Jahre  1723 
das  sogenannte  „Lustschlösser-Bataillon"  oder  „Bataillon 
der  Lustgebäude"  zur  Besetzung  des  Japanischen  Palais 
in  Dresden,  der  Lustschlösser  Pillnitz,  Hubertusburg  und 
Moritz  bürg  errichtet,  und  im  Jahre  1725  falste  der  König 
den  Entschluls,  wieder  eine  „Schweizergarde"  ins 
Leben  zu  rufen,  welche,  wenn  möglich,  aus  geborenen 


^)  D.  F.  (assmann),   Friedrich  Augusts  Leben  und  Heklen- 
thaten  S.  767  ff. 


270  A.  von  Welck: 

Schweizern  bestehen  solle.  Vorläufig-  aber  wurde 
die  bestehende  Fufstrabantengarde  in  ihrem  Etat  an 
88  Mann  zur  Schweizergarde  umgewandelt,  und 
ihr  Hauptmann,  Pierre  de  Prohinques^),  erhielt  unter 
dem  24.  Mai  1725  die  Ernennung  zum  Schweizer  Haupt- 
mann mit  einem  Gehalt  von  180Ü  Thalern  und  dem  Rang 
unmittelbar  hinter  dem  Hofmarschall  •'^).  Gleichzeitig 
w^urde  ihm  aber  der  Auftrag,  auf  die  Vermehrung  der 
ihm  unterstellten  Garde  durch  Anwerbung  von  National- 
schweizern  bedacht  zu  sein.     In  seiner  Bestalhing  heilst 

es"):    „II  observera tachent  d'y  faire  entrer  des 

Nationaux  Suisses.  Du  reste  Nous  avons  resolu  d'aug- 
menter  le  Nombre  des  Gardes  Suisses  par  une  Capitulation 
expresse  sur  le  pied  que  Nous  le  trouverons  ä  propos  et 
convenable  ä  Nos  intentions ,  Voulons  qu'ä  l'avenir  ce 
Corps  porte  le  nom  de  Garde  Suisse  et  soit  compose 
du  moins  quant  aux  Hallebardiers  de  Suisses  nationaux 

Voulons   en   premier  lieu,  que  ceux  ....  soient 

remplaces  par  des  Suisses jusqu'ä  ce  la  compagnie 

soit  toute  composee  de  Suisses  nationaux." 

Diese  Bestallung  ist  datiert  von  Dresden,  24.Mai  1725; 
sie  ist  unterzeichnet  A.  R.  und  gegengezeichnet  von 
J.  H.  C.  de  Flemming. 

Die  Absicht  des  Königs  ging  also  dahin,  das  Korps 
nach  und  nach  wieder  ganz  aus  geborenen  Schweizern  zu 
formieren. 

Um  eine  Grundlage  für  diese  Organisation  zu  ge- 
winnen, beauftragte  der  König  den  Hauptmann  de  Pro- 


*)  Er  war  1698  zu  Beaiijolais  in  Frankreich  geboren,  von 
1713—18  in  französischen  Diensten  im  Regiment  Bonrbon,  1724  ver- 
mählt zu  Warschau  mit  Fräulein  de  Barques  (Tochter  einer  Tänzerin), 
wahrscheinlich  der  natürlichen  Tochter  des  Königs,  welcher  die 
Hochzeit  ausrichtete.  Prohinques  nahm,  da  er  sich  bei  Hofe  un- 
möglich gemaclit,  kurz  nach  dem  Tode  Friedrich  August  II.,  in  dem 
er  seine  Stütze  verloren,  seine  Entlassung.  —  VeSse,  Geschichte 
der  Höfe  des  Hauses  Sachsen  (Hamburg  18.50)  VI,  220,  sagt  von 
ihm:  „Marquis  Pierre  de  Prohinques.  Dieser  französische  Marquis, 
den  die  Annalcn  der  Zeit  als  einen  der  famosesten  Glücksritter  be- 
zeichnen, machte  ....  eines  der  gröfsten  Häuser  in  Dresden.  Der 
König  speiste  wiederholt  bei  ihm.  Aber  nach  dessen  Tode  ward 
er  —  als  man  ihn  Rechnung  abzulegen  gezwungen  hatte  —  sofort 
cassirt."     (Siehe  S.  277.) 

^)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1152.  Acta  die  Leib-Garde-Trabanten  etc. 
Vol.  II  Bl.  6. 

*)  Ebenda.  Auch  der  von  ihm  abzulegende  Diensteid  (v.  28.  Mai 
1725)  befindet  sich  daselbst  Bl.  12  a. 


Schweizer  Soldtmppen  1701  —  1815.  271 

hinqiies  und  einen  in  kursächsischen  Diensten  stehenden 
Schweizer  Offizier,  Jean  (Jonrad  Sigg'')  aus  Scliaff- 
hausen,  je  ein  „Projekt"  auszuarbeiten  und  ihm  vor- 
zulegen. Da  diese  aber  nicht  zur  Durchführung  ge- 
langten, so  begnügen  wir  uns  damit,  nur  einige  wenige 
Punkte  derselben  anzuführen.  Prohinques  überreichte: 
„Observationes  so  noch  wegen  desProjectes  der  Schweizer 
Garde  zu  annotiren"^).  Dieselben  —  11  Punkte  — 
werden  aber  ausdrücklich  nur  als  „Intention"  bezeichnet. 
Punkt  6  besagt,  dals  nach  und  nach  Schweizer  von  Geblüt 
einzuführen  sind;  Punkt  7  bestimmt,  dals  keiner  in  Dienst 
zu  nehmen  sei,  „so  nicht  3  Ellen  3  Zoll  ohne  Absätze 
mifst"'');  auf  Wache  sollen  täglich  ziehen:  „1  Ober- 
Offizier,  1  Wachtmeister,  2  Korporals,  1  Tambour,  1  Pfeifer, 
4  Zimmerleute  und  32  „Trabanten"  ^'*)  etc. 

Das  andere,  französisch  abgefalste  Projekt  lautet  in 
der  Überschrift:  „Plan  d'une  capitulation  pour  la  Levee 
d'un  Regiment  Suisse  pour  le  Service  de  Sa  Majeste  le 
Eoy  de  Pologne  et  Electeur  de  Saxe"  etc.  ^^).  Dieser 
„Plan"  besteht  aus  22  Paragraphen,  Als  charakteristisch 
sei  nur  erwähnt,  dafs  Sigg  bereits  diese  Gelegenheit 
benutzt,  um  die  Anstellung  als  Oberstlieutenant  bei  dieser 
Garde  für  sich  zu  erbitten  und  um  sich  gleichzeitig  zu 
erbieten,  Sr.  Majestät  einen  sehr  vorzüglichen  Komman- 
danten mit  Oberstenrang  zu  verschaffen.  Er  scheint  also 
von  der  bereits  erfolgten  Ernennung  des  Marquis  de 
Prohinques  zum  Schweizer-Hauptmann  damals  noch  keine 
Kenntnis  gehabt  zu  haben. 


')  Derselbe  hatte  früher  13  Jahre  lang'  —  zuletzt  als  Major  — 
in  spanischen  Diensten  gestanden. 

«)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1152.  A.  cit.  Vol.  I  Bi.  Ic. 

^)  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  bemerkt,  dafs  die  Sitte  der 
„langen  Kerle"  nicht  —  wie  gewöhnlich  angenommen  —  nur  in 
Deutschland  und  speziell  in  Preufsen  gepflegt  wurde.  Fieffe, 
Histoire  des  troupes  etrangeres  au  service  de  France  etc.  (Paiis  1854) 
I,  265,  erzählt  vielmehr,  dafs  unter  Ludwig  XV.  bei  Ergänzung  der 
Cent-Suisses  ebenfalls  grofser  Wert  auf  die  Körpergröfse  gelegt 
wurde.  So  habe  der  rechte  Flügelmann  dieser  Garde  6  Fufs  4  Zoll, 
der  linke  Flügelmann  aber  6  Fufs  5  Linien  gemessen  und  sei  des- 
halb der  „Zwerg  von  Basel"  genannt  worden.  (König  Friedrichs  II. 
von  Preufsen  Garde  zählte  einen  Riesen  von  2  m  52  cm.) 

^^)  Nach  den  Nachrichten  im  K.  S.  H,-St.-A.  scheint  erst  im 
Jahre  1726  der  Name  Schweizergarde  offiziell  gebraucht 
worden  zu  sein,  jedenfalls  hinsichtlich  der  Gemeinen;  wir  fanden  die 
Bestimmung:  „wobei  die  gemeinen  Trabanten  Schweizer  benennet 
sind",  aus  diesem  bezeichneten  Jahre. 

")  K.  S.  H.-St-A.  Loc.  1152.  A.  cit.  BL  I  k  k. 


272  A.  von  Weick: 

Ob  diesen  „Projekten"  irgend  welche  weitere  Folge 
gegeben  worden  ist  oder  ob  es  überhaupt  zur  Einstellung 
von  Schweizern  damals  kam,  läfet  sich  nicht  feststellen; 
es  scheint  aber  nicht  so,  da  sich  in  den  Schweizer 
Archiven  durchaus  keine  darauf  bezüglichen  Unterlagen 
finden  lielsen.  Auch  der  Umstand,  dals  die  Schweizer- 
garde im  Jahre  1729  noch  auf  88  Mann  mit  957  Thalern 
äO'/s  Pfennig  Besoldung  angegeben  wird  —  genau  wie  im 
Jahre  1719  —  beweist,  dals  bis  dahin  keine  Augmentation, 
also  jedenfalls  auch  keine  Anwerbung  von  Schweizern 
eingetreten  war. 

Im  Jahre  1729  kam  der  König  aber  auf  das  Projekt 
zurück  und  sprach  den  bestimmten  Wunsch  aus,  dals  eine 
Erhöhung  des  Etats  durch  Einstellung  von  geborenen 
Schweizern  zu  erstreben  sei^-). 

Der  Besuch,  den  der  König  im  Mai  1728  in  Berlin 
abgestattet  hatte,  und  die  militärischen  Schauspiele,  die 
ihm  daselbst  und  in  Potsdam  durch  grolse  Revuen  geboten 
wurden,  hatten  wohl  schon  den  Gedanken  in  ihm  wach- 
gerufen, seinem  königlichen  Nachbar  demnächst  Ähnliches 
oder,  wenn  möglich,  noch  Schöneres  vorzuführen;  ein  Plan, 
der  zwei  Jahre  später  durch  das  Lustlager  bei  Zeithain 
zur  Ausführung  gelangte. 

Der  König  hielt  nicht  allein  eine  Verstärkung  seiner 
Leibgarde  zu  diesem  Zwecke  für  unumgänglich  notwendig, 
sondern  überhaupt  eine  Vermehrung  der  Armee.  Es  wurden 
deshalb  im  Jahre  1729  neue  Werbungen  ausgeschrieben 
und  die  Armee  dadurch  auf  30000  Mann  gebracht;  aulser- 
dem  wurden  ganz  neue  Garden  errichtet,  und  zwar  ein 
Korps    Grand -Mousquetaires,    „ein    sehr    starkes    Corp 


^2)  Ans  der  Zeit  zwischen  1725  uud  1729  ist  eine  „Vorstellung-" 
der  (Jensdarnierie- Offiziere  (Officiers  de  la  Marechanssee)  zu  er- 
wähnen —  ohne  Datum  — ,  mittelst  welcher  das  Ersuchen  an  den 
König  gerichtet  wird,  dafs  die  Offiziere  der  Schweizergarde  dem 
Hofmarschallanit  möchten  unterstellt  werden  und  nicht  direkt  unter 
dem  Könige  stehen,  wie  es  Herr  von  Prohinques  wünsche  (K.  S.  H.- 
St.-A.  Log.  Iln2.  A.  cit.  Vol.  II  Bl.  75).  Ob  diesem  Wunsche  Folge 
gegeben  wurde,  wissen  wir  nicht;  nacli  dem  „Etat  abrede  de  la  Cour 
de  Saxe"  von  Poe  Unit z  vom  Jahre  1734  wurde  die  Schweizer 
Garde  nicht  als  dem  Oberhofmarschallamte  unterstehend  aufgeführt, 
sondern  nur  die  „Türken,  Heiducken,  Läufer  und  Mohren".  Auch 
nach  dem  Staatskalender  für  das  Jahr  17.33  stehen  die  Schweizer 
nicht  unter  dem  Hofmarschall,  sind  übcihaiipt  nicht  im  Hofetat  auf- 
geführt (vergl.  Vehse  a.  a.  0.  VI,  217).  Der  Schweizer- Hauptmann 
Marquis  Pierre  de  Prohinques  wird  vielmehr  als  direkt  unter  dem 
König  stehend  bezeichnet  (ebenda  S.  220\ 


Schweizer  Soldtruppen  1701  —  1815.  273 

langer  Granadierer"  ^^)  und  eine  Abteilung  Janitscharen; 
endlich  wurde,  wie  erwähnt,  eine  Etat-Erhöhung 
der  Schweizergarde  anbefohlen. 

In  Bezug  auf  diese  letztere  Augmentation  liefs  sich 
der  König  abermals  eine  Denkschrift  durch  den  Schweizer- 
Hauptmann  de  Prohinques  einreichend^).  In  derselben 
heifst  es  u.  a. : 

„Pour  faire  FAugraentation  qne  Sa  Majeste  veut,  je  crois 
qu'elle  serait  facile  en  euvoj'ant  un  officier  en  Suisse,  charge  d'une 
lettre  pour  Son  Altesse  le  prince  et  abbe  de  St.  Galle,  le  prier  de 
permettre  la  levee  de  70  liommes  pour  la  garde  et  le  laisser  maitre 
de  choisir  mi  officier,  ä  qui  Sa  Majeste  accordera  la  place  de  sous- 
lieutenant  dans  la  garde  Suisse  avec  Eang  de  Major  dans  sou 
armee"  etc. 

Gleichzeitig  schlägt  Prohinques  als  den  nach  der 
Schweiz  zu  entsendenden  Offizier  den  Oberst  von  Dies- 
bach^'^)  vor. 

Der  König  ging  auf  diese  Vorschläge  ein  und  teilte 
dies  am  8.  Dezember  1729  dem  Marquis  von  Prohinques 
mit^**),  unter  der  gleichzeitigen  Bemerkung,  dals  Oberst 
von  Diesbach  eine  Instruktion  bezüglich  seiner  dienstlichen 
Reise  nach  der  Schweiz  erhalten  habe.  In  derselben  ist 
ausdrücklich  gesagt,  dafs  es  die  Absicht  des  Königs  sei, 
seine  Schweizergarde  so  viel  als  möglich  aus  National- 
Schweizern  zusammenzustellen.  Um  solche  anzuwerben, 
solle  Oberst  von  Diesbach,  mit  den  nötigen  Accreditiven 
versehen,  zum  Abt  von  St.  Gallen  und  in  die  Kantone 
Bern  und  Freiburg  reisen.  Seine  Spezial-Instruktion 
habe  Herr  von  Diesbach  vom  Oberst  von  Prohinques  zu 
erhalten,  welcher  ihm  auch  das  Geld  zur  Reise  und  für 
die  Anwerbungen  vorstrecken  werde.  Besonderer  Wert 
sei  auf  die  Erlangung  grofser  Leute  —  77  bis  78  Zoll 
Dresdner  Mafs  —  zu  legen.  Sollten  diese  nicht  in  der 
Schweiz  aufzutreiben  sein,  so  könne  Oberst  von  Diesbach 
sich  auch  an  eine  andere  Nation  wenden  ^'^). 

Diesbach  sah  sich  veranlalst,  vor  seiner  Abreise  eine 
Denkschrift  einzureichen  über  verschiedene  Punkte,  die 
er  zuvor  geregelt  wissen  wollte  ^'^j.  Der  wichtigste  der- 
selben ist  §  5:  „pour  les  frais  de  voyages,  il  supplie  qu'il 

1»)  D.  F(assmann)  a.  a.  0.  S.  927. 
")  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1152.  A.  cit.  Vol.  I  Bl.  1  ^. 
^^)  Siehe    Personal  -  Nachrichten    Anl.    No.  I.     Diesbach   war 
damals  Kapitäulieutenant  der  Schweizergarde. 

16)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1152.  A.  cit.  Vol.  II  Bl.  77. 
")  Ebenda  Bl.  85. 
1**)  Ebenda  Bl.  87. 

Neues  Archiv  (.  S.  G.  u.  A.  XIV.  3    4.  18 


274  A.  von  Welck: 

les  piiisse  avoir  avant  son  depavt,  (Vautant  ])lns,  qiie 
Mr.  de  Prohinques  ne  peiit  liii  donner  (jue  400  Diicats  poiir 
les  Recrues  et  voyage,  de  sorte,  qu'il  n'y  a  rieii  ä  preiidre 
pour  son  particulier"  etc. 

Ob  diesem  Wunsche  Diesbachs  Rechnung;  getragen 
wurde,  ist  uns  nicht  bekannt.  »Sicher  ist  nur,  dals  er  im 
Dezember  abreiste,  ausgerüstet  mit  einem  königlichen 
Empfehlungsschreiben  an  den  Abt  von  St.  Gallen  ^'') 
sowie  mit  je  einem  Schreiben  an  die  Kantone  Bern  und 
Freiburg^").  Alle  drei  wurden  ihm  im  Auftrage  des 
-Königs  vom  Marquis  von  Prohinques  eingehändigt. 

Nach  den  noch  vorhandenen  Akten  zu  urteilen,  scheint 
sich  Diesbach  zunächst  nach  Freiburg  begeben  und 
in  der  Sitzung  des  grolsen  Rates  am  7.  Februar  1780 
sein  Gesuch  —  unter  Überreichung  des  königlichen 
Schreibens  —  vorgebracht  zu  haben.  Das  betreffende 
Ratsprotokoll  giebt  hierüber  die  erforderliche  Auskunft-^). 
Noch  am  nämlichen  Tage  erliels  der  grolse  Rat  ein 
Antwortschreiben  an  den  König,  in  welchem  die  Ver- 
willigung  zur  Anwerbung  von  15  Mann  —  die  gewünschte 
Anzahl  —  ausgesprochen  wird--). 

Nach  Bern  scheint  sich  Diesbach  nicht  begeben  zu 
haben,  da  sich  daselbst  an  keiner  Stelle  darauf  bezügliche 
Aufzeichnungen  vorfinden.  Der  in  der  Instruktion  erwähnte 
Fall :  „mais  il  ne  se  servira  des  deux  dernieres  (d.  i.  der 
Briefe  für  Bern  und  Freiburg)  qu  a  bonnes  enseignes  et 
lorsqu'il  trouvera  les  cantons  disposes  ;i  faire  au  R03'  le 
plaisir  (ju'il  Leur  demande",  mag  wohl  hier  eingetreten 
sein.  Möglich  ist  es  aber  auch,  dals  die  von  Freiburg 
und  dem  Abt  von  St.  Gallen  gewährten  und  in  Aussicht 
gestellten  Leute  zu  der  projektierten  Vermehrung  der 
Schweizergarde  bereits  genügten. 

>9)  K.  S.  H.-St-A.  Loc.  1152.  A.  cit.  Vol.  II  El.  88. 

20)  Ebenda  Bl.  89. 

2»)  Kanton  Freiburg,  Ratsmanual  No.  261  Bl.  70  d.  d.  Diens- 
tag, 7.  Februar  17.30. 

--)  Kanton  Freil)urg.  Acta  Regi  Poloniae.  Werbung  National- 
mannschaft zu  dessen  Scliweyzer  Garde  d.  d.  7.  Februar  1730. 
Missiveubuch  No.  53,  S.  517.  —  Girard,  Histoire  abr^geo  dos  officiers 
Suisses  etc.  (Fribourg  1781)  I,  177,  sagt  über  diese  Mission  Dies- 
bachs:  „En  1780  ce  Prince  (der  Kurfürst  von  Sachsen)  l'envoya  ä 
Fribourg  avec  nne  lettre,  pour  demander  ä  Leurs  Excellences  quelques 
beaux  hoinmes  aiiii  de  retablir  sa  conipagnio  de  ^vrais  Suisses,  ce 
quil  obtint;  pendant  son  sejour  dans  cctte  ville  TEtat  lui  donna  un 
festin.  lionneur  qui  n'etoit  arrive  ä  aucun  Citoyen.  II  i6toit  alors 
Aide-de-canip  de  l'Electeur. 


Schweizer  Soldtruppen  1701  —  1815.  275 

Ebenso  günstig  wie  in  Freiburg  verliefen  die  Ver- 
handlungen in  St.  Gallen,  wie  aus  dem  Schreiben  des 
Fürst -Abtes  an  den  König  vom  29.  März  1730  hervor- 
geht--^). —  Ob  sich  üiesbach  erst  im  März  nach  St.  Gallen 
begab  oder  ob  der  Abt  aus  anderen  Gründen  erst  jetzt 
Veranlassung  fand,  dem  König  zu  antworten,  läfst  sich 
ebensowenig  feststellen,  wie  die  Zahl  der  in  St  Gallen 
angeworbenen  Söldner.  Da  aber,  wie  wir  später  sehen 
werden,  die  Schweizergarde  im  folgenden  Jahre  im  Lust- 
lager bei  Zeithain  120  Mann  zählte  —  ohne  prima  plana  — , 
im  Jahre  1729  aber  nur  88,  und  in  Freiburg  15  Mann 
angeworben  wurden,  so  darf  man  annehmen,  dals  es 
17  Mann  waren,  welche  der  Abt  bewilligte.  Auffallend 
erscheint  es  in  jedem  Falle,  dals  zwischen  der  Antwort 
des  grolsen  Rates  von  Freiburg  und  der  des  Abtes  von 
St.  Gallen  beinahe  sechs  Wochen  liegen. 

Nach  dem  Eintreffen  dieser  Komplettierungen  betrug 
der  Etat  der  Schweizergarde  ^^): 

Ein  Capitän  mit  Gehalt  pro  Monat  110  Thaler  12  gr.  —  Pf. 
Ihm   sind  zwei  Leib-Schützen  bei- 
gegeben mit  einem  Lohn  von     10  „  12  „  —  „ 
Ein  Capitän-Lieutenant  mit  Gehalt 

pro  Monat 65  „  —  „  —  „ 

Ein  Lieutenant 50  „  —  „  —  „ 

Ein  Sous-Lieutenant 30  .  —  „  —  „ 

Ein  Fähndrich 25  „  —  ,,  —  „ 

Ein  Secretarius 9  ,.  15  „  —  „ 

Ein  Wachtmeister  -  Lieutenant  .     .13  „  12  ,,  —  „ 

Ein  Fahnjunker 8  „  —  „  —  „ 

Ein  Feldscheer 7  „  —  „  —  „ 

Sechs  Rottmeister   ä  7   Thaler  =42  „  —  „  —  „ 

Drei  Pfeiffers  ä  5  Thaler  6  gr.  =     15  „  18  „  —  „ 

Drei  Tambours  ä  5  Thaler  6  gr.  =:     15  „  18  „  —  „ 
108  Gemeine  incl.  8  Spielleuthe  und 

4Zimmerleutheä5Thlr.  6gr.  =  567  .,  —  „  —  „ 


966  Thaler     8  gr.  —  Pf. 


23)  Stifts -Archiv  St.  Gallen.  IV.  36.  7.  Konzept  oluie 
Unterschrift.  Der  damalige  Fürst -Abt  von  St.  Gallen  war  Joseph 
von  Rudolphi  aus  Laibach.  Erwählt  den  17.  Dezember  1717.  Ge- 
storben den  7.  März  1740. 

21)  K.  S  H.-St.-A.  Loc.  431.  Vol.  5,  Beilagen.  Da  die  Rang- 
liste vom  Jahre  1785,  Beil.  4,  den  Etat  der  Schweizergarde  während 
des  Lustlagers  bei  Zeithain  im  Jahre  1730  auf  3  Offiziere  und 
120  Mann  angiebt,  und  der  Kapitänlieutenant  von  Diesbach  nicht 
mit  aufgeführt  ist  (vergl.  w.  u.),  so  war  derselbe  jedenfalls  mit 
einigen  Gardisten  als  Schlofswachtkommando  in  Dresden  zurück- 
geblieben. 

18* 


276  A.  von  Welck: 

Transport  ;9ü(i  Tlialer    3  gr.  —  Pf. 
Hierüber  zu  allerhand  ciirrentenAui?- 
gaben,   als  Gewehr-  und  Jlon- 
tirungs-lieparatur  u.  dergl.  auf 
Berechnung 33       „       21    „    —    „ 


Sa.  1000  Thaler  —  gr.  —  Pf. 

Dieser  Etat  verblieb  bis  zum  Jahre  1739  unver- 
ändert. — 

Das  schon  oben  erwälmte  Lustlager  bei  Zeithain  bildet 
einen  für  die  Geschichte  der  sächsischen  Armee  bedeut- 
samen Moment.  Nicht  allein  die  in  verschwenderischer 
Weise  verwendeten  Kosten  und  der  dadurch  erzielte 
Luxus  und  Glanz  der  gesamten  Ausstattung,  sondern  auch 
die  vortreffliche  Ausbildung  aller  Waffengattungen  trugen 
dazu  bei,  den  zahlreich  versammelten  deutschen  Fürsten 
ein  Bild  nie  gesehener  militärischer  Pracht  und  Tüchtig- 
keit vor  Augen  zu  führen. 

Von  Gardetruppen,  welche  nicht  der  Feldarmee, 
sondern  der  maison  du  lioi  angehörten,  nahmen  an  dem 
Lager  teil  die  Cadets,  die  Grenadiergarde,  das  Janitscharen- 
bataillon  und  endlich  in  der  Stärke  von  120  Mann  die 
Schweizer  Leibgarde  (Oberst:  Hauptmann  von  Prohinques, 
Oberstlieutenant:  Lieutenant  von  Liebenau,  Major:  Lieute- 
nant von  Parura)^'^). 

Die  Schweizergarde  trat  am  19.  und  20.  Mai  von 
Dresden  aus  den  Marsch  nach  dem  Zeithainer  Lager  an.  — 
>  Nach  dieser  AuAverbung  von  National-Schweizern  im 
Jahre  1730  haben  deren  nachweislich  nicht  mehr  statt- 
gefunden, doch  begegnen  wir  während  des  Verlaufes  des 
18.  Jahrhunderts  noch  vielfach  Schweizern  in  den  ver- 
schiedenen Offizierskorps  der  Armee  und  zwar  mehrfach 
in  hervorragenden  Stellungen.  Wir  verweisen  in  dieser 
Hinsicht  auf  die  als  Anlage  No.  I  gegebenen  Personal- 
nachrichten. In  der  Schweizergarde  selbst  dienten  ver- 
hältnismäfsig  nur  w^enige  Schweizer  als  Offiziere. 

Vom  Jahre  1748  an  geben  die  Ranglisten  ziemlich 
genaue  Nachrichten  über  die  Zusammensetzung  derOffiziers- 
korps  sowie  über  die  Uniformierung,  während  bis  zu  diesem 
Jahre  nur  spärliche  Nachrichten  über  Personalien  der 
Schweizergarde  vorliegen.  So  erhielt  am  16.  September 
1730  der  Chevalier  de  Beaufort  ein  Patent  als  Fähn- 
drich  mit  dem  Charakter  und  Rang  eines  Capitaine-"); 


2''>)  Yergl.  Rangliste  vom  Jahre  1785.  Beil.  4. 

2«)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1152.  A.  cit.  Vol.  IT  Bl.  178. 


Schweizer  Soldtnippen  1701  —  1815.  277 

am  1.  Oktober  1731  fand  die  Ernennung  des  bisherigen 
„Sous- Lieutenants  vom  Königl.  Prinzens  Regiment  In- 
fanterie, von  Thaler,  als  Fähndrich  bey  der  Schweitzer 
Garde  mit  dem  Caractere  und  Rang  alss  Capitaine  von 
der  Infanterie"  statt-');  am  5.  Dezember  1732  avancierte 
Graf  Axel  von  Cronhiehu  vom  Lieutenant  der  Schweizer- 
garde zum  Kapitänlieutenant  derselben-^).  Wir  lassen 
es  dahingestellt,  ob  derartige  kurze  Notizen  über  Offlziers- 
ernennungen  etc.  nicht  noch  mehr  zu  finden  sein  dürften. 

Die  Ranglisten  der  sächsischen  Armee,  die  —  hand- 
schriftlich —  aus  verschiedenen  Jahren  vor  1748  (1682  bis 
1690,  1710  und  1722)  vorhanden  sind,  erwähnen  die 
Schweizergarde  nicht,  da  dieselbe  thatsächlich  von  1680 
bis  1725  nicht  bestand. 

Der  ferneren  Schicksale  der  Schweizergarde,  welche 
ihrem  Charakter  als  Leibgarde  und  kurfürstliche  Haus- 
truppe treu  blieb  und  selten  in  der  Hof-  und  Armee- 
geschichte  erwähnt  wird,  sei  nur  in  einzelnen  Zügen 
gedacht. 

Das  Verhältnis  zwischen  dem  Schweizer-Hauptmann 
Graf  de  Prohinques  (Avie  er  jetzt  mehrfach  genannt  wird) 
und  dem  Kapitänlieuteuant  von  Diesbach  war  kein  gutes; 
man  ersieht  dies  aus  einem  „Memoire",  welches  der 
erstere  am  32.  Januar  1732  an  den  König  einreichtet^). 
Die  Folge  sollte  lehren,  dals  die  Schuld  des  Zerwürf- 
nisses wohl  an  dem  Verhalten  des  Vorgesetzten  und  i^cht 
an  dem  des  Untergebenen  lag.  Den  nächsten  Beweis 
dafür  dürfte  die  im  Sommer  desselben  Jahres  (6.  August) 
erfolgende  Ernennung  Diesbachs  zum  Chef  des  bisherigen 
Lifanterieregiments  Marche,  welches  später  —  1748  — 
als  Regiment  Jasmund  aufgelöst  wurde,  bieten.  In  dieser 
Stellung  blieb  er  nur  während  eines  Jahres.  Nach  dem 
am  1.  Februar  1733  erfolgten  Ableben  des  Königs  wurde 
nämlich  eine  Untersuchung  gegen  Oberst  de  Prohinques 
eingeleitet  (vergl.  Note  4)  und  derselbe  wegen  mehr- 
facher ihm  nachgewiesener  Unterschlagungen  kassiert, 
Oberst  von  Diesbach  aber  als  sein  Nachfolger  zum 
Schweizer-Hau|itmann  ernannt. 

Aus  diesem  Jahre  —  1733  —  giebt  Vehse"^")  den 
Etat  der  Schweizergarde  auf  134  Mann  an,  macht  sich 

27)  K.  S.  H.-St.-A.  Loc.  1152.  A.  cit.  Vol.  II  Bl.  206. 

28)  Ebenda  Bl.  207. 

29)  Ebenda  BL  207. 

30)  Vehse  a.  a.  0.  VI,  221. 


278  A.  von  AVelck: 

aber  liieiin,  Avie  in  vielen  anderen  Stücken,  einer  Unge- 
nauigkeit  schuldig-.  Der  Etat  blieb,  wie  schon  auf  ö.  276 
erwähnt,  bis  zum  Jahre  1739  unverändert  auf  129  Mann 
incl.  prima  plana.  Im  Jahre  1740  trat  eine  Reduktion 
um  3  Köpfe  ein,  hingegen  eine  Erhöhung  des  monatlichen 
Besoldungsetats  um  1  Thaler  16  Gr.  10  Pf.,  so  dals  also 
126  Personen  eine  monatliche  Besoldung  von  1000  Thaler 
16  Gr.  10  Pf.  erhielten. 

Auch  die  Angaben,  die  Velise  an  derselben  Stelle 
über  die  Uniformierung  macht,  sind  falsch.  Er  schreibt 
nämlich,  die  Schweizergarde  habe  hellblaue  liöcke  mit 
strohgelben  Aufschlägen,  kurze,  sehr  weite  hellblaue  Bein- 
kleider und  Strümpfe,  gelbe  Westen  und  ganz  kleine  mit 
gelb  und  blauen  Federn  geschmückte  Hütchen  auf  einer, 
mit  vielen  Locken  versehenen  Perücke  getragen.  Einen 
blauen  Rock  hatten  aber  nur  die  Offiziere,  die  wiederum 
keine  weiten  Beinkleider  trugen ;  die  Mannschaften  hatten 
als  tägliche  Uniform  gelbe  Röcke  und  in  Parade  die  alte 
Schweizer  Tracht,  genau  so  wie  die  Uniform  im  Jahre  1719 
festgestellt  worden  war  (vergl.  S.  268 f.).,, 

Oberst  von  Diesbach,  der  bei  Übernahme  des 
Kommandos  der  Schweizergarde  gleichzeitig  zum  General- 
major der  Infanterie  ernannt  Avurde,  starb  1742  und  es 
folgte  ihm  in  der  Stellung  als  Schweizer-Hauptmann  der 
Oberst  6'Meagher^^\  Sein  Name  wird  in  den  Verhand- 
lungen vor  Ausbruch  des  siebenjährigen  Krieges  mehrfach 
genannt. 

König  August  HL,  der  bis  zuletzt  an  derHofthung  fest- 
hielt, dals  sich  die  zwischen  Sachsen  und  Preulsen  ent- 
standenen Differenzen  würden  beilegen  lassen,  entsendete 
noch  am  29.  August  1756  den  mittlerweile  zum  General- 
lieutenant avancierten  Schweizer -Hauptmann  O'Meagher 
als  aulserordentlichen  Gesandten  an  den  König  von 
Preulsen,  der  sich  in  Pretzsch  befand  und  den  General 
am  1.  September  daselbst  empfing"'-).  Die  Mission  des- 
selben hatte  aber  bekanntlich  keinen  Erfolg. 

Der  König  befahl  demzufolge,   dals  die  gesamte,  in 


"')  Thaddäus  6'Meagher,  ein  geborener  Irländer,  avancierte 
1744  zum  Generalmajor,  175;i  zum  Generallieutenant. 

^2)  Die  Geheimnisse  des  Sächsischen  Cabinets  (Stuttgart  18f)6) 
I,  403  ff.  Wenn  hier  gesagt  wird,  dafs  General  ö'Meagher  Kom- 
mandant der  „hauptsächlich  aus  Irländern  bestehenden  Schweizer 
Tral)antenleibgarde"  gewesen  sei,  so  haben  wir  für  diese  Angabe 
keine  Begründung  rinden  können. 


Schweizer  Soldtrupiieii  1701  —  1815.  279 

den  letzten  Jahren  wesentlich  reduzierte  Armee  ein  be- 
festigtes Lager  bei  Pirna  beziehen  solle.  Die  Dresdner 
Garnison  verliel's  zu  dem  Zwecke  die  Residenz  am  2.  Sep- 
tember, und  die  Bürgerwehr  übernahm  die  Bewachung 
der  ötadt,  während  zum  Dienste  im  königlichen  Schlosse 
—  in  welchem  die  Königin  auch  nach  der  Abreise  ihres 
Gemahls  nach  der  Festung  Königstein  verblieb  —  die 
Schweizergarde,  die  an  und  für  sich  nicht  zu  den 
Feldtruppen  gehörte,  in  Dresden  belassen  wurde. 

Am  folgenden  Tage  —  3.  September  —  schrieb  Graf 
Brühl,  der  sich  im  Gefolge  des  Königs  befand,  aus  Struppen 
an  den  General  Graf  Wackerbarth,  der  das  Präsidium 
der  Landesregierung  übernommen  hatte:  „Glücklich  hier 
angekommen,  ist  es  meine  erste  Sorge,  Ew.  Excellenz 
zu  ersuchen,  im  Falle  der  König  von  Preulsen  Garden 
vor  das  Schlofs  stellen  sollte,  zu  verlangen,  dafs  das 
Innere  des  Schlosses  durch  die  Schweizer  und  nicht 
durch  die  Preulsen  bewacht  werde"  etc.^'^). 

Diesem  Wunsche  kam  man  auch  preufsischerseits 
nach.  Nachdem  aber  im  April  1757  der  Graf  Wacker- 
barth arretiert  worden  war  und  kurz  zuvor  auch  die 
Gräfin  Brühl,  die  Gattin  des  Premierministers,  so  entzog 
man  auch  der  Königin  die  Annehmlichkeit  der  Schweizer 
Leibwache.  Ob  wirklich  durch  diese  Malsregel  eine 
Pression  auf  die  Königin  ausgeübt  werden  sollte,  Dresden 
zu  verlassen  und  sich  nach  Polen  zu  begeben,  sei  dahin- 
gestellt. 

Am  9.  April  1757  that  die  Schweizergarde  zum 
letzten  Male  ihren  Dienst  und  General  6'Meagher  sowie 
der  unter  ihm  befehligende  Kapitänlieutenant  General- 
major Graf  von  der  Horst  erhielten  die  Anweisung,  dals 
sie  das  königliche  Schlots  nicht  mehr  zu  betreten,  sondern 
Dresden  zu  verlassen  hätten-^*). 

Nach  dem  Abschluls  des  Hubertusburger  Friedens 
kehrten  die  Reste  der  sächsischen  Armee,  die  haupt- 
sächlich aus  denen  bestanden,  die  sich  dem  preulsischen 
Militärdienste  durch  Ranzionierung  entzogen  und  sich  unter 
Prinz  Xaver  erst  in  Ungarn,  dann  in  Frankreich  ge- 
sammelt hatten,  nach  Sachsen  zurück,  und  des  Königs 
Sorge  war  dahin  gerichtet,  seine  Armee  wieder  neu  zu 

^^)  Geheimuisse  des  Sächsischen  Cahiaets  I,  422. 

***)  Nach  Schuster  und  Francke  a.  a.  O.  II,  80  hätten  die 
preulsischen  Truppen  die  Schlofswache  gemeinsam  mit  der  Schweizer- 
garde gegeben. 


280  A.  von  "Welck: 

organisieren.  Auch  die  Schweizergarde  wurde  neu 
formiert  und  dem  General  o'Meagher  wieder  unterstellt. 
Sol)ald  die  Neul"ormatif)n  heendet  war,  bezog  sie  wieder 
die  Schlolswache,  die  zunächst  nach  der  Rückkehr  der 
Truppen    die    Leibgrenadiergarde    übernommen    hatte  •^^). 

Bereits  zwei  Jahre  später  —  1765  —  starb  General 
o'Meagher,  Sein  Nachfolger  als  Schweizer -Hauptmann 
wurde  Johann  Joseph  Baron  Griset  de  Forel""*),  ein 
Schweizer,  der  176G  in  sächsische  Dienste  trat,  aber.erst 
im  Januar  1769  zu  dieser  Stellung  berufen  wurde.  Über 
die  Zwischenzeit,  von  1765 — 1769,  fehlen  die  Nachrichten; 
die  Stelle  scheint  offen  geblieben  zu  sein. 

Die  Eeorganisation  der  Armee  begann,  nach  den 
Vorschlägen  des  Chevalier  de  Saxe,  am  3.  Juli  1763. 
Der  noch  in  demselben  Jahre  erreichte  Etat  der  Schweizer- 
garde betrug :  1  Kapitän,  1  Kapitänlieutenant,  1  Premier- 
lieutenant, 1  Souslieutenänt,  1  Wachtmeisterlieutenant, 
1  Feldscheer,  6  Rottmeister,  3  Pfeifer,  3  Tambours,  8  Spiel- 
leute, 4  Zimmerleute,  96  Gemeine-").  In  der  Haupt- 
sache also  —  namentlich  hinsichtlich  der  Zahl  der  Ge- 
meinen —  dem  Etat  von  1730  entsprechend. 

Über  die  Uniformierung  der  Schweizergarde  in  der 
zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  giebt  die  Rang- 
liste vom  Jahre  1783  die  erste  spezielle  und  authentische 
Auskunft.    Es  heilst  daselbst  auf  S.  84: 

Schweizerleibgarde-Uniform,      a)  Parade-Uniform. 

Die  Officiers  hellblaue  Röcke,  gelbe  Aufschläge,  Westen, 
Beinkleider  xmd  Unterfutter,  die  Röcke  auf  allen  Näthen  mit  breiten 
silbernen  Tressen  besetzt,  Schleifen  mit  (Quasten  auf  beiden  Seiten 
des  Rockes,  auf  den  Aufschlägen  und  Taschen,  die  Westen  mit 
Tressen,  weifse  Knöpfe,  weifse  Federn  auf  den  mit  einer  silbernen 
Point  d'Espagne  eingefafsteu  Hüten. 

Die  Unteroffiziere  imd  Gemeinen  haben  die  alte  Schweizer 
Tracht. 

b)  Tägliche  Uniform. 

Die  Offiziers  blaue  Röcke,  gelbe  Aufschläge,  Westen  und 
Beinkleider,  auch  dergleichen  Unterfutter,  die  Röcke  mit  silbonien 
Schleifen  auf  beiden  Seiten,  auf  den  Aufschlägen  und  Taschen  be- 
besetzt; weifse  Knöpfe;  Hüte  mit  silbernen  Tressen  eingefafst. 

Unteroffiziere  und  Gemeine  gelbe  Röcke,  blaue  Auf- 
schläge, Westen,  Beinkleider  und  Strümpfe,  der  Rock  mit  Borden- 
schleifen besetzt;  silberne  Tressen  und  Federbüsche  auf  den  Hüten, 
weifse  Knöpfe,  gelbe  Mäntel  mit  blauen  Kragen.  Das  ganze  Korps 
führt  Partisanen  luid  Säbel. 


35)  Schuster  und  Francke  a.  a.  0.  II,  157. 
"«)  Siehe  Personal  -  Nachrichten  Anl.  No.  I. 
")  Schuster  und  Francke  a.  a.  0.  II,  156. 


Schweizer  Soldtrnppen  1701—1815.  281 

Diese  Uniform  blieb  unverändert  bis  zum  Jaliie  1803. 
In  der  Eangliste  dieses  Jahres  wird  dieselbe  in  der  nach- 
stehenden Weise  beschrieben: 

Schweizerleibgarde- Ulliform.  Gelbtuchene  Röcke ;  Auf- 
schläge, Unterkleider  und  Strümpfe  hellblau.  Der  Rock  mit  weifs- 
und  blaugestreiften  Bordenschleifen  und  Achselbäudern  besetzt,  weifse 
Knöpfe ;  Hüte  mit  silbernen  Tressen  und  darauf  gelb-  und  blaufarbige 
Cocarden  und  Federbüsche.  Gelbtnchene  Mäntel  mit  blauen  Kragen. 
Das  Corps  führt  Partisanen  und  Säbel,  letztere  werden  in  einem  mit 
Borden  besetzten  blautuchenen  Wehrgehänge  getragen.  Die  Offi- 
ziere haben  hellblaue  Röcke  mit  gelben  Aufschlägen,  Unterkleidern 
und  Unterfutter;  besetzt  der  Rock  zu  beiden  Seiten,  Aufschlägen, 
Taille  und  Taschen  mit  silbernen  Schleifen  und  die  Weste  mit  breiten 
Tressen;  weifse  Knöpfe;  silberne  Tressen  um  die  Hüte  mit  Agraffen, 
Cordons  und  weifsen  Cocarden.  Hiernächst  tragen  die  Offiziere 
hellblaue  Interimsröcke  mit  einer  Reihe  weifser  Knöpfe,  Kragen 
und  Aufschläge  gelb,  silberne  Epaulettes  und  weifse  Unterkleider. 
Die  Gala- Uniform  ist  die  alte  Schweizertracht.  Die  der  Offi- 
ziere hellblaue  Röcke  mit  gelbseidenen  Aufschlägen,  Unterfutter 
und  Unterkleidern,  durchaus  und  auf  allen  Näthen  mit  silbernen  Lalm- 
tressen  und  gestickten  Achselbäudern  besetzt;  silberne  Knöpfe,  gelb- 
seidne  reichbesetzte  Wehrgehänge,  weifse  Federn  und  Federbüsche 
auf   den   mit   einer  silbernen  Point  d'Espagne  eingefafsten  Hüten." 

Es  ist  hiernach  speziell  zu  bemerken,  dafs  die 
Offiziere  drei  verschiedene  Uniformen,  statt  der  bis- 
herigen zwei,  erhielten.  Aus  demselben  Jahre  wird  der 
Etat  mit  120  Köpfen  angegeben  und  zwar: 


1  Schweizer  Hauptmann, 

1  Wachtmeisterlieutenant, 

1  Kapitänlieutenant, 

3  Rottmeister, 

1  Premierlieutenant, 

3  Corporals, 

1  Souslieutenant, 

3  Tambours, 

1  Auditeur, 

3  Pfeiffer, 

1  Oberfeldscheer, 

1  Fourierschütze, 

100  Schweizer, 

Sa.  120  Mann. 

Bei  der  Reorganisation  der  Armee  im  Jahre  1810 
blieb  die  SchAveizergarde  bezüglich  Etat  und  Uniformierung 
unverändert. 

Am  1.  April  1814  wurde  sie  durch  das  russische  General- 
gouvernement aufgelöst,  nachdem  sie  am  31.  März  zum 
letzten  Male  die  Wache  im  königlichen  Schlosse  bezogen 
hatte -^s). 

König  Friedrich  August  der  Gerechte  bestätigte  nach 
seiner  Rückkehr  aus  der  Gefangenschaft  im  folgenden 
Jahre  diese  Anordnung  des  Generalgouvernements.  Bei 
dem   feierlichen    Eüizuge   desselben   aber,   der  eine  der 


^'^)  Nicht   am  31.  Januar,    wie  es  bei  Klemm,    Chronik  der 
Königl.  Sachs.  Residenzstadt  Dresden  (Dresden  1837)  S.  637  heifst. 


282  A.  von  Welck: 

grolsartigsteii  und  überwältigendsten  Darlegungen  der 
Liebe  und  Verehrung  aller  Klassen  des  sächsischen 
Volkes  für  ihren  König  war,  erblickte  man  zum  letzten 
Male  einzelne  Vertreter  der  Schweizergarde  in  ihrer 
Uniform.  Wenn  es  in  der  „Geschichte  der  sächsischen 
Armee" •^•')  heilst:  „Die  Königl.  Schweizer  Leibgarde 
hatte  sich  am  7.  Juni  1815  zum  letzten  Male  öffentlich 
gezeigt.  Am  Nachmittage  genannten  Tages  nämlich,  als 
der  König  Friedrich  August  von  Pirna  her  seinen  Einzug 
in  Dresden  hielt,  hatte  sie  am  Dürfe  Seidnitz  an  der  Chaussee 
in  Parade  Aufstellung  genommen"^*'),  so  hat  dies  nur 
Bezug  auf  einzelne  Leute,  die  aus  eigener  Initiative 
dem  geliebten  Landesherru  diese  Huldigung  darbrachten. 
Wir  führen  zum  Beweise  dessen  ein  paar  Stellen  aus 
zeitgenössischen  Beschreibungen  dieses  Einzuges  an.  So 
heilst  es  in  der  einen^^):  „Vor  dem  Dorfe  Seidnitz  hatten 
sich  wieder  einige  Reihen  treuer  Sachsen  gebildet.  Unter 
ihnen  Mehrere  aus  der  von  dem  General- Gouvernement 
verabschiedeten  Königl.  Schweizergarde  in  ihrer  alt- 
teutschen  Tracht" ;  und  eine  andere*-)  berichtet:  „Vor  dem 
Dorfe  Seidnitz  hatten  sich  viele  wohlgekleidete  Einwohner 
Dresdens  und  unter  ihnen  mehrere  Verabschiedete  von 
der  Königl.  Schweizergarde  in  ihrer  alten  charakte- 
ristischen Uniform  in  doppelter  Reihe  aufgestellt"  etc. 
An  diesem  für  Sachsens  Geschichte  hochwichtigen 
Tage  zeigte  sich  zum  letzten  Male  die  Uniform,  deren 
Trägern  seit  mehr  als  150  Jahren  die  Bewachung  der 
königlichen  Familie  und  des  königlichen  Schlosses  an- 
vertraut gewesen  war.  Bestand  diese  Schweizergarde 
auch  in  der  letzten  Zeit  nicht  mehr  oder  doch  nur  zum 
kleinsten  Teile  aus  Söhnen  der  Schweizer  Berge,  so  hat 
doch  in  ihr  die  historische  Schweizertreue  fortgelebt  bis 
zum  letzten  Tage  ihres  Bestehens,  und  die  blau- gelben 
Uniformen,  die  am  7.  Juni  den  königlichen  Herrn  bewill- 
kommneten, Avaren  Abschiedsgrülse  aus  vergangenen  Tagen 
des  Glanzes  und  der  Grölse! 


"*)  Schuster  und  Francke  a.  a.  O.  HI,  B. 

'<>)  Auch  Klemm  a.  a.  0.  S.  649  berichtet  dies  fälschlicher 
Weise. 

•*')  Des  Königs  Friedricli  Augusts  des  Gerechten  Heimkehr 
und  Empfang  am  7.  Juni  1815.     Dresden,  Hofl)Uc]i(lruckerei,  S.  759. 

'-)  Beschreibung  der  grofsen  Feier  bei  der  Kiickkehr  Sr.  Königl. 
Majestät  Friedrich  August  des  Gerechten  mit  AUerliöchster  Familie 
in  Ihre  Residenz  Dresden.  Am  7.  Juni  1815.  Dresden,  Gärtner. 
S.  1(5. 


Schweizer  Soldtrappen  1701  —  1815.  283 


.  Alllage  I.  Personal -Nachrichten 

über  Schweizer,   welche   sich  in  hervorragenden  Stellangen  in 
kursächsischen  Diensten  befanden. 

Franz  Noa  de  Crousaz  ^).  Geboren  1694,  als  Sohn  des  Franz 
Daniel  de  Crousaz  und  der  Judith  de  Mellet,  trat  er  bereits  1708, 
also  mit  14  Jahren,  in  holländische  Dienste  als  Fähnrich  in  das 
Regiment  Mestral.  Dasselbe  nahm  im  folgenden  Jahre  an  der 
Schlacht  bei  Malplaquet  teil  und  verlor  seine  sämtlichen  Offiziere. 
Der  15jährige  Fähnrich  übernahm  das  Kommando  des  Regiments 
und  führte  dasselbe  in  guter  Ordnung  aus  dem  Gefecht  zurück.  In 
dem  an  die  Generalstaaten  erstatteten  Rapport  unterschrieb  er  sich: 
„de  Crousaz,  enseigne  et  Commandant  du  regiment  de  Metral".  Nach 
Beendigung  des  Spanischen  Erbfolgekrieges  ^vurde  die  Kompagnie, 
bei  weicher  er  als  Lieutenant  stand,  abgedankt,  und  er  begab  sich 
nach  Spanien  und  übernahm  daselbst  eine  Dragoner- Kompagnie. 
Dieselbe  gehörte  zu  den  Truppen,  mit  denen  im  Jahre  1719  ein 
Landungsversuch  in  Schottland  gemacht  Averden  sollte.  Ein  heftiger 
Sturm  zerstreute  aber  die  Flotte,  und  das  Schiff,  auf  dem  sich  Crousaz 
befand,  wurde  an  die  norwegische  Küste  verschlagen  und  scheiterte 
in  der  Nähe  von  Bergen.  Gerettet,  wurde  Crousaz  auf  Befehl  des 
Königs  gefangen  gesetzt.  Er  erhielt  seine  Freiheit  erst  im  Jahre 
1721  zurück  und  begab  sich  sofort  in  die  Dienste  des  Königs  von 
Polen  und  Kurfürsten  von  Sachsen,  der  ihm  zunächst  eine  Hauptmanns- 
stelle  im  Kadettenkorps  verlieh ^j.  Später  wurde  er  Adjutant  des 
Generals  von  Milkau  und  Oberstlieutenant  eines  Dragonerregiments. 
Im  Jahre  1739  wurde  er  in  das  erste  Garderegiment  versetzt  und 
nahm  an  der  Erstürmung  von  Prag  am  25. /26.  November  1741  ruhm- 
vollen Anteil.  Wenn  es  aber  bei  May^)  heifst:  „il  monta  en  1751 
(soll  heifsen  1741)  ä  la  tete  de  ce  corps  (d.  i.  des  ,premier  regiment 
des  gardes  ä  pied')  ä  l'assaut  de  Prague,  et  fut  le  premier,  qui 
penetra  dans  cette  place  du  cote  de  l'attaque  des  Saxons"*),  so  ist 
dies  nicht  richtig.  Oberstlieutenant  de  Crousaz  kommandierte  bei 
dieser  Affaire  eines  der  vier  kombinierten  Musket ierbataillone, 
während  die  Erstürmiing  der  Festung  von  der  Seite  des  Karlsthores 
durch  die  vier  kombinierten  Grenadierbataillone,  und  zwar  in 
erster  Linie  durch  das  erste  derselben  —  Oberstlieutenant  Sehdenz  — 
unter  persönlicher  Führung  des  Oberst  Graf  Cosel,  erfolgte.  Der 
Name  de  Crousaz  wird  auch  in  dem  über  diese  Waffenthat  vom 
General  Graf  Rutowsky  au  den  König  .  gerichteten  Rapport  nicht 
erwähnt^). 


^)  Crousaz  ist  eine  alte  adlige  Familie,  deren  Stammschlofs 
gleichen  Namens  zum  Ort  Chexbre  im  Kirchspiel  St.  Saphorin  des 
Kantons  Waadt  gehört. 

2)  Als  solcher  nahm  er  1730  teil  au  dem  Lustlager  bei  Zeithain. 

^)  May,  Hist.  militaire  des  Suisses  a.  a.  0.  II,  581. 

*)  Auch  Girard  a.  a.  0.  berichtet  in  ähnlicher  Weise. 

"'')  Kriegsgeschichtliche  Einzelschriften,  herausgegeben  vom 
grofsen  Generalstabe,  Heft  7:  Der  Antheil  der  Kurfürstl.  Sachs. 
Truppen  an  der  Erstürmung  von  Prag,  25,|26.  November  1741. 
(Berlin  1886.) 


284  A.  Ton  Welck: 

Im  Jahre  1745  Itei'ehligte  de  Crnusaz  die  ,. erste  Garde"  in  der 
Si'lilacht  bei  Hoheufriedbcrg.  Das  Kegimeiit  zeichnete  sich  hier  in 
heivoiTagender  Weise  ans  und  erhielt  in  Folge  dessen  die  Erlaubnis, 
„beständig  Ureuadiermarsch  zu  schlagen""),  während  Crousaz  zum 
ülicrst  und  Kommandeur  des  Jiegiments  ernannt  wurde.  Unrichtig 
ist  es,  dafs  er  —  wie  .May  berichtet  —  am  Tage  nach  der  Schlacht 
zum  General  befördert  worden  sei.  Er  erreichte  diese  Stellung 
erst  im  Jahre  1752  und  blieb  auch  als  solcher  Kommandeur  der  seit 
1748  auf  ein  Regiment  reduzierten  ,.Garde";  doch  nahm  er  diese 
Stelle  nur  als  Ehrenposten  ein. 

Im  .lahre  1756  teilte  er  das  Schicksal  der  sächsischen  Armee, 
die  im  Lager  bei  Pirna  kapitulieren  nnifste.  Er  stand  hier  an  der 
Si)itze  des  aus  4  Grenadierliataillonen  bestehenden  Garderegiments, 
und  sein  Name  erscheint  mit  unter  dem  von  den  Generälen  an  den 
Minister  Graf  Brühl  erlassenen  Protestschreiben  vom  14.  Oktober 
1756^). 

General  de  Crousaz  verblieb  in  Kriegsgefangenschaft  bis  zum 
Friedensschlufs  im  Jahre  1763. 

1766  zum  Generallieutenant  ernannt,  starb  er,  unverheiratet,  am 
22.  September  1768  in  Zeitz.  Nach  Leu*)  wäre  er  bereits  1763 
Generallieutenant  geworden  und  zum  „Kommandanten  eines  in  Zeitz 
in  Garnison  stehenden  Infanterieregiments"  ernannt  Avorden.  Es  ist 
dies  so  zu  verstehen,  dafs  de  Crousaz,  der  —  wie  wir  sahen  —  seit 
1752  Ehren-Kommandeur  der  Garde  war,  auch  nach  dem  Friedens- 
schlufs und  nach  der  Rückkehr  des  Regiments  in  die  alten  Garni- 
sonen diese  Stellung  beibehielt  und  die  Stabsgarnison  Zeitz  mit 
demselben,  welches  1764  den  Namen  ,.Kurfürst"  erhielt,  teilte.  — 
Seine  Leiche   wurde  in  der  Schlofskirche  zu  Wittenberg  beigesetzt. 

Franz  de  Crousaz.  Ein  Bruder  des  Vorigen.  Leu  schreibt, 
er  habe  sich  im  Jahre  1734  „freiwillig  in  die  Belagerung  von  Danzig 
begeben"  und  sei  vom  König  von  Polen  und  Kurfürst  von  Sachsen 
zum  Ijieutenant  der  „grolsen  Grenadiere"  und  „nachdem  er  sich 
folgends  in  der  Schlacht  bei  Striegau  tapfer  gehalten  und  verwundet 
worden,  zum  Hauptmann  und  im  Jahre  1750  zum  Major  unter  dem 
Garde-Grenadierregiment  ernannt  worden." 

Johannes  Philippus  de  Crousaz.  Auch  diesen  linden  wir 
nur  liei  Leu  erwähnt.     Es  heifst  dort  von  demselben: 

Er  diente  erstlich  als  Haubtmann  unter  dem  Regiment  der 
Königin  von  Engelland  in  Piemont,  bekam  folgends  eine  Compagnie 
unter  dem  Regiment  Reding  in  Frankreich,  weiters  eine  Compagnie 
ia  ('hursächsischen  Diensten  unter  dem  Regiment  .Mallerarque,  ward 
aber  A.  1706  in  der  Schlacht  bei  Fraustadt  von  den  Schweden  ge- 
fangen und  von  dem  Herzog  von  AVirtemberg  dem  König  Carlo  XII. 
von  Schweden  recommandiret,  der  ihn  auch  zum  Obrist  Lieutenant 
des  Regiments  von  Funk  ernannt,  und  ist  er  in  gleichem  Jahre  in 
der  Schlacht  bei  Kaiisch  in  dem  21.  Jahre  seines  Alters  (?)  ge- 
blieben. 

Hans  Heinrich  Escher  (vom  Luchs)  von  Zürich.  Er  wurde 
1644  geboren  als  Sohn  von  Heinrich  Escher  und  Dorothea  Maiss 
und  war  der  Neffe  von  .Johann  Caspar  Escher.  (Siehe  diese  Ztschr.  XIII, 


")  H.  V.  S.,  Gesch.  der  beiden  Grenadier-Regimenter,  S.  68. 
')  Geheimnisse  des  Sachs.  Cabinets  a.  a.  0. 
^)  Hans  -Jacob  Leu,  AUg.  Helvet.  Eidgenössisches  oder  Schwei- 
zerisches Lexicon  (Zürich  1752). 


Schweizer  Soldtruppen  1701  -  1815.  285 

276  ff.)  Das    in  May's  Hist.  milit.  de  la  Snisse  angegebene  Geburts- 
jahr —  1648  —  ist  unrichtig. 

1669  oder  1670  trat  er  in  kursächsische  Dienste  —  nicht  1665, 
wie  May  sagt.  Er  bekleidete  zunächst  die  Stelle  als  Souslieutenant 
der  Schweizergarde.  Nach  May  wäre  er  1676  Premierlieuteuant  ge- 
worden ;  Leu  schreibt,  dafs  er  in  diesem  Jahre  Hauptmann  und  Chef 
der  Schweizergarde  geworden  sei,  was  ganz  falsch  ist. 

1679  trat  er  aus  der  Schweizergarde  aus  und  wurde  Oberst- 
lieutenant des  „Leibregiments  zuFufs".  Leu  sowohl  wie  May  schreiben 
weiter,  dafs  er  1689  Oberst  dieses  Regiments  geworden  sei  mit  Bei- 
behaltung der  Stellung  als  Schweizer-Hauptmann  und  dafs  er  1690  den 
Kurfürsten  Johann  Georg  III.  auf  seinen  Reisen  begleitet  habe  und 
bei  dieser  Gelegenheit  auch  nach  Zürich  gekommen  sei.  Nach  Leu 
habe  er  1694,  nach  dem  Tode  des  Kurfürsten,  seinen  Abschied  ge- 
nommen und  sei  nach  der  Schweiz  zurückgekehrt.  May  hingegen 
schreibt,  dafs  er  noch  bis  1697  in  Sachsen  geblieben  sei.  Als  aber 
der  Kurfürst  Friedrich  August  in  diesem  Jahre  zur  katholischen 
Religion  übergetreten  sei,  „les  quatre  cantons  reformes  rappelerent 
leur  garde  Suisse,  que  le  Colonel  Escher  ramena  dans  sa  patrie, 
ayant  quitte  en  meme  temps  le  service  de  Saxe". 

Wir  müssen  diese  letzteren  Angaben  ausnahmslos  als  falsch 
bezeichnen.  Eine  Schweizergarde  existierte  zu  dieser  Zeit  über- 
haupt nicht  in  Sachsen.  Eschers  Eintritt  in  sächsische  Dienste  mag  wohl 
zu  der  angegebenen  Zeit  —  1669  oder  1670  —  stattgefunden  haben. 
Ebenso  kann  er  1679  Oberstlieutenant  beim  Leibregiment  geworden 
sein.  Oberst  und  Kommandant  desselben  wurde  er  aber  bereits  1680, 
und  es  scheint,  als  hätte  er  schon  im  folgenden  Jahre  den  Dienst 
quittiert  und  sei  nach  Zürich  zurückgekehrt,  da  er  nach  Züricher 
authentischen  Nachrichten  in  diesem  Jahre  —  1681  —  als  „Quartier- 
hauptmann von  Trüllikon"  (Kommandant  des  vom  Militärbezirk 
TrüUikon  gestellten  Züricherischen  Milizkontingents)  bezeichnet  wird. 
Hiermit  stimmen  allerdings  die  offiziellen  sächsischen  Angal)en^) 
insofern  nicht  überein,  als  erst  1683  ein  Nachfolger  Eschers  im  Kom- 
mando des  Leibregiments  —  von  Schönfeld  —  genannt  wird.  Es 
ist  aber  wohl  möglich,  dafs  diese  Stelle  1  bis  2  Jahre  vacant  ge- 
halten wurde. 

Escher  erlangte  in  seiner  Heimath  verschiedene  Ehrenämter, 
und  starb  1714.  Er  liegt  beim  Grofsmünster  begraben.  Seine  beiden 
Gattinnen  waren:  1.  Anna  Dorothea  Grebel  1683,  f  1698.  2.  Anna 
Katharina  Escher  1700,  -1-  1731. 

Hubert  de  Diesbach  de  Belleroche  '•')  war  der  Sohn  von 
George  Nicolas  und  der  Marie  Marguerite  d'Affry  und  wurde  gegen 
Ende  des  Jahres  1669  geboren. 

Er  trat  1684  in  französische  Dienste  in  das  Schweizer-Regiment 
Jung  -  Stuppa  und  zeichnete  sich  bei  der  Belagerung  von  Landau, 
sowie  in  der  Schlacht  bei  Neerwinden  (29.  Juli  1693),  wo  er  eine 
Grenadierkompagnie  befehligte,  aus. 


**)  H.  V.  S.,  Geschichte  der  beiden  Sachs.  Grenadier-Regimenter. 
S.  238. 

^*')  Diesbach  ist  eine  der  ältesten  und  vornehmsten  Adelsfamilien 
der  Schweiz.  Ein  Verwandter  des  hier  Besprochenen  war  öster- 
reichischer General  der  Infanterie  und  wurde  1722  in  den  Reichs- 
fürstenstand erhoben,  als  „Prince  de  St.  Agathe". 


286  A.  von  Welck: 

16f>8  verliefs  er  den  französischen  Dienst  und  trat  1701  als 
Oberstlieutenant  der  Infanterie  in  die  kursäclisisclic  Armee  ein.  1711 
wurde  er  zum  Kommandanten  eines  Infanterieregiments  ernannt. 
Wenn  in  verschiedenen  Scliweizer  Werken  gesagt  wird,  dafs  Diesbaoh 
in  Folge  seiner  vorzüglichen  Haltung  während  der  Belagerung  von 
Stralsund  (1714)  zum  (ieneralmajor  ernannt  worden  sei,  so  beruht 
dies  auf  einem  Irrtum.  Noch  im  Jahre  1730  wird  er  ofhziell  als 
Oberst  bezeichnet  (vergl.  S.  273).  Er  wurde  aber,  wahrscheinlich 
schon  17:i5,  Kapitänlieutenant  der  neu  formierten  Schweizergarde 
und  1730  nach  der  Schweiz  entsendet,  um  Nationalschweizer  für 
dieselbe  anzuwerben  (s.  o.). 

Nach  dem  am  1.  Februar  1733  eingetretenen  Tode  des  Kur- 
fürsten Friedrich  August  I.  (König  August  IT.)  wurde  Diesbach 
gemeinschaftlich  mit  dem  Grafen  ^Va(•kerbartll-Salmour  und  dem 
(leneral  Graf  Baudissin  nach  Warschau  entsendet,  um  für  die  Thron- 
folge des  Kurfürsten  Friedrich  August  II.  zu  wirken,  eine  Aufgabe, 
die  bekanntlich  von  Erfolg  gekrönt  war.  Diesbach  wurde  noch  in 
demselben  Jahre  zum  Generalmajor  und  Schweizer-Hauptmann,  unter 
Beibehaltung  seines  Infanterieregiments"),  ernannt.  Aufserdem  soll 
ihm  der  Kurfürst  in  besonderer  Anerkennung  seiner  Verdienste  um- 
fangreiche Ländereien  in  der  Nähe  von  Dresden  mit  Jagd-  und 
Fischereigerechtigkeit  geschenkt  haben.  1736  erhielt  er  den  St. 
Heinrichsorden  und  starb  im  April  1742  unvermählt 

Franz  Joseph  Kicolaus  Baron  de  Griset  de  ForeP^)  wurde  1704 
geboren  als  Sohn  des  Ratsherrn  und  Generalkommissarius  Nicolas 
de  Griset  de  Forel  und  der  N.  de  Boccard. 

Kr  wurde  1720  in  den  Maltheserorden  aufgenommen,  that  aber 
erst  1731  Pi'ofefs.  Nachdem  er  die  vorgeschriebenen  „sechs  Züge 
gegen  den  Erbfeind"  gemacht  hatte,  wurde  er  1741  zum  Hauptmann 
der  Galeeren  und  1746  zum  Commenthur  von  Sulz,  Hasselt,  Colmar 
und  TMühlhausen  ernannt. 

Im  vorhergehenden  Jahre  —  1745  —  hatte  er,  bei  Gelegenheit 
der  Kaiseikrönung  Franz  1.  in  Frankfurt  a.  M.,  die  Bekanntschaft 
des  Kurfürsten  Friedrich  August  III.  von  Sachsen  gemacht;  derselbe 
berief  ihn  im  Jahre  1747  an  seinen  Hof,  um  die  Erziehung  des 
Prinzen  Xaver  zu  leiten,  ihn  gleichzeitig  zum  Geheimen  Rat  ernennend. 
1753  erhielt  er  die  Stelle  eines  Generalrezeptors  des  Maltheserordens 
in  Deutschland.  Er  verwaltete  dieses  Amt  bis  1764,  wo  er,  einem 
Rufe  seines  ehemaligen  Zöglings,  des  jetzigen  Regenten  Prinz  Xaver, 
Folge  leistend,  an  den  sächsischen  Hof  zimickkehrte  und  die  Stelle 
eines  (^l)erhofmarschalls  und  Oberhofmeisters  des  minderjährigen 
Thronfolgers  übernahm.  Im  Jahre  1768  legte  er  diese  Ämter  nieder 
imd  erhielt  den  Titel  als  „Kabinetsminister".  Als  im  Jahre  1771 
der  Bailly  von  Schönau  gestorben  war,  beanspruchte  Griset  de  Forel 
nach  dem  Rechte  der  Ancieunetät  die  Grofsltaillystelle  von  Branden- 
liurg.  Sie  wurde  ihm  aber  durch  den  Komthur  Rink  v.  I^aldenstein 
streitig  gemacht.  Obgleich  die  eidgenössischen  Stände  für  die  Rechte 
Grisets  eintraten  und  dieser  selbst  sich  anfangs  1776  persönlich  nach 


")  Die  sächsische  Rangliste  vom  Jahre  1785,  Beil.  VI,  führt 
Diesbach  im  Jahre  1733  als  Chef  des  Infanterieregiments  „Jas- 
mund"'  auf. 

'2)  Leu  a.  a.  O.  schreibt:  ,,Ein  altes  Geschlecht,  welches  bei 
bald  300  Jahren  auch  unter  dem  Namen  ,Forell'  bekannt  ist.  Stammt 
aus  Savoyeii,  wo  es  den  Namen  Grisetti  trug". 


Schweizer  Sokltruppen  1701  —  1815.  287 

Wien  begab,  11111  die  Entscheidung  des  Kaisers  zu  erbitten,  so  kam 
es  doch  zu  einer  solchen  nicht.  Als  im  Jahre  1777  auch  das  Grofs- 
Priorat  von  Deutschland  ledig  Avurde,  Avelches  ebenfalls  von  Griset 
sowohl  wie  von  Rink  beansprucht  wurde,  welch  letzteren  der  Grol's- 
meister  nicht  bestätigen  wollte,  während  gegen  den  ersteren  die 
Ritter  der  deutschen  Zunge  agitierten,  kam  es  endlich  zu  einem  Ver- 
gleich, dessen  Austrag  aber  Baron  Griset  nicht  mehr  erlebte,  obwohl 
er  erst  am  6.  September  1786  zu  Dresden  starb. 

Jean  Joseph  Yictor  Baron  de  Griset  de  Forel,  Sohn  des 
vorigen  und  der  Marguerite  de  Maillard,  wurde  1741  geboren. 
1756  trat  er  in  französische  Dienste  im  Regiment  Boccard  und  nahm 
an  den  Feldzügeu  in  Deutschland  von  1757-60  teil.  Im  November 
1760  erhielt  er  eine  Lieutenantsstelle  bei  den  Cent-Suisses  und  im 
September  des  Jahres  1766  trat  er,  nachdem  er  im  Frühjahr  des- 
selben Jahres  die  französischen  Militärdienste  quittiert  hatte,  in  die 
des  Kurfürsten  von  Sachsen  als  Kammerherr  und  Oberst  der  In- 
fanterie. Ob  er  zu  der  Zeit  bereits  wirklich  in  die  Armee  eintrat 
oder  nur  den  Rang  als  Oberst  erhielt,  läfst  sich  nach  den  vorhan- 
denen Unterlagen  nicht  genau  feststellen;  auch  die  Angaben  der 
Ranglisten  stimmen  in  dieser  Beziehung  nicht  überein.  Jedenfalls 
erhielt  er  erst  am  17.  Januar  1769  die  Anstellung  als  Schweizer- 
Hauptmann,  obgleich  sein  Vorgänger,  General  O'Meaghre,  bereits 
1765  gestorben  war.  Nach  der  Rangliste  vom  Jahre  1769  wäre 
thatsächlich  die  Stelle  des  „Schweizer-Kapitäns"  wie  die  des  Kapitän- 
Lieutenants"  von  1765  —  69  vacant  geAvesen.  Am  9.  Februar  1784 
wurde  Griset  de  Forel  zum  Generalmajor,  am  24.  Dezember  1790 
zum  Generallieutenant  ernannt. 

Am  4.  Mai  1799  avancierte  er  endlich  zum  General,  und  in  der 
Rangliste  vom  Jahre  1809  wird  er  als  Ritter  des  Ordens  der  Rauten- 
krone aufgeführt. 

Er  ist  in  der  Rangliste  von  1815  noch  aufgeführt,  trat  aber 
in  diesem  Jahre  in  Pension  ^'^). 

Gabriel  de  Monod  de  Froidevllle.  Geboren  am  11.  März  1711 
in  Froideville  (Kanton  Waadt)  von  Gabriel  M.  de  F.  und  der  Susanna 
de  Crousaz  de  Prelaz.  Nachdem  er  seine  Studien  in  Lausanne  voll- 
endet hatte ,  trat  er  1727  in  holländische  Dienste  im  Schweizer- 
regiment  Constant,  und  1730  auf  Empfehlung  des  Grafen  Cosel  in 
kursächsische,  wo  er  zunächst  als  , Volontär"  eine  Verwendung 
im  Kadettenkorps  fand. 

Als  Oberst  Prinz  von  Nassau  im  Jahre  1731  ein  Kürassier- 
regiment errichtete  "),  stellte  er  den  jungen  Schweizer,  dessen  persön- 
liche Bekanntschaft  er  gemacht  hatte,  als  Kornet  in  demselben  an. 
Im  folgenden  Jahre  avancierte  er  zum  8ouslieutenant,  nahm  als  solcher 
1733  an  der  Kampagne  in  Polen  teil  und  wurde  im  Jahre  1735 
Premierlieutenant.  1740  trat  Prinz  von  Nassau  in  preufsische  Dienste 
ülier'-'')  und  veranlafste  Monod  de  Froideville  ihm  dahin  zu  folgen. 
Derselbe  erhielt  eine  Kompagnie  in  dem  neu  errichteten  Drag(>ner- 
regiment  Platen  und  hatte  Gelegenheit,  sich  während  der  beiden  ersten 


'3)  Ein  Bruder  von  ihm,  namens  Philipp,  soll  gleichzeitig 
Kammerherr  des  Kiu-fürsten  und  im  auswärtigen  Amt  angestellt 
gewesen  sein. 

")  Das  Regiment  wurde  am  1.  Januar  1748  reduziert  und  dem 
Kürassierregimeut  Ploetz  einverleibt. 

^■')  Sein  Nachfolger  war  Oberst  von  Minckwitz. 


288  'A.  von  Welck: 

schlesisclien  Kriege,  namentlich  bei  Hohenfriedbeig  und  Soor,  melir- 
facli  auszuzeichnen.  1744  zum  Major  ernannt,  wurde  er  im  Jahre  1750 
Oberstlieutenant  im  Dragonerregiment  von  Scliorlemmer  und  1755 
Oberst  dieses  Regiments.  1758  avancierte  er  zum  Generahnajor 
wurde  aber  in  der  Sclilacht  bei  Zorndorf  —  25.  August  1758  —  so 
schwer  verwundet,  dals  er  bereits  am  9.  September  in  Frankfurt  a.  O. 
starb.  —  Seine  Frau  war  eine  von  Kaikreuth.  Er  hinterliefs  keine 
Kinder. 

Peter  Franz  de  Martines.  Er  gehört  einem  alten,  aus  dem 
Kanton  Waadt  stammenden  Adelsgesclilechte  an  und  wurde  am 
21.  Oktober  1721  in  Morges  am  Üenfersee  geboren.  Sein  Vater 
war  Henri  de  Martines,  seine  Mutter  Frangoise  Catherine  de  Mar- 
tines, Tochter  des  Seigneur  de  St.  (ieorges.  Henri  de  M.  hatte  als 
Oberst  unter  König  August  II.  von  Polen  in  sächsischen  Diensten 
gestanden  (s.  Seite  106,  Anm.  71)  und  dürfte  derselbe  sein,  der 
während  einiger  Jahre  sächsischer  Gesandter  am  spanischen  Hofe 
war.  Nachdem  er  seinen  Abschied  genommen  hatte ,  wurde  er 
„Castellan"  zu  Morges.  Näheres  über  seine  militärische  Dienstzeit 
konnten  wir  nicht  feststellen. 

Peter  Franz  trat  im  November  1737  als  Fähnrich  in  das 
Infanterieregiment  des  Grafen  von  Friesen  ein  und  avancierte  in 
demselben  im  Jahre  1745  zum  Stabskapitän.  Er  nahm  an  den  beiden 
ersten  schlesiscben  Kriegen  teil  und  zeichnete  sich  in  den  Schlachten 
bei  Hohenfriedberg  und  bei  Kesselsdorf  aus,  wo  er  auch  verwundet 
wurde. 

Als  Graf  Friesen  nach  dem  Frieden  von  Dresden,  einer  Auf- 
forderung des  Marschalls  von  Sachsen  Folge  leistend,  in  französische 
Dienste  trat,  um  daselbst  ein  deutsches  Infanterieregiment  zu  er- 
richten, so  folgte  ihm  de  Martines  1747  dahin  nach  und  übernahm 
eine  Kompagnie  in  diesem  Regiment. 

Während  der  Kämpfe  in  den  Niederlanden  zeichnete  er  sich 
mehrfach  aus  und  trat  in  nähere  dienstliche  Beziehungen  zu  dem  im 
französischen  Heere  als  Graf  von  der  Lausitz  dienenden  Prinzen 
Xaver  von  Sachsen. 

Er  nahm  im  Jahre  1769  seinen  Abschied. 

Faescli.  Eine  P>asler  Familie,  von  welcher  wir  drei  Gliedern 
in  sächsischen  Militärdiensten  begegnen. 

1.  Jeremias,  Sohn  des  Bürgermeisters  Hans  Rudolph  F., 
wurde  geboren  den  24.  September  1606,  verheiratete  sich  am  4.  Juli 
1626  mit  der  Tochter  eines  Kaufmanns  Passavant  aus  Burgund  uiul 
starb  1672.  Nach  den  handschriftlichen  Aufzeichnungen  des  Familien- 
Archivs  „soll  er  in  der  Sächsischen  Leihguardi  Lieutenant  gewesen 
sein".  Er  ist  derselbe,  der  am  20.  Oktober  1663  aus  Dresden  ein 
Schreiben  an  den  Rat  zu  Basel  richtet  und  sich  als  „Oberwacht- 
meister" der  „mussquetier  leybguardi"  unterzeichnet  (s.  diese 
Ztschr.  XIII,  246).  Da  er  nachweislich  in  der  Mitte  der  50er  Jahre 
in  Basel  war,  so  ist  er  jedenfalls  bei  der  Anwerbung  des  Jahres 
1659  mit  nach  Sachsen  gekommen. 

2.  .lohann  Rudolph,  wurde  am  6.  April  1680  als  5.  Kind 
des  Jeremias  F.  und  der  Margai'etba  Birr  gel)oren  (also  nicht  ein 
Sohn  des  Obigen).  Er  zeigte  schon  von  klein  auf  Interesse  und 
Talent  für  Mathematik.  1698  trat  er  in  holländischen  Diensten  in 
das  Geniekorps  und  zog  dort  durch  seinen  Fleifs  und  seine  Be- 
fähigung bald  die  Aufmerksamkeit  des  berühmten  Generals  Coehorn 
auf  sich,  welcher  Chef  des  Ingenieurkorps  war.    Durch  dessen  Für- 


Schweizer  Soldtrnppen  1701  —  1815.  289 

spräche  wurde  er  im  Jahre  1706  nach  der  Belagerung  von  Meuniii 
ziitu  Kapitän  ernannt.  Während  der  Belagerung  von  Lille  im  Jahre 
1708,  wo  er  mehrfach  Gelegenheit  fand,  sich  auszuzeichnen,  lernte 
ihn  der  König  August  II.  von  Polen  kennen  und  veranlafste  ihn,  in 
sächsische  Dienste  als  Ingenieurkapitän  überzutreten.  Er  avancierte 
1715  nach  der  Belagerung  von  Stralsund  zum  Major,  1728  zum 
Oberstlieutenant  und  im  Jahre  1711  zum  Oberst  und  Chef  des  Ingenieur- 
korps. Er  verheiratete  sich  mit  Anna  Rosa  Dunnebierin,  des  Hof- 
baumeisters in  Dresden  Tochter,  und  starb  am  1.  November  1749  in 
seinem  69.  Lebensjahre,  nachdem  er  kurz  zuvor  —  1748  —  noch 
zum  Kommandant  der  Feldbrigade  des  Ingenieurkorps  ernannt 
worden  war. 

Er  hat  sich  durch  Abfassung  verschiedener  wissenschaftlicher 
Werke  bekannt  gemacht,  z.  B.  des  Kriegs-,  Ingenieur-,  Artillerie- 
und  See-Lexikon,  welches  zuerst  1726  in  Nürnberg  erschien.  —  Jo- 
hann Rudolph  hinterliefs  5  Kinder.     Sein  2.  Sohn  war: 

3.  Georg  Rudolph.  Sein  Geburtsjahr  war  nicht  festzustellen. 
Die  Angaben  schwanken  zwischen  den  Jahien  1710,  1715  und  1720'**). 
Er  trat  in  die  Fufstapfen  seines  Vaters ,  indem  er  sich  dem  Studium 
der  Mathematik  und  der  Ingenieur- Wissenschaften  widmete.  — 
Während  des  ersten  schlesischen  Krieges  diente  er  als  Lieutenant  im 
Ingenieurkorps  und  wurde  1745  zum  Kapitän  desselben  ernannt.  Als 
solcher  wurde  er  vom  Herzog  von  Sachsen -Weifsenfeis  vielfach  zur 
Erbauung  von  Feldbefestigungen  verwendet.  Nach  dem  Tode  seines 
Vaters  avancierte  er  zum  Major  und  1756  zum  Oberstlieutenant.  Er 
liefs  das  befestigte  Lager  auf  der  Ebenheit  bei  Pirna  abstecken  und 
einrichten,  in  welchem  die  Armee  später  kapitulieren  mufste.  Oberst- 
lieutenant Faesch  geriet  nicht  mit  in  Gefangenschaft,  sondern  hatte 
sich  vor  Eintritt  der  Katastrophe  auf  Befehl  des  Königs  auf  die 
Festung  Königstein  in  die  unmittelbare  Umgebung  desselben  begeben. 
Er  verblieb  als  Ingenieur-Offizier  vom  Platz  auf  derselben  auch  nach 
der  Abreise  des  Königs.  Im  Jahre  1766  wurde  Faesch  Oberst,  und 
1771  wurden  die  beiden  Ingeuieurbrigaden  wieder  unter  seinem 
Kommando  vereinigt.  1778  zum  Generalmajor  ernannt,  leistete  er 
während  des  bayerischen  Erbfolgekrieges  hervorragende  Dienste, 
namentlich  durch  Auswahl  und  Befestigung  von  Stellungen  und 
Lagern.  Der  Kurfürst  übertrug  ihm ,  seine  militärischen  Eigen- 
schaften hoch  schätzend,  das  verantwortungsreiche  und  schwierige 
Amt  eines  Generalquartiermeisters. 

In  der  Nähe  von  Aussig  gelang  es  ihm,  mit  einer  seiner  Führung 
anvertiauten  Kolonne,  ein  österreichisches  Korps  von  4000  Mann  zu 
umgehen  und  im  befestigten  Lager  zu  überfallen,  hierdurch  aber 
der  preufsisch-sächsischen  Armee  einen  Einmarschweg  freizulegen^''). 

Faesch  war  Ritter  des  Militär- St.  Heinrichsordens  und  er- 
hielt nach  dem  Frieden  von  Teschen  eine  ansehnliche  Pension  vom 
Kurfürsten.  Er  war  verheiratet  mit  Johanna  Margaretha  Höpfner, 
Tochter  des  königl.  polnischen  und  kurfürstl.  sächsischen  Accisrates 
Höpfner,  welche  in  erster  Ehe  mit  dem  Hofrat  Sulzberger  ver- 
heiratet und  die  Besitzerin  des  Rittergutes  Klein- Karsdorf  war. 


'")  1720  darf  als  richtig  angenommen  werden. 

'■')  Handschriftliche  Nachträge  zum  Supplement  zu  Leu's 
Lexikon,  zusammengetragen  von  H.  J.  Holzhalb.  (Zürich  1787.  II.  Tb. 
S.  268.) 

Neues  Archiv  f.  S.   G.  u.  A.  XIV.  3.  4.  19 


290        A.  von  Welck:  Schweizer  SoMtruppen  1701  —  1815. 

Faesch  starb  kinderlos  am  1.  Mai  1787  und  ist  in  Possendorf 
beerdigt.  Gleich  seinem  Vater  stiftete  er  sich  ein  Andenken  durch 
verschiedene  wissenschaftliche  Werke,  von  denen  das  bekannteste 
ist:  „Regeln  und  Grundsätze  der  Kriegskunst  aus  den  besten 
Schriftstellern,  welche  über  diese  Wissenschaft  geschrieben  haben, 
in  gewisser  Ordnung  zusammengetragen.  4  vol.   Leipzig  1771 — 74."  — 

Aul'ser  diesen  Vorgenannten,  über  welche  es  uns  möglich  war, 
nähere  Angaben  über  ihren  Aufenthalt  und  ihre  Thätigkeit  in 
Sachsen  zu  macheu,  stufst  man  in  sehweizeiisc^hen  Werken  noch  auf 
eine  Anzahl  anderer  Namen,  deren  Träger  als  in  kursächischen  Diensten 
stehend,  bezeichnet  werden,  ohne  dafs  es  uns  gelungen  Aväre,  Einzel- 
heiten festzustellen.  So  iindcn  wir  einen  Abraliani  von  Oraffen- 
ried,  aus  dem  alten  Bernischen  Geschlecht,  der  KiHl  als  Cornet  in 
die  ,,Garde-Conipagnie"  des  Kurfürsten  Johann  Georg  III.  trat, 
1665  Kammerherr  und  Ritter  des  Georgsordens  (?)  und  in  dem- 
selben Jahre  Lieutenant  der  ,,100  Schweizer"  wurde.  Nach  anderen 
Nachrichten  wäre  er  1666  Cornet  unter  der  „Leilikompagnie  zu 
Pferde''  und  1669  Trabanten- Hauptmann  geworden. 

Ferner  begegnen  wir  zwei  Vertretern  der  alten  Berner  Familie 
Steiger:  (ieorg  Steiger,  der  1547  in  der  Schlacht  bei  Mühlberg 
mit  dem  Kurfürsten  gefangen  genommen  wurde,  und  Enianuel  Steiger, 
geboren  1642  als  Sohn  des  gleichnamigen  Vaters.  ,.Er  war  in  seinen 
jungen  Jahren  in  Kurfürst  Johannis  Georgii  von  Sachsen  Diensten 
gestanden  und  in  einem  geheimen  Geschäft  an  den  kaiserlichen  Hof 
gebraucht,  auch  mit  seinem  mit  Diamanten  besetzten  Bildnifs  nebst 
einem  kostbaren  Ring  beschenkt  worden."  (Nach  Leu's  Lexikon.) 
Er  kehrte  bald  in  die  Schweiz  zurück  und  starb  1709. 

Weiterhin  werden  erwähnt : 

Augustin  Roguin  (auch  Roquin)  aus  einer  alten  Familie  des 
welschen  Berner  Gebietes.  Es  wird  von  ihm  gemeldet,  dafs  er  am 
9.  September  1700  geboren,  zuerst  bei  der  Chevaliergarde  des  Königs 
August  IL  stand.  1733  wurde  er  bei  dem  neuerrichteten  polnischen 
Garderegiment  als  Hauptmann  angestellt;  1734  trat  er  als  Oberst- 
lieutenant in  sardinische  Dienste  und  fiel  1744  bei  der  Belagerung 
der  Redoute  von  Pietra  longa.  Nach  anderen  Quellen  wäre  er  1720 
in  sächsische  Dienste  getreten  und  hätte  dem  Feldmarschall  v.  Flem- 
ming  wichtige  Dienste  als  Agent  bei  einigen  polnischen  Magnaten 
geleistet.  Zur  Belohnung  hierfür  habe  er  dann  1728  eine  Kompagnie 
bei  dem  i)olnischen  Garderegiment  erhalten. 

Augustin  Gabriel  Roguin.  Er  trat  1731  in  sächsisch -polnische 
Dienste,  war  dann  eine  Zeit  lang  in  sardinischon  Diensten,  kehrte 
aber  1758  zurück  und  wurde  Oberst  in  der  polnischen  Kronarmee. 
Da  dieselbe  aber  an  dem  Kriege  in  Deutschland  nicht  teilnahm,  so 
trat  er  als  Volontär  in  die  Dienste  des  Prinzen  Ferdinand  von 
Braunschweig  uiul  kämpfte  unter  ihm  am  Niederrhein. 

George  de  Gingins,  Herr  von  Divonne.  Er  begann  seine 
militärische  Laufbahn  im  .fahre  1676  in  holländischen  Diensten,  wo 
er  an  der  Belagerung  von  Mastricht  teilnahm.  Er  trat  hierauf  in 
sächsische  Dienste  und  soll  Oberst  eines  Infanterieregiments,  sowie 
geheimer  Kriegsrat  gewesen  sein.  Als  Todesjahr  wird  1730  an- 
gegeben. 


!»"'• 


X. 

über  die  älteste  Scliiilordiumg  der 
Kreuzschiile  zu  Dresden. 

Von 

Otto  Meltzer. 


Welch  hohe  Bedeiituiig  für  die  Schulgeschichte  Dres- 
dens und  unseres  engeren  Vaterlandes  überhaupt  der  um 
1413  von  M.  Nicolaus  Thirmann  niedergeschriebenen  Schul- 
ordnung für  die  Kreuzschule  zukommt,  ist  von  ihrem  Ent- 
decker und  ersten  Herausgeber^)  bereits  nach  Gebühr 
hervorgehoben  worden.  Zugleich  hat  derselbe  einige  be- 
sonders wichtige  Thatsachen,  die  sich  aus  ihr  ergeben, 
namentlich  die  äufserst  willkommene  Bestätigung  für  die 
hiesige  Wirksamkeit  des  bekannten  Peter  von  Dresden, 
ans  Licht  gestellt.  Es  möge  gestattet  sein,  ihre  Be- 
stimmungen hier  noch  in  einigen  Beziehungen,  hauptsächlich 
durch  den  Vergleich  mit  anderen  Schulordnungen  des 
ausgehenden  Mittelalters-),  zu  erläutern. 

Vor  allem  ist  es  erfreulich,  dals  sie  auch  über  den 
Betrieb  des  Unterrichts  einige  Auskunft  giebt,  obwohl 
dies  keineswegs  ohne  weiteres  vorauszusetzen  war,  auch 
an  sich  nicht  in  der  Absicht  dessen  lag,  der  sie  auf- 
zeichnete. Waren  doch  Inhalt  und  Gang  des  Unterrichts 
fest  geregelt  durch  das  Herkommen,  gestützt  durch  die 
geheiligte  Autorität  der  Kirche,  aus  deren  Bedürfnissen 
und   Anregungen    er  seinen  Ursprung  genommen   hatte. 


1)  H.  Ermisch  in  dieser  Zeitschr.  XIII  (1892),  346  f. 

2)  Durchgängig  in  abgekürzter  Form  {—  Mü.)  citiert  nach 
J.Müller,  Vor-  und  frühreformatorische  Schulordmmgen  und  Schnl- 
verträge   etc.,  Abt.  1.  2  (durchgehend  paginiert),   Zschopau  1885/86. 

19* 


292  0.  Meltzer: 

Es  mulsten  schon  ganz  besondere  Verhältnisse  obwalten, 
wenn  es  dahin  kam,  dals  die  Schulordnung,  wie  z.  B.  in 
Wien  1446  (Mü.  56  ff.),  zugleich  zur  Lehrordnung  aus- 
gestaltet ward.  Häufiger  wurde  das  erst,  seitdem  die 
humanistischen  Bildungsmittel  in  den  Unterricht  einzu- 
dringen begannen,  und  vollzog  sich  dann  allerdings  auch 
wieder  mit  einer  gewissen  Notwendigkeit'^). 

Unsere  Schulordnung  giebt  in  ihrem  letzten  Abschnitt 
über  den  „Fast",  von  dem  noch  zu  sprechen  sein  wird, 
deutlich  zu  erkennen,  dals  die  Anstalt  damals  drei  Klassen 
liatte  —  eine  auch  sonst  unter  ähidichen  Verhältnissen 
gern  vorkommende  Zahl^).  War  es  nun  zweifellos  üblich, 
dals  in  einzelnen  Lehrgegenständen  mehrere  oder  alle 
Klassen  vereinigt  unterrichtet  wurden,  wie  dies  an  der 
Kreuzschule  selbst  bis  1825,  an  anderen  Anstalten  noch 
länger  fortgedauert  hat,  so  darf  andererseits  doch  auch 
gewils  angenommen  w^erden,  dafs  mindestens  die  unterste 
Klasse  in  mehrere  Abteilungen  zerfiel,  die  in  gewissen 
Lektionen  je  nach  Bedarf  für  sich  besondere  Anleitung 
empfingen;  gehörten  ihr  doch  gleichzeitig  diejenigen  Schüler 
an,  die  erst  lesen  und  schreiben  lernten,  und  diejenigen, 
die  schon  die  Grammatik  nach  Donat,  bez.  nach  dem 
ersten  und  zweiten  Teile  des  Doctrinale  Alexandri  trieben. 
Dafs  auch  hier  nur  ein  Schulziramer  für  den  Unterricht 
aller  Klassen  vorhanden  war,  und  zwar  noch  einige  Zeit 
über  die  Einführung  der  Reformation  (1539)  hinaus,  ist 
schon  anderwärts  dargelegt  worden"'). 

Die  Lehrziele  der  Anstalt  gingen  damals  über  die- 
jenigen einer  Trivialschule  der  gewöhnlichen  Art  ent- 
schieden hinaus,  —  damals,  sagen  wir;  denn  in  diesen 


3)  Vergl.  z.  B.  Nördlingen  1499,  1512,  1521,  Ulm  ca.  1500,  Nüin- 
berg  ca.  1505,  Memmingen  ca.  1513  (Mü.  119  f.  169  f.  212  f.  125  f. 
148  f.  180  f.). 

')  Vergl.  H.  Kämmet,  Gesch.  des  deutschen  Schulwesens  im 
Ül)ergange  vom  Mittelalter  zur  Neuzeit  (Leipzig  1882)  S.  185  (wo 
übrigens  die  Sachlage  in  Bayreuth  14H4  ==  Mü.  84,  13  f.  kaum  richtig 
aufgefafst  ist).  Drei  Abteilungen,  allerdings  nach  anderen  Gesichts- 
punkten als  hier  geordnet,  in  Landau  1432,  sehr  ähnlich  in  Marien- 
burg, 2.  Hälfte  des  15.  Jahrb.;  besonders  kunstvoll  durchgeführt  in 
Wien  1446;  ferner  in  Nürnberg  ca.  1505  (es  ist  dieselbe  Schul- 
ordnung, die  Karamel  a.  a.  O.  auszieht,  doch  anders  datiert],  iu 
Eltville  1520  (Mü.  48.  124.  56  f.  146  f.  348). 

^)  Vergl.  meine  Abhandlung  .Die  Kreuzschule  zu  Dresden  bis 
zur  Einführung  der  Reformation''  in  den  ]\Iittoilungen  des  Vereins 
f.  Gesch.  Dresdens  VII  (1886),  13.  (=  Kr.  in  den  folgenden  An- 
führungen.) 


Schulordnung  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  293 

Dingen  konnte  allerdings  sehr  leicht,  schon  durch  einen 
der  häufigen  Wechsel  in  der  Person  des  Schulmeisters, 
eine  Änderung  eintreten.  Das  Trivium  wurde  in  den 
beiden  untersten  Klassen  absolviert:  der  vorwiegende 
Betrieb  der  Grammatik  giebt  der  dritten  Klasse  ihren 
Charakter  und  Namen,  derjenige  der  Logik  (Dialektik) 
der  zweiten;  die  Rhetorik  ist  natürlich  daneben  auch 
getrieben  worden,  stand  aber  an  Bedeutung  hinter  jenen 
beiden  Disziplinen  allgemein  und  schon  längst  erheblich 
zurück*^).  Die  Bücher,  deren  Benutzung  an  der  Anstalt 
aus  unserer  Schulordnung  hervorgeht,  sind  die  in  jener 
Zeit  allgemein  üblichen:  das  Alphabet,  die  „regulae 
pueriles"  (des  Remigius),  Donat  und  die  beiden  ersten 
Teile  des  Doctrinale  Alexandri').  Freilich  enthalten  sie 
immer  erst  den  grammatischen  Lehrstoff,  und  auch  diesen 
noch  nicht  einmal  so  vollständig,  wie  er  damals  hier  ge- 
boten ward;  denn  es  ist  ja  auch  noch  über  andere  große 
lind  deyne  gramaticcdia  gelehrt  worden.  Nur  unterbleibt 
besser  jede  Vermutung  darüber,  was  diesen  letzteren 
Lektionen  wohl  zu  Grunde  gelegt  worden  ist,  während 
eine  solche  für  den  Unterricht  in  der  Dialektik  immerhin 
zulässig  erscheint:  für  diesen  ist  gewifs  vor  allem  an  die 
Summulae  logicales  des  Petrus  Hispanus  zu  denken. 

Der  Unterricht  der  obersten  Klasse  aber  griff  in 
das  Gebiet  der  eigentlichen  „Philosophie"  hinüber.  Be- 
kannt ist,  wie  z.  B.  bisherige  Pfarrschulen  mit  den  ge- 
wöhnlichen niedrigeren  Lehrzielen  in  Liegnitz  1309  und 
in  Neisse  um  1420  eine  Erhöhung  erfuhren,  indem  mit 
Zustimmung  der  zuständigen  geistlichen  Autorität  der 
ersteren  förmlich  gestattet  ward,  dals  künftig  die  „libri 
artium  grammaticales,  logicales,  naturales  et  alii  quicunque, 
ad  quos  audientium  facultas  se  extendit",  der  letzteren, 
dafs  nicht  blofs  Grammatik  und  Rhetorik  behandelt  würden, 


*')  Vergl.  F.  A.  Sp  echt,  Gesch.  d.  Unterrichtswesens  in  Deutsch- 
land etc.  (Stuttgart  1885)  S.  114  f. 

'^)  Im  ganzen  übereinstimmend  mit  den  Kr.  Ifi  f.  angegebenen 
Anschaffungen  für  zwei  Schüler  der  Anstalt  in  den  Jahren  142'i — 38; 
doch  fehlt  dort  das  Alphabet,  während  die  Schulordnung  das  Bene- 
dicite  und  den  Cato  nicht  erwähnt.  Dafs  übrigens  diese  beiden 
Bücher  nicht  schon  1413  hier  eingeführt  gewesen  wären,  dürfen  wir 
deswegen  gewifs  nicht  annehmen.  Sie  werden  nur,  wie  wir  dies 
für  jene  spätere  Periode  betreffs  des  Cato  in  beiden  Fällen  bezeugt 
sehen,  regelmäfsig  an  andere  Bücher  angeschrieben  worden  sein  (das 
Benedicite  wohl  an  das  Alphabet);  damit  aber  entfiel  für  die  Schul- 
ordnung der  Aulafs  (s.  unten  S.  304  ff.),  ihrer  besonders  zu  gedenken. 


204  0.  Meltzer: 

sondern  auch  Philosophie.  Ähnlich  sorgten  seit  der  ersten 
Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  die  Augustinerklüster  in  der 
Mark  und  in  Preulsen  für  ihre  Novizen,  nachdem  diese 
in  den  betreifenden  Klosterschulen  den  ersten  Unterricht 
genossen  hatten,  durch  jene  merkwürdig^e  Wanderschule, 
die  ihnen  weitere  Ausbildung  in  Grammatik,  Logik, 
Philosophie  und  darüber  hinaus  allerdings  auch  noch, 
ihrem  speziellen  Zweck  entsprechend,  in  der  Theologie 
gewährte^).  Dals  die  bezeichnete  Gestaltung  der  hiesigen 
kSchule  schon  seit  einiger  —  um  nicht  unbedingt  zu  sagen 
längerer  —  Zeit  bestand,  dafür  spricht  die  dem  Artikel 
über  den  Past  eingefügte  Bemerkung,  es  sei  oucli  hie 
meister  Peter  und  anderen  in  gleicher  Weise  damit  ge- 
halten worden^);  ob  sie  ihren  Ursprung  einem  entsprechen- 
den formellen  Akte  verdankte  ^°),  wie  in  Liegnitz  und  Neisse, 
oder  ob  sie  ohne  einen  solchen  aus  den  Verhältnissen  selbst 
emporgewachsen  ist,  mufs  dahingestellt  bleiben.  Auch  über 
ihre  etwaige  weitere  Dauer  giebt  das  Wenige,  was  wir 
sonst  über  den  Unterricht  an  der  Anstalt  bis  zur  Ein- 
führung der  Reformation  noch  erfahren,  keine  Auskunft  ^^). 

8)  Vergl.  H.  Kämmel  a.  a.  0.  45.  77,  bez.  H.  Masius  bei  K. 
A.  Schmid,  Gesch.  d.  Erziehung  etc.  II,  1  (Stuttgart  1892),  339.  _ 

")  Immerhin  ist  es  wohl  nicht  zufällig,  dafs  sie  nicht  so  weit 
ausgreift,  wie  die  zunächst  vorangehende  über  die  andenveitigen 
Einkünfte  der  Lehrer  (also  ist  is  gehalden  hie  meister  Feter  und 
allen  mynen  vorfarn^  als  ichs  eigintlich  undirricht  bin). 

^*')  Die  Genehmigung  hätte  hier  der  ]\Ieifsner  Bischof,  bez. 
Domscholasticus,  zu  erteilen  gehabt.  Die  Berechtigimg  der  Ein- 
wände, welche  J.  Müller  in  dieser  Zeitschr.  VIII  (1887),  245,  vergl.  10, 
gegen  meine  fiüheren  Aufstellungen  iu  dieser  Hinsicht  erhebt,  kann 
ich  nicht  anerkennen.  Eine  neue  Stütze  haben  die  letzteren  seitdem 
durch  die  von  G.  Müller  in  demselben  Bande  dieser  Zeitschr.  S.  278 
augeführte  Urkunde  vom  24.  August  1537  erhalten.  Die  Sache  wird 
um  so  klarer,  als  der  Bischof  —  worauf  G.  Müller  dort  keinen  An- 
lafs  hatte  näher  einzugehen  —  selbst  so  noch  sich  und  seinen  Nach- 
folgern für  den  Fall  einer  zwiespältigen  Schulmeisterwahl  des  Rats 
das  Hecht  der  obersten  Entscheidung  wahrt  (si  tarnen  inter  vos 
aliqua  disseiisio  fuerit,  eam  nostro  nostrorumque  snccessorum  decreto 
reservamus,  eo  tanien  semper  salvo,  qiiod  etc.  etc.,  heifst  es  im  un- 
mittelbaren Anschlufs  an  die  von  G.  Müller  mitgeteilten  Worte). 

")  Yergl.  Kr.  1 6  ff.  Über  die  Bücher ,  die  dem  Unterriclit  in 
der  eigentlichen  riiilosoi)liie  zu  Grunde  gelegt  wurden,  giebt  mit 
Rücksicht  auf  die  Universitäten  eine  lehrreiche  Zusammenstellung 
0.  Kämmel  bei  K.  A.  Schmid  a.  a.  O.  S.  442  ff.  Auf  den  Schulen  — 
so  wenig  zwischen  diesen  und  den  Universitäten  eine  feste  Grenz- 
linie vorhanden  war  —  kann  es  sich  ja  freilich  nur  um  einen  ziem- 
lich engen  Kreis  derselben  gehandelt  haben.  In  Ulm  z.  B.  erscheinen 
gegen  1500  auf  diesem  Gebiete  die  Bücher  „de  auima,  physicorura, 
de  geueratione  et  corruptione  und  mctheororum"  (Mü.  125). 


Schulordnung  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  295 

In  Betreff  des  Kircliendienstes  bringt  zu  dem,  was 
bisher  bekannt  war,  die  Angabe  unserer  Schulordnung 
etwas  Neues,  dafs  speziell  diejenigen  Schüler  der  dritten 
Klasse,  welche  ausschlielslich  über  den  ersten  und  zweiten 
Teil  des  Doctrinale  Alexandri  Unterricht  empfingen,  an 
den  Werktagen  die  Messen  und  Vespern  zu  singen  und 
zu  Chore  zu  gehen  verpflichtet  waren.  Dafs  in  dieser 
Beziehung  ein  Unterschied  zwischen  den  Bemittelten  und 
den  Armen  unter  ihnen  bestanden  habe,  wie  betrefi's  des 
füi'  diesen  Unterricht  zu  zahlenden  Honorarsatzes,  dafür 
spricht  der  Ausdruck  der  Bestimmung  nicht.  Dagegen 
dürfen  wir  ihm  vielleicht  entnehmen,  dafs  diejenigen 
gramatici,  die  wohlhabend  genug  waren,  um  auch  noch 
an  dem  besonders  zu  honorierenden  Kursus  über  andere 
große  und  cleyne  gramaticalia  teilzunehmen,  von  jener 
Verpflichtung  befreit  waren  und  etwa  während  der  Zeit 
der  Wochengottesdienste  diese  besondere  Anleitung  em- 
pfingen. Ähnlich  dürfte  es  sich  mit  der  untersten  Ab- 
teilung dieser  Klasse,  den  ersten  Anfängern,  verhalten 
haben.  Anderwärts  wenigstens  finden  wir  wiederholt 
gerade  sie  von  dieser  Art  des  Kirchendienstes  ausdrück- 
lich befreit  ^■^).  Die  Gründe  dafür  sind  leicht  ersichtlich 
und  waren  schliefslich  überall  dieselben. 

Der  eigentliche  Zweck  der  Ordnungen  für  Schulen 
der  entsprechenden  Art,  bez.  der  Anstellungsverträge  für 
ihre  Leiter,  war  im  allgemeinen,  das  Aufsichts-,  Besetzungs- 
und Kündigungsrecht  der  städtischen  Behörde  zu  wahren, 
unter  Umständen  den  betreffenden  Schulmeister  noch  aus- 
drücklich zu  verpflichten,  dafs  er  mit  seinen  Untergebenen 
nur  bei  ihr  Recht  nehme,  dabei  ihm  ein  angemessenes 
Einkommen  zu  sichern,  aber  auch  zugleich  die  Schüler 
vor  ungerechtfertigten  Anforderungen,  aulserdem  even- 
tuell vor  Ausschreitungen  bei  der  Züchtigimg  zu  schützen. 
Wenn  in  unserer  Niederschrift  diese  Verhältnisse  zum 
guten  Teil  nicht  berührt  werden,  so  mag  ein  Grund  dessen 
darin  zu  suchen  sein,  dafs  dieselben  hier  durchaus  fest 
geordnet  waren,  wie  in  der  That  aus  dem  erhellt,  was 
sonst  über  die  Geschichte  der  Schule  in  dieser  Periode 
bekannt  ist.    Dazu  kam,  dals  gerade  der  Schulmeister  — 


1-)  Nürnberg  ca.  1505,  Nördlingen  1512,  Memmingen  1513 
(Art.  9,  verglichen  mit  der  in  Art.  3  gegebenen  Klasseneinteilung), 
s.  Mü.  147,  9.  30;  171,  20  (vergl.  218,  19  für  das  Jahr  1521);  185. 
In  Stuttgart  1501  nahmen  die  novitzen  zunächst  nicht  am  Gesang- 
uuterricht  teil  (Mü.  lo-l),  also  auch  nicht  am  Kirchendienst. 


296  0.  Meltzer: 

und  gleichzeitige  Stadtsclireiber  —  selbst  die  Eintragung 
in  das  Stadtbuch  vollzog.  Konnte  es  sich  doch  am  Ende 
in  dieser  Form  nicht  wohl  um  mehr  handeln,  als  einer- 
seits die  Forderungen  festzustellen,  zu  denen  er  und  seine 
Gehilfen  speziell  gegenüber  den  Schillern  durch  das  Her- 
kommen mit  Genehmigung  der  Stadtbehrjrde  berechtigt 
waren,  andererseits  aber  auch  die  Grenzen,  welche  sie 
in  dieser  Hinsicht  nicht  überschreiten  durften. 

Die  damaligen  Einkünfte  des  Dresdner  Schulmeisters 
und  seiner  Gehilfen  setzten  sich  aus  recht  mannigfaltigen 
Bestandteilen  zusammen.  Von  nicht  wenigen  unter  ihnen 
erfahren  wir  durch  unsere  Schulordnung  zum  ersten  Male, 
dais  sie  hier  in  Übung  gewesen  sind,  während  andere, 
aus  dem  Kirchendienst  herrührende,  die  damals  schon 
bestanden  (Kr.  20  —  29),  aus  naheliegenden  Gründen 
keine  Erwähnung  in  ihr  gefunden  haben. 

Die  Stadt  als  solche  gab  dazu  in  kehier  Form  etwas, 
und  das  ist  auch  bis  wenige  Jahre  vor  der  Einführung 
der  Reformation  so  geblieben  (Kr.  18).  Auch  anderwärts 
treten  erst  etwa  seit  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts 
Bestimmungen  der  Art  an  den  Tag,  dals  etwa  die  be- 
treffende Stadtgemeinde  aus  ihren  Mitteln  dem  Schul- 
meister einen  Zuschuls  zu  seinem  Einkommen  giebt'"). 
Im  Anschluls  an  derartige  Gewälirungen ,  nicht  selten 
aber  auch  ohne  solche,  nur  in  Verbindung  mit  erneuter 
Feststellung  oder  mit  einer  Erhöhung  der  Schulgeldsätze  ^•*), 
findet  sich  dann  zugleich  gern  die  Bestimmung,  dafs  die 
zahlreichen,  an  äuisere  Anlässe  geknüpften  kleinen  Ab- 
gaben der  Schüler  an  die  Lehrer  ganz  wegfallen  oder 
wenigstens  beschränkt  werden  sollen.  Unsere  Schul- 
ordnung zeigt  also  in  dieser  Hinsicht  noch  ganz  den  alten, 
ursprünglichen  Zustand ^•^). 


")  Z.  E.  Nördlingen  1443  (1451),  1472,  1499  (1505),  Emmerich 
1453,  Überlingen  1456,  1472,  Meramingen  14fi9,  Sclilettstadt  ca.  1509 
(Mü.  50  f.  87  f.  117  f.  293.  67  f.  89  f.  85  Anm.  163). 

"}  Z.B.  Nürnberg  1485  und  ca.  1.505  (liier:  vnnd  damit  sollen 
alle  vnnd  jede  andere  zufell  vnnd  klaine  schulrecJit  anfcjehoben  vnd 
die  kein  schiilcr  mer  zc  gehen  schuldiq  sein),  Sclileiz  1492,  Frei- 
biirg  i.  Br.  1517  (Mü.  104  und  153,  13  f.   113.  192). 

'•'')  Allerdings  scheint  auch  liier  sehr  bald  eine  Änderung  in 
der  oben  bezeichneten  Richtung  getroffen  worden  zu  sein:  für  die 
zwei  in  Anm.  7  schon  erwähnten  vermögenden  Bürger.ssöhne,  welche 
zwischen  1425  und  1438  die  Schule  besuchten,  verzeichnen  die  Vor- 
muudschaftsrechnungen  die  Zahlung  eines  weit  höheren  Schulgeldes 
(precium)     an    den    Schulmeister,    nämlich    20    Groschen   jährlich, 


Schulordnung-  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  297 

Allem  anderen  voraus  waren  damals  dem  Schul- 
meister vierteljährlich  2  Groschen  zu  zahlen  von  icdlchem 
hiirgers  sone,  der  habende  ist;  Arme  zahlten  also  nichts. 
Diese  Abgabe  ist  das  Schulgeld  im  eigentlichen  Sinne. 
Der  gleiche  Satz  findet  sich  mehrfach  unter  entsprechenden 
Verhältnissen,  übrigens  zum  Teil  ohne  jedwede  Beschrän- 
kung^*'). Wenn  hier  überhaupt  nur  Bürgerssöhne  als 
zahlungspflichtig  erwähnt  werden,  so  mag  die  Vermutung 
gestattet  sein,  dals  der  Zuzug  von  auswärts  zur  hiesigen 
Schule  durchgängig  nur  das  Kontingent  der  einheimischen 
armen  Schüler  verstärken  half.  In  der  That  ist  nichts 
bekannt,  was  darauf  schlielsen  liefse,  die  Dresdner  Schule 
habe  in  jener  Zeit  nach  aulsen  hin  auf  besser  situierte 
Kreise  eine  besondere  Anziehungskraft  ausgeübt").    In 


während  daneben  für  jeden  nur  noch  zweimal  2  Groschen  incepcio- 
nales  (s.  unten  S.  306)  an  die  Locaten  entrichtet  worden  sind.  (Kr.  19; 
die  daselbst  aufserdem  erwähnte  Ausgabe:  30  gr.  dem  baccularius 
zcu  vortringken ,  das  er  Fabiano  geresumiret  had,  bezieht  sich, 
wie  ich  jetzt  sehe,  auf  einen  privaten  Wiederholungskursus,  den  der 
betreffende  Schüler  bei  einem  der  Unterlehrer  genommen  bitte  und 
der  natürlich  besonders  zu  honorieren  war.) 

'")  Von  jedem  2  Gr.  vierteljährlich  in  Eger  ca.  1350,  in  Lands - 
hut  ca.  1407,  von  Vermögenden  in  Frankfurt  a.  0.  142'S-,  von  Wohl- 
habenden 2  Gr.,  von  „Mittelmäfsigen"  1  Gr.,  von  Armen  nichts  in 
Bautzen  1418  (Mü.  23.  33.  47.  38  f.)  Die  Bautzner  Schulordnung 
hat  von  J.  Müller  am  letztgenannten  Orte,  trotz  seiner  Bemühungen 
um  die  Auffindung  einer  besseren  Unterlage,  leider  nur  nach  dem 
recht  mangelhaften  Abdruck  in  der  „Nachlese  Oberlausitzischer  Nach- 
richten" etc.  (Zittau  1771)  S.  94  f.  wiedergegeben  werden  können; 
der  Verfertiger  der  Abschrift,  die  dort  zu  Grunde  liegt,  hat  augen- 
scheinlich seine  Vorlage  vielfach  nicht  richtig  gelesen.  Aufser  dem 
von  J.  Müller  angeführten  Auszug  bei  Chr.  Schöttgen,  Der  löbl. 
Buchdrucker- Gesellschaft  zu  Drefsden  Jubel  Geschichte,  A.  1740, 
S.  6  giebt  es  aber  auch  noch  einen  Abdruck  bei  C.  Wi Icke,  Chronik 
der  Stadt  Budissin  (1843)  S.  134  f.  Dieser  ist  man  zwar  nicht 
weniger  mangelhaft,  als  der  oben  genannte,  giebt  aber  doch  in 
einigen  Punkten  Fingerzeige  nach  der  richtigeren  Lesung  hin. 
H.  Heyd  en,  Beitr.z. Gesch.  d.  höheren  Schulwesens  in  der  Oberlansitz, 
Zittau  (Progr.)  1889,  S.  21,  Anm.  80  spricht  von  zwei  Abschriften, 
darunter  einer  im  Bautzner  Ratsarchiv  (Rep.  IV.  Sect.  III  Aa.  Nr.  1), 
ist  aber  der  Sache  leider  nicht  weiter  nachgegangen.  Nach  freund- 
licher Mitteilung  des  Herrn  Seminardirektors  Dr.  J.  Müller  in 
Bautzen  befindet  sich  eine  alte  Abschrift  auch  in  der  Bibliothek  der 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Görlitz.  Es  Avürde  eine  recht 
dankenswerte  Aufgabe  sein,  diese  interessante  Schulordnung ,_  wenn 
sich  denn  das  Original  durchaus  nicht  wieder  auffinden  läfst,  wenigstens 
in  möglichst  zuverlässiger  Form  wiederherzustellen. 

")  Mindestens  kommen  für  die  Beurteilung  der  Thatsache, 
dafs  Job.  Drändorff  aus  Schlieben  (Kr.  34.  55  f.)  unter  Meister  Peter 
die  hiesige  Schule  besucht  hat,  besondere  Verhältnisse  in  Betracht. 


298  0.  Meltzer: 

anderen  Schulordnungen  wenigstens  wird  nicht  selten 
auch  der  zahlungsfähigen  Auswärtigen  ausdrücklich  ge- 
dacht^«). 

Die  Abgabe  der  nßtriheheller  —  hier  2  Heller  von 
jedem  Schüler  zu  Pfingsten,  Michaelis,  Weihnachten  und 
Ostern  —  hängt  mit  den  mehrtägigen  Unterbrechungen 
zusammen,  welche  der  Unterricht,  abgesehen  von  den 
zahlreichen  einzelnen  Feiertagen,  anlälslich  der  genannten 
hohen  Feste  erlitt,  während  der  Begriö"  der  Ferien  im 
heutigen  Sinne  jener  Zeit  ja  allerdings  noch  in  keiner 
Weise  geläufig  war.  Diese  Unterbrechungen  ergaben 
zugleich  eine  angemessene  Gliederung  des  Schuljahres 
und  der  Lehrkurse.  Die  Abgabe  kommt  auch  sonst  nicht 
selten  vor,  in  der  Eegel  in  ähnlich  geringer  Höhe,  zum 
Teil  zu  den  gleichen  Terminen,  zum  Teil  seltener  im 
Jahre  zahlbar.  Ob  mit  dem  „Austreiben"  hier  die  eigent- 
tiimliche  Ceremonie  verbunden  war,  die  anderwärts  noch  bis 
in  das  laufende  Jahrhundert  herein  bestanden  hat,  lälst 
sich  nicht  sagen  ^'*). 

Dem  Schulmeister  gebührten  weiter  unter  der  Be- 
zeichnung laßhelle?-  von  jedem  Schüler  zu  Martini  (11.  No- 
vember), Blasii  (3.  Februar),  Philipp!  (1.  Mai)  und  Bar- 


*ä)  Zahlende  Eiuheimische  und  Auswärtige  werden  erwähnt  in 
Marienhurg,  -i.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts,  in  Überlingen  1456,  bez. 
147'^,  Lüneburg  1482,  Schleiz  149:i,  Nördlingen  1499,  bez.  1505, 
Stuttgart  1501,  Freiburg  i.  Er.  1517  (Mü.  124.  67,  bez.  90.  335 
Anm.  113.  117  f.  133.  192).  In  der  merkwürdigen  Zwickauer  Schul- 
ordnung von  1523,  welche  bestimmt,  dafs  der  Schulmeister  vom  Rat 
zu  besolden,  das  Schulgeld  aber  an  den  letzteren  einzuzahlen  ist, 
werden  vermögende  Auswärtige  sogar  mit  dem  Doppelten  des  Be- 
trags belegt,  den  vermögende  Einheimische  zu  zahlen  hatten 
(Mü.  247). 

'■^)  Die  beste  Zusammenstellung  dessen,  was  über  die  Sache 
liekannt  ist,  giebt  J.  Müller  in  dieser  Zeitschr.  YIII  (1887),  2ö2. 
Auch  in  Bautzen  1418  wurde,  wie  hier,  zu  Ostern,  Pfingsten,  Michaelis 
(gemeine  Woche)  und  Weihnachten  1  Pfennig  gezahlt,  aber  an  den 
Kantor,  und  zwar  nur  von  Bemittelten,  während  Arme  frei  waren, 
in  Eger  ca.  1350  gab  jeder  Schüler  viermal  jährlich  1  Pf.,  in  Schleiz 
wurde  das  Austreibegeld  —  2  Pf.,  von  denen  jedoch  nicht  zu  ersehen 
ist,  wie  oft  sie  entrichtet  worden  sind  —  1492  abgeschafft  (Mü.  23.  113). 
Auch  in  Nürnberg  wird  e.^,  Avie  in  der  von  J.  Müller  a.  a.  0.  an- 
gezogenen Scliuhirdnung  von  1405,  so  in  derjenigen  von  ca.  1505 
noch  einmal  ausdrücklich  als  abge.schatt't  erwähnt.  Die  Abgabe  in 
Brugg  ca.  1505  bei  Mü.  137,  21  dürfte  nach  ihrem  einen  Teile  gleich- 
falls hierher  zu  ziehen  sein,  desgleichen  diejenige  zu  2  Pf.  zu 
Ostern,  Pfingsten  und  Weihnachten  an  den  Jungmeister  in  Landshut 
ca.  1407  und  je  an  den  betreffenden  „Stampnal"  in  Nördlingen  1443 
(Mü.  34.  51). 


Schulorflmmg  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  299 

tholomäi  (24.  August)  von  jedem  Schüler  2  Heller.  Ihre 
Erklärung  bot  zunächst  eine  gewisse  Schwierigkeit  Eine 
Abgabe  namens  laßgelt  fand  sich  in  Höhe  von  2  Pf., 
übrigens  ohne  dals  sich  erkennen  liefs,  wann  und  wie  oft 
sie  fällig  gewesen  war,  nur  noch  für  Schleiz  1492  be- 
zeugt, wo  sie  eben  damals  abgeschafft  ward.  Schlielslich 
stellte  sich  noch  etwas  Entsprechendes  für  Osterwieck 
ca.  1450  heraus,  wo  zu  Walpurgis  und  Bartholomäi  to 
adder  peyinighe  von  Eeichen  2  Pf.  zu  zahlen  waren, 
von  Armen  die  Hälfte.  Es  handelt  sich  nämlich  bei  dem 
„Lassen"  um  das  Aderlassen.  Für  diesen  Gebrauch  des 
Wortes  und  seiner  zahlreichen  Zusammensetzungen,  welche 
letzteren  hiermit  um  eine  neue  vermehrt  werden,  möge 
ein  Verweis  auf  die  Wörterbücher  von  Lexer  und  Grimm -^) 
genügen.  Welch  wichtige  Rolle  bis  in  eine  nicht  allzu 
fern  hinter  uns  liegende  Zeit  Aderlassen,  Schröpfen, 
Purgieren-^)  und  die  ihnen  zu  widmenden  Tage  gespielt 
haben,  ist  ja  im  allgemeinen  bekannt,  und  die  in  unserer 
Schulordnung  angegebenen  Zahlungstermine  für  den  Lals- 
heller  finden  sich  sogar  an  höchst  beachtenswerter  Stelle 
ausdrücklich  als  solenne  Aderlafstage  bezeugt.  Außer- 
ordentlichen Einfluss  auf  die  Anschauungen  und  die  Lebens- 
führung der  weitesten  Kreise  hat  im  ausgehenden  Mittel- 
alter und  noch  lange  danach  das  um  1100  in  Salerno 
entstandene  „Regimen  sanitatis"  (auch  „Flos  s.  Lilium 
medicinae")  ausgeübt-").  In  der  mir  vorliegenden  Aus- 
gabe desselben  finden  sich  nun  —  ohne  dafs  ich  freilich 
zu  sagen  vermöchte,  ob  sie  dem  ursprünglichen  Bestände 
angehören  oder  eine  der  Erweiterungen  sind,  die  das  im 
Laufe  der  Zeit  vielfach  überarbeitete,  auch  in  mehrere 
Landessprachen  übertragene  Werk  erfahren  hat  —  im 
15.  Kapitel  „Flebotomia"  unter  Artikel  5  „Tempus 
lectionis"  die  Verse  (1739  f.): 


-°)  Eiue  Anführung  hei  Grimm  u.  d.  W.  „Lafstafel"  nennt 
u.  a.  auch  den  Martinstag  als  Aderlafstag.  Dafs  die  Schleizer  Schul- 
ordnung neben  dem  Lafsgeld  auch  noch  ein  Ahlafsgeld  nennt,  sei 
übrigens  hier  noch  besonders  erwähnt. 

2^)  Über  Purgiertage  in  Meifsen  (und  eine  Abgabe ,  allerdings 
anderer  Art)  s.  Th.  Flathe,  St.  Afra  (Leipzig  1879)  S.  306;  vergl. 
für  Grimma  K.  J.  Röfsler,  Gesch.  d.  K.  Fürsten-  und  Landesschule 
Grimma  (Leipzig  1891)  S.  111. 

22)  Vergl.  J.  Bauer,  Gesch.  der  Aderlässe  (München  1871) 
S.  111  ff.  J.  Häser,  Lehrbuch  d.  Gesch.  d.  Medizin  I  (2.  Aufl.,  Jena 
1851),  284  f.  Für  mehrfache  Nachweise  auf  diesem  Geldete  bin  ich 
Herrn  Geh.  Medizinalrat  Dr.  Merbach  hier  zu  Dank  verpflichtet. 


300  0.  Meltzer: 

Martini,  Blasii,  Philii)pi,  Bartlioluiiiaei 
Veiias  praecidas-^),  ut  longo  tempore  vivas. 
Es  wurde  also  hier  einstmals  an  diesen  Tagen  den  Schülern 
zur  Ader  gelassen,   und   darauf  bezog  sich  die  Abgabe. 
AVelche  Bewandtnis   es   im   einzelnen   damit  gehabt  hat, 
lälst  sich  allerdings  vorläufig  nicht  nachweisen. 

Unter  dem  Titel  kernheller  waren  hier  %if'  Margarete 
(13.  Juli)  von  Reichen  G  Heller  an  den  Schulmeister  zu 
zahlen,  von  Armen  die  Hälfte.  Diese  Abgabe  ist  auch 
anderwärts  vielfach,  zum  Teil  ausdrücklich  für  denselben 
Termin,  bezeugt;  sie  hängt  zusammen  mit  der  früher 
weit  verbreiteten  Sitte,  die  geistigen  Getränke  (Wein, 
Met,  Bier)  mit  allerlei  Ingredienzien  zu  würzen,  teils  um 
des  Wohlgeschmacks  willen,  teils  wegen  wirklich  oder 
vermeintlich  heilsamer  Wirkungen.  So  wurden  u.  a.  dem 
Bier  gern  Kii'schkerne  beigesetzt,  und  diese  hatten  die 
Schüler  dem  Schulmeister  zu  liefern  oder  dafür  die  ent- 
sprechende Zahlung  zu  entrichten"^). 


-3)  So  ist  gewiis  zu  lesen,  nicht  „praecidant",  wie  die  oben 
berührte  Ausgabe  (Collectio  Salernitana  ossia  Docuraonti  inediti  etc., 
pubblicati  a  cura  di  Salv.  de  Benzi,  tom.  1,  Napoli  X't^'ri)  bietet. 

-*)  S.  die  Nachweise  über  den  Zweck  der  Lieferung  bei  J. 
Frank,  Antiquar.  Bemerkungen  zu  einer  Studienordnung  d.  latein. 
Ratsschule  zu  Landau  i.  d.  Pfalz  vomJahre  \A'il  (Progr.  d.  Lateinschule 
zu  Edenkoben),  Speier  1874.  Kerne  (ohne  nähere  Bestimmung)  er- 
hielt der  Schulmeister  in  Landshut  ca.  1407;  in  Landau  1432  von 
den  obersten  Schülern  bis  zu  G  Pfund ,  von  den  übrigen  nach  Ver- 
hältnis;  in  Bayreuth  1464  im  Sommer  von  den  Schülern  der  oberen 
Abteilung  6  Pfund  AVeichselkerne  oder  4  Pfennig  von  denen  der 
unteren  die  Hälfte;  in  Marienburg,  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts, 
einen  Becher  voll  oder  4  Pfennig;  in  Schwäbisch -Hall  1513  von 
jedem  1000  aufgeklopfre  Kirschkerne  oder  2  I'fennig,  dagegen  nichts, 
wenn  die  Kirschen  nicht  geraten  waren;  in  Gerolzhofen  1445  war 
die  —  nicht  näher  bestimmte  —  Abgabe  in  das  Belieben  der  Schüler 
gestellt  (Mü.  33.  48.  84.  125.  176.  281).  Blofs  die  Geldabgabe  wird 
eiwähnt  in  Hamburg  ca.  1456,  desgl.  in  Schleiz  1492,  allerdings  nur 
anläfslich  der  Aufhebung,  seclis  pfennig  auff  Margarethe  kerngelt 
(Mü.  70.  113);  als  aufgelioben  wird  sie  a\ich  genannt  in  Nürnberg  ca. 
1505,  und  gewifs  ist  in  der  entsprechenden  Partie  der  Nüniberger 
Schulordnung  von  1485  auch  kerngelt,  nicht  korngelt  zu  lesen 
(Mü.  153.  104,  21).  Ich  bin  auch  fest  überzeugt,  dafs  das  Original 
der  Bautzner  Schulordnung  von  1418  (s.  oben  Anm.  16)  nicht  von 
einem  halben  topf  mit  geschlagenen  kornniehl  oder  von  einem 
hellertopf  roll  kor^i  gesprochen  hat,  wie  es  in  den  Abdrücken  bei 
Mü.  39  und  AVilcke  heifst,  sondern  von  einem  solchen  Mafs  voll  ge- 
schlagener (aufgeklopfter)  Kerne,  bez.  von  der  Geldabgabe,  die  dafür 
nach  Johannis  Baptistä,  also  zur  Kirschenzeit,  an  den  Schulmeister 
zu  zahlen  war. 


Schnlordmmg  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  301 

Als  Beitrag  zur  Heizung  der  Schule  erhielt  der 
Schulmeister  jährlich  vor  liolcz  2  Groschen  von  jedem 
Schüler,  wie  wir  in  Ermangelung  jedes  Zusatzes  zu  der 
Bestimmung  jetzt  (gegen  Kr.  20)  doch  wohl  annehmen 
müssen.  Die  Lieferung  in  natura  wird  nicht  ausgeschlossen 
gewesen  sein;  wenigstens  ist  sie  in  den  Jahren  1425-38 
für  die  beiden  schon  mehrfach  erwähnten  Schüler  so  er- 
folgt (Kr.  19),  und  im  Anfang  dieses  Zeitabschnitts 
kostete  das  Fuder  Holz,  das  jährlich  einmal  geliefert 
ward,  hier  in  der  That  genau  2  Groschen,  um  dann  aller- 
dings rasch  um  die  Hälfte  und  mehr,  ja  bis  auf  das 
Doppelte  des  Preises  zu  steigen'-'^). 

Wenn  M.  Nicolaus  Thirmann  sagt,  dafs  meteheUer 
bei  ihm  nicht  genommen  worden  seien,  so  bezeugt  er 
damit,  dafs  diese  Abgabe  hier  bis  auf  seinen  Amtsantritt 
üblich  war,  verzichtet  aber  auch  zugleich  durch  seinen 
Eintrag  ins  Stadtbuch  ausdrücklich  auf  ihre  weitere  Er- 
hebung. Dieselbe  ist  mir  nur  noch  einmal,  in  der  Bautzner 
Schulordnung  von  1418,  vorgekommen-*^).  Dafs  sie  ihren 
Namen  von  dem  Met,  dem  Getränk,  hatte,  kann  nicht 
W'Ohl  bezweifelt  werden.  Aber  auf  alle  weiteren  Fragen, 
die  an  ihre  Erwähnung  hier  geknüpft  werden  möchten, 
giebt  es  zur  Zeit  noch  keine  Antwort. 


2">)  Bestimmungen  über  die  Beiträge  der  Schüler  zur  Heizung 
der  Schule  bietet  J.  Müllers  Sammlung  in  grofser  Zahl.  Sehr  ge- 
wöhnlich war  es  —  wie  hier  und  da  wohl  noch  bis  nahe  an  unsere 
Zeit  — ,  dafs  während  der  Heizperiode  jeder  täglich  ein  Scheit  Holz 
mitzubringen  hatte,  oder  es  war  die  Lieferung  einer  gröfseren  Quan- 
tität auf  einmal  oder  eine  Geldzahlung  zur  Wahl  gestellt,  zuweilen 
ist  auch  blofs  von  einer  Geldzahlung  die  Rede  —  alles  dies  übrigens 
nicht  selten  unter  Ansetzung  eines  niedrigeren  Betrags  oder  unter 
völligem  Erlafs  für  die  Armen.  In  Gerolzhofen  1445,  wo  die  Lie- 
ferung in  natura  den  Einheimischen  je  nach  Vermögen  vorgeschiieben, 
eine  Geldzahlung  dafür  aber  ausdrücklich  ausgeschlossen  wurde, 
durften  Eltern,  denen  jene  nicht  genehm  war,  eigentümlicher  Weise 
ihre  Söhne  sogar  vom  Schulbesixch  fernhalten  (Mü.  281).  An  manchen 
Orten  lieferte  die  Stadt  das  Brennmaterial  ganz,  unter  Umständen 
mit  der  Bestimmung,  dafs  dafür  eine  von  den  Schülern  zu  leistende 
Zahlung  auf  das  Rathaus  einzuliefern  sei  (Mü.  47),  anderwärts  gab 
sie  wenigstens  einen  Beitrag  dazu.  Vereinzelt  wird  dem  Schulmeister 
gestattet,  dafs  er  sm  stobell  zu  rechter  zytt  auch  damit  wormen 
möge  (Landau  1432);  häufiger  noch  findet  sich  die  nachdrückliche 
Warnung  davor,  das  Holz  irgendwie  anders  als  zur  Heizung  der 
Schulstnbe  zu  verwenden  (Mü.  48.  84.  88.  117.  191). 

"*')  Nach  dem  bei  Mü.  .38  f.  wiedergegebenen  Abdiuck  —  Wilcke 
giebt  die  Stelle  in  stark  abweichender  I'assung  —  :  zu  unser  liehen 
f'rowen  ivorzwey  (15.  August ,  Maria  Himmelfahrt)  1  methe  heller 
dem  rectori  etc. 


302  0.  Meltzer: 

Die  beiden  nächsten  Abschnitte  unserer  Schulordnung 
handeln  von  den  Einkünften  der  Locaten  und  des  Öignators. 
Sie  bringen  einen  neuen  Beweis  dafür,  dafs  eine  vielfach 
gehegte  und  betreflfs  der  Kreuzschule  früher  auch  von 
mir  (Kr.  18)  vertretene  Anschauung  doch  zu  beschränken 
ist,  die  Ansicht  nämlich,  dals  der  Schulmeister  seine 
Gesellen,  wie  er  sie  ganz  nach  eigenem  Ermessen  anzu- 
nehmen und  zu  entlassen  hatte,  so  auch  aus  den  ihm 
allein  zuflielsenden  Einnahmen  für  den  Schuldienst  zu 
besolden  gehabt  habe.  Hier,  wie  mehrfach  anderwärts"'), 
sind  vielmehr  auch  ihnen  solche  —  abgesehen  von  Ein- 
nahmen aus  kirchlichen  Verrichtungen,  Vermächtnissen 
u.  dergl.  —  unmittelbar  zugeflossen. 

Die  Zahl  dieser  Hilfskräfte  des  Schulmeisters  war 
natürlich  je  nach  den  Verhältnissen  verschieden.  Wenn 
H.  Kämmel  (a.  a.  0.  131)  meint,  in  der  von  ihm  behan- 
delten Periode  habe  wohl  keine  Schule  deren  mehr  als 
vier  gehabt,  so  trifft  dies  nach  den  uns  vorliegenden 
Schulordnungen  im  allgemeinen  zu'-^),  und  an  eine  höhere 
Zahl  ist,  einschließlich  des  Signators,  auch  für  die  hiesige 
Schule  gewils  nicht  zu  denken.  Aus  Gründen,  deren 
Darlegung  weiter  unten  besser  am  Platze  sein  wird, 
möchte  ich  sogar  lieber  annehmen,  dals  es  damals  ein- 
schlielslich  des  Signators  nur  drei  waren,  also  nur  zwei 
Locaten  in  der  engeren  Bedeutung,  in  welcher  unsere 
Schulordnung  den  Ausdruck  anwendet. 

Die  Locaten  erhielten  von  jedem  vermögenden  Schüler 
vierteljährlich  1  Groschen-"),  d.h.  doch  wohl  jeder  Locat 
von  den  Insassen  der  ihm  speziell  überwiesenen  Ab- 
teilung. Diese  ist  gleich  derjenigen,  Avelche  der  Schul- 
meister für  sich  in  doppelter  Höhe  an  erster  Stelle  em- 


-')  Z.  B.  in  Eger  ca.  laöO,  in  Bautzen  1418,  in  Frankfurt,  a.  0. 
1425  (in  diesen  beiden  Fällen  mit  einer  Natnrallieferung  zur  Wahl 
gestellt),  in  Nördlingen  1443,  bez.  147;i,  und  1499  (iriü.ö),  in  Über- 
lingen 1456,  bez.  147;;?,  in  Bayreuth  1464,  in  Stuttgai't  1.5U1  (Mü.  ;^8. 
39.  47.  51,  bez.  87  und  117  f.  68,  bez.  90.  83.  134  f.),  zum  Teil  aller- 
dings nach  merklich  geringeren  Sätzen  und  mit  der  Tendenz,  auch 
in  dieser  Hinsicht  (vergl.  oben  S.296)  durch  feste  Abgaben  zn  bestimm- 
ten Terminen  alle  weiteren,  an  besondere  Anlässe  geknüpften  Zahlungen 
zu  beseitigen. 

-*)  In  Nüniberg  bei  St.  Laurentii  gab  es  1485  allerdings  fünf 
(Mü.  103). 

"")  Bautzen  1418  zeigt  für  den  Fall,,  dafs  die  Form  viertel- 
jährlicher CJeldzalilung  beliebt  wurde,  denselben  Satz,  wovon  der  be- 
treffende Locat  allerdings  1  Bf.  an  den  Signator  abzugeben  hatte. 


Scliulordnung  der  Kreuzsclmle  zu  Dresden.  303 

pfiiig,  als  das  ihnen  gebührende  „Schulgeld"  im  eigentlichen 
Sinne  zu  betrachten. 

Demnächst  bezogen  sie  alle  drei  Wochen  von  jedem 
Vermögenden  2  Heller,  von  den  Armen  1  Heller  ='°).  Ich 
möchte  diese  Zahlung  am  ehesten  mit  derjenigen  ver- 
gleichen, die  in  Stuttgart  1501  unter  dem  Namen  Kapitel- 
geld üblich  war'^^). 

Weiter  wird  bestimmt :  Item  sanghlieller  super  festum 
Katherine  1  gr.  Wie  anderwärts,  wo  eine  entsprechende 
Zahlung,  zum  Teil  auch  ausdrücklich  für  denselben  Tag 
(25.  November),  angeordnet  wird"^-),  hat  es  sich  hierbei 
jedenfalls  um  eine  Vergütung  an  den  Kantor  gehandelt, 
soweit  die  Schüler  am  Gesangunterricht  teilnahmen.  Der 
Titel  Kantor  hat  sich  nun  zwar  für  einen  der  Schul- 
gesellen in  der  Zeit  vor  der  Einführung  der  Heformation 
hier  noch  nicht  nachweisen  lassen;  einer  derselben  muls 
aber  doch  die  Funktionen  eines  solchen  ausgeübt  haben. 
Anderwärts  war  der  Kantor  nicht  selten  der  nächste 
nach  dem  Schulmeister;  hier  weisen  die  Bestimmungen 
von  1539  (Kr.  21)  das  Amt  und  nunmelu'  auch  den  Titel 
dem  zweitnächsten  zu. 


^°)  An  Stelle  der  eigentümlichen  Abkürzung,  die  hier  im  Text 
steht,  hatte  der  Herr  Herausgeher  zunächst  vermutungsweise  nihil 
eingesetzt;  doch  hat  er  inzwischen  erkannt,  dafs  so  (I  heller)  zu 
lesen  ist. 

ä')  Mü.  134 f.  Dort  hatten  der  Provisor,  d.  i.  der  erste  unter 
den  Schulgesellen,  der  Kantor  und  die  Locaten  von  jedem  Schüler 
für  jedes  durchgenommene  Kapitel  3  Heller  zu  bekommen ,  wobei 
übrigens  die  Mahnung  nicht  unterlassen  wird ,  nicht  kursorisch  zu 
lesen,  sondern  nur  nach  dem  Ermessen  des  Schulmeisters  und  so, 
wie  es  für  die  Ausbildung  der  Schüler  wirklich  erspriefslich  sei. 
Daneben  bekam  auch  dort  der  Provisor  Schulgeld  und  der  Kantor 
ein  Honorar  für  den  Gesangunterricht;  die  Locaten,  selbst  Schüler, 
waren  allerdings  ausschliefslich  auf  das  Kapitelgeld  angewiesen. 
In  Eger  ca.  1350  erhielten  die  Locaten  alle  Montage  von  jedem 
Schüler  1  Pfennig  („Wochenpfennige"),  in  Landshut  ca.  1407  der 
„Jungineister"  je  am  vierten  Montag  von  jedem  1  Pfennig  (Mü. 
23.  34). 

^^)  Zu  Cathariuä  gaben  in  Bautzen  1418  diejenigen,  die  man 
setzt  zu  dem  cantori  —  so  ist  sicher  zu  lesen,  im  übrigen  sind  auch 
hier  die  Angaben  in  Verwirrung  — ,  eine  Abgabe  in  drei  Abstufungen, 
in  Schleiz  1492  nach  altem  Herkommen  jeder,  der  im  gesange  sitzet, 
1  neuen  Groschen,  und  diese  Zahlung  blieb  dort  auch  bestehen, 
während  nicht  wenige  andere  eben  damals  abgeschafft  wurden  (Mü. 
39.  113).  Aufserdem  s.  über  Zahlungen  der  Teilnehmer  am  Ge- 
sangunterricht in  Überlingen  1456,  bez.  1472,  Hamburg  ca.  1456, 
Marienburg,  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  (hier  „im  Advent"),  Stutt- 
gart 1501:  Mü.  68,  bez.  90.  70.  125.  134. 


304  0-  Meltzer: 

Zum  nmven  iare  und  ziim  iarnuirglde  sive  Johannis 
haptüte'^'^)  hatten  bemittelte  Schüler  an  die  Locaten 
jedesmal  1  Groschen  zu  entrichten,  ~  Zahlungen,  wie 
sie  auch  sonst  nicht  selten  vorkunimen. 

Die  luchteheller  —  unter  welchem  Titel  super  festum 
puriiicadonh  (sc.  Mariae  =  Licht nieis,  2.  Februar)  den 
Locaten  von  jedem  bemittelten  Schüler  2  Heller,  von  den 
armen  1  Heller  zukamen  —  hatten  mit  der  Beleuchtung 
des  Schulzimmers  nichts  zu  schatten.  Ist  es  doch  hier 
bis  184G  so  gewesen,  dals  zu  diesem  Zwecke  jeder  mit- 
brachte, was  er  eben  wollte  oder  hatte'^^).  Vielmehr 
handelt  es  sich  um  eine  auch  sonst  häufig  bezeugte  Ab- 
gabe, die  mit  der  Kerzen  weihe,  bez.  Prozession,  an  dem 
bezeichneten  Tage  zusammenhing.  Anderwärts  empfing 
dieselbe  allerdings  in  der  Regel  der  Schulmeister,  sei  es 
in  Gestalt  einer  vollständigen  Wachskerze  oder  wenigstens 
des  Restes,  der  übrig  war,  nachdem  sie  der  Schüler  bei 
der  kirchlichen  Feier  getragen  hatte,  sei  es  in  Gestalt 
eines  entsprechenden  Geldbetrags^''). 

Der  an  letzter  Stelle  verzeichnete  Einnahmeposten 
der  Locaten  erweckt  schon  dadurch  ein  besonderes  Inter- 
esse, dals  er  die  verhältnismälsig  wenigen  bekannten 
Beispiele  für  den  Gebrauch,  auf  dem  er  beruht,  um  ein 
neues  vermehrt.  ,Es  hatten  vor  deme  anhehin  der  buchere, 
die  nicht  hiicJiere  ivider  die  locaten  Muffen,  zu  bezahlen 
von  deme  alpjliabetli  und  von  der  rcgil  je  1  Groschen, 
vom  Donat   und   von  deme  prima  parte  je  2  Groschen. 


33)  über  die  Feier  des  .lolioiinisfestes  hier  und  den  im  Aiischlufs 
daran  entstandenen  Jahrmarkt  vergl.  0.  Kichter  in  dieser  Zeitschrift 
IV  (1883),  101  ff.,  bez.  Verfassnngs-  und  Verwaltuno-sgesch.  der 
Stadt  Dresden  II  (Dresden  1891),  297.  —  Neujalirsgelder  z.  B.  in 
Bautzen  1418,  Goch  1419,  bez.  1421,  Bayreuth  14(i4;  ins  Belieben 
gestellt  in  Gerolzhofen  144.5  und  Schleiz  1492;  aufgehoben  in  Nürn- 
berg seit  1485  (Mü.  H9.  40  83;  281.  113;  101.  153).  Jahrmarktsgeld 
abgeschafft  in  Sclileiz  1492,  Nördlingcn  1499,  Stuttgart  1501  (Mü. 
113.  117.  129). 

3^)  Anderwärts  ging  die  Obliegenheit,  für  die  Beleuclitung  zu 
sorgen,  unter  den  Schülern  reiheum  (die  Lichtstümpfe  werden  even- 
tuell dem  Schulmeister  ausdrücklich  vorbehalten)  oder  es  wurde  ein 
(leidbetrag  gezahlt  (Mü.  40.  48.  70.  103  f.  113.  133.  153.  177.  281. 
289.  291). 

3'»)  Z.  B.  in  Eger  ca.  1.350,  Lamlan  1432,  Überlingen  145(),  bez. 
1472,  Marienburg,  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  (hier  allein  geben 
Arme  nichts),  Memmingen  1469,  bez.  1474,  Stuttgart  1501;  abge- 
.schaftl  in  Nördiingen  seit  1472  (Mü.  23.  49.  üB,  bez.  90.  124.  85 
Anm.,  bez.  303.  133.  87,  bez.  117).  Die  Kerze  wird  mehrfach  nach 
dem  Gewicht  genau  bestimmt. 


Schulorihrang  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  305 

Die  Locaten  suchten  also  auch  hier  ihre  Einnahmen  durch 
Abschreiben  von  Schulbüchern  zu  erhöhen,  und  wer  von 
den  Schülern  ihnen  kein  solches  abnahm,  hatte  ihnen  zur 
Entschädigung  für  den  ihnen  dadurch  entgehenden  Ge- 
winn die  betreifende  Zahlung  zu  leisten.  Anderwärts 
sind  übrigens  daneben  zuweilen  noch  ausdrücklich  die 
Preise  bezeichnet,  welche  der  Schüler  für  die  Bücher  zu 
entrichten  hatte,  wenn  er  sie  kaufte  ^*^).  Bemerkenswert 
ist  ferner  die  Verbindung,  in  welche  auch  hier  diese  Be- 
stimmung mit  dem  „Anheben"  der  Bücher  gebracht  ist. 
Der  Eintritt  in  einen  neuen  Lehrkursus  konnte  an  sich 
als  ein  mindestens  ebenso  wohlberechtigter  Anlafs  zur 
Erhebung  einer  Abgabe  erscheinen,  wie  so  mancher  andere 
unter  den  bisher  besprochenen.  Um  so  verwunderlicher 
ist  es,  dafs  sich  eine  solche  eigentlich  nirgends  so  rein 
entwickelt  findet,  wie  z.  B.  Zahlungen  der  oben  erwähnten 
Art  für  die  Vollendung  bestimmter  Abschnitte  innerhalb 
des  Schuljahres  (Austreibegeld)  oder  innerhalb  des  Lehr- 
pensums (Kapitelgeld  etc.),  sondern  dals,  wo  überhaupt 
vom  „Anheben"  eine  Zahlung  zu  leisten  war,  diese  in 
Wechselbeziehung  zu  dem  vollzogenen  oder  unterlassenen 
Ankauf  von  Büchern  gestellt  ist,  welche  die  Lehrer  ge- 
schrieben hatten.  Weiter  bleibt  es  vorläufig  unklar, 
warum  in  den  hiesigen  Bestimmungen  z.  B.  der  zweite 


^*^)  In  Bautzen  1418  werden  zuerst  die  Preise  der  Bücher  an- 
gegeben —  übrigens  in  Schottgens  Auszug  und  bei  Wilcke  zum 
Teil  anders,  als  bei  Mü.  38  f.,  so  dafs  die  daran  geknüpften  Schlufs- 
folgerungen  J.  Müllers  in  dieser  Zeitschrift  VIII  (1887),  261  nicht 
überall  eine  ganz  sichere  Unterlage  haben  — ,  sodann  die  Sätze ,  welche 
„reiche"  und  „mittelmäfsige"  Schüler  im  Anheben  zu  zahlen  hatten, 
falls  sie  keine  Bücher  von  den  Locaten  kauften,  während  Arme  auch 
in  diesem  Falle  nichts  gaben;  „im  Anheben"  aber  ist  mit  Schöttgen 
und  Wilcke,  nicht  ein  ansehnlich  mit  dem  bei  Mü.  wiedergegebenen 
Abdruck  (s.  oben  Anm.  16),  sicherlich  zu  lesen.  In  Schleiz  1492 
(Mü.  113)  wird  unter  der  gleichen  Voraussetzung  bestimmt,  dafs 
jedes  Stadtkind  den  Locaten  als  anhebgelt  von  dem  primapart  (so 
ist  zu  lesen)  1  neuen  Groschen,  vom  Donat  6  Pf.,  von  der  regel 
3  Pf.  zu  geben  hat;  hinzugefügt  wird  aber,  dafs  der  Locat  kein 
Kind  zwingen  daif,  ihm  Bücher  abzukaufen,  ausgenommen  die  für 
den  allerersten  Unterricht  bestimmten  (abc,  paternoster,  benedicite, 
gracias):  die  müssen  sie  umb  ein  czymlich  gelt  von  ym  kauffen. 
In  Marieuburg,  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  (Mü.  124),  heifst  die 
Zahlung  für  den  unterlassenen  Ankauf  der  Bücher  (Donat,  Regel, 
Alexander)  bei  den  Locaten  ebenfalls  anhebegelt.  Interessant  sind 
auch  die  Bestimmungen  aus  Nordhausen  1894  (Mü.  234  Anm.),  wo 
festgesetzt  wird,  dafs  beim  Anheben  (de  inchoatione)  der  Bücher 
nichts  zu  zahlen  ist,  wohl  aber  zum  Teil  bei  ihrer  Beendigung. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  Ä.  XIV.  3.  4.  20 


306  ß-  Meltzer: 

Teil  des  Doctrinale  Alexandri  niclit  herücksiditig;!  worden 
ist,  der  doch  im  Ansdiluls  au  den  ersten  in  derselben 
Klasse  behandelt  wurde,  nicht  zu  gedenken  der  anderen 
Bücher,  die  in  den  höheren  Kursen  dem  Unterricht  zu 
Grunde  gelegt  worden  sind.  War  es  in  diesen  Fällen 
etwa  so  sehr  die  Regel,  dals  die  Schüler  ihre  Texte  selbst 
nachschrieben,  dals  zu  weitergehenden  Bestimmungen  kein 
Anlals  vorlag?  Endlicli  lälst  sich  kein  sicherer  Zusammen- 
hang herstellen  zwischen  dem  Zustande,  wie  ihn  unsere 
Schulordnung  in  der  hier  besprochenen  Beziehung  dar- 
stellt, und  demjenigen  zwischen  1425  und  1438,  wo  für 
die  mehrfach  erwähnten  zwei  Schüler  wiederholt  je 
2  Groschen  inccpcionalrs  an  die  Locaten  gezahlt  worden 
sind,  obschon  auch  Bücher  aus  dem  bezeichneten  Kreise 
für  sie  angeschafft  worden  waren  (Kr.  16.  19).  Oder 
hatten  die  Vormünder  dieselben  im  freien  Verkehr  ge- 
kauft, und  es  bestand  hier  wenigstens  diese  Einzelabgabe 
(s.  oben  Anm.  14  und  15)  auch  jetzt  noch? 

Es  folgt  der  Abschnitt  von  des  signatoris  lo7ie.  Diese 
Bezeichnung  für  die  unterste  Hilfskraft  des  Schulmeisters 
erscheint  hiermit  zum  ersten  Male''')  aufserhalb  des  Ge- 
biets, für  welches  sie  bisher  allein  nachweisbar  war 
(Schlesien   und  die   Lausitz)-'^);    allerdings  erhalten  wir 


^'')  Rein  an  sich  war  der  Ausdruck  hier  allerdings  schon  be- 
legt, nur  fehlte  die  Möglichkeit,  ihn  richtig-  zu  beziehen;  vergl.  das 
von  G.  Müller  in  dieser  Zeitschrift  VIII  (1887),  280  mitgeteilte 
interessante  Verzeichnis  über  den  Nachlafs  des  alden  signators  vom 
Jahre  1498  und  Kr.  49,  Anm.  75.  Der  Wortlaut  der 'an  letzterer 
Stelle  bezeichneten,  mir  damals  nicht  recht  verständlichen  Einträge 
giebt  an  die  Hand,  dals  es  mindestens  1525  einen  Signator  an  der 
Schule  nicht  mehr  gab  und  dafs  der  früher  ihm  zukommende  An- 
teil an  der  betreffenden  Spende  jetzt  dem  Schalmeister  überlassen 
wurde. 

3")  Vergl.  die  Zusammenstellung  von  J.  Müller  in  dieser  Zeit- 
schrift VIII  (1887),  260  f.,  durch  die  alles  früher  über  die  Sache  Erörterte 
erledigt  wird.  Ältere,  bei  Mü.  284  Anm.  und  350  Anm.  angeführte  Ver- 
suche zur  Erklärung  des  Namens  als  Gesanglehrer  oder  Lehrer,  der  den 
Knaben  die  signa  =  Buchstaben  (!)  beigebracht  habe,  sind  in  sich 
selbst  hinfällig.  Ob  und  wie  aber  nun  derselbe  etwa  mit  der  Be- 
deutung von  Signum  als  Glocke  oder  Zeichen  des  Kreuzes  in  Be- 
ziehung auf  den  Gottesdienst  zusammenhängt,  oder,  was  wahrschein- 
licher ist,  mit  der  Thätigkeit  des  Signators  im  Sinne  der  von 
J.  Müller  a.  a.  0.  mitgeteilten  Instruktion  aus  Neisse  1498  —  Wecken 
der  Schüler,  Anstimmen  bez.  Anschreiben  und  Ansagen  von  Ge- 
sängen beim  Kirchendienst  — ,  das  bedarf  noch  anderweitiger  Fest- 
stellung. Die  Lehrthätigkeit  des  hiesigen  Signators  macht  es  übrigens 
wahrscheinlich,    dafs   auch    für  Neisse  bei  den  Worten  „lectiones  a 


Schulordnung  der  Krenzschule  zu  Dresden.  307 

auch  dadiircli  keinen  neuen  Beitrag"  zur  Beantwortung 
der  noch  immer  oifenen  Frage,  aus  welcher  Bedeutung 
der  Worte  signmn  und  signare  der  Name  eigentlich  zu 
erklären  ist. 

Lehrer  war  hier  der  Signator,  wenigstens  nach  einem 
Teile  seiner  Beschäftigung,  und  zwar  der  unterste,  das 
ist  klar.  Denn  dies  muls  der  Rechtstitel  sein,  auf  Grund 
dessen  er  vierteljährlich  von  jedem  vermögenden  Schüler 
die  6  Heller  zu  bekommen  hatte,  die  ihm  an  erster  Stelle 
zugesprochen  w^erden,  wie  in  entsprechend  höheren  Sätzen 
dem  Schulmeister  2  Groschen  und  den  Locaten  1  Groschen : 
dies  war  sein  Schulgeld.  Nach  ähnlichem  Malse  war  in 
Bautzen  1418  das  an  den  Signator  zu  Leistende  bemessen. 
(Mü.  39.) 

Andererseits  hatte  der  Signator  hier  aber  auch  Ver- 
pflichtungen im  Hausdienste  zu  erfüllen.  Darauf  ist  zu- 
nächst augenscheinlich  zu  beziehen,  dafs  er  4  Heller  zu 
empfangen  hatte,  wenn  die  armen  fremden  schider  hübe 
bitten,  zum  ersten  in  die  schide  zu  geliin^^):  er  hatte 
jedenfalls  besondere  Müh  waltungen  mit  ihrer  Unter- 
bringung in  den  für  sie  bestimmten  Bäumen  der  Schule 
und  ihrer  Überwachung  daselbst.  Unbedingt  sicher  aber 
wird  seine  Verwendung  im  Hausdienste,  und  zwar  in 
recht  untergeordneter  Funktion,  durch  die  dritte  Abgabe 
(4  Heller  von  jedem  bemittelten,  2  von  jedem  armen 
Schüler),  die  er  unter  dem  Titel  heisheller  zu  empfangen 

rectore  sibi  injunctas  summa  diligentia  complere"  an  eine  solche  zu 
denken  ist,  nicht  blofs  an  Lesungen  in  der  Kirche,  wie  es  J.  Müller 
noch  zur  Frage  stellen  mufste. 

^^)  Die  Verpflichtung  zu  einem  Eintrittsgeld  in  dem  Sinne, 
welchen  wir  mit  dem  Worte  zu  verbinden  pflegen,  findet  sich  sehr 
selten,  und  dann  war  dieses  an  den  Schulmeister  zu  zahlen;  so  in 
Wijk  bei  Duurstede  1450  von  jedem,  der  zum  ersten  Male  in  die 
Schule  eintrat,  1  Pfennig,  femer  in  Nürnberg  ca.  1505  von  jedem 
fremden  Schüler,  dessen  Gesuch  um  Aufnahme  genehmigt  ward, 
2  Pfennige  (Mü.  287/90.  154  f.),  und  dabei  hatte  es  an  beiden  Orten 
noch  eine  besondere  Bewandtnis  damit.  Speziell  in  Nürnberg  bekam 
der  Schüler  für  seine  Zahlung  eine  Marke,  die  ihn  als  solchen  legi- 
timierte und  zum  Erwerb  seines  Unterhalts  durch  Singen  auf  den 
Gassen  berechtigte ;  beim  Abgang  hatte  er  sie  wieder  au  den  Schul- 
meister abzugeben  und  erhielt  dafür  1  Pf.  zurückerstattet.  Unter 
Um.ständen  könnte  ja  übrigens  auch  die  oben  besprochene  hiesige 
Abgabe  unter  einen  ähnlichen  Gesichtspunkt  zu  stellen  sein.  Die 
(exiles  vnd)  intrales  in  ßrugg  ca.  1505  und  das  ingang  (und  absckidt) 
gelt  in  Freiburg  i.  Br.  1517  (Mü.  137.  193)  beziehen  sich  nicht  auf 
den  Eintritt  in  die  Schule,  sondern  auf  die  regelmäfsigen  Einschnitte 
im  Schuljahre. 

80* 


308  0.  Meltzer: 

hatte.  Denn  diese  beweist,  dafs  ihm  auch  das  Einheizen 
in  der  Schule  oblag'*"). 

Eine  solche  Stellung  hat  für  jene  Zeit  durchaus 
nichts  Befremdliches.  Wie  so  vielfach  die  untersten  Lehrer 
aus  der  Mitte  der  älteren  Schüler  selbst  bestellt  wurden, 
so  ist  jedenfalls  auch  der  hiesige  Signator  ein  solcher 
gewesen,  und  eben  deswegen  grenzt  auch  sichtlich  unsere 
Schulordnung  seine  Stellung  und  seine  Bezüge  so  scharf 
von  den  Locaten  ab,  die  doch  wenigstens  in  der  Regel 
Baccalaurei  zu  sein  pflegten.  Verlangte  nun  sein  Dienst 
von  selbst,  dals  er  auf  der  Schule  wohnte,  so  war  er 
zugleich  ein  armer  Schüler,  und  zieht  man  in  Betracht, 
auf  welche  Mittel  solche  unter  Umständen  angewiesen 
waren,  um  sich  nur  überhaupt  kümmerlich  durchzuschlagen 
(Beispiele  von  hier  s.  Kr.  50  f.) ,  so  mochte  ein  Posten, 
wie  der  hier  besprochene,  sogar  recht  begehrenswert 
erscheinen. 

Übrigens  hat  anscheinend  der  Dienst  des  Signators 
in  dieser  seiner  merkwürdigen  Gestaltung,  um  deren 
willen  es  gestattet  sei,  noch  ein  Wort  darüber  hinzu- 
zufügen, hier  nicht  mehr  ganz  bis  zum  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts bestanden,  und  ich  glaube  sogar  den  Anlafs  zu 
der  Änderung  in  dem  betiächtlich  erweiterten  Neubau 
des  Sclmlgebäudes  im  Jahre  1493  (Kr.  11  ff'.)  zu  erkennen. 
Von  dieser  Zeit  an  erscheint  nämlich  einerseits  ein  Kaie- 
faktor, zu  dessen  Wohnung  eine  Kammer  in  dem  neuen 
Hause  hergerichtet  ward,  und  bei  dieser  Persönlichkeit 
haben   wir   nunmehr  allerdings  an  einen  Hausdiener  im 


■'*')  Eine  entsprechende  Abgabe  kommt  neben  den  Beiträgen  der 
Schüler  an  Holz  oder  den  dafür  zu  leistenden  Gehlzahlungen  auch 
sonst  häufig  vor,  so  z.  B.  in  Frankfurt  a.  ü.  \4;ir>  lio/czphcnnynge 
und  calefactura ,  übrigens  ohne  nähere  Angabe;  an  den  Xalefaktor 
in  Bayreuth  1464  von  jedem  zu  Weihnachten  3  Pf.,  zu  Fastnacht 
und  Ostern  je  1  Pf.;  in  Lüneburg  \4H;l  von  Vermögenden  4  Pf., 
von  Aricen  2  Pf.;  in  Marienburg,  2.  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts, 
von  Vermögenden  zu  \Veihnachten  8  Pf.,  zu  Fastnacht  1  Schilling, 
zu  Ostern  4  Pf,  von  Armen  jedesmal  die  Hälfte;  in  Schleiz  1492 
von  Stadtkindern  je  zu  Weihnachten  und  Ostern  2  Pf.,  von  Armen 
1  Pf.;  in  Nördlingen  1499,  bez.  1505,  dem  calleuactor  sein  einhaiß 
pfcnniq ;  in  Schwäbisch- Hall  1513  von  jedem  für  die  erste  Hälfte 
des  Winterhali)jahrs  2  Pf.,  für  die  zweite  1  Pf.  (Mü.  47.  84.  335 
Anni.  125.  113.  117  f.  176).  Soweit  nun  diese  Bestimmungen  einen 
Kaiefaktor  nennen,  ist  ja  freilich  sicher  an  die  gewöhnliche  Be- 
deutung dieses  Wortes  zu  denken;  eigentümlicher  Weise  aber  setzen 
dieselben  insgesamt  auch  erst  mit  dem  späteren  Teile  des  15.  Jahr- 
hunderts ein. 


S(;hiüor(Iiiung  der  Krenzsclmle  zu  Dresden.  309 

gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes  zu  denken.  Anderer- 
seits sehen  wir,  dals  zugleich  Fürsorge  für  die  Unter- 
bringung von  drei  ßaccalarien  getroffen  wird;  wir  er- 
kennen ferner,  mag  an  der  Person  des  alten,  d.  i.  ehe- 
maligen Signators  vom  Jahre  1498  (s.  oben  Anm.  37) 
manches  dunkel  sein,  wenigstens  so  viel  sicher,  dals  er 
es  eben  damals  nicht  mehr  war;  dafs  endlich  mindestens 
im  Jahre  1525  das  Amt  eines  Signators  an  der  Schule 
nicht  mehr  bestand,  durften  wir  (s.  ebenda)  aus  gewissen 
Einträgen  mit  ziemlicher  Sicherheit  schlielsen.  Auf  Grund 
dieser  Unterlagen  dürfte  die  Sache  folgendermafsen  zu 
betrachten  sein.  An  der  Schule  hatten  wahrscheinlich 
schon  seit  der  einige  Zeit  vor  1413  eingetretenen  Er- 
höhung ihrer  Ziele  in  der  Regel"")  drei  Hilfskräfte  des 
Schulmeisters,  zwei  Locaten  und  der  Signator,  gewirkt. 
Diese  Zahl  ist  für  1493  und  1538  bezeugt,  und  sie  wurde 
auch  bei  der  Reorganisation  von  1539  beibehalten*^). 
Eben  dies  spricht  aber  noch  ganz  besonders  dafür,  dals 
sie  den  Bedarf,  wie  er  hier  besten  Falls  etwa  vorkommen 
konnte,  gerade  deckte.  Nur  werden  es  die  Verhältnisse 
im  Jahre  1493  mit  sich  gebracht  haben,  dals  man  als 
untersten  Lehrer  statt  eines  älteren  Schülers  jetzt  noch 
einen  Baccalaureus  annahm,  wobei  immerhin  einer  unter 
den  auf  der  Schule  wohnenden  Schülern  eine  autoritative 
Stellung  unter  diesen  wird  haben  einnelimen  müssen,  nur 
dals  er  eben  weder  mit  dem  Unterrichte  noch  mit  dem 
Einheizen  etwas  mehr  zu  schaffen  hatte  und  der  Titel 
Signator  einging.  Der  ehemalige  Signator,  dessen  Nach- 
laß im  Jahre  1498  aufgenommen  ward,  wird  diese  Stellung, 
deren  Name  freilich  zeitlebens  an  ihm  haften  blieb,  spä- 
testens bis  1493  bekleidet  und  dann  sein  Brot  als  In- 
haber einer  deutschen  Schreibschule  verdient  haben,  wie 
schon  G.  Müller  vermutet  hat.  Darauf  weist  vor  allem 
die  unter  seinen  Habseligkeiten  aufgeführte  deutsche 
retUorica   und  nurnhergische   rechnunge  hin,    für  die  es 


*')  Selbstverständlich  mit  Ausnahmen,  wie  sie  durch  verschiedene 
äufsere  Anlässe  bedingt  werden  konnten,  wie  denn  z.  B.  auch  in 
dem  Pestjahre  1525  deren  nur  zwei  da  waren  (Kr.  30). 

*-)  Kr.  30,  vergl.  21  und  meine  Abhandlung-  über  J.  Bohemus 
(Rektor  der  Kreuzschule  1639—76)  in  den  Neuen  Jahrbüchern  für 
Philol.  und  Pädagogik  CXII  (1875),  191  (S  4  des  S.-A.,  wo  freilich 
nicht  ohne  weiteres  der  Voraiissetzung  der  Übereinstimmung  in 
der  Zahl  der  Klassen  und  der  Lehrer  hätte  Raum  gegeben  werden 
sollen)  und  den  Anhang  I  dazu. 


310  0.  Meltzer: 

an  der  lateinischen  Stadtsclinle  keine  Verwendnnji'  (j^-dh. 
Erst  spät  im  IG.  Jahrhundert  —  vorläulij»"  nachweisbar 
seit  1575  —  nach  einer  wiederholten  Vermehrung  der 
Klassen  kam  man  dann  wieder  auf  die  alte  Praxis  zurück, 
einen  oberen  Schüler  zur  Erteilung-  elementaren  Unter- 
richts in  der  untersten  Klasse  heranzuziehen:  es  war 
der  sogenannte  Regens  alumnorum,  der  Inhaber  der  Stel- 
lung an  der  Spitze  der  im  Schulgebäude  wohnenden 
Schüler,  wie  wir  sie  in  dieser  Beschränkung  auch  seit 
1493  als  fortbestehend  angenommen  haben.  Später  hat 
dann  dieser  Posten  bekanntlich  abermals  eine  Hebung 
erfahren,  indem  er  mit  einem  studierten  Lehrer  besetzt 
ward,  und  auch  dessen  Stellung  wieder  ist  in  jüngster 
Zeit  noch  wesentlich  gehoben  worden.  Der  ganze  Sach- 
verhalt, wie  er  sich  hier  entwickelt  hat,  besitzt  für  seinen 
Bereich  eine  gewisse  typische  Bedeutung. 

Der  letzte  Abschnitt  unserer  Schulordnung  handelt 
vom  Fast.  Dieser  Ausdruck  bezeichnet  ja  gemäls  seiner 
Ableitung  zunächst  ganz  allgemein  etwas,  w^ovon  jemand 
lebt,  könnte  daher  für  den  Kreis  unserer  Beti'achtung 
an  sich  auf  jede  Art  von  Einkünften  bezogen  werden, 
wie  sie  Lehrern  zu  ihrem  Unterhalt  zutiossen,  sei  es  in 
Geld,  sei  es  in  Lebensmitteln,  letzteres  hier  und  da  sogar 
in  recht  primitiver  Form^'-^).  Thatsächlich  ist  ja  nun  die 
Bedeutung  des  Wortes  im  Gebrauch  der  Universitäten 
und  Schulen,  bei  welchen  letzteren  es  übrigens  nicht  eben 
häufig  vorkommt"),  keinesw'egs  so  weit  gewesen:  es  be- 
deutet ein  in  Geld  zu  zahlendes  Honorar  für  Vorlesungen 
und  Übungen ■*■"•).     Das  Verhältnis,  in  welchem  hier  diese 


^'')  In  "Rautzen  1418  gab  jeder  Scliüler  von  dem  Brot,  das  er 
in  die  Schule  mitbrachte,  an  allen  Wocheutagen  dem  Locaten,  der 
ilm  lehrte,  Sonntags  dem  Signator  die  Hälfte  oder  einen  entsprechenden 
(■{el(l])etrag;  auf  eine  gleiche  Teilung  der  prandia  mit  denjenigen 
Vermögenden,  welche  die  vierteljährlichen  prtmdiales  in  Geld  nicht 
zahlen  wollten,  Avaren  in  Frankfurt  a.  0.  1425  der  Schulmeister  und 
die  Locaten  angewiesen  (Mü.  3H.   J7). 

")  Norilhausen  1394,  Emmerich  1445  (Mü.  284  Anra.  350  Anm., 
wo  übrigens  sicher  auch  an  ein  Extrahonorar,  nicht  an  eine  Spende 
in  natura  zu  denken  ist),  (iewifs  ist  auch  für  Fianktürt  a.  0.  1425 
bei  Mü.  47,  7  nicht  pasche  zu  lesen,  sondein:  vnde  welche  des 
morgens  sunderlige  lecczen  haben,  dy  sollen  den  locaten  alle  virteyl 
iars  eynen  groschen  zu  pasthe  geben. 

'■')  So  schon  nachgewiesen  von  F.  E.  Ruhkopf,  Gesch.  des 
Schul-  und  Erziehungswesens  in  Deutschland  et(-.  I  (Bremen  1794), 
188,  für  Schulen  mit  einem  Beispiel  aus  Hraunschweig  1370;  für 
Universitäten   vergi.  auch  U.  Kämmel  bei  K.  A.  Schmid,   Gesch. 


Schulordnung  der  Kreuzschule  zu  Dresden.  311 

Zaliluiigen  zu  den  anderen  von  den  Schülern  zu  leistenden 
stehen,  weist  darauf  hin,  dals  es  sich  dabei  um  eine  Ver- 
gütung für  einen  besonders  erteilten  Unterricht  neben 
den  öffentlichen  Lektionen,  zu  deren  Besuch  das  Schul- 
geld berechtigte,  gehandelt  hat,  und  anderwärts  ist  das 
entsprechend  der  Fall  gewesen.  Dieser  Zustand  hat  ja, 
wenn  auch  im  einzelnen  mit  mancherlei  Modifikationen, 
doch  dem  Wesen  der  Sache  nach  noch  lange,  vielfach  bis 
tief  in  das  laufende  Jahrhundert  bestanden. 

Für  diejenigen  grammatici  oder  Schüler  der  untersten 
Abteilung,  welche  nur  an  dem  Kursus  über  den  ersten 
und  zweiten  Teil  des  Doctrinale  Alexandri  teilnahmen, 
belief  sich  der  Fast  hier  alle  drei  Wochen,  wenn  sie 
bemittelt  waren,  auf  2  Heller,  wenn  arm,  auf  1  Heller. 
Der  Umstand,  dals  weiterhin  keine  solche  Abstufung 
mehr  vorkommt,  darf  vielleicht  in  dem  Sinne  gedeutet 
werden,  dafs  an  den  betreffenden  Kursen  überhaupt  in 
der  Regel  nur  Vermögende  teilnahmen,  schon  weil  die 
Freise  für  diese  zum  Teil  ziemlich  hoch  gestellt  waren. 
Zwar  diejenigen  grammatici,  die  aufser  dem  schon  er- 
wähnten Kursus  über  das  Doctrinale  noch  andere  große 
und  cleijne  gramatkalia  hörten,  hatten  halbjährlich  nur 
2  Groschen  zu  entrichten.  Aber  für  die  lecciones  in 
loyca  und  exercicia  in  loycalihus  zahlte  die  nächsthöhere 
Abteilung  halbjährlich  5  Groschen,  und  die  oberste  für 
ihre  lecciones  und  exercicia  in  philosopliia  halbjährlich 
7  Groschen.  Wie  sich  diese  Einkünfte  auf  den  Schul- 
meister und  seine  Gesellen  verteilt  haben,  dafür  fehlt  uns 
freilich  jeder  Anhalt. 


der  Erziehung-  II,  1,  420  f.  Ungemein  häufig  ist  der  Gebrauch  des 
Wortes  in  diesem  Sinne  in  den  Statutenbüchern  der  für  unsere  Ver- 
hältnisse in  erster  Linie  mafsgebenden  Universität  Leipzig  (heraus- 
gegeben von  Fr.  Zarncke,  Leipzig  1861)  gleich  von  1410  an 
(S.  312  f.),  an  einer  Stelle  (S.  412)  mit  ausdrücklicher  Erklärung: 
pastus  seu  sallarium  pro  lectionibus  et  exerciciis. 


XL 

Die  Eiitstehimg  uiitl  Bildung  bürgerlidier 
Familiennamen  in  den  Sechsstädten  der 
Oberlansitz  bis  gegen  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts. 

Von 
Heriiianii  Knotlie. 


Seit  den  letzten  Jahrzehnten  hat  man  begonnen,  auch 
den  bürgerlichen  Familiennamen  ein  eingehenderes  Inter- 
esse zuzuwenden.  Wir  meinen  hiermit  nicht  jene  den 
Adrefsbüchern  entnommenen,  meist  humoristischen  Zu- 
sammenstellungen z.  B.  all  der  Tier-  oder  Handwerks- 
namen, welche  von  den  Bewohnern  einer  Stadt  geführt 
werden,  oder  jene  statistischen  Ermittelungen  darüber, 
welches  die  in  einer  Stadt  am  häufigsten  vorkonnnenden 
Namen  sind,  und  wie  viele  Familien  einunddesselben 
Namens  in  derselben  wohnen;  Avir  meinen  vielmehr  die 
wissenschaftliche  Untersuchung,  in  welcher  Weise  die  in 
einer  Stadt  oder  Landschaft  üblichen  Namen  entstanden 
und  wie  und  wann  sie  zu  feststehenden,  erblichen  Familien- 
namen geworden  sind.  Solche  Untersuchungen  haben  nicht 
blols  ein  lokales,  sondern  ein  kulturhistorisches  Literesse. 

Wir  versuchen  in  Folgendem  diesen  Nachweis  hin- 
sichtlich der  Oberlausitz  oder  vielmehr  der  bekannten 
Sechsstädte  dieses  Landes,  und  zwar  beschränken  wir 
uns  einmal  auf  die  Zeit  bis  gegen  die  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts, von  welcher  anstatt  der  bisherigen  blofsen 
Zunamen  fast  überall  feste  Familiennamen  erscheinen, 
und  sodann  auf  die  deutschen  Familiennamen,  da  über 
die  wendischen  aus  jener  Zeit  noch  so  gut  wie  gar  kein 


H.  Knothe:  Büigerl.  Familieniiaiiieii  in  der  Obeilausitz.     313 

urkmidliclies  Material  vorliegt.  Man  wird  nicht  erwarten, 
dals  wir  alle  die  von  uns  gesammelten  Beispiele  anführen, 
noch  dafs  wir  jedem  das  Citat  der  Urkunde  beifügen,  der 
wir  es  entnommen  haben. 

Ursprünglich  führte,  wie  noch  jetzt  bei  allen  Natur- 
völkern, so  auch  bei  den  alten  Deutschen  jedermann  nur 
einen  einzigen  Namen.  Bei  diesem  ward  er  gerufen, 
mit  diesem  nannte  und  schrieb  er  sich  selbst;  dieser  war 
ihm  (seit  der  Einführung  des  Christentums)  bei  der  Taufe 
feierlich  beigelegt  worden.  Auch  die  zahlreichen  deutschen 
Kolonisten,  die  seit  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  aus  dem 
westlicheren  Deutschland  in  das  bisherige  Slavenland  Ober- 
lausitz einwanderten  und  darin  die  ersten  Städte  (mit  Aus- 
nahme des  alten  Bautzen),  sowie  eine  grolse  Menge  neuer 
deutscher  Dörfer  gründeten,  waren  wohl  sämtlich  noch 
einnamig;  sie  waren  es  gröfstenteils  noch  gegen  Ende 
des  Jahrhunderts,  von  welcher  Zeit  an  in  der  Oberlausitz 
die  urkundlichen  Nachrichten  über  die  inneren  Verhält- 
nisse der  einzelnen  Städte  und  über  deren  Bürger  erst 
reichlicher  zu  fliefsen  beginnen.  Als  1288  ein  Zittauer 
Bürger  von  einem  anderen  zwei  Hufen  bei  Ostritz  er- 
kaufte, heilst  der  erstere  einfach  „Bortelm"  (d.  h.  Bartho- 
lomäus), der  andere  „Volpert"  ohne  irgend  welchen  Zusatz, 
und  als  1303  der  Ritter  Heinrich  von  Kamenz  dem  Kloster 
Marienstern  gewisse  Zinsen  vor  der  Stadt  Kamenz  über- 
wies, befand  sich  unter  den  anwesenden  Zeugen  auch 
„Rüdiger,  Bürger  von  Kamenz"^). 

Es  sind  der  überwiegenden  Mehrzahl  nach  noch  alt- 
germanische  (zweistämmige)  Namen,  wenn  auch  in  der 
Form  vielfach  abgeschliffen,  welche  bis  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts auch  die  oberlausitzischen  Bürger  führten.  Wir 
verzeichnen  dieselben  alphabetisch  und  zwar,  da  wir  nicht 
eine  streng  wissenschaftliche  Arbeit  zu  liefern  beab- 
sichtigen, in  der  heut  üblichen  Form  derselben  und  setzen 
die  damals  allgemein  beliebten  Verkleinerungs-  oder  Kose- 


^)  Wir  bemerken  sogleich  hier,  dafs  sich  auf  den  Dörfern, 
wo  die  Zahl  der  Einwohner  noch  gering  war,  und  diese  daher  ein- 
ander genau  kannten,  diese  naive  Bezeichnung  mit  dem  blofsen 
Taufnamen  noch  weit  länger  erhielt.  1304  wird  in  Panschwitz  bei 
Marienstern  ein  Bauer  Martin  und  sein  Sohn  Peter,  1329  in  Rufs- 
dorf bei  Marienthal  ein  Bauer  Witego ,  1333  in  Bernsdorf  auf  dem 
Eigen  die  Bauern  Johann  und  Peter:  „Söhne  der  Agathe",  und  Konrad 
aus  Kiesdorf,  1352  in  Kleinschweidnitz  bei  Löbau Lorenz  und  Hentschel, 
1384  Hentschel  der  Förster  zu  Bernsdorf,  Peter  der  Richter  zu  Leuba 
und  „der  Richter  zu  Schönau,  Hermann  genannt",  erwähnt. 


314  II-  Kii^tho: 

formen  in  Parenthese  hinzu.  Albert,  Arnold,  Berwip-, 
Berthold,  Konrad  (Kuno,  Cunczil,  Gunczelin),  Deinhard, 
Dietrich  (Titzco),  Ditmar,  Eberhard,  Eckhard,  Eisenreich, 
(Ysenricus),  Friedrich  (Frisko,  Fricze),  Gerhard,  Giseler, 
Gottfried,  Gottschalk,  Günther,  Hermann,  Heinrich  (Heyne- 
mann, He3dmann,  Heyno,  Heyne,  Heidin,  Henning-,  Henczil, 
Henczlin),  Herbord,  Hartwig,  Hermann,  Hugo  (Hug), 
Lampreclit,  Ludwig,  Leuthold,  Otto,  Reinhard  (Rensco), 
Richard,  Richer,  Rüdiger,  Rudolph  (Rulko),  Siebold, 
8iedelmann,  Öeifried,  Tilo,  Thimo,  Trautwein,  Ulrich 
(Wilrich,  Ulmann),  Volpert,  Walther,  Werner,  Wigand, 
Wicker,  Witego  (Witschel),  Wolfram.  Während  alle  diese 
dem  alten  Volkstume  der  Deutschen  entstammenden  Namen 
von  den  deutschen  Einwanderern  jetzt  auch  in  das  bis- 
herige Slavenland  Oberlausitz  verpflanzt  wurden,  war  die 
Zahl  der  unter  dem  Einflüsse  der  Kirche  eingeführten 
biblischen  und  daher  Avesentlich  aus  der  hebräischen 
und  griechischen  Sprache  herrührenden  damals  noch  eine 
viel  geringere.  Es  sind  uns  folgende  begegnet:  Adam, 
Andreas,  Bartholomäus,  Basilius,  Christian  (Kristan), 
Eustach,  Donat,  Franz  (Franczil),  Johann  (Hannus, 
Hans,  Jensko,  Jencz),  Lorenz,  Markus,  Mathias,  Michael, 
Nikolaus  (Nickil,  Nytsche),  Paul,  Peter  (Petzco,  Petzke, 
Pecz,  Peczold),  Thomas. 

Während  in  den  adligen  Familien  sich  gewisse 
charakteristische  Vornamen  von  Geschlecht  zu  Geschlecht 
vererbten  und  mindestens  von  dem  Vater  auf  den  ältesten 
Sohn  überzugehen  pflegten,  finden  wir  in  den  Bürger- 
familien eine  solche  Familientradition  noch  nirgends  aus- 
geprägt. Höchstens  führte  nicht  nur  der  Vater,  sondern 
auch  einer  seiner  Söhne  gemeinsam  einen  der  allbeliebten 
Namen:  Heinrich,  Johann,  Nikolaus,  Peter,  Friedrich, 
Konrad.  Auf  die  blolsen  Vornamen  Stammbäume  auch 
bürgerlicher  Familien  zu  gründen,  ist  daher,  mindestens 
für  jene  Zeit,  unmöglich. 

Da  nun  in  den  neugegründeten  Städten  in  demselben 
Mafse,  als  ihre  Einwohnerzahl  anwuchs,  auch  immer  mehr 
Personen  den  gleichen  (Vor-)  Namen  führten,  so  wurde 
die  Unterscheidung  derselben  durch  irgend  einen  Zunamen, 
besonders  in  allen  Rechtsangelegenheiten,  zum  dringenden 
Bedürfnisse.  Am  nächsten  lag  es,  die  neu  eingewanderten 
Bürger  nach  dem  Orte  näher  zu  bezeichnen,  aus  dem  sie 
gekommen  waren.  So  setzte  man  denn  fast  allgemein  zu 
dem   (Vor-)   Namen    den    Ortsnamen    der    bisherigen 


Bürgerl.  Familieuiiameu  in  der  Überlausitz.  315 

Heimat  und  verband  beide  durch  die  Präposition  „von", 
welche  ja  die  Herkunft  ausdrückt.  Daher  gleichen  in 
jener  Zeit  die  in  den  Stadtbüchern  und  den  Urkunden 
aufgeführten  Namen  der  Bürger  ihrer  Form  nach  ganz 
denen  der  Adligen,  deren  „von"  ja  ursprünglich  auch  nur 
den  Ort,  die  Burg,  das  Dorf  anzeigen  soll,  wo  sie  heimisch 
sind.  Während  aber  der  Adel  seine  Burg,  sein  Dorf  in 
der  Regel  Generationen  hindurch  behielt,  hatte  bei  den 
Bürgern  schon  die  zweite  Generation  ihre  Heimat  nicht 
mehr  in  dem  Orte,  aus  welchem  die  Altern  einst  gekommen 
waren,  sondern  in  der  Stadt,  in  welcher  diese  ihren  neuen 
Wohnsitz  aufgeschlagen  hatten.  Daher  vererbte  sich  dieser 
Zuname  nicht  wie  bei  dem  Adel  von  Geschlecht  auf  Ge- 
schlecht, sondern  mufste  meist  schon  bei  der  zweiten 
Generation  durch  andere  Zunamen  ersetzt  werden.  Wir 
dürfen  daher  annehmen,  dafs  alle  die  Personen,  welche 
nach  ihrem  früheren  Heimatsorte  benannt  werden,  erst 
kürzlich  in  die  betreffende  Stadt  eingew^andert  waren. 
In  Görlitz  wird  ein  Bürger  bei  seiner  ersten  Erwähnung 
(1298)  bezeichnet  als  „Konrad  von  Greifenberg,  den  man 
Ermerich  nennt" ;  schon  1308  aber  heilst  er  nur  noch 
„Herr  Ermerich",  und  Ermerich  oder  Ei-milrich  werden 
nun  auch  bis  in  das  15.  Jahrhundert  seine  Nachkommen 
genannt.  Dieser  Name  war  also  bereits  als  feststehender 
Familienname  aus  Schlesien  mitgebracht  Avorden  und  nur 
in  der  eisten  Zeit  noch  von  dem  Heimatsnamen  begleitet. 
Es  waren  in  den  oberlausitzischen  Städten  nur  ganz  wenig 
Familien,  welche  den  alten  Heimatsnamen  mit  oder  ohne 
„von"  als  Familiennamen  beibehielten.  Wir  werden  die- 
selben bei  den  betreffenden  Städten  zu  erwähnen  haben. 
Es  ist  interessant  zu  sehen,  wie  in  die  neuen  Städte 
noch  100  und  mehr  Jahre  nach  ihrer  ersten  Aussetzung 
immer  neue,  an  den  von  ihrer  ehemaligen  Heimat  herge- 
nommenen Zunamen  als  solche  erkennbare  Einwanderer 
herbeiströmten.  Es  waren  teils  Leute  aus  den  umliegenden 
Dörfern,  welche  in  der  Stadt  durch  Betrieb  eines  bürger- 
lichen Gewerbes  leichter  und  schneller  zu  einem  gewissen 
Wohlstande  zu  gelangen  hofften,  als  dies  durch  die  Feld- 
wirtschaft auf  dem  Lande  möglich  gewesen  war.  Häufig 
aber  waren  es  auch  Leute  aus  anderen,  zum  Teil  ent- 
fernteren Städten,  welche  in  den  neuen  Städten  der  Ober- 
lausitz ein  ergiebigeres  Feld  für  ihre  geschäftliche  Thätig- 
keit,  zumal  als  Kaufleute,  erwarten  durften.  Sämtlich 
aber  waren  es  strebsame,  unternehmende,  auch  mehr  oder 


316  H.  Knothe: 

wonio-er  wohlhabende  Männer,  und  da  zumal  die  schon 
bisher  in  iStädten  ansässig  gewesenen  bereits  mannigfache 
Erfahrung  auf  dem  Gebiete  des  städtischen  Lebens  und 
Wesens  mitbrachten,  so  darf  es  nicht  Wunder  nehmen, 
dafs  wir  dieselben  alsbald  als  die  von  der  gesamten  Bürger- 
schaft erwählten  Ilatmannen  erblicken,  welchen  die  Ver- 
waltung der  Stadt  und  ihres  Gerichtes  anvertraut  war. 
Gerade  diese  Mischbevölkerung  in  den  oberlausitzischen 
Städten  erzeugte  in  denselben  ein  frisch  pulsierendes  Leben, 
und  bald  reichte  der  ursprünglich  abgesteckte  Raum  für 
die  Stadt  nicht  mehr  aus,  so  dafs  z.  B.  in  Zittau  und 
in  Görlitz  schon  1255  sich  Erweiterungen  durch  neu  an- 
gelegte Gassen  und  Plätze  nötig  machten. 

Von  keiner  oberlausitzischen  Stadt  werden  die  Namen 
einzelner  Bürger  früher  urkundlich  erwähnt,  als  von 
Kamenz.  Dasselbe  war  zuerst  um  1200  zur  Stadt  er- 
hoben, nach  einem  grolsen  Brande  aber  „an  einer  anderen 
Stelle",  nämlich  der  jetzigen,  neu  aufgebaut  und  die  eben- 
falls abgebrannte  Stadtkirche  1225  neu  eingeweiht  worden. 
Als  nun  1248  die  „Herren  von  Kamenz",  die  adligen 
Inhaber  von  Stadt  und  Herrschaft  Kamenz,  für  das  von 
ihnen  zu  stiftende  Kloster  Marienstern  in  Gegenwart  zahl- 
reicher Zeugen  geistlichen  und  ritterlichen  Standes  eine 
Anzahl  Einkünfte  als  „Aussteuer"  aussetzten,  werden  in 
der  betreffenden  Urkunde  auch  aufgeführt  „die  Kauf- 
leute  Konrad  von  der  Brücke  (de  Ponte,  d.  h.  aus  Königs- 
brück),  Hermann  von  Grofsenhain  (de  Indagine)  und  ebenso 
Hermann  von  Radeburg  und  Gottschalk  von  Wiese  (de  Prato, 
Dorf  südöstlich  bei  Kamenz)-).  Diese  Kaufleute,  gewils 
erst  unlängst  eingewandert,  bildeten  jedenfalls  die  Honora- 
tioren unter  der  damaligen  Bürgerschaft  und  waren  als 
solche  von  den  gnädigen  Herren,  den  Herrschaftsbesitzern, 
der  Ehre  gewürdigt  worden,  dem  feierlichen  Akte  der 
Urkundenausstellung  beizuwohnen.  Wir  können  nicht  ent- 
scheiden, ob  Theodorich  von  Königsbrück  (de  Ponte  regis) 
und  Johann  von  „Kunegesbrucke",  welche  1304  und  1313 
als  Ratmannen  erwähnt  werden,  Nachkommen  des  obigen 
Konrad  oder  nur  Einwanderer  waren;  aber  feststehende 
Familiennamen  waren  diese  Zunamen  noch  nicht.  Erst 
wenn  ein  Vorname  mit  einem  Ortsnamen  ohne  „von" 
wiederholt  verbunden  erscheint,  dürfen  wir  letzteren  nun 
als    Familiennamen    betrachten.      1338    wird    zuerst    ein 


-)  Laiisitzer  Magazin  XLIII  (18()(J),  ^85. 


Bürgerl.  Familieiiiiamen  in  der  Oberlausitz.  317 

„Johann  Geylnow"  erwähnt,  der  also  aus  dem  südwestlich 
i3ei  Kamenz  gelegenen  Dorfe  Gelenau  eingewandert  war; 
alle  dessen  Nachkommen  nennen  sich  nun  bis  in  das  15.  Jahr- 
hundert „Geilnow"  oder  „Gelenow"  '■^).  Von  anderen  der- 
gleichen sichtlich  erst  eingewanderten  Bürgern  führen 
wir  noch  an:  Konrad  von  Hasch witz  (1303,  wohl  aus 
Raschitz  bei  Grofsenhain) ,  Apecz  von  Elstra  (1308), 
Heinrich  und  Frizko  von  ßeichenbach  (südwestlich  von 
Kamenz,  1313  und  1338),  Peter  Baselitz  (1338,  östlich 
bei  Kamenz),  Heinrich  von  Häslich  (Hezelich,  südwest- 
lich von  Kamenz,  1338),  Hannus  von  Bernbruch  (nördlich 
bei  Kamenz,  1358). 

Der  zuerst  namentlich  erwähnte  Bürger  von  Bautzen, 
dieser  ältesten  und  bis  gegen  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
einzigen  Stadt  der  nachmaligen  Oberlausitz,  ist  Ludo- 
vicus  Vlemingus.  Schon  der  damals  im  Lande  noch  ganz 
ungewöhnliche  Vorname  Ludwig  kennzeichnet  ihn  als 
einen  Ausländer  und  der  Zuname  Vlemingus  speziell  als 
einen  Flamänder,  d.  h.  als  einen  jener  Einwanderer  aus 
Flandern,  welche  der  übereinstimmenden  Tradition  zufolge 
den  technisch  vervollkommneten  und  zünftigen  Betrieb  der 
Tuchmacherei  in  die  jungen  Städte  der  Oberlausitz  mit- 
gebracht hatten*).  Während  hier  bisher  die  Tuchmacherei 
nur  als  private  Beschäftigung  betrieben  worden  war,  er- 
hoben sie  dieselbe  jetzt  zu  einem  zünftigen  Handwerk 
und  legten  hierdurch  den  Grund  zu  der  Wohlhabenheit 
und  Bedeutung,  deren  sich  in  allen  Städten  des  Landes 
gerade  die  Tuchmacher  Jahrhunderte  lang  erfreuten. 
Kein  "Wunder,  dals  diese  Fläminge  alsbald  von  ihren  Mit- 
bürgern zur  Beteiligung  an  der  Leitung  der  städtischen 
Angelegenheiten  in  den  Rat  gewählt  wurden.  Jener 
„Ludwig  der  Fläming"  erscheint  in  einer  zu  Bautzen  aus- 
gestellten Urkunde  des  Bischofs  Witego  vonMeilsen  (1281) 
neben  vielen  Zeugen  geistlichen  und  weltlichen  Standes, 
als  der  einzige  „Bürger  von  Budissin".  Er  war  also  da- 
mals entweder  Bürgermeister  oder  doch  Ratmann.  Da 
er  nicht  nach  einer  bestimmten  Stadt,  sondern  nur  all- 
gemein nach  seinem  Heimatslande  benannt  wurde,  so  fehlt 


ö 


auch  das   „von"  nach  dem  Vornamen.     Bald  aber  wurde 


« 


sein  Zuname  zum  Familiennamen.    Unter  den  im  Bautzner 


^)  Vergi.  Knothe,  Geschichte  des  Oberlausitzer  Adels    S.  184. 
^)   Vergl.  Knothe,    Geschichte  des  Tuchmacherhaudvverks  in 
der  Oberlausitz.    Lausitzer  Magazin  LIX  (^1883),  4  flg. 


818  H.  Knothe: 

Franziskanerkloster  (gegründet  1^48)  bis  zum  Jahre  1345 
begrabenen  Vornehmen  aus  der  Stadt  und  deren  Um- 
gebung werden  unter  anderen  ein  Andreas  Klamingi  und 
Nikohius  Flamingi  (d.  h,  Fhimings  Sohn)  nel)st  ihren  Frauen 
aufgeführt,  und  1383  war  ein  Johann  Flemming  Inhaber 
eines  Erb-  und  eines  Lehngutes  in  Göda.  —  Da  in  Bautzen 
am  längsten  bereits  ein  wohleingerichtetes  städtisches 
Wesen  bestand,  so  finden  Avir  bis  gegen  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  unter  der  Bürgerschaft  nur  verhältnis- 
mälsig  wenige  jüngst  erst  eingewanderte  Familien,  viel- 
mehr meist  schon  feste  Familiennamen.  Wir  nennen  von 
den  ersteren:  Rüdiger  von  Schhickenau  (1281),  Hermann 
von  Altenburg,  Heinrich  Elstra,  Johann  Königsbruck, 
Henczil  von  Kina  (Kaina  bei  Bautzen).  Während  alle 
diese  Ortszunamen  schnell  wieder  verschwanden,  behielt 
nur  eine  (vor  1333)  aus  Bischofswerde  eingewanderte, 
sehr  angesehene  Patrizierfamilie  den  Namen  „von  Bischofs- 
werde"  bis  in  das  15.  Jahrhundert  bei;  ja  sie  hatte  so- 
gar das  Wappen  ihrer  Heimatsstadt,  zwei  gekreuzte 
Bischofsstäbe,  in  ihr  Bürgersiegel  aufgenommen'^). 

Görlitz"),  welches  zuerst  1238  als  Stadt  erscheint, 
war  12G8  infolge  der  Teilung  der  Oberlausitz  zwischen 
den  beiden  Linien  der  Markgrafen  von  Brandenburg  aus 
dem  Hause  Askanien  die  Hauptstadt  der  östlichen  Landes- 
hälfte oder  des  „Landes  Görlitz"  geworden.  Schon  hier- 
durch gewann  es  eine  erhöhte  Bedeutung.  Vor  allem 
aber  war  es  die  daselbst  besonders  schwunghaft  betriebene 
Tuchmacherei  und  der  Grossohandel  mit  Tuch  nach 
Schlesien  und  Polen,  sowie  der  von  König  Johann  von 
Böhmen  1339  der  Stadt  verliehene  ausschlieisliche  Waid- 
stapel für  die  gesamte  (Jberlausitz,  was  Görlitz  zu  der 
wichtigsten  Handelsstadt  des  Landes  machte.  Das  Rats- 
und  Schöppenkollegium  bestand  schon  Anfang  des  14.  Jahr- 
hunderts nicht,  wie  in  den  übrigen  Sechsstädten,  aus  13, 
sondern  aus  22  Personen,  und  noch  immer  lockte  zu  dieser 


")  Vergl.  ül)er  diese  Familie  die  Sonntagsbeilage  zu  den 
„Bautzner  Nachrichten"   I88ö  No.  ;3. 

")  Ueber  die  während  des  14.  Jahrhunderts  in  Görlitz  vor- 
kommenden Persdiien-  und  Familiennamen  enthält  die  vurzüi^iiche 
Aldianillniig  von  Dr.  .lecht:  ..Jlcitiii^e  zur  Görlitzer  Namenskunde" 
(Lausitzer  Magazin  LXVIII  [1892]  Iff.)  die  eingehendsten  Untersuch- 
ungen, und  zwar  auf  Grund  des  ältesten  Stadtbuchs  von  \H()'^.  Wir 
haben  dieselbe  in  gegenwärtigem  Aufsatze  vielfach  benutzt,  konnten 
aber  Görlitz  nicht  einen  wesentlich  gröfseren  Raum  widmen,  als  den 
übrigen  Sechsstädten. 


Bürgerl.  FaTDÜiennamen  in  der  Oberlausitz.  319 


Zeit  die  dasige  Blüte  von  Handel  und  Gewerbe  neue 
Einwanderer  herbei.  Die  erste  Urkunde  (von  1298), 
welche  die  sämtlichen  Ratmannen  und  Schoppen  und 
aulserdem  noch  eine  Menge  andere  Bürger  aufführt,  ent- 
hält fast  lauter  Namen,  deren  Inhaber  sich  als  solche 
Einwanderer  darstellen.  Bürgermeister  war  damals  Albert 
von  Radeberg;  andere  Bürger  tragen  den  Beinamen  von 
Königshain,  Reichenbach,  Gruna,  (Deutsch-  oder  Wendisch-) 
Olsig,  Lauban,  aber  auch  von  den  ausländischen  Städten 
Greifenberg,  Waidenburg,  Rumburg,  Altenburg,  Salza 
(d.  h.  Langensalza).  Alle  diese  und  andere  von  Ortschaften 
hergenommenen  Beinamen  erscheinen  sowohl  in  den  Ur- 
kunden als  in  dem  Stadtbuche  von  1305  noch  Jahrzehnte 
hindurch  aulserordentlich  häufig,  bis  sie  endlich  gegen 
Mitte  des  Jahrhunderts  durch  feststehende  Familiennamen 
ersetzt  werden.  Nur  drei  Patrizierfamilien  behielten  ihre 
alten  Heimatsnamen  auf  die  Dauer  bei,  die  von  Radeberg, 
deren  Stammvater,  der  soeben  beim  Jahre  1298  genannte 
Albert,  von  1301  bis  1304  landesherrlicher  Münzmeister 
gewesen  war,  und  dessen  Nachkommen  sich  daher  teils 
von  Radeberg,  teils  „aus  der  Münze"  nannten;  ferner 
die  von  Bischofswerde  (zuerst  1310  erwähnt,  später 
von  Bischofswerder  genannt)  und  die  von  Salza  (zuerst 
1298  vorkommend),  die  noch  heute  blühen.  Alle  drei 
Familien  gingen  infolge  der  Erwerbung  von  Landgütern 
nach  und  nach  in  den  Adel  des  Landes  über"). 

Die  Stadt  Zittau  war  erst  um  1253  gegründet 
worden.  Aber  schon  1255  „umritt  sie  König  Ottokar  II. 
(von  Böhmen),  da  er  merkte  die  Mehrung  der  Einwohner 
und  die  grofse  Zufahrt  der  Gäste,  weiter,  als  sie  vorher 
umgriffen  war".  Erst  aus  den  Jahren  1310  und  1312 
erfahren  wir  die  Namen  der  damaligen  Ratmannen.  Da 
Stadt  und  Weichbild  Zittau  bis  1412  nicht  zur  Ober- 
lausitz, sondern  zum  Lande  Böhmen  gehörte,  so  nennen 
sich  die  Bürger  aulser  nach  den  benachbarten  Dörfern, 
z.  B.  Hirschfelde,  Königshain,  Türchau,  Reichenau, 
Lichtenberg,  Hartau,  Olbersdorf,  besonders  nach  böh- 
mischen Städten,  als:  Ostritz,  Grottau,  Rumburg,  Gabel, 
Leipa,  Tetschen,  aber  auch  nach  Bautzen,  Radeberg, 
Schweidnitz  (Sbidenicz).  Bei  denen  „von  Hirschfelde" 
und  „von  Rumburg"  ging  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahr- 
hunderts der  Beiname  in  den  festen  Familiennamen  „Hirscli- 


'')  Knothe,  Geschichte  des  Oberlausitzer  Adels  S.  437,  127,  462. 


320  H.  Knothe: 

feld,  Romburger"  über.  Der  schon  1310  erwähnte  „alte 
TJiilü  Steinrucker,  der  Ungar",  aber  brachte  den  Familien- 
namen Steinrucker  bereits  aus  Ungarn  mit  und  vererbte 
ihn  auf  seine  Nachkommen  in  Zittau  und  in  Görlitz*^). 

Lübau  wird  zwar  schon  1221  als  tStadt  erwähnt, 
aber  erst  1336  und  1359  lernen  wir  die  Namen  von 
Ratmannen  kennen.  In  der  damals  noch  sehr  kleinen 
Stadt  hnden  wir  Einwanderer  nur  aus  den  benachbarten 
Dörfern  Dehsa,  Öchönbach,  Ottenhain,  Ebersbach,  Kem- 
nitz,  Pppach. 

Über  die  Bürgernamen  von  Lauban  können  wir 
leider  gar  keine  Nachricht  beibringen,  da  die  älteren 
Urkunden  der  Stadt  sämtlich  bei  der  Zerstörung  durch 
die  Hussiten  1427  mitverbrannt  sind. 

Wir  haben  in  Vorstehendem  absichtlich  ausführlicher 
nachzuweisen  gesucht,  wie  noch  hundert  und  mehr  Jahre 
nach  der  Gründung  der  oberlausitzischen  Städte  der  Zu- 
zug neuer  Einwanderer,  von  denen  wir  ja  fast  ausschlielis- 
lich  nur  die  in  den  Rat  gewählten  erfahren,  ein 
sehr  starker  war,  und  glauben  daraus  berechtigte  Schlüsse 
auf  die  erste  Besiedelung  derselben  ziehen  zu  dürfen, 
über  welche  es  leider  an  jeder  genaueren  Nachricht  fehlt. 

Kürzer  dagegen  können  wir  uns  mit  einer  zweiten 
Gattung  von  Zunamen  fassen,  die  ebenfalls  von  Örtlich- 
keiten, aber  von  der  Lage  des  Wohnhauses  innerhalb 
der  Stadt  hergenommen  ist.  Auffällig  muls  es  erscheinen, 
dafs  man  die  Einwohner  nur  sehr  selten  nach  den  Gassen 
näher  bezeichnete,  auf  denen  sie  wohnten.  Der  älteste  uns, 
vorgekommene  Gassenname  ist  der  der  „Hundsgasse", 
(platea  canum)  zu  Bautzen  „aulserhalb  der  Stadt"  (1296"). 
In  Görlitz  wiid  erst  1358  ein  „Walther  in  der  breiten 
Gasse"  erwähnt.  Dagegen  waren  Bezeichnungen  üblich, 
wie  „Werner  auf  dem  Markte  (1298);  an  der  Ecke  (1308); 
bei  der  Mauer  (1330);  auf  dem  Mühlgraben  (1330);  an 
der  Kirche  (1378,  sämtlich  in  Görlitz);  am  Thore  (apud 
oder  circa  valvam,  vor  1345,  Bautzen);  vom  Anger  (1303, 
Kamenz);  im  Schlünde  (1359,  Löbau),  und  noch  1521 
wird  in  Löbau  ein  „Paul  am  Ende"  erwähnt.  Häufig 
benannte  man  die  Personen  nach  der  mehr  oder  minder 
in  die  Augen  fallenden  Beschaffenheit  ihres  Wohnhauses 


8)  Lausitzer  Magazin  LXIV  (1888),  309 ff.:  „Die  Familie  Stein- 
rucker in  Zittau  und  Görlitz'', 
»j  Cod.  Lus.  S.  153. 


Bürgerl.  Farailiemiamen  in  der  Oberlausitz.  321 

so:  Fritzko  vom  hohen  Hause  (1312,  Zittau);  Heinrich 
vom  Steinhause  (1284,  Görlitz)  und  die  Nachkommen 
des  Löbauer  Bürgers  Peregrinus  de  domo  lapidea  (1336) 
führten  erblich  den  Namen  „im  Steinhause",  bis  sich  der- 
selbe im  16.  Jahrhunderte  in  den  regelrechten  Familien- 
namen „Steinhäuser"  verwandelte  ^''). 

Uralt,  weil  nächstliegend,  ist  bei  allen  Völkern  die 
Bezeichnung  der  Personen  durch  Beifügung  des  (Vor-) 
Namens  des  Vaters.  Auch  in  den  oberlausitzischen 
Städten  ist  diese  Form  der  Bezeichnung  bis  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  selbst  bei  älteren,  bereits  städtische 
Ämter  bekleidenden  Männern  noch  allüblich.  1310  wird 
als  Bürgermeister  von  Zittau  „Nikolaus,  der  Sohn  des 
verstorbenen  Hermann",  genannt.  In  Görlitz  kommen 
vor:  Berthold,  der  Sohn  Werners  (1301);  Nikiaus,  Heine- 
manns Sohn  (1310);  Nikiaus,  Sohn  Eberhards  (1315).  Da 
die  Urkunden  zu  jener  Zeit  fast  stets  noch  lateinisch  ab- 
gefafst  wurden  und  im  Lateinischen  diese  nähere  Bezeich- 
nung durch  Beifügung  des  Vaternamens  im  Genitiv,  und 
zwar  ohne  filius,  die  übliche  ist,  so  erscheinen  nun  auch 
die  Namen  der  oberlausitzischen  Ratraannen  vielfach  in 
folgender  Form:  Petrus  Herwordi  (1312,  Zittau);  Arnol- 
dus  Gerardi;  Johannes  Guntheri  (vor  1345,  Bautzen); 
Johannes  Bertoldi  (1338,  Kamenz);  Petrus  Rychardi 
(1359,  Löbau).  Häufig  wurde  der  Vaternamen  regel- 
mälsig  beigesetzt  und  wurde  so  nach  und  nach  zum  wirk- 
lichen Familiennamen.  Wenn  der  1298  noch  Peczoldus 
Wernheri  genannte  Görlitzer  Ratsherr  1322  Pezoldus 
Wernher  heilst,  so  ist  jetzt  Werner  bereits  Familien- 
name. Wie  in  Bautzen  der  Familienname  Flemming  ent- 
stand, haben  wir  schon  erwähnt.  Ebenso  erweisen  sich 
Heynmanuus  und  Rulko  Punzelini  als  Glieder  der  alten 
Bautzuer  Patrizierfamilie  „Puntzel",  welche  zuerst  1307 
mit  Walther  Puntzel  auftritt  und  bis  weit  in  das  15.  Jahr- 
hundert sehr  häufig  sowohl  unter  den  Ratmannen  der 
Stadt,  als  unter  den  Kanonikern  des  Domstifts  vorkommt^'). 
Oft  werden  einzelne  Personen  nach  irgend  einer  auf- 
fälligen Eigentümlichkeit  ihres  Körpers  benannt, 
z.  B.  Nikil  der  Blinde  (1347);  Nikil  mit  dem  Barte  (1408); 
Martin  der  Hinkende  (1408,  sämtlich  in  Görlitz).  Dies 
sind   sichtlich  noch  blolse  Zunamen.     Aber  häufig  ging 


'«)  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II,  7,  Vorbericht  XXVIII,  Anra.  34. 
")  SoDutagsbeilage  zu  den  „Bautzner  Nachrichten"  1886  No.  3. 

Neues  Ardiiv  f.  S.  G.  u.  A.  XIV.  3.  i.  31 


322  H.  Knothe: 

dieser  Zuname  nun  auch  auf  die  Nachkommen  über. 
Wenn  1298  Petrus  Calvi,  1308  Berwich  des  Oalen  (Solni) 
und  1314  Berwicus  dictus  Calvi  (sämtlich  in  Görlitz) 
genannt  werden,  so  führen  dieselben  bereits  den  Familien- 
namen „Kahle".  Ebenso  kommen  in  Zittau  1310  Petzoldus 
Ruifns,  d.  h.  Rothe,  und  Henningus  Claudus,  d.  h.  Lahmer, 
in  Bautzen   1332  Johannes  Kotundus,  d.  h.  Runde,  vor. 

Wie  sich  aber  die  in  einer  »Stadt  wohnenden  Leute, 
zumal  während  des  Mittelalters,  ganz  besonders  durch 
das  Geschäft  oder  Gewerbe  unterschieden,  das  sie 
betrieben,  so  ist  sehr  erklärlich,  dals  allerorten  die  Be- 
zeichnung ihrer  Berufsart,  ihres  Handwerks  zuerst  als 
Zuname  zu  dem  Vornamen  trat  und  nach  und  nach  zum 
stellenden  Familiennamen  wurde,  umsomehr,  da  meist  auch 
die  Söhne  das  Handwerk  des  Vaters  betrieben.  Freilich 
wird  es  schwierig  oder  sogar  unmöglich  sein,  zu  be- 
stimmen, ob  im  einzelnen  Falle  die  Bezeichnung  als  Weber, 
Bäcker,  Schuster,  Fleischer,  Schneider,  Färber,  Kürschner, 
Täschner  etc.  noch  als  blolser  Zuname  oder  schon  als 
Familienname  zu  betrachten  sei.  „Gottschalk  ein  Gewand- 
macher" (d.  h.  Tuchmacher,  Görlitz  1325)  führt  noch 
keinen  Familiennamen,  wahrscheinlich  aber  die  folgenden: 
Johann  Hamersmit,  Hermann  Steinbrecher  (vor  1345, 
Bautzen),  Mathias  Schernsmit  (1332,  Görlitz). 

Als  ein  ziemlich  sicheres  Zeichen,  dals  der  Zuname 
bereits  zum  Familiennamen  geworden  ist,  darf  man  es 
betrachten,  wenn  ersterer  durch  ein  „genannt"  oder 
lateinisch:  dictus,  cognomine,  mit  dem  Vornamen  verbunden 
ist.  Apezco  dictus  de  Radeberg  (1308,  Görlitz)  stammte 
nicht  nur  selbst  aus  Radeberg,  sondern  vererbte  diesen 
Zunamen  auch  auf  seine  Nachkommen.  Ein  in  einer 
lateinischen  Urkunde  Rodolphus  dictus  Juvenis  genannter 
Görlitzer  (1308)  heilst  in  einer  deutschen:  Rudolf  Junge. 
Der  Kamenzer  Kaufmann  Bertholdus  Lupus  cognomine 
(1248)  hiefs  also:  Wolf,  ebenso  wie  eine  Bautzner  Patri- 
zierfamilie sich  Ursus,  d.  h.  Bär,  nannte.  1303  heilst  ein 
Kamenzer  Ratsherr  latinisiert  Conradus  Stolo,  1304  ein 
anderer  „Heinrich  genannt  Stolle",  1335  ein  dritter  blofs 
noch  „Johann  Stolle".  Besonders  wurden  seltsame 
Familiennamen  durch  ein  hinzugesetztes  dictus  als  solche 
gekennzeichnet,  so  Henricus  dictus  Kost  (1355,  Kamenz) ; 
Petrus  dictus  Papkese  (1334,  Bautzen);  Nicolaus  niger 
dictus  Libinkint,  während  ein  anderer  Sprols  der  Familie 
schon  blols  als  Eberhardus  Libinkint  aufgeführt  wird  (vor 


Bürgerl.  Familiennamen  in  der  Oberlausitz.  323 

1345,  Bautzen).  Wir  führen  noch  an:  Heinricus  dictiis 
Sensinsmit  (1298,  Görlitz);  Theodoricus  dictus  Lang- 
schenkel (1312,  Zittau);  Nicolaus  dictus  Kluge  (vor  1345, 
Bautzen). 

Nebenher  gehen  nun  allerdings  schon  seit  dem 
13.  Jahrhundert  Familiennamen  der  verschiedensten  Art, 
welche  aus  keiner  der  von  uns  angeführten  Gattungen 
ursprünglicher  Zunamen  hervorgegangen  sind  und  mit 
deren  Erklärung  oder  Deutung  wir  uns  hier  nicht  weiter 
beschäftigen.  Als  solche  haben  wir  unter  anderen  schon 
erwähnt:  Wolf  (1248,  Kamenz);  Bär  (1296,  Bautzen); 
wir  führen  von  Tieren  noch  an:  Falke  (Valco,  1303, 
Kamenz);  Homil  (Hummel?  1358,  Kamenz),  aulserdem: 
Kost,  Selege,  Bachmann,  Klette,  Volniar  (1358,  sämtlich 
in  Kamenz);  Papkese,  Amangist  (?),  Twart,  Mumner, 
Rosenkranz,  Beler,  Cipil  (Zipfel?),  8ommerling,  Libin- 
knecht  (Liebknecht),  Soufeler  (Öcheuffler),  Pigmer,  Sommer- 
clun  (vor  1345,  sämtlich  in  Bautzen);  Ladebuch  (Belade 
den  Bauch,  1305),  Kucindensac  (Guck'  in  den  Sack,  1332), 
Krowil  (sämtlich  in  Görlitz);  Schewril  (1311),  ßazolt 
(1312),  Hinfuchs  (1357,  sämtlich  in  Zittau). 


21* 


XII. 

Kleinere  Mitteilungen. 

1.  nruclistück  eines  alten  Nekrologiiinis  des  Klosters 

Pegau. 

Mitgeteilt  von  P a  u  1  ]\I  i  t  z  s  cli  k e. 

In  den  Jahren  1302  —  1303  liels  der  damalige  Abt 
des  Pegauer  Benediktinerklosters  Konrad  I.  von  Lieben- 
liain  für  den  Gebrauch  seiner  Kirche  ein  grolses  Hand- 
buch anfertigen,  das  jetzt  als  „Calendarium  Pegaviense" 
unter  den  Handschriften  der  Leipziger  Universitäts- 
bibliothek (No.  848  in  fol.)  aufbewahrt  wird.  Es  ent- 
hält für  jeden  Tag  des  Jahres  Angaben  über  die  kirch- 
lichen Feste  und  Obliegenheiten,  vei'zeichnet  die  Evan- 
gelien u.  s.  w.,  giebt  eine  Abschrift  der  Regel  des  heiligen 
Benedikt,  bringt  ein  reichhaltiges  Nekrologium  des  Klosters 
Pegau,  ein  Verzeichnis  der  Klosterbibliothek,  chronika- 
lische Nachrichten  über  die  Gründung  und  die  ersten 
Jahrhunderte  des  Klosters,  auch  manche  spätere  Zusätze 
und  Nachträge,  wie  Abschriften  einiger  Klosterurkunden 
u.  a.  m.  Das  Nekrologium,  dessen  Eintragungen  bis  zum 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  fortgeführt  sind,  ist  nebst 
anderen  Stücken  des  Leipziger  Codex  von  Mencke  im 
IL  Bande  seiner  Scriptores  rerum  Germanicarum  (Sp.  117 
bis  156)  abgedruckt  worden.  Bei  Anlegung  des  Nekro- 
logiums  in  den  Jahren  1302—1303  haben  als  Vorlagen 
ältere  Aufzeichnungen  gleicher  Art  gedient,  insbesondere 
ein  älteres  Totenbuch  des  Klosters.  Von  diesem  früheren 
Pegauer  Nekrologium  ist  ein  kleines  Bruchstück  dadurch 
erhalten  worden,  dals  es  bei  „Ausschlachtung"  des  Bandes 
als   Umschlag    zu    einer  Polio- Handschrift    von   Statins' 


Kleinere  Mitteilungen.  325 

Thebais  Verwendung  fand.  Vermutlich  nach  der  Säkula- 
risierung des  Klosters  Pegau  gelangte  diese  Handschrift 
nach  Heidelberg  und  von  da  später  nach  Wien  in  die 
K.  K.  Hofbibliothek.  Dort  trug  sie  früher  die  Bezeich- 
nung „Manuscr.  philol.  No.  143",  geht  aber  jetzt  unter  der 
Signatur  „Cod.  Fakt.  Vindob.  No.  135".  Bei  einem  Neu- 
einbande im  Jahre  1753  hat  man  die  zwei  alten  Umschlag- 
blätter vorn  an  den  Anfang  des  Bandes  gesetzt,  aber  in 
verkehrter  Reihenfolge.  Die  Herkunft  aus  Pegau  steht 
fest  bei  der  Thebais  durch  die  am  Fulse  des  ersten  Blattes 


(  ]^ 


befindlichen  Worte  „Sancti  Jacobi  liber  in  Bigawia' 
bei  den  zw^ei  Voiblättern  durch  den  Inhalt.  Eine  Ver- 
gleichung  mit  den  entsprechenden  Stellen  der  Leipziger 
Handschrift  ergiebt  jedoch,  dafs  nicht  alles,  was  in  dem 
alten  Nekrologium  stand,  in  das  neue  hinübergenommen 
worden  ist,  dafs  aber  auch  umgekehrt  die  ältesten  Ein- 
tragungen des  neuen  Totenbuches  manches  enthalten,  was 
in  dem  alten  nicht  gestanden  hat.  Dabei  ist  die  Anlage 
des  neuen  Nekrologiums  von  derselben  Hand  geschehen, 
die  die  letzten  Eintragungen  in  dem  alten  besorgt  hat. 
Weggefallen  snid  aus  unserm  Bruchstücke  bei  An- 
fertigung des  neuen  Totenbuches  meist  Personen,  die  den 
Zusatz  „laicus"  oder  „laica"  haben,  ferner  einige  ganz 
unbezeichnete,  aulserdem  aber  nur  Abt  Hermann  von 
Posa  (II.  Id.  Junii).  Diese  im  neuen  Totenbuche  fehlenden 
Namen  sind  hier  durch  ein  vorgesetztes  Sternchen  (*)  ge- 
kennzeichnet. Gesperrter  Druck  deutet  diejenigen 
Namen  an,  die  sich  auch  im  Chemnitzer  Nekrologium 
finden,  das  nachgewiesenermafsen  mit  auf  eine  Pegauer 
Vorlage  zurückgeht. 

Die  beiden  alten  Blätter  sind  stark  vergilbt,  durch- 
löchert, wurmfrälsig  und  sonst  beschädigt.  Jede  Seite 
besteht  aus  4  Spalten,  die  durch  kapitälverzierte  Säulen 
mit  übergesetzten  romanischen  Bogen  von  einander  ge- 
trennt werden.  In  der  ersten  Spalte  stehen  jedesmal  die 
Tagesbezeichnungen-)  in  roter  Schrift,  in  den  andern 
ohne  erkennbares  Einteilungsprinzip  die  Personennamen, 
und  zwar  schwarz  geschrieben,  nur  bei  den  Namen  der 
Pegauer  Äbte   zeigt   sich  neben  grölserer  Schrift  auch 


^)  In  einem  Verzeichnisse  der  Pegauer  Klosterbibliothek  aus 
dem  13.  Jahrhundert  werden  „Duo  Stacii"  erwähnt.  Vergl.  Nau- 
manns Serapeum  1863.  Intelligenzblatt  S.  52  und  53. 

2)  Diejenigen  Tage,  bei  denen  keine  Namen  eingetragen,  sind 
im  nachfolgenden  Abdruck  weggelassen. 


326  Kleinere  Mitteilunffeii. 

rote  Tinte.  Die  frühesten  Eintragungen  stammen  wohl 
noch  aus  dem  12.  Jahrhundert,  die  letzten  rühren,  wie 
schon  angedeutet,  von  einer  Hand  des  ausgehenden  13.  und 
beginnenden  14.  Jahrhunderts  her.  In  dem  nachfolgenden 
Abdruck  sind  die  Abkürzungen  pbr  und  pr  beide  gleich- 
mälsig  durch  presbiter  wiedergegeben,  da  sie  bei  der 
Herübernahme  in  das  neue  Calendarium  unterschiedslos 
benutzt  worden  sind.  Die  Präposition  „in"  fehlt  bei  der 
Ortsbezeichnung  fast  überall,  die  Ortsnamen  sind  zumeist 
einfach  über  die  Personennamen  gesetzt. 

Fol.  2a.     \U1.  Kai.  [Febr.].    Heidenricus   presbiter   et    nionachus   nostre  con- 

gregationis. 
VI.        „  Obiit  Wecelinus^)   abbas   (inj  Nortoym.  —  Obiit 

Wicbortus-*)  junior  coiiies. 
V.  „  Obiit  Bron  laicus ;   I  mansuni.  —  Tuto  pre-sbitcr 

et  nionacbns. 
IUI.      „  Gotefridus  presbiter  et  monachus,  frater  noster.  — 

Gebebavdus  conversus  nostre  congregationis. 
III.        „  (Rasur.)  *Gevehardus. 

II.         ,,  Obiit  Bernunc  presbiter  et  monachus   [in]  Nuun- 

burc.    —    Heinricus    laicus;     niarcas    II    et 

diniidiaui.  —  Reinoldus  conversus  et  monachus 

[inj  Buzoe").  —  Rudolfus  presbiter  et  monachus, 

Reniese"). 
Febr.    Habet  dies  cum  bissexto  XXVIIII,    lun.  XXX. 
Kai.  Reinhardus')  abbas  [injMerseburc—  Reinboto») 

al)bas    frater    noster.    —   [Sijt'ridus    conversus 

[in|  Corbeja.  —  Tu  .  .  .  presbiter  monachus  .  .  . 
IUI.  Non.  Obiit  Arnol'dus  presbyter  et  monachus  in  Bti- 

zowe^).  —  Obiit  Engilmöt   conversa  nostre 

congregationis. 


»)  Wetzelin,  Abt  des  Benediktinerklosters  Northeim  (bei  Göt- 
tingen) 1144—1170.  Im  neuen  Pegauer  Totenbuche  fehlt  die  Orts- 
angabe. 

*)  Wipprecht  II F.  oder  der  Jüngere  von  Groitzsch,  starb  etwa 
1116.  Im  neuen  Totenbuche  mit  näheren  Personalangaben  und  einer 
Stiftung. 

'*)  D.  i.  Posa  (Bosau)  bei  Zeitz. 

")  Im  neuen  Totenbnehe  steht  Nuenburc  statt  Remese.  Ist  das 
letztere  i-ichtig,  so  gelüiTtc  Rudolf  entweder  der  adeligen  Familie 
von  Remsc  (bei  Altenburg)  an,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  er  lebte 
im  Benediktinerinnenkloster  Remse  (bei  Glauchau),  das  in  Abhängig- 
keit vom  1!(  iiediktineikloster  Ringel  (bei  Jena)  stand  und  zur  Leitung 
und  geistlichen   .Aufsicht  immer  Mönche  von  dort  hatte. 

')  Reinhard,  Abt  des  Petersklosters  auf  der  Altenbui'g  zu  Merse- 
burg um  1140;  im  neuen  Totenbuche  nur  als  sacerdos  et  nionachus 
bezeichnet. 

s)  Reinboto,  Abt  des  Johannesklosters  auf  dem  Berge  zu  Magde- 
burg  1190  —  1207.     Im   neuen  Totenbuche  ist  der    Ort  „Meydeburc" 


zugesetzt. 


Kleinere  Mitteilungen.  327 

III.     Non.  Obiit  Ernestus^)  abbas  [inj  Reinhersbuni. 

II.  „  (Rasur.)  Eeinheru.s  presbiter  et  monachus  [in] 

Burgelin''*).  —  Burkardus  laicus. 
Nouas.  Ubiit  Radeboto")   abbas  nostre  congregationis 

anno  MCLXXXI. —  Degenbardus^^j  abbas 
[inj  Burgelin.  —  Obiit  Gerbardus  sacerdos  et 
monachus  [in]  Xortbeym^'^).  —  Sifridus  pres- 
biter et  monachus  nostre  congregationis.  — 
Adela  conversa  nostre  congregationis.  — 
(Rasur.) 

VIII.  Id.  Obiit  Bubo  presbiter  et  monachus  nostre  congre- 

gationis. 

VII.      ,,  Obiit  Volradus  puer  nostre  congTegationis. 

VI.       „  C  tino  presbiter  et  monachus  nostre  congregationis. 

—  *Teodericus  laicus. 

V.       Id.  Rüdpertus  presbiter  et  monachus  nostre  congre-    Fol.  2  b. 

gationis.  —  Obiit  Johannes  conversus  nostre 
congTegationis.  —  Obiit  Cunradus  laicus.  — 
Obiit  Eberhardus  conversus  nostre  congre- 
gationis. 

IUI.     „  Obiit  *Godefridus  laicus.  —   Obiit  *Hadto  laicus 

et  Cimradus  occisi;  II  mansos. 

III.  „  Sigehardus  presbiter  et  monachus  [in]  Bozowe. 
II.         ,.                    Obiit  Juditha^-')  conversa   nostre  congregationis. 

Idus  Obiit  *WoIprandus  laicus. 

XVI.  Kai.  Marcii.    Obiit  Herimannus  laicus.  —  *Hartmannus  laicus. 

XV.       ,  (Rasur.)  Obiit  Cristanus  conversus  nostre  congre- 

gationis. 

XIIII.  „  Fridericus  diaconus  et  monachus  [in]  Nunburc.  — 

Eberhardus  subdiaconus  et  monachus  [in] 
Nunburc. 

XIII.     „  Obiit  Gothefridus  conversus  nostre  congregationis. 

—  Fruto  conversus  nostre  congregationis. 
XII.       „                   Obiit  Otto  1')  marchio  Misne ;  X  talenta,  marcam*^). 

—  Albericus  diaconus  et  monachus  [inj  Nuun- 
burg. 

XI.        „  Obiit  Wemherus*')  abbas  [in]  Nuumburcs.Georgii. 

—  (Rasur.) 

^)  Es  ist  nicht  zu  entscheiden,  ob  Ernst  I.  oder  Ernst  II.  ge- 
meint ist.  Ernst  I.  stand  1105-1139,  Ernst  11.  1141—1168  dem  Kloster 
Reinhardsbruun  vor. 

'**)  Im  neuen  Totenbuche  ist  Reinher  als  sacerdos  et  monachus 
in  Porta  angeführt,  im  Chemnitzer  Nekrologium  als  presbiter  et 
monachus  ohne  Ortsangabe. 

")  Radboto,  Abt  zu  Pegau  1168-1181. 

^-)  Degenhard,  Abt  zu  Bürgel,  nachweisbar  in  den  Jahren 
1171—1185. 

*^)  Diese  Eintragung  steht  im  neuen  Totenbuche  ohne  Orts- 
angabe und  einen  Tag  später. 

")  Im  neuen  Totenbuche  in  der  Form  Jutta. 

^^)  Otto  der  Reiche,  Konrads  des  Grofsen  Sohn,  starb  1190. 

1")  Dieses  Wort  ist  in  der  Vorlage  undeutlich. 

*'')  Dieser  Abt  des  Naumbiu'ger  Georgenklosters  ist  anderweit 
nicht  nachweisbar.     Yergl.  Schamelius,  Georgenkloster  S.  79. 


328  Kleinero  "Mitteilungen. 

Koi.  liu    111      Kai.  .Imiii.J    Obiit    AiIcUkto'")    ablias  ...   in    Coiboja    tVator 

noster.  —  Heinricus  ])resl)iter  et  nioiiachus  [in| 
Kurg'olin.  —  *Hiniiza  laiia.  —  Bcniliaidus  .  .  . 
et  nidiiaclius  [in|  Xuuiiil)uic.  —  Heriiiiannus 
fliai'onns  et  monaehus  [in]  Nutunburc,  viticola'"). 

II.  „  (Rasuren.) 

Kalendas  Junii.    Obiit  Heinricus   presbiter  et   nionachus  nostre 
oongregationis.  —  ^I^uiib  laicus.  —  .Tmlitba^) 
conversa  nostre  conyi-cyntionis. 
IUI.  Non.  (Rasur.) 

III.  „  Obiit  Gothefridus-')  abbas  [in]  Nuenburc.  —  Gun- 

fridus-'')  sacerdos  et  canoiiicus,  prepositus  de 
Cice.  —  Witigo  presbiter  et  iiiouiiclius  nostre 
congreg-ationis.  —  *Adellielnius  laicus.  — 
Baidrammus  presbiter  et  monachus  [in]  Puzowe. 

II.         ,,  Obiit     Sigeboldus     presbiter     et     monacbus    [in] 

Burgeiin.  —  Obiit  ('ristanus  conversus  nostre 
congregationis. 
Nonas.  (Rasur    und    Rifs.)     —    Depositio    Nortberti^») 

archiepiscopi ;  Gothefridi  et  Karoli  presbitero- 
rum  [in]  Nuunibure. 

VIII.  Id.  Adelbedis  laica;  V  tal. 

VII.      „  Obiit  Gerwardus  diaconus  et  monachus  nostre 

congregationis. 

VI.        ,,  Obiit  Ger  laus  presbiter  et  monachus  nostre  con- 

gregationis. —  Oliiit  Cuiiegunt^i)  comitissa.  — 
Wernherus  niduarbus  in  Habeiiberc. 

it    laica.   —    Witigo    presbiter    et 


Fol.  1  I). 


V.         „  Obiit    *Gerdrul 

monachus 


in]     [()l]de.sleben.    —    *Lutdolfiis 
aicus.  —  *Dutica  laica.  —  *Mechtilt  laica. 

IUI.      .,  Obiit  *Gerhardus  laicus. 

111.       „  Obiit    Amulunc    diaconus    et    monachus    nostre 

congregationis.  —  (Rasur.) 

II.         „  Depositio  Arnoldi-^)  episco])i;  *Hermanni-^)   ab- 

batis  Bosaugie.   —    Obiit   Wikardus  piesbiter 
et   monacbi    (sie).  —  Obiit   Adelgoti^')    archi- 
episcopi (sie).  —  Rattolh  laici. 
Idus.  Heinricus  presbiter  et  monachus  [in]  Babenberc.  — 

Herborto  monachus  [in]  Babenberc. 

'8)  Adelbero,  Abt  zu  Corvey  1138-1144. 

'")  Der  Zusatz  viticola  fehlt  im  neuen  Totenbuche. 

-°)  Im  neuen  Totenl)nche  in  der  Form  .Tutta. 

2')  (iotttVied.  Abt  des  Naumburger  Georgcnklosters  1185  —  1199. 

22)  Diesen  Zeitzer  Propst  kann  ich  anderweit  nicbt  nacbwcisen. 
TJbrigens  fehlt  gerade  das  Wort  prepositus  im  neuen  Totenbucbe.  Ein 
Propst  Gunfried  des  Nauraburger  Moritzklosters  ersclieint  ]17(i  bis  1185. 

'-■')  Der  heilige  Norbert.  Erzbischof  von  iMagdeburg  11:^6  —  11:54. 

2')  Kunigunde.  Tochter  des  (irafen  Otto  von  Weimar,  veniiäblt 
nacheinander  mit  dem  Russenfürsten  .laroslav,  dem  Grafen  Xuno 
von  Beichlingen  und  Wipi)recht  II f.  von  Groitzsch.     Sie  starb    1140. 

^•>)  Arnold.  Bischof  von  Merseburg  1118  -1126. 

28)  Hermami  L,  Abt  zu  Posa  (Hosan)  1145-1146. 

-')  Adelgot,  Erzbischof  von  Magdeburg  1107—1119.  Im  neuen 
Totenbuche  steht  vor  diesem  Genetiv  noch  das  Hauptwort  deposicio. 


Kleinere  Mitteilmigeii.  329 

XVHI.  [Kal.J  Julii.  (Rasuren.)  —  *Juditlia  laica. 

XVII.      „  (Rasiiren.)  —   tlicliniarus   con versus   nostre    con- 

g-regationis.  —  *Erkenbertus  laicus. 

XVI.        „  Obiit  Hizecho  conversus  nostre  congi'egationis. 

XV.  „  Obiit  Hazecho  conversus  nostre  congregationis. 

XIIII.      ,,  Obiit  Arnoldus  presbiter  et  nionachus  [inj  Puzowe. 

—  Obiit  ßerchtoldus  presbiter  et  monachus 
frater  noster  [in]  Magdeburc. 

XIII.        „  Obiit  Witigo  diaconus  et  nionachus  nostre  con- 

gregationis. —  Obiit  *Grumpertus.  —  *Otto 
laicus. 

XII.  „  Obiit   Adelmarus    diaconus    et    monachus   nostre 

congregationis.  —  Obiit  *Adelbertus  occisus.  — 
*Emmeka  laica. 

XI.  „  Obiit  Ekelin us-^)    abbas   nostre    congregationis 

anno  MCLXXXIII.  —  Hizcha  conversa  nostre 
congregationis.  —  Adelheidis  conversa  nostre 
congregationis.  —  Obiit  Fridericus^^)  Imperator 
augustus  anno  MCXC. 


•ö' 


Ermisch  hat  in  v,  Webers  Archiv  f.  d.  sächs.  Ge- 
schichte N.  F.  IV,  262—264  und  nochmals  im  Cod.  dipl. 
Sax.  reg".  II,  6,  471  darauf  hingewiesen,  dafs  sich  im  Toten- 
buche des  Chemnitzer  Benediktinerklosters  starke  Benutz- 
ung einer  Pegauer  Vorlage  erkennen  lasse,  die  älter  sein 
müsse,  als  der  älteste  Bestand  des  Pegauer  Nekrologiums 
in  der  Leipziger  Handschrift.  Da  liegt  die  Vermutung 
nahe,  dals  unser  Wiener  Bruchstück  einen  Teil  jener 
Vorlage  gebildet  habe.  Diese  Vermutung  bestätigt  sich 
aber  nicht,  wenigstens  nicht  schlechthin-^*^).  Unter  IL 
Non.  Febr.  ist  Reinher  in  unserem  Bruchstücke  als  Mönch 
von  Bürgel,  in  der  Leipziger  Handschrift  als  Mönch  von 
Pforte  angeführt,  das  Chemnitzer  Totenbuch  lälst  die 
Ortsbezeichnung  ganz  weg  und  nimmt  uns  dadurch  hier 
die  Möglichkeit  zu  einem  Schlüsse.  Unter  demselben 
Datum  hat  unser  Bruchstück  den  Namen  Burkard,  der  im 
neuen  Pegauer  Totenbuche  fehlt,  wohl  aber  im  Chemnitzer 
steht.  An  dieser  einzigen  Stelle  könnte  eine  unmittelbare 
Benutzung  des  Wiener  Bruchstückes  durch  den  Anfertiger 
des  Chemnitzer  Totenbuches  angenommen  werden,  wenn 
nicht  die  sonstigen  Abweichungen  auf  andere  Erklärung 
dieser  Übereinstimmung  hinwiesen.  Unter  Non.  Febr.  hat 
das  Wiener   Bruchstück  einen  Sigfried,  der  im  Drucke 


28)  Eckelin,  Abt  zu  Pegau  1181-1183. 

29)  Friedrich  I.,  11.52-1190. 

^^)  Unbedeutende  und  unwesentliche  Abweichungen,  die  einfach 
als  Versehen  beim  Abschreiben  zu  betrachten  sind,  sind  bei  der 
folgenden  Nebeneinanderstellung  nicht  berücksichtigt. 


330  Kleinere  Mitteilungen. 

des  Cliemnitzer  Totenbuchs  (Cod.  dipl.  Sax.  reg.  II.  6,  473) 
durch  die  benutzten  gröiseren  Typen  als  nicht  aus  der 
Pegauer  Quelle  entnommen  gekennzeichnet  ist.  Hier  liegt 
ein  Irrtum  vor,  denn  der  Xame  steht  wie  hier  so  auch 
im  neuen  Pegauer  Totenbuche  (da  von  ältester  Hand) 
eingetragen.  Endlich  findet  sich  der  Posaer  Abt  Hermann, 
den  unser  Bruchstück  unter  II.  Id.  Junii  verzeichnet, 
weder  in  der  Leipziger  Handschrift  noch  im  Chemnitzer 
Totenbuche.  Es  ist  ganz  unwahrscheinlich,  dals  gerade 
dieser  unter  den  Posaer  Äbten  aus  jedem  der  beiden 
jüngeren  Nekrologien  ausgeschlossen  worden  wäre,  wenn 
beide  unmittelbar  und  unabhängig  von  einander  das  alte 
Pegauer  Nekrologium  als  Vorlage  benutzt  hätten.  Viel- 
leicht löst  folgende  Vermutuug  die  Schwierigkeiten. 

Derselbe  Schreiber,  der  die  letzten  Eintragungen  in 
das  alte  und  die  frühesten  in  das  neue  Pegauer  Toten- 
buch gemacht  hat,  fertigte  um  die  Wende  des  13.  und 
14.  Jahrhunderts  eine  provisorische  Abschrift  des  alten, 
im  13.  Jahrhundert  wohl  nur  mangelhaft  fortgeführten 
Buches  an,  wobei  er  absichtlich  die  meisten  Laien  strich, 
versehentlich  aber  auch  einige  wichtige  Personen,  wie 
den  Abt  Hermann  von  Posa,  wegliels.  Dieses  Provisorium 
wurde  den  Chemnitzer  Ordensbrüdern  für  Anfertigung 
ihres  Totenbuches  zur  Verfügung  gestellt.  Der  mit  der 
Arbeit  beauftragte  Chemnitzer  Mönch  schrieb  die  Vorlage 
nicht  ganz  ab,  sondern  excerpierte  sie  nur,  und  zwar  hin- 
sichtlich der  Angehörigen  Pegaus  unter  besonderer  Be- 
rücksichtigung derjenigen  Mönche,  die  die  Priesterweihe 
empfangen  hatten.  Bei  Rückgabe  der  Vorlage  fügte  er 
zur  Ergänzung  ein  Verzeichnis  von  verstorbenen  Chemnitzer 
Mönchen  und  Äbten  bei.  In  Pegau  benutzte  dann  der 
mehrerwähnte  Schreiber  sein  also  vervollständigtes  Pro- 
visorium als  Grundlage  für  Anfertigung  der  Reinschrift 
eines  neuen  Totenbuches,  beging  aber  auch  dabei  wieder 
versehentlich  Auslassungen,  wie  es  z.  B.  bei  dem  Namen 
Burkhard  (IL  Non.  Febr.)  in  die  Erscheinung  tritt. 

2.  Saclisens  und  Braii(leiil)ur£?s  i::emeinsanies  Vorijehen 
bei   der    Resij?iiation   Karls  V.    iiiid    der    Kaiserwalil 

Ferdinands  I. 

Von  Wilh.  Altmann. 

Obwohl  Ranke  im  5.  Bande  seiner  „Deutschen  Ge- 
schichte im  Zeitalter  der  Reformation"  (Werke  V,  S.  297) 


Kleinere  Mitteihmgen.  331 

bereits  auf  das  gemeinsame  Vorgehen  Sachsens  und 
Brandenburgs  bei  der  so  merkwürdigen  Resignation 
Karls  V.  auf  seine  kaiserliche  Würde  aufmerksam  ge- 
macht hat,  scheint  ein  im  Berliner  Geheimen  Staats- 
Archiv  (Rep.  10  Dd.  1,  Sammelbd.,  fol.  86  ff.)  befind- 
liches Schriftstück,  welches  Ranke  a.  a.  0.  citiert,  doch 
nicht  die  ihm  gebührende  Beachtung^)  gefunden  zu  haben; 
ich  glaube  daher,  es  im  folgenden  mitteilen  zu  dürfen  und 
zwar  um  so  mehr,  als  Sachsen  und  Brandenburg  auch 
wirklich  auf  dem  Frankfurter  Reichstage  mit  ihren  in 
dem  folgenden  Schriftstücke  niedergelegten  Direktiven 
durchgedrungen  sind-). 

Nachdeme  unsere  gnedigste  Herrn  die  Churfursten  zu  Sachsen 
und  Brandenburg  freuntliclien  geneigt,  dass  ire  churf.[urstlichen] 
G.[naden]  einander  nicht  alleine  under  sich  freuntlich  i;nd  bruderlich 
meinen  und  der  freuntlichen  Vorwantnus  nach,  dar  mit  ire  cbur- 
furstlichen  Gnaden  einander  der  nhaen  Blutfreuntschaft  geschworner 
Erbeinigunge  und  sonderer  freuntlichen  Lieb  Neigung  und  Vor- 
trauens^)  halben  zugethan  getreulich  zusammensetzen,  sondern  auch 
als  vornheme  Glider  des  heiligen  Reichs  in  gemeinen  desselben 
obligenden  Sachen  freuntliche  und  gute  Correspondenz  halten*)  und 


^)  In  Böttiger-Flathe,  Gesch.  des  Kurstaates  Sachsen, 
flndet  sich  über  die  Politik  Sachsens  bei  Gelegenheit  der  Kaiserwahl 
Ferdinands  I  auch  nicht  eine  Zeile,  überhaupt  ist  die  Geschichte 
dieser  Wahl  noch  sehr  wenig  erforscht. 

2)  Zu  nachstehendem  Aktenstücke  teilt  Herr  Dr.  Gustav  Wolf 
der  Redaktion  folgende  Bemerkungen  mit: 

„Nachdem  ich  kürzlich  in  dieser  Zeitschrift  (XIII,  .%4  f.)  ge- 
legentlich einer  Besprechung  auf  die  Wichtigkeit  des  Berliner  Akten- 
stückes hingewiesen  habe,  stiefs  ich  im  Dresdner  Archiv  auf  das 
Faszikel  III,  34  fol.  10  n.  11,  welches  gleichfalls  eine  Kopie  des 
Vertrages,  aber  aufserdem  das  Konzept  zu  demselben  von  der  Hand 
Kysewetters  enthält.  Da  der  Entwurf  aus  der  sächsischen  Kanzlei 
Staramt,  so  bin  ich  in  meiner  bereits  früher  gehegten  Vermutung, 
dafs  die  ganze  Verhandlung  aus  sächsischer  Initiative  hervorgegangen 
sei  und  mit  Augusts  Bestreben,  gegen  die  Ernestiner  einen  Rück- 
halt zu  gewinnen,  zusammenhänge,  wesentlich  bestärkt  worden.  — 
Aus  einem  Vergleiche  zwischen  Kopie  und  Entwurf  geht  hervor, 
dafs  letzterer  anfangs  knapper  gehalten  war  und  später  nicht  un- 
wesentlich erweitert  worden  ist.  Doch  finden  sich  die  nachträglichen 
Zusätze  bereits  im  Entwürfe,  und  zwar  von  Kysewetter  selbst  an 
den  Rand  gesetzt.  Diese  Zusätze,  sowie  einige  Abänderungen,  welche 
gleichfalls  als  Korrekturen  schon  im  Entwürfe  stehen,  scheinen  mir 
eine  Abschwächung  resp.  Milderung  des  ursprünglichen  Wortlautes. 
Ich  habe  diese  Zusätze  durch  []  bezeichnet  und  in  den  Noten  die 
wichtigsten  Korrekturen  angegeben." 

^)  Dresdner  Archiv  ,,verwantnus".   (AV.) 

*)  Dre.sdner  Archiv  „zu  halten";  Berliner  Archiv  ,,za"  durch- 
strichen. (W.) 


382  Kleinere  Mitteilungen. 

sich  in  denselben  jederzeit  also  freuntlichen  wollen'")  vory-leielieii,  wie 
Von  den  Cliurfursten  am  Rein")  ires  Ortlis  auch  beschieliet,  und 
ire  cluufuisilicheii  Gnaden  derweyen  jetzo  alhier  duich  etzliche  irer 
churtiiistlichfu  (inaden  Hethe  von  voigenden  liochwiciitigen  Puncten 
und  Aitikflii,  so  in  vorstellender  Zusamnienkunft  der  Römischen 
königlichen  ]\Iajestät  und  aller  des  heiigen  Keichs  Cüiurfursten ')  vor- 
lauten und  dem  heiigen  Reich  zum  besten  muchten  erreget  und  ge- 
handelt werden  vortrauliche  Underreduiige  jiHegen  lassen:  als  haben 
irt"  churfurstlicht'u  Gnaden  sich  in  d(,'iiselben  volgender  Bedenken 
freuntlichen  vorglichen. 

[1]  [Nemlich  wann  solche  Zusammenkunft  der  Königlichen 
Majestät  und  Cliurfursten  vorgengig,  dafs  hochgedachte  Ijeide  Cliur- 
fursten solchen  Tliag  in  eigener  Person  besuchen  und  dhen  Hand- 
lungen beiwhonen  wollen  ] 

[2]  Und  als  erstlich  vormutlich,  dafs  der  Römischen  keiserlichen 
Majestät  hinderlassene  Botschaft '^)  (welche  in  künftiger  Zusammen- 
kunft der  Cliurfursten  soll  gehört  werden  der  Resignation  und  Über- 
gebung der  keiserlichen  Regierung  halben  wie  dieselbe  von  der 
keiserlichen  Majestät  der  Römischen  königlichen  ^Majestät  beschehe) 
Anzeigung  und  Werbunge  thun  werd,  so  bedenken  ire  churfarstliche 
Gnaden,  dafs  solche  Resignation  von  der  keiserlichen  Majestät  auf 
dreierlei  Weise  muchte  vorgenommen  werden,  als  dafs  ire  keiserliche 
Majestät  sich  irer  keiserlichen  Wirde  und  Ampts  genzlichen  vor- 
ziehen und  der  Römischen  königlichen  Majestät  Krön  und  Öcepter 
iibergeben  ader  das  ire  keiserliche  Majestät  die  Ehre  und  Wirde 
eines  Romischen  Keisers  behielden  und  der  königlichen  Majestät 
alleine  die  Administration  des  heiigen  Reichs  absolute  und  mit  vol- 
kommener  Macht  und  Gewalt  oder  aber  mit  etwan  einer  Mals  zu- 
stelle. 

[3]  Und  achten  ire  churfurstliche  Gnaden,  das  zu  Erhaltung  des 
heiigen  Reichs  und  aller  desselben  Glider  Wolfarth  am  ratsamsten 
un  l  besten  sei,  dafs  die  keiserliche  Majestät,  da  sie  dem  Reiche 
lenger  nicht  vor  sein  wollen,  dem  Römischen  Könige  nicht  alleine 
die  Administration  und  Vorwal tunge  desselben  absolute  oder  mit 
einer  Mafs  zustelleten,  sondern  dafs  ire  keiserliche  Majestät  der 
königlichen  Majestät  die  Ehere  Wirde  und  Nliamen  eines  Römischen 
Keisers  auch  abtreten  und  irer  königlichen  Majestät  also  das  Keiser- 
thumb  volkömlich  übergeben. 

[4]  Dhann  dafs  die  Stende  des  Reichs  zwei  Heupter  zugleich 
haben  und  deine  Hern,  der  das  Reich  von  deswegen,  das  er  alle 
seine  Land  und  Leute  abgetreten,  wie  einem  Römischen  Keiser  ge- 
burth ,  weder  schützen  noch  handhaben  kan,  auch  solden  vorwandt 
bleiben,  dasselbe  where  aus  vielen  Ursachen  bedenklich. 

[5]  Zu  deine  dafs  die  keiserliche  Majestät,  wan  sie  die  keiser- 
liche Wirde  behielden  zuwider  irer  ]\Iajestät  Gelegenheit,  als  wann 
die  königliche  Majestät  zu  Engelland  wider  Frankreich  siegethen 
oder  sunsten   irer  Majestät  Sachen  in  glücklichen  Zustand  kwemen, 


^')  ,, wollen  vorgleichen'-  corrig.  aus:  „zu  vergleichen"  Berliner 
Archiv.    „Zu  vergleichen"  Dresdner  Archiv.   (W) 

")  Der  alte  Gegensatz  zwischen  den  rheinischen  Kurfürsten  und 
Sachsen-Brandenburg  bestand  also  noch  15.")7I 

'')  Die  Versammlung  fand  Ende  Fcdiruar  1558  zu  Frankfurt  a  M. 
statt,  nachdem  frühere  Termine  sich  zerschlagen  hatten. 

^  Wilhelin  von  Oranien  und  Dr.  Seid. 


Kleinere  Mitteilungen.  333 

die  Administration  auch  wider  rauchten  an  sich  nhemen  und  ein 
frembd  Kriegsvolk  ins  Reich  fhuren,  [deren  Willen  schaffen, 
auch  leichtlich  durch  bebstische  Practiken]  unsere  christliche 
Religion  vervolgen  [oder  aber  unter  anderm  Schein  dem  heiigen 
Reich  deutscher  Nation  allerlei  Beschwerunge  zufügen],  auch  vieleicht 
eine  solche  Person  zu  einem  Römischen  Reiser  einzudringen  under- 
stehen  muchten**)  daraus  dan  nach  Gelegenheit  der  jetzigen  ge- 
schwinden Leufte  vornemlich  denen  Churfursten,  welche  in  solche 
Practiken  nit  woldeu  willigen,  allerhand  Gefai'  und  Beschwerung 
entstehen  und  die  jetzig  lobliche  Vorfassunge  des  heiligen 
Reichs  mit  den  churfurstlichen  Heusern  beschwerlich  könte  zer- 
rüttet werden. 

[6]  So  hat  es  auch  die  Erfarung  geben,  was  vor  eine  Justicia 
und  Gehorsam  die  Zeit  im  Reich  gewesen,  da  die  keiserliche  Majestät 
iu  Hispanuigen  vorharret  und  der  königlichen  Majestät  die  Admini- 
stration des  Reichs  auch  bevholen. 

[7]  Und  rauchte  der  Franzofs,  wan  die  keiserliche  Majestät 
den  Titel  und  Nharaen  eines  Romischen  Keisers  behielden,  aus  denen 
Irrungen,  die  ehr  mit  irer  Majestät  hat,  zu  dem  Reich  auch  Ursach 
suchen,  da  er  dan  einen  grossen  Theil  desselben  und  den  ganzen 
Reinstrom  leichtlich  rauchte  hinweg  reissen. 

[8]  Als  ist  auch  wislich,  in  was  Praktiken  der  Babst  das 
Reich  von  der  Teutschen  Nation  wegen  auf  Frankreich  zu  bringen 
stehet,  zu  welchem  dardurch  wan  das  heilige  Reich  einen  solchen 
Keiser  haben  solden,  der  alleine  den  Nhameu  des  Keisers  furete, 
desto  mehr  wurde  Ursache  geben. 

[9J  Hierumb  haben  hochgedachte  unsere  gnedigste  Herrn  be- 
dacht, daßä  beide  ire  churfurstliche  Gnaden  auf  dem  künftigen 
Churfurstenthage  dahin  mit  allem  Vleifs  bei  der  Königlichen  Majestät 
und  den  andern  iren  Mitchurfursten  arbeiten,  auch  vor  sich  kein 
anders*")  rathen  wollen  dan  dafs  die  keiserliche  Majestät,  wan  sie 
nicht  mehr  im  Reich  zu  sein,  sondern  der  königlichen  Majestät  die 
Administration  zu  übergeben  bedacht  ii'er  königlichen  Majestät 
neben  der  Administration  auch  Krön  und  Scepter  ohne 
allen  Vorbehalt  des  keiserlichen  Nhamens  und  Wirde  wolden 
zustellen,  [darmit  obberurte  und  andere  beschwerliche  Besorgnus  Gefar 
und  Nachteil  des  Reichs  soviel  destomehr  vorkoraraeu  und  die  un- 
rugigen  Leute  nicht  Ursach  nhemen  muchten.  sich  von  einem  Haupt 
zum  andern,  wie  mehrmals  gescheen  zu  berufen  und  dardurch  allerlei 
Zerruttunge  und  Übels  im  Reich  anzustiften. 

[lOJ  Und  seint  beide  ire  churfurstliche  Gnaden  der  Zuversicht, 
weil  ohne  Zweifel  alle  Churfursten  dieser  Meimmg  sein  und  der 
keiserlichen  und  königlichen  Majestät  auf  dehn  Fall,  da  es  die  Nod- 
turft  erfördert  umbs  Reichs  bester  Wolfart  willen  also  Vormeldunge 
thun  und  rathen  werden:  beide  ire  Majestäten  werden  es  anders 
nicht  dan  zu  Nodturft  des  heiigen  Reichs,  welchs  die  Churfursten 
vor  andern  Stenden  billich  bedenken,  gnedigst  vormerken,  auch  solchen 
Rath  soviel  mehr  verfolgen  und  Stath  geben.] 


(.  ^)  Dresdner  Archiv:  hinter  „raöchten"  folgender  Zusatz  von 
Kysewetter,  der  in  die  Kopie  aufgenommen  ist:  „welche  dem  h.  reich 
nicht  annemlich,  sondern  zum  höchsten  beschwerlich  sein  konte."  (W.) 
*")  Die  Worte  „kein  anderes  dan"  iu  Kysewetters  Konzept  ge- 
strichen und  in  die  Abschrift  nicht  mit  aufgenomraen.    (W.) 


B84  Kleinere  Mitteilungen. 

(11)  Und  d\)  die  kciscrliclui  Majestät  iileich  der  andern  Wege 
einen  vorhetten,  so  achten  doch  ire  churfurstliche  (Inaden,  dafs  die 
Churfnrsttn .  als  die  das  rechte  Capitel  im  Reich  sein  und  bei 
denen  die  Wliale  steth,  irer  keiserlichen  Majestät  derwegen  wol  ein 
Zureden  hahcii. 

[\2]  Wann  es  nun  zu  dem  Falle  kweine,  dals  <lie  keiserliche 
Majestät  das  Keiserthumb  der  Königlichen  Majestät  also  wie  ob- 
gemelt  volkomlich  und  uluie  einigen  Vorliehalr  resignirten  und  über- 
geben, so  liat)en  hochgedacbtc  beide  Churtursten  weiter  bedacht. 
[Weil  die  Romische  königliche  Majestät  albereit  hie  bevor  durch 
alle  Cliurfursten  zu  einem  Romischen  Könige  angeuommen,  dafs  es 
jetziger  Zeit  keiner  andern  Whal  l)edurfe,  derhalb  auch  ire 
königliche  ]\lajesfät  zu  vormhanen  die  vollige  keiserliche  Wirde 
Stand  Titel  und  Regirunge  unweigerlich  anznnhemen,  wie  auch  irer 
königlichen  Majestät  auf  solchen  Fall  anders  zu  thun  nicht  geburth. 

[18J  Und  hierauf  bedenken  beide  ire  churfurstliche  (inaden 
weiter],  dafs  es  der  Stende  des  heiigen  Reichs  Nodturft  sein  wolde 
vorgewisset  zu  werden,  wie  sie  bei  irer  königlichen  Majestät  sitzen 
und  was  sie  sich  der  Religion  und  gemeines  Friedens  halben 
zu  irer  königlichen  Majestät  zu  getrösten. 

[14J  Wiewol  nun  mit  irer  königlichen  Majestät  derwegen 
sondere  Bundnufs  ufzuricbten,  wie  es  wol  ehe  vom  Keiser  und 
Konige  gesucht  worden,  keineswegs  rathsam,  dan  die  Stende  dar- 
durch  in  alle  irer  Majestät  privath  Kriege  kwemen  und  ihnen  dar- 
durch  ein  solcher  tref lieber  jerlicher  Kosten  zuwachsen  wurde,  der 
ihnen  zu  ertragen  unniuglich,  |dah  man  sich  doch  an  gemeinen 
Ijaudfrieden  billich  benugen  lassen  niuge  und  dem  wirklich  nach- 
kommen soll] ,  so  bedachten  doch  ire  churfurstliche  Gnaden  [nicht 
ungut  sein],  das  die  Churfursten  zuvorn  und  ehe  sie  in  die  keiser- 
liche Resignation  willigten,  die  königliche  Majestät  also  vor- 
tasseten,  dals  sich  die  Stende  des  Reichs  der  Religion  oder  anders 
halben  von  irer  königlichen  Majestät  nichts  zu  befaren. 

[15]  Und  dafs  auch  darneben  alle  die  Mengel  Gravamina 
und  Beschwerungen,  die  [in  etzlichen  Jaren  anher]'*)  wider  der 
Churfursten  Preeminenz  und  Hochheit  auch  anderer  Stende 
Libertet  eingefurt  in  dieser  Gelegenheit  geeifert  und  der  königlichen 
Majestät  durch  weitere  Erklerunge  irer  Majestät  gewonlichen  keiser- 
lichen Obligation  und  in  andere  Wege  mit  eingebunden  werden 
solin,  dafs  ire  Majestät  dieselben  in  geburliche  Enderunge  bringe, 
die  Churfursten  und  andere  Stende  bei  irer  Preeminenz  Gebhür  und 
Freiheit  lasse  und  im  hoilgen  Reich  soviel  immher  muglich  widrumb 
die  aide  wolhergebrachte  Form  desselben  Regirunge  anrichte;  [und 
dafs  in  allewege  der  einmhal  schwerlich  erlangte  Religionsfri  ede 
unzurruttet  für  und  für  bestendig  auch  undisputirlich  bleibe  und  ge- 
lassen werde],  wie  dan  hochgedachte  beide  Churfursten  freundlichen 
mit  einander  einig  solchs  in  künftiger  Zusammenkunft  der  Chur- 
fursten zum  treulichsten  zu  befördern. 

[!()]  Es  haben  auch  ire  churfurstliche  Gnaden  weiter  erwegen 
lassen,  dafs  etwan  zwischen  allen  des  heiigen  Reichs  Chur- 
fursten eine  lobliche  Einigunge  und  Vorbiuderunge  ufgerichtet 
und   dafs   die  Erfarunge    geben,    dafs    durch    die  Churfursten,  wau 


")  Statt   dieser  "Worte    stand   im  Konzept  ursprünglich:    „bei 
dieses  keisers  regierung".    (W.) 


Kleinere  Mitteilungen.  335 

sie  sich  derselben  vorhalden,  diese  Zeit  her  im  heiigen  Reich  viel 
Bescliwerung  hetten  vorkommen  und  vorhuetet  werden  miige. 

[17]  Und  haben  liierumb  ire  churfurstlich  Gnaden  bedacht,  dafs 
nicht  unratsam  sein  solde,  dafs  in  vorgemelter  Zusammenkunft  der 
Churfursten  von  Vorneuerunge  derselben  alten  chiir fürst- 
lichen Einunge  und  Verbrüderung  auch  gehandelt  wurde  xmd 
dieselbe  sunderlich  in  denen  Puncten  und  Artikeln,  die  Erhaltunge 
irer  churfurstlichen  Gnaden  Hochheit  und  gemeine  des  heiligen 
Reichs  Wolfart  betreffen,  wider  aufgerichtet  wurde.  Dan  es  könde 
gleichwol  durch  diesen  Weg  vorkommen  werden,  dafs  sich  die  geist- 
lichen Churfursten  den  Frantzosischen  oder  bebstischen  Practiken  so 
leichtlich  nicht  kohnden  anhengig  machen,  [daraus  wie  leichtlich  zu 
erachten  hochschedliche  Weiterunge  im  heiigen  Reich  wurde  ver- 
ursacht werden^-)  und]  wurden  die  keiserliche  und  königliche  Majestät, 
wan  sie  sehen,  das  die  Churfursten  sich  widrumb  freuntlich  zu- 
sammen Melden  und  in  deme,  was  des  heiigen  Reichs  Wolfart  und 
ire  selbst  churfurstliche  Wirde  und  Hochheit  anlangete,  vor  einen 
Man  stunden,  ungezweifelt  viel  underwegen  lassen,  das  sie  sonsten 
zu  ünderdruckung  der  Churfursten  und  anderer  Steude  muchten 
vornhemen  oder  Verheugen. 

[18]  AVas  aber  in  vorgedachten  alten  churfurstlichen  Eimmgen 
von  den  Austregen  in  vorfallenden  Irrungen,  desgleichen  von  Hulf 
und  Zuzug  vorsehen,  dass  konte  in  Vorneuerung  solcher  Einung 
wol  übergangen  werden,  weil  des  heiigen  Reichs  Landfrieden  und 
andere  Ordnungen  denen  Dingen  alle  gute  Mafs  gibet,  auch  des  Zu- 
zugs halben  alle  Kreise  und  Stende  in  gemeine  einander  vorpflichtet 
sein  und  auch  der  weiten  .Abgelegenheit  halben  hochgedachter  beider 
Chuifursten  und  der  Churfursteu  draussen  im  Reynland  sich  ein 
Theil  des  andern  Hulf  weinig  zugetragen,  zudeme  dafs  die  Churfursten 
Sachsen  und  Brandenburg  über  gemeinen  Landfrieden  auih  sonsten 
mit  der  loblichen  Erbeinung,  welche  allewege  vor  den  dritten  Theil 
der  Macht  des  ganzen  Reichs  gehalten  wiu'den,  statlich  vorsehen, 
darumb  ire  churfurstliche  Gnaden  in  diesem  Punct  dahin  geschlossen : 
apwol  des  Zuzugs  oder  Austrags  halben  die  Vornetxrung  vielbedachter 
churfurstlicher  Einunge  nicht  zu  suchen,  dafs  doch  der  andern  ob- 
gemelten  Puncten  halben,  [wtieferne  die  Churfursten  am  Reyn  hier- 
von nicht  selbst  den  Anfang  machten,  beide]  ire  churfuistliclie  Gnaden 
die  Handlunge  in  vorstehender  Zusammenkunft  der  Churfursten  weiter 
erwegen  und  darauf  bedacht  sein  wollen,  wie  und  welcher  Gestalt 
solcher  alten  churfurstlichen  Einung  halben  fuglichen  An- 
bringunge  geschehe  und  Handlunge  vorgenommen  werden  möge. 

[19]  Als  auch  neben  diesen  hochwichtigen  Artikeln  von  der 
Turckensteitr  und  Appellationen  aus  der  alden  Stadt  Magde- 
burg Underredunge  vorgefallen,  hat  der  C  hur  für  st  zu  Branden- 
burg geschehen  lassen,  dafs  noch  zur  Zeit  die  aide  Stadt  Magde- 
burg ire  Turckensteur  des  Churfursten  zu  Sachsen  und  des  Erz- 
bischofs Vorordenten  alleine  antworten  muge  und  dafs  die  von  den- 
selben den  Ubereinnehmein^")  des  Erz.stifts  Stuer  zugeschickt,  [darmit 
also  die  ganze  und  volkomliche  Anlage  der  Turkensteur  des  Erz- 
stifts darmit  unvermindert  erfüllet  und  dem  Reiche  erleget  werde.] 
Dafs  auch  der  Churfarst  zu  Sachsen  zu  Vorfassunge  der  Urtheile  in 


'2)  Die  Worte  „daraus"  bis  „werden"  fehlen  iniKonzept  ganz.  (W.) 
^^)  Statt  „Obereinnehmer"  stand  im  Konzept  ursprünglich  ,  Erz- 
bischof".    (W.) 


386  Kleinere  Mitteilungen. 

Appellation-Sachen  dem  Erzbisdiof  alleine  zuoidni;  |und  die  inhi- 
liitioni-i  citaeiones  und  ffanze  ireriilitliehe  Proces  in  sulclien  Appeliacion- 
Saclien  vonnuge  der  Tripartit- Handlunii,e  und  Vortrage  anno  55 
zu  Dresden  aufgerichtet  in  beider  irer  eluir-  und  lurstlicher  CSnaden 
als  Sachsenn  und  des  Erzbischofs  zu  Magdeburgk  N harnen  deceruirt 
ausgheen  und  gehalten  werden.  | 

f2()J  Darkegen  sich  derChurfurst  zu  Sachsen  erkleret,  dafs 
dem  Churfursten  zu  Brandenburg  durch  solche  Nachlassunge  an 
deine,  was  seine  churfurstlich  (inad  vormuge,  der  Tripartit-lJefuget 
nichts  benommen  oder  seine  churfurstlich  (inaden  darvon  ausgeschlossen 
werden  soll,  sondern  dafs  der  Churfurst  zu  Sachsen,  wan  die  Con- 
lirmation  des  letzten  Vortrags  zu  Dresden  bei  dem  Komischen 
Könige  erhalten  dieselbe  Tripartit-Sache  auch  des  Churfursten  zu 
Brandenburg  Theils,  bei  denen  von  Magdeburg  [und  sunst  vormuge 
ob  angeregten  Dresdenischen  Vortrags]  in  wirkliche  Volziehunge  zu 
bringen  und  churfiirstlichen  (Jnaden  zu  Brandenburg  zu  deren  dritten 
Theil  mit  einkommen  zu  lassen  unbeschwert  sein  wil,  wie  dan  beide 
ire  churfurstliche  Gnaden  solchs  dem  Erzbischof  zu  Magdeburg 
auch  also  zugeschrieben. 

[21]  Alle  diese  obgeschriebene  Punct  und  Artikel  haben  hoch- 
gedachte unsere  gnedigste  Hern  die  Churfursten  zu  Sachsen  und 
Brandenburg  auf  vorgehende  Underredunge  und  Beratschlagunge  irer 
churfurstlichen  tinaden  gefallen  lassen  und  bevhelen  solchs  zu  regi- 
strirn,  [darmit  man  sich  auf  vorstender  churfurstiicher  Zusammen- 
kunft und  sonst  also  darnach  zu  richten  hal)en  muge;  und  also  beide 
ire  churfurstliche  Gnaden  in  solchen  hochwichtigen  Puncten  und 
Artikeln  in  ii'en  Stimmen  und  Ratgeben  desto  mehr  zusammensetzen 
bei  einhalten  und  die  Dinge  nach  Nodturft  des  heiligen  Reichs  und 
sonderlich  der  Churfursten  Preeminenz  so  viel  ehe  und  mher  be- 
fördern können  treulich  und  ungeferlich.J 

Actum  Dresden  Fieitags  nach  Trinitatis  im  sieben  und  fünf- 
zigsten Jare.     [1557  Juni  18.] 

3.     Zwei  Harnische  YOii  Matthäus  Fraueiipreis 

(lein  Älteren  im  könig^lichen  historischen  Museum 

zu  Dresden  und  auf  der  Wartburg. 

Von  M.  v.  Ehrenthal. 

Unter  den  Augsburger  Plattnern  des  vierten  und 
fünften  Jalirzelnites  des  16.  Jalirhunderts  nimmt  Matthäus 
Frauenpreis  (Frawenbrys)  eine  liervorragende  Stelle  ein. 
Erst  neuerdings  ist  durch  Wendelin  Büheim  —  s.  Jahr- 
buch der  kunsthistorischen  Sammlungen  des  Kaiserhauses 
Bd.  XII  —  und  Adolph  Butf  —  „Augsburger  Plattner 
der  Renaissancezeit"  in  der  Allgem.  Zeitung,  Jahrg.  1892, 
No.  228  —  das  Dunkel,  welches  über  dem  Meister  schwebt, 
gelüftet  worden.  Bisher  beschränkte  sich  die  Kenntnis  auf 
die  in  mehreren  Kunstlexiken  zu  findende  gleichlautende 
Notiz :  „Frawenbrys,  Matthäus,  Waftenschmied  des  16.  Jahr- 


Kleinere  Mitteilungen.  337 

hunderts  aus  Flandern.  Von  ihm  ein  schöner  Schild 
Philipps  n.  in  der  Armeria  von  Madrid  1543  mit  einer  auf 
dem  stürmischen  Meere  des  Lebens  schiffenden  Fortuna." 
Es  steht  nun  fest,  dals  Frauenpreis,  der  um  1525  in 
Augsburg"  eingewandert  sein  mag,  mit  der  berühmten 
Plattnerfamilie  Helmschmid  verschwägert  war  und  1532, 
nach  dem  Tode  des  Koloman  Helmschmid,  die  Leitung 
der  in  der  langen  Schmiedegasse  zu  Augsburg  befindlichen 
Werkstatt  übernahm.  Über  seine  Thätigkeit  giebt  uns 
ein  in  der  königlichen  Bibliothek  zu  Stuttgart  aufbewahrter 
„Aetzmalercodex"  interessante  Aufschlüsse.  Danach  sind 
die  Aufträge  namentlich  infolge  der  Reichstage  1547  und 
1548  bedeutende  gewesen,  denn  besonders  nach  diesen  sind 
mehrere  Harnische  für  Matthäus  Frauenpreis  von  dem 
unbekannten  Ätzer  geätzt  worden.  Der  Meister  starb  nach 
Daniel  Prasch.  Epitaphia  Augustana  1624—26  (III  S.  56), 
am  22.  Oktober  1549.  Sein  Sohn  gleichen  Namens  war 
damals  achtzehn  oder  neunzehn  Jahre  alt,  er  kommt  als 
Meister  in  den  Augsburger  Steuerbüchern  erst  von  1555 
ab  vor.  Nun  wii^d  aber  in  dem  erwähnten  Musterbuche 
angeführt,  dafs  für  Matthäus  Frauenpreis  1550,  1551, 
1552  und  1563  Kürasse  geätzt  worden  seien.  Böheim 
nimmt  infolgedessen  an,  dals  der  Sohn  nach  dem  Tode 
des  Vaters  die  Werkstatt  übernommen  habe;  bei  dessen 
Jugend  erscheint  dies  indes  zweifelhaft,  vielmehr  dürfte 
noch  manches,  was  in  die  Jahre  1550  und  1551  fällt,  dem 
älteren  Meister  zuzuschreiben  sein.  So  halte  ich  zuwenigst 
den  einen  der  beiden  die  Marke  der  Frauenpreis,  eine 
dreiblättrige  Blume  in  tulpenförmiger  Figur,  führenden 
Harnische  des  Erzherzogs  Maximilian  in  der  kaiserlichen 
Wafifensammlung  zu  Wien  für  eine  Arbeit  des  älteren 
Meisters.  Es  ist  ein  mit  breiten,  vergoldeten  Ätzstreifen 
gezierter  deutscher  Fulsturnierharnisch  mit  der  Jahres- 
zahl 1550  am  Schurz;  s.  Katalog  der  genannten  Sammlung 
No.  950.  Bei  der  Abbildung  desselben  in  obengenanntem 
Ätzmalercodex  findet  sich  folgender  Vermerk:  „Disen 
kampfkyris  häb  ich  dem  matheus  frawenbryls  gehnecz,  ge- 
hert  dem  durchleuchtigsten  hern  maximilianus  erzherzog  von 
Österreich  1549'^  Aus  der  letzten  Jahreszahl  geht  hervor, 
dafs  der  Ätzer  seine  Arbeit  bBreits  in  diesem  Jahre,  dein 
Todesjahre  des' älteren  Frauenpreis,  vollendete  und  dals" 
demnach  die  Plattnerärbeit  schon  um  die  Mitte  des  Jahres 
ausgeführt  Sein  mufste.  Die  Jahreszahl  1550  dlipfte 'sich; 
auf  Ablieferung  des  Stückes  an  den  Auftrag'geber  beziehfen- ' 

Neues  Archiv  f.  S.  U.  u.  A,    XIV^.  3.  4.  ~2 


338  Kleinere  Mitteilungen. 

Die  feinste  Treib-  und  Ätzarbeit  zeigt  uns  der  Rund- 
schild in  der  Armeria  Real  zu  Madrid,  welcher  neben 
dem  vollen  Namen  des  Meisters,  MATHEVS  FRAWEN- 
BRYS  den  Augsburger  Stadtpyr  und  die  Jahreszahl 
1543  trägt. 

Eine  dritte  bisher  unbekannte  Arbeit  unseres  Plattners 
befindet  sich  im  königlichen  historischen  Museum  zu  Dresden 
(Schlachtensaal,  4.  Pferd).  Es  ist  ein  blanker  Feld- 
harnisch  des  Kurfürsten  Moritz  von  Sachsen,  bestehend 
aus  Burgunderhelm  mit  niederem  Grate  und  durchlöchertem 
Visier,  vierfach  geschobener  Halsberge,  Spangeröls  mit 
Vorder-  und  Hinterflügen,  an  ersteren  hohe  Stolskrägen, 
Bruststück  (Tapulbrust),  Rückenstück,  Vorder-  und  Hinter- 
schurz, ersterer  drei-,  letzterer  fünfmal  geschoben  und  in 
der  Mitte  von  oben  nach  unten  fächerartig  geriflelt,  Arm- 
zeugen mit  ziemlich  grolsen  Armkacheln,  Handschuhen 
mit  kurzem  Stülp,  kurzen  dreifach  geschobenen  Bein- 
taschen, Diechlingen,  Kniebuckeln  und  ganzen  Beinröhren 
mit  breiten,  bärentatzenförmigen  Schuhen,  welche  in  den 
vorderen  Gliedern  geriffelt  sind.  Die  Harnischteile  sind 
an  den  Rändern  ausgefeilt,  im  übrigen  sieht  man  keinerlei 
Verzierungen  an  denselben;  dagegen  ist  die  ganze  Plattner- 
arbeit eine  vortreffliche.  Auf  dem  Stülp  des  linken  Hand- 
schuhes befindet  sich  in  deutlicher  Ausprägung  die  Marke 
des  Meisters  eingeschlagen;  das  städtische  Beschau- 
zeichen fehlt. 

Es  dürfte  die  Annahme  grofse  Wahrscheinlichkeit 
für  sich  haben,  dals  Kurfürst  Moritz  sich  den  Harnisch 
1548  gelegentlich  des  Reichstages  zu  Augsburg,  der  ihm 
die  feierliche  Übertragung  der  Kurwürde  brachte,  auf  den 
Leib  schlagen,  d.  h.  nach  Mais  anfertigen  liels. 

Grofse  Ähnlichkeit  in  Aufbau  und  technischer  Aus- 
führung mit  dem  eben  beschriebenen  Harnische  zeigt  ein 
Kürafs  in  der  Grofsherzoglichen  Sammlung  auf  der  AVart- 
burg.  Er  ist  gleichfalls  von  blankem  Stahl  gearbeitet  und 
abwechselnd  mit  Kannelierungen  und  Atzstreifen  in  feinem 
Renaissancemuster  geschmückt.  Der  Burgunderhelm  hat 
niederen  Grat,  an  den  Vorderflügen  sind  hohe  Stofskrägen 
angenietet,  die  Brust  ist  noch  kugelig  geformt,  das  Arm- 
zeug mit  sehr  starken  Armkacheln,  das  Beinzeug  mit 
breiten,  bärentatzenförmigen  Schuhen  versehen.  Am  oberen 
Rande  der  Brust,  der  Halsberge  und  der  Diechlinge  ist, 
gleichsam  als  eine  die  Kannelierungen  nach  oben  ab- 
schliefsende  Verzierung,  eine  Blume  eingeschlagen,  genau 


Kleinere  Mitteilungen.  339 

SO,  wie  wir  aus  der  bekannten  Marke  der  Frauenpreis 
sie  kennen;  es  fehlen  indels  der  tulpen förmige  Schild, 
welcher  die  Blume  umschlielst,  und  das  Augsburger  Be- 
schauzeichen. Trotz  dieser  Abweichung  der  Marke  haben 
wir  höchst  wahrscheinlich  hier  ein  viertes  Werk  des 
Meisters  vor  uns  und  zwar  sein  ältestes,  denn  der  Kürafs 
ist  um  1535  entstanden.  Derselbe  hat  einem  kräftig  ge- 
bauten Manne  angehört,  ob  einem  und  welchem  Ernesti- 
nischen  Fürsten,  das  wird  hoffentlich  später  einmal  nach 
wissenschaftlicher  Bearbeitung  der  Rüstkammer  auf  der 
Wartburg  ermittelt  werden. 

Läfst  man  die  Frage  noch  offen,  welcher  von  beiden 
Frauenpreis  der  Verfertiger  desFuIsturnierharnisches  in  der 
kaiserlichen  Waffensammlung  war,  so  ist  durch  die  zuletzt- 
genannten Harnische  in  Dresden  und  auf  der  Wartburg 
die  Technik  des  älteren  Meisters  genügend  sichergestellt 
und  damit  die  Grundlage  geschaffen  worden  zur  Weiter- 
forschung nach  seinen  Werken  in  anderen  Museen. 

4.  Ein  Schreiben  des  Hofnarren  Fröhlich  an  seinen 

Herrn  (1727). 

Von  Theodor  Distel. 

In  von  Webers  Archiv  für  die  Sächsische  Geschichte 
N.  F.  V.  (1879),  87  ff.^)  habe  ich  bereits  aus  zwei  Schreiben 
(1730/31)  des  kurfürstlich-königlichen  Hofnarren  Joseph 
Fröhlich  (Frölich)  Mitteilungen  gemacht,  dort  auch  seinen 
damals  erst  aufgekommenen  Spitznamen  „Graf  Saumagen" 
zu  erklären  versucht.  In  der  wissenschaftlichen  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung  (1885,  S.  291)  findet  sich  die  An- 
gabe,  Fröhlich  sei  vermögend  gewesen.    Diese  Behaup- 

')  Zu  der  daselbst  angezogenen  neueren  Litteratur  trage  ich 
noch  nach:  Sachsengrün  I  (1861),  63  —  hier  wird  auch  Fröhlichs 
Wohnhaus  in  Dresden,  das  Xarreuhäuschen ,  erwähnt  —  und  Zeit- 
schrift für  Museologie  und  Antiquitätenkunde.  VI  (1883),  67  und  156. 
Über  ein  in  meinem  Besitze  befindliches  Ölporträt  des  Narren, 
welches  kein  Geringerer  als  Anton  Kern  gemalt  hat,  vergl.  meine  Mit- 
teilung in  der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst,  N.  F.  IV  (1892/93),  9.öf.  — 
Vehse  meint.  Fröhlich  und  Saumagen  seien  zwei  Personen;  Grässe 
dürfte,  wenn  er  dessen  Wahlspruch:  „semper  lustig,  nunquam  traurig" 
anführt,  ebenfalls  irren,  ich  glaube  wenigstens^  dafs  derselbe,  im 
Anklänge  an  den  Namen,  semper  fröhlich  u.  s.  w.  gelautet  habe.  Das 
komische  Wappen  Fröhlichs,  von  welchem  Gustav  Heibig  in  Dresden 
(f  1875)  noch  einen  Abdruck  besessen  haben  soll,  ist  nicht  mehr 
nachzuweisen. 

22* 


340  Kleinere  Mitteilungen. 

tuiig  trifft  jedoch  nicht  zu,  denn  sein  Vermögen  war  1758 
verschuldet,  und  auch  das  folgende,  kürzlich  erst  auf- 
gefundene höchst  ergötzliche  Schreiben  an  den  Kur- 
fürsten Friedrich  August  I.  (K.  S.  Hauptstaatsarchiv: 
Lokat  799,  Gedichte,  Curiosa  1725-50,  Bl.A,  a— d,  Orig.) 
beweist,  dals  er  sich  schon  über  dreilsig  Jahre  früher  oft 
in  Geldnot  befand. 

Allerdurclilauditigster,  gTossmächtigster  König  und  Kurfürst, 
allergnädigster  Herr, 
Ew.  K.  Maj.  liaben  durch  dcro  unvergleichliche  Huld  und  Gnade 
mich  dermassen  verwehnet,  dass  ich  ein  solcli  hartes  Vertrauen  zu 
Ew.  M.  habe,  dass  keine  Seemuschel  udcr  Auster  in  dem  tiefen 
Meeresgrunde  so  feste  an  den  Felsen  angewai  hsen  und  sich  dai'an 
halten  kann,  als  mein  Herz  an  der  felsenfesten  (hiade  Ew.  M.  banget. 
Dann,  wann  ich  alle  Gnadenbezeigungen  auf  diesem  engen  Blatte 
namhaft  macheu  sollte,  welche  gleich  einem  Strome  auf  mich  dürren 
Stockfisch  zeithero  zugeflossen  und  dadurch  ich  so  geschmeidig  ge- 
worden bin  als  ein  in  Butter  zerlassenes  Ei  oder  wie  ein  neunmal 
aufgewärmtes  Sauerkraut,  so  wäre  es  ebensoviel,  als  wenn  mir  Einer 
zumuthete,  ich  sollte  in  einem  Tage  von  hier  bis  nach  Gibraltar 
laufen  und  morgen  wieder  zu  Mittage  hier  sein. 

Doch  nur  eine  einzige  K.  Gnade  zu  nennen,  so  habe  an  Ew. 
K.  M.  ich  einen  so  treuherzigen  Creditorem,  welcher  Seinem  unge- 
hobelten Debitori  gern  noch  'mehr  leihen  will,  ohngeachtet  er  die 
erste  Schuld  noch  nicht  abgetrabten.  Und  obzwar  dei'  Herr  Creditor, 
wiewohl  mit  ganz  anderer  Manier,  als  sonsten  in  der  Welt  geschiehet, 
mich  an  die  Bezahlung  erinnert,  nämlich  solche  au  abgewichener 
Leipzigischen  Michaelismesse  zu  leisten,  so  ist  es  doch  nicht  ge- 
schehen mit  harten  Bedrohen,  wann  ich  etwa  eine  Viertelstunde 
über  den  Termin  aussen  bliebe,  dass  der  Herr  Urian  Debitor  sich 
gefallen  und  geschehen  lassen  möchte,  dass  ein  paar  Wächter  vor 
seinem  Zimmer  ihre  Parade  machen  und  vor  solche  Bemühung  jeder 
täglich  sechs  oder  acht  Groschen  abfordern',  Monsieur  Debitor  aber 
in  dem  Zimmer  auf  und  nieder  immer  in  Trocknen  spazieren  gehen 
könne,  wiewohl  ich  rede  von  einem,  der  sich  mit  einem_  AVechsel 
verbunden,  weil  mir  die  letzte  Leipzigische  Messe  noch  immer  in 
Kopfe  stecket.  Da  aber,  dem  Himmel  sei  Dank,  von  meinem  Herrn 
ja  alleignädigsten  Creditore  dergleichen  nicht  verlanget  worden,  mit- 
hin auch  nicht  dergleichen  Staat  vor  meinem  Zimmer  befürchten 
darf.  So  gehet  mir  jedoch  nicht  wenig  zu  Herzen,  dass  ich  mein 
burgermeisterliches -)  hohes  Wort  nicht  halten  und  mich  mitsamt  dem 
Darlehne  meinem  allervornehmsten  Herrn  Gläubiger  zu  Füssen  werfen 
können,  inmassen  mir  dann  der  Kummer  dermassen  zusetzet,  dass, 
da  ich  sonsten  täglich  mit  vier  Kannen  Wein  mich  halte  beholfen, 
ich  jetzo  mit  sechs  Mass  kaum  auskommen  kann,  zu  geschweigeu, 
dass  meine  Magd  täglich  acht  Groschen  mehr  Marktgeld  vor  die 
Küche  fordert  und  haben  will. 

Weiln  dann  lum  dieser  mein  Kummer  daher  rühret,  indem  mir 
an  der  letzten  Leipzigischen  Messe  meine  Marchandirung  dermassen 
schlecht  au.sgefallen ,  dass  ich  mich  mit  einem,  obwohl  ohne  mein 
Verschulden  in  Abfall   seiner  Nahrung  gekommenen  Banqueroutirer 

-)  Man  vergl.  die  Unterschrift. 


Kleinere  Mitteilungen.  341 

nicht  unbillig  vergleichen  mag ,  da  mir  nichts  von  meinen  aussen- 
stehenden  Schulden  eingegangen,  sondern  vielmehr  die  Vögel  reine 
ausgeflogen,  so  dass  ich  nötliig  habe,  solche  mit  Dransetzung  zwei- 
hundert Gulden  aufzusuchen  und  solche  wieder  ins  Gebauer  zu 
bringen.  Dahero  komme  ich  armer  Schelm  an  die  Banco  meines, 
einmal  wie  das  andere,  freundlichen  Herrn  Creditoris  und  klopfe  mit 
dem  Hammer  meines  Elendes  an  das  Conto ir  meines  allergütigsten 
Herrn  Banquiers  mit  mehr  als  fussfälliger,  mit  mehr  als  barmherziger, 
ja  mit  mehr  als  miserabler  Bitte,  E.  M.  geruhen,  mich  bärenhäute- 
rischen Debitorem  mit  eben  einem  solchen  Geldsacke,  wie  der  vorige 
mit  dem  Darlehne  gewesen,  nur  schon  vollends  zu  Boden  zu  werfen, 
dass  ich  das  Aufstehen,  bis  auf  die  Leipzigische  Ne^^jahrsmesse  ver- 
gessen möge,  da  ich  dann,  ehender  aber  nicht,  verspreche,  dass  ich 
mich  Avieder  werde  erholet  haben,  und  will  ich  sodann  alle  beide 
Geldsäcke,  den  vorigen  und  den  jetzigen,  wieder  hängen  und,  trotz 
einem  Bürgermeister,  jedweden  ehrlichen  Kerl  unter  die  Augen  gehen. 
Ich  bitte  ja  gar  zu  entsetzlich  sehr,  E.  M.  gewähren  mich  doch  meine 
.Bitte,  wenn  es  möglich  ist,  denn  ich  bin  ärger,  als  mein  kleiner 
Prinz:  wenn  der  was  haben  will,  so  zerrt  er  solange,  bis  ich's  ihm  gebe. 
Adieu  de  tout  mon  coeur 

ich  ersterbe 
Ew.  K.  M. 
allerunterthänigster,  von  Kummer  und  Schulden  wie  ein 
Häring   und  Hase    ausgemergelter,    armer,    doch    hoch- 
weiser Bürgermeister  von  Xarrendorf 
Dresden,  den  12.  November  1727.  Joseph  Frölich. 

Dem  Schreiben  felilt  auch  das  Postscriptum  nicht. 
Dasselbe  lautet  also: 

A  propos  umb  das  längst  versprochene  Pferd  (es  wird  aber 
doch  wohl  ein  hübsches  sein)  hätte  ich  bald  in  der  Angst  zu  bitten 
vergessen.  Ja,  die  Schuldenlast,  eine  schwere  Last,  sie  macht  mich 
bald  zum  Narren;  ich  wollte  doch  auch  nicht  gerne  immer,  -wie  ein 
Schneider,  zu  Fusse  laufen. 

Auf  der  Rückseite  stehen  die  Worte:  „Au  roy." 
5.    Zwei  in  Kiirsachsen  beseitigte  Drucke  (1745,  1757). 

Von  Theodor  Distel. 

A.  Ein  seltenes  Blatt  ist  der  als  corpus  delicti  bei 
Akten  des  K.  S.  Hauptstaatsarchives  (III,  76,  fol.  253, 
No.  33,  Bl.  4)  liegende  Kupferstich  mit  der  Überschrift: 
„Abbildung   der  Uebergabe  der  Stadt  Leipzig." 

Derselbe  ist,  ohne  die  Ränder,  35  cm  breit  und 
18  cm  hoch.  Links  und  rechts  am  Kopfe  stehen  die  Er- 
klärungen zu  den  im  Bilde  numerierten  Punkten  und  zu 
den  mit  Buchstaben  markierten  Persönlichkeiten.  Unter 
dem  Stiche  sind,  in  ganzer  Breite,  folgende  fünf  Zeilen 
zu  lesen: 

Da  die  Sächsische  Armee  den  gefährlichen  Anschlag  gefasset 
hatte,  sammt  den  Oesterreichern  in  das  Land  Magdeburg,  wie  auch 


342  Kleinere  Mitteilungen. 

in  die  Chuimarck  einen  Einfall  zu  thun;  als  haben  Ihro  Königl.  Majt. 
von  Preussen  /  sich  gezwungen  gesehen,  Sr.  Hochfürstl.  Durclil.  den» 
regierenden  Fürsten  zu  Anhalt-Dessau,  anzubevehlen,  dass  dieselben 
mit  ihrer  Armee  gerade  auf  Leipzig  der  feindlichen  entgegen  ziehen, 
dieselbe  /  zerstreuen,  und  sich  dieser  Stadt  bemächtigen  mögten. 
Dieses  ist  auch  den  BÜ.  Nov.  1745.  glücklich  ausgeführet  worden,  im- 
massen  die  feindl.  xVrmee  des  Fürsten  Ankunft  nicht  erwartet,  sondern 
/  sich  in  der  grössten  Unordnung  zurück  gemacht,  dass  also  der  Fürst 
von  Anlialt  am  besagten  30 '''"  ohne  einigen  Schwerdtschlag  in  Leipzig 
eingezogen  ist,  nachdem  er  von  dortigem  Magistrat  /  ausserhalb  des 
Tliores  auf  das  submisseste  empfangen  und  eingeholet  worden." 

Aus  den  Beilagen  erhellt,  dals  der  Vertrieb  des 
Blattes  schon  1746  vom  Rate  zu  Dresden  untersagt  und 
dieses  Verbot  unterm  27.  November  1747  auch  vom  Kur- 
fürsten Friedrich  August  II.  erlassen  worden  ist.  Bei 
Durchsuchung  der  Dresdener  Bilderläden  griff  man  einige 
Exemplare  auf  und  brachte  dieselben  auf  das  Rathaus. 
Der  Preis  des  Stiches  betrug  nur  zwei  Groschen  —  man 
scheint  auf  grolsen  Absatz  gerechnet  zu  haben  — ,  die  ange- 
drohte Verkaufsstrafe  zehn  Thaler.  Aus  Berlin  wurde  das 
Blatt  bezogen;  Erfinder  und  Stecher  w^aren  nicht  zu  ermitteln, 
obwohl  man  als  letzteren  einen  gewissen  Schley  vermutete. 

Bei  dem  Dresdener  Rate  wird  kein  Exemplar  mehr 
aufbewahrt;  vielleicht  wurden  die  eingelieferten  Stücke 
bald  vernichtet.  Im  Königl.  Kupferstichkabinett  haben 
sich  neuerdings  noch  zwei  Exemplare  aufgefunden. 

Da  in  denselben  Akten  noch  von  zwei  anderen,  da- 
mals ebenfalls  verbotenen  Kupferstichen,  gehandelt  wird, 
welche  aber  nicht  beiliegen,  auch  sonst  nicht  ermittelt 
werden  konnten  und  deren  einer  unser  engeres  Vaterland 
angeht,  so  bemerke  ich  hier  gleich  mit,  dals  dieselben  die 
Schlachten  bei  Czaslau  (17.  Mai  1742)  und  bei  Kesselsdorf 
(15.  Dezember  1745)  zum  Gegenstande  hatten.  — 

B.  Als  König  Friedrich  Ü.  von  Preulsen  1756  Kur- 
sachsen militärisch  in  Besitz  genommen  hatte  und  nach 
Böhmen  strebte,  erschien  eine  anonyme  Druckschrift  (in 
4«,  Titel,  SS.  3—10,  Schem.  Genealog.)  unter  dem  Titel: 
„Kurzer,  doch  gründlicher  Beweis,  dals  das 
Königreich  Böhmen  Sr.  Königl.  Majestät  in 
Preulsen  zustehe." 

Dieselbe  verfehlte  jedoch,  indem  sie  längst  abgethane 
Ansprüche^)  wieder  aufleben  lassen  wollte,  ihren  Zweck 


')  Diese  stützten  sich  darauf,  dafs  Johann,  Kurfürst  zu  Branden- 
burg, welcher  die  erbberechtigte  Enkelin  der  Tochter  Karls  IV. 
Elisabeth,  Margaretha,  zur  Ciemahlin  gehabt  hatte,  Vorfahr  Fried- 
richs U.  in  gerader  Linie  sei. 


Kleinere  Mitteilungen.  343 

vollständig;  denn  König  Friedrich  liels  sie  auf  dem  Alt- 
markte zu  Dresden,  am  16.  Januar  1757  vormittags 
11  Uhr,  durch  den  Scharfrichter  öffentlich  verbrennen, 
zuvor  aber  kundgeben,  dals  er  keinen  Anteil  an  der 
Schrift  nehme  und  auf  das  Königreich  Böhmen  keinen 
Gedanken  hätte. 

Von  dem  Vorfalle  fand  ich  in  der  Litteratur  bisher 
nichts  erwähnt;  selbst  die  Dresdener  Merkwürdigkeiten 
schweigen  ihn  todt. 

Kürzlich  erwarb  ich  nun  einen  Originaldruck  dieser 
denkwürdigen  und  seltenen  Schrift,  von  welcher  ich  bis 
jetzt  nur  noch  im  K.  S.  Hauptstaatsarchive  ein  Exemplar 
als  corpus  delicti")  und  ein  drittes  im  k.  k.  Haus-,  Hof- 
und  Staatsarchive  zu  Wien  habe  ermitteln  können. 

Als  bei  der  Exekution  thätig  gewesene  Personen 
werden  genannt:  der  Stadtkommandant  Generalmajor 
Freiherr  von  Wylich,  der  Platzmajor  von  Wedel  und  der 
Auditeur  Wedemeyer;  den  preulsischen  Scharfrichter, 
Kühne,  vertrat  Polster^). 


^)  Dasselbe  weicht  äufserlicli  von  meinem  Exemplare  etwas  ab. 
3)  Man  vergl.  über  ihn  dieses  Archiv  IX  (1888),  160  u.  157. 


Litteratur. 


König  Albert  fünfzig  Jailiro  Soldat.  Gedenkhncli  zum  fiinf'zi<j^- 
jälii'igcn  Dienstjubiläuiii  Seiner  Majestät  des  Küiiig's.  Znsammen- 
gestellt  diirch  Yon  Schimpll',  Oberst  z.  I).  Vierte  Anf  laf>'e.  Dresden, 
Wilhelm  Baensch,  K.  S.  Hofverlagsbnchhandlung.   1893.  531  SS.  H'\ 

Die  Jubelfeier,  die  Seine  Majestät  der  König  soeben  begangen, 
hat  zu  einer  Festschrift  Anlafs  gegeben,  deren  eingehendere  Be- 
urteilung wir  zwar  militärischen  Organen  überlassen  müssen,  die 
aber  auch,  abgesehen  von  ihrer  fachwissenschaftlichen  Bedeutung, 
eine  so  bemerkenswerte  Erscheinung  auf  dem  Gebiete  der  neueren 
Geschichte  Sachsens  ist,  dal's  ein  Hinweis  an  dieser  Stelle  durchaus 
geboten  erscheint. 

Die  Aufgabe,  die  dieses  Wei-k  zu  lösen  hatte,  kann  als  eine 
sehr  dankbare  l)ezeichnet  werden.  Wird  auch  der  künftige  Biograidi 
des  Königs  Aliiert  auf  den  mannigfachsten  Gebieten  seine  segensvolle 
Wirksamkeit  zu  schildern  Gelegenheit  finden,  so  ist  doch  gerade 
seine  militärische  Thätigkeit  diejenige,  die  vor  allem  zu  einer  selbst- 
ständigen Darstellung  einlud,  schon  deshalb,  weil  sie  vorzugsweise 
für  die  Stellung  des  Königs  in  der  allgemeinen  Geschichte  Deutsch- 
lands bestimmend  geworden  ist. 

Der  als  Militärschriftsteller  längst  bewährte  Verfasser  hat  mehr 
als  8  Jahre  (Dezember  1880  bis  März  1889)  die  Ehre  gehabt,  bei 
Seiner  Majestät  die  Stellung  eines  Flügeladjutnnten  zu  bekleiden, 
und  gerade  diese  Stellung,  die,  wie  wir  aus  mehr  als  einer  dank- 
baren Bemerkung  des  Werkes  ersehen,  wohl  bei  kaum  einem  andern 
Monarchen  eine  so  angenehme  ist  als  bei  König  Albert,  bot  ihm  viel- 
fach (Gelegenheit,  seinen  hohen  Herrn  als  IMilitär  —  und  nicht  blofs 
als  solchen  —  kennen  und  verehren  zu  lernen.  So  war  er  nicht  allein 
auf  geschriebene  und  gedruckte  (T^uellen  angewiesen,  stmdern  konnte 
auch  aus  eigenen  Erfahrungen  schöpfen,  und  das  giebt  dem  AVerke 
jenen  warmen  Ton,  der  überall  anziehend  berührt,  namentlich  in  den 
Schilderungen  des  persönlichen  und  häuslichen  Lebens  Seiner  Majestät, 
die  freilich  nur  sparsam  und  mit  tuktvoller  Zurückhaltung  gegeben 
werden.  Auch  die  Darstellung  der  politischen  Verhältnisse  beschränkt 
sich  auf  das  Notwendigste  und  dient  überall  nur  dazu,  den  Zusammen- 
hang zu  vermitteln.  Durchweg  im  Vordergrunde  steht,  der  Aufgabe 
des  in  erster  Linie  für  die  Armee  bestimmten  Buches  entsprechend, 
die  militärische  (ieschichte  Seiner  Majestät. 

Einen  besonderen  Wert  erhält  das  Werk  dadurch,  dal's  es  dem 
Verfasser  vergönnt  Avar,  aufser  der  in  grofser  Vollständigkeit  heran- 
gezogenen militärwissenschafrlichen  Litteratur  auch  einzelne,  teilweise 
schwer  zugängliche  Archivalicu  und  handschriftliche  Aufzeichnungen 


Litteratur.  345 

zu  benutzen.  So  die  Aufzeichnungen  des  Greheimen  Rat  Dr.  von 
Langenn,  der  1835-1845  die  Erziehung  des  Prinzen  leitete,  des 
Greneralmajor  0.  von  Schimpff,  des  Generaliieutenant  von  Schubert, 
des  General  der  Kavallerie  0.  von  Carlowitz,  die  Briefe,  die  Ritt- 
meister Adolf  Senfi't  von  Pilsach  im  Jahre  1849  aus  Schleswig  an 
den  Prinzen  Johann  richtete,  mehrere  kriegsgeschichtliche  Arbeiten 
im  Archiv  des  Königlich  Sächsischen  Generalstabs,  die  Feldakten  des 
XII.  Armeekorps,  die  Tagebücher  der  königlichen  Adjutantur  und 
dergleichen  mehr. 

Der  reiche  Stoff  ist  in  neun  Abschnitte  gegliedert,  von  denen 
der  erste  die  Jugendzeit  1828—1849,  insbesondere  die  militärische 
Erziehung  des  Prinzen  Albert  behandelt.  Im  Jahre  184H  trat  der  Prinz 
in  den  aktiven  Truppendienst  und  erhielt  am  24.  Oktober  das  Patent  als 
Lieutenant.  Wenige  Jahre  später  sollte  er  auch  den  Ernst  des  Krieges 
kennen  lernen.  1849  zog  er  mit  den  sächsischen  Truppen  nach 
Schleswig,  wo  er,  dem  Stabe  des  Generaliieutenant  von  Prittwitz  zu- 
geteilt, vielfach  Gelegenheit  fand,  seine  Kenntnisse  zu  bereichern; 
am  13.  April  kam  er  vor  Düppel  zum  erstenmale  ins  Feuer.  Die 
Darstellung  des  schleswigschen  Feldzuges  bildet  den  zweiten  Ab- 
schnitt. Der  dritte  behandelt  die  Friedensjahre  1849— 18fi6,  in  denen 
der  Prinz  —  seit  1854  Kronprinz  — ,  stets  im  praktischen  Dienst, 
die  verschiedenen  militärischen  Rangstufen  vom  Major  bis  zum 
General  der  Infanterie  durchlief.  Die  Einförmigkeit  des  Soldaten- 
lebens im  Frieden  weifs  der  Verfasser  dadurch  zu  beleben,  dafs  er 
mancherlei  ansprechende  Züge  aus  dem  Privatleben  des  Prinzen  ein- 
flicht, wozu  namentlich  seine  Vermählung  im  Jahre  1853  Anlafs  gab. 
Sehr  dankenswert  ist  auch,  dafs  überall  Seitenblicke  auf  die  allge- 
meinen Verhältnisse  der  sächsischen  Armee  fallen;  so  bildet  das  Buch 
eine  wertvolle  Ergänzung  der  bekannten  Armeegeschichte  von 
Schuster  und  Francke.  Die  nun  folgenden  Abschnitte  sind  un- 
streitig die  inhaltvollsteu  des  ganzen  Werkes:  IV.  Der  deutsche 
Krieg  1866.  V.  Die  Reorganisation  der  Armee  1866-1870.  \I.  An 
der  Spitze  des  XII.  Korps.  VII.  Die  Maasarmee  1870/71.  Das 
Material,  das  in  diesen  Abschnitten  zu  bearbeiten  war,  ist  ein  so 
reichhaltiges,  dafs  sich  der  Verfasser  bei  der  beschränkten  Zeit,  die 
ihm  zu  Gebote  stand,  nach  Mitarbeitern  umsehen  mufste;  der  vierte 
Abschnitt  ist  vom  Generaliieutenant  von  Schubert,  der  siebente,  der 
allein  etwa  ein  Drittel  des  ganzen  Werkes  umfafst,  von  General- 
iieutenant Schurig  bearbeitet.  Soweit  der  militärische  Laie  es  be- 
urteilen kann,  sind  alle  diese  Teile  geradezu  mustergiltig.  Aus 
der  durch  eine  überaus  reiche  Litteratur  ja  bis  ins  Einzelne  be- 
kannten Kriegsgeschichte  der  Jahre  1866  und  187071  hebt  sich  der 
Anteil  der  sächsischen  Truppen  wahrhaft  plastisch  hervor.  Die 
knappe,  klare  Darstellung,  erläutert  durch  eine  Anzahl  vortrefflicher, 
im  Bureau  des  Königlichen  Generalstabes  gezeichneter  Skizzen, 
macht  auch  dem  Nichtfachmann  das  Verständnis  der  militärischen 
Bewegungen  und  Operationen  leicht.  Ein  achter  Abschnitt  schildert 
die  Jahre  1871—73,  ein  letzter  die  20  Jahre,  in  denen  Seine  Majestät 
als  König  an  der  Spitze  der  Armee  stand.  Gerade  dieser  letzte 
Abschnitt,  in  so  allgemeinen  Umrissen  er  auch  gehalten  ist,  wird 
gewifs  mit  besonderem  Interesse  gelesen  werden,  weil  er  zahlreiche 
feine  Beiträge  zur  Charakteristik  des  hohen  Herrn  bietet.  Als  Er- 
gänzung ist  ihm  eine  Anlage  beigegeben,  die  in  chronologischer 
Folge  die  wichtigsten  Daten  aus  der  Lebensgeschichte  des  Königs 
und  der  Geschichte  der  Armee  in  den  Jahren  1873—1893  enthält. 


346  Litteratur. 

Eine  andere  Anlage  giebt  die  1873—1892  für  die  Armee  ergangenen 
Vorschriften.  Noch  3.'j  weitere  Anlagen  —  Trnjjjjenübersichten,  Ordres 
de  Jiataillo,  ühersichtliche  Darstellungen  der  Schlachten  von  Beau- 
mont  und  Sedan,  Verzeichnisse  der  Orden  und  Ehren/eichen  des 
Königs,  seiner  persönlichen  Adjutanten  seit  1845,  Übersichten  über 
die  militärische  rjaufbahn  der  vier  königlichen  Prinzen  u.  dergl.  m. 
—  sind  zur  Erläuterung  den  einzelnen  Abteilungen  beigefügt.  Eine 
Beigabe,  die  jedem  willkommen  sein  wird,  sind  die  vortrefflichen,  von 
Ludwig  Otto  radierten  Porträts  nach  Vorlagen  aus  den  Jahren  1843, 
1849  und  1870  und  endlich  das  besonders  gut  gelungene,  von  dem- 
selben Künstler  aufgenommene  und  radierte  Porträt  von  1893.  Die 
Ausstattung  des  Werkes  ist  überhaupt  durchaus  vornehm  und  der 
festlichen  Veranlassung  angemessen. 

Dresden.  H.  Er  ml  seh. 


Urkundliclie  Nachträge  zur  österreichisch-deutscheu  Geschichte 
im  Zeitalter  Kaiser  Friedrichs  III.  Gresammelt  und  heraus- 
gegeben von  Dr.  Adolf  Bachiiiaun,  ord.  Professor  der  österr.  (ie- 
schichte  an  d(!r  Prager  deutschen  Universität.  Wien,  in  Komm, 
bei  F.  Tempsky.  1892.  . XXVIII,  503  SS.  8".  (A.  u.  d.  T.:  Fontes 
rerum  Austriacarum.  Österreichische  Geschichtsquellen.  Heraus- 
gegeben von  der  historischen  Kommission  der  kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  in  Wien.    Diploraataria  et  Acta.  XL  VI.  Band.) 

Dei'  unermüdliche  Bearbeiter  der  „Deutschen  ßeichsgeschichte 
im  Zeitalter  Friedrichs  III.  und  Max  I."  öffnet  von  neuem  seine 
Sammelmapjien,  um  uns  mit  einer  reichen  Fülle  von  Material  zur 
(leschichte  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts,  insbesondere  der 
Jahre  1463—1481,  zu  beschenken.  Wir  begrüfseu  die  Publikation 
um  so  freudiger,  als  wir  in  ihr  den  Vorboten  des  lange  ersehnten 
zweiten  Bandes  der  „Reichsgeschichte"  sehen  dürfen;  eben  dieser 
Umstand  aber,  dafs  uns  demnächst  der  hier  vorliegende  Bohstoft'  in 
verarbeiteter  Form  geboten  werden  wird,  läfst  uns  von  einer  ein- 
gehenderen Besprechung  der  vorliegenden  Sammlung  absehen.  Nächst 
dem  Bamberger  Archiv  waren  es  diesmal  die  Archive  der  Wettiner 
zu  Dresden  und  Weimar,  die  am  meisten  Ausbeute  gewährten,  und 
es  ist  daher  begreiflich,  dafs  für  die  sächsisch-thüringische  (ileschichte 
der  genannten  .Fahre  mancher  Nebengewinn  abfällt;  sind  auch  wenig- 
stens die  im  Dresdener  Hauptstaatsarchive  vorhandenen  Stücke  zum 
grofsen  Teil  schon  in  v.  Langenns  Lebensbeschreibung  Albrechts  des 
Beherzten  und  in  meinen  „Studien  zur  Geschichte  der  sächsisch- 
böhmischen Beziehungen"  (in  Bd.  I  und  II  dieser  Zeitschrift)  benutzt 
Avorden,  so  erfahren  wir  doch  manches  Neue,  namentlich  für  die  Ge- 
schichte der  Bewerbung  Albrechts  um  die  böhmische  Krone  nach 
dem  Tode  des  Königs  Georg  und  die  später  sich  anschliefsenden 
Verhandlungen  mit  dem  glücklicheren  Nebenbuhler  König  Matthias. 
Die  Benibeitung  der  einzelnen  Stücke  ist  im  allgemeinen  sorg- 
fältig und  die  kleinen  Unebenheiten,  die  unausbleiblichen  Folgen  der 
oft  geboteneu  Eile  bei  Benutzung  fremder  Archive,  meist  so  un- 
wesentlich, dafs  es  sich  nicht  lohnt,  sie  anzuführen.  No.  79  ist  bereits 
gedruckt  bei  Riedel  Cod.  dipl.  Brandenb.  III.  2,  42;  No.  116  teilweise 
bei  .lordan,  Das  Königtum  (Georgs  von  Podiebrad  S.  456.  No.  121 
ist  Beilage  zu  einem  Schreiben,  das  hei  der  Ordnung  des  „Witten- 
berger Archivs"  irrtümlich  einen  gesonderten  Platz  erhielt  (Reufsische 


Litteratiir.  347 

Sachen  Bl.  120)  und  nicht  an  „die  sächsischen  Kurfürsten"  (?),  sondern 
nur  an  Hei-zog  Albrecht  gerichtet  ist.  Von  der  nach  einer  Abschrift 
im  Berliner  Hausarchiv  mitgeteilten  No.  158  hätte  der  Herausgeber 
das  Original  im  Dresdner  Archiv  (No.  8132)  finden  können.  Der 
Verfasser  des  Schreibens  No.  410  hiefs  Sigmund  Holkro,  nicht 
Holke  oder  Holko. 

Dresden.  H.  Ermisch. 


Die  Yerkehrsstrafsen  in  Sachsen  und  ihr  Einflufs  auf  die  Städte- 
entwickelung  bis  zum  Jahre  1500.  Von  Dr.  A.  Simon,  Seminar- 
lehrer in  Auerbach  i.  V.  Stuttgart,  J.  Engelhorn.  1892.  99  SS.  8» 
und  1  Karte.  (A.  u.  d.  T. :  Forschungen  zur  deutschen  Landes-  und 
Volkskunde,  im  Auftrage  der  Centralkommission  für  wissenschaft- 
liche Landeskunde  herausgegeben  von  A.  Kirchhoff.    Bd.  VII,  H.  2.) 

Eine  Gesamtdarstellung  der  Verkehrsstrafsen  Sachsens  im 
Mittelalter  fehlte  bisher;  die  Arbeiten  Falkes,  Zur  Geschichte  der 
hohen  Landstrafse  in  Sachsen  (Arch.  f.  d.  s.  Gesch.  VII,  113  flg.) 
und  Hellers,  Die  Handelswege  Innerdeutschlands  im  16.,  17.  und 
18.  Jahrhundert  und  ihre  Beziehungen  zu  Leipzig  (in  dieser  Zti-chr.  V., 
1  flg.)  lieferten  hierzu  nur  kleine,  wenn  aiich  wertvolle  Beiträge, 
Nun  hat  neuerdings  Simon  in  der  obengenannten  Schrift  diese  Lücke 
auszufüllen  gesucht,  und  wir  können  dem  Verfasser  insofern  dankbar 
sein,  als  er  die  vorhandene  Litteratur  fleifsig  ausgenutzt  und  eine 
übersichtliche,  lesbare  Darstellung  des  derzeitigen  Standes  der  For- 
schung gegeben  hat.  Einen  anderen  Mafsstab  kann  man  an  die 
Arbeit  nicht  anlegen ;  denn  von  einer  wissenschaftlichen  Erschöpfung 
des  Themas  kann  hier  keine  Rede  sein,  wenn  auch  der  Verfasser 
mitunter  ungedrucktes  Material  benutzt  hat.  Eine  solche  würde  auch 
schon  äufserlich  betrachtet  einen  gröfseren  Umfang  als  blofs  99  Seiten 
beanspruchen.  Im  einzelnen  macht  es  den  Eindruck,  als  ob  der  Ver- 
fasser mitunter  etwas  zu  schnell  gearbeitet  habe;  namentlich  scheint 
er  die  Mühe  gescheut  zu  haben,  die  Citate  nachzuprüfen.  Die  Ur- 
kunde von  1065,  wonach  Grimma  in  dieser  Zeit  befestigt  gewesen 
sein  soll  (S.  70),  ist  Fälschung  des  13.  Jahrhunderts,  wie  er  aus  Cod. 
Dipl.  Sax.  I,  1  S.  77  Note  ersehen  konnte;  Grimma  hat  vielmehr, 
wie  an  anderer  Stelle  zu  zeigen  sein  wird,  kaum  vor  Ende  des 
12.  Jahrhunderts  Befestigungen  erhalten.  Die  Angabe  S.  71  von 
einem  in  Grofsbardau  erhobenen  zu  Grimma  gehörigen  Salzzoll  be- 
ruht jedenfalls  auf  einem  Irrtum;  die  hierzu  als  Beleg  angeführte 
Stelle  Cod.  Dipl.  Sax.  II,  12  S.  43  bietet  nichts  darüber.  Das  zwei- 
mal (S.  70  und  89)  zur  Geschichte  von  Grimma  angeführte  Citat  A. 
f.  s.  G.  N.  F.  2,  1876,  S.  65  ist  ebenfalls  falsch.  Mit  Angaben,  wie 
Cod.  Sax.  II,  5  b,  3  u.  s.  w.  (S.  73)  ist  nichts  anzufangen.  Von  dem 
Buche  Märckers,  Das  Burggraftum  Meifsen,  wird  z.  ß.  S.  70  und  71 
fälschlich  ein  1.  und  2.  Band  angeführt;  dasselbe  ist  der  erste  Band 
eines  nicht  weiter  erschienenen  gröfseren  Werkes  unter  dem  Titel: 
Diplomatisch-kritische  Beiträge  zur  Geschichte  und  dem  Staatsrechte 
von  Sachsen.  Ferner  vermissen  wir  eine  Erwähnung  der  schon  in 
früher  Zeit  von  Schandau  durch  das  Kirnitzschthal  und  das  Thal  des 
grofsen  Zschand  nach  Böhmen  (sowie  mit  einer  nördlichen  Abzweigung 
nachSebnitz)  führenden  Strafse,  welcher  Schandau  alsHafen  für  dieEin- 
und  Ausfuhr  sein  Emporblühen  verdankt.  (Gautsch,  Älteste  Geschichte 
der  Sachs.  Schweiz  S.  60.  80.)    Diese  Beispiele  werden  genügen,  um  zu 


348  Litteratur. 

zeigen,  dafs  man  die  Schrift  Simons  mit  Voisicht  benutzen  mufs.  Recht 
snt  gearbeitet  ist  dagegen  die  angehängte  Karte  Ein  Ortsregister, 
welches  sehr  erwünscht  gewesen  wäre,  ist  leider  nicht  vorhanden. 

Dresden.  Ludwig  Schmidt. 


IJibliotliecii  Kutlieuea.  Die  Litteratur  zur  Landeskunde  und  Ge- 
schichte des  Fürstentums  Reui's  j.  L.  Zusammengestellt  von 
Heinrich  Alfred  Auerbach,  Lehrer  an  der  I.  Bürgerschule  zu 
Gera.  Sonderabdruck  aus  dem  32.  B.').  Jahresbericht  der  Gesellschaft 
von  Freunden  der  Naturwissenschaften  in  (iera.  Gera,  Kommissions- 
verlag von  Karl  JJauch.     1892.     lOl  SS.  8". 

Die  fleifsige  und  wirklich  korrekte  Arbeit  wird  jedem  Forscher 
der  vogtländiscben  Landeskunde  und  Geschichte  eine  hochwillkommene 
Gabe  sein.  Besonderen  Dank  verdient  der  Verfasser  auch  dafür,  dafs 
er  über  die  Normalbestimmungen  der  Zentralkommission  für  wissen- 
schaftliche Landeskunde  hinaus  das  eigentliche  (iebiet  der  Geschichte 
seiner  Sammlung  angereiht  hat.  Dem  Titel  Bibliotheca  Ruthenea 
und  noch  mehr  dem  Bedürfnisse  würde  es  allerdings  entsprochen 
haben,  wenn  auch  die  geschichtliche  Litteratur  des  Fürstentums 
Reufs  ä.  L.  mit  aufgenommen  worden  wäre.  Die  älteste  Geschichte 
habeu  ja  beide  Fürstentümer  ohnehin  gemeinsam,  und  die  neueren 
speziellen  Werke  hätten  bei  ihrer  geringen  Anzahl  wenig  Platz  fort- 
genommen. So  vermisse  ich  hier  besonders :  J.  G.  Stemler,  Geschichte 
von  Zeulenroda.  Nach  Urkunden  und  archivalischen  Nachrichten  be- 
arbeitet. Mit  einer  Einleitung:  Allgemeine  Reufsische  Landes-  und 
Regentengeschichte  enthaltend.  Neustadt  a.  d.  Orla,  1840.  XVI. 
399  SS.  80. 

Für  Reufs  J.  L.  dagegen  hat  sich  der  Verfasser  die  redlichste 
Mühe  gegeben,  "Vollständigkeit  zu  erreichen.  Nachträge  werden  sich 
bei  einer  derartigen  Sammlung  ja  immer  finden  lassen.  Wir  ver- 
zeichnen davon  hier 

zu  111.  Landeskundliche  Gesamtdarstellungen:  Historisch-geo- 
graphisch-statistische Beschreibung  der  Herzogl.  Sächsischen,  Fürst! . 
Anhalt,  Fürstl.  Schwarzburg,  Fürstl.  und  Gräfl.  Reufsischen  Lande, 
des  Churmainzischen  Gebiets  der  Stadt  Erfurt  und  der  Grafschaft 
Blankenhayn.    I.  Bd.  m.  e.  illum.  Charte.    Altona   1796.     140  SS.  40; 

zu  V  8.  b)  Landvvirthschaft  imd  Viehzucht :  Ueber  die  Zusammen- 
legung der  Grundstücke.  Ein  Wort  der  Verständigung  un  d  ein  Wink 
zur  Benutzung  des  eigenen  Vortheils  zunächst  für  die  Landbewohner 
des  Fürstenthums  Reufs  j.  L.     Gera  0.  J.     16  SS.  8"; 

zu  V  8.  (1)  Forstwesen:  Nitzsche,  W.  H. ,  Der  grofse  Nonnen- 
frafs  im  Voigthunle  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts.  Separat- 
abdruck aus  der  „Österreichischen  Forst-Zeitung",  1891.  Wien  1891. 
29  SS    8»; 

zu  VI.  Ortschaftskunde:  1.  Fischer,  Robert,  Zur  Erinnerung 
an  die  Stadt  Gera  für  die  Mitglieder  der  XXXIII  Versammlung 
deutscher  Philologen  und  Schulmänner  vom  30.  Sept.  l)is  3.  Oktober 
1878  etc.  Gera  1878.  44  SS.  8'».  2.  Herz,  Wilhelm,  Die  Rätsel 
der  Königin  von  Saba  (Kirschkauer  Gobelin  betreff.).  München  1882. 
33  SS.  8".  (Separatabdruck  aus?)  3.  Delitzsch,  Franz,  Der  Gobelin 
von  Kirschkau.  11  SS.  8".  (Separatabdruck  aus?)  4  [Sagittarius], 
Schleitzische  Chronik,  im  Schleizer  Chronikenkalender  von  1722 
bis  1723; 


Litteratur.  349 

zu  VII.  1.  Werke,  welche  die  Greschichte  des  Fürstentums 
berühren:  1.  Olischer.  Joh.  Balthasar,  Entwurf  einer  Chronica  der 
alten  voigtländischen  Stadt  Reichenbach  etc.  Leipzig  1729.  100  SS  8*^. 
(2.  Auflage,  Reichenbach  1877.)  2.  Jahn,  J.  Gr.,  Urkundliche  Chronik 
der  Stadt  Ölsnitz  und  des  Schlosses  und  Amtes  Voigtsberg.  Ölsnitz, 
1841.  VI.  530  SS.  8*».  3.  Jahn,  J.  G.,  Neue  Folge  der  Chronik  der 
Stadt  Ölsnitz  etc.,  enthaltend  die  Geschichte  dieser  Stadt  und  Um- 
gegend von  1842  —  1875,  Nachträge  etc.  144  SS.  8»,  4.  Tittmann, 
Heinrich  der  Erlauchte.  Dresden  und  Leipzig  1845.  S.  57 — 59, 
die  Vögte  von   Weida,  Plauen  und  Gera; 

zu  VII.  2.  durften  die  in  Lünigs  Keichsarchiv  XI,  201  ff.  ab- 
gedruckten Urkunden  von  1232—1583  nicht  unerwähnt  bleiben; 

zum  Anhang:  Hahn,  Ferdinand,  Die  Kriegseiiebnisse  des  (reu- 
fsischen)  Sergeanten  Karl  August  Zetzsche  in  den  Jahren  1809  —  15. 
Gera  1845.     218  SS.  8'^. 

Besonders  auffällig  ist,  dafs  das  Schleizer  Wochenblatt  (seit 
1812)  nicht  besser  ausgenutzt  wurde.  Ich  notiere  nur  folgende 
Sachen,  die  ich  gerade  zur  Hand  habe,  doch  liefse  sich  ihre  Anzahl 
noch  jedenfalls  sehr  vermehren:  1.  Vor  50  Jahren.  Einige  Notizen 
über  die  französische  Invasion  und  die  Schlacht  bei  Schleiz  im 
Oktober  1806,  in  Jahrg.  1856,  No.  44.  2.  Aus  dem  alten  Schleiz  (Be- 
schreibung der  alten  reufsischen  Uniformen),  in  Jahrg.  1883,  No.  4 
und  7.     3.  Schleizer  Volkssagen,   in  Jahrg.  1883,  No.  13,  22  und  28. 

4.  Zur  Chronik  unserer  Bergkirche,   in  Jahrg.  1885,  No.  48  und  50. 

5.  [J.  Alberti:].Die  Familie  Weifsker  in  Schleiz,  in  Jahrg.  1886,  No.  20. 

6.  Ein  altes  Kunstwerk  (Geschnitzter  Kirchenstuhl  in  der  Schleizer 
Bergkirche),  in  Jahrg.  1886,  No.  98.  7.  Böhme,  Dr.  W.,  Das  Gefecht 
bei  Schleiz   den  9.  Oktober  1806,  in  Jahrg.  1888,  No.  119  (Beilage). 

8.  Schmidt,  B.,  Die  Kirche  zu  Oschitz,  in  Jahrg.  1889,  No.  29  und  30. 

9.  Wie  man  vor  hundert  Jahren  in  Schleiz  die  Christmette  feierte, 
in  Jahrg.  1890,  No.  135. 

Endlich  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  bei  Nr.  778  das  (!)  hinter 
dem  gut  klassischen  sigillatim  zu  streichen  ist.  Bei  No.  998  ist 
1656  Druckfehler  für  1636. 

In  Anbetracht  der  grofsen  Mühe  aber,  welche  eine  Sammlung, 
wie  die  vorliegende,  erfordert,  werden  die  wenigen  von  uns  ver- 
zeichneten Mängel  den  Wert  der  gediegenen  Arbeit  Auerbachs 
keineswegs  herabsetzen,  ^löge  der  Verfasser  uns  in  den  nächsten 
Jahren  schon  mit  zahlreichen  Nachträgen  erfreuen.  Dank  gebührt 
auch  der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  in  Gera,  welche  den 
splendiden  Druck  der  Arbeit  ermöglicht  hat. 

Schleiz.  Dr.  Berthold  Schmidt. 


Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde. 


Bär,  E.  F.  Die  Ablösungsgesetzgebung  im  Königreich  Sachsen  bis 
1889.   Erlanger  Inaug.-Dissertation.  Zwickau  i.  S.  1892.  48  SS.  8». 

Bärge,  Hermann.  Die  Verhandlungen  zu  Linz  und  Passau  und 
der  Vertrag  von  Passau  im  Jahre  1552.  Stralsund,  Karl  Meincke. 
1893.     161  SS.  80. 


350  Litteratur. 

Beck,  Richard.  M.  Christian  Daums  Beziehungen  zur  Leipziger 
gelehrten  Welt  während  der  sechziger  .lahre  des  XVII.  Jahr- 
hunderts: Bericht  des  Gymnasiums  zu  Zwickau  über  das  Schul- 
jahr 1K9-<!AW.     (Zwickau  189:3.  4«.)  S.   1-16. 

(Becker,  E.  A.)  Stammbaum  Becker-tilauch.  (Dörstling.)  Als  Hand- 
schrift gedruckt.  Dresden,  Lehraannsche  Buchdruckerei.  (1S!)3.) 
20  SS.  11  Taft;  qu.  fol. 

Bernau,  Friedr.  Hassenstein.  Ein  Beitrag  zur  G^eschichte  des 
Erzgebii-ges.  Mit  7  Abb.  und  J  Situationsplan.  B.  Leipa,  Künstner 
(Komm.).     1898.     4  BU.  228  SS.  8'\ 

—  Die  iliesenbnrg:  Erzgebirgs-Zeitung  herausgegeben  vom  Nordwest- 
böhm.  (Jebirgsvereins -Verband.  Jahrg.  Xli  (1891).  S.  127—132. 
145-149.  1H9  — 172.  193-200. 

Blanckmeister,  Franz.  Kurfürstin  Christiane  Eberhardine  von 
Sachsen.  Eine  evangelische  Bekennerin.  Barmen,  Klein.  (1892.) 
28  SS.  8». 

—  Aus  dem  kirchlichen  Leben  des  Sachsenlandes.  Kulturbilder  aus 
vier  .Jahrhunderten.  Heft  1 :  Der  sächsische  Volkscharakter  und 
das  Evangelium.  (l(j  SS.)  Heft  2:  Die  erste  theologische  Zeit- 
schrift (16  SS.  und  1  Taf.)  Heft  3:  Die  sächsischen  Bufstage. 
(22  SS.)  Heft  4:  Die  sächsischen  Kirchenbücher.  (23  SS.)  Heft 
5  u.  t):  Die  sächsischen  Feldprediger.  Zur  Geschichte  der  Militär- 
seelsorge in  Krieg  und  Frieden.  (52  SS.)  Heft  7:  Eine  Landes- 
kollekte und  ihr  Schicksal.  Beitrag  zur  Geschichte  der  Salzburger 
Emigranten.  (29  SS.)  Heft  8:  Eine  altsächsische  Stimme  über 
Heiden-  und  Judenmission.  Zur  Vorgeschichte  der  Missions- 
bestrebungen in  Sachsen.   (27  SS.)    Leipzig,  Fr.  Richter.    1893.  8**. 

V.  Boetticher,  W.  Bautzner  Marktzeichen :  Neues  Lausitzisches  Ma- 
gazin.    Bd.  LXIX  (1893).     S.  49-59. 

V.  BfoctticherJ.  Das  Gödaer  Schöppenbuch :  Wöchentliche  Beilage  zu 
den  Bautzner  Nachrichten.     1893.     No.  18. 

[Brandjt,  [üttjo.  Friedrich  List,  der  Gründer  der  Leipzig-Dresdner 
Eisenbahn:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung. 
1893.    No.  92.    S.  365  f. 

Buchholz,  Anton.  Beiträge  zur  Lebensgeschichte  Johann  Reinhold 
Patkuls.  Mit  zwei  Bildnissen.  Riga,  Druck  von  W.  F.  Hacker. 
1893.     VIIL  255  SS.  8". 

Distel,  Theodor.  Akteunachlese  zu  Liscow  und  Geliert:  Viertel- 
jahrsschrift für  Litteratiugeschichte.     VI  (1893).  S.  448-451. 

—  Die  1743  geplant  gewesene  Afra-Denkmünze :  Dresdner  Anzeiger. 
1893.  No.  171.  S.  23. 

—  Lossing  bei  einer  Katzenmusik  zu  Sankt  Afra  und  ein  darauf 
bezügliches  Gedicht:  ebenda  No.  184.    S.  4.  (vergl.  No.  221.    S.  17.) 

—  Zu  der  1 799  konfiszirten  Schmähschrift  auf  Chemnitz :  ebenda 
No.  219.  S.   Iti. 

—  Aus  einem  Injurienprozesse  gegen  [Maler]  Joseph  Grassi :  ebenda 
No.  221.  Sp.  3. 

—  Die  bravsten  llothhirsche  unter  fünf  Sächsischen  Kurfürsten 
(1611-1717):  Weidmann  XXTV  (1892/93).     S.   196. 

—  Ein  Jagdkabinet  des  Kurfürsten  zu  Sachsen  (1737)-  ebenda  S.  346. 

—  Die  letzte  eheliche  Verbindung  zwischen  Kursachsen  und  Württem- 
berg.    (1604.)     Pirnaer  Anzeiger.     1893.     No.  208.  S.  5. 

Dittrich,  Max.  König  Albert  und  seine  Sachsen  im  Felde  1849, 
1866,  1870/71.  Vaterländische  Gedenkblätter.  Dresden,  Albanus'sche 
Buchdruckerei.     1893.     3  Bll.  125  SS.  8». 


Litteratur.  351 

Frhr.  v.  Eberstein,  Louis  Ferd.  Abrifs  der  urkundlichen  Geschichte 
des  reichsritterlichen  Geschlechtes  Eberstein  vom  Ebei stein  auf 
der  Rhön.     Dresden  1893.     168  SS.  S". 

—  Die  im  Jahre  18P;3  lebenden  Mitglieder  der  Familie  Eberstein  vom 
Eberstein  auf  der  Rhön  und  ihre  direkten  Vorfahren  bis  zu  der  Zeit 
des  Überganges  des  Eberstein'schen  Geschlechtes  aus  der  frän- 
kischen Stammheimath  nach  Thüringen.    Berlin  1893.    47  SS.  8". 

Fickel,  Joh.  Die  Litteratur  über  die  Tierwelt  des  Königreichs 
Sachsen :  Programm  des  Wettiner  Gymnasiums  zu  Dresden. 
(Dresden  1893.    4«.)     S.  1—44. 

Frey  tag,  R.  Zur  Litteiatur  über  den  grofsen  Brand  von  Reichen- 
bach am  20.  August  1720:  Reichenbacher  Tageblatt.  1893.  No.  193. 
Beilage. 

—  Vogtlands  gröfster  Topograph  (M.  Zürner):  Vogtländischer  An- 
zeiger und  Tageblatt.    1893.    No   193.    Beiblatt. 

Frisch.  Ein  Annaberger  Rechenpfennig  aus  der  Zeit  der  Gründung 
Stadt:  Annaberger  Wochenblatt.     1893.     No.  151.     Beilage 

Gebauer,  H.  Die  Volkswirtschaft  im  Königreich  Sachsen.  Histo- 
risch, geographisch  und  statistisch  dargestellt.  Bd.  I— III. 
Dresden,  W.  Baensch.     1893.     LXIV,  Hl 2    n76.  780  SS_.    8». 

Gehmlich,  Ernst.  Zeugnisse  für  Lehrer  der  Leipziger  Ephorie  aus  den 
Jahren  1738,  1756,  1757  und  1807:  Mitteilungen  der  Gesellschaft 
für  Erziehungs-und  Schulgeschichte.  Jahrg.  III  (1893).  S.  105—107. 

—  Zur  Geschichte  der  Schule  des  Städtchens  Taucha  bei  Leipzig : 
ebenda  S.  113—1^3. 

—  Die  kleinen  Stadtschulen  des  sächsischen  Erzgebirges  im  16.  Jahr- 
hunderte: Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1893. 
No.  69.     S.  273—276. 

Gertvig,  Ludiv.  Das  Verhältnis  der  Schlufsrelation  des  venetia- 
nischen  Botschafters  Alvice  Mocenigo  zu  seinen  Tagesdepeschen 
über  den  Donaufeldzug  im  schmalkaldischen  Kriege  vom  Jahre  1546. 
(Beilage  zum  Jahresbericht  der  Realschule.)  Heidelberg.  1892. 
40  SS.  1  K.  40. 

Glootz,  Arth.  Culturgeschichtliche  Bilder  aus  den  ältesten  Zeiten 
der  sächsischen  Schweiz  und  aus  Schandaus  Vergangenheit. 
Schandau,  G.  Bossack  (Komm.).     1893.     26  SS.  8» 

Heydenreich,  E.  Musikgeschichtliche  Mitteilungen  aus  Schneeberger 
Handschriften  (nebst  zwei  Handschrift  en-Facsimile  und  einer  Noten- 
beilage) :  Mitteilungen  des  Wissenschaftlichen  Vereins  für  Schnee- 
berg und  Umgegend.     Heft  3  (1893).     S.  1—10. 

Hickmann,  Seidel  und  Weidauer.  Die  Geschichte  des  Landesvereins 
für  innere  Mission  und  seine  gegenwärtigen  Aufgaben :  Misericordias 
Domini.  Der  Landesverein  für  innere  Mission  der  evang  -luther. 
Kirche  im  Königreich  Sachsen  in  seinem  ersten  Vierteljahr- 
huudert  (Dresden  1893)  S.  21—68. 

Hockauf,  Anton.  Das  Erbe  Heinrichs  von  Schleinitz  bei  der  Theilung 
im  Jahre  1566:  Mittheilungen  des  Nordböhm.  Excursions  -  Clubs. 
Jahrg.  XVI  (1893).     S.  61—63. 

Jacobi,  H.  Erzgebirgisches  Volks-  und  Wirtschaftsleben  im  16.  Jahr- 
hundert: Das  Erzgebirge.     Bd.  II  (1893).     Heft  1.  S.  1-27. 

Jecht.  Das  Zweitälteste  Stadtbuch  von  Görlitz  1 342  ff. :  Neues 
Lausitzisches  Magazin.     Bd.  LXIX  (1893).     S.  132-152. 

Isolani,  Eugen.  Otto  Leonhard  Heubner.  Lebensbild  eines  Deut- 
schen Mannes.  Mit  einer  Einführung  von  Ferd.  Goetz.  Dresden, 
Hönsch  und  Tiesler.     1893.     40  SS.  8". 


352  Litteratur. 

Kehrbach,  K.  .Studienordnung  der  Herzogin  Doroth(^a  Susaniia  von 
Weimar  für  ihren  Sohn  den  Ilei'zog  Johann  von  Sachsen -Weimar 
aus  dem  Jahre  lö8'6:  Mitteilungen  der  Ciesellschaft  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschichte.     Jahrg.  III  (1893).     S.  29—43. 

Kind,  O.  M.  Geschickte  von  SeiflienneisiToif.  Herausg.  vom  Ge- 
meinderath.     Seifliennersdorf.     1S92.     2Ü2  SS.  8». 

Klix-Kamenz,  F.  F.  Johann  Koch  von  (JüUenstein,  Rittergut  üels- 
nitz:  Karaenzer  AVoclienschrift.     lHit3.     is'o.  54.     Beihige. 

Kneschke,  Emil.  Die  Hundertundlüufzigjährige  Geschichte  der 
Leipziger  Gewandhaus  -  Concerte  17-43 — 1893.  Mit  Illustrationen. 
(A.  u.  d.  T. :  Universal -Bibliothek  fiir  Musiklitteratur,  begründet 
von  Julius  Laurencic.)  Leijjzig  und  New -York,  Internationale 
Verlags-  und  Kunstanstalt.     (1893.)     160  SS.  8». 

Knothe,  Herrn.  Zur  ältesten  (ieschichte  von  Wilthen  bei  Schirgis- 
walde  bis  zum  Jahre  1622:  Wöchentl.  Beilage  zu  den  Bautzner 
Nachrichten.  1893.  No.  29.  S.  114-116  (vergl.  No.  31. 
S.  124). 

—  Der  Beiname  „Kiseling"  hei  Adelspersonen  im  Mittelalter:  Der 
Deutsche  Herold  XXV  (1893).     S.  74  f. 

—  Die  Herrschaften  Sorau,  Beeskow  und  Storkow  im  Besitze  säch- 
sischer Fürsten  1490—1512:  Niederlausitzer  Mittheilungen.  Bd.  III 
(1893).     S.  90-108. 

—  Über  die  Bezeichnung  gewisser  ländlicher  Grundstücke  als  „Vol- 
lunge"  oder  „Folge" :  Neues  Lausitzisches  Magazin.  Bd.  LXIX 
(1893).     S.  74-80. 

—  Drei  neue  Urkunden  über  die  Cölestiner  auf  dem  Oybin:  ebenda 
S.  81-85. 

Költzsch,  Franz.  Der  Keformator  dei-  Zukunft,  ein  Groi'ser  aus 
alter  Zeit,  der  Vater  der  Lausitzer  Prediger- Gesellschaft  [Phil. 
Jac.  Spenerj  Fest- Vortrag  zur  Jubel-Feier  des  175jährigen  Be- 
stehens der  Lausitzer  Prediger-Gesellschaft  zu  Leii)zig,  gehalten 
im  Vereinshaus  zu  Leipzig  am  15.  .luni  1892.    40  SS.  8". 

Korscheit,  G.  Marsch  der  preufsischen  Armee,  Mitte  Juli  1757,  von 
Leipa  nach  Zittau  und  Einschiefsung  dieser  Stadt:  Gebirgsfreund, 
Jahrg.  V  (1893).     S.  173—175. 

Köstlin,  Julius.  Selbstanzeige'  von:  Friedrich  der  AVeise  und  die 
Schlofskirche  zu  Wittenberg.  Festschrift . .  .  von  Dr.  Julius  Köstlin. 
(Wittenberg  189;i):  Theologische  Studien  und  Kritiken.  Jahrg.  1893. 
Heft  3.     S.  603-614. 

Krause,  Bruno.  Die  geschichtliche  Entwickelung  der  Königl.  Haupt- 
und  Residenzstadt  Dresden  vom  sorbischen  (wendischen)  Dorfe 
an  bis  zur  jetzigen  Grofsstadt.  In  zwei  Heften:  A.  Textheft. 
B.  lllustrationsheft.  Mit  10  Planskizzen  und  140  Illustrationen 
der  geschichtlich  merkwürdigen  Fürsten,  Hauten  und  J^egeben- 
heiten.  Dresden,  Alwin  Huhle  (Komm.).  1893.  XL  169  SS. 
XIV  SS.  20  Bll.  116  SS.  8". 

Kühnel,  P.  Die  slavischen  Orts-  und  Flurnamen  der  Oberlausitz 
(Fortsetzung):  Neues  Lausitzisches  Magazin.  Bd.  LXIX  (1893). 
Heft  1.     S.'  1-48. 

L,  M.  Erinnerungen  eines  alten  Chemnitzer:  Sachs.  Landesanzeiger. 
1893.     No.  199—216. 

Lilie,  Moritz.  Chronik  der  Löfsuitz- Ortschaften  Kötzschenbroda, 
Niederlüfsnitz,  Kadebeul,  Oberlöfsnitz  mit  Hoflöfsnitz,  Serkowitz, 
Naundorf,  Zitzschewig  und  Lindenau  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung   von    Coswig  und  der  übrigen  Nachbaroite.     Nieder- 


Litteratur.  353 

löfsnitz    bei   Dresden,    Selbstverlag   des  Verfassers.      1893.     IV, 
_  283  SS.  8«. 

Lindemann,  W.  Die  Schönburg'sche  Landesschule  zu  Geringswalde: 
Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1893.  No.  39. 
S.  153-155. 

Lippert,  Wohl.  Sprembergs  Überfall  durch  die  Schweden  1642: 
Niederlausitz  er  Mittheilungen.     Bd.  III  (1893).     S.  137—147. 

Lungivitz,  Herrn.  Zur  Geschichte  des  Dorfes  Wiesa:  Annaberger 
Wochenblatt.     1893.     No.  210.     Beilage. 

V.  Metzsch-Schübach,  Wolf.  Briefwechsel  eines  deutschen  Fürsten 
mit  einer  jungen  Künstlerin  (Hei'zog  August  von  Sachsen-Gotha 
und  Altenburg  und  Fräulein  aus  dem  Winckel).  Berlin,  K.  Siegis- 
mund.     1893.     307  SS.  8». 

V.  Minckivitz,  A .  Geschichte  von  Pillnitz  vom  Jahre  1403  an.  Aus 
den  hinterlassenen  Papieren.  Dresden,  Wilhelm  Baensch.  1893 
IX,  128  SS.  8«. 

Möbius,  Hugo.  Für  unsere  Mufsestunden.  XIII  (Altenzelle): 
Sächsische  Schulzeitung.  1893.  No.  10  f.  15  f.  S.  119— 123.  131 
bis  135.  187—191.  201—205. 

Moräwek,  C.  Alt-Zittau  an  der  Mandau,  Bui-gberg  und  Burgmühle : 
Gebirgsfreund.     Jahrg.  V  (1893).     S.  73-7.5.  88-91. 

Müller,  Joh.  Mitteilungen  über  die  Lehrer  und  Schüler  des  land- 
ständischen Seminars  zu  Bautzen  vom  Oktober  1817  bis  Oktober 
1892.  Herausgegeben  aus  Anlafs  der  75jährigen  Jubelfeier  des 
Seminars.     Bautzen  1892.     70  SS.  8". 

Näther,  Arthur  0.  E.  Die  Familie  Näther  vom  Jahre  1362  - 1 893 
in  Kamenz  (Sachsen),  Neukirch  (Lausitz),  Neukirch  (Königsbrück), 
Elstra,  Bautzen,  Weifa,  Koman  (Rumänien),  Oschatz  (Sachsen), 
Radeburg  etc.  nebst  den  Nebenlinien  Haberkoru,  Jahn,  Bönisch, 
Mücklich.    (Oschatz)   1893.    40  SS.  4«. 

[Oertel,  G.J  St.  Afra  vor  einem  Vierteljahrhundert.  Gedenkblätter 
zur  Jubelfeier  aus  der  Mappe  eines  alten  Afraners:  Leipziger 
Zeitung.     1893.     No.  75.  92.     S.  1159  f.  1442  f 

PfeterJ,  H.  Die  Geburtstage  der  drei  Fürstenschulen :  Wissenschaft- 
liche Beilage  der  Leipziger  Zeitung.     1893.     No.  57.  S.  225  f. 

Pilk,  Georg.  Der  Brunnen  auf  dem  Königstein:  Über  Berg  und 
Thal     Jahrg.  16  (1893).     No.  5f.     S.  353-355.  361  f. 

—  Historische  Streifzüge.  2.  Postwitz,  Czornoboh:  Gebirgsfreund. 
Jahrg.  V  (1893).     S.  109-112. 

—  Der  Hohwald  in  Geschichte  und  Sage:  Belletrist.  Beilage  zum 
Sachs.  Erzähler.     1891.     No.  52. 

—  Wanderungen  durch  das  Gebiet  der  heimischen  Geschichte  und 
Sage:  1.  Gaufsig.  II.  Kloster  Marienstern.  III.  Putzkau. 
IV.  Schmölln,  Hainberg:  ebenda  1892.  No.  16.  31.  41.  1893 
No.  1. 

—  Das  lausitzische  „San  Marino"  [Schirgiswalde] :  Aus  Deutschen 
Bergen.     Jahrg.  VIII  (1893).     S.  33  — 35.  54f. 

Posse,  0.  Typarfälschungen  in  der  von  Smitmerischen  Siegel- 
sammlung des  k.  und  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivs  zu  Wien: 
Mittheilungen  des  Instituts  für  Österreich.  Geschichtsforschung. 
Bd.  XIV  (1893).     S.  488-491. 

V.  Rabenau,  Kurt.  Chronik  derer  von  Rabenau.  (Magdeburg  1893.) 
XIV,  281  SS.  40. 

Rentsch,  M.  Zwei  Episoden  aus  der  Geschichte  von  Grofspostwitz. 
1.  Paul  Bossack,  der  angeblich  erste  lutherische  Pfarrer  daselbst. 

Neues  Archiv  f.  S.  Ci.  u.  A.    XIV.  3.  4.  23 


354  Litteratur. 

2.  Aus  der  Kriegszeit  der  Jalne  Jöl.)— 1«15:  Wüclieiitliche  Bei- 
lage zu  deu  Bautzner  Nachrichten.     1893.    No.  26  f. 

Rentach,  M.  Zur  Erklärung  Lausitzer  Ortsnamen:  Gehirgsfreund. 
Jahrg.  V  (189^).     No.  8.  S.  85-87. 

Kessel,  G.  A.  Das  Erzgebirge  in  Sage  und  Geschichte.  In  zwanglos 
erscheinenden  Bändchen.  I.  Teplitz  (Selbstverlag  des  Heraus- 
gebers).    (1893.)     92  SS.  80. 

Riditer,  Arnold.  Orientreise  eines  Leipzigers  im  16.  Jahrhundert: 
Wissenschaftl.  Beil.  der  Leipz.  Zeitung.    1893.    No.  8  S.  325-2328. 

Richter,  O.  Alterthumerfunrt  in  der  Frauenkirche:  Dresdner  An- 
zeiger.    1893.     No.  146.     S.  22. 

Schaumkell,  K.  Der  Kultus  der  heiligen  Anna  am  Ausgange  des  Mittel- 
alters. Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  religiösen  Lebens  am  Vor- 
abend der  Beforraation.  Freiburg  i.  B.  und  Leipzig,  J.  C.  B.  Mohr 
(P.  Siebeck).     1893.     VI,  92  SS.  8».     [Betrifft  u.  a.  Annaberg.] 

V.  Schimpff.  König  Albert  fünfzig  Jahre  Soldat.  Gedenkbuch  zum 
fünfzigjährigen  Dienstjubiläura  Seiner  Majestät  des  Königs. 
4.  Autl.  Mit  4  Radirungen  und  10  Skizzen.  Dresden,  Wilhelm 
Baeusch.     1893.     531  SS.  8«. 

Schuberth,  G.  W.  Chronik  der  Stadt  Grofsenhain  vom  Janre  1088 
bis  auf  die  Gegenwart.  lUustrirt  von  Camillo  Ehregott  Zschille. 
Grofsenhain,  Herm.  Starke  (C.  Plasnick).  1887-1892.  1  Bl. 
426  und  IX  SS.  4". 

Schnitze,  Walther.  Die  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  im 
Mittelalter  und  in  der  Reformationszeit.  Im  Auftrage  der  Histo- 
rischen Commission  der  Provinz  Sachsen  verzeichnet.  Halle, 
Hendel.     1893.     VII,  202  SS.  80. 

Schnrig,  E.  Lange  Kerls  in  Sachsen:  Wochenbeilage  zum  Pirnaer 
Anzeiger.     1893.     No.  19.     S.  If. 

—  Die  Dresdner  Soldatenkinderschulen  und  ihr  Ursprung :  Kamerad 
No,  15.     2.  Beilage.     S.  17  f. 

—  Militärische  Erinnerungen  im  Dresdner  Stadt -Museum:  ebenda 
No.  30.     S.  3—6. 

(Seyfert,  Friedr.)  Kirchliche  Zustände  im  Gebiet  der  Schönburgischen. 
Recefsherrschaften  bis  zur  Einführung  der  Reformation  aiu  18.  Ok- 
tober 1542.  Ein  Gedenkhüchlein  zur  350jährigen  .lubelfeier  am 
18.  Oktober  1892  den  feiernden  Gemeinden' dargeboten     31  SS.  8". 

Sponsel,  Jean  Louis.  Die  Frauenkirche  zu  Dresden.  Geschichte 
ihrer  Entstehung  von  Georg  Bährs  frühesten  Entwürfen  an  bis 
zur  Vollendung  nach  dem  Tode  des  Erbauers.  Mit  4(i  .Abbildungen 
auf  25  Lichtdrucktafeln.  Dresden,  Wilhelm  Baensch.  1893. 
8  Bll.  122  SS.  40. 

Stein,  Gustav.  Sächsisches  Gold:  Wissenschaftliche  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.     1893.    No.  107.     S.  425-428. 

Stoerl.  Ein  Wort  zur  Geschichte  des  Leipziger  Fortbildungsschul- 
wesens. Se])aratabdruck  aus  dem  Leipziger  Tageblatt.  Leipzig 
1893.     19  SS.  80. 

Türk,  G.  Feldpostbriefe  eines  vermifsten  ehemaligen  Afraners  aus 
dem  Kriege  1870.  Herausgegeben  von  seinem  Bruder.  Nebst 
zwei  Beilagen.     Leipzig,  Fr.  W.  Grunow.    1893.    XV,  181  SS.  8«. 

Uhlmann-Uhlmannsdorff,  Arth.  B.  Wappenbuch  der  Stadt  Chemnitz. 
Festgabe  zum  750jährigen  Stadt-Jul)iläum.  Herausgegeben  und 
mit  historischen,  genealogischen  und  heraldischen  Notizen  begleitet. 
Heft  I.  und  IL  III  SS.,  11  Taff.  III  SS.,  15  Taff.  Chemnitz 
(Selbstverlag).    1893    40. 


Litteratnr,  355 

Voigt,  Hans.  Zur  Geschichte  dei*  Nicolaischule  im  achtzehnten 
Jahrhundert:  Jahresbericht  des  Nicolaigymnasiums  in  Leipzig. 
(Leipzig-  1893.  4«)    S.  1-33. 

Wad,  Gust.  Ludv.  ßreve  til  og  fra  Herluf  Trolle  og  Birgitte  Gjoe 
[Briefe  an  und  von  Herl.  Trolle  und  seiner  Gemahlin  Brig.  Gjoe]. 
Bd.  I  IL  Kopenhagen,  Hos  v.Thaningu.Appel.  1893.  XXXVIII, 
339  u.  370  SS.  8".  [Bd.  II  enthält  11  Briefe  der  Kurfürstin 
Anna  aus  den  Jahren  ISiiO— 1573.] 

Wagner.  Geschichte  des  königl.  sächsischen  8.  Infanterie-Regiments 
„Prinz  Johann  Georg"  No.  107.  1867—1891.  Nebst  einer  tabel- 
larischen Zusammenstellung  der  wichtigsten  Ereignisse  1708—1891. 
Mit  1  Stahlstich  und  4  Karten  Leipzig,  Dürr'sche  Buchhandlung. 
1893.     XI,  326  SS.  8'\ 

Weinhold,  E.  Zum  Jubiläum  der  Stadt  Chemnitz :  Chemnitzer  Tage- 
blatt.    1893.     No.  157-163. 

Weite.  Die  Geschichte  Oberwarthas  bez.  des  dortigen  bischöflichen 
und  jetzt  Arndt"schen  Gutes  vom  13.  bis  16.  Jalii'hundert : 
Dresdner  Anzeiger.     1893.     No.  107.  S.  21  f. 

Wuttke,  R.  GesindeordnuDgen  und  GesiudezwaDgsdien.st  in  Sachsen 
bis  zum  Jahre  1835.  Eine  wirtschaftsgeschichtlicdie  Studie.  (A. 
u.  d.  T.:  Staats-  und  sozialwissenschaftl.  Forschungen  heraus- 
gegeben von  G.  Schmoller.  Bd  XII  Heft  4).  Leipzig,  Duncker 
&  Humblot.     1893.     X,  231  SS.  8". 

Ereibergs  Berg-  und  Hüttenwesen.  Eine  kurze  Darstellung  der 
orographischen ,  geologischen,  historischen,  technischen  und  ad- 
ministrativen Verhältnisse  herausgegeben  durch  den  Bergmännischen 
Verein  zu  Ereiberg.  Zweite,  neu  bearbeitete  und  vermehrte 
Auflage.  Mit  18  lithographischen  Tafeln.  Freiberg  i.  S.,  Graz  & 
Gerlach  (Joh.  Stettneri.     1893.     VIII,  344  SS.  8". 

Hoe  von  Hoenegg  und  sein  Einflufs  auf  die  Geschichte  der  Lansitzen: 
Wöchentl.  Beilage  zu  den  Bautzner  Nachrichten.     1893.     No.  24. 

Lausitzer  Streitigkeiten  vor  dem  Konzil  zu  Kostnitz:    ebenda  No.  21. 

Plauen  sonst  und  jetzt.  Chronikalisches,  Topographisches,  Statistisches 
nebst  einem  Portemonnaiekalender  für  1893.  Plauen  i.  V^., 
F.  E.  Neupert.     1892.     114  SS.  16^ 

Zittauer  Kunstdenkmäler.  IL  Die  Noacksche  Loge  in  der  Kloster- 
kirche: Gebirgsfreund.     Jahrg.  V  (1893).     S.  116. 


Dresdner  Geschichtsblätter,  herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.  Jahrg.  II  (1893).  No.  2 — 4.  Dresden, 
W.  Baensch.     S.  69-104.  4". 

Inhalt:  O.  Richter,  Die  ältesten  Innungsordnungen  der  Dresdner 
Schuhmacher  und  Schneider.  Blanckm eiste r,  Die  Dresdner 
Kirchenbücher.  0.  Richter,  Thierhetzen  auf  dem  Altmarkt 
(mit  Abb.).  P.  Rachel,  Ein  Brief  des  Generals  von  Thielmann 
an  Hofrath  Böttiger  1811.  0.  Richter,  Ein  Prie.stermord  1513. 
—  V.  Göphardt,  Die  letzte  des  altsächsischen  Geschlechtes  von 
der  Sahla.  v.  F  r  i  e  s  e  n ,  Zu  dem  Briefe  des  Generals  von  Thiel- 
mann an  den  Hofrath  Böttiger  1811.  O.  Richter,  Die  ersten 
Anzeichen  der  lutherischen  Bewegung  in  Dresden.  G.  Müller, 
Der  Ponickausche  Garten  im  Jahre  1574.  G.  Müller,  Die  Ein- 
richtung einer  Eilpostverbindung  Berlin -Dresden -Prag -Regens- 
burg 1653.  Juristenstil  im  17.  Jahrhundert.  0.  R[ichter],  Buch- 
druckerhumor.   0.  R[ichter],  Die  Steinkolosse  am  Eibberge.  — 

23* 


356  Litteratur. 

G.  Müller,  Hans  Jenitz ,  Geheirasekretär  des  Kuif.  August. 
G.  Beutel,  Merkwürdige  Häuser  III.  Kreuzstrasse  No.  10  (Grfl. 
Loß'sches  Palais).  0.  Il[ichterJ,  Gräber  in  der  Sophienkirche. 
G.  Müller,  Schnelligkeit  der  sächs.  Eilpost  im  Jahre  1571. 
0.  R[ichter|,  Üeffentl.  Sammlungen  für  Abgebrannte. 

Festschrift  zum  750jährigen  Jubiläum  der  Stadt  Chemnitz.  Im 
Auftrage  des  Vereins  nir  Chemnitzer  Geschichte  herausgegeben 
von  P.  Uhle.  Chemnitz,  0.  May  (Komm.).  1893.  XXI,  9;^  SS. 
4"^  und  3  Tafeln. 

Inhalt:  Er  misch.  Zur  Gründungsgeschichte  der  Stadt  Chem- 
nitz. Posse,  Die  Jubiläumsurkunde  vom  Jahre  1143.  Uhle, 
Die  Entwickelung  unserer  Stadt  in  den  beiden  letzten  Jalir- 
zehnten.  Mating- Sammler,  Im  Chemnitzer  Benediktinerkloster. 
C.Kirchner,  Ein  Streit  um  das  Kantorat  in  Chemnitz.  Wein- 
hold.  Die  Durchzüge  vertriebener  Salzburger  Protestanten  durch 
Chemnitz  im  Jahre  17.32.  Uhle,  Eine  Schmähschrift  auf  Chem- 
nitz aus  dem  voiigen  Jahrhundert  mit  der  Erwiderung  von 
Joh.  Theoph.  Lessing.  Hempel,  Die  Ilatslinie  der  Stadt  Chem- 
nitz 1485  — 1618.  E.  Kirchner,  Die  Papierfabrikation  in 
Chemnitz  (mit  einer  Tafel  Wasserzeichen).  Fickelscherer, 
Der  Briefwechsel  zwischen  Georg  und  Andreas  Fabricius. 
Lauckner,  Die  Innungsartikel  des  Sähmisch-  und  Weifsgerber- 
handwerks  vom  Jahre  1661.  Gottschaldt,  Zur  Geschichte  des 
Vereinswesens  in  Chemnitz. 

Mitteilungen  des  Geschichts-  und  Altertums -Vereins  zu  Leisnig 
im  Königreiche  Sachsen.  Heft  9.  Zusammengestellt  und  im 
Auftrage  des  Vereins  herausgegeben  von  Dr.  med.  C.  M.  Müller. 
Leisnig,  Selbstverlag  des  Vereins.     1893.     2  Ell.  9.t  SS.  8». 

Inhalt:  Mor.  Müller,  Das  alte  und  das  neue  Leisnig.  Hingst, 
Geschichtliches  über  das  ehemalige  Vorwerk  Tragnitz.  Nobbe, 
Zur  Geschichte  der  Kirchenbücher.  Schleinitz,  Die  Lieder- 
zettel der  Stadtkirche  zu  Leisnig.  Nobbe,  Die  Urkunden  im 
Hauptturm  der  Stadtkirche  St.  Matthäi  zu  Leisnig.  Hingst, 
Das  Inventarium  der  Sradtkirche  zu  Leisnig  im  Jahre  1530. 
Ostermuth,  Die  St.  Matthäikirche  zu  Leisnig. 

Mitteilungen    des     Vereins    für    Geschichte    Dresdens.      Heft    11. 
Dresden,  W,  Baensch.     1893.     76  SS.  8^. 
Inhalt:  E.  G.  M.  Frh.  v.  Fries  en,  Dresden  im  Kriegsjahre  1809. 


Register. 


Aaran  85  ff. 

Adelbero,  Abt  in  Corvey  328. 
Adelgot,  Erzbischof  von  Magde- 
burg 328. 
V.  Adersbach -Berka  184. 

—  Joachim  185. 

Adolf,  Fürst  von  Anhalt,  Rektor 
der  Univ.  Leipzig  6. 

Adolf  Friedrich,  Hz.  v.  Mecklen- 
burg 6. 

d'Agdollo,  AloysPeter,Major290b. 

Agnes,  Gem.Kurf  Moritz  224  260. 

V.  Alba,  Herzog  46.  54 ff.  212. 
215  f.  229  ff.  243. 

Albrecht,  Herzog  von  Bayern  58. 

—  Markgraf  von  Brandenburg- 
Kulmbach  58. 

—  Herzog  von  Preufsen  246.  264. 
d' Albret,  Jeanne  24.  28. 
Alexander  Y.,  Papst  2  f. 
Altranstädt,  Friede  121. 

V.  Alvensleben,  Ludolf  185. 
Amalie,  Gem.  Königs    Friedrich 

Aug.  I.  von  Sachsen  147. 
V.  Amstätten,  russ.  Minister  148. 
Andreae,     Laur. ,     Superint.    zu 

Zvv^ickau  159. 
Anhalt  s.  Adolf,  Leopold. 
Anna,  T.  d    Kurf  August,  Gem. 

Wilhelms  von  Oranien  35. 

—  Pfalzgräfin  von  Zweibrücken 
224  f.  260. 

Anton,  Graf  von  Oldenburg  73  f. 
Antwerpen  37.  42  f.  53. 
Appenzell  a  Rh.,  Kanton  123. 
V.  Arenstorff,  Altwig  129. 
Armenteros,  Thomas,  niedeiländ. 

Geheimsekretär  57. 
Arnold,  Bisch,  v.  Merseburg  328. 
V.  Arnswald,  Hans  185. 


V.  Arras,  Hans  Joachim  186. 

—  Polykarp  186. 

—  Wolf  Dietr.  188. 

V.  Auerswalde,  Chrf.  Cäsar  208. 
Augsburg  39  ff.  1.39.  215  ff.  .337  f. 
August,  Kurf  V.  Sachsen  7.  34  ff. 

138  f.  146.  178  ff.  227.  233.  265. 

331  ff 

—  Herzog  v.  Sachsen,  Administr. 
zu  Magdeburg  146. 

—  IL,  König  von  Polen  s  Fried- 
rich August. 

Auguste,  Tochter  Königs  Friedr. 

August  I.  von  Sachsen  147. 
Avicenna,  Ibn  Sina  14. 

Bacharach,  Kurftirstentag  71  f. 

Baden  s.  Ernst,  Karl. 

Baden  i.  d.  Schweiz  90.  95.  124. 

V.  Bagge,  Aug.,  Gen.-Maj.  290  b. 

Baif,  franz.  Staatsmann  25. 

Bamberg  328. 

Bär,  Georg  131. 

V.  Barby,  Grafen  177. 

—  Graf  Albrecht  179. 

—  Graf  Burkhardt  179. 

—  Graf  Wolf  230. 

V.  Bärenstein,  Hans  Georg  202. 
Basel,  Kanton  89 f.  93.  99.  123. 
Bassins,  Job.,  Agent  Wilhelms  v. 

Oranien  67. 
Baudissin,   Graf,  General  286. 
Bautzen    190.    313.    317  f.    320  ff. 

Schulordn.  297  f.  300  ff. 
Bayern  s  Albrecht,  Max  Emanuel, 

Wilhelm. 
Bayonne  58. 
Bayreuth,  Schulordn.  292  300.302. 

304.  308. 
de  Beaufort,  Chev.,  Kapitän  276. 


358 


Kegister. 


de  Beauinuiit.   Tct.  Jluli  .   Majoi' 

29<ll). 
V.  Bolan,  Rieh.  1S3.  185. 

—  ^^'ülf  IH5. 

du  Bellay,  Jean,  Kardinal  von 
Paris  '^2.  -Ut  28.  3-!. 

V.  Belleville,  Frlir.,  Louis,  Oberst 
:^90  b. 

V.  Bciikeiidorff,  (ienerallieut.  und 
Geh.  Kriegsrat  87  ff.  93 ff.  103. 

V.  Berg,  Gabr.  209. 

V.  Berlepscb,  Erich  Yolkm.  48.  59. 

—  Hans  Phil.,  Hofrittrastr.  182. 
Berlin  186. 

Bern  82.  85.  87.  89ff.  104f.  122f. 

273  f. 
Berner,  Klaus  246 
V.  Bernsdorfi;  Oeo.Wilh.  188 
V.  Bernstein,  Hans  Albr.  188. 

—  Seytried  185. 

V.  Beschwitz,  Chrf.  Balzer  183. 
Beuchlingen,  (Jraf  Wolfg.  Dietr., 
ürofskanzl.  81.  83  ff.  91.93.103. 
Bidermann,Friedr.  Gottl.  143.14(i. 

—  Job.  Gottl.,  Rektor  in  Freiberg 
142  ff. 

Biel,  Kanton  123. 

V.  Biesenbrow.  .loachim  183.  185. 

Bindenff,  Georg  185. 

Bing,  Simon,  hess.  Sekrt.  70.  214. 

236  ff.    245  f.    248.    250.    255. 

2571".  261  ff: 
V.  Birkholz,  Georg  Dietr.  207. 
Kirsen,  \'ertrag  80. 
V.  Bischofswerde,    Bautzner   und 

Görlitzer  Familie  318  f. 
Blennagel,  Walthauser  188. 
Bock,  Abrali.,  Hofmarschall  182. 

—  Asmus  185. 

—  Ernst  186. 

V.  Bodenhausen,  Krafft  188.  190. 
de  Bodt,  General  186. 
Bohemus,    P^useb. ,    Superint.    in 

Zwickau  159. 
Böhmen     342  f.     s.     a.     Johann, 

Ottokar. 
V.  Boitha,  Karl  Balth.  208. 
V.  Bomsdorff;  Wendel  202. 
V.  Borau,  Heinr.  Adf ,  gen.  Kessel 

205. 
V.  Böse,  Generaladjutant  148. 
Bösewetter,  Diak  i  Zwickau  159. 
V.  Bovneburg,  Reinhardt  183. 
Braniienlmrg  50.  330 ff',  s.  a.  Albr. 

Christian     Ernst,     Erdmuthe 


Sophia,  Georg  Wilhelm.  Hans 

Joachim,  Johann  Georg. 
V.  Brandenstein,  Hans  185. 
BrauuschweiiT  73.251  ff.  s.a. Ernst, 

Heinrich,>hilipp,  Wolf. 
du     Brechet,     Franz     Raimund 

Cheval.,  Oberst  290  b. 
Bredcrode  41. 
V.  Breitenbauch,  Wolf  185. 
Breitenfeld,  Schlacht  153.  193. 
Breslau  190. 

Bretwifs,  Rittmeister  195. 
Bruch,  Eberh.  261. 
Brugg,  Schulordn.  298.  307. 
Brühl,  Graf  279.  284. 
Bucer  149  ff. 
V.  Bunan.  Günther  185. 

—  Heinr.,  zu  Tetschen  185. 

V.  Büren,  Graf,  Sohn  Wilhelms  von 

Oranien  63. 
Bürgcln.     Kloster    327  f.     s.     a. 

l)egenhard. 

v.Callenl)erg,  Gurt  Reinicke,  Frh., 

Oberst  196. 
Caminiec  79. 

Don  Carlos,  Infant  40.  6^. 
V.  Carlowitz,  Abraham  186. 

—  Adam  Friedr.  205. 

—  August  185. 

—  Christof   73.    151  f.   211.   215. 
223.  230.  250  f. 

—  Georg  149.  151.  186. 

—  Georg  Dietr.  205. 

—  Georg  Heinr.,  Kap. -Lt.  205. 

—  Hans  Georg  189. 

—  Magnus  Friedr.  208. 

—  Wolf  185. 
Carlowitz,  Friede  79. 
Chantonnav,  span.  Gesandter  40  f. 

44.  57.  "^63  f.  79  f. 
Chemnitz,  Kloster  325    329  f. 
Christian  L,  Kurf  v.  Sachs.  184ff'. 

—  IL  Kurfürst  von  Sachsen  187. 

—  Graf  von  Oldenburg  73  f. 

—  Prinz  V.  Schlesw. -Holstein  135. 
Christian    Ernst,    Markgraf   von 

Brandenl)urg-Ba.yreutli  1  f)9. 
Christine,   Gem.  Lgf.  Philipps  v. 

Hessen  2 1 6. 219. 224  ff'.  232. 234. 
Christof,Hz.v.  Württemb.  46.  51  ff. 
de  Coinsin  s.  Mestral. 
Conde  58    67. 

Corvey,  Kloster  326.  s.  a.  Adelbero. 
Cosel,  Graf,  Oberst  283. 


Register. 


359 


V.  Cracküw,  Geo  ,  Kanzler  70.  73. 

—  Heinr.  1R6. 

V.  Cranewald,  Christof  Franz  207. 
Craushaar,  Hans  195. 
v.Cronhielm,  Gf.Axel,Kp.-Lt.277. 
de  Crousaz,  Franz,  Major  284. 

—  Franz  Noa,  Generallieut.  283  f. 

—  Joh.  Philipp  284. 
Crull,  Dr.,  in  Wismar  129. 
Cruser.  Dr.,  Gesandter  Wilhelms 

von  Jülich  28  ff. 
Czaslau,  Schlacht  342. 

Dandino,  Hieron.,  päpstl.  Nuntius 
28  f. 

Dänemark  31.  79  f.  s.  a.  Magnus. 

V.  Darstettel,  Adam  Heinr.  207. 

Degenhard,  Abt  zu  Bürgein  327. 

V.  Dehn-Rothfelser,  Hans  131. 135. 

V.  Dernath,  Graf  Gerhard,  Feld- 
marschalllieut.  209. 

V.  Dernstein,  Haus  Georg,  Wacht- 
meister 205. 

Dieden,  Kurt  214. 

V.  Diesbach,  Hub.,  Generalmajor, 
Schwz.Hptm.  273  ff.  277  f  285  f. 

V.  Dieskau,  Otto  185. 

V.  Dietrichstein,  Adam,  Oberhof- 
meister 56.  64. 

Dillenburg  68. 

Dittrich,  M.  Elias,  in  Nosseu  162. 

V.  Döhlau,  Hans  Georg  205. 

V.  Dohna,  Burggraf  184. 

Drändorff,  Joh.,  Mag.  297. 

Dresden  8.  131.  135.  184.  342  £ 
Kreuzschule  291  ff.  Histor. 
Mus.  338. 

Dreschkau,  Gebh.  185. 

Düna,  Schlacht  an  der  80. 

V.  Dzierzanski,  Frz .,  Kapitän  290  b. 

Eckelin,  Abt  zu  Pegau  329. 
Kger,  Schiüordnung  297  f  302  ff. 
Egmont,Gf.  36.42. 45.51. 5ßf  59.68. 
Ehem,  Chrf.,  pfälz.  Kanzler  69  f. 
V.  Eichendorif,  Casp.  Ernsr,  Oberst- 

lieut.  194. 
V.  Einsiedel,  sächs.  Minister  148. 
Eleonore,  Gemahlin  Franz  I.  von 

Frankreich  31. 
Elisabeth,  Hzin.v.  Rochlitz  26.  InO. 

—  Königin  v.  England  66.  70.  73. 
Eltville,  Schulordnung  292. 
Emmerich,  Schulordnung  296.310. 
v.  Eugell,  Leonh.  Christian  208. 


England  31.  332.  s.  a.  Elisabeth, 
Georg  Wilhelm. 

Erdmuthe  Sophia,  T.  .Job.  Georg  H, 
Gemahl,  d.  Mgf.  Christian  Ernst 
V.  Brandenburg-Bayreuth  199. 

Erfurt  55. 

Ernst,  Markgraf  von  Baden  264. 

—  Herzog  von  Braunschweig  43 f. 

—  Abt  zu  Reinhardsbrunu  327. 
Escher,  Kaufleute  in  Zürich  und 

Leipzig  84.  86. 

—  Bürgermeister  in  Zürich  92. 

—  Hans  Heinrich  (vom  Luchs), 
Oberst  284f. 

V.  Estampes,  Herzogin  23. 
Eugen,  Prz.  v.  Savoyen  108  f.  112. 

Fachs,  Dr. ,  kursächs.Rat  238  f.  260. 
Faesch,  Gg.  Rdf.,  Generalmj.  289  f. 

—  Jeremias.  Oberstwachtmst.  288. 

—  Joh.  Rudolf,  Oberst  288  f 

v.  Feilitzsch,  Christof  Heinr.  183. 
Feldkeller.  Joh.  Geo..  Prlt.  290  b. 
Ferdinand I.,Kais.35. 212  214.218. 

220.  223.  235.  242  ff.  252  f.  264. 

330  ff. 
Ferrara  s.  Herkules. 
V.  Fitzscher,  Wolf  Joachim  207. 
Fleck,  Christof,  Orgelmacher  162. 
Flemming,  Bautzner  Familie  317  f. 
V.  Flemming,  Feldmarsch.  270. 290. 
de  la  Foree  32. 
de  Forel-Griset,  Franz.  Jos.  Nicol., 

Kabinetsminister  286  f. 

—  Joh.  Jos.,  General  280.  287. 

—  Phil,  Kammerherr  287. 
Frankfurt  a.M.,  Kurfürstentag  35. 

—  a.  0.,  Universität  13.  Schul- 
ordnung 297.  302.  308.  310. 

Frankreich  21  ff.  78.  86.  89  ff  93. 

105.     108.    110.    332  ff.    s.    a. 

Eleonore,  Franz,  Heinr.,  Karl, 

Katharina. 
Franz  [.,  Kg.  V.Frankreich  23.  27  ff'. 
Frauenpreis,  Matthäus  336  ff. 
Fraustadt,  Schlacht  284. 
Freiberg,  Gymnasium  141  ff. 
Freibui'g  i.  Br.,  Schulordnung  296. 

298.  307. 
Freiburg,  Kanton  85.  90.  93.  123. 

273  ff'. 
Friedewalde  265. 
Friedrich  (d.  Streitb.),   Markgraf 

von  Meifsen  2  ff. 

—  (d.  Sanftm.),  Kiuf.  v.  Sachsen  7. 


3no 


Register. 


Friedrich,  I.,  Kaiser  8:^9. 

—  II,  Kurfürst  v.  d.  Pfal/  232. 

—  111.,  Kurt'.  V.  d.  Pfalz  a7f.  45 f. 
48  ff. 

—  II.,  Köniff  V.  Preufsen  342 f. 

—  VIII.,  Herzog  von  Schleswig- 
Holstein  135. 

Friedrich  August  I.,  Kurf.  v.  Sachs. 

(August  II.,  König  von  Polen) 

78  f.    14H.    2B7ff.    285.    288  ff. 

340  f. 
II.,  Kurfürst  von  Sachsen 

(August  III.)  278  ff.  286.  342. 

1.,  Kg.  V.  Sachs.  147 f.  281  f. 

Friedrich  ^^'ilhellll,    Herzog  von 

Sachsen,  Administrator  187. 
Friesland  68.  73  f. 
Fritzsche,  Friedr.  185. 
Fröhlich,  Jos.,  Hofnarr  339  ff. 
Frost,  G.  D.  W.,  zu  Zörbig  147. 
Fulda  48.  51  f.  59.  61  f. 
V.  Fürstenherg,  Wilhelm  32. 

St. Gallen  123.  273  ff.s.a  Leodega- 

rius,  Rudolphi. 
Gallitzin,  Fürst  147. 
Gehhardt,  Andr.  Wilh.  185. 
Geldern  24. 
Gent  23  f. 
Georg,  Hz.  v.  Sachsen  8  ff.   149  f. 

—  I.,  König  von  England  268. 

—  I.,  Landgraf  von  Hessen  216. 

—  Graf  von  Oldenburg  31. 
Georg    Wilhelm,     Kurfürst    von 

Brandenburg  191. 
Gerolzhofen,  Schiilordng.300  f.  304. 
V.  Gersdorff,  Christof  Gottlob  206. 

—  David  Heinrich  206. 

—  Friedrich  Adolf  206. 

—  Gottfried  Magnus  20^». 

—  Hans  Abr.,  Obrist  196. 

—  Hans  Christof,  Korporal  20  5. 

—  Rudolf  185. 

—  Siegfried  202. 

de   Gingins,   George,    Herr  von 

Divonnc,  Oberst  2P0. 
Glarus,  Kanton  82.  90.  123. 
V.  Gleifsenthal,  Heinr.  (—  Friedr. 

V.  Reifenberg)  256  f. 
V.  Glüx,  Georg  Rdf.  206. 
Goch,  Schulordnung  304. 
Göda  bei  Bautzen  318. 
Göderitz,  Simon  189.  191  ff. 
Goghreff,   Kanzler   des   Herzogs 

Wilhelm  v.  Jülich  28. 


v.Goldacker(Willewaldt?),Oberst- 
lieurenant  185  ?   iOi). 

Gonzaga,  Hercnle,  Kardinal  231. 

V.  Gorbitz,  Hans  I3arthel  186. 

Görlitz  315.  3l8ff 

V.  Gortzke,  Siegmund   186. 

Gotha  48. 

Gothefridus,  Abt  i.  Naunbg.  323. 

Götz,  Rarthel  185. 

V.  Götz,  Friedrich  Albrecht,  Ober- 
stallmeister 198. 

Götz,  Georg,  Hauptmann  196. 

Götze,  Peter,  kaiserl.  General- 
wachtmeister 194. 

V.  Graffenried,  Abrah.,  Trabanten- 
hauptmann 290. 

—  Em.,  Schultheifs  von  Bern  95. 
97.  122f... 

Granvella  d.  Ä.,  Minister  Karls  V. 
22.  215  f.  220.  233. 

—  Bischof  von  Arras  41  f.  56  f. 
61.  63.  21 2f.  215.  220.  233.  243. 

Greder,  Wolfg.,  franz.  Oberst  110. 
Gresham  37. 

Grimma,  Landesschule  160 f.  299. 
Gröbel,  Paul,  Jägermeister  185. 
Groningen  68. 

Grofs,  Ratsschreiber  in  Bern  122. 
V.  Grurabach,  Wilhelm  72. 
v.  Grünrodt,  Casp  Heinr.,  Oberst- 
lieutenant 198.  203. 

—  Hans  Casp.,  Lieut.  202. 

—  Ulr.  188. 

—  Wolf  Adolf  207. 
Guben  108.  113.  116. 
Gunfridus,  Probst  in  Zeitz  328, 
V.  Günterode,  Casp.  186. 

—  Hans  Casp.  18rt. 

—  Heinrich  186. 

Günther,  Gf.v.Schwarzbg.59.65.7l. 

Haase,  Johann  Friedrich,  Wacht- 

meister-Liexit.  290b. 
Hacke,  Eustachius  185. 
V.  Hagen,  Heinr.  185. 

—  Melch.   188. 
Hagenau,  Tag  zu  24  f.  31. 
V.  Hain,  Hans  Quirin  186. 

—  Ludwig  Lauin  188. 
Hambui'g,  Schulordnung  300.  303. 
V.Hanau,  Generalwachtmeist.  197. 
Hans,  Markgraf  von  Brandenburg- 

Küstrin  263  f. 
Hans  Georg,  Pfalzgraf  65. 
V.  Hanstein,  Konr.  257. 


Register. 


361 


V.  Hardeck  184. 

V.  Hartitzsch,  Georg  Asmiis  207. 

—  Moritz  Albr.  207. 
Hartmann,  Dr.,  pfälz.  Rat  55. 
Hasenohr  135. 

V.  Hassenstein,  Christof  185. 

V.  d.  Hanben,  Asmus  257. 

V.  Haugwitz,  Casp.,  Mundsch.  185. 

—  Frdr.  Adf.,  Hofmarsch.  208. 
210. 

—  Jahn  186. 

—  Jobst  186. 

—  Joh.  Adf.,  Kammerrat  196  f. 
V.  Hausen,  Clem. Wenzel  Freiherr. 

Kapitän  290  b. 
V.  Hayn,  Oberst  106 
Hecht,  Friedr.  Augnst,  Rektor  in 
•      Freiberg  147. 
Hederich,  nassauisch. Rentmstr.37. 
V.  Heideck,  Hans  32. 
Heidelberg  46.  51.  53. 
Heiligerlee  68. 
Heinrich,  Hz.  v.  Sachsen  9.  20.  150. 

—  Herzog  von  Braunschweig  237. 

—  II.,  König  V.  Frankreich  237  ff. 
244  ff.  250.  252.  255  ff. 

—  Herzog  von  Mecklenburg  264. 
Helmrich,Chrf.,  Organist  in  Nossen 

162. 

Helmschmid,  Plattnerfamilie  337. 

V.  Herberstein  243. 

Heifurth,  (ieorg,  Rittmeister  194. 

Herkules  IL,  Hz.  v.  Ferrara  231  f. 

Hermann,  Abt  z.  Posa  325.  328. 
330. 

Hessen  s.  Christine,  Georg,  Lud- 
wig, Philipp,  Wilhelm. 

Hettner,  Herm.  128. 

Hilliger,  Wolf,  Glockengiefser  in 
Freiberg  163. 

Höchstädt,  Schlacht  109  ff. 

v.  Hoffkircb,  Wolf  Lor.,  Graf  198. 
202  f. 

Hohenfriedberg,  Schlacht  284.288. 

Hohenlohe,  Grafen  178. 

v.  d.  Holle,  Georg  37.  44. 

V.  Holtzendorff,  Stellanus  185. 

Holzhalb,  Kanzler  in  Zürich  122. 

Holzhausen  bei  Leipzig  7. 

Hoochstraten  63.  68.  72. 

Hoorne,  Graf  36   51.  57.  59.  68. 

\.  d.  Horst,  Joh.  Hermann,  Graf. 
Generalmajor  279.  290b. 

V.  Hoymb,  Geheimer  Rat  119  f. 

Hübener,  Siegmund  188. 


Hülsing,  Chrf.,  hessisch.  Rat  230. 
V.  Hundeishausen,  Herrn.  241. 

Jäger,  Chrf.  G.,  in  Zörbig  147  f. 
Jakob,  Herzog  von  Kurland  6. 
de  le  Jay,  Baron,  Oberst  81  ff. 
Jenitz,  Ha.,  Hptm.  z.  Hohenst.  186. 
Jesuitenkomödie  140. 
V.  Ihlau,  Joach.  Beruh.  205. 
Ilmenau,  Gefecht  121. 
Ingolstadt,  Universität  12. 
Interim  226.  228. 
Joachim  II.,  Kurf.  von  Branden- 
burg 72.  74  f.  211  ff.  .331  ff. 
Johann,  Kg.  v  Böhmen  318. 

—  Graf  von  Nassau  37.  39.   42. 
47.  51.  69. 

Johann  Friedrich.,  Kurfürst  von 

Sachsen  25  ff.  266. 
(d.  Mittl.),  Hz.  von  Sachsen 

38.  43  f.  48.  72. 

(d.  Jung.),  Hz.  V.  Sachs.  38. 

Johann  Georg  L,    Kurfürst   von 

Sachsen  187  ff.  290. 
IL,  Kurf.  V.  Sachsen  196  ff. 

—  —  III.,  Kurfürst  von  Sachsen 
140.  200.  210.  285.  290. 

IV.,  Kurfürst  v.  Sachsen  78. 

,  Markgraf  von  Brandenburg 

215  f.  225.  249.  251. 
Johann  Kasimir,  Pfalzgraf  52.  58. 

65.  67. 
Johann  Wilh.,  Hz.  v.  Sachs.  38.46. 
Jülich  s.  Wilhelm. 
Jung,  Dr.,  kurbrandbg.  Rat  227 ff. 
Junghanns,  Phil.,  Rittmeist.  194. 

v.  Kalbe,  Gg.  Chrf  u.  Gg.  Ernst  188. 

Kaiisch,  Schlacht  284. 

V.  Kalkreuter,  Bastian  185. 

—  Friedrich  Adolf  206. 

V.  Kalkstein,  Rittmeister  191. 
Kamenz  313.  316.  .320.  322. 
V.  Kamenz,  Heinr.  313. 
V.  Kanna,  Bernhard  188. 
Kanne,  Chrn.  Ernst,  Hofmarschall 

198.  202  f.  209. 
Karl  V.,  Kaiser  22  ff.  35  f.  211  ff. 

330  ff. 

—  Markgraf  von  Baden  46.  52  f. 

—  IX.,  Kg.  V.  Frankreich  44.  58. 

—  Erzherz.  v.  Österreich  58.  75  ff. 

—  XII.,  König  von  Schweden  79f. 
101  f.  106.  115  ff.  267.  284. 

Kassel  59.  212  ff. 


362 


Kegister. 


Katliaiiiia,  (Jciiialilin  des  Herzogs 
Hcinricli  von  Sachsen  9.  150. 

—  (V.  Medici).  Kgin.  v.  Frankr.  58. 
Kauxdorf,  Balzei-  188. 

Kern,  Anton,  Maler  339. 
KesselsJorf,  Schlacht  342. 
Kestener,  Hans  Wilhelm  188. 
V.  Kitzsclier,  Hans  186 
Kk'in-Pöfsna  bei  Bcucha  7. 
V.  Kleist,  Georg  186. 
Klissow,  Schlacht  102.  106. 
Klotzsche  183. 
V.  Knobelsdorff,  Asinus  185. 

—  Georg  185. 

Knoch,  Joh.  Friedr.,  Oberst  196. 

Köbel,  Rat  41. 

Koberschanze  80. 

Koch.  Konr.,  Prof.  in  Leipzig  13. 

Kolberitz,  Hans  Otto  206. 

Königsdörffer,     Joh.     Gottfried, 

Auditeur  290  b. 
V.  Konnewitz,  Hans  Casp.  207. 
Kopnitz,  Lager  115. 
Kopp,    David,    Schulmeister    in 

Nossen  162. 
V.  Kospoth,  Ad.  Friedr.  207. 

—  Hans  Casp.  186. 

—  Joach.  Friedr.  205. 
V.  Krähe,  Georg  185. 

—  Hans  Georg  205. 
V.  Krakaii  s.  Ci'ackow. 

Kram,  Franz,  sächs.  Rat  227.  229. 

233.  235.  241  f. 
Krell,  Hans,  Maler  139. 
V.  Kreuscha,  Chrf.  186. 
v.Krosigk,Ha.Gg.,Hofmarscli.l82. 
Krsinetzki  Herren  v.  Ronow^  184. 

—  Heinr.  185. 

Krüger,  Matthäus,  Schulmeister 

in  Nossen  162 
Kiichler,  Casj).   186. 
Kunigunde,  T.  d.  Grafen  Otto  von 

AVeimar  328 
Kühne,  Schai-frichter  343. 
Kurland  s.  Jakob. 
Kürkölssky,  Hartw.  Chrf  188. 
V.  Kyau,  Gg.  Abr.  206. 
Kysewetter,  Kanzler  331. 

Landau,  Schulordn.  292.  300  f.  304. 
Landmann,  Rittmstr.  195. 
Landshnt,  Scliulordn.  297. 300. 303. 
V.  Landskron,  Chrf.  183.  185. 

—  Georg  185. 
Langensalza  190. 


V.  d  Lanke,  Chrf.  188. 

liauban  320. 

Lauenburg  73. 

Leclerc,  Advokat  39. 

Leipzig  126f.  129.  140.  Univ.  Iff. 

311.  341  f. 
V.  Leipziger,  Hans  Heinr.  208. 
Leodegarius,   Abt  v.    St.   Gallen 

Leopold  I ,  Kaiser  78.  101  f. 

—  Fürst  von  Anhalt-Dessau  342. 
Lersner,  Heinr.,  hess.Vicekanzler 

49.  227.  229.  235.   241. 
V.  Lichtenstein   184. 
V.  Liebenau,  Oberstlieut.  276. 

—  Chrf.  188. 

V.  Liebenhain,   Konrad,  Abt   zu 

Pegau  324. 
Liebertwolkwitz  7. 
Liegnitz,  Schulordn.  293  f. 
V.  Lier.  k.  Kriegskommissar  222. 
Lindenau  bei  Leipzig  129. 
V.  Lindenau,  Wolf  185. 

—  Wolf  Otto  188. 

V.  Lindt,    Georg   Friedr.   Franz, 

Premierlieut.  290  b. 
Linke,  Rdf   186. 
V.  Lipsdorf,  Casp.  185. 
Lisch,  Geh.  Archivrat  129. 
Löbau  320  f. 
V.  Loeben,  Albr.,  Lieut.  18.3. 

—  Hans  Georg,  Rittmstr.   194. 

—  Hans  Günther  205. 
V.  Lobkowitz  184. 
Lochau  264  f. 
Lodron,  Graf  82  f. 

Lorich,  Joh  ,Privatsekr.d.Prinzen 

von  Oranien  39. 
Löser,  Georg  183. 
V.  Lofs ,  Chrf. ,   Oberschenk   etc. 

185.  187. 
Löwenberg  s.  Siebert. 
Lübberstorf  (Mecklenb.)  129. 
Lucae,   Rieh  ,  Dir.  d.   Bauakad. 

in  Berlin  12S. 
Ludolph,  Rittmstr.  195. 
Ludwig  III.,  Lgf  V.  Hessen  212  ff. 

—  Ciraf  V.  Nassau  36f.  39.  42.  47 ft'. 
Lüneburg,  Scluüordn.  298.  308. 

—  s.  Wilhelm. 

Luther,  Jo.  Andr  .  Konrektor  in 

Freiberg  143  f. 
V.  Lüttichau,  Friedr.  188. 

—  Sufr.l..   Hofmstr.  d.  Kurf.  183. 

—  Sgfrd.  205. 


Register. 


363 


V.  Lütticliau,  Sgiiid.  Sgfrd.,  Geh.u. 

Kammerrat  196. 
V.  Liittitz,  Chif.  Friedr.  206. 

—  Hans  Chrf.  206. 

V.  Lützelburg,  Werner  183.  185. 
Liizern,  Kant.  90  f.  93.  99.  123. 

Madrid,  Armeria  Real  838. 
Magdeburg  251  ff.  257  ff  329.  335  f. 

s.  a.  Adelgot,  Norbert,  Rein- 

boto. 
Magnus,  Hz.   v.  Dänemark   177. 
Mainz,  Univ.  13.    Erzbischof  219. 

222.  237. 
V.  Mallerarques  91.  94. 

—  de  la  Tour  du  Pin,  General- 
major 107  ff. 

Caesar,  Oberst  108.  11 3 ff'. 

V.  d.  Malsbnrg,  Chrf.  37.  67. 
V.  Mansfeld,  Grafen  177. 

—  Graf  Hans  Ernst  179. 

—  Graf  Hans  Hoyer  179. 

—  Graf  Peter  Ernst  53. 
Margarete,  Herzogin  von  Parma, 

Generalstatthalterin  d.  Nieder- 
lande 37.  39.  41.  43  ff. 

V.  Marlborough,  Hz.  108  f.  112. 

Marie,  Kg  v. Ungarn  223.  225f.  233. 

Marie  .Josepha,  Gem.  Kurf.  Friedr. 
Aug.  IL  von  Sachsen  269. 

Marienberg,  Schulordn.  292.  298. 
300.  303  ff.  308. 

Marienstern,  Kloster  313.  316. 

Mariscotti,  Graf  Herk.,  Kap.  290b. 

Marschall  von  Herrn-Gosserstädt, 
Chrf.,  Hofmeister  185. 

—  Dietr.,  Hofmarschall  183. 

—  Georg  Chrf.  193f. 

—  Wolf  188.  190  f. 
Marsin,  franz.  Marschall  109. 
de  Martines,  Peter  Franz  288. 
de  laMartiniere  (Martinerie),  Chev. 

106.  (117.) 
Matthison,  Fr.  148. 
Maulbronn  55. 

MaxEmanuel,  Kurf.  V.Bayern  109f. 
Maximilian  IL,  Kaiser  40  ff.  212. 

214  f.  229.  337. 
6'Meagher,Thadd.,Gen.-Lt.  278 ff. 

290  b. 
Mecklenburg  s.  Adf.Friedr.,  Georg, 
v.  Mediger, 'Hans  Chrf  206. 
Meifsen,Mgfn.s.Friedr.,Ütto,Wilh. 

—  Bischof  294.  s.  a.  Withego. 

—  Fürstenschule  299. 


Memmingen,  Schulordn.  292.  295  f. 
304. 

Merseburg  3.  s.  a.  Reinhard. 

de  Mestral,  Henri  Franrois,  Seig- 
neur  de  Vincy  et  Coinsins, 
Oberstlieut.   114.  117.  120  f. 

V.  Metzradt,  Casp.  Sgmd.  202. 

—  Casp.  Magnus  207. 

V.  Milkau,  Chrf.  Heinr.  188. 

—  Friedr.  Wilh    185. 

—  Georg  Wilh.  196. 

—  Job,  Reiterhptm.  184.  186. 

—  Job.  Melch.  207. 

V.  Miltitz,  Albr,  z.  Muuzig  184. 

—  Christian  185. 

—  Dietr.  185. 

—  Ernst  185  f. 

—  Hans,  Hofschenk  185. 

—  Nickel,  Hof-  u.  Stallmstr.  187. 

—  Sgmd.  179. 

—  Werner,  Kapitän  290  b. 

V.  Minckwitz,  Hans  Heinr.  207. 
V.  Mitschellfall,  Jobst  Heinr.  188. 

—  Tobias  188. 
Mittweida  7. 

de  Monod  de  Froideville,  Gabr. 

287  f. 
V.  Montbe,  Jos.Frdr.,  Kapit.  290b. 
Montmorency,  Connetable  23f.  28f. 

32. 
Morillon,  Bistumverweser  41. 
Moritz,  Kurf.  v.  Sachsen  7  f.  12. 

18.     20.     150  ff.     180.     211  ff 

338. 
Mühlich,  Wolf  47. 
Müller,  Sam.,  Rekt.  in  Freiberg 

141. 

Narva,  Schlacht  80. 
Nassau  222.  237.   s.  a.  Job.,  Ludw. 
Naumann,  Job.  Gottlieb  145. 
Naum!)urg  32.  326  ff.  s.  a.  Gothe- 

fridus,  Wernher. 
Navarra,  Königin  von  307. 
Neifse,  Scliulordnung  293  f.  .307. 
V.  Neitzschitz ,  Christof  Melchior, 

Oberstlientenant  203. 

—  Hans  Karl,  Rittmstr.  204.  207. 
210. 

—  Rudolf,  Oberst  195  ff'.  203  ff". 
V.  Nessa,  Christof  18H. 

—  Josua  186. 
Neubrandenburg  129. 

V.  Nenhausen,  Wilh.,  kurbranden- 
burgischer  Rat  211. 


364 


Register. 


V.  Nickle\vitz,CarlMagn.8wobo(la, 

Major  2901). 
Niederlande  Hifi. 
V.  Nizschwitz,  Heinrich  185. 
Norbert,  Erzbisch,  v.  Magdeburg 

327. 
Xordhaiisen,  Schulordii.  305.  310. 
Nördlingen,     Schulordnung    292. 

295  f.  298.  302.  304    308. 
Northeim  327.  s.  a.  Wetzelin. 
Nossen  161  ff. 
V.  Nostitz,  Casp.Otto  202.204.206. 

—  Hans  Ca.sp.  206. 

—  Karl  Friedr.  206. 
Nürnberi»',  Schulordnung  292. 295f. 

298.  300.  302.  304    307. 

Ober-Böblingen  bei  Halle  128. 

Uberlausitz  312  ff. 

Oldenburg,  Grafen  178. s.a. Anton, 

.Christian,  Georg. 
V.  Ölsnitz,  Georg  Ernst  205. 
Oranien  s.  Anna,  Wilhelm. 
V.  Üertzen,  W.,  Oberhauptm.  129. 
Oertzenhof  129. 
V.  Osterhausen,  Chrn.  188. 

—  Georg  Friedrich  207. 

—  Hans  185  f. 

—  Thiel  185. 

Österreich  (Werbung  i.  d.  Schweiz) 
83.  86.  89  tt'.  94  108.  s.  a.  Karl. 
Oster wieck,  »Schulordnung  299. 
Ostritz  313.  319. 
Otto,  Markgraf  von  Meifseu  327. 

—  Kardinal  V.  Augsburg  230  ff. 
Otto,  Job.,  V.  Münsterbg.,  Mag.  2. 5. 
Ottokar  II.,  Kg.  v.  Böhmen  319. 

Paris,  Universität  1.  3  f.  12. 

Parma  s.  Margarete. 

V.  Parum,  ]\Iajor  276. 

Paykul  116. 

Pegau,  Kloster  7.   324  ff.  Abt  s. 

Eckelin,  Liebenbain,  Radeboto. 
Permeter,  Job  ,  Prof.  i.  Leipzig  13. 
Persohnn,  Job.  188. 
Peter  d.Gr.,ru.ss.Zar79f.  116. 121  f. 
Peter  von  Dresden,  Schulmeister 

291.  294.  297. 
Petersberg  bei  Halle,   Kloster  7. 
Pfalz  S.Anna,  Friedr.,  Hans  Georg, 

Joh.  Kasimir,  Wolfgang. 
Pflugk,  Benno,  Hofmarschall  181. 

—  Casp.  185. 

—  Georg  188. 


Pflugk,  Hans  207. 

—  Haubald  186. 

Philipp,  Hz.  V.  Brauuschweig  43. 

—  Landgraf  von  Hessen  22  f.  25  f. 
31  f.  35.  38.  43. 48  ff.  1 49  ff  2 1 1  ff. 

—  IL,  Kg.  V.  Spanien  40ff.  228 ff. 
Philipp  Julius,  Hz.  v.  Pommern- 
Stettin  6. 

de   Piatti,   Joh.   Franz    Marquis, 

Oberstlieut.  290b. 
Pinnovius,  Casp.,  Schulmeister  zu 

Nossen  162. 
Pirna  135. 184;  Kapitulat.284  289. 
Pittcrlin,  Auditeur  290b. 
V.  d.  Planitz,  Georg  32. 

—  Wolf  Chrf.  Edler  186.  196? 
V.  Plötz,  Joachim  205. 

Polen  79. 
Polenz,  Fritz  185. 

—  Wolf  Dietrich  205. 
Pollich,  Mart.,  Prof.  in  Leipzig  13. 
Polster,  Scharfrichter  .343. 
Pommern  s.  Philipp  Julius. 

V.  Ponickau,  Casi).  Adolf  206. 

—  Haus  Georg,  Karamerrat  und 
Hauptmann  185.   187. 

—  Wolf  Abr.  lH(i. 
Popschitz,  Abr.  185. 

V.  Porsdorf,  Casp.  186. 

Porta,  Kloster  327.  329. 

Posa  326  ff'   s  a.  Hermann. 

Poyet,  franz.  Kanzler  23.  25    28. 

Prag,  Universität  1  f .  4 f.  Er- 
stürmung (1741)  283. 

Preufs,  Georg  185. 

Preufsen  s.  Albrecht,  Friedrich. 

V.  Priesen,  Karl  186. 

Prirakenau  135. 

V,  Pritzke,  Anton  186. 

de  Prohinques,  Pierre  Marquis, 
Hptra.  d.  Schweizergarde  270  ff'. 

Promnitz,  Ulr,,  Graf  210. 

Pudewels,  Friedrich  185. 

Pultusk,  Schlacht  106. 

Puntzel,  Bautzner  Familie  321. 

V.  Rabenau,   Heinrich  Adolf  206. 

—  Heinrirh  Friedrich  206. 
Rabiel,  Dietrich  185. 

V.  Radeberg,Görlitzer  Familie  31 9. 
Radeboto,  Abt  zu  Pegau  327. 
V  Ragewitz,  Hans  Casp.,  Mund- 
schenk 179.  185. 
Ratzenberger,  Hans  49  (?).  246. 
Rau,  Hans,  Rittmeister  193. 


Register. 


365 


V.  Rechenberg,  Oberhofmsrch.  197. 
V.  Reckerod,  Georg  244.  256.  258. 
V.  Reifenberg  s.  Gleifsenthal. 
V.  Reimbz,  Hans  Georg  206. 
Reiuboto,  Abt  d.  Bergkloster  zu 

Magdeburg  326. 
Reinhard,  Abt  in  Merseburg  326. 
Reinhardsbrunn  s.  Ernst. 
V.  Reinsberg,  Vespasian  185. 
V.  Reinstein,  Graf  179. 
Remse,  Kloster  326. 
Rennebeck,  Rittmeister  195. 
Reufsen,  Herren  von  Plauen  177. 
Rhazes,  arabischer  Arzt  14. 
Riga  80. 

Ritter,  kursächs.  Rat  99  f. 
Rittiger,  Paul  207. 
V.  Röbell,  General  102.  106. 
Rochlitz  s.  Elisabeth. 
V.  Rochow  (Rochau),  Oberstlt.  194. 

—  Otto  Christof,  Cornet  205. 
Röder,  Veit  183. 

V.  Rödern,  Philipp  188. 

V.  Rodewitz,  Adam  188.  210. 

—  Casp.  Sgmd.  206. 

—  Jh.  Fdr.,  Oberstwchtm.204. 206. 
Roguin,  Augustin,  Oberstlt.  290. 

—  Augustin  Gabriel  290. 

V.  Rohr,  Jos.  Dav.  Frz. ,  Kapit.  290b. 
V.  Rollshausen,  Frdr.,  hess.  Rat  70. 
Römer,  Hans  Christof  205. 

—  Hans  Wilhelm  188. 

—  Jobst  Christof  189. 
Rommel,  Hans,  hess.  Zeugmst.  262. 
Röpler,  Wenzel  185. 
Rosinetzki,  Victoriu  185. 

V.  Ruckrodt,  Friedr.  Herrn.  188. 
Ruder,  Philipp  Wilhelm  186. 
V.  Rudolphi,  Jos.,  Abt  v.  St.  Gallen 

275. 
Rufsland  s.  Peter. 

Sacbsen  s.  Amalie,  Anna,  August, 
Auguste,  Christian,  Elisabeth, 
Erdmuthe  Sophia,  Friedr.  Aug., 
Friedr.  Wilh. ,  Georg,  Heinr., 
Joh.  Friedr.,  Job.  Georg,  Job. 
Wilh.,  Kathar.,  Maria  Josepha, 
Moritz,  Xaver. 

Sadelkow,  Kr.  Stargard  129. 

V.  Salza,  Görlitzer  Familie  319. 

V.  Sander,  Gottl.  Ernst  206. 

Scepper,  Cornel.,  kaiserl.  Rat  22. 

V.  Schachten,  Heinr.  238 f.  244 ff. 
250.  255  ff. 


V.  Schachten,  Wilh. ,  hess.  Hof- 
marsch. 231.  236  ff.  245  f.  248. 
255.  257 f.  261  ff 

Schaff  hausen,  Kant.   89.  93.  123. 

Scharnberger,  Sekr.  der  Herzogin 
Margarete  von  Parma  53. 

Scharrt,  Dietr.  186. 

Scheftenberg  178. 

V.  Schellendorff',  Georg  186. 

Schenk,  Georg  185. 

—  Heinrich  188. 
Schenken  v.  Tautenburg  177. 
Buikard  187. 

V.  Scherz,  Otto  Heinr.  206. 
Schilling,     Jac. ,    brandenb.    Rat 

248.  251. 
V.  Schilling,  Hans  Chrf.  206. 
Schiltel,  Georg,  Dr.,  Rektor  der 

Univ.  Leipzig  6. 
V.  Schleinitz,  Chrf.  188. 

—  Gabr.  186. 

—  Hans  Bastian  188. 

—  Haubold  185. 

—  Joachim  188. 

Schleiz,  Schulordnung  296.  298  f. 

300.  303  ff  308. 
Schlesw. -Holst,  s.  Christ.,  Friedr. 
Schlettstadt,  Schulordnung  296. 
Schley,  Kupferstecher  342. 
Schlick,  Grafen  von  Bassano  184. 

—  Graf  Sebastian  185. 

—  Graf  Joachim  Andreas  187. 
v.  Schlieben,  Eustachius  238  f. 
V.  Schmiedt,  Franz  Rudolf  208. 
Schneeberg,  Lyceum  142  ff". 
Schneider,  P.,  kgl.  Beichtv.  148. 
V.  Schönbeck,  Hans  185. 

V.  Schönberg,  Andr.  188. 

—  Chrf.  185. 

—  Friedr.  186. 

—  Hans  188. 

—  Hans  Friedr.  (Rotschönberg) 
205. 

—  Hans  Wolf  (Pulsnitz),  Hof- 
marschall 184  f. 

—  Heinr.,  Hofmarschall  etc  179  ff. 

—  Heinr.  185. 

—  Joh.  Adam  Friedr.  205. 

—  Wolf  185. 

V.  Schönburg,  Herren  177. 

—  Hugo  135. 

Schreiber,  Joh.  Georg,  Schulmstr. 

in  Nossen  162. 
V.  Schulenburg,  General  102.  113. 

115.  117  ff'. 


366 


Register. 


Scliuiuann,  Georg,  .Schuliiistr.  in 

Nossen  1H2. 
Schwäbisch-Hall,  Schulorclii.  300. 

308. 
V.  Srhwanitz,  Hans  Nicol.  20(5. 
Schwarzbach,   Christian    Friedr.. 

Anditeur  290  b. 
Schvvarzburg ,    Grafen    Vil.    179. 

s.  a.  Günther. 
Schweden  s.  Karl. 
V.  Schweicliel,  Jobst  Heinr.  18(). 
V.  Schweinack,  Georg  Adam  20H. 
Schweizer  Sokltruppen  78  ff'.  267  ff'. 
V.  Sohwendi,  Lazarus,  Truchsefs 

247.  2.53  ff'.  260. 
Sebnitz  183  f. 

Seelig,  J.  A.  B.,  Feldscheer  290b. 
Sehdenz,  Oberstlieut.  283. 
Seidnitz  bei  Dresden  282. 
Seid,  Dr.,  kais.  Vizekanzler  252. 

332. 
de  Selves,  Georges,  Bischof  von 

Lavaur,  franz.  Gesandter  .30. 
Sezina,  Herren  von  Ausch  184. 
Siebert  von  Löwenberg  22  t 
Sigg,  Jean  Conr.  271. 
Sleidan  22.  25. 
Sohns,  Grafen  177. 

—  Graf  Friedr.  Magnus  179. 

—  Graf  Reinhard  222. 
Solothnrn,  Kanton  82.  123. 
Sondershausen  59. 

Spanien  .35.  40  ff'.  (Werbungen  in 
der  Schweiz:)  8H.  90.  92.  (Erb- 
folgekrieg:) 101  ff.  s.  a.  Philipp. 

v.  Spohr.  Wolf  Heinr.,  Kittmstr. 
198.  202. 

Stammer,  Chrf ,  Hofrittmstr.  182f. 

V.  Starschedel,  Ealzer  185. 

—  Bernh.  Hofmarschall  188.  1 92. 

—  Fritz  185. 

—  Heinr.  Otto  188. 

—  Titz  185. 
Steche,  Richard  125  ff. 
Steiger,  Euianuel  290. 

—  Georg  290. 

V.  Steinau,  Feldraarschall  lOH.  115f. 
Strack,     Job.    Heinr..    (Jberhof- 

baurat  128  f. 
V.    d.    Strafsen,   kurbrandeuburg. 

Kanzler  233. 
Stubart,  Obeistlieut.  194. 
Stattgart,     Schulord.     295.     298. 

302  ff'. 
Suiza  247  f.  264. 


V.  Tackerodt,  ( )tto  205. 
Tallart.  franz.  Marschall  109  f. 
V.  Tamsdurft',  Reinh.  186. 
Tarin.    Graf    .loh.  Vict.    Amad., 

Major  290  b. 
V.  Taube,  Claus  195. 

—  Dietr.,  Hofraarschall  u.  Oberst 
193  ff'. 

—  Heinr.    188. 

Hofmarschall  196  f. 

—  .loh.  Heinr.,  Hptm.  196. 

—  Ludw.    188. 

—  Reinh.  188. 

V.  Thaler,  Kapitän  277. 

Theler,  Wolf  183. 

V.  Thier,  Chrf.  Friedr.  207. 

—  Georg  Abr.  206. 
Thirmanu,  Nicol,  Schulmstr.  und 

Stadtschr.  i.  Dresden  291.  301. 
Tilly  1.54. 
Torgau  7. 

Tournon,  Kardinal  von  23.  28. 
V.  Trandorf,  Heinr.  186. 
Trient,  Kardinal  v.  229  ff.  241. 
Trier,  Kurfürst  55. 
V.  Troilo.  Franz  Ferd.  205. 
Trott,  Adam,  brandenb.  Rat  248. 
Türken  78  f. 

Überlingen.  Schulordn.  296.  298. 

302  ff". 
Ukraine  79. 

Ulm,  Schulordn.  292.  294. 
V.  Umbstadt,  Frdr.  Wambold  191. 
Ungarn  78.  s.  a.  Marie. 
Unterwaiden    ob.     u.     n.    d.   W., 

Kanton  82.  123. 
Uri,  Kanton  90.   123. 

Viglius,  Dr.  233. 

Vitztlmm  v.  Apolda,  Werner  185. 

V.  Vitzthum,  Hofmarschall  148. 

Waciitendouck,  Rat  Hz.  Wilh.  v. 

•li'ilich  28. 
Wackerbarth,  Graf,  General  279. 
Wackerbarth-Salmour,  Graf  286. 
Waldeck,  Grafen  178. 
Waidenburg  135. 
V.  ^^'allenfels,  Chrf.  185. 

—  Georg  18 1. 

V.  Wallenrod,  Matthias,  Amtmann 

in  Schneeberg  21 .  27  ff'. 
V.  Wallenstein,  Sdenke  Sgmd.  188. 
Wallrodt,  Sgmd.  185. 


Register. 


367 


Walther,  Adam,  Schulmeister  in 
Nosseii  162. 

—  Barthol.,  Diakoims  159. 
Warschau  116. 

Wartburg,  Grofshz.  Samml.  338  f. 

Wartenherg  178. 

V.  Wedel,  Platzmajor  343. 

Wedemeyer,  Auditeur  843. 

Wehse,  Hans  Georg  183.  185. 

Weimar  s  Kunigunde. 

V.  Weifsenbach,  Georg  Ernst  189. 

—  Jul.  Friedr.,  Major  290b. 
Weifseufels  7. 

Weller  v.  Molsdorf,  Jak.,  Ober- 
hofprediger 140. 

Werdau  lri9. 

Wernher,  Abt  z.  S.  Georg  in 
Naumburg  327. 

V.  Werther ,  Hans  Friedrich  208. 

—  Hans  Georg  207. 
Wesel  71. 

v.Westerhagen,  Heinr.  Sittich  188. 
Wetzelin,  Abt  z.  Northeim  326. 
Widemaun,  Wolf  185. 
Wien,  Schulordnung  292.  Waffen- 

samml.  337 
Wijk  bi)  Durstede,  Schlordn.  307. 
Wilhelm  II.,  Mgf.  v.  Meifsen  2  ff. 

—  Hz. V.Bayern  21.^.217.219.241. 

—  III.,  König  von  England  268. 

—  IV.,Lgf  V  Hess.38.4öff.  212  ff. 

—  Herzog  von  Jülich  und  Cleve 
24.  27  ff.  71  f. 

—  Herzog  von  Lüneburg  179. 

—  Prinz   von  ( )ranien  35  ff.  332 
Wilisch,  Chrn.  Friedr.,  Superint. 

zu  Freiberg  143. 
Winkler,  Hillebrand  IS.o, 
V.  Winterfeld,  Heinrich  185. 
Wiprecht  d.  J.  v.  Groitzsch  326. 
Wisogrot  115. 

Witego,  Bischof  von  Meifsen  317. 
Wittenberg,  Universität  12. 


Wittgenstein,  Graf  43  ff  60. 
Wolf,  Herz.  v.  Braunschweig  179. 
V.  Wolfen,  Albert  1 85. 
V.  Wolffersdorff  (Wolftramsdorff), 
Georg  Friedrich,  Oberst  209. 

—  Hans   18r>. 

—  .Julius  Heinrich  205. 

—  Richard  209. 

—  Wolf  186. 

—  Wolf  Ernst  183.  185.  187. 
Wolfgang,  Pfalzgraf  von  Zwei- 
brücken 224  f.  241.  264. 

Wolfram,  Vt.,Sup.  z.  Zwickau  158f. 
Wolfshain  bei  Beucha  7. 
Wurmb,  Balzer,  Stallmeister  183. 
Würz  bürg  140. 
Württemberg  s.  Christof. 
V.  Wüstenhoff,  Jobst  188. 
V.  Wylich,  Frh. ,  preufs.  General- 
major 343. 

Xaver,  Prinz  279.  286.  288. 

Zapolya,  .lohann  25. 

Zasius,  ülr. ,  Vizekanzler  41.  72. 

V.  Zehmen,  Moritz  Bastian  186. 

Zeithain,  Lustlager  272.  275  f. 

Zeitz  s.  Gunfridus. 

V.  Zeschau,  Generallieut.  148. 

Zestermnnn,  Chrf.  Adf.  127. 

Ziegenhain  216.  227.  235.  246. 

V.  Ziegesar,  Hennig  188. 

Zittau  313.  319  ff. 

Zörbig  147  f. 

V.  Zschieren,  Hans  186. 

Zuckelhausen  bei  Leipzig  7. 

Zug,  Kanton  90. 

Zuleger,  Wenzel,  pfälz.  Rat  67. 

70. 
Zürich, Kant. 81  ff  89 ff'.  104f.  122f. 
Zurlauben,  General  110. 
Zweenfurt  bei  Borsdorf  7. 
Zwickau,  Schulordn.  298. 


GETTY  CENTER  LI 


BRARY 


3  3125  00700  8101 


^;iiiiB^^^^^^^