Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K. Archivrat.
Sechzehnter Band.
Dresden 1895.
Wilhelm Baensch, Verlagsbuchhandlung.
Das Neue Archiv für Sächsische Geschichte und Alter-
tumskunde, welches im Auftrage der Königlichen Staats-
regierung und des Königlichen Altertumsvereins heraus-
gegeben wird, erscheint in halbjährlichen Doppelheften, von
denen je zwei einen Band von ungefähr 22 Bogen bilden.
THE
1 IQUADV
Inhalt,
Seite
I. Eine mailändisch-thüringische Heiratsgeschichte
aus der Zeit König; Wenzels. Von Professor
Dr. Karl Wenck in Marburg a./L 1
II. Leipzig und Wittenberg. Ein Beitrag zur säch-
sischen Reformationsgeschichte. Von Professor
Dr. Felician Gefs in Dresden 43
III. Geschichte der Burg Rechenberg. Von Bürger-
schullehrer Dr. Georg Pilk in Dresden ... 94
IV. Die älteste venetianische Bergordnung und das
sächsische Bergrecht. Von Privatdozent Dr.
Otto Opet in Bern 109
V. Stadtmarken der Zinngiefser von Dresden,
Leipzig und Chemnitz. Von Direktorialassistent
Dr. K. Beding in Dresden 123
VI. Kleinere Mitteilungen 129
1. Zur Geschichte der Dresdner Tbietmarhand-
schrift. Von Dr. Ludwig Schmidt, Gustos au der
k. öffentl. Bibliothek in Dresden. S. 129. 2. Der
Begräbnistag des Markgrafen Georg von Meifsen.
Von Archivar Dr. P. Mitzschke in Weimar. S. 131.
3. Zu Mardochais , Rabbis de Nelle , angeblicher
Prophezeiung an Kurfürst August zu Sachsen
(1575). Von Archivrat Dr. Theodor Distel in
Dresden. S. 132. 4. Zum Nossener Kirchenbaue.
Von demselben. S. 134. 5. Eine Flugschrift über
das Anrecht König Friedrichs IL von Preufsen auf
Böhmen. Von Dr. Walther Schultze in Halle a./S.
S. 134. 6. Der älteste kursächsische Bibliotheks-
katalog aus dem Jahre 1437. Von Staatsarchivar
Dr. Woldemar Lippert in Dresden. S. 135. 7. Brief-
beförderung des Kurfürsten von Sachsen 1449. Von
demselben. S. 139.
Litteratur 141
VII. Konrad Rott und die Thüringische Gesell-
schaft. Von Dr. Konrad Haebler, Custos an
der k. öffentl. Bibliothek in Dresden .... 177
IV Inhalt.
Seite
VIII. Arnold von Westfalen und die Rochlitzer Kuni-
gundenkirche. Von Oberlehrer Dr. W. C. Pfau
in ßochlitz 219
IX. Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums.
Von Prof. Dr. Eduard Heydenreich in Marbnrg 229
X. Vertriebene und bedrängte Protestanten in
Leipzig unter dem Schutze Johann Georg- I.
Nach urkundlichen Quellen bearbeitet von
Oberlehrer Dr. Richard Schmertosch in Pirna 269
XI. Dr. med. Heinrich Erndel, Stadtphysikus zu
Dresden. Von Dr. med. Engen Sachs in Dresden 292
XII. Kleine Mitteilungen 307
1. Nachträge zum Urkunden buch des Klosters
Nimbschen. Von Dr. Ludwig Schmidt, Custos an
der k. öffentl. Bibliothek in Dresden. S. 307. 2. Zu
Hortleders Geschichtswerk. Von Privatdozent Dr.
Anton Chroust in München. S. 310. 3. Die Grands
Mousquetaires. Aus dem Nachlasse des Oberhof-
meisters a. D. A. von Minckwitz. S. 315.
Litteratur 324
Register 348
Besprochene Schriften.
Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte Bd. II (Ermisch) . . 147
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte VIII (G. Müller) . 164
„ „ „ „ XI s. Müller.
Bergmann, Geschichte von Löbau (Knothe) 337
v. Bojanowski, Karl August als Chef des 6. Preufsischen Küras-
sier-Regiments (Exner) 159
Brandenburg, Die Gefangennahme Herzog Heinrichs von Braun-
schweig (G. Wolf) 329
Cod. diplom. Sax. reg. s. Forstemann.
Exner, Die Anteilnahme der Königlich Sächsischen Armee am
Feldzuge 1809 (v. Schimpff) ' 160
Förstemann, Ürkundenbuch der Stadt Leipzig Bd. III (L. Schmidt) 324
Geffcken, Zur ältesten Geschichte und ehegerichtlichen Praxis
des Leipziger Konsistoriums (G. Müller) 165
I taldberg, Das Landschulwesen auf den Zittauer Dörfern (Heyden) 163
Held, Das Kreuzkantorat zu Dresden (Heydenreich) .... 162
Hey, Die slaviscbcn Siedelungen in Sachsen (Mucke) .... 141
Hübner, Zur Geschichte der kursächsischen Politik beim Aus-
bruche des österreichischen Erbfolgestreites (Lippert) . . 157
Inner, Hans Georg von Arnim (Krebs) . 150
Köstlin, Friedrich der Weise und die Schloßkirche zu Witten-
berg (G. Müller) 148
Inhalt. V
Scüte
Landsberg, Zur Biographie von Christian Thomasius (Distel) . 336
Läppert, Wettiner und Witteisbacher sowie die Niederlausitz im
XIV. Jahrhundert (Knothe) 145
Müller, Gr., Verfassung^- und Verwaltungsgeschichte der säch-
sischen Landeskirche (Knothe) 326
( >pel, Der niedersächsisch-diinische Krieg Bd. III (Krebs) . . 155
l't'jiu, Das gotische Steinmetzzeichen (Gurlitt) ... ... 338
Reichardt, Versuch einer Geschichte der Meifsnischen Lande in
den ältesten Zeiten (Lippert) 328
Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation
und des dreißigjährigen Krieges Bd. II (G. Wolf) . . . 331
Untersuchungen , Historische , Ernst Förstemann gewidmet
(Heydenreich) . . 160
Weber, E., Virorum clarorum s. XVI et XVII epist, selectae
(Heydenreich) 150
Eine mailändisck-tliüringisclie Heirats-
geschickte aus der Zeit König Wenzels.
Von
Karl Wenck.
Eheberedungen zwischen fürstlichen Häusern sind im
14. Jahrhundert die fast regelmässige Würze politischer
Verbindungen. Der Staat und seine Beziehungen waren
Familiensache. Die Partei, welche den Gatten stellte,
konnte im Augenblick der Verheiratung das Staatsgebiet
durch die besprochene Mitgift um einige Teilstücke, in
Zukunft vielleicht- durch Erbschaftsansprüche ansehnlich
vergrößern , dem andern Teile fiel neben der Ehre die
lockende Aussicht zu, dals die verheiratete Prinzessin
gewissermaßen die Bolle eines ständigen Vertreters seiner
Interessen in ihrer neuen Heimat übernehmen werde.
Aber wie wenige von den unzähligen fürstlichen Ver-
löbnissen jener Zeit kamen wirklich zur Vollziehung!
Es gewinnt durchaus in vielen Fällen den Anschein, als
ob nicht die Heirat selbst, sondern schon das Eheprojekt,
das dem eben zu begründenden Freundschaftsverhältnis
einen greifbaren Ausdruck gab, Zweck der gepflogenen
Verhandlung sei. Aber auch wenn die Heirat vollzogen
ist, macht die gesunde Kraft der natürlichen Macht-
interessen sich siegreich geltend über persönliche dynastische
Verbindungen, die dann entweder verspätet zur Lösung
kommen oder ihr politisches Schwergewicht wieder ver-
lieren.
Unter diesem Gesichtspunkt wird man nicht in Ver-
suchung kommen, die politische Bedeutung der fürstlichen
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 1
2 Karl Wenck:
Ehen jener Zeil zu überschätzen. Aber wenn ihr Ein-
tinis auf die Politik für die Dauer im Wesentlichen von
ätifseren Momenten abhängig' ist, so bleibt ihnen doch,
wo wir nur über die Einzelheiten gut unterrichtet sind,
neben dem Interesse jener politischen Wandlungen, durch
die sie aufgelöst oder inhaltsleer gemacht werden, ein
romantischer Heiz, der um so gröfser sein wird, je mehr
die Politik zu den angeknüpften zarten Beziehungen in
Gegensatz tritt. Vielleicht gilt das Eine und das Andere
in ungewöhnlich hohem Grade von dem, Avas die folgen-
den Blätter berichten sollen.
Ich will erzählen von einer Mailändischen Prinzessin
des 14. Jahrhunderts, die einem Landgrafen von Thüringen
durch rechtsgiltige Eheschließung verbunden, in dem
Stammbaum des wettinischen Fürstenhauses doch bisher
keinenPlatz gefunden hat, während dieGenealogen desHauses
Visconti den Namen ihres Gemahls verzeichnet haben. Beide
Gatten haben ihre Verehelichung um Jahrzehnte über-
lebt, aber sie haben einander nie gesehen. Nicht die
Liebe, sondern die Berechnung hat das Band geknüpft,
und doch begegnen wir in den Urkunden, welche die
Quelle dieser wundersamen Heirat sgeschichte bilden, in
seltener Weise dem Ausdruck weiblicher Herzensempfin-
dungen. Diese Urkunden sind widerspruchsvoll: wenn
die eine Gruppe die lautere Wahrheit enthält, so muis
die andere in voller Absichtlichkeit die Thatsachen ent-
stellen.
Der vorliegende Aufsatz ist veranlagt durch eine
1891 erschienene Abhandlung des italienischen Gelehrten
G. Romano, Professors zu Pavia: „Eine Heirat am Hofe
der Vicontis"1). Romano hat einen Teil jener Urkunden
zuerst veröffentlicht und eine feine anziehende Darstellung
darauf gegründet. Seine Abhandlung wird in Deutsch-
land, weil das „Lombardische historische Archiv" bei uns
wenig Verbreitung hat, nicht den Leserkreis finden, den
sie verdient. Als ich es unternahm, den Gegenstand für
deutsche Leser zu behandeln, hoffte ich noch aus säch-
sischen Archivalien das Material ergänzen zu können.
'i Un matrimonio alla corte de' Visconti: Archivio storico Lom-
bardo X.Y111 (lsiii). hol Mir Liegt ein Sonderabzug vor. über den
ich Bist. Ztschr. LXXIV, lll fgg. kurz berichtet habe, doch unter-
scheidet sich mein dort ausgesprochenes Urteil noch in wesentlichen
Punkten von der Auffassuug, die sich mir im Gegensatz zu Romano
bei der Abfassung des vorliegenden Aufsalzes gebildet hat.
Eine mailändisch - thüringische Heirat. 3
Arcliivrat Ermisch, mit Sammlung des Materials beschäf-
tigt für die neue mit 1381 einsetzende Folge des die Ur-
kunden der Markgrafen von Meiisen und Landgrafen von
Thüringen enthaltenden ersten Hauptteils des Codex
diplomaticus Saxoniae regiae, hat sich lebhaft dafür in-
teressiert, aber einen Erfolg haben seine Nachforschungen
bisher nicht gehabt, und auch aus den vollständigen Ab-
schriften sämtlicher in Mailand bisher aufgefundener Ur-
kunden, die er auf meine Bitte schon jetzt für das Ur-
kundenbuch der Mark- und Landgrafen beschaffte und
mir gütigst zur Benutzung überliefs, liefs sich wenig mehr
gewinnen, da Romano alles Wichtige vollständig mit-
geteilt hatte.
Aber auch ohne neues Material glaube ich in der
Beurteilung der Handlungsweise beider Parteien wesent-
lich von Romano abweichen zu müssen. Er steht den
überaus verwickelten deutschen Parteiverhältnissen jener
Zeit verhältnismälsig fremd gegenüber. So wird die
politische Lage, aus der das Heiratsprojekt hervorging,
nicht in das rechte Licht gestellt. Damit hängt dann
ein eigentümliches Mißverständnis der wichtigsten Ur-
kunde zusammen, und auch sonst lieis sich ja noch
manches ergänzen und berichtigen .# Aber ich habe bei
dieser Nachlese immer den Gedank'en gehabt, wenn uns
doch mehr gleich tüchtige eindringende Forschungen
italienischer Gelehrter, hervorgegangen aus ebenso um-
fassender Benutzung deutscher Litteratur, für die Ge-
schichte der deutsch -italienischen Beziehungen vorlägen!
In der Form und der phantasievollen Erfassung des
wunderbaren Stoffes, der wie für einen historischen Roman
geschaffen ist, ist der italienische Forscher dem deutschen
natürlich weit voraus.
1.
Lucia Visconti, deren Name auf den folgenden Blättern
so häufig erscheinen wird, war eine Tochter Bernabös
von Mailand, des grausamen, prunksüchtigen Tyrannen,
der nach der Mitte des 14. Jahrhunderts ein Menschen-
alter lang seinem Volke, dem Papste, dem Kaiser und
den andern italienischen Mächten gleich furchtbar er-
schienen ist. So tief hatte sich der Hals gegen sein
brutales Willkürregiment eingegraben, dals eines Tages
(6. Mai 1385) sein Neffe Gian Galeazzo III. es wagen
konnte, Bernabö mittelst eines meisterhaften Handstreichs
l :
4 Karl Wenck:
in seine Gewalt zu bringen und aus der Welt verschwin-
den zu lassen, ohne anderes als Dank von dem armen
gepeinigten Volke zu ernten.
Schon mit dieser Tragödie Bernabös ist, wie uns
Romano zuletzt gezeigt hat2), der Name Lucias verknüpft ;
auch sie berührt sich mit ihren Herzensangelegenheiten,
wenn man dieses Wort von den Verhandlungen über die
Verlobung und Vermählung eines etwa sechsjährigen
Kindes gebrauchen darf.
Alle von der Gunst des Glückes emporgehobenen
illegitimen Herrscher haben das Bestreben, durch eheliche
Verbindungen mit älteren Dynastien ihrem Hause Glanz
und politischen Rückhalt zu verschaffen. Niemand viel-
leicht ist auf solchen Wegen dynastischer Politik eifriger
und erfolgreicher gewesen, als Bernabö und seine Nach-
folger. Die zahlreichen Prinzessinnen des Hauses Visconti,
die damals an deutsche Fürstensöhne verheiratet wurden,
haben für die Verpflanzung italienischer Kulturelemente
nach Deutschland, für die Vorgeschichte des deutschen
Humanismus und der deutschen Renaissance sicherlich
eine noch nicht genug gewürdigte Rolle gespielt! Da-
gegen standen an politischer Bedeutung höher die Heirats-
verbindungen mit dem französischen Königshaus, das seit
den Tagen Karls von Anjou so wesentlichen Einfluls auf
die Geschicke der Halbinsel gewonnen hatte.
Dieser Einfluls mufste sehr geschwächt werden, wenn
nach dem Tode Johannas L, der Enkelin des dritten
Angiovinen auf dem Königsthron von Neapel, eine unga-
rische Seitenlinie, das Haus Durazzo, zur Herrschaft ge-
langte. Da schien durch das Ungeschick Urbans VI.,
das nicht nur ein vierzigjähriges Schisma über die Kirche
brachte, sondern auch im Königreich Neapel langandauern-
den Thronstreit entzündete, die Möglichkeit geboten, das
Königreich enger als vorher mit Frankreich zu verknüpfen.
Die französische Staatsgewalt stand den bezüglichen
Plänen gegenüber in zweiter Linie, obwohl sie und der
Gegenpapst zu Avignon das Unternehmen dann keines-
wegs nur mit guten Wünschen unterstützte. Konnte es
2) II primo matrimonio di Lucia Visconti e..la rovina di Ber-
nabö: Arch. stör. Lombardo XX (1893), 585. Über eine voraus-
gegangene gröfsere Abhandlung desselben Verfassers „Gian Galeazzo
Visconti e gli eredi di Bernabö", die in derselben Zeitschrift 1891
gedruckt ist, habe ich Hist. Ztschr. LXXIV, 137 fgg. ausführlich
berichtet.
Eine mailändiseh -thüringische Heirat. 5
doch im Falle des Siegs auch den Gönner, Karls von
I )urazzo Urban VI. zu Fall bringen und das Übergewicht
Frankreichs üi Europa zur Wirklichkeit machen! Die
eigentliche Triebfeder war der Ehrgeiz eines französischen
Prinzen, des Hauptes einer jüngeren Linie Anjou, Lud-
wigs L, der als Adoptivsohn der Königin Johanna das
Abenteuer Karls von Anjou wiederholen wollte. Für
seinen Erfolg war begreiflicher Weise die Haltung des
Tyrannen von Mailand von grölster Wichtigkeit. Ludwig
von Anjou suchte daher Bernabö nicht nur zum Bundes-
genossen , sondern zum dauernden Gönner der neuen
Dynastie zu machen , indem er ihn zum Schwiegervater
seines Sohnes und Nachfolgers erkor3). Gleich bei den
ersten Verhandlungen über ein Schutz- und Trutzbündnis
wider Karl von Durazzo im Februar 1382 warb Ludwig
um die Hand einer Tochter Bernabös für seinen fünf-
jährigen Sohn Ludwig, und Bernabo erklärte sich bereit,
die jüngste4) seiner heiratsfähigen Töchter, Lucia, jenem
zur Ehe zu versprechen. Lucia mochte einige Jahre
jünger sein als der ihr bestimmte Prinz, jedenfalls hatte
man bei dem kindlichen Alter des künftigen Paares um
so weniger Eile, die Eheberedung zum Abschlufs zu
bringen, als man über ein gemeinsames politisches und
kriegerisches Handeln völlig einverstanden war. Bernabö
unterstützte mit ganzem Herzen und offenem Beutel die
Unternehmung des französischen Prinzen. Er versprach
sich von der Einsetzung Ludwigs in Neapel nicht nur
eine bedeutsame Steigerung des Mailändischen Einflusses
über ganz Italien, sondern er zählte wohl auch auf diesen
Bundesgenossen für eine bevorstehende persönliche Ab-
rechnung, die ihm sehr am Herzen liegen mochte.
Im Jahre 1354, bei dem Tode des früheren Gewalt-
habers, seines Oheims, hatte Bernabö die Herrschaft mit
zwei Brüdern zu teilen gehabt; der eine, Matteo, war
schon im nächsten Jahre gestorben, man sagte, durch
Gift, das ihm seine Brüder beigebracht hätten, den anderen
Teilhaber aber wurde Bernabö nicht los, denn als sein
Bruder Galeazzo 1378 gestorben war, folgte ihm dessen
3) Romano, Arch. stör. Loinh. XX, 586.
4) Ebenda 587, Anm. 3. Auf diese Anm. 2 genannte Abhand-
lung stütze ich mich auch im Folgenden für alle Einzelheiten, die
mit diesem Heiratsprojekt zusammenhängen. Ein Aufsatz von N
Valois, Expedition et mort de Louis I. duc d' Anjou en Italie, in
Revue des quest. histor. 1894 Janv. ist mir nicht zugänglich.
i; Karl Wenck:
Sohn Grian Galeazzo ITI., ein junger Mann \ron fünfund-
zwanzig Jahren, der ohne kriegerische Tüchtigkeit, aber
sonst mit ausgezeichneten Geistesgaben ausgestattet war.
Nun alter hatte 'Bernabö nach dem Tode seines Erst-
geborenen im Jahre 1382 noch vier Söhne. 80 weit auch
die Herrschaft der Viscontis sich in Überitalien eistreckte,
der Anwärter waren zu viele, wenn der junge Galeazzo
die Hälfte des Gebiets für sich beanspruchen konnte.
Galeazzo erkannte früh die Gefahr, die aus der Für-
sorge Bernabös für seinen Nachwuchs ihm erstehen mufste,
und heiratete, um sich zu decken, ein jugendlicher Witwer,
1380 eine Tochter Bernabös. Katharina Visconti nahm
den Platz ein, der durch den Tod seiner ersten Gemahlin
Isabella, einer französischen Königstochter, verwaist war.
Diese frühere Verbindung Galeazzos mit einer Dame aus
so erlauchtem Geschlecht hatte einst mit Recht als ein
unvergleichlicher diplomatischer Erfolg seines Vaters ge-
golten, und auch nachdem Isabella 1372 gestorben war,
mochte Galeazzo als ein Schützling des Hauses Valois
gelten. Aber dieser Vorteil wurde in das Gegenteil ver-
kehrt, wenn jetzt Bernabö seine Tochter Lucia einem
Vetter des regierenden französischen Königs, Ludwig II.
von Anjou, zur Ehe gab. Die Verbindung unter den
Lebenden, von hervorragender Bedeutung durch die grofse
gemeinsame Aktion wider Neapel, mufste Galeazzo ganz
in Schatten stellen. Und nur noch wichtiger mufste diese
Verbindung werden, als Ludwig I. inmitten der Kämpfe
um das beanspruchte Königreich am 20. September 1384
durch einen plötzlichen Tod hinweggerafft wurde, denn
seine heroische Witwe Königin Maria und die französische
Partei in Neapel traten für die Rechte des jungen Ludwig
ein. Kurz vorher, am 2. August, war die Verlobung der
beiden Kinder vollzogen worden, nach Ludwigs Tode
wurde Bernabö durch politische Berechnung und die
natürliche Eitelkeit des Vaters bewogen, unter den ver-
änderten Verhältnissen sich erst recht für die Ansprüche
des Hauses Anjou einzusetzen. Seiner Unterstützung
gpwifs, vermochte Königin Maria auch in Paris und
Avignon Bereitwilligkeit zur Portsetzung des Unter-
nehmens zu wecken. Eine Tagebuchnotiz des Angio-
vinischen Kanzlers Le Fevre aus Avignon, wo sich die
Königin und ihr Sohn aufhielt, veranschaulicht packend
den Zusammenhang der Dinge: „Am 29. April 1385",
so heilst es da, wurde in Gegenwart des Papstes be-
Eine mailändisch- thüringische Beirat. 7
schlössen, die Tochter Bemabös (zur Vermählung, welcher
der Ehevollzug- später gefolgt wäre) holen zu lassen und
60000 Gulden für das Kriegsvolk im Königreich Sicilien
abzusenden." Also damals stand der Abschlufs des engsten
Bündnisses zwischen Bernabö, den Anjous und Frank-
reich und die Wiederaufnahme des Krieges gegen Karl
von Durazzo unmittelbar vor der Thür. Da erfolgte ein
jäher Umschwung! Gerade eine Woche nach jener Be-
ratung, am 6. Mai 1385. wurden Bernabo und zwei seiner
Söhne von Galeazzo zu Gefangenen gemacht, und weiter-
hin wurde das noch schwerere Schicksal, welches Bernabü
vermutlich dem Neffen zugedacht hatte, ihm selbst be-
reitet.
Galeazzo, zu Pavia scheinbar ganz in friedliche Be-
schäftigungen versenkt, hatte seinen Oheim in gering-
schätzige Sorglosigkeit zu versetzen gewußt. Dann hatte
der scheinheilige Neffe vorgegeben, gelegentlich einer
Pilgerfahrt nach Varese dem Oheim auf der Landstrafse
begegnen zu wollen, weil er sich unüberwindlich fürchte,
Mailand zu betreten. Bernabo war in die Falle gegangen,
er war und blieb dann gefangen, niemand rührte die Hand
für ihn. Nie hat sich ein Staatsstreich glatter vollzogen!
Die Unterthanen des Gestürzten, der mit siebenmonat-
licher Haft und am Ende eines Prozesses mit dem Tode
durch Gift die Schandthaten seines Regimentes büfste,
begrüfsten den Wechsel mit Jubel. In kürzester Frist
war Galeazzo Herr des ganzen grofsen und reichen Terri-
toriums der Viscontis, das damals zweiundzwanzig Städte
umfafste, und fast gleichzeitig hatte er auch die öffent-
liche Meinung völlig für sich gewonnen. Weitsichtig
genug, um zu erkennen, dafs die Dauer seiner Herrschaft
am sichersten verbürgt werde durch die Zufriedenheit
seiner Unterthanen, mit feineren Nerven ausgestattet als
der Nimrod und Kriegsmann Bernabö, hielt er sich fern
von dem brutalen und gehässigen Wesen seines tyran-
nischen Vorgängers, vielmehr wufste er durch eine vor-
zügliche Verwaltung und eine weise, humane Gesetz-
gebung5) eine verhältnismäfsig glückliche Zeit für die
Lombardei heraufzuführen. So würde trotz des blutigen
Anfangs und trotz des harten Steuerdrucks, welchen seine
5) Formentini, II ducato di Milano (1877) p. 44, findet eine
Ähnlichkeit zwischen Galeazzo und Napoleon I. im Schnitt des Ge-
sichts, in der Begabung und Großartigkeit der Ideen.
g Karl Wenck:
vielen Kriege mit sich brachten, sein Regiment in ehren-
vollem Andenken stehen, auch wenn nicht die herrlichsten
Kunstdenkmäler, der Mailänder Dom und in zweiter Linie
die Certosa Pavia, für den hohen und feinen Sinn ihres
Erbauers Zeugnis ablegten.
Wie die Unterthanen, so haben aber auch die frem-
den Mächte nichts gegen die Umwälzung einzuwenden
gehabt, und der Friede wäre wohl nicht gestört worden,
wenn nicht Galeazzo bald auf Eroberungen ausgegangen
wäre. Zunächst machte er, um sich von der Blutschuld
zu reinigen, mittels eines Rundschreibens die Anklagen
bekannt, die er gegen den gefangenen Oheim erhoben
hatte. Wie sein' war man geneigt, ihm izu verzeihen,
was er vielleicht zur Selbsterhaltung hatte thun müssen!
Zwei Monate nach der Gefangennehmung Bernabös ist
im Rate der Königin Maria zu Avignon die Verbindung
ihres Sohnes Ludwigs IL von Anjou mit einer Tochter
Galeazzos erwogen worden. Also statt Bernabös sollte
jetzt sein Nachfolger Schwiegervater und Protektor des
jungen Prätendenten werden! Würde er dazu geneigt
gewesen sein? In späterer Zeit hat er sich entschieden
gegen jedes Hereinziehen der Fremden, der Deutschen
oder Franzosen, erklärt, und nichts spricht dafür, dafs
er je dem nationalen Gedanken ganz untreu geworden
wäre, wrenn er auch bisweilen eine gefährliche Gemein-
schaft mit Frankreich einzugehen schien. Jener Plan
wurde wohl nicht weiter verfolgt, thatsächlich unterblieb
Jahre lang eine Fortführung des Kampfes um Neapel,
lins interessiert in erster Linie, dafs mit dem Sturze
Bernabös die Heiratsaussichten Lucias in nichts zer-
flossen sind. Hätte Bernabö die geplante Verbindung
verwirklicht, so hätte er dann vielleicht gewagt, Galeazzo
zu Gunsten seiner Söhne aus dem Wege zu räumen. Es
ist überaus wahrscheinlich, dafs Galeazzo die Nachricht
von dem bevorstehenden Abschluls des Bündnisses, das
seines Oheims Machtstellung wesentlich befestigen mufste,
als eine Mahnung ansah, zu handeln, ehe es zu spät
war11)
Die Nächstbeteiligte Lucia — wird die erfolgte
Wendung, den gleichzeitigen Verlust des Bräutigams und
Vaters, als Kind mit Gleichmut ertragen haben. Schwerer
°) Das hat Romano in dem mehrfach erwähnten Aufsatz nach-
zuweisen gesucht,
Eine mailändisch - thüringische Beirat. 9
vermögen wir uns die Empfindungen von Galeazzos Ge-
malilin Katharina, ebenfalls einer Tochter des Getödteten,
vorzustellen. Ein enges Verhältnis kindlicher Liebe zu
diesem Vater, der sein Herz zwischen zahllose eheliche
und uneheliche Kinder zu teilen hatte, ist wohl nicht
anzunehmen. Die Chroniken und Urkunden schweigen
darüber. Siebzehn Jahre später, nach dem Tode ihres
Gatten, zeigt sich Katharina den schweren an sie heran-
tretenden Aufgaben nicht gewachsen. Während seiner
Regierung tritt sie kaum hervor. In den Beratungen
und Verhandlungen, die durch die Werbung des Wettiners
um die Hand Lucias herbeigeführt werden, erscheint sie
nur als das Werkzeug ihres Mannes. Und das dürfte
uns nur verwundern, wenn wir uns darüber täuschen
könnten, dafs dieser Mann nie ein Glied seines Hauses
ohne ganz bestimmte politische Absichten verheiratet hat,
dafs er vor dem Widerstand eines Frauenherzens die
Politik gewils nicht kapitulieren liefs und dafs, wenn zu
seiner Zeit eine Eheberedung nicht zur Heirat führte,
sicher viel mehr politische als andere Gründe maisgebend
waren.
Galeazzo war ein Diplomat ersten Ranges. Es würde
über den Rahmen dieser Abhandlung weit hinaus gehen,
wenn dies hier auch nur in den Hauptzügen seiner Politik
gezeigt werden sollte. Es mufs genügen, auf die nach
einigen Jahren von ihm erzielten Erfolge hinzuweisen,
sie wurden die Grundlage seiner herzoglichen Würde,
weiterhin aber die erste Ursache für jenen Angriff König
Ruprechts und eines Reichsheeres, den Galeazzo durch
die im Folgenden zu erzählende Familienverbindung mit
den Wettinern vergeblich zu verhindern suchte.
Mit heuchlerischem Vorgeben hat Galeazzo zunächst
die Scaliger ins Unrecht zu setzen gewußt und sie dann
aus dem Besitz von Verona und Vicenza verdrängt, und
da der Herr von Padua, Franz von Carrara, sein un-
kluger Bundesgenosse, ihm den alleinigen Besitz der
Beute streitig machen wollte, wurde ihm alsbald das
gleiche Schicksal bereitet. So verschwanden in den Jahren
1387 und 1388 zwei der bedeutendsten oberitalienischen
Staaten in dem viscontischen Herrschaftsgebiet. Nun
aber loderte die Eifersucht von Florenz, das sich zur
Wahrung des Gleichgewichts in Italien berufen fühlte,
s
10 Karl Wenck:
..
empor, und nach altem Berkommeii suchten die Floren-
tiner Anschluls und Rückhalt bei Frankreich.
Da war es von gröfster Bedeutung, dals Gian Galeazzo,
noch ehe er den Weg- der Eroberung betreten hatte, die
engste Fühlung mit Frankreich gewonnen hatte7) durch
die Verheiratung seiner Tochter Valentina mit Ludwig
von Orleans, dem t hat kräftigen Bruder des seit, 1392
immer wieder von zeitweiliger Geisteskrankheit erfafsten
französischen Königs. Valentina übernahm die schwierige
Aufgabe, an dem von widerstrebenden Einflüssen erfüllten
französischen Hofe die Interessen ihres Vaters zu ver-
treten wider eine starke intrigante Gegnerin, die Königin
Isabella aus bairischem Stamm, eine Enkelin Bernabös.
Dals eine zielbewulste einheitliche Führung der italie-
nischen Politik in Paris zu vermissen war, lieferte für
Galeazzo am Ende das günstige Ergebnis, dals Florenz
lange vergeblich ein Bündnis mit Frankreich gegen ihn
zu erlangen suchte und, als es ein solches 139G durch-
setzte, es für die Republik doch ohne Nutzen blieb, daß
alter auch der Vorstols nach Italien , welchen Ludwig
von Orleans im Einverständnis und zum Vorteil des
Avignonesers Clemens VII., also im Gegensatz zu Florenz,
zu verschiedenen Zeiten in Absicht hatte, nicht zur Aus-
führung gelangte. Bei diesem Projekte war es durchaus
auf ein Zusammenwirken mit Mailand abgesehen, Galeazzo
sollte seinem Schwiegersohn beistehen zur Aufrichtung
eines päpstlichen Vasallenstaates auf dem Boden des
Kirchenstaates, Florenz wäre in der Mitte erdrückt worden,
aber der kluge Mailänder Gewalthaber verzichtete wohl
nicht ungern auf die Verwirklichung dieses Planes, für
den er eingetreten war, um nicht seinerseits zwischen
Prankreich und Florenz in die Enge getrieben zu werden.
Er konnte es unzweifelhaft zufrieden sein, wenn die
französische Politik unter den Einflufs einer andern Hof-
partei aus der bisher befolgten Bahn abschwenkte und
auf die gewaltsame Beilegung des kirchlichen Schisma,
die via facti, auf die französische Invasion in Italien
verzichtete. Galeazzo wird während dieser Verhand-
lungen zu der Erkenntnis gekommen sein, wie wünschens-
wert es für ihn sei. seine Herrschaft so sicher zu stellen,
dais er eines unbedingten Rückhalts an Frankreich ent-
7) Jarry, La „voie de fait" et l'alliance Franco-MUanaise (13B6
bis 1395): Bibliotheque de T ecole des chartes Uli (1892), 2V6 et 505.
Eine mailändisch- thüringische Heirat II
«
behren könnte, denn dieses Frankreich konnte sich als
Bundesgenosse zum unbequemen Herrn entwickeln, es
verlangte auf das Lebhafteste nach dem Besitze Genuas,
das der Visconti nicht minder gern für sich gehabt hätte
und schliefelich 139G doch Frankreich überlassen mufete.
Galeazzo konnte aber das thatenlose, durch die Krank-
heit des königlichen Herrn gelähmte Frankreich entbehren,
wenn er die erworbene weitausgreifende Machtstellung
durch das überhaupt des Reichs König Wenzel mit dem
Schutzmantel der Rechtmäfsigkeit umkleiden liefs und
dadurch entgegengesetzten feindseligen Machinationen den
Boden entzog.
In solcher Erwägung hat er den Antrieb gefunden,
in den Jahren 1395 und 139G mit grofsem Geldaufwand
von König Wenzel die Diplome zu erkaufen, die ihn aus
einem Reichsvikar zu einem Reichsfürsten und Herzog
machten, die Mailand und sein ganzes Besitztum in ein
Herzogtum verwandelten. Freilich enthüllte er damit
nur noch mehr den hohen Flug seines Ehrgeizes. Längst
wurde er von den Dichtern als der einzige Mann ge-
feiert, der die zerstreuten Glieder Italiens zur Einheit
zusammenschliefsen könne, die Florentiner hatten mit dem
Scharfblick des Hasses schon 1390 erkannt, er erstrebe
zweifellos die Herrschaft über ganz Italiens). Gab er
nun nicht den Hoffnungen der Ghibellinen, den Befürch-
tungen der Florentiner selbst Recht, indem er sich mit
dem Herzogslmte schmückte. Endlich haben die Floren-
tiner einsehen lernen, dafs sie von Frankreich nichts zu
erwarten hatten, und zugleich hat sich im Kriege des
Jahres 1397 ihnen und ihren Verbündeten die Überlegen-
heit des neuen Herzogs erwiesen. Von nun an trachteten
sie aus Deutschland, dessen König durch seine Diplome
die Stellung Galeazzos befestigt hatte, Hilfe zu bekommen,
denn jenseits der Alpen kündigte sich durch die tief-
gehende Unzufriedenheit mächtiger Fürsten eine Umwäl-
zung, eine Auflehnung wider eben jenen König Wenzel an.
Italienische Diplomaten, Florentiner und Paduaner sind
bemüht gewesen, den Rifs zwischen Wenzel und den
Kurfürsten zu erweitern, ihm aus der eigenmächtigen
Rangerhöhung des Visconti einen Strick zu drehen und
die Politik der deutschen Centralgewalt , die zunächst
8) So schreiben sie am 25. Mai 1390 nach Wien. Th. Lindner.
Gesch. des Deutschen Reiches unter König Wenzel II, 315.
12 Karl Wenck:
von den Kurfürsten, später durch einen neuen König
nach ihrem Sinne, zu vertreten war, festzulegen im aus-
gesprochenen Gegensatz wider den Mailänder, und das
ist. ihnen , die aus der Heimat der Goldgulden kamen,
nicht allzuschwer gefallen9).
König Wenzel hatte, wie er selbst unstäl und
.schwankend war, keine zuverlässigen Freunde unter den
deutschen Fürsten. Gemeinsinn besafsen die Glieder des
Reichs so wenig in dieser an Idealen armen Zeit, wie
das Oberhaupt. So hätte Wenzel das Interesse der-
jenigen, welche ihm in besonderer Weise nutzen konnten,
dauernd mit dem seinigen verbinden müssen. Von hervor-
ragender Bedeutung wäre es für ihn gewesen, wenn er
die benachbarten Wettiner zu treuem Zusammenstehen
gewonnen hätte. Sie verfügten im Besitze reicher und
weit ausgedehnter Territorien in bedeutsamer Lage über
eine um so gröfsere Macht, als die verschiedenen Linien
des Hauses nach aufsen auf das Einträchtigste zusammen-
hielten. Zu ihrem Glück liefsen sie sich leiten von der
überragenden Klugheit Markgraf Wilhelms I. von Meilsen,
eines Fürsten aus Karl IV. Schule, der ebenso umsichtig,
energisch und erfolgreich, ebenso sehr von dynastischem
Ehrgeiz erfüllt war, als sein verstorbener Meister10). Jahre
lang hat er die verhängnisvolle Uneinigkeit zwischen den
Fürsten des Luxemburgischen Hauses im Gegensatz zu
Wenzel auszubeuten gewufst. Seit 139G aber trat er in
ein näheres Verhältnis zum König, nicht am wenigsten
bestimmt durch die Rücksichten, welche ihm eine schwere
langwierige Fehde mit der mächtigen Stadt Erfurt auf-
erlegte. Auch diese Verbindung sollte durch ein Heirats-
bündnis verstärkt werden, und es ist dieses Verlöbnisses
hier zu gedenken , weil der Bräutigam derselbe junge
Fürst war, der nachmals Gatte von Lucia Visconti wurde,
Friedrich, Sohn Landgraf Balthasars von Thüringen.
Markgraf Wilhelm, selbst kinderlos, mochte gern für eine
vorteilhafte Verbindung seines Neffen sorgen, der sich
dereinst mit den drei Söhnen Friedrichs des Strengen,
seines andern längst verstorbenen Bruders, in seine meifs-
nischen Lande zu teilen hatte. Die Luxemburger, deren
Stamm schon keine frischen Zweige mehr trieb, hatten
") A. Winkel manu, Der Romzug- Ruprechts von der Pfalz
(1892) S. (iflg.
"') K. Wenck, Die Wettiner im 14. .Jahrhundert inshes. Mark-
graf Wilhelm und König Wenzel (1877) S. 38, 54.
Eine mailändisch- thüringische Heirat. 13
damals nur ein heiratsfähiges Glied zu vergeben, eine
Nichte Wenzels, Elisabeth von Görlitz. Im Augenblick,
Anfang des Jahres 1397, war sie freilich eben erst sechs
Jahr alt 1J), aber ihr Gemahl durfte sich Hoffnung machen,
dereinst mit ihr das grofse Erbe des Hauses Luxemburg
anzutreten, und wenn sich das auch zerschlagen sollte,
so war ihm doch als Mitgift, und auch wenn die Ehe-
besprechung vom König nicht erfüllt werden sollte, ein
grofser Teil der Oberlausitz zugesagt12). Diese Aus-
sichten waren so glänzend, dafs Landgraf Balthasar nicht
zögerte, eine 1392 geschlossene Verlobung seines Sohnes
mit Margarete von Hessen wieder aufzulösen, und Papst
Bonifaz IX., der erst so gefällig gewesen war, wegen zu
naher Verwandtschaft der Häuser Thüringen und Hessen
Dispens zu erteilen, war jetzt so gefällig, nachträglich
ein früher ungeahntes Hindernis zu finden und den
Dispens zu kassieren13). Aber die Strafe für das leicht-
fertige Verfahren des Landgrafen blieb nicht aus. Wie
die Wettiner 1397 beschlossen hatten, dafs der elfjährige
Bräutigam seine hessische Braut im Stich lassen sollte,
so wurde ihm 1398 seine neue Braut durch König Wenzel
entzogen, weil das Reichsoberhaupt eines Bündnisses mit
Frankreich zu bedürfen glaubte, und dieses Bündnis
durch die Eheberedung des jungen Ludwig von Orleans,
Galeazzos Enkel, mit der hoffnungsvollen Luxemburgischen
Erbtochter verankert werden sollte14). Auch dieses Ver-
löbnis hat dann freilich zu nichts geführt und das Bündnis
mit Frankreich vom März 1398 brachte dem König keines-
wegs die gehoffte Verbesserung seiner Stellung im Reich.
Sein Verhältnis zu den Wettinern insbesondere wurde
um so mehr getrübt durch die Lösung des Eheversprechens,
als Wenzel nicht einmal in der Lage war, jene Städte
der Oberlausitz, auf welche die Wettiner auch in diesem
Falle Anspruch haben sollten, auszuliefern. Er hatte sie
längst an seinen Vetter Jobst übergeben, war aber dann
mit ihm darüber in Fehde geraten 15J. Was Wunder, wenn
Markgraf Wilhelm anfing, sich von dem König zurück-
n) R. Gelbe, Herzog Johann von Görlitz: Neues Lausitz.
Magazin LIX (1883), 27.
12) T h. S c h e 1 1 z , Gesammtgesch. der Ober- u. Niederlaiisitz II, 42
(Neues Lausitz. Magazin LVI1).
13) Wenck S. 113.
14) Th. Lindner a. a. O. II, 391.
15) Ebenda 400 flg.
14 Karl Wenck:
zuziehen! Nach einem vielversprechenden Anlauf, den
Wenzel 1397 genommen, indem er sich wieder einmal
persönlich mit Eifer den Angelegenheiten des Reichs
gewidmet hatte, war er rasch wieder erlahmt, Markgraf
Wilhelm hatte ihm während dieser Epoche besonders
nützliche Dienste geleistet, Jetzt, im April 1398, wurde
er durch Vermittehing des Erzbischofs Johann von Mainz
von seinen Händeln mit Erfurt in vorteilhafter Weise
befreit, Dem Stillstand folgte ein Jahr später der Friede.
Mit diesem Ausgleiche wurde durch den klugen Mainzer
Kurfürsten, das Haupt der rheinischen Oppositionspartei,
den Wettinern die Brücke gebaut zum Übergang in das
k ünigsfeindliche Lager.
Indessen ohne Zweifel hat es Wenzel nicht an Be-
mühungen fehlen lassen, die Wettiner an sich zu ketten.
Bei den nahen Beziehungen Wilhelm I. zu den Vettern
des Königs, Jobst und Procop, hätten ihn die Wettiner
vielleicht vor der Schmach bewahren können, dals seine
eigenen Verwandten ihn befehdeten, eben da ihm die
deutsche Krone durch den Wittelsbacher streitig gemacht
wurde. Wenn wir nun finden, dass im Winter 1398 99
über ein Ehebündnis zwischen Anglesia Visconti und
dem jungen Markgrafen Friedrich dem Streitbaren oder
einem seiner Brüder, im nächsten Frühjahr, als jene
Verhandlung gescheitert, über eine Verbindung zwischen
Lucia Visconti und Friedrich dem Friedfertigen, Balthasars
Sohn, verhandelt wird, so liegt die Vermutung ungemein
nahe, König Wenzel sei der Urheber des so hartnäckig
betriebenen Gedankens einer Verbindung zwischen den
Häusern Visconti und Wettin gewesen l6).
So vielfältige Vorteile mufste ihm seine Verwirklichung
bringen! Der Herzog von Mailand konnte seinen Töchtern
und Nichten Ausstattungen geben, dals daneben die
Erinnerung an die Mitgift, für welche Wenzel jene ober-
lausitzischen Städte hatte verpfänden wollen, verblassen
mochte. Weit wichtiger war, dals die Wettiner durch
die Verbindung mit dem Mailänder bei der bevorstehenden
Scheidung der Parteien auf die Seite Wenzels gezwungen
wurden. Sie konnten unmöglich, so schien es, einen
Gegenkönig wählen mit dem imperativen Mandat, diesen
Herzog von Mailand zu stürzen, mit dem sie eine auch
finanziell bedeutsame Verbindung eingegangen waren.
" ' Sil nimmt schon Lindner 11, 401 Anm. 5 an.
Eine mailändisch- thüringische Heirat. |,~>
Ähnliche Gedanken mochten Galeazzo erfüllen. Ihm
mufste alles daran liegen , dals König Wenzel unter den
deutschen Fürsten sich einen Anhang erhielt, der stark
genug war, den wohl unvermeidlichen Gegenkönig in
Deutschland festzuhalten. Diesen Dienst mochten ihm
die Wettiner und ihre Freunde leisten!
Von welcher Seite nun die Verhandlungen zuerst
unternommen wurden, ist unbekannt, wir wissen nur, dals
am 2. November 1398 Anglesia Visconti an Paganino
de Biassono Vollmacht erteilte 17) zur Verhandlung eines
Ehevertrags mit Friedrich, dem Sohn des Markgrafen
Friedrich (des Strengen) von Meifsen, oder einem seiner
Brüder AVilhelm und Georg. Anglesia, auch eine Tochter
Bernabös , älter als Lucia, war schon 1377 als Kind dem
jungen Hohenzoller Friedrich VI., Burggrafen von Nürnberg,
der nachmals als der Erste seines Stammes Markgraf und
Kurfürst von Brandenburg wurde, zur Ehe versprochen
worden18). Als die beiden Verlobten herangewachsen
waren, im Jahre 1393, ist aufs Neue über diese Ver-
bindung verhandelt worden, jedoch ohne Ergebnis10). Der
junge Burggraf nahm dann acht Jahre später statt einer
Tochter eine Enkelin Bernabös, „die schöne Else" von
Baiern, zur Gemahlin. Auch im Winter 1398—99 führten
die Verhandlungen über eine Verheiratung Anglesias zu
keinem Ergebnis, wir wissen nicht, warum? Nach drei
Monaten, am 6. Februar 1399, zog sie ihre Vollmacht
zurück-"). Wohl nicht erst infolge dieses Miislingens
wurde bald darauf seitens eines, andern wettinischen
Fürsten eine Brautwerbung in Mailand unternommen.
Der junge Landgraf Friedrich, Balthasars Sohn, der
trotz seiner Jugend schon zweimal verlobt gewesen war,
erteilte Vollmacht zur Verhandlung eines Ehevertrags
mit Lucia Visconti. Seine Boten und Unterhändler
17j So ergielit sieh aus dem späteren Widerruf dieser Vollmacht.
Romano, Un matrimonio ecc: Arch. stur. Lomb. XVIII. 617. Ich
citiere diese Abhandlung von hier ab nur mit dem Namen des Ver-
fassers.
18) Monumenta Zollerana IV, 399 u. 4'):;.
'") Romano, Gian Galeazzo Visconti 1891 (Sonderabdr. aus d.
Arch. stör. Lomb. XV111) p. f>6. Die Verhandlungen müssen dem
Abschlui's sehr nahe gewesen sein, Anglesia hatte bereits auf ihre von
Bernabö ererbten Rechte urkundlich verzichtet. Imhof, Hist. Italiae
et. Hisp. genealogica (Norimb. 1701) p. 182.
-°) Davon wird später im dritten Teile dieser Abhaudlung noch
zu sprechen sein.
16 Karl Wenck:
waren-1) ein Erfurter Geistlicher, der Dekan des Severus-
stiftes, Dietrich von Arnstadt, der Ritter Friedrich von
Witzleben und Johann von Allenblumen, der Kammer-
meister seines Vaters. Friedrich von Witzleben bekam
noch aulserdem den Auftrag, die Ehe mit Lucia an
Stelle des Landgrafen als sein Prokurator rechtsgiltig
zu vollziehen22). Am 4. April wurden diese Vollmachten
dem Herzog von Mailand übergeben, die Verhandlungen
begannen.
Erst nach mehreren Wochen fühlte sich Galeazzo
bewogen, von Lucia zu erforschen, wie sie sich zu der
Werbung des deutschen Fürsten stelle''13). Er allein
ohne Zuziehung der Herzogin, Lucias Schwester, trat
ihr entgegen, aber er war, wenn der urkundliche Bericht
über diese Unterredung die volle Wahrheit sagt, sichtlich
aufs Höchste bemüht, den herrschsüchtigen Tyrannen zu
verbergen. Wenn er nicht die Absicht hatte, die Ent-
scheidung dem Gutdünken seiner Base und Schwägerin
zu überlassen, so suchte er wenigstens, indem er ihr
zugleich versprach, ihr in jedem Falle einen Gatten zu
verschaffen, den Schein solcher Gelassenheit zu erwecken.
Zu diesem Zwecke erinnerte er sie an allerlei andere
Heiratsaussichten und setzte am Schlüsse, gleichsam
warnend, weil doch (was er nicht aussprach) der Sperling
in der Hand Lucia natürlich lieber sein werde , als die
Taube auf dem Dache, hinzu, sie möge das alles wohl
in Überlegung ziehen, bevor man mit den Gesandten der
erlauchten Markgrafen von Meifsen, die zum Abschloß
eines Ehebündnisses zwischen ihr und Landgraf Friedrich
gekommen seien, weiter verhandle, damit diesen Gesandten
die richtige Antwort erteilt werden könne. So hat
2I) Heiratsvertrag- vom 25. Juni 1 :>!>!) Romano 8. HÖH. Er-
gänzende Mitteilungen verdanke ich der Güte des Herrn Archivrat
Ermisch.
2-) Heiratsurkunde vom 28 Juni 1399 Giulini, Memorie di
Milano, Continuazione 111, 594. Nuova edizione VII, 2H7. Mir
lieg! die alte Ausgabe des vorigen Jahrhunderts vor.
'-'') Alles Folgende beruht zunächst auf der Urkunde vom
11. Mai 1399 Giulini 1. c. 591. Nuov. ed. VII, 2HH Romano.
p. nur. , hat den schwer begreiflichen Irrtum begangen, anzunehmen,
dal's auch die eiste Befragung Lucias durch die Herzogin geschah,
er sagt: un primo colloquio ebbe luogo tra le due donne . . . Da-
gegen heilst es in der Urkunde: Caterina Ducissa . . . proposuit
domine Lutie . . quod . . dominus Iha Mediolani . . a paucis
diebus citra diaät et proposuit ipsi domine Lutie ut infra, videlicet
— folgt die Erinnerung an Heinrich von Derby etc.
Eine mailändisch - thüringische Heirat 17
Galeazzo seine Ansprache an Lucia, auf deren Einzel-
heiten gleich noch näher einzugehen ist, dargestellt wissen
wollen, und wirklich mag er gerade so vorgegangen sein,
weil er durch kühle Zurückhaltung, durch seine Mahnung
zu allseitiger Erwägung aller Zukunftsaussichten dem
Widerspruch gegen die "Werbung des unbekannten
Wettiners, der sich bei Lucia ebenso regen werde, wie
er sich vielleicht bei Anglesia geregt hatte, einen Teil
seines Reizes zu benehmen hoffte. Auch so mochte Lucia
recht wohl wissen, was in Galeazzos Wunsch und Willen
lag. Ohne erkennbaren Zwang mochte sie scheinbar aus
eigner Einsicht zu der bejahenden Entschlieisung gelangen,
die der politischen Lage des Herzogs so sehr entsprach.
Und hatte sie nicht in der That allen Grund, die Hand
des Wettiners anzunehmen, wenn sie nicht einsam durch
die Welt gehen wollte?
Wie stand es doch mit jenen anderen Aussichten?
Der Herzog sprach davon, dafs Graf Heinrich von Derby,
der Vetter König Richards von England, um ihre Hand
geworben habe. Die Verhandlungen müssen im Sommer
und Herbst 1398 gespielt haben. Galeazzo würde gern
eingewilligt haben, er hatte nur zwei Bedingungen
gestellt: vorher müsse König Richard den Grafen, den
er im September 1398 auf zehn Jahre ausser Landes
verwiesen hatte, wieder in Gnaden zurückberufen haben.
Galeazzo fürchtete gewifs, wenn er anders handle, die
Gunst des englischen Königs zu verscherzen. Die andere
Bedingung war, dais Graf Heinrich, ein junger Witwer
von einunddreiisig Jahren24), eine seiner zwei Töchter
einem Sohne Galeazzos zur Ehe gebe. Das hatte schon
Heinrichs Vater, der alte Herzog Johann von Ghent, der
inzwischen (3. Februar 1399) gestorben war, zugesagt,
wie aber mochte sich jene erste Bedingung erfüllen?
Galeazzo und Lucia konnten nicht ahnen, dais fünf
Monate nach ihrer Unterredung derselbe Heinrich von
Derby nicht nur längst (Anfang Juli) nach England
zurückgekehrt war, sondern — als Heinrich IV. die
Königskrone von England erhalten haben würde an
Stelle des eigenwilligen Tyrannen Richards IL, der ihn
gerade ein Jahr vorher, im Oktober 1398, landflüchtig
gemacht hatte. Die Werbung Heinrichs um Lucia
2*) Heinrich von Derby war geboren am 3. April 1367. Wylie,
History of England under Henry the fourth I (1884X 4.
Neues Archiv I. S. U. u. A. XVI. 1. 2. 2
18 Karl Wenck:
Visconti ist den englischen Historikern alter und neuer
Zeit unbekannt geblieben, sie ist nur bezeugt durch die
merkwürdige mailändische Urkunde, der alles Vorstehende
und Folgende über die Verhandlungen des Herzogs und
der Herzogin mit Lucia entnommen ist. Aber dieses
Schweigen der Quellen ist nicht zu verwundern und darf
keinerlei Zweifel erregen. Freundschaftliche Beziehungen
Heinrichs zu Galeazzo Visconti lassen sich eben im
Sommer 1398 auch anderweitig nachweisen. Die Ver-
anlassung zu Heinrichs Verbannung gab ein Streit mit
dem Herzog von Norfolk-'"'). Beide waren durch eine
dem König hinterbrachte Unterredung verdächtig ge-
worden und jeder suchte, ohne es mit der Wahrheit allzu
genau zu nehmen, alle Schuld auf den anderen zu
wälzen. Um die Österzeit war man übereingekommen,
dafs ein Zweikampf am Ki. September entscheiden solle,
wer die Wahrheit gesprochen. Auf diesen Kampf rüsteten
sich beide Gegner mit grofsem Aufwand. Der Herzog
von Norfolk wandte sich an seine Freunde in Deutschland,
Heinrich von Derby aber schickte eine stattliche Gesandt-
schaft, so erzählt Froissart-'1), zum Herzog Galeazzo.
um durch ihn eine Rüstung nach seinem Geschmack zu
bekommen, und Galeazzo kam ihm bereitwilligst entgegen.
Er liels nicht nur einen von Heinrich gesandten Kit t er
Franz unter allen seinen Rüstungen wählen, sondern er
schickte zum Überfluls vier der besten Waffenschmiede
der Lombardei nach England, um den Grafen nach seinem
Gefallen zu bewaffnen. Dals der unritterliche Herzog
von Mailand in dieser Sache von Heinrich angegangen
wurde, mochte seinen Grund darin haben, dals Mailami
im Mittelalter grofse Waffenfabriken hatte um! die
Waffenschmiede von Pavia besonders geschätzt waren,
es liegt aber nahe, anzunehmen, dals mit der Bitte um
die Ausrüstung für «Ion Zweikampf auch die Werbung
Heinrichs um die Hand Lucias nach Mailand erging,
und sicherlich wurde die Phantasie der mailändischen
Prinzessin durch die Gefahr, welcher Heinrich entgegen-
ging, auf das Lebhafteste angeregt, sicher erfahr sie es
mit geteilten Empfindungen, daß König Richard am Ende
sich dem Zweikampf entgegenstellte und beide Wider-
») R. Pauli, Gesch. von England IV, Hl 3.
-''') Oeuvres de Froissart publ. par Korvyii de Lettenhove.
Chroniques XVI (1872), 95.
Eine mailändisch- thüringische Heirat. 19
sacher aus dem Lande verwies. So war es also Heinrich
nicht verstattet gewesen, seine Ehre gegen den Ver-
leumder zu behaupten, der ritterliche Fürst, dem die
Gunst seines Volkes in so reichem Malse zu Teil wurde,
dals vierzig Tausend Männer und Frauen bei seinem
Auszug aus London ihm Abschiedsgrüise zuriefen-7),
mulste als Verbannter sfiin Vaterland verlassen! Als
ob sein Leben nicht schon vorher sich romantisch genug
gestaltet hätte! Was hatte dieser Mann doch schon
alles gesehen und erlebt2S). In dem einen Jahre 1390
hatte er auf den Ruf des Dogen von Genua mitgewirkt
bei der Einnahme von Tunis und hatte deutsche Ordens-
ritter auf einer Heerfahrt wider die Lithauer begleitet,
1392 war er auf einer eigens für ihn von der Republik
Venedig ausgerüsteten Galeere nach Jerusalem gefahren,
ohne das ersehnte Ziel ganz zu erreichen, 1396 hatte er
die furchtbare Niederlage bei Nikopolis mit erlebt und
war vor der Wut der Türken mit König Sigismund von
Ungarn an Bord eines venetianischen Schiffes glücklich
an die Donaumündungen gelangt! Sicherlich war er auf
diesen Fahrten ein oder das andere Mal nach Mailand
gekommen, und Lucia hatte von dem reichen, that-
kräftigen und klugen Fürsten, dem überall die Herzen
entgegenschlugen, der seine erste Gattin 1394 mit
28 Jahren hatte ins Grab sinken sehen, gewifs den
tiefsten Eindruck erhalten. Aber nun stand der Erfüllung
ihrer Hoffnungen nicht blols die doppelte Bedingung des
Herzogs entgegen, wer mochte Lucia bürgen, dals Heinrich
von Derby, Herzog von Hereford, nach dem Tode des
Vaters auch Herzog von Lancaster und Besitzer vieler
anderer Herrschaften, in Frankreich, wohin er geflüchtet
war, nicht eine andere Gattin fand? In der That war
man um Weihnachten 1398 -9) am Pariser Hofe gesonnen,
ihm Maria, die Tochter des Herzogs von Berry, des ein-
llufsreichen Oheims Karls VI., als Gattin zuzuführen, und
wohl nur die gehässige Warnung König Richards vor
der Verbindung mit einem Verräter, die ein Graf von
Salisbury über den Kanal brachte, stellte sich dieser
Absicht entgegen.
Wer möchte es nun sagen, ob von dieser Intrigue
27) Froissart S. 111. Froissart rühmt dann auch seine
grofse Beliebtheit in Frankreich.
2») Wvlie I, 5. Pauli V, 65-
20) Pauli IV, 624.
o*
2Q Karl Wenck:
des Königs, die in London neuen Groll wider ihn hervor-
rief, von den vereitelten Heiratsabsichten Heinrichs, etwa
durch lombardische Kaufleute Kunde nach Mailand
gekommen war! Galeazzo behandelte es als eine offene
Frage, ob Lucia nach Jahren sich werde mit Heinrich
von Derby verbinden können. Wenn sie wrarten wolle
und Graf Heinrich nach zwei bis drei Jahren noch immer
nicht begnadigt sei, so solle sie dann dafür, dals sie um
einer schließlich getäuschten Hoffnung willen auch den
wettinischen Antrag abgelehnt habe, Ersatz finden in
einer Ehe mit Gabriel Visconti, einem natürlichen Sohne
des Herzogs, den König Wenzel legitimiert hatte.
Galeazzo würde dafür sorgen, dals Gabriel sie zu seiner
Gattin mache, wenn sie nur wolle. Und wenn es ihr
nicht beliebe, so werde er für einen andern Mann Sorge
tragen. Wenn sie aber auch keinen andern Gatten haben
wolle, sondern nur immer auf Heinrich von Derby warten
wolle, so sei er's zufrieden und werde am Ende ihm gern
Lucia zur Gattin geben, nachdem jene beiden Bedingungen
erfüllt seien. Zum Schluis sprach er dann die schon
oben erwähnte Mahnung aus, Lucia solle das alles recht
erwägen, ehe man in den Unterhandlungen mit den
Gesandten des Landgrafen weiter vorgehe. Und was
antwortete Lucia? „Wenn ich", sagte sie, „sicher wäre,
dals ich den Grafen von Derby zum Gemahl haben
könnte, so wollte ich warten, so lange ich könnte, auch
bis an mein Lebensende, auch wenn ich sicher wäre, drei
Tage nach meiner Vermählung zu sterben. Ich bedenke
aber, dafs ich diese Gewißheit nicht haben kann, ich
bedenke auch, dals mein Vetter Gabriel, wenn ich erst
einige Jahre in jener Erwartung habe vergehen lassen,
mich für zu alt' befinden wird und ich so weder den
einen noch den andern bekommen werde. Und deshalb",
so schlofs sie, „bin ich's zufrieden, in Gottes Namen ver-
handle man mit jenen Gesandten, um mich ehelich mit
dem Landgrafen zu verbinden ohne Rücksicht auf andere
Bewerber." — Einige Tage nach dieser Unterredung mit
dem Herzog unter vier Augen wurde Lucia von der Herzogin
aufs Neue befragt, aber keineswegs sprach die Schwester
zur Schwester in traulicher Beratung, sondern Lucia mußte
der Herzogin Rede stehen in Gegenwart des Bischofs
von Novara, des Markgrafen von Montferrat und vier
anderer hoher Zeugen. Zwei Notare waren bereit, Rede
und Gegenrede aufzuzeichnen und zu beglaubigen. Die
Eine mailändisch- thüringische Heirat. 21
Herzogin wiederholte zunächst alles, was ihr Gatte bei
der früheren Unterredung Lucia vorgeschlagen und zur
Wahl gestellt hatte, so wie wir es eben nach ihrer zu-
sammenfassenden Wiedergabe mitgeteilt haben, dann
ebenso die Antwort, welche Lucia gegeben haben sollte,
und schließlich fragte sie, ob das ihre Meinung war und
sei, oder ob sie sich anders entschlossen habe? Lucia
bestätigte in Gegenwart der Zeugen ihre frühere Willens-
erklärung, sie sei es zufrieden, ohne auf einen andern zu
warten, in Gottes Namen solle man zum Abschlufs des
Ehe Vertrags mit dem Landgrafen verschreiten.
Darüber wurde dann die merkwürdige Urkunde aus-
gestellt, die bei aller scheinbaren Klarheit doch so rätsel-
haft ist. Romano hat den Worten der Urkunde Glauben
schenkend angenommen, dafs Lucia völlig frei sich ent-
schlossen habe, dafs sie in nüchterner Erwägung der
dürftigen Aussichten auf eine Wiederkehr Heinrichs von
Derby, der zu großen Jugend ihres erst dreizehn-
jährigen:,u) Vetters Gabriel und ihrer eigenen entfliehen-
den Jugend in die Heirat mit dem Landgrafen gewilligt
habe, natürlich ohne Liebe, aber auch ohne Bitterkeit
oder Zwang.
Werden wir ihm zustimmen können? Warum, fragen
wir, der grofse feierliche Apparat des Notariatsaktes
unter Herbeiziehung hoher Zeugen für eine Zusage, die
aus freier, ruhiger Überzeugung hervorgegangen war?
Sicherlich ist dieser Aufwand zur Beglaubigung einer
Willenserklärung, die sich sonst gern in den Schatten
eines unbeobachteten Zwiegesprächs verbirgt und auf den
Tag der Verlobung oder Vermählung wartet, um sich
öffentlich zu erklären, sehr befremdend. Sollte Lucias
Zusage festgelegt werden als eine zu wiederholten Malen
freiwillig gegebene, während sie in Wahrheit erpreist
war, damit Lucia später nicht wage, sich anders zu er-
klären? Man wird vielleicht zugeben, dafs solche An-
nahme nicht unwahrscheinlich ist. Die Urkunde vom
11. Mai giebt uns aber noch andere Handhaben, Kritik
an ihrer Wahrhaftigkeit zu üben. Ist es denn möglich,
dafs eine kühle Verständigkeit solcher Art, wie sie Lucia
entfaltet haben soll, einem Mädchen eigen war, das seiner
30) Gabriel Visconti war, als er 1408 in Genua auf Befehl des
französischen Marschalls Boucicaut schuldlos enthauptet wurde, erst
zweiundzwanzig Jahr alt. Muratori, Annali d'Italia s. a. 1408.
■)) Karl Wenck:
Liebe zu jenem englischen Prinzen selbst einem Galeazzo
gegenüber einen so leidenschaftlichen Ausdruck gab? Für
drei Tage der Vereinigung mit dem Geliebten wollte sie
alle die Jahre vorher vertrauern und dann in den Tod
gehen! Wenn sie trotzdem einwilligte, einen gänzlich
unbekannten deutschen Kleinfürst en zu heiraten, der mit
seinen fünfzehn Jahren ebenso wie Gabriel Visconti für
sie viel zu jung war, von dem sie, falls die thüringischen
Boten nur aufrichtig waren, wenig hören mochte, was
ihn einem Heinrich von Derby an die Seite stellen konnte,
so wird man sicher nicht sagen dürfen, dafs sie aus freier
Entschließung gehandelt hat. Wohl wird man noch daran
denken dürfen, dafs Lucia ihre Zustimmung gab unter
dem Eindruck leidenschaftlicher Trauer über den Verlust
Heinrichs von Derby, über den sie sich keiner Täuschung
mehr hingeben konnte, dafs sie also handelte in einem
Zustande seelischer Gleichgültigkeit gegen alles, was ihr
das Leben noch weiterbringen mochte, aber wie lange hätte
diese nervöse Erregung anhalten mögen? — Am nächsten
liegt es wohl, anzunehmen, dafs Lucia sich einem Drucke
und Zwange fügte, den urkundlich zu bezeugen Galeazzo
natürlich keinerlei Veranlassung hatte, den zu üben seine
politische Lage ihm dringend empfehlen konnte. Setzen
wir die Entscheidung aus, bis wir gefördert durch die
Kenntnis von dem Fortgang der Ereignisse vielleicht zu
greiserer Klarheit über dieses psychologische Problem
durchzudringen vermögen!
Fast sechs Wochen sind nach jener feierlichen, am
11. Mai erfolgten Befragung Lucias durch die Herzogin
vergangen, ehe die Heiratsangelegenheit entschieden in
Fluis kam. Dann vollzog sich alles in wenigen Tagen:
am 21! Juni der Verzicht Lucias auf alle vom Vater
ererbten Rechte, am 25. der Abschluis des Heirats-
vertrags, am 28. die Vermählung, bei welcher Friedrich
von Witzleben an Stelle des Landgrafen den Hing gab
und empfing. Die erfolgte Eheschließung wurde urkund-
lich bekräftigt.
In dem Heiratsvertrag1'1) wurde die Mitgift auf
75000 Goldgulden festgesetzt, auf dieselbe Summe, die
einige Jahre früher einer nach Baiern verheirateten
Schwester Lucias zugesagt worden war32). Im nächsten
31) Romano S. 606.
:i-) Romano, Gian Galeazzo Visconti p. 62. Die letzten 25000
Gulden blieben Galeazzo und seine Nachfolger den Witteisbachern
Eine mailändisch -thüringische Heirat. 23
Frühjahr sollten die Gesandten der Landgrafen Balthasar
und Friedrich Lucia über die Berge holen , Galeazzo
wollte sie ihren Bevollmächtigten so frühzeitig in Trient
übergeben lassen, dals sie bis zu Ostern in die Heimat
ihres Gatten gelangen könne, und mit ihr wollte er als
Anzahlung auf die Mitgift 30000 Goldgulden schicken,
während der Rest innerhalb dreier Jahre nach dem Weg-
gang Lucias gezahlt weiden sollte. Die Gesandten der
Landgrafen versprachen ihrerseits eine entsprechende
Gegengabe des Landgrafen an Lucia in liegenden Gründen,
aus denen sie ein regelmässiges Jahreseinkommen zu freier
Verfügung beziehen sollte.
Politische Bedeutung hatte wohl die eigentümliche
Bestimmung, wonach Landgraf Balthasar und sein Sohn
dem Herzog urkundlich bezeugen sollten, dals Lucia ihnen
zur Ehe übergeben sei und übergeben werden würde von
Herzog Galeazzo und von niemand anderem, und dals
die Landgrafen, ihre Kinder und Nachfolger immer an-
erkennen würden , wie diese eheliche Verbindung von
diesem Herzog und niemand anderem ausgegangen sei.
Galeazzo hatte viele Jahre lang Söhne Bernabös in den
Reihen seiner Feinde zu bekämpfen gehabt; Herzog
Stephan von Baiern war als Schwiegersohn Bernabös
von dessen Söhnen und den Florentinern gegen Galeazzo
aufgerufen worden, wir können nicht zweifeln, dafs Galeazzo
die Möglichkeit ins Auge faiste, der künftige Gatte Lucias
möchte bewogen werden, für die Rechte seiner Schwäger
gegen ihn einzutreten. Um solcher Gefahr für alle Zu-
kunft vorzubeugen, wünschte er selbst als der Begründer
dieses Heiratsbundes, d. h. als der einzige rechtmäßige
Gewalthaber des Herzogtums Mailand anerkannt zu
werden. Und auch für den Fall, dafs das künftige Reichs-
oberhaupt gegen ihn vorgehen wollte, mochte ihm eine
solche Urkunde von Nutzen sein können. Dafs die Heirat
eine politische Solidarität zwischen den Häusern Wettin
schuldig-. Dem Burggrafen von Nürnberg waren 1393 nur 50000
Gulden als Mitgift zugedacht. Giulini S. 27. Die Mitgift der 1387
an Ludwig von Orleans verheirateten Tochter Galeazzos, Valentina,
betrag aul'ser der Grafschaft Asti 450000 Goldgulden, aber die ganze
Schuld Galeazzos an Ludwig belief sich mit Zinsen und anderem
auf 688000 Gulden und diese war 1403 bis auf den Rest von 88000
Dukaten bezahlt. M. Faucon, Le mariage de Louis d'Orleans et
de Valentine Visconti: Extrait des Archives des missions scientiliques
et litteraires 3. serie VIII, 15.
■> | Karl AVenck:
und Visconti begründen sollte, wurde sodann ganz all-
gemein ausgesprochen. Die Landgrafen und ihre Nach-
folger werden nichts gegen den Herzog und seine Nach-
folger unternehmen , sie werden vielmehr wirken für die
Erhaltung des Herzogs und seiner Nachkommen und
werden für sie thun, was guten und treuen Freunden zu
thun zukommt. Das Gleiche versprach ihnen der Herzog.
So waren die Verhandlungen, wenn nur die erbetene
Ratifikation seitens der Landgrafen erfolgte, an das Ziel
gelangt, das dem deutschen und böhmischen König einer-
seits, dem mailändischen Herzog andererseits so erstrebens-
wert erschienen war.
Aber waren denn die Wettiner auch wirklich ge-
sonnen, sich für die Interessen der Häuser Luxemburg
und Visconti in die Bresche zu werfen?
Es ist ein eigentümliches Zusammentreffen, dafs in
der ersten Hälfte des Mai 1399, fast genau in denselben
Tagen, in denen Lucia in Mailand ihre Zustimmung zu
den Heiratsverhandlungen gegeben hat, Markgraf Wilhelm
von Meilsen und Landgraf Balthasar zu Forchheim mit
der rheinischen Kurfürstenpartei in enge, freundschaft-
liche Beziehungen traten :5:5). Noch hatten die Kurfürsten
von der Pfalz, Mainz und Köln den Gedanken der Ab-
setzung Wenzels nicht offen ausgesprochen, aber schließ-
lich lag er im Verfolg der Bestrebungen, über die sie sich
kurz vorher (April 1399) in Boppard verständigt hatten:
den König ihrem Willen, die Leitung der Reichsangelegen-
heiten ihrem Gutdünken zu unterwerfen, und insbesondere
waren die Kurfürsten einig gewiesen, die Bewilligungen
König Wenzels an den Mailänder Gewalthaber nicht zu
bestätigen.
Es wurde oben schon der Thätigkeit Erwähnung ge-
than, welche Diplomaten von Florenz und Padua in
Deutschland übten, um die Widersacher König Wenzels
aufzureizen und vorwärts zu drängen. In den ersten
Monaten des Jahres 1399 trat die Sucht des Mailänders
nach Erweiterung seiner Herrschaft den Florentinern in
besonders bedrohlicher Gestalt vor Augen34), Galeazzo'
machte sich im Februar dieses Jahres zum Herren Pisas
33) Lindner II, 407. Wenck S. 68.
-4) Leo, Gesch. der ital. Staaten III, 338.
Eine mailändisch- thüringische Heirat. 25
und vermochte fortan den Florentinern den Zugang zum
Meere zu sperren; im September kam auch Siena unter
seine Gewalt, Florenz war nun auch im Süden umzingelt,
im nächsten Jahre folgten Perugia, Assisi, Spoleto und
Nocera nach.
Das neue Band, das Galeazzo mit dem Hause Wettin
zu knüpfen gesucht hatte, hätte sehr stark sein müssen,
wenn die Land- und Markgrafen trotz dieser Eroberungs-
politik des Mailänders hätten geneigt sein sollen, die Ver-
tretung seiner Rechte und Interessen gegenüber den zur
Absetzung Wenzels entschlossenen Fürsten auf sich zu
nehmen. Ein solches Verhalten hätte nicht ohne Beispiel
dagestanden, die Habsburger hielten sich seitab von der
Fürstenrevolution, Herzog Wilhelm von Osterreich schlofs
sogar im Frühjahr 1400 zugleich im Namen seiner Brüder
ein Bündnis mit dem Mailänder auf fünf Jahre, das diesen
gegen einen Angriff von Deutschland her durch die Länder
des Hauses Österreich sicher zu stellen schien"5). Aber
da für die Wettiner allein die deutschen Interessen
mafsgebend waren, während die Habsburger schon damals
ihre Hand nach Teilen von Oberitalien ausstreckten, so
wäre die Voraussetzung einer Mailand-freundlichen Politik
das engste Einvernehmen mit den Luxemburgern, nament-
lich mit König Wenzel, gewesen, und eben daran fehlte
es doch nach dem Vorausgegangenen durchaus. Die
Heiratsverbindung mit dem Hause Visconti hätte der
Ausdruck solcher Intimität sein können, sie mufste zu-
sammenbrechen, wenn es keine andere Stütze dieser
Freundschaft gab. Im September 1399 finden wir die
verschiedenen Land- und Markgrafen mit den vier rhei-
nischen Kurfürsten und anderen Fürsten zu einein Bunde
geeinigt, der die Aufstellung eines anderen Reichsober-
hauptes nun offen und urkundlich sich zum Ziele setzte,
und ebenso haben sie an den anderen Fürstenversamm-
lungen teilgenommen, die der Absetzung Wenzels voraus-
gingen. Dem neuen König, Ruprecht von der Pfalz,
wurde auferlegt, die Erhebung Galeazzos zum Herzog
zu widerrufen und die von ihm dem Reiche entfrem-
deten Lande wieder an das Reich zu bringen. Wie
aber stellten sich dann die Wettiner zu dem neuen
König?
Es widerspricht durchaus den Thatsachen , sie als
ar>) Lind ii er II, 521. Hub er, Gesch. Österreichs II, 389.
•>i; Karl Wenck:
warme und treue Freunde Ruprechts zu bezeichnen0'1). Mit
einiger Übertreibung , aber im Grunde doch richtig hat
der boshafte Erzbischof Johann von Mainz ihre Haltung
gekennzeichnet37), wenn er den Bürgern von Frankfurt
schrieb, mau solle die Markgrafen, die sich rühmten, sich
wohl gegen den römischen König gehalten zu haben,
fragen, welchen König sie meinten, ob Ruprecht oder
einen andern ? Es gelte bei ihnen, heute hierher, morgen
daher, dafs niemand wissen möge, wen sie für einen
römischen König halten ? Und die Thatsachen: Markgraf
Wilhelm, das Haupt der Familie, lieferte, kurze Zeit vor
Ruprechts Wahl an Wenzels Vetter, Jobst, die Papiere
der Fürst enverschwörung aus; nach der Wahl winden
die Markgrafen von Jobst und Wenzel mehrfach ver-
geblich in Böhmen erwartet, sie ließen sich nicht von
WCnzel gewinnen38), sie lielsen sich aber auch viele Jahre
lang immer wieder vergeblich auffordern, ihre Fürst en-
1 inner von Ruprecht zu Lehen zu nehmen*'), sie zogen
allerdings im Sommer 1401 im Einverständnis mit König
Ruprecht zu Felde gegen Prag, aber obwohl der Witteis-
bacher aus ihrem Auftreten bei einiger Entschlossenheit
hätte für sich Nutzen ziehen können, waren es doch zu-
nächst eigene Interessen und Ansprüche, die sie gegen
Wenzel verfochten, und als Ruprecht dann die Bekämpfung
Wenzels gleichgiltig abbrach, ehe er sie noch selbst be-
gonnen40), haben die Wettiner sich ebenso wenig um seine
Heerfahrt nach Italien gekümmert. Ihre Namen finden
sich wohl in der Liste der zum Romzug aufgeforderten
Reichsstände, aber keiner von ihnen ist Ruprecht über
die Alpen gefolgt41). Also nicht die Schärfe des poli-
tischen Gegensatzes war es, die sich der thatsächlichen
30) Das thut Romano S. 26, aber die von ihm angeführten Stellen
der Reiclista^'sakten beweisen «las keineswegs, sie beziehen sich
größtenteils auf die Zeit vor der Wahl, die anderen «Micken Wünsche
König Ruprechts aus, die unerfüllt blieben.
i In dem höchst merkwürdigen Briefwechsel, bei welchem der
Frankfurter Rat die wenig angenehme Rolle dos Briefträgers zwischen
dem Erzbischof und den Wettinern spielte, «edr. inFichards Wette-
ravia (1828) S. 158—210, bes S. 201 ti. 207.
^) Wenck S. 72.
3") Deutsche lleicbstagsakten lX,219flg. V, 415. Fichard,
Wetteravia S. 180 u. 206.
"') Eöfler, RuprecW von der Pfalz (1861) S. 207 u. 214.
") Heimelt, König Ruprechts Zag nach Italien (Leipz. Diss.
189:ij S. 58.
Eine mailändisch'-thüringische Eeirat. 27
Vollziehung der rechtsgiltig geschlosseneu Ehe zwischen
dem jungen Friedrich und Lucia Visconti entgegenstellte,
sondern vielmehr die G-leichgiltigkeit gegen eine solche
Verbindung, die aus politischen Motiven ihnen entgegen-
gebracht, für die Wettiner nur dann einen Reiz haben
konnte, wenn sie sich durchaus auf Seiten des Hauses
Luxemburg stellen wollten. Landgraf Balthasar hatte
einen Fehler begangen, dafs er, ohne sich ganz darüber
klar zu sein, welche Stellung er in der bevorstehenden
Thronfrage einnehmen werde, obwohl der Gegensatz der
fürstlichen Oppositionspartei wider Mailand schon im Mai
1397 hervorgetreten war42), die Verbindung mit Mailand
angeknüpft hatte. Gegenüber Galeazzos Namen hatten
sich inzwischen mehr und mehr die rheinische und die
luxemburgische Partei geschieden. Sollte Balthasar nun
einen zweiten Fehler hinzufügen, sollte er nach der
Bopparder Erklärung vom April 1399 die geschlossene
Familienverbindung offenkundig verwirklichen und dadurch
den Hais seiner Fürstengenossen auf sich ziehen ? Würde
(ialeazzo nicht, wenn der Landgraf vertragsmäßig im
Frühjahr 1400 seine Gesandten schickte, Lucia und die
versprochene Mitgift über die Alpen zu holen, ein offenes
Auftreten Balthasars gefordert haben wider den Gegen-
könig, der, wenn er nur erst gewählt war, in der Kürze
einen Angriff gegen Mailand unternehmen mufste? Dem
Italiener, für den Wollen und Vollbringen zusammenfloß,
konnte kein Zweifel obwalten, dais die Wettiner ihm
Freund oder Feind sein müßten. Dem deutschen Fürsten,
der aus eigener Erfahrung wuiste, wie sehr zwischen den
Vorsätzen und den Thaten eines deutschen Königs zu
unterscheiden sei43), mag es auch nach dem Tage von
Forchheim nicht dringlich erschienen sein, die eingeleiteten
Beziehungen mit dem Mailänder Herzog abzubrechen,
sonst würde er in der sechswöchentlichen Zwischenzeit den
Abschluls der Vermählung leichtlich haben hindern können.
Hier handelte es sich um eine einfache Unterlassungs-
sünde. Schärfer aber wurde Balthasar zu einer klaren
Stellungnahme herausgefordert, als die Frage der Rati-
fikation des Vertrags vom 25. Juni 1399, der ja ein Ein-
stehen für die Interessen des Visconti von den Land-
42) A.Winke Im min, Der Romzug; Ruprechts v.d. Pfalz (1892) S. 6.
43) Ohne die Werbungen und die Geldmittel der Florentiner und
anderer Italiener würde Ruprechts Hee rl'ahrt sicherlich unterblieben sein.
28 Karl Wenck:
grafen forderte, an ihn herantrat. Er wird sie verneinend
beantwortet haben.
Wäre nun in diesem Verhalten des Wettiners ein
gewisses Spielen mit Heiratsverhandlungen, die plötzlich
sehr ernst und bindend werden konnten, zu vermerken,
so möchte ihm vielleicht einigermafsen zur Entlastung
dienen, dals gerade Galeazzo in ungewöhnlich hohem
Grade verstanden hat, Heiratsverbindungen seines Hauses
zur Förderung politischer Absichten zu knüpfen, um sie
dann Jahre lang einem ungewissen Schicksal zu über-
lassen und endlich bei gelegener Zeit zu thatsächlichem
Vollzug zu bringen. Er liebt es, so dürfen wir feststellen,
zunächst den rechtlichen Abschlufs der Verbindung zu
einem politischen Ereignis zu machen , das ihm Vorteil
brachte, und er begnügte sich dabei nicht mit dem lockeren
Bande der Verlobung, sondern, wie Lucia, wurde auch
Galeazzos Tochter Valentina 1387 mit Ludwig von Orleans,
im Dezember 1393 Elisabeth, Lucias Schwester, mit Ernst
von Baiern mittels Stellvertretung verheiratet, noch aber
behielt Galeazzo das Pfand der Freundschaft in der
Hand , um es bei gelegener Zeit auszuspielen , und die
Überführung der jungen Ehegattin diente dann wieder
einem politischen Zwecke44), sie folgte in beiden Fällen
der Verheiratung erst nach einer Frist von mehr als zwei
Jahren, obwohl in Elisabeths Falle, ebenso wie bei Lucia.
ursprünglich eine viel kürzere Frist in Aussicht genommen
war. Wenn es Valentina und Elisabeth Visconti nicht
am Ende ebenso erging wie Lucia, so erklärt sich das
leicht aus der engeren Berührung der Interessensphäre
Mailands mit Frankreich und Baiern. Mit diesen Mächten
mufste sich bald eine neue Gelegenheit zur Bezeugung
freundschaftlichen Einverständnisses ergeben, die An-
knüpfung mit den Wettinern dagegen ragte über den Kreis
der verwandtschaftlichen und politischen Beziehungen,
die das Haus Visconti mit den Dynastien von Frankreich,
Württemberg, Baiern, Osterreich bisher geknüpft hatte,
41) Darüber hier alle Einzelheiten mitzuteilen, würde zu weit
führen, es genügt, auf die zwei Untersuchungen hinzuweisen, die in
dem einen und in dem anderen Falle festgestellt haben, dafs, wie der
Abschluß der Heiratsverbindung durch politische Beweggründe her-
beigeführt war, so der thatsächliche Vollzug erst dann stattfand, nach-
dem ein politisches Moment den Anstofs gegeben hatte Faucon,
Le mariage de Louis d'Orleans p. 7 nt. (den genauen Titel der Abhand-
lung s. oben Anm. Ü2). Romano, Grian Galeazzo p. 5(5—63.
Eiue mailändisch- thüringische Heirat. 29
räumlich weit hinaus, sie entsprang einer eigentüm-
lichen Zuspitzung der Verhältnisse, dafür schien sie einen
Augenblick von grofser Bedeutung, aber auch, wenn die
Wettiner sich nun zu Wenzel gehalten hätten, würde bei
der Thatenlosigkeit dieses Königs Galeazzo doch kaum
die erhofften Früchte geerntet haben.
Indessen das liefs sich kaum voraussehen, und keines-
wegs war Galeazzo sicher, das Reichsheer des kommen-
den Gegenkönigs mit eigener Kraft zurückweisen zu
können. Um so größer war der Ruhm, den er dann
über König Ruprecht im Herbst 1401 davontrug. Die
Romfahrt Ruprechts zeigte offenkundigst die Ohnmacht
dieses deutschen Herrschers. Als Söldner der Republik
Florenz gekommen, hat er gegen Galeazzo nur Nieder-
lagen davongetragen, und als er die Kaiserkrone begehrte,
erhielt er vom Inhaber des Stuhles Petri eine abschlägige
Antwort, weil sein Widersacher Galeazzo dem Papste
viel gefährlicher erschien als er. Dem Glänze des Sieges
über den deutschen König fügte der Visconti noch die
Eroberung Bolognas hinzu, das Königreich Italien schien
seiner Verwirklichung immer mehr entgegenzugehen, da
hat Galeazzos plötzlicher Tod am 3. September 1402
die Hoffnungen und Befürchtungen, die sich an seinen
Namen knüpften, mit einem Schlage vernichtet. Seine
Söhne waren keineswegs im Stande, das Erbe des Vaters
zusammenzuhalten, es erfolgte eine starke Gegenströmung
wider die mailändische Eroberungspolitik.
Was aber wurde aus Lucia? Wir würden den Faden
der Erzählung nicht so weit zu spinnen gehabt haben,
wenn nicht der Schluisakt ihres traurigen Heiratsbundes
erst nach dem Tode Galeazzos stattgefunden hätte, und,
wie die Dinge lagen, wohl erst dann stattfinden konnte.
Mit welchen Gefühlen mochte Lucia kurze Zeit nach dem
verhängnisvollen 28. Juni 1399, der sie rechtlich an einen
nie gesehenen ungeliebten Mann band, die aufserordent-
lichen Ereignisse verfolgen, die Heinrich von Derby, den
.Mann, der ihr Herz erfüllte, auf den Thron von England
führten. Vielleicht spiegelte sie sich vor, da(s er nun
gewifs seine frühere Werbung erneuert haben würde,
wenn er nicht von ihrer Verheiratung mit dem Wettiner
gehört hätte. Dann aber hat auch er sich anderweit
gebunden. Am 7. Februar 1403, einige Monate nach dem
Tode Galeazzos, vollzog Heinrich IV. seine Vermählung
mit der Herzogin-Witwe Johanna von Bretagne, die ihm
30 Karl Wenck:
seit dem Frühjahr 1402 durch Stellvertretung angetraut
war15). Seine beiden Töchter aus erster Ehe, die ja auch
bei den früheren Heiratsverhandlungen eine liolle gespielt
haben, wurden im Sommer 1402 verheiratet, beziehungs-
weise verlobt, die eine an den Sohn König Ruprechts,
die andere an König Erich von Dänemark40)- So war
auch auf dieser Seite schon zu Galeazzos Zeiten jede
Aussicht auf Erfüllung der einst gehegten Hoffnungen
geschwunden !
Aber trotzdem hat Lucia natürlich den lebhaften
Wunsch gehegt, aus ihrem eigentümlichen Strohwitwen-
lum befreit zu werden. Ein glücklicher Bibliotheksfund
G. Romanos hat uns gelehrt, welche Wege sie dazu ein-
schlug. Um es mit einem Worte zu sagen und zugleich
zu verraten, welches tiefere Interesse die bezüglichen
Urkunden für das Verständnis der ganzen Heiratsangelegen-
heit haben: Lucias eigene Aussage und die bestätigen-
den Aussagen verschiedener Zeugen47) sollten erweisen,
dals Lucia nur unter dem Zwange Galeazzos diese Ehe
eingegangen sei, die daraufhin natürlich für rechtlich un-
giltig erklärt werden sollte. Lucia gab am 24. Februar
1403 in feierlicher Form, indem sie beschwörend die Hand
auf die heilige Schrift legte, vor der Herzogin -Witwe
sechs Zeugen und einem Notar kund, dals, bevor sie die
Worte gesprochen, die ihre Zusage zum Abschluis der
Ehe mit dem Landgrafen zu enthalten schienen, sie wieder
und wieder erklärt habe, sie thue es aus Furcht und auf
Befehl des Herzogs Galeazzo, dem sie nicht zu wider-
sprechen wagte, durchaus nicht in der Absicht, den Land-
grafen Friedrich als ihren Gemahl anzuerkennen. Sie
habe in dem Augenblick, als sie jene Worte sprach, heftig
geweint und sofort, als sie den Ort der Handlung verliels,
in Gegenwart vieler erklärt, dals sie nicht verheiratet
sei und was sie gethan, nur aus Furcht und auf Befehl
-et hau habe. Kurze Zeit nachher legte sie den Trau-
lv) Auch diese Verbindung hat ihre Romantik. Johannas erst er
Gatte war alt genug-, um ihr Grofevater zu sein. Er hatte Heinrich
von Derby im Sommer 1399, die dieser nach England zog. auf das
Beste aufgenommen und war dann im November 1399 gestorben. Mit
seiner Witwe blieb Heinrich fortdauernd in Beziehungen, bis er sie
heiratete. Wylie, Histury of England ander Henry IV. I, '160.
'") Wylie I, ü5!, :i">K.
IT) Aus einer Händschrift der Bibliotheca Trivulziana in Mai-
land mitgeteilt Romano p. 610—1 1.
Eine mailänttisch- thüringische Heirat. 31
ring ab und wollte ihn nie mehr tragen, zum Zeichen,
dals sie sich nicht für verheiratet erachte. Die gleiche
Erklärung habe sie nach dem Tode des Herzogs vor
vielen Zeugen beschworen und angegeben, dals sie ebenso
vor der Herzogin und dem gesamten Staatsrat sich aus-
gesprochen habe. Jetzt hiefs sie den Notar darüber eine
Urkunde aufnehmen. Aus den Aussagen der fünf Zeugen
oder Zeugengruppen, die nach der Prinzessin das Wort
nahmen, darf hier bei Seite bleiben, was den Charakter
einer mehr oder minder wörtlichen Bestätigung ihrer Er-
klärung trägt, es bleiben dann zwei Aussagen übrig, die
schon nach der Persönlichkeit der Zeugen ein besonderes
Gewicht haben. Uberto Visconti, ein Mailänder Bürger,
der dem Vermählungsakt vom 28. Juni 1399 beigewohnt
hatte, gab an, dals er zur Zeit, wo die entscheidenden
Worte von Lucia gesprochen wurden, nahe hinter ihr ge-
standen und gehört habe, wie Herzog Galeazzo, als sie
gefragt wurde, ob sie den Landgrafen Friedrich zu ihrem
Gemahl annehmen wolle, zu ihr sagte „Sprich ja", darauf
sagte Lucia nach dem Befehl des Herzogs „Ja", aber sie
wäre, so glaubt er, zur Erde gefallen, wenn er sie nicht
gehalten hätte. Und dann, als sie sogleich hinweggeführt
war. fragte Uberto sie: „was hattet Ihr, Herrin, fühlet Ihr
einen Schmerz?" da fing Lucia heftig an zu weinen und
da erkannte er, dals sie ungern und wider ihren Willen
gcthan habe, was sie gethan. Das hat er dann, wie die
andern Zeugen, oftmals von ihr gehört. Das andere her-
vorragende Zeugnis legten drei Hofdamen Lucias ab. Sie
sagten aus , dals Lucia vor dem entscheidenden Jawort
immer und immer wieder gesagt habe, sie werde niemals
in die Ehe mit Friedrich willigen. An dem Tage, wo
sie vermählt werden sollte, wollte sie sich nicht mit
anderen Kleidern schmücken lassen, indem sie sagte, daß
&
, 1..VIW..1 "*" ~*~r>'
S
sie niemals den Herrn Friedrich zum Manne nehmen
werde. Da sagten ihre Hofdamen und andere gute Frauen
zu ihr: „Wenn Ihr nicht thut, was dem Herrn (dem Her-
zog) gefällt, so wird er Euch und die Einigen zu Grunde
richten." Und darauf that die Prinzessin weinend und
aus Furcht vor dem Herzog, was sie that, und so hat
sie nach jenen Worten oftmals in Gegenwart ihrer Hof-
damen und vieler anderer erklärt.
Nicht ohne Scheu unternehme iclvs. den Eindruck
dieser „menschlichen Zeugnisse", dem sich niemand wird
entziehen können, mit einigen kühlen Erörterungen zu be-
32 Karl Wenck:
gleiten. Und doch darf ich nicht davon absehen, schon weil
ihnen meines Erachtens von Romano nicht das Gewicht bei-
gelegt worden ist, das sie verdienen. Er stellt sich auf
die Seite des Notariatsaktes vom 11. Mai 1399 und
nimmt an , was die Erklärungen vom 24. Februar 1403
enthalten, sei zwar bis zu gewissem Grade wahr, aber
für den bestimmten Zweck sehr übertrieben, Lucia habe
völlig frei ihr Jawort gegeben und nur nachher Reue
gefühlt, als man Ehren halber die zu weit gediehenen
Verhandlungen nicht habe abbrechen können. Seiner
Beurteilung meinen wir gewissermaßen den Boden ent-
zogen zu haben durch den Nachweis, dais Galeazzo den
Nutzen einer Unterstützung König Wenzels, gegenüber
der noch unabmeisbaren Gefahr eines Gegenkönigtums,
recht hoch einschätzen mochte. In dieser Ansicht muiste
uns bestärken, dais nicht die Herzogin, wie Romano in
schwer begreiflichem Irrtum annahm, Lucia zuerst um
ihre Ansicht über die thüringische Werbung befragt hat,
sondern der Herzog selbst, dais Lucias Entscheidung zum
Gegenstand eines feierlichen Notariatsaktes vor hohen
Zeugen gemacht wurde. Die Herzogin gab also vor
dieser feierlichen Versammlung nicht ein Gespräch , an
dem sie selbst teilgenommen hatte, wieder, sondern un-
kluger Gatte hatte ihr einen Bericht in den Mund ge-
legt, der seinem Zwecke entsprach, es ist daher keines-
wegs hyperkritisch an der Echtheit und Aufrichtigkeit
des uns vorliegenden Gesprächs zu zweifeln, und wenn
in der kurzen Zusammenfassung von Rede und Gegen-
rede, welche die Herzogin vortrug, auch die Leidenschaft
Lucias für Heinrich von Derby Erwähnung fand, so hat
dies nur dazu dienen sollen, den Eindruck der schließlich
gegebenen Einwilligung zu verstärken. Diese sollte durch-
aus erscheinen als das Ergebnis nüchterner praktischer
Erwägung, mit dieser Behauptung mochte der Herzog
gegenüber denen , die es besser wußten, noch am ersten
durchdringen zu können hotten. Sollte aber nicht, wer
die Worte schwärmerischer Liebe Lucias für Heinrich
von Derby auch nur in der Wiedergabe der Herzogin
damals gehört, wer sie heute unbefangen gelesen, sich
versucht fühlen zu vermuten, dafs die nachfolgende Ent-
schließung des kalten Verstandes nicht von der leiden-
schaftlich empfindenden Lucia selbst erzeugt, sondern ihr
von außen entgegengebracht und aufgezwungen sei?
Romano ist an diesem Gegensatze vorübergegangen.
Eine mailändisch- thüringische Heirat. 33
Romano hat sich nun ferner darauf berufen, dafs
Lucias Schwester Anglesia völlig freie Entschließung
gegenüber den an sie herantretenden Werbungen gehabt
habe und man daher das Gleiche für Lucia werde
annehmen müssen. Anglesia habe Vollmacht zu Heirats-
verhandlungen mit einem der drei wettinischen Brüder
gegeben und widerrufen, nicht blois ein Mal im Winter
1398/99, sondern, wie hier noch nicht erwähnt wurde,
nochmals durch drei Vollmachten vom 22. Juli 1399 und
den Widerruf vom 5. August 1399 4S). Aber können denn
diese urkundlichen Thatsachen beweisen , dafs Anglesia
dabei eigener Eingebung folgte? Das Motiv des Widerrufs
wird, was Romano nicht beachtet hat, beide Mal mit
genau denselben Worten angegeben: „Anglesia hat gegen
ihren Bevollmächtigten Paganino de Biassono Verdacht
gefalst und deshalb an seiner Treue nicht mit Unrecht
zu zweifeln begonnen und deshalb zieht sie aus# den
gerechtesten Gründen die Vollmacht zurück." Die Über-
einstimmung der beiden Widerrufe in diesem Punkte
bewirkt, dafs der angegebene Beweggrund auch für das
erste Mal nicht ohne Weiteres glaublich erscheint, er
kann dort ebenso aus einer bereit liegenden Formel ent-
nommen sein, wie das zweite Mal wohl aus dem Wider-
ruf vom 6. Februar. Die wiederholte Bestellung desselben,
angeblich verdächtigen, Bevollmächtigten49) würde dadurch
ihr Auffälliges verlieren. Es kann sein, dafs Galeazzo
selbst im Februar 1399 Bedenken gegen die Verbindung
Anglesias mit, einem der Landgrafen bekommen hat und
erst durch das Erscheinen der thüringischen Gesandten
zu Anfang April in seinem Verlangen nach einer Ver-
bindung mit dem Hause Wettin gefestigt worden ist,
aber auch eine andere Möglichkeit liegt nicht zu fern:
Anglesia durfte im Februar ihre Bereitwilligkeit zu einer
Verbindung mit einem der drei wettinischen Fürsten
widerrufen, weil mit dem Zurücktreten Heinrichs von
Derby Lucia für eine politische Heirat mit diesem
Fürstenhause frei wurde, während im vorausgegangenen
Herbste, als Anglesia ihre erste Vollmacht ausstellte,
gerade über die Hand Lucias mit Heinrich von Derby
^) Sie lagen mir, ebenso wie der Widerruf vom 6. Februar, iu
den für den Cod. dipl. Sax. gefertigten Abschriften vor. Romano
S. 618.
49) Er diente auch am 28. Juni bei Lucias Vermählung als
Dolmetscher.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. »' 3
34 Karl Wenck:
verhandelt worden war. Die neue Bevollmächtigung im
Juli 1399 ist jedenfalls, wenn wir mit Romano den
Zeugenaussagen vom 24. Februar 1403 auch nur ein klein
wenig Glauben schenken dürfen, ganz gewiis nicht aus
Anglesias freiem Willen hervorgegangen. Der heftige,
gerade auch nach der Verheiratung bezeugte Widerwille
Lucias konnte ihre Schwester unmöglich dazu ermuntern,
aber wohl ist es denkbar, dais unter Galeazzos Ein-
wirkung Anglesia noch einmal auf seine Wünsche ein-
ging. Liegt es doch nahe zu vermuten, dals Anglesias
zweite Verhandlung die Freundschaft der Wettiner, die
durch Lucias hartnäckige Verweigerung der Anerkennung
ihrer Ehe gesprengt zu werden drohte, festhalten sollte.
Wenn aber Galeazzos herrischer Wille die neue Voll-
macht diktiert hat, so ist ihr Widerruf sicher durch neue
Botschaft aus Deutschland veranlafst worden. .Galeazzo
ist darüber unterrichtet worden, dals Dank des Übertritts
der Wettiner in das Lager der fürstlichen Revolution
der ganze Gedanke einer verwandtschaftlichen Verbindung
mit den Wettinern unfruchtbar geworden war.
Also auch in dem Dunkel, das über den wider-
spruchsvollen Eheverhandlungen Anglesias liegt, ist es
viel wahrscheinlicher, dals der ausschlaggebende Fak-
tor die Politik Galeazzos gewesen ist und nicht die
Neigungen seiner Schwägerin. Romanos gegenteilige Be-
hauptung wird als verfehlt bezeichnet werden müssen.
Ein ganz freies Gewährenlassen, wie er es annimmt,
würde übrigens nicht nur dem Charakter Galeazzos zu-
wider sein, es würde auch der Gewohnheit der Zeit
wenig entsprechen. Romano trägt entschieden die Farben
zu stark auf, wenn er sagt, dals die Aussagen von
1403 „dem Bilde eines Tyrannen ohne Glauben und ohne
Herz entsprechen, das manche sich von Galeazzo zu
machen lieben".
Und nun die Folgerung: Lucia hat der Verbindung
mit Landgraf Friedrich schon im Mai 1399 nicht aus
nüchterner Überlegung zugestimmt, auch nicht aus
momentaner Apathie, die durch nichts belegt werden
könnte, sondern unter dem Drucke des Zwanges, den
der Herzog gleich zu Anfang geübt hatte, sei es mit
drohenden Worten, sei es, was wahrscheinlicher ist, durch
den Schrecken seines Namens. Die Tochter Bernabös
mufste wissen, dals Galeazzo kein Hindernis kannte, und
zum Überfiuls mögen ihr ihre Vertrauten zugerufen haben:
Eine mailändisch- thüringische Heirat. 35
„Er wird Dich und die Deinen verderben, wenn Du nicht
seinen Willen thust".
Dais die Aussagen vom 24. Februar 1403 zu einem
bestimmten Zwecke aufgenommen wurden, darf uns nicht
irre machen. Wohl aber darf man darauf hinweisen, dals
Lucia und sämtliche Zeugen ihre Aussagen auf ihren Eid
genommen haben und jetzt der Mund verstummt war,
der Lucia einst zur Lüge gezwungen hatte. Romano
kam bei seiner Auffassung in die Lage, Lucia zu beloben
wegen des reifen Urteils und des praktischen Sinnes, den
sie anfangs bethätigte, sie zu tadeln wegen des Mangels
an Energie, den sie später bekundete, als es noch Zeit
zum Widerspruch war. Uns erscheint ihr Handeln ein-
heitlicher und auch wohl unseres Mitgefühls würdiger.
Sie war ein heißblütiges und, wir haben wohl Grund so
zu denken, ein schönes Mädchen. Als Tochter Bernabos
mag sie schwer ihren Willen einem andern untergeordnet
haben, aber sie war für den Kampf mit einem Galeazzo
nicht stark genug. Durch eine glückliche Fügung der
Umstände blieb sie wenigstens davor bewahrt, eine Ehe
führen zu müssen mit einem Manne, den sie halste, weil
er ihr aufgedrungen war, den sie verachtet haben würde,
wenn sie hätte an seiner Seite leben müssen! Landgraf
Friedrich, Balthasars Sohn, wird von den sächsischen
Geschichtsschreibern bekanntlich nicht nur der Fried-
fertige genannt, er hat auch den Beinamen des „Ein-
fältigen" erhalten, wobei ihm die Abwandlung des diesem
Worte eigentümlichen Sinnes von „schlicht" zu „thöricht"
zum Nachteil gereicht hat50). Gerade seine ehelichen
Verhältnisse haben zu dieser niedrigen Schätzung Anlais
gegeben. Die gleichzeitigen thüringischen Chronisten51)
können nicht genug erzählen, in welche Abhängigkeit
Friedrich, als er 1407 Anna von Schwarzburg geheiratet
hatte, ihr und seinem Schwiegervater gegenüber geriet,
und die Streitigkeiten, die er infolge der durchaus
^°) Beide Beinamen werden zurückgehen auf die Chronik des
Ursinus, welche, 1547 vollendet, die Chronik Johann Rothes mit Zu-
sätzen wiedergab, Mencke SS. III, 1325: der was gar ein gott-
licher einfeltiger Herr und nicht sehr gestrenge und hielte guten
frieden mit allen Fürsten umb sich gesessen, wo Ehr beste mochte.
Ursinus' Zeitgenosse Fabricius spricht von Friedrichs bonitas et
simplicitas. Hörn, Friedrich der Streitb. S. 224.
51) Histor. Eccardiana S. 466 ss. (J. Eccard, Histor. geneal.
princip. Sax. sup. 1722). Histor. Pistoriana B. 1361 ss. (Pistorius-
Struve, Scriptores rer. Grenn. III, 1726).
3*
36 Kari Wenck:
schwarzburgiscken , dem Gesamthause Wettin höchst
nachteiligen, Politik mit seinen Vettern auszufechten
hatte, reden ja eine deutliche Sprache. Ein sächsischer
Geschichtsschreiber des vorigen Jahrhunderts sagt nicht
übel: „Friedrich wurde je länger je mehr ein freiwilliger
Staatsgefangener seines Schwiegervaters" 5-). Als Friedrich
1399 um Lucias Hand werben liels, war er noch nicht
fünfzehn Jahr alt™), für sie, die 1382 schon hatte ver-
lobt werden sollen und vielleicht zwanzig Jahre zählen
mochte, zu jung. Dazu kam dann wohl der Gedanke,
dals Thüringen weit hinter jener Welt liege, in der bisher
mailändische Prinzessinnen gesehen worden waren, wer
möchte alle Beweggründe dieses weiblichen Herzens
erforschen ?
Die seltsame Ehe, in welcher Lucia beim Tode
Galeazzos schon mehr als drei Jahre lebte, war nach
kanonischem Rechte giltig51), aber es fehlte die Vollziehung
durch die Ehegatten. In späterer Zeit hat man auch
sie mittelst Stellvertretung angedeutet, der Bevollmäch-
tigte hatte das festlich geschmückte Hochzeitslager der
Angetrauten zu besteigen. So that 1491 der Marschall
Wolfgang von Polheim an Stelle seines Herrn, König
Maximilians I., bei dem „Fräulein von Bretagne". Trotz-
dem wurde bekanntlich Anna durch einen päpstlichen
Dispens in den Stand gesetzt, bald darauf Karl VIII.
von Frankreich zu heiraten55). Lucia konnte, um die
Nichtigkeitserklärung ihrer Ehe zu erwirken, sich darauf
berufen, dals ihr Jawort erzwungen sei. Die Aussagen
vom 24. Februar 1403 werden als vollgültiger Beweis
angesehen worden sein. Da Auflösung einer nicht kon-
summierten Ehe wegen Zwanges, Betrugs oder ähnlicher
Ehehindernisse durch päpstliche Dispensation uns erst
von Martin V. ab bekannt ist56), so wird der Spruch
52) F. v. Braun, Monatl. Auszug dersächs. Gesch. III (1780), 574.
",:ij Ermisch hat in dieser Zeitschrift XV, 323 urkundlich nach-
gewiesen, dafs Friedrich nicht erst 1385, wie Bist. Pistor. 1354 an-
giebt, sondern schon vor dem 30. November 1384 geboren sein müsse.
Die Bistor. Eccard. S. 464 erzählt s. a. 1398 von einem Kriegszug
des jungen Landgrafen gegen fränkische Kaulilmrgen, der nach
urkundlichen Angaben (Mon. Zoller. VI, 29 u. 33) in den September
1398 fällt (Hist. Pistor. 1358 fälschlich zu 13! »7). Friedrich befand
sich aber damals unter guter Obhut seines Vaters und des Burggrafen
von Nürnberg.
r'') Kichter-Dove, Lehrbuch des Kirchenrechts $ 282 am Ende.
v') Ulmann, Kaiser Maximilian I. I, 121 u. 141.
™) Kichter-Dove § 286 Anm. 16 und § 270 zu Anfang.
Eine mailändisch - thüringische Heirat 37
von einem geistlichen Gerichtshof Thüringens gefällt
worden sein, wie Romano annimmt, und zwar muis dies
bald geschehen sein, da bereits am 14 Juli 1403 Lncia
an Curello di Biassono Vollmacht zu Verhandlungen über
ein neues Ehebündnis gab57). Wir wissen nicht, mit
wem sie gepflogen wurden, nur dafs sie erfolglos waren.
Das nächste Jahr brachte einen neuen Bewerber. Es
ist fast komisch, dafs König Ruprecht damals trotz der
schmählichen Niederlage, die er von Galeazzo erlitten
hatte, gleichzeitig mit der Bitte um ein Darlehen, um die
Hand Lucias für seinen 1385 geborenen Sohn Stephan
werben lief's 5S), aber seine Gesandten kamen nicht zur
guten Stunde, einen Tag nach dem Tode der Herzogin
Katharina (f 17. Oktober 1404), durch den die eingerissene
Zersetzung des Herzogtums noch sehr vermehrt wurde.
Romano schildert die traurige Lage der vom Unglück
verfolgten, jetzt fast ganz vereinsamten Prinzessin in
ergreifender Weise; endlich zu Anfang des Jahres 140G
wurde sie daraus erlöst durch die Werbung eines eng-
lischen Grafen Edmund von Kent.
Graf Edmund, ein jüngerer Sohn seines Hauses, das
unter König Richard IL, Edmunds Stiefoheim, dem Throne
sehr nahe gestanden hatte, war durch den frühen Tod
seines Bruders Thomas, der als Verschwörer für Richard IL
im Januar 1400 sein Leben verlor, früh in die reichen
Familienbesitzungen eingetreten59). Er beteiligte sich
nicht an den immer wieder hervorbrechenden Verschwö-
rungen gegen Heinrich IV., vielmehr stellte er seine grofse
persönliche Tapferkeit, durch die er sich in jugendlichem
Alter als ein gefestigter Kämpfer erwies, in den Dienst
des Königs und des Vaterlandes. So nahm er 1405 mit
grofser Auszeichnung teil an einer Unternehmung der
englischen Flotte gegen die Citadelle des Herzogs von
Burgund zu Shrvs in Flandern und trug dabei zwei so
schwere Verwundungen auf der Brust davon60), dafs die
B7) Nur der Titel der Urkunde ist registriert, Romano S. 625.
B8) Deutsche Reichstagsakten V, 551. Romano S. 625. Colin,
Stammtafeln z. Gesch. der europ. Staaten I, Tafel 50.
B9) Die genealogischen Angahen beruhen auf Dugdale, The
baronage of England (London 1676) II. 77. Das dort meist ohne
Quellenangabe verzeichnete Material liefs sich durch Nachforschung
in den Quellen vielfach ergänzen.
m) Tunc pugna succrevit acerrima, donec supervenit comes
Cauciae cum rate sua. Qui licet non annos excessisset adolescentiae,
constantis tarnen militis implevit vices, periculis se ingerens et hostes
38 Karl Wenck:
Franzosen ihn getutet zu haben glaubten61). Vielleicht
hat König Heinrich ihn zur Werbung um die mailändische
Prinzessin veranlafst. Am £4. Januar 140G erfolgte Ed-
munds Vermählung mit Lucia Visconti. Wir erfahren,
dals die Hochzeit mit grolsen Festlichkeiten und Ehren
in Southwark bei London gefeiert wurde, der König war
selbst zugegen und geleitete die junge Frau aus der
Messe nach dem Hause des Bischofs von Winchester, wo
jedermann wer wollte an der Hochzeitsfreude teilnehmen
konnte62). Aber Edmund und Lucia war nur ein kurzes
Eheglück beschieden. Der tapfere Kriegsheld, den König
Heinrich 1408 zum Admiral erhob63), wurde am 15. Sep-
tember desselben Jahres bei Belagerung einer Burg an
der Bret agneschen Küste von dem Wurfgeschoß einer
Schleudermaschine tätlich am Kopf verwundet. Noch
nahm er die Burg ein und zerstörte sie völlig, dann aber
starb er an den Folgen seiner Verletzung04). Aufs neue
bewährte sich nun das Wohlwollen des Königs an Lucia.
Heinrich IV. gab am 1. Dezember 1408 seine Geneh-
aniniose satis invadens. Et licet balistarum spiculis in pectore duobus
Iuris esset terebratus, non expalluit, sed constanter hisisteris, non
destitit suos animare, donec nostris cessit victoria etc. Annales
Heinrici quarti regis Angliae ed. Riley. (Rer. Brit. Scriptores 1866)
1». 401.
01) Wylie, History of England under Henry IV. II, 103 nach
französischen Quellen.
°2) An english chronicle of the reigns of Richard 1 1 , Henry 1 V — VI.
ed. by Davies (Camden Society 1856) p. 34 und die dort p. 179 mit-
geteilten reicheren Angaben einer handschriftlichen Quelle. Die
Chronicle berichtet p. 30 zu den Jahren 1404 und 1405 erfolgreiche
Thaten Edmunds zur See und einen ehrenvollen Zweikampf. Das
Tagesdatum der Vermählung giebt Davies nach Robert Fabyans
Chronik, die mir in keiner Ausgabe zugänglich ist. Das Jahr 1406
gieht auch (Th. Walsinghams ?) Ypodigma Neustriae ed. Riley (Rer.
Brit. SS. 1876) p. 419.' Danach ist wohl Dugdale's für mich 1111-
kontrolierbare Angabe: a. 8. H. IV, die Romano auf 1407 geführt
hat, zu berichtigen.
,;:;) An english chronicle p. 34. In einer Urkunde Köniu
Beinrichs [V. vom 11. Juli 1408 erscheint unter seinen Bevollmäch-
tigten für einen Waffenstillstand mit dem Herzog von Bretagne:
aostre treschier Cousin Esmon Conte de Kent nostre Admiral.
Rymer, Foedera ed. 3. IV, 1, 137.
04 ) „Putrefacto cerebro" Ypodigma Neustriae p. 425. Dort heilst
die Burg: Briaunt, in der English ChronicleTp. 34: Briac, Davies
nimmt es p. 181 für die Stadt St. Brieux, Romano S. 627 denkt an
die lusel Brehat, die auch wohl Dugdale gemeint hat. Dieser giebt
das Tagesdatum.
Eine mailändiach- thüringische Heirat. 39
migung65) dazu, dafs Lucia die reichen ihr als Wittum
angewiesenen Besitzungen übernehme, wogegen sie das
übliche Versprechen gab, nicht ohne des Königs Zu-
stimmung zu heiraten. Lucia ist Witwe geblieben, sie
hat noch über fünfzehn Jahre in England gelebt, aber
sie war doch noch nicht fünfzig Jahr alt, als sie am
4. April 1424 ihrem Gemahl ins Grab folgte. In ihrem
Testamente150) ernannte sie einen Bruder Galeazzo zum
Erben, da sie wahrscheinlich in ihrer kurzen Ehe keine
Kinder bekommen hatte. Die vielen Seelenmessen, die sie
errichtete, waren nicht nur der Fürbitte für ihr und ihres
Gatten Seelenheil gewidmet, König Heinrich IV., dem
sie einst so nahe gestanden hatte, und sein Nachfolger
sollten in dieselben Gebete eingeschlossen werden. Be-
sonders bedeutungsvoll sind uns zwei Legate für zwei
Mailänder Kirchen. Ihre Namen lassen uns ahnen, dafs
in Lucias Herzen auch das Andenken an ihre Mutter
lebte, die sie kaum gekannt hatte, nach der sie in den
vielfältigen Stürmen ihres Lebens oftmals eine tiefe Sehn-
sucht empfunden haben mochte.
Noch heute bezeugen uns Briefe Bernabos und seiner
Gemahlin aus den Jahren 1382— 83 67), mit welcher Freude
und innerer Anteilnahme beide Eltern den Gedanken ver-
folgt haben, dafs Lucia, ihre jüngste Tochter, dereinst auf
italienischem Boden eine Königskrone tragen werde. Wenn
nun sonst von Bernabös Gemahlin in unmittelbarer Be-
ziehung auf Lucia nichts zu berichten ist, so wird am
Schlufs dieser Blätter doch noch der Versuch gestattet
sein, in kurzen Zügen ein Bild von Lucias Mutter zu
entwerfen. Vielleicht kann es uns die dem Bilde der
Tochter fehlenden Linien widerspiegeln, vielleicht darf
die Phantasie, die das blasse Bild der Quellen von Lucias
Persönlichkeit ergänzen möchte, Ausschau halten nach der
reicheren, schärfer umrissenen Charakteristik, die sich von
ihrer Mutter geben lälst. Vielleicht ist es nur Zufall, dafs
Lucia uns mehr leidend, als handelnd erscheint. Heinrich
von Lancaster und Edmund von Kent, denen sie ihr Herz
m) Rymer, Foedera IV, 1, 144. Schon bei Lebzeiten ihres
Gratten am 4. Mai 1408 hatte Heinrich IV. ihr gestattet, dafs sie
trotz ihrer fremden Herkunft wie eine englische Vasallin Besitz
jeder Art übernehmen dürfe. Ebenda 131.
66) Auszug bei Dugdale II, 77.
c7) Osio, Documenti diplomatici tratti dagli archivi Milauesi I,
228 u. 240.
In Karl Wenck:
widmete, waren kraftvolle Persönlichkeiten. Eine solche,
eine in jeder Hinsicht hervorragende Frau war auch
Lucias Mutter.
Wohl schon in den Jahren ihrer Kindheit hat
Beatrice08), die Tochter Mastinos II. della Scala, Sig-
noren von Verona, den Beinamen "Regina erhalten, den
sie in ihrer Mailänder Zeit allein geführt hat, und wohl
mögen die späteren Geschichtsschreiber Recht haben,
wenn sie berichten, dafs das würdevolle Auftreten des
jugendlichen Wesens dazu Veranlassung bot.
Noch sehr jung trat sie im Herbst 1350 in die Ehe
mit Bernabo Visconti. Das Gedicht*59), in welchem ein
Augenzeuge, vielleicht Petrarka70), der grofse Genius des
Zeitalters, die glänzende Feier ihres Abschiedes von der
Heimat verherrlicht, schildert die Reize Beatricens, den
süisen Glanz ihrer Augen, den Goldschimmer ihres Haares,
die rosigen Farben ihres Antlitzes in beredten Worten,
es feiert nicht minder die Anmut ihrer Sitten. Reginas
Grabschrift71) und einige karge chronikalische Notizen
6S) Gegen die Zweifel der mailändischen Historiker Giulini,
Cöntinuaz. II, 365 und 0 s i o , Documenta p. 217 an dein Namen Beatrice
verweise ick auf vier Veroneser Zeitgenossen, die Chroniken bei
Muratori VIII, 653B, bei Orti Manara (Verona 1842) p. 16 u. 42, auf
das merkwürdige um 1410 verfaßte Buch Marzagaias de modernis
gestis (Antiche Cronache Veronesi I, 35, 3«, 45), ferner auf das
gleich zu erwähnende zur Zeit ihrer Vermählung (1350) verfafste
Gedicht (Petrarkas ?) , das Hortis herausgegeben hat, Vergleiche
auch Cipollas nur zu ängstliche Erörterungen in den Anmerkungen
zu den Antiche Cronache Veronesi I, 35, 270 u. 4«].
8°) Attilio Hortis, Scritti inediti di Francesco Petrarca (Trieste
1874) p. 57-59.
™) Hortis S. 55 verwirft diese Annahme von Melius, die wohl
darauf ruht, dafs das Gedicht in einem Codex überliefert ist, der nur
Autographen Petrarkas und ihn und seine nächsten Freunde betreffende
Schriften enthält Hier ist nicht der Ort, die Frage zum Austrag
zu bringen, nur sei gesagt, dafs Hortis sicher mit Unrecht das Ge-
dicht mit der Mailänder Vermählungsfeier zusammenbringt, es bezieht
sieh, verglichen mit Chron. Estense (Muratori XV, 461 D), zweifellos
auf die Veroneser Abschiedsfeierlichkeiten Ende September 1350,
dient aussehliefslich zur Verherrlichung Beatrices und ihres Hauses
und spricht von ihrem Weggang nach Mailand als etwas Künftigem.
Damit verschwindet der wesentlichste von Hortis vorgebrachte Gegen-
»rund gegen Petrarkas Autorschaft, dafs nämlich Petrarka noch 1351
von Hafs gegen Erzbischof Johann Visconti erfüllt war.
7I) Annal. Mediolan. Muratori XVI, 778. Der gleichzeitige
Petrus Azarius (ebenda 324E) nennt Regina nur valde juvenem, ihre
Schwägerin Bianca von Savoyen im nächsten Satze pulcherrimam
juvenem. Den Worten des Azarius setzte der im letzten Jahrzehnt
Eine mailändisch - thüringische Heirat. 11
bestätigen das Bild. Ihr schönster Ruhm aber ist ihr
Verhältnis zn ihrem Gatten Bernabo. Dem jähzornigen
Beherrscher Mailands wagte in seiner Leidenschaft nie-
mand entgegenzutreten, „als seine edle und überaus weise
Gemahlin Regina, die ihn zu besänftigen versteht und ihn
von seinem Zorne abzieht" 7'2).
Wenn Azarius, der gleichzeitige Mailänder, diesen
seinen Worten, um den Grund von Reginens Einfluis
anzugeben, ohne Schönfärberei hinzufügt, „weil Bernabo
sie unter den übrigen (Geliebten) liebt", so erinnert er
uns, welcher Selbstbeherrschung, Milde und Klugheit
Regina bedurft haben wird, um einem so brutalen und
unsittlichen Gatten doch immer wieder Achtung und Liebe
abzugewinnen. Dies ist ihr, der Mutter von fünf Söhnen
und zehn Töchtern, in einer vierunddreifsigj ährigen Ehe
bis zuletzt immer wieder gelungen. Wohl mochte sie, des
gewalttätigen Wesens der Viscontis kundig, in Furcht
sein vor Galeazzo, dem Neffen ihres Gemahls: sie sah
im Traum das Bild dessen, der ihren Gatten und ihre
Söhne um Reich und Leben bringen werde, und teilte
ihre Besorgnisse Bernabö mit73). Dafs sie aber durch
Zauberkünste Galeazzos Gemahlin, ihre Tochter Katharina,
unfruchtbar gemacht habe, ist sicher nur eine böswillige
Erfindung der Prozefsschrift Galeazzos74) gegen Bernabö.
Mit rührenden, gewifs von Herzen kommenden Worten
hat Bernabö, als ihm 1384 der Tod die vielgeliebte Gattin
entrifs, die Unterthanen aufgefordert7"'), ein Jahr lang
um sie zu trauern. Er hatte der Sterbenden versprechen
müssen, die Kirche S. Maria della Scala, die sie errichtet
hatte, auszubauen Tü). Diese Kirche und ein prächtiges
Schlots hatte sie aufgeführt aus den Geldern, die sie 1379
von den neuen illegitimen Signoren Veronas zur Abfindung
für ihre Erbschaftsrechte erstritten hatte. Dabei war sie
selbst mit Bernabö zu Felde gezogen77).
des 15. Jahrhunderts schreibende Verfasser der Annal. Mediol. (721 B)
hinzu: et formosam.
72) Azarius,Chronicon 397 Cu. E. Annal. Mediol. 777 D: domina
mirahilis et sapientissinia. Marzagaia, De modern, gestis S. 36:
consors et consiliorum utilis et furentis medela suavis.
73) Marzagaia S. 36.
74) Muratori XVI, 798.
75) Ebenda S. 777. Wegen des Todesjahres 1384 vergl. Osio,
Documenta p. 240.
76) Nach Urkunden Giulini, Continuaz. II, 366.
77) Giulini S. 342 u. 312. Chrom Est. (Muratori XV) 503 D.
|o Kail Wenck: Eine mailänd.-thüring. Beirat.
Am liebenswürdigsten erscheint sie als Briefschreiberin
in der Fürsorge für ihre nach Mantua verheiratete Toch-
ter78), in der gottergebenen Trauer um eine geliebte
Sclnvcstcr7'1), in der anmutigen Art, wie sie eine Bitte
ihrer Mantuanischen Verwandten um Erhaltung ihres
Wohlwollens als unnötige Höflichkeit zurückweist80).
Nach allem mag ein Veroneser Historiker des sechzehnten
Jahrhunderts81) Recht haben, wenn er sagt, dafs die
Gemahlin Bemabös alle Vorzüge besessen habe, die der
Himmel einer Frau gewähren könne: Schönheit, Weis-
heit, männlichen Mut und Hoheit. Sie ruht an der Seite
ihres Gatten, der ihr nach einundeinhalb Jahren ins Grab
folgte, zu S. Giovanni in Conca. Dieser Kirche und der
andern eben erwähnten S. Maria della Scala war jene
Schenkung Lucias gewidmet.
Die Jahrzehnte, die Lucia als einsame Witwe auf
englischem Boden verbrachte, haben ihre Erinnerung an
die Heimat und an das Elternhaus nicht ausgelöscht.
Die Warmherzigkeit der Mutter war auf sie überge-
gangen. Ob sie auch dasselbe starke und feste Herz
wie jene gehabt hat, wer möchte das bejahen oder
verneinen, der die Verschiedenheit ihres Lebensganges
erwägt? Regina war die gleichberechtigte82) Genossin
ihres Gatten, wie eine solche die vorausgegangenen Jahr-
hunderte kaum gekannt haben. Auch Lucia hat das Recht
der geistigen Individualität, das erst die Renaissance den
Frauen brachte, hochgehalten, indem sie sich hartnäckig
weigerte, einem ungeliebten Manne anzugehören.
7S) Osio S. 213, 217. 222, 227. Da erweist sich auch Bernabö
als zärtlich fürsorglicher Vater S. 238 u. 239.
w) Osio S. 221.
«>) Osio S. 234.
S1) Torelh» Saraina, Le historie e iatti de' Veronesi. (Nuov.
ediz. Verona 1649) p. 46.
82) Dafür ist sehr charakteristisch, dafs der Annalist von Reggio
(Muratori XVIII, 77), indem er von einem Besuche Bernabös und
seiner Gemahlin in der durch Feinde arg- verwüsteten Stadt berichtet,
nicht unterläfst, der warmen Teilnahme der Fürstin besonders zu
gedenken : sed cum per civitatem equitavit valde condoluit de domorum
vastatione et magis ejus uxor.
IL
Leipzig und Wittenberg.
Ein Beitrag zur sächsischen Reformationsgeschichte.
Von
Felician Geis.
Ein geheimnisvolles Dunkel liegt über der Geburts-
stunde der Universität Wittenberg. Welchem Kopfe ist
der Plan zu ihrer Gründung entsprungen? ob dem des
Kurfürsten Friedrich selbst, dessen Initiative und Mäce-
natentum mau doch wohl oft zu überschätzen geneigt ist?
und unter wessen Beihilfe hat der Plan bestimmtere
Gestalt gewonnen? Welche Erwägungen sind voraus-
gegangen? und wie weit reichte der Einflufs von Dr. Stau-
pitz und Dr. Melierstadt, die man als erste Berater des
Stifters zu nennen weifs? Auf solche Fragen erhalten
wir keine oder ungenügende Antwort; plötzlich und fast
unvermittelt kommt uns die Kunde von der Eröffnung der
Universität im Oktober des Jahres 1502.
Deutlich aber tritt sofort die Mifsstimmung zu Tage,
die auf diese Kunde hin in Leipzig um sich griff. Schon
die Wohlfeilheit in dem noch halb dorfartigen Wittenberg
erregte lebhafte Besorgnis: es war „leichte Zehrung
allda", während man in Leipzig zu klagen hatte, das
Brot sei zu klein, das Bier zu teuer, die Preise beim
Schneider und Schuster doppelt so hoch als ehemals.
Durfte man ferner dem allgemeinen Gerede glauben, so
waren es „exquisite Legenten", die Kurfürst Friedrich
nach Wittenberg gerufen hatte. Tüchtige Lehrkräfte
aber neben billigen Preisen in solcher Nähe — welch
44 Peliciau Gefs:
starke Anziehungskraft für die Leipziger Studenten, die
ohnehin, wie man zu bemerken glaubte, seit einigen Jahren
nicht mehr recht sefshaft hatten werden wollen. Ein-
sichtige Beurteiler behaupteten, bereits sei Leipzig in Ab-
nahme begriffen und habe sein altes Ansehen eingebüfst.
Wo lag die Schuld und wie war abzuhelfen und wie
der drohenden Konkurrenz zu begegnen? Zunächst galt
es für Herzog Georg, der zwei Jahre zuvor die Regierung
im albertinischen Sachsen übernommen hatte, genauen
Einblick in die Zustände an seiner Universität zu ge-
winnen; er beschied daher noch in den Oktobertagen den
Rektor und sämtliche Dozenten zu sich und verlangte
von jedem ein schriftliches Gutachten über alle Mißstände
und Vorschläge zu ihrer Beseitigung1).
Da kamen nun sehr häfsliche Dinge ans Licht; vor
allem schädlicher Unfriede und bitterer Zwist unter den
Lehrern. Die Glieder der einen Fakultät schalten über
die der anderen, die Glieder der einen Nation über die
der andern. Denn in dieser doppelten Weise war ja die
Universität eingeteilt: als politische Körperschaft gliederte
sie sich in die vier Nationen, die bairische, meiisnische,
polnische und sächsische Nation, als lehrende Körperschaft
in die vier Fakultäten, die theologische, juristische, medi-
zinische und philosophische oder Artistenfakultät. Mangel
an Pflichtgefühl und Fleifs, Mangel an sittlicher Haltung
und ernster Lebensführung trat bei allen vier Fakultäten
in gleich erschreckendem Mafse hervor, und es waren oft
gerade die älteren, durch Rang und Einkommen bevor-
zugten Glieder der Lehrerschaft, die das schlechteste
Beispiel gaben. Der Herzog sah sich veranlaßt , den
Kollegiaten, die meist der theologischen Fakultät an-
gehörten, in Erinnerung zu bringen, dafs sie ihre Stellung
nicht als Sinekure auffassen und der Hochschule nach
Belieben für ganze Jahre fern bleiben dürften; er muiste
den Juristen und Medizinern einschärfen, dals ihre Lehr-
thätigkeit aller anderen Beschäftigung vorgehe; ermufste
die Cölibatäre der Artistenfakultät vor anstößigem
Wandel verwarnen'2).
1) Über den Inhalt der Gutachten s. nieinen Aufsatz „Die Leip-
ziger Universität im Jahre 1502": Festschrift zum Historikertage in
Leipzig 1894 S. 177.
2) S tu bei, Urkundeuhuch der Universität Leipzig von 1409 bis
1555 - Cod. dipl. Sax. reg. H, 11 (Leipzig 1879) No. 225. - Die in den
folgenden Anmerkungen zitierten Nummern sind Nummern von Ur-
Leipzig und Wittenberg. 45
Soweit es in seiner Macht stand, suchte er auch einer
ganzen Reihe von Wünschen gerecht zu werden. Der
juristischen Fakultät wurde ein eigenes Heim versprochen,
wo künftig Lehrer und Schüler Wohn- und Unterrichts-
räume finden sollten. Die medizinische erhielt ein weit-
gehendes Aufsichtsrecht über alle Personen, die sich als
Heilkundige im Lande ausgaben, ohne doch akademische
Bildung nachweisen zu können8). Den jüngeren Magistern
der Artistenfakultät, den Nichtfakultisten, wurde der
Eintritt in den Kreis der Fakultisten, der berechtigten
und besoldeten Fakultätsmitglieder, um ein weniges er-
leichtert; auch wurde ihnen die tröstliche Aussicht er-
öffnet, dais man allein an sie und nicht an Schüler fremder
Hochschulen denken werde, wenn es sich um Besetzung
etwa einer Schulmeisterstelle in einer Stadt des Herzog-
tums handele, wie auch die jüngeren Leipziger Juristen
bei Besetzung von Stadtschreiberstellen nicht vergessen
werden sollten4).
Schließlich galt es auch den Studenten entgegen-
zukommen. Zwei pekuniäre Erleichterungen wurden ihnen
künden dieses Buches; über ihre Datierung und ihren Text vergl.
die Beilage zu diesem Aufsatz.
3) So lange freilich die herzogliche Familie selbst sich von sehr
zweifelhaften Persönlichkeiten behandeln liefs, war an eine wirksame
Beschränkung des Pfuschertums nicht zu denken. Herzogin Zdena
schreibt einmal an ihren Sohn Georg: „Mich hat meyn arzt, der
munich, gebeten, dir zu schreyben und bitten, das du yin eyn gleitz-
briff geben wuldest ; denn so er ufttmals ym land auf und nider, hyn
und wider reyten mufs, foricht er sych vor etlicher böser bursch, dy
mit iren anhang mochten etwas an ym üben er hat mir von
den gnaden gotes das beyn seuberlich geheylt und wurd bald ganz
gut werden; aber als ich yn merck, so ist er eyn selzamer und ein
wuster obenteurer, doch so schauet (scheuet) er sych fast vor mir"
(Loc. 8498 Chur- und fürstl. sächs. Handschreiben S. 187). — Das
Verlangen der Mediziner nach einer Anatomie blieb unerfüllt ; es
wurde 1518/19 aufs neue laut, aber wieder vergeblich. Vergl. No. 261
S. 339, 1 und dazu meine Beilage unter No. 261.
4) Copial 108 fol. 207b, 20.J März 1503; dem Rat zu Grofsen-
hain wird geschrieben: „das mein g\ h. bey ime begossen, das nu
liinfur kein prediger nach Schulmeister in seiner Gnaden Steten
aufgenommen sal werden, er sey danu zu Leipzk Magister wurden,
und jne eynen angezeigt, Magister Johannes Pistoris von Buchheim
mit Beger, denselben aufzunehmen zu Schulmeister." — Vergl. die
Bitte der Juristenfakultät vom Jahre 1511, No. 250 S. 30H, 3 (s. meine
Beilage unter No. 250!): „Das auch e. f. g. dieselben baccalarien
und die magistros die scholares iuris seyn, bey e. g. steten zu stat-
schreybern und andern ampten, auch pfarren und beneficien, als e.
f. g. inn vorhin gnedig liehe vortrostuuge gegeben, fordern wolte."
46 Felician Gels:
geschaffen. Einmal hatte hinfort jedes Kollegium und
jede Burse einen Mittagstisch herzurichten, an dem der
Wenigbemittelte seine Beköstigung um geringeres Geld,
als am Privatmittagstisch eines Magisters oder Bürgers
finden konnte. Dann aber kam, was viel wesentlicher
war, das vom Studenten bisher zu zahlende Kolleggeld
in Wegfall. Wenigstens in der Artistenfakultät, die bei
weitem die meisten Studenten zählte, wurden fortan alle
Hauptvorlesungen unentgeltlich gelesen. Doch blieb es
daneben jedem Magister unbenommen, wenigstens zu ge-
wissen Stunden des Tages — denn es herrschte eine
unverbrüchliche Tagesordnung und ein fester Stundenplan
- Privatvorlesuugen oder Repetitionskurse zu halten, für
die er sich bezahlen lassen durfte.
Fielen aber die Kolleggelder fort, so muiste man an
ander weite Beschaffung der Honorare für die Dozenten
der Philosophie denken. Ein gutes Teil übernahm die
Kasse der Fakultät selbst, der ja immer allerlei Examens-
sporteln und Strafgelder zuflössen; 'dazu traten die reich-
lichen Zinsen einer hochherzigen Stiftung, auf die wir
später noch zurückkommen, und zuletzt hatte der Herzog
gemeint, die Stadt, die doch einen ganz bedeutenden
Vorteil von der Hochschule habe, könne wohl auch einen
Griff' in ihren Säckel thun. Vielleicht hieis das doch
etwas zu viel verlangen; denn bereits hatte sich der Rat
dazu verstehen müssen, auf seine Kosten den Philosophen
ein neues Haus zu bauen, damit ihr jetziges in die ge-
plante Juristenschule umgewandelt werden könnte. Jedoch
er ging auch auf diese weitere Forderung ein und sicherte
für jedes Jahr einen ansehnlichen Beitrag zu6).
Man sieht, die Zahl der Neuerungen war keineswegs
gering; man suchte auf alle Weise zu bessern, Professoren
und Studenten zu fesseln und Leipzig vor der von Witten-
berg drohenden Gefahr zu schützen.
Übrigens stellte sich diese Gefahr in den nächsten
Jahren noch nicht als gar so schlimm heraus. Zwar
5) Dreifsig Gulden jährlich unter der Bedingung: „so ein ma-
gister allhie in diefser Stadt, eins bürgerte Son .Solcher Lection,
einer ader mehr, mit konst und lere vor zustehen und zu lefsen ge-
schickt befunden und vorhanden sein wurde", er einem andern gleich-
tüchtigen Magister fremder Herkunft, vorgezogen werde. Urkunde
vom 25. Januar 1504 (Leipz. Ratsarchiv 4, 9), die in das Urkunden-
buch hätte aufgenommen werden müssen; sie ist es, auf die der
Anonymus No. 252 (1511) S. 310, 34 anspielt.
Leipzig und Wittenberg. 47
hatte das erste Semester der neuen Hochschule eine
überraschend grolse Zahl von Studenten zugeführt, aber
in der Folgezeit liefs der Zuzug doch oft in bedenklicher
Weise nach0). Mancher Ankömmling sah sich doch bitter
enttäuscht; denn mit der Verwandelung des abgelegenen
Winkelnestes in eine Marmorstadt, die der großspreche-
rische Jurist Dr. Scheurl kurz vor seinem Abgange von
Bologna nach Wittenberg ganz kühn als bereits vollzogen
verkündete, hatte es noch gute Wege, und die Worte,
die er gleich darauf als Rektor im Sommersemester 1507
zur Herbeilockung der studierenden Jugend in die Welt
hinausposaunte: „Glaubt mir, der ich in Italien studiert
und es fast ganz durchwandert habe, so viele und all-
seitig gebildete Männer besitzt weder Padua noch die
Mutter der Studien, Bologna", — diese Worte wollten
auch nicht auf die Wagschale gelegt werden. Mit starker
Einschränkung und mit Hinweis nicht auf die italienischen,
sondern die deutschen Bildungsanstalten durften sie allen-
falls von den Mitgliedern seiner eigenen, der juristischen
Fakultät gelten. Sie war es auch, die anfänglich in
Leipzig am meisten gefürchtet, deren Vorhandensein am
empfindlichsten gespürt wurde.
Jedoch der einen Rivalin Wittenberg gesellte sich
schon im Jahre 1506 eine zweite hinzu, Frankfurt an der
Oder, und dafs wie dort so auch hier gerade ein ehe-
malige]- Leipziger Dozent als erster die Würde des Rek-
torates bekleidete — dort Melierstadt und hier der Theo-
loge Wimpina — , das hat wohl in Leipzig nicht wenig
gekränkt. Aber in einem solch feindlichen Gegensatz,
wie von vornherein zu Wittenberg, fühlte man sich zu dem
entlegeneren Frankfurt nicht, gewärtigte auch, und nicht
mit Unrecht, von diesem einen weit geringeren Schaden.
Dafs man freilich mit dem fürstlichen Beschützer Frank-
furts einen schwereren Stand als mit dem verträglichen
Kurfürsten Friedrich habe, darüber belehrte ein charak-
teristischer Vorfall gleich in der nächsten Zeit. In Leipzig
6) Es wurden immatrikuliert ao. 1502: 41 K, ao. 1503: 890,
ao. 1504: 158, ao. 1505: 168, ao. 1506: 188, ao. 1507: 167, ao. 1508:
179, ao. 1509: 193, ao. 1510: 228, ao 1511: 247, ao. 1512: 209, ao. 1518:
151, ao. 1514: 213, ao. 1515: 218, ao. 1518: 162, ao. 1517: 242, ao. 1518:
273. — Über die Frequenz in den ersten Jahren vergl. Scheurl an
Tucher, 3. Mai 1507 (Scheurls Briefbuch 44): „Speramus hunc annum
allaturum nobis magnuin scholasticorum proventum, sicut et ante
pestem ad (luingentos affuisse perhibentur".
48 Felician Gefs:
befand sich ein Konvikt für Mönche aus den Cisterzienser-
klöstern Mittel- und Ostdeutschlands, die akademischen
Studien obliegen wollten, das Bernhardinerkollegium. Ein
Provisor oder Studienleiter stand an seiner Spitze, der
Abt von Altzelle hatte die Oberaufsicht; je nach Ver-
mögen steuerten die beteiligten Klöster zur Unter-
haltung des Gebäudes bei. Als nun in Frankfurt an
Errichtung einer ähnlichen Anstalt gedacht und vom Abte
von Zinna ein Beitrag in Aussicht gestellt wurde, be-
schwerte sich Herzog Georg beim Magdeburger Erz-
bischof, zu dessen Bereich Zinna gehörte, und verlangte,
Beiträge und Studierende sollten von den Cisterziensern
wie bisher nach Leipzig geschickt werden7). Auf det-
ail deren Seite trat Kurfürst Joachim von Brandenburg
mit grofser Entschiedenheit für sein Frankfurt ein; ich
weifs nicht, ob schon bei dieser Gelegenheit, jedenfalls
aber drei Jahre später, als im Winter 1511 die Kosten
eines gröfseren Neubaues in Leipzig dem Herkommen
gemäfs auch auf die märkischen Klöster umgelegt wurden.
„Wir haben eine Universität in unserer Stadt Frankfurt,"
schrieb er an einen seiner Äbte, „da habt ihr Raum
genug zu bauen; demnach befehlen wir euch, nichts zu
solchen ausländischen Gebäuden zu geben und euere
Brüder nach Frankfurt zum Studieren zu schicken."
Gerade um diese Zeit hat Georg aufs neue seine
ganze Aufmerksamkeit der Universität zugewandt, Fast
ein Jahrzehnt war seit seinen Reformversuchen vorüber-
gegangen, ein Jahrzehnt, das ihn über tausend Sorgen
um seinen friesischen Besitz nur nebenbei zum Verfolgen
heimischer Vorgänge hatte kommen lassen, und so mag
er nicht wenig überrascht gewesen sein, als er aus den
neuerdings von den Fakultäten und von einzelnen Per-
sonen eingeforderten Berichten ersehen niufste, welch
unerquickliches Bild nach wie vor die Leipziger Zustände
boten. Er fand die alten Mängel wieder und neue, die
sich hinzugesellt hatten; viele der damals erlassenen Ver-
fügungen waren unbeachtet geblieben, andere hatten sich
als unzweckmäßig, einige als geradezu verderblich heraus-
gestellt. Kein Rektor hatte daran gedacht, gegen die
ärgerniserregende Konkubinenwirtschaft einzelner Magister
7) Loc. 10532 „Leipziger Universitäts-, Rats- und andere Händel"
1367—1537, fol. 340, 9. Januar 1508. — Zum Folgenden vergi.
Loc. 8942 „Herzog Georgens Beschwerden".
Leipzig und Wittenberg. 49
mit scharfer Strafe, wie der Herzog es geboten hatte,
einzuschreiten, denn es wollte eben keiner „der katzen
dye schellen anhengen"s). Es war keine Rede davon,
dals die Rückberufung der abwesenden Kollegiaten von
Erfolg gewesen, oder der Ausbleibende mit Entziehung
seiner Kollegiatur bestraft worden wäre; mancher hatte
seit sechzehn Jahren Leipzig nicht wieder gesehen und
doch seine Stelle noch inne; seine Mitkollegiaten behielten
seine Einnahmen in Leipzig zurück, liefsen" sie in die
eigene Tasche fließen und hatten daher das lebhafteste
Interesse an dauernder Abwesenheit einzelner Genossen.
So kam es auch selten zur Erledigung einer Kollegiatur.
Für solchen Fall hatte die Reform des Jahres 1502 vor-
geschrieben, die wählenden Kollegiaten sollten ausschliefs-
lich Männer berücksichtigen, die sich um die Hochschule
verdient gemacht und etwas geleistet hätten. Wir haben
damals neue Hoffnung gefaist, versicherten jetzt die Ma-
gister der Artistenfakultät dem Herzog, haben auf Vor-
lesungen und Übungen gröfseren Fleifs verwandt, um doch
einmal zu dem ersehnten Ziele einer Kollegiatur und
damit einer gesicherten Existenz zu kommen — aber es ist
alles umsonst gewesen. Gunst und Freundschaft, Be-
stechung und Schmeichelei geben wie früher bei der
Wahl den Ausschlag, und wer in Leipzig heraufgedient
und einen akademischen Grad um den andern unter
Opferung beträchtlicher Summen erworben hat, mufs
hinter Leuten zurückstehen, die aus der Ferne herzu-
gelaufen sind und hier ihre Vettern haben. So bleibt den
Leipziger Magistern bald nichts anderes mehr übrig, als
auszuwandern, die neuen Universitäten aufzusuchen, wo
man sie besser zu schätzen weils, und von wo aus manchem
bereits Einladungen zugekommen sind9).
Ohne Wirkung schien die herzogliche Mahnung an
s; Anonymus No. 252 (1511), 312, 35.
°) No. 226 (bereits 1502 — 1505) S. 269, 6 und 271, 1. Vergl.
dazu meine Beilage. No. 231 (1511) S. 278, 37: „Auch magistri, dye
ezwas mergklichs und nuzbarlichs zu gedey e. f. g. universitet ge-
thau, gar seiden abyr nymer mit collegiaturen abyr sosten einolimentis,
dovon sy sich in yren alten ihareu enthalden muchten, werden be-
gabit und begnadit, alleyne dye heuchler und die sich rucken können,
werden gefordt, kaynes fleifs nach muhe und arbayt geachtet." —
No. 252 (1511) S. 313, 21 : „dye meisten, dye do sint elegirt vor und nach
•User reformation, sonderlich in etzlichen zelten, haben am wenigsten
in universitate gethan, ist sich zu vormuten, sie seint per dativum
darzu kommen."
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 4
50 FeTician Gefs:
die medizinischen und juristischen Professoren geblieben
zu sein; wenigstens wurden beide, diese noch mehr als
jene, beschuldigt, sie vernachlässigten ihre Vorlesungen
in sträflicher Weise, verliefsen Leipzig oft für Wochen
und Monate, um auswärtiger Praxis nachzugehen, und
veranlafsten so ihre Schüler, der hiesigen Hochschule den
Rücken zu kehren und die Wittenberger oder eine andere
aufzusuchen, wo sie pflichteifrigere Lehrer und ungestör-
teren Unterricht fänden10).
Mit aller Entschiedenheit replizierten nun zwar die
Angeklagten. Sie behaupteten, sehr fleifsig zu sein, sie
wiesen auf ihr knappes Dozenteneinkommen hin, das sie
geradezu zwinge, Nebenverdienste aufzusuchen, auch auf
die in ihren Fächern liegende Notwendigkeit, ab und zu,
anscheinend auf Kosten, in Wahrheit zu Gunsten des
Kollegs, praktisch sich zu bethätigen, der Arzt am
Krankenbett, der Rechtsgelehrte im Prozesse ; sei es doch
„nodt und gut, nicht alleyne die kunst, sundern auch
übunge zu erlangen". Übrigens , so durften die Juristen
hinzusetzen, schicke sie ja sehr oft der Herzog selbst
auf Reisen und bestimme sie zu aufserakademischer
Thätigkeit11).
Ganz mit Unrecht halte man ihnen vor, sie seien
durch die Wittenberger juristische Fakultät überflügelt,
und Wittenberg nehme hauptsächlich wegen dieser Fa-
kultät mehr und mehr zu. Allerdings habe der vor
kurzem von Erfurt dorthin berufene Jurist Hennig Göde
eine Anzahl alter Schüler nach sich gezogen: voll werde
sein Saal aber erst durch ein gut Teil Nichtjuristen,
Angehörige der theologischen und philosophischen Fakultät.
Mit Wissenschaft und Lehre des Göde wollten sie es
10) 1511 Fakultisten No. 231 S. 279, 21 (vergl. meine Beilage):
,.E. f. g. universitet nymet mercklich abe; die scholares juriura Avenden
sich kegen Wittenbergk und nit ane ursack, wan doctores gedachter
facultet leisen unvleyssieklick, als genielte scholares sagen und clagen
und sagen werden, wo sye befraget." 1511 Hat der Stadt Leipzig
No. 276 S. 364, 7: „Item fso werden die lectiones in den beiden
faculteten als der iuristen und ertzt lel'slich gehalten , kumpt davon,
das die lectores viel und oft reyfsen und aufszihen, dardurch auch
die scholares vordrofsen und unwillig werden, das ire alhir zu vor-
zeren, werden dardurch vorursacht, sich in andere universiteten zu
begeben, als dann kurtzlich geschehen ist."
n) 1511 Juristen No. 250 S. 306, 13 — 1511 Ordinarius der
Juristenfakultät No. 287 S. 393, 16 und 394, 33. — Dekan der medi-
zinischen Fakultät, März bis Oktober 1511, No. 339.
Leipzig' und Wittenberg. 51
wahrhaftig noch aufnehmen, sie Wülsten, was er in Erfurt
geleistet habe, und Georg möge sich darauf verlassen,
er habe „allewege alhir zwene geschickte und gelarte
doctores iuris, dagegen zu Wittenberg kaum eyner ist"12).
Die Leipziger Juristen sahen den Grund des Wachs-
tums von Wittenberg vielmehr in der Tüchtigkeit der
dortigen Artisten oder in den niedern Lebensmittelpreisen ;
den Grund, warum nicht wenige juristische Studenten in
letzter Zeit Leipzig mit Wittenberg vertauscht hatten,
in der schroffen und rücksichtslosen Art, wie ihnen von
Seiten des Rektors begegnet wurde. Da die Fakultät
noch immer nicht das Pädagogium von den Artisten hatte
übernehmen können — es geschah erst 1515 — , weil
das für diese bestimmte Haus noch im Bau begriffen war,
hatte sie auch kein Konvikt für ihre Schüler. Nun ver-
langte der Rektor, die jungen Leute sollten, wie andere
Studenten, in den Kollegien und Bursen wohnen; sie aber
dünkten sich, zumal da manche vom Adel unter ihnen
waren, etwas besseres als ihre Kommilitonen und wollten
schlechterdings davon nichts wissen; sie schlugen ihr
Quartier bei den Bürgern auf. Der Rektor wieder be-
rief sich auf die Statuten und nahm die Widerspenstigen
in Geldstrafe, erwirkte auch beim Rat der Stadt, dafs
den Bürgern die Behausung von Studenten untersagt
wurde. Da entschlofs sich denn der eine und andere
der Musensöhne, zum Wanderstabe zu greifen und nach
Wittenberg überzusiedeln, wo die Bürger die Studenten
bei sich aufnehmen durften13).
Auch mag wohl mancher Nichtjurist dem Beispiel
gefolgt sein, denn ich möchte es nicht unbedingt als un-
glaubwürdig bezeichnen, was die Juristen 1511 dem
Herzog berichten: „der Studenten ist unsers vorsehens
bynnen anderthalben iaren über 500 weniger wurden"14).
So viel geht jedenfalls aus allem mit Sicherheit hervor:
die sämtlichen vier Fakultäten in Leipzig zitterten vor einer
Auswanderung in Masse. Es wurde zur allgemeinen Parole :
nur keine zu weit gehenden Anforderungen im Examen!
12> 1511 Juristen No. 250 S. 306, 19 ff. — Der Wittenberger
Jurist Scheurl berichtet am 3. Mai 1507 (Scheurls Brief buch 44) über
seine Zuhörer: „nee aliquid est nuod nie voluptate afficiat, nisi dis-
cipuli, qui ad triginta et ex his viginti presbyteri et septem artiun.
liberalium magistri docentis verba diligenter excipiunt".
i3) Vergl. No. 250 und 287, beide vom Jahre 1511.
l4) No. 250 S. 306, 24.
4*
52 Felician Geis:
lieber ein Auge zudrücken, lieber noch ein paar Gulden
mehr vom Examinanden sich geben lassen, nur niemanden
abweisen, denn sonst laufen uns die jungen Leute nach
Wittenberg oder Frankfurt15). Die Theologen nahmen
es nicht mehr gar so genau mit den Vorschriften über die
Baccalaureatsprüfung; die Juristen promovierten manchen
Dorfpfarrer und Of'iizial, der nur wenige Vorlesungen
besucht hatte, ja manchen, der nicht zu sagen wuiste,
wo die Juristenschule stand; die Mediziner schlugen allem
Herkommen ins Gesicht und machten Leute zu Licen-
ziaten, die noch gar nicht den Magistergrad erworben
hatten; die Artisten endlich trieben es am schlimmsten
und erlagen als die am schlechtesten besoldeten nur gar
zu leicht der Zauberkraft des Sanctus Denarius.
Freilich wurde das von ■ den schuldigen Fakultisten —
denn nur sie bildeten die Examenskommissionen nach
Möglichkeit zu beschönigen gesucht. Sie behaupteten,
bei der heute herrschenden Verwilderung genüge nun
einmal nur ein geringer Bruchteil der Studenten in Be-
tragen und Leistungen den von Alters üblichen An-
sprüchen ; sei es da nicht besser und auch von erziehlicher
Wirkung, wenn man die gröisere Hälfte, statt sie zurück-
zuweisen, durch Abgabe eines Strafgeldes für die man-
gelnde Keife hülsen lasse? Übrigens seien die Examina-
toren manches Mal willens, einen unwürdigen Kandidaten
durchfallen zu lassen, sogleich aber werde dann von den
jungen Magistern, den Nichtfakultisten — die zwar nicht
1S) Anonymus 1511 No. 252 S. 315, 15: „man wil difs stuck
gemeyner ununderscheydlicher Zulassung fast in allen faculteten da-
mit beschonlich vorglympffen: wu sie zu Leyptzk nicht promovirt
weiden, laufen sie in dye neuen universiteten Wittenberg oder Franck-
furt; ist nicht gnugsam ursach darumb untüchtige zuzulassen. Auch
sagt man , das sie in denselben neuen universiteten fast mit allen
graden sunderlich in artibns mehir ernst, scherffe und nffsehen haben,
widder zu Leyptzk, dann in neuster fasten seyn sieben zu Witten-
berg pro baccalariatu reycirt ; promovirte man geleite und reycirte
ungelerte , lirecht der universitet grossen ruf, wurd auch mehir zu
nutz, wenn zu schaden gedeyen." — Über die Theologen speziell
S. 307, 36, über die Juristen S. 309, l.über die Mediziner«. 309, 14 —
Herzogliche Aufforderung an die Examinatoren der Artistenfakultät
(1511 No. 256 S. 325, 10), fortan keine Unfähigen mehr durchs
Examen zu lassen und „sich des, das dieselben ungeschigkten gegen
Wittenbergk oder Franckfurdt laufen möchten , nicht bekomme™
lassen, denn dieselben ungelerten und ungeschickten der universitet
nichts mehr dann schimpft', als im widerfall die geleiten gut gerucht
bringen."
Leipzig und Wittenberg1. 53
examinierten, aber auch zum Examen vorbereiteten — ,
eine Entrüstungsscene gemacht und von Tyrannei und
Ungerechtigkeit gesprochen16). Lieh aber der Herzog der
hier bezichtigten jüngeren Generation der Lehrerschaft
sein Ohr, so wurden ihm die Dinge wesentlich anders
geschildert: sie beklagte sich, dals der ihr zugethane
Student einen schwereren Stand im Examen habe, als ein
Schüler der Fakultisten, dals er nicht selten unter der
Abneigung des Examinators gegen seinen jungen Lehrer
leiden müsse17); sie redete auch bald abfällig von den
Prüfungsgegenständen und nannte die Prüfenden nicht nur
bestechlich, sondern auch Männer „nach der alten Welt",
altmodische Leute, die keine Fühlung mit der heutigen
Jugend, kein Verständnis für ihre geistigen Bedürfnisse
hätten, ohne doch hinzuzusetzen, welcher Art denn die
neue Welt und diese Bedürfnisse seien. Aber das war
auch nicht notwendig; sie wufste, dals sie vom Herzog
verstanden würde. Hatte er selbst doch gerade das Er-
wachen dieses Neuen im letzten Jahrzehnte an seinem
Teil gefördert, hatte er doch zum grofsen Verdrufs der
Fakultäten die „fremden Poeten" unterstützt und zu Vor-
lesungen ermächtigt, diese Männer, die in gar keinem
oder nur dem losesten Verhältnis zur Universität standen,
die gar nicht einmal alle die Magisterwürde besafsen
und sich herausnahmen, Lektüre und Interpretation römi-
scher Dichter und Redner über die althergebrachten
philosophischen Vorlesungen zu stellen18). Seit ihrem
lü) No. 231 (1511) S. 279, 9 und 38; No. 252 (1511) S. 314, 19.
17) Leipziger Rat No. 276 (1509-1511) S. 364, 34: „so auch
zu zeiten ein examinator eines gesellen raagister, der sich under
das examen begibt, ein Widerwillen traget, so mufs oft derselbige
arm geselle defselbigen Unwillens entgelden, werden zu zeiten yer-
hönet und andere, so fast weniger und geringer an der lare sind,
zugelafsen ... so es auch fast am ende des examinis ist, vormandt
der techant und examinatores die gesellen, das sie sollen vor sich
bitten lafsen, geschiet darumb, das man inen corrupciones geben sali,
und welcher das nicht thuet, ader auch das sein magister ader
ander nicht vleissigk vor ine bitten, ob er gleich sunst an der lere
genugksam, so mufs er doch ader mannicher oft ein schimpf un-
schuldiglichen gedulden". — Nichtfakultisten No. 232 (1516—1518)
S. 281, 32: es kommen immer weniger Examinanden wohl deshalb,
weil die Examina „noch alder weiis aus vorworffen und ycz zur
zeit ungeachten autoribus geschehn, die examinatores zum teyl
geringschetzig und noch der alden weldt, derhalben sich vil und
forderlich aufs dem adel, welch etwan auch in artibus promovirt,
yren examinibus zu undergeben vorachten" etc.
18) Klagen über die fremden Poeten und ihre Nachahmung
,-.j Felician Gels:
provozierenden Auftreten, zumal seit der bis ins Jahr
1511 reichenden Thätigkeit des kecksten unter allen, des
von der alten Generation bitter gehalsten und -schließlich
verjagten Ästikampian , den wir einige Jahre später in
Wittenberg wiederfinden, war die immer vorhandene Kluft
innerhalb der Artistenfakultät zwischen alten und jungen
Magistern noch bedeutend erweitert, denn ein gutes Teil
von diesen jungen hatte in die Bahn der Poeten ein-
gelenkt, las nun vor vollen Bänken über die Klassiker
und impfte der Jugend die Liebe zum ciceronianischen
Ausdruck und die Verachtung des mittelalterlichen Lateins
der Philosophen ein. Vergeblich eiferten die alten Ma-
gister dagegen und behaupteten, das sei gar keine Wissen-
schaft mehr, denn „scientiae sunt de rebus unde nicht
de vocabulis. Wer vocabula weis, der ist eyn gram-
maticus, er ist derhalben aber nicht gelart, ader ein
Philosoph, doruff die universitet gefundirt, dann vocabula
zu wissen, gehöret knaben zu"; vergeblich wiesen sie
auf den die Sittlichkeit gefährdenden Inhalt mancher
römischen Dichtungen hin, aus denen die ohnehin schon
lüsternen jungen Leute lernten „streiten, schlaen unde
hauen, auch amasien lernen erkennen unde Unzucht, welchs
sie aus juuglicher hitze unde Zuneigung dorrioch üben
unde vorbrengen" 19). Georg war der richtigen Ansicht,
dafs sich diese Gefahren durch passende Auswahl der
Lektüre vermeiden liefsen, und blieb den humanistischen
Studien nach wie vor gewogen20). Nachdem schon Ästi-
kampian aufser einer Reihe von Prosaikern den Vergil,
Horaz und Plautus behandelt hatte, kam jetzt auch
Terenz hinzu, und bald wurden Stücke der beiden Lustspiel-
dichter von Studenten unter Leitung des jungen Magister
Lemberger an Fastnacht auf dem Rathause gespielt-1).
durch die jungen Magister: No. 226 (1502-1505) S. 272, 9; No 235
(1511) S. 290, 14; No. 252 (1511) S. 310, 38. - Georg schreibt am
7. November 1512 an die Universität und wünscht, dafs Johannes
lluttichius nicht länger am Lesen gehindert- werde: „Uns heduncket,
gut zu sein, das ymandes sey, der lecciones halte, die den schulern
furtreglichen , und alletzeit nicht solle geachtet werden, ap der in
eynem grade sey ader nicht" (Copial 106 fol. 273h). Über Huttich vergl.
Bursian, Gesch. der klass. Philologie in Deutschland S. 165.
191 No. 235 (1511) S. 290, 14 ff.
20) No. 254 (1511) S. 321, 32.
-■) Leipziger Ratsarchiv, Stadtkassenrechming für 1514/15 : „als
magister Lemberger und andere magistri und Studenten Comediam
terencij, eunuchen genant, uf dein rathaufs uf allerman vafsnacht
Leipzig und Wittenberg. 55
Aber zunächst waren es nur die römischen Klassiker,
mit denen sich die jüngere Generation so eifrig beschäf-
tigte. An die der Griechen ging sie erst im Jahre 1515.
Ab und zu hatte sich zwar schon in dem voraus-
gehenden Jahrzehnt dem Leipziger Studenten Gelegenheit
geboten, das Griechische oder wenigstens die Anfangs-
gründe des Griechischen zu erlernen. Mancher der
fremden Poeten hatte sich mit mehr oder weniger Recht
seiner Kenntnis in dieser Sprache gerühmt und sich be-
reit erklärt, sie andern zu übermitteln. Von dem leicht-
fertigen Wandervogel Hermann von dem Busche und von
dem nachmals als Geschichtsschreiber geschätzten Caspar
Ursinus Velius, die beide um das Jahr 1504 in Leipzig
verweilten, wird es ausdrücklich berichtet. Fünf Jahre
später taucht ein freilich nur halbgebildeter Grieche aus
Kreta in Leipzig auf, bei dem sich immerhin auch etwas
profitieren liefs; doch scheint er nur kurze Zeit geblieben
zu sein--). Mit Astikampians Griechisch war es nicht weit
her: er hat sich, in Leipzig wenigstens, auf die Sprache
und Litteratur der Römer beschränkt. Nun kam aber zu
Beginn des Jahres 1515 2:!) in dem Engländer Richard
Orocus ein für die damalige Zeit ausgezeichneter Gräcist,
der klug genug war, durch bescheidenes und vorsichtiges
gespilt, und so dan vormals keyne alhir gespilt wurden, ist ime ge-
geben zu vererung iij ß, xxx gr.". Stadtkassenrechnung für 1516/17:
„magister Lemberger hat «dicz jhar ein Comediam plauti uf dem
Ratbaus im abschide des Rats agirt" etc. — Späterhin wurden der-
artige Aufführungen nicht mehr gestattet; warum'? weifs ich nicht
anzugeben; vergl. den Ratsbeschlufs vom 1. März 1519 (Leipziger
Ratsarchiv I, 25 b fol. 22 b), wonach dem Magister Reusch nicht
gestattet wird, „seine Commedien uf dem Rathause zu agiren, weyl
es andern magistern zuvor vorsaget". Doch ist gerade in diesen
Märztagen schiiefslich doch in Anwesenheit Georgs und des Hofes
eine Komödie Reuchlins gespielt worden. Vergl. Seidemann in
der Zeitschr. für bist. Theologie 1849 S. 176 Anm.
2a) Mutian an den in Leipzig studierenden Urban (Krause,
Briefwechsel des Mutianus Rufus S. 136) Ostern 1509: Lob des
Griechischen; „Persevera, mi Urbane, aemulare Catonem illum Cen-
sorium sub magistro Cretense, qui etsi parum docte graecas literas
iuventutem docet, jacit tarnen fundamenta et in auditores arcanam
quandain pronunciandi vim depluit".
2a) Erasmus an Linacer (op. Erasini III, 136) : „Crocus regnat
in Academia Lipsiensi publicitus Graecas docens litteras": angeblich
vom 5. Juni 1514, thatsächlich , wie der übrige Inhalt des Briefes
ergiebt, vom 5. Juni 1516. Schmidt, Petrus Mosellanus (Leipzig
1867) S. 20 hat sich durch das falsche Datum verführen und des
Crocus Thätigkeit in L. schon 1514 beginnen lassen.
gg Pelician Gefs:
Auftreten das Mißtrauen der älteren Generation zu ent-
waffnen und so dem Lose der früheren Poeten zu ent-
gehen-4). Die Zuneiguno- der jüngeren Generation hat
er sich im Fluge erobert und eine ganze Schar von
Magistern und Studenten ist zu ihm in die Schule ge-
gangen: der Magister Veit Werler, der sich bereits als
Kenner und Herausgeber Plautinischer Komödien einen
Ruf erworben hatte, der feingebildete Magister Coelius
Aubanus, der Magister Helt von Forchheim, den der
berühmte Camerarius von allen seinen Lehrern am höchsten
stellte, und unter den Studenten Camerarius selbst und
der Leipziger Bürgerssohn Caspar Creutziger, der spätere
Wittenberger Schlofsprediger und Universitätslehrer. Auch
einige junge Leute von hohem Adel schlössen sich ihm
an. Und als er im zweiten Jahre seines Aufenthaltes
ein lockendes Anerbieten aus Böhmen erhielt, spendete
der Herzog die ansehnliche Summe von fünfzig Gulden,
um ihn seiner Universität wenigstens noch ein Jahr zu
erhalten, und auf des Herzogs Anregung legte der Rat
der Stadt zwanzig und die Artistenfakultät zehn Gulden
bei'25). Mit achtzig Gulden war gut auskommen2"). Wie
kärglich mufste sich Mosellanus — Peter Schade aus
Bruttig an der Mosel — durchschlagen, der bald nach
24) Vergl. seine überschwängliehe Lobrede auf die Leipziger
Universität. (bei Böhme, De litteratura Lipsiensi p. 191), das Gegen-
stück zn Ästikampians Spottrede. Seinen Gedankenaustausch mit
Ulrich von Hütten wird er den Leipzigern sorgfältig verheimlicht
haben. Leider fehlen uns seine Antworten auf Huttens Briefe aus
Bologna vom 9. August 1516 („Narrantur mihi epistolae obseurorum
virorum tota Germania divulgari et apud vos quoque haberi in mani-
bus gaudeo absens, non nescius interea quam isthic vos triumphetis
praesentes bis, quibus monumentum hoc fit insultando. Age igitur,
nihil intermitte, quod quidem divexandis pessimis hominibus usur-
pare possis: barbare ridentur barbari") und 22. August 1516 („Accepi
Obscuros viros: dii boni quam non illiberales iocos ! Verum ipsum
me autorem non iam suspicantur sophistae, sed ut audio palam
praedicant. Oppono illis te . . nee me istis sordibus pollui sine.
De eadem ipsa quoque re copiose perscribas cura; attenduntur raro
Lipsienses; cottidie aliquid audis ; quid moliantur fac sciam").
25) Vergl. Urkundenb. No. 298 und meine Bemerkungen zu
dieser Nummer in der Beilage.
20) Angaben über Honorare der Juristen in Wittenberg bei
Muther. Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben S. 423 ff. Dazu:
Seheurl an Sixt Tucher 3. Mai 1507 (Scheurls Briefbuch S. 44):
„Serenissimus prineeps raeus . . . deputavit ad lecturam sexti, et cum
praedecessores mei vix 60 aureos habuerint, intuitu cognationis meae
cotoginta mihi constituit".
Leipzig und Wittenberg. 57
( 'locus in Leipzig anlangte und neben ihm, aber ihm zu-
getlian in treuer Freundschaft vom gemeinsamen Auf-
enthalte in Köln her, als zweiter Lektor des Griechischen
sein Glück versuchte! Für zwei Lektoren schien doch
nicht Platz genug; die Aussicht, an Crocus Stelle in
Böhmen Unterkunft zu finden, zerschlug sich, und wie
gerne ihn der am kurfürstlichen Hofe in Weimar so ein-
flufsreiche Spalatin in Wittenberg, wie gerne ilin Mutian,
der allzeit hilfsbereite Gönner aller Gelehrten, in Erfurt
an der Universität untergebracht hätte es wurde beide
male nichts daraus. Doch unverdrossen arbeitete der
jugendeifrige Mosellan weiter; auch er wufste sich einen
Kreis zu schaffen, und als der glücklichere Rivale im
Frühjahr 1517 in das Vaterland heimkehrte, erlebte er
die Genugthuung, vom Herzog zum Nachfolger ausersehen
und damit der äufseren Sorgen überhoben zu werden"7).
Und doch wollte es ihm auch jetzt noch nicht in Leipzig
wohl werden; er klopfte nach Jahresfrist noch einmal in
Wittenberg an2s).
Es war kein Geheimnis geblieben , dals auch dort
neuerdings die Berufung eines Griechen ernstlich in Frage
stand-9), deren Notwendigkeit vor allen andern der immer
27) Mosellan an Mutian (Krause S. 606) 25. Mai 1516:
„Verum quod attinet ad ea, de quibus ante memini tibi scribere,
Spalatinus noster ita nobis respondet, ut neque plane iubeat oijwtofeir,
neque etiam spem magnam faciant, quae scribit. Neque vero haec
ita accipias, quasi ad triarios res mea redierit. Iino fortuna meis
meritis major arridet, verum lianc ipsam et multis et laboriosis
praelectioni'bus coemimus, adeo ut nihil sit otii super, quo ingenii
nervös transponendis graeeis intendere liceat. Augetur ac crescit
quotidie libraria nostra suppellex, adeo ut si nihil aliud hoc tarnen
solatii in nostris aerumnis habeamus." — Mutian an Petrejus in
Erfurt (Krause S. 609, mit dem falschen Datum 5. Juni) 13. Juni
1516: „De Petro feci Phaednun. Haec Attica Musa belle graecissat,
Docet plurimos. Vellem isthic (Erfurt) ageret. Nam Lipsi Crocus
graece profitetur Britannus. Hie Mosellanus est adhuc admodum
adolescens, homo, ut faciam summariam indicaturam, pius, disertulus,
latinus atque ita graecus, ut admirari possis. Legit apte, cantat
Homerum, Hesiodtim, Theocritum. Etiam si Romae esset, laudem
inveniret. Scribe, amabo, ad Phaedrum et invita sub hac lege, ut
si locum mutare velit, ad vos devolet. Amisit Boemum. Princeps
elector tenacior est quam fuit. Negat stipendia non paucis suo con-
sulens fisco, etsi omuium maecenas dici iure debeat." — Mosellan
an Julius Pflug 23. August 1517 bei Müller, Epp. Mosellani etc. ad
Pflugium p. 1.
2S) Luther an Spalatin 4. Juni 1518, Enders I, 205.
29) Verfrühte Meldung Huttens an Nuenaar vom 3. April 1518
(Böcking I, 168): „Lipsiae quamquam pertinaciter adhuc reluc-
58 Felicia» Gefs:
mehr hervortretende Theologe Martin Luther mit Eifer
betonte, für die Spalatin nach wie vor80) wann eintrat,
und dais sich der Kurfürst endlich schlüssig gemacht und
an den berühmten Reuchlin um Bezeichnung einer passen-
den Persönlichkeit gewandt hatte. Man hoffte auf Keuch-
lins Grolsneffen Philipp Melanchthon in Tübingen. Aber
ob der Oheim ihn aus seiner Nähe lassen werde, ob
Melanchthon selber geneigt sei, blieb Wochen hindurch
fraglich; erst im Hochsommer hatte man sein Jawort.
Damit war für Mosellan die Aussicht abgeschnitten.
Aber das hat nicht gehindert, dafs Melanchthon sogleich
in ein herzliches Verhältnis zu ihm trat, als er auf seiner
Reise nach dem Norden im August 1518 in Leipzig einen
kurzen Aufenthalt machte.
Die Briefe von Luther aus den letzten August- und
ersten Septembertagen:!1), die man immer wieder mit
Genufs lesen wird, sind voll des Lobes und der Be-
geisterung über diesen äufserlich freilich noch so knaben-
haften Mann der Wissenschaft, über den Eindruck, den
seine Antrittsrede am 29. August hervorgerufen, über die
beispiellose Anziehungskraft, die gleich sein erstes Kolleg
gehabt hatte, voll der Sorge, dafs die Leipziger Melanch-
thon noch abspenstig machen könnten, zumal wenn ihm
das rauhere Wittenberger Klima nicht bekomme, wenn
sich die kurfürstliche Regierung nach ihrer Übeln Ge-
wohnheit gar so knapp und sparsam zeige. „Bald haben
wir von seiner Statur und Person abgesehen und nur die
Sache in ihm bewundert und beglückwünscht. Er ist ein
Mann, jeder Ehre wert". — „Wir treiben alle Griechisch
um des Verständnisses der Bibel willen". - „Er hat sein
Auditorium voll von Zuhörern, und zumal die Theologen
vom ersten bis zum letzten erfüllt er mit allem Eifer
für die griechische Sprache". — „Er ist der grölste Ge-
lehrte, der feinste Grieche." So schrieb Luther an Spa-
latin, an Staupitz, an Lang.
tentur sophistae, erigunt so tarnen litterae et augentur rccta studia.
Et Wittenbergam a Fridericho Principe accersuntur qui Graece et
Hebraice doceant."
s0) Spalatin hätte schon Crocus gern nach Wittenberg gerufen,
s. seinen Brief an Lang vom 2. März 1515 bei Krafft, Briefe
und Dokumente S. 135. — Luther an Spalatin 18. Mai 1518,
Enders I, 193.
;il) An Spalatin 31. August, an Staupitz 1. September, an Spa-
latin 2. September, an Lang 16. September, Enders I, 221, 224,
227 und 237.
Leipzig und Wittenberg. 59
Diese Briefst eilen führen uns zugleich auf den wesent-
lichen Unterschied zwischen dem Betriebe des Griechischen
in Wittenberg und in Leipzig. In Wittenberg war der
Betrieb des Griechischen in erster Linie Mittel zu einem
höheren Zweck: graecissamus omnes propter intellectum
bibliae; in Leipzig war er in erster Linie Selbstzweck
und herrschte entschieden das philologische Interesse
vor32). In Wittenberg waren es die Theologen, oder war
es der alle anderen überragende und führende Theologe,
der unermüdlich auf die Berufung eines Griechen ge-
drungen hatte, der den Berufenen auf alle Weise zu
halten, zu fördern, zu unterstützen suchte, der ihm mit
seinen Kollegen und Studenten den Hörsaal füllte; nun
hat zwar auch in Leipzig einer der Theologen, der Doktor
Dungersheim von Ochsenfart, die Vorlesungen des Crocus
besucht, ja Crocus spricht in der Lobrede, die er vor
den Leipzigern auf Leipzig hielt und die er mit Über-
treibungen und Superlativen stark spickte, von Theologen
im Plural; er nennt nur leider keine Namen, und ver-
geblich sehen wir uns nach irgendwelchem Zeugnisse
dafür um, dais die griechischen Studien von der theo-
logischen Fakultät eine Förderung oder auch nur eine
Empfehlung erfahren hätten. Soviel ist gewifs, Mosellan
erfuhr alle denkbare Hinderung und Gehässigkeit von
dieser Fakultät und der ihr gesinnungsverwandten Schar
der älteren Artisten. Man mufs seinen erregten Brief
an Erasmus vom Januar 1519 lesen, worin er sein Herz
ausschüttet über all die Kniffe und Chikanen dieser
„Sophisten" und „Schwätzer": das Griechische auszu-
rotten, vermögen sie nicht mehr, dazu hat es schon zu
tiefe Wurzeln geschlagen, so haben sie denn ihre Taktik
gewechselt und richten ihre Angriffe nicht mehr auf die
Sprache, sondern auf den Lehrer der Sprache und reden
den Studenten vor, gewifs thue man gut, auch Griechisch
zu treiben, aber nur nicht bei einem Lehrer deutscher
oder halbfranzösischer Abkunft, wie Mosellan es sei, viel-
mehr bei einem geborenen Griechen oder einem Italiener;
Mosellans Kenntnisse müfsten recht mittelmäfsig sein,
3i) Dafs es nicht alleinherrschend war, beweisen die Worte in der
Eingabe der 15 Magister an den Herzog vom 12. März 1516 (No. 298
S. 407, 6; vergl. m. Beilage): „Quantopere enim ad christianara
religionem grece littere faciant, abunde docet divus Augustinus, qui
in secundo de doctrina ehristiana libro iubet nos ad grecuni codicem
recurrere, si quid in sacra novi instrumenti scriptura titubaverit."
6Q Felician Oefs:
andernfalls hätte ihn längst der grofse Erasmus seines
Wohlwollens und brieflichen Verkehrs gewürdigt88).
Trotz alledem, wie verschlagen auch diese würdige
Gesellschaft dagegen eifern mochte — die Sprache des
neuen Testamentes war für Leipzig erobert, um ihm nie
wieder entrissen zu werden. Und so eben ging man
daran, auch die sieben Siegel zu lösen, mit denen bisher
die des alten Testamentes verschlossen lag. Hier hatte
nun das umgekehrte Verhältnis statt, wie beim Griechi-
schen : hier war Wittenberg um einen kleinen Schritt der
älteren Universität voraus. Zwar hatte es Crocus schon
33) Opera Erasmi (Leyden) 111 , 403 , Mosellan an Erasmus,
6. Januar 1519: „Est hie sophistarum et ut tu recte pariter ac l'acete
vocas uaxuioXoyuiv ingens turba, cum quibus mihi ac paucis quibus-
(lam aliis pro litterarum publico houore stantibus assidua est pugna.
Seil in hoc certamine, qui majorem iuventutis partem in suam per-
traxerint faetionem, abeunt victores. Laboratur utrinque vehementer,
hinc viribus, illinc insidiis ac technis . . . Jactant nebulones isti cum
omnium honestarum litterarum, tum vero praeeipue Graecarum hostes
apud rüde iuveuum vulgus, ut maxime sint discenda Graeca, id quod
tot donflictibus vix tan dem obtinuimus, ea tarnen a nie homine Ger-
mano aut (sie Treviros agnoseunt) semi-Gallo tradi non posse. Quando-
quidem , inquiunt, si quid in ea lingua prae vulgo posses, iam pri-
dem cum Erasmo (huius, ut ipsi iudicant , TtoXvngttyfAoavytjg apud
Germanos parente) aliqua tibi intercederet familiaritas, ut minimum
mutuo literarum officio contraeta. Deinde si quis omnino et temptis
et sumptus prodigere velit, Graecae litteraturae cognitionem ab Italis
ac Graecis petendam. Sic enim homines arguti xQ<o£ovreg iuventntem
ab audiendis Graecis absterrere moliuntur . . . Neque vero multos
adeo nobis abduceret haec cavillatio. nisi per naturam uiaunovoi
essemus omnes et persuasio haec de Italorum eruditione non tantum
Germaniae pestilens niteretur eorum suffragiis, quos pro soeiis hostes
experimur, band scio an non ipsis crassis barbaris multo peiores. Hi sunt,
qui tribus quatuorve latinis figuris instrueti alii poetas oratores alii
se ostentant et inveniunt homines fortunati se dignos auditores, apud
quos Graecanica studia, si diis placet, ad rem Latinam aut nihil aut
parum admodum facere magna temeritate declamant, cuius farinae
impium quendam nebulonera nescio quis aquilo in baue scholam nobis
ex ipsa usque Dalmatia invexit. Quid multis? rem feceris tum mihi
gratissimam tum nostrarum litterarum studiosis hie agentibus iueun-
dissimam, si vel unis litteris tuum in nos animum fueris testatus" . .
Erasmus erfüllte den Wunsch und schrieb einen Brief, den Mosellan
mit Stolz vorweisen konnte. — Der impius nebulo ist Parthenius,
von dem wir aus denselben Tagen — Leipzig 3. Januar 1519 —
einen Brief an Pirkheimer besitzen, bei Heumann S. 321; die aus
seinen Sätzen „Erro proeul . . . propediem absolvam" sprechende Selbst-
überschätzung weist auch das Bild auf, das wir uns nach dem merk-
würdigen Briefe des Erasmus an Parthenius (Opera Erasmi III, 464,
Löwen 28. Juni 1519) von diesem machen müssen. Mosellan ist ihn
bald in Leipzig los geworden.
Leipzig und Wittenberg. 61
1516 seinen heiisen Wunsch genannt, auch des Hebräischen
mächtig zu werden, doch blieb es, wenigstens in seiner
Leipziger Zeit, beim Wunsche ; zwar hatte sich Mosellan,
vielleicht schon 1518, wenn auch unter Seufzen über den
barbarischen Charakter der Sprache, in ihre Elemente
hineingearbeitet, wohl unter Anleitung seines Hausgenossen
und Dieners, des getauften Juden Bernhard34) — , aber
an einen Dozenten des Hebräischen . dachte Leipzig noch
nicht, als Luther gleichzeitig mit einem Griechen und
nicht weniger dringend einen Hebräer für Wittenberg
verlangte. Erst einige Monate nach Melanchthon, Anfang
November 1518, langte der ungeduldig Erwartete an
und begann seine Lehrthätigkeit. Doch enttäuschte dieser
Johann Böschenstein die Hoffnungen etwa in dem gleichen
Maise, wie Melanchthon sie übertroffen hatte: ein hart-
köpfiger, eigenwilliger Schwabe, der seine philologischen
Liebhabereien und Feinheiten zum besten geben und nicht
begreifen wollte, dais es den Hörern einzig und allein
auf gründliche Kenntnis des wichtigsten grammatischen
Stoffes ankam. Schon nach zwei Monaten war mit ihm
nicht mehr auszukommen, und an seiner Stejle übernahm
der unermüdliche Melanchthon aushilfsweise auch die
hebräische Professur35). Luther aber that sich im Früh-
jahr 1519 aufs neue nach einem Hebräer um. Er fafste einen
Schüler Reuchlins, den Johann Cellarius aus Kunstadt
ins Auge, der bisher in Heidelberg gelehrt und sich soeben
**) Mutian an Reuchlin, 13. September 151«? (Gillert, Brief-
wechsel des C. Mutianus S. 229:) „Nuper Crocus Britannus cum apud
rae quiesceret et Grocinum et Aleandrum et nescio quos magistros
laudaret, deesse sibi dixit hebraicam scientiam, quam omni vi pro-
sequi vellet. In eodem sunt hie proposito Phaedrns (damit ist
Mosellan gemeint) hie, cuius epistolam exhibeo et multi discretissimi
iuvenes'. — Mosellan an Lang, Leipzig, Mai 1519 (Krause, Epistol.
aliquot sei. Progr. Zerbst 1883): „Hebraicae linguae barbaries ipsa
utilitate sui taedium levat discenti mihi". Über Bernhard vergl.
Enders IV, 97.
») Luther an Spalatin 12. November 1518 (Enders I, 278):
„Studium nostrum prospere et feliciter agit, praesertim Graecitatis;
Hebraeus tan tum professor, suo more, caput habet et id ponderat,
quod pondere caret. Nam ea quae nos maximi faeimus, facile et
libenter tradit; ea quae nos paene contemnimus velut denegaturus
magnifacit. id est, vim litterarum et verborum nos curamus, prosodiam
vero minus quaerimus, faaud sperantes, futuros nos oratores apud Ju-
daeos. Inservimus tarnen homiiii, ne quid querelae (ad quam unus
omnium promptissimus est) jactet". 24. Januar 1519 (Enders I, 372):
„Hebraicas literas Philippus noster traetat, ut maiore fide ita et
maiore iruetu quam Johannes ille 6 unomürrig, id est, discessor."
ß2 Felician (iefs:
durch Heiausgabe einer kleinen hebräischen Grammatik
empfohlen hatte. Der Kandidat stellte sich in Wittenberg
persönlich vor und wartete dann in Leipzig den Entscheid
des Kurfürsten ab. Warum dieser sich verzögerte, ob er
ablehnend ausfiel, ob er ganz ausblieb, ist für uns nicht
mehr erkennbar; genug, das Interimistikum in Wittenberg
dauerte weiter, Herzog Georg aber nahm, wie es scheint,
auf Mosellans Betreiben, die Gelegenheit wahr und be-
hielt den Cellarius als Lehrer des Hebräischen in Leipzig.
Schon im Sommersemester hat dieser dort unterrichtet88).
So waren also für Leipzig mit dem Jahre 1519 die
Vorbedingungen eines fruchtbaren theologischen Studiums
erfüllt, ohne Zuthun, ja wider Willen der Theologen.
Wie öde und marklos war bisher ihr Unterricht! Sie
lasen fast ausschliefslich über den Thomas von Aquino
und seinen Haupterklärer den Johannes Capreolus, über
diesen neun Jahre oder gar noch länger und über jenen
bruchstücksweise, so dais eine seiner Schriften unter Ver-
nachlässigung der übrigen immer wieder, Semester auf
Semester, traktiert wurde. Die biblischen Bücher blieben
so gut wie ganz, die der Kirchenväter blieben völlig un-
berücksichtigt. Mit andern Worten: was die verdrossene
und immer lichter werdende Schar der Schüler von den
Lehrern empfing, das machte ihr keinen Mut und gab ihr
keinen Stoff und keine Anleitung zu späterer Predigt-
thätigkeit; sie hörte so gut wie keine Exegese, sondern
dogmatische Spitzfindigkeiten, sie trieb keine biblischen,
sondern scholastische Studien, sie stieg nicht hinab zu
den wahren Quellen, oder doch wenigstens zu den Autori-
täten der ersten Jahrhunderte, sondern wühlte unbefriedigt
herum in der seelenlosen Koinmentarenlitteratur des Mittel-
alters37).
;!") Luther an Spalatin, 22. Mai L519 (Enders II, 57): „..aute-
quam nbeas, quaeso, exploratam nobis relinque meutern 111. Principis
de Hebraico professore. Fuit nobiscum rediturus propediem Johannes
Cellarius Gnostipolitanus ....hie. omnia nobis promisit, quae possit,
fideliter traditurum sese (modo Lipsiae agit nostras liferas expectans),
si honesto salario a nostro Principe III. providendum se inteÜexerit."
— Leipziger Katsarchiv, Stadtkassenrechnung', Sommer 1519: „dem
magistro im hebreischen den Sommer alhir gelesen" etc. gegeben
I Schock 15 («röschen; der gleiche Betrag wird ihm in den nächsten
drei Semestern seitens der Stadt gezahlt. — Cellarius ist nach
mancherlei Irrfahrten 1542 als Superintendent in Dresden gestorben.
:,?) Klagen der Niditfakultisten 151:; 1 ö 1 s Nö. 232 S. 282, 31;
der polnischen Nation 1515 — 1518 No. 234, S. 288, 36; des Anonymus
Leipzig und Wittenberg. 63
Und dies in denselben Jahren 1512 — 1518, als der
Wittenberger Theologe Martin Luther, anfangs nicht
ohne Widerspruch seiner scholastischen Kollegen, bald
aber von ihnen unterstützt und begleitet, den ganz ent-
gegengesetzten Weg einschlug, keine anderen, als exe-
getische Vorlesungen hielt — wenn auch unter Zugrunde-
legung der Vulgata — , die Psalmen und nacheinander
die wichtigsten neutestamentlichen Briefe erklärte, den
Thomas bei Seite schob und mit Nachdruck immer wieder
auf Augustin verwies. „Unsere Theologie und St. Augustin",
so konnte er bereits im Mai 1517 an seinen Freund Lang
in Erfurt schreiben, „machen tüchtige Fortschritte und
herrschen mit Gottes Hilfe auf unserer Universität.
Aristoteles steigt alimählich herab und neigt sich zum
Falle, wohl zum Falle für immer. Man ist der Vor-
lesungen über die Sentenzen stark überdrüssig, und wer
auf Zuhörer rechnen will, der mufs über diese Theologie,
cl. h. die Bibel oder St. Augustin oder einen andern Lehrer
kirchlicher Autorität, vortragen." Und bald blickte er
nicht ohne frohes Selbstgefühl und herzliches Mitleid
nach Leipzig hinüber, unter dessen Theologen er keinem
einzigen das richtige Verständnis auch nur eines Kapitels
in der Bibel, ja auch nur eines Kapitels in ihrem hoch-
geschätzten Aristoteles zugestand: „Fände ich Gelegen-
heit, einen von ihnen auf die Probe zu stellen, ich wollte
den schlagenden Beweis dafür erbringen"38).
Luther ahnte damals nicht, dais seine Geringschätzung
der theologischen Fakultät Leipzigs von Mitgliedern der
anderen dortigen Fakultäten geteilt wurde. Hätte er sich
darnach umgethan, so würde er manche Stimmen ver-
nommen haben, die den herrschenden Betrieb der theo-
logischen Studien herb tadelten, die zwar nicht wie er
die völlige Beseitigung jener scholastischen Vorlesungen,
wohl aber ihre starke Beschränkung und die Berück-
sichtigung der prophetischen Bücher, der paulinischen
Briefe, der Schriften eines Augustin, Hieronymus, Am-
brosius und Gregor dringend verlangten. Und hätte er
sich einen der jüngeren Artisten einmal vorgenommen,
etwa den Magister Veit Werler oder Coelius Aubanus —
wir haben sie vorhin als eifrige Verehrer des Crocus
1516-1518 No. 278, S. 368, 1, und der beiden Studenten Law 1516
No. 314, S. 428.
;;s) Enders I, 100, 173, 350.
64 Felician Gefs:
kennen gelernt — , so würde er bei ihnen ohne Zweifel
auf entschiedenen Widerspruch gestolsen sein mit seiner
Verurteilung des Aristoteles in Bausch und Bogen, auf
lebhafteste Zustimmung aber mit seinem Worte, die Leip-
ziger Theologen verständen kein einziges Kapitel im ganzen
Aristoteles. Er würde bittere Klagen von beiden darüber
gehört haben, wie hartnäckig die Theologen und ihr An-
hang unter den älteren Magistern der philosophischen
Fakultät daran festhielten, dals in den Vorlesungen nur
die „unförmliche alte Translation" des Aristoteles zu-
grunde gelegt würde, jene lateinische Übersetzung nach-
klassischer und mittel alterlicher Gelehrten, in der ein
wiederauferstandener Aristoteles nur mit Mühe, mitunter
überhaupt nicht, seine Gedanken wiedererkannt hätte;
wie zäh sie der Einführung der neuen, in klarem und
gewandtem Latein geschriebenen Übertragung, mit der
Gelehrte griechischer Abkunft im vergangenen Jahr-
hundert das humanistische Italien beschenkt hatten, trotz
aller Einrede widerstrebten ; wie eben wegen dieses Fest-
hältens an der barbarischen Translation neuerdings leider
auch der Leipziger Student von Philosophie und Aristoteles
nichts mehr wissen wollte39).
3fi) Eine Zusammenstellung der Stimmen für und wider die
neue Translation ist nicht ohne Interesse: 1511 herzogliche Reform.
No. 253 S. 319, 13 (vergl. No. 256 S. 326, 16): „es sal denselbigen
lectoribus die naue oder alte tranfslation Aristotelis zu lefsen zu-
gelassen sein". — 1515—1519 Polnische Nation (der um diese Zeit
zum mindesten zwei Theologen, Lic. -Matthias Frauendienst und Lic.
Martinus Meendorn, angehört haben) No. 234 S. 288, 8: Das Gedeihen
der Universität „fleust irstlich von Got, dornach unssirs bedencken
aufs der alden translation, die in diesser universitet vleyssig gehalden,
gelessen und interpretirt wird,doraufs auch diesse universitet weyt nich-
tig ist und famirt, wiewol etliche magistri, villeicht nicht aufs bosser
meynung, die nawe translation begerin zu lessen, das uff keynen
weg zu raten ist, wir wolden denn gar vil nidersteygen, denn wir
in kortz , sundirlich sieder nesten pest uffgestigen seyn. Man mag
abir wol die aide translation durch die naue eieren und interpretiren".
— 1516—1519 Juristenfakultät No. 259 S. 333, 1 : wünscht, „das man
antiquas und novas translaciones liest". — 1516 — 1519 Sechs Nicht-
fakultisten (darunter Werler und Koel) No. 232 S. 282, 14: „Das
Studium Philosophie izt zur zeit von den studentibus so sehr voracht
und undergedruckt wird, kumpt unsers bedunckens daraufs, das (lic
alt translacion Aristotelis, bisher gelesen, den schillern umb ires
ungeschiniKkt.n latein gantz unlustig und zu hörn verdrislich." —
1516—1518 Anonymus No. 279 S. 373, 29: „So der lector, nachgelasen
des text (aller opinion und disputation grundt) verclerung, solde
alleine beati Thome und etzlicher ander, die den Aristotelem nie
gentzlich verstanden haben und allein aus gebrechen der schweren
Leipzig uiid Wittenberg:. 65
Aber was ging denn die Theologen die Physik und
Metaphysik des Aristoteles an? Vorlesungen über diese
und andere Schriften des Stagiriten müssen doch Sache
der Philosophen und nicht der Theologen gewesen sein?
Warum liefsen sich denn jene von diesen darein schwatzen,
wenn es sich darum handelte, welche Übersetzung zu
Grunde zu legen sei?
Allerdings, die fertigen Theologen, die auf Licentiatur
und Doktorat zurückblicken konnten, haben diese Vor-
lesungen über aristotelische Philosophie nicht gehalten,
wohl aber hatten sie ein Verfügungsrecht, oder hatten
sie sich ein solches angemafst, über sechs von diesen
Vorlesungen. Als im Jahre 1503 der Bischof von Brixen,
ein Herr von Meckau, eine stattliche Summe gestiftet
hatte, aus deren Zinsen die Dozentenhonorare aufser für
theologische auch für sechs philosophische Vorlesungen
gezahlt werden sollten — dies ist die Stiftung, die wir im
Eingang erwähnten — , da hatte ein Leipziger Theologe
die Verhandlungen mit dem Stifter geführt, und er und
seine Kollegen behaupteten nun, es sei der Wille des
Stifters, dals sie, die Theologen, die Dozenten für jene
sechs Vorlesungen jedes Semester aus der Schar der
Magister der Artistenfakultät auswählten. Vergeblich
protestierten dagegen die Artisten, Juristen und Medi-
unformlichen translation gebrauehent werden, opinionibus sich solde
befteyssen, so wurde der text, aller derselbigen opinion ein ursprungk
und befestigung, hinderstelligk beleyben und nichts gewisse gelernet
werden. Über das alles solde billich e. f. g. behertzigen , wer des
text des Aristotelis gruntlichen verstandt liatt, der ist all denselbigen
opinionibus in aller disputation überlegen . . . Auch soll sich e. f. g.
durch keynerley persuasion lafsen von der clerlichen, förmlichen und
warhafftigen neu translation abwenden von den, die der rechten la-
teynischen sprach gefar sein aber hessigk, dieweyle durch derselbigen
gebrauchung die weyssheyt mitsampt der wolberedung mit eynen
vleyfs und muhe weit (= beid) zugleych gelernet, auch er eyner die
alte translation construirt gelernt hat, so hat er die ander gruntlich
verstanden und begriffen, und aus der neuen ein iar meer dan zwey
in der alten gelernen mage . . . Auch hat man in der alden trans-
lacion eyne zeit lang keyne exemplaria gehabt, will sie auch nimantz
drucken beyn unfs." — 8. April 1519, Georg an die Artistenfakultät,
Locat 10532 Leipziger Universitäts- und andere Händel 1367 bis
153 7 fol. 454: Befehl, dafs bei der neuen Bestellung der Lektionen
darauf geachtet werde , „das vor allen dingen«1 die naue Traufslacio
nuhe hinfur gebraucht". Das ist dann auch in dem Lehrplan vom
.lahre 1519 (bei Zarncke, Statutenbücher S. 34) geschehen; hier
kommen Bessarion Argyropulos, Theodorus Gaza und andere zu ihrem
Recht. Vergl. Paulsen, Geschichte des gel. Unterrichts S. 68.
Neues Archiv f. S. (i. u. A. XVI. 1. 2. 5
QQ Felician Gefs:
zilier; denn auch die beiden letzteren waren bei der Sache
wesentlich interessiert, insofern ja ihre Hörer, wie die
der Theologen, zu einem guten Teil aus Magistern der
Artistenfakultät bestanden, vielfach kam es vor, dals ein
Magister in der philosophischen Fakultät lehrte und gleich-
zeitig in einer der drei oberen oder „groisen" Fakultäten
hörte, um späterhin nach bestandenem Licentiatenexamen
ganz in sie überzutreten. Man warf den Theologen aller-
seits vor, sie übten ihr erschlichenes Wahlrecht in ganz
parteiischer Weise, übergingen die Hörer der Juristen und
Mediziner, berücksichtigten allein ihre eigenen, wählten
aus ihnen nur solche, von denen ihnen geschmeichelt und
der Hof gemacht werde, und kümmerten sich gar nichts
um die wissenschaftliche und sittliche Befähigung der
Auserlesenen40).
40) Vergl. No. 227 S. 278,8 (und dazu meine Beilage No. 227!).
— 1511 Fakultisten No. 231 S. 279, 1: „Es ist auch ayn ander ge-
brech, das dye geschickten magistri und abeln (— habiles), welche
auch die supposita in yren resumpcionibus gerne hören, zu lefsen
und resumiren nit werden deputirt und vorordnet, alleyene dyeihenige,
welche vorbet und gunst haben." — 1511 Juristen No. 250 S. 305, 10:
es unterstehen sich „die theologi und facultisten alle lection ander
den magistris irer facultet aufszuteylen, lectores und resumptores
ires gefallens zu setzen und dringen dorniitte den andern faculteten,
als den iuristen und medicis die magistros abe. Darumb were es nodt,
das etzliche doctores von den iuristen und medicis bey sulcher aufs-
teylunge der lection auch seyn mochten und macht betten, die mit
zu vorordnen". — 1511 Anonymus No. 252 S. 308, 8: „Zum andern
haben ynen dye theologi sechs lectiones in artibus von des cardinals
begabung zu bestellen vorbehalten, dyeselbigen mit tüchtigen magistris
zu vorsehen, werden aber alleyn magistri, sehuler der theologen,
aufs gunst darzu bestelt, und das do erger ist, müssen dye doctores
darumb gegrast werden, und welcher sie nicht bitt, darf sich nicht
vormuten, das er zu eynicher lection erweit wirt, wenn sie achtens
vor eyn vorsmahung", ... so dulden sie. das eyn magister, von ynen
erweit, eynem andern nicht geweiten seyne lection nach seynem ge-
fallen resignirt und ubirgibt, dye dan der, dem dye resignation
gescheen, ane ymands inrede also beheldt, list und vorfolgt. Mag
wol der erste geweite tüchtig zur lection gewest sein, darzu yilleicht
der ander, dem sie aufs gunst vorlassen, gar nicht tüchtig ist." —
1511 herzogl. Reform No. 254 S. 319, 3: Der Herzog will die Wähler
„bey iren eyden verbunden haben, das sie keinen, der umb solche
lection bittet, darzu sollen gebrauchen, sundern allein magistri, die
darzu tuglichen, sie studiren, in welcher facultet es inen ebent adder
geliebt, und darumb nicht gebeten, sollen ufgenommen werden, welche
lectiones sie selbst vorsehen und nymands resigniren sollen". —
1515—151!) Juristen No. 259 S. 333, 3 wünschen, dafs „allein dye
facultet arcium dye lectores zu ordiniren und dye herren theologi
nichts dormitte zu thuen haben, sunst werden die magistri, dye
Juristen sein, aufsgedrungeu und vorstossen". — 1516—1518 Ano-
Leipzig und Wittenberg. 67
Bei so vielen seit Jahr und Jahrzehnt ergehenden
Klagen über ihre schwachen Leistungen in der eigenen
Wissenschaft, über ihr störendes Eingreifen in den Be-
trieb der philosophischen Studien, über ihr hochfahrendes
Wesen, das sie immer und überall, auch wenn es sich
um feierliche Akte der drei andern Fakultäten handelte,
den Vortritt begehren liefs41) — wie hätte der Herzog
eine sonderliche Achtung vor seinen Leipziger Theologen
gewinnen sollen? Jedoch er fand zu seiner schmerz-
lichen Überraschung kurz vor Ablauf des Jahres 1518,
dais er sie immer noch überschätzt habe. Damals suchte
der Ingolstadter Professor Eck darum nach, mit seinem
Gegner, dem Wittenberger Professor Carlstadt, vor den
Leipziger Gelehrten über einige Punkte disputieren zu
dürfen, die in nahem Zusammenhange mit Luthers vor-
jährigen 95 Thesen standen. Die theologische Fakultät
wies das Gesuch zurück und zwar, wie sie dem Herzog-
entwickelte, aus folgenden drei Gründen: einmal be-
fürchte sie ein Zusammenströmen vieler auswärtiger
Studenten und Laien, das leicht zu Aufruhr und Tumult
führen dürfte, ferner glaube sie mit Rücksicht auf Kur-
fürst Friedrich davon absehen zu sollen, dessen Mifsfallen
sie andernfalls wohl sich zuziehen würde — stillschweigend
wurde hier die Niederlage des Wittenbergers voraus-
gesetzt — und schließlich entbehre sie ja der obrigkeit-
nymus No. 278 S. 370, 35 schlägt vor, es „solden die lection Philo-
sophie moralis der iuristenfacultet glidmafs zugeteylt, der philosophie
rationalis lection der heyligen schrift't facultet rnagistris, der philosophie
naturalis lectiones den rnagistris der artzney wurden zugeschafft*. —
Wintersemester 1522/23. Eingabe von 29 Magistern, worunter Andreas
Franck, derzeitiger Rektor, Caspar Borner, Philippus Novenianus,
Christoph Hegendort' (ein sehr interessantes Schriftstück, das un-
bedingt in das Urkundenbuch hätte aufgenommen werden sollen). Loc.
9884 Leipzigische Händel 1519 — 1526 fol. 125: „Quod Philosophia
negligitur, non tarn est in causa ordinacio aute quadriennium facta
(die von 1519), quam collatores praeleccionum theologi, a quibus pro
favore iis committuntur , qui vel Seniores sint , vel pigriores , quam
ut laborem in tradenda philosophia cum fructu ferant; quare collacio
ad magistros omnes, quibus debetur, revocanda est, a quibus per artem
deducta est, uti possumus probare nonnullis testibus , qui negocio
adfueruut."
") No. 259 S. 333, 10 Juristenfakultät (1515—1519): Immer
wollen die Theologen vorgehen, „man promovire iuristen, medicos
ader artisten, ader laufen darvon; sulchs macht vil unordenuDge,
dann man solte eyner itzlichen facultet ire ere und standt lassen in
iren actibus und promocionibus."
68 Felician Gels:
liehen Gewalt, den Streit der Disputanten zu schlichten
und beizulegen.
Georg sah die Sache mit ganz anderen Augen an:
er erkannte eine Ehre für seine Universität darin, dais
sie als Walstatt auserkoren sei, nachdem Eck vorher an
die weltberühmten Plätze Rom, Paris und Köln gedacht
hatte. Die Gründe der Fakultät wollten ihm gar nicht
einleuchten; den zweiten liels er in seiner Erwiderung t2)
ganz unbeachtet, den ersten und dritten erkannte er nicht
als stichhaltig an: der gefürchtete Tumult lasse sich
leicht verhüten und eine Verpflichtung, den Richter der
Disputanten zu spielen, liege für die Fakultät nicht vor.
Er verlange deshalb, dais den beiden Gegnern die Dis-
putation gestattet werde.
Jedoch die Theologen beruhigten sich dabei nicht;
sie erörterten noch einmal mündlich und ausführlich in
Dresden ihre Einwände, sie steckten sich gleichzeitig
hinter den Bischof von Merseburg, und dieser warnte
die Universität als Diözesan in ernsten Worten vor Zu-
lassung der Disputation, die durchaus wider Wunsch und
Willen des Papstes sei.
Nun aber brauste Georg gewaltig auf. Er schrieb
dem Bischof, in Leipzig habe man in früherer Zeit mehr-
fach über Fragen des christlichen Glaubens disputiert,
so über die Dreieinigkeit und das Sakrament des Abend-
mahls, und keinem Menschen sei es eingefallen, dagegen
Einspruch zu erheben; warum denn nun nicht über die
Frage disputieren, „ab eyn sele kegen hinimel füre, wenn
der pfennig im begken klingt" ? warum nicht Klarheit in
der Abiaisfrage schaffen, „damit der arme leyhe umb das
sein nicht unwissent btrogen word"? und wie sollte es
wider Wunsch und Willen des Papstes sein, „das wir
armen leyhen underweist werden, woran wir recht thun,
und ab wir ye durch dy falschen ausleger btrogen seint,
das das an tag komm"? Übrigens sei ihm der wahre
Grund, warum sieh die Leipziger Theologen so heftig
42) De VVette-Seidemann VI, 658 Aum. (3<>. Dezember 1518);
liier auch ein Brief Georgs an Eck (31. Dezember 1518). Alle übrigen
Schriftstücke, die die Disputation betreffen . bei Seidemann, Die
Leipziger Disputation (1843) in den Beilagen ( vergl. dazu neuerdings
Enders V No. 818u — 8]8P). Es ist ganz unbegreiflich, dafs nicht
ein einziges der vielen Stücke in das Urkundenbuch Aufnahme ge-
funden hat; das Urkundenbuch weife von keiner Disputation, sodafs
ein Rezensent auf den naiven Gedanken verfallen konnte, es hätten
sich wohl keine Papiere aus jener Zeit erhalten.
Leipzig und Wittenberg. 69
sträubten, sehr wohl bekannt, habe er sie doch „alweg
vor müssig und unzeitige leut hören rumen"; ja, brächte
ihnen die Disputation ein schmackhaftes Festessen und
einen netten Geldgewinn, sie schlügen sofort ein, aber
sie besorgten von ihr eine leidige Störung ihres Behagens,
sie fürchteten, ihre ganze Urteilsunfähigkeit möchte bei
diesem Anlafs kläglich zu Tage treten: deshalb die
Weigerung. Da seien ihm unmündige Kinder lieber als
solche Theologen, und alte Weiber ihm mehr nütze, „dy
sungen uns und spönnen uns umbs Ion". Um der Ehre
seiner Universität willen bestehe er auf der Disputation
und bitte, ihm keine weiteren Schwierigkeiten zu machen 4:i).
Schwierigkeiten hat nun freilich der Bischof noch
mancherlei gemacht ; aber der Herzog setzte seinen Willen
durch, die Disputation fand statt und zwar nicht nur
zwischen den beiden anfangs angemeldeten Streitern,
sondern auch zwischen Eck und Luther, auf den der
Ingolstadter Gelehrte von Anfang an recht eigentlich ge-
zielt hatte. Der merkwürdige Vorgang auf der Pleissen-
burg in den letzten Tagen des Juni und den ersten des
Juli 1519 ist in allen seinen Einzelheiten bekannt. Was
43) Bemerkenswert ist die Nachschrift des Herzogs ; der Bischof
hatte seinem Schreilien (vom 11. Januar 1519) hinzugesetzt: „Euer
lieb wollen auch der Sachen allenthalben zu gute, wie letzt zu leipzik
darvon uuderredt, bey den Buchdruckern doselbst ernstlich vorschaffen
und gebieten, nichts zudrücken anzunehmen, es sey dann zuvor durch
Euer lieb vorordente doctores mit vleyse übirsehen und zudrücken
zugelassen"; der Herzog antwortete (17. Januar 1519): „Dy weil wir
aber unsser doctores der mofs bfunden, das ine kein arbait nicbt
bequemen wil , so dengken wir sy dysser und anderer muhe zuuor-
tragen und woln uff dye gdengken, dy in sulchen hendeln mehr
nutzs zuschalten wessen, denn wir sy bfunden." — Bereits die herzog-
liche Keform vom Jahre 1511 (No. 254 S. 323, 18) hatte vorgeschrieben:
„So doctores ader magistri ichtes neues machen wurden, sollen sie
bey eyner straff nicht ausgehen lassen, es sey dann zuvor von eyner
itzlichen facultet neben den executoribus übersehen. Es sali auch
dergleichen den druckern, es sey dann zuvor durch die obgeschriebene
zugelassen, zu drucken verboten werden." Aber diese Bestimmung
scheint ganz aufser Acht geblieben zu sein; die Polnische Nation
sagt 1515-1519 (No. 234 S. 289, 6), „das ifs sere gut sey, das keyn
magister adir doctor, zo her wes nawis gemacht hat, dasselbige edirn,
lessen adir scolaribus communicirn sali , ifs sey denn von derselben
facultet dorinne her schreibet, wol übirlessen zugelassen und approbiret,
wenn dodurch kommet diese adir andir universitet leychtlich in eynen
schimpf, schaden und bösse nachsagen, wie itzunt vorhanden, das
got von uns gnediglichen abewende" (offenbar eine Anspielung auf
die epistolae obscurorum virorum) — vergl. auch No. 232 (1516—1518)
S. 282, 26.
70 Felician Geis:
uns hier interessiert, sind seine Folgen für das Verhältnis
der beiden Universitäten zu einander. War es denn von
vornherein ausgeschlossen, dafs hei persönlichem Verkehr
zwischen beiden akademischen Körperschaften — die
Wittenberger Disputanten waren von vielen Kollegen
begleitet — , dals bei mündlicher Auseinandersetzung über
die theologischen Fragen, von denen die jüngere Uni-
versität in allen ihren Gliedern bereits so mächtig bewegt
wurde, ein Verhältnis wechselseitiger Achtung und An-
erkennung sich entwickele? Luther hatte die Möglichkeit
einer so wünschenswerten Wendung anfänglich nicht ge-
leugnet; aber gleich die ersten Leipziger Tage belehrten
ihn eines anderen. Er war bitter enttäuscht durch den
Empfang und die Aufnahme; er sah sich nicht begrüfst,
sah sich von der theologischen Fakultät geradezu ge-
mieden, während sein Gegner mit Ehren und Beifall
überhäuft wurde, er fand ihre Glieder ohne Ausnahme
auf Seiten Ecks und fühlte ihre Schadenfreude, sobald
Eck ihm seine Nadelstiche versetzte und das Gespenst
der böhmischen Ketzerei heraufbeschwor44).
Auch was einige Wochen hernach von Berichten über
die Disputation aus Leipziger Federn im Druck erschien,
zeigte Voreingenommenheit und Abneigung, ein Machwerk
in deutschen Versen geradezu Gehässigkeit gegen Luther.
Wohl hielt es dann der damalige Rektor in Leipzig,
Wüstenfelder, für angezeigt, einen Entschuldigungsbrief
deshalb aufzusetzen, aber er schlug einen so hochfahrenden
Ton an, dafs sich die Wittenberger Universität noch mehr
verletzt fühlte und im ersten Augenblick an ein energisches
Protestschreiben dachte 45 ).
In den übrigen drei Fakultäten Leipzigs sah es nun
aber doch etwas anders aus; bei ihrem Gegensatz zur
theologischen war es nicht möglich, dals sie ohne weiteres
in das Geschrei mit eingestimmt hätten. Bei dem Or-
dinarius der Juristenfakultät und spätem herzoglichen
Kanzler Simon Pistoris und bei dem feingebildeten Medi-
»') Luther an Spalatin 20. Juli 1519 (Enders II, 81). Hier
der Satz: „cum speranda fuisset concordia inter Wittenbergenses et
jjpsenses. hac invidia fecerunt, timeo, ut discordia et displieentia
primum videatur nata."
*B) Zahlreiche briefliche Äußerungen Luthers aus dem bep-
tember und Oktober; an Spalatin 15. Oktober 1519 (Enders II, 201):
,.Mitto epistolam superbam rectoris Lipsensis heri acceptam, in qua
omnia ea committit insipiens caput, quae excusat vel deprecatur.
Adeo acriti sunt homines."
Leipzig und Wittenberg, 71
ziner Auerbach war Luther zu Tisch gebeten worden,
auch finden wir ihn in der nächsten Zeit mit diesem in
Briefverkehr. Ein anderer juristischer Professor Georg
von Breitenbach suchte ihn im November in Wittenberg
auf und bewies ihm durch das hingeworfene AVort, einen
Leipziger Theologen sehen, das heifse so viel, wie die
sieben Todsünden sehen, dafs man von den Schwächen
der geistlichen Kollegen ein sehr deutliches Bewulstsein
hatte4"). Schließlich fehlte es schon vor der Disputation
zwischen einigen der jüngeren Magister und dem Kreise
Luthers und Melanciithons nicht an freundschaftlichen
Beziehungen, und ihre Zahl hat sich nachher noch ver-
mehrt.
Vor allen anderen war es Mosellan, der aus seinen
Sympathien für Wittenbergs Studieneinrichtung und aus
seinem Anteil an Wittenbergs Aufblühen kein Geheimnis
machte. Und er beliefs es nicht bei Worten; er trat
recht eigentlich in die Fufsstapfen Melanciithons. Wie
dieser Nichttheologe sein Wissen und Können ganz in
den Dienst der Theologie stellte, so griff auch Mosellan
jetzt zur patristischen Litteratur und bald, auch zum
neuen Testament, Er machte sich an eine Übersetzung
des Gregor von Nazianz: dessen Theologie anstatt der
Sentenzen des Petrus Lombardus als Lehrbuch in die
Hände der heranwachsenden Theologen zu bringen, war
sein heifser Wunsch; er las im Sommersemester 1520
über Augustin und zwar mit einem ganz unerhörten Er-
folge, denn er zählte mehr als 200 Hörer, darunter sogar
ein Dutzend Mönche und einige zwanzig Magister und
Baccalaureen der Theologie. Dafs die Jugend ihm zu-
gethan sei, lag damit klar zu Tage; dafs die Mehrheit
der Universitätslehrer ihn zu schätzen wisse, ging schon
daraus hervor, dafs sie ihn zu Beginn jenes Semesters
zum Rektor erkor, ihn, den fünfundzwanzigjährigen, der
gerade erst vor einem Vierteljahr den von ihm selbst
verspotteten Magistertitel erworben hatte47). Gleich-
40) Luther an Spalatin 20. November 1519 (Enders II, 263):
„Doetor Preyttenbac.h et D. Henricus Schleynitz meo convivio suo
honoraverunt , multam suam erga nie hnmanitatem ostendentes ; non
noveram antea homin.es. Nihil egimua nisi de Lipsensibus Theo-
logis, qnibus ille non multum tribuere videbatur. Unum didici
apophtegina: si quis (inquit) theologum eius generis videt, septem
deccata mortalia videt."
47) Mosellan an Lang 26. Dezember 1519 (Krause, Epistolae
aliquot selectae Progr. Zerbst 1883) : „De rerum mearum statu deque
72 Feliciän Geis:
zeitig- bewies aber auch der Eerzog, dafs er an seinem
günstigen Urteil über Mosellan testhalte, und das durfte
ihm als ein Zeichen von Unbefangenheit und weitem Blick
hoch angerechnet werden. Denn an Angebereien und
Verleumdungen hatte es die bitterfeindliche theologische
Fakultät nicht fehlen lassen; wuiste sie doch, wie gering
dieser junge Mensch von ihr dachte, war ihr doch jener
Brief an Erasmus zu Gesicht gekommen, worin er ihr so
übel mitgespielt hatte: nun nannte sie ihn bei Hofe einen
Mit verschworenen der Wittenberger, der durch Wort und
That auf Leipzigs Verderben hinarbeite, und wies darauf
hin, wie geflissentlich er immer Lob und Preis des Kur-
fürsten im Munde führe. Es mufste ihr ganz unbegreiflich
sein, dafs Georg trotzdem fest darauf bestand, Mosellan
solle als Kollegiat ins groise Kollegium aufgenommen
werden. Freilich ging diesem auch die Verwarnung zu,
Zunge und Feder künftig besser im Zaume zu halten
und zu schweigen, wenn er über Leipzig und seine Männer
nichts Rühmliches zu berichten wisse48).
iniquissimorum sophistarum elaneulariis contra me insidiis deque
meis consiliis ad Jonam nostrum scripsi copiosius. (Der Brief ist
nicht mehr vorhanden.) Theologiam Nazianzeni latino sermone donare
coepi . . . Spero fore ut haec tov Seoloyelv ratio Petri Lombardi
sententias sit explosura . . . Wittenbergensium res florent , ntinam
diutissime." — Johannes Keusch an Pirckheimer , Leipzig 15. März
1520 (Heumann S. 230): Leipzig blüht auf. „Fiun tenim praelectiones
in omni disciplinarum genere, maxime in iis, quae a iunioribus ma-
yistris praeleguntur. Petrus Mosellanus, qui nostrae Academiae non
parvum splendoris attulit in diesque magis ac magis affert, graece
latineque docet quam accuratissime. Taceo de philosophis, qui iam
saepius commonefacti iam tandem resipiscunt. De theologis vero
non est, quod scribam .... Haerent enim nostrates in eo quo diu
haesitarunt luto. Nam tametsi quibusdam ad optima praelegenda
non desit opera, non possunt tarnen laborando tantum assequi, ut
lolio et avena cum tribulis extirpatis novus sit locus plantationi.
Kit enim ut qui linguam absynthio habent infectam, iis quicquid
deinde biberint aut ederint, absynthium sapiat." — Mosellan an
Agricola 31. Mai 1520 (Wilisch. Arcana Bibliothecae Anna-
bergensis 173) : ,,Praelectio Augustini miro successu a nie suscepta
enecat istos, qui nolint svnceriorem theologiam reflorescere." —
Hedio an Zwingli, 10. Juni" 1520 (Schul er und Schultheis VII,
136): „Petrus Mosellanus expulsus aliquamdiu a sophistis
iam agit rectorem studii Lipsensis, ubi quatuor sunt, qui
publice profitentur graecas litte ras." Diese Nachricht ist
in ihrem ersten Teile falsch, in ihrem zweiten doch wohl übertrieben.
48) Mosellan an Julius Pflug l.März 1520 (Schilter, De libertate
ecclesiar. Germaniae S. 852) : „ ... Et alioqui satis negotii exhibent
hie xuy.otteoloyoi , qui me plane exercitium suum habent. Itaque
liorum crabronum opera persuasum erat illustrissimo prineipi Georgio
Leipzig und Wittenberg. 73
Mosellan hat sich das gesagt sein lassen, und Ulrich
von Hütten wandte sich an die falsche Adresse, wenn
er ihn gefade jetzt in stürmischen Worten zur An-
t'euerung Luthers aufrief49). Für Mosellan, als den Rektor
der Leipziger Universität, galt es vielmehr, Luther ab-
zukühlen und zu besänftigen, einen gewaltsamen Losbruch
von lang angesammeltem Zorn und Hohn und Spott um
jeden Preis zu verhüten.
Luther hatte die ganze Zeit Leipzig scharf im Auge
behalten. Er war genau unterrichtet über dortige Vor-
gänge, über die erschreckende Abnahme der Frequenz,
über die steigende Erbitterung gegen die glücklichere
Rivalin, über die Schmähungen auf seine Person. Als
das gehässige Gerücht aufkam, er sei böhmischer Her-
kunft, meinte er sogleich in dem Leipziger Theologen
Ochsenfart seinen Urheber zu erkennen ; als das thürichte
Gerede umlief, der berühmte Erasmus werde demnächst
in Leipzig seinen Wohnsitz nehmen, zuckte er die Achseln
über den plumpen Kniff, mit dem man die Studenten zu
Mosellanum hunc cum Friderico Principe et Wittenbergensibus certo
foedere coniurasse non tantum in huius seholae perniciem, seit et
principis nostri infamiam . . . Sola invidia malignandi oceasionem
malis praebuit. Nam cum vicinorum res ita ttoreant, ut biis vel Ita-
licae seholae invidere possint, alienam hanc felicitatem tarn iniquo
animo ferunt, ut meo favore haue eis eontigisse calumnientur apud
prineipem . . . Tarn quod Wittenbergenses creseunt, concordiae est,
Neque enim minus alius alium invicem amant, quam si omnes essent
fratres germani. Quod nostrae res Mandrobuli more procedunt non
tarn fatis quam fatuis nobis imputandum puto, qui perpetuo factio-
nibus studemus et mutuis odiis intestina geriinus bella". — Herzog
Georg an Cäsar Piiug in Leipzig 28. Mai 1520 (Copial 130 fol. 122):
Trotz der Einwände der Kollegiaten besteht er darauf, dafs Mosel-
lan ins grofse Kolleg aufgenommen werde. ,,Ir wollet auch mit
Moselano vorfügen, das er sich zu ine ins collegium begebe und sich
als ein ander collegiat bei ine bilde und in Sunderheit wollet jme
von unsertwegen vorhalten, das wir dannoch betinden, das er sich in
etlichen Episteln und bevorn in eyner, welche er Erasmo roterodamo
zugeschrieben, mit Worten Vorgriffen und zu viel gethan und das er
sich solchs thuns hinfur wolle enthalden, und wo er von den in unserer
universitet nicht rumlichs schreiben wolle , das er sich vorletzlicher
wort auch kegen ine enthalde und dasjenige, so unserer universitet
zu Nutz, Erhebung und gedeyen kommen magk, sich treuelich be-
vleyssige."
49) Hütten an Mosellan 4. Juni 1520 (Böcking IV. 689; vergl.
die Berichtigungen in Briegers Zeitschr. XIII, 162): „Luthero scripsi,
sed pro opportunitate breviter. Excitate hominem, si languet. Iu-
vate , si laborat, Cireumsistite , si nutat. Fulcite, si labat. Conso-
lamini, si moeret. Praesidium est illi in Francisco (Sickingen), si
non satis confidit istis defensoribus (den sächs. Fürsten)."
74 Felician Gefs:
halten denke50). Glaubhaft aber schien ihm die andere
Nachricht, die neidischen und schadenfrohen Leipziger
mochten gar zu gern den in Wittenberg bereits in Aus-
sicht genommenen neuen Lehrer des Hebräischen weg-
schnappen, und so trieb er bei Spalatin, dafs die Ver-
handlungen mit ihm zum Abschlufs kämen51). Und als
eben jetzt in den Sommermonaten des Jahres 1520 der
r"') Luther an Spalatin 18. Dezember 1519 (Enders IT, 282):
„Lottherus Lipsensis apiul nos erigit chalcographiam triplicis linguae.
Fervet Studium praesertim Theologiae. Lipsia lipsiscit, sicut mos
eius est." — 25. Dezember 1519 (Enders II, 285): „Hac hora mihi
Philippus refert, sacerdotes Misnenses adeo cum Emsero in nie in-
sanire, ut sine peccato esse eum censeant qui rae interfecerit, qnod
Boemos audiant de me gloriari tanquam sno patrono". — 10. und
14. Januar 1520 (Enders TI, 290 und 293). — 31. Mai 1520
(Enders II, 406): „Lipsenses auxii pro retinendis scholaribus jactant
Erasmum ad sese venturum. Quam negotiosa et infelix tarnen est
invidia. Ante annum, cum nobis insultarent quasi victis, non pro-
videbant haue sibi crucem impendere." Einser hatte drei Jahre
zuvor Erasmus nacli Leipzig eingeladen; er schrieb ihm am 15 März
1517 (Opera Erasmi ITT, 1592): „Richardus Crocus . . . corara
referet conditionem huc ad nos veniendi, quod illnstrissimus prineeps
noster et universus ordo nobilium dudum vehementer desiderarunt.
Tu qua re vehementer oro ad me scribas sententiam tuam Lipsiam
et quanani peeunia id a te impetrari valeat; quo cognito omnem
movebo lapidem, donec te noster hie aquilo suseipiat eo quo dignus
honore es". Erasmus hat nie daran gedacht, darauf einzugehen. Völlig
verfehlt sind die Ausführungen und Behauptungen von Lehmann.
Herzog Georg im Briefwechsel mit Erasmus (Leipziger Dissertation
1889), S. 7: Der von ihm vermifste Brief des Erasmus ist vorhanden
(Opera Er. S.268), der des Pirckheimer gehört wie jener dem Jahre 1517
an. Vergl. auch Prachtbeck an Pirckheimer 5. August 1518 (Heu-
m an n 8. 233): „Erasmus quod ad te venturus est (aus der oft beabsich-
tigten Reise des Erasmus nach Nürnberg wurde nie etwas) gratulor
utrisque, si habituri laetum estis Convention. Lipsicam tarnen acade-
miam an petat an non, nee consulo nee dissuadeo, cum ibi suae dis-
ciplinae pauci sint theologi suam foventes partem" etc. Lic. Paul
Prachtbeck, von Georg mit politischen Missionen betraut. 1501 nach
Nürnberg, 1510/11 nach Polen (Copial 106 fol. 166 und Loc. 9913
Schriften bei. den tötlicben Abgang), lebte später in Dresden in
wissenschaftlicher Mufse. Er verdeutschte Ciceros Schrift de offieiis
und widmete das Buch dem Leipziger Rat (Stadtkassenrechnung
1525/26). Er starb vor Beginn des .lahres 1527 (Copial 14 fol. 38).
r") Luther an Spalatin 16. April 1520 (Enders II, 382): „Cum
Adriano convenimus, ut differat paululum. Octo dies promisit in
Berlin se niansuruin et litteras expeetaturum a nobis . . . Nostrorum
plurimi fortiter apnd nie sollicitarnnt, ut Matthaeus (Adrianus) le-
tineretur saltem ad annum, etiam ad infamiam, uti putant, antever-
tendani propter eclipsin ( Lipsim, Lipsiam) illain, quae illum forte
in odinin nostri suseipiet, ut fama est . . . Suspicor, eum vel
Eraucofordiae vel Lipsiae professionem Hebraeani secum statuisse, si
apud nos non licuerit. Responde cito."
Leipzig und Wittenberg. 75
Lektor des Leipziger Franziskanerklosters Alvekl zuerst
in lateinischer und dann in deutscher Sprache eine zwar
sachlich recht schwache, dafür aber in der Form mehr
als grobe Streitschrift gegen ihn herausgab, als der Rat
der Stadt die deutsche Ausgabe sich dedizieren liefs,
glaubte Luther die Leipziger insgesamt dafür verant-
wortlich machen zu dürfen. Er liefs den Einwand Mosel-
lans nicht gelten, dafs die Universität keine Macht habe,
dem Mönch, der nicht zu ihr gehöre, sein Schimpfen zu
verbieten; er rechnete Mosellan nachdrücklich vor, was
man sich sonst nicht nur gegen seine Person, sondern
auch gegen die Wittenberger Hochschule herausgenommen
habe, er erinnerte an den Brief Wüstenfelders, der ohne
seine Einsprache zum feindseligen Zusammenstofs beider
Universitäten geführt hätte. Trotz alledem wolle man
nicht Böses mit Bösem vergelten und Wittenberg werde
auch fernerhin in abwartender Stellung verharren und
nicht zum Angriffe übergehen"2).
Mosellan wird aufgeatmet haben, dafs der befürchtete
Sturm unterblieb. Ein Zusammenstofs beider Universi-
täten hätte ja besonders ihn, als den beargwöhnten Ge-
sinnungsgenossen Wittenbergs, in eine schiefe Lage ge-
bracht, hätte zweifellos seine auf Reform des theologischen
Studiums abzielenden Bestrebungen unendlich erschwert.
Mufste er doch ohnehin der feindlichen Fakultät Schritt
für Schritt den Boden abkämpfen. Wieder nur auf ent-
schiedenes Eintreten des Herzogs hin hatten soeben er
und der ihm befreundete Schulmeister zu St. Thomas
Johann Poliander den Grad eines Baccalaureus der Theo-
logie und damit die Berechtigung zu Vorlesungen über
die heilige Schrift zu erwerben vermocht, Anfangs hatte
sie die Fakultät abgewiesen und bei beiden Mifsaehtung
der Autorität des Constanzer Konzils und hussitische
Neigungen entdecken wollen, also die gleiche Ketzerei,
wie sie Luther in Leipzig von Eck vorgeworfen worden
war; jedoch sie war damit bei Georg nicht angekommen,
er hatte ihr mit sehr deutlichen Worten gesagt, dats sie
M) Luther an Mosellan, Juli oder August 1520 (Enders II, 452):
.,Lipsiae semper ego timui, ne Academiae istae duae ex odio antiqno
tandem in arma ruerent: quod, nisi ego obstitissem, effecisset vel
sola epistola Arnoldi (Wüstenfelder) tni praedecessoris Rectoris,
omniuin, quas vidi, procacissirna et praefractisshna . . . Fama, res,
vita, anima mea qnaeritur per vestros et miraculum censetur, si quid
vel mutiam."
76 Felician Gefs:
den Beweis dafür eist zu erbringen habe und dafs nach
seiner Meinung einzig und allein ihre Angst vor der
Konkurrenz den beliebten jungen Lehrern den Weg ver-
sperren möchte. Früher hätte sie ihm geklagt, dafs
niemand Theologie studieren und theologische Grade er-
werben wolle, jetzt, wo sich Kandidaten einstellten, sei
ihr das wiederum nicht recht. Er verlange die Zulassung
beider, dulde keinen Widerspruch von ihr, habe den
Streich noch in gutem Gedächtnis , den sie ihm bei der
Disputation gespielt, und werde sich nötigen Falls ge-
zwungen sehen, „ander leute an eure Stadt zu holen, die
unls umb ire besoldunge nicht vorachten, unsrer uni-
versitet Nutz, Ehre und gedeyen, darumb wir euch auch
aldo haben, suchten und sich in billichen Sachen weysen
lissen"53). Daraufhin hatte sich dann die Fakultät wohl
oder übel gefügt.
So konnte denn Mosellan im Wintersemester 1520/21
die Paulinischen Briefe vornehmen. Sein Erfolg war
diesmal noch gröfser als im Sommer. „Die ganze Jugend",
rief er Mutian zu54), „wirft sich voll Eifer auf das Studium
der heiligen Schrift. Ich bin gewiis nicht der beste
Lehrer und doch hören meine Auslegung der Paulinischen
Briefe gegen 300 Studenten. Wie hat sich die Zeit ge-
wandelt; früher kümmerte sich niemand um diese angeblich
unfruchtbaren Studien, jetzt will man nur von ihnen und
keinen andern etwas wissen!"
In der That, es war ein gewaltiger Umschwung, der
sich im Laufe weniger Semester auch in Leipzig genau
so wie in Wittenberg wenigstens bis zu einer gewissen
r,s) 18. August 1520 Copial 130 fol. 136b: „.. dann ir unfs
vormals mit der disputaeion auch eyn stngke gethan, defs wir noch
nicht vergeben." Auf dies scharfe Schreiben hin erfolgte bereits
am 20. August die Aufnahme beider.
"'') Gillert 8. 271 (11. November 1520): „Novarum rerum heic
nihil habemus, neque etiam novum est bellum, quod infestis utrinque
armis cum sophistis gerimus. Circumspicimus heic viam per quam
Fabritium Capitonem huc queamus adducere. Tota Juventus in sacra-
rum litterarum studia prona fertur" etc. Bereits im Sommer hatte
Mosellan dem Herzog vorgeschlagen, den in Erfurt dozierenden
Theologen Lic. Jodocus (Meder) von Windsheim (vergl. über ihn
Muther S. 470; Erfurter Universitätsmatrikel Michaelis 1502) nach
Leipzig zu berufen. Georg hatte geantwortet, Mosellan solle ihn auf-
fordern „das er sich kegen Leyptzk begebe und in der Universitet
doselbst sich mit lesen und predigen boren Hesse" (Copial 130
fol. 128b, 28. Juli 1520), doch verlautet späterhin garnicnts mehr
davon.
Leipzig und Wittenberg. 77
Grenze vollzog: die freilich niemals vollen Bänke, vor
denen die alten Doktoren die thomistische Weisheit
vortrugen , verödeten völlig , die aristotelischen Schriften
fanden selbst in der neuen Übersetzung immer weniger
Liebe, die eben noch so stark bevorzugten römischen und
griechischen Klassiker hülsten ihren ersten Platz ein und
traten hinter biblische und patristische Lektüre zurück,
und immer weitere Kreise der Studentenschaft wurden
von einer bisher unbekannten Gleichmütigkeit gegenüber
den akademischen Titulaturen erfafst55): wenn im Jahre
1517 noch 128, so erwarben sich im Jahre 1522 nur 48
den Grad eines Baccalaureus der freien Künste, zwei
Jahre später gar nur 14! Denn wer mochte fernerhin
mit Geld- und Zeitverlust die alte Stufenleiter empor-
klimmen, da man die gefeiertsten Lehrer, die besten
wissenschaftlichen Kräfte mit ihren untersten Sprossen
sich begnügen sah, die Mosellan und Keusch, Poliander
und Franck, und wie die jungen Männer sonst hieisen,
die sich immer fester zusammenschlössen und immer ent-
schiedener gegen die Vertreter des Alten, gegen die
theologischen Doktoren und die Fakultisten Front machten.
Der gebildete Bürger stand auf ihrer Seite, der Rat der
Stadt unterstützte ihre Sache bei Hofe, als im Frühjahr
1521, während Georg auf dem Worraser Reichstage ver-
weilte, Mosellan mit 17 gleichgesinnten jungen Magistern
gegen die fortdauernden Behinderungen vorstellig wurde56),
die Lehrer und Schüler der neuen Richtung seitens der
alten Theologen erfuhren, „welche nicht gestehen (= zu-
55) Sehr charakteristische Äufserungen in einem Schreiben der
Artistenfakultät an den Herzog vom 28. August 1522 Loc. 9884
Leipzigische Händel 1519 — 26 fol. 132 : „ . . . und wiewol itzundt
zur zeidt der promovenden weniger ist, macht nicht beschwerung
der promotion sunder etzlich secte, die alle gradus, promotiones,
stende, auch alle artes und philosophiam mit wort und schritten vor-
sprechen und nydertzuschlaen gedencken und die jhenigen , so pro-
motiones zu nehmen willens, abziehen, doraufs kommet, das die
loblichen artes, und das sie sunsten schwer syut, itzundt eine zeit
von vylen vorechtiglich gehalden und eyn ydermann, auch dortzu
nichts oder wenig geschicket, noch der secten angebung und aufs-
legung theologiam heren wollen uude in der Stadt sein und widder
die statnt extra collegia leben, welchs in kurtz, wie zu hoffen, sich
vnrandern wirt, wie vorhyn gescheen, dau gemeiner Student
vorhyu artes hochlich geübt, dornoch poetas und ora-
thores, itzundt ewangelistas, also das seiden ein lector stets
vyle auditores behalden . . ."
5») No. 321, 322, 323 (vergl. die Beilage).
78 Felician Gefs:
>^
geben) wollen, das etzliche namhafte und in theologia
gelerte hinge magistri forder lesen mochten, ungeachtet
das sie in yren lectionibus yre lectoria vleissiger auditores
vol haben und yrenthalben dieihenigen so in theologia
studiren sich fast hie erhalten".
Die angegriffene Partei hielt dann auch mit ihren
Gegenvorwürfen57) nicht zurück, leugnete ihre feindseligen
Eingriffe rund ab, nannte es ihre Pflicht und einzige
Sorge, darüber zu wachen, „uff das nicht konftig, so
iedermann ane underschidt lesen wolde nach gefallen,
keyne nauickeydt ader ander unfuglichkeydt der läre mit
der Zeidt mochte eingefurdt werden", und wandte sich
heftig gegen Moselian als Anstifter aller Irrungen, dem
sie seinen Brief an Erasmus, seine Schmähworte, „welche
nun in alle weit durch den drugk aulsgebreitet" seien,
noch immer nicht vergessen konnte. Aber sie hatte auch
diesmal wenig Glück; der Herzog beschied nach seiner
Rückkehr Moselian und Franck vor sich und sah sich
nach der Aussprache mit ihnen nicht veranlagt, der
theologischen Fakultät irgendwelchen Schritt zu Gefallen
zu thun58).
Trotzdem wurde die Lage der Beschützten mit jedem
Monat unbehaglicher. War es denn möglich, bei neu-
testamentlicher Exegese jeder Auseinandersetzung mit
den neuesten Schriften Luthers auszuweichen, seine Bibel-
übersetzung, mit der er im Herbst des folgenden Jahres
die Welt überraschte, mit Stillschweigen zu übergehen,
als Theologe farblos zu bleiben, wo bis in weite Laien-
kreise jedermann mit Lebhaftigkeit für oder wider Partei
ergriff? Entschiedener aber noch als die meisten anderen
deutschen Fürsten hatte sich der sächsische Herzog seit
dem Wormser Reichstag gegen den vom Papst und vom
Kaiser verurteilten Wittenberger erklärt; er verbot im
Frühjahr 1522 seinen Landeskindern den Besuch der
ketzerischen Hochschule, er verlangte im November die
Auslieferung aller lutherischen Bibeln von ihnen, ja er
erbat sich von der Leipziger theologischen Fakultät ein
Gutachten über diese Übersetzung, von derselben Fakul-
tät, deren wissenschaftliche und moralische Fähigkeiten
r>7) An die Söhne des Herzogs, 3. Juni 1521, Loc. 9884 Leipzi-
gische Händel 1519—26 fol. 19, an den Herzug 1«. und 30. Juni 1521
No. 325 und 326.
58) An die theologische Fakultät 13. Juli 1521 Copial 136
fol. 67 a.
Leipzig und Wittenberg-. 79
er selbst so niedrig anschlug, deren größerer Hälfte der
griechische Urtext, auf den Luther zurückgegriffen hatte,
noch immer ein dunkles Rätsel war5"). Unter solchen
Umständen gehörte ein selbstverleugnender Mut dazu,
ein Mut, der die sichere Gefahr der Ausschliefsung vom
Lehramt nicht scheute, um sich warm und entschieden
zu lutherischen Gedanken zu bekennen. Schon allein
ihre ruhige rein sachliche Erörterung und Prüfung war
so gut wie ausgeschlossen ; man wufste sich beobachtet
und belauscht von einer Partei, die sich aus Verdrehungen
und Entstellungen kein Gewissen machte. Der Bischof
von Merseburg hatte im Dezember 1522 die Universität
visitiert, jeden einzelnen Dozenten besonders vorgenommen
und keinen gefunden, den er als „den verdampten Opi-
nionibus Martini Luthers" anhängig hätte bezeichnen
können; aber wenige Wochen später meldete sich die
theologische Fakultät mit neuen Verdächtigungen bei
Hofe an und weigerte sich in die Promotion einiger junger
Magister zu willigen — wieder war Mosellan darunter,
der sich den Bang eines Sententiarius erwerben wollte — .
in deren Vorlesungen lutherische Irrtümer vorgekommen
seien. Auch dafs sie früher des Erasmus lateinische Über-
setzung des Neuen Testamentes der Vulgata vorgezogen,
dafs sie vor Jahren mit ihren Schülern Komödien des
Terenz aufgeführt hätten, sollte jetzt Grund für ihre
Zurückweisung sein00).
50) Seidemann, Erläuterungen S. 54.
"") Bischof von Merseburg an Georg 29. Dezember 1522,
Loc. 9884 Leipzigische Händel 1519 — 26 fol. 140 : ,, . . Als wir uns
nechst durch Ewer Lieb Kadt und zuthun der visitacion der Uni-
versitet zu leypzck underwunden, haben wir dorob eyn Carta, wie es
hinfur in gemelter uuiversitet mit etlichen bucheru soll gehabten
werden, . . . begreyfen lassen. Weyl wir aber mit Ewer lieb hievor
eynig wurden , ane derselbigen E. L. wissen und nachlassunge solch
unser Cartha uit aufszugehn lasseu, derhalb übirsehicken wir Ewer
lieb solch gegenwertig'1. Leider fehlt die ,, Carta''. — Georg an die
theologische Fakultät 14. Februar 1523 Copial 139 fol. 9a. „ . .Was
aber belanget dye lectiones, fso eczliche fsollen nach form der vor-
dechtigen Lere gethan haben, hat uniser frundt und oheym der
Byschoff zcu Merfsburg, wye yr wyst, derhalben bey eyuem yczlichen
in sumlerhayt Inquisitionen) gehalten, dar aufs wyr noch nicht vor-
stendigt, das ymandts in unser uuiversitet den vordampten Opinioui-
bus Martini lutters anhenig.'' — Georg an Kentmeister und Ordinarius
in Leipzig 15. März 1523, Loc. 9884 Leipzigische Händel 1519 — 2ti
fol. 134. Die Adressaten sollen der theologischen Fakultät des Her-
zogs Befremden ausdrücken über die neuen Schwierigkeiter., die sie
Mosellan in den Weg legt' „das sie aber Mosselanus derhalben, das
30 Felician Gefs:
„Das ganze Aussehen der Zeit ist mir zuwider",
hatte Mosellan schon im Sommer 1521 einem Freunde
geschrieben ; im folgenden Jahre dachte er an eine Reise
nach Italien, um all' die Ärgernisse los zu werden; er
wollte auf dem Wege Erasmus in Basel aufsuchen, den
er bisher noch nicht von Angesicht kannte. Es kam
nicht dazu. Er blieb, aber nur um immer trüber und
freudloser der Entwickelung der Dinge zuzuschauen. Wohl
wies der Fürst auch jene neuen Verdächtigungen und Ein-
wände der theologischen Fakultät zurück, und Mosellan
erreichte noch einmal durch seine Mithilfe das vorgesteckte
Ziel. Aber wenn Georg auf ihr Gutachten über Luthers
Bibelübersetzung Wert legte, wer bürgte dafür, dafs er
in Zukunft nicht auch ihren Einflüsterungen sein Ohr lieh
und das Studium des Griechischen und Hebräischen, als
angebliche Mutter alles ketzerischen Irrtums, kurzer Hand
strich? Die bange Sorge vor einer solchen Wendung,
die alle Errungenschaften des letzten Jahrzehntes ver-
nichtet und Leipzig noch weiter hinter Wittenberg zurück-
gedrängt hätte, verdüsterte Mosellans letzte Wochen und
Tage im Frühjahr 152461).
er uinb zuforderung vorgenominer promotion uus angelangt, in straffe
neraen wolten , ist uns in keynen weg zuleyden, wolt uns auch an
unser Fürstlichen Oberkeit ahbruchlich sein . . . darumb dis alles zu
hinderung der promovenden unnotturfftig wirdt vorgewandt, und
sollten die Zeit, do die jhenigen, so itzt sollicitiren Translacionem
Erasmi gelesen, es gewert haben, nicht aber derbalben sye itzt in
irem vornemen hindern und auff halten, So wir jn auch nicht billichen,
etzliche darumb zu tadeln, das sie zu Übung jrer discipel Comedias
Therentionas agiert."
«') Erasmus an Mosellan 8. August 1522 (Weiler, Altes aus
allen Teilen der Geschichte I, 17); dazu Erasmus an Auerbach
5. Dezember 1523 (Opera Erasmi S. 737). — „Anno Domini 1523 Nona
novembris assumpti sunt ad legendas Sentencias venerabiles magistri
Petrus mosellanus" etc. Brieger S. 33. — Sturio an Pirckheimcr
20. März 1524 (Heumann S.220): „Scripsit ad me Mosellanus non mul-
tis elapsis diebus principem suum Georgium stipendia et graecnm et
bebraicum abrogasse, persuasum a nostris magistris tali argumenta:
ex linguanim cognitionc errorem omnem in mundum irrepsisse professi;
prob Juppiter quanta dementia a Deo principes percussi adeo ut etiam
abiectissimorum hominnm servi facti; heu vero in id diahoh opus
nemo tidelium teudit oculos, nititur enim linguarum Cognitionen! oppri-
mere, quo liberius in nos saeuiret, haud nescit, quantum obstet regno
suo linguarum cognitio. Oramus nos deum , ne tale auferat a nobis
donum." — Melanchthon an Hefs, Leipzig 19. April 1524 (Corpus
Eteformatorum 1, B54): „Mosellanum heri (18. April) amisiinus; magnam
eius morte iaetnram res litteraria fecit. Fuerunt enim in illo dotes
Leipzig und Wittenberg. 81
Man darf wohl sagen, dais sein Tod Epoche ge-
macht hat in der Geschichte der Leipziger Universität.
Nach seinem Hingange verloren die Genossen den Mut
und legten das griechische Testament bei Seite, dieser
wandte sich juristischen und jener medizinischen Stu-
dien zu"'2); die Doktoren der Theologie hatten weiterhin
keine lästigen Konkurrenten. Aber ihre Bänke füllten sich
deshalb nicht, und der theologische Nachwuchs Leipzigs
1)1 ieb bis zum Tode Georgs verschwindend gering. Zwar
ist Mosellans Befürchtung nicht eingetroffen, der Unter-
richt im Griechischen hat seinen Platz behauptet, der
im Hebräischen unterblieb nur wenige Jahre63) — jedoch
davon war keine Rede mehr, dais man sich auf diesen
Gebieten mit Wittenberg hätte messen dürfen. Nach
Mosellan fand sich kein Mann mehr, der einem Melanch-
thon hätte die Wage halten können, und selbst Leipziger
Bürger scheuten in den dreifsiger Jahren die höheren
Kosten nicht, sondern nahmen ihre Söhne von der hei-
mischen Hochschule fort und schickten sie trotz des
herzoglichen Verbotes zu dem Präceptor Germaniae in die
Lehre H4j. Erst unter Georgs Nachfolgern hat Camerarius
eine zweite Blüteperiode klassischer Studien heraufgeführt,
plane eximiae." — Über Mosellans Verhältnis zu Luther vergl. dessen
Brief an Borner, 28. Mai 1522 (Enders III, 375.)
6a) Vergl. den Bericht des Bischofs von Merseburg au Georg
Über seine zweite Visitation der Universität, wobei er hauptsächlich
den Magister Hegendorf (Brieger S. 33) lutherisch gesinnt fand,
13. Mai 1524, bei Seidemann, Disputation S. 139.
fi3) Über den ersten Nachfolger Mosellans Ceratinus vergl.
aufser zahlreichen Stellen in den Briefen des Erasnius, der ihn em-
pfohlen hatte, Auerbach an Pirckheimer 31. Mai und 12. Oktober 1525
(Heumann S. 213, 214). — Das Hebräische betreffend vergl. Leip-
ziger Ratsarchiv Stadtkassenrechnuiig 1525/26. „Magistro Andree
delitzsch vor den ersten halben Jars solt, so zuvorn eynem Magistro
von der hebreischen lection gegeben und yme nu uff befehel unsers
g. H. zugestellt, thut 1 Schock 15 gr." 1531/32: „Anthouio Marga-
rite Hebreo zu besserung seyns soldes von der hebreischen lection
aufs Beschliefs der Rethe uff difs Jhar gegeben 7 Schock"; ebenso
1532/33. In dem Dresdner Aktenstücke Loc. 9698 Zween ermordete
Juden, so im Hölzlein deutschen Luppe angebunden todt befunden
1531, linden sich etwa 20 hebräische Briefe und daneben die auf Be-
fehl des Herzogs durch den Lektor des Hebräischen gelieferten
Übersetzungen. — Über den griechischen und hebräischen Unterricht
im Jahre 1535 vergl. den interessanten Brief der Universität an
Georg, 15. Juni 1535, Seidemann, Disputation S. 158, der unbedingt
in das Urkundenbuch hätte aufgenommen werden müssen.
64) Gefs, Klostervisitationen S. 35.
Neues Archiv t S. G. u. A. XVI. 1. 2. 6
82 Felician Gefs:
erst unter ihnen und nach dem Einzüge der Reformation
hat sich Leipzig allmählich wieder gehoben, wenn es auch
bis weit über die Mitte des Jahrhunderts hinaus hinter der
jüngeren Schwester zurückstehen mnfste.
Beilage.
Eine Anzahl von mir benutzter Schriftstücke niufste zuvor
genauer datiert werden, als das im Urknndenbuche geschehen ist.
So lange man nur weifs, dafs ein Stück in die Jahre 1502— 1587
gehört, weifs man so gut wie gar nichts und kann man an keine
Darstellung auf Grund dieses Stückes denken. Noch eine andere,
unerquicklichere und recht zeitraubende Vorarbeit machte sich not-
wendig: der Text der Schriftstücke bedurfte einer genauen Ver-
gleichung mit der handschriftlichen Vorlage. Ich habe mich natürlich
auf Berichtigung der Fehler beschränkt, durch die der Sinn ver-
dunkelt oder entstellt ist.
Urkuiidenlmch No. 226.
Fehler: S. 269, 16 statt „steder" lies „sieder" (= seit); 271, 10
„nicht geneigt" — „mehr geneigt" ; 271 , 32 „nicht augesehen" —
„mehr angesehen".
No. 227.
Zeitbestimmung: Urkb. 1502 -1537. Der Endtermin ist
jedenfalls 1527, da der S. 273, 7 genannte Dr. Joh. Hennigk 1527
gestorben ist (Locat 10532 Leipzigische Händel 1525—1531 fol. 27),
der Anfangstermin 1503, da die S. 273, 6 erwähnte „iungste con-
firmation" diesem Jahre angehört (vergl. No. 237 und 238). Das
Stück darf seinem Inhalte nach bald nach 1503 angesetzt werden.
Man vergl. ihn mit den Stellen, die in der An m. 40 dieses Aufsatzes
abgedruckt sind.
Fehler: S.273, 9 „ingegebin" — „in(= ihnen) gegebin" ; 273, 16
„vorschlimmerung" - - „vorschimperung" {— Beschimpfung).
No. 228.
Zeitbestimmung: Urkb. 1502—1537. Die Vermutung, dafs
sich die Worte 274, 32 „e. f. g. reformation für sechzehen iaren ge-
schehen" auf No. 225 vom 8. November 1502 beziehen, No. 228 mit-
bin ins Jahr 1518/19 zu setzen sei, wird zur Gewifsheit bei einem
Vergleich von No. 228 mit No. 278 (siehe deren Zeitbestimmung
weiter unten!)-, jene ist lediglich ein Nachtrag zu dieser. Man vergl.
S. 371, 6 „von wegen kurtz der zeyt .... protestation" etc. mit
S.274, 21 ff, unter Berücksichtigung der hier folgenden Textbesserung.
Kin Blick auf die Vorlagen ergiebt, dafs beide Stücke, No. 228 und
278, von der gleichen Hand geschrieben sind.
Fehler: 274, 26 „wegen den" — „wesenden" (= augenblick-
lich amtierenden). — 274, 33 „fruchtickliclr — „fursichticklich".
Leipzig und Wittenberg. RH
No. 229.
Zeitbestimmung: Urkb. 1502—1537. Beide Termine, sowie
die Charakteristik des Stückes als eines „ Memorials der Artisten-
fakultät" sind falsch. Es ist vielmehr eine Eingabe von Kollegiaten,
die im consilium facultatis artium sind und diesen Platz durch „kegen-
wertige Reformation" (S. 275, 9) zu verlieren fürchten. Vergleicht
man die unterschriebenen Namen mit den Kollegiatenverzeichnissen
(Zarncke, Quellen), so ergeben sich, da Cubito von 1518 ab, Greve
bis 1521 Kollegiat war, die Termine 1518 und 1521; mit Rücksicht
auf die Worte „kegenwertige Reformation", worunter nur die von
1519 gemeint sein kann, ist der Endtermin ins Jahr 1519 hinaufzu-
rücken, das Stück also in die Jahre 1518/19 zu setzen.
Fehler: Der Sinn ist durch falsche Interpunktion S. 275, 21
und 22 völlig verdunkelt ; das Semikolon gehört hinter „wurden" und
mufs gestrichen werden hinter „geboret".
No. 230.
Zeitbestimmung: Urkb. 1502 — 1537. Der Endtermin ist um
12 Jahre hinaufzurücken , da das Konzept von der Hand des Cäsar
Pflug ist, der 1525 starb.
Fehler: 276, 16 „die wir bitten" — „das (Bedenken) wir
bitten"; 276, 24 „wie" — „wu" (—wo); 276, 30 „meher schaden dan
ere dadurch gewertig were" — „meher schaden und schimps, dan
ere und notz gewertig were"; 276, 36 „Wie aber sulchs von euch
übergangen, wil seiner ff. g. euch rectori und andern regirern" —
„Wu aber sulchs von Euch übergangen und sulche conspiracion und
uffrur meher machen und uffruhren wurdet, wil sein ff. g. Euch Er
(= Herr) rectori und andern regenten" ; 277, 8 „zu erkennen" —
znuorkommen" ; 277, 9 „dem bisher" — „bas, den bisher".
No. 23t.
Zeitbestimmung: Urkb. 1502 — 1537. Ich nehme die erste
Hälfte des Jahres 1511 als Abfassungszeit an und verweise auf die
Ausführungen zu No. 252, bei deren Abfassung No. 231 zu Rate
gezogen worden ist.
Fehler: 277, 34 „iusth" — „nestk"; 278, 20 „gern" — „geen" ;
279, 21 „die scholares* — „die scholares jurium".
Bemerkung: Das Schriftstück ist kein „Bericht der Mitglieder
der Artistenfakultät" wie No. 226 („alle magistri in und aufserhalb
des raths der facultedt" 272, 37), sondern ein Bericht der Fakultisten
(„magistri des ratis der facultet" 280,14), ein Unterschied, der nicht
übersehen werden darf, will man überhaupt Verständnis für die
Universitätszustäiide gewinnen.
No. 232.
Zeitbestimmung: Urkb 1502 — 1537. Beide Termine sind
hinfällig, da der mitunterschriebene Magister Koel Aubanus erst 1513
Magister geworden und schon 1517, spätestens 1518 gestorben ist
(Günther, Plautuserneuerungen Leipzig 1886 S. 72 und die dort
zitierte „Declamatio in laudem Gregorii Coelii Aubani habita a
Philippo Noveniano", herausgegeben von Köhler, Leipzig 1812).
Das Stück würde danach 1513—1518 fallen. Doch spricht für weitere
6*
84 Felician Gefs:
Einabrückung des Anfangstermins auf die zweite Hälfte des Jahres
151 6 die Erwähnung' (281, 3) des „vorgangnen uifrurs" und die
Bemerkung (281, 11), es gäbe „den studentibus, das sye sich yn
buntlmufs, uffrur und unfug voreynigen (! so ist zu leseu statt „ver-
gnügen") und wegk zu wenden vorneinen, gros urSach der-
halben die Studenten in argkwon kummen, als sohl man sye alleyn
streifen wollen und yn yren Privilegien aber gereehtikeiten nichts
handhaben." Man veVgl. damit den Brief des Herzogs an den Leip-
ziger Amtmann Cäsar Pflug vom 27. Juli 151B (Copial 125 fol. 86),
worin eines Studentenaufruhrs vom 20. Juli 1516 gedacht und hin-
zugefügt wird, dafs nach dem Aufruhr „etliche Studenten eyn vor-
sammlunge gemacht und mit grosser ungestumigkeyt vor den hern
rector und die von der universitet kommen, auch under andern er-
zelet, wo man ine ire privüegia und compactata nicht wejsen und
sy bey denselbigen nicht schützen oder hanthabeu werde, alfsdann
so heften irer ijc ader melier zusamp gesworn, alzo das sie under
eyner fahne und in eynem häufen von dann ziehen wolten." Unsere
Urkunde hat ohne Zweifel diesen Fall im Auge; ich setze sie daher
1516—1518.
Fehler: 280, 27 „ergehende" — „reychende"; 280, 33 „und
schon" — „und scheu"; 281, 12 „vergnügen" — „voreynigen"; 281, 22
„zuvor hören" — „zuvor hüten"; 281, 23 „die studentenbueben den
magistris" — „die Studenten bneben (= neben) den magistris" ; 282, 18
„vorandern" — „vorenden" (= beenden); 282, 21 „welchen auch" —
„vorlihen, auch"; 283, 3 „und gleichmessige" — „und doch gleich-
messige" ; 283, 28 „besatzung" — „besahung".
No. 233.
Zeitbestimmung: Urkb. 1502—1537. Ein Vergleich mit
No. 333, 334, 335, 336 und 337, die vom 29. August (s. No. 333)
und 2. Dezember 1522 datieren, ergiebt mit Gewifsheit, dafs der
Endtermin ins Jahr 1522 hinaufzurücken, mit grofser Wahrscheinlich-
keit, dafs das Stück ins Jahr 1522 zu setzen ist.
No. 284.
Zeitbestimmung: Urkb. 1502— 1537. Schon Friedberg (Colleg.
Juridic. S. 23, 1) machte darauf aufmerksam, die Juristen würden
hier als Hausbesitzer vorausgesetzt (vergl. 286, 17), das Stück müsse
daher nach 1515 fallen. Aber auch der Endtermin ist unmöglich;
denn wenn es 287, 33 heilst, der Ordinarius sei einer der drei Bürger-
meister, so ist darunter Johann Lindemann zu verstehen, der bis
L519 Ordinarius war. Somit fällt das Schriftstück 1515—1519.
Fehler: 285,33 „liberlich" ist zu streichen; 286,8 „vorsthinnes"
— „vorschinnes" ; 286, 10 „efliciuntur" -- „efficiantur"; 286,36 „cum
latinitate. So durch" — „cum latinitate, do durch" ; 286, 38 „mores"
gehört vor „vorandirt" ; 286, 41 „On" - - „die"; 287, 6 „So von" —
„do von"; 287, 7 „zuuor das" - - „zuuor so er das"; 287, 11, „darff,
iss" -- „darff iss"; 287, 25 „vrawlafsen" — „trawlafsen" (= treulosen);
288, 11 „villeicht aufs bofser meynung" — „villeicht nicht aufs bosser
meynung"; 288, 13 „sunderlich lieber, pest" — „sundirlich sieder
(= seit der) nesten pest" ; 289, 4 „welche stad pranget mit den walen"
— „welche stad grantzet mit den Avalen" (gemeint ist Hall bei
Innsbruck).
Leipzig1 lind Wittenberg. 85
No. 235.
Zeitbestimmung. Urkb. 1502 — 1537. Aus 290, 34 „die
nawen Universitäten", womit neben Wittenberg- das 1506 gegründete
Frankfurt gemeint ist, ergiebt sieb 1506 als Anfangstermin; aus
einem Vergleich von 290, 37 ff. mit 325, 22, dafs es vor die in die
zweite Hälfte des Jahres 1511 gehörige No. 256 (s. d.) zu setzen ist.
Somit fällt das Stück 1506—1511; vermutlich 1511.
Fehler: 290, 21 „sie kommen" — „sie können (—können);
290, 27 „swnng" „smug" (= Schmuck); 291, 3 „wydderfal" —
„mdderfal"; 291, 8 „übet" — „über"; 291, 16 „ausgeschlossen" —
„auffgeslossen" ; 292, 6 „dan nntugi icher" „dan je untuglicher";
292, 7 „erinern" — „erneren"; 292, 25 ..gewennen schade" —
„quemen (— käme) schade"; 292, 34 „fruchtlich" - „friichtbarlich";
292, 38 „Statut vorfechten" — „Statut unde Zcinse vorfechten";
293, 12 „eine zeeit an wenig gelde" — „eine zeeit stro (! — strof,
Strafe) an wenig gelde".
No. 250.
Zeitbestimmung: Urkb. 1504 — 1509. Anfangs- und End-
termin sind hinfällig; denn der 306, 30 erwähnte Dr. Henning Göde
begann seine Vorlesungen in Wittenberg erst am 8. Oktober 1510
(vergl. Scheurl an Dinstedt 27. Juni 1510: „nos praepositum nomina-
mus Hennigum, quem tarnen andivimus aegre habere, sed expeetamus
adventum propediem"; 8. Oktober 1510: „venit et praepositus noster
et hodie coepit legere ordinarie". (Scheurls BriefDiich 1867 S. 61
und 62). Ein Vergleich mit No. 254 (s. d.!), z. B. von S. 304, 32
mit 323, 29, ergiebt, dafs No. 250 bei Abfassung von No. 254 vor-
gelegen hat. No. 250 dürfte gleichzeitig mit No. 287 (s. d.) ein-
gereicht worden sein. Ich setze No. 250 daher in die zweite Hälfte
des Jahres 1511.
Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Wenn es 309, 20 vom
Dekan der medizinischen Fakultät heifst, er sei „im ratb, scheppen-
stuhl, leybartzt des churfursten , collegiat", so ist damit Dr. Simon
Pistoris, der Ältere, gemeint, der 1509 Dekan wurde. Also ist
1509 der Anfangstermin. Als Endtermin ergiebt sich aus 308, 35
und 317, 5 das Jahr 1515, da nach diesen Stellen die Juristen noch
nicht Hausbesitzer sind Bis ins Jahr 1511 aber wird man den
Endtermin zu rücken haben, wenn man 309. 14 „ist gescheen difs
jar .... irye vormals gescheen" mit der Notiz bei Zarncke, Quellen
S. 882, vergleicht. Zu noch genauerer Datierung führt ein Vergleich
von No. 231, 252, 253, 254, 255, 256. Es ergiebt sich dabei, dafs
No. 231 bei Abfassung von No. 252 vorgelegen, No. 252 wieder bei
Abfassung von No. 253. 254, 255, 256 vorgelegen hat; da nun diese
vier letzten, wie wir unter No. 254 sehen werden, kurz vor den
14. Oktober 1511 fallen, gehört No. 252 spätestens in das zweite
Drittel des Jahres 1511; alles aber spricht dafür, dafs dies Stück
und ebenso die ihm kurz vorausgehende No. 231 nicht in ein früheres
Jahr (1509, 1510 wären nur möglich) als 1511 fällt.
(No. 231) 278, 7 = (No. 252) 313, 41
278, 14 = „ 310, 1
278, 18 -- „ 312, 8
„ 278, 23 = „ 317, 3
St; Felician Gefs:
(No. 231) 278, 31 = - (No. 252) 317, 11
278, 37 = „ 313, 19
279. 1 „ 308, 8
„ 279, 5 ., 313, 6
279, 14 = „ 317, 19
„ 279, 21 = .. 309, 1
„ 279, 26 „ 311, 20
(No. 252) 307, 24 = - (No. 253) 318, 28
307, 32 - ,. 318, 34
307, 36 = .. 319, 1
308, 8 „ 319, 3
309, 6 - (No. 255) 324, 10
309, 14 .. 324, 23
310. 22 = (No. 256) 325, 14
311, 20 = .. 325, 22
312 8 -f • 326' 2>'
01 ^ 8 _\(No. 254) 322. 32
312. 16 - (No.256) 325, 26
312, 39 = „ 325, 28
313, 25 == (No. 254) 322, 16
315' 5H}= (No> 256) 325' 3ß
314, 321 qor 21
315, llj- d~b' 4l
315, 15 = „ 325, 6
316, 1 326, 5
316, 39 ={(No#254) 322! 12
Fehler: 308, 4 „baccalarios gebort"— „baccalarios sententiarios
gehört"; 308, 11 „enger" — ..erger"; 310, 17 „geben" - - „gaben";
311, 1 ..scheint" — „sehent" < sehen): 313, 13 „consilium der
busen" — „asilum der bufen" (= Buben); 314, 10 „ungelectisten"
— „ungelertisten" ; 317. 25 „sie scheinen sich" — „sie Schemen sieb".
No. '253, '254, '255, 256.
Zeitbestimmung: ürkb. 1 506— 1 537. Dafs diese vier Stücke
zusammengehören, wird auf den ersten Blick klar und bedarf keines
Beweises. Nun findet sich zu No. 254, oder wenigstens zur ersten,
grösseren Hälfte dieses Stückes ein Konzept von Georgs Hand
(Loe. 10532 Leipziger Universitäts- , Rats- und andere Händel
13(17-1537 fol. 265 und 236). das nicht nur für die Frage nach dem
persönlichen Anteil des Herzogs an den Universitätsangelegenheiten,
sondern auch für die nach der Datierung dieses Stückes von Be-
deutung ist. Man vergl. die Stelle S. 321, 32—38 mit folgenden
Sätzen des Konzeptes: „dy weil nu oratoria und poetica orsprung
sein eloquencie, so haben wir vorordent, das esticampianus sal ein
stund haben in lectorio iuristarum umh zwölf ader umb iiij noch
mittag, do sal her lessen in poetica ader oratoria und in dem selben
colegio ein habitacio haben, do her poeticam und oratoriam resumirn
möge; welche och sust in oratoria oder poetica vorsolte lecciones
haben, dy soln im lectorio pedigoij lesen, welcher och wil das selbe
resumirn, der sal es im pedigoijö thun . . . doch so soln dy selben
ire resumptiones und lecciones dem ordinario ansagen, wes sy lessen
ader ressumirn wolu, der sal dor ein seen, das nicht unzuchtiges,
Leipzig und Wittenberg. 87
ader das, so nur zu sunden und lossen sitten reicht , glessen ader
gresumirl werd, den gutter lare."
Ästikampian, den No. 254 auffallender Weise fortläfst, ist nach
einem Beschlüsse der Universität vom i. Oktober 1511 relegiert
worden; der gerade in Leipzig anwesende Herzog hat sich für ihn
verwendet, die Universität aber ist am 5. Oktober 1511 auf ihrem Be-
schlüsse geblieben und der Herzog hat ihr nicht weiter dareingeredet.
Demnach nmfs das Konzept jedenfalls vor den 5. Oktober 1511 fallen.
Nun reden aber die Protokolle der Universitätsversammlungen
in diesen Oktobertagen (Leipziger Universitätsarchiv ConclusaA) aufser
von Ästikampians Sache auch von einer Reformation, die der Herzog
sucben vorgelegt habe. So heifst es p. 149b: Dienstag, 14. Oktober
1511 „congregatio totras universitatis ad andiendum legi puneta re-
formationis novissime illustrissimi prineipis". In dieser Versammlung
läl'st sich die Polnische Nation hören, die einzelnen Punkte der Re-
formation seien zu wichtig, als dafs man sofort eine Antwort geben
könne ; ,,duo tarnen puneta videntur maxime statutis et universitati
et auetoritati universitatis contraire, quorum primum est de supe-
rioritate ordinarii et seeundum est de collegiaturis in collegio prin-
eipis solis iurisperitis dandis'-. Die hier gerügten Punkte sind die
Hauptpunkte von No. 254. Somit ist No. 254 (und mit ihr 253, 255,
256) am 14. Oktober 1511 der Universität vorgelegt worden.
Fehler: 319, 38 „nach amt der Statut" — „nach laut der
Statut"; 322, 14 „ann iure" — „ann ime"; 323, 31 „anfehrt" —
„anfehet".
No. 257.
Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück ist bald
nach dem 14. Oktober 1511 anzusetzen, da es No. 254 und No. 256
beantwortet oder begutachtet, wie bei Vergleich folgender Stellen
ersichtlich wird :
(No. 257) 326, 31 (No. 256) 325, 14
326, 35 = „ 325, 22
327, 11 = „ 325, 36
327, 15 = „ 326, 5
327, 18 = „ 326, 16
327, 27 = = (No. 254) 322, 8
327, 31 = „ 322, 16
327, 35 = 322, 37
Fehler: 327, 2 „prolirn" — „probirn" ; 327, 17 „wure" — „wurde".
No. 258.
Zeitbestimmung: Urkb. 1506 — 1537. Das Stück ist bald
nach dem 14. Oktober 1511 anzusetzen, da es No. 254 beantwortet
oder begutachtet. Vergl. folgende Stellen:
{31Q 95
322 37
330, 25 =
v>
321, 32
330, 32 =
H
327, 37
331, 1 =
J)
319, 26
331, 26 =
M
321, 24
332, 7 =
J1
321, 39
332, 13 -
320, 38
332, 16 =
»
322, 16
ss Felician Gefs:
No. 259.
Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück gehört in
die Jahre 1515—1519; denn aus 333, 40 geht hervor, dafs die Juristen
Hausbesitzer sind, aus 333, 1, wo die Hoffnung ausgesprochen wird,
dafs man antiquas und novas translationes lesen werde, dafs die re-
formierte Lektionsordnung von 1519 noch nicht erschienen ist Vergl.
Anm. 39.
Fehler: 334, 8 „baccalauri ender do arguirt" — „baccalaurien,
der do arguirt".
No. 260.
Zeitbestimmung: Urkb. 1506 — 1537. Dafs das Stück vor
1515 zu setzen sei, geht aus 336, 32 „also sali auch gescheen, wenn
das pedagoge dene iuristen übergeantwort", dafs es vor oder spätestens
1513 zu setzen sei, geht aus der Erwähnung Kocheis 337, 5 hervor,
der 1513 sein Lehramt aufgab, um herzoglicher Kanzler zu werden.
Wahrscheinlich lag es bei Abfassung von No. 254 vor und dürfte in
das Jahr 1511 gehören.
No. 261.
Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück gehört ans
Ende des Jahres 1518 oder an den Anfang des Jahres 1519, da fol-
gendes Schreiben des Herzogs vom 8. April 1519 an die medizinische
Fakultät offenbar die Antwort darauf ist (Loc. 10532 Leipzig, Uni-
versitäts-, Rats- und andere Händel 1367—1537 fol. 452b, Konzept
von Kocheis Hand): Ihr Lektionsverzeichnis hat den Beifall des
Herzogs; er verspricht denen, die fleifsig lesen, die Besoldung zu
bessern; „und nachdem unfs ander unser obligenden gescheut halben
itzo kegen Euch kegen Leypzigk zu kommen, ganz ungelegen, und
d;is ander euer gesinnen, also was das lectorium, die liberey, ana-
thomia und anders betreffende ane unser beywesen nicht wol fugklich
magk vorordent werden, wollet mit denselbigen kurze Zeyt gedult
tragen, denn so balde wir kegen leypzigk kommen", soll Rat in diesen
Dingen geschaffen werden.
-<
No. 262.
Zeitbestimmung: Urkb. 1506—1537. Das Stück fällt gleich
nach dem 14. Oktober 1511. Man beachte 340, 22 (vergl. No. 254,
S. 321, 24), 341, 4 (vergl. No. 255 S. 324, 26) und 339, 16; „Uff be-
hendete e. f. g. ordenungk und artickel der facultet medicine . . haben
wir . . underhandelt" etc.
No. 275.
Zeitbestimmung: Urkb. 1509-1514. Das Stück fällt in die
Woche vom 15. bis 21. Oktober 1511, wie aus einem Vergleich her-
vorgeht von 360, 33 ff („Als e. f. g. itzt hingst gnedigiieh vor-
genomen . . . Information und ordenunge zu geben, so hat man am
liebsten dinstag etzliche artickel derselbigen ordenunge in eyner ge-
meynen vorsamltmge gelesen" etc.) mit dem Protokoll der Universitäts-
versammlung vom Dienstag, 14. Oktober 1511 (Universitäts- Archiv
Conclusa A 149b), das gegen die Superiorität des Ordinarius, die
Verleihung der Kollegiaturen im Fürstenkolleg an die Juristen, die
Wahl der Exekutoren aus den vier Fakultäten Einsprach erhebt. —
Leipzig und Wittenberg. 89
Der mitunterzeichnete Dr. Heisenberg war übrigens schon am 4. Sep-
tember 1512 nicht mehr am Leben (an diesem Tage beriet die
Universitätsversammlung über die Besetzung des durch seinen Tod
erledigten Eanonikates zu Naumburg, Universitätsarchiv Conclusa A
156), so dafs schon aus diesem Grande die Zeitbestimmung des Urkb.
hinfällig ist.
Fehler: 362, 38 „Schrintbergk" — „Schmitbergk".
No. 276.
Zeitbestimmung: Urkb. 1509 — 1519. Der Endtermin ist
vielmehr 1511, da das Stück vor No. 254 und 256 gehört, wie schon
ein Vergleich von 364. 17 mit 322, 10 und von 365, 16 mit 325, 21
ergiebt.
Fehler: Das Komma 364, 34 hinter „gesellen" ist zu streichen;
es verdunkelt den Sinn des ohnehin schwerfälligen Satzes völlig.
Der Schreiber will sagen: hat ein Examinator einen Widerwillen
gegen einen Magister, so läfst er es einen Gesellen dieses Magisteis
im Examen entgeltem
"Ov
No. 278 (vergl. No. 228).
Zeitbestimmung: Urkb. 1509 — 1537. Der 370, 5 erwähnte
Dr. Noricus wurde 4. November 1511 Doktor (Za rucke, Quellen S.882)
und starb 8 Juli 1530 (Universitätsarehiv Conclusa A 154b: „obiit
vir ille non incelebris incestatus anno 1530 ipso die Kiliani"; vergl.
Urkb. No. 362 vom 24. Mai 1531, wo von ihm als einem Verstorbenen
geredet wird): so werden die Grenzen 1511 und 1530. Mit Rücksicht
auf die weitere Notiz bei Zarncke (a. a. ().) über herzogliche Un-
gnade und Ausschliefsung aus der Fakultät ist der Anfangstermin
auf 1516 herab, der Endtermin aber ist auf 1518 oder Anfang 1519
hinaufzurücken in Hinsicht auf folgenden Brief des Leipziger Amt-
manns Cäsar Pflug an Georg vom 14. Februar 1519 (Loa 10532
Leipziger Universitäts- , Rats- und andere Händel 1367 — 1537
fol. 461): „Ich vormercke, das der rector und die gantze Universitet
auserhalb der facultet medicorum E. ff. g. befel nach Noricum seiuen
Stand widergegeben haben" . . Georg solle doch „den medicis sulche
restitucionem anderweit bei einer grosen pen gebiten". Zu noch ge-
nauerer Bestimmung dient der in No. 228 — die lediglich ein An-
hang zu No. 278 ist — S. 274, 32 gebrauchte Ausdruck „e. f. g. re-
formation für sechzehen iaren geschehen". Darnach wird No. 278 228
mit Sicherheit in das Jahr 1518 oder zu Anfang des Jahres 1519
gesetzt werden dürfen.
No. 279.
Zeitbestimmung: Urkb. 1509—1537. Ohne Begründung wird
das Stück in dieser Zeitschrift, Bd. XIV S. 11, „um das Jahr 1509" ge-
setzt. Dafs es ein Jahrzehnt später gehört, geht schon aus der durch-
gängigen Empfehlung der neuen Translation hervor und aus 372, 12
„grammatica greca Theodori sampt eym greckisch poeten". Das
Stück ist. wie Paulsen (Geschichte des gelehrten Unterrichts 67, 2)
ganz richtig bemerkt, ein Konzept zur reformierten Lektionsordnung
von 1519, die sich bei Zarncke, Statutenbücher 34 — 42, findet.
Paulsen setzt hinzu: „Es ist nicht unglaublich, dafs Hieronymus
Einser, Kaplan und Sekretär des Herzogs, der Verfasser des Kon-
90 Felician Gefs:
zepts ist and dann vermutlich auch des namenlosen Berichts No. 252:
manche kleinen Züge scheinen auf die Identität des Verfassers beider
Stücke zu führen." Hiergegen bemerke ich wenigstens soviel, dafs
No. 252 und No. 279 von verschiedener Hand geschrieben sind, keine
von beiden von der Hand Emsers, die sich Luc. 10 299 Dr. Martin
Luthers etc. 1517—1543 fol. 73 findet.
No. "2S(».
Zeitbestimmung: Urkb. 1509—1537. Das Stück fällt jeden-
falls nicht vor 1517b (= Wintersemester 1517/18) und nicht nach April
1523, denn 15171» wird Magister Wendelinus Rau (nicht Ran!) eist
Magister und im April 1523 erlangt der 375, 22 als Magister bezeich-
nete Konitz die Licentiatenwürde. Folgende Semester dieses Zeit-
raumes, vi na Herbst 1517 bis April 1523 (oder 1522b), kommen nicht
in Frage, weil in ihnen einer der in unserem Stück mit Namen ge-
nannten Magister Dekan war (während es 375, 18 blofs heilst D. Decanus
fac. artium): 1517b, 1518b. 1519b, 1520a, 1522a. Von den übrig-
bleibenden Semestern glaube ich 1518 a für unser Stück in Anspruch
nehmen zu dürfen mit Rücksicht auf das „nondum eoruin biennium
compleverunt" (375, 22), das sich neben Wendelinus Rau auch auf
Sebastian Steinte bezieht, der schon 1516b Magister wurde. Übrigens
ist dieser ohne Zweifel identisch mit dem späteren Prediger zu Joachims-
thal (Luthers Brief an ihn vom 24. August 1541 De Wette V, 391)
und Naumburg (Briegers Zeitschrift für Kirchengeschichte II, 172).
No. 283.
Zeitbestimmung: Urkb. 1510—1537. Das Stück fällt vor
1515, denn die Juristen sind noch nicht Hausbesitzer, vergl. 383, 39
und 384, 27; es fällt nach dem 14. Oktober 1511. da bei seiner Ab-
fassung' No. 254 vorgelegen hat (vergl. 380, 20 mit 321. 24). Man
wird es mit Sicherheit ans Ende des Jahres 1511 setzen dürfen.
No. 2S7.
Zeitbestimmung: Urkb. 1511—1514. Der Endtermin ist
hinfällig, da Kochel (392, 38 und 394, 9 und 15) 1513 Leipzig ver-
liefs und Kanzler wurde. Für die genauere Bestimmung kommen
zwei Stellen in Betracht: 392, 29 lectio quinti, „die doctor Cristoff
seliger gehabt und sich nu vorlediget". Gemeint ist Dr. Christoph
Kuppener, der in der ersten Hälfte des Jahres 1511 starb. (Muther,
Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben S. 170.) 393, 23 sagt der
Schreiber — es ist der Ordinarius Lindemann — : „aber got weyfs,
das ich in meynen ader andern Sachen die zwey iar nicht X1III tage
von dannen gewest bin". Er spricht offenbar von der Zeit seines
Ordinariates, diese aber begann im April 1509 (vergl. Copial 110 fol. 114,
Mitteilung an die Juristenfakultät, dafs der Herzog Lindemann zum
Ordinarius ernannt habe, vom 12. April 1509). Ich setze das Schrift-
stück in die zweite Hälfte des Jahres 1511, aber vor den 14. Oktober
1511, da es offenbar, wie No. 250 (vergl. diese!), bei Abfassung von
254 vorgelegen hat,
No. 295.
Fehler: 404, 9 „yin" — „eyrn" (= einem)-, 404,34 „beruem"
— „bewern" (— bewähren); 405, 8 „neuen collegiaten" — „neun
collegiaten" ; 405, 22 „welchs man vorgeldunge" — „welchs man in
vorgeldunge".
Leipzig und Wittenberg. 91
No. '297.
Zeitbestimmung: Urkb. 1514 — 1537. Der Endtermin ist
1519, denn in diesem Jahre wurde Pistoris Ordinarius, das Stück
aber führt eine andere, nicht näher bezeichnete Person (es ist Linde-
mann) als Ordinarius an.
No. 298.
Z eitbes tim in u n g : Urkb. 1 515—1 5 1 7. 1 )ie Eingabe, die übrigens
keineswegs von der Artistenfakultät, sondern lediglich von 15 Magistern,
nieist Nichtfakultisten, stammt und von Helt von Forchheim aufgesetzt
ist — trägt das Datum XTI martii. Dem März 1517 kann sie nicht
angehören, denn damals verliefe Crocus Leipzig, aber nicht um nach
Böhmen, sondern um nach England überzusiedeln (vergl. die Briefe
von Emser, Ocbsenfart und Mosellan an Erasmus vom 15., 18. und
24. März 1517, die Crocus überbrachte, Erasmi opera III, 1592 und
1596); dem März 1515 kann sie schwerlich angehören, da sie erkennen
läfst, dais Crocus, der 1515 erst nach Leipzig kam, dort bereits eine
fruchtbare Lehrthätigkeit entfaltet hatte. Für den 12. März 1516
aber sprechen folgende Angaben: 1. Leipziger Ratsarchiv, Stadtkassen-
rechnungen für 1516: da Herzog Georg dem Crocus 80 Gulden für
dies Jahr zugesagt habe, das Geld aber allein nicht zahlen, sondern
von Universität und Stadt unterstützt sein wolle, so habe diese
20 Gulden gegeben. 2. Beschlufs der Artistenfakultät vom 16. April
1516 (nicht 1515, wie Böhme, der den Beschlufs S. 187 abdruckt, S. 175
annimmt), dem Crocus auf Wunsch des Herzogs 10 Gulden fürs Jahr
zu geben. 3. Brief Mosellans an Mutian, Leipzig, 25. Mai 1516
(K r au s e S. 606) : „Tu nostris hiis nundinis vemis heros quidam Boemns
itop nofa'XpriuaTioy per suos legatos nie ad se vocavit, proposito
etiam centum aureorum salario, et cum tempus iam statutum appe-
teret, quo mittendus erat, qui nie aveheret currus, ecce ad me adierunt,
qui et heroa e vivis excessisse nunciabant et universam Boemiam se-
ditionum procellis fluctuare. Qnare consilium non esse, me eo ut
conferrem." Man wird in der Annahme nicht fehl gehen, dafs Mo-
sellan als Ersatzmann für Crocus von dem böhmischen Herren aus-
ersehen worden war.
Fehler: 407, 2 „avelli praesentem quam absenti" — „avelli
praesentem dux magnificentissimus', quam absenti"; 407, 16 „Lau-
banus" — „Aubanus"; 407, 19 „Vurilius ("■?)" — „Vuerlerus".
No. 29».
Fehler: 408, 26 „der lange Sachssbider weyfs yre namen.
Solchs" — „der lange Sachsse, der weyfs yre namen und kennet yr
werk. Solchs".
No. 302.
Fehler: 415, 19 „punctation" — „permutation" ; 415, 25 „die
mit iren artihus institutis" — „die mit iren actibus in Servitute".
No. 306.
Fehler: 419, 25 „gebieten" — „gelieten" ; 419, 29 „streb-
same" — „erbsame" (= ehrsame;.
92 Felician Gefs:
No. 311.
Fehler: 424. 37 „galante" — „gelarte"; 425, 27 „zustchach"
— „zuschaden".
No. 314.
Fehler: 429, 14 „tzwe" — „tzw" (= zu); 429, 15 „in irem
besten" — „in irem lesen"; 429, 17 „gradus" - - „gradui".
No. 31«.
Zeitbestimmung: Urkb. 1519 — 1526. Das Stück gehört in
den August (nach dem 17.) 1521, wie aus dem Beschlüsse des Leip-
ziger Rates (Leipziger Katsarchiv I, 25 b) vom Sonnabend nach
Assumtionis Maria (— 17. August) 1521 hervorgeht, in der Sache
Veit Wiedemanns und des Studenten, .,so yme in seynem hause ge-
stolen und in des Bischoffs zu Merfsburg gefengkuis sitzt", dem Herzog
Georg zu beliebten.
Fehler: 430, 33 „befordern" — „erfordern"; 431, 18 „bat"
„bitt"; 431, 26 „angelaste" — „angelassen"; 432, 35 „keynen"
- „eynen"
No. 321.
Fehler: 439, 9 „Pachewel" — „Pachelbel" ; 439, 11 „Heyen-
dorffinus" — „Heoendorffinus".
■'S'
No. 328.
An Stelle dieses Stückes, das lediglich von der erfolgten Über-
sendung eines dem Inhalt nach nicht einmal charakterisierten Berichtes
an den Herzog berichtet, wäre doch zweckmäi'siger dieser Bericht
selbst zum Abdruck gebracht worden. Er findet sich zwei Seiten
vorher im selben Aktenstück (Loc. 9884 „Leipziyische Händel" 1519
bis 1526) und ist vom 31. Oktober 1521.
No. 333.
Zeitbestimmung: Urkb. 1522. Folgende nähere Zeitangabe
ist am Schlufs des Stückes von der Hand des Kanzlers Kochel quer
geschrieben : „Doctores facultatis iuridice. Vnderricht der promocion
halben, meyn gn. hern Herzogk Georgen von allen faculteten zn
Leipzigk Überantwort freitagk nach augustini anno xxij" — 29. August
1522. — Warum das Urkb. nur diesen Bericht der Juristen und nicht
auch den der Artisten (28. August 1522) und den der Theologen über
die Promotion bringt, ist nicht einzusehen; beide finden sich im
gleichen Aktenstück, wie der der Juristen, fol. 132 und 124, und
spielen in sehr bemerkenswerter Weise auf die religiöse Bewegung an.
Fehler: 447, 25 „annehmen .... zugehen" — „annehmen,
Spröde (= spröde) zugehen".
No. 33!).
Zeitbestimmung: Urkb. 1523 — 1542. Beide Termine sind
unmöglich, da der Adressat des Briefes schon seit 1539, der Schreiber
gar seit 1523 nicht mehr lebt. Das Stück mufs nicht nur vor 1523,
sondern auch vor die zweite Hälfte des Jahres 1515 fallen, denn
späterhin ist der Adressat nicht mehr „in Frifsland erblicher Guber-
Leipzig und Wittenberg. 98
nator des reychs"; es mufs sogar vor den 4. November 1511 fallen,
denn an diesem Tage wurde Auerbach, von dem es 45K, 35 heilst
„iczunder licenciat wurden", Dr. med. (Zarncke, Quellen S. 882);
es kann in kein früheres, als in das Jahr 150!» fallen, denn in diesem
wurde der Schreiber Dekan und als solchen giebt er sich 45(j, 7 und
457, 3. Darnach werden die Grenzen 1509 und 4. November 1511.
Eine genauere Bestimmung ergiebt sich bei Vergleich von 455, 41
mit folgendem Beschlufs des Leipziger Rates (Leipziger Ratsarchiv I,
25a, fol. 73b) vom 4. April 1511: „Doctor Conradus hat iijc fl uffs
Rathhaus geleget uff leipzins und von stunt vorstorben und kein
tzins gehaben, darumb wil der Rath seiner seien und allen glaubigen
seien zu trost ein spende geben und in des raths todtbuch schreiben
und mit andern rathhern vor sein sele bitten." Man darf annehmen,
dafs dieser Beschlufs sehr bald nach dem Tode des Doktors erfolgt,
unser Stück also in die Zeit vom März_bis Oktober 1511 zu setzen ist.
No. 398.
Fehler: 520, 27 „auch von nothen seyn, wye in" — ,,auch von
nothen seyn wyl in"; 521, 8 „weys" — „weyb" ; 522, 22 „gytribe (?)"
— „gynhe" (= gienge).
No. 504.
Dieses Testament ist nicht vom 21. Mai 1554, sondern vom
3. Juni 1504: actum feria secunda post trinitatis anno domini mille-
simo quingentesimo quarto". Seelmessen in Leipzig zur Zeit des
Kurfürsten August — das heifst doch der Leichtgläubigkeit der Re-
formationshistoriker zu viel zumuten!
III.
Geschichte der Burg Recheiiberg.
Von
Georg Pilk.
Im obersten, tief eingeschnittenen und engen Thale
der Freiberger Mulde liegt der Flecken Rechenberg.
Über seinen zu beiden Seiten des Baches erbauten Wohn-
häusern thront ein senkrecht aufragender und gleich einem
Vorgebirge ins Thal herausspringender Felsen. Derselbe
trug ehemals eine vielgenannte Burg. Lange schon ist
der kühne Bau zerfallen, sein Mauerwerk fast spurlos
hinweggetilgt und auch sein Andenken in der Erinnerung
der umwohnenden Bevölkerung beinahe verweht.
Die Burg Rechen b er g wurde wahrscheinlich gegen
Ende des 13. oder zu Anfang des 14. Jahrhunderts er-
baut. Zweck ihrer Anlage war der Schutz jener im
späteren Mittelalter stark begangenen Freiberg -Duxer
Strafse, welche daselbst vorüberführte und anfänglich
unterhalb der Riesenburg, später aber bei Klostergrab
in das Ossegger Thal mündete1). Die hier errichtete
Feste war sehr klein. Sie bestand nur aus einem einzigen
starken Turme mit jedenfalls sehr geringen Anhängseln,
so dals der Verfasser einer späteren Urkunde fast im
Zweifel war, ob dem kleinen Felsenneste der Name einer
') Drei Urkunden des königl. Hauptstaatsarchivs gedenken der-
selben: Orig. No. 289.'5 d. d. 25. August 1341: „Nos — Johannes —
ßoemie rex — ßorsoni de Risenburch et heredibus suis — indul-
genius — , quod ipsi stratam de Mysna versus Boeniiain ante castrum
Ossec vulgariter dictum Risenburch tendentem trans villam dictam
Grab — transtulerunt" ... — Orig. No. 4242 und 4241 d. d. 12./13. Juli
1378: „. . . . die strazze, die gen Rechenberg geet"
Geschichte der Burg Recheiiberg'. 95
Burg- oder einer blolsen Befestigung zukäme2). Als un-
mittelbare oder mittelbare Urheber des Schlosses Rechen-
berg dürfen die böhmischen Magnaten von Riesenburg,
zu deren ausgedehnten Besitzungen jener Punkt zählte,
angenommen werden. Das schon im 13. Jahrhunderte vor-
kommende und noch gegenwärtig blühende Geschlecht
derer von Rechenberg steht mit diesem Orte in keinem
Zusammenhange, da dessen Herkunft von einem gleich-
namigen schlesischen Dorfe im Goldberg-Hainauer Kreise
abzuleiten ist.
Durch die gesamte ältere Geschichte der sächsisch-
böhmischen Grenzländereien zieht sich wie ein leitender
Faden das Bestreben der Meilsner Markgrafen nach
Ausdehnung und Vergrößerung ihres Besitzstandes nach
Böhmen hinein. So auch hier. Schon Markgraf Friedrich
der Ernsthafte (1324—49) suchte das wichtige Strafsen-
Sperrfort Rechenberg unter seine Botmäisigkeit zu bringen.
Damit er oder seine Nachfolger später gerechtfertigtere
Ansprüche darauf erheben könnten, bot er Bor so II.
von Riesenburg die Summe von 50 Schock Groschen,
falls dieser das zu Böhmen gehörige Schlols aus des
Markgrafen Händen sich zu Lehen reichen Heise. Wenn
der Inhaber dieser Besitzung auf solche Weise die meiis-
nischen Fürsten in Bezug auf Rechenberg als seine Lehns-
herren und sich selber als deren Vasallen anerkannte,
niulste es den Markgrafen später leichter fallen, Rechen-
berg als Zubehör ihres Landes in Anspruch zu nehmen.
Borso IL scheint auch darauf eingegangen zu sein.
Von denen von Riesenburg gelangte Rechenberg,
vielleicht durch Heirat, auf kürzere Zeit an den Burg-
grafen Mein her IV. von Meifsen. Diesen belehnte
damit im Jahre 1340 ebenfalls das markgräflich meils-
nische Haus, wobei sich letzteres das sogenannte Öffnungs-
recht an dem Schlosse vorbehielt3).
Nicht lange darnach gehörte Rechenberg wieder zur
Herrschaft Riesenburg, welche mittlerweile an Borso's IL
Söhne namens Slauko und Borso HL übergegangen
war. Genannte beiden Brüder wurden von seifen Mark-
graf Friedrichs des Strengen wiederum bewogen, Rechen-
berg von der meilsnischen Lehnskurie in Empfang zu
") Cod. Sax. II. 3, 1H1 : super allodio tum ceterisque bonis
castri sive fortalitii Rechenberg-" ....
3) Hauptstaatsaivhiv Wittenberger Inventarium Bl. 64
Qfi Georg Pilk:
nehmen. Sie willigten darein, vielleicht in Befürchtung-
gewisser Nachteile im Weigerungsfalle, obgleich sie wußten,
daß ihrem verstorbenen Vater die für das gleiche Ent-
gegenkommen seiner Zeit in Aussicht gestellte Belohnung
vorenthalten worden war. In einem Revers vom 28. Februar
1350 erklärten sie, dals ihnen Rechenberg vom Mark-
grafen Friedrich geliehen worden sei, und versprachen,
die Burg bei einer etwaigen Veräufserung zuvörderst ihm
oder seinen Nachfolgern zur Erwerbung anzubieten, und,
wofern das markgräfliche Haus von dem Vorkaufsrechte
keinen Gebrauch mache, dieselbe alsdann nur an meils-
nische ünterthanen zu überlassen. Zugleich verzichteten
die Gebrüder von Riesenburg auf ihre Ansprüche an die
ihrem seligen Vater einst verheifsenen, jedoch noch nicht
zur Auszahlung gelangten 50 Schock Groschen4). An
ebendemselben Tage verlieh der Markgraf der Gemahlin
Borso's II. von Riesenburg, Sofia, Rechenberg als Leib-
gedinge, in dessen Niefsbrauch sie nach dem Tode ihres
Gatten gelangen sollte5).
Die bisher geschilderten Bemühungen der Wettiner,
Rechenberg als einen von ihnen lehnsabhängigen Ort zu
kennzeichnen, hatten deshalb keinen Erfolg, und die
Markgrafen konnten vorläufig ihre Prätension nicht aus-
nützen, weil man in Böhmen sich wohl bewufst war, dals
die Burg ein Zubehör der böhmischen Krone bildete.
Diese Ansicht gelangte zum Ausdruck in der am 25. No-
vember 1372 zwischen Kaiser Karl IV. und König Wenzel
einerseits mit den Markgrafen Friedrich, Balthasar und
Wilhelm von Meifsen andererseits geschlossenen Erb-
einigung, deren Wortlaut Rechenberg als böhmisches
Lehen bezeichnet6).
Festere Rechtsunterlagen für die Lehnshoheit über
Rechenberg erwarb Markgraf Wilhelm erst am 4. Februar
1398, als er die gesamte Herrschaft Riesenburg, mit der-
selben also auch Rechenberg, für 40000 Mark lötigen
Silbers von Borso III. von Riesenburg wiederkäuflich an
sich brachte7). Unter der „ehrbaren Mannschaft", die
der Verkäufer dem Markgrafen überwies, befand sich
auch S ebnitz Kundige auf Rechenbergs). Dieser Burg-
') Märcker, Burggraftum Meifseu S. 479 fg.
5) Ebendas. S. 75 Anmerk. J 9.
•) Hauptstaatsarchiv Orig. No. 4036.
7) Ehendas. Cop. 30 Bl. 119b fg., desgl. Cop. 1316 Bl. 78.
8) Ebenda«. Cop. 1316 Bl. 140 b: „Dis ist die erbar mauscbaft,
Geschichte der Burg- Rechenberg. 07
herr, der Rechenberg demnach als Aftervasall des Herrn
von Riesenburg inne gehabt hatte, entstammte einer
meißnischen Adelsfamilie, welche in Dresden und dessen
Umgegend begütert war9). Sebnitz Kundige verkaufte
Rechenberg im Jahre 1400 an den Burggrafen M ein-
her VI. von Meifsen. Markgraf Wilhelm der Einäugige
belehnte den letzteren laut eines Reverses vom 27. Juli 1400
im nämlichen Jahre damit unter dem Vorbehalte, die
Burg im Kriegsfalle militärisch besetzen zu dürfen10) oder,
wie ein Kopialvermerk etwas abweichend besagt, dals der
Burggraf dem Fürsten treulich in allen Streitigkeiten
und Nöten mit dem Schlosse Rechenberg dienen sollte,
dals endlich auch des Burggrafen Besitznachfolger Rechen-
berg von dem Markgrafen oder dessen Erben zu Lehen
nehmen und in gleicher Weise damit dienstpflichtig sein
sollten11).
Zur Zeit Friedrichs des Streitbaren (f 1428) hausten
auf Rechenberg die von Schön berg und nach denselben
die von Gorenzk. Friedrich der Sanftmütige sagt näm-
lich in einer Urkunde von 1449, dafs letztere Familie
den Rechenberg schon von seinen Voreltern zu Lehen
innegehabt hätte, und einer von Gorenzk bezeichnet in
einem später zu besprechenden Schriftstücke wiederum
die Schönberge als Besitzvorgänger seines Geschlechts12).
die er Borsse von Resinburg an myn heren Wilhelm marcgraffen zu
Missen gewiest hat: Item Zebenicz Kundige hat zu lehene
Rechenberg das huß mit aller zugehorunge"
9) Richter, Verfassungs- und Verwaltung^ - Geschichte von
Dresden 1, 18, 413. II, 221. III, 39. — Über Berg und Thal, Jahrg.
1891, S. 199 fg. — „Sebenitz Kundige" wird nochmals als Gewährsbürge
erwähnt am 2. Februar 1406. Grund mann, Cod. diplom. episcop.
Misn. (Mscpt.) V, 1259.
10) Märcker a. a. 0. S. 519.
") Hauptstaatsarchiv Cop. 30 Bl. 139 : „Rechenberg. Dominus con-
tulit nohili domiuo Meynhero burcgravio Missnensi et suis heredibus
feodalibus castrum dictum Rechenberg emptum a Sebenicze Kuudigen
cum omnibus suis iuribus aquis silvis neinoribus et pertinenciis, sicud
idem Sebenicz hucusque possedit, pfeodi (sie!) titulo possidendum,
sie quod idem buregravius et sui heredes domino fideliter in omnibus
suis litigiis et necessitatibus serviant contra quoseunque neminem
exceptum et quod dominus ad dictum castrum inteimittatur; eciam
si buregravius vel sui heredes predicti castrum predictum vendere
voluerint, tunc is, qui dictum castrum emeret, deberet castrum pre-
dictum a domino et suis heredibus reeipere in feodum et domino et
suis heredibus de ipso castro et talia facere servicia, sicud idem
buregravius fecit et consuevit facere. Datum Grymme anno domini
m^ cccc^.tt
12) Ebeudas. Cop. 43 Bl. 191b fg. — W. A. Örter: Rechenberg Bl. 1.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1.2. 7
08 Georg Pilk :
Während der unter ersterem Fürsten ausgebrochenen
Hussitenkriege spielte die Burg liechenberg eine nicht
unwichtige Rolle. Die sächsischen Herrscher konnten,
ungehindert und gedeckt durch die Feste, ihre Truppen
über den dort vorüberlaufenden Pals nach Böhmen führen,
so u. a. im Winter 1423 eine Abteilung Dresdner Schützen
nach Dux1:3). Auch das grolse Meilsner Heer, das die
Kurfürstin Katharina 1426 bei Freiberg sammelte und
nach Böhmen entsendete, dürfte hier das Gebirge über-
schritten haben. Ob dann im weiteren Verlaufe jenes
Krieges liechenberg in die Hände einer Hussitenschar
tiel und diese von Dresdner Kriegern darin belagert
wurde, oder ob die Burg unbezwungen blieb und nur
mit frischen Streitkräften seitens der Stadt Dresden ver-
sehen wurde, bleibt ungewifs. Möglicherweise konnte
auch der Schloisherr durch feindseliges Verhalten Anlaß
zum Einschreiten gegen ihn gegeben haben. Sicher ist,
dais Dresden im Jahre 1431 eine Heerfahrt nach liechen-
berg unternahm. Die Kosten für dieselbe verzeichnen
die dasigen Ratsrechnungen11).
Schon vor 1440 war ein Michel von Goren zk
Besitzer des Schlosses Rechenberg. Er wurde samt seinen
Brüdern Wolf und Tietze von Gorenzk am 19. August
1440 von Kurfürst Friedrich dem Sanftmütigen und Herzog
Wilhelm III. damit neubelehnt15). „Michele von Gorenczk
zcum Rechenberge gesessen" lieh seinen Landesherren
am 19. August 1440 vierhundert rhein. Gulden auf zwei
Jahre gegen eine jährliche Verzinsung von 40 Gulden,
was dem damals üblichen zehnprozentigen Zinsfulse ent-
sprach. Für die Rückerstattung des Kapitals nach aus-
bedungener halbjähriger Kündigung leistete die Stadt
1!J) Ratsarchiv Dresden. A. XVb 3. Bl. 24b: „Item v. gr. vor
eynen slitten, den di gesellen zcu liechenberg kouften, do se keyn
Toczczaw czogen." (Vergl. Neubert, Dresdner Sehnt zengesell-
schaften S. 6.)
") Bbendas. Bl. 256h: „Distributa in die herfard keyn Etechen-
berge. Primo Ofenbruche vj gr. /cu zcernnge; item Pesschil x gr.
Furluthen: Mertin, der im stalle was, x gr., Math, von Strenlin x gr.,
Schotheis x gr., Gobi! x gr.; item eyme, der mittefur, ij gr. zcu
sclmii; item ij gr. vor strenge, item Könige ij gülden vor dorre
vissche, item A.pnewicz wybe vj gr.; item \m selbir, alze her weder
qwam, j gülden*, item xxx gr. vor eyne halbe tonne kese; item Clemens,
der mitte was, vj gr.'; item demselben dornach v gr. von geheise;
item vmhe eynen scneffil salcz xij gr."
,6) Hauptstaatsarchiv Cop. 40 Bl. 120. — Seidemann, Über-
lieferungen etc. S. 15.
Geschichte der Burg- Rechenberg. 90
Dresden mittelst Anhängung ihres Siegels an den Schuld-
brief Bürgschaft1''). Drei Jahre später, am 25. August
1443, wurden Veronika, der Gemahlin Wolfs von Gorenzk,
200 Schock Groschen „uf dem Rechenberge" und anderen
Gütern verschrieben. Die betreffende, ihr für den Todes-
fall ihres „ehelichen Wirtes" zugesicherte Summe bildete
das Kapital einer Leibrente, vor dessen Erlegung sie die
Nutznießung der Güter nicht abzutreten hatte. Zu Vor-
mündern, welche, wie üblich, die Witwe in ihren E echten
schützen sollten, wurden ihr Friedrich von der Öls-
nitz, Hans von Karas zu Eeinhardsgrimma und
Hans von Staupitz beigegeben17). Wolf von Gorenzk
hinterließ bei seinem um 1449 erfolgten Ableben einen
unmündigen Sohn namens Hans. Zu des letzteren Gunsten
beschlossen die herzoglichen Eäte Hans von Maltitz und
Heinrich von Bünau, sein väterliches Erbe Rechenberg
von seiner Mutter ablösen zu lassen. Tietzke von Gorenzk,
der Oheim des jungen Mündels, erklärte sich bereit zur
Zahlung von 160 Schock Groschen an seine Schwägerin
Veronika für deren Eücktritt. Dafür wollte er die Burg
selber in Lehen nehmen und seinem Neffen das Eecht
der gesamten Hand daran bewilligen. Die Witwe war
damit einverstanden. In Gegenwart ihrer Vormünder
leistete sie „mit lachendem Munde", wie die alte Rechts-
formel besagt, Verzicht auf ihre Ansprüche und lieferte
ihren Leibgedingebrief aus. So erhielt nunmehr Tietze
von Gorenzk die Burg Eechenberg samt dem „Städtlein
darunter und dem Dorie Nassaw" vom Kurfürsten Fried-
rich 1449 verliehen. Dem jungen Hans von Gorenzk
wurde dabei noch das Recht zugebilligt, dals er nach
erlangter Volljährigkeit das Schlots Rechenberg für die
gleiche Summe von 160 Schock Groschen von seinem
Oheim zurückkaufen dürfte, welcher es ihm dann unver-
züglich einräumen und nur die Gesamtlehen daran be-
halten sollte1*). Diese Urkunde ist die älteste derjenigen,
die den Flecken Rechenberg als ein „Städtlein" bezeichnen.
Noch 1451 war Tietze (Dietrich) von Gorenzk zu Rechen-
berg gesessen. Am 15. Oktober dieses Jahres liefs der-
selbe seiner Gattin Agnes die Summe von 200 Schock
Groschen versichern. Solche sollte ihr „zeu einer abe-
lfi) Hauptstaatsarchiv Cop. 12 Bl. ß.
17) Ebeudas. Cop. 42 Bl. 225 b.
1S) Ebendas. Cop. 43. Bl. 191 b fg.
100 Georg Pilk:
legung", falls er vor ihr und ohne Leibeslehnserben sterben
würde, von dem nachmaligen Inhaber der Burg Rechen-
berg auf einem Zahlungstermine in Dresden ausgehändigt
werden. Bei Hinterlassung von Kindern sollte die Witwe
die 200 Schock nicht verlangen, so lange sie bei denselben
im Schlosse wohnen bliebe; falls sie aber von ihnen ziehen
und „ihren Witwenstuhl verrücken" (d. h. sich wieder
verheiraten) würde, sollten die Kinder ihr jene Summe
zahlen19).
In der Mitte des 15. Jahrhunderts bildete Rechen -
berg einen Gegenstand der Streitigkeiten zwischen Sachsen
und Böhmen. Georg Podiebrad hatte die alten Ansprüche
der böhmischen Krone auf die jetzt in Sachsens Händen
befindliche Burg hervorgesucht und geltend gemacht.
Gegenüber seiner Forderung, diesen und andere „ent-
fremdete" Orte an Böhmen zurückzugeben, drangen die
sächsischen Diplomaten mit Darlegung ihrer Rechtstitel20)
nicht durch. Der den langdauernden Zerwürfnissen ein
Ende machende Vertrag zu Eger vom 25. April 1459 be-
liels Rechenberg bei Sachsen, jedoch in der Eigenschaft
eines böhmischen Lehens. Als solches wurde es allen
folgenden Beherrschern dieses Gebietes von den Königen
von Böhmen gereicht und in jedem Lehnbriefe derselben
speziell mit aufgeführt, bis das im Jahre 1806 zum König-
reiche erhobene Sachsen der böhmischen Lehnsunterthänig-
keit entbunden ward.
Tietze von Gorenzk besals, wie es scheint, keine
männliche Nachkommenschaft, denn der sogenannte An-
fall an seiner Burg war dem Burggrafen Hart mann
von Kirchberg zugestanden worden. Von letzterem
erkaufte dieses Recht Hans We ig hart, der darauf
samt seinen Söhnen Franz. Heinrich, Krieg und Hans
die Eventualbelehnung erhielt21). Tietze von Gorenzk
erachtete es für angezeigt, noch vor seinem Ableben das
Schlots Rechenberg zu veräußern. Von ihm erstand es
der genannte Hans Weighart am 2. Oktober 1463 fin-
den Breis von 400 Schock G röschen. Die Kaufsverhand-
luugen zwischen beiden Kontrahenten hatten Nickel von
Schönberg, Hofmeister der Herzogin, Nickel von Pflugk
,n) Haupt Staatsarchiv Cop. 14 J',1. 214
20) Bachmann, Briefe und Akten (Fontes rerum Austriacarum
II, 44) S. 2 f.
-') Hauptstaatsarchiv Cop. 45 BL 166b.
Geschichte der Burg Rechenherg. 101
zu Knauthain und Bernhard von Schönberg auf Purschen-
stein geführt, Hans Weighart, welchem unter Mitbelehn-
schaft seiner bereits namhaft gemachten Söhne das Schlofs
Rechenberg mit dem Städtchen und den Dörfern „Nassaw"
und „Nyder-Rechenbergk, an dem böhmischen Walde ge-
legen", vom Kurfürsten Friedrich am 22. Mai 14G4 ver-
liehen wurde, war einer begüterten Bürgerfamilie ent-
sprossen, der schon 1349 der sogenannte Turmhof vor
Freiberg gehörte. Daselbst war auch Hans Weighart,
ehe er Rechenberg erwarb, seishaft. Er und seine Söhne
pflogen gern ritterlicher Beschäftigungen. So befand sich
Hans Weighart (unbestimmt, ob Vater oder Sohn) im
Jahre 1464 mit Wolf von Theler auf einem Zuge von
Freiberg nach Rostock, wohin er dem Könige Christian I.
von Dänemark zu dessen Kriege gegen Schweden 300 Tra-
banten und 10 Reisige als Hilfstruppen zuführte, welche
der dänische Kanzler und Gesandte Daniel Kepke in
Sachsen angeworben hatte--).
Die Urkunde2") über den Besitz Wechsel der Burg
Rechenberg ist deshalb interessant, weil sie die Einkünfte
des Schlotsherrn aus Zöllen und Erbzinsen seiner Unter-
sassen verzeichnet und daraus sämtliche Pertinenzen für
jenen Zeitpunkt erkennen läfst. Unter denen von Gorenzk
mufste jeder am Rechenberge vorübergehende Fußgänger
einen Heller, jeder Reiter zwei Heller und jeder Wagen
vier Heller Strafsenzoll dem Burgherrn entrichten. Die
Erbzinsen der Unterthanen bestanden u. a. in Forellen,
von denen jährlich 17 Schock eingesalzene und darüber
zwischen Pfingsten und Michaelis alle Freitage 10 Stück
grüne als Fastenspeise auf die Burg abgeliefert wurden,
ferner in 110 Stück Eichhörnchen, die einen Leckerbissen
der ritterlichen Tafel bildeten, und in 12 Stein Pech.
(Dieser Forellenzins aus dem Gebiete der Weifseritz und
Mulde gehörte noch 1398 zur Riesenburg, wohin ihn
damals ein Fischer aus Klostergrab abzuführen hatte24].)
Die Art dieser Erbzinsen erscheint dem rauhen Gebirgs-
klima, das nur spärliches Getreide zur Reife kommen
läfst, recht wohl angepafst. Obedienzdörfer von Rechen-
22) Hauptstaatsarchiv Orig. No. 7814 a.
-3) Ebendas. W. A. Örter, Rechenherg, Bl. 1.
24) Ebendas. Cop. 1316 Bl. 141 f. : „Item der fischer in dem Grabe
gibt zu czinse xv schock faren von der Wistricz vnd der Moldaw
obenthalben Rechenherg; derselb gibt alle fritage von sent Jörgen
tage biß uf Michael xij faren."
102 Georg Pilk:
berg waren Clausnitz, Kämmerswalde und Nassau.
Die Bewohner <Uis Städtchens Rechenberg waren frei-
angesessen und ihrem Herrn nur zur Leistung einiger
Erntedienste -■"') sowie zur Abgabe eines Scheffels von
jedem Fuder Salz verpflichtet, das bei ihm zum Klein-
verschleils gelangte. Der Wochenmarkt, welcher seit der
von Schönberg Zeiten und länger allsonntäglich in Rechen-
berg abgehalten wurde, trug dem Schlofsherrn nichts ein,
da derselbe ein sogenannter freier Markt war, die dort-
hin geführten Waren mithin keinen Zoll- und Geleits-
gebühren unterlagen. Der Bing Rechenberg standen
weiter zu die Einnahmen von einem Wegezoll im Dorfe
Nassau, welcher dort erhoben wurde, wenn dies nicht
bereits in Rechenberg geschehen war. Erwähntes Dorf
war übrigens mit dem Privileg begnadet, dafs sich in
demselben Handwerker verschiedener Art freizügig nieder-
lassen durften'-0). Einige Sägewerke („brethmöl") an
den benachbarten Gewässern zinsten ebenfalls aufs Schlots
Rechenberg. Wenn der Erbherr deren Gefälle nicht
annehmen wollte, so konnte er den Schneidemüllern Holz
dafür ablassen'27).
Die mit solchen Einkünften und Gerechtigkeiten aus-
gestattete kleine Herrschaft hatte Hans Weighart er-
worben. Er war dabei aber wohl ein wenig über seine
Kaufkraft hinausgegangen, da er überdies den Freiberger
Turmhof und das Gut Lichtenberg im Besitz behielt. So
kam es denn, dals er bald Anleihen aufnehmen mulste.
Mit Bewilligung der Herzöge verkaufte er am 11. Sep-
tember 1464 dem Meifsner Domkapitel G Schock Groschen
Zins auf Lichtenberg und im nämlichen Jahre an das-
selbe geistliche Stift weitere 12 Schock Groschen auf
das Schlots Rechenberg28). Infolge letzterer Zinsver-
pfändung wurde die Burg mit einer Schuld in Höhe von
;il(i Schock Groschen belastet.
Als Besitzer von Rechenberg war Hans Weighart
in ein Dienstverhältnis zum herzoglichen Hofe getreten.
Die Landesherren selber bezeichnen ihn demgemäß als
ihren „Hofdiener" in einem Schreiben s. d. an Johann von
""') daz sy kraut stoßen vml hacken vnde flachs geten
viiil daz hew yn dy schober aufrechen" . . .
-") n . . . daz dorynne wonen mögen sneider, becker, schuster" etc.
27) „.... ab eynner dy zeinae nicht haben wil von en, so mag
her en klotczerbawme vorkauffen."
28) Cod. Sax. II. 3, 157. 161.
Geschichte der Burg Rechenberg. 103
Wrsessewitz Ileburczki, Hauptmann zu Teplitz, welchem
empfohlen wurde, für Weigharts Sicherheit bei einer
bevorstehenden Reise desselben nach Teplitz Sorge zu
tragen-11).
Der Inhaber einer so nahe der Grenze Böhmens ge-
legenen Burg wie Rechenberg mufste selbstverständlich in
mancherlei Beziehungen zu seinen jenseitigen Nachbarn tre-
ten. Diese konnten nicht immer freundschaftlicher Art sein.
Folgenschwer gestaltete sich ein Zwist der Rechenberger
Weigharte mit dem Freiherrn Heinrich von Raben-
stein auf Riesenburg. Mit letzterem „Sachsenhasser",
an dessen Behausung selten ein Begüterter unberaubt
vorüberziehen konnte, lebte Hans Weighart bis zum
Jahre 1473 in Frieden. Noch vor Johannis genannten
Jahres besuchte er den von Rabenstein und verabschiedete
sich von ihm freundschaftlich. Nicht lange darnach aber
erregte ein Streich des gewaltthätigen Nachbars seinen
Zorn. Man erwartete auf dem Rechenberge einen Ver-
wandten, Hans Weigharts Vetter, der im Dienste des
deutschen Ritterordens in Preufsen stand. Diesen hatte
Weighart zu sich gebeten. (Die Worte „um meines
Soldes halben" lassen vermuten, dafs Weighart selber
einst in Preufsen gedient und von dort noch Sold zu
fordern hatte.) Dem Herannahenden lauerten Riesen-
burger Knechte auf sächsischem Gebiete an der zum
Rechenberge gehörigen Strafse auf und raubten ihn aus.
Der alte Weighart war an jenem Tage gerade abwesend.
Als nun etliche Befreundete30) zu seinem Sohne kamen und
das Vorgefallene anzeigten, liefs der letztere die Straßen-
räuber ungesäumt verfolgen. Man ereilte sie und griff
sie an. In dem Kampfe wurde der Vetter aus Preufsen
erschossen und etliche Rechenberger, darunter Weigharts
eigener Diener, schwer verwundet, jedoch auch zwei der
Landplacker als Gefangene eingebracht. Nach seiner
Rückkehr richtete nun Hans Weighart eine schriftliche
Anfrage31) an den von Rabenstein, warum er dies, ent-
29) Hauptstaatsarchiv W. A. Böhm. Sach. Befehdungen Bl. 312.
a0) Als solche nennt ein Schreiben Kaspars von Schönberg d. d.
Frauenstein d. 24. Juni (1473) ,, Petter Lisnick, Jorge Tawer und
Frederich Czeren". Ebendas. W. A. Befehdungen I. Bl. 220.
3I) „ als . synt yn dy awern vorgeczogen vnd den weit
vorhawen vnd yn berobet vnd daz seyne genommen uff meyner strofsen
vnd yn meyner gnedigen hern lande " Hauptstaatsarchiv W. A.
Böhm. Sach. Grafen- und Herren-Sachen Bl. 146.
10| Georo- Pilk:
gegen dem bisherigen freundnachbarlichen Verhältnisse
heider, habe geschehen lassen. Dals er der Anstifter des
Überfalls gewesen sei. hätten seine eigenen in Gefangen-
schaft geratenen Knechte ausgesagt. Hierauf entschul-
digte sich Rabenstein am 2G. Juni 1473 damit, dals ihm
Weigharts Vetter als ein anderer bezeignet worden sei.
Wäre ihm dessen Verwandtschaft mit Weighart bekannt
gewesen oder hätte sich der Beraubte darauf berufen,
so würde ihm Geleit gegeben worden sein. Wie die
Sachen aber nunmehr lägen, seien sie ihm leid, und er
bitte in Rücksicht auf seine gute Nachbarschaft, welche
er beteuerte, um Freilassung seiner beiden Angehörigen"-).
Diesem Verlangen entsprach der Burgherr von Rechen-
berg vorläufig nicht, sondern meldete das Ereignis seinen
Fürsten. An letztere wendete sich auch Heinrich von
Rabenstein schon am 30. Juni desselben Jahres. Er recht-
fertigte seine That mit dem Vorgeben, der Verwandte
Weigharts sei ihm als Ausländer und „Abgönner" (Feind)
namens Meifsner genannt worden. Zugleich erbot er
sich, Genugthimng zu leisten sowie einem nach Rechen-
berg anzuberaumenden Verhandlungstage persönlich an-
wohnen zu wollen88). Als auch letzterer Wunsch keine
Berücksichtigung fand, fühlte der Herr von der Riesen-
burg den Boden unter seinen Fülsen heifs werden. Hatte
er doch durch zahlreiche Feindseligkeilen und Übelthaten
den Zorn der Sachsenherzöge bereits auf sich geladen,
so dafs ein geringfügigerer Anlafs eine für ihn verhängnis-
volle Katastrophe herbeiführen konnte. Die Thatsachen
lagen auch wirklich so. Die sächsische Regierung plante
eine exemplarische Bestrafung des raublustigen Ritters.
Da suchte Rabenstein zunächst den Rechenberger Weighart
als Fürsprecher zu gewinnen. In einem freundlichen
Schreiben bat er diesen um Verwendung bei den Her-
zögen und erinnerte ihn daran, dals er seiner Zeit doch
gern bereit zur Schadenersatzleistung gewesen sei, als
Rechenbergische Unterthanen bei einem Getreidetransport
aus Böhmen von seinen Leuten angefallen und beraubt
worden waren. Einen letzten Begütigungsversuch machte
Heinrich von Rabenstein, indem er den Abt des Klosters
Ossegg in Begleitung eines von Küchenmeister per-
sönlich zu Weighart auf den Reehenberg sandte. Der
32) Hauptstaatsarchiv El. L48.
33) Ebemlas. Bl. 149 und 267.
Geschichte der Burg Rechenberg 105
geistliche Herr erhielt dort den Bescheid, dafs die Her-
zöge die fernere gefängliche Verwahrung der beiden
Riesenburger befohlen hätten, eine Losgabe derselben
also nicht erfolgen könne. Bei diesen Worten, aus denen
die Ungnade der Fürsten unschwer erkennbar war, zeigte
der Abt eine sichtliche Bestürzung; „wen her gar ser
erschrockenn ist awer gnoden abegunst vnd ist gancz
fege vor awer gnodenn", berichtete Weighart nach Dres-
den154). Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht erklärten
dem von Rabenstein am 1. Oktober 1473 die Fehde,
welche für den Ritter mit dem Verluste seiner Herrschaft
Riesenburg endigte.
In ebendemselben Jahre beherbergte das Burgverliefs
des Rechenbergs einen hohen Gefangenen. Hans Weighart
nahm bei Gelegenheit eines Fehdezuges, den Burggraf
Heinrich II. von Meifsen gegen Sachsen ausführte,
den letzteren, wie es scheint durch Verrat, gefangen
und führte ihn zunächst nach der Feste Schellenberg.
Von da wurde „der Alte von Plauen" nach Rechenberg
gebracht. Dieser Fang kam den sächsischen Fürsten sehr
gelegen; war doch der Burggraf ihr unversöhnlichster
Feind. Es scheint sogar, als ob die Herzöge mit im
Einverständnisse gewesen seien, obgleich der Anschein
gewahrt blieb, dafs Weighart nur in einer Privatfehde
gehandelt habe. Im Turme der Burg Rechenberg sals
nun der stolze Dynast, „des heiligen römischen Reichs
Fürst und Burggraf zu Meiisen", als armer Gefangener
eines wehrhaften Bürgerlichen, und seinem Sohne sollen
bei der Nachricht von des greisen Vaters Schicksal die
Augen übergegangen sein. Durch des letzteren Drohung,
der Kurfürst möge sich vorsehen, er werde seinen Vater
nicht im Stiche lassen, wurde das Handeln Weigharts
und des sächsischen Hofes nicht beeinflußt. Drei Jahre
mulste Burggraf Heinrich unfreiwillig ausharren. Ver-
geblich bemühte sich die gramgebeugte Gemahlin um
seine Freilassung. Die Burggräfin Anna gewann u. a.
den Markgrafen von Brandenburg, die Herzöge von
Baiern und den Bischof von Eichstädt zu Fürsprechern
beim Kurfürsten Ernst, jedoch nichts wollte fruchten.
Zahlreiche bittere Vorwürfe über seine That trafen Hans
Weighart von Fürsten und Städten wie von den Burg-
gräflichen, welche ihn beschuldigten, dafs er mit dem
üi
) Hauptstaatsarchiv Bl. 159.
106 Georg Pilk:
Alten an einem Tische gegessen und ihn dann unrecht-
licher Weise gefangen habe, obwohl er nicht sein Feind
war. Den Fürsten und Städten gegenüber wollte sich
Weighart rechtfertigen. Er erbat sich vom Hofmarschall
Hugold von Schleinitz den Wortlaut eines dahingehenden
Verantwortungsschreibens. Am 15. Februar 1476 nahmen
die Herzöge den Gefangenen in eignen Gewahrsani und
gaben ihn fünf Tage später gegen außerordentlich harte
Bedingungen frei. Das wortbrüchige Verhalten des Alten
von Plauen nach Erledigung von seiner Haft gehört nicht
mehr # in den Rahmen unserer Darstellung1"').
Über die Familie der Weigharts haben wir hier auch
nur insoweit zu berichten, als sie mit der Geschichte von
Rechenberg im Zusammenhange stand. 1481 war Hans
Weighart der Ältere schon gestorben und der Rechenberg
im Besitze seiner Söhne Heinrich und Hans Weighart.
Über dieselben führte 1481 der böhmische Ritter Benisch
von der Weitmühl Klage, dafs sie einen Knecht des „Stras-
guten" aus seinem Amte Kuttenberg gefangen und dem-
selben Rots und Barschaft abgenommen hätten. Der
Knecht war angeblich wegen eines Diebes, der ihn be-
stohlen, nach Rechenberg getrabt. Die Verwendungen
des von der Weitmühl bei den Rechenberger Herren
blieben erfolglos. Die Weigharts lehnten die Freigabe
des Gefangenen unter Berufung auf einen Befehl ihrer
Landesherren ab, und Benisch von der Weitmühl be-
schwerte sich nun über sie und ihren „Eigenwillen, den
sie fort und fort brauchen", beim sächsischen Hofe. Da
er aber inzwischen bereits eigenmächtig Repressalien an
den Untersassen der Burg Rechenberg angewendet hatte,
schrieben ihm die Herzöge am 23. März 1481 in aus-
nehmend kaltem Tone, dals ihm ihre Meinung in dieser
Sache, „dorumbe ir den gemelten Weichharte armen
luthe habt kommern lassen", durch ihre Räte auf einem
Tage zu Brüx solle mitgeteilt werden36).
Bei der Länderteilung vom 2G. August 1485 kamen
die Gebrüder Hans und Heinrich Weighart mit ihrer
Burg Rechenberg unter die alleinige Landeshoheit Herzog
Albrechts. Sie waren beide ohne männliche Nachkominen-
;;v) Märcker, Burygraftum Meifsen S. 'Mut'. — Schmidt, Burg-
graf Heinrich [V. von Meilen S. 27.
''■i Bauptstaatsarehiv WA. Böhm. Sach. Graten- und Herren
Sachen Bl. 267, 268.
G-eschichte der Burg' Rechenberg. 107
schaft. Ihre Lehen nmlsten deshalb nach ihrem Tode
voraussichtlich dem Fürsten anheimfallen. Dieser ver-
schrieb am 29. April 1488 den künftigen Besitz Rechen-
bergs sowie des Turmhofes zu Freiberg vermittelst einer
Anfallsbelehimng seinem Rate Kaspar von Schönberg
auf Purschenstein, wofür letzterer ein Jahr nach er-
folgter Übernahme dieser Güter 1000 rhein. Gulden an
die herzogliche Kammer zahlen sollte:!T). Im Jahre 1500
schwebten zwischen den beiden Brüdern Weighart ge-
wisse Streitigkeiten , mit deren Schlichtung Heinrich von
Eiusiedel und Siegmund von Maltitz seitens des Herzogs
beauftragt wurden. Hans Weighart der Jüngere wird
von da ab nicht mehr erwähnt; Heinrich aber war 1501
ohne Leibeslehnserben verstorben. Seine Witwe, der kein
Leibgedinge ausgesetzt worden war, schied mit leeren
Händen von den Gütern ihres Gatten, welche nunmehr
Kaspar von Schönberg eigentümlich übernahm. Letzterer
erhielt am 26. Februar 1501 neben seinen anderen Be-
sitzungen auch das Schlots Rechenberg vom Herzoge
Georg zu Lehn gereicht38).
Nach diesem Wechsel der Inhaber blieb die Burg
Rechenberg nahezu l1/.2 Jahrhunderte in den Händen der
Schönberge/59).
Unter Heinrich von Schönberg zerstörte am
2. Dezember 1586 eine Feuersbrunst, verursacht durch
das unvorsichtige Gebaren einer Magd mit einem Leucht-
span, die Burg. Wiederhergestellt gelangte Rechenberg
1647 als ein Zubehör der Herrschaft Frauenstein von
den in Konkurs geratenen Schönbergen durch Kauf an
Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, der hier
1656 eine grofse Hofjagd abhielt und bei dieser Gelegen-
heit den Ortsbewohnern einen Jahrmarkt bewilligte40).
Das Schlots des nunmehr in ein Kammergut ver-
wandelten Ortes fiel bald darauf der Verödung anheim.
Den Zeitpunkt, da Rechenberg zur Ruine wurde, ver-
mögen wir nur annähernd zu bestimmen. Der Topograph
Schiffner behauptet, dats die Burg noch 1763 Dach und
Fach gehabt hätte, während Leonhardi 1790 nur noch
einen verfallenen Turm wahrnimmt. Gegenüber einer
37) Ebenda». Orig. No. 8735b; vergl. Bahn, Frauenstein S. 38 fg.
38) Hauptstaatsarchiv Cop. 106, Bl. 151, 275b, :^44. — Orig.
No. 9403b.
39) Fraustadt, Geschichte der Herren von Schönberg Ib.
40) Bahn, Frauenstein S. 39-44, 161, 173.
los Georg Pilk: Geschichte der Burg Rechenherg.
weiteren Notiz Schiffners, nach welcher man die letzten
Reste erst 1840 geflissentlich beseitigt habe, sagt Schu-
mann, dals das Mauerwerk bereits 1821 vollständig ver-
sehwunden gewesen sei. Eine im Königl. Kupferstich-
kabinett zu Dresden aufbewahrte, von Wizani dem
-lungeren gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufgenommene
und gestochene Ansicht von Rechenberg zeigt die Bing
schon vom Dache entblöfst und überhaupt in vorge-
schrittenem Verfall, lälst jedoch noch einige lose auf-
liegende, hervorstehende Teile der obersten Bodenbalken-
lage des Turmes erkennen. Nach dem Gesträuch zu
urteilen, welches damals bereits aus dem Gemäuer, selbst
auf der höchsten Stelle des Turmes, heraus wucherte,
muiste der Bau schon längere Zeit verlassen gestanden
haben.
Aus der Tradition ist für die Geschichte Rechenbergs
nichts Brauchbares zu schöpfen. Die noch zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts im Volksmunde lebende Über-
lieferung, dals Rechenberg seinen Namen erhalten habe
von einer Gesellschaft von Landplackern , die daselbst
die Beute geteilt und mit einander abgerechnet, wäh-
rend sie auf dem Frauenstein ihre Frauen, auf dem
Purschenstein ihre Burschen oder Knechte und zu Pfaff-
roda ihre Pfaffen untergebracht hätten, ist eine jener
naiven Spielereien der Volksetymologie, die in Sachsen
(vergl. „O-Schatz", „Budy-ßyn", „Irr-Gersdorf") mehrfach
vorkommen.
IV.
Die älteste venetianische Bergordnung
und das sächsische Bergrecht.
Von
Otto Opet.
Der moderne Bergbau ist zum grofsen Teil deutscher
Kulturarbeit zu verdaukeil. Allerdings hatte schon das
Altertum auf diesem Gebiet bedeutende Leistungen auf-
zuweisen, wie die athenischen Goldbergwerke in Laurion,
der phönizische Silberbergbau in Spanien und die Kupfer-
gewinnung in Italien darthun, und es hatte sich, wie
wir aus den leider nur spärlich erhaltenen Bruchstücken
römischer Berggesetzgebung schliefsen dürfen, auch ein
fein durchdachtes System eines eigenen Bergrechts zu
bilden begonnen1). Gerade hier scheint aber die Völker-
wanderung ihre zerstörendsten Wirkungen ausgeübt zu
haben; in dem neu gestalteten Europa, dessen politische
Herren jetzt überall germanische Völkerschaften waren,
zeigt, sich keine Erinnerung an die frühere Bergtechnik,
das frühere Bergrecht. Das erste Jahrtausend christlicher
Zeitrechnung weiis überhaupt nichts mehr von den Stätten,
an denen einst ein blühender Bergbau betrieben wurde;
neue Gebiete treten dafür ein, der Mönch Otfried von
Weifsenburg besingt die Goldgewinnung der Mainlande2),
der Betrieb der Goldwäscherei am Rhein erscheint be-
deutend genug, um darauf gewagte Spekulationsgeschäfte
') Wilma uns in der Zeitschrift für Bergrecht XIX.
-) Evangelienharmonie 1, 1, 137—144.
1 |() Otto Opet:
zu gründen8), sagenhaft taucht bereits unter den Ottonen
die Nachricht vom Erzreicht um des Harzgebirges auf).
Jahrhunderte später erwacht auch in den alten Kultur-
stätten von neuem der Betrieb des Bergbaues; im 13. Jahr-
hundert wird diese Industrie wieder lebhaft in Oberitalien
gepflegt, wo Trient und Massa zu Zentren für Silber- und
Kupfergewinnung erwachsen5). Hier bietet sich aber das
auffallende Schauspiel, dals der Bergbau ausschließlich
in Händen von Deutschen ruht, dals die verachteten Bar-
baren sich zu Lehrmeistern für die einheimische Bevölkerung
aufgeschwungen haben. Ein Blick in jene alten Berg-
ordnungen überzeugt uns, dals in ihnen deutsches Leben
pulsiert. Allerdings ist die Sprache die lateinische, aber
durchsetzt von Worten deutschen Ursprungs und von Aus-
drücken, die sich offensichtlich als wörtliche Übersetzungen
deutscher Redewendungen erweisen6). Inhaltlich haben wir
es aber mit rein deutschen Rechtsanschauungen zu thun, die
in nur wenig Punkten vom römischen Einfluß betroffen sind.
Die Thätigkeit des deutschen Bergmanns beschränkte
sich aber nicht darauf, seine Kunst in Gegenden, in denen
sie früher heimisch gewesen, auszuüben; er erschloß auch
im entlegenen Ungarn, in den rohen Slavenländern neue
Kunde. Namentlich zwei deutsche Stämme, Franken und
Sachsen, beteiligten sich an dieser Kulturarbeit, letztere
mit solcher Ausdauer, dals die Stammesbezeichnung
„Sachsen" in Ungarn mit dem Begriff' „Bergmann" zu-
sammenschmolz7).
Während in den letztgenannten Ländern allmählich
auch die einheimische Bevölkerung sich mit der Bergbau-
kunst vertraut machte, blieb in Italien die Präponderanz
der Deutschen auf diesem Gebiet völlig unverändert. Noch
*tn
am Ausgang des 15. Jahrhunderts erscheinen sie als die
3) Responsum des Elieser b. Natan, Eben Baeser S. 53 c, No. 290,
das in der demnächst erscheinendes Responsensammlung der II ist.
Komm. f. Gesch. d. Juden in Deutschland veröffentlicht werden wird.
l) F. J.F.Meyer, Versuch einer Geschichte der Bergwerks-
verfassung und der Bergrechte des Harzes im Mittelalter (ISIH
■'•) v. Speltes, Tyroliselie r.eiiiwerksyeschichte (1765) S. 260.
— Bonaini, Ajchivio Storico [taliano Appendix VI11, 634.
'■) Opet, Das Gewerkschaftsrecht nach den deutschen Berg-
rechtsquellen des Mittelalters: in der Zeitsehritt für Bergrecht
XXXIV. 228.
7) Ermisch, Das sächsische Bergrecht des Mittelalters (1*87)
S. XV, Ami). I.
Die älteste venetianische Bergordnung'. 11]
ausschliefslich zur Erzgewinnung befähigten Personen8).
Aber die Deutschen hatten sich nicht nur die Technik
zu bewahren gewufst; merkwürdig ist, dais auch die recht-
liche Seite des Bergbaus, dais auch das Bergrecht selbst
am Ende des Mittelalters seinen deutschen Charakter bei-
behielt, dais selbst damals kein Versuch gemacht wurde,
die Normen des römischen Rechts, das sonst alle Rechts-
beziehungen seinem Geist unterzuordnen suchte, auch für
das Bergrecht anwendbar zu machen.
Den überzeugendsten Beweis von der urwüchsigen
Kraft deutscher Rechtsideen, denen zur freien Selbst-
entfaltung Raum gelassen war, ohne sie, wie leider in zahl-
reichen Rechtsmaterien geschehen, gewaltsam in fremde
Denkformen zu pressen, bietet die venetianische Berg-
gesetzgebung, die bis zum Untergang der alten Republik
deutsche Bergrechtsnormen adoptiert hatte, die am 13. Mai
1488") als „Capitoli ed ordini minerarii stabilito dal Con-
siglio dei Dieci" mit Gesetzeskraft bekleidet wurden. Die
Veranlassung zu dieser Rezeption von deutschem Recht
bildete ein dem Rat der Zehn von dem egregius miles Antonio
di Cavalli überreichtes Memoire, in welchem er der Republik
die Einführung des in Deutschland herrschenden Berg-
rechts empfahl, da sie erst dann zu einer wirklichen Nutz-
ziehung der in der terra ferma gelegenen Bergwerke
gelangen werde1"). Als Anlage war dem Memoire ein
Entwurf aus 40 Kapiteln beigefügt, die trotz der lateinischen
Überschrift „Ordines minerarum in Germania" in italie-
nischer Sprache abgefaßt sind11).
Das mir hier zu Gebote stehende Material läist mich
keine Feststellung nach der Richtung hin treffen, ob die
von den Zehn erlassenen Capitoli sich überall wörtlich
mit dem Entwurf des Cavalli decken. Für das deutsche
Bergrecht ist dies jedoch auch nur von sekundärem Inter-
esse; volle Aufmerksamkeit verdient dagegen ein anderer
Punkt, ob nämlich Cavallis Angabe, dais sein Entwurf
deutsches Bergrecht enthalte, auf Wahrheit beruht und,
falls dies zutrifft, aus welchen Quellen er seine Zusammen-
stellung angefertigt hat.
Cavalli versichert nicht nur in dem Memoire, dais
8) La prima legge sulle miniere emanata dalla repubblica di
Ycnezia (S. A. ans der ßivista dei Comnni ltaliani 1SH4) S. 5f.
°) Die Angabe „1498" in meinem Gewerkschaftsreebt S. 232
beruht auf einem Druckfehler.
w) Rivista S. 8 f. J1) Ebenda S. 11 f.
112 Otto Opet:
er die Normen aus der deutschen in „latinische Sprache"
übersetzt habe (facti tradur de todesco in lengua latina);
ihr Eingang selbst belehrt uns, dafs sie aufgestellt seien,
„per obviar a molti inconvenienti et scandali che ogni zorno
occorreva per le buxe et minere de Alemagna tra coloro
che cava et lavora dicte buxe et minere". Cp. 9 spricht
von dem in Deutschland Kreuzer genannten Geld (in
Alemagna se page per ogni investitura tre craici); als
deutsche Sitte führt Cp. 39 die Gewohnheit an, nach Aus-
beutung einer Metallader den daran beteiligten Arbeitern
eine Mahlzeit zu geben. (Et quando se parte la vena l'e
usanza in Alemagna de dar uno pasto a tutti i lavorenti
che hanno lavorado et cavado dicta vena de la buxa),
das letzte Cp. betont noch einmal, dafs die vorhergehen-
den Bestimmungen die wichtigsten in Deutschland geltenden
Bergrechtsnormen enthielten. (Molti altri capituli sono
stä, de tempo in tempo, facti in Alemagna, da circa anni
octanta in qua che in quel paexe simel cosse sono stä
prencipiade; ma el summario de la conclusion de quelli
se contien ne li soprascripti Capitoli). Machen schon
diese wiederholten Erwähnungen Deutschlands die Angabe
des Cavalli höchst wahrscheinlich, so fehlt es nicht an
weiteren Umständen, die den deutschen Charakter des
Entwurfs auiser allen Zweifel stellen.
Die Befugnis zum Betrieb des Bergbaus wird nach
Cp. 3 in der echt germanischen Form der Belehnung er-
teilt. Der Zusatz von einem Tage zu den sonst giltigen
Auflässigkeitsfristen in Cp. 8 erinnert an die im deutschen
Recht ebenfalls dem einen Tag, der an die sonst fest-
stehenden Fristen angeschlossen wird, beigelegte Be-
deutung12). Der erste Finder erscheint mit Vorrechten
ausgestattet, die wiederum in den deutschen Bergrechten
ihr Analogen besitzen 1S). Die Ausmessung des Gruben-
feldes, die zwischen den einzelnen Gruben notwendigen
Zwischenräume, die Ausdehnung bis in die ewige Teufe
(usque ad intinitum) entsprechen den bekannten Regeln
heimischer Bergordnungen1*). Mit der Sorgfalt, mit der
die Staatsbehörden in deutschen Ländern über die Sicher-
heit der beim Bergbau beschäftigten Arbeiter zu wachen
pflegten, stimmen diejenigen Kapitel überein, die ins einzelne
gehende Anordnungen über die Ausstattung der Berg-
") Mein Gewerkschaftsrecht S. 366.
13j Cp. 10. ") Cp. 21.
Die älteste venetianische .Bergordnung. 113
werke enthalten1"') oder dem Arbeiter eine Garantie für
richtigen Empfang des verdienten Lohnes gewähren16).
Zu dieser Klasse von Anordnungen gehört auch das strenge
Verbot des Trucksystems17), leider aufs neue die traurige
Wahrheit bestätigend, dais gewilse Mißbrauche selbst
durch Jahrhunderte lange Aufstellung entgegengesetzter
Gesetzgebungen nicht aus der Welt zu schaffen sind.
Die erste Frage können wir hiernach zweifellos be-
jahend beantworten: Cavallis Entwurf ruht auf deutscher
Grundlage und kann unbedenklich als Quelle des deutschen
Bergrechts benutzt werden. Nicht so einfach wird sich
jedoch die zweite Frage lösen, durch die wir über Cavallis
Quellen Aufschlufs zu gewinnen versuchen wollen. Lassen
wir auch hier dem Autor zunächst selbst das Wort. Nach
der Einleitung könnte man beinah vermuten, dafs der
Entwurf Übersetzung einer ganz bestimmten Bergordnung
sei; denn um Zwistigkeiten vorzubeugen, „fu posto li ordeni,
in li infrascripti capituli contegnudi". Die Fortsetzung be-
hauptet dann, diese bestimmten Vorschriften seien darauf
von allen Herren, in deren Gebiet Bergwerke betrieben
würden, angenommen worden. (I quali per esser stä da
tutti i signori laudati et approvadi, sono stä universalmente
da tutti, et in cadauno luogo, che se lavora minere, ob-
servadi, et per i quali ognuno stä contento et vive in paxe,
et redunda in grandissima utilitä de tutti Signori in el
dominio di quali se lavorano tal cosse.) Hier befindet sich
Cavalli jedoch zweifellos im Unrecht. So wenig wie heut,
hat es während des Mittelalters jemals eine ganz Deutsch-
land umfassende Bergordnuug gegeben. Allerdings hat
mitunter eine Übertragung von Bergrechtsnormen statt-
gefunden, wie auch Stadtrechte durch Bewidmung eine
ihr ursprüngliches Gebiet überragende Geltung erhielten.
Aber niemals hat sich daraus ein einheitliches deutsches
Weichbild- oder Bergrecht gebildet, — Cavalli widerlegt
seine Behauptung übrigens gleich im ersten Kapitel aufs
entschiedenste. Als Minimalzahl für die Mitglieder einer
Gewerkschaft giebt er hier drei an (che una compagnia
non possi esser meno de tre persone), während keine
andere deutsche Bergordnung eine Bestimmung enthält,
eine wie groise Mitgliederzahl Voraussetzung für die
») Cp. 31. 16) Cp. 34.
17 ) Cp. 39. Vergl. Sc km oller im Jahrbuch für Gesetzgebung,
Verwaltung und Volkswirthschaft im deutschen Reich XV, 1013.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2 8
114 ( m" 0Pet:
Existenz einer Gewerkschaft bilde ls). Offenbar hat Cavalli
sich hier durch die bekannte Segel des römischen Rechts
zur Aufstellung eines Satzes verleiten lassen, den er mit
Unrecht als einen gemeindeutschen bezeichnet. Seiner
eingangs gemachten Angabe, dals sein Entwurf Über-
setzung einer bestimmten Bergordnung sei, tritt Cavalli
im letzten Kapitel selbst entgegen, indem er seine Zu-
sammenstellung nur als Zusammenfassung der wichtigsten
ungefähr seit 80 Jahren in Deutschland erlassenen Berg-
rechtsnormen bezeichnet.
Diese Notiz giebt uns einen Fingerzeig, welche Quellen
wir für unsere Untersuchung heranzuziehen halten. Es
scheiden nämlich von der Vergleichung alle vor dem
15. Jahrhundert zurückliegenden Bergordnungen aus, also
nicht nur die fragmentarischen Trienter und Steier-
märkischen Quellen, sundein auch die älteren Freiberger
Ordnungen, vor allem aber die grofsen Massanischen und
böhmischen Gesetzgebungen. Es dürfte kein Zufall sein7
dals Cavalli seinen Entwurf nur aus Quellen der vorauf-
gehenden 80 Jahre zusammenstellte; genau 80 Jahre
vorher, 1408, war in Baiern der Schladminger Bergbrief
erlassen worden, ein Werk des Bergrichters Ecklzain,
dem sich mit geringen Änderungen beinah sämtliche
späteren süddeutschen Bergordnungen anschlössen1''). Dem
großen Gebiet dieses Schladminger Bergbriefs trat erst
in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine andere
Gruppe von Bergordnungen gegenüber, den sächsischen
Landen angehörig und ihre Entstehung dem neuen Auf-
schwung des Bergbaus in Freiberg i. S., Schneeberg u. s. w.
verdankend. Die wesentlichste Verschiedenheit beider
Gruppen hatte sich darin ausgeprägt, dals die sächsischen
Bergordnungen, allerdings mit einigem Schwanken, stark
das Direktionsprinzip betonten, d. h. den Abbau nur auf
Grund obrigkeitlicher von Fall zu Fall erlassenen An-
weisungen gestatteten, während die süddeutschen Beeilte
die Einmischung der Staatsgewalt in den Betrieb des
Bergbaus auf ein äufserst enges Gebiet beschränkten'20).
Gerade über diesen Punkt ist aber der Entwurf ziem-
lich schweigsam. Er giebt zwar einige allgemeine Vor-
schriften über den Abbau21), paralysiert aber jeden Schluß,
1 i Mein Gewerksckaftsrechl S. 317.
'») Bischoff in der Zeitschrift für Bergrecht XXXIII, 207 f.
>) Mein Gewerkschaftsrecht S. 341. 21) Cp. 1, 5.
20
Die älteste venetianische Bergordnuiig. 115
der etwa schon hieraus auf eine strenge obrigkeitliche
Mitwirkung gezogen werden könnte, durch eine andere
Satzung, die den Gewerkschaften das beliebige Betreten
ihrer Gruben gestattet22).
Größeren Aufschluß! gewährt dagegen Cavallis Zu-
sammenstellung über das Gewerkschaftsrecht. Allerdings
unterscheiden sich die -beiden Gruppen deutscher Berg-
ordnungen in dessen Auffassung nicht nach so prinzipiellen
Gesichtspunkten; es fehlt aber nicht an Einzelheiten, die
nur der einen oder der andern Gruppe eigentümlich, und
aus deren Vorhandensein oder Mangeln bei Cavalli sich
dennoch ergeben würde, aus welchem Material er seine
angeblich allgemein giltigen Bergrechtsnormen geschupft
hat. Es empfiehlt sich zu diesem Zweck, eine systematische
Darstellung des Gewerkschaftsrechts nach den Grund-
sätzen des italienischen Entwurfs zu geben, unter steter
Berücksichtigung, ob sich für die einzelnen Sätze in den
beiden deutschen Rechtsgebieten Parallelen finden. Um
damit gleichzeitig die Lücke auszufüllen, die ich in einer
früheren Arbeit über das Gewerkschaftsrecht durch
Nichtverwertung dieser venetiauischen Bergordnung lassen
mußte23), werde ich mich der dort angewendeten Dar-
stellungsweise anschließen.
Über die Begründung der Gewerkschaft enthält
Cavallis Entwurf keine Angaben; augenscheinlich er-
blickte er in ihr eine nur in wenigen besonders hervor-
zuhebenden Punkten von der römischen Sozietätsform ab-
weichende Vereinigung, für deren Existentwerden der
blolse Konsens der Mitglieder ausreichte. Als Bezeich-
nung der Gewerkschaft kennt Cavalli nur das farblose
compagnia21), in seiner deutschen Form „Gesellschaft"
in beiden Bergrechtsgebieten nachweisbar25). Für den
Gewerken finden sich die beiden Ausdrücke compagno26)
und patron27), letzteres meist, um den Gewerken als Arbeit-
geber zu bezeichnen und m. W. ohne Analogem in deutschen
Quellen. Dagegen kehrt compagno in der genau ent-
--) Cp. 22.
2a) Es handelt sich um den Aiitn. 6 zitierten Aufsatz. - - Die
Anra. 8 erwähnte Schrift verdanke ich der Liebenswürdigkeit des
Herrn Professors Dr. A. Teichmann in Basel.
«) Cp. 1 f. 25) Mein Gewerkschaftsrecht S. 240.
») Cp. 6.
■») Cp. 3, 14, 17.
8*
11t] Otto Opet:
sprechenden Übersetzung „Geselle" in sämtlichen Berg-
rechten wieder28).
Süddeutsche und sächsische Bergordnungen lassen die
Gewerken in zwei Klassen zerfallen, danach geschieden,
ob ihr Anteilsrecht in der Gewerkschaft ipso iure oder
durch besonderen Rechtsakt erworben wird29); dem
italienischen Entwurf scheint dieser Gegensatz unbekannt,
wie sein völliges Schweigen über diese Verhältnisse be-
weist. Einen Fall des gesetzlichen Mitbaurechts lehnt er
sogar ausdrücklich ab. Während die süddeutsche Gruppe
den Gewerken eines schon bestehenden Bergwerks an dem
von seinem Arbeiter gemachten Fund ein Mitbaurecht
einräumt/10), lälst Cavalli die Anrechte aus dem Fund
in toto entweder auf den Gewerken übergehen oder, wenn
es sich um Erschließung eines Bergwerks an einem arbeits-
freien Tag handelt, allein für den Finder entstehen 81).
Unbekannt sind auch dem Entwurf die Schranken,
welche deutsche Beiordnungen gegen den Eintritt ge-
wisser Personenklassen in die Gewerkschaft aufrichteten32).
Ob der Hüttenbetrieb davon ausschloß, ist für das ältere
sächsische Recht nicht ganz zweifellos83). Aus Cavallis
Angaben, der das Waldwerk ebenfalls erwähnt34), ist
jedenfalls nichts zugunsten dieser Ansicht zu entnehmen.
Keine Notiz bringt der Entwurf über den Eintritt
in die Gewerkschaft, wohl aus dem schon betonten Grund,
dafs Cavalli eben die gewöhnlichen Regeln des römischen
Sozietätsrechts hierfür als malsgebend ansah. Ebenso
mangelt jede Bestimmung über die rechtliche Natur der
dem Gewerken an seinem Bergteil zustehenden Befugnis.
Ausführlicher sind die Bestimmungen über .die mit
dem Bergteil vornehmbaren Rechtsgeschäfte. Überein-
stimmend mit den deutschen Bergrechten erscheint die
Veräußerung des Teils durch jede Art von Rechts-
geschäft zulässig35). Als unumgängliche Voraussetzung
wird aber dabei Wissen und Willen sämtlicher Gewerken
2S) Mein Gewerkschaftsrecht S. 241. 2n) Ebenda.
*>) Ebenda S. 245.
31) Cp. 17: Se algun veramente mercenario de alguna coinpaguia
volendo experimentar la fortuna, sia cernidor, lavorador, o l'araeio,
troverä alguna rainera, ovver vena, tutto quelle, i troverä sia di
patroni suo, nun intendando questo i di de festa, in li quali li
mercenarij sono in sua libertä, perche i non livra soldo.
82) Mein Gewerkschaftsrecht S. 2471'.
33) Ebenda S. 251. »*) Cp. 32.
35) Cp. 30: Se alguno vorrä vender, o per altro modo alienar.
Die älteste venetianische Bergordnnng. 117
erfordert86), eine Bestimmung, durch die sich der Entwurf
mit allen deutschen Beiordnungen in Widerspruch setzt,
in denen die Teil Veräußerung niemals von Zustimmung
der Gewerkschaft abhängig gemacht wird37). Ein gleicher
Widerspruch begegnete uns bereits im ersten Kapitel des
Entwurfs, worin gleichfalls ein undeutsches Erfordernis,
die Minimalzahl von Mitgliedern für den Gewerkschafts-
begriff, aufgestellt ist. Wir werden wohl nicht fehlgehen,
wenn wir auch diese neue Abweichung aus einer Reminis-
cenz an das römische Recht erklären, das sich gegen die
Aufnahme neuer Genossen in die Sozietät ohne die Zu-
stimmung sämtlicher übrigen Mitglieder ausspricht38).
Die Rechtsgeschäfte über Bergteile muteten öffentlich
in Gegenwart des Bergrichters (zudexe) vor sich gehen,
der durch seinen geschworenen Schreiber eine Urkunde
über sie aufnehmen liefs3!>). Ob diese, wie in deutschen
Bergordnungen40), dem Erwerber übergeben wurde, ist
aus dem Wortlaut des Entwurfs nicht ersichtlich. Viel-
leicht wurde sie in das Bergbuch geheftet, dessen Einsicht-
nahme dem Anteilsbesitzer und dem eventuellen Erwerber
offen stand41). Der Zusammenhang ergiebt, dafs andere
Personen von der Kenntnisnahme ausgeschlossen waren,
ein die Publizität äufserst beschränkender Standpunkt,
den auch die Gruppe der süddeutschen Rechte teilt.
Freieren Grundsätzen huldigte dagegen das sächsische
Recht, allerdings auch erst nach einigem Schwanken42).
Prozesse um Bergteile werden in Cp. 29 als durchaus
üblich vorausgesetzt, das für die in einem solchen Fall
mögliche Appellation vom Bergrichter an den Bergherrn
86) Cp. 7: Che uno, senza consentimento di compagni, non possa
commetter ad altri la Separation, zoe la purgation de le vene, ne
la parte de la buxa possi consignar ad altri extranei senza licentia
et saputa de tutti i compagni.
37) Mein Uewerkschaftsrecht S. 246, 308.
3S) L. 19-23 D pro socio 17,2
39) Cp. 30: Se algnno vorrä vender, o per altro modo alienar,
la parte ch' el havesse in nna o piu buxe, sia tegnudo el comprador
et el vendedor farlo in presentia del Zndexe, el qnal debia far notar
tal vendeda, overo alienation, al sno scrivan zurado, distincta et ordi-
natamente, per seder Ute ed ad perpetuam rei memoriam.
40) Mein Gewerkschaftsrecht S. 304.
41) Cp. 35: Se algnno se vorrä iuformar dal zudexe, per el libro
de la investixon, per conseiarse, s' el die comprar le raxon d'altri o
non, ch' el Zudexe sia tenuto mostrarge le raxon de colui che vol
vender: azö el comprador possi, cum sincero animo comprar.
42) Vergl. Anm. 40.
I |s Otto Opet:
(Signor) eine ausführliche Instruktion enthält. Die Be-
stimmung des Cp. 3G, das die hierbei ergangenen Urteile
in einem besonderen Buch zu sammeln heilst l:!), um
Präjudikate für die Zukunft zu besitzen, ist allerdings in
deutschen Bergordnungen nicht nachweisbar. Dafs jedoch
thatsächlich der gleiche Brauch herrschte, beweisen die
umfangreichen Freiberger und Iglauer Bergurteilsbücher.
Der Standpunkt des älteren Bergrechts, das den
Gewerken mit dem Arbeiter identifiziert hatte"), ist
bei Cavalli bereits völlig überwunden, die Gewerk-
schaft ausschließlich zur Unternehmergenossenschafl ge-
worden, deren Mitglieder nur zur Zubufsleistung, die
sich wesentlich als Lohnzahlung an die Arbeiter46) und
Honorierung der Bergbeamten46) dokumentiert, verpflichtet
sind. Die Feststellung des Zubufsbetrages erfolgt all-
monatlich17), eine Frist, die vereinzelt in der süddeutschen
Gruppe vorkommt, während das sächsische Recht dieser
Periode nach mannigfachen Zwischenstufen zu einem
vierteljährlichen Turnus gelangt war48). Die Höhe des
den einzelnen Gewerken treffenden Beitrages zu den
Kosten des Bergbaus setzt im (Javalli'sehen Entwurf der
Herglicht er gemeinsam mit den Geschworenen fest, also,
wie im späteren sächsischen Recht, ein obrigkeitlicher
Beamter. Ob ihm auch die Einziehung oblag oder hier-
für besondere Beamte bestellt waren, muls beim Schweigen
des Entwurfs unentschieden bleiben.
Als Verlustgründe des Gewerkenrechts kennt der
Entwurf nur Weigerung der Lohnzahlung an einen Ar-
beiter und Betrug gegen einen Mitgewerken. Im ersten
Fall geht der Gewerkenteil auf den nicht entlohnten
Arbeiter über40), eine Norm, die auch in zahlreichen süd-
is) Totti acti che poträ occorrer per differentie de qneste minere
sia tegnudi in nno libro particiliar, et cusi le difnnition et summe de
cssa differentie, et questo perche, in ogni evento, Le differentie et lite
imssano esser dih'nide de similibus ad similia.
"I Mein ttewerksrhaftsrechl S. 312. IB) Cp. 34
"•» Rivista S. 29.
,7) Cp. 33: Item ch' et zndexe cum i sno deputadi, una
volta al mexe; sia tegnudo, sotto debito de sagramento, de far cum i
suo zuradi !•• raxon de le bnxe a cadauno, si che ognuno sappia la
portion sua de la spexa li haverä toccado in dicto mexe, de le qua!
tutte cosse se debia tenir diligente scriptura.
ta) Mein Gewerkschaftsrecht S. 318.
u') Cp. 3: Item che uno non possi tegnir le fadighe de
ano altro piü de zomi 15, i qnali passati, nonpagando la sua mer-
cede, el mercenario possi domandar le raxon al patron in quella bnxa,
Die älteste venetianisclie Bergordnung. 119
deutschen Bergordnungen aufgestellt ist5"). Im säch-
sischen Rechtsgebiet galt sie thatsächlich ebenfalls, hat
aber in den Bergrechten selbst keine Aufnahme gefunden51).
— Lälst sich der Gewerke dagegen gegen seine Genossen
einen Betrug zu Schulden kommen, so verliert er seinen
Anteil an diese5-). Dieser zweite Verlustgrund wieder-
holt sich nur m süddeutschen Quellen, wo er ausnahmslos
auf den Einfluß des Schladminger Bergbriefs zurückgeht53).
Unerwähnt läfst der Entwurf das Retardatsyerfahren
wegen versessener Zubufse, ein auffälliges Übersehen
einer gerade damals zur vollen Entwicklung gelangten
Institution.
In der Gewerkschaftsversammlung entschied die ab-
solute, nach Bergteilen, nicht nach Köpfen berechnete
Mehrheit51). Der vom Entwurf vertretene Abstimmungs-
modus entspricht dem im 15. Jahrhundert in beiden Berg-
rechtsgebieten üblichen, neben dem sich freilich für gewisse
Fälle abweichende, eine qualifizierte Mehrheit verlangende
Gestaltungen erhalten hatten55).
Inwieweit die Gewerkschaft in der Direktion des
Bergbaus obrigkeitlichen Schranken unterlag, lälst sich,
wie bereits erwähnt, aus dem Inhalt des Entwurfs ohne
weiteres nicht mit Sicherheit feststellen. Dafs sie dem
Bergrichter von Unglücksfällen, die eine zeitweise Unter-
brechung des Betriebs herbeiführten, Nachricht geben
sollte56), ist für diese Frage unerheblich, da jene Meldung
keinen Eingriff der Behörde veranlassen, sondern nur die
Folgen einer etwaigen Auflässigkeit verhindern sollte.
Gewerkschaftliche Beamte werden im Entwurf
nirgends erwähnt; überall erscheint vielmehr der obrig-
mediante la justicia, la quäl se la domanderä al zudexe el sia obb-
ligado esso zudexe nou solum investirlo roa etiam defenderlo; et
cadauna buxa per zorui, 15. possi da la raxou esser defexa.
r,°) Mein Gewerkschaftsrecht S. 328. 5l) Ebenda S. 329.
■"'-) Cp. 6 : Se alguno ingannerä algun suo compagno owero torrä
piu utilitä de quello i tocherä per la portion et caratada sua, le raxon
sue vegni ne i suo compagni, sei serä provado esser cusi la veritä.
B3) Mein Gewerkschaftsrecht S. 331.
54) Cp. 14: Item s' el nascerä alguna differentia tra la com-
pagnia, ovver patroni de uua buxa ch' el se debia star a quello
dirä et delibererä la mazor parte de essi patroni circa el seguir de
lavorar o non lavorar (dechiai-ando , che la mazor parte se intenda
non per el numero di homeni de essa compagnia, ma per el numero
dele portion).
M) Mein Gewerkschaftsrecht S. 338.
56) Cp. 18.
120 Otto Opel
keitliche Bergrichter im ausschließlichen Besitz aller
Funktionen, die in den süddeutschen Quellen den gewerk-
schaftlichen Beamten allein oder gemeinsam mit denen des
Leiheherrn obliegen. Untergeordnet sind ihm die Ge-
schworenen, die, obwohl es nicht ausdrücklich gesagl ist,
gleichfalls obrigkeitlichen Charakter tragen, da sie die
Belehnung gemeinsam mit dem Bergrichter zu erteilen
haben r>7). Die gleiche Eigenschaft wohnt auch dem
Grubenschreiber bei 5S), dessen Stellung als leiheherrlicher
Beamter sich aus seinem obrigkeitlichen Gehaltsbezug
ergiebt51'). Dafs dies Honorar schließlich von der Gewerk-
schaft bei der Zubuise an den Staat zurückerstattet
werden muls, ist für das öffentlich-rechtliche Verhältnis
der Bergbeamten ohne Bedeutung; denn nach den klaren
Worten der dem ersten zudexe erteilten Instruktion ist
der Anspruch auf Gehalt ein den Bergbeamten unmittel-
bar gegen den Staat zustehender.
Das Fehlen rein gewerkschaftlicher Beamter entspricht
dem Bild, das wir uns von dem auf sächsischen Gruben
gegen Ausgang des Mittelalters betriebenen Bergbau zu
machen haben. Als Gewerkschaftsvorstand erscheint hier
der Schichtmeister, mit wenigen Ausnahmen ein Beamter
von regalem Charakter00); zur gleichen Klasse sind Gruben-
schreiber(il) und Steiger02) zu zählen; höchstens die Wahl
der Hutleute, denen die Aufsicht des über Tag befind-
lichen Grubenmaterials oblag, war dem Belieben der
Gewerkschaft überlassen. Der Entwurf, der mehrfach
Bestimmungen über das Grubenmaterial enthält0"), be-
schäftigt sich mit dieser untergeordneten Beamtenart
überhaupt nicht.
Erlöschen der an die Gewerkschaft verliehenen Bau-
befugnis wird durch Nicht -Bauhafthaltung der Grube
veranlaßt04). Wie in den übrigen deutschen Bergrechten
ist die zur Konstatierung erforderliche Frist mit dem
Zusatz eines Tages kombiniert. Eine nur dem säch-
sischen Recht eigene Bestimmung, die denjenigen Ge-
werken, die mit ihrem Widerspruch gegen Einstellung des
Betriebes in der Gewerkschaftsversammlung unterlegen
waren, die Berechtigung einräumt, an einer auf demselben
Territorium neugegründeten Gewerkschaft sich ohne
ß7) Cp. 9. ß8) Cp. 30.
r'9) Rivista S. 29. '") Mein Gewerkschaftsrecht S. 3<>o.
"') Ebenda S. 362. 02) Ebenda S. 364
63) Cp. 8, 19, 31. °4) Cp. 8.
Die älteste venetianische Bergordnung. 121
weiteres zu beteiligen, kehrt Cp. 14 des Entwurfs wieder05),
so dais sich danach meine frühere Annahme66), es handle
sich hier um einen ganz singulären Rechtssatz, korrigiert.
Ebenso hat der Entwurf die in der sächsischen Praxis
häufig den durch höhere Gewalt am Betrieb behinderten
Gewerkschaften gewährte Nachfristerteilung67) als ge-
setzliche Regel aufgenommen68).
Für das Gewerkschaftsrecht gleichgültig, m. W. auch
ohne Analoga in deutschen Rechtsquellen sind noch einige
äußerst grausame Strafbestimmungen, die sich gegen Ver-
kauf nicht verzehnteten Erzes, Aufserachtlassung der für
Feuerarbeiten erforderlichen Sorgfalt, Verheimlichung von
Neufunden und Störung des Bergbaus wenden69). Auch
hier kommt jedoch ein starker Einfluis der Regierung auf
den Bergbau darin zum Ausdruck, dafs selbst in dem zu-
letzt genannten Fall, der an sich doch nur das Interesse
der in ihrer Thätigkeit gehinderten Gewerkschaft berühren
würde, ein obrigkeitliches Einschreiten von Amtswegen
angedroht wird.
Suchen wir nunmehr unsere zweite Frage zu er-
ledigen, für deren Beantwortung jetzt genügendes Material
zu Gebote stehen dürfte. Cavallis Quellen sind danach
nicht einheitlicher Natur gewesen. Sehen wir von den
sporadischen Spuren römischrechtlicher Beeinflussung ab
und lassen wir auch die ihrem Ursprung nach dunklen
Strafbestimmungen bei Seite, so bleibt noch ein Bestand
von Rechtssätzen übrig, die teilweise in beiden deutschen
Bergrechtsgebieten übereinstimmend nachweisbar sind,
teilweise jedoch nur in der süddeutschen bezw. der säch-
sischen Gruppe vorkommen, so jedoch, dafs der sächsische
Anteil überwiegt. Während Cavalli dem süddeutschen
Recht nur zwei Spezialbestimmungen des Gewerkschafts-
rechts entnommen hat, finden wir bei ihm, was von
prinzipieller Wichtigkeit, das System des sächsischen
regalistischen Beamtentums wieder, damit aber auch, wie
65) (Fortsetzung von Anm. 54) ... et se quelli o quello de la
menor parte volesse ch' el se lavorasse, in questo caxo vada a noti-
licarlo al zudexe deputado et fazane far nota ne li libri antentici,
come per lui el vuol lavorar : et cascadi i sopra dicti de le suo raxon
per noii haver voluto lavorar come sarä investida alguna altra persona,
questo tal, che averä facto far nota de voler lavorar, se intenda restar
su le sue raxon.
«) Mein Gewerkschaftsrecht S. 367, Anm. 10.
«7) Ebenda S. 368. •*) Cp. 18, 23.
69) Cp. 11, 15, 28, 27.
[22 Otto Opet: Die älteste venetianiscbe Bergordnung.
wir unbedenklich hieraus zu folgern befugt sind, auch das
sächsische Direktionssystem. Denn dafs gegenüber einem
ausschliefslich staatlichen Beamtentum von einem will-
kürlichen Alibau durch die Gewerkschaften keine Rede
sein kann, bedarf wohl, obgleich der Entwurf über die
Betriebsweise keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält,
keiner besonderen Begründung.
Cavallis Entwurf besitzt also keinen einheitlichen
Charakter; er ist ein Kompromifs zwischen beiden Berg-
rechtsgruppen, das jedoch seine wesentlichsten Züge der
am Ausgang des Mittelalters neu erstarkenden und für
die Fortentwicklung- des Bergrechts am bedeutungsvollsten
gewordenen sächsischen Gesetzgebung entlehnt,
Spätere Jahrhunderte haben freilich die in letzterer
durchgeführte Bevormundung des Bergbaus durch den
Staat als lästige Fessel empfunden, deren allmähliche
Abstreifung den Inhalt der jüngsten Vergangenheit in
der Bergrechtsgeschichte bildet. Für die hier fragliche
Periode traf diese Erwägung jedoch nicht zu. Wer die
Berichte des Freiberger ürkundenbuchs über den Stand
des Bergbaus um die glitte des 15. Jahrhunderts einsieht,
der wird leicht die Überzeugung gewinnen, dafs einem
Mangel an Thatkraft. einer Unordentlichkeit des Betriebes,
wie sie sich damals im Kreis der Gewerkschaften und
Einzelabbauer zeigten, nur durch energisches Einschreiten
des Staats, vor allem durch Einsetzung eines staatlichen
Beamtentums abgeholfen werden konnte. Mit richtigem
Blick hat Cavalli sich bei Abfassung seines Entwurfs
diesen Grundsätzen des sächsischen Bergrechts an-
geschlossen.
V.
Stadtmarken der Zinngiefser von Dresden,
Leipzig und Chemnitz.
Von
K. Berliner.
In einer kleinen Abhandlung über sächsische Zinn-
marken1) habe ich das Entstehen der Zinnmarken und
zwar des Dreimarkensystems im ehemaligen Kurfürstentum
Sachsen nachzuweisen versucht. Ich hatte, dabei ge-
funden, dais das Bedürfnis, bei einer minder feinhaltigen
Zinn wäre, jederzeit den Verfertiger feststellen und zur
Verantwortung ziehen zu können, zuerst zu der Be-
stimmung geführt hatte, dais jede Arbeit mit dem Zeichen
des Verfertigers, mit der Meistermarke versehen sein
müsse. Diese einfache Markierung mochte genügen, so
lange es sich um die Erzeugnisse einer Stadt oder eines
kleinen Kreises handelte. Als aber allmählich mit dem
wachsenden Handelsverkehr das Überführen der Zinn-
waren nach anderen Landesteilen häufiger wurde, scheinen
recht viele Unzuträglichkeiten dadurch entstanden zu
sein, dafs man wegen der häufigen Wiederholung gleicher
oder ähnlicher Meistermarken den Verfertiger nicht aus-
findig zu machen vermochte. Diese Schwierigkeit wurde
nun an der am 2. August 1614 vom Kurfürsten Johann
Georg I. bestätigten Innungsordnung durch die Bestim-
mung, von nun an neben dem Meister- auch das Stadt-
zeichen in die Ware einzuschlagen, beseitigt.
Diese Innungsordnung, welche laut landesherrlicher
') Kmistgewerbeblatt A. F. III. 133 ff.
]■> | K. Beding:
Verfügung- für das ganze Kurfürstentum Sachsen Gültig-
keil erhielt, war besonders auf das Betreiben der Leipziger
Zinngiefser erlassen worden, die in einer Eingabe vom
Juni desselben Jahres den Kurfürsten gebeten hatten,
dafs in der „Zinn Proba eine allgemeyne durchgehende
gleichheitt im Churfürstenthumb erhaltenn, die einge-
schlichen mifsbreuche abgeschafft, der Störerey dadurch
allerhandt betrugk bifshero geursachet wordenn gewehret"
werden möchte.
Es ist nun sehr wahrscheinlich, wenn es auch nicht
ausdrücklich betont wird, dafs von Leipzig aus gleich-
zeitig vorgeschlagen wurde, dafs, um Betrügereien mög-
lichst vorzubeugen, neben der Meister- auch die Stadt-
marke angewandt werden sollte. Dies scheint um so
eher möglich, als diese Art der Markierung in Leipzig-
schön lange bekannt war. Laut einer vom 23. November
1446 datierten städtischen Verfügung für die Zinngiefser
Leipzigs findet sich folgende Bestimmung: . . . „vnd waz
sie (die Zinngiefser) von den alden kannen, schusseln,
tellern adir andern czenwerck eynen machen, daz sullen
sie mit der stad Schilde addir czeichen alleyne mercken
vnde czeichen ; was sie abir von nuwens vnd czum eilfften
eynem addir uff den kouff machen wurden, daz sullen sie
mit irem vnd der stad czeichen mercken2)".
Aus dieser Bestimmung geht also hervor, dafs der
Leipziger Zinngiefser schon von 144G an jede neue Ware,
mochte er sie nun auf Bestellung oder auf Vorrat an-
fertigen, „czum eilfften" machen (d. h. wohl soviel wie:
in 11 Teilen dieser Waren müssen 10 Teile Zinn und
1 Teil Blei enthalten sein) und mit der Stadt- und
Meistermarke stempeln mufste, während er bei derjenigen
Ware, die man ihm zum Umschmelzen gegeben hatte,
die Stadtmarke allein anwenden sollte.
Zu der Stadtmarke ist nun für gewöhnlich das
Wappen der Stadt, in welcher die Ware gefertigt wurde,
genommen worden, freilich in einigen Fällen das verkürzte
Stadtwappen, wie es die winzigen Gröfsenverhältnisse
der Zinnmarken bedingten. Diese Verkürzungen, sowie
sonstige aus irgendwelchen Gründen unternommenen Ver-
änderungen der Stadtwappen bieten heutzutage bei der
2) Urkundenl) lieh dir Stadt Leipzig I (('od. dipl. Sax. res'. H, 8),
No. 244. Auf diese Notiz hat mich Dr. Kroker, Leipzig, aufmerk-
sam gemacht.
Stadtmarken der ZinugieJser.
125
Bestimmung- von Zinnarbeiten häutig genug Schwierig-
keiten. So habe ich mich bereits vor J ahren im Vereine
mit dem bekannten Leipziger Zinnsammler Dr. Demiani
bemüht, den Entstehungsort einer in mehreren Exem-
plaren vorkommenden zinnernen Prunkschale zu ergrün-
den. Die darauf befindliche Stadtmarke konnte nicht ge-
deutet werden, ja Heraldiker vom Fach behaupteten,
dai's die hier im Schildeshaupt vorkommende Figur un-
heraldisch sei.
Als nun vor einiger Zeit vom Kunstgewerbemuseum
zu Dresden ein vorzüglich erhaltenes Exemplar dieser
Schale erworben wurde, kam bei mir die Frage nach dem
Entstehungsorte wieder in Fluis. Da die Untersuchung
diesmal - wenigstens meiner Meinung nach — zum Ab-
schluß gelangte, so möchte ich das Resultat derselben
in Folgendem mitteilen. Fig. 1. Fig. 2.
Die Prunkschale, die in
der Gewerbehalle 1887 Taf. 37
und Kunstgewerbeblatt (N.
F. I, S. 30) abgebildet ist,
stammt aus der z weiten Hälfte
des 17. Jahrhunderts, sie ist
26 cm im Durchmesser grols,
aus einer Messingform gegossen und zeigt im leicht aufgetrie-
benen Mittel in rundem, von einem Lorbeerkranze verziertem
Medaillon das kleine kursächsische Wappen. Der breite,
auf die napfförmige Vertiefung wagerecht gestellte Rand
ist mit einem kräftigen Ornamente von vortrefflicher
Zeichnung verziert, das wohl deutschen Ursprungs ist,
aber doch den Einflute französischer Kunst zur Zeit
Ludwig XIV. deutlich erkennen läfst. Dasselbe setzt
sich zusammen aus 4 langovalen Kartuschen, in welchen
sich die allegorischen Gestalten der Gerechtigkeit und
des Glückes, ferner der doppelköpfige gekrönte Reichs-
adler und ein Greif befinden, und weist im übrigen reiches
Ranken- und Volutenwerk mit dazwischen gestellten
kleinen Vögeln und Hirschen auf.
Alle mir bekannten Exemplare haben die gleiche oben
Fig. 1 abgebildete Stadtmarke, während als Meistermarken
drei verschiedene auftreten. Fig. 2 findet sich auf den
Exemplaren des Kunstgewerbemuseums zu Dresden, des
Museums schlesischer Altertümer zu Breslau und der
Deutschen Gesellschaft zu Leipzig. Dagegen zeigen die
Exemplare in den Kunstgewerbemuseen zu Berlin und
[26 K. Beding:
zu Leipzig und in der Sammlung des Dr. Demiani einen
nach rückwärts blickenden Hirsch und die Aufschrift
H G K 92. Endlich hat das Exemplar in der Sammlung
Zöllner zu Leipzig das Zeichen Fig. 2, doch mit dem
Unterschiede, dals sich hier die Zahlen 92 statt 08
vorfinden.
Das Dreimarkensystem im Vereine mit dem kur-
sächsischen Wappen weist auf sächsischen Ursprung.
Die erste Meistermarke steht hiermit auch vollkommen
im Einklänge. 08 bedeutet 1708 und zwar das Jahr, in
dem zum dritten Male die kursächsische Zinngiefser-
ordnung geändert worden ist. 92 läist sich nun aber
auf ein solches Jahr nicht zurückführen, da die beiden
anderen Veränderungen 161)3 bez. 1614 und 1674 statt-
fanden. Ich weils mir hier nur damit zu helfen, dals
ich 1692 als das Jahr einer lokalen städtischen Be-
stimmung annehme. Für die Zusammengehörigkeit scheint
auch der Umstand zu sprechen, dals die erste Marke mit
beiden Jahreszahlen vorkommt.
Die auf allen Exemplaren gleiche Stadtmarke läist
sich nun nicht ohne weiteres mit dem Wappen irgend
einer sächsischen Stadt in Verbindung bringen. Drei
dieser Schalen befinden sich seit ■ wenn ich recht be-
richtet bin erdenklich langer Zeit in Leipzig, und
auch das Dresdner Exemplar ist von einem Leipziger
Händler gekauft worden, aber deshalb diese Marke mit
dem Leipziger Stadtwappen in Verbindung zu bringen,
schien mir zu gewagt, bis ich durch Zufall bei einem
hiesigen Händler einen einfachen flachen Zinnteller fand.
der neben der fraglichen Stadtmarke den voll aus-
geschriebenen Namen Leipzig eingestempelt zeigte. Es
ist dies eine Art der Markierung, die Mitte unseres
Jahrhunderts aufkam und häutig neben der alten gehand-
habt wurde. Nun war es mir aber zur Grewifsheil ge-
worden, Leipzig und kein»' andere Stadt sei der Ent-
stehungsort der fraglichen Prunkschale gewesen.
Bestärkt wurde ich in dieser Ansicht noch dadurch.
dals C. G-urtitt in dem vor kurzem erschienenen Hefte XVI
des [nventarisationswerkes des Königreichs Sachsens von
den in der Amtshauptmannschafl Leipzig Land vor-
kommenden Zinnarbeiten nicht weniger als 20 — und
zwar bei weitem die überwiegende Anzahl — mit der
bewulsten Stadtmarke anführt. Denn dankenswerter
Weise sind hier zum erstenmale im sächsischen Inven-
Stadtmarken der Zinngiefser. 127
tarisationswerke die Zinnmarken mit abgebildet. Es lälst
sich wohl ohne weiteres annehmen, dals die in der Um-
gegend von Leipzig liegenden Dörfer auch vorzugsweise
von Leipzigs Zinngiefsern versorgt worden sind. Hierzu
kommt noch, dafs in dem Zinnkruge der Kirche zu Sehlis,
in dem Taufbecken der Kirche zu Rebbach und in einer
Flasche der Kirche zu preiskau die Meistermarke Fig. 2
ohne 08 und endlich auf einer Kanne in der Kirche zu
Hirschfeld die Zahl 92 auf der Meistermarke vorkommt,
eine Zahl, die ich somit als (1692) Jahr einer lokalen
Leipziger Verordnung deute.
Wie nun aber Leipzig zu dieser vom Stadtwappen
abweichenden Stadtmarke gekommen ist, darüber möchte
ich folgende Vermutung aufstellen.
Im Jahre 1614 entstand an Stelle der bis dahin be-
stehenden einzelnen lokalen Zinngielserordnungen eine
solche, die für das ganze Kurfürstentum Sachsen Gültig-
keit erhielt, Es hatte sich mithin das Bedürfnis heraus-
gestellt, nicht mehr allein innerhalb der einzelnen Ort-
schaften, sondern im ganzen Lande die nötige Kontrolle
über die Zinngiefser ausüben zu können. Ich habe oben
angedeutet, dals sich allmählich bei den vielen gleichen
und ähnlichen Meistermarken neben derselben die An-
bringung der Stadtmarke nötig machte. Durch die Stadt-
marke konnte man den Verfertiger auf einen Ort zurück-
führen und hier nun leicht aus der verhältnismäßig
geringen Anzahl der Meister herausfinden. Denn das
ganze Kurfürstentum war 1614 in 5 Kreise eingeteilt
worden, deren Centren, die Kreisstädte, Dresden, Leipzig,
Wittenberg, Schneeberg und Langensalza, auf einer Zinn-
tafel die sämtlichen Meisterstempel ihres Bezirkes ein-
geprägt besalsen. Schwierigkeiten entstanden aber auch
hier wieder bei den wachsenden Handelsbeziehungen,
wenn die Stadtmarken sich derartig ähnlich sahen, dals
sie nicht auseinanderzuhalten waren. Dies war aber
der Fall bei den beiden bedeutendsten Kreisstädten, bei
den beiden seit alters her mit einander rivalisierenden
Schwesterstädten, Dresden und Leipzig. Beiden Stadt-
wappen liegt der alte Schild der Wettiner zu Grunde.
Derselbe ist längsgeteilt und zeigt den schwarzen Löwen
auf goldenem Grunde (Meiisen) und die beiden Lands-
bergerpfähle im goldenen Felde blau. Dies Wappen wird,
richtig in den Farben, von Leipzig geführt, während das
Dresdner Wappen statt der blauen schwarze Pfähle zeigt.
{28 k Helling: Stadtmarken der Zinngiefser.
Ein ganz ähnliches Stadtwappen wie Leipzig hat Chemnitz,
nur ist hier rechts und links gegeneinander vertauscht.
Wenn man sich nun aber diese äufserst ähnlichen Wappen
in die winzigen Zinnmarken, bei denen von einem Tingieren
nie die Hede gewesen ist, übersetzt, so wird man wohl
eine häufige Verwechselung und daraus entstehende
Streitigkeiten begreiflich finden. Um diesen Übelstand
zu beseitigen, ist man nun — meiner Meinung nach —
darauf gekommen, den Zinngielsern von Dresden, der
kurfürstlichen Residenz, das mit dem Herrscherhause eng
zusammenhängende Stadtwappen zu lassen, die beiden
andern Stadtmarken aber zu ändern.
Was nun Chemnitz anlangt, so ist man durch die
noch heute im Besitze der Dresdner Zinngiefserinnung
befindliche Markentafel, welche im Jahre 1708 angelegt
zu sein scheint, vollkommen unterrichtet3). Als Stadt-
marke für Chemnitz findet sich auf dieser Tafel nur der
Löwe angegeben. Man würde es hier also einfach mit
einem verkürzten Stadtwappen zu thun haben, ein Vor-
gang, den man auch an andern Orten verfolgen kann.
Die Leipziger Zinngielser haben aber ihre Zinnmarke
in folgender Weise abgeändert. Sie teilen den Schild
durch eine im oberen Drittel befindliche Linie, behalten
im unteren Felde die landsberger Pfähle, während sie in
das Schildeshaupt die heraldisch nicht zu deutende Figur
setzen.
:!) Diese Tafel wird in dem nächstens erscheinenden Werke über
Zinnarlieiten von Dr. Demiani abgebildet werden.
VI.
Kleinere Mitteilungen.
1. Zur Geschichte der Dresdner Thietmarhandschrift.
Von Ludwig Schmidt.
Die Königl. öffentliche Bibliothek zu Dresden be-
wahrt bekanntlich unter der Signatur R. 147 den eigen-
händigen Codex der Chronik Thietmars von Merseburg,
über dessen Schicksale nur wenig bekannt ist. Es dürfte
daher die Mitteilung des nachstehenden Reskriptes Kur-
fürst Augusts von Sachsen vom 17. April 1563, welches
auch sonst für die sächsische Gelehrtengeschichte von
Interesse ist, nicht unwillkommen sein. Es befindet sich
im Hauptstaatsarchiv zu Dresden Cop. 321 fol. 70 f.
Ann die Merseburgisch regiruug.
Wir geben euch gnedigster meinung zu erkennen, das wir vor-
ordent haben, das buch, so etwo D. Georgius Agricola seliger von
der itzigen hertzogen zu Saxen ankunfft unnd allderselben vorfaren
loblichen thaten auff unsers geliebten hern brudern churfurst Moritz
seliger gedechtnus anschaffen zu schreiben angefangenn, durch ma-
gistnun Georgium Fabritium rectorn unser furstenschulen zu Meissen
vollent zu continuiren, darzu er dann etzlicher alten glaubwürdigen
croniken und historienschreiber , sonderlich cronicam Ditmari wohl
bedurffte. Xu seind wir berichtet, das berurte chronica etwo in der
liberei zu Merseburg gewesen; derhalben begeren wir gnedig, ir
wollet euch bei dem thumbcappittel daselbst erkundigen unnd, wo
die noch vorhanden, alsdan sie von unserntwegen gnedigst ersuchen,
das sie uns dieselbig ein zeit lang wolten volgenn lassen, damitt
sich gedachter Fabritius der notturfft nach darinnen zu ersehen, und
auff den fall wollet die cronica der stad sindico zu Merseburg Ernst
Brotauff zustellen, der hat von uns befelch, die furder Fabritio zu-
zuschickenn. Do aber die cronica in der liberei nicht fanden wurde,
alsdan wollet das cappittel von unserntwegen vermögen, das sie ann
den rath zu Aldenburg schreiben oder, do sie sich des waigern.
solchs für euch aus unseriu befelch thun, das sie bei her Georgen
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 9
130 Kleinere Mitteilungen.
Spalatini seligen erben erkundigen, ob solche cronica nicht nach
seinem absterben bei iine fanden; dan wir seint berichtet, das das
eappittd zu Merseburg ime dieselbige geliehen, als er eine cronica
wider hertzog Heinrichen zu Braunseliwig geschrieben: wo nun die
cronica muh daselbst were, die widerumb abfordern und euch ob-
berurter massen damit vorhaltenn. Neben dem begeren wir auch
unnd befehlen euch hirmit — , ir wollet alle bucher, so noch in dem
closter sancti Petri für Merseburg vorhanden, inventiren unnd die
bucher uffs schloß bringen und in einem gemach vorwahren. Das
inventarium wollet Brodauff lassen ersehen unnd, do er befinden
wir.let, das etzliche bucher zu obgedachtem werck dinstlich, ime die
uii: eii einer recognition guthwillig lassen volgen, das er die furder
Fabritio zufertige. Wan dan solch werck volendet, wollen wir doran
sein, das die bucher wider an gehörende orth sollen geschafft werden. —
Datum Dresden den 17. april [1563].
Was wir hiernach und nach anderen Quellen über
die Geschichte der Handschrift wissen, ist folgendes:
Dieselbe war von Bischof Wernher von Merseburg
(1061 — 1091) dem Kloster St. Peter zu Merseburg ge-
schenkt worden1). Von diesem wurde sie um 1539 für
die Bearbeitung der Streitschrift gegen Herzog Heinrich
den Jüngeren von Braunschweig2) an Spalatin geschickt,
der sie wiederum Melanchthon in Wittenberg mitteilte").
Dais sie von Spalatin wieder zurückgegeben worden war,
ersehen wir aus Brotuffs „Chronica aller Bischoffe zu
Marsburg", Buch II c. 7, welcher in der vom 21. Oktober
1556 datierten Ausgabe bemerkt: „Das rechte Original
vnd exemplar hat das Closter Sanct Petri vor Marsburg",
während die Ausgabe vom 1 3. Juni 1557 hierzu die Worte
hinzufügt: „Dem Herrn Sigismundo Dechande zu Mars-
burg geliehen". Der Codex war also in der dazwischen
liegenden Zeit vom Kloster wieder ausgeliehen worden
und zwar nicht, wie Lappenberg4) und Kurze a. a. O.
meinen, an den 1544 verstorbenen Merseburger Bischof
t) Vergl. Thietm. ed. Kurze p. XIII.
-) Chronica vnd Herkomen der Churfürst ... zu Sachssen jegen
Hertzog Heinrichs zu Braunschweig . . . Herkomen etc. (Wittenberg
1541).
3) Dafs dies der Sachverhalt und dafs Spalatin die Handschrift
nicht durch die Bemühungen Melanchthons erhielt, wie Seelheim,
(jfeorg Spalatin, als sächsischer Historiograph S. 37, angiebt, zeigt
der ßrief Melanchthons an Spalatin d. d. 1539 Dez. 2, Corpus
reform. III, 844 No. 1883 : Quod inspiciendum mihi dedisti Historicum
Mersliurgeiisem gratiam tibi habeo. Main humanitate tua delector etc.
(vergl. See 1 heim a. a. 0., der diesen Brief als von Spalatin an
Melanchthon geschrieben bezeichnet). Eram tibi codicem nuper hie
redditurus ac niane iusseram, ut tibi portaretur. Sed tu iam abieras.
') Mon. Germ. SS. III, 729.
Kleinere Mitteilungen. 131
Sigismund von Lindenau, sondern an den gleichnamigen
Dechanten, der 1545 von Luther in Merseburg getraut
wurde5). Hieraufhat denselben Fabricius erhalten; dafs
dies wirklich der Fall, ersehen wir aus öfteren An-
führungen der Chronik in seinen Schriften zur sächsischen
Geschichte. Wahrscheinlich ist dann die Handschrift an Kur-
fürst August abgegeben worden, der sie an Petrus Albinus
nach Wittenberg schickte und diesem auftrug6), in Ge-
meinschaft mit Reiner Reineccius eine Ausgabe zu ver-
anstalten7). Diese Arbeit übernahm aber Reineccius
allein und vollendete sie am 18. Dezember 1574 zu Witten-
berg, wie er selbst am Schlüsse der Handschrift be-
merkte8). Die Ausgabe selbst erschien 1580 in Frank-
furt a. M., als Reineccius bereits Wittenberg verlassen hatte
und Professor in Frankfurt a. 0. geworden war. Offenbar
hing dieser Auftrag des Kurfürsten mit der 1574 erfolgten
Ernennung des Reineccius zum sächsischen Histoiiographen
in Wittenberg zusammen. Nach der Rückgabe wird der
Codex in Dresden geblieben und ins geheime* Archiv ge-
langt sein"), wenigstens war er zu Anfang des 17. Jahr-
hunderts bestimmt dort10). Vom Archiv wurde er dann
im Jahre 1832 neben anderen Handschriften der Königl.
öffentlichen Bibliothek überwiesen.
2. Der Begräbnistag des Markgrafen Georg von
Meifsen.
Von P. Mitzschke.
Im XV. Bande dieser Zeitschrift S. 324 f. werden
die Gründe angeführt, die gegen das angenommene Todes-
jahr 1402 des Markgrafen Georg sprechen und vielmehr
B) Vergl. Fraustadt, Die Einführung der Reformation im
Hochstift Merseburg S. 182, 235.
c) Von der Hand des Petrus Albinus rührt die Bemerkung über
die Eigenhändigkeit der Handschrift auf dem Schmutzblatt her, vergl.
Lappenberg a. a. 0.
7) Vergl. Ditinari chron. ed. Reineccius, prooemium (p. 2).
s) Fol. 193: 18. Decemb. 1574 Viteb. (wohl zweifellos Autograph
des Reineccius). Vergl. auch Ursinus in der Einleitung zu seiner
Übersetzung der Chronik, S. XVI.
9) Die kurfürstliche Bibliothek wurde erst 1586 vom Schlofs
Annaburg nach Dresden gebracht. In älteren Bibliothekskatalogen
ist die Handschrift nicht verzeichnet.
10) Vergl. Mader in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Dit-
mar (Helmstädt 1667) S. 5.
9*
132 Kleinere Mitteilungen.
1401 dafür setzen. Ein urkundlicher Beleg für den Be-
gräbnistag des Markgrafen findet sich im S.-Ernesti-
nischen Gesamtarchiv zu Weimar. Das Kopialbuch B. 2
dieses Archivs, enthaltend Aufzeichnungen und Auszüge
über Handlungen der askanischen Kurfürsten von Sachsen
aus den Jahren 1388 bis zum Aussterben des Hauses,
1 uingt auf Fol. 43a folgenden gleichzeitigen Eintrag:
Anno domini etc. quadringentesimo secundo, des nian-
tags uach sand Anthonii tage hat grave Heinrich von Swarcz-
burg von uns Rudolfen etc. emphangen lechstete mit allen zuge-
horungen, und ist gesehen zur Pforten, als man niarkgrave
Georgen den jungen hern begink.
Eine andere unmittelbar folgende Aufzeichnung in
dem Buche wiederholt diese Datierung in der abgekürzten
Form: „In demselben jare, tage und stete, als oben ge-
schoben steet."
Hiernach ist nicht zu zweifeln, dafs Georg am
23. Januar 1402 in Pforte beigesetzt worden ist.
Die unbestimmtere Angabe in Sixtus Brauns Naumburger
Annalen „nach Antonii" erklärt sich dadurch, dafs die
Quelle des Annalisten, nämlich die alten Xauinburger
Stadtrechnungen, in der Bezeichnung der Wochentage
häufig sehr unleserlich gehalten ist; daher finden sich in
dem Buche zahlreiche Fälle ähnlicher unbestimmter Tages-
bezeichnungen. Die Angabe des Johannes Tylich, dals
die Leichenfeier am Mittwoch nach Luciä 1401, also am
14. Dezember stattgefunden habe, ist damit allerdings
nicht zu vereinigen. Vielleicht hat der Chronist das Datum
der vorläufigen Totenfeier in Koburg mit dem der wirk-
lichen Beisetzung in Pforte verwechselt.
3. Zu Mardochais, Rabbis de Nelle, angeblicher Prophe-
zeiung an Kurfürst August zu Sachsen (1575).
Mitgeteilt von Theodor Distel.
In von Webers Archive für die Sächsische Ge-
schichte Band VII (1809), 225 flg., handelt der Heraus-
geber jener Zeitschrift über „einige, Sachsen betreffende
Prophezeiungen", unter denen er auch die angeblich von
Mardochaj, Rabbi de Nelle1) herrührende, in verschiedenen,
') Mau vergl. die Beilädt' zu „Magica" 146, 100 der Königlichen
öffentlichen Bibliothek zu Dresden, wonach er auch den Namen
„Simson" führt, und von Weber a. a. U. S. 243 ltg.
Kleinere Mitteilungen. 133
mehr oder weniger von einander abweichenden Abschriften
verbreitete Prophezeiung' mitteilt und bespricht (S. 232 flg.).
Auf der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden
fand ich nun kürzlich einen Druck aus der Zeit um die
Wende des vorigen und dieses Jahrhunderts (Ephem. hist.
278 No. 1), über den ein Wort gerade hier am Platze
sein dürfte. Derselbe scheint mit den „cabbalistischen
Betrachtungen von Mardochai, Rabbi de Nelle, vom
Jahre 1575", welche wir in dem Buche: Gallerie alter
und neuer Propheten und ihrer Ausleger bis auf die
Superintendenten Ziehe und Typke (1800) S. 104 ab-
gedruckt finden, im unmittelbaren Zusammenhange zu
stehen. Er trägt den Titel: Sachsens goldenes Zeit-
alter, nach einer Prophezeiung des Jahres 1575
vorher verkündet, umtatst zwei Quartblätter und trägt
weder Jahr noch den Namen des Herausgebers, bez.
Druckers.
Zu Anfange der Schrift heifst es: „Diese gegen-
wärtige Prophezeiung ist von dem Verfasser Mardochäus
Rabbi de Nelle in ein Buch geschrieben worden, welches
sich dermalen in der Bibliothek zu Nöhdnitz befindet.
Die Anmerkungen sind von des Kurfürsten Augusti eigener
Hand an den Rand geschrieben."
Demnach wäre Nöthnitz bei Dresden, d. i. die seit
1754 an Kursachsen verkaufte Gräflich-Bünausche Biblio-
thek der bisher sonst noch nicht genannte Aufbewahrungs-
ort des Originalschriftstückes gewesen. Auf der könig-
lichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden befindet sich
freilich das Schriftstück nicht, auch nicht etwa noch, wie
mir Herr Rudolf Carl Freiherr von Finck, der gegen-
wärtige Besitzer des Rittergutes Nöthnitz, gütigst mit-
geteilt hat, am früheren Platze.
Das hier in Betracht kommende Exemplar der Prophe-
zeiung trägt am Ende ein genaues Datum ihres an-
geblichen Entstehens: Geschrieben am Tage der Be-
kehrung Pauli (25. Januar) anno 1575. Der Inhalt der
„Prophezeiung" zeigt übrigens deutlich, dafs die That-
sachen zu ihr längst vorlagen, als sie eine fälschende
Hand (in der zweiten Hälfte)2) des vorigen Jahrhunderts
niederschrieb.
2) Nach Absterben des Königs August II.; man vergl. Katalog der
Handschriften der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden II
(1883), 36 bez. 1764-1777; von Weber a. a. 0. S. 248 a. E.
[3 | Kleinere Mitteilungen.
4. Zum Nossener Kirchenbaue.
Mitgeteilt von Theodor Distel.
Am 27. Oktober 1719 brannte bei einer größeren
Feuersbrunst, welche den Ort heimsuchte, auch die Stadt-
kirche zu Nossen, ein Werk des Freiberger Steinmetzen
Andreas Lorenz aus dem Jahre 1565, ab1). Als dieselbe
wieder aufgebaut wurde, erging unterm .'}. November 1728
ein Reskript betreffs der Amts-Emporkirche des Inhalts,
dafs die kostbare, auf 136 Thaler veranschlagte Her-
stellung bedenklich falle.
Kein Geringerer, als der kurfürstlich sächsische Ober-
landbaumeister Matth. Dan. Pöppelmann fertigte Anfang
1734 einen billigeren Rifs an; der betreffende Bauanschlag
der Werkleute lautete nur auf 53 Thaler — Gr. 4 Pfg.
und 2 Brettbäume.
Als Tischler fungiert dabei August Schneider, der
Rifs liegt bei dem Anschlage2). In einem die Approbation
des beiliegenden Planes nachsuchenden Schreiben heisst
es, dafs der Nossener Pastor :!), der gern die dem Amte
vorbehaltenen Stände gleich anderen verbaut und gleich
sähe, dagegen sein werde.
5. Eine Flugschrift über das Anrecht König Fried-
richs II. von Preui'sen auf Böhmen.
Von Walther Schultz e.
In Bd. XIV S. 342 weist Th. Distel auf folgende Flug-
schrift aus dem siebenjährigen Kriege hin: „Kurzer doch1
Gründlicher Beweis , || dals
König!. Majest, in Preussen !
_ das Königreich Böhmen Sr.
zustehe". Die v. Ponickau'sche
Bibliothek in Halle a. d. S. besitzt von diesem Druck drei
Exemplare, und auf einem derselben befindet sich auch von
alter Hand folgende Notiz, die über den Verfasser Aus-
') Man vergl. meine Mitteilungen in der Zeitschrift für Museo-
logie und Antiquitätenkunde u. s. w. V (1882), 164. Die Steine
dazu lieferten die Ruinen des Klosters Altenzelle. Eine eiserne
Thüre für die Sakristei und eine Glocke kam ebendaher 1568: K. S.
Hauptstaatsarchiv, Kopial 848 Bl. 339; über Holz zu den Kirchen-
thüren ebendort Bl. 339 b.
2) K. S. Hauptstaatsarchiv: Loc. 34 978* No. 91.
:!) Nach Kreyfsigs Album der evangelisch-lutherischen Geist-
lichen im Königreiche Sachsen u. s w. (1888) S. 364 hatte damals
Karl Christoph Zandt diese Stelle innc.
Kleinere Mitteilungen. 135
kunft giebt: „Von Prof. Carach jun. zu Halle, und
wurde den 16. Januar 1757 auf öffentlichen Markt
zu Drefsden auf K. Preufs. Befehl durch den
Scharff-Richter verbrant." Gemeint ist damit Johann
Philipp von Carrach, der 1730 geboren, 1752 außer-
ordentlicher Professor des Rechts in Halle wurde; 1758
wurde er zum ordentlichen Professor in Duisburg ernannt,
konnte aber diese Stellung des Krieges wegen erst 1764
antreten ; bis dahin lebte er in Breslau. Von Friedrich II.
wurde er geadelt. 1768 wurde er als Professor nach
Kiel berufen, doch schon 1769 entlassen; er ging nach
Wien, trat nun zum Katholizismus über und war publi-
zistisch gegen den Berliner Hof thätig. Im Anfang des
siebenjährigen Krieges hatte er umgekehrt in Friedrichs
Diensten die Feder geführt, insbesondere mehrere Schriften
in der bekannten Polemik wegen der Verhängung der
Reichsacht über Friedrich verfafst. Der „Kurze doch
gründliche Beweis" wird nirgends unter seinen Werken
aufgeführt, trotzdem liegt meines Erachtens kein Grund
vor, an der Richtigkeit der handschriftlichen Eintragung
auf unserem Exemplar zu zweifeln: einmal pafst die
Broschüre trefflich zu dem, was wir sonst von diesem
charakterlosen Publizisten wissen, sodann bemerkt Weid-
lich, Biographische Nachrichten von den jetzt lebenden
Rechts- Gelehrten in Teutschland, Bd. I S. 112, ausdrück-
lich, dafs er aufser den von ihm genannten Arbeiten noch
„mehrere Schriften ohne Namen, besonders im siebenjähri-
gen Kriege, verfertiget haben solle". — Übrigens dürfte der
„Kurze doch gründliche Beweis" nicht gar so selten sein,
wie a. a. 0. angenommen wird; abgesehen von den drei
Exemplaren der v. Ponickau'schen Bibliothek, besitzt auch
die königliche Bibliothek zu Berlin zwei verschiedene
Ausgaben, da Baumgart, Die Literatur des In- und Aus-
landes über Friedrich den Grofsen, dessen Angaben aus-
schliefslich auf dem Bestand dieser Bibliothek beruhen,
auf S. 148 — irrtümlich zum Jahre 1758 — dieselben
verzeichnet.
6. Der älteste kursächsische Bifoliothekskatalog aus
dem Jahre 1437.
Von Woldemar Lippert.
Die älteste Archivregistrande, die über die Bestände
des alten kurfürstlich sächsischen Archivs Aufschlufs
]36 Kleinere Mitteilungen.
giebt . ist ein in Schweinsleder gebundener Papierkodex
von 114 Blatt in Folio, betitelt auf der Vorderschale
„Registratura etlicher brive, so etwan zu Meyssen im
gewelbe gelegen und darnach gein Leiptzk gefurt. Re-
gistrata per M. Rotleben, Cnntz Rumpf anno 1508", auf
der Rückschale „Ordu litterarum" ; derselbe liegt im
Locat 23 (XVI- Abteil. No. 122). Auf den Innenseiten
der Deckelschalen sind einige chronikalische Notizen ein-
getragen, die ich in dieser Zeitschrift XV, 318 flg. ver-
öffentlicht habe. Der Band selbst enthält Inventare aus
der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts über die in Meifsen
befindlichen, die aus Weida gebrachten Urkunden etc. Bl. 59
beginnt das Inventar der Wittenberger Archivalien; am
Kopfe jeder Seite von 59-72 ist ausdrücklich „Wittin-
berg" beigeschrieben. Dieses Inventar stammt aus dem
Jahre 1437, wie eine gleichzeitige Notiz fol. 59 angiebt:
„1437 feria quarta post Simonis et Jude (30. Oktober)
visa et in hunc ordinem reducta etc." Am Schlufs dieser
Listen von Urkunden folgt fol. 70b — 72 der im Folgenden
abgedruckte Katalog der kurfürstlichen Bibliothek in
Wittenberg von derselben Hand, wie die übrigen Auf-
zeichnungen.
Ohne hier in Spezialuntersuchungen eintreten zu
wollen, die bibliothekarischen Fachleuten überlassen blei-
ben mögen, sei nur kurz auf den reichhaltigen, inter-
essanten Inhalt hingewiesen.
Von historischen Schriften sind zu nennen eine
Sachsenchronik No. 6, eine Papstchronik 28, zwei andere
Chroniken 8 und IG, eine Geschichte der Eroberung des
heiligen Landes durch den Sultan von Ägypten 25.
Rechtsgeschichl liehen Charakt eis: ein Sachsen-
spiegel 17.
Geographischen Charakters: eine Reisebeschrei-
bung oder ein Abenteuerbuch des Otto von Dyme-
ringen 7.
Hagiograpliisclien Charakters: ein Leben des
heiligen Wenzel 20, ein Heiligenpassional 14, eincJMartyrer-
legende 31.
Theologischen Charakters: eine deutsche Bibel 18,
ein deutscher Psalter 5; ferner wohl noch 1, 2, 10, 13.
Germanistischen Charakters: eine deutsche
historia Trojana (liet von Troye?) 15, Alexanderbuch 19,
Rosengarten 26, Wigalois 27 (ob ein Tristan 11?), ein
Lebensspiegel mit höfischen Lehren 30, wohl auch 9.
o
Kleinere Mitteilungen. 137
Von Autoren sind zwei mit Namen als Verfasser
von glossierten1) „dictamina" genannt: Hermann von
derDahme 3 (vergl. auch 4) und Rudolf Brinkind 12.
Bei verschiedenen läfst sich erkennen, dais sie in Versen
geschrieben waren, so 3, 9, 11, 12, 14, 22, 24, 26, 27.
["'her das Äuisere der Bücher erfahren wir wenig;
manche sind nur als .über, manche als Bücher grolsen
Formats (über magnus), manche kleinen Formats (libellus)
bezeichnet; nur bei einem, 30, ist ein silberner, d. h. wohl
silberbeschlagener Einband erwähnt,
Als Aufbewahrungsort dienten nicht Bücherschränke
mit Fächern oder Repositurgestelle, sondern zwei Kästen,
wie solche in gleicher Weise zur Aufbewahrung der Ur-
kunden und Kopialbücher Verwendung fanden, denn auch
bei diesen finden wir mehrfach Kästen, Laden erwähnt,
die verschliefsbar waren und ein besonderes Zeichen auf-
gemalt trugen, so fol. 40 „una parva scatula", fol. 42 „due
eiste .. . recluse", fol. 45 „im grofsen kästen an der wand",
fol. 52b, 101, 104 „in scatula", fol. 105b „in eyner swartzen
laden mit eym sulchen zeeichen . . ."; vereinzelt kommt
vor fol. 54b „in eym cleynen liderinn sacke", fol. 58 „in
eym langen lynen sacke".
Libroruni ordo in Witteinberg- etc.
In cista, sieud intratur cappella ad manum dexteram,
infrascripti continentur libri.
1. Primo mangnus (!) über, qui ineipit „Ich sage dir lob Jbesu
Crist" etc., et ünitur „Dy nymant ane dich und ane got zeu
gebin bat", cum notis.
>. Item über mangnus, qui ineipit „Alpha et Ü. Got reyne" etc.,
et finitur „Und weren synes trostes gerende" etc., cum notis.
3. Item alius über, qui ineipit „Ir Cnsten alle schreyet" etc., et
finitur „Wann du verloren were" etc., et est dietamen Hermann
von der Dhame, cum notis.
4. Item alius über mangnus, qui ineipit „Do ere ires hoves erst be-
gan" etc.. et finitur „Sus leret Herman von der Dhame", cum
notis.
5. Item alius über mangnus, qui ineipit „Saüch man" etc., et est
psalterium vulgare, et finitur „Wir biten dich mildeclichen
mere" etc.
6. Item alius über mangnus, qui ineipit „Wir wollen nu schriben
von den Sachsen" etc., et finitur „Von gots burt ubir MOC und
XXIX2) yare"8).
2) Auch sonst sind mehrfach „uotae", also wohl Glossen, er-
wähnt, so 1, 2, 10.
") Erst war „XXX" geschrieben.
3) Diese Handschrift war eine Hs. der Sächsischen Weltchronik,
die mit dem Anhang I von der Sachsen Herkunft begann (vergl.
138 Kleinere Mitteilungen.
7. Item alius liber ritter Johann des grosen lantferers, qui incipit
„Ich Otte von Dymeringen" etc. et finitor „Do habe ich von ge-
schriben. do ich von Hispanien lande sprach".
8. Item alius liber, qui incipit „In den gecziten Karls des koniges"
etc., et finitor „Do gebot Gerhard den dryen" etc.
9. Item alius liber, qui incipit „Is ist ein dingk, das wol geczympt" etc.,
et finitor „Ein wunder wirdt in allen lande" etc., et vocatur „Disses
buch heiset Truwere".
10. Item alius liber, qui incipit „Dyne wesinde gotheit so stad" etc.,
et finitur „Wann der Jude beiden keczczer ist" etc., cum notis.
1 1. Item alius liber, qui incipit „Vernemit alle, ich wil uch sagen" etc.,
et finitor „Dem waren wigand", et est dictamen Tristran.
12. Item alius liber, qui incipit „Ein man sal sunder lagen" etc., et
finitor „Myn dangken hat er auch verschult" etc , et est dictamen
Rudolf ii Brinkind.
13. Item alius liber, qui incipit „Dat dy hemelische vater" etc., et
finitur „Das ist stete an alle missewant."
Socunda cista.
Item in alia cista ex oposito (!) hostii (!) infrascripti
continentur libri.
14. Primo liber mangnus, qui incipit „0 starcker got Adonay" etc.,
et finitur „Do wolde ich wesin in dir lesin", et est passionale
sanctorum.
15. Item alius liber mangnus, qui incipit „Do Troya dy mere" etc.,
et finitur „Das were ein teil zu frue", et est historia Troyana.
16. Item alius liber, qui incipit „Nu vernemit alle gemeyne" etc., et
finitur „Disser hern orloug und ere" etc., et est Cronica4).
17. Item alius liber mangnus. qui incipit „Hir begynnet der hern
geburt von dem lande" etc., et finitur „Wer zcu allen dingen
gerne sprichet recht" etc., et est speculum Saxonicum.
18. Item alius liber, qui incipit „Richer got, herre, voit hymmelischer
herschaft" etc., et finitur „In Jherusalem nach wünsche gar" et
est biblia in vulgari
19. Item alius liber, qui incipit „Über alle dinck hastu gewalt" etc.,
et finitur „Als mich got gelart", et est liber regis Allexandri.
Mon. Germ. Deutsche Chroniken II, I. Sachs. Weltchronik, her. von
Ludw. Weiland S. 259: „We willet nu scriven von den Sassen, we
se here to lande komen sin") und mit der Zeittafel beim Jahre 1229
aufhörte (vergl. a. a. 0. S. 279 „von goddes bord over 1200 onde
29 jar ward Jerusalem dem keiser Vrederike weder geven"). Viel-
leicht ist es die von Weiland Vorwort S. 7 als No. 24 bezeichnete
Hs. der herzoglichen Bibliothek zu Gotha aus dem 13. Jahrhundert,
denn diese beginnt und endet thatsächlich mit den bezeichneten
Stücken, und die alte Wittenberger Bibliothek ist wohl mit den
Ernestinern nach Thüringen gekommen. In der That ist diese Hand-
schrift, die als Buch grofsen Formats (liber magnus) bezeichnet ist,
ein Foliant.
4) Von anderer Hand des 15. Jahrhunderts ist dazugeschrieben
„Kristanus Kune dixit hone librum quondam domine ducisse obtulisse,
dumodo fuit schosserus in Wittinberg", und an den Rand ist zum
besonderen Hinweis eine Hand gezeichnet.
Kleinere Mitteilungen. 139
20. Item alius liber, qui incipit „Was der synne kan ingegissen" etc.,
et finitnr „Kind tustu das, dir mag misselingen" etc., et est vita
sancti Wenczeslai.
81. Item alius liber, qui incipit „Dy bete mynnen ys benan" etc., et
finitur „Hetten es nit gut seilen jegiu wind" etc.
22. Item alius liber. qui incipit „Ein gülden vaß gecziret", et iinitur
„Mit unser sele müsse riehen" etc.
23. Item alius liber, qui incipit ..In nomine patris et filii et Spiritus
sancti amen. Wir sollen disses buches begynne" etc., et finitur
„Das er das wider thun wolle, so sal er" etc.
24. Item alius liber, qui incipit „Nu vernemit mir alle bisundern" etc.,
et finitur „Synnet was er wunders begynnet" etc.
25. Item alius liber, qui incipit „Auwe, der leiden mere" etc., et
finitur „Regni autem nostri nono deeimo", et est historia Soldani
de straffe commissa in Anackers5) in Christianos.
26. Item alius liber, qui incipit „Also der summer grünet" etc., et
finitur „Zcu dem fronen hymmelrich" et intitulatur „der Rosen-
garte".
27. Item alius libellus, qui incipit „Also ichs nu vernomen ban", et
finitur „Du vil reyne magetu", et intitulatur „Wygoleis".
28. Item alius libellus, qui incipit „Fugetus (!) der ander was ge-
born" etc., et finitur „Clemens der fünfte was geborn" etc.
29. Item alius libellus, qui incipit „Mit angist und mit jamer" etc ,
et finitur „Des abindes nach" etc.
30. Item alius libellus, qui incipit „Diß buch ist von hübschen synnen"
etc., et finitur „Sy komen auch wol an dy wibe", et habet cooper-
turam aureain.
31. Item alius libellus, qui incipit „Wann ys sich wol fuget und
nuteze ist" etc., et finitur „Verretheniß irslagen und tat auch
vil zeeichen" etc.
7. Briefbeförderimg des Kurfürsten von Sachsen 1449.
Von Woldemar Lippert.
Schon im Mittelalter war bei der kurfürstlich säch-
sischen Post das Verfahren üblich, dafs die der Beför-
derung von staatlichen Schreiben dienenden Gegenstände
das landesherrliche Wappen trugen, um sie nebst ihrem
Inhalt dadurch vor etwaigen Angriffen zu sichern. Wir
erfahren dies aus einer Stelle eines Schreibens von 1449
an den Kurfürsten Friedrich II. (den Sanftmütigen) von
Sachsen. Er war wegen des von beiden Seiten erstreb-
ten Besitzes der Niederlausitz mit Kurfürst Friedrich II.
von Brandenburg verfeindet1) und hatte im Jahre 1449
5) Anackers ist Accon, gemeint ist also wohl die Eroberung durch
den Sultan Kilawun von Ägypten 1291.
') Näheres über diese niederlausitzer Verhältnisse s. Lippert,
Wettiner und Witteisbacher sowie die Niederlausitz im 14. Jahr-
hundert S. 178 fg.
]40 Kleinere Mitteilungen.
zur Vertretung seiner Interessen den Reinprecht. von Ebers-
dorf nach Brandenburg' und in die Lausitz geschickt. Da
aber die Stimmung teilweise Sachsen ungünstig war und
der Gesandte deshalb Sorge trug, dafs die mit seinem
Kurfürsten gewechselten Briefschaften in fremde Hände
fielen oder der Bote selbst gefährdet sei, wenn er offen
als kursächsischer Briefbote kenntlich wäre, liefs Ebers-
dorf wegen des sächsischen Wappens, das aulsen auf der
zur Aufbewahrung der Briefe dienenden Büchse angebracht
war, diese Büchse beiseite legen und den Boten als seinen
eigenen gehen.
Das Schreiben ist der Korrespondenz zwischen Ebers-
dorf und dem Kurfürsten im Kgl. S. Haupt Staatsarchiv,
Wittenberger Archiv, Niederlausitzer Sachen entnommen,
\vn es fol. 88 unter der Aufschrift „Er Reinprecht an
unsern hern von Sachsen" eingetragen ist.
[Luckau] !>. Februar H49.
Hochgeborner forste .... Als mir uwer gnade geschriben hat,
hau ich will vernomen und thu uwer gnaden wissen, das mich der böte
nicht zeu Berlin ankörnen ist . sunder hie zeu Luckaw, dorumh ich
faste mit dem rate umli ein gleite ern Nickeln von Polenczk ge-
worben und uff das höchste versucht, sie wollen sein geinwiß ge-
leiten noch ufnemen in ire stad. So habe ich das den probst von
Wittemberg zeu ym geschickt, an ym zeu verholende, was sein gud-
diincken ist, mich das durch yn berichten, [ch habe auch den herren
prelaten mannen und steten geschriben, sie uff das fließigeste er-
manet und gebeten, uf mitwoche zeu abinde noch den sontag Exurge
sich wollen zeu mir fugen, myner gnedigen herren meynunge schrifft-
lich und muntlich an sie zeu Illingen und habe dem meisten teil den
trefflichsten mit uwer gnade boten gesand die brüte. Auch gnediger
Lber herre, als uwer gnade berurt uwer rethe so na bestellen nach
mynera gutduncken, mein ich, ab ich irer uffsulch tau bedurffen wurde.
das will ich uwern gnaden underdes noch wo! zen verstehn geben. Audi
habe ich uwer gnade boten geheischen, er solle dy buchse uwer gnade
wapen in der bothschaffl abelegen, sunder sich uff mich zeihen solle.
Was ich uwern gnaden in den und andern saehen dinen sal, thu ich
gerne und bitte uwer [gnade] uff myn neste schriffl und gutduncken
und was ich uffs leezte hesliß für mich ueme, das verdyue ich aber
gerne. Geben am sontag Circumdederunl under mynem secret am
WAX jare.
ßeinprechl von Ebirstorff
uwer gnaden williger.
Litteratur.
Die slavischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung
ihrer Namen. Von Gustav Hey. Dresden, W. Baensch. 1893.
V, 335 SS. 8°.
Über die slavischen Ortsnamen des Königreichs Sachsen ist
schon öfters geschrieben worden, doch erstreckten sich die dies-
bezüglichen Arbeiten bisher immer nur auf einzelne Teile des Landes,
wie z. B. die Festschrift von J. E. Schmaler (1867) auf die Ober-
lausitz und die Programme von R. Immisch (1866. 1874) auf das
Erzgebirge und die südliche Oberlausitz. Das vorliegende Buch
bietet die erste zusammenfassende Bearbeitung des umfänglichen
Stoffes. Zur Lösung einer so schwierigen Aufgabe war wohl nie-
mand besser befähigt als der Verfasser, der schon seit Jahrzehnten
unermüdlich auf diesem Gebiete gearbeitet hat; davon zeugen
neben Aufsätzen in den „Mittheilungen des Vereins für Geschichte
Meifsens" 1884 und im „Neuen Archiv für sächsische Geschichte"
Bd. XI seine Schriften: „Die Ortsnamen der Döbeluer Gegend"
1875 — „Die slavischen Ortsnamen des Königreichs Sachsen" 1883 —
„Die slavischen Ortsnamen von Lauenburg'. In den «Slavischen
Siedelungen im Königreich Sachsen" bietet uns Prof. Hey nunmehr
ein auf gründlichen Studien füfsendes, einheitliches Werk, das nicht
allein von seinem unermüdlichen Fleifs und unablässigen Forschungs-
trieb , sondern auch von seinem feinsinnigen Verständnis für die
mannigfaltigen Kulturverhältnisse der alten sorbischen Bewohner
unseres sächsischen Vaterlandes rühmlichst Zeugnis giebt. — Das
Werk zerfällt in zwei Teile. Der kürzere allgemeine Teil enthält
nach einem Vorwort über Entstehung und Zweck des Buches eine
geschichtliche Einleitung, eine Aufzählung der Quellen und Hülfs-
mittel, sprachliche Vorbemerkungen, die Grundsätze des Verfassers
für die Namendeutuug und eine Übersicht über die Bildung der
slavischen O.-N. Der besondere Teil umfafst die Deutung I. der
Ortsnamen aus Personennamen und II. der Ortsnamen aus
Appellativen. Anhangsweise werden einige uichtslavische,
doch fremdklingende O.-N. besprochen und den Schlufs bildet ein
alphabetisches Namenverzeichnis aller im Buche erklärten
sächsischen Orts-, Flur-, Flufs- und Bergnamen. Dr. Hey hat sich
nämlich, was wir gleich hier anerkennend hervorheben möchten, nicht
auf die Erklärung der slavischen Benennungen der gegenwärtigen
Ortschaften beschränkt, sondern die zahlreichen Namen der wüsten
Marken, der Flur- und Waldstücke, sowie der Gewässer und Berge
in den Bereich seiner Untersuchung mit hineingezogen.
]42 Litteratur.
Die höchst interessante geschichtliche Einleitung ist mit großer
Sachkenntnis und gewissenhafter Benutzung der einschlägigen Quellen-
schriften geschrieben und bildet mit ihrer besonnenen und anschau-
lichen Darstellung der Kulturverhältnisse der alten Sorben unstreitig
die Glanzpartie des ganzen Buches. — In den sprachlichen Vor-
bemerkungen werden die kennzeichnenden Merkmale der altwendischen
(besser altsorbischen) Sprache richtig dargelegt. Nur ist zu be-
merken, dafs die Nasalvokale a, und e bereits im Altsorbischen durch-
weg in n und ja (e) sich aufgelöst hatten und dafs also die wenigen
O.-N. mit scheinbar erhaltenem Nasalvokal (Borenthin, Borintizi,
Prossentin, Willintin, Tallintitz, Scuntiza*)) anders zu erklären
sind; ferner ist dem Altsorbischen, wenigstens bis Anfang des
14. Jahrhunderts, das prothetische w bez. h bei den vokalisch an-
lautenden Worten2) und der Wandel der Tennis t in die Spirans c
noch fremd, worauf natürlich bei der Deutung der O.-N. Rücksicht zu
nehmen ist. Zu diesen Untersuchungen bedarf es also notwendig
einer ins Einzelne gehenden Lautlehre des Altsorbischen und wo-
möglich zugleich einer Feststellung der Zeit des Wandels der ein-
zelnen sorbischen Laute an der Hand der Urkunden. — Die Hey-
schen Grundsätze für die Namendeutung wird jeder Ortsnamen-
forscher durchaus billigen, und die sehr zahlreichen Suffixa, mit denen
im Slavischen die O.-N. gebildet werden, sind recht übersichtlich zu-
sammengestellt, so dafs auch Fernerstehenden ein genügender Einblick
in dieses interessante Gebiet der Namenbildung gewährt wird. Nur
hätte noch die Bemerkung hinzugefügt werden können, dafs nicht
selten im Laufe der Zeit ein Wechsel einzelner Suffixe (besonders
von -ici, -ov, -in mit -ica, -ova (-ava), -ina und umgekehrt) ein-
getreten ist.
Wenden wir uns nun zu den Deutungen der Ortsnamen selbst.
Das Hauptverdienst liegt hier jedenfalls in der sorgfältigen und
möglichst vollständigen Sammlung der urkundlichen Formen. Von
den sorbischen O.-N. selber sind dem Verfasser doch noch einige
wenige entgangen, wie z. B. Burgk bei Dresden (sorb. B6rk = altsl.
borlkü, cf. S. 222) und Ober- und Nieder- Kaina bei Bautzen
(sorb. Kina == Kyjina, cf. S. 256). Hinsichtlich der Erklärungen wird
wohl kein nur einigermaßen billig denkender Beurteiler verlangen,
dafs bei der nach Tausenden zählenden Masse der O.-N. alle richtig
erklärt sein müfsten; das ist bei einem so schwierigen und spröden
Stoffe geradezu ein Ding der Unmöglichkeit, Doch muß man dem
Verfasser die richtige Befolgung des Miklosich'schen Prinzips,
sowie die gröfste Umsicht bei seinen Deutungen unumwunden znge-
gestehen. Hinter den Hunderten der Erklärungen birgt sich ein
redlich Teil Geistesarbeit. Auch geht Verfasser klugerweise nicht
darauf aus, überall eine bestimmte Deutung zu statuieren, sondern
in vielen Fällen, namentlich wenn die urkundlichen Belege mangeln,
spricht er vorsichtig nur Vermutungen aus und regt so zu weiteren
Forschungen an. Wenig glücklich jedoch möchten wir den Gedanken
nennen, dafs alle die von ihm aus den O.-N. erschlossenen P.-N.
schon dem sorbischen Kinde beigelegt sein mußten. Dabei hat er
') Bei allen finden sich und zwar häufiger Formen ohne den
Nasal in den Urkunden.
2) Vergl. S. 141 ff. Wadewitz, Wagelwitz, Wachtnitz,
Wanscha — S. 197 f. Wanden, Wntzsckwitz, Wunschwitz.
Litteratur. 143
manchen recht wenig wahrscheinlichen , ja komischen und un-
ästhetischen P.-N. entdeckt, den die alten Sorben ihren Kindern
sicher im Ernste nicht fürs Lehen mitgegeben haben dürften. So
konstruiert er z. B. zum O.-N. Zochau (S. 57) den P.-N. Cach,
Coch (Kotwater, Drecktreter) statt Codi, Czoch (Czeche, Böhme); zu
Zescha (S. 63) Czec (infans mingens!) st. See (Schnitter); zu Grödel
(S. 84) Gredel (Haspel --= sehr lebhaftes Kind) st. yrodilo (Städtchen,
Bürgel); zu Kuppritz (S. 104) Koprc (Burzier: Kind, das gern sich
überburzelt) st. Kopirica (Dill); zu Podehritz und Pödehcitz (S. 147)
Podel (Kind, das sich oft verunreinigt) st, podol (Thal); zu Zschirla
(S. 166) Srla (qui cacat), statt an einen mit ser bez. sir (v. Miklosiek,
Bildung der Ortsnamen aus Personennamen S. 58; 64) gebildeten
P.-N. und O.-N. zu denken. Die von mohru (nass) gebildeten O.-N.
(S. 133) stammen sicher nicht von dem „bettnässenden" Gründer,
sondern jedenfalls von dem nassen Grunde, auf dem die Orte erbaut
sind. Komische und unästhetische Ortsbenennungen, wie z. B.
Zasrjew (deutsch hingegen: Rosendorf) bei Senfteuberg und Njeradk
(deutsch hingegen: Neu-Oppitz) bei Bautzen sind recht wohl als
Spott- und Schimpfnamen, keineswegs aber als Ruf- und Personen-
namen denkbar. — Von sonstigen mifsglückten Erklärungen möchte
ich hier noch einige besonders bemerkenswerte hervorheben, von
denen die meisten auf Unkenntnis der Lage oder anderer Verhältnisse
der betreffenden Orte beruhen. Bukecy , deutsch Hochkirch (S. 56)
geht nicht auf altsl. buka (Lärm), sondern auf buk (Buche) zurück,
mag es nun ursprünglich Bukovici (die Familie des Buk) oder viel-
mehr Bukovica (Buchenhain) gelautet haben. — Putzkau (S. 59),
wendisiert Pöckoioy ist als notorisch deutsche Kolonie als die Aue
(das Dorf) des Buzeco (Buzico) zu erklären; die beiden wendischen
Dörfchen am Fusse des Valtenberges, die mit der Zeit von Putzkau
absorbiert wurden, hiefsen Wehritz (P.-N. Wera, cf. S. 202) und
Anerwitz (P.-N. Ur, cf. S. 198). — Bochlitz (S. 84) kann von
yrochadlenc (leiriges, ningelndes Kind) schon wegen des in den
Urkunden fehlenden y des Anlauts nicht abgeleitet werden, sondern
ist auf asorb. roclüy = obsorb. rycbJy (schnell, flink) v. Wurzel ruch
(bewegen) zurückzuführen. Dieser bekannte Burgwartssitz an der
Zwickauer Mulde bekam seinen Namen von dein Flusse, der ur-
sprünglich bei den Sorben Rochüca bez. Bychlica (schnellfliefsendes
Wasser) hiefs, im Gegensatz zur Freiberger Mulde = altsorb. Modln
bez. per metathesin Molda (das tote, d. h. langsam strömende Wasser);
später ging der Name Mulde auch auf die erstere über infolge der
nach ihrer Vereinigung von Anfang an gebrauchten Benennung
Modla (Mulde). — Krönen (S. 104) geht nicht auf Krönica (Kronen-
kind), sondern auf altsorb. Krynica (Quelle, Quellgebiet) zurück,
worauf schon die deutsche Form des O.-N. Krünitz, Krinitz hin-
weist. — Die S. 116 zu Wurzel lek (erschrecken) gestellten O.-N.
sind gleich dem sorb. P.-N. Loch (Lochecy) alle von dem Volksnamen
Lechii = sorb. Ljach, Lech, Lioch (der Leche d. i. Pole) abzuleiten;
vergl. Czech, Czoch, Coch (Czeche, Böhme). — Löbschütz, urk. Lubiziz,
Lubueschewitz etc. (S. 122) gehört nicht zu czech. lup (Klaps), sondern
zu luby (lieb, wert). — Loßnitz bei Freiberg (S. 122) kommt nicht
von los (Elentier), sondern erwiesenermafsen von dem Bache (Münz-
bach), an dem es liegt und der ursprünglich laut Urkunden Lößnitz,
Leßnitz = altsorb. lesnica (Waldbach) hiefs. Loßnitz wird nur aus
rein administrativen Gründen von dem damit zusammenhängenden
Lößnitz (cf. S. 260) formell so geschieden, weil sich der Ursprung-
| | | Litteratur.
lieh eine Ort später in zwei besondere Gemeinden trennte. — Bei
Salya, obsorb. Zathow (S. 128) kann ich weder Scbmalers (vom P.-N.
Zaioh, Grund) noch Heys (von Zaleg, Lügner) Erklärung billigen;
schon die Lage des Ortes weist aui' asorb. Zal(u)gov(a) — obsorb.
Zaf(u)how (das Dorf hinter dem tug, d. i. Wiesenbruch, Grassumpf)
bin. — Schmölln (S. 170) bei Bischofswerda geht wie alle die zahl-
reichen Schmölln, Schmälen, Schmollen, Smolin etc. auf Smolnja
bez. Smolno (Pechhütte, Teerbude) zurück; die heutige obsorb.
Form Smjelna bez. Smilnja ist eine falsche Uninennung nach dem
vulgärdeutschen Schmeln; die Dorfbach von Schmölln heilst noch heute
bei den dortigen Wenden Stnolica (cf. Czasopis Macicy Serbskeje,
Jahrg. 1887, S.19) d. i. Pechhüttenbach, Teerbach. — Tolkewitz (S. 190)
bei Dresden sl ammt nicht von altwend. Tolk (Bälger), sondern von doik
= dolüku (kleines Thal); das Dorf liegt nämlich nach Mitteilung von A
Jentsch in Dresden an einem toten Eibbette, das noch heute „das
Grandel" genannt und von einem Bächlein, dem Poppen (d. h.
Pfaffen)-graben durchzogen wird; also ist Tolkewitz entweder ==
Dolkovici (die Anwohner am Gründel) oder = Dolkovica (= Bach im
(iiiindel bez. Ansiedlung am Gründelbach). — Die beiden Nöthnitz
iS 195) >in<l mit Nucknitz (S. 271) zusammenzunehmen und als Nutnica
(Viehhof) zu erklären. — Lastau (S. 206) bei Colditz (urkundlich
Löstatauua, Zlostatawa,s\i&teT Lostawe) wird schwerlich auf asl. vlasti
(asorb. vlosti) Vaterland zurückzuführen sein, da sich doch wohl sonst
in einer der sehr alten Urkunden das spirantische v vorbilden würde.
Ich möchte es als Lososi-stav, gen. Lososi-stava „Dorf über dem
Lachswehr :t erklären und ableiten von tososi (Lachs) und stavu
(Damm, Wehr). Die Mulde war erwiesenermaßen in alter Zeit sehr
lachsreich. - Wurschen (S. 209) bei Bautzen (stirb. Worcyn) und
Würzen a. d. Mulde sind jedenfalls nicht zu trennen und beide zum
Stamm asorb. rort — asl. mit (drehen, wenden) zu stellen. — Oybin
bez. Oyivin (S. 285) ist sicherlich nicht mit asl. golqbi = asorb.
golubi stammverwandt, weil dann die Urkunden schlechterdings eine
Form wie Golubin, Golbcn bieten müfsteu; cf. Golben bei Zeitz
(mkmvM. Golob'niti)um\<hi!ben bei Cottbus; es hängt mit on (= ovi-ca,
Schaf), Adj. oivni zusammen; also Ovinja (sc. gora) = Schafberg.
- Lissahora (S. 237) bei Königswartha (obsorb. Lisa hora) ist nicht
als „Fuchsberg" (= USca hora), sondern als „Kahlenberg" (v. lichü,
lisi, kahl) zu deuten. — Gröditz bei Großenhain (S. 239) ist ebenso
wie Gröditz bei Weifsenberg mit asorb. grodiste (obsorb. hrodzisco)
= grofse Burg zu erklären. — Meißen, wend. Mimo statt Mizno
(S. 267) von mjeza (Grenze: also Grenzheim) abzuleiten, ist verfehlt;
Thietniar von Merseburg hat jedenfalls recht , wenn er den Namen
auf das Flüfschen Meiße (asorb. Miza = Sprudel- bez. Quell-bach; cf.
Miklosich, Btym. Wörterb. d. slav. Sprachen p. 209 Wz. miz) zurück-
führt. Man darf solche bestimmte Angaben der Chronisten nicht ohne
Grund über Bord werfen. — Der Name der Milzener (S. 267), obsorb.
Milcan, plur. MilZenjo), hat mit poln. miel (sandiger Ort) nichts zu
schaffen und ein obsorb. mjel giebt es überhaupl nicht. Das alte
Milzenerland ist nämlich gar nicht sandig, sondern ein fruchtbares
Ackerland, das kaum der gesegneten Lommatzscher Pflege nachsteht.
[ch leite es mn Milk, der Koseform zu Miliduch (bekannter sorbischer
Fürst gerade jener Gegend) her; also sind Milcane die Ihiterthauen
des Miliduch und Milska, asorb. Miftciskn (sc. zemja) ist das Land
des Miliduch. — - Sebnitz (S. 309) stellt der Verfasser mit Miklosich,
Litteratur. 145
Slavische Ortsnamen ans Appellativen II, \22 zu zaba (Frosch): beide
aus Unbekanntschaft mit der Örtlichkeit. Der Ortsname stammt
zwar vom Flufsnamen, aber dieser lautet asorb. zebnica, d. i. Finken-
bach von zeba (obsorb. zyba) Finke; vergl. die „Finkengüter"
daselbst; Finken giebt es um Sebnitz noch heute auffallend viel. —
Otterschütz (S. 316) heifst im Wendischen noch heute Otruzica (Kratz-
beerenort) von ostruga (rubus fruticosus) ; also nicht „Otternwinkel".
Abgesehen von diesen und anderen mifslungenen Deutungen
bildet das Heysche Werk unstreitig einen wertvollen Beitrag einer-
seits zur Kulturgeschichte unseres sächsischen Vaterlandes und
anderseits zur slavischen Ortsnamenforschung. Augenscheinlich ist
der Verfasser aufs gewissenhafteste bestrebt, die Wahrheit zu er-
gründen und das Dunkel, das insbesondere noch über der Sorbenzeit
unserer Heimat lagert, nach Möglichkeit aufzuhellen. So durfte
er mit Recht (S. 31) von sich sagen, dafs seine Arbeit dasselbe schöne
Ziel verfolge, das mit der Ergründung der reinen Wahrheit und
Thatsächlichkeit die GeschichtsAvissenschaft überhaupt sich gestellt
hat. Und so möge es denn allen Freunden vaterländischer Geschichte
und Altertumsforschung hiermit aufs Wärmste empfohlen sein.
Freiberg i. S. Ernst Mucke.
Wettiner und Wittelsbacker sowie die Mederlausitz im XIV. Jahr-
hundert. Ein Beitrag zur deutschen Reichs- und Territorial-
geschichte von Dr. Woldemar Lippert, königl. Staatsarchivar,
Dresden. Wilhelm Baensch. 1894. XVI, 314 SS. 8°.
Über die Geschichte der Niederlausitz, dieses von den Wettinern
frühzeitig besessenen, mehrmals wieder erlangten und immer aufs
neue verlorenen Landes, giebt es noch kein zusammenfassendes, den
wissenschaftlichen Anforderungen der Gegenwart entsprechendes
Werk. Ganz besonders verwickelt ist die Geschichte der Nieder-
lausitz im 14. Jahrhundert, wo sie fast ununterbrochen das vielbe-
gehrte Streitobjekt der Nachbarstaaten und deren Dynastien bildete.
Noch waren bisher die politischen Beziehungen dieser Staaten unter
einander und zur Niederlausitz keineswegs vollständig bekannt. Der
Verfasser des vorliegenden Buches hat sich daher ein entschiedenes
Verdienst erworben, indem er diese Beziehungen auf Grnnd um-
fassender archivalischer Studien imd gewissenhafter Benutzung der
gesamten einschlagenden Litteratur zum ersten Mal klargelegt und
festgestellt hat.
Wir würden den uus hier gestatteten Raum weit überschreiten
müssen, wollten wir über alle die verschiedenen Besitzwechsel, welche
das Land von 1301—1368 erfuhr, und über die Ursachen und Modali-
täten derselben ausführlich berichten. Wir beschränken uns darauf,
wenigstens diejenigen politischen Verhältnisse hervorzuheben, durch
welche die Wettinischen Fürsten während dieser Zeit mehrmals in
den Besitz desselben gelangten.
Bis Anfang des 14. Jahrhunderts gehörte die Niederlausitz den
Wettinern als eins ihrer ältesten Erblande. Da veranlafsten die
tramigen Zerwürfnisse zwischen Landgraf Albrecht von Thüringen
und seinen Söhnen, den Markgrafen Friedrich dem Freidigen und
Diezmann von Meifsen, die letzteren, an dem Erzbistum Magdeburg
einen Rückhalt gegen ihren Vater zu suchen. Sie trugen daher 1301
demselben ihr Erbland Niederlausitz gegen eine Summe von 6000 Mark
Silber zu Lehn auf, um es sofort als Lehn wieder zurückzuerhalten.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 10
146 Litteratur.
Schon L304 aber verkaufte Die/mann dieses sein Land an die Mark-
grafen Otto und Hermann von Brandenbarg aus dem Hause Askanien.
Als um 1319 mit dem Tode Waidemars des Grofsen der mächtige
Staat Brandenburg plötzlich auseinander fiel, setzte sich Herzog
Rudolf von Sachsen- Wittenberg in den Besitz nicht nur von Branden-
burg, sondern auch von dem größten Teile der Niederlausitz, während
der östliche Teil (Sorau etc.) dem Herzog Heinrich von .lauer hul-
digte. Da änderte der Sieg Ludwigs des Baiern bei Mühldorf (1322)
über seinen Gegenkönig Friedrich von Österreich plötzlich die poli-
tische Lage von ganz Deutschland. Ludwig-, jetzt alleiniger König,
belehnte (1323) seinen eigenen, erst achtjährigen Sohn Ludwig mit
den Marken Brandenburg und Niederlausitz, verlobte seine Tochter
mit dem jungen Markgrafen Friedrich dem Ernsten von Meifsen und
übertrug diesem seinem Schwiegersohne den Schutz der Niederlausitz,
sowie zur Sicherstellung für alle ihm hieraus erwachsenden Kosten
die Pfandschaft über dieses Land. Allein als er sich bald darauf
mit Herzog Rudolf von Sachsen aussöhnte, sah er sich (um 1328)
genötigt, die Niederlausitz diesem für eine ihm schuldige Summe
von 16000 Mark Silber anderweit zu verpfänden; Markgraf Ludwig
löste sie 1339 wieder ein. Der Tod König Ludwigs des Baiern (1347)
gestaltete die politischen Verhältnisse von ganz Deutschland aber-
mals um. Jetzt war der junge König Karl IV. von Böhmen alleiniger
König in Deutschland. Früher treue Bundesgenossen der Witteis-
bacher, waren die Luxemburger in Böhmen inzwischen mit denselben
zerfallen, und so benutzte Karl IV. das Wiedererscheinen des sogen,
falschen Waklemar (1348), um diesen aufs neue mit Brandenburg zu
belehnen, die Niederlausitz aber sich von ihm erblich abtreten zu
lassen. Die von .den Witteisbachern zu Stande gebrachte Wahl
Günthers von Schwarzburg' zum Gegenkönige schuf ihm aber neue
Sorgen und liefs ihn einen Ausgleich mit den Gegnern herbeiwünschen.
Dieser erfolgte auf einem Fürstentage zu Bautzen (1350), wo ein
Fürstengericht Waldemar jetzt für unecht erklärte und dem Könige
anempfahl, Markgraf Ludwig den älteren abermals mit Brandenburg
und der Niederlausitz zu beiebnen, was auch sofort geschah. Infolge
der bisherigen Kriege war Markgraf Ludwig tief in Schulden ge-
rathen und sah sich deshalb veranlagst, die Niederlausitz (1353) an
seinen Neffen Friedrich den Strengen von Meifsen um 21000 Mark
Silber wiederkäuflich zu verkaufen. Wohl durften jetzt die Wettiner
hoffen, dies alte Stammland ihrer Familie auf die Dauer zu behalten.
Allein Karl IV. suchte die politische Lage zur Ausbreitung seines
böhmischen Reiches auszunutzen. Er liefs sich (1363) von den
Brüdern des kinderlos verstorbenen Markgrafen Ludwig des älteren.
nämlich Ludwig dem Römer und Otto, die Berechtigung erteilen, an
ihrer Stelle die Niederlausitz von den Meiisner Markgrafen wieder
einzulösen, was auch (13(i4) durch Baarzahlung von 21000 Mark
Silber und L0OO0 Schuck breiter Groschen erfolgte. Seit der eben-
falls kinderlos gebliebene Otto von Brandenburg (1367) die Nieder-
lausitz an Böhmen verkaufen mufste, blieb sie fortan in böhmischem
Besitze.
Selbst aus vorstehendem, absichtlich möglichst kurz gehaltenem Re-
ferate wird man ermessen können, welche Schwierigkeiten dem Verfasser
die endgütige Feststellung all dieser verwickelten Verhältnisse be-
reiten mufste. - Ausführliche Anmerkungen erläutern die im Texte
nur kurz dargelegten Thatsacben. Ein Exkurs über die Landvögte
der Niederlausitz eröffnet Einblicke auch in die Verwaltung des
Litteratur. 147
Landes, und ein Urkundenbuch von 143 meist bisher noch nicht ver-
öffentlichten Urkunden, bez. Regesten giebt die urkundlichen Belege
für die gewonnenen historischen Resultate. — Die Ausstattung des
Buches entspricht der gewohnten Eleganz und Sorgfalt der Hof-
verlagsbuchhandlung von Wilhelm Baensch.
Dresden. Hermann K not he.
Deutsche Reicbsgescliiclite im Zeitalter Friedrich III. und Max I.
Mit besonderer Berücksichtigung der österreichischen Staaten-
geschichte. Von Dr. Adolf Backmann, Professor der österreichischen
Geschichte an der deutschen Universität zu Prag. Zweiter Band.
Leipzig, Veit & Comp. 1894. XII, 768 SS. 8°.
Für die Geschichte Sachsens während der gemeinsamen Regierung
des Kurfürsten Ernst und des Herzogs Albrecht, also in den letzten
Jahrzehnten vor der verhängnisvollen Landesteilung von 1485, ist
seit dem für seine Zeit sehr verdienstvollen, aber gegemvärtig nicht
mehr genügenden Werke v. Laugenns über Albrecht aufserordentlich
wenig gethan worden, obwohl das aus dem alten Wittenberger Archiv
stammende, jetzt in den Archiven zu Weimar und Dresden befindliche
Quellenmaterial, namentlich der Briefwechsel der genannten Fürsten
unter einander und mit ibrein Oheim Herzog Wilhelm, überaus reich-
haltig ist. Eine volle Klarheit über die sächsische Politik jener
interessanten Zeit, in der die Ideen des Mittelalters und der Neuzeit
mit einander rangen, wird sich wohl erst dann gewinnen lassen,
wenn die I. Abteilung des Codex diplomaticus Saxoniae regiae jene
Quellen gesammelt und allgemein zugänglich gemacht hat. Nun ist
zwar, wie den Lesern dieser Zeitschrift teilweise bekannt sein wird,
in den letzten Jahren mit der Bearbeitung der Urkunden und Akten
für die politische Geschichte Sachsens im letzten Jahrhundert des
Mittelalters (1381—1485) der Anfang gemacht worden und die ersten
Bände werden in nicht ferner Zeit erscheinen; aber bei der Fülle
des Materials und der Schwierigkeit, dasselbe im Rahmen eines
Urkuudenbuches zu publizieren, wird es wohl noch eine geraume
Weile dauern, bis das Werk zu den Zeiten Ernsts und Albrechts
vorgerückt sein wird. So müssen wir einstweilen jeden Beitrag zur
Aufhellung dieser Zeit mit lebhaftem Dank begrüfsen.
Aus diesem Grunde haben wir seiner Zeit (V, 155) auf den
ersten Band von Bachmanns grofsem Werke hingewiesen. Nach zehn
Jahren ist ihm ein zweiter gefolgt, der die Jahre 1467 bis 1486
umfafst; auch er gewährt manche Ausbeute für die sächsische Ge-
schichte dieser Zeit.
Allerdings spielte die Politik der Wettiner auch in diesem Jahr-
zehnte eine im ganzen recht bescheidene Rolle. Neben Kaiser Fried-
rich III., der in der Darstellung unserem Verfasser in einem weit
günstigeren Lichte erscheint als in den bisherigen landläufigen Dar-
stellungen, sind im Osten König Matthias von Ungarn, im Westen Herzog
Karl von Burguud die Persönlichkeiten, welche vor allem die Aufmerk-
samkeit auf sich ziehen. Die Wettiner interessierte vorzugsweise der
östliche Schauplatz, der Kampf um die Krone Böhmens, der die
letzten Jahre Georg Podiebrads ausfüllte und nach seinem Tode
noch lange fortdauerte. In den ersten beiden Bänden dieser Zeit-
schrift haben wir die Beziehungen der sächsischen Fürsten zu König
Georg einer eingehenden Darstellung unterzogen; sie ergab, dafs
10*
148 Litteratur.
Ernst und Albrecht vou allen deutschen Fürsten diejenigen sind, die
am längsten an dem mit Kirche und Kaiser zerfallenen Könige fest-
gehalten halien, dal's aber freilich die Möglichkeit, anders als ver-
mittelnd für ihn aufzutreten, mit jedem Jahre geringer wurde.
Bachmann kommt in seiner Darstellung, die auf dem nämlichen
Material fufst, in der Hauptsache zu denselben Ergehnissen. In die
tieferen politischen Absichten, die diesem lavierenden Verhalten der
sächsischen Herzöge zu Grunde liegt, läfst die interessante Episode
einen Einblick thun, die sich an den Tod Georgs (22. März 1471)
anschlofs: die Bewerbung Herzog Albrechts um die böhmische Königs-
kronc und sein Zug nach Prag (Ende April bis Ende Juni 1471).
Indes der kühne Versuch, sich zwischen den angarischen und den
böhmischen Prätendenten hineinzuschieben und durch die Erwerbung
der Wenzelskrone der Geschichte Sachsens eine neue Wendung zu
geben, die von den größten Folgen hätte sein können, mifslang sehr
schnell, da weder die katholischen noch die utraquistischen Elemente
des Landes dem Fürsten, den seine vermittelnde Richtung eigentlich
beiden hätte empfehlen müssen, rechtes Vertrauen entgegenbrachten;
mit der Wahl Wladislaws am 27. Mai 1471 waren Albrechts Hoff-
nungen vernichtet. Was Bachmann über diese Verhältnisse mitteilt,
ist wohl für uns das Wichtigste in seinem Buche. Zwar erfahren
wir noch mancherlei über die spätere Politik der sächsischen Herzöge
den uugarischen und polnischen Herrschern gegenüber, allein nur
beiläufig; die Versuche der Wettiuer in Schlesien festen Fufs zu
fassen (Erwerbung von Sagan 1472) werden nur flüchtig berührt.
Ebenso werden zwar manche schätzenswerte Einzelheiten über die
Reichspolitik der sächsischen Fürsten, über ihre Beziehungen zu den
Nachbarn, insbesondere zu Brandenburg, über ihre Differenzen mit dem
Oheim Wilhelm mitgeteilt; aber auf Grund derselben eine klare
Gesamtanschauung der wettinischen Politik damaliger Zeit zu ge-
winnen, ist. sehr schwer, und jedenfalls würde der Versuch, einen
derartigen Überblick an dieser Stelle zu geben, weit über deu Rahmen
einer Besprechung hinausgehen müssen. Persönlich tritt eigentlich
nur einmal noch einer unserer Fürsten hervor: ich meine die Anteil-
nahme des Herzogs Albrecht an dem Reichskriege gegen Karl von
Burgund und an dem Entsatz von Neufs (1474/75); wesentlich Neues
war darüber jedoch nicht zu berichten.
Wenn somit die Ausbeute, die Bachmanns Werke speziell für
die sächsische Geschichte bietet, nicht allzu ergiebig ist, so ist dem
Verfasser daraus natürlich kein Vorwurf zu machen. Seine Aufgabe
war eiue Darstellung der Reichsgeschichte, und diese Aufgabe, für
die ihm nur wenig Vorarbeiten vorlagen, hat er trotz der entgegen-
stehenden Schwierigkeiten auf Grund sorgsamster Quellenforschung,
für die seine auch an dieser Stelle (I, 203. VIII, 154. XIV, 346)
besprochenen archivalischen Publikationen das beste Zeugnis ablegen,
in vortrefflicher Weise gelöst.
Dresden. Er misch.
Friedrich der Weise und die Schlol'skirche zu Wittenberg. Fest-
schrift zur Einweihung der Wittenberger Schlofskircbe am Tage
des Reformationsfestes den 31. Oktober 1892 von D. Julius
Köstlin. Wittenberg, R. Herroses Verlag. 1892. 111 SS. 4°.
Vorliegende Schrift wurde den geladenen Gästen als Festgrufs
bei der Einweihung der Wittenberger Schlofskircbe überreicht. Sie
Litteratur. 149
hat neben dieser zeitgeschichtlichen eine l)leiliende wissenschaftliche
Bedeutung, indem sie die Geschichte des altehrwürdigen, jetzt in
neuem Glänze erstandenen Gotteshauses im Zusammenhange mit der
Entwickelung der Kirche des ausgehenden Mittelalters und der Re-
formation zur Darstellung bringt. Wie Friedrich der Weise ein
echtes Bild deutscher mittelalterlicher Frömmigkeit war, so wurde
durch ihn das von ihm neu erbaute und reich bedachte Gotteshaus
mit seiner Fülle von Reliquien ein charakteristisches Muster für den
Heiligenkultus jener Zeit. Besonders wichtig aber sind die Aus-
führungen über die Reformationszeit. Hervorgehoben sei die Be-
deutung der Schlofskirche für die Entwickelung des protestantischen
Gottesdienstes, sowie die Bemerkungen über die Kirchenpolitik des
Kurfürsten Friedrich des Weisen. In einer Selbstanzeige in den
„Theologischen .Studien und Kritiken" (1893, S. 603-614) hat der
Verfasser einzelne Punkte wissenschaftlich begründet und auf un-
gelöste Probleme hingewiesen, z. B. in Betreff der Erwerbung des
heiligen Dorns. Ich mache hierzu auf eine Überlieferung aus dem
Ende des 15. Jahrhunderts aufmerksam, die in dem sogenannten
„Sächsischen Stammbuche" enthalten ist, Dort steht unter dem Bilde
des Herzogs Rudolf II. der Vers : „Den ich gen Wittenberg da
bracht — Mit anderm Heilthumb gar viel mehr — In Gotts und aller
Heilgen Ehr — Den Stifft ich davon erst fundirt — Friedrich der
drit ihn hat complirt." Vergl. W. Lippert in dieser Zeitschrift XII
(1891), 75. Schliesslich sei noch folgendes Schreiben des Kurfürsten
Friedrich an Herzog Georg beigefügt, das sich im hiesigen König-
lichen Hauptstaatsarchive (Loc. 8980. Den Bau der Stiffts - Kirche
zu Wittenberg bei. 1513) befindet:
Unnser freundlich dinst, und was wir liebs und guts vermögen
allezceit zuvor, Hochgebornner fürst, lieber vetter. Nachdem sich
Euer lieb jungst, aus aigner bewegnus gegen unns erboten, das sie
in irem ambt Rochlitz verfügen wollte, dormit unns noch etlich fuder
Pflastersteine, der wir in unnsre Stiftskirchen, aller gots heiligen zu
Wittenberg bedurfftig, daselbs von Rochlitz, bis gein Eylenburg
durch ire ambtsverwante gefurt wurden, als sein wir der freuntlichen
Zuversicht, Ewer lieb werde, irem erbieten nach, die verfugung ge-
tan und solchs zu besehe rn verordent haben. Wo es aber bisher
verhüben, bitten wir freuntlich, Euer lieb wollen solchs, nach irem
gefallen, und sovil ir in dem leidelich, nochmals verordnen, unnd die
belonung durch vorhittnng aller lieben heiligen, dagegen, von got dem
almechtigen nemen. So wollen wirs umb Euer lieb freuntlich zu-
vordinen geneigt erfunden werden. Datum zu Weymar am freitag
nach Sand Veitstag. Anno domini etc. xiij.
Von gots gnaden Fridrich, Hertzog zu Sachßen, des heiligen
Ro. Reichs Ertzmarschall und Churfurst, Landgraf in Doringen
und Marggraf zu Meyssenn.
Anerkennung verdient die vornehme Ausstattung dieser Fest-
schrift, die aus der Offizin von W. Drugulin in Leipzig hervor-
gegangen ist. Von den prächtigen Abbildungen seien erwähnt
Friedrich der Weise nach Dürers Kupferstich vom Jahre 1524 und
Martin Luther im Jahre 1525 nach dem Gemälde Kranachs in der
Lutherhalle zu Wittenberg.
Dresden. Georg Müller.
150 Litteratur.
Viiorum clarornm saecull XVI et XVII epistolae seleetae. E co-
dicibus mannscriptis Gottingensibus edidit et adnotationibua instruxit
Ernestus Weber. Lipsiae, B. G. Teubuer. 1894. X, 195 SS. 8°.
Diese der „bibliotheca scriptorum latinorum recentioris aetatis
Teubneriana" angehörende Sammlung von Briefen berühmter Männer
des 16. und L7. Jahrhunderts enthält unter anderem auch 1*3 an Wolf
Meurer gerichtete Briefe, der, 1513 zu Altenberg geboren, als Rektor
der Nikolaischule (1535—1540) und später als Lehrer und Rektor
il">n tsj au der Universität zu Leipzig bekannl geworden ist. Acht
dieser Briefe hat Georg Agricola zu Chemnitz, der bekannte Miheralog,
vier Georg Fabricius, vier Esrom Rüdiuger und einen Adam Siber
geschrieben Den Inhalt dieser Briete bilden die wissenschaftlichen
Studien dieser .Männer, ihre Sorge um ihre Schüler und die Ereig-
nisse ihrer Umgebung, wie wenn Fabricius am 27. Februar 1553 mit-
teilt, dafs 2000 Mensehen in Meifsen an der Pesl gestorben sind,
„offenbar eine grofse Menge im kleinen Städtchen1*, oder wie wenn
er unter dem 30. April 1553 schreibt, dafs einer seiner Kollegen
100 Thaler von seinem Fürsten erhalten habe.
So interessant diese Lebensäufserungen berühmter Männer auch
sind, so würde es doch nicht unbedenklich sein, wenn in der Ver-
öffentlichung auch so unbedeutender Sachen, wie die Nummern 3, 8, 17
sind, fortgefahren würde. Die Briefsammlungen unserer Humanisten
würden dann zwar vollständiger, aber auch auf Kosten viel wichtigerer
Dinge zu teuer.
Ausführliche Anmerkungen und ein Verzeichnis der in den Briefen
berührten Eigennamen erleichtern die Benutzung. Die Nachweise
über die erwähnten Personen und Sachen werden vielen sehr will-
kommen sein. Matth Marcus Dabercusius (vergl. S. 147) war 1540
Ins 1543 Rektor des Schneeberger Lyceums, worüber auf meinen
„Gang durch die Geschichte des Schneeberger Lyceums" (Festschrift
zur Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes, Schneeberg 1*!»] , S. I V i
Bezug genommen werden konnte. Über Adam Siber war S. 148 vor
allem auf Kirchners Biographie zu verweisen.
Schneeberg. Eduard Heydenreich.
Hans Georg von Arnim. Lebensbild eines protestantischen Feld-
herrn und Staatsmannes aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges.
Von Dr. Georg Inner. Mit einem Bildnis Hans Georgs von
Arnim. Leipzig, S. Hirzel. 1894. XII, 397 SS. 8°.
Zur Abfassung einer Arnim - Biographie erschien niemand be-
rufener als Tmier, der durch den ganzen Verlauf seiner Studien auf
diesen protestantischen Feldherrn und Staatsmann hingewiesen worden
war. Man durfte dem Erscheinen seiner neuen Veröffentlichung mit
Spannung entgegensehen, weil er sich mit dem in seinen „Verhand-
lungen" abgedruckten Materiale nicht begnügt, sondern neuerdings
Forschungen in verschiedenen deutschen und fremden Archiven an-
gestellt hatte und weil besonders in dem 3. Bande seiner „Verhand-
lungen" gegen früher eine günstige Wandelung in dem Erfassen und
Verarbeiten des Stoffes, sachlicheres Urteil, gerechtere Würdigung
der in Betracht kommenden Persönlichkeiten zu bemerken war. Ein
Teil dieser Erwartungen hat sich erfüllt. Es linden sich in seinem
„Arnim" einzelne gut durchgeführte Abschnitte, z. B. die Verhand-
lungen über die Heirat Gustav Adolfs, neue Mitteilungen über die
LitteratuT. 151
Belagerung- Stralsunds, die Schilderang der Raudnitzer Zusammen-
kunft, die Kapitel: Arnim und das Ende Waldsteins, Arnim und
Baner in Schlesien u. a. Für die Gesamtheit des Buches läfst sich
indes dieses günstige Urteil aus zwei Gründen nicht festhalten; es
wimmelt von Flüchtigkeiten und Irrtümern, und sein Verfasser wirft
sich zu einem so unbedingten Lobredner seines Helden auf, dafs er
seihst die gewaltsamsten Verdrehungen der Thatsachen nicht scheut.
Zur Begründung dieses Ausspruchs wird hier (abgesehen von Druck-
fehlern Und ungenauen Bücherzitaten in den Noten) nur folgendes
angeführt.
Die Berechnung von Arnims Gehurtsjahr (2) führt nicht auf
1583, wie Inner will, sondern auf das Jahr vorher; die Angabe
Thurns darüber (365) ist zu allgemein und heweist nichts. Nicht
nach zehn (42), sondern nach zwölf Jahren kehrte Arnim 1637 nach
Schweden zurück. Die Liebenwalder Schanze wurde nicht am 1. August
16<!7, sondern am 29. Juli von Arnim erohert (v. Webers Arch. f. d.
Sachs. Gesch. VIII, 392). Schiammersdorf verläfst die Insel Poel nicht
vier (67), sondern sechs Wochen nach dem 20. Oktober. Mitzlaff
biegt nach seiner Flucht aus Kosel zunächst nach Süden, nicht nach
Norden (62) ab, das dänische Heer wird weit von Friedeberg, bei
Granow, nicht zwischen Friedeberg und Landsberg von Pechmann
zersprengt. Von den „aus der Neumark verzweiflungsvoll nach-
drängenden Dänen" zu sprechen (63), ist arge Übertreibung. Ein-
mal wehrten dem die Kaiserlichen, dann eilten die Dänen nach Nord-
westen, nach Pommern zu; auch Markgraf Sigismund ist der Meinung,
dafs dem linken Üderufer keine Gefahr von ihnen drohe (Opel III,
243). Statt: Zur selben Zeit, als Schlick die dänische Hauptarmee
in Jütland schlug, mufs es (Schlick berichtet vom 4. Oktober) heifsen
„in Holstein", denn Schlicks Sieg bei Aalborg fand um den 20. Oktober
statt. Der erste Angriff der Kaiserlichen vor Breitenfeld „scheint"
nicht durch Pappenheim erfolgt zu sein (141), sondern erfolgte wirk-
lich durch diesen General. Fürstenbergs Vorgehen gegen die Sachsen
begann zwischen 2 und 3 Uhr, nicht um 12; die Behauptung „in
diesem kritischen Augenblicke warf sich Hörn auf die Fürsten-
bergschen Regimenter" vermag man nicht eher zu glauben, als bis
Inner nachgewiesen haben wird, was aus den dazwischen steheuden
13 Infanterieregimentern Tillys geworden ist. Nicht Franz Albrecht
von Sachsen-Lauenburg (210), sondern dessen Bruder Julius Heinrich
wurde Arnims Nachfolger in Polen, wie 115 richtig steht. Wie
kommt der Verfasser zu dem unerwiesenen Ausspruche (188), Branden-
burg habe 1632 „nicht mit Unrecht" Annexionsgelüste Sachsens auf
Schlesien befürchtet? Aus der unbestimmten Aufserung Waldsteins
zu Bubna, Sachsen müsse Geld schwitzen und heimgesucht werden,
zieht Inner (226) viel zu weit gehende Schlüsse; auch ist gegen
seine wiederholt auftauchende Ansicht zu betonen, dafs Oxenstierna
diese Aufserung nicht provoziert, sondern nur entgegengenommen
hat. „Der wilde Tschernembl" und das Wort: Fernandole, willst
Du unterschreiben? (228) sind ganz und gar unhistorisch (Gindely,
30 jähriger Krieg II, 77). Arnims Brief vom 19. Oktober 1633
wurde nicht an Bernhard (253), sondern an Wilhelm von Weimar
gerichtet. Ganz verunglückt ist die Beschreibung der Schlacht bei
Lindenbusch (287V Die erste Entscheidung fiel nicht auf dem linken,
sondern auf dem rechten Flügel der Kaiserlichen. Das Ausschlag-
gebende, dafs Arnim einige Regimenter von seinem rechten Flügel
an der Infanterie seines Centrums vorbei an den linken zog und dafs
152 Litteratnr.
der rechte kaiserliche Flügel nach der Flucht seiner Reiter im zweiten
Treffen dieser Übermacht nicht widerstehen konnte, hat Trmer nicht
erkannt. „Ein letzter kühner Reiterangriff auf den rechten kaiser-
lichen Flügel" (288) hat überhaupt nicht stattgefunden. Inner ttber-
schätzl die Bedeutung von Arnims Sieg, wenn er ihn über den
Gustav Adolfs bei Lützen stellt (vergl. dazu Schles. Zeitschr. XXIIT,
."{15 flg.; sehen Liegnitz mufste von Arnim umgangen werden, und
Glogau geriet, während er auf Breslau zog, wieder in den Besitz
des Feindes.) Von geringem militärischen Verständnis zeugt die
Versicherung, dafs die Kaiserlichen bei Lindenbusch 4000, die Sachsen
400 Tote verloren haben sollen. Der „Feldmarschall Colloredo" (300)
ist nicht Hieronymus, sondern sein Bruder Rudolf. Wenn Ferdinand IL
im Juni 1635 Arnims Entlassung ans sächsischen Diensten fordert,
ja sich seiner Person bemächtigen will (316), kann er nicht gleich-
zeitig den Wunsch aussprechen, Arnim noch ferner an der Spitze der
sächsischen Armee zu sehen (322). Herzog Franz Albrecht war
bekanntlich sehr reich, schreibt Inner .564. Dann mufs er es erst
später geworden sein. In den mehr als 100 ungedruckten Briefen
von ihm, die ich aus den Jahren 1625—1629 aufgefunden habe, er-
scheint er in ewiger Geldverlegenheit. Görzenich wurde nicht 1628,
sondern am 12. Oktober 1627 .„geköpft". Dieser Ausdruck erinnert
an andere, vielleicht mit der Übernahme seines neuen Amtes zu ent-
schuldigende stilistische Flüchtigkeiten und sonderbare Äufserungen
des Verfassers. Arnim wird (2) als der 5. Sohn von 13 Geschwistern
des Landvogts Bernd (nämlich des Vaters) geboren; über Gustav
Adolfs Reise nach Berlin (26) ist man „selten gut unterrichtet".
Seite 30 steht: Am folgenden Tage, am Montag am 29. Juni. 34:
Fürschrift (analog wie Fürsprache), 52: unter den Fufs gegeben.
Der kurze Feldzug Waldsteins in < »berschlesien erscheint dem Ver-
lasser „denkwürdig" (49), Thurn soll 1633 „eine grofse Vergangen-
heit gehabt haben" (252), der Krieg bis 1635 „um grofse ideale Ziele"
geführt worden sein (324).
Indes, viel mehr als diese Versehen fällt die Grundanschauung
Irmers, sein Bestreben alles und jedes aus Arnims heben zu be-
schönigen und das nicht zu billigende Verfahren auf, das er dabei
anwendet. Wer nicht mit ihm übereinstimmt, ist vorschnell und
parteiisch in seinem Urteile (Vorwort), kritiklos (182), ein gewissen-
loser Agitator, der bei der urteilslosen Menge Glauben findet (251),
ein lokalpatriotischer, ungerechter und vorurteilsvoller Beurteiler,
wie Kuck (68); Grünhagen wird zwar noch ein verdienstvoller Fers, her
genannt, bekommt aber auch seinen Teil ab (291). Nach Inner (62)
wurden die protestantischen Obersten unter Waldstein, ohne dafs
sie eine Ahnung davon hatten, zu Werkzeugen, um die Gegen-
reformation in Deutschland durchzuführen. Darunter befand sich
derselbe kluge Arnim, der sich 1631 vor seinem Einmärsche nach
Böhmen eine ihn entlastende Urkunde seines Kurfürsten ausstellen
litis (145), den die Herzogin von Pommern 1632 einen witzigen und
listigen Kopf nannte (165), der hei seinem geheimen Briefwechsel
mit Sparre die Vorsicht selber war (168), der sich vor seinen letzten
Verhandlungen mit AValdstein abermals eine sächsische Versicherung
ausbedang, weil ihm „bei dieser Sache nicht ganz wohl war". Nur
Gt wissensbedeuken wegen des Restitutionsediktes (116) leiteten ihn
bei seinem Austritte aus dem kaiserlichen Dienste; von Arnims Be-
fürchtungen wegen der Boitzenburger Klostergüter (Ranke, Wallen-
stein 171) weifs Inner nichts. Wie er in dem die kaiserlich ge-
Litteratnr 153
sinnten Stralsunder verdächtigenden Schreiben Sattlers (91) eine
Rechtfertigung des Mißtrauens herausfinden kann, das Arnim gegen
die Stadt hegte, ist unerfindlich. Nichl der Herzog- von Pommern
bat sich nach dem Verfasser (72) zn beklagen, dafs sogleich gegen
den Wortlaut der von Arnim zustande gebrachten Franzburger Kon-
vention von den Kaiserlichen im Lande geplündert und Rügen be-
setzl wird, sondern Arnim, nach dessen Ausdruck das, was die
Soldaten rauhten, höchstens alter Plunder war. An der Falschheit,
mit der Arnim als Vertreter Waldsteins in Mecklenburg verfährt,
mit der er anfangs September 1628 den pommerschen Gesandten Ab-
führung der kaiserlichen Truppen in Aussicht stellt (97). nimmt der
Verfasser keinen Anstofs. Den Diplomatenklatsch, dafs Herzog
Franz Albrecht das sächsische Heer an Frankreich habe ausliefern
und sein bares Vermögen von einer Million Reichsthalern (!) eben-
dabin habe flüchten wollen, glaubt Inner und nennt ihn einen „teuf-
lischen" Plan (226) trotz des Herzogs eigner überzeugender Gegen-
versicherung (über seinen Charakter Ranke, W. 385) und obwohl
Kurfürst Johann Georg dies Gerücht als ein aus persönlichen Zwistig-
keiten hervorgegangenes Geschwätz bezeichnet hat; das aber läfst
er weg, was Ruppa über Arnim bemerkt, es sei dessen Brauch gern
zu leugnen, was er vorher gesagt oder gethan habe. Von einem fin-
den September 1633 geplanten Zurückziehen beider Armeen bis an
die seh lesische Grenze (245) steht in der ihrer ganzen Be-
schaffenheit nach glaubhaften Aussage Franz Albrechts kein Wort,
hals der Plan sonst nicht erwähnt wird, macht diese Aussage allein
nicht unglaubwürdig: auch hätten die Schlesier dabei durchaus nicht
geopfert werden müssen. Durch seinen Abzug aus Schlesien anfangs
Oktober 1633 hat Arnim gewifs einen strategischen Fehler begangen
(derselben Ansicht ist Wittich, Hist, Zeitschr. 72, 389); Thurn war
sicher nicht „der einzige Schuldige" (252). Er hatte zwar Arnim
zugestimmt, aber wie durfte dieser Schlesien verlassen, wenn er
Thurn nicht streng befehlen konnte, was zu thuu war, wie durfte
er Franz Albrecht gleichzeitig Urlaub erteilen? Tägliehsbeck hat an
Arnims Strategie allerdings nichts auszusetzen (253), aber nur negativ:
er schweigt sich völlig aus, ja die Note auf S. 29 mit dem Hinweise
auf Arnims Gefügigkeit klingt doch wie ein leiser Tadel. Grünhagen
hat mit seinen Vorwürfen ganz recht, denn Arnim ist es gewesen,
der, obwohl er wissen mufste, dafs auf seinen Kurfürsten in diesem
Punkte kein rechter Verlafs war, die Schlesier durch sein heftiges
Zureden ins Elend gestürzt hat (Arnim gesteht es S. 318 selbst zu).
Wer den Wert von Irmers Phrase (289): Die Schlesier begrüßten
Arnim zum zweiten Male als ihren Erretter, bis auf den Grund er-
fassen will, mag Bogen L bis P der sehr wertvollen gleichzeitigen
schlesischen Flugschrift „Loci communes" nachlesen. Seite 378 be-
hauptet Inner, Arnims politisches Ideal sei eiu deutsches protestan-
tisches Kaisertum (daran hat er gewifs nicht ein einziges Mal in
seinem Lehen gedacht!) auf den Trümmern des alteu heiligen römischen
Reichs deutscher Nation gewesen; im blanken Gegensatz dazu läfst
er im April 1632 seinen Helden schreiben (171), er halte die bis-
herige Reichsverfassung für so kräftig, so weise und so reiflich er-
wogen, dafs menschlicher Verstand nichts Besseres erfinden würde.
Wo es nur angeht, bürdet Irmer Fehler, die Arnims Ruhm
irgeudwie verkleinem könnten, schleunigst einem anderen auf; be-
sonders schlecht kommt der Kurfürst von Sachsen dabei fort. Er
wirft ihm Vergeben und Unterlassungssünden vor (159, 301), die
154 Litteratur.
bei anderen Fürsten der Zeit ebenso üblicb waren, oder er macht ihn
für Beschuldigungen verantwortlich (215), die unsicher sind und von
unfreundlich gesinnter Seite stammen. Was ein gewissenhafter
Forscher (Opel) in dieser Zeitschrift VIII, 28 zugunsten Johann
Georgs mitgeteilt hat, ist ihm entgangen. Arnim führt zumeist die
Verhandlungen mit Sparre, und dem Kurfürsten wird von Inner die
Schuld heigemessen (209 >. Inner gesteht zu (210), dafs Franz
Albrechts Ernennung zum sächsischen Feldmarschall auf Arnims
Empfehlung zurückzuführen war. nennt das aber nicht einen Fehler
Arnims, sondern der Bächsischen Politik. Er verschweigt (213), dafs
Arnim gegen Hoe schliefslich seine Zufriedenheit auch mit Thurns
Ernennung aussprach (Inner. Verh. II, 86). Hei Breitenfeld, wo es
beinahe übel ablief, hat natürlich nicht Arnim, sondern der Kurfürst
den Oberbefehl über die Sachsen geführt (141 ). Sich selbst korrigiert
der Verfasser ungern. Nach 233 gab Arnim die erste Anregung zu
den neuen Verhandlungen im .luli 1633. nach „Verhandl." 11. LV
aber Waldstein ; ebenda I , XXXIX und öfters spricht sich Inner
noch tadelnd über Arnim aus, in seiner neuen Arbeit so gut wie
niemals, macht jedoch nicht auf diesen Widerspruch aufmerksam.
Täglichsbeck soll die Gehässigkeit der Droysenschen Darstellung
gegen Arnim hervorgehoben haben (189); ich fand trotz alles
Suchens nichts darüber. Oxenstierna soll 1633 in Berlin Arnim das
Zeugnis eines klugen und ehrlichen Mannes gegeben haben (183);
schlägt man die Citate dafür nach (Inner, Verhandl. II, 40 und 322),
so steht davon nicht nur nichts, sondern genau das Gegenteil darin ;
der schwedische Kanzler aufseile, Arnim sei so gar tectus und irresolut,
das gröfste Unglück sei, dafs der Kurfürst von Sachsen an den
von Arnim geraten wäre! Ein anderes Mal (45) verschwelet [rmer
aus den von ihm benutzten dänischen Protokollen (Beweis Opel III, 241)
die Nachricht, dafs Arnim im Januar 1627 Christian IV. seine
Dienste angeboten hat, und wieder steht bei ihm oben im Texte bei-
nahe das Gegenteil von dem, was die Belagstelle enthält. Opel nennt
1. c. Arnim völlig charakterlos; dieser märkische Patriot habe
seine durch die Unterhandlungen mit den dänischen Politiken] ge-
wonnene Kenntnis von der sehr mitslichen Lage Christians IV.
schleunigst Aidlingen zukommen lassen. Und wen nennt er als
Quelle V — G. Inner, Hans Georg von Arnim als kaiserlicher Oberst,
1877, Diss. S. 5!
Jedem anderen möchte es nicht leicht geworden sein, immer
Worte der Entschuldigung für Arnims Thun und Lassen zu ünden,
denn dieser sehr begabte Mann war zugleich überaus eitel und
empfindlich. Wiederholt und selbst in kritischen Momenten, wo Aus-
harren und Treue geboten war (191). forderte er seinen Abschied;
manchmal blieb er auch, wenn ihm Beförderungen in Aussicht ge-
stellt wurden (72, 196). Er war von einer Unbeständigkeit ohne
gleichen. Im August 1628 bittet er Oxenstierna um vertrauliche Be-
sprechungen, und zwei Monate darauf erklärt er sich bereit, den
Oberbefehl über die kaiserlichen liilfstruppen inPolen gegen Schweden
zu übernehmen (104). Bis tief in den Mai 1631 hinein eifert er
gegen eine Verbindung Sachsens mit Schweden und ist dann im
Handumdrehen dafür (127). Vierzehn Tage nach Gustav Adolfs
Siege bei Breitenfeld steht er mit Dänemark (144) und gleichzeitig
mit Waldstein (148) in Verbindung und unterhandelt ein Vierteljahr
danach zum Nachteile Schwedens mit dein Friedländer (157). Im
Juni 1635 will er nicht mit dem Kaiser, dem Verfolger der Christ-
Litteratur. 155
liehen Kirche, fechten (316), ein Jahr später nicht zn Oxenstierna
reisen, weil er die Empfindlichkeit Ferdinands II. fürchtet (335).
Sein eigner Landesherr tränt ibm Pläne auf die Überrumpelung
Königsbergs zn (108), seine Gefangennahme wird als eine zwischen
ihm und Schweden abgekartete Sache hingestellt (345). Zuletzt ist
er gleichzeitig mit den Höfen von Wien , Berlin und Dresden zer-
fallen (328) und sinkt zu einem von allen Parteien mit Mifstrauen
betrachteten Projektenmacher herab. Seine ruhelose Vielgeschäftig-
keit, sein unbezähmbarer Vermittlungsdrang verliert sich am Ende
in ein wirres Getriebe politischer Pläne und militärischer Anschläge
(362). Es ist wahrlich „tragisch und ein eigentümliches Verhängnis",
dafs Arnim Mitte Januar fb37 Berlin nicht zn verlassen Avagt, weil
er weder schwedischen , noch kaiserlichen Soldaten in die Hände
fallen will, dafs sich nach seiner Gefangennahme kaum eine Hand
für ihn rührt, mit Ausnahme der des Herzogs Franz Albrecht, den
er nicht immer freundlich behandelt hatte. Was aber andere mit
Unzuverlässigkeit und Achselträgerei bezeichnen würden, heifst bei
Inner „furchtlose Charakterfestigkeit" (373). Er nennt seinen proteus-
artigen, in den Farben aller Parteien schillernden Helden „eine
schlichte Persönlichkeit" (Vorwort). Mit unglaublicher Leichtigkeit
gleitet er meist über die Widersprüche und sprunghaften Wandlungen
in Arnims politischem Verhalten hinweg und sucht sie mit vielen
Worten immer von Fall zu Fall in ein günstiges Licht zu stellen.
Inner erfafst die Verhältnisse zu wenig im ganzen, er bleibt zu sehr
auf der Oberfläche. So gelangt er z. B. nicht zu der Erkenntnis,
dafs zwischen Arnim und Gustav Adolf ein tiefer, bei jeder Bewegung
beider Männer sich erneuernder (10, 34, 42) innerlicher Gegensatz
besteht, und weist, obwohl er Hunderte von Briefen Arnims gelesen
hat, nicht einmal auf dessen Gewandtheit im Gebrauche der Mutter-
sprache hin, die der vielgerühmten stilistischen Fertigkeit Aldringens
weit überlegen war. Aus dieser Unlust in die Tiefe zu gehen, er-
klärt sich wohl auch, warum er so häufig Spezialuntersuchungen
(z. B. auch über die Schlacht bei Lindenbusch) wünscht, statt solche
selber zu liefern. Alles in allem beweist Irmers Buch, wohin ein
begabter Historiker gerät, wenn er nicht auch im Kleinen gewissen-
haft arbeitet und wenn er seine Arbeit lediglich der Verherrlichung
gleichviel welcher Persönlichkeit widmet.
Breslau. J. Krebs.
Der niedersächsisch-dänische Krieg von Julius Otto Opel. 3. Band
Der dänische Krieg von 1627 bis zum Frieden von Lübeck (1629).
Magdeburg, Fabersche Buchdruckerei (A. und R. Faber). 1894.
4 Bll., 749 SS 8°.
Mit dem vorliegenden Bande erreicht das umfassend angelegte,
ein schönes Zeugnis deutschen Gelehrte nfleifses bildende Werk nach
langer Pause seinen Ahschlufs. Der Grund für die Unterbrechung
in seinem Erscheinen liegt offenbar mit darin, dafs die inner- und
aufserdeutschen Archive, vornehmlich die dänischen Akten, von dem
Verfasser wiederholt gründlich durchforscht worden sind. Durch
diese erweiterte Quellenheranziehung' und das Auffinden von seltenen
gleichzeitigen Druckschriften ist es ihm gelungen, trotz des von
seiten der dänischen Historiker in den letzten Jahren über die
Regierung Christians TV. zum Druck beförderten umfangreichen
156 Litteratur.
Aktenmaterials eine Fülle neuer und wichtiger Mitteilungen zu ver-
öffentlichen. Wie leider für sehr viele Jahre des 30jährigen Krieges,
mangelte es an genügenden Vorarbeiten über den verlauf der mili-
tärischen Ereignisse auch für die Zeit von 1627 bis 1629", < »pel sah
sich deshalb genötigt, der Landesgeschichte einen gröfseren Raum
zu widmen und den (lang des Krieges vielfach seihst zuerst nach
den Akten zu schildern. In welchem Mafse seine, namentlich
auch nach der kritischen Seite hin, wertvollen und musterhaften
Forschungen unser Wissen bereichert haben, kann hier, wo Referent
sich auf Sachsens Politik beschränken mufs, nicht erschöpfend dar-
gelegt werden. Am Anfange des .Jahres Wil'i nahm Kursachsen
noch eine achtunggebietende Stellung ehr, der Kaiser verschonte es
um diese Zeit „aus einer gewissen furchtsamen Zurückhaltung" mit
Einquartierung (15). In den Herbstmonaten von 1626 rufen die
Herzöge von Braunschweig, Holstein und Lüneburg, sowie der
Dänenkönig seine Verwendung an (70), später verwahrt sich Johann
Georg mit kräftigen Worten gegen die Überschwemmung der kleinen
mitteldeutschen Staaten mit kaiserlicher Soldateska, weil es dabei
„den Anschein gewinne, als wolle man die Stände unter eine immer-
währende Kontribution bringen" (670). Die brandenburgischen Staats-
männer sehen manchmal mit Mifstrauen auf den sächsischen Nachbar
1 1 und stehen andererseits in starkem Abhängigkeitsverhältnis zn
ihm (243). Von besonderer Bedeutung für die Geschichte Sachsens
und zum ersten Male genau und ausführlich nach den sächsischen
Quellen erzählt, ist das Verhalten Johann Georgs bei der Berufung
und dem Verlaufe des Mühlhausener Kurfürstentages von 1627
(374 f.). Wie richtig der Dresdener Hof die einflufsreiche Stellung
Waldsteins erkannt und wie wenig Treu und Glauben er dem ver-
schlagenen Manne zugetraut hat, beweist die Vorstellung des Kur-
fürsten an seinen Agenten Lebzelter, dafs der General die von
ihm ausgestofsenen Schmähungen der Bürger von Halle einfach
ableugnen könne (13). Das Auftreten des Herzogs von Friedland
gegen Sachsen war höhnend und rücksichtslos. Tm November 1627
liefs er Truppen in den obersächsischen Kreis (442), im Februar des
nächsten Jahres vier Regimenter in die an Sachsen verpfändete
Lausitz einrücken (459), und der Kaiser billigte diese Anordnung
trotz aller Proteste Johann Georgs (591), so dafs sich der Kurfürsl
energisch weigerte, an einem zur Ordnung der Nachfolge im Reiche
geplanten Kollegialtage teilzunehmen (665). Es war ihm bei seiner
schwieriger gewordenen Stellung zu Ferdinand IT. ganz lieb, dafs
dieser, im Gegensatz zu den übertriebenen Hoffnungen Christians IV.,
seine Vermittelung bei den Lübecker Verhandlungen nicht anrief,
und vielleicht lehnte er es auch aus diesem Grunde direkt ab, für
seinen künftigen Schwiegersohn, den Herzog von Holstein, Ver-
wendung heim Kaiser einzulegen (697). In den ersten Friedens-
bedingungen der katholischen Feldherren für den dänischen König
wurde diesem zugemutet, Jütland dem Kurfürsten, 'der dafür die
Lausitzen herausgeben sollte, einzuräumen; Sachsen sollte Jütland
so lange behalten, bis sein Anspruch an den Kaiser aus den Ein-
künften dieses Landes befriedigt oder bis ihm von Dänemark ander-
weitige Genugthuung zu teil geworden sei (718). Schliefslich mögen
hier noch zwei Ergänzungen Platz finden. Aus der von Opel nicht
angeführten, im 39. Bande der Denkschriften der Kaiserlichen Akademie
der Wissenschaften in Wien publizierten Abhandlung Gindelys über die
maritimen Pläne der Habsburger erfahren wir, dafs der im April 1628
Litteratur. 157
geschlossene Hansatag das im Juni ablaufende Bündnis mit den
Holländern nicht wieder zu erneuern und dem Kaiser, falls dieser
den Krieg gegen Christian IV. zur See fortsetzen werde, mit „100
oder 10 Schiffen" beizustehen versprach, weil die Hansa doch mit
den Dänen brechen müfste. Der diese Worte enthaltende Brief
Schwarzenbergs an Khevenhiller läfst Opels 498 Note 1 geäufserten
Zweifel an dieser Thatsache nicht mehr berechtigt erscheinen. Zu
der 336 ausgesprochenen Vermutung, Schlick habe mit den bei
Aalborg entwaffneten dänischen Reitern nichts zu schaffen haben
und sie nicht unter seine Truppen aufnehmen wollen, ist zu be-
merken, dafs sowohl die bei Oldenburg wie die bei Aalborg ge-
fangenen Dänen sofort und in erheblicher Zahl unter die Kaiserlichen
eingereiht wurden. Die Kompagnie des Oberstlieutenants Melchior
von Hatzfeldt war mit 72 Mann über Schlesiens Grenze geritten,
in Holstein und Jutland erhielt sie einen Zuwachs von 42 dänischen
Heitern; ähnlich ging es bei den übrigen Kompagnien des alt-
sächsischen Kürassierregiments zu. Ein Register wäre für die drei
stattlichen Bände sehr erwünscht gewesen.
Breslau. Julius Krebs.
Zur Geschichte der kursächsischeu Politik heim Ausbruche des
österreichischen Erbfolgestreites. Von Carl Hübner. (Leipziger
lnaugural-Dissertation.) Leipzig-Reudnitz, Oswald Schmidt. 1892.
114 SS. 8°.
In der Einleitung zeigt Hübner, wie Sachsen trotz wieder-
holter Anerkennung der pragmatischen Sanktion (1719 anläfslich der
Vermählung des Kurprinzen Friedrich August mit der Erzherzogin
Maria Josepha, 1733 beim Vertrag mit Karl VI. zur Erlangung
von Hilfe für die polnische Thronbewerbung) stets den Hinter-
gedanken bewahrte, gegebenenfalls sich an die Verzichtleistung der
Kurprinzessin nicht gebunden zu erachten , sondern auf Grund der
Erbfolgeordnung von 1703 die ihr als der ältesten Tochter Josephs I.
zugedachten Rechte geltend zu machen. Infolge der militärischen
Schwäche und finanziellen Schwierigkeiten vermochte Sachsen aber
nicht selbständig aufzutreten, und das Schaukelspiel von Verhand-
lungen auf mehreren Seiten zugleich trug keineswegs dazu bei, die
Stellung Sachsens, das sich so für alle Eventualitäten einen Auswreg
offen halten wollte, zu bessern. Praktisch unhaltbar von vornherein
war der mehrfach betonte Standpunkt, gegen Österreich auftreten
und doch gleichzeitig die pragmatische Sanktion aufrecht erhalten
zu wollen, um nicht durch Zerstückelung der Erbschaft die etwaigen
Rechte der eigenen Königin zu schädigen. Wir sehen, wie im
November 1740 Geneigtheit besteht, es mit Osterreich zu halten,
falls sich von ihm Vorteile erlangen liefsen; da aber Maria Theresia
dazu nicht zu bewegen war, auch Sachsens begründeter Einspruch
gegen die Ernennung des Groi'sherzogs von Toskana zum Mitregenten
und Führer der böhmischen Kurstimme uubeachtet blieb, trat bald
eine Spannung ein, die auch durch den im Dezember 1740 von der
Kaiserinwitwe Amalie geförderten, erfolglosen Heiratsplan zwischen
dem Kurprinzen Friedrich Christian und Maria Theresias Schwester
Maria Anna nicht behoben wurde Im Dezember näherte man sich
Preufsen und die Verhandlungen schienen den besten Verlauf nehmen
zu wollen, nur verlangte Friedrich IL, Sachsen solle entschieden
I :>s Litteratur.
Farbe bekennen, wogegen er sicli ebenso bestimmt zur Mitverfechtung
der sächsischen Ansprüche verpflichten wollte. Khevenhüllers Sendung
nach Dresden Ende Dezember und besonders der Einflufs der Königin
Maria Josepha und des königlichen Beichtvaters Guarini bewogen
jedoch Brühl im Januar 1741 zu einer Schwenkung, und als er bei
abermaligem Mangel genügenden Entgegenkommens österreichischer-
seits wiederum nach Preufsen hin zu lavieren gedachte, fand er bei
Friedrich keine Geneigtheit, sich mit dem unzuverlässigen Nachbar
einzulassen. — Besonders schädlich wurde den sächsischen Inter-
essen die Unentschlossenheit gegenüber Frankreich; denn während
Frankreich, trotz mancher Neigung zur Unterstützung Baierns, an-
fangs zwischen Sachsen und Baiern schwankte und Kardinal Fleury
den sächsischen Gesandten Poniatowski und Fritsch mit Wohlwollen
begegnete, trug gerade deren fortgesetztes, peinliches Verbleiben
ohne Instruktion und das unwürdige Hinhalten dazu bei, Frankreichs
Entscheidung trotz aller Bemühungen des eifrigen Vertreters , den
Sachsens Interessen heim Hofe zu Versailles am Marschall Moritz
besafsen, und trotz der Unterstützung Spaniens, zu Gunsten der
bairischen Bestrebungen um die Kaiserkrone ausfallen zu lassen. -
Dasselbe unerfreuliche Bild bieten die Verhandlungen im Januar mit
Baiern. Dies zeigte grofses Entgegenkommen und bei dem Einver-
ständnis mit Frankreich, dem eine Einigung zwischen beiden und
gemeinsames Vorgehen mit ihnen besonders erwünscht gewesen wäre,
bei der gleichen Haltung Spaniens und der Wahrscheinlichkeit, auch
die von Baiern bereits angestrebte Verbindung mit Preufsen zu be-
werkstelligen, bot dieses Vorgehen die denkbar geringsten Gefahren
bei Verhältnis mäfsig ansehnlichen Vorteilen; doch Brühl kam nicht
zum nötigen Entschlüsse, weil er Baiern den Mitvorteil mißgönnte.
Den unerquicklichsten Eindruck gewähren die Verhandlungen
mit Rufsland, auf dessen Hilfe Sachsens Haupthoflhung beruhte, die
mir Biroris Sturz zusammenbrach, so sehr sich auch Sachsen be-
mühte, von der neuen Regentschaft die Fortführung des bisherigen
Verhältnisses und Anerkennung des geheimen Vertrages von 17:59
zu erwirken. — Den Schlufs bildet die Darstellung der englischen
Beziehungen, und hier traf man bei der gleichen Situation Hannovers
gegenüber Preufsen und Georgs IL dadurch bedingter Abneigung
gegen seinen Neffen Friedrich II. auf Gesinnungsverwandtschaft und
trat in nähere Verhandlungen zur Erzielung des von Georg ge-
planten grofsen Konzerts, das auf Zerstückelung Preufsens hinstrebte
und Sachsen die ersehnte Vergrößerung bringen sollte. Da die Arbeit
im Beginn dieses Getriebes bei der Sendung des englischen Gesandten
Villers nach Dresden abbricht, vermifst man einen eigentlichen Ahschlufs.
Hübner hat sich bemüht, besonders aus Dresdner archivalischem
Material unter fleifsiger Beiziehung der Litteratur ein Bild der ver-
schlungenen Beziehungen zu entwerten: durch die Menge neuer
Aufschlüsse, die, ohne die bisherige Auffassung im wesentlichen zu
beeinflussen, die Kenntnis dieser Vorgänge doch in manchen Punkten
berichtigen und in vieler Hinsicht ergänzen und ihr schärfere Be-
leuchtung zuführen, hat die Arbeit ihren Wert. Anzuerkennen ist
auch tlie Unbefangenheit, mit der der Verfasser seinem mehrfach
heiklen Gegenstand gerecht geworden ist; denn das Bild, das hier
im Einzelnen von Brühls Politik entworfen wird, ist trotz (oder
richtiger, gerade weil) es vorwiegend aus sächsischem Material selbst
aufgebaut ist, wenig erfreulich. Brühl vergafs die alte Spruch-
weisheit, dals der Sperling in der Hand besser ist, als die Taube
Litteratur. 159
auf dein Dache. Während ihm ein entsprechender Machtzuwachs,
•i. B. durch angrenzende Teile Böhmens von den meisten in Frage
kommenden Mächten (Prenfsen, Baiern, Frankreich,, Spanien) bereit-
willig' zugestanden worden wäre und damit von Österreich zu er-
zwingen war, ging man nicht darauf ein, weil man die Ansprüche
auf die ganze Erbschaft nicht einengen wollte, andererseits auch
einen Landerwerb nach anderer Richtung hin (in Schlesien zur Ver-
bindung mit Polen oder auf Kosten Preufsens in der Lausitz, Magde-
burg) vorzog; doch es bewahrheitete sich auch hier: „Qui trop ein-
brasse, mal etreint".
Dresden. Lippert.
Karl August als Chef des 6. Preufslschen Kürassier -Regiments
1787 — 1794. Von P. von Bojanoivski. Mit einer Silhouette des
Herzogs. Weimar, Hermann Böhlau. 1894. VII, 147 SS. 8°.
Die kleine Schrift bildet einen interessanten Beitrag zur Ge-
schichte eines iu vielen Beziehungen hochbedeutenden Fürsten, des
auf dem Titelblatt des Buches nur mit seinen Vornamen bezeichneten,
nachmaligen Grofsherzogs von Sachsen -Weimar, Karl August, des
genialen Freundes von Goethe.
Schon früh die Notwendigkeit einer Beform der Reichsverfassung
erkennend, trat er 1787 in den preufsischen Heeresdienst. Friedrich
Wilhelm II. ernannte ihn zum Generalmajor und Chef des in Aschers-
leben garnisonierenden 6. Kürassier -Regiments; 1790 wurde er In-
spekteur der Magdeburgischen Kavallerie -Inspektion und 1792/93
nahm er mit seinem Regiment an dem Feldzug am Rhein teil, wie
auch weiteren Kreisen aus Goethes Schilderungen der Ereignisse
jener Zeit bekannt ist. Karl August ist später noch zweimal mit
in den Krieg gezogen: 1806 konnte er mit der in anderer Richtung
in Marsch gesetzten und von ihm befehligten Avantgarde nicht
rechtzeitig bei Auerstädt eintreffen, 1814 führte er als russischer
General ein Armeekorps in den Niederlanden; dem preufsischen Heere
hat er bis zu seinem Tode als Chef des 8. Kürassier- Regiments angehört.
Die Beziehungen, welche sich 1787 bis 1794 zwischen Karl
August und seinem Regiment entwickelt hatten, waren die denkbar
günstigsten. Göthe gedenkt der Trennung derselben mit den Worten:
„Das Wehklagen des Regiments war grofs durch alle Stufen, sie
verloren Anführer, Fürsten, Ratgeber, Wohlthäter und Vater zugleich."
Die Art, in welcher 1793 der Krieg am Rhein geführt wurde, ver-
bunden mit dem Gefühl der Verpflichtungen, die er seinem Lande
gegenüber zu erfüllen hatte, verleideten dem Herzog die erst gehabte
Absicht, auch am Feldzuge 1794 teilzunehmen. Er hat sich aber
bei jeder Gelegenheit als tüchtiger und tapferer Soldat und treu
Mirgender Vorgesetzter bewiesen. Aufser den Mitteilungen über des
Herzogs persönliche Erlebnisse bringt das Buch in dem Anhange
mancherlei, was besondere Beachtung verdienen dürfte — die ab-
fällige Beurteilung einer Kabinetsordre Friedrich Wilhelms III. vom
7. März 1803, betreffend die Beförderung der Offiziere mit übler
Führung, die der Handschriftensammlung der grofsherzoglichen Biblio-
thek zu Weimar entnommenen Entwürfe eines ausgewiesenen fran-
zösischen Offiziers für den Einmarsch in Frankreich und den Abdruck
einer handschriftlichen Rangliste von 1788 „derer Offiziere des k.
preufsischen herzogl. Weimarischen Kürassier-Regiments".
Dresden. Exner.
IGO Litteratuf.
üie Anteilnahme der Königlich Sächsischen Armee am Feld-
zuge gegen Österreich und die kriegerischen Ereignisse in
Sachsen im Jahre 1S01). Nach amtlichen Unterlagen bearbeitet
von Moritz Exner, Oberstleutnant z. D. nnd Vorstand des König-
lich Sächsischen Kriegs- Archivs. Dresden, Wilhelm Baensch, 1894.
135 SS. 8°. 6 Pläne.
Die nationale Einigung Deutschlands hat unter anderem den
Vorteil gebracht, dafs man die hinter uns liegenden Zeiten, in denen
das Vaterland noch gespalten war, Deutsche noch gegen Deutsche
das Schwert zogen, unbefangen und freimütig schildern kann. Wenn
jetzt der preufsische grofse Generalstab die Geschichte der schlesi-
sischen Kriege schreibt und Roon sich in seinen Denkwürdigkeiten
schinft' über das kaiserliche Heer äufsert, wird dies sicher nichts an
der gegenseitigen Zuneigung der Völker Deutschlands und Öster-
reichs ändern. Die Darstellung jener Zeiten hat aber den hohen
Wert , dafs sie uns schwierige Lagen , politische Krisen und eigen-
ii t ige Verhältnisse vor Augen führt und dabei namentlich der Armee
klar macht, dafs sie stets ihrem Eide und ihren Pflichten treu bleiben
mul's und nur dem Gebote ihres Kriegsherrn, was dieser auch an-
befiehlt, zu folgen hat. Treues Festhalten in unglücklichen Stunden
ist oft ruhmreicher gewesen als siegreicher Erfolg.
Da einerseits sich nicht selten das geflügelte Wort „L'histoire
est une fable convemie" bewahrheitet, andererseits die Geschichte in
jedem Geiste sich anders wiederspiegelt, ist eine geschichtliche Dar-
stellung nur dann von Wert, wenn sie aus den ursprünglichen Quellen
schöpft. Dies ist bei dem uns vorliegenden Werke in hohem Grade der
Fall. Nach den besten amtlichen Unterlagen beider Parteien schildert
der Verfasser klar und fesselnd die Anteilnahme des sächsischen
Armeekorps am Feldzug von 1809 gegen Österreich und die kriegeri-
schen Ereignisse in Sachsen im Jahre 1809.
Im ersten Abschnitt folgt einer Charakteristik der sächsischen
Armee die Darstellung der Mobilmachung, der Versammlung und
des Marsches derselben an die Donau. Die besprochene kriegerische
Thätigkeit nmfafst die Gefechte an der oberen Donau, den Marsch
nach Wien, die entscheidende Schlacht bei Wagram und die Ver-
folgungsgefechte. Den Abschlufs der Ereignisse bildet der Rück-
marsch nach Sachsen. Der zweite Abschnitt beschreibt die Organi-
sation der sächsischen Landesverteidigung während der Aliwesenheit
der mobilen Armee, den Einfall des Herzogs von Braunschweig und
seiner Mannen, sowie des österreichischen Korps des Generals am Ende
in Sachsen und die Operationen gegen diese Abteilungen seitens
sächsischer Truppen und des heranrückenden Königs von Westfalen.
Anlagen mit vielfachen interessanten Einzelheiten und Kartenskizzen
vervollständigen das vorzüglich ausgestattete Werk. Die Ansicht
des nach der Natur gezeichneten Dorfeingangs von Wagram ver-
anschaulicht eine Stätte, wo viel sächsisches Blut geflossen ist. I >as
Buch sei jedem Sachsen, sei jedem Soldaten warm empfohlen.
Dresden. von Schimpff.
Historische Untersuchungen. Ernst Förstemann zum fünfzig-
jährigen Doktorjubiläum gewidmet von der historischen Gesell-
schaft zu Dresden. Leipzig, Teubner. 1894. VI, 142 SS. 8°.
Die historische Gesellschaft zu Dresden, von Ernst Förste-
mann L870 gegründet und lange Jahre hindurch geleitet, welche
Litteratur. 161
in der Zahl ihrer Mitglieder Spezialkenner und -forscher aus den
verschiedensten Gebieten der Geschichtswissenschaft vereinigt, hat
ihrem als idealstem Hüter und Verwalter öffentlicher Bücherschätze
und als ausgezeichneten, liebenswürdigen Gelehrten in den weitesten
Kreisen hochverehrten Gründer zu seinem fünfzigjährigen Doktor-
jubiläum einen bunten Straufs von kleinen historischen Untersuchungen
dargebracht, auch dabei über die eigene Vereinsthätigkeit in Gestalt
eines von Gustav Diestel zusammengestellten Jahrbuches berichtet.
Hier kann nur der Inhalt der auf sächsische Geschichte bezüglichen
Arbeiten kurz angedeutet werden.
Die Abhandlung von Woldemar Lippert „Über das Geschütz-
wesen der Wettiner im 14. Jahrhundert" (8.80 — 93) giebt in ihrem
ersten Abschnitt „Aus der Zeit der Bailisten" den Wortlaut der im
Dresdner Hauptstaatsarchiv enthaltenen ältesten landesherrlichen
Büchsenmeisterbestallungen, denen noch Regesten einiger anderer
angeschlossen sind. Die Einnahmen und Pflichten des Schützen-
meisters werden erörtert; wir sehen, dafs von einer einheitlichen
Organisation des Geschützwesens, wie in Frankreich, wo demselben
ein Oberschützenmeister, grand maitre des arbaletriers, schon in der
Mitte des 14. Jahrhunderts vorstand, in unseren Landen noch nicht
die Rede ist. In einem zweiten Abschnitt handelt Lippert von der
Einführung der Feuerwaffen und speziell von Johann Schuftel, „dem
ersten Artilleristen oder besser Artillerieoffizier in wettinischen
Diensten". Am Schlufs werden aus dem Hauptstaatsarchiv zu Dresden
einige Bestallungen von Büchsenmeistern und die älteste Original-
bestallung eines Geschützgiefsers vom 11. Dezember 1449 mit-
geteilt r).
Unter Benutzung ungedruckter Akten des Hauptstaatsarchives
in Dresden entrollt Georg Müller S. 105-117 ein Lebensbild von
„Johann Erhard Kapp als Professor an der Universität Leipzig".
Im Besitze ausgedehnter Sprachkenntnisse war dieser ein fruchtbarer
Schriftsteller, insbesondere auf dem Gebiete derüniversitäts-, Gelehrten-
und Kirchengeschichte. Bei der studierenden Jugend aller Fakultäten
wollte er Begeisterung wecken für die Wissenschaften, und mit der
schöngeistigen Bildung sollte die Charaktererziehung Hand in Hand
gehen. Aus seinen eigenen beweglichen Worten lernen wir seine
bedrängte finanzielle Lage kennen. Nicht weniger als sechsmal war
er Rektor der Universität, so auch 1746, wo er Lessing immatriku-
lierte. S. 111 ff. ist als Beilage ein von ihm 1728 verfafster Bericht
abgedruckt, in welchem er nicht nur ein Bild seiner Wirksamkeit
entwirft, sondern auch seine Grundsätze über Unterricht und Erziehung
auf der Universität entwickelt.
S. 118 — 127 handelt Paul Rachel über die Belagerung von
Danzig 1807 nach Aufzeichnungen eines sächsischen Reiters. Unter
den Truppen, die damals Danzig belagert haben, erscheinen auch
zum ersten Male Sachsen auf französischer Seite, eine Folge davon,
dafs das Königreich Sachsen zum Rheinbund getreten war. Über die
Erlebnisse dieser sächsischen Truppe berichtete Rachels Grofsvater
mütterlicherseits, Karl Gottfried Grohmann, der damals Fourier bei
den Chevauxlegers vom Regiment Johann war und 1853 als Hof-
]) Weitere Urkunden, dai unter eine Bestallung des Büchsen-
giefsers Mertiu zu Gotha vom 15. Juni 1388, giebt Lippert in der
Zeitschrift des Vereins f. thüring. Geschichte XVII (N. F. IX),
365-370.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 1. 2. 11
162 Litteratur.
sekretäv des Königs Friedrich Allgast II. gestorben ist. Dieses
Kriegsjournal zeichnet mit grofser Genauigkeit alles Wichtige auf.
was der niederschreibende Fourier erlebte oder erfahren konnte.
Einige wenige kleine Züge sind wohl eine Bereicherung für die
Einzelgeschichte jener Zeit, in der Deutsche unter französischer
Führung gegen Deutsche stritten.
Schneeberg. Eduard Heydenreich.
Das Kreuzkantorat zu Dresden. Nach archivalischen Quellen be-
arbeitet von Dr. Karl Held. Leipzig, Breitkopf & Härtel. 1894.
172 SS. 8°. (Sonderabdruck aus der Vierteljahrsschrift für Musik-
wissenschaft 1894, Heft 3.)
Das Dresdner Kreuzkantorat ist eine Institution, die nicht nur
für Kirche und Schule, sondern auch lür die Entwiekelung des ge-
samten musikalischen Lebens Sachsens und seiner Residenz von
grofser Bedeutung ist. Dennoch war bisher nur wenig über die Ge-
schichte dieses Kantorates bekannt; auch die alten Programme der
Kreuzschule enthalten nur einige dürre und zum Teil falsche Angaben.
Daher hat sich Held ein entschiedenes Verdienst erworben, indem
er mit einem wahren Bienenfleifs allerhand zerstreute Nachrichten,
namentlich aus den Akten des Dresdner Ratsarchives und des Königl.
Sachs. Hauptstaatsarchives zusammenbrachte und unter umfassender
Benutzung der vorhandenen Litteratur über die Geschichte Dresdens
und seiner Musik zu einem hochinteressanten und durchaus zuver-
lässigen Gesamtbilde vereinigte.
Zwar blieb die Versorgung des Gottesdienstes Jahrhunderte
lang bis zur Reformation der eigentliche Zweck der Kreuzschule,
und es mufste für eine solche Anstalt das Amt eines Kantors, der
unter anderem den Gesangsunterricht und den gesanglichen Teil des
Gottesdienstes zu leiten hatte, von besonderer Wichtigkeit sein.
Dennoch reden die Akten erst seit 1542 von einem „Kantor" in solchem
Sinne. Dieser hatte von vornherein die dritte Stelle im Lehrerkollegium
inne und behauptete sie fast durchgängig bis zum Jahre 1H25, wo
das Kantorat auf Ratsbeschlufs um eine Stelle herabgesetzt wurde.
Drei Kantoren wirkten so als Quarti, bis .1. Z. Grundig im Jahre
1715 als ordentlicher Kantor Collega quintus wurde, nachdem er
vorher viele Jahre Sextus und. .als solcher seit 1713 Substitut des
Kantors Petritz gewesen war. Über ein Jahrhundert, bis 1822, blieb
das Kantorat auf dieser Stufe. Dann aber sank es wieder um eine
solche. Beim Abgang von Julius Otto wurde es aufserhalb des
Kollegiums gestellt.
Die finanzielle Lage des Kantors war keineswegs glänzend.
Wiederholt blieben die Kantoren nur kurze Zeit in diesem Amte und
gingen bald in lohnendere Stellen über; so wurde Andreas Petermann
Präceptor der Knaben bei der kurfürstlichen Kapelle, Johannes Seiner
dagegen Pfarrer von Leubnitz, der schwer verschuldete Sebaldus
liaumann aber „Gastwirt zum Güldenen Löwen". Trotz aller Not
jedoch und Sorge um das tägliche Brot hat eine ganze Reihe hoch-
hedeutender Musiker den Kreuzchor zu grofsen Ehren gebracht,
Über sie alle gielt Held sehr ausführliche Nachrichten, sucht auch
ihre musikalischen Kompositionen zu charakterisieren und so voll-
ständig als möglich aufzuzählen. So ist Job. Zach. Grundigs
Kantorat (1713—1720) unter anderem deshalb bemerkenswert ge-
worden, weil im Jahre 1717 die grofse italienische Oper in Dresden
Litteratur. 163
gegründet und die Ausführung der Chöre in derselben den Alumnen der
Kreuzschule übertragen wurde. Ein Jahrhundert lang lag ihnen diese
Verpflichtung ob, bis endlich Carl Maria von Weber im Jahre 1817
einen eigenen Theaterchor bildete. Aus der ehrwürdigen Genossen-
schaft der Dresdner Kreuzkantoren seien hier nur noch hervorgehoben
Gottfried August Hoinilius (1755—1785), dessen Kompositionen noch
heutzutage bei den Aufführungen des Kreuzchores in den Sonnabend-
Vespern eine bevorzugte Stellung einnehmen, ferner Christian Theodor
Weinlig (1814—1817), dessen Kompositionen noch in den letzten
Jahren vom Leipziger Thomanerchor öfter mit Erfolg aufgeführt wurden
und zu dessen dankbaren Schülern kein geringerer als Richard Wagner
gehörte, und Ernst Julius Otto (1828 — 1875), einer der besten und
fruchtbarsten Komponisten des deutschen Männergesanges, der durch
seine patriotischen Gesänge, wie z. B. durch das allbeliebte „Das
treue deutsche Herz", nicht wenig zur Hebung des deutschen National-
bewufstseins beigetragen bat.
Die städtischen Archive bergen über die Geschichte der Kan-
torate und musikalischen Ämter im Lande einen reichen, zumeist
noch ungehobenen Stoff. Die Verlagsbuchhandlung, die Hehls Arbeit,
ihrem gediegenen Werte entsprechend, vorzüglich ausgestattet hat,
würde ihren vielfachen Verdiensten um die Musikgeschichte ein
weiteres hinzufügen, wenn sie Arbeiten, welche diese ungehobenen
Schätze verwerten und denen Helds Kreuzkantorat als Muster dienen
kann, veranlassen und unterstützen wollte.
Schneeberg. Eduard Heydenreich.
Das Landschulweseii auf den Zittauer Dörfern bis zur Eröffnung
des Zittauer Seminars im Jahre 1811. Von Dr. Paul Goldberg,
Lehrer am Wettiner Gymnasium zu Dresden. Leipzig, Gustav
Fock (Komin.). 1894. 122 SS. 8°.
Mit Freuden haben wir diesen ersten Beitrag zur Geschichte des
oberlausitziscben Landschulwesens zu begrüfsen, der uns viele inter-
essante Blicke in die Zustände der alten Dorfschule des Zittauer
Gebietes thun läfst. Ein glücklicher Zufall hat es übrigens gewollt,
dafs zu gleicher Zeit ganz derselbe Gegenstand von Prof. Dr. Knothe,
dem erfahrensten Kenner der oberlausitzischen Geschichte, behandelt
worden ist (Neues Lausitz. Mag. LXX, 1894), eine Arbeit, die schon wegen
der überall das Wichtige scharf hervorhebenden Kürze meines Erachtens
vor der Abhandlung Goldbergs den Vorzug verdient. Dieser hat ja
sehr fleifsig den Stoff aus allen möglichen Dorfakten, Schulordnungen
und anderen Quellen zusammengetragen, aber gegenüber der grofsen
Menge desselben, namentlich für die Zeit des 18. Jahrhunderts, nicht
die nötige Entsagung zu üben gewufst. Auch die Partien, die die
ältesten Zeiten behandeln, befriedigen nicht recht. Zuzugeben ist ja,
dafs die lausitzische Schulgeschichte, je weiter man zurückgeht, desto
mehr Rätsel zu lösen aufgiebt. Um so gröfsere Vorsicht ist geboten,
um so mehr mufs man, um Dunkles zu erklären, auf die ganzen gleich-
zeitigen Verhältnisse Rücksicht nehmen. Goldberg wirft z. B. der
katholischen Kirche vor, sie habe vor der Reformation die „grofse
Masse des Volkes in unerhörter Weise in Unwissenheit gelassen und
vernachlässigt". Dies klingt sehr hart, ist aber nicht einmal richtig,
denn erstens sagt Goldberg kurz vorher selbst, dafs .ein geregelter
Volksunterricht schon deshalb unmöglich war, weil das Volk weder ge-
druckte Bücher noch Schreibmaterial hatte", und zweitens bedenkt
11*
164 Litteratur.
er nicht, dafs im Mittelalter der Bildungsdrang auf dem Lande noch
viel geringer war als in der Stadt. Mit dem Mafsstabe von heute
darf man eben nicht messen, wie das Goldberg oft thut. — Eine
andere Frage ist es. ob Groldberg und auch Knothe recht haben mit
der Behauptung, die Volksschule sei ganz ausschließlich ein Kind
der Reformation. Man kann sehr wohl die Verdienste der Refor-
matoren anerkennen, braucht aber dabei doch nicht zu leugnen, dafs
die Keime in der vorreformatorischen Zeit liegen. Goldberg giebl
die Existenz der mittelalterlichen Pfarrschulen zu, kommt auch bei
der Betrachtung des Unterrichts in den Schulen vor und nach der
Reformation (16. Jahrhundert) zu dem Ergebnisse, dafs er in der
Hauptsache gleich war, zieht nun aber nicht den nötigen Schluß
daraus, sondern bemüht sich vergebens darzulegen, dafs jene zwar
der Konfession nach verschiedenen, in den Unterrichtsgegenständeu
aber übereinstimmenden Schulen weit von einander verschieden gewesen
seien. Dafs übrigens kein geringerer als Karl der Urofse mit der Er-
richtung der von Goldberg so verachteten Pfarrschulen (in der Stadt
und auf dem Lande) schliefslich dasselbe erstrebte, was seit der Re-
formation und der Erfindung der Buchdruckerkunst die Volksschule
erreicht hat, dürfte bekannt sein, ebenso bekannt auch, dafs man in
den folgenden Jahrhunderten des grofsen Kaisers Verordnungen immer
wieder einschärfte. Meines Erachtens wäre es dann auch richtiger
gewesen, wenn Goldberg die Pfarrschule in Stadt und Dorf auf eine
Stufe gesetzt (wie es um die oberlausitzischeu Stadtschulen jener
Zeit bestellt war, habe ich in den N. Jahrb. f. Ph. u. P. 1891 ge-
zeigt) und von dieser Grundlage aus dargethan hätte, dafs die alte
Pfarrschule in der Stadt zum Gymnasium wurde, während die auf
dem Lande sich bei anderen Bedingungen auch in anderer Richtung
zur Dorf- oder Volksschule entwickelte. Soll übrigens der Satz S. 20:
„ausgeprägte Volksschulen, wo alle Kinder regelmäfsigen Unterricht
erhalten hätten" eine Definition des Begriffes Volksschule sein? -
Trotz der Ausstellungen, die ich hier und da noch vermehren könnte,
möchte ich nicht schliefsen, ohne dem Verfasser für seine Bemühungen
zu danken und den Wunsch auszusprechen, dafs er sich mehr und
mehr in die Geschichte des oberlausitzischen Schulwesens einarbeiten
und uns noch mit mancher Abhandlung darüber beschenken möge.
Dresden. Hey den.
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im
Auftrage der Gesellschaft für sächsische Kirchengeschichte von
Franz Dibelius und Theodor Brieger. Achtes Heft. Leipzig,
A. Barth. 1893. 348 SS. 8°.
In dem vorliegenden stattlichen Hefte giebt der Mitherausgeber,
D. Franz Dibelius, eine Zusammenstellung von Bemerkungen, d.h.
Verbesserungen zum Verzeichnis der Liederdichter im sächsischen
Landesgesangbuche. Von den 11 Nummern sei erwähnt das Lied
„Das alte Jahr vergangen ist", das nicht Johann Steuerlein zuzu-
schreiben ist. Er war eher der Komponist, als der Dichter irgend
welcher Verse des Liedes, das im Dresdner Gesangbuch von 1589
mit sechs Zeilen auftritt, in der Ausgabe von 1656 zu sechs Versen
angewachsen ist. Franz Blanckmeister bietet „Aus dem Leben
D. Valentin Ernst Löschers" eine Reihe charakteristischer Züge,
die die vielseitige Wirksamkeit des gefeierten Theologen in Dresden
darstellen. Die Mitteilungen beruhen auf Studien im hiesigen
Litteratur. 165
Königlichen Hauptstaatsarchive. Aus diesem stammt z. B Löschers
Bericht über die Ermordung des Diakonus an der Kreuzkirche, Mag.
Hermann Joachim Hahn, die in Dresden eine mächtige Volks-
bewegung hervorrief. Den Hauptteil des Heftes (S. 1—329) bildet eine
Arbeit von Beinhold Hofmann, „Die Reformationsgeschichte
der Stadt Birna", die auch als Sonderabdruck erschienen ist.
Wenn man die Schriften der Reformatoren liest, tritt auf Schritt
und Tritt die Bedeutung Pirnas entgegen. Es kommt dies daher,
dafs die Stadt auch in der landesherrlichen Verwaltung eine grofse
Rolle spielte und dafs der erste Superintendent, Mag. Anton Lauter-
bach, ein tüchtiger Theologe und Verwaltungsmann, mit den Witten-
bergern freundschaftliche Beziehungen unterhielt Seine Bedeutung
tritt auch in dem von ihm verfafsten Codex Lauterbach hervor, der,
modern ausgedrückt, eine Art Verwaltungsbericht enthält. Verfasser
hat dieses wertvolle, früher im Pirnaer Ratsarchiv befindliche, dann
von Professor Dr. Freiherr von der Ropp bei einem hiesigen Antiquar
gefundene Aktenstück trefflich ausgenutzt. Aufserdem fafste er in
dem Buche die Ergebnisse langjähriger, sorgfältiger Studien im
hiesigen Hauptstaatsarchive, sowie in den Urkundensammlungen des
Pirnaer Rats, Amtsgerichts und der Kirche zusammen. Von den
19 Abschnitten behandeln neun die Ein- und Durchführung der Re-
formation unter steter Berücksichtigung des mittelalterlichen und
zeitgeschichtlichen Hintergrundes. Aufserdem werden die ver-
schiedenen Seiten des kirchlichen Lebens, Gottesdienst, Kirchenbau,
geistliches Vermögen, Gemeindezustände eingehend besprochen.
Aber die Arbeit fuhrt auch weiter. Über die Verfassung und Ver-
waltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche finden sieb zahl-
reiche Nachrichten. Von benachbarten Städten wird naturgemäfs
Dresden eingehend berücksichtigt. Zahlreiche Mitteilungen im Texte
und in den Anmerkungen beziehen sich auf den herzoglichen und
kurfürstlichen Hof, den Superintendenten Daniel Greyser, die krypto-
kalvinistische Bewegung, die musikalischen Verhältnisse (kurfürst-
liche Kapelle und Kantorei) u. a. m. — Ich füge hinzu, dafs ein
Bautzner Rechnungsbündel in eine Urkunde eingeheftet ist, in
welcher „Dominus Michael Risch, ingenuarum artium magister et
sacre theologie licentiatus, possessor perpetui benefitii ad altare
sanete trinitatis in ecclesia saneti Nicolai extra muros" erwähnt
wird. Auch nennt sie „dominos Fabianum Borchardi, Nicolaum
Rosick, in supradicto opido Pirnis vicarios perpetuos et Bartolomeum
Lauterbach, ingenuarum artium baccalaureum , consulatus ejusdem
opidi scribam" und einen verstorbenen Simon Kranach. Aus Lauter-
bachs Bücherei befindet sich in der Jenaer Universitätsbibliothek
0. Peucers „Commonefactio de Periculis horum temporum, proposita
scholasticis Academiae Vuitebergensis" (Wittenb. 1565) mit des Ver-
fassers Widmung „Reverendo Viro D.Magistro Antonio Lauterbach".
In demselben Bande widmet V. Strigel „Dauielis Prophetae scriptum"
(Lips. 1565) „D. Johanni Schulteto senatori Pirnensi".
Dresden. Georg Müller.
Zur ältesten Geschichte und ehegerichtlichen Praxis des Leipziger
Konsistoriums. VonDr.jur. etphil. H. Oeffcken. Separat-Abdruck
aus der Deutschen Zeitschrift für Kirchenrecht. IV (1894) S. 7—67.
Mit Recht hebt der Verfasser hervor, dafs, während das Witten-
berger Konsistorium sich neuerdings mehrfach eingehender Behand-
166 Litteratur.
lung zu erfreuen hatte, äie Geschichte des leipziger Konsistoriums
bisher sehr vernachlässigt und die vorhandene Litteratur zum grofsen
Teil in Anmerkungen und Parenthesen niedergelegt sei. Auch in
dem Urteile ist dem Verfasser beizupflichten, das er über die Dis-
crepanz der entgegenstehenden Anschauungen fällt: „Dieselbe gieht
sich jedoch nicht etwa in einer Kontroverse mit (.1 runden und Gegen-
gründen kund, vielmehr entscheidet sich jeder Autor, je nach der
Quelle, welcher er folgt, für die eine oder andere Ansicht, augen-
scheinlich ohne von den abweichenden Meinungen überhaupt Kenntnis
zu haben." Dafs aber das Leipziger Konsistorium in hohem Grade
Beachtung verdient, ergieht sich aus der geschichtlichen Darstellung,
wie den rechtlichen Ausführungen des Verfassers. Stand doch die
Leipziger Praxis eine Zeit lang selbständig da im Gegensatze zu
der der beiden anderen Konsistorien. Sie wurde sogar auch aufser-
halb Sachsens malsgebend; so in der Goslarer Kirchenordnung von
1555 und in der Mecklenburger vom Jahre 1570. Die Arbeit zerfällt
in zwei Teile: im ersten giebt der Verfasser einen Überblick über
die Entstehungsgeschichte des Leipziger Konsistoriums. Hier ist
auf S. 18 als Gründungstag der 9. November 1550 nachzutragen
Der Befehl des Kurfürsten Moritz ist abgedruckt in meiner „Ver-
fassungs- und Verwaltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche"
in den Beiträgen zur Sächsischen Kirchengeschichte IX (1894),
S. 1 18, Anm. 51. Ebenda findet sich auch S. 116, Anm. 48 ein herzog-
licher Befehl vom Jahre 1543, durch welchen ein eherechtlicher Fall
„den Vorordenten des Newen Oonsistorii zu Leipzick" überwiesen
wurde. Den Hauptteil der Studie bilden die auf reichem gedruckten
und animalischen Materiale beruhenden kirchenrechtlichen Ans
führungen über die Handhabung der Eheordnung in Leipzig im
Unterschiede zu Wittenberg betreffs der Gradverbote, der Sponsalien
und der Ehescheidung. Auch auf diesem Gebiet tritt (z. B. S. 25)
der noch wenig ermittelte Anteil der Stände hervor, die übrigens
bereits 1579 auf dem Landtage zu Torgau die Forderung stellten.
die .Juristen der drei Konsistorien sollten eine einheitliche Ehe-
ordnung schaffen. Loc. 9357. Der Erforderten von der Landschaft
su wohl Bl. 13.
Dresden. Georg Müller.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde1).
Albert i, lt. Was bedeuten die sogenannten Schwedensteine? Unser
Vogtland. Bd. 1 (1894). S. 268—272.
Ashi'vazy, Simon. Die letzte polnische Königswahl. Inaugural-
Dissertation. Göttingen, Dietrichsche Verlagsbuchhandlung. L894.
2 Bll., 158 SS. 8°.
') Vergl. auch 0. Dobenecker, Übersicht der neuerdings er-
schienenen Litteratur zur thüring. Geschichte und Altertumskunde,
in: Zeitschrift des Vereins für Thüring. Geschichte und Altertums-
kunde, lid. WT1 (N. F. B. IX). S. 389— 402. Ferner über die
Litteratur. 1 (37
Bär, Anton. Der alte Wiesenburger Wald in seinen Beziehungen
zur Stadt Kirchberg: Glückauf! Organ des Erzgebirgs Vereins.
Jahrg. XIV (1894). S. 2-8. 13 f.
Bergmann, Alwin. Wo lag Wernten? Über Berg und Thal. Jahrg.
XVIII (1895). No. 204. S. 121 f.
— Kurfürst August und Kurfürstin Anna in ihren Beziehungen zur
prähistorischen Forschung: Gebirgsfreund. Jahrg. VI (1894).
S. 97-99.
— Geschichte der Oberlausitzer Sechsstadt Löbau bis zur Teilung
Sachsens 1815. Bischofswerda (Löbau, E. Oliva Komm.). 1895.
3 Bll., 199 SS. 8°.
Berlit, Georg. Rudolf Hildebrand, ein Erinnerungsbild : Neue Jahr-
bücher f. klass. Philol. u. Pädagogik. Jahrg. 1894. Heft XII.
S. 545 — 585.
Berns, J. L. Verslag aangaande een onderzoek naar archiefstukken,
belangrijk voor de geschiedenis van Friesland, uit het tijdperk der
saksische hertogen. Op last der regeering ingesteld. 's-Graven-
hage, Nijhoff. 1891. 71 SS. 8°.
Beyer, C. Erfurt im Kampfe um seine Selbständigkeit gegen die
Wettiner 1370 — 1382: Jahrbücher der kgl. Akademie gemein-
nütziger Wissenschaften zu Erfurt. Neue Folge. Heft XX
(1894). S. 229-268.
Blanckmeister, F. Studien zur sächsischen Kirchengeschichte. 1.
Zur Geschichte der kirchl. Presse in Sachsen. 2. Ein Blick in
das Pfarrhaus des evangelischen Sachsenlandes. 3. Weihnachten
in Sachsen: Neues Sachs. Kirchenblatt. Jahrg. I (1894). Sp.
25—28, 171-174, 229-236, 249—254.
Böhmert, Victor. Eine deutsche Stadt (die sächsische Fabrikstadt
Rofswein) in ihrer wirthschaftlichen und sozialen Entwicklung
von 1834 bis 1894. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte. (Separat-
abdruck aus der Zeitschrift des Kgl. Sachs. Statist. Bureaus.
Jahrg. XL. 1894. Heft I u. IL) Dresden, v. Zahn & Jaensch.
1895. 80 SS. 4°.
v. Boetticher, W. Die wendischen Obedienzdörfer unter bischöflich
meifsnischer und churfürstl. sächsischer Herrschaft : Neues Lausitz.
Magazin. Bd. LXX (1894). S. 172—187.
Brande7iburg , Erich. Die Gefangennahme Herzog Heinrichs von
Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund (1545). Habili-
tationsschrift. Leipzig, Fock. 1894. 74 SS. 8°.
Braß, P. Geschichte der Kirchgemeinde Leipzig -Thonberg-Neu-
reudnitz. Beim 25jähr. Kirch weihfest, den 7. Okt. 1894, am
Familienabend im Gasthof vorgetragen. Auf Verlangen in Druck
gegeben. Leipzig 1894. 24 SS. 8°.
Buchwald, Georg. Wittenberger Ordinieitenbuch 1537 — 1560. Leipzig,
Wigand. 1894. 3 Bll, 141 SS. 8°.
Litteratur zur Geschichte der Lausitz B. Jecht in: Neues Lausitz.
Magazin. Bd. LXX (1894). S. 281—287. — An die Herren Verfasser,
Verleger und Redakteure richten wir die Bitte, durch Zusendung
der neu erschienenen Publikationen auf dem Gebiete der sächsischen
Geschichte, besonders kleinerer, die leicht der Beachtung entgehen,
wie Dissertationen, Programme, Aufsätze in Zeitungen und Zeit-
schriften und dergleichen, zur Vollständigkeit der bibliographischen
Übersichten beitragen zu wollen.
168 Litteratur.
Buchwald, Georg. Die von D. Martin Luther ordinierten sächs.
Geistlichen: Neues Sächsisches Kirchenblatt. .Jahrg. 1 (1K94).
Sp. nif.
Buddcus, Karl Leipziger Ranchwarenhandel nnd -Industrie. Inaug.-
Dissertation. Leipzig-Keudnitz. 1891. 74 SS. 8°.
Burkhardt. Die Brüdergemeine. Erster Theil. Entstehung and ge-
sell ichtl. Entwicklung der Brüdergemeine. Gnadau, Unitäts-
Buchhandlung. 1893. 216 SS. 8°.
Distd. TU. War Christian Renters Graf Ehrenfried wirklich Graf?
Berichte der K. S. Gesellsch. d. Wissensch. 1895. S. 203 f.
— Sechs Leipziger Schöppennrtel in einer Ehebruchssache nach
Freiberg 1608/9: Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft. XV
(1895). S. 562—568.
— Oeffentliche Degradation eines K. S. Geistlichen: Deutsche Zeit-
schrift f. Kirchenrecht III (1895). S. 325—328.
— Harte Strafe für eine Unterlassungssünde des Leipziger Geist-
lichen Aug. Peter Hesse 1589: ebenda S. 331 f.
— Zur Geschichte des Pennalismus auf St. Afra, eine Episode aus
dem Leben Ernst Robert Osterlohs: Leipz. Tagebl 1894. No. 461.
S. 6511 f. (vergl. No. 476 S. 6731 und No. 485 S. 6846).
— 1841 gerichtlich abgegebene Zeugenaussagen über Schiller in
Gohlis (1785): ebenda No. 482 S. 6809 und Neueste Leipz. Nachr.
1894. No 313 Beibl. 2 S. 1.
— Jagdarie f. Knrf. Friedrich August I. zu Sachsen (1718): Dresdn.
Anz. 1894. No. 350. S. 56.
Dobenecker, Otto. Regesta diplomatica neenon epistolaria historiae
Tburingiae. Erster Halbband (c. 500—1120). Namens des Ver-
eins für thüringische Geschichte und Altertumskunde bearbeitet
und herausgegeben. Jena, G. Fischer. 1895. 240 SS. I".
— Der Sturz des Markgrafen Poppo von der Sorbenmark: Zeitschr.
des Vereins für Thüring. Geschichte und Altertumskunde. Bd.
XVII - N. F. Bd. IX (1894). S. 370-374. 389.
Doehler, G. Unser Riedel: Vogtland. Jahrg. I. Heft 9 (1894).
S. 353—363.
(Dost, G.) Dem Andenken weiland Sr. Durchlaucht des Fürsten
Otto Friedrich von Schönburg- Waidenburg gewidmet. (Waiden-
burg, E. Kästner. 1894.) 23 SS. 8°.
E. Ein Urteil über Bautzen vor 50 Jahren (1847): Wöchentl. Bei-
lage zu den Bautzner Nachrichten. 1894. No 23.
Eitner. Adolf Traugott v. Gersdorff: Neues Lausitz. Magazin.
Bd. LXX (1894). S. 164.
Enkel, Herrn. Geschichte des unter dem Protektorat Ihrer Majestät
der Königin Carola stehenden Sächsischen Pestalozzi -Vereins.
Festschrift zur Erinnerung an das 50jährige Bestehen des Ver-
eins. Im Auftrage des Vorstandes bearbeitet. Leipzig, Klinkhardt.
1894. 140 SS. 8°.
Fabian, Ernst. Die Anfänge des Zwickauer Volksschulwesens:
Festschrift für die Teilnehmer an der X. Generalversammlung des
Allgem. Sächs. Lehrervereins, herausycyvhen von dem pädagog.
Vereine (Bezirks -Lehrerverein) zu Zwickau (1894). S. 81 — 108.
Feyerabend , L. Beziehungen der Oberlausitz zum Süden in vor-
geschichtlicher Zeit : Jahreshefte der Gesellschaft für Anthropologie
und Urgeschichte der Oberlausitz. Heft III (1893). S. 179-185.
— Königswartha subterranea: ebenda S. 186—189. Heft IV (1894).
S. 239—258.
Litteratnr. 1 BO
Fischer, Emil. Lebensbild eines Vogtländers (Hofrat Prüf. Dr.
Liebe): Unser Vogtland. Jahrg. I (1894). S 93-102.
— Die beiden letzten Besuche bei K. Th. Liehe: ebenda S. 165—168.
— S. a. Virchoiv.
v. Flanß, K. Die auf deutschen Fufs errichteten Regimenter der
polnischen Krön -Armee in Westpreufsen von 1717 — 1772: Zeit-
schrift des histor. Vereins für den Reg. -Bezirk Marienwerder.
Heft 32 (1894). S. 1—127.
Fleischer. Mitteilungen aus Falkensteins kirchlicher Vergangenheit.
Aus Anlafs des 25jähr. Bestehens unserer Kreuzkirche an ihrem
Weihetage der Gemeinde dargeboten. Falkenstein, Cl. Tischendorf
(Komm.). 1894. 39 SS. 8°.
Förstcmann, Joseph. Urkundenbuch der Stadt Leipzig. Im Auf-
trage der Kgl. Sächsischen Staatsregierung herausgegeben.
III. Band. (A. u. d. T. : Codex diplomaticus Saxoniae regiae.
Im Auftr. u. s. w. herausgegeben von Otto Posse und Hubert
Ermisch. Zweiter Haupttheil. X. Band) Leipzig, Giesecke &
Devrient. 1894. XII, 423 SS. 4°.
Francke, Th. Die alten Zwickauer Kirchenbücher: Neues Sachs.
Kirchenblatt. Jahrg. II (1895). Sp. 9-12, 29-32.
Freytag, Ernst Richard. Der grofse Stadtbrand von Auerbach.
Ein Gedenkblatt zum 9. Oktober 1834: Unser Vogtland. Bd. I
(1894). S. 286-290.
Geffcken, H. Zur ältesten Geschichte und ehegerichtlichen Praxis
des Leipziger Konsistoriums: Deutsche Zeitschrift für Kirchen-
recht. Bd. IV (1894). S. 7-67.
Geiger, Ludiv. Böttigers Berufung nach Berlin: Euphorion, Zeit-
schrift für Literaturgesch. Bd. I (1894). S. 350—365.
v. Geldern -Crispendorjf, Conrad. Volkslieder aus der Herrschaft
Burgk: Unser Vogtland. Bd. I (1894). S. 235-241.
Goldberg, Paul. Das Landschulwesen auf den Zittauer Dörfern bis
zur Eröffnung des Zittauer Seminars im Jahre 1811. Leipzig,
Fock (Komm.). 1894. 122 SS. 8°.
Göpel. Das Mylauer Kaiserschlofs: Unser Vogtland. Bd. I (1894).
S. 223—233.
Grüner, 0. Weitere Beiträge zur Erforschung volksthümlicher Bau-
weise. Nebst einer einleitenden Betrachtung über die Ursachen
ihres Verschwindens in unseren Dörfern. Mit 27 Abbildungen
nach Originalzeichnungen des Verfassers. Leipzig, Felix. 1894.
47 SS. 8°.
Hartmann. Eine poetische Darstellung des Bautzner Schiefsfestes
aus älterer Zeit: Wöchentl. Beigabe zu den Bautzner Nachrichten.
1894. No. 32.
v. Hfausen]. Das königl. sächs. Infanterieregiment vac. von Rechten
im Feldzug 1812 in Rufsland: Wissenschaftl. Beilage der Leipziger
Zeitung. 1894. No. 106, 107. S. 421— 423, 425-428.
Held, Karl. Das Kreuzkantorat zu Dresden Nach archivalischen
Quellen bearbeitet: Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft.
Jahrg. X (1894). S. 239—410. (Auch separat erschienen.)
Herrmann, Wilh. Geschichte der Burg Rohnau im Mittelalter und
ihre Zerstörung durch die Sechsstädte im Jahre 1399: Gebirgs-
freund. Jahrg. VI (1894). S. 259 f., 267-269, 280-282.
Hinke, 0. Der deutsche Oberlausitzer nach seiner Sprache und
Kleidung, seinen Sitten und Festen: ebenda S. 25 — 27, 55 f.,
62-64, 77—79.
170 Litteratur.
Hofmini» , Reinhohl. (I »'schichte der Stadt Glauchau: Festschrift
zum 13. sächs. Feuerwehrtage zu Glauchau (1894). S. 7 — 30.
— Feuerpolizei und Feuerlöschwesen der Stadt Glauchau in alter
Zeit : ebenda S. 37—54
— Grolse Brände in der Stadt Glauchau: ebenda S. 55 — 58.
Holder- Egger, Osio. Studien zu Thüringischen Geschichtsquellen
I: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichts-
kunde. Bd. XX (1895). S. 373-421.
Jacobi, H. Ein erzgebirgiscb.es Gelehrten-Jubiläum [Georg Agricola] :
Glückauf. Jahrg. XIV (1894). S. 41-45, 53— 56, 72-74.
Immich, Max. Die Stärke des Finckschen Armeekorps hei Maxen:
Forschungen zur Brandenburg, u. Preufs. Geschichte. Jahrg. Vll
(1894). S. 548—556.
Jentsch. Burgstädtel : Über Berg und Thal. Jahrg. XYIi (1894). S.89.
Ende, B. Heinrich von Kleist in Dresden: Dresdner Anzeiger.
1894. No. 291. S. 27. No. 292. S. 24 f.
— Der Kantor Christoph Demant in Zittau : Neues Lausitzisches
Magazin. Bd. LXX (1894). S. 253-261.
Kiistner, Emil. Rochlitz und seine Umgehung. Beiträge für den
Unterricht in der Heimatskunde. Mit einer Karte. Beilage zum
Programm der Realschule Rochlitz. Jahrg. 1891. 37 SS. 8°.
Kaufmann, Georg. Zur Gründung der Wittenberger Universität:
Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswissenschaft. Bd. XI (1894).
S. 114-143.
Kaulisch, Emil. Bericht über den Stand und die Verwaltung der
Gemeindeangelegenheiten der Stadt Nerchau für die Jahre 18v»<)
bis 1893. Historisch - statistische Beschreibung der Stadt. Auf
Grund amtlicher Unterlagen herausgegeben. Mit Ansicht, dem
Siegelbild und den Farben der Stadt Nerchau. Nerchau , Druck
von Noack & Heinemann. 1894. VI, 125 SS. 8°.
[Kistnejr. Der Reichenthurm zu Bautzen: Wöchentl. Beilage zu den
Bautzner Nachrichten. 1893 No. 45.
Kittel, Fr. Agricola, ein Glauchauer: Festschrift zum 13. sächs.
Feuerwehrtage zu Glauchau (1894). S. 31—36.
Klotz, H. Ein Bergmannslied aus der Reformationszeit: Neues
Sächs. Kirchenblatt. Jahrg. I (1894). Sp. 105 f.
— Ein Zwickauer Handwerksmeister von 1632 über Gustav Adolf:
ebenda Sp. 193 f.
Knothe, Herrn. Das Schulwesen auf den Dörfern des Weichbildes
Zittau bis zum Erlais des Elementar- Volksschulgesetzes von 1H35:
Neues Lausitz. Magazin. Bd. LXX (1894). S. 188—221.
— Die Belustigungen der Bürger in den Sechsstädten der Ober-
lausitz während des Mittelalters: Germania, illustrirte Monats-
schrift für Kunde der deutschen Vorzeit. Jahrg. I (1894). No. 2.
S. 61-65.
Kofel, Heinrich. Chronik der Buchbinder -Innung zu Leipzig 1544
bis 1894. Zum 350jährigen Jubiläum zusammengestellt. Leipzig,
Verlag der Buchbinder-Innung. 1894 VIII, 63 SS. 8°.
Könler, Joh. Aug. Ernst Der Topasfelsen Sclineckenstein: Unser
Vogtland. Jahrg. I (1894). S. 174-186.
v. Koppen, Fedor. König Albert und das Haus Wettin. Illustr.
von Rieh. Knötel. Leipzig, Geibel & Brockhaus. 1895.
148 SS. 8°.
Korscheit, G. Beiträge zur Geschichte der Webindustrie der sächs.
Oberlausitz : Gebirgsfreund. .) ahrg. VI ( I «94). S. 19 f. , 31 f., 43 -45.
Litteratnr. 171
Korscheit, G. Sitten und Gebräuche in der Oberlausitz in früherer
Zeit: ebenda S. 207—209, 221—224, 232 f., 245-247, 254-256.
Krämer, K. Aus dem Wanderbuche eines fahrenden Schülers
(Michael Frank, ehemals Pfarrer in Eteibersdorf) : Gebirgsfreund.
Jahrg. V (1893). S. 253-255, 267—269.
— Unsere Bilder [Das Gebäude der Stadtbibliothek in Zittau] : ebenda
Jahrg. VI (1894). S. 125 f.
Kretschmar, K. A. Löbau als Bade- und Kurort: Gebirgsfreund.
Jahrg. V (1893). S. 198-201, 207—210, 218-220.
Kretzschmar, G. Die Altväter-Brücke bei Freiberg: Jahrbuch f. d.
Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen auf das Jahr
1894. S. 1—27.
Kriele, Marlin. Die Regulierung der Eibschiffahrt 1819 — 1821.
(Abhandlungen aus dem staatswissenschaftlichen Seminar zu Strafs-
burg. Heft XIII.) Strafsburg , Karl J. Trübner. 1894. XV,
187 SS. 8°.
Krohn. Das Zittauer Hungertuch: Neues Sachs. Kirchenblatt.
Jahrg. I (1894). Sp. 145 - 148.
Kroker. Mefs-Sehenswürdigkeiten in früherer Zeit: Zeitschrift des
Leipziger Mefsverbandes. No. 10 (1895). S. 108-111.
Krnschtvitz, P. Vertrau auf Gott. [Lebensbild des Färbers Hopfe
in Bernstadt] : Gebirgsfreund. Jahrg. V (1893). S. 257-260.
— Priesterleiden im 30jähr. Kriege. [Mag. Tieleraann Bulius zu
Schönau a. d. E.]: ebenda Jahrg. VI (1894). S. 15 f.
— Ein Wort über Wappenkunde und die Siegel der Brüdergemeine
Herrnhut: ebenda S. 21 f.
— Vorreformatorische Passions- und Ostergebräuche in Oberlausitzer
Städten : ebenda S. 49.
— Andreas Nitsche auf Mengelsdorf, kursächs. Hofrat: ebenda
S. 157 f.
KfruschJwßtzJ. Johann Gottfried Hopfes, des Bernstädter Färber-
meisters und Mandelherrn, merkwürdige Lebensführung und seine
Geschäftsbeziehungen zu Herrnhut: Bautzner Nachrichten. 1893.
No. 269.
Lahmer, Bob. Grenzverkehr (zwischen Böhmen und der Oberlausitz)
während der Pestzeit 1680: Mittheil, des Nordböhm. Excursions-
clubs. Jahrg. XVII (1894). S. 63 f.
Lanier, Liuhv. Die Landwirtschaft im Erzgebirge im letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts: Glückauf. Jahrg. XIV (1894). S. 15
bis 18, 25—30, 37—41, 49-53, 75 f., 85 f.
— Christian Lehmann und seine Werke: ebenda S. 133 — 138.
Laue, M. Sachsen und Thüringen: Jahresberichte der Geschichts-
wissenschaft im Auftrage der Historischen Gesellschaft zu Berlin
herausgegeben von J. Jastrow. Jahrg. XVI. 1893. (Berlin
Gärtner 1895.) IL S. 313-351.
Lehnert, M. Georg Voigt geb. am 3. April 1827, gest. am 18. August
1891: Biograph. Jahrbuch für Altertumskunde. Bd. XVII (Bei-
blatt zum Jahresbericht über die Fortschritte der klass. Altertums-
wissenschaft, Bd. LXXIX, 1894). S. 43-68.
Leuß. Die Schlacht bei Borodino mit besonderer Berücksichtigung
der Teilnahme sächsischer Truppen: Wissenschaftl. Beilage der
Leipziger Zeitung. 1894. No. 111. S. 441—443.
Lippert, Wohl. Zur Geschichte von Forst im 14. Jahrhundert:
Niederlausitzer Mittheilungen Bd. III (1894). S. 378-383.
— Schützenmeister und Geschützgiefser der Wettiner im 14. Jahr-
172 Litteratur.
hundert: Zeitschrift des Vereins für Tbürini;. Geschichte und
Altertumskunde. Bd. XV11 == N. F. Bd. IX (1894). S. 365
bis 369.
Lippold, Adolf. Vor hundert Jahren. Leipziger Mefsbilder mit
Originalzeichnungen: Zeitschrift des Leipziger Meisverbandes.
Xu. 9 (1894). S. 93-96.
Lungioitz, Herrn. Zur Geschichte des Wiesenbades im Erzgebirge:
Glückauf. Jahrg. XIV (1894). S. 81-81.
— Der Greifenstein: Annaberger Wochenblatt. 1894. No. 111.
Markgraf, Richard. Zur Geschichte der Juden auf den Messen in
Leipzig von 1664-1839. Ein Beitrag zur Geschichte Leipzigs.
(Inaug. -Dissertation der philos. Fakultät der Universität Rostock
vorgelegt.) Bischofswerda, Friedr. May. 1894. .93 SS. 8°.
Martin, M. Kulturgeschichtliches aus Sachsen: Über Berg und
Thal. Jahrg. X VIII (1895). No. 24. S. 122 f.
Meiche, A. Die Urbevölkerung der sächsischen Schweiz: ebenda
No. 1. S. 112— IM.
— Sebnitzer Feuerchronik. Ein Vortrag gehalten im hiesigen Ge-
werbeverein am Vorabende des 40. Jahrestages des „Großen
Feuers" vom 15. September 1854. Sebnitz, C. E. Böhme. 1891.
34 SS. 8°.
Meyer, Christian. Zur Biographie des Herzogs Albrecht von Sachsen-
Teschen: Wissenschaft!. Beilage der Leipziger Zeitung. 1895.
No. 25. S. 97—99.
v. Minckmtz, August. Die ersten kursächsischen Leibwachen zu
Rofs und zu Fufs und ihre Geschichte. Aus dem Nachlaß des
Oberhofmeisters A. v. M. herausgegeben durch Georg v. Schimpft'.
Dresden, W. Baensch. 1894. 3 Bll. 125 SS. 8°.
Mitzschke, Paul. Urkundenbuch von Stadt und Kloster Bürgel.
Teil 1: 1133—1454. (A. u. d. T.: Thüringisch-sächsische Geschichts-
bibliothek Bd. III.) Gotha, F. A. Perthes. 1895. XXXVIII.
568 SS. 8°.
Molwitz, G. Jubiläums-Bericht der evangelisch-lutherischen Diako-
nissen-Anstalt zu Dresden. Dresden, Selbstverlag der Diakonissen-
Anstalt. 1894. 335 SS. 4°.
Montanus, Phüolithus. Gottfried August Homilius. Ein Gedächtnis-
blatt zum 2. Februar: Wissenschaft!. Beilage der Leipziger
Zeitung. 1895. No. 13. S. 49 f.
Morawek, C. Zittauer Kunstdenkmäler. (Das eiserne Geländer auf
dem südlichen Johannisturm): Gebirgsfreund. Jahrg. VI (1894).
S. 257-259.
Müller, Georg. Die preußische Nation an der Universität Leipzig:
Nene Jahrbücher für Philologie und Pädagogik. Bd. CXLTX CL
(1894). S. 858 -372.
Müller, Joh. Geschichte von Liebenau und Lauenstein 1000—1539:
Kirchl. Bericht auf die Jahre 1891—1893. S. 3— M
v. Mülverstedt, G. A. Die v. Kolowas-Kolbitz in der Überlausitz:
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. LXX (1894). S. 287 f.
Mutschink, Joh. Tr. Geschichte der wendischen Sprache und Natio-
nalität: Gebirgsfreund. Jahrg. VI (1894). S. 1X2 — 185.
Needon, R. Flufsnamen in Sachsen: Wissenschaft!. Beilage der
Leipziger Zeitung. 1894. No. 113. S. 449-451.
Opel, Jul. Otto. Der niedersächsisch -dänische Krieg von 1627 bis
zum Frieden von Lübeck (1629). Magdeburg. Fabersche Buch-
druckerei (A. und R. Faber). 1894. 4 Bll.. 749 SS. 8°.
Litteratür. 173
v. Petersdorff, Herrn. Genera] Johann Adolph Freiherr v. Thielmann.
Ein Charakterhild aus der napoleonischen Zeit. Leipzig, 8. Hirzel.
1894 XIV, 435 SS. 8°.
Pfau, W. Clemens. Das gotische Steinmetzzeichen. Mit 2 Tafeln.
(A. u. (1. T.: Beiträge zur Kunstgeschichte. Neue Folge XXII.)
Leipzig, E. A. Seemann. 1895. 75 SS. 8°.
[Polster.] Nachrichten über die Kirchgemeinde Reichenbach bei
Königsbrück aus alter und neuer Zeit. Kamenz. 1895. 24 SS. 8°.
Richter, Bernh. Fr dr. Sethus Calvisius: Leipziger Tageblatt. 1894.
No. 600. S. 8489.
Richter, P. E. Litteratür der Landes- und Volkskunde des König-
reichs Sachsen. Herausgegeben für den Verein für Erdkunde.
Nachtrag 2. Dresden, A. Huhle (Komm.). 1894. 30 SS. 8°.
Riedel, L. Mein Lebenslauf : Unser Vogtland. Bd. 1(1894). S. 348-353.
Hocke, P. Ein Urteil über die Leipziger Messen aus dem Jahre 1806:
Zeitschrift des Leipziger Messverbandes. No. 2 (1894). S. I 't f.
Sauppe. Oybinische Plauderei. Petrus Zwicker, Rektor in Zittau,
Colestiner und Ketzerrichter: Zittauer Nachrichten. 1894. No. I i 1
bis 177. S. 1490, 1493, 1502 u. 1507.
— Alte Zittauer Geschichten I. II: ebenda 1893. No. 205. S. 1705.
1S94. No. 125, 127, 128. S. 1104, 1118, 1123.
Schevffler. Der Zug der österreichischen Geistlichen nach und aus
Sachsen (Fortsetzung) : Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte
des Protestantismus in Oesterreich. Jahrg. XV (1894). S. 157—186.
v. Schimpft', Georg. 1813. Napoleon in Sachsen. Nach des Kaisers
Korrespondenz bearbeitet. Dresden, W. Baensch. 1894. 3 B1I.
278 SS. 8°.
/Schlie, Friedrich./ Altmeifsen in Schwerin. Erste und zweite
Ausstellung altsächsischer Porzellane im Grofsherzogl. Museum.
1893. Schwerin, Ed. Herbergers Buchdruckerei. 19 SS. und 16 SS. 8°.
— Iterum iterumque Nicolas Knüpfer: Leipziger Tageblatt. 1895.
No 41. S. 541 (vergl. No. 13. S. 171).
Schmidt. Vom Dom zu Meifsen: Neues Sachs. Kirchenblatt. Jahrg. II
(1895). No 6. Sp. 93-96, 107—110.
Schmidt, Berth. Die Zerstörung der Stadt Gera im sächsischen
Bruderkriege am 15. Oktober 1450: Zeitschrift des Vereins für
Thüringische Geschichte und Altertumskunde. Bd. XVII = N. F.
Bd. IX (1894). S. 295-361.
— Name und Begriff des Vogtlandes: Unser Vogtland. Jahrg. I
(1894). S. 172—174.
Schönherr, C. A. Chronik der Bergstadt Brand nebst ihrer Um-
gegend. I. : Nach urkundlichen Quellen bearbeitet und heraus-
gegeben. Brand, R. Pönisch. 1894. 3 Bll., 488 SS. 8°.
Senf. Archäologisches aus der Oberlausitz: Jahreshefte der Gesell-
schaft für Anthropologie und Urgeschichte der Oberlausitz. Heft III
(1893). S. 190-195.
Tille, Armin. Das Reformationsjubiläum von 1617: Wissenschaftl.
Beilage der Leipz. Zeitung. 1894. No. 130. S. 517 f.
Treusch von Buttlar, Kurt. Zur Kapitulation von Maxen: For-
schungen zur Brandenburg, und Preufs. Geschichte. Jahrg. VII
(1894). S. 217—220.
v. Tümpling, Wolf. Geschichte des Geschlechtes von Tüinpling.
Dritter (Schlufs-) Band. Geschichte der 1822 bezw. 1867 im Mann-
stamm erloschenen Häuser Posewitz und Gasekirchen (Tümpling).
Mit Urkunden-Anhang, Bildnissen, anderen Kunstbeilagen, Nach-
1 74 Litteratnr.
trägen und Berichtigungen zu den drei Bänden, zwei Siegeltafeln,
zwei Bandschriftentafeln, General - Register für die drei Bände
und dem Stammbaum von der Theilung in Linien an. Weimar,
Böhlau. 1894. VI, 386 u. 42 SS., 84 B1L 8°.
Turba, Gustav. Zur Verhaftung des Landgrafen Philipp von Hessen
L547: 23. 'Jahresbericht über die k. k. Oberrealschule in dem
IL Bezirke von Wien. 1894. S. 3-32.
Ullrich, l'aul Wilh. Die, Anfänge der Universität Leipzig. I. Pei-
sonenverzeichnife 1409b— 1419a. Aus den ältesten Matrikeln der
Universität zusammengestellt. Leipzig, M. Spirgatis. 1895. XV,
118 SS. 8°.
Voigt, Friedr. Alb. Die Besitzer der Herrschaft Droyfsig von An-
fang des 15. bis zu Ausgang des 19. Jahrhunderts (Schlafe): Viertel-
jahrsschrift für Wappen-, Siegel- u. Familienkunde. .Jahrg. XXII
(1894). S. 1 — 14.
Völkel, August. Wie die Herrschaft Plauen an das Haus Wettin
kam: Unser Vogtland. Jahrg. I (1894). S. 187—192.
Vollhardt, R. Die Musikschätze der Zwickauer Ratsschulbibliothek:
Neues Sachs. Kirchenblatt Jahrg. II (1895). Sp. 79 f.
Weinhold. Kurt Bernhardi [zuletzt Rektor der Fürstenschule zu
Grimma]: Biograph. Jahrbuch für Altertumskunde. Bd. XVII
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Altertumswissenschaft Bd. LXXIX, 1894). S. 72-77.
W (einhold), C. E. Zur Geschichte von Alt-Chemnitz: Chemnitzer
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Wiehert, Ernst. Zwei Hochmeister Deutschen Ordens aus dem
Vogtlande: Unser Vogtland. Bd. I (1894). S. 135— 139.
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Wustmann, G. Der angebliche Leipziger Maler Nicolaus Knüpfer:
Leipziger Tageblatt. 1895. No. 24. S. 313 (vergl. No. 43. S. 567).
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Wuttke, Robert. Tabellen zu den Vorträgen über Sächsische Finanz-
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Frhr. v. Zedtwitz, Arthur. [Die Wappen der im Königreich Sachsen
blühenden Adelsfamilien: Fürsten und Grafen v. Schönburg —
v. Seelhorst]: Dresdner Residenz -Kalender für 1895 (Dresden,
Warnatz & Lehmann). S. 177—187. Mit 6 Tafeln.
Zschommler, Max. Julius Mosen in Markneukirchen: Unser Vogt-
land. Bd. I (1894). S. 215—222.
Hunte Bilder aus dem Sachsenlande. Für Jugend und Volk. Heraus-
gegeben vom Sächsischen Pestalozzi -Verein. Mit zahlreichen
Abbildungen. Bd. I (I. verb. u. venu. And.), II (2. unv. Aufl.).
Leipzig, Julius Klinkhardt (Komm.). 1895. VIII, 400 SS. VI 11.
504 SS. 8°.
Carl August Erbgrofeherzog von Sachsen. Ein Lebensbild. Weimar,
H. Böhlau. L895. 64 SS. 8°.
Der Dom zu Meifsen: Sachs. Kirchen- u. Schulblatt, 1894. No. 20.
Sp. 193-201.
Die Edlen Herren von lleburg in Meifsen. Zusammenstellung der
Stammfolge 1156 — 1344 in Regestenform auf Grund des „Diplo-
matarium 1 leburgense " von G. A. von Mülverstedt (Magdeburg
1877): Viertel jahrsschrift für Wappen-, Siegel- und Familienkunde.
Jahrg. XXII (1894). 8 55 115.
Litteratur. 175
Die Gubener Garnison von 1744—1784 und Beiträge zu einem Offizier-
Register (nach Angaben des Stadtkirchenbuches) : Niederlausitz.
Mittheil. Bd. IL Heft 4 (1892). S. 323—325.
Die Gubener Garnison 1700—1744 und von 1785 bis zum Ende der
sächsischen Landeshoheit (nach Angaben des Stadtkirchenbuches) :
ebenda Heft 6 (1892). S. 442—448
Sammlung Otto Merseburger, umfassend Münzen und Medaillen von
Sachsen. Albertinische und Ernestinische Linie. Zu den bei-
gesetzten Preisen zu beziehen von Zschiesche & Köder, Leipzig,
Münzenhandlung. Mit zwei Tafeln. Leipzig, Zschiesche & Köder.
1894. VIII, 198 SS. 8°.
Unsere Matthäikirche in 4 Jahrhunderten. 1494—1894. Ein Denk-
und Jubelbüchlein zur Feier ihres 400jährigen Jubiläums (18. Nov.
1894). Leipzig, A. Deichert Nachf. 1894. 44 SS. 8°.
Zur Geschichte des Klosters Remse: Schönburger Tageblatt. 1894 No. 68.
Zur Charakteristik des Prinzenräubers Kunz von Kaufungen: ebenda
No. 73.
Die Schönburge auf Schlofs Crimmitschau: ebenda No. 102.
Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte. Herausgegeben im
Auftrage der Gesellschaft für sächs. Kirchengeschichte von Franz
Dibelius und Theodor Brieger. Neuntes Heft. Leipzig, Barth.
1894. 272 SS. 8°.
Inhalt : G e o r g M ü 1 1 e r , Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte
der sächsischen Landeskirche. Neun Vorträge in der Gehestiftung
zu Dresden im Herbste 1893 gehalten. Mit Anmerkungen und
Beilagen. I. Teil.
Dresdner Geschichtsblätter. Herausgegeben vom Verein für Ge-
schichte Dresdens. Jahrg. III (1894). No. 3, 4. Jahrg. IV (1895).
No. 1. Dresden, W. Baensch. 4°.
Inhalt: F. Blan ckm eiste r , Theodor Körners Vorfahren.
Reinh. Kade, Das erste Dresdner lutherische Gesangbuch.
0. Richter, Ursprung der Sachsenhymne. Ders. , Ausreifser
im Hussitenkriege 1438. Ders., Meifsner Weinhandel 1583. —
G. Beutel, Das Prinzliche Grundstück an der Zinzendorfstrafse
(mit Zugrundlegung eines handschriftl. Aufsatzes des f Oberhof-
meisters A. vonMinckwitz). 0. R[ichter], Ein Bildnis Canalettos.
Ders., Eine Wette im Jahre 1560. Zudrang zum Rechtsstudium
vor 100 Jahren. — Franz Schnorr von Carolsfeld, Aus
Julius Schnorrs Tagebüchern. 0. Richter, Eine Abbildung des
Barfüfserklosters.
Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vater-
ländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig. Neunter Band.
1. Heft. Leipzig (K. W. Hiersemann). 1894. 101 SS. 8°.
Inhalt: 0. Günther, Zur Geschichte des Leipziger Musen-
krieges im Jahre 1768. Ders., Aus Gottscheds Briefwechsel.
G. Buchwald, Simon Wilde aus Zwickau, ein Wittenberger
Studentenleben zur Zeit der Reformation.
Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend.
Heft IV. Zwickau, Druck von R. Zückler. 1894. XIX, 134 SS. 8°.
Inhalt: K. See 1 ig er, Zur ältesten Geschichte der Stadt Zwickau.
Rieh Beck, Aus dem Leben Joachim Fellers (nach handschrift-
lichen Quellen der Zwickauer Ratsschulbibliothek). M. Schilling,
Die Bedeutung der Zwickauer Ratsschulbibliothek für die poli-
l?(i Litteratur.
tische Geschichte. H. Klotz, Die Zwickauer Annalen des
Matthäus Winter. E. Fabian, Hexenprozesse in Zwickau und
Umgegend. Ders., Fahrende Ärzte und Kurpfuscher in Zwickau
und Umgegend.
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen, Des
3. Bandes 4. Heft ^Schluß). Meißen, Louis Mosche (Komm.).
1894. S. 333-470. XXXVIII SS. 8°.
Inhalt: Paul Markus, Meifsen wählend der Napoleonischen
Kriege (Forts.). W. L oose, Die älteren Meißner Zunftordnungen.
2. Die Schneider. H. Nitzsche, Geschichte des Volksschul-
wesens der Stadt Meißen. W. Loose, Afranisches. Lehensläufe
verdienter Meißner: Markus, Superintendent Christoph Haymann.
Leicht, Der Stadtschreiber Georg Gotthelf Welck und Freiherr
Carl Wolfgang Maximilian von Welck, Kreisamtmann zu Meißen.
Mitteilungen vom Freiherger Altertumsverein mit Bildern aus Frei-
bergs Vergangenheit. Herausgegeben von Heinr. Gerlach. 30. Hefl
1893. Freiberg i. S., Gerlachsche Buchdruckerei. 1894. 118 SS. 8°.
Inhalt: Reinhard Kade, Geschichte des Freibeiger Buch-
drucks. R. Rauschenbach, Die Jungfrauenschule zu Freiberg.
Th. Distel, Zur Geschichte des Moritzmonuments und seiner
Instandhaltung 1571. Ders., Bericht des Freiberger Rats an
die Landesregierung über die Opfer der Pest 1572. Ders., Tu-
mult in Freiberg den 25. Jan. 1664. Ders , Tröstung einer
Mörderin wegen einer 1710 zuerkannten „nicht unerträglichen"
Strafe. Ders., Schreiben des Freiberger Geliert v. J. 1747.
Ders., Tragikomisches Bittgesuch eines Freibergers vom Jahre
1789. Reinh. Kade, Die Orgel der Frauenkirche zu Dresden.
Max Richter, Persönliche Beziehungen zwischen den Nachbar-
städten Frankenherg und Freiberg. E. Heydenreich, Eine
verschollene Schrift des Freiberger Konrektors Moritz Döring,
des Dichters des Bergmannsgrußes. Blitzschlag in das Erbische Thor.
Schönburgische Geschichtsblätter. Vierteljahrsschrift zur Erforschung
und Pflege der Geschichte im Gebiete der Schönburgischen Receß-
und Lehnsherrschaften. Heft I, IL Waidenburg, E. Kästner.
1894/1895. S. 1-120. 8°.
Inhalt: Ein Wohlthäter der Schönburgischen Lande [Otto Victor
Fürst von Schönburg -Waldenburg]. R, R., Zur Geschichte der
Meeraner Industrie. R. Needon, Die Isenburg, ein noch ungelöstes
Räthsel. Turnvater Jahn in Waidenburg; nach Aufzeichnungen
eines Zeitgenossen. H. Colditz, Die Gründung der Stadt
Lichtenstein. Reinh. Hof mann, Stadt und Herrschaft Glauchau
um das Jahr 1663 und die Türkengefahr. Aus unserer Zeit. —
Bienengräber, Im September 1830. Ein Bild aus der Meeraner
Vergangenheit R. Hofmann, Zur Geschichte der Töpferei in
Alt Stadt -Waidenburg. H. Colditz, Kriegsereignisse in und um
Lichtenstein. R. Hofmann, Innungsbrief des Schuhmacher zu
Waidenburg vom Jahre 1549. Eine Lehrerstelle vor 200 Jahren.
Th. Schön, Fürsorge der Herren von Schönburg für ihre durch
Einquartierung fremder Truppen schwer geplagten Unterthanen.
Ders., Eine durch einen Herrn von Schönburg vermittelte Heirat
eines Vorfahren des deutschen Kaisers. Th. Distel, Allerlei
Findlinge. Aus unserer Zeit.
Inhalt.
.Seite
I. Eine mailändisch- thüringische Heiratsgeschichte
aus der Zeit König Wenzels. Von Professor
Dr. Karl Wenck in Marburg a./L 1
II. Leipzig und Wittenberg. Ein Beitrag zur säch-
sischen Reformationsgeschichte. Von Professor
Dr. Felician Gels in Dresden .43
III. Geschichte der Burg Rechenberg. Von Bürger-
schullehrer Dr. Georg Pilk in Dresden. . . . i)4
IV. Die älteste venetianische Bergordnung und das
sächsische Bergrecht. Von Privatdozent Dr. Otto
Opet in Bern 109
V. Stadtmarken der Zinngielser von Dresden, Leipzig
und Chemnitz. Von Direktorialassistent Dr. K.
Berling in Dresden 123
VI. Kleinere Mitteilungen 129
1. Zur Geschichte der Dresdner Thietmarhand-
schrift. Von J)r. Ludwig .Schmidt, Custos an der
k. öffentl. Bibliothek in Dresden. S. 129. 2, Der
Begräbnistag des Markgrafen Georg von Meißen.
Von Archivar Dr. P. Mitzschke in Weimar. S. 131.
3. Zu Mardochais, Rabbis de Nelle, angeblicher
Prophezeiung an Kurfürst August zu Sachsen
(1575). Von Archivrat Dr. Theodor Distel in
Dresden. S. 132. 4. Zum Nossener Kirchenbaue.
Von demselben. S. 134. 5. Eine Flugschrift über
das Anrecht König Friedrichs II. vonPreufsen auf
Böhmen. Von Dr. Walther Schultze in Halle a./S.
S. 134. 6. Der älteste kursächsische Bibliotheks-
katalog aus dem Jahre 1437. Von Staatsarchivar
Dr. Woldemar Lippert in Dresden. S. 135. 7. Brief-
beförderung des Kurfürsten von Sachsen 1449. Von
demselben. S. 139.
Litterat ur 141
Redakteur: Dr. Hubert Brmiseb. — Bucbdruckerei der Verlagshandlang.
Neues Archiv
für
Sächsische Geschichte
und
Altertumskunde.
Herausgegeben
von
Dr. Hubert Ermisch,
K Archivrat.
Sechzehnter Band. Drittes und viertes Heft.
Dresden 1895.
Wilhelm Baensch, Verlagsbuchhandlung.
Das Neue Archiv für Sächsische Geschichte
und Altertumskunde,
welches im Auftrage der Königlichen Staatsregierung und
des Königlichen Altertumsvereins herausgegeben wird, er-
scheint in halbjährlichen Doppelheften, von denen je zwei
einen Band von ungefähr 22 Bogen bilden. Der Preis des
Jahrganges — zu welchen auch die früheren Bände durch
jede Buchhandlung zu beziehen sind — beträgt 6 Mark.
Einzelne Hefte werden nicht abgegeben.
Manuskripte — die deutlich geschrieben und mit
breitem Rande versehen sein müssen — werden mit
50 Mark für den gedruckten Bogen honoriert.
Alle Zusendungen sind dem Herausgeber — Dresden,
Königliches Hauptstaatsarchiv — direkt oder durch die
Verlagsbuchhandlung zu übermitteln.
VII.
Koiirad Rott und die Thüringische Gesell-
schaft.
Von
Konrad Haebler.
Bei den Akten des Königl. Sachs. Hauptstaatsarchives,
welche von den geschäftlichen Unternehmungen des Kur-
fürsten August handeln, befindet sich der folgende an
seinen Kammersekretär Hans Jenitz gerichtete, höchst
charakteristische Brief:
„Lieber getreuer. Deine erinnerung des Pipers vnd
Canöls halben habe Ich nichts anders dan treulich vnd
wol gemeint verstanden. — Souil nun dieselbige handlung
anlanget, were Ich gerne langst dauon gewesenn, dieweil
Ich sehe, das Ich zum Pfeffersack nicht geboren, Vnnd
vom anfangk bifs Itzo kein glück darbey gespuert, habe
mich auch kegen Bernstein seinen selbst Vorschlag nach
dahin erkleret, das Ich jedes Pfundt Gerbulirtten Piper
vmb 12 gr. vnnd jdes Pfd. vngerbulirtten vmb 11 gr., den
Canöl aber vmb 24 gr. hinlassen wollte. Do Ich aber
eine entliche vnd schlifsliche antwortt gewarttet, Ist es
auf eine sundere handelungk verschoben wordenn, vnnd
stehet jtzo nach meiner erklerung gleich so weitleufftig
als für; Wie lustig mich das machet, das man mir nun
viel Märckte hero allemal darfur, vnd jm anfange der-
selbigen gute hofnung gemacht, vnd meine erklerung ge-
meiniglich duppelt gefordertt, vnd mich allein aulsgehört,
auf ein anders gefraget, vnd vf ein anders geschlossen,
das kanstu leichtlich ahn fingern abrechnen. Weil Ich
mich dan nuhmer altt, verdrossen vnd faul mache, vnd
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 1^
I 7 8 Konrad Haebler :
die zeit, so mir Gott ferner zuleben vergönnet, gerne mit
ruhe zubringen wollte, 80 habe Ich ernstlich bei mir be-
schlossen, mich aller hendel abzuthun, vnd zu eussern,
Es geschehe nun solches mit meinem Nutz oder schaden,
das stelle Ich eben dahin, vnnd will die vbrige zeit meines
lebens mit solcherm verdriislich hendeln nicht zubringen,
Sondern Gott vnnd meinen frommen Vnderthanen dienen
vnd fürstehen, So lange mir Gott genade vnd sterck
darzu verleihet, Amen. Vnd habe Dir auf Deine Treu-
herzige erinnerungk mein gemüet Deine Sachen Deiner
gelegenheit auch zurichtten, nicht bergen wollen. Was
Ich fortthin beim Specerej vnd kupffer handel zu thun
gedencke, vnd gelten mir Acher, Braunschweiger, Nürm-
berger vnd Auglsburger, darmit zuhandeln, gleich, denn
Ich habe den köpf gestreckt, vnd wil der falschen hendel
lois sein. Datum Annenburgk den 14. Octobris ao. 1580.
Augustus Churfürst &c."
Mit diesem Schreiben fand eine kurze, aber höchst
bedeutungsvolle Episode seiner Regierung ihren Abschluß,
die dem Kurfürsten während einer Reihe von Jahren
grofse Hoffnungen erweckt, und schwere Enttäuschungen
eingetragen hatte1).
Es war im Jahre 1576 gewesen, dals der Kurfürst
und in seinem Namen Hans Harrer, sein außerordentlich
rühriger und selbst in allerlei Handelsgeschäften thä-
tiger Kammermeister'2), den Hieronymus Kramer nach
Lissabon abgeordnet hatten, um dort allerlei geschäftliche
Angelegenheiten zu erledigen. Man hoffte dort Absatz-
gebiete sich zu eröffnen für die von der Meifsner Gesell-
schaft hergestellten Kupfer, für die neuen auf dem Werke
am Schneeberg hergestellten Saffalor-Farben , vor allem
aber sollte Kramer darnach streben, dem Kurfürsten die
Möglichkeit des direkten Bezuges von Droguen und
l) Der Pfefferhandel des Kurfürsten August ist zweimal von
Joh. Falcke (in einem Aufsatz in Webers Archiv für sächs. Ge-
schichte Bd. V und in seiner Geschichte des Kurfürsten August)
behandelt worden; allein da er lediglich die sächsischen Akten ge-
kannt und auch diese nicht in vollem Umfange zu Rate gezogen hat,
ist ihm der eigentliche Charakter der Kottschen Beziehungen zur
Thüringischen Gesellschaft gar nicht zum Bewufstsein gekommen.
Die Thatsachen, soweit dieselben von Falcke eingehend und richtig
dargestellt sind, habe ich nur so weit wiederholt, als zum Verständnis
des Aufsatzes unerläfslich schien.
a) Vergl. Georg Müller in dieser Zeitschrift XV, 63 ff.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft, 179
Spezereien zu verschaffen, sei es von Lissabon aus, sei
es dais man sie selbst aus dem fernen Indien holen sollte.
Mehr noch als zu Anfang des 16. Jahrhunderts befand
sich dieser einträgliche Zweig des Welthandels fast aus-
schließlich in den Händen der deutschen Grolskaufherren,
die dabei allerdings zu Zeiten den wildesten Spekulationen
sich hingaben, gemeiniglich aber noch immer Gewinne
von 100% und mehr erzielten. Bis dahin hatte das
Kurfürstentum Sachsen seinen Bedarf an diesen Artikeln
vorwiegend von Nürnberg und Frankfurt aus gedeckt;
der Kurfürst, der den wirtschaftlichen Angelegenheiten
ein lebhaftes Interesse und weitgehendes Verständnis
entgegenbrachte, wollte nunmehr zunächst probeweise
seinen eigenen Bedarf durch direkten Einkauf decken,
dann aber auch Erkundigungen einziehen, ob und wie
weit sich auf diesem Gebiete ein gewinnbringender
Handel würde eröffnen lassen. Zu diesem Zwecke war
Hieronymus Kramer über Hamburg und Antwerpen nach
Lissabon abgeordnet worden und dort im Juni 1576 ein-
getroffen.
Es konnte Kramer nicht schwer fallen, zu ermitteln,
wer unter den zur Zeit in Lissabon vertretenen deutschen
Kaufherren am meisten seine Zwecke zu fördern im-
stande war, und so bat er schon in den Briefen, die seine
glückliche Ankunft in Lissabon anzeigten, um Empfehlungs-
schreiben an Herrn Nathanael Jung, den Vorsteher der
portugiesischen Niederlage des Herrn Konrad Rott, Rats-
herrn und Grofskaufmanns zu Augsburg. Das Haus des
Konrad Rott stand damals auf seinem Höhepunkte. Rott
selbst war ein Mann in seinen besten Jahren. Er wird
um 1530 als Sohn des Hans Konrad Rott und der Helena
Baumgartnerin geboren sein und war fast mit allen
Gröfsen des Augsburger Handels, besonders aber mit
dem Hause der Welser mehrfach verschwägert. Schon
von seiner Jugend au war er vorwiegend in Spanien und
Portugal erst für das väterliche, dann für das eigene
Geschäft thätig gewesen; in Lissabon begegnen wir ihm
1559, dann 1563 einmal in Rom, darnach aber wieder
auf der iberischen Halbinsel, wo er sich besonders be-
strebte, Lieferungen von deutschen, nord- und ostländischen
Waren für die Könige von Spanien und Portugal zu er-
langen. Vor wenigen Monaten war ihm nun in dieser
Beziehung eine Spekulation geglückt, die durch ihre
Großartigkeit Aufsehen erregt und seinen Namen zu
12*
180 Konrad Haebler:
einem der bekanntesten unter den Handelsherren der
portugiesischen Hauptstadt gemacht hatte.
Das hauptsächlichste Erträgnis des weiten portu-
giesischen Kolonialreiches in Indien bildeten die kost-
baren Gewürze, vor allem der Pfeffer, welchen die all-
jährlich im März von Lissabon auslautenden königlichen
Schiffe im August des folgenden Jahres aus G-oa, Cochin,
Cananor und anderen indischen Märkten zurückzubringen
pflegten. Dieser Handel war ein ausschließliches Vor-
recht der Krone, nur die königlichen Beamten besorgten
in Indien den Einkauf, der gesamte Ertrag wanderte in
das Stapelhaus zu Lissabon, und nur der König konnte
zu den von ihm selbst festgesetzten Preisen die kostbaren
Waren weiter verkaufen. Zu verschiedenen Zeiten war
dies auf verschiedene Weise geschehen; um 1575 aber
war es üblich, dals eine Anzahl der reichsten Handels-
herren des In- und Auslandes sich zusammenthaten zu
zwei Gesellschaften, deren eine von dem König das Recht
erwarb, den Einkauf des Pfeffers in Indien und seine
Verfrachtung nach Lissabon zu besorgen, wofür die Hälfte
des Pfeffers ihr Eigentum wurde, die andere Hälfte aber
dem Könige zufiel, während die andere Gesellschaft den
ganzen Pfeffer zu bestimmtem Preise dem Könige, meist
natürlich gegen Vorausbezahlung des grölsten Teiles seines
Wertes, wieder abnahm und dafür das ausschließliche
Recht erlangte, denselben in alle Welt hinaus weiter
zu verkaufen. Die beiden Kontrakte, durch welche der
König von Portugal die Geschäfte den beiden Gesell-
schaften überliels, nannte man den Kontrakt von Indien
und den Kontrakt von Europa, und diesen letzteren hatte
zu nicht geringem Erstaunen der gesamten Handelswelt
Konrad Rott in den letzten Monaten des Vorjahres von
dem Könige Sebastian von Portugal auf die nächsten
fünf Jahre gepachtet. Wohl kannte man Konrad Rott
als einen Kaufmann von kühnem Unternehmungsgeiste
und außerordentlicher Geschäftserfahrung, allein dieser
Spekulation hielt ihn niemand für gewachsen. Sonst hatten
immer mindestens zwei bis drei große Handelsfirmen sich
zu dem Kontrakte zusammengethan, Firmen, wie die
Welser und Imhof hatten es nicht gewagt, den Kontrakt
zu übernehmen; kein Geringerer als König Philipp H.
von Spanien hatte sich bei seinem königlichen Neffen um
diesen Kontrakt beworben, einen Kontrakt, der in den
5 Jahren mehr als 3 Millionen Dukaten erforderte, und
Conrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 181
diesen Kontrakt hatte Konrad Rott für sich allein, ohne
einen Gesellschafter, in seine Gewalt gebracht. Als das
Gerücht zuerst an den Börsen sich verbreitete, wollte
niemand recht daran glauben. Bald hiefs es, er solle die
Welser, bald die Fugger oder Imhof, bald den Johann
von Pelcken hinter sich haben, einen reichen Österling
von Danzig und alten Portugeser (d. h. lange schon in
Lissabon Ansässigen), aber alle lehnten sie jede Be-
teiligung ab, und es blieb dabei, dafö Rott und nur Rott
den Kontrakt gemacht hatte ::). Freilich waren die Be-
dingungen derart, dafs er schon reich dabei werden konnte,
vorausgesetzt, dais er es aushielt.
Rott verpflichtete sich im ersten Jahre 12000 und
in jedem folgenden 20000 Zentner (quintal) Pfeffer zum
Preise von 34 Dukaten für den Zentner dem Könige
abzukaufen. Von der Kaufsumme mufste er allerdings
ein paarmal hunderttausend Dukaten zu mäfsigem Zinse
vorausbezahlen, die ihm erst im letzten Jahre des Kon-
trakts wieder gutgethan wurden ; er durfte aber auch ein
volles Fünftel des Kaufpreises dem Könige in alten portu-
giesischen Schuldbriefen erlegen, die zur Zeit von ihren
Besitzern zu weniger als dem halben Werte zu haben
waren, auch sollte er einen Teil der Zahlung in Theer,
Tauwerk und anderen zum Schiffsbau nötigen Artikeln
liefern, die man in Lissabon aus Ostland zu beziehen
pflegte. Die grofsen Handelsherren meinten, der Kontrakt
sei gar nicht so übel, wenn er nur erst das erste Jahr
überwunden habe, welches die bedeutendsten Zahlungen
erforderte und doch nur die geringsten Erträge gewährte.
Rott selbst war zunächst voller Zuversicht. Un-
mittelbar nach dem Abschlufs in Lissabon kam er nach
Madrid — angeblich um mit den Fugger wegen der
Überlassung ihrer portugiesischen Schuldtitel zu unter-
handeln, thatsächlich aber weit mehr, um sich durch einen
Wechselvertrag mit dem Könige von Spanien, der sich
damals infolge der gewaltsamen Abrechnung mit seinen
Gläubigern in arger Verlegenheit wegen der Rimessen
nach den Niederlanden befand, die ersten 100000 Dukaten
für seine Anzahlungen zu sichern — und trat dort auf,
als ob er Herr auf allen Plätzen der Christenheit sei.
:i) Vergl. darüber die Korrespondenz des Fuggerischen Agenten
Thomas Müller. Fürstl. & Gräfl. Fuggersches Archiv (in Augs-
burg) 2, 5, 13.
182 Konrad Haebler:
Allein diese zuversichtliche Stimmuno- konnte nicht lange
vorhalten. Die Räte Philipps II., von den Fuggerschen
Agenten beraten, trauten dem großsprecherischen und
leichtfertigen Auftreten Rotts nicht und machten ihre
Geschäfte lieber mit den Fugger selbst. Auch diese
zeigten sich gegen Rott äufserst zurückhaltend, obwohl
sie ihm ein nicht unbeträchtliches Konto eröffneten. Seine
Gegner und Neider aber ergriffen die Gelegenheit und
streuten in Lissabon aus, Rott werde nicht einmal die
erste Zahlung zu leisten imstande sein, so dafs die portu-
giesischen Beamten Sorge trugen, ihm -die bedungenen
Lieferungen von Pfeffer und Gewürzen anzuvertrauen.
So mufste sich Rott schon im März 1576 entschließen,
auf den Alleinbesitz des Kontraktes zu verzichten. Er
hatte sich die gröfste Mühe gegeben, Deutsche als Partner
zu erlangen. König Sebastian hatte wiederholt erklärt,
dafs er am liebsten nur Deutschen, wegen ihrer Zuver-
lässigkeit, Teil an dem Kontrakte gewähren wolle, und
Rott hatte es sich angelegen sein lassen, das unter seinen
Landsleuten zu verbreiten ; aber bei diesen stand er selbst
zu wenig in dem Ruf dieser auszeichnenden Eigenschaften,
um die Teilhaberschaft an seinen Unternehmungen be-
sonders verlockend erscheinen zu lassen. So mufste er,
nachdem er eine Zeit lang durch Schleuderverkäufe ver-
geblich versucht hatte, über die ersten Geldverlegenheiten
hinauszukommen, sich doch entschließen, die Unterstützung-
fremden Kapitales iu Anspruch zu nehmen, und so trat er
im April 1 576 dem Giacomo dei Bardi und seinen Mitver-
wandten drei Achtel seines Kontraktes ab. Nach aufsen hin
wurde das mit der Begründung bemäntelt, es sei ihm nur
darum zu thun gewesen, „die heillosen Juden" - - nämlich
seine Neider — zur Ruhe zu bringen; in Wirklichkeit
gewann erst durch diesen Rückhalt sein Unternehmen
einen festen Grund und diejenige Stetigkeit, welche die
Voraussetzung einer gewinnbringenden Thätigkeit waren.
So weit waren die Verhältnisse gediehen, als Hierony-
mus Kramer in Lissabon anlangte und die Unterstützung
des Rottschen Hauses bei dessen Vorsteher, dem Herrn
Nathanael Jung, nachsuchte. Sie wurde ihm selbstver-
ständlich auf das Bereitwilligste gewährt. Kramer scheint
sich anfänglich mit grofsen Plänen getragen zu haben;
es ist wiederholt davon die Rede, dals er selbst oder
weiterhin ein anderer an seiner Stelle eine Reise nach
Ostindien im Auftrage des Kurfürsten und seines Kammer-
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft, 183
ineisters machen sollte. Allein von solchen Gedanken
scheint er, an Ort und Stelle, bald zurückgekommen zu
sein. Während er mit Eifer und Gewissenhaftigkeit die
direkten Aufträge seines Herrn nicht nur in Lissabon,
sondern auch in Sevilla ausführte, die erworbenen Gegen-
stände, von eingehenden Informationen begleitet, nach
Hamburg an Johann Wichmann, den Agenten des Kammer-
meisters, abgehen liels, machte er allerlei Bedenken gegen
die Reise nach Indien geltend. Vor allem ist es sein
protestantisches Bekenntnis, durch welches er Schwierig-
keiten befürchtet, und bei der strengen Kontrole, welcher
die Passagiere der Indienflotten unterworfen wurden,
konnte er thatsächlich eines Verbotes seiner Reise ge-
wärtig sein. Auch die Rottischen werden ihn kaum dazu
ermutigt haben. Es ist zwar nicht nachzuweisen, dals
dieselben schon damals sich mit dem Gedanken getragen
hätten, den kurfürstlichen Unternehmungsgeist sich zu
nutze zu machen, sicherlich aber konnten sie kein Inter-
esse daran haben, sich in einer so mächtigen und einflufs-
reichen Persönlichkeit einen Geschäftskonkurrenten er-
wachsen zu sehen. So erwiesen sie sich denn auf das
höchste entgegenkommend in allem, was sie für Kramer
und dessen Auftraggeber thun konnten — sie übernahmen
z. B. die Übermittelung des Geldes zu dessen Besorgungen
von Sachsen nach Lissabon, ohne die mindeste Provision
zu beanspruchen — , aber für eine Reise nach Indien
scheinen sie ihm keinerlei Förderung in Aussicht gestellt
zu haben.
Hieronymus Kramer blieb noch bis in den Juni des
folgenden Jahres in Lissabon. Neben Gewürzen sind es
vor allem Perlen und Edelsteine, die er im Auftrage mehr
noch der Kurfürstin als des Kurfürsten dort erwirbt.
Einmal verrechnet er die beträchtliche Summe von
2272 Dukaten, die er zum Ankauf von Smaragden,
Rubinen, Diamanten und anderem edlen Gestein ver-
wendet hat4); ein anderes Mal wird eines Wechsels über
3583 V2 fl. gedacht, die er ebenfalls in der Hauptsache
für Besorgungen aufgewendet hatte5). Zu der indischen
Reise aber verrieten seine Briefe eine unverkennbare
Unlust, und so wurde er denn im Sommer 1577 zur Rück-
4) Loc. 7410. Schriften betr. die Meifsn. und Thür. Gesell-
schaft Bl. 3.
5) Cop. 37« B Bl. 66 v.
184 Konracl Haebler:
kehr ermächtigt, Die unerledigten Aufträge durfte er
in den Händen der Rottischen zurücklassen, die dadurch
in fortdauernden Beziehungen zu dem Kurfürsten und
seinem Kammermeister blieben.
Die nächsten Jahre waren für Rott außerordentlich
günstig. Zwar wenn wir den Fuggerischen Agenten
Glauben schenken dürfen, so war der Rottsche Geschäfts-
betrieb auch damals ein sehr „seltsamer". Wir sehen,
wie die Fuggerischen, auf Befehl, den sie aus Augsburg
bekommen, den Rottischen nur mit äufserster Vorsicht in
ihren Wechselgeschäften dienen, uud sie erklären mehr
als einmal, dals es gut sei, so wenig wie möglich mit
Rott und seinen Leuten zu thun zu haben. Allein da
spielt wohl eine gewisse persönliche Abneigung hinein,
die schliefslich in beiden Handelskontoren unverkennbar
ist. In Portugal und bei den dort verkehrenden fremden
Kaufleuten genofs Konrad Rott jedenfalls ein grofses
Ansehen und aufserordentliches Vertrauen, welches von
Jahr zu Jahr anwuchs. Eine besonders günstige Kon-
junktur bot sich ihm durch die kriegerischen Pläne des
jungen Königs Sebastian. Schon ein Paragraph seines
Vertrages verpflichtete ihn ja zu jährlichen nicht unbe-
trächtlichen Lieferungen an Schiffs- und Kriegsbedarf;
aber während der Vorbereitungen zu dem afrikanischen
Feldzuge, der bei Mazar-el-Kebir ein so trauriges Ende
nahm , reichten diese Vorräte bei weitem nicht aus , und
Rott genofs in so hohem Grade das Vertrauen des Königs,
dals ihm vor allen anderen der Löwenanteil an den Auf-
trägen der Regierung zufiel6). Der Gebrauch, den er
davon machte, ist einer der besten Züge, den wir von
Rott zu berichten haben. Er beruft sich bei einer späteren
Gelegenheit darauf, dafs er diese ganzen Aufträge zum
besten seines Vaterlandes und für dessen Industrie ver-
wendet habe. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, schreibt
er, den bedeutenden Bedarf an blanken und an Feuer-
waffen, an Zelten und an anderer Kriegsrüstung im Aus-
lande aufzukaufen; ja es seien zum Teil diese Artikel der
Regierung etwas theuerer zu stehen gekommen durch ihn,
aber er habe es eben durchgesetzt, dals er alles aus
6) Vergl. Rotte Angaben darüber in : Gespräch so der Pasquinus
mit dem Marpborio auf dem Kapitol zu Rom . . . gehabt (o. O. 1580).
Forderungen Rotts aus diesen Geschäften werden noch nach dem
Bankerott erwähnt. Acta priora Fugger contra Rotten curatores.
Fugger-Archiv 2, 5, 1.
Koiirad Rott und die Thttringische Gesellschaft. 185
Deutschland beziehen und seinen Landsleuten diesen Ge-
winn zu anderen verschaffen durfte. Allerdings griff der
König bei der schnell anwachsenden Geldnot in den
Pfefferkontrakt ein und warf eine Anzahl Tausend
Zentner zu Schleuderpreisen auf den Markt; aber Rott
wurde 'dafür natürlich durch Gewährung anderer Vor-
teile entschädigt, die nach seinen eigenen späteren Äuße-
rungen den Verlust vollkommen aufwogen. Noch glänzen-
der aber gestalteten sich Rotts Verhältnisse nach König
Sebastians Tode, als König Heinrich die Regierung über-
nahm.
Nach einer alten Unsitte verloren mit dem Tode des
Königs auch alle in seinem Namen geschlossenen Ab-
machungen ihre Giltigkeit. So wurde denn auch Rotts
Kontrakt hinfällig, bevor die bedungene Frist abgelaufen
war. Dies scheinbare Unglück sollte aber durchaus nicht
zu seinen Ungunsten enden. Rott mufs sich doch in den
Beziehungen zur portugiesischen Regierung geschickt und
gewissenhaft benommen haben, denn König Heinrich be-
rief ihn unmittelbar nach der Thronbesteigung zu sich
und bestätigte ihm nicht nur seinen früheren Vertrag,
sondern trug ihm sogar zwei neue an: der eine übertrug
ihm den Vertrieb des Pfeffers in Europa auf weitere drei
Jahre nach dem Ablauf seines bisherigen Kontraktes,
der andere brachte auch den Gewürzeinkauf in Indien in
seine Hände, so dafs Rott für die nächsten fünf Jahre
alleiniger und fast unbeschränkter Herr des ganzen Ge-
würzmarktes der AVeit wurde. So wenigstens erfaßte er
selbst die Sache; denn während bisher die contractadores
de India sich nur zum Aufkauf von 20000 Zentner Pfeffer
verpflichtet hatten und die Mehrproduktion immer wieder
auf dem alten Handelswege über Alexandria nach Venedig
abgeflossen war, übernahm es Rott, jährlich 30000 Zentner
aufzukaufen, eine Summe, die kaum jemals wirklich in
einem Jahre zu Markt gekommen war, ausdrücklich in
der Absicht, dadurch den arabisch- venetianischen Handel
vollständig abzusperren. Gleichzeitig erhielt er vertrags-
weise das Recht zur Einführung von jährlich 1000 Zentner
Canel und als Gnadenbeweis die Erlaubnis zur freien
Einfuhr von 300 Zentner Gewürznelken. Die Haupt-
gefahr dieses Vertrages lag in seiner Großartigkeit, denn
er erforderte, ganz abgesehen von den Geldgeschäften
mit der portugiesischen Regierung, die Auslage von zwei
vollen Jahresquoten in Indien, ehe der erste Sack Pfeffer
18f5 Conrad Eaebler:
in Lissabon auf den Markt gebracht werden konnte
Darüber, dafs er dies Geschäft allein nicht durchzuführen
imstande sei, täuschte sich auch Rott, trotz seines an
Leichtsinn streifenden Sanguinismus, nicht, vielmehr suchte
er von vornherein fremdes Kapital in das Unternehmen
hineinzuziehen, aber in einer solchen Weise, dafs ihm
selbst möglichst ungehindert die Leitung des Ganzen
blieb. Die portugiesische Regierung unterstützte ihn in
letzterer Richtung dadurch, dafs sie erklärte, die Verträge
würden ausschließlich mit Konrad Rott beschlossen und
auf seinen und seiner Söhne Namen in die königlichen
Bücher eingetragen. Auch sollte Rott allein in Lissabon
das gesamte Unternehmen vertreten und seine Teilhaber
darauf angewiesen sein, nur mit ihm und niemals direkt
mit der Regierung zu verhandeln. Um aber auch den
anderen Zweck, den Zufluls fremden Kapitals, zu erlangen,
hatte Rott den gesamten Geldwert, den seine Verträge
repräsentierten, in dreifsig Teile geteilt. Von diesen be-
hielt er zwölf ein halb Teil für sich selbst, um sich die
ausschlaggebende Stimme zu sichern. Von dem Reste
aber trat er zehn Teile an die Portugiesen und sieben
ein halb Teil an die Italiener ab7) und räumte ihnen
neben den entsprechenden Anteilen am Gewinn auch noch
die Rechte ein, dafs in der Niederlassung, die Rott zum
Gewürzeinkauf in Cochin errichtete, neben einem deutschen
Leiter — als erster wurde Hans Hartmann Hyrus er-
nannt, der vorher in dem Comptoir zu Lissabon beschäftigt,
aber schon in Rotts Diensten nach Indien gegangen war —
ein Portugiese als Kassierer und ein Italiener als Buch-
halter angestellt werden sollten.
Allein auch so noch ging das Unternehmen weit über
Rotts Kräfte. Man bewunderte wohl seine Kühnheit,
man beneidete ihn um die augenblicklichen Erfolge, allein
man traute ihm keineswegs zu, dais er die Sache zu einem
glücklichen Ende führen werde, vor allem deshalb, weil
er zwar grofs war im Organisieren auch der gewaltigsten
Unternehmungen, aber unsicher und schwach, wo es galt
in ruhiger, ausdauernder Energie die grofsen Unter-
nehmungen im einzelnen auszubauen. Trotz der blenden-
den Resultate hielten besonders seine deutschen Lands-
") Nachträglich fand eine Ausgleichung des italienischen und
portugiesischen Anteils statt, so dafs jede Nation gleichen Anteil
erhielt. Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 354 ff.
Konrad Rott and die Thüringische Gesellschaft. 187
lente noch immer mit ihrem Gelde zurück und gewährten
ihm nur geringfügigen Kredit. Aus dieser zweifelhaften
Lage rettete sich Rott mit einem Schlage durch einen
Zug, der seinem kühnen Unternehmungsgeist alle Ehre
machte.
Seit Hieronymus Krämer nach Deutschland zurück-
gekehrt war, hatte Rott wiederholt Veranlassung gehabt,
dem Kurfürsten August und der Kurfürstin Anna durch
Ausführung ihrer Besorgungen auf den spanischen und
portugiesischen Märkten gefällig zu sein, und dadurch
war er mit dem Hofe und auch mit dem kurfürstlichen
Kammermeister Harrer, der übrigens mit einem von Rotts
Vettern, dem Georg Rott, verschwägert war, in fort-
dauernden Beziehungen geblieben. Diese benutzte er
jetzt, um zunächst dem Kammermeister Harrer einen
Anteil an dem Pfefferhandel anzubieten. Seine Vorschläge,
von denen gleich weiter die Rede sein wird, waren auch
diesmal wieder von phänomenaler Kühnheit; sie sollten
nichts geringeres als eine vollkommene Umgestaltung des
mitteldeutschen Handels herbeiführen und natürlich Schätze
an Gewinn abwerfen. Harrer erklärte zwar schon nach
den ersten Eröffnungen, dafs die Sache für ihn zu grofs-
artig sei; er that aber einen, vielleicht von Anfang an
verabredeten folgenschweren weiteren Schritt in der An-
gelegenheit: er unterbreitete sie seinem kurfürstlichen
Herrn, der gerade damals in vielfache Handelssachen
verwickelt war, und suchte dessen Interesse für das
Unternehmen zu gewinnen. In seiner ursprünglichen Ge-
stalt ging Rotts Plan nur dahin, in sächsischen Landen
einen neuen Markt für die Gewürze für Mitteldeutsch-
land zu schaffen, den er ausschliefslich mit den Erträg-
nissen seines indischen Kontraktes versorgen wollte. Seine
sächsischen Partner sollten sich nur verpflichten, eine
bestimmte gröisere Masse von Gewürzen zu festbestimmten
Preisen gegen sofortige Baarzahlung zu übernehmen, den
weiteren Vertrieb wollte er ihnen vollständig überlassen,
auch sich verpflichten, auf keinem deutschen Markte
weiter Gewürze zum Verkauf zu bringen. Das sollte
seine Rache sein an den grofsen Nürnberger, Augsburger
und Frankfurter Handelshäusern, die ihm fortdauernd jede
Unterstützung verweigert hatten. Als Stapelplatz hatte
er Torgau ins Auge gefalst, vor allem aus dem Grunde,
damit die kostbare Ladung ausschliefslich auf dem Wasser-
wege befördert werden könne, der billiger und weniger
188 Konrad Haebler:
durch Zollschranken belästigt seis). Das Projekt war in
dieser Form allerdings noch ziemlich vage, trotzdem liels
sich nicht verkennen, dals hier zu bedeutenden Geschäften
Gelegenheit geboten war. Für Kurfürst August fiel
neben der Aussicht auf den beträchtlichen Handelsgewinn
vor allem noch der Umstand schwer in die Wagschale,
dals das Unternehmen, wenn es gelang, die Vorherrschaft
der süddeutschen Handelsstädte durchbrechen und damit
dem eigenen Lande erhöhtes Ansehen und groise Vorteile
verschaffen mutete. Er scheint denn auch mit seiner
Entscheidung nicht lange gezögert zu haben. Auf Rotts
Vorschläge, die an Harrer in einem Briefe vom 14. Januar
1579 übermittelt wurden, erfolgte am 15. Februar die
Antwort, die Rott zu persönlichen Verhandlungen nach
Torgau berief.
Am 11. März traten in Torgau zusammen: von Bern-
stein, Hans Jenitz und Hans Harrer als Abgeordnete des
Kurfürsten, eine Abordnung der Kaufmannschaft von
Leipzig und Konrad Rott, der schon zuvor mit Harrer
allein verhandelt zu haben scheint. Rott trat zuerst wieder
mit seinem obenerwähnten Projekte hervor: er wollte
8000 Zentner Pfeffer zu 4128Ö0 Gulden, 800 Zentner
Negel zu 149 0G6 Gulden, 600 Zentner Canel zu
103200 Gulden, 500 Zentner Nuls zu 78833 Gulden,
200 Zentner Macis zu 51600 Gulden und 800 Zentner
Ingwer für 28666 Gulden, also insgesamt Gewürze im
Werte von 947790 Gulden von Lissabon oder mit 15"/,,
Vergütung für Fracht und Versicherung bis Hamburg
liefern, wenn man ihm für die sogenannten kleinen Ge-
würze (alles mit Ausnahme des Pfeffers) die halbe Ein-
kaufssumme vorschieisen, den Pfeffer aber nach Ankunft
in Hamburg baar bezahlen wollte. Er war bereit, sich
an dem Verkaufsgeschäfte zur Hälfte zu beteiligen, aber
nur, wenn man ihm für die gelieferten Gewürze den
Taxpreis vorschußweise auch für seinen Halbteil bezahlen
würde. Er berechnete, dals auf diese Weise ein voraus-
zuzahlendes Betriebskapital von 236535 Gulden von
seiten seiner Partner aufzubringen sein würde, während
er, auiser dem gleichen Kapital auch noch den Pfeffer
bis Hamburg lieferte, ehe er ihm bezahlt wurde. In einem
zweiten Vorschlage, der aber ganz auf derselben Basis be-
s) Loc. 7411. Port, Handlungen Bl. -1 ff. u. ih. Handlung u. Kon-
trakt Bl. 2« ff.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 189
ruht, reduzierte er das Gesamtkapital auf 857131 Gulden,
indem er einen Teil der Gewürze zu billigeren Preisen
zu liefern versprach. Aber auch so fanden seine Vor-
schläge keine Annahme. Vor allem waren es die Ver-
treter der Leipziger Handelsschaft, welche weitläufige Be-
denken erhoben und damit die Verhandlungen aufhielten ;
doch waren auch die kurfürstlichen Abgeordneten wenig
geneigt, die Vorschläge in ihrem ganzen Umfange zu
acceptieren. Dagegen scheinen sie allerdings von vorn-
herein entschlossen gewesen zu sein, den Teil, der sich
auf das Pfeffergeschäft bezog, anzunehmen.
Das war denn auch endlich das einzige Resultat.
Die Beteiligung der Leipziger scheiterte vorläufig daran,
dafs Rott seine Gewürzlieferungen nicht durch Safran
vervollständigen konnte; wenn aber dieses zu jener Zeit
außerordentlich stark verwendete Gewürz nach wie vor
in Nürnberg gekauft werden müsse, argumentierten die
Leipziger, so würden auch die anderen Gewürze, da man
kein Monopol dafür besäfse, nach wie vor dort ihren
Absatz behalten. Da sie nur ganz allgemein gehaltene
Vollmachten besafsen, demnach auf Einzelheiten sich ein-
zulassen nicht ermächtigt waren, scheinen sie am 15. März
von den Verhandlungen zurückgetreten zu sein , mit der
Voraussetzung jedoch, dafs dieselben später in Leipzig
wieder aufgenommen werden sollten. Das Pfeffergeschäft
aber wollten die kurfürstlichen Räte sich jedenfalls nicht
entgehen lassen und setzten deshalb die Verhandlungen
auch nach der Abreise der Leipziger fort. Über die
wesentlichen Punkte wurde man ziemlich schnell einig,
nur der Preis, zu welchem Rott den Pfeffer liefern sollte,
machte einige Schwierigkeiten. Im ersten Entwurf hatte
er 36 Dukaten für den Zentner begehrt, im zweiten war
er auf 32 Dukaten heruntergegangen, aber auch das
erschien den Kurfürstlichen noch zu hoch. Rott behauptete
dagegen unter diesen Preis nicht herabgehen zu können ;
ja er erbot sich, das ganze Geschäft lieber allein zu
machen und aufser 5°/0 Zinsen jährlich noch 60000 Gulden
an den Kurfürsten zu zahlen, wenn dieser ihm nur für
jeden Zentner Pfeffer, den er nach Leipzig lieferte,
36 Dukaten vorschieben würde. Obgleich dabei der wunde
Punkt in der Rottischen Unternehmung, der Mangel des
unbedingt nötigen Betriebskapitales, sehr deutlich durch-
schimmerte, verfehlte dieses Anerbieten doch nicht, Ein-
druck auf die Unterhändler zu machen, und als Rott
[90 Konrad Haeliler:
ziemlich überzeugend nachwies, dafs man mit diesen
Preisen noch immer ohne Schwierigkeiten einen Gewinn
von 30°/0 werde erzielen können, so erfolgte denn auch
darüber eine Verständigung.
Am 17. März war man so weit gediehen, dafs es
sich nur noch darum handelte, die Formen für das ge-
schäftliche Unternehmen zu finden. Kurfürst August war
bereit, den Geschäftsvertrag mit Rott abzuschließen, ja
er hätte es wohl auch unbedenklich mit offener Nennung
seines Namens gethan, wenn nicht seine Berater bei der
monopolistischen Tendenz des Unternehmens Unzuträg-
lichkeiten davon befürchtet hätten. Er erklärte sich
deshalb denn auch einverstanden, dafs man den Schein
einer kaufmännischen Handelsgesellschaft vorschützen
sollte, nur als seine Räte vorschlugen, dieselbe die „Dres-
dener" Gesellschaft zu nennen, fand er diesen Namen
unzweckmässig, da Dresden als Handelsplatz zu geringen
Ruf besäfse, um ein Welthandels-Unternehmen mit seinem
Namen einzuführen; lieber möge man, da eine Leipziger
Gesellschaft noch immer für den Handel mit den anderen
Gewürzen erhofft wurde, die Pfeffer -Handelsgesellschaft
die Erfürtische oder Thüringische nennen. Für letzteren
Namen entschieden sich die Unterhändler und Kurfürst
August gab dazu am 25. März 1579 seine Zustimmung9).
Schon am 18. hatte er erneut die drei Unterhändler
Bernstein, Jenitz und Harrer nicht nur zum Abschluß
des Vertrages in seinem Namen bevollmächtigt, sondern
ihnen auch dauernd die Leitung aller aus diesem Ver-
trage entstehenden Geschäfte übertragen und gewährte
ihnen in Anerkennung der guten Dienste, die er von
ihnen erwartete, r4 des aus allen diesen Geschäften zu
erzielenden Gewinnes. Dagegen stellten am selben Tage
die drei Unterhändler einen Revers aus, worin sie er-
klären, dafs alles, was sie mit Konrad Rott abmachen,
durchaus nur im Namen und Auftrage ihres kurfürst-
lichen Herrn geschehe und dafs ihnen daran kein
weiteres Recht zustehe, als was er ihnen gnädig daran
einzuräumen für gut befinde.
Nunmehr erhielten die Abmachungen die vertrags-
mäfsige Form und wurden am 21. März von beiden Teilen
unterzeichnet. Darin verpflichtet sich Rott jährlich
8000 Zentner Pfeffer zu liefern, und zwar nicht nach
'->) Hauptstaatsarchiv Cop. 448 Bl. 94.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 191
Torgau oder einem andern am Wasser gelegenen Platze,
wie er anfangs begehrte, sondern nach Leipzig; darauf
bestand der Kurfürst mit der ausgesprochenen Absicht,
dem seit einiger Zeit darniederliegenden Leipziger Handel
dadurch zu Hilfe zu kommen. Man erhoffte mit Recht
einen grofsen Aufschwung der Geschäfte, denn Rott sollte
nicht nur in Deutschland, sondern auch in Antwerpen
seine bisherigen Niederlagen aufheben und allen Pfeffer,
der ihm aus seinen portugiesischen Verträgen zustand,
nach Leipzig wenden, sobald der Absatz eines solchen
Quantums sich als möglich herausstellte. Sollte dies nicht
der Fall sein, dann sollte er allerdings das Lager in
Leipzig nicht mit mehr als den bedungenen 8000 Zentnern
belasten, durfte aber den Überschuß nur in Lissabon,
und zu höheren Preisen, als die der Thüringischen Ge-
sellschaft bestellten, losschlagen. Auch übernahm er für
sich und seine Teilhaber au den portugiesischen Verträgen
die Verbindlichkeit, die Absatzgebiete der Parteien so
zu begrenzen, dafs den Portugiesen Spanien, Portugal,
Frankreich und England, den Italienern Italien mit
allen seinen Inseln, ihm selbst und der Thüringischen
Gesellschaft aber Deutschland, die Niederlande, Ostland
und Polen zur Ausbeute überlassen wurden. Und zwar
sollte jede Partei für jeden Zentner, den sie außerhalb
ihrer Handelssphäre verkaufte, der geschädigten Partei
10 Dukaten Strafe zahlen. Der Pfefferhandel in Leipzig
war in folgender Weise gedacht: Rott lieferte die rohe
Ware, wie sie aus dem Indienhause zu Lissabon kam, auf
seine ausschließliche Gefahr bis in die zu errichtenden
Handelsgewölbe der Gesellschaft in Leipzig und trug
alle bis dahin erwachsenden Kosten an Fracht, Zoll und
Versicherung allein. Erst in Leipzig übernahmen Harrer
und Genossen die Hälfte des Pfeffers — die andere
Hälfte blieb als Geschäftseinlage Rotts Eigentum — zum
Preise von 50 Gulden Rheinischer Währung für den
Zentner. Der Preis setzt sich zusammen aus 45 Gulden
18 Groschen 2 Pfennige für den Pfeffer und 4 Gulden
2 Groschen 10 Pfennige an Unkosten, die getrennt zu
buchen sind, da Rott für seine Einlage die Unkosten
selbst trägt und dieselbe zum Nettopreise der Gesell-
schaft überlässt. Von dem Erlös werden zunächst 5°/0
Verzinsung des im Lager steckenden Kapitals jedem zur
Hälfte zugesprochen, dann die Auslagen der Gesell-
schaft gedeckt und der verbleibende Gewinn geteilt.
192 Konrad Haebler:
Die Thüringische Gesellschaft verpflichtet sich aber
für allen den Pfeffer, der bis zu einer der Leipziger
Messen eingeliefert ist, dem Rott den Nettopreis vorzu-
schieben; sollten weitere Pfeffersendungen von Lissabon
unterwegs sein, ohne zur Messe zurecht zu kommen, so
sollte er auch darauf 30 Gulden pro Zentner zuvor er-
halten, das Kapital aber, bis zum Verkauf, mit 5% ver-
zinsen, auch sollten erst diese Verläge vom Erlös zurück-
gezahlt werden, ehe Rott seine Zinsen und Gewinnanteile
ausgezahlt erhielt. Um das Geschäft zu beginnen, wird
er bis zu Ablauf der Ostermesse 1400 Zentner Pfeffer
liefern, für deren vorläufige Unterbringung die Thürin-
gische Gesellschaft Sorge trägt.
Diese letzte Bestimmung war in dem ganzen Ver-
trage der springende Punkt. Denn während die kur-
fürstlichen Räte in dem Glauben, ein glänzendes Ge-
schäft eingeleitet zu haben, den Vertragsschluss durch
ein großartiges Gelage feierten, waren sie im Grunde
genommen gewaltig von Rott düpiert worden. Der Welt-
markt war durch gute Ernten und durch gewaltsame Ver-
käufe, die König Sebastian in seiner Geldnot abgeschlossen,
so mit Pfeffer überschwemmt, dafs Rott für seinen An-
teil einen baldigen Absatz nicht mehr finden konnte.
Diesen bedurfte er aber, um für die Fortsetzung des
Handels seinen Anteil der Einlage zu beschaffen. Die
Thüringische Gesellschaft nahm ihm nun sein Pfefferlager
ab gegen baar, und zwar zahlten sie ihm in der nächsten
Messe allein 67105 Gulden, eine Summe, die. seinem
mäfsigen Kredite bedeutend zu Hilfe kam. Überdies
wufste er es den Teilhabern einleuchtend machen, dafs
man, um weiteres Sinken der Pfefferpreise zu hindern
und da seine Ernten erst allmählich eintreffen konnten,
auf andern Plätzen den Pfeffer aufkaufen müsse, um den
Kaufmann zu zwingen, seinen Bedarf in Leipzig zu decken,
ein Vorgehen, dessen Vorteile wiederum unmittelbar nur
Rott, dem Hauptverkäufer des Pfeffers, zu Gute kamen.
In vollem Umfange konnte freilich damals noch niemand
die Absichten Rotts erkennen, vielleicht täuschte er sich
sogar damals selbst noch einigermaßen über seine Aus-
sichten; denn wenn es gelang dem Unternehmen die ge-
plante Ausdehnung und feste Gestalt zu geben, so konnte
es allerdings ein zwar mit allen Merkmalen der verpönten
Monopole belastetes, aber doch sehr einträgliches Ge-
schäft werden. Es fragte sich nur, ob Rott die Macht,
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 193
ja ob er auch nur den guten Willen besais, neben den
unmittelbaren eigenen Vorteilen auch die entfernteren
seiner Teilhaber wahrzunehmen.
In Sachsen wiegte man sich wenigstens vorläufig in
den rosigsten Täuschungen, und die Wirkungen des Ver-
trags nach aulsen hin waren ganz dazu angethan, die-
selben zu befördern. Der Vertrag mit dem Kurfürsten
— denn dafs dieser hinter der Thüringischen Gesellschaft
steckte, wird Rott gewils selbst mit Geschick zu ver-
breiten gewufst haben — befestigte unmittelbar Rotts
bereits sehr schwankenden Kredit, ja, mehr als das: die
Nürnberger, die bereits auf den Zusammenbruch von
Rotts portugiesischer Pfefferpacht gerechnet hatten, ge-
rieten in helle Wut, als diese nun nicht nur befestigt,
sondern der ganze Pfefferhandel von ihrer Stadt unwieder-
bringlich abgelenkt erschien. Wenn auch einzelne Firmen
sich den Anschein gaben, die veränderten Verhältnisse
anzuerkennen und ihre Konjunkturen darnach einzurichten
— durch Sixt Adelgais erboten sich Nürnberger Kauf-
herren, von der Thüringischen Gesellschaft die Versor-
gung der Rhein- und Donauländer zu pachten10) — , so
war dies doch wohl nur ein Vorwand, um die Gefühle
des Neides und der Feindseligkeit zu verdecken, mit
denen Rotts Erfolg sie erfüllte. Nur einer gönnte ihm
dieselben in vollem Umfange und wufste sich auch selbst
noch einen Anteil daran zu sichern, das war Hans Harrer.
Während die Thüringische Gesellschaft alle Ge-
schäfte mit Rott gegen bares Geld abschlofs, verschaffte
Harrer sich durch persönliche Abmachungen mit Rott
einen Absatz für seinen Handel mit allerlei Waren. Er
hatte einen Anteil an der Ausbeute der Mansfelder
Kupferbergwerke in seine Hände gebracht, und dazu
auch andere — darunter auch die Grünthaler — Kupfer
aufgekauft; dafür sollte ihm nun Rott einen Absatz im
Süden eröffnen, denn dort wurde Kupfer seit langer Zeit
aus dem Norden bezogen, und Rott selbst hatte solches
schon nach Spanien wie nach Portugal verhandelt. Als
Zahlung für das Kupfer sollte Rott wiederum von Lissa-
bon brasilischen Zucker zurückschicken, und damit wollte
Harrer den schon einmal mißglückten Versuch des
Betriebs einer Zuckersiederei in Sachsen erneuern.
Auch hierin durfte er von Rott sachverständigen Rat
I0) Loc. 7411. Port. Handlungen. Bl. 304 f.
Neues Archiv f. Ö. G. u. A. XVI. 3. 4. 13
1 ! 1 1 Konrad Haebler :
erwarten, hatten doch die Rottischen im Jahre 1563 in
Augsburg die erste Zuckersiederei auf deutschem Boden
angelegt, und Konrad Rott selbst hatte damals den Ein-
kauf des Zuckerrohrs und Saftes unter sich gehabt.
Schon im April gingen die ersten, allerdings noch gering-
fügigen Kupfersendungen die Elbe hinunter und über
Hamburg nach Lissabon, während Rott im Juni sich
rühmt, seine Leute mit dem Ankauf von Brasilzucker
im Werte von 8000 Gulden beauftragt zu haben. Ob
er freilich hierin aufrichtig war, ist sehr zu bezweifeln,
denn Harrer hat niemals von dem Zucker etwas zu
sehen bekommen11).
Mit den Pfefferlieferungen aber machte Rott Ernst.
Schon am 4. April kamen die ersten Säcke davon in
Leipzig an und wurden bis zur Fertigstellung der im
Gewandhause vorgesehenen Geschäftsräume in den Ge-
wölben der Pleiisenburg aufgespeichert. Bis zum 16. Mai
waren 897 12 Zentner Pfeffer und 507 72 Zentner Canel
dortselbst angelangt12). Daneben aber war Rott eifrigst
bemüht, die bei der Thüringischen Gesellschaft errun-
genen Erfolge weiter auszubauen. Schon in Torgau hatte
er zwei weitere Projekte vorgebracht, in denen er unter
dem Deckmantel der Förderung allgemeiner Interessen
seine eigenen Vorteile geschickt zu fördern verstand.
Das eine betraf die Errichtung einer Wechselbank in
Leipzig, um durch dieselbe der internationalen Gestal-
tung des Gewürzhandels zu Hilfe zu kommen. Er schlug
vor, Harrer oder der Kurfürst sollten 50000 Gulden zu
diesem Zwecke dort deponieren, er selbst wolle gegen 2%
Provision die Versicherung übernehmen, wenn man nicht
vorzöge, das Geschäft ebenfalls gemeinsam zu machen.
Jedenfalls aber wolle er die Verwechselung nach Spanien
und Italien besorgen. Vorwiegend war es ihm dabei
gewiis darum zu thun, die 50000 Gulden in seine Hände
zu bekommen, was ihm aber nicht gelungen ist. — Nicht
minder geschickt war das andere Projekt ersonnen.
Man weife, wie unzufrieden Kurfürst August mit den da-
maligen Einrichtungen der Post war, eine Unzufrieden-
heit, die allerdings von der Gesamtheit der Handelswelt
geteilt wurde. Rott erbot sich nun, auf seine Kosten
") Hauptstaatsarchiv Loc. 7411. Port. Handlungen, Bl. 64, 86,
135 ff., 348. — Fugger- Archiv 2, 5, 13. Müller an Fugger 15. Juli 1575.
12) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 42 ff.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 195
eine neue Post zwischen den sächsischen und oberdeut-
schen Städten und von da nach Italien und Spanien
einzurichten, wenn ihm nur der Kurfürst die kaiserliche
Genehmigung- erwirken wolle. Er ist wirklich in dieser
Angelegenheit im April am kaiserlichen Hofe in Prag
gewesen und hat mindestens zum Scheine die Verhand-
lungen darüber noch lange fortgesetzt. Im Oktober be-
hauptet er, es sei nur noch eine einzige Stimme im kaiser-
lichen Rate dagegen und er habe die bestimmte Zusicherung
der baldigen Genehmigung erhalten. Einen Erfolg haben
auch hierin weder seine Bemühungen noch die wieder-
holten kurfürstlichen Empfehlungsschreiben erzielt13).
Womit aber Rott nach dem Torgauer Vertrage zu-
nächst vor allem seine Teilhaber in Atem erhielt, das
war die Angelegenheit der kleinen Gewürze. Schon auf
der Rückreise von Torgau hatte er in Leipzig noch ein-
mal Halt gemacht und in erneuten Verhandlungen sich
bemüht, die dortige Kaufmannschaft für das Projekt einer
Handelsgesellschaft zum Vertriebe der Droguen und kleinen
Gewürze zu gewinnen. Er stiefs damit keineswegs auf
einen geschlossenen Widerspruch, allein ebensowenig wollte
es ihm gelingen, die vielen verschiedenen Ansichten, die
dort laut wurden, unter einen Hut zu bringen. Er er-
klärte deshalb bald darauf an Harrer und die Thüringische
Gesellschaft, dafs er mit den Leipzigern nicht weiter zu
unterhandeln imstande sei, und forderte sie auf, ihrerseits
die Sache in die Hand zu nehmen und eventuell mit den
Leipziger Geschäftsleuten über deren Beteiligung sich zu
einigen. Er konnte aber selbst auch damals noch keines-
wegs einen bestimmten überzeugenden Plan vorlegen,
sondern er machte nur eine Reihe unterschiedlicher, ziem-
lich vager Vorschläge, an denen nur das eine bezeichnende
Merkmal mit groiser Beständigkeit wiederkehrte: die
Forderung, ihm eine beträchtliche Summe zur Einleitung
des Geschäftes anzuvertrauen. Damit wollte er dann
entweder vom Könige von Portugal den Droguenvertrieb
für Europa für ein paar Jahre pachten und die Sache
ähnlich wie den Pfefferhandel einrichten, oder aber er
wrollte auch hier den Einkauf in Indien in seine Gewalt
bringen und damit für seine Teilhaber ein Weltmonopol
der Gewürze schaffen14).
13) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 56, 304 und ebd. Hand-
lung und Kontrakt Bl. 98.
u) Loc. 7411. Port. Handlungen BL 85 ff., 118 ff.
13*
19G Konrad HaetnVr
Die Denkschrift, mit welcher das Projekt dem Kur-
fürsten von den Herren der Thüringer Gesellschaft unter-
breitet wurde, läfst nicht verkennen, daß sie dem Grund-
gedanken, der Ablenkung des Gewürzhandels nach Leipzig,
sehr wohlwollend gegenüberstanden ; sie konnten aber doch
nicht umhin, den hochfliegenden Plänen Rotts ein wenig
die Flügel zu beschneiden. Die Erfahrung der letzten
Jahrzehnte mit Preisschwankungen von 400 °/0 in wenigen
Wochen hatte gezeigt, wie außerordentlich der Handel
mit Droguen von der Spekulation abhängig war; auf so
unsicherem Gebiete große Kapitalanlagen auf Jahre vor-
aus zu bewilligen, erschien ihnen mit Recht bedenklich.
Sie schlugen allerdings direkt nur ein Geschäft nach Art
des Pfeft'ervertrages vor, worin Rott Auslagen und
Risiko bis zur Lieferung nach Leipzig tragen sollte,
allein sie ließen nicht undeutlich durchblicken, daß man
sich auch zu einer Beteiligung an der Kapitalisierung
des Unternehmens schließlich wohl werde bereit finden
lassen, und diesen Punkt ergriff Rott natürlich mit be-
sonderem Eifer.
Über diesen Verhandlungen gingen die Monate April
und Mai 1579 dahin; daneben kaufte Rott in Nürnberg,
in Frankfurt, in Venedig größere Quantitäten von Pfeffer
auf, dirigierte ihn an die Gesellschaft nach Leipzig, ver-
fehlte aber natürlich auch nicht, die Wechsel über die
Kaufsummen der Thüringischen Gesellschaft zur Be-
zahlung einzusenden. Obwohl er so an 80000 Gulden
noch auf der Ostermesse erhob, fand doch niemand etwas
Arges dabei; der Pfeffer der nach Leipzig gelangte,
bildete ja ein wertvolles Faustpfand: so öffnete denn
Kurfürst August seinen Schatz und zahlte. Die ersten
Mißhelligkeiten stellten sich darüber ein, dafs die Ver-
träge, die Rott mit seinen Teilhabern in Lissabon be-
schlossen hatte und die er auf das Drängen der Thürin-
gischen Gesellschaft endlich vorlegte, in ihrem Inhalte
durchaus unvereinbar waren mit dem in Torgau ge-
schlossenen Vertrage. Dazu kam, dais der Abschluß
mit der Thüringischen Gesellschaft zwar auf allen Messen
lautes Geschrei hervorrief und heftiger Anfeindung be-
gegnete, der Pfeffer aber nach wie vor zu abnorm billigen
Preisen und in großen Massen gehandelt wurde. Wenn
man sich auch über die letzteren Umstände leichtlich
durch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft hinweg-
setzte, so bedurften doch die Widersprüche in den Ver-
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft, 107
trägen einer gründlichen Aufklärung-. Rott war auch
sofort bereit, dieselbe in einer neuen persönlichen Zu-
sammenkunft zu geben, gewiis nicht zum mindesten in
der Hoffnung, seine weiteren Projekte dabei zu fördern.
Am 29. Juni traf er wieder in Dresden ein und scheint
denn auch ohne sonderliche Mühe die Zweifel seiner
Partner beseitigt zu haben, indem er erklärte, die Ver-
träge in Portugal seien gleichzeitig mit den Torgauer
Abmachungen beschlossen, es sei daher nicht möglich
gewesen, sich wegen vollkommener Übereinstimmung zu
verständigen; er werde aber die Durchführung im Sinne des
Torgauer Gesellschaftsvertrages sofort in Angriff nehmen.
Weit mehr Zeit verwendete Rott darauf, den Herren der
Thüringischen Gesellschaft den Droguen - Handelsplan
mundgerecht zu machen. In dem Berichte, der über die
Verhandlungen an den Kurfürsten erstattet wurde, ist
nur im Eingange flüchtig von der Ratifikation des alten
Vertrages die Rede, dann aber wird weitläufig über die
Aussichten des anderen Handelsgeschäftes berichtet. Rott
zeigte sich sehr unterrichtet über die Heimatsländer jeder
Art von Spezerei, er zählte die portugiesischen Handels-
faktoreien in Indien auf und verfehlte natürlich dabei nicht
in sehr ruhmrediger Weise seiner eigenen Niederlassung
in Goa zu gedenken15). Dann empfahl er unbedingt,
das ganze Gewürzgeschäft in Indien und in Europa in
eigenen Händen zu monopolisieren; seine Partner im
Pfefferhandel würden sich zuversichtlich gern in dem-
selben Verhältnisse am Gewürzgeschäft beteiligen und
der König von Portugal werde mit einer stattlichen Ver-
ehrung zu einem so vorteilhaften Vertrage jedenfalls
nicht kargen. Auch die Finanzfrage stellte er in der
verlockendsten Weise dar: die 12/o0 seines Anteils würden
allerdings etwa 400000 Thaler jährlich kosten, allein
man werde vom König von Portugal leicht die günstigsten
Zahlungs-, und durch seine Leute in Indien zweifellos die
billigsten Einkaufsbedingungen erlangen. Einen Effekt
könne das Geschäft allerdings erst binnen zwei Jahren
erzielen, da die nächsten Schiffe nach Indien erst im
März 1580 abgehen, im September nach Indien gelangen,
dort im Frühjahr abfahren und im August 1581 zurück-
kehren; bis dahin könne man aber durch Aufkäufe den
Handel in Aufschwung bringen und in die neuen Bahnen
15) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 47 f.
108 Konrad HaeMer:
lenken. Er begehrte auch vorläufig- gar keine Kapital-
beteiligung, vielmehr möge die Thüringische Gesellschaft
erst ein halbes Jahr nach Lieferung der Gewürze zahlen;
nur als Darlehn möge ihm der Kurfürst in Anbetracht
der grofsen Auslagen, die das Geschäft ihm verursachte,
150 000 Thaler zu mälsigem Zinse vorstrecken lassen16).
Kaum hörte er im Laufe der Unterhandlungen, dais
der Kurfürst im Begriff stehe, eine Zusammenkunft mit
seinem Schwager, dem Könige von Dänemark, abzuhalten,
so war er auch schon mit einem neuen Projekte bei der
Hand, um auch diesen in den Kreis seiner Unterneh-
mungen hineinzuziehen. Der Pfeffer- und Gewürzhandel,
so erklärte er, würde ihn im Laufe der nächsten Jahre
nötigen, sehr bedeutende Quantitäten und Werte über See
zu führen, denn er beabsichtige, alles von Lissabon zu
Schiff nach Hamburg zu transportieren. Zu diesem Zwecke
bat er, möge der Kurfürst dem Könige von Dänemark
den Vorschlag unterbreiten, diesen Seetransport zu über-
nehmen. Dänemark sei reich an Schiffen und tüchtigen
Seeleuten, und diesen wolle er einen gesicherten und
lohnenden Verdienst verschaffen. Er schätzte den Import
nach Hamburg auf jährlich 800 000 Thaler; wenn nun
der König Fracht und Versicherung für 5 °/0 übernehme,
so würden damit jährlich 40 000 Thaler zu verdienen sein,
und es stünde ganz in der Macht des Königs, ob er dazu
drei grofse oder eine gröfsere Anzahl kleinere Schiffe be-
schäftigen wolle, je nach der Gefahr, die er mit dem
einzelnen Schiffe zu übernehmen sich getraue. Übrigens
sei er, Rott, auch bereit, die Schifte gegen die feste
Summe von 40000 Thaler zu mieten, wenn nur der König
eine billige Entschädigung für etwaige Verluste nach den
Frachtbriefen versprechen wolle. Die Schiffe könnten
dann, mit Artikeln des Nordens und Ostens befrachtet,
im August von Hamburg abgehen, im Dezember in Lissa-
bon sein; dort wolle er gern den Vertrieb der Waren in
Kommission nehmen ; Mitte Februar könne dann der Rück-
weg angetreten werden, und im April würden die Schiffe
noch zeitig genug zurückkehren, um in der nordischen
Sommerschifffahrt einen zweiten Verdienst zu erwerben17).
Die Angelegenheit wurde gleich noch in die Form eines
Vertrages gebracht und Kurfürst August hat diesen
I6) Loc. 7111. Pmt. Ilandlnmri'ii Bl. 98—101.
") Ib. Bl. 107 ff.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 199
wirklich dem König von Dänemark übermittelt. Das
Interessanteste daran ist jedenfalls der klare Blick, mit
dem Rott die notwendige Entwickelung voraussah, zu
welcher der deutsch-spanische Seehandel durch den Gang
der Ereignisse gedrängt wurde. Ganz wie er es hier
entwickelt, hat sich Hamburg in den nächsten Jahrzehnten
fast ausschlieislich des spanischen Handels bemächtigt,
der in Antwerpen nicht mehr einen festen Stützpunkt
finden konnte ; vorübergehend hat sogar Dänemark durch
Errichtung eines hispanischen Convois sich zum Herrn
und Beschützer dieses Handels aufgeworfen.
In seinem eigenen Geschäfte freilich mufs Rott diesen
weiten Blick weniger bethätigt haben oder doch nicht
imstande gewesen sein, seinen umfassenden Entwürfen Ge-
stalt und Leben einzuhauchen. Eine traurige Illustration
zu seinen kühnen Plänen bildet die damalige Lage seines
Geschäftes, die wir aus anderen Quellen kennen lernen.
In eben diesen Tagen schrieb ihm der Vorsteher seines
Hauptkontors in Augsburg, Ulrich Hörwart, dafs ein
Wechsel aus Madrid eingegangen sei, den er nicht be-
zahlen und für den er auch keine Deckung finden könne.
Bereits seit Monaten, ich glaube schon vor Abschlufs
des Torgauer Vertrages, kämpfte Rott gegen die Not-
wendigkeit, seinen Bankerott zu erklären, und zwar nicht
als ein redlicher Mann durch gewissenhafte Geschäfts-
abwickelung, sondern wie ein leichtfertiger Spieler durch
die schwindelhaftesten Geschäfte, die, wenn sie ihm in
einem Augenblicke über den Berg halfen, ihn rettungslos
im nächsten in den Abgrund ziehen mufsten. In welchem
geringen Ansehen sein portugiesisches Geschäft bei den
deutschen Häusern auf der Pyrenäenhalbinsel stand, habe
ich schon oben erwähnt. Schmutziger Geiz, unordentliche
Wirtschaft und eine geradezu gemeine Gesinnung wird
ihm von den verschiedensten Seiten vorgeworfen. Die
Fugger hatten ihm 60 000 Gulden geborgt und waren
nie zu bewegen, ihm einen gröfseren Kredit einzuräumen;
welche Bewandtnis es damit hat, dals Rott sich, eben in
dieser Zeit, erbot, mit der Handschrift der Fugger dem
Gerüchte entgegenzutreten, dafs er ihnen Geld schulde,
vermag ich nicht zu ergründen. In ihrer Unwahrheit
spricht die Behauptung durchaus nicht zu Rotts Gunsten.
Nicht minder tief steckte er bei den Imhofs in der Schuld,
und nur indem er ihnen alle erdenklichen Sicherheiten
aushändigte und alle ihre Forderungen gewährte, konnte
200 Konrad Haebler:
er von ihnen immer von neuem Verlängerung und Aus-
dehnung seiner Verbindlichkeiten erlangen. Er hat sich
später bitter beklagt, dafs die Imhofs als Halsabschneider
an ihm gehandelt hätten, und es läfst sich nicht leugnen,
dafs sie ihm außerordentlich drückende Bedingungen auf-
erlegt haben. Sie hatten aber doch dafür wohl eine ge-
wisse Entschuldigung, da niemand so gut wissen konnte,
als sie, auf welcher wankenden Grundlage das ganze
Gebäude der Rottischen Handlung stand. Auch sonst
war er vielen Gläubigern stattliche Summen schuldig,
vor allem — ein wenig ehrenhafter Zug - - hatte er alle
Mitglieder seiner Familie unter schwindelhaften An-
erbietungen vermocht, ihm ihr Geld anzuvertrauen, das
so gut wie alles übrige in dem Danaidenfässe seiner
Handlung zerrann. Unter diesen Umständen hält es
schwer, in den Vorschlägen und Plänen, die Rott zu
machen nicht müde wurde, etwas anderes zu erblicken, als
den Versuch, auf eine oder die andere Weise sich immer
noch einmal ein Darlelm, und damit einen Aufschub für
den unvermeidlichen Zusammenbruch zu verschaffen ls).
Zu einem unmittelbaren Resultate führten auch die
Verhandlungen im Juli nicht, obwohl sie sich über mehrere
Wochen ausdehnten. Dennoch kam Rott seinem Ziele
um einen guten Schritt näher. Im Prinzip erklärte sich
die Thüringer Gesellschaft auch mit dem Projekte des
Droguenhandels einverstanden; nur über die Modalitäten
gelangte man noch nicht zum Entschlufs. Wiederum waren
Vertreter des Leipziger Handelsstandes berufen; und
wenn der Stand als solcher auch bei seiner Ablehnung
beharrte, so erklärten sich doch einzelne Kaufherren in
solchem Umfange zu einer Beteiligung bereit, dafs ein
Zustandekommen des Unternehmens in der Form zu
hoffen war, dafs, wenn Rott die Hälfte des Geschäfts
übernahm, wie im Pfefferhandel, die Thüringische Ge-
sellschaft ein weiteres Viertel und die Leipziger den Rest
einsehiefsen sollten. Unter solcher Beteiligung wollte
man zunächst einen Versuch mit dem Handel bis zur
Höhe von 120000 Thalern machen, nach dessen Ausfall
würde sich dann die Entscheidung über die Bildung einer
neuen Gesellschaft richten. Rott wäre wohl auch darauf
eingegangen, wenn er nur möglichst bald das zum Ankauf
ie) Vergl. die Aktori über Rotts Bankerott im Stadtarchiv zu
Augsburg, ad a. 1580.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 201
bestimmte Geld in seine Hände bekommen hätte ; er erbot
sich, dasselbe gegen 8% Spesen nach Lissabon zu ver-
wechseln und zu versichern, und forderte seine Partner
auf, so bald als möglich im Namen der neuen Gesellschaft
zwei Mann abzuordnen, die ihm dort bei Einkauf und
Verfrachtung der Spezereien behilflich sein und das
Interesse der Gesellschaft wahrnehmen sollten. Aui'ser-
dem aber sandte er wiederholt brieflich und durch eigene
Boten dringende Bitten um das beantragte Darlehn von
150 000 Thalern. Ja, als es ihm Harrer im Namen der
Thüringischen Gesellschaft endgültig hatte abschlagen
müssen, wandte er sich mit der gleichen Bitte direkt an
den Kurfürsten. Allein, obwohl dieser anfänglich nicht
ganz abgeneigt war, seine Bitte zu bewilligen, erfolgte
doch auch von dieser Seite ein abschlägiger Bescheid, als
Kurfürst August erfuhr, in welchem Sinne die Thüringische
Gesellschaft geantwortet hatte.
Über diese wiederholten Abweisungen verlor endlich
auch Rott sein zuversichtliches und stets gleichmütiges
Auftreten. Hatten schon seine ewigen dringlichen Bitten
um Geld die Teilhaber der Thüringischen Gesellschaft
stutzig gemacht, so drohte jetzt ein offener Konflikt aus-
zubrechen, als Rott sich erlaubte, am 29. August einen
sehr rücksichtslosen Brief an Harrer und die Thüringische
Gesellschaft zu schreiben1"). Er erklärte darin, dafs er
nunmehr überhaupt nichts mehr mit dem Droguenhandel
zu thun haben möge. Während er bisher stets in Aus-
sicht gestellt hatte, demnächst selbst in dieser Angelegen-
heit nach Lissabon zu reisen, meinte er jetzt, die Einlage,
welche die Gesellschaft leisten wolle, sei so geringfügig,
dais sie die weite Reise nicht lohne; sie möchten nur
ihre Abgeordneten ruhig daheim lassen und das bischen
Spezerei direkt von ihm oder durch ihn kaufen. Kurz,
er liefs seinem Unmute in solcher Weise die Zügel
schiefsen, dafs die Herren der Thüringischen Gesellschaft
nahe daran waren, ihm jede Erweiterung ihrer geschäft-
lichen Beziehungen abzuschlagen. Rotts Rücksichtslosig-
keit war um so unkluger, als gerade in diesen Tagen die
Thüringische Gesellschaft den endgiltigen Entschlufs ge-
faist hatte, an dem Spezereihandel auch ohne alle Bei-
hilfe von anderer Seite sich zu beteiligen. Der Brief,
welcher Rott benachrichtigte, dafs ihm zu diesem Zwecke
10) Loc. 7411. Port. Handlungen Bl. 247.
202 Konrad Haebler:
60 000 Gulden auf die Frankfurter Herbstmesse ange-
wiesen seien und dals Harrers Schwager, Dr. Michael
Funk, Mitte September in Augsburg eintreffen werde,
um Rott zur Einleitung des neuen Geschäftes nach Lissa-
bon zu begleiten, kreuzte sich gerade mit jener wenig
verbindlichen Absage Rotts. Er beeilte sich denn nun
auch aufserordentlich , den peinlichen Eindruck dieses
Briefes zu verwischen. Unmittelbar nach Empfang von
Harrers Ankündigung ist er sofort wieder zu dem Ge-
schäfte bereit. Seinen unfreundlichen Brief entschuldigt
er damit, dafs er geglaubt habe, man wollte von ihm eine
Geschäftseinlage, wie sie die Thüringische Gesellschaft
gab, hier in barem Gelde beanspruchen, und dazu sei er
im Augenblick wirklich nicht imstande gewesen. In
Lissabon aber könne er bereitwilligst seinen Anteil an
Gewürzen der Unternehmung zur Verfügung stellen, um
so mehr, als ihm eben die Nachricht zugegangen sei von
der glücklichen Ankunft dreier reich mit Gewürzen be-
ladener Schiffe in Lissabon, von deren Ladung er die
ihm zustellenden 5000 Zentner Pfeffer unmittelbar nach
Leipzig überzuführen beabsichtige.
Es scheint ihm gelungen zu sein, damit noch einmal die
Bedenken der Thüringischen Gesellschaft zu zerstreuen.
Nicht nur 60 000 Gulden im Namen der Thüringischen
Gesellschaft wurden ihm auf der Frankfurter Herbst-
messe ausgezahlt, sondern Harrer gab ihm auf vielfaches
Drängen noch persönlich einen Wechsel auf die Leipziger
Fastenmesse von 40000 Gulden mit der Erlaubnis, ihn
in Frankfurt weiter zu begeben. Und wenn wir uns die
Instruktion näher ansehen, mit welcher Dr. Funk um
die Mitte September nach Augsburg abgefertigt wurde,
so kann man nicht daran zweifeln, dals die Thüringische
Gesellschaft noch ganz im Fahrwasser der Rottischen
Projekte dahinfuhr. Allerdings wurde betont, dals Funk
vorläufig zu keinerlei Abschlüssen im Namen der Gesell-
schaft ermächtigt sei: er sollte nur sich informieren, bei
allen Handlungen als Zeuge zugegen sein, sich mit den Ge-
schäften vertraut machen. Dennoch nahm die Thüringische
Gesellschaft die unmittelbare Verwirklichung der Rott-
schen Pläne über den Spezereihandel als so selbstver-
ständlich an, dals sie Funk beauftragte, bei den bezüg-
lichen Verhandlungen zwischen Rott und dem Könige als
Zeuge zu fungieren und Abschriften der alten und neuen
Verträge für die Gesellschaft sich zu verschaffen.
Konrad Rott uud die Tliünni>isclic; Gesellschaft. 203
Dr. Funk brach am 2. September von Dresden auf.
Ihn begleitete ein Sohn des Kammermeisters Harrer, der
sich schon bei Gelegenheit der früheren Verhandlungen
auf drei Jahre zu dem Geschäfte Rotts in Lissabon als
Handlungsdiener verschrieben hatte und nunmehr mit
Funk gemeinsam die Reise dahin unternehmen wollte.
Als sie aber am 22. September in Augsburg ankamen,
fanden sie zur Weiterreise noch nichts vorbereitet. Rott
wollte nicht eher nach Portugal aufbrechen, als bis er
mit dem Generalvertreter seiner italienischen Teilhaber,
dem Giovambattista Rovelasca, eine Zusammenkunft ge-
halten habe, von der in seinen Briefen schon seit Wochen
die Rede war, ohne dafs ein Termin dafür bestimmt
worden wäre. Unterdessen unterhielt er Harrer durch
Auseinandersetzungen darüber, wie er dessen Sohn nicht
nur zu einem tüchtigen Geschäftsmann, sondern gleich-
zeitig zu einem feinen Herrn machen wollte. Den jungen
Harrer brachte er in die Gesellschaft der ziemlich gleich-
alterigen Söhne seiner Vettern Georg und Erasmus, und
den Dr. Funk überliefs er den Angestellten seines Ge-
schäfts, besonders dem mit den letzten Schiffen aus Indien
zurückgekehrten Hans Hartmann Hyrus, den er, wenn
es zweckmäßig befunden wurde, auch an die Thüringische
Gesellschaft zu weiterer Auskunft abordnen wollte. Rott
ahnte wohl kaum, welchen scharfen Beobachter, welch
strengen Beurteiler er an seiner Seite hatte.
Für Dr. Funk bedurfte es nur weniger Tage, um sich
ein annähernd richtiges Urteil nicht nur über Rott und
das Personal seiner Handlung, sondern beinah über die
ganze Lage seines Geschäftes zu bilden. Obwohl Rotts
Leute, offenbar auf höhere Anweisung, ihm nur sehr all-
gemein gehaltene Auskunft und auch diese nur in den
rosigsten Färbungen erteilten, so erhaschte er doch oft
genug Worte und Sätze, die ihm mehr verrieten, als man
ihm mitzuteilen für gut befand. Schon in seinen ersten
Briefen schreibt er, in dem Kontor sei nur ein einziger
zuverlässiger Beamter, das sei der Leiter des Ganzen.
Ulrich Hörwart; die anderen seien grofssprecherische und
leichtsinnige junge Leute, nicht zum mindesten jener
Hyrus, der einen durchaus nicht Vertrauen erweckenden
Eindruck mache. Das Ansehen des Rottischen Hauses
sei keineswegs ein bedeutendes; die Geschäfte mit der
Thüringischen Gesellschaft hätten allerdings erheblich
dazu beigetragen, es zu kräftigen, aber Rott selbst
2(H Konrad Haebler:
stehe durchaus nicht in dem Rufe eines gewissenhaften
Geschäftsmannes. Bald hatte er Gelegenheit, sich per-
sönlich davon zu überzeugen, inwiefern das Renommee
Rotts begründet war. Er entdeckte nämlich durch die
Fahrlässigkeit von Rotts Leuten, dafs dieser mehrfach
in direktem Widerspruche zu den Bestimmungen des
Torgauer Vertrages Handelsgeschäfte gemacht hatte. So
verkaufte Rott in Antwerpen, wo er doch vertragsmäfsig
keine Geschäfte mehr machen durfte, 120 Sack, in Köln
115 Sack Pfeffer auf eigene Faust, statt sie nach Leipzig
zu senden, und überdies an oberdeutsche Handelsherren,
mit denen er doch auch nur durch die Thüringische Ge-
sellschaft hätte handeln dürfen. Außerdem kam Funk
dahinter, dafs Rott auf Kredit von seinen auswärtigen
Partnern von deren Pfefferquoten aufkaufte und nach
Leipzig sandte, nur weil er allein von der Thüringischen
Gesellschaft für jedes Quantum sofort bare Zahlung er-
hielt. Ja, er glaubte, dem Rott direkte und absichtliche
Täuschung seiner Thüringischen Gesellschafter nachweisen
zu können, denn während er diese durch die Nachricht, dafs
Pfeffer auf dem Weltmarkte knapp zu werden beginne, zum
Zurückhalten mit ihren Vorräten und zu weiteren Auf-
käufen ermunterte, fand Funk aus Rotts eigener Ge-
schäftskorrespondenz die Nachricht von Venedig heraus,
dafs dort zwei Schiffe von Alexandria mit 20000 Zentnern
Pfeffer erwartet würden, eine Nachricht, die Rott auf
Harrers besorgte Anfrage unbedingt in Abrede stellte-0).
Dabei liefen von den Messen des Herbstes recht be-
unruhigende Gerüchte ein. Die Einteilung der Provinzen
für den Gewürzhandel, eine der wesentlichsten Voraus-
setzungen für das Aufblühen des Leipziger Handels-
geschäftes, wurde nicht nur von den neidischen Frank-
furtern und Nürnbergern, sondern von Rotts eigenen
Geschäftsfreunden aus Italien und Portugal für undurch-
führbar erklärt; Rott selbst mufste eingestehen, dais
dieser Paragraph zwischen seinen auswärtigen Teilhabern
und ihm noch nicht definitiv geregelt war; er vertröstete
dafür wieder auf die Ankunft Rovelascas, aber Woche
auf Woche verging, ohne dafs dieser sich blicken liefs.
Zu alledem gingen böse Gerüchte um von bedeutenden
Verbindlichkeiten, die Rott eingegangen sei, ohne sie
halten zu können, Gerüchte, die diesem selbst so be-
w) Loc. 741 J. Port, Handlungen ßl. 296ff., 37^ ff.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 205
denklich erschienen, dals er sich erbot, in persönlichen
Verhandlungen mit der Thüringischen Gesellschaft Wider-
legung und Beruhigung zu schaffen. Funk fand alles in
der Rottschen Handlung so wenig aussichtsvoll, dals
er schon von Augsburg aus sich erbot, lieber für die
Thüringische Gesellschaft direkt nach Indien zu gehen
und dort Verbindungen anzuknüpfen. Das Bedenken,
Rott werde einen solchen Schritt als ein Zeichen des
Mißtrauens übel vermerken, widerlegte er damit, dals er
durchaus nicht beabsichtige, mit Rotts Hilfe über Lissa-
bon dorthin zu gelangen; dies würde ihm allerdings wohl
nicht gelingen, denn die Rottischen seien solch „wider-
liches Gesindel", dals sie ihn wohl selbst bei der In-
cmisition verraten würden ; er habe aber durch eingezogene
Erkundigungen einen anderen kürzeren und sicheren Weg-
erfahren, auf dem er zum besten der Thüringischen
Gesellschaft die Reise zu wagen bereit sei. Kurfürst
August, dem fortdauernd über alle Wendungen des Ge-
schäfts Mitteilung gemacht wurde, hat einmal seine Ein-
willigung gegeben, dafs die Thüringische Gesellschaft die
Hälfte der Kosten von Dr. Funks Indienreise übernehmen
solle, bald darauf aber wurde Dr. Funk angewiesen, vor-
läufig die Reise nach Lissabon auszuführen und von dort
zunächst wieder nach Leipzig zurückzukehren.
Immer scheint aber auch Dr. Funk die geschäftlichen
Aussichten nicht so schwarz aufgeiäfst zu haben. Ulrich
Kraft nämlich erzählt uns in seinen so interessanten
Denkwürdigkeiten21), dafs ihm von dem Kammermeister
des Kurfürsten August, als dieser mit seinem Sohne auf
der Reise nach Lissabon eine Zeit lang zu Augsburg
im Rottischen Hause verweilte, der Antrag gemacht
worden sei, sich für den zwischen Rott und dem Kur-
fürsten schwebenden Gewürzhandel in Lissabon gebrauchen
zu lassen, einen Antrag, den er nur mit Rücksicht auf
seine schwankende Gesundheit ablehnte. Hier haben
wir es offenbar mit einer Verwechselung zu thun, denn
alle Einzelheiten passen so genau zu Dr. Funks Aufent-
halt bei Rott, dafs wohl dieser, der ja in Harrers Namen
die Anträge an Kraft gestellt haben wird, unter dem
dort erwähnten Kammermeister zu verstehen ist.
Schließlich merkte wohl auch Rott, dafs Funks An-
wesenheit in Augsburg seinen Beziehungen zur Thürin-
-1) Bibliothek des lit. Vereins LXI, 368 f.
206 Konrad Eaebler:
gischen Gesellschaft nicht eben förderlich war, und suchte
sich seiner zu entledigen. Wenn er auch für seine Per-
son noch immer die Abreise nach Lissabon von Rovelascas
Ankunft abhängig machte, so gab er sich doch den An-
schein, als wenn dieselbe so unmittelbar bevorstünde,
<lals Funk mit dem jungen Harrer in Begleitung des
Hans Hartmann Hyrus immer vorausreisen und nach
einem Abstecher über Paris in Südfrankreich mit ihm
zusammentreffen sollte. Am 23. November meldete er
nach Dresden, dafs am vorhergehenden Nachmittage die
drei ihre Reise angetreten hätten. Wir erfahren über
dieselbe fast gar nichts weiter. Die Reisenden scheinen
glücklich nach Paris gelangt, und nach einiger Zeit weiter-
gereist zu sein. Nach Lissabon kam aber nur Hyrus.
Funk und Harrer sollen bei einer Vergnügungsfahrt auf
dem Meere, die sie von Bayonne oder S. Sebastian aus
unternahmen, ertrunken sein.
Unterdes war der Pfefferhandel in der Art fort-
gegangen, dafs Rott Ware nach Leipzig geliefert und
das Geld empfangen, dagegen von der Eröffnung des
Verkaufes in Anbetracht der niedrigen Preise noch immer
abgeraten hatte. Schon im Juni war Melchior Männlich
als Vorstand der Leipziger Niederlage von Rott und
der Thüringischen Gesellschaft angestellt worden ; ersterer
versprach ihm weiterhin noch einen Buchhalter, Adam
Hartlieb, und als Kassierer Paul Grofs zuzugesellen,
während die Thüringische Gesellschaft den Jörg Schöller
in gleicher Eigenschaft in Pflicht nahm. Die Umbauten
im Gewandhause waren im Oktober zu Ende geführt,
und die Thüringische Gesellschaft, die ungeduldig darauf
wartete, das Geschäft zu eröffnen, um endlich wieder
zu ihren Auslagen zu gelangen, erliels dringende Schreiben
an Rott, er solle einen Bevollmächtigten senden, damit
der vorläufig ohne Kontrole in der Pleifsenburg auf-
gestapelte Pfeffer nunmehr der Gesellschaft unter ge-
nauer Nachwägung übergeben und in deren Haus über-
führt werden könne. Aber auch dazu fand Rott lange
keine Zeit, dagegen suchte er seine Partner bei guter
Stimmung zu erhalten, indem er immer neue Geschäfte
mit ihnen anknüpfte. König Heinrich von Portugal hatte
im Laufe des Sommers sowohl eine Anzahl Büchsenläufe,
als auch gröfsere Quantitäten an Getreide, Roggen und
Weizen, bei Rott bestellt und diese Aufträge suchte er
mit Hilfe der Thüringischen Gesellschaft oder durch Ver-
Eonrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 20'
mittelung des Kurfürsten August zur Ausführung zu
bringen, gewifs hauptsächlich damit er nicht zu sofortiger
Baarzahlung genötigt werde. Kurfürst August über-
liefs ihm denn auch 6000 Büchsenrohre, die er nach der
ersten Abmachung durch ebensoviel neue wieder ersetzen
sollte; später wurde der Kaufpreis auf den Pfefferhandel
überwiesen. Auch einen Teil des Getreides gestattete
der Kurfürst in Sachsen aufzukaufen, bewilligte für solches
aus Böhmen freies Geleit und verwendete sich für die
Ergänzung des Auftrages beim Könige von Dänemark.
Der Winter scheint aber hereingebrochen zu sein, ehe
die Ladung in Emden auf die Schiffe gelangte.
Die Pause, welche die Jahreszeit der Schifffahrt auf-
erlegte, brachte dann auch in die Beziehungen Rotts zur
Thüringischen Gesellschaft größere Ruhe. Vor dem Schlüsse
des Jahres konnte noch der Pfeffer der Gesellschaft in
Leipzig übergeben werden, aber Rott, der in der ersten
Zeit so schnell bereit gewesen war, nach Dresden oder
Leipzig zu kommen, hielt sich jetzt ferne und gab auch
brieflich kaum Antwort auf die Klagen seiner Gesell-
schafter. Rovelasca, dessen Ankunft so oft als bevor-
stehend angezeigt war, wollte nämlich noch immer nicht
erscheinen, und unter diesem Vorwande verzögerte Rott
von Woche zu Woche seine Abreise. Aber nicht nur
das, auch die definitive Regelung des Pfeffer Welthandels,
die Einteilung der Handelsprovinzen harrte aus demselben
Grunde zum grofsen Verdrufs der Thüringischen Gesell-
schaft noch immer ihrer Erledigung. Auch sonst erfüllte
Rott den Vertrag nicht pünktlich; trotz der mehrfach
bewirkten Aufkäufe erreichte der Pfeffervorrat nicht die
vertragsmäßige Menge von 1400 Zentnern, und über die
Frage des Geschäftsbetriebs hatte Rott sich ebenso wenig
bestimmt erklärt. Kurz die Thüringische Gesellschaft
sah mit sehr gemischten Empfindungen der Entwickelung
der Dinge entgegen, und hatte schon einen guten Teil
des anfänglich fast unbegrenzten Vertrauens zu Rott ver-
loren. Aus diesem Grunde wurden jetzt, freilich etwas
spät, an auswärtigen Handelsplätzen Erkundigungen über
Rott eingezogen. Das erfahren wir durch einen Brief
des bekannten Humanisten Hubertus Languetus, der am
26. Februar 1580 aus Antwerpen nicht eben viel Tröst-
liches zu berichten wufste22). Er legte zunächst in
92) Loc. 7411. Handlung- und Kontrakt Bl. 126.
208 Konvart Haebler:
vollem Umfange die Schwierigkeiten dar, die Rott ans
der Übernahme der portugiesischen Kontrakte erwachsen
mufsten, besonders auch deshalb, weil er unbedachtsam
abgeschlossen und seinen Vorteil nicht genügend wahr-
genommen hätte. Die Vergesellschaftung des Handels mit
Italienern und Portugiesen wurde seinem Berichte nach
dem Rott vom Könige auferlegt, da es sich für Rott
sehr bald als unmöglich herausstellte, allein die Verträge
zu erfüllen. Seine Lissaboner Gesellschafter aber wären
mit ihm nicht weniger unzufrieden als die Thüringische
Gesellschaft, denn auch dort befände sich Rott in be-
ständiger Geldnot und schädige durch Anleihen zu un-
verhältnismälsig hohen Zinsen das Ansehen des ganzen
Unternehmens.
Unter solchen Umständen fand sich die Thüringische
Gesellschaft selbstverständlich zur äufsersten Vorsicht
veranlaßt. Das Herannahen der Leipziger Ostermesse
nötigte im März zu den ersten Entschlielsungen. Rott
hatte wiederum geraten, von der Eröffnung des Handels
noch abzusehen, und wenn auch Kurfürst August nicht
umhin konnte, seinem Unmute darüber Luft zu machen,
dafs das Unternehmen beständig Geld verschlinge und
noch immer keine Aussicht auf Gewinn eröffne, so wies er
doch seine Bevollmächtigten an, dem Rate Rotts zu folgen.
Anders stellte er sich aber zu der Frage neuer Zahlungen.
Harrer eröffnete dem Kurfürsten, dafs, wenn Rott den Ver-
trag 1580 erfülle, man 400000 Thaler im Laufe des Jahres
brauchen werde, die vom Kupferhandel oder anderen
Geschäften nicht verfügbar und nur durch Kündigung
bei den „der Landschaft verordneten Obereinnehmern"
flüssig zu machen sein würden. Davon aber wollte nun
der sparsame Kurfürst nicht gerne etwas wissen. Aller-
dings fand er, trotz mehrfacher Vertragsverletzungen von
Seiten Rotts, zu einer Aufkündigung des Vertrages keine
rechte Veranlassung, denn Rott hatte sich noch stets mit
scheinbar triftigen Gründen zu entschuldigen gewufst und
Abhülfe für die Zukunft in Aussicht gestellt. Allein
ihm weitere Summen anzuvertrauen, trug er lebhafte Be-
denken. Auf jeden Fall müsse Konrad Rott auf die
Leipziger Messe zu einer persönlichen Zusammenkunft
mit der Thüringischen Gesellschaft vorgeladen werden.
Bei der Gelegenheit möge er sich dann über die Ent-
schädigung wegen der bisherigen Benachteiligungen er-
klären, und vor allem müsse er dort unbedingte Sicherheit
Conrad Rott und rtio Thüringische Gesellschaft. 209
für die Einhaltung- der Provinzeneinteilung gewähren, ehe
man ihm neue Vorschüsse, sei es in Geld, sei es in Ge-
treide oder anderen Waren bewilligen könne. Noch immer
war man weit entfernt, einen jähen Zusammenbrach zu er-
warten. Auf der Frankfurter Fastenmesse erhielten Rotts
Leute nicht nur 40000 . Gulden für gelieferten Pfeifer,
sondern als Hieronymus Frasi, Rotts dortiger Vertreter,
einen ungedeckten Vorschuls von 5500 Gulden erbat,
um den durch allerlei Gerüchte erschütterten Kredit auf-
recht zu erhalten, wurden ihm auch diese bis zur Oster-
messe in Leipzig dargeliehen. Man war so wenig auf
die wirkliche Lage der Dinge vorbereitet, dafs selbst die
Nachricht von Rotts plötzlicher Abreise nach Portugal
bei der Thüringischen Gesellschaft Glauben fand.
Die erste Kunde davon hatte ein Brief des Hierony-
mus Frasi gebracht, der von den Geschäften auf der
Frankfurter Fastenmesse handelte, eine Bilanz der Ge-
sellschafter gegen Rott erbat und beiläufig erwähnte,
Rott sei am 28. März abgereist, um erst einen seiner
Schwäger in der Schweiz zu besuchen und dann nach
Lissabon weiterzureisen. Ähnlich meldete Hans Wolf
Rotteubeck aus Nürnberg, dafs Rott verreist und die
Leitung des Geschäftes seinem Vetter Erasmus Rott und
dem Ulrich Hör wart übertragen habe. Selbst Rotts
Sohn wufste nichts weiter als die Abreise seines Vaters
in Geschäften zu vermelden. So traf am 18. April die
Nachricht von Rotts angeblichem Tode die Thüringische
Gesellschaft noch ohne alles Arg. Die Anordnung des
Augsburger Rates, der einen Arzt und einen reitenden
Boten nach der Schweiz schickte, wurde so erklärt, als
ob man fürchte, Rott sei vergiftet worden. Selbst die
Nachricht von der eigentümlichen Art seiner Abreise
— Rott sollte den ganzen Tag wortlos umher gelaufen
sein und seine Absicht zu verreisen nur dadurch bekannt
gegeben haben, dafs er sie auf sein Pult schrieb — er-
weckte kaum ernstere Befürchtungen. Allerdings suchte
Harrer die Thüringische Gesellschaft zu decken, indem
er einen Boten nach Hamburg, Bremen und Emden, und
einen anderen nach Köln, Antwerpen und Seeland ab-
fertigte, um dort Arrest auf Rotts Eigentum zu legen;
allein er dachte so wenig an einen Zusammenbruch, dafs
er an Rotts Sohn das Ansuchen richtete, den Vertrag
mit der Thüringischen Gesellschaft zu halten und fort-
zusetzen.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4 14
OJO Konrad Haebler:
In Augsburg wufste man freilich weit besser, was
man von Rotts Verschwinden zu halten hatte. Am Morgen
nach Rotts Abreise hatte Ulrich Hörwart den folgenden
Zettel auf seinem Pulte gefunden: „Wollet zu beden
Herrn Stadtpflegern ghen vnd Ir Gr. u. Hm. anzaigen,
wahin Ich verrukht seye Hab es von wegen der weiber
nit dürften offenbar lassen werden. Bit Sy gantz fraint-
lich sy wollen mir's zue vnglimpfen nit vftnemen, will
mich auch bald fürdern vnd widerstöllen. Ebenmässiger
gestalt den Herrn Gehaimen jedem insonderhait vnd
meine schlissel last mihr mein blieben dem Hu. Hans
Welser bringen, darmit sy die einemen In Ir Verwarung
behalten" -:!). Von diesem Augenblicke an übernahmen
die Stadtpfleger die Verwaltung der Rottschen Masse
und Hörwart wurde von ihnen in Pflicht genommen.
Das war schon geschehen, als von Frasi die Abrechnung
über die letzten von der Thüringischen Gesellschaft ge-
leisteten Unterstützungen anlangten, die die Lage der
Masse ja wesentlich verbesserten, dagegen allerdings
eine Einmischung des Kurfürsten in die Abwickelung
des Bankerotts erwarten lieisen. Hier fand natürlich auch
die Nachricht von Rotts Ende eine wesentlich andere
Beurteilung, besonders auch infolge der absonderlichen Art,
wie sie dem Rate zuging.
Am Ostertage lieferte ein Bote ein Schreiben ab
mit folgender Überschrift: „Laus deo adj den Donners-
tag in der nacht vor dem heil. Fest Ostern Im Dorf so
genant wird zum Polnstein nit weit von Chur. Marx
Wolfmüller des Herrn Conrat Roten seligen Contor Jung
an Anthon Christian Rehlinger und Marx Fugger Statt-
pfleger. Citissime, citissime, citissime". Dies Schreiben
enthielt die Mitteilung, dafs Rott am Montag vor Ostern
mit dem Burschen aufgebrochen, und was die Pferde
laufen konnten in der Richtung auf Mailand davon ge-
ritten sei, um über Genua nach Spanien und Portugal
zu reisen. Am Gründonnerstag aber sei er hier ernstlich
erkrankt, und nachdem er dem Burschen seinen letzten
Willen diktiert, um Mitternacht verschieden. In dieser
letztwilligen Verfügung-') giebt Rott, nachdem er die
Fürsorge für Weib und Kind dem Ulrich Hörwart, Hans
Jakob Rembold, Mathäus Welser und Hans Lukas Welser
übertragen, zunächst einen Überblick über den Stand
28) Stadtarchiv Augsburg. ") Ebenda.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 211
seines Geschäftes. Er betont, dais eine endgiltige Rege-
lung- nicht möglich sein werde, bevor die Indienschiffe
im August nach Lissabon zurückkehren würden, und auch
dann würde die Regelung sprach- und geschäftserfahrener
Dolmetscher bedürfen , wozu er in erster Linie den
Hieronymus Rem vorschlägt. Seine Aktiva schätzte
Rott, ohne die Grundstücke in und bei Augsburg, auf
ca. 650000 Gulden; diese setzten sich aber fast durch-
weg aus unsicheren Posten zusammen. Seinen Anteil
an der kommenden Flotte stellt er mit 214000 Gulden
ein, weitere 100000 sind Aufsenstände in Lissabon, fast
ebensoviel rechnet er für zwei grofse Diamanten, die
aber an Imhof verpfändet waren. Seinen einzigen freien
Besitz bildeten 3000 Zentner Pfeffer, die noch für ihn
in Lissabon lagern sollten und die er sehr hoch, mit
150000 Gulden, einschätzt. Nach seiner Darstellung
betrugen die Passiva nur etwa 325000 Gulden; aber es
lohnt wohl, sich dieselben etwas näher anzusehen. Sein
Hauptgläubiger war Karl Imhof, resp. die Firma Hierony-
mus Imhofs sei. Erben, denen er zugiebt 144000 Gulden
schuldig zu sein, wofür er ihnen aber nicht nur die beiden
grofsen Diamanten, sondern überdies noch 2000 Zentner
von dem im August erwarteten Pfeffer als Sicherheit
verschrieben hatte. Über seine Beziehungen zu Karl
Imhof sagt Rott in den Erläuterungen zu seiner Bilanz:
„Dargegen aber kann ich nit verhalten die grofse jämerliche
schniderei, dergleichen zuvor nie erhört worden, so er mit mir geüeht,
die Ich nit allein passieren hah müssen, sonder mich genöt ver-
schreibung zuverfertigen vmb Sachen, die Ich nie endtpfangen noch
gesehen ; wie dann seine 2 Brüder dessen werden zeugnus wissen zu
geben, dafs er mir nit allein verdorben Canel, so er an verlegner
hailosen waren angestochen, vnder den guten verrechnet, vnd von
stund an den Canelkauf, so bis in 100000 fl. belaufen thut, vbersetzt,
vnnd von stund an 10% aufs gelt geschlagen, sondern auch alle
2—3 monat aberait, Interesse auf Interesse cargiert; vber das hat er
in verkauffang des pippers in "Venedig mich vmb 27% vernachteilt,
wie es denn dem Raimund Imhof, so zur selben zeit in Venedig ge-
west, wol bewufst; zu dem hab ich müssen passieren 20 000 fl. das
er allein sich gegen den Herrn Fugger neben mir vmb diesen
Spanischen Wechsel verschreiben. In Summa Ich hab jm gutgehaissen
alles, dann ich nie im sinn gehabt etwas zu halten, defswegen mein
will vnd mainung ist, man Jme für solliches sein jemerliche wucher-
liche conträct laut seiner Contj hieneben 60 000 fl. abzuziehen, darmit
er des parfufs geen nach dem hailigen berg vberhebt sey vnd mag
wol leiden, ob er selber will, das man jme von anfang von jeder post
10 % des Jars contiren vnd des wechslen sambt den nebenconträcten
vnd vbersetzung aufslafs; wirt man finden, das er mich mit dem
Canel den er merteils vmb 24 einthon vnd mir vmb 31 verrechnet,
II*
)]o Conrad Haebler:
meiner jmmer zwej vnd ain halbes Jar genossen 90 000 h. vnd beger
änderst nit, wie gemelt als seine selb bruder zu Richter."
Diese Auslassungen sind bezeichnend für den Cha-
rakter des ganzen sogenannten Testamentes des Konrad
Rott; sie werden noch bezeichnender, wenn man sie mit
den bei den Akten befindlichen Rechnungen Imhofs ver-
gleicht. Nach diesen nämlich betrug Rotts Schuld nicht
144000 Gulden, sondern über 275 000 Gulden, und zwar
seit dem August 1579, ohne dafs Rott weder Zinsen noch
die versprochenen Abzahlungen geleistet hätte. Rotts
Behauptung über wucherische Behandlung findet allerdings
auch in diesen Rechnungen ihre Bestätigung, was das
vierteljährliche Abrechnen und Zins auf Zins schlagen
anlangt ; es findet sich sogar eine Notiz von Marx Fugger
bei den Akten, aus der hervorgeht, dafs die Verwalter
der Masse Rotts Vorschlag über die mit Imhof vorzu-
nehmende Abrechnung in Betracht gezogen haben. Aber
auch so bleibt Rotts gewissenlose Handlungsweise unver-
kennbar. Die frivole Bemerkung, dais er nie beabsichtigt
habe, seinen Verpflichtungen nachzukommen, findet sich
noch einmal in dem Abschnitt über die Schuld an seinen
Vetter Erasmus Rott. Dieser, sowie sein Bruder Nicolaus
scheinen sich allerdings Rotts Leichtsinn zu Nutze ge-
macht zu halten; Nicolaus hätte nach Konrad Rotts An-
gaben allein in Geschenken 17 000 Gulden erpreist; Eras-
mus hätte sich einen Schuldschein über 60000 Gulden
ausstellen lassen, während Rott meint, ihm bei genauer
Abrechnung nur etwa 18000 Gulden schuldig zu sein.
Dagegen hatte sich Erasmus sowohl gegen die Fugger,
wie gegen Imhof mit für seinen Vetter verbürgt und lief
nunmehr Gefahr, durch dessen Bankerott alles zu ver-
lieren. Er gehörte deshalb auch zu denen, die am lautesten
gegen Rott schrieen, den er, wie er sagte, wegen seiner
unwürdigen Handlungsweise nicht mehr Vetter nennen
könne. Im Grunde aber scheint Erasmus Rott, der in
allen Unternehmungen seines Vetters mit beteiligt war,
eine sehr ähnliche Natur gewesen zu sein, wie Konrad
Rott. Sein erster Gedanke bei der Nachricht von Rotts
Tode war der, so schnell als möglich sich nach Lissabon
zu verfügen , um dort an des Verstorbenen Stelle in den
Pfefferkontrakt einzutreten. Daran wurde er allerdings
durch die anderen Gläubiger verhindert. Imhof erwirkte,
auf Grund der Mitverschreibung des Erasmus auf Konrad
Rotts Wechseln einen Haftbefehl gegen ihn, der erst nach
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 213
der Regelung der Masse aufgehoben wurde, nachdem der
Pfefferkontrakt in feste Hände gelangt war. Trotzdem
hat Erasmus 1582 noch eine Klage gegen Imhof des-
wegen in Lissabon anhängig gemacht, wie es scheint aber
ohne Erfolg25).
Auch der Thüringischen Gesellschaft gedenkt Rott
in seinem Testamente, doch zählt er sie nicht unter seinen
Gläubigern auf, sondern meint, mit ihr glatt zu stehen:
auch ein Beweis seiner Leichtfertigkeit, denn er schuldete
ihr nach Abschätzung von sächsischer Seite nicht weniger
als 120 000 Gulden! Dagegen empfiehlt er seinen Testa-
mentsvollstreckern, den Pfefferkontrakt, dessen Verfall
ihm offenbar Sorge machte, der Thüringischen Gesellschaft
anzubieten. Er konnte freilich nicht wissen, welchen
verhängnisvollen Einflufs sein Verschwinden dort ausgeübt
hatte. Der Kammermeister Harrer, der der eifrigste
Fürsprecher des Pfeffergeschäftes mit Rott gewesen war,
der ihm persönlich nicht nur seinen Sohn, sondern auch
den gröfsten Teil seines Vermögens anvertraut hatte, über-
lebte den Zusammenbruch nicht. Obwohl sonst ein Lebe-
mann, der sich die Sorgen nicht über den Kopf wachsen
liefs, war er doch nicht gewissenlos genug, dem Beispiele
dessen zu folgen, den er in seinen geschäftlichen Unter-
nehmungen sich allerdings zum Vorbilde erwählt zu haben
schien. Während Rott durch das ausgesprengte Gerücht
von seinem Tode nur den Schimpf seines Bankerotts zu
verdecken suchte, glaubte Harrer, sein geschäftliches
Unglück, das aber noch nicht einmal seinen Bankerott
herbeiführte, nicht überleben zu können und gab sich
freiwillig selbst den Tod. Damit aber fiel die treibende
Kraft hinweg in den Unternehmungen der Thüringischen
Gesellschaft, und an eine Übernahme des ganzen Pfeffer-
handels durch dieselbe war nicht mehr zu denken.
Die Kunde von Konrad Rotts Ende stiefs in Augs-
burg sehr bald auf begründete Zweifel. Es stellte sich
nämlich heraus, dafs manche Angaben des angeblichen
Testamentes über die Vorgänge bei und nach Rotts Tode
erlogen waren und weitere Nachforschungen an Ort und
Stelle ergaben, dafs Rott sicher nicht in der Nacht zum
Charfreitag gestorben war, denn er hatte am Ostertage
in Gesellschaft seines Gastwirtes Jost Fritsche, Wirt zur
Glocke in Walenstadt, die dortige Kirche besucht und war
m) Akten im Stadt-Archiv Augsburg ad a. 1592.
:^14 Konrad Haebler:
am nächsten Tage mit seinem Burschen gesund und munter
weitergereist. Eine gleiche Kunde lief aus Baltzers, drei
Meilen von Chur, ein, so dafs auch Rotts Angehörige an
seinen Tod nicht länger glauben konnten und die Trauer-
kleider wieder ablegten. Dadurch entstand nun eine
rechtliche Schwierigkeit. War Rott gestorben, so hatten
für seine unmündigen Kinder die von ihm letztwillig er-
nannten Beschützer in den Angelegenheiten der Geschäfts-
regelung ein gewichtiges Wort mitzusprechen, während,
wenn er nur als Bankerottem1 flüchtig war, die Ordnung
der Geschäfte weiter den Ratspflegern und den durch
diese ernannten Massenverwaltern zustand. Solange man
Sicheres nicht wufste, half sich der Rat zu Augsburg
damit, dals er die von Rott ernannten Vormünder zwar
anerkannte, gleichwohl aber die Ratspfleger beauftragte,
die Liquidation der Masse in der begonnenen Weise fort-
zusetzen. Wenn die Thüringische Gesellschaft gehofft
hatte, die Geschäfte mit Rotts Söhnen weiter zu führen,
so wurde sie jedenfalls bald enttäuscht. Harrers in diesem
Sinne an den jungen Rott gerichteter Brief wurde von
Hörwart den Vormündern übergeben, von diesen aber bei
Seite gelegt, bis man über Rotts Schicksal sichere Kunde
haben werde. Dagegen gelang es der Thüringischen Ge-
sellschaft, auch aufser dem in Leipzig lagernden Pfeffer,
Pfänder für ihre Forderungen an Rott zu schaffen. So-
wohl in Antwerpen wie in Rouen war Pfeffer, welcher
dem Konrad Rott zustand, für die Thüringische Gesell-
schaft mit Arrest belegt worden, sodafs es die Verwalter
der Masse in ihrem eigenen Interesse nicht mehr umgehen
konnten, die Ansprüche der Thüringischen Gesellschaft
mit in Betracht zu ziehen. Das wurde um so bedeutungs-
voller, als nach nicht gar langer Zeit Rott neue Lebens-
zeichen von sich gab und damit die Legende von seinem
Tode selbst aus der Welt schaffte.
Das erste war eine kleine Flugschrift, die ohne An-
gabe des Druckortes um die Mitte des Jahres erschien
unter dem Titel: „Gesprech, so Pasquinus mit dem
Marphorio zu Rom vff primo July defs 1580. Jars gehabt
vber der handlung vom Herrn Conrad Rothen aufs dem
Italienischen ins hohe Deutsch mit fleifs tranfsferirt." In
diesem Libell wird mit grofsem Geschick und mit einer
so eingehenden Kenntnis der gesamten Lage die Ver-
teidigung des Konrad Rott unternommen, dafs man ihn
als Verfasser vermuten müfste, auch wenn er sich nicht
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 215
durch seine bekannte Ruhmredigkeit und durch die wieder-
holten Anklänge an sein sogenanntes Testament als solcher
verriete. Hier schiebt er die Schuld an dem Bankerott
auf die politischen Verhältnisse in Portugal, wo im Februar
1580 König Heinrich gestorben war und der Ausbruch
eines Successionskrieges bevorstand. Schon seit dem Ab-
schluß des Vertrages mit der Thüringischen Gesellschaft
bildete die Entwickelung, welche die portugiesische Thron-
folgesache nehmen würde, den Gegenstand lebhafter Be-
sorgnis, der aber Rott stets mit den sanguinischsten Auf-
fassungen entgegentrat. Um so befremdender mufs es
wirken, wenn er jetzt sich den Anschein giebt, als habe
er sich deswegen tot sagen lassen, damit er dem Dilemma
entgehe, der revolutionären Regierung in Lissabon Waffen
gegen Philipp II. liefern zu müssen, was er persönlich den
Regenten kaum hätte abschlagen können, während seine
Erben nicht dieselben Verpflichtungen der portugiesischen
Regierung gegenüber hätten. Diese Auffassung wird Rott
wahrscheinlich mit Erfolg vor Philipp II. zur Geltung ge-
bracht haben, denn dieser hat ihn unmittelbar nach dem
Bankerott als obersten Fischmeister in seine Dienste ge-
nommen und ihm weiterhin das Konsulat für die Deutschen
in Lissabon übertragen, welches Rott bis zu seinem im
Jahr 1605 erfolgten Tode ausgeübt hat26). Nach dieser
captatio benevolentiae nach der Seite des Königs von
Spanien fährt dann Rott in seiner Flugschrift fort, sich
seiner Verdienste um die kommerziellen und kommunalen
Angelegenheiten seiner Vaterstadt zu berühmen. Dafs er
dabei seinen Plan, den Gewürzhandel den Süddeutschen
zu entziehen und in Leipzig zu monopolisieren, nicht er-
wähnen konnte, ist einleuchtend. Der Thüringischen Ge-
sellschaft gedenkt er wieder nur flüchtig, um zu erklären,
dafs er auch diesen Vertrag nur deshalb nicht habe er-
füllen können, weil er die Person, die ihn daran ver-
hinderte, nur vor dem König von Portugal hätte belangen
können. Hier giebt er wenigstens zu, dals er, wenn auch
nicht der Thüringischen Gesellschaft, so doch dem Kammer-
meister Harrer persönlich noch „eine Summe Geldes pro
rest" schuldig bleibe. Im Übrigen aber widmet er sich
und seiner Handlung die unbegrenzteste Anerkennung,
26) Ein Vergleich der Unterschrift des Konsuls Corrado Rott
(Stadtarchiv Danzig) mit den eigenhändigen Briefen Rotts im K. S.
Hauptstaatsarchiv beseitigt jeden Zweifel, dafs der Konsul mit dem
Kaufmann identisch ist.
216 Konrad Haebler:
stellt auch hier die finanzielle Lage als durchaus günstig
dar, und gipfelt schließlich in der Behauptung: „vnd
seines gleichen ist nie gewesen, der in grossen, wichtigen
sachen so grols hertz gehapt, als eben er."
Auf die Herren Eatspfleger zu Augsburg verfehlte
diese Broschüre vollkommen ihren Eindruck; sie liefsen
sich in ihrer wesentlich abweichenden Beurteilung Rotts
und seines Handels durchaus nicht irre machen, und als
er sich im August erbot, sich persönlich in Augsburg zu
stellen, wenn man ihm sicheres Geleit versprechen wolle,
wurde dieses Anerbieten einfach von der Hand gewiesen.
Darauf mag Rott wohl dann nach Spanien gegangen und
in König Philipps Dienste getreten sein.
Unterdessen hatte der Rat zu Augsburg den Konrad
Maier-7), Raimund Imhof und den Schwager Rotts, Hans
Lukas Welser mit der Verwaltung der Rottschen Kon-
kursmasse beauftragt und ihnen auf die Reklamation der
Thüringischen Gesellschaft den Hieronymus Rem und
Hans Hörwart als Vertreter der Ansprüche der letzteren
beigeordnet. Allein es stellte sich bald heraus, dnls die
Anordnung der Sache wenig förderlich war. Unter den
Augsburger Handelsherren fanden sich nämlich sehr bald
einige, die geneigt waren, von den Rottschen Kontrakten
in Portugal zu retten, was irgend möglich war; dagegen
hatte begreiflicher Weise niemand unter ihnen Lust.
den Thüringischen Gesellschaftsvertrag wieder aufleben
zu lassen, dessen Spitze ja gerade gegen die oberdeutschen
Handelsherren gerichtet war. So erklärten denn schon
am 19. Juli die Vertreter der sächsischen Partei, dafs es
unmöglich sei, eine Vereinigung der Ansprüche aller
Gläubiger herbeizuführen, und baten, da die anderen
Verwalter der Masse mit ihnen nicht verhandeln zu
können erklärten, um Enthebung von ihrem undankbaren
Auftrag28). So blieb der Thüringischen Gesellschaft, in
welcher nach Harrers Tode Georg Hermann an dessen
Stelle ernannt worden war, nichts weiter übrig, als ihre
Ansprüche an die Masse, für welche sie übrigens durch
Pfänder ausreichend gesichert war, selbständig zu ver-
fechten. Kurfürst August scheint es zunächst damit
weiter nicht eilig gehabt zu haben. Auf die Frankfurter
27) Später tritt an dessen Stelle "Melchior Hainhofer. Loa 7411.
Handlung fol. L83.
2S) Stadtarchiv Augsburg.
Konrad Rott und die Thüringische Gesellschaft. 21?
Herbstmesse des Jahres 1580 wurde im Auftrage der
Gesellschaft Melchior Männlich abgeordnet, und der
konnte sehr bald die Nachricht an seinen Auftraggeber
gelangen lassen, dals ihm von verschiedenen Seiten An-
gebote auf die zu Leipzig lagernden Gewürze gemacht
worden seien. Allerdings waren die Preise, soweit ihm
überhaupt solche gestellt wurden, so niedrig, dafs die
Gesellschaft für ihre an Rott gezahlten Auslagen noch
nicht einmal voll entschädigt worden wäre. Deshalb be-
fahl ihm auch der Kurfürst auf Bernsteins Rat, sich
nach keiner Richtung zu binden, sondern die Fortsetzung
der Verhandlungen auf die Leipziger Michaelismesse
zu vertagen. Allein auch auf dieser kam man nicht viel
weiter, da die fremden Händler meinten, die Thüringische
Gesellschaft werde ihr Lager um jeden Preis räumen
müssen , und in Folge davon keine anständigen Preise
bezahlen wollten. Dieses fortwährenden Feilschens und
Marktens wurde endlich der Kurfürst überdrüssig. Schon
am 14. Oktober erklärte er deshalb in dem als Einlei-
tung angefühlten Schreiben, dals er mit den Handels-
angelegenheiten nichts weiter zu thun haben wolle, und
am 15. Januar 1581 wies er den aus den Vorräten der
Thüringischen Gesellschaft zu erzielenden Erlös zum
Besten der Hospitäler des Kurfürstentums an, um damit
demonstrativ jedes eigene Interesse an der ferneren Ent-
wickelung der Angelegenheit abzulehnen. Die Regelung
derselben liefs denn nun auch nicht mehr lange auf sich
warten. Sie wurde wesentlich erleichtert dadurch, dafs
mittlerweile aus Rotts Gläubigern eine neue Gesellschaft
zur Fortführung des Pfefferhandels sich gebildet hatte.
In Lissabon hatten sich die königlichen Beamten die
gröfste Mühe gegeben, eine solche Lösung herbeizuführen,
ja man behauptete, wenn Rott, statt sich tot zu melden,
selbst nach Lissabon gegangen wäre, so würde man ihm,
trotz des schlechten Rufes, den er um seines Geizes
und seiner beständigen Geldnot willen genofs, doch alle
denkbaren Erleichterungen bewilligt haben, um nur den
Fortbestand des Kontraktes zu sichern. Aus diesem
Grunde konnte ja auch Erasmus Rott gegen die Imhof
klagbar werden, dafs nur deren Haftbefehl gegen ihn
den Verfall des Kontraktes bewirkt habe. So war also
der Boden vorzüglich vorbereitet, um einer neuen Pfeffer-
gesellschaft die Anfänge zu erleichtern. Giovanni Battista
Rovelasca, der Leiter der Geschäfte des Mailänder
218 Konr. Haebler: Konr. Rott u. d. Thür. Gesellschaft.
Hauses der Litta, war ja schon an dem Rottschen Handel
hervorragend beteiligt gewesen; er scheint die Seele des
neuen Unternehmens geworden zu sein, zu welchem er
sich die Beihülfe der bedeutensten Geldmacht der da-
maligen Zeit, der Fugger, zu sichern wufste2"). Rovelasca
erwarb zum Preise von 130000 Dukaten von den Kura-
toren der Rottschen Masse alle dessen Anrechte an den
Pfeiferhandel, den er mit Fugger zusammen, aber mit
keinem sonderlichen Erfolge bis zum Jahre 1591 fort-
gesetzt hat. Im Interesse dieser Gesellschaft lag es nun
natürlich auch, die noch vorhandenen Gewürzvorräte
nicht in die .Hände mifsgünstiger Konkurrenten gelangen
zu lassen. Überdies waren wohl auch die geldmächtigen
Fugger unter allen Handelsherren diejenigen, welche der
Thüringischen Gesellschaft die günstigsten Bedingungen
bieten konnten. Sie scheinen sehr bald mit derselben
einig geworden zu sein und haben für 194611 Gulden,
zahlbar in vier vierteljährlichen Terminen, die in Leipzig
lagernden Vorräte gekauft.
So endeten die Unternehmungen der Thüringischen
Gesellschaft; ihr Mifserfolg war allerdings zum Teil wohl
in der ungenügenden Vorbereitung des ganzen Geschäftes
begründet, das von Rott wahrscheinlich von vornherein
nicht ernst und gewissenhaft in Angriff genommen wurde;
dennoch hätte dasselbe grofse Wandlungen im Gange
des Welthandels herbeiführen, den sächsischen Landen
und besonders den Leipziger Messen außerordentliche
Vorteile bringen können, hätte Rott nicht ebenso leicht-
fertig, wie er es begonnen, das Unternehmen wieder im
Stich gelassen. Rott fesselt unser Interesse durch die
Grofsartigkeit seiner Pläne, durch die außerordentliche
Kühnheit, mit der er fort und fort neue Aufgaben erfafst
und in den Bereich seiner Unternehmungen hineinzieht;
allein er ist dennoch nicht eigentlich ein großartiger Kauf-
herr, sondern mehr nur ein Beispiel der wilden Spekulation,
zu welcher die Handelswelt des 16. Jahrhunderts durch
die aller Orten bestehenden Monopole verführt wurde,
gegen die Kaiser und Reich seit Jahrzehnten ankämpften,
ohne ihnen doch ernstlich beikommen zu können.
:') VefgL F. Dobel, Über einen Pfefferhandel der Fugger
und Welser 1586—1591. In: Zeitschrift des bist. Ver. f. Schwaben
und Neuburg XIII, 125 ff.
VIII.
Arnold von Westfalen und die Rocklitzer
Kunigundenkirche.
Von
W. C. Pfau.
Steche, der verdienstvolle Forscher auf dem Gebiet
der sächsischen Baukunst, behandelt im 14. Heft des um-
fassenden Werkes „Beschreibende Darstellung der älteren
Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen" die
Amtshauptmannschaft Rochlitz. Leider gehört gerade die
Untersuchung über dieses baugeschichtlich so wichtige
Gebiet unter die letzten Forschungen des gründlichen
Gelehrten. Als er in der ßochlitzer Gegend thätig war,
kämpfte er schon mit jener tückischen Krankheit, die
seine letzten Lebensjahre so sehr verbitterte und ihn
schliefslich viel zu früh seinem Wirkungskreise entrifs.
Dieses lange Leiden ist wohl der Grund, dafs Steche in
dem genannten 14. Heft nicht immer seine sonstige gründ-
liche Genauigkeit beibehalten hat. Es finden sich hier
ziemlich viel thatsächlich falsche Angaben; gar manches
ist unberücksichtigt und unerwähnt geblieben, was einer
Buchung durchaus bedurft hätte, und mehrfach erscheinen
Urteile als übereilt, zum mindestens als recht schwach
begründet. Als ein solches Urteil müssen wir das hin-
stellen, welches Steche über die Rochlitzer Kunigunden-
kirche gefällt hat. Nach seiner Untersuchung soll die
Kunigundenkirche in ihrem gotischen Bestand ein einheit-
licher Bau sein, der von einem Werkmeister Arnold von
Westfalen geschaffen und 1476 beendet worden wäre.
220 W. C Pfau:
Diese Ansicht kann unsers Erachtens nach unmöglich
richtig sein. Vielmehr sind Schiff und Chor zwei ganz
verschiedene Bauten, die unmöglich zu gleicher Zeit nach
dem Entwurf eines und desselben Meisters entstanden sein
können.
Ein altes verlorenes Rochlitzer Stadtbuch, auf welches
die Chronisten zurückgehen, berichtet, der Chor wäre
1417 erbaut. Das Schiff trägt auf einem Schlufsstein die
Jahreszahl 1476. Diese beiden Angaben kennt Steche
auch; jedoch sagt er, die Architektur des Chores wider-
spräche der Angabe jenes Buches. Der Chor w7äre 1417
vielleicht gegründet, aber erst 1471 — seiner Architektur
nach — erbaut worden. Da es sich hier in Bezug auf
den Chorbau um Widerlegung einer urkundlichen Zeit-
angabe handelt, so wäre es doch sehr wünschenswert
gewesen, dals Steche genau dargelegt hätte, inwiefern
die Architektur nicht der Zeit um 1417 entspricht, um
so mehr, da zwischen 1417 und 1471 nur wenige Jahr-
zehnte liegen, die für die Entwicklung der Gotik nicht
einmal besonders auffällige Neuerscheinungen bringen. Eine
solche Erörterung hat Steche vollständig unterlassen.
Unserer Ansicht nach mufs der Chor offenbar älter
sein als das Schiff, denn der erstere ist viel edler ge-
halten als das letztere, welches den Verfall der Kunst
z. T. ziemlich auffällig zeigt, Überdies ist am Schiff das
Hauptmotiv der wichtigsten Verzierungen der Eselsrücken,
dieses Kennzeichen der Spätgotik; am Chor hingegen
treffen wir denselben kein einziges Mal an. Die Bogen
über der Sakristei und dem Sakramentshäuschen, die
beide an der Chorwand angebracht sind, können in ihrer
merkwürdig geknickten Form nicht als wirkliche Esels-
rücken gelten. (Abbildung: Steche S. 69.)
Dafs Chor und Schiff nicht gleichzeitig von denselben
Bauleuten geschaffen sind, beweisen recht deutlich die
Steinmetzzeichen. Diesen Punkt hat Steche offenbar
ganz unberücksichtigt gelassen. Das Schiff ist reich an
Zeichen, der Chor aber auffällig arm. Viele Zeichen des
Schiffes wiederholen sich an allen seinen Teilen. Wir
haben aber nicht ein einziges im Chor angetroffen, welches
sich auch im Schiff belegen Heise. Also mufs der Chor
andere Erbauer als das Schiff gehabt haben. Die Zeichen
des Schiffes kommen zum guten Teil auch am Chor der
Müttweidaer Kirche vor, der nach Steche auch von Arnold
von Westfalen erbaut worden sein soll. Wie Steche
Arnold von Westfalen u. die Rochlitzer Kunigundenkirche. 221
nicht näher angiebt, inwiefern die Architektur des
Chors nicht der Zeit um 1417 entspricht, so erläutert er
auch nicht, inwiefern Schiff und Chor durchaus als ein
einheitlicher Bau zu gelten haben. Wenn beide Teile
im Inneren gleiche Höhe, im Äufseren dasselbe Sockel-,
Fenster- und Dachgesims haben, so können wir doch
noch lange nicht von einer Gleichheit reden. Wenn ein
Baumeister an einen vorhandenen gotischen Chor, der
erst kurz zuvor entstanden ist, ein Schiff anbauen soll,
so ist es doch recht naheliegend, dafs er die vorhandenen
Gesimse weiter führt und den Neubau in Bezug auf die
Höhe dem vorgefundenen Bestand anpalst, da sonst eine
vollständige Disharmonie eintreten würde. Im Übrigen
zeigt der Chor eine ganz andere Architektur als das
Schiff, sowohl im Inneren als im Äufseren.
Das Innere. Dasselbe ist schmucklich einfacher
gehalten, als das Äufsere; deshalb tritt hier auch die
Verschiedenheit der Bauteile weniger stark hervor. Die
Hippen des Chorgewölbes zeigen in der Profilierung
Birnstab, Kehle, Platte. Das Schiff behält zwar dieses
Motiv auch bei, behandelt es aber anders, indem es
das Hauptgewicht auf die Kehle legt, während im Chor
mehr der Birnstab hervortritt, Deshalb wirken die
Rippen im Schiff magerer, die im Chor voller, runder.
Wenn beide Gewölbe gleiche Schöpfer hätten, könnte
man die verschiedene Behandlung schwer begreifen. Der
Gesamteindruck des Chorgewölbes ist ein schön harmo-
nischer; beim Schiff (Steche S. 60) macht sich besonders
im westlichen Teil eine recht häfsliche Verzerrung merk-
lich. Ganz auffallend ist die Verteilung der Schlußsteine:
das Schiff zeigt einen ausgesprochenen Reichtum der-
selben, der Chor besitzt gar keinen. (Bei der Mittweidaer
Kirche haben wir auch Schlußsteine im Chor.) Dem
Erbauer des Rochlitzer Chores war die Verwendung der
Schlufssteine auch geläufig; er brachte sie aber nur in
dem seitlichen Anbau, der Sakristei, an. Doch unter-
scheiden sich diese Schlufssteine wieder wesentlich von
denen des Schiffes. In der Sakristei haben alle acht
reich mit edler Bildhauerarbeit geschmückten Steine eine
kreisrunde Grundform ; die Schlulssteine des Schiffes haben
alle möglichen Grundformen (Tartschen, Pässe und ähn-
liche Motive) — kein einziger ist aber kreisrund. Über-
dies entbehren diese alle eines wirklich künstlerischen
Schmuckes, viele siud ganz leer. Das Chorgewölbe be-
222 W.C.Pfau:
sitzt eine kreisförmige Öffnung, einen Schlufsring, das
Schiff' nicht. Der Schluisring fehlt in Steches Grundrils,
S. 60, während er ihn bei der Rochlitzer Petrikirche,
S. 59, angiebt. Überhaupt hat dieser Grundrils der
Kunigundenkirche mehrere bedauerliche Irrtümer. Die
Schlulssteine macht Steche in falscher Anordnung nam-
haft und erklärt sie teilweise nicht richtig.
Im Chor setzen sich die Gewölbrippen alle als Dienste
bis zum Fenstergesims fort; diese Dienste zeigen deshalb
dasselbe Hauptmotiv wie die zugehörigen Hippen, den
Birnstab. Ganz anders verhält sich in dieser Beziehung
das Schiff. Hier setzt sich keine einzige Rippe fort; sie
laufen sich alle tot, sei es beim Berühren der Wandfläche
oder beim Ansatz am Pfeilerkopf. Es erweckt eine ganz
falsche Vorstellung, wenn Steche, S. 68, sagt: „Die Rippen
der Gewölbe des Schiffes — setzen sich als drei-
seitige Dienstbündel auf den Fufsboden." Die berührten
Bündel kommen weder bei allen Schiffsrippen vor, noch
sind sie wirkliche „Dienstbündel"; die Rippen finden
an ihnen keinen wirklichen Untersatz. An ihrem Kopf
zwischen den Gliedern laufen sich die Rippen einfach
tot, so dais diese Bündel mehr als Wandpfeiler funk-
tionieren, die teilweise ausgeprägten Sockel haben. Sie
bestehen in der Hauptsache aus einem dreifachen Rund-
stab, weisen aber nie den Birnstab der Rippen — wie
die Chordienste stets — auf.
Nach Steches Grundrifs sieht die Kirche einheitlicher
aus, weil er alle Hauptfenster als dreipfostig aufzeichnet.
Das ist ein recht bedauerliches Versehen: Alle Fenster
des Chores sind nur zweipfostig, während die fünf Haupt-
fenster des Schiffes dreipfostig sind und alte und junge
Pfosten unterscheiden. Dais die Chorfenster nur zwei-
pfostig sind, geht schon aus Steches Abbildungen, S. 66, 67,
hervor. Das östliche seitliche Schifffenster giebt Steche
als pfostenlos an; in Natur zeigt es zwei Pfosten. Am
Mittweidaer Chor kommen auch dreipfostige Fenster vor. —
Der Kunigundenchor hat im Innern ein mit Bild-
hauerarbeit reich geschmücktes Fenstergesims, welches
das Schiff aber nicht weiter führt. Deshalb können sich
im letzteren auch die Pfeilerbündel ungehindert vom Fufs-
boden bis zum Gewölbe erstrecken.
Das Aufs er e. Sämtliche Fenster des Schiffes sind
durch einen mit Krabben besetzten Eselsrücken bekrönt,
von welchem Schmuck die Chorfenster keine Spur zeigen.
Arnold von Westfalen u. die Rochlitzer Kimignndenkirche. 223
Die äufsere Laibung der Schiifsfenster ist reicher ge-
gliedert, als die der Chorfenster, besonders fehlt letzteren
der kräftige Birnstab.
Am stärksten tritt der Unterschied zwischen Chor
und Schiff bei einer Vergleichung der Strebepfeiler her-
vor. Sämtliche Chorpfeiler sind unter sich vollständig
gleichmäßig, gleich künstlerisch gebildet. Die Strebe-
pfeiler am Schiff zeigen unter einander in künstlerischer
Beziehung einen gewissen Unterschied. In ihrem Auf-
bau bilden die Chorpfeiler eine selbständige Gruppe, die
sich scharf von sämtlichen Schiffspfeilern abliebt. Wenn-
gleich die nördlichen Schiffspfeiler im Aufbau eine ge-
wisse Ähnlichkeit mit den Chorpfeilern haben, so unter-
scheiden sie sich doch wieder ganz wesentlich in der
Giebelbildung, im Hauptschmuckmotiv, in der Höhe. Am
stärksten weichen die südlichen Schiffspfeiler von den
Chorpfeilern ab. Die Mittweidaer Chorpfeiler sind hin-
gegen den Rochlitzer Schiffspfeilern ganz ähnlich, be-
sonders in den Eselsrückenverzierungen.
An der Kunigundenkirche sind sämtliche Strebe-
pfeiler des Chores niedriger, als die des Schiffs; denn
letztere erreichen mit der Schräge das Dachgesims des
Gebäudes, was bei den Chorpfeilern nie der Fall ist.
Die Giebel der Chorpfeiler haben alle gleiches An-
sehen, welchem wir am Schiff nicht wieder begegnen.
Die Kreuzblumen auf den Chorpfeilern sind kompakter
und nicht so weit aufgeblüht, wie diejenigen des Schiffes,
welche sich stark in die Breite geben. Ebenso ist der
Stiel bei ersteren mehr rundlich, während derselbe bei
jenen von mit Krabben besetzten Fialen gebildet wird.
Überhaupt verwendet das Chor die Kriechblumen viel
sparsamer, als das Schiff. Die Chorpfeiler weisen nur den
Spitzbogen auf, an den Schiffspfeilern herrscht durchaus
der Eselsrücken vor. Die Chorpfeiler haben im obersten
Absatz gar keine Mafswerksverzierung, welche die sämt-
lichen Schiffspfeiler an dieser Stelle zeigen. Sämtliche
Chorpfeiler besitzen im Mafswerk ein sehr edles Lilien-
motiv, welches an keinem Schiffspfeiler wiederkehrt. Jeder
Chorpfeiler hat am Fenstergesims prächtigen phantasti-
schen Figurenschmuck und im mittleren Absatz eine
schöne wasserspeierartige Verzierung, Meisterwerke, die
an den Schiffspfeilern vollständig fehlen. Die Chorpfeiler
wirken schlanker, als die z. T. sogar ziemlich massigen
Strebepfeiler des Schiffes. Das Mafswerk der Chorpfeiler
■!>\ W.C.Pf an:
ist edler und kunstreicher, als am Schilt', ein Umstand,
den auch Steche erwähnt. Sämtliche Bildhauerarbeiten
am Chor sind ausgezeichnet gearbeitet, während am
Schiff sogar plumpe Formen mit unterlaufen.
Steche legt besonders auf das Lilienmotiv groisen
Wert, welches er für Arnolds Bauten geradezu als
charakteristisch anzusehen scheint. Das Kumgunden-
schiff aber, welches doch für Arnold hauptsächlich in
Frage käme, ist gerade an dieser Zier auffallend arm,
während das Chor dafür eine ganz ausgesprochene Vor-
liebe zeigt. Am Schiff finden wir das Motiv verwendet
an einem Fries über dem Südportal, vergl. Steche, Bei-
lage VII. Die ganze Manier des Frieses sieht aus, als
wenn er gar nicht recht an das Schiff gehörte oder als
wenn er der eigenen Erfindungsgabe des Meisters vom
Schiff gar nicht entsprungen wäre. Steche sagt selbst
S. 64, dafs dieses Fries „seltsam in Widerspruch" stünde
mit anderer Architektur des Schiffes. Diese auffällige
Merkwürdigkeit hat wTohl ihren Grund darin, dafs der
spätere Meister des Schiffes in diesem Fries edle Motive
des älteren Chores einmal nachzubilden suchte. Ganz
ist ihm dies freilich nicht gelungen, denn die Lilien über
dem Portal sind denen der Chorpfeiler künstlerisch nicht
gleichwertig. Die letzteren sind etwas langgestreckter;
ihre Blätter alle sind gleichmäßig edel durchgebildet.
Bei den Schiffslilien sehen die Seitenblätter etwas mager,
dürftig, mehr hakenförmig aus, während das Mittelblatt
auffallend kräftig gebildet ist. Selbst dieses Fries zeigt,
dafs der Schöpfer desselben nicht denselben feinen Formen-
sinn hatte, wie der Meister des Chores, welch letzterer
bei all seiner Einfachheit edler und ruhiger wirkt, als
das reich geschmückte Schiff. —
Auf Grund der ausgeführten Erörterungen kann man
unmöglich Steches Urteil beistimmen. Der gotische Be-
stand der Kunigundenkirche ist nicht einheitlich: Chor
und Schiff sind zu verschiedenen Zeiten entstanden; die
urkundliche Angabe, dais das Chor 1417 erbaut wurde,
ist nicht zu bezweifeln. Es käme also Arnold von West-
falen nur für das Sqhiff in Betracht. Welche Gewähr
haben wir aber dafür, dafs dieser gewaltige Werkmeister
wirklick an der Kunigundenkirche überhaupt thätig war?
Im Grunde genommen so gut wie gar keine!
Zweifellos waren die meisten der Arbeiter, die das
Rochlitzer Schiff bauten, auch am Chor der Mittweidaer
Arnold von Westfalen u. die Rochlitzer Kunigundenkirche. 225
Kirche thätig; das ergiebt die Architektur und die Be-
trachtung der Steinmetzzeichen. Steche schreibt den
Chor Arnold von Westfalen zu und also auch die Roch-
litzer Kunigundenkirche; es könnte aber überhaupt nur
das Kunigundenschiff für den namhaften Meister in Frage
kommen. Das Mittweidaer Chor wurde nach einem Stadt-
buch 1473 erbaut. 147i empfahl Hugold von Schleinitz
auf Kriebstein seinen Werkmeister Ornald dem Mitt-
weidaer Rat für die beabsichtigte Wölbung der Pfarr-
kirche. Steche sagt nun ohne weitere Begründung S. 22:
„Unter Ornald ist zweifellos Arnold von Westfalen zu
verstehen." Wir hätten allerdings für eine so wichtige
Behauptung gern einen einleuchtenden Grund gehört! —
Es läfst sich aber auch gar nicht beweisen, dafs der
Mittweidaische Rat den „Arnold" (Ornald) wirklich an-
gestellt hat; das wäre doch die Hauptsache. Steche
fährt zwar fort, dafs „der Chorbau" von Arnold herrühre,
bestätige „dessen Durchführung". — Also müfste doch
der gesamte „Chorbau" von Arnold herrühren; das oben
erwähnte Empfehlungsschreiben spricht aber doch nur
vom „Wölben" des Chores. (Vergl. S. 22.) Die Um-
fassung des Chores müfste also, ehe Arnold überhaupt
empfohlen wurde, schon fertig sein. Übrigens sagt Steche
selbst, dafs die Errichtung des Chores bereits im Jahre
1443 begonnen worden sei. Das ist doch ein vollständiger
Widerspruch. Wie soll man so an eine „Durchführung"
des Chorbaues in Arnoldscher Manier glauben können?
„Meister Arnolt" war auch in Rochsburg thätig.
Ist das denn aber wirklich Arnold von Westfalen? Der
Name an und für sich beweist doch nichts, da er ziem-
lich häufig vorkommt; die Hauptsache ist und bleibt die
charakteristische Herkunftsbezeichnung. Auch bei Be-
schreibung des Rochsburger Schlosses vergifst Steche
wieder einen Grund anzugeben, weshalb er diesen „Arnolt"
mit „Arnold von Westfalen" identifiziert.
Arnold von Westfalen ist der nachgewiesene Erbauer
der Albrechtsburg in Meiisen. Selbst wenn wir ihn auch
für die Schlösser Kriebstein und Rochsburg gelten lassen,
so gewinnen wir schwerlich einen sicheren Anhaltspunkt
für die Meisterfrage des Rochlitzer Schiffes und des
Mittweidaischen Chors. Die erwähnten Burgen sind nüch-
tern, so gut wie ganz frei von bildhauerischer Zierde.
Da die betreffenden Kirchen gerade ihren Haupt wert in
ihrem bildhauerischen Schmuck haben, so müfste doch
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3 4. 15
226 W.C.Pfau:
erst nachgewiesen werden, ob diese Verzierungen im
Arnoldschen Stil gehalten sind, ob sie seiner Erfindung
entsprungen sind. Das können wir aber nicht, Überdies
stimmen die Steinmetzzeichen in Rochsburg und Krieb-
stein durchaus nicht zu Rochlitz und Mittweida. Wir
unsererseits können deshalb nur sagen, dafs Arnold von
Westfalens Thätigkeit an der Rochlitzer Kunigunden-
kirche und der Mittweidaischen Kirche durchaus noch
nicht überzeugend nachgewiesen ist. — Wir können nur
behaupten, dals am Mittweidaer Chor und am Rochlitzer
Kunigundenschiff dieselben dem Namen nach leider un-
bekannten Meister wirkten. Wir haben sogar einen ge-
wissen Zweifel, ob wir für diese Bauten einen Werk-
meister überhaupt annehmen dürfen. In Mittweida finden
sich mehrere plastische Meisterschilde ; also waren mehrere
Meister thätig. Da diese Schilde durch ihre Form und
durch ihre Lage keinen Hinweis geben, dals von diesen
Meistern einer eine hervorragende Stellung als Werk-
meister eingenommen hätte, so scheinen diese Meister
alle gleichberechtigt gewesen zu sein. Dann wäre die
Kirche in ihrem Chorbau einheitlich von mehreren Meistern
ohne Werkmeister geschaffen worden. Dann können wir
aber auch besser verstehen, dals das Stadtbuch in Mitt-
weida nur das Erbauungsjahr 1473 bucht, ohne den Er-
bauer namhaft zu machen. Wenn es blols ein Meistor
gewesen wäre, dürften wir dessen Namen eher erwarten,
als wenn es eine Gemeinschaft mehrerer Meister gewesen
wäre.
Am Kunigundenschiff finden sich keine plastischen
Meisterzeichen. Allein dafs verschiedene Meister thätig
waren , ergiebt die verschiedene Behandlung der Schiffs-
verzierungen. Das giebt auch Steche an. An diesem
Schiff vermiist man sogar die beaufsichtigende Oberleitung
eines Werkmeisters, besonders wenn man den östlichen
Strebepfeiler neben dem Südportal bedenkt, abgebildet
S. 63. Im Vergleich mit den übrigen Pfeilern besitzt
dieser geradezu häusliche, kürbisartige Krabben, und das
Halsglied der Kreuzblumen im zweiten Absatz ist so
unschön und alle Harmonie störend, dals ein Werkmeister
solche Arbeit wohl schwerlich zugelassen haben würde.
Es ist demnach gar nicht unmöglich, dals das Kuni-
gundenschiff überhaupt keinen leitenden Werkmeister ge-
habt hat. Es ist nicht ausgeschlossen, dafs mehrere
Meister zusammen einen Bauplan, eine Visierung, ent-
Arnold von Westfalen u. die Roclilitzer Kunigundenkirche. 227
worfen haben, nach denen sie dann gemeinschaftlich,
jeder nach seinem Können, arbeiteten.
Wir hätten schließlich noch zu fragen, ob eine der-
artige Ballführung in der Gotik überhaupt möglich war;
wir finden Aufschlafs darüber in den Hüttenordnungen.
Die Strafsburger Haupthüttenordnung vom Jahre
1459 sagt Art. 9: „Es sollent auch nit zwey Meister
ein werk oder einen gebeue gemein mit einander haben;
es wer den, dafs es ein kleiner gebeue were, der in
jorsfryst ein ende näme ungeverlich; den mag man wol
gemeyn haben mit dem, der ein mytbruder ist". Also
bei kleineren Bauten war ein gemeinschaftliches Arbeiten
mehrerer Meister, von denen keiner als Werkmeister, als
vorgesetzter Obermeister, galt, wohl gestattet. Da das
Gebot in die Ordnung aufgenommen ist, mag wohl eine
solche Meistergemeinschaft auch bei grofsen Bauten vor-
gekommen sein. Überdies sagt der Artikel nicht einmal,
dafs im Übertretungsfalle die Meister zu bestrafen wären,
wie das bei andern Artikeln oft der Fall ist; man scheint
es also mit dem Gebot nicht sehr streng genommen zu
haben. Das liegt in der Natur der Sache. Wer wollte
denn dafür bürgen, dafs ein Bau, der ursprünglich nur
für ein Jahr berechnet sein sollte, nach dieser Frist
wirklich fertig war! Witterungsverhältnisse , Arbeiter-
mangel, neue Wünsche der Bauherren konnten sehr leicht
eine Bauverschleppung herbeiführen. Wenn der Bau nach
einem Jahr nicht fertig war, so konnten die ihn aus-
führenden Meister leicht Entschuldigungsgründe finden.
Die angegebene Baufrist des Artikels soll wohl nur einen
Anhalt bieten, was unter einem kleinen Bau zu verstehen
war. Freilich ist diese Zeitdauer ein recht fragwürdiger
Mafsstab; besser wäre die Angabe einer ungefähren
Arbeiterzahl gewesen. Ob dieser Artikel überhaupt be-
achtet worden ist, bleibt fraglich; denn die Ordnung
stellt in der Einleitung die Befolgung aller Artikel im
Grunde genommen frei, da sie erlaubt, alle Artikel zu
ändern: „wer es, dafs ettelicher artikel in dieser ordnunge
zu schwer und zu herte, oder ettelicher zu lychte und
zu mylte werent; do mögent die, die in dieser ordenung
sint, mit dem merenteyl soliche Artikel myltern, mynren
oder meren, je noch der zitt und des lands notdurflft
und nach den laiffen." Uns genügt das Ergebnis, dafs
überhaupt Bauten gemeinschaftlich von Meistern, von
denen keiner eine hervorragende Rolle spielte, ausgeführt
15*
228 W.C.Pfau: Arnold von Westf. u. d. Rochlitzer Kunigundenkirche.
wurden. Die im Artikel enthaltene Beschränkung scheint
für Sachsen nicht gegolten zu haben; denn dieses Land
besais seit 1462 die Rochlitzer Ordnung als Sondergesetz,
welches einen solchen Artikel wie den angeführten über-
haupt nicht kennt. Da übrigens weder das Kunigunden-
schiff noch der Mittweidaer Chor grofse Bauten sind, so
erscheint die Vermutung, dals diese Werke vielleicht gar
keinen leitenden Werkmeister gehabt haben, auf Grund
unserer mehrfachen Ausführungen gar nicht unwahr-
scheinlich.
IX.
Aus der Geschichte des Schneeberger
Lyceums.
Von
Eduard Heydenreich.
Das Lyceum der Stadt Schneeberg, welches „als
Pflegstätte humanistischer Gelehrsamkeit im westlichen
Obererzgebirge mehrfach Zeiten grofser Blüte gehabt,
immer aber redlich zu dem kulturellen Aufschwung unseres
Vaterlandes beigetragen hat"1), gehört zu den bedeut-
samsten Lehranstalten des Landes. Im 15. Jahrhundert
gegründet, ist es erst 1835 der grofsen finanziellen Be-
drängnis der Stadt Schneeberg zum Opfer gefallen, die
durch wiederholte gewaltige Feuersbrünste und Kriegs-
unfälle schwer geschädigt war und ihre mit rührender
Liebe gepflegte lateinische Schule den gesteigerten An-
forderungen der Staatsregierung gegenüber nicht länger
halten konnte. Schon Albinus rühmte das Schneeberger
Lyceum mit den Worten: „die Schule allhier ist wohl
bestellet gewesen und in derselben die Fundamente der
christlichen Religion und freien Künste sammt den Sprachen,
mit denen man sich zu den höheren Studiis der Schulen
vorbereiten mufs, fleifsig und treulich getrieben, die
Schüler in guter Disciplin gehalten und daher auch für-
nehme und gelehrte Leute gezogen worden". Und noch
kurze Zeit vor seiner Einziehung schrieb sein Lokal-
!) Worte des Herrn Bürgermeisters Dr. von Woydt zu Schnee-
berg bei der Eröffnung des dortigen Königl. Gymnasiums, welches
das Erbe des Lyceums 1888 übernahm. Vergl B e r nh ar di im Jahres-
bericht des Gymnasiums zu Schneeberg 1889, S. 6.
230 Eduard Beydenreich :
inspektor Oberpfarrer Wahl am 6. November 1816: „Wenn
sich bey allen Stürmen der Zeit und bey den traurigen
Veränderungen, welche so manche ähnliche Anstalt im
Laufe der Zeit erfahren hat, die hiesige lateinische Schule
noch immer in einem vorzüglich guten Ruf und Flor er-
halten hat, so verdankt sie dies nächst Gott unter andern
auch dem Umstände, dafs, wie gering dotiert auch die
Lehrerstellen sind, doch diese noch immer mit gelehrten
und tüchtigen Männern besetzt waren"-). So mag es
denn dem Verfasser dieser Mitteilungen vergönnt sein,
einiges von dem, was seines kulturgeschichtlichen Inhaltes
wegen auf allgemeineres Interesse Anspruch zu erheben
geeignet erscheint, aus der Geschichte des Schneeberger
Lyceums zusammenzustellen").
Die Abhängigkeit des Lyceums von der Kirche
zeigt sich zunächst in den Pflichten, weiche die einzelnen
Lehrer in der Kirche zu erfüllen haben. Aus dem Rechen-
schaftsbericht über die Leitung der Schule zu Schneeberg,
welchen der Rektor Paul Obermeier (1555—1575) 1564
dem Pfarrer Job. Schleifer erstattete4), erfahren wir,
wie die Schule dafür sorgte, dafs die Schüler am Sonn-
tage den Predigten und gottesdienstlichen Handlungen
überhaupt beiwohnten. Von den älteren Schülern wurde
2) Schneeberger Ratsarchiv G III 13.
3) Die hauptsächlichsten Quellen für die Geschichte des Schnee-
berger Lyceums sind das Schneeberger Ratsarchiv, das Schneeberger
Ephoralarchiv und das Pfarrarchiv daselbst, welche zu benutzen dem
Verfasser durch die Güte der Herren Bürgermeister Dr. von Woydt
und Superintendent Lic. theol. Noth vergönnt war. Dazu kommen
die Programme des Schneeberger Lyceums , die jetzt im Königl.
Gymnasium aufgestellt sind, sowie die Chronisten A 1 b i n u s , M e 1 z e r
und Lehmann. Einzelne Teile der Schulgeschichte sind an folgenden
( hten behandelt: Gdfr. Ludovici, Historia gymnasiorum celebriorum
V (1718), 93ff; M. C H. Tromler, Analecta quaedam litteraria
historiae Lycei Nivemontani inservientia (1786); Theod. Stade, Ge-
schichte des Lyceums zu Schneeberg I (1877); Blanckmeister,
Sh-zgebirgischer' Volksfreund 1888, S. 107 ff. ; Wind haus, Mitteilungen
der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte I, 3
(1891) und meine Mitteilungen in der Festschrift des Königl. Gym-
nasiums mit Realklassen zu Schneeberg 1891, S. [II ff. 40 ff., sowie
in dieser Zeitschrift XIII (1892), 91 ff. Die Fortsetzung von Trom-
ler's Analecta, welche nach Irmisch, In memoriam Carol. Henr.
Tromleri, Scbneeberg 1791, pag. VIII und Stade a. a. Ü. S. 3 i. J.
1787 erschien, ist dem Verfasser trotz mehrjährigen Snchens un-
erreichbar geblieben.
*) Ratio administrationis scholae Snebergensis exhibita D. Pastori
.lobanni Sleiffer. Anno 1564 Mensc Septembri. Vergl. Wind-
li aus a. a. ( ).
Aus der Geschichte <les Sc.lniiM'beryvr Lyceums. 231
sogar verlangt, dals sie auch die Predigten hörten, die
an den Wochentagen gehalten wurden. Dem Abend-
gottesdienst an Wochentagen und ebenso dem Frühgottes-
dienst am Sonntag wohnten die Sekundaner, Tertianer
und Quartaner bei, aber in zwei Chöre geteilt, von denen
die ersten in der einen Woche der Kantor, den zweiten
in der anderen Woche Schulkollege ßeutner leitete. Zum
Abendgottesdienst am Samstag und Sonntag mufste da-
gegen der ganze Schülercötus unter Aufsicht eines Lehrers
erscheinen. Der Vormittagspredigt am Sonntag und den
ihr voraufgehenden wie nachfolgenden Gesängen wohnten
alle Lehrer bei. Wenn im Winter von den Schülern die
ganz kleinen und wegen nicht genügend warmer Kleidung
auch andere vor der Predigt die — noch heute eisige —
Kirche verliefsen, begleiteten sie abwechselnd ihre Lehrer
in die Schule und lielsen sie das Evangelium in der
deutschen Übersetzung von Luther oder Matthesius lesen.
Beim Nachmittagsgottesdienst am Sonntag, in welchem
den Knaben der Katechismus ausgelegt wurde, war der
Rektor zugegen; im Falle seiner Verhinderung liefs er
sich durch einen seiner Amtsgenossen vertreten. Dem
Gottesdienst am Mittwoch wohnte der Rektor und der
Kantor bei, dem Gottesdienst am Freitag der Rektor
und ßeutner. Doch ging der letztere manchmal nach
Schluls der Gesänge weg, um seinen Unterricht in der
Schule zu erteilen.
„Von denen anständigen Sitten in der Kirchen"
handelten die Schulgesetze des 18. Jahrhunderts in 10
Paragraphen ausführlich5): 1. Wenn man aus der Schule
in die Kirche gehen mufs, so sollen alle und jede Schüler
zu rechter Zeit in der Schule sich einfinden und hernach
paarweise auf Befehl ihres praeceptoris bescheidentlich,
still und ohne Tumult in die Kirche gehen. 3. Unter dem
Singen sollen sie ... dem, so anfängt zu singen, zwar mit
völliger und allgemeiner Stimme mitsingen helfen, ihm
aber weder vor- noch nachsingen. 6. Bei Nennung des
Namens Jesu Christi und wenn vor dem Altar das Gloria
gesungen wird, oder auch bei Konsekrirung des heiligen
Abendmahles des hochtheuren Blutes Jesu Christi Meldung
geschieht, sollen sie, wenn sie stehen, ihre Kniee beugen,
wenn sie aber sitzen, ihr Haupt entblöfsen (sie trugen
Baretts). 7. In den Kirchen geziemet ihnen nicht zu
5) Blauckmeister a. a. 0. S. 289.
232 Eduard Heydenreieli:
schlafen noch weltliche Bücher zu lesen. 9. In den Kirchen
sollen sie nichts zerbrechen oder zerreißen, auch nirgends
wo etw7as anschreiben, anmalen, noch anheften. Leider
wurden die „anständigen Sitten in der Kirchen" nicht
immer innegehalten. Besonders den Organisten Lunke
ärgerten die Lyceisten gewaltig, wie denn dieser in einer
entrüstungsreichen Eingabe an den Oberpfarrer Grundig
im Jahre 1751 sich beschwerte, „dais die hiesigen Schüler
bey der lateinischen Schule fast allermeist Grofs und
Klein keine Zucht, Pietät und Mores besitzen, vielmehr
aber anstatt dessen Brutalität, Frechheit, Frevel, Kühn-
heit, Grobheit und Unvorstand, ja unverschämte Leicht-
fertigkeiten, schändliches Pofsentreiben mit lautem Reden,
tückischen Gelächter und Vettiren, garstigen unanständigen
Geberden, prostitutiones ausüben, Ärgernis geben vnd die
Andacht stöhren". „Man bedencke nur", heilst es u. a.
in der langatmigen Anklageschrift"), „die Bofsheit, die
der Schüler der lange Schmidt seinen Muthwillen, seine
Courage andern Zur Lust, zum Zusammenlaufen , Zum
Gelächter und mir zur Prostitution, am Kirmfsfest 1750
ausübte, mir zur linken Hand an das Orgelwerck mit
garstigen Minen und sauerstellenden Geberden das Licht
vertrat und auch in meinem officio hinderte, auch zu
mehreren Gelächter zu denen andern sagte: er möchte
stehen wo er wolle, nachhero aber nebst denen andern
sich aus der Predigt machte, und in das Branntwein-Haufs
begeben haben soll". Die weiter gerügten Unflätereien
sind derart, dals wir sie an dieser Stelle nicht wieder-
geben können.
Wie sehr die Kirchenbehörde darauf hielt, dals der
Kirchenbesuch regelmäßig erfolgte, ersieht man aus einer
Beschwerdeschrift des Oberpfarrers und Schulinspektors
Joh. Joach. Thönicker vom 15. April 1711: Nachdem
dieser nach seinem „Ambte und Gewilsen bey Visitirung
der lateinischen Schulen allhier dann und wann, ein und
anders wohlmeinend erinnert", stellt er an die Spitze
einer Reihe von „Gravamina etlicher Herren Schul
Collegen" 7) folgende No. 1 : „Hat sich H. M. Doppert Rektor
zwar anno 1704 eigenhändig erkläret, dafs er sich von
der deduction der Jugend aufs der Schule in die Kirche
zum Mittwochs Examine nicht gänzlich ausschliesen, viel
ß) Alis einem Aktenstück auf der Superintemlentur in Schneeberg.
7) Schneeberger Ratsarchiv G III a 3.
Aus der Geschichte dos Sclmeeberger Lyceums. 233
weniger aber das sogenannte onus statt seiner aufzunehmen,
die anderen HH. Schul Collegen bemühen wollen, sondtern
die Jugend wo nicht eigener Person oder durch einen
Schüler oder primaner begleiten lassen wollen. Es ge-
schieht aber keines von beyden, sondern die Knaben gehen
alleine, und treiben auf der Kirche undt auf der Gassen
allen Muthwillen". Noch im 19. Jahrhundert war die
Meinung der Inspektion: „Kein Schüler, der sich in der
Stadt befindet, darf die Kirche versäumen, und von den
Lehrern läfst sich wohl, ohne dringende Abhaltung zu
haben, das Nämliche erwarten"8).
Bei der Stellung der Schule zur Kirche ist es ferner
charakteristisch, dafs jene verbunden ist, dieser einen
guten Sängerchor zur Verfügung zu stellen. Es war
ganz der Wirklichkeit entsprechend, was am 29. Mai 1651
der Konrektor List, der Kantor Ziegler und der Baccal.
Eckstein an den Rat zu Schneeberg berichteten, „dafs die
Cantorey vnndt der Chorus Musicus meistenteils durch
die Alumnos auf der Schuel bestellet worden, wie auch
nothwendig vnndt bey Verlust ihres Beneficii demselben
habe bey wohnen müssen". Bei allen Causalien mufste
der Chor zur Hand sein, was vielfache Störungen im
Unterrichte zur notwendigen Folge hatte. Dabei bestanden
alte Sitten, auf deren Beibehaltung der Überpfarrer hielt.
So war es „ein altes Herkommen, wenn ein ganz funus,
dals solches bevor geläutet wird, Pastori vom Tertio
Scholae durch einen Schüler gemeldet werde, wo die
Schule mit dem Creuz wartten wolle und ob etwa vorhero
eine Tauffe sey"0). Zu den alten Sitten, die der Chor
zu leisten hatte, gehörte auch das Schulsingen auf der
Strafse, oder, wie es in der erwähnten Eingabe vom
29. Mai 1651 heilst, „die gewöhnlich Music vor der löblichen
Bürgerschaft bewohnung". Diese Sitte war in diesem
Jahre nicht befolgt worden und die genannten Schul-
männer liefsen es sich angelegen sein, den Schein der
Pflichtversäumnis zu entfernen. Nicht aus Fahrlässigkeit
sei es geschehen, sondern aus Mangel an Sängern. Denn 1.
hätten sich die Sclmeeberger Bürgerssöhne „des wöchent-
lichen Umbsingens gänzlichen entschlagen, vorwendent,
es were ihnen, weil hierdurch sie an ihren Studieren Ver-
säumung litten, von ihren Eltern anbefohlen". Hierdurch
sei die Zahl der Tenoristen und Altisten ziemlich ge-
8) Schneeberger Ratsarchiv ü III 15. °j Ebeudas. G III 1.
234 Eduard Heydenreich:
schwäch! worden. Ferner seien 2. „zwar etzliche Knaben,
so den Bals vnndt Tenor bey wohnen kirnten, anhero ge-
langet, vnndt mit Hospitiis versehen worden, nachdem sie
aber allen mnthwillen vndt Bofsheit bey Tag vndt Nacht
vorübet, vnndt derentwegen Ambts und Gewilsen halber
von uns ernstlich sowohl verbauter als realiter abgestraffet
worden, sindt sie als böfse Buben und die keiner Zucht
untergeben sein wollen, ohne gebührenten Abschied mit
bölsem Nachklangk wiedemmb darvon gelaufen". Dazu
seien noch Zöglinge mit guten Stimmen nach der Uni-
versität abgegangen und ferner hätten „Scabies vnndt
andere Leibesbeschwerungen" unter den Knaben gewütet.
Aufserdem forderten fremde Eltern während der Feier-
tage ihre Kinder meist nach Hause „und viel mahl 3,
4 und mehr Wochen bey sich behalten, dadurch denn
umb diese Zeit die Anzahl der Knaben in der Schuel u.
Cantorey sehr verringert werden mufs". Die Schulkollegen
mochten nicht nur der nächsten vorgesetzten Behörde
wegen jeden Verdacht einer Vernachlässigung von sich
abweisen, sondern auch den musikalischen Kreisen der
Stadt gegenüber. War doch 1626 eine Cantorey-Gesell-
schaft von Schneeberg gegründet worden10) „zu keinem
anderen Ende, denn Gott dem Allmächtigen zu Ehren
und zu Beförderung und zu Erhaltung des Chori Musici
und christlicher Kirche Ceremonien mit Figuralgesang
und damit junge Bürger und Gesellen desto mehr Lust
und Gefallen zur Musica haben, dieselbe lernen und lieben
mögen"; sie hatte sich grofsen Zudranges aus den besten
Kreisen der Stadt zu erfreuen gehabt; und wenn sie da-
mals auch, schwer geschädigt durch den 30jährigen Krieg
und durch Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern, dar-
niederlag, so hat es doch offenbar damals, als jene Gesell-
schaft noch bestand11), ein lebhaftes Interesse für Musik
in Schneeberg gegeben, und man hielt also darauf, dals
das herkömmliche Umsingen der Schüler ordentlich von
statten gehe.
Ein grofser Streit erhob sich im 18. Jahrhundert
über die Reihenfolge dieser Einrichtung auf den Strafsen.
Der Oberpfarrer Thönicker verlangte, der Anfang solle
vor der Pfarre geschehen. Dem aber wurde entgegen-
gehalten, dem Herkommen entspräche es, von der alten
l0) Aus einem Aktenstück des Schneeberger Katsarchivs.
") Jacobi, Her.. Schneeberg. Ein Gedenkblatt zur 400jähr.
Jubelfeier (Schneeberg 1881), S. 99.
Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. ;i:;.")
Schule anzufangen. „Es haben aber die Schul-Collegen
und Chorus Musici, von bisheriger Observanz ihres dar-
unter verlierenden Intereise halber, indem diese Neuerung
andere vor eine Beschimpfung- annehmen, und das biisher
gegebene accidens wo nicht gar einsiechen doch mercklich
verringern dürften, nicht abweichen, sondern dabey ge-
schützet seyn wollen1'2)."
Die Choristen durften sich nicht auf Schneeberg be-
schränken, sondern mulsten auch im benachbarten Schlema
ihren Umzug halten. Mit Recht fragte Rektor Voigtländer
(1820—1828) in einer Reihe eingehender Reformvorschläge:
„Wie ist dem grofsen Übelstande abzuhelfen, dals unsere
Choristen des Winters Mittwoch um 10 Uhr genötigt
sind zu singen und deshalb die Schule zu versäumen, und
eine Abteilung derselben das ganze Jahr hindurch Sonn-
abends wegen des Schlemsingens nicht in die Schule
kommt? Ist es recht zu dulden, dafs den Schülern so
viel Zeit durch das Chor geraubt wird? Wäre dem Übel
nicht dadurch etwas abzuhelfen, dafs die Schüler nur
abwechselnd die eine Woche vor allen ihren bisherigen
Häusern singen, dann aber wieder die andere Woche
(etwa Mittwochs am Nachmittage) ganz langsam durch
die Strafsen singend zögen (etwa mit einem Chorale)?
Würde dies nicht ebenso grofsen Eindruck machen? Es
thut ja dies auch das Thomanerchor in Leipzig." Treffend
bemerkte Oberpfarrer Wahl in seinem „Gutachten über
die Vorschläge des Herrn Rektors M. Voigtländers zum
Besten des Lycei" hierüber: „dals diese Idee ausgeführt
werden möge, ist allerdings gar sehr zu wünschen, und
würde der Stadt Ehre und den Schülern Nutzen und
Segen bringen" 18).
Der Stellung des Lyceums zur Kirche und der herr-
schenden Stellung, welche die Theologie in den Wissen-
schaften der früheren Jahrhunderte einnahm, entsprach
es, dafs dem Religionsunterricht ein sehr breiter Raum
verstattet war. Denn erstens war, wie Obermeier a. a. 0.
berichtet, der Beschäftigung mit der Religion in allen
Klassen der ganze Samstagvormittag gewidmet, an dem
teils der Katechismus geübt, teils die Evangelien durch-
genommen wurden. Die untersten Klassen lasen den
deutschen, die Quartaner den lateinischen Katechismus
12) Schneeberger Ratsarchiv G 111 a 3.
13) Ebendas. G III 15.
236 Eduard Heydenreich:
Luthers, die Tertianer und Sekundaner die Katechesis
des Chytraeus. Die Evangelien wurden den untersten in
deutscher, den Quartanern in lateinischer, den oberen in
griechischer Sprache vorgelegt. Zweitens verwandten die
Schüler von Quarta an abwärts auch den Mittwoch auf
das Lesen des deutschen Katechismus. Während dessen
wurden in den oberen Klassen schwierige schriftliche Ar-
beiten korrigiert. Drittens wurden die beiden untersten
Klassen, „die sechste und siebente, noch durch eine be-
sondere Übung an jedem Tage zur Erlernung des Katechis-
mus angeleitet. In der letzen Stunde nämlich, nachdem
sie zwei lateinische Wörter mit der deutschen Bedeutung
gelernt hatten, prägte der Lehrer dieser Klassen den
ganz Kleinen, für welche ein fortwährendes Hersagen des
ganzen Katechismus wenig Nutzen bot, nur einen kleinen
Teil dieser Unterweisung ein, den er ihnen so lange vor-
sprach, bis sie ihn im Gedächtnis behalten und allein,
ohne dafs ihnen die Worte vorgesprochen wurden, aufsagen
konnten, ungefähr in der Art, wie in der Nachbarschaft
allgemein fromme Pfarrer in der Kirche den Knaben und
Mädchen die einzelnen Hauptstücke des Katechismus vor-
sprechen liefsen.
Die Schule stand, den Anschauungen jener Tage ent-
sprechend, in allen Instanzen unter theologischer
Oberleitung. Die nächst vorgesetzte Inspektion bestand
aus dem Oberpfarrer und zwei Ratsmitgliedern. Die An-
stellung der Lehrer hing von einer Prüfung bei dem
Konsistorium in Leipzig ab, die vermittelnde Instanz
zwischen der Schneeberger Inspektion und dem Leipziger
Konsistorium bildete die Superintendentur zu Zwickau.
Zeitweilig erfolgte auch eine Visitation von auswärts. So
war 1781, 29. Oktober bis 2. November der Ephorus
M. Schlesier aus Zwickau in Schneeberg „nebst dem
Kreifsamte Sehwarzenberg als commissarii den dermaligen
statum piarum causarum zu untersuchen". Der Ephorus
besuchte in diesen Tagen die Schule zwei Mal. Die
Scholaren brachten ihm abends darauf eine Nachtmusik.
Die visitierenden Herren unterliefsen nicht „sowohl den
Docenten als Discenten gute und heilsame Erinnerungen
zu geben, die, weil sie mit einer liebreichen Herablassung
geschehen und aus wahrer Liebe für das Beste unserer
Schule, mit Vergnügen aufgenommen wurden"14). Man
") Pfarrarchiv Sclmeeberg Lit. S. No. 10.
Aus der Geschichte <les Sclmeeberger Lyceums. 237
mufs es einzelnen Pfarrern zu Schneeberg nachrühmen,
dals sie nicht nur mit wirklichem Interesse und ein-
gehendem Verständnis ihre Inspektion übten, sondern auch
durch eigene Beteiligung am Unterricht und durch hilfs-
bereites Eingehen auf berechtigte Wünsche von Lehrern
und Schülern sich ein vollverdientes Ehrengedächtnis ge-
stiftet haben. In dieser Beziehung sind besonders die
Oberpfarrer Hahn, Wahl, welcher vom Archidiakonus
Voigtländer unterstützt wurde, und Hey mann rühmend
zu erwähnen. Ihre zahlreichen schriftlichen Gutachten
und Berichte, die noch heute bei den Akten der Schnee-
berger Archive liegen, erweisen, dals hier die rechten
Männer an der rechten Stelle waren. Rektor Voigtländer
fühlte sich gedrungen, 1821 öffentlich im Osterprogramme
des Lyceums „zwei verehrten und verdienten Männern,
dem Herrn Oberpfarrer Wahl und Archidiakonus Voigt-
länder unseren wärmsten Dank abzustatten für die edle
und ganz uneigennützige Bereitwilligkeit, vermöge welcher
sie den eignen, schon genug gehäuften Amtsgeschäften
auch noch thätiges Mitwirken für das Wohl unserer Schule
hinzu gesetzt haben, indem sie, wie bisher, einige Gegen-
stände des Unterrichts, die ihren Händen gewifs am
besten anvertraut werden konnten, zu übernehmen die
Güte haben werden". 1834 aber rief Rektor Raschig in
dem letzten Programm, welches das Lyceum überhaupt
veröffentlicht hat, dem Oberpfarrer Heymann, der als
erster Prediger an die Frauenkirche zu Dresden berufen
wurde, öffentlich den herzlichsten Dank der Schule nach
„sowohl für den Eifer, mit welchem er im Allgemeinen
stets auf das Wohl und glückliche Gedeihen unseres Ly-
ceums bedacht war, als für die besondere Unterstützung,
die er uns während der ganzen 10 Jahre seines Hierseins
zu Teil werden liels, indem er über einen der wichtigsten
Gegenstände des öffentlichen Unterrichtes wöchentliche
Vorträge übernommen hatte". Auch in diesem Jahre
unterstützte Archidiakonus M. Voigtländer das Lyceum,
indem er wöchentliche Lektionen in den oberen Klassen
hielt. Es war dies eine um so gröfsere Aufopferung von
seiner Seite, als er durch die Vakanz der Oberpfarrer-
Stelle schon einen bedeutenden Zuwachs von Geschäften
erhalten hatte.
Nicht immer war das Verhältnis zwischen Schule
und Inspektion ein so gutes. Es kam vor, dals nament-
lich wegen Auszahlung der Gelder aus dem Gotteskasten
238 Eduard Heydenreich :
zwischen dem Pfarrer, der zugleich Kastenvorstelier war,
und den Schulkollegen „allerhand Irrungen, Mißverstände
und weit ausstehende Inconvenientien sich haben ereignen
und erhalten wollen, welche dann, wie in einer jeden
Republica an ihrem Selbsten hochschädlich, alfs auch in
dieser hierarchia bey Gemeiner Stadt und Bürgerschafft
ziemlich ergerlich und dem gemeinen wesen, wie auch zu-
förderst dem Gotteskasten schädlich, auch dahero dessen
vor äugen schwebender Ruin zu besorgen gewesen". Bei
der scMiefslichen Beilegung eines derartigen Mißverhält-
nisses mufsten 1641 Kirchen- und Schuldiener feierlich
versprechen, „dafs sie soviel möglich sich alles affectuosen
Invectirens auf der Kanzel gänzlich enthalten, ihre Straff-
Predigten mit gebührend theologischer Sanfftmut tem-
periren" etc.15).
Weniger glücklich war in seinem Inspektionsamte Ober-
pfarrer Thönicker. Es mochte allerdings wohl nicht alles
ganz richtig im Lyceum zugehen. Denn schwerlich würde
sonst Thönicker z. B. Klage führen, dafs mehrere Lehrer
die Stunden nicht voll hielten, auch „Zeitungen in der
Lection" lasen, auf die Jugend fluchten und mit dem
Buche „öffters unbarmherziger Weise vor die Köpffe
schlugen, so ich H. Schreiber erinnert, der aber vorgeben,
es schade nichts"16); und der Bericht, den Thönicker
3. Dezember 1725 abfafste, läfst allerdings auf „Hochmut,
Ungehorsam und Rohheit der Schüler" schliefsen17). Doch
mochte die Art, wie Thönicker in Äußerlichkeiten einem
so ausgezeichneten Rektor wie Doppert gegenüber verfuhr,
auch der Besserung bedürfen. So eiferte Thönicker gegen
die Haarbeutel der Schüler: „die Zöpffe vnd Säcke wären
eine verpönte Sache", worüber „Herrn M. Jo. Dopperto
weitberühmten Polyhistori und wohl -meritirten Rectori
in Schneeberg" dessen „ergebenster Diener Hippius" aus
Annaberg am 3. Oktober 1725 schreibt: „Es wundert den
Herrn Oberhoff Prediger gar sehr, dals eine Sache, die
nicht sowohl zur Hoffarth als vielmehr zur Reinlichkeit
und die Haare desto besser in Zaum oder in Ordnung zu
halten, wil improbiret werden. Haar Beutel tragen ist
jetzo consuetudo omnis hominum generis. Es tragen solche
studiosi theologiae, Schüler, ja andre honnette Leute, die
1B) Schneeberger Ratsarchiv G IIT 1.
,y) Ebendas. G III a 3.
n) Pfarrarehiv Schneeberg Lit. S. No. 3.
Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 239
groise Augen würden anffthun, wenn man ihnen defswegen
levitatem animi beymessen wolle. Es würde deiswegen
der Herr Pastor befser thun, wenn er statt der Haar
Beutel eine andere feine theologische materie aufführte
n. wülste nicht, Avie er sich verantworten wollte, wenn
er deswegen Rechenschaft geben solte". Jedenfalls
lag ein Zwiespalt zwischen den Schulkollegen und dem
Oberpfarrer vor. „Die weil aber", schreibt dieser, „in-
sonderheit der Rector H. M. Doppert, der Tertius H. M.
Trommler und der Quartus H. Schreiber dadurch auf mir
erzürnet worden sind, dals sie mir auf allerley Arth tort
zu thun und mich in meinem Ambte zu kräncken suchen,
wie anders zu geschweigen beyliegende Schimpffzuschrift
beweiset, woraus denn lauter Unordnung und endlich
Verachtung meines Ambts bey der Jugend entsteht" 18).
Insbesondere erregten die Kleidungsvorschriften der Geist-
lichen Mifshelligkeiten. Thünicker hatte auf Anordnung
der Zwickauer Superintendentur 1705 „denen sämbtl. H.
Schul Collegen schrifftl. notifiziert unndt angedeutet, sich
gleich ihrer Vorfahren der Überschläge undt Mäntel in
der Schule undt auff der Gassen zu gebrauchen, nicht
aber in Roben und Degen auff die Gasse und in die
Lectiones zu gehen, weil sie, wie Dns. Ephorus schreibet,
nicht ad militiam sed clericorum ordinem gehören. Allein
dessen ungeachtet, gehet H. M. Trommler u. H. Schreiber
nicht nur bey öffentl. lectionen in der Schule ohne Mantel
herumb, sondern dieser kömbt gar in Robe in die Schule
ohne Krauise undt Überschlag, ja aufser der Schule wird
man sie niemahls anders alfs in Roben gehen sehen".
Der Rektor ging in der Opposition gegen die Mantel-
vorschriften seinen Kollegen voran. Er hatte zwar 1709
versprochen bei einem „Actus solennis" in der Schule
wolle er im Mantel erscheinen, doch that er es „weder
beim examine publico noch peroriren". Die Ansichten
über das Manteltragen waren allerdings damals in den
maisgebenden Kreisen Schneebergs wunderlich19). „AVeil
von geraumer Zeit her", so kündete die „Mantel Verordnung",
„einige Schüler sich herausgenommen haben, ohne Mantel zu
gehen, als wäre der Mantel eine Schande, so sollt ihr
wissen, dafs von den urältesten Zeiten her bei denen ge-
sitteten Völkern der Mantel das Unterscheidungszeichen
18) Schneeherger Ratsarchiv <IA III a 'A.
w) Blanckmeister S. 320.
i40 Eduard Heydenreich:
gewesen, woran man Leute von guter Herkunft und Auf-
führung erkennen und sie von den schlechten und geringen
unterscheiden konnte. Ja er war sogar in denen alten
Zeiten sowie auch noch heutzutage ein Stück von der
königlichen Pracht und Ehren. Die Philosophen trugen
ihn, dais sie gleich von denen konnten erkannt werden,
die die Wissenschaft liebten. Knechte durften ihn nicht
tragen. Auch zu unseren Zeiten ist der Mantel nicht
allein erlaubt, sondern nur Personen von vorzüglicher
Würde, als auf Universitäten den Doctoribus theologiae
und in Kirchen und Schulen denen öffentlichen Lehrern.
An dieser vorzüglichen Ehre sollten nach dem Willen
unserer Vorfahren auch die Schüler theil haben, damit
sie unterschieden wären von denen Schustern,
Schneidern, Kaufmanns- und anderen Hand werks-
jungen, deren Schurzfell oder Schürze, darinnen
sie gehen, von einer weit geringeren Lebensart
zeiget. So soll denn dem, der den Mantel umzuthun
unterläßt, von Stund an zur Strafe und Beschimpfung
der Mantel auf eine Zeit lang untersagt sein, sodafs er
in der Kirche unter seinen Mitschülern ohne Mantel
sitzen soll wie ein Quartaner, damit jedermann sehen soll,
das sei ein solcher, der der Ehre nicht würdig sein wolle,
welche die Vorfahren denen Schülern eingeräumt." Die
so eifrig aufgedrungenen Mäntel waren nicht einmal kleid-
sam. „Wie unsere Schüler jetzt im Chor und bei der
Leiche gehen", bemerkt Rektor Voigtländer in seinen
Reformvorschlägen, „giebt die Procefsion ein häusliches,
anstößiges Ansehen" ; und die Oberbehörde bemerkte
hierzu: „Die Mäntel sind nicht nöthig, die dem Schüler
einen Aufwand verursachen und, wenn sie alt werden,
keine Zierden mehr sind!"
Bei der untergeordneten Stellung des Schulmannes
war es kein Wunder, dafs die Rektoren auch des Schnee-
berger Lyceums wiederholt in das geistliche Amt über-
gingen : M. Rudel aus Zwickau, der um 1 500 Rektor des
Lyceums war, starb um 1550 als Pfarrer in Schwarzen-
berg. Sein Nachfolger Wolfg. Fufs, Augenzeuge der
großen Wasserflut von 1511, ging 1523 als Pfarrer nach
Borna, 1526 nach Coltlitz, 1529 nach Leisnig, 1539 nach
Chemnitz, wo er als Superintendent 1551 starb. Hiero-
nymus Weller (Rektor um 1526), der Freund und lang-
jährige Hausgenosse Luthers, starb als erster und einziger
Professor der Theologie in Freiberg 1572, Hieronymus
Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 241
Noppius (Nobbe, Rektor um 1540) als Superintendent in
Regensburg, Joh. Förster (Rektor 1601 — 1603) alsGeneral-
superintendent in Eisleben 1613, Joh. Fuchs (Rektor
1655—1677) als Pfarrer von Oberschleraa 1679, Michael
Hertz (Rektor 1678—1685) als Pastor zu Bockau 1703,
Joh. Bonitz (Rektor 1693—1698) als Pastor in Auerbach
1718, Urban Gttfr. Sieber (Rektor 1698—1703) als Pfarrer
zu St. Thomä in Leipzig 1741.
Übrigens achteten nicht nur die Theologen, sondern
auch die der Inspektion angehörigen Ratsmitglieder gar
sehr darauf, dals ihnen von den Schullehrern jederzeit
mit der gebührenden Hochachtung begegnet wurde, Dies
zeigte sich z. B. recht deutlich, nachdem der Rat zur Ab-
stellung von allerhand Unfug beim Gregoriusfest den
Tertius Stumpf angewiesen hatte, die kleinen, nicht zum
Chor gehörigen Schüler paarweise zu führen. Darüber
dafs solches ihm „angesonnen" werde, richtete der genannte
Schulmann am 11. April 1789 ein Schreiben an den Pastor
Primarius Trommler, in welchem er nicht nur darauf hin-
wies, dafs die verlangte Dienstleistung seit mehr als
20 Jahren nicht mehr verlangt worden sei, sondern auch
durchblicken liefs, dals es Sache der städtischen Polizei
gewesen wäre, die allerdings eingerissenen Ungehörigkeiten
auf der Stralse abzustellen. „Es ist leider", schreibt
Stumpf, „in der Schule schon das Verderben der guten
Sitten unter der Jugend so weit gekommen, dafs weder
Vermahnen noch Strafen mehr fruchten will. Was solte
ich alter Mann denn an dem Tage thun können, der so-
zusagen recht geflissentlich zum Tage einer allgemeinen
Ausgelassenheit bestimmt zu seyn scheint? Wenn eine
Policey Aufsicht hierinnen nichts anders verfügen kan,
oder mag, so wird das Herumführen die vermeyntliche
Sittlichkeit jetzo so wenig bewürcken, als es vor langen
Jahren schon nicht mehr möglich gewesen. Und über
dieses scheint man auf mein hohes Alter keine Rücksicht
zu nehmen, sondern es mehr durch neue Lasten gänzlich
entkräften zu wollen. Ich will aber hierüber weiter
nichts sagen als nur soviel, dals zu einem äußerst er-
mattenden Herumziehen durch die Gassen der Stadt, um
ein paar Groschen zu gewinnen, die laut der Vocation
Pars Salarii heifsen, meine Kräffte nicht mehr hinreichend
sind". Aber dieses Schreiben wurde ihm vom Rat sehr
übel genommen und trug ihm eine tüchtige Nase ein.
Der Rat stellte sich ganz richtig auf den Standpunkt,
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 16
242 Eduard Heydenreich :
dafs es Sache der Schule sei, eingerissene Ungehörigkeiten
der Schüler auf den Straisen abzustellen, „dahero es ge-
dachten Herrn Stumpfen wohl nicht geziemet, in anzüg-
lichen Ausfällen wider die uns, dem Rathe, obliegende
Policey-Verwaltung hervorzutreten, wir vielmehr ihm als
einem alten Schulmanne so viele Mäisigung und Billigkeit
Beherzigung zugetrauet hätten, bey dieser Sache nicht
unbemerckt zu lassen, dafs wenigstens unsre Intention,
dergleichen Unfug, soviel sich nur immer thun lassen will,
abzustellen, den Beyfall wohldenckender Personen ver-
diene." Der Rat schärfte die verlangte Dienstleistung
aufs Neue ein und drohte für den Fall der Weigerung
mit einem Bericht an das Konsistorium, „wie ohnehin
wegen des grölstentheiligen Inhaltes seines Schreibens
nicht unterlassen werden kan." Auch nahm es der Rat
sehr übel, dafs Stumpf sein Schreiben lediglich an den
Oberpfarrer und nicht auch an die zur Inspektion ge-
hörenden Ratsmitglieder gerichtet hatte, und schrieb daher
dem Oberpfarrer 16. April 1789: „Da die an den Herrn
Tertius Jon. Christ. Stumpfen unterm 8. huius ergangene
Intimation von Eu. HochErwürden und uns zugleich als
Inspectoribus scholae vollzogen gewesen; so ist es aller-
dings eine Hintansetzung unsrer, dafs er sein Schreiben,
so sehr auch dessen Inhalt auf spöttlichen Ausdrücken
wider eine an sich löbliche Anordnung und wider obrig-
keitliche Policey Verwaltung abgezweckt ist, an uns mit
zu richten für unnötig angesehen, und dargegen erst Eu.
Hochwürden die Mühwaltung angemuthet, uns solches
Schreiben zu communiciren. Es ist dieses allerdings eine
Benehmung, die deutlich zu erkennen giebt, dafs sich der
Herr Tertius Stumpf über die Verbindlichkeit erhaben
zu seyn dünckt, uns die schuldige Achtung zu beweisen,
weshalb wir uns das gebührende weiter vorzukehren vor-
behalten20)."
Im Mittelpunkte des Unterrichtes stand während
der ganzen langen Zeit, in der das Lyceum existierte, die
Erlernung der lateinischen Sprache mit dem Ziele,
dafs dieselbe mündlich und schriftlich gut gehandhabt
würde. Wie wir aus dem mehrfach erwähnten Berichte
des Rektors Obermeier ersehen, machte es die Anstalt
allen Schülern der oberen Klassen zur strengsten Pflicht,
mit ihren Mitgliedern nur lateinisch zu reden. Wer
20) Schnecheryer Ratsarchiv G I i I a '■>.
Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. 243
wegen Deutschsprechens zur Anzeige kam, erhielt zur
Zeit, wo die Schülervergehen bestraft wurden, Schläge
auf die Hände und, falls er nicht selbst andere zur An-
zeige brachte, Rutenstreiche23). Alle Wochen wurde ein
Diktat zu schriftlichen lateinischen Übersetzungen gegeben.
Den Quartanern wurden hauptsächlich die grammatischen
Fehler, Barbarismen und Solöcismen angestrichen, den
Tertianern auch die Redewendungen, die ungewöhnlich
oder nicht gut lateinisch waren; bei den Sekundanern
wurden aufserdem auch harte Wortstellungen, unklare
und gesuchte Ausdrücke und Ähnliches gerügt, wovon bei
schwächeren Schülern keine Notiz genommen wurde. Wie
verschieden war doch das damalige Schulleben von dem
eines modernen Gymnasiums. Gegenwärtig eine neun-
klassige Anstalt, in deren unterste Klasse die Schüler nach
erworbener Lese- und Schreibefertigkeit aufgenommen
werden; damals eine siebenklassige Schule, in deren
untersten Klassen erst Lesen und Schreiben gelernt
werden mufste. Gegenwärtig eine Fülle realer Fächer
und ein Lehrerkollegium von etwa 20 Personen; damals
ein wissenschaftlicher Unterricht, der sich fast nur auf
Latein, Griechisch und Religion beschränkte und von vier
Personen bewältigt wurde. Gegenwärtig ein altsprach-
licher Unterricht mit weit ausgedehnter Lektüre und
hauptsächlicher Betonung der inhaltlichen Seite der Lit-
teratur, aber unter wesentlicher Kürzung der Sprach-
und Schreibübungen; damals ein beschränkter Kreis von
Schulschriftstellern, aber dafür ein Überwiegen aller solcher
Übungen, welche auf die praktische Anwendung der la-
teinischen Sprache in Rede und Schrift berechnet sind.
Dafs die Anstalt bis in die letzten Zeiten ihres Be-
stehens ihren humanistischen Grundcharakter wahrte, ob-
wohl man seit Rektor Schaarschmidt (1797—1813) der
deutschen Sprache und den Realien Verständnis entgegen-
brachte und Raum im Stundenpläne anwies, erhellt aufser
aus anderen auch aus den Bestimmungen der Maturitäts-
prüfung. Diese wurde auf Anregung des Rektor Frotscher
(1819—1820) eingeführt. Zur unbedingten Reife für die
Universitätsstudien wurde in erster Linie für erforderlich
21) Mandamus sedulo omnibus qui in superioribus ordinibus
versantur, ut cum discipulis loquantur latine. Qui vero gerinanici
sermonis notati sunt, suo tempore, cum delicta scholastica cognoscuntur,
piagas in manibus accipiunt et nisi ipsi alios notaverint, virgis cae-
duntur.
16*
044 Eduard Heydenreich:
gehalten: in der lateinischen Sprache den Cicero, Livius,
Virgil, Horaz im Ganzen mit Leichtigkeit zu verstehen
(wozu die Sicherheit der Quantität und der Metra mit-
gerechnet wurde); den eignen lateinischen Ausdruck ohne
grammatische Fehler und grobe Germanismen in seiner
Gewalt zu haben, nicht allein schriftlich, sondern auch
über angemessene Gegenstände mündlich. Aufser gewissen
Leistungen im Deutschen und Hebräischen wurden in
jener Prüfungsordnung nur noch griechische Kenntnisse
erfordert: der Examinand mufste die attische Prosa, auch
den leichteren Dialog des Sophokles und Euripides nebst
dem Homer verstehen und eine Übersetzung aus dem
Deutschen ins Griechische ohne grammatische Verstölse
abzufassen im stände sein. Von einer Prüfung in den
Realfächern sah man völlig ab. Wie wenig auf Mathe-
matik, dieses gefürchtetste Fach des gegenwärtigen Ab-
iturientenexamens, Wert gelegt wurde, erhellt aus dem
Gutachten des Oberpfarrers Wahl vom 12. März 1822.
Rektor Voigtländer hatte in seinen Reformvorschlägen auch
angefragt, ob künftighin eine Prüfung über mathematische
Gegenstände zur Abgangsprüfung hinzukommen sollte,
„wenn die Mathematik öffentlich gelehrt wird". Darauf
antwortete Wahl : „Mathematik kann, wenn sie getrieben
worden, wohl mit als Gegenstand des Abiturientenexamens
angesehen werden. Doch als entscheidend für oder gegen
die akademische Reife würde ich sie nicht ansehen."
Unter den Rektoren und Lehrern der Anstalt be-
gegnen wir eine stattliche Reihe hochberühmter Namen.
„Gleichwie aber die Rectores angemerckter malsen die
Schulen mit berühmt machen; also müssen denn auch zu-
förderst die hiesigen Rectores und, wie sie anfänglich
geheissen, die moderatores der Schulen billig gerühmet,
und nahmentlich zum Gedächtnils das in Segen bleibet,
genennet werden-2)." Von den oben bereits angeführten,
die ins geistliche Amt übergingen, möchte Verfasser hier
absehen, ebenso von denen, welche etwas Hervorragendes,
soweit wir wissen, nicht geleistet haben.
Thomas Poepel, ein Schneeberger Stadtkind, geb.
1497, war der Sohn eines der ersten Bergleute auf
St. Georg. Er wird als ein guter Komponist gerühmt
und schrieb auch eine Abhandlung „Von den vornehmsten
22) Melzer, Erneuerte Stadt u. Berg Chronica der Freven Berg-
Stadt Schneeberg (1716), S. 340.
Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. 245
Artikeln der christlichen Lehre", die jedoch nie im Druck
erschien. Das Schulmeisteramt verwaltete er etwa 1520
bis 1525. „Seine Religiosität und Gottesfurcht", erzählt
Melzer, „erscheinet daher, dafs er mit Hintansetzung der
päbstischen Satzungen am ersten an einem Freytag Fleisch
gegessen hat: Und obwohl dieselbe durch die Carolstadische
Lehre gekräncket worden, dafs er A. 1522 in Thal sich
begeben und den Haspel gezogen, so ist er doch bald
wiederkommen." Nach seiner Rückkehr von Joachims-
thal machte er sich um seine Vaterstadt dadurch verdient,
dafs er zu öffentlichen Ämtern herangezogen beim Bau
der Mühlen, der Kirche und des Flofsgrabens mit Rat
und That half. Alle ehrenvollen Anerbietungen, die ihm
von anderen Städten gemacht wurden (er sollte u. a.
Bergschreiber in Joachimsthal werden), wies er aus Liebe
zu seiner Vaterstadt zurück. Er starb 1573.
Ambrosius Franz aus Großenhain, anfangs Bac-
calaureus, dann 1533 — 1535 Rektor. Georg Fabricius
berichtet in den Annalen der Stadt Meilsen, dafs ihn der
Dekan Joh. Heinig auf seine Kosten in Leipzig habe
studieren lassen. Er verliefs das Schulamt, bekleidete
mehrmals die Stelle eines Bergschreibers und viermal das
Richteramt. Er verfafste Schneeberger Annalen, die
Albinus fleifsig benutzte, unter dem Titel: „Anfang des
weitberühmten Bergwercks Schneeberg, Wesens und Re-
giments, Nahmen der Regenten, beyde in Gerichten und
Bergwercken, und was sich ungefehrlich bey ihnen bifs
zur Zeit verloffen und zugetragen, soviel aus Bericht und
gutem Gedächtniis ehrlicher alter Leut und aus beglaubten
alten Schriften hat können zusammengeklaubt werden
durch Ambrosium Frantz".
Johannes Rivius, Rektor 1535 — 1537, ein Westfale
aus der niederländischen Humanistenschule, förderte in
hohem Mafse die innere Reorganisation des Lyceums, wie
er überhaupt einer der tüchtigsten Schulmänner Sachsens
war23). Unter ihm legte Caspar Eberhard, welcher später
als Baccalaureus an der Schule wirkte (gestorben als Doktor
der Theologie, Professor und Pastor zu Wittenberg), den
Grund für seine umfassende Kenntnis der griechischen
23) Vita Joannis Rivii descripta a Geo. Fabricio im Meifsner
Progr. v. 1843. Ludovici V, 124ff. Jahn, Versuch einer Lebens-
beschreibung des Johann Rivius (Baireuth 1792). Herzog, Ge-
schichte des Zwickauer Gymnasiums S. 86 f. G. Müller, Allg.
Deutsche Biographie XXVIII, 709 ff.
•>.|i; Eduard Heydenreich:
Sprache, welche es ihm ermöglichte, mit seinen Schulen]
in Joachimsthal und Gottesgab den Ajax des Sophokles und
die Nubes des Aristophanes in der Ursprache aufzuführen 24).
Mathias Marcus Dabercusius (Rektor 1540 bis
1543), ein Rheinländer; „der war", erzählt Heizer, „zu
St. Annaberg und anderen Orthen vorgedachten Rivii
Collega gewesen, da er als ein Extraordinarius die grie-
chische Sprache gelehret, kam aber mit Rath desselben
A. 1540 hieher auffn Schneeberg". Er war einer der
Wiederhersteller der Wissenschaften in Sachsen und ein
ausgezeichneter Philolog. Albinus rechnet ihn unter die
gelehrtesten und namhaftesten Männer, die der Jugend
löblich gedient und trefflichen Nutzen gestiftet haben25).
Christoph Baldauff (Rektor 1543 — 1554). Er
ging von Schneeberg als Rektor nach Schulpforta. 1557
übernahm er das Rektorat in Zwickau, rnufste jedoch
auf kurfürstlichen Befehl im nächsten Jahre wieder in
seine Stellung nach Schulpforta zurückkehren, wo er 1579
emeritiert wurde. Er starb zu Naumburg an einem Tage
mit seiner Frau 1580, „nachdem", wie Melzer26) sagt, „von
ihm eingetroffen Andreae Catonis Distichon:
Gymnasii Rector sit semper fortis ut Hector
Sicut Hiob patiens, utque Sibylla sciens."
1554 führte Baldauff in Schneeberg die „Promotion" ein,
„dazu die fürnehmen Leuthe alhie geladen werden, da
der Schulmeister oder ein ander erstlich eine Oration
helt, hernach denjenigen Knaben, so dasselbe Ihar aber
wolstudiret vnnd fortgesetzt worden, schöne Kreuze aus-
geteilet vnnd zugleichen vmb mehrer fleis angereizet und
durch den Pfarherr und Schulmeister vermahnet werden."
Paul Obermeier, ein geborener Schneeberger, war
als Baccalaureus an der Schule zu Annaberg thätig und
-') Dan. Traug. Müller, De vita Casp. Eberhardii commentatio
VII (Progr. Schneeberg 1754) p. 539. Casp. Eberhard schenkte später
der Schneeberger Schulbibliothek ein Buch, in welches er unter
anderen folgende Distichen eingetragen hatte:
Ambrosius ludi curam Franciscus agebat,
Quem veneror digno gratus amore l'atrem.
Pectus et excoluit sacra mihi Bivius arte,
< 'uius ut a rivo fluxit ab ore sonus.
M) Ludovici V, 142ff. Müller, Geschichte der Landesschule
zu Meifsen (Leipzig 1789) II, 174 ff. Fromm, Allg. Deutsche Bio-
graphie IV, (iR.'i.
26) Melzer, Erneuerte Chronik von Schneeberg S. 345.
Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 247
wurde im Jahre 1555 zur Leitung des Lyceums seiner
Vaterstadt berufen. Im Jahre 1560 vertauschte er diese
Stelle mit der eines Rektors der Schule zu Marienberg,
aber schon im folgenden Jahre kehrte er in seine Vater-
stadt zurück, um die Leitung der Schneeberger Schule
von neuem zu übernehmen. 1575 wurde er Rektor in
Zwickau, wo er 1598 starb. Er wird gerühmt als ein
Mann von seltener Gelehrsamkeit, als ein gründlicher
Kenner sowohl der lateinischen wie der griechischen
Sprache und Litteratur, als ein erfahrener und erfolg-
reich wirkender Pädagoge und tüchtiger Leiter der Schule,
der sich bis in sein hohes Alter die körperliche und
geistige Frische bewahrt habe. Der Schülercötus des
Schneeberger Lyceums belief sich unter seinem Rektorat
auf 330 Köpfe. Über dem Eingang zur Schule stand
folgendes Epigramm von Obermeier:
Saxoniae dux Augustus Septemvir in Aula
Hospitium Musas jussit babere suas.
Huc ades ingeniöse pner, studioque fideli
Discite literulas cum pietate bonas.
Hoc deus, hoc genitor tuus, hoc Respublica suadet
Augusti pietas postulat ipsa Ducis27).
Abraham Schade, geb. zu Senftenberg, ging 1564
nach Leipzig, wurde 1573 Konrektor an der Thomas-
schule daselbst, 1588 Tertius an der Fürstenschule zu
Meifsen. Wegen Verbreitung calvinischer Grundsätze
wurde er 1592 seines Amtes entsetzt. Später wurde er
jedoch Rektor an der dortigen Stadtschule, seit 8. November
1598 bis Anfang 1601 in Schneeberg. Von hier kam er
in gleicher Eigenschaft nach Eger, wurde dann Tertius
in Bautzen, hierauf Rektor in Speyer. Von dort berief
man ihn 1615 wieder als Rektor nach Bautzen. 1617
legte er sein Amt nieder28).
Johannes Zechendorff, 1580 zu Löfsnitz geboren,
erst Konrektor und von 1617 an Rektor in Schneeberg,
„ein hochgelehrter Fortpflanzer der orientalischen Sprachen,
ein weitberühmter Philologus und Polyhistor, wie auch
ein wohlverdienter Mann umb die Jugend"29); er ver-
schaffte neben dem Unterrichte im Hebräischen auch dem
in der syrischen, chaldäischen und arabischen Sprache
") Windhaus a. a. O. S. 197 f. Stade a. a. 0. S. 9.
2S) Stade a. a. 0. S. 15. Ludovici V, 154 f. Müller, Gesch.
der Landesschule zu Meifsen II, 220 ff.
-9) Melzer a. a. 0. S. 349.
248 Eduard Heydenreich:
Eingang. Auch legte er die Matrikel des Schneeberger
Lyceums an30). Auf Empfehlung der kurfürstlichen Visi-
tatoren wurde er in das Rektorat zu Zwickau berufen,
das er 44 Jahre hindurch verwaltete. Gleichwie ehemals
dem Melanchthon zu Ehren „Parentalia anniversaria"
gehalten wurden, so wurde auch nach seinem Tode all-
jährlich sein Gedächtnis „mit einem Carmine celebriret"
(Melzer a. a. S. 449).
Jon. Doppert war zu Frankfurt a. M. 1674 geboren
und hatte in Leipzig und Wittenberg studiert. Auf Schurz-
fleisch' Empfehlung erhielt er eine Hauslehrerstelle in
Dresden und hatte in den vornehmen Kreisen der Residenz
Gelegenheit, weltmännische Manieren sich anzueignen.
1703 wurde ihm das Schneeberger Rektorat übertragen,
das er bis 1735, d. h. länger als irgend ein anderer Leiter
des Lyceums, verwaltet hat. Er hatte in dieser Zeit
wiederholt mit äulserer Not zu kämpfen. Am 5. Juni
1708 sah er sich genötigt, beim Rat um Zulage einzu-
kommen; „die elenden Zeiten", heilst es in dem Be-
werbungsschreiben, „die Versteigerung binnen einiger
Jahre der nothürfftigen Victualien als auch die berüchtigten
Sumptus zu den studiis elegantioribus , die nach fa^on
des jetzigen saeculi mit einem geringen apparatu nicht
können noch mögen fourniret werden, veranlassen mich
zu diesem honesto petito"31). Das Gesuch wurde be-
willigt. 1719 am 10. Sonntag nach Trinitatis wurde das
Schulhaus bei dem grofsen Stadtbrand mit dem gröfsten
Teil der Stadt eingeäschert; 1719—23 mulste Doppert
zur Miete wohnen. Erst 1723, 19. Januar, konnte der
Einzug, zu dem Doppert ein 16 Quartseiten langes ge-
lehrtes Programm schrieb32), in das neue Schulgebäude
stattfinden. Es mag kulturhistorisch nicht uninteressant
sein, den Verlauf eines solchen Festes des vorigen Jahr-
hunderts kennen zu lernen. Wie das vom Stadtschreiber
Schnorr ausgefertigte Protokoll33) angiebt, „sind die
Schüler und H. Praeceptores aus dem bisher zur Schule
gebrauchten Bürger Haufse Vormittags umb 9 Uhr Paar
30) Ludovi ci V, 66 ff., bes. 167, 92.
81) Schneeberger Ratsarchiv (i J I J 8.
**) Memoriam lycei quod Sneebergae floret saecularem et sinml
solemnia ob novum scholae aedificium per flaminam devastatnm . . loco
consueto celebranda proponit et ad sacra haec praesentia sua collu-
stranda . . invitat M. Joannes Doppertus, rector Ivcei Sneeb. Litteris
Puldianis. 1723. 4°.
88) Schneeberger Ratsarchiv (J III 10.
Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 249
und Paar in das neue Schul Hauis eingezogen. 2) haben
die Inspectores Scholae, auch andere Auditores vom
Rathe, Litterati und sonst viel Leute sich allda einge-
funden, da 3) der Anfang mit singen und zwar von den
Choralist en figuraliter iedoch ohne Instrumental- Music,
das Veni Sancte Spiritus mit dazwischen von denen
Discantisten intonirten Choral: Komm Heil. Geist Herr
Gott etc. gesungen, 4) von einem Schul -Knaben das
ordentliche und gewöhnl. Schul-Gebeth von dem Catheder
Knieend gebethet, darauff 5) Von dem Oberpfarrer tit.
H. K. Thönnicker der Vortrag latinis und Delitzsch mit
Danken, guten Wünschen und Vermalmen ad docentes et
discentes gethan, und dem Herrn Rectori der Schlüfsel
zur Haufsthüre der Schule extradiret, 6) Von H. Stadt-
richter L. Bormann als Mit-Inspectore Scholae eine schöne
lateinische Rede ufn Catheder gehalten, hernach 7) der
III. Psalm Lateinisch musiciret, ferner 8) H. Conrectore
Hoffmann eine lateinische Oration ufn Catheder memoriter
gehalten, nach dieser 9) der 101. Ps. lateinisch musiciret
und in Auditorio Primario mit dem Dankliede Nun danket
alle Gott beschlofsen. Übrigen aber auch endlich 10) auft'
der Gasse vor der Thüre des Schul Haufses auff Ver-
ordnung das Lied: Nun lob meine Seele den Herrn pp.
von den Choralisten choraliter gesungen."
Von Dopperts Thätigkeit kann man sich einen Begriff'
machen, wenn man erwägt, dafs von ihm noch drei starke
Bände Schulschriften sich erhalten haben. Allerhand
philologische und theologische Gegenstände werden hier
abgehandelt. Nicht nur bei den Schulprüflingen, sondern
überhaupt bei den mannigfachsten Anlässen sehen wir
den federgewandten Rektor eine Druckschrift veröffent-
lichen: wenn die Schule irgend eine Feier veranstaltet34),
wenn Kollegen oder Geistliche an einen anderen Ort
übersiedeln, wenn Männern, die irgend ein Verdienst um
das Lyceum sich erworben haben, irgend ein freudiges
M) So erschien 1709 ein gelehrtes Programm von 8 Folioseiten
unter dem Titel „Christi <r«r»7poj theophaniam IV scholae nostrae
alumni . . celebrabunt quorum nomine solemnitatem venerandi lycei
ephoris . . indicit M. Joannes Doppertus . . Praelio Henrici Fuldae",
als die Erscheinung Christi durch eine lateinische und zwei grie-
chische Schülerdeklamationen gefeiert und zugleich das Gedächtnis
„Burchardi Praetoris quondam nostri et Evergetae Musarum nostrarum
singularis" begangen werden sollte. Vergl. Pfarrarchiv Schneeberg
„Acta, das Burckhardsche Stipendium und andere Stipendien u. dergl.
betr." Ergangen 1651 sq. Lit. S. No. 1.
2öO Eduard Heydonreich:
oder trauriges Ereignis begegnet 8d), wenn dem Rektor in
einer benachbarten Stadt etwas Neues zustöist, bei Ver-
lobungen, Hochzeiten und Todesfällen36).
Als Jo. Geo. von Ponickau in Schneeberg erschien,
begrüfste ihn Doppert 1718 im Namen des „ordo sacer
et musarum chorus" und beglückwünschte ihn durch eine
andere Gratulationsschrift, als derselbe das Amt eines
Vorstehers des erzgebirgischen Bergbaues 1721 über-
tragen erhielt. Das Erscheinen Friedrich Augusts II.
1708 in Schneeberg bot erst recht Anlals, eine Be-
grülsungsschrift abzufassen, die auch huldreich ange-
nommen wurde, und die als ein echtes Beispiel jener
panegyristischen Begrüisungslitteratur bezeichnet werden
kann. Als nach dem grolsen Stadtbrand von 1719 der
Rat der Stadt Frankfurt a. M. Geld zum Wiederaufbau
der Schule gespendet hatte, dankte ihm Doppert in einem
solennen Dank, der bei Christ. Kanngiefser gedruckt
wurde37). Die Jubelfeier der Eeformation 1717 veran-
lagte ihn zu einem „Monumentum sacris Lutheranae
ecclesiae saecularibus dicatum a schola Sneebergensi".
35) So beglückwünschte er Christian Melzer in Wolkenstein zu
seiner Schneeberger Chronik 1716 mit den Worten: „Venerandi
Melzeri calainus depangit novara montium soliolem et ex ipso obli-
vionis antro nobilem suisque argenti venis turgidum extrahit locuni,
urbem iam ultra duo saecula principihus Vittikindeis caram ac ob
salutaria instituta cum in curia tum in Sacris inter Saxonas passim
celebratam aperit Melzeriana industria" u. s. f. Als Beispiele für
solche Aufmerksamkeiten, die Doppert bei traurigen Anlässen er-
zeigte, können dienen die Druckschriften: Monumentum piis manibus
nobilis pudicissimaeque feminae Susannae ortu Schreiberiae coniugis
carissimae nobilissimi domini Christiani Friderici Coithii incluti
domini ofrlcinae rei ferrariae et vitrioli in Breitenhof et senatoris
civitatis Sneeb. prudentissimi evergetae scholae nostrae singularis . .
(■rectum a M. Jo. Dopperto . . Schneebergae Litteris Fuldianis (1734)
und die aus derselben Druckerei 1730 hervorgegangene: Inter exe-
quiarum solemnia matronae nobilissimae ac exempli rarissimi Kuni-
gundae Sophiae ex prisca Mathaeorum stirpe ortae coniugis perdilectae
viri maxime reverendi dn. Joan. Joach. Thoennikeri, s. theol. lic, . .
scholaeque nostrae ephori praecipui . . offert hoc pietatis in defunctam
monumentum manibusque consecrat beatis M. J. Doppertus, rector
schob Sneeb. Diese und die im Folgenden angeführten Programme
und kleinen Schriften .sämtlich in der Schneeberger Gymnasialbibliothek.
30) Ihres biographischen Inhaltes wegen seien hervorgehoben
die Gedächtnisschriften auf die Schneeberger Bürgermeister Salomon
Friedrich Fischer 1718 und Jo. Hnr. von Ryssel 1726.
37) Solemnis eaque devota gratiarum actio perillustri eminenti
ac splendidissimo Lnclyti senatus liberae et perantiquae reipublicae
Francofurdiensis ad Moenum collegio . . persoluta . . a. . . Joa.
Dopperto . . (1720).
Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. .'.'il
Insbesondere pflegte Doppert jedem einzelnen der zur
Universität abgehenden Schüler eine besonders für ihn
verfalste, gedruckte Glückwunschschrift, die zugleich als
Empfehlungsschreiben dienen konnte, einzuhändigen ; diese
Art von Dopperts Schriftstellern verdient ebenso durch
die elegante Abwechselung des sprachlichen Ausdruckes
unsere Bewunderung, als sie durch eingestreute Mit-
teilungen über den Studiengang der Abiturienten unser
Interesse erweckt:'sj. Mit derselben Eleganz widmete er
denjenigen seiner Schüler, welche die philosophische
Magisterwürde erworben, Glückwunschschreiben und liefe
diese drucken89). Es kam auch vor, dafs der Rektor
sich mit seinen Kollegen oder mit Freunden des jungen
Magisters zu einem gemeinsamen Glückwunsch verband:
In dem Glückwunsch für Chr. Fr. Fischer40), der vier
Folioseiten füllte, kommt erst eine „allocutio M. Joannis
Dopperti, Rect. Scholae Sneeb.", die auch über die Uni-
versität sstudien Fischers Mitteilungen enthält, und dann
folgen lateinische Verse dreier Schulkollegen und eines
Schneeberger Arztes. Auch Ausgaben von Schriftsteller-
3S) Vergl. z. B. aus dem Jahre 1722: Abitum ad musas Lip-
sienses felicein prosperumque Christ. Frid. Klopffero Sneebergensi
hucusque auditori suo perindustrio precatus M. Jo. Doppertus, rector
scholae Sneeb. Sneebergae, litteris Christian! Henr. Kanugiesseri. -
Discessum ad Parnassum Sateae vicinum faustum fortunatumque
Gottualdo Bauero, Zschorlav. ad Sneebergam auditori suo hucusque
multis noniinibus approbato ex intimo mentis recessu vovet M. Joannes
Doppertus etc. — Hoc propter commendandi munus viatico iter ad
Misniae Athenas Lipsiam Jo. Friderici Steinbach, Aurobaeensis
inter Variscos. . . singulari inductus amore remuneratur M. Joa.
Doppertus, rector schob Sneeb. Impressit Henricus Fulda.
39) Z. B. Hoc voto nova honoris ornameuta a patribus acade-
miae Lipsiensis in .. dominum Christianum Nathanaelem Hoch-
muthium Zschorlaviensem ad Sneebergam quondam auditorem suum
iucundum die XI. Febr. a. Dionys. 1723 collata mactat M. Jo. Dop-
pertus, rector lycei Sneeb. Sneebergae Litteris Chr. Hnr. Kanngiesseri.
— Summos in philosophia honores ab amplissimo sapientum' ordine in
inclyta Lipsiensium academia die XL Febr. a. Dionys. 1723 in . .
dorn. Joa. Beni. Seydelium Hobensteina Schoenburg. quondam
auditorem suuin perdüectum publica auctoritate collatos faustos pro-
sperosque esse iubet u. s. w. — Supremos in philosophia honores
\ itembergae Saxonum XVI. Kai. Nov. anni Dionysiani 1724 in . .
Jo. Frider. Steinbachium Aurob. Variscum auditorem antea suum
perindustrium casumque solemni patrum suffragatione collatos faustos
felicesque proclamat . . Impressit Henr. Fulda.
40) Ad nobilem omnique doctrinarum apparatu effulgentem
dominum Christ. Frid. Fischerum Sneeberga Misnicum die XII. Febr.
a, Dion. 1722 in solenni panegyri magistrum artium Lipsiae renuu-
ciatum praeceptores et amici. Sneebergae. Litteris Fuldianis.
252 Eduard Heydenreich:
texten schrieb Doppert für den Gebrauch an seiner
Schule, so edierte er eine Rede des Aurelius Brandolinus
über die Tugenden Jesu Christi und eine Rede des Jo.
Chrysostomus zum Lobe des Apostels Paulus.
Bei den grofsen Verdiensten Dopperts wird man sich
nicht wundern, dals er auch dem Schneeberger Rat
gegenüber gelegentlich sehr energisch auftrat. Als ohne
sein Mitwissen vom Rat ein Heizer für die Schule be-
stellt worden war, erachtete er dies für „einen nicht
geringen despect" seiner eignen Person, wies darauf hin,
dals er „ohne Vorwifsen vndt Consens eines HochEdl.
Consistorii in Leipzigk den gemachten Rathschluls nicht
sollen vndt dörffen annehmen", und schickte dem Rat nicht
weniger als 13 gravamina in dieser Sache: den Verdacht,
als sei mit dem Holz nicht genug gespart worden, weise
er entschieden von sich ab; „werde", schreibt er unter
No. 6, „in Ansehung meiner privatoeconomie nimmermehr
frembden Leuthen die Schlüfsel Zum Haufs gestatten,
Zumahle solchen Personen, die mir von gar vielen Leuthen
gar übel recommendiret werden." „Weiln frembde Leuthe
nach dem Einheizen davon gehen und also Niemandt sich
ferner des Feuers annimmt, ja wohl gar durch eine heim-
liche picanderie der Magd sich köndte was anders er-
eignen, und sowohl mir alfs der gantzen Stadt hierdurch
ein grofses Unglück zuwachsen" u. s. w. Schliefslich thut
er das Stärkste, was er überhaupt thun konnte, indem
er das Schreiben mit folgender No. 13 schliefst: „Be-
schwerr mich hiermit solenniter über H. Heinrich von
Ryfsel, dafs er wieder alle vorher gegangene protestationes
sowohl an seine Hochehrwürden Hn. Superintendenten in
Zwickau alis auch an HochEdl. Consistorium in Leipzig sich
zu zweyen mahlen verweigentlich unterstanden mir den
neuen Thürmer über den Halls zu schicken undt mich
also hierdurch noch veranlafset mit hintansezung aller
hohen H. Interessenten immediate an Se. Majestät
den König Selbsten zu appelliren"41).
Als Doppert sein Ende nahen fühlte, vermachte ei-
serne ganze Habe, insbesondere seine Bibliothek, auf deren
Vermehrung er beständig bedacht gewesen war, seiner
geliebten Schule. Hatten sich doch seine Anverwandten
in der langen Zeit seiner Schneeberger Wirksamkeit gar
nicht um ihn gekümmert. In seinem Testamente be-
4I) Schneeberger Ratsarehiv G III lJ.
Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. 253
stimmte er, dafs seine Bibliothek „ins Geld versetzet u.
verkaufet" werde; es solle das hieraus gewonnene Kapital
sicher ausgeliehen werden, „damit auch zuförderst denen
Herren Schul Collegen iedesmahl vor andern iedoch gegen
genügsame Sicherheit gedienet, die darvon gefallende
Zinlsen alljährl. zu Johannis als an meinen Nahmens Tage
u. zwart drey Viertheil dem wohlbesagten hielsigen Schul-
Collegio nach Anzahl derer jedesmahligen Herren Collegen
keinen ausgeschlofsen, sondern soviel als den anderen ge-
rechnet, das übrige vierte Theil aber zur Chor Buchfsen
gegeben u. bey der nachfolgenden Distribution unter die
armen Choralisten nach eingeführter Proportion mit ver-
theilet u. von allerseits meiner als Fundatoris u. eines
Schulfreundes in Guten gedacht werden solle" 42). Dopperts
Bibliothek wurde an die Fürstenschule Grimma für
500 Thaler verkauft. Der Gesamterlös der Hinterlassen-
schaft berechnete sich auf 1128 Thaler. Die Doppertsche
Stiftung bestand bis zur Auflösung des Lyceums.
Als Doppert „praecipua cum laude" 32 Jahre lang das
Lyceum geleitet hatte, starb er. „Als der Wohlseelige", be-
zeugt ihm sein Beichtvater Archidiakonus Schindler, „zwei
Tage vor seinem Ende das heil. Abendmahl empfangen
hatte, so sagte er: der ihm hierbey erteilte Trost sey ihm
recht ins meditullium animae hineingedrungen"43). Von
der Hochachtung, die er durch sein langes, treues Wirken
sich erworben, zeugen die Trauergedichte43), welche die
Kollegen und vorgesetzten Behörden anläfslich seines Todes
drucken liefsen. Der Konrektor Hoffmann charakterisierte
seinen verstorbenen Rektor also:
Theologus cecidit, cecidit celehris Polyhistor,
Musarum cecidit non leve delicium.
Is vir qui propter divinas pectore dotes
Perpetuo Lachesis stamine dignus erat.
In quo vis erat ingenii, rarissima mentis
Ac acies magni judiciique vigor:
Dexteritas verum tradendi, lactea fandi
Ubertas, in quo lectio grandis erat.
Antiquae virtutis honos, Meique corona,
Justitiae cultor, fraudis & ultor erat
Officiis verae fidei pietatis & almae
In quo foecundis fructibus arsit amor.
Et sie Doppertus decus artis grande scholaeque
Nostrae dulcis amor mortuus ante diem.
") Ebendas. G II 38.
43) Schneebeiger Gyranasialbibliothek Gesch. 387 c, No. 58, 59.
254 Eduard Heydenreich:
Der letzte Schneeberger Rektor, der ganz in der
alten, humanistisch -theologischen Weise ohne Eingehen
auf die realen Fächer die Schule leitete, war, soweit wir
sehen, M. Joh. Gottfr. Reusmann. Liels er doch einmal
einen Abiturienten beim Validiktionsaktus „über den eitlen
Versuch derjenigen" sprechen, „welche die humanistischen
Studien schwächen und neue einführen wollen." Er war
1730 in Schleiz geboren, wo sein Vater „ansehnl. Bürger
und Buchbinder" war. Auf der Stadtschule seiner Vater-
stadt vorgebildet, wurde er auf der Thomasschule und
der Universität Leipzig ein Schüler Ernestis. 1767 hei-
ratete er eine Tochter des churf. sächs. Kornschreibers
Spangenberg, aus welcher Ehe 3 Söhne hervorgingen44).
Über seine Wahl zum Schneeberger Rektorat sind wir
durch einen sehr ausführlichen Bericht45) des Schnee-
berger Oberpfarrers Halm unterrichtet. Es hat ein all-
gemeines Interesse aus diesem Berichte zu ersehen, in
welcher Weise im vorigen Jahrhundert ein Rektor-
wechsel von statten ging. Deshalb soll hier ein Auszug
aus den Aufzeichnungen Hahns gegeben werden.
Der „zeitherige fast in die 25 Jahr bestverdiente
Rector unserer lateinischen Stadtschule, Herr Daniel
Traugott Müller" hatte einen Ruf in das Rektorat der
Kreuzschule erhalten und angenommen46). In dem bei
Gelegenheit seines letzten Schneeberger Schulexamens
geschriebenen letzten Programm, dem 17. über die Lyceums-
bibliothek47), hat er „sein zeitheriges Amt behörig re-
signiret" und ist darauf „vermittelst einer am 1. Tage des
Examinis bey dessen Eröfnung gehaltenen lateinischen
Rede de rectore orthodoxo" und durch eine vom Ober-
pfarrer Hahn „nach beendigten examine gehaltenen teut-
schen Rede über die Worte des Psalmisten: Thue ein
Zeichen an mir, dafs es mir wohlgehe, in dem Auditorio
Cl. I in Beyseyn deren Hh. Inspectorum Auditorum u.
4l) Pfarrarchiv Schneeberg R 2, Blatt 451..
4r') Ephoral-Archiv Schneeberg Loa I. Schneeberg. No. 11.
40) Urbach, Chronik der Kreuzschule, S. 7.
47) Schwenke, Adrefsbuch der deutschen Bibliotheken 18(13,
S. 321. Darnach ist die Festschrift des Königl. Gymnasiums in
Schneeberg 1891, S. VII zu verbessern. Zu der bei Schwenke an-
geführten Litteratur über die Schneeberger Lyceumsbibliothek kommt
noch hinzu: Wahl, Neueste Nachrichten von dem Zustande der
Schulbibliothek zu Schneeberg. Einladungsschrift zur Einweisung
des Herrn M. F. A. Bornemann in das Rectorat zu Schneeberg 1815
16 SS. 8°.
Aus der Geschichte des Schneeberger Lycemns. 255
Schulen aller Classen honorifice und beweglich dimittiret
worden". Von einer Ratsdeputation wurde „besagten
bestverdienten Hn. Rectori das Abschieds - Compliment
gemacht", von dem Sängerchor der Schule am Abend eine
Cantate, am andern Tag aber 10 Uhr Vorm. „bey Ver-
sammlung der gantzen Schule vor der Schul Wohnung
einige Lieder und Arien" gesungen. Die Schüler der
oberen Klassen gaben zu Pferde ihrem scheidenden Rektor
das Geleite. Während die Kollegen sich in die Vikarierung
der von Müller gegebenen Unterrichtsstunden teilten, zog
man Erkundigungen betreffs der Neuwahl ein. Für wie
hochwichtig Rat und Bürgerschaft eine solche Wahl
hielten, erhellt aus dem Kirchengebet, welches von der
Kanzel verlesen wurde: „Herr, der du Weifsheit und Er-
kenntnis und selbst den allerbesten Rath giebst,
zeige du denen um das Heil und Wohl unserer lieben
Schule redlichst und eyfrigst besorgten Vätern u. Herren
Patronen u. Herren Vorstehern selber durch deinen Trieb
und Zeitung einen würdigen Mann an, welcher mit Gaben
des Geistes und besonders mit der Furcht des Herrn,
mit nöthigen und gründlich erlernten, aber auch nutz-
barlich hinwiderum vorzutragenden Schulwissenschafften
ausgerüstet, welcher mit der ädlen Gemüts Art eine gegen
seine Mitarbeiter an der Schule sowohl als auch gegen
die zahlreichen Kinder, die ihm anvertraut werden, mit
Friedfertigkeit und Leutseligkeit gewürzte Ernsthaftig-
keit zu haben ausgezeichnet ist und welcher ein Fürbild
und Exempel der Fremden und Lernenden werden mag."
In einem ausführlichen schriftlichen votum informativum
charakterisierte nunmehr Oberpfarrer Hahn die 7 Be-
werber. Hierbei fiel für Reusmann besonders ins Gewicht,
dafs ihn Professor Ernesti in Leipzig auch „wegen der
Gemüts- und Lebens-Art, auf welche bey einem Schul-
lehrer so viel ankommt", empfohlen hatte. Vor der
eigentlichen Wahl auf dem Rathaus hielt der Oberpfarrer
eine feierliche Ansprache über Jes. 49, 23. Reusmann
wurde einstimmig gewählt. Nachdem er von den Pri-
manern zu Pferde eingeholt und bei seiner Ankunft in
Schneeberg laut Ratsbeschlusses mit Suppe, Braten und
kleinen Fischen (Forellen) bewirtet war, wurde er vor-
läufig an 3. Juli 1765 vom Oberpfarrer in Gegenwart der
Spitzen der Stadt dem Schülercötus vorgestellt. Nach dem
gewöhnlichen Morgengebet hielt Hahn eine deutsche An-
sprache über Ps. 122, 9 und der primus scholae Schnorr eine
256 Eduard Heydonreich:
kleine lateinische Rede, in der er den Rektor bewillkomm-
nete und ihm im Namen der Mitschüler Gehorsam gelobte,
worauf Reusmann lateinisch antwortete und sogleich die
„erste theologische Lektion anfing". Zur „solennen Ein-
weisung" am 13. September wurden durch kirchliche Ab-
kündigung Rat, Ministerium, literati und Eltern „mit
Hochachtung und Liebe eingeladen". Der feierliche Akt
fand im Auditorium der 1. Klasse statt und begann unter
Beteiligung zahlreicher Gäste mit dem Gesang Veni
sancte Spiritus und darauf folgendem deutschen Gesang
der beiden letzten Verse dieses Liedes , „wobey die In-
strumente miteinfielen"; darauf führte Kantor Hoffmann
eine Musik auf. Hierauf folgte die Einweisungsrede des
Oberpfarrers und die Antrittsrede Reusmanns, der sich
darüber verbreitete vitam scholasticam non esse miserri-
mam, sed felicissimam vitae conditionem. Zwischen den
nun folgenden zwei Schüleransprachen führten „die Herren
Musici eine kurze Instrumental -Musik" auf. Das Lied
„Ach bleib mit deiner Gnade" bildete den Schluts des
feierlichen Actus. Die Schüler brachten dem Rektor
abends eine Musikaufführung dar.
Der neue Rektor war ein auf philologischem und
theologischem Gebiet sehr bewanderter Gelehrter. Noch
sind 44 lateinische Abhandlungen von ihm erhalten, in
denen sprachliche, exegetische, dogmatische und geschicht-
liche Gegenstände erörtert werden. Die Schule war gut
besucht: 1787 safsen in Prima 35, in Sekunda 28 Schüler.
Über das Schulleben unter Reusmanns Leitung sind wir
besonders gut unterrichtet. 1769 wurden die Schulgesetze
lateinisch und deutsch (typis Fuldianis) gedruckt unter
dem Titel: „Disciplina scholae Schneebergensis, legibus
descripta ac typis repetita" 4S). „Diejenigen, die in diese
Schule des Lernens wegen geschickt werden", heifst es
hier (S. 3), „die sollen wohl bedencken, dafs sie nicht etwa
in einem gemeinen Haulse sich befinden, darinnen sie ihre
wilde Ungezogenheit, Frevel und Ruchlosigkeit ungestrafft
auslassen können, sondern sollen es halten für ein der
Ehre Gottes gewidmetes Heiligthum, von welchen alle
garstige und lasterhafte Menschen entfernt seyn und
nicht zugelassen werden sollen "... „Dahero (S. 5) ist
die erste und führnehmste Pflicht eines Schülers, die er
48) Ein Exemplar hat sich erhalten im Pfarrarchiv Schneeberg
Lit. S. Xo. 7.
Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 25?
genau beobachten soll, diese, dals er zu gesetzter Zeit,
und mit aller Anständigkeit da sey, und mit einem reinen
und heiligen Hertze das Gebet abwarte. Wird er dar-
wider handeln, so soll er das erstemal eine Stunde lang
knien, und eine Abbitte thun. Geschähe es noch einmal,
so soll er zwar seine Strafe noch einmahl bekommen,
zugleich aber auch noch an Gelde gestrafft werden.
Geschieht es zum drittenmahl, so soll er, und zwar ein
Primaner, ins Carcer gesteckt, ein jeder anderer aber
mit einem Strohcrantz öffentlich zur Schande ausgestellt
werden." „Derjenige (S. 15), der sich auf dem Marckte,
oder in einer andern Gasse ungezogen aufführet, sodafs
er die Vorübergehenden schabernackt, mit Steinen oder
Schnee wirfft, oder sich gar mit einen herumschlägt, den
soll der Stadt Knecht wegnehmen und ihn zur Abstrafung
an gehörigen Ort führen" u. s. w. Eine Neubearbeitung
der Schulgesetze, zu der Reusmann ein ausführliches Gut-
achten eingab, erfolgte unter Leitung des Oberpfarrers
Hahn. Die sehr umständlichen Vorbereitungen gelangten
am 13. Juli 1774 zum Ziel. An diesem Tage wurde die
neue Ordnung in der Schule vorgelesen und ein „Extract
daraus an einer Tafel affigiret." Was heutzutage in
Gesetzen und Verordnungen verfügt wird, war in reicher
Fülle in dieser höchst umfangreichen Schulordnung ver-
einigt, die nicht nur die Pflichten der Schüler, sondern
auch die des Rektors und der Lehrer erörtert und die
für die Geschichte der pädagogischen Methoden sehr
lehrreich ist. Hier können nur wenige Proben Platz
finden: „Die Schüler sollen nicht auf die Dörffer laufen
oder zu Bier gehen." „Die Schüler Schmause wie auch
alle nächtliche Zusammenkünfte sollen gänzlich abge-
schaffet werden." „Wenn die anbefohlenen Schulpredigten
gehalten werden, werden die Herren Praeceptores sich
gefallen lafsen mit ihren Schüler processionaliter unter
dem Liede Komm heiliger Geist Herre pp. aus der la-
teinischen Schule in die Kirche zu gehen." „Die Extranei
haben sich vor denen Choralisten nicht die geringste
Freyheit, wie bisanhero von einigen geschehen, heraus-
zunehmen49)."
Es war damals eine grofse Klage unter den Schul-
kollegen, clafs die Winkelschulen gar zu sehr eingerissen,
„wie auch die Haufs Informatores mit ihren Scholis
i9) Pfarrarchiv Schneeberg- Lit. S. No. 6.
.Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 17
o,-)N Eduard Heydenreich:
collectis geduldet und gesteuert werden." „So lange
Schneeberg existiret, ist dergl. Elend bey hiesiger Schule
an Numero jeder Classe und die dargegen eingewurzelte
Unordnung mit Winckel-Schulen und deren elenden Schul-
hältern gar nicht erhöret worden." Eine Konsistorial-
verordnung vom 9. Juli 1773 verbot daher das Winkel-
schulwesen und gab auf: „Ihr wollet diejenigen, so ihre
Kinder in dergl. verbotene Schulen geschickt, zur Ver-
gütung des vermeldeten Schul Collegen zur Ungebühr ent-
zogenen Schul Geldes behörig anhalten50)."
Das jährliche Gregoriusfest, das anderwärts um diese
Zeit bereits vielfach abgeschafft war51), artete auch in
Schneeberg aus. Schon 1783 sah sich der Oberpfarrer
Tromler veranlagt, die Schüler zu ermahnen, „dafs sie
bey dem nach Ostern gefälligen Gregoriusfeste, so leider
ein nothwendiges Übel sey, alle schändliche Verkleidungen,
und unanständiges Betragen vermeiden möchten52)." Das
Übel wurde immer schlimmer. Es kamen bei den dra-
matisch-musikalischen Aufführungen dieses Festes „viele
besonders für anwesende Fremde ärgerliche, ja sogar
obscene Begünstigungen und Ungebührniise" vor. Deshalb
wurden Inspektionswegen die Schüler 1789 „ernstlich an-
gewiesen und bedeutet: 1) sich auf keine lüderliche,
schändliche und irgends eine Person vorstellende Weise
zu verkleiden, 2) keine Larven noch Mascken an sich zu
nehmen, 3) keine Hanswurste, Efsenkehrer, sogenannte
verwirrte Studenten, oder Schulmeister . . vorzustellen,
vielmehr sich anständig, sauber und erbar zu bekleiden,
4) keine Trommeln zu führen, noch weniger dergleichen
zu schlagen, 5) sich der Pferde und des Reitens gänzlich
zu enthalten, 6) keinen Comoedien ähnlichen Auffzug auf
dem Marckte noch sonst an einem Orte der Stadt vorzu-
nehmen, 7) keine Schrancken irgendswo hierzu zu schlagen,
8) alles öffentlichen Gelages sich zu enthalten, 9) die
Schul Tafeln und Bäncke aus der Schule nicht zu schleppen,
10) die mitunter vorgekommenen schändlichen Betteleyen
in Häuisern zu unterlassen, 11) schlechterdings keine
Pritsche zu führen, noch zu klazschen, auch 12) des so
äuserst widerlichen und milstönigen Blasens sich gänzlich
60) Ebenda No. 7.
M) Eckstein, Die Feier des Gregoriusfest.es am Gymnasium
zu Zittau. (Progr. Zittau 1888.) S. 18.
''2) Pfarrarchiv Schneeberg Lit. S. No. 10.
Aus der Geschichte des Schneeberger Lyceums. 259
zu enthalten und überhaupt sich dabey so zu betragen,
wie es einer wohl gesitteten Schul Jugend wohl anstehet
und gebühret." Im Falle einzelne Schüler diese Vor-
schriften übertreten würden, werde man genötigt sein,
„von Seiten der Stadt -Obrigkeitlichen Policey andere
Maalsregeln zu ergreifen." Die Aufsicht über die kleinen
nicht zum Chor gehörenden Schüler wurde dem Tertius
Stumpf übertragen (s. o.)58).
Die finanzielle Lage des Lehrerkollegiums in jener
Zeit war eine bedrängte. Schon während des siebenjährigen
Krieges mufste es die Besoldung in schlechter Münze an-
nehmen. Schließlich blieb der Gehalt Wochen lang ganz
aus. Auch kein Holz wurde mehr geliefert. So gerieten
die Lehrer „in die elendsten Umstände54)." Die Lage
wurde immer bedenklicher, da zwei Einnahmequellen, die
Schülerzahl und das Brauwesen, zurückgingen. Zwar
rühmt Christ. Lehmann55): „Das Schneebergische Bier
kühlet, laxiret und kan sich mit einem guten starcken
Wein eher als das Annabergische comportiren." Dennoch
klagte Reusmann und Kollegen 1766, 4. Februar dem
Rat: „Nun kömmt die Zeit immer näher herbey, da
auch das bifsgen Brauwesen vollends aufhören wird, wie
soll uns alfsdann geholfen werden, wenn auch diese kleine
Revenue wider wegfällt?"56) Hatte doch allein der Kantor
104 Thlr. 9 Gr. 6 Pf. rückständigen Gehalts zu fordern,
eine für damalige Verhältnisse erschreckend hohe Summe.
Der Oberpfarrer sah sich denn schliefslich gezwungen,
den Vätern der Stadt „mit einer Beschwehrden an einen
höheren Orte" zu drohen.
Die Liebe, welche Reusmann bei seinen Schülern
erntete, überdauerte seinen 1796 erfolgten Tod lange.
1823 wurden bei der Säkularfeier des Lyceums „dem
Andenken unsrer vollendeten beiden Jugendlehrer Reus-
mann und Haas" folgende Verse gewidmet:
Ehre den Toden ! Sie führten uns ein in die Hallen der Weisheit,
tränkten den dürstenden Geist aus dem geheiligten Quell.
Selbst verschieden im Sinn und Weg, doch Beide durchdrungen
von der Grösse des Ziels, welchen sie einst sich geweiht,
Suchten sie für dies grosse Ziel auch uns zu gewinnen,
leiteten würdig und ernst uns auf der herrlichen Bahn.
53) Schneeberger Katsarchiv G III a 5.
M) Ebenda G II 64.
w) Lehmann, Chr., Historischer Schauplatz derer Merkwürdig-
keiten in dem Meifsnischen Ober-Erzgebirge (1699) II, 2r>4.
5e) Schneeberger Ratsarchiv G II 64.
17*
oßo Eduard Eeydenreich :
Theure Lehrer! es schallt an diesem seltenen Feste
Euch noch der innigste Dank aus der begeisterten Brust.
Heimgegangen schon längst seid ihr zu höheren Welten,
doch in Eurer Saat lebt noch lange Ihr fort57).
Unter den „gelehrten und würdigen Subjecten", deren
Berufung sich die Oberbehörden auch nach dem Tode
des wackeren Johann Friedrich Schaarschmidtr,s) (179?
bis 1813) „bei Besetzung vacanter Stellen bei der hiesigen
lateinischen Stadtschule immer haben angelegen sein
lassen", verdient den Ehrenplatz Mag. Johann Gottlob
August Voigtländer (1820—1828). Als der Sohn des
Schneeberger Diakonus und nachherigen Archidiakonus
M. Joh. Hnr. G. Voigtländer hatte er im Elternhause und
auf der Schule seiner Heimat eine so vortreffliche Er-
ziehung genossen, dals er in dem jugendlichen Alter von
20 Jahren zum Rektor des Lyceums gewählt wurde. Mit
der Kraft und Geschicklichkeit eines im Alter ergrauten
Meisters stand er der Anstalt vor und wulste sie zu
hoher Blüte zu bringen. Seine Lehrgabe und seine ganze
Persönlichkeit muls eine ausgezeichnete gewesen sein.
.Der später als Rektor hochberühmt geAvordene Friedrich
Kraner, welcher seine gymnasiale Ausbildung dem Schnee-
berger Lyceum verdankte, hob die „scholastica gravitas
et severitas" hervor, welche diesen „trefflichen Lehrer"
ausgezeichnet und ihm die Achtung und Liebe der ihm
anvertrauten Jugend erworben habe59). Noch heute
B7) Voigtländer, Aug., Beschreibung des am 23. Juli 1823 in
Schneeberg gefeierten Schuljubelfestes S. 41.
os) Über diesen genüge es auf die Festschrift des Kgl. Gym-
nasiums zu Schneeberg 1891 S. VII zu verweisen. Zu der dort ge-
gebenen Darlegung mögen hier nur die deutsch geschriebenen
Programme nachgetragen werden, durch die er weite Kreise für
l>:'i'l;igogische Fragen zu interessieren suchte und die sämtlich in der
Schneeberger Gymnasialbibliothek vorhanden sind: „Was mufs die
öffentliche Schule zu Schneeherg seyn und. .leisten, um ihre Bestim-
mung zu erfüllen?" (1797.) — „Was haben Altern zu thun, wenn ihre
Kinder die Schule mit erwünschtem Nutzen besuchen sollen?" (1799.)
— „Ist die jetzt herrschende Abneigung der Jugend vor dem Studiren
ein Zeichen besserer Zeiten ?" (1801.) — „Kann eine Anstalt zur
Bildung der Jugend und besonders eine gelehrte Schule eine zweck-
mäßige Bibliothek ohne Nachtheil entbehren?" (1803.) — „Versuch
einer kurzen Geschichte der mit den gelehrten Schulen des evange-
lischen Deutschlands gewöhnlich verbundenen Singechören. " (1807.)
— „Bedarf Deutschland noch lateinischer Schulen?" (1809.) — „Soll
die Jugend der Gelehrtenschulen noch zur Kirche angehalten werden?
Und Avie?" (1811.)
s») Palm, Friedrich Kraner S. 5.
Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceuins. 2Q]
sprechen seine Schüler mit der denkbar höchsten An-
erkennung' von ihrem Schneeberger Rektor. Außerdem
stand Voigtländer, unter welchem übrigens eine bauliche
Erneuerung des Lyceums vorgenommen wurde00), auch
im Rufe tiefer Gelehrsamkeit. Neben einer wertvollen
Ausgabe der Totengespräche des Lucian lieferte er eine
neue Bearbeitung des grofsen lateinischen Lexikons von
Forcellini. Von seinem Organisationstalent und seiner
Opferfreudigkeit zeugen seine Reformvorschläge, auf die
Verfasser oben bereits wiederholt hingewiesen hat. Voigt-
länder schlug u. a. vor, die Prima in eine Oberprima
(„Selekta") und Unterprima (Prima) zu teilen, wie es
jetzt in Sachsen allgemein gesetzlich eingeführt ist. Es
war ganz richtig, was er bemerkt: „der Rektor macht
sich durch diese neue Einrichtung nicht etwa sein Amt
leichter, sondern schwerer wegen der vielen Correkturen
wöchentlich; er thut dies aber gern, denn er weifs, dafs
es dadurch auch fruchtbarer wird." Ferner schlug er
vor, die Abiturientenprüfungen weiter auszudehnen, wo-
durch er ebenfalls mehr Arbeit erhalten mufste. „Es
muis Zeit genug daseyn zu einer kleinen lateinischen
Anrede des Rectors und namentlich zu einer lateinischen
Disputation. Nichts wünschen wir mehr, als dafs die
Behörden der Schule dem dieser Anstrengung sich gern
unterziehenden Rector nicht nur diese Zeitfrist ergönnen,
sondern auch die den Schülern vorzüglich feierlichen
Stunden durch Frequenz noch feierlicher machen möchten."
Auch das Wohl seiner Lehrer lag ihm am Herzen. Vor
Verleumdung unverständiger Eltern suchte er sie dadurch
zu schützen, dals er die Inspektion ersuchte, derartige
Klagen nicht eher anzuhören, bevor nicht der Rektor in
Kenntnis gesetzt wäre, „der doch erst den Weg der Güte
versuchen, freilich aber bei wirklichen Vergehungen seiner
Collegen auch den Rechtsgang nicht hemmen würde."
Zumeist würde dadurch die Ungerechtigkeit der Klage
an den Tag kommen und den Lehrern allerhand Unan-
nehmlichkeiten erspart werden. „Dagegen unterwirft sich
der Rector gern gleich dem unparteiischen Ausspruch der
nächsten Behörde, der Local-Inspection oder auch der
m) Das bezeugt die im Erdgeschofs desjenigen Teiles des jetzigen
Bürgerschulgebäudes, in den 1746 das Lyceum einzog, angebrachte
Gedenktafel. Auf dieser steht in Uncialschrift folgendes: Aedes
Lycei Schneebergensis beneficio alumnorum liberalitate fautorum
restauratae exornatae MDCCCXXIIL
262 Eduard Heydenreich:
höheren, wenn er nur auf der anderen Seite seine Herren
Collegen wenigem Verdrießlichkeiten ausgesetzt sieht01)."
Der „große und sehr achtungswerte Eifer" seines „für
sein Fach glühenden Herzens" wurde auch vom Schnee-
berger Ratdankbar anerkannt0-). Erstarb am 14. Dezember
1828, kaum 29 Jahre alt. Die Liebe seiner Schüler, die
der treffliche Mann im reichsten Mafse sich erworben,
gab sich noch 1885 öffentlich kund, als auf Anregung
der Herren Oberkonsistorialrat Dr. Franz in Dresden
und Bürgermeister Clauls in Freiberg sich eine Anzahl
Schüler des vor 50 Jahren eingezogenen Lyceums zu
einer sinnigen Erinnerungsfeier versammelten. Damals
gingen dieselben auch auf den Friedhof. Hier ver-
sammelten sie sich um das Grab des Rektors Voigt-
länder. „Es war ein ergreifender Anblick, die ergrauten
Männer an dem blumengeschmückten Hügel ihres ehe-
maligen geliebten Lehrers stehen und den gemütreichen,
pietätvollen Worten lauschen zu sehen, mit welchen
wiederum Herr Dr. Franz das Andenken des längst Ent-
schlafenen feierte 68). "
Eine ungewöhnlich grolse Zahl schwerer äulserer
Bedrängnisse hat im Laufe der Jahrhunderte das
Lyceum zu bestehen gehabt. Sechsmal mufste das alte
Lyceumsgebäude neu aufgeführt werden, dreimal wurde
Haus und Gerät Lehrern und Schülern durch Feuer ver-
wüstet; drei gewaltige langandauernde Kriege, unter
denen die durch keine Befestigungsmauern geschützte
Stadt schwer litt, hat die Schule erlebt. Die traurigste
Periode, welche über das Lyceum hereinbrach, war die
Zeit von 1620—1650. Am 10. Juli 1623 hat das Schul-
haus, welches ehemals von den Fundgrübnern an Kurfürst
Johann Friedrich verkauft und auf dessen Befehl um-
gebaut, dann aber der Stadt geschenkt worden war, „der
Allerhöchste und Gerechte Gott vormittels eines vom
Himmel herab erfolgten Donnerschlags und Wetterstrahls
angezündet und in die Asche gelegt", „also dafs dem
Rektor so seine Wohnung uf dieser Schuel gehabt,
aller sein Vorrath an Kleidern und einer ansehnlichen
Liberey, inmatsen der armen frömbden Schulknaben so uf
der Schule gewohnet, ihre Kleiderlein und Bücherlein in
"') Sebneebergcr Ratsarchiv G III 15.
fl2) Ebenda G FIT 1 1. Bl. 63.
6S) Erzgebirgischer Volksfreund 1888, S. 367.
Aus der Geschichte des Srlmeeberger Lyceums. 263
Feuer aufgeflogen"04). Man hat zwar darauf „unter-
schiedene mahl deliberation gehalten", auf welche Weise
man das abgebrannte „Fürstenhaus", wie man jenes
Schulhaus nannte, wieder aufbauen könnte; doch haben
es die „darauff erfolgte böse elende verderbliche Zeiten,
feindliche Einfälle und Kriegsbeschwerungen nicht zu-
lassen wollen". Fünfzig Jahre lag das Schulgebäude
seit jenem Schreckenstag in Schutt und Asche. Erst
1673 wurde der Platz bebaut und daselbst — ein Brau-
haus errichtet. Auch in dem Funk'schen Hause, das
der Rat für 2000 fl. zu kaufen sich entschloß, wollten
sich keine glücklichen Verhältnisse entwickeln. Die
kriegerischen Einfälle der kaiserlichen Generale Holke
1632 und Hatzfeld 1633, sowie der des schwedischen
Generals Königsmark 1640 und die um dieselbe Zeit
wütende Pest brachten unsägliches Elend über Schnee-
berg. Diese tieftraurigen Zeiten, welche die Ziffer der
Bevölkerung von 3500 auf 2000, die der bewohnten
Häuser von 600 auf 100 verminderten, richteten die
Schule so arg zu, dafs, wie der Rat dem Superintendenten
Stepner in Zwickau am 29. Mai 1651 schrieb65), „niemand
bifshero darinnen sich aufhalten können." Die Furcht
vor dem Hungertod veranlafste „die Einmischung der
Schulbedienten in die bürgerliche Nahrung durch Brauen,
Schenken und Gästesetzen." Die Schule wurde in einem
Schreiben des Rates an das Konsistorium zu Leipzig als
„gänzlich ruinirt" bezeichnet. Besonders schwer hatte
der Rektor Kerl zu leiden. „In was Noth und Elend",
schreibt er am 21. April 164266), „ich armer Mann biels
anhero gestecket, das weils niemand besser als ich: in
was Armut ich durch den Abbrand unserer Schuelen ge-
rathen, & hat zwar der H. Gevatter auch gesehen und ist
Einem Ehrenrechten Wohlweifsen Rath wohl bewufst,
welcher dem H. Doctor Wolfrum und mir in toto con-
sessu senatorio 100 R zu einem anfang einer neien
Bibliotheca sancte promittiret und zugesaget, aber itzo
gantz in Vorgefsenheit will gestellet werden. Wie ich
armer man von den feinden aufsgeblindert worden, dafs
muls vnfser Sacristei bezeigen: Ja wie kümmerlich und
elend ich mich itzo mitt den meinen in diefser geschwin-
fil) Schneeberger Ratsarchiv G III 5, Bl. 10 and G III l, Hl. 12.
m) Ebenda G III 3.
m) Ebenda G III 1.
264 Eduard Heydenreich:
den Zeit, da alles auf das Höchste gestiegen, und fast
umb den dritten Pfennig muis erkauftet werden, behelffen
mufs, das erfahr ich armer Mann teglich." Auch in den
folgenden Zeiten brachen allerhand Unglücksfälle über
Schneeberg herein. Es seien hier nur die entsetzliche
Hungersnot von 177267) und der grolse Stadtbrand vom
13. August 1719 erwähnt. Die Vernichtung der „vielen
theils kostbaren geistlichen und Communalgebäude, die
ehedessen von hiesigen ungemein reichen Bergsegen
etabliret worden", darunter auch des Schulgebäudes, war
um so verhängnisvoller, als der Bergsegen immer mehr
versiegte. Die Zahl der vom Brandunglück direkt Be-
troffenen dürfte rund 2500 betragen haben68), und diese
hatten meist nur das nackte Leben retten können. Der
Rat mufste dem Kurfürsten Friedrich August I. schreiben,
dais, „wenn der ärgste barbarische Feind darin gesenget,
gebrennet, ausgeplündert hätte, er es nicht ärger machen
noch alles totaliter ruiniren können, als die Stadt durch
sothane ungewöhnlich wüthende und rasende Feuerflamme
zugerichtet worden69)."
Durch all dies Unglück auf das allerschwerste ge-
schädigt, vermochte der Rat beim besten Willen nicht,
den sich immer mehr steigernden Anforderungen des
höheren Schulwesens gerecht zu werden. So waren keine
Mittel vorhanden, den im 19. Jahrhundert immer breiteren
Raum im Unterrichtsplan beanspruchenden Realfächern
Sammlungen an naturwissenschaftlichen, geographischen
und geschichtlichen Gegenständen und Abbildungen zur
Verfügung stellen zu können. Zwar suchte hier der
Idealismus von Privatpersonen helfend einzugreifen. Auf
Anregung des Diakonus M. Hahn (seit 1800 in Schnee-
berg) wurde 1802 die „Anlegung eines öffentlichen, allen
Einwohnern der Stadt zugänglichen Museums" ins Auge
gefafst, dieses sollte alles enthalten, „was zur Anschaulich-
keit des Unterrichtes, namentlich in der Naturlehre und
Naturgeschichte und den damit verbundenen Wissen-
schaften nöthig ist." Es bildete sich eine „Pädagogische
Gesellschaft" aus dem grölsten Teil des Magistrates, des
67) Vergl. den anschaulichen Bericht eines Augenzeugen in:
Lehmann, Chronik der freien Bergstadt Schneeberg III, 95.
68) Buch he im im Erzgebirgischen Volksfreund 1895, No. 25.
m) Vergl. den Bericht des Rates unterm 22. August an den
König und Kurfürsten Friedrich August I. im Kgl. Sachs. Haupt-
staatsarchiv zu Dresden 9909 s. t. „Brand von Schneeberg 1719."
A.us der Geschichte dos Nclinorbergor Lyceums. :2(>r>
Offizierskorps, Bergamtes, der Lehrerschaft und des Kauf-
mannsstandes; eine „"Weibliche Bildungsgesellschaft"
schlofs sich an. Das Unternehmen schien sich glücklich
entwickeln zu können, als Hahn, der 1804 nach Gera
als Superintendent und Konsistorialrat berufen worden
war, in Begleitung des Grafen Heinrich XLVIII. von
Reuls zum Stiftungsfest 1. August 1805 in Schneeberg er-
schien und dem Museum ein Geschenk des Erzherzogs
Karl von Österreich überbrachte. Aber die Napoleonischen
Kriege erstickten das Unternehmen70). Aus der finan-
ziellen Notlage der Stadt ergab sich auch, dals sie ge-
zwungen war, „das so ganz mit den erforderlichen vielen
Kenntnissen und Bemühungen in gar keinem Verhältnisse
stehende geringe Einkommen der Lehrer", wie es die
Vertreter der Stadt durch den Mund des Landtags-
deputierten Job. Leb. Schnorr 11. März 1824 selbst
nannten, in seiner Geringfügigkeit zu belassen und
höchstens vom Staat eine Unterstützung zur Aufbesserung
zu erhoffen, wodurch freilich „der Verlust mehrerer ihrer
guten und achtungswerthen Lehrer" die Folge war, „welche
bisher immer wegen des kärglichen Dienstgehaltes in
anderen Orten bessere und einträglichere Stellen zu suchen
und anzunehmen genöthigt worden sind71)." Nur nach
langem Zögern und oft höchst unerquicklichen Verhand-
lungen konnte sich der Rat zur Anstellung neuer Hilfs-
kräfte entschließen , als deren letzte „dem verehrungs-
würdigen Senior unseres Collegiums, dem Cantor L. G.
Thomas in der Person des Herrn M. K. F. G. Meutzner
ein Hülfslehrer adjungirt" wurde72); Meutzner verdankte
diese seine Berufung dem Zeugnisse des hochberühmten
Leipziger Philologen Gottfried Hermann, welches noch
heute bei den Ratsakten liegt73). Aus alledem aber
ergab sich eine grofse Anzahl höchst beklagenswerter
Mißstände, die notwendiger Weise zu unliebsamen Vor-
stellungen der vorgesetzten Behörden führen mußten74).
Diese Zustände waren auf die Dauer um so unhaltbarer,
als auch das Bürgerschulwesen Schneebergs unter den
70) Näheres üher diese kulturhistorisch interessante Museums-
angelegenheit bei Jacobi, Schneeberg, Ein Gedenkblatt zur 400jäh-
rigen Jubelfeier , S. 39 ff.
71) Schneeberger Ratsarchiv G III 14.
72) Raschig im Schneeberger Programm von 1833, 8. 16.
73) Schneeberger Ratsarchiv G III 16. Bl. 155.
T4) Ebenda G III 16.
266 Eduard Heydenreich:
finanziellen Bedrängnissen der Stadt damals tief dar-
niederlag und einer gründlichen Reform dringend be-
durfte; wurde doch der Elementarunterricht für 1163
Schulkinder nur von 4 Lehrern versorgt und jeder von
ihnen arbeitete nicht nur räumlich, sondern auch hin-
sichtlich des Lehrplanes in völliger Vereinzelung. Als
daher die Regierung dem Gedanken näher trat, einige
Lyceen des Erzgebirges als entbehrlich einzuziehen, dafür
aber die übrigen Gelehrtenschulen des Landes um so
nachdrücklicher zu unterstützen75), scheiterten die wieder-
holten Gesuche des Rates an das Kultusministerium,
dasselbe wolle die projektierte „Kreisschule" nach Schnee-
berg verlegen, wofür der Rat auf sein Kollaturrecht ver-
zichten zu wollen erklärte, an dem Mangel einer gut
geordneten Bürgerschule. Die Reform des Elementar-
unterrichtes war unab weislich. Da aber Fonds nicht
vorhanden waren und Mittel zur Erhaltung des Lyceums
durch Anlagen hätten aufgebracht werden müssen, so er-
klärte nach einer einsichts- und wehmutsvollen Darlegung
des Bürgermeisters Schill der grofse Bürgerausschuls
am 30. Dezember 1834 es für unmöglich, die nötigen
finanziellen Opfer für das Lyceum zu bringen76). So
wurde es 1835 aufgelöst und in eine den Bedürfnissen
Schneebergs entsprechende Bürgerschule mit einem (1870
wieder eingezogenen) Progymnasium umgewandelt. Der
Elementarunterricht hob sich rasch unter dieser segens-
reichen Neugestaltung und ist gegenwärtig zu hoher
Blüte gelangt77). Als aber die Zeit der schweren finan-
ziellen Bedrängnisse von der Stadt überwunden war.
zeitigte die Liebe zu den humanistischen Studien, wie sie
im Lyceum so lange treu gepflegt worden waren, hoch-
achtbare Ergebnisse. Die Stadt Schneeberg, von dem
Wunsche nach Errichtung eines königlichen Gymnasiums
beseelt, verpflichtete sich, zum Baue eines Gymnasial-
gebäudes den Bauplatz, 60000 Mark aus städtischen
Mitteln und aulserdem die von einem angesehenen Bürger
76) Vergl. Raschig-, Die Nothwendigkeit einer Radicalreform
dn- Ki/.gehirgischeu Lyceen. Schneeberg 1831. — Scholze, Hu-
manismus und Realismus im höheren Schulwesen Sachsens während
der Jahre 1831—1851. Progr. Plauen 1894.
76) Schneeherger Ratsarchiv S. VII 11.
77) Müller, E. M., Kurzer geschichtlicher Überblick über das
Schulwesen der Stadt Sclineeberg in den Jahren 1838—45. Progr.
der Bürgerschule Schneeberg 1845. Bang, Bericht über die
Bürger- und Fortbildungsschule zu Schneeberg 1893.
Aus der Geschichte des Schneeherger Lyceums. H\",
schon vor Jahren in hochherziger Liberalität für diesen
Zweck angebotene Summe von 100 000 Mark beizutragen,
sodann städtische Stipendienfonds im Gesamtbetrage von
rund 25 000 Mark dem Gymnasium zuzuwenden und dem-
selben sämtliche Lehrmittelsammlungen der Realschule,
darunter die äußerst wertvolle naturwissenschaftliche
Sammlung, sowie die stattliche Bibliothek des alten
Lyceums zu überlassen. Daraufhin wurde das Schnee-
berger Gymnasium, dessen Zöglinge zunächst in den
Räumen der Realschule Unterkunft fanden, gegründet;
und so konnte 1891 die achte Stätte humanistischer Stu-
dien in Schneeberg, das neue Gymnasialgebäude, wo auch
die wertvollsten Handschriften und Bücher des alten
Lyceums Aufstellung gefunden haben, durch Se. Excellenz
Staatsmimster Dr. von Gerber feierlich eröffnet werden78).
Trotz aller schweren Bedrängnisse, von denen das
Lyceum heimgesucht wurde, waren die vorgesetzten Be-
hörden, Rektoren und Lehrer um das Wohl der Anstalt
treulich besorgt. Sie wollten „auf die Schuel als ein
Seminarium Ecclesiae et Reipublicae ein wachen tes aug
haben, dieselbe bauen vnndt pflantzen, damit reiche fruchte
Gott zu Ehren, der christlichen Kirchen oder dem ge-
meinen Regiment zu nutz einmahl mögen gesamlet wer-
den79)." So stand denn auch Schneeberg in dem Rufe,
„dafs daselbsten gute disciplina und Justitia administriret . .
und vornehme gelehrte Leute daselbsten erzogen worden80)."
Zu den Schülern des Lyceums, „die wegen ihres
Verstandes und anderer guter Qvalitäten sich im Ruhm
und Ehre gesetzet81)/' gehörten außer den bereits ge-
nannten in der früheren Periode Ambrosius Lobwasser,
Prof. jur. und herzoglicher Rat zu Königsberg, der Psalmen-
Übersetzer der deutsch -reformierten Gemeinde, sowie
Andreas Mensel, Oberpfarrer und Prof. theol. in Frank-
furt a. 0., Mitverfasser der Konkordienformel; ferner in
neuerer Zeit Dr. Bonitz, Superintendent in Langensalza;
M. Oesfeld, Pastor in Altstadt- Waidenburg; C. F. Schaar-
schmidt, Sohn des erwähnten Schneeberger Rektors, ein
7S) Vergl. die Berichte der Rektoren Bernhardi und Gilbert
des Schneeberger Gymnasiums in den Osterprogrammen der Anstalt
und den letzteren in der Festschrift zur Einweihung des neuen
Schulgebäudes S. IX f.
79) Schneeberger Ratsarchiv G III 1.
s") Melzer, Erneuerte Chronik von Schneebertr S. 589 f.
81) Melzer ao. S. 588.
268 K<1. llcvdenreich: Aus der Geschichte des Schueeherger Lyceums.
Lyceist, der 16' 2 jährig eine lateinische Abhandlung- über
den Nutzen einer gut eingerichteten Herodotlektüre in
Druck gab und später Geheimer Rat im Königlichen Mini-
sterium des Innern wurde ; und Bezirksschulinspektor Schul-
rat Müller von Schvvarzenberg, welcher bei der Einweihung
des neuen Gymnasialgebäudes in Schneeberg des alten
Lyceums in Liebe und Treue gedachte. Eine lange Reihe
dankbarer Schüler war es, welche 1823 zur Säkularfeier
von fern und nah zusammenkamen und ein freudig dank-
bares Wiedersehen feierten, gedenkend der artes, die da
molliunt animum et mores:
Has Lyceum aluit
niveo quod monte,
iam per secla floruit
ex perenni fönte,
fovit semper juvenes
reddidit incolumes
tanquam alma mater82).
82) Aus einem Pestgedicht des Archidiakonus Voigtländer bei
Rektor Voigtländer, Beschreibung des Schuljubelfestes 8. 42.
X.
Vertriebene und bedrängte Protestanten in
Leipzig unter dem Schutze Johann Georg I.
Nach urkundlichen Quellen bearbeitet
von
Richard Schmertosch.
Schon mehrfach ist darauf hingewiesen worden, dafs
zur Zeit des dreilsigj ährigen Krieges die erschreckende
Abnahme der Bevölkerung in Kursachsen sich einiger-
mafsen ergänzte durch die Aufnahme vertriebener Pro-
testanten aus den österreichischen Erblanden, die um ihres
Glaubens willen Haus und Hof verlassen mufsten. Vor
allem ergofs sich aus Böhmen ein starker Auswanderungs-
strom in die Eibstädte und in die Grenzgebiete der Lausitz
und des Erzgebirges1). Konnte in jener Zeit nicht auch
die starkbefestigte und auf alten Handels wegen leicht
erreichbare Universitäts- und Handelsstadt Leipzig vielen
Flüchtlingen einen anziehenden Zufluchtsort gewähren?
Zumal für Böhmen lag dieser Gedanke wegen der engen
Handelsverbindung dieses Landes mit Leipzig nahe
genug. Daher hegte auch 1620 nach Niederwerfung
des böhmischen Aufstandes der Kaiser Ferdinand IL
den Argwohn, dals seine Unterthanen in Böhmen „ihre
') Chr. A. Pescheck, Die böhmischen Exulanten in Sachsen
(1857). Bernh. Wolf, Einwanderung böhmischer Protestanten in das
obere Erzgebirge, in den Mitt. d. Ver. f. Gesch. v. Annaberg 1891
bis 1892. Gr. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit
III, 240.
270 Richard Schmertosch:
Guter und Fahrnisse in die kurfürstliche Gewerb- und
Handels Stadt Leipzig geflüchtet und in Verwahrung
gebracht" hätten2).
In der That läist sich eine Einwanderung vertriebener
Protestanten in jener Zeit auch in Leipzig nachweisen1'').
Neben einigen Akten des Dresdner Hauptstaatsarchivs
geben hierüber besonders die Stadtbücher, die Bürger- und
Sterbelisten im Leipziger Ratsarchive sowie einige ab-
schriftlich erhaltene Kirchenbücher auf der dortigen Stadt-
bibliothek näheren Aufschlufs.
Aus Steiermark, wo schon um die Wende des sech-
zehnten Jahrhunderts sogar hervorragende Gelehrte, wie
der später so berühmte Astronom Johann Kepler, aus-
wandern muisten, weil sie sich nicht gutwillig einem harten
Glaubenszwange fügen wollten, sind auch nach Leipzig-
einige Familien gewandert. Wenigstens erlangten hier in
den Jahren 1619 Johann Jakob Reuter, Medicinae Doctor
aus Graz, und 1622 Johann Schelf ler, „I. Utr. Doctor
Steuermerker", und Johann Rupert Sulzberger, Medicinae
Doctor aus Graz, das Bürgerrecht4). Bei allen dreien
ist ausdrücklich bemerkt, dafs sie wegen der in ihrer
„Patria verenderten Religion und eingesalzten Papistischen
Übrigkeit" ihre Geburtsbriefe bei Ablegung des Bürger-
eides nicht hätten vorlegen können. Sulzberger kaufte
1621 auf der Katharinenstralse ein Haus. Bereits 1620
war er Licenciat der medizinischen Fakultät geworden,
wirkte segensreich als akademischer Lehrer und starb
als „kurfürstlich sächsischer Oberlandesmedicus5)." Sein
Bruder, der ebenfalls in Graz geborene Notar Sigismund
Friedrich Sulzberger wurde erst 1638 Bürger, als er
Leipziger Ratsmitglied wurde. Früher war er Syndikus
der Stiftsregierung zu Merseburg, dann Schösser im Frei-
burger Kreise und im Amte Rochlitz gewesen. Er starb
1650 im Alter von 53 Jahren als kurfürstlich sächsischer
s •
-) Schreiben des Kaisers an den Kurfürsten Johann Geor
HStA. (Dresdner Hauptstaatsarchiv) Loc. 10331. 1. Beb. Kiimehmmig
dererienigen n. s. w. Bl. 1. Allerdings waren die Nachforschungen
des Leipziger Rates ergebnislos: ebenda Bl. 22.
8) Die Angaben Peschecks S. 60 sind ganz im vollständig.
4) LRA. (Leipziger Katsarchiv) XXXI V, 5 ( Bürge rrechts-
protocoll zu Leipzig de Anno 1612 — 1666) Bl. 59, 76, 77.
5) LRA. Bartheis Häuserchronik II, 238b. L. Rb. (Leipz.
Ratsbuch) 1629 Bl. 228 L. R.-Bibl. Traub. b. d. Kirche zu St. Nie.
1641. Vogel, Leipz. Annal. S. 375.
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 271
Protonotarius am Oberhofgerichte und Baumeister in
Leipzig6).
Als der Kaiser Ferdinand II. nach Niederwerfung
seiner Gegner in Böhmen die katholische Reaktion, die
er in Steiermark mit so gutem Erfolge durchgeführt hatte,
auch auf die habsburgischen Lande übertrug, da wendeten
sich wiederum zahlreiche Flüchtlinge nach Leipzig.
Aus Niederösterreich kam ein auch politisch hervor-
ragender Mann, der Freiherr Andreas Thanrädl7). Er
war der entschiedenste Vertreter der protestantischen
Stände seiner Heimat gewesen und mufste unter den
ersten beim Beginne der Gegenreformation das Land ver-
lassen. Im Dresdner Hauptstaatsarchive ist sein damals
an den sächsischen Kurfürsten gerichtetes Gesuch um
Aufnahme in Sachsen erhalten und giebt so recht ein
Bild von der Art jener Religionsverfolgung, durch die
viele Tausende von ihrem Besitz in das bittere Elend
getrieben wurden. Er schreibt unter dem 20. März 1623 s)
von Leipzig aus:
Durchlauchtigster Churfürst ....
Der liebliche Geruch des Churfürstlichen Sächsischen Evan-
gelischen Rautenstockes reitzet vnd beweget viel bedrengte vnd not-
leidende Personen, dafs zu E. Churf. Durchl. Sie ihre Vnterthänigste
Zuflucht nehmen: Vnd bin daher auch Ich verursacht worden bey
E. Churf. Durchl. mich gehorsambist vnd vnterthänigst anzumelden,
derselben darbey zu klagen, dafs ich zwar in Osterreich eine geraume
Zeit dreyen Römischen Keysern, als ein Vnwürdiger Rath gedienet,
auch sonsten in allen occasionen meiner Obrigkeit mit schuldigsten
respect dermafsen begegnet , dafs Ich mit reinem Gewissen bezeugen
kan, mir niemals einiger böser Gedanken wider dieselbe eingekommen,
Viel weniger ichtwas nachtheiliges Wider Sie von mir furgenommen
sey9). Ich habe aber auch nichts desto weniger bey meinem Gott,
vnd der Evangelischen Lutherischen Lehr standhafft zu verbleiben,
vnd die Ehre Gottes allem andern weit für zu ziehen, mich schuldig
erachtet: Vnd weil daher die Jesuiten vnd ihr Anhang einen grausamen
6) LRA. Bürgerlisten v. J. 1638. Sterbelisten v. J. 1650.
Stepner, Inscriptiones Lipsienses n. 177.
7) Gindely, Der dreifsigjähr. Krieg I, 1, 427-, I, 2, 76 u. 195;
I, 3, 79 u. 190, nennt ihn Thonradl, J. T. J. v. Könneritz in v. Webers
Archiv f. sächs. Gesch. V, 195, Thonradl oder Tanradel, und Kneschke,
Deutsches Adelslexikon 9, 181. Thanraedl.
8) HStA. a. a. 0. Bl. 19i.
°) Bekanntlich existierte später das Gerücht, dafs Thanrädl 1619,
als Tburn vor Wien stand, den König Ferdinand an den Knöpfen
seines Wamses gefafst und zur Nachgiebigkeit gegen die Forderungen
der Protestanten habe zwingen wollen. Die Worte dieses Schrift-
stückes sprechen deutlich genug dagegen. Auch Gindely erklärt es
als eine „unbegründete Sage", a. a. O. I, 2, 76.
272 Richard Schmertosch:
Hais auff mich geworfen, haben sie mir vber alle salva guardia, vber
alle Afsecurationes der Keyserl. Majt. vnd Ertzhertzogs Leopoldi
HochfürstL Durchl. ohn einige meine Schuld (da Ich die Zeit meines
Lebens nie des geringsten bin beklaget, weniger vberfuhret, am aller-
wenigsten zu einiger Straft' verurtheilt worden) durch den Übristen
Palvi ein Bad bestellt, dafs er vnter dem Schein, als ob er meine
II lirschaft auff Keyserlichen Befehlich schützen solle, dieselbe gantz
vnd gantz mit allen dem, was von ansehnlichen mobilien vorhanden
gewesen, geplündert, vnd mich in solche armuth gestürtzet, dafs Ich
fast von der löblichen Evangelischen Landschafft provision allein habe
mich ein Zeitlang behelft'en müssen. Ja endlichen weil es ausbrach,
dafs die Jesuitisch Practic von meiner Bestendigkeit in der Evan-
gelischen Religion herrüren thete, gezwungen worden, mich mit meiner
Gemahlin vnd vuerzogenen Kindern, gar hinweg zu machen, vnd
mit der Flucht zu salviren: Hab Ich änderst nicht erwarten wollen,
dafs man mir selber Gewalt anthue, oder meine Kinder mir nehme,
vnd, wie itzo brauchlich ist, dem Bapatumb in Rachen stecken thete.
Wann dann Gott der Herr in E. Churf. Durchl. Landen das Licht
seines heiligen Evangelii hell scheinen vnd brennen lefst, Ich auch
nichts mehr hab auff Erden, sondern billich meine gantze Frewd
Gottes wort seyn lasse , So bitte E. Churf. durchl. Ich hiemit vnter-
thänigst, Sie geruhen gnedigst mir zu vergönnen, dafs vnter dero
Churfürstlichen gnedigsten Protection, Ich mit meiner Gemahlin vnd
Kindern entweder zu Wittenberg (alda wir Vns sonsten itz befinden)
zu Torgaw oder Leipzig aufhalten mögen : Sind wir erbötig, Vns still
vnd gehorsambist zu bezeigen, Vnsers Gottesdienstes zu warten für
E. Churf. Durchl. vnd dero gantzen hochlöbichsten Haufses Wolffärt
Tag vnd Nacht den Allerhöchsten anzuruffen, vnd Vnsers itzigen
Elends aufsschlag von dem gnedigen Gott mit Gedult zu erwarten.
Euer Churf. Durchl. zu gnedigster resolution Mich vuterthänigst
empfelend. Datum Leipzig, den 20. Martii 1623. Ewer Churf. Durchl.
vnterthänigster gehorsamster Knecht Andr. Thanrädl freiherr zu
Dernberg vndt Rechberg.
Der Kurfürst gestattete ihm denn auch sich mit den
Seinigen, jedoch eingezogen und mit wenig Leuten, eine
Zeit lang in Leipzig aufzuhalten10). Doch sollte Thanrädls
Leipziger Aufenthalt nicht von langer Dauer sein. Am
16. Februar 1625 wurde, wie die Sterbelisten berichten,
„der wohlgeborne und edle Herr Andreas Dohnradell
Freiherr auf Ternbergk und Richbergk, Herr zu Ober-
Gassing, Römischer Kaiserlicher Majestät hiebevor gewe-
sener Rat und Beisitzer des Niederösterreichischen
Landrats", aus einem Hause in der Grimmischen Gasse,
das damals dem Stadtrichter M. Johann Seidel gehörte11),
zur letzten Ruhestätte geleitet.
I0) HStA. a. a. 0. Bl. 193. Johann Georg schrieb damals aus-
drücklich an den Leipziger Rat, dafs er „dergleichen Personen, welche
der Religion halben an andern Orten nicht geduldet werden wollen,
mit der Einnehmung gnedigst zu erscheinen geneigt" sei.
n) Es war dies das Haus an der südwestlichen Ecke der Ritter-
strasse. LRA. Bartheis Häuserchronik T, 192.
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 273
Auch sonst linden sich Spuren vertriebener Öster-
reicher in Leipzig. Ein aus Ketz vertriebener Pfarrer
Johann Edeler wurde 1 634 hier in der Nikolaikirche mit
einer Leipziger Bürgerswitwe getraut; ein in den Sterbe-
listen als Exulant verzeichneter Student Michael Mark
aus Österreich starb im Pestjahre 1632 12).
Weit zahlreicher aber kamen Flüchtlinge aus dem
Kursachsen so benachbarten Böhmen; stand doch Leipzig
seit alters her durch seine Universität und seinen Handel
in engster Verbindung mit diesem Lande. Geistliche,
Lehrer und Ärzte, die ihre akademische Ausbildung wohl
meist in Leipzig erhalten hatten, fanden in Böhmen, als
hier das Luthertum noch an Boden gewann, Anstellung
und Beschäftigung13); aber auch das vor dem Kriege in
Handel und Gewerbthätigkeit frisch aufstrebende Bürger-
tum Böhmens stand in nicht unbedeutender Verbindung
mit der wichtigsten Handelsstadt des protestantischen
Nachbarlandes; deshalb ist es ganz natürlich, dals viele
um ihres lutherischen Glaubens willen aus Böhmen Ver-
triebene hier zunächst Schutz und Unterkunft suchten.
Wie 1625 die beiden aus Prag vertriebenen Pfarrer
Siegmund Schererz und Fabian Natus hier Schutz gesucht
und gefunden hatten, so mögen noch viele andere hierher
geflüchtet sein14). Besonders stark ist die Zahl derer,
12) In den Bürgerlisten finden sich noch folgende Namen: Sixt,
Stillingk, Thammüller, Pauchmann, Penigker, Teuffenwieser.
13) 1611 waren nach Pescheck (Geschichte der Gegenref. in
Böhmen I, 227 ff.) acht Lehrer an das neugegründete lutherische
Gymnasium der Altstadt Prag aus Leipzig berufen worden. Als
1622 der in der Geschichte Sachsens so übel berüchtigte Hofprediger
Hoe von Hoenegg sich bitter bei der böhmischen Statthalterschaft
über die Sperrung der lutherischen Kirchen in Prag beklagte, er-
wähnte er ausdrücklich, dafs dort Kirchen „und Schuldienste mit
solchen Personen bestellet worden, die entweder in Ihrer Kurfürst-
lichen Gnaden Landen gedient haben oder doch darinn geboren und
erzogen worden". Londorp I, 1052.
n) Pescheck, Die böhm. Exul. S. 60. Im Tranbuche der
Leipziger Nikolaikirche wird 1629 ein M. Michael Alexander aus
Graupnitz in Böhmen als Exulant erwähnt. Über den Aufenthalt
eines aus Rakonitz vertriebenen Bektors vergl. Beck, Tobias
Hauschkon, in den Beitr. z. sächs. Kirchengesch. Heft 7. 1638
starb in Leipzig Engelhard von Steinbach , ein Angehöriger einer
böhmischen Adelsfamilie, die sich nach Annaberg geflüchtet hatte
(B.Wolf, Einwanderung S. 29 ff.). Laut Leipziger Batsbucli vom
Jahre 1639 lieh in diesem Jahre Günther von Bünau aus dem Hause
Tetschen zweitausend Reichsthaler auf ein Leipziger Haus (L. Rh.
1639 Bl. 96) und 1642 gab Christoph Schultz Wosetzky, da er in
Neues Archiv f. S. G. n. A. XVI. 3. 4. 18
2?4 Richard Schmertosch:
die sich 1627 aus Böhmens Hauptstadt Prag nach Leipzig-
wendeten. Als in diesem Jahre durch das Edikt Kaiser
Ferdinands, gegeben in Wien „am Sanibstag der Ge-
dächtnuis des Heiligen Ignatii", die vollständige Aus-
rottung des Luthertums in Böhmen angeordnet worden
war, bat in Leipzig ein Wundarzt Andreas Stegmann, der,
wegen seines Glaubens aus seiner Stellung als „Chirurgus
des Königreichs Böheimb" entlassen, aus Prag und aus
Böhmen hatte weichen müssen, den Kurfürsten um Auf-
nahme in sächsische Dienste, in denen er schon früher
gestanden hatte. Seine Bitte wurde ihm gewärht und er
liels sich in Dresden nieder10). Ebenfalls von Leipzig aus
schickte damals ein reicher Handelsherr und vornehmer
Bürger der Altstadt Prag, Martin Schmertosch von
Riesenthal, ein Gesuch an den Kurfürsten, in dem er
bat, ihm nebst seiner Mutter, Geschwistern und Kindern
in Kursachsen „eine Zeit lang, bis Gott der Allmächtige
Änderung oder Linderung schaifen möchte", eine Zufluchts-
stätte zu eröffnen, da er „mit anderen ehrlichen Leuten,
so der wahren lutherischen Religion zugethan und ver-
wandt seien, seinen Stab weiter zu setzen, das Königreich
Böhmen zu meiden und Schutz und Zuflucht bei ihren
Religions-Verwandten, sonderlichen aber Ihrer Ohurfürstl.
Durchl. als treuen Beschützern derselben zu suchen ge-
nothdränget worden1")." Martin Schmertosch wendete
Böhmen „itzo nicht seyn könte vnd sich in der Churfürstlichen
Handels Stadt Leiptzig wesentlich enthalte", einem katholischen
Böhmen den Auftrag, für ihn eine Schuldsumme, die auf „den
Tirtzschkischen Gütern" stand, einzuziehen (L. Eb. J6-l^ Bl. 23).
16) HStA. Loc. L0331, Ander Buch Bl. 27, 32.
1(J) Ebenda Bl. 6. Auf dies Gesuch wurde der Verfasser durch
Herrn Oberlehrer Dr. Wolf in Annaberg aufmerksam gemacht. —
l!ci seinen vertriebenen Landsleuten stand Martin Schmertosch in
grofsem Ansehen. In ein um 1630 in Pirna angelegtes Wappenbuch
der böhmischen Exulanten, das sich gegenwärtig im Kirchenarchiv
zu Striesen befindet, hat auch er, wie viel vornehme Exulanten aus
Böhmen, zugleich mit einer Geldspende seinen Namen eingezeichnet.
1633 stellte ihm in Liegnitz als seinem „besonders Lieben" der durch
den böhmischen Aufstand so bekannte Graf Heinrich Matthias von
Tburn als „Commandant General" in Schlesien einen Pafs aus, der
„allen Königl. Schwed. hohen und niederen Kriegsofhciren , auch
dem Sodatesca zu Rofs und Fufs unter seinem Commando in
Schlesien" anbefahl, sowie „die Chursächsischen, und Churbranden-
burg., ingleichen alle andern Königl. Schwed. Officirer und Soldaten,
wie auch alle Beamte in Städten, Märkten und Flecken und sonst
iedermänniglich" dienstfreundlich ersuchte, Martin Schmertosch von
Kiesenthal „sammt bei sich habenden Kindern und Gesinde, Pferden,
Vertriebene Protestanten in Leipzig- unter Johann Georg- I. 275
sich zunächst nach Torgau, kehrte aber nach der Schlacht
bei Breitenfeld unter dem Schutze der sächsischen Waffen
auf kurze Zeit in die Heimat zurück. Da er hierbei von
seinem zurückgelassenen Vermögen und seinen Häusern
in Prag Besitz ergriffen hatte, wurde er 1634 durch die
friedländische Konfiskation seines Vermögens für ver-
lustig erklärt17). — Seinen Aufenthalt nahm er seit jener
Zeit wesentlich in Leipzig, wo er sich des besonderen
Schutzes der kurfürstlichen Regierung erfreute. Als 1635
seine jüngste Tochter Ludomilla, die mit freiem Geleit,
das man ihr ausdrücklich bei den Landoffizieren und dem
Statthalter der Krone Böhmen ausgewirkt hatte, nach
dem Tode ihrer Großeltern an der Rückkehr von Prag
nach Leipzig gehindert wurde , fürchtete der Vater wohl
mit Recht, daß seine Tochter „zum Abfall und Heiratung
einer der Pabstischen Religion zugethanen Person ge-
nötigt werden" solle; er wendete sich deshalb an den
Kurfürsten mit der Bitte um seine Fürsprache bei der
böhmischen Statthalterschaft18). In der That wurde
Ludomilla von der Gewissensbedrängnis und der ver-
halsten Heirat befreit. Sie starb 1661 in Leipzig unver-
mählt10). Zweimal verwendete sich auch der Kurfürst
für Rückgabe des der Familie entrissenen Vermögens.
Das erste Mal 1638 berief er sich auf die Artikel des
Prager Friedensschlusses und bat die Statthalter in
Böhmen, demgemäß Martin Schmertosch mit der unver-
schuldeten Konfiskation zu verschonen. Das zweite Mal
Wüsten und allen Sachen" überall ungehindert passieren zu lassen.
Interesse bietet dieser Pafs auch deshalb, weil darin der Graf Thurn
Freiherr zu Yalsassina und Creuz, Herr auf Welisch, Winteritz,
Göttnig und Lofsdorf genannt wird, also Herr auf Besitzungen, nach
denen Gindely (I, 1, 91) vergebens forschte (HStA. a. a. 0. Bl. 15).
— Erhalten ist auch in einem Striesener Kirchenbuche vom Jahre
1650 ein Dankschreiben in böhmischer Sprache an den „wohlgebornen
Herrn Martin Schmertosch von Riesenthal." In demselben dankt
ihm die damals neubegründete böhmische Gemeinde in Dresden für
Übersendung eines von einem schwedischen Oberst gestifteten Altar-
kelchs und bittet ihn, in Leipzig der armen Landsleute nicht zu ver-
gessen (Striesener Kirchenb. 1650 Bl. 23).
17) Th. v. Bilek, Dejiny Konfiskaci v Cechach pro R. 1618.
II, 820, 984 fr.
18) HStA. Loc. 10332, Beb. 4, Bl. 11.
1!)) Unter den wenigen Familienerbstücken, die sie in den letzten
Jahren ihres Lebens sorgsam gehütet hatte, befanden sich neben den
Bildern ihrer Grofseltern und ihres Vaters auch „ein Bild in Wachs
der König in Schweden" und „ein gestücktes Bild neulichst ver-
storbene Churfürstin in Sachsen". LRA. Tit. LIX, 401 , Bl. 47 ff.
18*
276 Richard Schmertosch:
1650 empfahl er seinen Schützling direkt der kaiserlichen
Gnade und bat, demselben, da er ,,sich sonsten die ganze
Zeit seiner Aufenthaltung in Leipzig inhalts Ratszeugnis
aller unverweislichen Gebühr bezeiget, zu seiner recht-
mäßigen Befugnis ohne Weitläufigkeit zu verhelfen"20).
Beide Schreiben, sowie auch die späteren Gesuche der
Familie blieben ohne Erfolg'21). Schmertosch wurde
1651 „auf Churfürstl. Durchl. zu Sachs, gnädigste Per-
mission" Bürger in Leipzig und kaufte mit dem geringen
Überreste seines Vermögens ein Haus in der Katharinen-
straise2'2).
Schon Pescheck erwähnt als Exulanten in Leipzig
den kaiserlichen Hofapotheker Martin Schörckel, der die
Salomoapotheke erwarb23) und die Brüder David und
Daniel Lehmann, die in der Hallischen Gasse und im
Brühl sich ankauften24). Auch sie, sowie ein Schuh-
macher, Georg Heydorn, kamen aus Prag, wurden aber
schon 1628 Leipziger Bürger.
Nächst der Landeshauptstadt Böhmens war schon
früh Stadt und Kreis Eger durch Handelsstraßen mit
Leipzig verbunden. Ja, Leipzig hatte, seitdem 1564 in
Eger die augsburgische Konfession durch den sächsischen
Kurfürsten August eingeführt war25), durch seine Uni-
versität nicht unbedeutenden Einflufs in jenen Gegenden
20) HStA. Genealogica „Riesenthal" Loc. 11351.
21) In seinem 1649 verfafsten Testamente, das sich im Leipziger
Ratsarchive befindet (Test. v. J. 1654, V, 77), hofft M. Seh. noch, dafs,
„was anbelanget liegende bewegliche vnd imbewegliche Gründe so-
wohl an Schulden und Erbschaften im Königreich Beheim, Ihre Rom.
Kai: Maje. gegen seine armen Unterthanen Ihr Herz wenden" werde.
Diese Hoffnung blieb unerfüllt. Als 1661 der Vormund zweier
unmündiger Söhne des Vertriebenen bei der Leipziger Universität
anfragte, ob es rätlich sei, in betreff der Erbschaften in Böhmen
einen Prozefs anzustrengen, riet man ihm ab, weil die Schulden,
Güter und Immobilien von der kaiserlichen Majestät eingezogen seien
und trotz Aufwendung grofser Unkosten bis dato nirgends etwas
hinzuzubringen gewesen sei (LRA. Tit. LIX, 401, Bl. 75 ff).
22) LRA. Bürgerreehtsprot. 1639-1682, Bl. 69. Barthel H, 161.
23) Vergl. über ihn des Verfassers Artikel : Ein böhm. Exul. in
Leipzig z. Z. d. dreifsigj. Krieges in der Wissensch. Beil. d. Leipz.
Zeitung 1894, No. 102.
24) LRA. Barthel II, 128b, 130, 108.
BB) Er hatte zur ersten evangelischen Predigt einen lutherischen
Prediger „auf etlich Monat hergeliehen", HStA. Loc. 8752, Intercess.
1635 und 1636, Bl. 55. Es war dies Augusts Stipendiar, der Magister
Hieronymus Thilesius. Vergl. H. Gradl in den Jahrb. d. Ges. f. d.
Gesch. d. Prot, in Österreich XI, 188 ff.
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 21 ?
erlangt. War doch die Besetzung der lutherischen Pfarr-
stellen wohl meist von Leipzig aus erfolgt! Noch nach
dem westfälischen Friedensschlüsse beschwerte sich das
Leipziger Konsistorium bei seinem Kurfürsten über die
Katholisierung der über 100 Jahre lang zu Kursachsen
eingepfarrten böhmischen Grenzdörfer Ottengrün, Förders-
reuth und Fleifsen, sowie des Grenzstädtchens Asch, das
„mit seinen zugehörigen dreien Pfarrern alhie bei Ihrer Churf.
Durchl. Consistorio die Ordination und Confirmation bis-
hero gesuchet und recht empfangen" habe26). — Schon
1635 finden wir die egerischen Exulanten in Leipzig ver-
treten27). Ihr früherer Diakonus M. Ägidius Brandner,
der kursächsischer Feldprediger geworden war, über-
reichte nämlich hier dem Kurfürsten ein Bittschreiben,
in dem die Exulanten denselben um seine Verwendung
für Wiedererlangung der ihnen 1629 entrissenen Religions-
freiheit und Aufhebung der vom Kaiser über sie ver-
hängten Güterkoniiskationen baten. In diesem Gesuche
erinnern sie an die alte Reichsunmittelbarkeit der Stadt
Eger'2S), an die Zusicherung freier Religionsübung durch
Kaiser Maximilian IL und endlich an die Versprechungen,
die ihnen der Kurfürst Johann Georg selbst nach ihrer
freiwilligen Unterwerfung 1620 und 1621 als kaiserlicher
Kiiegskommissar gemacht habe. Zwar wären sie 1631
mit den kursächsischen Truppen in die Heimat zurück-
gekehrt, hätten aber nicht Besitz von ihren Gütern er-
griffen, sondern hätten nach kurzem Aufenthalte die Stadt
wieder verlassen. — Hierauf antwortete der Kurfürst aus-
weichend, er glaube nicht, dafs das erbetene Intercessions-
schreiben beim Kaiser den gewünschten Erfolg haben
würde; er wolle aber mit dem noch in Leipzig zu er-
wartenden kaiserlichen Gesandten, mit welchem „man
noch wegen etlicher sonderlichen Ort, quoad Religionis
exercitium, zu tractirn hätte", auch über die Stadt Eger
26) HStA. Loc. 10332. 5. Bch. Bl. 108 ff. Für Asch und Fleifsen
war in der That die kurfürstliche Verwendung von Erfolg. Beide
Orte sind die einzigen evangelischen Kirchengemeinden im Westen
der österreichischen Lande, in denen sich die evangelische Lehre im
17. Jahrhundert forterhielt. Vergl. Gradl a a. 0. S. 165.
27) Sie selbst hatten sich meist nach Wunsiedel unter den Schutz
des Markgrafen Christian von Brandenburg geflüchtet. Ihre Zahl
wird auf 600 angegeben. HStA. Loc. 8752 a. a. 0.
28) 1315 war Eger von Ludwig dem Baiern für 20000 Mark
Silber mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Wiedereinlösung an die
Krone Böhmen verpfändet worden. (HStA. a. a. 0.)
278 Richard Schmertosch :
und deren Exulanten verhandeln. Da aber die kurfürst-
liche Verwendung erfolglos blieb, oder wenigstens auf
sich warten liefs, reiste 1636 ein vornehmer Mann aus
ihrer Mitte, Wolf Adam Pachelbl, selbst nach Leipzig.
Dieser war vor 1629 Ratsmitglied in Eger und bei dem
Einfalle der Sachsen in Böhmen im Jahre 1631 kur-
sächsischer Kriegskommissar im Egerer und Ellbogener
Kreise gewesen'29). Doch fand er in Leipzig den Kur-
fürsten, der damals Vorbereitungen zum Kampfe gegen
die Schweden traf, nicht mehr vor. Er gab deshalb im
Januar 1636 einem Advokaten, Dr. Meyer, den Auftrag,
den kursächsischen Geheimrat Dr. Johann Timäus in
Wittenberg zur Abfassung des gewünschten Intercessions-
schreibens an den Kaiser zu veranlassen und es dem
Kurfürsten zur Unterschrift zu unterbreiten. Die kur-
fürstliche Intercession erfolgte denn auch wirklich am
16. Mai von Grofsen-Saaz aus. Doch fruchtete sie nichts
bei der Unduldsamkeit des bigotten kaiserlichen Hofes;
ebensowenig halfen den aus Eger Vertriebenen die zu
Gunsten des Kaisers so dehnbaren Amnestiebestimmungen
des Prager Friedens80).
Vergeblich blieben auch alle Bemühungen der egerischen
Exulanten, durch den westfälischen Friedensschluß das
Verlorene wiederzuerlangen81). Wieder ist es Leipzig,
wo ein als Nürnberger Handelsmann reich gewordener
Exulant aus Eger, Johann Riedel, der später in Leipzig
starb32), keine Mühen und Kosten scheute, um bei den
Friedensunterhandlungen seiner Vaterstadt die Religions-
freiheit wieder zu verschaffen. Hatte er doch sogar bei
der 1647 erfolgten Besetzung Egers durch die Schweden,
die von diesen eingesetzten protestantischen Geistlichen
aus eigenen Mitteln besoldet88)!
29) Über ihn vergl. Th. Bilek in den Mitt. d. Ver. f. Gesell, d.
Deutschen in Böhmen XXIII, 392, 395 f.
*) HStA. a. a. 0. Londorp IV, 470, 568.
31) Ein kurfürstl. Intercessionsschreihen für Eger vom Jahre
1649 findet sich HStA. Loc. 8750, Intercessionales de annis L638
usque 1651, Bl. 108.
32) Stepner n. 139.
:1;) Sachs. Curiositäten-Cabinet vom Jahre 1762. S. 57ff.
Pescheok a.a.O. L640 wurde der .luwelicr (Jeorg Opitz aus Ky-cr
Leipziger Bürger. Er vermittelte 1650 die Übersendung von lOOThalern,
die der Administrator von Magdeburg, Prinz August von Sachsen,
der Exulantengemeinde in Dresden spendete. (Striesener Kirchen-
archiv N 12 A 2a Bl. 27 f.) Pe sc heck (S. 26 Anm.) las Opinger für
Vertriebene Protestanten in Leipzig- unter Johann Georg I. 279
Aber nicht nur die österreichischen Erzherzogtümer
und das Königreich Böhmen, auch die übrigen Besitzungen
des Hauses Habsburg entsandten glaubenstreue Pro-
testanten nach Leipzig. In den Bürgerlisten lassen sich
noch Mähren, Tirol, die Landgrafschaft Vorarlberg und
vor allem die schlesischen Herzogtümer als Heimat neu-
aufgenommener Bürger . erweisen. Gerade Schlesien hatte
trotz des Dresdner Vertrages vom Jahre 16^1, der dem
Lande freie Religionsübung zusicherte, entsetzlich unter
der Gegenreformation leiden müssen. Bitter beschwerten
sich in Osnabrück 1646 die evangelischen Stände Schlesiens,
die fürchten mufsten, durch den Friedensschluß auch noch
den letzten Eest von Religionsfreiheit zu verlieren, über
die ihnen angethane Vergewaltigung. Auf ganz unerhörte
Weise habe man mit Hilfe des Lichtensteiner Regiments,
das sie selber hätten besolden müssen, die Reformation
in den Fürstentümern Grofs-Glogau, Schweidnitz, Jauer
und Münsterberg begonnen und sie teils durch grolse Marter,
Qual und Peinigung, teils durch Furcht, Angst und
Schrecken, teils auch wegen des Unverstandes und der
Unwissenheit der Leute durchgeführt. Trotzdem hätten
viele ihren erzwungenen Übertritt bereut und seien
schließlich lieber ins Exil gewandert. Nur kurze Hilfe
habe die sächsische Armee gebracht; nach dem Prager
Frieden, der auf des Kurfürsten Vermittelung nur einigen
Teilen Schlesiens Glaubensfreiheit zusicherte, habe der
Gewissenszwang von neuem begonnen. Die einzige ihnen
gegönnte Wohlthat, die der Auswanderung, habe man
ihnen durch harte Bedingungen, wie Erlegung von hohem
Abfahrtsgeld, Zurücklassung aller unmündigen Kinder,
Erlegung von Auferziehungsgeld für diese und anderes
mehr beinah unannehmbar gemacht34).
Opitz. Aufser den bereits Genannten linden sich in den Leipziger
Bürgerlisten noch folgende Namen von Leuten, die aus Böhmen
stammten: Schmidt, Saudisch, Rudell, Schultze, Schepke, Rost,
Jäckell, Betzold, Teigler, Hütter, Petrens, Härtung, Vater, Hertel,
Wildtmeister, Fischer, Kleinau, Steiniger, Ilke und Teubner.
u) Londorp VI, 61 ff. Aus Schlesien stammten in den Jahren
1627—1657 nach den Bürgerlisten folgende Leipziger Bürger: Arnold,
Buhl, Trapus, Stenzel, Schmidt, Nitzschke, Leupold, Conrad, Schneider,
Fülleborn, Philippi, Klein, Schüpel, Heinicke, Blümich, Teubell,
Seyfert, Treibisius, Heinz, Heinze, Liebichen, Bühlmann, Prietz.
Davon stammt allerdings ein nicht unbedeutender Teil aus Breslau,
das nicht so sehr von der Gegenreformation zu leiden hatte. — Aus
Mähren kamen nach Leipzig und wurden Bürger: Linerdt, Gschiepler,
Gabriel; aus Tirol Höltzel; aus Vorarlberg Dollinger.
280 Richard Schmertosch:
Doch waren es die Besitzungen des Hauses Habs-
burg nicht allein, in denen damals die Gegenreformation
wütete, auch auf anderen deutschen Gegenden lastete ein
harter Glaubensdruck86). Schwer zu hülsen hatten die
Länder des unglücklichen Friedrich von der Pfalz für
den Ehrgeiz ihres Fürsten. In der Rheinpfalz wurden
schon zu Anfang des Krieges die protestantischen Geist-
lichen vertrieben und die Unterthanen zum Katholicismus
gezwungen36). Auch in der Oberpfalz betrieb 1(>28 der
Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg, der bereits
in seinen neugewonnenen Ländern Jülich und Berg die
Gegenreformation durchgeführt hatte"7), die Ausrottung
des Luthertums mit vieler Gewalt. Die Kirchen- und
Schuldiener wurden vertrieben und die Protestanten durch
Einquartierung von Soldaten zum Übertritt oder zur Aus-
wanderung gezwungen88). Ähnlich hausten im folgenden
Jahre ligistische Reiter in dem Gebiete der freien Reichs-
stadt Nürnberg39). Am schlimmsten aber ging es den
süddeutschen Protestanten nach der Schlacht bei Nörd-
lingen. Schutzlos war vor allem Pranken, wo sich der
jugendlich kühne Vorkämpfer des Protestantismus Bern-
hard von Weimar ein eigenes Herzogtum erobert hatte,
der katholischen Reaktion preisgegeben. — In jener Zeit
erfolgte ein ganz bedeutender Zuzug aus jenen Gegenden
nach Leipzig. Ganz auffällig wächst in den Totenlisten
die Zahl der Gestorbenen aus der Oberpfalz, dem nürn-
berger Gebiet, Ansbach-Baireuth und dem übrigen Franken.
Meist Frauen und Kinder waren es, die den Mühsalen
der Flucht im Lazarett erlagen. Auch sonst noch läfst
35) 1634 konnte sich der Klipper Joseph Sallmever aus München
wegen der Gefahr für seine evangelische .Religion hei Erlangung des
Bürgerrechts keinen Geburtsschein aus seiner Heimat verschaffen.
Ähnliches wird in demselben Jahre von dem Gürtler Veit Hopff aus
dem Erzbistum Salzburg in den Bürgerlisten berichtet.
36J Vergl. das Intercessionsschreiben König Jakobs von England
für die Stadt Frankenthal. Londorp I, 1121.
37) Wahrscheinlich hatten sich infolgedessen aus .Jülich der
Kaufmann Heinrich Blot, der Weinschenk Hans Rothrumpf und der
Handelsmann Thomas Braunigk nach Leipzig gewendet. Der erste
starb hier 1621, die beiden andern wurden 16:22 Bürger. Aus der
herrischen Hauptstadt Lennep stammte der reiche Tnchhändler
Johann von der Burgk, der 1668 als Leipziger Ratsmitglied und
Besitzer des Rittergutes Stötteritz starb (Stepner n. 1495).
38) Londorp VI, 471, 474. Walch, Geschichte d. luth. Relig.
S. 522.
39) K. v. Murr, Nürnberger Amialen S. 31. Londorp VI, 454
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 281
sich seit 1634 der Aufenthalt geflüchteter Familien, die nicht
zum wenigsten aus Nürnberg kamen, in Leipzig nachweisen40) .
Wie die Stadt Nürnberg, der starke Ringmauern
allein Schutz gegen die Übermacht der Katholiken boten,
so kamen auch die übrigen süddeutschen Reichsstädte in
die Gefahr, die ihnen im Augsburger Religionsfrieden so
hochbeteuerte Religionsfreiheit zu verlieren. Seit 1628
drohte diese Gefahr der freien Reichsstadt Lindau am
Bodensee. Eine Bewegung in der Bürgerschaft zu Gunsten
eines protestantischen Predigers hatte der kaiserlichen
Regierung einen erwünschten Anlafs gegeben, in die Stadt
eine österreichische Besatzung zu legen, die darin bis
zum Friedensschlüsse verblieb. Durch die kaiserlichen
Bevollmächtigten, den Bischof von Constanz und den
Grafen von Montfort, wurde die Bürgerschaft entwaffnet
und die reichsstädtische Verwaltung übernommen. Zu
gleicher Zeit wurde der Stadt ihr Gebiet abgesprochen,
dasselbe gewaltsam reformiert und der Stadt selbst die
Aufnahme Katholischer zu Bürgern anbefohlen41). Kräftig
unterstützt wurde diese Reaktion durch die in Lindau
selbst sefshafte Fürstäbtissin des freiweltlichen Damen-
stiftes Lindau. Sie selbst brachte zwei Jesuiten in die
Stadt; auch die Kapuziner, die früher ausgewandert
waren, wurden zurückgerufen42). In dieser bedrängnis-
vollen Zeit wanderten protestantische Familien aus. — .
In Leipzig finden wir den reichen Lindauer Handelsherrn
Andreas Egger, der mit der angesehenen Leipziger Fa-
milie Scherl verschwägert war. Seit 1639 wurde er
wiederholt vom Rate „zum Bürgerrecht erfordert", weigerte
sich aber beständig es anzunehmen, weil er gesonnen sei
„sich wiederumb in sein Vaterland zu begeben." Erst
1653, nachdem er schon in Leipzig Grundbesitz erworben
hatte, wurde er Bürger43). Ein anderer Lindauer, der
40) Vergl. die Kirchenbücher der Thomas- nnd Nikolaikirche
auf der Leipz. Ratsbibliothek 1635—1636.
4|) G. Reinwald, Die Reichsstadt Lindau und ihre Nachbarn.
HStA.Loc.9215 Die kaiserliche Einquartierung in Bregenz und Lindau.
42) Ebenda Loc. 7394 Churfürstentag zu Nürnberg 1640 B1.318 ff.
und Loc. 10156 Die Restitution, so vermöge des allgemeinen Reichs-
friedens 1651—1657.
43) L. Rb. 1641 Bl. 93 u. öfter. Barth el II, 158, 216. Stepner
n. 1140. In Lindau mufste 1628 auf kaiserlichen Befehl eines „ge-
wesenen Bürgers Andreae Eggers Behausung und Gut daselbst in
der Insel gelegen" den Kapuzinern zur Erbauung eines Klosters
käuflich überlassen werden. HStA. Loc. 7394 a. a. 0. Bl. 406 f.
232 Richard Schmertosch:
Kramer Hans Jacob Jäger, nahm ebenfalls nach längerem
Weigern erst 1645 das Leipziger Bürgerrecht an und
kaufte bald darauf zwei Häuser in der Grimmischen
Gasse44). Gar erst 1648 erlegte der Handelsmann
Emanuel Eekold aus vornehmem Lindauer Geschlecht10)
„für bisher vertagtes Schutzgeld und das Bürgerrecht "
60 Reichsthaler und ersuchte den Rat ihn mit Vormund-
schaften und Einquartierungen zu verschonen, weil er
viel Kinder hätte und ein alter Mann wäre. Auch er
war vermögend und erwarb Haus und Hof in derKatha-
rinenstralse. Zugleich kaufte er einen Schwibbogen als
Erbbegräbnis auf dem Leipziger Friedhofe, wo er zwei
Jahre darauf fern von der Heimat beerdigt wurde. Seinen
Grabstein zierte der Bibelspruch: Ist Gott für uns, wer
mag wider uns sein46)?
Kamen so schon aus Lindau Flüchtlinge nach Leipzig,
wie grofs mufste erst die Zahl derer sein, die aus Augs-
burg sich hierhin wendeten, das doch von allen süd-
deutschen Reichsstädten am meisten durch die Gegen-
reformation zu leiden hatte? Als unter dem nichtigen
Vorwande, Augsburg habe bei der Errichtung des Re-
ligionsfriedens unter der Gerichtsbarkeit des Bischofs
von Augsburg gestanden, die Stadt zur Nachtzeit besetzt
worden war und die Evangelischen auf alle Weise be-
drängt wurden47), begann auch hier trotz aller Er-
") Barthel I, 176 f.
'"') Ein Aniadeus Eggolt war 1649 Bürgermeister von Lindau.
Londorp VI, 531. Unter seiner Regierung wurden dieser Reichs-
stadt die vom Haus Österreich ihr entrissenen Rechte zurückgegeben.
Ebenda 454, 525 ff.
16) LRA. XXXIV, 5. li. Rh. 1652 El. 54 u. 243. Barthel II,
L67. Stepner n. 1008.
41) Über diese Besetzung berichtet ein Schreiben aus Augsburg
an den sächsischen Kurfürsten vom 10. August 1629 folgendes:
„Nachdem das Bischof liehe Volck bey Nachts Zeitten (wie mau dar-
tiir helt nahmt bey 1000 Mann) inn die Stadt gelafsen, die Thor.
Thüren vnd fürnembsten gaJaen damit besetzt, vnd vier vnd zwantzig
Gralgen hin vnd her inn der Stadt aufgerichtet worden, hatt man
nochmahls ernstlich befohlen, sieh allen Zusammenkunnften Bey Leib
vnd Lebensstraf gentzlichen zu enthalten. Wie dann die ga&en bey
Tau' vnd Nacht stank beritten, vnd da mau nur zwey oder drey
Personen bey sammen findet, dieselbenn von einander geiagt vnd inn
die 1 1 au fser geschafft worden. Es seind albereit viel Ehrliche Leuthe
■ im/, vnvcrsehuldter weise, vnd nur aufs bloisem Argwohn gefäng-
lich eingezogen, ihnen wie den gröfsten Vbelthätern die Hände ge-
bunden vnd in die Elisen geschlagen wordenn." Dann heilst es
weiter: ..Sollten wir aber Ja wider alles verhoffen die Emigration
Vertriebene Protestanten in Leipzig anter Johann Georg- I. :>s';}
schwerungen durch kaiserliche Edikte die Auswanderung
der Protestanten. Wohl nicht zufällig- erwarben 1629
zwei Handelsleute aus Augsburg, Johann und Baptista
Garben, ein Haus in Leipzig18). 1631 richtete der Augs-
burger Exulant David Grüner ein Schreiben folgenden
Inhalts an den sächsischen Kurfürsten: Er habe als ein
sechzigjähriger Mann um Gottes Wortes und der Augs-
burger Konfession willen mit Weib und Kind seine
Heimatsstadt verlassen, habe seine geringe Hab und
Güter allda mit grolsem Verluste veräufsern müssen und
sich nach Leipzig einen so weiten Weg mit Aufwendung
grofsen Fuhrlohns und Zehrungsunkosten begeben. Trotz-
dem wolle man ihn hier, obgleich er nur durch W echsel-
schliefsen an den Messen sich etwas zu verdienen suche,
zur Annahme des Bürgerrechts oder zur Erlegung von
Schutzgeld zwingen. Er bittet ihn mit beiden zu ver-
schonen, da er „schlechtes Vermögens" sei und bisher
alle ihm auferlegten Lasten willig getragen habe49). In
demselben Jahre erschien auf dem Leipziger Fürstentage
als Vertreter der Protestanten in Augsburg Dr. Johann
Ulrich Kechlinger. Er stammte aus einer hochangesehenen
evangelischen Patrizierfamilie Augsburgs und war als
Anwalt aufs eifrigste für seine in seiner Vaterstadt unter-
drückten Glaubensgenossen thätig50). Schon 1629 hatte
er mit anderen Abgeordneten der evangelischen Rats-
verwandten den Kurfürsten in Dresden um seine Für-
sprache beim Kaiser gebeten, im März des nächsten
Jahres war er im Auftrage der evangelischen Bürger-
schaft Augsburgs an den kaiserlichen Hof geschickt
ann die Hand nehmen müfsen, vnd vnser liebes Vaterland verlafsen,
So wifsen wir vns auch im gantzen .Römischen Reich vnter keine
andere protection als vnter Ihr. Churf. Durchl. zu begeben, vnd hoffen
es werde vnter dem Hochlobl. Rauttenkrantz das liebe Wortt Gottes
ferner grünen vnd blühen." HStA. Loc. 10150 Erstes Buch, Refor-
mation in der Stadt Augsburg.
4S) Bart hei I, 159.
40) HStA. Loc. 10331. 3. Bch. Bl. 455.
50) Vogel, Annal. S. 416 nennt ihn Rehlinger. Rechlinger
unterschreibt er sich selbst in den Akten des Dresdner Staatsarchivs.
Ein Bürgermeister Wolf Rehlinger hatte 1534 die Reformation in
Augsburg durchgeführt. (Ranke, Deutsche Geschichte III, 487.)
1629 wird ein Bernhard Rehlinger als Stadtpfieger, ein Karl Reh-
linger als unterer Schulherr und ein Sebastian Christoph Rehlinger
als Bürgermeister von Augsburg erwähnt. HStA. Loc. 10 150 a. a. 0.
1650 wird die Familie ausdrücklich unter den zu restituierenden Evan-
gelischen in den Reichstagsakten genannt. Londorp VI, 588.
■>s\ Richard Schmertosch:
worden, und am Ende dieses Jahres weilte er schon
wieder in Sachsen. Hier erhielt er zu Annaburg vom
Kurfürsten die Zusage, dafs er keine Gelegenheit vorüber-
gehen lassen werde, wo er „zu Verhütung der Evan-
gelischen Stände äußersten Ruin, unverletzten Gewissens,
Ehre und Namens ichtwas werde cooperiren und ver-
richten können", allerdings mit dem wenig ermutigenden
Zusätze: „so gegen Gott, der werthen Posterität, aller-
höchstgedachter Ihrer Kai. Mt. als dem Oberhaupt und
sonst nach Ausweisung des heiligen Reichs Constitutionen
und Satzungen zu verantworten sein wird51)." Wohl auf
Rechlingers Bemühungen hin wird in der Protestations-
schrift der in Leipzig versammelten evangelischen Reich s-
stände der evangelischen Bürgerschaft zu Augsburg aus-
drücklich gedacht und vom Kaiser neben der Zurücknahme
des Restitutionsediktes auch die Wiedereinsetzung der-
selben in Kirchen, Schulen und alles andere, so ihr ent-
zogen sei, verlangt52). Doch blieb auch dies Schreiben,
wie drei von Johann Georg schon vorher für Augsburg
eingeschickte Intercessionen, ganz ohne Erfolg, ja Fer-
dinand II., der noch auf der Höhe seiner Macht stand,
dekretierte wie zum Hohn für die in Leipzig protestie-
renden Reichsstände gerade jetzt die Absetzung der
unkatholischen Ratsmitglieder der freien. Reichsstadt
Augsburg515). Erst das Erscheinen des thatkräftigen
Schwedenkönigs Gustav Adolf in Süddeutschland sollte
den Protestanten Augsburgs die heifsersehnte Hilfe
bringen.
Um so schlimmer wurde ihre Lage im Jahre 1(535,
als die Kaiserlichen nach längerer Belagerung, während
Hunger und Pest schrecklich in der Stadt wüteten, sie
von neuem besetzten. Wieder wurden die Kirchen und
Schulen der Evangelischen sowie die Hospital-, Blattern-,
Siech-, Findel- und Waisenhäuser, die meist durch pro-
testantische Stiftungen gegründet waren, den Katholiken
übergeben, der protestantische Rat wurde ganz, die
evangelischen Prediger bis auf zwei abgeschafft, die nun
den Gottesdienst unter freiem Himmel halten muteten.
Die protestantische Bürgerschaft aber wurde durch Kon-
tributionen und Einquartierung so arg gequält, dals ganze
51) HStA. Loc. 10151 Ander Buch Augspurgischer Sachen.
r>2) London» IV. 137.
5S) Ebenda 219.
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 285
Haushaltungen verlassen wurden. Rechlinger ist wiederum
der Abgesandte, der am Dresdner Hofe die traurige Lage
seiner Glaubensgenossen in düstern Farben schildert 54).
Obwohl man, wahrscheinlich wegen der beträchtlichen
Abnahme der Bevölkerung55), diesmal den Abzug der
Evangelischen zu hindern suchte, scheinen doch wieder
einige nach Leipzig geflüchtet zu sein. Als hier in den
vierziger Jahren der Augsburger Johann Philipp Schöller,
der sich schon 1636 in Leipzig vermählt hatte, ver-
schiedene Male vom Leipziger Rate zur Annahme des
Bürgerrechtes aufgefordert wurde, entschuldigte er sich,
dafs er sich nur als Exulant in dem lutherischen Sachsen
aufhalte und noch auf Rückkehr in die Heimat hoffe56).
Noch 1648 bat er wenigstens um Frist bis nach dem
Friedensschlüsse. Erst als ihm hierauf der Rat ernstlich
mit Ausweisung aus der Stadt drohte, wenn er binnen
sechs Wochen nicht Bürger geworden sei, leistete er am
20. Mai den Bürgereid. So wurde er an Leipzig ge-
fesselt, während bald darauf in Augsburg trotz der ent-
schiedenen Weigerung des katholischen Rates die Evan-
gelischen dem westfälischen Friedensschlüsse gemäfs in
ihre Rechte wiedereingesetzt wurden57). Ein Jahr vorher
war in Leipzig der Spielmann Georg Pötz Bürger ge-
worden. Vor dem Rate hatte er hierbei ausgesagt, sein
Geburtsbrief liege in Augsburg in der Kirche, er könne
ihn nicht eher erlangen, es werde denn der Rat daselbst
wieder halb lutherisch. Gestorben sind in Leipzig
1631—37 vierzehn Augsburger beiderlei Geschlechts.
War nicht so Leipzig in der That „des Landes bestes
Asylum und armer Verjagter, Dürftiger und Kranker
Apothek und Brotkammer''58)? Gewifs war die Zahl
derer, die während des Krieges in Leipzig Schutz suchten
w) HStA. Loc. 10151 Augspurgische Confessions Verwandte
Bürger zu Augspurg ao. 1635—41. Ein Schreiben an den Kurfürsten
schliefst mit den verzweiflungsvollen Worten: „Gott komme uns zu
Hülfe entweder mit einem selig Abstündlein oder mit dem lieben
jüngsten Tag."
55) Am 23. September 1635 schreibt der kurfürstliche Agent
am Wiener Hofe Friedrich Lebzelter seinem Kurfürsten: man habe
ihm mitgeteilt, dafs von 90000 Seelen, die vor wenig Jahren und,
ehe der Krieg nach Augsburg gekommen, dort vorhanden gewesen,
nicht 18000 mehr da seien. HStA. Loc. 8239 Friedrich Lebzelters
Berichte von Wien 1626-1636 Bl. 177 ff.
56) LRA. Bürgerrechtsprot. 1639—1682 Bl. 7 ff.
57) Londorp VI, 378, 450, 478 ff.
58) Grofse, Geschichte Leipzigs II, 256.
286 Richard Schmertosch:
und fanden, nicht unbedeutend, und nicht unwahrscheinlich
ist die Angabe des Leipziger Chronisten Vogel, dals am
13. Juni 1637 allein 831 Personen, welche von Haus und
Hof vertrieben waren, darunter 300 Kranke, auf dem
Leipziger Friedhofe unter dem Schwibbogen sich auf-
hielten. Sicher stammten sie nicht blofs aus der Land-
bevölkerung der Leipziger Umgegend. Trotz alledem ist
die Zahl der vertriebenen Protestanten, die nach Leipzig
kamen und dort ansässig wurden, gering im Vergleich
mit der grofsen Menge von Exulanten, die zu derselben
Zeit andere sächsische Städte zum teil für immer auf-
nahmen59). Der Grund hierzu ist, abgesehen davon, dals
die zahlreichen böhmischen Exulanten sich am liebsten
in der Nähe der Grenzen ihrer Heimat aufhielten, haupt-
sächlich in den unheilvollen Kriegsstürmen zu suchen, die
besonders seit 1631 über das weite Völkerschlachtfeld bei
Leipzig und über die Stadt selbst dahinbrausten. Fünf
Belagerungen durch die Kaiserlichen und die Schweden,
die den Handel störten und den Meisverkehr hemmten60),
Teuerung und die Pest61), die entsetzlichste Begleiterin
des Krieges, machten Leipzig zu keinem anziehenden
Aufenthaltsort. Dazu kamen schwerlastende Einquartie-
rungen und harte Kontributionen, die unter den verschie-
densten Namen von der Bürgerschaft erpreist wurden62).
Ja, die Kriegsnot zwang sogar dazu, die Bürger zur
Verteidigung der Stadt in Fähnlein einzureihen63). Kein
Wunder, wenn infolge dieser Kriegsdrangsale 1632 nur
12, 1637 nur 21, 1643 nur 19 Bürger wurden und 1644
59) 1629 befanden sich in Dresden 58 Exulanten, in Freiberg
518 und in Pirna 2123! 1636 waren 642 fremde Leute aus Böhmen,
Mähren und Osterreich in Dresden, davon waren 1637 allein 90
Bürger geworden. Vergl. die Exulantenlisten HStA. Loc. 10 331,
2. u. 3. Beb.., Loc. 10 332, 4 Beb.
00) Hasse, Geschichte der Leipziger Messen S. 109 ff.
01) Nach Vogel starben 1634 1390, 163*3 innerhalb dreier Monate
2500 Personen. Vergl. auch K napp , Ältere Nachrichten über Leipzigs
Bevölkerung 1595— 1849 in: Mitt, d. Statist. Bureau d. Stadt Leipzig
VI, 1872.
02) „Courtesie-, Disactions- oder Contributionsgelder" mnfsten
1632 und 1633 an die kaiserlichen Generäle Wallenstein und Holcke
(L. Rb. 1637 Bl. 3), Rantion, Contribution, Servisgelder, Schanz- und
Baukosten 1643 an Torstenson gezahlt werden. Vom 5. Dezember L642
bis Ende des Jahres 1643 hatten die Schweden allein 211719 Thlr. er-
preßt. HStA. Loc. 9261. Differentien zw. dem Bat und der Bürger
schafi zu Leipzig Bl. 154.
,,:;) L. St. Bill. Leichenpredigt-Saml. H. Sax. 350e. 1195.
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 287
überhaupt niemand mehr das Bürgerrecht annehmen
wollte! Sicher hat dies alles viel Fremde von Leipzig
ferngehalten oder gar bald wieder aus der Stadt ver-
scheucht. Im März 1635 schrieb der Prager Exulant
Martin Schmertosch nach Dresden an den ihm persönlich
bekannten früheren Agenten des Kurfürsten in Prag-
Friedrich Lebzelter, dafs man trotz eines kurfürstlichen
Befehls an den Rat, sich „gegen ihn der Gebühr zu be-
zeigen", ihn mit schweren Kontributionen ärger als die
Bürgerschaft plage; so habe er jetzt aufs neue innerhalb
14 Tagen über 40 "Reichsthaler erlegen müssen ohne alle
Ursache, nur blofs dafs er sein Feuer halte. Ja, man
habe ihm sogar auf dem Rathause angedroht, falls er es
nicht erlege, ihn zu arretieren und in seine Stube Tri-
buliersoldaten zu legen. Schon beinah 500 Reichsthaler
habe die Not von ihm ausgepreist. Nur an den Messen
wolle er Handel treiben64), sonst aber von seinem Gelde
zehren. Die Leipziger wülsten auch sehr wohl, dafs
zwischen den Märkten gar nichts zu thun sei; es wäre
nur Hals und Neid, dafs sie ihn gern aus der Stadt haben
und treiben wollten. Lebzelter möge ihm sicher glauben,
wenn er nicht seine alte Mutter bei sich hätte, die er
wegen ihrer grofsen Schwachheit nicht fortbringen könne,
würde er, ohne den Kurfürsten weiter zu belästigen, sich
von selbst bei Sonnenschein anderswohin begeben65).
Dem Rate der Stadt lag selbstverständlich viel daran,
die gewerbfleifsigen und teilweise auch wohlhabenden
Exulanten ganz an Leipzig zu fesseln, zumal da der Krieg
und die Seuchen die Stadtbevölkerung gewaltig lichteten.
Er berief sich hierbei auf eine Bestimmung des Kurfürsten
Moritz, dafs „diejenigen, so sich beweiben, mieten und
Hantierung treiben, das Bürgerrecht gewinnen" sollten.
Auch hatte man sich bereits 1630 vom Kurfürsten Johann
Georg das Recht bestätigen lassen, denjenigen, die ihre
Habe nach Leipzig geflüchtet und sich in Bürgershäusern
eingemietet hätten, während des Krieges gleiche Bürden
und Lasten, wie den Bürgern, auferlegen zu können66).
c4) In der Leipziger Kramerordnung war Fremden der Handel
aufserhalb der Märkte streng verboten. Vergl. Biedermann, Gesch.
d. Leipz. Krameriunung S. 18.
°5) Die Kramerinnung hatte sich wiederholt über ihn beschwert.
LEA. Rh. v. J. 1633 Bl. 29, H.StA. Loc. 10332. 4 Bch. Bl. 8, 13 f.
ß6) LRA. Bürgerrechtsprot. 1639— 1R82. Bl. 15. HStA. a. a. 0.
Bl. 8.
•jsx Richard Schmertosch:
Leicht gelang es deshalb Handwerker, die in der alten Hei-
mat nichts mehr zu erhoffen hatten und in Leipzig neue Er-
werbsquellen fanden, zum Bürgerrecht heranzuziehen. So
wurde die Kürschnerzunft nicht unwesentlich durch Böhmen,
Mährer und Schlesier verstärkt. Zu den Hauptvertretern
des Kürschnerhandwerks in Leipzig zählt in jener Zeit
das Prager Brüderpaar Lehmann ; David Lehmann starb
1649 als des Kürschnerhandwerks Obermeister. Daneben
lassen sich aber auch Schuhmacher, Sattler, Orgel- und
Instrumentenmacher, Bäcker, Schlosser, Schmiede, Rot-
gieiser, Hufschmiede, Büchsenmacher, Schneider, Sporer,
Zuckerbäcker, Barbiere, Schleifer, Seiler, Weilskittel und
Hutmacher anführen, die aus katholischen Gegenden da-
mals nach Leipzig wanderten.
Schwerer wurde es dem Rate vertriebene Handels-
leute, die Leipzig hauptsächlich seiner Messen wegen als
Zufluchtsort gewählt hatten, zur Annahme des Bürger-
rechts zu bewegen. Wohl mancher von ihnen nährte die
Hoffnung auf Rückkehr in die alte Heimat und auf
Wiedereinsetzung in den verlassenen Besitz. Zwar
wurden sie wohl auf kurfürstlichen Befehl zunächst mit
dem Bürgerrechte verschont, doch mufsten sie ein Schutz-
geld erlegen. 1639 erklärte der Rat, alle Fremden, „so
nicht passieren und keine erhebliche Ursach anführen,
sollen leiden, dafs ihnen Feuer und Rauch aufgeloset
werde." Außerdem wurde bei denen, die, ohne Bürger
zu werden , sich längere Zeit schon in Leipzig aufgehalten
hatten, streng auf Entrichtung von Schutzgeld gesehen.
1640 mulste ein Sohn Martin Schmertoschs für seinen
Vater 200 Reichsthaler, der Augsburger Schöller für
jedes der drei Jahre, in denen er verheiratet gewesen
sei, 80 Thaler und für das Jahr 1640 100 Thaler er-
legen, hingegen bezahlte Georg Opitz aus Eger für vier
Jahre nur 120 Thaler. Doch wurde er in demselben
Jahre Bürger, jene blieben in ihrer Stellung als Schutz-
verwandte des Rates07). Da drängte 1642 der Kurfürst,
der selbst seit dem Prager Friedensschlüsse die Exulanten
in seine Unterthanenpflicht zu ziehen suchte68), den Rat
zu energischerem Vorgehen durch folgendes Mandat:
67) LRA. Biirgerrechtsprot. 1(339-108^ Bl. 5 ff .
ö8) Vergl. seine Erlasse an die Ilätc von Pirna, Freiberg, Anna-
berg, Marienberg, Dresden und an den Schösser von Wolkenstein
aus dem Jahre 1637: HStA. Loc in.i.ii l Hch. Bl. 95 ff.
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 289
Lieben getreue, Wir seind berichtet als solten bey euch sich viel
enthalten vnd niederthun auch zum theil Weiber nehmen, vnd ihre
Nahrung in vnserer Stadt Leipzig treiben, die doch noch zur Zeit
weder Vns noch euch verwandt seyn oder einige Pflicht abgeleget,
Wenn wir dann bey diesen gefehrlichen vnd besorglichen Leuffen
solchem nachzusehen erheblich bedenken tragen, Als begehren Wir
hiemit befehlende ihr wollet darauff gut achtung geben vnd euere
Bürgers Söhne vnd andere,, die selbst Haufs halten, Häufser haben
oder sich beweiben vnd sonderlich die ihre Handtierung vnd Gewerb
bey euch treiben, förderlichst vnd do es nöthig durch gebürende
Zwangsmittel zum Bürgerrecht fordern vnd sie die gewöhnliche Pflicht
ablegen lafsen. Doran geschieht vnsere meinung, Datum Drefsden den
6. Marty Anno 1642 Johann Jorge Ohurfürst60).
Bekannt gegeben wurde es der Bürgerschaft am
29. März. Doch hatte es zunächst wenig Erfolg; denn
noch in demselben Jahre drängte die Belagerung und
Eroberung Leipzigs durch Torstenson diese Angelegenheit
völlig in den Hintergrund und gab nun sogar Leipziger
Bürgerssöhnen Anlafs, wegen der feindlichen Besatzung
in der Stadt Gewissens halber und als zu gefährlich den
Eid zu verweigern, der sie verpflichtete „des Kurfürsten,
des Rats und der Stadt Leipzig Gefahr, Schaden und
Nachteil nach bestem Vermögen zu warnen, zu melden
und zu offenbaren70)." Erst spät gelang es, jene wohl-
habenden Kauf leute aus Augsburg, Lindau und Prag zur
Annahme des Bürgerrechts zu bewegen.
Immerhin ist in dem Vorgehen des Rates gegen diese
um ihres Glaubens willen heimatlosen Leute eine gewisse
Milde und Nachsicht nicht zu verkennen, die sicher nicht
allein durch eigenes christliches Mitleid veranlagst wurde ;
die Stellungnahme der kursächsischen Regierung zu der
katholischen Reaktion ist es, die hier maisgebend hervor-
tritt. Hatte doch der Kurfürst selbst, entschieden gegen
seinen Willen, durch seine habsburgische Politik im Anfang
des Krieges die Verfolgung seiner eigenen Glaubens-
genossen mit heraufbeschworen. Als er sich dadurch in
seinem Gewissen bedrückt fühlte, war es bereits zu spät.
Alle seine Vorstellungen, selbst die Erinnerung an die
Thatkraft seines grolsen Vorfahren Moritz verhallten ein-
druckslos am kaiserlichen Hofe71). Vergebens hatte er
69) LRÄ. In dem Bürgerrechtsprotokoll 1639—1682 eingeheftet
zwischen Bl. 78 und 79.
70) LRA. a. a. 0. Bl. 27.
71) Am 24. Dezember 1630 schreibt er an den Kaiser über
Augsburg: Es ist „beredt vnd offenbahr, das, als die Evangelischen
Prediger aufs der Stadt Augspurg vertrieben worden, Mein in Gott
ruhender Anherr, weilandt Churfürst Moritz zu Sachsen löblichen
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 19
•>«)() Richard Schmertosch:
1631 die böhmischen Exulanten augsburgischer Konfession
in Leipzig vertröstet, „sie sollten ihre Sachen dem lieben
Gott und der Zeit befehlen, wenn der Allmächtige andern
des heiligen Römischen Reichs evangelischen Bedrängten
verhelfen würde, solle auch ihnen geholfen sein"72); ver-
gebens hatte er bei den Prager Friedensverhandlungen
dringend verlangt, dais in den kaiserlichen Ländern freie
Ausübung der ungeänderten augsburgischen Konfession in
gleicher Gestalt wie im Jahre 1612 künftig frei und un-
gehindert zugelassen werde; vergebens hatten sich die kur-
sächsischen Gesandten wiederholt bei den Verhandlungen
zu Osnabrück für die Evangelischen dieser Länder ver-
wendet. Der Kurfürst war eben nicht der Mann
danach, der seinen Vorstellungen den nötigen Nachdruck
verleihen konnte. Er sollte die Gegenreformation in den
österreichischen Landen, die das Glaubensband, das diese
Länder mit dem lutherischen Sachsen verknüpfte, grausam
zerrifs, nicht rückgängig machen. Kaum haben seine und
der Krone Schweden energischeren Bemühungen es ver-
mocht, in Schlesien wenigstens den Herzogtümern Brieg,
Liegnitz, Münsterberg und Oels, sowie der Stadt Breslau
freie Religionsübung zu verschaffen78). Günstiger ge-
stalteten sich die Verhältnisse für die süddeutschen Reichs-
städte. Wurden doch durch den westfälischen Frieden
die evangelischen Gemeinden zu Dinkelsbühl, Augsburg,
Kauf heuern, Biberach, Lindau und Ravensburg in ihre
vollen Rechte wieder eingesetzt71). Nicht zum wenigsten
verdanken sie dies dem sächsischen Kurfürsten, der in
ihren Augen die ererbte Stellung eines Beschützers des
Protestantismus auch ferner noch behielt. So bedankte
sich 1654 das evangelische Ministerium zu Augsburg bei
ihm, dafs er bei den Verhandlungen zu Osnabrück die
Sache der Augsburger Konfessions -Verwandten für seine
selbsteigene Sache erklärt und durch seinen Abgesandten
Dr. Johann Leuber energisch habe vertreten lassen 7r').
Andenckens, solche Ao. 1552 völlig wiederum!) restituirt vnd ein-
gesetzet das Interim gantzlich alda abgeschafft vnd fürdan darauff
vnii solcher Zeit das Exercitium Augustanae Confessionis in angeregter
Stadt frey vnd öffentlich geübt, gebraucht vnd getrieben worden".
HStA. Loc. 10151, Ander Buch Augsp. Sach.
72) HStA. Loc. 10332, 4. Beb. Bl. 316.
™) Londorp IV, 461. VI, 49 ff., 391, 410.
74) Ebenda 154. 486 ff.
76) HStA. Loc. 10151 der Evang. Rath zu Augspurg contra
ihre Cathol. Collegeu 1654-1656.
Vertriebene Protestanten in Leipzig unter Johann Georg I. 291
Doch beruht das Hauptverdienst Johann Georgs um den
evangelischen Glauben zweifellos darin, dafs er den
Märtyrern des Augsburger Glaubensbekenntnisses eine
sichere Freistätte in seinem Lande eröffnete und ihnen
hier wenigstens in vollem Mafse seinen Schutz angedeihen
liefs. Auch Leipzig hat sich damals den Euhm erworben,
zu den Orten zu gehören, die, nach einem Ausspruche
Dresdner Oberkonsistoriums, durch göttlichen Ratschlufs
verordnet waren, um den bedrängten Evangelischen, die
sonder allen Zweifel aus rein inbrünstiger Liebe zu
Gott und seinem allein seligmachenden Wort den Verlust
ihrer zeitlichen Leibesgüter mit ewiger Seelenwohlfahrt
ersetzen wollten, Schirm und Schutz zu bieten70).
7(i) HStA. Loc. 10331, Ander Buch, Bl. 13ff.: Schreiben des
Oberkonsistoriums vom 1. September 1627 an den Kurfürsten.
19*
XI.
Dr. med. Heinrich Erndel,
Stadtphysikus zu Dresden.
Von
Eugen Sachs.
Am Ende des 17. Jahrhunderts, in dem auch Deutsch-
land viel von der Pest heimgesucht wurde, waren alle
Arzte so fest im Bann der Humoralpathologie, d.i. der
Lehre der Erkrankung durch schlechte Säfte, dais es zu
verwundern ist, wenn der Begriff der Ansteckungs-
krankheiten dennoch aufrecht erhalten wurde. Ereilich
sprachen die Thatsachen so deutlich für die Ansteckung,
dafs selbst jeder Laie den Verkehr mit Kranken und
Krankenpflegern ängstlich mied. Die Ärzte nun erklärten
sich die Ansteckung dadurch, dais sie Giftstoffe in der
Luft annahmen, die von den Kranken ausgeströmt seien.
Diese würden vom gesunden Körper eingeathmet und
wirkten dann zerstörend auf die Säfte. Aus der That-
sache, dais Leute, die um Pestkranke gewesen, nicht
mehr erkrankten, sobald sie sechs Wochen abgesperrt und
gesund geblieben waren, folgerte man allgemein, dais für
Menschen ein Absperren und für Waren ein Lüften von
sechs Wochen völlig genüge, um alle vorhandenen Keime
zum Ausbruch zu bringen oder zu vernichten. Infolge-
dessen ordneten die Eegierungen damals sechswöchent-
liche Quarantäne an der Grenze an. Allüberall begnügten
sich die Ärzte der Verwaltung dieses Vorgehen als den
sichersten und völlig ausreichenden Weg gegen die Pest-
Einschleppung zu empfehlen. Nur einen Mann fand ich
in jener Zeit, der viel genauere Vorschriften über die
Dr. med. Heinrich Erndel. 993
Desinfektion gab und dessen Ansichten über die Gefahr
und die Möglichkeit der Ansteckung ganz von denen
seiner Zeitgenossen abwichen, das war Dr. Heinrich Erndel,
Physikus der Residenzstadt Dresden. Bei Bearbeitung
der Akten über die Pest im Jahre 1680, die ich im
Königl. Sächsischen Hauptstaatsarchiv durchsehen durfte,
fiel er mir als kenntnisreicher und besonnener Sachver-
ständiger so sehr auf, dafs ich mich veranlaßt sah, so
viel als möglich über den Mann und sein Wirken zu
sammeln. Freilich ist trotz fleißigen Aktenstudiums manche
Lücke in seinem Leben noch vorhanden, die dazwischen-
liegende Zeit von über 200 Jahren mufs sie entschuldigen ;
aber es ist doch so mancherlei von ihm und über ihn ge-
funden worden, dafs sich immerhin ein Lebensbild gestalten
läßt, das auch allgemeines Interesse erwecken dürfte. —
Heinrich Erndel wurde als zweiter und jüngster Sohn
des Leibmedikus Dr. H. Erndel am 17. Juni 1638 in
Dresden geboren. Er besuchte mit seinem Bruder Christian,
der Jurist war, Ostern 1654 die Universität Leipzig und
von Michaelis 1657 ab die Akademie Altorf. Dort wurde
er am 28. Juni 1659 zum Doktor der Medizin promoviert.
Er praktizierte als Stadtarzt, bis er am 16. September
1666 zum Stadtphysikus ernannt wurde. Die Urkunde,
durch welche dieses geschah, befindet sich im städtischen
Archiv und ist gleichlautend mit den Anstellungsdekreten
seiner Vorgänger und Nachfolger im ganzen 17. Jahr-
hundert. Da dieselbe recht instruktiv für die ganze
Stellung des Physikus ist, habe ich sie im Anhang voll-
ständig mitgeteilt. Aus ihr ergiebt sich auch, dafs dem
Rate der Stadt als Hauptsache bei der Anstellung die
Fähigkeit Kranke zu behandeln galt, alle amtliche Thätig-
keit war mehr oder weniger Nebensache. Doch Dr. Erndel
machte aus seinem Amte etwas. Neben seiner Thätigkeit
als Arzt am Lazarett oder Stadtkrankenhaus, an den
Armenhospitälern, dem Waisen- und Findelhaus, der
Kreuzschule und den Gefängnissen revidierte er jährlich
zweimal die Apotheken, prüfte die sich zur Praxis..mel-
denden, auf auswärtigen Akademien promovierten Ärzte
ebenso wie die Hebammen und wachte darüber, daß die
Wundärzte und Kurpfuscher keine inneren Krankheiten
behandelten. Er führte Aufsicht darüber, dafs in der
ärztlichen Zunft keine Vergehen vorkamen , und gab
Gutachten ab, wenn vom Rate irgend etwas getadelt
wurde. Aber die Büttelstellung paßte dem zweifellos
204 Eugen Sachs:
hochbegabten und fleiisigen Manne nicht. Schon 1672,
als an eine Pest noch nicht gedacht wurde, beklagte er
die schlechten Brunnenverhältnisse der Stadt und wies
in seiner Eingabe auf die Gefahr hin, die die Einwohner
liefen, wenn eine Belagerung oder gar eine Seuche die
Stadt treffen sollte. Der Rat ordnete eine Brunnen-
zählung an und Dr. Erndel untersuchte das Wasser. Das
Ergebnis war so ungünstig, dafs über 70 Brunnen ge-
schlossen werden muisten und auf der Festung neue
Brunnen zu graben waren, sonst wäre die Besatzung
eines Tages ohne Wasser gewesen. Eine derartige Thätig-
keit eines Bezirksarztes wird vor 1672 nirgends in den
Akten verzeichnet oder erwähnt.
Einzig aber war seine Thätigkeit in den Jahren
1679 und 1680. als in Ungarn während des Feldzuges
die Bubonenpest wütete. Der ausgezeichnete Nachrichten-
dienst, den die sächsische Regierung damals unterhielt,
setzte sie in den Stand, sehr genaue Nachrichten über
Entstehen, Verbreiten und Aufhören der Erkrankungen
zu erhalten. Aber die Kundschafter waren keine Sach-
verständigen, die alles das, was Dr. Erndel wissen wollte,
klar hätten darlegen können. Auf sein in diesem Sinne
gestelltes Ansuchen wurden von der Stadt die Mittel
bereit gestellt, um nach dem benachbarten, bereits infi-
zierten Prag einen Licentiaten der Medizin, Namens
Laurentius Theil, als sachverständigen Kundschafter zu
senden. Die von Dr. Erndel ihm gegebenen Instruktionen,
die äulserst knapp und verständig sind, lauten: 1. Ob
einige an der Pest zu Prag gestorben und wie viele?
2. Ob dergleichen Personen noch vorhanden, die an der
Pest krank wären? 3. In den Lazaretten und Hospi-
tälern deswegen Nachricht einzuziehen ; desgleichen in den
Apotheken nachzusehen, ob Antiloimica (Mittel gegen die
Pest) verschrieben oder gebraucht würden? 4. Sich mit
den medicis practicis bekannt zu machen und wegen der
grassierenden Krankheiten nachzufragen. 5. Was eigent-
lich das genus morbi und dessen Ausgang sei? 6. Was
vor remedia darwider gebraucht würden? 7. Ob einige
Pestordnung in Prag gemacht? —
So kurz und klar, wie die Fragen, sind die Ant-
worten nicht ausgefallen. Das Wichtigste davon ist, dais
auch in Prag Antiloimica den Ärzten nicht bekannt sind.
Die Bubonen werden operiert, und ehe es so weit ist,
nmls der Patient viel schwitzen und laxieren. Was die
Dr. med. Heinrich Erndel. 295
Pestordnung betrifft, so ist die unterdessen von Dr. Ernde]
verfafste wesentlich klarer und verständnisvoller als die
von Prag gesandte, die der schon ein Jahr älteren Wiener
Pestordnung fast wörtlich nachgebildet ist.
Unterdessen war nämlich das Gesuch des Dr. Erndel,
der den langen Instanzenweg bei etwa eingeschleppter
Pest durch die gewöhnlichen Verwaltungsorgane für ge-
fährlich hielt und für die Augenblicksgefahr eine besondere,
mit grosser Macht ausgestattete Kommission sachver-
ständiger Beamter und Ärzte als geeignet vorschlug, von
der kurfürstlichen Regierung erwogen und angenommen
worden. Es wurde eine Sanitätskommission ernannt,
deren Zusammensetzung nicht ganz nach dem Sinn des
Anregers war. Aufser dem Vorsitzenden, der ein Mit-
glied des Ministeriums sein mufste, waren noch vier Hof-
räte und Überamtsleute, drei Militärs zur Kommission
zugezogen neben einem Abgesandten des Rates der Stadt
Dresden und drei Ärzten. Der Vorsitzende, der Vize-
kanzler von Üppel, bekam für seine neue Thätigkeit monatlich
20 Thaler extra. Die Mitglieder erhielten 13 Thaler monat-
lich besondere Vergütung. Die militärischen Beisitzer waren
der Festungskommandant von Schönberg, der Kommandant
von Alt- Dresden von Volkersam und ein Artillerieoberst
von Kiengel, die ärztlichen Beisitzer waren die beiden
Leibmedici Dr. Birnbaum und Dr. Borzo und der Vater
der ganzen Kommission, unser Dr. Erndel selbst. Er er-
hielt auch sofort den Auftrag das erste Arbeitsprogramm
der Sanitätskommission zu entwerfen. Er stellte folgende
23 einzelne Punkte auf: 1. Wie die churfürstlichen Lande
und Residenz vor dem Contagio zu bewahren? 2. Ob
alle und jede Lande und Städte, so mit der Pest inficiert
und gleich wohl noch reine Luft haben, zu bannisieren?
3. Ob ein Unterschied unter reisenden Personen zu halten,
und wie weit deren Pässen zu trauen ? 4. Ob aller Handel
und Wandel mit den Benachbarten zu sperren? 5. Ob
ein Unterschied unter den Waaren zu halten: dafs die
notwendigen admittieret, die unnöthigen aber abgewiesen
werden? 6. Rohe Leder, Unschlitt, Federn, Betten, Haare
und Perücken, auch Hanf und dergleichen neben allerhand
Kleidung zu verbieten. 7. Deswegen an den Grenzen
gewisse Inspectores zu bestellen, die ankommenden Waaren
zu visitieren. 8. Auf was Wege die Ohurfürstliche Re-
sidenz mit genugsam Proviant und anderen Notwendig-
keiten zu versorgen? 9. Die Lazarethe mit genügsamen
29ß Engen Sachs:
Seelensorgern, Medicis, Chirurgis, Krankenwärtern und
Lebensmitteln zu versehen. 10. Ob bei entstehender Pest
nicht rathsam sei, dais in den Vorstädten ein corpus
pharm aceuticum aufgerichtet, aus welchem sich nicht allein
das Lazareth, sondern auch andere Kranke des Nachts
mit Bedürfendem versorgen könnten? Und wie solches
Werk einzurichten, dais es den Stadt apotheken und deren
Privilegiis nicht nachtheilig sein könnte? 11. Ob nicht
auf dergleichen Fall ein medicus und chirurgus dahin zu
ordnen? 12. Ob nicht ein sonderlicher Pestilenzpfarrer
zu bestellen? 13. Ob bei Pestilenzzeiten Trödelmarkt,
gemeine Badestube, Trinkhäuser, Branntweinladen und
dergleichen unnütze Zusammenkünfte geduldet? 14. Ein
allgemein Pestregiment aufzusetzen, danach sich Kranke
und Gesunde zu achten. 15. Ob ein Hauswirth seine
inficierten Miethleute und Gesinde mit gutem Gewissen
aus dem Hause schaffen könnte? 16. Wie dergleichen
Leute zu versorgen und wohin sie zu verweisen? 17. Wie
allerhand öffentlicher Kaub und Bestellung der inficierten
Häuser zu verhüten? 18. Einen Modum zu finden, wie
unmündige Kinder und Waisen bei ihrer an der Pest
verstorbenen Eltern Verlassenschaft bleiben könnten.
19. Ob es rathsam sei, Häuser und Gassen, darinnen die
Contagion eingerissen, gänzlich zu verschliefsen ? 20. Wie
die Einwohner derselben mit Victualien zu versorgen
seien? 21. Ob in diesem Falle zwischen den peste infectis
und den febri petechiali laborantibus ein Unterschied zu
machen sei? 22. Ob die umwohnenden Personen aus und
an andere Orte zu weisen? 23. Wie es mit verstorbenen
Personen, Betten, Kleidung und Geräthen zu halten?
In diesen 23 Fragen und Bemerkungen ist ziemlich
alles enthalten, was zum Arbeitsgebiet einer solchen
Sanitätskommission gehört. Die Kommission wurde noch
vor der ersten ordentlichen Sitzung durch zwei Theologen
verstärkt und dadurch das ersprießliche Arbeiten Dr.
Erndels gelähmt. Schon in der ersten Sitzung entstand
zwischen ihm und den Theologen ein Streit über die Be-
handlung der Pestleichen. Er verlangte Vergraben der-
selben außerhalb der Stadt sechs Fufs tief eingebettet
in einer Schicht ungelöschten Kalks; die Herren Theo-
logen aber beriefen sich auf irgend ein gelehrtes Wort,
wonach Leichen, seien sie gestorben an was es wolle,
niemandem schädlich seien. Durch die Hofräte wurde
Erndel überstimmt, nur die Militärs standen auf seiner
Dr. med. Heinrich Erndel. 297
Seite. Dieses Erlebnis entmutigte ihn nicht. Noch an
demselben Tage gab er ein umfängliches Gutachten über
die Vorkehrungen gegen die Pest an den Rat der Stadt
ab. Darin verlangte er die Anstellung eines besonderen
Pestarztes, weil er mit der Fürsorge für die Gesamtheit
der Bürger beschäftigt nicht jedem Kranken sofort zu
Dienste sein könne.
Es wurde auch sofort ein Pestarzt mit 50 Thaler
monatlichem Gehalt und freier Wohnung angestellt
und zwar Dr. Troppaninger, der schon in der Stadt
praktizierte.
Erndels hochinteressantes Gutachten selbst bestand
aus 12 Punkten und lautete:
1. Weil vermittelst der Luft alles und jedes Contagium fort-
gebracht wird, so ist nöthig selbige rein zu halten und von allen
faulen Dämpfen zu befreien, weswegen nicht allein allerhand Äser,
Misthaufen und dergleichen Unreinigkeiten von den Gassen zu schaffen,
sondern auch die Schleusen und Wassergänge zu räumen, um den
davon entstehenden Gestank zu verhindern. Dabei vornehmlich allen
Hauswirthen zukäme, ihre in Häusern habende Mistgruben zum
öfteren ausführen zu lassen. Und ist absonderlich zu erinnern, dafs
bei dieser Eesidenz eine höchst schädliche Sache eingerissen, indem
nehmlich bei hellem Tage und warmem Wetter die Latrinen geräumt
werden, welches zu öfteren wohl bis an den dritten Tag liegen bleibt
und nicht geringe Ursache zu allerhand Infection geben kann.
2. So ferner, Avelches Gott in Gnaden verhüte, die Pest auch
diese und benachbarte Städte betreffen sollte, so wären vor allen
Dingen die überflüfsigen Pferde, Rindviehe und Schweine (davon
viel Mist und Gestank verursacht wird) bei Zeiten aus der Stadt
zu schaffen.
3. Nachdem vom Kornbranntweinbrennen, ingleichen vom Stärke-
machen viel Gestank entsteht, als wäre solches entweder gar abzu-
schaffen oder behutsam damit zu verfahren, welches auch bei Seifen-
siedern, Lichtziehern und Ledergerbern zu beobachten ist.
4. Weil die Pest nicht allein in der Luft und deren Vergiftung
beruht, sondern auch meistenteils per contagium verursacht wird, so
wäre wohl dahin zu sehen, dafs allerhand herrenlos Gesinde und
Bettler, welche ohne Consideration hin- und herlaufen und ansteckende
Krankheiten forttragen können, aus der Stadt, jedoch mit Bescheiden-
heit und Beobachtung der christlichen Liebe, zu weisen und allda
zu versorgen.
5. Es ist auch durch Gottes Gnade diese Residenz sammt derer
Vorstädte sehr volkreich, dafs solcher Gestalt einig Contagium um so
viel desto mehr wüthen könnte, wäre derohalben zu bedenken, ob
S. Churf. Durch, hohe Ministri dahin zu disponieren wären, dafs die-
jenigen Diener, welche keine notwendige Verrichtungen haben, aus den
Häusern geschafft würden.
6. Tngleichen wäre allen denjenigen, welche Landgüter und
Weinbergshäuser hahen, zu rathen, bei Zeiten ihre Familien dahin zu
senden, damit die Stadt von überflüssigen Leuten befreit und also
das Contagium verhütet werde.
208 Eugen Sachs:
, Weil zur Zeit der Int'eetioii die Zuführe der Victualien und
Brennholzes von allem und jedem Orte ohne unterschied anzunehmen
bedenklich ist, auch zu befürchten, dais solche Zuführe des Proviants,
wie alle andere Handlung, in Stocken gerathen möchten, als wäre zu
bedenken, auf was "Weise beiden zu helfen.
8 Nachdem die Inwohner dieser Churf. Residenz füglich in
3 Classes als Hofleute, Soldaten und Bürgerschaft abgeteilt werden
kann, diese •'! (Masses aber von einem einzigen Medico jetziger Zeit
nicht versorg! werden könnten: als wäre die Frage, ob die ersten
zwei Classes an ihre allhereits bestellten .Medieos zu weisen, oder
aber dem Stadt- Physico etliche Assistenten zugeordnet würden, damit
in diesem Fall kein Mangel zur Zeit der Noth vorfallen möchte.
9. Desgleichen auch bei dem Pestilenzbarbier zu beobachten.
zumahl da der jetzige Alters halber und anderer Beschwerung wegen
keine grofsen Dienste thün könnte.
10. Wären die Herren Apotheker an ihre Pflicht zu erinnern
und zu vermahnen die Officinen mit tüchtigen und genügsamen Ge-
sellen zu vereiden, welche letzteren billich vereidet werden sollten,
damit im Nothfall nicht allerhand Unordnung erfolge und quid pro
quo gegeben würde.
11. Sollte das Lazareth und andere Hospitäler solcher gestalt
versorgt werden, dafs die armen Kranken keinen Abgang an not-
wendiger Wartung und Unterhalt leiden müfsten, absonderlieh wäre
ein unter Vorrath Brennholz dahin zu schaffen, nicht allein die Zimmer
damit zu beizen, sondern auch stets gute Feuer auf den öffentlichen
Plätzen zu halten: teils die Luft rein zu halten, teils allerhand
Geräthe, Kleidungsstücke und Bettstroh der Verstorbenen zu ver-
brennen.
L2. Wäre auf genügsame Leute zu denken, welche nicht allein
im Lazarett sondern auch in Privathäusern den Inficierten und
Kranken beispringen und Wartung leisten könnten. Damit auch
diese desto fleißiger ihrem Amte nachkämen, könnte man gewissen-
hafte und beherzte Bürger verordnen, auf solche Krankenwärter
Achtung zu gehen und sie zur Gebühr anzuhalten.
Dies ist für jetzt zu erinnern gewesen, der Allerhöchste gebe
Gnade, dafs es genauerer und mehrer Verfassung nicht bedürfe.
Dresden, am 10. September 1679. Heinrich Erndel
Dr. und Pbysicus Ordinarius
allhier.
Diese herrlichen Vorschläge hat der Mann allein
ausgearbeitet zu einer Zeit, als über die Pest nur ver-
worrene Nachrichten, namentlich in ärztlicher Beziehung,
zu erlangen waren. Auf die Anfrage des Rats zu Dresden
gab er alle möglichen brauchbaren Mittel nebst Gebrauchs-
anweisungen an, die in dem von ihm vorgeschlagenen
corpus pharmaceuticum untergebracht werden sollten. Auf
die Einzelheiten einzugehen, würde zu weit führen, in
den Hauptsachen waren es vier verschiedene Gruppen
und zwar: I. abführende, II. schweifstreibende Mittel,
III. Zugpflaster und IV. Räucherpulver und Raucher-
] >r. med. Heinrich Brndel. 299
essig. Die Droguen selbst kommen meist heute noch, wenn
auch in etwas geänderter Form, zur Anwendung. Auf
Katzenaugen, Schlangenköpfe, Biberfett und ähnliche
Dinge, die in der damaligen Zeit so vielerlei heilen soll-
ten, nimmt er keinerlei Beziehung, welcher Umstand sehr
zu gunsten seines therapeutischen Scharfsinnes spricht.
Nach diesen umfassenden Arbeiten entwirft er ohne Ver-
zug eine Pestordnung, die in dem Sanitätskollegium be-
raten und ohne sonderliche Änderung angenommen wird.
Die kurfürstliche Regierung läfst dieselbe sofort drucken
und veröffentlicht sie dadurch, dafs sie sie an allen
geeigneten Stellen des Landes von amts wegen anschlagen
läfst und an sämtliche Nachbarregierungen versendet.
Die Pestordnung, die die bereits früher ausgesprochenen
Ansichten Dr. Erndels in sehr knapper Form wiedergiebt,
bestand aus 14 Punkten, die den Verkehr der Personen
aas Kontagionsgegenden betreffen, aus 15 Punkten, die
die bei Pest im Lande zu treffenden Maisnahmen enthalten,
aus weiteren 22 Punkten, die die an infizierten Orten zu
beobachtenden Vorschriften behandeln, und schliefslich
aus 12 Punkten, die die Desinfektion nach Ablauf der
Pest genau bis ins Einzelne vorschreiben. Nachdem er
sowohl bei der Regierung, als auch bei der Bevölkerung für
völlige Aufklärung gesorgt hat, übt er seine ihm unter-
stellten Leute ein und wartet ab in der Hoffnung, die
Stadt werde von der Pest verschont bleiben.
Da starb plötzlich im Januar 1680 ein Schneider mit
roten Flecken am ganzen Körper. Dr. Erndel sezierte
ihn selbst, fand aber keine Pest, sondern nur Zeichen,
die für Scharlach sprachen. Der Rat fragte nun an, was
er mit den Stoffen gemacht habe, die der Schneider zu-
letzt in Arbeit gehabt habe. Er antwortete, die seien
selbstverständlich ebenso wie das gesamte Bettzeug so-
fort verbrannt worden, da ein Abwaschen mit Lauge
nicht angebracht wäre, vielmehr nur bei Geräten aus-
geführt werden könnte. So weitausschauend war der
damalige Sachverständige der Dresdner Gesundheitspolizei.
Am 19. März starb plötzlich ein Landkutscher, namens
Leschkin. Die Umwohnenden fragten sofort bei der Re-
gierung an, ob Pest die Todesursache war. Das Sanitäts-
kollegium riet der Regierung, ganz entgegen der Meinung
des Dr. Erndel, der durchaus für Veröffentlichung der
vollen Wahrheit eintrat, alles zu leugnen. Es erschien
deshalb folgender Erlais:
300 Eugen Sachs:
„Liebe Getreuen. Demnach wir anter andern aus eurem wegen
des vorm Pimischen Thore allhier verstorbenen Landkutschers Michael
Leschkens vom 19. dieses eingesandten gehorsamsten Bericht wahr-
genommen, was mafsen der gedachte Patient von einem unerfahrenen
Practico und ungeschickten Chirurgo curiret worden, welche Unserer
Leib- und I [off- Medicorum darüber erforderten Gutachten nach des
Kranken Zustandt zuvor nicht genugsam exploriret und in der Cur
allenthalben gröblich verstofsen haben, alfs begehren wir hiermit. Ihr
wollet diesem und dergleichen hierzu untüchtigen Leuten alles Curirens
(mafsen sicli in wohlhestelten Policeyen ohne dis gebührt) gänzlich
müfsig zu gehen bey nahmhaffter straffe aufferlegen, hingegen aber
mit Zuziehung des Physici ordinarii einen oder mehr geschickte
Medicos und Chirurgos pestilentiales bestellen und eure untergebene
Bürger an dieselbe verweisen."
Dieser Erlafs kam den 22. März an den Rat zu
Dresden. Dr. Erndel hatte aber schon das Haus schliefen
und die Angehörigen des Leschkin ins Lazarett schaffen
lassen. Schritte gegen den Kollegen und den Chirurgen,
die ganz sachgemäß verfahren, liefs er gar nicht einleiten.
Aber unter den Bericht des angestellten Pestbarbiers,
den dieser an die Regierung über den kurz darauf er-
folgten Tod der Frau des Leschkin einsandte, schrieb er
folgendes:
„Obzwar bei der verstorbenen Leschkin keine Flecke oder Beulen
von dem Lazarethbarbier befunden worden, so ist doch kein Zweifel,
es sei bei ihr gleich ihrem Manne einige malignitas pestilentialis
gewesen, welches theils aus dem jehlig erfolgten Tode, theils aus des
Kindes Krankheit, dem in der Schofs eine hitzige Beule ungefähren
sein soll, zu schliefsen ist."
Hierauf erfolgte von der Regierung keine Bekannt-
machung, sondern vielmehr das Ersuchen, nichts hiervon
in die Öffentlichkeit zu bringen. Der Besuch des Pest-
lazaretts wird allen nicht Beteiligten, auch dem Physikus,
untersagt. Er verlangte deshalb täglichen schriftlichen
Bericht über den Gesundheitszustand der etwa 20 Per-
sonen, die dort untergebracht waren. Acht Tage lang
wurde täglich berichtet, dafs alles im Lazarett wohlauf
sei. Diesem immerwährenden guten Bericht traute er
aber nicht, sondern nach acht Tagen entschloß er sich
trotz des Verbots zur Revision und fand, dats über die
Hälfte der Untergebrachten bereits an der Pest gestorben
waren. Trotzdem der Pestbarbier stets an den Sekretär
des Lazaretts die richtige Meldung abgegeben, hatte dieser
aus Faulheit dieselbe einfach nicht weiter befördert.
Dr. Erndel eilte zum Kurfürsten. Dieser schickte den
Fälscher sofort, ins Gefängnis und verordnete seine Ab-
urtheilung beim Schöppenstuhl zu Leipzig, aber dem
Dr. med. Heinrich Erndel. 301
Dr. Erndel verbot er jede Mitteilung darüber an Rat
und Bürgerschaft. Er muiste gegen seinen Willen ge-
horchen, da ihm sonst Gefängnis drohte. Am 20. April
ging der Maurer Reichel krank von der Arbeit und starb
noch selbigen Tages. Als dies Dr. Erndel gemeldet wurde,
wollte er sofort die Leiche sehen, doch diese war bereits
mit allen kirchlichen Ceremonien begraben worden. Den
nächsten Tag starben zwei Kinder des Reichel, bei denen
der Pestbarbier Bubonen konstatierte. Sofort wurde die
bereits erkrankte Frau nebst dem letzten Kinde ins
Hospital geschafft. Das Kind starb bereits auf dem Wege
dorthin. Auch alle Anverwandten, die um die Kranken
und Toten gewesen waren, mufsten auf Befehl des Physikus
ins Lazarett und sämtliche Häuser wurden geschlossen
und der Verstorbenen Betten verbrannt. Nun endlich
drang Dr. Erndels Meinung auch bei der Regierung durch,
clafs es besser sei, nichts zu verheimlichen, denn das Ge-
rücht mache jede Kleinigkeit gleich riesengrofs. Der
Rat zu Dresden erliels auf Erndels Drängen ein Markt-
verbot folgenden Inhalts:
„Inmafsen dann unter andern auch wir heutiges Tages den sämmt-
lichen Trödelweibern, so auf dem hiesigen Neumarkte zu gewissen
Tagen bishero wöchentlich öffentlichen Markt zu halten gewohnt
gewesen, ernstlich und bei Strafe unfehlbarlicher Abnahme gebiethen
lafsen, dergleichen Feilhabens an Kleidern, Geräthe, Bettzeuges und
anderer solcher Mobilien sich hinfüro gänzlich zu enthalten; selbigen
auch vor jetzo bis auf fernere Verordnung ein mehreres nichts als
Bücher und Eisenwerk verstattet und nachgelassen."
Auch liefs Erndel vom Rate den Bürgern durch
Anschlag empfehlen, am nächsten Bufstag zu Hause Bulse
zu thun und nicht in die Kirche zu laufen, um so die
Gefahr, die mit einer grofsen Menschenansammlung ver-
knüpft ist, zu beseitigen. Darüber entbrannte der Zorn
der Geistlichen. Von der Kanzel herab schimpften diese
auf die Ärzte, die den Menschen aus unnötiger Angst
vor der Pest alle Freuden verleiden, und behaupteten,
es gäbe überhaupt keine Pest, die Ärzte gäben harmlose
Fieber nur dafür aus, um ihr Ansehen zu heben und
Geld zu verdienen.
Erndel liefs sich aber dadurch in seiner für das
Allgemeinwohl so nützlichen Arbeit nicht beirren. Da
das Lazarett als Krankenhaus und Beobachtungshaus
zugleich viel zu klein war, auch eine Trennung der
Kranken von den nur Verdächtigen notwendig erschien,
302 Eugen Sachs:
veranlagte Erndel den Rat, das Döringsche Schänkhaus
vor Lobt au zu kaufen und als Beobachtungsstation oder
Probierhaus zu benutzen. Er richtete tägliche Pestilenz-
konferenzen mit den Ärzten und Ratsbeamten auf dem
Rathause ein. Er arbeitete fast übermenschlich. Auf
sein Betreiben bat der Rat zu Dresden, der Kurfürst
möge verordnen, date Leute überall angestellt würden,
die alles das, was die Pestkranken unter sich und neben
sich gehabt haben, sogleich verbrennen muteten; die Bitte
wurde sofort erfüllt. Im Laufe der Epidemie kam
Dr. Erndel dann in betreff der Betten vom Verbrennen
ab, weil die Federn nur angekohlt in die Luft flögen
und deshalb sehr schaden könnten; er liete sie im
heifsen Wasser sieden und waschen, dann verwandte
er sie im Lazarett bei Pestkranken, um dieselben
leichter in Sehweite zu bringen. Nach dem Erlöschen
der Epidemie sollten sie schließlich tief in die Erde
vergraben werden.
Von den noch nicht 40000 Einwohnern der Residenz
starben bis zum 9. November 1680 vom März ab etwa
8000 Personen, das ist der fünfte Teil. Es ist das Jahr
1680 das grötete relative Sterbejahr für Dresden über-
haupt.
Nachdem vier Wochen kein Todesfall an Pest und
keine neue Erkrankung mehr vorgekommen, erhielt Erndel
endlich im Dezember Urlaub. Da sein Assistent, der
früher schon erwähnte Licentiat Laurentius Theil, an der
Pest selbst gestorben war, übergab er die Aufsicht über
die Desinfektion der immer auf sechs Wochen geschlos-
senen von der Infektion heimgesuchten Häuser dem Pest-
arzt Dr. Troppaninger und reiste zu seiner Schwester
nach Dippoldiswalde. Am Sonntag vor der Kirche wurde
er von den am Kirchplatz plaudernden Honoratioren des
Städtchens über die Pest gefragt. Wenn auch jetzt die
Residenz pestfrei sei, antwortete er, so können doch
im Sommer, wo die Natur mehr Kraft besäfte, die in
Kleidern und Betten sitzenden Gifte von neuem zur
Gefahr werden. Ein Freiberger Bürger hatte diese
Worte mit angehört und sie sofort nach seiner Heimats-
stadt berichtet. Die nächste Folge war die, dals die
Stadt Freiberg wieder sämtlichen Handel und Wandel
mit der Residenz sperrte. Als nun Dr. Erndel zurück-
kehren wollte, mutete er auf Rat seiner Freunde in der
Lötenitz halt machen, denn der Dresdner Pöbel harrte
Dr. med. Heinrich Einfiel. 303
seiner am Thor, um ihm einen Empfang- mit Steinen und
ähnlichen Begrüfsungsobjekten zu bereiten. Er bat den
Kurfürsten um Hilfe, indem er versicherte, stets nur die
volle Wahrheit gesagt zu haben. Der Kurfürst sandte
ihm ein Fähnlein Reiter, unter deren Schutz er seine
Wohnung glücklich erreichte. Die darauffolgende Unter-
suchung ergab, wie es auch heute noch oft bei Volks-
aufläufen zu geschehen pflegt, dals niemand gehetzt haben
wollte und die Viertelsmeister und anderen Skandal-
macher überhaupt nichts gethan hatten.
Diese häfslichen Beschimpfungen, die er nach nun-
mehr behobener Gefahr des öfteren infolge des Unver-
standes der Bevölkerung dulden mußte, mögen ihn ver-
anlaßt haben, die Physikusstelle zu kündigen. Er blieb
in der Stadt als praktischer Arzt und unterstüzte seinen
Amtsnachfolger bei der im Frühjahr 1681 wiederkehren-
den kleinen Epidemie von 400 Fällen eifrigst. Sein
Nachfolger wurde der Meißner Physikus Dr. Pollmar,
nachdem die Ärzte Dresdens B. Wiegner, Chrahmer,
Schumann, Dornblüth, Göppert abgelehnt hatten, wahr-
scheinlich abgeschreckt durch die ihnen bekannte über-
menschliche Arbeitslast. 1684 wurde er nach dem Tode
des Dr. Borzo Leibarzt des Kurfürsten, zusammen mit
Dr. Birnbaum und Dr. Morgenstern. Als Leibarzt machte
er viele Reisen, so mit dem Kronprinzen 1685 nach
Frankreich, 1686 nach Spanien, England, Holstein, mit
Johann Georg III. 1687 nach Holland. Er begleitete ihn
1689 in den Feldzug und zur Belagerung von Mainz.
1691 wurde er an sein Sterbelager nach Tübingen be-
rufen. Die letzte Zeit litt er an Podagra, Chiragra
und Ischias, was teils ererbt, teils durch die vielen Reisen
erworben war. 1691 wurde er wiederum vom neuen
Kurfürsten als Leibarzt bestätigt. 1693 prüfte er mit
seinem Amtsgenossen Martinus Schurig den in Dresden
Einlals begehrenden Okulisten und Steinschneider Andreas
Eisenbarth. Das Ergebnis der Prüfung ist bereits
abgedruckt in Otto Richters trefflicher Verwaltungs-
geschichte der Stadt Dresden (I, 168); die von Eisen-
barth eingereichten Zeugnisse befinden sich im städtischen
Archiv unter F XVII 5.
Erndel starb am 13. September 1693 und hinterließ
zwei Söhne und fünf Töchter, tief betrauert von seinen
Mitbürgern, ohne aber in einem gröfseren Werke seine
Kenntnisse niedergelegt zu haben. Nur in der Praxis
30 I Eugen Sachs:
hat er gewirkt, und nur seine der Regierung und dem
Stadtrat gemachten Eingaben geben Auskunft über seinen
wissenschaftlichen Weitblick und die ganze Summe seines
theoretischen Wissens, durch das er allen seinen Zeit-
genossen weit überlegen war.
Anhang.
Bestallungsurkunde des Dr. H. Erndel als Stadtphysikus
d. d. 28. Sept. 1666.
(Archiv der Stadt Dresden F XVI, 1, Bl. 199 ff-)
Wir Bürgermeister und Rath der Stadt Dresden hiemit uhr-
kunden und bekennen, demnach wir erwogen, dafs zu einer wohl-
gefaßeten Polizei neben andern zu erhaltung guter gesundtheit und
Verhütung allerhand Krankheiten nechst Gott auch gelehrter und
getreuer Medicorum guter Rath und Fleifs erfordert wird, Inmafsen
dann bei dieser Churf. Sächfs: Residenz und Haupt- Vestung von alters
hero in und alle Zeit dergleichen Hochgelarte Medici in Bestellung
gehalten und besoldet worden, dafs mit gnädigstem Vorwifsen des
Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn .Jobami Georg des
Andern, Herzogens zu Sachsen .... Wir den Edlen, Grofsacht-
baren und Hochgelarten Herrn Heinrich Eradln, der Medicin Doctorn,
zu Onserm Stadt Medice» und Physico ordinario heute acto angenommen
and Unfs mit Ihme nachfolgender Bestallung verglichen haben, dafs
derselbe in allerley vorfallenden Kranckheiten bei allen und Jeden
dieser Stadt Innwohnern, wie auch bey Unfs, Unsern angehörigen,
sowohl bey denen im Lazarethe als hin: und wieder in den Hospitälern
Im tindtlichen Persohnen, Ingleichen Unsern bestalten Dienern, so Ihn
darumb ersuchen und anlangen weiden, sich willig und gerne, auch
ohne allen Verzugk gebrauchen lafsen, denenselben mit Rath und
That, und zwart denen Vermögenden umb billiche danckbahre Ver-
gleichung, denen unvermögenden aber aus Christlicher Liehe und
Barmherzigkeit ohne entgeldt und umbsonst beywohnen und Ihnen
solchen mittheilen, darneben auch die Apotheken, so offfc es nöthig,
visit ii tu. dafs mit den Recepten recht umhgegangen, auch ein hillicher
Tax gehalten werde, beobachten. Ingleichen denen Besichtigungen
und Sectionibus der entleibten Cörper als bestalter Phvsicus mit
heywohnen, und in allen fällen als einem Üeifsigen, getreuen, sorg-
fältigen und vorsichtigen JMedico gebühret, und wo zu Ihme seine
zur Zeit seiner promotion geleistete Eydespflicht verbindet, bey dieser
Vestungsstadt und gemeine sich erzeigen und vorhalten solle und
wolle, Über dieses und hiernebenst ist mehrgemeltcm Herrn Doctori
auch frey gelafsen, zu gesunden Zeiten allhier in: und uinb die
Vestung, so wohl zu Alten Drefsden seine praxin medicam nicht
alleine zu exerciren, sondern auch, wann keine contagiosi morbi bey
dieser Stadt und Vestung im schwänge gehen und es derer patienten
Dr. med. Heinrich Erndel. 805
halber, die Er in oder bey der Stadt, so wohl auch sonsten zu Alten
Drefsden in der Cura hat, füglich und ohne nachtheil geschehen kau,
seine Praxin auch aufm Lande zu treiben und zu üben, zu welchem
Ende Ihme denn nach gelegenheit auf zwey, drey oder zum meisten vier
tage, iedoch mit vorbewust des iedesmahls regierenden Herrn Bürger-
meisters auszureisen erlaubet und vergönnet werden solle , Insonder-
heit aber hat mehrgedachter Herr Doctor Erndtl krafft dieses ver-
williget und zugesaget, in Sterbensgefahr, und wenn Pestilenzialische
Fieber oder andere dergleichen anfällige Krankheiten in: und umb
die Stadt und Vestung so wohl auch in dem Lazarethe, als andern
obgedachten örthern einschleichen und grafsiren solten oder möchten | :
welches doch der barmherzige Gott gnädiglich verhüten wolle : j von
einem Medicum ordinarium sich gleichfalls auch bei armen und
reichen gebrauchen zu lassen und nach gelegenheit der gefährlichen
Kranckkeiten seinem besten Vermögen und Verstände nach, und do
es die nothurff erfordern solte, mit Rath der Churf: Sächfs: und
anderer Herrn Medicorum dienliche Arzneyen, Regiment und Ordt-
nungen, wie man sich in gemein beedes zur Verwahrung oder prae-
servation, sowohl auch im fall der noth zur Cur gebrauchen, und in
den Apotheken alliier umb billiche gleichmefsige Bezahlung erlangen
möge, Den Einwohnern, gemeinem Manne, und sonderlich denen, so
sich Unvermögens halber bey denen Herren Medicis nicht alle Wege
Ratlis zu erholen, zu nuze und tröste zu machen und anzuordnen,
auch zur selben Zeit des ausreisens sich gänzlich zu enthalten und
sonsten allen müglichen Fleifs, wie einem getreuen Medico gebühret,
anzuwenden, Jedoch soll ermelter Herr Doctor nicht verbunden noch
schuldig sein, wann entweder Pestis oder eine andere dergleichen
gefährliche Kranckheit regieret, zu denen Patienten selbsten in die
Häuser, so albereit inficiret, und man defsen gewifs< versichert , in
eigener Persohn zu gehen, sondern es sollen dazu ein sonderlicher
Barbierer und andere Persohnen, die sich bei Ihme Raths erholen
können, verordnet werden. Wann nun itztgedachter Barbier und
andere dazu geordnete von den Inficirten Patienten zum Herrn Doctori
vor seine Wohnung kommen oder schicken würden, Soll Er dieselben
williglich und nothdürfftiglich hören, sich des Patienten Zustandt
eigentlich und umbständlich mit fleifs erkundigen, Ihme auch durch
füglichste angeordnete mittel seinen treuen Rath und verstendiges
gutachten zu ertheilem schuldigk sein. Hergegen haben mit Höchst-
gedachtes Unsers gnädigsten Churfürsten und Herrn aus dem Laza-
reth Kasten gnädigst bewilligter Hülffe wir mehrerwehnten Herrn
Doct: Erndtl vom Tage Michaelis des itztlaufenden 1666 sten Jahres
an zu rechnen Jährlichen Achtzigk Gulden am golde, so Ihme
quartaliter aus der Lazareth Cafsa gegeben werden sollen, zur Be-
soldung versprochen und verwilliget, wollen Ihm darneben auch mit
der gewöhnlichen freyhen Wohnung, so zu seiner Bestallung geordnet
und Ihme nach seinem nuzen zu gebrauchen frey stehet, versorgen,
so wohl zwölff thaler zu Holze aus Unser Cammer Jährlichen
reichen lafsen. Wann sich's aber Göttlicher Verhängnus nach begeben
sollte, dafs Sterbensgefahr einfallen und andere Leuthe sein des
Herrn Doctoris Cur sich zu gebrauchen abscheu oder bedencken tragen
möchten, und Er also seine andere Praxin eine Zeit lang nicht
exerciren könte , auf denselben fall soll Ihme wöchentlich zweene Tbl.
über seine ordinarbesoldung zu Zulage, halb aufsm Lazareth Kasten
und die andere helfte von uns, dem Rathe, gegeben werden. Wie
denn auch in keinen Zweifel gestellet wird, dafs vielbesagter Herr
Neues Archiv f. S. G. II. A. XVI. 3. 4. 20
306 Eugen Sachs: Dr. mcil Beinrieb Erndel.
Doctor derer Leuthe, so bey gefährlichen Zeiten einen Scheu für
llinif baben möchten und Ihn sonderlich nicht hegehren oder er-
fordern laisen, sich eine Zeit lang- zu eusern und zu enthalten, auch
sonsten gute bescheidenheit, so wohl gegen Unis, dem Käthe, und
männiglich zu gebrauchen wifsen wenle. Do auch oft envehnter Herr
Doctor bey solcher Bestallung länger zu verbleiben nicht gesinnet,
Soll Er schuldig sein, Unfs die Aufkündigung Ein halbes Jahr zu-
vor zu thun, damit man sich bey Zeiten in andere Wege versehen
könne, welches wir Unfs gleichsfalls vorbehalten haben wollen, Alles
trewlich und sonder gefehrde, Zu Uhrkund haben wir diese Be-
stallung gezwiefacht zu pappier bringen lafsen, Solche auch mit ge-
meiner Stadt Innsiegel und der Herr Doctor mit seinem gewöhn-
lichen Pezschafft wifsendtlich beeräfftiget , auch mit eigner Handt
unterzeichnet. So geschehen in Drefsden am 28 Septembris 1666.
Heinrich Erndl medicinae Doctor.
Burgemeister undt llath der Stadt Drefsden.
XII.
Kleinere Mitteilungen.
1. Nachträge zum Urkundenlmch des Klosters
Nimbschen1).
Von Ludw. Schmidt.
Die beiden im Nachstehenden abgedruckten Urkunden
sind nur in dem in der K. K. Hofbibliothek zu Wien
befindlichen, aus dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts
stammenden Formelbuch Cod. Pal. 636 (fol. 16b fg.), aus
welchem die Urkunde No. 12 a (S. 380) bereits mitgeteilt
worden ist, erhalten und von mir anfänglich übersehen
worden, so dafs eine Berücksichtigung derselben auch in
den Nachträgen nicht mehr stattfinden konnte. Wenn
dieselben auch — allerdings an ziemlich verborgener Stelle
(Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg 12
[1877], S. 17 fg.) und nicht ganz korrekt - • schon ver-
öffentlicht sind, so erscheint doch ein wiederholter Ab-
druck der Vollständigkeit halber in dieser Zeitschrift,
welche sich in dankenswerter Weise zur Ergänzung des
grofsen sächsischen Urkundenwerkes zur Verfügung ge-
stellt hat, wünschenswert. Die angegebene Datierung
von No. 1 ergiebt sich daraus, dafs Friedrich I. von 1265
Dezember 12 bis ca. 1283 Bischof von Merseburg war.
Zu No. 2 ist zu bemerken, dafs die Markgräfin Helene
(Elena), Gemahlin Dietrichs von Landsberg (f 8. Februar
1285), mit diesem seit 1268 vermählt war. Der hier er-
wähnte Scholastikus von Zeitz ist wohl identisch mit dem
1296 urkundlich vorkommenden Zeitzer Domherrn Johannes
') Codex diplom. Saxon. reg. IT, 15, 173 ff.
20'
308 Kleinere Mitteilungen.
de Jhericho (Berth. Schmidt, Urkundenbuch der Vögte
von Weida 1, No. 312).
No. 1.
Bischof Friedrich I von Merseburg bedroht einen mit der Ent-
richtung des dem Nonnenkloster in Grimma zustehenden Zinses
säumigen Pfarrer mit Amtsentsetzxing. [Zicischen 1265 Dez, 12
und ca. 1283. /
FrpdericuaJ dei gracia Meraeburgenaia episcopus diacreto viro
n et üii ecclosie in tali loco salutem cum aftectu. Quia prepositi do-
minarum in Grimmia frequenter pulsamur querimoniia pro eo, quod
iriisuin ipsis dominabus debitum non solvitis temporibus constitutis,
sie duximua providendum, quod quandoeunque post atatutum vobis
terminum predictum censnm non solveritis. extunc ab ingreaau ecclesie
et ab exaeeucione officii vos auapendimus in biis scripös.
No. 2.
Die Markgräfin Helene von Landsberg beauftragt den genannten
Scholastikus zu Zeitz, das Kloster rar den I Vergriffen eines Klerikers
zu schützen. {Zwischen 1268 und 1285 Februar 8.J
Eflena] dei gracia marchionissa de Landesberch yiro preclaro
donis gratuitis eloquencie insignito domino scolastico in Cice dicto
de Jercbov .salutem cum bone voluntatis affectiv Cum apea bominem
in se confidentem quasi quodam nutrimento refieere videatur , hanc
in pressuris angustie nunquam deseruit, licet voltum quendam pre-
tendat fallacem, amicabiliter pusillanimes consolatur. Summam hnius
proverbii non ab re vobis proposuimns, quod E. clericus Nuenbur-
genaia dyocesis nititur armari allegacionis garrula pugionc contra
dominas \\eo et nobis dileetas sanctimoniales in Grimmia, surripere
grangias earum cum ceteris bonis, quas longo tempore, sicut domino
raarchioni constat seniori et nobis simul cum aliis. quas nominale
tedioaum est, possederunt titulo libertatis, et licet crebris infesta-
cionibua eaa infeatare non cea8et, tarnen sole spei noa ona cum eia
innitimur, sperantes divino auxilio vestroque consilio evadere minas
et iniuriaa, quas contra eas pretendit et quod perfrui debeant pristina
übertäte. Cum ergo lepor veatre faeundie et miri ut intelleximus
adinvencio consilii noverit non aolum cauaaa intricatas evolvere,
verum eciam evolutaa quasi aub tumulo sepelire, ideirco yeatram
prudenciam nee non morum honeatatein, de qua multum audivimus et
confidimuael preaumimua confidenter, habere cupimua exoratam, quatinua
dei amore et noatri cauaa propiciua iudex sitis in cauai8, quaa E.
clericua contra dietas dominas ventilal iam predictua et nullam in-
iuriam aeu gravamen fieri permittatia viamque nuncio noatro detis,
qualiter agat seu reapondeat, ut ab ineuraibua predicti clerici se de-
fendat, et boc scitote, si feceritis, gratum habebimu8 et perpetuo
penea voa studebimus promereri. Neu enim permittemua, quod E.
predictua sive aliquia deatruat locum a domini noatri marchionia
predeceaaoribua et aliorum elemosinis solleinpniter preconatruetum.
Wichtig ist, dals hier (No. 1) eines prepositus Er-
wähnung geschieht, der unter dieser Bezeichnung urkundlich
nicht weiter vorkommt. Wirkliche Pröpste mit den ihnen
Kleinere Mitteilungen. 309
zustehenden weitgehenden Kompetenzen wie in anderen
Nonnenklöstern, z. B. in Meilsen und Mühlberg (vergl.
Seeliger in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte
der Stadt Meifsen II, 44 ff.), hat es in Nimbschen nie
gegeben; als Verwalter der äufseren Geschäfte finden
wir hier seit dem 15. Jahrhundert Vorsteher, die wahr-
scheinlich mit den seit 1322 urkundlich vorkommenden
Hofmeistern oder magistri curie (Hans von Nabeticz
heilst No. 415 Vorsteher, No. 416 Hofmeister) identisch
sind, aber schon nach der Art, wie in den Urkunden ihre
Stellung gegenüber Äbtissin und Konvent gekennzeichnet
ist (vergl. z. B. No. 413, 415, 416), niemals die Rolle der
Pröpste gespielt haben können. Einige derselben waren
wohl Laienbrüder, andere geistlichen Standes, dagegen
werden Hans von Nabeticz (Nabilticz) und Hans Alffelt
in No. 41 3 unter den weltlichen Personen aufgeführt, wie
denn auch die Nachfolger des Albrecht Schober zu diesen
zu zählen sind, während Pröpste sonst nur Kleriker
sein konnten. Die Bezeichnung Probst (neben Vorsteher)
führt zuerst der dem geistlichen Stande angehörende A.
Schober, aber wohl nur infolge seiner früheren Stellung;
unpassend wird der ehemalige Schösser Johann Gora als
Vorsteher in No. 480 und 485 Anm. (was noch im Register
nachzutragen) ebenfalls Propst genannt. Hiernach ist die
Anmerkung zu No. 428 zu ergänzen bez. zu berichtigen.
Auiserdem mögen hier noch einige kleinere Nach-
träge und Verbesserungen Platz finden. Vorsteher (Hof-
meister) im Kloster war 1467 Albrecht Gernhardt,
wie wir aus der Aufzeichnung über die Klage desselben
gegen den Rat zu Oschatz wegen Vorenthaltung von
Zinsen, die der Klosterjungfrau Ilise von Gera (vergl.
No. 413) zu entrichten waren, ersehen (Oschatzer Stadt-
buch von 1466 — 1500 Dep. Hauptstaatsarchiv Dresden
fol. lb). — Die 1479 zum letzten Male als solche er-
wähnte Äbtissin Dorothea Beherfs erscheint in der Spezial-
rechnung der Äbtissin Ursula von Lausigk auf 1484/85
(vergl. No. 409 Anm.) als „aide frauwe"; sie bezog hier-
nach an Leibzinsen zu Walpurgis und Johannis zusammen
4 ß. 20 gr., zu Michaelis und Weihnachten 3 ß. Eben-
daselbst werden aufgeführt Ursula Hertewygils (1 ß. 20 gr.
Leibzinsen Walp.), Barbara Kanytz (21 gr. Walp.), Anna
Hochenist (3 ß. Mich.), Anna und Katherina2) Kanytz
2) Koramt sonst urkundlich nicht vor.
310 Kleinere Mitteilungen.
(zusammen 1 ß. 34 gr. Mich.). — Der in No. 41 3 unter
den Zeugen genannte Nicolaus schriber zcu Grymme war
ohne Zweifel Mühlschreiber des Klosters Altzelle in Grimma
(vergl. auch Beyer, Altzelle 702 No. 773) und ist dem-
gemäß im Register s. v. Grimma, Mühlen (Ober- und
Niedermühle) einzustellen. — Die in No. 455 an 39. Stelle
erwähnte Margaretha Grolsin ist, wie schon im Register
richtig gestellt, nicht irrtümlich ein zweites Mal genannt,
sondern verschieden von der an 9. Stelle genannten
Klosterjungfrau gleichen Namens; jene hatte sich noch
zwischen 1536 und 1539 verheiratet und wird 1544 als
Tochter Hanns Groises bezeichnet (Lorenz, Grimma
1117), während letztere bereits 1470 von ihrem Vater
Friedrich Große ausgesteuert wurde (No. 421).
•2. Zu Hortleders Geschichtswerk.
Von Anton Chroust.
Das im folgenden mitgeteilte Schreiben F. Hortleders,
des Verfassers der „Handlungen und Ausschreiben . . . von
den Ursachen des Deutschen Kriegs Kaiser Karls V. etc.",
entstammt dem gräflich Dohna'schen Archiv zu Schlobitten
in Ostpreußen, über das ich an anderer Stelle berichten
werde. Offenbar gehört das Schreiben einem umfang-
reicheren Briefwechsel an, den der gelehrte Geschichts-
schreiber am Weimarschen Hofe mit Christoph Freiherrn
und Burggrafen zu Donna (1583-1637), dem Neffen des
berühmten Fabian des Älteren von Dohna, geführt hat;
leider habe ich von diesem Briefwechsel bisher keine
weitere Spur finden können, auch das von mir mitgeteilte
Schreiben ist nur in Abschrift erhalten.
Über Hortleder brauche ich nichts weiteres zu sagen ;
über den Empfänger des Briefes möge die Bemerkung
genügen, dals Christoph von Dohna im Jahre 1615 als
pfälzischer und anhaltischer Eat an den Höfen des Kur-
fürsten Friedrich V. von der Pfalz und des Fürsten
Christian von Anhalt, der damals als kurpfälzischer Statt-
halter zu Amberg residierte, eine Vertrauensstellung ein-
nahm, vor allem aber zu letzterem in freundschaftlichen
Beziehungen gestanden hat.
Christoph von Donnas Interessen gingen jedoch über
die eines Diplomaten und Staatsmannes weit hinaus.
Die Teilnahme an den religiösen Fragen war bei ihm, der
Kleinere Mitteilungen. 311
gleich seinem Oheim und seinen Brüdern sich früh schon
dem reformierten Bekenntnisse angeschlossen hatte, nicht
geringer als die an wissenschaftlichen Dingen, vor allen an
den Werken der Geschichtschreibung. Christoph selbst war
Schriftsteller und hatte 1614 einen verdeutschten Caesar
anonym erscheinen lassen; als Geschichtsschreiber be-
währte er sich selbst in seiner Autobiographie, von der
J. Voigt einen Auszug geliefert, auf den ich wegen der
sonstigen Lebensumstände Christophs verweise1).
Die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen
den Häusern Anhalt und Weimar werden den fürstlichen
Rat und den herzoglichen Präzeptor wohl zuerst zusammen-
geführt haben, gemeinsame Neigung für geschichtliche Stu-
dien und Gemeinsamkeit der politischen Anschauungen
haben mit der Zeit die Bekanntschaft vertieft. Christoph
von Dohna steuerte, wie dies auch Ludwig Camerarius
that, Mitteilungen aus Akten oder Abschriften von solchen,
wahrscheinlich aus dem Archiv der Amberger Regierung,
zu Hortleders Geschichtswerk bei, ganz so, wie er und
seine Brüder auch den Präsidenten de Thou in seinen
Arbeiten unterstützten.
Für die Geschichte des Hortleder'schen Werkes, des
„Urkundenbuchs zu Sleidan", ist der folgende Brief nicht
ohne Interesse. Hortleder geht, nachdem der grössere
Teil seines Werkes oder besser gesagt des ersten Bandes
fertig ist, auf die Suche nach einem Verleger. Goldast
hat für ihn mit den Frankfurter Verlegern verhandelt
und sogar das Honorar schon ausbedungen, aber diese
sind infolge der jüngsten Frankfurter Ereignisse vor-
sichtig geworden und fordern die Ausbringung eines kaiser-
lichen oder mindestens eines kursächsischen Privilegs für
das Buch. Hortleder macht sich keine Hoffnung, diese
Bedingung erfüllen zu können und sucht nun mit Hilfe
Christophs von Dohna in der Oberen oder in der Kur-
pfalz einen Verleger zu finden, für den er mit Hilfe
Christians von Anhalt ein kurpfälzisches Privileg zu er-
wirken hofft. — Hortleder oder vielmehr der Frankfurter
Verleger hat sich aber später doch eines anderen be-
sonnen, beide Bände seines Werkes sind dann doch bei
Ruland in Frankfurt a. M. erschienen, ohne dais irgend
ein Privileg ausgewirkt worden wäre.
') Historisches Taschenbuch, 111. Folge, IV (1853), 1 ff.
312 Kleinere Mitteilungen.
Dürfte es schon nicht ohne Interesse sein zu sehen,
wie sich vor drei Jahrhunderten die Verhandlungen zwischen
Verfasser und Verleger gestalteten, so ist noch bemerkens-
werter, was Hortleder von der aktuellen Bedeutung seines
Werkes und von dem Nutzen, den die protestantische
Union davon haben werde, für eine Meinung hatte und wie
grofs das Interesse der Unionsfürsten, die in dem schmal-
kaldischen Bund ihr Vorbild sahen, an dessen Geschichte
war. Was Hortleder in seinem Briefe über die von ihm
vorgenommene Unterdrückung von „Famosschriften" mit
Rücksicht auf Kursachsen, Hessen-Kassel und Braun-
schweig sagt, hat er in der Vorrede des ersten Bandes
mit weiterer Ausführung wiederholt. Er scheint aber
mit dieser Redigierung seines Stoffes, die er unbefangen
eingestellt, doch nicht weit genug gegangen zu sein, denn
gleich nach Erscheinen des ersten Bandes hat Herzog
Friedrich Ulrich von Braunschweig beim Rat der Stadt
Frankfurt wie bei Herzog Johann Ernst von Sachsen-
Weimar die Konfiskation des Buches begehrt, das alte
geschlichtete Händel zwischen fürstlichen Häusern wieder
hervorzerre (vergl. Electa iuris publici VI, 46); dem Be-
gehren wurde übrigens nicht willfahrt.
Das andere Buch „De secretiore causa belli Ger-
mania etc.", dessen Hortleder in seinem Briefe gedenkt,
ist wohl der zweite Band seines grolsen Werkes, der
dann 1618 mit dem Titel „Von Rechtmäßigkeit, Anfang,
Fort- und endlichen Aufsgang des teutschen Kriegs etc."
wieder bei Ruland erschienen ist.
F. Hortleder an Christoph von Dohna.
Salntem et officia.
Binae Tuae literae mihi recte traditae sunt suo quoque tempore,
I In istophore lectissime atque amicissime, Ex utrisque vero praestitam
mihi fidem et in indagandis rebus Palatinos adhibitam summam in-
dustriam cum singulari prudentia conhmctam abunde perspexi. Ac
enitar non modo pro me .sedulo, ut quovis studiorum genere Tuam
li;inc ynavam operam compensare possim, sed etiam ill.mae meae eandem
praedicabo spei bonae plenus, si quando Celsdo ipsius Tibi ornamento
ac emolumento <sse poterit, eam utilitatibus Tuis non defuturam.
\ir vero ist, ut in hac re ullam amplius operam adhibeas; sunt
enim res quam plurimae, quae privata diligentia, quanta quanta illa
sit, erui mm poasunt, cui et haue nostram lubens aceenseo. Et erit
consultius, aliqnando huius rei gratia ipsum metropolis electoralis
praesidem ac vicarium summum Christianum Anhalt inum recta via
Kleinere Mitteihmgen. 313
adire missis ambasibus. Domino domino Casparo2) fratri meam etiam
vicissim operam et omnia amicitiae ofh'cia delata cupio.
Verum audi, amicissime Christophore , quid Te rursus velim:
Nobilissimam partem inei operis, quae est „de causis belli Germanici",
iam ante tempus satis spatiosum penitus äbsolvi eamque per Goldastum
hibliopolis Francfurtensibus Petro Kopfio, qui per annos aliquot id
opus anibierat, Rulando, Aubriis et aliis obtuli, traditionell! bis prae-
teritis nundinis promisi. Quid vero illi? Opus ipsum minime quidem
sibi displicere.inquiunt, autori mihi bonorarium sat amphmi offerunt
et (si Goldasto rides adbibenda est) pro singulis foliis dimidium
Rbenanum aut eo amplius non renuunt, sed conditiones adiiciunt
mihi penitus impossibiles et intolerabiles, unam ut ipsis Privilegium
caesarenm impetrem, alteram, aut si id iieri non possit, saltem
electorale Saxonieum, tertiana ut omnia mea ipsis pignori opponam,
si ob hoc opus editum aliquid damni a Caesare vel ullo principe
patiantur, a Moguntino praesertim, in cuius manu ac potestate nunc
sint res Francfurtanae publicae ac privatae. Jam etsi ipsis sanctissime
affirmaverim atque etiam multis clarissime demonstraverim, in hoc
opere ne verbulum quidem aut literam ullam reperiri, quae Caesarem
aut ullum principem offendere possit aut, si reperiatur ulla, quam
ego non paratus sim e medio tollere, nihil tarnen proficio.
Laterem lavo, stat Ulis pro ratione voluntas. Quapropter dis-
trahere cum illis, non contrahere negotium omnino constitui et cum
in Palatinatu Ambergae, Heidelbergae, Neostadii chartam non minus
nitidam et typum nihilo deteriorem reperiri sciam, cum aliquo pala-
tinorum bibliopolaruin contractum inire eique opus impensis suis
excudendum committere.
Ad quod me hae quoque rationes invitant: 1. Quia si ullum nspiam
opus est, quod bodiernae unionis principibus ac statibus magnopere
sit profuturum, id hoc certe opus est. 2. Quia a miütis magnisque
de unione principibus hactenus a me non semel desideratum ; iam
enim ante multos annos Christianus Anhaltinus ad ill.mam nostram,
sororem suam, scripsit, delineationem quandam et summam operis
sibi mitti petiit, deinde institutum clementissime collaudavit datis-
que ad me literis opem suam obtulit, postea cum ante annum huc
transiret, denuo sermonem meum contulit, ut editionem maturarem,
clementissime monuit; idem Augustus Anhaltinus semel iterumque
fecit aut, si protrahenda longius esset editio, in usum suum totum
librum 5. 7. et 8. describi postulavit; idem quoque per cancellarium
Fabrum Wirtembergicus, idem per consiliarium praecipuum et intimum
Lüschwitium marggravius8) fecit. 3. Quia serenissimo electori palatino
ipsi per Goldastum est iamdudum commendatum. 4. Quia a consi-
liario interiore Heidelbergensi Ludovico Camerario aliquot scriptis
liberaliter auctura et ornatum.
Age ergo, ornatissime Christophore, vel Ambergae vel Heidel-
bergae vel Neostadii vel etiam Noribergae mihi virum aliquem
honestum bibliopolam quaere, qui suis impensis opus meum edi curare
velit. Is, si ab electore palatino Privilegium sibi impetrari postulabit,
plane nullus dubito, quin facillimo negotio per Christianum Anhal-
tinum id impetraturus sim; atque honorarium quod attinet, bis con-
ditionibus cum eo transacturum me promitto: 1. Si mihi itidem,
2) Soll wohl heifsen „Achatio", wenigstens kann nur Achaz
von Dohna gemeint sein.
3) Gemeint ist Markgraf Joachim Ernst von Ansbach.
,;i | Kleinere Mitteilungen.
pro foliis singulis dimidium Rhenanura, spondeat, quod Francofurtenses
min detrectavere , et Goldastus a Rulando accepit pro I'olitieis suis
imperialibus , latinis et germanicis; 2. aut si id spondere nolit. m
nun sä Item dimidium thalernm, utque explicatius dicam, duodenoa
dumtaxat grossos solvat in folia singula; '6. ut, cum opus exenden-
dum traditur, thaleros centenos annumeret, reliquum intra annum
solvat. Ego vicissim promitto quiequid exemplarium ill.»,is meis
aliisque prineipibus, patronis et amicis a me exhibeudum erit,
id ab eo me sumturum ea lege, ut de summa mihi debita eorum
pretium dece[d]at et is mihi exemplaria eodem pretio vendat, quo
venditurus est bibliopolis uostris aliquid ab eo mutuo sumeutibus.
Quis operi titulus praefigendus sit, qualis index praemittendus,
iuneta his litteris descriptio [fehlt] docebit, cuius copiam omnibus,
quicumque eam desideraturi sunt, maxime vero bibliopolis in Vestris
uris facere poteris. Quod si quem vero in descriptione ea scripta
adversaria Saxonis, landgravii ac Brunsvicensis oi'fensura sunt, veluti
replicae, duplicae, triplicae, quadruplicae, quae ut famosa omnes historiae
damnant, is sciat, me id omne, quiequid in istis scriptis famosi et
iniuriosi fuit, sustulisse et scripta ea omnia de novo describi fecisse
non sine ingenti labore meo et sumtibus nostrae ill.,,iaf>, sie ut nihil
nisi res ipsa et quiequid publice privatimque profuturum est, sine ulla
verborum contumelia bodie in iis appareat.
Praeter hoc opus autem et ea omnia, quae nominatim expri-
muntur in supradicto et his literis adiuneto indice, adhuc aliud
opus habeo, quod et ipsum non minus ac prius illud magnitudine
sua Goldasti „Imperialia politica latina" exaequabit, inseriptum:
„De secretiore causa belli Gennanici et ipsius etiam belli initio,
progressu, exitu." Id quoque intra annum habiturum enm conditioni-
bus tolerabilibus spondeo, quieunque illud exeudendum suseipiet;
ac titulos formavi sine ulla adiectione notarum tomi L. tomi II.
hoc consilio, ut separatim vendi possint, cum id contento facillime
patiantur ac ne emtores absterreat magnitudo pretii, si non ven-
derentur singuli et saltem coniuneti. — In bac re si quid, ami-
cissime Christophore , per te aliosve effeceris, non sinam abire offi-
cium Tuum irremuneratum, sed de primitiis statim honorarii mei ita
me erga Te exhibebo gratum, ut sentire possis, Tua opera mihi nihil
gratius aeeeptiusve aeeidere potuisse. Nunc ad alia.
Omnes illae disputationes , quae a Te desideratae ac huic ta-
bellario afferendae mandatae sunt, cum aliis id genus non paucis
prodibunt in unum volumen redactum, quod collectorem habet Aru-
maeum,typographumRauchmauliividuam ac heredes. Igitur operae pre-
tium mm duxi eas sigillatim colligere sed ad viduam praedietam misi, an
fere absolutum volumen illud esse rogavi; respondit illa ad proximum
iliem Veneris hac ipsa septimana absolutum iri. Quem diem an
tabellarius Tuns exspeetaturus esset, cum rogarem, ille negavit.
Uxori tarnen meae, cum heri sera huc rediiem, mandavi, ut si prnetei-
opinionem suam tabellarius Tuns rediret serius, exemplar aliquod
iura mitteret; si vero citius quam in typographia volumen absolutum
esset, de rei statu eum commonefaceret, ut responsum certum ad Te
adferre posset; cui voluntati meae eam morem gesturam non dubito.
Huswedelium uostrum, amicum raeum veterem virumque sane quam
doctissimum, ex foro et aula rediisse in academiam, mihi quidem
lectu et auditu novuin fuit. Precor tarnen, ut quam felicissime ei
cedat hoc consilium ac si qua in re unquam commodis ipsius inser-
vire potero, Studium promitto.
Kleinere Mitteilungen. 315
Te vero, mi iucundissirae Ohristophore , diutissime valere ;ic
reipublicae perennare, a meis vero omnibus, praesertim Friderico
Bomano filio salvere iubeo. Scribebam Vimariae septembris die 18.
a. 1615.
Tui amantissimus
F. Hortlederus ')•
3. Die Grands Mousquetaires.
Aus dem Nachlasse von A. v. Minckwitz.
Kurfürst Johann Georg IV. gab am 22. Oktober
1691 dem Geheimen Kriegsratskollegium zu erkennen:
„Wir sind entschlossen zu Unserer Leib -Garde und zur
Aufnahme des Adels hiesiger Lande eine Compagnie zu
Pferde, unter dem Namen einer Compagnie Grands Mousque-
taires, aus jungen Leuten zu errichten, welche in aller-
hand Kriegs -Exercitiis unterrichtet werden sollen und
haben Wir den Freiherrn Johann Georg von Meuisbach
beauftragt, solche Compagnie zu richten."
Der Erlais dieses Befehls fällt in die Zeit, wo der
Kurfürst auch eine Kompagnie Cadets zu errichten be-
absichtigte. Während letztere bestimmt war, der Aus-
bildung von Infanterieoffizieren zu dienen, sollten in der
Kompagnie der Grands Mousquetaires die jungen Edel-
leute zum Eintritt in die Kavallerieregimenter vor-
bereitet werden. In der Proposition an die Stände im
Jahre 1692 findet sich die Anforderung von 50000 Gulden
zu Errichtung der Kompagnie Grands Mousquetaires und
der Kompagnie Cadets gleichzeitig gestellt. Trotzdem
dafs die Stände nur die Hälfte dieser Summe bewilligten,
nahm die Errichtung der beiden Kompagnien ihren Fort-
gang, jedoch verzögerte sie sich, was die Grands Mousque-
taires anbetrifft, bis zum Frühjahr, und erst am 9. März
1692 erhielt dieselbe die Stadt Eilenburg zum Sammel-
platz angewiesen.
Die Kompagnie marschierte im Juni 1692 nach Dresden,
wo der Magistrat Befehl erhielt, die Grands Mousque-
taires, welche Logiamenter und Stallung selbst zu be-
zahlen hatten, in Alt-Dresden, der jetzigen Neustadt, in
einer Gasse oder doch so nahe beisammen als möglich
unterzubringen.
4) Schlob. Archiv, fasc. 23/3. Cop.
316 Kleinere Mitteilungen
Die erste Musterung fand in Gegenwart des Kur-
fürsten am 8. August 1692 auf der Östrawiese statt; hier
schworen die Grands Mousquetaires zum Fähndel.
Bei dieser Gelegenheit war der Etat der Kompagnie:
s tab :
L50 Thlr. Obrist Johann Georg Freiherr von Meuszbach,
100 „ Major Johann Wilhelm Graf Ronow,
20 „ L Quartiermeister,
L5 .. 1 Peldscheer,
(>(i „ ii Eautbois,
32 „ 4 Tambours,
LO .. I Fahnenschmied,
H) „ 1 Fahnensattler.
Prima plana:
70 .. Kapitän Christian Ernst Trützschler,
70 „ „ Georg Friedrich von Hopfgarten,
.">() ., Lieutenant Georg Christoph von üeitzenstein,
50 „ „ Bodo Dietrich von Alvcnsleben,
10 „ Fähnrich Adolf Wilh. Freiherr von Stubenliri-.
.'."> „ Wachtmeister Hans Heinrich von der Mosel,
25 .. „ Georg Wilhelm Trützschler,
10« 6 Korporale (ELölbel von Geilsing, Raab, Neerhoff,
Kötteritz, Arnstadt, Langenhagen),
1200 .. Kid Grands Mousquetaires.
2035 Thlr. monatlich.
Hierüber: 33 Thlr. 8 Groschen ein Fechtmeister,
20 „ — ,, ein üprachmeister.
35 „ — „ ein Tanzmeister.
Die Mousquetaires waren sämtlich junge Edelleute.
Vertreten waren unter anderen die Namen: Miltitz,
Carlowitz, Schönfeld, Schönfels, Metzradt, Köckritz, Zedt-
witz, Bünau, Boxberg, Zezschwitz, Ponickau, Beulwitz,
Polenz, Watzdorf, Uechtritz, Brandenstein, Ende, Seebach,
Helldortf, Dallwitz, Gersdorff, Haugwitz, Kospoth etc.
Einige Tage nach der Musterung liefe der Kurfürst
die Grands Mousquetaires, und denselben Tag auch die
Kadettenkompagnie auf der Alt-Dresdner Wiese vor sich
exerzieren.
Die vorhandenen Nachrichten geben keine Auskunft
darüber, ob die bei Errichtung des Korps getroifene Be-
st immung, dais die Offiziere der Kavallerie aus den Grands
Mousquetaires hervorgehen sollten, überhaupt in Kraft
getreten ist. Jedenfalls hat dieselbe nicht lange Geltung
behalten, und höchst wahrscheinlich war diese Absicht
Kleinere Mitteilungen. 817
schon aufgegeben, als der Kurfürst im Frühjahr 1693
anbefahl, die Grands Mousquetaires in eine Kompagnie
Dragons de Garde du Corps umzuwandeln, welche am
1. November 1693 in die Grenadiers ä cheval umformiert
und im Oktober 1694 wieder aufgelöst wurden.
Mit dem Wirklichen Geheimen Rat, Generallieutenant
bei der Kavallerie und Obristen über ein Regiment Küras-
siere, Karl Gustav Lewenhaupt, Grafen von .Falkenstein,
wurde am 22. März 1699 eine Kapitulation zu Errichtung
eines Korps von Grands Mousquetaires abgeschlossen.
Von dieser Kapitulation übersendete der König von
Warschau aus dem Statthalter Fürsten Fürstenberg Ab-
schrift, unter dem Hinzufügen: „Fürst Fürstenberg hat
von dem Vorhaben dem Grafen Friesen Nachricht zu
ertheilen, damit Unfs zu sonderbarem Gefallen er dem
Grafen Lewenhaupt nach Vermögen an Hand stehen und
behilflich sein möge zur Beibringung braver tüchtiger
Offiziere und Leute."
In näherer Ausführung der in der Kapitulation ge-
troffenen Bestimmungen erhielten die Grands Mousque-
taires an Gewehr und Equipage : die Flinte, die Pistolen,
den Degen, das Degengehenk, die Echabraque nebst
Kappen, den Rock, das Kamisol, die Hosen, den Mantel,
den Hut nebst Hutschnur und einer weifsen Feder, die
Handschuhe, die Strümpfe ; zu bezahlen hatten die Grands
Mousquetaires in den ihnen gemachten Abrechnungen:
das Pferd, den Sattel nebst Pistolenhalftern, die Steig-
bügel, die Steigriemen, den Flintenriemen und den Flinten-
schuh, das teutsche Reitzeug mit Stangen, die Trense
mit Gebits, die Pferdedecke, die Stiefeletten, das Zelt.
Über die Farbe der Montur, welche die Grands
Mousquetaires trugen, ist keine andere Nachricht auf-
behalten, als dafs dieselben gelegentlich des Königs graue
Musketierer genannt werden.
Die Grands Mousquetaires garnisonierten in Warschau
und im 'Monat August 1699 erhielt der General Graf
Lewenhaupt Auftrag, das Haus in der Krakauer Vor-
stadt, das zuvor dem Herrn Podstolli gehört, umbauen und
zum Hotel der Grands Mousquetaires einrichten zu lassen.
Das Hotel war im April 1701 der Schauplatz einer
Meuterei gegen den General Grafen Lewenhaupt, wobei
als Rädelsführer der Sous- Brigadier Mr. de Rochefort
318 Kleinere Mitteilungen.
auftrat. Eines Morgens erschien nämlich der General im
Hotel, um den Grands Mousquetaires in einer Anrede
das Mißvergnügen des Königs über die mit Gewehr und
Equipage geschehene Desertion von zehn der Ihrigen
auszudrücken. Im Weggehen befahl der General, sämt-
liches Gewehr im großen Saal des Hotels zusammenzu-
bringen und daselbst aufzubewahren. Die Grands Mousque-
taires sahen dies jedoch als eine Entwaffnung an, und
beim Ablösen der Wache verweigerten die aufziehenden
Grands Mousquetaires das Gewehr zu ergreifen, bis vom
Könige, in dessen Auftrage ihnen das Gewehr durch den
General genommen worden, der Befehl erginge, es wieder
aufzunehmen. Am folgenden Tage standen jedoch die
Grands Mousquetaires nach einem durch den General
Lewenhaupt im Namen des Königs dreimal erfolgten An-
ruf von ihrer Auflehnung ab, der Sous-Brigadier Mr. de
Kochefort bat um Pardon, und man erfährt nicht, welche
weitere Folgen der Vorfall nach sich gezogen hat.
Nach einer Ordre vom 18. Mai 1700 sollten wie bei
der Garde zu Pferd so auch bei den Grands Mousque-
taires die Offiziere den Rang haben: der Oberst als
Generalmajor, der Obristlieutenant und der Major als
Obrist, der Rittmeister als Obristlieutenant, der Lieutenant
als Major, der Kornet als Kapitän.
Im Frühjahr 1700 war der Etat des Korps der
Grands Mousquetaires:
Stab:
Colonel: Le General Comte Lewenhaupt,
Lieut.-Colonels: Le Comte Bethune, Maurice Comte Lewenhaupt,
Major: Otto Wrangel. Cornet: Mr. de Lütticau.
Adjutant: Mr. Surlande.
1 Qnartier-Maitre, 1 Auditeur, 1 Chirurgien, 1 Chapellain, 1 Tim-
ballier, (i Hautbois (2 Bassons, 3 Hautbois, 1 Lattallie). 1 Sellier,
1 Marechal, 1 Profous.
Drei Kompagnien:
Capitaines: Mr. Lubienski, Mr. de Malerarques, Mr. Walmotte de
Baudwen.
Lieutenants: Mr. de la Costi, Mr. de Fierville, Mr. de Foyssar.
Marechaux des logis: Mr. Dademas Bousquet, Mr. de Janus,
Mr. Bonafons.
Brigadiers: Mr. de la Haie, Mr. Marats, Mr. la Fernere,
i» Nous- Brigadiers, 6 Tambours, 150 Grands Mousquetaires.
Unter den Grands Mousquetaires erscheinen aufser
den Deutschen (Schleinitz, Seidlitz, Wessenberg, Man-
Kleinere Mitteihmgen. 319
teuffei, Tiesenhausen , Uexkül, Korff, Medem, Brunnow,
Kettler etc.) vorzugsweise Franzosen (Calverac, Les-
pinasse, Lavalette, Chambon, La Bravere, Dampierre,
Bariset, Layard etc.) und einige Polen (Dombrowski,
Litiski, Binienski, Zapandowski etc.).
Selten übrigens erreichte das Korps den Sollbestand,
im Juni 1701 waren nur 80 Mousquetaires vorhanden,
worauf der König diese Garde unter Beibehält des Stabes
auf eine Kompagnie reduzieren liefe. Diese in drei Bri-
gaden eingeteilte Kompagnie sollte der Baron Malerarques
befehligen, allein bereits im August wurden die Grands
Mousquetaires, gleich den Grenadiers ä cheval und den
Carabiniers der Garde du Corps einverleibt.
Zu den Vorbereitungen, welche der König für das
im Frühjahr 1730 bei Zeithain abzuhaltende Campement
traf, gehörte auch die Errichtung eines Korps von Grands
Mousquetaires unter Kommando des Generalmajors der
Kavallerie bei der sächsischen Armee Jacob Alexander
Fürst Lubomirski Graf von Wisnitz und Jaroslaw, der
Krone Polen Schwertträger, auch Generalmajor bei der
königlich polnischen Kronarmee und Obrist über ein
Regiment Dragoner, Ritter des Weifsen Adlerordens.
Das Korps bestand nach dem am 20. Januar 1730
vom König unterzeichneten Etat aufser dem Stabe aus
einer Kompagnie polnischer junger Edelleute und einer
Sachsen -Weimarschen Kadettenkompagnie und hatte
folgenden Etat:
Stab:
150 Thlr. — Gr.1) der Kommandant Generalmajor Fürst Lubomirski
40 „
—
«
der Adjutant, Christoph Heinrich Titzthum von
Eckstädt, Major,
30 „
—
«
der Oberquartiermeister Eschenbach,
12 „
—
fl
der Auditeur Leiteritz,
5 „
12
w
1 Fourier,
5 .
12
1)
1 Feldscheer,
7 „
—
*1
1 Pauker,
48 „
—
«
8 Hautbois ä 6 Thlr.,
20 „
—
n
4 Tambours ä 5 Thlr.,
5 „
—
j)
1 Schmied,
5 „
—
j)
1 Sattler,
5 „
—
«
1 Profos.
333 Thlr
. —
Gr.
22 Köpfe.
a) Diese und die folgenden Zahlen beziehen sich auf den monat-
lichen Sold.
•]2() Kleinere Mitteilungen.
Die erste Kompagnie:
90 Tlilr. Kapitän Wocislaus Potocki, Obrist,
60 .. Lieutenant Caspar Franz von Pirch, Obristlieutenant,
45 . Souslieutenant Tobias Adrian von Rotenberg, Major,
:so „ Fähnrich Otto Christoph von Sacken, Kapitän,
60 „ i Sergeanten, Goluchowski und Jackowski, als Kapitäns,
30 ,, 1 Fahnenjanker, von Budberg, als Kapitän.
60 „ I Korporale, Tempski, Kowalski, Siemanowski, Zbyewski,
als Lieutenants,
iso „ 60 Grands Mousquetaires.
S5Ö Thlr771 Köpfe!
Die zweite Kompagnie:
90 Thlr. Kapitän von Buttler, Obrist.
60 „ Lieutenant von Comanstein, Obristlieuteuant,
45 „ Souslieutenant von Aschersleben, Major,
30 „ Fähnrich von Wuthenan, Kapitän,
60 „ 2 Sergeanten, von Passer, von Göchhausen, als Kapitäns.
30 „ 1 Fahnenjunker, von Franquinet, als Kapitän,
60 „ 4 Korporale, von Seebach, von Feilitzsch, von Wallenfels,
von Boxberg, als Lieutenants,
480 „ 60 Grands Mousquetaires.
856 Thlr. 71 Köpfe"
Also erforderte der Unterhalt des Korps monatlich
im Ganzen 2043 Thaler.
Hierüber wurde auf je zwei Grands Mousquetaires
ein Sattelknecht zur Wartung der Pferde unterhalten,
der Betrag für diesen Aufwand jedoch vom Traktament
der Grands Mousquetaires abgezogen2).
Die polnische Kompagnie kam im Januar aus Warschau
nach Dresden und wurde in der Ritterakademie einquar-
tiert, während die Sachsen -Weimarsche Kompagnie erst
kurz vor dem Zeithainer Campement eintraf.
Was die Montur betrifft, so trugen die Grands Mous-
quetaires paille Westen und rote Röcke oder en parade
statt der letzteren rote Superwesten, in welchen auf Brust
und Rücken das Motto: Jehovah (vexillum meum) in
hebräischen Buchstaben mit Silber eingestickt war8).
Ebenso zeigte die rotseidene Estandarte das in Silber
eingestickte Jehovah.
Montur und Wehrgehenke waren reich mit Silber
bordiert.
-) Wenn das Korps marschierte, formierten die rot mit gelb
montierten Sattelknechte eine geschlossene Abteilung.
8) Ähnliche Superwesten trug die Chevaliersgarde, doch waren
dieselben blau, mit dem in Gold eingestickten Jehovah.
Kleinere Mitteilungen. H2\
Die Grands Mousquetaires rückten am 15. Mai in
das Zeithainer Campement, nach dessen Beendigung die
Sachsen -Weimarsche Kompagnie nach Weimar zurück-
kehrte, wodurch deren Beziehungen zu dem Korps der
Grands Mousquetaires sich vollständig lösten.
Die polnische Kompagnie, welche unter Erhöhung
des Etats der Kompagnie auf 80 Grands Mousquetaires
das Korps nun allein darstellte, traf am 9. Juli aus dem
Campement wieder in Dresden ein und bezog in der
Neustadt an der Elbe anderweit ein Campement, in
welchem dieselbe mehrere Wochen stehen blieb.
Am 4. August liefs der König die Grands Mous-
quetaires auf der grofsen Wiese bei Friedrichstadt die
Revue passieren, wobei dieselben, wie ein Augenzeuge
versichert, auf ihren munteren Pferden treffliche Parade
machten.
Am folgenden Tage marschierte sodann das Korps
nach Warschau ab und wurde hier erst seiner eigent-
lichen Bestimmung, der Ausbildung der jungen Leute für
den Offiziersstand, zugeführt4).
In dem königlichen Lustschlosse Marieville bei
Warschau, welches man zu ihrer Aufnahme hergerichtet
hatte, wohnten die Grands Mousquetaires beisammen unter
der Aufsicht ihrer Offiziere.
Täglich fanden des Morgens und des Nachmittags
Paraden statt, nach deren Beendigung die jungen Leute
sich zu ihren Unterrichtsstunden in der Geschichte, der
Moral, der fremden Sprachen und anderen Wissen-
schaften, sowie zu den Übungen in den ritterlichen
Exerzitien, des Tanzens, Fechtens und Reitens zu be-
geben hatten5).
4) Um die Mittel zum Unterhalt des Korps der Grand Mous-
quetaires aufzubringen, geschah der seltsame Vorschlag: in Polen,
Litthauen und Kurland den Protestanten, den griechischen und
russischen Beligionsvervvandten, auch den Manisten, freie Religions-
ühung zu verstatten, unter der Bedingung, dafs ein jeder, sowohl
der Edelmann, wie der Bürger und Bauer, von 1000 Gulden Ver-
mögen jährlich 1 Gulden zur Kasse der Grands Mousquetaires ein-
zahle. Dagegen sollte auch Mchtkatholiken der Eintritt in das
Korps gestattet sein, jedoch nur zum vierten Teil.
5) In dem Projet concernant l'instraction de Messieurs les
Grands Mousquetaires du Roi war den Lehrern grofse Umsicht im
Verkehr mit den jungen Leuten zur Pflicht gemacht. Unter anderem
ist gesagt: ils prendront garde de ne point sortir de la gravi te, qui
leur convient dans les entretiens familiers et les liaisons d'amitie,
Neues Archiv* f. S. (J. u. A. XVI. 3. 4. ~1
',)•>■> kleinere Mitteilungen.
Abends nach dem Zapfenstreich, im Winter um
8 Uhr, im Sommer um 10 Uhr, muiste jeder Grand
Mousquetaire sich auf seinem Zimmer befinden und war
es streng verpönt, Tabak zu rauchen, um Geld zu spielen,
sich zu streiten und zu schlagen, oder anderen Unfug zu
treiben.
Ein Korporal und 5 Grands Mousquetaires bezogen
täglich die Estandarten- und Paukenwacht beim Kom-
mandanten des Korps. Das Exerzieren wurde fleiisig
geübt, und bei besonderen Gelegenheiten rückten die
Grands Mousquetaires nebst anderen Truppenteilen mit
aus, wie unter anderem bei der Feier des Erohnleich-
namsfestes zu Warschau im Jahre 1732. Auch nahmen
im Monat August die Grands Mousquetaires Teil an dem
Campement der polnischen Armee am Kaninchenberge
bei Czernichow0).
Wenige Monate nach diesem Campement verschied
zu Warschau König August IL, und die politischen
Wirren, welche infolge der neuen Königswahl eintraten,
führten allmählich zur Auflösung des Korps der Grands
Mousquetaires.
Nachdem ein grofser Teil derselben seine Entlassung
genommen hatte, liefs der am 5. Oktober als August III.
zum König von Polen erwählte Kurfürst Friedrich August
die wenigen übrig bleibenden Grands Mousquetaires nach
Dresden kommen; dieselben traten in die Verpflegung aus
der sächsischen Kriegskasse.
qu'ils pourraient conti acter avec eux. Und an anderer Stelle: les
Maitres auront soin de ne leur rien enseigner, qui ne tende ä les
editier et ä les instruire. Les grands exemples, les traits choisis de
l'histoire, les reflexions morales et autres belles maximes, qu'ils leur
citeront, concluront toujours ä leur reraettre devant les yeux, ce qu'ils
sont nes et consequeraent, ce qu'ils doivent au Roi, ä la Patrie et
ä eux memes. — Widerspenstigkeit der jungen Leute sollten die
Lehrer mit aller erdenklichen Geduld ertragen, ehe sie zu dem
Äußersten schritten, Klage bei den Vorgesetzten zu führen.
Die Grands Mousquetaires ihrerseits waren bei Strafe der
Cassation angewiesen, sich in den Stunden fleifsig und sittsam zu
erweisen und die Lehrer nicht zu beleidigen.
'') Zu diesem Campement, welches für die polnische Armee das
Pendant zu dem Zeiiliainer Campement bildete, waren die polnischen
Magnaten in grol'ser Anzahl als Gäste des Königs geladen.
Besonderes Interesse gewährten unter den vorgenommenen
Übungen die von neun polnischen Ulanenkompagnien ausgeführten
Exercices lanciers, nach deren Beendigung der König einen Offizier
und einen Reiter im Kürafs nach seinem Pavillon kommen liefs, um
dieselben den Anwesenden zu zeigen.
Kleinere Mitteilungen. 323
Nach dem Etat aus dem Anfange des Jahres 1734
gehörten damals zum Korps der Grands Mousquetaires:
der Kommandant: Generalmajor Fürst Lubomirski,
der Lieutenant: Obristlieutenant von Pirch, welcher im Februar
als Obristlieutenant zum Dragoner-Regiment Chevalier
de Saxe versetzt wurde,
der Adjutant: Obristlieutenant Vitzthum von Eckstädt, welcher
sodann zu den neu errichteten Chevauxlegers kam,
der Fähnrich: Major von Sacken,
2 Sergeanten: die Kapitäne Goluchowski und von Budberg,
1 Fahnenjunker: Kapitän Siemanowski,
4 Korporale; die Lieutenants Zbyewski, von Powisch, von
Buttler und Krzypanowski,
15 Grands Mousquetaires: fast durchgehends Deutsche und Kur-
länder (Medem, Korff, Sacken, Brincken, Vietinghoff etc.).
Binnen kurzer Frist rückten jedoch nach und nach
die noch vorhandenen Unteroffiziere und Grands Mous-
quetaires als Offiziere bei den Regimentern ein und in
einer Verordnung an das Geheime Kriegsrats-Kollegium
vom 24. Dezember 1735 ist von den Grands Mousquetaires
nur noch als von einem nicht mehr bestehenden Korps
die Rede, indem es daselbst heifst: dem Generalmajor
Fürsten Lubomirski sind diejenigen 150 Thaler monatlich,
ingleichen dem Major von Sacken diejenigen 40 Thaler
monatlich, welche sie bisher, wegen ihrer, bei dem ehe-
maligen Korps der Grands Mousquetaires gehabten Plätze
aus der General-Kriegskasse extraordinarie zu geniefsen
gehabt, fortzureichen und im Verpflegungs-Reglement des
Militäretats mit anzusetzen.
21*
Litteratur.
Codex diplomaticus Saxoniae regiae. Im Auftrage der Königl.
Sachs. Staatsregierung herausgegeben von Otto Posse und Hubert
Ermisch. Zweiter Haupttheil. X. Band. — Urkundenbach der
Stadt Leipzig. III. Band. Herausgegeben von Joseph Forste-
mann. Leipzig, Giesecke & Devrient. 1894. XII und 422 SS. 4°.
Den beiden ersten von dem im Jahre 1875 verstorbenen Archi-
var von Posern-Klett bearbeiteten, 1868 und 1870 erschienenen Bänden
des Leipziger Urkundenbuches, welche die Urkunden zur Geschichte
der Stadt und des Augustiner -Chorherrenstifts zu St. Thomas ent-
hielten, ist nunmehr nach 25 Jahren der sehnlichst erwartete ab-
schließende dritte Band gefolgt. Derselbe bringt die Urkunden der
drei noch ausstellenden Klöster, der Benediktiner-Nonnen zu St. Georg,
der Dominikaner zu St, Pauli und der Franziskaner (Barfüfser),
Nachträge zu allen drei Bänden sowie ein ausführliches Gesamt-
register zu denselben, und reiht sich seinen Vorläufern würdig an.
Der Herausgeber war durch seine amtliche Thätigkeit an der Uni-
versitätsbibliothek Jahre lang so in Anspruch genommen, dafs er
wenig Mufsestunden zur Ausführung dieser Arbeit fand; es kamen
aber auch noch andere Umstände hinzu, welche die Vollendung der-
selben verzögerten. Obwohl bereits Vorarbeiten für diesen Band von
der Hand des früheren Bearbeiters vorlagen, so stellte sich doch, da
inzwischen für den Codex dipl. Sax. neue (übrigens sehr nötige)
Editionsprinzipien aufgestellt worden wraren, die Notwendigkeit heraus,
die bereits vorhandenen Urkundenabschriften einer nochmaligen Ver-
gleichung mit den Originalen und Durcharbeitung zu unterziehen,
was sich bei dem damaligen verwahrlosten Zustande des Leipziger
Katsarchivs, aus dem das Meiste entnommen war, als höchst zeit-
raubend erwies. Einer weiteren langwierigen Arbeit unterzog sich
Förstemann , indem er die Einbanddeckel sämtlicher Handschriften
und zahlreicher alter Drucke der Universitätsbibliothek auf eingeklebte
Urkunden hin untersuchte, eine Mühe, die in der That durch manchen
wichtigen Fund belohnt wurde. Ganz besonders schwierig und mühe-
voll aber war die Anfertigung des Registers über alle drei Bände,
wodurch überhaupt das ganze Leipziger Urkundenbuch erst wirklich
nutzbar gemacht wird. Dasselbe umfafst nicht weniger als 100 eng-
gedruckte Quartseiten und ist mit einer erstaunlichen Sorgfalt und
bis ins Einzelnste gehenden Genauigkeit gemacht, so dafs wir es
getrost als Muster für alle später erscheinenden Bände des Codex
dipl. Sax. hinstellen können. Nur derjenige, welcher selbst in der
Lage war, einer ähnlichen Arbeit sich unterziehen zu müssen, ver-
Litteratnr. 325
mag die Bedeutung einer solchen Leistung mit dem richtigen Mafs-
stabe zu messen.
Von den im vorliegenden Bande mitgeteilten 400 Urkunden
war bisher nur etwa der zehnte Teil gedruckt; es ist also ein statt-
licher Prozentsatz völlig neuen Materiales geboten. Von weiter-
gehendem Interesse sind namentlich die hier abgedruckten Urkunden
zur Geschichte der Auflösung der drei Klöster nach der Einführung
der Reformation; auch über Tetzel und die Stellung des Herzogs
Georg ihm gegenüber finden sich bisher unbekannte Nachrichten
(No. 289 — 291). Dazu enthalten die Anmerkungen eine staunens-
werte Fülle von erläuternden und der Ergänzung dienenden Notizen
aus den Stadtrechnungen, der Universitätsmatrikel und anderen Quellen,
deren Beschaffung einen gewaltigen Aufwand von Fleifs zur Voraus-
setzung hat. Dafs No. 34 bereits in den Geschichtsblättern für Stadt
und Land Magdeburg (12, 31 f.) gedruckt ist, hat Förstemann über-
sehen; die Abschrift gehört auch nicht, wie angegeben, dem sech-
zehnten, sondern dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts an. Manche
Mitteilungen hätten wohl ohne Schaden und zum Nutzen der Über-
sichtlichkeit wesentlich kürzer gefafst werden können ; so hätte es
z. B. völlig genügt, wenn die Urkunden No. 209 — 211, deren Abdruck
2Va Seiten in Anspruch nimmt, in kurzen Regesten in der An-
merkung zu No. 205 aufgeführt wurden. Ebenso wäre manche nichts-
sagende, hier vollständig abgedruckte Formel besser ganz ausgelassen
worden. Im Regest zu No. 2 und 4 ist das urkundliche apnd Ra-
vennam und apud Veronam durch „bei Ravenna" und ,,bei Verona"
wiedergegeben worden, was leicht zu Mifsverständnissen führen kann
und mir nicht empfehlenswert erscheint. Der Gebrauch von apud in
der Datierungsformel ist sehr schwankend. Es ist nicht zu be-
streiten, dafs durch diese dem Ausstellungsort vorangesetzte Prä-
position vielfach ausdrücklich ein Schlofs oder Burg neben demselben
bezeichnet werden soll; so sind die apud Grimme datierten mark-
gräflichen Urkunden ohne Zweifel auf dem an die Stadt anstofsenden
Schlosse ausgestellt1). Doch wird oft, auch wo unzweifelhaft nur das
Schlofs in Frage kommt, der einfache Ortsname gesetzt, wie dies
ja auch heutiger Anschauung entspricht. Dafs apud indessen auch
vielfach nichts anderes als „in", „zu" bedeutet, dafür lassen sich
zahlreiche Beispiele anführen, unter denen wir ein besonders lehr-
reiches hervorheben wollen. Zahlreiche Urkunden Heinrichs des
Erlauchten sind ausgestellt apud Tarantum (abwechselnd mit Tarant
ohne Beisatz), worunter nur das Schlofs verstanden werden kann
(vergl. auch Cod. dipl. Sax. II, 12 No. 31: Datum apud castriun
nostrum Tharant), da es damals einen Ort Tharandt überhaupt noch
nicht gab. Vergl. im Übrigen auch Brinckmeier, Glossar, dipl. s. v.
apud. — Unter den Nachträgen zum ersten Bande wären auch Mit-
teilungen aus den älteren Stadtrechnungen, namentlich den Wachs-
tafeln erwünscht gewesen. Es bleibt also in dieser Hinsicht für
einen zweiten Band der von G. Wustmann herausgegebenen Quellen
zur Geschichte Leipzigs noch reicher Stoff übrig. Die unter No. 396
abgedruckte Willkür über die Gerade läfst sich noch genauer „vor
1395" datieren, da dieselbe in der Grimmaischen Willkür von 1395'
') Die Lage des innerhalb der Ringmauern befindlichen, aber
abseits von den übrigen Häusern der Stadt gelegenen Nonnen-
klosters wird bezeichnet apud civitatem Grimme, mehrfach sogar
prope Grimme.
326 Litteratur.
Februar 16 (jetzt neu gedruckt Cod. dipl. Sax. 11, 15 No. 60) an-
gezogen ist. — Im Vor hc rieht durfte bei der Anführung der be-
nutzten Ratsbücher ein Hinweis auf die ausführliche Beschreibung
derselben, welche Ermisch in dieser Zeitschrift X, 177 ff. gegeben
hat, nicht fehlen. Sehr zu bedauern ist. dafs dem Baude keine
Tafeln mit Abbildungen der Siegel der Konvente und Vorsteher der
drei Klöster beigegeben sind; auch Beschreibungen derselben fehlen
ganz. Bei dieser Gelegenheit hätte auch das im ersten Bande nicht
abgebildete kleine Stadtsiegel, welches sieb an einer Urkunde von
l:;."v4 (Orig. Hauptstaatsarchiv Dresden No. 335»), jetzt gedruckt Cod.
dipl. Sax. II, 15 No. 339) befindet, reproduziert werden müssen.
Zum Schlufs nun noch eine Bemerkung allgemeiner Natur. Der
vorliegende Band kostet im Buchhandel 20 Mark, die bisher er-
schienenen Bände des Codex dipl. Sax. reg., zusammen 416, 20 Mark.
Dies ist ein so hoher Preis, dafs nur grölsere Bibliotheken die An-
schaffung sich gestatten können. "Wenn ich seiner Zeit (Wissen-
schaftliche Beilage zur Leipziger Zeitung 1893 No. 10) den Mangel
an Interesse für sächsische Geschichte in unserem engeren Vater-
lande beklagt habe, so ist nicht zum geringsten Teile der Umstand
schuld, dafs dieses Werk wohl meist in den Schul- und Vereins-
bibliotheken fehlt, der Privatmann aber in der Regel nicht in der
Lage sich befindet, ein Kapital für eine Urkundensammlung auszu-
geben. Die scharfen, aber treffenden Bemerkungen Heinrich Wuttkes
über diesen Mifsstand (Schriften des Vereins für die Geschichte
Leipzigs 1 [1872], 104) haben noch heute volle Giltigkeit.
Dresden. Ludw. Schmidt.
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der sächsischen Landes-
kirche. Neun Vorträge in der Gehestiftung zu Dresden im Herbste
1893 gehalten von Prof. Dr. Georg Müller, Oberlehrer am Wet-
tiner Gymnasium zu Dresden. Mit Anmerkungen und Beilagen.
Erster Teil. (A. u. d. T. : Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte,
herausgegeben von Dibelius und Brieger. Neuntes Heft.) Leipzig,
Barth. 1894. 2 Bll. 272 SS. 8°.
Der Verfasser, der sich schon seit Jahren, wie auch diese Blätter
mehrfach bezeugen, mit sächsischer Kirchengeschichte beschäftigt
bat. war einer Aufforderung, in der zu Dresden bestehenden „Gehe-
stiftung" einen Cyklus von Vorträgen über „Verfassungs- und Ver-
waltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche" zu halten, um so
lieber nachgekommen, als er, und zwar mit Recht, hoffen durfte,
denjenigen seiner Zuhörer, welche irgend an der Verwaltung der
Kirche beteiligt seien, durch Darlegung von dem Entwicklungsgange
des gesamten sächsischen Kirchenwesens bis auf die Gegenwart
praktisch nützlich zu werden, in allen Zuhörern aber das kirchliche
Interesse anzuregen und zu fördern. Diese Vorträge, jedenfalls noch
erweitert und mit litterarischem Nachweis reich ausgestattet, werden
jetzt durch Abdruck in den „Beiträgen zur sächsischen Kirchen-
geschichte" auch noch einem grösseren Publikum zugänglich gemacht,
und zwar enthält das vorliegende Heft die ersten fünf jener neun
Vorträge.
In Vortrag II behandelt der Verfasser die Entstehung und all-
mähliche Entwicklung des „landesherrlichen Kirchenregi-
Litteratur. 327
ments" in Sachsen, welche vorbildlich geworden ist für die ge-
samte evangelische Kirche Deutschlands, da Sachsen ja die Wiege
der Reformation war. Anknüpfend an die schon im späteren Mittel-
alter sich geltend machenden Anschauungen, dafs die Landesherren
als „Notbischöfe" und als „die vornehmsten Glieder der Kirche" zu
betrachten seien, welche, als solche „das weltliche Schwert" zu
führen haben, hielten sich die Wettiner Fürsten, von den Reforma-
toren selbst dazu angefeuert, für verpflichtet, ihr Schutzrecht über
die Kirche in ihren Ländern dadurch zu üben, dafs sie bei der ab-
soluten Unthätigkeit der Bischöfe und des gesamten Klerus die
bessernde Hand selbst anlegten an die Schäden, an denen allgemein
zugestandener Weise die Kirche allenthalben litt. Die rechtliche
Begründung dieses landesherrlichen Einschreitens übernahmen die
theologisierenden Juristen und erörterten nun weitläufig die Vorzüge
des sogenannten „Episkopal-" oder „Territorial- und Kollegialsystems",
desgleichen das Recht der Fürsten circa Sacra oder auch in Sacra.
Jn Kursachsen ging die landesherrliche Kirchengewalt nach dem
Übertritt Augusts des Starken zum Katholizismus über auf „die in
evangelicis beauftragten Minister" und wurde je länger je mehr be-
einflufst auch durch die Landstände, welche für die finanziellen Be-
dürfnisse der Kirche mit aufzukommen hatten. — Auch in Betreff der
die Kirche verwaltenden „Behörden" (Vortrag III) knüpfte man
überall an die bestehenden Verhältnisse an, behielt fast überall die
bisherigen Parochien, ja sogar die ehemaligen erzpriesterlichen
Sprengel (sedes) bei, nur dafs in den letzteren die Aufsicht über den
Klerus und das kirchliche Wesen jetzt „Superintendenten" übertragen
wurde, die ihren Amtssitz an denjenigen Orten angewiesen erhielten,
wo sich auch die weltliche Verwaltung des „Amtmanns" befand.
Von dem Versuche, auch „Generalsuperintendenten" einzusetzen, sah
man alsbald wieder ab und schuf in den einzelnen Landesteilen
„Konsistorien", über welche später noch ein „Oberkonsistorium" ge-
stellt wurde. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts ging die Entschei-
dung wichtiger kirchlicher Angelegenheiten an die schon erwähnten
„in evangelicis beauftragten Minister", seit 1873 aber an „das evan-
gelische Landeskonsistorium" über. — Der uns zugemessene Raum
verhindert uns, auch auf die höchst interessanten Ausführungen des
IV. und V. Vortrags über die „Kirchenvisitationen und
Kirchenordnungen" und über alle die Veranstaltungen, welche
die Erhaltung des „unverfälschten Luthertums" zum Zwecke
hatten (Konkordienformel , Religionseid, Zensur), ausführlich ein-
zugehen.
Obgleich dem Verfasser für seine Darstellungen eine fast über-
reiche Litteratur zu Gebote stand, die er gewissenhaft benutzt hat,
so begnügte er sich doch keineswegs mit derselben, sondern bringt,
zumal aus den zahlreichen Aktenbänden des Dresdner Hauptstaats-
archivs, unendlich viel neues Material bei, durch welches bisher schon
Bekanntes vervollständigt und die einzelnen Mafsnahmen der Re-
gierung veranschaulicht, erläutert, gerechtfertigt werden. Hierbei
übt er die oft recht schwere Selbstbeschränkung, selbst von den
mühsam aufgefundenen neuen Thatsachen nur soviel mitzuteilen, als
zur Aufhellung bisher minder klarer Verhältnisse nötig ist. — Wir
freuen uns, seiner Zeit auch über die noch übrigen vier Vorträge be-
richten zu können.
Dresden. Hermann Knothe.
,ijs Litteratur.
Versuch einer Geschichte «1er Meil'snischen Lande in den ältesten
Zeiten. Von P. Frdr. Karl Reichardt. Beilage zum 52. Bericht
über das Kgl. Realgymnasium nebst Progymnasium zu Annaberg.
1895. 28 SS. 4°.
Reichardt hat sich die Aufgabe gestellt, über obigen hoch-
wichtigen Stoff die bisherigen zahlreichen Spezialforschungen kritisch
zusammenzufassen. Mit anerkennenswerter Vorsicht verneint er die
Frage nach keltischer und finnischer Urbevölkerung, wofür weder ernste
sprachliche Gründe, noch genügend erkennbare Sagenbeziehungen vor-
handen sind, und entscheidet sich (S. 4) nach den frühsten Gräber-
funden für Germanen. Es waren Hermunduren-, dafs sie aber an-
fangs östlich der Elbe aufgetreten wären, ist mir unsicher. Um
dies zu beweisen genügt nicht Reichardts Bemerkung, dafs, falls
die Elbe zwichen Semnonen (rechts) und Hermunduren (links) fliefse,
Velleius Paterculus „wahrscheinlich interfluit [statt praeterfluit: Albis
Semnonum Hermundurorumque fines praeterfluit] geschrieben haben
würde", weil das bei Tacitus so vorkomme (S. 5); sondern Keiehardt
hätte den negativen Beweis erbringen müssen, dafs „praeterfluere",
und zwar gerade in augusteischer Zeit, niemals „vorüberfliefsen" im
Sinne von „dazwischenhinfliefsen" bedeuten könne. Andernfalls wird
man die Annahme vorziehen müssen, dafs die Hermunduren auch
schon zu Augustus und Tiberius Zeit links der Elbe safsen, wo wir
sie in sonstigen Quellen linden; auch müfstc jene Westwärtsbewegung,
wenn sie durch den Cimbernvorstofs verursacht sein soll, wenigstens
im 1. .Jahrhundert vor Chr. erfolgt sein und wir würden nicht V, Jahr-
hunderte später, zu Velleius Zeiten, wie Reichardt meint, die Her-
munduren noch östlich der Elbe finden. Zu Kirchhofs Behauptung
über die völlige Identität der Hermunduren und Thüringer vergl
Zeitschr. d. Ver. f. Thüiing. Gesch. XII (1H841, 97 f., betreffs der Vor-
gänge im thüringischen Königshause vor dem Untergange des Reiches
ebenda XI (1883), 275 f., 286 f., und betreffs der Vernichtungsschlacht
bei Runibergun XV (1891), 337 f., bes. 379, 383 f. Reichardt handelt
dann über die Besitznahme und Besiedlung durch die Sorben, wobei er
sich gegen Schurz' Behauptungen und kühne Konstruktionen von einer
dichteren Besiedlung des Erzgebirges und Bergbaubetrieb durch die
Slaven erklärt (S. 16), da nach Heys Forschungen das Erzgebirge
nur dünne slavische Bevölkerung besafs. In gleicher Weise tritt er
auch der besonders von Platner vertretenen Ansicht entgegen (8. 20),
dafs unter den Slaven nicht unbeträchtliche Reste von Germanen
weiter bestanden; die aus wenigen geographischen Namen (Nimbschen,
Nehmitz s. v. a. -Siedlung der Deutschen, Hwerenofelda oder Guerena-
veldo, Miriquidui) beigebrachten Gründe gedingt es ihm auch mit grofser
Wahrscheinlichkeit zu widerlegen. In der Ansetzung des Hwerena-
felds (vergl. dazu auch noch Gröfsler, N. Mitth. aus dem Gebiete
hist.-antiquar. Forschungen XVI, 409) nicht auf das östliche Saale-
ufer, sondern auf das linke westliche (S. 2.'5), kann ich ihm nicht bei-
stimmen. Ob in dem Chron. Moissiacense („ipse [Karolus] movit
exercitum suum ultra Sala super Hwerenaveldo") das „super" be-
deutet „nach dem Hwer.. gegen das Hwer.", oder „über das Hwer.
hinaus", ist für die Lage gleich; jedenfalls kam in der Marsch-
richtung erst die Saale, dann Hwerenaveldo. Man darf also
nicht -- die Stellung, wie Reichardt, umdrehend — übersetzen: „er
führte sein Heer über Hwer. hinaus und über die Saale", sondern
„Über die Saale nach Hwer." (bez. über Hwer. hinaus). — Angenehm
Litteratur. 329
berühit es, dafs Reichardt, der fast durchweg mit vielumstrittenen
Fragen zu tliuu hat, in dem oft schroff sich widerstreitenden An-
sichtengewirr sich bestrebt hat, unbefangen prüfend sich ein Urteil
zu bilden und es auch in sachlicher, von Polemik möglichst freige-
haltener Weise zum Ausdruck zu bringen. Die Schrift kann also ihre
Bestimmung, einen zusammenfassenden Überblick zu geben, trotz
einiger in Einzelheiten zu machenden Ausstellungen recht wohl
erfüllen.
Dresden. W. Lippert.
Die Gefangennahme Herzog Heinrichs von Brnunsehweig durch
den schmalkaldischen Bund (1575). Von Dr. Erich Brandenburg.
Leipzig, Eock. 1894. 74 SS. 8°.
Verfasser, der an einer ausführlichen Biographie des Kurfürsten
Moritz arbeitet, hat sich gerade den braunschweigischen Feldzug
offenbar deshalb zur Vorstudie gewählt, weil derselbe sowohl für
den politischen Entwickelungsgang des Albertiners als auch für den
Verlauf des schmalkaldischen Krieges mafsgebende Bedeutung er-
langt hat. Der Sachverhalt ist ein ziemlich verwickelter und es ist
mir fraglich, ob das Dunkel überhaupt völlig aufgeklärt werden
kann, da es sich gröfstenteils um mündliche Verhandlungen, die erst
später und in verschiedenen stark von einander abweichenden Dar-
stellungen schriftlich fixiert wurden, und um eine so schwer erkenn-
bare Persönlichkeit wie Moritz handelt. Doch möchte ich mit dieser
mir durch die Beschaffenheit des Quellenmaterials aufgezwungenen
Reserve eher für Brandenburg als für die von ihm bekämpften Aus-
führungen Ifsleibs mich aussprechen. Aber bei aller Anerkennung
der klaren Darstellung und der logischen und vorsichtigen Scblufs-
folgerungen Brandenburgs halte ich sein herbes Urteil über Ifsleib
für ungerechtfertigt. Wenn letzterer sich zur Aufgabe macht, die
fast unübersehbaren Akten des Dresdner Archivs durchzuarbeiten
und die Gelehrten mit ihrem Inhalt vertraut zu machen, so finde ich
es ganz natürlich, dafs derartige Skizzen schwerfälliger und weit-
läufiger ausfallen als kritische Untersuchungen einzelner interessanter
Episoden. Aber damit ist noch lange nicht gesagt, dafs solche
Studien „nur eine Aneinanderreihung von Exzerpten, aber keine
Untersuchung" sind, dafs sie „eine eingehende kritische Durch-
arbeitung ganz vermissen lassen/' Wenn ifsleibs Arbeiten wirklich
so vollkommen dieser letzteren Eigenschaft entbehrten, so würden
sie nicht für den Geschichtsforscher jener Periode die wertvolle ur-
kundliche Grundlage bilden, als welche sie wohl allgemein anerkannt
werden; denn dann würde es bei der grofsen Masse der handschrift-
lichen Schätze nicht möglich gewesen sein, derartig wesentliches von
unwesentlichem zu scheiden.
Der Hauptunterschied zwischen Ifsleib und Brandenburg ist
folgender: Nach ersterem erscheint Moritz als das willenlose Werk-
zeug Philipps von Hessen, welcher den Herzog von Braunschweig
während des noch unentschiedenen Kampfes in sein Lager gelockt
und dort gefangen genommen hat. Diese Annahme stützt sich auf
einen offiziellen sächsischen Bericht, in welchem Moritz den Land-
grafen von Hessen zur Freilassung Heinrichs auffordert, weil er in
den der Gefangennahme vorausgehenden Verhandlungen dem Braun-
330 Litteratur.
Schweiger mit Philipps Ermächtigung ein besseres Schicksal in Aus-
sicht gestellt, habe. Demgegenüber weist Brandenhurg darauf hin,
dafs die betreffende Stelle dieses Aktenstücks erst nachträglich hinein-
korrigiert und absichtlich unklar gehalten ist, und dais der ganze
Bericht nicht so grofse Glaubwürdigkeit verdient, wie zwei parallele
hessische 1 »arstellungen.
Der Sachverhalt stellt sich nach Brandenburgs Ausführungen,
die sich auf eine kritische Erörterung aller vorliegenden (Quellen
aufbauen, folgendermaßen: Nach dem Rücktritt des älteren Karlowitz
batte die Politik des jungen Sachsenherzogs einen schwankenden
Charakter angenommen. In der Meinung, dafs Herzog Heinrich den
Krieg in Feindesland tragen und nach Hessen einfallen würde, ver-
sprach Moritz seinem Schwiegervater Beistand gegen etwaige An-
griffe und zog anfang Oktober mit einem Heerhaufen nach Thüringen.
Wider Erwarten der Gegner hatte jedoch Heinrich sich auf die
Wiedereinnahme seines Stammlandes beschränkt, so dafs Moritz sich
vor die Alternative gestellt sah, entweder umzukehren oder als
Alliierter des schmalkaldischen Bundes gegen den Braunschweiger,
mit dem er bisher nicht die mindeste Differenz gehabt, zu fechten.
In dieser unangenehmen Lage verfiel er auf die Idee, zwischen den
streitenden Parteien eine Vermittelung zu versuchen. Heinrich, sich
seiner schwierigen militärischen und finanziellen Lage bewufst, war
zum Vergleich bereit, Philipp, der überdies vom schmalkaldischen
Bunde hierzu nicht ermächtigt war, prinzipiell zum Kampfe ent-
schlossen, jedoch mit Rücksicht auf Moritz geneigt, statt eine An-
näherung abzulehnen, dem Braunschweiger unannehmbare Offerten
zu machen; besonders verlangte der Landgraf, dafs sich Heinrich
seinem Schwiegersohn als Gefangener stellen sollte. Obgleich Moritz
die Ansieht Philipps kannte, täuschte er Heinrieh über die wahre
Sachlage hinweg; er schwächte die gestellten Friedensbedingungen
zum Teil ab und schilderte Philipp als zur Verständigung geneigt.
Anfänglich erhielt Moritz dadurch etwas Luft, dafs Heinrich auch
diese modifizierten Forderungen ablehnte. Als dessen Obersten aber
auf der Annahme der Bedingungen bestanden, berichtete Moritz im
persönlichen Gespräche dem Braunschweiger, dafs jetzt Philipp nicht
mehr bei seinen früheren Wünschen stehen bleibe, sondern Heinrichs
Ergebung verlange. Als er ihm Philipps Forderung als harmlos
hinstellte und seine Verwendung für Heinrich versprach, lief« sich
der Braunschweiger überreden, in das Bundeslager mit Moritz hinüber-
zureiten.
I >as ist ungefähr der Inhalt der Ausführungen Brandenburgs.
Hiernach wäre Moritz nicht der Betrogene, sondern der Betrüger
gewesen; seine Haltung wäre seiner unsicheren Lage entsprungen
und diese wieder hätte in der Halbheit und Unsicherheit seines
Standpunktes sowie in der noch mangelnden politischen Reife ihre
Ursache gehabt. Diese Charakterisierung des Herzogs Moritz ist
keineswegs einwandfrei. Zunächst ist das unbestimmte, schwankende,
nach beiden Seiten spähende Wesen ein Zug, der durchaus nicht bloß
in der Jugend des Herzogs, sondern in hohem Mafse auch in seiner
späteren Laufbahn hervortritt, und gerade diese Eigenschaft macht
sowohl in den letzten Jahren als auch in der vorliegenden Frage
die Erörterung der letzten Ziele des Albertiners so schwierig.
Dann aber scheint mir die Situation, in welche sieh Moritz durch
seinen Zu:;' nach Thüringen begeben hatte, durchaus nicht so prekär
gewesen zu sein, dafs er nur mit Hilfe solcher Kunstgriffe sich
Litteratur. 331
herauszuwinden genötigt war; wenn er fest entschlossen gewesen
wäre, sich auf die Verteidigung hessischen Gebiets zu beschränken,
so wäre es auch einem minder geschickten Diplomaten gelungen, sich
in der öffentlichen Meinung reinzuwaschen. Viel natürlicher ist die
Annahme, dafs Moritz durch seine anfängliche Beteiligung und dann
durch seine Vermittelungsversuche das Spiel in die Hand bekommen
und sich beide Parteien verpflichten wollte, um je nach der Ent-
wicklung der Dinge sich auf diese oder jene Seite zu schlagen.
Dabei deuten einige Anzeichen darauf hin, dafs Moritz gehofft hat,
bei dieser Gelegenheit den Landgrafen von Hessen mit dem schnial-
kaldischen Bunde, besonders dem Kurfürsten Johann Friedrich, zu
entzweien. Durch ein solches Motiv würde sich wenigstens die sub-
tile Unterscheidung zwischen Philipp, dem Mitglied der Erbeinung,
und Philipp dem Bundesfeldherrn viel besser erklären lassen,
als durch die von Brandenburg angenommene politische Naive-
tät des Sachsenherzogs, welche, man mag über Moritz' Begabung
urteilen wie man will, sonst nicht gerade als eiue Eigenschaft dieses
Mannes zu bezeichnen ist.
Freiburg i. B. Gustav Wolf.
Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und
des dreißigjährigen Krieges (1555—1648). Von Moriz Ritter.
2. Band: 1586— 1618. Stuttgart, Cotta, 1895. X und 482 SS. 8".
Mit dem zweiten Teile seiner Deutschen Geschichte ist Ritter an
die Schwelle des grofsen Krieges gelangt, und so haben wir zum
ersten Male aus der Feder eines unserer tüchtigsten Reformations-
historiker in zwei mäfsig starken Bänden eine knappe zusammen-
fassende Darstellung eines bisher äufserst stiefmütterlich behandelten
Zeitraums erhalten. Und doch ist es nicht die glückliche Kodifikation
des in zahlreichen Monographieen verstreuten Stoffes, was die
Hauptbedeutung des Werkes ausmacht; vielmehr wünschen und hoffen
wir, dafs Ritters Deutsche Geschichte eine vielseitigere und vertieftere
Auffassung der damaligen Persönlichkeiten und Verhältnisse zur
Folge haben wird.
Die Entwicklung, welche die Geschichtsschreibung der deutschen
Gegenreformation in den letzten 60 Jahren genommen hat, ist einer
gerechten Verteilung von Licht und Schatten, einer genügenden
gleichmäfsigen Würdigung aller in Betracht kommender Faktoren
ungünstig gewesen. Als Ranke seine Abhandlung „Zur Deutschen
Geschichte" schrieb, teilte er die Zeit zwischen dem Augsburger
Religionsfrieden und dem dreifsigj ährigen Kriege in zwei nur lose
zusammenhängende Abschnitte „Über die Zeiten Ferdinands 1. und
Maximilians IL" und „Von der Wahl Rudolfs IL bis zur Wahl
Ferdinands IL"; in jenem legte er das Hauptgewicht auf die nach
dem Augsburger Religionsfrieden eingetretene Beruhigung Deutsch-
lands, schilderte die persönlichen Beziehungen der Fürsten, insbesondere
Ferdinands, und hob hervor, wie die Österreicher Katholiken und
Protestanten zur Erfüllung gemeinschaftlicher Aufgaben zu einen
suchten; im zweiten Teile dagegen zeigte Ranke an der Hand der
einzelnen Reichstage die erneute Zuspitzung der konfessionellen
Gegensätze und zuletzt die Vorbereitung des grofsen Entscheidungs-
kampfes. Man hätte erwarten dürfen, dafs die späteren Historiker
332 Litteratur.
auf Grund der deutschen Archive Rankes Ansichten weiter ausgebaut,
dafs sie die irenischen Tendenzen der Habsburger und der konser-
vativen Elemente weiter verfolgt, dafs sie ihre Hindernisse und ihre
erst wachsenden und dann immer unbefriedigenderen Resultate in den
Kreis ihrer Forschungen gezogen hätten. Aber leider haben sie einen
anderen Weg eingeschlagen und teils infolge ihres persönlichen Stand-
punktes, teils wegen ihrer archivalischen Unterlagen vielfach Leute
und Dinge in den Vordergrund gerückt, die hinter den wirklich
maisgebenden an praktischer Bedeutung weit zurückstanden, ob-
gleich sie vielleicht menschlich ein gröfseres Interesse einzuflößen
vermochten.
Wie einseitig die handschriftlichen Quellen benutzt worden sind,
lehrt ein flüchtiger Überblick über die Verwertung der wichtigsten
Archive. Der Vatikan ist erst seit kurzer Zeit zugänglich und kommt
für uns nicht in Betracht. Das Wiener Archiv ist von Bucholtz für
die Zeit Ferdinands I. nur sehr unvollkommen, für die spätere Zeit
in umfassenderen Werken fast noch gar nicht ausgebeutet; dabei ist
bisher so gut wie unberücksichtigt geblieben, dafs auch andere öster-
reichische Archive, wie Graz, Innsbruck etc., noch wertvolles Material
bergen dürften... Erst mit Matthias setzen dann wieder Gindelys
Arbeiten ein. Über das Schicksal der Akten der geistlichen Kur-
fürsten wissen wir noch zu wenig, als dafs ich sie hier genauer in
Betracht ziehen dürfte; jedenfalls sind sie auch da, wo sie gut er-
halten sind, fast gar nicht benutzt. Ebenso mangelt es an einer
auch nur einigermafsen intensiven Verarbeitung der anderen geist-
lichen Archivalien, obgleich einige Bischofskanzleien, wie die von
\Yiirzburg, Bamberg etc., gut erhalten sein dürften. Was die welt-
lichen katholischen Fürsten betrifft, so klafft uns in der Ausnutzung
der bairischen Akten eine grofse Lücke entgegen; Druffel schliefst
mit 1555 und Stieves Arbeiten setzen erst mit dem letzten Dezennium
des Jahrhunderts ein. Auch die Korrespondenz des bekannten Herzogs
Heinrich von Braunschweig liegt noch brach. Von den Akten der
weltlichen Kurfürsten sind bisher nur die pfälzischen systematisch
verwertet; in Dresden und Berlin liegen eine unübersehbare Masse
sächsischer und brandenburgischer Briefe, aber ihre bisherige Ver-
wertung ist gleich Null. Aus der Reihe der vielen protestantischen
Fürstentümer haben nur zwei eine eingehendere Berücksichtigung
erfahren: das Stuttgarter Archiv ist — überdies höchst mangelhaft —
von Kugler in seiner Biographie Herzog Christofs und das Mar-
burger gleichfalls nur oberflächlich von Neudecker und Heppe heran-
gezogen worden. Bndlich die reichsstädtischen Schätze, unter denen
namentlich die Frankfurter, Strafeburger, Nürnberger und Augs-
liurgcr reiche Aufschlüsse geben könnten, sind bisher fast ganz
vernachlässigt.
Aus dieser kurzen Übersicht geht hervor, dafs unsere heutigen
Anschauungen hauptsächlich auf den kurpfälzischen, hessischen und
württembergischen Akten beruhen, während für den gröfsten Teil der
Gegenreformation bis vor ganz kurzer Zeit sowohl die katholischen
als auch die Korrespondenzen der kursächsischen Partei nur in klei-
neren Monographieen und ergänzungsweise, niemals aber systematisch
in gröfeeren Werken verwendet worden sind. Diese Thatsache hat
für die Beurteilung der ganzen Periode zwei wichtige Folgen gehabt.
Erstens hal man sich, da in den pfälzischen und hessischen Briefen
immer die Furcht vor katholischen Angriffen und die Notwendigkeit
Litteratur. 333
einer geschlossenen protestantischen Unionspolitik geäussert wird,
mehr und mehr daran gewöhnt, die Gegenreformation als einen ein-
heitlichen Abschnitt, als die Vorbereitung des dreißigjährigen Krieges
aufzufassen. Zweitens aber wird gegenwärtig die pfälzische Politik
ganz allgemein zu günstig beurteilt, während die brandenburgisch-
sächsische, deren positive Ziele infolge der mangelhaften Benutzung
der betreffenden Quellen nicht genügend gewürdigt werden, deren
negative Abneigung gegen eine umfassende protestantische Aktion
aber aus den pfälzisch -hessischen Briefen auf Schritt und Tritt
hervorgeht, für eine schwächliche, engherzige, den allgemein evange-
lischen Interessen nicht entsprechende gilt.
Niemand wird erwarten, dafs dieser Zustand durch Ritters Werk
mit einem Schlage geändert worden ist weder nach der Seite der
Quellenbenutzung, noch nach der einer veränderten Auffassung, welche
sich erst aus einem intensiveren Studium der sächsischen, branden-
burgischen u. a. Akten ergeben müfste; insbesondere hält Ritter, wie
namentlich aus den ersten Zeilen des zweiten Bandes hervorgeht, an
der Einheitlichkeit der Gegenreformation fest. Aber er hat doch
nach beiden erwähnten Richtungen eine Umkehr angebahnt, welche,
wenn der neue Weg weiter verfolgt wird, allmählich zu einem Wechsel
der Ansichten und zu der von uns oben vermifsten Weiterverfolgung
der Rankeschen Gesichtspunkte führen dürfte.
Zunächst hat Ritter, obgleich er die weit verzweigte gedruckte
Litteratur wie kaum ein anderer beherrscht und in ausgedehntem
Mafse heranzog, es doch für nötig gehalten, archivalische Forschungen
anzustellen. Selbstverständlich konnten dieselben bei einem zusammen-
fassenden Werke nicht den Umfang annehmen, wie bei Monographieen
oder Publikationen, aber sie gewähren doch künftigen Forschern
manche wertvolle Hinweise und sie kommen namentlich jener bisher
arg vernachlässigten sächsisch - brandenburgischen Gruppe zu gute.
Ferner aber, was das Hauptverdienst des Werkes ist, bemüht sich
Ritter unbefangener als sein Vorgänger die verschiedenen Parteien
und Verhältnisse zu würdigen, sie mehr wie früher aus sich selbst
heraus zu erklären und nicht nach später eingetretenen, damals jedoch
nicht vorauszusehenden Ereignissen zu beurteilen.
Das Bild, welches sich aus Ritters Deutscher Geschichte nun-
mehr ergiebt, ist dieses : Die frühere Auffassung, dafs vom Abschlufs
des Religionsfriedens an bis zum Kriegsausbruch die Gegensätze sich
immer mehr zugespitzt hätten, dafs also die historische Entwicklung
der Verhältnisse eine einheitliche gewesen sei, mufs aufgegeben
werden. Wenn Ritter aus seinen neuen Forschungen eine derartige
Konsequenz noch nicht zieht, so drängt sie sich doch jedem unbe-
fangenen Leser seines Werkes von selbst auf. Diese Sachlage tritt
bereits in den Persönlichkeiten und Richtungen zu Tage, welche sich
in der für die Reichspolitik mafsgebenden Stellung ablösen. In den
ersten Jahrzehnten nach 1555 steht Kurfürst August von Sachsen
im Vordergrunde der deutschen Fürsten. Wie er seine Autorität
geltend machte, habe ich bereits bei der Besprechung des ersten
Bandes von Ritters Geschichte hervorgehoben-, sein Ziel war: den
Gang der komplizierten Reichsmaschine vor jeden Störungen zu
sichern, die konfessionellen Konflikte zu vermeiden, ein Zusammen-
gehen von Katholiken und Protestanten in politischen Dingen zu
ermöglichen. Aus Ritters Darstellung ersieht man, wie grofse Er-
folge diese Anschauungsweise, welcher sich die Kaiser Ferdinand
und Maximilian, Kurfürst Daniel von Mainz und so viele andere
334 Litter atnr.
angesehene Männer anschlössen, erzielt hat. Bis zum Jahre 1576
wurde die Behandlung der weltlichen Fragen immer sachlicher, mehr
und mehr traten auf den Reichstagen die erregten religiösen Dehatten
zurück. War es nach der Entwicklung dieser zwanzig Jahre nicht
möglich, dafs die religiösen Gegensätze noch weiter abgeschwächt
wurden, dafs auch die strittigen Bestimmungen des Augsburger
Religionsfriedens bei dem starken Übergewicht der ruhebedürftigen
konservativen Elemente erledigt wurden je nach Sachlage der ein-
zelnen konkreten Fälle? Jedenfalls fehlte es damals nicht an Staats-
männern, welche einen derartigen Verlauf erwarteten und gerade
diese Perspektive hat die Abneigung der kursächsischen Partei gegen
die pfälzisch-hessische Unionspolitik beeinflufst.
Da, mit dem Ende Maximilians IL tritt ein plötzlicher Um-
schwung ein; an die Stelle der bisher wahrnehmbaren Einschläferung
der kirchlichen Gegensätze tritt eine erneute Verschärfung. Von jetzt
ab treibt die Entwicklung unaufhörlich der Auflösung der Reichs-
verfassung und einer kriegerischen Auseinandersetzung der wider-
sprechenden Ansichten und Bedürfnisse zu. War früher Kursachsen
das Zünglein an der Waage gewesen, so sehen wir jetzt die fried-
liche Mittelpartei immer schwächer und ohnmächtiger werden; die
Unionspolitik der Pfälzer macht auch in den Reihen derer Propaganda,
denen unmittelbar nach dem Religionsfrieden Neigung und Interessen
ihre Stellung im kursächsischen Lager angewiesen hätten; unter
Krells Leitung lenkte sogar der Kurstaat selbst vorübergehend in
das Fahrwasser der Entschiedenen ein. Die Beschwichtigungsver-
suche des Kurfürsten Scbweikhard von Mainz und des Bischofs
Klesl erscheinen als vergebliche Anstrengungen, gegen den Strom
zu schwimmen. An die Stelle der Dresdner Politiker treten jetzt
andere Protagonisten, die Pfälzer und ihre Gesinnungsgenossen
einerseits, Ferdinand IL und Maximilian von Baiern andererseits,
die durch die wachsende Spannung immer mehr erforderten Männer
der That.
Konnte früher die Antipathie der Dresdner Politiker gegen eine
entschiedene protestantische Aktion ihre Rechtfertigung im allgemeinen
Ruhebedürfnis, im gesättigten und gesicherten Zustande des Kur-
staates und in der fortdauernden Abnahme der konfessionellen Span-
nung finden, so wurde die der Bequemlichkeit, Ängstlichkeit und
Tradition entspringende Fortsetzung dieses Verhaltens den ver-
änderten Umständen wenig gerecht. Es war für den deutschen
Protestantismus verhängnisvoll, dafs gerade gleichzeitig mit denselben
der Sturz Crackows erfolgte und die neuen Minister schon infolge
ihres Gegensatzes zu den Kryptokalvinisten und den reformierten
l'lilzern nmsomehr an der Freundschaft mit dem Kaiserhofe und den
angesehenen katholischen Reichsfürsten festhalten mufsten. Diese
Rücksicht verschuldete in der Magdeburger, Kölner, Strafsburger und
anderen Fragen Niederlagen des Protestantismus, welche in Sachsen
aus politischen Gründen, zumal aus Eifersucht gegen das Branden-
burgisehe Kurhaus, nicht als solche empfunden wurden, infolge der
gesteigerten Gefahr einer katholischen Reaktion jedoch auch für die
AI bertiner durchaus nicht gleichgiltig waren; denn auch für diese
drohten hinsichtlich der Stifter Naumburg, Merseburg und MeiJsen
bei etwaigen Fortschritten der Katholiken territoriale Einbufsen.
lütter scheut vor einer scharfen Kritik der späteren kursäch-
sischen Staatsmänner nicht zurück; den Administrator Friedrich
Wilhelm nennt er „unselbständig", den Systemwechsel gegenüber der
Litter atür. 335
vorausgehenden Aera Krell einen „brutalen", der neuen Regierung
spricht er die Kraft ab, „in den grofsen Konflikten der Zeit die
eigenen Interessen zu fördern und gelegentlich die streitenden Par-
teien von Extremen zurückzuhalten." Christian IL bezeichnet er als
„einen Landesherrn, der in den Geschäften noch um einen Grad un-
selbständiger war als sein Vater", dessen Theologen und Staats-
männern die Feindschaft gegen den Kalvinismus gemeinsam war;
Johann Georg wird als seinem Bruder geistesverwandt geschildert.
In der That der Mangel an Initiative und die Unselbständigkeit ist
ein den späteren sächsischen Kegenten und Staatsmännern anhaftender
Charakterzug. Kurfürst August hatte es nicht nur verstanden, sein
Land zu reorganisieren und die Finanzen zu ordnen, sondern auch
in der Reichspolitik bis an sein Ende das Gewicht seiner Persönlich-
keit in die "Wagschale zu werfen; wie hatte er 1575 durch sein Auf-
treten die Wahl Rudolfs IL gesichert, 1576 stürmischen Szenen auf
dem Reichstage vorgebeugt, 1582 gelegentlich des Magdeburger
Sessionsstreits eine ausschlaggebende Rolle gespielt! Gewifs, die
Verschärfung der konfessionellen Gegensätze, das immer radikalere
Hervorkehren der beiderseitigen Extreme hätte auch bei einem
längeren Leben Augusts die Bedeutung seines Vermittleramts und
damit das kursächsische Ansehen gemindert. Aber das bezeichnende
für die Nachfolger war, dafs sie nicht einmal den Versuch machten,
ernstlich in die Fufstapfen Augusts zu treten. Und doch hätten sie,
wenn sie nicht den veränderten Zeitinteressen Rechnung tragen und
Arm in Arm mit den Pfälzern den Anhängern der alten Lehre
rücksichtslos entgegentreten wollten, desto energischer für einen
friedlichen Ausgleich sich bemühen müssen ! Doch von einem solchen
eigenen Bestreben, der Verschärfung der Konflikte vorzubeugen, war
nicht die Rede; man liefs sich bald nach der einen, bald nach der
anderen Seite ziehen und verdarb auf diese Weise einmal die Erfolge,
welche ein geschlossenes Auftreten der Protestanten hätte erzielen
können, das andere Mal die vonFremden ausgehenden Beschwichtigungs-
versuche. Durch die Schuld Friedrich Wilhelms trennten sich 1594
die Protestanten offen in zwei Parteien und untergruben damit ihre
bei den Gegnern gewahrte Autorität; als dagegen 1601 die pfälzische
Partei dem Deputationstage nicht mehr beiwohnen wollte und damit
ein letztes Mittel der "Wiederherstellung des gestörten Reichsprozefs-
rechts von der Hand wies, mufsten die Katholiken in die Sprengung
der ganzen Institution willigen, weil sie nicht einmal von Kursachsen
eine Weiterführung der Geschäfte erwarten durften. Noch eklatanter
trat die Halbheit und Unsicherheit der Kursachsen auf dem Reichs-
tage von 1608 hervor; erst schlössen sie sich der Weigerung der
Pfälzer, an weiteren Verhandlungen teilzunehmen, nicht an und dann
wollten sie doch nicht mit den Katholiken allein die Beratungen
fortsetzen, als die Pfälzer bei ihrer Abstinenz beharrten. Demselben
Schwanken begegnen wir im Jülicher Erbfolgestreit und bei der Wahl
Ferdinands IL, gegen welche Johann Georg, sei es, dafs er sich von
rein protestantischen Gesichtspunkten, sei es, dafs er vom Wunsche
nach möglichster Erhaltung des Friedens leiten liefs, sehr entschieden
hätte Stellung nehmen müssen.
Das Schlufsurteil über die Politik Friedrich Wilhelms, Christians IL
und Johann Georgs I. kann kein anderes sein, als dafs sie durch ihr
Verhalten den Ausbruch des dreifsigj ährigen Krieges beschleunigt
haben. Einerseits haben sie durch ihren schroffen Gegensatz zu den
Pfälzern die Kluft innerhalb des deutschen Protestantismus erweitert
336 Litteratur.
und dadurch die Anhänger der alten Lehre zu immer kühneren An-
sprüchen und bestimmterem Auftreten ermuntert. Andererseits haben
sie es an jener positiven Bethätigung ihrer auf Ausgleich und Ver-
mittelnng gerichteten Wünsche fehlen lassen und durch diesen Mangel
die wachsende Verschärfung der Gegensätze verschuldet.
Freiburg i. Br. Gustav Wolf.
Zur Biographie von Christian Thomasius, Festschrift zur zweiten
Säkularfeier dei-Friedrichs-Universität zu Halle. Von Prof. Dr. Ernst
Landsberg. Bonn, Friedrich Cohen. 1894. 36 SS. 4°.
Der eigentliche Gründer der Halle'schen Universität, Christian
Thomasius, hat in der vorliegenden Schrift endlich aus dem K. S.
Hauptstaatsarchive die Würdigung gefunden, die ihm schon in
der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft X (1890),
440 f. gewünscht worden war. Der Verfasser rühmt zunächst, dafs
ihn eine „sorgfältig zusammengestellte Katalognotiz, welche alle
auf Thomasius bezüglichen Akten nach Standort und Folio angab,
gefördert" hat. „Es blieb mir'', fügt er hinzu, ..nur übrig, aufzu-
schlagen tind auszubeuten." Mit Thomasius' Flucht aus Leipzig
(LS. März 1690) zog „die geistige wie gleichzeitig die politische
Suprematie über Norddeutschland von Kursachsen nach Kurbranden-
burg". Dieses gewichtige Wort eröffnet die Abhandlung. Ihr Ver-
fasser, Rechtsprofessor in Bonn, ist schon durch die Fortsetzung der
von Stintzing'schen Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft
vorteilhaft bekannt. — Die vorliegende Schrift zerfällt in folgende
Abschnitte: 1. Erste Anstellungsversuche im Leipziger ßchöppenstuhl,
>. Verfahren gegen Thomasius bis zum 10. März lti90, 3. der Haft-
befehl (der schwerlich ergangen ist; Thomasius sogenannte Flucht
war vielmehr nur ein allerdings wohl aufgenötigter Wegzug), 4. die
Aufnahme in Brandenburg, 5. weitere Verfolgung in Kursachsen,
(i. der Umschwung, Berufungen nach Leipzig (hier wären die in der
Zeitschrift für Geschichte und Politik V [1888], 642f. über die Cossell
gemachten Mitteilungen zu berühren gewesen) und 7. Briefwechsel
mit dem Herzoge zu Zeitz.
Ein Anhang giebt schließlich die „Tabelle der Briefe zwischen
Herzog Moritz Wilhelm und Thomasius".
Nach einem neuen Funde (K. S. I lauptstaatsarehiv Loc. 800) Ge-
dichte etc. nenne ich dem verdienstvollen Verfasser noch ein Kuriosum,
das meines Erachtens von Thomasius' Hand herrührt: „Compromiss
und darauf eingeholtes Urtel in puncto einer streitigen Schmiedeesse,
über der Tafel bei der Schmied- Augspurgischen Brautsuppe in Weifsen-
fels, den 10. September 1679 eröffnet." Wie ich aus dem Kirchenbuche
zu Weilsenfeis erfahren habe, wurde tags zuvor Philipp Adolf Schmidt,
fürstl. sächs.-magdeb. Amtsvogt, mit Jungfrau Euphrosyne Elisabeth,
weil. Angspurgers gewesenen fürstl. sächs.-magdeb. Amtsvogts hinter-
lassenen Tochter, getraut. — Neuerdings sind mir ferner noch Schreiben
von Thomasius aus dem Jahre 1709, betreffend das Hans seiner Frau
am Markte in Leipzig (ebendaselbst Loc. 2264 Peter Eohmanns Haus-
bau betr.) vorgekommen.
Dresden. Theodor Distel.
Litteratur. 337
Geschichte der Obcrlausitzer Sechsstadt Löbau bis zur Teilung
Sachsens 1815. Von Alwin Bergmann. Bischofswerda. (In Kom-
mission von E. Oliva in Löbau.) 1895. 3 Ell. 199 SS. 8°.
Während es über die Geschichte der übrigen Sechsstädte der
Oberlausitz längst schon gedruckte Werke, freilich von mehr oder
minder wissenschaftlichem Werte, giebt, hatte Löbau eine eigene
Stadtgeschichte noch nicht • aufzuweisen. Diesem für die Freunde
Oberlausitzer Geschichtswissenschaft oftmals fühlbaren Mangel wird
durch das vorliegende Buch in durchaus gründlicher und den An-
forderungen der Gegenwart entsprechender Weise abgeholfen. Mancher-
lei Vorarbeiten, wie das „Urkundenbuch der Stadt Löbau", „Die
Dörfer des Weichbilds Löbau", „Das Franziskanerkloster zu Löbau",
und der Umstand, dafs sich gegenwärtig das gesamte Stadtarchiv
von Löbau als Depositum im Hauptstaatsarchiv zu Dresden befindet,
haben dem in Dresden lebenden Verfasser seine Arbeit vielfach er-
leichtert. Aber auch aus weiteren ungedruckten Quellen, dem Gerichts-
archive, den Ratsrechnungen und Bügebüchern, auch Chroniken und
Annalen von Löbau hat derselbe, zumal für die inneren Verhältnisse
der Stadt, viel neues Material beigebracht, sowie die Litteratur über
die Geschichte der Oberlausitz gewissenhaft benutzt. Wir hätten
gewünscht, dafs er sich über all diese Verhältnisse in dem überdies
nur ganz kurzen „Vorwort" im Zusammenhang verbreitet hätte. Er
behandelt den reichhaltigen Stoff in XI Abschnitten, nämlich die
Aussetzung der Stadt, die Verfassung und Verwaltung derselben
nebst ihren verschiedenen Privilegien und Willküren, Beamten und
Handwerken, ferner die Rechtspflege in der Stadt und auf den
zahlreichen Weichbildsdörfern, die Drangsale in den Hussiten-
kriegen, das Kircheiiwesen in der Stadt selbst und auf deren
Filialen nebst den einzelnen Geistlichen, das Franziskanerkloster,
den Pönfall, soweit Löbau von ihm betroffen ward, das Schulwesen,
sowohl zur Zeit der früheren Stadtschule als des späteren Lyceums,
das gewerbliche Leben, endlich die Schicksale im 30jährigen und
in den späteren Kriegen bis 1815. Den Schlufs bilden neun, wenn
auch zum Teil schon bekannte, doch noch nicht gedruckte Ur-
kunden. — Wir freuen uns der Schrift als einer fleifsigen und
den Stoff erschöpfenden Arbeit.
Wir tragen den darin aufgeführten Geistlichen aus vor-
reformatorischer Zeit noch einige nach. 1407 den 6. Juli erhielt
Magister Johannes Naz, utriusque juris doctor, olim plebanus
ecclesiae in Lubawia Misnensis diocesis, der mit einem gewissen
Petrus aus Görlitz seine Stelle vertauscht hatte, von der erzbischöf-
lichen Behörde zu Prag das Anstelluugsdekret zu dem Altare der
Apostel Petrus und Paulus in der neuen Kirche des Leichnams Christi
und der heil. Barbara in Montibus Chutni, d. h. zu Kuttenberg (Emier,
Lib. confirm. Prag. VI, 225). — 1512 wird Georg Lob be als „Altarist
an der Kapelle der heil. Jungfrau aufserhalb der Stadtmauern" von
Löbau erwähnt (Giesing, Gesch. der Stadtbibliothek zu Löbau, Pro-
gramm vom Jahre 1893. Auch Dietmann, Oberlaus. Priesterschaft,
S. 739, kennt denselben). — 1541 klagte Jakob Runge, Kaplan zu
Löbau („Liebaw"), dem Rate zu Görlitz, dafs er durch eine Feuers-
brunst all seine Kleider verloren habe (Laus. Monatsschrift 1802, I.
177). — Die einstige Orgel in der Klosterkirche war dieselbe,
welche früher die Cölestiner auf dem Königstein besessen und
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4. 22
338 Litteratnr.
welche, nachdem das dortige Kloster eingegangen war, die Franzis-
kaner zu Löban sich von Herzog Georg von Sachsen (1518) er-
beten hatten (Oberlaus. Kirchengalerie S. 147. Laus. Magazin 1843,
S. 171).
Dresden. Hermann Knothe.
Das gotische Steinmetzzeichen. Von W. Clemens Pfau. Mit
zwei Tafeln. (A. u. d. T.: Beiträge zur Kunstgeschichte. Neue
Folge XXII.) Leipzig, E. A. Seemann. 1895. 76 SS. 8".
Pfau stellte sich die Aufgabe, die Steinmetzordnungen des
Mittelalters kritisch zu behandeln und durch philologische Erklärung
der Wortbedeutung, sowie genaues Erläutern den Inhalt jeder einzelnen
Bestimmung, sowie durch Vergleich dieser unter einander die bis-
herige Auffassung des Ordnungswesens richtig zu stellen.
Leider ist ihm dabei ein Teil der Litteratnr entgangen:
namentlich Neuwirths für die Feststellung des Wortlautes der
Ordnungen so wichtigen Satzungen des Regensburger Steinmetzentages
im Jahre 1459 (Wien 1888). Neuwirth bietet uns in Klagenfurt ge-
fundene Steinmetzordnungen von 1628, 1(547 und 1739, meines Er-
messens nachträgliche Redaktionen der Regensburger von 1459, die
sich namentlich durch übersichtlichere Anordnung des Stoffes aus-
zeichnen. Ferner wäre wohl gut gewesen, die im Repertorium für
Kunstwissenschaft veröffentlichten Erfurter Ordnungen von 1423,
um 1500, 1547 und 1588 heranzuziehen, endlich die Trierische von
1397, welche A. Reichensberger in seinen „Vermischten Schriften"
herausgab.
Zunächst beweist Pfau, dafs die Lehrlinge vom Meister, nicht
aber, wie man bisher allgemein glaubte, vom Bandwerk aufgenommen
worden seien. Dies ist zutreffend für die von ihm benutzten Urkunden,
aber nicht ganz richtig für die zünftische Regelung des Lehrwesens
in Erfurt, wo es schon 1423 heifst: „wann man cynen (Diener oder
Lehrknecht) uff nempt czu leinen adir ledigk saget, wann er us ge-
lerned had, das sal allis gescheen mit e.yns hantwerges willen und
wissen, das man weifs, wer eyn diener adir eyn leerknecbt were adir
us gelernt bette." Auch der zweiten Darlegung Pfaus, wonach die
Lossprechung und Aufnahme des Gesellen lediglich durch die Meister
geschehen sei, widerspricht die Erfurter Ordnung vom Anfange des
16. Jahrhunderts : „Auch sal er (derjenige der in die Zunft und das
Handwerk will) bewiefsen, wy und wo er sein hantwerg erlernt habe
auch syne lernejare und zciet ufsgestanden, sich auch sampt synem
Ehwiebe, ab er das bette, fromelich, getruwelich, erbarlich gehalten.1'
Wenn also Pfau sagt: „Der Ausgelernt» beweist seine Gesellenschaft
bei einer fremden Hütte nicht durch Papiere, sondern durch seine
Kenntnisse," so ist auch dies für die Erfurter Zunft nur bedingungs-
weise richtig. Wenn ferner Pfau erklärt: „Bei der ausgeprägten
Freizügigkeit dieser Bauleute sind feste Körperschaften (Zünfte)
unmöglich", so ist seine Ansicht durch das thatsäehliche Bestehen einer
solchen Zunft, eben in Erfurt, widerlegt.
Sind somit eine Reihe von Vorbedingungen der Pfau sehen
Schrift wenigstens hinsichtlich ihrer Allgemeingültigkeit anfechtbar,
so ist doch das Ganze eine sehr beachtenswerte. Arbeit. Plan stöfst
vielleicht nach dem, was in den letzten Jahren über das Hüttenwesen
Litteratm-. 339
geschrieben wurde, gelegentlich offene Thüren ein. Aber man mufs
anerkennen, dafs er das, was er zu beweisen trachtet, selbständig
und zwar auf Grund einer sehr scharfen Denkarbeit fand. Nament-
lich ist seine Abfertigung der phantastischen Zeichentheorie Rzihas
so gründlich, dafs diese wohl endgültig zu den Akten gelegt
werden wird.
Die Hauptleistung Pfaus scheint mir die Erklärung der in der
Rochlitzer Ordnung vorkommenden innungs-technischen Ausdrücke
und Gebräuche. Dafs das „Schenken" des Zeichens an den Lehrling
ein von diesem vorzugsweise für die Gesellen der Hütte zu gebendes
Gastmahl sei, von welchem auch die Erfurter Ordnung von 1423
spricht, dafs der Meister dem Lehrlinge das Zeichen gab und es ein-
behalten konnte, bis dieser den Verpflichtungen gegen ihn völlig nach-
gekommen sei, dafs das Zeichen nicht verkauft werden darf, dafs es
demnach ein Ehrenzeichen war, durch welches der Meister dem
Lehrling das Zeugnis als einem in der Kunst Erfahrenen gab , dafs
aber nicht nur der Lehrling vom Meister ein Zeichen erhielt, sondern
andere Meister und Gesellen ein solches gegen bestimmte Leistungen
erhalten konnten, dafs es also auch Meister und Gesellen gab, die
kein Zeichen hatten, dafs endlich die Zeichen auch nicht „Garantie-
marken" für gute Arbeit, sondern vom Gesellen als Künstlermarke
vor der Abnahme des Steines durch den Polier, also vor der Prüfung
eingemeifselt wurden — all dies sind neue, aber sicher erwiesene
Thatsachen. Das Zeichen ist nach Pfaus klarer Darlegung eine Art
Wappen und demnach im heraldischen Sinne zu verstehen. Pfau
stimmt daher auch Klemms Theorie von den „Zeichensippen" willig
zu, dafs nämlich der Meister seinen Schülern in der Regel ein dem
seinigen verwandtes und daher diesen als seinen künstlerischen Nach-
kommen kennzeichnendes gab, mithin aus der Ähnlichkeit der Zeichen
auf eine künstlerische Gemeinschaft ihrer Besitzer geschlossen werden
könne.
Mit den Ergebnissen seiner Arbeit fällt viel, ja fast alles zu-
sammen, was bisher mit mehr Begeisterung als Scharfsinn von
der Herrlichkeit mittelalterlichen Steinmetzenwesens gesagt wurde.
Meine schon öfter ausgesprochene Ansicht, dafs die „Ordnungen"
kein Beweis von Ordnung, sondern von Unordnung seien, meist ver-
fehlte Versuche, das zerfahrene Hüttenwesen in bessere Gleise zu
bringen, findet eine neue Bestätigung.
Pfau weist sehr richtig darauf hin, dafs nur die von ihm be-
handelte sogenannte Rochlitzer Ordnung ausführlich das Zeichen-
wesen behandle. Wie die Frage in anderen Ländern und zu
anderen Zeiten behandelt wurde, darüber giebt sie freilich keinen
sicheren Aufschlufs. Die Vergleichung mit der Erfurter Ordnung
beweist, wie heikel jedes Generalisieren in Fragen mittelalterlichen
Gewerbewesens ist.
Pfaus Art der Beweisführung ist aufserordentlich übersichtlich,
das ganze Buch in seiner Art ein kleines Meisterstück. Denn seine
Schwächen beruhen nicht auf Fehlern des Autors, sondern auf den
Verhältnissen, in welchen dieser, fern von litterarischen Hilfsmitteln,
seine Arbeit abschlofs.
Dresden. Cornelius Gurlitt.
22*
340 Litteratur.
Übersicht
über neuerdings erschienene Schriften und Aufsätze zur
sächsischen Geschichte und Altertumskunde l).
Ahrens, Hermann. Die Wettiner und Kaiser Karl IV. Ein Bei-
trag zur Geschichte der Wettinischen Politik in den Jahren
l.iiU — 1379. (A. u. d. T.: Leipziger Studien aus dem Gebiet
der Geschichte. Herausgegeben von K. Lamprecht und K Marcks.
Bd. I. Heft 2.) Leipzig, Duncker & Humblot. 1895. XI,
103 SS. 8°.
Altendorff, H. Das Reithaus in Wechselburg: Vereinigtes Wochen-
blatt für Bochlitz u. s. w. 1895. No. 97 (2 Beilage).
Bauch, G. Biographische Beiträge zur Schulgeschichte des XVI.
Jahrhunderts [u. a. aus Eisenach, Freiberg i. S. — Joh. Ragius
Aesticarapianus — , Großenhain — Matthaeus Lupinus Calidomius — ,
Wittenberg, Zittau]: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche
Erziehungs- und Schulgeschichte. Jahrg. V (1895). S. 1—26.
Bfaumgärtel]. Zwei Dresdner Dichter (Schutt und Marshall ) :
Wöchentl. Beilage zu den Bautzner Nachrichten. 1895. No. 16.
Baumgärtel. Beiträge zur Geschichte des Bautzner Gewerbslebens:
ebenda. No. 20-27.
Benndorf, Kurt. Sethus Calvisius als Musiktheoretiker: Vierteljahrs-
schrift für Musikwissenschaft. Jahrg. X (1894). S. 411-470.
Blanckmeister, F. Clemens Lessing, Pfarrer in Einsiedel bei Chem-
nitz. Urkundliche Mitteilungen über Gotthold Ephraim Lessings
ältesten Ahnen: Pfarrhaus. Jahrg. 11 (1895). No. 6. S. 81— 87.
— Studien zur sächsischen Kirchengeschichte. 4. Geschichte des
protestantischen Bewußtseins in Sachsen. 5. Das Superintendenten-
amt in Sachsen: Neues Sächsisches Kirchenblatt. Jahrg. II (1895).
S. 154 f., 170 f., 464—466.
[Brüter, E. M.J Geschichte der inneru und äußern Entwicklung
des Ostern 1895 nach Bochlitz zu verlegenden Seminars II zu
Grimma. (Beigeheftet: F. A. Püschmann, Verzeichnis sämtlicher
Zöglinge des König! Seminars II zu Grimma.) Grimma, Druck
von Bode. 1895. 106 SS. und 34 SS. 8°.
Collmann, K. Die Teilnahme der Herren Beufs am Schmalkaldischen
Kriege, ihre Ächtung und Wiedereinsetzung: Unser Vogtland.
Bd. II (1895). S. 11-23, 61-69.
D., K. Peter Apianus. Ein Gedenkblatt zur ersten Säcularfeier
seiner Geburt: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung.
1895. No. 47. S. 185-188.
]) Vergl. auch O. Do beneck er, Übersicht der neuerdings er-
schienenen Litteratur zur thüring. Geschichte und Altertumskunde,
in: Zeitschrift des Vereins für Thüring. Geschichte und Altertums-
kunde XVII (N. F. Bd. IX), S. 740 — 752. — Wir wiederholen
unsere Bitte an die Herren Verfasser, Verleger und Redakteure, durch
Zusendung der neu erscheinenden Arbeiten auf dem Gebiete der
sächsischen Geschichte, insbesondere kleinerer (Dissertationen, Pro-
gramme, .Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften), zur Vollständigkeit
unserer Übersichten beitragen zu wollen.
Litteratur. 341
Distel, TL Zur Mündigkeit in Sachsen a. L. (1537, 1541): Zeitschrift
der Savignystiftung für Rechtsgeschichte. XVI (1895). S. 216.
— Gereimtes Bittgesuch des kursächsischen Hofmalers Gahriel Donat :
Dresdner Anzeiger. 1895. No. 139. S. 38.
— Das Grab der Neuberin bei Dresden: ebenda. No. 181. S. 3.
No. 184. S. 23.
— Zum Schlosse Augustusburg : Augustusburger Wochenblatt. 1895.
No. 47. S. 7.
— Zur Brunft des Edelwildes in Kursachsen (Kreis Neustadt) 1712:
Weidmann. Bd. XXVI (1895). S. 270.
Dittrich, Max. Zum Regimentsfest der 104 er. I. Prinz Friedrich
August und sein sächsisches Infanterie-Regiment No. 104. II. Das
Regiment des Prinzen Friedrich August 1870/71: Zwickauer
Wochenblatt. 1895. No. 120 (2. Beilage), 121 (4. Beilage).
Doehler, Gottfr. Ein Erforscher des Vogtlands [Job. Aug. Ernst
Köhler] : Mein Vogtland. Bd. I (1895). S. 478—483.
Endler, Herrn. _ Geschichtliche Nachrichten über Lengefeld und
Rauenstein mit kurzem Hinweis auf die höchst romantische Lage
und Umgebung Rauensteins. Lengefeld, Herrn. Richter. 1893.
20 SS. 8°.
Ermisch, H. Die Wachstafeln des Pfarrers Hermann Westfal im
Stadtarchiv zu Delitzsch: Neue Mitteilungen a. d. Gebiete histor.-
antiquar. Forschungen. Bd. XIX (1895). S. 203 — 225.
Fischer, Karl. Die Stifter Magdeburg und Halberstadt im Schmal-
kaldischen Kriege. (Inaugural-Dissertation.) Berlin 1895. 64 SS. 8°.
Freytag, Ernst Rieh. Der Waffenruhm der Ahnen des sächsischen
Königshauses: Der Kamerad. Jahrg. 33 (1895). No. 16. S. 1— 3.
— Kursachsen in der volkstümlichen Literatur des siebenjährigen
Krieges: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. 1895.
No. 56. S. 221-223.
Frhr. von Friesen, Ernst. Stammbaum der Herren, Freiherren und
Grafen von Friesen. Dresden 1894. 1 Bl. qu.-fol.
Geißler, E. Zur Geschichte des Schlosses und der Stadt Hartenstein :
Glück auf! Organ des Erzgebirgsvereins. Jahrg. XV (1895).
No. 7 f. S. 90— 93, 110- 113.
Goldberg, P. Die Grofsschönauer Volksschule bis zum Anfang des
19. Jahrhunderts. [Separatabdruck aus dem Grofsschönauer Tage-
blatt.] Grofsschönau (1895). 28 SS. 8°.
Gurlitt, C. Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunst-
denkmäler des Königreichs Sachsen. Auf Kosten der Königl.
Staatsregierung herausgegeben vom Königl. Sächsischen Alter-
thumsverein. Siebzehntes Heft: Stadt Leipzig (I. Teil). Dresden,
C. C. Meinhold & Söhne. 1895. 256 SS. 8°.
Hartenstein. Notizen über Wilhelm Gottheit Lohrmann, einen
Dresdner Geodäten, Meteorologen und Astronomen: Beilage zum
V. Jahresbericht der städtischen Realschule zu Dresden-Johann-
stadt. Dresden 1895. 54 SS. 4°.
Heidrich, H. Bilder aus der südlichen Oberlausitz. Eine Heimats-
kunde von Zittau und Umgebung. Zittau, W. Böhm. 1894.
VIII, 84 SS. 8°.
Hiller, Geo. Geschichte des Dorfes Dittelsdorf in der sächsischen
Oberlausitz. Zittau, Druck von W. Böhm. 1895. 80 SS. 8°.
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1209 — 1512 und der Schlesischen Linie bis in die Neuzeit. Nach
urkundlichen Quellen zusammengestellt. Mit :>1 Lichtdrucken,
zwei Stammtafeln, einer Ahnentafel, einer Siegeltafel und einer
Besitz-Karte. Breslau, Josef Max. 1895. XVIII, 438, 55 und
XXVI SS. 8".
Köhler. Die Berg-, Knapp- und Brüderschaft zu Jöhstadt: Glückauf!
Organ des Krzgcbirgsvereins. Jahrg. XV (1895). No. 1. S. Kit'.
(Köhler, J. A. E.) Dr. Job. Aug. Ernst Köhler. Ein Lehensbild:
Unser Vogtland. Bd. I (1895). S. 470— 178.
Korschell-, <i. Geschichte der Ortsherrschaften von Eörnitz: Neues
Lmsitz. Magazin. Bd. LXXI (1895). S. los 126.
Kötzschke, Paul Rieh Das Unternehmerthum in der ostdeutschen
Colonisation des Mittelalters. Bautzen 1894. IV, 74 SS. 8°.
Krebs, Kurt. Eaugold von Einsiede! auf Gnandstein, der erste
Lutheraner seines Geschlechts. (A. u. d. T. : 'Beiträge und Ur-
kunden zur Deutschen Geschichte im Zeitalter der Reformation. 1.)
Leipzig, Kofsber»-. 1895. VIII, 129 SS. 8°.
Kr'öber, F. E. Beiträge zur Heimathskunde. Oberpfannenstiel Berns-
bacher Antheils: Auerthal-Zeitung. 1894. No. 121.
(Lamprecht, C.J Dem Andenken weiland Sr. Durchlaucht des Fürsten
Otto Friedrich von Schönburg-Waidenburg gewidmet. (Waiden-
burg, E. Kästner. 1894.) 2:; SS. «".')
Lauterlein, Max. Chronik der Parochie Königswalde mit Hartmanns-
dorf im Königreich Sachsen. Zumeist nach dem dortigen Pfarr-
archiv zusammengestellt, Werdau (A-Thümmler). 1895. GISS. 8°.
(Liebscher, Edgar.) Ein Beitrag zur Geschiebte der Leinweberei
zu Sebnitz: Grenzblatt. 1894. No. 29 35.
') S. 168 ist als Verfasser irrtümlich G. Dost genannt,
Litteratur. 343
Lilie, Moritz. Zur Geschichte des sächsischen Weinbaues: Wissen-
schaftliche Beilage der Leipz. Zeitung-. 1895. No. 26. S. 101—104.
— Fürst Blücher und die sächsische Garde: ebenda. No. 75.
S. 297—299.
— Ein Volks- und Jugendfreund. Zum 100 jährigen Geburtstag
Gustav Nieritz: ebenda. No. 77. S. 305 f.
läppert, Wohl. Wettiner und Witteisbacher sowie die Niederlausitz
im XIV. Jahrhundert. Ein Beitrag zur deutschen Reichs- und
Territorialgeschichte. Dresden, W. Baensch. 1894. XVI,
314 SS. 8°.
— Das älteste Geschützwesen der Wettiner: Wissenschaftliche Bei-
lage der Leipziger Zeitung. 1895. No. 46. S. 182—184.
Lippold, A. Vor hundert Jahren. Leipziger Meisbilder mit Original-
zeichnungen III— VI: Zeitschrift des Leipziger Mefsverbandes.
Heft 11, 12 (1895). S. 126—129, 141—144.
Loeschc, Georg. Johannes Mathesius. Ein Lebens- und Sittenbild
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XXI, 639 und IV, 467 SS. 8°.
Lungwitz, Herrn. Die grol'se Glocke in Geyer: Glückauf! Organ
des Erzgebirgsvereins. Jahrg. XV (1895). S. 93—95.
Lobe, Rud. Nachrichten über die ältesten Einkünfte und Rechte der
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Lohn-Siegel, Anna. Aus meinem Tagebuche vom Dresdener Hof-
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v. Mansberg, Rieh. Frhr. Unsere Nachbarn jenseits des Erzgebirges:
ebenda. No. 59, 65, 68. S. 233— 236, 257— 260, 269-272.
Martin. Die Diakonissenanstalt zu Wechselburg: Rochlitzer Diözesan-
Bote. Jahrg. IV (1895). No. 1. S. 1-4.
Meyer, Paul. Samuel Pufendorf. Ein Beitrag zur Geschichte seines
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schnle zu Grimma über das Schuljahr 1894—1895. Grimma 1895.
31 SS. 4°.
(Michael, A. und Th.) Familienbuch. Chronik der Familie C. G.
Michael aus Oberfriedersdorf bei Neusalza in der sächsischen
Oberlausitz. 2. Ausgabe. Als Manuscript gedruckt. Zittau 1894.
38 SS. 8°.
Mirus, Karl Adolf. Peter Apian : Ueber Land und Meer. 1895.
S. 639.
Möbius, Hugo. Für unsere Mufsestunden XIV [Kloster Altzelle;
Friedrich der Freidige] : Sächsische Schulzeitung. 1895. No. 10—12.
S. 123—125, 137—139, 149-152.
Moschkau, Alfred. Ritterburg und Kloster Oybin im Zittauer Ge-
birge. Deren Beschreibung, Geschichte und Sagen nebst Führer
durch die Umgebung Oybins (Töpfer, Hochwaid und Lausche).
11. Auflage. Mit Illustrationen. Oybin, Verlag des „Oybin-
Museum" (1895.) 40 SS. 8°.
— Aus der Südlausitz Gauen. Ein Beitrag für Sachsens Jagd-
geschichte: Der Weidmann. Bd. XXVI (1894/95). S 1 f., 13 f.,
23 f., 33-35, 67—69, 85-87, 93-95, 1011, 125 f., 133 f.
Mutschink, Joh. TV. Die litterarischen Bestrebungen der Wenden
in der sächsischen und preufsischen Lausitz: Gebirgsfreund.
Jahrg. VII (1895). No. 14. S. 157 f.
344 Litteratnr.
Needon, R. Heidenschanzen in Sachsen: Wissenschaftliche Beilage
der Leipziger Zeitung. 1895. No. 57. S. 225— 228.
Paulus, R. Zur Biographie Tetzels: Historisches Jahrbuch der
Görres-Gesellschaft. Bd. XYI (1895). S. 37— 69.
(Pfau,W. C) Beiträge zur Geschichte der Rochlitzer Gegend : Ver-
einigtes Wochenblatt für Roehlitz, Geringswalde u. s. w. 1895.
No. 48—50, 52—58, 60 (Kirchenrechnung Ohergräfenhain 1560),
62, 63 (Ergänzungen zur Geschichte 'Irr Rathendorfer Kirche),
68, 69, 70—71 (Kloster Geringswalde), 80, 83 f., 86 f., 89— 91, 93,
(t5 f. (80— 96: Rochlitzer Gerichtsfälle 1560-1620), 99 (Meister
Arnold in Kriebstein).
— Die Rochlitzer Steinmetzen: Repertorium für Kunstwissenschaft.
Bd. XVIII (1895). S. 161—179.
Pilk, G. Elbegold: Über Berg und Thal. Jahrg. XV11I (1895).
No. 5. S. 143—145. (vergl. No. 6. S. 151).
— Liebethal: ebenda No. 7. S. 159—164.
Reichardt, P. Friedr. Karl. Versuch einer Geschichte der Meifs-
nischen Lande in den ältesten Zeiten: Beilage zum 52. Bericht
über das Königl. Realgymnasium nebst Progymnasium zu Anna-
berg. 1895. 28 SS. 4°.
Rommel, Otto. Geschichte der Sächsischen Zeitungsmarke 3 Pfennige
rot. Leipzig, Ernst Heitmann. 1894. 48 SS. 8°.
Rühle, Carl. Zur 50jährigen Jubelfeier der deutsch-katholischen
Gemeinde zu Leipzig. Kurzer geschichtlicher Abrifs, als Festgabe
nach den von Job. Chr. Schauwecker gemachten Archivauszügen
sowie eigenen Erfahrungen und Erlebnissen vertatst. Leipzig,
C. Rühle. 1895. III, 36 SS. 8°.
Seheuffler. Bautzen und seine Kirchen. 4. Die St. Michaeliskirche:
Kleine Chronik der evangelisch - lutherischen Diakonissenanstalt
in Dresden. Jahrg. 20 (1895). 1. Vierteljahr. S. 4 f. 2. Viertel-
jahr. S. 4— 6.
Schmidt. Vom Dom zu Meifsen (Schlufs): Neues Sächsisches Kirchen-
blatt. Jahrg. II (1895). S. 138-142. (Vergl. S. 454 f.)
Schmidt, Ludwig. Urkundenbuch der Stadt Grimma und des Klosters
Nimbschen. Im Auftrage der Kgl. Sächsischen Staatsregiernng
herausgegeben. (A. u. d. T. : Codex diplomaticus Saxoniae regiae.
Im Auftr. u. s. w. herausgegeben von Otto Posse und Hubert
Klinisch. Zweiter Haupttheil. XV. Bd.) Leipzig, Giesecke &
Devrient, 1895. XXIV, 439 SS. 4°.
Schuberth, G. Über die Rödcrbetten oberhalb Crofsenhain: (irofsen-
hainer Tageblatt, 1895. No. 113-118.
Schurig, E. Feldwebel a. D. Friedrich Schurig. Ein Veteranen-
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teilungen bearbeitet. Dresden, Expedition des Kamerad (F. li.
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See/ iij, Th. Ein Wort zu den Gemeindespiefsen aus den Dresdner
lleidedürfern: Über Berg und Thal, Jahrg. XV1I1 (1895). No. 8.
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Stoy, Franz Adolf. Geschichte der Stadt Sehirgiswalde. Schirgis-
walde (Selbstverlag). 1895. 88 SS. 8°.
Struck, Walter. Das Bündnifs Wilhelms von Weimar mit Gustav Adolf.
Ein Beitrag zur Geschichte des dreifsigj ährigen Krieges". Stral-
sund, K.Regierungs-Buchdruckerei. 1895. 158undLXXlXSS. 8°.
Theile, F. Aus alter und neuer Zeit. Localgeschichtliche Monats-
beilage zum Local- Anzeiger für das Lockwitz-, Poisen- und
Litteratur. 345
Müglitzthal und die südlichen Vororte Dresdens. No. 29—40.
1894 — 1895. [Inhalt: Der Maiaufstand in Dresden. Fortsetzung-.]
Uhle, P. Festrede, gehalten am Vorabend des 750jährigen Stadt-
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Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der
Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz für das Jahr 1894. (Chemnitz,
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VflüeJ, P. Ein Armbrust- und Büchsenschiefsen in Dresden 1678:
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Nord und Süd. Bd. 69 (1894). S. 209-221.
Virchow, Rud. und Ludw. Feyerabend. Die Robrechtsche Schenkung.
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Vö/kel, A. Die Kreuzsteine zu Oelsnitz i. V.: Mein Vogtland.
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Vereins für Innere Mission in Leipzig, erstattet am 2. Dezember
1894 in der Thomaskirche (Leipzig 1895.) 27 SS. 8°.
WancJcel, Otto, und Cornel. Gurlitt. Die Albrechtsburg zu Meifsen.
Unter Benutzung amtlicher Quellen herausgegeben. Dresden,
Wilhelm Baensch. 1895. 40 SS. fol. und 18 Tafeln qu.-fol.
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( Weite J Weistropp: Über Berg und Thal. Jahrg. XVIII (1895).
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Wustmann, G. Urkundliche Beiträge zur frühesten Geschichte der
Nicolaischule : Jahresbericht des Nikolaigynmasiums in Leipzig.
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— Die Auffindung der Gebeine Johann Sebastian Bachs: Grenzboten.
1895. No. 22. S. 415-425.
Zingg , Adrian. Landschaftsstudien aus der weiteren Umgebung
Dresdens, nach den im Besitz Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen
Georg Herzog zu Sachsen befindlichen Skizzenbüchern des Malers
photographisch in Originalgröfse vervielfältigt von Stengel &
Markert, Dresden. Beilage zu der Monatsschrift des Gebirgs-
vereins für die Sächsische Schweiz Über Berg und Thal.
Dresden 1894—96. 8 Bll. 4°.
Zöllner, W. Beiträge zur älteren Topographie und Statistik von
Chemnitz : Bericht über die Verwaltung und den Stand der
Gemeindeangelegenheiten der Fabrik- und Handelsstadt Chem-
nitz auf das Jahr 1894. (Chemnitz, Pickenhahn & Sohn.) S. 233
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•>li; Litteratur.
Zschommler, Max. Ein Doppelgestirn der Wissenschaft uns dein
V Üand |A. Kr. Zürner und Bd. Fr. PöppigJ: Unser Vogtland.
Bd. II (189:.). S. 75-82.
Aus dem Niedersteinbacher lTarrarchiv I: Rochhtzcr Diöcesan-Bote.
.Jiihrg. IV (1895). No. 2. S. 6 f.
Der zweite Schlesische Krieg 1744 — 1715. Herausgegeben vom
Großen | teneralstabe, Abteil, für Kriegsgeschichte. Bd. I : Böhmen
I", ll. Mit 19 Karten, Plänen und Skizzen. Bd. II: Hohenfriede-
berg. Mit 14 Plänen und Skizzen. (A. n. d. T.: Die Krieg«-
Friedrichs des Grofsen. Zweiter Teil.) I'.etlin, Mittler und Sohn.
1895. X, 272 und 151; VIII, 244 u. 29 SS. 8°.
Aus dem Zioönitzthale. (Herausgegeben von Löscher.) Beiträge zur
Geschichte von Zwönitz und Umgegend. Herausgegeben vom
Erzgebirg- Zweigverein Zwönitz. Zwönitz, Druck von Bernhard
Ott. No. 1. Februar 1895. 20 SS. 8°.
Inhalt: Die Urkunden unseres Kirchturmknopfes. Der grofse
Brand von 1687 und der Neubau der Kirche nach dem gleich-
zeitigen Bericht des Diakonus Groschupff. Die Hungersnot in
dm Jahren 1771 und 1772.
Dresdner GescMchtsOlättcr. Herausgegeben vom Verein für Ge-
schichte Dresdens. Jahrg. IV (1895). No. 2, 3. Dresden,
W. Baensch.
Inhalt: Oberbürgermeister Dr. Stübel f. Georg Muller,
Ein Brief D. Peter Eyssenbergs an den Bischof Johann NIM.
von Meifsen. W. v. Se'idlitz, Die Schicksale der Dresdner Ge-
mäldegalerie während des siebenjährigen Krieges. W. Frhr. von
Biedermann, Eine Dresdner Liebhaberbühne vor hundert Jahren.
Aus Julius Schnorrs Tagebüchern II. Georg Müller, Zur
Geschichte der Dresdner Kirchenbücher.
Mitteihuiqcn des Vereins für Chemnitzer Geschichte. VT1I. Jahr-
buch für 1891—94. Chemnitz, 0. Mays Buchhandlung (Komm.).
1895 15s SS. 8W.
Inhalt: Kirchner, Zwei Chemnitzer Schulordnungen. A.
Lauckner, Zur Erinnerung an das Kriegsjahr 1644. Uhle,
Chemnitz im Freiheitskrieg 1813. Nekrologe.
Quellen zur Geschichte Leipzigs. Veröffentlichungen aus dem Archiv
und der Bibliothek der Stadt Leipzig. Eerausgegeben von
Gustav Wustmann. Bd. II. Mit 7 Abbildungen. Gedruckt aut
Kosten der Stiftung für die Stadt Leipzig. Leipzig, Duncker
& Humldot. IS!).",. V, 5 IS SS. 8°.
Inhalt: G. Wust mann , Das älteste Leipziger Urtchdenbuch
1390—1480. Derselbe, Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte
des Leipziger Rats (Anhang: Der Bürgermeister Romanus).
E. Kroker, Heinrich Gramer von Claufsbruch, ein Leipziger
Handelsherr des 16. Jahrhunderts. Derselbe, Leipzig im sieben-
jährigen Kriege. G. Wustmann, Kleine Mitteilungen. (Luthers
Becher. Lotter und Pfeffinger. Ein Procefs Octavio Piccolomims.
Der Stifter der Fraternität. Apels. Garten. Zur Geschichte der
Leipziger Schauspielhäuser. Herzog Carl von Würtemberg in
Leipzig. Das Denkmal des Bürgermeisters Müller. Ein Künstler-
Litteratar. 347
streit. Das Schillerhaus in Gohlis. Fürst Bismarcks Leipziger
Vorfahren. Der Tauchische Jahrmarkt).
Schönburgische Geschichtsblätter. Vierteljahrsschrift zur Erforschung
und Pflege der Geschichte im Gebiete der Schönburgischen Recefs-
und Lehnsherrschaften. Jahrg. I. Heft 3, 4. Waidenburg, E.
Kästner. 1895. S. 121—256. 8°.
Inhalt: Fr. Kittel, Dr. Rudelbach. C. H. Kannegiefser,
Der Übergang der Grafschaft Hartenstein an das Haus Schön-
burg. R. Hofmann, Zur Geschichte der Töpferei in Altstadt-
Waidenburg (II). G.Dost, Zwei alte Heilquellen im sächsischen
Erzgebirge. Th. Schön, Kriegsthaten eines Herrn von Schön-
burg im 15. Jahrhundert. Ein Bild aus dunkler Zeit. Distel,
Allerlei Findlinge. Aus unserer Zeit. — G. Dost, Die wüsten
Marken im Schönburgischen. Thomas, Waidenburg im sieben-
jährigen Kriege. Fr. Kittel, Das Leuschnerhaus in Glauchau.
R.Hof mann, Zur Geschichte der Töpferei in Altstadt-Waiden-
burg (III). Th. Schön, Die Theilnahme der Herren von Schön-
burg am Hussitenkriege. Derselbe, Leistung von Türkenhilfe
seitens des Hauses Schönburg. Glauchau der Geburtsort von
Samuel Pufendorfs Vorfahren. Aus unserer Zeit.
Kegister.
Agricola, Georg 129.
Alltinus, Peter 131.
Albrecht (d. Beherzte), Hz. v.
Sachsen 102 ff.
Alffelt, Hans, Vorsteher des Kl.
Nimbschen 309.
v. Allenbluraen, Joh., Kanimer-
meister 16.
Altenberg 129.
Altzelle, Kloster 48. 134. 310.
Alveld, Lector des Franzisk.-Kl.
Leipzig 75.
v. Alveusleben, BodoDietr., Lieute-
nant 316.
Amberg 313.
Anhalt s. Christian.
Anna, Kurfürstin v. Sachsen 183.
187.
— Gen. Landgraf Friedr. d. Friedf.
v. Thüringen 35.
— Gem. Heinrichs IL Burggrafen
v. Meifsen 105.
Ansbach-Baireuth 280.
Aristoteles 63 ff.
v. Arnstadt, Dietr., Dekan des
Severistifts z. Erfurt 16.
v. Arnstadt, Korporal 316.
Arumaeus 314.
Asch 277.
v. Aschersleben, Major 320.
Asticampian 54 ff. 86 f.
Aubanus, Coelius, Hag. 56. 83.
Auerbach, Prof. d. Medizin in
Leipzig 71. 93.
Augsburg 179. 194. 202 ff. 282 ff.
29«.
August, Kurfürst v.Sachsen 129 ff.
133. 177. ff. 276.
— Prinz v. Sachsen, Administrat.
v. Magdeburg 278.
August IL u. III., Könige v. Polen,
s. Friedrich August.
Baiern s. Ernst, Stephan.
Baldauff, Chrph., Rektor in Schnee-
berg 246.
Balthasar, Lgf. v. Thüringen 12 f.
23 f. 27. 96.
de Bardi, Giacomo 182.
Beherfs, Dorothea, Äbtissin zu
Nimbschen 309.
Berg 280.
v. Bernstein 177. 188. 190. 217.
Bethune, Graf, Obristlieut. 318
Beutner, Lehrer in Schneeb. 231.
de Biassono, Curello 37.
— Paganino 15. 33.
Birnbaum, Dr., Leibmedicus 295.
303.
Böhmen 269 ff. s. a. Georg.
Bonafous, Marechal de logis 318.
Bonifaz IX., Papst 13.
Bonitz, Job., Bektor in Schnee-
berg 241.
— Superintendent in Langen-
salza 267.
Boppard 24.
Borzo, Dr., Leibmedicus 295.
Böschenstein,.Joh , Prof. in Witten-
berg 61.
Bousquet, Dademas, Marechal de
logis 318.
v. Boxberg, Lieutenant 320.
Brandenburgs. Christian, Joachim,
Joachim., Ernst.
Brandner, Ägidius, Feldprediger
277.
Braunschweig s. Friedr. Ulrich.
v. Breitenbach, Georg, Prof. juris
in Leipzig 71.
Register.
349
v. Budberg, Kapitän 320. 323.
v. Bünau , Günther , a. d. Hause
Tetschen 273.
— Heinrich 99.
von dem Busche, Hermann 55.
v. Buttler, Oberst 320.
— Lieutenant 323.
Camerarius, Joachim 56. 81.
— Ludw. 311. 313.
Carlstadt, Prof in Wittenberg 67.
Oarrara s. Franz.
di Cavalli, Antonio 111 ff.
Cellarius, Joh., Prof. in Leipzig
61 f.
Ceratinus, Prof. in Leipzig 81.
Chemnitz, Wappen 128.
Christian, Fürst v. Anhalt 310 ff.
— Markgraf v. Brandenburg 277.
— 1 , König v. Dänemark 101.
Clausnitz bei Freiberg 102
Clemens VII., Papst 4. 10.
v. Comanstein, Obristlieut. 320.
de la Costi, Lieutenant 318.
Creutziger, Caspar 56.
Crocus, Rieh. 55. 57ff. 74. 91.
Czernichow 322.
Dabercusius , Mathias Marcus,
Rektor in Schneeberg 246.
Dänemark 198 f. 207. s. Christian,
Erich.
Delitzsch, Andr., Prof. i. Leipz. 81.
v. Dohna, Achaz, Frhr. u. Burg-
graf 313.
— Christof, Frhr. u. Burggf. 310 ff.
— Fabian, Frhr. u. Burggraf 310.
Doppert, H. M , Rektor in Schnee-
berg 232. 238 f. 248 ff.
Dreiskau bei Ölzschau 127.
Dresden 98 f. 127 f. 190. 286. 292 ff.
315. 321 f.
Dungersheim v. Ochsenfart, Dr.
59. 73.
Dux 98.
Eck, Prof. in Ingolstadt 67 ff'.
Eckold, Emanuel, in Leipzig 282.
Eckstein, Baccalaur. in Schneeberg
233.
Edeler,' Joh., Pfarrer 273.
Edmund, Graf v. Kent 37 f.
Eger 276 ff.
— Vertrag (1459) 100.
Egger, Andr., in Leipzig 281.
Eilenburg 315.
v. Einsiedel, Heinrich 107.
Eisenbarth, Andr., Okulist U.Stein-
schneider 303.
Elisabeth, Herzogin v. Görlitz 13.
— Burggräfin v. Nürnberg 15.
Emser, Hieron. 74. 89 f.
England s. Heinrich, Johanna,
Richard.
Erasmus 55. 59 f. 72 ff.
Erfurt 12. 14. 50 f.
Erich, König v. Dänemark 30.
Erndel, Heinr., Dr. med., Stadt-
physikus zu Dresden 292 ff.
Ernst, Kurf. v. Sachsen 102 ff.
— Herzog v. Baiern 28.
Eschenbach , Oberquartiermeister
319.
Faber, Kanzler 313.
v. Feilitzsch, Lieutenant 320.
Ferdinand IL, Kaiser 269 ff.
la Ferriere, Brigadier 308.
de Fierville, Lieutenant 318.
Fischer, Salomon Friedr., Bürger-
meister in Schneeberg 250.
Fleifsen i. Böhmen 277.
Florenz 9 ff. 24 f. 29.
Forchheim 24.
Förderreuth i. Böhmen 277.
Förster, Joh., Rektor in Schnee-
berg 241.
de Foyssac, Lieutenant 318.
Franck 77 f.
Frankfurt a. M. 178. 250. 311 ff.
Frankfurt a.O., Univers. 47f. 52. 85.
Frankreich 4 ff. s. a. Isabella, Karl.
v. Franquinet, Kapitän 320.
Franz v. Carrara, Herr v. Padua 9.
Franz, Dr., Oberkonsistoriair. 262.
— Ambrosius, Rektor in Schnee-
berg 245.
Frasi, Hieron., in Frankfurt a. M.
209.
Freiberg 98. 101. 114. 286. 302.
Friedrich (d. Friedfertige), Land-
graf v. Thüringen 12f. Uff. 95.
— (d. Strenge), Mkgf. v. Meifsen
12. 95 f.
— (d. Streitbare), Mkgf. v. Meifsen
14 f. 96 ff.
— (d . Sanftmütige), Kurf.v. Sachs.
97 f. 101.
— (d. Weise), Kurf. v. Sachsen
43. 47. 58. 67. 72 f.
:;;,(>
Register.
Friedrich VI., Burggf. v. Nürn-
berg L5. 23.
— [., Bisch, v. Merseburg 30"; f
Friedrich August I.,Kurf v.Sachs.
(August 11., König v. Polen)
264. 317ff.
— II., Kurf. v.Sachsen (Aug. III.,
König v. Polen) 250. 322ff.
Friedrich Ulrich, Hz. v. Braun-
schweig ;U:i.
Friesen, Graf 517.
Frotscher, Rektor in Schneeb. 243.
Fuchs, Joh , RektinSchneeb. 241.
Fugger I81ff. 199. 212. 218.
— Marx 210. 212.
Funk, Michael, Dr. 202ff.
Fürstenberg, Fürst 317.
Fuis, Wolfg., Rekt. in Schneeberg,
dann Superint. in Chemnitz 240.
Garben, Joh. u.Bapt.,i.Leipzig283.
( renua 1 1.
Georg, Markgraf v Meifsen 15.
Hz. v. Sachsen 44f. 48ff. 107.
— (Podiebrad), Kg.v. Böhmen 100.
v. Gera, Ilse, Klostorjungfrau in
Nimbschen :>o9.
Gernhardt, Albr., Vorsteher des
Klosters in Nimbschen .'»09.
v. Göchhausen, Kapitän 320.
( rode, 1 leimig, Prof. in Wittenberg
50. 85.
Goldast 311. 313.
Goluchowski, Kapitän 320. 323.
(iura, Joh., Propst des Klosters
Nimbschen 309.
v. Gorenczk, die 97. 101.
— Agnes 99.
— Hans 99.
— Michel 98.
- Tietze 98 ff.
— Veronika 99.
— Wolf !>s f.
Görlitz s. Elisabeth.
Griiner. David, in Leipzig 283.
Grimma 253. 308. 310.
i Irofeenhain l">.
Grossin, Mari;-. 310.
Grundig, Oberpf. in Schneeberg
232.
Giünthaler Kupferbergwerke 193.
Gustav Adolf, Kg.v. Schweden 284.
Hahn, Oberpfarrer in Schnceberg
237. 254ff.
Hahn, Diakonus, später Superint.
in Gera 264f.
de la Haie, Brigadier 318.
Hamburg 198 f.
Harrer, Hans, Kammermeister
178 ff. 213.
Hatzfeld, kais. General 263.
Heidelberg 313.
Heinrich, Graf v. Derby (Heinr.IV.
Kg.v. Engl.) 17 ff. 29 f. 32 f. 37 ff.
— II. (v. Plauen), Burggraf v.
Meifscn 105.
— Kg. v. Portugal 185. 206.215.
Helene, Markgrätin v. Landsberg
307 f.
Heltv. Forchheim, Magister 56. ül
Hennigk, Job., Dr. 82.
Hermann, Georg 216.
— Gottfried 265.
Hertewvgil's, Ursula, Äbtissin zu
Nimbschen 309.
Hertz, Mich., Rektor in Schnee-
berg 241.
Hessen s. Margarete.
Heymann, Oberpfarrer in Schnee-
berg 237.
Hirschfeld bei Leipzig 127. _
Hochenist, Anna, Äbtissin z.Nimb-
schen 309.
Hoc v. Hoenegg 273.
Hoffmann, Konrektor in Schnee-
berg 253.
Holke, kais. General 263. 286.
v. Hopfgarten, Georg Frdr., Ka-
pitän :>!<>.
Eortleder, F. 310ff.
Hinwart. Hans 21(3.
— Ulrich 199. 203. 209f. 214.
v. Hütten, Ulrich 56f. 73.
Buttich 54.
llvrus, Hans Hart mann 186. 203.
' 206
Jackowski, Kapitän 320.
Jäger, HansJacob, in Leipzig 282.
de Janus, Marechal de logis 318.
Jenitz, Hans, Kammersekretär
177. ISS. 190.
de Jericho, Joh., Domherr zu Zeitz
307 f.
Imhof 180. L99£ 217.
— Karl 2 IL ff.
— Raimund 216.
Joachim [., K ml. v. Branden-
burg 17 f.
Register.
351
Joachim Ernst, Markgraf von
Brandenburg-Ansbach 313.
Jobst, Markgraf v.Mähren 13 f. 26.
Johann, Herzog von Ghent 17.
— Erzbisch, v. Mainz 14. 26.
Johann Ernst, Herz. v. Sachsen-
Weimar 312.
Johann Friedrich, Kurfürst v.
Sachsen 262.
Johann Georg L, Kurf. v. Sachsen
107. 123. 269 ff.
— — IL, Kurf. v. Sachsen 304.
III , Kurf. v. Sachsen 303.
IV., Kurf. v. Sachsen 315.
Johanna, Gem. K. Heinrichs IV.
v. England 29 f.
— I., Königin v. Neapel 4 f.
Isahella, Königin v. Frankreich 10.
Jülich 280.
Jung, Nathanael 179. 182.
Kämmerswalde ..bei Freiherr 102.
Kanytz, Anna, Äbtissin v. Nimb-
schen 309.
— Barbara, dgl. 309.
— Katharina, dgl. 309.
v. Karas, Hans, zu Reinhardts-
grimma 99.
Karl IV., Kaiser 96.
— v. Durazzo 4 ff.
— VI, Kg. v. Frankreich 10 f.
— Erzhzg. v. Österreich 265.
Katharina, Gem. Kurf. Friedr. d.
Streitb. v. Sachsen 98.
Kent s. Edmund, Thomas.
Kepke, Daniel, dän. Kanzler 101.
Kerl, Rektor in Schneeberg 263.
v. Kirchberg, Hartmann, Burg-
graf 100.
v. Klengel, Obrist 295.
Klostergrab 94. 101.
Kochel, Kanzler 90. 92.
Kölbel v. Geifsing, Korporal 316.
Königsmark, schwed. General 263.
Konitz, Mag. 90.
Kopf, Petr., Buchhändler in Frank-
furt a. M. 313.
v. Kötteritz, Korporal 316.
Kowalski, Lieutenant 320.
Kraft, Ulrich 205.
Kramer, Hieron. 178 f. 182 f.
Kraner, Friedr., Rektor 260.
Kriebstein 225 f.
Krzypanowski, Lieutenant 323.
v. Küchenmeister 101.
Kundige, Sebnitz 96 f.
Kuppener, Christof, Dr. 90.
Landsberg s. Helene.
Langenhagen, Korporal 316.
Languetus, Hubertus .207.
v. Lausigk, Ursula, Äbtissin zu
Nimbschen 309.
Lebzelter, Friedr., Agent des
Kurf. Joh. Georg 285. 287.
Le Fevre, angiovin. Kanzler in
Avignon <>.
Lehmann, David u. Daniel, in
Leipzig 276. 288.
Leipzig 124 ff. 188 ff. 2<i9ff.
— Konsistorium 236.
— Universität 43 ff.
Leiteritz, Auditeur 319.
Lemberger, Magister 54 f.
Leuber, Joh., sächs. Abgesandter
in Osnabrück 290.
Lewenhaupt, Karl Gustav, Graf
v. Falkenstein, Wirkl. Geh.
Ratu. Generallieutenant 317 f.
— Moritz, Obristlieutenant 318.
Lichtenberg bei Freiberg 102.
Lindau am Bodensee 281 f. 290.
Lindemann, Joh., Ordinär, der
Jur.-Fakult. u. Bürgermeister
in Leipzig 84. 90 f.
Lissabon 178 ff.
List, Konrektorin Schneeberg 233.
Lobwasser, Ainbros., Professor in
Königsberg 267.
Lubienski, Kapitän 318.
Lubomirski, Fürst Jakob Alexand.,
Graf von Wisnitz u. Jaroslaw,
Generalmajor etc. 319. 323.
Ludwig I. v. Anjou 5 f.
- IL sein Sohn 5 f. 8.
- v. Orleans 10. 13. 23. 28.
Lüschwitz, Geh. Rat 313.
Luther, Martin, 58 f. 61 ff. 69 ff.
v. Lüttichau, Cornet 318.
Magdeburg, Erzbiscb. 48.
Mähren 279. s. a. Jobst.
Maier, Konrad 216.
Mailand s. Visconti.
Mainz, Erzbisch. 313.
de Malerarques, Kapitän 318f.
v. Maltitz, Hans 99.
— Sigmund 107.
Männlich, Melchior 206. 217.
Mansfelder Kupferbergwerke 193.
:;:,•>
Register.
Marats, Brigadier .'518.
M argarete, Prinzessin v.Hessen 13.
Margarita, Ant., Lehrer des He-
bräischen in Leipzig 81.
Maria, Gem. Ludwigs 1. v. Neapel
6. 8.
Maria, Tochter des Herzogs v.
Berry 19.
Mark, Michael 273.
Maximilian 1L} Kaiser 277.
v. Meckau, Bisch, v. Brixen 65.
Meder, Jodocus, v. Windheim,
Lieutenant 76.
MeinhcrIV.,Burggf.v.Mcifsen 95.
— VI., Burggf. v. Meifsen 97.
Meisenberg, Dr. 89.
Meifsen, Markgrafen s. Friedrich,
(Jeorg, Wilhelm.
— Burggrafen s. Anna, Heinrich,
Meinher.
- Domkapitel 102.
Melanchthon, Phil. 58. 61.
Melierstadt, Dr. 43. 47.
Melzer, Christian 250.
Merseburg, Bischof 68 f. 79. 81.
s. a. Friedrich.
Mensel, Andr., Oberpfarrer in
Frankfurt a. 0. 267.
v. Meufshach, Jon. Georg, Frhr.,
Oberst 315f.
Meutzner, K. F. G., Hilfslehrer in
Schneeberg 265.
Mittweida 220 ff.
Morgenstern, Dr., Leibmedic. 303.
Moritz, Kurf. v. Sachsen 287. 289.
v. d. Mosel, Hans Heinr., Wacht-
meister 316.
Mosellanus (Schadig), Petr. 56 ff.
71 ff. 91.
Müller, Bezirksschulinspekteur n.
Schulrat in Scbwarzenberg 268.
- Dan.Traug., Rektor in Schnee-
l)erg 254 f.
Mutianus 55. 57. 76.
v. Nabeticz, Hans, Vorsteher des
Kl. Nimhschen 309.
Nassau bei Dippoldiswalde 99.
mif.
Natus, Fabian, Pfarrer 273.
Neapel I s. Johanna, Maria.
v. Neerhoff, Korporal 316.
Neustadt a. H. 313.
Niederösterreicli 271.
Nimbschcn, Kloster 307ff.
Nobbe (Noppius), Hieron., Rektor
in Schneeberg 241.
v. Norfolk, Herzog 18.
Noricus, Dr. 89.
Nürnberg 178 ff. 280f. 313. s. a.
Elisabeth, Friedrich.
Oberlausitz I3f.
Oberineier, Paul, Rektor i. Schnee-
berg 23o. 235. 246f.
Ochsenfart s. Dungersheim.
v. d. Ölsnitz, Fr. 99.
( rpitz, Georg, aus Eger 278. 288.
v. Oppel, Vizekanzler 295.
Oschatz 309.
Ösfeld, Pastor in Altstadt -Wai-
denburg 267.
Ossegg, Kl. 94. 104 f.
Österreich s. Karl, Wilhelm.
Ottengrün 277.
Pachelbl,WolfAdam, aus Eger 278.
Parthenius 60.
v. Passer, Kapitän 320.
v. Pelcken, .loh. 181.
Petrarka 40.
Pfalz 280. s. a. Stephan, Wolf-
gang Wilhelm.
Pflug, ( 'aesar, A mtinann in Leipzig
83 f. 89.
— Nickel, zu Knauthain 100.
Philipp IL, Kg. v. Span. I80f. 215f.
v. Pirch. Casp. Franz, Oberstlieut.
320. '323.
Pirna 286.
Pistoris, Job.,.. Mag. 45.
— Siniiin (1. Ä., Prof. d. Med. in
Leipzig 85.
Ordinär, d. Juristen -Fakult.
in Leipzig 70. 91.
Polen s. Friedrich August.
Poliander, Job.. Schulmeister zu
St. Thomas in Leipzig 75. 77.
Polhnar, Dr., Stadtphysikus zu
Dresden 303.
v. Ponickau, Jon. Georg 250.
Poepel, Thomas, Rektor in Schnee-
berg 244.
Portugal I78ff. s. a. Heinrich,
Sebastian.
Potocki, Wocislaw, Obrist 320.
Pötz, Georg, in Leipzig 285.
v. Powisch, Lieutenant 323.
Prachtbeck, Paul, Licentia 74.
Register.
353
Prag 274 ff. 294.
Procop, Markgraf v. Mähren 14.
v. Raab, Korporal 316.
v. Rabenstein, Heinr. Frhr., auf
Riesenberg 103 ff.
Rasebig, Rektori. Schneeberg 237.
Ran, Wendelinus, Mag. 90.
Rauchmaul, Wwe., Verlagsbuch-
handlung 314.
Rechenberg 94 ff.
Rehbacb bei Knautbain 127.
Rehlinger (Rechlinger) , Anton
Christian, in Augsburg 210.
— Joh.Ulr., Dr., i. Augsburg 283 ff.
v. Reitzenstein, Georg Christoph,
Lieutenant 316.
Rem, Hieronymus 211. 216.
Rembold, Hans Jakob, in Augs-
burg 210.
ReuchÜn 55. 58.
Reusch, Magister 55. 77.
Reusmann, .Toh. Gottfr., Rektor
in Schneeberg 254ff.
Reuter, Job. Jakob, Dr. med. 270.
Richard IL, Kg. v.England 17ff. 37.
Riedel, Johann 279.
Riesenburg, Schlofs u. Herrschaft
94ff. 101.
v. Riesenburg, Borso II. u. III. 94 ff.
— Slauko 95 f.
— Sofia 96.
Rivius, Job., Rektor in Schnee-
berg 245.
de Rochefort, Sous-Brigadier 317 f.
Rochlitz, Kunigundenkirche 219 ff.
Rochsburg 225 f.
Ronow.Graf , Job. Willi., Major 316.
Rostock 101.
v. Rotenberg, Tobias Adrian,
Oberstlieutenant 320.
Rott, Erasmus 203. 209. 21 2 f. 217.
— Georg 203.
— Konrad 177 ff.
— Nicolaus 212.
Rottenbeck, Hans Wolf, in Nürn-
berg 209.
Rovelasca, Giovambattista 203 ff.
217.
Rudel, Rektor in Schneeberg u.
Pfarrer in Schwarzenberg 240.
Riüand, Buchhändler in Frank-
furt a. M. 311 ff.
Ruprecht (v. d. Pfalz), König 9.
14. 25 f. 29. 37.
Neues Archiv f. S. G. u. A. XVI. 3. 4.
v. Ryssel, Job. Heinr., Bürger-
meister in Schneeberg 250. 252.
Sachsen s. Albrecht, Anna, August,
Ernst, Friedrich, Friedr. Aug.,
Georg, Job. Friedr., Joh. Georg,
Katharina, Moritz, Wilhelm,
Zdena.
Sachsen -Weimar s. Johann Ernst.
v. Sacken, Otto Chrph. , Major
320. 323.
Scaliger 9.
Schaarschmidt, C. F., Geh. Rat
267 f.
— Joh. Frdr., Rektor in Schnee-
berg 243. 260.
Schade, Abrah., Rektor in Schnee-
berg 247.
Scheffler, Job., Dr. jur. 270.
Schellenberg 105.
Scbererz, Sigm., Pfarrer 273.
Scheurl, Prof. in Wittenberg 47. 51.
Schindler, Archidiak. in Schnee-
berg 253.
Schladminger Bergbrief 114.
Schleiffer, Joh., Pfarrer in Schnee-
berg 230.
v. Schleinitz, Heinrich, Dr. 71.
— Hugold 106. 225.
Schlema 235.
Schlesien 279. 290.
Schlesier,Ephorus in Zwickau 236.
Schmertosch, Martin, von Riesen-
thal 274 ff. 287 f.
Schneeberg 114. 178. 229 ff.
Schober, Albr , Propst des Kl.
Nimbschen 309.
Schöller, Phil., in Leipzig 285. 288.
v. Schönberg, die 97. 102.
— Andreas, Kommandant von
Dresden 295.
— Bernhard, a. Purschenstein 101.
— Heinrich 107.
— Kaspar, auf Purschenstein 107.
— Nickel, Hofmeister der Her-
zogin 100.
Schörckel, Martin, Hofapotheker
276.
Schreiber, Quartus in Schneeberg
238 f.
Schurig, Martin, Leibmedicus 303.
Schweden, s. Gustav Adolf.
Sebastian, Kg. v. Portugal 180 ff.
v. Seebach, Lieutenant 320.
Sehlis bei Leipzig 127.
23
:;:,!
Register.
Sieber, l Irban ( lottfr., Rektor in
Schneeberg 241.
Siemanowski, Lieutenant 320. 323.
Spalatin, Georg, 57 f.
Spanien s. Philipp,
v. Staupitz, Haus 99.
— .lob., Dr. 43.
Stegmann, Audi'. , Wundarzt in
Leipzig 274.
Steiermark 270f.
Steinbach, Engelhard 273.
Stephan, Hz. v. Baiern 23.
— Pfalzgraf 37.
Stepner, Superintendenti.Zwickau
263.
Steude, Seb., Mag. 90.
v. Stubenberg, Adolf Willi., Fähn-
rich 316.
Stumpf, Tertins in Schneeberg
241 f.
Sulzherger, Job. Rupert, Dr. med.
270.
— Sigism. Friedr., Protonotar am
Oberhofgericht 270.
Surlande, Adjutant 318.
Tempski, Lieutenant 320.
Thanrädl, Andreas, Freiherr 271 f.
Theil, Laur., Lic. med. 302.
v. Theler, Wolf 101.
Thomas, Graf v. Kent 37.
Thomas, L. Gr., Kantor in Schnee-
berg 265.
Tliönicker, Joh.Joach., Oberpfarrer
in Schneeberg 232. 234. 238 f.
242. 249 f.
Thüringen s. Anna, Balthasar,
Friedrich.
Thüringische Gesellschaft 177 ff.
v. Thurn, Graf Heinr. Matthias
274 f.
Timäus, Job., Geh. Rat 279.
Tirol 279.
Torgau 187 f. 191.
Torstenson 286. 289.
Trommler, Oberpfarrer in Schnee-
berg 241 f. 258.
— Tertius in Schneeberg 239.
Troppaninger, Dr., Arzt in Drcs-
den 297. 302.
Trützschler, Christian Ernst, Ka-
pitän 316.
— Georg Wilh., Wachtmstr. 316.
Urhan IV., Papst 4f.
Velius, Caspar ürsinus 55.
Venedig I09ff.
Visconti, Anglesia 1 l ff. 33f.
— Bernabö, Hz. v. .Mailand 3ff.
39ff.
— Elisabeth 28.
— Gabriel 20f.
— Galeazzo 5.
— Gian Galeazzo III.. Hz. v.
Mailand 3ff.
— Katharina, Gem. d. Galeazzo
6. 9. 20. 30ft. 37. -11.
— Lucia 3 ff.
— Matteo 5.
— Regina (Beatrice), Gem. d.
Bernabö 40ff.
— Uberto, Bürger zu Mailand 31.
— Valentina 10. 23. 28.
Vitzthum v. Ecksriidt, Chrph.
Heinr., Major 319. 323.
Voigtländer, Job. Gottl. Aug.,
Rektor in Schneeberg 235.
237. 240. 244. 260 ff.
— Job. Heinr. G., Archidiakonus
in Schneeberg 237. 260.
v. Volkersam, Kommandant v.
Alten-Dresden 295.
Vorarlberg 279.
Wahl, Oberpfarrer in Schneeberg
230. 235. 237. 244. 254.
v. Wallenfels, Lieutenant 320.
Wallenstein 286.
Walmotte deBaudwen, Kapit. 318.
Warschau 317. 320ff.
Weighart, Franz 100.
— Hans d. Ä. 100 ff.
— Hans d. J. 100. 106f.
— Heinrich 100. 106 f.
— Krieg 100.
v. d. Weitmüh], Benisch 106.
Weller, Hieron. 240.
Welser 179ff.
— Hans 210.
— Hans Lucas 210. 216.
— Mathäus 210.
Wenzel Konigllff.24f.29.32.96.
Werler, Veit, Mag. 56.
v. Westfalen, Arnold 219ff.
Wichmann, Job., in Hamburg 183.
Wilhelm L, Mkgr. v. Meifsen 1 2 ff.
24. 26. 96 f.
— II., Mkgr. v. Meifsen 15.
— III., Hzg. v. Sachsen 98.
— Hz. v. Österreich 25.
Register.
355
Wlmpina, Theologe 17.
Wittenberg', Universität -43 ff.
v. Witzleben, Friedrich 16. 22.
Wizani d. J., Kupferstecher 108.
Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf
v. Neuburg 280.
Wrangel, Otto, Major 318.
v. Wrsessewitz, Joh., Hauptin.
z. Teplitz 103.
Wüstenfelder, Rektor d. Univ.
Leipzig 70 75.
v. Wuthenau, Kapitän 320.
Zbyewski, Lieutenant 320. 323.
Zdena, Herzogin v. Sachsen 45.
Zecheudorff, Joh., Rektor in
Schneeberg 247.
Zeithain, Campement 319 ff.
Ziegler, Kantor in Schneeberg
233.
Zinna, Kloster 48.
Zwickau, Superintendentur 23(3.
239.
•_':;
Saxonica
der
Verlagsbuchhandlung von Wilhelm Baensch
in Dresden.
September 1895.
♦
Die mit f bezeichneten Werke sind in Fraktur-, alle anderen
in Antiquaschrift gedruckt; die mit ' angeführten werden
in kurzer Zeit erscheinen.
Beschorner, Rechtsanwalt und Hofrat (f). Aus meiner Anwalts-
Praxis. M. 1,—.
fliock von Wülflngen, Major z. 1). Die geschmähten Kadetten-
Korps. M. -,75.
t von Itroizeni, Oberst und Chef des K. S. Generalstabes. Die
Schlacht der Zukunft. M. — ,75.
t Chronik des Sächsischen Königshauses und seiner Residenz«
Stadt. M. 150,—.
Drechsler, Adolph, Dr., k. sächs. Hofrat, Ergebnisse von fünfzig-
jährigen Beobachtungen der Witterung- zu Dresden 1828 bis
1878. M. 10,—.
— Witterungsverlauf zu Dresden 1870 bis 1885. M. 5,—.
— beide Abteilungen 18^8 bis 1885 in einem Bande M. 15,—.
Ermisch, H., Dr.phil., k. sächs. Archivrat. Das alte Archivgebäude
am Tasehenlierg in Dresden, ein Erinnerungsblatt mit fünf Ab-
bildungen auf vier Blatl Lichtdruck. Geb. M.3,— ., brosch. M. 2, — .
— Die sächsische Geschichtsforschung in den letzten dreifsig Jahren.
M. 1,—.
— Studien zur Geschichte der sächsisch-böhmischen Beziehungen in
dm Jahren 1464 bis 1471. M. 3,—.
"J'Exner, k. .sächs. Oberstlieutenant und Vorstand des k. sächs.
Kriegs-Archivs. Die Anteilnahme der Königlich Sächsischen
Armee am Feldzuge gegen Österreich und die kriegerischen
Ereignisse in Sachsen im Jahre 1809; mit achl Karten und
einer Skizze. Geh. M. 5,—, brosch. M. 4,—.
t von Falkenstein, Freiherr Dr. Paul (f), Je. sächs. Staatsminister
a. D. und Minister des Königlichen Hauses. König- Johann
von Sachsen, ein Charakterbild mit drei Kupferstichen von Pro-
fessor Bürckner und acht Beilagen. Geb. M. 10,—, brosch.
M. 8,50, Volksausgabe M. 1,50.
Fernspreckeinricbtung in Dresden. Aufgestellt von der Kaiser-
lichen Ober-1'ost-Direction Dresden. M. —,75.
f von Friesen, Richard (f), Freiherr, k. sächs. Staats- und Finanz-
minister. Erinnerungen aus meinem Leben. II. Auflage, zwei
Bände. Geb. M. 18—, brosch. M. 15,—.
t Gebauer, Heinrick, Oberlehrer an der öffentlichen Handelslehr-
anstalt der Kaufmannschaft zu Dresden. Die Volkswirtschaft
im Königreiche Sachsen. Historisch, geographisch und statistisch
dargestellt. Drei Bände. Geb. M. 36,—, brosch. M. 30,—.
f Gcschicbtsblätter, Dresdner, herausgeg. im Auftrag des Vereins
für Geschichte Dresdens durch Dr. O. Richter, Ratsarchivar.
Jahrgang I bis III je M. 3,—, Mappe M. 1,50.
Enthält folgende gröfsere Aufsätze.
Beutel, Georg, Dr., Archiv-Assistent. — Merkwürdige Häuser.
III. Kreuzstrasse Nr. 10. II, 4.
von Biedermann, Freiherr, W., — Göthe in Dresden. I, 3.
Blanckmeister, Fr., Pastor. — Die Dresdner Kirchenbücher. II, 2.
— Zinzendorf in Dresden. I, 2.
Ermisch, Tl., Dr. phil., k. sächs. Archivrat am k. Hauptstaats-
archiv Dresden. — Das älteste Dresdner Stadtbuch. I, 4.
von Friesen, Freiherr, Generalmajor. — Die Friesen als Haus-
besitzer in Dresden. III, 2.
— Zu dem Briefe des Generals von Thielmann an den Hofrat
Böttiger 1811. II, 3.
von Göphardt, A. L., Oberjustizrat. — Die letzte des altsächsi-
schen Geschlechtes von der Sahla. II, 3.
Kade, R., Dr. phil., Gymnasial - Oberlehrer. — Kurfürst Moritz
und die Musik. I, 3.
— Kurfürst Moritz in der Kunst. II, 1.
Lippert, Woldemar, Dr., Staatsarchivar am k. Hauptstaatsarchiv
Dresden. — Historische Ausflüge in Dresdens Umgebung.
I. Die Zschoner Mühle. II. Die Meixmühle. I, 4.
Meltzer, 0., Rektor, Dr. — Gereimte Selbstbiographie des
Diakonus M. Christian Richter 1645-1725. III, 1.
Müller, Georg, Professor Dr. — Der Ponickausche Garten im
Jahre 1574. II, 3.
— Andreas Morgenroth, kurfürstl. Buchdrucker 1578— 1586. 111,2.
— Die Einrichtung einer Eilpostverbindung Berlin - Dresden-
Prag - Regensburg 1653. II, 3.
Müller, Georg, Professor Dr. — Bans Jenitz, Geheim- Sekretär
des Kurfürsten Augast. II. I.
— Schnelligkeit der sächsischen Eilpost 1571. II. I.
Rachel, Paul, Dr., Oberlehrer. — Ein Brief des Generals von
Thielmann an Eofrat Böttiger 1811. II, 2.
— Das Dresdner Landwehr-Bataillon L813/14. I, 2.
Richter, 0., Dr., Ratsarchivar. — Aufzeichnungen über die Ein-
führung der Reformation in Dresden. I, 3.
— Pas Wassertrinken. II, 1.
— Der Abschiedsbrief des letzten mittelalterlichen Pfarrers von
Dresden. I, 1.
— Der erste Dresdner Buchhändler. I, 3.
— Der Frauenkirchhof. Dresdens älteste Begräbnisstätte. 111,2.
— Der hölzerne Esel. II, 1.
— Die ältesten Innungsordnungen der Dresdner Schuhmacher
und Schneider. 11, 2.
— Die ersten Anzeichen der lutherischen Bewegung in Dresden.
II, 3.
— Die Stadtgrenze bei Räcknitz. I, 2.
— Dresdens Strafsen und Plätze. I, 1.
— Ein Mahnbrief des Rates zu Dresden an Herzog Heinrich 151 7.
II, 1.
— Ein Priestermord 1513. II, 2.
— Ein Vierteljahrhundert unseres Vereinslebens. III, 2.
— Elisa von der Recke im Wonnemonat des Jahres 1790. III, l.
— Gräber in der Sophienkirche. II, 4.
— Merkwürdige Häuser. I. Altmarkt Nr. 15 (Goldner Ring). I, I.
— Merkwürdige Häuser. II. Altmarkt Nr. 10 (Marienapotheke).
— Sammlungen für Abgebrannte. II, 4.
— Tierhetze auf dein Altmarkt. H, 2.
— Über die altniederländischenBilderteppiche in der k. Gemälde-
galerie. II, 1.
Urbach, 'Theodor, Dr., Professor am Gymnasium zum heiligen
Kreuz. — Das geistige Leben Dresdens am Ausgange des
18. Jahrhunderts. II, 1.
Wuttke, K. — Ein Standrecht in Dresden während des dreifsig-
j ährigen Krieges. III, 1.
t Haan, Dr. theol., k. sächs. Kirchenrat, Superintendent emer.
Die Episkopal-, Konsistorial- und Diözesan-Verfassung im ehe-
maligen Kurfürstentum und jetzigen Königreiche Sachsen,
kirchenstatistisch dargestellt. M. :!,— .
fHaebler, Konrad, Dr. phil. Maria Josepha Amalia, Eerzogin
zu Sachsen, Königin von Spanien. Ein Lebensbild mil Porträt
und facsimilierter Unterschrift. Geb. M. 5,25, brosch. 31. 4,—.
f Hassel, Dr.phil., Geheimer Regierungsrat, Direktor des k. sächs.
Hauptstaatsarchivs und Graf Yitztlmm von Eckstädt, Major
im K. 8. Generalstab. Zur Geschichte des Türkenkrieges im
Jahre 1683. Die Beteiligung der kursächsischen Truppen an
demselben. M. 4, — .
Heller, F. H., Dr. Die Handelswege Inner -Deutschlands im 15.,
16. und 17. Jahrhundert und ihre Beziehungen zu Leipzig-.
Mit einer Karte. M. 2,—.
fHey, Gustav, Dr., Professor am Realgymnasium zu Döbeln.
Die slavischen Siedelungen im Königreich Sachsen mit Erklärung
ihrer Namen. Geb. M. 7.50, brosch. M. 6,—.
f Invaliditäts - und Altersversicherung. Amtsblatt der Ver-
sicherungsanstalt für das Königreich Sachsen. Jahrgang I — IV.
I— III ä M. 3 ,— , IV M. 1.50.
fKlenck, von, Major a.D. Kriegs-Tagebuch 1870/71 der 1. Es-
kadron des Königlich Sächsischen Garde -Reiter -Regiments.
Geb. M. 5,—. brosch. M 4,—.
t von Larisch, Je. sächs. Hofrat. Oberst von Larisch, ein Zeit- und
Lebensbild aus den Freiheitskriegen. Mit einem Porträt. Gel).
M. 5,50, brosch. M. 4,50.
Lippert, Woldemar, Dr., k. sächs. Staatsarchivar. Die Wettiner
und Witteisbacher sowie die Niederlausitz im 14. Jahrhundert.
M. 6,—.
t Loinmatzsch, Hauptmann ä la suite des 2. Grenadier-Regiments
Nr. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preussen", Kompagnie-
führer an der Unteroffiziervorschule. Leitfaden der sächsischen
Geschichte, bestimmt zum Unterricht an der Königlichen Unter-
oftizierschule und Unteroffiziervorschule zu Marienberg. Geb.
M. 1,50, brosch. M. 1, — , oder in vier Lieferungen zu je
M. —,80.
— Georg, Dr. Die Bewegung des Bevölkerungsstandes im König-
reiche Sachsen, während der Jahre 1871—1890 und deren haupt-
sächlichste Ursachen. Nebst 4 Karten M. 4,— .
f von Minckwitz, A., Oberhofmeister a. D., k. sächs. Wirklicher
Geheimer Bat (f). Geschichte von Pillnitz vom Jahre 1403 an-
Aus den hinterlassenen Papieren bearbeitet durch von Baensch.
Nebst sechs Abbildungen und einem grofsen Blatt in Licht-
druck. Geb. M. 5,— , brosch. M. 4,— .
— Die ersten kurfürstlich sächsischen Leibwachen zu Rofs und
zu Fufs. Aus den hinterlassenen Papieren bearbeitet durch
von Schimpff, k. sächs. Oberst z. D. Geb. M. 5, — , brosch. M. 4, — .
f Mitteilungen des Königlich Sächsischen Vereins für Erforschung
und Erhaltung vaterländischer Altertümer. Heft 1 bis 30. Voll-
ständig M. 60,—. Einzelne Hefte soweit noch vorrätig ä M. 2, — .
f Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Befl l
bis II je M. 1,— .
ETefl I: Dresdner Chronik vom 1. Juli bis 31. Dezember 1&69.
Heft II: Hantzsch, A. , Geschichte der Neustädter Realschule.
Il.n Hl: Hantzsch, A., Geschichte des Dorfes Plauen bei
I Dresden.
Heft IV: Richter, 0., Der Bufsprediger Johannes von Capi-
strano in Dresden und diu Nachbarstädten 1452. - Derselbe,
Kin Brief Melanchthons. — Derselbe, Dresdner Strafienszenen
vom Jahre 1552.— Widemann, F., Alt-Dresden und dessen
Brand 1685. — Gurlitt, C, Eine Quelle zur Baugeschichte
Dresdens. — Hantzsch, A., Die Spiegelschleife bei Dresden.
— Mcltzer, ()., Eine Ordnung für das Alumnat der Kreuz-
schule aus der /.weiten Hälfte des Ki. Jahrhunderts. —
Derselbe, Über dramatische Aufführungen au der Kreuz-
schule.
Heft V und VT: Heinze, A., Dresden im siebenjährigen
Kriege.
Heft YID Meltzcr, O., Die Kreuzschule zu Dresden bis zur
Einführung der Reformation (1539).
Heft VIII: Neidhardt, A., Der Nachlaß des kursächsischen
Premierministers Reichsgrafen Eeinrich von Brühl. —
Hantzsch, A., Geschichte des Dresdner Christmarktes. —
Derselbe, Der Ileisewitziscbe Garten in Plauen bei Dresden.
— Richter, O., „Verehrungen" des Rates zu Dresden an
hohe Beamte 1680-1718. — Müller, G., Die Geistlichkeit
der Superintendentur Dresden im Jahre 1578.
Heft IX: Nenbert, H. M., Zur Entstehung der Dresdner Vor-
städte. — Pietsch, K. H., Beiträge zur Dresdner Häuser-
geschichte: A. Das Burglehn; B. Der Tasebenberg. —
Knothe, H., Das Augustinerkloster zu Alt -Dresden und
seine Besitzungen in der Oberlausitz. — Kaue, R., Eine
Dresdner Familienchronik 1542—1597. — Müller, G., Eine
Instruktion für die Verwaltung des „Gemeinen Kastens" in
Alt - Dresden.
Heft X: Buchivald, G., Dresdner Briefe 1625 bis 1670. Ein
Bild aus dem Dresdner Leben im 17. Jahrhundert. — Beutel,
G., Aus den Reisetagebüchern almosensammelnder Dresdner
Bürger nach dem Brande von Alten-Dresden im .Jahre 1685
llett XT: von Friesen, E. G. M., Freiherr, Dresden im
Kriegsjahr 1809.
Fortsetzung folgt.
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