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Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermiscli,
K. Arcliivrat.
Vierzehnter Band.
Dresden 1893.
Wilhelm Baensch, K. S. Hofverlagsbuchhandlung.
Das Neue Archiv für Sächsische Geschichte und Alter-
tumskunde, welches im Auftrage der Königlichen Staats-
regierung und des Königlichen Altertumsvereins heraus-
gegeben wird, erscheint in vierteljährlichen Heften, von
denen je vier einen Band von ungefähr 22 Bogen bilden.
iHEGETTYCti'JltK
Inhalt.
Seite
I. Aus der Vergangenheit der Universität Leipzig.
Von Bibliothekar Dr. Bruno Stiibel in Dresden. 1
II. Eine kursächsische Gesandtschaft nach Frank-
reich im Jahre 1540. Von Dr. Paul Vetter in
Dresden 21
III. Kurfürst August und die Anfänge des nieder-
ländischen Aufstands. Von Dr. Gustav Wolf
in Freiburg i. B 34
IV. Schweizer Soldtruppen in kursächsischen
Diensten 1701 — 1815. Von Oberstlieutenant
a. D. A. von Welck in Basel 78
V. Richard Steche. Ein Nekrolog. Von Dr. H. A.
Lier, Kustos an der Konigl. Bibliothek in Dresden 125
VI. Kleinere Mitteilungen 138
1. Der Marschallstab des Kiirfürsten August und
dessen Kleidung auf dem Reichstage zu Augsburg
1566. Von M. v. Ehrenthal, Direktor des königl.
histor. Museums in Dresden. S. 138. 2. Zur Ge-
schichte der Jesuitenkomödie in Sachsen. Von
Professor Dr. Georg Müller in Dresden. S. 140.
3. Zur Geschichte des Freiberger Gymnasiums im
18. Jahrhundert. Von Oberlehrer Dr. Georg
Heydenreich in Schneeberg. S. 141. 4. Eine
Rast des Königs Friedrich August I. von Sachsen
bei seiner Überführung von Leipzig nach Berlin
im Oktober 1813. Von Reinhold Schmidt in Zörbig.
S. 147.
Litteratur 149
VII. Die kurfürstlichen Leibwachen zu Eols bis zur
Errichtung des stehenden Heeres. Aus dem
Nachlaß des Wirkl. Geh. Rats und Oberhof-
meisters a. D. August von Minckwitz. Heraus-
gegeben von Oberst z. D. Georg von Schimptf
in Dresden 177
VIII. Die Gefangenschaft Philipps von Hessen 1547
bis 1552. Von Prof. Dr. S. Ilsleib in Leipzig 211
IX. Schweizer Soldtruppen in kursächsischen
Diensten 1701—1815 (Schlufs). Von Oberst-
lieutenant a. D. A. von Welck in Basel . . 267
X. Über die älteste Schulordnung der Kreuzschule
zu Dresden. Von Rektor Prof. Dr. Otto Meltzer
in Dresden 201
TV Inhalt.
Seite
XI. Die Entstellung und Bildung; bürgerlicher
Familiennamen in den Sechsstädten der Über-
lausitz bis gegen Mitte des 14. Jahrhunderts.
Von Prof. Dr. Hermann Knothe in Dresden . .312
XII. Kleinere Mitteilungen 324
1. Bruchstück eines alten Nekrologiums des Klosters
Pegau. Mitgeteilt von Archivar Dr. Paul Mitzschke
in Weimar. S. 324. 2. Sachsens uud Brandenburgs
gemeinsames Vorgehen bei der Resignation Karls V.
und der Kaiserwahl Ferdinands I. Von Dr. Wilh.
Altmaun , Kustos an der Univ.-Bibl. zu Greifs-
w^ald. S. 330. 3. Zwei Harnische von Matthäus
Frauenpreis dem Alteren im königl. histor. Museum
zu Dresden und auf der Wartburg. Von M. v.
Ehrenthal, Direktor des königl. histor. Museums
zu Dresden. S. 336. 4. Ein Schreiben des Hof-
narren Fröhlich an seinen Herrn (1727). Von
Archivrat Dr. Th. Distel in Dresden. S. 339.
5. Zwei in Kursachsen beseitigte Drucke (1745,
1757). Von denselben. S. 341.
Litteratur 344
Register 357
Besprochene Schriften.
Auerbach, Bibliotheca Ruthenea (B. Schmidt) 348
Bachmann, Urkundliche Nachträge zur Österreich. -deutscheu Ge-
schichte (Ermisch) 346
Beiträge zur sächs. Kircheugeschichte VI. und VII. (G. Müller) 157
Brockhaus' Konversations-Lexikon II— V. (Ermisch) .... 168
Dresdens Festungswerke im Jahre 1811 (Ermisch) 164
Dresdner Strafsenansichten vom Jahre 1678 (Ermisch) .... 164
Einert, Aus den Papieren eines Rathauses (Lippert) .... 159
Häbler, Maria Josefa Amalia (Knothe) 156
Heydenreich, Geschichte und Poesie des Freiberger Berg- und
Hüttenwesens (Knauth) 163
Klotz, D. Veit Wolfram (G. Müller) 158
Lenz, Briefwechsel Landgraf Philipps des Grofsmütigen von
Hessen mit Bueer I— III. (Vetter) 149
Loose, Alt-Meifsen in Bildern (Ermisch) 164
Opitz, Die Schlacht bei Breitenfeld (Krebs) 153
Röfsler, Geschichte der königl. sächs. Fürsten- und Landesschule
Grimma (G. Müller) 160
v. Schimpft', König All)ert fünfzig Jahre Soldat (Ermisch) . . 344
Schneider, Geschichte der Schule zu Nossen (G. Müller) . . .161
Simon, Die Verkehrsstrafsen in Sachsen (L. Schmidt) .... 347
Wustmann, Leipzig durch drei Jahrhunderte (Ermisch) . . .164
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er vierzehnte Band des „Neuen Archivs
^\o für Sächsische Geschichte und
Altertumskunde" erscheint zu einem
bedeutungsvollen Zeitpunkte.
Seine Majestät unser allergnädigster König
und Herr feierte soeben den fünfzigsten Jahres-
tag seines Eintritts in die Armee.
Die militärische Wirksamkeit, die Seine Maje-
stät in einem halben Jahrhundert rastloser Arbeit
entfaltet hat, gehört nicht allein der Geschichte
unseres engeren Vaterlandes an. Für die Ge-
VI
schichte Gesamtdeutschlands ist sie von hoher
Wichtigkeit geworden.
In den Kämpfen um die Schleswig -holstein-
schen Lande, die den schlummernden nationalen
Gedanken zuerst wieder aufleben liefsen und das
Vorspiel bildeten zu einem langen und lange
vergebHchen Ringen nach Deutschlands Einheit
und Macht, empfing der jugendHche Prinz die
Feuertaufe. Sein Verdienst war es, wenn aus
den traurigen, aber unvermeidlichen Kämpfen des
Jahres 1866 Sachsens Waffenehre ungemindert
hervorging. Vor allem unvergefslich aber wird
dem deutschen Volke jederzeit der Anteil bleiben,
den der Kronprinz von Sachsen an dem glor-
reichen Kriege der Jahre 1870/71 nahm. Auf den
blutgetränkten Schlachtfeldern von St. Privat, von
Beaumont und Sedan, von Le Bourget und Villiers
that auch er seine Hammerschläge auf den Grund-
stein des deutschen Reiches.
Und was der Kronprinz begann, das hat
der König in zwanzigjähriger reichgesegneter
Friedensthätigkeit fortgesetzt. Wenn noch heute
— vn —
die deutsche Armee für die erste der Welt gelten
darf und wenn dies stolze Gefühl MilHonen jene
Sicherheit giebt, ohne die auch die Werke des
Friedens sich nicht zu gesegnetem Gedeihen ent-
falten können, so gebührt ein wesentlicher Anteil
daran dem Wirken Seiner Majestät des Königs
Albert.
So war es mit Recht ganz Deutschland, das
an diesem Tage dem erlauchten Herrn seine Glück-
wünsche darbrachte. Allein in erster Linie darf
doch das Sachsenland ihm zujubeln.
Auch unsere Zeitschrift kann den für die Ge-
schichte Sachsens so wichtigen Gedenktag nicht
vorübergehen lassen, ohne dem König ihre Hul-
digung darzubringen.
Den ersten Band des „Neuen Archivs für
Sächsische Geschichte und Altertumskunde" er-
öffneten wir mit einem Bilde des hochseligen
Königs Johann, der in mehrfacher Hinsicht als der
Begründer einer neuen Aera der sächsischen
Geschichts- und Altertumsforschung gelten darf.
So möge denn diesem Bande das wohlgetroffene
— VIII —
Bild Seiner Majestät des Königs Albert beigefügt
werden, zur Erinnerung an das Jubelfest, das
Hochderselbe gefeiert, und zugleich als schwaches
Zeichen des Dankes für die hohe Huld, der sich
eine lange Reihe von Jahren hindurch unsere Zeit-
schrift erfreuen durfte.
%
I.
Aus der Vergangenheit der Universität
Leipzig.
Von
Bruno Stübel.
Es ist eine eigentümliche Erscheinung, dafs die
deutschen Universitäten, auf welche die Nation mit Stolz
und auf die das Ausland mit Neid zu blicken pflegt,
keine originalen Schöpfungen, sondern Nachahmungen
fremder Muster sind^). Vor allem ist es die Universität
Paris gewesen, die das Vorbild der meisten unserer
Hochschulen abgegeben hat. Paris war überhaupt die
gefeiertste Universität im Mittelalter, in welcher sich
gewissermafsen die gesamte Gelehrsamkeit des ' Mittel-
alters konzentrierte, die Hauptpflegerin der damals und
bis zur Reformation tonangebenden Scholastik. Nach
Pariser Muster wurde dann in Deutschland zuerst die
Universität Prag 1348 gegründet; hierauf folgten Wien,
Heidelberg, Köln, Erfurt, Würzburg in seiner älteren
Gestalt, Leipzig, Rostock. Diese acht von der Mitte des
14. Jahrhunderts bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts
gegründeten Universitäten bilden die älteste Gruppe unserer
deutschen Hochschulen. Von der Mitte des 15. bis zum
Anfang des 16. Jahrhunderts schlieist sich dann die zweite
Gruppe an, die in rascher Aufeinanderfolge die Univer-
sitäten Greifs wald, Freiburg, Trier, Basel, Ingolstadt
')Vergl. Hartfelder, Der Zustand der deutschen Hochschulen
am -Ende des Mittelalters, in Sybels histor. Zeitschrift N. F.
XXVIII (1890), 50 ff.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 1. 2. 1
2 Bruno Stübel:
(jetzt München), Tübingen, Mainz, Wittenberg (jetzt
Halle), Frankfurt a. O. (jetzt Breslau) unüalst. Bekannt-
lich ist nun die Leipziger Universität ein direkter Ab-
kömmling der Prager. Nationale Zwistigkeiten inner-
halb des Lehrkörpers und der Studentenschaft bewirkten
es, dals eine Anzahl Lehrer und Studierende Prag ver-
lieisen und unter Führung des Magisters Johannes Otto
von Münsterberg sich nach Leipzig wandten.
Noch ehe die Landesfürsten, Markgraf Friedrich und
sein Bruder Wilhelm, die mit Freuden auf das Gesuch,
in ihrem Lande eine Universität oder wie es damals hiels
ein Generalstudium zu errichten eingingen, ein Studium,
welches in allem als eine unmittelbare Fortsetzung des
Prager Studiums betrachtet werden sollte, ihre offizielle
Genehmigung erteilen konnten, war zu allererst die Zu-
stimmung des päpstlichen Stuhles erforderlich, ohne die
nach den Anschauungen der damaligen Zeit die Gründung
eines Generalstudiums nicht denkbar war^). Denn die
Universitäten waren ursprünglich klerikale Institute, sie
waren der Ausfluls eines Bundes zwischen der geistlichen
und der weltlichen Macht. Lehrer und Schüler Avaren in
der Regel Kleriker, ihr Leben war ein klosterähnliches,
sie waren verpflichtet in Kollegien oder Bursen zusammen
zu leben, wie das gewissermalsen auf den englischen
Hochschulen noch jetzt der Fall ist. Strenge Strafen
standen darauf, wenn ein Universitätsmitglied aulserhalb
dieser Kollegienhäuser, Avenn es, wie es damals hiefs, bei
den gemeinen Leuten, d. h. bei den Bürgern, wohnte, und
nur in ganz besonderen Fällen konnte der Rektor von
diesem Gebote dispensieren.
Als die erste und älteste Urkunde unserer Hoch-
schule haben wir sonach die päpstliche Bestätigungsbulle
zu betrachten, welche von Papst Alexander Y. am 9. Sep-
tember 1409 zu Pisa ausgestellt worden ist'^), aber erst
am 12. November desselben Jahres in Leipzig eintraf.
Zuvörderst wird in dieser Bulle Leipzig als ein sehr ge-
eigneter Ort zur Errichtung eines Generalstudiums be-
zeichnet. Die Stadt liege in einer volkreichen, frucht-
^) Vergl. Gersdorf, Beitrag zur Geschichte der Universität
Leipzig, in Mitteüungsn der deutschen Gesellschaft zu Leipzig,
V (1872), 11.
^) Stübel, Urkundonbuch der Universität Leipzig von
1409 bis 1555 (Codex diplom. Saxon. regiae II, 11) S.l— 3 (im Folgenden
citiert mit „Urkundenbuch").
Ans der Vergangeiilieit der Universität Leipzig-. 3
baren, gottgesegneten Gegend, nnter einem gemälsigten
Klima, von allen Seiten von angenehmen Ortschaften um-
geben, in einem Lande, in welchem unter dem Schutze
der fürstlichen Brüder Friedrich und Wilhelm Friede
und Sicherheit blühten. Die Bewohnerschaft sei leutselig
und wohlgesittet. Unter solch' günstigen Verhältnissen,
hoft'e der Papst, könne ein Generalstudium recht wolil
gedeihen. Dieses Studium solle nun bestehen aus den
Fakultäten der heiligen Theologie, des geistlichen sowie
weltlichen Rechts, der Medizin und der sieben freien
Künste. Unter diesen verstand man im klassischen Alter-
tum diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die zum
Unterrichte des Freien im Gegensatze zu der Beschäftigung
des Sklaven gehörten, und man rechnete darunter: Gram-
matik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie, Dialektik
und Rhetorik. Die ersten drei wurden in den Schulen
des Mittelalters gewöhnlich das Trivium, die letzteren
vier das Quadrivium genannt, und zwar wurde das Trivium
in den darnach benannten Trivial- oder -Elementarschulen,
das Quadrivium dagegen nur in höheren Lehranstalten
gelehrt. Aus dieser Fakultät der sieben freien Künste
ist dann später die philosophische Fakultät hervorge-
gangen, die aber ihrem Ursprünge gemäfs in den Ur-
kunden bis tief in das 16. Jahrhundert hinein facultas
arthon, Artistenfakultät, Fakultät der freien Künste, freie
Kunstfakultät, ja sogar einmal kunstreiche Fakultät artium
genannt wird. Ihre Mitglieder hielsen Artisten. Sie
wurde von Haus aus als die vornehmste Fakultät an-
gesehen, durch welche, wie es in einer Urkunde heilst,
die Universität vor allem erhalten würde*).
Die päpstliche Bulle bestimmt dann ferner, dals es
hinsichtlich der Vorlesungen, Disputationen und anderer
akademischer Handlungen gehandhabt werden möge wie
an der Universität zu Paris, und ernennt zum Kanzler
der Universität, da Leipzig zum Merseburger Sprengel
gehörte, den jeweiligen Bischof von Merseburg, dem die
Beaufsichtigung der Magister-, Doktoren-, Baccalaureats-
prüfungen, überhaupt die Erwerbung aller akademischen
Würden und Grade obliegen sollte. — Wenn somit die
päpstliche Bulle die Anerkennung der Universität seitens
der geistlichen Macht zum Ausdruck brachte , so war
nunmehr zur Konstituierung der Universität als politischer
*) Urknndeiibnch S. 290.
4 Bruno Stübel:
Korporation die urkuiHllicli ausgesprochene Anerkenimiig
seitens der weltlichen Macht, d. h. der Landesherren
erforderlich, und dieser feierliche Akt fand am 2. Dezember
1409 durch Aushändigung der Stiftungsurkunde im
Refektorium der Augustiner - Chorherren zu St. Thomas
in Leipzig in Gegenwart der Markgrafen Friedrich und
Wilhelm und der dazu eingeladenen Bischöfe, Prälaten,
Magister und anderer statt ■^). Nun erst Avar die Gründung
der Universität in aller Form vollzogen.
Aus der landesherrlichen Stiftungsurkunde wollen
wir hier nur zwei wächtige Bestinnnungen hervorheben,
weil sie Listitutionen betrafen, welche sich an der Uni-
versitätjahrhundertelang, bis in die neuere Zeit erhalten
haben, das ist die Institution der Nationen und die der
Kollegien. Die Lehrer und Studirenden der gröfseren
Universitäten des Mittelalters schieden sich nicht nur
nach den Wissenschaften, scientiae oder facultates, wie es
ja jetzt noch der Fall ist, sondern auch nach ihren Heimat-
landen, nationes*''). Durch korporative Vereinigung der
Landsleute w^ollte man nämlich den von fern Hergekommenen,
und der Besuch einer Universität war ja bei dem gänzlichen
Mangel eines regelrechten, gesicherten Reiseverkehrs im
Mittelalter ein ungeheueres Opfer für einen jungen Mann,
grölsere Sicherheit und Schutz gewähren, und dann, was die
Studierenden betrifft, deren Angehörigen in der Heimat
eine Bürgschaft für das Wohlbefinden ihrer Familien-
glieder leisten, w'as geschehen konnte, Avenn der Student
gemeinschaftlich mit Landesgenossen am fremden Orte
Wohnung und Kost hatte und seine Studien von den
Genossen überwacht und geleitet wurden. So wurden die
Angehörigen der Universität Paris in vier Nationen ein-
geteilt, darnach ebenfalls wieder in vier Nationen die der
Universität Prag, nämlich in die der Böhmen, Bayern,
Polen und Sachsen, und darnach wieder die unserer Leip-
ziger Universität, hier ursprünglich in die der Meilsner,
Sachsen, Bayern und Polen, dann nach der Erwerbung
des Herzogtums Sachsen durch Friedrich den Streitbaren in
der Reihenfolge der Sachsen, Meilsner, Bayern und Polen.
Die sächsische Nation reichte bis zur Nord- und Ostsee, be-
griff auch Schweden und Norw^egen mit, zu der meilsnischen
Nation wurde auch Thüringen gerechnet, zu der bayrischen
°) Urkundenbiicli S. 5.
ö) Gersdorf a. a. O. S. 9.
AiLs der Vcryaiigeiilieit der Universität Leipzig'. 5
Nation beinahe das ganze Süddeutscliland, die Schweiz,
Italien, Spanien, Portngal, England, zu der pohlischen
endlich Schlesien, Preuisen, Böhmen, die Lausitzen,
Mähren, Ungarn, Rulsland. Wenn also z. B. ein Italiener
oder Portugiese nach Leipzig kam, um dort zu studieren,
so mulste er in die bayrische Nation eintreten. Auf diesen
vier Nationen hat die Regierung der Universität bis zum
Jahre 1830 beruht, in welchem Jahre überhaupt die
ganze alte Universitätsverfassung reorganisiert worden ist.
An die Einteilung der Universitätsmitglieder in Nationen
erinnern übrigens gegenwärtig noch in der Studentenschaft
die Landsmannschaften und Korps.
Die zweite wichtige Bestimmung in der landesherr-
lichen Stiftungsurkuude betrifft die Gründung der beiden
Kollegien, des grofsen und des kleinen Fürstenkollegs.
Dies w^aren Gebäude, in welchen die Vorlesungen, Dis-
putationen und alle übrigen akademischen Handlungen
vorgenommen werden sollten, welche die Landesherren
von allen Steuern, Gefällen, Lasten befreiten und die
eine vollständig exceptionelle Stellung innerhalb der Stadt-
gemeinde einnahmen. Zu diesen beiden Kollegienhäusern
gesellte sich dann einige Jahre später das Kollegium zu
Unserer Lieben Frauen, collegium heatae Mariae virginis,
welches von dem Markgrafen Friedrich mit denselben
Freiheiten begnadigt wurde, wie die beiden anderen.
Zum Abschluls der Gründung der Universität war
nach der feierlichen Eröffnung nun noch ein wichtiger Akt
notwendig, das war die Wahl ehies Oberhauptes, eines
Rektors, der sie zu leiten und zu schützen hatte. Man
wählte zum ersten Rektor jenen Magister Johannes Otto
von Münsterberg in Schlesien, unter dessen Führung mit
die Auswanderung von Prag nach Leipzig erfolgt war,
der den höchsten akademischen Grad, den eines Doktors
der Theologie, besafs und auch bereits im Jahre 1398
Rektor in Prag gewesen war. In den Statuten wurde
alsdann bestimmt, dafs zum Amt eines Rektors ein ehr-
bares, unbescholtenes Mitglied der Universität, welches
das 25.Lebensjahr erreicht habe und legitim geboren sei, ge-
wählt werden könne. Dem klerikalen Charakter der
Universitäten des IVIittelalters gemäfs, mulste ferner der
Rektor unverheiratet und Kleriker sein, mindestens
die niederen Weihen empfangen haben'). Der im Jahi^e
') Gersdorf a. a. Ü. S. 14.15.
g r?niiiii Stübel:
1518 zum Rektor erwählte Dr. Georg Schilt el iiuilste das
Rektorat iiiedeilegeu, weil er sich verlobt hatte. Gewählt
wurde der Rektor auf ein halbes Jahr, also gab es für
das Sommer- undAVintersemcster einen besonderen Rektor,
Avelche Einrichtung bis zum Jahre 1831 beibehalten worden
ist, von wo an erst die AVahl auf ein ganzes Jahr er-
folgte. Eigentümlich ist es, dals, obgleich den Studierenden
bei der Rektorwahl keine Mitwirkung zugestanden war,
wie das doch z. B. auf den durch Studierende gegründeten
italienischen Universitäten zu Bologna und Padua uud in
Deutschland auf der Universität zu Erfurt geschah, trotz-
dem ein Studierender, allerdings vornehmeren Standes,
zum Rektor erwählt werden konnte. So ist in Leipzig
Adolf, Fürst zu Anhalt, für das Sommerhalbjahr 1475 zum
Rektor gewählt worden, höchstwahrscheinlich der erste
Student, dem dieses Amt auf einer deutschen Universität
zu teil wurde. Da aber Fürst Adolf erst 17 Jahre alt
war, so mulste ihm ein Vizerektor zur Seite gegeben
werden. Später wurde dann geradezu bestimmt, dals ein
Herzog, Graf, Baron, worunter damals auch die Edlen
Herren von der Lippe, Reuis von Plauen, Schönburg und
andere Adelsgeschlechter verstanden wurden, ehrenhalber
oder aus Rücksicht auf den Nutzen der Universität, auch
wenn er noch nicht das 25. Lebensjahr erreicht habe,
Rektor werden könne, dafs aber diesem dann ein Pro-
rektor beizuordnen sei^). Zu wiederholt enmalen haben
demgemäfs Fürsten das Amt eines Rektors bekleidet, so
z. B. im 17. Jahrhundert der Herzog Philipp Julius von
Stettin und Pommern, Fürst zu Rügen, der Herzog Adolf
Friedrich von Mecklenburg, der Herzog Jakob von Kur-
land und Semgallen und noch einige andere.
Der Rektor der Universität war nur das Oberhaupt
einer Korporation, welche zufolge ihrer Verfassung, die
auf den mit grolser Sorgfalt ausgearbeiteten Statuten be-
ruhte, eine ganz besondere, sehr freie, politische Stellung
mit eigner Civil- und Kriminalgerichtsbarkeit über ihre
Mitglieder einnahm, das Oberhaupt eines Staates im
Staate, das Oberhaupt einer Korporation, innerhalb welcher
die einzelnen vier Fakultäten wiederum vollständig ge-
schlossene Körperschaften bildeten, und diese Verfassung
hat sich mit ihren Modifikationen Jahrhunderte lang er-
halten in einer Weise, wie dies bei keiner andern Uni-
^) Gersdorf a. a. U. S. 16.
Aus der Verg-aiigeiihoit <ler Universität Leipzig. 7
versität der Fall gewesen ist. Ein* die älteste Zeit ihres
Bestehens, bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, bis zur
Einführung der Kirchenreformation, war die Universität
Leipzig, wie der um die geschichtliche Erforschung der-
selben hochverdiente Friedrich Zarncke treöend bemerkt,
geradezu die Repräsentantin einer mittelalterlichen Normal-
universität ^).
Die Mitte des 16. Jahrhunderts ist nun aber noch
ganz besonders dadurch wichtig für unsere Hochschule
geworden, dals ihr zu dieser Zeit fürstliche Munificenz
reichen Grundbesitz und für damalige Verhältnisse an-
sehnliche Schenkungen zu Teil werden liels. Hatte schon
Kurfürst Friedrich der Sanftmütige, der Nachfolger
Friedrichs des Streitbaren, im Jahre 1438 der Univer-
sität 240 Schock Groschen jährliche Einkünfte von den
drei Städten Weifsenfeis, Torgau und Mittweida und aufser-
dem noch von 42 Dörfern zugewiesen ^"^j, war sie dann
noch im Besitz verschiedener geistlicher Pfründen und
mannigfacher weltlicher Stiftungen gelangt, so war es
doch erst Herzog Moritz, der ihr eine gesicherte finan-
zielle Unterlage verschaifte, ihr überhaupt reiche Gnade
und Gunst erteilte. Mit vollem Rechte hat man ihn
den zweiten Gründer der Universität genannt. So eignete
er ihr bald nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1542
2000 Gulden aus dem Einkommen der aufgehobenen Klöster
zu Pegau und auf dem Petersberg bei Halle zu, die
unter die einzelnen Fakultäten zu verteilen imd zur
jährlichen Besoldung der Lehrer derselben zu verwenden
seien^'), so schenkte er in Gemeinschaft mit seinem
Bruder August der Universität im Jahre 1544 fünf dem
ehemaligen Thomaskloster zu Leipzig gehörige Ortschaften
Holzhausen , Zuckelhausen , Klein - Pölsna , Wolfshain
und Zweenfurt. mit allem Zubehör und Zinsen im Be-
trag von 556 Gulden 8 Groschen 9 Pfennigen und einem
alten Pfennig, samt andern bisher dem Thomas-, Georgen-
und Paulinerkloster in Leipzig fällig gewesenen, nicht
unbeträchtlichen Zinsen, wozu noch das dem letzteren
gehörige Gehölz bei Wolkwitz kam, welches 417^/., Acker
Wald umfafste und das jetzige Universitätsholz beiLiebert-
wolkwitz ist; so überwies Herzog Moritz ferner der Uui-
*•) Z a r n c k e , Die urkundlichen Quellen zur Geschichte der Univer-
sität Leipzig- in den ersten 150 Jahren ihres Bestehens. Leipzig 1857.
10) Urkundenbuch S. 27-30.
") Ebendaselbst S. 540—541.
8 Bruuo Stübel:
versität die sämtlichen zu dem ehemaligen Pauliner-
kloster gehörigen Gebäude und Räundichkeiten, wie sie
die Paulinermönche innegehabt hatten, mit allen Frei-
heiten und Gerechtigkeiten und verordnete gleichzeitig,
dals unter anderm darin ein gemeiner Tisch errichtet
werden solle, zu dem die fünf obenerwähnten Ortschaften
jährlich Korn und Weizen zu liefern hatten. Dieser
gemeine Tisch besteht heute noch an unserer Universität
unter dem Namen Konviktorium, in welchem täglich mit-
tags und abends, auch während der Ferien, 288 Studie-
rende unentgeltlich gespeist werden, eine Einrichtung,
wie sie keine zweite Universität im deutschen Reiche
besitzt. In derselben Ui'kunde gründet dann Herzog
Moritz schlielslich noch fünf Stipendien für Studierende
der Theologie '-). Diese Schenkungen des Herzogs bilden
den Grund zu dem späteren Reichtum unserer Universi-
tät. — Dais sich übrigens die Finanzen der Universität
im allgemeinen, sowie der Fakultäten und Kollegien im
Besondern schon in den frühesten Zeiten eines guten
Ansehens zu erfreuen hatten, das geht aus den zahl-
reichen Anleihen hervor, die Private sowie Korporationen
bei ihnen machten, so dals sie gewissermalsen die Stelle
eines Bankinstituts vertraten. So hat z. B. die Stadt
Dresden in den Jahren 1499 und 1502 je 1400 Gulden
und 1900 Gulden gegen eine jährliche Verzinsung von 70,
beziehentlich 95 Gulden von der Artistenfakultät geliehen
bekommen'-'). Ja sogar der Landesfürst Herzog Georg
hat einmal zwar und in demselben Jahre 1502 die
Artistenfakultät um ein Darlehn von 500 rheinischen
Goldgulden ersucht. In dem Schreiben des Herzogs, das
datiert ist vom 23. Juli 1502, heilst es unter anderm:
„Uns sein merckliche und grolse Sache, doran uns viel
gelegen, zugefallen, dorzu wir etlichs Geldes zu gebrauchen
notdurftig sein. Dieweil wir uns denn des so eilends
nicht wissen erholen, werden wir vorursacht diejenigen
bei den wirs zu bekommen wissen .... dorumb anzu-
langen'^)". Doch waren derartige Gesuche in damaliger
Zeit durchaus nichts seltenes.
Allein die Universität lieh nicht nur Geld an Fürsten
aus, sie verehrte auch denselben Geld zum Geschenk.
'-) Urkundenbuch S. 567—569.
") Ebendaselbst S. 2nH und 262.
'0 Ebendaselbst IS. 261.
Aus der Vergangeiibeit der Universität Leipzig. 9
Als Herzog Heiiiricli, der im Jahre 1539 zur Regierung
gelangte, 1512 zu Freiberg seine Hochzeit mit Katharina,
der Tochter des Herzogs von Mecklenburg, feierte und
hierzu die Universität einlud, iiberreichte diese der fürst-
lichen Braut als Hochzeitsgeschenk hi einer Kredenz
20 Goldgulden, wobei ausdrücklich bemerkt wird, dafs
das Geschenk der Braut und nicht dem Herzog präsen-
tiert worden sei '■'^).
Wenn wir nun unsere Blicke auf den Lehrkörper der
früheren Zeit lenken, so stolsen wir da allerdings auf Er-
scheinungen, die meist nicht gerade erfreulicher Natur
sind. Aus den zahlreichen Urkunden, Akten und son-
stigen Dokumenten, die sich im Königl. Hauptstaatsarchiv
zu Dresden befinden'"), ersehen wir, dals die Harmonie
innerhalb des Lehrkörpers oft sehr viel zu wünschen übrig
liels, dafs Eifersucht und Neid unter den Lehrern der
einzelnen Fakultäten gegen einander, sowie der jüngeren
Lehrer gegen die älteren das Gedeihen der Hochschule
nicht unwesentlich hinderten. Alle Klagen und Be-
schwerden der Fakultäten im allgemeinen, sowie der
Mitglieder derselben im besondern, Klagen und Be-
schwerden, die sich auch auf milsbräuchliche Handhabung
der Universitätsstatuten erstreckten, wurden direkt an
den Landesherrn gerichtet, und es mufs einer grolsen
Geduld und einer guten Laune seitens des Fürsten be-
durft haben, diese langathmigen , allerdings oft nicht
unberechtigten Beschwerdeschriften einer eingehenden
Prüfung zu unterwerfen, selbst wenn er sich dazu der
Hilfe seiner Räte bedient hat. Die gewöhnlichen Klagen
bei dem Lehrkörper betrafen die mangelhafte Ausübung
der Lektionen, meist hervorgerufen durch die sogenannten
Absentien, d. h. die oft Jahre lang dauernde Abwesenheit
der Lehrer von Leipzig. So befiehlt z. B. Herzog Georg
im Jahre 1502 den Doktoren der heiligen Schrift, deren
es nur wenige gab, die aber mit Pfründen versehen waren,
einen festen Gehalt bezogen und aulserdem noch Dom-
herrnstellen innehatten, ihre Vorlesungen aber nicht Welten,
weil sie gar nicht am Orte waren, Avas bei einigen sogar
16 Jahre lang der Fall gewesen war '^), zwischen AnfangNo-
15) Urkundenbuch S. 401.
lö) Sie sind gröfstenteils im Urkundenbuch der Universität
Leipzig, welches überhaupt den vorliegenden Mitteilungen zu Grunde
gelegt ist, veröffentlicht worden.
") Urkundenbuch S. 3u7.
3^0 Vyumn Stiilifl:
vember und Ostern des nächsten Jahres, also 150B, nach
Leipzi?: zu kommen und in ihrer Fakultät zu lesen. Auch
über die Mitglieder der andern Fakultäten wird geklagt,
dafs sie wegen Abwesenheit ihre Pflichten nicht erfüllten.
Die Juristen trieben noch nebenbei advokaturische Praxis,
sie wurden, wie es einmal heilst „in der Leute Sachen
aus der Universität gezogen", oder sie bekleideten höhere
Kicliterstellen ; sie waren z. B. Mitglieder des Hofgerichts,
des Eatskollegiums. Der Ordinarius, d. i. der erste
Professor der Juristenfakultät, rechtfertigt sich gelegent-
lich vor Herzog Georg deswegen, dals man ihm Vor-
würfe darüber mache, dafs er seine Vorlesungen nicht ordent-
lich hielte^^). Aber wie könne er denn das thun, wenn ihn
der Herzog-^ selbst nach Mühlhausen auf sechs Wochen
mitgenommen habe, wenn er dann auf drei bis vier Wochen
in Appellationssachen nach Dresden hätte reisen müssen
und wenn er alsdann auf sechs Wochen nach Kassel ge-
schickt worden sei. Das wäre alles in eine Zeit ge-
fallen, in der das beste Lesen gewesen sei, weshalb er
denn auch viele Schüler verloren habe. Das \\isse Gott,
dafs er in eigenen Angelegenheiten oder in anderen Sachen
innerhalb zweier Jahre nicht vierzehn Tage von Leipzig
fortgewesen sei. Am schlimmsten scheint es hinsichtlich
der Lektionen in der medizinischen Fakultät gewesen zu
sein. Da wird geklagt^^), dafs die Doktoren Avegzögen,
ohne andere bestellt zu haben, die ihre Vorlesungen hielten.
Mancher sei ohne weiteres zwei bis drei Jahre fortge-
blieben. Die Studenten beschwerten sich darüber, dafs
diejenigen Lehrer, die nützlich läsen, von denen sie also
etwas lernen könnten, selten zu hören seien, dafs statt
dessen die weniger guten Lehrer öfter Lektionen hielten.
Das hatte zur Folge, dafs die Studenten bei diesen nicht
mehr erschienen und die Lehrer dann auch von Leipzig
fortzogen. So kam es, dafs die ganze medizinische Fakul-
tät manchmal kaum zwei oder drei Studenten hatte. Über
den Dekan dieser Fakultät wird geklagt , dafs er mit
unerträglicher Mühe beladen sei, sodafs es ihm nicht
möglich wäre fleifsig zu lesen und den Nutzen der Fakul-
tät im Auge zu haben. Denn er sei im Ratskollegium,
im Schöppenstuhl, sei Leibarzt des Kurfürsten von Sachsen,
Kollegiat, Dekan, Lektor, aufserdem noch mit Haussorgen
1«) Urknndenbuch S. 393.
10) Ebendaselbbt S. 393.
Ans (lor Vergangpiiheit der Uiiiveisität Leipzig. H
beschwert, zu guleilelzt sei er aber auch noch l'aul.
Wenn die Lehrer überhaupt nicht fleilsiger wären, so
würden voraussichtlich wenig gelehrte Ärzte aus Leipzig
hervorgehen.
Allerdings mufs man nun hierbei berücksichtigen, und
das kann einigermalsen zur Eechtfertigung der säumigen
Lehrer dienen, dals die Besoldungen derselben, selbst für
damalige Verhältnisse, aul'serordentlich gering waren, wo-
runter namentlich die Mitglieder des Artistenfakultät zu
leiden hatten und worüber auch viel geklagt wui'de.
Gab es doch zu Anfang des 16. Jahrhunderts unter ihr
Lehrer, welche 20, 18, 16 oder auch nur 12 Gulden für
einzelne bestimmte Lektionen jährlich erhielten. Für
20 Gulden mufste z. B. ein Lektor in einem Jahre Moral-
philosophie, die politischen, ökonomischen und ethischen
Schriften des Aristoteles und Ciceros Werk über die
Pflichten lehren. Nach dem zweiten Jahre mulste der
ganze Kursus darüber beendet sein. Ebenso war ein
zweijähriger Kursus bestimmt mit 20 Gulden Besoldung
für jedes Jahr für die Erklärungen des Terenz, von Ovids
Fasten und Virgils Aeneide. Etwas höher im Preise
standen die Vorlesungen über Plinius; für diese sollte
der betreffende Lehrer jährlich 30 Gulden erhalten, und
zwar solle ein ganz besonderes Gewicht auf sie gelegt
werden, da Plinius ein vortrefflicher Autor sei-"). Da
wurde nun aber entgegengehalten, dafs man um diesen
Preis keinen geschickten und gelehrten Mann finden
werde, um so weniger als zur Erklärung des Plinius
viele Bücher notwendig seien. Bei der Auswahl in den
Lektionen über die griechischen und römischen Schrift-
steller wurde übrigens darauf Rücksicht genommen, av eiche
Ausgaben derselben am wohlfeilsten für die Studenten
zu bekommen waren. Livius wurde z. B. hauptsächlich
aus dem Grunde nicht vorgetragen, weil eine Ausgabe
desselben einen Gulden und noch mehr kostete, die Aus-
gaben auch schwer sich vermehren konnten, da, wie es
heifst, in diesen Landen nicht gedruckt werde. Das be-
treffende Schriftstück ist um das Jahr 1509 geschrieben-^).
Allerdings sei Livius auch etwas schwer verständlich.
Terenz und Virgil seien dagegen für den Anfang und zur
Unterweisung des gemeinen Lateins für den Studenten
20) Urkundenbuch S. 371.
-') Ebendaselbst S. 373.
12 T'.ruiKi Stübel:
meistens bequemer und wohlfeiler zu bekommen. Andere
Lehrer bekamen überhaupt gar keine Besoldung:? für ihre
Lektionen. Zu diesen Glücklichen gehörte unter andern
der Lehrer der Institutionen des römischen Rechts, also
einer sehr Avichtigen Materie.
Da ist es denn nun freilich nicht zu verwundern,
wenn die Lehrer durch Nebenämter ihren Unterhalt zu
verbessern trachteten. Daher auch die Anhäufung von
Ämtern bei einer einzigen Person, wie wir das oben bei
dem Dekan der medizinischen Fakultät sahen, wobei
wiederum das geringe Angebot von gelehrten Männern
in der damaligen Zeit zu berücksichtigen ist. Die Be-
soldungsverhältnisse wurden übrigens miter der Regierung
des Herzogs Moritz besser, der ja so reichliche Schenkungen
der Universität zuflielsen liefs.
Mitten unter diesen Klagen und Beschwerden über
Milsstände an der Universität wird doch hervorgehoben,
dals der Universität Leipzig keine in deutschen Landen
überlegen sei, auch nicht das heilige Köln, dals sie nach
Paris die berühmteste Universität sei. Dabei solle
sich jedermann und das ganze Haus von Sachsen be-
ruhigen--).
Unter den Fakultäten nahm die philosophische oder
Artistenfakultät von Anfang an eine hervorragende Stellung
ein, wie schon oben berührt wurde. Nicht nur, dals ihre
Mitglieder in der Regel die volle Hälfte der Gesamt-
zahl der Universitätsmitglieder überhaupt betrugen, nicht
nur, dafs die philosophische Magisterwürde vor allem er-
forderlich war, um in einer anderen Fakultät eine Würde
zu erlangen, sondern die Fakultät galt eben auch als
die Vertreterin der allgemeinen und grundlegenden Studien
für alle übrigen Spezialfächer-'^), sie wurde als der Ur-
sprung und die Mutter der anderen Fakultäten betrachtet.
Das Studium der Philosophie insonderheit habe, so heilst
es in einem Schreiben an Herzog Georg, von Gründung
der Universität an immer den Vorzug gehabt, wovon die
Folge gewesen sei, dals die Leipziger bei den anderen
Universitäten lange Zeit in dem Rufe guter Philosophen
gestanden hätten. Das Studium der Philosophie habe
bisher die Universität erhalten und daher sei es ge-
kommen, daliä die Universitäten zu Ligolstadt, Wittenberg
22) Urknndeiibuch S. 288. 290.
23) Gersdorf a. a. 0. S. 13. 14.
Aus der Vergangenheit der Universität Leipzig. 13
und Frankfurt a. 0. so in Ansehen stünden, weil sie
durch die drei, früher in Leipzig wirkenden Philosophen
Johannes Permeter, Martin Pollich und Konrad Koch mit
errichtet worden seien -^). Deswegen solle man alles auf-
bieten, solch Fundament nicht zu zerstören. Denn sollten,
und das scheint die Fakultät befürchtet zu haben, Jura
und Poetica die Oberhand gewinnen, so würden Zustände
eintreten wie an der Universität Mainz, wo oftmals kaum
100 Studenten vorhanden seien, eben weil dort diesen
beiden Fächern der Vorzug eingeräumt sei.
Von einer freien und tiefergehenden Behandlung der
Wissenschaften konnte damals am Anfang des 16. Jahr-
hunderts an den Universitäten noch keine Rede sein;
mulsten diese doch gleichzeitig noch die Stelle einnehmen,
die heute unsere Gymnasien einnehmen, mulsten sie die
Studierenden doch erst zu den höheren Studien, zu den
Universitäten im heutigen Sinne des Wortes, vorbereiten.
Das wurde erst mit dem Auftreten des Humanismus,
erst mit der Reformation anders, als die scholastischen
Fesseln, in denen die Wissenschaften bis dahin gelegen
hatten, allmählich zerbrochen wurden.
Es war den einzelnen Fakultäten genau vorgeschrieben,
welche Disziplin und zu welcher Zeit, zu welcher Stunde
diese vorgetragen werden mulste. So war z. B. in der
Juristenfakultät der Ordinarius verpflichtet, im Sommer
früh um fünf und im Winter früh um sechs Uhr geist-
liches oder kanonisches Recht, d. h. die ersten beiden
Bücher der Dekretalen des Corpus juris canonici, jedes
bis zu einem genau angegebenen Titel oder Paragraphen,
zu lehren. Dann sollte im Sommer früh um sieben und
im Winter früh um acht Uhr weltliches Recht, worunter
man damals nur das in Deutschland bereits eingeführte
römische Recht verstand, gelehrt werden, also z. B. die
Pandekten, hierauf wieder zu einer späteren Stunde die
Institutionen u. s. f.-''). Wie das römische Recht damals
im 16. Jahrhundert interpretiert wurde, so wird es grölsten-
teils noch heute an unseren Universitäten interpretiert.
Die Mediziner waren in den frühesten Zeiten , und.
das lag ja in der Natur der Sache, mehr auf die Theorie
ihrer Wissenschaft angewiesen, und zwar war für die
ganze Medizin ein dreijähriger Kursus vorgeschrieben-").
2*) Urkundeubuch S. 318.
2^0 Ebendaselbst S. 334.
26) Ebendaselbst S. 337.
14 r>rnno Stnbol :
Auch hier beg-aiin man frühzeitig am Tage die Vor-
lesungen. Im Sommer früh um sechs, im Winter früh
um sieben Uhr wurden der Kanon des Avicenna-'),
die Arzneikunst des Galenus und die Aphorismen des
Hippokrates vorgetragen. Der praktische Kursus bestand
in der Erklärung der Bücher des ebenfalls berühmten
arabischen Arztes Rhazes"^) über die Fieber und über
die Heilkunde im allgemeinen. Wie schlimm es aber
eigentlich mit der praktischen Medizin bestellt war, das
geht daraus hervor, dafs man an das Fundament des
medizinischen Studiums, an die Anatomie, bis zum Jahre
1506 noch gar nicht gedacht, geschweige denn es gelehrt
hatte. Die damaligen Ärzte kurierten die Menschen meist
ohne irgend welche praktisch - anatomischen Kennt-
nisse zu besitzen. Erst nach dem Jahre 1506 wird ein-
mal bemerkt, dafs es zur Anspornung zu dem Studium
der Medizin nicht wenig beitragen würde, wenn die
Doktoren ihren Schülern Anatomie oder die Zergliederung
unvernünftiger Tiere oder auch zum Tode verurteilter
Menschen zeigten, damit die Schüler den menschlichen
Leib kennen lernten. Dieser AVunsch wurde dann später
wiederholt, und erst im Jahre 1555 gelang es der Fakultät
ein Lokal für ein anatomisches Theater zu erlangen-^).
Die dritte Professur in der medizinischen Fakultät, die
der Physiologie, wurde von Herzog Georg erst im Jahre
1531 gegründet-^"). Originell ist es, dals dabei dem jedes-
maligen Lehrer der Ph3^siologie zur Pflicht gemacht wurde,
den in dem Johannis-Hospital befindlichen, mit der fran-
zösischen Kj-aukheit behafteten armen Leuten unentgeltlich
ärztlichen Rat zu erteilen. Übrigens hatten die damaligen
praktischen Mediziner mit einer Plage,. .einem Übel zu
kämpfen, mit dem auch unsere heutigen Ärzte, und heute
mehr denn je, zu kämpfen haben, nämlich mit den so-
genannten Kurpfuschern oder Naturärzten. Nur waren
damals diese Auswüchse in Anbetracht des traurigen
Standes der ärztlichen Wissenschaft sehr erklärlich. Zu
wiederholtenmalen ersuchen die Doktoren der Medizin
-■') Ibii Sina Avicenna, berühmter arabischer Arzt und Philosoph,
gest. lO.'W. Sein Kanon ist ein im wesentlichen an Galen sich an-
schliefsendes System der Medizin, eine aus arabischen Quellen ge-
schöpfte Kompilation der griechischen Medizin.
-'*) Geboren 850, gestorben um das Jahr 932.
2») Urkundenbuch S. G28.
«") Ebendaselbst S. 485.
Aus der Veri>angenheit der Universität Leipzig. 15
den Herzog-, dafs die Landfahrer, „die do Arzeneien pflegen
und die Kunst nie gelart, und die empirici une erlaubnus
der doctoren" in der Arznei nicht zugelassen werden
sollen. Es trieben sich viele Landläufer im Lande um-
her, die den Leuten Arznei in den Leib und auf andere
Weise gäben, wodurch das Volk betrogen würde. Keiner
solle auf dem Lande und in der Stadt Leipzig zugelassen
werden, der nicht in der Universität seine Kunst und
sein Doktorat nachweisen könne ^').
Kommen wir nun schlielslich auf die Studentenschaft
der damaligen Zeit zu sprechen, so ist in den Urkunden
und Akten über den Geist, der in derselben herrschte,
wahrhaftig kein Mangel an Klagen und Beschwerden an-
zutretfen. Dals der Eleiis der Studenten sehr viel zu
wünschen übrig liels, das kann uns freilich nicht Wunder
nehmen, wenn wir erwägen, dals es ja auch die Lehrer
vielfach an Fleils und Anregung fehlen liefsen. Doch
dieser Vorwurf des mangelhaften Fleilses, den man der
Studentenschaft machen konnte, wäre allenfalls noch zu
ertragen gewesen, er ist wohl zu jeder Zeit nicht ganz
unberechtigt, wenn nur die Sitten, der Lebenswandel, die
Gewohnheiten, die - Disziplin der Studenten manchmal
besser gewesen wären. Aber auch in diesem Falle müssen
wir zur Entschuldigung den damaligen Zeitgeist in Betracht
ziehen. Wenn heutzutage der junge Mann, der die
Schule verlassen hat, die Universität bezieht und im Be-
griäe steht, die akademische Freiheit in vollen Zügen zu
geniefsen, das Bewulstsein hat, nunmehr als Student eine
gewisse Stellung in der Gesellschaft einzunehmen, sich
von Anfang an im Kreise gleichgebildeter Männer frei
bewegen kann, so hat er es besser, als es der Mulus der
früheren Zeiten hatte. Wenn der in eine Universitäts-
stadt einzog, so wurde er sofort von den älteren Studenten
mit Rohheiten und derben Spälsen empfangen, die oftmals
verhängnisvoll für seine Gesundheit wurden. Er galt
nämlich nicht als ein Mensch, sondern als ein Tier, als
pecus campi, und mufste erst zu einem Menschen gemacht,
mulste erst enttiert werden. Das geschah durch die so-
genannte Deposition oder Fuchstaufe, wobei dem Be-
treifenden ein groliser Hut mit Bockshörnern aufgesetzt
und der ganze Körper mit unglaublichen Instrumenten
bearbeitet wurde. Die deutsche Gesellschaft zur Er-
«') Urkiindenbuch S. 341.
16 Bruno Stübel:
Ibrscliung vaterländischer Sprache und Altertümer zu
Leipzig ist im Besitze einer vollständigen Sammlung
solcher Depositionsinstrumente , die kulturhistorisch von
hohem Werte ist. Erst nach dieser Prozedur, die
der Betreffende, wie gesagt, nicht selten mit dem Leben
hülsen mulste, galt der Mulus als ein anständiger Mensch,
konnte er sich immatrikulieren lassen, erhielt er das
akademische Bürgerrecht. Aber auch während der ganzen
ersten Zeit hatte der nunmehrige junge Student von bos-
haften Quälereien und Neckereien seitens der älteren
Kommilitonen viel zu leiden, die trotz aller Strafen da-
gegen doch fortbestanden, und die der Student dann
natürlich später selbst an anderen ausübte. In einem
Schreiben an Herzog Georg heilst es unter anderm, es
sei am Tage, dals man der Universität fromme und ge-
horsame Kinder herscliicke, wie sie aber wiederum ins
väterliche Haus kämen, das wisse Gott. Es sei zu be-
sorgen, mit wenig Freuden der Eltern. Deswegen
sei es notwendig, dafs ein jeder Magister fleilsig auf die
Seinen achte, denn nur bei guten Sitten könnten die
Wissenschaften gelernt werden-^-). Damit dies nun der
Fall sein konnte und weil die jungen Leute meist in sehr
jugendlichem Alter die Universität bezogen, wurde ver-
ordnet, dais jedem Studenten ohne Ausnahme ein Präzeptor,
d. h. ein Doktor oder Magister zur Seite gegeben werden
solle, dem die Pflicht oblag, für ihn zu sorgen, ihn an-
zuweisen, welche Studien am nützlichsten für ihn seien,
ihn überhaupt in Zucht und Gehorsam zu halten. Wenn
es ursprünglich Sitte war und gesetzlich fest bestimmt,
dafs die Lehrer und Studierenden gemeinschaftlich in den
Kollegien oder Bursen zusammenleben sollten, so war diese
Bestimmung im Laufe der Zeit vielfach aulser Acht ge-
lassen worden, und im Anfange des 16. Jahrhunderts
stolsen wir auf wiederholte Verordnungen, die es den
Universitätsmitgliedern auf das strengste einschärfen, dieses
Zusammenleben nicht zu umgehen. Denn es sei, so klagen
die Mitglieder der Artistenfakultät einmal bei Herzog
Georg, ein merkliches Gebrechen an dieser Universität,
dals die Studenten schwer daran zu gewöhnen seien, in
den Kollegien oder Bursen zu leben, sondern statt dessen
bei den Bürgern in der Stadt wohnten, mit den Hand-
werksleuten umgingen, des Nachts aus ihren Wohnungen
3-) Urkundenbuch S. 28«.
Aus der Vergangenheit der Universität Leipzig. 17
liefen, die Leute beschädigten, Aufruhr anstifteten, ein
böses, schändliches Leben führten, wodurch sie von dem
Studium, den Disputationen, dem Lateinsprechen, den
guten Sitten, wodurch sie von Gehorsam, Zucht und Ehre
abgezogen würden. Zu allem diesen sollten sie eben in
den Kollegien angehalten werden. Lidessen so muster-
haft güig es auch hier nicht zu. Da wird geklagt"^'^),
dals die Studenten z. B. bei den gemeinschaftlichen Mahl-
zeiten sich ohne Scheu und Sitten betrügen, kein Latein
sprächen, dagegen sich auf das allerschändlichste von
fleischlichen Sachen unterhielten, geklagt, dals einer
den andern verführe, dals sie nach dem Essen an unehr-
liche Orte gingen, wo sie gleichgesinnte Genossen zu
Haufen anträfen. Wenn nun dann der Propst desKollegiums
oder irgend ein anderer Kollegiat oder Magister ihnen
Vorwürfe darüber machten, so drohten sie mit Schlägen,
denn sie trügen alle täglich lange Messer ohne Scheu
bei sich. Zu den ständigsten Klagen über die Studenten
gehörten überhaupt diejenigen, die das Führen von Waffen
oder anderen gefährlichen Gegenständen betrafen, ebenso
wie es die Bürger zu thun pflegten. Da heilst es, dafs
die Studenten öffentlich Messer, Degen und andere Waffen
bei sich führten, was sie doch nicht durften. Lud sie nun
der Eektor vor sich, um sie deswegen zur Rechenschaft
zu ziehen und zu strafen, so weigerten sie sich die Strafe
über sich ergehen zu lassen, indem sie sagten, sie wären
edel"^). Gegen dieses Verbot des Waffentragens seitens
der Studenten liefs sich aber nichts machen, so lange es
nicht auch den Bürgern und Handwerksgesellen verboten
wurde, bewaffnet einherzugehen. Diese Unsitte führte
nun oftmals zu furchtbaren Excessen zwischen den Bürgern
und den Studenten, Excessen, die zu förmlichen Schlachten
ausarteten, wie wir sie in den Akten des 16. Jahrhunderts
so drastisch geschildert flnden. Die dabei beteiligten
Studenten waren in der Regel eben solche, die nicht in
den Kollegien, sondern bei den Bürgern in der Stadt
wohnten und verköstigt wurden und behaupteten gänzlich
ihren freien Willen zu haben und niemandem gehorchen
zu müssen. Ein solcher Excels fand z. B. zu Pfingsten
des Jahres 1520 statt. Da hatte ein Fechtmeister auf
dem fürstlichen Schlosse zu Leipzig Fechtschule gehalten
33) Urkundenbuch S. 313.
>^) Ebendaselbst S. 279.
Neues Archiv f. S. 0. u. A. XIV. 1. •,'.
18 Brano Stübel:
und war darnacli, wie es Sitte war, mit seinen Gesellen
mit Trommeln und Pfeifen durch die Gassen gezogen und
zuletzt auch durch die Ritterstrafse , wo sich das neue
Kollegium befand. Aus diesem kamen nun die Studenten
herausgelaufen, fielen über den Fechtmeister und seine
Truppen her, zerstachen und zerschlugen ihnen die Trom-
meln, warfen mit Steinen und verursachten somit einen
gewaltigen Aufruhr, der mehrere Tage dauerte und immer
von neuem wieder ausbrach, wobei es viele tötliche Ver-
wundungen gab, ein Schustergeselle sogar auf der Stelle
getötet worden war. Ein anderer schwerer Excefs er-
eignete sich im Jahre 1539, dadurch hervorgerufen, dals
ein Riemergeselle auf freier offener Gasse einen Studenten,
namens Christoph Potzscher aus Timm, der unbewaffnet
gewesen war, ermordet und ihn seiner Sachen beraubt
hatte. Auch mit den Kürschnergesellen standen die
Studenten oft auf gespanntem Fulse. Natürlich konnten
solche Zwistigkeiten zwischen den Handwerkern und den
Studenten auch die Harmonie zwischen dem Rate der
Stadt Leipzig und der Universität nicht erhöhen, denn
beide nahmen gewöhnhch Partei für die Ihrigen. In
Betreff des Waffentragens wollte keiner von ihnen nach-
geben. Der Rat behauptete, die Universität müsse den
Anfang mit dem Verbote machen, und die Universität
wieder behauptete, dem Rate käme es zu, die Initiative
zu ergreifen. Erst Herzog Moritz erlieis am 3. Mai des
Jahres 1545 eine energische Verordnung"^"*), wonach be-
fohlen wurde, dafs hinfürder kein Student, weis Standes oder
Alters er auch sei, eineWehre, Büchse, Messer, Bleikugel etc.
tragen dürfe, welches Gebot der Rektor alle Vierteljahre
zu verkünden habe, desgleichen, dals alle Handwerksleute,
ob sie gleich eigene Häuser hätten und Bürger seien, dazu
alle Handwerks- und andere ledige Gesellen in der Stadt
Leipzig ebenfalls keine Wehre tragen sollten bei Strafe
des Gefängnisses und der Verweisung. Auch der Rat
solle es alle Vierteljahre verkünden und in den Herbergen
der Handwerksgesellen schriftlich anschlagen lassen. Denn
weil die Stadt Leipzig Frieden, Recht und Schutz habe,
so befiehlt der Herzog, dals die Ungehorsamen und Ver-
ächter dieses seines Gebotes nicht ungestraft bleiben
sollten. Kein Student noch Bürger dürfe bei nächtlicher
'•') Urkuiulcnbuch S. 584. 585.
Aus der Vergangfenheit der Universität Leipzig. 10
Zeit iiacli nenn Uhr anf der Gasse ohne Geschäfte und
zur Winterszeit ohne Licht gehen.
Hatte nun die Universität oftmals Grund genug, sich
bei dem Landesfürsten über das Betragen der Studenten
zu beschweren, so kamen doch auch umgekehrt Fälle vor,
wo sich die Studenten über die Universität, d. h. über
die Lehrer, bei dem Fürsten beschwerten. So hatten
unter andern im Jahre 1516 die Studenten bei Herzog
Georg geklagt ■^'^), dals sie von den Lehrern wie die Blut-
egel ausgesaugt würden; wie diese das Blut saugten, also
saugten sie, die Lehrer, ihnen das Geld aus dem Beutel,
auch zu Zeiten mit V^erletzung der Ehre und des guten
Rufes der Studenten. Da behauptete nun die Universität,
das sei nicht wahr, im Gegenteil würden, gemäls der
Verordnung des Herzogs, alle Lektionen und Exerzitien
ohne Geld und ohne Aussaugung der Studenten umsonst
gelesen. Das Geld würde nur denjenigen Studenten aus
dem Beutel gezogen, die ungehorsam seien, d. h. die ohne
Präzeptoren bei den Bürgern lebten und mit diesen um-
gingen, aber nicht denjenigen, die wöchentlich für fünf
Groschen bei einem Magister Essen und Trinken hätten.
Ebensowenig sei es wahr, dafs, wie die Studenten klagten,
alles, was die Universität vornähme, nur nach Gunst und
Heuchelei ginge, dals alles nur aus Geiz um des Geldes
Willen geschähe und dafs kein Unterschied zwischen
Gelehrten und Ungelehrten gemacht würde, dafs die taug-
lichen Lehrer vertrieben und die untauglichen befördert
würden. Das seien alles böswillige Verleumdungen.
Und nun folgt noch eine lange Rechtfertigung vor dem
Herzog, auf die wir jedoch hier nicht näher eingehen
wollen.
Wenn wir bei unseren Betrachtungen über die Ver-
gangenheit der Leipziger Hochschule vor allem das
16. Jahrhundert ins Auge gefalst haben, so hat das ein-
mal seinen Grund darin , dals uns für diesen Zeitraum
ein überaus reiches handschriftliches Material zu Gebote
steht, und sodann , dals diese Zeit im Hinblick auf die
Verfassungsgeschichte , die Behandlung der einzelnen
Wissenschaften, auf das soziale Leben an unserer Uni-
versität, ungeachtet so mancher Schattenseiten und so
arger Milsstände, von ganz besonderer Bedeutung ge-
wesen ist. Fallen doch in diese Zeit hochwichtige Ver-
3«'
) ürknn.leiibnfh S. 424. 425.
20 T^- Stübel : Aus der Verg-angenheit der Universität Leipzig.
änderungeii, welche unter den Regierungen der Herzöge
Georg, Heinrich und Moritz mit der Verfassung der
Universität vorgenommen worden sind und diese für
eine lange Zeit zum Abschluls gebracht haben, fällt
doch in diese Zeit die ungeheuere Umwälzung, welche
die Wissenschaften durch die Reformation erlitten, die
gewaltige Gährung, die durch dieses weltgeschichtliche
Ereignis ohne Gleichen sich der Gemüter der Menschen
bemächtigt hatte. Wie im grossen das IG. Jahrhundert
eine der bedeutsamsten Zeitepochen der AVeltgeschichte
ist, so ist es im kleinen auch in der Geschichte unserer
Universität eine der bedeutsamsten, interessantesten
Epochen gewesen.
II.
Eiue kursächsische Gesandtschaft nach
Frankreich im Jahre 1540.
Vou
Paul Vetter.
Trotz des wertvollen Materials, das in neuerer Zeit
ßamngarten und insbesondere Lenz für die Aufklärung
der Beziehungen Frankreichs zum schmalkaldischen Bunde
beigebracht haben, giebt es eine Reihe von Fragen, über
die eine endgiltige Entscheidung noch nicht getroifen
werden kann. Gerade für eine Anzahl sehr wertvoller
gelegentlicher Äulserungen vortrefflich Unterrichteter
fehlten und fehlen bisher noch die urkundlichen Belege.
Schon Seckendorf ^) hatte in seiner Geschichte der Luthe-
rischen Kirchenreformation auf eine Gesandtschaft des
Kurfürsten von Sachsen nach Frankreich, auf die Sen-
dung des Matthias von Wallenrod, aufmerksam ge-
macht, auch einige Notizen aus der Relation wieder-
gegeben, ohne dals sich weitere Nachforschungen an diese
hingeworfenen, mit den geschilderten Ereignissen nicht
allzusehr in Verbindung stehenden Bemerkungen geknüpft
hätten. Einiges neue Material brachte, von einer Notiz
bei Neudecker'-) abgesehen, erst Bucholtz im IX. Bande '^j
seiner Geschichte Ferdinands I. bei, in dem wir von einer
sächsischen Gesandtschaft nach Frankreich im Juli 1540
hören, ohne freilich über die Person des Gesandten und
*) Commeutarius de Lutherauismo III, 21 § LXXVIII.
2) Neudecker, Urkunden aus der Eeforniationszeit S. 568.
») S. 256 ff., vergi. auch IV, B6U.
22 Taul Vetter :
den Zweck der Sendung näheres zu erlaliren. Auf eine
Mitteilung bei Eeccadelli') endlich, ni der seitens des
Nuntius am französischen Hofe von protestantischen Ge-
sandtschaften gesprochen wird, hat neuerdings Dittrich''*)
hingewiesen. Inwieweit die letztere der Berichtigung
bedarf, werden die folgenden Erörterungen darlegen").
Sehr bemerkenswert ist es, dafs wir in dem von Lenz
herausgegebenen Briefwechsel Philipps von Hessen mit
Bucer und seinen hervorragendsten hessischen Staats-
männern auch nicht eine nur versteckte Anspielung auf
diese Gesandtschaft, die auf die kaiserlichen Minister
bedeutenden Eindruck gemacht zu haben scheint, vor-
finden. Ja selbst in dem Briefwechsel Sleidans und des
Kardinals du Bellay, von dem freilich nur ein sehr
geringer Teil erhalten ist, wird der Sendung Wallenrods
nirgends gedacht. Unter solchen Umständen wird die
Mitwisserschaft Sieberts von Löwenberg, des diplo-
matischen Agenten Philipps in den Niederlanden, eines
gewandten aber ehrgeizigen Mannes, der damals nichts
sehnlicher wünschte, als auf die Politik seines Herrn
gegenüber dem Kaiserhofe einen entscheidenden Eintiuls
auszuüben, geradezu verdächtig. Wie kam der Landgraf
dazu, ihm vor allen anderen Käten sein Vertrauen zu
schenken und ihn Einsicht in AVallenrods Eelation nehmen
zu lassen? Bei der fast wörtlichen Übereinstimmung des
Berichts'}, den der kaiserliche Rat Cornelius Scepper
von den Enthüllungen Sieberts über die Beziehungen
der Protestanten zu Frankreich Granvelle gab, mit
der genannten Relation selbst möchte man glauben, dafs
Siebert eine Abschrift in die Niederlande mitgenommen
habe. Durch ihn haben die Minister Karls erst genauere
Kenntnis von dem Erfolge der Mission Wallenrods erhalten,
wenn auch die Gesandtschaft als solche ihnen, dank der
Mitteilsamkeit der kaiserfreundlichen Partei am Hofe
^) Mon. di varialetteratura I, 2, 128—131, vergl. dazu Dittrich,
Regesten und Briefe des Cardinnls G. Contarini S. 100 und Vetter,
Religionsverhandlungen auf dem Reichstage zu Regensburg 1541,
S. 51.
'>) Dittrich, G. Contarini S. 590.
^) Von den neueren Bearbeitern der Ereignisse des Jahres 1540
gedenken nur Janssen und Moses des Scepperschen Berichts , ohne
ihn jedoch mit Wallenrods Gesandtschaft, deren Erwälinung bei Secken-
dorf ihnen entgangen ist, in Verbindung zu l)ringen.
') Abgedruckt bei Bucholtz IX, 256 ff.
Eine kiirsächsische Gesandtschaft 1540. 23
Franz I., nicht unbekannt geblieben sein mag^). Die Frage,
ob Siebert zu solchen Eröffnungen ermächtigt gewesen
ist"), lälst sich vorläufig noch nicht mit völliger Gewils-
heit beantworten. Könnte nachgewiesen werden, dals von
den hessischen Staatsmännern Siebert allein von Wallen-
rods Sendung Kenntnis erhalten, dann dürfte erwiesen
sein, dafs der Landgraf bereit war, sich auf Kosten
seines Bundesgenossen, durch offenen Verrat seiner Be-
ziehungen zu Frankreich die Verzeihung des Kaisers zu
erkaufen.
Die nachfolgenden Mitteilungen über die Gesandt-
schaft Wallenrods sind den Akten des Marburger Archivs^*')
entnommen.
Nach dem Scheitern der Ausgleichsverhandlungen
mit Karl V. in den Jahren 1539 und 1540 war am Hofe
Franz I. ein völliger Umschwung in den politischen Partei-
verhältnissen'^) eingetreten. Zu tief hatte sich der
Connetable Montmorency mit dem Kaiser eingelassen,
um noch weiterhin einen bedeutenderen Einflufs auf die
änlsere Politik seines Herrn ausüben zu können, wenn-
gleich erst Ende 1540 seine schöne Feindin, die Herzogin
von Estampes, seinen Sturz herbeizuführen vermochte.
Sein Erbe traten zunächst der Kanzler Poj^et und der
Kardinal von Tournon an, beide, in besonderem Grade
Poyet, ehrgeizige Naturen ohne höhere staatsmännische
Befähigung, ja ohne ein nur halbwegs durchführbares
politisches Programm, die sich dem Könige lediglich durch
ihren katholischen Eifer und die fanatische Verfolgung
der Bekenner des Protestantismus in Frankreich empfahlen.
Franz I. war über das Scheitern der Verhandlungen um
so tiefer erregt, je grölsere Hoffnungen er auf sie gesetzt.
Alle seine Bemühungen, all sein Entgegenkommen waren
erfolglos gewesen. Nicht nur dafs er der Versuchung,
sich Karls Person auf der Reise durch Frankreich zu
bemächtigen, widerstanden, daß er Gents Erhebung un-
benutzt gelassen, er hatte seine Beziehungen zu den
deutschen Protestanten abgebrochen, ja zugelassen, dafs
8) Vergl. Ruble, Le manage de Jeanne d' Albret S. 64, (i6f., 70.
0) Vergl. auch Lenz , Briefwechsel Philipps von Hessen mit Bucer
I, 492 f.
^0) Marb. Archiv: Schmalkaldischer Bund 1540.
") Über die Verhältnisse am französischen Hofe vergl. Ruble,
Le mariage de Jeanne d' Albret (Paris 1877) undDecrue, Anne de
Montmorency (Paris 1885).
24 Paul Vetter:
Moiitmorency den Kaiser Einsicht in den Briefwechsel
mit denselben nehmen liels. Nnn sollte all die ver-
schwenderische Gastfrenndscliaft , die gToIsmütige Preis-
gabe wiclitiger politischer Momente nnd Interessen ohne
greifbaren Nutzen gewesen sein! Die Erbitterung über
die fehlgeschlagenen Hoffnungen wuchs mit der Einsicht,
dafs ein Krieg gegen den Kaiser vor der Hand wenig
Aussicht auf Erfolg verspracli. Siegreich hatte Karl den
Aufstand der Genter niedergeschlagen, der Friede in
Deutschland schien wenigstens bis zum Ausfalle des ge-
planten Eeligionsgesprächs vorläufig gesichert. Unter
solchen Umständen war es nicht zu verwundern, wenn
am Hofe zu Blois die Männer Einflufs gewannen, die ein
Zusammengehen Frankreichs mit den deutschen Prote-
stanten befürworteten. Abermals erhielten die Brüder
du Bella}^ Einflufs auf die Politik ihres Königs, freilicli
nur langsam und allmählich und immer im Kampfe mit
dem fanatischen Eifer des Kanzlers und seiner Partei.
Jean du Bellay, der Kardinal von Paris, ist ein würdiger
Vorgänger jener grofsen französischen Staatsmänner des
17. Jahrhunderts, die wie ihn der Purpur des Kardin alats
schmückte. Umsichtig und staatsklug in hohem Mafse,
wenig bedenklich in der Wahl der Mittel, wenn es die
Erreichung des Zieles gilt, immer bereit sich mit den
Feinden seines Glaubens zu verbinden, ein unversöhnlicher
Gegner der habsburgischen Weltmacht, hat ihm nur der
mafsgebende Einflufs gefehlt, um Grofses zu leisten. Der
französischen Politik war das Ziel gesteckt, alle Gegner
des Kaisers an sich ziehen, insbesondere Karls Stellung
in Deutschland zu untergraben. Zunächst gelang es, den
Herzog von Jülich und Kleve, der mit dem Kaiser um
den Besitz von Geldern im Streite lag, ins französische
Interesse zu ziehen. Mit leidenschaftlichem Eifer betrieb
Franz die Verlobung seiner Nichte Jeanne d'Albret mit
dem Herzoge, trotz der Intriguen Spaniens und Englands.
Nach Deutschland auf den Hagenauer Tag, der die
Religionsvergleichung vorzubereiten bestimmt war, ward
eine Gesandtschaft abgeordnet, um, wenn sich ein Bünd-
nis mit den Protestanten unmöglich zeigen sollte, doch
wenigstens die Einigung der streitenden Konfessionen zu
erschweren und zu verhindern.
Da war es verhängnisvoll für die Pläne des so um-
sichtigen und staatsklugen Kardinals, dafs zum Unter-
händler mit den deutschen Protestanten auf dem Hage-
Eine kursächsische Gesandtschaft 1540. 25
iiauer Tage ein Mann auserselien wurde, der, selbst ein
eifriger Katliolik, noch dazu vom Kanzler Poyet seine
Instruktion erhielt'-). Die kühle Zurückhaltung, mit der
Bait den Protestanten begegnete, war um so weniger an-
gebracht, als gerade bei den Führern des Schmalkaldischen
Bundes nach den mannigfachen Enttäuschungen und Be-
fürchtungen, die die Verhandlungen mit den kaiserlichen
Ministern hervorgerufen hatten, der Gedanke eines Bünd-
nisses mit Frankreich immer wieder aufgetaucht war''^).
Inwieweit Sleidans geheime Sendung, die du Bellay, der
Baifs bedenkliche Eigenschaften zu spät erkannt zu haben
scheint, noch nachträglich durchzusetzen wufste, Erfolg
gehabt, vermögen wir leider nicht völlig nachzuweisen.
Aus französischen Nachrichten^^) geht hervor, dafs die
protestantischen Buudesoberhauptleute eine Gesandtschaft
nach Frankreich in Aussicht gestellt: ob in ihrem Namen
oder von Bundeswegen, mufs dahingestellt bleiben. Wie
wir aus einer bisher unbekannten Korrespondenz des
Landgrafen mit dem Kurfürsten erfahren , müssen die
Bundespläne viel weiter gegangen sein, als man bisher
angenommen hat '"•). Aus einem undatierten Briefe Philipps,
der etwa in die letzten Tage des Juli oder in den Anfang
des August zu setzen ist^*^), ersehen Avir, dals bei den
protestantischen Führern, w^olü nach dem Mifserfolge der
Gesandtschaft an den Kaiser, der Plan entstanden, im
Bündnisse mit den Königen von Ungarn, Frankreich und
Polen Karl V. entgegenzutreten. Sowohl Franz I. wie
Johann Zapolya hatten durch besondere Gesandte ^")
darum geworben, und Philipp und Johann Friedrich waren
übereingekommen, zunächst nach Frankreich und zwar
zuvörderst im eignen Namen eine Gesandtschaft zu
schicken. Die Festsetzung der Instruktion war dem
Kurfürsten überlassen worden. Da verdarb im letzten
Momente Philipps Benehmen in der leidigen Frage der
'*) Leaz I, 197. Baum garten, Sleidans Briefwechsel S. 15 f.
Vergl. auch Moses, Religionsverhandlungen zu Hagenau und Worms
1540 und 1541 S. 49 ff.
'3) Neudecker, Urkunden S. 532, 547 u. ö.
") Baumgarten, Sleidans Briefwechsel S. 6, 14 u. ö.
1^) Vergl. auch Lenz I, 210 ff.
16-) Vergl. Neudecker, Urkunden S. 567.
^■') Franz durch Sleidan, Johann durch Kaspar Winzer, vergl.
auch Lenz I, 473._ Über die geplante Gesandtschaft nach Polen:
Lenz I. .■)77. .o80. Über die Gesandtschaft nacli Ungarn: Lenz 1,211.
377. Neudecker, Urkunden S. 524 ff.
2Q Taiil Vetter:
JJigamie die Ausführung des Planes. Mit Mühe und nur
unter der Bedingung der Geheimhaltung hatte er die
Zustimmung der Wittenberger Reformatoren zu einer
Nebenehe mit einem Hoffräulein seiner Schwester, der
Herzogin von Rochlitz, erlangt. Kurz nach der Schlielsung
dieser Ehe war durch die Schuld des Landgrafen das
Geheimnis verletzt worden. Hierauf lehnten der Kur-
fürst und seine Theologen weitere Zugeständnisse ab,
Johann Friedrich verweigerte sogar eine Unterstützung
für den Fall, dals der Landgraf vom Kaiser für die
Digamie zur Rechenschaft gezogen werde. Als nun Ende
Juli der Kurfürst die Instruktion, deutsch und lateinisch
ausgefertigt, dem Landgrafen'^) zusandte, hatte die
Stellung Johann Friedrichs und mit ihm der Mehrzahl
der protestantischen Stände zur Digamie Philipps Ge-
danken so weltbewegenden Plänen bereits Avieder ent-
fremdet. Die Sorge um die eigne Haut war an die Stelle
der kühnen Offensivpolitik getreten, und ein Jahr lang,
in der kritischsten Lage, in der sich Karl V. je befunden,
dreht sich die ganze Staatskunst des Landgrafen um
diesen einen Punkt. Der Kurfürst erhielt eine abschlägige
Antwort. Der Hauptgrund , den Philipp für sein Ver-
halten anfühl te, war die Besorgnis, den Kaiser noch mehr
zu erbittern und die Vergleichung zu erschweren. So-
dann bedachte er auf einmal, dafs man ohne Rat und
Vorwissen der anderen Bundesstände nicht wohl vorgehen
könne '^); ihre Zustimmung aber werde nicht sobald, wie
es der Kurfürst wünsche, zu erreichen sein. Ein selb-
ständiges Vorgehen werde sie beide nur dem Zorne des
Kaisers blofsstellen, und er, Philipp, wisse noch nicht ein-
mal, was er dann, wenn ihn der Kaiser für die Digamie
zur Rechenschaft ziehe, von seinen Bundesgenossen zu
erwarten habe. Lasse man ihn dann im Stiche, so fehlten
ihm die Mittel, sich Kaiser und König gnädig zu machen.
Schon taucht der Gedanke, für des Kaisers Gnade sich
in seinen Dienst gegen feindliche Potentaten zu begeben,
auf; offen gesteht er seinem Verbündeten, dals er lieber
ein „Verständnis" mit dem Kaiser suchen wilP"). Der
Kurfürst antwortete mit dem Hinweise, dals Philipp selbst
ein Bündnis mit Frankreich gewollt. Die Digamie als
IS) Vergl. Neu decke r, Urkuudeu S. 367.
10) Vergl. auch LenzI, 216.
20) Vergl. dazu Bucholtz iX, 258.
Eine kursäclisi.sche Gesandtschaft 1540. 27
Relipfionssaclie zu betrachten, lehnte er rundweg ab; wenn
der Landgraf sich den Eisenacher Bestimmungen gemäls
gehalten hätte, wäre seine Sorge unnötig.
Mit der Weigerung Philipps war aucli für Kursachsen
ein Bündnis mit Frankreich zunächst aulser Frage gestellt.
Aber die Beziehungen zu Kleve -^) gestatteten einerseits
dem Kurfürsten nicht, die Verbindung mit Frankreich
völlig fallen zu lassen; gaben ihm doch die jülichschen
Heiratsverträge, wenngleich noch unbestätigt, wertvolle
Ansprüche auf diese Länder. Andrerseits lag es im Literesse
der Protestanten selbst, den König nicht durch eine
schroffe Zurückweisung seiner Bündnisabsichten zu reizen,
vielmehr den AVeg zu einer Verständigung so lange als
möglich offen zu halten. Eben noch bevor er Philipps
abschlägige Antwort erhalten, hatte Johann Friedrich
auf Wilhelms von Kleve Betrieb-^) seinen Amtmann von
Schneeberg, Matthias von Wallenrod^*^), als Gesandten an
den Hof Franz I. geschickt, ohne Vorwissen der Bundes-
stände, mit Ausnahme des Landgrafen, „damit man
erfahren mocht, wie des Königs Gemüet gegen Kay.
Mjt. auch uns und unsres Teils stehe" -^).
Weiter wagte er fürs erste nicht zu gehen. Die
Instruktion des Gesandten enthielt daher unter einem
Schwalle höflicher Phrasen nur den Dank des Kurfürsten
für das letzte Schreiben des Königs und die Bitte, seinen
Schwager Wilhelm von Jülich und Kleve zu schützen.
Leider erfahren wir vom Verlaufe dieser Gesandtschaft
nicht eben viel mehr, als über die des Jahres 154L
Aulser der Antwort des Königs ist uns nur der Teil der
Relation erhalten, den der Kurfürst am 17. September
dem Landgrafen zusandte; zum Glück enthält er den
Bericht Wallenrods über seinen Aufenthalt am Königshofe.
Als der Gesandte, der unter Jülichschem Geleite ge-
21) Ruble, Le mariag-e de Jeanne d' Albret S. 67.
22) Neudecker, Urkunden S. 568.
2») Über ihn vergl. Seckendorf, Conim. Ill 21 , § LXXVIII.
Lehmann, Chronik von Schneeberg- 1, 191. W. war von 15.39— 1543
Amtmann oder Hauptmann zu Schneeberg, später finden wir ihn in
gleicher Stellung in Koburg, vergl.Kawerau, Briefwechsel des Jnstus
Jonas II, .320. Im Herbste 1541 sandte ihn der Kurfürst noch ein-
mal an den klevischen Hof. Ruble, Le mariage de Jeanne d' Albret
S. 154. Über seine Beziehungen zu .lohann Friedrich dem Mittleren,
vergl. Beck, Johann Friedrich der "Mittlere TT, 170 u. a.
-*) Neudecker, Urkunden S. 568.
28 Paul Vetter:
reist war-"^), eintraf, hatte die Partei der du Bellays noch
mit dem vollen EinÜusse des Kanzlers zu kämpfen ; selbst
Montmorency war noch ein gefährlicher Gegner, wenn
schon sein Einflnis sich seinem Ende zuneigte und der
König lebhafter denn je ein Bündnis mit Jülich und den
deutschen Protestanten wünschte. Durch den Gesandten
Herzog Wilhelms, Dr. Cruser, ward Wallenrod kurz nach
seiner Ankunft am Hofe eine Audienz vermittelt. Am
bestimmten Tage liels der König durch den Kardinal von
Tournon anzeigen, dals er dem Gesandten Kursachsens
nach der Tafel Gehör schenken werde. Die Absicht des
Königs war der kaiserfreundlichen Partei, Montmorency
an der Spitze, kaum zu Ohren gekommen, als sie den
päpstlichen Nuntius'-*') davon benachrichtigte. Als Wallen-
rod sich in Begleitung Crusers ins Schlois verfügte, fand
er den Nuntius bereits vor, der sich ebenfalls zur Audienz
anmelden liels. Montmorency und etliche Kardinäle ge-
leiteten ihn selbst zum Könige. Wie der Nuntius noch
nicht lange im Audienzsaale ist, hören Wallenrod und
Cruser, die im Vorzimmer warten, Franz laut und zornig
schreien. Dr. Cruser übersetzt Wallenrod, der selbst
kein Französisch versteht-'), die A¥orte des Königs, die
also gelautet: Was der Orator des Papstes im ersten
Artikel angezeigt, sei falsch und nicht wahr. Durch eine
vertraute Person erfahren sie später, dals der Nuntius
zum Könige gesagt: Er höre, dals Franz Leuten in
2''') Ende Juni 1540 sandte Wilhelm von Jülich seinen Kanzler
Goghreff und seinen Rat Wachtendonck an den französischen Hof,
um im Verein mit Cruser das schon länger geplante Bündnis
mit Frankreich vollziehen zu lassen. Die Vollmacht der Ge-
sandten ist am 21. Juni in Düsseldorf ausgestellt. Das am 17. Juli
zu Anet geschlossene Defensivbündnis unterzeichnete der Herzog am
7. August. Gleichzeitig gaben sich Johanna d'Albret und Wilhelm
von Jülich ein schriftliches Eheversprechen. Eechtsgiltig vollzogen
ward dieEhe erst am 14. Juni 1541, wie Ruble, La mariage de Jeanne
d'Albret S. VII, 61, 116 ff. und Herminjard, Correspondence des
reforraatcurs VII, 184 ff. überzeugend nachgewiesen haben. Die In-
struktion und das Bündnis sind gedruckt bei Ribier, Lettres et
mömoires d'estat I, a50ff., das Eheversprechen bei Ruble S. 273 ff.
Der neueste Geschichtsschreiber der Reformationszeit, Egelhaaf, giebt
(II, 375) für die Vollziehung der Ehe ein falsches Datum an.
-") Hieron. Dandino.
-■') Seckendorf läfst ihn Latinae et Gallicae linguae gnarus sein;
die Relation behauptet das Gegenteil, wenigstens betreffs der Kennt-
nis der französischen Sprache.
Eine knrsächsische Gesandtschaft IH-JO. 29
Sachen des Herzogs von Greldern ^*^), um mit ihm ein
Bündnis zu schliefen, Audienz erteilen wolle. Nun
möchte er ihn treulich davor gewarnt haben. Ein Bündnis
mit dem Herzoge von Geldern, der noch dazu ein Luthe-
raner sei, werde dem Papste Grund zum Miisfallen geben,
aulserdem auch den Vertrag zerreilsen, den der Papst
zwischen Kaiser und König aufgerichtet habe. Darauf
sei der König zornig geworden und habe erwidert: Es
sei falsch und nicht wahr, dafs der Herzog ein Lutheraner
sei. Der Kaiser habe ihm, dem Könige, sowie dem Ver-
trage in mehreren Artikeln nicht Glauben gehalten ; seinet-
wegen könne er sich andere Freunde nicht „abstricken"
lassen^'*).
Nachdem er den Nuntius in dieser Weise abgefertigt,
nimmt der König Wallenrod zu sich in ein Fenster und
hört ihn an. Den Nuntius, die Kardinäle und den Conne-
table läfst er im Saale stehen und zieht niemanden zum
Gespräche zu als den Gesandten Jülichs, dessen er als
Dolmetscher bedurfte. Auf seines Herrn Instruktion
erhält Wallenrod eine äulserst gnädige Antwort voll fein
berechneter Schmeicheleien für den Kurfürsten. Franz
erklärt sich nicht nur bereit Jülich zu schützen, er
wünscht ein enges Bündnis mit den Protestanten und
zeigt sich bereit, einen Gesandten zu ihnen zu schicken
oder den ihren zu empfangen. Auch versäumt er nicht,
vor dem Kaiser zu warnen, der smf einen Bürgerkrieg
in Deutschland wartet, um sich die deutschen Fürsten
zu unterjochen. Der König rät daher, vor allem einen
inneren Krieg zu vermeiden, vielmehr Köln und Kurpfalz
in das protestantische Bündnis zu ziehen''"). Wie der
Nuntius sieht, dals der König Wallenrod „mit fröhlichem
Gemüte" hört, wendet er sich nach beendigter Audienz
abermals an ihn: Er habe gesehen, dafs er einen Ge-
sandten des Kurfürsten von Sachsen empfangen, und man
sage, Frankreich werde sich mit den deutschen Prote-
stanten verbinden. Mit Schmerz habe er hören müssen,
dals der König sich „mit solchen Lutherischen lästerlichen
Leuten" einlassen wolle. Ein solches Vorgehen werde
2*) Es ist sehr bezeichnend, dafs der Herzog von französischer
Seite stets nach dem ihm vom Kaiser streitig gemachten Herzogtum
Geldern benannt wird.
-'') Vergl. auch Ruble, Le mariage de Jeanne d'Albret S. 67.
s"^) Bucholtz IX, 260 f.
30 Paul Vetter:
zudem dem Papste zum höchsten zuwider sein. Wie zu-
vor wird der König heftig erzürnt und fragt, wie er dazu
komme, sich des Papstes und des Kaisers wegen seine
Freunde „abstricken" zu lassen. Der Papst habe ihm in
der höchsten Not nicht beigestanden, vielmehr seinen
Feinden geholfen , obwohl er und seine Vorfahren zur
Erhaltung des Papsttums viel getlian. Wie maii ihm
solche Gutthat vergolten, des sei er wohl inne geworden.
Deshalb wolle er sich Freunde machen, wie denn über-
haupt von Alters her zwischen der Krone Frankreichs
und den deutschen Fürsten Freundschaft und ein Bündnis
bestanden hätten. Dies gedenke er nicht zu verlassen,
sondern zu behalten. Ihn fechte auch nicht der Luther
oder der deutschen Fürsten Glauben an. Sie möchten
nach ihrer Weise glauben, desgleichen denke er auch
zu thun. Könne er zwischen dem Papste und den
Lutheranern vermitteln, so sei er gern dazu bereit; könne
aber in Güte nichts ausgerichtet werden, so lasse er
jeden glauben, was er wolle; er gedenke sich Freunde
zu machen.
Auch die Königin von Navarra empfing Wallenrod
überaus gnädig; der Gesandte hörte, wie sie Franz
erinnert, „dals er, wenn er über diese Fragen viel mit den
Kardinälen verhandeln wolle, nichts ausrichten werde" •^').
Der König sollte, so Avard erzählt, darauf geantwortet
haben: „Wer mir rät, dais ich mich mit dem Herzoge
von Geldern nicht in ein Bündnis einlassen, desgleichen,
dafs ich die deutschen Fürsten nicht zu Freunden be-
halten soll, der gönnt mir und meinen Erben nichts Gutes.
Deshalb sollen die deutschen Fürsten und Geldern mit
niemandem reden und verhandeln, denn mit mir allein."
Einige Zeit später liefe die Königin Wallenrod durch
Cruser anzeigen, dafs der Kaiser zu dem französischen
Gesandten •'^-) an seinem Hofe gesagt: „Ich hab' gehört,
dein König habe sich mit dem Herzoge von Geldern
verbunden, und dein König hält mir nit, was er mir hat
zugesagt. Nu will ich dem Herzog von Geldern, ehe
ich wieder von dannen komme, einen solchen herben
Krieg machen, den er nit wird leiden können, und wohl
sehen, was dein König dazu thun will." Als Franz
3') Vergi. auch Lenz I, 213.
'■'-) Georges de Selve, Bischof von Lavaur, vergi. Ruble, Le
mariage de Jeanne d'Albret S. 64.
Eine kursächsische Gesandtschaft 1540. 31
den Bericht seines Gesandten gelesen, habe er in Gegen-
wart seiner Gemahlin ■"'•') und der Königin von Navarra
ausgerufen: Wenn der Kaiser zu drohen beginne, so thue
er nichts; denn er habe kein Geld='^). Was er den
Flaniländern abgeschätzt, werde er in Italien brauchen,
das wisse er wohl. Sollte er sich aber etwas gegen den
Herzog unterstehen, so solle er wissen, dals er, Franz,
ihm heftig widerstehen werde.
Auch der König benutzte Cruser, um Wallenrod
weitere Warnungen vor dem Kaiser zugehen zu lassen;
so sollte Karl während seiner Anwesenheit in Frankreich
zum Könige gesagt haben: die Lutheraner wollten im
Kriegsfalle 100000 streitbare Männer wider ihn schicken.
Er nun werde sich hüten, für seine Person mit ihnen
Krieg zu führen. „Aber bellum intestinum, den will ich
ihnen anrichten, dafs sie selbst einander schlahen
müssen!" Was Wallenrod am meisten imponierte, war die
Vertrautheit des Königs mit den Hagenauer Verhand-
lungen: wie Ferdinand eitel bösen Willen gezeigt und
auf ein foedus defensivum et offensivum gedrungen habe.
SchlieMich erhielt der Gesandte noch die Mitteilung,
der Kaiser habe England um eine größere Summe Geldes
angegangen, sei aber zu seinem grofsen Verdrusse ab-
schlägig beschieden worden.
Nach Paris zurückgekehrt trafen die Gesandten
Graf Georg von Oldenburg, der im Auftrage des
Dänenkönigs sich an den französischen Hof begeben
sollte ^^■^).
Soweit die Mitteilungen Wallenrods. Der Kurfürst
zögerte nicht, diesen Bericht, den ihm sein Gesandter
von Nürnberg aus zugeschickt, dem Landgrafen zustellen
zu lassen^**). Abermals richtete er an ihn das Ersuchen,
sich an einer Gesandtschaft nach Frankreich zu beteiligen.
Jetzt sei die beste Zeit und Gelegenheit zu einem Bünd-
nisse. Freilich, und das war das Entscheidende für den
Landgrafen, die Digamie riet er beim Bündnisschlusse
ganz aus dem Spiele zu lassen, sie sei Profansache. Der
Kurfürst kam zu spät; bereits lebte Philipp ganz und
gar in dem Gedanken eines Bündnisses mit dem Kaiser.
^^) Eleonore, eine Schwester Karl V
3J) Vergl. Bncholtz lY, 261.
=^») Bncholtz IX, 260.
äö) Am 17. September.
32 Paul A^etter:
Selbst ein Eingehen des Kurfürsten auf alle seine Wünsche
würde ihn kaum noch umgestimmt haben. Nur das
Zügern der kaiserlichen Minister liels ihn vorläufig zu
einer prinzipiellen Ablehnung der Bundesabsichten Johann
Friedrichs noch nicht kommen. Zu wiederholten Malen
erklärte er sich zu einem Bündnisse mit dem Könige
bereit, gab auch zu, dals jetzt vielleicht der günstigste
Moment zu einem solchen sei, hatte aber immer eine
Reihe von Bedenken in Bereitschaft, hinter die er sich
zurückziehen konnte. Die Sendung de la Forces^') nach
Worms mufste unter solchen Umständen erfolglos bleiben,
ja Philipp hatte bei seiner ablehnenden Haltung die Genug-
thuung auf die strengen Edikte des Königs gegen die
Anhänger der Reformation in Frankreich hinweisen zu
können. Als im Dezember Wilhelm von Fürstenberg
durch Heideck den Kurfürsten zu einer Gesandtschaft
nach Frankreich auffordern liefs, die man nach Mont-
morencys Sturze immer dringender am französischen
Hofe zu wünschen begann, gelang es den Bemühungen
des Kurfürsten zwar Philipp zu bewegen, die Gesandt-
schaft nach Frankreich auf die Tagesordnung der Naum-
burger Bundesversammlung zu setzen, aber trotz der
weitgehendsten Vorsprechungen Kleves und du Bellays'^**),
dals auch Philipps Geheim sache mit in den Vertrag auf-
genommen werden solle, war der Landgraf dem Gedanken
eines Bündnisses mit dem Kaiser nicht mehr zu ent-
reilsen. Die hessischen Gesandten zum Bundestage
erhielten die entsprechende Instruktion =^^), dem Kur-
fürsten erklärte Philipp am 21. Dezember rund heraus,
er werde sich an einer Gesandtschaft nach Frankreich
vorläufig nicht beteiligen^"), riet vielmehr mit dem
Bündnis bis zum Ausgange des Regensburger Reichstages
zu warten.
Damit war das Schicksal der kursächsischen Bündnis-
bestrebungen von vornherein entschieden, zum Schaden
des Protestantismus. Auch Morelets Gesandtschaft ver-
mochte Philipps Entschluß nicht mehr zu ändern. Die
Sendung Georgs von der Planitz 1541 trug wie die
") LenzI, 239. Baumgarten, Sleidans Briefwechsel 10 f.
3») Lenz I, 270 f. Baumgarten, Sleidans Briefwechsel S. 21 f.
30) Lenz I, 287.
'*<') Gegen Bucer hatte er sich schon früher ausgesprochen.
Lenz I, 214, 216, 232, 254 ff., 279 u. a.
Eine kiusächsisclie Gesandtschaft 1540. 33
Wallciirods naturj^emäls den Charakter einer HöÜiclikcits-
bezengnng des Kurfiirsten '^). Erst Johann Friedrichs
Nachfolger in der Kurwürde hat die für das protestantische
Interesse damals unerläfsliche Verbindung mit Frankreich
vollzogen, freilich unter wesentlich ungünstigeren Ver-
hältnissen als im Jahre 1540.
*^) Vergl. Vetter, Keligiousverhaudluiigen auf dem Reichstage
zu Regensburg 1541 S. 160 ff..
Neues Archiv f. S. (i, u. A. XIV. 1. a.
in.
Kurfürst August und die Anfänge des
niederländischen Aufstands.
Von
Gustav Wolf.
Unter denjenigen Akten des Dresdner Hanptstaats-
archivs, welche sich auf die auswärtige Politik des Kur-
fürsten August beziehen, nehmen die Korrespondenzen
über den niederländischen Aufstand eine hervorragende
Stelle ein^). Es haben daher schon mehrere Forscher
mit ihrer Durchsicht begonnen, sie sind indess über die
Anfänge nicht hinausgekommen. Das liegt teils an der
Sprödigkeit des Stoffes, teils an der Unübersichtlichkeit
der umfassenden gedruckten Litteratur, teils endlich an
dem Umstände, dals die einschlägigen Archivalien auf
hunderte von Bänden verstreut sind und sicli eine ab-
solute Vollständigkeit nicht erreichen lälst.
Zu einem praktischen Ergebnis haben die vielfachen
Bemühungen, die deutschen Protestanten zur thatkräftigen
Unterstützung ihrer fi-anzösischen und niederländischen
Glaubensgenossen zu bewegen, bekanntlich niemals ge-
führt. Die Akten erzählen uns nur von Interventionen
und Demonstrationen, welche ihren Zweck schon darum
verfehlen mulsten , weil die Könige von Frankreich und
Spanien an ihren Ernst nicht glaubten. Eine erscliöpfende
Darstellung der in Betracht kommenden Verhandlungen
*) Blök, Verslaag' aangaande een onderzoek in Duitschlaml
naar archivalia belaugrijk voor de geschiedeuis van Nederland.
Kurfürst August und der niedcrliindischo Aufstand. 35
wäre deshalb eine ebenso undankbare wie unerquickliche
Aufgabe. Aber eine gedrängte Skizze, wie wir sie auf
den folgenden Blättern versuchen wollen, ist schon des-
halb lehrreich, weil in diesen Fragen der Charakter der
augusteischen Politik sehr scharf hervortritt und wir die
staatsmännische Gewandtheit Oraniens von einer bisher
Avenig gewürdigten Seite kennen lernen.
Die erste persönliche Bekanntschaft der beiden
Männer fällt in das Jahr 1558. Der damals fünfund-
zwanzigjährige Prinz Wilhelm von Oranien war von
Karl V. beauftragt, dem Kurfürstentag in Frankfurt a. M.
den Verzicht auf die Kaiserwürde anzuzeigen und die
AVahl Ferdinands zu Karls Nachfolger zu bewirken.
AVenige Monate nachher beginnen dann die Verhand-
lungen über die Heirat Oraniens mit der Nichte des
Kurfürsten August, der Prinzessin Anna von Sachsen,
welche anfangs vom Landgrafen von Hessen heftig be-
kämpft, von August jedoch ebenso entschieden gefördert
und trotz vieler Schwierigkeiten 1561 zu einem erfolg-
reichen Ende geführt wurden. Schon während dieser
Verhandlungen, noch mehr aber seit der Hochzeit und
dem Kurfürstentage von 1562, auf welchem August und
Oranien abermals zusammenkamen, begann zwischen beiden
Männern ein vertrauter Briefwechsel, welcher alle poli-
tischen Tagesfragen, das Reich, Holstein, Dänemark, in
steigendem Malse die Niederlande selbst betraft).
Schon diese äufsere Thatsache einer umfassenden
intimen Korrespondenz weist darauf hin, dals auf beiden
Seiten der Heirat politische Berechnungen zu Grunde
lagen •^). InwicAveit Oranien schon zu seiner späteren
Gegnerschaft gegen die Krone Spanien entschlossen war,
lälst sich aus der schriftlichen Überlieferung nicht mehi"
feststellen. Jedoch unter der Decke spielte bereits in
den Niederlanden der Antagonismus zwischen ein-
heimischen und spanischen Elementen, zunächst in
Finanz- und Steuerfragen, und wenige Jahre später
artete er zu heftigen persönlichen Konflikten aus, die
2) Hauptstaatsarchiv Dresden (= Dr. A.) III, 51a fol. 18 No. 62.
^) Van der Horst, Het huwelijk van Willem van Oranje met
Anna van Saxen. Bakhuizen van den Brink, Het huwelijk van
Willem van Oranje met Anna van Saxen — Eine neue Monographie
auf Dresdner und Marburger Archivalien beruhend Avürde manche
neue Ergebnisse erzielen.
36 Gustav Wolf:
den niederländischen Großen vorübergehende Erfolge
brachten, jedoch dem nnvermeidlichen Entscheidnngs-
kampf vorarbeiteten^). Noch mehr wurde derselbe durch
die Komplikation mit den religiösen Zeitströmungen be-
schleunigt.
Durch die vielfachen Handelsbeziehungen der Nieder-
lande zu den Nachbargebieten, besonders zu Frankreich,
war der Protestantismus in weite . Volksschichten ge-
drungen, und zwar unter der Ägide des leiblichen
Bruders von Oranien, des Grafen Ludwig von Nassau"'),
während der Prinz selbst, wenigstens äulserlich, sich
von der Bewegung fernhielt. Ludwig erblickte seine
Aufgabe in einem, möglichst engen Bunde zwischen
niederländischen, französischen und deutschen Evan-
gelischen und nahm deshalb 1565 den Plan auf, durch
eine Synode die Unterschiede zwischen Lutheranern und
Reformierten auszugleichen. Die Ausführung scheiterte
am Widerwillen der deutschen Fürsten gegen erneute
Diskussionen über die viel umstrittenen Fragen. Aber
die damals gewechselten Schreiben bildeten den ersten
Versuch der Niederländer, mit ihren deutschen Glaubens-
genossen gemeinsame Sache zu machen.
Oranien und sein Bruder trugen sich mit IkjcIi-
fliegenden Plänen. Zweifellos war die Protestantisierung
der Niederlande nur durchführbar im Widerstände gegen
die Krone. Zu einem solchen lagen die Verhältnisse in
den Niederlanden insofern günstig, Aveil es Oranien ge-
lang, den nationalen Gegensatz mit dem religiösen zu
verquicken und dadurch auch den katholischen Adel, ins-
besondere die Grafen Egmont und Hoorne zu gewinnen.
Die Doppelzüngigkeit, mit welcher die spanischen Staats-
männer Egmont während seines Aufenthalts in Madrid
bethört, hatte die diplomatischen Fähigkeiten des Grafen
in sehr schlechtem Lichte erscheinen lassen und bewog
Egmont zu noch engerem Anschlüsse an Oranien.
Man dachte in evangelischen Kreisen bereits an eine
entschiedene Offensive gegen den König von Spanien
*) Über die Anfänge des niederländischen Aufstandes besonders:
Kolligs, Wilhelm von Oranien und die Anfänge des nieder-
ländischen Aufstands. Ritter in Histor. Zeitschr. LVIIl, 385 ff.
Die niederländische Litteratur ist so umfangreich, dafs eine auch nur
einigermafsen vollständige Übersicht hier unmöglich ist.
•'■') Über den Grafen Ludwig Blök, Correspondcntie van en
betreffende Lodewijk van Nassau. — Derselbe, Lodewijk van Nassau.
Kurfürst Anglist und der niederhändische Aufstand. 37
und seine. Halbschwester, die Generalstatthalterin der
Niederlande, Herzogin Margarete von Parma; die Er-
stürmung des Antwerpener Rathauses wurde geplant,
und Georg von der Holle, der sich während der letzten
Dezennien einen gefürchteten Namen als deutscher Reiter-
fülirer gemacht hatte, weilte vorübergehend bei den nieder-
ländischen Grofsen.
Da trat Oranien offener als bisher hervor. Auch
er war entschlossen, nötigenfalls die Niederlande mit
Waffengewalt zu verteidigen und ein spanisches Heer,
das der König zu schicken beabsichtigte, nicht herein-
zulassen. Spuren von Söldnerwerbungen gehen bis Ende
15G5 zurück; seit^ Juli 1566 arbeitete man rastlos in
dieser Hinsicht. Überall strebte der Prinz nach vorteil-
haften Verbindungen, mit dem Engländer Gresham in
Antwerpen , mit den Hugenotten , mit Georg von der
Holle. Graf Ludwig stellte einen bestimmten Entwurf
über die Beschaffung der erforderlichen Truppen und
Geldmittel auf. Sein Rentmeister Hederich reiste mit
Geldsummen zu Ludwigs Bruder, dem Grafen Johann
von Nassau, nach Dillenburg, damit dieser aulser den
von Holle angebotenen 2000 Reitern noch weitere 1000 be-
stellen konnte. Auch mit anderen Reiterführern, nament-
lich Christof von der Malsburg, wurde verhandelt*').
Aber trotz alledem war Oranien mit den weit-
gehenden Angriffsplänen extremer Elemente nicht ein-
verstanden. Sein Hauptaugenmerk war auf eine ge-
schlossene und wohl vorbereitete Defensive und auf
Allianzen mit den protestantischen Reichsfürsten gerichtet.
Die letzteren waren allerdings von einander durch
Interessen und Anschauungen vielfach geschieden. Die
gröfste Aussicht auf Erfolg hatten die niederländischen
Werbungen am Hofe des pfälzischen Kurfürsten
Friedrich HI. Derselbe stand in dogmatischer Beziehung
den Reformierten am nächsten, zahlreiche Prediger, die
in den Niederlanden wirkten, hatten früher unter ihm
gelebt und er war der vornehmste Vertreter einer pro-
testantischen Aktionspolitik, welche gieichmälsig der
rücksichtslosen Protestantisierung der Kurpfalz wie der
etwaigen Abwehr befürchteter katholischer Angriffe
®) Kervyn de Lettenhove, Relations politiques des Pays-
Bas et de l'Angieterre IV, 352 ff'. — Groen van Pr in st er er,
Archives ou correspondance inedite de la maison de Nassau-Orange II,
156, 178 ff'., 205 ff. Blök, Verslaag- S. 291 ff.
38 Gustav Wolf:
gelten sollte. Und da er namentlich eine Verbindung
der katholischen Mächte zur gewaltsamen Durchführung
der Tridentiner Beschlüsse und Unterdrückung der
lutherischen Lehre befürchtete, so sah er in jedem An-
griff auf die Glaubensfreiheit der ausländischen Pro-
testanten die Einleitung zu einem deutschen lleligions-
krieg und befürwortete ein rechtzeitiges Eintreten gegen
derartige Gefahren.
Der Gesinnung nach waren die Häupter der deutschen
Lutheraner Oranien ebenso günstig als die Pfälzer. Ver-
banden ihn doch mit den Höfen von Dresden und Kassel
Freundschaft und Verwandtschaft! Auch teilten Land-
graf Philipp und sein Sohn Wilhelm vollständig die
pfälzischen Besorgnisse vor einem internationalen Ge-
samtangriff. Ereilich zu waghalsigen Unternehmungen
waren die Hessen nicht geneigt. Wenn sie ein Zu-
sammengehen aller deutschen Protestanten und energische
Schutzmalsregeln verlangten, so wollten sie nicht wie
Friedrich evangelische Aktionspolitik treiben, sondern
nur wissen, wessen sie sich in der Stunde der Gefahr
zu versehen hätten. Um Oranien jedoch nicht blofs durch
Sympathieen, sondern offen und nachhaltig zu unterstützen,
dazu bedurften sie des Rückhalts der einflufsreichen
Häupter des Protestantismus, namentlich des Kurfürsten
von Sachsen.
So bildete August den entscheidenden Faktor unter
den deutschen Anhängern der Augsburger Konfession.
Er konnte die niederländischen Bestrebungen nach Be-
lieben zur Unfruchtbarkeit verurteilen oder ihnen das
Übergewicht verschaffen. Für Oranien war es nun eine
gefährliche Klippe, dafs Augusts Lage und Anschauungen
von den pfälzisch-hessischen wesentlich abwichen. Nach-
dem der Kurfürst durch Erneuerung der alten Erb-
einignngen und durch die 1555 vollzogene Aufrichtung
eines dauernden Religions- und Landfriedens sich und
seine Unterthanen völlig gedeckt glaubte, war sein
Hauptziel die Erhaltung des gewonnenen Standpunktes.
Solche Auffassung wurde unterstützt durch ausgezeichnete
Beziehungen zu einzelnen katholischen Fürsten und
Staatsmännern und durch den Umstand, dals August bei
Überfällen evangelischer Reichsstände nicht in erster
Linie bedroht gewesen wäre, vielmehr seine Hau])tgefahr
in den Plänen erblickte, w^elche die Herzöge von Weimar
zur Wicderei-langung der verlorenen Kur teils föi'deiten.
Kurfürst August und der niedorländisclie Aufstand. 39
teils selbst hegten. Diese Anschläge, die sich oft sogar
gegen das Leben des Kurfürsten richteten, veranlalsten
ihn zum engen Anschlüsse an den kaiserlichen Hof.
So standen die Dinge in Deutschland, als die Nieder-
länder den konfessionistischen Reichsständen ihre Wünsche
übermittelten. Dieselben hielten sich zunächst in be-
scheidenen Grenzen; nicht sofort enthüllte Oranien seinen
umfassenden Verteidigungsplan. In seinen Briefen hatte
er wiederholt dem Kurfürsten von Sachsen seine anti-
spanischen Tendenzen verraten; dadurch hatte er das
Vertrauen seines Oheims erweckt und den Adressaten
zu grösserem Entgegenkommen veranlalst, als wenn er
mit seinen ganzen Oppositionsprojekten hervorgetreten
wäre. Auf der freundschaftlichen Gesinnung, Avelche er
so sich zu verschaffen gewulst, fulste er, als Ende 1565
Graf Ludwig, der Advokat Leclerc und der prinzliche
Privatsekretär Johann Lorich'') in Deutschland erschienen
und um eine Interzession bei Margarete und deren Eat-
gebern und um geeignete Ratschläge nachsuchten^).
Derartige Fürbitten waren den Hugenotten wiederholt
gewährt worden, und nachdem August und die anderen
Protestanten dem Prinzen ihr Wohlwollen vielfach be-
kundet, konnten sie ein derartiges Verlangen nicht wohl
abschlagen.
Allerdings so rasch als es die Niederländer ge-
wünscht hätten, ging es nicht. Obgleich dem Anfang
1566 abgehaltenen Reichstag zu Augsburg aulser den
drei genannten Vertrauensmännern Oraniens auch Graf
Johann beiwohnte^) und die Anwesenheit zahlreicher
evangelischer Fürsten die niederländischen Bestrebungen
zu begünstigen schien, so trat das Interesse für dieselben
infolge der mannigfaltigen Reichstagsgeschäfte völlig
zurück, und die ganze Sache, welche in einer Eingabe
der Konfessionisten an den Kaiser am 25. Mai beiläufig
erwähnt war, verlief im Sande'"). Dennoch diente der
Reichstag zu einer Belebung der Beziehungen zwischen
Oranien und den deutschen Protestanten, und die letzteren
') Über Leclerc Ritter in v. Webers Archiv f. d. sächs. Gesch.
N. F. V, 321. Über Lorich Dr. A. III, 51a fol. 18 No. «2 ßl. 214.
Kopiale 321 Bl. 45. — Blök, Verslaag 75.
») Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Frommen I, 621.
**) Häberliu, Neueste teutsche Reichsgeschichte VI, 142.
") Ritter, Deutsche Geschichte I, 352.
40 Gnst.iv Wolf:
begannen von nun an gröfseren Anteil am Schicksal ihrer
Nachbarn zu nehmen.
Bereits zu Augsburg- waren die Gesandten von ver-
schiedenen protestantischen Ständen auf den Kaiser hin-
gewiesen worden. Diesen Weg betrat jetzt August
selbst und zeigte dadurch, dals er dem Prinzen mit
dem moralischen Gewicht seiner Persönlichkeit
beizusijringen gesonnen war.
Die Politik Maximilians II. war keine einheitliche;
sie wurde beeinflulst durch zwei entgegengesetzte Strö-
mungen, eine spanische und eine sächsische. Die ersterc
fand ihre Führer in der Umgebung der Kaiserin, der
Schwester Philipps II., und im spanischen Gesandten
Chantonnay; ihr kam zu statten, dafs eine Heirat
zwischen dem spanischen Infanten Don Carlos und einer
Tochter des Kaisers geplant war, dafs dessen beide
ältesten Söhne unter den Augen Philipps II. erzogen
wurden und dafs die spanisch-habsburgische Linie dem
Erlöschen nahe schien. Andererseits teilte Maximilian
völlig das kursächsische Streben nach Aufrechterhaltung
des Friedens. Infolgedessen war er nicht nur mit August
eng befreundet, sondern bedurfte seiner ebenso sehr wie
umgekehrt; denn wenn der Kaiser August vor den Kopf
stiefs, hätte er ihn gewaltsam auf die pfälzische Seite
hinübergetrieben und damit diejenige Partei verstärken
helfen, welche es auf eine Machterweiterung des Pro-
testantismus und mittelbar auf eine Verschiebung der
politischen Verhältnisse zu Ungunsten des Kaisers ab-
gesehen hatte. So war Augusts Einflufs am Wiener
Hofe bedeutend, zum Vorteil Oraniens und zum grofsen
Verdrusse Chantonnays, der seinem Ärger darüber offen
Luft machte"). Persönliche Momente förderten Augusts
Ansehen. Chantonnay war Maximilian unsympathisch.
Ferner war die Gesundheit des Kaisers niemals eine
sehr feste, so dafs man ihm schon vor seinem Regierungs-
antritt keine lange Lebensdauer voraussagte ^-) ; schmerz-
hafte Anfälle fesselten ihn oft ans Bett und führten
häufig zu einer Änderung seiner Dispositionen und zur
Einschränkung seiner Thätigkeit. Daher lag die Last der
Regierungsgeschäfte im wesentlichen auf den Schultern
") Koch, Quellen zur Geschichte Maximilians I, 46 f. — II i tt e r
in V. Webers Arch. N. F. V, .^42 f.
'2) .luste, Les pays-bas sous Philipp IL 1, 146. — Alberi,
Relazioni degli anibasciatori Veneti I, 8, 151.
Kurfürst August und der niederländische Aufstand. 41
des Vizekanzlers Ulrich Zasius, der nicht nur einer der
eifrigsten beim Abschlüsse des Augsburger Religious-
friedens gewesen, sondern auch seit den Tagen, da er
die Nachfolge Philipps im Reiche bekämpft, ein groiser
Feind der Spanier und namentlich Granvelles geworden
war; Granvelle aber w^ar der Bruder des jetzigen
spanischen Gesandten und flöfste diesem wieder das
grölste Mils trauen gegen Zasius ein.
In bewulstem Antagonismus arbeiteten nun Spanier
und Antispanier am kaiserlichen Hofe einander entgegen.
Chantonnay, welcher als Schwager des bekannten nieder-
ländischen Edelmanns Brederode mancherlei Beziehungen
in den Niederlanden hatte und sich namentlich durch den
Bistumsverweser seines Bruders, Morillon, fortlaufend
berichten liels^'^), war Maximilian auf den Reichstag gefolgt
und hatte den Rat Köbel und den Grafen von Mansfeld,
welche im speziellen Auftrag der Generalstatthalterin zu
Augsburg erschienen waren, nach Kräften unterstützt''').
Und wenn die Evangelischen wünschten, dafs Maximilian
durch sein offenes Eintreten Philipp von Gewaltmalsregeln
zurückhalten sollte, so richteten die Spanier und Margarete
ihr Augenmerk auf die Gefahr, die für sie aus der
Verstärkung ilirer Gegner, besonders aus den Söldner-
werbungen, entstehen konnte.
Infolge dieser entgegengesetzten Einflüsse war der
Charakter der kaiserlichen Politik unbestimmt und
schwankend. Man gab in Wien nach beiden Seiten die
besten Versicherungen, ohne jedoch entschieden auf-
zutreten. Fest stand, wie bemerkt, das Streben nach
Erhaltung des Friedens und die Furcht vor seiner Ge-
fährdung. Deshalb waren Maximilian die Werbungen
der Niederländer in Deutschland zuwider. Andererseits
durfte August, besonders so lange er mit Gratifikationen
an Zasius nicht sparte, hoffen, dals, wenn er Maximilian
und dessen Diplomaten von der Grölse der Gefahr über-
zeugte, diese bei Philipp mit möglichstem Nachdruck für
die Abwendung blutiger Malsregeln eintreten würden.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1566 begannen
sich nun die Verhältnisse in den Niederlanden wesentlich
zuzuspitzen und demgemäfs die Hilfegesuche nach Deutsch-
land dringender zu werden. Die längst vorhandene reli-
^^) Poullet, Correspondance du cardiual de Granvelle I, 351 ff.
•*) Poullet I, 32.5 ff.
43 Gustav Wolf:
giöse Gäliruiig hatte sich zum Bildersturm verdichtet;
die Kirchen und Klöster Antwerpens und anderer Städte
waren einige Tage der Willkür des aufgeregten Pöbels
preisgegeben.
Der Prinz sowohl als Graf Ludwig haben ihrem
Bruder Johann versichert — und bei dem freundschat't-
lichen Verhältnisse zwischen den Brüdern haben wir
keinen Grund, an der Aufrichtigkeit dieser Erklärung
zu zweifein — , dals sie an den Excessen völlig unschuldig,
dals diese ihnen im Gegenteil sehr unwillkommen gewesen
seien ^■''j. Wirklich waren die Folgen für Uranien nicht
die günstigsten. Rechtfertigten die Ereignisse doch die
Prophezeihungen des Kardinals Granvelle und seiner
Freunde, welche den König fortwährend vor dem Aus-
bruch solcher Unruhen gewarnt hatten! Es war zu be-
fürchten, dals Philipp die Ausführung der längst ge-
planten IVIalsregeln beschleunigen und strenger wie sonst
auftreten w^ürde. Die zweite, fast noch wichtigere Folge
war die, dals nunmehr bestimmter als bisher die kirch-
liche Frage in den Vordergrund trat und der katholische
Adel kopfscheu gemacht wurde; er fühlte sich in seiner
religiösen Ehre verletzt, und die Wege Egmonts und
seiner F'amilie trennten sich nunmehr von denen des
oranischen Kreises. Hierdurch wurde die Widerstands-
kraft der Niederländer gegen Philipps Pläne und Oraniens
Aussicht auf eine glückliche Verteidigung gemindert.
Auch in Deutschland war der Eindruck der flan-
drischen Excesse für die oranische Sache nachteilig. Um
denselben abzuschwächen, schob der Prinz die Schuld
auf die Hartnäckigkeit des Königs und auf das Eindringen
des Kalvinismus. Das letztere war nicht unbegründet;
wie überall waren auch in den Niederlanden die Re-
formierten diejenigen, welche im Gegensatze zu den
Lutheranern vorwärtsdrängten und vor schneidigen Mitteln
nicht zurückschreckten. Und da der Prinz vom leiden-
schaftlichen Treiben der Bilderstürmer nichts wissen
wollte, stand er gewifs damals den Lutheranern durch
Geshnmng und Freundschaft näher als den Reformierten.
Trotzdem war die Erwähnung des Kalvinismus ein ent-
schiedener Milsgriff. Es mag ja sein, dals die Erfah-
rungen, die Oraniens Parteigänger in Deutschland schon
'••) Grioen II, 306 ff. — Vergl. Gacbanl, llelations iuedits
S. 144.
Kwrfürst August und der niederläiulischo Aufstand. 43
damals — von später ist es bezeugt — gemacht, den
Prinzen zu einer schärferen Stellungnahme gegen die
Reformierten bestimmten. Aber weil Philipp und Margarete
die Unpopularität der „Sakramentierer" in Deutschland
kannten, hatten sie mit Vorliebe dieses Mittel gewählt,
um deutsche Fürsten und Reiter zu gewinnen; z. B.
hatten sie die Herzöge Ernst und Philipp von Braun-
schweig auf diese Weise für ihre Dienste erlangt^'').
Mulste man nun nicht durch Oraniens Äulserungen in
der von seinen Gegnern verbreiteten Ansicht bestärkt
werden? Und mulsten nicht die strengen Lutheraner
stutzig gemacht werden?
In der That lielsen die Folgen nicht auf sich warten.
Noch in Augsburg hatten die evangelischen Reichsstände
ein Glaubensbekenntnis der Niederländer für echt lutherisch
erklärt ; von nun an begann man in Deutschland schärfer
als bisher zwischen niederländischen Konfessionisten und
Reformierten zu scheiden und die letzteren von der
Unterstützung auszuschliefsen. So arbeitete Oranien
selbst gegen sich und schwächte die Wirkung seiner
eigenen Politik ab.
Am 20. September schickte Oranien den Grafen
AVittgenstein zu den befreundeten deutschen Fürsten,
um dieselben nochmals zu einer diingiichen Fürbitte bei
Philipp und Margarete zu veranlassen und den Herzog
von Weimar Johann Friedrich den Mittlern und dessen
Reiter in seine Dienste zu nehmen. Indem Wittgenstein
beauftragt wurde, auch von letzterer Absicht die Höfe
von Dresden und Kassel in Kenntnis zu setzen, lüftete
der Prinz zum ersten Male etwas den Schleier über seine
Verteidigungspläne ").
Es war eine Steigerung des im Frühjahr gestellten Ver-
langens, aber in so geschickter Form, dals August und Land-
graf Philipp dazu eine bestimmte Stellung nehmen mulsten.
Allerdings war der Kurfürst zu streng lutherisch, um
sich zur Unterstützung der Reformierten herzugeben; auch
waren seine Anschauungen von der Pflicht der Unter-
thanen gegen die Obi-igkeit viel zu ausgeprägte, als dafs
er die Vorgänge in Antwerpen und anderen Städten ge-
'") Kluckholm I, 705; vergl. Ernst von Brauuschweig an
August löm Oktober 3 Harzburg (Dr. A. III, 82 Niederländische
Sachen fol. 21 Religionssachen No. 1 Bl. 24 f.).
'■) Groen II, 288 ft. — Blök, Verslaag S. 291. — Vergl. ürt-
loff, üeschichte der CTrumbachschen Händel III, 252 ft".
44 Gustav Wolf:
billigt hätte. Aber er wulste recht wohl, dals König
Philipp zwischen Lutheranern und Reformierten nicht
unterschied und die Alleinherrschaft der katliolischen
Kirche in den Niederlanden wiederherstellen wollte.
Darum dachte er auch an die Eventualität einer völligen
Vergeblichkeit jeder 1^'ürbitte. Und wenn er sich auch
scheute, Oranien in diesem Falle offen zur Notwehr zu
raten, so wurde er doch durch die Erwähnung Johann
Friedrichs erschreckt und zu Gegenvorschlägen ver-
anlaßt ^^). Und diese bewiesen, dals der Wettiner mit
der Möglichkeit eines gewaltsamen Widerstands zu
rechnen begann, mochte er auch Wittgenstein noch so
sehr von einem solchen abraten '■').
Gleichzeitig erbot sich August nicht nur zur Teil-
nahme an der gewünschten Interzession, sondern fafste
auch behufs einer positiven Unterstützung Oraniens zwei
Wege ins Auge: er suchte den Kaiser zu gewinnen und
die Bestallungen deutscher Söldner durch die General-
statthalterin möglichst zu verhindern oder wenigstens zu
erschweren. Als Ernst von Braunschweig ihm von seinen
spanischen Werbungen berichtet, hatte August die enge
Freundschaft, die ihn mit dem Herzog verband, benutzt,
um diesen über die Absichten Philipps aufzuklären und
vor unvorsichtigen Schritten zu warnen; und Ernst be-
dang sich wirklich aus, nicht gegen die Augsburgische
Konfession und die Häuser Sachsen und Hessen dienen zu
müssen^"). Zugleich erneuerte August am Tage nach
seiner Erklärung an Wittgenstein seine Vorstellungen
beim Kaiser-^).
Dieser sah sich wieder von beiden Seiten bestürmt.
Die Herzogin von Parma hatte ihn bereits Anfang August
gebeten, den Holle und Mündiliausen die Werbungen im
Reiche zu untersagen'-'). Als dann der Bilderaufstand
kam, ihatte sie die Vermittelung Chantonnays zum gleichen
Zwecke angerufen-'^). Maximilian kam der Aufforderung
nach: gleich Karl IX. von Frankreich verbot er die
**) Er riet, Johann Wilhelm von Sachsen statt Johann Friedrich
zu bestallen.
'ö) Green n, 393 ff.
2">) Dr. A. III, 82 Niederländische Sachen fol. 21 Religions-
sachen No. 1 Bl. 76 tf. — Khickhohn I, 715.
2') Dr. A. a. a. O. Bl. 12(j ff.
22) Gachard, Philippe I, 441.
2a) Ebenda I, 463.
Kiarflü'st August ixnd der uiederläudische Aufstand. 45
oraiiischen Werbungen in seinen Ländern. Aber er
knüpfte seine fernere Bereitwilligkeit an die Bedingung,
dals man ihn zum Unterhändler zwischen Spanien und
dem Prinzen zuliefse. Er hoffte, auf diese Weise sowohl
im Reiche den Frieden zu erhalten, als auch in den
Niederlanden ein gewaltsames Vorgehen Philipps abzu-
wenden; denn eine friedliche Verständigung der beiden
Parteien war nur möglich bei gegenseitiger Nachgiebig-
keit, insbesondere bei einer milden Politik des Königs
auf religiösem Gebiete ^^). Indessen die Herzogm von
Parma lehnte das Ansinnen, mit Oranien auf gleichem
Fufse behandelt zu werden, als eine Verletzung der
königlichen Ehre ab-'^), und Philipp, der bereits feste
Entschlüsse über die in den Niederlanden zu befolgende
Politik gefafst hatte, billigte die Meinung seiner
Schwester-*').
Inzwischen schwebten äufserst schleppende Verhand-
lungen zwischen den evangelischen Reichsständen. Als
Wittgenstein mit Augusts Erbieten, sich einer Gesamt-
petition der deutschen Protestanten an Philipp und Mar-
garete anzuschlielsen , in Kassel eintraf, nahm Landgraf
Wilhelm die Sache in die Hand und schrieb an verschiedene
Fürsten. Jedoch die dogmatischen Diflferenzen lähmten
ein geschlossenes Vorgehen. Nur der Pfälzer trat eifrig
und energisch für die Niederländer ein: er verglich die
Gründe, welche Philipp und Margarete geltend machten,
mit denen, deren sich Karl V. und seine Staatsmänner
vor dem Schmalkaldischen Kriege bedient hatten ; er wies
auf die Zusammenkunft in Bayonne und andere Anzeichen
der neuen Ära hin ; er ermahnte seine fürstlichen Kollegen,
ihre Räte zusammenzuschicken , den Kaiser um Ver-
mittelung zu ersuchen, Margarete, Oranien, Egmont
schriftlich oder mündlich zum Schutze der bedrängten
Protestanten aufzufordern ; „ denn so sie im Bade usge-
waschen, würde man unser als der nechsten Genachberten
der Religion verwandten Stenden mit dem zwagen gewils-
lichen nicht verschonen". Um aber den Forderungen an
Maximilian und Margarete Nachdruck zu verleihen, ver-
langte Friedrich, daß man den Spaniern den Duixhzug
-*) Gachard, Philippe I, 472. Vergi. Ritter, Deutsche Ge-
schichte I, .399,
25) Ebenda I, 480.
-«) Ebenda I, 496. — Vergl. Gachard. Les bibliotheques de
Madi-id et de l'Escurial S. 91.
46 Gustav Woli:
versperren und dem Kaiser die „Hinterstelligmachung"
der Türkenliilfe nicht gerade offen androhen, aber doch
versteckt andeuten sollte-').
Die Aufforderungen des Kurfürsten fielen meist auf
steinigen Boden. Johann Wilhelm von Weimar, an den
Friedrich einen eigenhändigen Brief geschrieben hatte,
war viel zu sehr in die Zwistigkeiten seines Hauses ver-
wickelt, als dafs er diesen Dingen grolse Aufmerksamkeit
hätte schenken können. August unterschätzte die Gefahr,
welche den niederländischen Protestanten drohte, nicht;
aber obwohl er den Versicherungen der Generalstatt-
halterin, dals Oranien und seine Freunde Rebellen seien,
nicht glaubte, fürchtete er doch die Reformierten und
Sekten in ihren abweichenden Meinungen zu bestärken,
wenn er sie in seine Fürbitte einschlösse. Noch weiter
ging Herzog Christoph von Württemberg, er lehnte nicht
nur die von Pfalz wiederholt angeregte Gesandtenkonferenz
beharrlich ab, sondern verlangte auch, dafs alle nieder-
ländischen Protestanten sich auf der Grundlage der
Wittenberger Konkordie verglichen und dals sich Friedrich
an Interzessionen nicht beteilige'-*^).
So hatte denn auch eine von Friedrich veranstaltete
Zusammenkunft in Heidelberg ein sehr geringes Ergebnis.
Nur Gesandte der Landgrafen von Hessen und des Mark-
grafen von Baden fanden sich ein, jedoch mit dem Be-
fehl nur zuzuhören und nichts zu beschlielsen. Das einzige,
worüber man sich einigte, war die baldige Einberufung
eines Fürstentages, für den eine umfangreiche Tages-
ordnung aufgestellt wurde-''). Als jedoch Friedrich dem
Beschlüsse Folge leisten wollte, war derselbe durch die Er-
eignisse längst überholt.
Denn immer näher rückte die Krisis in den Nieder-
landen; die Maföregeln der Generalstatthalterin gegen die
Protestanten wurden schärfer und schärfer, die spanischen
Söldnerwerbungon mehrten sich. Und nun kam die Nach-
richt, dals der König unter Führung des Herzogs Alba
eine starke Armee schicken werde.
2') Kluckhohn I, 70(> tt'.; (lesf!:leicheu IMedrich an August
156H November 3 (Dr. A. 111, 82 Niederläiulisclie Sachen t'(.l. 21
Rcligionssacheii Xo. 1. Bl. 111 ff).
28) Christoph au Wilhelm 1566 Oktober 29 Stiittgart (Dr. A. III,
82 lol. 21 Religionssachen No. 1 Hl. i:i7 ff). — Kugler, Christoph
Herzog- zu Wirtemlierc: II, 500 ff'.
2''j Kluckhohn^ II, 3.
Kurfürst August und der niederländische Aufstand. 47
Oraiiien meldete jeden gefahrdrohenden Vorgang nach
Kassel und Dresden; am 1. Dezember 1566 schickte er
seinem Bruder Johann eine lange Instruktion für ihn,
Königstein und Wittgenstein an die süddeutschen Fürsten.
Ende des Monats reiste AVolf Mühlich, Mitte Januar
Graf Ludwig nach Deutschland.
Den Verhältnissen entsprechend steigerte der Prinz
seine Anforderungen. Im Sommer und Herbst hatte er
nur Fürbitten verlangt, jedoch schon damals durch die
geschickte Art, Avie er die Werbungen von Söldnern mit
Wittgensteins Sendung nach Hessen und Sachsen ver-
einigt hatte, es erreicht, dafs August und Wilhelm einen
Widerstand Oraniens gegen den König in den Kreis ihrer
Berechnungen gezogen hatten. Jetzt ging Oranien einen
Schritt weiter: er liefs durch den Grafen Ludwig an-
fragen, ob er die Niederlande verlassen oder den Er-
eignissen Trotz bieten solle •^*'). Ein formelles Unter-
stützungsgesuch war ja dieses Memorial nicht; aber wenn
Oranien betonte, dals er durch seinen Weggang sich selbst
schuldig bekennen, durch sein Bleiben aber thatsächlich
dem König und den Niederlanden einen Dienst erweisen
würde, so liefs er seinen Wunsch klar durchblicken; denn
zum Widerstände bedurfte er der fremden Beihilfe. Noch
deutlicher trat seine Absicht in dem Bittgesuch hervor,
welches seinem Verlangen gemäls die deutschen Fürsten
an Philipp und Margarete richten sollten. Um den Ein-
druck zu erhöhen und seine Freunde zu ermutigen, bat
er um Einfügung einer Drohimg: die Fürsten sollten er-
klären, wenn Philipp die Inquisition und Ketzergesetze
nicht fallen lasse, „so könten sie auch aus christlicher
Liebe und Treuw dieselben irer Religion Verwandten nicht
lassen, sondern wollten inen als iren Glaubensgenossen
alle christliche Hilf und Beistand leisten". Das war eine
offene Ankündigung des Widerstandes gegen etwaige Ge-
waltmafsregeln Philipps. Aus allem geht hervor: Oranien
Avollte, die deutschen Fürsten sollten sich schrittweise zu
einer kräftigen Unterstützung seiner Genossen enga-
gieren"^^).
Die Zeit war allerdings wenig dazu angethan, August
zu einer Aufgabe seiner reservierten Stellung zu veran-
30) Dr. A. III, 82 fol. 21 Religionssachen Xo. 1 Bl. 182 ff. —
AugTists Antwort Groen III, 32 ff. u. Dr. A. a. a. 0. mit dem
Datum des 12. Februar.
»') Groen III, 27 ff.
48 Gustav Wolf:
lassen. Der Kaiser hatte Johann Friedrich in die Acht
erklärt und den Kurfürsten mit der Exekution beauftragt;
dieser war gerade damals mit den Vorbereitungen zur
Belagerung der ernestinischen Festung Gotha beschäftigt.
Aber er kam doch schon vor der Ankunft des Grafen
Oranien einen Schritt entgegen. Während er im Herbste
sich nur den übrigen protestantischen Fürsten hatte an-
schliefsen wollen, ergriff er jetzt selbst die Initiative und
berief eine Zusammenkunft der kursächsischen, hessischen
und württembergischen Räte für den ersten Februar nach
Fulda. Die Pfälzer wurden nicht eingeladen. Sie würden
in eine Beschränkung der Fürbitte auf die Konfessionist en
nicht gewilligt haben. Der für August ausschlaggebende
Grund war aber nicht die kalvinische Gesinnung Friedrichs,
welche der Wettiner zum Vorwand nahm, sondern die Be-
sorgnis, dafs die Pfälzer für eine thatkräftige Unterstützung
der Niederländer eintreten und bei den anderen Gesandten
Beifall finden würden.
Das Ergebnis der Konferenz entsprach den Grund-
sätzen der kursächsischen Politik und msbesondere der
Instruktion , welche August seinem Rat Erich Volkmar
von Berlepsch mitgegeben hatte-^-). Man beschlols eine
Bittschrift an Philipp, eine stattliche Gesandtschaft an
Margarete, einen Bericht an den Kaiser und auf Ver-
anlassung der hessischen Gesandten ein Gesuch an die
Königin - Mutter von Frankreich, sich gleichfalls für die
Niederländer zu verwenden. Diese vier Schreiben sollten
durch die Herren der anwesenden Gesandten vollzogen
und dann auch an andere Fürsten geschickt werden;
doch wurde trotz der hessischen Einsprache Kurfürst
Friedrich ausdrücklich von der Teilnahme ausgeschlossen''-').
Während dieser Beratungen verhandelte Graf Ludwig
mit den befreundeten Höfen. Aber nur in Kassel brachte
man den Werbungen ein Verständnis entgegen. Philipp
und Wilhelm erkannten die Notwendigkeit umfassender
Schutzmalsregeln an-'*); ja sie schlugen selbst einen ihrer
32) Die Instruktion vom 21. Januar 1567: Dr. A. III, 82 fol. 21
lleligionssachen No. 1 BI. 167 ff.
•"') Neudecker, Neue Beiträge II, 114 ff. — Heppe, Ge-
schichte des deutschen Protestantismus in den Jaliren 1555—85 II,
168 ff. — Kluckhohn a. a. 0. II, 5 f. — Green IH, 80 ff". —
Ritter in v. Wehers Arch. N. F. V, 326 f.
^^) Eigenhändiges Sclu-eiben des Grafen Ludwig an Günther von
Schwarzburg s d. (Dr. A. III, 82 fol. 21 Religionssachen No. 1 Bl. 286 ff.) :
Die Landgrafen raten „. . das man . . fortfulu'e und sehe, wie man
Kurfürst August und der niederländische Aufstand. 49
Unterthaneii, llatzenberger, für Oraniens Dienste vor und
lielsen den Grafen in Kassel Reiter für seinen Bruder
engagieren. Dennoch scheuten sie sich, offen für die
Niederländer Partei zu ergreifen und wollten die Drohung,
welche die deutschen Fürsten nach Oraniens Vorschlag
ihrer Bittschrift an Margarete anfügen sollten, ohne Zu-
stimmung des Kurfürsten von Sachsen nicht bewilligen;
es war aber vorauszusehen, dais August niemals einen
solchen Druck auf die Entschlüsse des Königs und der
ßegentin billigen würde.
Dagegen legte der alte Landgraf das gröfste Gewicht
auf eine kaiserliche Vermittelung. Deshalb befahl er —
vielleicht veranlalst durchVorschläge und Winke Oraniens'^'"')
— seinen Gesandten, die er auf den Reichstag nach
Regensburg abfertigte, die Türkenhilfe nur dann zu be-
willigen, wenn Maximilian sich in der niederländischen
Sache geneigt zeigen würde. Ein so bestimmtes Vor-
gehen hatte bisher nicht einmal der Kurfürst Friedrich,
dessen Taktik doch sonst eine entsprechende war, offen
vorzuschlagen gewagt.
Es könnte auffallen, dafs gerade Philipp, welcher
in anderen Dingen, wie der Aufhebung des geistlichen
Vorbehalts grolse Zurückhaltung beobachtete, plötzlich so
energisch und zielbewulst auftrat. Thatsächlich war diese
Entschiedenheit in den ganzen Anschauungen der hessischen
Politiker begründet. Denn es handelte sich nicht wie bei
der Aufhebung des Vorbehalts und denReligionsbesch werden
um „Privataö'ekte" und um Spezialinteressen einzelner
Stände, sondern der Landgraf betrachtete die Niederlande
als eine Vormauer des deutschen Protestantismus, nach deren
Fall der Religionskrieg in Deutschland entbrennen würde.
Um des eigenen Schutzes willen verlangte er den der
niederländischen Glaubensgenossen, so lange es Zeit sei.
Die kursächsischen Gesandten waren verblüfft, als
der hessische Kanzler Jakob Lerlsener ihnen und den
anderen evangelischen Räten einen Auszug aus seiner
Instruktion vorlegte und mehrfach um Bescheid anhielt ■''*).
sich alshald der vornemsten stedt, auch Hollands versichern möge
und etliche pferd und fuefsvolk uff die beine bringe, damit man von
den adversariis, so sich von tag zu tag Sterken, nicht uberhuet und
das vorteil sampt den pessen also von inen abgelaufen werde, das
auch solchs ohne einigen Verzug in das werk gestellet werde . . . ."
35) Green II, 65 ff. — Vergl. Gachard, Philippe I, 492 ff.
3ö) Iläte au August 1567 März 27 Regensburg (Dr. A. II T,
111 fol. 182 No. 1 Bl. 69 ff.).
Neues Archiv f. S. (i. u. A. XIV. 1. •>. 4
50 Gustav Wolf:
Hatte August doch noch kürzlich im Lager vor Gotha
zum Grafen Ludwig gesagt, dals Oranien sich der von
Gott geordneten Obrigkeit nicht widersetzen und mit
einer Rechtfertigungsschrift begnügen müclite-"). Seinen
Eeichstagsgesandten hatte er zwar befolilen, sich in der
niederländischen Frage von den übrigen nicht zu trennen
und alles zu thun, „was zur Abwendung der armen Leute
Not und Gefahr zu tliun möglich". Aber ausdrücklich
hatte er betont, die Türkenhilfe müsse der Kaiser er-
halten.
Die hessische Aktion wurde durch den Tod des alten
Landgrafen vereitelt. Hessen zerfiel fortan in mehrere
Teile, deren gröfster mit der Hauptstadt Kassel an den
ältesten Sohn Wilhelm kam. Obgleich derselbe in den
letzten Jahren sein Wohlwollen gegen Oranien vielfach
bewiesen, so stand er an Macht und Ansehen hinter
seinem Vater zurück und lenkte durchaus in das kur-
sächsische Fahrwasser; wenn er der Zustimmung und des
Rückhalts Augusts nicht sicher Avar, wagte er keine aktive
Politik. So konnte der Kurfürst den Landgrafen in einer
persönlichen Zusammenkunft mit leichter Mühe zur Zurück-
nahme des väterlichen Befehls bestimmen. Als dann im
Kurfürstenrate über die Türkenhilfe verhandelt wurde,
machten die Pfälzer noch einen schüchternen Versuch
und forderten vorherige Abschaffung der „Abgötterei und
des Blutvergiefsens", sowie der niederländischen und
gothaischen Wirren ; aber obgleich Brandenburg zustimmte,
votierten die Kursächsischen doch nach ihren Befehlen
und bildeten mit den Geistlichen zusammen die Mehrheit.
Der hessisch-pfälzische Vorstofs war gescheitert-^^).
Inzwischen vollzog sich in den Niederlanden eine
entscheidende Wendung. Da es Oraniens Anstrengungen
nicht gelang, die durch den Bildersturm bewirkte Spal-
tung des Adels wieder zu beseitigen und einen geschlossenen
Widerstand gegen die zu befürchtenden Angriffe zu
organisieren, brach er die bis dahin noch unterhaltenen
Beziehungen mit Margarete und der spanischen Regierung
völlig ab und begab sich erst nach Breda und am
22. April nach Deutschland'^").
3'0 Groeu III, 32 ff.
3*) Räte an August 1567 April Ifi Regeusburg (Dr. A. 111,
111 Reichstagssachen fol. 182 No. 1 VA. 128 f.).
8") Vergi. den ansclianlichen IJriff Landgraf Wilhelms an August
loOy April 26 (Dr. A. III, (i7a fol. 350 No. 4 Bl. 101 tf).
Kurfürst Aug'iist und der niederländische Anfstand, 51
Der Schritt darf nicht als ein Akt augenblicklicher
Mutlosigkeit angesehen werden'*"). Erstens entsprang er
keinem plötzlichen Entschlüsse, zweitens war er gefafst
mit Rücksicht auf die allgemeine Lage, und drittens
setzte Oranien genau dieselbe Politik fort, die er vorher
in den Niederlanden befolgt hatte. Die Abreise bildete
ein Glied in der Kette der oranischen Politik. Äufse-
rungen, dals er sich nach Deutschland zurückziehen wolle,
hatte der Prinz schon oft fallen lassen. Egmont und
Hoorne liielten sich, wie wir sahen, von Oranien fern;
trotz eines Angebots von Antwerpener Kaufleuten fehlte
es zum Kriege an Geld, und Landgraf Wilhelm liels
dem Grafen Johann sagen, dals auf deutsche Hilfe nicht
zu rechnen sei"). Schlielslich hatte Ludwig noch gehofft,
bei seiner Anwesenheit im Lager vor Gotha die Be-
lagerer oder Belagerten zu gewinnen. Aber auch das
wurde vereitelt, da nach dem Falle der Stadt der Kaiser
die vakant gewordenen Truppen in Wartegeld nahm.
Wenn nun Oranien alles dies zusammenfafste und damit
die gewaltigen Vorbereitungen und Rüstungen der
Spanier verglich, dann mulste ihm das Festhalten an
seinem Defensivplan als ein tollkühnes Unternehmen
erscheinen. Eher durfte er erwarten, dafs die Spanier
durch ein strenges Regiment Niederländer wie Deutsche
aufreizen und dem Prinzen in die Hände arbeiten würden.
Währenddes setzte Kurfürst Friedrich seine Be-
mühungen fort. Den Hessen war der Ausschküs des
Pfälzers von den Fuldaer Beratungen niemals sympathisch
gewesen. August hatte seinen Hauptzweck, den er mit
der Zurückweisung des Pfälzers verband, erreicht und
zu weit gehende Beschlüsse verhindert. Und auch Christoph
lenkte ein und schickte die Kopieen der Fuldaer Verab-
redungen an den Kurfürsten. So wurde dieser plötzlich
von allen drei Seiten zwar nicht zum Auschluls auf-
gefordert, aber doch von den Verhandlungen verständigt
und konnte den Plan einer süddeutschen Gesandten-
konferenz mit besserem Erfolge wieder aufnehmen.
Anfang April traten die württembergischen, badischen
und pfälzischen Räte in Heidelberg zusammen und be-
schlossen durch die rheinischen und schwäbischen Kreis-
stände den Kaiser zu bewegen, dafs er Philipp die Be-
4«) So stellt es Ritter (Deutsclie Geschichte I, 372 f.) dar.
^1) Blök, Correspondentie S. 62 K
4*
52 Gustav Wolf:
scliwerung' deutscher ßeiclisangehüriger durch Durchzüge
und Truppenansammhingen verbiete, und im Weigerungs-
falle Maximilian die Verringerung der Tiirkenhilfe nicht
otten anzudrohen, aber wenigstens anzudeuten. Um aber
auch wirklich vor Überfällen, Werbungen und ähnlichen
Belästigungen sicher zu sein, einigten sich die Eäte über
die Aufstellung einer gemeinschaftlichen Defensivmacht.
Indes der Heidelberger Abschied blieb unausgeführt.
Herzog Christoph und Markgraf Karl, welche ihr Gebiet
nicht unmittelbar bedroht sahen und deshalb die erheb-
lichen Kosten für die Truppen scheuten, genehmigten die
Beschlüsse nicht. Friedrich legte zwar der Verabredung
gemäls dem kurrheinischen Kreistag ein Schreiben an
den Kaiser vor. La jedoch die geistlichen Kurfürsten
in den Niederländern nur Rebellen sahen und an der
Freistellung der evangelischen Religion in Philipps
Ländern kein Interesse hatten, vereitelten sie das Vor-
haben und lehnten die Bittschrift ab*-).
Der Kurfürst wurde durch solche Erfahrungen nicht
entmutigt. Er schickte seinen Sohn Johann Kasimir zu
Christoph, um ihm über die Lage zu berichten und seine
persönlichen Beziehungen zu ihm zu befestigen. Obgleich
Landgraf Wilhelm auf Augusts Veranlassung sich nach-
träglich den Bedenken Christophs und Karls gegen den
Heidelberger Abschied angeschlossen hatte, benutzte
Friedrich doch eine Zusammenkunft der hessischen Brüdei',
um durch seinen soeben zurückgekehrten Sohn für seine
Wünsche Stimmung zu machen*^). Aber der Bescheid,
welchen Johann Kasimir erlangte, wurde von Wilhelm
selbst als „rauh" bezeichnet. Die Landgrafen baten den
Pfälzer, sich der Augsburgischen Konfession anzuschlielsen
und die verschrieensten Theologen abzuschaffen, und
erinnerten ihn, dals er durch die Wiederaufnahme der
aus den Niederlanden zurückgekehrten Prediger den
Spaniern Ärgernis gegeben habe; im übrigen verwiesen
sie ihn an August und Christoph'*).
So blieb als einziges wirkliches Ergebnis aller Ver-
handlungen jene Gesandtschaft übrig, die nach Augusts
Vorscldägen in Fulda beschlossen w'orden war. Jedoch
"2) Klnckhohn 11, 24 f. 59.
-'S) Kluckholm 11, 40 ff.
") Die Antwort der Landgrafen vom 17. Mai Ziegenhain (Dr.
A. in, 67a fol. 350 Nu. 4 JJl. 177 ff.); vergl. Wiliielin an August
1067 Mai 18 Ziogonliain (Dr. A. ebenda Bl. i:}4 f.).
Knifürst Anglist niid der niederländische Anfstand. 53
trotz Oianieiis Mahnungen zur Eile kam der Mai heran,
ehe die Räte in Köln zusammentrafen. Um Bespre-
chungen derselben mit den niederländischen Protestanten
zu hindern, wollte Margarete sie erst durch ihren Sekretär
Scharnberger an der Grenze abfertigen lassen. Mit
Mühe erreichten sie, dafs sie nach Antwerpen kommen
durften. Aber sie wurden ängstlich bewacht und schnell
beschieden. Sie waren gerade beim Frühstück, als Gi-af
Peter Ernst von Mansfeld sie zur Herzogin berief; als
sie sich mit ihrer augenblicklichen Ungelegenheit ent-
schuldigten, wurden sie schroff bedeutet, dafs man sie
jetzt erwarte. Am Tage nach der Werbung wurde die
Antwort, welche die von den Zwecken der Mission schon
wochenlang unterrichtete Herzogin längst vollendet hatte,
in die Wohnung der Gesandten geschickt: Margarete
verbat sich jede Einmischung in innere ßegierungs-
angelegenheiten und lehnte eine eigenmächtige Änderung
ihrer Politik ab*'^).
Die Behandlung der Gesandten wurde von den
deutschen Fürsten ganz allgemein als eine Verhöhnung
empfunden. Die meisten wollten sich dergleichen nicht
gefallen lassen; insbesondere der Pfälzer erneuerte seine
Ermahnungen zu einem engeren Bündnis der evangelischen
Reichsfürsten und überredete Christoph, Wilhelm und den
Markgrafen von Baden, welche Ende Mai seine Gäste
im neuen Schlosse bei Heidelberg waren, in einem Ge-
samtschreiben den Kurfürsten von Sachsen auf die Grölse
der Gefahr aufmerksam zu machen''*'). Aber August
blieb unerschütterlich ; er antwortete , man dürfe die
Nachrichten nicht in den Wind schlagen*' ) ; das war alles,
was er zu sagen hatte. Das Bündnis gegen den Pro-
testantismus, welches die Heidelberger Fürsten ihrem
Briefe abschriftlich beigefügt hatten, bezeichnete er als
„eines unruhigen Kopfs müssigen Wahn und Discurs".
Es war klar, August wollte die Linie, die er sich
vorgezeichnet, nicht verlassen. Vermöge seiner Bezieh-
ungen zu den katholischen Fürsten war er optimistischer,
^s) Groen III, 90 ff. 93 ff. — Wolf Keller an August 1567
3Iai 17 Lier (Dr. A. in, 82 l 21 Religionssacheu No. 1 Bl. 393 ff.).
— Hoynck van Papendrecht, Analecta Belgica I, 426 fi". Poullet
II, 463 ff".
*«) Kluckhohn 11, 49. — Wilhelm au August 1567 Juni 2
Mainz (Dr. A. III, 67 a fol. 350 No. 4 Bl 210 ff).
") August an Wilhelm 1567 Juni 12 (ebenda Bl. 226).
54 (Justav Wolf:
nach seinem Charakter zurückhaltender als Friedrich und
Wilhelm. Diese sahen die beginnenden AVirren in den
Niederlanden als Vorboten eines deutschen Religions-
krieges an; war doch Alba der „Ketzerfeldherr", der den
Landgrafen einst gefangen genommen! Es entging auch
August nicht, dals trotz des Schwindens der Opposition
die niederländische Regierung ihre Truppen mehr und
mehr verstärkte und dals aulserordentliche Ereignisse
sich vorbereiteten. Aber eben deshalb hielt er die Lage
der deutschen Protestanten augenblicklich für ziemlich
sicher; wie sollte Philipp gerade jetzt, da er die Nieder-
lande unterwerfen wollte und dort genug zu schaffen
hatte, sich durch einen Angriff auf Reichsgebiet neue
Eeinde machen und seine Lage unnötig erschweren ? Eine
Gefahr für das Reich erblickte er nur unter einer Vor-
aussetzung: wenn einzelne Fürsten die Niederländer mit
Waffengewalt oder sonst unterstützen und dadurch die
Gegnerschaft der Spanier herausfordern würden. August
meinte, dals dann die Spanier sich nicht mit der Ver-
teidigung begnügen, sondern gegen die Verbündeten ihrer
Feinde die Offensive ergreifen möchten. Der Ausgang
eines solchen Kampfes schien ihm aber unter den da-
maligen militärischen Verhältnissen nicht zweifelhaft.
Darum wollte August diesen letzteren Fall unbedingt
vermeiden und nichts tliun, was Philipp und Alba reizen
konnte. So riet er Oranien von seinem Plane, sich in
einef Schrift an die deutschen Fürsten zu rechtfertigen,
ab; der Prinz, sagte er, dürfe den König nicht verun-
glimpfen^*^). Desgleichen war er gegen die Konferenz
evangelischer Fürsten oder Räte behufs eines engeren
Verteidigungsbündnisses zwischen den konfessionistischen
Reichsständen, weil er den Argwohn der Gegner fürchtete
und sich daher mehr Schaden als Nutzen davon versprach;
er meinte, ein evangelischer Bund werde einen katholischen
Gegenbund hervorrufen *").
Unter diesen Umständen prallten alle Vorschläge des
Pfälzers in Dresden ab. Immer fieberhafter wurde dessen
Thätigkeit, immer neue Pläne ersann er zur Abwendung
der besorgten Gefahr. Er schlug Christoph vor, die Lehns-
leute und Unterthanen aus den Diensten der General-
is) Blök, Verslaag S. 81.
*") August an die Heidelberger Fürsten 1567 Juni 17 Dresden
(Dr. A. 111, 51a fol. 19 No. 78 Bl. 150 ff.).
Kurfürst August uml der niederlänclische Aufstand. 55
statilialterin abzuberufen. Als die Spanier Truppen in
(las Gebiet des Kurfürsten von Trier legten, schienen
sie die Befürchtungen Friedrichs und Wilhelms zu recht-
fertigen; war dies nicht die vorausgesagte Verletzung
des Reichsgebietes? Der Kurfürst wurde auch durch
Augusts kühle Antwort .auf das Schreiben der Heidel-
berger Fürsten an der Aveiteren Verfolgung seines Planes
nicht gehindert. Er veranstaltete eine neue Fürsten-
zusammenkunft in Maulbronn, in welcher man beschloß,
die Gesinnungen der geistlichen Kurfürsten auszuforschen,
untei' einander fest zusammenzuhalten und die übrigen
protestantischen Fürsten zur Teilnahme an diesem Bunde
einzuladen"^"). Auch eine Eeplik an den Kurfürsten von
Sachsen wurde entworfen und ihm abermals die Grölse
der Gefahr zu Gemüte geführt. Kurz vorher hatte Fried-
rich seinen Rat Dr. Hartmann nach Dresden geschickt
und in gleichem Sinne zu wirken gesucht.
August ging auf alle diese Pläne nicht ein. Wenn
der Kurfürst von Trier sich verletzt fühlte, warum ergriff
er nicht selbst die Initiative und wendete sich an die
Reichsstände? Indem August seine aufrichtig religiöse
Gesinnung beteuerte und im Falle wirklicher Rechts- und
Friedensverletzung seinen Glaubensgenossen Hilfe und
Beistand versprach, wiederholte er seine früheren Er-
Avägungen und verweigerte die ihm in Maulbronn ange-
sonnene Berufung eines niederdeutschen Konventes ■^^).
Seinem Erbieten gemäls ermächtigte er allerdings die
Räte, welche er auf den Reichsdeputationstag nach Erfurt
abgefertigt hatte, mit den anderen protestantischen Ge-
sandten die niederländische Frage zu besprechen; aber
die Adressaten konnten aus seinen Befehlen deutlich
genug sehen, welchen geringen Wert der Kurfürst auf
solche Verhandlungen legte ■^-).
Während des Erfurter Tages traf Alba in den Nieder-
landen ein. „Es giebt wenige Personen, Avelche sich seiner
Ankunft freuen'', so schildert lakonisch ein Spanier in der
Umgebimg Margaretes die damalige Stimmung in den
^^) Kluckliohn II, 66 f. — v. Bezold, Briefe des Pfalzgrafen
Johann Kasimir I, 22.
51) Kluckhohn II, 80 ff.
•'■'-; August an seine Erfm-ter Räte 1567 August 7 Krottendorf
(Dr. A. III, 109 fol. 6 No. 1 El. 33 f.). — Augaist an Karlowitz
(ebenda Bl. 67 f.). — Kluckhohn II, 103.
56 Gustav Wolf:
Niederlanden''-'). Auch aufserhalb derselben balte man
etAvas ganz anderes erwartet und befürwortet. Einhellig
waren alle königlich Gesinnten im Rufe nach der persön-
lichen Anwesenheit Philipps und überwiegend die Stim-
mung für möglichste Milde gewesen. Der Kaiser hatte
durch den Oberhofmeister seiner Söhne, Adam von Dietrich-
stein, verlangt, zwischen Lutheranern und Reformierten
zu unterscheiden und ersteren freien Abzug zu gewähren,
also mit anderen Worten den Augsburger Religionsfrieden,
unter dem in Deutschland die Ruhe aufrecht erhalten
wurde, auf die Niederlande anzuwenden. Der König
hatte dieses Ansinnen höflich abgelehnt ■'^^). Granvelle
hatte vor dem Bilderaufstand Philijjp geraten, mit mög-
lichst geringer militärischer Bedeckung rasch selbst nach
den Niederlanden zu reisen und sich zu Genua von Egmont
und Oranien empfangen und weiter geleiten zu lassen;
er erwartete, dafs der König bei seiner Ankunft sofort
einen groisen Teil des Adels zu seinen Diensten bereit
finden und durch Belohnungen und lockende Aussichten
an sich fesseln Avürde ''*•''•). Selbst nach dem Bilderaufstande
hatte er möglichste Schonung und Milde empfohlen '''•).
Allen diesen Vorschlägen war das eine gemeinsam,
dals sie die Opposition nicht gewaltsam unterwerfen,
sondern beschwichtigen und in ihre verschiedenen religi-
ösen und politischen Bestandteile durcli Klugheit und
Mälsigung auflösen wollten. Aber Philipp dachte anders.
Er hatte von seinem Vater den Grundsatz geerbt, dafs
Gewissens- und Religionsfreiheit der Unterthanen zu dem
Rechte der Religionslosigkeit führen müsse, und war zu
entschiedenem Vorgehen entschlossen. Indem er seine
Reise in die Niederlande für eine nahe Zukunft in Aus-
sicht stellte, schickte er seinen ersten Peldherrn mit den
umfassendsten Vollmachten und einem schlagfertigen Heere
voraus.
Über die Bedeutung der Ankunft All)as war niemand
in Zweifel ; man kannte ihn als den treu ergebenen Diener
seines Herrn, als einen strengen Anhänger der katholischen
Kirche, als den harten und zielbewulsten Kriegsmann,
der vor keinem Mittel zurückschreckte. Der Herzog
rechtfertigte völlig die gehegten Erwartungen. Die Ein-
•^s) Gachard, Philippe I, 558.
^) Koch I, 192.
"5) Ponllet I, 268.
''0^ PouUet 1, 441. Gachard, Philippe I, 584 f.
Knifürst Aiigu.st und der uiederläiidisclie Aufstand. 57
Setzung des Eats der Unruhen, die vielfachen Exekutionen
niacliten böses Bhit; das gTöfste Aufsehen erregte aber
allenthalben die Verhaftung der Grafen Egmont und
Hoorne. Diese Mafsregel war, politisch betrachtet, ein
grol'ser Fehler. Der geheime Sekretär Margaretes,
Thomas Armenteros, dessen Briefe wir manche treffende
Charakteristik der in den Niederlanden handelnden Per-
sonen verdanken, schildert Egmont als wohlwollend und
dünkelhaft, leicht zu beherrschen von denen, welchen er
einmal sein Vertrauen geschenkt hat"). Dazu kam seine
katholische Gesinnung und seine Anhänglichkeit an den
König. Selbst Granvelle, gewils kein Freund des nieder-
ländischen Adels, hatte aus jahrelangem Zusammenwirken
den Eindruck empfangen , dafs Egmont wissentlich nie-
mals die Interessen seines Herrn und seiner Religion ver-
letzt hätte und höchstens von anderen irre geleitet worden
wäre^'^). Da der Graf nun einerseits in den Niederlanden
ein grolses Ansehen genofs und andrerseits nach Gunst-
bezeugungen der Krone haschte, so war er, Avie auch
Granvelle sehr richtig bemerkte, zum Werkzeug des
Königs hervorragend geeignet. Statt dessen stempelte
ihn Alba zum Märtyrer.
Die Erwägung, dafs das Vorgehen gegen die Grafen
einen ungünstigen Eindruck erwecken werde, drängte sich
allerdings auch Alba auf. Er schrieb deshalb auch sofort
an einige befreundete Fürsten und an Chantonnay, um
die besoigte Wirkung zu verhüten"'-'). Aber obgleich
sich infolge der Trennung Oraniens und Egmonts an
manchen Orten eine gewisse Schadenfreude über das dem
letzteren bereitete Schicksal geltend machte*"'"), so war doch
im allgemeinen die Erregung eine grofse und beschränkte
sich nicht auf evangelische Kreise"'). Der Kaiser, sein
s^O Gachard, Pbilippe I, 343.
58) PouUet III, 67 f. 100 ff. 189.
5") Coleccion de documeiitos ineditos para la historia d'Espafia
IV, 452 f. XXXVII, 30 f. 168 ff. — Alba au Heiurich von Braim-
schAveig (Dr. A. III, 67 a fol. 850 No. 5 Bl. 129 ff.).
öO) Kervyn de Lettenhove, Relation.s politiques des Pays-
Bas et de l'Angleterre V, 8 ff. Calendar of State papers fo-
reign 1566—68 S. 347. — Wilhelm an August 1567 September 21
Zapfenburg (Dr. A. III, 67 a fol. 350 No. 5 Bl. 104 f.).
«») Zasius an August 1567 September 80 und Oktober 21 Wien
(Dr. A. in, 51a fol. 24 Xo. 10 Bl. 203 ff): „Gott woll, daz dils werk
nicht ainen seer l>raiten fnefs hab und zumal noch vil ärgers, dafs
sich auch viel weiter erstrecke, hernach volge. Wau es dan allein
58 Gustav Wolf:
Bruder Erzlicrzog Karl, selbst der strenggläubige Albreclit
von Bayern traten offen für die Grafen ein"-).
Ein aktives und entschiedenes Vorgehen wagte indes
nur der Kurfürst von der Pfalz. In Bayonne war
zwischen Spanien und Frankreich eine entschiedene Be-
kämpfung der neuen Lehre verabredet worden. Die
Hugenotten, welche am Hofe Karls IX. sehr mächtig
Avaren, hatten indessen von der ihnen drohenden Gefahr
gehört, und als Katharina von Medici nach der Ankunft
Albas immer feindseliger auftrat, so brach der zweite
Hugenottenkrieg aus*'*'). Im evangelischen Deutschland
glaubte man damals ganz allgemein, das Auftreten Albas
habe Conde und seine Freunde zum Widerstände ange-
facht und den Kampf verschuldet. Die bald darauf her-
vortretende enge Verbindung zwischen der französischen
Krone und Alba — letzterer scheute sich nicht, die fran-
zösischen Katholiken rückhaltlos zu unterstützen und für
ihre Unterstützung bei den deutschen Fürsten einzu-
treten''M — gab dieser Ansicht neue Nahrung. Da er-
laubte Friedrich seinem Sohne Johann Kasimir, Reiter
zu werben und den französischen Glaubensgenossen zu
Hilfe zu ziehen ^^).
Der Entschlufs erregte allseitig Bedenken. August
w^arnte, dafs durch Friedrichs Parteinahme die deutschen
Katholiken auf die Gegenseite gedrängt würden. Aber
trotz dieser Abmahnungen des Wettiners, trotz des
Widerstands Christophs gegen die Söldner Werbungen in
Württemberg und trotz des Unwillens des Kaisers liels
sich Friedrich nicht irre machen.
Der Ausbruch des Hugenottenkrieges hatte indessen
diese teufelskopf treffen thät und über ihre liälfs aufssieng, so Avere
es bald und leicht zu verclageu. Ich besorge aber ein anderes und
das die trimmer auch an die mit der zeit springen mochten, so der
Sachen nicht allein unschuldig, sondern auch verdrussig und veind
sein, wie dan die Kai. Mt. herüber sehr unlustig und übel zufrieden."
Die kaiserliche Hilfe wird den Grafen nicht viel helfen, „weil diefs
belzebubisch spanisch Ungeziefer das heftt schon ergriffen und in irem
hochmütigen, hoffertigen sinn der ganzen weit stark genug zu sein
sich gedenken."
«•-) Gachard, Philippe 1, 580. 11, 16.
"3) Kervyn de Lettenhove, Les huguenots et les gueux II,
42 ff,
«*) Alba an August 1567 November 16 Brüssel (Dr. A. III, 82
fol. 21 Keligionssachen No. 1 Bl. 575 f.). Desgl. an Heinrich von
Braunschweig (Dr. A. III, 51 a fol. 19 No 79 Bl. 8 f.).
.. "») v. Bezold a. a. 0. 1, 17 ff'.
Kurfürst August und der niederländische Aufstand. 59
noch eine zweite wichtigere Folge. Da Alba für die fran-
zösische Regierung eintrat, suchten deren Gegner mit
Uranien Fühlung zu nehmen; sie gedachten, den fran-
zösischen und niederländischen Konflikt zu einem einzigen
Unabhängigkeitskampf zu verschmelzen.
Oranien hatte inzwischen nichts weniger als an
Resignation gedacht. In Heidelberg, Kassel und Stutt-
gart hatte er persönlich für seine Sache gewirkt und das
Augenmerk besonders auf eine Fürbitte für Egmont und
Hoorne und auf eine Zusammenkunft der bedeutendsten
evangelischen Fürsten gerichtet. Dasselbe wollte er in
Dresden thun. Aber wenn schon Wilhelm aus Furcht
vor Albas Verdacht nur ungern die persönliche Zusammen-
kunft bewilligt hatte*'*'), war August noch viel bedenk-
licher; er benutzte die bevorstehende Entbindung der
Kurfürstin als Vorwand und lehnte den Empfang Oraniens
ab"^). Insgeheim schickte er jedoch Berlepsch, welcher im
Februar der oben erwähnten Fuldaer Konferenz bei-
gewohnt und während des Kasseler Aufenthalts des
Prinzen gleichfalls dort geweilt hatte, nach Sondershausen,
wo Oranien damals die Gastfreundschaft seines Schwagers,
des Grafen Günther von Schwarzburg, genofs*'^). Dort
entwickelte der Prinz dem sächsischen Gesandten seine
umfassenden Ideen. Beginnend mit der Fürbitte für die
gefangenen niederländischen Grafen berichtete er vom
hugenottischen Angebot und verlangte eine persönliche
Zusammenkunft der evangelischen Stände, wenigstens
Augusts, Christophs und der hessischen Landgrafen. Da
solle man sich darüber einigen, ob es sich in der nieder-
ländischen Frage um Rebellion — wie König Philipp
und seine Leute immer vorgaben — oder um Religion
handele. Im letzteren Falle werde der Prinz durch sein
Gewissen zur That gedrängt und dürfe aulser der fran-
zösischen auch englische und schweizerische Hilfe er-
warten. Aus politischen Gründen sich gegen die Obrig-
«6) Wilhelm an August 1567 Oktober 22 Kassel (Dr. A. III,
67a fol. 350 No. 5 Bl. 142 ff.)- Über die Kasseler Zusammenkunft
vergl. noch Wilhelm an August 1567 Oktober 25 Kassel (ebenda
Bl. 155 ff.) und Berlepsch an August 1567 Oktober 31 Kassel (Dr.
A. III, 82 fol. 21 Religionssachen No. 1 Bl. 541 ff.). — Blök, Ver-
slaag S. 180 f.
"'') August an Oranien 1567 November 10 Dresden (Dr. A. III,
82 fol. 21 Religionssachen No. 1 Bl. 530 ff.).
^'*) August an Berlepsch 1567 November 11 Dresden (Dr. A. III,
67 a fol. 350 No. 8 Bl. 474.).
60 (iustav Wolf:
keit zu empören hielt Oranieii zwar für bedenklich ; aber,
meinte er, dann mülisten er nnd seine Freunde erwägen,
„wie sie oblieg-ender Beschwerung anderer Gestalt one
Verletzung irer Gewilsen lols werden möchten und daizu
S. F. G. so balde also ettwan andere wol Gelegeidieit
zu finden." Oranien schlols seine Ausführungen mit der
Beteuerung, bis an sein Ende der christlichen Wahrheit
treu bleiben zu wollen''").
So hatte Oranien den letzten Schritt gethan, um den
Kurfürsten in seine Pläne einzuweihen. In den ersten
Jahren hatte er, scheinbar absichtslos, durch seine nieder-
ländischen Schilderungen Augusts Vertrauen erweckt.
Als er dessen sicher war, hatte er um die Interzession
des Kurfürsten und der protestantischen Reichsstände
gebeten und dadurch die passive Teilnahme für seine
Sache in eine demonstrative umgewandelt. Ei' hatte dann
die gothaischen Wirren und Augusts Besorgnis vor den
uni'uhigen Gesellen Johann Friedrichs benutzt, um aus
dem Wettiner Erwägungen über einen etwaigen Wider-
stand herauszulocken. Er hatte endlich durch seinen
Bruder jene Gesandtschaft der evangelischen Fürsten an
Margarete veranlalst, welche zwar ihren Zweck gründlich
verfehlt, aber eben darum den in seiner Ehre emi)find-
lichen Kurfürsten äufserst erbittert hatte. Von den AVer-
bungen Wittgensteins und Ludwigs war es nur ein kleiner
Schritt zu den Enthüllungen in Sondershausen. Aller-
dings, scheinbar forderte auch jetzt Oranien keine Hilfe,
sondern überlieis August die Entscheidung. x\ber alle
Fragen waren vom Prinzen so gestellt, dals sie eine be-
stimmte Antw^ort erheischten. Die Alternative, ob es
sich um eine Verteidigung des Protestantismus oder um
eine politische Empörung handele, hatten die evangelischen
Reichsfürsten thatsächlich längst entschieden; die Möglich-
keit, dals dieselben die niederländische Bewegung als Auf-
ruhr ansehen würden , war umsomehr ausgeschlossen,
nachdem sie ihre Meinung vor einem halben Jahre der
Generalstatthalterin ins Gesicht gesagt hatten^''). Blieb
aber nur der letzte Fall, die religiöse Verteidigung, übrig,
so hatte Oranien klar genug ausgesprochen, wozu ihn
die Rücksicht auf die „ehrliebenden Leute" dränge. Der
"") Beiiepsch an Aiigust 1567 November 17 Aiustadt (Dr.
III, 82 fol. 21 Keligionssachen No. 1 Bl. .549 ff.).
™) Groen 111, 82.
Kurfürst August mu\ der nioflorläiulischo Aufstand. 61
ganze Vortrag des Prinzen war die verblümte Ankündigung-
eines Aktionsprogramms.
Der Kurfürst von Saolisen befand sich gegenüber
solchen Ausführungen in einer peinlichen Verlegenheit,
Denselben zuzustimmen und ein gewaltsames Vorgehen
gegen Spanien ausdrücklich zu billigen, entsprach seinen
Grundsätzen nicht; wir sahen ja, warum er noch vor
wenigen Wochen die parallelen pfälzischen Bestrebungen
bekämpft hatte. Aber ebensowenig vermochte er dem
Prinzen offen zu widersprechen, ohne sich selbst zu wider-
sprechen und ohne namentlich die Fuldaer Gesandten-
instruktion zu verleugnen, die nach seinen Angaben ent-
worfen und Uranien vom kursächsischen Teilnehmer vor-
gelegt Avorden war. So gelangte er zu einer unbestimmten
nichtssagenden Antwort, welche nur sehr dürftig die
Verlegenheit der Dresdner Staatsmänner verhüllte. Wie
vor Gotha gegenüber dem Grafen Ludwig lehnte er aber-
mals aus Mangel an Sachkenntnis jede Direktive ab und
überliefs dem Prinzen, sich an den Kaiser zu wenden,
noch einige Zeit zuzusehen und sich bei Philipp und Alba
zu erkundigen, wessen er sich „seiner Person, Lande
und Leute, auch Gewissen" halber zu versehen habe'^).
Die kursächsische Erklärung ist weniger interessant
durch ihre positive Seite als durch das, was sie zwischen
den Zeilen erraten liels. Denn die Vorschläge waren
teils zwecklos, teils unausführbar; Oranien wäre ausge-
lacht worden, wenn er an den König oder Herzog eine
derartige Anfrage gerichtet hätte und die Nutzlosigkeit
von Interzessionen mufste jedermann einsehen, nachdem
die Vorstellungen des Kaisers, der Herzogin von Parma,
Granvelles, der deutschen Reichsfürsten das strenge
Regiment Albas nicht verhindert hatten. Das Wesentliche
hingegen in Augusts Resolution war, dals er dem Prinzen
nicht eine friedliche, sondern nur eine abwartende Haltung
empfahl und dals er für diesen Rat keine Verantwortung
zu übernehmen sich getraute.
Oranien entnahm aus dem Bescheide, was er daraus
entnehmen mulste : in seinen Vorbereitungen fortzufahren
und bis zu deren Vollendung der weiteren Entwickelung
freien Lauf zu lassen. Er wulste, dals die Sympathieen
") Groen III, 130 ff., vergl Groen III, 146 ff. (Das Origi-
nal dat. Dilleiiburg den 24. Dezember Dr. A. III, 82 fol. 21 Religions-
saclien Xo. 1 Bl. 598 ff)
62 (iiTstav Wolf:
für ihn und die Antipathieen gegen Spanien mit der
längeren Fortdauer des Alba'schen Regiments ununter-
brochen zunehmen mulsten.
Inzwischen versuchten sich einige Gönner des Prinzen
in den ausgefahrenen Geleisen der gütlichen Yermittelung.
Auf dem Kurfürstentag von Fulda, welchen der Kaiser
um verschiedener Händel willen Anfang 1568 berufen,
liefs er dem Ausschreiben gemäls über die Schritte Bericht
erstatten, welche er gethan hatte, um Philipp zu einem
milderen Verfahren zu bewegen. Die Gesandten der
weltlichen Kurfürsten benutzten die Gelegenheit zu einer
Erörterung der niederländischen Frage und forderten den
Kaiser auf, seine Bemühungen fortzusetzen. „Dann,"
meinte der Pfälzer, „ein Baum falle von einem Streich
nicht, so weren auch mer Stunden am Tage." Am eif-
rigsten waren wie gewöhnlich die Gesandten des Kur-
fürsten Friedrich, welche viel von einer internationalen
Verschwörung der Katholiken gegen die Evangelischen
redeten und für die Niederlande und Frankreich einen
umfassenden Religionsfrieden verlangten. Die Geistlichen
wollten von alledem nichts wissen : wenn die Evangelischen
sich auf den Augsburger Religionsfrieden beriefen, so
durften sie erwähnen, dafs die spanische Regierung
katholisch war und andersgläubige Unterthanen nicht zu
dulden brauchte; wenn Vorschläge zur Beratung gemacht
wurden, so bezogen sie sich auf die Ausschreiben zum
Kurfürstentage, welche ausdrücklich nur eine kaiserliche
Berichterstattung, nicht aber eine Debatte in Aussicht
genommen hatten. Schließlich einigte man sich über
einige allgemeine Sätze, in denen man dem Kaiser für
sein bisheriges Verhalten dankte und denselben bat, nicht
nachzulassen und Alba zur Beobachtung der Reichs-
gesetze aufzufoi'dern ; dem Wunsche der Geistlichen ge-
mäls blieb die Religion unerwähnt"-).
Indessen gingen die Dinge in den Niederlanden ihren
Weg ruhig weiter; gerade während die Gesandten in
Fulda über die Mahnungen zur Milde berieten, geschahen
einige Ereignisse, welche in Deutschland das grölste Auf-
sehen erregten. Die Grundstücke, Einnahmen und Güter
■^2) Sitzungsprotokoll vom 19. Januar (Dr. A. TIT, 22 fol. 16
No. 5 Bl. ;34 ff.). — Relation an die kaiserlichen Konnuissare vom
23. Januar (No. 3 Bl. 161 ff.). — Berlepsch, Lindeman und Bock an
August 1568 .lanuar 25 und Felmxar 1 (No. 3 Bl. 144 ff. 215 ff"). —
Fuldaer Abschied (No. 3 Bl. 452 ff). — Kluckhohn II, 143. 174 ff
Kurfürst August und der niederländische Aufstand. 63
Oraniens auf spanischem Gebiete wurden beschlagnahmt,
seine Briefe und Register versiegelt. Aulserdem iiels
Alba gegen Oranien, Hoochstraten und andere, die ge-
flüchtet waren, einen Kontumazialprozels einleiten und
am 22. Januar auf den Stralsen von Brüssel eine feier-
liche Proklamation verkünden, in welcher der Prinz als
Anstifter des Aufstandes und als Hochverräter hingestellt
wurde '•^). Endlich liels auf Granvelles Rat der Herzog
Oraniens ältesten Sohn, den Grafen von Büren, der unter
seinem Hofmeister Wildberg zu Löwen seinen Studien
oblag, wegführen und nach Spanien bringen'^).
Dem Kurfürsten von Sachsen gingen die Dinge sehr
nahe. Konnte er doch leicht in Mitleidenschaft gezogen
werden, wenn seine Nichte und deren Gemahl ihrer Er-
werbsquellen beraubt wurden. Zuerst wurde er hierdurch
veranlaßt, energischer in den Kaiser zu dringen.
In Wien hatte damals die sächsisch -oranienfreund-
liche Partei die Oberhand. An sich bewiesen das aller-
dings weder die wortreichen, aber inhaltsarmen eigen-
händigen Schreiben des Kaisers an August, noch auch
die giftigen Äulserungen des österreichischen Vizekanzlers.
Aber es bestanden doch gewisse Momente, welche die
Stimmung zu Ungunsten der Spanier beeinflussen mulsten.
Unangenehm berührte die Thatsache, dals Philipp trotz
der freundschaftlichsten Versicherungen allemal das Gegen-
teil von dem that, was ihm sein Schwager empfahl. So
lange das jetzige Regiment in den Niederlanden anliielt,
schien der Friede gefährdet. Dasjenige aber, was Maxi-
milian am meisten verdrofs, waren die bekannten Gewalt-
mafsregeln gegen Don Carlos, welche der König ohne
Wissen und Willen seines Schwagers getroffen und diesem
ohne jede Begründung mitgeteilt hatte, obgleich der
Kaiser schon wegen der geplanten Heirat zwischen dem
spanischen Infanten und seiner Tochter am Schicksale
des zukünftigen Schwiegersohnes lebhaft interessiert war.
So kam es, dals Maximilian den Aufforderungen der
Fuldaer Gesandten und dem Drängen Augusts nachgab
und seine Bemühungen verdoppelte. Mit Chantonnay
'"^) Oranien an August 1568 Januar 17 und Februar 24 (Dr.
A. III, 67a fol. 350 No 8 Bl. 13 f. 25 fi.)- - Anna an die Kurfürstin
von Sachsen (Dr. A. III, 51a fol. 26 No. 6 Bl 156 f. — eigenhändig).
■'^j Wildberg an Oranien 1568 Februar 15 Löwen (Dr. A. III,
67a fol. 350 No. 8 Bl. 35 f.). — Blök, Verslaag S. 83. Documentos
ineditos XXXVII, 87 ff. 187 ff.
64 Gustav Wolf:
pflog er lange Gespräche; rasch nach emander schickte
er mehrere Kuriere nach Spanien; durch Dietrichsteiu
liefs er seinen Schwager auf die grolse Gährung hin-
weisen, welche Albas Verhalten hervorgerufen hatte; ja
das Verfahren gegen die Grafen wurde von ihm offen als
Rechtsverletzung bezeichnet.
Alle diese Schritte konnten den König nicht zu einem
Verzichte auf seine Pläne bestimmen. Philipp dankte
für die freundlichen Ratschläge und versprach möglichste
Berücksichtigung. Und wenn der Kaiser Chantonnay
drohte, die oranienfreundliche Partei würde die Spanier
gewaltsam aus den Niederlanden vertreiben, so erwiderte
der Gesandte, es sei mifslich zu dulden, dals „jeder be-
liebige Geringste aus Deutschland sich anmafse, Souverän
fremder Monarchen zu sein und seine Pläne auf Gewalt
und Drohungen stütze, während diese Fürsten nicht ein-
mal unter sich einig seien und sich sogar der Türken
nicht erwehren könnten"'^)."
Oranien, der von der Aussichtslosigkeit der kaiser-
lichen Politik völlig überzeugt war, setzte inzwischen
seine Vorbereitungen zum Kampfe gegen Alba fort. Ge-
rade damals kamen ihm von verschiedenen Seiten günstige
Nachrichten. Eine finanzielle Beihilfe wurde ihm von
Freunden angeboten. Alsdann hörte er, dafs die nieder-
ländischen Städte nur auf seinen Angriff warteten, um
sich zu ihm zu schlagen und das spanische Joch abzu-
schütteln, unter w^elchem sie infolge der Handelsstockungen,
der Kontributionen, der Einquartierungen seufzten. Durch
den Anschluls der Städte hätte aber Oranien nicht nur
wichtige strategische Punkte und die erforderlichen Geld-
mittel zur Bezahlung seiner Soldaten gewonnen, sondern
zugleich Albas Berechnungen zerstört, der durch den
niederländischen Kaufmannsstand die bisherigen und
künftigen Kosten der spanischen Verwaltung zu decken
hoffte. Derartige Momente wogen für den Prinzen
schwerer als die Rücksicht auf einige kaiserliche Kuriere
und deren erfolglose Gnadengesuche. Er entwarf eine
Rechtfertigungsschrift , um dur-ch deren öffentliche Ver-
breitung für sich Stimmung zu machen und Albas An-
klagen zu widerlegen; er sprach mit verschiedenen Reiter-
''^) Maximilian an Dietrichstein 1568 März 2 Wien (Dr. A. III,
51a Handschreiben fol. 24 No. 10 131. 442 ff.). — Docunientos ineditos
XXXVII, 112 ff. 168 ff.
Kurfürst August uud der niederländische Aufstand. 65
führern, mit den Pfalzgrafeii Johann Kasimir und Hans
Georg:'"). Er liels durch den Grafen Günther von
Schwarzburg in Dresden über seine Lage berichten und
um Vorschläge bitten, wie er trotz der schwebenden Ver-
handhingen freie Hand behalten könne").
Das war eine neue Verlegenheit für den sächsischen
Kurfürsten. Eben hatte er vom Kaiser die Aufforderung
empfangen, den Prinzen von gewaltsamen Schritten zu-
rückzuhalten. Und nun kam gerade Oraniens Vertrauter
an seinen Hof, der ihm die Pläne des Prinzen schonungs-
los aufdeckte und, wenn sich August entschieden gegen
dieselben aussprach, den Wettiner mit seinen eigenen
früheren Aulserungen schlagen konnte! Denn wenn August
schon zuvor dem Unternehmen Oraniens nicht energisch
entgegengetreten war, so konnte er dies jetzt um so
weniger, nachdem Albas Regiment wirklich aufgerichtet
worden war und die Prophezeiungen des Prinzen, die
gütlichen Beschwichtigungsversuche seitens des Kaisers
und der Reichsfürsten würden erfolglos bleiben, sich bis-
her vollkommen erfüllt hatten !
August beschränkte sich darauf, dem Grafen Günther
das kaiserliche Schreiben mitzuteilen und die Recht-
fertigimgsschrift, welche er im Dezember bekämpft hatte,
jetzt aber nach Albas persönlichen Angriffen selbst für
nötig erkannte, anzuraten. Im übrigen empfahl er statt
eines gewaltsamen Vorgehens „alle anderen Mittel und
Wege zu versuchen." Aber er fügte hinzu, „er könne
nicht sehen, wie durch die kaiserliche Interzession Uranien
die Hände gebunden würden." Hierauf lenkte er wieder
ein: „in dem werden sich S. F. G. gleichwol wol vorzu-
sehen und was zu trauwen sei, zu bedenken wissen. Das
aber S. F. G. dieselben und alle andere Mittel, so S. F. G.
zu staten kummen mugen, nicht ausschlagen, sondern an
der Hand behalten und sich zum besten gefalst machen,
dessen wird S. F. G. unsers Ermessens niemants zu ver-
denken haben, doch das es S. F. G. nach dem Sprich-
wort halten oninia x'riiis scqnenter quam armis experiri
™) Groen III, 190. 208 ff., vergl. von Bezold I, 30 f.
"^"'S Oraniens Instruktion für Graf Günther von Schwarzhurg
1568 Februar 29 Dillenburg (Dr. A. III, 67 a fol. .350 No. 8 Bl. 45 ff).
■'«) Groen III, 177 ff. (Dr. A. III, 67a Kriegssachen fol. 351
No. 8 Bl. 8,S dfit. il. März). — Undatiertf .\utwort Augusts auf
Günthers Werbung (ebenda Bl. 50 ff'.).
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 1. ■>.
66 Gustav Wolf:
Es gohörte zu den stehenden Eig-entümlichkeiten der
damaligen Dresdner Politiker, mit ihrer Meinung- gegen-
über fremden »Ständen und Gesandten möglichst zurück-
zuhalten. Aber so sehr war diese Gepflogenheit der
sächsischen Kanzlei noch niemals zum Ausdruck gelangt
wie in der eben genannten Ilesolution. Und doch trotz
der Virtuosität der Inhaltlosigkeit war der Bescheid
Wasser auf die Mühle für Oranien. Denn das war ja
das von August nicht beachtete Kennzeichen aller seiner
Antworten, dals er, weil er Oranien nicht zurückweisen,
sondern nur gütlich beschwichtigen wollte, immer stärker
seine persönliche Teilnahme bekundete, je vertrauter der
Prinz ihn in seine Ideen einweihte. Nachdem er das Spiel
einmal angefangen, mulste er es fortsetzen, wenn er sich
nicht den Vorwurf der Inkonsequenz zuziehen wollte,
und Oranien wäre nicht der grolse Staatsmann gewesen,
wenn er die Notlage seines Oheims nicht ausgebeutet
und denselben immer weiter vorwärts gedrängt hätte.
Im Dezember hatte er dem Prinzen eine abwartende
Haltung empfohlen, die Möglichkeit eines kriegerischen
Vorgehens hatte er bereits früher erörtert. Jetzt war
er über den damaligen Standpunkt hinausgegangen, und
obgleich er abermals dem Prinzen von waghalsigen Unter-
nehmungen abgeredet, hatte er doch zugegeben, dals die
Fürbitten seiner Freunde ihm nicht die Hände bänden.
Das war es aber eben, was Oranien zu hören wünschte
und worauf er fernerhin fulsen konnte.
Freilich wie weit der Prinz noch von einer aktiven
Unterstützung durch August entfernt war, erkennt man
am besten, wenn man mit der sächsischen Politik jener
Tage die Entschiedenheit der Pfälzer vergleicht. In
Heidelberg war man noch viel ängstlicher als früher ge-
worden, seit in Fulda die kaiserlichen Kommissare —
aus Gründen, deren Besprechung auiserhalb unserer Auf-
gabe liegt — Friedrichs Gesandten einen Auszug aus
einem Schreiben vorgelegt hatten, der vom bevorstehenden
Abschlüsse eines katholischen Bundes sprach und die be-
stehenden Besorgnisse zu bestätigen schien''*). Der Kur-
fürst war jetzt erst recht entschlossen, zur eigenen
Sicherheit den französischen und niederländischen Prote-
stanten zu helfen. Hierzu liels er kein Mittel unbenutzt;
er unterhandelte mit England über eine Privatunter-
'») KlucklH.hii IK ISH If.
iviu'für&t August und der niederländische Aufstand. ßy
Stützung:; nach Dresden reiste sein vertrauter Rat Wenzel
Zuleger und legte August verschiedene Fragen über die
finanzielle Beihilfe zu Condes Unternehmungen, die Zurück-
haltung des deutschen Kriegsvolkes von den Königlichen
u. a. vor. Aus den Für und Wider, welche die kur-
sächsischen Eäte in ihrem Bedenken über die Werbung
verzeichneten, lernt man am besten die Unsicherheit
kennen, die damals an Augusts Hofe herrschte. Sollte
man die Könige von Spanien und Frankreich reizen,
sollte man die Katholiken in einen Gegenbund treiben
und den Religionstrieden aufs Spiel setzen? Auf der
anderen Seite stellten die Räte ihrem Herrn die Gefahren
vor, welche den Protestanten aus den niederländischen
und französischen Wirren erwuchsen und durch Neutralität
nicht beseitigt wurden. So war die Antwort Augusts
wieder eine halbe, teils ablehnend, teils entgegenkommend.
Erst als Zuleger, durch deren verbindliche Form ermutigt,
eine gemeinschaftliche Geldunterstützung der ausländischen
Glaubensgenossen vorschlug, wurde der Ton bestimmter.
August wies darauf hin, dals er im Gothaischen Kriege
dem Reiche eine grolse Geldsumme vorgeschossen, aber
noch nicht zurückerhalten hatte und dals Friedrich aufs
neue die kaiseiliche Ungnade zu besorgen habe*'^).
Indessen betrieb Oranien sein Werk immer offenbarer
und intensiver. Er schickte einen seiner Agenten, Johann
Bassins, nach Holland, um besonders in den groisen
Handelsstädten noch mehr an Boden zu gewinnen**).
Alsdann verhandelte er mit den Wetterauischen Grafen
und reiste im April über Köln nach Kleve. In Duisburg
traf der Prinz mit Malsburg zusammen, der von Johann
Kasimir abgefertigt war. Dieser war durch die soeben
erfolgte Beendigung des französischen Hugenottenkrieges
beschäftigungslos geworden und bot seine fünftausend
Reiter und sieben- bis achttausend Gascogner an; er
versprach, dals diese vier bis fünf Monate keinen Sold
fordern würden, wenn sie einen Monat Bezahlung
erhielten. Aber Oranien besafs noch nicht die genügen-
den Mittel und lehnte das Anerbieten vorläutig ab^"-).
Dennoch verzagte er nicht : er liels seine Rechtfertigungs-
schrift in Druck ausgeben — gewissermalsen als Vorläufer
"^j Kluckliohn il, 2()(i ff.
si) üroen Ili, 196 ff.
*^) Lang-uet, Arcana saeaili XYI. Epistolae secretae ad prin-
cipem Augustum ], H4.
5*
68 Gustav Wolf:
seines Zuges — und stellte noch im April zwei Heer-
haufen unter Hoochstraten und dem Grafen Ludwig- ins
Feld.
Das Aufsehen über diesen Vorstols war allgemein.
Der Kaiser erliels ein Mandat an Oranien und verbot
ihm weitere Werbungen unter Androhung der lieichs-
acht*^-') ; er ermahnte August aufs neue, seinen Verwandten
zurückzuhalten und nötigenfalls seine Pflichten als ober-
sächsischer Kreisoberster wahrzunehmen"^'). Der Kur-
fürst fand seine Erwartungen bestätigt und seine Vor-
sicht gerechtfertigt^'^). Aber Landgraf Wilhelm, den
Oranien durch einen Vertrauten in seine Pläne hatte
einweihen lassen, nahm für den Prinzen Partei und be-
dauerte lebhaft die erlittene Schlappe; er sah die Spanier
bereits in seiner Nachbarschaft in Dillenburg''*'); über das
kaiserliche Ansinnen an die Kreisobersten sprach er
seine Verwunderung aus^").
Bald folgte auf die Niederlage Hoochstratens ein
Sieg des Grafen Ludwig. Dieser w^ollte in Friesland
einfallen und brachte bei Heiligerlee den spanischen
Truppen eine empfindliche Schlappe bei. Alba suchte
allerdings die Bedeutung des Gefechts in seinen Briefen
an Philipp abzuschwächen "^^j , aber er traf doch um-
fassende militärische Vorkehrungen und zog selbst mit
einem Heere gegen den Grafen heran.
Bei der Ungleichheit der Kräfte der beiden Parteien
mulste Oranien auf eine Verstärkung bedacht sein. Sein
Bruder hatte nach seinem Erfolge die Belagerung von
Groningen begonnen; ohne dessen Einnahme und ohne
fremde Hilfe war er verloren^'*). Diese Erwägungen ver-
anlalisten den Prinzen zu seinem ersten niederländischen
Feldzuge. In jenen Tagen — Anfang Juni — war unge-
achtet aller Fürbitten und Gesandtschaften das Todes-
urteil an den Grafen Egmont und Hoorne vollstreckt
«3) Gachard, Guillaume III, 1 ff.
»*) Groen III, 215 ff.
»■') August an Wilhelm 1568 Mai 17 Dresden (Dr. A. III, H7a
Kriegssachen fol. 338 No. 16 Bl. 92 f.).
86) Wilhelm an August l.n68 Mai 8 und 13 Kassel (Dr. A. III,
67 a Kriegssachen fol. 338 No. 16 Bl. 81 ff 86 f.).
8') Wilhelm an August 1568 Mai 8, 13. 27 (Dr. A. III, 67 a
Kriegssachen fol. 338 No. 16 Bl. 81 ff. 86 f 154 ff.).
88) Gachard, Philippe 11, 2S.
8») Vergl. August an Wilhelm 156H .liuii !• Drcsd.ii (T>v. A. ITT.
67a Kriegssachen fol. 338 No. 16 Bl. 184).
Kurl'iirst August und iIlt üinlciläiidisclie Aufstaiul. 69
worden; Uranien suchte die hierdurch hervorgerufene
Erregung" zu seinen Gunsten auszubeuten. Er bat ver-
schiedene protestantische Städte in der Schweiz, ihm
Geld zu leihen ^^). August und Wilhelm gegenüber
betonte er die NotAvendigkeit rascher Maisregeln'"). In
Heidelberg bat sein Gesandter offen um Hilfe. Graf
Johann reiste zu verschiedenen Fürsten und suchte sie
am Unternehmen seines Bruders zu beteiligen.
Es zeigte sich, dals die Hinrichtungen in Brüssel
das spanische Prestige in Deutschland vermindert hatten.
Schon vorher hatte der pfälzische Kanzler Chiistoph Ehern
im Auftrage Friedrichs bei Mainz die Berufung eines
rheinischen Kurfürstentages durchgesetzt. Jetzt gingEliem
nach Hessen und Sachsen und verlangte kräftige Unter-
stützung des Prinzen. Und diesmal erklärte sich August
wirklich zu einer Geldhilfe bereit, vorausgesetzt dafs es
ganz geheim bliebe und die flandrischen Städte gewonnen
würden*'-).
So war also Uranien dem Ziele nahe gekommen.
Durch sein geschicktes Auftreten hatte er den sonst so
reservierten Wettin er aus seiner Zurückhaltung heraus-
gedrängt und ihn, der den pfälzisch-hessischen Schwarz-
malereien jederzeit eine grofse Skepsis bewiesen hatte,
von der Wichtigkeit und Tragweite des niederländischen
Kampfes überzeugt. Er verdankte seinen Erfolg einer-
seits der Stufenfolge, in der er August in seinen Ideen-
kreis einzwängte; er verdankte die sächsische Bereit-
willigkeit zweitens der Malshaltung in seinen Berichten
über die gegnerischen Absichten. Denn während die
Pfälzer und Hessen ununterbrochen allarmierende Zei-
tungen über katholische Komplotte verbreiteten, deren
Grundlosigkeit leicht ersichtlich war, prophezeite Oranien
regelmälsig diejenigen Vorgänge, welche er nach seiner
Kenntnis der Personen und Verhältnisse wirklich erw^artete,
Vorgänge, welche stets eingetroffen waren und den Kur-
fürsten Lügen gestraft hatten, falls er den Mitteilungen
des Prinzen mifstrauisch begegnet war.
»0) Koch II, 137 ff.
o>) Oranien an Angust 1568 .Juni 14 Dillenburg ^Dr. A. III, 67 a
Kriegssachen fol. 350 No. 8 Bl. 92 f.). Desgl. an Wilhelm 1568 Juni 15
(Dr. A. III, 67a Kriegssachen fol. 338 No. 16 Bl. •>41).
92; Ehems Werbung 1568 Jnni 18 (Dr. A. III, 67a fol. 337
No. 10 ßl. 80ff. — Kopie mit Ehems Korrekturen). — Kluckhohn
II. 224 f. — Vergl. Angust an Wilhelm 1568 .Tnni 30 Salza (Dr A.
III, 67 a fol. 338 No. 16 Bl. 203).
70 Gustav Wulf:
Als der Landgraf von Angnsts Entschlnts hörte,
schickte er sofort Friedrich von Rollshausen, „seinen ver-
trauesten und geheimesten rath, der auch der kriegs-
hendel vor andern einen guten verstand hatte, sonderlich
aber der landarth gute gelegenheit wufste," mit Ehern zu-
sammen zur Festsetzung eines genauen Planes zum Prinzen.
Dieser legte nun den beiden Gesandten dar, dals die
niederländischen Städte duich Albas Himiclitungen zwar
ihrer Führer beraubt, jedocli gerade darum dem Prinzen
geneigt wären, wenn er mit einem stattlichen Kriegsvolk
käme, dals die Königin Elisabeth ihn mit Geld unter-
stützen würde, weini nur einige deutsche Fürsten das
Gleiche thäten , dals ihm aus England zweitausend
Schützen, zwanzig Stück grobes Geschütz und Munition
argeboten wären, dals ihn die Hugenotten auf fünfzehn-
hundert Reiter und achttausend Fulssoldaten gegen einen
einmonatlichen Sold von je drei Kronen vertröstet hätten,
dals ihm endlich auch die Reichsstädte beistehen würden.
Er hoffte mit Geldanleihen seitens Augusts und anderer
Fürsten fünftausend Reiter und drei Regimenter Fuls-
truppen aufstellen und wenigstens einen Monat bezahlen
zu können. Um keine Zeit zu verlieren, hatte er bereits
mit der Ausführung seines Planes begonnen und eine
stattliche Summe als Anrittgeld ausgegeben.
Darauf liels Friedrich durch Zuleger dem Landgrafen
sagen, dafs er hunderttausend Thaler dem Prinzen be-
willige. Wilhelm verständigte sich mit Oranien, und beide
schickten gemeinsam Simon Ring nach Dresden, der dem
Kurfürsten über alle Verhandlungen berichtete''"). Der
Kurfürst erklärte sich gleichfalls bereit, hunderttausend
Gulden zu leihen ^^).
Dals es August mit der Zusage völlig Ernst meinte,
ist unter anderem aus dem lebhaften Eifer ersichtlich,
durch welchen sein damaliger leitender Staatsmann, der
Kanzler Crackow, die mannigfachen Sclnvierigkeiten aus
dem Wege zu räumen suchte. Aber verschiedene Gründe
""•) AVilhelms Instruktion für Biuy ]5()8 Juli 14 Ziegenhain (Dr.
A. III, (j7a Kriegssaclien fol ;538 No. 16 Bl. ;Jlüff.). Öraniens In-
.strnktion für Bing 1568 Juli 19 Dillenburg (Dr A. III, 67 a Kriegs-
sacben fol. ;J50 No 8 Bl. 256 ff.).
"') Mündliche Antwort August.^ (undat. Knnzeitt. Dr. A. III,
67 a Kriegssachen fol. ;iii8 No. 16 151. ;U8). — Über ein hessisches
Darlehen Kerwn de Letten hove, Kelations des Pays-has et de
l'Angleterre V, 139.
Kurfürst August uml iler uieclerlänclischc Aufstaiul. 71
vi'rliintlerten die Erfüllung" des gegebenen Versprecliens.
Zunächst konnten oder wollten die Grafen von Scliwarz-
burg die Garantie für die Rückzahlung, welche der noch
vom gothaischen Kriege her schwer belastete Kurfürst
verlangte, nicht übernehmen ■'■^). Alsdann aber wurde die
ganze Sache durch den Verlauf der Dinge überholt.
Wir sahen, immer war es Augusts Wunsch gewesen,
den Kaiser für die niederländische Sache zu interessieren.
In solcher Politik erkannten die Räte des Kurfürsten das
geeignete Mittel, wie man, ohne bei den Katholiken Ver-
dacht zu erregen, den Prinzen auf die Avirksamste AVeise
unterstützen und eine intime Verbindung mit ihm ein-
gehen konnte. Und gerade während über die Modalitäten
des sächsischen Darlehn s disputiert wurde, schwebten
Verhandlungen, die ein Eintreten nicht nur des Kaisers,
sondern des gesamten Reiches in Aussicht stellten und
schlielslich zu einer Intervention des Kaisers im großen
Stile führten. Der Kulfürst von Mainz hatte auf pfäl-
zische Veranlassung einen Kurfürstentag nach Oberwesel
ausgeschrieben, der auf den 25. Juli verschoben und nach
Bacharach verlegt wurde^*^). Die Aufgabe, sich mit der
niederländischen Frage zu beschäftigen, trat an denselben
von verschiedenen Seiten heran. Mehrere süddeutsche
Fürsten hatten sich zu einer Gesamtpetition vereinigt^'').
Desgleichen bat der westfälische Kreis um Beihilfe zur
Beseitigung der Werbungen^®). Endlich aber hatte Alba
auch die rheinischen Fürsten in hohem Grade beunruhigt.
Einmal hatte er sich in die trierischen Wirren eingemischt,
zweitens aber den Herzog von Jülich mehrfach verletzt.
Dieser hatte trotz seiner engen Verwandtschaft mit dem
Kaiser entsprechend seiner schwankenden religiösen
Haltung eine geAvisse Mittelstellung in der niederländischen
Frage eingenommen: er hatte mit den Konföderierten
auf gutem Fufse gestanden, den Söldnern Margaretes
den Durchgang verAvehrt und sein Ort Wesel hatte einen
Sammelpunkt der niederländischen Ausw^anderer gebildet;
05) Verhandlungen darüber Dr. A. III, 119 fol. 49 No. 12.
^*') Auf Grund einer persönlichen Besprechung zwischen Daniel
und Friedrich, veröl. Friedrich an August 1568 Juli 12 Heidelberg
(Dr. A. in, 67a fol. 337 No. 10 Bl. 1-32 ff.).
"') Christoph und Genossen an die rheinischen Kurfürsten 1568
Juni 3U (Dr. A. III, 67a fol. 338 No. 16 Bl. 298ff.).
"*) Der westfälische Kreis an die rheinischen Kurfürsten 1568
.Tuli 90 [Kmn] (Dr. A. TU, 39 Französische Sachen fol. 49 No. 19
Bl. 77 ft").
72 Clustav Wulf:
auch jetzt war er gegen Oianieii freiiiKllicli gesinnt,
duldete dessen Kriegsvolk und milsbilligte laut das neue
niederländische Regiment. Alba hatte deshalb Hooch-
straten nicht nur bis in das jülichsche Gebiet verfolgt,
sondern um dem ihm feindlichen Auftreten des Nachbars
ein Ende zu machen, hatte er auch die Aufnahme eines
Burgunders in den geheimen Hat des Herzogs verlangt
und gedroht, er Avolle seine Feinde an der Tafel des
Herzogs von Jülich aufsuchen.
So war man in Bacharach allgemein gegen die
Spanier erbittert und beschlols einstimmig, durch eine
Gesandtschaft den Kaiser um Beendigung des Krieges
in den Niederlanden und um Wiederanknüpfung der unter-
brochenen Handelsbeziehungen zu bitten; August und
Joachim wurden zum Anschluls an diese Abrede ein-
geladen*-'^).
Nach Reichsrecht hätte Oranien in die Acht erklärt
werden müssen , da er trotz der kaiserlichen Mandate
seine Werbungen fortgesetzt hatte. Chantonnay wies
auch in Wien auf die Behandlung Johann Friedrichs und
Grumbachs hin. Aber der Kaiser dachte gar nicht daran,
dem Prinzen ein derartiges Schicksal zu bereiten. Im
Gegenteil hörten er und Zasius nicht auf, ihre freund-
schaftlichen Gesinnungen gegen Oranien zu beteuern '^'^).
Ja, die Beratungen in Bacharach fanden unter den Augen
eines kaiserlichen Kommissars statt, der die Geneigt-
heit seines Herrn zu neuen Vermittelungen ausdrücklich
kundgab'"').
Die nächsten Ereignisse vermehrten den allgemeinen
°^) Rheinische Kurfürsten an Christoph und Genossen 1568 Juni 30
Bacharach (Dr. A. IIT, 89 fol. 49 No. 19 Bi. 70ff.). — Bacharacher
Instruktion für die Gesandten an den Kaiser (Dr. A. ITT, 67 a fol. 3.50
No. 9 BI. Iff. ). — Daniel, Sebastian und Friedrich an August 1568
Juli 31 Bacharach (Dr. A. TU, 39 fol. 49 No. 14 Bl. (>6 ff.). — Antwort
an Hegenmüller (ebenda Bl. 91 ff.). — Calendar of State pajjers foreign
1566-68 S. 509 f. Ritter in v. Webers Arch. f. s. Gesch. N.F.V, 339 f.
"'**) Zasius an Aug'U-st Juni 22 Wien (über die Hiniichtung-
der Grafen): „Ich bin ab diser giausamen handlung dermassen ent-
setzt und bevvögt, das ich gleich nicht raehrers davon schreiben kann;
sollte aber dieses adenlich teutsche i)laet uiigerochen bleiben und
Alva mit seinem pluerdürstig-en unzifer wideiumb lebendig in Hispanien
kommen, daz wcre je sünd und schad, ja Gott im himmel leid" (Dr. A.
111, 51 a fol. 24 No. 10 IU.479).
^•"j Älaximiliaus Instruktion für Dr. Johann Hegenmüller in
Oberwesel 1568 Juni 29 (Dr. A. III, 51a fol. 11 No. 4 B1.328ff.). —
Maximilian an seinen Kommissar in Bacharrt(;li 1568 duli 23 Wien
(Dr. A. III 51 a fol. 24 .No. 10 Bl. 538 ff.).
Kuifür.st Aimiist uiul der iiiederliiiidisclic Avifstaiid. 7,3
•o
Unwillen geg-en Spanien. Alha schlug- mit leichtei- Mühe
den Grafen Ludwig, und als dieser sich nach Friesland
zurückzog, verfolgte ihn der Herzog über die Grenze.
Nach unseren heutigen Anschauungen war er zweifellos
berechtigt, jeden, der seinen Feinden Zuflucht bot, gleich-
falls als Feind zu behandeln. In der damaligen nervösen
Stimmung betrachteten aber nicht nur die Protestanten,
sondern auch der Kaiser das Vorgehen Albas gegen die
Grafen von Friesland und Oldenburg als den Anfang
eines deutschen Krieges und als rechtswidrige Verletzung
der Reichsstände. Die bedrohten Fürsten wendeten sich
überallhin um Hilfe, nach England ^*^"-), Lauenburg, Braun-
schweig und namentlich auch an Sachsen ''^■^).
August teilte durchaus die Anschauungen vom Un-
rechte Albas und war für entschiedene Gegenmalsregeln.
Aufser Crackow nahm sich noch ein anderer sächsischer
Eat des Prinzen auf das wärmste an. Christoph von
Karlowitz auf Rotenhaus, der einst die rechte Hand des
Kurfürsten Moritz gewesen , war der alte geblieben.
Nicht durch den Kaiser allein sollte man auf gütlichem
Wege für Oranien wirken. Nein, Karlowitz plante ein
radikales Vorgehen wie 1552. Wenn Graf Ludwig und
seine Leute siegen, dann sollen alle Reichsstände sich
zusammenthun und die Spanier aus den Niederlanden
hinaustreiben. Unterliegen sie, dann mufs man sich über
eine Verteidigung gegen die spanische Macht ohne Zaudern
verständigen. ,.Es wird vor eine hohe notdurft geachtet,
das dem Uranien als dessen furgenommener zug nicht
mer vor ein privatwerk, sondern vor ain gemein werk
der ganzen deutschen nation zu achten, durch churfursten,
fursten und stende nach eines jeden vermugen alle mög-
liche hülfe, furschub und furderung beschehen, damit er
wider den gemeinen feind der deutschen nation etwas
fruchtbars ausrichtete oder zum wenigsten das kriegsvolk
ganz aufrecht und unzertrent bei einander erhalten
möchte." Ja, Karlowitz riet nötigenfalls zu einer offenen
Verbindung mit Oranien'*^*).
'"■-) Calendar of state papers foreign 156fi— 68 S. 520.
"'**) Instruktiun des Grafen Anton von Oldenburg für seineu
Sohn Christian 1568 Juli 22 Oldenburg (Dr. A. III, 67a Kriegs-
sacheu fol. 350 No. 8 Bl. 261 ff.').
101) Karlowitz au August 1568 Juli 28 Rotenhaus und 1568
September 24 Wien (Dr A. III , 51a Handschr. fol. 24 No. 12 Bl. 1 ff.
36 ff.).
74 nnstav \\'(A\':
Solclie Aiisiclitcii standen allerdings in giellem Wider-
spnich mit der Politik der deutschen Fürsten; abei- sie
kamen doch von einem Manne, der am kaiserlichen wie
kursächsischen Hofe grolsen Einflufs besal's und dessen
Meinung' fiir Oranien Avohl von Bedeutung werden konnte.
So nahm denn August in der ostentativsten AVeise
für Oranien Partei. Die Grafen von Oldenburg und
Ostfriesland verwies er an den Kaiser und an die
Kreise^""'); um die Verstärkung Albas durch deutsches
Kriegsvolk zu hindern , riet er eine strenge Bewachung
des Rheines an^°")- Das Schwergewicht legte er aber
auf eine Verschärfung der Bacharacher Beschlüsse; er
einigte sich mit Joachim über eine Separat Werbung, in
der Maximilian aufgefordert wurde, in den Niederlanden
die Reichsgesetze, besonders den Religions- und Land-
frieden geltend zu machen und mit einem kräftigen Ein-
schreiten der Reichsstände zu drohen, „daran es dan die
churfursten , fursten und stende ires teils nicht manglen,
sondern wie sie zu thuen schiüdigk, bei J. Kai. Mt. leib,
leben, guet und alles vermügen drufsetzen und also pro
patriae focis et aris im fal der not manlich streiten
wurden" ^*^'\ Und um Indiskretionen zu verhüten und
etwaigen Gegenagitationen der spanischen Partei vorzu-
beugen , liels August seine Räte nicht der Verabredung
gemäfs in Regensburg, sondern erst in Wien zu den übrigen
Gesandten stolsen^'*^).
Am 22. September erfolgte die tlbergabe der Bitt-
schriften an den Kaiser : der Bacharacher, der sächsisch-
brandenburgischen und der fürstlichen. Verschiedene
evangelische Stände hatten sich mit Erfolg um eine
zahlreiche Beteiligung bemüht.
Chantonnay hielt sich w^ährend der Audienzen im
Palast auf, um sogleich zur Stelle zu sein und die Sache
Philipps zu vertreten. Aber der Kaiser gewährte dem
Grafen trotz mehrfacher Gesuche keine Einsicht in die
Werbungen der Gesandten. Erst nachdem diese schon
lo.'i) Aiiffusts Antwort an Graf Christian 1568 Jnli 24 Eocken-
(lorf (Dr. A. IIT, 67a fol. -.W) No.8 Kl. 264).Vergl. August an Maximilian
1568 Juli 29 Bockendorf (ebemla 265 ff. V
"'«) Angu.st an Wilhelm (Dr. A. Hl, .39 fol. If» No. 19 151.109.).
'"') Auszug aus der Werbung bei Ritter in v. Webers Arcb.
f. s. Ge.sch. N. F. V, 341 f.
^"8) Graf Eberstein Kinii vor allen anderen an. Dncuraentos
ineditos XXXVll, 437 fi.
Kurfürst Aii;L;iist und th-v uicileiläudisrlii' Auf^taiul 75
abgefertigt waren und Char.tonnay den Bescheid für die-
selben nicht mehr ändern konnte, wurde er verständigt^''^).
Sprach sich schon liierin deutlicli die antispanisclie
Strömung am kaiserlichen Hofe aus, so zeigten diese
Maximilians Entschlüsse noch klarer. Der Kaiser ver-
einbarte mit den Gesandten eine doppelte Vermittelung.
Erstens sollten Kommissare bei Alba und Oranien auf
Waffenruhe dringen. Zweitens aber schickte er seinen
Bruder Karl mit einer ausführlichen Instruktion nach
Spanien, in der er sich ganz die sächsischen Argumente
aneignete. Obgleich die Rechtsverbindlichkeit des Reichs-
abschieds von 1555 für die Niederlande bestritten wurde,
stellte Maximilian sie doch als unzweifelhaft hin; ohne
auf den Unterschied zwischen der Bacharacher und
sächsischen Werbung einzugehen, meinte er, dafs Alba
alle Gemüter der Deutschen, „der grolsen und der kleinen,
der geistlichen und weltlichen", gekränkt habe. Die
Drohung Augusts und Joachims, mit Gut und Blut für
ihre Forderungen einzustehen, war nicht vergessen und
schien in Karls Instruktion eine Drohung sämtlicher
Kurfürsten zu sein. Der Kaiser verstieg sich zu der
Äulserung, es könne sich ereignen, dafs von ihm als
römischem Kaiser nach seiner kaiserlichen Pflicht seine
Hilfe und Beistand gegen den Aufruhr verlangt werde ^^").
Dem Wortlaute nach war diese Instruktion eine offene
xA.ndrohung des Reichskrieges, beinahe ein Ultimatum,
xlugust Avar seinem Zwecke, das Reich für Oranien zu
gewinnen, sehr nahe gekommen und hielt sich für gedeckt
genug, um entschiedener die Sache des Prinzen zu fördern.
Ob die beschlossene Friedensvermittelung zum Ziele
führen würde, war mehr als fraglich. Philipp und Alba
waren wütend, dafs sie mit den aufrührerischen Unter-
thanen auf einem Fufse behandelt wurden, auch besafs
Alba zu einem Vergleiche keine Vollmacht und konnte
höchstens unverbindlich abschliefsen. Dann war aber für
Oranien eine Bereitwilligkeit zum Frieden mifslich. Denn
er konnte seine Truppen nicht lange beisammen halten
und war auf rasche Erfolge angewiesen. Durch einen
Waffenstillstand wäre er hinoehalten und vielleicht zur
10») Documentos ineditos XXXVII, 441 if.
"0) Cabrera, Historia de Feli^ie II. I, 613 ff., vergl. Ritter
in V. Webers Arch. N. F. V, 343 f. — Über die Wiener Verhandlungen
im allg-enieinen Gachard, Philippe II, 43 f. 4fi Calendar nf state
papers foreign 1566 — 68 S. 536. 559. 563 f.
Tf) Gustav Wolf,
Wiedei'aufiialiiiic des Kampfes zu ungeleg'oner Zeit ge-
zwungen worden. Deshalb schickte August an den Prinzen
den Entwurf einer Antwort, in der die Waffenruhe nicht
gerade abgelehnt, aber an unannehmbare Bedingungen
geknüpft wurde^'^).
Jedoch kam Uranien nicht in die Lage, dieses Vor-
schlages sich zu bedienen. Sein Feldzugsplan war darauf
berechnet, durch einen Handstreich in den Besitz feind-
licher Plätze zu gelangen und durch einen raschen in
die Augen fallenden Erfolg die Städte zum Anschluis
fortzureifsen und mit deren Hilfe den ferneren Krieg
bezahlen zu können. Diese Voraussetzungen erfüllten sich
nicht. Bei seinem Einfall blieb alles ruhig, und durch
Verhandlungen mit dem Bischof von Lüttich, der dem
Prinzen den Durchzug verweigerte, verlor er kostbare
Zeit. Da aulserdem Alba die Schwächen des Gegners
kannte und deshalb das Schlachtenglück nicht versuchte,
sondern Oranien durch Hin- und Herziehen ermüdete, so
wurde dieser jeder Aussicht auf einen Erfolg beraubt
und niuiste bald weichen. Er dankte den grölsten Teil
seiner Truppen ab und führte den Rest den Hugenotten
zu, die damals einen neuen Kampf begannen. Als die
kaiserlichen Kommissare aufbrechen wollten, befand sich
Oranien bereits jenseits der Grenze.
Der rasche Verlauf des niederländischen Feldzuges
wirkte natfulich auch auf die Mission des Erzherzogs
Karl zurück. Schon vor dessen Ankunft in Spanien
machte König Philipp aus seiner Unzufriedenheit über
die kaiserlichen Ansprüche kein HehP'-), und in seiner
Behandlung des österreichischen Vetters war er bei aller
Freundlichkeit so entschieden als möglich. Er habe —
so lautete seine Antwort — für seine niederländische
Politik Dank erwartet und müsse das Verlangen des
Kaisers und der Reichsstände auf falsche Informationen
zurückführen. Die römische Kirche allein entscheide über
die Pflichten der Gläubigen ; mit zwei Religionen neben
'") Ungeverliche artickel und bedenckeu, welcliermassen sich der
priuz zu Uranien auf beschelicne der Rom. Kai. Mt. chur- und fursten
scliickung' gegen den verordneten kai. commissarien und churfiir.stl.
retlien mit antwort vemelimen lassen möge s. d. (Dr. A. Hl, 39
Franzüsische Sachen fol. 49 \n. 14 Bl. 369 if.), vergl. August an Fried-
rich 1568 Oktober 31 Dresden (I^r. A. ebenda 151. 375; teilweise
K luckhohn II, 252).
"-;_Gachard, Philippe 11, 48.
Kurfürst August und der niederländische Aufstand. 77
einander zu reo-ieren, sei unniü<^"lich. Oranieii habe den
Bildersturm entfacht und dann einige deutsche Fürsten
aufgehetzt und seine Vergehen seien notorisch. Die
Gleichstellung Philipps und des Prinzen enthalte eine
Beleidigung für jenen, da derselbe König, Oranien da-
gegen ein rebellischer Unterthan sei.
In einer Spezialantwort, die nur für den Kaiser
bestimmt war, warf der König diesem vor, dals er
Oranien habe Truppen werben und durch deutsche Fürsten
unterstützen lassen, und protestierte gegen Maximilians
Rechtsanschauungen. Erzherzog Karl überreichte aller-
dings eine sehr gereizte Replik und erinnerte den König
sehr deutlich an den Aufstand des Kurfürsten Moritz;
aber Philipp liefs es bei seiner ersten Antwort bewenden
und entliels den Erzherzog mit einem Geldgeschenk von
100 000 Dukaten"^).
So blieb vorläufig in den Niederlanden der Kurs der
alte. Erst als Alba durch seine Steuerreform die Städte
noch mehr belastete und zur Selbsthilfe zwang, konnte
Oranien seine Pläne mit besserer xlussicht auf Erfolg
wäeder aufnehmen.
"3) Gachard, Philippe II, 55. 58 f. 59 ff. 66 ff. — Docuraeutüs
inöditos XXXVII, 476 ff. — Vergl. Uitter in v. Wehers Arch. N. F.V,
343 ft".
IV.
Schweizer Soldtruppeii in kiirsäclisischeu
Diensten. 1701—1815.
Von
A. von Welck.
Die letzten Jahre des 17. Jahrhunderts brachten
wichtige Ereignisse für Sachsen.
Nach dem am 27. A\)y\\ 1694 erfolgten Tode des Kur-
fürsten Johann Georg IV. hatte sein Bruder Friedrich
August den Thron bestiegen. Der junge Fürst, geistig wie
körperlich reich begabt, war voller Thatendrang und
namentlich voll kriegerischer Passionen.
Er erneuerte zunächst den schon von seinem Bruder
mit Kaiser Leopold I. abgeschlossenen Subsidien vertrag,
nach welchem Sachsen 12 000 Mann zum Reichsheere —
im Kriege gegen Frankreich — zu stellen hatte ; als aber
der Kurfürst den von ihm gewünschten Oberbefehl über
das lieichsheer nicht erhielt, und zudem der Wunsch des
Kaisers, den sich immer erneuernden Feindseligkeiten der
Türken ein endliches Ziel zu setzen , mehr und mehr in
den Vordergrund trat, kam es am 15. April 1695 zum
Abschluls eines Vertrages zwischen beiden Fürsten, nach
welchem der Kurfürst ein Hilfskorps von 8000 Mann für
die Dauer von zwei Jahren nach Ungarn sendete und
den Oberbefehl über das gesamte dort vereinigte Reichs-
heer (ca. 50000 Mann) übernahm. Anfang August traf
der Kurfürst bei der Armee ein.
Im folgenden Jahre verstärkte er das sächsische
Kontingent um weitere .') 1000 Mann und zwar so,
Schweizer Soldtruppeii 1701—1815. 79
dals die Regimenter von 2 auf 3 Bataillone gebracht
wurden.
Den Winter von 1696 — 97 verbrachte der Kurfürst
in Sachsen, kehrte aber im März nach Wien zurück, wo
die diplomatischen Verhandlungen wegen der Besetzung
des erledigten polnischen Thrones geführt wurden, welche
damit ihren Abschlufe fanden, dais der Kurfürst die
auf ihn gefallene Wahl zum König von Polen annahm.
Als solcher wurde er in den nordischen Krieg verwickelt,
und die unvermeidliche Folge dieses Umstandes war eine
von Jahr zu Jahr sich steigernde Vermehrung der Truppen,
teils durch Neuformation, teils durch Ersatz der Verluste.
Der König hatte zufolge seiner Erwählung die
pacta conventa, d. i. die Verfassungsbestimmungen, welche
das Verhältnis zwischen Krone und Volk regelten, be-
schwören müssen; sie waren aber in diesem konkreten
Falle durch eine grolse Anzahl von Spezialbestimmungen
erweitert worden. Eine derselben besagte, dals der König
„trachten solle, die Ukraine zu recuperiren und mit dem
moscowitischen Zar einen ewigen Frieden zu machen" ;
namentlich aber sollte er die Festung Camiuiec, die in der
Gewalt der Türken war, wiedergewinnen, sie „mit eignen
Unkosten fortificiren, die ßepublic aber solche Vestung
unterhalten." Um dieses zu können, erhielt der König,
entgegen der Verfassung, die Genehmigung, sächsische
Truppen nach Polen zu ziehen. Hierdurch wurden die
Erblande aber von Truppen entblölst, und hierin lag die
erste Veranlassung zu dem mit Dänemark im März 1698
abgeschlossenen Defensiv vertrag, demzufolge dieses sich
verpflichtete, ein Hilfskorps von 4 Infanterie-, einem Reiter-
und einem Dragonerregiment an Sachsen zu überlassen.
Dasselbe verblieb bis zum folgenden Jahre im Lande
und kehrte wieder in die Heimat zurück, als zufolge des
Friedens von Carlowitz die sächsischen Truppen disponibel
wurden und wieder in die Erblande einrücken konnten^).
Die weitere Folge dieses ersten sächsisch-dänischen
Vertrages war ein förmliches Schutz- und Trutzbündnis,
welches König August mit dem König von Dänemark,
der seit längerer Zeit bereits mit Schweden in Fehde
lag, abschlols, und welchem im November 1699 auch der
russische Zar beitrat.
\) Schuster u. Fraucke, Gesch. der sächs. Armee (Leipzig 1S85)
•I, 138:
yQ A. von Welck :
Die sächsische Feldarmee bestand zu dieser Zeit
aus drei Kompagnien Leibtiabantengarde , 5 Kürassier-,
4 Dragoner- und 11 Infanteriereginientern, sowie 1 Feuer-
werker-, 3 Kanonier- und 1 Minirkompagnie-).
Die Feindseligkeiten gegen Schweden begannen be-
reits im Februar 1700 mit der Unternehmung gegen Jiiga
und der Einnahme derKoberschanze, während König August
erst im Juni die förmliche Kriegserklärung eiliels.
Da aber Dänemark im August desselben Jahres einen
Separatfrieden mit Schweden abschlols und die Küssen
am 21. November eine ernste Niederlage bei Narva er-
litten, so hätte auch der König von Polen gern die Hand
zum Frieden geboten. Seine dahin zielenden Bemühungen
hatten aber keinen Erfolg, und es fand infolgedessen im
Frühjahr des folgenden Jahres eine Erneuerung des
sächsisch-russischen Bündnisses statt. (Vertrag von Birsen
vom 9. März 1701.)
Die wieder beginnenden Feindseligkeiten und die
speziellen Vertragsbestimmungen machten eine Vermehrung
der sächsischen Armee zur zwingenden Notwendigkeit,
und es wurde infolgedessen noch im Jahre 1701 das
Projekt ausgearbeitet, die Infanterie von 10 auf 24 Regi-
menter zu vermehren. Doppelt notwendig erschien diese
Malsregel, nachdem die vereinigten Russen und Sachsen
am 19. Juli an der Düna von Karl XII. empfindlich
aufs Haupt geschlagen worden waren, und die Sachsen
allein einen Verlust von mehr als 1000 Mann erlitten
hatten.
Diese geplante Vermehrung der sächsischen Armee
— bereits am 3. Dezember wurden die Kommandeure der
neu zu errichtenden Regimenter ernannt — interessiert
uns um deswillen ganz speziell, weil zu diesem Zweck
die Anwerbung von Schweizern wieder ins Auge ge-
falst wurde. Während nämlich die Regimenter 21 und 22
(Dönhoff und Flemming) in Polen ausgehoben werden
sollten, beal »sichtigte man, die Regimenter 23 und 24 in
der Schweiz anzuwerben").
Zur Ausführung dessen erteilte der König dem
") Schuster u Francke, Geschichte der sächsischen Armee
I, 142.
») Schuster u. Francke a n. O. I, 14;}. Gleichzeitig wurde
hestimmt, dafs je zwei Kei^iirienter die ii-lciclie Uniform traa-en sollten ;
siimtlicli roten Lcibrock mit verscliiidcntaibiger Doublure.
Schweizer Soldtnippen 1701—1815. 81
Oberst und Generalacljutant Baron de Je Jay^) den
Befehl, nach der Schweiz zu reisen, um daselbst die
erforderlichen Verhandlungen einzuleiten. Derselbe wurde
durch ein Schreiben des Königs d. d. Warschau am
29. Septembei- 1701, beglaubigt"'), in welchem es heilst,
le Jay solle um die Genehmigung zur Anwerbung „einiger
Kegimenter" bitten und gleichzeitig die Bedingungen er-
öffnen, unter denen dieselbe stattfinden solle. Besonderer
Wert wird zunächst auf ein Regiment Infanterie gelegt,
welches für den Groiskanzler Graf Beuchlingen") formiert
werden solle.
Oberst le Jay begab sich zunächst nach Zürich und
überreichte daselbst das königliche Schreiben. Aulserdem
richtete er aber aus der Stadt selbst am 14. November
ein schriftliches Gesuch an den Rat zu Zürich"), in
welchem er, unter Hinweis auf jenes, um die Genehmigung
zur xlnwerbung eines Infanterieregimentes bittet und
die „Articul und Bedingnusse" beifügt, „under welchen
Ihr Königl. Mayst. in Fohlen und Churfürstl. Durchlt. in
Saxen ein Regiment Schweitzer auffzurichten verlangt" ^).
Die Hauptpunkte dieser Kapitulation sind: 1. freie
Religionsübung und zu dem Zwecke Anstellung von Geist-
lichen in der Garnison und im Felde , 2. Aufstellung von
2 Bataillonen ä 12 Kompagnien Füsiliere oder Grenadiere,
3. dreijährige Dienstzeit, 4. Standquartier Sachsen und
nicht Polen, 5. Dauer des Vertrages auf 10 Jahre,
6. Rekrutierung in der Schweiz.
Sofort nach Eingang dieser Schriftstücke, und zwar
in den Tagen vom 16. bis 18. desselben Monats, teilte
Zürich den übrigen Kantonen dieselben abschriftlich mit
und bat um baldmögiichste Antwort. Die Kantone
möchten sich aussprechen , was sie darüber dächten und
"*) Die Familie le Jay stammt aus Savoj-en, Arrond. Bonneville
(nach C-rrillet, Dictioii. histor., litter. et Statist, des Departements du
Montblanc et du Leman. Chambery 1807). Näheres ül)er Oberst
le Jay konnten wir nicht ermitteln.
5) St.-A. Zürich Acta Sachsen No. 3, d. d. 29. September 1701.
^) Graf Wolfgang' Dietrich von Beuchlingen, geb. 1665 als Sohn
des Geheimen Rats Hermann von Beuchling, ward 1700 Minister und
Grofskanzler, kurze Zeit nachher auch Uberhofmarschall und in den
Grafenstaud erhoben. Bereits im Jahre 1703 fiel er in Ungnade und
wurde auf den Königstein gebracht, wo er bis zum Jahre 1709 als
Gefangener blieb. Alsdann begnadigt, lebie er iiuf seinem Gute Zschorna
bei Würzen und starb im Jahre 1725.
'') St.-A. Zürich Acta Sachsen Xo. 4n.
^) Ebenda No. 4b.
6
Neues Archiv f. 8. Ü. u. A. XIV. 1. •>.
32 A. von Welck:
wie sie sich dem Begehren des Königs gegenüber stellen
wollten").
Im Laufe der nächsten 14 Tage gingen diese Ant-
worten ein^"). Die Mehrzahl spricht sich dahin aus, dafs
die nächste eidgenössische Tagsatzung abzuwarten sei,
um sich mündlich beraten zu können. Bern und Solo-
lliurn fügen aber die Bemerkung bei, dals man keinen-
lälls eine Entscheidung treffen könne, ehe nicht die Höhe
des Soldes festgesetzt sei, und der ersterc Kanton macht
aulserdem darauf aufmerksam, dais es sehr wünschens-
wert erscheine, Avenn als Oberst des neu zu errichtenden
Regimentes ein Schweizer angestellt werde und wenn
die Besetzung der Hauptmannsstellen den „Orten" über-
lassen bleibe. Ebenso sei eine ausdrückliclie Erklärung
darüber zu verlangen, ob die Schweizer Truppen „otfen-
siv" oder nur „defensiv" verwendet werden sollten. Glarus
und Unterwaiden ob d.W. sind für definitive Ablehnung,
und der Abt von St. Gallen, Leodegarius, macht auf eine
sehr erhebliche Erschwernis aufmerksam, die in den bereits
vorliegenden mehrfachen Werbebegehren anderer Mächte
begründet sei.
Nach dem Eingang dieser Antworten veranlafste
Zürich, welches die ausgesprochenen Bedenken jedenfalls
teilte, zunächst den Oberst le Jay die Kapitulations-
bedingungen etwas bestimmter zu formulieren. Derselbe
überreichte, dieser Aufforderung nachkommend, am 28. De-
zember ein Memorial, welches als Ergänzung und Er-
läuterung der oben genannten „Articul und Bedingnusse"
gelten sollte"). Das Wesentliche dieses Memorials be-
stand darin, dais die Kapitulation, die Graf Lodron im
Auftrage des Kaisers im Jahre 1090 mit den Eidgenossen
abgeschlossen hatte '-) und nach welcher jeder Mann
») St.-A. Bern L^ pag. 669, d d. 18. Novcmlier 1801.
'0) St.-A. Zürich Acta Sachsen, vom ;^1. November bis S.De-
zember 1701.
") Ebenda No. 6.
^-) Diese Kapitulation, auf welche noch mehrfach Bezug ge-
nommen wird, wurde während der genieineidgenössischen Tagsatzung
zu Baden {i-Z. Mai bis 3. Juni 1690) abgeschlossen. Vergl. Sammhuig
derEidgenössischen Abschiede [= E. A.J VI 2^ No. 181 lit n. Der erste
Artikel dieser 21 Punkte umfassenden Kapituhvtion lautet: „Soll ein
ordentliches Regiment under einem Obersten und anderen darzu ge-
hörigen hochen officieren in 10 conipagniiMi abgetheilt, jede von 100
und 70 iHann effective und die prima plana darunder begrift'en, also
samendtlich 1000 und 700 Jlann geworben mit über und undergewöhr
gleich Loth schiofsendten Mnsquoten snmbr bnjoneten, i<Tauwcn weiten
Schweizer Soldtruppen 1701—1815. 83
einen monatlichen Sold von 5 Rtlilrn. erhielt, als Grund-
lage dienen sollte. Eine entsprechende Summe solle als
Bürgschaft in Leipzig deponiert werden, die Kapitulation
selbst eine Geltung auf 10 Jahre haben, und endlich wünsche
der König aulser dem für Graf Beuchlingen anzuwerbenden
Regiment auch eine besondere Leibwache von 200 Mann
aus den katholischen Kantonen für seinen polnischen
Hofhalt.
Da aber trotz dieses erläuternden Memorials noch
immer Unklarheiten zwischen dem Rat zu Zürich und
dem Oberst le Jay über die Modalitäten dieser Anwerbung
bestanden, so gab der letztere am 29. Dezember noch
eine besondere „Erklärung" zu ProtokolP-^). In dieser
versicherte er zunächst, dals er unbedingte Vollmacht
habe, eine Kapitulation abzuschlielsen und dals er auch
für die richtige Bezahlung der erforderlichen Kaution
sorgen werde. Er bezieht sich in der Hauptsache wieder
auf die Lodronsche Kapitulation; doch solle jede Kom-
pagnie nur auf 90 Mann gerichtet und 10 Mann zur
Gratifikation eingerechnet werden. Über einige andere
Fragen, die aufgeworfen wurden, erklärt er, augenblicklich
keine definitive Antwort geben zu können, so namentlich
darüber , ob die Mannschaften für das Beuchlingsche
Regiment nur aus den evangelischen oder auch aus den
katholischen Kantonen sollten angeworben werden ; hin-
gegen könne er versichern, dafs der König beabsichtige,
eine förmliche Kolonie von Schweizern nach
Sachsen zu verpflanzen.
Le Jay hatteschon vorher die Notwendigkeit empfunden,
sich vor Beginn der Unterhandlungen noch genauere In-
struktionen einzuholen, und hatte zu diesem Zwecke bereits
am 6. Dezember von Bern (?) aus an den Grolskanzler
röckhen, rothen grofsen Ueberschlägen, gleich hüeten mondieret auf
den von Ihrer Kays.Mayst. bestimbten rendevons gestelt werden lengst
innerhalb (3 wuchen Zeit." Die hai^ptsächlichsten Punkte, die
sonst durch diese Kapitulation bestimmt werden, sind: o Rthlr. —
7'/2 Gulden monatlichen Sold und für den Stab monatlich 750 Gulden.
Die „Obristeu Haubtleüthe" werden vom Kaiser ernannt, die Subaltern-
offlziere von den Hauptleuten. Das Regiment soll in der Garnison
„Dach, Fach und Services" gleich den anderen kaiserlichen Soldaten
erhalten; „Krud u. Loth^' wiid umsonst geliefert", die Kranken werden
auf ihre eigenen Kosten verpflegt; den Evangelischen wird „ein
anständig orth zu privat Hebung Ihrer religion gestattet".
^•^) St.-A. Zürich Acta Sachsen No« 7.
84 A. vuii Wi'lck :
g-eschriebeii ") und angefragt, ob der König die Soldaten
aus allen Kantonen haben wolle, d. li. ob das anzu-
werbende Regiment aus Evangelischen und Katholischen
bestehen könne ? In demselben Briefe richtet le Jay die
IMtte an den Grolskan/.ler, ihm Geld zu schicken, da das
Jjeben in der Schweiz teurer sei als in Sachsen.
Se. Excellenz möge das Geld an den schweizerischen
Kaufmann Escher in Leipzig schicken , dessen Bruder
in Zürich lebe.
Dieses Thema der Bitten um Geld wird von nun an
ein stehendes, dem wir in allen sich oft wiederholenden
Briefen le Jays begegnen.
Ob diesem eine Antwort auf die Anfrage vom 6. De-
zember zuging , ist nicht zu ersehen ; jedenfalls war sie
am 29. Dezember noch nicht in seineu Händen.
Mittlerweile benutzte er aber die Mulse, die ihm
der Aufenthalt in Zürich gewährte, um den Grafen
Beuchlingen mit Briefen zu überschütten, in welchen er
teils seinen Hoftnungen auf günstige Abwickelung seiner
Geschäfte, teils — und zwar als Hauptthema — seinen
Bitten um Geld Ausdruck leiht. Das Königl. Sachs.
Hauptstaatsarchiv zu Dresden hat mehrere derartige
Briefe (u. a. vom 17., 28., 31. Dezember) aufbewahrt''^);
in einem derselben, ohne Datum'"), wird daraufhinge-
wiesen, dafs es in diesem Moment schwer halte, in der
Schweiz Truppen zu bekommen, weil der Kaiser, Frank-
reich, Spanien und Holland ebenfalls Soldtruppen von
den Eidgenossen begehrten und eüi Abgesandter den
andern in seinen Anerbietungen überböte. In dem
Schreiben vom 31. Dezembei- versichert er, dals nicht
nur der König hochgeehrt und geliebt sei in der Schweiz,
sondern auch „Se. Excellenz" (!). Dieser schmeichel-
haften Mitteilung fügt er aber sofort wieder die Bitte
um Geld bei und sagt, dals, wenn er jetzt hhireichende
Mittel besälse, er gewüls die ganze Werbungsangelegen-
heit in kürzester Frist zum Abschluls bringen werde,
„puisque tous les Cantons ou J'ay ete sont resolue et
content d'en donner au Roy pour le meme prix de
rEmpereur". Falls er aber von Sr. Excellenz nicht bald
und genügend mit Geld versehen werde, so droht er:
") K. S. H.-St.-A. Dresden. Loc. 1154. Die Erriflitnng- zweier
Schweizer ßegimeuier etc. 1701 — 1704, Kl 8.
'■') Ebenda Bl. 25, 30, li].
1«) Ebenda Bl. 18.
Scliweizer Soldtnippen 1701 isiö. 85
„Je serez obligez de nie retirer tout-ä-fait, poiir iie pas
recevoir im affront publique, en n'osaiit paraitre ä
TAssemblee generale des Etats que se tiendronts dans
trois ou quatre seraaines".
Die Kantone hatten tliatsäclilich beschlossen, zur
Erledigung- der vielfachen an sie herantretenden Ansuchen
um Überlassung von Soldtruppen im Beginn des Jahres
1702 eine allgemeine eidgenössische Tagsatzung abzu-
halten; vorher aber wollten die evangelischen Kantone
noch eine besondere Konferenz unter sich in Aarau ab-
halten ^■'). Hiervon war le Jay auch unterrichtet und wegen
einer definitiven Entscheidung auf die Beschlüsse jener
Tagsatzung verwiesen worden.
Oberst le Jay verblieb vorläufig in Zürich und unter-
hielt nach wie vor eine lebhafte Korrespondenz mit Graf
Beuchlingen. Am 4. Januar schreibt er, man möge ihm
umgehend 3 — 400 Dukaten schicken, denn ohne Geld
könne er weder selbst leben, noch könne er die Interessen
des Königs wirksam vertreten ^^).
Am' 7. Januar lälst er bereits wieder einen Brief
folgen ^^), in dem es heilst: Da er kein Geld hätte, um
in des Königs Angelegenheiten selbst zu reisen, so habe
er wenigstens nach allen Himmelsgegenden Briefe ge-
schrieben und sogar expresse Boten auf Kredit entsendet (!).
Auf diese Weise habe er auch erfahren, dals in allen
Kantons die grölste Bereitwilligkeit herrsche, dem König
die gewünschten Truppen zu bewilligen. Die endgültige
Entscheidung werde auf der Tagsatzung zu Baden statt-
finden. Auf Bern und Zürich könne er sich ganz unbe-
dingt verlassen. Er schlieist dieses Schreiben : „Je reste,
attendant toujours de l'argent, dont J'ay un extreme
besoing, avec un profond respect" etc.
Drei Tage später — am 10. Januar — macht er
dem Grolskanzler in einer abermaligen Zuschrift-") die
wichtige , aber wie sich zeigt ganz unbegründete Mit-
teilung, dafs er im Monat Mai die anzuwerbenden Truppen
selbst nach Sachsen geleiten werde. Der Kanton Frei-
burg — fügt er hinzu — wolle lauter sehr schöne
Leute stellen, die zudem deutsch und französisch
") St.-A. Zürich Acta Sachsen No. 8 a und b.
'S) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154 A. cit. Bl. 33.
19) Ebenda Bl. 35.
20) Ebenda Bl. 37.
80 A: von Wekk:
spiäclien. — Als Naclitrag zu dioscin Briete meldet er
den ricbtig-en Empfang- eines Wechsels über 500 Gulden,
gezogen auf H. Eschers Bruder in Zürich, und fügt noch
hinzu, dafs am 23. Januar die Konferenz der evangelischen
Orte in i\.arau zusammentreten, am 28. Februar aber die
allgemeine Tagsatzung in Baden ihren Anfang nehmen
werde. Dafs le Jays unausgesetztes Diängen um Geld
nicht erfolglos war, beweist, dafs er nur 4 Tage später
— am 14. Januar — bereits in der Lage war, Sr. Ex-
cellenz seinen unterthänigen Dank für 200 Dukaten aus-
zusprechen. Er erwähnt hier nochmals die bevor-
stehende Konferenz der evangelischen Orte und glaubt,
dais sie sich willfähri^^er zeigen würden, als die katho-
lischen Orte.
In den Tagen vom 23. bis 27. Januar fand nun in
der That diese Versammlung statt, auf welche le Jay so
grolse Hoffnungen gesetzt liatte-'). Leider sollten sich
aber dieselben nicht erfüllen. Ei- brachte seinen Antrag
vor, ihm die Anwerbung eines Kegimentes von 2G Kom-
pagnien ä 90 Mann effektiv bei 10 Mann Gratifikation
zur Verteidigung der kursächsischen Lande zu genehmigen
und überreichte zu dem Zwecke einen vollständigen Kapitu-
lationsentwurf in 18 Artikeln-'-), welcher eine Zusammen-
stellung derjenigen Punkte enthält, welche in den „Articul
und Bedingnussen" und in dem diesen beigefügten
„Memorial" und „Erklärung" le Jays enthalten waren.
Die evangelischen Orte gingen aber auf le Jays
Begehren nicht ein, und gaben als hauptsächlichen Grund
hierfür den Umstand an, dafs dieser Antrag schon früher
an die gesamte Eidgenossenschaft gerichtet worden und
auf die Tagesordnung der nächsten allgemeinen eid-
genössischen Tagsatzung geschrieben sei; es ginge dem-
nach nicht recht an, dafs jetzt nur ein Teil der Stände
auf einer Spezialkonferenz darüber beschliefse. Zur Sache
selbst aber sprachen sich die Orte dahin aus. dafs man
bei den gegenwärtigen Zeitläufen und den anhängigen
Werbungsbegehren des Kaisers, Fiankieichs und Spaniens
diesen Antrag um so Aveniger berücksichtigen kinine,
als man mit Sachsen in keinem Bündnis stehe und der
Bestand des Königreichs Polen infolge des gegen-
wärtigen Krieges mit Schweden zweifelhaft sei. —
21) E. A. VT. 1. Hälfte, No. 484.
22) Militär-Bibliothek Basel A. 13 No. üb Mskrpt.
Scliweizer Suldtiuppeu IVUl — 1815. 87
Nur Bern, ,. welches eine grolse Anzahl Offiziere und
Volk besitzt", lehnte nicht definitiv ab, weil das Regiment
nur defensiv verwendet werden solle; nur müsse man
trachten, eine noch günstigere Kapitulation zu erlangen--^).
Trotz dieses ungünstigen Resultates scheint sich
le Jay noch immer mit grofsen Hoff'nungen getragen zu
haben, denn er richtet am 30. Januar, also wenige Tage
nach Schlufs der Konferenz, aus Basel an den Grols-
kanzler die Bitte, ihm das Kommando eines der beiden
anzuwerbenden Regimenter auszuwirken. Er, alsAusländer
und Katholik, eigne sich besonders gut zum Komman-
danten eines katholischen Schweizer-Regiments-*).
Unter dem nämlichen Datum schreibt le Jay auch einen
langen Brief an den Geheimen Kriegsrat von Benken-
dorff-'') nach Sachsen. Er dankt ihm für eine erhaltene
Zuschrift und bezieht sich wegen der geschäftlichen An-
gelegenheiten auf sein an Graf Beuchlingen gerichtetes
Schreiben. Hiernächst spricht er seine au [serordentliche
Freude aus, dals der König seine — Benkendorffs —
treue und ausgezeichnete Dienste würdig belohnt habe
und bittet um die Ehre und das Glück seiner ferneren
Freundschaft. Weiterhin teilt er dem Geheimen Kriegsrat
mit, dals er soeben von der Konferenz in Aarau käme
und dafs man ihm auf derselben schon beinahe fest die
Stellung von 1500 — 2000 Mann versprochen habe (!) ;
doch hänge der definitive Bescheid, wegen der Stimmen
der katholischen Kantone, noch von den Beschlüssen der
allgemeinen Tagsatzung ab, die demnächst in Baden statt-
finden werde. Die katholischen Kantone würden wahr-
es) E. A. VI2, 1. Hälfte No. 484 lit. b. Es erscheint hiernach,
dafs le Jay in Aarau von einer nur defensiven Verwendung der
Schweizer gesprochen hat, was durchaus nicht in der Absicht lag. —
Im Originalabschied (St.-A. Zürich Allg. Absch. Bd 82 fol. 2) lautet
diese Erklärung Berns: ,L. Stands Bern E. Gesante aber haben sich
zu diserem begehren in betrachtung vormahliger gar vortheilhafter
genossener Conditionen, der Vilheit in Ihrer Statt und Landschaft
befindender Officieren und Gemeinen Volks, welches sonsten den be-
nachbarten zulaufen thäthe, insonderheit aber weilen dise Völker nur
zur defension der Chursächsischen landen, die in keinem Krieii' be-
griffen und dahin kein beschwärlicher march noch kostbahres Equi-
page erforderlich, verlanget werden, jedoch mit vorbehält besserer
Capitulation, nicht ohngeneicht bezeuget."
21) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. BL 42.
-^) Derselbe war zugleich Generallieutenant. Er fiel mit Graf
Beuchlingen gleichzeitig in Ungnade — 1703 — und kam mit ihm
zusammen auf den Königstein.
88 A. V..11 Wolck:
scluMiilk-li tVeic Heligioiisiibiiiig und die Besoldung üirer
Geistlichen verlangen. Alle Schweizer Offiziere, schreibt
er weiter, wollten weit lieber dem König von Polen, als
irgend einem anderen Fürsten dienen-*').
Diesem Schreiben legt le Jay ein „Memoire" bei
über diejenigen Fragen, die noch festzustellen seien, ehe
die Anwerbung abgeschlossen werden könne-'). Dasselbe
nmfalst 12 Punkte, deren hauptscächlichste die nach-
stehenden sind: 1. Die Kom])agnien sollen nicht nur
150 Mann zählen, sondern ITcTMann, mit 20 Mann
Gratifikation; auch möchten dieselben anstatt mit 4 mit
5 Offizieren besetzt werden. 2. Der monatliche Sold
möchte pro Kopf 6 Thaler und für den Stab 500 Thaler
betragen; dies werde namentlich deshalb gewünscht, weil
die Leute so weit weg von ihrem Vaterlande mülsten, im
Vergleich zu den von Österreich angeworbenen Mann-
schaften, welche nur in den Grenzfestungen, nahe der
Schweiz, Verwendung fänden. 3. Würde die Voraus-
zahlung von 3000 Thalern für die Aushebung ehier jeden
Kompagnie von 150 Mann und von 4000 Thalern für die
einer solchen von 170 Mann erforderlich sein. 4. Für den
Marsch nach Sachsen sei eine Monatsgage gratis zu ge-
währen. 5. Werde gewünscht, dals die Patente für beide
llegimentsstäbe und für alle Kapitäns, ebenso auch für
die Gardekompagnie, nach der Schweiz geschickt würden,
so dals daselbst nur die Xamen auszufüllen seien. 6. Sei
zu bestimmen, ob die Regimenter zu 10 oder zu 12 Kom-
pagnien formiert werden sollten. 7. Verlangt man seitens
der Kantone, dals, wenn eine Kompagnie aufgelöst oder
vor dem Feind oder durch böse Krankheiten vernichtet
werden sollte, dem Kapitän eine Frist v(m zwei Monaten
zur Beschatfung neuer Mannschaften gewährt werde,
während welcher Zeit er aber seine Gage nach Malsgabe
des Mannschafts-Etats bei der letzten Musterung fort be-
ziehe. 8. Kehrten die Truppen nach einer 10jährigen
Dienstzeit zuriick, so möchte ihnen eine zweimonatliche
Gage zui- Rückreise bewilligt werden.
Als i)ersönliche i^.nsicht fügt le Jay noch hinzu, dals
es voi'teilhaft sein dürfte. 8000 bis lOOOÖ Thaler zu opfern
^pour gagner les principaux, parceciue les autres concurents
2«) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 44.
"") „Jlemoire des Articles qui reste k conclure poiir la lev6e des
deux Kegimens Siiisse, que Sr. Maj. desire d avoir."
Schweizer Süiatruppen ]7(il— IS15. 89
poiirois bien l'emporter sur noiis par les grauds ofFres,
qu'ils fönt anx Suisses. Comme on le poiirra aisement
voir par les copie des capitulatioiis Etraiigeres, que
J'envoye ci jointe."
Er legt zu dem Zweck die Kapitulationen, „so die
Herrschaft Venedig den löbl. Orten Lucern, Ury, Scliweitz,
Unterwaiden und Zug anerbietet," ferner die zwischen
dem Kaiser und den Kantonen vom Jahre 1690 und end-
lich die zwischen Frankreich und den Eidgenossen zuletzt
abgeschlossene in Abschrift bei. IVIan ersieht bei einer
Vergleichung , dafis die Proposition, die le Jay gemacht
hatte, in Hinsicht der Bezahlung günstiger war, als
jene, während anderseits allerdings die in österreichischen
Sold ti-etenden Schweizer nur nach Constanz, Rheiufelden,
in die Waldstätte und den Schwarzwald dislociert werden
durften-«).
Zwei Tage später — am 1. Februar — lälst le Jay
noch einen Nachtrag zu dem obigen Schreiben an den
Geheimen Kriegsrat abgehen, in welchem er sagt, dals die
Sclnveizer Herren sehi^ wünschten, dals ihr Eegiment den
Titel erhielte: „Guardes oder Regiment Royalle Suisse
de Sa Majeste"--^).
Die Ansicht des Oberst le Jay, dals die evangelischen
Orte willfähriger sein würden, als die katholischen, scheint
in Sachsen geteilt worden zu sein, denn der König stellte
ihm d. d. Warschau, den 1. Februar 1702, ein erneutes,
ganz speziell „ahn die Vier Evangelischen Orth der Eyd-
genossenschaft Zürich, Bern, Basel und Schaif hausen"
adressiertes Kreditiv zu"^*'). Dasselbe ist annähernd gleich-
lautend — aber in deutscher Spraclie abgefafst — mit
dem ersten Beglaubigungsschreiben vom 29. September 1701,
welches an alle Kantone gerichtet war. Es bezieht sich
aber zunächst nur auf die Aufstellung „furnehmblich einess
Regiments zu Fuess", welches le Jay wohl glaubte von
den genannten vier evangelischen Kantonen erhalten zu
können.
Mittlerweile rückten die entscheidenden Tage der
,.aufserordentlich gemein- eidgenössischen Tagsatzung der
XIII Orte, Abt und Stadt St. Gallen und Biel" in Baden
heran , welche nicht allein für die Wünsche des Oberst
2S) Verg-1. Note 12.
29) K. S. H.-St.-A. Loc. ] 154. A. cit. Bl. 63.
»0) Ebenda Bl. 61.
00 A. Voll Wdck:
le. Jay, sondern ancli füi- die «ileicbzeitigen A\'erl)eljegeliren
ÖsteiTeichs, Frankreichs und Spaniens die Entsclieidimg
bringen sojlte.
Die Tagsatzung Avurde am 8. Februar 1702 eröffnet;
Oberst le Jay kam aber erst am 15. d. M. dazu, seinen
Antrag mündlich vorzubringen. Der „Abschied""') sagt
darüber, dals le Jay, als Gesandter des Königs von Polen,
einen „Aufbruch" von einigen tausend Mann und eine
Kompagnie ,.Hellebardiers" katholischer Eeligion als
Leibgarde und für den Glanz des königlichen Hauses
verlangt und gleichzeitig einen Kapitulationsvertrag vor-
gelegt habe Mehrere Orte wären geneigt gewesen, dem
Anwerben zu entsprechen, wenn die gegenwärtigen Zeit-
umstände und die Rücksicht, dals man sich leicht für
eigene Notfälle zu sehr entblölsen könnte, nicht davon
abrieten. — (Die Gesandten der Kantone Zürich, Bern,
Luzern, Uri, Zug, Glarus, Basel und Freiburg nahmen
den Antrag le Jays „ad referendum".)
In diesem Sinne wurde ein Schreiben an den König
abgefafst und bereits am 16., von sämtlichen Gesandten
unterschrieben, abgesendet^-). — Das Resultat war also,
dals das Werbebegehren einfach abgeschlagen wurde,
Auch die Gesandten Österreichs, Frankreichs und Spaniens
waren nicht viel glücklicher.
Trotz der bestimmten Ablehnung, welche le Jays
Antrag am 15. Februar erfahren hatte, gab er die Hoff-
nung noch nicht auf, sondern richtete an verschiedene
Kantone direkte Zuschriften und bat, sie möchten, trotz
des ablehnenden Beschlusses der Tagsatzung, seinen
AVünschen günstig gesinnt sein; er sei ermächtigt, fügt
er hinzu, „mit annoch einigen mehreren advantages und
Vortheil-' zu werben. Diese Schreiben le Jays sind in
den Archiven von Luzern and St. Gallen noch vorhanden ■^^),
während sich in Zürich nur die darauf bezügliche Be-
merkung im Ratsmanual vorfindet-'^).
Mittlerweile hatten die in Baden versammelten eid-
genössischen Gesandten an ihre Obrigkeiten über die
«•) E. A. VI, 2. Abt. 1. Hälfte Ko. 485 lit. (..
32) Stifts-A. St. Gallen Tom. 797 S. 18«. — Das Scliieibeu ist
miterzeiclinet von den „hie anwesende al)gesante der 13 und zue ge-
wanten Ortlieu".
3«)St. -A. Luzern Acta Chursachsen 1701-1703, S. 13.
Stifts.-A. St. Gallen T. 797, S. 174.
3*) Katsman. Zürich v. J. 170;^, Sitzung- vom 18. Februar.
Schweizer Sokltruppeii 1701—1815. 91
Sitzung vom 15. Februar berichtet und resp. um weitere
Verhaltung'smafsregeln gebeten.
Die Gesandten von Luzern, Schultheils Johann Carl
Balthasar und Venner Franz Laurenz von Fleckenstein,
melden am 16.'^'^) an ihre Regierung, dals der polnische
Gesandte, Mr. le Jay, um einen Aufbruch von etlichen
tausend Mann und eine Leibgarde von 100 „Halepierten"
geworben habe und zwar auf Grund einer „ziemlich ver-
besserten Kapitulation". Die meisten Kantone hätten aber
unter den jetzigen Konjunkturen Bedenken getragen, darauf
einzugehen ; nur Bern habe sich geneigt gezeigt. Da nun
die Gesandten eine schleunige Antwort wünschten, so
bäten sie um Befehl, ob die Sache noch weiter hinaus zu
schieben sei oder ob man dem Baron le Jay in Überein-
stimmung mit dem gröfsten Teile der anderen Kantone
eine „fr. antwort" erteilen solle, dafs man sich zwar der
Ehre bedanke, dem Anwerben aber unter den jetzigen
Verhältnissen nicht willfahren könne.
Ähnliche Anfragen haben jedenfalls auch die Gesandten
der anderen Kantone, welche das Begehren le Jays ad
referendum genommen hatten, an ihre heimatlichen Obrig-
keiten gerichtet. — Luzern beantwortete diejenige seiner
Delegierten bereits am folgenden Tage dahin, dals man
unter den jetzigen Umständen die Anwerbung nicht be-
willigen könne, umsoweniger, als man mit dem König
von Polen in keinem Bündnis stehe. Die katholische
Leibgarde sei wahrscheinlich nur um deswillen begehrt
worden, „damit der vor das Sächsische Churfürstenthumb
begehrte Aufbruch darmit möchte facilitiert werden";
sollte le Jay noch beabsichtigen, eine derartige Leibgarde
anzuwerben, so „seindt wir der Meinung, das man Unsers
Ohrts wegen nicht abbrechen , sondern ferners darauf
reflectieren, also ad referendum es neramen solle" etc.'^^).
Für die rastlose Thätigkeit, welche le Jay in dieser
Zeit entwickelte, zeugt auch ein Brief, den sein Begleiter,
ein Herr von Malleiarques (derselbe wird später noch
mehrfach erwähnt) am 21. Januar an den Grafen Beuch-
lingen richtete^'). Er rühmt in demselben le Jays
Thätigkeit und Eifer aufs wärmste, fürchtet aber trotz-
dem schlechte Erfolge, weil der Kaiser, Frankreich und
3'^) St.-A. Luzern Acta Cbursachsen 1701—1703, S. 21.
36) Ebenda 8. 22.
'^") K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. El. 68.
()') A. von Wilck:
Spanien "ieiclie Wünsche heo-fen. Nur Born und vier
Mildere Kantone schienen noch schwache Hott'imng- zu
bieten.
Abg-esehen von den schriftlichen Gesuchen, welche
le Jaj^ Mitte Februar an einen Teil der Kantone richtete
(S. 90), versuchte er auch in niündlicher Verhandlung-
nochmals sein Glück bei den evangelischen Kantonen,
als dieselben — wie gewohnt — zu einer besonderen
Konferenz während der Dauer der allgemeinen Tag-
satzung zusammentraten. Er trug den Abgesandten in
eindringlichster Weise seinen Wunsch vor, zwei oder doch
mindestens ein Regiment anzuwerben, und begründet dieses
erneute Eintreten in die Verhandlung mit dem neuen
Kreditiv (vom 1. Februar 1702), welches ihm von seinem
Monarchen zugegangen sei^''*). Da le Jay aber erst am
letzten Tage dieser Separatkonferenz — 2. März — in
derselben erschien, so betrachtete man dies als will-
kommenen Grund, um das Gesuch nicht mehr zu beraten,
sondern es einfach ad referendum zu nehmen ■^^).
Die Badener Tagsatzung ging also in den ersten
Tagen des März auseinander, ohne dals es dem Oberst
le Jay gelungen war, irgend welche bestimmte Zusage
zu erhalten; ja — streng genommen — hatte man ihn
sogar aller Aussichten beraubt. Möglich ist es immer-
hin, dals der eine oder der andere der Abgesandten ihn
noch auf direkte Verhandlungen mit einzelnen Kantonen
verwiesen hätte, Avenn auch damit das eben erst wieder
in Erinnerung gebrachte Prinzip, dals über alle Volks-
aufbrüche von fremden Staaten von der Eidgenossen-
schaft in corpore entschieden werden müsse, verletzt
worden wäre. Mag dem nun sein wie ihm wolle, jeden-
falls kehrte le Jay nicht etwa entmutigt nach Sachsen
zurück, sondern er begab sich von Baden aus nach
Schaifhausen und setzte von dort aus seine fleifsige
Korrespondenz nach Sachsen sowohl wie an einzelne
Kantone fort. So befindet sich z. B. im Ratsmaiiual zu
Zürich über die Sitzung vom 13. März die nachstehende
Registratur :
„Auf der von Ihr Wht. dem H. Burgeniieister Escher be-
schehcuen Anzug was der Kgl. Pohl. H. Abgesandte l^>aron de le Jay
über sein ad referendum genomnes Begehren sollicitht, und wegen
einer Leibguardi für den ('hurprinzen in Haxen angebracht habe, war
3'*) K. S. H.-St.-A. Log 1154. A. cit. Bl. (il.
3») E. A. VI, 2. Hälfte i No. 484 lit. e.
Schweizer Soldtruppen 1701—1815. 93
in reyffer Erdaurnng der Zeitlien und Sachen Bewandtnus einhellig-
erkandt, dass bemeltem H. Abges. die Canzley anzeigen solle welcher
gestalten M. g. H. von Ihr Gn. dem regier. H. Bürgermeister ver-
nommen, was der H. Abges. zuhanden M. g. H. vortragen wollen.
Darüber man es des vor diesem angesuchteu Regimts halben he^' vor-
maligen Declarationen bewenden lasse i;. also M. g H bereit ver-
bleiben in kunfftigeu Öccurenzien Ihr K. Mt allen möglichst dienst-
fertigen Willen zu bescheinen, bey gegenwärtigen Conjnncturen aber
davon absehen."
Am 19. März richtete le Jay ein ausführliches
Schreiben au General von Benkendortf"''), in welchem er
sich über seine nächsten Absichten und über seine Aus-
sichten ausspricht. Er sagt, dals es ihm durchaus nicht
unmöglich erscheine, bei einigen Kantonen (jedenfalls die
in dem Brief vom 22. Februar genannten: Bern, Basel,
Schaff hausen , Luzern, Freiburg und Zürich) noch ein
günstiges Resultat zu erzielen. Man verlange jetzt
monatlich 500 Thaler für den Stab, ferner „le pain de
munition gratis et les armes pour la premiere fois". Die
Hauptsache sei aber, dals man ihm persönlich Geld zu
seinem Lebensunterhalte schicke. Sobald er bei Kasse
sei, werde er nach Bern reisen, um dort die Sachen
energisch zu betreiben. Auch während der Tagsatzung
in Baden habe es ihm nur am nötigen Gelde gefehlt.
Wäre der Brief des Generals mit der Geldanweisung
früher angekommen (er bekannte aber am 10. Januar den
Eingang eines Wechsels über 800 Gulden und dankte am
14. Januar für den Empfang von 200 Dukaten), so hätte
er bereits in Baden sämtliche Kontrakte abschlielsen
können (!). In der Schweiz sei ohne Geld nichts zu
machen. Sehr schlimm sei es, fährt er fort, dals die
Züricher so französisch gesinnt seien und es würde des-
halb sehr vorteilhaft sein , wenn man „direkt auf den
französischen Gesandten einwirken könne, damit er den
Zürichern zum Abschluls einer Kapitulation mit Sachsen
zurede — cela ferait des vermeilles!" Le Jay scheint
sich nicht klar gewesen zu sein, dals eine Beeinflussung
des französischen Gesandten zu Gunsten des Königs von
Polen, der bereits im Januar 1702 der gegen Frankreich
gerichteten „grofsen Allianz" beigetreten war, schon aus
politischen Gründen undenkbar erscheinen mufste.
Die Antworten des Generals von Benkendorff oder
des Grafen Beuchlingen auf die zahllosen Briefe le Jays
liegen nicht vor; man darf aber annehmen, dals man in
39
') K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 74.
94 A. von Wekk:
Sachsen die sanguinischen Hütt'nungen desselben nicht
teilte.
Am 23. März führt le Jay in einem an General
von Benkendortf gerichteten Briefe *") bittere Klage über
die Eidgenossen, die seine Geduld sehr herausforderten.
Nichts destoweniger habe er aber noch immer Hoff-
nung, seinen Zweck zu erreichen. Allerdings werde der
König die für den Stab geforderten 500 Thaler i)ro
Monat jedenfalls beAvilligen müssen, da der Kaiser die
gleiche Summe zugesagt habe").
Am 29. März teilt le Jay — immer noch aus Schatf-
hausen — dem General Benkendorff mit^-), dals er jetzt
selbst eine Kapitulation entworfen und dieselbe eigen-
händig niedergeschrieben habe. Er habe sie dann drucken
und in der ganzen Schweiz verbreiten lassen ^-^j. Diese
Maisregel habe so guten Erfolg gehabt, dafs die Berner
ihn sofort aufgefordert hätten, dahin zu kommen, um den
Kontrakt abzuschliefsen. Er werde die von ihm ent-
worfene Kapitulation durch einen Offizier an den König
zur Unterschrift schicken. Die Sache habe aber grolse
Eile und sei überhaupt nur dann ausführbar, wenn er
Geld erhielte. — Er habe in dieser Kapitulation sowohl
„den Intentionen Sr. Excellenz als auch den (jewohnheiten
der Schweizer" zu entsprechen gesucht.
Noch an demselben Tage — 29. März — schickt
wirklich Oberst le Jay einen Offizier (jedenfalls den
schon erwähnten Herrn von Mallerarques) an den König
mit dieser Kapitulation ab, welcher er noch die mittler-
weile mit Bern geführten Korrespondenzen beifügt.
Ebenso legt er eine besonders aufgestellte Kapitulation
für die katholischen Mannschaften der anzuwerbenden
Leibgarde bei'''*) — die aber ebenfalls nicht ins Leben
^0) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 81.
'") In diesem Schreiben spricht er die Bitte aus, die für ihn
liestiinmten Briefe au seine Frau nach Nürnberg zu schicken, durch
welche er sie 4 bis 5 Ta^;e früher erhielte.
^^) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 8;J.
•»») Vaterländische Bibliothek Basel. H. 19 No. 2. Gedrucktes
Exemplar. Im K. S H.-St.-A. Dresden IjOc. 1154 befindet sich die
von le Jav übersendete Abschrift.
■■•') K. S. H.-St. A. Loc. 1154. A. cit. 151. !i;}. ..Capitulation, so Ihr
Künigl. Majestät iu.Pohleuund Churlürstl. Durchbnicht in Sachsen
verlangen von der Tjöbl. Eydtgenoss. cathol. ürthen". Es soll hier-
nach von den katholischen .Mannschnften eine Ijeiligarde-Koiiipayuie
aufgerichtet werden in der Stärke von Itil j\liuin mit ein<'i- monat-
lichen Besoldung von 134<t Thaler. Eine N'orausbezaidung von
Schweizer Soldtruppen 1701 — 1815. 95
trat — und den Orig'inalbescheid der Badener Tagsatzung
vom 15. Februar. Charakteristisch für die Auffassung
le Jays ist der Inhalt des an den König selbst gerichteten
Schreibens, welches der Offizier zu überreichen hatte.
Er sagt nämlich in demselben ^•■^).- „Die Sache ist so gut wie
abgemacht" ; es käme nur noch auf Sr. Majestät Ge-
nehmigung, auf eiligste Zurücksendung und auf Gewährung
der erforderlichen Geldmittel an. In zwei Monaten könne
dann die ganze Anwerbung beendet sein, und zu Johannis
die Truppen in Sachsen eintreffen. Die Leute würden
durchgängig Protestanten sein, weil die Katholiken die
Bedingung privaten Messelesens stellten, w^orüber er —
le Jay — doch erst die Befehle Sr. Majestät zu er-
warten habe.
Ob nun die ihm von Bern gewordenen Mitteilungen
eine so günstige Auffassung der Sachlage wirklich recht-
fertigten, läfst sich nicht bestimmt beurteilen, da die
betreffenden Schriftstücke nicht vorliegen. Aus dem
Briefe aber, den le Jay an dem nämlichen 29. März an
einen Herrn in Bern — vermutlich den Schultheils
von Graffenried *'') — richtet ^^), möchte man es beinahe
annehmen. Doppelt merkwürdig erscheint es dann, dals,
wie wir sehen w^erden , auch diese Verhandlungen sich
wieder vollständig zerschlugen. Oberst le Jay schreibt
nämlich nach Bern:
„Monsieur! Je vous suis tres sensiblement oblige de la bonne
nouvelle, que vous m'avez donne. Je part dans ce moment pour lue
rendre ä Bern ou jespere d'arriver vendredy ou Samedy s'il piaist
ä Dien. Esperant que la Capitulation que je vous aporte ne vous
deplaira pas puisquelle est en tout conforme a vos manieres ancienne
qui sonts ce me semble les meilleurs et les plus profitables". . . .
Aber nicht genug damit, dals le Jay dem König
direkt Kenntnis von seinen Hoffnungen und von der
günstigen Sachlage gab mittelst des Schreibens vom
29. März — er schüttet auch dem General Benkendorff
am folgenden Tage sein Herz in einem längeren Briefe
2000 Thalern soll stattfinden, die erst nach 6 monatlicher Dienst-
leistung wieder in Abrechnung- kommen darf. 10jährige Dauer der
Kapitulation und Ernennung der Kapitäns imd Oberoffiziere durcli
den König.
-'S) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 85.
''<') Emanuel von Graffenried, Herr zu Bellerive und Vallemand,
war seit 1700 in diesem Aait.
''') St.- A.Bern L- S. 695.
96 A. von AVelck:
ans''^) und schreibt ihm, dais er in Züricli noch einmal
tiichtig geschürt habe , damit man daselbst dem guten
Beispiele Berns folge. Man habe es ihm auch fest ver-
sprochen, und so hoffe er denn, dals alle protestantischen
Kantone die Anwerbung gestatten würden. „Mein Cirkular
hat Wunder gethan!" Er bemerkt noch, dals der Hat
zu Bern den König um Überlassung eines Kanonengielsers
aus Dresden bitten wolle. Benkendorff möge doch ja
die G ewährung dieses Wunsches befördern ; es könne dies
nur nützlich sein.
Le Jay trat nun die Reise nach Bern an voll der
festen Zuversicht, seine Zwecke daselbst endlich zu
erreichen. Dieser Sicherheit, welche ihn erfüllte, ist es
wohl auch zuzuschreiben, dals er während der Durchreise
durch Zürich — am 31. März — an den dortigen Rat
(aux magniflques et puissants Seigneurs de l'Illustre et
tres louable canton et Republique de Zürig) eine Art
von Ultimatum abgab, in welchem er in kategorischer,
seiner sonstigen äulserst liöttichen Form nicht entsprechen-
den Weise um definitive Antwort bat. Nachdem er die
letzten Befehle des Königs über die, bezüglich Anwerbung
von zwei oder mindestens einem Regiment abzuschlielsende
Kapitulation erhalten habe, sei ihm gleichzeitig der sehr
bestimmte Auftrag geworden, sofort auf eine entschiedene
Antwort zu dringen — „si oui ou non" — , ob Zürich
auf Gi-und der bekannten Punktationen, welche er nun
zum letzten Male vorlege, bereit sei, die Anwerbung
zu gestatten. Er bäte, ihm eine prompte Antwort nach
Bern zu schicken, wohin er sich begebe, um die
Kapitulation abzuschlieisen. Mau habe ihm von dort
geschrieben, so schnell als möglich hin zu kommen, da
der Abschluis ganz sicher sei. Ebenso hoffe er, dals die
Entscheidung von Zürich eine günstige sein werde**).
Von Haus aus scheinen sich auch le Jays Geschäfte
in Bern in befriedigender Weise abgewickelt zu haben,
so dals er am 5. April an den General von Benkendorlf
berichten konnte, dals die Aussichten sehr günstig seien.
Er schreibt: „ . . . . il n'y a donc plus de difficultee.
Enfin l'afaire est arette et conclue, il n'y a plus (|u'ä la
signer, ce (pie je nie suis dispense de faire jus(iu'ä la
Ratification du Roy ayant envoyez par le dit oficier la
*8) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. dt. Bl. 87.
■"'j St.-A. Züricli Acta Sachsen No. fta.
Schweizer Soldtruppen 1701 — 1815 97
ditte capitulation ä S. Ece et a vous Monsieur dont
Jattandre la reponse ä Scliaffliouse" etc. In wie weit
Oberst le Jay berechtigt war, so siegesgewifs zu
schreiben — dies entzieht sich unserer Kenntnis. Mög-
lich ist es ja, dais er in den ersten Tagen seines Berner
Aufenthaltes vielseitiges Entgegenkommen fand; wahr-
scheinlich erscheint aber auch dies nicht, da — wie der
Fortgang zeigt — die Hoffnungen schliefslich in keiner
Weise in Erfüllung gingen. Man möchte daher beinahe
annehmen, dafs le Jay besondere Gründe hatte, seine Be-
mühungen in möglichst günstigem Lichte darzustellen —
eine Annahme, die ihre Begründung findet in der Fort-
setzung des Briefes. Er eröffnet nämlich dem General
Benkendorff, dais er bedeutende Schulden kontrahiert habe
und zwar habe er in Schaff hausen 200 Dukaten geborgt;
weitere 100 Dukaten brauche er noch während seines
Aufenthaltes in der Schweiz. Diese 300 Dukaten müsse
er also sofort haben ; er werde aber über dieselben getreue
Rechnung ablegen, ebenso wie über die früher erhaltenen
500 Dukaten, und zu seiner Rückreise bedürfe er auch
noch einer Summe von mindestens 150 Dukaten. Dals
le Jay unter diesen Umständen bemüht sein mulste, seine
Mission in diesem Momente als erfolgreich hinzustellen,
liegt sehr nahe.
Je länger sich le Jays Aufenthalt in Bern hinzog,
desto mehr Schwierigkeiten stellten sich ihm in den Weg,
und als das Osterfest (16. April) eine Unterbrechung der
Verhandlungen bedingte, reiste er, kurz entschlossen, von
Bern ab und begab sich nach dem Kloster Rheinau, um
— als guter Katholik — dort die Festzeit zu verbringen.
Über den ungünstigen Stand der Geschäfte und über
le Jays hierdurch gereizte Stimmung giebt ein Brief
Aufschlufs, den er am 4. April (a. St.'^°) aus dem Kloster
an denselben Herrn nach Bern richtet, an welchen er
am 29. März aus Schaffhausen geschrieben hatte '^^j. Er
bittet denselben zunächst, während seiner Abwesenheit
von Bern, seine Interessen zu vertreten. Er selbst —
le Jay — habe sich überzeugt, dals vor dem Feste doch
nichts mehr zu erreichen sei und deshalb habe er sich
nach dem Kloster begeben, um die Feiertage daselbst zu
^j_,V.^y>^lJ, tt.Jl ^*i^ J. ^.V.i UIA,QV
5") Für die auffällige Anwendung- des Datums a. St. fehlt die
Erklärung.
5') St.-A. Bern L^ S. 699.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 1. 2. 7
98 A. von Weick:
verbringen nnd um Oidnung in seinen „lettres de change"
zu machen, sowie in den Kautionspapieren, die zur Ab-
schlielsung der Werbeangelegenheit so wichtig wären.
„Je vous envuye cy Joint les noms des principaux
marchands de la Suisse ou eile (die Kaution) pouroit etre
adresse et remise comme l'ont suuhaite Mrs. les deputee
deVotre illustre Canton" etc. Schlielslich spricht le Jay
aber den Wunsch aus , man möge ihn nicht wieder um-
sonst nach Bern kommen lassen. „Monsieur" möge doch
die Ordnung der Angelegenheit lieber selbst in die Hand
nehmen, da er groise Eile habe, wieder nach Sachsen
zurück zu kehren.
Dieser Brief erhielt jedenfalls eine ungünstige Be-
antwortung, denn Oberst le Jay kehrte von Rheinau
nicht nach Bern zurück, sondern begab sich nach Schaff-
hausen. Von dort schrieb er am 22. April noch einmal
nach Bern, anscheinend die Frage stellend, ob er etwa
noch einmal selbst dahin kommen solle. Man ersieht
dies wenigstens aus der hierauf erfolgenden Antwort
d. d. 29. April, deren Konzept im „Teutschen Missivenbuch"
in Bern aufbewahrt ist*-). Dieselbe besagt, dals man
sehr gern dem König „in allerhand begebenheiten dienst-
willig" sei; im vorliegenden Falle könne man aber keine
Hoffnung schöpfen und es müsse demnach dem H. Ge-
sandten anheim gestellt werden, ob er sich noch einmal
nach Bern verfügen wolle oder nicht. Jedenfalls köime
nur dann von einer Fortsetzung der Verhandlungen die
Rede sein, wenn die Gelder für Soldzahlung im Voraus
sicher gestellt und dafür gute Bürgen bezeichnet wüiden.
Wenn le Jay unter diesen Umständen wohl an und
für sich vorgezogen haben würde, nicht wieder nach
Bern zu reisen, so wurde ihm dies auch dadurch unmöglich
gemacht, dals er Befehl erhielt, nach Sachsen
zurückzukehren.
Nach seinem aus Bern datierten und an den General
Benkendorlf gerichteten Briefe vom 5. April hielt man
es höheren Ortes doch für wünschenswert, sich von ihm
''"-) St.-A. Bern L^ S. 70a. Extrakt aus dem „Tentsdieii
Missivenbuch" No. XXXVI fol. iioß. Eine Abschrift davon befindet
sich in St.-A. Zürich Acta Sachsen No. 1 1 b. Le Jay hatte dieses
Schreiben zur Kenntnisnahme nach Züricli geschickt. Auch an
Luzern gab er eine Abschritt davon, so dafs mau annehmen möclite,
dafs le Ja.v den Inhalt liir günstig hielt — so unglaublich es auch
eischeint.
Schweizer Soldtruppen 1701—1815. 99
persönlich Bericht erstatten, namentlich aber baldmöglichst
Eechnung ablegen zu lassen. Er wurde demnach nach
Leipzig zitiert, wohin der König im Laufe des Monat
Mai kommen wollte.
Oberst le Jay setzte von dieser seiner bevorstehenden
Abreise nach Sachsen die Kantone Bern , Basel , Zürich
und Luzern schriftlich in Kenntnis — d. d. Schaff hausen,
3. Mai''"^) — , indem er denselben gleichzeitig mitteilte,
dals der Offizier, den er nach Warschau geschickt habe —
unmittelbar nach dem Beschlufs der Badener Tagsatzung
vom 15. Februar — zurückgekehrt sei und ihn während
seiner Abwesenheit vertreten werde. Er für seine Person
müsse bereits am 8. Mai in Leipzig eintreffen , um sich
daselbst Sr. Majestät vorzustellen. An Bern schreibt er,
dafs sein Stellvertreter persönlich dahin kommen werde,
um die Verhandlungen fortzuführen. Der König hoffe
noch immer, dals die Orte, die während der Tagsatzung
von Baden das Werbebegehren ad referendum genommen
hätten (S. 90), dasselbe schlielslich auch bewilligen würden.
In 4—5 Wochen gedenke er übrigens selbst wieder nach
der Schweiz zurückzukehren.
Ob der fragliche Offizier sich wirklich nach Bern
begab, wissen wir nicht; es scheint aber beinahe so, da
„Schultheils und Rat der Stadt Bern" unter dem 16. Mai
noch einmal eine Zuschrift an le Jay erlassen (wohin
ist nicht zu ersehen, da nur das Konzept vorliegt), aus
welcher, wenn auch in höflichster und gewundendster
Form abgefalst, zu ersehen ist, dals augenblicklich auf
die Stellung von Truppen verzichtet werden müsse ■^^).
Wenig erfreulich mag le Jays Empfang in Leipzig
gewesen sein, und die erste Forderung, die man an ihn
stellte, war — Rechnungsablegung.
Am 23. Mai gab er infolgedessen seine Abrechnung
ein, wonach sich seine Ausgaben während des Aufent-
haltes in der Schweiz auf 4398 Thaler 8 Groschen be-
liefen, sein Empfang aber auf 2933 Thaler 8 Groschen'^*''),
so dals er noch ein Guthaben von 1465 Thalern berechnete'^*').
Diese Rechnung wurde dem „Ratli Ritter" zur Prüfung
53) St.-A. Bern L^ S. 707. St.-A. Basel St. 96 F No. 8. St.-A.
Zürich Acta Sachsen IIa. St.-A. Luzern Acta Chursachsen S. 27.
") St.-A. Bern L^ S. 711. Extrakt aus dem „Teutschen
Missiveubuch."
^^) Diese Summe entspricht den oben berechneten 9.ö0 Dukaten.
■'^6) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 102 ff.
ijf*
100 -^^^ von Welck:
Übergeben, und aus den betreifenden Monita'''), welche
vom Generallieutenant Graf Benkendorff' mit unterzeichnet
sind , ersieht man nicht allein , wie gewissenhaft und
peinlich diese Revision stattfand, sondern auch, dals dies
notwendig war"'^).
Es würde zu weit führen, wenn wir hier speziell
auf diese ßechnungsrevision eingehen wollten; nach den
aufgestellten 19 Monita seien nur einige wenige Punkte
erwähnt, welche besonders charakteristisch sind, und aus
denen man ersieht, in welch' grolsartiger Weise Oberst
le Jay gemeint hat, in der Schweiz auftreten zu müssen.
Es heilst da u. a.:
„Was aber noch überdem an Extraordinairen Spesen, vor"s
tractiren n. Trinkfickl angesetzt wird, ist ungewöhnlich" etc
„Die Aussgabe an kleine Praesenter erfordert nicht allein Specification,
Wdrin solche Praesenter bestanden haben , und an wem sie gegeben
worden, sondern auch noch überdehm allergnäd. Special-Befehl, aufser-
dem Sie nicht passierlich". ...
„Besoldung und Livree auf 4 übrige Laquayuen , weil solche
ohne Befehl angenommen worden, und nicht dargethan ist, dafs die
Nothwendigkeit einen so grofsen etat zu der dernialigen aufgetragenen
Veiiichtung erfordert hätte , nicht passierlich.'^ — „Kost und l.e-
soldung eines Secretary" fällt ebenmäfsig hinweg, „weil zu dergl.
commissionen kein Secretarius pflegt gut gethan zu werden, wie es
denn auch nicht von Nöthen gewesen ist, da Hr. Obrister seine Briefe
und Berichte alle eigenhändig herein geschrieben hat."
Rat Ritter hatte nahezu 5 Monate Zeit bedurft, um
sich durch diese Aufgabe durchzuarbeiten. Erst am
12. Oktober wurden die „Erinnermigen" dem Oberst
le Jay zur Beantwortung übergeben. Derselbe brauchte
hierzu nur wenige Tage und lieferte einen erneuten
Beweis für seine Arbeitskraft mit der Feder, denn bereits
67) K. S. H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 107 ff. „Erinnerungen
über die vom Hr. übrist u. Gen. Adjutant le Jay eingegebene
Rechnung" d. d. Warschau, 1:^. Oktober 1702.
^'^) Man ersieht aus diesem Rechnungswerk, dafs der der
Regierungsperiode Augusts des Starken vielfach gemachte Vorwurf
einer wenig geordneten Finanzwirtschaft, insoweit die Kontrolle
in Frage kam, unbegründet ist. Bereits im Jahre 1702 bestanden
5 gesonderte Hauptkassen und dem entsprechend 5 oberste Revisions-
instanzon. Im vorliegenden Falle trat das Ueh. Kriegsrats-Kollegium
in Tliätigkeit, dessen ]\litglied der Rat Ritter war, und es würde
unter heutigen Verhältnissen kaum eine peinlichere und gewissen-
haftere Revision stattfinden können. — Im Jahre 1707 wurde als-
dann eine zentrale Rechnungsrevisionsbehörde in der „Ober-
Reclnuingskammer" gegründet. Vergl. hierül)er Fi. Lölie, Die oberste
Finanzkontrolle des Königreichs Sachsen: Finanz- Archiv 11 (1885),
2, 49 fg.
.SL-liweizer SoldtruiJpcii 1701 — l«lö. loi
am 17, Oktober überreichte er seine „Verantwortung''
auf 8 Folioseiten, Selbstverständlicher Weise sucht
er sich vollständig rein zu waschen und seine grofsen
Ausgaben mit den besonderen Verhältnissen und Schwierig-
keiten zu rechtfertigen, mit denen er in der Schweiz zu
kämpfen hatte. Auf wie schwachen Fülsen seine Ver-
antwortung aber vielfach ruht, kann man u. a. aus einem
Passus bezüglich der oben monierten 4 Lakaien ersehen ;
er schreibt da: „Je devais paroitre ä la Diette comme
Envo3^e Extraordinaire, selon le Desire des Suisses, qui
ne voulaient rien conclure avec moy sans cela, ce qui
m'a oblige a mettre quatre Laquais en Livree pour aller
ä l'audience publique, ou J'ay ete demande ainsi, que
Je n'ai pue faire autrement, pour bien servir le Ko}".
Le Jay würde sich wohl kaum den Konsequenzen
dieser Untersuchung ganz haben entziehen können, wenn
nicht die sich immer ernster gestaltenden politischen Ver-
hältnisse die Blicke des Königs und seiner Räte von diesen
kleinen Milshelligkeiten ab- und den Weltereignissen zu-
gelenkt hätten.
Der König war — wie schon auf S. 78 erwähnt —
in seiner Eigenschaft als deutscher Reichsfürst der großen
Allianz gegen Frankreich beigetreten und hatte sich
mittelst des Traktates vom 16. Januar 1702 verpflichtet,
dem Kaiser ein Hilfskorps von 8000 Mann zu stellen zu
dem zu Gunsten der österreichischen Erbfolge in Spanien
entbrannten Kriege. Der Kaiser seinerseits bewilligte
dem König August eine jährliche Subsidienzahlung von
200000 Thalern, versprach, im Falle seine Erblande
durch den König von Schweden angegritfen werden
sollten, ein Hilfskorps von 8000 Mann zu stellen und
machte sich weiterhin verbindlich, auf den Abschlufs
eines Friedens zwischen dem König und Schweden hinzu-
wirken.
Bei dem Mangel an Truppen, unter welchem der
König litt, könnte es unbegreiflich erscheinen, dals er
eine derartige Verpflichtung einging, wenn man nicht die
besonderen Verhältnisse der damaligen Kriegführung,
namentlich aber der damaliger. Politik in Betracht zöge.
Für den König war die wichtigste Frage, dafs er sich
auf dem. .polnischen Thron erhielt und dals dje Grols-
mächte: Österreich, Holland und England diesen Besitz
garantierten. Nächstdem mufste ihm alles daran gelegen
sein, dals er sich einer kräftigen Unterstützung versicherte
10;^ A. von \\'i;l(k:
für den Fall, dals Karl XII. den Kiiegss('liaii|)latz nach
Sachsen verlegen oder doch als Feind daselbst einrücken
sollte.
Der König betrachtete demnach die Übernahme eines
Hilfskorps seitens des Kaisers unter den obigen Bedin-
gungen und zu einer Zeit, wo der Abschluls eines Friedens
mit Schweden noch vollständig im Bereiche der Wahr-
scheinlichkeit lag, der eigene Bedarf an Truppen demnach
kein so zwingender war, als einen grolsen Vorteil. Dafs
der König wirklich diese Anschauung hegte, geht auch
daraus hervor, dals er den Kaiser ersuchte, bei den See-
mächten dahin zu wirken, dals dieselben ebenfalls ein
sächsisches Hilfskorps von 12000 Mann in Sold nehmen
möchten gegen Garantierung des polnisch - sächsischen
Besitzstandes. Aus dem geplanten Frieden wurde aber
nichts; Karl XII. fiel im Frühjahr 1702 in Polen ein,
trit^b die schwachen Streitkräfte des Königs zurück und
hielt seinen siegreichen Einzug in Warschau. Weit
schmerzlicher noch war der Verlust der Schlacht bei
Klissow, die den Sachsen einen Verlust von ca. 2500 Mann
kostete und die Abtrennung der 6000 Mann zählenden
polnischen Armee zur Folge hatte.
Um sein kleines Heer wieder zu reorganisieren, ver-
suchte der König in Sachsen selbst so viele Truppen
als möglich aufzulDringen, ohne aber viel Erfolg zu erzielen.
Die Milizen, obgleich nur im Lande selbst zum Waffen-
dienste verpflichtet, waren zum Teil schon nach dem
Kriegsschauplatz abgegangen, und die Ritterschaft, die
durch wiederholte Befehle''^'') zur Stellung der liitterpferde
behufs Verteidigung der Erblande aufgeboten wurde,
erwies sich aufserordentlich säumig, dieser Verpflichtung
nachzukommen.
Auch die Absendung des gedachten Hilfskorps zur
kaiserlichen Armee verzögerte sich infolge dieser unglück-
lichen Verhältnisse. Erst am 1. November 1702 konnte
es in der Stärke von 2.300 Reitern und .3350 Mann
Infanterie unter dem Befehl des Generals von Röbell, der
aber bald durch den später berühmt gewordenen General
von Schulenburg ersetzt wurde, nach Böhmen abmarschieren,
wo es Winterquartiere bezog. Im folgenden Frühjahr
«») Befehl d. d. Dresden, am 2>. Mai und am 1!>. .Tuni 1702. Ali-
gedruckt bei Hoff mann, Codex legnm militarium Saxonieus (Dres-
den 1763) S. ly.
Sdiweizer Sol.ltruppcn 1701 — 1815. 103
wurde es an den Rhein zur Teilnahme an dem spanischen
Erbfolgekrieg gezogen.
Diese wichtigen politischen Ereignisse waren es,
welche dem Oberst le Jay nicht allein in der oben
erwähnten Weise zu gute kamen, sondern auch insofern,
als man sich der grofsen Thätigkeit, die er, wenn auch
ohne besonderen Erfolg, in der Schweiz entwickelt hatte,
und seiner genauen Kenntnis der dortigen Verhältnisse
erinnerte. Der König entschlols sich nämlich angesichts
der geringen Aussicht auf baldigen Friedensschluls mit
Schweden und in Berücksichtigung der wenig günstigen
Resultate, die man in Sachsen mit der Aufbringung von
Feldtruppen erzielt hatte, noch einmal seine Zuflucht zu
den Eidgenossen zu nehmen, noch ehien Versuch zu
machen, von ihnen die Bewilligung eines Volksaufbruchs
zu erlangen.
Man liefs deshalb die Rechnungsangelegenheit le Jays
einstweilen unerledigt, und Graf Beuchlingen erteilte ihm
anfangs Dezember im Auftrage des Königs den Befehl,
sich mit den Kantonen zum Zwecke einer Anwerbung in
Verbindung zu setzen. Graf Beuchlingen schreibt hierauf
bezüglich d.d. Warschau, 4. Dezember*^'*) an Oberst le Jay,
dals der König alle Punkte der von ihm aufgestellten
Kapitulation genehmige und verspreche, die evangelischen
Schweizer nicht in Polen zu verwenden.
Oberst le Jay begab sich aber diesmal zur Aus-
führung dieses Befehls nicht persönlich nach der Schweiz,
sondern leitete die Verhandlungen von Nürnberg aus ein.
Man darf wohl annehmen, dafs hierbei finanzielle Rück-
sichten in erster Linie mafsgebend waren. Nächstdem
verspürte aber wohl auch le Jay keine grofse Lust, wieder
nach der Schweiz zurückzukehren, wo ihm so viele
Enttäuschungen zu teil geworden waren, sondern zog es
vor, aus der Entfernung zuerst das Terrain zu sondieren,
eine Malsnahme, die ihm gleichzeitig gestattete, das
Weihnachtsfest im Kreise seiner Familie zu verbringen
(vergl. seinen Brief an Benkendorf vom 23. März d. J.).
Von hier aus erläfst nun Oberst le Jay d. d. 18. De-
zember 1702**^) aufserordentlich höflich und devot ge-
60) K. S.H.-St.-A. Loc. 1154. A. cit. Bl. 117.
6i)St. -A. Zürich Acta Sachsen. St.-A. Bern L"- S. 713.
Ob sich le .Tay nur an diejenigen Kantone wendet, mit denen er zu-
letzt in Verhandlungen stand, oder an alle, ist nicht zu ersehen.
104 A. voll AVclck:
lialtene i^nfragen — in fleiitscher und französischer
Spraclie — an die Kantone , „ob Sie belieben wollten,
die capitulation , welche Ihnen vorzulegen Ich die ehr
gehabt, ohn eingestellt zu schlielsen und vest zu stellen,
da hergegen der König Mein Herr thenr verspricht Ihnen
dies Orts eine Caution des Werts von 6 Monaten Sold
zageben, so auf 150000 Thaler steigt". Diese Kaution
würde in der Schweiz selbst liinteilegt werden, ehe die
Anwerbung der zAvei Regimenter ihren Anfang nehme,
zu denen Se. Majestät als Oberste und sonstige Offiziere
nur solche „aus Ihrer hochberiihmt- und löbl. selbsteigener
Nation, welche Sie unvergleichlich hochschätzet", ernennen
würde. Er erwähnt noch, dals ein naher Friede in Aus-
sicht stände, und bittet um baldige Antwort.
In den Akten der Staatsarchive Zürich''-) und Bern"")
befindet sich hier nach diesem Schreiben le Jays eine
Zusammenstellung von Kapitulationsbedingungen zur Auf-
stellung von zwei Regimentern. Dieselben sind gleich-
lautend mit den während der Konferenz in Aarau den
evangelischen Ständen vorgelegten; der Unterschied be-
steht nur darin, dals damals nur ein Regiment zu
26 Kompagnien ä 90 Mann effektiv und 10 Mann Grati-
fikation verlangt wurde , während jetzt le Jay 2 Regi-
menter ä 13 Kompagnien ä 150 Mann effektiv mit
15 Mann Gratifikation anzuwerben wünscht.
Stellt man diese drei Kapitulationsentwürfe des
Jahres 1702 neben einander, so ergiebt sich, dals der-
jenige, den le Jay selbst entwoifen und in Schaffhausen
hatte drucken lassen, der bei weitem günstigste war,
namentlich insofern, als nach diesem die Kompagnie
180 Maini mit 20 Mann Gratifikation zählen sollte gegen
nur 150 oder 90 Mann in den andeien Entwürfen. Auch
die Bestimmung, dals bei Entlassung aus dem Dienste
ein zweimonatlicher Sold als Rückreisegelder gewährt
werden sollte, befindet sich nui- in dieser erstgenannten
Kapitulation.
Auch diese Bemühungen le Jays waren aber ohne
Elfolg. Liegen auch nur die Beschlüsse und Antworten
von Bern und Luzern vor, so sprachen sich die anderen
Kantone unzweifelhaft in analoger Weise aus, denn es
ist konstatiert, dals zu dieser Zeit keine Schweizer
«2) St.-A. Zürich Acta Sachsen No. 9 c.
«3j St.-A. Bern L- S. 721.
Sclnvcizer Soldtrapiieu 1701- islö. 105
Soldaten in sächsische Dienste eintraten. In Bern fand
zufolge des oben erwähnten Schreibens le Jaj'S am
2. Januar 1703 eine Sitzung des „Kriegsrats" statt,
über welche das nachstehende Protokoll aufgenommen
wurde *'^) :
„Zufolg- Ilu- Gud. befelchs vom 30. Dec. lefethin habeu M. g. H.
die Kriegs Räht des Polnischen Hrn. Envoye de le Jay letstes
begeren, wie auch Seine hin vorige propositionen und darüber ge-
machten reflectiouea ordoniret; Demnach befxmden, dass" — es folgen
nun durchgestrichene Zeilen des Inhalts, dafs Frankreich die Ge-
währung von Truppen übel vermerken könne — „zu dem ungewiss
ob nit in kurtzem Ihre Gnd. ihr bestes Volk selbs zu gebrauchen
haben möchten, das beste sein werde Hrn. de le Jay dieses Seines
Begerens höflich abzuweisen, also ihme in Antwort zu verdeuten,
wie mit diesem Ihr Königl. Polnisch. Mayst. nochmaligem Ansuchen
Ihr Gnd. sich trefflich beehret finden und demselben gern verlangter-
raassen entsprechen wollen, aber ihnen sehr Leid seye dafs gegen-
wertige Conjunctm-en, als die ihnen nit zugeben sich von Volk zu
entblöfsen, ihnen die Möglichkeit benemmind ihre zu solches wilfahr
tragende Disposition hi der That zuerzeigen , und welches befinden
E. Gnd. hierait nnmasgeblich hinderbracht wird.
Act. 2. Jan. 1703. Kriegs Rahtschreiber."
Im Sinne dieses Besclilusses der Kriegsräte wurde
am 5. Januar, vor „Schultheils, Klein- und Grofs Räht
der Statt Bern" an le Jay geschrieben und die Werbung
„höflich abgelehnt" '''').
In Luzern kam man erst in der zweiten Hälfte des
Monats Januar zu einem Entschlüsse, und „Schultheils und
Rhatt aucli der groise Rhatt so nennet die Himdert der
Statt Lucern" erlielsen am 21. Januar das Antwort-
schreiben an le Jay nach Nürnberg''''), in welchem es
heilst, man wisse, die .Jvönigl. propension und Freündt-
schaft mit geziemendt tiefestem respect und hochschätzung
zue venerieren " , da man aber in verschiedenen
Werbungen begriffen sei für Fürsten und Potentaten, mit
welchen man in Bündnis stehe, so befände man sich, wie
gern man auch möchte, in der Unmöglichkeit, dem Be-
gehren nachzukommen.
Unter diesen Umständen hielt es Oberst le Jay nicht
für erforderlich, sich persönlich nach der Schweiz zu be-
geben. Er kehrte vielmehr nach Sachsen zurück und
erhielt daselbst das Kommando eines neu errichteten
öl) St.-A. Bern L^ S. 717.
«5) St.-A. Bern L- S. 719. Extrakt aus dem „Teutschen Missiven-
bnch" No. XXXVI fol.691.
^•'j St.-A. Luzern Acta Chursachsen S. 3(j.
]()(; A. Villi W'clrk:
Dragoiienegimeiits. welclies durcli den Erbprinzen von
Bayreutli formiert worden war"'). —
Die schon oben besprochenen Ereignisse des Jahres
1702, der Einfall der Schweden in Polen und der Verlust
der Schlacht bei Klissow, welche den König veranlalsten,
die Aushebung von Truppen in Sachsen zu versuclien,
nötigten ihn auch, dem ausdrücklichen Wunsche der Polen
Folge leistend, alle noch in Sachsen befindlichen, bereits
formierten Regimenter nach Polen zu ziehen. Es waren
dies 4 Kürassierregimenter, 4 Dragonerregimenter,
die Infanterieregimenter: 1. und 2. Garde. Königin, Kur-
prinz, Beuchlingen, Pistoris, Steinau und Götz und ein
Bataillon Artillerie mit 44 Geschützen. Von jedem der
Infanterieregimenter blieb 1 Kompagnie zurück, welche
zur Komplettierung der Regimenter Biron, Thielau, Sacken,
Rothenburg, Egidy, Marschall und Reuss dienen sollten.
Diese sollten dann mit drei Kürassierregimentern das
Korps des Generals von Röbell bilden, welches zur kaiser-
lichen Armee stiels (S. 102)«^).
Die sächsischen Truppen blieben während des Winters
in Polen. Im Frühjahr 1703 eröffneten die _ Schweden
die Feindseligkeiten von neuem, und am 1. Mai erlitt der
sächsische Feldmarschall von Steinau eine entscheidende
Niederlage bei Pultusk. Der Feldzug von 1703 hatte
die sächsische Armee beinahe ganz vernichtet*'^).
Unter diesen Umständen mulste der König abermals
auf eine Komplettierung der Armee bedacht sein und es
gelangten infolgedessen noch in diesem Jahre verschiedene
Truppenabteilungen zur Aufstellung: das schon erwähnte
Dragonerregiment des Erbprinzen von Bayreuth, zu
dessen Kommandant der Oberst le Jay ernannt wurde,
und das Dragonerregiment von Oertzen, während betreffs
der Infanterieregimenter die Angaben schwanken. Die
Geschichte der sächsischen Armee'") nennt ein Regiment,
welches durch den Oberst von Hayn (bestand aus nur
1 Bataillon unter Oberstlieutenant von Nehmitz), und ein
Regiment zu 4 Bataillonen, welches durch den Chevalier
de la Martiniere'') formiert wurde. Nach der auf besten
ö') Schuster u. Francke a. a. O. 1, 156.
«*) Ebenda 150.
«») Ebenda 157.
■'•') Ebenda 156.
'1) Der Chevalier d»> la Martiniere oder Martinerie ist vermut-
lich identisch mit Heinrich von Martines, einem Schweizer, der nach
Schweizer Soldtiuppeu 1701 — 1SI5 107
Quellen berulienden Zusammenstellung iii der Wissenscliat't-
liclien Beilage der Leipziger Zeitung 1885, No. 69 wäre
aber dieses letztgenannte Regiment nie zur Aufstellung
gelangt. Man begegnet auch diesem Namen in der Folge
nicht.
Im Januar des folgenden Jahres — 1704 — erteilte
der König aber dem Generalmajor de la Tour du Pin,
Baron de Mallerarques^-), den Befehl, ein Regiment zu
Fuls unter der Bezeichnung als „Regiment des Gardes
Suisses" anzuwerben. Dasselbe sollte am 1. Juni komplett
und marschfertig in Sachsen stehen und die Mannschaft
aus Schweizern, Franzosen und anderen untadelhaften
Leuten im Alter zwischen 20 und 40 Jahren bestehen.
Als Etat wurde der Stab zu 15 Köpfen und 12 Kompagnien
ä 128 Köpfe inkl. prima plana festgestellt''^).
Welche Schritte General von Mallerarques that , um
diesem Befehle nachzukommen, ist nicht bestimmt nach-
zuweisen; jedenfalls scheint er sich weder mündlich noch
schriftlich an die Schweizer Kantone gewendet zu haben,
da sonst in den dortigen Archiven irgend welche Nach-
richten zu finden sein müfsten. Konstatiert ist nur, dals
es ihm gelang, bis zum Sommer ca. 1000 Mann aufzu-
bringen, die im Monat Juni in Sachsen eintrafen und in
Großenhain, Meilsen, Oschatz, Lommatzsch, Mühlberg,
Beigern und Radeberg untergebracht wurden.
Diese Mannschaften sollen zum grölsten Teile aus
Franzosen bestanden haben; es sprechen aber ver-
schiedene Umstände für die x\nnahme, dals die Mehrzahl
Schweizer waren, die bis dahin in der französischen
Armee gedient hatten.
Nicht allein, dals in der Folge von zwei Bataillonen
Schweizern und nur von einem aus Franzosen gebildeten die
Rede ist, sondern auch die kriegerischen Verhältnisse lassen
es kaum als wahrscheinlich erscheinen, dals schon in der
ersten Hälfte des Jahres 1704, zu einer Zeit, wo sich
Frankreich selbst in einem bis dahin glücklich geführten
Leu (AUg. Helvet. Eydffen. Lesicoii) und Girard (Hist. abregee des
officiers Suisses) unter König August II. als Oberst in sächsischen
Diensten gestanden hätte und dessen Sohn Peter Franciscus von
1737—45 ebenfalls in Sachsen diente.
■^2) Jedenfalls ein Verwandter des Offiziers gleichen Namens,
der mit Oberst le Jay in der Schweiz Avar. Seine Charge als
General schliefst es aus, dafs es der nämliche war. Wir haben
nichts Näheres über seine Person oder Familie finden können.
'3) K. S. H.-St.-A. Loc.431. Bd. 5 Bl. 175.
108 A. von W'elck:
Krieo'e Itpfand. grülsere Abteilungen von Franzosen fremden
8üld genommen hätten. Anders lag es bezüglich der
Schweizer, die in französischem Solde standen. Dieselben
litten während des Feldzugs ganz besonders unter der
Kalamität, ihren Landsleuten im österreichischen wie im
holländischen Heere feindlich gegenüber zu stehen, und
es ist daher sehr wohl begreiflich, dals sie gern bereit
waren, den französischen Dienst zu vertauschen gegen
den des Kurfürsten von Sachsen, dessen Truppen bereits
im Frühjahre 1704 von der Reichsarmee abberufen
wurden'').
Jedenfalls führte General von Mallerarques seine An-
werbungen in Süddeutschland in der Nähe des Kriegs-
schauplatzes aus und zwar — wie wir sahen — mit ver-
hältnismälsigem Erfolg.
Immerhin fehlten an dem bestimmten Etat noch etwa
500 Mann und derselbe dürfte sich in den nächsten
Monaten durch Desertion noch wesentlich verringert haben,
denn als Ende Oktober 1704 das in den oben genannten
sächsischen Städten untergebrachte Regiment nach dem
Lager bei Guben dislociert wurde, trafen daselbst anstatt
der erwarteten 1445 Mann nur etwa 800 ein'"'). Die
Beförderung derselben erfolgte mittelst vierspänniger
Wagen, welche die Gemeinden stellen mufsten^'"'). Das
Regiment wurde — im Lager eingetroffen — so viel
sich feststellen läfst, unter die Befehle des Oberst
Cäsar de la Tour du Pin, Baron de Mallerarques, des
Bruders des Generals, gestellt und die Leute w^urden aus-
drücklich als „aulserhalb Landes geworbene Schweizer
und refugirte Franzosen" bezeichnet.
General Mallerarcjues war mittlerweile unausgesetzt
bemüht, die Lücken, welche das von ihm aufgestellte
■^^) In der österreichischen Armee unter Herzog Eugen weiden
die beiden Schweizer Regimenter Erlach und Styrlii genannt (Fehl-
züge des Prinzen Eugen von Savo.yen, nach den offiziellen öster-
reichis<'hen Feldakten von der Abteilung für Kriegsgeschichte des
K. K. Kriegsiirchivs bearbeitet, Wien lS7ß). während der Herzog
von Malljorough in dem Gefeclit bei Scliellenlierg am l. Juli 1704 u. a.
die l)eiden Schweizer Regimenter Tscharner und Mav unter seinen
Befehlen hatte (May a. a. 0. II, .•53:^).
'^■') In den auf die Konzentration bei Guben bezüglichen offiziellen
Unterlagen heilst es, nachdem die Truppenteile aufgeführt sind:
Hierzu noch „insofern sie kommen werden" : etc. etc. Regiment
Malleraques 2 Bataillons, 8 Kompagnien, 1445 Mann.
™j Reskripte vom 14. und 27. Oktober 1704.
Schweizer Soldtruppen 1701—1815. 109
Regiment noch auswies, durch weitere Anwerbungen zu
komplettieren. Er begab sich zu dem Zwecke abermals
nach dem süddeutschen Kriegsschauplatze und scheint
sich die grolse Anzahl von Gefangenen, welche nach der
Schlacht von Höchstädt am 13. August 1704 in die Hände
der Alliierten gefallen waren, für seine Zwecke nutzbar
gemacht zu haben. Nur so läfst es sich erklären, dais
verschiedene Schriftsteller berichten, das Mallerarques-
sche Regiment sei aus den in dieser Schlacht gefangenen
Franzosen und Baj-ern formiert worden"). Dafs diese
Angabe in dieser Form eine irrtümliche ist, geht daraus
hervor, dais — wie wir sahen — General von Mallerarques
bereits im Juni 1000 Mann vereinigt hatte, also zwei
Monate vor der Schlacht bei Höchstädt'*,. Dais hingegen
eine Komplettierung auf diese Weise versucht und auch
bis zu einem gewissen Punkte durchgeführt wurde, darf
angenommen werden. Besonders zu erwähnen ist die
Angabe in der „Geschichte der beiden Sachs. Grenadier-
Regimenter von H. V. S." (s. u. Anm. 77), dais die An-
werbungen aus 2 Bataillonen Schweizern und 1 Bataillon
Franzosen bestanden haben, dais dieselben aber auf das
Jahr 1705 verlegt w^erden und nicht speziell auf die
Gefangenen von Höchstädt hingewiesen wird.
Uns lag zunächst daran, festzustellen, ob an der
zweiten Schlacht bei Höchstädt — in welcher der Herzog
von Malborough und der Prinz Eugen einen glänzenden
Sieg über die vereinigten Franzosen und Bayern unter
den französischen Marschällen Tallart und Marsin und
dem Kurfürsten Max Emanuel von Bayern erfochten —
in französischem Solde stehende Schweizer Regimenter
teilgenommen hatten. Nur in diesem Falle wäre ja die
") D. F. (assmanii), Friedrich Augusts Leben- und ,HeIden-
thaten (Frankfurt und Leipzig 1734) S. 461. C. Gretschel u. Bülau,
Gesch. des sächs. Yolkes und Staates (Leipzig ISfiB) II, 547.
F. Graf Beust, Feldzüge der sächsischen Armee (Erfurt 1801) II,
241. H. V. S., Geschichte der beiden K. S. Greuadierregimenter
(Dresden 1877) S. 44.
''*) Die sogenannte zweite Schlacht bei Höchstädt, in welcher
eine grofse Anzahl Gefangener seitens der verbündeten Deutschen
und Engländer gemacht wurde, fand erst am 13. August 1704 statt.
Die erste Schlacht aber, die diesen Namen trägt und die am 21. Sep-
tember 1703 geschlagen wurde, kann um deswillen nicht gemeint sein,
weil in dieser, die für die Alliierten unglücklich verlief, über-
haupt keine Gefangenen in deren Häcde tielen und weil aufserdera,
wie wir sahen, General Mallerarques erst im Januar 1704 den Befehl
erhielt, Truppen anzuwerben.
110 A. von Wekk:
Anwerbung von Schweizern nach der gedachten Schhicht
möglich gewesen.
Die auf diese Frage bezüglichen Nachforschungen
wurden dadurch erschwert, dals die bekannten schwei-
zerischen Werke von Zurlauben''') und May^") keine Aus-
kunft darüber geben. Es werden wohl — namentlich bei
May — die eidgenössischen Regimenter genannt, die
unter Ludwig XIV. in französischem Solde standen, jedoch
die Teilnahme eines derselben an der genannten Schlacht
wird nicht erwähnt. Aber auch die französischen Quellen
sind ganz unzureichend und können nicht Anspruch auf
volle Zuverlässigkeit machen. Quincy^^), der eine ziem-
lich ausführliche Beschreibung der Schlacht bietet, er-
wähnt die Brigade Greder und die Brigade Zurlauben,
ohne sie speziell als Schweizer zu bezeichnen, doch be-
stand die erstere unzweifelhaft aus solchen. (General
Zurlauben ^-) persönlich befehligte den rechten Flügel der
Kavallerie, die nordwestlich von ßlindheim stand.) Etwas
speziellere Auskunft findet man in „Campagne de Mr.
le Marechal de Marsin en Allemagne"^'^). Kommt auch
in der Ordre de Bataille, die er von seinem, dem Kur-
fürsten von Bayern mit unterstellten Korps giebt, kein
Regiment mit einem Schweizer Namen vor, so ergiebt
sich aus der späteren Aufzählung der in Gefangenschaft
geratenen Bataillone, dals sich unter denselben 2 Bataillone
Greder und 2 Bataillone Zurlauben befanden, die dem-
nach dem Hilfskorps des Marschalls Tallard angehört
haben müssen. Das Regiment Greder wird ausdrücklich
als ein SchAveizer Regiment bezeichnet^*). Es sei hier
''^) Zurlauben, Histoire inilitaire des Suisses (Paris 1703).
»") May de Romainmortier, Histoire milit. de la Suisse et
c(;lle des Suisses dans les differcns Services de l'Eiu'ope (Lausanne 1788).
**) de Quincy, Histoire milit. du regne de Louis le Grand,
i'oy de France (Paris 17;dH) IV, 279 ff. Ebenso auch in Campagne
de Mr. le Marechal de Tallard 1704 (Amsterdam 1768) 11, 2(51.
*-) Beat Jacques zur Lauben hob — bis dahin Kapitän im
deutschen Regiment, Königsmark in französischen Diensten — 1687
ein „deutsches- Peginient seines Namens aus, welches er bis zu seinem
Tode — 1704 — besafs. Er starb am 21. September 1704 an den
Folgen der bei Höchstädt erhaltenen Wunden (vergl. zur Lauben
a. a. 0. III, 11).
^") Campagne de Monsieur le Marechal de Marsin en Allemagne
Fan 1704. (Amsterdam 1762) I, 260.
^) Das ppgiment Ureder war 1673 errichtet worden. Sein erster
Oberst war Wolfgang Greder. Gleiclizeitig hat aber — nach Girard,
Histoire aliregee des ofticiei's suisses etc. — noch ein zweites Regi-
Schweizer Soldtruppeu 1701 — 1815. Hl
bereits erwähnt, dafs nach dieser Quelle vom Regiment
Greder 29 Kapitäns, 33 Lieutenants, 60 Sergeanten und
Soldaten in Gefangenschaft gerieten und in Dillingen
untergebracht wurden, während vom Regiment Zurlauben
28 Kapitäns, 30 Lieutenants, 29 Souslieutenants und
200 Sergeanten und Soldaten in Feindes Hände fielen,
denen Weilsenburg als Aufenthalt angewiesen wurde**'').
Deutscherseits liefert das Theatrum Europaeum eine
Besprechung der Schlacht, die namentlich insofern interes-
sant für unsere Zwecke ist, als sie ebenfalls die Namen
der in Gefangenschaft geratenen Bataillone angiebt. Die-
selben stimmen aber nur teilweise mit den bei Marsin
genannten überein; das Theatrum Europaeum führt zudem
27 Bataillone an (was richtig sein dürfte) gegen nur 23,
die in dem französischen Werke genannt werden. Die
beiden Bataillone Zurlauben erscheinen im Verzeichnis
des Theatrum Europaeum ebenfalls, während von dem
Regiment Greder nicht die Rede ist. Wir halten in dieser
Beziehung die französischen Angaben für richtig. —
Die bei weitem eingehendste und nebenbei kriegswissen-
schaftlich äufserst wertvolle Besprechung der Schlacht
findet sich in J. v. H.'s Anleitung zum Studium der Kriegs-
geschichte^'*). Von spezieller Bezeichnung der Truppen-
teile wird aber darin ganz abgesehen, und nur bei Be-
sprechung der Aktionen selbst wird das „Regiment Zur-
lauben" erwähnt^'').
Fassen wir diese verschiedenen Nachrichten zu-
sammen, so dürfen wir es als ziemlich sicher annehmen,
dals 4 Schweizer Bataillone — 2 Greder und 2 Zurlauben —
an der Schlacht bei Höchstädt teilnahmen und zum gröfsten
Teile in Gefangenschaft gerieten ^^).
raent Glrecler bestanden, welches früher FürsteDljerg hiefs, am 3. Sep-
tember 1686 dem Oberst F. L. Greder gegeben wurde und 1703 dessen
Bruder Balthasar. Ob das letztgenannte im Jahre 1704 noch den
Namen Greder führte, ist uns unbekannt. Jedenfalls dürfte das
erster e, 1673 errichtet, dasjenige sein, welches an der Schlacht bei
Höchstädt teil nahm.
^■') Mars in, Campagne etc. a. a. 0. II, 152.
80) J. T. H. , Anleitung zum Studium der Kriegsgeschichte.
(Darmstadt und Leipzig 1868—1878.)
«^) J. V. H. a. a. 0. II, 359.
8») Leider macht das erwähnte Werk: „Feldzüge des Prinzen
Eugen von Savoyeu" keine speziellen Angaben über die Zusammen-
setzung der französischen Armee oder übei' die in Gefangenschaft
geratenen Abteilungen.
112 A. von Welck:
Über das Schicksal der Gefangenen, deren Zahl
nicht genau festzustellen ist (nach Quincy waren es
967 Offiziere und 8892 Mann), entspannen sich längere
Verhandlungen, die damit endeten, dals sich der Herzog
von Malburough und Prinz Eugen in dieselben teilten. Der
erstere erhielt 3729 Fuiissoldaten , 175 Reiter und 571
Dragoner, der letztere aber 3750 Fufssoldaten, 175 Reiter
und 589 Dragoner (alles excl. Offiziere)*";. Ein Teil der-
selben wurde bald ausgewechselt.
Die für uns speziell interessanten Nachrichten über
das Schicksal der Gefangenen bieten die „Kriegs- und
Staatsschriften des Markgrafen Ludwig von Baden""").
Es findet sich daselbst ein Originalschreiben des Kaisers
an den Markgrafen d. d. Wien, 30. August 1704 abge-
druckt, in welchem es, nachdem auf die wünschenswerte
Auswechselung von Gefangenen aufmerksam gemacht
worden ist, weiter heilst:
„Dises Alles (nämlich der Modus der Auswecliseluug) aber ist
allein von denen Gefangenen frantzösischer Nation zu verstehen, dan
wegen der Bayrischen und deren darunter befindlichen Teütschen,
habe Ich geschlossen, dals die gemeine iinter Meine Regimenter ge-
stofsen, und zu solchem ende entweders in Italien oder Hungarn ab-
geschikht, wider die Offtciers aber, welche immediat Reichs oder
Oesterreicliische Unterthanen seynt, nach denen verkündigt und ver-
schörftten advocatoriis , die aussgesetzte Bestraffangen zu Handt-
habung Meiner Kayserlichen Authoritet, andern zum beyspill voll-
führet werden solle, wie es aldorthen bey der Armada recht und
urthl orkhennen wird, fahls aber unter denen Frantzosen ein
Seh v/eitzerisches gantzes Corpo von Battaillon oder
Regiment oder aber zerstreuet da und dorthen einige von
solcher Nation sich befindeten, so were derley Corpo zu
dissolviren, und die Soldaten davon sowohl, alfs Officier
Avie auch ybrige particulares nacher Haufs zu entlassen,
iedoch mit der geschwornen Bedingnufs, dafs selbige auf
eine bestimbte gewisse Zeith wider Mich, des Reichs und
der Allyrten, nicht mehr die AVaaffen tragen selten."
Es stand demnach einer Anwerbung der Schweizer
von Seiten Kursaclisens kein Hindernis im Wege, da die-
selben dadurch nicht in die Lage kamen, gegen den
Kaiser oder seine Alliierten die Waffen zu tragen. — Dals
fibrigens die Entlassung der schweizerischen Gefangenen
nach diesen kaiserlichen Litentionen nicht ohne weiteres,
vielleicht gar nicht, ins Werk gesetzt wurde, ergiebt sich
«») Quincy a. a. 0. S. 286.
'*) Rüder von Diersburg, Kriegs- und Staatsschriften des
Markgrafen Ludwig von Barlen über den spanischen Erlifnlgokrieg
(Karlsruhe 1S50; II, 8:;; (Urk. No. 221).
Schweizer Soldtruppen 1701 — 1815. 113
aus dem oben (S. 110) schon erwähnten Verzeichnis der
Gefangenen in „Campagne de Marsin" *"). Dieses Ver-
zeichnis interessiert uns aber noch nach einer anderen,
hier zu erwähnenden Ilichtung hin. In demselben werden
die gefangenen Offiziere und Mannschaften von 7 fran-
zösischen und 2 Schweizer Infanterieregimentern beziffert.
Das Verhältnis bei den erstgenannten stellt sich ohne
Ausnahme durchschnittlich so, dafs die Anzahl der in
Gefangenschaft geratenen Offiziere 10**/^ der gefangenen
Soldaten beträgt, während vom Schweizer Regiment Greder
62 gefangene Offiziere und 60 Soldaten und vom Eegiment
Zurlauben 87 Offiziere und 200 Soldaten aufgeführt
werden. Die Annahme liegt hier gewils nahe, dafs sich
dieses auffallende Mifsverhältnis zwischen Offizieren und
Soldaten bei den beiden Schweizer Regimentern dadurch
ergiebt, dals es dem General von Mallerarques gelang, kurz
nach der Schlacht einen grofsen Teil der in Gefangen-
schaft geratenen Schweizer Soldaten anzuwerben^-). —
Bis zum 2. November war das von General Mallerarques
geworbene Regiment im Lager bei Guben eingetroffen
(vergl.S.108)"-^) und sollte dort einem kurfürstlichen Befehle
zufolge — wie alle Truppenteile — gemustert werden.
Hierüber liegt uns der Rapport des mit der Musterung
beauftragten Generalkommissariats- Sekretärs Schmieder
vor, dessen hierher bezüglichen Teil wir folgen lassen, da
er in verschiedener Hinsicht von Interesse ist:
„Extract des General Commissariats-Secretarii Schmieders de
dato Guben den 8. ^Jovember 1704 erstatteten allerunterthänigsten
Berichts.
Wie Ew. König'l. Mjt. etc. unterm 4. dieses allerunterthänigst
mit berichtet, dass den 2. vorh^^ro die Marleraquische Schweizer hier
eingerÜL-ket , und Dero Ober Kriegs Commissarius Raschke mit mir
verlassen, alle aus Sachsen nach Fohlen marschirende Troupes zu
mustern, mit dem Nehmitzischen Bataillon Grenadier die Musterung
den 31. passato erfolget war, so meldete bei dem Obristen derer
Schweizer"*) mich alsofort und bekahrae zur Antwort, dafs Alles
"') Mar sin, Campagne etc. a. a. 0.
"-) Das sächsische Korps, Avelches bis dahin zur Reichsarmee
gehört hatte, hatte zufolge eines Befehls des Kurfürsten d. d.
10. März 1704 unter General von Schulenburg in den ersten Tagen des
April den Eückmarsch nach Sachsen angetreten und traf am 20. Mai
in der Gegend von Dresden ein.
»■') Im offlziellen Beiicht heifst e.s: „Im Monat October rückten
endlich auch das ]). p. Malleraque'sche Regiment des Gardes Suisses
du Roi in 2 Bataillons 800 Mann stark etc. über Guben gegen die
Obra vor".
»*) Jedenfalls der Oberst Cäsar Barou Mallerarques.
Neues Ai-chiv f. S. G. u. A. XIV. 1. 2. 8
114 A. von Welck:
vom General Marleraq, welcher nächster Tage erwartet würde und
also auch die Ordre verlangter Musterung dependirte. Nachdem
dieser General auch anlangete, meldete deswegen mich wieder ge-
bührend und wurde dergestalt, dafs sobald Ordi-e von Gen. Lieut.
Patkul, an den ein Couiier abgeschicket wäre, zum Mardie nacli
Fohlen eingienge, sollte mir es wissend gemachet und die Mann-
schaften zur IMusterung gestellet werden, bescheidet. Alsotort aber
Euer Köuisil. Äljt. etc. allcrguädigston Befehl unterm 1. dieses mit
allerunterthäuigster Devotion den (1 darauf erhielte, und sell)igen zu
aller pflichtschuldigsten Folge, beym General Marleracq die Musterung
seines Kegiments suchete, wurde die Ordre dazu zu sehen verlangt
und auf deren Froduction von mehr vermeldeten General mir gesaget,
wenn anstatt Regiment zu Fufs, Sein unterhabendes Corps nicht
Königl. Schweizer Guarde tituliret würde, nehme er nichts an, und
liefse sich keines Weges mustern, dieses könnte ich nur berichten,
dafs also in so weit es beruhen lassen müssen" etc.
Aus diesem ScliriftstLicke geht unzweifelhaft hervor,
dafs das Regiment wenigstens zum grölsten Teile aus
Schweizern bestand und infolge dessen auch dem ent-
sprechend bezeichnet wurde.
Obgleich die Musterung des Regiments infolge dieser
von General Mallerarques erhobenen Schwierigkeiten nicht
stattfand, so liels es sich doch nicht verheimlichen, dals
eine grolse Anzahl von Mannschaften an der etatsmäisigen
Stärke fehlten, und es wurden deshalb hier schon Vor-
bereitungen zur Ergänzung desselben getroffen. General
Mallerarques trat aber zu dem Zwecke nur für das erste,
von seinem Bruder, dem Oberst de Mallerarques, befehligte
Bataillon ein, während die I^omplettierung des zweiten
Bataillons dem Kommandanten desselben, Oberstlieutenant
de Mestral de Coinsin^^), überlassen blieb. Zugleich
wurde angeordnet, dafs dieses, unter Abgabe der Fran-
zosen an das erste Piataillon, nur aus Deutsciien und
Schweizern bestehen solle ^'').
^^) Henri FrauQois de JVlestral, Seigneur de Vincy et Coinsins,
colonel au Service de Pologne (de Saxe) f 1730. Verheiratet mit Laure
de Berncastel d'Orange. (Vergl. F. von Mül inen, Geneal. Stamm-
tafeln, Mskpt Tom III p. 156.) Der Betreffende wird fälschlicher-
weise meist nur de Coinsin genannt, ebenso wie das von ihm befehligte
Bataillon. Sein eigentlicher Name ist aber de Mestral, dem der
Name der Herrscbatt Coinsin zur Unterscheidung von den anderen
Zweigen der Familie beigefügt war.
'"*) Das Regiment, welches zuerst (s S. 1()8) dem Oberst Mallerarques
übergeben worden war, wurde also jetzt in 2 Bataillone formiert, von
denen das erste, aus Franzosen bestehend, demselben verblieb, während
das zweite, aus Deutschen und Schweizern formiert, unter die Befehle
des 01)erstlieutenants de Mestral de Coinsin gestellt wurde. Das
ReL'imcnt behielt in seiner (Tcsamtheit den Namen Mallerarques, nach
dem General, der es formiert hatte.
Schweizer Soldtmppen 1701-1815. 115
Das Regiment marschierte in dieser Formation in
der ersten Hälfte des Monats November vereint mit dem
oben genannten Grenadierbataillon Nehmitz und mit
zwei Kompagnien des Infanterieregiments Wolfenbüttel
nach der Obra. Ob es von da, wie Schuster und Francke
(a. a. 0. I, 161) berichten, noch bis in das befestigte
Lager von Kopnitz vorrückte, erscheint fraglich. Dieses
letztere war zu der Zeit nur von wenigen Abteilungen
besetzt, da General von Schulenburg, der an Steinaus
Stelle interimistisch das Oberkommando übernommen hatte,
mit 2000 Mann Infanterie und 2000 Pferden gegen Posen
aufgebrochen war, um die dort befindliche schwedische
Armee sowie die Festung selbst zu überfallen. Diese
Unternehmung gelang, zufolge Verrats, nicht vollständig
und Schulenburg erhielt den Befehl, zu der bei Warschau
stehenden Armee des Königs zu stolsen. Diese Ver-
einigung erfolgte am 18. September bei Wisogrot. Da
aber der König mittlerweile — zufolge des Überganges
des schwedischen Heeres auf das linke Weichselufer —
den Entschlufs gefalst hatte, sich zurückzuziehen und den
gröfsten Teil der Armee unter Schulenburg nach Sachsen
zu schicken, so erhielten auch die im Kopnitzer Lager,
resp. an der Obra stehenden Abteilungen entsprechende
Ordre.
Die zuletzt genannten Truppenteile — Regiment
Mallerarques, Bataillon Nehmitz und 2 Kompagnien
Wolfeubüttel — können demnach nur wenige Tage da-
selbst verblieben sein. Sie traten ihren Rückmarsch nach
der Lausitz an , und in Görlitz fand am 15. Dezember
endlich die Musterung des Regiments Mallerarques statt ^').
Es erscheint als wahrscheinlich, dals dasselbe dort die
Winterquartiere bezog.
Mit dem beginnenden Frühjahr — 1705 — traten
die Befürchtungen eines schwedischen Einfalles in die
Erblande wieder in den Vordergrund, und der König
erliels deshalb den Befehl, die sächsischen Truppen in
vier Lagern: bei Dresden, Meilsen, Torgau und Mühlberg
zu konzentrieren. Das Regiment Mallerarques wird in
den offiziellen Listen am 18. April 1705 als im Lager
bei Dresden aufgeführt. Nach Lindau ^^) wurde im Juni
'^^) In Polen verblieben nur etwa 4000 Mann unter General
von Paykul (vergi. Schuster und Francke a. a. 0. I, 163).
^^) Lindau, CTeschichte der königl. H^uipt- und Residenzstadt
Dresden (2. Aufl.) S. 560.
8*
IIQ A. von Welck;
ein Lager auf dem „Sande" bei Neustadt abgesteckt,
welches von einem Teil des Regiments Fürstenberg, vom
Leib- und vom „Malaraquisclien Schweizer-Regi-
ment" bezogen wurde; bereits am 3. Juli erhielten das
Leib- und das Schweizerregiment ihren Lagerplatz auf
der „Wiese an der Elbe", das Fürstenbergische Bataillon
aber in der Nähe des Provianthauses in Neustadt. An-
fangs September aber gingen sämtliche bei Dresden ver-
einigte Truppen (aulser den genannten Avird noch das
Lifanterieregiment Braun aufgeführt) mit der Artillerie
nach Guben ab, „wo Schulenburg für den verderblichen
Krieg fast mit den letzten Kräften des erschöpften
Landes" ein Heer sammelte : 32 Schwadronen sächsische
Reiterei, 19 sächsische und 11 russische Bataillone"").
Da, nachdem die in Polen unter Paykul stehende
sächsische und polnische Kavallerie — 13 Regimenter —
vor Warschau eine schwere Niederlage erlitten hatte, die
Befürchtung des Vorrückens der schwedischen Armee
nach Sachsen an Begründung gewann, so wurden die
Städte Lübben, Görlitz, Bautzen und Sorau mit starken
Besatzungen belegt. Aber bereits im November wurden
die Truppen wieder nach ihren Garnisonen zurück dirigiert,
um den Winter in denselben zu verbringend*^").
Die Vorgänge in Polen, namentlich aber die am
4. Oktober 1705 erfolgte Krönung des Gegenkönigs Stanis-
laus lielsen keinen Zweifel, dals das Jahr 170G von neuem
kriegerische Aktionen herbeiführen werde, eine Annahme,
■die sich voll bewahrheiten sollte.
Bereits am 8. Januar brach Karl XIL aus seinen
Winterquartieren auf. Da aber seine Gegner auf diesen
frühzeitigen Wiederbeginn der Feindseligkeiten ebenfalls
vorbereitet waren, beschlossen sie — der Zar und König
August — den Schweden zuvorzukommen und die Offen-
sive zu ergreifen.
Da Feldmarschall von Steinau, der bis jetzt, wenigstens
dem Namen nach, an der Si)itze der sächsischen Armee
gestanden hatte, in venetianische Dienste übertrat, so
ö") Lindau a. a. 0. S. 560, Auch „Leben und Denkwürdig-
keiten des Graten Schulenburii" (Leipzig 1834) 1, 213, bezeichnet
das Lauer bei Guben, während nach Schuster und Francke
a. a. O. T. Ifi.S, sich dasselbe zwisc:hon Muskau und Spremberg- be-
funden hätte. Wir möchten diese h'tztere Angabe für die richtige
halten.
100) Vergl. Schuster und Francke a. a. 0. 1, 163.
Schweizer Soldtrnppen 1701 — 1815. 117
erlieft der König an den General von Scluilenbnrg den
Befehl, alle in Sachsen verfügbaren Truppen nach Polen
zu führen und das Kommando über sie zu über-
nehmen. Derselbe konzentrierte infolgedessen die Armee
anfangs Februar bei Sorau , um von da aus den Weiter-
marscli anzutreten. Diese bestand aus 19 Bataillonen
Sachsen = 9711 Mann und aus 10 Bataillonen Russen
= 6362 Mann. Unter den ersteren, zu denen auch das
ßegiment Mallerarques gehörte, wird bei Schuster und
Francke '*'') ein Bataillon Martiniere aufgeführt, während
in den „Denkwürdigkeiten Schulenburgs" "''^) dieser Name
nicht vorkommt, sondern „ein Bataillon französischer
Grenadiere Joyeuse". Diese letztere Bezeichnung dürfte
die richtige sein; der Name Joyeuse tritt uns später noch
öfter entgegen, während wir den Namen Martiniere
nirgends finden konnten ^*'=^). Die Reiterei unter General-
lieutenant von Plötz zählte 42 Schwadronen - 2000 Pferde
und die Artillerie 1 Bataillon ä 4 Kompagnien = 300 Mann
mit 32 Geschützen. Die Gesamtstärke des ganzen Korps
bezifferte sich hiernach auf 18300 Mann.
Am 7. Februar brach die Armee von Sorau auf und
rückte in Schlesien ein. Dieselbe war aber noch in ihren
Etats vielfach inkomplett, und namentlich waren in den
Infanteriebataillonen eine grofse Anzahl von Rekruten
eingestellt.
Da speziell auch das „Schweizer Regiment", wie
das Regiment Mallerarques in „Schulenburgs Leben" ein-
fach genannt wird, nicht komplett war, so erhielt der
Oberstlieutenant de Mestral de Coinsin, Kommandant
des 2. Bataillons , am 26. Januar den Befehl, auf Grund
eines besonders aufzustellenden „Kontraktes" den Versuch
zu machen, durch Anwerbungen diese Lücken auszufüllen.
Da aber, wie wir oben sahen, die Armee bereits am
7. Februar nach Polen aufbrach, so konnte von einem
Erfolg dieser Mafsregel keine Rede sein.
Bereits wenige Tage nach dem Abmarsch erlangte
Schulenburg Fühlung mit dem Feinde und am 13. Februar
erlitt er die verhängnisvolle Niederlage bei Fraustadt.
Näher auf diese Schlacht hier einzugehen verbietet uns
der Raum. Nur soviel mag hier bemerkt sein, dafö die
101) Vergl. Scliustei- imd Francke a. a. 0. I, 167.
i«2) Schulenburg a. a. 0. I, 239.
103) Vergl. die Bemerkung auf S. 107, wonach die Errichtung
eines Regiments Martiniere (Martineriej nicht zu stände kam.
118 A. vDii Wolclv:
beiden Schweizer Bataillone (nach einem unoedruckten
aber authentischen Schlachtbericht, in den uns Einsicht
gestattet wurde) im ersten Treffen und zwar auf dem
rechten Flügel kämpften. Sie gehörten — wenn man
alle Berichte zusammenfalst — zu denjenigen Truppen-
teilen, welche erst nach langem tapferen Kampfe der
vom linken Flügel her sich verbreitenden Deroute nach-
geben ninlsten; auf dem Rückmarsche gegen Fraustadt
streckten sie die Waffen; sie sollen dann nach Schulen-
burgs ersten Meldungen fast sämtlich niedergehauen
worden sein. Oberst von Mallerarques ward verwundet
und gefangen, sein Bruder, der General, scheint sich
während der Schlacht nicht beim Schulenburgschen Korps
befunden zu haben. Beiden Brüdern sind wir in der
Folge in den uns vorliegenden Schriften über die sächsische
Armee nicht mehr begegnet.
Die sächsische Armee war so gut wie vernichtet;
nach Schulenburgs Angaben wären von 11900 Sachsen,
die an der Schlacht teilnahmen, 10 774 geblieben oder in
Gefangenschaft geraten, und der Gesamtverlust der
18 300 Mann zählenden Armee hätte ca. 15000 Mann
betragen. Wenn es auch nicht ganz so schlimm gewesen
sein dürfte — wir begegnen u. a. später wieder einem
aus Schweizern gebildeten Bataillon '"^) — , so stiels doch
die Neubildung der Armee, die Schulenburg übertragen
worden war, auf grolse Schwierigkeiten; namentlich stellte
sich die Aufbringung der Mannschaften im Inlande bald
als fast unmöglich heraus.
In dieser seiner Not und Ratlosigkeit gritf Schulenburg
wieder zu dem beliebten Mittel, die Komplettierung seiner
Truppen durch Schweizer Söldner zu versuchen, wozu
er die Genehmigung des Königs erhielt. Es war wieder der
Oberst le Jay, welcher mit der Führung der betreffenden
Unterhandlungen beauftragt wurde. Es liegen aber nur
schweizerische Nachrichten über diese erneute Mission
des kostspieligen Unterhändlers vor, und auch diese sind
dürftig. Das Staatsarchiv zu Bern enthält nämlich den
„Extrakt" aus dem „evangelischen Abscheidbuch des ge-
haltenen Tags zu Aarauw vom 3. Juni 1706 '"■'')", welcher
lautet:
101) Vergl. die Noten 107 und 109.
10») St.-A. Bern, Evang. Absclieidbuch lit. P. S. 363. Vergl. auch
E. A. VI, Abth. 21 No. 606 lit. b.
Schweizer Soldtruppen 1701— 1815. 119
„Von den H. Ehrengesandten Lobl. Stanrtts Zürich ward vorge-
tragen, welcher gestahlt der H. Ohrist Baron de le .Tay der im ver-
flossenen 1702t<'n Jahr im Namen Ihro Königl. Jlajestät in Polen,
und Chuifiirstl. Dchlt. zu Sachsen hy Lobl. Evangel. Eydffenossschaft
umb einichenVolcksaufbruch Anweibung gethann, sich würklich allhier
befinde, und mit Vorlegung zweyer Schryben von denen H. Generalen
von Schulenburg und Hoim so viell bemerket, dafs nebst Darstellung
Ihro Mayestett gnädigen Grasses, Er befelchnet difs Geschafft
vifiederumb in Bewegung zubringen, und umb eine beliebende Anzahl
einig hundert Mann zu einer Königl. Leibguardi das frl. Ansuchen
zumachen, werde dahero nöthig sein eine gemeinsamme Antwort
sothane Anbringens halber abzufassen, weilen man hierunter nit
instruiert were, hat mann solches lediglich dem Abseheid einverleibt
und es den H. Obrist durch den Secretarium antwortlich verdeüthen
lassen".
Irgend etwas weiteres findet sich bezüglich dieses
Werbebegehrens nicht vor; auch die erwälinten Schreiben
des Generals von Schuleniiurg und des Geheimen Rats
V. HGymb^*^*^) sind nicht vorhanden. Ganz undenkbar ist es,
dals die Soldaten wirklich zu einer Leibwache verlangt
wurden; um so mehr, als das Gesuch nicht vom König,
sondern von den beiden Genannten ausging, welche im Jahre
1706 vielfache Verhandlungen über das Schicksal der Armee
und über die Möglichkeit ihrer Ergänzung pflogen.
Möglicherweise wurde die Form der „Leibwache" nur
gewählt, weil man hoffte, auf diese Weise leichter Truppen
zu erhalten, als wenn man die Einstellung derselben in
die Feldarmee als Zweck bezeichnet hätte.
Einen Erfolg hatte dieser Anwerbungsversuch keinen-
falls, wie schon aus der Fassung des eidgenössischen
Abschiedes zu entnehmen ist. —
Das Jahr 1706 sollte in seinem weiteren Verlauf
schweres Unglück auf die Kurlande häufen. Der König
war nach der Katastrophe von Fraustadt in Polen ge-
blieben und verfügte daselbst noch über 13 sächsische
Kavallerieregimenter. Er hoffte, dafs sich Karl XII. hier
gegen ihn wenden werde und dafs es ihm — besonders
nachdem er infolge der Vereinigung mit einem russischen
Korps über 26 000 Mann verfügen konnte — gelingen
werde, das schwedische Heer so von einem Zuge nach
Sachsen abzuhalten. Diese Hoffnung ging aber nicht in
Erfüllung. Bereits am 27. August erreichten die Spitzen
des schwedischen Heeres die sächsisch-schlesische Grenze.
Da die ca. 9000 Mann, über die General von Schulenburg,
'*'ö) Nicht General, wie in dem obigen Abschied irrtümlich
angegeben.
120 A. von Welck:
dem (üp Verteidio-niio- (\(^^ Landes anvoi-fiaut war, ver-
fügte, iiiclit «genügen koiniteii, um die drohende Invasion
abzuhalten, so wurde die Aufstelhuig- von Provinzial-
regimentern anhefolilen , die aber der Kürze der Zeit
wegen niclit mehr zur Ausfülirung kommen konnte.
Schulenbui'g zog sich infolgedessen auf das linke Eib-
ufer zurück, indem er in den Lausitzen zur Beobachtung
nur 6 schwache Kavallerieregimenter zurückliefs. Als
dei- König von Schweden anfangs September mit einer
Armee von 24000 Mann wirklich in Sachsen einrückte,
und diese Reiterabteilungen zuiückwarf, setzte Schulen-
burg seinen Rückzug über Leipzig nach Thüringen fort,
die festen Plätze des Landes, namentlich Dresden und
Leipzig, mit schwachen Besatzungen belegend, die zum
grölsten Teile aus den wenigen Provinzialtruppen be-
standen, deren Aufstellung zufolge der oben erwähnten
Verordnung nach und nach ermöglicht worden w^ar.
Das kleine Korps , welches Schulenburg mit sich
führte, bestand nur noch aus 2800 Mann sächsischer
Lifanterie, nämlich den 4 Bataillonen: Weifsenfeis, Drost,
Reibnitz und Coinsin-Schweizer, aus 1200 Russen und
aus 1800 Mann Reiterei 'f").
Uns interessiert hier in der Hauptsache das Vor-
handensein von Schweizern noch in der zweiten Hälfte
des Jahres 1706. Es scheint aulser Zweifel, dals sich
dieselben aus der Schlacht von Fraustadt gerettet und
unter dem Kommando des Oberstlieutenants de Mestral
de Coinsin wieder vereinigt hatten.
Schulenburg hatte die Absicht, um diese schwachen
Überreste der sächsischen Armee, über deren mangelhafte
Disziplin er übrigens wiederholt bittere Klage führt, dem
Könige womöglich zu erhalten, dieselben entweder zur
Reichsarmee oder nach Holland zu führen. Er trat hier-
über, während er in der Nähe von Ilmenau stand, in
Einvernehmen mit dem Geheimen Rat von Hojmb, welcher
sich zu der Zeit in Erfurt aufhielt. Ehe aber noch ein
Entschluls zur Ausführung kommen konnte, erfolgte am
23. September ein Angriff der Schweden , die ihm
bis hierher gefolgt waren. Nach den „Denkwürdig-
'"') Nach Schulenburg' a. a. 0. I, -274. — Schuster uiul
Francke a. a. O I, 109 geben als Stärke der (lisponibbn Infanterie
zu Ende des Jahres 1706 an: 2500 Sachsen, 1800 „Ausländer ver-
schiedener Nationalitäten", sowie schwache Abteilungen Defensioner.
Wegen des Bataillons Coinsin vergl. Anm. No. 95.
Schweizer Soldtinppen 1701 — 1815. 121
keiten" "^'^) leisteten hier die „Moscowiter" guten Wider-
stand und wiesen den Feind zurück; „allein das von
französischen Deserteurs zusammengestellte Bataillon
Coinsin im sächsischen Dienst that nicht seine Schuldig-
keit, daher es dem Feinde gelang, dem Korps einigen
Verlust beizubringen" ^"^).
Trotz des für Schulenburg ungünstigen Ausgangs
des Gefechtes sahen die Schweden von einer Aveiteren
Verfolgung ab. Hierdurch ward es ihm ermöglicht, seine
Infanterie ohne weitere Behelligung nach dem Rhein zu
führen und sie bei Philippsburg mit der Reichsarmee zu
vereinigen. Die Kavallerie kehrte hingegen nach Sachsen
zurück, da mittlerweile der Friede zu Ältranstädt abge-
schlossen worden war, welcher den sächsischen Truppen
gestattete, einstweilen Kantonnementsquartiere im thürin-
gischen Kreis zu beziehen.
Die Geschichte des Altranstädter Friedensschlusses
in ihren traurigen Folgen für das Land Sachsen, in ihren
verhängnisvollen Konsequenzen für die beiden sächsischen
Bevollmächtigten, Imhoff" und Pfingsten, ist bekannt. —
Die nächsten Jahre waren ausgefüllt mit diplo-
matischen Unterhandlungen und Versuchen, Allianzen
gegen SchAveden zum Abschlufs zu bringen ^^"), aber erst
Ende Oktober 1709 kam es endlich zu dem Abschlufs
eines neuen Bündnisses zwischen dem Zar und dem
König-Kurfürst.
Dieser letztere hatte die Friedensperiode dazu benutzt,
um ein neues System für die Ergänzung des Heeres fest-
zustellen: das bisherige Defensionswesen sollte ersetzt
werden durch ein Milizsj^stem (Erlafs vom 4. Mai 1708 und
Mandat vom 21. September 1709). Der definitive Befehl
hierzu wurde aber erst am 25. Juli 1710 erlassen, und
die thatsächliche Aufstellung der Kreisregimenter erfolgte
erst im April 1711 1").
Da demnach diese Neuorganisation bei Abschlufs des
lOs) Schuleiiburg a a. 0. I, 281.
109) Diese auf das Bataillon Coinsin bezügliche Bemerkung
stimmt mit der früheren Bezeichnung desselben als ,, Schweizer-
Bataillon" (S. 120) nicht überciu. M an trifft \vohl das Richtige, wenn
man annimmt, dafs dieses Bataillon aus den Überresten des 3. Bataillons
j\Iallerarques, Coinsin und Joyeuse formiert worden war und demnach
aus Schweizern und Franzosen bestand.
"") Siehe hierüber Danielson. Zur Geschichte der sächsischen
Politik 1706-1709 (Helsingfors 1878).
"') Sielie V. Webers Archiv für die sächsische Geschichiel, 226 f.
122 A. von Wolck:
oben erwähnten Bündnisses mit dem Zar nucli nicht
funktionierte, so suchte sich der Kurfürst wieder auf
andere Weise zu helfen und erteilte im Winter 1710 — 11
nochmals dem mittlerweile zum General avancierten Baron
de le Jay den Befehl, bei den Eidgenossen — vorläufig
in vertraulicher Weise — anzufragen, ob die Anwerbung
von Söldnern seitens der Kantone würde genehmigt
werden. Dafs solche „vertrauliche Vorfragen" stattfanden,
lernt man erst aus den späteren Korrespondenzen kennen.
Das offizielle unter dem 23. März 1711 an sämtliche
Kantone gerichtete Gesuch schickte General le Jay an
Zürich ^^^) mit der Bitte, ihm eine möglichst baldige
Antwort zukommen zu lassen.
Man ersieht aus dem Schreiben des Generals le Jay,
dals derselbe ermächtigt war, ein oder zwei Regimenter
anzuwerben und aufserordentlich günstige Bedingungen
zu stellen. Als Basis der Verhandlungen schlägt er
entweder eine der früheren Kapitulationen vor oder
die kaiserliche oder endlich „le projet le plus convenable
qu'il leurs plaira". Die erstmalige Ernennung aller
Offiziere — auch des Obersten — soll den Kantonen
übellassen sein, während für später der König sich ver-
pflichtet, die Offiziere stets aus denjenigen Kantonen zu
entnehmen, aus welchen die zuerst ernannten stammten.
Le Jay fügt noch hinzu, dafs er auf die erste günstige
Antwort hin sofort mit den erforderlichen Geldern nach
der Schweiz kommen werde.
Zürich kam dem Wunsche des Generals insofern
nach, als es unter dem 15. April den übrigen Kantonen
von dem Begehren, unter Übersendung einer Abschrift
des betreffenden Schreibens, Kenntnis gab '^•^).
Jetzt zeigte es sich nun, dals le Jay bereits vor
längerer Zeit bei einzelnen Kantonen in vertraulicher
Weise angeklopft hatte. Es liegt nämlich ein Brief des
Ratsschreibers Grols von Bern an „Mr. Holzhalb, seigneur
chancelier et secretaire d'Etat de Zürich" vom 7. April
vor'"', in welchem mitgeteilt wird, dals le Jay im
Januar d. J. an den Schultheils von Graffenriedt in Bern
geschrieben und wegen einer Werbung für den Kurfürsten
„zur Defension der Säxischen Länder" angefragt habe.
"2) St.-A. Zürich Acta Sachsen.
''3) St.-A. Bern L- S. 751.
"•*) St.-A. Zürich Acta Sachsen No. 19.
Schweizer Soldtruppeii 1701—1815. 128
Es sei ihm damals aber eine „höfliche und ablehnende"
Antwort zu teil geworden. Da derselbe nun jetzt das
nämliche Gesuch abermals an alle Kantone richte, so sei
beinahe anzunehmen, dals der Brief des Schultheifsen
von Graffenriedt verloren gegangen sei. Man teile dies an
Zürich mit, damit dieses für alle Fälle Kenntnis von den
Anschauungen in Bern erhalte.
An dem nämlichen Tage, an welchem Zürich das
Gesuch le Jays den anderen Kantonen übermittelte, also
am 15. April, richtete es auch eine Zuschrift an diesen
selbst, in welcher die Bereitwilligkeit ausgesprochen wird,
die sächsischen Wünsche, den Kantonen gegenüber, zu
vertreten. Von diesem Schreiben erhält man Kenntnis
durch die darauf erfolgende Antwort le Jays aus Dresden
vom 2. Mai^^'^), welche lediglich Empfangsbescheinigung
und Dank enthält.
Die Antworten der Kantone gingen im Laufe der
nächsten zwei bis drei Wochen in Zürich ein, lauteten
aber ausnahmslos ungünstig.
Die Kantone Bern'^*') (22. April), Luzern (25. April)
und Appenzell a. Rh. (29. April) schlugen das Be-
gehren definitiv ab, während die übrigen: Basel, Schaff-
hausen, Solothurn, beide Unterwaiden, Uri, Ereiburg,
Stadt und Abt St. Gallen, Biel und zuletzt — erst am
6. Mai — auch noch Glarus, sich dahin aussprachen, dafs
man entweder die nächste Tagsatzung abwarten oder
doch sonst gemeinsame Schritte reiflich beraten müsse.
Glarus macht besonders darauf aufmerksam, dafs nach
altem Herkommen und Gewohnheit jede Konfession ge-
sondert zu beraten und zu beschlielsen habe^^').
Die Antwort, welche Zürich nach Eingang dieser
Beschlüsse der Kantone an General le Jay richtete, mag
ihn wohl auf die Entscheidung der nächsten Tagsatzung
vertröstet haben. Dieselbe fand, als „gemein-eidgenössische
Tagsatzung der XIII Orte, Abt und Stadt St. Gallen"
"5) Rt.-A. Zürich Acta Sachsen.
"ö) St.-A. Bern. Extrakt aus dem „Teutschen Missivenhuch"
No. XLI fol 910. Bern bedankt sich für die participation : ,.Ueber
die Sach selbsten aber habend wir befunden dafs dieser Vorschlag
mit vielfaltigen difiieulteteu begleitet, und aufs verschiedenen con-
siderationen nit thunlich sein darein zu tretten. In massen also wir
unsertheils Euwer wohlbestelte Cantzley überlassen haben wollend,
fahls die gedanken der lobl. orten auch mitstimmen würdend in ge-
samt Eydgenossischera nahmen diesem H. ablehnend zu antworten".
"') St.-A. Zürich Acta Sachsen.
124 A. von Welck: Schweizer Soldtnippen 1701— IBlo.
Alltang Juli desselben Jahres in Baden statt. Der Ab-
schied sagt darüber"^): „Auf das Gesuch des General-
major le Ja}', Namens des Königs von Polen vom 23. März,
um Überlassung einer Anzahl eidgenössischer Truppen
kann angesichts der ernsten Zeitlage nicht eingetreten
werden, was Zürich im Namen der Eidgenossen dem
Gesuchsteller mitteilen soll". —
Für eine längere Reihe von Jahren schliefsen hier-
mit die Versuche, eidgenössische Unterthanen in sächsische
Dienste zu ziehen.
Dafs die Leibgarde der ,. Trabanten zu Fuls" nicht
aus Schweizern bestand, dais dieselbe überhaupt nur
irrtümlicher Weise hin und wieder Schweizer
Garde genannt wurde, weil sie vermutlich nach deren
im Jahre 1681 stattgehabten Auflösung, ihre Uniform
erhielt, wurde schon früher (vergl. diese Zeitschrift XIII,
268) bemerkt.
"8) E. A. Bd. VI 21 No. 7:>(i lit. c.
(Schlufs folgt.)
V.
Kichard Steche/')
Ein Nekrolog".
Von
H. A. Lier.
Bereits bei der Begründung des königlich sächsischen
Altertumsvereins im Jahre 1825 wurde die Erforschung
und Erhaltung der im Lande verstreuten Kunstdenkmäler
als eine der obersten Aufgaben des Vereins bezeichnet.
Aber wenn auch der Gedanke der Inventarisation von
dem Verein gleich in seinen Anfängen erfalst wurde, so
sollten doch volle sechzig Jahre vergehen, bis seine Ver-
wirklichung ernstlich in Angriff genommen werden konnte.
Die Gründe dieser Verzögerung waren sehr verschiedener
Natur: der Mangel an Mitteln und andere unaufschieb-
bare Aufgaben führten dazu, dafs der Plan der Inven-
tarisation immer wieder zurückgedrängt wurde ; vor allem
aber fehlte die geeignete Persönlichkeit, die durch die
nötige praktische und wissenschaftliche Vorbildung und
die eigentümliche Richtung ihres Studienganges genügende
Sicherheit für eine brauchbare Ausführung der schwierigen
Aufgabe geboten hätte und gewillt gewesen wäre, den
besten Teil ihrer Kraft für das Werk einzusetzen. So-
bald diese Persönlichkeit gefunden und erprobt war, wurde
die Arbeit mit Energie in Angriff genommen und mit
einer in der That staunenswerten Schnelligkeit gefördert,
so dais Sachsen auch auf diesem Gebiete einem grolsen
*) Mit Benutzung' einer eig^enhändigen Aufzeichnung Steches
über sein Leben vom 10. Juli 1885.
126 H. A. Lier:
Teile der übrigen deutschen Staaten einen nicht unbe-
trächtlichen Vorsprung abgewann und sein Inventarisations-
werk späteren Unternehmungen dieser Art vielfach als
Muster dienen konnte.
Das Hauptverdienst an dieser erfreulichen, von der
wissenschaftlichen Kritik fast einstimmig anerkannten That-
sache gebührt, wie die Leser des „Archives" alle wissen,
demjenigen Manne, der sich jahrelang in der Stellung
eines zweiten Direktors als eines der regsten Mitglieder
des Vereins bewiesen hat und in allen mit der Kunstwissen-
schaft und Altertumskunde zusammenhängenden Fragen
das eigentlich treibende Element desselben gewesen ist:
Richard Steche. Es dürfte daher wohl am Platze
sein und nur als eine Pflicht der Dankbarkeit erscheinen,
wenn hier der Versuch gemacht wird , in einem kurzen
Überblick über das Leben Steches die Summe derjenigen
Verdienste zu ziehen, die sich der Verstorbene durch seine
ausgebreitete Thätigkeit um die Kunstgeschichte und
speziell um die Erforschung der sächsischen Altertümer
erworben hat.
Von vornherein erscheint es klai", dafs für die erfolg-
reiche Durchführung einer so umfassenden Arbeit, wie
das Inventarisationswerk ist, eine Keihe ganz besonderer
Eigenschaften erforderlich sind, die, wenn nicht schon
ursprünglich vorhanden, nur selten noch nachträglich er-
worben werden können. Lebhaftes Kunstinteresse, ein
feiner Spürsinn, Ausdauer und eine gewisse Gewandheit
im Umgang mit den verschiedensten Schichten der
Bevölkejung dürften dabei ganz unerlälslich sein. Dazu
kommt dann noch ein bestimmtes Mals von Kenntnissen
auf allen Gebieten der Kunstwissenschaft und praktische
Erfahrung im Bauwesen und Zeichnen, die sich der blols
auf unseren Universitäten gebildete Kunsthistoriker nicht
so leicht aneignen kann. Alle diese Bedingungen aber
waren bei Steche in reichem Malise vereinigt, und wenn
ihm vielleicht auch die eigentliche Akribie in der Be-
nutzung des gedruckten und handschriftlichen Quellen-
materials abging, so war das ein iMangel, der sich am
ehesten bei der Benutzung seines AVerkes nachträglich
ergänzen läist.
Den künstlerischen Sinn brachte Steche als Erbteil
seines elterlichen Hauses für seinen Beruf mit. Geboren
zu Leipzig am 17. Februar 1837 als Sohn des geachteten
Rechtsanwalts A. Steche, wuchs er in einem Kreise auf,
Eichard Steche. 127
in dem künstlerische Interessen nicht nur gelegentlich
gepflegt, sondern recht eigentlich zu den Bedürfnissen
des täglichen Lebens gerechnet wurden. Die Seele dieses
künstlerischen Treibens scheint die Mutter, Frau Lidy
Steche, geborene x\ngermann, gewesen zu sein. Vor ihrer
Vermählung war sie zwei Jahre lang als Sängerin bei
den Gewandt hauskonzerten thätig gewesen. Nach ihrei-
Verheiratung übernahm sie die Leitung eines Gesang-
vereins, mit dem sie im Jahre 1853 Wagners „Lohen-
grin" noch vor seiner ersten öffentlichen Aufführung auf
dem Theater zu Leipzig mit ausgezeichnetem Verständnis
in einem Konzert zu Gehör brachte^). In ihrem Hause
gingen alle auf musikalischem Gebiete damals in Leipzig
hervorragenden Männer ein und aus, neben Mendelsohn
und Schumann, David und Friedrich Schneider kamen
Richard Wagner und Liszt, und aulser den Einheimischen
pflegten auch die auf der Durchreise begriffenen fremden
Künstler in dem Stecheschen Hause vorzusprechen. Ein
stammbuchartiges Album im Besitz der Familie, das eine
lange Reihe wertvoller Autographen enthält, giebt noch
heute Zeugnis von jenem künstlerischen Leben und Treiben
in Steches elterlichem Hause.
Indessen sollte die spezielle Begabung der Mutter
nicht direkt auf den Sohn übergehen, sondern überhaupt
nur künstlerische Neigungen in ihm entwickeln, die sich
schon in seinen Jugendjahren den bildenden Künsten
zuwandten. In der Erziehungsanstalt des Pastors Grund-
mann zu Kloschwitz bei Plauen im Vogtlande vorgebildet,
legte Steche schon während seiner Gymnasialzeit auf der
Thomasschule in Leipzig, die er in den Jahren 1850 bis
1856 besuchte, ein entschiedenes Interesse für die Kunst-
wissenschaft und Altertumskunde an den Tag, wobei nach
seinen eigenen Angaben der Einflufs seines Lehrers Aug.
Christ. Ad. Zestermann, der in jenen Jahren mit Puttrich
zusammen an der Herausgabe des Werkes über die Bau-
und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen und der
thüringischen Länder thätig war, den gröisten Anteil
hatte. Er hätte am liebsten schon damals das Studium
der Kunstgeschichte zu seiner Lebensaufgabe gemacht;
doch nötigte ihn der Wille seiner Eltern, von diesem
Wunsche abzusehen und sich dem Architektenberufe zu
1) Vergl. Fiauz Liszts Briefe, herausgegeben vou La Mara
(Leipzig 1893) I, 129.
128 ^- A. Lier:
widmen, der für ihn die beste Vorschule für seine spätere
Thätigkeit werden sollte. Am Schlulse des Jahres 1856
bezog er die Bauschule in Dresden, wohin ihn die reichen
Kunstsammlungen der Stadt gelockt hatten. Soviel ihm
sein architektonisches Studium Zeit übrig liels, suchte er
sich mit dem Inhalt dieser Sammlungen vertraut zu
machen. Nebenbei aber besuchte er die kunstgeschicht-
lichen Vorträge Hettners und fing schon damals an , die
Ergebnisse seiner auf häufigen Ausflügen angestellten
Beobachtungen in kleineren Aufsätzen für wissenschaft-
liche Zeitschriften zu verwerten. Einer davon, den er
selbst in späteren Jahren noch für beachtenswert hielt,
beschäftigte sich mit der romanischen Kirche von Ober-
Böblingen bei Halle. Zur Vollendung seiner architek-
tonischen Ausbildung besuchte Steche in den Jahren
1859 bis 1861 die Bauakademie in Berlin, an der damals
Männer wie Strack, Stier der jüngere, Adler, Lübke und
von Arnim als Lehrer wirkten. Besonders trat er hier
dem Oberhof baurath Job. Heinrich Strack nahe. Strack,
der gar bald die zeichnerischen Fähigkeiten Steches
erkannte, nahm ihn als Gehilfen in sein Atelier auf und
eröffnete ihm den Zutritt in sein Haus. Auf diese Weise
wurde Steche Mitarbeiter an einer Anzahl der wich-
tigsten Bauwerke, die damals von Strack ausgeführt
wurden. Er war u. a. beschäftigt mit Plänen für den
Umbau des kronprinzlichen Palais in Berlin, für die
Villa, das Comptoir- und Fabrikgebäude Borsigs in
Moabit und für die Rheinbrücke bei Köln. Damals führte
er auch seine erste selbständige architektonische Arbeit,
zwei Pläne für Landhäuser in Plagwitz bei Leipzig, aus.
Von Strack wandte er sich zu Richard Lucae, dem späteren
Direktor der Berliner Bauakademie. Li seinem Atelier
hatte er u. a. die Pläne für die Villa des Stadtrates
Soltmann auf der Hollmannstralse selbständig zu ent-
werfen und die Überwachung der Bauausführung zu be-
sorgen. Der Verwendung Lucaes, der sich ihm als väter-
licher Freund ervviels, hatte er es zu danken, dals er mit
den ersten künstlerischen und litteiarischen Kreisen des
damaligen Berlin in Verbindung treten und sich aus dem
Verkehr mit ihnen eine Fülle neuer geistiger- und künst-
lerischer Anregungen holen durfte.
Unter solchen Umständen wird es leicht begreiflich,
dals Steche nur ungern von Berlin schied, um im Winter
von 1863 auf 1864 eine Stellung als Architekt bei der
Kichard Steche. 129
Direktion der Mecklenburgischen Friedricli-Frauz-Eisen-
balin anzunehmen. In ihrem Auftrag" erbaute er die
Bahnhöfe in Neubrandenburg und Oertzenhof. wobei ilnn
die unter Stracks Leitung erworbenen und bei den
Borsigschen Bauten in Berlin bereits erprobten Kennt-
nisse im Backsteinbau wesentlich zu statten kamen. In-
dessen gewährte ihm die rein praktische Thätigkeit keine
volle Befriedigung. Die Neigung zu wissenschaftlicher
Forschung brach sich aufs neue bei ihm Bahn, so dals
er sich, soweit Zeit und Kraft es gestatteten , in seinen
Mußestunden auf das Studium der mittelalterlichen
Kirchen- und Profanbauten Mecklenburgs verlegte. Bei
diesem Bestreben bestärkte ihn die Bekanntschaft, die
er damals mit dem Geheimen Archivrat Dr. Lisch in
Schwerin und mit Dr. CruU in Wismar anknüpfte. Auch
fand er in jenen Jahren zum ersten Mal Gelegenheit,
seine historischen Kenntnisse als Restaurator praktisch
zu verwerten. Er erhielt von dem Oberhauptmann
W. von Oertzen den Auftrag, die Kirche zu Lübberstorf
im Sinne ihrer mittelalterlichen Entstehung zu restau-
rieren, und erbaute für Herrn Altwig von Arenstorff die
neue Kirche zu Sadelkow^ im Kreise Stargard. Am ein-
gehendsten beschäftigten ihn aber die interessanten Thor-
bauten Neubrandenburgs. Er plante ein eigenes Werk
über diesen Gegenstand und machte die dazu nötigen
Aufnahmen, die sich in seinem Nachlasse erhalten haben.
Da er jedoch keinen Verleger fand, mufste er sich be-
gnügen, die Hauptergebnisse seiner Untersuchung nach-
träglich in einem Artikel in Lützows Zeitschrift (Bd. 12,
Leipzig 1877, S. 374—380) niederzulegen.
Im Herbste 1867 kehrte Steche nach Sachsen zurück,
um sich in Dresden niederzulassen, wo er am 20. Juni 1868
das Examen vor der Prüfungskommission für Bauhand-
werker gut bestand. Inzwischen der Eltern beraubt und
auf den Erwerb angewiesen, war er hier anfangs haupt-
sächlich als praktischer Architekt thätig, wobei er manchen
Erfolg zu verzeichnen hatte. So gelang es ihm bei
einer Konkurrenz für die Kirche in Lindenau bei Leipzig
im Jahre 1868 den ersten Preis zu erringen. In das
Jahr 1876 fällt die Vollendung des Eilenburger Bahnhofs
in Leipzig, dessen sämtliche Baulichkeiten Steche ent-
worfen und zur Zufriedenheit seiner Auftraggeber hatte
ausführen lassen. Als dann zu Anfang der siebziger
Jahre die kunstgewerbliche Bewegung, der wir einen
Neues Archiv f. S. G, u. A. XIV. 1. 3. 9
130 H- A. Lier:
entschiedenen Aufschwung auf allen Gebieten der Klein-
kunst verdanken, auftauchte, gehörte Steche zu den ersten
Männern in Sachsen, die sich ihr begeistert anschlössen.
Die im Jahre 1875 in Dresden veranstaltete Ausstellung
älterer kunstgewerblicher Arbeiten, eine der ersten in
Deutschland, war der Hauptsache nach sein Werk. Der
von ihm bearbeitete Fühier erschien in zwei Ausgaben
und fand die Anerkennung der Fachmänner. Steche hatte
zu seiner Herstellung umfassende Studien unternommen
und fühlte sich von ihnen so gefesselt, dais er, obwohl
seit dem Jahre 1872 verheiratet, mehr und mehr die
Praxis aus den Augen liels, um ungehindert seiner Lieb-
lingsbeschäftigung, der Kunstwissenschaft und Archäologie,
nachgehen zu können. Um den Kreis seiner Anschau-
ungen zu erweitern, unternahm er jährlich grölsere Reisen,
von denen er stets eine Fülle neuer Eindrücke und Be-
obachtungen mit heimbrachte. War ihm doch die Gabe,
Unbekanntes aufzuspüren und für seine Zwecke auszu-
nutzen, in hervorragendem Maise eigen. Er hatte die
Leidenschaft und die nötige Ausdauer des Sammlers und
ging in diesen Dingen vollständig auf. Es war sein
Wunsch, die reiche Ausbeute dieser Reisen nach Voll-
endung des Inventarisationswerkes in einer Schilderung
derselben zu verwerten, und wir müssen umsomehr be-
dauern, dais dieser Plan nicht zur Ausführung gekommen
ist, je weniger die Unmasse von Notizen und Aufzeich-
nungen über seine Reisebeobachtungen, die sich in seinem
Nachlals vorgefunden haben, wegen ihrer fragmentarischen
Art geeignet ist, von einem fremden Bearbeiter ver-
wertet zu werden. Immerhin abei- sind uns die Früchte
dieser Reisethätigkeit Steches nicht ganz verloren. Er
hat für zahlreiche Fachzeitschriften, namentlich für
die von Schorn herausgegebene Zeitschrift: Kunst und
Gewerbe, für die Zeitschrift für christliche Kunst
und für die wissenschaftliche Beilage der Leipziger
Zeitung, eine lange Reihe von Beiträgen geliefert,
deren Aufzählung hier zu weit führen, deren Ver-
einigung aber einen vollgültigen Beweis für die Viel-
seitigkeit seiner Avissenschaftlichen und künstlerischen
Literessen ergeben würde. Ebenso ausgebreitet wie diese
ist das Gebiet, das er auf seinen Reisen durchstreift hat.
Zum Teil wiederholt hat er Italien, Frankieich, die Nieder-
lande, England und Dänemark bereist; am liebsten aber
blieb er auf deutschem Boden und hier wieder im Norden,
Richard Steche. 131
WO Dithmarschen und Holstein die Provinzen waren, in
denen er sich wie zu Hause fühlte. Die in der Fremde
gemachten Erfahrungen kamen dann wieder dem Studium
der Kunstgeschichte seines engeren Vaterlandes zu gute,
das von Jahr zu Jahr melir seine eigentliche Domäne
werden sollte. Er ging hierbei von dem ihm Nächst-
liegenden aus, von der Baugeschichte und künstlerischen
Entwickelung Dresdens. Zunächst untersuchte er die
Entstellung des königlichen Schlosses und stellte in seiner
Schrift über Hans von Dehn-Rothfelser (Dresden 1877),
auf Grund deren er in Leipzig promovierte, fest, dafs
Dehn-Rothfelser nicht als der eigentliche Urheber des
Schlosses zu betrachten sei, wie man bisher annahm,
sondern dais ihm nur der Ruhm, der Oberleiter des
Baues gewesen zu sein, gebühre. Im gleichen Jahre
suchte er in einem Artikel des Dresdner Anzeigers
(8. Juni 1877) den Beweis zu führen , dals Georg Bär
der selbständige Schöpfer der Dresdner Frauenkirche
gewesen sei. Im weiteren Verfolg dieser Studien gelangte
er dazu , die erste umfassende Arbeit über die Bau-
geschichte Dresdens zu liefern. Sie erschien im Jahre 1878
als ein Abschnitt des von dem sächsischen Ingenieur- und
Architektenverein herausgegebenen Werkes über die
Bauten Dresdens und wird immer als eine grundlegende
Untersuchung Wert behalten, so viel auch die spätere
Einzelforschung daran nachbessern mag. Fügen wir
dazu noch den Artikel „Über einige Monumentalbauten
Sachsens" im 4. Bande dieses „Neuen Archivs" vom
Jahre 1883, in dem er namentlich über das Moritz-
monument und das ehemalige, jetzt seitlich vom Johan-
neum aufgestellte Schlolskirchenportal handelt, den Auf-
satz über „Das Palais im königlichen Grolsen Garten zu
Dresden" in der „Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger
Zeitung" vom Jahre 1886 (,No. 103) und „Die Würdigung
Augusts des Starken in seinem Verhältnis zu Dresden"
im 2. Bande der Neuen Monatshefte des Daheim vom
Jahre 1887, so dürften wir alles genannt haben, was
Steche speziell über die Dresdener Kunstgeschichte ge-
schrieben hat.
Auiser für die Entwickelung der Architektur inter-
essierte sich Steche namentlich auch für die der Klein-
kunst. Er hat eingehende Studien über die Geschichte
der Möbel, der Öfen und ..namentlich auch über die des
Bucheinbandes gemacht. Über den letzteren Gegenstand
9*
132 H. A. Lier:
lieferte er in seinem Büchlein „Zur Geschiclite des Buch-
einbandes mit besonderer Berücksichtigung- seiner Ent-
wickelung hi Sachsen" (Dresden 1877) eine überaus
übersichtliche und brauchbare Arbeit. Ausgehend von den
reichen Schätzen der königlichen öffentlichen Bibliothek
an kostbaren Bucheinbänden, die er in Einvernehmen
mit der Bibliotheksleitung zum erstenmal nach kunst-
historischen Gesichtspunkten für eine bleibende Aus-
stellung in den Räumen der Bibliothek ordnete, verbreitete
er sich über die gesamte Entwickelung der Buchbinder-
kunst von ihren Anfängen bis zu ihren neuesten, auf der
Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 hervorgetretenen
Leistungen , die einzehien Stilperioden und die Eigen-
tümlichkeiten der wichtigsten Liebhaberbände durchweg
nur kurz, aber überall mit treffenden Worten würdigend.
Steclie benutzte übrigens die ebengenannte Arbeit,
für deren Vervollständigung und Neubearbeitung er bis
an sein Ende thätig- war, dazu, um sich auf Grund der-
selben im Wintersemester 1878/79 an der königlichen
technischen Hochschule als Privatdozent für die Geschichte
der technischen Künste zu habilitieren. Li seiner Probe-
vorlesung handelte er über das Verhältnis des Eisens zu
den technischen Künsten, anknüpfend an die mit ihnen
eng verbundene Architektur. In seiner Antrittsrede aber
suchte er die Frage zu beantworten: „Was haben wir
unter den technischen Künsten zu verstehen und aus
welchen Gründen dürfte sich eine spezielle Behandlung
derselben an unserer technischen Hochschule rechtfertigen?"
Dementsprecliend verbreitete er sich in seinen Vorlesungen
über die verschiedenen Gebiete der technischen Künste,
wobei er die Anregungen verwertete, die sich ihm in
Sempers epochemachendem AVeike über den Stil darboten.
Die von Semper gefundene Einteilung dieses Stoffes in
Keramik, Textilkünste, Metallotechnik und Tektonik lag
auch seinen Vorlesungen zu Grunde, für die er später
den zusammenfassenden Titel: „Praktische Ästhetik"
wählte. In anderen Vorlesungen besprach er die Ent-
wickelung der Künste in Sachsen in der romanischen,
gotischen und Renaissancezeit, und einmal .kündigte er
auch ,.ausgewählte Kapitel angewandter Ästhetik" an.
Um auch weiteren Kreisen einen Einblick in seine Lehr-
thätigkeit zu geben — war er doch der erste Vertreter
des Faches an einer Hochschule — , veranstaltete er im
Winter 1885 vier öffentliche Vorlesungen über Textilkunst
Kichanl Steclie. 133
in der Aula des königlichen Polyteclinikiiras. Seit dem
1. Oktober 1889 als Lehrer an der königlichen Kunst-
gewerbeschule in Dresden angestellt, hielt er auch an
ihr Vorlesungen über denselben Stoff.
Steche hat in seiner Lehrthätigkeit manches gute
Samenkorn ausgestreut und eine Anzahl Schüler für seine
Ideen begeistert, die ihm ihre dankbare Verehrung dauernd
erhalten haben. Doch würde man fehlgehen, wenn man seine
akademische Wirksamkeit für den wichtigsten Teil seiner
Thätigkeit ansehen wollte. Obwohl er am 1. April 1880 zum
aufserordentlichen Professor ernannt worden Avar und seit
dem Jahre 1883 für die von ihm vertretenen Fächer die
Staatsprüfungen abzuhalten hatte, konnte er doch bei der
ganzen, vorwiegend für das praktische Leben berechneten
Richtung der technischen Hochschule niemals solchen Ein-
flufs auf die studierende Jugend gewinnen, wie ihm dies
vielleicht an einer Universität möglich gewesen wäre.
Mit um so gröfserem Eifer liels er sich daher die
Erfüllung derjenigen Pflichten angelegen sein, die ihm
seine Stellung als Leiter des sächsischen Inventarisations-
werkes in reichstem Malse zuführte. Seit dem 4, De-
zember 1876 Mitglied des königlich sächsischen Altertums-
vereins, wurde er schon nach kurzer Zeit am 4. März 1878
als Nachfolger Hettners zum zweiten Direktor des
Vereins gewählt. Als solcher widmete er sich mit der
ihm eigenen Energie, mit der er alle ihn näher berührenden
Angelegenheiten behandelte, der Erforschung der vater-
ländischen Kunstaltertümer und Denkmäler. Schon ehe
er die Inventarisationsarbeit in Angriff nahm , hatte er
im Auftrag des königlichen Ministeriums des Innern und
des evangelisch - lutherischen Landeskonsistoriums zahl-
reiche Gutachten über alle möglichen in dieses Gebiet
einschlagenden Fragen zu erstatten, wodurch er sich eine
von Jahr zu Jahr immer mehr sich ausbreitende und
vertiefende Kenntnis der sächsischen Kunstgeschichte
erwarb. Unter diesen Umständen konnte es keine Frage
sein, wem die Ausführung des Inventarisationswerkes,
für dessen Inangriffnahme sich der Verein durch einen
Beschluls vom 7. Februar 1881 entschieden hatte, anzu-
vertrauen sei. Steche hat, wie schon bemerkt wurde,
das in ihn gesetzte Vertrauen glänzend gerechtfertigt
und es verstanden, in allen Heften seiner „Beschreibenden
Darstellung" dieselbe Höhe einer gleichmäfsig genauen,
sorgfältigen und eindringenden Betrachtung zu behaupten,
134 H. A Lier:
welche die Kritik der Facligenossen gleich an dem ersten,
im Jahre 1882 erschienenen Hefte, das die Amtshanpt-
mannschaft Pirna behandelte, rühmend hervorhob. AVas
die Arbeit Steches vor anderen Unternehmnngen dieser
Art vorteilhaft auszeichnet, beruht im wesentlichen auf
zwei Momenten: erstens auf dem Umstände, dals Steche
sich nirgends auf fremde Anschauungen verliefs, sondern,
systematisch im Lande umherreisend, alles, was er be-
schrieb, mit eigenen Augen besichtigte, und zweitens auf
der knappen, rein sachlichen Behandlung seines Gegen-
standes und auf der übersichtlichen und klaren Anordnung
seines Stoffes, für die ihm die von W. Lotz bearbeitete
Kunsttopographie Deutschlands als Muster diente. Nur
so war es möglich, dais er in der verhältnismäfsig kurzen
Zeit bis zum Sommer des Jahres 1892 im ganzen 15 Hefte,
welche alle Amtshauptmannschaften des östlichen, süd-
lichen und nordwestlichen Sachsen umfassen, von Pirna
anfangend und bis Borna reichend, vollenden und noch
die Vorbereitung für die Bearbeitung der Stadt Leipzig
treffen konnte. Ein weiterer Vorzug der Stecheschen
Arbeit ist es, dafs sie sich nicht auf die Beschreibung
mittelalterlicher Kunstwerke beschränkt, sondern vor allem
auch die Werke der Renaissancezeit und der folgenden
Kunstperioden bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ins
Auge fafst und sowohl die Erzeugnisse der Architektur
und Plastik als auch die der Malerei und Kleinkunst
gleichmäfsig berücksichtigt. Da in diesem „Archive"
sämtliche Hefte von berufener Seite kritisch gewürdigt
worden sind, ist es nicht nötig, hier im einzelnen auf
die vielseitige Förderung hinzuweisen, die unsere Kennt-
nis der sächsischen Kunstgeschichte durch das Inven-
tarisationswerk erfahren hat. Doch sei wenigstens mit
ein paar Woi-ten daran erinnert, dafs Steches Arbeit
vielfacli niclit nur der Erforschung, sondern auch der Er-
haltung und Wiederherstellung sächsischer Kunstdenk-
mäler zu gute kam. Die Akten über das Museum des Alter-
tumsvereins lassen erkennen, wie jahrelang Steches Ansicht
für die Erweibung oder Aufnahme eines neuen Gegenstandes
malsgebend war, und noch häufiger dürften die Fälle
sein, wo ein Kirchengerät, eine Kanzel, ein Altar, Glocken
oder sonstige Denkmäler aus älterer Zeit rings im Lande
auf seine Berichterstattung hin oft gegen den Willen
der zunächst beteiligten Kreise vor der Vernichtung
oder Verschacherung bewahrt worden sind. Wie er
Richard Steche. 135
gleich beim Eintritt in den Altertums verein den Anstols
gab, dals das Grab Dehn - Rothfelsers in Leuben auf
Kosten des Vereins restauriert wurde, so hat er u. a.
noch im Jahre 1891 die Verhandlungen über die Herstellung
des Epitaphiums Hugo von Schönburgs in der Stadtkirche
zu Waidenburg eingeleitet und die Übertragung der Arbeit
an den Bildhauer Hasenohr durchgeführt. Ein hervor-
ragender Anteil gebührt ihm ferner an der Erneuerung
der Stadtkirche in Pirna, für die er die ersten Voran-
schläge und Skizzen entwarf-), und wie sehr er sich die
wohlgelungene Restauration der Dreikönigskirche in Dres-
den-Neustadt angelegen sein liefs, das hat sein Freund
und Seelsorger, Herr Pastor Dr. Sülze, noch an seinem
Sarge mit besonderem Danke hervorgehoben.
Die vielseitigen Kenntnisse Steches als Architekt
und Kunstforscher wurden aber nicht nur in seinem
engeren Vaterlande , sondern vielleicht noch in höherem
Grade aufserhalb Sachsens anerkannt. Er stand mit den
bedeutendsten Fachmännern in Deutschland in brieflichem
Verkehr und durfte sich ihres Einverständnisses mit seiner
Thätigkeit fortwährend versichert halten. Dieser allge-
meinen Wertschätzung verdankte er es, dafs er nach
Hettners Tode in den Verwaltungsausschufs des germani-
schen Museums gewählt wurde, nachdem er vorher jahre-
lang die Pflegerschaft des Museums für Dresden versehen
hatte.
Eine besondere Gunst genols Steche von Seiten
des herzoglichen Hauses Schleswig -Holstein. Seitdem
er das Epitaphium für den am 14. Januar 1880 ver-
storbenen Herzog Friedrich VIII. in der Stadtkirche zu
Wiesbaden und die Pläne für das Prinzenpalais und die
Kapelle in Primkenau entworfen hatte, wurde er nicht
nur von der verwitweten Herzogin Mutter, sondern auch
von den übrigen hohen Mitgliedern des Hauses, namentlich
auch von Seiten der Prinzessin Leopold von Preufsen,
durch zahlreiche Beweise des Wohlwollens und der Hoch-
achtung ausgezeichnet. Bei seinem Aufenthalt in Eng-
land im Frühjahr 1885 war er der Gast des Prinzen
Christian, der ihn auf seinem Landsitz zu Cumberland
Lodge bei sich aufnahm. Jedenfalls in Anerkennung
seiner dem Holsteinischen Hause geleisteten Dienste
2) Vergl. Reinhold Hofmann, Geschichte der Stadtkirche zu
Pirna (Pirna 189U) S. 93 94.
130 H. A. Lier:
Dienste erhielt er am ]7. Jaimai- 1882 das Ritterkreuz des
Herzoglich Sachsen -Eriiestinischen Hansordens, während
seine Leistungen für die sächsische Kunstgeschichte
im Jahre 1892 durch die Verleihung des Ritterkreuzes
1. Klasse vom Albrechtsorden anerkannt wurden. Zu
besonderer Freude gereichte es ihm, dafs er seine
letzte wissenschaftliche Arbeit, die Pläne für das könig-
liche Zeuühaus und ein Stallgebäude zu Berlin aus dem
Nachlals des Generals de Bodt (Berlin 1891, fol.), die
er in der Bibliothek des königlich sächsischen Ingenieur-
korps zu Dresden gefunden hatte, Sr. Majestät dem Kaiser
Wilhelm H. am 14. Januar 1891 in ))esonderer Audienz
überreichen durfte.
Leider war es Steche nicht beschieden, sein greises
Werk und die sonstigen wissenschaftlichen Pläne, die er
mit sich herum trug, zu Ende führen zu können. Sein
Körper war den schweren Anforderungen, die sein viel-
seitiger Beruf an ihn stellte, nicht gewachsen. Schon
im Jahre 1887 erkrankte er an einer gefährlichen Rippen-
fellentzündung, von der er sich jedoch, namentlich infolge
eines längeren Aufenthaltes in Oberhof in Thüringen,
wieder erholte. Er fühlte seitdem, dals sein Leben nicht
mehr von langer Dauer sein würde, und sprach es
Freunden gegenüber wiederholt aus, dals er die Voll-
endung des Inventarisationsw'erkes nicht erleben werde.
Zum teil mit aus Rücksicht auf seine Gesundheit siedelte
er zu Ostern 1889 von Dresden nach Niederlölsnitz bei
Kötzschenbroda über, wo er auf der mittleren Bergstralse
ein Gi-undstück erwarb, dafe er mit dem ihm eigenen
Geschick nach und nach in ein überaus trauliches Heim
umzugestalten wulste. Im Frühjahr vorigen Jahres fühlte
er sich so abgespannt und arbeitsunfähig, dals er noch
vor Vollendung des Sommersemesters um Urlaub ein-
kommen mulste. Er suchte in der Kaltwasserheilanstalt
zu Haizburg Genesung, kam aber im August nur müder
und kränker nach Hause. Bald darauf zeigte es sich,
dals er an Lungen- und Darmtuberkulose litt. Doch ver-
gingen noch volle fünf Monate, Itis er, langsam dahin-
siechend, am 3. Januar dieses Jahres in seiner Behausung
zu Niederlölsnitz starb.
Steche war, wie allseitig nach seinem Tode anerkannt
worden ist, eine überaus anregende Persönlichkeit. Seine
Thatkraft war erstaunlich, sein Fleiis und seine Hingabe
an seinen Beruf nicht gewöhnlich. Wer ihn näher kannte,
Richard Steche. 137
wulste, dals mit diesen Eigenschaften die weniger an-
ziehenden Seiten seines Wesens eng- zusammenhingen.
Stark ausgeprägter Ehrgeiz und hochgradige Nervosität,
die durch mancherlei bittere Lebenserfahrungen und Ent-
täuschungen erzeugt war, lielsen ihn ferner Stehenden oft
weniger liebenswürdig erscheinen , als er es in Wirklich-
keit war. So kam es, dals er manchen Gegner besals;
aber weit gröfser war doch die Zahl seiner Freunde, die
aufrichtige Trauer über sein Hinscheiden empfinden und
sein Andenken in Ehren halten werden. Vor allem ziemt
es dem Altertumsverein, die Erinnerung an seinen lang-
jährigen zweiten Direktor hoch zu halten, denn der Name
Steches wird für immer aufs engste mit seiner Geschichte
verbunden bleiben, da er jedenfalls als eines seiner ver-
dienstvollsten Mitglieder angesehen werden darf.
VI.
Kleinere Mitteilungen.
1. Der Marscliallstab des Kurfürsten August und
dessen Kleidung auf dem Reichstage zu Augsburg 1566.
Von M. \. Ehren thal.
Nur seine aulserordentliclie Einfachheit und Sclilicht-
heit lälst es erklärlich erscheinen, dafs ein historisch so
interessantes und wertvolles Stück fast der Vergessen-
heit anheim fallen konnte, wie der im königl. historischen
Museum zu Dresden befindliche iMarschallstab des Kur-
fürsten August von Sachsen, den dieser, nach einer Auf-
zeichnung im Inventar von 1606 „uff den Reichstagen
pflegte zu gebrauchen".
Von schwarz gebeiztem Eichenliolz gefertigt, ist der
Stab an beiden Enden mit silbernen vergoldeten Kappen,
in welche das Kurwappen eingraviert ist, versehen und
mifst 1,40 m.
Als Erzmarschall des Deutschen Reiches, welches
Amt die Herzöge von Sachsen schon zur Zeit des Sachsen-
spiegels führten und welches später auf Kursachsen über-
ging, lag es den sächsischen Kurfürsten ob, für Ordnung
auf den Reichstagen, insbesondere bei den Beratungen
zu sorgen und mag denniach der Marschallstab aulser als
Zeichen der Würde auch dem praktischen Zwecke ge-
dient haben, durch Aufstolsen auf den Boden aufmerksam
zu machen, wenn der Erzmarschall zur Ordnung das
Woit zu nehmen wünschte. Hieraus erklärt sich seine
auffallende Länge, während gewöhnliche Marschallstäbe
um diese Zeit nur zwischen 60 und 80 cm messen.
Der Stab ist gegenwärtig einem Harnisch des Kur-
fürsten August auf dem ersten Pferde des Turniersaales
beigegeben. —
Kleinere Mitteilungen. 139
Eine andere Stelle des obengenannten Inventares be-
schreibt die Kleidimg des Kurfürsten „anno 1566 uif dem
Eeiclistage zu Augsburg".
Es heilst da wörtlich:
,,Ein schwarzer sammeter rock mit lang ermelu , der schürz
unten herumb ausgeschnitten und mit güldenen Posamentborten ver-
brämet, darzwüschen güldene schnüre parweis aufgenehet und durch-
aus mit gelbseidenem Atlas gefuttert, daran Acht und zwanzig bar
güldene bünden,
Ein bahr hosen von güldenem Stück, kreuzweis mit schwartzen
Schleier durchhefft, zwischen dem schleier ausgehauene röfslein auf-
gehefft, davon ein bahr gellie seidene Strumpf,
Ein gelb seidenatlafser leib mit ermein von gleicher arbeit und
rosen behefft,
Ein schwarz sammeter huet mit güldenen bosamentborten,
darauf ein Federbusch von gelb: straufs: schwarz unl weiss: kleine
schwalbenfedern."
Einige Stücke dieses Kostümes werden in der Samm-
lung noch ganz oder teilweise bewahrt:
so die Hosen von güldenem Stück, einem noch
heute goldschimmernden, auf dem Posamentenstuhle ge-
fertigten seidenen Gewebe. Sie sind nach damaliger
Mode kurz und geschlitzt, mit einer sogenannten Scham-
kapsel von gleichem Stoffe versehen und mit gelber Seide
gefüttert; der „schwarze Schleier" und die „ausgehauenen
Eöslein", mit denen er aufgeheftet war, fehlen;
ferner der gelbseidene Atlasleib mit Ärmeln von
„gleicher Arbeit"; was jedenfalls auf den aufgehefteten
schleierartigen Stoff sich bezieht, der hier teihveise noch
vorhanden ist. Er ist, in einem in festem Maschengewebe
aufgelegten Muster, aus Seidenfäden geklöppelt und dürfte
eines der ältesten noch vorhandenen Erzeugnisse unserer
erzgebirgischen Spitzenindustrie sein. Der Atlasleib selbst
hat die Form einer kurzen bis zur Taille reichenden
Jacke und wird vorn durch elf Knöpfe zugeknöpft;
endlich der Hut, in der Form einem niedrigen
Cylinder ähnlich, mit schmaler, auf der einen Seite empor-
geschlagener Klumpe, an welcher jedenfalls der nicht
mehr vorhandene Federbusch mittelst Agraffe befestigt
war.
Die Stücke werden im Kleiderzimmer, im Schranke
am ersten Fensterpfeiler aufbewahrt.
AVer sich das Kostüm vergegenwärtigen will, be-
trachte ein Porträt des Kurfürsten August, ganze Figur,
von Hans Krell 1561 gemalt, welches sich gleichfalls im
historischen Museum, Abteilung Kunstkammer, befindet.
140 KlHiiu've Mitteilungni.
'i. Zur Geschichte der Tesiiitcnkomödie in Sachsen.
Von Georg' Müller.
Im Jahre 1660 hatte die Anffiilirung- einer deutschen
Schulkomödie an der Tliomasschule zu Leipzig einen hef-
tigen Streit zwisclien dem dortigen Konsistorium und
Rate veranlalst, derschlielslich vom Kurfürsten geschh'chtet
wurde (G. Wustmann in den Schriften des Vereins für
die Geschiclite Leipzigs. 2. Sammhing. Leipzig, 1878.
S. 82 — 92). Über diese Felide finden sich einige Ergän-
zungen in den Erlassen des Dresdner Oberkonsistoriums
(Loc. 2060. Consistorium Leipzig vom 3. December 1656
bis 14. Januar 1667). Hier sind mehrere Schreiben ver-
einigt, die den Gang der Verhandhingen in Dresden
zeigen, z. B. der Erlafs vom 1. Juni (Bl. 345), in welchem
das Oberkonsistorium das Leipziger Konsistorium zum
Bericht auffordert gegenüber der Beschwerde, die der
Leipziger Rat unter dem 2. Mai an den Kurfürsten ge-
richtet hatte. Wichtiger ist, dafs auch hier der Ober-
hofprediger D. Jakob Weller von Molsdoi-f, der in seiner
Zeit auch als Dichter angesehen war, sich persönlich in
scharfer Weise gegen die Aufführung der Jesuitenkomödie
aussprach, wie zwei Jahre später in dem ähnlichen
Dresdner Streite (vergl. in dieser Zeitschrift XII, 305).
Der ursprüngliche Entwurf des Erlasses vom 16. Juli
(Bl. 359, 372) wurde von Weller wesentlich verändert
und in die Fassung gebracht, von der AVustmann (S. 89)
eine Reihe von Pro1)en giebt. Wir erfahren auch des
Censors Bedenken (Bl. 363), die teils dogmatischer,
teils sittlicher Natur sind. Aus ihnen ergiebt sich, dafs
die Verfasser der Stücke italienische Jesuiten waren.
Der Name der einen Komödie war „Androphilus", die
andere war „Tobiä Freuden spiehl" überschrieben. Vom
Nachspiel Sylvia wurden S. 28 und 29 als nimis obscoenae
gebrandmarkt. Carlos Sommervogel in seinem Dictionnaire
des ouvrages anonymes et Pseudonymes publies par des
religieux de la compagnie de Jesus (Paris 1884) hat
keines dieser Stücke verzeichnet. Sollte das „Freuden-
spiel Tobiä" wohl das Stück „Von der Verschickung des
jungen Tobias" sein, das 11 Jahre später in Gegenwart
des Kurprinzen von Sachsen, Johann Georg IIL, in
Würzburg aufgeführt wurde ? ( Vei'gl. in dieser Zeitschrift
XII, 299, Anm. 5.)
Kleinere Mitteilungen. 14X
3. Zur Geschichte des Freiberger Gymuasiums im
18. Jahrlmndert.
Von Eduard Heydenreich.
Wenn wir von kleineren Arbeiten (vergl. mein Reper-
torium der Geschichte Ereibergs No. 202 if.) absehen,
welche zur Geschichte des altehrwürdigen Freiberger
Gymnasiums veröffentlicht worden sind, müssen vier Pro-
gramme, die diese Anstalt in unserem Jahrhundert hat
erscheinen lassen, genannt werden als solche, welche
eine ausführliche und gründliche wissenschaftliche Dar-
stellung einzelner Perioden des Schullebens bieten. Die
Zeit bis zum Ende des 17, Jahrhunderts behandelte
Süfs 1876 und 1877, die Jahre 1811 — 1842 Thümer
1887, und über Konrektor Moritz Döring schrieb B.
Richter 1884. Für das 18. Jahrhundert fehlt es bis
jetzt an einer eingehenderen Darstellung. Einzelne Nach-
richten bieten die Freiberger Gymnasialprogramme jener
Zeit, freilich nicht im Sinne unserer heutigen Schulnach-
richten. Über den Unterrichtsbetrieb, die gelesenen Schrift-
steller, die benutzten pädagogischen EQlfsmittel pflegen
jene Programme ebenso wenig etwas zu verraten, wie
über den Personalbestand von Lehrern und Schülern. Nur
am Schluls der in der Regel lateinisch geschriebenen Ab-
handlung über irgend einen wissenschaftlichen Gegenstand
erwähnte der Rektor, welcher ständiger Programmatar
war, die Namen der zur Universität abgehenden Schüler.
Dazu bieten bisweilen die Einleitungen zu den gelehrten
Abhandlungen eine Notiz über die Veranlassung, welche
das Schulleben dem Verfasser zur Wahl seines Stoffes
bot. Da die Programme am Anfang des 18. Jahr-
hunderts nur aus vier, später aus acht kleinen Quart-
seiten bestanden, so ist es verhältnismäfsig recht wenig,
was an Notizen für die Geschichte des Freiberger Gym-
nasiums aus ihnen zu gewinnen ist. Eine Ausnahme
machen einerseits die Programme des Rektor Sam.
Müller, welcher 1711—1747 der Schule vorstand und der
nicht nur 1715 über die milden Stiftungen des ihm unter-
stellten Gymnasiums^) handelte, sondern auch 1723 — 27
') Oratio soleunis qua tertio ineunte seculo gymuasinm in Her-
inuiiduris Freibergeiise, divina superiorum teinporuin beueficia repetit.
(Dresdner Köuigl. öffentl. Bibliothek Hist. Sax. H. 250, 46).
142 Kleinere Mitteilungen.
einzelne Teile rler Gymnasialbibliotliek beschrieb-), schon
damals einer der respektabelsten sächsischen Schulbiblio-
theken, — andererseits ein Teil der Programme Jo.
Gottlieb Bidermanns. Dieser hatte 1747 das Rek-
torat der Schule zu Naumburg mit dem der Freiberger
vertauscht und stellte in einer Reihe von Programmen
nach der alphabetischen Folge der Familiennamen die
Schüler zusammen, welche von aulserhalb Freibergs das
Gymnasium dieser Stadt besucht haben''). Diese Bider-
mannschen Schülerverzeichnisse sind jetzt höchst selten.
Dem Berichterstatter waren sie weder in Dresden noch
in Freiberg bekannt geworden. Er entdeckte sie mit noch
anderen, ebenfalls sehr seltenen Freiberger Programmen
des vorigen Jahrhunderts in einem Sammelbande der Schnee-
berger Gymnasialbibliothek.
Dieser Band, welcher gegenwärtig die Signatur „Ge-
schichte 381 f" trägt, gehörte früher zur Bibliothek des
alten Schneeberger Lyceums^), ist in einem Anbau der
St. Wolfgangskirche aufbewahrt gewesen und dadurch,
wie die alten Lyceumshandschriften'*), der Nachwelt ge-
rettet worden. Demjenigen, der sich einmal die lohnende
Aufgabe stellt in der AVeise von Flathe (Geschichte der
Fürstenschule zu St. Afra) , Rölsler (Geschichte der
Fürstenschule zu Grimma) oder Herzog (Geschichte des
Zwickauer Gymnasiums) eine zusammenhängende Ge-
schichte des Freiberger Gymnasiums zu schreiben, wird
diese Sammlung unentbehrlich sein. Ihr sind die folgen-
den Notizen entnommen.
") Hieme discussa . . . bibliotheca hoc ipso tempore rursus aperienda
1723 ff., teils typis Eliae Nicolai Kulifusii, teils litei'is Christoph.
Matthaei gedruckt. (Dresdner Köuigl. öftentl. Bibliothek Hist. Sax.
H. 33 m.)
") Memoria« discipulorum extraneorum in schola Freibergensi
versatorum praemittit M. Jo. (lottl. liidennaun R. 1752 ff.
*) Was das Freiberger Gymnasium für das untere Erzgebirge
war das Schneeberger Lyceum für das (tbere. Auch diese altehr-
würdige Lehranstalt hat eine lange Reihe von Programmen er-
scheinen lassen. Der Berichterstatter benutzt diese Gelegenheit, alle
Altertumsfreunde hierdurch um Nachricht zu bitten, wenn irgendwo
in Bibliotheken sich alte Schneeberger Prograname befinden sollten.
Bis jetzt sind die Bemühungen, die Lücken im alten Schneeberger
Programmenbestand, welcher der Bibliothek des Königl. Gymnasiums
daselbst einverleibt ist, zu ergänzen, noch nicht erfolgreich gewesen.
'') Vergi. über dieselben meine Mitteilungen in "der Festschrift
des Schneeberger Gymnasiums (1891) imd in dieser Zeitschrift oben
S. 91 ff.
Kleinere Mitteilungen. 143
Zum dreiliundertjälirigeii Gedächtnis der Einnahme
Konstantinopels schrieb M. Jo. Andr. Luther, welcher
seit 1730 Konrektor des Freiberger Gymnasiums war*^),
eine lateinische Abhandlung'), mit der er zur feierlichen
Entlassung von Gottfr. Sam. Frommelt aus Freiberg
aufforderte. Wie dieses, so sind auch die beiden anderen
Luther'schen Programme^) des Schneeberger Sammelbandes
litteris Matthaeanis gedruckt. Das eine derselben knüpft
an den 200 Jahre vorher geschlossenen Augsburger
Religionsfrieden an und bemerkt einleitungsweise : „Der
hochehrwürdige Vorstand unseres Kirchenwesens Christian
Friedrich Wilisch, Doktor der Theologie und höchst an-
gesehener Inspektor unseres Gymnasiums, hat sich nicht
damit begnügt alles, was zu grölserer Feierlichkeit des
Festes diente, in Stadt und Umgegend gut und weise
nach dem Willen der Oberkii'chenbehörde (ad voluntatem
senatus sanctioris) einzurichten und in einem gelehrten
Programme die Vorteile des Passauer Friedens für die
Schulen auseinanderzusetzen", sondern, so führt Luther
weiter aus, er hat ihn auch zu den im vorliegenden Pro-
gramm enthaltenen theologischen und philosophischen Be-
hauptungen, die in bunter Reihe aneinander gefügt und
von denen zwei näher begründet werden, veraulalst. Das
Titelblatt ladet zur Disputation darüber ein, in welcher
unter Vorsitz des Konrektor Luther Friedrich Gottlieb
Bidermanu aus Naumburg die aufgestellten Thesen gegen
Mor. Erdmann Engel aus Chemnitz, Christian Friedrich
Müller aus Berneck, Christian Theodor Küchenmeister
aus Dorf hayn und Karl Friedlich Hmdenburg aus Dresden
verteidigen soll. Als 1756 genannter ßidermann, „der
treffliche Sohn des trefflichen Vaters", von der Schule
abgehen und dabei in lateinischer Rede eüien Vergleich
zwischen den Schulen und der Erzbereitung halten sollte,
") Er war zuerst coUega quiutus am Freiberger Gymnasium.
Vergi. Grernhard, Gymnasii Fribergensis sacra saecularia tertia 1815
(Dresdner Königl. öffentl. Bibl. Hist. Sax. H. 243 m). In diesem Gem-
hardtscheu Programm finden sich über das Jahrhundert 1715—181.5
zusammengestellt: rectores, conrectores, collegae tertii, cantores et
collegae quarti, baccalaurei primi sive collegae quinti, bacealaurei
secundi sive collegae sexti, succentores des Freiberger Gymnasiums,
'j Memoria B. Jo. Christophori Richteri nunquam intermoritura
etc. Freibergae 1753.
*j Laus satura positionum aliquot miscellarum 1755. — De
aniniae humauae origine 1756.
»
144 Kleinere Mitteilungen.
sclirieb Koni'ektor Luther ein Programm über den Ur-
sprung" der Menschenseele.
Es folgen im Sclmeeberger Sammelbande 21 Pi-o-
gramme des Freiberger Rektor M. Jo. Gottl. Bider-
mann, teils „mit Matthäischen Schriften", teils bei
Sam. Friedr. Barthel gedruckt. Die über Bergmünzen,
über „die Ehre des Weilsen Adler-Ordens" und über ge-
lehrte Freiberger sind in deutscher , die übrigen in latei-
nischer Sprache geschrieben. Die Not des siebenjähri-
gen Krieges, von dem ja gerade auch die Freiberger
Gegend schwer zu leiden hatte^), ist in der 6. Abhand-
lung über ßergraünzen des Jahres 1759 angedeutet mit
den Worten: „Wie bey gegenwärtigen verwirrten Zeit-
läuften die Wünsche aller redlich gesinnten Patrioten in
dem Verlangen nach dem Frieden als in einem Mittel-
punkte zusammenkommen, so haben auch unsere Musen-
söhne diesen edlen Gegenstand zu ihrem Augenmerk er-
wählet. Und zwar werden sie dieses sehnliche Verlangen
aus sechs unterschiedenen Quellen herleiten, nemlich 1. der
gerechten Furcht vor dem Kriege, 2. dem empfindlichen
Schaden nach dem Kriege, 3. dem Wohlstande, 4. dem
Nutzen, 5. der Notwendigkeit und 6. der Annehmlichkeit
des Friedens." Auch aus dem Programm de Panda pacis
dea atmet noch ganz die Not des Krieges^") ; ein Schul-
aktus mit carminibus varii generis et sermonis, der im
Kaufhaus (in domo mercatoria, foro publico contigua)
stattfinden sollte, wurde in diesem Programm angekündigt.
Bidermami unternalim den sehr dankenswerten Versuch
die in Möllers Chronik und Wilischens Kirchenhistorie
von Freiberg unerwähnt gebliebenen berühmten „gelehrten
Freyberger" zusammenzustellen. Mit Recht rühmt er
"). Vergl. Heydenrcicli, Kriegsdrangsale von Freibergs länd-
licher Umgebung 187J).
'") De Panda pacis dea succincto commentatus 1763, litteris
.Sara. Fridr. Barthelii. pag. 1 : „Tandem aliquando, quod Dens felix,
faustuni et toitunatum esse iubeat, annus desideratissimus et dies
albis siguanda lapillis illuxit, qua pax et tranquillitas publica, tot
votis expetita et veluti sol exoptatissimus , gravissimis procellis
superatis, resurgit postquam
armoruni sonitum tote Germania caelo
audiit (Virg. Georg. I 473).
Das Programm schliefst unter Hinweis auf Virg. Aen. XI. 3.'ifi mit
den Versen :
0 aeterne pater repaiato pignore grato
baue pacem populis aeterno foedcre lange.
Kleinere Mitteilungen. 145
dabei"), „dals die Freybergische Schule seit der Refor-
mation ein gesegneter Pflanzgarten gewesen, darinnen
junge Leute zu allerley Ständen glücklich zubereitet
worden." Unter den von Bidermann behandelten Männern
verdient D. Joh. Gottlieb Naumann hervorgehoben
zu werden, zu Freiberg 1695 geboren und Schüler des
dortigen Gymnasiums. Er studierte in Halle und erwarb
daselbst die Doktorwürde. Dann begab er sich in seine
Vaterstadt, „wo er mit vielen Ruhm bis an sein Ende
practiciret, dabey war er Berg-Commissions-Rath , wie
auch Stadt -Amt -Land -Berghütten- und Saigerhütten-
Physicus." Er starb 61 Jahre alt, nachdem er auch
wiederholt litterarisch aufgetreten war^-).
Von besonderem Werte für die Geschichte des Frei-
berger Gymnasiums sind die von Bidermann in mehreren
Programmen gebotenen Verzeichnisse ehemaliger Schüler
dieser Lehranstalt. Das Schülerverzeichnis, welches 1875
gelegentlich der Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes
gedruckt wurde, reicht nur bis 1800 zurück. Die
Bidermannschen Zusammenstellungen sind also doppelt
willkommen. Der erste „liber in quo nomina eorum
consigiiantur qui disciplinae ac institutioni nostrae sese
committunt" versichert, dals die Schule über geringe
Zahl von Zöglingen sich nicht beschweren könne; der
Rektor Bidermann habe bereits 1752 mehr als 300
Schüler aufgenommen Hohes Lob verdiene der Frei-
berger Rektor Sam. Müller, welcher 1953 Schüler in
das Album der Anstalt eingetragen habe. Als aus-
wärtige Schüler behandelt Bidermann auch solche aus
der unmittelbaren Nähe der Stadt, wie aus Grofsschinna,
Tuttendorf, Konradsdorf, Hilbersdorf Unter den zahl-
reichen meifsnischen Ortschaften, avo die Freiberger Schüler
geboren waren, hatten Grimma, Meilsen, Schneeberg,
Zittau und Zwickau selber humanistische Lehranstalten.
Zahlreich waren auch Schüler, deren Wiege fern von
Sachsen lag. Aus allen Gauen Deutschlands, auch aus
Böhmen kamen die Schüler auf das Freiberger Gymnasium.
Es ist von Interesse, den Verlauf eines öffentlichen
") Die Erste Nachlese von gelehrten Freybergern 1756, S. 1.
J*") Aufser seiner Dissertation de praeservandis metallicolaruni
morhis hat er zum Druck befördert: De fluxu et refluxu sanguinis
microcosmico Drefsden 1728. — Medicinisclier Entwurf von dem bey
Purschenstein erfundenen Gesundbrunnen 1733. — Nützliche Ijehi-e
von der articulation des menschlichen Körpers 1745.
JSeues Archiv f. 8. G. u. A. XIV. 1. 2. lU
146 Kleinere Mitteilungen.
Valediktionsaktns unter Rektor Bidermanii kennen zu
leinen. In der „Vierten Abhandlung von Berg-Müntzen",
die 1754 erschien und mit der Abbildung einer dem kur-
prinzlichen Münzkabinette angehörigen Bergmünze des
Jahres 17j34 geziert ist, wird angekündigt, dais zunächst
Fiiedr. Gottlieb Bidermann aus Naumburg in einem
lateinischen heroischen Gedichte ehies Kegenten Vorsorge
vor das gemeine Beste rühmen und diejenigen Worte zu
Grunde legen whd, welche auf einer Münze des römi-
schen Kaisers Augustus zu lesen sind: Respublica amplior
et tranquillior. Dann sollte Frdr. Lbr. Klingsohr aus
Freiberg in französischer Sprache die Geduld und Be-
ständigkeit als eines Regenten besondere Zierde zeigen
und die Münze des Herzogs von Sachsen -Lauenburg
Augusti zum Augenmerk nehmen , worauf diese Worte
zu lesen: Dura pati virtus 1620. Sodann sollte Joh.
Friedr. Pistorius aus Freiberg in einer lateinischen Rede
das einem Regenten so nötige Vertrauen auf Gott nach
Malsgebung derjenigen Münze angreifen, welche der Kur-
fürst von Sachsen Augustus schlagen liels, worauf ein
Schiff unter Gottes Aufsicht mit diesen Worten : te guber-
nante ; ferner sollte Ernst Gottlieb Richter aus Ober-
schöna in deutschen reimlosen Versen die Klugheit als
eine unentbehrliche Tugend eines guten Regenten dar-
legen nach Anleitung der Münze des braunschweigischen
Herzogs Augusti vom Jahre 1643, worauf die AVorte zu
lesen: Alles mit Bedacht! Weiter solle Friedr. Sam.
Fritsche aus Freiberg in einer deutschen Rede die Ge-
rechtigkeit an einem Regenten loben, und zwar nach Ge-
legenheit der Münze, welche dem vorigen Könige von
Polen Augusto II.. im Jahre 1699 geschlagen worden,
worauf die Sonne, welche die Finsternis vertreibt, und
diese Worte : illustrat et arcet. Nächst diesen sollte
Joh. Friedr. Kämnitz aus Biberstein in lateinischer Sprache
eines rühmlichen Regenten Fleils und Emsigkeit und zwar
nach dem Leitfaden derjenigen Münze bewundern, welche
1697 dem Könige Augusto II. .nach vollbrachter Königs-
wahl geprägt wurde, mit der Überschrift: Nee me labor
ille gravabit. Und endlich sollte Friedr. Gottlieb Wiese-
mann aus Freiberg in einer deutschen Rede denjenigen
Wunsch auf unseren Landesvater anwenden , welcher
dem Herzog zu Sachsen und Administrator zu Magdeburg
Augusto im Jahre 167S auf einer Münze mit diesen
Worten gebracht wurde ; Augeat Augustes Augusto
Kleinere Mitteilungea 147
Altissimus Aiinos. Diese geschickte Verwendung- von
Augustusmünzen ist originell. Heutzutage wird schw'er-
licli irgendwo bei Valediktionsreden eine so umfängliche
Anwendung der Numismatik vorkommen.
Den Schluls des Schneeberger Sammelbandes bilden
acht Programme des Rektor Friedrich August Hecht,
welcher der Freiberger Schule seit 1795 vorstand. Alle
acht sind in der G-erlach'schen Druckerei hergestellt.
Die vom Jahre 1798 und 1799 handeln über die damaligen
Hindernisse des Schulwesens (de impedimentis rei scho-
lasticae hodie objectis), die übrigen vergleichen das engli-
sche und deutsche Schulwesen. Diese Programme wurden
auch dann gedruckt, wenn, wie 1799, nur ein einziger
Schüler (im genannten Jahre war es Georgius Guilelmus
Kuhnius aus Freiberg) abging. So endet das letzterhaltene
Programm des Schneeberger Sammelbandes mit dem
Wunsch: „Wir bitten inständig, dals Inspektoren, Pa-
trone und Gönner der Schule zahlreich zusammenkommen
mögen, um diesen Jüngling zu hören."
4. Eine Rast des Königs Friedrich August I. von
Sjichsen l)ei seiner Übertuhrung von Leipzig nach
Berlin im Oktober 1813.
Von Reinliold Schmidt.
Auf der traurigen Reise, welche Friedrich August I.
nach der Schlacht bei Leipzig als Gefangener der Alliirten
von Leipzig nach Berlin machen mulste, fand er in dem
damals noch sächsischen Städtchen Zörbig zu kurzer
Rast Aufnahme in dem Hause eines Privatmannes, des
Tabaksfabrikanten Chr, G. Jäger (f 1830). Eine im
Besitze des Verfassers befindliche handschriftliche, von
dem Barbier G. D. W. Frost (geb. 1780, f 1853) geführte
Chronik Zörbigs berichtet über das noch jetzt in der
Bewohnerschaft überlieferungsweise bekannte Ereignis
wörtlich (in einer längeren Einquartierungsliste zum Jahre
1813): „Den 23. Octbr. um 10. Uhr früh Sr. Magestätten
der König, die Königin und Prinzelsin Augusta von
Sachsen, fiele Minister und Generale und hof bedienten,
der Fürst Gallicin als Efskorte nebst 100 Mann Kosacken,
weil die Herschaften Gefangene wahren. Der König von
Sachsen mit den ganzen Gefolge nahmen in der Tabaks-
10*
148 Kleinere Mitteilung^en.
fabrik bey lierr Jägern Quartier und ein Frühstiick. Die
hiesige Schützen Kompanie machten Parade und stunden
Wache für den König seine Zimmer. Um 1 Uhr Mittags
reisten die Herschaften wieder fort unter Glockengeleite
über Aken nach Berlin." — Eine andere handschriftliche
Clironik (Jägersche Familienchronik, geführt von Jägers
Hauslehrer Fr. Matthisson, einem Vetter des gleichnamigen
Dichters, im Besitze der Jägerschen Nachkommen) führt
aulser den schon Genannten im Gefolge Friedrich Augusts
noch auf: den russischen Minister von Amstätten, den
sächsischen Minister von Einsiedel, Gen.-Lieut. von Zeschau,
Gen.-Adjut. von Böse, Hofmarschall von Vitzthum, Beicht-
vater P. Schneider u. s. w., im Ganzen etwa 70 Per-
sonen. — Eine erst am 18. August 1892 gestorljene Tochter
Jägers, Frau Mathilde Rudolphi geb. Jäger in Halle a. d.S.
(geb. 1802), wuIste sich des königlichen Besuches recht
gut zu erinnern, jedoch keiner weiteren Einzelheiten, als
dafs die Königin viel geweint habe und dals die be-
gleitenden Kosacken sehr schmutzig gewesen seien. Der
König hat übrigens die Gastfreundschaft Jägers jederzeit,
auch nach dem 1815 erfolgten Anfall Zörbigs an Preulsen,
in dankbarer Erinnerung behalten und z. B. einem Sohne
Jägers Aufnahme in eine sächsische Erziehungsanstalt
gewährt. Die Jägersche Tabaksfabrik, der „Dorotheen-
hof", ist zwar 1824 eingegangen, ihre Gebäude stehen
aber noch jetzt (heutiger Besitzer W. Pfeffer) und nament-
lich war der Saal des für damalige Zeiten sehr statt-
lichen und vornehmen Wohnhauses, welcher zur Bewirtung
des Königs diente, noch bis 1885 ganz in dem Zustande,
wie 1813; seitdem ist er in Stube und Kammer geteilt.
Litteratiir.
Brief>vechsel Landgraf Philipps des fTfrossmüthigen von Hessen
mit Bncer. Herausgegeben imd erläutert von 5lax Lenz. T. I
bis III. (A. u. d. T T Publicationen aus den Königl. Preufsischen
Staatsarchiven Bd. V, XXVIII und XL VII.) Leipzig, S. Hirzel.
1880. 1887. 1891. VIII, 542 SS. X, 506 SS. 1 BI. 638 SS. 8*».
Mit dem Erscheinen des III. Bandes des Briefwechsels Philipps
von Hessen mit Bucer ist eine Quellenpublikation zu Ende geführt,
wie wir eine ähnliche für das eigentliche Reform ationszeitalter nicht
wieder besitzen. Vom Marburger Eeligionsgespräch bis zum Aus-
gange des Schmalkaldischen Krieges reichen die Aktenstücke, die
uns hier neu oder docli wenigstens in einer vollständigeren und besseren
Ausgabe vorliegen : ein reiches Material für eine Geschichte der
protestantischen Politik in den Jahren 1539 bis 1547. Kaum eine der
wichtigeren Fragen der Zeitgeschichte ist in diesem Briefwechsel
unberührt gelassen: die politische Geschichte sowohl wie der innere
Entwicklungsgang des Protestantismus erhalten neue Beleuchtung.
Es kann an dieser Stelle nicht unsere Aufgabe sein, auf die einzelnen
Phasen der häutig unklaren und wenig zielbewufsten hessischen Po-
litik einzugehen, wir müssen uns beschränken das wichtige Neue
hervorzuheben, was der Briefwechsel speziell für die Sächsische Ge-
schichte bringt.
Derselbe erstreckt sich, Avie schon erwähnt, über die Jahre
1529 bis 1547. Doch finden wir bis zum Jahre 15.39 nur vereinzelte
Aktenstücke, erst von da an gewinnt die Publikation einen gröfseren
Zusammenhang. V^on den Aktenstücken der beiden ersten Bände ist
ein Teil bereits verarbeitet oder doch wenigstens benutzt. Referent
gedenkt hier nur der Arbeiten eines Varrentrapp, Bruns, Moses, K^annen-
giefser u. a. Gleich die ersten Briefe fahren uns zu den Vorbereitungen
für das Marburger Religionsgespräch, zu dem ohne Vorwisseu Kur-
sachsens und seiner Reformatoren der Landgraf die Schweizer heran-
zieht. Die Aktenstücke der nächsten 9 Jahre betreffen den Abendmahl-
streit und die Reformation in Württemberg. Auch das Leipziger Reli-
gionsgespräch, der letzte Versuch Herzog Georgs seinem Lebenswerke
wenigstens in den wichtigsten Punkten Bestand zu sichern, ist mit
einem wertvollen Berichte Bucers bedacht, in dem die Äusserungen
über seine katholischen Gegner "Wicel und Cochlaeus von besonderem
Interesse sind. \ov allem bemerkenswert erscheint die Stellung
Georgs von Carlowitz zu den religiösen Streitpunkten. Leider er-
fahren wir über die Korrespondenz Bucers mit Philipp und Carlo-
witz vor und nach dem Gespräche' so gut wie nichts. Gegen das
Ende der dreifsiger Jahre sind es die Bemühungen der Protestanten
150 Litteratur.
um ein Einvernehiueu mit dem Anslixiide uml den katholisrhen Fürsten
Deutschlands, die Digamie und die daraus heivort^ehenden Verhand-
lungen rhi!ii)i»s mit ilem Kaiser hez. (iranveHe zu Worms und
Regenshurg, die das Hauptinteresse in Anspruch nelimen Das Bündnis
mit' dem Auslände zerstörten religiöse Bedenken, den deutscheu
Fürstenbund gegen den Kaiser verhinderte der geheimnisvolle , ge-
rade die rrotestanten so sehr beherrschende Nimbus der Kaiservvürde
als der höchsten, von Uott eingesetzten Obrigkeit, der Quelle des
Rechts. Weniger mit seiner reellen Machtstellung hat Karl A'. sich
der Protestanten seit dem Augsburger l^eichstage erwehrt, als mit
dem blofsem Klange des Kaisernamens, und gerade im Schmalkaldi-
schen Kriege hat das Bewufstsein gegen die rechtmälsige Obrigkeit
zu kämpfen den protestantischen Führern mehr Schaden gebracht als
die Hausmacht des Kaisers.
Nur mit wenigen Andeutungen ist der Streit Hessens mit Herzog-
Heinrich von Sachsen um das Erbe Herzog Georgs bedacht, die erst
die Verträge vom 11. Januar und ib. Oktober 1541 beendet haben.
Was die Digamie betrifft, so hat Lenz die erste aktenmäfsige
Darstellung gegeben. Sie ist der Grund der Trennung Hessens von
einer rein protestantischen Politik, der Grund zu einem Bündnisse
Pliililips mit dem Kaiser, dem die Verhandlungen mit Granvelle
in Worms und Regensburg vorangehen. Auch das Geheimgespräch
zu Worms hat dirrch Lenz die erste beglaubigte Darstellung erhalten.
Das Benehmen Philipps in der Frage der Digamie ward vom Dresdner
Hofe nicht ohne Grund als Beleidigung des Hauses Sachsen angesehen.
Herzog Heinrich liefs die Frau von der Saale verhaften und zum
Verhör nach Dresden bringen; nicht minder empört zeigte sich Elisa-
beth von Rochlitz über das Benehmen Philipps. Die geplante Ehe
Herzog Moritzens mit einer Tochter des Landgrafen ward dadurch
in Frage gestellt; doch gelang es Philipp den jungen Fürsten auf
seine Seite zu ziehen: Moritz ver.sprach seinem zukünftigen Schwieger-
vater für Frau von der Saale in Dresden einzutreten. Leider sind
der darauf bezüglichen Aktenstücke nur sehr wenige, was um so
mehr zu bedauern ist, als gerade für die Jahre 1537 bis 1540 die
Geschichte Herzog Moritzens der Aufklärung noch sehr beda)-f. So
ei'fahren wir auch nicht, wo, wodurcii und wann es Philipp gelungen,
den jungen Fürsten, um den ei' sich bis 1589 so gut Avie gar nicht
gekiimmert, zu gewinnen. Schon 1538 hatten Katharina und Elisa-
beth über eine Heirat Moritzens mit einer Tochter des Landgrafen
mit eiiiindei- verhandelt. Der Streit um das Erbe Geoigs drohte
alle Bemühungen Elisabeths zu vereiteln. Mifsvergnügt schieden
15B9 Katharina und Philipp in Kassel von einander. Der Kurfürst
riet ganz offen, Moritz mit einer dänischen Prinzessin zu ver-
mählen. Erst zu Salza gelang es Feige und Schönberg, einen Be-
such .^loritzens in Hessen zu vermitteln. Hier wufste Philipp den
jungen Herzog für eine Heirat mit Agnes zu gewinnen. Moritz
kehrte als eifriger Freund des Landgrafen heim und drohte allen
Widersachern desselben „auf das maul zu kloppen." Die Beharr-
lichkeit, mit der der Landgraf die; Erbforderung seiner Gemahlin
vertrat, vergiiifserte namentlich in Katharina die Abneigung gegen
die geplaute Heirat. Erst durch die Sendung Schönfelds im Herbste
1540 gelang es dem Landgrafen, Moritzen endgiltig für die Heirat
und zugleich zur Anerkennung der Erbansprüche Christines zu ge-
winnen. Moritz versprach, kurz nach Weihnachten nach Marburg
zu kommen.
Litteratnr. 151
Sehr luerkwürdio- ist in den Jahren 1540 und 1541 die Stellung
der beiden Carlowitze; wir sehen sie in Unterhandlungen mit katho-
lischen und protestantischen Fürsten, ohne recht zu wissen, wohinaus
ihre Bemühungen laufen.
Die Aktenstücke über den Regensburger Reichstag beginnen
mit Briefen über die Werbungen Frankreichs an die deutschen Pro-
testanten , die gegen den Willen Kursachsens im wesentlichen an
Hessens Widerstände scheiterten. Referent hat hier ein Eingeli-en
auf die Correspondenz Philipps mit dem Kurfürsten, die sich an die
Sendung des Matthias von Wallenrod 1540 nach Frankreich an-
schliefst, vennifst. Auch für die Ereignisse der nächsten Jahre:
die Wurzener Fehde, die Eroberung Braunschweigs, den Jülichschen
Krieg, die Kölner Reformation und die Kämpfe mit dem Schmal-
kaldischen Bunde wird neues wertvolles Material mitgeteilt. Nur
bringt der Briefwechsel hier meist Aktenstücke, die speziell die
hessische Politik betreffen. Für Kursachsen und Moritzens Stellung
zu den Ereignissen wird in den Briefen selbst weniger gegeben.
Von besonderer Wichtigkeit sind die Exkurse über den Streit Luthers
mit den Schweizern, über Moritz und über Kursachsens Stellung
zu den Reformationseiitwürfen. Bemerkenswert für die Glaubwürdig-
keit des Sleidanschen Geschichtswerks sind die wiederholten Bemüh-
ungen Philipps demselben authentisches Matei'ial für seine Reforma-
tionsgeschichte zu verschaffen.
Hatten schon die beiden ersten Bände nicht durchweg Briefe
Bucers enthalten, so bringt der dritte eine Reihe von Aktenstücken,
die von 1541 bis 1546 reichend die Hauptereiguisse der Zeit weiter
erläutern. Fast ein Drittel derselben gehört dem Reichstage zu
Regensburg 1541 an. Vorausgeschickt sind Depeschen Gereon Sailers
an den Landgrafen über seine Verhandlungen mit Eck und Granvelle.
Dann folgt ein Protokoll Aitingers über die Beratungen der Schmal-
kaldischen Bundesstände während des Reichstags. Leider ist Aitinger
gerade in der wichtigsten Periode, in der Zeit des Gesprächs erkrankt,
so dafs vom 9. Mai bis zum 9. Juni eine grofse Lücke im Protokolle
sich befindet, was um so mehr zu beklagen ist , da sowohl die kur-
sächsischen Gesandten, wie die Gesandten Herzog Heinrichs ein
Sitzungsprotokoll nicht geführt haben. Einen nur geringen Ersatz
für das Verlorene bietet das Protokoll der Aussagen der Theologen
vor den Ständen am 8. Mai. Wichtiger wäre ein solches über die
Konferenz derselben am 7. Mai gewesen, über die wir nur von ka-
tholischer Seite etwas Näheres hören. Mit den Beratungen über den
Reformationsentwurf des Brandenburger Kurfürsten setzt das Protokoll
wieder ein, das hier, wohl um Raum zu sparen, nur auszugsweise
gegeben wird. Referent hatte an anderer Stelle darauf hingewiesen,
dafs in all den folgenden Verhandlungen sich Stimmen im Bundes-
rate erhoben , die eine Einigung unter Preisgabe einiger streitiger
Punkte befürworteten, und dafs diese Bestrebungen durch das ent-
schiedene Auftreten Kursachsens unschädlich gemacht wurden. Auf
Aitingers Protokoll sich stützend, lengnet Lenz das Vorhandensein
dieser uiiionistischen Elemente. Nun beseitigt aber das Fehlen in
dem recht flüchtigen Protokoll Aitingers keineswegs die dafür vor-
handenen positiven Zeugnisse vorzüglich Unterrichteter, und dafs auch
einsichtige hessische Staatsmänner wie Sailer und Feige diese Elemente,
deren vornehmster Beweggrund die Furcht, vor dem Kaiser war,
wohl kannten, zeigen ihre g-elegentlichen Äusserungen S. 130, 132
und 145. Leider sind uns die wichtigen Verhandlungen der letzten
152 Litteratur.
.lunitay-c ebenfalls mir im Exzerpte i>'egeI)CMi, da die Kiitzifteniiig der
Schrifc Aitiiiyers grofse Schwierigkeiten verursacht haben würde.
Mit dem, was wir so oi'halten haben, läfst sich freilich auch nicht
viel anfangen. Erst mit dem 11. Juli, wo die unionistischcn p]lemente
eiulffiltii^- zurückgedrängt waren, erhalten wii' wieder ein ausführ-
liches Protokoll. Ein ungemein verdienstliches Unternehmen war die
Herausgabe des lange ersehnten Originalentwurfs zum Regensburger
Ruche. Denselben aufgefunden zu haben ist Lenzens A'enÜenst. Die
Verausgabe beschränkt sich darauf, die Abweichungen des JJuchs
vom Entwürfe wied^rztigeben, und sind für dasselbe die Ausgaben
im Corpus Reformatorum und bei Hergang zu Grunde gelegt. Nur
der 5. viel umstrittene Artikel ist vollständig abgedruckt. Freilich
ist jetzt nachgewiesen, dafs nicht dieser, sondern ein neuer, von den
kattiolischen Collocutoreu gestellter Artikel dem verglichenen zu
Grunde gelegen hat. Die Abweichungen des Buchs vom Entwürfe
dürften doppelter Art sein: solche, die von der Hand der CoUocu-
toren herrühren, und solche, die durch die Nachlässigkeit der Ab-
sclii-eiber entstanden sind. Dem Buche folgt eine Reihe von Ver-
handlungen Philipps mit dem Kaiser und der Regensbargjär Vertrag
vom 13. Juni ir>41. Der letztere war bisher nur aus einem bei
Rominel abgedruckten ungenauen Excerpte zugänglich. Einige schad-
hafte Stellen dos Originals sind von Lenz glücklich ergänzt, nur
S. 9K ist zu lesen: „und wollen auch daran sein und verfuegen."
Für die Geschichte Sachsens hat der Vertrag die verhängnisvolle
Bedeutung, dafs durch ihn Herzog Moritz dem protestantischen Interesse
entfremdet und an die kaiserliche Politik gefesselt ward. Die fol-
genden Aktenstücke enthalten die Instruktion des Landgrafen lür
seine zurückbleibenden Gesandten und deien Bericdite über den
Jleichstag. Von besonderem Interesse für uns sind die Berichte Feiges
und Aitingers vom 5. und IL Juli. Der Erstere liefert uns einen
interessanten Beitrag über die Thätigkeit Chiistofs von Carlowitz
auf dem Heicbstage, durch Aitinger erhalten wir zum ersten Male
genauere Kunde von den Vorgängen im Füistenrale in den ersten
.lulitagen. Bisher wufsten wir aus den Berichten der kursächsischen
Gesandten nur von einer Schmähschrift Wilhelms von Bayern, die,
wie auch aus Aitinger heivorgebt, identisch ist mit der Corp. Ref.
IV, 450 ff', abgedruckten, die Lenz wohl ül)ersehen hat. Sie ist das
am 1. Juli dem Fürstenrate vorgelegte Schiiftstück. Aus Aitingers
Berichte erfahien wir nun, dafs da.sselbe abgelehnt wurde und Herzcg
Wilhelm sich entschliefsen mufste, einen neuen schriftlichen Entwurf
einer Antwoit an den Kaiser aufzustellen, der alsdaiui im Fürsten-
rate durchdrang. Als diesen zweiten Entwurl' könnte man vielleicht
das bei Pastor abgedruckte Aktenstück, das Referent keineswegs
übersehen hat, annehmen; nach Ansicht des Kefeienten ist es ein
Älemorial eines bayi'ischen Staatsmannes uder Theologen für Herzog
\yillielm, dessen .sichere Datierung bis jetzt unmöglich erscheint.
Über die Verhandlunuen, die den Rezefs betreffen, geben uns die
Briefe vom 29. Juli und IL August erwünschte Ausknnft. Sehr zu
beklagen ist, dafs wir über die Thätigkeit Morelets in Regensburg
und die Sendung Georgs von der Planitz nach Frankreich so gut
wie nichts erfahren. Nur eine kuize Relation scheint sich von der
letzteren erhalten zu haben; die Dejjeschen, deren Übergabe die Cleve-
schen Gesandten zu vermitteln hatten, dürften aufgefangen worden sein.
Den Akten aus der Zeit des Reichstages folgen die Schiift-
stücke, die den bisher wenig beachteten Naumburger Fürsteutag be-
Litteratur. 153
treffen. An sie reihen sich die Berichte Sailers üher seine Verhand-
lungen mit Eck. Sechs Jahre lang ziehen sie sich hin, Kiirsachsen
zeigt sich zn einem Bündnisse mit Bayern bereit, ln43 scheint es
einen Augenblick, als oh der von Eck gegen die Habsburger geplante
Fürstenbund zu Stande kommen würde. Nach Philipps Weigerung
fällt Eck in seine alte Rolle, die Protestanten und den Kaiser gegen
einander zu hetzen, zurück, die er auch nach dem Bündnisse Bayerns
mit dem Kaiser noch fortsetzt. Den Schlufs der Publikation bildet
ein Exkuis über den Augsburger Stadtschreiber Georg Frölich und
seine Beziehungen zu Philipp. Lenz sucht zu erweisen, dafs Frölich
der Verfasser der in Menckes Scriptores III abgedruckten Schrift
vom Schmalkaldischen Kriege ist, im Gegensätze zu Voigt, der sich
für Nicolaus Meier, und von Druffel, der sich für Gabriel Arnold
entschied.
Beigefügt sind dem III. Bande ein Litteraturverzeichnis und eine
sehr sorgfältige Zusammenstellung der abgedruckten Aktenstücke, so-
wie ein Namen- und Sachregister.
An kleineren Versehen sind dem Referenten im III. Bande fol-
gende anfgestofsen : S. 127 wird dasselbe Aktenstück unter dem
16. Juli wie^lerholt, dessen Inhalt bereits unter dem U. Juli (S. 124)
angegeben ist. S. 144 Zeile 1 nmfs es statt erliche etliche heifsen,
S. 292 Zeile 2 tleifsigst geda(h)t für dreifsigst gebat. S. 30 ist in der
Antwort der kursächsischen Räte richtig gelesen, auch hat Aitinger
keine Worte ausgelassen. Die Antwort der Räte enthält im ersten
Absätze immer den Gegenstand der Debatte und ihre Autwort darauf,
so dafs hinter .anzuregen" ein Kolon, hinter dem ersten „darinnen"
ein Punkt, hinter „angetast" und „absolute steen lassen" je ein
Kolon zu setzen sind.
Dresden. Paul Vetter.
Die Scblacht bei Breiteufeld. Von Dr. Walter Opitz. Leipzig
A. Deichert. 1892. 116 SS. 8" und 2 Pläne.
Die Max Lenz gewidmete und wahrscheinlich auf Anregung
des genannten Berlinei- Historikers entstandene Schrift zerfällt in
einen kritischen und einen erzählenden Teil. Der erstere enthält
die Angabe der Quellen 1. zu den politischen Ereignissen im Sommer
1631 (die (Quellen dafür bilden meist ungediuc.kte Akten aus dem
Dresdener und dem Weimarschen Archive), 2. zu den Schlacht-
ereignissen. Der Verfasser teilt die Quellen für letztere wieder in
Briefe, Fingschriften, Kriegsakten und ordnet sie nach ihrem Ur-
sprünge von schwedischer, sächsischer und kaiserlich -ligistischer
Seite. Die Vergleichung und kritische Sichtung der Berichte ist
von 0. mit grofsem Scharfsinne durchgeführt worden. An verschie-
denen Stellen tritt er der in dieser Zeitschrift von G. Droysen ver-
öffentlichten Zusammenstellung d^r Berichte über die Schlacht ent-
gegen. Referent will kein Urteil über diese Polemik abgeben, hätte
aber doch gewünscht, dafs der Verfasser der Verdienste Droysens
um diese Sammlung mit einem anei'kennenden Worte gerecht ge-
worden wäre. Die vornehmlich in der Berliner und der sehr reich-
haltigen Dresdener Bil)liothek befindlichen Flugschriften teilt 0. nach
ihrer Beurteilung und Schilderung der Schlacht in drei Hauptrich-
tungen, die auf Horns, Burckersdorfs und des Kurfürsten Johann
Georg Berichte zurückzuführen sind. In eingehender und fesselnder
Weise wird gezeigt, wie schwankend und sich widersprechend schon
1 54 Litteratur.
bald mich der .Schlacht das Verhalten der Sachsen im Kampfe dar-
gestellt wordeu ist. Gustav Adolf läfet in einem drei Tage nach der
Schlacht verfafsten Briefe Arnims Anteil an der Entscheidung ein-
fach weg und „verschiebt dadurch das Gesamtbild". Der Kurfürst
selbst, der übrigens sclion am IS. September von der ., Schlacht liei
Breitenfeld" spricht, und einige von sächsischer Seite stammende
Flugschriften suchen die Flucht der sächsischen Regimenter rasch
zn vertuschen; .es werde viel schlimnier gemacht, als es sei". Von
den zalilreich vorhandenen gleiclizeitigcn Bildern über die Schlacht
bespricht der Verfasser nu)' den Ivupferstich von Hewer ausführlicher.
Der zweite, darstellende Teil der Schrift l)eschäftigt sich zuerst
mit Tillys Einfall in Sachsen. 0. hebt die militäiischen Beweg-
gründe, welche den kaiserlichen Feldherrn dazu veranlafsten, schärfer
hervor, betont Arnims EinÜuls auf den Entschlufs Johann Georgs,
sich mit den Schweden zu verbünden, und weist aus einem Akten-
stücke des Dresdener Archivs nach, dafs die Berufimg des Frank-
furter Kompositionstages den Kurfürsten nicht bis zum letzten
Augenblicke von der Entscheidung abgehalten haben könne. Als
Hauptvei anlassung zur Schlacht sieht der Verfasser Tillys Kriegs-
plan (Verbindung' mit der kaiserlichen Armee in Schlesien durch Er-
oberung eines Elbpasse.s) xmd die Notwendigkeit an, das für diesen
Blau in der Annälierung des schwedisch-sächsischen Heeres bestehende
Flindernis aus dem Wege zu räumen. Sehr anschaulich scliildert 0.
nach eigner Untersuchung das Schlachtfeld. In der Berechnung der
Truppenzahl fällt die Angabe auf, dafs die Zahl der schwedischen
Ofliziere 3280, fast soviel wie die Zahl der Pikeniere (3440) betragen
haben soll. Die Beschreibung der eigentlichen Schlacht ist der
schwächste Teil der Arbeit, und man darf wohl behaupten, dafs noch
eine zweitt; Untersuchung angestellt werden mufs, bevor wir zur
vollen Khuheit über den wirkiicluin Schlachtverlauf kommen werden.
Es ist gewifs nicht Schuld des \'erfassers, der sich redlich bemüht
hat, ein reiches Quellenmaterial zusammenzutragen, dafs das Ergebnis
seiner Forschung in Bezug auf diesen Punkt nicht ausreicht. Im
einzelnen führt Referent zu diesem Kapitel folgendes an:
Die Schilderung der Infanterieaufstellung Tillys auf S. 92 ist
undeutlich und schwer verständlich. Die von O. bekämpfte Ansicht
Rüstows über die Dreitreffenstellung der Tillyschen Infanterie-
bataillone auf Grund der spanischen Brigadeformation wird (S. 100)
durch Horns Ausdruck von ,,vier yrofsen spanischen Bataillons" ge-
stützt. S. 93 schreibt 0.: Man wird kaum annehmen können, dafs
dif se Truppen in mehreren Treffen aufgestellt wai'cn. \\'elche Trupi)en
sind damit gemeint? Doch nur die des linken kaiserlichen Flügels;
das massierte Centrnm mufs in Linien hintereinander gestanden
haben. Die Angabe auf S 94, Johann Willudm von Altenbnrg und
Mindauf hätten den Regimentern Cronberg und Schönburg gegenüber-
gestanden, stimmt nicht mit der Einzeichnung auf Jvarte I überein.
Nach der folgenden Seite ist Tillys Schlachtreihe kürzer, als die der
Verbündeten, aber wie diese („ebenfalls") etwas über eine halbe
Meile lang gewesen. Die ebenda stehende Behauptung, Tillys Linie
müsse kürzer, als die schwedisch -sächsische gewesen sein, weil
Pappenheim bei seinem Angriffe auf den schwedischen rechten Flügel
erst ein Stück nach links marschiert sei , ist nur für die Annahjne
einer Frontattake lichtig; nach Horns Bericht (S. 96) hat indes eine
Linksschwenkung der Pa]ipenheimer stattgefunden. Auf derselben
Seite ist dem A'erfasser das Unglück passiert, dass er Tillys liaiken
Litteratur. 155
und rechten Flügel verwechselt: ..Hinter die Höhe kommt Tillys
linker [mufs heifsen rechter] Flügel zu stehen. Daran reiht sich
das Centrum und der rechte [mnfs heifsen linke] Flügel.-' Die Be-
rechnnno- der Zeit für die Augrifte Pappenheim.s ist schwer möglich,
namentlich nicht mit Heranziehung ähnlicher und doch wieder ganz
anderer Vorgänge in Magdeburg und vor Nördlingeu. Zu S. 99 ist
zu bemerken, dafs das Regiment Holstein nach der Flucht der kaiser-
lichen Reiter den Kampf unmöglich bis ans Ende der Schlacht fort-
gesetzt haben kann; das würde allen Erfahrungen andeier Schlachten
des 30jährigen Krieges widersprechen. Selbst die 13 oder 16 kaiser-
lichen "Regimenter des Centrums konnten sich (Regensbeigers Bericht
S. 109) mich der Flucht ihrer Reiter nicht lange mehr halten, um
wieviel weniger also das vereinzelt, abgetrennt stehende Regiment
Holstein. Ganz unaufgeklärt bleibt das S. 10-.i und 108 erwähnte
merkwürdige und rätselhafte Halten der beiden Infanterieregimenter
AVangler und Pappenheim. Warum nahmen sie nicht weiter an der
Schlacht teil"^ Die Antwort S. 109 „infolge ihrer Stellung" reicht
nicht aus. weil diese Infanterie von schwedischer Reiteiei angegriffen
wurde. S. 106 Avird plötzlich von einem Angi'ilfe Horus mit der
westgothischen Reiterei gesprochen, von dem wir vorher nichts er-
fahren haben. S. 108 heifst es: „Aus allem mufs geschlossen werden,
dafs auch der rechte (kaiserlich-ligistisehe) Flügel in irgend einer
Weise in die Niedeilage der Reiterei des Centrums verwickelt
wurde". Ja, aber wie? Es ist doch höch.st auffallend, dafs diese
eben noch siegreiche Kavallerie Fürstenbergs plötzlich zur Flucht
gezwungen wird. S. HO steht. „Der Anteil der Musketiere wird
nur fürden letzten Angriff hervorgehoben." Man weifs nicht recht,
wie das, was Burckersdorf S. 106 über die Thätigkeit der Musketiere
berichtet, damit zu vereinigen ist. Die sächsische Aufstellung aiif
Karte I ist sehr summarisch und ihre Einzeichnimg im Verhältnis
zu der der Schweden viel zu kurz ausgefallen. Bei Khevenhiller,
im Theatr. Europ und besonders bei Chemnitz finden sich sehr aus-
führliche Mitteilungen über die Einzelaufstellung der Schweden wie
der Sachsen, deren nähere Piüfung sich wohl verlohnt hätte; die
Angabe bei Chemnitz über die Verteilung der Musketiere zwischen
die Reiter des eisten schwedischen Treffens erscheint sehr glaubwürdig.
Manche Ausdrücke des Verfassers sind zu lapidarisch und erst
nach längerem Nachdenken verständlich. So S. 99 „bei Hörn bleibt
es unklar, wie weit das Regiment" (nämlich Holstein), S. 102 >die
Reiterei des rechten Flügels" (sc. der Kaiserlichen), S 10.3 „die beiden
Brigaden" (Hebron und Vitzthum), S. 111 „die Stadt" (Halle). S 69 steht
verwinden, statt er winden, S. 82 der Kupfer statt das Kupfer; das
14 bataillons auf S. 93 ist entweder in 4 umzuändern oder ganz
wertlos, die S. 98 angeführten Regimenter Rheingraf, Caldenbach,
Sperreuter und die Musketiere dazwischen vermifst man auf Karte IL
S. 100. Note n hätte statt auf „Quellen II" besser auf S. 61 ver-
wiesen werden können. Auf Karte I steht Emvitte gedruckt statt
Ervitte, wie es S. 91 richtig heifst.
Schliefslich sei noch au.sdrücklich bemerkt, dafs diese Aus-
stellungen durchweg nicht den Kern der Sache lierühreu. Die Arbeit
von Opitz bleibt trotzdem eine fleifsige und gründliche Untersuchung;
eine genaue und einwandsfreie Darstellung des eigentlichen Verlaufs
der Schlacht scheint auf Grund der heute erschlossenen Quellen
noch nicht möglich zu sein.
Breslau. J. Krebs.
156 Litteratur.
Maria Josda Vinalia, Herzogin zu Sachsen, Köuigin von Spanien.
Von Konra«! lläbler. Dresden, W. Baensch. 1892. 4B11. 247 SS. 8".
^'orlic;i;en(lcs Bucli hat zwar zunächst den Zweck, ein getreues
Lel)ensbild einer ebenso lieltenswürdigen als hochgebihleten säch-
sischen Prinzessin zu zeichnen, welche auf den damals durch Revo-
lutionen • tief erschütterten Thron Spaniens berufen wurde und dort
frühzeitig den Tod fand; über die liiei'bei nötig gewordene ausführ-
liche und gewissenhafte Darstellung jener inneren Kämpfe um die
Verfassung des Landes verleiht der Schrift, zu welcher nicht nur
die Geheimarchive Spaniens und Sachsens, sondern auch die umfäng-
lichen Briefwechsel all der beteiligten Personen benutzt werden
konnten, auch einen allgemeinen historischen Wert.
Prinzessin Josefa, geboren den 7. Dezember 1803, war das
siebente Kind des Prinzen Max, des Bruders von König Friedrich
August dem Cierechten, also eine Taute König Alberts von Sachsen.
Der am liebsten im Kreise seiner zahlreichen Familie verkehrende
Vater suchte in seinen Kindern schon frühzeitig den Sinn für
Kunst zu wecken und zu fördern und veranstaltete deshalb häufig
kleine theatralische und musikalische Aufführungen, an denen sich
auch die Kinder zu beteiligen pflegten. So entwickelte sich bei
Prinzessin Josefa zeitig der Sinn für Poesie, dem sie zumal in
späterer, schwerer Zeit sogar in spanischer Sprache ergreifenden
Ausdruck verlieh.
Als 1818 König Ferdinand VII. von Spanien zum zweiten
Male Witwer geworden war, oline dafs ihm bisher Kinder geschenkt
worden waren, liefs er im folgenden Jahre durch eine besondere Ge-
sandtschaft um die Hand der erst siel)zeluijährigen Prinzessin Josefa
anhalten. Am 29. August 181!) fand in Dresden die feierliche Trau-
ung durch Prokuiatiou statt, und nach einer ganzen Reihe anstrengen-
der Festlichkeiten trat nun die junge „Königin von Spanien" mit
grofsem Gefolge die weite Reise nach Spanien an. Obgleich sie das
Incognito einer Grätin von Plauen angenommen hatte, wurde sie
nicht nur innerhalb der Grenzen Saclisens, sondern auch in ganz
Süddeutschland überall mit königlichen Ehren empfangen. Der Weg
ging ülierStrafsljurgund auf besonderen Wuiisch König Ludwiiis XVIII.
von Fiankreich auch ülicr Fontainebleau bis Bayonne, Hier mufste
die Königin von ihrem sächsischen Gefolge Abschied nehmen und
wurde (3. Oktober) am jenseitigen Ufer des Grenzflusses Bidassoa
feierlichst ihrem neuen spanischen Hofstaate^ übergelien. Von hier
an empfing sie in allen Städten der laute Jubel der Bevölkerung.
Beim Einzüge in Madrid wurden ihr sogar die Pferde ausgespannt
und der Prunkwagen von jungen Männern durch die lange via trium-
phalis bis zum königlichen Schlosse gezogen. Erst nach der nun
auch vollzogenen kirchliehen A'ermählung und den daran sich scb lie-
fsenden Festlichkeiten konnte ,. Königin Amalia" — so wurde sie in
Spanien genannt - sich von (len bisherigen Anstrengungen einiger-
mafsen erholen. Der in i)olitisehen Angelegenheiten unentschlossene
und oft sclivvaukende König schenkte und bewahrte seiner jungen
Gemahlin, tretzdem dais auch diese Ehe kinderlos blieb, die liebe-
vollste Zuneigung bis zu ihrem Tode, so dafs ihre Ehe als eine
glückliche zu bezeichnen ist Aber freilich gestalteten die damals
fast ununterbrochenen, mit höchster Erbitterung geführten Kämpfe
um die Verfassung Spaniens auch ihr Leben zu einem an Auf-
regiuigeu, Soi'gen, ja sogar Gefahren übei-reicheu.
&
Litteratur. 157
Als König Ferdinand YII. aus seiner sechsjälirigen Gefangen-
schaft während der Gewaltherrschaft Napoleons ans Frankreich nach
Spanien zurückkehrte, war daselbst das frühere absolute Königtum
wieder hergestellt worden. Allein die unter den gebildeten Ständen
und zum Teil selbst unter der Armee vorherrschende Partei der
Liberalen begehrte die Wiedereinfühiimg der nach französischem
Muster gebildeten Verfassung vom Jahre 1812, welche die Staats-
gewalt ganz in die Hände der Cortes legte. Der offene Aufstand
verbreitete sich 182(J von dem radikal gesinnten Süden aus schnell
bis Madrid und nötigte den König, endlich den Eid auf jene Ver-
fassung abzulegen. Als aber die nun herrschende revolutionäre
Partei in ihrem Umsturzstreben von dem Könige auch die Auf-
hebung sämtlicher Klostergüter und die Auflösung der getreuen
Garden erzwungen und der Pöbel zu Madrid einen königlichen
Kaplan ermordet hatte, sammelten sich 1822 die Königsgetreueu um
den Hof zu Aranjuez, um eine Kontrerevolution ins Werk zu setzen.
Allein die Miliztruppen der Regierung siegten über die Bataillone
des Königs, und als König Ludwig XVIII. von Frankreich darauf
zum Schutze des bourbonischen Königtums seine Truppen in Spanien
eiurückeu liefs, wurde 1823 der ganze Hof von den lil>eralen Ministern
unter militärischer Eskorte erst nach Sevilla, später sogar nach Cadix
übergeführt. Erst als auch Cadix von den Franzosen nach längerem
Bombardement zur Kapitulation gezwungen worden war, wurde der
König wieder frei und zog unter dem Jubel der treuen Landbevölkerung
wieder nach Madrid zurück.
All diese Erlebnisse hatten, wie begreiflich, auf die zarte Kon-
stitution der Königin sehr nachteilig eingewirkt. Sie litt an Ner-
vosität, krampfartigen Anfällen und Melancholie. Eine letzte und
innige Freude bereitete ihr 1828 der Besuch ihres Vaters, des Prinzen
Max, und ihrer älteren Schwester, der Prinzessiü Amalie Schon
1829 aber machte ein Sumpffieber, das sie sich in Aranjuez zugezogen
hatte und das endlich in Nervenfieber und Lungenentzündung über-
ging, nach rührendem Abschiede von ihrer gesamten Umgebung am
17. Mai ihrem jungen Lehen ein Ende. Ilirer Leiche öffnete sich
das grofse Hauptportal der Kirche im Eskurial; ihr Herz aljer wurde
zu Dresden in der sächsischen Königsgruft beigesetzt.
Dresden. H. Knothe.
Beiträge zur sächsischen Kircheugeschichte. Herausgegeben im
Auftrage der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte von
Franz Dibelius und Theodor Brieger. 6. und 7. Heft. Leipzig,
Barth. 1891 und 1892. 140 und 148 SS. 8".
Die vorliegenden zwei Hefte bieten wieder wertvolle Beiträge
aus den verschiedenen Perioden der sächsischen Kirchengeschichte.
In das Mittelalter führt eine Studie des Mitherausgebers Dr. Dibelius
„über die alte Eibbrücke zu Dresden", die u. a. charakteristische
Züge über Heiligenkultus, Wallfahrten und Brüderschalten beibringt.
Prof Knothe beantwortet die Frage: Wann und wie ist der erz-
priesterliche Stuhl Sorau in der Niederlausitz unter die Präpositur
Bautzen gekommen? dahin, dafs dies im Jahre 1350 geschah, wo
auf einer Bautzner Fürstenversammlung Karl IV. von Böhmen nach
Beilegung der Wirren des falschen Waldemar seinem Gegner Ludwig
von Brandenliurg zwar die übi-ige Niedeilausitz verlieh, sich aber
Sorau und Triebel vorbehielt. Ein Brief des Pfarrers Dr. Peter
158 Litteratur.
Ej'ssenberg" an den Dresdner R;it bei seinem Weggänge n;uh Ein-
führung der Keforniation, veröffentlicht von Dr. 0. Richter, ist wie
ein Grnfs des scheidenden ]\Iittelalters an das in eine neue Zeit
tretende Dresden. Zur Sittengescliichte des Ausgangs des IH. Jahr-
hunderts bietet Dr. Loose einige, aus Kirchenbüchern entnommene
Züge, während das IT. Jahrhundert durch eine Studie von Dr. Beck
über den böhmischen Exuh\nten Tobias Hauschkon vertreten ist, der
zu angesehenen Theologen, wie Dr. Weiler und Bnläus, und Gelehrten,
wie Rektor Daum in Zwickau, in näherer Beziehung stand. In das
18. Jahrhundert mit seinen Kämpfen führt eine auf eingehenden
Studien im Königlichen Hauptstaatsarchive ruhende Arbeit Pastor
Blanckmeisters ,, über Christine Eberhardine, die letzte evangelische
Kurfürstin von Sachsen". Eine Reihe wichtiger Briefe sind als
Beilagen beigegeben. Derselbe Verfasser bietet zwei Biographieen,
die von Theodor Körners Grofsvater, dem Leipziger Superintendenten
D. Johann Gottfried Körner, und die von dem Dresdner Hofrate
Johann Burkhard Frejstcin, dem mutmafslichen Dichter des Liedes:
Mache dich, mein Geist, bereit. Zur Entstehung des mit dem Ende
des vorigen Kirchenjahres aufser Kraft getretenen Perikopeubuches
von 1840 macht D Dibelius wertvolle Mitteilungen, die wieder
die Bedeutung des Oberhofpredigers Dr. Reinhard in ein helles Licht
stellen. Einzelne Episoden aus der Kirchengeschichte der letzten
beiden Jahrhunderte behandeln Miscellen von Distel, Buchwald n. a.
Dresden. Georg Müller.
D.Veit Wolfrum, Superintendent zu Zwickau, 1593 — 1626. Eine
Studie zur sächsischen Kirchengeschichte von Horniaun Klotz^
Diakouus in Zwickau. Zwickau, R. Zückler. 1892. 84 SS. S^.
In der langen Reihe der Zwickauer Superintendenten nimmt
D. Veit Wolfrum, den vorliegende Festschrift zum Gegenstande hat,
eine hervorragende Stelle ein. Hochverehrt von seinen Zeitge-
nossen , später völlig vergessen , hat er infolge seiner litterarischen
Thätigkeit auch heute noch Anspruch auf Beachtung. Und so hat
der Verfasser mit der Wahl des Themas zu seiner Erstliugsschrift
einen glücklichen Griff gethan. Hervorgehoben sei aus der Dar-
stellung namentlich der 4. Abschnitt über „Zwickaus kirchliche Ver-
hältnisse im Jahre 1592", wie das 7. bis O.Kapitel, wo von der
wissenschaftlichen Thätigkeit des l)ekenntnistreuen, immer kampflie-
reiten. sachlich wolil fundierten Streiters für die reine Lehre gehandelt
wird. Wolfrum hat sich nicht nur durch Herausgabe eines Gesang-
buches ein Verdienst um die Hel)uug des Kirchengesangs in Zwickau
ei'\vorl)en, bis in unser Jahrhundert haben sich einige von ihm ge-
dichtete Liedei' in den Gesangbüchern erhalten. Unser sächsisches
Landesgesangbuch hat allerdings keines aufgenommen. Von Inter-
esse ist noch, dafs er mit den orientalischen Sprachen in ungewöhn-
lichem Mafse vertrarrt war. Es wird uns nicht wundern, wenn er
nach damaliger Übung seine Lieblingsfächer auch im Zwickauer
Gjmnasium lehrte, für dessen Hebung er mit unermüdlicher Sorg-
falt bemüht war. Gern würde man etwas Eingehenderes über Wolf-
rums Verwaltungsthätigkeit in seiner Eigenschaft als Superinten-
dent erfahren haben. Ich füge aus Akten des hiesigen Königl.
Hauptstaatsan bivs ein Beispiel an, das ich kürzlich fand. Hi09 be-
schwert sich Wolfrum übei- den l'fnrrer David Purzel zu Tluirm in
der Herrschaft Schönl>urg i^vei'gl. Kreyfsig, Album der evangeliscli-
Litteratur. 159
lutherischen Geistlichen S. 513) wegen eines Aratsübergriffs, nnd
ein kurfürstlicher Befehl weist das Leipziger Konsistorium an, den
Pfarrer vor sich zu bescheiden und ihn wegen des „ Eingriifs
in Unsere geistliche hohe Botinäfsigkeit" zu vernehmen. (Befehl vom
25. August l(i09. Loc. 2058. Reskripte an das Leipziger Konsistorium.
Jahrg. 1609. Bl. 356) Da der Angeklagte behauptete, dafs es sich
um Kopulationen gehandelt habe, die mit Vorwissen des Hauptmanns
und des Diakouus Bartholomäus "Walther geschehen seien, so sollte
sich das Leipziger Konsistorium weiter erkuudigeu. (Loc. 2058. Re-
skripte an das Leipziger Konsistorium Jahrg. 1610. Bl. 1.) .Sollte es
wohl zufällig sein, dals hier Walther seine Hand im Spiele hat,
nach dem. was Verfasser über dessen. Stellung zum Superintendenten
berichtet (S. o4ff und sonst)"? — Über Wolfrums Thätigkeit im
Zwickauer Konsistorium, dem er während des Bestehens desselben
angehörte, erfahren wir z. B. mancherlei aus Akten, die einen Streit
des Zwickauer Amtes mit dem Gemeinen Kasten zu Werdau betreffen.
(Loc. 2057. Reskripte an das Konsistorium zu Leipzig, in denen von
dem geweseneu Konsistorium zu Zwickau, namentlich Bl. 70 — 78
unter Beifügung von Urkunden mehrfach die Rede ist.) — Bezüglich
der Krankheit Wolfrums sei noch erwähnt, dafs ihm unter dem
19. Juli 1626 Urlaub ins Warmbad gewährt wird. Es wird ihm an-
heimgegeben, für geeignete Vertretung zu sorgen. (Loc 2059. 1625
bis 1634. Bl. 111.) — Über die Wiederbesetzung der Stelle nach
Wolfrums Tode geben die Konsistorialverordnungen mehrfach Aus-
kunft. Erwähnt sei nur, dafs bereits am 6. September 1626 vom
Kurfürsten Lic. Laur. Andreae zum Nachfolger vorgeschlagen wird.
Der Archidiakonus soll ihm die Kanzel eröffnen, und wenn die Ge-
meinde nichts gegen ihn einzuwenden hat , soll ihm der Hauptmann
und der Rat die Vokation vermögend inliegender Form übergeben.
Weitere Verordnungen behandelten dessen Promotion zum Doktor
der Theologie in Wittenberg. (Ebenda Bl. 265. 405.) — Bezeichnend
ist die Besetzung der Stelle nach Andreae's Tode. Der Rat schlug
1632 den Diakonus Bösewetter (vergi. Kreyfsig, Album S. 572) vor.
Aber das Oberkonsistorium wollte dem Patron Vorhaltung thuu und
beschied ihn vor sich; obwohl der Rat mehrfach Einwendung erhob,
mufste er sich doch fügen. Die geistliche Behörde wünschte die
Besetzung der SteUe mit einer „hochgraduierten" Person. Schliefs-
lich erhielt sie ein Zwickauer Stadtkind, der Wittenberger Diakonus
Eusebius Bohemus, mufste sich aber auch die Würde eines Doktors
der Theologie erwerben. Kurz darauf wurde die tragische Nachricht
gemeldet, dafs der Superintendent uud die gesamte Geistlichkeit der
Pest erlegen seien. Der Rat wurde zu Vorschlägen aufgefordert, die
wieder mehrfache Auseinandersetzungen zur Folge hatten. (Ebenda
Bl. 603 f. 609. 614. 622. 645. 665 f.)
Dresden. Georg Müller.
Aus den Papieren eines Rathauses. Beiträge ziu- deutschen Sitten-
geschichte von E. Einert. Amstadt, Emil Frotscher. 1892. 3 BU.
196 SS. 80.
Von einem rührigen Forscher auf dem lohnenden Gebiet thü-
ringischer Stadtgeschichte liegt unter obigem Titel eine neue_ Arbeit
vor7 die zum Teil frühere Aufsätze zusammenzieht, zum Teil aiich
neues Material verwertet. Es ist ein ansprechendes Büchlein, keine
zusammenhängende Geschichtserzähluiig, sondern einzelne Skizzen,
160 Litteratur.
aus denen aber doch eine deutliche Vorstellung' vom alten Arnstädter
Leben und Treiben sich ergiebt ; denn die von Einert gewählte Form
leichter, flüssiger Darstellung, die sich ab und zu in geschickter
Weise der Anlehnung an den alten si)rachlichen Ausdruck bedient,
führt eine Fülle vou Zügen kleinstädtischen Lebens besonders des
16. — 18. Jahrhunderts vor. Neue, ungeahnte Aufschlüsse bietet E.
nicht; was er bringt, ist in gleicher oder ähnlicher Weise meist schon
ans anderen (Jrten bekannt; doch jenes war auch kaum der Zweck
des Buches, das sich an einen weiteren Leserkreis wendet, der für
die deutsche Veigangenheit Interesse hegt. Aber auch der Fachmann,
besondei's der Knlturhistoriker , wird die Schrift nicht ohne (ienufs
und Nutzen lesen, denn er findet für manche Erscheinung einen neuen
Beleg, einen schätzeuswerten Beitrag So wiid im Abschnitt 1
„Flurzug und Flurstreit" der Sagenforscher mit Interesse die Zeugen-
aussagen über die Steinkreuze au Wegen und den an sie anknüpfenden
Volksglauben lesen. Näher auf Einzelheiten einzugehen, ist leider
nicht möglich. Abschnitt ■.l — -i behandeln den grofsen Brand von
1.Ö81, den Brandstittungspruzefs und den Wiederaufbau; 5 die Rück-
kehr der Wittvve Grat Günthers des Streitbaren vou Schwarzburg
mit ihres Gatten Leiche 1585; 6 die Steinbufse (strafweise Lieferung
von Steinfuhren); 7 die Kircheuverordnungen 1618; 8 die Zeit der
Kipper und Wipper (Münzverschlechteiung und Kreditzerrüttuug
16:^0—1623;; 9 Johann Georgs I. von Sachsen Besuch 1624; 10 die
Pest 1625; 11—13 und 15 Szenen des .-Wjährigen Krieges (Leiden durch
die einquartierten Merodebrüder 1627, 1628, Verwilderung der Ein-
wohnerschaft, Räuberbanden 16;)1, Plünderung durch Banu6rs Truppen
1610, Erpressung durch Graf ILatzfelds Hauptquartier 1640;; 16 bis
19 rechtliche Vorgänge (Achtprozefs wegen Todschlages 1664, Hexen-
prozefs 1691, Flurumgang mit Grenzstreit 17().^, Geläntskostenprozefs
bei Kaiser Leopolds L Tod 1705); 14,20 — 22 Schulverhältnisse
(Mädchenschule, Lateinschule, Schulkomödien, Weihnachtsspiele u. a.,
Aufführung von Rektor Treibers lokalpatriotischer Operette über
das arnstädter Weizenbier 1705, deren Musik angeblich der
damals in Arnstadt lebende Seb. Bach komponierte); 23 Kriegs-
erlebuisse und Friedensfest 1762, 176.3; 24 eine vergessene Dichterin
(die 1717 zu Erfurt geborene, 1740 in der Gera bei Augelroda ver-
unglückte kaiserliche gekrönte Poetin Sidonia Zäunemannin, die
allerdings mit Ainstadt nur in oberflächlicher Beziehung steht).
Dresden. Woldemar Lippert.
(ireschichte der Königllcli Siielisischcii Fürsten- und Laiules-
schule («rimina von Professor Dr. phil.Karl Julius Köfsler. Mit
2 Grundplänen. Leipzig, B. G. Teubner. 1891. XII, 323 SS. 8".
Wiewohl die jüngste der drei sächsischen Landesschulen, war
Grimma doch diejenige, zu deren Geschichte zuerst die Unterlagen
gesammelt wurden. Bereits in dem dritten Vieitel des 16. Jahr-
hunderts gab es handscluiftliche Annalen, die von dem Tertius Schel-
lenl)erg begonnen und von dem als Lustspieldichter bekannten Rektor
Ilayneccius fortgesetzt, als Ikrichte vou Augenzeugen eine Quelle
ersten Ranges sind. Und auch später wurde vieles gesammelt, bis
in unserem Jahrhundert Palm und Lorenz wertvolle Beiträge ver-
öffentlichten. Trotzdem war es zu einer einheitlichen Geschichte
der Anstalt nicht gekommen. Und nach dem Erscheinen von Theodor
Flathes epochemachender Geschichte der Meifsner Schwesteranstalt
Litteratur. 161
konnte die Frage entstehen, ob sich eine gesonderte Darstellung für
Grimma lohnen würde. Die vorliegende Festschrift entkräftet die
Bedenken. Sie ist ans Anlafs der EinAveihung des neuen Schul-
gebäudes entstanden, das von der Königlichen Staatsregierung und
den Ständen mit seltener Freigebigkeit ausgestattet und von der
Bauleitung mit feinem Kunstverständnis ausgeführt worden ist.
Das Werk Röfslers weicht in seinem Charakter von dem
Flathe'schen wesentlich ab. Behandelt dieses die Geschichte der
Meifsner Schule unter steter Beziehung zur allgemeinen geschicht-
lichen Bewegung, namentlich auf dem Gebiete des Schulwesens, so
beschränkt sich Rüfsler wesentlich auf die Darstellung der Verhält-
nisse zu Grimma. Auch die Anordnung ist durchaus anders. Hatte
Flathe die geschlossene Darstellung der einzelnen Perioden gegeben, so
zieht Röfsler die sachliche Einteilung vor und behandelt jedes Kapitel
von der Gründung der Anstalt bis auf unsere Tage. Kapitel 1 — 3
schildert die Gründungsgeschichte und erste Einrichtung der Schule.
Es folgt die äufsere Geschichte. Am umfangreichsten ist der 5. Ab-
schnitt: die innere Geschichte, die auch sachlich das meiste neue
Material bietet. Hervorgehoben seien die Ausführungen über Schul-
gesetze und Unterrichtsmittel (S. 127—218). Mannigfache Ergän-
zungen erfahren dieselben durch zahlreiche Beilagen, z. B. die Stunden-
pläne aus der Zeit von Johann Schütz , der in jugendlichem Alter
zu der verantwortlichen Stellung eines Rektors berufen, sich bald
unmöglich machte. Von kulturgeschichtlichem Interesse sind ferner
die Abschnitte über die Schulkomödie. Die Schule hatte selbst
mehrere bekanntere Dichter aufzuweisen, z. B. Hayneccius. — Die
Darstellung zeigt überall bis ins einzelnste die peinliche Genauig-
keit und gewissenhafte Sorgfalt, wegen deren der unterdess der
Schule durch den Tod entrissene Verfasser als Lehrer die Hochach-
tung seiner Schüler geuols. Von kleineu Mifsverständnisseu sei zu S. 55
bemerkt, dafs Andreae schon unter Kurfürst August seine Entlassung
bekommen hatte, deren Gründe bekanntlich noch nicht genügend
aufgeklärt sind.
Dresden. Georg Müller.
o
Die Geschichte der Schule zu Kosseu. Zugleich ein Beitrag zur
Geschichte der Schulen in den kleinen und mittleren Städten
Sachsens. Eine Festschrift zur Feier der Einweihung des Nossener
neuen Bürgerschulgebäudes von E. d. Paul Schneider, Schul-
direktor. Nossen, Emil Hensel. (1892.) 70 SS. 8«.
Vorliegende Festschrift, der aufser den Nossener Quellen die
Visitationsprotokolle des hiesigen Königlichen Hauptstaatsarchivs
und handschriftliche Urkunden der Meifsner Bezirksschulinspektion
zu Grunde liegen, bietet nach einem allgemeinen Überblick im
5. Kapitel wertvolle Mitteilungen zur Geschichte des Xossener Schul-
wesens bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die einzelneu Abschnitte :
Lehrer, Schulhaus, Amtseinkünfte, Unterricht enthalten eine Reihe
von einzelnen Angaben, die auch für den Charakter des sächsischen
Schulwesens im allgemeinen von Interesse sind. Verwiesen sei
z. B. auf den Lektionsplan von 1737. Hier erscheint zum ersten
Male als neuer Gegenstand im Zusammenhange mit den Bestrebungen
A_. H. Franckes der Realunterricht in drei Stunden. In zwei Stunden
wird Hübners Geographie und Landcharten und in einer Stunde
Hübners politische Historie behandelt. Ein anderer ausführlicher
Neues Archiv f. S. G. n. A. XIV. 1. 2. '11
16;^ Litteratur.
Stumlenplau stammt aus dein vorletzten Jahrzehnt des vorigen Jahr-
hunderts. Zwei Schlufsabschnitte behandeln das Nossener Schulwesen
im 19. Jahrhundert. — Ich füge einige Ergänzungen hinzu, die ich kürz-
lich gelegentlich in Dresdner Konsisiorialverordnungen gefunden habe.
Sie füllen z. B die Lücken des Knauthschen Lehrerveizeichnisses
(S. 29) aus. Durch Verordnung vom 1(). April lö88 wird David
Kopp aus Mittweida zum Schulmeister vorgeschlagen, „dieweil er
uns seiner Geschicklichkeit hall)en wohl bekannt, auch bisauhero sich
unter leuthen fromm und tleilsig vorhalten hat". (Lnc. löüf», Jahrg.
1588, Bl. 114.) Am 8. März 1.Ö89 wird Caspar Piniiovius aus „liryps-
walda aufs Pommern" zum Schulmeister vociert. Er ist vom Kon-
sistorium examiniert worden und für tüchtig befunden. Der Super-
intendent von Fieiberg soll ilm zum Schulmeister „anohrdnen". ihn
auch, dafs er sich in Lehr, Leben und Wandel der Schulordnung
geraäfs halte, mit Ernst ,,vntersagen". (Loc. 1536, Jahrg. 1589,
ßl 80 b.) Sollte der M. Elias Dittrich, dem laut Verordnung vom
10 Februar 1589 der Pfarrer von Zeit zu Zeit die Kanzel öffnen
sollte, nicht vielleicht auch in der Schule ihiitig gewesen sein"^
(Ebenda Blatt 55.) Am 7. August 1593 wird Matthäus Krüger,
gewesener Kantor zu Radeberg, der vom Amtsschösser nach Nossen
als Schulmeister vociert und berufen worden ist, vom Konsistorium
konfirmiert (Loc. 1537, Jahrg. 1593, II, 82). — Am 31. Oktober 1642
wird Georg Schumann, der den Kurfürsten um Beförderung zum
erledigten Schuldienst in Nossen gebeten hat, dazu empfohlen. Da
das Ober-Konsistorium nicht weifs, wem das Patronat zusteht, sollen
der Superintendent zu Freiberg und der Schösser zu Nossen erst
darüber berichten , beziehentlich , „wenn das Patronat dem Rat zu-
ständig ist, nach Befindung seiner Qualität ihn nel)enst der Vokation
zur Konfirmation anhero präsentieren". (Loc 1549, Jahrg. 1642,
Bl. 139.) — Im Jahre 1673 ist der vereinigte Schul- und Kantordieust
wieder erledigt. Laut Verordnung vom 28. April 1673 haben sich be-
worben Adam Walther, Regent bei der Dresdner Kreuzschule, und
Daniel Köhler zu Dippoldiswalde. Der Freiherger Superintendent und
der Nossener Schösser sollen die Probe „im Singen, Ijehren und
andern zu solchen Diensten gehörigen Verrichtungen" thun lassen und
Bericht erstatten. Durch Verordnimg vom 2(). Mai wird der erstere
bestätigt, da er die Probe gut bestanden hat. Der Amtmann soll ihm
die Vokation zum Schul- und Kantordienst aushändigen, der Superinten-
dent ihn dem Ober-Konsistorium präsentieren. Da der Gewählte aber
bald starb und, wie es scheint, sein Amt kaum angetreten hat, so wurde
vom Ober-Konsistorium M. Johann Georg Schreiber für dic^ Stelle em-
pfohlen; „weiln bishei'o wegen der Vacanz Itei der Jugend viel ver-
säumt worden ist", soll die Probe so bald als möglich gehalten werden.
Die Gemeinde war mit dem Vorgeschlagenen nicht zufrieden. Aber
im Oktober verordnete das Ober- Konsistorium _, der Kandidat sollte
die Stelle trotzdem haben, da er in Dresden in der Musik geprüft
worden sei und gut Itestanden habe, er auch gelobt habe, sehi Amt
treu zu verwalten und dem Pfairer Respekt und Gehorsam zu leisten.
(Loc. 1554, Jahrg. 1673, Bl. 102. 116. 201. 240.) — In demselben
Jahre wurde auch der Organistendieust mit Christoph Helmrich be-
setzt, nachdem er die Probe bestanden hatte. (Ebenda Bl. 79, Ver-
ordnung vom 29. Januar.) — Um das Jalir 1666 scheint eine neue
Orgel gebaut worden zu sein, wenigstens bitten in diesem .lahre
die Erben des Orgelmachers Christoph Fleck um Auszahlung der
rückständigen 15 Fl. (Loc. 1551, Jalirg. 1666, Bl 63) — Ums ,Iahr
Litteiatur. ^163
1590 waren neue Glocken angeschafft worden ; der Grlockengiefser,
Wolf Hilliger in Freiberg, mnfste auf dem Wege der Klage sich die
Bezahlung sichern. (Loc. 1536, Jahrg. 1590, Bl. 177.)
Dresden. Georg Müller.
Gescliichte und Poesie des Freiberger Berg- niid Hütteinvesens.
Von Dr. ph. Eduard Heydenreich, Überlehrer am Kgl. Gymnasium
zu Schneeberg. Freiberg i. S., Graz & Gerlach (Joh. Stettner).
189;^. XII, 180 SS. S».
Seitdem das mittelalterliche Quellenmaterial der Freiberger
Bergbaugeschichte in dem dreibändigen Urkundenbuche der Stadt,
das Dr. Hubert Ermisch herausgegeben hat, vollständig vorliegt, hat
sich das Bedürfnis einer neuen Darstellung der Geschichte des
obersächsischen Bergwesens geltend gemacht. ' In die Reihe der Vor-
läufer einer solchen tritt auch die vorliegende Schrift. Der Verfasser
hat sie_ dem Herausgeber des Freiberger Urkundenbuches, das allein
ihm seine Arbeit ermöglichte, dankbai- zugeeignet. Er bringt nicht
nur Ergebnisse eigener wissenschaftlicher Forschung auf dem vor-
liegenden Gebiete, sondern eine gemeinverständliche Zusammenfassung
des bisher Gebotenen in schöner und klarer Darstellung, wohlgeeignet,
jedermann, insbesondere alle, die irgend eine Beziehung zum Frei-
berger Bergwesen haben, für dessen Geschichte, Poesie und Sage zu
erwärmen. Demnach wird auch der Jünger der Geschichtswissen-
schaft, in der ja die Wirtschaftsverhältnisse einen immer hervor-
ragenderen Platz einnehmen, das Buch freudig begrüfsen und
manches anderwärts nur schwer zu Erlangende darin vorfinden.
Nach einer allgemeinen Charakteristik des Freiberger Berg-
revieres giebt der Verfasser im ersten Teile seines Baches eine kurze
Darstellung der Geschichte des Freiberger Berg- und Hüttenwesens.
Darin behandelt er die Gründuugsgeschichte der Freiberger Berg-
mannskolonie, legt dar, wie die ältesten Bergleute aller Wahrschein-
lichkeit nach Xiedersachsen waren und weist den von Klotzsch be-
haupteten böhmischen Ursprung mit Recht ab, giebt sodann eine
Schilderung des Berg- und Hüttenbetriebes im Mittelalter, wobei er
der zur Förderung des Bergbaues getroffenen Einrichtungen aus-
führlicher gedenkt und besonders auch auf das noch im ersten Jahr-
hundert des sächsischen Bergbaues entstandene meifsnische Bergrecht
hinweist, mit dessen Entstehung auch die des Freiberger Stadtrechtes
eng verbunden ist. Von besonderem Interesse ist die Darlegung über
die Arbeitsgenossenschaften und die schon damals üblichen Streitig-
keiten um Arbeitslohn, Arbeiterschutz und Arbeitsordnung. Hat
schon im 15. Jahrhundert der Einflufs der Landesherren, z. B. durch
Anstellung von Bergmeistern sich wachsend geltend gemacht, so ent-
wickelt sich im IH. Jahrhundert der Hüttenbetrieb zum landesfürst-
lichen Monopol und aus den Satzung'en der einzelnen Reviere entsteht
ein Landesbergrecht. Besonders ist hierbei der Bemühungen des
Kurfürsten Augusts gedacht, die sich auf die Gnaden- und Stollen-
steuern, die Erhöhung .des Silberpreises, die Minderung des Zehnten,
den Erzkauf und die Übernahme von Kuxen erstreckten. Die Zeit
vom 16. bis zum 18. Jahrhundert gipfelt in der Gründung der Berg-
akademie, die, Ostern 1766 eröffnet, besonders seit der 1775 erfolgten
Berufung Werners einen Weltruf erlangte. Anschaulich und lebhaft
schildert der V^erfasser die Thätigkeit einerseits der ersten Pro-
fessoren, die eine neue Glanzzeit des Freiberger Bergwesens herauf-
11*
164 Litteratur.
führten, andererseits die Aufgaben, die dem wissenschaftliclieii Berg-
manne gest^,llt sind. Der letzte Abschnitt des geschichtlichen Teils
giebt eine Übersicht über Bergbau und Hüttenbetrieb seit der Crrün-
dung der Bergakademie, schildert den Aufschwang, den die Produktion
les Freiberger Bergliaues bis 1882 genommen, worauf allerdings in-
s
folge der Mitwirkung einer lleihe ungünstiger Umstände ein wirt-
schaftlicher Rückgang eingetreten ist, dessen nachteiligen Folgen die
königliche Staatsregierung durch Verstaatlichung der wichtigsten
Gruben vorgebeugt hat. Ein Anhang zu diesem Teile bringt das
von Johann Bocer verfafste Loblied auf Freibergum in Misnia in der
Übersetzung von Reinhard Kade.
Im zweiten Teile seines Buches behandelt Heydenreich das
Freiberger Berg- und Hüttenwesen in Sage und Lied. Die Sagen
beziehen sich teils auf die Gründung des Bergwerksbetiiebes in Frei-
berg, teils auf einzelne Gruben und Orte, wie St. Michaelis, Brand,
die sogenannte Mordgrube, den Untergang des Höckendorfer Silber-
bergwerkes. In der Phantasie der Beiglente bildete sich ein ganzer
Kreis abergläubischer Vorstellungen , wie das Erz entstehe , wie es
wieder vergehe, wo man es finde ; letzteres zeigte die Wünschelrute
an. Hierher gehört auch dei- (ilaube an die bösen Berggeister, ferner
die Hilfe, die der Knappe um hohen Lohn den sogenannten Venedigern
gewährt. Das Bedürfnis, die harte Arbeit, wie Agricola sagt, „ringer
und leichter zu machen", hat zu den Berggesängen und Bergreihen
geführt; von ihnen teilt der Verfasser aus dem Leipziger Berglieder-
Büchlein Proben mit, ebenso von den geistlichen Bergreihen. Aus-
führlicher wird Döring- Anackers bekannter „Bergmannsgrufs" be-
handelt und schliefslich auch der dramatischen Gestaltungen des
Freiberger BerKmannslebens gedacht , besonders des Friedrich
Schlenkertschen Stückes „Markgraf Friedrich oder Bergmannstreu",
das nicht ohne dramatische Kraft und Lebendigkeit ist, und der ge-
wandten Dichtung von Otto Leuteritz und Max Rachel „Bilder aus
Freibergs Vergangenheit", die im Jahre der AVettinfeier wiederholt
in Freiberg aufgeführt wurde. Mit Proben aus der Poesie der Frei-
berger Bergstudenten schliefst das verdienstliche Schriftchen.
Freiberg i. S. Paul Knauth.
Alt-Meissen in JJilderu. Mit erklärendem Text von I)r, \V. Loose.
Meifsen, Louis Mosche. 1889. 12 SS. 47 Taff. fol.
Leipzig durch drei Jalirliunderto. Ein Atlas zur Geschichte des
Leipziger Stadtbildes im sechzehnten, siebzehnten und achtzehnten
Jahrhundert Mit kurzen Erläuterungen herausgegeben von Dr.
(ifnstav Wustmanii, Stadtbibliothekar und Direktor des Raths-
archivs in Leipzig. Leipzig, Duncker und Humblot (Komm.). 1891.
VIII, 24 SS. und 72 Tatf. fol.
Dresdens Festungswerke iiu Jahre 1811. 90 Ansichten und 2 Pläne
in Lichtdruck nach Aquarellen von Friedrich August Kannegiefser.
Für seine Mitglieder herausgegeben vom Verein für Geschichte
Dresdens. Dresden, Lichtdruck von Stengel und Markert. 189U.
17 SS. und 92 Taff. qu.-fol.
Dresdner Strassenansichten vom Jahre 1(578. Xach Gabriel
Tzschimmers Kupferwerk „Die durchlauchtigste Zusninmenkunft".
Mit Einleitung und Erläuterungen von Dr. Otto Kichter, Raths-
archivar. Für seine Mitglieder herausgegeben vom Verein für
Litt erat UV. 1G5
GescTiichte Dresdens. Dresden, Lichtdruck von Stengel und Markert.
1892. 18 BU. qu.-fol. und 21 SS. fol.
Die oft gehörte Klage, dafs wir im Zeitalter der Bilderbücher
für Erwachsene leben, ist nicht immer unberechtigt ; die grofsen Fort-
schritte der Technik haben manclien Verleger verleitet, die Illustration
lediglich als Rekiamemittel zu gebrauchen und auch da anzuwenden,
wo es an jedem Innern Grunde dafür fehlt. Aber der Schaden, der
dadurch etwa angerichtet wird, fällt doch kaum ins Gewicht gegen-
über den grofsen Vorteilen, welche die hohe Entwickelung der
graphischen Künste bietet. Abgesehen davon, dafs für populäre
Werke die lebendige Anschauung, wie sie gut gewählte Nachbildungen
alter Vorlagen gewährten, von nicht zu bezweifelndem Werte ist, auch
die ernstere Forschung zieht reichen Nutzen aus den modernen Ee-
produktionsweisen. Unser Inventarisationswerk, das an dieser Stelle
schon oft zur Besprechung gelangt ist, verdankt einen guten Teil
seines Wertes den zahlreichen, gut ausgewählten und ausgeführten
Abbildungen. Ihm schliefsen sich in würdiger Weise die oben ge-
nannten Illustrationswerke an, die sämtlich in der Reihe der Quellen-
werke zur sächsischen Oitsgeschichte eine ehrenvolle Stelle be-
anspruchen dürfen. Aus diesem Grunde möchten wir sie hier nicht
unerwähnt lassen, wenn wir auch auf die technischen Fragen, die
sich daran knüpfen liefsen, nicht eingehen können.
Das an erster Stelle genannte Werk bietet auf 47 in der litho-
graphischen Anstalt von Steinmetz und Bornemann (H. Griefsbach)
zu Meifsen ausgefüllten Blättern wohlgelungene Wiedergaben von
älteren Ansichten der Stadt Meifsen, ihrer Plätze, Strafsen und
Gebäude sowie ihrer Umgebung. Die Vorlagen befinden sich wohl
meist in der reichen Sammlung des Meifsner Geschichtsvereins, über
welche Wilh. Loose in den Mitteilungen dieses Vereins I, 6.3 fgg.
eine erschöpfende Zusammenstellung bietet. Das 16. Jahrh. ist nur
durch die Ansicht der Stadt nach Hiob Magdeburg (1558), das 17.
durch eine Ansicht nach Merian (1650) und einen eigentlich wohl
nicht hierher gehörenden Schutzbrief des General Torstenson von
1642 vertreten, das 18. durch 13 Blätter, unter denen die Arbeiten von
Gottlob Ehrlich und das vortreffliche Bild des Schlosses von C. A.
Günther vor allem Beachtung verdienen. Weitaus die meisten Blätter
geben Aufnahmen des 1 9. Jahrhunderts wieder, darunter mehrere von
Ludwig Richter und Ei win Oehme. Von grofser Beherrschung des Stoffes
zeugt der von Wilhelm Loose verfafste begleitende Text, eine Vor-
arbeit zu seiner „Topographie der Stadt Meifsen", deren Anfang
kürzlich im vorletzten Hefte der schon genannten Mitteilungen (III, 1)
erschienen ist.
Während das eben besprochene Werk lediglich ein Verlags-
uuternehmen ist und sich, so viel uns bekannt, keiner Subvention zu
erfreuen gehabt hat, sind für Wustmanns „Leipzig dru'ch drei Jahr-
hunderte" durch den Verwaltungsausschufs der Stiftung für die Stadt
Leipzig freigebig Mittel zur Verfügung gestellt worden; es ist daher
begreiflich, dafs die Ausstattung eine weit vornehmere sein konnte.
Die fast durchweg durch Leipziger Firmen hergestellten Tafeln
stellen der Leistungsfähigkeit derselben das rühmlichste Zeugnis aus.
Meist wurde Zinkätzung angewandt; ein Bild wurde mit der erhal-
tenen Originalkupferplatte gedruckt, für einige andere wurde Licht-
druck oder Lithographie angewandt. Den Preis verdienen die 4 in
Heliogravüre ausgeführten Wiedergaben Heckelscher Kupferstiche
166 Litteratnr.
und die 1:^ prächtigen lüldchen von K. IJ. Schwarz, die chromo-
lithographisch reproduziert worden sind. Wie formell, so steht auch
inhaltlich das Leipziger "Werk ül)er dem Meifsner, woraus dem letzteren
natürlich kein X'orwurf zu machen ist: Leipzigs Vergangenheit hot
naturgeniäfs ein viel i'oicheri'S ]Material, und der Herausgeber hat
es trefflich verstanden, mit bewährter Sachkenntnis und feinem Kunst-
sinn das Interessanteste auszuwählen ; nicht blofs die Baugeschichte
der Stadt führt er uns ansc baulich vor Augen, sondern wir verdanken
ihm auch manchen willkommenen Einblick in das Leben und Treiben,
wie es sich auf der Strafse und in den Häusern der Stadt zur Zeit
unserer Altvordern abspielte Das Ki. Jahrhundert ist durch 7 Blätter
vertreten; darunter drei Stadtpläne: die Darstellung der Belagerung
von l.i47 als das älteste erhaltene Stadtbild, der Stadtplan in dem
bekannten Weike von Biauu und Hogenberg (157i) und der Knob-
loch'sche Stadtplan von 1595: ferner finden wir vier Innenansichten
von Leipzig, welche Strafsenscenen aus der Zeit der Kalvinisten-
verfolgung darstellen (1591 — 1593). Zehn weitere Blätter gehören
dem 17. Jahrhundert an : darunter die Stadtausichteu von Bietschneidei'
(1615) und Dilich (1()2H) und zwei Pläne von ]H(j5, während Gablers
Plan von 16.-J7, das bedeutendste Werk dieser Zeit, der die Grund-
lage vieler anderen Pläne bildet, wegen seiner Gröfse und der
schlechten Beschaffenheit der vorhandenen Exemplare ausgeschlossen
wurde. Aufserdem sind Ansichten der Pleifsenburg von 1(}82, 1<>42
und 1646, des Rathauses, des Eingangs zur Ratsliibiiothek, des Ein-
gangs zur Börse, des Inneren der Neukirche, sämtlich aus dem Ende
des 17. (odei- Anfang des 18.) Jahrhunderts, aufgenommen worden.
Weit reiche]', mit nicht w^eniger als 54 Blättern, ist das 18. Jahr-
hundert, das in Leipzigs Baugeschichte eine Glanzzeit bildet, ver-
treten. Da finden wir die 4 kleinen Romstet'schen Prospekte von
1700, das eigenartige von Joh. Chrph. Müller 1747 gezeichnete
und gestochene Stadtbild, den in seiner Weise vorzüglichen Homann-
schen Plan von 1749, den erst der ebenfalls mitgeteilte Stadtplan
aus Leonhardis Geschichte und Beschreibung von Leipzig (1799)
wieder erreicht. Die prachtvollen vier Ansichten Christian Heckeis
„Leipzig vor den 4 Thoren" (17()4) sowie die reizende, von Karl
Benjamin Schwarz gestochene Folge von zwölf Bildchen, die das
Aufsenbild Leipzigs wiedergeben, wie es sich bei einem Gange „ums
Thor" zeigt (1784), haben wir oben schon erwähnt. Die grofse Menge
der Innenansichten Leipzigs vermögen wir nicht einzeln anzuführen.
AVir wollen davon nur hervorheben die vortrefflichen von Joh.
Georg Schirraer gezeichneten und gestochenen Ansichten des Markts,
der Kathai'inenstrafse, des Thomaskirchhofes und des Sacks. Unter
den Abbildungen i)räclitiger Privathäuser, die damals in grofser Zahl
entstanden, rühren auch mehrere von Scliirmer her; andere sind der
in Peter Schencks Verlag (Amsterdam) erschienenen Sammlung von
Leipziger Häuseransichten entnommen Mehrere Prospekte gestatten
\;ns Einblicke in die damals hochbeiühmten Gartenanlagen in Leipzigs
Vorstädten, wie den Apelschen, die Boseschen Gärten. Dafs Avigu.st
der Starke die Umwandlung des Rosentbals in einen J'ark und die
Erbauung eines Palais daselbst beabsichtigte, zeigt ein 1707 vom
kurfürstlichen Überingenieur Major Naumann entAVorfener Rifs. Als
öffentlicher Garten kam das Rosenthal erst Ende des Jahrhunderts
in Aufnahme: den Eingang in dasselbe sowie das bunte Leben auf
der Promenade zeigen uns zw^d prächtige Stiche von Rosmäsler
(1777); von gleichem kultiirgeschichtlichen Interesse ist eine dritte
Litteratur. 1G7
Arbeit desselben Künstlers, die Auerbachs Hof darstellt. — Diese
Proben genügen, um von dem reichen Inhalt des Werkes einen Be-
griff zu geben. Mit dem Ende des vorigen Jahrhiuiderts schliefst
Wustmaun seine Sammlung ab.
Die Absicht, mit 'dem Bilderwerke eine ausführliche Baugeschichte
Leipzigs zu verbinden, gab der Verfasser wegen der grofsea Menge
des ihm zufliei'senden Materials auf; hoffentlich läfst er dieselbe in
nicht zu lange!' Frist als besondere Publikation erscheinen. Die bei-
gefügten Erläuterungen besprechen die einzelnen Bilder nach ihrer
Herkunft und ihrem gegenseitigen A^erhältnis, die Künstler, die sie
gezeichnet und gestochen, ferner die geschichtlichen Verhältnisse,
an die sie erinnern, alles in knapper, klarer Form und geschmack-
voller Sprache. Manchem Benutzer wäre es willkommen gewesen, wenn
die Übersichtlichkeit des Werkes durch Numerierung der Tafeln ixnd
Beifügung eines Inhaltsverzeichnisses erhöht worden wäre.
Das Beispiel, das die beiden vorstehend genannten Werke ge-
geben haben, verdiente recht viel Nachahmung; in der Mehrzahl
unserer alten Städte ist Stoff genug für ähnliche Verölfeutlichungen
vorhanden, und die Kosten sind bei den moderneu Reproduktions-
mitteln nicht sehr erheblich. Vor allem wünschten wir für zwei
Städte gleiche Bilderwerke: für Dresden und für Freiberg. —
Als Voiläufer für ein solches möchten wir die beiden verdienst-
lichen Publikationen ansehen, die der Verein für Geschichte Dresdens
in den .lahren 1890 und 1892 seinen Mitgliedern geboten hat. Die
Kupferstichsammlung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Georg
enthält eine künstlerisch wie geschichtlich AvertvoUe Sammlung von
90 Ansichten der Dresdner Festungswerke vor ihrer 1811 begonnenen
Abtragung, die auf Veranlassung des Organisten an der evangelischen
Hofkirche, Friedr. Georg Kirsten, in den Jahren 1821 — 25 nach älteren
Skizzen durch den Landschaftsmaler Friedrich August Kaunegiefser
in Wasserfarben ausgeführt wnrde; diese Sammlung, deren Haupt-
vorzug die grofse Treue der Wiedergabe ist, veröffentlicht das an
dritter Stelle genannte Werk in vorzüglichen Lichtdrucken. Bei-
gefügt ist die von Kirsten verfafste Beschreibung der Ansichten;
Ratsarchivar Dr. Otto Richter, der die Herausgabe besorgte, hat
sie mit einigen erläuternden Verweisen auf die heutigen Bezeich-
nungen der erwähnten ()rtlichkeiten begleitet.
Otto Richters Anregung verdanken wir auch die an letzter
Stelle genannte Publikation. Das vielbenutzte und jetzt im Buch-
handel immer seltener werdende Prachtwerk von Galriel Tzschimmer
„Die Durchlauchtigste Zusammenkunft", das bekanntlich die Er-
innerung an die im Februar 1678 gelegentlich der Zusammenkunft
des Kurfürsten Johann Georg IL mit seinen 3 Brüdern stattgehabten
Festlichkeiten verewigen sollte, ist auch für die Kenntnis des damaligen
Stadtbildes eine wertvolle Quelle; die Strafsen- und Häuseransichten,
die den Hintergrund für die Darstellung der Aufzüge und sonstigen
Festlichkeiten bilden, sind, namentlich was die architektonischen
Formen der Häuserfassaden anlangt, von unbestreitbarer Treue und
für uns um so intei'essanter, als nur wenige Häuser noch heute in
dem damaligen Zustande erhalten sind. Es war daher gewifs ein
guter Gedanke, die betreffenden Kupferstiche durch den Lichtdruck
allgemeiner bekannt zu machen. Fast alle irgendwie beachtens-
werten Teile der damaligen Stadt: Neumarkt, Moritzstrafse , Ram-
pische Gasse, An der Frauenkirche, Kreuzgasse, Schlofsgasse , Alt-
markt, Wilsdruffer Gasse, Jüdeuliof, in Neustadt der Markt und
1 fi8 Littorntnr.
die Klostergasse konnteil berücksichtigt werden. Besondere Aner-
kennung verdienen die von O. Jüchter verfafsten Erläuterung-en,
welche die Cieschichte jedes einzelnen der dargestellten Grundstücke
mit urkundlicher Genauigkeit bis zur ^'euzeit verfolgen.
Das Einzige, was wir bei beiden Publikationen im Interesse
der Sache bedauern, ist, dafs sie nicht im ]]uchhandel erschienen und
dadurch weiteren Kreisen zugänglich gemacht worden sind.
Dresden. H. Ermisch.
Hrockhaus' Konversatioiis-Lexiko«. Vierzehnte vollständig neu
bearbeitete Autiago. In 16 Händen. Zweiter bis fünfter Band
(Astrachan— Elektrodiagnostik). Mit zahlreichen Tafeln und Text-
abbildungen. Leipzig, Berlin und Wien, F. A. Brockhaus. 1892.
Je 1018 SS. 8«.
Von der neuen Auflage des Brockhausschen Konversations-
Lexikons, dessen ersten Band wir Bd. XIII S. 169 angezeigt haben,
sind im Laufe des Jahres 1892 vier weitere Bände erschienen, die
mehrere für die Geschichte Sachsens in Betracht kommende Artikel
enthalten. Von den Landesfürsten haben die Kurfürsten August,
Friedrich August I. und IL (letztere unter ihren polnischen Königs-
namen August IL und III.) ausführlichere, Christian I. und IL
kürzere Behandlung gefunden; eine solche hätte wohl auch Landgraf
Balthasar verdient, der ganz übergangen worden ist. Die natürlich
auf das notwendigste eingeschränkten Litteraturangabe/? legen von
neuem Zeugnis davon ab, Avie dürftig doch im (4 runde unsere ge-
schichtliche Litteratur ist; dafs das Hauptwerk über eine so bedeu-
tende Erscheinung wie Friedrich August L, die polnisch geschriebene
zweibändige Biographie vor Jarocbowski (1874), noch nicht durch
eine Übersetzung auch uns zugänglich gemacht worden ist, ist doch
recht anfallend; unter diesen Umständen wäre wohl ein Hinweis auf
die allerdings in vieler Hinsicht unerfreuliche Leben.sbeschreibung
Friedlich Augu.sts von Fafsmann (1733, 2. Aufl. 17.34), vielleicht auch
auf das bekannte Werk von PoUnitz La Saxe galante angebracht
gewe.'en. Im übrigen rühren diese Artikel, wie auch die über
die Staatsmänner Beust. Brühl und Grell, über Joh. Friedrich
Böttger, den Eriinder des Porzellans, den Historiker Karl Wilhelm
Böttiger (dessen immerhin recht vei dienstliche Geschichte Sachsens
uns eine weniger scharfe Beurteilung zu verdienen scheint) u. s. w.
offenbar von sachvei'ständigen Verfassern her und gehen keinen An-
lafs zu Bedenken. Von sächsischen Städten haben Bautzen, Chemnitz
und Dresden eingehende, auch die geschichtlichen Verhältnisse be-
rücksichtigende Behandlung gefunden; zur Baugeschichte von Chem-
nitz wäre wohl auf Steches Beschreibende Darstellung der älteren
Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens, Heft 7 (1886), zu der von
Dresden auf das im Jahre 1878 vom Dresdner Architektenverein
herausgegebene Werk „Die Bauten von Dresden" (in welchem der
betreffende Abschnitt ebenfalls von Steche bearbeitet ist) hinzuweisen
gewesen. In den Abschnitten Bergbau, Bergrecht, Bergscböftenstuhl
u. s. w. hätte die so wichtige (ieschichte des Freiberger Bergbaues
und Bergrechts, über die neuerdings ja mehrere eingehende Arbeiten
veröffentlicht worden sind, mehr Berücksichtigung verdient.
Dresden. H. Ermisch.
Litteratur. 169
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschiclite und Altertumskunde.*)
Arras, Paul. Regesteiibeiträge zur Geschichte König Ludwigs II.
von Ungarn und Böhmen. Zusammengestellt auf Grund der Ur-
kunden, welche sich im Baixtzner Ratsarchive vorfinden. (Wissen-
schaftliche Beilage zu dem Programm des Gymnasiums zu Bautzen.)
Bautzen. 1893. 25. SS. 4».
Baumgürtel, H. Die Übergabe der Lausitz an den Kurfürsten von
Sachsen: Wöchentliche Beilage zu den Bautzner Nachrichten.
1892. No. 37-41
— Die Huldigung Johann Georgs L: elienda. 1893. No. 9—12.
Beck, Eich. Ein Stundenplan für die Zwickauer Gelehrtenschule
von 1676 : Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs-
und Schulgeschichte. Jahrg. I (1891). S. 238—242.
Beer, Bndolf. Moritz Hauptmann. Ein Gedenklatt zu seinem 100. Ge-
burtstage, 13. Okt. 1892: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger
Zeitung. 1892. No. 122. S. 485—487.
Berling, Karl. Von der Dresdener Elfenbeinausstellung: Vom Fels
zum Meer. 1892/93. Heft 6. S. 48,5—^94.
Bolte, Johannes. Zwei sächsische Dorf sclmlordnun gen des 17. Jahr-
hunderts (Reinersdorfund Schönfeld): Mitteilungen der Gesellschaft
für deutsche Erziehuugs- und Schulgeschichte. Jahrg. II (1892).
S. 131-142.
Börner, K. Aus Sachsens Volksschulen im 18. Jahrhundert (Schlufs) :
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1892. No. 110.
S. 437-440.
Bornhak, F Anna Amalia Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach,
die Begründerin der klassischen Zeit Weimars. Nebst Anhang-:
Briefwechsel Anna Amalias mit Friedrich dem Grossen. Mit
zwei Porträts und einem Facsimile. Berlin, F. Fontane & Co.
1892. 2 Bll. 372 SS. 8».
V. Boetücher. Grabsteine und Epitaphien in der Kirche zu Göda:
Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXVIII (1892). S. 224-249.
Buchivald, G. Stadtschreiber M. Stephan Roth in Zwickau in seiner
litterarisch-buchhändlerischen Bedeutung für die Reformationszeit:
Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels. XVI (1893).
S. 6-246 (mit 6 Bll. Abbild.).
Burkhardt. Die Münzen und Medaillen des Herzogs Ernst Aug-ust
von Sachsen -Weimar, 1731 — 1748. A. Die Münzen: Blätter für
Münzfreunde. 1892. Sp. 1740—1743. 1750 f. 1765 — 1767. 1778
bis 1780. 1786-1793.
Dihelius. Aus der Geschichte der Kreuzkirche : Unsere Kreuzkirche.
Festschrift zur Erinnerung an die vor hundert Jahren erfolgte Ein-
weihung des Kirchengebäudes, der Gemeinde dargeboten vom
*) Der Herausgeber bittet angelegentlich die Herren Verfasser,
Verleger und Redakteui-e, durch Zusendung der neu erschienenen
Publikationen auf dem Gebiete der sächsischen Geschichte, besonders
solcher, die leicht der Beachtung entgehen, wie Gelegenheitsscbriften,
Programme, kleinere Aufsätze in Zeitungen und Zeitschiiften, zur
Vollständigkeit der bibliographischen Übersichten beitragen zu wollen.
1 70 Litteratur.
Kirclieuvorstand der Kreuzparocliic in Dresdeu (Dresden 1892).
S. 3-18.
Dietrich, Ad. Friedricli iler Freidig-e. Ruliiiie.slilätter und Sagen-
klänge aus Thüringen. Dresden und Leipzig. Pierson. 189'^. 141
SS. 80.
Distel, Th. Zur Todesstrafe gegen Wilderer in Kursachsen. Neues
aus der Gesetzgebung und Sprnchpraxis vor dem Mandate vom
10. Oktober 1.Ö84: Zeitschrift für die gesamte Straft-echts Wissen-
schaft. Bd. XIII (1892/93). S. 259-278.
— Span und Käsen: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechts-
geschichte. M. XIII. Herrn. Abth. (1893). S. 22(5.
— Einiges zur Person des Verbrenners lutherischer Schriften in
Dresden (um !ö2()): Zeitschrift für Kirchengeschichte. Bd. XIII
(1892). S. 389.
— Xeue, Luthers und Melanchthons Ende betreffende Archivalien:
ebenda S. .393 -396.
— Eindruck der Nachricht vom Tode Melanchthons auf den Kur-
fürsten August zu Sachsen: ebenda S 394—396.
— Findlinge (l.Weihnachtsspiel im sächsischen Erzgebirge. 2. Michael
Becker, der lateinische Bauer. 3. Noch ein Gedicht der Neu-
berin an Brühl): Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte.
Bd. V (1892). S. 598-607.
— Kunstgeschiclitliche Findlinge aus dem K. S. Hauptstaatsarchive :
Zeitschrift für bildende Kunst. N. F. IV (1892/93). S. 70f. 95 f.
— Aus von Racknitzens Kunstberichten (1801): Monatshefte für
Musikgeschichte. Jahrg. 24 (1892). S. 139-142.
— Erinnerungen an die Gi'illenburg. Mit Abliildung: Weidmann
Bd. XXIV (1892/93). S. 5.
— Das Grafendiplom für Moritz von Sachsen: Dresdner Anzeiger.
1892. No. 256. S. 4.
Dittrich, Mox. General -Feldmarschall Prinz Georg Herzog zu
Sachsen. Ein militärisches Lebensbild. ■Mit dem Bihhiiss des
Prinzen. Dresden, Albanus'sche Buchdruckerei. 1889. .34 SS. 8".
— Militär -Jubelfeste Sr. Majestät des Königs Albert von Sachsen:
Norddeutsche Allgemeine Zeitung. 1892. No. 486.
— Habsbnrg und Wettin. Ein historischer Rückblick: Zwickauer
Wochenblatt. 1893. No. 13.
Doehner, A. W. Peter- Vischer-Studien. II. Die metallenen Grab-
platten in der Kurfürstlichen Begräbniskapelle des Doms zuMeifsen :
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Stailt Nürnberg.
Heft 9 (1892). S. 169-184.
Erbstein, Jul. Das Königl. Grüne Gewölbe in seiner neuen Auf-
stellung. Dresden 1892. 24 SS. 8".
— Die Denkmünze auf den Besuch Sr. Majestät des Königs Al])ert
von Sachsen in der Königlichen Münzstätte Muldener Hütte am
16 .luli 1892: Blätter für Münzfreunde. 1892. Sp. 1738-1710
(mit Abbild.).
Erhard, Kunifj.^ Stiller, Gust., Stiller, Gtist., u. Gerlach, G. Theod. Die
Nachkomuu-n von Johann Christoph Stiller, Rathmann in Hirsch-
berg (Schlesien), und seines mittelsten Sohnes Johann Cliristoph
Stiller. Postmeister und Raths-Scnior in Strehlen (Schlesien). Nach
zuverlässigen Angaben zusammengestellt im Jahic 1890. Köln
1891. 31 SS. 80 und I Tabelle.
Foucart. Une division de cavalerie legere en 1813. Operations sur
les Communications de l'armee. Combat d'Altenburg- 28. Septembre
Litteratur. 171
1813. Paris et Naucv, Librairie Militaire Berger-Levrault et Cie.
1891. 138 SS. 80 uiad 1 Plan.
Freytng, Ernst Bich. Historische Volk.slieder des sächsischen Heeres.
Aus fliegenden Blättern, handschriftlichen Quellen. Liedersamm-
lungen und dem Yolksmunde gesammelt und herausgegeben.
Dresden, Glöfs. 1892. VIT, 175 SS. 8".
F [ritzen], A. Georg der Bärtige von Sachsen iind die religiöse
Neuerung: St. Benno-Kalender. 1893 S. 63-77.
Gehmlich^ Ernst. Aus der Geschichte der Schule in Baalsdorf bei
Leipzig (17-29— -1785): Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche
Erziehungs- und Schulgeschichte. Jalu'g. II (189:2). S. 251—253.
— Die städtischen Lateinschulen des sächsischen Erzgebirges im
16. Jahrhunderte. Leipzig-Reudnitz. 1893. 78 SS. 80.
Frhr. v. Hansen, Clemens. Vasallen-Geschlechter der Markgrafen
zu Meifsen, Landgrafen zu Thüringen und Herzöge zu Sachsen
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furth]: Dresdner Residenz - Kalender fiir 1893. S. 173—183 mit
6 Tafeln.
Zürn, E. S. Die Raute als heraldische Pflanze im sächsischen Wappen:
Leipziger Zeitimg. 1892. No. 278. Erste Beilage.
Albrecht der Beherzte. Ein Vortrag: St. Benno-Kalender. 1893.
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Die vormalige Commission für die Straf- und Versorganstalten ; Ver-
waltungsbericht der IV. Abtheilung des Könisl. Ministeriums des
Innern auf die Jahre 1886 bis mit 1891. S. 148-159 (164).
Eine Erinnerung an das Jahr 1866 [betr. das Verhältnis v. Bleich-
röders zum sächsischen Gesandten Grafen Hohenthal und zum
Minister v. Friesen] : Mittheilungeu des Vereins für die Geschichte
Berlins. 1893. No. 3. S. 28 f.
Unseres Vaters [Friedr. Gottl. Priber 1793—1868] Leben und Wirken:
Gemeinsame Familien-Blätter zur Pflege der Geschichte und aller
verwandtschaftlichen Beziehungen der von Friedr. Gottl. Priber
abstammenden Familien Priber, Bornemann, Bär und Peters, so-
wie deren Verzweigungen, herausg. von K. Bornemann. I (Znaim
1893). S. 3-13.
Zittauer Kunstdenkmäler. I. Das Thürgitter an der Finkschen Gruft:
• Gebirgsfreund. Jahrg. V (1893). S. 57.
Beiträge zur sächsischen Kirchetigeschichte. Herausgegeben im Auf-
trage der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte von Franz
Dibelius und Theodor Brieger. Siebentes Heft. Leipzig, Barth.
1892. 80.
Inhalt: Blauckmeister, Johann Gottfried Körner, Doktor
und Professor der Theologie, Domherr, Superintendent und Pfarrer
an St. Thomä in Leipzig, Theodor Körners Grofsvater. Beck,
Tobias Hauschkon, ein böhmischer Exulant. Ein Beitrag zur sächs.
Gelehrtengeschichte des 17. Jahrhunderts. Knothe, Wann und
wie ist der erzpriesterliche Stuhl Sorau in der Niederlausitz unter
die Präpositur Bautzen gekommen V Blauckmeister, Sächsische
Kirchenliederdichter. I. Johann Burkhard Freystein. Dibelius,
Die Perikopenordnungen der evang.-luth. Kirche im Königreich
Sachsen. Distel. Vorschlag zu einem Ehrenzeichen füj- säch-
sische Geistliche (1818). O. Richter, Der Abschiedsbrief des
letzten mittelalterlichen Pfarrers von Dresden. Dibelius, A kten-
stücke über der evangel.-luther. Landeskiiche Sachsens Freude
und Leid im Jahre 1717. Derselbe, Kollekten für Dresden.
j^iyg Lifteratnr.
Dresdner Geschichtsblätfcr , herausgegeben vom Verein für Ge-
schichte Dresdens. Jahrg. I (1892). No. 3. n. 4. Jahrg. II (1893).
No. 1. Dresden, W. Baensch S. 33-68. 40.
Inhalt: Frhr. v. Biedermann, Goethe in Dresden. R.
Kade, Kurfürst Moritz und die Musik. 0. Richter, Zeit-
genössische Aufzeiclmungen üher die Einführung der Reformation
in Dresden. Derselbe, Der erste Dresdner Buchhändler. — H.
E r m i s c h . Das älteste Dresdner Stadtbuih. W. L i p p e r t , Histo-
rische Austlüge in Dresdens Umgebung. I. Die Zschouer ^lühle.
II. Die Meixmühle. 0. Richter, Merkwürdige Häuser. II. Alt-
raarkt No. 10 (Marienapotheke) — Urbach, Das geistige Leben
Dresdens am Ausgange des 18, Jahrhunderts. Kade, Kurfürst
Moritz in der Kunst. O. Richter, Über die altniederländischen
Bilderteppiche in der Königl Gemäldegalerie. Derselbe, Der
hölzerne Esel. D er s elb e , Ein Mahnbrief des Rathes zu Dresden
an Herzog Heinrich 1517. Derselbe, Das Wa.ssertriaken.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. Bd. III.
Heft 2. Meifsen, Mosche (Komm.) 1893. S. 157-244. 8».
Inhalt: Wolf, Das Meifsner Gewerbegericht. Markus,
Meifsen während der Napoleonischen Kriege. Leicht, Meifsner
Inschriften und Abzeichen (Foitsetzung). 31 [ a r k u s ] , Ehrengabe
des Rates an Georg Fabricius für die Widmung seiner Annalen
der Stadt Meifsen. L o o s e , Die älteren Meifsner Zunftordnungen.
I. Die Bäcker.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und TJm-
qegend. III. Jahrbuch für 1891—92. Annaberg-, H. Graser (Komm.).
1893. 90 SS 8".
Inhalt: Beruh. Wolf, Einwanderung böhmischer Protestanten
in das obere Erzgebirge zur Zeit der Gegenreformation.
Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein mit Bildern aus Frei-
bergs Vergangenheit. Herausgegeben von Heinrich Gerlach.
Heft 28: 1891. Freiberg i./S, Gerlach'sche Buchdruckerei. 1892.
92 SS. S^.
Inhalt: Gerlach, Zur Feier der Erinnerung an die vor 250
Jahren erfolgte Befreiung Freibergs von der schwedischen Be-
lagerung (hierzu ein Original-Kupferstich vom Jahre 1743). R.
Kade. Freibergs alte Apotheken. Ger lach, Doktor und Apo-
theker Derselbe, Freiberger Polizeiordmingen aus alter Zeit I.
Derselbe, Alte Freiberger Rats-Ordnungen und Bestallungen I.
Th. D istel. Kleinere Mitteilungen. Ger lach. Die Erbhubligung
zu Freiberg für Kuifürst Friedrich August IL den 9. Juni 1733.
Derselbe, Freiberger Gedenkbuch. Derselbe, Heimatliche
Lilteratur 1890/91. Derselbe, Die Aussclnnückung der Dom-
krettzgänge durch einen gemalten Fries betreffend.
vn.
Die kurfürstlichen Leibwachen zn Boss
bis znr Erriclitung des stehenden Heeres.
Aus dem Nachlafs von August von Minckwitz.
Herausgegeben von
Georg von Schiinpif.
1. Das reisige Hofgesinde.
Die Leibwache des Kurfürsten von Sachsen bildete
im Mittelalter das reisige Hofgesinde. Eine Leibwache
im heutigen Sinne des Wortes, ein geschlossener Truppen-
körper, war das reisige Hofgesinde nicht, es bestand aus
den zahlreichen Kriegsmännern aus dem Stande der
Fürsten, Grafen, Herren und Edelleute, welche die Um-
gebung des Kurfürsten bildeten, nebst einer kleinen Schar
von einspännigen Knechten, das lieifst von Reitern, welche
nur mit einem Pferde dienten.
Die Fürsten, welche unter dem reisigen Hofgesinde
vorkommen, waren meist junge Herren, welche ihre ritter-
liche Ausbildung am Hofe zu Dresden empfingen'). Die
Grafen und Herren entstammten vorzugsweise dem in-
ländischen hohen Adel: den Grafen Schwarzburg, Mans-
feld, Barby, Sohns, den Reufsen Herren von Plauen,
den Herren von Schönburg und den Schenken Herren
') Im Jahre 1558 findet sich unter dem reisigen Hofgesinde
aufgeführt: Herzog Magnus, königlicher Würden in Dänemark Sohn.
Er erhielt die Kost zu Hofe, sowie die Kleidung für sich, seinen
Hofmeister, seine beiden Junker, seine beiden Edelknaben, seinen
Sattelknecht, Barbier und Schneider, sowie Hafer auf 10 Pferde.
Besoldet wurden Hofmeister und Diener vom König von Dänemark.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 3. 4. 12
178 Ct. V. Schimpff:
von Tautenburg. Doch finden sich nnter denselben auch
die Namen fremder Grafen und Herren, wie die der
Waldeck, Oldenburg, Hohenlohe, Scheftenberg , Warten-
berg und andere mehr.
Den eigentlichen Kern des reisigen Hofgesindes
bildeten jedoch Mitglieder der meifsnischen , sächsischen
und thüringischen Vasallengeschlechter, welchen auch die
unter dem reisigen Hofgesinde mit aufgeführten kurfürst-
lichen Räte fast ohne Ausnahme angehörten.
Das reisige Hofgesinde begleitete den Kurfürsten auf
seinen Kriegszügen, Reisen und Jagden, nahm .Teil an
den Tänzen, Turnieren und anderen ritterlichen Übungen
und wartete auf bei den am Hofe veranstalteten Festlich-
keiten.
Den Oberbefehl über das reisige Hofgesinde führte
der Hofmarschall.
Ging der Kurfürst ins Feld, so ritt derjenige Teil
des Hofgesindes, welcher nicht auf den Leib des Kur-
fürsten wartete, unter der Rennfahne, mit welcher der
Marschall jederzeit einen Tagesmarsch vorauseilte, um
den Platz für das Lager zu wählen, für die Verpflegung
Sorge zu tragen und im übrigen alles für das Eintreffen
des Herrn vorzubereiten. Ebenso hatte im wesentlichen
Hoflager das reisige Hofgesinde des Marschalls Befehl
und Anordnung zu gewarten.
Was die Anzahl des am Hofe unterhaltenen reisigen
Gesindes betrifft, so ist darüber aus der älteren Zeit
keine sichere Nachricht vorhanden und mag dieselbe, je
nach den Zeiten und Verhältnissen, eine sehr verschiedene
gewesen sein.
Als im Jahre 1553 Kurfürst August zur Regierung
gelangte, wurde vorgeschlagen die Stärke des reisigen
Hofgesindes in folgender Weise festzusetzen:^'
6 Kamm erj linker, jeder mit 4 Pferden,
12 Junker, jeder mit 2 Pferden,
1 Einspänniger Hauptmann mit 40 einspännigen Knechten.
Hierüber seien zu bestallen:
4 Rittmeister, jeder mit 15 Fünf-Rössern^) unter seinem Befehl.
Diese 4 Rittmeister mit 60 Fünf-Rössern sollten je-
doch von Haus aus dienen (d. h. sie dienten von ihren
Häusern aus) und nur auf Erfordern zur Dienstleistung
am Hofe, im Felde und zu Verschickungen sich einstellen.
^) Jnnker, welche mit 5 Rossen dienten.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs. 179
Es ist jedoch nicht dazu gekommen, den Etat des
reisigen Hofgesindes in dieser Weise festzustellen. So
findet sich am 4. Oktober 1553, laut eines dem Hofmarschall
Heinrich von Schönberg übergebenen Verzeichnisses , die
Stärke des reisigen Hofgesindes in folgender Weise be-
zitfert=^}:
9 Pferde die Trompeter und der Heerpauker,
6 „ der Marschall,
8 „ Herzog Wolf von Braunschweig,
8 „ Herzog Wilhelm von Lüneburg*),
8 „ Graf Hans Hoyer von Mansfeld,
8 „ Graf Hans Ernst von Mansfeld,
8 , der Graf von Schwarzburg,
8 „ der Graf von Reinstein,
10 „ Graf Friedrich Magnus Solms,
8 „ Graf Albrecht zu Barby,
2 „ Graf Burkhard zu Barby,
10 „ Christoph von Ragewitz,
10 „ Siegmund von Miltitz,
ferner :
45 Vier-Rösser,
7 Drei-Rösser,
15 Zwei-Rösser,
1 Fourier (2 Pferde),
5 reitende Boten (jeder mit 1 Pferd),
Summa: 308 Pferde.
Hierzu waren noch zu rechnen:
n9 Pferde der Räte „in Sr. kurf. Gnaden Regierung, die an
dem Hoflager bleiben und nit allezeit gerüstet reiten", doch in
voller Besoldung (für ihre Pferde) stehen.
Der Einspännigen geschieht in diesem Verzeichnisse
nicht Erwähnung.
In den hierauf folgenden Jahren blieb, Inhalts der
Hof Verzeichnisse, die Zusammensetzung des reisigen Hof-
gesindes wesentlich die nämliche, und nur die Anzahl der
am Hofe unterhaltenen Reisigen zeigt sich bald ansehnlich
2) An des Kurfürsten eigenen Pferden wurden 1553 im kur-
fürstlichen Stall unterhalten: 24 Hengste, 19 türkische, spanische und
wälsche Rosse, V6 Jagd- und Reise -Klepper, die warten alle auf
Sr. kurf. Gn. Leib und Ihre Buben, 12 ungarische Kutschenpferde,
6 dänische Pferde, 5 Pferde der erwachsenen Buben, so auf meines
gnädigen Herrn Leib und Rüstung warten, 17 Renn-Gäule, 9 Maul-
esel, 6 Pferde meiner gn. Frauen Wagenpferde, 106 Pferde für den
Silberwagen, Kanzlei -Wagen, Küchen- und Keller-Wagen etc.
*l Herzog Wilhelm von Lüneburg befindet sich noch 1558 unter
dem reisigen Hofgesinde aufgeführt Er erhielt damals 685 Gulden
Dienstgeid und Pferdesold, Hafer auf 6 Pferde, die Kost und Kleidung
für sich selbst und 5 Diener.
12*
180 Cr. V. Schimpff:
vermindert, bald wieder vermehrt, auch fand hinsichtlich
der Art und Weise des Unterhaltes des reisigen Gesindes
ein mehrfacher AVechsel statt.
In vergangenen Zeiten hatte das reisige Hofgesinde
keine oder doch nur eine sehr geringe Besoldung in
barem Gelde, dagegen Futter, Mahl und Kleidung vom
Hofe empfangen. Kurfürst Moritz liefs wegen seiner
vielen Kriegszüge, welche eine Lieferung in Naturalien
erschwerten, an Stelle derselben eine Besoldung auf die
Pferde in Geld treten. Im Jahre 1555 stellte zwar
Kurfürst August die alte Einrichtung der Lieferung von
Futter, Mahl und Kleidung wieder her, jedoch bereits
unter dem 1. Januar 15G3 führte er die Besoldung in Geld
von neuem ein.
Auch in anderer Beziehung war dieser 1. Januar 1563
von wesentlichem Einflufs auf die Einrichtung des Hof-
wesens. Durch eine von gedachtem Tage datierte Ver-
ordnung wurde das Hofmarschallamt in ein Marschallamt
auf Reisen und in Jagdlagern und in ein Marschallamt
im wesentlichen Hoflager geschieden, aulserdem aber über
das reisige Hofgesinde in der Person Heinrichs von Schön-
berg ein besonderer Befehlshaber ernannt.
Seine Bestallung besagt im wesentlichen folgendes:
Von Gottes Gnaden Wir Augnstus, Herzog zu Sachsen, Kur-
fürst etc. bekennen und thun kund:
Nachdem Wir erheblicher Ursachen halber an Unserem Hofe
des Speisens, Futters und Mahls halber Änderung gemacht und
Unsere Junker, Einspännige und andere Diener dermafsen bestellt,
dafs sie auf ihren Leib, ihre Pferde und Knechte, anstatt der vorigen
Lieferung Monatssold haben sollen ■'^), vxnd die Notturft erfordert, dals
über dieselben ein besonderer Befehlshaber geordnet -werde, dafs Wir
demnach Unseren lieben getreuen Heinrichen von Schönberg auf der
Glaufsnitz vor Unseren Obersten Kämmerling und Rittmeister solcher
Soldreuter bestallt und aufgenommen haben, bestallen ihn auch hier-
mit dazu, nämlich also:
Dafs sich die Soldreuter gehorsamlich gegen ihn bezeigen, sich
seines Schattens, Gebotes und Verbotes halten sollen.
Er soll Achtung daraufhaben, dafs kein Soldreuter einem fremden
ausländischen Herren mit Diensten behaftet sei.
Wann fremde Fürsten zum Besuche anwesend sein werden, so
soll er mit den Junkern, so unter seinem Befehl sind, die Dienst-
wartung bestellen und sich selbst dieselbe Zeit für einen Marschall
gebrauchen lassen.
■*) Der Monatsold richtete sich nach der Anzahl der Pferde,
auf die ein jeder bestallt war, und betrug auf jedes Pferd jährlich
150 Gulden. Hierüber wurde je nach der Stellung, Erfahrung, Ge-
schicklichkeit und sonstigen Gelegenheit des Betrefteuden ein iJienst-
oder Vorteilgeld gewährt.
Die kurfürstlichen Leibwachen zn Rofs. 181
Wenn die Monatbe-soldung- in der Kammer gereicht wird, soll
er gegenwärtisf sein.
Er Süll (larob sein, dafs die Junker und Einspännigen mit guten
und tüchtigen Pferden und Knechten versehen sind, auch dafs der
Junker und der Knechte Kleidung überein gemacht sei, nach dem
Muster, wie bisher ara kurfürstlichen Hofe gebräuchlich gewesen.
Wenn eiuem Soldreuter ein Graul umfiele oder verdürbe, so soll
sich derselbe innerhalb 14 Tagen wieder beritten machen.
Alle zwei Monate einmal sollen die Soldreuter gemustert werden.
Ferner soll er darob sein, dafs sowohl die Soldreuter und ihre
Knechte, als die Einspännigen, Harnisch und Schützen- Geräthe mit
Pickelhauben führen, wie es sich gebührt, doch können die Junker
innerhalb Landes wenn der Kurfürst es verstatte, damit verschont
werden, das Geräthe zu führen.
Kein Junker noch Knecht noch andere Soldreuter soll unerlaubt
seiner verreiten.
Bei Leibesstrafe soll er verbieten, dals jemand in den kurfürst-
lichen Ämtern das Fischen und Waidewerk zu üben sich unterstehe.
Im Felde habe ein jeder in seinem Gliede und in seiner Ordnung
zu bleiben und soll der Rittmeister niemand verstatten, vom Haufen
voran zu ziehen noch nachzuhudeln.
Wenn der Kurfürst aufser Landes reise, auf den Fall wollte
der Kurfürst Seinen Soldreutern Futter, Mahl und Auslösung reichen,
wie bisher gebräuchlich gewesen, und ihnen dagegen den Monatsold,
so lange die Reise währt, innen behalten.
Auf Reisen im Lande solle den Soldreuteni der Hafer gegen
ortsgliltige Bezahlung aus den Ämtern geliefert werden.
Der Rittmeister und Oberkämmerling soll auf niemandes, denn
auf des Kurfürsten Befehl zu gehorsamen schuldig sein und wenn
er Bescheids bedürftig, solchen bei dem Kurfürsten erholen und an
niemand anders als an den Kurfürsten gewiesen sein.
Der Rittmeister und Oberkämmerling soll auch den Junkern,
so unter seinem Befehl sind, auflegen, dafs sie jeden Morgen um
8 Uhr gegen Hof sich einstellen und in dem Gemach, so man ihnen
anzeigen wird, bis zur Mahlzeit verziehen, damit sie in der Nähe
anzutreffen. Ebenso sollen die Junker täglich sich um 3 Uhr ein-
stellen und bis ziu- Abendmahlzeit aufwarten.
Unter den Junkern soll der Rittmeister und Oberkämmerling
keinen Hader und Unwillen dulden; da sich aber Irrungen und Zwie-
spalt zutrügen, so soll er die Schuldigen in Bestrickung nehmen und
sich bei dem Kurfürsten Bescheides erholen.
Als Besoldung erhielt Heinrich von Schönberg 600
Gulden Mouatsold auf 5 Pferde und 400 Gulden Vorteilgeld.
Bereits nach 3 Jahren legte der Oberkämmerling
und Rittmeister Heinrich von Schönberg sein Amt nieder ;
es wurde die Verteilimg der Obliegenheiten des Hof-
marschalls zwischen einem Marschall im wesentlichen
Hoflager zu Dresden und einem Marschall für die Reisen
und Jagdlager wieder aufgehoben, und der neuernannte
Hofmarschall Benno Pflugk vereinigte mit der alleinigen
Leitung des Hofmarschallamtes auch die Funktion als
Befehlshaber über das reisige Hofgesinde.
182 Gr. V. Schimpft':
Die später noch unter der Regierung des Kurfürsten
August und zwar zur Zeit der Verwaltung des Marschall-
amtes durch Abraham Bück und Hans Georg von Krosigk
angestellten „Hofrittmeister" Hans Philipp von ßerlepsch
und Christoph Stammer nahmen dem Hofmarschall gegen-
über nicht eine so vollkommen unabhängige Stellung
ein, wie der Oberkämmerling und Kittmeister Heinrich
von Schönberg, wenn auch im wesentlichen ihre Obliegen-
heiten die nämlichen blieben.
Unterdessen hatte im w^eiteren Verlaufe der ße-
gierungszeit des Kurfürsten August, einer Zeit, welche
durch vielfach auf einander folgende Versuche und Umge-
staltungen aus den locker gefügten mittelalterlichen Ver-
hältnissen zu einer fester gebildeten Organisation im
Staatsleben wie im Hofhalte hinüberführte, auch die
Gliederung des kurfürstlichen Hofge^^indes sich schärfer
ausgeprägt. Abgesehen davon, dals die Kammer- und
Hofräte nicht mehr im Verzeichnis der Reisigen erscheinen,
lassen sich in den späteren Jahren der Regierung des
Kurfürsten August hinsichtlich der ihnen auferlegten
Dienstverpflichtungen unterscheiden: die Grafen und
Herren, sowie die Vier- und Fünf-Rösser als Soldreuter
im engeren Sinne des Wortes, sodann die Kammerjunker,
die Truchsesse und die einspännigen Knechte.
In der Soldreuter, einschlielslich der Grafen und
Herren, Bestallung ist nur gesagt: dafs sich dieselben
am Hofe wesentlich ent halfen und jederzeit gefalst sein
sollen mit ihren Pferden und Knechten zur Aufwartung
am Hofe, auf Reisen, zu Felde, sowie in allen Sachen,
so der Ehrbarkeit und Billigkeit gemäls, sich gebrauchen
zu lassen.
Die Kammerjunker oder Kämmerlinge waren auf die
Kammer und den Leib des Kurfürsten beschieden und
hatten dem Kurfürsten auf Reisen, beim Jagen und
Pirschenreiten mit ihren Pferden zu folgen und was ihnen
vertraut werde, bis ins Grab verschwiegen bei sich zu
behalten. Für ihre Person genossen die Kammerjunker
die Kost zu Hofe, auch ritten sie, weil sie bei der hohen
Person des Kurfürsten blieben, nicht unter der Hoffahne,
sondern stellten nur ihre Knechte dahin.
Den Truchsessen lag es ob, für die kurfürstliche
Tafel das Essen und Trinken zu tragen, vor der Tafel
aufzuwarten und sonst der Dienstwartung halber des
Hofmarschalls Bescheid zu gewarten.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Hufs. 18B
Die einspännigen Knechte endlich hatten mit einem
wohlgerüsteten Pferde dienstgevvärtig zn sein, am Hofe
sich wesentlich zu enthalten und bei den Reisen und
Jagden auf des Kurfürsten Leib treulich zu warten.
„Und da Wir einem Einspännigen auferlegen lassen, an
andere Orte zu verreiten oder Unseren Feinden und
Widerwärtigen nachzutrachten und die niederzuwerfen",
demselben soll er jederzeit gehorsam sein. Eine nicht in
der Bestallung enthaltene Verfügung verlangte von den
Einspännigen, dafs sie wegekundig und mit flüchtigen
Pferden beritten seien.
Die zufällig erhaltene Aufzeichnung über die Ein-
teilung der Nachtwache, als Kurfürst August im Sep-
tember 1584 bei Klotzsche ein längeres Jagdlager hielt,
bietet ein Beispiel der Dienstverrichtung des reisigen
Hofgesindes^).
Nach Anordnung des Hofmarschalls wachten nämlich
in der ersten Nacht: Stallmeister Balzer Wurmb mit
Seiner Kurf. Gn. eignen Pferden und Knechten; in der
zweiten Nacht : Christoph von Landskron, der Einspännigen
Hauptmann, mit dem halben Teil der Einspännigen und
seinen eigenen Knechten; in der dritten Nacht: Albrecht
von Loeben, Lieutenant der einspännigen Knechte, mit
seinen Knechten und der anderen Hälfte der Einspännigen;
in der vierten Nacht: der Hofmarschall Dietrich Marschall
von Herrn-Gosserstädt mit seinem Sohne, seinen Knechten
und den reitenden Trompetern; in der fünften Nacht:
Christoph Stammer und Christoph Balz er von Beschwitz
mit ihren und Veit Köders Knechten; in der sechsten
Nacht: Wolf Ernst von Wolfframsdorfi" mit seinen und
des Hofmeisters (der Kurfürstin) Siegfried von Lüttichau
Knechten; in der siebenten Nacht: Christoph Heinrich
von Feilitzsch mit seinen und Hans Georg Wehsens
Knechten; in der achten Nacht: Tham Löser mit seinen
und Georg Lösers Knechten; in der neunten Nacht:
Richard von Belau , Wolf Theler, Reinhardt von Boyne-
burg, Joachim von Biesenbrow und Werner von Lützelburg
mit ihren Knechten. Am 10. Tage zog dann der Kurfürst
nach Dresden zurück.
Bei einer ähnlichen Gelegenheit, als der Kurfürst
auf der Hirschfeist mehrere Tage in Sebnitz blieb,
«) Im wesentlichen Hof lager versahen die Wache im Schlosse
zu Dresden die Trabanten zn Fufs.
184 ('• V. Schimpff:
Winde die AVaclic zu Rols foljreiidennalseii gestellt. Zu
8r. Kuif. Gn. Aiikuiitt haben 7 Eint^iiäiinige die Wache
versehen. Folgends bezogen täglich die Wache 7 Ein-
spännige nebst 7 der Kaninierjunker Knechten und wurden
dieselben jedesmal abends G Uhr aufgeführt. Hierüber
hatte der Rat zu Pirna 60 guter Büchsenschützen nach
Sebnitz geschickt, von denen alle Nacht 30 Mann die
AVache neben den Trabanten an den Schlägen versahen.
Zur Zeit des Kurfürsten Christian I. trug die Ein-
richtung des reisigen Hofgesindes noch das nämliche
Gepräge, wie zu den Zeiten seines Vaters, des Kur-
fürsten August, nur war die Hofstatt noch zahlreicher
und glänzender. Neben dem häufig schon als Oberhof-
marschall bezeichneten Hofmarschall erscheinen ein Ober-
schenk und ein Oberküchenmeister, welche ebenfalls ge-
rüstet reiten. Unter den Grafen und Herren werden,
nächst den Angehörigen der dem Hause Sachsen mit
Lehenpllicht verwandten Geschlechter, namentlich Mit-
glieder des böhmischen hohen Adels benannt, aus den
Familien Lobkowitz, Hardeck, Adersbach -Berka, der
Krsinetzki Herren von Ronow, der Schlick Grafen
von Bassano und der Sezina Herren von Ausch. Auch
ein Lichtenstehi und ein Burggraf von Dohna dienten
dem Kurfürsten Christian.
Im Jahre 1588 ordnete Kurfürst Christian eine allge-
meine Musterung an, sowohl des reisigen Hofgesindes, als
der gesamten Pferde der Rittei'schaft') und der wehr-
haften Mannschaft in den Städten. Die Musterung des
reisigen Gesindes fand zu Dresden am 18. März hinter
dem Schlosse statt. Im Anzüge bildete die Vorwart der
Eeiterhauptmann Job von Milkau mit den 44 Einspännigen,
den 8 Leibknechten , 6 Wagenknechten , 2 Fouriere und
dem Futtermarschall. Darauf folgten 3 Trompeter und
auf diese „die Grafen, Herren und Junker, so wesentlich
an Sr. Kuif Gnaden Hof seind", geführt von dem Hof-
marschall Wolf von Schönberg *^) zu Pulsnitz und dem
Hofrittmeistei- Albrecht von Miltitz zu Munzig. Ihnen
zunächst zogen die Grafen, die Herren und die Hof-
'') Es wurden 6735 Pferde gefunden.
«) Hans Wolf von Schönberg- zu Pulsnitz, Hofmarschall und
Kriegs -Obrist, der Bruder des Marschalls von Frankreich, Caspar
von Schönberg, war der Stifter der Lausitzer Linie des von Schön-
bergschen Geschlechts.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs. 185
Offiziere''), jeder von einem Spiefsjungen begleitet; dann
die Kammeijnnker '"), zum Teil ebenfalls mit ihren Spiels-
jiingen, die Soldreiter '^), die Truclisesse'-) und die kur-
fürstlichen Amtshauptleute, soweit dieselben nicht selbst
zu Musterherren verordnet waren. Ihnen folgten dann
ferner: die Junker des Grafen Sebastian Schlick und
des Herrn Heinrich Krsinetzki, der Junker Knechte, so
ihre Rüstungen angelegt hatten, die Jungen mit den
Trolskleppern und zum Schluls der Grafen, Herren und
Junker Kutschenpferde.
Als Musterherren Avaren verordnet : der Hofmarschall
von Schönberg, der Kammerrat und Hauptmann zu
Grimma Hans Georg von Ponickau, der Hauptmann zu
9) Graf Sebastian Schlick, Herr Heinrich Krsinetzki, Hans
Georg von Ponikau, Herr Joachim Adersbach-Berka , Herr Georg
Schenk, Herr Christoph von Hassenstein , Herr Victorin Rosinetzki,
der Oberschenk Christoph vom Lofs zu Pillnitz, der Oberküchenmeister
Hans von Wolffersdorff , der Hofmeister der Kurfürstin Christoph
Marschall von Herrn-Gosserstädt, Otto von Dieskau, der Jägermeister
Paul Gröbel, der Hofschenk Hans von Miltitz, der Fürstl. Teschensche
Hofmeister Titz von Starschedel , Werner Vitzthum von Apolda , so
uf die kalte Küche wartet. Der Mundschenk des Kurfürsten Haus
Christoph von Ragewitz imd der Mundschenk der Km-fürstin Caspar
von Haugwitz ritten unter den Kammerjunkern. Der Oberstall-
meister, der Unterstallmeister und der gesamte reisige Marstall
waren bei der Musterung nicht beteiligt, ebensowenig die Jägerei
mit Ausnahme des erwähnten Jägermeisters.
1") Stellanus von Holtzendorff, Hans von Osterhausen, Heinrich
von Schönberg, Georg von Knobelsdorff, Hans Georg Wehse, Wolf Ernst
von Wolfframsdorff, Vespasian von Reinsperg, Christoph von Lands-
kron, Heinrich von Hagen, Georg von Wallenfels, Eustachius Hacke,
Heinrich von Nizschwitz, Hans von Arnswald, Rudolph von Gersdorff,
Joachim von Biesenbrow, Hans Christoph von Ragewitz, Caspar
von Haugwitz, Georg Bindeuff, Thil von Osterhausen, Heinrich
von Winterfeld, Dietrich von Miltitz.
") HillebrandAVinkler, Gebhard Dreschkau, Christoph von Schön-
berg, AVolf von Schönberg, Günther von Bünau, Christoph von Wallen-
fels, Friedrich Wilhelm "von Milkau, Wenzel Röpler, Fritz Polenz,
Werner von Lützelburg, Asmus Bock.
12) Georg Krähe, Dietrich Rabiel, Reichard von Belau, Bastian
Kalkreuter, Wolf von Belau, August von Carlowitz, Wolf von Carlo-
witz, Ernst von Miltitz. Christian von Miltitz, Heinrich von Bünau
zu Tetschen, Haubold Schleinitz, Wolf Lindenau, Fritz Starschedel,
Balzer Starschedel, Albert von Wolfen, Caspar Pflugk, Seyfried
von Bernstein, Abraham Popschitz, Andreas Wilhelm Gebhardt,
Asmus von Knobelsdorff, Hans von Schönbeck, Caspar von Lipsdorf,
Wolf von Breitenbauch, Georg Preufs. Georg von Landskron, Wille-
waldt Goldacker, Friedrich Pudewels, Siegmund Wallrodt, Hans
von Brandenstein, Ludolf von Alvensl eben, Wolf Widemann, Barthel
Götz, Friedrich Fritzsche.
186 ^- V. Schimpft':
Hohnstein Hans Jenitz. Es wurden im fjanzen von den-
selben gemustert 503 gerüstete Pferde, 36 Trolsklepper
und 100 Kutschenklepper,
Als Kurfürst Christian im Juli 1589 mit zahlreichem
Gefolge nach Berlin zog, waren die 54 Pferde der Ein-
spännigen sowie die Leibknechte auf dem Wege dahin
in 4 Etappen verteilt und es begleiteten den Kurfürsten:
die dritte Rotte Einspänniger von Dresden bis Elster-
werda, die zweite Rotte Einspänniger von Elsterwerda
bis Lebus, die kurfürstlichen Leibknechte von Lebus bis
Mittenwalde und die erste Rotte der Einspännigen mit
dem Hauptmann Job von Milkau von Mittenwalde bis
Berlin. Ebenso wurde es im Rückzuge gehalten.
Kurfürst Christian errichtete im Jahre 1590 im
Januar aus jungen Edelleuten die Leibgarde der Carabiners
oder Edlen Pursch. Sie bestand unter dem Befehle
Hansens von Osterhausen aus 4 Rotten, jede Rotte zu
einem Rottmeister und 12 Edlen Pursch''^). Allein der
Bestand dieser Leibgarde war ein sehr kurzer, denn be-
reits im November 1591, nach des Kurfürsten Christian I.
frühem Ableben, erfolgte deren Wiederauflösung ^-).
^^) Die Bestallung sämtlicher Einrösser von Adel datiert vom
2. Januar 1590. Der Hauptmann über die Edlen Pnrsch, Unterstall-
meister Hans von Osterhausen, hatte 6 reisige und 4 Kutschenpferde
und nOO G. auf seinen Leib. Der Lieutenant über die Edleu Pursch,
Georg von Carlowitz, 5 reisige und 2 Kutschpferde, 200 G. Vortel-
geld. Ferner: 4 Rottmeister, jeder mit 2 Pferden und 50 G.,
.-56 Carabiner, jeder mit 1 Pferd und 50 G. Erste Potte: Georg
(Christoph von Nessa Rottmeister, Gabriel von Schleinitz, Christoph
von Kreuscha, Jobst von Haugwitz, Ernst von Miltitz, Georg
von Schellendorff, Heinrich von Krakau, Jahn von Haugwitz, Wolf
Al)raham von Ponickan, Georg von Kleist. Andere Rotte: Hans
Caspar von Kospoth Rottmeister, Caspar von Nizschwitz, Hans
von Kitzscher, Caspar von Porsdorf, Hans ßarthel von Gorbitz, Jobst
Heinrich von Schweichel, Friedrich von Schönberg, Josua von Nessau,
Siegmund von Gortzke, Hans Quirin von Hain. Dritte Rotte:
Antonius von Pritzke Rottmeister. Abraham von Carlowitz, AVolf
Heinrich von Günterode, Heinrich von Trandorf, Moritz Bastian
von Zehmen, Polycarp von Arras, Rudolph Linke, Wolf Cliristoph
Edler von der Planitz,. Ernst Bock, Haubald Pflugk. Vierte Rotte:
Philipp Wilhelm Ruder Rottmeister, Friedrich von Schönberg d. ä.,
Dietrich Scharrt, Hans von Zschieren, Hans Joacliim von Arras, Karl
von Priesen, Wolif von Wolffersdorff', Caspar von tiünterode, Reinhard
von Tamsdorff, Hans Caspar von Günterode, Fourier Caspar Kuchler.
") Jeder Rottmeister erhielt zum Abzüge ;35 G., jeder adlige
Pursch 25 G. Herr von Osterhausen blieb bis zu weiterer Ver-
gleichung und erhielt eine Kette für 200 G. mit dem Contrefect.
Georg von Carlowitz wurde entlassen und erhielt die Abfertigung
wie ein Kammerjuuker, d. h. eine Kette für 150 G. mit dem Contrefect.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs. 187
Für die Geschichte des reisigen Hofgesindes bildet
der Zeitpunkt dieses Regierungswechsels einen wichtigen
Abschnitt, indem durch den Administrator Herzog
Friedrich Wilhelm zu Sachsen als Vormund des jungen
Kurfürsten das gesamte reisige Hofgesinde entlassen
wurde. Damit aber neigte sich überhaupt die zeitherige,
noch durchaus im Herkommen des Mittelalters wurzelnde
Einrichtung des reisigen Hofgesindes dem völligen Ab-
schlüsse zu, denn in gleicher Weise und, was namentlich
die grolse Anzahl der am Hofe unterhaltenen Grafen,
Herren und Soldreiter betrifft, in gleicher Ausdehnung
wurde dasselbe nicht wieder aufgerichtet ^'^j.
Auf den jungen Kurfürsten und seinen Bruder warteten
nur der Hof- und Stallmeister Nickel von Miltitz auf
Siebeneichen, an dessen Stelle später Hans Georg
von Ponickau zu Pomsen trat, nebst 6 oder 8 Junkern,
unter denen sich ein Graf und ein Herr befanden: Graf
Joachim Andreas Schlick^**) und Herr Burkard Schenk
Freiherr zu Tautenburg, welch letzterem die spezielle
Leitung der Erziehung anvertraut gewesen zu sein scheint.
Nach der im Jahre 1601 erfolgten Übernahme der
Regierung durch Kurfürst Christian H. erscheinen dann
anfangs wohl in den Hofstaatsverzeichnissen unter dem
Kapitel des reisigen Hofgesindes aufs neue einige Sechs-
rösser und Fünfrösser, bald aber beschränkt sich die
Abteilung des reisigen Hofgesindes am Hofe des Kurfürsten
Christian H., wie an dem seines Nachfolgers, des Kur-
fürsten Johann Georg I., auf die Hofoffiziere, die Kammer-
junker, die Truchsesse und eine geringe Anzahl von ein-
spännigen Knechten.
2. Die Hoffahne.
Mit dem Ausbruch des dreißigjährigen Krieges traten
zwar für das Kriegswesen vollständig neue Verhältnisse
ins Leben, zunächst verblieb jedoch dem als Hoffahne be-
^^) Auch die sämtlichen Hofoffiziere wurden entlassen und die
Führung der Hofwii'tschaft übernahm der Witthumsmarschall der
Kurfürstin -Mutter, Christoph vom Lofs zu Pillnitz, später ersetzt
durch Wolf Ernst von Wolfframsdorft".
^^) Jedenfalls ist dies derselbe Joachim Andreas Graf Schlick,
welcher nach der Schlacht am weifsen Berge 16;21 in Prag enthauptet
wurde.
188 (J. V. Schiinpff:
zoichneten reisigen Hofgesinde seine Bestimmung, dem Kur-
fürsten als Leibwache zu dienen, und als Kurfürst Johann
Georg I. den Auftrag des Kaisers übernommen hatte, die
Oberlausitz zum Gehorsam zurückzuführen, erfolgte nächst
der Anwerbung einer Anzahl von Regimentern zu Rols
und zu Fuls^'j auch eine ansehnliche Verstärkung des
reisigen Hofgesindes, an Hofjunkern sowohl als namentlich
an einspännigen Knechten.
Zum Befehlshaber über die Hoffahne Avurde in der
Person Kraffts von Bodenhausen aufs neue ein Hofritt-
meister angestellt, dessen Bestallung vom 30. August 1620
datiert. Am 25. August 1620 fand bei Dresden die
Musterung der Hoffalme statt.
Laut der Musterrolle war dieselbe in folgender Weise
zusammengesetzt :
Sr. Kurf. Gn. eigene Pferde , einschliefslich des Herrn
Stallmeisters 32 Pf.
Obristlieutenant Bernhard von Starschedel als Hof-
marschall
Rittmeister Krafft von Bodenhausen
Lieutenant Wolf Marschall
Cornet Heinrich Schenk
Fahnenjunker Friedrich von Tjüttichau
40 Edelleute'S)
2 Fouriere
1 Proviantraeister
1 Profos
17 Trompeter und 1 Kesselpauker
1 Wagenmeister
1 Musterschreiber
7 „
10 „
7 „
7 „
4 ,
142 „
4 „
3 „
2 „
18 „
2 „
2 „
Sa.:
: 240 Pf.
") Es wurden aufgestellt: 1200 Pferde, 7000 Mann zu Fufs,
1600 Ritterpferde, 94H4 Mann beim Defensionswei'k zu Fufs.
'*) Hennig von Ziegesar, George Pflugk, Bernhard von Kanna,
Ludewig- Lauin Hain, Christian von Osterhausen, Ludewig von Taube,
Christof von Schleinitz, Heinrich von Taube, Reinhardt von Taube,
Joacliiml) von Schleinitz, Christov von Liebenaw, Herr Zdenke
Siegmundt von Wallenstein, Hans Wilh. Riimer, Hans von Schönbergk,
Jobst von Wüstenhoff, UUrirh von Griinrodt, Korporal, Hans Albrecht
von Bei'ustein, Hartwig Christoph Kürkölssky, Korporal, Andres
von Schönbergk, Friedrich Herrmann von Ruckrodt, Philipp
von Rödern, Heinrich Otto von Starschedel, Georg Christopli
von Kalbe, Korporal, Georg Ernst von Kalbe, Woff Dieterich
von Arafs, Georg Wilhelm von Bernfsdorf, Adam von Rodewitz,
Christof von der Lanke, Hans Bastian von Schleinitz, Christoph
Heinrich von Milkaw. .lobst Heinrich von Mitschellfahll. Wolf Otto
von Lindenaw, Heinrich Sittich von Westerhagen, Melchior von Hagen,
Thobias Mitschellfall , Johann Persohnn, Sieemund Hübener, Hans
Wilhelm Kestener, Walthauser Blennagel, Balzer Kauxdorf.
Die kurftirstlicben Leibwachen zu Rofs. 189
Ferner die kurfürstlichen Einspännigen:
Simon Göderitz, Lieutenant
4 Pf.
38 Einspännige
38 „
Sa.: 42 Pf.
Ferner die reitenden Jäger:
Georg Ernst von Weissenbach, Lieutenant,
3 Pf.
1 Trompeter
1 «
2 Korporale
4 .,
Hans Georg von Carlowitz
4 „
Jobst Christoph Römer
4 „
1 Fourier
37 reitende Jäger, mit 1 bis 3 Pferden bestallt
1 Schmied
1 Regimentsdiener
Sa. : 67 Pf.
Die vorerwähnten, zur Hoff ahne gehörigen 40 Edel-
leute waren zum Teil die kurfürstlichen Kamnierjunker
(jeder mit 4 bis 5 Pferden), zum Teil Truchsesse (jeder
mit 2 bis 3 Pferden), zum Teil zu der Hoffahne besonders
angeworbene und meist auf 2 Pferde bestallte Junker.
Die Kammerjunker und Truchsesse erhielten vom Tage
der Musterung an die Besoldung auf ihre Pferde nicht
mehr aus der kurfürstlichen Kammer, sondern von der
Hoffahne, während sie ihre persönliche Besoldung (das
Vorteilgeld) aus der Kammer fortbezogen. Der reitenden
Jäger, welche dem Personal des Forst- und Jagdwesens
angehörten, geschieht in den vorhandenen Nachrichten
seit der Musterung nicht wieder Erwähnung.
Was die Einspännigen betrifft, so besagte die Be-
stallung des einspännigen Lieutenants Simon Göderitz im
wesentlichen folgendes. Er soll über die einspännigen
Keuter das Kommando führen und selbst mit 4 wohl-
gerüsteten Pferden und tüchtigen Knechten, welche jeder-
zeit, gleich bei den anderen Einspännigen, mit reiten und
aufwarten, dienstgewärtig sein. Er soll sich am Hofe,
auf den Reisen, in Jagd- und anderen Lagern, wo jederzeit
der Kurfüi st sich befindet, wesentlich enthalten und ohne
des Kurfürsten oder des Hofmarschalls Vorwissen nicht
verreiten. Wenn der Kurfürst reist oder jagt, so soll er
auf Ihn fleilsig und treulich warten und wenn ihm der Kur-
fürst durch den Hofmarschall anbefehlen lälst, an andere
Orte zu verreiten oder „unsern Feinden nachzutrachten
und die nieder zu werfen", so soll er dem jederzeit gehor-
samen, auch sich sonsten des Hofmarschalls Befehl gehor-
samlich verhalten und sich der Hofordnung gemäls bezeigen.
190 Gr. V. Schimpff:
Die Estandarte der Hoffahne war von rotem Taffet,
reich mit Gokl und Silber besetzt. Auf der einen Seite
befanden sich die Kurschvverter kreuzweis übereinander-
geschränkt mit der Umsclirift: Uterque tempore pacis et
belli. (Sowohl in Kriegs- als in Friedenszeiten.) Auf
der anderen Seite zeigte sich der Kurhut und über dem-
selben die Inschrift: A Deo, sowie unter demselben die
Inschrift: Pro imperio.
Der Kurfürst brach am 28. August 1620 mit der
Hoffahne von Dresden gegen Bautzen auf und musterte
dieselbe in eigener Person am 16. September bei Bischofs-
werda.
Nach der Einnahme von Bautzen, am 5. Oktober 1620,
kehrte der Kurfürst nach Dresden zurück. Am 3. Juli 1621
folgte die Hoffahne dem Kurfürsten nach Camenz zum
Landtage, den 28. Juli nach Görlitz, den 4. August nach
Zittau, den 6. August nach Löbau und den 7. August
nach Bautzen, ebenso zog die Hoffahne zur Begleitung
des Kurfürsten am 3. November 1621 nach Breslau, wo
derselbe im Namen des Kaisers die Huldigung der
schlesischen Stände entgegennahm, und 1622 im Mai nach
Langensalza zur Vereinigung mit den daselbst ver-
sammelten kurfürstlich sächsischen Truppen.
Den Befehl über die Hoffahne hatte unterdessen an
Stelle Kraflfts von Bodenhausen, welcher 1621 am 19. No-
vember zum Obristen über ein Regiment von 1000 Arque-
busierreitern bestallt worden war^^), Wolf Marschall
von Herrn -Gosserstädt als Hofrittmeister übernommen.
Der Kurfürst liels im September und Oktober 1622
einen grofsen Teil der Truppen abdanken. Im folgenden
Jahre erfolgten zwar neue Werbungen, jedoch nur für
kurze Zeit, denn in den Jahren 1624, 1625 wurden aufs
neue alle Truppen entlassen, bis auf die Fulstrabanten
(Ober-Guardia), die Besatzung von Dresden (Unter-
Guardia) und die Hausartilleric. Auch die Hoffahne
teilte das Schicksal der übrigen Truppen, indem am
6. Mai 1624 die zur Hoffahne angeworbenen Junker, so-
wie die Einspännigen, welche im Verlaufe der Jahre sich
auf 140—150 Pferde verstärkt hatten, ihre Entlassung
erhielten.
1'^) Das Regiment wur(l(^ 1622 abjjodunkt, worauf Krafft von Boden-
hausen ein Regiment Ritterpferde als Obrist erhielt. Er wurde 1H24
Amtshauptmann zu Torgau und Liebenwerda und starb am 29. De-
zember 162B.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs. 191
Kurz vor Abdankung der Hoffalme, im Februar 1624,
kam der Kurfürst von Brandenburg nach Dresden. Kur-
fürst Johann Georg ritt ihm eine Strecke Weges entgegen ;
die Zugordnung war dabei folgende:
Im Vorzuge sind gewesen: Rittmeister von Kalkstein mit seiner
geworbenen Kompagnie von 150 Pferden; 3 Trompeter; der Lieutenant
Simon Göderitz mit den Arquebusierern der kurf. Leib-Guardia zu
Kofs von Einspännigen, 142 Pferde stark, allezeit 5 im Gliede;
3 Rüstknechte, 12 Handrofse, 3 Leibknechte.
Darauf folgten: der Heerpauker, 12 Trompeter, 8 Lakaien; der
Kurfürst von Sachsen ; 7 Glieder vornehmer Ofüziere, Kammerjunker
und anderer Junker; 2 Glieder Kammerjungen; 6 Glieder der Oflizierer
und Junkergesindchen; 3 kurfürstliche Kammerdiener.
Im J«Jachzuge sind gewesen: 10 Trompeter; der Hofrittmeister
Wolf Marschall ; die Hoffahue, 188 Pferde stark, allezeit 5 im Gliede ;
der Feldprediger und der Hofprofos ; Rittmeister Friedrich Wambold
von Umbstadt mit seiner geworbenen Kompagnie von 123 Pferden.
Wolf Marschall wurde laut einer neuen Bestallung
vom 24. Mai 1624 „über die bisher gerichtete Hoffahne"
wieder zum Hofrittmeister in Jahresbesoldung aufge-
nommen, erhielt jedoch statt dessen am 17. September 1628
die Ernennimg als Hauptmann der Ämter Salza, Weilsensee
und Sachsenburg und am 27. April 1632 zugleich Be-
stallung als Obristlieutenant bei des übristen Cäsar Pflugk
Regiment Ritterpferden.
Die Hoffahue selbst ist seit der Abdankung am
6. Mai 1624 nicht wieder aufgerichtet worden.
3. Die Leibkompagnie der Einspännigen.
An Stelle der Hoff ahne beschlofs der Kurfürst eine
Kompagnie Einspänniger als Leibgarde zu Rols zu unter-
halten. Der bisherige Lieutenant der Einspännigen,
Simon Göderitz, genannt der tolle Simon, wurde beauf-
tragt, diese Kompagnie aus den von der Hoffahne ent-
lassenen Einspännigen zu formieren.
Im Verfolg dessen liels Simon Göderitz dem Kur-
fürsten etliche Erinnerungspunkte überreichen. Diese
Erinnerungspunkte selbst haben sich nicht aufgefunden,
allein aus der Resolution des Kurfürsten lälst sich ihr
Inhalt ersehen. Die Resolution besagt nämlich:
Jeder Reuter solle auf das Pferd 150 G. erhalten, ein Corporal
300 G. auf 2 Pferde und 30 G. Vortheilgeld.
Wenn einem oder dem anderen wegen geschwinden Fortreitens
ein Gaul umfiele, solle ihm, nach Umständen, zur Wiederanschaffung
eine Beisteuer gereicht werden.
192 G. V. Schimpff:
Den Einspännigen solle der Scheffel Hafer in der Festung
Dresden um den halben Marktpreis, Heu und Stroh für jedes Pferd
täglich um 2 Groschen, auf den ßeisen der Sclieffel Hafer um
12 Gr., Heu und Stroh um 1 Gr. Auslösegeld gelafsen werden.
Für die Losamenter sollen die ledigen Einspännigen jährlich
einen Monatsold zu geben schuldig sein und die Verheiratheten sich
mit ihren Wirthen vergleichen.
Der Tisch solle ihnen sowohl in Dresden als auf Reisen monatlich
um 1 (iulden gereicht werden.
HieriiächsterhieltSimonGöderitz unter dem 14.Mai 1624
Befehl, über diejenigen Einspännigen, welche sich ferner
unterhalten lassen wollten, eine richtige Rolle zu verfertigen
und dann folgenden Morgens 9 Uhr mit den Einspännigen
nach den Trachenbergen hinaus zu reiten, auch die Rolle
hierbei zu überantworten.
Die neu angeworbenen Einspännigen, einschliefslich
der Knechte des Lieutenants und der anderen Offiziere,
leisteten am 1. Juni 1624 dem Hofmarschall Bernhard
von Starschedel-'') den Eid und bestand nunmehr die
Leibkompagnie der Einspännigen , oder , wie dieselbe bei
dieser Gelegenheit benannt wird, die Kurfürstliche Leib-
Guarde zu Rofs, aus:
dem Lieutenant Simon Göderitz mit
dem Kaltküchenraeister
1 Fourier
3 Corporalen
1 Trompeter
1 Schmied
42 Einspännige
Die Leibkompagnie der Einspännigen, welche ein
Cornet von gelb und blau^^) führte, war an die Befehle
des Hofmarschalls verwiesen, und gelegentlich hatte der
Kurfürst selbst geäulsert : er betrachte die Einspännigen
mehr als Hofdiener, denn als Soldaten^^). In der That
befand sich die Kompagnie jederzeit am Hoflager und,
wenn der Kurfürst reiste oder im Lande jagte, vollständig
oder doch zum Teil in seiner Begleitung. Selbst als der
Kurfürst 1G25 zur Kur ins Wiesenbad ging, gehörten
6 Pferden
2
vt
2
n
je
2
»
1
w
1
n
je
1
n
60 Pferden.
20) Bernhard von Starschedel, zugleich Kriegsobrister, war Hof-
marschall von 1623 bis 1635.
21) In der Regel sollte bei allen Truppenteilen die Farbe von
Rock und Aufschlägen übereinstimmen mit der Farbe der Standarte
oder Fahne, allein es herrschte hierin viel Willkür.
22) Die Äufserung geschah aus Anlafs einer Beschwerde über
das allzu scharfe Kommando der Offiziere.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs. 193
Sämtliche Einspännige zu der den Kurfürsten begleitenden
Hofstatt. Bei der Einholung fremder Fürsten und der-
gleichen Gelegenheiten pflegten die Einspännigen sich an
der Spitze des Zuges zu befinden.
Im Jahre 1627 erhielt an Stelle des Lieutenant
Simon Güderitz der bisherige Korporal Hans Rau als
Lieutenant den Befehl über die Leibkompagnie der Ein-
spännigen, und als im Jahre 1631 der Kurfürst aufs neue
Kriegsvülker werben liels, wurde Hans Rau zum Ritt-
meister ernannt mit dem Befehle, den Bestand der Kom-
pagnie auf 125 Mann zu bringen. In dieser Stärke er-
schien in der Musterung bei Mühlberg am 6. Mai 1631
die als Leib-Guardia zu Rols bezeichnete Kompagnie von
Arquebusier-Reitern--'). Als kurz darauf Rittmeister Rau
erkrankt und zu Torgau verstorben war, erhielt unter
dem 16. Juli 1631 das Kommando über die Leibkompagnie
der Rittmeister Georg Christoph Marschall von Herrn-
Gosserstädt-^). Seiner Bestallung zufolge hatte er sich
wesentlich am Hofe aufzuhalten, es sei im gewöhnlichen
Hoflager oder auf Reisen, und täglich bei Hofe aufzu-
warten. Ferner sollte er getreulich ins Werk richten:
„was Wir ihm befehlen werden und was nach Uns Unser
Hofmarschall oder im Felde Unser über die Arthillerie
und Unser sämmtliche Leib-Guardia zu Rofs bestallter
Obrist-Lieutenant, Ober-Stallmeister Dietrich Taube ihm
befehlen wird."
Die hier auliser der Leibkompagnie der Einspännigen
erwähnte Leib-Guardia zu Rofs bestand aus 5 Kom-
pagnien Arquebusier-Reitern, welche den Stamm zu dem
bald darauf formierten kurfürstlichen Leibregiment zu
Rols bildeten.
In Verbindung mit diesen Arquebusierkompagnien
focht die Leibkompagnie der Einspännigen unter dem
Befehle des Oberstallmeisters Dietrich Taube in der für
die Sachsen unglücklichen Schlacht bei Breitenfeld am
7. September 1631. Bei Tillys zunächst gegen den von
den Sachsen gebildeten linken Flügel gerichtetem An-
griffe gerieten die sächsischen Regimenter in Unordnung,
und nächst der Leibkompagnie der Einspännigen hielten
Stand nur die Taubeschen Kompagnien und das Arnim-
-^) Die Arquebusiere bildeten im Zeitalter des dreifsigj ährigen
Krieges die leichte Reiterei.
-•*) Rittmeister Marschall erhielt monatlich 10 Thaler auf jedes
seiner 6 Pferde und 170 G. Vorteilgeld.
Neues Archiv f. S. ü. u. A. XIV. 3. 4. 13
194 G. V. Scaümpff:
sehe Regiment. Oberstallmeister Taube selbst wurde
verwundet und Kittmeister Georg Christoph Marschall
vor der Front der Leibkompagnie durch eine Kanonen-
kugel getötet'-'^).
An Stelle des Rittmeisters Marschall erhielt hierauf
das Kommando der Leibkompagnie der bisherige Lieute-
nant Georg Herfurth als Rittmeister.
Im Anfange des Jahres 1635 brachte der Rittmeister
Hans Georg von Loeben eine Kompagnie von 110 Pferden
auf, welche mit den Einspännigen marschierte und die
andere Leibkompagnie genannt wurde. Im Jahre 1639
zog jedoch der Hofmarschall Obrist Dietrich Taube diese
Kompagnie, welche seit 1637 an Loebens Stelle der Ritt-
meister Philipp Junghanns führte, zu dem unter seinem
Befehle stehenden Leibregiment zu Rols.
Bei der Sonderstellung, welche die Leibkompagnie
der Einspännigen den übrigen Truppen gegenüber ein-
nahm, ist es nicht zu verwundern, dals in den Annaleu
des dreifsigj ährigen Krieges der Thaten der Leibkompagnie
selten Erwähnung geschieht. In einem Briefe des Obrist-
lieutenant Caspar Ernst von Eichendorff aus Zatzschnau
an den kaiserlichen Generalwachtmeister Grafen Peter
Götzen vom 15./25. März 1637 findet sich jedoch erwähnt,
dals der Obristlieutenant von Rochow „nebst Sr. churf.
Durchlaucht Leibkompagnie und etlichen Dragonern" den
Obristlieutenant Stubart in Neustadt überfiel und das
ganze Regiment ruinierte, so dafs nur der Obristlieutenant
mit 30 Pferden davon kam, während die Übrigen nieder-
gehauen oder gefangen wurden. Ferner meldet Weck in
seiner Chronik von Dresden, dals am 14. Juni 1643
schwedische Truppen bis vor das Wilsdrufier Thor streiften,
denen sich die kurfürstlichen Einspännigen „präsentirten".
Auch wurden vom Kreuzturme einige Stücken gegen die
Schweden gelöst, worauf sich dieselben wieder zurück-
zogen.
Das Kommando der einspännigen Leibkompagnie er-
hielt am 24. Juni 1644 an Stelle des Rittmeisters Her-
furth der bisherige Lieutenant der Kompagnie, Hans
2^) Georg Christoph Marschalls Beisetzung erfolgte zu Leipzig
in der Pflugkschen Kapelle der St. Pauli-Kirche. Die angebrachte
Inschrift besagt, dafs Georg Christoph Marschall, Rittmeister über
die Leibkompagnie, in der grofsen Schlacht bei Leipzig vor seiner
Kompagnie aus einem Stück getroffen worden und also ritterlich für
das Vaterland gestorben sei. Stepner luscriptiones Lipsienses No. 330.
Die kurfürstlichen Leibwachen zn Rnfs 195
Craushaar, unter Bestallung zum Kapitänlieutenant, und
gleichzeitig wurde die Leibkorapagnie dem unter Kom-
mando des Obristwachtmeisters Rudolph von Neitzschitz
neu errichteten Leibesquadron zu Rols zugeteilt.
Zu diesem Leibesquadron gehörten aulser der Leib-
kompagnie der Einspännigen die Kompagnien der Ritt-
meister Ludolph, Bretwiss, Landmann und Rennebeck.
Wegen der letztgedachten vier Kompagnien war
Obristwachtmeister von Neitzschitz direkt an die Befehle
des Kurfürsten gewiesen. Dagegen sollte er wegen der
Leibkompagnie Einspänniger, da dieselbe der Hofauf-
wartung halber vom Hofmarschalle dependiere, sein
Absehen nach dem Kurfürsten auf den Hofmarschall
haben und bei der Kompagnie alles mit dessen Vorwissen
richten und schlichten.
Die Verbindung der Leibkompagnie der Einspännigen
mit dem Leibesquadron währte jedoch nur wenige Jahre,
denn 1648 im Februar, nach dem Tode des Rittmeisters
Landmann , erhielt Rudolph von Neitzschitz unter gleich-
zeitiger Ernennung zum Obristlieutenant dessen Kom-
pagnie als eigene Leibkompagnie und wurde dagegen die
Leibkompagnie der Einspännigen wieder vom Leib-
esquadron-*^) abgetrennt. Die Leibkompagnie der Ein-
26) Was die ferneren Schicksale des Leibesquadrons betrifft, so
erfolgte im Herbst des Jahres 16n0 dessen Reduktion bis auf eine
Kompagnie, welche zu einer neu gebildeten Leibguardia zu Rofs
kam. und da bei Formierung dieser Leibguardia die Leibregimenter
zu Rofs beteiligt waren, sei an dieser Stelle ein kurzer Rückblick
auf die Geschichte der beiden Leibregimenter zu Rofs geworfen.
Im Verlaufe des Jahres 1631 brachte der Oberstallmeister und
Obristlieutenant über die Artillerie, Dietrich Taube, ein Leibregiment
zu Rofs auf, und zwar zunächst, sogleich bei Beginn der Werbung,
fünf Kompagnien als Leibguardia zu Rots, später jedoch, noch im
Herbste desselben Jahres, anderweite fünf Kompagnien Arquebusier-
Reiter. Diese zehn Kompagnien bezeichnete man nunmehr als Leib-
regiment zu Rofs, und Dietrich Taube, welcher unterdessen die Be-
stallung als Obristlieutenant bei der Artillerie niedergelegt hatte,
wm-de zum Obristen über dasselbe ernannt. Die Standarte des Regi-
ments war schwarz mit Silber. Dietrich Taube warb im Herbste
1633 ein zweites Leibregiment zu Rofs und zu derselben Zeit erhielt
er auch das Leibregiment zu Fufs als Obrist anvertraut. Das zweite
Leibregiment zu Rofs kommandierte unter ihm sein Bruder Claus
Taube, und in den Kriegsannalen jener Zeit wird es meist als das
Jung- Taubesche Regiment bezeichnet. Die Standarte war gelb und
blau. Das Kommando, über diese Regimenter behielt Dietrich Taube
bei, trotz der hohen Ämter und Würden, zu denen er auch ander-
weit gelangte, denn zur Zeit seines Ablebens war er Hofmarschall
(er hatte unter Resignation des zuvor bekleideten Oberstallmeister-
13*
196 Gr- V. Schimpff:
spännigen gehörte keinem militärischen Verbände mehr
an, sondern dependierte ausschlieislich nur vom Hof-
marschall.
Dieses Verhältnis währte bis zum Ableben des Kur-
fürsten Johann Georg I. Kurz nach dem Regierungswechsel
beschlofs sein Nachfolger, Kurfürst Johann Georg II.,
die Leibkompagnie der Einspännigen abzudanken.
Auf kurfürstliche Verordnung beschieden infolge-
dessen am 13. Februar 1657 der Geheime und Kammer-
rat Siegmund Siegfried von Lüttichau und der Kammerrat
Johann Adolph von Haugwitz die Offiziere und Unter-
offiziere der einspännigen Leibkompagnie vor sich in die
Geheime Kriegskanzlei, und that ihnen der Kammerrat
von Haugwitz den Vortrag: der Kurfürst erinnere sich
ihrer geleisteten Dienste und vermerke dieselben in
Gnaden; nachdem, aber kurfürstliche Durchlaucht mit
dero Hofstatt in Änderung begriifen, so wären dieselben
amtes das Hofmarscliallamt 1635 an Stelle Bernhards von Starschedel
übernommen ; ihm folgte als Hofmarschall sein Vetter Heinrich Taube
auf Püchau-Nöthnitz, zugleich Oberkämmerer), Landvogt in der
Oberlausitz, Generalwachtmeister über die Kavallerie und Obrist
über die Leibregimenter zu Rofs und zu Fnfs. Auch hatte der
Kaiser ihn in den Freiherrnstand erhoben.
Nach des Freiherrn Dietrich Taube Ableben im Januar 1639
blieb der Befehl über die Leibregimenter nicht in einer Hand ver-
einigt, sondern es erhielten das Kommando über die Regimenter die
bisher bei denselben angestellt gewesenen Obristlieutenants unter Er-
nennung zu Obristen, und es befehligten daher nunmehr: das erste
Leibregiment zu Rofs Obrist Curt Reinicke Freiherr von Callenberg
(später Oberhofmarschall und Landvogt in der Oberlausitz) und nach
ihm 1645 Oberstlieutenant Georg Wilhelm von Milkau, das zweite
Leibregiment zu Rofs Obrist Johann Friedrich Knoch und nach ihm
1643 Obrist Hans Abraham von Gersdorff.
Als nach Beendigung des dreifsigj ährigen Krieges die Truppen
fast sämtlich entlassen, die Leibregimenter und der Leibeskadron
reduziert wurden, blieb von jedem der beiden Leibregimenter zu
Rofs und ebenso vom Leibeskadron je nur eine Kompagnie stehen,
und aus diesen drei Kompagnien, zu denen noch zwei Dragoner-
kompagnien stiofsen, lief« der Kurfürst unter dem Obristen Hans
Abraham von Gersdorft' eine neue Leibguardie zu Rofs folgender-
mafsen formieren: eine Kompagnie vom reduzierten zweiten Leib-
regiment zu Rofs, Obrist von Gersdorff; eine Kompagnie vom redu-
zierten Leibeskadron, Obristlieutenant von Neitzschitz ; eine Kom-
pagnie vom reduzierten ersten Leibregiment zu Rofs, Obristwacht-
meister von der Planitz; eine Kompagnie Dragoner, Hauptmann
Georg Götz; eine Kompagnie Dragoner, Hauptmann Johann Heinrich
Taube. Bereits im Jahre 1651 wurden jedoch auch diese fünf Kom-
pagnien vollständig abgedankt. "Von der gesamten Reiterei blieb
1651 nichts stehen als die Leibkompagnie der Einspännigen.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs. 197
gemeint, sie gnädigst zu entlassen; die Kompagnie solle
sich dahero an Ort und Stelle, die man ihr bezeichnen
werde, einstellen und der Abdankung gewarten.
Der Kapitänlieutenant war krank, der Lieutenant
nicht erschienen, und der das Wort führende Cornet, der
Sohn des Kapitänlieutenants Craushaar, erklärte nach
langen Verhandlungen über die Berichtigung der be-
deutenden Soldrückstände, sie wären zu wenige, sich zu
widersetzen, begehrten dasselbe auch nicht zu thun und
würden durch den Hofmarschall Taube beim Kurfürsten
ihre Not klagen lassen.
Einen Aufschub der Abdankung erreichten sie jedoch
durch die angebrachte Klage nicht, denn bereits am
14. Februar 1657 wurde die Leibkompagnie der Ein-
spännigen in der kurfürstlichen Reitbahn vom General-
wachtmeister von Hanau und dem Kammerrat von Haug-
witz ihrer Dienste entlassen und vollständig aufgelöst.
4. Die teiitsche Leil)gar(le zu Rofs.
AVenige Tage nachdem die Leibkompagnie der Ein-
spännigen abgedankt worden war, liefs Kurfürst Johann
Georg II. am 16. Februar 1657 im kurfürstlichen Reit-
hause seine neue Leibgarde zu Rofs mustern und zur
Estandarte schwören.
Durch die Herübernahme der noch diensttüchtigen
einspännigen Knechte aus der alten Leibkompagnie in
die neue Leibgarde blieb zwischen beiden ein gewisser
Zusammenhang erhalten, wie denn überhaupt die Er-
innerung an die zeither obwaltenden Verhältnisse nur
allmählich verschwand. Häufig findet sich die neue Leib-
garde noch als Leibkompagnie bezeichnet, und der Aus-
druck Hoffahne für die Leibgarde zu Rofs kommt selbst
in offiziellen Aktenstücken noch vor.
Die Verpflichtung der neuen Leibgarde zu Rofs fand
statt durch den Oberhofmarschall von Rechenberg und
den Kammerrat von Haugwitz.
Der Oberhofmarschall, welcher Inhalts seiner Be-
stallung Macht und Gewalt haben sollte nicht allein über
die Hofofflziere und alle anderen Diener und Hofgesindel,
sondern auch über sämtliche Leibguardien zu Rols und
zu Fuls, stellte bei dieser Gelegenheit den bisherigen
Obristlieutenant von den Ritterpferden, Kammerjunker
198 n. V. Scbiniiiff:
und Amtsliauptinaiin zu Mülilberg, Rudolph von Neitzschitz
zu JBoitlien und liühisdoil', der Leibgarde als Obiisten'-')
vor, und durch diesen erfolgte sodann die Vorstellung der
übrigen Offiziere, nämlich des Kammer Junkers und bis-
herigen Trabantenhauptmanns Christian Ernst Kanne als
Obristlieutenant, des Kannnerjunkers und bisherigen Ritt-
meisters bei den Ritterpferden Wolf Heinrich von Spohr
als Rittmeister, Caspar Heinrichs von Grünrodt als
Lieutenant und des Kammerherrn Wolf Lorenz Graf
von Hotfkirch'-^) als Cornet. Ihm wurde das kurfürst-
liche Leibeornet übergeben und anvertraut dergestalt,
dals er sich dasselbe wie seine Ehre und sein Leben
anbefohlen sein lassen, auch Leib und Blut daran setzen
solle.
Der Etat der Leibgarde war laut der Musterliste
folgender :
der Obrist 100 Thaler Leibesbesoldung und 11 Pferde
der Obristlieutenant 80 „ „ „ 7 „
der Rittmeister 60 „ „ „ 4 „
der Cornet 40 „ . „ 4 „
der Lieutenant 30 „ „ „ 3 „
der Quartierineister 20 . „ „3
drei Korporale 36 „ „ „ 6 ,.
ein Fourier 6 „ „ „ 2 „
ein Feldscheer 6 „ „ „ 1 „
ein Profos 8 „ „ „ 1
vier Trompeter 20 „ „ „ 4 „
ein Pauker 5 „ ,, ,, 1 „
411 Thaler Leibesbesoldung und 47 Pferde
beim ersten Blatt (prima plana)
14 Truchsesse, jeder mit 2 Pferden, 28 Pferde
30 Einspännige 30 „
Summa 105 Pferde.
Die Truchsesse waren Edelleute, von denen jeder mit
einem Knecht und zwei Pferden diente. Dieselben be-
■■^■') Obrist von Neitzschitz wurde zugleich zum Kammerherrn
ernannt und verblieb Amtshauiitmann zu Mühlberg. Seine bisherigen
Bezüge jedoch als Aratshaui»tniiuin, sowie als Kamnierjunker und
als Obristlieutenant von den Ritterpferden kamen in Wegfall. Die
neue Besoldung für sich, auf sein Gesinde und seine Pferde betrug
die für jene Zeit anseludiche Summe von jährlich 2:i5H Thalern. Die
Amtshauptniannschaft zu Mühlberg vertauschte jedoch Neitzschitz
später gegen die Anitshauptmannschaft zu Stolpen und diese 1691
gegen die Aratshauptniannscliaft zu Pirna.
-*) Bereits 16äy am 1. September folgte ihm als Cornet der
Kammerberr Friedrich Albrecht von Götz, nachmals Oberstallmeister.
Die kurfürstUclien Leibwachen zu Rofs. 199
zogen ebensowenig- wie die Einspännigen eine Leibes-
besoldung, sondern es hatten die Einspännigen mit iliren
Pferden, sowie die Truclisesse mit ihren Knechten und
Pferden von dem auf jedes Pferd mit 8 Thalern ausge-
worfenen Solde sich selbst zu unterhalten.
Von den Offizieren erhielt ein jeder aufser der Leibes-
besoldung für sich jährlich ein Ehrenkleid, sowie für sein
Gesinde gleichmälsige Liberey wie die Reiter bei der
Kompagnie und auf die Dienstpferde 8 Thaler gewöhn-
liches Reitertraktament.
Der Sold auf die 105 Pferde der Kompagnie betrug
demnach 840 Thaler; wird hierzu die Leibesbesoldung beim
ersten Blatt mit 411 Thaleru gerechnet, so erheischte
der Unterhalt der neuen Leibgarde einen Aufwand von
monatlich 1251 Thalern, welcher von den für die Solda-
tesca ausgeworfenen Geldern zu bestreiten war.
Der Kommandant der neuen Leibgarde, welcher sich
in seiner Bestallung als Obrister über die Leibgarde zu
Rofs, sonst aber häufig als Hofobrister bezeichnet findet,
sollte Inhalts seiner Instruktion die ihm anvertraute Leib-
garde in guter Ordnung und Disziplin halten. Seiner
Dependenz halber war er unmittelbar an die Befehle
des Km^fürsten verwiesen und hatte von niemand sonst
Ordre anzunehmen. Wenn jedoch der Oberhofmarschall
ihrer viele oder wenige aus denen vom Adel oder den
Einspännigen zur Hofaufwartung, zum Convoy oder zur
Verschickung benötigt, so sollte der Obrist ihm damit
unweigerlich zur Hand gehen. Ferner hatte der Obrist
die Reiter und Knechte eintretenden Falles nach dem
Articulsbriefe selbst zu strafen, wegen Bestrafung der
Adligen hingegen, welche sich etwas zu Schulden kommen
lielsen, sich mit dem Oberhofmarschalle zu vernehmen
oder dieselben dem Kurfürsten selbst anzuzeigen und Be-
scheides zu erwarten. Für seine Person sollte der Obrist
jederzeit an dem Orte, wo der Kurfürst sich aufhalte,
es sei im Hoflager zu Dresden, auf Reisen oder zu
Felde, bei der Garde sich persönlich befinden.
Wenn grofse Festlichkeiten bevorstanden, so wurden
im Hofmarschallamte Memoriale für die sämtlichen Hof-
beamten ausgearbeitet, worin einem jeden seine Obliegen-
heiten vorgeschrieben waren. So hatte z. B. im Jahre
1662 bei der Vermählung der Tochter des Kurfürsten mit
dem Markgrafen von Brandenburg-Baireuth Rudolph von
Neitzschitz, Ritter, Hofobrister, Kammerherr und Amts-
200 G. V. Schiinpif:
liauptmaiiii zu Mühlberg, laut des ihm zugestellten Memo-
rials, bei dem bevorstehenden liochfürstlichen Eeilager zu
beobachten: 1. welche Bedienung ihm selbst zukommen
mochte, werde er jedesmal in Zeiten benachrichtigt
werden; 2. den Truchsessen werde er zu befehlen be-
lieben, dafs sie insgesamt die Speisung auf die kurfürst-
liche Haupttafel tragen und sich sonst in dem, was ihnen
aufgetragen werde, gebührend bezeigen sollen; 3. der
Einspännigen sei man zur Aufwartung im Kiesengemach
und in den Hofstuben benötigt und werde der Herr
Obrist ihnen befehlen, auf Ansage der Hoffouriere an
den Orten, wo jeder hin bestellt werde, fleilsig aufzu-
w^ arten.
Die Verpflichtung für die Truchsesse von der Leib-
garde, das Essen auf die kurfürstliche Tafel zu tragen,
blieb in der Regel bei allen gröfseren Hoffestlichkeiten
dieselbe. Zuweilen wurden dieselben jedoch auch zu
anderen Dienstleistungen verwendet. Bei der Vermählung
des Kurprinzen waren unter anderem zw^ei Truchsesse
von der Leibgarde zu Pferd zur Dienstleistung als Mar-
schälle für das gräfliche, freiherrliche und adlige Hof-
und städtische Frauenzimmer befehligt. Andere Truch-
sesse versahen bei derselben Gelegenheit den Dienst als
Mundschenken bei den anwesenden fürstlichen Personen,
soweit nicht Kammerjunker hierzu befehligt waren, und
bei den fremden Abgesandten.
Wegen der nächst der Hofaufwartung und dem
Convoy erwähnten Verschickungen schienen grolse Mils-
bräuche stattgefunden zu haben. So erging am 18. März
1667 die Ordre: der Obriste Neitzschitz solle nicht ein-
räumen, dals ein jeder unter dem Prätext kurfürstlicher
Angelegenheiten die Einspännigen von der Leibgarde zu
Rols zu Verschickungen gebrauche, er sei denn genugsam
versichert, dals die kurfürstlichen Hof- und Kriegsdienste
es also eiforderten.
Ferner erhielt der Obrist von Neitzschitz am 16. März
1668 Befehl, den Mifsbrauch abzustellen, dais die Ein-
spännigen von der Leibgarde zu Rofs mit Bestellung von
Posten und Privatbriefen übernommen würden, indem da-
durch die Pferde und die Montierung in grolses Abnehmen
gerieten.
Was die Uniformierung der Leibgarde betrifft, so
trug sie rote, gelb ausgemachte Röcke und mindestens
bei festlichen Gelegenheiten Hauben oder Casquets, sowie
Die kurfürstlichen Leibwachen zu E,ofs. 201
Brust- und Rückenstücken^^}. Bei den Truchsessen waren
die eisernen Nasenfedern an den Casquets vergoldet und
die Karabinerriemen mit goldenen Gallonen eingefafst.
Die Trompeter trugen ebenfalls rote, jedoch mit Gold und
schwarzen Schnüren besetzte Röcke. An den Trompeten
befanden sich rote damastene Fahnen mit dem kurfürst-
lichen Wappen und Quasten von rot und gelb.
Die Estandarte der Leibgarde war von weifsem mit
Gold gestickten Atlas. Auf der einen Seite befand sich
unter dem Kurhute das kurfürstliche Wappen in Farben
und in Gold und Silber gestickt. Auf der anderen Seite
erschien eine Pyramide, in deren Mitte sich in einem
goldenen Oval des Kurfürsten Namenszug in Silber zeigte.
Über dem Namenszuge erblickte man ein Casquet mit
dahinter kreuzweise geschränktem Schwerte und Palmen-
zweige und zu Oberst, wie auch zu unterst ein Auge.
Oben darüber aber erschien ein goldener Strahl mit dem
Worte Jehovah in hebräischer Schrift. Zu beiden Seiten
der Pyramide zeigte sich reich und künstlich gestickt des
Kurfürsten Symbolum: „Sursiim deorsum"^^). In dem
vergoldeten und auf jeder Seite mit 16 großen Rubinen
besetzten Krönlein war das Wort Jehovah durchbrochen.
Die Leibgarde zu Rofs begleitete zunächst im Herbst
des Jahres 1657 den Kurfürsten auf seiner Huldigungs-
reise im Lande"^) und 1658 im Frühjahr, nachdem sie
auf 27 Truchsesse'"-) und 50 Einspännige verstärkt worden
2ö) In den Hofmarschallamts-Akten Eep. B. No. 15 findet sich
die Abbildung eines Aufzuges aus jener Zeit. Soviel sich unter-
scheiden läfst, hatten die über dem Kürafs getragenen Röcke keine
Ärmel. Die Offiziere sind mit Hüten abgebildet, auf denen ein
wallender Federbusch erscheint. Auch der Pauker imd die Trom-
peter trugen Hüte mit Federbüschen.
^^) Sursum deorsum heifst wörtlich übersetzt: ,,Nach oben,
nach unten". Der Sinn dieses Wahlspruches des Kiu'fürsten läfst
eine sehr verschiedenartige Deutung zu. Ein Zeitgenosse hat den-
selben folgendermafsen ausgelegt:
Aufwärts ich zu Gott mit hebe,
Abwärts ich dem Nächsten lebe.
^^) So lange diese Reise dauerte, wurde statt Futter und Mahl
wöchentlich 1 Thaler Zulage gewährt, wovon ein jeder seine vivres
und seine Fourage selbst zu bezahlen hatte,
^^) Truchsesse waren: Sechs Gersdorff, zwei Metzradt, je ein
Bomsdorff, Kalkreuther, Hermsdorft', Schleinitz, Wallizsch, Werthern,
Polenz, Bünau, Geysing, Feldheim, Zescha, Luttitz, Rabenau, Haiig-
witz, Ende, Friesen, Weifsenbach, Zedlitz, Hopfgarten. Später kamen
noch hinzu die Truchsesse Milkau, Seebach, Buchwald, Berga, zwei
Kospoth und zwei Sicherod.
202 (;. v.Scliimpfl":
wai-, zur Kaiserwalil nach Frankfurt. Bei dem Einzüge
in Fiankfurt am 22. März 1658 marschierte die Leibgarde
zu Rois in folgender Ordnung •^^):
Ein Heerjunker und fünf Trompeter; Rudolph von Neitzschitz,
Kaninierlierr und Hofobrister über die Leibguardie zu Rofs, in
Brust- und Rückenstücken und mit blofsem Degen.
Ihm folgten: Christian Ernst Kanne, Obristlieutenant; Wolf
Heinrich von Spohr, Rittmeister, beide mit Brust- und Rückenstücken
und mit blofsem Degen ; Wolf Loi'enz Graf Hoff'kirch, Kammerherr und
Cornet, gleichfalls gewaftnet und führte er selbst die Leibestandarte;
30 Glieder von der Leibguai'die zu Rofs, worunter 30 vom Adel, je
vier im Gliede, alle mit Brust- und Rückenstücken, präsentiertem
Karabiner und Casquetten auf dem Haupte.
Den Schlufs bildete: Hans Caspar von Grünrodt, Lieutenant,
mit Brust- und Rückenstücken und mit blofsem Degen.
Von Frankfurt, wo der Obrist von Neitzschitz vom
Kaiser zum Ritter geschlagen worden war, begleitete die
Leibgarde den Kurfürsten nach Dresden zurück.
In den folgenden Jahren wechselte der Etat der
Leibgarde, w^elclie man seit dem Jahre 1660 zum Unter-
schiede von der damals in kurfürstliche Dienste auf-
genommenen Leibgarde Kroaten als die deutsche Leib-
garde zu Rols zu bezeichnen pflegte, mehrfach. Bei der
Musterung am 11. Oktober 1662 befanden sich im ersten
Blatt 56 Pferde, indem nicht allein den Offizieren mehrere
Pferde zugelegt wurden, sondern auch neu hinzugetreten
waren: ein Wachtmeister"^^), ein Musterschreiber, zwei
Fahnenschmiede, ein Sattler, ein Plattner. Dagegen
befinden sich die sechs Pferde der Korporale nicht mehr
beim ersten Blatt, sondern in der Liste der Mannschaft
aufgeführt.
Aulser gedachten 56 Pferden im ersten Blatt zählte
die Leibgarde 186 Pferde in drei Korporalschaften, daher
jede Korporalschaft 22 Pferde, nämlich: 2 Pferde der
Korporal, 32 Pferde die 16 Truchsesse, 30 Pferde die
30 Einspännigen. Eingerechnet in diese Anzahl war der
ebenfalls neu hinzugekommene Fahnenjunker, w^elcher
unter den Truchsessen der zweiten Korporalschaft ritf^'^).
^ä) Die Zugordnung war nicht immer die nämliche.
"*) Die neubegründete Wachtmeisterstelle hatte am 1. Februar
16(U der bisherige Korporal Hans Georg von Bärenstein erhalten.
Beim Marsche der Leibgarde pflegte nebst dem Lieutenant der
Wachtmeister den Zug zu schliefsen.
^■') Korporals waren 1662 Caspar Otto von Nostitz, Caspar Sieg-
mund von Metzradt, Siegfried von Gersdorff; Fahnenjunker war
Wendel von Bomsdorff.
Die kuifürstlichen Leibwachen zu Rofs. 203
Nachdem sodann für kurze Zeit eine Reduktion des
Etats der Leibgarde auf 200 Pferde stattgefunden hatte,
stieg derselbe bald wieder und betrug im Jahre 1675
250 Pferde, daher, bis auf wenige Pferde, ebenso viel,
als bei der Musterung am 11. Oktober 1662.
Unterdessen hatten sich auch unter den Offizieren
vielfache Veränderungen zugetragen. Was namentlich
die Obristlieutenants betrifft, so dankte der Obristlieute-
nant Christian Ernst Kanne am 14 März 1661 infolge
seiner Ernennung zum Hofmarschall ab und seine Stelle
wurde dem bisherigen Obristwachtmeister bei den Eitter-
pferden, Christoph Melchior von Neitzschitz^^**), verliehen.
Diesem folgte 1663 am 6. Dezember als Obristlieutenant
der seit 1659 in den Listen der Leibgarde nicht mehr
aufgeführte frühere Cornet Wolf Lorenz Graf Hoffkirch.
Als letzterer jedoch wegen einer dem Kurprinzen zu-
gefügten Beleidigung in Ungnade fieP^'), erhielt der Hof-
obrist von Neitzschitz am 29. Juni 1667 Befehl, die Leib-
garde des Gehorsams gegen den Obristlieutenant Grafen
Hoffkirch zu entbinden und an seiner Stelle den Obrist-
wachtweister Caspar Heinrich von Grünrodt als Obrist-
lieutenant vorzustellen. Infolge dieses raschen Wechsels
in Besetzung der Obristlieutenantsstelle , welcher Auf-
rückungen mit sich führte, sowie infolge neuer Ernen-
nungen, befanden sich im Jahre 1675 als Offiziere bei der
teutschen Leibgarde zu Rols: Obrist Rudolph von Neitz-
schitz, Ritter, seit 1671 auch Kriegsrat; Obristlieutenant
Caspar Heinrich von Grünrodt; Obristwachtmeister Johann
3ö) Christoph Melchior von Neitzschitz war in den Wirren des
dreifsigjährigen Krieges verschollen gewesen. Er kehrte jedoch
zurück und erhielt die ihm für diesen Fall aufbehaltene übrist-
wachtraeisterstelle beim zweiten Regiment Eitterpferde. Er wurde
1661 Obristlieutenant bei der Leibgarde zu Rofs, und als er diese
Stelle resignierte, erhielt er 1663 im Dezember die ihm vom Obristen
Rudolph von Neitzschitz cedierte Amtshauptmannschaft zu Mühlberg.
1673 wurde er Kommandant vom Königstein und starb er als solcher
1684.
s') Der Kurprinz war am 3. Juni 1667 mit mehreren Kavalieren,
unter denen sich auch Graf Hoffkirch befand, nach einer Mühle im
Plauenschen Grunde geritten, um das Mittagsmahl daselbst einzu-
nehmen. Während desselben kam es zu einem heftigen Streite, und
Graf Hoffkirch vergafs sich soweit, den Degen gegen den Kur-
prinzen zu ziehen. Graf Hoffkirch wurde verhaftet und die Unter-
suchung gegen ihn eingeleitet. Nachdem er sich jedoch verpflichtet,
die Residenz binnen drei Tagen zu verlassen, erhielt er den Degen
zurück.
204 t^- ^- Scliimptf:
Friedlich von RodeAvitz; Cornet Hans Karl von Neitz-
schitz. Die Stelle des Lieutenants war unbesetzt.
Im Herbst des Jahres 1675 beschlols Kurfürst
Johann Georg IL, die teutsche oder wie es in der be-
treffenden Ordre heilst, die hochteutsche Leibguarde zu
Rofs in drei Kompagnien zu formieren. Die Detail-
bestimmungen deshalb rühren von der Hand des Kur-
fürsten, wie denn überhaupt der Kurfüi'st, wenn er auch
nicht selbst ins Feld gezogen ist=^^), mit den militärischen
Angelegenheiten sich doch sehr eingehend beschäftigte.
So pflegte der Kurfürst die Musterungen meist in Person
abzuhalten, die höheren Offiziere selbst zu benennen und
über Organisation und Zusammensetzung des Truppen-
teils seine Meinung schriftlich zu erkennen zu geben.
Im vorliegenden Falle benannte der Kurfürst als
Kommandanten der drei zu formierenden Kompagnien
den Hofobristen Rudolf von Neitzschitz, welcher gleich-
zeitig Kommandant der Garde blieb, den Obristwacht-
meister Hans Friedrich von Rodewitz und, unter Er-
nennung zum Rittmeister, den bisherigen Cornet Hans
Karl von Neitzschitz, Sohn des Obristen von Neitzschitz.
Die erste Musterung der Leibgarde in drei Kom-
pagnien, bei welcher zugleich der Obrist von Neitzschitz
in der ihm neu verliehenen Würde als Generalwacht-
meister vorgestellt wurde, fand am 6. Januar 1676 im
Schmelzgarten vor dem Wilsdruffer Thor in Gegenwart
des Kurfürsten und Kurprinzen statt.
Der Bestand der Garde war:
Leib- Kompagnie, 131 Pferde.
1 Heerpauker und 4 Trompeter mit 4 Pferden.
Stab:
Obrist von Neitzschitz
Quartiermeister Meusel
Secretarius Melchior Becke
1 Fehlscheer
1 Plattner, 1 Sattler
1 Profos
28 Pf,
12 Pf.
3
2 Knechte
2
1
2
dessen Gesell
2
2
dessen
Steckenknecht
^^) Deshalb fand auch die Leibgarde keine Gelegenheit, sich
im Felde auszuzeichnen. Dagegen wurde dieselbe mehrfach zur Es-
kortierung der Artillerie bei ihren Märschen im Lande, sowie zur
Sicherung der Strafsen, namentlich während der Zeit der Leipziger
Messe, verwendet. Im Jahre 1H80 erhielt Lieutenant von Nostitz
Befehl, mit einer starken Abteilung der Leibgarde zu Rofs die Mause-
partie im Zellaer Walde anfzusucEen.
Die kurfürstlichen Leibwachen zn Rofs.
205
Prima Plana:
Cap.-Lieut. Georg Heinrich von Carlowitz
Cornet Otto Christoph von Rochau
Fourier Caspar Werde
1 Fahnenschniied
Erste Korporalschaft:
Wachtmeister Hans Georg von Bernstein 2^)
Nicolaus Perich
Johann Schulte
Joachim Bernhard von Ihlau
Hans Georg von Krähe aus Rofsthal
Hans Christoph Claudi
Hans Georg von Döhlau aus Welssdorf
Sigfried von Lüttichau aus Kmehlen
15 Einspännige
5 Pf.
2 Kn.
4
1)
2
))
2
1)
1
11
1
n
12
Pf.
3 Pf.
2
Kn.
je 2
je 1 „ —
32 Pf.
Zweite Korporalschaft:
Koi-poral Hans Christoph von Gersdorff aus
Hammerstädt bei Görlitz *<>) 2 Pf. 1 Kn.
Fahnenjunker Joachim Friedrich von Kospoth aus
Cotta bei Pirna*')
Heinrich Adolph von Borau gen. Kessel aus
Perzdorf in Böhmen
Otto von Tacherodt
Hans Christoph Römer aus Ober-Neumark bei
Zwickau
Hans Günther von Lochen aus Hermsdorf bei
Küstriu
Johann Adam Friedrich von Schöuberg aus
Wilsdruff
Georg Ernst von Ölsnitz aus Ober-Ranitsch
15 Einspännige je 2 „ —
je
31 Pf.
Dritte Korporalschaft:
Korporal Wolf Dietrich von Polenz aus Linz bei
Ortrand *2) 2 Pf. 1 Kn.
Hans Friedrich von Schönberg aus Rothschönberg
Georg Dietrich von Carlowitz aus Thüi'msdorf
Julius Heinrich von Wolffersdorff
Adam Friedlich von Carlowitz aus Kreischa
Joachim von Plötz aus Colmen bei Würzen
Franz Ferdinand von Troilo
14 Einspännige
je 2
jel
1
28 Pf.
2») Hatte 2 Jahr als Reuter Dänemark, dann 20 Monate als Reuter
und 10 Monate als Korporal in Frankreich unter Kardinal Mazarin
im Leibregiment gedient. Bei der Leib-Guarde dann seit 18 Jahren
IOV.2 Monaten.
**') 1 Jahr als Reuter der Krone Polen gedient, seit 18 Jahren
4 Monaten in der Leib-Guarde.
^1) Bei der Leib-Guarde seit 17 Jahren 2 Monaten.
*2) Seit 17 Jahren 2 Monaten bei der Leib-Guarde.
206
G. V. Schimpft:
'Oberstwachtinoistcrs Kompaiinie, 102 Pferde.
Prima Plaua:
Oberstwachtmeister HansFriodrich v. Küdewitz 7 Pf. 4 Kn
Lieutenant Heinrich Adolph von Kubeuau 4 „ 2 „
Cornet Caspar Siegmnnd von Rodewitz — „ — „
1 Fourier 2 ,, 1 „
1 Älusterschreiber
1
1 Haudpf.
20 Pf.
Erste Korporalschaft:
Wachtmeister Caspar Otto von Nostitz aus Triebitz^^) 2 Pf.
Ci Ottfried Magnus vonGersdorff ausHammerstädt '
Friedrich Adolph von Kalkreuter aus Weifsdorf
bei Friedland
David Heinrich von Gersdorff aus Taubenheim
Karl Friedrich von Nostitz
Georg Rudolph von Glüx
Heinrich Friedrich von Rabenau
Gottlob Ernst von Sander
12 Einspännige
1 Kn.
je 2
je 1
28 Pf.
Zvpeite Korporalschaft:
Korporal Hans Georg von Reimbz aus Seidenberg-»*) 2 Pf. 1 Kn.
Fahnenjunker Christoph Friedrich von Luttitz
Friedrich Adolf von Gersdorff
Georg Abraham von Kyau
Hans Christoph von Schilling / je 2
Hans Caspar von Nostitz
Christoph Gottlob von Gersdorff
Hans Nicol von Schwanitz aus Hochkirch
12 Einspännige . je 1
Dritte Korporalschaft:
Korporal Georg Adam von Schweinack a. d. Ober-
lausitz
Otto Heinrich von Scherz und Pliskowitz
Caspar Adolph von Ponikau
Hans Christoph von Luttitz
Georg Abraham von Tliier
Hans Christoph von Mediger
Hans Otto von Kolberitz
12 Einspännige
28 Pf.
2 Pf. 1 Kn.
je 2
je 1
26 Pf.
") Hat 66 Monate als Reuter unter dem Nassischen Regiment
und 227 Monate als Korporal bei der Leib-(iuarde gedient.
*') Diente der Krone Schwreden 66 Monate als Lieutenant, in
der Leib-Guarde seit 129 Monaten.
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs.
207
Rittiueister Neitzschitz' Kompagnie, 102 Pferde.
Prima Plana:
2 Trompeter
Rittmeister Hans Karl von Neitzschitz
Lieutenant Kaspar Magnus von Metzradt aus
Hermsdorf in der Oberlausitz *^)
Cornet Hans Pflugk aus Strebla^")
1 Fourier
1 Musterschreiber
2 Pf.
7 „
2 Kn. 2 Handpf
4 „
4 „
2 „
2 „
2 „
2 „
1 „
20 Pf.
Erste Korporalschaft:
Wachtmeister Johann Melchior von Milkau aus Pilzig
bei Rochlitz
Wolf Joachim von Fitzscher
Adam Friedlich von Kospoth aus Cotta
Paul Rittiger
Christoph Friedrich von Thier
Hans Melchior von Milkau
Christoph Franz von Grunewald aus Laacka in
Preufsen
Hans Caspar von Konnewitz aus der Mark
12 Einspännige
2 Pf. 1 Kn.
je 2
je 1
28 Pf.
Zweite Korporalschaft:
Korporal Hans Heinrich von Minckwitz aus dem
Hause Gablenz in der Mark*')
Wolf Adolph von Grünrodt aus Wiederoda,
Fahnenjunker
Moritz Albrecht von Hartitzsch
Georg Dietrich von Birkholz
Hans Georg von Werther
Adam Heinrich von Darstettel
Georg Asmus von Hartitzsch
Georg Friedrich von Osterhausen
12 Einspännige _
2 Pf. 1 Kn.
. je 2
je 1
28 Pf.
*') Hatte 3 Jahre der Krone England als Reuter, unter Oberstl.
Böse, dann 2 Jahre der Krone Schweden als Frei -Reuter gedient.
Bei der Leib-Guarde seit 18 Jahren 10 Monaten.
**^) Hatte 3 Jahre als Reuter unter des Grofsherzogs von Florenz
hochdeutscher Leib-Comp. Cuirassier unter des Obersten Graf Consagi
Kompagnie gedient.
*■') Hatte 4 Jahre als Reuter und 1 Jahr als Cornet bei Obrist
Promnitzens Leib-Comp. unter General- Wachtmstr. Pfuhl dem Kur-
fürsten von Brandenburg gedient, seit 9 Monaten bei der Leib-
Guarde.
je
208 G- V. Schimpif :
Dritte Korporalschaft:
Koi'poral Christoph Cäsar von Auerswalile 2 Pf. 1 Kn.
Franz Hmlolph von Schmiodt
Hans Friedrit'h von Weither
Leonhard Christian von Engell aus Sassh^ben
(Niederlansitz)
Hans Heinrich von Leipziger
Magnus Friedrich von Carhnvitz aus Rabenstein
Carl Baltliasar von Boitha aus Neundorf bei
Eilenburg
12 Einspännige je 1 „
26 Pf.
Die Leibgarde war daher 325 Pferde stark.
Für jedes Pferd wurden monatlich (der Monat zu
36 Tagen und das Jahr zu 10 Monaten gerechnet) 10
Thaler gewählt und betrug der Aufwand für die Leib-
garde, einschliesslich der Besoldungen für die Offiziere,
Unteroffiziere, die Trompeter, den Pauker, den Schmied,
den Sattler, den Plattner 4060 Thaler.
Jede Kompagnie besals ihre eigene Standarte. Die
Leibstandarte befand sich bei der Kompagnie des Obristen,
Generalwachtmeisters von Neitzschitz; dieselbe war von
weiiser Seide, reich mit Gold gestickt und mit goldenen
Fransen besetzt. Auf der einen Seite erschienen des
Kurfürsten Embleme mit dem Symbolum: Sursum. deorsum,
auf der anderen Seite zeigte sich der Hosenbandorden
mit dem Bildnis des heiligen Georg und der bekannten
Umschrift des Ordens: Hony soit qui mal y pense.
Bei den beiden anderen Kompagnien waren die
Standarten ebenfalls von weiiser Seite, reich mit Gold
gestickt, mit den Kurschwertern, dem Kurhut, dem
Namenszug des Kurfürsten in einem Rautenkranz und
mit der Umschrift: Sni^snm deorsum.
Zur teut sehen Leibgarde zu Rols trat am 1. Januar
1677 noch eine vierte Kompagnie hinzu unter dem Kammer-
herrn und Hofmarschall Friedrich Adolph von Haugwitz
als Obristlieutenant. Die Stärke und Verpflegung der-
selben war die nämliche, wie bei den übrigen Kom-
pagnien. Der Stab und drei Kompagnien empfingen
ihren Unterhalt aus dem Kriegszahlamte, die Kompagnie
des Obristwachtmeisters wurde dagegen aus den Ober-
lausitzer Einkünften verpflegt.
In der Kapitulation mit dem Hofmarschall Obristlieute-
nant von Haugwitz ist rücksichtlich der bei der Militär-
gerichtspflege damals üblichen Einrichtungen folgender
Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rols. 209
Passus bemerkenswert: der Disziplin und Justiz halber wolle
der Kurfürst geschehen lassen , dals der Hofmarschall als
Obristlieutenant die gemeinen Reiterdelicta, der Kriegs-
observanz gemäfs und nach den Articulsbriefen, zu strafen
Fug und Macht habe. Kriminal- und Hauptverbrechen da-
gegen solle er jedes Mal selbst oder durch den General-
w^achtmeister von Neitzschitz als Obristen an den Kur-
fürsten bringen lassen und gebührende Anordnung erwarten.
In dem Bestände von vier Kompagnien verblieb die
teutsche Leibgarde zu Rots unter den Befehlen des
Obristen, Generalwachtmeisters von Neitzschitz, welchem
1677 im Januar gleichzeitig auch das Kommando der
Leibgarde der Kroaten und der Dragoner ^^) übertragen
**) Es sei hier noch des Leibesquadrons , des Leibregiments,
sowie der kurpriuzlichen Leibgarde zu Ross gedacht.
Übrist Georg Friedrich von Wolfframsdorff hatte am 1. Juni 1664
zur obersächsischen Kreishilfe drei Kompagnien, jede 103 Pferde
stark, aufgebracht.
Hofmarschall und Obrist Christian Ernst Kanne erhielt unter
dem 16. Mai 1666 Auftrag, eine Kompagnie Reiter „zu Unserer
Leib-Guarde" zu errichten. Im Oktober 1666 warb der Obristwacht-
meister Gabriel von Berg eine zweite Kompagnie zu dieser Leib-
garde, welche nunmehr Leibesquadron zu Rofs benannt wurde. Der
Leibesquadron trug rote, blau aufgeschlagene Röcke.
Der Kurfürst befahl, als Obrist von Wolft'ramsdorff 1668 starb,
die bisher von ihm geführten drei Kompagnien zum Leibesquadron
zu stofsen und aus diesen fünf Kompagnien unter Hinzuwerbung
einer sechsten das Ijeibregiment zu iiofs unter den Befehlen des
zeitherigen Kommandanten des Leibesquadrons, des Hofmarschalls
Obristen Kanne, zu formieren. Nachdem letzterer 1671 Oberkämmerer
und 1672 zugleich Oberhofmarschall geworden war, resignierte er
1675 das Kommando ü))er das Leibregiment zu Hofs und verlieh auf
Befürwortung des Kurprinzen der Kurfürst dasselbe als Obristen
dem Feldmarschalllieuteuant und Oberfalkeumeister Gerhard Grafen
von Dernath, unter Abtrennung jedoch der Kompagnie des Obrist-
lieutenants von Goldacker vom Regimentsverbaude.
Diese letztgedachte Kompagnie befehligte als Freikompagnie
der zum Obiisten beförderte Obristlieutenant von Goldacker bis zu
seinem Ableben, worauf sie 1678 im April unter Kommando des
Obristwachtmeisters Richard von Wolffersdorff dem Kurprinzen als
Leibgarde übergeben wurde.
Nächst dieser kurprinzlichen Leibgarde bestand noch ein kur-
prinzliches Leibregiment zu Pferd, errichtet 1673 in sechs Kom-
pagnien uud im Jahre 1676 verstärkt auf zehn Kompagnien.
Das kurprinzliche Leibregiment zu Rofs sowobl, als die kur-
prinzliche Leibgarde blieben in gleicher Weise, wie die teutsche
Leibgarde zu Rofs, zunächst von der Reduktion unberührt, als im
Frühjahr 1680 nach dem Nymwegener Frieden der gröfste Teil der
sächsischen Truppen und mit ihnen auch das Leibregiment zu Rofs
bis auf die Leibkompagnie des Grafen von Dernath abgedankt wiu'de.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 3. i. I4
210 ^^- V. Schimijff: Die kurfürstlichen Leibwachen zu Rofs.
worden war, nachdem er am 30. September 1677 das
Prädikat als Geheimer Kriegsrat erhalten hatte, bis
zum Ableben des Kurfürsten Johann Georg IL im
August 1680.
Nach dem Regierungswechsel erhielt Generalwacht-
meister von Neitzschitz Ordre, gegen den Kurfürsten
Johann Georg III. in der Pflicht, mit welcher er Seiner
kurfürstlichen Durchlaucht höchstseligem Herrn Vater
verbunden gewesen, gleichfalls zu verharren, auch an die
unter seinem Kommando stehenden Offiziere von Kom-
pagnie zu Kompagnie Befehl zu stellen, die Kompagnie
förderlichst aufs neue zu vereiden; allein bereits Anfang
November 1680 erging die Anordnung zur Auflösung der
Garde, indem die Kompagnien des Generalwachtmeisters
von Neitzschitz und des Rittmeisters Hans Karl von
Neitzschitz abgedankt, die Kompagnien des Obristlieute-
nants von Haugwitz*'') und des Obristwaclitmeisters von
Rodewitz dagegen dem neu zu formierenden Regimente
des Generalwachtmeisters Ulrich Grafen Promnitz, dem
jetzigen Gardereiterregimente, zugeteilt wurden. General-
wachtmeister von Neitzschitz selbst trat in den Ruhe-
stand und erhielt „in gnädigster Consideration seiner dem
Churhause geleisteten langwierigen treuen Dienste" ein
Wartegeld von jährlich 2000 Thalern. Rudolph von
Neitzschitz zu Röhrsdorf und Borthen, geb. am 4. August
1614, starb am 14. Februar 1682.
Bei der Errichtung des stehenden Heeres durch
Kurfürst Johann Georg III. trat an die Stelle der
teutschen Leibgarde zu Rofs eine neu errichtete Tra-
bantenleibgarde zu Rofs, das spätere Regiment der Garde
du Corps, welches, nachdem es eine der gröfsten Reiter-
thaten aller Zeiten, die Erstürmung der Rajefski-Schanze
in der Schlacht bei Borodino, ausgeführt hatte, in den
Schneefeldern Rufslands 1812 fast bis auf den letzten
Mann zu Grunde ging.
■*") Obristlieutenant Hofinarschall Friedrich Adolph von Haug-
witz wurde nach dem Regierung-sautritt Johann Georgs III. über-
hofmarschall, Wirklicher Geheimer Rat, überstouerdirektor etc. und
verblieb während der ganzen Regierungszeit des Kurfürsten eine
der einflufsreichsten Persönlichkeiten.
VIII.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen
1547-1552.
Von
S. Ifsleib.
Landgraf Philipp von Hessen war am 19. Juni 1547
in Halle durch einen listigen kaiserlichen Gewaltstreich
verhaftet und dann trotz aller Bitten und Vorstellungen
nicht wieder freigegeben worden. Die beiden hart be-
troffenen Kurfürsten, Moritz von Sachsen und Joachim II.
von Brandenburg, folgten Kaiser Karl V. nach Naum-
burg, um wenigstens durchzusetzen, dals der Gefangene
nach Ablauf einer bestimmten Zeit in Freiheit gesetzt
werde. Allein sie gewannen nur den Eindruck, als
werde Philipp in vier bis sechs Wochen nach Hessen
zurückkehren dürfen. Zuletzt sahen sie sich genötigt,
heimzureiten. Ehe sie sich jedoch vom Kaiser verab-
schiedeten, schickten sie ihre beiden vertrauten Räte,
Christof von Carlowitz und Wilhelm von Neuhausen, dem
davongeführten Landgrafen nach, um ihn von allem in
Kenntnis zu setzen.
Am 26. Juni berichteten die kurfürstlichen Abge-
ordneten in Kahla an der Saale ^) dem Gefangenen von
dem unermüdlichen Fleilse der Kurfürsten für seine Be-
1) Berlin 39. 4. Philipp von Hessen 1547, Bl. 124 flg.; Dresden,
Loc. 9143. Landgreuische hessische gepflogene Versunungshendel etc.
1547, Bl. 86 flg. Marburg 0. W. S. (oberer Westsaal), Gef. 5, Land-
grafen Philipps Gefangenschaft betreffend; Verhandlungen mit Sachsen
und Brandenlnrrg 1547 — "iO, und Gef. 3, Korrespondenz des Land-
grafen etc. Juni und Juli 1547. I.
14*
212 S. IMeib:
freiuiig und von der gereizten Stimmung des Kaisers,
Avelcher vorläufig nicht mehr zulasse, dals bei ihm weiter
angehalten werde, gleich als ob man seiner in Halle ge-
gebenen Antwort nicht traue. Er habe den Kurfürsten
befehlen lassen, heimzuziehen und erst auf dem Reichs-
tage wieder vor ihm zu erscheinen. Auch der Herzog
von Alba und der Bischof von Arras hätten nach hoft-
nungsvollen Vertröstungen treulich geraten, heimzukehren
und vor allem dafür Sorge zu tragen, dalis sie nicht von
Hessen aus an ihre Verpflichtung gemahnt würden; denn
das werde mehr schaden als nützen. Wie Erzherzog
Maximilian, so hätten alle kaiserlichen Räte versprochen,
öfters Fürbitte für den Landgrafen beim Kaiser einzu-
legen. Der Bischof von Arras habe aulserdem zugesagt,
dals er sich möglichst bald mit ihm (Philipp) unterreden
wolle, da er denke, es solle alles gut werden. — Nun möge
der Landgraf über die Heimreise der Kurfürsten nicht
ungehalten sein, sondern kurze Zeit Geduld haben und
gebieten, dals vorläufig keine „Einmalmung" nach Kassel
erfolge. Er solle die Ausführung des mit dem Kaiser
geschlossenen Vertrages auf alle Weise beschleunigen und
schon in Bamberg wenigstens 100000 Gulden Strafgelder
erlegen lassen. Werde er nach Vollziehung der Kapitu-
lation nicht freigegeben, dann wollten sich die Kurfürsten
entweder bei ihm oder in Hessen einstellen und nicht
eher weichen, als bis er die Freiheit erlangt habe. Beide
seien entschlossen, in den nächsten Tagen einige Räte
dem Kaiser nachzusenden, die eifrig um Befreiung an-
halten sollten; König Ferdinand werde auch bereits um
seine Fürsprache angegangen.
Gefaßter und ruhiger, als man erwartet hatte, hörte
der Landgraf die beiden Räte an und zeigte keine Un-
geduld darüber, dals die Kurfürsten dem Kaiser nur bis
Naumburg gefolgt waren. Mit ernsten Worten aber er-
innerte er an das Geleit, an die Verschreibung, an die
Zusagen und Verpflichtungen des Schwiegersohnes und
des Schwagers und erwartete von ihnen fürstliche Treue
und Ehrlichkeit. Eine Haft von vier bis sechs Wochen
wollte er ertragen ; doch sollten die Kurfürsten womöglicli
kurz hinter Bamberg oder spätestens in Ulm wieder bei
ihm eintreffen und um kaiserlichen Bescheid anhalten.
An dem Rechte der Söhne, die Kurfürsten nach Kassel
einzufordern, hielt er fest — schon hatte er Befehl zur
Einmahnung gegeben — ; doch zeigte er sich willig, die
Die Gefangenschaft Philii)ps von Hessen. 213
Einstellung bis zur Vollzielmng des Vertrages und bis
zur erlangten kaiserlichen Erklärung vertagen zu lassen.
Schleunige Ausführung der Kapitulation war ihm ernstlich
erwünscht. Ein kaiserlicher Herold sollte ungesäumt die
100000 Gulden von Kassel nach Bamberg geleiten, die
anderen 50000 Gulden gedachte er in wenigen Wochen
in Speier oder Frankfurt zu erlegen. Gern hörte er,
dafs der Bischof von Arras mit ihm reden wolle ^).
Nach Ankunft der Räte in der Heimat zeigte Kur-
fürst Moritz grofse Neigung, sofort nach Bamberg oder
Ulm aufzubrechen; Kurfürst Joachim dagegen meinte,
die Reise sei völlig nutzlos, weil der Kaiser schon in
Naumburg ihre Anwesenheit höchst ungern gesehen habe.
Viel besser sei es, möglichst bald auf dem Reichstage zu
erscheinen, wo sie geduldet werden mülsten und wo nie-
mand sagen könne, sie seien allein des Landgrafen wegen
gekommen. An dieser Meinung hielt er auch dann fest,
als der Landgraf anfing, heftig zu klagen, zu ermahnen
und zu beschuldigen^).
Wider Erwarten erfolgte bereits am 1. Juli die erste
Einforderung der Kurfürsten nach Kassel. Die jungen
Landgrafen verlangten die Einstellung bis zum 7. August,
falls der Vater bis dahin nicht heimgekehrt sei*). In der
2) An frühere Pläne anknüpfend, liefs der Landgraf seinen
Schwiegersohn Moritz hitten, ihm seinen kleinen Geldkasten, welchen
der Diener Hans Schönewald in Verwahrung habe, schleunigst nach
Bamberg zu schicken, falls er selbst dort noch nicht eintreffen könne.
Am 6. Juli bat er von Forchheim aus wieder um das Kästlein; denn
er brauche Geld und hoffe, „eine gute Vorbereitung zu machen",
wenn Moritz nicht zu lange ausbleibe. — Am 16. Juli liob ein kaiser-
liches Mandat Philipps Acht in Nürnberg auf.
^) Philipp klagte über grofse Leibesbeschwerden; er werde übel
gehalten, ..in alle stinkende Häuser geschleppt und verwahrt wie der
gröfste Übelthäter. Die Kurfürsten hätten ihn in sein Elend ge-
bracht und sollten nun als ehrliche Freunde keinen Stein ixnbewegt
lassen etc.
*) Anfangs Juli zeigte Landgraf Philipp den Kurfürsten an,
dafs die Verpflichtungsurkunde vom 4. Juni nicht mehr in seiner
Hand liege, sondern in der seiner Kinder, Räte und Landstände;
doch versehe er sich, dafs sich dieselben freundlich und gebührlich
verhalten würden. Nichtsdestoweniger gab er am 11. Juli den Seinen
geheimen Befehl, die Kurfürsten dringend einzumahnen und festzu-
halten und so zu behandeln, wie ihm geschehe. Hielte man ihn
härter als bisher, dann sollte ihnen ein Gleiches widerfahren, bringe
man ihn um den llals, dann sollten sie dasselbe leiden, denn sie hätten
ihn in solche Not gebracht. Nichts dürfe man aber auf seine Person
schieben; stets werde er sagen, er habe mit den Dingen nichts zu
214 S. Ifsleil):
gemeinsamen Antwort vom 9. Jnli an Philipp und seine
kSüline versicherten Moritz und Joachim, dals sie alles
thun wollten, was zur raschen Befreiung führen möge.
Schon seien stattliche Räte an den Kaiser und König
gesendet worden, um so ernstlich anzuhalten, als seien
sie selbst anwesend. Werde ihre Mühe milsachtet und
die erbetene Befreiung verzögert, dann wollten sie sich,
wenn man es für nützlich und dienlich halte, in Kassel
einstellen. Zuvor aber möge die Kapitulation vollzogen
werden. Überdies teilte Moritz seinerseits dem Landgrafen
Philipp mit, dals er notgedrungen einen Landtag halten
müsse, xluch sei seine Anwesenheit im Lande unum-
gänglich nötig, weil sein Kriegsvolk noch in Böhmen
weile und uni'uhige Bewegungen in Norddeutschland ihm
bedrohlich erschienen. Im August aber WH)llte er sich
zeitig auf dem Reichstage einfinden und für seine Be-
freiung alles aufbieten. Ähnlich schrieb er an die jungen
Schwäger in Kassel und bat zugleich um Verlängerung
der Einstellungsfrist. Es sei zu erwägen, was der Kaiser
sagen werde, wenn sie jetzt durchaus auf der Einstellung
bestehen würden. König Ferdinand habe seinen Sohn
Maximilian beauftragt, sich beim Kaiser fleilsig für den
Gefangenen zu verwenden.
Darauf verlängerten die jungen Landgrafen die Ein-
stellungsfrist bis zum 31. August, doch beanspruchten sie
Brief und Siegel darüber, dals dieser Termin eingehalten
werde. Ohne Zögern lielis Kurfürst Moritz die verlangte
Zusage ausfertigen und eine Abschrift an Joachim ab-
gehen; allein dieser verweigerte seine Zustimmung und
erklärte, sie seien nicht schuldig, eine neue Verpflichtung
einzugehen. Zwar erkannte er den natürlichen kind-
lichen Eifer der jungen Fürsten an, doch sollten sie
auch ohne weitere Schriftstücke davon überzeugt sein,
dals für den Vatei- alles gethan werde, was möglich sei.
Er könne bis Ende August nicht zum Kaiser reiten und
nach vergeblicher Mühe am Hofe auch noch in Kassel
erscheinen. Unverhohlen verlangte er Geduld bis zum
Reichstage und rasche Vollziehung des Vertrages. Seine
Ansicht war, dals jede persönliche Verwendung beim
ö
thiin. Sei er gezwungen, anders zu schreiben, so sollten sie sich
nicht irre machen lassen, es wäre denn, dals er Simon Bing oder
Kurt Dieden mit eigenhändigen Schreiben schicke.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 215
Kaiser viel nützlicher sei als die Einstellung in Kassel,
Avodurch alles weit schwieriger und langwieriger werde'^j.
Da Kurfürst Moritz ernstlich gesonnen war, Mitte
August in der Nähe des Kaisers zu sein, so drängte er
zum Aufbruch und bat den Kurfürsten von Brandenburg,
mit ihm am 10. August in Hof zusammenzutreffen. Joachim
aber hielt damals wegen der anhaltenden Kriegsunruhen
in Norddeutschland mit seinen vornehmsten Landräten
Beratungen über die Verteidigung seines Landes und
wollte nicht davon ziehen. Deshalb beauftragte er seinen
Sohn Markgraf Johann Georg, Moritz zu begleiten.
Einige Tage verspätet, reisten beide über Plauen, Roth,
Weilsenburg und Eichstätt vorwärts*'), täglich Erkundi-
gungen einziehend, Avie alle Dinge in Augsburg stünden,
weil der Kaiser, wie berichtet wurde, schwach und krank
darniederliege.
Während sie Herzog Wilhelm von Bayern einen
Besuch abstatteten, wii^kte Christof von Carlo witz am
kaiserlichen Hofe') die Erlaubnis aus, dals sie den ge-
fangenen Landgrafen in Donauwörth sehen und sprechen
durften. Infolgedessen langten sie erst am 1. September
früh 4 Uhr, am Tage der Eröffnung des Reichstages,
in Augsburg an.
Kurfürst Moritz fand Erzherzog Maximilian, den
Herzog von Alba, den alten Granvella sowie seinen
Sohn, den Bischof von Arras, u. a. zur Verwendung für
den Landgrafen scheinbar sehr willig und geneigt. Als
er aber gleich am 2. September beim Kaiser persönliche
Fürbitte einzulegen wünschte, gab man zu verstehen, dafs
er wegen der Krankheit des Monarchen erst in 5 oder
6 Tagen Audienz erhalten könne. Darauf wurde Moritz
beim alten Granvella vorstellig, dafs man doch den
Schwiegervater auf Urlaub in die Heimat ziehen lassen
möge, weil derselbe seinen ältesten Sohn und etliche
vornehme Räte als Geiseln geben und so lange Lands-
knechte oder Spanier in die Festung, die ihm bleibe,
•^) Diese Vorstellungen erreichten einen Aufschub der Einstellung
bis zum 7. September.
^) Am 10. August war Moritz in Torgau, am 14. in Plauen,
am 19. in Roth, am 21. in Eichstätt etc.
') Dort war das Gerücht verbreitet, dafs die beiden Km-fürsten
nicht eher auf dem Reichstag erscheinen \vtirden , als bis der Land-
graf frei sei; dem Kaiser war die Nachricht schwer zu Gemüt ge-
gangen.
ö
21 ß S. Tfsleih:
anfnelimon wnllp, bis die andere geschleift sei. Obgleich
Gianvella Willfalirigkeit in allen Dingen zeigte, so gab
er doch nniiniwunden zu erkennen, dals die Befreiung des
Landgrafen ganz allein im Belieben des Kaisers stehe;
niemand vermöge ihn zu nötigen, selbst wenn man zur
gelegensten Zeit das Beste versuche. Auf die Frage,
ob nicht Kassel als landgräfliche Hofstadt geschont und
dafür Ziegenhain geschleift werden könne, entgegnete der
Rat, er habe die Entschlielsung des Kaisers darüber bis
zur Ankunft der Kurfürsten hinhalten wollen, weil aber
der Landgraf allzu heftig auf raschen Bescheid gedrungen
habe, so sei der Kaiser in seiner (Granvellas) Abwesen-
heit von Milsgünstigen dahin beeintlulst worden, dafe er
sich für die Schleifung Kassels entschieden habe; kaum
könne daran noch etwas geändert werden*^).
Vom Verhalten des Landgrafen in seiner Haft wohl-
unterrichtet, gab Granvella den guten Hat, ihn zu be-
wegen, dafs er sich nicht so oft zu unanständigen Ge-
berden und üblen, heftigen Reden hinreiisen lasse, weil
alles meist schlimmer hinterbracht und dargestellt werde,
als es gemeint sei. Der Gefangene müsse Geduld haben
und dürfe nicht so ungestüm drängen und hasten").
Wie vorher schon mehrfach, so bat Philipp Mitte
September von neuem um Urlaub in die Heimat mit der
Versicherung, dais er die Kapitulation vollziehen, alle
Reichstagsbeschlüsse halten, einen Sohn als Geisel stellen
und auf Verlangen binnen 14 Tagen auf dem Reichstag
erscheinen wolle ^°). Dann klagte er über die lange
Dauer seiner Haft und schalt am 23. September darüber,
dafs Moritz nun schon über drei Wochen da sei und noch
nichts erreicht habe. Der junge Markgraf reite wieder
heim, ohne vom Kaiser gehört worden zu sein*'); seine
8) Am 24 September begann die Schleifung Kassels.
") (leheime Knndscliaft hatte Ende Angust angezeigt, dafs die
Hessen eine Post über Nürnberg nach Strafsbui'g etc. gelegt hätten.
Infolgedessen liefs der Herzog von Alba den Gefangenen und alle
Peisonen, wclclie bei ihm ein- und ausgingen, streng überwachen
Philipp legte dagegen \'er\valirung ein und forderte, die Post, die
durch Württeml)erg und Pfalz nach Kassel führe, bereiten und be-
sichtigen zu lassen. Auch entschuldigte Kurfürst Moritz den unliel)-
samen Zwiscbentall und erklärte Granvella, die Post solle sofort ge-
ändert werden, wenn sie dem Kaiser ungelegen erscheine.
'") Er wollte auch den Sohn, den ihm die Gattin Christine am
10. September geboren hatte, taufen lassen etc.
") Johann Georg ritt am 21. September in die Heimat.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 217
Sache werde „auf die lange Bank geschoben". Wenn er
niclit befreit werde, dann wolle er die Reichsstände
um Hilfe anrufen, und seine Söhne sollten die Kur-
fürsten einmahnen.
In jenen Tagen zog Kurfürst Moritz wie Herzog
Wilhelm von Bayern, Markgraf Albrecht von Branden-
burg u. a. mit dem Kaiser auf die Jagd und überreichte
ihm'-) in einem günstigen Augenblicke, als er sehr lustig
zu sein schien, eine Denkschrift in französischer Sprache.
Der Monarch las und entgegnete huldreich, er erinnere
sich seiner Zusage in Halle und Naumburg wohl; wenn
er in drei Tagen werde nach Augsburg zurückgekehrt
sein, dann möge der Kurfürst die Sache wiederum an-
regen. Nach vier Tagen fragte Moritz den Kaiser im
freien Felde, ob er den Landgrafen bis Ende des Reichs-
tages hinzuhalten gedenke. Da wandte derselbe sein
Antlitz ab und lächelte; indessen beim Abschiede ver-
tröstete er auf baldige günstige Antwort.
Sofort liels der Kurfürst den ungeduldigen Gefangenen
von seiner Verwendung für ihn in Kenntnis setzen und
ihm versichern, dals er vorläufig nichts weiter thun könne.
Keine Sache auf Erden gehe ihm so zu Gemüt als seine
Gefangenschaft, und doch wisse er nicht anders zum
Handel zu kommen als dadurch, dafs er gute Gelegenheit
abwarte. Der Landgraf aber gab sich damit nicht zu-
frieden, sondern zürnte, klagte, beschuldigte und quälte
sich und andere mit der Befürchtung, dals er nach Italien
oder in die Niederlande oder nach Spanien geschleppt
werden solle. Vom Vater ohne ünterlals angetrieben,
mahnten die jungen Landgrafen am 1. Oktober die beiden
Kurfürsten wieder nach Kassel ein, und nur mit vieler
Mühe Avurde die Einstellung bis zum 15. Dezember vertagt.
Am 16. Oktober fand Moritz abermals Gelegenheit,
sich beim Kaiser für den Schwiegervater zu verwenden.
Fröhlichen Gemütes hörte er die gnädige Erklärung des
Monarchen, dals er entschlossen sei, in kurzem ihn und
den Kurfürsten von Brandenburg von ihrer Beschwerde
zu befreien. Demungeachtet bemühte er sich im Vereine
mit Herzog Wilhelm von Bayern, eine Anzahl Kurfürsten
und Fürsten zu einer gemeinsamen Fürbitte für
12) Am 26. September nachmittags 5 Uhr. Marburg, 0. W. S. :
4. Landgraf Philipps Gefangenschaft betreffend. Lersnersche Korre-
spondenz, August bis Dezember 1547.
218 S. lisleib:
den Landgrafen zu l)ew6g'en. Die Ankunft Fvönig- Ferdi-
nands^'') und des Kurfürsten von Brandenburg- belebte in
hohem Grade seine Hoffnung auf eine günstige Wendung.
Unglücklicherweise aber erkrankte der Kaiser von neuem;
niemand wurde vorgelassen. König Ferdinand bat die
Kurfürsten, vorläufig nicht um eine Audienz nachzu-
suchen; deini der Kaiser müsse von allem verschont
bleiben, da er seine eigenen Angelegenheiten weder
hören noch ei-ledigen könne. Man möge erst dann Für-
bitte einlegen, wenn Kassel geschleift sei. Als die Kur-
fürsten versicherten, dals sie sich ehrenhalber in Kassel
einstellen mülsten, entgegnete der König, nein, dahin
solle es nicht kommen.
Kaum vermag man zu schildern, welche unbändige
Ungeduld der Landgraf damals an den Tag legte. Lieber
wolle er im Turm sitzen, schrieb er, als in solcher be-
schwerlichen Haft leben ^*). Alle Welt solle wissen, wie
man Zusage, Geleit, Verschreibung, Treue, Ehre und
Glauben halte. Die Kurfürsten hausten in Freude und
AVollust, man jage und bankettiere täglich und vergesse
ihn gänzlich. Ohne Zweifel sei er längst frei, w^enn man
dem Kaiser nur keck und ohne Scheu einen w^ahrheits-
getreuen Bericht von allen Vorgängen vor seiner Ge-
fangennahme erstattet habe; aber man lasse ihn am
Kreuze hängen und w'olle ihn gar um den Hals bringen.
Die Kurfürsten würden noch in ein unauslöschlich übles
Geschrei kommen, und von ihrem Verhalten würde einst
die Geschichte berichten etc.
Beide entgegneten, dals sie sich weder durch Jagden
noch Bankette abhalten lielsen, fort und fort um eine
Audienz beim Kaiser anzuregen; aber ebenso wie dessen
Krankheit, so verschulde seine (Philipps) ungestüme
Heftigkeit immer neuen Verzug. Er möge doch be-
denken, dals es sich wahrlich nicht gezieme, den Kaiser
wider seinen Willen zum Gehör zu zwingen. Kurfürst
'*) Die Ankunft erfolgte am 20. Oktober früh 6 Uhr; schon
waren hessische Gesandte anwesend, um die Reichsstände um Für-
bitte für den Landgrafen anzugehen.
") Die Spanier seien teils mit Pestilenz, teils mit französischer
Krankheit beladen. Alle drei Stunden kämen tags und nachts andere
Wächter und lägen ihm auf dem Halse ; er könne weder ruhen noch
schlafen. Jede neue Rotte, welche des Nachts komme, öffne den
Bettvorhang, um zu sehen, ob er nicht durch einen Ritz oder durch
ein Mauseloch entwischt sei etc.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 219
Moritz beteuerte, dals er nur seinetwegen in Augsburg
bleibe, sonst wäre er längst davongeritten.
Schon nahte eine neue Verdrielslichkeit.
Auf Befehl Philipps schickten die Landgräfin Chri-
stine, ihre jungen Söhne und die Verordneten der Land-
stände eine stattliche Gesandtschaft nach Augsburg,
welche die Reichsstände um Verwendung für den Ge-
fangenen anrufen sollte. Gleich nach ihrer Ankunft
meldete sie sich beim Erzkanzler des Reiches, dem
Erzbischof von Mainz, an und bat um Gehör vor den
Ständen. Erhaltener Weisung zufolge unterliels sie aber,
die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg aufzu-
suchen und um Rat zu fragen, wie sie wohl ihre
Werbung am besten ausführen möchte. Selbstverständ-
lich blieb ihre Absicht so wenig Geheimnis wie ihre
Anwesenheit, und bei erster Gelegenheit gaben einige
kursächsische Räte einem der hessischen Gesandten unum-
wunden zu erkennen, wie sehr man sich über ihr Ver-
halten verwundere; ob damit der Werbung gedient werde
oder nicht, möchten sie erwägen.
Indem sie vor jedem unbedachten Schritte warnten,
teilten sie ernsten Sinnes mit, dafs Kurfürst Moritz und
Herzog Wilhelm von Bayern mit Wissen und Willen des
Kaisers bereits alle Kurfürsten aulser dem Mainzer ^'^j
und viele Fürsten für eine gemeinsame Fürbitte zu
Gunsten des Landgrafen gewonnen hätten; sobald es des
Kaisers Gesundheit gestatte, hoffe mau gehört zu werden.
Es wäre gut, zu warten bis die fürstliche Fürbitte erfolgt
sei. Darauf lielsen die hessischen Gesandten den kur-
fürstlichen Räten sagen, sie hätten keinen Befehl an die
beiden Kurfürsten, sondern allein an die Reichsstände.
Wollten sie aber ihre schriftliche Werbung sehen, dann
solle sie ihnen einer aus ihrer Mitte vertraulich zeigen.
Die kurfürstlichen Räte entgegneten, es erscheine ihnen
nützlich, wenn sie alle befreundeten Kurfürsten und
Fürsten der Reihe nach um Fürbitte angingen und allen
einen geheimen Einblick in ihre Instruktion gewährten.
Allein die Hessen erwiderten: ihr Befehl verbiete, die
Fürsten einzeln aufzusuchen; sie sollten vor den Reichs-
ständen werben, und daran wüIsten sie nichts zu ändern.
Infolgedessen hielten es die Sachsen für unnötig, die
^^) Zwischen Kurmainz und Hessen schwebten viele Streitig-
keiten.
220 S. Ifsloil)-.
lipssisclie Tnstinktioii zu seilen; doch ermahnten sie wieder-
holt zur Vorsicht und Geduld.
Da die Fürbitte der Kurfürsten und Fürsten wegen
der anhaltenden Krankheit des Kaisers immer wieder
verschoben wurde, so lieis sich die hessische Gesandt-
schaft trotz wohlgemeinter Gegenvorstellungen nicht
zurückhalten.
Am 17. November'") schenkten ihr die Reichsstände
Gehör und nahmen die für sie bestimmten Schriftstücke
entgegen, die von allen Verhandlungen vor der Gefangen-
nahme des Landgrafen und von allen Vorgängen während
und nach derselben bis zum Reichstage gründlichen Auf-
schlufs gaben. Eins wurde damit zweifellos erreicht:
Die Reichsstände erhielten jetzt einen lichten Einblick in
die bis dahin für sie dunkle Zeit des schmalkaldischen
Krieges. Der Kaiser dagegen Avar tief verletzt und
schwer erzürnt, weil nunmehr Dinge offenbar wurden"),
die er geheim gehalten wissen wollte.
Acht Tage später liels er vor den versammelten Reichs-
ständen sein hohes Milsfallen über das hessische Vor-
gehen zum Ausdruck bringen und seinerseits ausführlich
anzeigen, wie der Landgraf in die Haft gekommen sei
und wie er sich seitdem verhalten habe'^). Der kaiser-
liche Bericht, welcher manche Unrichtigkeit und einige
absichtliche Entstellungen enthielt, hob zuletzt hervor,
dafs zur Zeit noch erheblicher Mangel an der Ausführung
des Vertrages befunden werde, darum könne der Land-
graf nicht freigegeben werden. Auch habe er sich ehe-
mals unterstanden, kaiserliche Diener mit Praktiken
dahin zu bewegen, dals sie ihre Pflicht hätten hintan-
setzen und seine Wünsche befolgen sollen '•'). Den Reichs-
^") Damals verweilten die beiden Kurfürsten von Sachsen und
Brandenburg- mit Köni^ Ferdinand auf der Jagd.
'■') Z. ]i. die kurfürstliche Verpflichtung vom 4. Juni 1547, das
Geleit, die V'ersicherung betreffs der Religion etc.
'^) Dresden, Loc. t)143, Landgreuische hessische gepflogene Ver-
sunungshendel etc. 1547—51, Bl. 22 flg.; Lanz II, 589. Vergleiche
diese Zeitschrift XI, 177 flg.: S. Ifsleib, Die Gefiingennahnie des
Landgrafen Philipp von Hessen 1547. Die geheimen Artikel vom
2. bez. 4. Juni 1547 wurden den Reichsständen nach der französischen
Niederschrift des Bischofs von Arras zugestellt, ebenda XI, 217 flg.
^®) Noch von Schwabach aus hatte Landgraf Philipp seinen
Sekretär an den Bischof von Arras geschickt mit der Bitte, seine
Befreiung zu liefördern. Je nach den Umständen sollte der Bote für
den guten Willen danken und einen „Sack voll Kronen" schenken.
Der Bischof scheint eine „Verehrung" abgelehnt zu haben.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 221
ständen werde dies alles eröffnet, damit sie sich nicht
durch andere gefärbte Darstellungen eine falsche Vor-
stellung machen sollten; denn der Kaiser wolle, dafs die
Aufrichtigkeit seiner Handlungen insonderheit von den
Reichsständen jederzeit klar erkannt werde.
Die beiden Kurfürsten, die nunmehr genötigt waren,
den Reichsständen auch ihrerseits anzuzeigen, wie sich
einst alles zugetragen habe, hätten manchen Punkt zur
vollen Klarheit bringen können ; allein sie wagten es nicht,
dem Kaiser kühn entgegenzutreten, um nicht durch ihre
Offenheit die Lage des Landgrafen zu verschlimmern.
Kurz, vorsichtig, etwas dunkel und nachgiebig lielsen sie
am 26. November Bericht erstatten und angeben: die
Dinge möchten liegen, wie sie wollten; ihrerseits hätten
sie alles treu und ehrlich gemeint und alles darangesetzt,
um den Krieg zu beendigen, armer Leute Verderben zu
verhüten, Frieden und Ruhe zu begünstigen, den Kaiser
von beschwerlichen Unkosten zu befreien und sein An-
sehen sowohl im Reiche wie gegen auswärtige Feinde zu
erhöhen. Weil sie keine Gefangennahme besorgt oder
befürchtet, hätten sie den Landgrafen dahingebracht, dals
er auf Treue, Glauben und Versicherung nach Halle ge-
kommen sei und alle Artikel der Kapitulation bewilligt,
sowie Fulsfall und Abbitte gethan habe. Wider Erwarten
sei er dann verhaftet worden. Nun möchten die Reichs-
stände sie mehr als den Landgrafen bedenken und mit
ihnen den Kaiser bitten, dals er den Gefangenen freigebe,
damit alle Beschwerden fielen.
Nachmittags 4 Uhr mulsten die beiden Kurfürsten
vor dem Kaiser erscheinen und sein grolses Milsfallen
über die hessische Gesandtschaft anhören. Es wurde vor
allem dargelegt, dafs der Kapitulation in ungenügender
Weise Folge geleistet werde. In der Entgegnung baten
die Kurfürsten, den Landgrafen wegen der unzeitigen
Werbung zu entschuldigen und um ihretwillen freizu-
geben; sie seien erbötig, noch weitere Verpflichtungen
als seither einzugehen^"). Darauf liels der Kaiser er-
widern: er könne den Landgrafen nicht entschuldigen;
es sei nicht glaubhaft, dals er von der Werbung nichts
gewulst habe; denn der hessische Bericht verrate, dafs
20) Auf den Kat Granvellas uuterliefsen es die Kurfürsten, ihre
Obligation vom 4. Juni zu erwähnen , um nicht den Kaiser zu er-
zürnen.
222 S. Ifsloib:
er selbst die Gesandtschaft angestiftet habe. Vor völliger
Vollziehung- des Vertrages werde er den Landgrafen
nicht freilassen.
Sobald nun die Kurfürsten deutlich erkannt hatten,
dals die hessische Gesandtschaft mehr geschadet als ge-
nützt habe, klärten sie sowohl den Landgrafen'-'), als
auch seine Gemahlin und Söhne, sowie den Statthalter
und die Räte darüber auf. Zugleich ermahnten sie in-
ständig, die Einforderung nach Kassel in Rücksicht auf
den ungnädigen Kaiser bis zur gelegeneren Zeit zu ver-
schieben-"-).
Am 29. November eilte Kurfürst Moritz in die Hei-
mat, um alle ßeichstagsangelegenheiten mit dem Aus-
schüsse seiner Landstände zu beraten; doch beauftragte
er seine zurückbleibenden Räte, sich neben dem Kur-
fürsten von Brandenburg der Sache des Landgrafen so
anzunehmen, als sei er selbst anwesend.
Philipp wurde in jenen Tagen von Donauwörth nach
Nördlingen übergeführt, damit er, wie er selbst angab,
wegen der grölseren Entfernung nicht so oft um seine
Befreiung anhalten könne--^). Bald erschien vor ihm der
oberste kaiserliche Kriegskommissar von Lier und warf
ihm vor, dals er sich durch seine Räte an die Reichs-
stände gewendet und dem Kaiser samt seinen Räten
allerhand aufgebürdet habe, als sei er wider jede Abrede
gefänglich eingezogen worden; auch würden die Kur-
fürsten von seinen Söhnen eingemahnt. Auf Befehl des
Kaisers solle er seinen Kindern gebieten, die kurfürstliche
Obligation samt den anderen brieflichen Urkunden inner-
halb 20 Tagen herauszugeben. Aulserdem solle er durch
einen Handschein die Kurfürsten von ihrer Verpflichtung
freisprechen.
21) Philipp war selir aufgebracht über die Erfolglosigkeit der
Gesandtschaft und nicht minder unwillig über die Kurfürsten, weil
sie in so langer Zeit nichts durchgesetzt hatten.
2'-) Die jungen Landgrafen meinten, der Kaiser könne nichts
gegen die P^inmahnung haben; der Vater habe mit der Sache gar
nichts zu schaffen etc. Die Kurfürsten sollten sich am 1.5. Dezember
in Kassel einstellen.
2ä) Damals traten der Erzbischof von Mainz und der Deutsch-
meister sowie (xraf Reinhard von Solms und der Graf von Nassau mit
alten Forderungen heftiger als je gegen den Landgrafen auf, so dafs
er meinte, wenn er alles gewährleisten solle, dann müsse seine Familie
Land und Leute verlassen und betteln gehen.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 223
Der Landgraf versetzte: mit der Werbung an die
Reichsstände habe er nichts zu thun, sonst würde er alles
vermieden haben, was den Kaiser oder seine Räte hätte
verdrielseu können; denn damit geschehe ihm kein Ge-
fallend^). Die Obligation hätten die Kurfürsten einst mit
dem Geleite freiwillig überschickt, um ihn zur Reise nach
Halle zu bewegen. Es stehe nicht in seiner Gewalt, sie
innerhalb 20 Tagen auszuliefern; denn sie laute nicht auf
ihn, sondern auf seine Kinder, die sie im Besitze hätten.
Die Kurfürsten seien nicht ihm, sondern seinen Söhnen
verpflichtet. Ein Freibrief von ihm habe für die Kur-
fürsten keine Kraft. Zuletzt ersuchte er, den Kaiser um
seine Befreiung zu bitten.
Mit gleicher Bitte ging er den Kurfürsten von
Brandenburg und den kursächsischen Rat Christof von
Carlowitz an. Beide sollten dem Kaiser zu Fülsen fallen
und alles aufbieten, dals er in etlichen Monaten oder am
Ende des Reichstages losgelassen oder an einen be-
freundeten Fürstenhof gebracht werde. Bewillige der
Kaiser solches schriftlich, dann wolle er seine Söhne zu
bewegen suchen, die kurfürstliche Obligation herauszu-
geben.
Kurfürst Joachim versäumte keine Gelegenheit, bald
König Ferdinand, bald dessen eingetroffene Schwester
Marie, Königinwitwe von Ungarn, zu Gunsten des Land-
grafen anzugehen. Allein man riet, nicht so heftig zu
bitten, als wolle man den Kaiser zwingen. Derselbe
werde den Landgrafen auch in keines anderen Fürsten
Hand stellen; wenn er ihn einmal loslasse, dann wolle er
ihn ganz freigeben. So oft Joachim anzeigte, dafs er
ehrenhalber am 15. Dezember in Kassel einreiten müsse,
erklärte man: erfolge die Einmahnung, dann w^erde der
Kaiser die Einstellung mit Gewalt verhüten. — Keine
Bemühung wollte etwas fruchten, obgleich der Kurfürst
am 5. Dezember beim Kaiser, dann wieder bei den kaiser-
lichen Geschwistern und Räten Fürbitte einlegte. Karl V.
liels sich vernolimen, mit welchem Rechte man ihn so oft
belästige; er werde den Landgrafen nicht eher losgeben,
als bis alle Reichstagssachen erledigt seien. Der Kur-
fürst gewann die Überzeugung, dals nichts helfen werde,
man thue, was man w^olle, wenn nicht zuvor der Kaiser
2*) Der Landgraf schickte am 28. September den Entwurf zu
einer Bittschrift au die Reichsstände nach Hessen.
224 S. Ifsleib:
seine Ungnade von selbst vergesse und seinen Willen in
allen Reiclisangelegenheiten durchgesetzt habe-"').
Heftiger als zuvor wuchs des Kaisers Ungnade gegen
den Gefangenen. Seine Haft \\ urde strenger. . Man ent-
fernte von ihm seinen Leibarzt, seinen Sekretär und seine
Diener bis auf zwei Edelknaben, einen Küehenschreiber,
einen Koch und einen Schenk. Tinte und Papier wurden
ihm fast gänzlich entzogen.
In dieser Not begünstigte Philipp den von andern
längst entworfenen, aber von ihm stets bekämpften Plan,
dals seine Gattin nach Augsburg ziehen und für ihn bitten
solle-**). Früher wollte er nur zulassen, dals seine beiden
Töchter, Moritz' Gemahlin Agnes und Anna, Pfalzgräfin von
Zweibrücken, vor dem Kaiser erscheinen sollten. Beide
seien auch vom Geblüte Hei'zog Georgs von Sachsen und
könnten als junge Weiber besser als die Mutter wandern.
Am 5. Dezember erklärte er: wenn sich die Kurfürsten
am 15., wie bestimmt sei, in Kassel eingestellt hätten,
dann möge sein Weib mit den Töchtern zum Kaiser ziehen
und um seine Befreiung anhalten. Drei Tage später
wünschte er, Christine solle sich mit Agnes und Moritz
sowie mit Anna und Wolfgang darüber verständigen, dafs
sie alle an einem bestimmten Tage in Augsburg an-
kommen möchten'"). Dann schickte er selbst Boten an
die beiden Töchter, um sie zu bewegen, mit der Mutter
an einem Orte zusammen zu kommen und mit ihr nach
Augsburg zu eilen ^^).
Am 5. Januar 1548 baten zwei hessische Räte in
Torgau, Kurfürst Moritz möge mit seiner Gemahlin am
20. d. M. in Donauwörth eintreffen, um dann mit der
^■') Mittlerweile befahl der Landgraf seinen Söhnen, die kur-
fürstliche Obligation unter keinen Umstäiulen herauszugeben , selbst
wenn man mit Krieg drohe.
-") Marljurg, ti. W. S. 3, Korresjjondenz des Landgrafen etc.
September bis Dezember L'i47, IL
-■') Infolgedessen wurde am 19. Dezember die kurfürstliche Ein-
stellung in Kassel bis Ende des Reichstages vertagt.
^*) Agnes meldete am Neujahrsabend eigenhändig nach Kassel:
sie wolle lierzlich gern mit nach Augsburg reisen, wenn nur der
allmächtige Gott gäbe, dafs sie etwas Gutes ausrichteten. Ihr herz-
lieber Herr besorge aber, dafs sie zur Zeit noch nichts erreichten
und viel eher Schimpf erlangten. Moritz wolle erst wieder auf den
Reichstag ziehen, und wenn er innerhalb vier Wochen nicht zurück-
kehre, dann solle sie mit der Mutter reisen. Marburg, U. W. S. 9,
Agnes 1527 — 1555; 3, Verhandlungen mit Sachsen und Brandcnbui'g,
Juni 1547 bis Dezember 1549.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 225
Landgräün samt Wolfgang und Anna von Zweibrücken
nach Augsburg zur gemeinsamen Fürbitte vorzurücken.
Moritz war nicht ungeneigt, seine Gattin zu bestimmter
Zeit in Donauwörth ankommen zu lassen; doch besorgte
er, dalis der Kaiser die Landgräfin und sie alle lange
hinhalten werde, ehe er eine Audienz gewähre. Daher
schien es ihm besser zu sein, wenn seine Gattin zunächst
nur bis nach Onoltzbach (Ansbach) reise und dort bei
seiner Schwester warte, bis gelegene Zeit zur Fürbitte
nahe. Er selbst war entschlossen, möglichst bald wieder
nach Augsburg aufzubrechen.
Während er Ende Januar wieder auf den Reichstag
eilte, zog die Landgräfln nach Donauwörth und erwartete
Anna und Wolfgang von Zweibrücken. Anfang Februar
erschien sie in Augsburg^*').
Wie früher die beiden Kurfürsten, so mufste die
Landgräfin zu ihrer grölsten Betrübnis die bittere Er-
fahrung machen, dais der Kaiser die inständig erbetene
Audienz von Woche zu Woche verschob =^*^). Als endlich
das ersehnte Gehör bewilligt wurde, bat sie mit der
Königin Maiie , der Kurfürstin von Brandenburg, der
Herzogin von Bayern und von Zweibrücken nebst anderen
hohen Frauen den Kaiser fulsfällig um Gnade für ihren
Gemahl; allein sie erreichte nichts als die Vertröstung
auf eine gnädige Antwort, da es zur Zeit noch an der
Ausführung der Kapitulation mangele =^^).
Sofort drängten die beiden Kurfürsten die jungen
Landgrafen, alle Vertragsartikel schleunigst zu vollziehen,
Kassel bis auf die Schlolsmauern zu schleifen und alle
geforderten Urkunden einzusenden. Dann baten sie so-
wohl den Kaiser als den König mündlich und schriftlich
um gnädige Antwort, damit die arme Landgräfin bald
Avieder zu ihren Kindern heimziehen könne. Ein kaiser-
licher Kommissar möge zur Besichtigung nach Kassel
verordnet werden. Am 17. Mai erwiderte der Kaiser
schliefslich , dals die Ursachen, derentwegen er vormals
20) Der Kaiser gestattete ihr nicht, vorher den gefangenen
Gemahl zu hesuchen. — Wenige Tage später eilte Kurfürst Joachim
mit seiner Gemahlin nach Ansbach zur Hochzeit seines Sohnes
Johann Geoi'g.
***) Unterdessen wurde Landgraf Philipp von Nördlingen nach
Heilbronn geschafft.
ä') Moritz hatte, soviel ersichtlich ist, die Gattin Agnes nicht
nach Augsburg kommen lassen.
Neues Archiv f. 8. Ü. u. A. XIV. 3. 4. 15
o
226 S. Ifsleib:
keine endgiltige Antwort habe gehen können, noch vor-
handen seien. Er habe zur Besichtigung nacli Hessen
senden lassen und erwarte täglich Bericht; die Bundes-
urkunden möge man schleunig ausliefern. Zur gelegenen
Zeit wolle er die getreuen Dienste der Kurfüisten an-
sehen und der Füi-bitte der Königin und der anderen
Frauen zu Gunsten der Landgräfin und ihrer Kinder ein-
gedenk sein.
Als jetzt zweifellos feststand, dals die Befreiung
Philipps vorläufig nicht zu erreichen sei, so trat die tief-
bekümmerte Landgräfin Ende Mai die Heimreise an-^-).
Der Fürsprache des Königs war es zu danken, dals sie
einen Tag beim gefangenen Gemahl in Heilbronn zu-
bringen durfte. Schwermütig und trostlos bat der Land-
graf sie flehentlich, mit den beiden Kurfürsten spätestens
im August wieder vor dem Kaiser zu erscheinen, damit
er endlich frei werde.
Auf die Nachricht Joachims, dafs der Kaiser vor
seiner Entscheidung vor allem die Schleifung der Festungen
und die Annahme des Interims verlange, erklärte
Philipp am 22. Juni: er wolle das Interim bewilligen und
in seinem Lande ernstlich halten lassen, wenn er Urlaub
zur Heimreise erlange. „Um Gottes, der Mutter Gottes
und aller Engel und Heiligen willen" möge der Kaiser
als christlicher Herr und Vater ihm vergeben, sowie er
selbst von Gott Vergebung begehre und hoffe; er solle
bedenken, dafs er harte Bulse ertragen habe und schon
ein ganzes Jahr in der Haft lebe. Stets wolle er treu
zum Kaiser gegen alle Feinde stehen ; stattliche Geiseln
sollten gegeben werden. Allein alles blieb erfolglos '•^).
Unmittelbar nach ihrer Ankunft in Kassel lud die Land-
gräfin Christine die beiden Kurfürsten inständig zu weiterer
Fürbitte für den gefangenen Gemahl ein; doch vermochte
keiner ihrer Bitte zu willfahren-'^^). Moritz erwiderte •'^'^),
^2) Auch Moritz ritt in die Heimat.
ä^) Auf des Kurfürsten VerAvendung hin durften wieder der
Leibarzt, sowie zwei Herren vom Adel und andere Diener zum Land-
grafen.
^} Marburg, 0. W. S. 5, Verhandlungen der Landgräfin und
Söhne mit Sachsen luid Brandenburg, Juni 1547 bis Dezember 1549
flg.; Schmalkaldener Bund, Kriegssachen 1547 — 48. Dresden,
Loc. 9143 Landgraf Philipps von Hessen Capitnlation etc. , Vol. IL
1548, Bl. 184 flg.
'"') Brief vom 4. Juli 1548. Der Kurfürst verhandelte damals
in Meifsen mit dem Ausschusse seiner Landständc über das Literim.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 227
dafs ihn überaus notwendige Regierungsgesciiäfte und die
bevorstehende Hochzeit seines Bruders August von der
persönlichen Teilnahme abhielten, und Joachim gab zu
erkennen'^*'), dals er kaum fünf Tage vor der anberaumten
Zeit die Heimat erreichen werde. Zugleich war er davon
überzeugt, dafs man vor der Annahme des Interim in
Hessen und vor der Schleifung sämtlicher Festungen
aufser Ziegenhain beim Kaiser gar nichts durchsetzen
werde.
Demungeachtet trat die Landgräfin die geplante
Eeise an und erwartete den von Augsburg nach den
Niederlanden ziehenden Kaiser in Speier. Am 1. Sep-
tember durfte sie eine Bittschrift überreichen, in der sie
um Befreiung oder wenigstens um Beurlaubung des Ge-
mahls nachsuchte, damit er die Kapitulation völlig voll-
ziehen, das Interim einführen und das äulserste Verderben
seines Landes verhüten könne.
Zwei Tage darauf liefs der Kaiser aber wissen, dals
es vorläufig bei der in Augsburg erteilten Antwort bleiben
müsse. Die abermals hart enttäuschte Fürstin erhielt
nur die Erlaubnis, acht Tage bei ihrem Gemahl bleiben
zu dürfen.
Darauf berieten am 16. September sächsische und
brandenburgische Räte in Jüterbogk, was denn eigentlich
nun noch für den Landgrafen geschehen könne, da alle
persönlichen Fürbitten ganz fruchtlos geblieben seien.
Man nahm die Kapitulation zur Hand und prüfte sorg-
fältig, welche Artikel dem Kaiser wohl noch ernstlichen
Grund zu Ausstellungen geben möchte. Schlielslich
einigte man sich darüber, dals die beiden Kurfürsten
genaue Erkundigungen über alle vollzogenen Vertrags-
artikel in Hessen einziehen und dann den Kaiser möglichst
bald von der Ausführung des Vertrages überzeugen und
um Gnade für den Gefangenen bitten sollten.
Zufolge dieser Verständigung zogen Mitte Oktober
vier kurfürstliche Bevollmächtigte nach Kassel, um zu
sehen und zu hören, wie alles stehe. Da man die Lage
der Dinge für günstig erachtete, eilte der kurbranden-
burgische Rat Dr. Jung mit dem hessischen Vizekanzler
Heinrich Lersner an den kaiserlichen Hof. Die anderen
kehrten heim und erstatteten genauen Bericht, worauf
die Kurfürsten den sächsischen Rat Franz Kram mit
^^) Briefe vom 8. und 9. Juli aus Pfaffeuhofen und Ingolstadt.
15*
228 S. Ifsleib:
einer vereinbarten Instruktion ebenfalls nach Brüssel
schickten.
Von dort kam die Kunde, dals der Landgraf in
trüben Stunden seiner strengen Haft zu Oudenaarde an
der Scheide seine Kleider zerreilse, die wachthabenden
Spanier Schelme über Schelme schelte und öfter wild
wünsche, ihn mit dem Schwerte zu durchbohren. Es sei
zu besorgen, dafs er in Schwermut verfalle und allmählich
ganz von Sinnen komme. Als ihn Dr. Jung am 27 No-
vember mit kaiserlicher Erlaubnis besuchte"'"), jammerte
er heftig über seine elende Lage und flehte inständig,
ihn zu befreien. Wenn in kurzem des Kaisers Sohn
Prinz Philipp aus Spanien komme und durch Deutschland
ziehe, dann sollten die Kurfürsten sich zu ihm verfügen,
Fürbitte einlegen und mit nach Brüssel reiten. Sie
möchten sich zu stattlichem Kriegsdienste erbieten und
auf Verlangen des Kaisers den Prinzen zum römischen
König wählen. Werde die günstige Gelegenheit, die
sich bei Ankunft des Prinzen darbiete, versäumt, dann
schwinde jede Hoffnung auf baldige Befreiung. Auf Rat
des Kurfürsten von Brandenburg habe er das Interim
angenommen und schon zweimal Augustin, Ambrosius und
Eusebius durchgelesen ; auch sei er etliche Mal in die
Messe gegangen. Damit niemand denke, er höre die
Messe aus Heuchelei, so habe er sich öfter erboten, mit
dem kaiserlichen Beichtvater oder mit einem anderen
Theologen über seinen Glauben zu reden. Mit wohl-
bedachtem Mute wolle er dem Kaiser in religiösen Dingen
willfahren. — Mehrfach wiederholte er die Bitte, die
Kurfürsten möchten dem kaiserlichen Prinzen entgegen-
ziehen ^^).
In vielen Briefen gebot er seiner Gemahlin, seinen
Söhnen und Räten, die beiden Kurfürsten unermüdlich an
ihre Ehre und Pflicht zu erinnern, auf der Einstellung in
Kassel zu bestehen und die Reise zum Prinzen Philipp
und an den kaiserlichen Hof zu fordern; man solle mit
") Berlin B9, 5. Landgraf Philipp von Hessen 1549; Mar-
burg, 0. W. S. 4, Landgraf Philipp, die Gefangenschaft betreffend,
1648— 5L
^^) Sie sollten zur Jagdzeit die Wildschweine nicht lieber Imben
als ihn, den armen, gefangenen Freund und Bruder. Da Joachim
wohl 30000 Gulden in Augsburg für Perlen und Edelsteine aus-
gegeben habe, so möge es ihn nicht leuen, etwa 10000 Gulden auf
einer Reise für seinen Schwager zu verzehren, um ihn zu retten.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 229
einem öffentlichen „Ausschreiben" drohen. Auch ent-
sandte er Heinrich Lersner nach Sachsen und Branden-
burg, um zur Reise und Fürbitte anzuspornen.
Obgleich sich Dr. Jung in Brüssel für den Land-
grafen eifrig verwendete, so blieben seine Bemühungen
doch völlig erfolglos. Ebensowenig erreichte die geschäf-
tige Fürsprache des angekommenen kursächsischen Rates
Franz Kram eine veränderte Lage des Gefangenen.
Allerseits vertröstete man mit der Ankunft des Prinzen
Philipp, dem zu Ehren der Kaiser viele Beweise der
Gnade geben werde; jedermann hielt es für gut und
nützlich, wenn die Kurfürsten ihn auf seinem Zuge durch
Deutschland begrülsen würden.
Nun w^ar anfangs Januar 1549, unmittelbar nach dem
bekannten Leipziger Landtage, sowohl ein Brief des
Kardinals von Trient, als auch eine hessische Gesandt-
schaft nicht ohne Einflufs auf Kurfürst Moritz.
Gemäls einer in Augsburg erfolgten Verabredung
zeigte der Kardinal '^^) von Barcelona aus die bevorstehende
Reise des Prinzen Philipp über Genua und Trient nach
Deutschland und den Niederlanden an und riet dem Kur-
fürsten, die günstige Gelegenheit zu einer Begrülsung
nicht zu versäumen. Er möge dem Prinzen entgegen-
reiten und dessen Freundschaft suchen; vielleicht sei es
der beste und einzige Weg zur Befreiung des Schwieger-
vaters. Als darauf Moritz noch erwog, was er thun
sollte, erschienen hessische Räte in Torgau und führten
ihm am 9. Januar 1549 zu Gemüte*'^), dals der gefangene
Landgraf alle Hoffnungen auf die Ankunft des kaiser-
lichen Prinzen setze und inständig bitten lasse, dem Sohne
des Kaisers zwischen Italien und den Niederlanden ent-
gegenzureiten, ihn freundlich anzusprechen und mit ihm
nach Brüssel zu ziehen, um die ersehnte Befreiung durcli-
^®) Moritz war während des Reichstages in nahe Bezielmng
zum Kardinal getreten und hatte ihn als Vertrauten des Kaisers
öfter um Fürsprache für den Landgrafen gebeten. Dann erhielt der
Kardinal wie der Herzog von Alba den ehrenvollen Auftrag, den Sohn
König Ferdinands, Erzherzog Maximilian, nach Spanien und anderer-
seits Prinz Philipp von Spanien diuxh Italien und Deutschland nach
den Niederlanden zu begleiten. Dresden , Loc. 8498 , An Churfürst
Moritz abgelafsne Handschreiben 1541—51; eigenhändiger Brief an
Christof von Carlovvitz, Varzellona (Barcelona), 19. Oktober 1548.
Der Brief an Moritz war nicht zu finden.
*°) Dresden, Loc. 9143, Landgraf Philipps von Hessen Kapi-
tulation, Vol. III, 1549—51.
230 S. Ifsleib:
zusetzen. Im Juli 1548 habe Moritz bestimmt erklärt,
dals er nach der Hochzeit des Bruders au den kaiser-
lichen Hof ziehen und den Schwiegervater retten wolle,
selbst wenn er ein ganzes Jahr warten und anhalten solle.
Darauf setzte der Kurfürst den hessischen Räten aus-
einander, Avie beschwerlich und gefährlich es für ihn sei,
in höchst unruhiger Zeit sein Land zu verlassen. Völlige
Ungewilsheit herrsche auch noch darüber, wann der
Prinz in Deutschland eintreffen werde. Solle er jetzt
aufs Geradewohl hinausreiten, so erscheine das für ihn
fast schimpflich. Sobald er jedoch merke, dals etwas
Gutes ausgerichtet werden könne, so wolle er mit dem
Kurfürsten von Brandenburg die Reise antreten und thun,
was möglich sei.
Indessen nach einem raschen Entschlüsse übertrug
er am folgenden Tage"*') dem Grafen Wolf von Barby
samt etlichen Räten die Statthalterschaft und die Regie-
rung des Landes und liefs zur Abreise rüsten. AVie
Christof von Carlowitz, so sollte ihn der eine hessische
Rat Christof Hülsing begleiten. Wegen Mangels an Geld
war Kurfürst Joachim aufser Stande mitzuziehen**^).
Mit stattlichem Gefolge reiste Moritz durch Süd-
deutschland. In Füssen liels er den grölsten Teil seiner
Begleitung zurück und ritt durch die Ehrenberger Klause
über Innsbruck nach Trient, w^o er Prinz Philipp begrülste
und mit ihm mehrere Tage verlebte^''). Nach einer ein-
gehenden Besprechung mit dem Kardinal von Trient ging
er ihn am 27. Januar zugleich im Namen Joachims in
feierlicher Audienz um Verwendung für den gefangenen
SchAviegervater an"*^), Philipp sollte die beiden Kurfürsten,
deren Ehre, Treue und Glauben hoch verpfändet sei,
mehr als den Landgrafen berücksichtigen. Durch eine
"") Dresden, Loc. 1004] , Chiufürst Moritz' heiragelassene In-
struktionen; Original, Torgau, 10. Januar 1549.
■*-) Daher boten ihm die Hessen ein Darlehen von 6000 Gulden
an, damit er wenigstens an den kaiserlichen Hof nach Brüssel ziehen
könne.
^'•^) Berlin 39. 2. .lohann Friedlich und Moritz von Sachsen
1547—49, eigenliändiger Brief Christofs von Carlowitz an Kurfürst
Joachim, Torgau, 16. März 1,549.
**) Zeuge waren der Herzog von Alba, die Kardinalbischöfe von
Trient und Augsburg etc. Carlowitz trug die kurfürstliche Bitte
lateinisch vor. Ed. Duller, Neue Beiträge zur Geschichte Philipps
des Grofsmütigen (Darnistadt 1842), S. 101; statt 22. mufs es 27. Ja-
nuar heifsen.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 231
erfolgreiche Fürsprache verpflichte er sie zu ewigem
Dienst und Dank. Gleichzeitig hat Moritz um die Er-
laubnis, dals der Kardinal von Trient ihn in jeder Be-
ziehung vertreten dürfe, weil er selbst wegen überaus
dringender Geschäfte nicht mit nach Brabant und Flan-
dern reisen könne. Der Prinz erteilte durch den Herzog
von Alba gnädige Antwort und wollte beim Kaiser Für-
sprecher der beiden Kurfürsten sein in der Hoffnung, dafs
er als Sohn vielleicht etwas mehr als andere ausrichten
werde. Gern nahm er den Kardinal als „Sollicitator"
an ; seinen Vorstellungen und Anregungen wollte er ebenso
folgen und nachgehen, als wenn sich Moritz persönlich
bemühe.
Unter dem Vorwande, dafs er den Prinzen wegen
seines geringen Gefolges nicht ehrenvoll genug über Land
begleiten könne, entschlols sich der Kurfürst, mit dem
Kardinal Otto von Augsburg etliche Tage nach Italien
zu eilen, um einige Fürsten zu begrülsen und mehi-ere
Städte und Festungen zu besichtigen. In ehrenvollster
Weise nahm ihn der Herzog von Venedig auf. Mit
Herzog Herkules II. von Ferrara, der durch seine
Gattin dem französischen Hofe nahe stand, knüpfte er
freundschaftliche Beziehungen an. In Mantua besuchte
er den Kardinal Hercole Gonzaga. Nachdem er seinen
Ausflug bis Mailand ausgedehnt hatte, jagte er zurück,
zog in Füssen sein Gefolge wieder an sich und holte den
Prinzen in München ein. Sowohl hier wie in Augsburg
erneuerte er seine Fürbitte für den Schwiegervater und
gab dem eingetroffenen hessischen Hofmarschall Wilhelm
von Schachten und anderen guten Bescheid an die Land-
gräfin und an ihre Söhne. Kurz vor der Verabschiedung
erinnerte er in Günzburg an der Donau am 27. Februar
den Prinzen zum letzten Male an die zugesagte Ver-
wendung für den gefangenen Landgrafen mid bat den
Herzog von Alba um freundliche Unterstützung in der
wichtigen Angelegenheit. Über den Erfolg der prinzlichen
Fürbitte beim Kaiser und über die Stimmung am Hofe
versprach der Kardinal von Trient rasche Anzeige zu er-
statten, damit unter Umständen Moritz mit Joachim von
Brandenburg schnell zur persönlichen Verhandlung in die
Niederlande kommen könnten.
Auf der Heimreise begriffen, schrieb der Kurfürst
am 28. Februar in Dillingen an Landgraf Philipp über
seine Reise zum Prinzen und über die Vereinbarungen
232 S. Ifsleib:
mit dem Kardinal von Trient. Wohlmeinend ermunterte
er ihn, den Sühn des Kaisers, Alba und den Kardinal
um Fürbitte anzugehen und sich so zu verhalten, dafs er
nicht durch Ungeduld und durch üble Worte und Ge-
berden gegen die Spanier die Gnade des Kaisers aber-
mals verscherze. Sobald es ersprielslich erscheine, wollte
er ungesäumt nach Brüssel reisen. Für gut sah er an,
dafs der Landgraf seinen zweiten Sohn Ludwig an den
Hof des Herzogs von Ferrara schicke, um die italienische
Sprache zu erlernen und um anderer Vorteile willen; er
w^ar erbötig, den Plan in jeder Beziehung zu befö)-dern ■*"').
Nach seiner am 12. März erfolgten Ankunft in
Wolkenstein wandte sich Moritz an den Kardinal von
Trient und erneuerte die Bitte um Verwendung für den
Landgrafen"'). In einem Briefe an den Kaiser ersuchte
er, den Gefangenen um seines geliebten Sohnes Fürbitte
willen gnädig freizugeben ; denn dadurch werde der Prinz
grolsen Ruhm in der deutschen Nation erwerben. Aufser-
dem solle der Kaiser ihn (Moritz), Kurfürst Joachim,
die Landgräfin Christine als Tochter Herzog Georgs von
Sachsen und ihre kleinen unerzogenen Kinder bedenken.
Unterdessen zog Prinz Philipp von Günzbui'g aus
über Ulm nach Heidelbei-g und war sehr gnädig, als auf
Betrieb des Kardinals von Trient der Kurfürst von der
Pfalz mit sechs Fürsten eine „ansehnliche, dienliche und
tapfere" Fürbitte für den Landgrafen einlegte''). In
Speier hörte er das demütige Bittgesuch hessischer Ge-
sandten^^) und in Neustadt an der Hardt nahm er eine
*^) Hieraus erkennt man bereits Moritz' weitgreifende Pläne.
In Münclien wandte er sich mit Otto von Aiig-sburg am 7. März
an Herkules II. von Ferrara wegen der ehelichen Verbindung einer
bayerischen Prinzessin mit seinem Sohne.
'"') Dresden, Loc. 9144, Landgreffische Verf5unung 1549 — 50,
Bl. 1 flg., Brief vom 17. März. Aufserdem schickte Moritz dem
Kardinal eine Vollmacht, dafs er jederzeit in seinem Namen beim
Kaiser und beim Prinzen Philipp vorstellig werden könne. Als Bei-
lage sandte er den hallischen Vertrag vom 19. Juni 1547, die Ant-
wort des Kaisers in Halle und Naumburg, den kurfürstlichen Ver-
sicherungsbrief vom 4. Juni 1547 und ein genaues Verzeichnis von
allem, was die Hessen dem Vertrage gemäfs geleistet hatten.
■") Eigenhändiger Brief des Kardinals an Christof von Carlowitz,
Heidelberg, 11. März 1.549; Dresden, Loc. 8498 Au Churfürst Moritz
abgelassene Handschreiben 1.541—51, Hl. ,54.
•*^) Marburg, O. W. S. 4, Landgraf Philipps Gefangenschaft
betreffend 1548-51 ; Berlin 39. 5, Philipp von Hessen 1.549; Druffel I,
No. 279. In jener Zeit war die Laudgräfin Christine krank.
Die Gefangeiischaft Philipps von Hessen. 233
kurbrandenburgische Bittschrift vom Kanzler Christof von
der Strafsen entgegen.
Kaum war dann der Prinz in Brüssel eingezogen ■*^),
so drängten die anwesenden sächsischen, brandenburgischen
und hessischen Bevollmächtigten täglich zur Fürbitte für
den Landgrafen. Der Kardinal von Trient'^") erinnerte
den Prinzen und den Herzog von Alba und sprach öfter
mit der kaiserlichen Schwester, Königin Marie, mit
Granvella und seinem Sohne, Bischof von Arras, mit
Dr. Viglius und anderen kaiserlichen Räten. Dann äulserte
er, Prinz Philipp bedürfe keiner Sporen; er werde sich
den Dank aller Fürsten, denen er seine Verwendung zu-
gesagt habe, verdienen. Vertraulich teilte er dem säch-
sischen Rat Franz Kram mit: „es müsse etwas Frucht-
barliches ausgerichtet werden, oder das Blut müsse ihm
aus den Nägeln springen"; fleilsig unterbaue man die
Sache beim Herrn Granvella und beim Bischof von
Arras ^^).
Als am 10. April Prinz Philipp eine väterliche
Audienz erhielt, erschien der Kaiser „wohl zufrieden
und fröhlich" und wollte der Bitte des Sohnes eingedenk
sein; doch übergab er zunächst die Angelegenheit dem
geheimen Rate''^).
In jenen Monaten bestürmte der Landgraf seine
Söhne und Räte unaufhörlich, dals sie den beiden Kur-
fürsten mit „öffentlichen Ausschreiben, Anschlägen und
Schandgemälden" drohen sollten, wenn sie säumig w^ären,
ihn zu befreien. Die Haft sei sein Tod. Moritz und
Joachim könnten ihn schon frei machen, wenn sie nur
wollten, entweder durch die Wahl Philipps zum römischen
König oder durch Kriegsdienste gegen Frankreich und
*^) Der feierliche Einzug erfolgte am 1. April.
^) Dresden , Loc. 8238, Magister Franzens Schriften, so er von
Brüssel aus gethan etc. 1549 ; Marburg, 0. W. S. 1159 Kriegssachen
1547 II, Briefe vom April.
5>) Dresden, Urkunde 11391, Ach 6. Juni 1549, enthält eine
Verschreibung des Kiirdinals über 16000 Thaler, welche ihm Moritz
vorgeschossen hat, um sie nach „leidlicher Frist" wieder zurückzu-
zahlen. Als nach Moritz' Tode Kurfürst August das Geld einmahnte,
verwies der Kardinal auf die grofsen Dienste, die er dem Bruder ge-
leistet habe.
^-) Manche tadelten, dafs des Prinzen Bitte nicht so heftig ge-
wesen sei, als mau hätte erwarten müssen; anderen mifsfiel, dafs die
Sache durch den Kardinal von Trient und nicht durch die Kurfürsten
betrieben werde. Über den Erfolg der Fürbitte waren die Meinungen
sehr geteilt.
234 S. Ifsleib:
gegen die ungehorsamen deutschen Städte, oder durch
andere Anerbieten und Zusicherungen. Auf alle Fälle
sollte man Moritz zur Reise an den kaiserlichen Hof be-
Avegen; denn wenn er nach Venedig und Mailand spazieren
reiten könne, um Italien zu sehen, dann könne er auch
in die Niederlande ziehen und seinen Schwiegervater be-
freien, wie ihm ehrenhalber gebühre. Jedermann müsse
sich wundern, dals er dem Kardinal von Trient soviel
Vertrauen schenke. Komme er nicht selbst, so müsse
der Kaiser denken, es sei ihm wenig an der Befreiung
des Schwiegervaters gelegen. Da Moritz sonst „ein solch
hohes und tapferes Gemüt habe, dals er sich nicht gern
kränken und an seiner Ehre verletzen lasse", so sollten
sie alles aufbieten, um seine Eeise in bestimmter Zeit zu
erzwingen. Weder der Kardinal, noch die kurfürstlichen
Räte genügten, um seine Befreiung durchzusetzen, und
zum Prinzen werde der Kaiser wie ein Vater zum Sohne
sagen: Du verstehst diese Dinge nicht, lafs mich ge-
währen; dann müsse er stillschweigen. Die Kurfürsten
allein könnten ihm nützen, wenn sie die volle Wahrheit
berichteten und mit Ernst anhielten; sie nur könnten
offen reden, widerlegen und überzeugen.
Von den jungen Landgrafen vor die Entscheidung
gestellt, entweder nach Brüssel zu reiten oder sich am
31. Mai in Kassel einzustellen, entgegneten die Kur-
fürsten: sobald die Nachricht eintreffe, dals ihre per-
sönliche Anwesenheit nützlich und nötig erscheine, dann
wollten sie beide oder Moritz allein an den kaiserlichen
Hof reisen. Eindringlich aber warnten sie vor jeder
Übereilung und vor verführerischen Zuflüsterungen, damit
nicht wieder alles, was Moritz mit Fleilis bestellt und
angeordnet habe, verdorben werde wie einst in Augsburg.
Den übersendeten Drangbrief vom 6. April wollten sie
an den gefangenen Vater schicken, damit er darüber nach-
denke, ob Übereilung nütze oder schade.
Währenddem starb Landgräfin Christine nach längerem
kummervollen Leiden"'''^. Tief erschüttert klagte Land-
graf Philipp: wie er um seine Festungen und um sein
Geld und Gut gekommen sei, so habe er nun auch sein
frommes Weib verloren. Gar leicht könne er selbst
sterben, da er öfters krank sei; schon sitze er fast zwei
Jahre auf Treu und Glauben im elenden Kerker. Die
^'^) Am 15. April
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 235
Kurfürsten möchten endlich einmal ihre Ehre retten und
ihn befreien, sonst mülste man sie vor Gott und aller
Welt als unwahrhaftige und wortbrüchige Leute an-
klagen. Seine Söhne sollten beide so lange erinnern und
nötigen, bis es helfe; keinesfalls sollten sie die kurfürst-
liche Verpflichtung herausgeben, „es gehe suis oder sauer"'^^).
Als Heinrich Lersner am 5. Mai in Torgau vorstellig
wurde, dals die Kurfürsten sich doch an den kaiserlichen
Hof verfügen und den Landgrafen heimbringen möchten,
legte Moritz dar, dafs es sich infolge der mit Prinz
Philipp und dem Kardinal von Trient vereinbarten Ab-
machungen nicht gezieme, ohne weiteres an den kaiser-
lichen Hof nachzureisen; der Anstand erheische vielmehr,
vorläufig freundlich zu vertrauen. Der Prinz habe bereits
persönliche Fürbitte eingelegt und erwarte in kurzem
väterlichen Bescheid. Der Kardinal vertröste, und alle
Welt gebe gute Hoffnung. Da jetzt der geheime Rat
des Kaisers die Sache berate und erwäge, so könne vor-
derhand niemand etwas ausrichten. Die persönliche
Gegenwart und die emsige Fürsprache habe einst in
Halle und Naumburg und dann in Augsburg wenig ge-
nützt; zur Zeit werde sie auch nichts helfen. Wie der
Kardinal, so habe der Prinz versprochen, zu schreiben, was
erreicht werde, und zu raten, was gut sei. Wenn man nun
plötzlich und unerwartet in Brüssel erscheine, so mülisten
sie diesen Schritt für ein grofses Milstrauen gegen ihre
Person halten und alles werde verdorben. Hielten beide für
gut, nach Brüssel zu kommen, dann wolle er dahin eilen
und alles versuchen, um den Landgrafen zu befreien.
Kurfürst Joachim war gleichfalls der Ansicht, dafs
man die Antwort des Piinzen abwarten müsse, ehe man
an den kaiserlichen Hof ziehen könne.
Vierzehn Tage später erheischte ein neues Gesuch
der jungen Landgrafen abermals die Reise zum Kaiser ^■^).
^*) Nach der Einstellung sollten die Kurfürsten in Ziegenhain
sorgfältig überwacht werden.
^^) Schreiben vom 19. Mai, kurfürstliche Antwort vom 16. Juni.
Am 6. Juni besuchte Franz Kram den Landgrafen in seiner strengen
Haft. Während der Unterredung brachte der Gefangene ein Glas
AVein und befahl, Moritz zu schreiben, dafs er ihm Bescheid thun
und ihn als armen, verlassenen Fürsten nicht vergessen solle ; er möge
die Jagd und das Wild nicht lieber haben als ihn. — Als er später
von Moritz' Reise zum König Ferdinand Kunde erhielt, sagte er
jammernd, nach Italien und Böhmen könne Moritz wohl reiten, zum
Kaiser aber wolle er nicht ziehen etc.
236 S. Tfsleil):
Man versprach sich Erfolg dann, wenn die Kurfürsten
vor allem erbötig seien, den Sohn des Kaisers zum
römischen König zu wählen. Moritz und Joachim er-
widerten, die Reise nach Brüssel solle unternommen
werden, wenn es für nützlich und nötig gehalten werde.
Bedenklich aber und leichtfertig erscheine es ihnen, wenn
sie sich, ehe darum nachgesucht werde ^ erbieten sollten,
Prinz Philipp zum römischen König zu wählen. Bereits
habe man einen römischen Kaiser und einen römischen
König.
Anfangs August beschlossen die Kurfürsten, gegen
Ende des Monats vertraute Räte nach Kassel zu schicken,
um über die bis zum 31. August begehrte Einstellung zu
verhandeln und um die Hessen über die verbreiteten Ge-
rüchte, dals die Befreiung des Landgrafen nicht zu er-
reichen sei, zu beruhigen. Noch hegten sie die Hoffnung,
dafs der Kaiser durch gnädige Antwort erfreuen werde.
Bald darauf kamen der hessische Hofmarschall Wilhelm
von Schachten und der Kammersekretär Simon Bing nach
Sachsen und berichteten dem Kurfürsten am 22. August
in Annaberg ■^*') ausführlich über die in Hessen bestehen-
den drückenden Verhältnisse als Folge der harten kaiser-
lichen Kapitulation und der Gefangenschaft des Land-
grafen. Ohne Hehl sprachen sie aus, dafs man in Hessen
w^euig günstig über die Kurfürsten urteile; fast alle Leute
seien der Meinung, dais sie nicht tapfer und ernst genug
zu Werke gingen. Die Verwendung des Kardinals von
Trient sei jetzt fruchtlos erloschen; man müsse befürchten,
dafs auch die kurfürstlichen Räte demnächst vom kaiser-
lichen Hofe mit ihren Bitten zurückgeAviesen würden.
Nichts bleibe übrig als die persönliche Fürsprache der
Kurfürsten. Wenig stichhaltig erscheine ihr Vorwand,
dafs sie nicht eher nach Brüssel ziehen dürften, als bis
sich der Kaiser auf die Fürbitte seines Sohnes erklärt
habe. Gerade ihre Ankunft werde Prinz Philipp um so
mehr Ursache geben, heftiger anzuhalten. Die Kur-
fürsten möchten das Elend des gefangenen Landgrafen,
^) Dresden, Loc. 9144 Landgreffisclie Versumiiig etc. 1549
bis 1.550, Bl. Ifil flg., aufserdem Loc. 9144 Hessische Handlung- 1549,
Bl. 45 flg. Kurz zuvor hatte Moritz mit König Ferdinand ungefähr
14 Tage in der Gegend von Zschopau uml Marienberg gejagt. Loc. 8030
Chur- und fürstl. säclisische Verträge 1544-50, Bl. 101 flg. und 8031,
Brüderliche Irrungen III, Bl. 118; Brief Moritz' an August, Marien-
berg, 15. August 1549.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 237
die Not seiner armen ünterthanen'") und ihren eigenen
guten Ruf und Namen bedenken. Finde die Reise zum
Kaiser nicht statt, dann mülsten sie sich bis zum 31. Ok-
tober in Kassel einstellen, um ihre verpfändete Ehre zu
retten; denn wenn das einst dargebotene Geleit und die
schriftliche Verpflichtung nicht als erdichtetes und ge-
fährliches Blendwerk erscheinen solle, durch welches sie
den Landgrafen vorsätzlich getäuscht und in sein Unglück
geführt hätten, dann mülsten sie sich einstellen, um öffent-
lich zu bezeugen, dals sie einst ehrlich gehandelt hätten
und dafs ihnen die Not des Freundes in Wahrheit leid thue.
Zwei Tage darauf erwiderte Kurfürst Moritz: da
die Sache des Landgrafen überaus wichtig sei und der
Kurfürst von Brandenburg mit ihm zugleich hafte, so
könne er sich ohne ihn weder über die Reise noch über
die Einstellung bindend erklären. Schon seien etliche
Räte beauftragt, nach Hessen zu ziehen und mit Land-
graf Wilhelm zu beratschlagen. Unbilliger weise beschuldige
man sie der Nachlässigkeit ; nichts sei von ihnen hintan-
gesetzt worden, um für den Landgrafen einzutreten. Wer
aber könne den Kaiser zwingen, den Gefangenen freizu-
lassen? Die jungen Landgrafen sollten sich zu keinem
Argwohn verleiten oder zu unvorsichtigen und nachteiligen
Schritten bewegen lassen. Drohe Gefahr, dann werde
man Hessen gegen jedes ungehorsame oder mutwillige
Vorhaben schützen helfen.
Wichtig ist, dals sich Moritz in Annaberg mit
Schachten und Bing längere Zeit im geheimen darüber
unterredete, wie wohl der Landgraf befreit werden könne.
Obgleich Prinz Philipp noch nicht geschrieben habe, so
stehe doch zweifellos fest, dals der Kaiser den Gefangenen
gegenwärtig nicht loslasse. Erst dann, wenn er wieder
in das Reich gekommen sei, heifse es, wolle er eine be-
stimmte Erklärung geben. Ganz vertraulich wurde der
Gedanke ausgesprochen, man müsse mit Frankreich in
Verbindung zu treten suchen '^^j; dann könne man viel-
^■') Herzog Heinrich von Braunschweig, der Graf von Nassau,
der Erzbischof von Mainz, der Deutschmeister etc. zeigten gegen
Hessen feindliche Gesinnung.
^^) Kurfürst Moritz weihte keinen seiner Räte je-
mals in die Pläne mit Frankreich ein; alle Verhandlungen
wurden durch hessische Vertrauensmänner geführt. In
dieser Angelegenheit schrieb Moritz stets eigenhändig
nach Hessen. Seine Briefe aus jener Zeit bilden einen
kostbaren Schatz des Marburger ötaatsarchives.
238 S. Ifsleib:
leicht den Landgrafen entführen und anf französischen
Boden retten. Ende September sollte Heinrich von
Schachten (Bruder Wilhelms) an den Hof König Hein-
richs II. ziehen und hören, „was für Wind da zu finden
sei". Aufserdeni sollten anschlägige und verschwiegene
Personen den Plan zur Flucht gründlicli erwägen und
den Weg von Oudenaarde bis zur französischen Grenze
sorgfältig abreiten. Auch eine Entführung nach England
wurde in Betracht gezogen.
Nach dieser geheimen Unterredung gaben die hes-
sischen Vertrauten die Weiterreise zum Kurfürsten von
Brandenburg auf und kehrten ungesäumt in die Heimat
zurück^^). Fast gleichzeitig mit ihnen kamen die oben-
erwähnten sächsischen und brandenburgischen Räte in
Hessen an und erhielten anfangs September in Trej'sa
Gehör und Antwort '^^^). Bitter klagte Landgraf Wilhelm
über das Ungemach des Vaters und über die elende
Lage seines Landes. Die armen Unterthanen würden von
allen Seiten so bedrängt, dals man besorgen müsse, alles
werde, wenn Gott nicht ganz besondere Wege der Gnade
verleihe, zuletzt gänzlich zerrüttet und zu Grunde ge-
richtet. Die Not des Landes fordere dringend die Heim-
kehr des Vaters, um endlich wieder eine geordnete Re-
gierung zu Schäften. Mit grolser Geduld habe man schon
Unmenschliches ertragen. Unmöglich könne man warten,
bis der Kaiser abermals ins Reich komme und dann
seinen EntschluCs fasse. Da dieser weder Gehör noch
Gnade gebe, so habe man fast „keinen leuchtenden Stern".
Nach Gott setze man das höchste Vertrauen auf die
beiden Kurfürsten. Durch nichts auf Erden sollten sie
sich von der Reise zum Kaiser abhalten lassen. Hindere
sie ihre Gesundheit daran, dann sollten sie wenigstens
dem Gefangenen zum Tröste besonders vertraute Räte,
wie Dr. Fachs und Eustachius von Schlieben, nach Brüssel
schicken. Es sei zu hoft'en, dals dann die Sache nicht
völlig fruchtlos verlaufe. Nutze aber auch dieses nichts,
dann sollten die Kurfürsten durch ihre ehrliche Ein-
stellung den Kaiser zur Gnade bewegen.
■^^) Doch schickten sie eine Abschrift ihrer Instruktion mit der
Bitte um eine günstige Erklärung an Joachim.
'^') Die säclisisciien Käte waren am 30. August in Kassel, tags
darauf nahten die Brandenburger; alle verweilten vom 2. bis 4. Sep-
tember in Treysa.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 239
Nach erfolgter Rückkehr der Räte war Moritz zu
allem bereit und forderte Joachim auf, darüber zu ent-
scheiden, ob sie selbst in die Niederlande reisen oder
vertraute Räte schicken sollten. Währenddem traf der
längst erwartete Brief des Prinzen Philipp ein*'^), aus
dem sich ergab, dafs des Kaisers Gemüt znr Zeit etwas
mehr als sonst gereizt sei, weil der Landgraf die Voll-
ziehung des Vertrages allzu sehr verzögere und mit
seinen Söhnen und Räten in Sachen der Religion etwas
wankelmütig und unbeständig erscheine. Infolge dieser
Nachricht war Kurfürst Joachim der Meinung, dafs eine
Reise zum Kaiser jetzt nichts nütze; aber dem Land-
grafen zum Tröste könne man ja einige Räte, darunter
Fachs und Schlieben, in die Niederlande senden. Darauf
ermahnte Moritz die jungen Landgrafen zur Geduld und
bat, die Einmahnung bis zur Rückkehr der Räte zu ver-
tagen.
Inzwischen hatte er auch über die in Annaberg ent-
worfenen geheimen Pläne weiter nachgedacht und den
Kammersekretär Bing noch vor der Abreise Heinrichs
von Schachten zu sich entboten ^^). Zweck dieser zweiten
geheimen Besprechung war, dals Schachten in Frankreich
auch zu erfahren suchen solle, wessen sich Moritz vom
König Heinrich zu versehen habe oder welcher Wind
für ihn dort wehe. Gebe man Neigung zur Freundschaft
zu erkennen, dann sollte er um ein freundliches Brief lein
bitten, damit man ferner mehr darüber nachdenken könne,
„wie wohl einer den andern besser verstehen möge".
Gern war Moritz bereit, den Hessen eine Beisteuer zu
den für die geheimen Kundschafter nötigen Ausgaben
zu geben.
^1) Dresden, Loc. 9144, Landgreffische Versunung 1549 — 50,
Bl. 268, Abschrift BI. 2fir, Duller S. 109; Prinz Philipps Brief vom
31. August kam am 2. Oktober in Dresden au. Der Prinz versicherte,
er habe als treuer Fürbitter gehandelt und vpoUe, sobald er spüre,
dafs der Vater milder und zugänglicher sei, keinen Fleifs sparen,
um die Sache zu einem guten Ende zu führen.
^2) Marburg, O.W. S. 4, Landgraf Philipp, die Gefangenschaft
betreffend. Die französische Allianz etc. 1549—51. Vergleiche
C. A. Cornelius, Kurfürst Moritz gegenüber der Fürstenver-
schwöruug 1550—51 , München 1867. — Damit die Umgebung des
Kurfüi'sten nicht das Geringste vermuten könne, erschien Bing auf
Moritz' Geheifs mit einem sogenannten „Scheinbrief" des Landgrafen
Wilhelm, den er dann gleichsam amtlich zustellte, um wie sonst
in Sachen des Landgrafen zu verhandeln.
240 S- Ifsleib:
Als LanflgTaf Philipp geheime Kunde von dem Plane
zu seiner Entt'iihrung erhielt"'''), gab er zunächst froher
Hoffnung Raum und beauftragte seine Getreuen, Schachten
und Bing, dem Kurfürsten für die gute Absicht herzlich
zu danken. Dann fing er an zu grübeln und bedenklich
zu werden. Plötzlich vermutete er, Moritz habe jeden-
falls aus Furcht vor einem öffentlichen Ausschreiben oder
aus Scheu vor der Einstellung in Kassel den Plan ent-
worfen, wohl wissend, dals er ihn nicht auszuführen ver-
möge. Gleichzeitig besoi'gte er, dafs „der grolse Herr
und Moritz nicht unter eine Kappe gebracht" werden
könnten; denn König Heinrich sei vielleicht dem alten
Kurfürsten noch mehr geneigt als dem neuen und vei--
lange die Zurückgabe des Kurlandes, was Moritz nicht
thun werde. Auch hielten die grolsen Herren nur so-
lange an jhren Zusagen fest, als es ihnen nützlich er-
scheine. Überdies sei der ganze Plan und Handel unge-
wils, weil er auf Glück und Unglück stehe und gar leicht
versehen werden könne. Darum wollte er am liebsten,
wenn es irgend möglich w^äre, durch die Gnade des
Kaisers seine Freiheit wieder erlangen. Der Weg zur
Freiheit durch die Einstellung der Kurfürsten erschien
ihm auf alle Fälle christlicher, ehrlicher und verant-
wortlicher als ein gewagtes Unternehmen mit Hilfe Frank-
reichs, Erst dann, wenn beim Kaiser auch auf dem bevor-
stehenden Reichstage alles vergeblich bleibe und die äulserste
Not treibe, sollte die Entführung ins Werk gesetzt werden.
Gut erschien ihm, wenn iVloritz sich schriftlich ver-
pflichte, in bestimmter Zeit für seine Befreiung alles zu
versuchen. Sei er willig, dann möge man die Einforde-
rung nach Kassel vertagen; zögere er, dann solle man
drängen, bis beide Kurfürsten zum Kaiser schickten oder
in Hessen einritten oder auf dem nächsten Reichstage
anhielten, damit er durch die Gnade des Kaisers frei
werde. Zweckmälsig sei es auiserdem, auch die Kur-
fürsten von Pfalz, Köln und Trier und andere Fürsten
um Fürsprache beim Kaiser anzugehen. Schlage alles
fehl, dann sollte man versuchen, ob der geheime Plan
zur Freiheit führe. In vielen Briefen riet er, sowohl die
Gnade des Kaisers als auch die Hilfe Frankreichs im
Auge zu behalten, in anderen mahnte er zur Vorsicht,
falls Moritz einerseits gegen die Einstellung viele Ein-
es
) Philipp wufste am 24. Oktober 1549 davon.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 241
Wendungen erhebe und andererseits das geheime Unter-
nehmen von Zeit zu Zeit aufschiebe. Ohne Zweü'el
fürchte sich Moritz vor der Einstellung ; darum werde er
zwar viel versprechen, aber wenig leisten. Da er beim
römischen König „mächtig wohlstehe" und am kaiser-
lichen Hofe grolses Ansehen geniefse, so sei schwer zu
glauben, dafs er ernstlich an irgendwelche geheime Unter-
nehmung mit Frankreich denke. Man solle sich davor
hüten, dafs er die ganze Sache von Zeit zu Zeit und von
Jahr zu Jahr verschleppe. Unaufhörlich entwickelte der
Gefangene in zahllosen Schreiben, es sei das Beste, die
Kurfürsten anzuhalten, dals sie endlich in Kassel einritten
und dann Bürgen stellten und sich verschrieben, in be-
stimmter Zeit*^*) mit Ernst und Fleifs seine Befreiung zu
betreiben, damit er endlich durch des Kaisers Gnade aus
dem Elend und Jammer herauskomme. Mehrfach rief er
seinen Söhnen und Räten zu: „Lalst Euch meines Elendes
erbarmen." Im Dezember versprach er demjenigen, welcher
ihn entführe und rette, 30000 Gulden oder ein Amt im
Werte von dieser Summe.
Mittlerweile einigten sich die beiden Kurfürsten über
die Sendung einer stattlichen Botschaft nach Hessen und
an den kaiserlichen Hof. Schon waren die Sachsen auf
dem Wege dahin, als am 17. Dezember 1549 zwei hes-
sische Räte, Heinrich Lersner und Hermann von Hundeis-
hausen, in Dresden ankamen und Moritz zur Reise in die
Niederlande aufforderten, ehe der Kaiser nach Deutsch-
land komme und der Landgraf vielleicht nach Spanien
oder Italien geführt werde. Zugleich teilten sie mit,
dafs die rheinischen Kurfürsten aulser Mainz, Pfalzgraf
Wolfgang von Zweibrücken, Herzog Wilhelm von Bayern,
der Kardinal von Trient u. a. ersucht worden seien, den
Kaiser um Befreiung des Landgrafen zu bitten und die
beiden Kurfürsten an ihre Ehre und Pflicht zu erinnern.
Darauf gab Moritz zu erkennen, dals er sich mit Joachim
über eine gemeinsame Antwort verständigen wolle.
Am Weihnachtsfeste erhielt er dann ein Schreiben
von Franz Kram aus BrüsseP-^), welches seine vor einigen
6^) Einige Male setzte er den 31. Mai 1550 als Zeitpunkt fest.
65) Dresden, Loc. 9144, Hessische Handlung 1549, Bl. 42.
Druff el I, 353, Brief vom 5. Dezember. Franz Kram war während
eines Besuches mit dem gefangenen Landgrafen übereingekommen,
dafs die Einmahnung der ilurfürsten erst dann erfolgen solle, wenn
der Kaiser zur Zeit des Reichstages die Befreiung verweigere.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 3. 4. 16
242 S- Ifsleib:
Wochen gestellte Anfrage dahin beantwortete, dals die
Abfertigung von Räten an den Hof des Kaisers ganz
nutzlos sein werde. Hierdurch beeinfluist, beantworteten
die Kurfürsten am 13. Januar 1550 von Jüterbogk aus
das letzte hessische Gesuch. Jedermann, schrieben sie,
solle doch billigerweise glauben, dals ihnen die Sache des
Landgrafen nicht weniger als anderen am Herzen liege
und dals ihnen „keine lleise auf dieser Welt zu Wasser
oder zu Lande zu bescliwerlich sein solle", wenn sie nur
Erfolg haben werde. Alle Befreiungsversuche hätten
bisher nichts geholfen. Sobald der Kaiser nach Deutsch-
land auf den Reichstag komme, wollten sie zu ihm
schicken oder selbst zu ihm ziehen. Ob man Grund ge-
habt habe, ihretwegen an Kurfürsten und Fürsten zu
schreiben, wollten sie dahingestellt sein lassen. Ihres
Erachtens aber brauche sie niemand an ihre Pflicht zu
erinnern. Alles, was dienlich und nützlich sei, hätten sie
getlian und wollten sie thun; Unmögliches aber könnten
sie nicht leisten. Ihre Einstellung führe zu nichts und
schade unendlich. ^ Sie seien entschlossen, an König Ferdi-
nand zu senden und zu versuchen, ob das förderlich sei.
Zuletzt baten sie, die zugeschickten Räte wieder heim-
ziehen zu lassen und nicht nutzlos in die Niederlande
abzufertigen. Den Räten selbst wurde Krams Brief
übersendet und die Rückkehr erlaubt; doch sollten sie in
Gottes Namen an den kaiserlichen Hof eilen, wenn die
jungen Landgrafen auf der Weiterreise bestehen würden.
Sobald diese Weisung in Kassel eingetroffen war,
lielsen sich die Räte nicht länger zurückhalten, sondern
traten in Abwesenheit des Landgrafen Wilhelm die Heim-
reise an. Darüber führte der junge Fürst heftige Klage
und forderte die Kurfürsten auf, an den Kaiser zu senden
und später selbst zu ihm zu reiten.
Die fernere Haltung der Kurfürsten wurde nicht
unwesentlich durch gute Ratschläge, die aus Italien
kamen, bestimmt*"^). Der vertraute Bote, welchen Moritz
im Herbste 1549 an den Kardinal von Trient wegen des
Landgrafen und wegen der Zurückgabe der geistlichen
Güter geschickt hatte, war am 12. November in Mantua
gehört und beschieden worden. Lebhaft bedauerte der
Kardinal zunächst, dafs trotz der Fürbitte des Prinzen
''^) Dresden, Loc. 9146, Des Landgrafen gesuchte Erledigung
und Tag zu Linz 1552, Bl. 8; Druffel 1, 348.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 343
Philipp und seiner eigenen eifrigen Bemühungen die Haft
des Landgrafen noch fortdauere. Dann gab er vertraulich
einen Weg an, der vielleicht zur Befreiung führen werde.
Da der Kaiser, meinte er, auf dem nächsten Reichstage
der Anwesenheit der Kurfürsten wolil bedürfe, so sollten
sie nach erfolgter Einladung in ihrer Antwort hervor-
heben, wie sehr sie bei Verwandten und Freunden, beim
gemeinen Manne und bei fremden Nationen ' in Schimpf,
Verachtung und Milstrauen gekommen seien, weil der
Landgraf, den sie gegen ihren Willen in ßestrickung ge-
bracht hätten, noch immer gefangen gehalten werde.
„Auf das heftigste müsse man die üblen Nachreden her-
ausstreichen" und dann erklären, dafs man wegen der
anhaftenden Schmach und Schande Scheu trüge, sich auf
dem Reichstage sehen zu lassen. Der Kaiser solle ihre
kurfürstliche Ehre und Treue bedenken und den Land-
grafen der Haft entlassen. Erweise er ihnen diese Gnade
nicht, dann möge er ihr Ausbleiben entschuldigen. Zweck-
mälsig sei es wohl auch, die Sache dem Bischof von
Arras durch Botschafter zu Gemüte führen zu lassen.
Er selbst wolle dem Prinzen Philipp und dem Herzog
von Alba schreiben, dafs man dem Nichterscheinen der
Kurfürsten auf dem Reichstage in entgegenkommender
Weise vorbeugen möge.
Moritz und Joachim waren dem Kardinal dankbar
und beherzigten seine wohlgemeinten Angaben. Zwar
sahen sie anfangs Januar 1550, als König Ferdinands Ge-
sandter von Herberstein sie auf Wunsch des Kaisers um
ihr Gutachten über die Notwendigkeit eines Reichstages
anging, davon ab, die landgräfliche Sache in der allgemein
gehaltenen Antwort zu berühren; doch einigten sie sich
am 13. Januar in Jüterbogk über ihre künftige Haltung
hinsichtlich des Reichstages und über eine besondere
Botschaft an König Ferdinand.
Im März berichteten zwei Räte am königlichen Hofe,
dafs die Kurfürsten wegen der Gefangenschaft des Land-
grafen nicht auf dem Reichstage erscheinen könnten*'^).
Es bleibe überaus bedauerlich, dals alle ihre Bemühungen
bisher zu keinem wünschenswerten Ergebnis geführt
hätten. Die Sache gereiche ihnen nicht nur im heiligen
^') Eine ausführliche Darlegung aller Begebenheiten vor der
Gefangennahme sollte beweisen, dafs die Kurfürsten alles treu und
ehrlich gemeint hätten und wider Erwarten in ihre mifsliche Lage
geraten seien.
16*
244 S. Ifsleib:
Keiclie, sondern auch in fremden Ländern zur Unehre.
Argwohn, Milstrauen, Schimpf und üble Nachrede ver-
kleinere ihren guten Namen und ihren fürstlichen Stand.
Helfe man dem nicht ab, so erscheine es für sie höchst
bedenklich, mit Schimpf und Schande behaftet den Reichs-
tag zu besuchen. Nach vielen Einmahnungen müfsten sie
endlich in Kassel einreiten und dort bis zur Heimkehr
des Gefangenen ausharren. Unmöglich aber könnten sie
gleichzeitig die Einstellung vollziehen und den Reichstag
besuchen. Daher möge der König die Befreiung des
Landgrafen auf alle Weise befürworten ; denn solange er
zurückgehalten werde, so lange sei ihre Ehre verpfändet,
selbst wenn sie von der Pflicht des Einsteilens befreit
werden sollten. Der König könne ihnen keine gröfisere
Gnade erzeigen, als wenn er dem Gefangenen zur Frei-
heit verhelfe.
König Ferdinand gab an: wenn der Landgraf noch
in Haft gehalten werde, so geschehe es ohne Zweifel
aus wichtigen Gründen und könne nicht als Ungnade des
Kaisers gegen die Kurfürsten erachtet werden. Nach
seiner Ansicht könnten sie ihm aber am besten durch den
Besuch des Reichstages dienen. Ihre Abwesenheit nütze
dem Gefangenen nichts und wälze auf sie allerlei Ver-
dacht. Den Kurfürsten zu Gefallen wolle er beim Kaiser
vorstellig werden.
Infolge dieser „schlechten und weitläufigen" Antwort
riet Kurfürst Joachim von einer Reise zum Kaiser vor
dem Reichstage durchaus ab. Es sei vorzuziehen, ihn
während des Zuges ins Reich durch einige Räte begrüfsen
und seine Stimmung ausforschen zu lassen. Höchst be-
denklich und gefährlich sei es, jetzt zu ihm zu reiten,
hart zu drängen und dann , wenn er eine unerwünschte
Antwort gebe, den Besuch des Reichstages stracks ab-
zuschlagen oder gegen seinen Willen wegzubleiben.
Unterdessen hatte die Verhandlung mit König Hein-
rich IL ihren Anfang genommen. Heinrich von Schachten
war anfangs Februar 1550 mit einem „Scheinbrief" an die
Herzogin von Lothringen*'^) davongeritten und glücklich
nach Frankreich gelangt. Der vom Kaiser geächtete
schmalkaldische Parteigänger Georg von Reckerod em-
pfahl ihn dem Konnetable von Montmorency, und dieser
^*) In demselben wm'de um Verwendung für den gefangenen
Landgrafen gebeten.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 245
verschaffte ihm geheimen Zutritt zum König. In der
gewährten Audienz erzählte Schachten von der harten
Gefangenschaft des Landgrafen und von dem Plane
etlicher gutherziger Leute, den Fürsten zu befreien, wenn
sie Wülsten, dals er in Frankreich Aufnahme fände. So-
fort ergriff der König das Wort und sagte: er höre
solches gern, doch erscheine ihm das Werk fast un-
möglich. Gebe aber Gott Glück, dann wolle er den
Landgrafen Avohl aufnehmen; einem flüchtigen Türken
schon beweise er guten Willen, geschweige denn einem
christlichen Fürsten.
Darauf fragte der König, wie nahe Kurfürst Moritz
dem Landgrafen stehe und ob ihm dessen Befreiung am
Herzen liege. Schachten erwiderte: der Kurfürst nähme
sich als Tochtermann der Sache des Landgrafen heftig
an. Es stolse ihn hart vor den Kopf, dals der Kaiser
ihn und den Kurfürsten von Brandenburg -dermalsen am
Kreuze hängen lasse. Wenn der Kurfürst des Königs
Freundschaft erlangen könne, dann werde er gewifs zu
ihm schicken, ihm dieses und jenes Anliegen entdecken,
seine treuen Dienste entbieten und alles so einrichten,
dafs einer den andern künftig besser verstehen möge. Es
wäre gut, wenn der König ein Brief lein an Moritz
schreibe und so den Anfang zur Verständigung mache.
König Heiniich versetzte darauf: Avohl wisse er, dals
sich der Kurfürst einst mehr als andere Fürsten gegen
Frauki'eich habe gebrauchen lassen ; allein solcher Dinge
gedenke er nicht mehr, alles sei vergessen. Er habe ganz
besondere Neigung zur Freundschaft mit seinem „Vetter
Moritz". Zwar sei er nicht abgeneigt, ein Brief lein an
ihn mitzugeben, doch weil Schachten nichts Schriftliches
von ihm überreicht habe, so werde man gewifs auch
seinen Worten vertrauen. Wolle der Kurfürst zu ihm
schicken, dann solle man Postrosse an der Grenze finden.
Beim ganzen Handel aber müsse Treue, Glauben und
Verschwiegenheit herrschen. Am französischen Hofe
werde nur der Konnet able davon erfahren.
Darauf beriet Kurfürst Moritz am 18. April mit
Wilhelm von Schachten und Simon Bing in Dresden®^)
^^) Damit niemand den eigentlichen Zweck ihrer Reise erfahre,
überreichten sie einen Scheinbrief des Landgrafen "Wilhelm, welcher
aufforderte, bis zum 31. Juli sich einzustellen oder den gefangenen
Landgrafen zu befreien.
246 S. Ifsleib:
ernster als früher über die Flucht des Schwiegervaters
und über ein Bündnis mit Frankreich. Schon hatte Hans
ßatzenberger den Weg von Oudenaarde bis zur fran-
zösischen Grenze abgeritten und wollte mit Klaus Berner
auch den Weg nach der See besichtigen. Ein anderer
redlicher und tapferer Geselle sollte sich hi Bremen nach
einem Rettungsschiife umthun. Der Kurfürst war bereit,
vorläufig 600 Thaler Unterstützungsgelder zu gewähren.
Da Heinrich von Schachten zum zweiten Male an den
französischen Hof ziehen sollte, so mulste Bing eine Voll-
macht mit den nötigen Anweisungen ausfertigen. Moritz
wollte dem Könige „guten Wind halten" und alles, was
mit Ehren geschehen könne, zu seinem Besten befördern.
Damit er aber beim Kaiser nicht unnütz in Verdacht
falle, so müsse alles im geheimsten Vertrauen bleiben.
Bestimmt wollte er wissen, ob er mit seinen Genossen
beim König Heinrich Sicherheit und Freundschaft finden
W'erde, wenn er des Landgrafen und anderer Dinge halber
in des Kaisers Ungnade gerate und notgedrungen von
ihm abfallen müsse. Beabsichtige der König jemanden
nach Deutschland zu schicken, dann solle er nicht eine
Person von hohem Ansehen senden, sondern einen Manu
von Treu und Glauben, mit dem Moritz selbst reden
könne, denn er sei der fremden Sprache nicht kundig und
lasse nicht gera durch andere Personen verhandeln. Wenn
möglich, sollte der königliche Vertrauensmann bis zum
1. Juni in Kassel eintrefl'en und Wilhelm von Schachten
aufsuchen'").
Fast zur selben Zeit setzte Landgraf AVilhelm den
Vater vom Erfolge der ersten Verhandlung mit Frankreich
in Kenntnis und fragte an, wie es mit der Einforderung
der Kurfürsten gehalten werden solle, wenn Moritz sich
die geplante Rettung ernstlich angelegen sein lasse. Zu-
gleich zeigte er an, dals er zum Herzog von Preulsen
als vertrautem Freunde des Vaters geschickt habe, um
zu erfahren, ob er im Notfalle bei ihm eine Zufluchts-
stätte finden könne. Die Festung Ziegenhain und alles
werde so bestellt, dals man einige Zeit aushalten könne,
wenn der Kaiser gegen Hessen vorgehe.
Landgraf Philipp ermahnte den Sohn, zunächst nur
„christliche, ehrliche und mögliche Wege" zu seiner Be-
■'<*) Die zweite Abfertigung Heinrichs von Schachten verzögerte
sich bis zum 11. Juni.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 247
freiung einzuschlagen. Zwar sei vom Kaiser vor dem
Konzile wenig zu erwarten; allein Moritz biete auch
keinen Trost. Seit drei Jahren habe er viel versprochen,
aber nichts gehalten. Obgleich er ihm (Wilhelm) jetzt
das Maul lange schmiere, so sei doch alles nur Wind und
kein Werk. Darum solle er die Kurfürsten einmahnen
und dann gegen Bürgen betagen, um zum Kaiser zu
reiten und ihn zu befreien. Wilhelm möge das Land
erst dann verlassen, wenn wirkliche Gefahr vorhanden
sei; er solle sich nicht selbst jagen. Ehe der Kaiser
ernste Schritte thue, werde er vorher schicken, schreiben
und drohen.
Fort und fort gab er dann in einer langen Eeihe
von Briefen zahllose Verhaltungsmalsregeln an und be-
tonte unaufhörlich, dals die Einstellung der Kurfürsten
den Kaiser zur gnädigen Verhandlung zwingen werde.
Am liebsten wollte er durch des Kaisers Gnade frei sein.
Die Kurfürsten sollten sich vor dem Besuche des Reichs-
tages einstellen; denn ritten sie vorher dahin, dann möchte
sie der Kaiser von ihrer Verpflichtung lossprechen. Finde
der Besuch des Reichstages vor der Einstellung statt,
dann solle man ihnen keine längere Frist als Ende Juli
oder Juni geben. Philipp forderte vom Sohne Wilhelm
unbedingten Gehorsam, sonst werde er laute Klage und
ein mächtiges Zetergeschrei erheben. Überaus traurig,
bitter und ungestüm wurden seine Briefe, als er Ende
Mai, vor der Abreise des Kaisers ins Reich, von Oude-
naarde nach Mecheln geschafft wurde.
Li jenen Tagen, als Lazarus von Schwendi die Kur-
fürsten im Namen des Kaisers zum Besuche des Reichs-
tages einlud, mahnten die jungen Landgrafen zuerst bis zum
31. Juli und dann schon bis zum 30. Juni ein. Moritz und
Joachim zeigten sich gegen den kaiserlichen Botschafter
ablehnend; darauf berieten sie am 21. Mai 1550 in Jüter-
bogk''), wie sie sich verhalten sollten, wenn der Kaiser
den Besuch des Reichstages befehle und die Hessen den
Zeitpunkt der Einstellung nicht verlängerten. Nach reif-
lichen Erwägungen beschlossen sie, die jungen Landgrafen
und ihre angesehensten Räte für den 1. Juni zu einer
Besprechung nach Suiza einzuladen, wo Moritz auf alle
^1) Berlin 39. 5/6 u. 6. Landgraf Philipp von Hessen 1549 bis
1551 lind 1550; Dresden, Loc. 9144, Landgreffische Handlung 1550
bis 1551, Bl. 17 flg.
248 S. Ifsleib:
Fälle persönlich erscheinen wollte. Eilig wurde eine
kurfürstliche Einladung am 22. Mai nach Hessen ge-
schickt.
Eine Woche später fand sich Moritz in Suiza ein und
forderte umgehend WilJielm von Schachten und Simon Uing
noch besonders auf, mit Landgraf Wilhelm umgehend zu
erscheinen. Aulser drei anderen hessischen Käten langten
beide am 1. Juni an, doch vorläufig ohne den jungen
Jjandgrafen. Als brandenburgische Uevollmächtigte trafen
Adam Trott und Jacob Schilling ein.
Tags darauf hörte der Kurfürst die hessischen Räte
zunächst allein ohne Beisein der Brandenburger, da sie
nur an ihn ein Beglaubigungsschreiben besalsen. Kurz und
bündig wurde erklärt: wenn die beiden Kurfürsten den
jungen Landgrafen und sie nur deshalb nach Suiza einge-
laden hätten, um sie zu überreden, dafs die Einstellung
am letzten Juni unterbleibe, so könne man sich nicht darauf
einlassen. Hätte der Kurfürst aber Dinge zu offenbaren,
an denen dem gefangenen Landgrafen und seinem Lande
viel gelegen sei, so möge er davon Bericht erstatten
lassen. Bestehe man ohne wichtige und dringende Gründe
auf der Ankunft Landgraf Wilhelms, so werde jeder
Versuch der Überredung „wenig verfangen" und alles
„einen stumpfen Abschied gebären". Nach Hinzuziehung
der Brandenburger wurde gemeinsam darauf hingewiesen,
was man bisher für den gefangenen Landgrafen gethan
habe und wie der Verdacht, als suchten sich die Kur-
fürsten ihrer Verbindlichkeit zu entschlagen, völlig un-
berechtigt sei. Moritz habe sich aus Gründen, die wohl
Beachtung verdienten, persönlich eingefunden ; daher möge
auch Landgraf Wilhelm erscheinen. Nun ersuchten die
Hessen um die Artikel, die behandelt werden sollten,
damit sie ihren Herrn von der Wichtigkeit der Zusammen-
kunft überzeugen könnten. Der Kurfürst liels erwidern:
es solle nur eine vertrauliche Besprechung über alles
stattfinden, was die Sache des gefangenen Landgrafen
angehe; Landgraf Wilhelm solle nur kommen. Darauf
baten die Hessen nicht nur um ein Leibgeleit für ihren
Herrn, sondern auch um ein schriftliches Geleit, welches
sie nötigenfalls den Landständen vorlegen könnten. Moritz
gab zu erkennen, dafs für das Leibgeleit bereits Sorge
getragen sei ; schriftliches Geleit aber sei zwischen Fürsten
und Blutsverwandten nicht gebräuchlich. Er wolle ungern
eine Neuerung einführen, doch auf besonderen Wunsch
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 249
auch ein schriftliches Geleit übergeben lassen. Vor allem
solle man dafür sorgen, dals Landgraf Wilhelm am näch-
sten Vormittage eintreffe'^).
Als der junge Fürst gegen Mittag des folgenden
Tages erschienen war, begannen die Verhandlungen nach
der Mahlzeit in Moritz' Gemach. Man berichtete über
die seither beobachtete Haltung der Kurfürsten hinsicht-
lich des Reichstagsbesuches, sprach über die Einstellung
am letzten Juli oder Juni und erwog die entstehenden
Folgen und Gefahren, wenn die Kurfürsten vom Reichs-
tage fernblieben und in Kassel einritten. Keinesfalls er-
reiche man, sagte Moritz, die Befreiung des Landgrafen,
wenn man den Schein erwecke, als halte man sich mit
Absicht vom Kaiser fern und wolle trotzig etwas er-
zwingen ; das werde diesen veranlassen, selbst mit Gewalt
einzuschreiten. Alles gipfelte in der Frage, ob es nicht
nötig sei, die Einstellung zu vertagen und den Reichstag
zu besuchen. Die anwesenden Räte wurden veranlagt, ihre
Bedenken darüber schriftlich vorzulegen.
Während der vertraulichen Unterredung am Nach-
mittage des 4. Juni liels Landgraf Wilhelm ein Schrift-
stück überreichen, in welchem er die Einstellung bis zum
letzten Juli vertagte; doch sollten die Kurfürsten unter
keinen Umständen den Reichstag besuchen, wenn nicht
vorher die Befreiung des Vaters stattfinde oder in nahe
und sichere Aussicht gestellt werde. Darauf bemühte
sich Moritz, grölsere Freiheit zu gewinnen. Es sei nicht
seine Absicht, sagte er, so stracks auf den Reichstag zu
ziehen ; doch wolle er auch nicht die Lage des gefangenen
Schwiegervaters verschlimmern. Es möge gestattet sein,
den Reichstag zu besuchen, wenn die Gelegenheit zur
Befreiung günstig erscheine. Mit Gottes Hilfe solle
nichts verdorben werden; wieder Joachim noch er dächte
daran, sich der übernommenen Verpflichtung zu entziehen
oder sich besonderen Wünschen des Kaisers zu fügen.
Niemand solle daran Anstols nehmen, wenn er vielleicht
mit Markgraf Johann Georg noch vor dem Reichstage
zum Kaiser ziehe und vorstellig werde. Nichts sei zu
besorgen; er werde Wege zu finden wissen, wie er wieder
wohl und sicher davonkomme.
Dagegen warnte Landgraf Wilhelm vor dem Ritte
zum Kaiser oder vor dem Besuche des Reichstages.
''^) Der Landgraf weilte an der hessisch-thüringischen Grenze.
250 S. Ifsleib:
Beides sollte unterbleiben, wenn man nicht sicher sei,
dais es dem Vater nütze. Keinesfalls sollte dadurch die
Verpflichtung zur Einstellung bis zum letzten Juli ab-
geschwächt werden. Moritz versicherte, wenn keine
günstige Gelegenheit eintrete, dem Schwiegervater aus
der Haft und ihnen allen aus der bestehenden schwierigen
Lage zu helfen, so solle weder der Ritt zum Kaiser noch
der Besuch des "Reichstages stattfinden. Man möge ihm
Vertrauen schenken und ihm anheimstellen, was zu thun
sei; Freundschaft und Treue solle Bestand behalten.
Um Mitternacht erregte noch das von Bing verfalste
Protokoll ernsten Anstols, weil die eine Stelle so ver-
standen werden mufste, dafs es nicht im Ermessen der
Kurfürsten allein stehe, zu entscheiden, ob dem gefan-
genen Landgrafen mit dem Ritte zum Kaiser oder mit
dem Besuche des Reichstages gedient werde, sondern dafs
die Hessen vorher die Gelegenheit oder „Occasion" mit-
zuprüfen und zu begutachten hätten. Noch am folgenden
Tage wurde über diesen Punkt verhandelt, bis zuletzt
eine geheime Unterredung zwischen Landgraf Wilhelm,
Kurfürst Moritz und den brandenburgischen Räten dem
Streite ein Ende machte. Wie das geschah, erfuhren die
anderen nicht. Als Moritz aus dem Gemache heraustrat,
sagte er nur zu Christof von Carlowitz: „Die Sachen
stehen wohl." Dann bestieg man die Rosse und ritt davon.
Am 11. Juni zog Heinrich von Schachten zum zweiten
Male an den französischen Hof'-'), um im Namen des
Landgrafen Wilhelm zu wiederholen, wie der Vater in
die Gefangenschaft geraten sei und was man gethan
habe, um ihn zu befreien. Da alles nichts helfe, so sei
man endlich „auf das äulserste remedium, auf das Ein-
stellen, verfallen." Ohne Zweifel werde dieser Schritt
den Kaiser hart verdrießen, so dafs man einen Kriegszug
gegen Hessen zu befürc^hten habe. Nun wolle Wilhelm
,.das Nest wohl bestellen", doch sich selbst daraus ent-
fernen. Er bitte den König um eine Erklärung, ob er
ihm nötigenfalls Zuflucht, Gnade, Freundschaft und Unter-
halt gewähren und unter billigen Bedingungen sein be-
drohtes Land entsetzen helfen w^olle; er könne ja dem
Feinde in Deutschland ebenso leicht wie in Frankreich
die Stirn bieten. Aufserdem sollte Schachten anzeigen,
") Daraus erkennt man, dafs Moritz und Wilhelm in Suiza die
französische Augelegeuhcit persönlich besprochen haben.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 251
dafs Moritz geneigt sei, der Verhandlung halber selbst
nach Frankreich zu kommen oder einen mit Vollmacht
ausgestatteten Vertrauten des Königs zu empfangen'*).
Auf Grund der Sulzaer Verabredungen schien Kur-
fürst Moritz die Eeise zum Kaiser vor Eröffnung des
Reichstages allen Ernstes ausführen zu wollen. An einem
bestimmten Tage gedachte er mit Markgraf Johann Georg
von Brandenburg in Zeitz zusammenzutreffen. Nach vor-
liegenden Angaben fand er sich rechtzeitig ein; doch bald
erschienen brandenburgische Räte und berichteten, Johann
Georg sei unterwegs vom Pferde gestürzt, habe sich den
einen Schenkel verletzt und könne nicht weiter reiten'^).
Gleichzeitig liefen verschiedene Nachrichten von gefähr-
lichen Unruhen und Praktiken in Braunschweig und
Magdeburg ein, wodurch Sachsen und Brandenburg ernst-
lich bedroht würden.
Sofort gab Moritz die angetretene Reise auf, ritt
nach Leipzig und fertigte seinen Rat Christof von Carlo-
witz und den Brandenburger Jacob Schilling an den
Kaiser ab. Dann schrieb er an Kurfürst Joachim, an
Landgraf Philipp und Wilhelm über die jüngsten Er-
eignisse.
Carlowitz und Schilling zogen eiligst über Würzburg
in der Richtung Speier vorwärts. Als sie in Mosbach
erfuhren, dals der Kaiser bereits nach Bretten vorrücke,
wandten sie sich südlich nach Göppingen. Li der zu
Ulm am 3. Juli gewährten Audienz erstatteten sie Bericht
über die beabsichtigte Reise des Kurfürsten von Sachsen,
über den Unfall des Markgrafen Johann Georg und über
die beunruhigenden Nachrichten aus Braunschweig und
Magdeburg. Dann legten sie umständlich dar, dals die
Kurfürsten des gefangenen Landgrafen wegen den Reichs-
tag nicht besuchen könnten, weil sie sich endlich ehren-
halber in Kassel einstellen mülsten. Nur die Gnade des
Kaisers vermöge sie aus ihrer drückenden Lage zu be-
freien, wenn er den Landgrafen der Haft entlasse.
Obgleich der Kaiser sonst ernst und erregt zu werden
pflegte, sobald vom Landgrafen die Rede war, so zeigte
er damals, wie beobachtet wurde, keine Ungeduld. Gnädig
'*) Wenn möglich, sollte König Heinrich auch den geächteten
Städten Magdeburg und Bremen einigen Trost zukommen lassen.
'^^) Es liefs sich nicht genau feststellen, ob der Unfall sich
wirklich ereignete oder oh die Anzeige eine abgekartete
Sache war.
252 S. Ifsleib:
dankte er für die beabsiclitigte Reise des Kurfürsten und
des Markgrafen und bedauerte ebenso den Unfall wie die
betrübenden Mitteilungen über die Städte. Gerade die
Unruhen und Praktiken in Braunscliweig und Magdeburg
aber gaben ihm Anlals hervorzuheben, wie wichtig die
Anwesenheit der Kui'fürsten auf dem Reichstage sei, wo
über die ungehorsamen Rebellen beraten w^erden solle.
Zur Zeit sei die Not noch nicht so grois, um sich be-
irren zu lassen. Früher habe er die beiden Kurfürsten
so beherzt gefunden, dalis sie sich vor grölseren Gefahi'en
nicht gescheut oder entsetzt hätten. Sie möchten nur
nach Augsburg kommen. Da des Landgrafen Sache
„ganz wichtig, tapfer und grofö" sei, so gebiete die hohe
Notdurft, guten Rat zu gebrauchen. Gern übe er Güte
und Milde, aber des Landgrafen Verhalten in der Haft
mahne zur Vorsicht. Lebhaft bedauere er jede Ehren-
kränkung, welche den Kurfürsten widerfahre; trotzdem
er ihnen wohlgeneigt sei, so müsse er doch auch des
Reiches Notdurft, Sicherheit und Wohlfahrt bedenken.
Die Räte sollten ihre Werbung schriftlich übergeben ;
dann wolle er ihnen in Augsburg nach stattgefundener
Unterredung mit König Ferdinand eine gnädige Antwort
zu teil werden lassen.
Am folgenden Tage zog der Kaiser von Ulm über
Sontheim nach Giengen, um seinem Sohne die ehemalige
Lagerstätte der Schmalkaldner zu zeigen, dann rückte
er nach Augsburg vor. Mitte Juli empfingen die kur-
fürstlichen Räte die in Aussicht gestellte Antwort, in
der ausgeführt wurde, dals die Gefangennahme des
Landgrafen besonders aus dem Grunde mit erfolgt sei,
um ihn den kaiserfeindlichen Verhandlungen mit den un-
gehorsamen Städten zu entziehen. Jetzt sei wohl zu er-
wägen, ob der Kaiser den Kurfürsten willfahren und den
Gefangenen der Haft entlassen könne, ehe man sehe, wie
sich alle Dinge auf dem Reichstage anlielsen. Die beiden
Kurfürsten möchten sich vorläufig damit begnügen, dals
die Söhne des Landgrafen ihre Einforderung aufgeben und
niemanden am Besuche der Reichstages hindern sollten.
Aulserdem zeigte der Vizekanzler Dr. Seid an, da(s
der König von Frankreich vorhabe, etliche Kurfürsten
und Fürsten vom Reichstage abzuhalten. Dem Kaiser
falle zwar nicht ein, zu glauben, dals einer der beiden
Kurfürsten jetzt oder später solchen Umtrieben angehöre;
aber er weise darauf hin, damit sie jeden Argwohn fern-
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 253
halten könnten, der bei anderen entstehen möge, wenn
sie den Eeichstag nicht besuchten. Sofort baten die kur-
fürstlichen Räte inständig-, keinen Verdacht aufkommen
zu lassen.
Andern Tages versicherte König Ferdinand, von Arg-
wohn könne keine Rede sein. Er selbst habe die Kur-
fürsten entschuldigt und dem Kaiser gesagt, er kenne sie
dermafsen, dafs er ihre Treue wohl verbürgen könne; sie
stünden solchen Praktiken und Umtrieben gänzlich fern.
Rasch habe der Kaiser entgegnet, der Bürgschaft bedürfe
es nicht, denn er hege keinen Verdacht und sei den
Kurfürsten ganz wohl und gnädig geneigt'^).
Auf Befehl des Kaisers reiste am 18. Juli der Truch-
sefs Lazarus von Schwendi nach Hessen, um das hohe
kaiserliche Mifsfallen übei- die Einmalinung der Kurfürsten
anzuzeigen. Bei Vermeidung schwerer Ungnade sollten
die jungen Landgrafen davon ablassen, sowie alle auf
die Einstellung bezüglichen Briefe und Verschreibungen
herausgeben und urkundlich auf jede Forderung an die
Kurfürsten verzichten, damit dadurch keine Angelegen-
heit des Kaisers und Reiches benachteiligt werde.
Eben hatte Landgraf Wilhelm die beiden Kurfürsten
nochmals aufgefordert, sich Ende Juli einzustellen, als von
Schwendi in Hessen anlangte. Nun war man nicht wenig
darüber entsetzt, dafs dem Kaiser die Einforderung der
Kurfürsten so hart zu Gemüte gehe. Der junge Land-
graf, der Statthalter und die vertrautesten Räte erklärten
am 29. Juli : Gott sei ihr Zeuge, dafs es ihnen fern liege,
den Kaiser zu verletzen oder seine gute Absicht für das
Reich zu beeinträchtigen oder seine Ungnade auf sich zu
laden. Da Landgraf Philipp trotz des treu vollzogenen
Vertrages noch immer in harter Haft sitze, so hätten sie
als arme verlassene Kinder und Unterthanen aus kind-
licher Liebe, natürlicher Zuneigung und schuldiger Pflicht
das Mittel der Einforderung zur Hand genommen, um
den Fleils der Kurfürsten, der bisher so wenig genützt
habe, etwas zu schärfen. Die Einmahnung sei schon
früher als vor einem halben Jahre erfolgt und nur etliche
Male wieder in Erinnerung gebracht worden. Unmittelbar
nach der Einberufung des Reichstages habe man die Kur-
fürsten verständigt, sie nach der Einstellung betagen zu
wollen. In zwei Tagen erwarte man sie; falls sie ein-
''^) Die Räte kamen am 26. Juli in Dresden an.
254 S. Ifsleib:
treffen würden, sollten sie sich von der Vollziehung des
Vertrages iiberzeugen und dann zum Kaiser reiten.
Blieben sie fern, so seien sie jedenfalls schon auf der
Reise nach Augsburg. Dem Kaiser zu Ehren und Ge-
horsam wolle man dann die Einmahnung auf sich beruhen
lassen in der Hoftiumg, dals er den Landgrafen endlich
freigebe. Ohne Zustimmung des befangenen könnten sie
die kurfürstliche Verpflichtungsurkunde nicht herausgeben.
Schwendi möge sie entschuldigen, damit der Kaiser ihr
treues Verhalten gegen den Gefangenen nicht für Un-
gehorsam gegen ihn lialte.
Sobald Kurfürst Moritz die Kunde aus Hessen er-
halten hatte"), dals der Besuch des Reichstages nicht
mehr angefocliten werden solle, schlug er dem Kur-
fürsten von Brandenburg eine allgemeine Zusammenkunft
in Naumburg vor, um gründlich zu beraten, wie wohl
die Befreiung des Landgrafen in Augsburg am besten
betrieben werden könne. Umgehend liels Joachim melden,
dals er wegen der Unruhen in Magdeburg kaum vor
Michaelis auf den Reichstag ziehen könne; aulserdem
möge die Zusammenkunft in Naumburg erst gegen Mitte
September stattfinden. Darauf erschienen am 12. August
zwei Brandenburger in Dresden, um sich mit Moritz über
die Reise nach Augsburg zu verständigen. Nach ge-
troffener Vereinbarung wurde an den Kaiser und König
geschrieben, dals die hessische Einmahnung eingestellt sei
und beide Kurfürsten in der Hoffnung auf Befreiung des
Landgrafen den Reichstag besuchen wollten. Hielten sie
wichtige Obliegenheiten wider Erwarten längere Zeit
zurück, so möge man gnädige Geduld tragen. Ferner
wurde in Dresden verabredet, dafs eine allgemeine Zu-
sammenkunft am 3L August in Jüterbogk abgehalten
werden solle.
Bald drängte Kurfürst Moritz zum Aufbruche nach
Augsburg; Joachim aber äulserte, der rasche Ritt sei
vergebliche Eile, denn vor Ende des Reichstages würden
sie kaum etwas zu Gunsten des Landgrafen ausrichten.
Dagegen machte Moritz geltend, dals eine verspätete
Abreise um des Kaisers und Landgrafen willen zu ver-
meiden sei, weil es sonst das Ansehen habe, als nehme
man sich der Sache des Gefangenen nicht mit rechtem
Ernste an. Er hielt für gut, Landgraf Wilhelm zu ver-
n
') Am 5. Anglist in Freiberg'.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 255
anlassen, dafs er vierzelm Tage nach Empfang- eines kur-
fürstlichen Schreibens etliche Eäte nach Augsburg schicke,
um zu sehen, wie ernstlich man die Sache des Landgrafen
betreibe. Wenn Joachim damit einverstanden sei, dann
bedürfe es der Zusammenkunft in Jüterbogk nicht. Kur-
fürst Joachim billigte Moritz' Vorschlag, unterzeichnete
das überschickte Schreiben an Landgraf AVilhelm und
sandte es unverzüglich nach Kassel. Dort stimmte man
zu und vertagte am 12. September die Einstellung der
Kurfürsten bis Ende des Reichstages.
Li jener Zeit rückten die französischen Verhand-
lungen vorwärts. Heinrich von Schachten hatte seine
zweite Reise nach Frankreich glücklich ausgeführt. König
Heinrich war bereit, sich trotz der bestehenden Friedens-
verträge mit dem Kaiser gegen Landgraf Wilhelm mög-
lichst freundlich zu erzeigen und ihm im Falle der Not
eine Zufluchtsstätte zu gewähren ^^). Auch gegen Kur-
fürst Moritz zeigte er die beste Gesinnung und wollte
ihn gern wie jeden unterdrückten deutschen Fürsten nach
erfolgter Bitte mit aller Macht zu retten suchen'^).
Darauf verhandelte Moritz am 14. August in Zscho-
pau mit Wilhelm von. Schachten und Simon Bing, fest
entschlossen, die begonnenen französischen Verhandlungen
getrosten Mutes fortzusetzen. Noch einmal sollte dem
König umständlich auseinandergesetzt werden, wie der
Landgraf in die Gefangenschaft geraten sei und wie er
behandelt werde, wie kein Flehen, Bitten und Erbieten
etwas nütze und die Kurfürsten schimpfliche Nachreden
erdulden mülsten. Nun wolle Moritz lieber Geld und Gut,
Leib und Leben verlieren, als die grofse Schande auf sich
sitzen lassen; er gedenke das äufserste zu wagen, um
seine Ehre und seinen guten Ruf zu retten. Jedermann
sehe jetzt wohl, „warum der Tanz zu thun wäre". Der
Kaiser wolle einem nach dem andern zusetzen und dann
die deutsche Nation ganz unterdrücken. Sei das ge-
schehen, dann werde er auch Frankreich nicht verschonen.
Zwar beabsichtige er (Moritz) nicht, jemanden zusammen-
zuhetzen, aber die Zeit gebiete zu überlegen, ob man
„mit gefafstem Schild sitzen", gute Gelegenheit miisachten
'8) Wenn er kein grofses Geschrei erhehe, sagte der König, so
könne er sich in seinem Reiche wohl verbergen.
™) Als Moritz am 22. Jnli davon Kunde erhielt, beschied er
sofort Schachten imd Bing zu sich; allein beide waren abgehalten zu
kommen, weil damals von Schwendi in Hessen eintraf.
256 S. Ifsleib:
und sicheren Vorteil verscherzen oder jeder Gefahr rasch
und glücklich zuvorkommen solle. Wolle der König- mit
Ernst ans Werk schreiten und die Befreiung des
Landgrafen als einen Hauptpunkt gelten lassen,
dann könne er neben anderen guten Freunden „mit Ehren
zusprengen" und derartig dienen, dals Heinrich Ruhm
und Nutzen davon haben werde. Er meine es treu so-
wohl mit dem Könige als mit dem deutschen Vaterlande,
dessen Freiheit und Selbständigkeit in Gefahr schwache.
Vor allem sollte Heinrich II. eine vertraute Person
schicken, mit der er (Moritz) ohne Dolmetscher reden
könne. Die Reise auf den Reichstag möge keinen An-
stoss verursachen, denn Moritz reite nur dahin, um zum
letzten Male die Befreiung des Landgrafen anzuregen^").
Während der ganzen Verhandlung gewannen die
hessischen Vertrauensmänner den Eindruck, dals es Moritz
durchaus ernst meine. Den Bund mit Frankreich hielt
er für das letzte und sicherste Mittel, w^odurch „dem
Landgrafen und allen frommen Deutschen geholfen"
w^erden könne. Wenn dieser Stern, meinte er, recht
scheine und fortrücken wolle, dann sollten mit Gottes Hilfe
„noch viele gute Leute an den Tanz gebracht werden".
Die Entführung des Landgrafen kam abermals zur
Sprache. Der Kurfürst redete mehr zu als ab; doch
sollte mit grölster Vorsicht zu Werke gegangen werden,
damit der Plan nicht mifsrate. Ihn und seinen Namen
sollte man dabei ganz aus dem Spiele lassen, damit er
nicht in des Kaisers Verdacht komme, sonst sei er auf
dem Reichstage gar übel daran. Indem er Glück zum
Handel wünschte, ermahnte er, alles so anzufangen, dals
es Hand und Fufs habe^').
Infolge unliebsamer Verzögerungen trat Heinrich von
Schachten mit einem kurfürstlichen Vertrauten — Heini'ich
von Gleilsenthal genannt^"-) — erst am 17. September
seine dritte Reise nach Frankreich an. Wenige Tage
später erhielt Moritz ein vertrauliches Schreiben aus
^°) Es wurde aiis<>-oinacht, Georg von Keckerod zu veranlassen,
dafs er am französischen Hofe jedes Mifstraucn ausrede. Man be-
dachte auch, wie die Boten von Frankreich aus, ohne Aufsehen zu
erregen, in Augsburg mit Moritz reden könnten.
*') Wiederum wollte er eine Untei-stützung von 600 Gulden
gel)en. Bald aber stockte das Vorhaben und mufste verschoben
werden.
^2) War es wohl Friedrich von Reifenberg, der später als Ver-
trauter erscheint?
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 257
Mainz von Konrad von Hanstein, das ihn in die gröfste
Sorge und Aufregung versetzte ; denn aus ziemlich dunklen
Andeutungen und unklaren Worten glaubte er entnehmen
zu müssen, dalis Schachten und Gleilsenthal „niederge-
worfen" seien; die Sache stehe übel, man sei verraten
und verkauft. Sofort befahl er Wilhelm von Schachten
und Bing, tags und nachts Kundschaft einzuziehen und
ihn so schnell als möglich aufzuklären.
Schon war die Abreise nach Augsburg auf Freitag
den 26. September festg:eseizt; jetzt mufste er „gemach
thun". Und weil ihm „nicht wenig davor grauste, dals ein
trübes Wetter über ihn herfallen möge", so gewann er in
Eile den „Gardhaufen", mit dem Herzog Georg von
Mecklenburg vor Magdeburg sein Glück versucht hatte,
und entschuldigte damit dem Kaiser gegenüber sein Aus-
bleiben vom Reichstage. Von Ungeduld und Schlaflosig-
keit geplagt, lag er dann mehrere Tage in Leipzig still
und erwartete Nachricht aus Hessen.
Schachten und Bing versicherten, dafs die Abreise der
Vertrauten nach Frankreich mit der grölsten Vorsicht ge-
schehen und bisher kein Unfall gemeldet worden sei. Der
Kurfürst möge sich beruhigen und alle Sorgen aus dem
Sinne schlagen. Konrad von Hanstein sei wie sein Genosse
Asmus von der Hauben ein seltsamer Mensch, auf dessen
Anzeige man wenig geben dürfe. Am 6. Oktober bekannte
Moritz otfen, dals er eine Zeitlang ganz irre gewesen sei;
nun wolle er wieder guten Mut haben. Dann berichtete
er, Herzog Georg habe vor Magdeburg ein wüstes Treiben
begonnen, so dals man besorgen müsse, der Kaiser werde
„aufgeweckt und herbeigelockt". Geschehe es, so erscheine
Vorsicht dringend geboten. Der „weidliche Haufen" vor
Magdeburg stehe ihm ebenso gut wie einem andern zu
Gebote. Komme der Kaiser und begehre die Knechte,
dann müsse er ihm auch gute Worte geben, sonst „steche
er den Magdeburgern keine Maus". Vor Abschluls des
Handels mit Frankreich müsse er „laviren", so gut er
könne; nach erfolgter Verständigung aber werde er „Hals
und Bauch dabei aufsetzen". Auf den Reichstag wolle
er nicht eher eilen, als bis er höre, wohin alle Winde
wehen würden. Den Kaiser habe er gebeten, sich zu
erklären, was er gegen Magdeburg thun wolle; er selbst
hoffe, „es solle eine Gans daraus werden".
Zuletzt stellte er die ernste Frage, was die Hessen
zu thun gesonnen seien, wenn er, falls der kranke
Neues Archiv I". S. G. u. A. XIV. 3. 4.
258 S. Ifsleib:
Kaiser bald sterbe, eine gewaltige That zu Gunsten des
Landgrafen und zum Besten des deutschen Vaterlandes
unternehmen werde. Landgraf Wilhelm erwiderte am
9. Oktober, dals er für seine Person alles thun wolle,
was ihm möglich erscheine; weil er aber noch nicht zur
Regierung gelangt sei und der Vater alle wichtigen An-
gelegenheiten entscheide, so müsse er seinen Hat auch in
dieser ISache einholen. Ungesäumt werde er nach Mecheln
senden. Zehn Tage später sah Moritz für gut an, dafs
man nicht so lange „in der Armbrust liege, denn die
Blätter am Baume würden von Tag zu Tag dürrer und
es möchte sich zutragen, dais sie bald ganz abfielen".
Unterdessen machten ihn die Hessen auf das weit-
verbreitete Gerücht, dals er sich dem Kaiser gegenüber
zum Dienste gegen Magdeburg erboten habe, aufmerksam
und fragten verwundert, wie sich denn die französische
Verhandlung mit dem kaiserlichen Dienste zusammen-
reimen solle. Keinesfalls möge er unterlassen, sich beim
König zu entschuldigen, sonst versetze er dem begonnenen
Werke einen Stofs, der es zum Falle bringe. Kurfürst
Moritz gab kund: nachdem er die Knechte und Reiter
vor Magdeburg in seinen Dienst gebracht, habe der
Kaiser befohlen, das Kriegsvolk unter keinen Umständen
„verlaufen" zu lassen. Da nun die Verhandlungen mit
Frankreich noch zu keinem Abschluls gediehen seien, so
könne er sich vorläufig, um Argwohn zu vermeiden, dem
Befehle nicht entziehen. Obgleich er grofse Sorge trage,
dafs die Magdeburgische Sache dem Handel mit Frank-
reich einen starken Stols versetzen werde, so gebiete
doch die Vorsicht, „dals er nicht zwischen zwei Stühlen
niedersitze". Bedauerlicherweise dirigierten die Anhänger
Magdeburgs die Sache nicht auf den rechten Weg. Es
sei zu befürchten, dals sie noch alles verderben würden,
denn der Kaiser werde nicht mehr von der Stadt lassen.
Auf die Dauer möchten aber die Leute wohl nicht aus-
halten können. Bekomme dann der Kaiser — er nannte
ihn Ralfzahn *^^) — die Stadt, so werde er alle setzen,
wie sie reiten sollten. Schnell möchten Schachten und
Bing zu ihm kommen, weil die Dinge einer Unterredung
bedürften. In Eile sollte man Georg von Reckerod
wissen lassen, wie alle Dinge zwischen ihm, Magdeburg
^*) Diesen Namen erhielt der Kaiser wegen seiner beiden vor-
stehenden Zähne.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 259
und dem Kaiser stünden, damit er jedem Argwohn König
Heinriclis begegnen könne.
Aus Frankreich erhielt man in den ersten Noveniber-
tagen die Nachricht ^^): der König lebe jetzt allenthalben
in Euhe und Frieden und werde in kurzer Zeit seine
begonnenen Befestigungen vollenden, große Schätze zu-
sammenschlagen und gutes Kriegsvolk zusammenbringen.
Trotz vieler wichtiger Regierungsgeschäfte wolle er doch
für die Freiheit der Deutschen Sorge tragen; denn er
sei allen Fürsten und Ständen des Reiches dermalsen
zugethan, dafs er ihre Unterdrückung und ihren Unter-
gang ungern sehe. Da Kurfürst Moritz habe anzeigen
lassen, dafs er mit der Zeit wohl zur Wehre greifen
müsse, um sich selbst zu schützen oder den Landgrafen
zu befreien oder der Wohlfahrt des Reiches zu nützen,
so möge er ihn darüber verständigen, welche Freunde
und Bundesgenossen er habe, wie stark sie seien, wie
und wie lange sie das Kriegsvolk zu unterhalten ge-
dächten, wie sie den Feind angreifen und schädigen
wollten etc. Sobald man ihn davon in Kenntnis gesetzt
habe, werde er sich rasch entscheiden.
Von Mecheln kam der Bescheid des gefangenen
Landgrafen, dals sich Moritz erst einmal einstellen möge;
darauf solle man ihn gegen Bürgen vertagen. Bleibe der
Kaiser allen Bitten unzugänglich und biete sich günstige
Gelegenheit, um etwas für die ersehnte Befreiung zu thun,
dann solle man Moritz mit allen Kräften beistehen*'*). Wie
vorher, so drängte auch nachher Landgraf Philipp fast
täglich, man solle ihn retten entweder durch Bitten oder
durch Entführung. Keiner der beiden Kurfürsten ziehe
auf den Reichstag, um in seiner Sache etwas zu thun.
Moritz bringe lauter erdichtete Entschuldigungen vor, die
man nicht glauben dürfe. Man sehe, wie sein Erbieten
gegen Frankreich mit dem Vorgehen gegen Magdeburg
zusammenstimme. Alle seine Angaben seien Wind. Weil
die Magdeburger gegen den Herzog von Mecklenburg
einen Unfall erlitten hätten, so hofie er nun die Stadt
zu gewinnen und das Stift dazu.
**) Marbui'g, Sachsen albertinische Linie etc. 1550; Langenn
II, 319; Druffel I, No. 504.
^^) Landgraf Philipps Meinung gelangte anfangs November
nach Kassel ; allein Moritz erfuhr erst am 5. Dezember in Wittenberg
davon.
17*
260 S- Ifsleib:
Zufolge väterlichen Befehles forderten die jungen
Landgrafen die Kurfürsten am 9. November auf, nach
Augsburg zu ziehen und zu bitten, oder sich sofort nach
beendetem Eeichstage enizustellen, um der Welt zu be-
zeugen, daliä der Vater wider ihren Willen verhaftet worden
sei^**). Müsse Moritz vor Magdeburg bleiben, dann solle
Kurfürst Joachim mit den beiden Schwestern, Kurfürstin
Agnes und Pfalzgräfin Anna und mit hochangesehenen
Räten wie Dr. Fachs reisen. Gewils werde der Kaiser
die Schwestern zu Ehren des weiblichen Geschlechtes mit
gnädigen Augen ansehen. Die Kurfürsten erwiderten am
24. November: dem Kaiser zu Ehren und Gefallen lielsen
sie sich gegen Magdeburg gebrauchen. Dadurch glaubten
sie sein Gemüt gnädig zu stimmen und mehr zu erreichen,
als durch eine Rei>e nach Augsburg. Sobald aber Hoff-
nung vorhanden sei, etwas durchzusetzen, so wolle Joachim
mit Moritz' Gattin Agnes dahin eilen. Die Einmahnung
möge man einstweilen ruhig verschieben.
Vier Tage später ^^) ersuchten die Kurfürsten ähnlich
wie schon am 4. November den Kaiser und König, die
Freiheit des Landgrafen gnädig zu bewilligen, oder doch
anzugeben, unter welchen Bedingungen sie gewährt wei'den
solle. Wie sie, so werde sich auch Philipp gegen die
kaiserlichen Rebellen und Ungehorsamen willig gebrauchen
lassen, bis alle zur gebührlichen und unterthänigen Pflicht
gebracht worden seien. Der Kaiser möge endlich Gnade
walten oder über die grölsten Sicherstellungen verhandeln
lassen.
Der vor Magdeburg weilende Truchsefs von Schwendi
teilte am 2. Dezember dem Kaiser mit^^), dals sich die
Kurfürsten schon oft über die fortgesetzte Haft des Land-
grafen bitter beklagt hätten, weil sie dadurch in eine
überaus schwierige Lage gekommen seien. Man verhandele
mit Magdeburg zum Teil deshalb erfolglos, weil einige
Bundesgenossen der Stadt offen erklärten, der Kaiser
schlielse Verträge , ohne sie zu halten. Niemand traue
**") Auf dem Reichstage sollten sie sich dazu bereit erklären,
dafs sie Prinz Pliilipp zum römischen König wählen und gegen alle
kaiserlichen Feinde dienen wollten. Landgraf Pliili})p war bereit,
das Tricnter Konzil und dessen Beschlüsse in gleicher Weise wie die
Kurfürsten anzuerkennen. Die Religion solle in Hessen wie iu den
kurfürstlichen Ländern ausgeübt werden etc.
*■') Wien, Saxonica 1548—52 fasc. 2. Erst am 25. Februar 1551
beantwortete der Kaiser das kurfürstliche Schreibeu vom 28. Nov. 1550.
s8) Druffel 1,533, S. 537.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 261
den Vorschlägen der Kurfürsten, und Magdeburg schrecke
vor bindenden Abmachungen zurück. Moritz und Joachim
seien auf das äulserste gekränkt.
Kaum hatte Eberhard Bruch im Namen des ge-
fangenen Landgrafen vor Magdeburg zur Fürbitte und
Thatkraft ermahnt, so nahten Wilhelm von Schachten und
Bing, um mit Moritz über die landgräfliche Sache und
über das Bündnis mit Frankreich zu verhandeln. Am
5. Dezember ^^) führten sie ihm in Wittenberg eindringlich
zu Gemüt, dafs der Kaiser überall ötfentlich habe aus-
breiten lassen, der Landgraf habe sich aus lauter De-
speration und ohne jede Bedingung in die Haft begeben.
Um solcher unbilligen Nachrede zu begegnen, sei die Ein-
stellung der Kurfürsten unbedingt nötig, damit sie aller
Welt bezeugten, dals der Landgraf wider Erwarten ge-
fangen genommen worden sei. Nach der Einstellung
werde man sie ohne langen Verzug gegen eine neue
Verschreibung und gegen genügende Bürgschaft vertagen.
Wolle dann Moritz etwas vornehmen, so werde ihm Land-
graf Wilhelm nach Kräften helfen. Vor Magdeburg möge
er sich nicht selbst zu Gunsten des Kaisers erschöpfen.
Moritz wollte die bösen Nachreden gern abwenden;
aber er bezweifelte, dals die Einstellung dazu dienen werde.
Längst hatte er bei sich gedacht, wenn König Heinrich
— er nannte ihn Hildebrand — den Rappen recht rühre
und sich der Sache des Gefangenen tapfer annehme, so
erscheine seine Einstellung nötig, um mit Fug und Grund
am Werke teilzunehmen. Leicht könne er sich dann als
Verwandter und Freund mit Landgraf Wilhelm über die
Betagung verständigen. Der Kaiser, sagte er, gedenke
ihm jetzt die Würde eines Oberfeldherrn vor Magdeburg
zu übertragen. Nun stehe er vor der Entscheidung, ob
er sich gleich abwenden, oder etwa drei Monate lang
eine Bestallung vom Kaiser und Reich annehmen solle.
Falls ein Bündnis mit König Heinrich zu stände komme,
so könne er nach Verlauf eines Vierteljahres wieder frei
dastehen. Als man ihn fragte, was werden solle, wenn
die neugeplante Entführung des Landgrafen gelinge, sagte
er : wenn Gott dem alten Herrn wunderbarlich davonhelfe,
so wolle er für ihn sein höchstes Vermögen dransetzen^").
89) Marburg-, 0. W. S. 4. Landgraf Philipp, die Gefangenschaft
betreffend, 1550-52, IV.
^) Die früher bewilligten 600 Thaler sollten in Snlza aus-
gehändigt werden.
262 S. Ifsleib:
König Heinrich sollte erfahren, wie gern man geliört
habe, dals er viele Orte befestige und Geld zusammen-
schlage, denn das sei der rechte Weg, um dem Gegner die
Stirn zu bieten. Seine Freunde könne Moritz wohl sehen
lassen, sie lielsen sich gut anschauen. Herkömmlich eröffne
man aber nur einem Bundesgenossen, wie stark man sei ;
zweifellos werde man 7000 Reiter und 30000 Knechte
zusammenbringen. Vorläufig dürfe man der Feder nicht
anvertrauen, wie und wie lange das Kriegsvolk bei-
sammen gehalten werden solle ; doch gedenke man bis zum
äufsersten auszuharren. Der Angriff des Gegners müsse
sich nach den Umständen richten. Über eine vertrauliche
Unterredung möge der König entscheiden. Moritz sei
nicht abgeneigt, sich in die Nähe Heinrichs zu begeben,
um möglichst bald einen Vergleich abzuschlielsen. Eile
erscheine geboten , da jede Verzögerung schaden könne.
Der Kurfürst werde sich zunächst nicht länger als drei
Monate gegen Magdeburg verpflichten. Erfolge bis dahin
eine Verständigung, dann wolle er sich „ganz nach dem
gemeinen Werke richten""^).
Mitte Dezember 1550 sah sich Moritz genötigt, von
Magdeburg aus gegen das um Verden versammelte Kriegs-
volk zu ziehen. Zur selben Zeit eilte der hessische Zeug-
meister Hans Rommel mit vertrauten Gesellen in die
Niederlande, um Landgraf Philipp zu entführen^-). Als
aber in der Frühe des 22. Dezembers die That vollbracht
werden sollte, milsglückte sie. Der Landgraf geriet in
die gröfste Verzweiflung, und der Kaiser kam in wilde
Aufregung. Lange hatte man ihn nicht so zornig und
aufbrausend gesehen; unbedingt wollte er erfahren, wer
die That angestiftet und wohinaus man gewollt habe.
Die Umgebung des Monarchen „schrie das Kreuzige über
den Landgrafen" und behauptete, der Kaiser sei nun nicht
mehr an seine Zusage von Halle gebunden ; der Gefangene
müsse nach Madrid oder auf ein festes spanisches Schloß
geschafft werden.
In Hessen war ungewöhnliche Bestürzung. Land-
graf Wilhelm, Schachten, Bing und Genossen besorgten
*') Obgleich man gehört hatte, dafs andere Leute — auch die
Eniostiner — beim König um Unterstützung nachsuchten,
so hoffte man doch, Moritz werde als Kurfürst mehr als sie ausrichten.
»2) Dresden, Loc. 10189 Ein Buch von Dr. Franz Kram und
Lorenz Ulmann 1550 Bl. 311; Weimar Reg. K. S. 120 J. J. No. 14.
Eduard Duller, Neue Beiträge S. 119 flg.
Die Gefangenschaft Philipps von Hessen. 263
das Schlimmste. Allein in einer vertraulichen Sitzung- am
8. Januar 1551 ''■^) entschuldigten der Statthalter und die
anwesenden Räte das milsglückte Vorhaben und beschlossen,
allen Beteiligten mit Rat und That beizustehen. Kurfürst
Moritz beklagte das mifslungene Unternehmen und ver-
sprach Beistand in Gefahr und Verwendung für den
unglücklichen Schwiegervater.
Kaum hatte sich der Gefangene in das Unvermeid-
liche gefügt, so gebot er wiederholt, die beiden Kur-
fürsten von Stund an einzumahnen und ihnen höchstens
bis zum 15. Mai Frist zu geben. Darauf forderte Land-
graf Wilhelm den Schw'ager zur raschen Verständigung
mit Frankreich auf, und Moritz bat, nach Dresden zu
kommen und mit ihm zu reden.
Am 25. Februar 1551 verhandelten Landgraf Wilhelm,
Schachten und Bing mit Moritz über eine kurfürstliche
Botschaft an den Kaiser und über die geheimen Pläne.
Ganz vertraulich sprach der Kurfürst von der Ver-
handlung^*), die er wenige Tage zuvor mit Markgraf
Hans von Küstrin über die Verteidigung der Religion
und der Freiheit des Reiches, über die Befreiung der
gefangenen Fürsten und über die Beilegung des magde-
burgischen Krieges gepflogen hatte und eröffnete einen
fast ungeahnten Blick auf ein mächtiges Bündnis gegen
den Kaiser, der die Befreiung des Landgrafen hart-
herzig verweigerte, wie bald von neuem klar ersichtlich
wurde.
Im Briefe vom 25. Februar gab Karl V. zu erkennen,
dals des Landgrafen Verhalten stets neuen Grund zur
weiteren Haft biete. Durch sein böswilliges Unterfangen,
mit Gewalt zu entfliehen, habe er die kaiserliche Hoheit
und Obrigkeit in den Niederlanden auf das schwerste
verletzt. Kraft höchster Machtvollkommenheit erklärte
der Kaiser, dafs die Kurfürsten nicht schuldig sein sollten,
der angemalsten und gänzlich unbefugten Einmahnung
nach Hessen Folge zu leisten. Gelegentlich werde er
gegen die jungen Landgrafen, die durch ihre nichtige
Einforderung und durch das oifenbare Einverständnis mit
^3) Marburg O.W. S. 1159, Kriegssachen 1547 etc. II, Mis-
cellanea, und geheime Sachen etc. ; Dresden, Loc. 9144, Landgrefiische
Handlung 1550—51, Bl. 342 flg.
94) Vergl. S. Ifsleib, Moritz von Sachsen gegen Karl V. in
dieser Zeitschrift Bd. VI, 218 flg. und VII, 1 flg. Cornelius S. 56.
264 S. Tfsleil):
dem Vater hinsichtlich der geplanten Flucht ernste Strafe
verdient hätten, nach Verdienst verfahren.
Hiervon benachrichtiot , äulserte Landgraf Wilhelm:
nun bleibe nichts mehr übrig als Leib und Gut oder
Ehre und Ruf in Gefahr zu setzen. Ein Biedermann
werde aber schnell zu küren wissen, „es krache gleich
Rippe und Bauch". Gott möge ihn vor ewiger Schande
und Unehre gnädig behüten und bewahren. Die Kur-
fürsten sollten den Vater befreien oder sich einstellen.
Nach den bekannten Bnndesverhandlur.gen in Naum-
burg und Torgau wurde eine Zusammenkunft in Suiza
vereinbart, wo im Juli sächsische, brandenburgische und
hessische Räte über die Einstellung der Kurfürsten und
über eine allgemeine Eürbitte möglichst vieler Fürsten
beim Kaiser Beschluis fassen sollten. Moritz meinte:
„Hilft es nichts, so schadet es auch nichts, doch wird
es bei vielen Leuten guten Glimpf bringen, wodurch man
viele Dinge vorbereitet". Unbekümmert um die geheimen
Verabredungen sollte Landgraf Wilhelm heftig und un-
erbittlich die Einstellung fordern lassen, „damit dadurch
das grolse Interim — Kurfürst Joachim — auch etwas
springen gemacht werde".
Daraufhin hielten die Hessen in Suiza vom 16, bis
19. Juli unbeirrt an der Einstellung der Kurfürsten
fest^'^}. Wegen der allgemeinen Fürsprache sollte Kur-
fürst Moritz die drei Kurfürsten von Pfalz, Trier und
Köln, die Herzöge von Bayern, Württemberg, Simmern,
Jülich und Lüneburg sowie Pfalzgraf Wolfgang von Zwei-
brücken und Markgraf Ernst von Baden angehen; dagegen
übernahm es Kurbrandenburg, die Könige von Polen und
Dänemark, die Herzöge von Pommern, Mecklenburg, Lauen-
burg und Markgraf Hans von Küstrin zu ersuchen. Kaiser
Karl und König Ferdinand sollten von den beiden Kur-
fürsten noch besonders um gnädiges Gehör gebeten werden.
Um ein Bündnis zwischen Frankreich, Kurfürst
Moritz, Landgraf Wilhelm, Markgraf Hans und anderen
Gesinnungsgenossen zu vereinbaren, begannen am 25. Sep-
tember 1551 die denkwürdigen geheimen Verhandlungen
in Lochau. Leider kam es dabei zum Bruche zwischen
Moritz und JNIarkgraf Hans, so dals dieser mit den Voll-
machten Herzog Albrechts von Preufsen und Heinrichs
^^) Berlin 39, 6. Landgraf Philipp von He.^seu 1551; Dresden,
Loc. 9144 Landgreuische Handlung 1551, Bl. 10 flg.
Die GefaDgenschaft Philipps von Hessen. 265
von Mecklenburg- davonritt. Trotzdem gelangte man mit
dem französischen Bevollmächtigten zu Festsetzungen, die
schliefslich zum Vertrage mit König Heinrich führten.
Zum Zwecke der allgemeinen Fürbitte für den Land-
grafen fanden sich um Michaelis Abgeordnete von Sachsen
und Brandenburg, von Dänemark, Kurpfalz, Simmern,
Zweibrücken, Württemberg, Baden und Mecklenburg in
Donauwörth ein und folgten dann dem Kaiser nach Inns-
bruck^*^). In der am 17. November gewährten Audienz
stellte derselbe gnädige und gute Antwort in Aussicht.
Als aber Kurfürst Moritz gelegentlich eines Berichtes
über Magdeburg sich erbot, auf Verlangen selbst nach
Innsbruck zu kommen, liels der Kaiser den harrenden
Abgeordneten am 2. Dezember anzeigen, dals er dem-
nächst mit dem Kurfürsten von Sachsen persönlich über
die Angelegenheit des Landgrafen und über die not-
wendigen „Sicherheiten" verhandeln werde. Es sei jeder-
mann gestattet, wieder heimzuziehen.
Am L Februar 1552 trat Moritz die Eeise zum Kaiser
scheinbar an; von Chemnitz aus ritt er aber nach Hessen
und brachte das Bündnis mit Frankreich in Friedewalde
zum Abschlufs. Dann berief er einen Landtag nach
Torgaü und erwartete die mit Landgraf Wilhelm ver-
abredete „scharfe Einmahnung". Trotz aller Bemühungen
der sächsischen Landstände und des hei'beigeeilten Kur-
fürsten Joachim verweigerten die Hessen eine neue Ver-
tagung, und Moritz wollte seine Ehre unter allen Um-
ständen endlich retten. Während Joachim besorgt und
unschlüssig nach Brandenburg zurückkehrte, übertrug
Moritz seinem Bruder August die Regierung seines
Landes und verliels am 15. März Torgau, um „ein zureiten"
und den gefangenen Schwiegervater durch einen kühnen
Kriegszug gegen den Kaiser zu befreien. Nachdem er
in Schweinfurt die Einstellung in aller Form vollzogen
hatte ^"), rückte er mit seinem Schwager und den andern
Bundesfürsten samt dem Kriegsvolke nach Süddeutsch-
land vor.
Zwar hatte Landgraf Philipp in den letzten Monaten
wie früher die Einstellung unermüdlich verlangt, doch
"*') Dresden, Loc. 9145, Hessische entledigun? etc. I> Bl. 1 flg.,
Berlin 39. 5/6, 1549-51, Bl. 218 flg. Schriftliche Fürbitte lief ein vom
König Ferdinand und Siglsmund von Polen, von Bayern, Lüneburg
und Lauenburg.
''■^) Kurfürst Joachim erhielt Frist bis zum 24. April.
266 ''^- Ifsleib: Die Gefangenschaft Philipps von Hessen.
wiederriet er durchweg einen Krieg gegen den Kaiser als
allzugefälirliclr'^). Er wollte auch nicht recht glauben,
dals Moritz Mut genug dazu besitze, schon aus Furcht
vor dem Dicken — Johann Friedrich — , der dann vielleicht
wieder zum Kurfürstentum gelangen könne. Überdies sei
zu bezweifeln, ob Gott viel Glück geben werde, weil
Moritz im letzten Kriege abenteuerlich gehandelt habe.
Unablässig quälte der Gefangene sich ab; bald erschien
ihm jedes Mittel gut genug, wenn er nur loskomme, bald
wollte er nur der Gnade des Kaisers seine Freiheit ver-
danken; kaum hatte er in Stunden der Verzweiflung den
Krieg gut geheilsen, dann warnte er wieder davor. Als
das Kriegsvolk in Bewegung war, ermahnte er zur Ver-
handlung und milsbilligte jeden wagehalsigen Kampf. Sein
Sohn AVilhelm aber erklärte am 8. April 1552 von Augs-
burg aus fest und entschlossen, dals er das ergriifene
Schwert erst dann wieder niederlegen werde, wenn der
Vater befreit sei; bis dahin möge er ihn mit Bitten
und Vorstellungen verschonen. Demungeachtet erneuerte
Philipp seine Mahnung zur Verhandlung und den Rat zum
Frieden mit dem Kaiser.
Die Tage von Linz und Passau sicherten endlich
seine Befreiung. Im August wurde er der Haft in Mecheln
entlassen; aber erst im September kehrte er von Brüssel
in die Heimat zurück.
Als nun Kurfürst Moritz seine verpfändete Ehre
ritterlich gerettet hatte, bat er den Schwiegervater um
Zustellung der Verpflichtungsurkunde vom 4. Juni 1547
mit dem üblichen Revers. Einverstanden damit, ersuchte
Landgraf Philipp ihn um ein Zeugnis darüber, dals er
sich nicht zaghaft oder freiwillig in die Gefangenschaft
begeben habe, sondern dafs er auf Treue und Glauben
zufolge kurfürstlicher Verpflichtung und Verschreibung
nach Halle gekommen und vom Kaiser wider Erwarten
in Haft genommen worden sei. Während eines kurzen
Besuches in Hessen, in der Woche vor Ostern 1553, ver-
sprach Moritz , den AVunsch des Schwiegervaters zu er-
füllen""). Ehe jedoch die Auswechselung der Schrift-
stücke erfolgte, beendete der jugendliche Kurfürst sein
thatenreiches Leben bei Sievershausen,
»'^) Er nannte den Kaiser einen „schweren und grofsen Vogel",
öö) Dresden, Loc. 9145, Hessische entledigung III B1.724, Torgau,
23. April 1553.
IX.
Schweizer Soldtruppen in kursäclisisclien
Diensten. 1701—1815,
Von
A. Yon Welck.
(Schlufs.)
Der nordische Krieg wurde auch während des zweiten
Dezenniums des 18. Jahrhunderts mit wechsehidem Glücke
fortgeführt. König August erlangte die polnische Krone
wieder, hatte aber unausgesetzt mit Empörungen und
Verrätereien seiner polnischen Unterthanen zu kämpfen.
Wiederholt wurden, namentlich russischer Seits, Versuche
gemacht, den unheilvollen Krieg durch einen Friedens-
schlufs zu beenden, doch scheiterten dieselben an der
Halsstarrigkeit Karls Xu. Erst als dieser am 11. De-
zember 1718 in den Laufgräben von Friedrichshall seinen
Tod gefunden hatte, konnten die Friedensunterhandlungen
mit mehr Aussicht auf Erfolg wieder aufgenommen werden.
Im Dezember 1719 kam es thatsächlich zum Abschlufs
eines Präliminarvertrages zAvischen Schweden und dem
König August ; doch erst 10 Jahre später wurde derselbe
in einen förmlichen Friedensvertrag umgewandelt.
Sobald die politischen Verhältnisse es irgend ge-
statteten, war der König darauf bedacht, die finanziellen
Lasten, unter denen Sachsen infolge des langjährigen
Kriegszustandes seufzte, zu mildern. Bereits im Jahre
1717 erliefs er den Befehl zu einer umfassenden Reduktion
und veränderten Formierung der Armee. Diesen Mafs-
nahmen zufolge blieben nur 11360 Mann unter den Waffen.
268 A. von Welck:
4 Kürassier-, 4 Drag'oner- und 2 Infanteriereg-imenter
wurden aufg-elöst und melirere fremde, in sächsischem
Sold gewesene Regimenter entlassen. Auch das Dresdner
„Garnisonsregiment" wurde aufgelöst und endlich die
verbleibenden Infanterieregimenter von 12 auf 8 Kom-
pagnien reorganisiert .
Die Trabantenleibgarde wurde von der Reorganisation
insofern berührt, als ihr Etat von 90 Mann um 4 „Musici"
erhöht wurde.
Im Jahre 1719 trat für diese Garde eine Uniform-
veränderung ein.
Der Kurfürst scheint die Absicht gehabt zu haben,
hierzu von der bisherigen Schweizer Tracht abzuweichen
und Schnitt und Farbe mehr dem Altdeutschen anzu-
passen. Diese Annahme findet ihre hauptsächlichste Be-
gründung in dem Umstände, dals sich in der königlichen
Gewehrgalerie zu Dresden das lebensgroise mit Ölfarben,
auf Holz gemalte und ausgeschnittene Modell eines
englischen,. Schweizergardisten ^) befindet, welches,
mündlichen Überlieferungen zufolge, König Georg I., der
1714 den englischen Thron bestiegen hatte, an den Kur-
fürsten geschickt hatte, um nach diesem Vorbilde die
Uniformierung der sächsischen Schweizergarde festzu-
stellen. Ein Blick auf jene Figur zeigt, dafs hier that-
sächlich von der traditionellen Schweizer Tracht abgewichen
und dafür die altdeutsche adoptiert worden war. Diese
Absicht des Königs, welche jedenfalls auch schriftlich
zum Ausdruck, aber - wie wir annehmen müssen —
nicht zur Ausführung gelangte, mag die Veranlassung
sein, dals es in der Geschichte der sächsischen Armee
heifst-): „1719 erhielt die Trabantenleibgarde zu Fuls,
welche bisher Schweizer Tracht getragen hatte, eine
neue Uniform, das sogenannte ,Deutsche Habit' etc."
Die an derselben Stelle gegebene Beschreibung dieses
') Über Erriclitung oder Existenz einer Scliweizergarde in
England haben wir an keiner Stelle Angaben finden können. Wil-
helm TII. erbat allerdings durch seinen Gesandten Cox im Jahre
1690 von den evangelischen Orten ein Hilfskorps von 6—8000 Mann,
von denen die Hälfte Garde werden sollte, doch kam dieser Auf-
briich — infolge der französischen Gegenvorstellungen — nicht zur
Peifektion. Aiich Macaulays Geschichte Englands, die genaue
Angaben über das englische Heer und speziell die Gardetruppen in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts macht, erwähnt keine
Schweizer.
-) Schuster und Francke, Gesch. der sächs. Armee, S. 196.
Schweizer Soldtruppen 1701 — 1815. 269
„Habits" besagt, dafs die Offiziere „blaiisamtene (bleu
mourant) Röcke und Hosen, silberbesetzte Westen, silberne
Garnitur und Gehänke, Schuh und Strümpfe", die Tra-
banten aber „gelben Rock mit blauem Aufschlag und
Kamisol, Hosen und Mantel von Tuch, als Waffe Helle-
barden resp. Partisanen" erhielten. Die Frage des
Schnittes wird hier allerdings nicht berührt, hingegen
finden wir bei Fassmann -^j ausdrücklich erwähnt, dafs
diese neue Uniform, welche zum ersten Male bei dem
festlichen Einzüge der Kui-prinzessin Maria Josepha in
Dresden, Anfang September 1719, getragen wurde, der
historischen Schweizer Tracht entsprach. Bei Be-
schreibung dieser Festlichkeiten heilst es nämlich: „Heber
den SchloMiof machten die neu -montierten Adelichen
Cadets ihre Parade; die Treppe hinauf die Schweitzer-
Garde, oder Trabanten zu Fuls in ihrer n e u e n S c h w e i t z e r -
Kleidung und blauen Schuh-Rosen" etc. Und weiter
vom Zuge selbst: „24 Schweitzer in ihrem Schweitzer-
Habit. Vorne an giengen ihre Über-Officiers ebenfalls in
Schweitzer-Habit" .... „Neben der Carosse auf
bey den Seiten giengen 24 Schweitzer in ihrem Seh weitz er-
Habit mit ihren Helleparten."
Da man diese bis ins kleinste Detail eingehenden
Schilderungen des citierten Chronisten als zuverlässig
annehmen darf, so wird dadurch auch die spätere Be-
merkung bei Schuster und Francke hinfällig, dafs „die von
1725 an ,Scliweizergarde' genannte Haustruppe in diesem
Jahre wieder die Schweizer Tracht erhalten habe."
Wir kehren nach Besprechung dieser Uniformfrage
zu den historischen Ereignissen zurück.
Der nun gesicherte Friede und die sich allmählich
wieder bessernden finanziellen Verhältnisse lenkten im
Laufe der nächsten Jahre die Blicke des prachtliebcnden
Königs wieder mehr und mehr auf die Erhöhung des Glanzes
seines Hofstaates. Es wurde zunächst im Jahre 1723
das sogenannte „Lustschlösser-Bataillon" oder „Bataillon
der Lustgebäude" zur Besetzung des Japanischen Palais
in Dresden, der Lustschlösser Pillnitz, Hubertusburg und
Moritz bürg errichtet, und im Jahre 1725 falste der König
den Entschluls, wieder eine „Schweizergarde" ins
Leben zu rufen, welche, wenn möglich, aus geborenen
^) D. F. (assmann), Friedrich Augusts Leben und Heklen-
thaten S. 767 ff.
270 A. von Welck:
Schweizern bestehen solle. Vorläufig- aber wurde
die bestehende Fufstrabantengarde in ihrem Etat an
88 Mann zur Schweizergarde umgewandelt, und
ihr Hauptmann, Pierre de Prohinques^), erhielt unter
dem 24. Mai 1725 die Ernennung zum Schweizer Haupt-
mann mit einem Gehalt von 180Ü Thalern und dem Rang
unmittelbar hinter dem Hofmarschall •'^). Gleichzeitig
w^urde ihm aber der Auftrag, auf die Vermehrung der
ihm unterstellten Garde durch Anwerbung von National-
schweizern bedacht zu sein. In seiner Bestalhing heilst
es"): „II observera tachent d'y faire entrer des
Nationaux Suisses. Du reste Nous avons resolu d'aug-
menter le Nombre des Gardes Suisses par une Capitulation
expresse sur le pied que Nous le trouverons ä propos et
convenable ä Nos intentions , Voulons qu'ä l'avenir ce
Corps porte le nom de Garde Suisse et soit compose
du moins quant aux Hallebardiers de Suisses nationaux
Voulons en premier lieu, que ceux .... soient
remplaces par des Suisses jusqu'ä ce la compagnie
soit toute composee de Suisses nationaux."
Diese Bestallung ist datiert von Dresden, 24.Mai 1725;
sie ist unterzeichnet A. R. und gegengezeichnet von
J. H. C. de Flemming.
Die Absicht des Königs ging also dahin, das Korps
nach und nach wieder ganz aus geborenen Schweizern zu
formieren.
Um eine Grundlage für diese Organisation zu ge-
winnen, beauftragte der König den Hauptmann de Pro-
*) Er war 1698 zu Beaiijolais in Frankreich geboren, von
1713—18 in französischen Diensten im Regiment Bonrbon, 1724 ver-
mählt zu Warschau mit Fräulein de Barques (Tochter einer Tänzerin),
wahrscheinlich der natürlichen Tochter des Königs, welcher die
Hochzeit ausrichtete. Prohinques nahm, da er sich bei Hofe un-
möglich gemaclit, kurz nach dem Tode Friedrich August II., in dem
er seine Stütze verloren, seine Entlassung. — VeSse, Geschichte
der Höfe des Hauses Sachsen (Hamburg 18.50) VI, 220, sagt von
ihm: „Marquis Pierre de Prohinques. Dieser französische Marquis,
den die Annalcn der Zeit als einen der famosesten Glücksritter be-
zeichnen, machte .... eines der gröfsten Häuser in Dresden. Der
König speiste wiederholt bei ihm. Aber nach dessen Tode ward
er — als man ihn Rechnung abzulegen gezwungen hatte — sofort
cassirt." (Siehe S. 277.)
^) K. S. H.-St.-A. Loc. 1152. Acta die Leib-Garde-Trabanten etc.
Vol. II Bl. 6.
*) Ebenda. Auch der von ihm abzulegende Diensteid (v. 28. Mai
1725) befindet sich daselbst Bl. 12 a.
Schweizer Soldtmppen 1701 — 1815. 271
hinqiies und einen in kursächsischen Diensten stehenden
Schweizer Offizier, Jean (Jonrad Sigg'') aus Scliaff-
hausen, je ein „Projekt" auszuarbeiten und ihm vor-
zulegen. Da diese aber nicht zur Durchführung ge-
langten, so begnügen wir uns damit, nur einige wenige
Punkte derselben anzuführen. Prohinques überreichte:
„Observationes so noch wegen desProjectes der Schweizer
Garde zu annotiren"^). Dieselben — 11 Punkte —
werden aber ausdrücklich nur als „Intention" bezeichnet.
Punkt 6 besagt, dals nach und nach Schweizer von Geblüt
einzuführen sind; Punkt 7 bestimmt, dals keiner in Dienst
zu nehmen sei, „so nicht 3 Ellen 3 Zoll ohne Absätze
mifst"''); auf Wache sollen täglich ziehen: „1 Ober-
Offizier, 1 Wachtmeister, 2 Korporals, 1 Tambour, 1 Pfeifer,
4 Zimmerleute und 32 „Trabanten" ^'*) etc.
Das andere, französisch abgefalste Projekt lautet in
der Überschrift: „Plan d'une capitulation pour la Levee
d'un Regiment Suisse pour le Service de Sa Majeste le
Eoy de Pologne et Electeur de Saxe" etc. ^^). Dieser
„Plan" besteht aus 22 Paragraphen, Als charakteristisch
sei nur erwähnt, dafs Sigg bereits diese Gelegenheit
benutzt, um die Anstellung als Oberstlieutenant bei dieser
Garde für sich zu erbitten und um sich gleichzeitig zu
erbieten, Sr. Majestät einen sehr vorzüglichen Komman-
danten mit Oberstenrang zu verschaffen. Er scheint also
von der bereits erfolgten Ernennung des Marquis de
Prohinques zum Schweizer-Hauptmann damals noch keine
Kenntnis gehabt zu haben.
') Derselbe hatte früher 13 Jahre lang' — zuletzt als Major —
in spanischen Diensten gestanden.
«) K. S. H.-St.-A. Loc. 1152. A. cit. Vol. I Bi. Ic.
^) Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dafs die Sitte der
„langen Kerle" nicht — wie gewöhnlich angenommen — nur in
Deutschland und speziell in Preufsen gepflegt wurde. Fieffe,
Histoire des troupes etrangeres au service de France etc. (Paiis 1854)
I, 265, erzählt vielmehr, dafs unter Ludwig XV. bei Ergänzung der
Cent-Suisses ebenfalls grofser Wert auf die Körpergröfse gelegt
wurde. So habe der rechte Flügelmann dieser Garde 6 Fufs 4 Zoll,
der linke Flügelmann aber 6 Fufs 5 Linien gemessen und sei des-
halb der „Zwerg von Basel" genannt worden. (König Friedrichs II.
von Preufsen Garde zählte einen Riesen von 2 m 52 cm.)
^^) Nach den Nachrichten im K. S. H,-St.-A. scheint erst im
Jahre 1726 der Name Schweizergarde offiziell gebraucht
worden zu sein, jedenfalls hinsichtlich der Gemeinen; wir fanden die
Bestimmung: „wobei die gemeinen Trabanten Schweizer benennet
sind", aus diesem bezeichneten Jahre.
") K. S. H.-St-A. Loc. 1152. A. cit. BL I k k.
272 A. von Weick:
Ob diesen „Projekten" irgend welche weitere Folge
gegeben worden ist oder ob es überhaupt zur Einstellung
von Schweizern damals kam, läfet sich nicht feststellen;
es scheint aber nicht so, da sich in den Schweizer
Archiven durchaus keine darauf bezüglichen Unterlagen
finden lielsen. Auch der Umstand, dals die Schweizer-
garde im Jahre 1729 noch auf 88 Mann mit 957 Thalern
äO'/s Pfennig Besoldung angegeben wird — genau wie im
Jahre 1719 — beweist, dals bis dahin keine Augmentation,
also jedenfalls auch keine Anwerbung von Schweizern
eingetreten war.
Im Jahre 1729 kam der König aber auf das Projekt
zurück und sprach den bestimmten Wunsch aus, dals eine
Erhöhung des Etats durch Einstellung von geborenen
Schweizern zu erstreben sei^-).
Der Besuch, den der König im Mai 1728 in Berlin
abgestattet hatte, und die militärischen Schauspiele, die
ihm daselbst und in Potsdam durch grolse Revuen geboten
wurden, hatten wohl schon den Gedanken in ihm wach-
gerufen, seinem königlichen Nachbar demnächst Ähnliches
oder, wenn möglich, noch Schöneres vorzuführen; ein Plan,
der zwei Jahre später durch das Lustlager bei Zeithain
zur Ausführung gelangte.
Der König hielt nicht allein eine Verstärkung seiner
Leibgarde zu diesem Zwecke für unumgänglich notwendig,
sondern überhaupt eine Vermehrung der Armee. Es wurden
deshalb im Jahre 1729 neue Werbungen ausgeschrieben
und die Armee dadurch auf 30000 Mann gebracht; aulser-
dem wurden ganz neue Garden errichtet, und zwar ein
Korps Grand -Mousquetaires, „ein sehr starkes Corp
^2) Ans der Zeit zwischen 1725 uud 1729 ist eine „Vorstellung-"
der (Jensdarnierie- Offiziere (Officiers de la Marechanssee) zu er-
wähnen — ohne Datum — , mittelst welcher das Ersuchen an den
König gerichtet wird, dafs die Offiziere der Schweizergarde dem
Hofmarschallanit möchten unterstellt werden und nicht direkt unter
dem Könige stehen, wie es Herr von Prohinques wünsche (K. S. H.-
St.-A. Log. Iln2. A. cit. Vol. II Bl. 75). Ob diesem Wunsche Folge
gegeben wurde, wissen wir nicht; nacli dem „Etat abrede de la Cour
de Saxe" von Poe Unit z vom Jahre 1734 wurde die Schweizer
Garde nicht als dem Oberhofmarschallamte unterstehend aufgeführt,
sondern nur die „Türken, Heiducken, Läufer und Mohren". Auch
nach dem Staatskalender für das Jahr 17.33 stehen die Schweizer
nicht unter dem Hofmarschall, sind übcihaiipt nicht im Hofetat auf-
geführt (vergl. Vehse a. a. 0. VI, 217). Der Schweizer- Hauptmann
Marquis Pierre de Prohinques wird vielmehr als direkt unter dem
König stehend bezeichnet (ebenda S. 220\
Schweizer Soldtruppen 1701 — 1815. 273
langer Granadierer" ^^) und eine Abteilung Janitscharen;
endlich wurde, wie erwähnt, eine Etat-Erhöhung
der Schweizergarde anbefohlen.
In Bezug auf diese letztere Augmentation liefs sich
der König abermals eine Denkschrift durch den Schweizer-
Hauptmann de Prohinques einreichend^). In derselben
heifst es u. a. :
„Pour faire FAugraentation qne Sa Majeste veut, je crois
qu'elle serait facile en euvoj'ant un officier en Suisse, charge d'une
lettre pour Son Altesse le prince et abbe de St. Galle, le prier de
permettre la levee de 70 liommes pour la garde et le laisser maitre
de choisir mi officier, ä qui Sa Majeste accordera la place de sous-
lieutenant dans la garde Suisse avec Eang de Major dans sou
armee" etc.
Gleichzeitig schlägt Prohinques als den nach der
Schweiz zu entsendenden Offizier den Oberst von Dies-
bach^'^) vor.
Der König ging auf diese Vorschläge ein und teilte
dies am 8. Dezember 1729 dem Marquis von Prohinques
mit^**), unter der gleichzeitigen Bemerkung, dals Oberst
von Diesbach eine Instruktion bezüglich seiner dienstlichen
Reise nach der Schweiz erhalten habe. In derselben ist
ausdrücklich gesagt, dafs es die Absicht des Königs sei,
seine Schweizergarde so viel als möglich aus National-
Schweizern zusammenzustellen. Um solche anzuwerben,
solle Oberst von Diesbach, mit den nötigen Accreditiven
versehen, zum Abt von St. Gallen und in die Kantone
Bern und Freiburg reisen. Seine Spezial-Instruktion
habe Herr von Diesbach vom Oberst von Prohinques zu
erhalten, welcher ihm auch das Geld zur Reise und für
die Anwerbungen vorstrecken werde. Besonderer Wert
sei auf die Erlangung grofser Leute — 77 bis 78 Zoll
Dresdner Mafs — zu legen. Sollten diese nicht in der
Schweiz aufzutreiben sein, so könne Oberst von Diesbach
sich auch an eine andere Nation wenden ^'^).
Diesbach sah sich veranlalst, vor seiner Abreise eine
Denkschrift einzureichen über verschiedene Punkte, die
er zuvor geregelt wissen wollte ^'^j. Der wichtigste der-
selben ist § 5: „pour les frais de voyages, il supplie qu'il
1») D. F(assmann) a. a. 0. S. 927.
") K. S. H.-St.-A. Loc. 1152. A. cit. Vol. I Bl. 1 ^.
^^) Siehe Personal - Nachrichten Anl. No. I. Diesbach war
damals Kapitäulieutenant der Schweizergarde.
16) K. S. H.-St.-A. Loc. 1152. A. cit. Vol. II Bl. 77.
") Ebenda Bl. 85.
1**) Ebenda Bl. 87.
Neues Archiv (. S. G. u. A. XIV. 3 4. 18
274 A. von Welck:
les piiisse avoir avant son depavt, (Vautant ])lns, qiie
Mr. de Prohinques ne peiit liii donner (jue 400 Diicats poiir
les Recrues et voyage, de sorte, qu'il n'y a rieii ä preiidre
pour son particulier" etc.
Ob diesem Wunsche Diesbachs Rechnung; getragen
wurde, ist uns nicht bekannt. »Sicher ist nur, dals er im
Dezember abreiste, ausgerüstet mit einem königlichen
Empfehlungsschreiben an den Abt von St. Gallen ^'')
sowie mit je einem Schreiben an die Kantone Bern und
Freiburg^"). Alle drei wurden ihm im Auftrage des
-Königs vom Marquis von Prohinques eingehändigt.
Nach den noch vorhandenen Akten zu urteilen, scheint
sich Diesbach zunächst nach Freiburg begeben und
in der Sitzung des grolsen Rates am 7. Februar 1780
sein Gesuch — unter Überreichung des königlichen
Schreibens — vorgebracht zu haben. Das betreffende
Ratsprotokoll giebt hierüber die erforderliche Auskunft-^).
Noch am nämlichen Tage erliels der grolse Rat ein
Antwortschreiben an den König, in welchem die Ver-
willigung zur Anwerbung von 15 Mann — die gewünschte
Anzahl — ausgesprochen wird--).
Nach Bern scheint sich Diesbach nicht begeben zu
haben, da sich daselbst an keiner Stelle darauf bezügliche
Aufzeichnungen vorfinden. Der in der Instruktion erwähnte
Fall : „mais il ne se servira des deux dernieres (d. i. der
Briefe für Bern und Freiburg) qu a bonnes enseignes et
lorsqu'il trouvera les cantons disposes ;i faire au R03' le
plaisir (ju'il Leur demande", mag wohl hier eingetreten
sein. Möglich ist es aber auch, dals die von Freiburg
und dem Abt von St. Gallen gewährten und in Aussicht
gestellten Leute zu der projektierten Vermehrung der
Schweizergarde bereits genügten.
>9) K. S. H.-St-A. Loc. 1152. A. cit. Vol. II El. 88.
20) Ebenda Bl. 89.
2») Kanton Freiburg, Ratsmanual No. 261 Bl. 70 d. d. Diens-
tag, 7. Februar 17.30.
--) Kanton Freil)urg. Acta Regi Poloniae. Werbung National-
mannschaft zu dessen Scliweyzer Garde d. d. 7. Februar 1730.
Missiveubuch No. 53, S. 517. — Girard, Histoire abr^geo dos officiers
Suisses etc. (Fribourg 1781) I, 177, sagt über diese Mission Dies-
bachs: „En 1780 ce Prince (der Kurfürst von Sachsen) l'envoya ä
Fribourg avec nne lettre, pour demander ä Leurs Excellences quelques
beaux hoinmes aiiii de retablir sa conipagnio de ^vrais Suisses, ce
quil obtint; pendant son sejour dans cctte ville TEtat lui donna un
festin. lionneur qui n'etoit arrive ä aucun Citoyen. II i6toit alors
Aide-de-canip de l'Electeur.
Schweizer Soldtruppen 1701 — 1815. 275
Ebenso günstig wie in Freiburg verliefen die Ver-
handlungen in St. Gallen, wie aus dem Schreiben des
Fürst -Abtes an den König vom 29. März 1730 hervor-
geht--^). — Ob sich üiesbach erst im März nach St. Gallen
begab oder ob der Abt aus anderen Gründen erst jetzt
Veranlassung fand, dem König zu antworten, läfst sich
ebensowenig feststellen, wie die Zahl der in St Gallen
angeworbenen Söldner. Da aber, wie wir später sehen
werden, die Schweizergarde im folgenden Jahre im Lust-
lager bei Zeithain 120 Mann zählte — ohne prima plana — ,
im Jahre 1729 aber nur 88, und in Freiburg 15 Mann
angeworben wurden, so darf man annehmen, dals es
17 Mann waren, welche der Abt bewilligte. Auffallend
erscheint es in jedem Falle, dals zwischen der Antwort
des grolsen Rates von Freiburg und der des Abtes von
St. Gallen beinahe sechs Wochen liegen.
Nach dem Eintreffen dieser Komplettierungen betrug
der Etat der Schweizergarde ^^):
Ein Capitän mit Gehalt pro Monat 110 Thaler 12 gr. — Pf.
Ihm sind zwei Leib-Schützen bei-
gegeben mit einem Lohn von 10 „ 12 „ — „
Ein Capitän-Lieutenant mit Gehalt
pro Monat 65 „ — „ — „
Ein Lieutenant 50 „ — „ — „
Ein Sous-Lieutenant 30 . — „ — „
Ein Fähndrich 25 „ — ,, — „
Ein Secretarius 9 ,. 15 „ — „
Ein Wachtmeister - Lieutenant . .13 „ 12 ,, — „
Ein Fahnjunker 8 „ — „ — „
Ein Feldscheer 7 „ — „ — „
Sechs Rottmeister ä 7 Thaler =42 „ — „ — „
Drei Pfeiffers ä 5 Thaler 6 gr. = 15 „ 18 „ — „
Drei Tambours ä 5 Thaler 6 gr. =: 15 „ 18 „ — „
108 Gemeine incl. 8 Spielleuthe und
4Zimmerleutheä5Thlr. 6gr. = 567 ., — „ — „
966 Thaler 8 gr. — Pf.
23) Stifts -Archiv St. Gallen. IV. 36. 7. Konzept oluie
Unterschrift. Der damalige Fürst -Abt von St. Gallen war Joseph
von Rudolphi aus Laibach. Erwählt den 17. Dezember 1717. Ge-
storben den 7. März 1740.
21) K. S H.-St.-A. Loc. 431. Vol. 5, Beilagen. Da die Rang-
liste vom Jahre 1785, Beil. 4, den Etat der Schweizergarde während
des Lustlagers bei Zeithain im Jahre 1730 auf 3 Offiziere und
120 Mann angiebt, und der Kapitänlieutenant von Diesbach nicht
mit aufgeführt ist (vergl. w. u.), so war derselbe jedenfalls mit
einigen Gardisten als Schlofswachtkommando in Dresden zurück-
geblieben.
18*
276 A. von Welck:
Transport ;9ü(i Tlialer 3 gr. — Pf.
Hierüber zu allerhand ciirrentenAui?-
gaben, als Gewehr- und Jlon-
tirungs-lieparatur u. dergl. auf
Berechnung 33 „ 21 „ — „
Sa. 1000 Thaler — gr. — Pf.
Dieser Etat verblieb bis zum Jahre 1739 unver-
ändert. —
Das schon oben erwälmte Lustlager bei Zeithain bildet
einen für die Geschichte der sächsischen Armee bedeut-
samen Moment. Nicht allein die in verschwenderischer
Weise verwendeten Kosten und der dadurch erzielte
Luxus und Glanz der gesamten Ausstattung, sondern auch
die vortreffliche Ausbildung aller Waffengattungen trugen
dazu bei, den zahlreich versammelten deutschen Fürsten
ein Bild nie gesehener militärischer Pracht und Tüchtig-
keit vor Augen zu führen.
Von Gardetruppen, welche nicht der Feldarmee,
sondern der maison du lioi angehörten, nahmen an dem
Lager teil die Cadets, die Grenadiergarde, das Janitscharen-
bataillon und endlich in der Stärke von 120 Mann die
Schweizer Leibgarde (Oberst: Hauptmann von Prohinques,
Oberstlieutenant: Lieutenant von Liebenau, Major: Lieute-
nant von Parura)^'^).
Die Schweizergarde trat am 19. und 20. Mai von
Dresden aus den Marsch nach dem Zeithainer Lager an. —
> Nach dieser AuAverbung von National-Schweizern im
Jahre 1730 haben deren nachweislich nicht mehr statt-
gefunden, doch begegnen wir während des Verlaufes des
18. Jahrhunderts noch vielfach Schweizern in den ver-
schiedenen Offizierskorps der Armee und zwar mehrfach
in hervorragenden Stellungen. Wir verweisen in dieser
Hinsicht auf die als Anlage No. I gegebenen Personal-
nachrichten. In der Schweizergarde selbst dienten ver-
hältnismäfsig nur w^enige Schweizer als Offiziere.
Vom Jahre 1748 an geben die Ranglisten ziemlich
genaue Nachrichten über die Zusammensetzung derOffiziers-
korps sowie über die Uniformierung, während bis zu diesem
Jahre nur spärliche Nachrichten über Personalien der
Schweizergarde vorliegen. So erhielt am 16. September
1730 der Chevalier de Beaufort ein Patent als Fähn-
drich mit dem Charakter und Rang eines Capitaine-");
2''>) Yergl. Rangliste vom Jahre 1785. Beil. 4.
2«) K. S. H.-St.-A. Loc. 1152. A. cit. Vol. IT Bl. 178.
Schweizer Soldtnippen 1701 — 1815. 277
am 1. Oktober 1731 fand die Ernennung des bisherigen
„Sous- Lieutenants vom Königl. Prinzens Regiment In-
fanterie, von Thaler, als Fähndrich bey der Schweitzer
Garde mit dem Caractere und Rang alss Capitaine von
der Infanterie" statt-'); am 5. Dezember 1732 avancierte
Graf Axel von Cronhiehu vom Lieutenant der Schweizer-
garde zum Kapitänlieutenant derselben-^). Wir lassen
es dahingestellt, ob derartige kurze Notizen über Offlziers-
ernennungen etc. nicht noch mehr zu finden sein dürften.
Die Ranglisten der sächsischen Armee, die — hand-
schriftlich — aus verschiedenen Jahren vor 1748 (1682 bis
1690, 1710 und 1722) vorhanden sind, erwähnen die
Schweizergarde nicht, da dieselbe thatsächlich von 1680
bis 1725 nicht bestand.
Der ferneren Schicksale der Schweizergarde, welche
ihrem Charakter als Leibgarde und kurfürstliche Haus-
truppe treu blieb und selten in der Hof- und Armee-
geschichte erwähnt wird, sei nur in einzelnen Zügen
gedacht.
Das Verhältnis zwischen dem Schweizer-Hauptmann
Graf de Prohinques (Avie er jetzt mehrfach genannt wird)
und dem Kapitänlieuteuant von Diesbach war kein gutes;
man ersieht dies aus einem „Memoire", welches der
erstere am 32. Januar 1732 an den König einreichtet^).
Die Folge sollte lehren, dals die Schuld des Zerwürf-
nisses wohl an dem Verhalten des Vorgesetzten und i^cht
an dem des Untergebenen lag. Den nächsten Beweis
dafür dürfte die im Sommer desselben Jahres (6. August)
erfolgende Ernennung Diesbachs zum Chef des bisherigen
Lifanterieregiments Marche, welches später — 1748 —
als Regiment Jasmund aufgelöst wurde, bieten. In dieser
Stellung blieb er nur während eines Jahres. Nach dem
am 1. Februar 1733 erfolgten Ableben des Königs wurde
nämlich eine Untersuchung gegen Oberst de Prohinques
eingeleitet (vergl. Note 4) und derselbe wegen mehr-
facher ihm nachgewiesener Unterschlagungen kassiert,
Oberst von Diesbach aber als sein Nachfolger zum
Schweizer-Hau|itmann ernannt.
Aus diesem Jahre — 1733 — giebt Vehse"^") den
Etat der Schweizergarde auf 134 Mann an, macht sich
27) K. S. H.-St.-A. Loc. 1152. A. cit. Vol. II Bl. 206.
28) Ebenda Bl. 207.
29) Ebenda BL 207.
30) Vehse a. a. 0. VI, 221.
278 A. von AVelck:
aber liieiin, Avie in vielen anderen Stücken, einer Unge-
nauigkeit schuldig-. Der Etat blieb, wie schon auf ö. 276
erwähnt, bis zum Jahre 1739 unverändert auf 129 Mann
incl. prima plana. Im Jahre 1740 trat eine Reduktion
um 3 Köpfe ein, hingegen eine Erhöhung des monatlichen
Besoldungsetats um 1 Thaler 16 Gr. 10 Pf., so dals also
126 Personen eine monatliche Besoldung von 1000 Thaler
16 Gr. 10 Pf. erhielten.
Auch die Angaben, die Velise an derselben Stelle
über die Uniformierung macht, sind falsch. Er schreibt
nämlich, die Schweizergarde habe hellblaue liöcke mit
strohgelben Aufschlägen, kurze, sehr weite hellblaue Bein-
kleider und Strümpfe, gelbe Westen und ganz kleine mit
gelb und blauen Federn geschmückte Hütchen auf einer,
mit vielen Locken versehenen Perücke getragen. Einen
blauen Rock hatten aber nur die Offiziere, die wiederum
keine weiten Beinkleider trugen ; die Mannschaften hatten
als tägliche Uniform gelbe Röcke und in Parade die alte
Schweizer Tracht, genau so wie die Uniform im Jahre 1719
festgestellt worden war (vergl. S. 268 f.).,,
Oberst von Diesbach, der bei Übernahme des
Kommandos der Schweizergarde gleichzeitig zum General-
major der Infanterie ernannt Avurde, starb 1742 und es
folgte ihm in der Stellung als Schweizer-Hauptmann der
Oberst 6'Meagher^^\ Sein Name wird in den Verhand-
lungen vor Ausbruch des siebenjährigen Krieges mehrfach
genannt.
König August HL, der bis zuletzt an derHofthung fest-
hielt, dals sich die zwischen Sachsen und Preulsen ent-
standenen Differenzen würden beilegen lassen, entsendete
noch am 29. August 1756 den mittlerweile zum General-
lieutenant avancierten Schweizer -Hauptmann O'Meagher
als aulserordentlichen Gesandten an den König von
Preulsen, der sich in Pretzsch befand und den General
am 1. September daselbst empfing"'-). Die Mission des-
selben hatte aber bekanntlich keinen Erfolg.
Der König befahl demzufolge, dals die gesamte, in
"') Thaddäus 6'Meagher, ein geborener Irländer, avancierte
1744 zum Generalmajor, 175;i zum Generallieutenant.
^2) Die Geheimnisse des Sächsischen Cabinets (Stuttgart 18f)6)
I, 403 ff. Wenn hier gesagt wird, dafs General ö'Meagher Kom-
mandant der „hauptsächlich aus Irländern bestehenden Schweizer
Tral)antenleibgarde" gewesen sei, so haben wir für diese Angabe
keine Begründung rinden können.
Schweizer Soldtrupiieii 1701 — 1815. 279
den letzten Jahren wesentlich reduzierte Armee ein be-
festigtes Lager bei Pirna beziehen solle. Die Dresdner
Garnison verliel's zu dem Zwecke die Residenz am 2. Sep-
tember, und die Bürgerwehr übernahm die Bewachung
der ötadt, während zum Dienste im königlichen Schlosse
— in welchem die Königin auch nach der Abreise ihres
Gemahls nach der Festung Königstein verblieb — die
Schweizergarde, die an und für sich nicht zu den
Feldtruppen gehörte, in Dresden belassen wurde.
Am folgenden Tage — 3. September — schrieb Graf
Brühl, der sich im Gefolge des Königs befand, aus Struppen
an den General Graf Wackerbarth, der das Präsidium
der Landesregierung übernommen hatte: „Glücklich hier
angekommen, ist es meine erste Sorge, Ew. Excellenz
zu ersuchen, im Falle der König von Preulsen Garden
vor das Schlofs stellen sollte, zu verlangen, dafs das
Innere des Schlosses durch die Schweizer und nicht
durch die Preulsen bewacht werde" etc.^'^).
Diesem Wunsche kam man auch preufsischerseits
nach. Nachdem aber im April 1757 der Graf Wacker-
barth arretiert worden war und kurz zuvor auch die
Gräfin Brühl, die Gattin des Premierministers, so entzog
man auch der Königin die Annehmlichkeit der Schweizer
Leibwache. Ob wirklich durch diese Malsregel eine
Pression auf die Königin ausgeübt werden sollte, Dresden
zu verlassen und sich nach Polen zu begeben, sei dahin-
gestellt.
Am 9. April 1757 that die Schweizergarde zum
letzten Male ihren Dienst und General 6'Meagher sowie
der unter ihm befehligende Kapitänlieutenant General-
major Graf von der Horst erhielten die Anweisung, dals
sie das königliche Schlots nicht mehr zu betreten, sondern
Dresden zu verlassen hätten-^*).
Nach dem Abschluls des Hubertusburger Friedens
kehrten die Reste der sächsischen Armee, die haupt-
sächlich aus denen bestanden, die sich dem preulsischen
Militärdienste durch Ranzionierung entzogen und sich unter
Prinz Xaver erst in Ungarn, dann in Frankreich ge-
sammelt hatten, nach Sachsen zurück, und des Königs
Sorge war dahin gerichtet, seine Armee wieder neu zu
^^) Geheimuisse des Sächsischen Cahiaets I, 422.
***) Nach Schuster und Francke a. a. O. II, 80 hätten die
preulsischen Truppen die Schlofswache gemeinsam mit der Schweizer-
garde gegeben.
280 A. von "Welck:
organisieren. Auch die Schweizergarde wurde neu
formiert und dem General o'Meagher wieder unterstellt.
Sol)ald die Neul"ormatif)n heendet war, bezog sie wieder
die Schlolswache, die zunächst nach der Rückkehr der
Truppen die Leibgrenadiergarde übernommen hatte •^^).
Bereits zwei Jahre später — 1765 — starb General
o'Meagher, Sein Nachfolger als Schweizer -Hauptmann
wurde Johann Joseph Baron Griset de Forel""*), ein
Schweizer, der 176G in sächsische Dienste trat, aber.erst
im Januar 1769 zu dieser Stellung berufen wurde. Über
die Zwischenzeit, von 1765 — 1769, fehlen die Nachrichten;
die Stelle scheint offen geblieben zu sein.
Die Eeorganisation der Armee begann, nach den
Vorschlägen des Chevalier de Saxe, am 3. Juli 1763.
Der noch in demselben Jahre erreichte Etat der Schweizer-
garde betrug : 1 Kapitän, 1 Kapitänlieutenant, 1 Premier-
lieutenant, 1 Souslieutenänt, 1 Wachtmeisterlieutenant,
1 Feldscheer, 6 Rottmeister, 3 Pfeifer, 3 Tambours, 8 Spiel-
leute, 4 Zimmerleute, 96 Gemeine-"). In der Haupt-
sache also — namentlich hinsichtlich der Zahl der Ge-
meinen — dem Etat von 1730 entsprechend.
Über die Uniformierung der Schweizergarde in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts giebt die Rang-
liste vom Jahre 1783 die erste spezielle und authentische
Auskunft. Es heilst daselbst auf S. 84:
Schweizerleibgarde-Uniform, a) Parade-Uniform.
Die Officiers hellblaue Röcke, gelbe Aufschläge, Westen,
Beinkleider xmd Unterfutter, die Röcke auf allen Näthen mit breiten
silbernen Tressen besetzt, Schleifen mit (Quasten auf beiden Seiten
des Rockes, auf den Aufschlägen und Taschen, die Westen mit
Tressen, weifse Knöpfe, weifse Federn auf den mit einer silbernen
Point d'Espagne eingefafsteu Hüten.
Die Unteroffiziere imd Gemeinen haben die alte Schweizer
Tracht.
b) Tägliche Uniform.
Die Offiziers blaue Röcke, gelbe Aufschläge, Westen und
Beinkleider, auch dergleichen Unterfutter, die Röcke mit silbonien
Schleifen auf beiden Seiten, auf den Aufschlägen und Taschen be-
besetzt; weifse Knöpfe; Hüte mit silbernen Tressen eingefafst.
Unteroffiziere und Gemeine gelbe Röcke, blaue Auf-
schläge, Westen, Beinkleider und Strümpfe, der Rock mit Borden-
schleifen besetzt; silberne Tressen und Federbüsche auf den Hüten,
weifse Knöpfe, gelbe Mäntel mit blauen Kragen. Das ganze Korps
führt Partisanen luid Säbel.
35) Schuster und Francke a. a. 0. II, 157.
"«) Siehe Personal - Nachrichten Anl. No. I.
") Schuster und Francke a. a. 0. II, 156.
Schweizer Soldtrnppen 1701—1815. 281
Diese Uniform blieb unverändert bis zum Jaliie 1803.
In der Eangliste dieses Jahres wird dieselbe in der nach-
stehenden Weise beschrieben:
Schweizerleibgarde- Ulliform. Gelbtuchene Röcke ; Auf-
schläge, Unterkleider und Strümpfe hellblau. Der Rock mit weifs-
und blaugestreiften Bordenschleifen und Achselbäudern besetzt, weifse
Knöpfe ; Hüte mit silbernen Tressen und darauf gelb- und blaufarbige
Cocarden und Federbüsche. Gelbtnchene Mäntel mit blauen Kragen.
Das Corps führt Partisanen und Säbel, letztere werden in einem mit
Borden besetzten blautuchenen Wehrgehänge getragen. Die Offi-
ziere haben hellblaue Röcke mit gelben Aufschlägen, Unterkleidern
und Unterfutter; besetzt der Rock zu beiden Seiten, Aufschlägen,
Taille und Taschen mit silbernen Schleifen und die Weste mit breiten
Tressen; weifse Knöpfe; silberne Tressen um die Hüte mit Agraffen,
Cordons und weifsen Cocarden. Hiernächst tragen die Offiziere
hellblaue Interimsröcke mit einer Reihe weifser Knöpfe, Kragen
und Aufschläge gelb, silberne Epaulettes und weifse Unterkleider.
Die Gala- Uniform ist die alte Schweizertracht. Die der Offi-
ziere hellblaue Röcke mit gelbseidenen Aufschlägen, Unterfutter
und Unterkleidern, durchaus und auf allen Näthen mit silbernen Lalm-
tressen und gestickten Achselbäudern besetzt; silberne Knöpfe, gelb-
seidne reichbesetzte Wehrgehänge, weifse Federn und Federbüsche
auf den mit einer silbernen Point d'Espagne eingefafsten Hüten."
Es ist hiernach speziell zu bemerken, dafs die
Offiziere drei verschiedene Uniformen, statt der bis-
herigen zwei, erhielten. Aus demselben Jahre wird der
Etat mit 120 Köpfen angegeben und zwar:
1 Schweizer Hauptmann,
1 Wachtmeisterlieutenant,
1 Kapitänlieutenant,
3 Rottmeister,
1 Premierlieutenant,
3 Corporals,
1 Souslieutenant,
3 Tambours,
1 Auditeur,
3 Pfeiffer,
1 Oberfeldscheer,
1 Fourierschütze,
100 Schweizer,
Sa. 120 Mann.
Bei der Reorganisation der Armee im Jahre 1810
blieb die SchAveizergarde bezüglich Etat und Uniformierung
unverändert.
Am 1. April 1814 wurde sie durch das russische General-
gouvernement aufgelöst, nachdem sie am 31. März zum
letzten Male die Wache im königlichen Schlosse bezogen
hatte -^s).
König Friedrich August der Gerechte bestätigte nach
seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft im folgenden
Jahre diese Anordnung des Generalgouvernements. Bei
dem feierlichen Eüizuge desselben aber, der eine der
^'^) Nicht am 31. Januar, wie es bei Klemm, Chronik der
Königl. Sachs. Residenzstadt Dresden (Dresden 1837) S. 637 heifst.
282 A. von Welck:
grolsartigsteii und überwältigendsten Darlegungen der
Liebe und Verehrung aller Klassen des sächsischen
Volkes für ihren König war, erblickte man zum letzten
Male einzelne Vertreter der Schweizergarde in ihrer
Uniform. Wenn es in der „Geschichte der sächsischen
Armee" •^•') heilst: „Die Königl. Schweizer Leibgarde
hatte sich am 7. Juni 1815 zum letzten Male öffentlich
gezeigt. Am Nachmittage genannten Tages nämlich, als
der König Friedrich August von Pirna her seinen Einzug
in Dresden hielt, hatte sie am Dürfe Seidnitz an der Chaussee
in Parade Aufstellung genommen"^*'), so hat dies nur
Bezug auf einzelne Leute, die aus eigener Initiative
dem geliebten Landesherru diese Huldigung darbrachten.
Wir führen zum Beweise dessen ein paar Stellen aus
zeitgenössischen Beschreibungen dieses Einzuges an. So
heilst es in der einen^^): „Vor dem Dorfe Seidnitz hatten
sich wieder einige Reihen treuer Sachsen gebildet. Unter
ihnen Mehrere aus der von dem General- Gouvernement
verabschiedeten Königl. Schweizergarde in ihrer alt-
teutschen Tracht" ; und eine andere*-) berichtet: „Vor dem
Dorfe Seidnitz hatten sich viele wohlgekleidete Einwohner
Dresdens und unter ihnen mehrere Verabschiedete von
der Königl. Schweizergarde in ihrer alten charakte-
ristischen Uniform in doppelter Reihe aufgestellt" etc.
An diesem für Sachsens Geschichte hochwichtigen
Tage zeigte sich zum letzten Male die Uniform, deren
Trägern seit mehr als 150 Jahren die Bewachung der
königlichen Familie und des königlichen Schlosses an-
vertraut gewesen war. Bestand diese Schweizergarde
auch in der letzten Zeit nicht mehr oder doch nur zum
kleinsten Teile aus Söhnen der Schweizer Berge, so hat
doch in ihr die historische Schweizertreue fortgelebt bis
zum letzten Tage ihres Bestehens, und die blau- gelben
Uniformen, die am 7. Juni den königlichen Herrn bewill-
kommneten, Avaren Abschiedsgrülse aus vergangenen Tagen
des Glanzes und der Grölse!
"*) Schuster und Francke a. a. O. HI, B.
'<>) Auch Klemm a. a. 0. S. 649 berichtet dies fälschlicher
Weise.
•*') Des Königs Friedricli Augusts des Gerechten Heimkehr
und Empfang am 7. Juni 1815. Dresden, Hofl)Uc]i(lruckerei, S. 759.
'-) Beschreibung der grofsen Feier bei der Kiickkehr Sr. Königl.
Majestät Friedrich August des Gerechten mit AUerliöchster Familie
in Ihre Residenz Dresden. Am 7. Juni 1815. Dresden, Gärtner.
S. 1(5.
Schweizer Soldtrappen 1701 — 1815. 283
. Alllage I. Personal -Nachrichten
über Schweizer, welche sich in hervorragenden Stellangen in
kursächsischen Diensten befanden.
Franz Noa de Crousaz ^). Geboren 1694, als Sohn des Franz
Daniel de Crousaz und der Judith de Mellet, trat er bereits 1708,
also mit 14 Jahren, in holländische Dienste als Fähnrich in das
Regiment Mestral. Dasselbe nahm im folgenden Jahre an der
Schlacht bei Malplaquet teil und verlor seine sämtlichen Offiziere.
Der 15jährige Fähnrich übernahm das Kommando des Regiments
und führte dasselbe in guter Ordnung aus dem Gefecht zurück. In
dem an die Generalstaaten erstatteten Rapport unterschrieb er sich:
„de Crousaz, enseigne et Commandant du regiment de Metral". Nach
Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges ^vurde die Kompagnie,
bei weicher er als Lieutenant stand, abgedankt, und er begab sich
nach Spanien und übernahm daselbst eine Dragoner- Kompagnie.
Dieselbe gehörte zu den Truppen, mit denen im Jahre 1719 ein
Landungsversuch in Schottland gemacht Averden sollte. Ein heftiger
Sturm zerstreute aber die Flotte, und das Schiff, auf dem sich Crousaz
befand, wurde an die norwegische Küste verschlagen und scheiterte
in der Nähe von Bergen. Gerettet, wurde Crousaz auf Befehl des
Königs gefangen gesetzt. Er erhielt seine Freiheit erst im Jahre
1721 zurück und begab sich sofort in die Dienste des Königs von
Polen und Kurfürsten von Sachsen, der ihm zunächst eine Hauptmanns-
stelle im Kadettenkorps verlieh ^j. Später wurde er Adjutant des
Generals von Milkau und Oberstlieutenant eines Dragonerregiments.
Im Jahre 1739 wurde er in das erste Garderegiment versetzt und
nahm an der Erstürmung von Prag am 25. /26. November 1741 ruhm-
vollen Anteil. Wenn es aber bei May^) heifst: „il monta en 1751
(soll heifsen 1741) ä la tete de ce corps (d. i. des ,premier regiment
des gardes ä pied') ä l'assaut de Prague, et fut le premier, qui
penetra dans cette place du cote de l'attaque des Saxons"*), so ist
dies nicht richtig. Oberstlieutenant de Crousaz kommandierte bei
dieser Affaire eines der vier kombinierten Musket ierbataillone,
während die Erstürmiing der Festung von der Seite des Karlsthores
durch die vier kombinierten Grenadierbataillone, und zwar in
erster Linie durch das erste derselben — Oberstlieutenant Sehdenz —
unter persönlicher Führung des Oberst Graf Cosel, erfolgte. Der
Name de Crousaz wird auch in dem über diese Waffenthat vom
General Graf Rutowsky au den König . gerichteten Rapport nicht
erwähnt^).
^) Crousaz ist eine alte adlige Familie, deren Stammschlofs
gleichen Namens zum Ort Chexbre im Kirchspiel St. Saphorin des
Kantons Waadt gehört.
2) Als solcher nahm er 1730 teil au dem Lustlager bei Zeithain.
^) May, Hist. militaire des Suisses a. a. 0. II, 581.
*) Auch Girard a. a. 0. berichtet in ähnlicher Weise.
"'') Kriegsgeschichtliche Einzelschriften, herausgegeben vom
grofsen Generalstabe, Heft 7: Der Antheil der Kurfürstl. Sachs.
Truppen an der Erstürmung von Prag, 25,|26. November 1741.
(Berlin 1886.)
284 A. Ton Welck:
Im Jahre 1745 Itei'ehligte de Crnusaz die ,. erste Garde" in der
Si'lilacht bei Hoheufriedbcrg. Das Kegimeiit zeichnete sich hier in
heivoiTagender Weise ans und erhielt in Folge dessen die Erlaubnis,
„beständig Ureuadiermarsch zu schlagen""), während Crousaz zum
ülicrst und Kommandeur des Jiegiments ernannt wurde. Unrichtig
ist es, dafs er — wie .May berichtet — am Tage nach der Schlacht
zum General befördert worden sei. Er erreichte diese Stellung
erst im Jahre 1752 und blieb auch als solcher Kommandeur der seit
1748 auf ein Regiment reduzierten ,.Garde"; doch nahm er diese
Stelle nur als Ehrenposten ein.
Im .lahre 1756 teilte er das Schicksal der sächsischen Armee,
die im Lager bei Pirna kapitulieren nnifste. Er stand hier an der
Si)itze des aus 4 Grenadierliataillonen bestehenden Garderegiments,
und sein Name erscheint mit unter dem von den Generälen an den
Minister Graf Brühl erlassenen Protestschreiben vom 14. Oktober
1756^).
General de Crousaz verblieb in Kriegsgefangenschaft bis zum
Friedensschlufs im Jahre 1763.
1766 zum Generallieutenant ernannt, starb er, unverheiratet, am
22. September 1768 in Zeitz. Nach Leu*) wäre er bereits 1763
Generallieutenant geworden und zum „Kommandanten eines in Zeitz
in Garnison stehenden Infanterieregiments" ernannt Avorden. Es ist
dies so zu verstehen, dafs de Crousaz, der — wie wir sahen — seit
1752 Ehren-Kommandeur der Garde war, auch nach dem Friedens-
schlufs und nach der Rückkehr des Regiments in die alten Garni-
sonen diese Stellung beibehielt und die Stabsgarnison Zeitz mit
demselben, welches 1764 den Namen ,.Kurfürst" erhielt, teilte. —
Seine Leiche wurde in der Schlofskirche zu Wittenberg beigesetzt.
Franz de Crousaz. Ein Bruder des Vorigen. Leu schreibt,
er habe sich im Jahre 1734 „freiwillig in die Belagerung von Danzig
begeben" und sei vom König von Polen und Kurfürst von Sachsen
zum Ijieutenant der „grolsen Grenadiere" und „nachdem er sich
folgends in der Schlacht bei Striegau tapfer gehalten und verwundet
worden, zum Hauptmann und im Jahre 1750 zum Major unter dem
Garde-Grenadierregiment ernannt worden."
Johannes Philippus de Crousaz. Auch diesen linden wir
nur liei Leu erwähnt. Es heifst dort von demselben:
Er diente erstlich als Haubtmann unter dem Regiment der
Königin von Engelland in Piemont, bekam folgends eine Compagnie
unter dem Regiment Reding in Frankreich, weiters eine Compagnie
ia ('hursächsischen Diensten unter dem Regiment .Mallerarque, ward
aber A. 1706 in der Schlacht bei Fraustadt von den Schweden ge-
fangen und von dem Herzog von AVirtemberg dem König Carlo XII.
von Schweden recommandiret, der ihn auch zum Obrist Lieutenant
des Regiments von Funk ernannt, und ist er in gleichem Jahre in
der Schlacht bei Kaiisch in dem 21. Jahre seines Alters (?) ge-
blieben.
Hans Heinrich Escher (vom Luchs) von Zürich. Er wurde
1644 geboren als Sohn von Heinrich Escher und Dorothea Maiss
und war der Neffe von .Johann Caspar Escher. (Siehe diese Ztschr. XIII,
") H. V. S., Gesch. der beiden Grenadier-Regimenter, S. 68.
') Geheimnisse des Sachs. Cabinets a. a. 0.
^) Hans -Jacob Leu, AUg. Helvet. Eidgenössisches oder Schwei-
zerisches Lexicon (Zürich 1752).
Schweizer Soldtruppen 1701 - 1815. 285
276 ff.) Das in May's Hist. milit. de la Snisse angegebene Geburts-
jahr — 1648 — ist unrichtig.
1669 oder 1670 trat er in kursächsische Dienste — nicht 1665,
wie May sagt. Er bekleidete zunächst die Stelle als Souslieutenant
der Schweizergarde. Nach May wäre er 1676 Premierlieuteuant ge-
worden ; Leu schreibt, dafs er in diesem Jahre Hauptmann und Chef
der Schweizergarde geworden sei, was ganz falsch ist.
1679 trat er aus der Schweizergarde aus und wurde Oberst-
lieutenant des „Leibregiments zuFufs". Leu sowohl wie May schreiben
weiter, dafs er 1689 Oberst dieses Regiments geworden sei mit Bei-
behaltung der Stellung als Schweizer-Hauptmann und dafs er 1690 den
Kurfürsten Johann Georg III. auf seinen Reisen begleitet habe und
bei dieser Gelegenheit auch nach Zürich gekommen sei. Nach Leu
habe er 1694, nach dem Tode des Kurfürsten, seinen Abschied ge-
nommen und sei nach der Schweiz zurückgekehrt. May hingegen
schreibt, dafs er noch bis 1697 in Sachsen geblieben sei. Als aber
der Kurfürst Friedrich August in diesem Jahre zur katholischen
Religion übergetreten sei, „les quatre cantons reformes rappelerent
leur garde Suisse, que le Colonel Escher ramena dans sa patrie,
ayant quitte en meme temps le service de Saxe".
Wir müssen diese letzteren Angaben ausnahmslos als falsch
bezeichnen. Eine Schweizergarde existierte zu dieser Zeit über-
haupt nicht in Sachsen. Eschers Eintritt in sächsische Dienste mag wohl
zu der angegebenen Zeit — 1669 oder 1670 — stattgefunden haben.
Ebenso kann er 1679 Oberstlieutenant beim Leibregiment geworden
sein. Oberst und Kommandant desselben wurde er aber bereits 1680,
und es scheint, als hätte er schon im folgenden Jahre den Dienst
quittiert und sei nach Zürich zurückgekehrt, da er nach Züricher
authentischen Nachrichten in diesem Jahre — 1681 — als „Quartier-
hauptmann von Trüllikon" (Kommandant des vom Militärbezirk
TrüUikon gestellten Züricherischen Milizkontingents) bezeichnet wird.
Hiermit stimmen allerdings die offiziellen sächsischen Angal)en^)
insofern nicht überein, als erst 1683 ein Nachfolger Eschers im Kom-
mando des Leibregiments — von Schönfeld — genannt wird. Es
ist aber wohl möglich, dafs diese Stelle 1 bis 2 Jahre vacant ge-
halten wurde.
Escher erlangte in seiner Heimath verschiedene Ehrenämter,
und starb 1714. Er liegt beim Grofsmünster begraben. Seine beiden
Gattinnen waren: 1. Anna Dorothea Grebel 1683, f 1698. 2. Anna
Katharina Escher 1700, -1- 1731.
Hubert de Diesbach de Belleroche '•') war der Sohn von
George Nicolas und der Marie Marguerite d'Affry und wurde gegen
Ende des Jahres 1669 geboren.
Er trat 1684 in französische Dienste in das Schweizer-Regiment
Jung - Stuppa und zeichnete sich bei der Belagerung von Landau,
sowie in der Schlacht bei Neerwinden (29. Juli 1693), wo er eine
Grenadierkompagnie befehligte, aus.
**) H. V. S., Geschichte der beiden Sachs. Grenadier-Regimenter.
S. 238.
^*') Diesbach ist eine der ältesten und vornehmsten Adelsfamilien
der Schweiz. Ein Verwandter des hier Besprochenen war öster-
reichischer General der Infanterie und wurde 1722 in den Reichs-
fürstenstand erhoben, als „Prince de St. Agathe".
286 A. von Welck:
16f>8 verliefs er den französischen Dienst und trat 1701 als
Oberstlieutenant der Infanterie in die kursäclisisclic Armee ein. 1711
wurde er zum Kommandanten eines Infanterieregiments ernannt.
Wenn in verschiedenen Scliweizer Werken gesagt wird, dafs Diesbaoh
in Folge seiner vorzüglichen Haltung während der Belagerung von
Stralsund (1714) zum (ieneralmajor ernannt worden sei, so beruht
dies auf einem Irrtum. Noch im Jahre 1730 wird er ofhziell als
Oberst bezeichnet (vergl. S. 273). Er wurde aber, wahrscheinlich
schon 17:i5, Kapitänlieutenant der neu formierten Schweizergarde
und 1730 nach der Schweiz entsendet, um Nationalschweizer für
dieselbe anzuwerben (s. o.).
Nach dem am 1. Februar 1733 eingetretenen Tode des Kur-
fürsten Friedrich August I. (König August IT.) wurde Diesbach
gemeinschaftlich mit dem Grafen ^Va(•kerbartll-Salmour und dem
(leneral Graf Baudissin nach Warschau entsendet, um für die Thron-
folge des Kurfürsten Friedrich August II. zu wirken, eine Aufgabe,
die bekanntlich von Erfolg gekrönt war. Diesbach wurde noch in
demselben Jahre zum Generalmajor und Schweizer-Hauptmann, unter
Beibehaltung seines Infanterieregiments"), ernannt. Aufserdem soll
ihm der Kurfürst in besonderer Anerkennung seiner Verdienste um-
fangreiche Ländereien in der Nähe von Dresden mit Jagd- und
Fischereigerechtigkeit geschenkt haben. 1736 erhielt er den St.
Heinrichsorden und starb im April 1742 unvermählt
Franz Joseph Kicolaus Baron de Griset de ForeP^) wurde 1704
geboren als Sohn des Ratsherrn und Generalkommissarius Nicolas
de Griset de Forel und der N. de Boccard.
Kr wurde 1720 in den Maltheserorden aufgenommen, that aber
erst 1731 Pi'ofefs. Nachdem er die vorgeschriebenen „sechs Züge
gegen den Erbfeind" gemacht hatte, wurde er 1741 zum Hauptmann
der Galeeren und 1746 zum Commenthur von Sulz, Hasselt, Colmar
und TMühlhausen ernannt.
Im vorhergehenden Jahre — 1745 — hatte er, bei Gelegenheit
der Kaiseikrönung Franz 1. in Frankfurt a. M., die Bekanntschaft
des Kurfürsten Friedrich August III. von Sachsen gemacht; derselbe
berief ihn im Jahre 1747 an seinen Hof, um die Erziehung des
Prinzen Xaver zu leiten, ihn gleichzeitig zum Geheimen Rat ernennend.
1753 erhielt er die Stelle eines Generalrezeptors des Maltheserordens
in Deutschland. Er verwaltete dieses Amt bis 1764, wo er, einem
Rufe seines ehemaligen Zöglings, des jetzigen Regenten Prinz Xaver,
Folge leistend, an den sächsischen Hof zimickkehrte und die Stelle
eines (^l)erhofmarschalls und Oberhofmeisters des minderjährigen
Thronfolgers übernahm. Im Jahre 1768 legte er diese Ämter nieder
imd erhielt den Titel als „Kabinetsminister". Als im Jahre 1771
der Bailly von Schönau gestorben war, beanspruchte Griset de Forel
nach dem Rechte der Ancieunetät die Grofsltaillystelle von Branden-
liurg. Sie wurde ihm aber durch den Komthur Rink v. I^aldenstein
streitig gemacht. Obgleich die eidgenössischen Stände für die Rechte
Grisets eintraten und dieser selbst sich anfangs 1776 persönlich nach
") Die sächsische Rangliste vom Jahre 1785, Beil. VI, führt
Diesbach im Jahre 1733 als Chef des Infanterieregiments „Jas-
mund"' auf.
'2) Leu a. a. O. schreibt: ,,Ein altes Geschlecht, welches bei
bald 300 Jahren auch unter dem Namen ,Forell' bekannt ist. Stammt
aus Savoyeii, wo es den Namen Grisetti trug".
Schweizer Sokltruppen 1701 — 1815. 287
Wien begab, 11111 die Entscheidung des Kaisers zu erbitten, so kam
es doch zu einer solchen nicht. Als im Jahre 1777 auch das Grofs-
Priorat von Deutschland ledig Avurde, Avelches ebenfalls von Griset
sowohl wie von Rink beansprucht wurde, welch letzteren der Grol's-
meister nicht bestätigen wollte, während gegen den ersteren die
Ritter der deutschen Zunge agitierten, kam es endlich zu einem Ver-
gleich, dessen Austrag aber Baron Griset nicht mehr erlebte, obwohl
er erst am 6. September 1786 zu Dresden starb.
Jean Joseph Yictor Baron de Griset de Forel, Sohn des
vorigen und der Marguerite de Maillard, wurde 1741 geboren.
1756 trat er in französische Dienste im Regiment Boccard und nahm
an den Feldzügeu in Deutschland von 1757-60 teil. Im November
1760 erhielt er eine Lieutenantsstelle bei den Cent-Suisses und im
September des Jahres 1766 trat er, nachdem er im Frühjahr des-
selben Jahres die französischen Militärdienste quittiert hatte, in die
des Kurfürsten von Sachsen als Kammerherr und Oberst der In-
fanterie. Ob er zu der Zeit bereits wirklich in die Armee eintrat
oder nur den Rang als Oberst erhielt, läfst sich nach den vorhan-
denen Unterlagen nicht genau feststellen; auch die Angaben der
Ranglisten stimmen in dieser Beziehung nicht überein. Jedenfalls
erhielt er erst am 17. Januar 1769 die Anstellung als Schweizer-
Hauptmann, obgleich sein Vorgänger, General O'Meaghre, bereits
1765 gestorben war. Nach der Rangliste vom Jahre 1769 wäre
thatsächlich die Stelle des „Schweizer-Kapitäns" wie die des Kapitän-
Lieutenants" von 1765 — 69 vacant geAvesen. Am 9. Februar 1784
wurde Griset de Forel zum Generalmajor, am 24. Dezember 1790
zum Generallieutenant ernannt.
Am 4. Mai 1799 avancierte er endlich zum General, und in der
Rangliste vom Jahre 1809 wird er als Ritter des Ordens der Rauten-
krone aufgeführt.
Er ist in der Rangliste von 1815 noch aufgeführt, trat aber
in diesem Jahre in Pension ^'^).
Gabriel de Monod de Froidevllle. Geboren am 11. März 1711
in Froideville (Kanton Waadt) von Gabriel M. de F. und der Susanna
de Crousaz de Prelaz. Nachdem er seine Studien in Lausanne voll-
endet hatte , trat er 1727 in holländische Dienste im Schweizer-
regiment Constant, und 1730 auf Empfehlung des Grafen Cosel in
kursächsische, wo er zunächst als , Volontär" eine Verwendung
im Kadettenkorps fand.
Als Oberst Prinz von Nassau im Jahre 1731 ein Kürassier-
regiment errichtete "), stellte er den jungen Schweizer, dessen persön-
liche Bekanntschaft er gemacht hatte, als Kornet in demselben an.
Im folgenden Jahre avancierte er zum 8ouslieutenant, nahm als solcher
1733 an der Kampagne in Polen teil und wurde im Jahre 1735
Premierlieutenant. 1740 trat Prinz von Nassau in preufsische Dienste
ülier'-'') und veranlafste Monod de Froideville ihm dahin zu folgen.
Derselbe erhielt eine Kompagnie in dem neu errichteten Drag(>ner-
regiment Platen und hatte Gelegenheit, sich während der beiden ersten
'3) Ein Bruder von ihm, namens Philipp, soll gleichzeitig
Kammerherr des Kiu-fürsten und im auswärtigen Amt angestellt
gewesen sein.
") Das Regiment wurde am 1. Januar 1748 reduziert und dem
Kürassierregimeut Ploetz einverleibt.
^■') Sein Nachfolger war Oberst von Minckwitz.
288 'A. von Welck:
schlesisclien Kriege, namentlich bei Hohenfriedbeig und Soor, melir-
facli auszuzeichnen. 1744 zum Major ernannt, wurde er im Jahre 1750
Oberstlieutenant im Dragonerregiment von Scliorlemmer und 1755
Oberst dieses Regiments. 1758 avancierte er zum Generahnajor
wurde aber in der Sclilacht bei Zorndorf — 25. August 1758 — so
schwer verwundet, dals er bereits am 9. September in Frankfurt a. O.
starb. — Seine Frau war eine von Kaikreuth. Er hinterliefs keine
Kinder.
Peter Franz de Martines. Er gehört einem alten, aus dem
Kanton Waadt stammenden Adelsgesclilechte an und wurde am
21. Oktober 1721 in Morges am Üenfersee geboren. Sein Vater
war Henri de Martines, seine Mutter Frangoise Catherine de Mar-
tines, Tochter des Seigneur de St. (ieorges. Henri de M. hatte als
Oberst unter König August II. von Polen in sächsischen Diensten
gestanden (s. Seite 106, Anm. 71) und dürfte derselbe sein, der
während einiger Jahre sächsischer Gesandter am spanischen Hofe
war. Nachdem er seinen Abschied genommen hatte , wurde er
„Castellan" zu Morges. Näheres über seine militärische Dienstzeit
konnten wir nicht feststellen.
Peter Franz trat im November 1737 als Fähnrich in das
Infanterieregiment des Grafen von Friesen ein und avancierte in
demselben im Jahre 1745 zum Stabskapitän. Er nahm an den beiden
ersten schlesiscben Kriegen teil und zeichnete sich in den Schlachten
bei Hohenfriedberg und bei Kesselsdorf aus, wo er auch verwundet
wurde.
Als Graf Friesen nach dem Frieden von Dresden, einer Auf-
forderung des Marschalls von Sachsen Folge leistend, in französische
Dienste trat, um daselbst ein deutsches Infanterieregiment zu er-
richten, so folgte ihm de Martines 1747 dahin nach und übernahm
eine Kompagnie in diesem Regiment.
Während der Kämpfe in den Niederlanden zeichnete er sich
mehrfach aus und trat in nähere dienstliche Beziehungen zu dem im
französischen Heere als Graf von der Lausitz dienenden Prinzen
Xaver von Sachsen.
Er nahm im Jahre 1769 seinen Abschied.
Faescli. Eine P>asler Familie, von welcher wir drei Gliedern
in sächsischen Militärdiensten begegnen.
1. Jeremias, Sohn des Bürgermeisters Hans Rudolph F.,
wurde geboren den 24. September 1606, verheiratete sich am 4. Juli
1626 mit der Tochter eines Kaufmanns Passavant aus Burgund uiul
starb 1672. Nach den handschriftlichen Aufzeichnungen des Familien-
Archivs „soll er in der Sächsischen Leihguardi Lieutenant gewesen
sein". Er ist derselbe, der am 20. Oktober 1663 aus Dresden ein
Schreiben an den Rat zu Basel richtet und sich als „Oberwacht-
meister" der „mussquetier leybguardi" unterzeichnet (s. diese
Ztschr. XIII, 246). Da er nachweislich in der Mitte der 50er Jahre
in Basel war, so ist er jedenfalls bei der Anwerbung des Jahres
1659 mit nach Sachsen gekommen.
2. .lohann Rudolph, wurde am 6. April 1680 als 5. Kind
des Jeremias F. und der Margai'etba Birr gel)oren (also nicht ein
Sohn des Obigen). Er zeigte schon von klein auf Interesse und
Talent für Mathematik. 1698 trat er in holländischen Diensten in
das Geniekorps und zog dort durch seinen Fleifs und seine Be-
fähigung bald die Aufmerksamkeit des berühmten Generals Coehorn
auf sich, welcher Chef des Ingenieurkorps war. Durch dessen Für-
Schweizer Soldtrnppen 1701 — 1815. 289
spräche wurde er im Jahre 1706 nach der Belagerung von Meuniii
ziitu Kapitän ernannt. Während der Belagerung von Lille im Jahre
1708, wo er mehrfach Gelegenheit fand, sich auszuzeichnen, lernte
ihn der König August II. von Polen kennen und veranlafste ihn, in
sächsische Dienste als Ingenieurkapitän überzutreten. Er avancierte
1715 nach der Belagerung von Stralsund zum Major, 1728 zum
Oberstlieutenant und im Jahre 1711 zum Oberst und Chef des Ingenieur-
korps. Er verheiratete sich mit Anna Rosa Dunnebierin, des Hof-
baumeisters in Dresden Tochter, und starb am 1. November 1749 in
seinem 69. Lebensjahre, nachdem er kurz zuvor — 1748 — noch
zum Kommandant der Feldbrigade des Ingenieurkorps ernannt
worden war.
Er hat sich durch Abfassung verschiedener wissenschaftlicher
Werke bekannt gemacht, z. B. des Kriegs-, Ingenieur-, Artillerie-
und See-Lexikon, welches zuerst 1726 in Nürnberg erschien. — Jo-
hann Rudolph hinterliefs 5 Kinder. Sein 2. Sohn war:
3. Georg Rudolph. Sein Geburtsjahr war nicht festzustellen.
Die Angaben schwanken zwischen den Jahien 1710, 1715 und 1720'**).
Er trat in die Fufstapfen seines Vaters , indem er sich dem Studium
der Mathematik und der Ingenieur- Wissenschaften widmete. —
Während des ersten schlesischen Krieges diente er als Lieutenant im
Ingenieurkorps und wurde 1745 zum Kapitän desselben ernannt. Als
solcher wurde er vom Herzog von Sachsen -Weifsenfeis vielfach zur
Erbauung von Feldbefestigungen verwendet. Nach dem Tode seines
Vaters avancierte er zum Major und 1756 zum Oberstlieutenant. Er
liefs das befestigte Lager auf der Ebenheit bei Pirna abstecken und
einrichten, in welchem die Armee später kapitulieren mufste. Oberst-
lieutenant Faesch geriet nicht mit in Gefangenschaft, sondern hatte
sich vor Eintritt der Katastrophe auf Befehl des Königs auf die
Festung Königstein in die unmittelbare Umgebung desselben begeben.
Er verblieb als Ingenieur-Offizier vom Platz auf derselben auch nach
der Abreise des Königs. Im Jahre 1766 wurde Faesch Oberst, und
1771 wurden die beiden Ingeuieurbrigaden wieder unter seinem
Kommando vereinigt. 1778 zum Generalmajor ernannt, leistete er
während des bayerischen Erbfolgekrieges hervorragende Dienste,
namentlich durch Auswahl und Befestigung von Stellungen und
Lagern. Der Kurfürst übertrug ihm , seine militärischen Eigen-
schaften hoch schätzend, das verantwortungsreiche und schwierige
Amt eines Generalquartiermeisters.
In der Nähe von Aussig gelang es ihm, mit einer seiner Führung
anvertiauten Kolonne, ein österreichisches Korps von 4000 Mann zu
umgehen und im befestigten Lager zu überfallen, hierdurch aber
der preufsisch-sächsischen Armee einen Einmarschweg freizulegen^'').
Faesch war Ritter des Militär- St. Heinrichsordens und er-
hielt nach dem Frieden von Teschen eine ansehnliche Pension vom
Kurfürsten. Er war verheiratet mit Johanna Margaretha Höpfner,
Tochter des königl. polnischen und kurfürstl. sächsischen Accisrates
Höpfner, welche in erster Ehe mit dem Hofrat Sulzberger ver-
heiratet und die Besitzerin des Rittergutes Klein- Karsdorf war.
'") 1720 darf als richtig angenommen werden.
'■') Handschriftliche Nachträge zum Supplement zu Leu's
Lexikon, zusammengetragen von H. J. Holzhalb. (Zürich 1787. II. Tb.
S. 268.)
Neues Archiv f. S. G. u. A. XIV. 3. 4. 19
290 A. von Welck: Schweizer SoMtruppen 1701 — 1815.
Faesch starb kinderlos am 1. Mai 1787 und ist in Possendorf
beerdigt. Gleich seinem Vater stiftete er sich ein Andenken durch
verschiedene wissenschaftliche Werke, von denen das bekannteste
ist: „Regeln und Grundsätze der Kriegskunst aus den besten
Schriftstellern, welche über diese Wissenschaft geschrieben haben,
in gewisser Ordnung zusammengetragen. 4 vol. Leipzig 1771 — 74." —
Aul'ser diesen Vorgenannten, über welche es uns möglich war,
nähere Angaben über ihren Aufenthalt und ihre Thätigkeit in
Sachsen zu macheu, stufst man in sehweizeiisc^hen Werken noch auf
eine Anzahl anderer Namen, deren Träger als in kursächischen Diensten
stehend, bezeichnet werden, ohne dafs es uns gelungen Aväre, Einzel-
heiten festzustellen. So iindcn wir einen Abraliani von Oraffen-
ried, aus dem alten Bernischen Geschlecht, der KiHl als Cornet in
die ,,Garde-Conipagnie" des Kurfürsten Johann Georg III. trat,
1665 Kammerherr und Ritter des Georgsordens (?) und in dem-
selben Jahre Lieutenant der ,,100 Schweizer" wurde. Nach anderen
Nachrichten wäre er 1666 Cornet unter der „Leilikompagnie zu
Pferde'' und 1669 Trabanten- Hauptmann geworden.
Ferner begegnen wir zwei Vertretern der alten Berner Familie
Steiger: (ieorg Steiger, der 1547 in der Schlacht bei Mühlberg
mit dem Kurfürsten gefangen genommen wurde, und Enianuel Steiger,
geboren 1642 als Sohn des gleichnamigen Vaters. ,.Er war in seinen
jungen Jahren in Kurfürst Johannis Georgii von Sachsen Diensten
gestanden und in einem geheimen Geschäft an den kaiserlichen Hof
gebraucht, auch mit seinem mit Diamanten besetzten Bildnifs nebst
einem kostbaren Ring beschenkt worden." (Nach Leu's Lexikon.)
Er kehrte bald in die Schweiz zurück und starb 1709.
Weiterhin werden erwähnt :
Augustin Roguin (auch Roquin) aus einer alten Familie des
welschen Berner Gebietes. Es wird von ihm gemeldet, dafs er am
9. September 1700 geboren, zuerst bei der Chevaliergarde des Königs
August IL stand. 1733 wurde er bei dem neuerrichteten polnischen
Garderegiment als Hauptmann angestellt; 1734 trat er als Oberst-
lieutenant in sardinische Dienste und fiel 1744 bei der Belagerung
der Redoute von Pietra longa. Nach anderen Quellen wäre er 1720
in sächsische Dienste getreten und hätte dem Feldmarschall v. Flem-
ming wichtige Dienste als Agent bei einigen polnischen Magnaten
geleistet. Zur Belohnung hierfür habe er dann 1728 eine Kompagnie
bei dem i)olnischen Garderegiment erhalten.
Augustin Gabriel Roguin. Er trat 1731 in sächsisch -polnische
Dienste, war dann eine Zeit lang in sardinischon Diensten, kehrte
aber 1758 zurück und wurde Oberst in der polnischen Kronarmee.
Da dieselbe aber an dem Kriege in Deutschland nicht teilnahm, so
trat er als Volontär in die Dienste des Prinzen Ferdinand von
Braunschweig uiul kämpfte unter ihm am Niederrhein.
George de Gingins, Herr von Divonne. Er begann seine
militärische Laufbahn im .fahre 1676 in holländischen Diensten, wo
er an der Belagerung von Mastricht teilnahm. Er trat hierauf in
sächsische Dienste und soll Oberst eines Infanterieregiments, sowie
geheimer Kriegsrat gewesen sein. Als Todesjahr wird 1730 an-
gegeben.
!»"'•
X.
über die älteste Scliiilordiumg der
Kreuzschiile zu Dresden.
Von
Otto Meltzer.
Welch hohe Bedeiituiig für die Schulgeschichte Dres-
dens und unseres engeren Vaterlandes überhaupt der um
1413 von M. Nicolaus Thirmann niedergeschriebenen Schul-
ordnung für die Kreuzschule zukommt, ist von ihrem Ent-
decker und ersten Herausgeber^) bereits nach Gebühr
hervorgehoben worden. Zugleich hat derselbe einige be-
sonders wichtige Thatsachen, die sich aus ihr ergeben,
namentlich die äufserst willkommene Bestätigung für die
hiesige Wirksamkeit des bekannten Peter von Dresden,
ans Licht gestellt. Es möge gestattet sein, ihre Be-
stimmungen hier noch in einigen Beziehungen, hauptsächlich
durch den Vergleich mit anderen Schulordnungen des
ausgehenden Mittelalters-), zu erläutern.
Vor allem ist es erfreulich, dals sie auch über den
Betrieb des Unterrichts einige Auskunft giebt, obwohl
dies keineswegs ohne weiteres vorauszusetzen war, auch
an sich nicht in der Absicht dessen lag, der sie auf-
zeichnete. Waren doch Inhalt und Gang des Unterrichts
fest geregelt durch das Herkommen, gestützt durch die
geheiligte Autorität der Kirche, aus deren Bedürfnissen
und Anregungen er seinen Ursprung genommen hatte.
1) H. Ermisch in dieser Zeitschr. XIII (1892), 346 f.
2) Durchgängig in abgekürzter Form {— Mü.) citiert nach
J.Müller, Vor- und frühreformatorische Schulordmmgen und Schnl-
verträge etc., Abt. 1. 2 (durchgehend paginiert), Zschopau 1885/86.
19*
292 0. Meltzer:
Es mulsten schon ganz besondere Verhältnisse obwalten,
wenn es dahin kam, dals die Schulordnung, wie z. B. in
Wien 1446 (Mü. 56 ff.), zugleich zur Lehrordnung aus-
gestaltet ward. Häufiger wurde das erst, seitdem die
humanistischen Bildungsmittel in den Unterricht einzu-
dringen begannen, und vollzog sich dann allerdings auch
wieder mit einer gewissen Notwendigkeit'^).
Unsere Schulordnung giebt in ihrem letzten Abschnitt
über den „Fast", von dem noch zu sprechen sein wird,
deutlich zu erkennen, dals die Anstalt damals drei Klassen
liatte — eine auch sonst unter ähidichen Verhältnissen
gern vorkommende Zahl^). War es nun zweifellos üblich,
dals in einzelnen Lehrgegenständen mehrere oder alle
Klassen vereinigt unterrichtet wurden, wie dies an der
Kreuzschule selbst bis 1825, an anderen Anstalten noch
länger fortgedauert hat, so darf andererseits doch auch
gewils angenommen w^erden, dafs mindestens die unterste
Klasse in mehrere Abteilungen zerfiel, die in gewissen
Lektionen je nach Bedarf für sich besondere Anleitung
empfingen; gehörten ihr doch gleichzeitig diejenigen Schüler
an, die erst lesen und schreiben lernten, und diejenigen,
die schon die Grammatik nach Donat, bez. nach dem
ersten und zweiten Teile des Doctrinale Alexandri trieben.
Dafs auch hier nur ein Schulziramer für den Unterricht
aller Klassen vorhanden war, und zwar noch einige Zeit
über die Einführung der Reformation (1539) hinaus, ist
schon anderwärts dargelegt worden"').
Die Lehrziele der Anstalt gingen damals über die-
jenigen einer Trivialschule der gewöhnlichen Art ent-
schieden hinaus, — damals, sagen wir; denn in diesen
3) Vergl. z. B. Nördlingen 1499, 1512, 1521, Ulm ca. 1500, Nüin-
berg ca. 1505, Memmingen ca. 1513 (Mü. 119 f. 169 f. 212 f. 125 f.
148 f. 180 f.).
') Vergl. H. Kämmet, Gesch. des deutschen Schulwesens im
Ül)ergange vom Mittelalter zur Neuzeit (Leipzig 1882) S. 185 (wo
übrigens die Sachlage in Bayreuth 14H4 == Mü. 84, 13 f. kaum richtig
aufgefafst ist). Drei Abteilungen, allerdings nach anderen Gesichts-
punkten als hier geordnet, in Landau 1432, sehr ähnlich in Marien-
burg, 2. Hälfte des 15. Jahrb.; besonders kunstvoll durchgeführt in
Wien 1446; ferner in Nürnberg ca. 1505 (es ist dieselbe Schul-
ordnung, die Karamel a. a. O. auszieht, doch anders datiert], iu
Eltville 1520 (Mü. 48. 124. 56 f. 146 f. 348).
^) Vergl. meine Abhandlung .Die Kreuzschule zu Dresden bis
zur Einführung der Reformation'' in den ]\Iittoilungen des Vereins
f. Gesch. Dresdens VII (1886), 13. (= Kr. in den folgenden An-
führungen.)
Schulordnung der Kreuzschule zu Dresden. 293
Dingen konnte allerdings sehr leicht, schon durch einen
der häufigen Wechsel in der Person des Schulmeisters,
eine Änderung eintreten. Das Trivium wurde in den
beiden untersten Klassen absolviert: der vorwiegende
Betrieb der Grammatik giebt der dritten Klasse ihren
Charakter und Namen, derjenige der Logik (Dialektik)
der zweiten; die Rhetorik ist natürlich daneben auch
getrieben worden, stand aber an Bedeutung hinter jenen
beiden Disziplinen allgemein und schon längst erheblich
zurück*^). Die Bücher, deren Benutzung an der Anstalt
aus unserer Schulordnung hervorgeht, sind die in jener
Zeit allgemein üblichen: das Alphabet, die „regulae
pueriles" (des Remigius), Donat und die beiden ersten
Teile des Doctrinale Alexandri'). Freilich enthalten sie
immer erst den grammatischen Lehrstoff, und auch diesen
noch nicht einmal so vollständig, wie er damals hier ge-
boten ward; denn es ist ja auch noch über andere große
lind deyne gramaticcdia gelehrt worden. Nur unterbleibt
besser jede Vermutung darüber, was diesen letzteren
Lektionen wohl zu Grunde gelegt worden ist, während
eine solche für den Unterricht in der Dialektik immerhin
zulässig erscheint: für diesen ist gewifs vor allem an die
Summulae logicales des Petrus Hispanus zu denken.
Der Unterricht der obersten Klasse aber griff in
das Gebiet der eigentlichen „Philosophie" hinüber. Be-
kannt ist, wie z. B. bisherige Pfarrschulen mit den ge-
wöhnlichen niedrigeren Lehrzielen in Liegnitz 1309 und
in Neisse um 1420 eine Erhöhung erfuhren, indem mit
Zustimmung der zuständigen geistlichen Autorität der
ersteren förmlich gestattet ward, dals künftig die „libri
artium grammaticales, logicales, naturales et alii quicunque,
ad quos audientium facultas se extendit", der letzteren,
dafs nicht blofs Grammatik und Rhetorik behandelt würden,
*') Vergl. F. A. Sp echt, Gesch. d. Unterrichtswesens in Deutsch-
land etc. (Stuttgart 1885) S. 114 f.
'^) Im ganzen übereinstimmend mit den Kr. Ifi f. angegebenen
Anschaffungen für zwei Schüler der Anstalt in den Jahren 142'i — 38;
doch fehlt dort das Alphabet, während die Schulordnung das Bene-
dicite und den Cato nicht erwähnt. Dafs übrigens diese beiden
Bücher nicht schon 1413 hier eingeführt gewesen wären, dürfen wir
deswegen gewifs nicht annehmen. Sie werden nur, wie wir dies
für jene spätere Periode betreffs des Cato in beiden Fällen bezeugt
sehen, regelmäfsig an andere Bücher angeschrieben worden sein (das
Benedicite wohl an das Alphabet); damit aber entfiel für die Schul-
ordnung der Aulafs (s. unten S. 304 ff.), ihrer besonders zu gedenken.
204 0. Meltzer:
sondern auch Philosophie. Ähnlich sorgten seit der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts die Augustinerklüster in der
Mark und in Preulsen für ihre Novizen, nachdem diese
in den betreifenden Klosterschulen den ersten Unterricht
genossen hatten, durch jene merkwürdig^e Wanderschule,
die ihnen weitere Ausbildung in Grammatik, Logik,
Philosophie und darüber hinaus allerdings auch noch,
ihrem speziellen Zweck entsprechend, in der Theologie
gewährte^). Dals die bezeichnete Gestaltung der hiesigen
kSchule schon seit einiger — um nicht unbedingt zu sagen
längerer — Zeit bestand, dafür spricht die dem Artikel
über den Past eingefügte Bemerkung, es sei oucli hie
meister Peter und anderen in gleicher Weise damit ge-
halten worden^); ob sie ihren Ursprung einem entsprechen-
den formellen Akte verdankte ^°), wie in Liegnitz und Neisse,
oder ob sie ohne einen solchen aus den Verhältnissen selbst
emporgewachsen ist, mufs dahingestellt bleiben. Auch über
ihre etwaige weitere Dauer giebt das Wenige, was wir
sonst über den Unterricht an der Anstalt bis zur Ein-
führung der Reformation noch erfahren, keine Auskunft ^^).
8) Vergl. H. Kämmel a. a. 0. 45. 77, bez. H. Masius bei K.
A. Schmid, Gesch. d. Erziehung etc. II, 1 (Stuttgart 1892), 339. _
") Immerhin ist es wohl nicht zufällig, dafs sie nicht so weit
ausgreift, wie die zunächst vorangehende über die andenveitigen
Einkünfte der Lehrer (also ist is gehalden hie meister Feter und
allen mynen vorfarn^ als ichs eigintlich undirricht bin).
^*') Die Genehmigung hätte hier der ]\Ieifsner Bischof, bez.
Domscholasticus, zu erteilen gehabt. Die Berechtigimg der Ein-
wände, welche J. Müller in dieser Zeitschr. VIII (1887), 245, vergl. 10,
gegen meine fiüheren Aufstellungen iu dieser Hinsicht erhebt, kann
ich nicht anerkennen. Eine neue Stütze haben die letzteren seitdem
durch die von G. Müller in demselben Bande dieser Zeitschr. S. 278
augeführte Urkunde vom 24. August 1537 erhalten. Die Sache wird
um so klarer, als der Bischof — worauf G. Müller dort keinen An-
lafs hatte näher einzugehen — selbst so noch sich und seinen Nach-
folgern für den Fall einer zwiespältigen Schulmeisterwahl des Rats
das Hecht der obersten Entscheidung wahrt (si tarnen inter vos
aliqua disseiisio fuerit, eam nostro nostrorumque snccessorum decreto
reservamus, eo tanien semper salvo, qiiod etc. etc., heifst es im un-
mittelbaren Anschlufs an die von G. Müller mitgeteilten Worte).
") Yergl. Kr. 1 6 ff. Über die Bücher , die dem Unterriclit in
der eigentlichen riiilosoi)liie zu Grunde gelegt wurden, giebt mit
Rücksicht auf die Universitäten eine lehrreiche Zusammenstellung
0. Kämmel bei K. A. Schmid a. a. O. S. 442 ff. Auf den Schulen —
so wenig zwischen diesen und den Universitäten eine feste Grenz-
linie vorhanden war — kann es sich ja freilich nur um einen ziem-
lich engen Kreis derselben gehandelt haben. In Ulm z. B. erscheinen
gegen 1500 auf diesem Gebiete die Bücher „de auima, physicorura,
de geueratione et corruptione und mctheororum" (Mü. 125).
Schulordnung der Kreuzschule zu Dresden. 295
In Betreff des Kircliendienstes bringt zu dem, was
bisher bekannt war, die Angabe unserer Schulordnung
etwas Neues, dafs speziell diejenigen Schüler der dritten
Klasse, welche ausschlielslich über den ersten und zweiten
Teil des Doctrinale Alexandri Unterricht empfingen, an
den Werktagen die Messen und Vespern zu singen und
zu Chore zu gehen verpflichtet waren. Dafs in dieser
Beziehung ein Unterschied zwischen den Bemittelten und
den Armen unter ihnen bestanden habe, wie betrefi's des
füi' diesen Unterricht zu zahlenden Honorarsatzes, dafür
spricht der Ausdruck der Bestimmung nicht. Dagegen
dürfen wir ihm vielleicht entnehmen, dafs diejenigen
gramatici, die wohlhabend genug waren, um auch noch
an dem besonders zu honorierenden Kursus über andere
große und cleyne gramaticalia teilzunehmen, von jener
Verpflichtung befreit waren und etwa während der Zeit
der Wochengottesdienste diese besondere Anleitung em-
pfingen. Ähnlich dürfte es sich mit der untersten Ab-
teilung dieser Klasse, den ersten Anfängern, verhalten
haben. Anderwärts wenigstens finden wir wiederholt
gerade sie von dieser Art des Kirchendienstes ausdrück-
lich befreit ^■^). Die Gründe dafür sind leicht ersichtlich
und waren schliefslich überall dieselben.
Der eigentliche Zweck der Ordnungen für Schulen
der entsprechenden Art, bez. der Anstellungsverträge für
ihre Leiter, war im allgemeinen, das Aufsichts-, Besetzungs-
und Kündigungsrecht der städtischen Behörde zu wahren,
unter Umständen den betreffenden Schulmeister noch aus-
drücklich zu verpflichten, dafs er mit seinen Untergebenen
nur bei ihr Recht nehme, dabei ihm ein angemessenes
Einkommen zu sichern, aber auch zugleich die Schüler
vor ungerechtfertigten Anforderungen, aulserdem even-
tuell vor Ausschreitungen bei der Züchtigimg zu schützen.
Wenn in unserer Niederschrift diese Verhältnisse zum
guten Teil nicht berührt werden, so mag ein Grund dessen
darin zu suchen sein, dafs dieselben hier durchaus fest
geordnet waren, wie in der That aus dem erhellt, was
sonst über die Geschichte der Schule in dieser Periode
bekannt ist. Dazu kam, dals gerade der Schulmeister —
1-) Nürnberg ca. 1505, Nördlingen 1512, Memmingen 1513
(Art. 9, verglichen mit der in Art. 3 gegebenen Klasseneinteilung),
s. Mü. 147, 9. 30; 171, 20 (vergl. 218, 19 für das Jahr 1521); 185.
In Stuttgart 1501 nahmen die novitzen zunächst nicht am Gesang-
uuterricht teil (Mü. lo-l), also auch nicht am Kirchendienst.
296 0. Meltzer:
und gleichzeitige Stadtsclireiber — selbst die Eintragung
in das Stadtbuch vollzog. Konnte es sich doch am Ende
in dieser Form nicht wohl um mehr handeln, als einer-
seits die Forderungen festzustellen, zu denen er und seine
Gehilfen speziell gegenüber den Schillern durch das Her-
kommen mit Genehmigung der Stadtbehrjrde berechtigt
waren, andererseits aber auch die Grenzen, welche sie
in dieser Hinsicht nicht überschreiten durften.
Die damaligen Einkünfte des Dresdner Schulmeisters
und seiner Gehilfen setzten sich aus recht mannigfaltigen
Bestandteilen zusammen. Von nicht wenigen unter ihnen
erfahren wir durch unsere Schulordnung zum ersten Male,
dais sie hier in Übung gewesen sind, während andere,
aus dem Kirchendienst herrührende, die damals schon
bestanden (Kr. 20 — 29), aus naheliegenden Gründen
keine Erwähnung in ihr gefunden haben.
Die Stadt als solche gab dazu in kehier Form etwas,
und das ist auch bis wenige Jahre vor der Einführung
der Reformation so geblieben (Kr. 18). Auch anderwärts
treten erst etwa seit der Mitte des 15. Jahrhunderts
Bestimmungen der Art an den Tag, dals etwa die be-
treffende Stadtgemeinde aus ihren Mitteln dem Schul-
meister einen Zuschuls zu seinem Einkommen giebt'").
Im Anschluls an derartige Gewälirungen , nicht selten
aber auch ohne solche, nur in Verbindung mit erneuter
Feststellung oder mit einer Erhöhung der Schulgeldsätze ^•*),
findet sich dann zugleich gern die Bestimmung, dafs die
zahlreichen, an äuisere Anlässe geknüpften kleinen Ab-
gaben der Schüler an die Lehrer ganz wegfallen oder
wenigstens beschränkt werden sollen. Unsere Schul-
ordnung zeigt also in dieser Hinsicht noch ganz den alten,
ursprünglichen Zustand ^•^).
") Z. E. Nördlingen 1443 (1451), 1472, 1499 (1505), Emmerich
1453, Überlingen 1456, 1472, Meramingen 14fi9, Sclilettstadt ca. 1509
(Mü. 50 f. 87 f. 117 f. 293. 67 f. 89 f. 85 Anm. 163).
"} Z.B. Nürnberg 1485 und ca. 1.505 (liier: vnnd damit sollen
alle vnnd jede andere zufell vnnd klaine schulrecJit anfcjehoben vnd
die kein schiilcr mer zc gehen schuldiq sein), Sclileiz 1492, Frei-
biirg i. Br. 1517 (Mü. 104 und 153, 13 f. 113. 192).
'•'') Allerdings scheint auch liier sehr bald eine Änderung in
der oben bezeichneten Richtung getroffen worden zu sein: für die
zwei in Anm. 7 schon erwähnten vermögenden Bürger.ssöhne, welche
zwischen 1425 und 1438 die Schule besuchten, verzeichnen die Vor-
muudschaftsrechnungen die Zahlung eines weit höheren Schulgeldes
(precium) an den Schulmeister, nämlich 20 Groschen jährlich,
Schulordnung- der Kreuzschule zu Dresden. 297
Allem anderen voraus waren damals dem Schul-
meister vierteljährlich 2 Groschen zu zahlen von icdlchem
hiirgers sone, der habende ist; Arme zahlten also nichts.
Diese Abgabe ist das Schulgeld im eigentlichen Sinne.
Der gleiche Satz findet sich mehrfach unter entsprechenden
Verhältnissen, übrigens zum Teil ohne jedwede Beschrän-
kung^*'). Wenn hier überhaupt nur Bürgerssöhne als
zahlungspflichtig erwähnt werden, so mag die Vermutung
gestattet sein, dals der Zuzug von auswärts zur hiesigen
Schule durchgängig nur das Kontingent der einheimischen
armen Schüler verstärken half. In der That ist nichts
bekannt, was darauf schlielsen liefse, die Dresdner Schule
habe in jener Zeit nach aulsen hin auf besser situierte
Kreise eine besondere Anziehungskraft ausgeübt"). In
während daneben für jeden nur noch zweimal 2 Groschen incepcio-
nales (s. unten S. 306) an die Locaten entrichtet worden sind. (Kr. 19;
die daselbst aufserdem erwähnte Ausgabe: 30 gr. dem baccularius
zcu vortringken , das er Fabiano geresumiret had, bezieht sich,
wie ich jetzt sehe, auf einen privaten Wiederholungskursus, den der
betreffende Schüler bei einem der Unterlehrer genommen bitte und
der natürlich besonders zu honorieren war.)
'") Von jedem 2 Gr. vierteljährlich in Eger ca. 1350, in Lands -
hut ca. 1407, von Vermögenden in Frankfurt a. 0. 142'S-, von Wohl-
habenden 2 Gr., von „Mittelmäfsigen" 1 Gr., von Armen nichts in
Bautzen 1418 (Mü. 23. 33. 47. 38 f.) Die Bautzner Schulordnung
hat von J. Müller am letztgenannten Orte, trotz seiner Bemühungen
um die Auffindung einer besseren Unterlage, leider nur nach dem
recht mangelhaften Abdruck in der „Nachlese Oberlausitzischer Nach-
richten" etc. (Zittau 1771) S. 94 f. wiedergegeben werden können;
der Verfertiger der Abschrift, die dort zu Grunde liegt, hat augen-
scheinlich seine Vorlage vielfach nicht richtig gelesen. Aufser dem
von J. Müller angeführten Auszug bei Chr. Schöttgen, Der löbl.
Buchdrucker- Gesellschaft zu Drefsden Jubel Geschichte, A. 1740,
S. 6 giebt es aber auch noch einen Abdruck bei C. Wi Icke, Chronik
der Stadt Budissin (1843) S. 134 f. Dieser ist man zwar nicht
weniger mangelhaft, als der oben genannte, giebt aber doch in
einigen Punkten Fingerzeige nach der richtigeren Lesung hin.
H. Heyd en, Beitr.z. Gesch. d. höheren Schulwesens in der Oberlansitz,
Zittau (Progr.) 1889, S. 21, Anm. 80 spricht von zwei Abschriften,
darunter einer im Bautzner Ratsarchiv (Rep. IV. Sect. III Aa. Nr. 1),
ist aber der Sache leider nicht weiter nachgegangen. Nach freund-
licher Mitteilung des Herrn Seminardirektors Dr. J. Müller in
Bautzen befindet sich eine alte Abschrift auch in der Bibliothek der
Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz. Es Avürde eine recht
dankenswerte Aufgabe sein, diese interessante Schulordnung ,_ wenn
sich denn das Original durchaus nicht wieder auffinden läfst, wenigstens
in möglichst zuverlässiger Form wiederherzustellen.
") Mindestens kommen für die Beurteilung der Thatsache,
dafs Job. Drändorff aus Schlieben (Kr. 34. 55 f.) unter Meister Peter
die hiesige Schule besucht hat, besondere Verhältnisse in Betracht.
298 0. Meltzer:
anderen Schulordnungen wenigstens wird nicht selten
auch der zahlungsfähigen Auswärtigen ausdrücklich ge-
dacht^«).
Die Abgabe der nßtriheheller — hier 2 Heller von
jedem Schüler zu Pfingsten, Michaelis, Weihnachten und
Ostern — hängt mit den mehrtägigen Unterbrechungen
zusammen, welche der Unterricht, abgesehen von den
zahlreichen einzelnen Feiertagen, anlälslich der genannten
hohen Feste erlitt, während der Begriö" der Ferien im
heutigen Sinne jener Zeit ja allerdings noch in keiner
Weise geläufig war. Diese Unterbrechungen ergaben
zugleich eine angemessene Gliederung des Schuljahres
und der Lehrkurse. Die Abgabe kommt auch sonst nicht
selten vor, in der Eegel in ähnlich geringer Höhe, zum
Teil zu den gleichen Terminen, zum Teil seltener im
Jahre zahlbar. Ob mit dem „Austreiben" hier die eigent-
tiimliche Ceremonie verbunden war, die anderwärts noch bis
in das laufende Jahrhundert herein bestanden hat, lälst
sich nicht sagen ^'*).
Dem Schulmeister gebührten weiter unter der Be-
zeichnung laßhelle?- von jedem Schüler zu Martini (11. No-
vember), Blasii (3. Februar), Philipp! (1. Mai) und Bar-
*ä) Zahlende Eiuheimische und Auswärtige werden erwähnt in
Marienhurg, -i. Hälfte des 15. Jahrhunderts, in Überlingen 1456, bez.
147'^, Lüneburg 1482, Schleiz 149:i, Nördlingen 1499, bez. 1505,
Stuttgart 1501, Freiburg i. Er. 1517 (Mü. 124. 67, bez. 90. 335
Anm. 113. 117 f. 133. 192). In der merkwürdigen Zwickauer Schul-
ordnung von 1523, welche bestimmt, dafs der Schulmeister vom Rat
zu besolden, das Schulgeld aber an den letzteren einzuzahlen ist,
werden vermögende Auswärtige sogar mit dem Doppelten des Be-
trags belegt, den vermögende Einheimische zu zahlen hatten
(Mü. 247).
'■^) Die beste Zusammenstellung dessen, was über die Sache
liekannt ist, giebt J. Müller in dieser Zeitschr. YIII (1887), 2ö2.
Auch in Bautzen 1418 wurde, wie hier, zu Ostern, Pfingsten, Michaelis
(gemeine Woche) und Weihnachten 1 Pfennig gezahlt, aber an den
Kantor, und zwar nur von Bemittelten, während Arme frei waren,
in Eger ca. 1350 gab jeder Schüler viermal jährlich 1 Pf., in Schleiz
wurde das Austreibegeld — 2 Pf., von denen jedoch nicht zu ersehen
ist, wie oft sie entrichtet worden sind — 1492 abgeschafft (Mü. 23. 113).
Auch in Nürnberg wird e.^, Avie in der von J. Müller a. a. 0. an-
gezogenen Scliuhirdnung von 1405, so in derjenigen von ca. 1505
noch einmal ausdrücklich als abge.schatt't erwähnt. Die Abgabe in
Brugg ca. 1505 bei Mü. 137, 21 dürfte nach ihrem einen Teile gleich-
falls hierher zu ziehen sein, desgleichen diejenige zu 2 Pf. zu
Ostern, Pfingsten und Weihnachten an den Jungmeister in Landshut
ca. 1407 und je an den betreffenden „Stampnal" in Nördlingen 1443
(Mü. 34. 51).
Schulorflmmg der Kreuzschule zu Dresden. 299
tholomäi (24. August) von jedem Schüler 2 Heller. Ihre
Erklärung bot zunächst eine gewisse Schwierigkeit Eine
Abgabe namens laßgelt fand sich in Höhe von 2 Pf.,
übrigens ohne dals sich erkennen liefs, wann und wie oft
sie fällig gewesen war, nur noch für Schleiz 1492 be-
zeugt, wo sie eben damals abgeschafft ward. Schlielslich
stellte sich noch etwas Entsprechendes für Osterwieck
ca. 1450 heraus, wo zu Walpurgis und Bartholomäi to
adder peyinighe von Eeichen 2 Pf. zu zahlen waren,
von Armen die Hälfte. Es handelt sich nämlich bei dem
„Lassen" um das Aderlassen. Für diesen Gebrauch des
Wortes und seiner zahlreichen Zusammensetzungen, welche
letzteren hiermit um eine neue vermehrt werden, möge
ein Verweis auf die Wörterbücher von Lexer und Grimm -^)
genügen. Welch wichtige Rolle bis in eine nicht allzu
fern hinter uns liegende Zeit Aderlassen, Schröpfen,
Purgieren-^) und die ihnen zu widmenden Tage gespielt
haben, ist ja im allgemeinen bekannt, und die in unserer
Schulordnung angegebenen Zahlungstermine für den Lals-
heller finden sich sogar an höchst beachtenswerter Stelle
ausdrücklich als solenne Aderlafstage bezeugt. Außer-
ordentlichen Einfluss auf die Anschauungen und die Lebens-
führung der weitesten Kreise hat im ausgehenden Mittel-
alter und noch lange danach das um 1100 in Salerno
entstandene „Regimen sanitatis" (auch „Flos s. Lilium
medicinae") ausgeübt-"). In der mir vorliegenden Aus-
gabe desselben finden sich nun — ohne dafs ich freilich
zu sagen vermöchte, ob sie dem ursprünglichen Bestände
angehören oder eine der Erweiterungen sind, die das im
Laufe der Zeit vielfach überarbeitete, auch in mehrere
Landessprachen übertragene Werk erfahren hat — im
15. Kapitel „Flebotomia" unter Artikel 5 „Tempus
lectionis" die Verse (1739 f.):
-°) Eiue Anführung hei Grimm u. d. W. „Lafstafel" nennt
u. a. auch den Martinstag als Aderlafstag. Dafs die Schleizer Schul-
ordnung neben dem Lafsgeld auch noch ein Ahlafsgeld nennt, sei
übrigens hier noch besonders erwähnt.
2^) Über Purgiertage in Meifsen (und eine Abgabe , allerdings
anderer Art) s. Th. Flathe, St. Afra (Leipzig 1879) S. 306; vergl.
für Grimma K. J. Röfsler, Gesch. d. K. Fürsten- und Landesschule
Grimma (Leipzig 1891) S. 111.
22) Vergl. J. Bauer, Gesch. der Aderlässe (München 1871)
S. 111 ff. J. Häser, Lehrbuch d. Gesch. d. Medizin I (2. Aufl., Jena
1851), 284 f. Für mehrfache Nachweise auf diesem Geldete bin ich
Herrn Geh. Medizinalrat Dr. Merbach hier zu Dank verpflichtet.
300 0. Meltzer:
Martini, Blasii, Philii)pi, Bartlioluiiiaei
Veiias praecidas-^), ut longo tempore vivas.
Es wurde also hier einstmals an diesen Tagen den Schülern
zur Ader gelassen, und darauf bezog sich die Abgabe.
AVelche Bewandtnis es im einzelnen damit gehabt hat,
lälst sich allerdings vorläufig nicht nachweisen.
Unter dem Titel kernheller waren hier %if' Margarete
(13. Juli) von Reichen G Heller an den Schulmeister zu
zahlen, von Armen die Hälfte. Diese Abgabe ist auch
anderwärts vielfach, zum Teil ausdrücklich für denselben
Termin, bezeugt; sie hängt zusammen mit der früher
weit verbreiteten Sitte, die geistigen Getränke (Wein,
Met, Bier) mit allerlei Ingredienzien zu würzen, teils um
des Wohlgeschmacks willen, teils wegen wirklich oder
vermeintlich heilsamer Wirkungen. So wurden u. a. dem
Bier gern Kii'schkerne beigesetzt, und diese hatten die
Schüler dem Schulmeister zu liefern oder dafür die ent-
sprechende Zahlung zu entrichten"^).
-3) So ist gewiis zu lesen, nicht „praecidant", wie die oben
berührte Ausgabe (Collectio Salernitana ossia Docuraonti inediti etc.,
pubblicati a cura di Salv. de Benzi, tom. 1, Napoli X't^'ri) bietet.
-*) S. die Nachweise über den Zweck der Lieferung bei J.
Frank, Antiquar. Bemerkungen zu einer Studienordnung d. latein.
Ratsschule zu Landau i. d. Pfalz vomJahre \A'il (Progr. d. Lateinschule
zu Edenkoben), Speier 1874. Kerne (ohne nähere Bestimmung) er-
hielt der Schulmeister in Landshut ca. 1407; in Landau 1432 von
den obersten Schülern bis zu G Pfund , von den übrigen nach Ver-
hältnis; in Bayreuth 1464 im Sommer von den Schülern der oberen
Abteilung 6 Pfund AVeichselkerne oder 4 Pfennig von denen der
unteren die Hälfte; in Marienburg, 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts,
einen Becher voll oder 4 Pfennig; in Schwäbisch -Hall 1513 von
jedem 1000 aufgeklopfre Kirschkerne oder 2 I'fennig, dagegen nichts,
wenn die Kirschen nicht geraten waren; in Gerolzhofen 1445 war
die — nicht näher bestimmte — Abgabe in das Belieben der Schüler
gestellt (Mü. 33. 48. 84. 125. 176. 281). Blofs die Geldabgabe wird
eiwähnt in Hamburg ca. 1456, desgl. in Schleiz 1492, allerdings nur
anläfslich der Aufhebung, seclis pfennig auff Margarethe kerngelt
(Mü. 70. 113); als aufgelioben wird sie a\ich genannt in Nürnberg ca.
1505, und gewifs ist in der entsprechenden Partie der Nüniberger
Schulordnung von 1485 auch kerngelt, nicht korngelt zu lesen
(Mü. 153. 104, 21). Ich bin auch fest überzeugt, dafs das Original
der Bautzner Schulordnung von 1418 (s. oben Anm. 16) nicht von
einem halben topf mit geschlagenen kornniehl oder von einem
hellertopf roll kor^i gesprochen hat, wie es in den Abdrücken bei
Mü. 39 und AVilcke heifst, sondern von einem solchen Mafs voll ge-
schlagener (aufgeklopfter) Kerne, bez. von der Geldabgabe, die dafür
nach Johannis Baptistä, also zur Kirschenzeit, an den Schulmeister
zu zahlen war.
Schnlordmmg der Kreuzschule zu Dresden. 301
Als Beitrag zur Heizung der Schule erhielt der
Schulmeister jährlich vor liolcz 2 Groschen von jedem
Schüler, wie wir in Ermangelung jedes Zusatzes zu der
Bestimmung jetzt (gegen Kr. 20) doch wohl annehmen
müssen. Die Lieferung in natura wird nicht ausgeschlossen
gewesen sein; wenigstens ist sie in den Jahren 1425-38
für die beiden schon mehrfach erwähnten Schüler so er-
folgt (Kr. 19), und im Anfang dieses Zeitabschnitts
kostete das Fuder Holz, das jährlich einmal geliefert
ward, hier in der That genau 2 Groschen, um dann aller-
dings rasch um die Hälfte und mehr, ja bis auf das
Doppelte des Preises zu steigen'-'^).
Wenn M. Nicolaus Thirmann sagt, dafs meteheUer
bei ihm nicht genommen worden seien, so bezeugt er
damit, dafs diese Abgabe hier bis auf seinen Amtsantritt
üblich war, verzichtet aber auch zugleich durch seinen
Eintrag ins Stadtbuch ausdrücklich auf ihre weitere Er-
hebung. Dieselbe ist mir nur noch einmal, in der Bautzner
Schulordnung von 1418, vorgekommen-*^). Dafs sie ihren
Namen von dem Met, dem Getränk, hatte, kann nicht
W'Ohl bezweifelt werden. Aber auf alle weiteren Fragen,
die an ihre Erwähnung hier geknüpft werden möchten,
giebt es zur Zeit noch keine Antwort.
2">) Bestimmungen über die Beiträge der Schüler zur Heizung
der Schule bietet J. Müllers Sammlung in grofser Zahl. Sehr ge-
wöhnlich war es — wie hier und da wohl noch bis nahe an unsere
Zeit — , dafs während der Heizperiode jeder täglich ein Scheit Holz
mitzubringen hatte, oder es war die Lieferung einer gröfseren Quan-
tität auf einmal oder eine Geldzahlung zur Wahl gestellt, zuweilen
ist auch blofs von einer Geldzahlung die Rede — alles dies übrigens
nicht selten unter Ansetzung eines niedrigeren Betrags oder unter
völligem Erlafs für die Armen. In Gerolzhofen 1445, wo die Lie-
ferung in natura den Einheimischen je nach Vermögen vorgeschiieben,
eine Geldzahlung dafür aber ausdrücklich ausgeschlossen wurde,
durften Eltern, denen jene nicht genehm war, eigentümlicher Weise
ihre Söhne sogar vom Schulbesixch fernhalten (Mü. 281). An manchen
Orten lieferte die Stadt das Brennmaterial ganz, unter Umständen
mit der Bestimmung, dafs dafür eine von den Schülern zu leistende
Zahlung auf das Rathaus einzuliefern sei (Mü. 47), anderwärts gab
sie wenigstens einen Beitrag dazu. Vereinzelt wird dem Schulmeister
gestattet, dafs er sm stobell zu rechter zytt auch damit wormen
möge (Landau 1432); häufiger noch findet sich die nachdrückliche
Warnung davor, das Holz irgendwie anders als zur Heizung der
Schulstnbe zu verwenden (Mü. 48. 84. 88. 117. 191).
"*') Nach dem bei Mü. .38 f. wiedergegebenen Abdiuck — Wilcke
giebt die Stelle in stark abweichender I'assung — : zu unser liehen
f'rowen ivorzwey (15. August , Maria Himmelfahrt) 1 methe heller
dem rectori etc.
302 0. Meltzer:
Die beiden nächsten Abschnitte unserer Schulordnung
handeln von den Einkünften der Locaten und des Öignators.
Sie bringen einen neuen Beweis dafür, dafs eine vielfach
gehegte und betreflfs der Kreuzschule früher auch von
mir (Kr. 18) vertretene Anschauung doch zu beschränken
ist, die Ansicht nämlich, dals der Schulmeister seine
Gesellen, wie er sie ganz nach eigenem Ermessen anzu-
nehmen und zu entlassen hatte, so auch aus den ihm
allein zuflielsenden Einnahmen für den Schuldienst zu
besolden gehabt habe. Hier, wie mehrfach anderwärts"'),
sind vielmehr auch ihnen solche — abgesehen von Ein-
nahmen aus kirchlichen Verrichtungen, Vermächtnissen
u. dergl. — unmittelbar zugeflossen.
Die Zahl dieser Hilfskräfte des Schulmeisters war
natürlich je nach den Verhältnissen verschieden. Wenn
H. Kämmel (a. a. 0. 131) meint, in der von ihm behan-
delten Periode habe wohl keine Schule deren mehr als
vier gehabt, so trifft dies nach den uns vorliegenden
Schulordnungen im allgemeinen zu'-^), und an eine höhere
Zahl ist, einschließlich des Signators, auch für die hiesige
Schule gewils nicht zu denken. Aus Gründen, deren
Darlegung weiter unten besser am Platze sein wird,
möchte ich sogar lieber annehmen, dals es damals ein-
schlielslich des Signators nur drei waren, also nur zwei
Locaten in der engeren Bedeutung, in welcher unsere
Schulordnung den Ausdruck anwendet.
Die Locaten erhielten von jedem vermögenden Schüler
vierteljährlich 1 Groschen-"), d.h. doch wohl jeder Locat
von den Insassen der ihm speziell überwiesenen Ab-
teilung. Diese ist gleich derjenigen, Avelche der Schul-
meister für sich in doppelter Höhe an erster Stelle em-
-') Z. B. in Eger ca. laöO, in Bautzen 1418, in Frankfurt, a. 0.
1425 (in diesen beiden Fällen mit einer Natnrallieferung zur Wahl
gestellt), in Nördlingen 1443, bez. 147;i, und 1499 (iriü.ö), in Über-
lingen 1456, bez. 147;;?, in Bayreuth 1464, in Stuttgai't 1.5U1 (Mü. ;^8.
39. 47. 51, bez. 87 und 117 f. 68, bez. 90. 83. 134 f.), zum Teil aller-
dings nach merklich geringeren Sätzen und mit der Tendenz, auch
in dieser Hinsicht (vergl. oben S.296) durch feste Abgaben zn bestimm-
ten Terminen alle weiteren, an besondere Anlässe geknüpften Zahlungen
zu beseitigen.
-*) In Nüniberg bei St. Laurentii gab es 1485 allerdings fünf
(Mü. 103).
"") Bautzen 1418 zeigt für den Fall,, dafs die Form viertel-
jährlicher CJeldzalilung beliebt wurde, denselben Satz, wovon der be-
treffende Locat allerdings 1 Bf. an den Signator abzugeben hatte.
Scliulordnung der Kreuzsclmle zu Dresden. 303
pfiiig, als das ihnen gebührende „Schulgeld" im eigentlichen
Sinne zu betrachten.
Demnächst bezogen sie alle drei Wochen von jedem
Vermögenden 2 Heller, von den Armen 1 Heller ='°). Ich
möchte diese Zahlung am ehesten mit derjenigen ver-
gleichen, die in Stuttgart 1501 unter dem Namen Kapitel-
geld üblich war'^^).
Weiter wird bestimmt : Item sanghlieller super festum
Katherine 1 gr. Wie anderwärts, wo eine entsprechende
Zahlung, zum Teil auch ausdrücklich für denselben Tag
(25. November), angeordnet wird"^-), hat es sich hierbei
jedenfalls um eine Vergütung an den Kantor gehandelt,
soweit die Schüler am Gesangunterricht teilnahmen. Der
Titel Kantor hat sich nun zwar für einen der Schul-
gesellen in der Zeit vor der Einführung der Heformation
hier noch nicht nachweisen lassen; einer derselben muls
aber doch die Funktionen eines solchen ausgeübt haben.
Anderwärts war der Kantor nicht selten der nächste
nach dem Schulmeister; hier weisen die Bestimmungen
von 1539 (Kr. 21) das Amt und nunmelu' auch den Titel
dem zweitnächsten zu.
^°) An Stelle der eigentümlichen Abkürzung, die hier im Text
steht, hatte der Herr Herausgeher zunächst vermutungsweise nihil
eingesetzt; doch hat er inzwischen erkannt, dafs so (I heller) zu
lesen ist.
ä') Mü. 134 f. Dort hatten der Provisor, d. i. der erste unter
den Schulgesellen, der Kantor und die Locaten von jedem Schüler
für jedes durchgenommene Kapitel 3 Heller zu bekommen , wobei
übrigens die Mahnung nicht unterlassen wird , nicht kursorisch zu
lesen, sondern nur nach dem Ermessen des Schulmeisters und so,
wie es für die Ausbildung der Schüler wirklich erspriefslich sei.
Daneben bekam auch dort der Provisor Schulgeld und der Kantor
ein Honorar für den Gesangunterricht; die Locaten, selbst Schüler,
waren allerdings ausschliefslich auf das Kapitelgeld angewiesen.
In Eger ca. 1350 erhielten die Locaten alle Montage von jedem
Schüler 1 Pfennig („Wochenpfennige"), in Landshut ca. 1407 der
„Jungineister" je am vierten Montag von jedem 1 Pfennig (Mü.
23. 34).
^^) Zu Cathariuä gaben in Bautzen 1418 diejenigen, die man
setzt zu dem cantori — so ist sicher zu lesen, im übrigen sind auch
hier die Angaben in Verwirrung — , eine Abgabe in drei Abstufungen,
in Schleiz 1492 nach altem Herkommen jeder, der im gesange sitzet,
1 neuen Groschen, und diese Zahlung blieb dort auch bestehen,
während nicht wenige andere eben damals abgeschafft wurden (Mü.
39. 113). Aufserdem s. über Zahlungen der Teilnehmer am Ge-
sangunterricht in Überlingen 1456, bez. 1472, Hamburg ca. 1456,
Marienburg, 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts (hier „im Advent"), Stutt-
gart 1501: Mü. 68, bez. 90. 70. 125. 134.
304 0- Meltzer:
Zum nmven iare und ziim iarnuirglde sive Johannis
haptüte'^'^) hatten bemittelte Schüler an die Locaten
jedesmal 1 Groschen zu entrichten, ~ Zahlungen, wie
sie auch sonst nicht selten vorkunimen.
Die luchteheller — unter welchem Titel super festum
puriiicadonh (sc. Mariae = Licht nieis, 2. Februar) den
Locaten von jedem bemittelten Schüler 2 Heller, von den
armen 1 Heller zukamen — hatten mit der Beleuchtung
des Schulzimmers nichts zu schatten. Ist es doch hier
bis 184G so gewesen, dals zu diesem Zwecke jeder mit-
brachte, was er eben wollte oder hatte'^^). Vielmehr
handelt es sich um eine auch sonst häufig bezeugte Ab-
gabe, die mit der Kerzen weihe, bez. Prozession, an dem
bezeichneten Tage zusammenhing. Anderwärts empfing
dieselbe allerdings in der Regel der Schulmeister, sei es
in Gestalt einer vollständigen Wachskerze oder wenigstens
des Restes, der übrig war, nachdem sie der Schüler bei
der kirchlichen Feier getragen hatte, sei es in Gestalt
eines entsprechenden Geldbetrags^'').
Der an letzter Stelle verzeichnete Einnahmeposten
der Locaten erweckt schon dadurch ein besonderes Inter-
esse, dals er die verhältnismälsig wenigen bekannten
Beispiele für den Gebrauch, auf dem er beruht, um ein
neues vermehrt. ,Es hatten vor deme anhehin der buchere,
die nicht hiicJiere ivider die locaten Muffen, zu bezahlen
von deme alpjliabetli und von der rcgil je 1 Groschen,
vom Donat und von deme prima parte je 2 Groschen.
33) über die Feier des .lolioiinisfestes hier und den im Aiischlufs
daran entstandenen Jahrmarkt vergl. 0. Kichter in dieser Zeitschrift
IV (1883), 101 ff., bez. Verfassnngs- und Verwaltuno-sgesch. der
Stadt Dresden II (Dresden 1891), 297. — Neujalirsgelder z. B. in
Bautzen 1418, Goch 1419, bez. 1421, Bayreuth 14(i4; ins Belieben
gestellt in Gerolzhofen 144.5 und Schleiz 1492; aufgehoben in Nürn-
berg seit 1485 (Mü. H9. 40 83; 281. 113; 101. 153). Jahrmarktsgeld
abgeschafft in Sclileiz 1492, Nördlingcn 1499, Stuttgart 1501 (Mü.
113. 117. 129).
3^) Anderwärts ging die Obliegenheit, für die Beleuclitung zu
sorgen, unter den Schülern reiheum (die Lichtstümpfe werden even-
tuell dem Schulmeister ausdrücklich vorbehalten) oder es wurde ein
(leidbetrag gezahlt (Mü. 40. 48. 70. 103 f. 113. 133. 153. 177. 281.
289. 291).
3'») Z. B. in Eger ca. 1.350, Lamlan 1432, Überlingen 145(), bez.
1472, Marienburg, 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts (hier allein geben
Arme nichts), Memmingen 1469, bez. 1474, Stuttgart 1501; abge-
.schaftl in Nördiingen seit 1472 (Mü. 23. 49. üB, bez. 90. 124. 85
Anm., bez. 303. 133. 87, bez. 117). Die Kerze wird mehrfach nach
dem Gewicht genau bestimmt.
Schulorihrang der Kreuzschule zu Dresden. 305
Die Locaten suchten also auch hier ihre Einnahmen durch
Abschreiben von Schulbüchern zu erhöhen, und wer von
den Schülern ihnen kein solches abnahm, hatte ihnen zur
Entschädigung für den ihnen dadurch entgehenden Ge-
winn die betreifende Zahlung zu leisten. Anderwärts
sind übrigens daneben zuweilen noch ausdrücklich die
Preise bezeichnet, welche der Schüler für die Bücher zu
entrichten hatte, wenn er sie kaufte ^*^). Bemerkenswert
ist ferner die Verbindung, in welche auch hier diese Be-
stimmung mit dem „Anheben" der Bücher gebracht ist.
Der Eintritt in einen neuen Lehrkursus konnte an sich
als ein mindestens ebenso wohlberechtigter Anlafs zur
Erhebung einer Abgabe erscheinen, wie so mancher andere
unter den bisher besprochenen. Um so verwunderlicher
ist es, dafs sich eine solche eigentlich nirgends so rein
entwickelt findet, wie z. B. Zahlungen der oben erwähnten
Art für die Vollendung bestimmter Abschnitte innerhalb
des Schuljahres (Austreibegeld) oder innerhalb des Lehr-
pensums (Kapitelgeld etc.), sondern dals, wo überhaupt
vom „Anheben" eine Zahlung zu leisten war, diese in
Wechselbeziehung zu dem vollzogenen oder unterlassenen
Ankauf von Büchern gestellt ist, welche die Lehrer ge-
schrieben hatten. Weiter bleibt es vorläufig unklar,
warum in den hiesigen Bestimmungen z. B. der zweite
^*^) In Bautzen 1418 werden zuerst die Preise der Bücher an-
gegeben — übrigens in Schottgens Auszug und bei Wilcke zum
Teil anders, als bei Mü. 38 f., so dafs die daran geknüpften Schlufs-
folgerungen J. Müllers in dieser Zeitschrift VIII (1887), 261 nicht
überall eine ganz sichere Unterlage haben — , sodann die Sätze , welche
„reiche" und „mittelmäfsige" Schüler im Anheben zu zahlen hatten,
falls sie keine Bücher von den Locaten kauften, während Arme auch
in diesem Falle nichts gaben; „im Anheben" aber ist mit Schöttgen
und Wilcke, nicht ein ansehnlich mit dem bei Mü. wiedergegebenen
Abdruck (s. oben Anm. 16), sicherlich zu lesen. In Schleiz 1492
(Mü. 113) wird unter der gleichen Voraussetzung bestimmt, dafs
jedes Stadtkind den Locaten als anhebgelt von dem primapart (so
ist zu lesen) 1 neuen Groschen, vom Donat 6 Pf., von der regel
3 Pf. zu geben hat; hinzugefügt wird aber, dafs der Locat kein
Kind zwingen daif, ihm Bücher abzukaufen, ausgenommen die für
den allerersten Unterricht bestimmten (abc, paternoster, benedicite,
gracias): die müssen sie umb ein czymlich gelt von ym kauffen.
In Marieuburg, 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts (Mü. 124), heifst die
Zahlung für den unterlassenen Ankauf der Bücher (Donat, Regel,
Alexander) bei den Locaten ebenfalls anhebegelt. Interessant sind
auch die Bestimmungen aus Nordhausen 1894 (Mü. 234 Anm.), wo
festgesetzt wird, dafs beim Anheben (de inchoatione) der Bücher
nichts zu zahlen ist, wohl aber zum Teil bei ihrer Beendigung.
Neues Archiv f. S. G. u. Ä. XIV. 3. 4. 20
306 ß- Meltzer:
Teil des Doctrinale Alexandri niclit herücksiditig;! worden
ist, der doch im Ansdiluls au den ersten in derselben
Klasse behandelt wurde, nicht zu gedenken der anderen
Bücher, die in den höheren Kursen dem Unterricht zu
Grunde gelegt worden sind. War es in diesen Fällen
etwa so sehr die Regel, dals die Schüler ihre Texte selbst
nachschrieben, dals zu weitergehenden Bestimmungen kein
Anlals vorlag? Endlicli lälst sich kein sicherer Zusammen-
hang herstellen zwischen dem Zustande, wie ihn unsere
Schulordnung in der hier besprochenen Beziehung dar-
stellt, und demjenigen zwischen 1425 und 1438, wo für
die mehrfach erwähnten zwei Schüler wiederholt je
2 Groschen inccpcionalrs an die Locaten gezahlt worden
sind, obschon auch Bücher aus dem bezeichneten Kreise
für sie angeschafft worden waren (Kr. 16. 19). Oder
hatten die Vormünder dieselben im freien Verkehr ge-
kauft, und es bestand hier wenigstens diese Einzelabgabe
(s. oben Anm. 14 und 15) auch jetzt noch?
Es folgt der Abschnitt von des signatoris lo7ie. Diese
Bezeichnung für die unterste Hilfskraft des Schulmeisters
erscheint hiermit zum ersten Male''') aufserhalb des Ge-
biets, für welches sie bisher allein nachweisbar war
(Schlesien und die Lausitz)-'^); allerdings erhalten wir
^'') Rein an sich war der Ausdruck hier allerdings schon be-
legt, nur fehlte die Möglichkeit, ihn richtig- zu beziehen; vergl. das
von G. Müller in dieser Zeitschrift VIII (1887), 280 mitgeteilte
interessante Verzeichnis über den Nachlafs des alden signators vom
Jahre 1498 und Kr. 49, Anm. 75. Der Wortlaut der 'an letzterer
Stelle bezeichneten, mir damals nicht recht verständlichen Einträge
giebt an die Hand, dals es mindestens 1525 einen Signator an der
Schule nicht mehr gab und dafs der früher ihm zukommende An-
teil an der betreffenden Spende jetzt dem Schalmeister überlassen
wurde.
3") Vergl. die Zusammenstellung von J. Müller in dieser Zeit-
schrift VIII (1887), 260 f., durch die alles früher über die Sache Erörterte
erledigt wird. Ältere, bei Mü. 284 Anm. und 350 Anm. angeführte Ver-
suche zur Erklärung des Namens als Gesanglehrer oder Lehrer, der den
Knaben die signa = Buchstaben (!) beigebracht habe, sind in sich
selbst hinfällig. Ob und wie aber nun derselbe etwa mit der Be-
deutung von Signum als Glocke oder Zeichen des Kreuzes in Be-
ziehung auf den Gottesdienst zusammenhängt, oder, was wahrschein-
licher ist, mit der Thätigkeit des Signators im Sinne der von
J. Müller a. a. 0. mitgeteilten Instruktion aus Neisse 1498 — Wecken
der Schüler, Anstimmen bez. Anschreiben und Ansagen von Ge-
sängen beim Kirchendienst — , das bedarf noch anderweitiger Fest-
stellung. Die Lehrthätigkeit des hiesigen Signators macht es übrigens
wahrscheinlich, dafs auch für Neisse bei den Worten „lectiones a
Schulordnung der Krenzschule zu Dresden. 307
auch dadiircli keinen neuen Beitrag" zur Beantwortung
der noch immer oifenen Frage, aus welcher Bedeutung
der Worte signmn und signare der Name eigentlich zu
erklären ist.
Lehrer war hier der Signator, wenigstens nach einem
Teile seiner Beschäftigung, und zwar der unterste, das
ist klar. Denn dies muls der Rechtstitel sein, auf Grund
dessen er vierteljährlich von jedem vermögenden Schüler
die 6 Heller zu bekommen hatte, die ihm an erster Stelle
zugesprochen w^erden, wie in entsprechend höheren Sätzen
dem Schulmeister 2 Groschen und den Locaten 1 Groschen :
dies war sein Schulgeld. Nach ähnlichem Malse war in
Bautzen 1418 das an den Signator zu Leistende bemessen.
(Mü. 39.)
Andererseits hatte der Signator hier aber auch Ver-
pflichtungen im Hausdienste zu erfüllen. Darauf ist zu-
nächst augenscheinlich zu beziehen, dafs er 4 Heller zu
empfangen hatte, wenn die armen fremden schider hübe
bitten, zum ersten in die schide zu geliin^^): er hatte
jedenfalls besondere Müh waltungen mit ihrer Unter-
bringung in den für sie bestimmten Bäumen der Schule
und ihrer Überwachung daselbst. Unbedingt sicher aber
wird seine Verwendung im Hausdienste, und zwar in
recht untergeordneter Funktion, durch die dritte Abgabe
(4 Heller von jedem bemittelten, 2 von jedem armen
Schüler), die er unter dem Titel heisheller zu empfangen
rectore sibi injunctas summa diligentia complere" an eine solche zu
denken ist, nicht blofs an Lesungen in der Kirche, wie es J. Müller
noch zur Frage stellen mufste.
^^) Die Verpflichtung zu einem Eintrittsgeld in dem Sinne,
welchen wir mit dem Worte zu verbinden pflegen, findet sich sehr
selten, und dann war dieses an den Schulmeister zu zahlen; so in
Wijk bei Duurstede 1450 von jedem, der zum ersten Male in die
Schule eintrat, 1 Pfennig, femer in Nürnberg ca. 1505 von jedem
fremden Schüler, dessen Gesuch um Aufnahme genehmigt ward,
2 Pfennige (Mü. 287/90. 154 f.), und dabei hatte es an beiden Orten
noch eine besondere Bewandtnis damit. Speziell in Nürnberg bekam
der Schüler für seine Zahlung eine Marke, die ihn als solchen legi-
timierte und zum Erwerb seines Unterhalts durch Singen auf den
Gassen berechtigte ; beim Abgang hatte er sie wieder au den Schul-
meister abzugeben und erhielt dafür 1 Pf. zurückerstattet. Unter
Um.ständen könnte ja übrigens auch die oben besprochene hiesige
Abgabe unter einen ähnlichen Gesichtspunkt zu stellen sein. Die
(exiles vnd) intrales in ßrugg ca. 1505 und das ingang (und absckidt)
gelt in Freiburg i. Br. 1517 (Mü. 137. 193) beziehen sich nicht auf
den Eintritt in die Schule, sondern auf die regelmäfsigen Einschnitte
im Schuljahre.
80*
308 0. Meltzer:
hatte. Denn diese beweist, dafs ihm auch das Einheizen
in der Schule oblag'*").
Eine solche Stellung hat für jene Zeit durchaus
nichts Befremdliches. Wie so vielfach die untersten Lehrer
aus der Mitte der älteren Schüler selbst bestellt wurden,
so ist jedenfalls auch der hiesige Signator ein solcher
gewesen, und eben deswegen grenzt auch sichtlich unsere
Schulordnung seine Stellung und seine Bezüge so scharf
von den Locaten ab, die doch wenigstens in der Regel
Baccalaurei zu sein pflegten. Verlangte nun sein Dienst
von selbst, dals er auf der Schule wohnte, so war er
zugleich ein armer Schüler, und zieht man in Betracht,
auf welche Mittel solche unter Umständen angewiesen
waren, um sich nur überhaupt kümmerlich durchzuschlagen
(Beispiele von hier s. Kr. 50 f.) , so mochte ein Posten,
wie der hier besprochene, sogar recht begehrenswert
erscheinen.
Übrigens hat anscheinend der Dienst des Signators
in dieser seiner merkwürdigen Gestaltung, um deren
willen es gestattet sei, noch ein Wort darüber hinzu-
zufügen, hier nicht mehr ganz bis zum Ende des 15. Jahr-
hunderts bestanden, und ich glaube sogar den Anlafs zu
der Änderung in dem betiächtlich erweiterten Neubau
des Sclmlgebäudes im Jahre 1493 (Kr. 11 ff'.) zu erkennen.
Von dieser Zeit an erscheint nämlich einerseits ein Kaie-
faktor, zu dessen Wohnung eine Kammer in dem neuen
Hause hergerichtet ward, und bei dieser Persönlichkeit
haben wir nunmehr allerdings an einen Hausdiener im
■'*') Eine entsprechende Abgabe kommt neben den Beiträgen der
Schüler an Holz oder den dafür zu leistenden Gehlzahlungen auch
sonst häufig vor, so z. B. in Frankfurt a. ü. \4;ir> lio/czphcnnynge
und calefactura , übrigens ohne nähere Angabe; an den Xalefaktor
in Bayreuth 1464 von jedem zu Weihnachten 3 Pf., zu Fastnacht
und Ostern je 1 Pf.; in Lüneburg \4H;l von Vermögenden 4 Pf.,
von Aricen 2 Pf.; in Marienburg, 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts,
von Vermögenden zu \Veihnachten 8 Pf., zu Fastnacht 1 Schilling,
zu Ostern 4 Pf, von Armen jedesmal die Hälfte; in Schleiz 1492
von Stadtkindern je zu Weihnachten und Ostern 2 Pf., von Armen
1 Pf.; in Nördlingen 1499, bez. 1505, dem calleuactor sein einhaiß
pfcnniq ; in Schwäbisch- Hall 1513 von jedem für die erste Hälfte
des Winterhali)jahrs 2 Pf., für die zweite 1 Pf. (Mü. 47. 84. 335
Anni. 125. 113. 117 f. 176). Soweit nun diese Bestimmungen einen
Kaiefaktor nennen, ist ja freilich sicher an die gewöhnliche Be-
deutung dieses Wortes zu denken; eigentümlicher Weise aber setzen
dieselben insgesamt auch erst mit dem späteren Teile des 15. Jahr-
hunderts ein.
S(;hiüor(Iiiung der Krenzsclmle zu Dresden. 309
gewöhnlichen Sinne des Wortes zu denken. Anderer-
seits sehen wir, dals zugleich Fürsorge für die Unter-
bringung von drei ßaccalarien getroffen wird; wir er-
kennen ferner, mag an der Person des alten, d. i. ehe-
maligen Signators vom Jahre 1498 (s. oben Anm. 37)
manches dunkel sein, wenigstens so viel sicher, dals er
es eben damals nicht mehr war; dafs endlich mindestens
im Jahre 1525 das Amt eines Signators an der Schule
nicht mehr bestand, durften wir (s. ebenda) aus gewissen
Einträgen mit ziemlicher Sicherheit schlielsen. Auf Grund
dieser Unterlagen dürfte die Sache folgendermafsen zu
betrachten sein. An der Schule hatten wahrscheinlich
schon seit der einige Zeit vor 1413 eingetretenen Er-
höhung ihrer Ziele in der Regel"") drei Hilfskräfte des
Schulmeisters, zwei Locaten und der Signator, gewirkt.
Diese Zahl ist für 1493 und 1538 bezeugt, und sie wurde
auch bei der Reorganisation von 1539 beibehalten*^).
Eben dies spricht aber noch ganz besonders dafür, dals
sie den Bedarf, wie er hier besten Falls etwa vorkommen
konnte, gerade deckte. Nur werden es die Verhältnisse
im Jahre 1493 mit sich gebracht haben, dals man als
untersten Lehrer statt eines älteren Schülers jetzt noch
einen Baccalaureus annahm, wobei immerhin einer unter
den auf der Schule wohnenden Schülern eine autoritative
Stellung unter diesen wird haben einnelimen müssen, nur
dals er eben weder mit dem Unterrichte noch mit dem
Einheizen etwas mehr zu schaffen hatte und der Titel
Signator einging. Der ehemalige Signator, dessen Nach-
laß im Jahre 1498 aufgenommen ward, wird diese Stellung,
deren Name freilich zeitlebens an ihm haften blieb, spä-
testens bis 1493 bekleidet und dann sein Brot als In-
haber einer deutschen Schreibschule verdient haben, wie
schon G. Müller vermutet hat. Darauf weist vor allem
die unter seinen Habseligkeiten aufgeführte deutsche
retUorica und nurnhergische rechnunge hin, für die es
*') Selbstverständlich mit Ausnahmen, wie sie durch verschiedene
äufsere Anlässe bedingt werden konnten, wie denn z. B. auch in
dem Pestjahre 1525 deren nur zwei da waren (Kr. 30).
*-) Kr. 30, vergl. 21 und meine Abhandlung- über J. Bohemus
(Rektor der Kreuzschule 1639—76) in den Neuen Jahrbüchern für
Philol. und Pädagogik CXII (1875), 191 (S 4 des S.-A., wo freilich
nicht ohne weiteres der Voraiissetzung der Übereinstimmung in
der Zahl der Klassen und der Lehrer hätte Raum gegeben werden
sollen) und den Anhang I dazu.
310 0. Meltzer:
an der lateinischen Stadtsclinle keine Verwendnnji' (j^-dh.
Erst spät im IG. Jahrhundert — vorläulij»" nachweisbar
seit 1575 — nach einer wiederholten Vermehrung der
Klassen kam man dann wieder auf die alte Praxis zurück,
einen oberen Schüler zur Erteilung- elementaren Unter-
richts in der untersten Klasse heranzuziehen: es war
der sogenannte Regens alumnorum, der Inhaber der Stel-
lung an der Spitze der im Schulgebäude wohnenden
Schüler, wie wir sie in dieser Beschränkung auch seit
1493 als fortbestehend angenommen haben. Später hat
dann dieser Posten bekanntlich abermals eine Hebung
erfahren, indem er mit einem studierten Lehrer besetzt
ward, und auch dessen Stellung wieder ist in jüngster
Zeit noch wesentlich gehoben worden. Der ganze Sach-
verhalt, wie er sich hier entwickelt hat, besitzt für seinen
Bereich eine gewisse typische Bedeutung.
Der letzte Abschnitt unserer Schulordnung handelt
vom Fast. Dieser Ausdruck bezeichnet ja gemäls seiner
Ableitung zunächst ganz allgemein etwas, w^ovon jemand
lebt, könnte daher für den Kreis unserer Beti'achtung
an sich auf jede Art von Einkünften bezogen werden,
wie sie Lehrern zu ihrem Unterhalt zutiossen, sei es in
Geld, sei es in Lebensmitteln, letzteres hier und da sogar
in recht primitiver Form^'-^). Thatsächlich ist ja nun die
Bedeutung des Wortes im Gebrauch der Universitäten
und Schulen, bei welchen letzteren es übrigens nicht eben
häufig vorkommt"), keinesw'egs so weit gewesen: es be-
deutet ein in Geld zu zahlendes Honorar für Vorlesungen
und Übungen ■*■"•). Das Verhältnis, in welchem hier diese
^'') In "Rautzen 1418 gab jeder Scliüler von dem Brot, das er
in die Schule mitbrachte, an allen Wocheutagen dem Locaten, der
ilm lehrte, Sonntags dem Signator die Hälfte oder einen entsprechenden
(■{el(l])etrag; auf eine gleiche Teilung der prandia mit denjenigen
Vermögenden, welche die vierteljährlichen prtmdiales in Geld nicht
zahlen wollten, Avaren in Frankfurt a. 0. 1425 der Schulmeister und
die Locaten angewiesen (Mü. 3H. J7).
") Norilhausen 1394, Emmerich 1445 (Mü. 284 Anra. 350 Anm.,
wo übrigens sicher auch an ein Extrahonorar, nicht an eine Spende
in natura zu denken ist), (iewifs ist auch für Fianktürt a. 0. 1425
bei Mü. 47, 7 nicht pasche zu lesen, sondein: vnde welche des
morgens sunderlige lecczen haben, dy sollen den locaten alle virteyl
iars eynen groschen zu pasthe geben.
'■') So schon nachgewiesen von F. E. Ruhkopf, Gesch. des
Schul- und Erziehungswesens in Deutschland et(-. I (Bremen 1794),
188, für Schulen mit einem Beispiel aus Hraunschweig 1370; für
Universitäten vergi. auch U. Kämmel bei K. A. Schmid, Gesch.
Schulordnung der Kreuzschule zu Dresden. 311
Zaliluiigen zu den anderen von den Schülern zu leistenden
stehen, weist darauf hin, dals es sich dabei um eine Ver-
gütung für einen besonders erteilten Unterricht neben
den öffentlichen Lektionen, zu deren Besuch das Schul-
geld berechtigte, gehandelt hat, und anderwärts ist das
entsprechend der Fall gewesen. Dieser Zustand hat ja,
wenn auch im einzelnen mit mancherlei Modifikationen,
doch dem Wesen der Sache nach noch lange, vielfach bis
tief in das laufende Jahrhundert bestanden.
Für diejenigen grammatici oder Schüler der untersten
Abteilung, welche nur an dem Kursus über den ersten
und zweiten Teil des Doctrinale Alexandri teilnahmen,
belief sich der Fast hier alle drei Wochen, wenn sie
bemittelt waren, auf 2 Heller, wenn arm, auf 1 Heller.
Der Umstand, dals weiterhin keine solche Abstufung
mehr vorkommt, darf vielleicht in dem Sinne gedeutet
werden, dafs an den betreffenden Kursen überhaupt in
der Regel nur Vermögende teilnahmen, schon weil die
Freise für diese zum Teil ziemlich hoch gestellt waren.
Zwar diejenigen grammatici, die aufser dem schon er-
wähnten Kursus über das Doctrinale noch andere große
und cleijne gramatkalia hörten, hatten halbjährlich nur
2 Groschen zu entrichten. Aber für die lecciones in
loyca und exercicia in loycalihus zahlte die nächsthöhere
Abteilung halbjährlich 5 Groschen, und die oberste für
ihre lecciones und exercicia in philosopliia halbjährlich
7 Groschen. Wie sich diese Einkünfte auf den Schul-
meister und seine Gesellen verteilt haben, dafür fehlt uns
freilich jeder Anhalt.
der Erziehung- II, 1, 420 f. Ungemein häufig ist der Gebrauch des
Wortes in diesem Sinne in den Statutenbüchern der für unsere Ver-
hältnisse in erster Linie mafsgebenden Universität Leipzig (heraus-
gegeben von Fr. Zarncke, Leipzig 1861) gleich von 1410 an
(S. 312 f.), an einer Stelle (S. 412) mit ausdrücklicher Erklärung:
pastus seu sallarium pro lectionibus et exerciciis.
XL
Die Eiitstehimg uiitl Bildung bürgerlidier
Familiennamen in den Sechsstädten der
Oberlansitz bis gegen Mitte des 14. Jahr-
hunderts.
Von
Heriiianii Knotlie.
Seit den letzten Jahrzehnten hat man begonnen, auch
den bürgerlichen Familiennamen ein eingehenderes Inter-
esse zuzuwenden. Wir meinen hiermit nicht jene den
Adrefsbüchern entnommenen, meist humoristischen Zu-
sammenstellungen z. B. all der Tier- oder Handwerks-
namen, welche von den Bewohnern einer Stadt geführt
werden, oder jene statistischen Ermittelungen darüber,
welches die in einer Stadt am häufigsten vorkonnnenden
Namen sind, und wie viele Familien einunddesselben
Namens in derselben wohnen; Avir meinen vielmehr die
wissenschaftliche Untersuchung, in welcher Weise die in
einer Stadt oder Landschaft üblichen Namen entstanden
und wie und wann sie zu feststehenden, erblichen Familien-
namen geworden sind. Solche Untersuchungen haben nicht
blols ein lokales, sondern ein kulturhistorisches Literesse.
Wir versuchen in Folgendem diesen Nachweis hin-
sichtlich der Oberlausitz oder vielmehr der bekannten
Sechsstädte dieses Landes, und zwar beschränken wir
uns einmal auf die Zeit bis gegen die Mitte des 14. Jahr-
hunderts, von welcher anstatt der bisherigen blofsen
Zunamen fast überall feste Familiennamen erscheinen,
und sodann auf die deutschen Familiennamen, da über
die wendischen aus jener Zeit noch so gut wie gar kein
H. Knothe: Büigerl. Familieniiaiiieii in der Obeilausitz. 313
urkmidliclies Material vorliegt. Man wird nicht erwarten,
dals wir alle die von uns gesammelten Beispiele anführen,
noch dafs wir jedem das Citat der Urkunde beifügen, der
wir es entnommen haben.
Ursprünglich führte, wie noch jetzt bei allen Natur-
völkern, so auch bei den alten Deutschen jedermann nur
einen einzigen Namen. Bei diesem ward er gerufen,
mit diesem nannte und schrieb er sich selbst; dieser war
ihm (seit der Einführung des Christentums) bei der Taufe
feierlich beigelegt worden. Auch die zahlreichen deutschen
Kolonisten, die seit Anfang des 13. Jahrhunderts aus dem
westlicheren Deutschland in das bisherige Slavenland Ober-
lausitz einwanderten und darin die ersten Städte (mit Aus-
nahme des alten Bautzen), sowie eine grolse Menge neuer
deutscher Dörfer gründeten, waren wohl sämtlich noch
einnamig; sie waren es gröfstenteils noch gegen Ende
des Jahrhunderts, von welcher Zeit an in der Oberlausitz
die urkundlichen Nachrichten über die inneren Verhält-
nisse der einzelnen Städte und über deren Bürger erst
reichlicher zu fliefsen beginnen. Als 1288 ein Zittauer
Bürger von einem anderen zwei Hufen bei Ostritz er-
kaufte, heilst der erstere einfach „Bortelm" (d. h. Bartho-
lomäus), der andere „Volpert" ohne irgend welchen Zusatz,
und als 1303 der Ritter Heinrich von Kamenz dem Kloster
Marienstern gewisse Zinsen vor der Stadt Kamenz über-
wies, befand sich unter den anwesenden Zeugen auch
„Rüdiger, Bürger von Kamenz"^).
Es sind der überwiegenden Mehrzahl nach noch alt-
germanische (zweistämmige) Namen, wenn auch in der
Form vielfach abgeschliffen, welche bis Mitte des 14. Jahr-
hunderts auch die oberlausitzischen Bürger führten. Wir
verzeichnen dieselben alphabetisch und zwar, da wir nicht
eine streng wissenschaftliche Arbeit zu liefern beab-
sichtigen, in der heut üblichen Form derselben und setzen
die damals allgemein beliebten Verkleinerungs- oder Kose-
^) Wir bemerken sogleich hier, dafs sich auf den Dörfern,
wo die Zahl der Einwohner noch gering war, und diese daher ein-
ander genau kannten, diese naive Bezeichnung mit dem blofsen
Taufnamen noch weit länger erhielt. 1304 wird in Panschwitz bei
Marienstern ein Bauer Martin und sein Sohn Peter, 1329 in Rufs-
dorf bei Marienthal ein Bauer Witego , 1333 in Bernsdorf auf dem
Eigen die Bauern Johann und Peter: „Söhne der Agathe", und Konrad
aus Kiesdorf, 1352 in Kleinschweidnitz bei Löbau Lorenz und Hentschel,
1384 Hentschel der Förster zu Bernsdorf, Peter der Richter zu Leuba
und „der Richter zu Schönau, Hermann genannt", erwähnt.
314 II- Kii^tho:
formen in Parenthese hinzu. Albert, Arnold, Berwip-,
Berthold, Konrad (Kuno, Cunczil, Gunczelin), Deinhard,
Dietrich (Titzco), Ditmar, Eberhard, Eckhard, Eisenreich,
(Ysenricus), Friedrich (Frisko, Fricze), Gerhard, Giseler,
Gottfried, Gottschalk, Günther, Hermann, Heinrich (Heyne-
mann, He3dmann, Heyno, Heyne, Heidin, Henning-, Henczil,
Henczlin), Herbord, Hartwig, Hermann, Hugo (Hug),
Lampreclit, Ludwig, Leuthold, Otto, Reinhard (Rensco),
Richard, Richer, Rüdiger, Rudolph (Rulko), Siebold,
8iedelmann, Öeifried, Tilo, Thimo, Trautwein, Ulrich
(Wilrich, Ulmann), Volpert, Walther, Werner, Wigand,
Wicker, Witego (Witschel), Wolfram. Während alle diese
dem alten Volkstume der Deutschen entstammenden Namen
von den deutschen Einwanderern jetzt auch in das bis-
herige Slavenland Oberlausitz verpflanzt wurden, war die
Zahl der unter dem Einflüsse der Kirche eingeführten
biblischen und daher Avesentlich aus der hebräischen
und griechischen Sprache herrührenden damals noch eine
viel geringere. Es sind uns folgende begegnet: Adam,
Andreas, Bartholomäus, Basilius, Christian (Kristan),
Eustach, Donat, Franz (Franczil), Johann (Hannus,
Hans, Jensko, Jencz), Lorenz, Markus, Mathias, Michael,
Nikolaus (Nickil, Nytsche), Paul, Peter (Petzco, Petzke,
Pecz, Peczold), Thomas.
Während in den adligen Familien sich gewisse
charakteristische Vornamen von Geschlecht zu Geschlecht
vererbten und mindestens von dem Vater auf den ältesten
Sohn überzugehen pflegten, finden wir in den Bürger-
familien eine solche Familientradition noch nirgends aus-
geprägt. Höchstens führte nicht nur der Vater, sondern
auch einer seiner Söhne gemeinsam einen der allbeliebten
Namen: Heinrich, Johann, Nikolaus, Peter, Friedrich,
Konrad. Auf die blolsen Vornamen Stammbäume auch
bürgerlicher Familien zu gründen, ist daher, mindestens
für jene Zeit, unmöglich.
Da nun in den neugegründeten Städten in demselben
Mafse, als ihre Einwohnerzahl anwuchs, auch immer mehr
Personen den gleichen (Vor-) Namen führten, so wurde
die Unterscheidung derselben durch irgend einen Zunamen,
besonders in allen Rechtsangelegenheiten, zum dringenden
Bedürfnisse. Am nächsten lag es, die neu eingewanderten
Bürger nach dem Orte näher zu bezeichnen, aus dem sie
gekommen waren. So setzte man denn fast allgemein zu
dem (Vor-) Namen den Ortsnamen der bisherigen
Bürgerl. Familieuiiameu in der Überlausitz. 315
Heimat und verband beide durch die Präposition „von",
welche ja die Herkunft ausdrückt. Daher gleichen in
jener Zeit die in den Stadtbüchern und den Urkunden
aufgeführten Namen der Bürger ihrer Form nach ganz
denen der Adligen, deren „von" ja ursprünglich auch nur
den Ort, die Burg, das Dorf anzeigen soll, wo sie heimisch
sind. Während aber der Adel seine Burg, sein Dorf in
der Regel Generationen hindurch behielt, hatte bei den
Bürgern schon die zweite Generation ihre Heimat nicht
mehr in dem Orte, aus welchem die Altern einst gekommen
waren, sondern in der Stadt, in welcher diese ihren neuen
Wohnsitz aufgeschlagen hatten. Daher vererbte sich dieser
Zuname nicht wie bei dem Adel von Geschlecht auf Ge-
schlecht, sondern mufste meist schon bei der zweiten
Generation durch andere Zunamen ersetzt werden. Wir
dürfen daher annehmen, dafs alle die Personen, welche
nach ihrem früheren Heimatsorte benannt werden, erst
kürzlich in die betreffende Stadt eingew^andert waren.
In Görlitz wird ein Bürger bei seiner ersten Erwähnung
(1298) bezeichnet als „Konrad von Greifenberg, den man
Ermerich nennt" ; schon 1308 aber heilst er nur noch
„Herr Ermerich", und Ermerich oder Ei-milrich werden
nun auch bis in das 15. Jahrhundert seine Nachkommen
genannt. Dieser Name war also bereits als feststehender
Familienname aus Schlesien mitgebracht Avorden und nur
in der eisten Zeit noch von dem Heimatsnamen begleitet.
Es waren in den oberlausitzischen Städten nur ganz wenig
Familien, welche den alten Heimatsnamen mit oder ohne
„von" als Familiennamen beibehielten. Wir werden die-
selben bei den betreffenden Städten zu erwähnen haben.
Es ist interessant zu sehen, wie in die neuen Städte
noch 100 und mehr Jahre nach ihrer ersten Aussetzung
immer neue, an den von ihrer ehemaligen Heimat herge-
nommenen Zunamen als solche erkennbare Einwanderer
herbeiströmten. Es waren teils Leute aus den umliegenden
Dörfern, welche in der Stadt durch Betrieb eines bürger-
lichen Gewerbes leichter und schneller zu einem gewissen
Wohlstande zu gelangen hofften, als dies durch die Feld-
wirtschaft auf dem Lande möglich gewesen war. Häufig
aber waren es auch Leute aus anderen, zum Teil ent-
fernteren Städten, welche in den neuen Städten der Ober-
lausitz ein ergiebigeres Feld für ihre geschäftliche Thätig-
keit, zumal als Kaufleute, erwarten durften. Sämtlich
aber waren es strebsame, unternehmende, auch mehr oder
316 H. Knothe:
wonio-er wohlhabende Männer, und da zumal die schon
bisher in iStädten ansässig gewesenen bereits mannigfache
Erfahrung auf dem Gebiete des städtischen Lebens und
Wesens mitbrachten, so darf es nicht Wunder nehmen,
dafs wir dieselben alsbald als die von der gesamten Bürger-
schaft erwählten Ilatmannen erblicken, welchen die Ver-
waltung der Stadt und ihres Gerichtes anvertraut war.
Gerade diese Mischbevölkerung in den oberlausitzischen
Städten erzeugte in denselben ein frisch pulsierendes Leben,
und bald reichte der ursprünglich abgesteckte Raum für
die Stadt nicht mehr aus, so dafs z. B. in Zittau und
in Görlitz schon 1255 sich Erweiterungen durch neu an-
gelegte Gassen und Plätze nötig machten.
Von keiner oberlausitzischen Stadt werden die Namen
einzelner Bürger früher urkundlich erwähnt, als von
Kamenz. Dasselbe war zuerst um 1200 zur Stadt er-
hoben, nach einem grolsen Brande aber „an einer anderen
Stelle", nämlich der jetzigen, neu aufgebaut und die eben-
falls abgebrannte Stadtkirche 1225 neu eingeweiht worden.
Als nun 1248 die „Herren von Kamenz", die adligen
Inhaber von Stadt und Herrschaft Kamenz, für das von
ihnen zu stiftende Kloster Marienstern in Gegenwart zahl-
reicher Zeugen geistlichen und ritterlichen Standes eine
Anzahl Einkünfte als „Aussteuer" aussetzten, werden in
der betreffenden Urkunde auch aufgeführt „die Kauf-
leute Konrad von der Brücke (de Ponte, d. h. aus Königs-
brück), Hermann von Grofsenhain (de Indagine) und ebenso
Hermann von Radeburg und Gottschalk von Wiese (de Prato,
Dorf südöstlich bei Kamenz)-). Diese Kaufleute, gewils
erst unlängst eingewandert, bildeten jedenfalls die Honora-
tioren unter der damaligen Bürgerschaft und waren als
solche von den gnädigen Herren, den Herrschaftsbesitzern,
der Ehre gewürdigt worden, dem feierlichen Akte der
Urkundenausstellung beizuwohnen. Wir können nicht ent-
scheiden, ob Theodorich von Königsbrück (de Ponte regis)
und Johann von „Kunegesbrucke", welche 1304 und 1313
als Ratmannen erwähnt werden, Nachkommen des obigen
Konrad oder nur Einwanderer waren; aber feststehende
Familiennamen waren diese Zunamen noch nicht. Erst
wenn ein Vorname mit einem Ortsnamen ohne „von"
wiederholt verbunden erscheint, dürfen wir letzteren nun
als Familiennamen betrachten. 1338 wird zuerst ein
-) Laiisitzer Magazin XLIII (18()(J), ^85.
Bürgerl. Familieiiiiamen in der Oberlausitz. 317
„Johann Geylnow" erwähnt, der also aus dem südwestlich
i3ei Kamenz gelegenen Dorfe Gelenau eingewandert war;
alle dessen Nachkommen nennen sich nun bis in das 15. Jahr-
hundert „Geilnow" oder „Gelenow" '■^). Von anderen der-
gleichen sichtlich erst eingewanderten Bürgern führen
wir noch an: Konrad von Hasch witz (1303, wohl aus
Raschitz bei Grofsenhain) , Apecz von Elstra (1308),
Heinrich und Frizko von ßeichenbach (südwestlich von
Kamenz, 1313 und 1338), Peter Baselitz (1338, östlich
bei Kamenz), Heinrich von Häslich (Hezelich, südwest-
lich von Kamenz, 1338), Hannus von Bernbruch (nördlich
bei Kamenz, 1358).
Der zuerst namentlich erwähnte Bürger von Bautzen,
dieser ältesten und bis gegen Anfang des 13. Jahrhunderts
einzigen Stadt der nachmaligen Oberlausitz, ist Ludo-
vicus Vlemingus. Schon der damals im Lande noch ganz
ungewöhnliche Vorname Ludwig kennzeichnet ihn als
einen Ausländer und der Zuname Vlemingus speziell als
einen Flamänder, d. h. als einen jener Einwanderer aus
Flandern, welche der übereinstimmenden Tradition zufolge
den technisch vervollkommneten und zünftigen Betrieb der
Tuchmacherei in die jungen Städte der Oberlausitz mit-
gebracht hatten*). Während hier bisher die Tuchmacherei
nur als private Beschäftigung betrieben worden war, er-
hoben sie dieselbe jetzt zu einem zünftigen Handwerk
und legten hierdurch den Grund zu der Wohlhabenheit
und Bedeutung, deren sich in allen Städten des Landes
gerade die Tuchmacher Jahrhunderte lang erfreuten.
Kein "Wunder, dals diese Fläminge alsbald von ihren Mit-
bürgern zur Beteiligung an der Leitung der städtischen
Angelegenheiten in den Rat gewählt wurden. Jener
„Ludwig der Fläming" erscheint in einer zu Bautzen aus-
gestellten Urkunde des Bischofs Witego vonMeilsen (1281)
neben vielen Zeugen geistlichen und weltlichen Standes,
als der einzige „Bürger von Budissin". Er war also da-
mals entweder Bürgermeister oder doch Ratmann. Da
er nicht nach einer bestimmten Stadt, sondern nur all-
gemein nach seinem Heimatslande benannt wurde, so fehlt
ö
auch das „von" nach dem Vornamen. Bald aber wurde
«
sein Zuname zum Familiennamen. Unter den im Bautzner
^) Vergi. Knothe, Geschichte des Oberlausitzer Adels S. 184.
^) Vergl. Knothe, Geschichte des Tuchmacherhaudvverks in
der Oberlausitz. Lausitzer Magazin LIX (^1883), 4 flg.
818 H. Knothe:
Franziskanerkloster (gegründet 1^48) bis zum Jahre 1345
begrabenen Vornehmen aus der Stadt und deren Um-
gebung werden unter anderen ein Andreas Klamingi und
Nikohius Flamingi (d. h, Fhimings Sohn) nel)st ihren Frauen
aufgeführt, und 1383 war ein Johann Flemming Inhaber
eines Erb- und eines Lehngutes in Göda. — Da in Bautzen
am längsten bereits ein wohleingerichtetes städtisches
Wesen bestand, so finden Avir bis gegen Mitte des
14. Jahrhunderts unter der Bürgerschaft nur verhältnis-
mälsig wenige jüngst erst eingewanderte Familien, viel-
mehr meist schon feste Familiennamen. Wir nennen von
den ersteren: Rüdiger von Schhickenau (1281), Hermann
von Altenburg, Heinrich Elstra, Johann Königsbruck,
Henczil von Kina (Kaina bei Bautzen). Während alle
diese Ortszunamen schnell wieder verschwanden, behielt
nur eine (vor 1333) aus Bischofswerde eingewanderte,
sehr angesehene Patrizierfamilie den Namen „von Bischofs-
werde" bis in das 15. Jahrhundert bei; ja sie hatte so-
gar das Wappen ihrer Heimatsstadt, zwei gekreuzte
Bischofsstäbe, in ihr Bürgersiegel aufgenommen'^).
Görlitz"), welches zuerst 1238 als Stadt erscheint,
war 12G8 infolge der Teilung der Oberlausitz zwischen
den beiden Linien der Markgrafen von Brandenburg aus
dem Hause Askanien die Hauptstadt der östlichen Landes-
hälfte oder des „Landes Görlitz" geworden. Schon hier-
durch gewann es eine erhöhte Bedeutung. Vor allem
aber war es die daselbst besonders schwunghaft betriebene
Tuchmacherei und der Grossohandel mit Tuch nach
Schlesien und Polen, sowie der von König Johann von
Böhmen 1339 der Stadt verliehene ausschlieisliche Waid-
stapel für die gesamte (Jberlausitz, was Görlitz zu der
wichtigsten Handelsstadt des Landes machte. Das Rats-
und Schöppenkollegium bestand schon Anfang des 14. Jahr-
hunderts nicht, wie in den übrigen Sechsstädten, aus 13,
sondern aus 22 Personen, und noch immer lockte zu dieser
") Vergl. ül)er diese Familie die Sonntagsbeilage zu den
„Bautzner Nachrichten" I88ö No. ;3.
") Ueber die während des 14. Jahrhunderts in Görlitz vor-
kommenden Persdiien- und Familiennamen enthält die vurzüi^iiche
Aldianillniig von Dr. .lecht: ..Jlcitiii^e zur Görlitzer Namenskunde"
(Lausitzer Magazin LXVIII [1892] Iff.) die eingehendsten Untersuch-
ungen, und zwar auf Grund des ältesten Stadtbuchs von \H()'^. Wir
haben dieselbe in gegenwärtigem Aufsatze vielfach benutzt, konnten
aber Görlitz nicht einen wesentlich gröfseren Raum widmen, als den
übrigen Sechsstädten.
Bürgerl. FaTDÜiennamen in der Oberlausitz. 319
Zeit die dasige Blüte von Handel und Gewerbe neue
Einwanderer herbei. Die erste Urkunde (von 1298),
welche die sämtlichen Ratmannen und Schoppen und
aulserdem noch eine Menge andere Bürger aufführt, ent-
hält fast lauter Namen, deren Inhaber sich als solche
Einwanderer darstellen. Bürgermeister war damals Albert
von Radeberg; andere Bürger tragen den Beinamen von
Königshain, Reichenbach, Gruna, (Deutsch- oder Wendisch-)
Olsig, Lauban, aber auch von den ausländischen Städten
Greifenberg, Waidenburg, Rumburg, Altenburg, Salza
(d. h. Langensalza). Alle diese und andere von Ortschaften
hergenommenen Beinamen erscheinen sowohl in den Ur-
kunden als in dem Stadtbuche von 1305 noch Jahrzehnte
hindurch aulserordentlich häufig, bis sie endlich gegen
Mitte des Jahrhunderts durch feststehende Familiennamen
ersetzt werden. Nur drei Patrizierfamilien behielten ihre
alten Heimatsnamen auf die Dauer bei, die von Radeberg,
deren Stammvater, der soeben beim Jahre 1298 genannte
Albert, von 1301 bis 1304 landesherrlicher Münzmeister
gewesen war, und dessen Nachkommen sich daher teils
von Radeberg, teils „aus der Münze" nannten; ferner
die von Bischofswerde (zuerst 1310 erwähnt, später
von Bischofswerder genannt) und die von Salza (zuerst
1298 vorkommend), die noch heute blühen. Alle drei
Familien gingen infolge der Erwerbung von Landgütern
nach und nach in den Adel des Landes über").
Die Stadt Zittau war erst um 1253 gegründet
worden. Aber schon 1255 „umritt sie König Ottokar II.
(von Böhmen), da er merkte die Mehrung der Einwohner
und die grofse Zufahrt der Gäste, weiter, als sie vorher
umgriffen war". Erst aus den Jahren 1310 und 1312
erfahren wir die Namen der damaligen Ratmannen. Da
Stadt und Weichbild Zittau bis 1412 nicht zur Ober-
lausitz, sondern zum Lande Böhmen gehörte, so nennen
sich die Bürger aulser nach den benachbarten Dörfern,
z. B. Hirschfelde, Königshain, Türchau, Reichenau,
Lichtenberg, Hartau, Olbersdorf, besonders nach böh-
mischen Städten, als: Ostritz, Grottau, Rumburg, Gabel,
Leipa, Tetschen, aber auch nach Bautzen, Radeberg,
Schweidnitz (Sbidenicz). Bei denen „von Hirschfelde"
und „von Rumburg" ging in der zweiten Hälfte des Jahr-
hunderts der Beiname in den festen Familiennamen „Hirscli-
'') Knothe, Geschichte des Oberlausitzer Adels S. 437, 127, 462.
320 H. Knothe:
feld, Romburger" über. Der schon 1310 erwähnte „alte
TJiilü Steinrucker, der Ungar", aber brachte den Familien-
namen Steinrucker bereits aus Ungarn mit und vererbte
ihn auf seine Nachkommen in Zittau und in Görlitz*^).
Lübau wird zwar schon 1221 als tStadt erwähnt,
aber erst 1336 und 1359 lernen wir die Namen von
Ratmannen kennen. In der damals noch sehr kleinen
Stadt hnden wir Einwanderer nur aus den benachbarten
Dörfern Dehsa, Öchönbach, Ottenhain, Ebersbach, Kem-
nitz, Pppach.
Über die Bürgernamen von Lauban können wir
leider gar keine Nachricht beibringen, da die älteren
Urkunden der Stadt sämtlich bei der Zerstörung durch
die Hussiten 1427 mitverbrannt sind.
Wir haben in Vorstehendem absichtlich ausführlicher
nachzuweisen gesucht, wie noch hundert und mehr Jahre
nach der Gründung der oberlausitzischen Städte der Zu-
zug neuer Einwanderer, von denen wir ja fast ausschlielis-
lich nur die in den Rat gewählten erfahren, ein
sehr starker war, und glauben daraus berechtigte Schlüsse
auf die erste Besiedelung derselben ziehen zu dürfen,
über welche es leider an jeder genaueren Nachricht fehlt.
Kürzer dagegen können wir uns mit einer zweiten
Gattung von Zunamen fassen, die ebenfalls von Örtlich-
keiten, aber von der Lage des Wohnhauses innerhalb
der Stadt hergenommen ist. Auffällig muls es erscheinen,
dafs man die Einwohner nur sehr selten nach den Gassen
näher bezeichnete, auf denen sie wohnten. Der älteste uns,
vorgekommene Gassenname ist der der „Hundsgasse",
(platea canum) zu Bautzen „aulserhalb der Stadt" (1296").
In Görlitz wiid erst 1358 ein „Walther in der breiten
Gasse" erwähnt. Dagegen waren Bezeichnungen üblich,
wie „Werner auf dem Markte (1298); an der Ecke (1308);
bei der Mauer (1330); auf dem Mühlgraben (1330); an
der Kirche (1378, sämtlich in Görlitz); am Thore (apud
oder circa valvam, vor 1345, Bautzen); vom Anger (1303,
Kamenz); im Schlünde (1359, Löbau), und noch 1521
wird in Löbau ein „Paul am Ende" erwähnt. Häufig
benannte man die Personen nach der mehr oder minder
in die Augen fallenden Beschaffenheit ihres Wohnhauses
8) Lausitzer Magazin LXIV (1888), 309 ff.: „Die Familie Stein-
rucker in Zittau und Görlitz'',
»j Cod. Lus. S. 153.
Bürgerl. Farailiemiamen in der Oberlausitz. 321
so: Fritzko vom hohen Hause (1312, Zittau); Heinrich
vom Steinhause (1284, Görlitz) und die Nachkommen
des Löbauer Bürgers Peregrinus de domo lapidea (1336)
führten erblich den Namen „im Steinhause", bis sich der-
selbe im 16. Jahrhunderte in den regelrechten Familien-
namen „Steinhäuser" verwandelte ^'').
Uralt, weil nächstliegend, ist bei allen Völkern die
Bezeichnung der Personen durch Beifügung des (Vor-)
Namens des Vaters. Auch in den oberlausitzischen
Städten ist diese Form der Bezeichnung bis Mitte des
14. Jahrhunderts selbst bei älteren, bereits städtische
Ämter bekleidenden Männern noch allüblich. 1310 wird
als Bürgermeister von Zittau „Nikolaus, der Sohn des
verstorbenen Hermann", genannt. In Görlitz kommen
vor: Berthold, der Sohn Werners (1301); Nikiaus, Heine-
manns Sohn (1310); Nikiaus, Sohn Eberhards (1315). Da
die Urkunden zu jener Zeit fast stets noch lateinisch ab-
gefafst wurden und im Lateinischen diese nähere Bezeich-
nung durch Beifügung des Vaternamens im Genitiv, und
zwar ohne filius, die übliche ist, so erscheinen nun auch
die Namen der oberlausitzischen Ratraannen vielfach in
folgender Form: Petrus Herwordi (1312, Zittau); Arnol-
dus Gerardi; Johannes Guntheri (vor 1345, Bautzen);
Johannes Bertoldi (1338, Kamenz); Petrus Rychardi
(1359, Löbau). Häufig wurde der Vaternamen regel-
mälsig beigesetzt und wurde so nach und nach zum wirk-
lichen Familiennamen. Wenn der 1298 noch Peczoldus
Wernheri genannte Görlitzer Ratsherr 1322 Pezoldus
Wernher heilst, so ist jetzt Werner bereits Familien-
name. Wie in Bautzen der Familienname Flemming ent-
stand, haben wir schon erwähnt. Ebenso erweisen sich
Heynmanuus und Rulko Punzelini als Glieder der alten
Bautzuer Patrizierfamilie „Puntzel", welche zuerst 1307
mit Walther Puntzel auftritt und bis weit in das 15. Jahr-
hundert sehr häufig sowohl unter den Ratmannen der
Stadt, als unter den Kanonikern des Domstifts vorkommt^').
Oft werden einzelne Personen nach irgend einer auf-
fälligen Eigentümlichkeit ihres Körpers benannt,
z. B. Nikil der Blinde (1347); Nikil mit dem Barte (1408);
Martin der Hinkende (1408, sämtlich in Görlitz). Dies
sind sichtlich noch blolse Zunamen. Aber häufig ging
'«) Cod. dipl. Sax. reg. II, 7, Vorbericht XXVIII, Anra. 34.
") SoDutagsbeilage zu den „Bautzner Nachrichten" 1886 No. 3.
Neues Ardiiv f. S. G. u. A. XIV. 3. i. 31
322 H. Knothe:
dieser Zuname nun auch auf die Nachkommen über.
Wenn 1298 Petrus Calvi, 1308 Berwich des Oalen (Solni)
und 1314 Berwicus dictus Calvi (sämtlich in Görlitz)
genannt werden, so führen dieselben bereits den Familien-
namen „Kahle". Ebenso kommen in Zittau 1310 Petzoldus
Ruifns, d. h. Rothe, und Henningus Claudus, d. h. Lahmer,
in Bautzen 1332 Johannes Kotundus, d. h. Runde, vor.
Wie sich aber die in einer »Stadt wohnenden Leute,
zumal während des Mittelalters, ganz besonders durch
das Geschäft oder Gewerbe unterschieden, das sie
betrieben, so ist sehr erklärlich, dals allerorten die Be-
zeichnung ihrer Berufsart, ihres Handwerks zuerst als
Zuname zu dem Vornamen trat und nach und nach zum
stellenden Familiennamen wurde, umsomehr, da meist auch
die Söhne das Handwerk des Vaters betrieben. Freilich
wird es schwierig oder sogar unmöglich sein, zu be-
stimmen, ob im einzelnen Falle die Bezeichnung als Weber,
Bäcker, Schuster, Fleischer, Schneider, Färber, Kürschner,
Täschner etc. noch als blolser Zuname oder schon als
Familienname zu betrachten sei. „Gottschalk ein Gewand-
macher" (d. h. Tuchmacher, Görlitz 1325) führt noch
keinen Familiennamen, wahrscheinlich aber die folgenden:
Johann Hamersmit, Hermann Steinbrecher (vor 1345,
Bautzen), Mathias Schernsmit (1332, Görlitz).
Als ein ziemlich sicheres Zeichen, dals der Zuname
bereits zum Familiennamen geworden ist, darf man es
betrachten, wenn ersterer durch ein „genannt" oder
lateinisch: dictus, cognomine, mit dem Vornamen verbunden
ist. Apezco dictus de Radeberg (1308, Görlitz) stammte
nicht nur selbst aus Radeberg, sondern vererbte diesen
Zunamen auch auf seine Nachkommen. Ein in einer
lateinischen Urkunde Rodolphus dictus Juvenis genannter
Görlitzer (1308) heilst in einer deutschen: Rudolf Junge.
Der Kamenzer Kaufmann Bertholdus Lupus cognomine
(1248) hiefs also: Wolf, ebenso wie eine Bautzner Patri-
zierfamilie sich Ursus, d. h. Bär, nannte. 1303 heilst ein
Kamenzer Ratsherr latinisiert Conradus Stolo, 1304 ein
anderer „Heinrich genannt Stolle", 1335 ein dritter blofs
noch „Johann Stolle". Besonders wurden seltsame
Familiennamen durch ein hinzugesetztes dictus als solche
gekennzeichnet, so Henricus dictus Kost (1355, Kamenz) ;
Petrus dictus Papkese (1334, Bautzen); Nicolaus niger
dictus Libinkint, während ein anderer Sprols der Familie
schon blols als Eberhardus Libinkint aufgeführt wird (vor
Bürgerl. Familiennamen in der Oberlausitz. 323
1345, Bautzen). Wir führen noch an: Heinricus dictiis
Sensinsmit (1298, Görlitz); Theodoricus dictus Lang-
schenkel (1312, Zittau); Nicolaus dictus Kluge (vor 1345,
Bautzen).
Nebenher gehen nun allerdings schon seit dem
13. Jahrhundert Familiennamen der verschiedensten Art,
welche aus keiner der von uns angeführten Gattungen
ursprünglicher Zunamen hervorgegangen sind und mit
deren Erklärung oder Deutung wir uns hier nicht weiter
beschäftigen. Als solche haben wir unter anderen schon
erwähnt: Wolf (1248, Kamenz); Bär (1296, Bautzen);
wir führen von Tieren noch an: Falke (Valco, 1303,
Kamenz); Homil (Hummel? 1358, Kamenz), aulserdem:
Kost, Selege, Bachmann, Klette, Volniar (1358, sämtlich
in Kamenz); Papkese, Amangist (?), Twart, Mumner,
Rosenkranz, Beler, Cipil (Zipfel?), 8ommerling, Libin-
knecht (Liebknecht), Soufeler (Öcheuffler), Pigmer, Sommer-
clun (vor 1345, sämtlich in Bautzen); Ladebuch (Belade
den Bauch, 1305), Kucindensac (Guck' in den Sack, 1332),
Krowil (sämtlich in Görlitz); Schewril (1311), ßazolt
(1312), Hinfuchs (1357, sämtlich in Zittau).
21*
XII.
Kleinere Mitteilungen.
1. nruclistück eines alten Nekrologiiinis des Klosters
Pegau.
Mitgeteilt von P a u 1 ]\I i t z s cli k e.
In den Jahren 1302 — 1303 liels der damalige Abt
des Pegauer Benediktinerklosters Konrad I. von Lieben-
liain für den Gebrauch seiner Kirche ein grolses Hand-
buch anfertigen, das jetzt als „Calendarium Pegaviense"
unter den Handschriften der Leipziger Universitäts-
bibliothek (No. 848 in fol.) aufbewahrt wird. Es ent-
hält für jeden Tag des Jahres Angaben über die kirch-
lichen Feste und Obliegenheiten, vei'zeichnet die Evan-
gelien u. s. w., giebt eine Abschrift der Regel des heiligen
Benedikt, bringt ein reichhaltiges Nekrologium des Klosters
Pegau, ein Verzeichnis der Klosterbibliothek, chronika-
lische Nachrichten über die Gründung und die ersten
Jahrhunderte des Klosters, auch manche spätere Zusätze
und Nachträge, wie Abschriften einiger Klosterurkunden
u. a. m. Das Nekrologium, dessen Eintragungen bis zum
Anfang des 16. Jahrhunderts fortgeführt sind, ist nebst
anderen Stücken des Leipziger Codex von Mencke im
IL Bande seiner Scriptores rerum Germanicarum (Sp. 117
bis 156) abgedruckt worden. Bei Anlegung des Nekro-
logiums in den Jahren 1302—1303 haben als Vorlagen
ältere Aufzeichnungen gleicher Art gedient, insbesondere
ein älteres Totenbuch des Klosters. Von diesem früheren
Pegauer Nekrologium ist ein kleines Bruchstück dadurch
erhalten worden, dals es bei „Ausschlachtung" des Bandes
als Umschlag zu einer Polio- Handschrift von Statins'
Kleinere Mitteilungen. 325
Thebais Verwendung fand. Vermutlich nach der Säkula-
risierung des Klosters Pegau gelangte diese Handschrift
nach Heidelberg und von da später nach Wien in die
K. K. Hofbibliothek. Dort trug sie früher die Bezeich-
nung „Manuscr. philol. No. 143", geht aber jetzt unter der
Signatur „Cod. Fakt. Vindob. No. 135". Bei einem Neu-
einbande im Jahre 1753 hat man die zwei alten Umschlag-
blätter vorn an den Anfang des Bandes gesetzt, aber in
verkehrter Reihenfolge. Die Herkunft aus Pegau steht
fest bei der Thebais durch die am Fulse des ersten Blattes
( ]^
befindlichen Worte „Sancti Jacobi liber in Bigawia'
bei den zw^ei Voiblättern durch den Inhalt. Eine Ver-
gleichung mit den entsprechenden Stellen der Leipziger
Handschrift ergiebt jedoch, dafs nicht alles, was in dem
alten Nekrologium stand, in das neue hinübergenommen
worden ist, dafs aber auch umgekehrt die ältesten Ein-
tragungen des neuen Totenbuches manches enthalten, was
in dem alten nicht gestanden hat. Dabei ist die Anlage
des neuen Nekrologiums von derselben Hand geschehen,
die die letzten Eintragungen in dem alten besorgt hat.
Weggefallen snid aus unserm Bruchstücke bei An-
fertigung des neuen Totenbuches meist Personen, die den
Zusatz „laicus" oder „laica" haben, ferner einige ganz
unbezeichnete, aulserdem aber nur Abt Hermann von
Posa (II. Id. Junii). Diese im neuen Totenbuche fehlenden
Namen sind hier durch ein vorgesetztes Sternchen (*) ge-
kennzeichnet. Gesperrter Druck deutet diejenigen
Namen an, die sich auch im Chemnitzer Nekrologium
finden, das nachgewiesenermafsen mit auf eine Pegauer
Vorlage zurückgeht.
Die beiden alten Blätter sind stark vergilbt, durch-
löchert, wurmfrälsig und sonst beschädigt. Jede Seite
besteht aus 4 Spalten, die durch kapitälverzierte Säulen
mit übergesetzten romanischen Bogen von einander ge-
trennt werden. In der ersten Spalte stehen jedesmal die
Tagesbezeichnungen-) in roter Schrift, in den andern
ohne erkennbares Einteilungsprinzip die Personennamen,
und zwar schwarz geschrieben, nur bei den Namen der
Pegauer Äbte zeigt sich neben grölserer Schrift auch
^) In einem Verzeichnisse der Pegauer Klosterbibliothek aus
dem 13. Jahrhundert werden „Duo Stacii" erwähnt. Vergl. Nau-
manns Serapeum 1863. Intelligenzblatt S. 52 und 53.
2) Diejenigen Tage, bei denen keine Namen eingetragen, sind
im nachfolgenden Abdruck weggelassen.
326 Kleinere Mitteilunffeii.
rote Tinte. Die frühesten Eintragungen stammen wohl
noch aus dem 12. Jahrhundert, die letzten rühren, wie
schon angedeutet, von einer Hand des ausgehenden 13. und
beginnenden 14. Jahrhunderts her. In dem nachfolgenden
Abdruck sind die Abkürzungen pbr und pr beide gleich-
mälsig durch presbiter wiedergegeben, da sie bei der
Herübernahme in das neue Calendarium unterschiedslos
benutzt worden sind. Die Präposition „in" fehlt bei der
Ortsbezeichnung fast überall, die Ortsnamen sind zumeist
einfach über die Personennamen gesetzt.
Fol. 2a. \U1. Kai. [Febr.]. Heidenricus presbiter et nionachus nostre con-
gregationis.
VI. „ Obiit Wecelinus^) abbas (inj Nortoym. — Obiit
Wicbortus-*) junior coiiies.
V. „ Obiit Bron laicus ; I mansuni. — Tuto pre-sbitcr
et nionacbns.
IUI. „ Gotefridus presbiter et monachus, frater noster. —
Gebebavdus conversus nostre congregationis.
III. „ (Rasur.) *Gevehardus.
II. ,, Obiit Bernunc presbiter et monachus [in] Nuun-
burc. — Heinricus laicus; niarcas II et
diniidiaui. — Reinoldus conversus et monachus
[inj Buzoe"). — Rudolfus presbiter et monachus,
Reniese").
Febr. Habet dies cum bissexto XXVIIII, lun. XXX.
Kai. Reinhardus') abbas [injMerseburc— Reinboto»)
al)bas frater noster. — [Sijt'ridus conversus
[in| Corbeja. — Tu . . . presbiter monachus . . .
IUI. Non. Obiit Arnol'dus presbyter et monachus in Bti-
zowe^). — Obiit Engilmöt conversa nostre
congregationis.
») Wetzelin, Abt des Benediktinerklosters Northeim (bei Göt-
tingen) 1144—1170. Im neuen Pegauer Totenbuche fehlt die Orts-
angabe.
*) Wipprecht II F. oder der Jüngere von Groitzsch, starb etwa
1116. Im neuen Totenbuche mit näheren Personalangaben und einer
Stiftung.
'*) D. i. Posa (Bosau) bei Zeitz.
") Im neuen Totenbnehe steht Nuenburc statt Remese. Ist das
letztere i-ichtig, so gelüiTtc Rudolf entweder der adeligen Familie
von Remsc (bei Altenburg) an, oder, was wahrscheinlicher ist, er lebte
im Benediktinerinnenkloster Remse (bei Glauchau), das in Abhängig-
keit vom 1!( iiediktineikloster Ringel (bei Jena) stand und zur Leitung
und geistlichen .Aufsicht immer Mönche von dort hatte.
') Reinhard, Abt des Petersklosters auf der Altenbui'g zu Merse-
burg um 1140; im neuen Totenbuche nur als sacerdos et nionachus
bezeichnet.
s) Reinboto, Abt des Johannesklosters auf dem Berge zu Magde-
burg 1190 — 1207. Im neuen Totenbuche ist der Ort „Meydeburc"
zugesetzt.
Kleinere Mitteilungen. 327
III. Non. Obiit Ernestus^) abbas [inj Reinhersbuni.
II. „ (Rasur.) Eeinheru.s presbiter et monachus [in]
Burgelin''*). — Burkardus laicus.
Nouas. Ubiit Radeboto") abbas nostre congregationis
anno MCLXXXI. — Degenbardus^^j abbas
[inj Burgelin. — Obiit Gerbardus sacerdos et
monachus [in] Xortbeym^'^). — Sifridus pres-
biter et monachus nostre congregationis. —
Adela conversa nostre congregationis. —
(Rasur.)
VIII. Id. Obiit Bubo presbiter et monachus nostre congre-
gationis.
VII. ,, Obiit Volradus puer nostre congTegationis.
VI. „ C tino presbiter et monachus nostre congregationis.
— *Teodericus laicus.
V. Id. Rüdpertus presbiter et monachus nostre congre- Fol. 2 b.
gationis. — Obiit Johannes conversus nostre
congTegationis. — Obiit Cunradus laicus. —
Obiit Eberhardus conversus nostre congre-
gationis.
IUI. „ Obiit *Godefridus laicus. — Obiit *Hadto laicus
et Cimradus occisi; II mansos.
III. „ Sigehardus presbiter et monachus [in] Bozowe.
II. ,. Obiit Juditha^-') conversa nostre congregationis.
Idus Obiit *WoIprandus laicus.
XVI. Kai. Marcii. Obiit Herimannus laicus. — *Hartmannus laicus.
XV. , (Rasur.) Obiit Cristanus conversus nostre congre-
gationis.
XIIII. „ Fridericus diaconus et monachus [in] Nunburc. —
Eberhardus subdiaconus et monachus [in]
Nunburc.
XIII. „ Obiit Gothefridus conversus nostre congregationis.
— Fruto conversus nostre congregationis.
XII. „ Obiit Otto 1') marchio Misne ; X talenta, marcam*^).
— Albericus diaconus et monachus [inj Nuun-
burg.
XI. „ Obiit Wemherus*') abbas [in] Nuumburcs.Georgii.
— (Rasur.)
^) Es ist nicht zu entscheiden, ob Ernst I. oder Ernst II. ge-
meint ist. Ernst I. stand 1105-1139, Ernst 11. 1141—1168 dem Kloster
Reinhardsbruun vor.
'**) Im neuen Totenbuche ist Reinher als sacerdos et monachus
in Porta angeführt, im Chemnitzer Nekrologium als presbiter et
monachus ohne Ortsangabe.
") Radboto, Abt zu Pegau 1168-1181.
^-) Degenhard, Abt zu Bürgel, nachweisbar in den Jahren
1171—1185.
*^) Diese Eintragung steht im neuen Totenbuche ohne Orts-
angabe und einen Tag später.
") Im neuen Totenbuche in der Form Jutta.
^^) Otto der Reiche, Konrads des Grofsen Sohn, starb 1190.
1") Dieses Wort ist in der Vorlage undeutlich.
*'') Dieser Abt des Naumbiu'ger Georgenklosters ist anderweit
nicht nachweisbar. Yergl. Schamelius, Georgenkloster S. 79.
328 Kleinero "Mitteilungen.
Koi. liu 111 Kai. .Imiii.J Obiit AiIcUkto'") ablias ... in Coiboja tVator
noster. — Heinricus ])resl)iter et nioiiachus [in|
Kurg'olin. — *Hiniiza laiia. — Bcniliaidus . . .
et nidiiaclius [in| Xuuiiil)uic. — Heriiiiannus
fliai'onns et monaehus [in] Nutunburc, viticola'").
II. „ (Rasuren.)
Kalendas Junii. Obiit Heinricus presbiter et nionachus nostre
oongregationis. — ^I^uiib laicus. — .Tmlitba^)
conversa nostre conyi-cyntionis.
IUI. Non. (Rasur.)
III. „ Obiit Gothefridus-') abbas [in] Nuenburc. — Gun-
fridus-'') sacerdos et canoiiicus, prepositus de
Cice. — Witigo presbiter et iiiouiiclius nostre
congreg-ationis. — *Adellielnius laicus. —
Baidrammus presbiter et monachus [in] Puzowe.
II. ,, Obiit Sigeboldus presbiter et monacbus [in]
Burgeiin. — Obiit ('ristanus conversus nostre
congregationis.
Nonas. (Rasur und Rifs.) — Depositio Nortberti^»)
archiepiscopi ; Gothefridi et Karoli presbitero-
rum [in] Nuunibure.
VIII. Id. Adelbedis laica; V tal.
VII. „ Obiit Gerwardus diaconus et monachus nostre
congregationis.
VI. ,, Obiit Ger laus presbiter et monachus nostre con-
gregationis. — Oliiit Cuiiegunt^i) comitissa. —
Wernherus niduarbus in Habeiiberc.
it laica. — Witigo presbiter et
Fol. 1 I).
V. „ Obiit *Gerdrul
monachus
in] [()l]de.sleben. — *Lutdolfiis
aicus. — *Dutica laica. — *Mechtilt laica.
IUI. ., Obiit *Gerhardus laicus.
111. „ Obiit Amulunc diaconus et monachus nostre
congregationis. — (Rasur.)
II. „ Depositio Arnoldi-^) episco])i; *Hermanni-^) ab-
batis Bosaugie. — Obiit Wikardus piesbiter
et monacbi (sie). — Obiit Adelgoti^') archi-
episcopi (sie). — Rattolh laici.
Idus. Heinricus presbiter et monachus [in] Babenberc. —
Herborto monachus [in] Babenberc.
'8) Adelbero, Abt zu Corvey 1138-1144.
'") Der Zusatz viticola fehlt im neuen Totenbuche.
-°) Im neuen Totenl)nche in der Form .Tutta.
2') (iotttVied. Abt des Naumburger Georgcnklosters 1185 — 1199.
22) Diesen Zeitzer Propst kann ich anderweit nicbt nacbwcisen.
TJbrigens fehlt gerade das Wort prepositus im neuen Totenbucbe. Ein
Propst Gunfried des Nauraburger Moritzklosters ersclieint ]17(i bis 1185.
'-■') Der heilige Norbert. Erzbischof von iMagdeburg 11:^6 — 11:54.
2') Kunigunde. Tochter des (irafen Otto von Weimar, veniiäblt
nacheinander mit dem Russenfürsten .laroslav, dem Grafen Xuno
von Beichlingen und Wipi)recht II f. von Groitzsch. Sie starb 1140.
^•>) Arnold. Bischof von Merseburg 1118 -1126.
28) Hermami L, Abt zu Posa (Hosan) 1145-1146.
-') Adelgot, Erzbischof von Magdeburg 1107—1119. Im neuen
Totenbuche steht vor diesem Genetiv noch das Hauptwort deposicio.
Kleinere Mitteilmigeii. 329
XVHI. [Kal.J Julii. (Rasuren.) — *Juditlia laica.
XVII. „ (Rasiiren.) — tlicliniarus con versus nostre con-
g-regationis. — *Erkenbertus laicus.
XVI. „ Obiit Hizecho conversus nostre congi'egationis.
XV. „ Obiit Hazecho conversus nostre congregationis.
XIIII. ,, Obiit Arnoldus presbiter et nionachus [inj Puzowe.
— Obiit ßerchtoldus presbiter et monachus
frater noster [in] Magdeburc.
XIII. „ Obiit Witigo diaconus et nionachus nostre con-
gregationis. — Obiit *Grumpertus. — *Otto
laicus.
XII. „ Obiit Adelmarus diaconus et monachus nostre
congregationis. — Obiit *Adelbertus occisus. —
*Emmeka laica.
XI. „ Obiit Ekelin us-^) abbas nostre congregationis
anno MCLXXXIII. — Hizcha conversa nostre
congregationis. — Adelheidis conversa nostre
congregationis. — Obiit Fridericus^^) Imperator
augustus anno MCXC.
•ö'
Ermisch hat in v, Webers Archiv f. d. sächs. Ge-
schichte N. F. IV, 262—264 und nochmals im Cod. dipl.
Sax. reg". II, 6, 471 darauf hingewiesen, dafs sich im Toten-
buche des Chemnitzer Benediktinerklosters starke Benutz-
ung einer Pegauer Vorlage erkennen lasse, die älter sein
müsse, als der älteste Bestand des Pegauer Nekrologiums
in der Leipziger Handschrift. Da liegt die Vermutung
nahe, dals unser Wiener Bruchstück einen Teil jener
Vorlage gebildet habe. Diese Vermutung bestätigt sich
aber nicht, wenigstens nicht schlechthin-^*^). Unter IL
Non. Febr. ist Reinher in unserem Bruchstücke als Mönch
von Bürgel, in der Leipziger Handschrift als Mönch von
Pforte angeführt, das Chemnitzer Totenbuch lälst die
Ortsbezeichnung ganz weg und nimmt uns dadurch hier
die Möglichkeit zu einem Schlüsse. Unter demselben
Datum hat unser Bruchstück den Namen Burkard, der im
neuen Pegauer Totenbuche fehlt, wohl aber im Chemnitzer
steht. An dieser einzigen Stelle könnte eine unmittelbare
Benutzung des Wiener Bruchstückes durch den Anfertiger
des Chemnitzer Totenbuches angenommen werden, wenn
nicht die sonstigen Abweichungen auf andere Erklärung
dieser Übereinstimmung hinwiesen. Unter Non. Febr. hat
das Wiener Bruchstück einen Sigfried, der im Drucke
28) Eckelin, Abt zu Pegau 1181-1183.
29) Friedrich I., 11.52-1190.
^^) Unbedeutende und unwesentliche Abweichungen, die einfach
als Versehen beim Abschreiben zu betrachten sind, sind bei der
folgenden Nebeneinanderstellung nicht berücksichtigt.
330 Kleinere Mitteilungen.
des Cliemnitzer Totenbuchs (Cod. dipl. Sax. reg. II. 6, 473)
durch die benutzten gröiseren Typen als nicht aus der
Pegauer Quelle entnommen gekennzeichnet ist. Hier liegt
ein Irrtum vor, denn der Xame steht wie hier so auch
im neuen Pegauer Totenbuche (da von ältester Hand)
eingetragen. Endlich findet sich der Posaer Abt Hermann,
den unser Bruchstück unter II. Id. Junii verzeichnet,
weder in der Leipziger Handschrift noch im Chemnitzer
Totenbuche. Es ist ganz unwahrscheinlich, dals gerade
dieser unter den Posaer Äbten aus jedem der beiden
jüngeren Nekrologien ausgeschlossen worden wäre, wenn
beide unmittelbar und unabhängig von einander das alte
Pegauer Nekrologium als Vorlage benutzt hätten. Viel-
leicht löst folgende Vermutuug die Schwierigkeiten.
Derselbe Schreiber, der die letzten Eintragungen in
das alte und die frühesten in das neue Pegauer Toten-
buch gemacht hat, fertigte um die Wende des 13. und
14. Jahrhunderts eine provisorische Abschrift des alten,
im 13. Jahrhundert wohl nur mangelhaft fortgeführten
Buches an, wobei er absichtlich die meisten Laien strich,
versehentlich aber auch einige wichtige Personen, wie
den Abt Hermann von Posa, wegliels. Dieses Provisorium
wurde den Chemnitzer Ordensbrüdern für Anfertigung
ihres Totenbuches zur Verfügung gestellt. Der mit der
Arbeit beauftragte Chemnitzer Mönch schrieb die Vorlage
nicht ganz ab, sondern excerpierte sie nur, und zwar hin-
sichtlich der Angehörigen Pegaus unter besonderer Be-
rücksichtigung derjenigen Mönche, die die Priesterweihe
empfangen hatten. Bei Rückgabe der Vorlage fügte er
zur Ergänzung ein Verzeichnis von verstorbenen Chemnitzer
Mönchen und Äbten bei. In Pegau benutzte dann der
mehrerwähnte Schreiber sein also vervollständigtes Pro-
visorium als Grundlage für Anfertigung der Reinschrift
eines neuen Totenbuches, beging aber auch dabei wieder
versehentlich Auslassungen, wie es z. B. bei dem Namen
Burkhard (IL Non. Febr.) in die Erscheinung tritt.
2. Saclisens und Braii(leiil)ur£?s i::emeinsanies Vorijehen
bei der Resij?iiation Karls V. iiiid der Kaiserwalil
Ferdinands I.
Von Wilh. Altmann.
Obwohl Ranke im 5. Bande seiner „Deutschen Ge-
schichte im Zeitalter der Reformation" (Werke V, S. 297)
Kleinere Mitteihmgen. 331
bereits auf das gemeinsame Vorgehen Sachsens und
Brandenburgs bei der so merkwürdigen Resignation
Karls V. auf seine kaiserliche Würde aufmerksam ge-
macht hat, scheint ein im Berliner Geheimen Staats-
Archiv (Rep. 10 Dd. 1, Sammelbd., fol. 86 ff.) befind-
liches Schriftstück, welches Ranke a. a. 0. citiert, doch
nicht die ihm gebührende Beachtung^) gefunden zu haben;
ich glaube daher, es im folgenden mitteilen zu dürfen und
zwar um so mehr, als Sachsen und Brandenburg auch
wirklich auf dem Frankfurter Reichstage mit ihren in
dem folgenden Schriftstücke niedergelegten Direktiven
durchgedrungen sind-).
Nachdeme unsere gnedigste Herrn die Churfursten zu Sachsen
und Brandenburg freuntliclien geneigt, dass ire churf.[urstlichen]
G.[naden] einander nicht alleine under sich freuntlich i;nd bruderlich
meinen und der freuntlichen Vorwantnus nach, dar mit ire cbur-
furstlichen Gnaden einander der nhaen Blutfreuntschaft geschworner
Erbeinigunge und sonderer freuntlichen Lieb Neigung und Vor-
trauens^) halben zugethan getreulich zusammensetzen, sondern auch
als vornheme Glider des heiligen Reichs in gemeinen desselben
obligenden Sachen freuntliche und gute Correspondenz halten*) und
^) In Böttiger-Flathe, Gesch. des Kurstaates Sachsen,
flndet sich über die Politik Sachsens bei Gelegenheit der Kaiserwahl
Ferdinands I auch nicht eine Zeile, überhaupt ist die Geschichte
dieser Wahl noch sehr wenig erforscht.
2) Zu nachstehendem Aktenstücke teilt Herr Dr. Gustav Wolf
der Redaktion folgende Bemerkungen mit:
„Nachdem ich kürzlich in dieser Zeitschrift (XIII, .%4 f.) ge-
legentlich einer Besprechung auf die Wichtigkeit des Berliner Akten-
stückes hingewiesen habe, stiefs ich im Dresdner Archiv auf das
Faszikel III, 34 fol. 10 n. 11, welches gleichfalls eine Kopie des
Vertrages, aber aufserdem das Konzept zu demselben von der Hand
Kysewetters enthält. Da der Entwurf aus der sächsischen Kanzlei
Staramt, so bin ich in meiner bereits früher gehegten Vermutung,
dafs die ganze Verhandlung aus sächsischer Initiative hervorgegangen
sei und mit Augusts Bestreben, gegen die Ernestiner einen Rück-
halt zu gewinnen, zusammenhänge, wesentlich bestärkt worden. —
Aus einem Vergleiche zwischen Kopie und Entwurf geht hervor,
dafs letzterer anfangs knapper gehalten war und später nicht un-
wesentlich erweitert worden ist. Doch finden sich die nachträglichen
Zusätze bereits im Entwürfe, und zwar von Kysewetter selbst an
den Rand gesetzt. Diese Zusätze, sowie einige Abänderungen, welche
gleichfalls als Korrekturen schon im Entwürfe stehen, scheinen mir
eine Abschwächung resp. Milderung des ursprünglichen Wortlautes.
Ich habe diese Zusätze durch [] bezeichnet und in den Noten die
wichtigsten Korrekturen angegeben."
^) Dresdner Archiv ,,verwantnus". (AV.)
*) Dre.sdner Archiv „zu halten"; Berliner Archiv ,,za" durch-
strichen. (W.)
382 Kleinere Mitteilungen.
sich in denselben jederzeit also freuntlichen wollen'") vory-leielieii, wie
Von den Cliurfursten am Rein") ires Ortlis auch beschieliet, und
ire cluufuisilicheii Gnaden derweyen jetzo alhier duich etzliche irer
churtiiistlichfu (inaden Hethe von voigenden liochwiciitigen Puncten
und Aitikflii, so in vorstellender Zusamnienkunft der Römischen
königlichen ]\Iajestät und aller des heiigen Keichs Cüiurfursten ') vor-
lauten und dem heiigen Reich zum besten muchten erreget und ge-
handelt werden vortrauliche Underreduiige jiHegen lassen: als haben
irt" churfurstlicht'u Gnaden sich in d(,'iiselben volgender Bedenken
freuntlichen vorglichen.
[1] [Nemlich wann solche Zusammenkunft der Königlichen
Majestät und Cliurfursten vorgengig, dafs hochgedachte Ijeide Cliur-
fursten solchen Tliag in eigener Person besuchen und dhen Hand-
lungen beiwhonen wollen ]
[2] Und als erstlich vormutlich, dafs der Römischen keiserlichen
Majestät hinderlassene Botschaft '^) (welche in künftiger Zusammen-
kunft der Cliurfursten soll gehört werden der Resignation und Über-
gebung der keiserlichen Regierung halben wie dieselbe von der
keiserlichen Majestät der Römischen königlichen ^Majestät beschehe)
Anzeigung und Werbunge thun werd, so bedenken ire churfarstliche
Gnaden, dafs solche Resignation von der keiserlichen Majestät auf
dreierlei Weise muchte vorgenommen werden, als dafs ire keiserliche
Majestät sich irer keiserlichen Wirde und Ampts genzlichen vor-
ziehen und der Römischen königlichen Majestät Krön und Öcepter
iibergeben ader das ire keiserliche Majestät die Ehre und Wirde
eines Romischen Keisers behielden und der königlichen Majestät
alleine die Administration des heiigen Reichs absolute und mit vol-
kommener Macht und Gewalt oder aber mit etwan einer Mals zu-
stelle.
[3] Und achten ire churfurstliche Gnaden, das zu Erhaltung des
heiigen Reichs und aller desselben Glider Wolfarth am ratsamsten
un l besten sei, dafs die keiserliche Majestät, da sie dem Reiche
lenger nicht vor sein wollen, dem Römischen Könige nicht alleine
die Administration und Vorwal tunge desselben absolute oder mit
einer Mafs zustelleten, sondern dafs ire keiserliche Majestät der
königlichen Majestät die Ehere Wirde und Nliamen eines Römischen
Keisers auch abtreten und irer königlichen Majestät also das Keiser-
thumb volkömlich übergeben.
[4] Dhann dafs die Stende des Reichs zwei Heupter zugleich
haben und deine Hern, der das Reich von deswegen, das er alle
seine Land und Leute abgetreten, wie einem Römischen Keiser ge-
burth , weder schützen noch handhaben kan, auch solden vorwandt
bleiben, dasselbe where aus vielen Ursachen bedenklich.
[5] Zu deine dafs die keiserliche Majestät, wan sie die keiser-
liche Wirde behielden zuwider irer ]\Iajestät Gelegenheit, als wann
die königliche Majestät zu Engelland wider Frankreich siegethen
oder sunsten irer Majestät Sachen in glücklichen Zustand kwemen,
^') ,, wollen vorgleichen'- corrig. aus: „zu vergleichen" Berliner
Archiv. „Zu vergleichen" Dresdner Archiv. (W)
") Der alte Gegensatz zwischen den rheinischen Kurfürsten und
Sachsen-Brandenburg bestand also noch 15.")7I
'') Die Versammlung fand Ende Fcdiruar 1558 zu Frankfurt a M.
statt, nachdem frühere Termine sich zerschlagen hatten.
^ Wilhelin von Oranien und Dr. Seid.
Kleinere Mitteilungen. 333
die Administration auch wider rauchten an sich nhemen und ein
frembd Kriegsvolk ins Reich fhuren, [deren Willen schaffen,
auch leichtlich durch bebstische Practiken] unsere christliche
Religion vervolgen [oder aber unter anderm Schein dem heiigen
Reich deutscher Nation allerlei Beschwerunge zufügen], auch vieleicht
eine solche Person zu einem Römischen Reiser einzudringen under-
stehen muchten**) daraus dan nach Gelegenheit der jetzigen ge-
schwinden Leufte vornemlich denen Churfursten, welche in solche
Practiken nit woldeu willigen, allerhand Gefai' und Beschwerung
entstehen und die jetzig lobliche Vorfassunge des heiligen
Reichs mit den churfurstlichen Heusern beschwerlich könte zer-
rüttet werden.
[6] So hat es auch die Erfarung geben, was vor eine Justicia
und Gehorsam die Zeit im Reich gewesen, da die keiserliche Majestät
iu Hispanuigen vorharret und der königlichen Majestät die Admini-
stration des Reichs auch bevholen.
[7] Und rauchte der Franzofs, wan die keiserliche Majestät
den Titel und Nharaen eines Romischen Keisers behielden, aus denen
Irrungen, die ehr mit irer Majestät hat, zu dem Reich auch Ursach
suchen, da er dan einen grossen Theil desselben und den ganzen
Reinstrom leichtlich rauchte hinweg reissen.
[8] Als ist auch wislich, in was Praktiken der Babst das
Reich von der Teutschen Nation wegen auf Frankreich zu bringen
stehet, zu welchem dardurch wan das heilige Reich einen solchen
Keiser haben solden, der alleine den Nhameu des Keisers furete,
desto mehr wurde Ursache geben.
[9J Hierumb haben hochgedachte unsere gnedigste Herrn be-
dacht, daßä beide ire churfurstliche Gnaden auf dem künftigen
Churfurstenthage dahin mit allem Vleifs bei der Königlichen Majestät
und den andern iren Mitchurfursten arbeiten, auch vor sich kein
anders*") rathen wollen dan dafs die keiserliche Majestät, wan sie
nicht mehr im Reich zu sein, sondern der königlichen Majestät die
Administration zu übergeben bedacht ii'er königlichen Majestät
neben der Administration auch Krön und Scepter ohne
allen Vorbehalt des keiserlichen Nhamens und Wirde wolden
zustellen, [darmit obberurte und andere beschwerliche Besorgnus Gefar
und Nachteil des Reichs soviel destomehr vorkoraraeu und die un-
rugigen Leute nicht Ursach nhemen muchten. sich von einem Haupt
zum andern, wie mehrmals gescheen zu berufen und dardurch allerlei
Zerruttunge und Übels im Reich anzustiften.
[lOJ Und seint beide ire churfurstliche Gnaden der Zuversicht,
weil ohne Zweifel alle Churfursten dieser Meimmg sein und der
keiserlichen und königlichen Majestät auf dehn Fall, da es die Nod-
turft erfördert umbs Reichs bester Wolfart willen also Vormeldunge
thun und rathen werden: beide ire Majestäten werden es anders
nicht dan zu Nodturft des heiigen Reichs, welchs die Churfursten
vor andern Stenden billich bedenken, gnedigst vormerken, auch solchen
Rath soviel mehr verfolgen und Stath geben.]
(. ^) Dresdner Archiv: hinter „raöchten" folgender Zusatz von
Kysewetter, der in die Kopie aufgenommen ist: „welche dem h. reich
nicht annemlich, sondern zum höchsten beschwerlich sein konte." (W.)
*") Die Worte „kein anderes dan" iu Kysewetters Konzept ge-
strichen und in die Abschrift nicht mit aufgenomraen. (W.)
B84 Kleinere Mitteilungen.
(11) Und d\) die kciscrliclui Majestät iileich der andern Wege
einen vorhetten, so achten doch ire churfurstliche (Inaden, dafs die
Churfnrsttn . als die das rechte Capitel im Reich sein und bei
denen die Wliale steth, irer keiserlichen Majestät derwegen wol ein
Zureden hahcii.
[\2] Wann es nun zu dem Falle kweine, dals <lie keiserliche
Majestät das Keiserthumb der Königlichen Majestät also wie ob-
gemelt volkomlich und uluie einigen Vorliehalr resignirten und über-
geben, so liat)en hochgedacbtc beide Churtursten weiter bedacht.
[Weil die Romische königliche Majestät albereit hie bevor durch
alle Cliurfursten zu einem Romischen Könige angeuommen, dafs es
jetziger Zeit keiner andern Whal l)edurfe, derhalb auch ire
königliche ]\lajesfät zu vormhanen die vollige keiserliche Wirde
Stand Titel und Regirunge unweigerlich anznnhemen, wie auch irer
königlichen Majestät auf solchen Fall anders zu thun nicht geburth.
[18J Und hierauf bedenken beide ire churfurstliche (inaden
weiter], dafs es der Stende des heiigen Reichs Nodturft sein wolde
vorgewisset zu werden, wie sie bei irer königlichen Majestät sitzen
und was sie sich der Religion und gemeines Friedens halben
zu irer königlichen Majestät zu getrösten.
[14J Wiewol nun mit irer königlichen Majestät derwegen
sondere Bundnufs ufzuricbten, wie es wol ehe vom Keiser und
Konige gesucht worden, keineswegs rathsam, dan die Stende dar-
durch in alle irer Majestät privath Kriege kwemen und ihnen dar-
durch ein solcher tref lieber jerlicher Kosten zuwachsen wurde, der
ihnen zu ertragen unniuglich, |dah man sich doch an gemeinen
Ijaudfrieden billich benugen lassen niuge und dem wirklich nach-
kommen soll] , so bedachten doch ire churfurstliche Gnaden [nicht
ungut sein], das die Churfursten zuvorn und ehe sie in die keiser-
liche Resignation willigten, die königliche Majestät also vor-
tasseten, dals sich die Stende des Reichs der Religion oder anders
halben von irer königlichen Majestät nichts zu befaren.
[15] Und dafs auch darneben alle die Mengel Gravamina
und Beschwerungen, die [in etzlichen Jaren anher]'*) wider der
Churfursten Preeminenz und Hochheit auch anderer Stende
Libertet eingefurt in dieser Gelegenheit geeifert und der königlichen
Majestät durch weitere Erklerunge irer Majestät gewonlichen keiser-
lichen Obligation und in andere Wege mit eingebunden werden
solin, dafs ire Majestät dieselben in geburliche Enderunge bringe,
die Churfursten und andere Stende bei irer Preeminenz Gebhür und
Freiheit lasse und im hoilgen Reich soviel immher muglich widrumb
die aide wolhergebrachte Form desselben Regirunge anrichte; [und
dafs in allewege der einmhal schwerlich erlangte Religionsfri ede
unzurruttet für und für bestendig auch undisputirlich bleibe und ge-
lassen werde], wie dan hochgedachte beide Churfursten freundlichen
mit einander einig solchs in künftiger Zusammenkunft der Chur-
fursten zum treulichsten zu befördern.
[!()] Es haben auch ire churfurstliche Gnaden weiter erwegen
lassen, dafs etwan zwischen allen des heiigen Reichs Chur-
fursten eine lobliche Einigunge und Vorbiuderunge ufgerichtet
und dafs die Erfarunge geben, dafs durch die Churfursten, wau
") Statt dieser "Worte stand im Konzept ursprünglich: „bei
dieses keisers regierung". (W.)
Kleinere Mitteilungen. 335
sie sich derselben vorhalden, diese Zeit her im heiigen Reich viel
Bescliwerung hetten vorkommen und vorhuetet werden miige.
[17] Und haben liierumb ire churfurstlich Gnaden bedacht, dafs
nicht unratsam sein solde, dafs in vorgemelter Zusammenkunft der
Churfursten von Vorneuerunge derselben alten chiir fürst-
lichen Einunge und Verbrüderung auch gehandelt wurde xmd
dieselbe sunderlich in denen Puncten und Artikeln, die Erhaltunge
irer churfurstlichen Gnaden Hochheit und gemeine des heiligen
Reichs Wolfart betreffen, wider aufgerichtet wurde. Dan es könde
gleichwol durch diesen Weg vorkommen werden, dafs sich die geist-
lichen Churfursten den Frantzosischen oder bebstischen Practiken so
leichtlich nicht kohnden anhengig machen, [daraus wie leichtlich zu
erachten hochschedliche Weiterunge im heiigen Reich wurde ver-
ursacht werden^-) und] wurden die keiserliche und königliche Majestät,
wan sie sehen, das die Churfursten sich widrumb freuntlich zu-
sammen Melden und in deme, was des heiigen Reichs Wolfart und
ire selbst churfurstliche Wirde und Hochheit anlangete, vor einen
Man stunden, ungezweifelt viel underwegen lassen, das sie sonsten
zu ünderdruckung der Churfursten und anderer Steude muchten
vornhemen oder Verheugen.
[18] AVas aber in vorgedachten alten churfurstlichen Eimmgen
von den Austregen in vorfallenden Irrungen, desgleichen von Hulf
und Zuzug vorsehen, dass konte in Vorneuerung solcher Einung
wol übergangen werden, weil des heiigen Reichs Landfrieden und
andere Ordnungen denen Dingen alle gute Mafs gibet, auch des Zu-
zugs halben alle Kreise und Stende in gemeine einander vorpflichtet
sein und auch der weiten .Abgelegenheit halben hochgedachter beider
Chuifursten und der Churfursteu draussen im Reynland sich ein
Theil des andern Hulf weinig zugetragen, zudeme dafs die Churfursten
Sachsen und Brandenburg über gemeinen Landfrieden auih sonsten
mit der loblichen Erbeinung, welche allewege vor den dritten Theil
der Macht des ganzen Reichs gehalten wiu'den, statlich vorsehen,
darumb ire churfurstliche Gnaden in diesem Punct dahin geschlossen :
apwol des Zuzugs oder Austrags halben die Vornetxrung vielbedachter
churfurstlicher Einunge nicht zu suchen, dafs doch der andern ob-
gemelten Puncten halben, [wtieferne die Churfursten am Reyn hier-
von nicht selbst den Anfang machten, beide] ire churfuistliclie Gnaden
die Handlunge in vorstehender Zusammenkunft der Churfursten weiter
erwegen und darauf bedacht sein wollen, wie und welcher Gestalt
solcher alten churfurstlichen Einung halben fuglichen An-
bringunge geschehe und Handlunge vorgenommen werden möge.
[19] Als auch neben diesen hochwichtigen Artikeln von der
Turckensteitr und Appellationen aus der alden Stadt Magde-
burg Underredunge vorgefallen, hat der C hur für st zu Branden-
burg geschehen lassen, dafs noch zur Zeit die aide Stadt Magde-
burg ire Turckensteur des Churfursten zu Sachsen und des Erz-
bischofs Vorordenten alleine antworten muge und dafs die von den-
selben den Ubereinnehmein^") des Erz.stifts Stuer zugeschickt, [darmit
also die ganze und volkomliche Anlage der Turkensteur des Erz-
stifts darmit unvermindert erfüllet und dem Reiche erleget werde.]
Dafs auch der Churfarst zu Sachsen zu Vorfassunge der Urtheile in
'2) Die Worte „daraus" bis „werden" fehlen iniKonzept ganz. (W.)
^^) Statt „Obereinnehmer" stand im Konzept ursprünglich , Erz-
bischof". (W.)
386 Kleinere Mitteilungen.
Appellation-Sachen dem Erzbisdiof alleine zuoidni; |und die inhi-
liitioni-i citaeiones und ffanze ireriilitliehe Proces in sulclien Appeliacion-
Saclien vonnuge der Tripartit- Handlunii,e und Vortrage anno 55
zu Dresden aufgerichtet in beider irer eluir- und lurstlicher CSnaden
als Sachsenn und des Erzbischofs zu Magdeburgk N harnen deceruirt
ausgheen und gehalten werden. |
f2()J Darkegen sich derChurfurst zu Sachsen erkleret, dafs
dem Churfursten zu Brandenburg durch solche Nachlassunge an
deine, was seine churfurstlich (inad vormuge, der Tripartit-lJefuget
nichts benommen oder seine churfurstlich (inaden darvon ausgeschlossen
werden soll, sondern dafs der Churfurst zu Sachsen, wan die Con-
lirmation des letzten Vortrags zu Dresden bei dem Komischen
Könige erhalten dieselbe Tripartit-Sache auch des Churfursten zu
Brandenburg Theils, bei denen von Magdeburg [und sunst vormuge
ob angeregten Dresdenischen Vortrags] in wirkliche Volziehunge zu
bringen und churfiirstlichen (Jnaden zu Brandenburg zu deren dritten
Theil mit einkommen zu lassen unbeschwert sein wil, wie dan beide
ire churfurstliche Gnaden solchs dem Erzbischof zu Magdeburg
auch also zugeschrieben.
[21] Alle diese obgeschriebene Punct und Artikel haben hoch-
gedachte unsere gnedigste Hern die Churfursten zu Sachsen und
Brandenburg auf vorgehende Underredunge und Beratschlagunge irer
churfurstlichen tinaden gefallen lassen und bevhelen solchs zu regi-
strirn, [darmit man sich auf vorstender churfurstiicher Zusammen-
kunft und sonst also darnach zu richten hal)en muge; und also beide
ire churfurstliche Gnaden in solchen hochwichtigen Puncten und
Artikeln in ii'en Stimmen und Ratgeben desto mehr zusammensetzen
bei einhalten und die Dinge nach Nodturft des heiligen Reichs und
sonderlich der Churfursten Preeminenz so viel ehe und mher be-
fördern können treulich und ungeferlich.J
Actum Dresden Fieitags nach Trinitatis im sieben und fünf-
zigsten Jare. [1557 Juni 18.]
3. Zwei Harnische YOii Matthäus Fraueiipreis
(lein Älteren im könig^lichen historischen Museum
zu Dresden und auf der Wartburg.
Von M. v. Ehrenthal.
Unter den Augsburger Plattnern des vierten und
fünften Jalirzelnites des 16. Jalirhunderts nimmt Matthäus
Frauenpreis (Frawenbrys) eine liervorragende Stelle ein.
Erst neuerdings ist durch Wendelin Büheim — s. Jahr-
buch der kunsthistorischen Sammlungen des Kaiserhauses
Bd. XII — und Adolph Butf — „Augsburger Plattner
der Renaissancezeit" in der Allgem. Zeitung, Jahrg. 1892,
No. 228 — das Dunkel, welches über dem Meister schwebt,
gelüftet worden. Bisher beschränkte sich die Kenntnis auf
die in mehreren Kunstlexiken zu findende gleichlautende
Notiz : „Frawenbrys, Matthäus, Waftenschmied des 16. Jahr-
Kleinere Mitteilungen. 337
hunderts aus Flandern. Von ihm ein schöner Schild
Philipps n. in der Armeria von Madrid 1543 mit einer auf
dem stürmischen Meere des Lebens schiffenden Fortuna."
Es steht nun fest, dals Frauenpreis, der um 1525 in
Augsburg" eingewandert sein mag, mit der berühmten
Plattnerfamilie Helmschmid verschwägert war und 1532,
nach dem Tode des Koloman Helmschmid, die Leitung
der in der langen Schmiedegasse zu Augsburg befindlichen
Werkstatt übernahm. Über seine Thätigkeit giebt uns
ein in der königlichen Bibliothek zu Stuttgart aufbewahrter
„Aetzmalercodex" interessante Aufschlüsse. Danach sind
die Aufträge namentlich infolge der Reichstage 1547 und
1548 bedeutende gewesen, denn besonders nach diesen sind
mehrere Harnische für Matthäus Frauenpreis von dem
unbekannten Ätzer geätzt worden. Der Meister starb nach
Daniel Prasch. Epitaphia Augustana 1624—26 (III S. 56),
am 22. Oktober 1549. Sein Sohn gleichen Namens war
damals achtzehn oder neunzehn Jahre alt, er kommt als
Meister in den Augsburger Steuerbüchern erst von 1555
ab vor. Nun wii^d aber in dem erwähnten Musterbuche
angeführt, dafs für Matthäus Frauenpreis 1550, 1551,
1552 und 1563 Kürasse geätzt worden seien. Böheim
nimmt infolgedessen an, dals der Sohn nach dem Tode
des Vaters die Werkstatt übernommen habe; bei dessen
Jugend erscheint dies indes zweifelhaft, vielmehr dürfte
noch manches, was in die Jahre 1550 und 1551 fällt, dem
älteren Meister zuzuschreiben sein. So halte ich zuwenigst
den einen der beiden die Marke der Frauenpreis, eine
dreiblättrige Blume in tulpenförmiger Figur, führenden
Harnische des Erzherzogs Maximilian in der kaiserlichen
Wafifensammlung zu Wien für eine Arbeit des älteren
Meisters. Es ist ein mit breiten, vergoldeten Ätzstreifen
gezierter deutscher Fulsturnierharnisch mit der Jahres-
zahl 1550 am Schurz; s. Katalog der genannten Sammlung
No. 950. Bei der Abbildung desselben in obengenanntem
Ätzmalercodex findet sich folgender Vermerk: „Disen
kampfkyris häb ich dem matheus frawenbryls gehnecz, ge-
hert dem durchleuchtigsten hern maximilianus erzherzog von
Österreich 1549'^ Aus der letzten Jahreszahl geht hervor,
dafs der Ätzer seine Arbeit bBreits in diesem Jahre, dein
Todesjahre des' älteren Frauenpreis, vollendete und dals"
demnach die Plattnerärbeit schon um die Mitte des Jahres
ausgeführt Sein mufste. Die Jahreszahl 1550 dlipfte 'sich;
auf Ablieferung des Stückes an den Auftrag'geber beziehfen- '
Neues Archiv f. S. U. u. A, XIV^. 3. 4. ~2
338 Kleinere Mitteilungen.
Die feinste Treib- und Ätzarbeit zeigt uns der Rund-
schild in der Armeria Real zu Madrid, welcher neben
dem vollen Namen des Meisters, MATHEVS FRAWEN-
BRYS den Augsburger Stadtpyr und die Jahreszahl
1543 trägt.
Eine dritte bisher unbekannte Arbeit unseres Plattners
befindet sich im königlichen historischen Museum zu Dresden
(Schlachtensaal, 4. Pferd). Es ist ein blanker Feld-
harnisch des Kurfürsten Moritz von Sachsen, bestehend
aus Burgunderhelm mit niederem Grate und durchlöchertem
Visier, vierfach geschobener Halsberge, Spangeröls mit
Vorder- und Hinterflügen, an ersteren hohe Stolskrägen,
Bruststück (Tapulbrust), Rückenstück, Vorder- und Hinter-
schurz, ersterer drei-, letzterer fünfmal geschoben und in
der Mitte von oben nach unten fächerartig geriflelt, Arm-
zeugen mit ziemlich grolsen Armkacheln, Handschuhen
mit kurzem Stülp, kurzen dreifach geschobenen Bein-
taschen, Diechlingen, Kniebuckeln und ganzen Beinröhren
mit breiten, bärentatzenförmigen Schuhen, welche in den
vorderen Gliedern geriffelt sind. Die Harnischteile sind
an den Rändern ausgefeilt, im übrigen sieht man keinerlei
Verzierungen an denselben; dagegen ist die ganze Plattner-
arbeit eine vortreffliche. Auf dem Stülp des linken Hand-
schuhes befindet sich in deutlicher Ausprägung die Marke
des Meisters eingeschlagen; das städtische Beschau-
zeichen fehlt.
Es dürfte die Annahme grofse Wahrscheinlichkeit
für sich haben, dals Kurfürst Moritz sich den Harnisch
1548 gelegentlich des Reichstages zu Augsburg, der ihm
die feierliche Übertragung der Kurwürde brachte, auf den
Leib schlagen, d. h. nach Mais anfertigen liels.
Grofse Ähnlichkeit in Aufbau und technischer Aus-
führung mit dem eben beschriebenen Harnische zeigt ein
Kürafs in der Grofsherzoglichen Sammlung auf der AVart-
burg. Er ist gleichfalls von blankem Stahl gearbeitet und
abwechselnd mit Kannelierungen und Atzstreifen in feinem
Renaissancemuster geschmückt. Der Burgunderhelm hat
niederen Grat, an den Vorderflügen sind hohe Stofskrägen
angenietet, die Brust ist noch kugelig geformt, das Arm-
zeug mit sehr starken Armkacheln, das Beinzeug mit
breiten, bärentatzenförmigen Schuhen versehen. Am oberen
Rande der Brust, der Halsberge und der Diechlinge ist,
gleichsam als eine die Kannelierungen nach oben ab-
schliefsende Verzierung, eine Blume eingeschlagen, genau
Kleinere Mitteilungen. 339
SO, wie wir aus der bekannten Marke der Frauenpreis
sie kennen; es fehlen indels der tulpen förmige Schild,
welcher die Blume umschlielst, und das Augsburger Be-
schauzeichen. Trotz dieser Abweichung der Marke haben
wir höchst wahrscheinlich hier ein viertes Werk des
Meisters vor uns und zwar sein ältestes, denn der Kürafs
ist um 1535 entstanden. Derselbe hat einem kräftig ge-
bauten Manne angehört, ob einem und welchem Ernesti-
nischen Fürsten, das wird hoffentlich später einmal nach
wissenschaftlicher Bearbeitung der Rüstkammer auf der
Wartburg ermittelt werden.
Läfst man die Frage noch offen, welcher von beiden
Frauenpreis der Verfertiger desFuIsturnierharnisches in der
kaiserlichen Waffensammlung war, so ist durch die zuletzt-
genannten Harnische in Dresden und auf der Wartburg
die Technik des älteren Meisters genügend sichergestellt
und damit die Grundlage geschaffen worden zur Weiter-
forschung nach seinen Werken in anderen Museen.
4. Ein Schreiben des Hofnarren Fröhlich an seinen
Herrn (1727).
Von Theodor Distel.
In von Webers Archiv für die Sächsische Geschichte
N. F. V. (1879), 87 ff.^) habe ich bereits aus zwei Schreiben
(1730/31) des kurfürstlich-königlichen Hofnarren Joseph
Fröhlich (Frölich) Mitteilungen gemacht, dort auch seinen
damals erst aufgekommenen Spitznamen „Graf Saumagen"
zu erklären versucht. In der wissenschaftlichen Beilage
der Leipziger Zeitung (1885, S. 291) findet sich die An-
gabe, Fröhlich sei vermögend gewesen. Diese Behaup-
') Zu der daselbst angezogenen neueren Litteratur trage ich
noch nach: Sachsengrün I (1861), 63 — hier wird auch Fröhlichs
Wohnhaus in Dresden, das Xarreuhäuschen , erwähnt — und Zeit-
schrift für Museologie und Antiquitätenkunde. VI (1883), 67 und 156.
Über ein in meinem Besitze befindliches Ölporträt des Narren,
welches kein Geringerer als Anton Kern gemalt hat, vergl. meine Mit-
teilung in der Zeitschrift für bildende Kunst, N. F. IV (1892/93), 9.öf. —
Vehse meint. Fröhlich und Saumagen seien zwei Personen; Grässe
dürfte, wenn er dessen Wahlspruch: „semper lustig, nunquam traurig"
anführt, ebenfalls irren, ich glaube wenigstens^ dafs derselbe, im
Anklänge an den Namen, semper fröhlich u. s. w. gelautet habe. Das
komische Wappen Fröhlichs, von welchem Gustav Heibig in Dresden
(f 1875) noch einen Abdruck besessen haben soll, ist nicht mehr
nachzuweisen.
22*
340 Kleinere Mitteilungen.
tuiig trifft jedoch nicht zu, denn sein Vermögen war 1758
verschuldet, und auch das folgende, kürzlich erst auf-
gefundene höchst ergötzliche Schreiben an den Kur-
fürsten Friedrich August I. (K. S. Hauptstaatsarchiv:
Lokat 799, Gedichte, Curiosa 1725-50, Bl.A, a— d, Orig.)
beweist, dals er sich schon über dreilsig Jahre früher oft
in Geldnot befand.
Allerdurclilauditigster, gTossmächtigster König und Kurfürst,
allergnädigster Herr,
Ew. K. Maj. liaben durch dcro unvergleichliche Huld und Gnade
mich dermassen verwehnet, dass ich ein solcli hartes Vertrauen zu
Ew. M. habe, dass keine Seemuschel udcr Auster in dem tiefen
Meeresgrunde so feste an den Felsen angewai hsen und sich dai'an
halten kann, als mein Herz an der felsenfesten (hiade Ew. M. banget.
Dann, wann ich alle Gnadenbezeigungen auf diesem engen Blatte
namhaft macheu sollte, welche gleich einem Strome auf mich dürren
Stockfisch zeithero zugeflossen und dadurch ich so geschmeidig ge-
worden bin als ein in Butter zerlassenes Ei oder wie ein neunmal
aufgewärmtes Sauerkraut, so wäre es ebensoviel, als wenn mir Einer
zumuthete, ich sollte in einem Tage von hier bis nach Gibraltar
laufen und morgen wieder zu Mittage hier sein.
Doch nur eine einzige K. Gnade zu nennen, so habe an Ew.
K. M. ich einen so treuherzigen Creditorem, welcher Seinem unge-
hobelten Debitori gern noch 'mehr leihen will, ohngeachtet er die
erste Schuld noch nicht abgetrabten. Und obzwar dei' Herr Creditor,
wiewohl mit ganz anderer Manier, als sonsten in der Welt geschiehet,
mich an die Bezahlung erinnert, nämlich solche au abgewichener
Leipzigischen Michaelismesse zu leisten, so ist es doch nicht ge-
schehen mit harten Bedrohen, wann ich etwa eine Viertelstunde
über den Termin aussen bliebe, dass der Herr Urian Debitor sich
gefallen und geschehen lassen möchte, dass ein paar Wächter vor
seinem Zimmer ihre Parade machen und vor solche Bemühung jeder
täglich sechs oder acht Groschen abfordern', Monsieur Debitor aber
in dem Zimmer auf und nieder immer in Trocknen spazieren gehen
könne, wiewohl ich rede von einem, der sich mit einem_ AVechsel
verbunden, weil mir die letzte Leipzigische Messe noch immer in
Kopfe stecket. Da aber, dem Himmel sei Dank, von meinem Herrn
ja alleignädigsten Creditore dergleichen nicht verlanget worden, mit-
hin auch nicht dergleichen Staat vor meinem Zimmer befürchten
darf. So gehet mir jedoch nicht wenig zu Herzen, dass ich mein
burgermeisterliches -) hohes Wort nicht halten und mich mitsamt dem
Darlehne meinem allervornehmsten Herrn Gläubiger zu Füssen werfen
können, inmassen mir dann der Kummer dermassen zusetzet, dass,
da ich sonsten täglich mit vier Kannen Wein mich halte beholfen,
ich jetzo mit sechs Mass kaum auskommen kann, zu geschweigeu,
dass meine Magd täglich acht Groschen mehr Marktgeld vor die
Küche fordert und haben will.
Weiln dann lum dieser mein Kummer daher rühret, indem mir
an der letzten Leipzigischen Messe meine Marchandirung dermassen
schlecht au.sgefallen , dass ich mich mit einem, obwohl ohne mein
Verschulden in Abfall seiner Nahrung gekommenen Banqueroutirer
-) Man vergl. die Unterschrift.
Kleinere Mitteilungen. 341
nicht unbillig vergleichen mag , da mir nichts von meinen aussen-
stehenden Schulden eingegangen, sondern vielmehr die Vögel reine
ausgeflogen, so dass ich nötliig habe, solche mit Dransetzung zwei-
hundert Gulden aufzusuchen und solche wieder ins Gebauer zu
bringen. Dahero komme ich armer Schelm an die Banco meines,
einmal wie das andere, freundlichen Herrn Creditoris und klopfe mit
dem Hammer meines Elendes an das Conto ir meines allergütigsten
Herrn Banquiers mit mehr als fussfälliger, mit mehr als barmherziger,
ja mit mehr als miserabler Bitte, E. M. geruhen, mich bärenhäute-
rischen Debitorem mit eben einem solchen Geldsacke, wie der vorige
mit dem Darlehne gewesen, nur schon vollends zu Boden zu werfen,
dass ich das Aufstehen, bis auf die Leipzigische Ne^^jahrsmesse ver-
gessen möge, da ich dann, ehender aber nicht, verspreche, dass ich
mich Avieder werde erholet haben, und will ich sodann alle beide
Geldsäcke, den vorigen und den jetzigen, wieder hängen und, trotz
einem Bürgermeister, jedweden ehrlichen Kerl unter die Augen gehen.
Ich bitte ja gar zu entsetzlich sehr, E. M. gewähren mich doch meine
.Bitte, wenn es möglich ist, denn ich bin ärger, als mein kleiner
Prinz: wenn der was haben will, so zerrt er solange, bis ich's ihm gebe.
Adieu de tout mon coeur
ich ersterbe
Ew. K. M.
allerunterthänigster, von Kummer und Schulden wie ein
Häring und Hase ausgemergelter, armer, doch hoch-
weiser Bürgermeister von Xarrendorf
Dresden, den 12. November 1727. Joseph Frölich.
Dem Schreiben felilt auch das Postscriptum nicht.
Dasselbe lautet also:
A propos umb das längst versprochene Pferd (es wird aber
doch wohl ein hübsches sein) hätte ich bald in der Angst zu bitten
vergessen. Ja, die Schuldenlast, eine schwere Last, sie macht mich
bald zum Narren; ich wollte doch auch nicht gerne immer, -wie ein
Schneider, zu Fusse laufen.
Auf der Rückseite stehen die Worte: „Au roy."
5. Zwei in Kiirsachsen beseitigte Drucke (1745, 1757).
Von Theodor Distel.
A. Ein seltenes Blatt ist der als corpus delicti bei
Akten des K. S. Hauptstaatsarchives (III, 76, fol. 253,
No. 33, Bl. 4) liegende Kupferstich mit der Überschrift:
„Abbildung der Uebergabe der Stadt Leipzig."
Derselbe ist, ohne die Ränder, 35 cm breit und
18 cm hoch. Links und rechts am Kopfe stehen die Er-
klärungen zu den im Bilde numerierten Punkten und zu
den mit Buchstaben markierten Persönlichkeiten. Unter
dem Stiche sind, in ganzer Breite, folgende fünf Zeilen
zu lesen:
Da die Sächsische Armee den gefährlichen Anschlag gefasset
hatte, sammt den Oesterreichern in das Land Magdeburg, wie auch
342 Kleinere Mitteilungen.
in die Chuimarck einen Einfall zu thun; als haben Ihro Königl. Majt.
von Preussen / sich gezwungen gesehen, Sr. Hochfürstl. Durclil. den»
regierenden Fürsten zu Anhalt-Dessau, anzubevehlen, dass dieselben
mit ihrer Armee gerade auf Leipzig der feindlichen entgegen ziehen,
dieselbe / zerstreuen, und sich dieser Stadt bemächtigen mögten.
Dieses ist auch den BÜ. Nov. 1745. glücklich ausgeführet worden, im-
massen die feindl. xVrmee des Fürsten Ankunft nicht erwartet, sondern
/ sich in der grössten Unordnung zurück gemacht, dass also der Fürst
von Anlialt am besagten 30 '''" ohne einigen Schwerdtschlag in Leipzig
eingezogen ist, nachdem er von dortigem Magistrat / ausserhalb des
Tliores auf das submisseste empfangen und eingeholet worden."
Aus den Beilagen erhellt, dals der Vertrieb des
Blattes schon 1746 vom Rate zu Dresden untersagt und
dieses Verbot unterm 27. November 1747 auch vom Kur-
fürsten Friedrich August II. erlassen worden ist. Bei
Durchsuchung der Dresdener Bilderläden griff man einige
Exemplare auf und brachte dieselben auf das Rathaus.
Der Preis des Stiches betrug nur zwei Groschen — man
scheint auf grolsen Absatz gerechnet zu haben — , die ange-
drohte Verkaufsstrafe zehn Thaler. Aus Berlin wurde das
Blatt bezogen; Erfinder und Stecher w^aren nicht zu ermitteln,
obwohl man als letzteren einen gewissen Schley vermutete.
Bei dem Dresdener Rate wird kein Exemplar mehr
aufbewahrt; vielleicht wurden die eingelieferten Stücke
bald vernichtet. Im Königl. Kupferstichkabinett haben
sich neuerdings noch zwei Exemplare aufgefunden.
Da in denselben Akten noch von zwei anderen, da-
mals ebenfalls verbotenen Kupferstichen, gehandelt wird,
welche aber nicht beiliegen, auch sonst nicht ermittelt
werden konnten und deren einer unser engeres Vaterland
angeht, so bemerke ich hier gleich mit, dals dieselben die
Schlachten bei Czaslau (17. Mai 1742) und bei Kesselsdorf
(15. Dezember 1745) zum Gegenstande hatten. —
B. Als König Friedrich Ü. von Preulsen 1756 Kur-
sachsen militärisch in Besitz genommen hatte und nach
Böhmen strebte, erschien eine anonyme Druckschrift (in
4«, Titel, SS. 3—10, Schem. Genealog.) unter dem Titel:
„Kurzer, doch gründlicher Beweis, dals das
Königreich Böhmen Sr. Königl. Majestät in
Preulsen zustehe."
Dieselbe verfehlte jedoch, indem sie längst abgethane
Ansprüche^) wieder aufleben lassen wollte, ihren Zweck
') Diese stützten sich darauf, dafs Johann, Kurfürst zu Branden-
burg, welcher die erbberechtigte Enkelin der Tochter Karls IV.
Elisabeth, Margaretha, zur Ciemahlin gehabt hatte, Vorfahr Fried-
richs U. in gerader Linie sei.
Kleinere Mitteilungen. 343
vollständig; denn König Friedrich liels sie auf dem Alt-
markte zu Dresden, am 16. Januar 1757 vormittags
11 Uhr, durch den Scharfrichter öffentlich verbrennen,
zuvor aber kundgeben, dals er keinen Anteil an der
Schrift nehme und auf das Königreich Böhmen keinen
Gedanken hätte.
Von dem Vorfalle fand ich in der Litteratur bisher
nichts erwähnt; selbst die Dresdener Merkwürdigkeiten
schweigen ihn todt.
Kürzlich erwarb ich nun einen Originaldruck dieser
denkwürdigen und seltenen Schrift, von welcher ich bis
jetzt nur noch im K. S. Hauptstaatsarchive ein Exemplar
als corpus delicti") und ein drittes im k. k. Haus-, Hof-
und Staatsarchive zu Wien habe ermitteln können.
Als bei der Exekution thätig gewesene Personen
werden genannt: der Stadtkommandant Generalmajor
Freiherr von Wylich, der Platzmajor von Wedel und der
Auditeur Wedemeyer; den preulsischen Scharfrichter,
Kühne, vertrat Polster^).
^) Dasselbe weicht äufserlicli von meinem Exemplare etwas ab.
3) Man vergl. über ihn dieses Archiv IX (1888), 160 u. 157.
Litteratur.
König Albert fünfzig Jailiro Soldat. Gedenkhncli zum fiinf'zi<j^-
jälii'igcn Dienstjubiläuiii Seiner Majestät des Küiiig's. Znsammen-
gestellt diirch Yon Schimpll', Oberst z. I). Vierte Anf laf>'e. Dresden,
Wilhelm Baensch, K. S. Hofverlagsbnchhandlung. 1893. 531 SS. H'\
Die Jubelfeier, die Seine Majestät der König soeben begangen,
hat zu einer Festschrift Anlafs gegeben, deren eingehendere Be-
urteilung wir zwar militärischen Organen überlassen müssen, die
aber auch, abgesehen von ihrer fachwissenschaftlichen Bedeutung,
eine so bemerkenswerte Erscheinung auf dem Gebiete der neueren
Geschichte Sachsens ist, dal's ein Hinweis an dieser Stelle durchaus
geboten erscheint.
Die Aufgabe, die dieses Wei-k zu lösen hatte, kann als eine
sehr dankbare l)ezeichnet werden. Wird auch der künftige Biograidi
des Königs Aliiert auf den mannigfachsten Gebieten seine segensvolle
Wirksamkeit zu schildern Gelegenheit finden, so ist doch gerade
seine militärische Thätigkeit diejenige, die vor allem zu einer selbst-
ständigen Darstellung einlud, schon deshalb, weil sie vorzugsweise
für die Stellung des Königs in der allgemeinen Geschichte Deutsch-
lands bestimmend geworden ist.
Der als Militärschriftsteller längst bewährte Verfasser hat mehr
als 8 Jahre (Dezember 1880 bis März 1889) die Ehre gehabt, bei
Seiner Majestät die Stellung eines Flügeladjutnnten zu bekleiden,
und gerade diese Stellung, die, wie wir aus mehr als einer dank-
baren Bemerkung des Werkes ersehen, wohl bei kaum einem andern
Monarchen eine so angenehme ist als bei König Albert, bot ihm viel-
fach (Gelegenheit, seinen hohen Herrn als IMilitär — und nicht blofs
als solchen — kennen und verehren zu lernen. So war er nicht allein
auf geschriebene und gedruckte (T^uellen angewiesen, stmdern konnte
auch aus eigenen Erfahrungen schöpfen, und das giebt dem AVerke
jenen warmen Ton, der überall anziehend berührt, namentlich in den
Schilderungen des persönlichen und häuslichen Lebens Seiner Majestät,
die freilich nur sparsam und mit tuktvoller Zurückhaltung gegeben
werden. Auch die Darstellung der politischen Verhältnisse beschränkt
sich auf das Notwendigste und dient überall nur dazu, den Zusammen-
hang zu vermitteln. Durchweg im Vordergrunde steht, der Aufgabe
des in erster Linie für die Armee bestimmten Buches entsprechend,
die militärische (ieschichte Seiner Majestät.
Einen besonderen Wert erhält das Werk dadurch, dal's es dem
Verfasser vergönnt Avar, aufser der in grofser Vollständigkeit heran-
gezogenen militärwissenschafrlichen Litteratur auch einzelne, teilweise
schwer zugängliche Archivalicu und handschriftliche Aufzeichnungen
Litteratur. 345
zu benutzen. So die Aufzeichnungen des Greheimen Rat Dr. von
Langenn, der 1835-1845 die Erziehung des Prinzen leitete, des
Greneralmajor 0. von Schimpff, des Generaliieutenant von Schubert,
des General der Kavallerie 0. von Carlowitz, die Briefe, die Ritt-
meister Adolf Senfi't von Pilsach im Jahre 1849 aus Schleswig an
den Prinzen Johann richtete, mehrere kriegsgeschichtliche Arbeiten
im Archiv des Königlich Sächsischen Generalstabs, die Feldakten des
XII. Armeekorps, die Tagebücher der königlichen Adjutantur und
dergleichen mehr.
Der reiche Stoff ist in neun Abschnitte gegliedert, von denen
der erste die Jugendzeit 1828—1849, insbesondere die militärische
Erziehung des Prinzen Albert behandelt. Im Jahre 184H trat der Prinz
in den aktiven Truppendienst und erhielt am 24. Oktober das Patent als
Lieutenant. Wenige Jahre später sollte er auch den Ernst des Krieges
kennen lernen. 1849 zog er mit den sächsischen Truppen nach
Schleswig, wo er, dem Stabe des Generaliieutenant von Prittwitz zu-
geteilt, vielfach Gelegenheit fand, seine Kenntnisse zu bereichern;
am 13. April kam er vor Düppel zum erstenmale ins Feuer. Die
Darstellung des schleswigschen Feldzuges bildet den zweiten Ab-
schnitt. Der dritte behandelt die Friedensjahre 1849— 18fi6, in denen
der Prinz — seit 1854 Kronprinz — , stets im praktischen Dienst,
die verschiedenen militärischen Rangstufen vom Major bis zum
General der Infanterie durchlief. Die Einförmigkeit des Soldaten-
lebens im Frieden weifs der Verfasser dadurch zu beleben, dafs er
mancherlei ansprechende Züge aus dem Privatleben des Prinzen ein-
flicht, wozu namentlich seine Vermählung im Jahre 1853 Anlafs gab.
Sehr dankenswert ist auch, dafs überall Seitenblicke auf die allge-
meinen Verhältnisse der sächsischen Armee fallen; so bildet das Buch
eine wertvolle Ergänzung der bekannten Armeegeschichte von
Schuster und Francke. Die nun folgenden Abschnitte sind un-
streitig die inhaltvollsteu des ganzen Werkes: IV. Der deutsche
Krieg 1866. V. Die Reorganisation der Armee 1866-1870. \I. An
der Spitze des XII. Korps. VII. Die Maasarmee 1870/71. Das
Material, das in diesen Abschnitten zu bearbeiten war, ist ein so
reichhaltiges, dafs sich der Verfasser bei der beschränkten Zeit, die
ihm zu Gebote stand, nach Mitarbeitern umsehen mufste; der vierte
Abschnitt ist vom Generaliieutenant von Schubert, der siebente, der
allein etwa ein Drittel des ganzen Werkes umfafst, von General-
iieutenant Schurig bearbeitet. Soweit der militärische Laie es be-
urteilen kann, sind alle diese Teile geradezu mustergiltig. Aus
der durch eine überaus reiche Litteratur ja bis ins Einzelne be-
kannten Kriegsgeschichte der Jahre 1866 und 187071 hebt sich der
Anteil der sächsischen Truppen wahrhaft plastisch hervor. Die
knappe, klare Darstellung, erläutert durch eine Anzahl vortrefflicher,
im Bureau des Königlichen Generalstabes gezeichneter Skizzen,
macht auch dem Nichtfachmann das Verständnis der militärischen
Bewegungen und Operationen leicht. Ein achter Abschnitt schildert
die Jahre 1871—73, ein letzter die 20 Jahre, in denen Seine Majestät
als König an der Spitze der Armee stand. Gerade dieser letzte
Abschnitt, in so allgemeinen Umrissen er auch gehalten ist, wird
gewifs mit besonderem Interesse gelesen werden, weil er zahlreiche
feine Beiträge zur Charakteristik des hohen Herrn bietet. Als Er-
gänzung ist ihm eine Anlage beigegeben, die in chronologischer
Folge die wichtigsten Daten aus der Lebensgeschichte des Königs
und der Geschichte der Armee in den Jahren 1873—1893 enthält.
346 Litteratur.
Eine andere Anlage giebt die 1873—1892 für die Armee ergangenen
Vorschriften. Noch 3.'j weitere Anlagen — Trnjjjjenübersichten, Ordres
de Jiataillo, ühersichtliche Darstellungen der Schlachten von Beau-
mont und Sedan, Verzeichnisse der Orden und Ehren/eichen des
Königs, seiner persönlichen Adjutanten seit 1845, Übersichten über
die militärische rjaufbahn der vier königlichen Prinzen u. dergl. m.
— sind zur Erläuterung den einzelnen Abteilungen beigefügt. Eine
Beigabe, die jedem willkommen sein wird, sind die vortrefflichen, von
Ludwig Otto radierten Porträts nach Vorlagen aus den Jahren 1843,
1849 und 1870 und endlich das besonders gut gelungene, von dem-
selben Künstler aufgenommene und radierte Porträt von 1893. Die
Ausstattung des Werkes ist überhaupt durchaus vornehm und der
festlichen Veranlassung angemessen.
Dresden. H. Er ml seh.
Urkundliclie Nachträge zur österreichisch-deutscheu Geschichte
im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. Gresammelt und heraus-
gegeben von Dr. Adolf Bachiiiaun, ord. Professor der österr. (ie-
schichte an d(!r Prager deutschen Universität. Wien, in Komm,
bei F. Tempsky. 1892. . XXVIII, 503 SS. 8". (A. u. d. T.: Fontes
rerum Austriacarum. Österreichische Geschichtsquellen. Heraus-
gegeben von der historischen Kommission der kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften in Wien. Diploraataria et Acta. XL VI. Band.)
Dei' unermüdliche Bearbeiter der „Deutschen ßeichsgeschichte
im Zeitalter Friedrichs III. und Max I." öffnet von neuem seine
Sammelmapjien, um uns mit einer reichen Fülle von Material zur
(leschichte der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, insbesondere der
Jahre 1463—1481, zu beschenken. Wir begrüfseu die Publikation
um so freudiger, als wir in ihr den Vorboten des lange ersehnten
zweiten Bandes der „Reichsgeschichte" sehen dürfen; eben dieser
Umstand aber, dafs uns demnächst der hier vorliegende Bohstoft' in
verarbeiteter Form geboten werden wird, läfst uns von einer ein-
gehenderen Besprechung der vorliegenden Sammlung absehen. Nächst
dem Bamberger Archiv waren es diesmal die Archive der Wettiner
zu Dresden und Weimar, die am meisten Ausbeute gewährten, und
es ist daher begreiflich, dafs für die sächsisch-thüringische (ileschichte
der genannten .Fahre mancher Nebengewinn abfällt; sind auch wenig-
stens die im Dresdener Hauptstaatsarchive vorhandenen Stücke zum
grofsen Teil schon in v. Langenns Lebensbeschreibung Albrechts des
Beherzten und in meinen „Studien zur Geschichte der sächsisch-
böhmischen Beziehungen" (in Bd. I und II dieser Zeitschrift) benutzt
Avorden, so erfahren wir doch manches Neue, namentlich für die Ge-
schichte der Bewerbung Albrechts um die böhmische Krone nach
dem Tode des Königs Georg und die später sich anschliefsenden
Verhandlungen mit dem glücklicheren Nebenbuhler König Matthias.
Die Benibeitung der einzelnen Stücke ist im allgemeinen sorg-
fältig und die kleinen Unebenheiten, die unausbleiblichen Folgen der
oft geboteneu Eile bei Benutzung fremder Archive, meist so un-
wesentlich, dafs es sich nicht lohnt, sie anzuführen. No. 79 ist bereits
gedruckt bei Riedel Cod. dipl. Brandenb. III. 2, 42; No. 116 teilweise
bei .lordan, Das Königtum (Georgs von Podiebrad S. 456. No. 121
ist Beilage zu einem Schreiben, das hei der Ordnung des „Witten-
berger Archivs" irrtümlich einen gesonderten Platz erhielt (Reufsische
Litteratiir. 347
Sachen Bl. 120) und nicht an „die sächsischen Kurfürsten" (?), sondern
nur an Hei-zog Albrecht gerichtet ist. Von der nach einer Abschrift
im Berliner Hausarchiv mitgeteilten No. 158 hätte der Herausgeber
das Original im Dresdner Archiv (No. 8132) finden können. Der
Verfasser des Schreibens No. 410 hiefs Sigmund Holkro, nicht
Holke oder Holko.
Dresden. H. Ermisch.
Die Yerkehrsstrafsen in Sachsen und ihr Einflufs auf die Städte-
entwickelung bis zum Jahre 1500. Von Dr. A. Simon, Seminar-
lehrer in Auerbach i. V. Stuttgart, J. Engelhorn. 1892. 99 SS. 8»
und 1 Karte. (A. u. d. T. : Forschungen zur deutschen Landes- und
Volkskunde, im Auftrage der Centralkommission für wissenschaft-
liche Landeskunde herausgegeben von A. Kirchhoff. Bd. VII, H. 2.)
Eine Gesamtdarstellung der Verkehrsstrafsen Sachsens im
Mittelalter fehlte bisher; die Arbeiten Falkes, Zur Geschichte der
hohen Landstrafse in Sachsen (Arch. f. d. s. Gesch. VII, 113 flg.)
und Hellers, Die Handelswege Innerdeutschlands im 16., 17. und
18. Jahrhundert und ihre Beziehungen zu Leipzig (in dieser Zti-chr. V.,
1 flg.) lieferten hierzu nur kleine, wenn aiich wertvolle Beiträge,
Nun hat neuerdings Simon in der obengenannten Schrift diese Lücke
auszufüllen gesucht, und wir können dem Verfasser insofern dankbar
sein, als er die vorhandene Litteratur fleifsig ausgenutzt und eine
übersichtliche, lesbare Darstellung des derzeitigen Standes der For-
schung gegeben hat. Einen anderen Mafsstab kann man an die
Arbeit nicht anlegen ; denn von einer wissenschaftlichen Erschöpfung
des Themas kann hier keine Rede sein, wenn auch der Verfasser
mitunter ungedrucktes Material benutzt hat. Eine solche würde auch
schon äufserlich betrachtet einen gröfseren Umfang als blofs 99 Seiten
beanspruchen. Im einzelnen macht es den Eindruck, als ob der Ver-
fasser mitunter etwas zu schnell gearbeitet habe; namentlich scheint
er die Mühe gescheut zu haben, die Citate nachzuprüfen. Die Ur-
kunde von 1065, wonach Grimma in dieser Zeit befestigt gewesen
sein soll (S. 70), ist Fälschung des 13. Jahrhunderts, wie er aus Cod.
Dipl. Sax. I, 1 S. 77 Note ersehen konnte; Grimma hat vielmehr,
wie an anderer Stelle zu zeigen sein wird, kaum vor Ende des
12. Jahrhunderts Befestigungen erhalten. Die Angabe S. 71 von
einem in Grofsbardau erhobenen zu Grimma gehörigen Salzzoll be-
ruht jedenfalls auf einem Irrtum; die hierzu als Beleg angeführte
Stelle Cod. Dipl. Sax. II, 12 S. 43 bietet nichts darüber. Das zwei-
mal (S. 70 und 89) zur Geschichte von Grimma angeführte Citat A.
f. s. G. N. F. 2, 1876, S. 65 ist ebenfalls falsch. Mit Angaben, wie
Cod. Sax. II, 5 b, 3 u. s. w. (S. 73) ist nichts anzufangen. Von dem
Buche Märckers, Das Burggraftum Meifsen, wird z. ß. S. 70 und 71
fälschlich ein 1. und 2. Band angeführt; dasselbe ist der erste Band
eines nicht weiter erschienenen gröfseren Werkes unter dem Titel:
Diplomatisch-kritische Beiträge zur Geschichte und dem Staatsrechte
von Sachsen. Ferner vermissen wir eine Erwähnung der schon in
früher Zeit von Schandau durch das Kirnitzschthal und das Thal des
grofsen Zschand nach Böhmen (sowie mit einer nördlichen Abzweigung
nachSebnitz) führenden Strafse, welcher Schandau alsHafen für dieEin-
und Ausfuhr sein Emporblühen verdankt. (Gautsch, Älteste Geschichte
der Sachs. Schweiz S. 60. 80.) Diese Beispiele werden genügen, um zu
348 Litteratur.
zeigen, dafs man die Schrift Simons mit Voisicht benutzen mufs. Recht
snt gearbeitet ist dagegen die angehängte Karte Ein Ortsregister,
welches sehr erwünscht gewesen wäre, ist leider nicht vorhanden.
Dresden. Ludwig Schmidt.
IJibliotliecii Kutlieuea. Die Litteratur zur Landeskunde und Ge-
schichte des Fürstentums Reui's j. L. Zusammengestellt von
Heinrich Alfred Auerbach, Lehrer an der I. Bürgerschule zu
Gera. Sonderabdruck aus dem 32. B.'). Jahresbericht der Gesellschaft
von Freunden der Naturwissenschaften in (iera. Gera, Kommissions-
verlag von Karl JJauch. 1892. lOl SS. 8".
Die fleifsige und wirklich korrekte Arbeit wird jedem Forscher
der vogtländiscben Landeskunde und Geschichte eine hochwillkommene
Gabe sein. Besonderen Dank verdient der Verfasser auch dafür, dafs
er über die Normalbestimmungen der Zentralkommission für wissen-
schaftliche Landeskunde hinaus das eigentliche (iebiet der Geschichte
seiner Sammlung angereiht hat. Dem Titel Bibliotheca Ruthenea
und noch mehr dem Bedürfnisse würde es allerdings entsprochen
haben, wenn auch die geschichtliche Litteratur des Fürstentums
Reufs ä. L. mit aufgenommen worden wäre. Die älteste Geschichte
habeu ja beide Fürstentümer ohnehin gemeinsam, und die neueren
speziellen Werke hätten bei ihrer geringen Anzahl wenig Platz fort-
genommen. So vermisse ich hier besonders : J. G. Stemler, Geschichte
von Zeulenroda. Nach Urkunden und archivalischen Nachrichten be-
arbeitet. Mit einer Einleitung: Allgemeine Reufsische Landes- und
Regentengeschichte enthaltend. Neustadt a. d. Orla, 1840. XVI.
399 SS. 80.
Für Reufs J. L. dagegen hat sich der Verfasser die redlichste
Mühe gegeben, "Vollständigkeit zu erreichen. Nachträge werden sich
bei einer derartigen Sammlung ja immer finden lassen. Wir ver-
zeichnen davon hier
zu 111. Landeskundliche Gesamtdarstellungen: Historisch-geo-
graphisch-statistische Beschreibung der Herzogl. Sächsischen, Fürst! .
Anhalt, Fürstl. Schwarzburg, Fürstl. und Gräfl. Reufsischen Lande,
des Churmainzischen Gebiets der Stadt Erfurt und der Grafschaft
Blankenhayn. I. Bd. m. e. illum. Charte. Altona 1796. 140 SS. 40;
zu V 8. b) Landvvirthschaft imd Viehzucht : Ueber die Zusammen-
legung der Grundstücke. Ein Wort der Verständigung un d ein Wink
zur Benutzung des eigenen Vortheils zunächst für die Landbewohner
des Fürstenthums Reufs j. L. Gera 0. J. 16 SS. 8";
zu V 8. (1) Forstwesen: Nitzsche, W. H. , Der grofse Nonnen-
frafs im Voigthunle zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Separat-
abdruck aus der „Österreichischen Forst-Zeitung", 1891. Wien 1891.
29 SS 8»;
zu VI. Ortschaftskunde: 1. Fischer, Robert, Zur Erinnerung
an die Stadt Gera für die Mitglieder der XXXIII Versammlung
deutscher Philologen und Schulmänner vom 30. Sept. l)is 3. Oktober
1878 etc. Gera 1878. 44 SS. 8'». 2. Herz, Wilhelm, Die Rätsel
der Königin von Saba (Kirschkauer Gobelin betreff.). München 1882.
33 SS. 8". (Separatabdruck aus?) 3. Delitzsch, Franz, Der Gobelin
von Kirschkau. 11 SS. 8". (Separatabdruck aus?) 4 [Sagittarius],
Schleitzische Chronik, im Schleizer Chronikenkalender von 1722
bis 1723;
Litteratur. 349
zu VII. 1. Werke, welche die Greschichte des Fürstentums
berühren: 1. Olischer. Joh. Balthasar, Entwurf einer Chronica der
alten voigtländischen Stadt Reichenbach etc. Leipzig 1729. 100 SS 8*^.
(2. Auflage, Reichenbach 1877.) 2. Jahn, J. Gr., Urkundliche Chronik
der Stadt Ölsnitz und des Schlosses und Amtes Voigtsberg. Ölsnitz,
1841. VI. 530 SS. 8*». 3. Jahn, J. G., Neue Folge der Chronik der
Stadt Ölsnitz etc., enthaltend die Geschichte dieser Stadt und Um-
gegend von 1842 — 1875, Nachträge etc. 144 SS. 8», 4. Tittmann,
Heinrich der Erlauchte. Dresden und Leipzig 1845. S. 57 — 59,
die Vögte von Weida, Plauen und Gera;
zu VII. 2. durften die in Lünigs Keichsarchiv XI, 201 ff. ab-
gedruckten Urkunden von 1232—1583 nicht unerwähnt bleiben;
zum Anhang: Hahn, Ferdinand, Die Kriegseiiebnisse des (reu-
fsischen) Sergeanten Karl August Zetzsche in den Jahren 1809 — 15.
Gera 1845. 218 SS. 8'^.
Besonders auffällig ist, dafs das Schleizer Wochenblatt (seit
1812) nicht besser ausgenutzt wurde. Ich notiere nur folgende
Sachen, die ich gerade zur Hand habe, doch liefse sich ihre Anzahl
noch jedenfalls sehr vermehren: 1. Vor 50 Jahren. Einige Notizen
über die französische Invasion und die Schlacht bei Schleiz im
Oktober 1806, in Jahrg. 1856, No. 44. 2. Aus dem alten Schleiz (Be-
schreibung der alten reufsischen Uniformen), in Jahrg. 1883, No. 4
und 7. 3. Schleizer Volkssagen, in Jahrg. 1883, No. 13, 22 und 28.
4. Zur Chronik unserer Bergkirche, in Jahrg. 1885, No. 48 und 50.
5. [J. Alberti:].Die Familie Weifsker in Schleiz, in Jahrg. 1886, No. 20.
6. Ein altes Kunstwerk (Geschnitzter Kirchenstuhl in der Schleizer
Bergkirche), in Jahrg. 1886, No. 98. 7. Böhme, Dr. W., Das Gefecht
bei Schleiz den 9. Oktober 1806, in Jahrg. 1888, No. 119 (Beilage).
8. Schmidt, B., Die Kirche zu Oschitz, in Jahrg. 1889, No. 29 und 30.
9. Wie man vor hundert Jahren in Schleiz die Christmette feierte,
in Jahrg. 1890, No. 135.
Endlich ist noch zu bemerken, dafs bei Nr. 778 das (!) hinter
dem gut klassischen sigillatim zu streichen ist. Bei No. 998 ist
1656 Druckfehler für 1636.
In Anbetracht der grofsen Mühe aber, welche eine Sammlung,
wie die vorliegende, erfordert, werden die wenigen von uns ver-
zeichneten Mängel den Wert der gediegenen Arbeit Auerbachs
keineswegs herabsetzen, ^löge der Verfasser uns in den nächsten
Jahren schon mit zahlreichen Nachträgen erfreuen. Dank gebührt
auch der naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Gera, welche den
splendiden Druck der Arbeit ermöglicht hat.
Schleiz. Dr. Berthold Schmidt.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde.
Bär, E. F. Die Ablösungsgesetzgebung im Königreich Sachsen bis
1889. Erlanger Inaug.-Dissertation. Zwickau i. S. 1892. 48 SS. 8».
Bärge, Hermann. Die Verhandlungen zu Linz und Passau und
der Vertrag von Passau im Jahre 1552. Stralsund, Karl Meincke.
1893. 161 SS. 80.
350 Litteratur.
Beck, Richard. M. Christian Daums Beziehungen zur Leipziger
gelehrten Welt während der sechziger .lahre des XVII. Jahr-
hunderts: Bericht des Gymnasiums zu Zwickau über das Schul-
jahr 1K9-<!AW. (Zwickau 189:3. 4«.) S. 1-16.
(Becker, E. A.) Stammbaum Becker-tilauch. (Dörstling.) Als Hand-
schrift gedruckt. Dresden, Lehraannsche Buchdruckerei. (1S!)3.)
20 SS. 11 Taft; qu. fol.
Bernau, Friedr. Hassenstein. Ein Beitrag zur G^eschichte des
Erzgebii-ges. Mit 7 Abb. und J Situationsplan. B. Leipa, Künstner
(Komm.). 1898. 4 BU. 228 SS. 8'\
— Die iliesenbnrg: Erzgebirgs-Zeitung herausgegeben vom Nordwest-
böhm. (Jebirgsvereins -Verband. Jahrg. Xli (1891). S. 127—132.
145-149. 1H9 — 172. 193-200.
Blanckmeister, Franz. Kurfürstin Christiane Eberhardine von
Sachsen. Eine evangelische Bekennerin. Barmen, Klein. (1892.)
28 SS. 8».
— Aus dem kirchlichen Leben des Sachsenlandes. Kulturbilder aus
vier .Jahrhunderten. Heft 1 : Der sächsische Volkscharakter und
das Evangelium. (l(j SS.) Heft 2: Die erste theologische Zeit-
schrift (16 SS. und 1 Taf.) Heft 3: Die sächsischen Bufstage.
(22 SS.) Heft 4: Die sächsischen Kirchenbücher. (23 SS.) Heft
5 u. t): Die sächsischen Feldprediger. Zur Geschichte der Militär-
seelsorge in Krieg und Frieden. (52 SS.) Heft 7: Eine Landes-
kollekte und ihr Schicksal. Beitrag zur Geschichte der Salzburger
Emigranten. (29 SS.) Heft 8: Eine altsächsische Stimme über
Heiden- und Judenmission. Zur Vorgeschichte der Missions-
bestrebungen in Sachsen. (27 SS.) Leipzig, Fr. Richter. 1893. 8**.
V. Boetticher, W. Bautzner Marktzeichen : Neues Lausitzisches Ma-
gazin. Bd. LXIX (1893). S. 49-59.
V. BfoctticherJ. Das Gödaer Schöppenbuch : Wöchentliche Beilage zu
den Bautzner Nachrichten. 1893. No. 18.
[Brandjt, [üttjo. Friedrich List, der Gründer der Leipzig-Dresdner
Eisenbahn: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung.
1893. No. 92. S. 365 f.
Buchholz, Anton. Beiträge zur Lebensgeschichte Johann Reinhold
Patkuls. Mit zwei Bildnissen. Riga, Druck von W. F. Hacker.
1893. VIIL 255 SS. 8".
Distel, Theodor. Akteunachlese zu Liscow und Geliert: Viertel-
jahrsschrift für Litteratiugeschichte. VI (1893). S. 448-451.
— Die 1743 geplant gewesene Afra-Denkmünze : Dresdner Anzeiger.
1893. No. 171. S. 23.
— Lossing bei einer Katzenmusik zu Sankt Afra und ein darauf
bezügliches Gedicht: ebenda No. 184. S. 4. (vergl. No. 221. S. 17.)
— Zu der 1 799 konfiszirten Schmähschrift auf Chemnitz : ebenda
No. 219. S. Iti.
— Aus einem Injurienprozesse gegen [Maler] Joseph Grassi : ebenda
No. 221. Sp. 3.
— Die bravsten llothhirsche unter fünf Sächsischen Kurfürsten
(1611-1717): Weidmann XXTV (1892/93). S. 196.
— Ein Jagdkabinet des Kurfürsten zu Sachsen (1737)- ebenda S. 346.
— Die letzte eheliche Verbindung zwischen Kursachsen und Württem-
berg. (1604.) Pirnaer Anzeiger. 1893. No. 208. S. 5.
Dittrich, Max. König Albert und seine Sachsen im Felde 1849,
1866, 1870/71. Vaterländische Gedenkblätter. Dresden, Albanus'sche
Buchdruckerei. 1893. 3 Bll. 125 SS. 8».
Litteratur. 351
Frhr. v. Eberstein, Louis Ferd. Abrifs der urkundlichen Geschichte
des reichsritterlichen Geschlechtes Eberstein vom Ebei stein auf
der Rhön. Dresden 1893. 168 SS. S".
— Die im Jahre 18P;3 lebenden Mitglieder der Familie Eberstein vom
Eberstein auf der Rhön und ihre direkten Vorfahren bis zu der Zeit
des Überganges des Eberstein'schen Geschlechtes aus der frän-
kischen Stammheimath nach Thüringen. Berlin 1893. 47 SS. 8".
Fickel, Joh. Die Litteratur über die Tierwelt des Königreichs
Sachsen : Programm des Wettiner Gymnasiums zu Dresden.
(Dresden 1893. 4«.) S. 1—44.
Frey tag, R. Zur Litteiatur über den grofsen Brand von Reichen-
bach am 20. August 1720: Reichenbacher Tageblatt. 1893. No. 193.
Beilage.
— Vogtlands gröfster Topograph (M. Zürner): Vogtländischer An-
zeiger und Tageblatt. 1893. No 193. Beiblatt.
Frisch. Ein Annaberger Rechenpfennig aus der Zeit der Gründung
Stadt: Annaberger Wochenblatt. 1893. No. 151. Beilage
Gebauer, H. Die Volkswirtschaft im Königreich Sachsen. Histo-
risch, geographisch und statistisch dargestellt. Bd. I— III.
Dresden, W. Baensch. 1893. LXIV, Hl 2 n76. 780 SS_. 8».
Gehmlich, Ernst. Zeugnisse für Lehrer der Leipziger Ephorie aus den
Jahren 1738, 1756, 1757 und 1807: Mitteilungen der Gesellschaft
für Erziehungs-und Schulgeschichte. Jahrg. III (1893). S. 105—107.
— Zur Geschichte der Schule des Städtchens Taucha bei Leipzig :
ebenda S. 113—1^3.
— Die kleinen Stadtschulen des sächsischen Erzgebirges im 16. Jahr-
hunderte: Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung. 1893.
No. 69. S. 273—276.
Gertvig, Ludiv. Das Verhältnis der Schlufsrelation des venetia-
nischen Botschafters Alvice Mocenigo zu seinen Tagesdepeschen
über den Donaufeldzug im schmalkaldischen Kriege vom Jahre 1546.
(Beilage zum Jahresbericht der Realschule.) Heidelberg. 1892.
40 SS. 1 K. 40.
Glootz, Arth. Culturgeschichtliche Bilder aus den ältesten Zeiten
der sächsischen Schweiz und aus Schandaus Vergangenheit.
Schandau, G. Bossack (Komm.). 1893. 26 SS. 8»
Heydenreich, E. Musikgeschichtliche Mitteilungen aus Schneeberger
Handschriften (nebst zwei Handschrift en-Facsimile und einer Noten-
beilage) : Mitteilungen des Wissenschaftlichen Vereins für Schnee-
berg und Umgegend. Heft 3 (1893). S. 1—10.
Hickmann, Seidel und Weidauer. Die Geschichte des Landesvereins
für innere Mission und seine gegenwärtigen Aufgaben : Misericordias
Domini. Der Landesverein für innere Mission der evang -luther.
Kirche im Königreich Sachsen in seinem ersten Vierteljahr-
huudert (Dresden 1893) S. 21—68.
Hockauf, Anton. Das Erbe Heinrichs von Schleinitz bei der Theilung
im Jahre 1566: Mittheilungen des Nordböhm. Excursions - Clubs.
Jahrg. XVI (1893). S. 61—63.
Jacobi, H. Erzgebirgisches Volks- und Wirtschaftsleben im 16. Jahr-
hundert: Das Erzgebirge. Bd. II (1893). Heft 1. S. 1-27.
Jecht. Das Zweitälteste Stadtbuch von Görlitz 1 342 ff. : Neues
Lausitzisches Magazin. Bd. LXIX (1893). S. 132-152.
Isolani, Eugen. Otto Leonhard Heubner. Lebensbild eines Deut-
schen Mannes. Mit einer Einführung von Ferd. Goetz. Dresden,
Hönsch und Tiesler. 1893. 40 SS. 8".
352 Litteratur.
Kehrbach, K. .Studienordnung der Herzogin Doroth(^a Susaniia von
Weimar für ihren Sohn den Ilei'zog Johann von Sachsen -Weimar
aus dem Jahre lö8'6: Mitteilungen der Ciesellschaft für deutsche
Erziehungs- und Schulgeschichte. Jahrg. III (1893). S. 29—43.
Kind, O. M. Geschickte von SeiflienneisiToif. Herausg. vom Ge-
meinderath. Seifliennersdorf. 1S92. 2Ü2 SS. 8».
Klix-Kamenz, F. F. Johann Koch von (JüUenstein, Rittergut üels-
nitz: Karaenzer AVoclienschrift. lHit3. is'o. 54. Beihige.
Kneschke, Emil. Die Hundertundlüufzigjährige Geschichte der
Leipziger Gewandhaus - Concerte 17-43 — 1893. Mit Illustrationen.
(A. u. d. T. : Universal -Bibliothek fiir Musiklitteratur, begründet
von Julius Laurencic.) Leijjzig und New -York, Internationale
Verlags- und Kunstanstalt. (1893.) 160 SS. 8».
Knothe, Herrn. Zur ältesten (ieschichte von Wilthen bei Schirgis-
walde bis zum Jahre 1622: Wöchentl. Beilage zu den Bautzner
Nachrichten. 1893. No. 29. S. 114-116 (vergl. No. 31.
S. 124).
— Der Beiname „Kiseling" hei Adelspersonen im Mittelalter: Der
Deutsche Herold XXV (1893). S. 74 f.
— Die Herrschaften Sorau, Beeskow und Storkow im Besitze säch-
sischer Fürsten 1490—1512: Niederlausitzer Mittheilungen. Bd. III
(1893). S. 90-108.
— Über die Bezeichnung gewisser ländlicher Grundstücke als „Vol-
lunge" oder „Folge" : Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LXIX
(1893). S. 74-80.
— Drei neue Urkunden über die Cölestiner auf dem Oybin: ebenda
S. 81-85.
Költzsch, Franz. Der Keformator dei- Zukunft, ein Groi'ser aus
alter Zeit, der Vater der Lausitzer Prediger- Gesellschaft [Phil.
Jac. Spenerj Fest- Vortrag zur Jubel-Feier des 175jährigen Be-
stehens der Lausitzer Prediger-Gesellschaft zu Leii)zig, gehalten
im Vereinshaus zu Leipzig am 15. .luni 1892. 40 SS. 8".
Korscheit, G. Marsch der preufsischen Armee, Mitte Juli 1757, von
Leipa nach Zittau und Einschiefsung dieser Stadt: Gebirgsfreund,
Jahrg. V (1893). S. 173—175.
Köstlin, Julius. Selbstanzeige' von: Friedrich der AVeise und die
Schlofskirche zu Wittenberg. Festschrift . . . von Dr. Julius Köstlin.
(Wittenberg 189;i): Theologische Studien und Kritiken. Jahrg. 1893.
Heft 3. S. 603-614.
Krause, Bruno. Die geschichtliche Entwickelung der Königl. Haupt-
und Residenzstadt Dresden vom sorbischen (wendischen) Dorfe
an bis zur jetzigen Grofsstadt. In zwei Heften: A. Textheft.
B. lllustrationsheft. Mit 10 Planskizzen und 140 Illustrationen
der geschichtlich merkwürdigen Fürsten, Hauten und J^egeben-
heiten. Dresden, Alwin Huhle (Komm.). 1893. XL 169 SS.
XIV SS. 20 Bll. 116 SS. 8".
Kühnel, P. Die slavischen Orts- und Flurnamen der Oberlausitz
(Fortsetzung): Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LXIX (1893).
Heft 1. S.' 1-48.
L, M. Erinnerungen eines alten Chemnitzer: Sachs. Landesanzeiger.
1893. No. 199—216.
Lilie, Moritz. Chronik der Löfsuitz- Ortschaften Kötzschenbroda,
Niederlüfsnitz, Kadebeul, Oberlöfsnitz mit Hoflöfsnitz, Serkowitz,
Naundorf, Zitzschewig und Lindenau mit besonderer Berück-
sichtigung von Coswig und der übrigen Nachbaroite. Nieder-
Litteratur. 353
löfsnitz bei Dresden, Selbstverlag des Verfassers. 1893. IV,
_ 283 SS. 8«.
Lindemann, W. Die Schönburg'sche Landesschule zu Geringswalde:
Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1893. No. 39.
S. 153-155.
Lippert, Wohl. Sprembergs Überfall durch die Schweden 1642:
Niederlausitz er Mittheilungen. Bd. III (1893). S. 137—147.
Lungivitz, Herrn. Zur Geschichte des Dorfes Wiesa: Annaberger
Wochenblatt. 1893. No. 210. Beilage.
V. Metzsch-Schübach, Wolf. Briefwechsel eines deutschen Fürsten
mit einer jungen Künstlerin (Hei'zog August von Sachsen-Gotha
und Altenburg und Fräulein aus dem Winckel). Berlin, K. Siegis-
mund. 1893. 307 SS. 8».
V. Minckivitz, A . Geschichte von Pillnitz vom Jahre 1403 an. Aus
den hinterlassenen Papieren. Dresden, Wilhelm Baensch. 1893
IX, 128 SS. 8«.
Möbius, Hugo. Für unsere Mufsestunden. XIII (Altenzelle):
Sächsische Schulzeitung. 1893. No. 10 f. 15 f. S. 119— 123. 131
bis 135. 187—191. 201—205.
Moräwek, C. Alt-Zittau an der Mandau, Bui-gberg und Burgmühle :
Gebirgsfreund. Jahrg. V (1893). S. 73-7.5. 88-91.
Müller, Joh. Mitteilungen über die Lehrer und Schüler des land-
ständischen Seminars zu Bautzen vom Oktober 1817 bis Oktober
1892. Herausgegeben aus Anlafs der 75jährigen Jubelfeier des
Seminars. Bautzen 1892. 70 SS. 8".
Näther, Arthur 0. E. Die Familie Näther vom Jahre 1362 - 1 893
in Kamenz (Sachsen), Neukirch (Lausitz), Neukirch (Königsbrück),
Elstra, Bautzen, Weifa, Koman (Rumänien), Oschatz (Sachsen),
Radeburg etc. nebst den Nebenlinien Haberkoru, Jahn, Bönisch,
Mücklich. (Oschatz) 1893. 40 SS. 4«.
[Oertel, G.J St. Afra vor einem Vierteljahrhundert. Gedenkblätter
zur Jubelfeier aus der Mappe eines alten Afraners: Leipziger
Zeitung. 1893. No. 75. 92. S. 1159 f. 1442 f
PfeterJ, H. Die Geburtstage der drei Fürstenschulen : Wissenschaft-
liche Beilage der Leipziger Zeitung. 1893. No. 57. S. 225 f.
Pilk, Georg. Der Brunnen auf dem Königstein: Über Berg und
Thal Jahrg. 16 (1893). No. 5f. S. 353-355. 361 f.
— Historische Streifzüge. 2. Postwitz, Czornoboh: Gebirgsfreund.
Jahrg. V (1893). S. 109-112.
— Der Hohwald in Geschichte und Sage: Belletrist. Beilage zum
Sachs. Erzähler. 1891. No. 52.
— Wanderungen durch das Gebiet der heimischen Geschichte und
Sage: 1. Gaufsig. II. Kloster Marienstern. III. Putzkau.
IV. Schmölln, Hainberg: ebenda 1892. No. 16. 31. 41. 1893
No. 1.
— Das lausitzische „San Marino" [Schirgiswalde] : Aus Deutschen
Bergen. Jahrg. VIII (1893). S. 33 — 35. 54f.
Posse, 0. Typarfälschungen in der von Smitmerischen Siegel-
sammlung des k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs zu Wien:
Mittheilungen des Instituts für Österreich. Geschichtsforschung.
Bd. XIV (1893). S. 488-491.
V. Rabenau, Kurt. Chronik derer von Rabenau. (Magdeburg 1893.)
XIV, 281 SS. 40.
Rentsch, M. Zwei Episoden aus der Geschichte von Grofspostwitz.
1. Paul Bossack, der angeblich erste lutherische Pfarrer daselbst.
Neues Archiv f. S. Ci. u. A. XIV. 3. 4. 23
354 Litteratur.
2. Aus der Kriegszeit der Jalne Jöl.)— 1«15: Wüclieiitliche Bei-
lage zu deu Bautzner Nachrichten. 1893. No. 26 f.
Rentach, M. Zur Erklärung Lausitzer Ortsnamen: Gehirgsfreund.
Jahrg. V (189^). No. 8. S. 85-87.
Kessel, G. A. Das Erzgebirge in Sage und Geschichte. In zwanglos
erscheinenden Bändchen. I. Teplitz (Selbstverlag des Heraus-
gebers). (1893.) 92 SS. 80.
Riditer, Arnold. Orientreise eines Leipzigers im 16. Jahrhundert:
Wissenschaftl. Beil. der Leipz. Zeitung. 1893. No. 8 S. 325-2328.
Richter, O. Alterthumerfunrt in der Frauenkirche: Dresdner An-
zeiger. 1893. No. 146. S. 22.
Schaumkell, K. Der Kultus der heiligen Anna am Ausgange des Mittel-
alters. Ein Beitrag zur Geschichte des religiösen Lebens am Vor-
abend der Beforraation. Freiburg i. B. und Leipzig, J. C. B. Mohr
(P. Siebeck). 1893. VI, 92 SS. 8». [Betrifft u. a. Annaberg.]
V. Schimpff. König Albert fünfzig Jahre Soldat. Gedenkbuch zum
fünfzigjährigen Dienstjubiläura Seiner Majestät des Königs.
4. Autl. Mit 4 Radirungen und 10 Skizzen. Dresden, Wilhelm
Baeusch. 1893. 531 SS. 8«.
Schuberth, G. W. Chronik der Stadt Grofsenhain vom Janre 1088
bis auf die Gegenwart. lUustrirt von Camillo Ehregott Zschille.
Grofsenhain, Herm. Starke (C. Plasnick). 1887-1892. 1 Bl.
426 und IX SS. 4".
Schnitze, Walther. Die Geschichtsquellen der Provinz Sachsen im
Mittelalter und in der Reformationszeit. Im Auftrage der Histo-
rischen Commission der Provinz Sachsen verzeichnet. Halle,
Hendel. 1893. VII, 202 SS. 80.
Schnrig, E. Lange Kerls in Sachsen: Wochenbeilage zum Pirnaer
Anzeiger. 1893. No. 19. S. If.
— Die Dresdner Soldatenkinderschulen und ihr Ursprung : Kamerad
No, 15. 2. Beilage. S. 17 f.
— Militärische Erinnerungen im Dresdner Stadt -Museum: ebenda
No. 30. S. 3—6.
(Seyfert, Friedr.) Kirchliche Zustände im Gebiet der Schönburgischen.
Recefsherrschaften bis zur Einführung der Reformation aiu 18. Ok-
tober 1542. Ein Gedenkhüchlein zur 350jährigen .lubelfeier am
18. Oktober 1892 den feiernden Gemeinden' dargeboten 31 SS. 8".
Sponsel, Jean Louis. Die Frauenkirche zu Dresden. Geschichte
ihrer Entstehung von Georg Bährs frühesten Entwürfen an bis
zur Vollendung nach dem Tode des Erbauers. Mit 4(i .Abbildungen
auf 25 Lichtdrucktafeln. Dresden, Wilhelm Baensch. 1893.
8 Bll. 122 SS. 40.
Stein, Gustav. Sächsisches Gold: Wissenschaftliche Beilage der
Leipziger Zeitung. 1893. No. 107. S. 425-428.
Stoerl. Ein Wort zur Geschichte des Leipziger Fortbildungsschul-
wesens. Se])aratabdruck aus dem Leipziger Tageblatt. Leipzig
1893. 19 SS. 80.
Türk, G. Feldpostbriefe eines vermifsten ehemaligen Afraners aus
dem Kriege 1870. Herausgegeben von seinem Bruder. Nebst
zwei Beilagen. Leipzig, Fr. W. Grunow. 1893. XV, 181 SS. 8«.
Uhlmann-Uhlmannsdorff, Arth. B. Wappenbuch der Stadt Chemnitz.
Festgabe zum 750jährigen Stadt-Jul)iläum. Herausgegeben und
mit historischen, genealogischen und heraldischen Notizen begleitet.
Heft I. und IL III SS., 11 Taff. III SS., 15 Taff. Chemnitz
(Selbstverlag). 1893 40.
Litteratnr, 355
Voigt, Hans. Zur Geschichte dei* Nicolaischule im achtzehnten
Jahrhundert: Jahresbericht des Nicolaigymnasiums in Leipzig.
(Leipzig- 1893. 4«) S. 1-33.
Wad, Gust. Ludv. ßreve til og fra Herluf Trolle og Birgitte Gjoe
[Briefe an und von Herl. Trolle und seiner Gemahlin Brig. Gjoe].
Bd. I IL Kopenhagen, Hos v.Thaningu.Appel. 1893. XXXVIII,
339 u. 370 SS. 8". [Bd. II enthält 11 Briefe der Kurfürstin
Anna aus den Jahren ISiiO— 1573.]
Wagner. Geschichte des königl. sächsischen 8. Infanterie-Regiments
„Prinz Johann Georg" No. 107. 1867—1891. Nebst einer tabel-
larischen Zusammenstellung der wichtigsten Ereignisse 1708—1891.
Mit 1 Stahlstich und 4 Karten Leipzig, Dürr'sche Buchhandlung.
1893. XI, 326 SS. 8'\
Weinhold, E. Zum Jubiläum der Stadt Chemnitz : Chemnitzer Tage-
blatt. 1893. No. 157-163.
Weite. Die Geschichte Oberwarthas bez. des dortigen bischöflichen
und jetzt Arndt"schen Gutes vom 13. bis 16. Jalii'hundert :
Dresdner Anzeiger. 1893. No. 107. S. 21 f.
Wuttke, R. GesindeordnuDgen und GesiudezwaDgsdien.st in Sachsen
bis zum Jahre 1835. Eine wirtschaftsgeschichtlicdie Studie. (A.
u. d. T.: Staats- und sozialwissenschaftl. Forschungen heraus-
gegeben von G. Schmoller. Bd XII Heft 4). Leipzig, Duncker
& Humblot. 1893. X, 231 SS. 8".
Ereibergs Berg- und Hüttenwesen. Eine kurze Darstellung der
orographischen , geologischen, historischen, technischen und ad-
ministrativen Verhältnisse herausgegeben durch den Bergmännischen
Verein zu Ereiberg. Zweite, neu bearbeitete und vermehrte
Auflage. Mit 18 lithographischen Tafeln. Freiberg i. S., Graz &
Gerlach (Joh. Stettneri. 1893. VIII, 344 SS. 8".
Hoe von Hoenegg und sein Einflufs auf die Geschichte der Lansitzen:
Wöchentl. Beilage zu den Bautzner Nachrichten. 1893. No. 24.
Lausitzer Streitigkeiten vor dem Konzil zu Kostnitz: ebenda No. 21.
Plauen sonst und jetzt. Chronikalisches, Topographisches, Statistisches
nebst einem Portemonnaiekalender für 1893. Plauen i. V^.,
F. E. Neupert. 1892. 114 SS. 16^
Zittauer Kunstdenkmäler. IL Die Noacksche Loge in der Kloster-
kirche: Gebirgsfreund. Jahrg. V (1893). S. 116.
Dresdner Geschichtsblätter, herausgegeben vom Verein für Ge-
schichte Dresdens. Jahrg. II (1893). No. 2 — 4. Dresden,
W. Baensch. S. 69-104. 4".
Inhalt: O. Richter, Die ältesten Innungsordnungen der Dresdner
Schuhmacher und Schneider. Blanckm eiste r, Die Dresdner
Kirchenbücher. 0. Richter, Thierhetzen auf dem Altmarkt
(mit Abb.). P. Rachel, Ein Brief des Generals von Thielmann
an Hofrath Böttiger 1811. 0. Richter, Ein Prie.stermord 1513.
— V. Göphardt, Die letzte des altsächsischen Geschlechtes von
der Sahla. v. F r i e s e n , Zu dem Briefe des Generals von Thiel-
mann an den Hofrath Böttiger 1811. O. Richter, Die ersten
Anzeichen der lutherischen Bewegung in Dresden. G. Müller,
Der Ponickausche Garten im Jahre 1574. G. Müller, Die Ein-
richtung einer Eilpostverbindung Berlin -Dresden -Prag -Regens-
burg 1653. Juristenstil im 17. Jahrhundert. 0. R[ichter], Buch-
druckerhumor. 0. R[ichter], Die Steinkolosse am Eibberge. —
23*
356 Litteratur.
G. Müller, Hans Jenitz , Geheirasekretär des Kuif. August.
G. Beutel, Merkwürdige Häuser III. Kreuzstrasse No. 10 (Grfl.
Loß'sches Palais). 0. Il[ichterJ, Gräber in der Sophienkirche.
G. Müller, Schnelligkeit der sächs. Eilpost im Jahre 1571.
0. R[ichter|, Üeffentl. Sammlungen für Abgebrannte.
Festschrift zum 750jährigen Jubiläum der Stadt Chemnitz. Im
Auftrage des Vereins nir Chemnitzer Geschichte herausgegeben
von P. Uhle. Chemnitz, 0. May (Komm.). 1893. XXI, 9;^ SS.
4"^ und 3 Tafeln.
Inhalt: Er misch. Zur Gründungsgeschichte der Stadt Chem-
nitz. Posse, Die Jubiläumsurkunde vom Jahre 1143. Uhle,
Die Entwickelung unserer Stadt in den beiden letzten Jalir-
zehnten. Mating- Sammler, Im Chemnitzer Benediktinerkloster.
C.Kirchner, Ein Streit um das Kantorat in Chemnitz. Wein-
hold. Die Durchzüge vertriebener Salzburger Protestanten durch
Chemnitz im Jahre 17.32. Uhle, Eine Schmähschrift auf Chem-
nitz aus dem voiigen Jahrhundert mit der Erwiderung von
Joh. Theoph. Lessing. Hempel, Die Ilatslinie der Stadt Chem-
nitz 1485 — 1618. E. Kirchner, Die Papierfabrikation in
Chemnitz (mit einer Tafel Wasserzeichen). Fickelscherer,
Der Briefwechsel zwischen Georg und Andreas Fabricius.
Lauckner, Die Innungsartikel des Sähmisch- und Weifsgerber-
handwerks vom Jahre 1661. Gottschaldt, Zur Geschichte des
Vereinswesens in Chemnitz.
Mitteilungen des Geschichts- und Altertums -Vereins zu Leisnig
im Königreiche Sachsen. Heft 9. Zusammengestellt und im
Auftrage des Vereins herausgegeben von Dr. med. C. M. Müller.
Leisnig, Selbstverlag des Vereins. 1893. 2 Ell. 9.t SS. 8».
Inhalt: Mor. Müller, Das alte und das neue Leisnig. Hingst,
Geschichtliches über das ehemalige Vorwerk Tragnitz. Nobbe,
Zur Geschichte der Kirchenbücher. Schleinitz, Die Lieder-
zettel der Stadtkirche zu Leisnig. Nobbe, Die Urkunden im
Hauptturm der Stadtkirche St. Matthäi zu Leisnig. Hingst,
Das Inventarium der Sradtkirche zu Leisnig im Jahre 1530.
Ostermuth, Die St. Matthäikirche zu Leisnig.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Heft 11.
Dresden, W, Baensch. 1893. 76 SS. 8^.
Inhalt: E. G. M. Frh. v. Fries en, Dresden im Kriegsjahre 1809.
Register.
Aaran 85 ff.
Adelbero, Abt in Corvey 328.
Adelgot, Erzbischof von Magde-
burg 328.
V. Adersbach -Berka 184.
— Joachim 185.
Adolf, Fürst von Anhalt, Rektor
der Univ. Leipzig 6.
Adolf Friedrich, Hz. v. Mecklen-
burg 6.
d'Agdollo, AloysPeter,Major290b.
Agnes, Gem.Kurf Moritz 224 260.
V. Alba, Herzog 46. 54 ff. 212.
215 f. 229 ff. 243.
Albrecht, Herzog von Bayern 58.
— Markgraf von Brandenburg-
Kulmbach 58.
— Herzog von Preufsen 246. 264.
d' Albret, Jeanne 24. 28.
Alexander Y., Papst 2 f.
Altranstädt, Friede 121.
V. Alvensleben, Ludolf 185.
Amalie, Gem. Königs Friedrich
Aug. I. von Sachsen 147.
V. Amstätten, russ. Minister 148.
Andreae, Laur. , Superint. zu
Zvv^ickau 159.
Anhalt s. Adolf, Leopold.
Anna, T. d Kurf August, Gem.
Wilhelms von Oranien 35.
— Pfalzgräfin von Zweibrücken
224 f. 260.
Anton, Graf von Oldenburg 73 f.
Antwerpen 37. 42 f. 53.
Appenzell a Rh., Kanton 123.
V. Arenstorff, Altwig 129.
Armenteros, Thomas, niedeiländ.
Geheimsekretär 57.
Arnold, Bisch, v. Merseburg 328.
V. Arnswald, Hans 185.
V. Arras, Hans Joachim 186.
— Polykarp 186.
— Wolf Dietr. 188.
V. Auerswalde, Chrf. Cäsar 208.
Augsburg 39 ff. 1.39. 215 ff. .337 f.
August, Kurf V. Sachsen 7. 34 ff.
138 f. 146. 178 ff. 227. 233. 265.
331 ff
— Herzog v. Sachsen, Administr.
zu Magdeburg 146.
— IL, König von Polen s Fried-
rich August.
Auguste, Tochter Königs Friedr.
August I. von Sachsen 147.
Avicenna, Ibn Sina 14.
Bacharach, Kurftirstentag 71 f.
Baden s. Ernst, Karl.
Baden i. d. Schweiz 90. 95. 124.
V. Bagge, Aug., Gen.-Maj. 290 b.
Baif, franz. Staatsmann 25.
Bamberg 328.
Bär, Georg 131.
V. Barby, Grafen 177.
— Graf Albrecht 179.
— Graf Burkhardt 179.
— Graf Wolf 230.
V. Bärenstein, Hans Georg 202.
Basel, Kanton 89 f. 93. 99. 123.
Bassins, Job., Agent Wilhelms v.
Oranien 67.
Baudissin, Graf, General 286.
Bautzen 190. 313. 317 f. 320 ff.
Schulordn. 297 f. 300 ff.
Bayern s Albrecht, Max Emanuel,
Wilhelm.
Bayonne 58.
Bayreuth, Schulordn. 292 300.302.
304. 308.
de Beaufort, Chev., Kapitän 276.
358
Kegister.
de Beauinuiit. Tct. Jluli . Majoi'
29<ll).
V. Bolan, Rieh. 1S3. 185.
— ^^'ülf IH5.
du Bellay, Jean, Kardinal von
Paris '^2. -Ut 28. 3-!.
V. Belleville, Frlir., Louis, Oberst
:^90 b.
V. Bciikeiidorff, (ienerallieut. und
Geh. Kriegsrat 87 ff. 93 ff. 103.
V. Berg, Gabr. 209.
V. Berlepscb, Erich Yolkm. 48. 59.
— Hans Phil., Hofrittrastr. 182.
Berlin 186.
Bern 82. 85. 87. 89ff. 104f. 122f.
273 f.
Berner, Klaus 246
V. Bernsdorfi; Oeo.Wilh. 188
V. Bernstein, Hans Albr. 188.
— Seytried 185.
V. Beschwitz, Chrf. Balzer 183.
Beuchlingen, (Jraf Wolfg. Dietr.,
ürofskanzl. 81. 83 ff. 91.93.103.
Bidermann,Friedr. Gottl. 143.14(i.
— Job. Gottl., Rektor in Freiberg
142 ff.
Biel, Kanton 123.
V. Biesenbrow. .loachim 183. 185.
Bindenff, Georg 185.
Bing, Simon, hess. Sekrt. 70. 214.
236 ff. 245 f. 248. 250. 255.
2571". 261 ff:
V. Birkholz, Georg Dietr. 207.
Kirsen, \'ertrag 80.
V. Bischofswerde, Bautzner und
Görlitzer Familie 318 f.
Blennagel, Walthauser 188.
Bock, Abrali., Hofmarschall 182.
— Asmus 185.
— Ernst 186.
V. Bodenhausen, Krafft 188. 190.
de Bodt, General 186.
Bohemus, P^useb. , Superint. in
Zwickau 159.
Böhmen 342 f. s. a. Johann,
Ottokar.
V. Boitha, Karl Balth. 208.
V. Bomsdorff; Wendel 202.
V. Borau, Heinr. Adf , gen. Kessel
205.
V. Böse, Generaladjutant 148.
Bösewetter, Diak i Zwickau 159.
V. Bovneburg, Reinhardt 183.
Braniienlmrg 50. 330 ff', s. a. Albr.
Christian Ernst, Erdmuthe
Sophia, Georg Wilhelm. Hans
Joachim, Johann Georg.
V. Brandenstein, Hans 185.
BrauuschweiiT 73.251 ff. s.a. Ernst,
Heinrich,>hilipp, Wolf.
du Brechet, Franz Raimund
Cheval., Oberst 290 b.
Bredcrode 41.
V. Breitenbauch, Wolf 185.
Breitenfeld, Schlacht 153. 193.
Breslau 190.
Bretwifs, Rittmeister 195.
Bruch, Eberh. 261.
Brugg, Schulordn. 298. 307.
Brühl, Graf 279. 284.
Bucer 149 ff.
V. Bunan. Günther 185.
— Heinr., zu Tetschen 185.
V. Büren, Graf, Sohn Wilhelms von
Oranien 63.
Bürgcln. Kloster 327 f. s. a.
l)egenhard.
v.Callenl)erg, Gurt Reinicke, Frh.,
Oberst 196.
Caminiec 79.
Don Carlos, Infant 40. 6^.
V. Carlowitz, Abraham 186.
— Adam Friedr. 205.
— August 185.
— Christof 73. 151 f. 211. 215.
223. 230. 250 f.
— Georg 149. 151. 186.
— Georg Dietr. 205.
— Georg Heinr., Kap. -Lt. 205.
— Hans Georg 189.
— Magnus Friedr. 208.
— Wolf 185.
Carlowitz, Friede 79.
Chantonnav, span. Gesandter 40 f.
44. 57. "^63 f. 79 f.
Chemnitz, Kloster 325 329 f.
Christian L, Kurf v. Sachs. 184ff'.
— IL Kurfürst von Sachsen 187.
— Graf von Oldenburg 73 f.
— Prinz V. Schlesw. -Holstein 135.
Christian Ernst, Markgraf von
Brandenl)urg-Ba.yreutli 1 f)9.
Christine, Gem. Lgf. Philipps v.
Hessen 2 1 6. 219. 224 ff'. 232. 234.
Christof,Hz.v. Württemb. 46. 51 ff.
de Coinsin s. Mestral.
Conde 58 67.
Corvey, Kloster 326. s. a. Adelbero.
Cosel, Graf, Oberst 283.
Register.
359
V. Cracküw, Geo , Kanzler 70. 73.
— Heinr. 1R6.
V. Cranewald, Christof Franz 207.
Craushaar, Hans 195.
v.Cronhielm, Gf.Axel,Kp.-Lt.277.
de Crousaz, Franz, Major 284.
— Franz Noa, Generallieut. 283 f.
— Joh. Philipp 284.
Crull, Dr., in Wismar 129.
Cruser. Dr., Gesandter Wilhelms
von Jülich 28 ff.
Czaslau, Schlacht 342.
Dandino, Hieron., päpstl. Nuntius
28 f.
Dänemark 31. 79 f. s. a. Magnus.
V. Darstettel, Adam Heinr. 207.
Degenhard, Abt zu Bürgein 327.
V. Dehn-Rothfelser, Hans 131. 135.
V. Dernath, Graf Gerhard, Feld-
marschalllieut. 209.
V. Dernstein, Haus Georg, Wacht-
meister 205.
Dieden, Kurt 214.
V. Diesbach, Hub., Generalmajor,
Schwz.Hptm. 273 ff. 277 f 285 f.
V. Dieskau, Otto 185.
V. Dietrichstein, Adam, Oberhof-
meister 56. 64.
Dillenburg 68.
Dittrich, M. Elias, in Nosseu 162.
V. Döhlau, Hans Georg 205.
V. Dohna, Burggraf 184.
Drändorff, Joh., Mag. 297.
Dresden 8. 131. 135. 184. 342 £
Kreuzschule 291 ff. Histor.
Mus. 338.
Dreschkau, Gebh. 185.
Düna, Schlacht an der 80.
V. Dzierzanski, Frz ., Kapitän 290 b.
Eckelin, Abt zu Pegau 329.
Kger, Schiüordnung 297 f 302 ff.
Egmont,Gf. 36.42. 45.51. 5ßf 59.68.
Ehem, Chrf., pfälz. Kanzler 69 f.
V. Eichendorif, Casp. Ernsr, Oberst-
lieut. 194.
V. Einsiedel, sächs. Minister 148.
Eleonore, Gemahlin Franz I. von
Frankreich 31.
Elisabeth, Hzin.v. Rochlitz 26. InO.
— Königin v. England 66. 70. 73.
Eltville, Schulordnung 292.
Emmerich, Schulordnung 296.310.
v. Eugell, Leonh. Christian 208.
England 31. 332. s. a. Elisabeth,
Georg Wilhelm.
Erdmuthe Sophia, T. .Job. Georg H,
Gemahl, d. Mgf. Christian Ernst
V. Brandenburg-Bayreuth 199.
Erfurt 55.
Ernst, Markgraf von Baden 264.
— Herzog von Braunschweig 43 f.
— Abt zu Reinhardsbrunu 327.
Escher, Kaufleute in Zürich und
Leipzig 84. 86.
— Bürgermeister in Zürich 92.
— Hans Heinrich (vom Luchs),
Oberst 284f.
V. Estampes, Herzogin 23.
Eugen, Prz. v. Savoyen 108 f. 112.
Fachs, Dr. , kursächs.Rat 238 f. 260.
Faesch, Gg. Rdf., Generalmj. 289 f.
— Jeremias. Oberstwachtmst. 288.
— Joh. Rudolf, Oberst 288 f
v. Feilitzsch, Christof Heinr. 183.
Feldkeller. Joh. Geo.. Prlt. 290 b.
Ferdinand I.,Kais.35. 212 214.218.
220. 223. 235. 242 ff. 252 f. 264.
330 ff.
Ferrara s. Herkules.
V. Fitzscher, Wolf Joachim 207.
Fleck, Christof, Orgelmacher 162.
Flemming, Bautzner Familie 317 f.
V. Flemming, Feldmarsch. 270. 290.
de la Foree 32.
de Forel-Griset, Franz. Jos. Nicol.,
Kabinetsminister 286 f.
— Joh. Jos., General 280. 287.
— Phil, Kammerherr 287.
Frankfurt a.M., Kurfürstentag 35.
— a. 0., Universität 13. Schul-
ordnung 297. 302. 308. 310.
Frankreich 21 ff. 78. 86. 89 ff 93.
105. 108. 110. 332 ff. s. a.
Eleonore, Franz, Heinr., Karl,
Katharina.
Franz [., Kg. V.Frankreich 23. 27 ff'.
Frauenpreis, Matthäus 336 ff.
Fraustadt, Schlacht 284.
Freiberg, Gymnasium 141 ff.
Freibui'g i. Br., Schulordnung 296.
298. 307.
Freiburg, Kanton 85. 90. 93. 123.
273 ff'.
Friedewalde 265.
Friedrich (d. Streitb.), Markgraf
von Meifsen 2 ff.
— (d. Sanftm.), Kiuf. v. Sachsen 7.
3no
Register.
Friedrich, I., Kaiser 8:^9.
— II, Kurfürst v. d. Pfal/ 232.
— 111., Kurt'. V. d. Pfalz a7f. 45 f.
48 ff.
— II., Köniff V. Preufsen 342 f.
— VIII., Herzog von Schleswig-
Holstein 135.
Friedrich August I., Kurf. v. Sachs.
(August II., König von Polen)
78 f. 14H. 2B7ff. 285. 288 ff.
340 f.
II., Kurfürst von Sachsen
(August III.) 278 ff. 286. 342.
1., Kg. V. Sachs. 147 f. 281 f.
Friedrich ^^'ilhellll, Herzog von
Sachsen, Administrator 187.
Friesland 68. 73 f.
Fritzsche, Friedr. 185.
Fröhlich, Jos., Hofnarr 339 ff.
Frost, G. D. W., zu Zörbig 147.
Fulda 48. 51 f. 59. 61 f.
V. Fürstenherg, Wilhelm 32.
St. Gallen 123. 273 ff.s.a Leodega-
rius, Rudolphi.
Gallitzin, Fürst 147.
Gehhardt, Andr. Wilh. 185.
Geldern 24.
Gent 23 f.
Georg, Hz. v. Sachsen 8 ff. 149 f.
— I., König von England 268.
— I., Landgraf von Hessen 216.
— Graf von Oldenburg 31.
Georg Wilhelm, Kurfürst von
Brandenburg 191.
Gerolzhofen, Schiilordng.300 f. 304.
V. Gersdorff, Christof Gottlob 206.
— David Heinrich 206.
— Friedrich Adolf 206.
— Gottfried Magnus 20^».
— Hans Abr., Obrist 196.
— Hans Christof, Korporal 20 5.
— Rudolf 185.
— Siegfried 202.
de Gingins, George, Herr von
Divonnc, Oberst 2P0.
Glarus, Kanton 82. 90. 123.
V. Gleifsenthal, Heinr. (— Friedr.
V. Reifenberg) 256 f.
V. Glüx, Georg Rdf. 206.
Goch, Schulordnung 304.
Göda bei Bautzen 318.
Göderitz, Simon 189. 191 ff.
Goghreff, Kanzler des Herzogs
Wilhelm v. Jülich 28.
v.Goldacker(Willewaldt?),Oberst-
lieurenant 185 ? iOi).
Gonzaga, Hercnle, Kardinal 231.
V. Gorbitz, Hans I3arthel 186.
Görlitz 315. 3l8ff
V. Gortzke, Siegmund 186.
Gotha 48.
Gothefridus, Abt i. Naunbg. 323.
Götz, Rarthel 185.
V. Götz, Friedrich Albrecht, Ober-
stallmeister 198.
Götz, Georg, Hauptmann 196.
Götze, Peter, kaiserl. General-
wachtmeister 194.
V. Graffenried, Abrah., Trabanten-
hauptmann 290.
— Em., Schultheifs von Bern 95.
97. 122f...
Granvella d. Ä., Minister Karls V.
22. 215 f. 220. 233.
— Bischof von Arras 41 f. 56 f.
61. 63. 21 2f. 215. 220. 233. 243.
Greder, Wolfg., franz. Oberst 110.
Gresham 37.
Grimma, Landesschule 160 f. 299.
Gröbel, Paul, Jägermeister 185.
Groningen 68.
Grofs, Ratsschreiber in Bern 122.
V. Grurabach, Wilhelm 72.
v. Grünrodt, Casp Heinr., Oberst-
lieutenant 198. 203.
— Hans Casp., Lieut. 202.
— Ulr. 188.
— Wolf Adolf 207.
Guben 108. 113. 116.
Gunfridus, Probst in Zeitz 328,
V. Günterode, Casp. 186.
— Hans Casp. 18rt.
— Heinrich 186.
Günther, Gf.v.Schwarzbg.59.65.7l.
Haase, Johann Friedrich, Wacht-
meister-Liexit. 290b.
Hacke, Eustachius 185.
V. Hagen, Heinr. 185.
— Melch. 188.
Hagenau, Tag zu 24 f. 31.
V. Hain, Hans Quirin 186.
— Ludwig Lauin 188.
Hambui'g, Schulordnung 300. 303.
V.Hanau, Generalwachtmeist. 197.
Hans, Markgraf von Brandenburg-
Küstrin 263 f.
Hans Georg, Pfalzgraf 65.
V. Hanstein, Konr. 257.
Register.
361
V. Hardeck 184.
V. Hartitzsch, Georg Asmiis 207.
— Moritz Albr. 207.
Hartmann, Dr., pfälz. Rat 55.
Hasenohr 135.
V. Hassenstein, Christof 185.
V. d. Hanben, Asmus 257.
V. Haugwitz, Casp., Mundsch. 185.
— Frdr. Adf., Hofmarsch. 208.
210.
— Jahn 186.
— Jobst 186.
— Joh. Adf., Kammerrat 196 f.
V. Hausen, Clem. Wenzel Freiherr.
Kapitän 290 b.
V. Hayn, Oberst 106
Hecht, Friedr. Augnst, Rektor in
• Freiberg 147.
Hederich, nassauisch. Rentmstr.37.
V. Heideck, Hans 32.
Heidelberg 46. 51. 53.
Heiligerlee 68.
Heinrich, Hz. v. Sachsen 9. 20. 150.
— Herzog von Braunschweig 237.
— II., König V. Frankreich 237 ff.
244 ff. 250. 252. 255 ff.
— Herzog von Mecklenburg 264.
Helmrich,Chrf., Organist in Nossen
162.
Helmschmid, Plattnerfamilie 337.
V. Herberstein 243.
Heifurth, (ieorg, Rittmeister 194.
Herkules IL, Hz. v. Ferrara 231 f.
Hermann, Abt z. Posa 325. 328.
330.
Hessen s. Christine, Georg, Lud-
wig, Philipp, Wilhelm.
Hettner, Herm. 128.
Hilliger, Wolf, Glockengiefser in
Freiberg 163.
Höchstädt, Schlacht 109 ff.
v. Hoffkircb, Wolf Lor., Graf 198.
202 f.
Hohenfriedberg, Schlacht 284.288.
Hohenlohe, Grafen 178.
v. d. Holle, Georg 37. 44.
V. Holtzendorff, Stellanus 185.
Holzhalb, Kanzler in Zürich 122.
Holzhausen bei Leipzig 7.
Hoochstraten 63. 68. 72.
Hoorne, Graf 36 51. 57. 59. 68.
\. d. Horst, Joh. Hermann, Graf.
Generalmajor 279. 290b.
V. Hoymb, Geheimer Rat 119 f.
Hübener, Siegmund 188.
Hülsing, Chrf., hessisch. Rat 230.
V. Hundeishausen, Herrn. 241.
Jäger, Chrf. G., in Zörbig 147 f.
Jakob, Herzog von Kurland 6.
de le Jay, Baron, Oberst 81 ff.
Jenitz, Ha., Hptm. z. Hohenst. 186.
Jesuitenkomödie 140.
V. Ihlau, Joach. Beruh. 205.
Ilmenau, Gefecht 121.
Ingolstadt, Universität 12.
Interim 226. 228.
Joachim II., Kurf. von Branden-
burg 72. 74 f. 211 ff. .331 ff.
Johann, Kg. v Böhmen 318.
— Graf von Nassau 37. 39. 42.
47. 51. 69.
Johann Friedrich., Kurfürst von
Sachsen 25 ff. 266.
(d. Mittl.), Hz. von Sachsen
38. 43 f. 48. 72.
(d. Jung.), Hz. V. Sachs. 38.
Johann Georg L, Kurfürst von
Sachsen 187 ff. 290.
IL, Kurf. V. Sachsen 196 ff.
— — III., Kurfürst von Sachsen
140. 200. 210. 285. 290.
IV., Kurfürst v. Sachsen 78.
, Markgraf von Brandenburg
215 f. 225. 249. 251.
Johann Kasimir, Pfalzgraf 52. 58.
65. 67.
Johann Wilh., Hz. v. Sachs. 38.46.
Jülich s. Wilhelm.
Jung, Dr., kurbrandbg. Rat 227 ff.
Junghanns, Phil., Rittmeist. 194.
v. Kalbe, Gg. Chrf u. Gg. Ernst 188.
Kaiisch, Schlacht 284.
V. Kalkreuter, Bastian 185.
— Friedrich Adolf 206.
V. Kalkstein, Rittmeister 191.
Kamenz 313. 316. .320. 322.
V. Kamenz, Heinr. 313.
V. Kanna, Bernhard 188.
Kanne, Chrn. Ernst, Hofmarschall
198. 202 f. 209.
Karl V., Kaiser 22 ff. 35 f. 211 ff.
330 ff.
— Markgraf von Baden 46. 52 f.
— IX., Kg. V. Frankreich 44. 58.
— Erzherz. v. Österreich 58. 75 ff.
— XII., König von Schweden 79f.
101 f. 106. 115 ff. 267. 284.
Kassel 59. 212 ff.
362
Kegister.
Katliaiiiia, (Jciiialilin des Herzogs
Hcinricli von Sachsen 9. 150.
— (V. Medici). Kgin. v. Frankr. 58.
Kauxdorf, Balzei- 188.
Kern, Anton, Maler 339.
KesselsJorf, Schlacht 342.
Kestener, Hans Wilhelm 188.
V. Kitzsclier, Hans 186
Kk'in-Pöfsna bei Bcucha 7.
V. Kleist, Georg 186.
Klissow, Schlacht 102. 106.
Klotzsche 183.
V. Knobelsdorff, Asinus 185.
— Georg 185.
Knoch, Joh. Friedr., Oberst 196.
Köbel, Rat 41.
Koberschanze 80.
Koch. Konr., Prof. in Leipzig 13.
Kolberitz, Hans Otto 206.
Königsdörffer, Joh. Gottfried,
Auditeur 290 b.
V. Konnewitz, Hans Casp. 207.
Kopnitz, Lager 115.
Kopp, David, Schulmeister in
Nossen 162.
V. Kospoth, Ad. Friedr. 207.
— Hans Casp. 186.
— Joach. Friedr. 205.
V. Krähe, Georg 185.
— Hans Georg 205.
V. Krakaii s. Ci'ackow.
Kram, Franz, sächs. Rat 227. 229.
233. 235. 241 f.
Krell, Hans, Maler 139.
V. Kreuscha, Chrf. 186.
v.Krosigk,Ha.Gg.,Hofmarscli.l82.
Krsinetzki Herren v. Ronow^ 184.
— Heinr. 185.
Krüger, Matthäus, Schulmeister
in Nossen 162
Kiichler, Casj). 186.
Kunigunde, T. d. Grafen Otto von
AVeimar 328
Kühne, Schai-frichter 343.
Kurland s. Jakob.
Kürkölssky, Hartw. Chrf 188.
V. Kyau, Gg. Abr. 206.
Kysewetter, Kanzler 331.
Landau, Schulordn. 292. 300 f. 304.
Landmann, Rittmstr. 195.
Landshnt, Scliulordn. 297. 300. 303.
V. Landskron, Chrf. 183. 185.
— Georg 185.
Langensalza 190.
V. d Lanke, Chrf. 188.
liauban 320.
Lauenburg 73.
Leclerc, Advokat 39.
Leipzig 126f. 129. 140. Univ. Iff.
311. 341 f.
V. Leipziger, Hans Heinr. 208.
Leodegarius, Abt v. St. Gallen
Leopold I , Kaiser 78. 101 f.
— Fürst von Anhalt-Dessau 342.
Lersner, Heinr., hess.Vicekanzler
49. 227. 229. 235. 241.
V. Lichtenstein 184.
V. Liebenau, Oberstlieut. 276.
— Chrf. 188.
V. Liebenhain, Konrad, Abt zu
Pegau 324.
Liebertwolkwitz 7.
Liegnitz, Schulordn. 293 f.
V. Lier. k. Kriegskommissar 222.
Lindenau bei Leipzig 129.
V. Lindenau, Wolf 185.
— Wolf Otto 188.
V. Lindt, Georg Friedr. Franz,
Premierlieut. 290 b.
Linke, Rdf 186.
V. Lipsdorf, Casp. 185.
Lisch, Geh. Archivrat 129.
Löbau 320 f.
V. Loeben, Albr., Lieut. 18.3.
— Hans Georg, Rittmstr. 194.
— Hans Günther 205.
V. Lobkowitz 184.
Lochau 264 f.
Lodron, Graf 82 f.
Lorich, Joh ,Privatsekr.d.Prinzen
von Oranien 39.
Löser, Georg 183.
V. Lofs , Chrf. , Oberschenk etc.
185. 187.
Löwenberg s. Siebert.
Lübberstorf (Mecklenb.) 129.
Lucae, Rieh , Dir. d. Bauakad.
in Berlin 12S.
Ludolph, Rittmstr. 195.
Ludwig III., Lgf V. Hessen 212 ff.
— Ciraf V. Nassau 36f. 39. 42. 47 ft'.
Lüneburg, Scluüordn. 298. 308.
— s. Wilhelm.
Luther, Jo. Andr . Konrektor in
Freiberg 143 f.
V. Lüttichau, Friedr. 188.
— Sufr.l.. Hofmstr. d. Kurf. 183.
— Sgfrd. 205.
Register.
363
V. Lütticliau, Sgiiid. Sgfrd., Geh.u.
Kammerrat 196.
V. Liittitz, Chif. Friedr. 206.
— Hans Chrf. 206.
V. Lützelburg, Werner 183. 185.
Liizern, Kant. 90 f. 93. 99. 123.
Madrid, Armeria Real 838.
Magdeburg 251 ff. 257 ff 329. 335 f.
s. a. Adelgot, Norbert, Rein-
boto.
Magnus, Hz. v. Dänemark 177.
Mainz, Univ. 13. Erzbischof 219.
222. 237.
V. Mallerarques 91. 94.
— de la Tour du Pin, General-
major 107 ff.
Caesar, Oberst 108. 11 3 ff'.
V. d. Malsbnrg, Chrf. 37. 67.
V. Mansfeld, Grafen 177.
— Graf Hans Ernst 179.
— Graf Hans Hoyer 179.
— Graf Peter Ernst 53.
Margarete, Herzogin von Parma,
Generalstatthalterin d. Nieder-
lande 37. 39. 41. 43 ff.
V. Marlborough, Hz. 108 f. 112.
Marie, Kg v. Ungarn 223. 225f. 233.
Marie .Josepha, Gem. Kurf. Friedr.
Aug. IL von Sachsen 269.
Marienberg, Schulordn. 292. 298.
300. 303 ff. 308.
Marienstern, Kloster 313. 316.
Mariscotti, Graf Herk., Kap. 290b.
Marschall von Herrn-Gosserstädt,
Chrf., Hofmeister 185.
— Dietr., Hofmarschall 183.
— Georg Chrf. 193f.
— Wolf 188. 190 f.
Marsin, franz. Marschall 109.
de Martines, Peter Franz 288.
de laMartiniere (Martinerie), Chev.
106. (117.)
Matthison, Fr. 148.
Maulbronn 55.
MaxEmanuel, Kurf. V.Bayern 109f.
Maximilian IL, Kaiser 40 ff. 212.
214 f. 229. 337.
6'Meagher,Thadd.,Gen.-Lt. 278 ff.
290 b.
Mecklenburg s. Adf.Friedr., Georg,
v. Mediger, 'Hans Chrf 206.
Meifsen,Mgfn.s.Friedr.,Ütto,Wilh.
— Bischof 294. s. a. Withego.
— Fürstenschule 299.
Memmingen, Schulordn. 292. 295 f.
304.
Merseburg 3. s. a. Reinhard.
de Mestral, Henri Franrois, Seig-
neur de Vincy et Coinsins,
Oberstlieut. 114. 117. 120 f.
V. Metzradt, Casp. Sgmd. 202.
— Casp. Magnus 207.
V. Milkau, Chrf. Heinr. 188.
— Friedr. Wilh 185.
— Georg Wilh. 196.
— Job, Reiterhptm. 184. 186.
— Job. Melch. 207.
V. Miltitz, Albr, z. Muuzig 184.
— Christian 185.
— Dietr. 185.
— Ernst 185 f.
— Hans, Hofschenk 185.
— Nickel, Hof- u. Stallmstr. 187.
— Sgmd. 179.
— Werner, Kapitän 290 b.
V. Minckwitz, Hans Heinr. 207.
V. Mitschellfall, Jobst Heinr. 188.
— Tobias 188.
Mittweida 7.
de Monod de Froideville, Gabr.
287 f.
V. Montbe, Jos.Frdr., Kapit. 290b.
Montmorency, Connetable 23f. 28f.
32.
Morillon, Bistumverweser 41.
Moritz, Kurf. v. Sachsen 7 f. 12.
18. 20. 150 ff. 180. 211 ff
338.
Mühlich, Wolf 47.
Müller, Sam., Rekt. in Freiberg
141.
Narva, Schlacht 80.
Nassau 222. 237. s. a. Job., Ludw.
Naumann, Job. Gottlieb 145.
Naum!)urg 32. 326 ff. s. a. Gothe-
fridus, Wernher.
Navarra, Königin von 307.
Neifse, Scliulordnung 293 f. .307.
V. Neitzschitz , Christof Melchior,
Oberstlientenant 203.
— Hans Karl, Rittmstr. 204. 207.
210.
— Rudolf, Oberst 195 ff'. 203 ff".
V. Nessa, Christof 18H.
— Josua 186.
Neubrandenburg 129.
V. Nenhausen, Wilh., kurbranden-
burgischer Rat 211.
364
Register.
V. Nickle\vitz,CarlMagn.8wobo(la,
Major 2901).
Niederlande Hifi.
V. Nizschwitz, Heinrich 185.
Norbert, Erzbisch, v. Magdeburg
327.
Xordhaiisen, Schulordii. 305. 310.
Nördlingen, Schulordnung 292.
295 f. 298. 302. 304 308.
Northeim 327. s. a. Wetzelin.
Nossen 161 ff.
V. Nostitz, Casp.Otto 202.204.206.
— Hans Ca.sp. 206.
— Karl Friedr. 206.
Nürnberi»', Schulordnung 292. 295f.
298. 300. 302. 304 307.
Ober-Böblingen bei Halle 128.
Uberlausitz 312 ff.
Oldenburg, Grafen 178. s.a. Anton,
.Christian, Georg.
V. Ölsnitz, Georg Ernst 205.
Oranien s. Anna, Wilhelm.
V. Üertzen, W., Oberhauptm. 129.
Oertzenhof 129.
V. Osterhausen, Chrn. 188.
— Georg Friedrich 207.
— Hans 185 f.
— Thiel 185.
Österreich (Werbung i. d. Schweiz)
83. 86. 89 tt'. 94 108. s. a. Karl.
Oster wieck, »Schulordnung 299.
Ostritz 313. 319.
Otto, Markgraf von Meifseu 327.
— Kardinal V. Augsburg 230 ff.
Otto, Job., V. Münsterbg., Mag. 2. 5.
Ottokar II., Kg. v. Böhmen 319.
Paris, Universität 1. 3 f. 12.
Parma s. Margarete.
V. Parum, ]\Iajor 276.
Paykul 116.
Pegau, Kloster 7. 324 ff. Abt s.
Eckelin, Liebenbain, Radeboto.
Permeter, Job , Prof. i. Leipzig 13.
Persohnn, Job. 188.
Peter d.Gr.,ru.ss.Zar79f. 116. 121 f.
Peter von Dresden, Schulmeister
291. 294. 297.
Petersberg bei Halle, Kloster 7.
Pfalz S.Anna, Friedr., Hans Georg,
Joh. Kasimir, Wolfgang.
Pflugk, Benno, Hofmarschall 181.
— Casp. 185.
— Georg 188.
Pflugk, Hans 207.
— Haubald 186.
Philipp, Hz. V. Brauuschweig 43.
— Landgraf von Hessen 22 f. 25 f.
31 f. 35. 38. 43. 48 ff. 1 49 ff 2 1 1 ff.
— IL, Kg. V. Spanien 40ff. 228 ff.
Philipp Julius, Hz. v. Pommern-
Stettin 6.
de Piatti, Joh. Franz Marquis,
Oberstlieut. 290b.
Pinnovius, Casp., Schulmeister zu
Nossen 162.
Pirna 135. 184; Kapitulat.284 289.
Pittcrlin, Auditeur 290b.
V. d. Planitz, Georg 32.
— Wolf Chrf. Edler 186. 196?
V. Plötz, Joachim 205.
Polen 79.
Polenz, Fritz 185.
— Wolf Dietrich 205.
Pollich, Mart., Prof. in Leipzig 13.
Polster, Scharfrichter .343.
Pommern s. Philipp Julius.
V. Ponickau, Casi). Adolf 206.
— Haus Georg, Karamerrat und
Hauptmann 185. 187.
— Wolf Abr. lH(i.
Popschitz, Abr. 185.
V. Porsdorf, Casp. 186.
Porta, Kloster 327. 329.
Posa 326 ff' s a. Hermann.
Poyet, franz. Kanzler 23. 25 28.
Prag, Universität 1 f . 4 f. Er-
stürmung (1741) 283.
Preufs, Georg 185.
Preufsen s. Albrecht, Friedrich.
V. Priesen, Karl 186.
Prirakenau 135.
V, Pritzke, Anton 186.
de Prohinques, Pierre Marquis,
Hptra. d. Schweizergarde 270 ff'.
Promnitz, Ulr,, Graf 210.
Pudewels, Friedrich 185.
Pultusk, Schlacht 106.
Puntzel, Bautzner Familie 321.
V. Rabenau, Heinrich Adolf 206.
— Heinrirh Friedrich 206.
Rabiel, Dietrich 185.
V. Radeberg,Görlitzer Familie 31 9.
Radeboto, Abt zu Pegau 327.
V Ragewitz, Hans Casp., Mund-
schenk 179. 185.
Ratzenberger, Hans 49 (?). 246.
Rau, Hans, Rittmeister 193.
Register.
365
V. Rechenberg, Oberhofmsrch. 197.
V. Reckerod, Georg 244. 256. 258.
V. Reifenberg s. Gleifsenthal.
V. Reimbz, Hans Georg 206.
Reiuboto, Abt d. Bergkloster zu
Magdeburg 326.
Reinhard, Abt in Merseburg 326.
Reinhardsbrunn s. Ernst.
V. Reinsberg, Vespasian 185.
V. Reinstein, Graf 179.
Remse, Kloster 326.
Rennebeck, Rittmeister 195.
Reufsen, Herren von Plauen 177.
Rhazes, arabischer Arzt 14.
Riga 80.
Ritter, kursächs. Rat 99 f.
Rittiger, Paul 207.
V. Röbell, General 102. 106.
Rochlitz s. Elisabeth.
V. Rochow (Rochau), Oberstlt. 194.
— Otto Christof, Cornet 205.
Röder, Veit 183.
V. Rödern, Philipp 188.
V. Rodewitz, Adam 188. 210.
— Casp. Sgmd. 206.
— Jh. Fdr., Oberstwchtm.204. 206.
Roguin, Augustin, Oberstlt. 290.
— Augustin Gabriel 290.
V. Rohr, Jos. Dav. Frz. , Kapit. 290b.
V. Rollshausen, Frdr., hess. Rat 70.
Römer, Hans Christof 205.
— Hans Wilhelm 188.
— Jobst Christof 189.
Rommel, Hans, hess. Zeugmst. 262.
Röpler, Wenzel 185.
Rosinetzki, Victoriu 185.
V. Ruckrodt, Friedr. Herrn. 188.
Ruder, Philipp Wilhelm 186.
V. Rudolphi, Jos., Abt v. St. Gallen
275.
Rufsland s. Peter.
Sacbsen s. Amalie, Anna, August,
Auguste, Christian, Elisabeth,
Erdmuthe Sophia, Friedr. Aug.,
Friedr. Wilh. , Georg, Heinr.,
Joh. Friedr., Job. Georg, Job.
Wilh., Kathar., Maria Josepha,
Moritz, Xaver.
Sadelkow, Kr. Stargard 129.
V. Salza, Görlitzer Familie 319.
V. Sander, Gottl. Ernst 206.
Scepper, Cornel., kaiserl. Rat 22.
V. Schachten, Heinr. 238 f. 244 ff.
250. 255 ff.
V. Schachten, Wilh. , hess. Hof-
marsch. 231. 236 ff. 245 f. 248.
255. 257 f. 261 ff
Schaff hausen, Kant. 89. 93. 123.
Scharnberger, Sekr. der Herzogin
Margarete von Parma 53.
Scharrt, Dietr. 186.
Scheftenberg 178.
V. Schellendorff', Georg 186.
Schenk, Georg 185.
— Heinrich 188.
Schenken v. Tautenburg 177.
Buikard 187.
V. Scherz, Otto Heinr. 206.
Schilling, Jac. , brandenb. Rat
248. 251.
V. Schilling, Hans Chrf. 206.
Schiltel, Georg, Dr., Rektor der
Univ. Leipzig 6.
V. Schleinitz, Chrf. 188.
— Gabr. 186.
— Hans Bastian 188.
— Haubold 185.
— Joachim 188.
Schleiz, Schulordnung 296. 298 f.
300. 303 ff 308.
Schlesw. -Holst, s. Christ., Friedr.
Schlettstadt, Schulordnung 296.
Schley, Kupferstecher 342.
Schlick, Grafen von Bassano 184.
— Graf Sebastian 185.
— Graf Joachim Andreas 187.
v. Schlieben, Eustachius 238 f.
V. Schmiedt, Franz Rudolf 208.
Schneeberg, Lyceum 142 ff".
Schneider, P., kgl. Beichtv. 148.
V. Schönbeck, Hans 185.
V. Schönberg, Andr. 188.
— Chrf. 185.
— Friedr. 186.
— Hans 188.
— Hans Friedr. (Rotschönberg)
205.
— Hans Wolf (Pulsnitz), Hof-
marschall 184 f.
— Heinr., Hofmarschall etc 179 ff.
— Heinr. 185.
— Joh. Adam Friedr. 205.
— Wolf 185.
V. Schönburg, Herren 177.
— Hugo 135.
Schreiber, Joh. Georg, Schulmstr.
in Nossen 162.
V. Schulenburg, General 102. 113.
115. 117 ff'.
366
Register.
Scliuiuann, Georg, .Schuliiistr. in
Nossen 1H2.
Schwäbisch-Hall, Schulorclii. 300.
308.
V. Srhwanitz, Hans Nicol. 20(5.
Schwarzbach, Christian Friedr..
Anditeur 290 b.
Schvvarzburg , Grafen Vil. 179.
s. a. Günther.
Schweden s. Karl.
V. Schweicliel, Jobst Heinr. 18().
V. Schweinack, Georg Adam 20H.
Schweizer Sokltruppen 78 ff'. 267 ff'.
V. Sohwendi, Lazarus, Truchsefs
247. 2.53 ff'. 260.
Sebnitz 183 f.
Seelig, J. A. B., Feldscheer 290b.
Sehdenz, Oberstlieut. 283.
Seidnitz bei Dresden 282.
Seid, Dr., kais. Vizekanzler 252.
332.
de Selves, Georges, Bischof von
Lavaur, franz. Gesandter .30.
Sezina, Herren von Ausch 184.
Siebert von Löwenberg 22 t
Sigg, Jean Conr. 271.
Sleidan 22. 25.
Sohns, Grafen 177.
— Graf Friedr. Magnus 179.
— Graf Reinhard 222.
Solothnrn, Kanton 82. 123.
Sondershausen 59.
Spanien .35. 40 ff'. (Werbungen in
der Schweiz:) 8H. 90. 92. (Erb-
folgekrieg:) 101 ff. s. a. Philipp.
v. Spohr. Wolf Heinr., Kittmstr.
198. 202.
Stammer, Chrf , Hofrittmstr. 182f.
V. Starschedel, Ealzer 185.
— Bernh. Hofmarschall 188. 1 92.
— Fritz 185.
— Heinr. Otto 188.
— Titz 185.
Steche, Richard 125 ff.
Steiger, Euianuel 290.
— Georg 290.
V. Steinau, Feldraarschall lOH. 115f.
Strack, Job. Heinr.. (Jberhof-
baurat 128 f.
V. d. Strafsen, kurbrandeuburg.
Kanzler 233.
Stubart, Obeistlieut. 194.
Stattgart, Schulord. 295. 298.
302 ff'.
Suiza 247 f. 264.
V. Tackerodt, ( )tto 205.
Tallart. franz. Marschall 109 f.
V. Tamsdurft', Reinh. 186.
Tarin. Graf .loh. Vict. Amad.,
Major 290 b.
V. Taube, Claus 195.
— Dietr., Hofraarschall u. Oberst
193 ff'.
— Heinr. 188.
Hofmarschall 196 f.
— .loh. Heinr., Hptm. 196.
— Ludw. 188.
— Reinh. 188.
V. Thaler, Kapitän 277.
Theler, Wolf 183.
V. Thier, Chrf. Friedr. 207.
— Georg Abr. 206.
Thirmanu, Nicol, Schulmstr. und
Stadtschr. i. Dresden 291. 301.
Tilly 1.54.
Torgau 7.
Tournon, Kardinal von 23. 28.
V. Trandorf, Heinr. 186.
Trient, Kardinal v. 229 ff. 241.
Trier, Kurfürst 55.
V. Troilo. Franz Ferd. 205.
Trott, Adam, brandenb. Rat 248.
Türken 78 f.
Überlingen. Schulordn. 296. 298.
302 ff".
Ukraine 79.
Ulm, Schulordn. 292. 294.
V. Umbstadt, Frdr. Wambold 191.
Ungarn 78. s. a. Marie.
Unterwaiden ob. u. n. d. W.,
Kanton 82. 123.
Uri, Kanton 90. 123.
Viglius, Dr. 233.
Vitztlmm v. Apolda, Werner 185.
V. Vitzthum, Hofmarschall 148.
Waciitendouck, Rat Hz. Wilh. v.
•li'ilich 28.
Wackerbarth, Graf, General 279.
Wackerbarth-Salmour, Graf 286.
Waldeck, Grafen 178.
Waidenburg 135.
V. ^^'allenfels, Chrf. 185.
— Georg 18 1.
V. Wallenrod, Matthias, Amtmann
in Schneeberg 21 . 27 ff'.
V. Wallenstein, Sdenke Sgmd. 188.
Wallrodt, Sgmd. 185.
Register.
367
Walther, Adam, Schulmeister in
Nosseii 162.
— Barthol., Diakoims 159.
Warschau 116.
Wartburg, Grofshz. Samml. 338 f.
Wartenherg 178.
V. Wedel, Platzmajor 343.
Wedemeyer, Auditeur 843.
Wehse, Hans Georg 183. 185.
Weimar s Kunigunde.
V. Weifsenbach, Georg Ernst 189.
— Jul. Friedr., Major 290b.
Weifseufels 7.
Weller v. Molsdorf, Jak., Ober-
hofprediger 140.
Werdau lri9.
Wernher, Abt z. S. Georg in
Naumburg 327.
V. Werther , Hans Friedrich 208.
— Hans Georg 207.
Wesel 71.
v.Westerhagen, Heinr. Sittich 188.
Wetzelin, Abt z. Northeim 326.
Widemaun, Wolf 185.
Wien, Schulordnung 292. Waffen-
samml. 337
Wijk bi) Durstede, Schlordn. 307.
Wilhelm II., Mgf. v. Meifsen 2 ff.
— Hz. V.Bayern 21.^.217.219.241.
— III., König von England 268.
— IV.,Lgf V Hess.38.4öff. 212 ff.
— Herzog von Jülich und Cleve
24. 27 ff. 71 f.
— Herzog von Lüneburg 179.
— Prinz von ( )ranien 35 ff. 332
Wilisch, Chrn. Friedr., Superint.
zu Freiberg 143.
Winkler, Hillebrand IS.o,
V. Winterfeld, Heinrich 185.
Wiprecht d. J. v. Groitzsch 326.
Wisogrot 115.
Witego, Bischof von Meifsen 317.
Wittenberg, Universität 12.
Wittgenstein, Graf 43 ff 60.
Wolf, Herz. v. Braunschweig 179.
V. Wolfen, Albert 1 85.
V. Wolffersdorff (Wolftramsdorff),
Georg Friedrich, Oberst 209.
— Hans 18r>.
— .Julius Heinrich 205.
— Richard 209.
— Wolf 186.
— Wolf Ernst 183. 185. 187.
Wolfgang, Pfalzgraf von Zwei-
brücken 224 f. 241. 264.
Wolfram, Vt.,Sup. z. Zwickau 158f.
Wolfshain bei Beucha 7.
Wurmb, Balzer, Stallmeister 183.
Würz bürg 140.
Württemberg s. Christof.
V. Wüstenhoff, Jobst 188.
V. Wylich, Frh. , preufs. General-
major 343.
Xaver, Prinz 279. 286. 288.
Zapolya, .lohann 25.
Zasius, ülr. , Vizekanzler 41. 72.
V. Zehmen, Moritz Bastian 186.
Zeithain, Lustlager 272. 275 f.
Zeitz s. Gunfridus.
V. Zeschau, Generallieut. 148.
Zestermnnn, Chrf. Adf. 127.
Ziegenhain 216. 227. 235. 246.
V. Ziegesar, Hennig 188.
Zittau 313. 319 ff.
Zörbig 147 f.
V. Zschieren, Hans 186.
Zuckelhausen bei Leipzig 7.
Zug, Kanton 90.
Zuleger, Wenzel, pfälz. Rat 67.
70.
Zürich, Kant. 81 ff 89 ff'. 104f. 122f.
Zurlauben, General 110.
Zweenfurt bei Borsdorf 7.
Zwickau, Schulordn. 298.
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