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Full text of "Neues Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde"

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Neues  Archiv 

für 


Sächsische  Geschichte 

und 

Altertumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K.  Archivrat. 


Sechzehnter  Band. 


Dresden  1895. 
Wilhelm  Baensch,  Verlagsbuchhandlung. 


Das  Neue  Archiv  für  Sächsische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde, welches  im  Auftrage  der  Königlichen  Staats- 
regierung und  des  Königlichen  Altertumsvereins  heraus- 
gegeben wird,  erscheint  in  halbjährlichen  Doppelheften,  von 
denen  je  zwei  einen  Band  von  ungefähr  22  Bogen  bilden. 


THE 

1 IQUADV 


Inhalt, 

Seite 

I.  Eine  mailändisch-thüringische  Heiratsgeschichte 
aus  der  Zeit  König;  Wenzels.     Von  Professor 

Dr.  Karl  Wenck  in  Marburg  a./L 1 

II.  Leipzig  und  Wittenberg.  Ein  Beitrag  zur  säch- 
sischen Reformationsgeschichte.  Von  Professor 
Dr.  Felician  Gefs  in  Dresden 43 

III.  Geschichte  der  Burg  Rechenberg.  Von  Bürger- 
schullehrer Dr.  Georg  Pilk  in  Dresden  ...     94 

IV.  Die  älteste  venetianische  Bergordnung  und  das 
sächsische  Bergrecht.  Von  Privatdozent  Dr. 
Otto  Opet  in  Bern 109 

V.  Stadtmarken  der  Zinngiefser  von  Dresden, 
Leipzig  und  Chemnitz.  Von  Direktorialassistent 
Dr.  K.  Beding  in  Dresden 123 

VI.  Kleinere  Mitteilungen 129 

1.  Zur  Geschichte  der  Dresdner  Tbietmarhand- 
schrift.  Von  Dr.  Ludwig  Schmidt,  Gustos  au  der 
k.  öffentl.  Bibliothek  in  Dresden.  S.  129.  2.  Der 
Begräbnistag  des  Markgrafen  Georg  von  Meifsen. 
Von  Archivar  Dr.  P.  Mitzschke  in  Weimar.  S.  131. 
3.  Zu  Mardochais ,  Rabbis  de  Nelle ,  angeblicher 
Prophezeiung  an  Kurfürst  August  zu  Sachsen 
(1575).  Von  Archivrat  Dr.  Theodor  Distel  in 
Dresden.  S.  132.  4.  Zum  Nossener  Kirchenbaue. 
Von  demselben.  S.  134.  5.  Eine  Flugschrift  über 
das  Anrecht  König  Friedrichs  IL  von  Preufsen  auf 
Böhmen.  Von  Dr.  Walther  Schultze  in  Halle  a./S. 
S.  134.  6.  Der  älteste  kursächsische  Bibliotheks- 
katalog aus  dem  Jahre  1437.  Von  Staatsarchivar 
Dr.  Woldemar  Lippert  in  Dresden.  S.  135.  7.  Brief- 
beförderung des  Kurfürsten  von  Sachsen  1449.  Von 
demselben.     S.  139. 

Litteratur 141 

VII.  Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesell- 
schaft.    Von  Dr.  Konrad  Haebler,   Custos  an 

der  k.  öffentl.  Bibliothek  in  Dresden  ....  177 


IV  Inhalt. 

Seite 

VIII.  Arnold  von  Westfalen  und  die  Rochlitzer  Kuni- 
gundenkirche.  Von  Oberlehrer  Dr.  W.  C.  Pfau 
in  ßochlitz 219 

IX.  Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums. 

Von  Prof.  Dr.  Eduard  Heydenreich  in  Marbnrg  229 

X.  Vertriebene  und  bedrängte  Protestanten  in 
Leipzig  unter  dem  Schutze  Johann  Georg-  I. 
Nach  urkundlichen  Quellen  bearbeitet  von 
Oberlehrer  Dr.  Richard  Schmertosch  in  Pirna  269 

XI.  Dr.  med.  Heinrich   Erndel,   Stadtphysikus   zu 

Dresden.  Von  Dr.  med.  Engen  Sachs  in  Dresden  292 

XII.  Kleine  Mitteilungen 307 

1.  Nachträge  zum  Urkunden  buch  des  Klosters 
Nimbschen.  Von  Dr.  Ludwig  Schmidt,  Custos  an 
der  k.  öffentl.  Bibliothek  in  Dresden.  S.  307.  2.  Zu 
Hortleders  Geschichtswerk.  Von  Privatdozent  Dr. 
Anton  Chroust  in  München.  S.  310.  3.  Die  Grands 
Mousquetaires.  Aus  dem  Nachlasse  des  Oberhof- 
meisters a.  D.  A.  von  Minckwitz.     S.  315. 

Litteratur 324 

Register 348 


Besprochene  Schriften. 


Bachmann,  Deutsche  Reichsgeschichte  Bd.  II  (Ermisch)         .     .  147 
Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte  VIII  (G.  Müller)    .  164 
„  „  „  „  XI     s.  Müller. 

Bergmann,  Geschichte  von  Löbau  (Knothe) 337 

v.  Bojanowski,  Karl  August  als  Chef  des  6.  Preufsischen  Küras- 
sier-Regiments (Exner) 159 

Brandenburg,  Die  Gefangennahme  Herzog  Heinrichs  von  Braun- 
schweig (G.  Wolf) 329 

Cod.  diplom.  Sax.  reg.  s.  Forstemann. 

Exner,   Die  Anteilnahme   der  Königlich  Sächsischen  Armee  am 

Feldzuge  1809  (v.  Schimpff)  ' 160 

Förstemann,  Ürkundenbuch  der  Stadt  Leipzig  Bd.  III  (L.  Schmidt)  324 
Geffcken,  Zur  ältesten  Geschichte   und   ehegerichtlichen  Praxis 

des  Leipziger  Konsistoriums  (G.  Müller) 165 

I  taldberg,  Das  Landschulwesen  auf  den  Zittauer  Dörfern  (Heyden)  163 
Held,  Das  Kreuzkantorat  zu  Dresden  (Heydenreich)     ....  162 
Hey,  Die  slaviscbcn  Siedelungen  in  Sachsen  (Mucke)    ....  141 
Hübner,  Zur  Geschichte  der  kursächsischen  Politik   beim  Aus- 
bruche des  österreichischen  Erbfolgestreites  (Lippert)  .     .  157 

Inner,  Hans  Georg  von  Arnim  (Krebs) .  150 

Köstlin,  Friedrich  der  Weise  und  die  Schloßkirche  zu  Witten- 
berg (G.  Müller) 148 


Inhalt.  V 

Scüte 

Landsberg,  Zur  Biographie  von  Christian  Thomasius  (Distel)     .  336 
Läppert,  Wettiner  und  Witteisbacher  sowie  die  Niederlausitz  im 

XIV.  Jahrhundert  (Knothe) 145 

Müller,  Gr.,  Verfassung^-   und  Verwaltungsgeschichte  der  säch- 
sischen Landeskirche  (Knothe) 326 

( >pel,  Der  niedersächsisch-diinische  Krieg  Bd.  III  (Krebs)      .     .  155 
l't'jiu,  Das  gotische  Steinmetzzeichen  (Gurlitt)  ...         ...  338 

Reichardt,  Versuch  einer  Geschichte  der  Meifsnischen  Lande  in 

den  ältesten  Zeiten  (Lippert) 328 

Ritter,  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Gegenreformation 

und  des  dreißigjährigen  Krieges  Bd.  II  (G.  Wolf)  .     .     .  331 
Untersuchungen ,     Historische ,     Ernst    Förstemann    gewidmet 

(Heydenreich) .     .         160 

Weber,   E.,  Virorum  clarorum  s.  XVI  et  XVII  epist,  selectae 

(Heydenreich) 150 


Eine  mailändisck-tliüringisclie  Heirats- 
geschickte  aus  der  Zeit  König  Wenzels. 


Von 

Karl  Wenck. 


Eheberedungen  zwischen  fürstlichen  Häusern  sind  im 
14.  Jahrhundert  die  fast  regelmässige  Würze  politischer 
Verbindungen.  Der  Staat  und  seine  Beziehungen  waren 
Familiensache.  Die  Partei,  welche  den  Gatten  stellte, 
konnte  im  Augenblick  der  Verheiratung  das  Staatsgebiet 
durch  die  besprochene  Mitgift  um  einige  Teilstücke,  in 
Zukunft  vielleicht-  durch  Erbschaftsansprüche  ansehnlich 
vergrößern ,  dem  andern  Teile  fiel  neben  der  Ehre  die 
lockende  Aussicht  zu,  dals  die  verheiratete  Prinzessin 
gewissermaßen  die  Bolle  eines  ständigen  Vertreters  seiner 
Interessen  in  ihrer  neuen  Heimat  übernehmen  werde. 
Aber  wie  wenige  von  den  unzähligen  fürstlichen  Ver- 
löbnissen jener  Zeit  kamen  wirklich  zur  Vollziehung! 
Es  gewinnt  durchaus  in  vielen  Fällen  den  Anschein,  als 
ob  nicht  die  Heirat  selbst,  sondern  schon  das  Eheprojekt, 
das  dem  eben  zu  begründenden  Freundschaftsverhältnis 
einen  greifbaren  Ausdruck  gab,  Zweck  der  gepflogenen 
Verhandlung  sei.  Aber  auch  wenn  die  Heirat  vollzogen 
ist,  macht  die  gesunde  Kraft  der  natürlichen  Macht- 
interessen  sich  siegreich  geltend  über  persönliche  dynastische 
Verbindungen,  die  dann  entweder  verspätet  zur  Lösung 
kommen  oder  ihr  politisches  Schwergewicht  wieder  ver- 
lieren. 

Unter  diesem  Gesichtspunkt  wird  man  nicht  in  Ver- 
suchung kommen,  die  politische  Bedeutung  der  fürstlichen 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  1.  2.  1 


2  Karl  Wenck: 

Ehen  jener  Zeil  zu  überschätzen.  Aber  wenn  ihr  Ein- 
tinis  auf  die  Politik  für  die  Dauer  im  Wesentlichen  von 
ätifseren  Momenten  abhängig'  ist,  so  bleibt  ihnen  doch, 
wo  wir  nur  über  die  Einzelheiten  gut  unterrichtet  sind, 
neben  dem  Interesse  jener  politischen  Wandlungen,  durch 
die  sie  aufgelöst  oder  inhaltsleer  gemacht  werden,  ein 
romantischer  Heiz,  der  um  so  gröfser  sein  wird,  je  mehr 
die  Politik  zu  den  angeknüpften  zarten  Beziehungen  in 
Gegensatz  tritt.  Vielleicht  gilt  das  Eine  und  das  Andere 
in  ungewöhnlich  hohem  Grade  von  dem,  Avas  die  folgen- 
den Blätter  berichten  sollen. 

Ich  will  erzählen  von  einer  Mailändischen  Prinzessin 
des  14.  Jahrhunderts,  die  einem  Landgrafen  von  Thüringen 
durch  rechtsgiltige  Eheschließung  verbunden,  in  dem 
Stammbaum  des  wettinischen  Fürstenhauses  doch  bisher 
keinenPlatz  gefunden  hat, während  dieGenealogen  desHauses 
Visconti  den  Namen  ihres  Gemahls  verzeichnet  haben.  Beide 
Gatten  haben  ihre  Verehelichung  um  Jahrzehnte  über- 
lebt, aber  sie  haben  einander  nie  gesehen.  Nicht  die 
Liebe,  sondern  die  Berechnung  hat  das  Band  geknüpft, 
und  doch  begegnen  wir  in  den  Urkunden,  welche  die 
Quelle  dieser  wundersamen  Heirat sgeschichte  bilden,  in 
seltener  Weise  dem  Ausdruck  weiblicher  Herzensempfin- 
dungen. Diese  Urkunden  sind  widerspruchsvoll:  wenn 
die  eine  Gruppe  die  lautere  Wahrheit  enthält,  so  muis 
die  andere  in  voller  Absichtlichkeit  die  Thatsachen  ent- 
stellen. 

Der  vorliegende  Aufsatz  ist  veranlagt  durch  eine 
1891  erschienene  Abhandlung  des  italienischen  Gelehrten 
G.  Romano,  Professors  zu  Pavia:  „Eine  Heirat  am  Hofe 
der  Vicontis"1).  Romano  hat  einen  Teil  jener  Urkunden 
zuerst  veröffentlicht  und  eine  feine  anziehende  Darstellung 
darauf  gegründet.  Seine  Abhandlung  wird  in  Deutsch- 
land, weil  das  „Lombardische  historische  Archiv"  bei  uns 
wenig  Verbreitung  hat,  nicht  den  Leserkreis  finden,  den 
sie  verdient.  Als  ich  es  unternahm,  den  Gegenstand  für 
deutsche  Leser  zu  behandeln,  hoffte  ich  noch  aus  säch- 
sischen   Archivalien    das   Material    ergänzen   zu  können. 


'i  Un  matrimonio  alla  corte  de'  Visconti:  Archivio  storico  Lom- 
bardo  X.Y111  (lsiii).  hol  Mir  Liegt  ein  Sonderabzug  vor.  über  den 
ich  Bist.  Ztschr.  LXXIV,  lll  fgg.  kurz  berichtet  habe,  doch  unter- 
scheidet sich  mein  dort  ausgesprochenes  Urteil  noch  in  wesentlichen 
Punkten  von  der  Auffassuug,  die  sich  mir  im  Gegensatz  zu  Romano 
bei  der  Abfassung  des  vorliegenden  Aufsalzes  gebildet  hat. 


Eine  mailändisch  -  thüringische  Heirat.  3 

Arcliivrat  Ermisch,  mit  Sammlung  des  Materials  beschäf- 
tigt für  die  neue  mit  1381  einsetzende  Folge  des  die  Ur- 
kunden der  Markgrafen  von  Meiisen  und  Landgrafen  von 
Thüringen  enthaltenden  ersten  Hauptteils  des  Codex 
diplomaticus  Saxoniae  regiae,  hat  sich  lebhaft  dafür  in- 
teressiert, aber  einen  Erfolg  haben  seine  Nachforschungen 
bisher  nicht  gehabt,  und  auch  aus  den  vollständigen  Ab- 
schriften sämtlicher  in  Mailand  bisher  aufgefundener  Ur- 
kunden, die  er  auf  meine  Bitte  schon  jetzt  für  das  Ur- 
kundenbuch  der  Mark-  und  Landgrafen  beschaffte  und 
mir  gütigst  zur  Benutzung  überliefs,  liefs  sich  wenig  mehr 
gewinnen,  da  Romano  alles  Wichtige  vollständig  mit- 
geteilt hatte. 

Aber  auch  ohne  neues  Material  glaube  ich  in  der 
Beurteilung  der  Handlungsweise  beider  Parteien  wesent- 
lich von  Romano  abweichen  zu  müssen.  Er  steht  den 
überaus  verwickelten  deutschen  Parteiverhältnissen  jener 
Zeit  verhältnismälsig  fremd  gegenüber.  So  wird  die 
politische  Lage,  aus  der  das  Heiratsprojekt  hervorging, 
nicht  in  das  rechte  Licht  gestellt.  Damit  hängt  dann 
ein  eigentümliches  Mißverständnis  der  wichtigsten  Ur- 
kunde zusammen,  und  auch  sonst  lieis  sich  ja  noch 
manches  ergänzen  und  berichtigen  .#  Aber  ich  habe  bei 
dieser  Nachlese  immer  den  Gedank'en  gehabt,  wenn  uns 
doch  mehr  gleich  tüchtige  eindringende  Forschungen 
italienischer  Gelehrter,  hervorgegangen  aus  ebenso  um- 
fassender Benutzung  deutscher  Litteratur,  für  die  Ge- 
schichte der  deutsch -italienischen  Beziehungen  vorlägen! 
In  der  Form  und  der  phantasievollen  Erfassung  des 
wunderbaren  Stoffes,  der  wie  für  einen  historischen  Roman 
geschaffen  ist,  ist  der  italienische  Forscher  dem  deutschen 
natürlich  weit  voraus. 

1. 

Lucia  Visconti,  deren  Name  auf  den  folgenden  Blättern 
so  häufig  erscheinen  wird,  war  eine  Tochter  Bernabös 
von  Mailand,  des  grausamen,  prunksüchtigen  Tyrannen, 
der  nach  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  ein  Menschen- 
alter  lang  seinem  Volke,  dem  Papste,  dem  Kaiser  und 
den  andern  italienischen  Mächten  gleich  furchtbar  er- 
schienen ist.  So  tief  hatte  sich  der  Hals  gegen  sein 
brutales  Willkürregiment  eingegraben,  dals  eines  Tages 
(6.  Mai  1385)  sein  Neffe  Gian  Galeazzo  III.  es  wagen 
konnte,  Bernabö  mittelst  eines  meisterhaften  Handstreichs 

l  : 


4  Karl  Wenck: 

in  seine  Gewalt  zu  bringen  und  aus  der  Welt  verschwin- 
den zu  lassen,  ohne  anderes  als  Dank  von  dem  armen 
gepeinigten  Volke  zu  ernten. 

Schon  mit  dieser  Tragödie  Bernabös  ist,  wie  uns 
Romano  zuletzt  gezeigt  hat2),  der  Name  Lucias  verknüpft ; 
auch  sie  berührt  sich  mit  ihren  Herzensangelegenheiten, 
wenn  man  dieses  Wort  von  den  Verhandlungen  über  die 
Verlobung  und  Vermählung  eines  etwa  sechsjährigen 
Kindes  gebrauchen  darf. 

Alle  von  der  Gunst  des  Glückes  emporgehobenen 
illegitimen  Herrscher  haben  das  Bestreben,  durch  eheliche 
Verbindungen  mit  älteren  Dynastien  ihrem  Hause  Glanz 
und  politischen  Rückhalt  zu  verschaffen.  Niemand  viel- 
leicht ist  auf  solchen  Wegen  dynastischer  Politik  eifriger 
und  erfolgreicher  gewesen,  als  Bernabö  und  seine  Nach- 
folger. Die  zahlreichen  Prinzessinnen  des  Hauses  Visconti, 
die  damals  an  deutsche  Fürstensöhne  verheiratet  wurden, 
haben  für  die  Verpflanzung  italienischer  Kulturelemente 
nach  Deutschland,  für  die  Vorgeschichte  des  deutschen 
Humanismus  und  der  deutschen  Renaissance  sicherlich 
eine  noch  nicht  genug  gewürdigte  Rolle  gespielt!  Da- 
gegen standen  an  politischer  Bedeutung  höher  die  Heirats- 
verbindungen mit  dem  französischen  Königshaus,  das  seit 
den  Tagen  Karls  von  Anjou  so  wesentlichen  Einfluls  auf 
die  Geschicke  der  Halbinsel  gewonnen  hatte. 

Dieser  Einfluls  mufste  sehr  geschwächt  werden,  wenn 
nach  dem  Tode  Johannas  L,  der  Enkelin  des  dritten 
Angiovinen  auf  dem  Königsthron  von  Neapel,  eine  unga- 
rische Seitenlinie,  das  Haus  Durazzo,  zur  Herrschaft  ge- 
langte. Da  schien  durch  das  Ungeschick  Urbans  VI., 
das  nicht  nur  ein  vierzigjähriges  Schisma  über  die  Kirche 
brachte,  sondern  auch  im  Königreich  Neapel  langandauern- 
den Thronstreit  entzündete,  die  Möglichkeit  geboten,  das 
Königreich  enger  als  vorher  mit  Frankreich  zu  verknüpfen. 
Die  französische  Staatsgewalt  stand  den  bezüglichen 
Plänen  gegenüber  in  zweiter  Linie,  obwohl  sie  und  der 
Gegenpapst  zu  Avignon  das  Unternehmen  dann  keines- 
wegs nur  mit  guten  Wünschen  unterstützte.     Konnte  es 


2)  II  primo  matrimonio  di  Lucia  Visconti  e..la  rovina  di  Ber- 
nabö: Arch.  stör.  Lombardo  XX  (1893),  585.  Über  eine  voraus- 
gegangene gröfsere  Abhandlung  desselben  Verfassers  „Gian  Galeazzo 
Visconti  e  gli  eredi  di  Bernabö",  die  in  derselben  Zeitschrift  1891 
gedruckt  ist,  habe  ich  Hist.  Ztschr.  LXXIV,  137  fgg.  ausführlich 
berichtet. 


Eine  mailändiseh  -thüringische  Heirat.  5 

doch  im  Falle  des  Siegs  auch  den  Gönner,  Karls  von 
I  )urazzo  Urban  VI.  zu  Fall  bringen  und  das  Übergewicht 
Frankreichs  üi  Europa  zur  Wirklichkeit  machen!  Die 
eigentliche  Triebfeder  war  der  Ehrgeiz  eines  französischen 
Prinzen,  des  Hauptes  einer  jüngeren  Linie  Anjou,  Lud- 
wigs L,  der  als  Adoptivsohn  der  Königin  Johanna  das 
Abenteuer  Karls  von  Anjou  wiederholen  wollte.  Für 
seinen  Erfolg  war  begreiflicher  Weise  die  Haltung  des 
Tyrannen  von  Mailand  von  grölster  Wichtigkeit.  Ludwig 
von  Anjou  suchte  daher  Bernabö  nicht  nur  zum  Bundes- 
genossen ,  sondern  zum  dauernden  Gönner  der  neuen 
Dynastie  zu  machen ,  indem  er  ihn  zum  Schwiegervater 
seines  Sohnes  und  Nachfolgers  erkor3).  Gleich  bei  den 
ersten  Verhandlungen  über  ein  Schutz-  und  Trutzbündnis 
wider  Karl  von  Durazzo  im  Februar  1382  warb  Ludwig 
um  die  Hand  einer  Tochter  Bernabös  für  seinen  fünf- 
jährigen Sohn  Ludwig,  und  Bernabo  erklärte  sich  bereit, 
die  jüngste4)  seiner  heiratsfähigen  Töchter,  Lucia,  jenem 
zur  Ehe  zu  versprechen.  Lucia  mochte  einige  Jahre 
jünger  sein  als  der  ihr  bestimmte  Prinz,  jedenfalls  hatte 
man  bei  dem  kindlichen  Alter  des  künftigen  Paares  um 
so  weniger  Eile,  die  Eheberedung  zum  Abschlufs  zu 
bringen,  als  man  über  ein  gemeinsames  politisches  und 
kriegerisches  Handeln  völlig  einverstanden  war.  Bernabö 
unterstützte  mit  ganzem  Herzen  und  offenem  Beutel  die 
Unternehmung  des  französischen  Prinzen.  Er  versprach 
sich  von  der  Einsetzung  Ludwigs  in  Neapel  nicht  nur 
eine  bedeutsame  Steigerung  des  Mailändischen  Einflusses 
über  ganz  Italien,  sondern  er  zählte  wohl  auch  auf  diesen 
Bundesgenossen  für  eine  bevorstehende  persönliche  Ab- 
rechnung, die  ihm  sehr  am  Herzen  liegen  mochte. 

Im  Jahre  1354,  bei  dem  Tode  des  früheren  Gewalt- 
habers, seines  Oheims,  hatte  Bernabö  die  Herrschaft  mit 
zwei  Brüdern  zu  teilen  gehabt;  der  eine,  Matteo,  war 
schon  im  nächsten  Jahre  gestorben,  man  sagte,  durch 
Gift,  das  ihm  seine  Brüder  beigebracht  hätten,  den  anderen 
Teilhaber  aber  wurde  Bernabö  nicht  los,  denn  als  sein 
Bruder  Galeazzo  1378  gestorben  war,  folgte  ihm  dessen 


3)  Romano,  Arch.  stör.  Loinh.  XX,  586. 

4)  Ebenda  587,  Anm.  3.  Auf  diese  Anm.  2  genannte  Abhand- 
lung stütze  ich  mich  auch  im  Folgenden  für  alle  Einzelheiten,  die 
mit  diesem  Heiratsprojekt  zusammenhängen.  Ein  Aufsatz  von  N 
Valois,  Expedition  et  mort  de  Louis  I.  duc  d' Anjou  en  Italie,  in 
Revue  des  quest.  histor.  1894  Janv.  ist  mir  nicht  zugänglich. 


i;  Karl  Wenck: 

Sohn  Grian  Galeazzo  ITI.,  ein  junger  Mann  \ron  fünfund- 
zwanzig Jahren,  der  ohne  kriegerische  Tüchtigkeit,  aber 
sonst  mit  ausgezeichneten  Geistesgaben  ausgestattet  war. 
Nun  alter  hatte  'Bernabö  nach  dem  Tode  seines  Erst- 
geborenen im  Jahre  1382  noch  vier  Söhne.  80  weit  auch 
die  Herrschaft  der  Viscontis  sich  in  Überitalien  eistreckte, 
der  Anwärter  waren  zu  viele,  wenn  der  junge  Galeazzo 
die  Hälfte  des  Gebiets  für  sich  beanspruchen  konnte. 
Galeazzo  erkannte  früh  die  Gefahr,  die  aus  der  Für- 
sorge Bernabös  für  seinen  Nachwuchs  ihm  erstehen  mufste, 
und  heiratete,  um  sich  zu  decken,  ein  jugendlicher  Witwer, 
1380  eine  Tochter  Bernabös.  Katharina  Visconti  nahm 
den  Platz  ein,  der  durch  den  Tod  seiner  ersten  Gemahlin 
Isabella,  einer  französischen  Königstochter,  verwaist  war. 
Diese  frühere  Verbindung  Galeazzos  mit  einer  Dame  aus 
so  erlauchtem  Geschlecht  hatte  einst  mit  Recht  als  ein 
unvergleichlicher  diplomatischer  Erfolg  seines  Vaters  ge- 
golten, und  auch  nachdem  Isabella  1372  gestorben  war, 
mochte  Galeazzo  als  ein  Schützling  des  Hauses  Valois 
gelten.  Aber  dieser  Vorteil  wurde  in  das  Gegenteil  ver- 
kehrt, wenn  jetzt  Bernabö  seine  Tochter  Lucia  einem 
Vetter  des  regierenden  französischen  Königs,  Ludwig  II. 
von  Anjou,  zur  Ehe  gab.  Die  Verbindung  unter  den 
Lebenden,  von  hervorragender  Bedeutung  durch  die  grofse 
gemeinsame  Aktion  wider  Neapel,  mufste  Galeazzo  ganz 
in  Schatten  stellen.  Und  nur  noch  wichtiger  mufste  diese 
Verbindung  werden,  als  Ludwig  I.  inmitten  der  Kämpfe 
um  das  beanspruchte  Königreich  am  20.  September  1384 
durch  einen  plötzlichen  Tod  hinweggerafft  wurde,  denn 
seine  heroische  Witwe  Königin  Maria  und  die  französische 
Partei  in  Neapel  traten  für  die  Rechte  des  jungen  Ludwig 
ein.  Kurz  vorher,  am  2.  August,  war  die  Verlobung  der 
beiden  Kinder  vollzogen  worden,  nach  Ludwigs  Tode 
wurde  Bernabö  durch  politische  Berechnung  und  die 
natürliche  Eitelkeit  des  Vaters  bewogen,  unter  den  ver- 
änderten Verhältnissen  sich  erst  recht  für  die  Ansprüche 
des  Hauses  Anjou  einzusetzen.  Seiner  Unterstützung 
gpwifs,  vermochte  Königin  Maria  auch  in  Paris  und 
Avignon  Bereitwilligkeit  zur  Portsetzung  des  Unter- 
nehmens zu  wecken.  Eine  Tagebuchnotiz  des  Angio- 
vinischen  Kanzlers  Le  Fevre  aus  Avignon,  wo  sich  die 
Königin  und  ihr  Sohn  aufhielt,  veranschaulicht  packend 
den  Zusammenhang  der  Dinge:  „Am  29.  April  1385", 
so  heilst  es   da,  wurde   in   Gegenwart    des  Papstes  be- 


Eine  mailändisch- thüringische  Beirat.  7 

schlössen,  die  Tochter  Bemabös  (zur  Vermählung,  welcher 
der  Ehevollzug-  später  gefolgt  wäre)  holen  zu  lassen  und 
60000  Gulden  für  das  Kriegsvolk  im  Königreich  Sicilien 
abzusenden."  Also  damals  stand  der  Abschlufs  des  engsten 
Bündnisses  zwischen  Bernabö,  den  Anjous  und  Frank- 
reich und  die  Wiederaufnahme  des  Krieges  gegen  Karl 
von  Durazzo  unmittelbar  vor  der  Thür.  Da  erfolgte  ein 
jäher  Umschwung!  Gerade  eine  Woche  nach  jener  Be- 
ratung, am  6.  Mai  1385.  wurden  Bernabo  und  zwei  seiner 
Söhne  von  Galeazzo  zu  Gefangenen  gemacht,  und  weiter- 
hin wurde  das  noch  schwerere  Schicksal,  welches  Bernabü 
vermutlich  dem  Neffen  zugedacht  hatte,  ihm  selbst  be- 
reitet. 

Galeazzo,  zu  Pavia  scheinbar  ganz  in  friedliche  Be- 
schäftigungen versenkt,  hatte  seinen  Oheim  in  gering- 
schätzige Sorglosigkeit  zu  versetzen  gewußt.  Dann  hatte 
der  scheinheilige  Neffe  vorgegeben,  gelegentlich  einer 
Pilgerfahrt  nach  Varese  dem  Oheim  auf  der  Landstrafse 
begegnen  zu  wollen,  weil  er  sich  unüberwindlich  fürchte, 
Mailand  zu  betreten.  Bernabo  war  in  die  Falle  gegangen, 
er  war  und  blieb  dann  gefangen,  niemand  rührte  die  Hand 
für  ihn.  Nie  hat  sich  ein  Staatsstreich  glatter  vollzogen! 
Die  Unterthanen  des  Gestürzten,  der  mit  siebenmonat- 
licher Haft  und  am  Ende  eines  Prozesses  mit  dem  Tode 
durch  Gift  die  Schandthaten  seines  Regimentes  büfste, 
begrüfsten  den  Wechsel  mit  Jubel.  In  kürzester  Frist 
war  Galeazzo  Herr  des  ganzen  grofsen  und  reichen  Terri- 
toriums der  Viscontis,  das  damals  zweiundzwanzig  Städte 
umfafste,  und  fast  gleichzeitig  hatte  er  auch  die  öffent- 
liche Meinung  völlig  für  sich  gewonnen.  Weitsichtig 
genug,  um  zu  erkennen,  dafs  die  Dauer  seiner  Herrschaft 
am  sichersten  verbürgt  werde  durch  die  Zufriedenheit 
seiner  Unterthanen,  mit  feineren  Nerven  ausgestattet  als 
der  Nimrod  und  Kriegsmann  Bernabö,  hielt  er  sich  fern 
von  dem  brutalen  und  gehässigen  Wesen  seines  tyran- 
nischen Vorgängers,  vielmehr  wufste  er  durch  eine  vor- 
zügliche Verwaltung  und  eine  weise,  humane  Gesetz- 
gebung5) eine  verhältnismäfsig  glückliche  Zeit  für  die 
Lombardei  heraufzuführen.  So  würde  trotz  des  blutigen 
Anfangs  und  trotz  des  harten  Steuerdrucks,  welchen  seine 


5)  Formentini,  II  ducato  di  Milano  (1877)  p.  44,  findet  eine 
Ähnlichkeit  zwischen  Galeazzo  und  Napoleon  I.  im  Schnitt  des  Ge- 
sichts, in  der  Begabung  und  Großartigkeit  der  Ideen. 


g  Karl  Wenck: 

vielen  Kriege  mit  sich  brachten,  sein  Regiment  in  ehren- 
vollem Andenken  stehen,  auch  wenn  nicht  die  herrlichsten 
Kunstdenkmäler,  der  Mailänder  Dom  und  in  zweiter  Linie 
die  Certosa  Pavia,  für  den  hohen  und  feinen  Sinn  ihres 
Erbauers  Zeugnis  ablegten. 

Wie  die  Unterthanen,  so  haben  aber  auch  die  frem- 
den Mächte  nichts  gegen  die  Umwälzung  einzuwenden 
gehabt,  und  der  Friede  wäre  wohl  nicht  gestört  worden, 
wenn  nicht  Galeazzo  bald  auf  Eroberungen  ausgegangen 
wäre.  Zunächst  machte  er,  um  sich  von  der  Blutschuld 
zu  reinigen,  mittels  eines  Rundschreibens  die  Anklagen 
bekannt,  die  er  gegen  den  gefangenen  Oheim  erhoben 
hatte.  Wie  sein'  war  man  geneigt,  ihm  izu  verzeihen, 
was  er  vielleicht  zur  Selbsterhaltung  hatte  thun  müssen! 
Zwei  Monate  nach  der  Gefangennehmung  Bernabös  ist 
im  Rate  der  Königin  Maria  zu  Avignon  die  Verbindung 
ihres  Sohnes  Ludwigs  IL  von  Anjou  mit  einer  Tochter 
Galeazzos  erwogen  worden.  Also  statt  Bernabös  sollte 
jetzt  sein  Nachfolger  Schwiegervater  und  Protektor  des 
jungen  Prätendenten  werden!  Würde  er  dazu  geneigt 
gewesen  sein?  In  späterer  Zeit  hat  er  sich  entschieden 
gegen  jedes  Hereinziehen  der  Fremden,  der  Deutschen 
oder  Franzosen,  erklärt,  und  nichts  spricht  dafür,  dafs 
er  je  dem  nationalen  Gedanken  ganz  untreu  geworden 
wäre,  wrenn  er  auch  bisweilen  eine  gefährliche  Gemein- 
schaft mit  Frankreich  einzugehen  schien.  Jener  Plan 
wurde  wohl  nicht  weiter  verfolgt,  thatsächlich  unterblieb 
Jahre  lang  eine  Fortführung  des  Kampfes  um  Neapel, 
lins  interessiert  in  erster  Linie,  dafs  mit  dem  Sturze 
Bernabös  die  Heiratsaussichten  Lucias  in  nichts  zer- 
flossen  sind.  Hätte  Bernabö  die  geplante  Verbindung 
verwirklicht,  so  hätte  er  dann  vielleicht  gewagt,  Galeazzo 
zu  Gunsten  seiner  Söhne  aus  dem  Wege  zu  räumen.  Es 
ist  überaus  wahrscheinlich,  dafs  Galeazzo  die  Nachricht 
von  dem  bevorstehenden  Abschluls  des  Bündnisses,  das 
seines  Oheims  Machtstellung  wesentlich  befestigen  mufste, 
als  eine  Mahnung  ansah,    zu  handeln,    ehe    es  zu   spät 


war11) 


Die  Nächstbeteiligte  Lucia  —  wird  die  erfolgte 
Wendung,  den  gleichzeitigen  Verlust  des  Bräutigams  und 
Vaters,  als  Kind  mit  Gleichmut  ertragen  haben.    Schwerer 


°)  Das  hat  Romano  in  dem  mehrfach  erwähnten  Aufsatz  nach- 


zuweisen gesucht, 


Eine  mailändisch  - thüringische  Beirat.  9 

vermögen  wir  uns  die  Empfindungen  von  Galeazzos  Ge- 
malilin  Katharina,  ebenfalls  einer  Tochter  des  Getödteten, 
vorzustellen.  Ein  enges  Verhältnis  kindlicher  Liebe  zu 
diesem  Vater,  der  sein  Herz  zwischen  zahllose  eheliche 
und  uneheliche  Kinder  zu  teilen  hatte,  ist  wohl  nicht 
anzunehmen.  Die  Chroniken  und  Urkunden  schweigen 
darüber.  Siebzehn  Jahre  später,  nach  dem  Tode  ihres 
Gatten,  zeigt  sich  Katharina  den  schweren  an  sie  heran- 
tretenden Aufgaben  nicht  gewachsen.  Während  seiner 
Regierung  tritt  sie  kaum  hervor.  In  den  Beratungen 
und  Verhandlungen,  die  durch  die  Werbung  des  Wettiners 
um  die  Hand  Lucias  herbeigeführt  werden,  erscheint  sie 
nur  als  das  Werkzeug  ihres  Mannes.  Und  das  dürfte 
uns  nur  verwundern,  wenn  wir  uns  darüber  täuschen 
könnten,  dafs  dieser  Mann  nie  ein  Glied  seines  Hauses 
ohne  ganz  bestimmte  politische  Absichten  verheiratet  hat, 
dafs  er  vor  dem  Widerstand  eines  Frauenherzens  die 
Politik  gewils  nicht  kapitulieren  liefs  und  dafs,  wenn  zu 
seiner  Zeit  eine  Eheberedung  nicht  zur  Heirat  führte, 
sicher  viel  mehr  politische  als  andere  Gründe  maisgebend 
waren. 


Galeazzo  war  ein  Diplomat  ersten  Ranges.  Es  würde 
über  den  Rahmen  dieser  Abhandlung  weit  hinaus  gehen, 
wenn  dies  hier  auch  nur  in  den  Hauptzügen  seiner  Politik 
gezeigt  werden  sollte.  Es  mufs  genügen,  auf  die  nach 
einigen  Jahren  von  ihm  erzielten  Erfolge  hinzuweisen, 
sie  wurden  die  Grundlage  seiner  herzoglichen  Würde, 
weiterhin  aber  die  erste  Ursache  für  jenen  Angriff  König 
Ruprechts  und  eines  Reichsheeres,  den  Galeazzo  durch 
die  im  Folgenden  zu  erzählende  Familienverbindung  mit 
den  Wettinern  vergeblich  zu  verhindern  suchte. 

Mit  heuchlerischem  Vorgeben  hat  Galeazzo  zunächst 
die  Scaliger  ins  Unrecht  zu  setzen  gewußt  und  sie  dann 
aus  dem  Besitz  von  Verona  und  Vicenza  verdrängt,  und 
da  der  Herr  von  Padua,  Franz  von  Carrara,  sein  un- 
kluger Bundesgenosse,  ihm  den  alleinigen  Besitz  der 
Beute  streitig  machen  wollte,  wurde  ihm  alsbald  das 
gleiche  Schicksal  bereitet.  So  verschwanden  in  den  Jahren 
1387  und  1388  zwei  der  bedeutendsten  oberitalienischen 
Staaten  in  dem  viscontischen  Herrschaftsgebiet.  Nun 
aber  loderte  die  Eifersucht  von  Florenz,  das  sich  zur 
Wahrung  des   Gleichgewichts   in  Italien  berufen  fühlte, 


s 


10  Karl  Wenck: 

.. 
empor,  und   nach  altem   Berkommeii  suchten  die  Floren- 
tiner Anschluls  und  Rückhalt  bei   Frankreich. 

Da  war  es  von  gröfster  Bedeutung,  dals  Gian  Galeazzo, 
noch  ehe  er  den  Weg-  der  Eroberung  betreten  hatte,  die 
engste  Fühlung  mit  Frankreich  gewonnen  hatte7)  durch 
die  Verheiratung  seiner  Tochter  Valentina  mit  Ludwig 
von  Orleans,  dem  t  hat  kräftigen  Bruder  des  seit,  1392 
immer  wieder  von  zeitweiliger  Geisteskrankheit  erfafsten 
französischen  Königs.  Valentina  übernahm  die  schwierige 
Aufgabe,  an  dem  von  widerstrebenden  Einflüssen  erfüllten 
französischen  Hofe  die  Interessen  ihres  Vaters  zu  ver- 
treten wider  eine  starke  intrigante  Gegnerin,  die  Königin 
Isabella  aus  bairischem  Stamm,  eine  Enkelin  Bernabös. 
Dals  eine  zielbewulste  einheitliche  Führung  der  italie- 
nischen Politik  in  Paris  zu  vermissen  war,  lieferte  für 
Galeazzo  am  Ende  das  günstige  Ergebnis,  dals  Florenz 
lange  vergeblich  ein  Bündnis  mit  Frankreich  gegen  ihn 
zu  erlangen  suchte  und,  als  es  ein  solches  139G  durch- 
setzte, es  für  die  Republik  doch  ohne  Nutzen  blieb,  daß 
alter  auch  der  Vorstols  nach  Italien ,  welchen  Ludwig 
von  Orleans  im  Einverständnis  und  zum  Vorteil  des 
Avignonesers  Clemens  VII.,  also  im  Gegensatz  zu  Florenz, 
zu  verschiedenen  Zeiten  in  Absicht  hatte,  nicht  zur  Aus- 
führung gelangte.  Bei  diesem  Projekte  war  es  durchaus 
auf  ein  Zusammenwirken  mit  Mailand  abgesehen,  Galeazzo 
sollte  seinem  Schwiegersohn  beistehen  zur  Aufrichtung 
eines  päpstlichen  Vasallenstaates  auf  dem  Boden  des 
Kirchenstaates,  Florenz  wäre  in  der  Mitte  erdrückt  worden, 
aber  der  kluge  Mailänder  Gewalthaber  verzichtete  wohl 
nicht  ungern  auf  die  Verwirklichung  dieses  Planes,  für 
den  er  eingetreten  war,  um  nicht  seinerseits  zwischen 
Prankreich  und  Florenz  in  die  Enge  getrieben  zu  werden. 
Er  konnte  es  unzweifelhaft  zufrieden  sein,  wenn  die 
französische  Politik  unter  den  Einflufs  einer  andern  Hof- 
partei aus  der  bisher  befolgten  Bahn  abschwenkte  und 
auf  die  gewaltsame  Beilegung  des  kirchlichen  Schisma, 
die  via  facti,  auf  die  französische  Invasion  in  Italien 
verzichtete.  Galeazzo  wird  während  dieser  Verhand- 
lungen zu  der  Erkenntnis  gekommen  sein,  wie  wünschens- 
wert es  für  ihn  sei.  seine  Herrschaft  so  sicher  zu  stellen, 
dais   er  eines  unbedingten  Rückhalts  an  Frankreich  ent- 


7)  Jarry,  La  „voie  de  fait"  et  l'alliance  Franco-MUanaise  (13B6 
bis  1395):  Bibliotheque  de  T  ecole  des  chartes  Uli  (1892),  2V6  et 505. 


Eine  mailändisch- thüringische  Heirat  II 

« 

behren  könnte,  denn  dieses  Frankreich  konnte  sich  als 
Bundesgenosse  zum  unbequemen  Herrn  entwickeln,  es 
verlangte  auf  das  Lebhafteste  nach  dem  Besitze  Genuas, 
das  der  Visconti  nicht  minder  gern  für  sich  gehabt  hätte 
und  schliefelich  139G  doch  Frankreich  überlassen  mufete. 
Galeazzo  konnte  aber  das  thatenlose,  durch  die  Krank- 
heit des  königlichen  Herrn  gelähmte  Frankreich  entbehren, 
wenn  er  die  erworbene  weitausgreifende  Machtstellung 
durch  das  überhaupt  des  Reichs  König  Wenzel  mit  dem 
Schutzmantel  der  Rechtmäfsigkeit  umkleiden  liefs  und 
dadurch  entgegengesetzten  feindseligen  Machinationen  den 
Boden  entzog. 

In  solcher  Erwägung  hat  er  den  Antrieb  gefunden, 
in  den  Jahren  1395  und  139G  mit  grofsem  Geldaufwand 
von  König  Wenzel  die  Diplome  zu  erkaufen,  die  ihn  aus 
einem  Reichsvikar  zu  einem  Reichsfürsten  und  Herzog 
machten,  die  Mailand  und  sein  ganzes  Besitztum  in  ein 
Herzogtum  verwandelten.  Freilich  enthüllte  er  damit 
nur  noch  mehr  den  hohen  Flug  seines  Ehrgeizes.  Längst 
wurde  er  von  den  Dichtern  als  der  einzige  Mann  ge- 
feiert, der  die  zerstreuten  Glieder  Italiens  zur  Einheit 
zusammenschliefsen  könne,  die  Florentiner  hatten  mit  dem 
Scharfblick  des  Hasses  schon  1390  erkannt,  er  erstrebe 
zweifellos  die  Herrschaft  über  ganz  Italiens).  Gab  er 
nun  nicht  den  Hoffnungen  der  Ghibellinen,  den  Befürch- 
tungen der  Florentiner  selbst  Recht,  indem  er  sich  mit 
dem  Herzogslmte  schmückte.  Endlich  haben  die  Floren- 
tiner einsehen  lernen,  dafs  sie  von  Frankreich  nichts  zu 
erwarten  hatten,  und  zugleich  hat  sich  im  Kriege  des 
Jahres  1397  ihnen  und  ihren  Verbündeten  die  Überlegen- 
heit des  neuen  Herzogs  erwiesen.  Von  nun  an  trachteten 
sie  aus  Deutschland,  dessen  König  durch  seine  Diplome 
die  Stellung  Galeazzos  befestigt  hatte,  Hilfe  zu  bekommen, 
denn  jenseits  der  Alpen  kündigte  sich  durch  die  tief- 
gehende Unzufriedenheit  mächtiger  Fürsten  eine  Umwäl- 
zung, eine  Auflehnung  wider  eben  jenen  König  Wenzel  an. 
Italienische  Diplomaten,  Florentiner  und  Paduaner  sind 
bemüht  gewesen,  den  Rifs  zwischen  Wenzel  und  den 
Kurfürsten  zu  erweitern,  ihm  aus  der  eigenmächtigen 
Rangerhöhung  des  Visconti  einen  Strick  zu  drehen  und 
die  Politik  der    deutschen   Centralgewalt ,   die    zunächst 


8)  So  schreiben  sie  am  25.  Mai  1390  nach  Wien.    Th.  Lindner. 
Gesch.  des  Deutschen  Reiches  unter  König  Wenzel  II,  315. 


12  Karl  Wenck: 

von  den  Kurfürsten,  später  durch  einen  neuen  König 
nach  ihrem  Sinne,  zu  vertreten  war,  festzulegen  im  aus- 
gesprochenen Gegensatz  wider  den  Mailänder,  und  das 
ist.  ihnen ,  die  aus  der  Heimat  der  Goldgulden  kamen, 
nicht  allzuschwer  gefallen9). 

König  Wenzel  hatte,  wie  er  selbst  unstäl  und 
.schwankend  war,  keine  zuverlässigen  Freunde  unter  den 
deutschen  Fürsten.  Gemeinsinn  besafsen  die  Glieder  des 
Reichs  so  wenig  in  dieser  an  Idealen  armen  Zeit,  wie 
das  Oberhaupt.  So  hätte  Wenzel  das  Interesse  der- 
jenigen, welche  ihm  in  besonderer  Weise  nutzen  konnten, 
dauernd  mit  dem  seinigen  verbinden  müssen.  Von  hervor- 
ragender Bedeutung  wäre  es  für  ihn  gewesen,  wenn  er 
die  benachbarten  Wettiner  zu  treuem  Zusammenstehen 
gewonnen  hätte.  Sie  verfügten  im  Besitze  reicher  und 
weit  ausgedehnter  Territorien  in  bedeutsamer  Lage  über 
eine  um  so  gröfsere  Macht,  als  die  verschiedenen  Linien 
des  Hauses  nach  aufsen  auf  das  Einträchtigste  zusammen- 
hielten. Zu  ihrem  Glück  liefsen  sie  sich  leiten  von  der 
überragenden  Klugheit  Markgraf  Wilhelms  I.  von  Meilsen, 
eines  Fürsten  aus  Karl  IV.  Schule,  der  ebenso  umsichtig, 
energisch  und  erfolgreich,  ebenso  sehr  von  dynastischem 
Ehrgeiz  erfüllt  war,  als  sein  verstorbener  Meister10).  Jahre 
lang  hat  er  die  verhängnisvolle  Uneinigkeit  zwischen  den 
Fürsten  des  Luxemburgischen  Hauses  im  Gegensatz  zu 
Wenzel  auszubeuten  gewufst.  Seit  139G  aber  trat  er  in 
ein  näheres  Verhältnis  zum  König,  nicht  am  wenigsten 
bestimmt  durch  die  Rücksichten,  welche  ihm  eine  schwere 
langwierige  Fehde  mit  der  mächtigen  Stadt  Erfurt  auf- 
erlegte. Auch  diese  Verbindung  sollte  durch  ein  Heirats- 
bündnis verstärkt  werden,  und  es  ist  dieses  Verlöbnisses 
hier  zu  gedenken ,  weil  der  Bräutigam  derselbe  junge 
Fürst  war,  der  nachmals  Gatte  von  Lucia  Visconti  wurde, 
Friedrich,  Sohn  Landgraf  Balthasars  von  Thüringen. 
Markgraf  Wilhelm,  selbst  kinderlos,  mochte  gern  für  eine 
vorteilhafte  Verbindung  seines  Neffen  sorgen,  der  sich 
dereinst  mit  den  drei  Söhnen  Friedrichs  des  Strengen, 
seines  andern  längst  verstorbenen  Bruders,  in  seine  meifs- 
nischen  Lande  zu  teilen  hatte.  Die  Luxemburger,  deren 
Stamm  schon  keine   frischen  Zweige  mehr  trieb,   hatten 

")  A.  Winkel  manu,  Der  Romzug-  Ruprechts  von  der  Pfalz 
(1892)  S.  (iflg. 

"')  K.  Wenck,  Die  Wettiner  im  14.  .Jahrhundert  inshes.  Mark- 
graf Wilhelm  und  König  Wenzel  (1877)  S.  38,  54. 


Eine  mailändisch-  thüringische  Heirat.  13 

damals  nur  ein  heiratsfähiges  Glied  zu  vergeben,  eine 
Nichte  Wenzels,  Elisabeth  von  Görlitz.  Im  Augenblick, 
Anfang  des  Jahres  1397,  war  sie  freilich  eben  erst  sechs 
Jahr  alt 1J),  aber  ihr  Gemahl  durfte  sich  Hoffnung  machen, 
dereinst  mit  ihr  das  grofse  Erbe  des  Hauses  Luxemburg 
anzutreten,  und  wenn  sich  das  auch  zerschlagen  sollte, 
so  war  ihm  doch  als  Mitgift,  und  auch  wenn  die  Ehe- 
besprechung vom  König  nicht  erfüllt  werden  sollte,  ein 
grofser  Teil  der  Oberlausitz  zugesagt12).  Diese  Aus- 
sichten waren  so  glänzend,  dafs  Landgraf  Balthasar  nicht 
zögerte,  eine  1392  geschlossene  Verlobung  seines  Sohnes 
mit  Margarete  von  Hessen  wieder  aufzulösen,  und  Papst 
Bonifaz  IX.,  der  erst  so  gefällig  gewesen  war,  wegen  zu 
naher  Verwandtschaft  der  Häuser  Thüringen  und  Hessen 
Dispens  zu  erteilen,  war  jetzt  so  gefällig,  nachträglich 
ein  früher  ungeahntes  Hindernis  zu  finden  und  den 
Dispens  zu  kassieren13).  Aber  die  Strafe  für  das  leicht- 
fertige Verfahren  des  Landgrafen  blieb  nicht  aus.  Wie 
die  Wettiner  1397  beschlossen  hatten,  dafs  der  elfjährige 
Bräutigam  seine  hessische  Braut  im  Stich  lassen  sollte, 
so  wurde  ihm  1398  seine  neue  Braut  durch  König  Wenzel 
entzogen,  weil  das  Reichsoberhaupt  eines  Bündnisses  mit 
Frankreich  zu  bedürfen  glaubte,  und  dieses  Bündnis 
durch  die  Eheberedung  des  jungen  Ludwig  von  Orleans, 
Galeazzos  Enkel,  mit  der  hoffnungsvollen  Luxemburgischen 
Erbtochter  verankert  werden  sollte14).  Auch  dieses  Ver- 
löbnis hat  dann  freilich  zu  nichts  geführt  und  das  Bündnis 
mit  Frankreich  vom  März  1398  brachte  dem  König  keines- 
wegs die  gehoffte  Verbesserung  seiner  Stellung  im  Reich. 
Sein  Verhältnis  zu  den  Wettinern  insbesondere  wurde 
um  so  mehr  getrübt  durch  die  Lösung  des  Eheversprechens, 
als  Wenzel  nicht  einmal  in  der  Lage  war,  jene  Städte 
der  Oberlausitz,  auf  welche  die  Wettiner  auch  in  diesem 
Falle  Anspruch  haben  sollten,  auszuliefern.  Er  hatte  sie 
längst  an  seinen  Vetter  Jobst  übergeben,  war  aber  dann 
mit  ihm  darüber  in  Fehde  geraten  15J.  Was  Wunder,  wenn 
Markgraf  Wilhelm  anfing,    sich  von   dem  König  zurück- 


n)  R.   Gelbe,    Herzog  Johann   von  Görlitz:    Neues    Lausitz. 
Magazin  LIX  (1883),  27. 

12)  T  h.  S  c  h  e  1 1  z ,  Gesammtgesch.  der  Ober-  u.  Niederlaiisitz  II,  42 
(Neues  Lausitz.  Magazin  LVI1). 

13)  Wenck  S.  113. 

14)  Th.  Lindner  a.  a.  O.  II,  391. 

15)  Ebenda  400  flg. 


14  Karl  Wenck: 

zuziehen!  Nach  einem  vielversprechenden  Anlauf,  den 
Wenzel  1397  genommen,  indem  er  sich  wieder  einmal 
persönlich  mit  Eifer  den  Angelegenheiten  des  Reichs 
gewidmet  hatte,  war  er  rasch  wieder  erlahmt,  Markgraf 
Wilhelm  hatte  ihm  während  dieser  Epoche  besonders 
nützliche  Dienste  geleistet,  Jetzt,  im  April  1398,  wurde 
er  durch  Vermittehing  des  Erzbischofs  Johann  von  Mainz 
von  seinen  Händeln  mit  Erfurt  in  vorteilhafter  Weise 
befreit,  Dem  Stillstand  folgte  ein  Jahr  später  der  Friede. 
Mit  diesem  Ausgleiche  wurde  durch  den  klugen  Mainzer 
Kurfürsten,  das  Haupt  der  rheinischen  Oppositionspartei, 
den  Wettinern  die  Brücke  gebaut  zum  Übergang  in  das 
k ünigsfeindliche  Lager. 

Indessen  ohne  Zweifel  hat  es  Wenzel  nicht  an  Be- 
mühungen fehlen  lassen,  die  Wettiner  an  sich  zu  ketten. 
Bei  den  nahen  Beziehungen  Wilhelm  I.  zu  den  Vettern 
des  Königs,  Jobst  und  Procop,  hätten  ihn  die  Wettiner 
vielleicht  vor  der  Schmach  bewahren  können,  dals  seine 
eigenen  Verwandten  ihn  befehdeten,  eben  da  ihm  die 
deutsche  Krone  durch  den  Wittelsbacher  streitig  gemacht 
wurde.  Wenn  wir  nun  finden,  dass  im  Winter  1398  99 
über  ein  Ehebündnis  zwischen  Anglesia  Visconti  und 
dem  jungen  Markgrafen  Friedrich  dem  Streitbaren  oder 
einem  seiner  Brüder,  im  nächsten  Frühjahr,  als  jene 
Verhandlung  gescheitert,  über  eine  Verbindung  zwischen 
Lucia  Visconti  und  Friedrich  dem  Friedfertigen,  Balthasars 
Sohn,  verhandelt  wird,  so  liegt  die  Vermutung  ungemein 
nahe,  König  Wenzel  sei  der  Urheber  des  so  hartnäckig 
betriebenen  Gedankens  einer  Verbindung  zwischen  den 
Häusern  Visconti  und  Wettin  gewesen  l6). 

So  vielfältige  Vorteile  mufste  ihm  seine  Verwirklichung 
bringen!  Der  Herzog  von  Mailand  konnte  seinen  Töchtern 
und  Nichten  Ausstattungen  geben,  dals  daneben  die 
Erinnerung  an  die  Mitgift,  für  welche  Wenzel  jene  ober- 
lausitzischen  Städte  hatte  verpfänden  wollen,  verblassen 
mochte.  Weit  wichtiger  war,  dals  die  Wettiner  durch 
die  Verbindung  mit  dem  Mailänder  bei  der  bevorstehenden 
Scheidung  der  Parteien  auf  die  Seite  Wenzels  gezwungen 
wurden.  Sie  konnten  unmöglich,  so  schien  es,  einen 
Gegenkönig  wählen  mit  dem  imperativen  Mandat,  diesen 
Herzog  von  Mailand  zu  stürzen,  mit  dem  sie  eine  auch 
finanziell    bedeutsame    Verbindung    eingegangen    waren. 

"  '  Sil  nimmt  schon  Lindner  11,  401  Anm.  5  an. 


Eine  mailändisch- thüringische  Heirat.  |,~> 

Ähnliche  Gedanken  mochten  Galeazzo  erfüllen.  Ihm 
mufste  alles  daran  liegen ,  dals  König  Wenzel  unter  den 
deutschen  Fürsten  sich  einen  Anhang  erhielt,  der  stark 
genug  war,  den  wohl  unvermeidlichen  Gegenkönig  in 
Deutschland  festzuhalten.  Diesen  Dienst  mochten  ihm 
die  Wettiner  und  ihre  Freunde  leisten! 

Von  welcher  Seite  nun  die  Verhandlungen  zuerst 
unternommen  wurden,  ist  unbekannt,  wir  wissen  nur,  dals 
am  2.  November  1398  Anglesia  Visconti  an  Paganino 
de  Biassono  Vollmacht  erteilte 17)  zur  Verhandlung  eines 
Ehevertrags  mit  Friedrich,  dem  Sohn  des  Markgrafen 
Friedrich  (des  Strengen)  von  Meifsen,  oder  einem  seiner 
Brüder  AVilhelm  und  Georg.  Anglesia,  auch  eine  Tochter 
Bernabös ,  älter  als  Lucia,  war  schon  1377  als  Kind  dem 
jungen  Hohenzoller  Friedrich  VI., Burggrafen  von  Nürnberg, 
der  nachmals  als  der  Erste  seines  Stammes  Markgraf  und 
Kurfürst  von  Brandenburg  wurde,  zur  Ehe  versprochen 
worden18).  Als  die  beiden  Verlobten  herangewachsen 
waren,  im  Jahre  1393,  ist  aufs  Neue  über  diese  Ver- 
bindung verhandelt  worden,  jedoch  ohne  Ergebnis10).  Der 
junge  Burggraf  nahm  dann  acht  Jahre  später  statt  einer 
Tochter  eine  Enkelin  Bernabös,  „die  schöne  Else"  von 
Baiern,  zur  Gemahlin.  Auch  im  Winter  1398—99  führten 
die  Verhandlungen  über  eine  Verheiratung  Anglesias  zu 
keinem  Ergebnis,  wir  wissen  nicht,  warum?  Nach  drei 
Monaten,  am  6.  Februar  1399,  zog  sie  ihre  Vollmacht 
zurück-").  Wohl  nicht  erst  infolge  dieses  Miislingens 
wurde  bald  darauf  seitens  eines,  andern  wettinischen 
Fürsten  eine  Brautwerbung  in  Mailand  unternommen. 
Der  junge  Landgraf  Friedrich,  Balthasars  Sohn,  der 
trotz  seiner  Jugend  schon  zweimal  verlobt  gewesen  war, 
erteilte  Vollmacht  zur  Verhandlung  eines  Ehevertrags 
mit    Lucia    Visconti.      Seine    Boten    und    Unterhändler 


17j  So  ergielit  sieh  aus  dem  späteren  Widerruf  dieser  Vollmacht. 
Romano,  Un  matrimonio  ecc:  Arch.  stur.  Lomb.  XVIII.  617.  Ich 
citiere  diese  Abhandlung  von  hier  ab  nur  mit  dem  Namen  des  Ver- 
fassers. 

18)  Monumenta  Zollerana  IV,  399  u.  4'):;. 

'")  Romano,  Gian  Galeazzo  Visconti  1891  (Sonderabdr.  aus  d. 
Arch.  stör.  Lomb.  XV111)  p.  f>6.  Die  Verhandlungen  müssen  dem 
Abschlui's  sehr  nahe  gewesen  sein,  Anglesia  hatte  bereits  auf  ihre  von 
Bernabö  ererbten  Rechte  urkundlich  verzichtet.  Imhof,  Hist.  Italiae 
et.  Hisp.  genealogica  (Norimb.  1701)  p.  182. 

-°)  Davon  wird  später  im  dritten  Teile  dieser  Abhaudlung  noch 
zu  sprechen  sein. 


16  Karl  Wenck: 

waren-1)  ein  Erfurter  Geistlicher,  der  Dekan  des  Severus- 
stiftes,  Dietrich  von  Arnstadt,  der  Ritter  Friedrich  von 
Witzleben  und  Johann  von  Allenblumen,  der  Kammer- 
meister seines  Vaters.  Friedrich  von  Witzleben  bekam 
noch  aulserdem  den  Auftrag,  die  Ehe  mit  Lucia  an 
Stelle  des  Landgrafen  als  sein  Prokurator  rechtsgiltig 
zu  vollziehen22).  Am  4.  April  wurden  diese  Vollmachten 
dem  Herzog  von  Mailand  übergeben,  die  Verhandlungen 
begannen. 

Erst  nach  mehreren  Wochen  fühlte  sich  Galeazzo 
bewogen,  von  Lucia  zu  erforschen,  wie  sie  sich  zu  der 
Werbung  des  deutschen  Fürsten  stelle''13).  Er  allein 
ohne  Zuziehung  der  Herzogin,  Lucias  Schwester,  trat 
ihr  entgegen,  aber  er  war,  wenn  der  urkundliche  Bericht 
über  diese  Unterredung  die  volle  Wahrheit  sagt,  sichtlich 
aufs  Höchste  bemüht,  den  herrschsüchtigen  Tyrannen  zu 
verbergen.  Wenn  er  nicht  die  Absicht  hatte,  die  Ent- 
scheidung dem  Gutdünken  seiner  Base  und  Schwägerin 
zu  überlassen,  so  suchte  er  wenigstens,  indem  er  ihr 
zugleich  versprach,  ihr  in  jedem  Falle  einen  Gatten  zu 
verschaffen,  den  Schein  solcher  Gelassenheit  zu  erwecken. 
Zu  diesem  Zwecke  erinnerte  er  sie  an  allerlei  andere 
Heiratsaussichten  und  setzte  am  Schlüsse,  gleichsam 
warnend,  weil  doch  (was  er  nicht  aussprach)  der  Sperling 
in  der  Hand  Lucia  natürlich  lieber  sein  werde ,  als  die 
Taube  auf  dem  Dache,  hinzu,  sie  möge  das  alles  wohl 
in  Überlegung  ziehen,  bevor  man  mit  den  Gesandten  der 
erlauchten  Markgrafen  von  Meifsen,  die  zum  Abschloß 
eines  Ehebündnisses  zwischen  ihr  und  Landgraf  Friedrich 
gekommen  seien,  weiter  verhandle,  damit  diesen  Gesandten 
die    richtige    Antwort    erteilt    werden    könne.      So    hat 


2I)  Heiratsvertrag-  vom  25.  Juni  1  :>!>!)  Romano  8.  HÖH.  Er- 
gänzende Mitteilungen  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Archivrat 
Ermisch. 

2-)  Heiratsurkunde  vom  28  Juni  1399  Giulini,  Memorie  di 
Milano,  Continuazione  111,  594.  Nuova  edizione  VII,  2H7.  Mir 
lieg!  die  alte  Ausgabe  des  vorigen  Jahrhunderts  vor. 

'-'')  Alles  Folgende  beruht  zunächst  auf  der  Urkunde  vom 
11.  Mai  1399  Giulini  1.  c.  591.  Nuov.  ed.  VII,  2HH  Romano. 
p.  nur. ,  hat  den  schwer  begreiflichen  Irrtum  begangen,  anzunehmen, 
dal's  auch  die  eiste  Befragung  Lucias  durch  die  Herzogin  geschah, 
er  sagt:  un  primo  colloquio  ebbe  luogo  tra  le  due  donne  .  .  .  Da- 
gegen heilst  es  in  der  Urkunde:  Caterina  Ducissa  .  .  .  proposuit 
domine  Lutie  .  .  quod  .  .  dominus  Iha  Mediolani  .  .  a  paucis 
diebus  citra  diaät  et  proposuit  ipsi  domine  Lutie  ut  infra,  videlicet 
—  folgt  die  Erinnerung  an  Heinrich  von  Derby  etc. 


Eine  mailändisch  -  thüringische  Heirat  17 

Galeazzo  seine  Ansprache  an  Lucia,  auf  deren  Einzel- 
heiten gleich  noch  näher  einzugehen  ist,  dargestellt  wissen 
wollen,  und  wirklich  mag  er  gerade  so  vorgegangen  sein, 
weil  er  durch  kühle  Zurückhaltung,  durch  seine  Mahnung 
zu  allseitiger  Erwägung  aller  Zukunftsaussichten  dem 
Widerspruch  gegen  die  "Werbung  des  unbekannten 
Wettiners,  der  sich  bei  Lucia  ebenso  regen  werde,  wie 
er  sich  vielleicht  bei  Anglesia  geregt  hatte,  einen  Teil 
seines  Reizes  zu  benehmen  hoffte.  Auch  so  mochte  Lucia 
recht  wohl  wissen,  was  in  Galeazzos  Wunsch  und  Willen 
lag.  Ohne  erkennbaren  Zwang  mochte  sie  scheinbar  aus 
eigner  Einsicht  zu  der  bejahenden  Entschlieisung  gelangen, 
die  der  politischen  Lage  des  Herzogs  so  sehr  entsprach. 
Und  hatte  sie  nicht  in  der  That  allen  Grund,  die  Hand 
des  Wettiners  anzunehmen,  wenn  sie  nicht  einsam  durch 
die  Welt  gehen  wollte? 

Wie  stand  es  doch  mit  jenen  anderen  Aussichten? 
Der  Herzog  sprach  davon,  dafs  Graf  Heinrich  von  Derby, 
der  Vetter  König  Richards  von  England,  um  ihre  Hand 
geworben  habe.  Die  Verhandlungen  müssen  im  Sommer 
und  Herbst  1398  gespielt  haben.  Galeazzo  würde  gern 
eingewilligt  haben,  er  hatte  nur  zwei  Bedingungen 
gestellt:  vorher  müsse  König  Richard  den  Grafen,  den 
er  im  September  1398  auf  zehn  Jahre  ausser  Landes 
verwiesen  hatte,  wieder  in  Gnaden  zurückberufen  haben. 
Galeazzo  fürchtete  gewifs,  wenn  er  anders  handle,  die 
Gunst  des  englischen  Königs  zu  verscherzen.  Die  andere 
Bedingung  war,  dais  Graf  Heinrich,  ein  junger  Witwer 
von  einunddreiisig  Jahren24),  eine  seiner  zwei  Töchter 
einem  Sohne  Galeazzos  zur  Ehe  gebe.  Das  hatte  schon 
Heinrichs  Vater,  der  alte  Herzog  Johann  von  Ghent,  der 
inzwischen  (3.  Februar  1399)  gestorben  war,  zugesagt, 
wie  aber  mochte  sich  jene  erste  Bedingung  erfüllen? 
Galeazzo  und  Lucia  konnten  nicht  ahnen,  dais  fünf 
Monate  nach  ihrer  Unterredung  derselbe  Heinrich  von 
Derby  nicht  nur  längst  (Anfang  Juli)  nach  England 
zurückgekehrt  war,  sondern  —  als  Heinrich  IV.  die 
Königskrone  von  England  erhalten  haben  würde  an 
Stelle  des  eigenwilligen  Tyrannen  Richards  IL,  der  ihn 
gerade  ein  Jahr  vorher,  im  Oktober  1398,  landflüchtig 
gemacht    hatte.      Die    Werbung    Heinrichs    um    Lucia 


2*)  Heinrich  von  Derby  war  geboren  am  3.  April  1367.    Wylie, 
History  of  England  under  Henry  the  fourth  I  (1884X  4. 

Neues  Archiv  I.  S.  U.  u.  A.    XVI.  1.  2.  2 


18  Karl  Wenck: 

Visconti  ist  den   englischen  Historikern   alter   und   neuer 
Zeit  unbekannt  geblieben,   sie  ist  nur  bezeugt  durch  die 
merkwürdige  mailändische  Urkunde,  der  alles  Vorstehende 
und  Folgende  über  die  Verhandlungen   des  Herzogs  und 
der   Herzogin   mit   Lucia   entnommen    ist.     Aber   dieses 
Schweigen  der  Quellen  ist  nicht  zu  verwundern  und  darf 
keinerlei  Zweifel  erregen.    Freundschaftliche  Beziehungen 
Heinrichs    zu   Galeazzo   Visconti    lassen    sich    eben    im 
Sommer    1398   auch   anderweitig   nachweisen.     Die  Ver- 
anlassung  zu  Heinrichs  Verbannung   gab    ein  Streit  mit 
dem    Herzog   von   Norfolk-'"').     Beide   waren   durch   eine 
dem   König    hinterbrachte    Unterredung    verdächtig    ge- 
worden und  jeder  suchte,  ohne  es  mit  der  Wahrheit  allzu 
genau    zu    nehmen,     alle    Schuld    auf    den    anderen    zu 
wälzen.     Um   die  Österzeit  war  man   übereingekommen, 
dafs  ein  Zweikampf  am  Ki.  September  entscheiden   solle, 
wer  die  Wahrheit  gesprochen.    Auf  diesen  Kampf  rüsteten 
sich  beide  Gegner   mit  grofsem  Aufwand.     Der  Herzog 
von  Norfolk  wandte  sich  an  seine  Freunde  in  Deutschland, 
Heinrich  von  Derby  aber  schickte  eine  stattliche  Gesandt- 
schaft,  so   erzählt  Froissart-'1),    zum  Herzog  Galeazzo. 
um  durch  ihn  eine  Rüstung  nach   seinem  Geschmack  zu 
bekommen,  und  Galeazzo  kam  ihm  bereitwilligst  entgegen. 
Er  liels   nicht   nur   einen  von  Heinrich   gesandten  Kit  t  er 
Franz  unter  allen  seinen  Rüstungen  wählen,    sondern  er 
schickte  zum  Überfluls  vier   der  besten  Waffenschmiede 
der  Lombardei  nach  England,  um  den  Grafen  nach  seinem 
Gefallen   zu  bewaffnen.     Dals   der   unritterliche   Herzog 
von  Mailand   in    dieser  Sache   von  Heinrich   angegangen 
wurde,  mochte  seinen  Grund  darin  haben,   dals  Mailami 
im    Mittelalter    grofse    Waffenfabriken    hatte    um!    die 
Waffenschmiede  von  Pavia   besonders   geschätzt   waren, 
es  liegt  aber  nahe,  anzunehmen,   dals  mit  der  Bitte   um 
die  Ausrüstung   für   «Ion   Zweikampf  auch  die  Werbung 
Heinrichs   um    die   Hand   Lucias    nach   Mailand    erging, 
und   sicherlich    wurde    die    Phantasie    der   mailändischen 
Prinzessin  durch  die  Gefahr,  welcher  Heinrich  entgegen- 
ging, auf  das  Lebhafteste  angeregt,  sicher  erfahr  sie  es 
mit  geteilten  Empfindungen,  daß  König  Richard  am  Ende 
sich   dem   Zweikampf  entgegenstellte  und  beide  Wider- 


»)  R.  Pauli,  Gesch.  von  England  IV,  Hl 3. 
-''')    Oeuvres    de    Froissart    publ.    par    Korvyii    de    Lettenhove. 
Chroniques  XVI  (1872),  95. 


Eine  mailändisch- thüringische  Heirat.  19 

sacher  aus  dem  Lande  verwies.  So  war  es  also  Heinrich 
nicht  verstattet  gewesen,  seine  Ehre  gegen  den  Ver- 
leumder zu  behaupten,  der  ritterliche  Fürst,  dem  die 
Gunst  seines  Volkes  in  so  reichem  Malse  zu  Teil  wurde, 
dals  vierzig  Tausend  Männer  und  Frauen  bei  seinem 
Auszug  aus  London  ihm  Abschiedsgrüise  zuriefen-7), 
mulste  als  Verbannter  sfiin  Vaterland  verlassen!  Als 
ob  sein  Leben  nicht  schon  vorher  sich  romantisch  genug 
gestaltet  hätte!  Was  hatte  dieser  Mann  doch  schon 
alles  gesehen  und  erlebt2S).  In  dem  einen  Jahre  1390 
hatte  er  auf  den  Ruf  des  Dogen  von  Genua  mitgewirkt 
bei  der  Einnahme  von  Tunis  und  hatte  deutsche  Ordens- 
ritter auf  einer  Heerfahrt  wider  die  Lithauer  begleitet, 
1392  war  er  auf  einer  eigens  für  ihn  von  der  Republik 
Venedig  ausgerüsteten  Galeere  nach  Jerusalem  gefahren, 
ohne  das  ersehnte  Ziel  ganz  zu  erreichen,  1396  hatte  er 
die  furchtbare  Niederlage  bei  Nikopolis  mit  erlebt  und 
war  vor  der  Wut  der  Türken  mit  König  Sigismund  von 
Ungarn  an  Bord  eines  venetianischen  Schiffes  glücklich 
an  die  Donaumündungen  gelangt!  Sicherlich  war  er  auf 
diesen  Fahrten  ein  oder  das  andere  Mal  nach  Mailand 
gekommen,  und  Lucia  hatte  von  dem  reichen,  that- 
kräftigen  und  klugen  Fürsten,  dem  überall  die  Herzen 
entgegenschlugen,  der  seine  erste  Gattin  1394  mit 
28  Jahren  hatte  ins  Grab  sinken  sehen,  gewifs  den 
tiefsten  Eindruck  erhalten.  Aber  nun  stand  der  Erfüllung 
ihrer  Hoffnungen  nicht  blols  die  doppelte  Bedingung  des 
Herzogs  entgegen,  wer  mochte  Lucia  bürgen,  dals  Heinrich 
von  Derby,  Herzog  von  Hereford,  nach  dem  Tode  des 
Vaters  auch  Herzog  von  Lancaster  und  Besitzer  vieler 
anderer  Herrschaften,  in  Frankreich,  wohin  er  geflüchtet 
war,  nicht  eine  andere  Gattin  fand?  In  der  That  war 
man  um  Weihnachten  1398 -9)  am  Pariser  Hofe  gesonnen, 
ihm  Maria,  die  Tochter  des  Herzogs  von  Berry,  des  ein- 
llufsreichen  Oheims  Karls  VI.,  als  Gattin  zuzuführen,  und 
wohl  nur  die  gehässige  Warnung  König  Richards  vor 
der  Verbindung  mit  einem  Verräter,  die  ein  Graf  von 
Salisbury  über  den  Kanal  brachte,  stellte  sich  dieser 
Absicht  entgegen. 

Wer  möchte  es  nun   sagen,    ob  von   dieser  Intrigue 

27)   Froissart   S.  111.      Froissart    rühmt    dann    auch    seine 
grofse  Beliebtheit  in  Frankreich. 

2»)  Wvlie  I,  5.     Pauli  V,  65- 
20)  Pauli  IV,  624. 

o* 


2Q  Karl  Wenck: 

des  Königs,  die  in  London  neuen  Groll  wider  ihn  hervor- 
rief, von  den  vereitelten  Heiratsabsichten  Heinrichs,  etwa 
durch   lombardische    Kaufleute     Kunde    nach     Mailand 
gekommen  war!    Galeazzo  behandelte  es  als  eine  offene 
Frage,  ob  Lucia  nach  Jahren  sich  werde  mit  Heinrich 
von  Derby  verbinden  können.     Wenn  sie   wrarten  wolle 
und  Graf  Heinrich  nach  zwei  bis  drei  Jahren  noch  immer 
nicht  begnadigt  sei,  so  solle  sie  dann  dafür,  dals  sie  um 
einer  schließlich  getäuschten  Hoffnung  willen   auch   den 
wettinischen  Antrag  abgelehnt  habe,    Ersatz   finden   in 
einer  Ehe  mit  Gabriel  Visconti,  einem  natürlichen  Sohne 
des    Herzogs,     den     König    Wenzel    legitimiert    hatte. 
Galeazzo  würde  dafür  sorgen,  dals  Gabriel  sie  zu  seiner 
Gattin   mache,   wenn   sie  nur  wolle.     Und  wenn  es  ihr 
nicht  beliebe,  so  werde  er  für  einen  andern  Mann  Sorge 
tragen.   Wenn  sie  aber  auch  keinen  andern  Gatten  haben 
wolle,  sondern  nur  immer  auf  Heinrich  von  Derby  warten 
wolle,  so  sei  er's  zufrieden  und  werde  am  Ende  ihm  gern 
Lucia  zur  Gattin  geben,  nachdem  jene  beiden  Bedingungen 
erfüllt   seien.     Zum   Schluis   sprach   er   dann    die   schon 
oben  erwähnte  Mahnung  aus,  Lucia  solle  das  alles  recht 
erwägen,    ehe    man    in    den    Unterhandlungen   mit   den 
Gesandten   des   Landgrafen   weiter  vorgehe.     Und   was 
antwortete  Lucia?    „Wenn  ich",  sagte  sie,  „sicher  wäre, 
dals   ich   den   Grafen   von   Derby    zum    Gemahl   haben 
könnte,  so  wollte  ich  warten,  so  lange  ich  könnte,  auch 
bis  an  mein  Lebensende,  auch  wenn  ich  sicher  wäre,  drei 
Tage  nach  meiner  Vermählung  zu  sterben.    Ich  bedenke 
aber,   dafs  ich   diese  Gewißheit  nicht   haben  kann,   ich 
bedenke  auch,   dals  mein  Vetter  Gabriel,   wenn  ich  erst 
einige  Jahre  in  jener  Erwartung  habe  vergehen  lassen, 
mich  für  zu   alt'  befinden    wird   und   ich   so   weder   den 
einen  noch  den  andern  bekommen  werde.    Und  deshalb", 
so  schlofs  sie,  „bin  ich's  zufrieden,  in  Gottes  Namen  ver- 
handle man  mit  jenen  Gesandten,  um  mich  ehelich  mit 
dem  Landgrafen  zu  verbinden  ohne  Rücksicht  auf  andere 
Bewerber."  —  Einige  Tage  nach  dieser  Unterredung  mit 
dem  Herzog  unter  vier  Augen  wurde  Lucia  von  der  Herzogin 
aufs  Neue  befragt,  aber  keineswegs  sprach  die  Schwester 
zur  Schwester  in  traulicher  Beratung,  sondern  Lucia  mußte 
der  Herzogin  Rede   stehen   in   Gegenwart   des   Bischofs 
von  Novara,   des   Markgrafen  von  Montferrat  und  vier 
anderer  hoher  Zeugen.     Zwei  Notare  waren  bereit,  Rede 
und  Gegenrede  aufzuzeichnen  und  zu  beglaubigen.     Die 


Eine  mailändisch-  thüringische  Heirat.  21 

Herzogin  wiederholte  zunächst  alles,  was  ihr  Gatte  bei 
der  früheren  Unterredung  Lucia  vorgeschlagen  und  zur 
Wahl  gestellt  hatte,  so  wie  wir  es  eben  nach  ihrer  zu- 
sammenfassenden Wiedergabe  mitgeteilt  haben,  dann 
ebenso  die  Antwort,  welche  Lucia  gegeben  haben  sollte, 
und  schließlich  fragte  sie,  ob  das  ihre  Meinung  war  und 
sei,  oder  ob  sie  sich  anders  entschlossen  habe?  Lucia 
bestätigte  in  Gegenwart  der  Zeugen  ihre  frühere  Willens- 
erklärung, sie  sei  es  zufrieden,  ohne  auf  einen  andern  zu 
warten,  in  Gottes  Namen  solle  man  zum  Abschlufs  des 
Ehe  Vertrags  mit  dem  Landgrafen  verschreiten. 

Darüber  wurde  dann  die  merkwürdige  Urkunde  aus- 
gestellt, die  bei  aller  scheinbaren  Klarheit  doch  so  rätsel- 
haft ist.  Romano  hat  den  Worten  der  Urkunde  Glauben 
schenkend  angenommen,  dafs  Lucia  völlig  frei  sich  ent- 
schlossen habe,  dafs  sie  in  nüchterner  Erwägung  der 
dürftigen  Aussichten  auf  eine  Wiederkehr  Heinrichs  von 
Derby,  der  zu  großen  Jugend  ihres  erst  dreizehn- 
jährigen:,u)  Vetters  Gabriel  und  ihrer  eigenen  entfliehen- 
den Jugend  in  die  Heirat  mit  dem  Landgrafen  gewilligt 
habe,  natürlich  ohne  Liebe,  aber  auch  ohne  Bitterkeit 
oder  Zwang. 

Werden  wir  ihm  zustimmen  können?  Warum,  fragen 
wir,  der  grofse  feierliche  Apparat  des  Notariatsaktes 
unter  Herbeiziehung  hoher  Zeugen  für  eine  Zusage,  die 
aus  freier,  ruhiger  Überzeugung  hervorgegangen  war? 
Sicherlich  ist  dieser  Aufwand  zur  Beglaubigung  einer 
Willenserklärung,  die  sich  sonst  gern  in  den  Schatten 
eines  unbeobachteten  Zwiegesprächs  verbirgt  und  auf  den 
Tag  der  Verlobung  oder  Vermählung  wartet,  um  sich 
öffentlich  zu  erklären,  sehr  befremdend.  Sollte  Lucias 
Zusage  festgelegt  werden  als  eine  zu  wiederholten  Malen 
freiwillig  gegebene,  während  sie  in  Wahrheit  erpreist 
war,  damit  Lucia  später  nicht  wage,  sich  anders  zu  er- 
klären? Man  wird  vielleicht  zugeben,  dafs  solche  An- 
nahme nicht  unwahrscheinlich  ist.  Die  Urkunde  vom 
11.  Mai  giebt  uns  aber  noch  andere  Handhaben,  Kritik 
an  ihrer  Wahrhaftigkeit  zu  üben.  Ist  es  denn  möglich, 
dafs  eine  kühle  Verständigkeit  solcher  Art,  wie  sie  Lucia 
entfaltet  haben  soll,  einem  Mädchen  eigen  war,  das  seiner 


30)  Gabriel  Visconti  war,  als  er  1408  in  Genua  auf  Befehl  des 
französischen  Marschalls  Boucicaut  schuldlos  enthauptet  wurde,  erst 
zweiundzwanzig  Jahr  alt.     Muratori,  Annali  d'Italia  s.  a.  1408. 


■))  Karl  Wenck: 

Liebe  zu  jenem  englischen  Prinzen  selbst  einem  Galeazzo 
gegenüber  einen  so  leidenschaftlichen  Ausdruck  gab?  Für 
drei  Tage  der  Vereinigung  mit  dem  Geliebten  wollte  sie 
alle  die  Jahre  vorher  vertrauern  und  dann  in  den  Tod 
gehen!  Wenn  sie  trotzdem  einwilligte,  einen  gänzlich 
unbekannten  deutschen  Kleinfürst en  zu  heiraten,  der  mit 
seinen  fünfzehn  Jahren  ebenso  wie  Gabriel  Visconti  für 
sie  viel  zu  jung  war,  von  dem  sie,  falls  die  thüringischen 
Boten  nur  aufrichtig  waren,  wenig  hören  mochte,  was 
ihn  einem  Heinrich  von  Derby  an  die  Seite  stellen  konnte, 
so  wird  man  sicher  nicht  sagen  dürfen,  dafs  sie  aus  freier 
Entschließung  gehandelt  hat.  Wohl  wird  man  noch  daran 
denken  dürfen,  dafs  Lucia  ihre  Zustimmung  gab  unter 
dem  Eindruck  leidenschaftlicher  Trauer  über  den  Verlust 
Heinrichs  von  Derby,  über  den  sie  sich  keiner  Täuschung 
mehr  hingeben  konnte,  dafs  sie  also  handelte  in  einem 
Zustande  seelischer  Gleichgültigkeit  gegen  alles,  was  ihr 
das  Leben  noch  weiterbringen  mochte,  aber  wie  lange  hätte 
diese  nervöse  Erregung  anhalten  mögen?  —  Am  nächsten 
liegt  es  wohl,  anzunehmen,  dafs  Lucia  sich  einem  Drucke 
und  Zwange  fügte,  den  urkundlich  zu  bezeugen  Galeazzo 
natürlich  keinerlei  Veranlassung  hatte,  den  zu  üben  seine 
politische  Lage  ihm  dringend  empfehlen  konnte.  Setzen 
wir  die  Entscheidung  aus,  bis  wir  gefördert  durch  die 
Kenntnis  von  dem  Fortgang  der  Ereignisse  vielleicht  zu 
greiserer  Klarheit  über  dieses  psychologische  Problem 
durchzudringen  vermögen! 

Fast  sechs  Wochen  sind  nach  jener  feierlichen,  am 
11.  Mai  erfolgten  Befragung  Lucias  durch  die  Herzogin 
vergangen,  ehe  die  Heiratsangelegenheit  entschieden  in 
Fluis  kam.  Dann  vollzog  sich  alles  in  wenigen  Tagen: 
am  21!  Juni  der  Verzicht  Lucias  auf  alle  vom  Vater 
ererbten  Rechte,  am  25.  der  Abschluis  des  Heirats- 
vertrags, am  28.  die  Vermählung,  bei  welcher  Friedrich 
von  Witzleben  an  Stelle  des  Landgrafen  den  Hing  gab 
und  empfing.  Die  erfolgte  Eheschließung  wurde  urkund- 
lich bekräftigt. 

In  dem  Heiratsvertrag1'1)  wurde  die  Mitgift  auf 
75000  Goldgulden  festgesetzt,  auf  dieselbe  Summe,  die 
einige  Jahre  früher  einer  nach  Baiern  verheirateten 
Schwester  Lucias  zugesagt  worden  war32).    Im  nächsten 

31)  Romano  S.  606. 

:i-)  Romano,  Gian  Galeazzo  Visconti  p.  62.  Die  letzten  25000 
Gulden  blieben  Galeazzo  und  seine  Nachfolger  den  Witteisbachern 


Eine  mailändisch -thüringische  Heirat.  23 

Frühjahr  sollten  die  Gesandten  der  Landgrafen  Balthasar 
und  Friedrich  Lucia  über  die  Berge  holen ,  Galeazzo 
wollte  sie  ihren  Bevollmächtigten  so  frühzeitig  in  Trient 
übergeben  lassen,  dals  sie  bis  zu  Ostern  in  die  Heimat 
ihres  Gatten  gelangen  könne,  und  mit  ihr  wollte  er  als 
Anzahlung  auf  die  Mitgift  30000  Goldgulden  schicken, 
während  der  Rest  innerhalb  dreier  Jahre  nach  dem  Weg- 
gang Lucias  gezahlt  weiden  sollte.  Die  Gesandten  der 
Landgrafen  versprachen  ihrerseits  eine  entsprechende 
Gegengabe  des  Landgrafen  an  Lucia  in  liegenden  Gründen, 
aus  denen  sie  ein  regelmässiges  Jahreseinkommen  zu  freier 
Verfügung  beziehen  sollte. 

Politische  Bedeutung  hatte  wohl  die  eigentümliche 
Bestimmung,  wonach  Landgraf  Balthasar  und  sein  Sohn 
dem  Herzog  urkundlich  bezeugen  sollten,  dals  Lucia  ihnen 
zur  Ehe  übergeben  sei  und  übergeben  werden  würde  von 
Herzog  Galeazzo  und  von  niemand  anderem,  und  dals 
die  Landgrafen,  ihre  Kinder  und  Nachfolger  immer  an- 
erkennen würden ,  wie  diese  eheliche  Verbindung  von 
diesem  Herzog  und  niemand  anderem  ausgegangen  sei. 
Galeazzo  hatte  viele  Jahre  lang  Söhne  Bernabös  in  den 
Reihen  seiner  Feinde  zu  bekämpfen  gehabt;  Herzog 
Stephan  von  Baiern  war  als  Schwiegersohn  Bernabös 
von  dessen  Söhnen  und  den  Florentinern  gegen  Galeazzo 
aufgerufen  worden,  wir  können  nicht  zweifeln,  dafs  Galeazzo 
die  Möglichkeit  ins  Auge  faiste,  der  künftige  Gatte  Lucias 
möchte  bewogen  werden,  für  die  Rechte  seiner  Schwäger 
gegen  ihn  einzutreten.  Um  solcher  Gefahr  für  alle  Zu- 
kunft vorzubeugen,  wünschte  er  selbst  als  der  Begründer 
dieses  Heiratsbundes,  d.  h.  als  der  einzige  rechtmäßige 
Gewalthaber  des  Herzogtums  Mailand  anerkannt  zu 
werden.  Und  auch  für  den  Fall,  dafs  das  künftige  Reichs- 
oberhaupt gegen  ihn  vorgehen  wollte,  mochte  ihm  eine 
solche  Urkunde  von  Nutzen  sein  können.  Dafs  die  Heirat 
eine  politische  Solidarität  zwischen  den  Häusern  Wettin 


schuldig-.  Dem  Burggrafen  von  Nürnberg  waren  1393  nur  50000 
Gulden  als  Mitgift  zugedacht.  Giulini  S.  27.  Die  Mitgift  der  1387 
an  Ludwig  von  Orleans  verheirateten  Tochter  Galeazzos,  Valentina, 
betrag  aul'ser  der  Grafschaft  Asti  450000  Goldgulden,  aber  die  ganze 
Schuld  Galeazzos  an  Ludwig  belief  sich  mit  Zinsen  und  anderem 
auf  688000  Gulden  und  diese  war  1403  bis  auf  den  Rest  von  88000 
Dukaten  bezahlt.  M.  Faucon,  Le  mariage  de  Louis  d'Orleans  et 
de  Valentine  Visconti:  Extrait  des  Archives  des  missions  scientiliques 
et  litteraires  3.  serie  VIII,  15. 


■>  |  Karl  AVenck: 

und  Visconti  begründen  sollte,  wurde  sodann  ganz  all- 
gemein ausgesprochen.  Die  Landgrafen  und  ihre  Nach- 
folger werden  nichts  gegen  den  Herzog  und  seine  Nach- 
folger unternehmen ,  sie  werden  vielmehr  wirken  für  die 
Erhaltung  des  Herzogs  und  seiner  Nachkommen  und 
werden  für  sie  thun,  was  guten  und  treuen  Freunden  zu 
thun  zukommt.    Das  Gleiche  versprach  ihnen  der  Herzog. 

So  waren  die  Verhandlungen,  wenn  nur  die  erbetene 
Ratifikation  seitens  der  Landgrafen  erfolgte,  an  das  Ziel 
gelangt,  das  dem  deutschen  und  böhmischen  König  einer- 
seits, dem  mailändischen  Herzog  andererseits  so  erstrebens- 
wert erschienen  war. 

Aber  waren  denn  die  Wettiner  auch  wirklich  ge- 
sonnen, sich  für  die  Interessen  der  Häuser  Luxemburg 
und  Visconti  in  die  Bresche  zu  werfen? 


Es  ist  ein  eigentümliches  Zusammentreffen,  dafs  in 
der  ersten  Hälfte  des  Mai  1399,  fast  genau  in  denselben 
Tagen,  in  denen  Lucia  in  Mailand  ihre  Zustimmung  zu 
den  Heiratsverhandlungen  gegeben  hat,  Markgraf  Wilhelm 
von  Meilsen  und  Landgraf  Balthasar  zu  Forchheim  mit 
der  rheinischen  Kurfürstenpartei  in  enge,  freundschaft- 
liche Beziehungen  traten :5:5).  Noch  hatten  die  Kurfürsten 
von  der  Pfalz,  Mainz  und  Köln  den  Gedanken  der  Ab- 
setzung Wenzels  nicht  offen  ausgesprochen,  aber  schließ- 
lich lag  er  im  Verfolg  der  Bestrebungen,  über  die  sie  sich 
kurz  vorher  (April  1399)  in  Boppard  verständigt  hatten: 
den  König  ihrem  Willen,  die  Leitung  der  Reichsangelegen- 
heiten  ihrem  Gutdünken  zu  unterwerfen,  und  insbesondere 
waren  die  Kurfürsten  einig  gewiesen,  die  Bewilligungen 
König  Wenzels  an  den  Mailänder  Gewalthaber  nicht  zu 
bestätigen. 

Es  wurde  oben  schon  der  Thätigkeit  Erwähnung  ge- 
than,  welche  Diplomaten  von  Florenz  und  Padua  in 
Deutschland  übten,  um  die  Widersacher  König  Wenzels 
aufzureizen  und  vorwärts  zu  drängen.  In  den  ersten 
Monaten  des  Jahres  1399  trat  die  Sucht  des  Mailänders 
nach  Erweiterung  seiner  Herrschaft  den  Florentinern  in 
besonders  bedrohlicher  Gestalt  vor  Augen34),  Galeazzo' 
machte  sich  im  Februar  dieses  Jahres  zum  Herren  Pisas 


33)  Lindner  II,  407.     Wenck  S.  68. 
-4)  Leo,  Gesch.  der  ital.  Staaten  III,  338. 


Eine  mailändisch- thüringische  Heirat.  25 

und  vermochte  fortan  den  Florentinern  den  Zugang  zum 
Meere  zu  sperren;  im  September  kam  auch  Siena  unter 
seine  Gewalt,  Florenz  war  nun  auch  im  Süden  umzingelt, 
im  nächsten  Jahre  folgten  Perugia,  Assisi,  Spoleto  und 
Nocera  nach. 

Das  neue  Band,  das  Galeazzo  mit  dem  Hause  Wettin 
zu  knüpfen  gesucht  hatte,  hätte  sehr  stark  sein  müssen, 
wenn  die  Land-  und  Markgrafen  trotz  dieser  Eroberungs- 
politik des  Mailänders  hätten  geneigt  sein  sollen,  die  Ver- 
tretung seiner  Rechte  und  Interessen  gegenüber  den  zur 
Absetzung  Wenzels  entschlossenen  Fürsten  auf  sich  zu 
nehmen.  Ein  solches  Verhalten  hätte  nicht  ohne  Beispiel 
dagestanden,  die  Habsburger  hielten  sich  seitab  von  der 
Fürstenrevolution,  Herzog  Wilhelm  von  Osterreich  schlofs 
sogar  im  Frühjahr  1400  zugleich  im  Namen  seiner  Brüder 
ein  Bündnis  mit  dem  Mailänder  auf  fünf  Jahre,  das  diesen 
gegen  einen  Angriff  von  Deutschland  her  durch  die  Länder 
des  Hauses  Österreich  sicher  zu  stellen  schien"5).  Aber 
da  für  die  Wettiner  allein  die  deutschen  Interessen 
mafsgebend  waren,  während  die  Habsburger  schon  damals 
ihre  Hand  nach  Teilen  von  Oberitalien  ausstreckten,  so 
wäre  die  Voraussetzung  einer  Mailand-freundlichen  Politik 
das  engste  Einvernehmen  mit  den  Luxemburgern,  nament- 
lich mit  König  Wenzel,  gewesen,  und  eben  daran  fehlte 
es  doch  nach  dem  Vorausgegangenen  durchaus.  Die 
Heiratsverbindung  mit  dem  Hause  Visconti  hätte  der 
Ausdruck  solcher  Intimität  sein  können,  sie  mufste  zu- 
sammenbrechen, wenn  es  keine  andere  Stütze  dieser 
Freundschaft  gab.  Im  September  1399  finden  wir  die 
verschiedenen  Land-  und  Markgrafen  mit  den  vier  rhei- 
nischen Kurfürsten  und  anderen  Fürsten  zu  einein  Bunde 
geeinigt,  der  die  Aufstellung  eines  anderen  Reichsober- 
hauptes  nun  offen  und  urkundlich  sich  zum  Ziele  setzte, 
und  ebenso  haben  sie  an  den  anderen  Fürstenversamm- 
lungen teilgenommen,  die  der  Absetzung  Wenzels  voraus- 
gingen. Dem  neuen  König,  Ruprecht  von  der  Pfalz, 
wurde  auferlegt,  die  Erhebung  Galeazzos  zum  Herzog 
zu  widerrufen  und  die  von  ihm  dem  Reiche  entfrem- 
deten Lande  wieder  an  das  Reich  zu  bringen.  Wie 
aber  stellten  sich  dann  die  Wettiner  zu  dem  neuen 
König? 

Es  widerspricht  durchaus  den   Thatsachen ,    sie   als 


ar>)  Lind ii er  II,  521.     Hub  er,  Gesch.  Österreichs  II,  389. 


•>i;  Karl  Wenck: 

warme  und  treue  Freunde  Ruprechts  zu  bezeichnen0'1).  Mit 
einiger  Übertreibung ,  aber  im  Grunde  doch  richtig  hat 
der  boshafte  Erzbischof  Johann  von  Mainz  ihre  Haltung 
gekennzeichnet37),  wenn  er  den  Bürgern  von  Frankfurt 
schrieb,  mau  solle  die  Markgrafen,  die  sich  rühmten,  sich 
wohl  gegen  den  römischen  König  gehalten  zu  haben, 
fragen,  welchen  König  sie  meinten,  ob  Ruprecht  oder 
einen  andern  ?  Es  gelte  bei  ihnen,  heute  hierher,  morgen 
daher,  dafs  niemand  wissen  möge,  wen  sie  für  einen 
römischen  König  halten  ?  Und  die  Thatsachen:  Markgraf 
Wilhelm,  das  Haupt  der  Familie,  lieferte,  kurze  Zeit  vor 
Ruprechts  Wahl  an  Wenzels  Vetter,  Jobst,  die  Papiere 
der  Fürst enverschwörung  aus;  nach  der  Wahl  winden 
die  Markgrafen  von  Jobst  und  Wenzel  mehrfach  ver- 
geblich in  Böhmen  erwartet,  sie  ließen  sich  nicht  von 
WCnzel  gewinnen38),  sie  lielsen  sich  aber  auch  viele  Jahre 
lang  immer  wieder  vergeblich  auffordern,  ihre  Fürst  en- 
1  inner  von  Ruprecht  zu  Lehen  zu  nehmen*'),  sie  zogen 
allerdings  im  Sommer  1401  im  Einverständnis  mit  König 
Ruprecht  zu  Felde  gegen  Prag,  aber  obwohl  der  Witteis- 
bacher aus  ihrem  Auftreten  bei  einiger  Entschlossenheit 
hätte  für  sich  Nutzen  ziehen  können,  waren  es  doch  zu- 
nächst eigene  Interessen  und  Ansprüche,  die  sie  gegen 
Wenzel  verfochten,  und  als  Ruprecht  dann  die  Bekämpfung 
Wenzels  gleichgiltig  abbrach,  ehe  er  sie  noch  selbst  be- 
gonnen40), haben  die  Wettiner  sich  ebenso  wenig  um  seine 
Heerfahrt  nach  Italien  gekümmert.  Ihre  Namen  finden 
sich  wohl  in  der  Liste  der  zum  Romzug  aufgeforderten 
Reichsstände,  aber  keiner  von  ihnen  ist  Ruprecht  über 
die  Alpen  gefolgt41).  Also  nicht  die  Schärfe  des  poli- 
tischen Gegensatzes  war  es,   die  sich  der  thatsächlichen 


30)  Das  thut  Romano  S.  26,  aber  die  von  ihm  angeführten  Stellen 
der  Reiclista^'sakten  beweisen  «las  keineswegs,  sie  beziehen  sich 
größtenteils  auf  die  Zeit  vor  der  Wahl,  die  anderen  «Micken  Wünsche 
König  Ruprechts  aus,  die  unerfüllt  blieben. 

i  In  dem  höchst  merkwürdigen  Briefwechsel,  bei  welchem  der 
Frankfurter  Rat  die  wenig  angenehme  Rolle  dos  Briefträgers  zwischen 
dem  Erzbischof  und  den  Wettinern  spielte,  «edr. inFichards  Wette- 
ravia  (1828)  S.  158—210,  bes  S.  201   ti.  207. 

^)  Wenck  S.  72. 

3")  Deutsche  lleicbstagsakten  lX,219flg.  V,  415.  Fichard, 
Wetteravia  S.  180  u.  206. 

"')   Eöfler,   RuprecW  von  der  Pfalz  (1861)  S.  207  u.  214. 

")  Heimelt,  König  Ruprechts  Zag  nach  Italien  (Leipz.  Diss. 
189:ij  S.  58. 


Eine  mailändisch'-thüringische  Eeirat.  27 

Vollziehung  der  rechtsgiltig  geschlosseneu  Ehe  zwischen 
dem  jungen  Friedrich  und  Lucia  Visconti  entgegenstellte, 
sondern  vielmehr  die  G-leichgiltigkeit  gegen  eine  solche 
Verbindung,  die  aus  politischen  Motiven  ihnen  entgegen- 
gebracht, für  die  Wettiner  nur  dann  einen  Reiz  haben 
konnte,  wenn  sie  sich  durchaus  auf  Seiten  des  Hauses 
Luxemburg  stellen  wollten.  Landgraf  Balthasar  hatte 
einen  Fehler  begangen,  dafs  er,  ohne  sich  ganz  darüber 
klar  zu  sein,  welche  Stellung  er  in  der  bevorstehenden 
Thronfrage  einnehmen  werde,  obwohl  der  Gegensatz  der 
fürstlichen  Oppositionspartei  wider  Mailand  schon  im  Mai 
1397  hervorgetreten  war42),  die  Verbindung  mit  Mailand 
angeknüpft  hatte.  Gegenüber  Galeazzos  Namen  hatten 
sich  inzwischen  mehr  und  mehr  die  rheinische  und  die 
luxemburgische  Partei  geschieden.  Sollte  Balthasar  nun 
einen  zweiten  Fehler  hinzufügen,  sollte  er  nach  der 
Bopparder  Erklärung  vom  April  1399  die  geschlossene 
Familienverbindung  offenkundig  verwirklichen  und  dadurch 
den  Hais  seiner  Fürstengenossen  auf  sich  ziehen  ?  Würde 
(ialeazzo  nicht,  wenn  der  Landgraf  vertragsmäßig  im 
Frühjahr  1400  seine  Gesandten  schickte,  Lucia  und  die 
versprochene  Mitgift  über  die  Alpen  zu  holen,  ein  offenes 
Auftreten  Balthasars  gefordert  haben  wider  den  Gegen- 
könig, der,  wenn  er  nur  erst  gewählt  war,  in  der  Kürze 
einen  Angriff  gegen  Mailand  unternehmen  mufste?  Dem 
Italiener,  für  den  Wollen  und  Vollbringen  zusammenfloß, 
konnte  kein  Zweifel  obwalten,  dais  die  Wettiner  ihm 
Freund  oder  Feind  sein  müßten.  Dem  deutschen  Fürsten, 
der  aus  eigener  Erfahrung  wuiste,  wie  sehr  zwischen  den 
Vorsätzen  und  den  Thaten  eines  deutschen  Königs  zu 
unterscheiden  sei43),  mag  es  auch  nach  dem  Tage  von 
Forchheim  nicht  dringlich  erschienen  sein,  die  eingeleiteten 
Beziehungen  mit  dem  Mailänder  Herzog  abzubrechen, 
sonst  würde  er  in  der  sechswöchentlichen  Zwischenzeit  den 
Abschluls  der  Vermählung  leichtlich  haben  hindern  können. 
Hier  handelte  es  sich  um  eine  einfache  Unterlassungs- 
sünde. Schärfer  aber  wurde  Balthasar  zu  einer  klaren 
Stellungnahme  herausgefordert,  als  die  Frage  der  Rati- 
fikation des  Vertrags  vom  25.  Juni  1399,  der  ja  ein  Ein- 
stehen   für   die  Interessen    des  Visconti  von    den  Land- 


42)  A.Winke  Im  min,  Der  Romzug;  Ruprechts  v.d.  Pfalz  (1892)  S.  6. 

43)  Ohne  die  Werbungen  und  die  Geldmittel  der  Florentiner  und 
anderer  Italiener  würde  Ruprechts  Hee  rl'ahrt  sicherlich  unterblieben  sein. 


28  Karl   Wenck: 

grafen  forderte,  an  ihn  herantrat.    Er  wird  sie  verneinend 
beantwortet  haben. 

Wäre  nun  in  diesem  Verhalten  des  Wettiners  ein 
gewisses  Spielen  mit  Heiratsverhandlungen,  die  plötzlich 
sehr  ernst  und  bindend  werden  konnten,  zu  vermerken, 
so  möchte  ihm  vielleicht  einigermafsen  zur  Entlastung 
dienen,  dals  gerade  Galeazzo  in  ungewöhnlich  hohem 
Grade  verstanden  hat,  Heiratsverbindungen  seines  Hauses 
zur  Förderung  politischer  Absichten  zu  knüpfen,  um  sie 
dann  Jahre  lang  einem  ungewissen  Schicksal  zu  über- 
lassen und  endlich  bei  gelegener  Zeit  zu  thatsächlichem 
Vollzug  zu  bringen.  Er  liebt  es,  so  dürfen  wir  feststellen, 
zunächst  den  rechtlichen  Abschlufs  der  Verbindung  zu 
einem  politischen  Ereignis  zu  machen ,  das  ihm  Vorteil 
brachte,  und  er  begnügte  sich  dabei  nicht  mit  dem  lockeren 
Bande  der  Verlobung,  sondern,  wie  Lucia,  wurde  auch 
Galeazzos  Tochter  Valentina  1387  mit  Ludwig  von  Orleans, 
im  Dezember  1393  Elisabeth,  Lucias  Schwester,  mit  Ernst 
von  Baiern  mittels  Stellvertretung  verheiratet,  noch  aber 
behielt  Galeazzo  das  Pfand  der  Freundschaft  in  der 
Hand ,  um  es  bei  gelegener  Zeit  auszuspielen ,  und  die 
Überführung  der  jungen  Ehegattin  diente  dann  wieder 
einem  politischen  Zwecke44),  sie  folgte  in  beiden  Fällen 
der  Verheiratung  erst  nach  einer  Frist  von  mehr  als  zwei 
Jahren,  obwohl  in  Elisabeths  Falle,  ebenso  wie  bei  Lucia. 
ursprünglich  eine  viel  kürzere  Frist  in  Aussicht  genommen 
war.  Wenn  es  Valentina  und  Elisabeth  Visconti  nicht 
am  Ende  ebenso  erging  wie  Lucia,  so  erklärt  sich  das 
leicht  aus  der  engeren  Berührung  der  Interessensphäre 
Mailands  mit  Frankreich  und  Baiern.  Mit  diesen  Mächten 
mufste  sich  bald  eine  neue  Gelegenheit  zur  Bezeugung 
freundschaftlichen  Einverständnisses  ergeben,  die  An- 
knüpfung mit  den  Wettinern  dagegen  ragte  über  den  Kreis 
der  verwandtschaftlichen  und  politischen  Beziehungen, 
die  das  Haus  Visconti  mit  den  Dynastien  von  Frankreich, 
Württemberg,   Baiern,  Osterreich  bisher  geknüpft  hatte, 


41)  Darüber  hier  alle  Einzelheiten  mitzuteilen,  würde  zu  weit 
führen,  es  genügt,  auf  die  zwei  Untersuchungen  hinzuweisen,  die  in 
dem  einen  und  in  dem  anderen  Falle  festgestellt  haben,  dafs,  wie  der 
Abschluß  der  Heiratsverbindung  durch  politische  Beweggründe  her- 
beigeführt war,  so  der  thatsächliche  Vollzug  erst  dann  stattfand,  nach- 
dem ein  politisches  Moment  den  Anstofs  gegeben  hatte  Faucon, 
Le  mariage  de  Louis  d'Orleans  p.  7  nt.  (den  genauen  Titel  der  Abhand- 
lung s.  oben  Anm.  Ü2).     Romano,  Grian  Galeazzo  p.  5(5—63. 


Eiue  mailändisch- thüringische  Heirat.  29 

räumlich  weit  hinaus,  sie  entsprang  einer  eigentüm- 
lichen Zuspitzung  der  Verhältnisse,  dafür  schien  sie  einen 
Augenblick  von  grofser  Bedeutung,  aber  auch,  wenn  die 
Wettiner  sich  nun  zu  Wenzel  gehalten  hätten,  würde  bei 
der  Thatenlosigkeit  dieses  Königs  Galeazzo  doch  kaum 
die  erhofften  Früchte  geerntet  haben. 

Indessen  das  liefs  sich  kaum  voraussehen,  und  keines- 
wegs war  Galeazzo  sicher,  das  Reichsheer  des  kommen- 
den Gegenkönigs  mit  eigener  Kraft  zurückweisen  zu 
können.  Um  so  größer  war  der  Ruhm,  den  er  dann 
über  König  Ruprecht  im  Herbst  1401  davontrug.  Die 
Romfahrt  Ruprechts  zeigte  offenkundigst  die  Ohnmacht 
dieses  deutschen  Herrschers.  Als  Söldner  der  Republik 
Florenz  gekommen,  hat  er  gegen  Galeazzo  nur  Nieder- 
lagen davongetragen,  und  als  er  die  Kaiserkrone  begehrte, 
erhielt  er  vom  Inhaber  des  Stuhles  Petri  eine  abschlägige 
Antwort,  weil  sein  Widersacher  Galeazzo  dem  Papste 
viel  gefährlicher  erschien  als  er.  Dem  Glänze  des  Sieges 
über  den  deutschen  König  fügte  der  Visconti  noch  die 
Eroberung  Bolognas  hinzu,  das  Königreich  Italien  schien 
seiner  Verwirklichung  immer  mehr  entgegenzugehen,  da 
hat  Galeazzos  plötzlicher  Tod  am  3.  September  1402 
die  Hoffnungen  und  Befürchtungen,  die  sich  an  seinen 
Namen  knüpften,  mit  einem  Schlage  vernichtet.  Seine 
Söhne  waren  keineswegs  im  Stande,  das  Erbe  des  Vaters 
zusammenzuhalten,  es  erfolgte  eine  starke  Gegenströmung 
wider  die  mailändische  Eroberungspolitik. 

Was  aber  wurde  aus  Lucia?  Wir  würden  den  Faden 
der  Erzählung  nicht  so  weit  zu  spinnen  gehabt  haben, 
wenn  nicht  der  Schluisakt  ihres  traurigen  Heiratsbundes 
erst  nach  dem  Tode  Galeazzos  stattgefunden  hätte,  und, 
wie  die  Dinge  lagen,  wohl  erst  dann  stattfinden  konnte. 
Mit  welchen  Gefühlen  mochte  Lucia  kurze  Zeit  nach  dem 
verhängnisvollen  28.  Juni  1399,  der  sie  rechtlich  an  einen 
nie  gesehenen  ungeliebten  Mann  band,  die  aufserordent- 
lichen  Ereignisse  verfolgen,  die  Heinrich  von  Derby,  den 
.Mann,  der  ihr  Herz  erfüllte,  auf  den  Thron  von  England 
führten.  Vielleicht  spiegelte  sie  sich  vor,  da(s  er  nun 
gewifs  seine  frühere  Werbung  erneuert  haben  würde, 
wenn  er  nicht  von  ihrer  Verheiratung  mit  dem  Wettiner 
gehört  hätte.  Dann  aber  hat  auch  er  sich  anderweit 
gebunden.  Am  7.  Februar  1403,  einige  Monate  nach  dem 
Tode  Galeazzos,  vollzog  Heinrich  IV.  seine  Vermählung 
mit  der  Herzogin-Witwe  Johanna  von  Bretagne,  die  ihm 


30  Karl  Wenck: 

seit  dem  Frühjahr  1402  durch  Stellvertretung  angetraut 
war15).  Seine  beiden  Töchter  aus  erster  Ehe,  die  ja  auch 
bei  den  früheren  Heiratsverhandlungen  eine  liolle  gespielt 
haben,  wurden  im  Sommer  1402  verheiratet,  beziehungs- 
weise verlobt,  die  eine  an  den  Sohn  König  Ruprechts, 
die  andere  an  König  Erich  von  Dänemark40)-  So  war 
auch  auf  dieser  Seite  schon  zu  Galeazzos  Zeiten  jede 
Aussicht  auf  Erfüllung  der  einst  gehegten  Hoffnungen 
geschwunden ! 

Aber  trotzdem  hat  Lucia  natürlich  den  lebhaften 
Wunsch  gehegt,  aus  ihrem  eigentümlichen  Strohwitwen- 
lum  befreit  zu  werden.  Ein  glücklicher  Bibliotheksfund 
G.  Romanos  hat  uns  gelehrt,  welche  Wege  sie  dazu  ein- 
schlug. Um  es  mit  einem  Worte  zu  sagen  und  zugleich 
zu  verraten,  welches  tiefere  Interesse  die  bezüglichen 
Urkunden  für  das  Verständnis  der  ganzen  Heiratsangelegen- 
heit haben:  Lucias  eigene  Aussage  und  die  bestätigen- 
den Aussagen  verschiedener  Zeugen47)  sollten  erweisen, 
dals  Lucia  nur  unter  dem  Zwange  Galeazzos  diese  Ehe 
eingegangen  sei,  die  daraufhin  natürlich  für  rechtlich  un- 
giltig  erklärt  werden  sollte.  Lucia  gab  am  24.  Februar 
1403  in  feierlicher  Form,  indem  sie  beschwörend  die  Hand 
auf  die  heilige  Schrift  legte,  vor  der  Herzogin -Witwe 
sechs  Zeugen  und  einem  Notar  kund,  dals,  bevor  sie  die 
Worte  gesprochen,  die  ihre  Zusage  zum  Abschluis  der 
Ehe  mit  dem  Landgrafen  zu  enthalten  schienen,  sie  wieder 
und  wieder  erklärt  habe,  sie  thue  es  aus  Furcht  und  auf 
Befehl  des  Herzogs  Galeazzo,  dem  sie  nicht  zu  wider- 
sprechen wagte,  durchaus  nicht  in  der  Absicht,  den  Land- 
grafen Friedrich  als  ihren  Gemahl  anzuerkennen.  Sie 
habe  in  dem  Augenblick,  als  sie  jene  Worte  sprach,  heftig 
geweint  und  sofort,  als  sie  den  Ort  der  Handlung  verliels, 
in  Gegenwart  vieler  erklärt,  dals  sie  nicht  verheiratet 
sei  und  was  sie  gethan,  nur  aus  Furcht  und  auf  Befehl 
-et hau  habe.     Kurze  Zeit  nachher  legte  sie  den  Trau- 


lv)  Auch  diese  Verbindung  hat  ihre  Romantik.  Johannas  erst  er 
Gatte  war  alt  genug-,  um  ihr  Grofevater  zu  sein.  Er  hatte  Heinrich 
von  Derby  im  Sommer  1399,  die  dieser  nach  England  zog.  auf  das 
Beste  aufgenommen  und  war  dann  im  November  1399  gestorben.  Mit 
seiner  Witwe  blieb  Heinrich  fortdauernd  in  Beziehungen,  bis  er  sie 
heiratete.     Wylie,  Histury  of  England  ander  Henry  IV.  I,  '160. 

'")  Wylie  I,  ü5!,  :i">K. 

IT)  Aus  einer  Händschrift  der  Bibliotheca  Trivulziana  in  Mai- 
land mitgeteilt  Romano  p.  610—1 1. 


Eine  mailänttisch-  thüringische  Heirat.  31 

ring  ab  und  wollte  ihn  nie  mehr  tragen,  zum  Zeichen, 
dals  sie  sich  nicht  für  verheiratet  erachte.  Die  gleiche 
Erklärung  habe  sie  nach  dem  Tode  des  Herzogs  vor 
vielen  Zeugen  beschworen  und  angegeben,  dals  sie  ebenso 
vor  der  Herzogin  und  dem  gesamten  Staatsrat  sich  aus- 
gesprochen habe.  Jetzt  hiefs  sie  den  Notar  darüber  eine 
Urkunde  aufnehmen.  Aus  den  Aussagen  der  fünf  Zeugen 
oder  Zeugengruppen,  die  nach  der  Prinzessin  das  Wort 
nahmen,  darf  hier  bei  Seite  bleiben,  was  den  Charakter 
einer  mehr  oder  minder  wörtlichen  Bestätigung  ihrer  Er- 
klärung trägt,  es  bleiben  dann  zwei  Aussagen  übrig,  die 
schon  nach  der  Persönlichkeit  der  Zeugen  ein  besonderes 
Gewicht  haben.  Uberto  Visconti,  ein  Mailänder  Bürger, 
der  dem  Vermählungsakt  vom  28.  Juni  1399  beigewohnt 
hatte,  gab  an,  dals  er  zur  Zeit,  wo  die  entscheidenden 
Worte  von  Lucia  gesprochen  wurden,  nahe  hinter  ihr  ge- 
standen und  gehört  habe,  wie  Herzog  Galeazzo,  als  sie 
gefragt  wurde,  ob  sie  den  Landgrafen  Friedrich  zu  ihrem 
Gemahl  annehmen  wolle,  zu  ihr  sagte  „Sprich  ja",  darauf 
sagte  Lucia  nach  dem  Befehl  des  Herzogs  „Ja",  aber  sie 
wäre,  so  glaubt  er,  zur  Erde  gefallen,  wenn  er  sie  nicht 
gehalten  hätte.  Und  dann,  als  sie  sogleich  hinweggeführt 
war.  fragte  Uberto  sie:  „was  hattet  Ihr,  Herrin,  fühlet  Ihr 
einen  Schmerz?"  da  fing  Lucia  heftig  an  zu  weinen  und 
da  erkannte  er,  dals  sie  ungern  und  wider  ihren  Willen 
gcthan  habe,  was  sie  gethan.  Das  hat  er  dann,  wie  die 
andern  Zeugen,  oftmals  von  ihr  gehört.  Das  andere  her- 
vorragende Zeugnis  legten  drei  Hofdamen  Lucias  ab.  Sie 
sagten  aus ,  dals  Lucia  vor  dem  entscheidenden  Jawort 
immer  und  immer  wieder  gesagt  habe,  sie  werde  niemals 
in  die  Ehe  mit  Friedrich  willigen.  An  dem  Tage,  wo 
sie  vermählt  werden  sollte,  wollte  sie  sich  nicht  mit 
anderen  Kleidern  schmücken  lassen,  indem  sie  sagte,  daß 


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sie  niemals  den  Herrn  Friedrich  zum  Manne  nehmen 
werde.  Da  sagten  ihre  Hofdamen  und  andere  gute  Frauen 
zu  ihr:  „Wenn  Ihr  nicht  thut,  was  dem  Herrn  (dem  Her- 
zog) gefällt,  so  wird  er  Euch  und  die  Einigen  zu  Grunde 
richten."  Und  darauf  that  die  Prinzessin  weinend  und 
aus  Furcht  vor  dem  Herzog,  was  sie  that,  und  so  hat 
sie  nach  jenen  Worten  oftmals  in  Gegenwart  ihrer  Hof- 
damen und  vieler  anderer  erklärt. 

Nicht  ohne  Scheu  unternehme  iclvs.  den  Eindruck 
dieser  „menschlichen  Zeugnisse",  dem  sich  niemand  wird 
entziehen  können,  mit  einigen  kühlen  Erörterungen  zu  be- 


32  Karl  Wenck: 

gleiten.  Und  doch  darf  ich  nicht  davon  absehen,  schon  weil 
ihnen  meines  Erachtens  von  Romano  nicht  das  Gewicht  bei- 
gelegt worden  ist,  das  sie  verdienen.  Er  stellt  sich  auf 
die  Seite  des  Notariatsaktes  vom  11.  Mai  1399  und 
nimmt  an ,  was  die  Erklärungen  vom  24.  Februar  1403 
enthalten,  sei  zwar  bis  zu  gewissem  Grade  wahr,  aber 
für  den  bestimmten  Zweck  sehr  übertrieben,  Lucia  habe 
völlig  frei  ihr  Jawort  gegeben  und  nur  nachher  Reue 
gefühlt,  als  man  Ehren  halber  die  zu  weit  gediehenen 
Verhandlungen  nicht  habe  abbrechen  können.  Seiner 
Beurteilung  meinen  wir  gewissermaßen  den  Boden  ent- 
zogen zu  haben  durch  den  Nachweis,  dais  Galeazzo  den 
Nutzen  einer  Unterstützung  König  Wenzels,  gegenüber 
der  noch  unabmeisbaren  Gefahr  eines  Gegenkönigtums, 
recht  hoch  einschätzen  mochte.  In  dieser  Ansicht  muiste 
uns  bestärken,  dais  nicht  die  Herzogin,  wie  Romano  in 
schwer  begreiflichem  Irrtum  annahm,  Lucia  zuerst  um 
ihre  Ansicht  über  die  thüringische  Werbung  befragt  hat, 
sondern  der  Herzog  selbst,  dais  Lucias  Entscheidung  zum 
Gegenstand  eines  feierlichen  Notariatsaktes  vor  hohen 
Zeugen  gemacht  wurde.  Die  Herzogin  gab  also  vor 
dieser  feierlichen  Versammlung  nicht  ein  Gespräch ,  an 
dem  sie  selbst  teilgenommen  hatte,  wieder,  sondern  un- 
kluger Gatte  hatte  ihr  einen  Bericht  in  den  Mund  ge- 
legt, der  seinem  Zwecke  entsprach,  es  ist  daher  keines- 
wegs hyperkritisch  an  der  Echtheit  und  Aufrichtigkeit 
des  uns  vorliegenden  Gesprächs  zu  zweifeln,  und  wenn 
in  der  kurzen  Zusammenfassung  von  Rede  und  Gegen- 
rede, welche  die  Herzogin  vortrug,  auch  die  Leidenschaft 
Lucias  für  Heinrich  von  Derby  Erwähnung  fand,  so  hat 
dies  nur  dazu  dienen  sollen,  den  Eindruck  der  schließlich 
gegebenen  Einwilligung  zu  verstärken.  Diese  sollte  durch- 
aus erscheinen  als  das  Ergebnis  nüchterner  praktischer 
Erwägung,  mit  dieser  Behauptung  mochte  der  Herzog 
gegenüber  denen ,  die  es  besser  wußten,  noch  am  ersten 
durchdringen  zu  können  hotten.  Sollte  aber  nicht,  wer 
die  Worte  schwärmerischer  Liebe  Lucias  für  Heinrich 
von  Derby  auch  nur  in  der  Wiedergabe  der  Herzogin 
damals  gehört,  wer  sie  heute  unbefangen  gelesen,  sich 
versucht  fühlen  zu  vermuten,  dafs  die  nachfolgende  Ent- 
schließung des  kalten  Verstandes  nicht  von  der  leiden- 
schaftlich empfindenden  Lucia  selbst  erzeugt,  sondern  ihr 
von  außen  entgegengebracht  und  aufgezwungen  sei? 
Romano  ist  an  diesem  Gegensatze  vorübergegangen. 


Eine  mailändisch- thüringische  Heirat.  33 

Romano  hat  sich  nun  ferner  darauf  berufen,  dafs 
Lucias  Schwester  Anglesia  völlig  freie  Entschließung 
gegenüber  den  an  sie  herantretenden  Werbungen  gehabt 
habe  und  man  daher  das  Gleiche  für  Lucia  werde 
annehmen  müssen.  Anglesia  habe  Vollmacht  zu  Heirats- 
verhandlungen mit  einem  der  drei  wettinischen  Brüder 
gegeben  und  widerrufen,  nicht  blois  ein  Mal  im  Winter 
1398/99,  sondern,  wie  hier  noch  nicht  erwähnt  wurde, 
nochmals  durch  drei  Vollmachten  vom  22.  Juli  1399  und 
den  Widerruf  vom  5.  August  1399 4S).  Aber  können  denn 
diese  urkundlichen  Thatsachen  beweisen ,  dafs  Anglesia 
dabei  eigener  Eingebung  folgte?  Das  Motiv  des  Widerrufs 
wird,  was  Romano  nicht  beachtet  hat,  beide  Mal  mit 
genau  denselben  Worten  angegeben:  „Anglesia  hat  gegen 
ihren  Bevollmächtigten  Paganino  de  Biassono  Verdacht 
gefalst  und  deshalb  an  seiner  Treue  nicht  mit  Unrecht 
zu  zweifeln  begonnen  und  deshalb  zieht  sie  aus#  den 
gerechtesten  Gründen  die  Vollmacht  zurück."  Die  Über- 
einstimmung der  beiden  Widerrufe  in  diesem  Punkte 
bewirkt,  dafs  der  angegebene  Beweggrund  auch  für  das 
erste  Mal  nicht  ohne  Weiteres  glaublich  erscheint,  er 
kann  dort  ebenso  aus  einer  bereit  liegenden  Formel  ent- 
nommen sein,  wie  das  zweite  Mal  wohl  aus  dem  Wider- 
ruf vom  6.  Februar.  Die  wiederholte  Bestellung  desselben, 
angeblich  verdächtigen,  Bevollmächtigten49)  würde  dadurch 
ihr  Auffälliges  verlieren.  Es  kann  sein,  dafs  Galeazzo 
selbst  im  Februar  1399  Bedenken  gegen  die  Verbindung 
Anglesias  mit,  einem  der  Landgrafen  bekommen  hat  und 
erst  durch  das  Erscheinen  der  thüringischen  Gesandten 
zu  Anfang  April  in  seinem  Verlangen  nach  einer  Ver- 
bindung mit  dem  Hause  Wettin  gefestigt  worden  ist, 
aber  auch  eine  andere  Möglichkeit  liegt  nicht  zu  fern: 
Anglesia  durfte  im  Februar  ihre  Bereitwilligkeit  zu  einer 
Verbindung  mit  einem  der  drei  wettinischen  Fürsten 
widerrufen,  weil  mit  dem  Zurücktreten  Heinrichs  von 
Derby  Lucia  für  eine  politische  Heirat  mit  diesem 
Fürstenhause  frei  wurde,  während  im  vorausgegangenen 
Herbste,  als  Anglesia  ihre  erste  Vollmacht  ausstellte, 
gerade  über  die  Hand  Lucias   mit  Heinrich  von  Derby 

^)  Sie  lagen  mir,  ebenso  wie  der  Widerruf  vom  6.  Februar,  iu 
den  für  den  Cod.  dipl.  Sax.  gefertigten  Abschriften  vor.  Romano 
S.  618. 

49)  Er  diente  auch  am  28.  Juni  bei  Lucias  Vermählung  als 
Dolmetscher. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XVI.  1.   »'  3 


34  Karl  Wenck: 

verhandelt  worden  war.  Die  neue  Bevollmächtigung  im 
Juli  1399  ist  jedenfalls,  wenn  wir  mit  Romano  den 
Zeugenaussagen  vom  24.  Februar  1403  auch  nur  ein  klein 
wenig  Glauben  schenken  dürfen,  ganz  gewiis  nicht  aus 
Anglesias  freiem  Willen  hervorgegangen.  Der  heftige, 
gerade  auch  nach  der  Verheiratung  bezeugte  Widerwille 
Lucias  konnte  ihre  Schwester  unmöglich  dazu  ermuntern, 
aber  wohl  ist  es  denkbar,  dais  unter  Galeazzos  Ein- 
wirkung Anglesia  noch  einmal  auf  seine  Wünsche  ein- 
ging. Liegt  es  doch  nahe  zu  vermuten,  dals  Anglesias 
zweite  Verhandlung  die  Freundschaft  der  Wettiner,  die 
durch  Lucias  hartnäckige  Verweigerung  der  Anerkennung 
ihrer  Ehe  gesprengt  zu  werden  drohte,  festhalten  sollte. 
Wenn  aber  Galeazzos  herrischer  Wille  die  neue  Voll- 
macht diktiert  hat,  so  ist  ihr  Widerruf  sicher  durch  neue 
Botschaft  aus  Deutschland  veranlafst  worden.  .Galeazzo 
ist  darüber  unterrichtet  worden,  dals  Dank  des  Übertritts 
der  Wettiner  in  das  Lager  der  fürstlichen  Revolution 
der  ganze  Gedanke  einer  verwandtschaftlichen  Verbindung 
mit  den  Wettinern  unfruchtbar  geworden  war. 

Also  auch  in  dem  Dunkel,  das  über  den  wider- 
spruchsvollen Eheverhandlungen  Anglesias  liegt,  ist  es 
viel  wahrscheinlicher,  dals  der  ausschlaggebende  Fak- 
tor die  Politik  Galeazzos  gewesen  ist  und  nicht  die 
Neigungen  seiner  Schwägerin.  Romanos  gegenteilige  Be- 
hauptung wird  als  verfehlt  bezeichnet  werden  müssen. 
Ein  ganz  freies  Gewährenlassen,  wie  er  es  annimmt, 
würde  übrigens  nicht  nur  dem  Charakter  Galeazzos  zu- 
wider sein,  es  würde  auch  der  Gewohnheit  der  Zeit 
wenig  entsprechen.  Romano  trägt  entschieden  die  Farben 
zu  stark  auf,  wenn  er  sagt,  dals  die  Aussagen  von 
1403  „dem  Bilde  eines  Tyrannen  ohne  Glauben  und  ohne 
Herz  entsprechen,  das  manche  sich  von  Galeazzo  zu 
machen  lieben". 

Und  nun  die  Folgerung:  Lucia  hat  der  Verbindung 
mit  Landgraf  Friedrich  schon  im  Mai  1399  nicht  aus 
nüchterner  Überlegung  zugestimmt,  auch  nicht  aus 
momentaner  Apathie,  die  durch  nichts  belegt  werden 
könnte,  sondern  unter  dem  Drucke  des  Zwanges,  den 
der  Herzog  gleich  zu  Anfang  geübt  hatte,  sei  es  mit 
drohenden  Worten,  sei  es,  was  wahrscheinlicher  ist,  durch 
den  Schrecken  seines  Namens.  Die  Tochter  Bernabös 
mufste  wissen,  dals  Galeazzo  kein  Hindernis  kannte,  und 
zum  Überfiuls  mögen  ihr  ihre  Vertrauten  zugerufen  haben: 


Eine  mailändisch- thüringische  Heirat.  35 

„Er  wird  Dich  und  die  Deinen  verderben,  wenn  Du  nicht 
seinen  Willen  thust". 

Dais  die  Aussagen  vom  24.  Februar  1403  zu  einem 
bestimmten  Zwecke  aufgenommen  wurden,  darf  uns  nicht 
irre  machen.  Wohl  aber  darf  man  darauf  hinweisen,  dals 
Lucia  und  sämtliche  Zeugen  ihre  Aussagen  auf  ihren  Eid 
genommen  haben  und  jetzt  der  Mund  verstummt  war, 
der  Lucia  einst  zur  Lüge  gezwungen  hatte.  Romano 
kam  bei  seiner  Auffassung  in  die  Lage,  Lucia  zu  beloben 
wegen  des  reifen  Urteils  und  des  praktischen  Sinnes,  den 
sie  anfangs  bethätigte,  sie  zu  tadeln  wegen  des  Mangels 
an  Energie,  den  sie  später  bekundete,  als  es  noch  Zeit 
zum  Widerspruch  war.  Uns  erscheint  ihr  Handeln  ein- 
heitlicher und  auch  wohl  unseres  Mitgefühls  würdiger. 
Sie  war  ein  heißblütiges  und,  wir  haben  wohl  Grund  so 
zu  denken,  ein  schönes  Mädchen.  Als  Tochter  Bernabos 
mag  sie  schwer  ihren  Willen  einem  andern  untergeordnet 
haben,  aber  sie  war  für  den  Kampf  mit  einem  Galeazzo 
nicht  stark  genug.  Durch  eine  glückliche  Fügung  der 
Umstände  blieb  sie  wenigstens  davor  bewahrt,  eine  Ehe 
führen  zu  müssen  mit  einem  Manne,  den  sie  halste,  weil 
er  ihr  aufgedrungen  war,  den  sie  verachtet  haben  würde, 
wenn  sie  hätte  an  seiner  Seite  leben  müssen!  Landgraf 
Friedrich,  Balthasars  Sohn,  wird  von  den  sächsischen 
Geschichtsschreibern  bekanntlich  nicht  nur  der  Fried- 
fertige genannt,  er  hat  auch  den  Beinamen  des  „Ein- 
fältigen" erhalten,  wobei  ihm  die  Abwandlung  des  diesem 
Worte  eigentümlichen  Sinnes  von  „schlicht"  zu  „thöricht" 
zum  Nachteil  gereicht  hat50).  Gerade  seine  ehelichen 
Verhältnisse  haben  zu  dieser  niedrigen  Schätzung  Anlais 
gegeben.  Die  gleichzeitigen  thüringischen  Chronisten51) 
können  nicht  genug  erzählen,  in  welche  Abhängigkeit 
Friedrich,  als  er  1407  Anna  von  Schwarzburg  geheiratet 
hatte,  ihr  und  seinem  Schwiegervater  gegenüber  geriet, 
und    die    Streitigkeiten,     die    er    infolge    der    durchaus 


^°)  Beide  Beinamen  werden  zurückgehen  auf  die  Chronik  des 
Ursinus,  welche,  1547  vollendet,  die  Chronik  Johann  Rothes  mit  Zu- 
sätzen wiedergab,  Mencke  SS.  III,  1325:  der  was  gar  ein  gott- 
licher einfeltiger  Herr  und  nicht  sehr  gestrenge  und  hielte  guten 
frieden  mit  allen  Fürsten  umb  sich  gesessen,  wo  Ehr  beste  mochte. 
Ursinus'  Zeitgenosse  Fabricius  spricht  von  Friedrichs  bonitas  et 
simplicitas.     Hörn,  Friedrich  der  Streitb.  S.  224. 

51)  Histor.  Eccardiana  S.  466  ss.  (J.  Eccard,  Histor.  geneal. 
princip.  Sax.  sup.  1722).  Histor.  Pistoriana  B.  1361  ss.  (Pistorius- 
Struve,  Scriptores  rer.  Grenn.  III,  1726). 

3* 


36  Kari  Wenck: 

schwarzburgiscken ,  dem  Gesamthause  Wettin  höchst 
nachteiligen,  Politik  mit  seinen  Vettern  auszufechten 
hatte,  reden  ja  eine  deutliche  Sprache.  Ein  sächsischer 
Geschichtsschreiber  des  vorigen  Jahrhunderts  sagt  nicht 
übel:  „Friedrich  wurde  je  länger  je  mehr  ein  freiwilliger 
Staatsgefangener  seines  Schwiegervaters" 5-).  Als  Friedrich 
1399  um  Lucias  Hand  werben  liels,  war  er  noch  nicht 
fünfzehn  Jahr  alt™),  für  sie,  die  1382  schon  hatte  ver- 
lobt werden  sollen  und  vielleicht  zwanzig  Jahre  zählen 
mochte,  zu  jung.  Dazu  kam  dann  wohl  der  Gedanke, 
dals  Thüringen  weit  hinter  jener  Welt  liege,  in  der  bisher 
mailändische  Prinzessinnen  gesehen  worden  waren,  wer 
möchte  alle  Beweggründe  dieses  weiblichen  Herzens 
erforschen  ? 

Die  seltsame  Ehe,  in  welcher  Lucia  beim  Tode 
Galeazzos  schon  mehr  als  drei  Jahre  lebte,  war  nach 
kanonischem  Rechte  giltig51),  aber  es  fehlte  die  Vollziehung 
durch  die  Ehegatten.  In  späterer  Zeit  hat  man  auch 
sie  mittelst  Stellvertretung  angedeutet,  der  Bevollmäch- 
tigte hatte  das  festlich  geschmückte  Hochzeitslager  der 
Angetrauten  zu  besteigen.  So  that  1491  der  Marschall 
Wolfgang  von  Polheim  an  Stelle  seines  Herrn,  König 
Maximilians  I.,  bei  dem  „Fräulein  von  Bretagne".  Trotz- 
dem wurde  bekanntlich  Anna  durch  einen  päpstlichen 
Dispens  in  den  Stand  gesetzt,  bald  darauf  Karl  VIII. 
von  Frankreich  zu  heiraten55).  Lucia  konnte,  um  die 
Nichtigkeitserklärung  ihrer  Ehe  zu  erwirken,  sich  darauf 
berufen,  dals  ihr  Jawort  erzwungen  sei.  Die  Aussagen 
vom  24.  Februar  1403  werden  als  vollgültiger  Beweis 
angesehen  worden  sein.  Da  Auflösung  einer  nicht  kon- 
summierten Ehe  wegen  Zwanges,  Betrugs  oder  ähnlicher 
Ehehindernisse  durch  päpstliche  Dispensation  uns  erst 
von   Martin  V.   ab  bekannt  ist56),  so   wird   der  Spruch 

52)  F.  v.  Braun,  Monatl.  Auszug  dersächs.  Gesch.  III  (1780),  574. 

",:ij  Ermisch  hat  in  dieser  Zeitschrift  XV,  323  urkundlich  nach- 
gewiesen, dafs  Friedrich  nicht  erst  1385,  wie  Bist.  Pistor.  1354  an- 
giebt,  sondern  schon  vor  dem  30.  November  1384  geboren  sein  müsse. 
Die  Bistor.  Eccard.  S.  464  erzählt  s.  a.  1398  von  einem  Kriegszug 
des  jungen  Landgrafen  gegen  fränkische  Kaulilmrgen,  der  nach 
urkundlichen  Angaben  (Mon.  Zoller.  VI,  29  u.  33)  in  den  September 
1398  fällt  (Hist.  Pistor.  1358  fälschlich  zu  13! »7).  Friedrich  befand 
sich  aber  damals  unter  guter  Obhut  seines  Vaters  und  des  Burggrafen 
von  Nürnberg. 

r'')  Kichter-Dove,  Lehrbuch  des  Kirchenrechts  $  282  am  Ende. 

v')  Ulmann,  Kaiser  Maximilian  I.  I,   121  u.  141. 

™)  Kichter-Dove  §  286  Anm.  16  und  §  270  zu  Anfang. 


Eine  mailändisch  -  thüringische  Heirat  37 

von  einem  geistlichen  Gerichtshof  Thüringens  gefällt 
worden  sein,  wie  Romano  annimmt,  und  zwar  muis  dies 
bald  geschehen  sein,  da  bereits  am  14  Juli  1403  Lncia 
an  Curello  di  Biassono  Vollmacht  zu  Verhandlungen  über 
ein  neues  Ehebündnis  gab57).  Wir  wissen  nicht,  mit 
wem  sie  gepflogen  wurden,  nur  dafs  sie  erfolglos  waren. 
Das  nächste  Jahr  brachte  einen  neuen  Bewerber.  Es 
ist  fast  komisch,  dafs  König  Ruprecht  damals  trotz  der 
schmählichen  Niederlage,  die  er  von  Galeazzo  erlitten 
hatte,  gleichzeitig  mit  der  Bitte  um  ein  Darlehen,  um  die 
Hand  Lucias  für  seinen  1385  geborenen  Sohn  Stephan 
werben  lief's 5S),  aber  seine  Gesandten  kamen  nicht  zur 
guten  Stunde,  einen  Tag  nach  dem  Tode  der  Herzogin 
Katharina  (f  17.  Oktober  1404),  durch  den  die  eingerissene 
Zersetzung  des  Herzogtums  noch  sehr  vermehrt  wurde. 
Romano  schildert  die  traurige  Lage  der  vom  Unglück 
verfolgten,  jetzt  fast  ganz  vereinsamten  Prinzessin  in 
ergreifender  Weise;  endlich  zu  Anfang  des  Jahres  140G 
wurde  sie  daraus  erlöst  durch  die  Werbung  eines  eng- 
lischen Grafen  Edmund  von  Kent. 

Graf  Edmund,  ein  jüngerer  Sohn  seines  Hauses,  das 
unter  König  Richard  IL,  Edmunds  Stiefoheim,  dem  Throne 
sehr  nahe  gestanden  hatte,  war  durch  den  frühen  Tod 
seines  Bruders  Thomas,  der  als  Verschwörer  für  Richard  IL 
im  Januar  1400  sein  Leben  verlor,  früh  in  die  reichen 
Familienbesitzungen  eingetreten59).  Er  beteiligte  sich 
nicht  an  den  immer  wieder  hervorbrechenden  Verschwö- 
rungen gegen  Heinrich  IV.,  vielmehr  stellte  er  seine  grofse 
persönliche  Tapferkeit,  durch  die  er  sich  in  jugendlichem 
Alter  als  ein  gefestigter  Kämpfer  erwies,  in  den  Dienst 
des  Königs  und  des  Vaterlandes.  So  nahm  er  1405  mit 
grofser  Auszeichnung  teil  an  einer  Unternehmung  der 
englischen  Flotte  gegen  die  Citadelle  des  Herzogs  von 
Burgund  zu  Shrvs  in  Flandern  und  trug  dabei  zwei  so 
schwere  Verwundungen  auf  der  Brust  davon60),  dafs  die 


B7)   Nur  der  Titel  der  Urkunde  ist  registriert,  Romano  S.  625. 

B8)  Deutsche  Reichstagsakten  V,  551.  Romano  S.  625.  Colin, 
Stammtafeln  z.  Gesch.  der  europ.  Staaten  I,  Tafel  50. 

B9)  Die  genealogischen  Angahen  beruhen  auf  Dugdale,  The 
baronage  of  England  (London  1676)  II.  77.  Das  dort  meist  ohne 
Quellenangabe  verzeichnete  Material  liefs  sich  durch  Nachforschung 
in  den  Quellen  vielfach  ergänzen. 

m)  Tunc  pugna  succrevit  acerrima,  donec  supervenit  comes 
Cauciae  cum  rate  sua.  Qui  licet  non  annos  excessisset  adolescentiae, 
constantis  tarnen  militis  implevit  vices,  periculis  se  ingerens  et  hostes 


38  Karl  Wenck: 

Franzosen  ihn  getutet  zu  haben  glaubten61).  Vielleicht 
hat  König  Heinrich  ihn  zur  Werbung  um  die  mailändische 
Prinzessin  veranlafst.  Am  £4.  Januar  140G  erfolgte  Ed- 
munds Vermählung  mit  Lucia  Visconti.  Wir  erfahren, 
dals  die  Hochzeit  mit  grolsen  Festlichkeiten  und  Ehren 
in  Southwark  bei  London  gefeiert  wurde,  der  König  war 
selbst  zugegen  und  geleitete  die  junge  Frau  aus  der 
Messe  nach  dem  Hause  des  Bischofs  von  Winchester,  wo 
jedermann  wer  wollte  an  der  Hochzeitsfreude  teilnehmen 
konnte62).  Aber  Edmund  und  Lucia  war  nur  ein  kurzes 
Eheglück  beschieden.  Der  tapfere  Kriegsheld,  den  König 
Heinrich  1408  zum  Admiral  erhob63),  wurde  am  15.  Sep- 
tember desselben  Jahres  bei  Belagerung  einer  Burg  an 
der  Bret agneschen  Küste  von  dem  Wurfgeschoß  einer 
Schleudermaschine  tätlich  am  Kopf  verwundet.  Noch 
nahm  er  die  Burg  ein  und  zerstörte  sie  völlig,  dann  aber 
starb  er  an  den  Folgen  seiner  Verletzung04).  Aufs  neue 
bewährte  sich  nun  das  Wohlwollen  des  Königs  an  Lucia. 
Heinrich  IV.    gab    am    1.  Dezember   1408  seine   Geneh- 


aniniose  satis  invadens.  Et  licet  balistarum  spiculis  in  pectore  duobus 
Iuris  esset  terebratus,  non  expalluit,  sed  constanter  hisisteris,  non 
destitit  suos  animare,  donec  nostris  cessit  victoria  etc.  Annales 
Heinrici  quarti  regis  Angliae  ed.  Riley.  (Rer.  Brit.  Scriptores  1866) 
1».  401. 

01)  Wylie,  History  of  England  under  Henry  IV.  II,  103  nach 
französischen  Quellen. 

°2)  An  english  chronicle  of  the  reigns  of  Richard  1 1 ,  Henry  1 V — VI. 
ed.  by  Davies  (Camden  Society  1856)  p.  34  und  die  dort  p.  179  mit- 
geteilten reicheren  Angaben  einer  handschriftlichen  Quelle.  Die 
Chronicle  berichtet  p.  30  zu  den  Jahren  1404  und  1405  erfolgreiche 
Thaten  Edmunds  zur  See  und  einen  ehrenvollen  Zweikampf.  Das 
Tagesdatum  der  Vermählung  giebt  Davies  nach  Robert  Fabyans 
Chronik,  die  mir  in  keiner  Ausgabe  zugänglich  ist.  Das  Jahr  1406 
gieht  auch  (Th.  Walsinghams ?)  Ypodigma  Neustriae  ed.  Riley  (Rer. 
Brit.  SS.  1876)  p.  419.'  Danach  ist  wohl  Dugdale's  für  mich  1111- 
kontrolierbare  Angabe:  a.  8.  H.  IV,  die  Romano  auf  1407  geführt 
hat,  zu  berichtigen. 

,;:;)  An  english  chronicle  p.  34.  In  einer  Urkunde  Köniu 
Beinrichs  [V.  vom  11.  Juli  1408  erscheint  unter  seinen  Bevollmäch- 
tigten für  einen  Waffenstillstand  mit  dem  Herzog  von  Bretagne: 
aostre  treschier  Cousin  Esmon  Conte  de  Kent  nostre  Admiral. 
Rymer,  Foedera  ed.  3.  IV,  1,  137. 

04 )  „Putrefacto  cerebro"  Ypodigma  Neustriae  p.  425.  Dort  heilst 
die  Burg:  Briaunt,  in  der  English  ChronicleTp.  34:  Briac,  Davies 
nimmt  es  p.  181  für  die  Stadt  St.  Brieux,  Romano  S.  627  denkt  an 
die  lusel  Brehat,  die  auch  wohl  Dugdale  gemeint  hat.  Dieser  giebt 
das  Tagesdatum. 


Eine  mailändiach- thüringische  Heirat.  39 

migung65)  dazu,  dafs  Lucia  die  reichen  ihr  als  Wittum 
angewiesenen  Besitzungen  übernehme,  wogegen  sie  das 
übliche  Versprechen  gab,  nicht  ohne  des  Königs  Zu- 
stimmung zu  heiraten.  Lucia  ist  Witwe  geblieben,  sie 
hat  noch  über  fünfzehn  Jahre  in  England  gelebt,  aber 
sie  war  doch  noch  nicht  fünfzig  Jahr  alt,  als  sie  am 
4.  April  1424  ihrem  Gemahl  ins  Grab  folgte.  In  ihrem 
Testamente150)  ernannte  sie  einen  Bruder  Galeazzo  zum 
Erben,  da  sie  wahrscheinlich  in  ihrer  kurzen  Ehe  keine 
Kinder  bekommen  hatte.  Die  vielen  Seelenmessen,  die  sie 
errichtete,  waren  nicht  nur  der  Fürbitte  für  ihr  und  ihres 
Gatten  Seelenheil  gewidmet,  König  Heinrich  IV.,  dem 
sie  einst  so  nahe  gestanden  hatte,  und  sein  Nachfolger 
sollten  in  dieselben  Gebete  eingeschlossen  werden.  Be- 
sonders bedeutungsvoll  sind  uns  zwei  Legate  für  zwei 
Mailänder  Kirchen.  Ihre  Namen  lassen  uns  ahnen,  dafs 
in  Lucias  Herzen  auch  das  Andenken  an  ihre  Mutter 
lebte,  die  sie  kaum  gekannt  hatte,  nach  der  sie  in  den 
vielfältigen  Stürmen  ihres  Lebens  oftmals  eine  tiefe  Sehn- 
sucht empfunden  haben  mochte. 

Noch  heute  bezeugen  uns  Briefe  Bernabos  und  seiner 
Gemahlin  aus  den  Jahren  1382— 83 67),  mit  welcher  Freude 
und  innerer  Anteilnahme  beide  Eltern  den  Gedanken  ver- 
folgt haben,  dafs  Lucia,  ihre  jüngste  Tochter,  dereinst  auf 
italienischem  Boden  eine  Königskrone  tragen  werde.  Wenn 
nun  sonst  von  Bernabös  Gemahlin  in  unmittelbarer  Be- 
ziehung auf  Lucia  nichts  zu  berichten  ist,  so  wird  am 
Schlufs  dieser  Blätter  doch  noch  der  Versuch  gestattet 
sein,  in  kurzen  Zügen  ein  Bild  von  Lucias  Mutter  zu 
entwerfen.  Vielleicht  kann  es  uns  die  dem  Bilde  der 
Tochter  fehlenden  Linien  widerspiegeln,  vielleicht  darf 
die  Phantasie,  die  das  blasse  Bild  der  Quellen  von  Lucias 
Persönlichkeit  ergänzen  möchte,  Ausschau  halten  nach  der 
reicheren,  schärfer  umrissenen  Charakteristik,  die  sich  von 
ihrer  Mutter  geben  lälst.  Vielleicht  ist  es  nur  Zufall,  dafs 
Lucia  uns  mehr  leidend,  als  handelnd  erscheint.  Heinrich 
von  Lancaster  und  Edmund  von  Kent,  denen  sie  ihr  Herz 


m)  Rymer,  Foedera  IV,  1,  144.  Schon  bei  Lebzeiten  ihres 
Gratten  am  4.  Mai  1408  hatte  Heinrich  IV.  ihr  gestattet,  dafs  sie 
trotz  ihrer  fremden  Herkunft  wie  eine  englische  Vasallin  Besitz 
jeder  Art  übernehmen  dürfe.    Ebenda  131. 

66)  Auszug  bei  Dugdale  II,  77. 

c7)  Osio,  Documenti  diplomatici  tratti  dagli  archivi  Milauesi  I, 
228  u.  240. 


In  Karl  Wenck: 

widmete,  waren  kraftvolle  Persönlichkeiten.  Eine  solche, 
eine  in  jeder  Hinsicht  hervorragende  Frau  war  auch 
Lucias  Mutter. 

Wohl  schon  in  den  Jahren  ihrer  Kindheit  hat 
Beatrice08),  die  Tochter  Mastinos  II.  della  Scala,  Sig- 
noren  von  Verona,  den  Beinamen  "Regina  erhalten,  den 
sie  in  ihrer  Mailänder  Zeit  allein  geführt  hat,  und  wohl 
mögen  die  späteren  Geschichtsschreiber  Recht  haben, 
wenn  sie  berichten,  dafs  das  würdevolle  Auftreten  des 
jugendlichen  Wesens  dazu  Veranlassung  bot. 

Noch  sehr  jung  trat  sie  im  Herbst  1350  in  die  Ehe 
mit  Bernabo  Visconti.  Das  Gedicht*59),  in  welchem  ein 
Augenzeuge,  vielleicht  Petrarka70),  der  grofse  Genius  des 
Zeitalters,  die  glänzende  Feier  ihres  Abschiedes  von  der 
Heimat  verherrlicht,  schildert  die  Reize  Beatricens,  den 
süisen  Glanz  ihrer  Augen,  den  Goldschimmer  ihres  Haares, 
die  rosigen  Farben  ihres  Antlitzes  in  beredten  Worten, 
es  feiert  nicht  minder  die  Anmut  ihrer  Sitten.  Reginas 
Grabschrift71)   und   einige  karge   chronikalische  Notizen 


6S)  Gegen  die  Zweifel  der  mailändischen  Historiker  Giulini, 
Cöntinuaz.  II,  365  und  0  s  i  o ,  Documenta  p.  217  an  dein  Namen  Beatrice 
verweise  ick  auf  vier  Veroneser  Zeitgenossen,  die  Chroniken  bei 
Muratori  VIII,  653B,  bei  Orti  Manara  (Verona  1842)  p.  16  u.  42,  auf 
das  merkwürdige  um  1410  verfaßte  Buch  Marzagaias  de  modernis 
gestis  (Antiche  Cronache  Veronesi  I,  35,  3«,  45),  ferner  auf  das 
gleich  zu  erwähnende  zur  Zeit  ihrer  Vermählung  (1350)  verfafste 
Gedicht  (Petrarkas  ?) ,  das  Hortis  herausgegeben  hat,  Vergleiche 
auch  Cipollas  nur  zu  ängstliche  Erörterungen  in  den  Anmerkungen 
zu  den  Antiche  Cronache  Veronesi  I,  35,  270  u.  4«]. 

8°)  Attilio  Hortis,  Scritti  inediti  di  Francesco  Petrarca  (Trieste 
1874)  p.  57-59. 

™)  Hortis  S.  55  verwirft  diese  Annahme  von  Melius,  die  wohl 
darauf  ruht,  dafs  das  Gedicht  in  einem  Codex  überliefert  ist,  der  nur 
Autographen  Petrarkas  und  ihn  und  seine  nächsten  Freunde  betreffende 
Schriften  enthält  Hier  ist  nicht  der  Ort,  die  Frage  zum  Austrag 
zu  bringen,  nur  sei  gesagt,  dafs  Hortis  sicher  mit  Unrecht  das  Ge- 
dicht mit  der  Mailänder  Vermählungsfeier  zusammenbringt,  es  bezieht 
sieh,  verglichen  mit  Chron.  Estense  (Muratori  XV,  461 D),  zweifellos 
auf  die  Veroneser  Abschiedsfeierlichkeiten  Ende  September  1350, 
dient  aussehliefslich  zur  Verherrlichung  Beatrices  und  ihres  Hauses 
und  spricht  von  ihrem  Weggang  nach  Mailand  als  etwas  Künftigem. 
Damit  verschwindet  der  wesentlichste  von  Hortis  vorgebrachte  Gegen- 
»rund  gegen  Petrarkas  Autorschaft,  dafs  nämlich  Petrarka  noch  1351 
von  Hafs  gegen  Erzbischof  Johann  Visconti  erfüllt  war. 

7I)  Annal.  Mediolan.  Muratori  XVI,  778.  Der  gleichzeitige 
Petrus  Azarius  (ebenda  324E)  nennt  Regina  nur  valde  juvenem,  ihre 
Schwägerin  Bianca  von  Savoyen  im  nächsten  Satze  pulcherrimam 
juvenem.     Den  Worten  des  Azarius  setzte  der  im  letzten  Jahrzehnt 


Eine  mailändisch  -  thüringische  Heirat.  11 

bestätigen  das  Bild.  Ihr  schönster  Ruhm  aber  ist  ihr 
Verhältnis  zn  ihrem  Gatten  Bernabo.  Dem  jähzornigen 
Beherrscher  Mailands  wagte  in  seiner  Leidenschaft  nie- 
mand entgegenzutreten,  „als  seine  edle  und  überaus  weise 
Gemahlin  Regina,  die  ihn  zu  besänftigen  versteht  und  ihn 
von  seinem  Zorne  abzieht"  7'2). 

Wenn  Azarius,  der  gleichzeitige  Mailänder,  diesen 
seinen  Worten,  um  den  Grund  von  Reginens  Einfluis 
anzugeben,  ohne  Schönfärberei  hinzufügt,  „weil  Bernabo 
sie  unter  den  übrigen  (Geliebten)  liebt",  so  erinnert  er 
uns,  welcher  Selbstbeherrschung,  Milde  und  Klugheit 
Regina  bedurft  haben  wird,  um  einem  so  brutalen  und 
unsittlichen  Gatten  doch  immer  wieder  Achtung  und  Liebe 
abzugewinnen.  Dies  ist  ihr,  der  Mutter  von  fünf  Söhnen 
und  zehn  Töchtern,  in  einer  vierunddreifsigj  ährigen  Ehe 
bis  zuletzt  immer  wieder  gelungen.  Wohl  mochte  sie,  des 
gewalttätigen  Wesens  der  Viscontis  kundig,  in  Furcht 
sein  vor  Galeazzo,  dem  Neffen  ihres  Gemahls:  sie  sah 
im  Traum  das  Bild  dessen,  der  ihren  Gatten  und  ihre 
Söhne  um  Reich  und  Leben  bringen  werde,  und  teilte 
ihre  Besorgnisse  Bernabö  mit73).  Dafs  sie  aber  durch 
Zauberkünste  Galeazzos  Gemahlin,  ihre  Tochter  Katharina, 
unfruchtbar  gemacht  habe,  ist  sicher  nur  eine  böswillige 
Erfindung  der  Prozefsschrift  Galeazzos74)  gegen  Bernabö. 
Mit  rührenden,  gewifs  von  Herzen  kommenden  Worten 
hat  Bernabö,  als  ihm  1384  der  Tod  die  vielgeliebte  Gattin 
entrifs,  die  Unterthanen  aufgefordert7"'),  ein  Jahr  lang 
um  sie  zu  trauern.  Er  hatte  der  Sterbenden  versprechen 
müssen,  die  Kirche  S.  Maria  della  Scala,  die  sie  errichtet 
hatte,  auszubauen Tü).  Diese  Kirche  und  ein  prächtiges 
Schlots  hatte  sie  aufgeführt  aus  den  Geldern,  die  sie  1379 
von  den  neuen  illegitimen  Signoren  Veronas  zur  Abfindung 
für  ihre  Erbschaftsrechte  erstritten  hatte.  Dabei  war  sie 
selbst  mit  Bernabö  zu  Felde  gezogen77). 

des  15.  Jahrhunderts  schreibende  Verfasser  der  Annal.  Mediol.  (721  B) 
hinzu:  et  formosam. 

72)  Azarius,Chronicon  397  Cu.  E.  Annal.  Mediol. 777 D:  domina 
mirahilis  et  sapientissinia.  Marzagaia,  De  modern,  gestis  S.  36: 
consors  et  consiliorum  utilis  et  furentis  medela  suavis. 

73)  Marzagaia  S.  36. 

74)  Muratori  XVI,  798. 

75)  Ebenda  S.  777.  Wegen  des  Todesjahres  1384  vergl.  Osio, 
Documenta  p.  240. 

76)  Nach  Urkunden  Giulini,  Continuaz.  II,  366. 

77)  Giulini  S.  342  u.  312.    Chrom  Est.  (Muratori  XV)  503 D. 


|o  Kail  Wenck:  Eine  mailänd.-thüring.  Beirat. 

Am  liebenswürdigsten  erscheint  sie  als  Briefschreiberin 

in  der  Fürsorge  für  ihre  nach  Mantua  verheiratete  Toch- 
ter78), in  der  gottergebenen  Trauer  um  eine  geliebte 
Sclnvcstcr7'1),  in  der  anmutigen  Art,  wie  sie  eine  Bitte 
ihrer  Mantuanischen  Verwandten  um  Erhaltung  ihres 
Wohlwollens  als  unnötige  Höflichkeit  zurückweist80). 
Nach  allem  mag  ein  Veroneser  Historiker  des  sechzehnten 
Jahrhunderts81)  Recht  haben,  wenn  er  sagt,  dafs  die 
Gemahlin  Bemabös  alle  Vorzüge  besessen  habe,  die  der 
Himmel  einer  Frau  gewähren  könne:  Schönheit,  Weis- 
heit, männlichen  Mut  und  Hoheit.  Sie  ruht  an  der  Seite 
ihres  Gatten,  der  ihr  nach  einundeinhalb  Jahren  ins  Grab 
folgte,  zu  S.  Giovanni  in  Conca.  Dieser  Kirche  und  der 
andern  eben  erwähnten  S.  Maria  della  Scala  war  jene 
Schenkung  Lucias  gewidmet. 

Die  Jahrzehnte,  die  Lucia  als  einsame  Witwe  auf 
englischem  Boden  verbrachte,  haben  ihre  Erinnerung  an 
die  Heimat  und  an  das  Elternhaus  nicht  ausgelöscht. 
Die  Warmherzigkeit  der  Mutter  war  auf  sie  überge- 
gangen. Ob  sie  auch  dasselbe  starke  und  feste  Herz 
wie  jene  gehabt  hat,  wer  möchte  das  bejahen  oder 
verneinen,  der  die  Verschiedenheit  ihres  Lebensganges 
erwägt?  Regina  war  die  gleichberechtigte82)  Genossin 
ihres  Gatten,  wie  eine  solche  die  vorausgegangenen  Jahr- 
hunderte kaum  gekannt  haben.  Auch  Lucia  hat  das  Recht 
der  geistigen  Individualität,  das  erst  die  Renaissance  den 
Frauen  brachte,  hochgehalten,  indem  sie  sich  hartnäckig 
weigerte,  einem  ungeliebten  Manne  anzugehören. 


7S)  Osio  S.  213,  217.  222,  227.  Da  erweist  sich  auch  Bernabö 
als  zärtlich  fürsorglicher  Vater  S.  238  u.  239. 

w)  Osio  S.  221. 

«>)  Osio  S.  234. 

S1)  Torelh»  Saraina,  Le  historie  e  iatti  de' Veronesi.  (Nuov. 
ediz.  Verona  1649)  p.  46. 

82)  Dafür  ist  sehr  charakteristisch,  dafs  der  Annalist  von  Reggio 
(Muratori  XVIII,  77),  indem  er  von  einem  Besuche  Bernabös  und 
seiner  Gemahlin  in  der  durch  Feinde  arg-  verwüsteten  Stadt  berichtet, 
nicht  unterläfst,  der  warmen  Teilnahme  der  Fürstin  besonders  zu 
gedenken  :  sed  cum  per  civitatem  equitavit  valde  condoluit  de  domorum 
vastatione  et  magis  ejus  uxor. 


IL 

Leipzig  und  Wittenberg. 

Ein   Beitrag  zur  sächsischen  Reformationsgeschichte. 


Von 

Felician  Geis. 


Ein  geheimnisvolles  Dunkel  liegt  über  der  Geburts- 
stunde der  Universität  Wittenberg.  Welchem  Kopfe  ist 
der  Plan  zu  ihrer  Gründung  entsprungen?  ob  dem  des 
Kurfürsten  Friedrich  selbst,  dessen  Initiative  und  Mäce- 
natentum  mau  doch  wohl  oft  zu  überschätzen  geneigt  ist? 
und  unter  wessen  Beihilfe  hat  der  Plan  bestimmtere 
Gestalt  gewonnen?  Welche  Erwägungen  sind  voraus- 
gegangen? und  wie  weit  reichte  der  Einflufs  von  Dr.  Stau- 
pitz  und  Dr.  Melierstadt,  die  man  als  erste  Berater  des 
Stifters  zu  nennen  weifs?  Auf  solche  Fragen  erhalten 
wir  keine  oder  ungenügende  Antwort;  plötzlich  und  fast 
unvermittelt  kommt  uns  die  Kunde  von  der  Eröffnung  der 
Universität  im  Oktober  des  Jahres  1502. 

Deutlich  aber  tritt  sofort  die  Mifsstimmung  zu  Tage, 
die  auf  diese  Kunde  hin  in  Leipzig  um  sich  griff.  Schon 
die  Wohlfeilheit  in  dem  noch  halb  dorfartigen  Wittenberg 
erregte  lebhafte  Besorgnis:  es  war  „leichte  Zehrung 
allda",  während  man  in  Leipzig  zu  klagen  hatte,  das 
Brot  sei  zu  klein,  das  Bier  zu  teuer,  die  Preise  beim 
Schneider  und  Schuster  doppelt  so  hoch  als  ehemals. 
Durfte  man  ferner  dem  allgemeinen  Gerede  glauben,  so 
waren  es  „exquisite  Legenten",  die  Kurfürst  Friedrich 
nach  Wittenberg  gerufen  hatte.  Tüchtige  Lehrkräfte 
aber   neben   billigen  Preisen    in   solcher  Nähe  —  welch 


44  Peliciau  Gefs: 

starke  Anziehungskraft  für  die  Leipziger  Studenten,  die 
ohnehin,  wie  man  zu  bemerken  glaubte,  seit  einigen  Jahren 
nicht  mehr  recht  sefshaft  hatten  werden  wollen.  Ein- 
sichtige Beurteiler  behaupteten,  bereits  sei  Leipzig  in  Ab- 
nahme begriffen  und  habe  sein  altes  Ansehen  eingebüfst. 

Wo  lag  die  Schuld  und  wie  war  abzuhelfen  und  wie 
der  drohenden  Konkurrenz  zu  begegnen?  Zunächst  galt 
es  für  Herzog  Georg,  der  zwei  Jahre  zuvor  die  Regierung 
im  albertinischen  Sachsen  übernommen  hatte,  genauen 
Einblick  in  die  Zustände  an  seiner  Universität  zu  ge- 
winnen; er  beschied  daher  noch  in  den  Oktobertagen  den 
Rektor  und  sämtliche  Dozenten  zu  sich  und  verlangte 
von  jedem  ein  schriftliches  Gutachten  über  alle  Mißstände 
und  Vorschläge  zu  ihrer  Beseitigung1). 

Da  kamen  nun  sehr  häfsliche  Dinge  ans  Licht;  vor 
allem  schädlicher  Unfriede  und  bitterer  Zwist  unter  den 
Lehrern.  Die  Glieder  der  einen  Fakultät  schalten  über 
die  der  anderen,  die  Glieder  der  einen  Nation  über  die 
der  andern.  Denn  in  dieser  doppelten  Weise  war  ja  die 
Universität  eingeteilt:  als  politische  Körperschaft  gliederte 
sie  sich  in  die  vier  Nationen,  die  bairische,  meiisnische, 
polnische  und  sächsische  Nation,  als  lehrende  Körperschaft 
in  die  vier  Fakultäten,  die  theologische,  juristische,  medi- 
zinische und  philosophische  oder  Artistenfakultät.  Mangel 
an  Pflichtgefühl  und  Fleifs,  Mangel  an  sittlicher  Haltung 
und  ernster  Lebensführung  trat  bei  allen  vier  Fakultäten 
in  gleich  erschreckendem  Mafse  hervor,  und  es  waren  oft 
gerade  die  älteren,  durch  Rang  und  Einkommen  bevor- 
zugten Glieder  der  Lehrerschaft,  die  das  schlechteste 
Beispiel  gaben.  Der  Herzog  sah  sich  veranlaßt ,  den 
Kollegiaten,  die  meist  der  theologischen  Fakultät  an- 
gehörten, in  Erinnerung  zu  bringen,  dafs  sie  ihre  Stellung 
nicht  als  Sinekure  auffassen  und  der  Hochschule  nach 
Belieben  für  ganze  Jahre  fern  bleiben  dürften;  er  muiste 
den  Juristen  und  Medizinern  einschärfen,  dals  ihre  Lehr- 
thätigkeit  aller  anderen  Beschäftigung  vorgehe;  ermufste 
die  Cölibatäre  der  Artistenfakultät  vor  anstößigem 
Wandel  verwarnen'2). 


1)  Über  den  Inhalt  der  Gutachten  s.  nieinen  Aufsatz  „Die  Leip- 
ziger Universität  im  Jahre  1502":  Festschrift  zum  Historikertage  in 
Leipzig  1894  S.  177. 

2)  S  tu  bei,  Urkundeuhuch  der  Universität  Leipzig  von  1409  bis 
1555  -  Cod.  dipl.  Sax.  reg.  H,  11  (Leipzig  1879)  No.  225.  -  Die  in  den 
folgenden  Anmerkungen  zitierten  Nummern  sind  Nummern  von  Ur- 


Leipzig  und  Wittenberg.  45 

Soweit  es  in  seiner  Macht  stand,  suchte  er  auch  einer 
ganzen  Reihe  von  Wünschen  gerecht  zu  werden.  Der 
juristischen  Fakultät  wurde  ein  eigenes  Heim  versprochen, 
wo  künftig  Lehrer  und  Schüler  Wohn-  und  Unterrichts- 
räume finden  sollten.  Die  medizinische  erhielt  ein  weit- 
gehendes Aufsichtsrecht  über  alle  Personen,  die  sich  als 
Heilkundige  im  Lande  ausgaben,  ohne  doch  akademische 
Bildung  nachweisen  zu  können8).  Den  jüngeren  Magistern 
der  Artistenfakultät,  den  Nichtfakultisten,  wurde  der 
Eintritt  in  den  Kreis  der  Fakultisten,  der  berechtigten 
und  besoldeten  Fakultätsmitglieder,  um  ein  weniges  er- 
leichtert; auch  wurde  ihnen  die  tröstliche  Aussicht  er- 
öffnet, dais  man  allein  an  sie  und  nicht  an  Schüler  fremder 
Hochschulen  denken  werde,  wenn  es  sich  um  Besetzung 
etwa  einer  Schulmeisterstelle  in  einer  Stadt  des  Herzog- 
tums handele,  wie  auch  die  jüngeren  Leipziger  Juristen 
bei  Besetzung  von  Stadtschreiberstellen  nicht  vergessen 
werden  sollten4). 

Schließlich  galt  es  auch  den  Studenten  entgegen- 
zukommen.  Zwei  pekuniäre  Erleichterungen  wurden  ihnen 


künden  dieses  Buches;  über  ihre  Datierung  und  ihren  Text  vergl. 
die  Beilage  zu  diesem  Aufsatz. 

3)  So  lange  freilich  die  herzogliche  Familie  selbst  sich  von  sehr 
zweifelhaften  Persönlichkeiten  behandeln  liefs,  war  an  eine  wirksame 
Beschränkung  des  Pfuschertums  nicht  zu  denken.  Herzogin  Zdena 
schreibt  einmal  an  ihren  Sohn  Georg:  „Mich  hat  meyn  arzt,  der 
munich,  gebeten,  dir  zu  schreyben  und  bitten,  das  du  yin  eyn  gleitz- 
briff  geben  wuldest ;  denn  so  er  ufttmals  ym  land  auf  und  nider,  hyn 
und  wider  reyten  mufs,  foricht  er  sych  vor  etlicher  böser  bursch,  dy 

mit  iren  anhang   mochten  etwas  an  ym  üben er  hat  mir  von 

den  gnaden  gotes  das  beyn  seuberlich  geheylt  und  wurd  bald  ganz 
gut  werden;  aber  als  ich  yn  merck,  so  ist  er  eyn  selzamer  und  ein 
wuster  obenteurer,  doch  so  schauet  (scheuet)  er  sych  fast  vor  mir" 
(Loc.  8498  Chur-  und  fürstl.  sächs.  Handschreiben  S.  187).  —  Das 
Verlangen  der  Mediziner  nach  einer  Anatomie  blieb  unerfüllt ;  es 
wurde  1518/19  aufs  neue  laut,  aber  wieder  vergeblich.  Vergl.  No.  261 
S.  339,  1  und  dazu  meine  Beilage  unter  No.  261. 

4)  Copial  108  fol.  207b,  20.J  März  1503;  dem  Rat  zu  Grofsen- 
hain  wird  geschrieben:  „das  mein  g\  h.  bey  ime  begossen,  das  nu 
liinfur  kein  prediger  nach  Schulmeister  in  seiner  Gnaden  Steten 
aufgenommen  sal  werden,  er  sey  danu  zu  Leipzk  Magister  wurden, 
und  jne  eynen  angezeigt,  Magister  Johannes  Pistoris  von  Buchheim 
mit  Beger,  denselben  aufzunehmen  zu  Schulmeister."  —  Vergl.  die 
Bitte  der  Juristenfakultät  vom  Jahre  1511,  No.  250  S.  30H,  3  (s.  meine 
Beilage  unter  No.  250!):  „Das  auch  e.  f.  g.  dieselben  baccalarien 
und  die  magistros  die  scholares  iuris  seyn,  bey  e.  g.  steten  zu  stat- 
schreybern  und  andern  ampten,  auch  pfarren  und  beneficien,  als  e. 
f.  g.  inn  vorhin  gnedig liehe  vortrostuuge  gegeben,  fordern  wolte." 


46  Felician  Gels: 

geschaffen.  Einmal  hatte  hinfort  jedes  Kollegium  und 
jede  Burse  einen  Mittagstisch  herzurichten,  an  dem  der 
Wenigbemittelte  seine  Beköstigung  um  geringeres  Geld, 
als  am  Privatmittagstisch  eines  Magisters  oder  Bürgers 
finden  konnte.  Dann  aber  kam,  was  viel  wesentlicher 
war,  das  vom  Studenten  bisher  zu  zahlende  Kolleggeld 
in  Wegfall.  Wenigstens  in  der  Artistenfakultät,  die  bei 
weitem  die  meisten  Studenten  zählte,  wurden  fortan  alle 
Hauptvorlesungen  unentgeltlich  gelesen.  Doch  blieb  es 
daneben  jedem  Magister  unbenommen,  wenigstens  zu  ge- 
wissen Stunden  des  Tages  —  denn  es  herrschte  eine 
unverbrüchliche  Tagesordnung  und  ein  fester  Stundenplan 
-  Privatvorlesuugen  oder  Repetitionskurse  zu  halten,  für 
die  er  sich  bezahlen  lassen  durfte. 

Fielen  aber  die  Kolleggelder  fort,  so  muiste  man  an 
ander  weite  Beschaffung  der  Honorare  für  die  Dozenten 
der  Philosophie  denken.  Ein  gutes  Teil  übernahm  die 
Kasse  der  Fakultät  selbst,  der  ja  immer  allerlei  Examens- 
sporteln  und  Strafgelder  zuflössen;  'dazu  traten  die  reich- 
lichen Zinsen  einer  hochherzigen  Stiftung,  auf  die  wir 
später  noch  zurückkommen,  und  zuletzt  hatte  der  Herzog 
gemeint,  die  Stadt,  die  doch  einen  ganz  bedeutenden 
Vorteil  von  der  Hochschule  habe,  könne  wohl  auch  einen 
Griff'  in  ihren  Säckel  thun.  Vielleicht  hieis  das  doch 
etwas  zu  viel  verlangen;  denn  bereits  hatte  sich  der  Rat 
dazu  verstehen  müssen,  auf  seine  Kosten  den  Philosophen 
ein  neues  Haus  zu  bauen,  damit  ihr  jetziges  in  die  ge- 
plante Juristenschule  umgewandelt  werden  könnte.  Jedoch 
er  ging  auch  auf  diese  weitere  Forderung  ein  und  sicherte 
für  jedes  Jahr  einen  ansehnlichen  Beitrag  zu6). 

Man  sieht,  die  Zahl  der  Neuerungen  war  keineswegs 
gering;  man  suchte  auf  alle  Weise  zu  bessern,  Professoren 
und  Studenten  zu  fesseln  und  Leipzig  vor  der  von  Witten- 
berg drohenden  Gefahr  zu  schützen. 

Übrigens  stellte  sich  diese  Gefahr  in  den  nächsten 
Jahren    noch    nicht   als   gar  so   schlimm  heraus.     Zwar 


5)  Dreifsig  Gulden  jährlich  unter  der  Bedingung:  „so  ein  ma- 
gister  allhie  in  diefser  Stadt,  eins  bürgerte  Son  .Solcher  Lection, 
einer  ader  mehr,  mit  konst  und  lere  vor  zustehen  und  zu  lefsen  ge- 
schickt befunden  und  vorhanden  sein  wurde",  er  einem  andern  gleich- 
tüchtigen  Magister  fremder  Herkunft,  vorgezogen  werde.  Urkunde 
vom  25.  Januar  1504  (Leipz.  Ratsarchiv  4,  9),  die  in  das  Urkunden- 
buch  hätte  aufgenommen  werden  müssen;  sie  ist  es,  auf  die  der 
Anonymus  No.  252  (1511)  S.  310,  34  anspielt. 


Leipzig  und  Wittenberg.  47 

hatte  das  erste  Semester  der  neuen  Hochschule  eine 
überraschend  grolse  Zahl  von  Studenten  zugeführt,  aber 
in  der  Folgezeit  liefs  der  Zuzug  doch  oft  in  bedenklicher 
Weise  nach0).  Mancher  Ankömmling  sah  sich  doch  bitter 
enttäuscht;  denn  mit  der  Verwandelung  des  abgelegenen 
Winkelnestes  in  eine  Marmorstadt,  die  der  großspreche- 
rische Jurist  Dr.  Scheurl  kurz  vor  seinem  Abgange  von 
Bologna  nach  Wittenberg  ganz  kühn  als  bereits  vollzogen 
verkündete,  hatte  es  noch  gute  Wege,  und  die  Worte, 
die  er  gleich  darauf  als  Rektor  im  Sommersemester  1507 
zur  Herbeilockung  der  studierenden  Jugend  in  die  Welt 
hinausposaunte:  „Glaubt  mir,  der  ich  in  Italien  studiert 
und  es  fast  ganz  durchwandert  habe,  so  viele  und  all- 
seitig gebildete  Männer  besitzt  weder  Padua  noch  die 
Mutter  der  Studien,  Bologna",  —  diese  Worte  wollten 
auch  nicht  auf  die  Wagschale  gelegt  werden.  Mit  starker 
Einschränkung  und  mit  Hinweis  nicht  auf  die  italienischen, 
sondern  die  deutschen  Bildungsanstalten  durften  sie  allen- 
falls von  den  Mitgliedern  seiner  eigenen,  der  juristischen 
Fakultät  gelten.  Sie  war  es  auch,  die  anfänglich  in 
Leipzig  am  meisten  gefürchtet,  deren  Vorhandensein  am 
empfindlichsten  gespürt  wurde. 

Jedoch  der  einen  Rivalin  Wittenberg  gesellte  sich 
schon  im  Jahre  1506  eine  zweite  hinzu,  Frankfurt  an  der 
Oder,  und  dafs  wie  dort  so  auch  hier  gerade  ein  ehe- 
malige]- Leipziger  Dozent  als  erster  die  Würde  des  Rek- 
torates bekleidete  —  dort  Melierstadt  und  hier  der  Theo- 
loge Wimpina  — ,  das  hat  wohl  in  Leipzig  nicht  wenig 
gekränkt.  Aber  in  einem  solch  feindlichen  Gegensatz, 
wie  von  vornherein  zu  Wittenberg,  fühlte  man  sich  zu  dem 
entlegeneren  Frankfurt  nicht,  gewärtigte  auch,  und  nicht 
mit  Unrecht,  von  diesem  einen  weit  geringeren  Schaden. 
Dafs  man  freilich  mit  dem  fürstlichen  Beschützer  Frank- 
furts einen  schwereren  Stand  als  mit  dem  verträglichen 
Kurfürsten  Friedrich  habe,  darüber  belehrte  ein  charak- 
teristischer Vorfall  gleich  in  der  nächsten  Zeit.   In  Leipzig 


6)  Es  wurden  immatrikuliert  ao.  1502:  41 K,  ao.  1503:  890, 
ao.  1504:  158,  ao.  1505:  168,  ao.  1506:  188,  ao.  1507:  167,  ao.  1508: 
179,  ao.  1509:  193,  ao.  1510:  228,  ao  1511:  247,  ao.  1512:  209,  ao.  1518: 
151,  ao.  1514:  213,  ao.  1515:  218,  ao.  1518:  162,  ao.  1517:  242,  ao.  1518: 
273.  —  Über  die  Frequenz  in  den  ersten  Jahren  vergl.  Scheurl  an 
Tucher,  3.  Mai  1507  (Scheurls  Briefbuch  44):  „Speramus  hunc  annum 
allaturum  nobis  magnuin  scholasticorum  proventum,  sicut  et  ante 
pestem  ad  (luingentos  affuisse  perhibentur". 


48  Felician  Gefs: 

befand  sich  ein  Konvikt  für  Mönche  aus  den  Cisterzienser- 
klöstern  Mittel-  und  Ostdeutschlands,  die  akademischen 
Studien  obliegen  wollten,  das  Bernhardinerkollegium.  Ein 
Provisor  oder  Studienleiter  stand  an  seiner  Spitze,  der 
Abt  von  Altzelle  hatte  die  Oberaufsicht;  je  nach  Ver- 
mögen steuerten  die  beteiligten  Klöster  zur  Unter- 
haltung des  Gebäudes  bei.  Als  nun  in  Frankfurt  an 
Errichtung  einer  ähnlichen  Anstalt  gedacht  und  vom  Abte 
von  Zinna  ein  Beitrag  in  Aussicht  gestellt  wurde,  be- 
schwerte sich  Herzog  Georg  beim  Magdeburger  Erz- 
bischof, zu  dessen  Bereich  Zinna  gehörte,  und  verlangte, 
Beiträge  und  Studierende  sollten  von  den  Cisterziensern 
wie  bisher  nach  Leipzig  geschickt  werden7).  Auf  det- 
ail deren  Seite  trat  Kurfürst  Joachim  von  Brandenburg 
mit  grofser  Entschiedenheit  für  sein  Frankfurt  ein;  ich 
weifs  nicht,  ob  schon  bei  dieser  Gelegenheit,  jedenfalls 
aber  drei  Jahre  später,  als  im  Winter  1511  die  Kosten 
eines  gröfseren  Neubaues  in  Leipzig  dem  Herkommen 
gemäfs  auch  auf  die  märkischen  Klöster  umgelegt  wurden. 
„Wir  haben  eine  Universität  in  unserer  Stadt  Frankfurt," 
schrieb  er  an  einen  seiner  Äbte,  „da  habt  ihr  Raum 
genug  zu  bauen;  demnach  befehlen  wir  euch,  nichts  zu 
solchen  ausländischen  Gebäuden  zu  geben  und  euere 
Brüder  nach  Frankfurt   zum  Studieren  zu  schicken." 

Gerade  um  diese  Zeit  hat  Georg  aufs  neue  seine 
ganze  Aufmerksamkeit  der  Universität  zugewandt,  Fast 
ein  Jahrzehnt  war  seit  seinen  Reformversuchen  vorüber- 
gegangen, ein  Jahrzehnt,  das  ihn  über  tausend  Sorgen 
um  seinen  friesischen  Besitz  nur  nebenbei  zum  Verfolgen 
heimischer  Vorgänge  hatte  kommen  lassen,  und  so  mag 
er  nicht  wenig  überrascht  gewesen  sein,  als  er  aus  den 
neuerdings  von  den  Fakultäten  und  von  einzelnen  Per- 
sonen eingeforderten  Berichten  ersehen  niufste,  welch 
unerquickliches  Bild  nach  wie  vor  die  Leipziger  Zustände 
boten.  Er  fand  die  alten  Mängel  wieder  und  neue,  die 
sich  hinzugesellt  hatten;  viele  der  damals  erlassenen  Ver- 
fügungen waren  unbeachtet  geblieben,  andere  hatten  sich 
als  unzweckmäßig,  einige  als  geradezu  verderblich  heraus- 
gestellt. Kein  Rektor  hatte  daran  gedacht,  gegen  die 
ärgerniserregende  Konkubinenwirtschaft  einzelner  Magister 


7)  Loc.  10532  „Leipziger  Universitäts-,  Rats-  und  andere  Händel" 
1367—1537,  fol.  340,  9.  Januar  1508.  —  Zum  Folgenden  vergi. 
Loc.  8942  „Herzog  Georgens  Beschwerden". 


Leipzig  und  Wittenberg.  49 

mit  scharfer  Strafe,  wie  der  Herzog  es  geboten  hatte, 
einzuschreiten,  denn  es  wollte  eben  keiner  „der  katzen 
dye  schellen  anhengen"s).  Es  war  keine  Rede  davon, 
dals  die  Rückberufung  der  abwesenden  Kollegiaten  von 
Erfolg  gewesen,  oder  der  Ausbleibende  mit  Entziehung 
seiner  Kollegiatur  bestraft  worden  wäre;  mancher  hatte 
seit  sechzehn  Jahren  Leipzig  nicht  wieder  gesehen  und 
doch  seine  Stelle  noch  inne;  seine  Mitkollegiaten  behielten 
seine  Einnahmen  in  Leipzig  zurück,  liefsen"  sie  in  die 
eigene  Tasche  fließen  und  hatten  daher  das  lebhafteste 
Interesse  an  dauernder  Abwesenheit  einzelner  Genossen. 
So  kam  es  auch  selten  zur  Erledigung  einer  Kollegiatur. 
Für  solchen  Fall  hatte  die  Reform  des  Jahres  1502  vor- 
geschrieben, die  wählenden  Kollegiaten  sollten  ausschliefs- 
lich  Männer  berücksichtigen,  die  sich  um  die  Hochschule 
verdient  gemacht  und  etwas  geleistet  hätten.  Wir  haben 
damals  neue  Hoffnung  gefaist,  versicherten  jetzt  die  Ma- 
gister der  Artistenfakultät  dem  Herzog,  haben  auf  Vor- 
lesungen und  Übungen  gröfseren  Fleifs  verwandt,  um  doch 
einmal  zu  dem  ersehnten  Ziele  einer  Kollegiatur  und 
damit  einer  gesicherten  Existenz  zu  kommen  —  aber  es  ist 
alles  umsonst  gewesen.  Gunst  und  Freundschaft,  Be- 
stechung und  Schmeichelei  geben  wie  früher  bei  der 
Wahl  den  Ausschlag,  und  wer  in  Leipzig  heraufgedient 
und  einen  akademischen  Grad  um  den  andern  unter 
Opferung  beträchtlicher  Summen  erworben  hat,  mufs 
hinter  Leuten  zurückstehen,  die  aus  der  Ferne  herzu- 
gelaufen sind  und  hier  ihre  Vettern  haben.  So  bleibt  den 
Leipziger  Magistern  bald  nichts  anderes  mehr  übrig,  als 
auszuwandern,  die  neuen  Universitäten  aufzusuchen,  wo 
man  sie  besser  zu  schätzen  weils,  und  von  wo  aus  manchem 
bereits  Einladungen  zugekommen  sind9). 

Ohne  Wirkung  schien  die  herzogliche  Mahnung  an 


s;  Anonymus  No.  252  (1511),  312,  35. 

°)  No.  226  (bereits  1502  —  1505)  S.  269,  6  und  271,  1.  Vergl. 
dazu  meine  Beilage.  No.  231  (1511)  S.  278,  37:  „Auch  magistri,  dye 
ezwas  mergklichs  und  nuzbarlichs  zu  gedey  e.  f.  g.  universitet  ge- 
thau,  gar  seiden  abyr  nymer  mit  collegiaturen  abyr  sosten  einolimentis, 
dovon  sy  sich  in  yren  alten  ihareu  enthalden  muchten,  werden  be- 
gabit  und  begnadit,  alleyne  dye  heuchler  und  die  sich  rucken  können, 
werden  gefordt,  kaynes  fleifs  nach  muhe  und  arbayt  geachtet."  — 
No.  252  (1511)  S.  313,  21 :  „dye  meisten,  dye  do  sint  elegirt  vor  und  nach 
•User  reformation,  sonderlich  in  etzlichen  zelten,  haben  am  wenigsten 
in  universitate  gethan,  ist  sich  zu  vormuten,  sie  seint  per  dativum 
darzu  kommen." 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XVI.  1.  2.  4 


50  FeTician  Gefs: 

die  medizinischen  und  juristischen  Professoren  geblieben 
zu  sein;  wenigstens  wurden  beide,  diese  noch  mehr  als 
jene,  beschuldigt,  sie  vernachlässigten  ihre  Vorlesungen 
in  sträflicher  Weise,  verliefsen  Leipzig  oft  für  Wochen 
und  Monate,  um  auswärtiger  Praxis  nachzugehen,  und 
veranlafsten  so  ihre  Schüler,  der  hiesigen  Hochschule  den 
Rücken  zu  kehren  und  die  Wittenberger  oder  eine  andere 
aufzusuchen,  wo  sie  pflichteifrigere  Lehrer  und  ungestör- 
teren Unterricht  fänden10). 

Mit  aller  Entschiedenheit  replizierten  nun  zwar  die 
Angeklagten.  Sie  behaupteten,  sehr  fleifsig  zu  sein,  sie 
wiesen  auf  ihr  knappes  Dozenteneinkommen  hin,  das  sie 
geradezu  zwinge,  Nebenverdienste  aufzusuchen,  auch  auf 
die  in  ihren  Fächern  liegende  Notwendigkeit,  ab  und  zu, 
anscheinend  auf  Kosten,  in  Wahrheit  zu  Gunsten  des 
Kollegs,  praktisch  sich  zu  bethätigen,  der  Arzt  am 
Krankenbett,  der  Rechtsgelehrte  im  Prozesse ;  sei  es  doch 
„nodt  und  gut,  nicht  alleyne  die  kunst,  sundern  auch 
übunge  zu  erlangen".  Übrigens ,  so  durften  die  Juristen 
hinzusetzen,  schicke  sie  ja  sehr  oft  der  Herzog  selbst 
auf  Reisen  und  bestimme  sie  zu  aufserakademischer 
Thätigkeit11). 

Ganz  mit  Unrecht  halte  man  ihnen  vor,  sie  seien 
durch  die  Wittenberger  juristische  Fakultät  überflügelt, 
und  Wittenberg  nehme  hauptsächlich  wegen  dieser  Fa- 
kultät mehr  und  mehr  zu.  Allerdings  habe  der  vor 
kurzem  von  Erfurt  dorthin  berufene  Jurist  Hennig  Göde 
eine  Anzahl  alter  Schüler  nach  sich  gezogen:  voll  werde 
sein  Saal  aber  erst  durch  ein  gut  Teil  Nichtjuristen, 
Angehörige  der  theologischen  und  philosophischen  Fakultät. 
Mit  Wissenschaft  und   Lehre   des   Göde  wollten   sie  es 


10)  1511  Fakultisten  No.  231  S.  279,  21  (vergl.  meine  Beilage): 
,.E.  f.  g.  universitet  nymet  mercklich  abe;  die  scholares  juriura  Avenden 
sich  kegen  Wittenbergk  und  nit  ane  ursack,  wan  doctores  gedachter 
facultet  leisen  unvleyssieklick,  als  genielte  scholares  sagen  und  clagen 
und  sagen  werden,  wo  sye  befraget."  1511  Hat  der  Stadt  Leipzig 
No.  276  S.  364,  7:  „Item  fso  werden  die  lectiones  in  den  beiden 
faculteten  als  der  iuristen  und  ertzt  lel'slich  gehalten ,  kumpt  davon, 
das  die  lectores  viel  und  oft  reyfsen  und  aufszihen,  dardurch  auch 
die  scholares  vordrofsen  und  unwillig  werden,  das  ire  alhir  zu  vor- 
zeren,  werden  dardurch  vorursacht,  sich  in  andere  universiteten  zu 
begeben,  als  dann  kurtzlich  geschehen  ist." 

n)  1511  Juristen  No.  250  S.  306,  13  —  1511  Ordinarius  der 
Juristenfakultät  No.  287  S.  393,  16  und  394,  33.  —  Dekan  der  medi- 
zinischen Fakultät,  März  bis  Oktober  1511,  No.  339. 


Leipzig'  und  Wittenberg.  51 

wahrhaftig  noch  aufnehmen,  sie  Wülsten,  was  er  in  Erfurt 
geleistet  habe,  und  Georg  möge  sich  darauf  verlassen, 
er  habe  „allewege  alhir  zwene  geschickte  und  gelarte 
doctores  iuris,  dagegen  zu  Wittenberg  kaum  eyner  ist"12). 

Die  Leipziger  Juristen  sahen  den  Grund  des  Wachs- 
tums von  Wittenberg  vielmehr  in  der  Tüchtigkeit  der 
dortigen  Artisten  oder  in  den  niedern  Lebensmittelpreisen ; 
den  Grund,  warum  nicht  wenige  juristische  Studenten  in 
letzter  Zeit  Leipzig  mit  Wittenberg  vertauscht  hatten, 
in  der  schroffen  und  rücksichtslosen  Art,  wie  ihnen  von 
Seiten  des  Rektors  begegnet  wurde.  Da  die  Fakultät 
noch  immer  nicht  das  Pädagogium  von  den  Artisten  hatte 
übernehmen  können  —  es  geschah  erst  1515  — ,  weil 
das  für  diese  bestimmte  Haus  noch  im  Bau  begriffen  war, 
hatte  sie  auch  kein  Konvikt  für  ihre  Schüler.  Nun  ver- 
langte der  Rektor,  die  jungen  Leute  sollten,  wie  andere 
Studenten,  in  den  Kollegien  und  Bursen  wohnen;  sie  aber 
dünkten  sich,  zumal  da  manche  vom  Adel  unter  ihnen 
waren,  etwas  besseres  als  ihre  Kommilitonen  und  wollten 
schlechterdings  davon  nichts  wissen;  sie  schlugen  ihr 
Quartier  bei  den  Bürgern  auf.  Der  Rektor  wieder  be- 
rief sich  auf  die  Statuten  und  nahm  die  Widerspenstigen 
in  Geldstrafe,  erwirkte  auch  beim  Rat  der  Stadt,  dafs 
den  Bürgern  die  Behausung  von  Studenten  untersagt 
wurde.  Da  entschlofs  sich  denn  der  eine  und  andere 
der  Musensöhne,  zum  Wanderstabe  zu  greifen  und  nach 
Wittenberg  überzusiedeln,  wo  die  Bürger  die  Studenten 
bei  sich  aufnehmen  durften13). 

Auch  mag  wohl  mancher  Nichtjurist  dem  Beispiel 
gefolgt  sein,  denn  ich  möchte  es  nicht  unbedingt  als  un- 
glaubwürdig bezeichnen,  was  die  Juristen  1511  dem 
Herzog  berichten:  „der  Studenten  ist  unsers  vorsehens 
bynnen  anderthalben  iaren  über  500  weniger  wurden"14). 
So  viel  geht  jedenfalls  aus  allem  mit  Sicherheit  hervor: 
die  sämtlichen  vier  Fakultäten  in  Leipzig  zitterten  vor  einer 
Auswanderung  in  Masse.  Es  wurde  zur  allgemeinen  Parole : 
nur  keine  zu  weit  gehenden  Anforderungen  im  Examen! 


12>  1511  Juristen  No.  250  S.  306,  19  ff.  —  Der  Wittenberger 
Jurist  Scheurl  berichtet  am  3.  Mai  1507  (Scheurls  Brief  buch  44)  über 
seine  Zuhörer:  „nee  aliquid  est  nuod  nie  voluptate  afficiat,  nisi  dis- 
cipuli,  qui  ad  triginta  et  ex  his  viginti  presbyteri  et  septem  artiun. 
liberalium  magistri  docentis  verba  diligenter  excipiunt". 

i3)  Vergl.  No.  250  und  287,  beide  vom  Jahre  1511. 

l4)  No.  250  S.  306,  24. 

4* 


52  Felician  Geis: 

lieber  ein  Auge  zudrücken,  lieber  noch  ein  paar  Gulden 
mehr  vom  Examinanden  sich  geben  lassen,  nur  niemanden 
abweisen,  denn  sonst  laufen  uns  die  jungen  Leute  nach 
Wittenberg  oder  Frankfurt15).  Die  Theologen  nahmen 
es  nicht  mehr  gar  so  genau  mit  den  Vorschriften  über  die 
Baccalaureatsprüfung;  die  Juristen  promovierten  manchen 
Dorfpfarrer  und  Of'iizial,  der  nur  wenige  Vorlesungen 
besucht  hatte,  ja  manchen,  der  nicht  zu  sagen  wuiste, 
wo  die  Juristenschule  stand;  die  Mediziner  schlugen  allem 
Herkommen  ins  Gesicht  und  machten  Leute  zu  Licen- 
ziaten,  die  noch  gar  nicht  den  Magistergrad  erworben 
hatten;  die  Artisten  endlich  trieben  es  am  schlimmsten 
und  erlagen  als  die  am  schlechtesten  besoldeten  nur  gar 
zu  leicht  der  Zauberkraft  des  Sanctus  Denarius. 

Freilich  wurde  das  von  ■  den  schuldigen  Fakultisten  — 
denn  nur  sie  bildeten  die  Examenskommissionen  nach 
Möglichkeit  zu  beschönigen  gesucht.  Sie  behaupteten, 
bei  der  heute  herrschenden  Verwilderung  genüge  nun 
einmal  nur  ein  geringer  Bruchteil  der  Studenten  in  Be- 
tragen und  Leistungen  den  von  Alters  üblichen  An- 
sprüchen ;  sei  es  da  nicht  besser  und  auch  von  erziehlicher 
Wirkung,  wenn  man  die  gröisere  Hälfte,  statt  sie  zurück- 
zuweisen, durch  Abgabe  eines  Strafgeldes  für  die  man- 
gelnde Keife  hülsen  lasse?  Übrigens  seien  die  Examina- 
toren manches  Mal  willens,  einen  unwürdigen  Kandidaten 
durchfallen  zu  lassen,  sogleich  aber  werde  dann  von  den 
jungen  Magistern,  den  Nichtfakultisten  —  die  zwar  nicht 


1S)  Anonymus  1511  No.  252  S.  315,  15:  „man  wil  difs  stuck 
gemeyner  ununderscheydlicher  Zulassung  fast  in  allen  faculteten  da- 
mit beschonlich  vorglympffen:  wu  sie  zu  Leyptzk  nicht  promovirt 
weiden,  laufen  sie  in  dye  neuen  universiteten  Wittenberg  oder  Franck- 
furt;  ist  nicht  gnugsam  ursach  darumb  untüchtige  zuzulassen.  Auch 
sagt  man ,  das  sie  in  denselben  neuen  universiteten  fast  mit  allen 
graden  sunderlich  in  artibns  mehir  ernst,  scherffe  und  nffsehen  haben, 
widder  zu  Leyptzk,  dann  in  neuster  fasten  seyn  sieben  zu  Witten- 
berg pro  baccalariatu  reycirt ;  promovirte  man  geleite  und  reycirte 
ungelerte ,  lirecht  der  universitet  grossen  ruf,  wurd  auch  mehir  zu 
nutz,  wenn  zu  schaden  gedeyen."  —  Über  die  Theologen  speziell 
S.  307,  36,  über  die  Juristen  S.  309,  l.über  die  Mediziner«.  309, 14  — 
Herzogliche  Aufforderung  an  die  Examinatoren  der  Artistenfakultät 
(1511  No.  256  S.  325,  10),  fortan  keine  Unfähigen  mehr  durchs 
Examen  zu  lassen  und  „sich  des,  das  dieselben  ungeschigkten  gegen 
Wittenbergk  oder  Franckfurdt  laufen  möchten ,  nicht  bekomme™ 
lassen,  denn  dieselben  ungelerten  und  ungeschickten  der  universitet 
nichts  mehr  dann  schimpft',  als  im  widerfall  die  geleiten  gut  gerucht 
bringen." 


Leipzig  und  Wittenberg1.  53 

examinierten,  aber  auch  zum  Examen  vorbereiteten  — , 
eine  Entrüstungsscene  gemacht  und  von  Tyrannei  und 
Ungerechtigkeit  gesprochen16).  Lieh  aber  der  Herzog  der 
hier  bezichtigten  jüngeren  Generation  der  Lehrerschaft 
sein  Ohr,  so  wurden  ihm  die  Dinge  wesentlich  anders 
geschildert:  sie  beklagte  sich,  dals  der  ihr  zugethane 
Student  einen  schwereren  Stand  im  Examen  habe,  als  ein 
Schüler  der  Fakultisten,  dals  er  nicht  selten  unter  der 
Abneigung  des  Examinators  gegen  seinen  jungen  Lehrer 
leiden  müsse17);  sie  redete  auch  bald  abfällig  von  den 
Prüfungsgegenständen  und  nannte  die  Prüfenden  nicht  nur 
bestechlich,  sondern  auch  Männer  „nach  der  alten  Welt", 
altmodische  Leute,  die  keine  Fühlung  mit  der  heutigen 
Jugend,  kein  Verständnis  für  ihre  geistigen  Bedürfnisse 
hätten,  ohne  doch  hinzuzusetzen,  welcher  Art  denn  die 
neue  Welt  und  diese  Bedürfnisse  seien.  Aber  das  war 
auch  nicht  notwendig;  sie  wufste,  dals  sie  vom  Herzog 
verstanden  würde.  Hatte  er  selbst  doch  gerade  das  Er- 
wachen dieses  Neuen  im  letzten  Jahrzehnte  an  seinem 
Teil  gefördert,  hatte  er  doch  zum  grofsen  Verdrufs  der 
Fakultäten  die  „fremden  Poeten"  unterstützt  und  zu  Vor- 
lesungen ermächtigt,  diese  Männer,  die  in  gar  keinem 
oder  nur  dem  losesten  Verhältnis  zur  Universität  standen, 
die  gar  nicht  einmal  alle  die  Magisterwürde  besafsen 
und  sich  herausnahmen,  Lektüre  und  Interpretation  römi- 
scher Dichter  und  Redner  über  die  althergebrachten 
philosophischen   Vorlesungen    zu    stellen18).      Seit    ihrem 


lü)  No.  231  (1511)  S.  279,  9  und  38;  No.  252  (1511)  S.  314,  19. 

17)  Leipziger  Rat  No.  276  (1509-1511)  S.  364,  34:  „so  auch 
zu  zeiten  ein  examinator  eines  gesellen  raagister,  der  sich  under 
das  examen  begibt,  ein  Widerwillen  traget,  so  mufs  oft  derselbige 
arm  geselle  defselbigen  Unwillens  entgelden,  werden  zu  zeiten  yer- 
hönet  und  andere,  so  fast  weniger  und  geringer  an  der  lare  sind, 
zugelafsen  ...  so  es  auch  fast  am  ende  des  examinis  ist,  vormandt 
der  techant  und  examinatores  die  gesellen,  das  sie  sollen  vor  sich 
bitten  lafsen,  geschiet  darumb,  das  man  inen  corrupciones  geben  sali, 
und  welcher  das  nicht  thuet,  ader  auch  das  sein  magister  ader 
ander  nicht  vleissigk  vor  ine  bitten,  ob  er  gleich  sunst  an  der  lere 
genugksam,  so  mufs  er  doch  ader  mannicher  oft  ein  schimpf  un- 
schuldiglichen  gedulden".  —  Nichtfakultisten  No.  232  (1516—1518) 
S.  281,  32:  es  kommen  immer  weniger  Examinanden  wohl  deshalb, 
weil  die  Examina  „noch  alder  weiis  aus  vorworffen  und  ycz  zur 
zeit  ungeachten  autoribus  geschehn,  die  examinatores  zum  teyl 
geringschetzig  und  noch  der  alden  weldt,  derhalben  sich  vil  und 
forderlich  aufs  dem  adel,  welch  etwan  auch  in  artibus  promovirt, 
yren  examinibus  zu  undergeben  vorachten"  etc. 

18)  Klagen   über   die    fremden    Poeten   und   ihre   Nachahmung 


,-.j  Felician  Gels: 

provozierenden  Auftreten,   zumal    seit   der   bis   ins  Jahr 
1511  reichenden  Thätigkeit  des  kecksten  unter  allen,  des 
von  der  alten  Generation  bitter  gehalsten  und  -schließlich 
verjagten   Ästikampian ,   den   wir  einige  Jahre  später  in 
Wittenberg  wiederfinden,  war  die  immer  vorhandene  Kluft 
innerhalb  der  Artistenfakultät  zwischen  alten  und  jungen 
Magistern  noch  bedeutend  erweitert,  denn  ein  gutes  Teil 
von    diesen  jungen    hatte   in   die  Bahn  der  Poeten  ein- 
gelenkt,  las  nun   vor  vollen  Bänken  über  die  Klassiker 
und    impfte   der  Jugend  die  Liebe   zum   ciceronianischen 
Ausdruck  und  die  Verachtung  des  mittelalterlichen  Lateins 
der  Philosophen  ein.     Vergeblich   eiferten  die  alten  Ma- 
gister dagegen  und  behaupteten,  das  sei  gar  keine  Wissen- 
schaft mehr,   denn  „scientiae  sunt  de  rebus  unde  nicht 
de  vocabulis.     Wer    vocabula   weis,    der   ist   eyn   gram- 
maticus,    er   ist   derhalben    aber   nicht  gelart,   ader  ein 
Philosoph,  doruff  die  universitet  gefundirt,  dann  vocabula 
zu  wissen,    gehöret  knaben   zu";    vergeblich   wiesen   sie 
auf   den   die   Sittlichkeit   gefährdenden   Inhalt   mancher 
römischen  Dichtungen  hin,   aus  denen  die  ohnehin  schon 
lüsternen   jungen  Leute  lernten    „streiten,  schlaen  unde 
hauen,  auch  amasien  lernen  erkennen  unde  Unzucht,  welchs 
sie   aus    juuglicher   hitze  unde  Zuneigung  dorrioch   üben 
unde  vorbrengen" 19).    Georg  war  der  richtigen  Ansicht, 
dafs   sich  diese  Gefahren   durch  passende  Auswahl   der 
Lektüre  vermeiden  liefsen,  und  blieb  den  humanistischen 
Studien  nach  wie  vor  gewogen20).    Nachdem  schon  Ästi- 
kampian aufser  einer  Reihe  von  Prosaikern  den  Vergil, 
Horaz   und    Plautus    behandelt   hatte,    kam   jetzt    auch 
Terenz  hinzu,  und  bald  wurden  Stücke  der  beiden  Lustspiel- 
dichter von  Studenten  unter  Leitung  des  jungen  Magister 
Lemberger  an  Fastnacht   auf  dem  Rathause  gespielt-1). 


durch  die  jungen  Magister:  No.  226  (1502-1505)  S.  272,  9;  No  235 
(1511)  S.  290,  14;  No.  252  (1511)  S.  310,  38.  -  Georg  schreibt  am 
7.  November  1512  an  die  Universität  und  wünscht,  dafs  Johannes 
lluttichius  nicht  länger  am  Lesen  gehindert- werde:  „Uns  heduncket, 
gut  zu  sein,  das  ymandes  sey,  der  lecciones  halte,  die  den  schulern 
furtreglichen ,  und  alletzeit  nicht  solle  geachtet  werden,  ap  der  in 
eynem  grade  sey  ader  nicht"  (Copial  106  fol.  273h).  Über  Huttich  vergl. 
Bursian,  Gesch.  der  klass.  Philologie  in  Deutschland  S.  165. 

191  No.  235  (1511)  S.  290,  14  ff. 

20)  No.  254  (1511)  S.  321,  32. 

-■)  Leipziger  Ratsarchiv,  Stadtkassenrechming  für  1514/15 :  „als 
magister  Lemberger  und  andere  magistri  und  Studenten  Comediam 
terencij,    eunuchen  genant,    uf  dein  rathaufs  uf   allerman   vafsnacht 


Leipzig  und  Wittenberg.  55 

Aber  zunächst  waren  es  nur  die  römischen  Klassiker, 
mit  denen  sich  die  jüngere  Generation  so  eifrig  beschäf- 
tigte.   An  die  der  Griechen  ging  sie  erst  im  Jahre  1515. 

Ab  und  zu  hatte  sich  zwar  schon  in  dem  voraus- 
gehenden Jahrzehnt  dem  Leipziger  Studenten  Gelegenheit 
geboten,  das  Griechische  oder  wenigstens  die  Anfangs- 
gründe des  Griechischen  zu  erlernen.  Mancher  der 
fremden  Poeten  hatte  sich  mit  mehr  oder  weniger  Recht 
seiner  Kenntnis  in  dieser  Sprache  gerühmt  und  sich  be- 
reit erklärt,  sie  andern  zu  übermitteln.  Von  dem  leicht- 
fertigen Wandervogel  Hermann  von  dem  Busche  und  von 
dem  nachmals  als  Geschichtsschreiber  geschätzten  Caspar 
Ursinus  Velius,  die  beide  um  das  Jahr  1504  in  Leipzig 
verweilten,  wird  es  ausdrücklich  berichtet.  Fünf  Jahre 
später  taucht  ein  freilich  nur  halbgebildeter  Grieche  aus 
Kreta  in  Leipzig  auf,  bei  dem  sich  immerhin  auch  etwas 
profitieren  liefs;  doch  scheint  er  nur  kurze  Zeit  geblieben 
zu  sein--).  Mit  Astikampians  Griechisch  war  es  nicht  weit 
her:  er  hat  sich,  in  Leipzig  wenigstens,  auf  die  Sprache 
und  Litteratur  der  Römer  beschränkt.  Nun  kam  aber  zu 
Beginn  des  Jahres  1515 2:!)  in  dem  Engländer  Richard 
Orocus  ein  für  die  damalige  Zeit  ausgezeichneter  Gräcist, 
der  klug  genug  war,  durch  bescheidenes  und  vorsichtiges 


gespilt,  und  so  dan  vormals  keyne  alhir  gespilt  wurden,  ist  ime  ge- 
geben zu  vererung  iij  ß,  xxx  gr.".  Stadtkassenrechnung  für  1516/17: 
„magister  Lemberger  hat  «dicz  jhar  ein  Comediam  plauti  uf  dem 
Ratbaus  im  abschide  des  Rats  agirt"  etc.  —  Späterhin  wurden  der- 
artige Aufführungen  nicht  mehr  gestattet;  warum'?  weifs  ich  nicht 
anzugeben;  vergl.  den  Ratsbeschlufs  vom  1.  März  1519  (Leipziger 
Ratsarchiv  I,  25  b  fol.  22  b),  wonach  dem  Magister  Reusch  nicht 
gestattet  wird,  „seine  Commedien  uf  dem  Rathause  zu  agiren,  weyl 
es  andern  magistern  zuvor  vorsaget".  Doch  ist  gerade  in  diesen 
Märztagen  schiiefslich  doch  in  Anwesenheit  Georgs  und  des  Hofes 
eine  Komödie  Reuchlins  gespielt  worden.  Vergl.  Seidemann  in 
der  Zeitschr.  für  bist.  Theologie  1849  S.  176  Anm. 

2a)  Mutian  an  den  in  Leipzig  studierenden  Urban  (Krause, 
Briefwechsel  des  Mutianus  Rufus  S.  136)  Ostern  1509:  Lob  des 
Griechischen;  „Persevera,  mi  Urbane,  aemulare  Catonem  illum  Cen- 
sorium  sub  magistro  Cretense,  qui  etsi  parum  docte  graecas  literas 
iuventutem  docet,  jacit  tarnen  fundamenta  et  in  auditores  arcanam 
quandain  pronunciandi  vim  depluit". 

2a)  Erasmus  an  Linacer  (op.  Erasini  III,  136) :  „Crocus  regnat 
in  Academia  Lipsiensi  publicitus  Graecas  docens  litteras":  angeblich 
vom  5.  Juni  1514,  thatsächlich ,  wie  der  übrige  Inhalt  des  Briefes 
ergiebt,  vom  5.  Juni  1516.  Schmidt,  Petrus  Mosellanus  (Leipzig 
1867)  S.  20  hat  sich  durch  das  falsche  Datum  verführen  und  des 
Crocus  Thätigkeit  in  L.  schon  1514  beginnen  lassen. 


gg  Pelician  Gefs: 

Auftreten  das  Mißtrauen  der  älteren  Generation  zu  ent- 
waffnen und  so  dem  Lose  der  früheren  Poeten  zu  ent- 
gehen-4). Die  Zuneiguno-  der  jüngeren  Generation  hat 
er  sich  im  Fluge  erobert  und  eine  ganze  Schar  von 
Magistern  und  Studenten  ist  zu  ihm  in  die  Schule  ge- 
gangen: der  Magister  Veit  Werler,  der  sich  bereits  als 
Kenner  und  Herausgeber  Plautinischer  Komödien  einen 
Ruf  erworben  hatte,  der  feingebildete  Magister  Coelius 
Aubanus,  der  Magister  Helt  von  Forchheim,  den  der 
berühmte  Camerarius  von  allen  seinen  Lehrern  am  höchsten 
stellte,  und  unter  den  Studenten  Camerarius  selbst  und 
der  Leipziger  Bürgerssohn  Caspar  Creutziger,  der  spätere 
Wittenberger  Schlofsprediger  und  Universitätslehrer.  Auch 
einige  junge  Leute  von  hohem  Adel  schlössen  sich  ihm 
an.  Und  als  er  im  zweiten  Jahre  seines  Aufenthaltes 
ein  lockendes  Anerbieten  aus  Böhmen  erhielt,  spendete 
der  Herzog  die  ansehnliche  Summe  von  fünfzig  Gulden, 
um  ihn  seiner  Universität  wenigstens  noch  ein  Jahr  zu 
erhalten,  und  auf  des  Herzogs  Anregung  legte  der  Rat 
der  Stadt  zwanzig  und  die  Artistenfakultät  zehn  Gulden 
bei'25).  Mit  achtzig  Gulden  war  gut  auskommen2").  Wie 
kärglich  mufste  sich  Mosellanus  —  Peter  Schade  aus 
Bruttig  an  der  Mosel  —   durchschlagen,   der  bald  nach 


24)  Vergl.  seine  überschwängliehe  Lobrede  auf  die  Leipziger 
Universität. (bei  Böhme,  De  litteratura  Lipsiensi  p.  191),  das  Gegen- 
stück zn  Ästikampians  Spottrede.  Seinen  Gedankenaustausch  mit 
Ulrich  von  Hütten  wird  er  den  Leipzigern  sorgfältig  verheimlicht 
haben.  Leider  fehlen  uns  seine  Antworten  auf  Huttens  Briefe  aus 
Bologna  vom  9.  August  1516  („Narrantur  mihi  epistolae  obseurorum 
virorum  tota  Germania  divulgari  et  apud  vos  quoque  haberi  in  mani- 
bus  gaudeo  absens,  non  nescius  interea  quam  isthic  vos  triumphetis 
praesentes  bis,  quibus  monumentum  hoc  fit  insultando.  Age  igitur, 
nihil  intermitte,  quod  quidem  divexandis  pessimis  hominibus  usur- 
pare  possis:  barbare  ridentur  barbari")  und  22.  August  1516  („Accepi 
Obscuros  viros:  dii  boni  quam  non  illiberales  iocos !  Verum  ipsum 
me  autorem  non  iam  suspicantur  sophistae,  sed  ut  audio  palam 
praedicant.  Oppono  illis  te  .  .  nee  me  istis  sordibus  pollui  sine. 
De  eadem  ipsa  quoque  re  copiose  perscribas  cura;  attenduntur  raro 
Lipsienses;  cottidie  aliquid  audis ;  quid  moliantur  fac  sciam"). 

25)  Vergl.  Urkundenb.  No.  298  und  meine  Bemerkungen  zu 
dieser  Nummer  in  der  Beilage. 

20)  Angaben  über  Honorare  der  Juristen  in  Wittenberg  bei 
Muther.  Aus  dem  Universitäts-  und  Gelehrtenleben  S.  423  ff.  Dazu: 
Seheurl  an  Sixt  Tucher  3.  Mai  1507  (Scheurls  Briefbuch  S.  44): 
„Serenissimus  prineeps  raeus  .  .  .  deputavit  ad  lecturam  sexti,  et  cum 
praedecessores  mei  vix  60  aureos  habuerint,  intuitu  cognationis  meae 
cotoginta  mihi  constituit". 


Leipzig  und  Wittenberg.  57 

( 'locus  in  Leipzig  anlangte  und  neben  ihm,  aber  ihm  zu- 
getlian  in  treuer  Freundschaft  vom  gemeinsamen  Auf- 
enthalte in  Köln  her,  als  zweiter  Lektor  des  Griechischen 
sein  Glück  versuchte!  Für  zwei  Lektoren  schien  doch 
nicht  Platz  genug;  die  Aussicht,  an  Crocus  Stelle  in 
Böhmen  Unterkunft  zu  finden,  zerschlug  sich,  und  wie 
gerne  ihn  der  am  kurfürstlichen  Hofe  in  Weimar  so  ein- 
flufsreiche  Spalatin  in  Wittenberg,  wie  gerne  ilin  Mutian, 
der  allzeit  hilfsbereite  Gönner  aller  Gelehrten,  in  Erfurt 
an  der  Universität  untergebracht  hätte  es  wurde  beide 
male  nichts  daraus.  Doch  unverdrossen  arbeitete  der 
jugendeifrige  Mosellan  weiter;  auch  er  wufste  sich  einen 
Kreis  zu  schaffen,  und  als  der  glücklichere  Rivale  im 
Frühjahr  1517  in  das  Vaterland  heimkehrte,  erlebte  er 
die  Genugthuung,  vom  Herzog  zum  Nachfolger  ausersehen 
und  damit  der  äufseren  Sorgen  überhoben  zu  werden"7). 
Und  doch  wollte  es  ihm  auch  jetzt  noch  nicht  in  Leipzig 
wohl  werden;  er  klopfte  nach  Jahresfrist  noch  einmal  in 
Wittenberg  an2s). 

Es  war  kein  Geheimnis  geblieben ,  dals  auch  dort 
neuerdings  die  Berufung  eines  Griechen  ernstlich  in  Frage 
stand-9),  deren  Notwendigkeit  vor  allen  andern  der  immer 


27)  Mosellan  an  Mutian  (Krause  S.  606)  25.  Mai  1516: 
„Verum  quod  attinet  ad  ea,  de  quibus  ante  memini  tibi  scribere, 
Spalatinus  noster  ita  nobis  respondet,  ut  neque  plane  iubeat  oijwtofeir, 
neque  etiam  spem  magnam  faciant,  quae  scribit.  Neque  vero  haec 
ita  accipias,  quasi  ad triarios  res  mea  redierit.  Iino  fortuna  meis 
meritis  major  arridet,  verum  lianc  ipsam  et  multis  et  laboriosis 
praelectioni'bus  coemimus,  adeo  ut  nihil  sit  otii  super,  quo  ingenii 
nervös  transponendis  graeeis  intendere  liceat.  Augetur  ac  crescit 
quotidie  libraria  nostra  suppellex,  adeo  ut  si  nihil  aliud  hoc  tarnen 
solatii  in  nostris  aerumnis  habeamus."  —  Mutian  an  Petrejus  in 
Erfurt  (Krause  S.  609,  mit  dem  falschen  Datum  5.  Juni)  13.  Juni 
1516:  „De  Petro  feci  Phaednun.  Haec  Attica  Musa  belle  graecissat, 
Docet  plurimos.  Vellem  isthic  (Erfurt)  ageret.  Nam  Lipsi  Crocus 
graece  profitetur  Britannus.  Hie  Mosellanus  est  adhuc  admodum 
adolescens,  homo,  ut  faciam  summariam  indicaturam,  pius,  disertulus, 
latinus  atque  ita  graecus,  ut  admirari  possis.  Legit  apte,  cantat 
Homerum,  Hesiodtim,  Theocritum.  Etiam  si  Romae  esset,  laudem 
inveniret.  Scribe,  amabo,  ad  Phaedrum  et  invita  sub  hac  lege,  ut 
si  locum  mutare  velit,  ad  vos  devolet.  Amisit  Boemum.  Princeps 
elector  tenacior  est  quam  fuit.  Negat  stipendia  non  paucis  suo  con- 
sulens  fisco,  etsi  omuium  maecenas  dici  iure  debeat."  —  Mosellan 
an  Julius  Pflug  23.  August  1517  bei  Müller,  Epp.  Mosellani  etc.  ad 
Pflugium  p.  1. 

2S)  Luther  an  Spalatin  4.  Juni  1518,  Enders  I,  205. 

29)  Verfrühte  Meldung  Huttens  an  Nuenaar  vom  3.  April  1518 
(Böcking  I,  168):    „Lipsiae   quamquam   pertinaciter   adhuc  reluc- 


58  Felicia»  Gefs: 

mehr  hervortretende  Theologe  Martin  Luther  mit  Eifer 
betonte,  für  die  Spalatin  nach  wie  vor80)  wann  eintrat, 
und  dais  sich  der  Kurfürst  endlich  schlüssig  gemacht  und 
an  den  berühmten  Reuchlin  um  Bezeichnung  einer  passen- 
den Persönlichkeit  gewandt  hatte.  Man  hoffte  auf  Keuch- 
lins Grolsneffen  Philipp  Melanchthon  in  Tübingen.  Aber 
ob  der  Oheim  ihn  aus  seiner  Nähe  lassen  werde,  ob 
Melanchthon  selber  geneigt  sei,  blieb  Wochen  hindurch 
fraglich;  erst  im  Hochsommer  hatte  man  sein  Jawort. 
Damit  war  für  Mosellan  die  Aussicht  abgeschnitten. 
Aber  das  hat  nicht  gehindert,  dafs  Melanchthon  sogleich 
in  ein  herzliches  Verhältnis  zu  ihm  trat,  als  er  auf  seiner 
Reise  nach  dem  Norden  im  August  1518  in  Leipzig  einen 
kurzen  Aufenthalt  machte. 

Die  Briefe  von  Luther  aus  den  letzten  August-  und 
ersten  Septembertagen:!1),  die  man  immer  wieder  mit 
Genufs  lesen  wird,  sind  voll  des  Lobes  und  der  Be- 
geisterung über  diesen  äufserlich  freilich  noch  so  knaben- 
haften Mann  der  Wissenschaft,  über  den  Eindruck,  den 
seine  Antrittsrede  am  29.  August  hervorgerufen,  über  die 
beispiellose  Anziehungskraft,  die  gleich  sein  erstes  Kolleg 
gehabt  hatte,  voll  der  Sorge,  dafs  die  Leipziger  Melanch- 
thon noch  abspenstig  machen  könnten,  zumal  wenn  ihm 
das  rauhere  Wittenberger  Klima  nicht  bekomme,  wenn 
sich  die  kurfürstliche  Regierung  nach  ihrer  Übeln  Ge- 
wohnheit gar  so  knapp  und  sparsam  zeige.  „Bald  haben 
wir  von  seiner  Statur  und  Person  abgesehen  und  nur  die 
Sache  in  ihm  bewundert  und  beglückwünscht.  Er  ist  ein 
Mann,  jeder  Ehre  wert".  —  „Wir  treiben  alle  Griechisch 
um  des  Verständnisses  der  Bibel  willen".  -  „Er  hat  sein 
Auditorium  voll  von  Zuhörern,  und  zumal  die  Theologen 
vom  ersten  bis  zum  letzten  erfüllt  er  mit  allem  Eifer 
für  die  griechische  Sprache".  —  „Er  ist  der  grölste  Ge- 
lehrte, der  feinste  Grieche."  So  schrieb  Luther  an  Spa- 
latin, an  Staupitz,  an  Lang. 


tentur  sophistae,  erigunt  so  tarnen  litterae  et  augentur  rccta  studia. 
Et  Wittenbergam  a  Fridericho  Principe  accersuntur  qui  Graece  et 
Hebraice  doceant." 

s0)  Spalatin  hätte  schon  Crocus  gern  nach  Wittenberg  gerufen, 
s.  seinen  Brief  an  Lang  vom  2.  März  1515  bei  Krafft,  Briefe 
und  Dokumente  S.  135.  —  Luther  an  Spalatin  18.  Mai  1518, 
Enders  I,  193. 

;il)  An  Spalatin  31.  August,  an  Staupitz  1.  September,  an  Spa- 
latin 2.  September,  an  Lang  16.  September,  Enders  I,  221,  224, 
227  und  237. 


Leipzig  und  Wittenberg.  59 

Diese  Briefst eilen  führen  uns  zugleich  auf  den  wesent- 
lichen Unterschied  zwischen  dem  Betriebe  des  Griechischen 
in  Wittenberg  und  in  Leipzig.  In  Wittenberg  war  der 
Betrieb  des  Griechischen  in  erster  Linie  Mittel  zu  einem 
höheren  Zweck:  graecissamus  omnes  propter  intellectum 
bibliae;  in  Leipzig  war  er  in  erster  Linie  Selbstzweck 
und  herrschte  entschieden  das  philologische  Interesse 
vor32).  In  Wittenberg  waren  es  die  Theologen,  oder  war 
es  der  alle  anderen  überragende  und  führende  Theologe, 
der  unermüdlich  auf  die  Berufung  eines  Griechen  ge- 
drungen hatte,  der  den  Berufenen  auf  alle  Weise  zu 
halten,  zu  fördern,  zu  unterstützen  suchte,  der  ihm  mit 
seinen  Kollegen  und  Studenten  den  Hörsaal  füllte;  nun 
hat  zwar  auch  in  Leipzig  einer  der  Theologen,  der  Doktor 
Dungersheim  von  Ochsenfart,  die  Vorlesungen  des  Crocus 
besucht,  ja  Crocus  spricht  in  der  Lobrede,  die  er  vor 
den  Leipzigern  auf  Leipzig  hielt  und  die  er  mit  Über- 
treibungen und  Superlativen  stark  spickte,  von  Theologen 
im  Plural;  er  nennt  nur  leider  keine  Namen,  und  ver- 
geblich sehen  wir  uns  nach  irgendwelchem  Zeugnisse 
dafür  um,  dais  die  griechischen  Studien  von  der  theo- 
logischen Fakultät  eine  Förderung  oder  auch  nur  eine 
Empfehlung  erfahren  hätten.  Soviel  ist  gewifs,  Mosellan 
erfuhr  alle  denkbare  Hinderung  und  Gehässigkeit  von 
dieser  Fakultät  und  der  ihr  gesinnungsverwandten  Schar 
der  älteren  Artisten.  Man  mufs  seinen  erregten  Brief 
an  Erasmus  vom  Januar  1519  lesen,  worin  er  sein  Herz 
ausschüttet  über  all  die  Kniffe  und  Chikanen  dieser 
„Sophisten"  und  „Schwätzer":  das  Griechische  auszu- 
rotten, vermögen  sie  nicht  mehr,  dazu  hat  es  schon  zu 
tiefe  Wurzeln  geschlagen,  so  haben  sie  denn  ihre  Taktik 
gewechselt  und  richten  ihre  Angriffe  nicht  mehr  auf  die 
Sprache,  sondern  auf  den  Lehrer  der  Sprache  und  reden 
den  Studenten  vor,  gewifs  thue  man  gut,  auch  Griechisch 
zu  treiben,  aber  nur  nicht  bei  einem  Lehrer  deutscher 
oder  halbfranzösischer  Abkunft,  wie  Mosellan  es  sei,  viel- 
mehr bei  einem  geborenen  Griechen  oder  einem  Italiener; 
Mosellans   Kenntnisse    müfsten    recht   mittelmäfsig   sein, 


3i)  Dafs  es  nicht  alleinherrschend  war,  beweisen  die  Worte  in  der 
Eingabe  der  15  Magister  an  den  Herzog  vom  12.  März  1516  (No.  298 
S.  407,  6;  vergl.  m.  Beilage):  „Quantopere  enim  ad  christianara 
religionem  grece  littere  faciant,  abunde  docet  divus  Augustinus,  qui 
in  secundo  de  doctrina  ehristiana  libro  iubet  nos  ad  grecuni  codicem 
recurrere,  si  quid  in  sacra  novi  instrumenti  scriptura  titubaverit." 


6Q  Felician  Oefs: 

andernfalls  hätte  ihn  längst  der  grofse  Erasmus  seines 
Wohlwollens  und  brieflichen  Verkehrs  gewürdigt88). 

Trotz  alledem,  wie  verschlagen  auch  diese  würdige 
Gesellschaft  dagegen  eifern  mochte  —  die  Sprache  des 
neuen  Testamentes  war  für  Leipzig  erobert,  um  ihm  nie 
wieder  entrissen  zu  werden.  Und  so  eben  ging  man 
daran,  auch  die  sieben  Siegel  zu  lösen,  mit  denen  bisher 
die  des  alten  Testamentes  verschlossen  lag.  Hier  hatte 
nun  das  umgekehrte  Verhältnis  statt,  wie  beim  Griechi- 
schen :  hier  war  Wittenberg  um  einen  kleinen  Schritt  der 
älteren  Universität  voraus.     Zwar  hatte  es  Crocus  schon 


33)  Opera  Erasmi  (Leyden)  111 ,  403 ,  Mosellan  an  Erasmus, 
6.  Januar  1519:  „Est  hie  sophistarum  et  ut  tu  recte  pariter  ac  l'acete 
vocas  uaxuioXoyuiv  ingens  turba,  cum  quibus  mihi  ac  paucis  quibus- 
(lam  aliis  pro  litterarum  publico  houore  stantibus  assidua  est  pugna. 
Seil  in  hoc  certamine,  qui  majorem  iuventutis  partem  in  suam  per- 
traxerint  faetionem,  abeunt  victores.  Laboratur  utrinque  vehementer, 
hinc  viribus,  illinc  insidiis  ac  technis  .  .  .  Jactant  nebulones  isti  cum 
omnium  honestarum  litterarum,  tum  vero  praeeipue  Graecarum  hostes 
apud  rüde  iuveuum  vulgus,  ut  maxime  sint  discenda  Graeca,  id  quod 
tot  donflictibus  vix  tan  dem  obtinuimus,  ea  tarnen  a  nie  homine  Ger- 
mano  aut  (sie  Treviros  agnoseunt)  semi-Gallo  tradi  non  posse.  Quando- 
quidem ,  inquiunt,  si  quid  in  ea  lingua  prae  vulgo  posses,  iam  pri- 
dem  cum  Erasmo  (huius,  ut  ipsi  iudicant ,  TtoXvngttyfAoavytjg  apud 
Germanos  parente)  aliqua  tibi  intercederet  familiaritas,  ut  minimum 
mutuo  literarum  officio  contraeta.  Deinde  si  quis  omnino  et  temptis 
et  sumptus  prodigere  velit,  Graecae  litteraturae  cognitionem  ab  Italis 
ac  Graecis  petendam.  Sic  enim  homines  arguti  xQ<o£ovreg  iuventntem 
ab  audiendis  Graecis  absterrere  moliuntur  .  .  .  Neque  vero  multos 
adeo  nobis  abduceret  haec  cavillatio.  nisi  per  naturam  uiaunovoi 
essemus  omnes  et  persuasio  haec  de  Italorum  eruditione  non  tantum 
Germaniae  pestilens  niteretur  eorum  suffragiis,  quos  pro  soeiis  hostes 
experimur,  band  scio  an  non  ipsis  crassis  barbaris  multo  peiores.  Hi  sunt, 
qui  tribus  quatuorve  latinis  figuris  instrueti  alii  poetas  oratores  alii 
se  ostentant  et  inveniunt  homines  fortunati  se  dignos  auditores,  apud 
quos  Graecanica  studia,  si  diis  placet,  ad  rem  Latinam  aut  nihil  aut 
parum  admodum  facere  magna  temeritate  declamant,  cuius  farinae 
impium  quendam  nebulonera  nescio  quis  aquilo  in  baue  scholam  nobis 
ex  ipsa  usque  Dalmatia  invexit.  Quid  multis?  rem  feceris  tum  mihi 
gratissimam  tum  nostrarum  litterarum  studiosis  hie  agentibus  iueun- 
dissimam,  si  vel  unis  litteris  tuum  in  nos  animum  fueris  testatus"  .  . 
Erasmus  erfüllte  den  Wunsch  und  schrieb  einen  Brief,  den  Mosellan 
mit  Stolz  vorweisen  konnte.  —  Der  impius  nebulo  ist  Parthenius, 
von  dem  wir  aus  denselben  Tagen  —  Leipzig  3.  Januar  1519  — 
einen  Brief  an  Pirkheimer  besitzen,  bei  Heumann  S.  321;  die  aus 
seinen  Sätzen  „Erro  proeul . . .  propediem  absolvam"  sprechende  Selbst- 
überschätzung weist  auch  das  Bild  auf,  das  wir  uns  nach  dem  merk- 
würdigen Briefe  des  Erasmus  an  Parthenius  (Opera  Erasmi  III,  464, 
Löwen  28.  Juni  1519)  von  diesem  machen  müssen.  Mosellan  ist  ihn 
bald  in  Leipzig  los  geworden. 


Leipzig  und  Wittenberg.  61 

1516  seinen  heiisen  Wunsch  genannt,  auch  des  Hebräischen 
mächtig  zu  werden,  doch  blieb  es,  wenigstens  in  seiner 
Leipziger  Zeit,  beim  Wunsche ;  zwar  hatte  sich  Mosellan, 
vielleicht  schon  1518,  wenn  auch  unter  Seufzen  über  den 
barbarischen  Charakter  der  Sprache,  in  ihre  Elemente 
hineingearbeitet,  wohl  unter  Anleitung  seines  Hausgenossen 
und  Dieners,  des  getauften  Juden  Bernhard34)  — ,  aber 
an  einen  Dozenten  des  Hebräischen .  dachte  Leipzig  noch 
nicht,  als  Luther  gleichzeitig  mit  einem  Griechen  und 
nicht  weniger  dringend  einen  Hebräer  für  Wittenberg 
verlangte.  Erst  einige  Monate  nach  Melanchthon,  Anfang 
November  1518,  langte  der  ungeduldig  Erwartete  an 
und  begann  seine  Lehrthätigkeit.  Doch  enttäuschte  dieser 
Johann  Böschenstein  die  Hoffnungen  etwa  in  dem  gleichen 
Maise,  wie  Melanchthon  sie  übertroffen  hatte:  ein  hart- 
köpfiger, eigenwilliger  Schwabe,  der  seine  philologischen 
Liebhabereien  und  Feinheiten  zum  besten  geben  und  nicht 
begreifen  wollte,  dais  es  den  Hörern  einzig  und  allein 
auf  gründliche  Kenntnis  des  wichtigsten  grammatischen 
Stoffes  ankam.  Schon  nach  zwei  Monaten  war  mit  ihm 
nicht  mehr  auszukommen,  und  an  seiner  Stejle  übernahm 
der  unermüdliche  Melanchthon  aushilfsweise  auch  die 
hebräische  Professur35).  Luther  aber  that  sich  im  Früh- 
jahr 1519  aufs  neue  nach  einem  Hebräer  um.  Er  fafste  einen 
Schüler  Reuchlins,  den  Johann  Cellarius  aus  Kunstadt 
ins  Auge,  der  bisher  in  Heidelberg  gelehrt  und  sich  soeben 


**)  Mutian  an  Reuchlin,  13.  September  151«?  (Gillert,  Brief- 
wechsel des  C.  Mutianus  S.  229:)  „Nuper  Crocus  Britannus  cum  apud 
rae  quiesceret  et  Grocinum  et  Aleandrum  et  nescio  quos  magistros 
laudaret,  deesse  sibi  dixit  hebraicam  scientiam,  quam  omni  vi  pro- 
sequi  vellet.  In  eodem  sunt  hie  proposito  Phaedrns  (damit  ist 
Mosellan  gemeint)  hie,  cuius  epistolam  exhibeo  et  multi  discretissimi 
iuvenes'.  —  Mosellan  an  Lang,  Leipzig,  Mai  1519  (Krause,  Epistol. 
aliquot  sei.  Progr.  Zerbst  1883):  „Hebraicae  linguae  barbaries  ipsa 
utilitate  sui  taedium  levat  discenti  mihi".  Über  Bernhard  vergl. 
Enders  IV,  97. 

»)  Luther  an  Spalatin  12.  November  1518  (Enders  I,  278): 
„Studium  nostrum  prospere  et  feliciter  agit,  praesertim  Graecitatis; 
Hebraeus  tan  tum  professor,  suo  more,  caput  habet  et  id  ponderat, 
quod  pondere  caret.  Nam  ea  quae  nos  maximi  faeimus,  facile  et 
libenter  tradit;  ea  quae  nos  paene  contemnimus  velut  denegaturus 
magnifacit.  id  est,  vim  litterarum  et  verborum  nos  curamus,  prosodiam 
vero  minus  quaerimus,  faaud  sperantes,  futuros  nos  oratores  apud  Ju- 
daeos.  Inservimus  tarnen  homiiii,  ne  quid  querelae  (ad  quam  unus 
omnium  promptissimus  est)  jactet".  24.  Januar  1519  (Enders  I,  372): 
„Hebraicas  literas  Philippus  noster  traetat,  ut  maiore  fide  ita  et 
maiore  iruetu  quam  Johannes  ille  6  unomürrig,  id  est,  discessor." 


ß2  Felician  (iefs: 

durch  Heiausgabe  einer  kleinen  hebräischen  Grammatik 
empfohlen  hatte.  Der  Kandidat  stellte  sich  in  Wittenberg 
persönlich  vor  und  wartete  dann  in  Leipzig  den  Entscheid 
des  Kurfürsten  ab.  Warum  dieser  sich  verzögerte,  ob  er 
ablehnend  ausfiel,  ob  er  ganz  ausblieb,  ist  für  uns  nicht 
mehr  erkennbar;  genug,  das  Interimistikum  in  Wittenberg 
dauerte  weiter,  Herzog  Georg  aber  nahm,  wie  es  scheint, 
auf  Mosellans  Betreiben,  die  Gelegenheit  wahr  und  be- 
hielt den  Cellarius  als  Lehrer  des  Hebräischen  in  Leipzig. 
Schon  im  Sommersemester  hat  dieser  dort  unterrichtet88). 

So  waren  also  für  Leipzig  mit  dem  Jahre  1519  die 
Vorbedingungen  eines  fruchtbaren  theologischen  Studiums 
erfüllt,  ohne  Zuthun,  ja  wider  Willen  der  Theologen. 

Wie  öde  und  marklos  war  bisher  ihr  Unterricht!  Sie 
lasen  fast  ausschliefslich  über  den  Thomas  von  Aquino 
und  seinen  Haupterklärer  den  Johannes  Capreolus,  über 
diesen  neun  Jahre  oder  gar  noch  länger  und  über  jenen 
bruchstücksweise,  so  dais  eine  seiner  Schriften  unter  Ver- 
nachlässigung der  übrigen  immer  wieder,  Semester  auf 
Semester,  traktiert  wurde.  Die  biblischen  Bücher  blieben 
so  gut  wie  ganz,  die  der  Kirchenväter  blieben  völlig  un- 
berücksichtigt. Mit  andern  Worten:  was  die  verdrossene 
und  immer  lichter  werdende  Schar  der  Schüler  von  den 
Lehrern  empfing,  das  machte  ihr  keinen  Mut  und  gab  ihr 
keinen  Stoff  und  keine  Anleitung  zu  späterer  Predigt- 
thätigkeit;  sie  hörte  so  gut  wie  keine  Exegese,  sondern 
dogmatische  Spitzfindigkeiten,  sie  trieb  keine  biblischen, 
sondern  scholastische  Studien,  sie  stieg  nicht  hinab  zu 
den  wahren  Quellen,  oder  doch  wenigstens  zu  den  Autori- 
täten der  ersten  Jahrhunderte,  sondern  wühlte  unbefriedigt 
herum  in  der  seelenlosen  Koinmentarenlitteratur  des  Mittel- 
alters37). 


;!")  Luther  an  Spalatin,  22.  Mai  L519  (Enders  II,  57):  „..aute- 
quam  nbeas,  quaeso,  exploratam  nobis  relinque  meutern  111.  Principis 
de  Hebraico  professore.  Fuit  nobiscum  rediturus  propediem  Johannes 
Cellarius  Gnostipolitanus  ....hie.  omnia  nobis  promisit,  quae  possit, 
fideliter  traditurum  sese  (modo  Lipsiae  agit  nostras  liferas  expectans), 
si  honesto  salario  a  nostro  Principe  III.  providendum  se  inteÜexerit." 
—  Leipziger  Katsarchiv,  Stadtkassenrechnung',  Sommer  1519:  „dem 
magistro  im  hebreischen  den  Sommer  alhir  gelesen"  etc.  gegeben 
I  Schock  15  («röschen;  der  gleiche  Betrag  wird  ihm  in  den  nächsten 
drei  Semestern  seitens  der  Stadt  gezahlt.  —  Cellarius  ist  nach 
mancherlei  Irrfahrten   1542  als  Superintendent  in  Dresden  gestorben. 

:,?)  Klagen  der  Niditfakultisten  151:;  1  ö  1  s  Nö.  232  S.  282,  31; 
der  polnischen  Nation  1515  — 1518  No.  234,  S.  288,  36;  des  Anonymus 


Leipzig  und  Wittenberg.  63 

Und  dies  in  denselben  Jahren  1512  — 1518,  als  der 
Wittenberger  Theologe  Martin  Luther,  anfangs  nicht 
ohne  Widerspruch  seiner  scholastischen  Kollegen,  bald 
aber  von  ihnen  unterstützt  und  begleitet,  den  ganz  ent- 
gegengesetzten Weg  einschlug,  keine  anderen,  als  exe- 
getische Vorlesungen  hielt  —  wenn  auch  unter  Zugrunde- 
legung der  Vulgata  — ,  die  Psalmen  und  nacheinander 
die  wichtigsten  neutestamentlichen  Briefe  erklärte,  den 
Thomas  bei  Seite  schob  und  mit  Nachdruck  immer  wieder 
auf  Augustin  verwies.  „Unsere  Theologie  und  St.  Augustin", 
so  konnte  er  bereits  im  Mai  1517  an  seinen  Freund  Lang 
in  Erfurt  schreiben,  „machen  tüchtige  Fortschritte  und 
herrschen  mit  Gottes  Hilfe  auf  unserer  Universität. 
Aristoteles  steigt  alimählich  herab  und  neigt  sich  zum 
Falle,  wohl  zum  Falle  für  immer.  Man  ist  der  Vor- 
lesungen über  die  Sentenzen  stark  überdrüssig,  und  wer 
auf  Zuhörer  rechnen  will,  der  mufs  über  diese  Theologie, 
cl.  h.  die  Bibel  oder  St.  Augustin  oder  einen  andern  Lehrer 
kirchlicher  Autorität,  vortragen."  Und  bald  blickte  er 
nicht  ohne  frohes  Selbstgefühl  und  herzliches  Mitleid 
nach  Leipzig  hinüber,  unter  dessen  Theologen  er  keinem 
einzigen  das  richtige  Verständnis  auch  nur  eines  Kapitels 
in  der  Bibel,  ja  auch  nur  eines  Kapitels  in  ihrem  hoch- 
geschätzten Aristoteles  zugestand:  „Fände  ich  Gelegen- 
heit, einen  von  ihnen  auf  die  Probe  zu  stellen,  ich  wollte 
den  schlagenden  Beweis  dafür  erbringen"38). 

Luther  ahnte  damals  nicht,  dais  seine  Geringschätzung 
der  theologischen  Fakultät  Leipzigs  von  Mitgliedern  der 
anderen  dortigen  Fakultäten  geteilt  wurde.  Hätte  er  sich 
darnach  umgethan,  so  würde  er  manche  Stimmen  ver- 
nommen haben,  die  den  herrschenden  Betrieb  der  theo- 
logischen Studien  herb  tadelten,  die  zwar  nicht  wie  er 
die  völlige  Beseitigung  jener  scholastischen  Vorlesungen, 
wohl  aber  ihre  starke  Beschränkung  und  die  Berück- 
sichtigung der  prophetischen  Bücher,  der  paulinischen 
Briefe,  der  Schriften  eines  Augustin,  Hieronymus,  Am- 
brosius  und  Gregor  dringend  verlangten.  Und  hätte  er 
sich  einen  der  jüngeren  Artisten  einmal  vorgenommen, 
etwa  den  Magister  Veit  Werler  oder  Coelius  Aubanus  — 
wir   haben   sie  vorhin    als  eifrige  Verehrer   des   Crocus 


1516-1518  No.  278,  S.  368,  1,  und  der  beiden  Studenten  Law  1516 
No.  314,  S.  428. 

;;s)  Enders  I,  100,  173,  350. 


64  Felician  Gefs: 

kennen  gelernt  — ,  so  würde  er  bei  ihnen  ohne  Zweifel 
auf  entschiedenen  Widerspruch  gestolsen  sein  mit  seiner 
Verurteilung  des  Aristoteles  in  Bausch  und  Bogen,  auf 
lebhafteste  Zustimmung  aber  mit  seinem  Worte,  die  Leip- 
ziger Theologen  verständen  kein  einziges  Kapitel  im  ganzen 
Aristoteles.  Er  würde  bittere  Klagen  von  beiden  darüber 
gehört  haben,  wie  hartnäckig  die  Theologen  und  ihr  An- 
hang unter  den  älteren  Magistern  der  philosophischen 
Fakultät  daran  festhielten,  dals  in  den  Vorlesungen  nur 
die  „unförmliche  alte  Translation"  des  Aristoteles  zu- 
grunde gelegt  würde,  jene  lateinische  Übersetzung  nach- 
klassischer und  mittel  alterlicher  Gelehrten,  in  der  ein 
wiederauferstandener  Aristoteles  nur  mit  Mühe,  mitunter 
überhaupt  nicht,  seine  Gedanken  wiedererkannt  hätte; 
wie  zäh  sie  der  Einführung  der  neuen,  in  klarem  und 
gewandtem  Latein  geschriebenen  Übertragung,  mit  der 
Gelehrte  griechischer  Abkunft  im  vergangenen  Jahr- 
hundert das  humanistische  Italien  beschenkt  hatten,  trotz 
aller  Einrede  widerstrebten ;  wie  eben  wegen  dieses  Fest- 
hältens  an  der  barbarischen  Translation  neuerdings  leider 
auch  der  Leipziger  Student  von  Philosophie  und  Aristoteles 
nichts  mehr  wissen  wollte39). 


3fi)  Eine  Zusammenstellung  der  Stimmen  für  und  wider  die 
neue  Translation  ist  nicht  ohne  Interesse:  1511  herzogliche  Reform. 
No.  253  S.  319,  13  (vergl.  No.  256  S.  326,  16):  „es  sal  denselbigen 
lectoribus  die  naue  oder  alte  tranfslation  Aristotelis  zu  lefsen  zu- 
gelassen sein".  —  1515—1519  Polnische  Nation  (der  um  diese  Zeit 
zum  mindesten  zwei  Theologen,  Lic. -Matthias  Frauendienst  und  Lic. 
Martinus  Meendorn,  angehört  haben)  No.  234  S.  288,  8:  Das  Gedeihen 
der  Universität  „fleust  irstlich  von  Got,  dornach  unssirs  bedencken 
aufs  der  alden  translation,  die  in  diesser  universitet  vleyssig  gehalden, 
gelessen  und  interpretirt  wird,doraufs  auch  diesse  universitet weyt  nich- 
tig ist  und  famirt,  wiewol  etliche  magistri,  villeicht  nicht  aufs  bosser 
meynung,  die  nawe  translation  begerin  zu  lessen,  das  uff  keynen 
weg  zu  raten  ist,  wir  wolden  denn  gar  vil  nidersteygen,  denn  wir 
in  kortz ,  sundirlich  sieder  nesten  pest  uffgestigen  seyn.  Man  mag 
abir  wol  die  aide  translation  durch  die  naue  eieren  und  interpretiren". 
—  1516—1519  Juristenfakultät  No.  259  S.  333,  1 :  wünscht,  „das  man 
antiquas  und  novas  translaciones  liest".  —  1516  —  1519  Sechs  Nicht- 
fakultisten  (darunter  Werler  und  Koel)  No.  232  S.  282,  14:  „Das 
Studium  Philosophie  izt  zur  zeit  von  den  studentibus  so  sehr  voracht 
und  undergedruckt  wird,  kumpt  unsers  bedunckens  daraufs,  das  (lic 
alt  translacion  Aristotelis,  bisher  gelesen,  den  schillern  umb  ires 
ungeschiniKkt.n  latein  gantz  unlustig  und  zu  hörn  verdrislich."  — 
1516—1518  Anonymus  No.  279  S.  373,  29:  „So  der  lector,  nachgelasen 
des  text  (aller  opinion  und  disputation  grundt)  verclerung,  solde 
alleine  beati  Thome  und  etzlicher  ander,  die  den  Aristotelem  nie 
gentzlich  verstanden  haben  und  allein  aus  gebrechen  der  schweren 


Leipzig  uiid  Wittenberg:.  65 

Aber  was  ging  denn  die  Theologen  die  Physik  und 
Metaphysik  des  Aristoteles  an?  Vorlesungen  über  diese 
und  andere  Schriften  des  Stagiriten  müssen  doch  Sache 
der  Philosophen  und  nicht  der  Theologen  gewesen  sein? 
Warum  liefsen  sich  denn  jene  von  diesen  darein  schwatzen, 
wenn  es  sich  darum  handelte,  welche  Übersetzung  zu 
Grunde  zu  legen  sei? 

Allerdings,  die  fertigen  Theologen,  die  auf  Licentiatur 
und  Doktorat  zurückblicken  konnten,  haben  diese  Vor- 
lesungen über  aristotelische  Philosophie  nicht  gehalten, 
wohl  aber  hatten  sie  ein  Verfügungsrecht,  oder  hatten 
sie  sich  ein  solches  angemafst,  über  sechs  von  diesen 
Vorlesungen.  Als  im  Jahre  1503  der  Bischof  von  Brixen, 
ein  Herr  von  Meckau,  eine  stattliche  Summe  gestiftet 
hatte,  aus  deren  Zinsen  die  Dozentenhonorare  aufser  für 
theologische  auch  für  sechs  philosophische  Vorlesungen 
gezahlt  werden  sollten  —  dies  ist  die  Stiftung,  die  wir  im 
Eingang  erwähnten  — ,  da  hatte  ein  Leipziger  Theologe 
die  Verhandlungen  mit  dem  Stifter  geführt,  und  er  und 
seine  Kollegen  behaupteten  nun,  es  sei  der  Wille  des 
Stifters,  dals  sie,  die  Theologen,  die  Dozenten  für  jene 
sechs  Vorlesungen  jedes  Semester  aus  der  Schar  der 
Magister  der  Artistenfakultät  auswählten.  Vergeblich 
protestierten   dagegen  die  Artisten,  Juristen  und  Medi- 


unformlichen  translation  gebrauehent  werden,  opinionibus  sich  solde 
befteyssen,  so  wurde  der  text,  aller  derselbigen  opinion  ein  ursprungk 
und  befestigung,  hinderstelligk  beleyben  und  nichts  gewisse  gelernet 
werden.  Über  das  alles  solde  billich  e.  f.  g.  behertzigen ,  wer  des 
text  des  Aristotelis  gruntlichen  verstandt  liatt,  der  ist  all  denselbigen 
opinionibus  in  aller  disputation  überlegen  .  . .  Auch  soll  sich  e.  f.  g. 
durch  keynerley  persuasion  lafsen  von  der  clerlichen,  förmlichen  und 
warhafftigen  neu  translation  abwenden  von  den,  die  der  rechten  la- 
teynischen  sprach  gefar  sein  aber  hessigk,  dieweyle  durch  derselbigen 
gebrauchung  die  weyssheyt  mitsampt  der  wolberedung  mit  eynen 
vleyfs  und  muhe  weit  (=  beid)  zugleych  gelernet,  auch  er  eyner  die 
alte  translation  construirt  gelernt  hat,  so  hat  er  die  ander  gruntlich 
verstanden  und  begriffen,  und  aus  der  neuen  ein  iar  meer  dan  zwey 
in  der  alten  gelernen  mage  .  .  .  Auch  hat  man  in  der  alden  trans- 
lacion  eyne  zeit  lang  keyne  exemplaria  gehabt,  will  sie  auch  nimantz 
drucken  beyn  unfs."  —  8.  April  1519,  Georg  an  die  Artistenfakultät, 
Locat  10532  Leipziger  Universitäts-  und  andere  Händel  1367  bis 
153  7  fol.  454:  Befehl,  dafs  bei  der  neuen  Bestellung  der  Lektionen 
darauf  geachtet  werde ,  „das  vor  allen  dingen«1  die  naue  Traufslacio 
nuhe  hinfur  gebraucht".  Das  ist  dann  auch  in  dem  Lehrplan  vom 
.lahre  1519  (bei  Zarncke,  Statutenbücher  S.  34)  geschehen;  hier 
kommen  Bessarion  Argyropulos,  Theodorus  Gaza  und  andere  zu  ihrem 
Recht.     Vergl.  Paulsen,  Geschichte  des  gel.  Unterrichts  S.  68. 

Neues  Archiv  f.  S.  (i.  u.  A.    XVI.  1.  2.  5 


QQ  Felician  Gefs: 

zilier;  denn  auch  die  beiden  letzteren  waren  bei  der  Sache 
wesentlich  interessiert,  insofern  ja  ihre  Hörer,  wie  die 
der  Theologen,  zu  einem  guten  Teil  aus  Magistern  der 
Artistenfakultät  bestanden,  vielfach  kam  es  vor,  dals  ein 
Magister  in  der  philosophischen  Fakultät  lehrte  und  gleich- 
zeitig in  einer  der  drei  oberen  oder  „groisen"  Fakultäten 
hörte,  um  späterhin  nach  bestandenem  Licentiatenexamen 
ganz  in  sie  überzutreten.  Man  warf  den  Theologen  aller- 
seits vor,  sie  übten  ihr  erschlichenes  Wahlrecht  in  ganz 
parteiischer  Weise,  übergingen  die  Hörer  der  Juristen  und 
Mediziner,  berücksichtigten  allein  ihre  eigenen,  wählten 
aus  ihnen  nur  solche,  von  denen  ihnen  geschmeichelt  und 
der  Hof  gemacht  werde,  und  kümmerten  sich  gar  nichts 
um  die  wissenschaftliche  und  sittliche  Befähigung  der 
Auserlesenen40). 


40)  Vergl.  No.  227  S.  278,8  (und  dazu  meine  Beilage  No.  227!). 
—  1511  Fakultisten  No.  231  S.  279,  1:  „Es  ist  auch  ayn  ander  ge- 
brech, das  dye  geschickten  magistri  und  abeln  (— habiles),  welche 
auch  die  supposita  in  yren  resumpcionibus  gerne  hören,  zu  lefsen 
und  resumiren  nit  werden  deputirt  und  vorordnet,  alleyene  dyeihenige, 
welche  vorbet  und  gunst  haben."  —  1511  Juristen  No.  250  S.  305, 10: 
es  unterstehen  sich  „die  theologi  und  facultisten  alle  lection  ander 
den  magistris  irer  facultet  aufszuteylen,  lectores  und  resumptores 
ires  gefallens  zu  setzen  und  dringen  dorniitte  den  andern  faculteten, 
als  den  iuristen  und  medicis  die  magistros  abe.  Darumb  were  es  nodt, 
das  etzliche  doctores  von  den  iuristen  und  medicis  bey  sulcher  aufs- 
teylunge  der  lection  auch  seyn  mochten  und  macht  betten,  die  mit 
zu  vorordnen".  —  1511  Anonymus  No.  252  S.  308,  8:  „Zum  andern 
haben  ynen  dye  theologi  sechs  lectiones  in  artibus  von  des  cardinals 
begabung  zu  bestellen  vorbehalten,  dyeselbigen  mit  tüchtigen  magistris 
zu  vorsehen,  werden  aber  alleyn  magistri,  sehuler  der  theologen, 
aufs  gunst  darzu  bestelt,  und  das  do  erger  ist,  müssen  dye  doctores 
darumb  gegrast  werden,  und  welcher  sie  nicht  bitt,  darf  sich  nicht 
vormuten,  das  er  zu  eynicher  lection  erweit  wirt,  wenn  sie  achtens 
vor  eyn  vorsmahung",  ...  so  dulden  sie.  das  eyn  magister,  von  ynen 
erweit,  eynem  andern  nicht  geweiten  seyne  lection  nach  seynem  ge- 
fallen resignirt  und  ubirgibt,  dye  dan  der,  dem  dye  resignation 
gescheen,  ane  ymands  inrede  also  beheldt,  list  und  vorfolgt.  Mag 
wol  der  erste  geweite  tüchtig  zur  lection  gewest  sein,  darzu  yilleicht 
der  ander,  dem  sie  aufs  gunst  vorlassen,  gar  nicht  tüchtig  ist."  — 
1511  herzogl.  Reform  No.  254  S.  319,  3:  Der  Herzog  will  die  Wähler 
„bey  iren  eyden  verbunden  haben,  das  sie  keinen,  der  umb  solche 
lection  bittet,  darzu  sollen  gebrauchen,  sundern  allein  magistri,  die 
darzu  tuglichen,  sie  studiren,  in  welcher  facultet  es  inen  ebent  adder 
geliebt,  und  darumb  nicht  gebeten,  sollen  ufgenommen  werden,  welche 
lectiones  sie  selbst  vorsehen  und  nymands  resigniren  sollen".  — 
1515—151!)  Juristen  No.  259  S.  333,  3  wünschen,  dafs  „allein  dye 
facultet  arcium  dye  lectores  zu  ordiniren  und  dye  herren  theologi 
nichts  dormitte  zu  thuen  haben,  sunst  werden  die  magistri,  dye 
Juristen    sein,    aufsgedrungeu    und   vorstossen".  —  1516—1518  Ano- 


Leipzig  und  Wittenberg.  67 

Bei  so  vielen  seit  Jahr  und  Jahrzehnt  ergehenden 
Klagen  über  ihre  schwachen  Leistungen  in  der  eigenen 
Wissenschaft,  über  ihr  störendes  Eingreifen  in  den  Be- 
trieb der  philosophischen  Studien,  über  ihr  hochfahrendes 
Wesen,  das  sie  immer  und  überall,  auch  wenn  es  sich 
um  feierliche  Akte  der  drei  andern  Fakultäten  handelte, 
den  Vortritt  begehren  liefs41)  —  wie  hätte  der  Herzog 
eine  sonderliche  Achtung  vor  seinen  Leipziger  Theologen 
gewinnen  sollen?  Jedoch  er  fand  zu  seiner  schmerz- 
lichen Überraschung  kurz  vor  Ablauf  des  Jahres  1518, 
dais  er  sie  immer  noch  überschätzt  habe.  Damals  suchte 
der  Ingolstadter  Professor  Eck  darum  nach,  mit  seinem 
Gegner,  dem  Wittenberger  Professor  Carlstadt,  vor  den 
Leipziger  Gelehrten  über  einige  Punkte  disputieren  zu 
dürfen,  die  in  nahem  Zusammenhange  mit  Luthers  vor- 
jährigen 95  Thesen  standen.  Die  theologische  Fakultät 
wies  das  Gesuch  zurück  und  zwar,  wie  sie  dem  Herzog- 
entwickelte,  aus  folgenden  drei  Gründen:  einmal  be- 
fürchte sie  ein  Zusammenströmen  vieler  auswärtiger 
Studenten  und  Laien,  das  leicht  zu  Aufruhr  und  Tumult 
führen  dürfte,  ferner  glaube  sie  mit  Rücksicht  auf  Kur- 
fürst Friedrich  davon  absehen  zu  sollen,  dessen  Mifsfallen 
sie  andernfalls  wohl  sich  zuziehen  würde  —  stillschweigend 
wurde  hier  die  Niederlage  des  Wittenbergers  voraus- 
gesetzt —  und  schließlich  entbehre  sie  ja  der  obrigkeit- 


nymus  No.  278  S.  370,  35  schlägt  vor,  es  „solden  die  lection  Philo- 
sophie moralis  der  iuristenfacultet  glidmafs  zugeteylt,  der  philosophie 
rationalis  lection  der  heyligen  schrift't  facultet  rnagistris,  der  philosophie 
naturalis  lectiones  den  rnagistris  der  artzney  wurden  zugeschafft*.  — 
Wintersemester  1522/23.  Eingabe  von  29  Magistern,  worunter  Andreas 
Franck,  derzeitiger  Rektor,  Caspar  Borner,  Philippus  Novenianus, 
Christoph  Hegendort'  (ein  sehr  interessantes  Schriftstück,  das  un- 
bedingt in  das  Urkundenbuch  hätte  aufgenommen  werden  sollen).  Loc. 
9884  Leipzigische  Händel  1519  — 1526  fol.  125:  „Quod  Philosophia 
negligitur,  non  tarn  est  in  causa  ordinacio  aute  quadriennium  facta 
(die  von  1519),  quam  collatores  praeleccionum  theologi,  a  quibus  pro 
favore  iis  committuntur ,  qui  vel  Seniores  sint ,  vel  pigriores ,  quam 
ut  laborem  in  tradenda  philosophia  cum  fructu  ferant;  quare  collacio 
ad  magistros  omnes,  quibus  debetur,  revocanda  est,  a  quibus  per  artem 
deducta  est,  uti  possumus  probare  nonnullis  testibus ,  qui  negocio 
adfueruut." 

")  No.  259  S.  333,  10  Juristenfakultät  (1515—1519):  Immer 
wollen  die  Theologen  vorgehen,  „man  promovire  iuristen,  medicos 
ader  artisten,  ader  laufen  darvon;  sulchs  macht  vil  unordenuDge, 
dann  man  solte  eyner  itzlichen  facultet  ire  ere  und  standt  lassen  in 
iren  actibus  und  promocionibus." 


68  Felician  Gels: 

liehen  Gewalt,  den  Streit  der  Disputanten  zu  schlichten 
und  beizulegen. 

Georg  sah  die  Sache  mit  ganz  anderen  Augen  an: 
er  erkannte  eine  Ehre  für  seine  Universität  darin,  dais 
sie  als  Walstatt  auserkoren  sei,  nachdem  Eck  vorher  an 
die  weltberühmten  Plätze  Rom,  Paris  und  Köln  gedacht 
hatte.  Die  Gründe  der  Fakultät  wollten  ihm  gar  nicht 
einleuchten;  den  zweiten  liels  er  in  seiner  Erwiderung t2) 
ganz  unbeachtet,  den  ersten  und  dritten  erkannte  er  nicht 
als  stichhaltig  an:  der  gefürchtete  Tumult  lasse  sich 
leicht  verhüten  und  eine  Verpflichtung,  den  Richter  der 
Disputanten  zu  spielen,  liege  für  die  Fakultät  nicht  vor. 
Er  verlange  deshalb,  dais  den  beiden  Gegnern  die  Dis- 
putation gestattet  werde. 

Jedoch  die  Theologen  beruhigten  sich  dabei  nicht; 
sie  erörterten  noch  einmal  mündlich  und  ausführlich  in 
Dresden  ihre  Einwände,  sie  steckten  sich  gleichzeitig 
hinter  den  Bischof  von  Merseburg,  und  dieser  warnte 
die  Universität  als  Diözesan  in  ernsten  Worten  vor  Zu- 
lassung der  Disputation,  die  durchaus  wider  Wunsch  und 
Willen  des  Papstes  sei. 

Nun  aber  brauste  Georg  gewaltig  auf.  Er  schrieb 
dem  Bischof,  in  Leipzig  habe  man  in  früherer  Zeit  mehr- 
fach über  Fragen  des  christlichen  Glaubens  disputiert, 
so  über  die  Dreieinigkeit  und  das  Sakrament  des  Abend- 
mahls, und  keinem  Menschen  sei  es  eingefallen,  dagegen 
Einspruch  zu  erheben;  warum  denn  nun  nicht  über  die 
Frage  disputieren,  „ab  eyn  sele  kegen  hinimel  füre,  wenn 
der  pfennig  im  begken  klingt"  ?  warum  nicht  Klarheit  in 
der  Abiaisfrage  schaffen,  „damit  der  arme  leyhe  umb  das 
sein  nicht  unwissent  btrogen  word"?  und  wie  sollte  es 
wider  Wunsch  und  Willen  des  Papstes  sein,  „das  wir 
armen  leyhen  underweist  werden,  woran  wir  recht  thun, 
und  ab  wir  ye  durch  dy  falschen  ausleger  btrogen  seint, 
das  das  an  tag  komm"?  Übrigens  sei  ihm  der  wahre 
Grund,    warum    sieh    die  Leipziger  Theologen    so  heftig 


42)  De  VVette-Seidemann  VI,  658  Aum.  (3<>. Dezember  1518); 
liier  auch  ein  Brief  Georgs  an  Eck  (31.  Dezember  1518).  Alle  übrigen 
Schriftstücke,  die  die  Disputation  betreffen .  bei  Seidemann,  Die 
Leipziger  Disputation  (1843)  in  den  Beilagen  ( vergl.  dazu  neuerdings 
Enders  V  No.  818u  —  8]8P).  Es  ist  ganz  unbegreiflich,  dafs  nicht 
ein  einziges  der  vielen  Stücke  in  das  Urkundenbuch  Aufnahme  ge- 
funden hat;  das  Urkundenbuch  weife  von  keiner  Disputation,  sodafs 
ein  Rezensent  auf  den  naiven  Gedanken  verfallen  konnte,  es  hätten 
sich  wohl  keine  Papiere  aus  jener  Zeit  erhalten. 


Leipzig  und  Wittenberg.  69 

sträubten,  sehr  wohl  bekannt,  habe  er  sie  doch  „alweg 
vor  müssig  und  unzeitige  leut  hören  rumen";  ja,  brächte 
ihnen  die  Disputation  ein  schmackhaftes  Festessen  und 
einen  netten  Geldgewinn,  sie  schlügen  sofort  ein,  aber 
sie  besorgten  von  ihr  eine  leidige  Störung  ihres  Behagens, 
sie  fürchteten,  ihre  ganze  Urteilsunfähigkeit  möchte  bei 
diesem  Anlafs  kläglich  zu  Tage  treten:  deshalb  die 
Weigerung.  Da  seien  ihm  unmündige  Kinder  lieber  als 
solche  Theologen,  und  alte  Weiber  ihm  mehr  nütze,  „dy 
sungen  uns  und  spönnen  uns  umbs  Ion".  Um  der  Ehre 
seiner  Universität  willen  bestehe  er  auf  der  Disputation 
und  bitte,  ihm  keine  weiteren  Schwierigkeiten  zu  machen 4:i). 
Schwierigkeiten  hat  nun  freilich  der  Bischof  noch 
mancherlei  gemacht ;  aber  der  Herzog  setzte  seinen  Willen 
durch,  die  Disputation  fand  statt  und  zwar  nicht  nur 
zwischen  den  beiden  anfangs  angemeldeten  Streitern, 
sondern  auch  zwischen  Eck  und  Luther,  auf  den  der 
Ingolstadter  Gelehrte  von  Anfang  an  recht  eigentlich  ge- 
zielt hatte.  Der  merkwürdige  Vorgang  auf  der  Pleissen- 
burg  in  den  letzten  Tagen  des  Juni  und  den  ersten  des 
Juli  1519  ist  in  allen  seinen  Einzelheiten  bekannt.    Was 


43)  Bemerkenswert  ist  die  Nachschrift  des  Herzogs ;  der  Bischof 
hatte  seinem  Schreilien  (vom  11.  Januar  1519)  hinzugesetzt:  „Euer 
lieb  wollen  auch  der  Sachen  allenthalben  zu  gute,  wie  letzt  zu  leipzik 
darvon  uuderredt,  bey  den  Buchdruckern  doselbst  ernstlich  vorschaffen 
und  gebieten,  nichts  zudrücken  anzunehmen,  es  sey  dann  zuvor  durch 
Euer  lieb  vorordente  doctores  mit  vleyse  übirsehen  und  zudrücken 
zugelassen";  der  Herzog  antwortete  (17.  Januar  1519):  „Dy  weil  wir 
aber  unsser  doctores  der  mofs  bfunden,  das  ine  kein  arbait  nicbt 
bequemen  wil ,  so  dengken  wir  sy  dysser  und  anderer  muhe  zuuor- 
tragen  und  woln  uff  dye  gdengken,  dy  in  sulchen  hendeln  mehr 
nutzs  zuschalten  wessen,  denn  wir  sy  bfunden."  —  Bereits  die  herzog- 
liche Keform  vom  Jahre  1511  (No.  254  S.  323,  18)  hatte  vorgeschrieben: 
„So  doctores  ader  magistri  ichtes  neues  machen  wurden,  sollen  sie 
bey  eyner  straff  nicht  ausgehen  lassen,  es  sey  dann  zuvor  von  eyner 
itzlichen  facultet  neben  den  executoribus  übersehen.  Es  sali  auch 
dergleichen  den  druckern,  es  sey  dann  zuvor  durch  die  obgeschriebene 
zugelassen,  zu  drucken  verboten  werden."  Aber  diese  Bestimmung 
scheint  ganz  aufser  Acht  geblieben  zu  sein;  die  Polnische  Nation 
sagt  1515-1519  (No.  234  S.  289,  6),  „das  ifs  sere  gut  sey,  das  keyn 
magister  adir  doctor,  zo  her  wes  nawis  gemacht  hat,  dasselbige  edirn, 
lessen  adir  scolaribus  communicirn  sali ,  ifs  sey  denn  von  derselben 
facultet  dorinne  her  schreibet,  wol  übirlessen  zugelassen  und  approbiret, 
wenn  dodurch  kommet  diese  adir  andir  universitet  leychtlich  in  eynen 
schimpf,  schaden  und  bösse  nachsagen,  wie  itzunt  vorhanden,  das 
got  von  uns  gnediglichen  abewende"  (offenbar  eine  Anspielung  auf 
die  epistolae  obscurorum  virorum)  —  vergl.  auch  No.  232  (1516—1518) 
S.  282,  26. 


70  Felician  Geis: 

uns  hier  interessiert,  sind  seine  Folgen  für  das  Verhältnis 
der  beiden  Universitäten  zu  einander.  War  es  denn  von 
vornherein  ausgeschlossen,  dafs  hei  persönlichem  Verkehr 
zwischen  beiden  akademischen  Körperschaften  —  die 
Wittenberger  Disputanten  waren  von  vielen  Kollegen 
begleitet  — ,  dals  bei  mündlicher  Auseinandersetzung  über 
die  theologischen  Fragen,  von  denen  die  jüngere  Uni- 
versität in  allen  ihren  Gliedern  bereits  so  mächtig  bewegt 
wurde,  ein  Verhältnis  wechselseitiger  Achtung  und  An- 
erkennung sich  entwickele?  Luther  hatte  die  Möglichkeit 
einer  so  wünschenswerten  Wendung  anfänglich  nicht  ge- 
leugnet; aber  gleich  die  ersten  Leipziger  Tage  belehrten 
ihn  eines  anderen.  Er  war  bitter  enttäuscht  durch  den 
Empfang  und  die  Aufnahme;  er  sah  sich  nicht  begrüfst, 
sah  sich  von  der  theologischen  Fakultät  geradezu  ge- 
mieden, während  sein  Gegner  mit  Ehren  und  Beifall 
überhäuft  wurde,  er  fand  ihre  Glieder  ohne  Ausnahme 
auf  Seiten  Ecks  und  fühlte  ihre  Schadenfreude,  sobald 
Eck  ihm  seine  Nadelstiche  versetzte  und  das  Gespenst 
der  böhmischen  Ketzerei  heraufbeschwor44). 

Auch  was  einige  Wochen  hernach  von  Berichten  über 
die  Disputation  aus  Leipziger  Federn  im  Druck  erschien, 
zeigte  Voreingenommenheit  und  Abneigung,  ein  Machwerk 
in  deutschen  Versen  geradezu  Gehässigkeit  gegen  Luther. 
Wohl  hielt  es  dann  der  damalige  Rektor  in  Leipzig, 
Wüstenfelder,  für  angezeigt,  einen  Entschuldigungsbrief 
deshalb  aufzusetzen,  aber  er  schlug  einen  so  hochfahrenden 
Ton  an,  dafs  sich  die  Wittenberger  Universität  noch  mehr 
verletzt  fühlte  und  im  ersten  Augenblick  an  ein  energisches 
Protestschreiben  dachte 45 ). 

In  den  übrigen  drei  Fakultäten  Leipzigs  sah  es  nun 
aber  doch  etwas  anders  aus;  bei  ihrem  Gegensatz  zur 
theologischen  war  es  nicht  möglich,  dals  sie  ohne  weiteres 
in  das  Geschrei  mit  eingestimmt  hätten.  Bei  dem  Or- 
dinarius der  Juristenfakultät  und  spätem  herzoglichen 
Kanzler  Simon  Pistoris  und  bei  dem  feingebildeten  Medi- 


»')  Luther  an  Spalatin  20.  Juli  1519  (Enders  II,  81).  Hier 
der  Satz:  „cum  speranda  fuisset  concordia  inter  Wittenbergenses  et 
jjpsenses.  hac  invidia  fecerunt,  timeo,  ut  discordia  et  displieentia 
primum  videatur  nata." 

*B)  Zahlreiche  briefliche  Äußerungen  Luthers  aus  dem  bep- 
tember  und  Oktober;  an  Spalatin  15.  Oktober  1519  (Enders  II,  201): 
,.Mitto  epistolam  superbam  rectoris  Lipsensis  heri  acceptam,  in  qua 
omnia  ea  committit  insipiens  caput,  quae  excusat  vel  deprecatur. 
Adeo  acriti  sunt  homines." 


Leipzig  und  Wittenberg,  71 

ziner  Auerbach  war  Luther  zu  Tisch  gebeten  worden, 
auch  finden  wir  ihn  in  der  nächsten  Zeit  mit  diesem  in 
Briefverkehr.  Ein  anderer  juristischer  Professor  Georg 
von  Breitenbach  suchte  ihn  im  November  in  Wittenberg 
auf  und  bewies  ihm  durch  das  hingeworfene  AVort,  einen 
Leipziger  Theologen  sehen,  das  heifse  so  viel,  wie  die 
sieben  Todsünden  sehen,  dafs  man  von  den  Schwächen 
der  geistlichen  Kollegen  ein  sehr  deutliches  Bewulstsein 
hatte4").  Schließlich  fehlte  es  schon  vor  der  Disputation 
zwischen  einigen  der  jüngeren  Magister  und  dem  Kreise 
Luthers  und  Melanciithons  nicht  an  freundschaftlichen 
Beziehungen,  und  ihre  Zahl  hat  sich  nachher  noch  ver- 
mehrt. 

Vor  allen  anderen  war  es  Mosellan,  der  aus  seinen 
Sympathien  für  Wittenbergs  Studieneinrichtung  und  aus 
seinem  Anteil  an  Wittenbergs  Aufblühen  kein  Geheimnis 
machte.  Und  er  beliefs  es  nicht  bei  Worten;  er  trat 
recht  eigentlich  in  die  Fufsstapfen  Melanciithons.  Wie 
dieser  Nichttheologe  sein  Wissen  und  Können  ganz  in 
den  Dienst  der  Theologie  stellte,  so  griff  auch  Mosellan 
jetzt  zur  patristischen  Litteratur  und  bald,  auch  zum 
neuen  Testament,  Er  machte  sich  an  eine  Übersetzung 
des  Gregor  von  Nazianz:  dessen  Theologie  anstatt  der 
Sentenzen  des  Petrus  Lombardus  als  Lehrbuch  in  die 
Hände  der  heranwachsenden  Theologen  zu  bringen,  war 
sein  heifser  Wunsch;  er  las  im  Sommersemester  1520 
über  Augustin  und  zwar  mit  einem  ganz  unerhörten  Er- 
folge, denn  er  zählte  mehr  als  200  Hörer,  darunter  sogar 
ein  Dutzend  Mönche  und  einige  zwanzig  Magister  und 
Baccalaureen  der  Theologie.  Dafs  die  Jugend  ihm  zu- 
gethan  sei,  lag  damit  klar  zu  Tage;  dafs  die  Mehrheit 
der  Universitätslehrer  ihn  zu  schätzen  wisse,  ging  schon 
daraus  hervor,  dafs  sie  ihn  zu  Beginn  jenes  Semesters 
zum  Rektor  erkor,  ihn,  den  fünfundzwanzigjährigen,  der 
gerade  erst  vor  einem  Vierteljahr  den  von  ihm  selbst 
verspotteten    Magistertitel    erworben    hatte47).      Gleich- 

40)  Luther  an  Spalatin  20.  November  1519  (Enders  II,  263): 
„Doetor  Preyttenbac.h  et  D.  Henricus  Schleynitz  meo  convivio  suo 
honoraverunt ,  multam  suam  erga  nie  hnmanitatem  ostendentes ;  non 
noveram  antea  homin.es.  Nihil  egimua  nisi  de  Lipsensibus  Theo- 
logis, qnibus  ille  non  multum  tribuere  videbatur.  Unum  didici 
apophtegina:  si  quis  (inquit)  theologum  eius  generis  videt,  septem 
deccata  mortalia  videt." 

47)  Mosellan  an  Lang  26.  Dezember  1519  (Krause,  Epistolae 
aliquot  selectae  Progr.  Zerbst  1883) :  „De  rerum  mearum  statu  deque 


72  Feliciän  Geis: 

zeitig-  bewies  aber  auch  der  Eerzog,  dafs  er  an  seinem 
günstigen  Urteil  über  Mosellan  testhalte,  und  das  durfte 
ihm  als  ein  Zeichen  von  Unbefangenheit  und  weitem  Blick 
hoch  angerechnet  werden.  Denn  an  Angebereien  und 
Verleumdungen  hatte  es  die  bitterfeindliche  theologische 
Fakultät  nicht  fehlen  lassen;  wuiste  sie  doch,  wie  gering 
dieser  junge  Mensch  von  ihr  dachte,  war  ihr  doch  jener 
Brief  an  Erasmus  zu  Gesicht  gekommen,  worin  er  ihr  so 
übel  mitgespielt  hatte:  nun  nannte  sie  ihn  bei  Hofe  einen 
Mit  verschworenen  der  Wittenberger,  der  durch  Wort  und 
That  auf  Leipzigs  Verderben  hinarbeite,  und  wies  darauf 
hin,  wie  geflissentlich  er  immer  Lob  und  Preis  des  Kur- 
fürsten im  Munde  führe.  Es  mufste  ihr  ganz  unbegreiflich 
sein,  dafs  Georg  trotzdem  fest  darauf  bestand,  Mosellan 
solle  als  Kollegiat  ins  groise  Kollegium  aufgenommen 
werden.  Freilich  ging  diesem  auch  die  Verwarnung  zu, 
Zunge  und  Feder  künftig  besser  im  Zaume  zu  halten 
und  zu  schweigen,  wenn  er  über  Leipzig  und  seine  Männer 
nichts  Rühmliches  zu  berichten  wisse48). 


iniquissimorum  sophistarum  elaneulariis  contra  me  insidiis  deque 
meis  consiliis  ad  Jonam  nostrum  scripsi  copiosius.  (Der  Brief  ist 
nicht  mehr  vorhanden.)  Theologiam  Nazianzeni  latino  sermone  donare 
coepi  .  .  .  Spero  fore  ut  haec  tov  Seoloyelv  ratio  Petri  Lombardi 
sententias  sit  explosura  .  .  .  Wittenbergensium  res  florent ,  ntinam 
diutissime."  —  Johannes  Keusch  an  Pirckheimer ,  Leipzig  15.  März 
1520  (Heumann  S. 230):  Leipzig  blüht  auf.  „Fiun tenim  praelectiones 
in  omni  disciplinarum  genere,  maxime  in  iis,  quae  a  iunioribus  ma- 
yistris  praeleguntur.  Petrus  Mosellanus,  qui  nostrae  Academiae  non 
parvum  splendoris  attulit  in  diesque  magis  ac  magis  affert,  graece 
latineque  docet  quam  accuratissime.  Taceo  de  philosophis,  qui  iam 
saepius  commonefacti  iam  tandem  resipiscunt.  De  theologis  vero 
non  est,  quod  scribam  ....  Haerent  enim  nostrates  in  eo  quo  diu 
haesitarunt  luto.  Nam  tametsi  quibusdam  ad  optima  praelegenda 
non  desit  opera,  non  possunt  tarnen  laborando  tantum  assequi,  ut 
lolio  et  avena  cum  tribulis  extirpatis  novus  sit  locus  plantationi. 
Kit  enim  ut  qui  linguam  absynthio  habent  infectam,  iis  quicquid 
deinde  biberint  aut  ederint,  absynthium  sapiat."  —  Mosellan  an 
Agricola  31.  Mai  1520  (Wilisch.  Arcana  Bibliothecae  Anna- 
bergensis  173) :  ,,Praelectio  Augustini  miro  successu  a  nie  suscepta 
enecat  istos,  qui  nolint  svnceriorem  theologiam  reflorescere."  — 
Hedio  an  Zwingli,  10.  Juni"  1520  (Schul er  und  Schultheis  VII, 
136):  „Petrus  Mosellanus  expulsus  aliquamdiu  a  sophistis 
iam  agit  rectorem  studii  Lipsensis,  ubi  quatuor  sunt,  qui 
publice  profitentur  graecas  litte  ras."  Diese  Nachricht  ist 
in  ihrem  ersten  Teile  falsch,  in  ihrem  zweiten  doch  wohl  übertrieben. 
48)  Mosellan  an  Julius  Pflug  l.März  1520  (Schilter,  De  libertate 
ecclesiar.  Germaniae  S.  852) :  „  ...  Et  alioqui  satis  negotii  exhibent 
hie  xuy.otteoloyoi ,  qui  me  plane  exercitium  suum  habent.  Itaque 
liorum  crabronum  opera  persuasum  erat  illustrissimo  prineipi  Georgio 


Leipzig  und  Wittenberg.  73 

Mosellan  hat  sich  das  gesagt  sein  lassen,  und  Ulrich 
von  Hütten  wandte  sich  an  die  falsche  Adresse,  wenn 
er  ihn  gefade  jetzt  in  stürmischen  Worten  zur  An- 
t'euerung  Luthers  aufrief49).  Für  Mosellan,  als  den  Rektor 
der  Leipziger  Universität,  galt  es  vielmehr,  Luther  ab- 
zukühlen und  zu  besänftigen,  einen  gewaltsamen  Losbruch 
von  lang  angesammeltem  Zorn  und  Hohn  und  Spott  um 
jeden  Preis  zu  verhüten. 

Luther  hatte  die  ganze  Zeit  Leipzig  scharf  im  Auge 
behalten.  Er  war  genau  unterrichtet  über  dortige  Vor- 
gänge, über  die  erschreckende  Abnahme  der  Frequenz, 
über  die  steigende  Erbitterung  gegen  die  glücklichere 
Rivalin,  über  die  Schmähungen  auf  seine  Person.  Als 
das  gehässige  Gerücht  aufkam,  er  sei  böhmischer  Her- 
kunft, meinte  er  sogleich  in  dem  Leipziger  Theologen 
Ochsenfart  seinen  Urheber  zu  erkennen ;  als  das  thürichte 
Gerede  umlief,  der  berühmte  Erasmus  werde  demnächst 
in  Leipzig  seinen  Wohnsitz  nehmen,  zuckte  er  die  Achseln 
über  den  plumpen  Kniff,  mit  dem  man  die  Studenten  zu 

Mosellanum  hunc  cum  Friderico  Principe  et  Wittenbergensibus  certo 
foedere  coniurasse  non  tantum  in  huius  seholae  perniciem,  seit  et 
principis  nostri  infamiam  .  .  .  Sola  invidia  malignandi  oceasionem 
malis  praebuit.  Nam  cum  vicinorum  res  ita  ttoreant,  ut  biis  vel  Ita- 
licae  seholae  invidere  possint,  alienam  hanc  felicitatem  tarn  iniquo 
animo  ferunt,  ut  meo  favore  haue  eis  eontigisse  calumnientur  apud 
prineipem  .  .  .  Tarn  quod  Wittenbergenses  creseunt,  concordiae  est, 
Neque  enim  minus  alius  alium  invicem  amant,  quam  si  omnes  essent 
fratres  germani.  Quod  nostrae  res  Mandrobuli  more  procedunt  non 
tarn  fatis  quam  fatuis  nobis  imputandum  puto,  qui  perpetuo  factio- 
nibus  studemus  et  mutuis  odiis  intestina  geriinus  bella".  —  Herzog 
Georg  an  Cäsar  Piiug  in  Leipzig  28.  Mai  1520  (Copial  130  fol.  122): 
Trotz  der  Einwände  der  Kollegiaten  besteht  er  darauf,  dafs  Mosel- 
lan ins  grofse  Kolleg  aufgenommen  werde.  ,,Ir  wollet  auch  mit 
Moselano  vorfügen,  das  er  sich  zu  ine  ins  collegium  begebe  und  sich 
als  ein  ander  collegiat  bei  ine  bilde  und  in  Sunderheit  wollet  jme 
von  unsertwegen  vorhalten,  das  wir  dannoch  betinden,  das  er  sich  in 
etlichen  Episteln  und  bevorn  in  eyner,  welche  er  Erasmo  roterodamo 
zugeschrieben,  mit  Worten  Vorgriffen  und  zu  viel  gethan  und  das  er 
sich  solchs  thuns  hinfur  wolle  enthalden,  und  wo  er  von  den  in  unserer 
universitet  nicht  rumlichs  schreiben  wolle ,  das  er  sich  vorletzlicher 
wort  auch  kegen  ine  enthalde  und  dasjenige,  so  unserer  universitet 
zu  Nutz,  Erhebung  und  gedeyen  kommen  magk,  sich  treuelich  be- 
vleyssige." 

49)  Hütten  an  Mosellan  4.  Juni  1520  (Böcking  IV.  689;  vergl. 
die  Berichtigungen  in  Briegers  Zeitschr.  XIII,  162):  „Luthero  scripsi, 
sed  pro  opportunitate  breviter.  Excitate  hominem,  si  languet.  Iu- 
vate ,  si  laborat,  Cireumsistite ,  si  nutat.  Fulcite,  si  labat.  Conso- 
lamini,  si  moeret.  Praesidium  est  illi  in  Francisco  (Sickingen),  si 
non  satis  confidit  istis  defensoribus  (den  sächs.  Fürsten)." 


74  Felician  Gefs: 

halten  denke50).  Glaubhaft  aber  schien  ihm  die  andere 
Nachricht,  die  neidischen  und  schadenfrohen  Leipziger 
mochten  gar  zu  gern  den  in  Wittenberg  bereits  in  Aus- 
sicht genommenen  neuen  Lehrer  des  Hebräischen  weg- 
schnappen, und  so  trieb  er  bei  Spalatin,  dafs  die  Ver- 
handlungen mit  ihm  zum  Abschlufs  kämen51).  Und  als 
eben  jetzt  in  den  Sommermonaten   des  Jahres  1520  der 


r"')  Luther  an  Spalatin  18.  Dezember  1519  (Enders  IT,  282): 
„Lottherus  Lipsensis  apiul  nos  erigit  chalcographiam  triplicis  linguae. 
Fervet  Studium  praesertim  Theologiae.  Lipsia  lipsiscit,  sicut  mos 
eius  est."  —  25.  Dezember  1519  (Enders  II,  285):  „Hac  hora  mihi 
Philippus  refert,  sacerdotes  Misnenses  adeo  cum  Emsero  in  nie  in- 
sanire,  ut  sine  peccato  esse  eum  censeant  qui  rae  interfecerit,  qnod 
Boemos  audiant  de  me  gloriari  tanquam  sno  patrono".  —  10.  und 
14.  Januar  1520  (Enders  TI,  290  und  293).  —  31.  Mai  1520 
(Enders  II,  406):  „Lipsenses  auxii  pro  retinendis  scholaribus  jactant 
Erasmum  ad  sese  venturum.  Quam  negotiosa  et  infelix  tarnen  est 
invidia.  Ante  annum,  cum  nobis  insultarent  quasi  victis,  non  pro- 
videbant  haue  sibi  crucem  impendere."  Einser  hatte  drei  Jahre 
zuvor  Erasmus  nacli  Leipzig  eingeladen;  er  schrieb  ihm  am  15  März 
1517  (Opera  Erasmi  ITT,  1592):  „Richardus  Crocus  .  .  .  corara 
referet  conditionem  huc  ad  nos  veniendi,  quod  illnstrissimus  prineeps 
noster  et  universus  ordo  nobilium  dudum  vehementer  desiderarunt. 
Tu  qua  re  vehementer  oro  ad  me  scribas  sententiam  tuam  Lipsiam 
et  quanani  peeunia  id  a  te  impetrari  valeat;  quo  cognito  omnem 
movebo  lapidem,  donec  te  noster  hie  aquilo  suseipiat  eo  quo  dignus 
honore  es".  Erasmus  hat  nie  daran  gedacht,  darauf  einzugehen.  Völlig 
verfehlt  sind  die  Ausführungen  und  Behauptungen  von  Lehmann. 
Herzog  Georg  im  Briefwechsel  mit  Erasmus  (Leipziger  Dissertation 
1889),  S.  7:  Der  von  ihm  vermifste  Brief  des  Erasmus  ist  vorhanden 
(Opera  Er.  S.268),  der  des  Pirckheimer  gehört  wie  jener  dem  Jahre  1517 
an.  Vergl.  auch  Prachtbeck  an  Pirckheimer  5.  August  1518  (Heu- 
m an n  8.  233):  „Erasmus  quod  ad  te  venturus  est  (aus  der  oft  beabsich- 
tigten Reise  des  Erasmus  nach  Nürnberg  wurde  nie  etwas)  gratulor 
utrisque,  si  habituri  laetum  estis  Convention.  Lipsicam  tarnen  acade- 
miam  an  petat  an  non,  nee  consulo  nee  dissuadeo,  cum  ibi  suae  dis- 
ciplinae  pauci  sint  theologi  suam  foventes  partem"  etc.  Lic.  Paul 
Prachtbeck,  von  Georg  mit  politischen  Missionen  betraut.  1501  nach 
Nürnberg,  1510/11  nach  Polen  (Copial  106  fol.  166  und  Loc.  9913 
Schriften  bei.  den  tötlicben  Abgang),  lebte  später  in  Dresden  in 
wissenschaftlicher  Mufse.  Er  verdeutschte  Ciceros  Schrift  de  offieiis 
und  widmete  das  Buch  dem  Leipziger  Rat  (Stadtkassenrechnung 
1525/26).    Er  starb  vor  Beginn  des  .lahres  1527  (Copial  14  fol.  38). 

r")  Luther  an  Spalatin  16.  April  1520  (Enders  II,  382):  „Cum 
Adriano  convenimus,  ut  differat  paululum.  Octo  dies  promisit  in 
Berlin  se  niansuruin  et  litteras  expeetaturum  a  nobis  .  .  .  Nostrorum 
plurimi  fortiter  apnd  nie  sollicitarnnt,  ut  Matthaeus  (Adrianus)  le- 
tineretur  saltem  ad  annum,  etiam  ad  infamiam,  uti  putant,  antever- 
tendani  propter  eclipsin  (  Lipsim,  Lipsiam)  illain,  quae  illum  forte 
in  odinin  nostri  suseipiet,  ut  fama  est  .  .  .  Suspicor,  eum  vel 
Eraucofordiae  vel  Lipsiae  professionem  Hebraeani  secum  statuisse,  si 
apud  nos  non  licuerit.     Responde  cito." 


Leipzig  und  Wittenberg.  75 

Lektor  des  Leipziger  Franziskanerklosters  Alvekl  zuerst 
in  lateinischer  und  dann  in  deutscher  Sprache  eine  zwar 
sachlich  recht  schwache,  dafür  aber  in  der  Form  mehr 
als  grobe  Streitschrift  gegen  ihn  herausgab,  als  der  Rat 
der  Stadt  die  deutsche  Ausgabe  sich  dedizieren  liefs, 
glaubte  Luther  die  Leipziger  insgesamt  dafür  verant- 
wortlich machen  zu  dürfen.  Er  liefs  den  Einwand  Mosel- 
lans  nicht  gelten,  dafs  die  Universität  keine  Macht  habe, 
dem  Mönch,  der  nicht  zu  ihr  gehöre,  sein  Schimpfen  zu 
verbieten;  er  rechnete  Mosellan  nachdrücklich  vor,  was 
man  sich  sonst  nicht  nur  gegen  seine  Person,  sondern 
auch  gegen  die  Wittenberger  Hochschule  herausgenommen 
habe,  er  erinnerte  an  den  Brief  Wüstenfelders,  der  ohne 
seine  Einsprache  zum  feindseligen  Zusammenstofs  beider 
Universitäten  geführt  hätte.  Trotz  alledem  wolle  man 
nicht  Böses  mit  Bösem  vergelten  und  Wittenberg  werde 
auch  fernerhin  in  abwartender  Stellung  verharren  und 
nicht  zum  Angriffe  übergehen"2). 

Mosellan  wird  aufgeatmet  haben,  dafs  der  befürchtete 
Sturm  unterblieb.  Ein  Zusammenstofs  beider  Universi- 
täten hätte  ja  besonders  ihn,  als  den  beargwöhnten  Ge- 
sinnungsgenossen Wittenbergs,  in  eine  schiefe  Lage  ge- 
bracht, hätte  zweifellos  seine  auf  Reform  des  theologischen 
Studiums  abzielenden  Bestrebungen  unendlich  erschwert. 
Mufste  er  doch  ohnehin  der  feindlichen  Fakultät  Schritt 
für  Schritt  den  Boden  abkämpfen.  Wieder  nur  auf  ent- 
schiedenes Eintreten  des  Herzogs  hin  hatten  soeben  er 
und  der  ihm  befreundete  Schulmeister  zu  St.  Thomas 
Johann  Poliander  den  Grad  eines  Baccalaureus  der  Theo- 
logie und  damit  die  Berechtigung  zu  Vorlesungen  über 
die  heilige  Schrift  zu  erwerben  vermocht,  Anfangs  hatte 
sie  die  Fakultät  abgewiesen  und  bei  beiden  Mifsaehtung 
der  Autorität  des  Constanzer  Konzils  und  hussitische 
Neigungen  entdecken  wollen,  also  die  gleiche  Ketzerei, 
wie  sie  Luther  in  Leipzig  von  Eck  vorgeworfen  worden 
war;  jedoch  sie  war  damit  bei  Georg  nicht  angekommen, 
er  hatte  ihr  mit  sehr  deutlichen  Worten  gesagt,  dats  sie 


M)  Luther  an  Mosellan,  Juli  oder  August  1520  (Enders  II,  452): 
.,Lipsiae  semper  ego  timui,  ne  Academiae  istae  duae  ex  odio  antiqno 
tandem  in  arma  ruerent:  quod,  nisi  ego  obstitissem,  effecisset  vel 
sola  epistola  Arnoldi  (Wüstenfelder)  tni  praedecessoris  Rectoris, 
omniuin,  quas  vidi,  procacissirna  et  praefractisshna  .  .  .  Fama,  res, 
vita,  anima  mea  qnaeritur  per  vestros  et  miraculum  censetur,  si  quid 
vel  mutiam." 


76  Felician  Gefs: 

den  Beweis  dafür  eist  zu  erbringen  habe  und  dafs  nach 
seiner  Meinung  einzig  und  allein  ihre  Angst  vor  der 
Konkurrenz  den  beliebten  jungen  Lehrern  den  Weg  ver- 
sperren möchte.  Früher  hätte  sie  ihm  geklagt,  dafs 
niemand  Theologie  studieren  und  theologische  Grade  er- 
werben wolle,  jetzt,  wo  sich  Kandidaten  einstellten,  sei 
ihr  das  wiederum  nicht  recht.  Er  verlange  die  Zulassung 
beider,  dulde  keinen  Widerspruch  von  ihr,  habe  den 
Streich  noch  in  gutem  Gedächtnis ,  den  sie  ihm  bei  der 
Disputation  gespielt,  und  werde  sich  nötigen  Falls  ge- 
zwungen sehen,  „ander  leute  an  eure  Stadt  zu  holen,  die 
unls  umb  ire  besoldunge  nicht  vorachten,  unsrer  uni- 
versitet  Nutz,  Ehre  und  gedeyen,  darumb  wir  euch  auch 
aldo  haben,  suchten  und  sich  in  billichen  Sachen  weysen 
lissen"53).  Daraufhin  hatte  sich  dann  die  Fakultät  wohl 
oder  übel  gefügt. 

So  konnte  denn  Mosellan  im  Wintersemester  1520/21 
die  Paulinischen  Briefe  vornehmen.  Sein  Erfolg  war 
diesmal  noch  gröfser  als  im  Sommer.  „Die  ganze  Jugend", 
rief  er  Mutian  zu54),  „wirft  sich  voll  Eifer  auf  das  Studium 
der  heiligen  Schrift.  Ich  bin  gewiis  nicht  der  beste 
Lehrer  und  doch  hören  meine  Auslegung  der  Paulinischen 
Briefe  gegen  300  Studenten.  Wie  hat  sich  die  Zeit  ge- 
wandelt; früher  kümmerte  sich  niemand  um  diese  angeblich 
unfruchtbaren  Studien,  jetzt  will  man  nur  von  ihnen  und 
keinen  andern  etwas  wissen!" 

In  der  That,  es  war  ein  gewaltiger  Umschwung,  der 
sich  im  Laufe  weniger  Semester  auch  in  Leipzig  genau 
so  wie   in  Wittenberg  wenigstens   bis   zu  einer  gewissen 


r,s)  18.  August  1520  Copial  130  fol.  136b:  „..  dann  ir  unfs 
vormals  mit  der  disputaeion  auch  eyn  stngke  gethan,  defs  wir  noch 
nicht  vergeben."  Auf  dies  scharfe  Schreiben  hin  erfolgte  bereits 
am  20.  August  die  Aufnahme  beider. 

"'')  Gillert  8.  271  (11.  November  1520):  „Novarum  rerum  heic 
nihil  habemus,  neque  etiam  novum  est  bellum,  quod  infestis  utrinque 
armis  cum  sophistis  gerimus.  Circumspicimus  heic  viam  per  quam 
Fabritium  Capitonem  huc  queamus  adducere.  Tota  Juventus  in  sacra- 
rum  litterarum  studia  prona  fertur"  etc.  Bereits  im  Sommer  hatte 
Mosellan  dem  Herzog  vorgeschlagen,  den  in  Erfurt  dozierenden 
Theologen  Lic.  Jodocus  (Meder)  von  Windsheim  (vergl.  über  ihn 
Muther  S.  470;  Erfurter  Universitätsmatrikel  Michaelis  1502)  nach 
Leipzig  zu  berufen.  Georg  hatte  geantwortet,  Mosellan  solle  ihn  auf- 
fordern „das  er  sich  kegen  Leyptzk  begebe  und  in  der  Universitet 
doselbst  sich  mit  lesen  und  predigen  boren  Hesse"  (Copial  130 
fol.  128b,  28.  Juli  1520),  doch  verlautet  späterhin  garnicnts  mehr 
davon. 


Leipzig  und  Wittenberg.  77 

Grenze  vollzog:  die  freilich  niemals  vollen  Bänke,  vor 
denen  die  alten  Doktoren  die  thomistische  Weisheit 
vortrugen ,  verödeten  völlig ,  die  aristotelischen  Schriften 
fanden  selbst  in  der  neuen  Übersetzung  immer  weniger 
Liebe,  die  eben  noch  so  stark  bevorzugten  römischen  und 
griechischen  Klassiker  hülsten  ihren  ersten  Platz  ein  und 
traten  hinter  biblische  und  patristische  Lektüre  zurück, 
und  immer  weitere  Kreise  der  Studentenschaft  wurden 
von  einer  bisher  unbekannten  Gleichmütigkeit  gegenüber 
den  akademischen  Titulaturen  erfafst55):  wenn  im  Jahre 
1517  noch  128,  so  erwarben  sich  im  Jahre  1522  nur  48 
den  Grad  eines  Baccalaureus  der  freien  Künste,  zwei 
Jahre  später  gar  nur  14!  Denn  wer  mochte  fernerhin 
mit  Geld-  und  Zeitverlust  die  alte  Stufenleiter  empor- 
klimmen, da  man  die  gefeiertsten  Lehrer,  die  besten 
wissenschaftlichen  Kräfte  mit  ihren  untersten  Sprossen 
sich  begnügen  sah,  die  Mosellan  und  Keusch,  Poliander 
und  Franck,  und  wie  die  jungen  Männer  sonst  hieisen, 
die  sich  immer  fester  zusammenschlössen  und  immer  ent- 
schiedener gegen  die  Vertreter  des  Alten,  gegen  die 
theologischen  Doktoren  und  die  Fakultisten  Front  machten. 
Der  gebildete  Bürger  stand  auf  ihrer  Seite,  der  Rat  der 
Stadt  unterstützte  ihre  Sache  bei  Hofe,  als  im  Frühjahr 
1521,  während  Georg  auf  dem  Worraser  Reichstage  ver- 
weilte, Mosellan  mit  17  gleichgesinnten  jungen  Magistern 
gegen  die  fortdauernden  Behinderungen  vorstellig  wurde56), 
die  Lehrer  und  Schüler  der  neuen  Richtung  seitens  der 
alten  Theologen  erfuhren,  „welche  nicht  gestehen  (=  zu- 


55)  Sehr  charakteristische  Äufserungen  in  einem  Schreiben  der 
Artistenfakultät  an  den  Herzog  vom  28.  August  1522  Loc.  9884 
Leipzigische  Händel  1519  —  26  fol.  132 :  „  .  .  .  und  wiewol  itzundt 
zur  zeidt  der  promovenden  weniger  ist,  macht  nicht  beschwerung 
der  promotion  sunder  etzlich  secte,  die  alle  gradus,  promotiones, 
stende,  auch  alle  artes  und  philosophiam  mit  wort  und  schritten  vor- 
sprechen und  nydertzuschlaen  gedencken  und  die  jhenigen ,  so  pro- 
motiones zu  nehmen  willens,  abziehen,  doraufs  kommet,  das  die 
loblichen  artes,  und  das  sie  sunsten  schwer  syut,  itzundt  eine  zeit 
von  vylen  vorechtiglich  gehalden  und  eyn  ydermann,  auch  dortzu 
nichts  oder  wenig  geschicket,  noch  der  secten  angebung  und  aufs- 
legung  theologiam  heren  wollen  uude  in  der  Stadt  sein  und  widder 
die  statnt  extra  collegia  leben,  welchs  in  kurtz,  wie  zu  hoffen,  sich 
vnrandern  wirt,  wie  vorhyn  gescheen,  dau  gemeiner  Student 
vorhyu  artes  hochlich  geübt,  dornoch  poetas  und  ora- 
thores,  itzundt  ewangelistas,  also  das  seiden  ein  lector  stets 
vyle  auditores  behalden  .  .  ." 

5»)  No.  321,  322,  323  (vergl.  die  Beilage). 


78  Felician  Gefs: 


>^ 


geben)  wollen,  das  etzliche  namhafte  und  in  theologia 
gelerte  hinge  magistri  forder  lesen  mochten,  ungeachtet 
das  sie  in  yren  lectionibus  yre  lectoria  vleissiger  auditores 
vol  haben  und  yrenthalben  dieihenigen  so  in  theologia 
studiren  sich  fast  hie  erhalten". 

Die  angegriffene  Partei  hielt  dann  auch  mit  ihren 
Gegenvorwürfen57)  nicht  zurück,  leugnete  ihre  feindseligen 
Eingriffe  rund  ab,  nannte  es  ihre  Pflicht  und  einzige 
Sorge,  darüber  zu  wachen,  „uff  das  nicht  konftig,  so 
iedermann  ane  underschidt  lesen  wolde  nach  gefallen, 
keyne  nauickeydt  ader  ander  unfuglichkeydt  der  läre  mit 
der  Zeidt  mochte  eingefurdt  werden",  und  wandte  sich 
heftig  gegen  Moselian  als  Anstifter  aller  Irrungen,  dem 
sie  seinen  Brief  an  Erasmus,  seine  Schmähworte,  „welche 
nun  in  alle  weit  durch  den  drugk  aulsgebreitet"  seien, 
noch  immer  nicht  vergessen  konnte.  Aber  sie  hatte  auch 
diesmal  wenig  Glück;  der  Herzog  beschied  nach  seiner 
Rückkehr  Moselian  und  Franck  vor  sich  und  sah  sich 
nach  der  Aussprache  mit  ihnen  nicht  veranlagt,  der 
theologischen  Fakultät  irgendwelchen  Schritt  zu  Gefallen 
zu  thun58). 

Trotzdem  wurde  die  Lage  der  Beschützten  mit  jedem 
Monat  unbehaglicher.  War  es  denn  möglich,  bei  neu- 
testamentlicher  Exegese  jeder  Auseinandersetzung  mit 
den  neuesten  Schriften  Luthers  auszuweichen,  seine  Bibel- 
übersetzung, mit  der  er  im  Herbst  des  folgenden  Jahres 
die  Welt  überraschte,  mit  Stillschweigen  zu  übergehen, 
als  Theologe  farblos  zu  bleiben,  wo  bis  in  weite  Laien- 
kreise jedermann  mit  Lebhaftigkeit  für  oder  wider  Partei 
ergriff?  Entschiedener  aber  noch  als  die  meisten  anderen 
deutschen  Fürsten  hatte  sich  der  sächsische  Herzog  seit 
dem  Wormser  Reichstag  gegen  den  vom  Papst  und  vom 
Kaiser  verurteilten  Wittenberger  erklärt;  er  verbot  im 
Frühjahr  1522  seinen  Landeskindern  den  Besuch  der 
ketzerischen  Hochschule,  er  verlangte  im  November  die 
Auslieferung  aller  lutherischen  Bibeln  von  ihnen,  ja  er 
erbat  sich  von  der  Leipziger  theologischen  Fakultät  ein 
Gutachten  über  diese  Übersetzung,  von  derselben  Fakul- 
tät,  deren  wissenschaftliche  und  moralische  Fähigkeiten 

r>7)  An  die  Söhne  des  Herzogs,  3.  Juni  1521,  Loc.  9884  Leipzi- 
gische Händel  1519—26  fol.  19,  an  den  Herzug  1«.  und  30.  Juni  1521 
No.  325  und  326. 

58)  An  die  theologische  Fakultät  13.  Juli  1521  Copial  136 
fol.  67  a. 


Leipzig  und  Wittenberg-.  79 

er  selbst  so  niedrig  anschlug,  deren  größerer  Hälfte  der 
griechische  Urtext,  auf  den  Luther  zurückgegriffen  hatte, 
noch  immer  ein  dunkles  Rätsel  war5").  Unter  solchen 
Umständen  gehörte  ein  selbstverleugnender  Mut  dazu, 
ein  Mut,  der  die  sichere  Gefahr  der  Ausschliefsung  vom 
Lehramt  nicht  scheute,  um  sich  warm  und  entschieden 
zu  lutherischen  Gedanken  zu  bekennen.  Schon  allein 
ihre  ruhige  rein  sachliche  Erörterung  und  Prüfung  war 
so  gut  wie  ausgeschlossen ;  man  wufste  sich  beobachtet 
und  belauscht  von  einer  Partei,  die  sich  aus  Verdrehungen 
und  Entstellungen  kein  Gewissen  machte.  Der  Bischof 
von  Merseburg  hatte  im  Dezember  1522  die  Universität 
visitiert,  jeden  einzelnen  Dozenten  besonders  vorgenommen 
und  keinen  gefunden,  den  er  als  „den  verdampten  Opi- 
nionibus  Martini  Luthers"  anhängig  hätte  bezeichnen 
können;  aber  wenige  Wochen  später  meldete  sich  die 
theologische  Fakultät  mit  neuen  Verdächtigungen  bei 
Hofe  an  und  weigerte  sich  in  die  Promotion  einiger  junger 
Magister  zu  willigen  —  wieder  war  Mosellan  darunter, 
der  sich  den  Bang  eines  Sententiarius  erwerben  wollte  — . 
in  deren  Vorlesungen  lutherische  Irrtümer  vorgekommen 
seien.  Auch  dafs  sie  früher  des  Erasmus  lateinische  Über- 
setzung des  Neuen  Testamentes  der  Vulgata  vorgezogen, 
dafs  sie  vor  Jahren  mit  ihren  Schülern  Komödien  des 
Terenz  aufgeführt  hätten,  sollte  jetzt  Grund  für  ihre 
Zurückweisung  sein00). 


50)  Seidemann,  Erläuterungen  S.  54. 

"")  Bischof  von  Merseburg  an  Georg  29.  Dezember  1522, 
Loc.  9884  Leipzigische  Händel  1519 — 26  fol.  140 :  ,,  .  .  Als  wir  uns 
nechst  durch  Ewer  Lieb  Kadt  und  zuthun  der  visitacion  der  Uni- 
versitet  zu  leypzck  underwunden,  haben  wir  dorob  eyn  Carta,  wie  es 
hinfur  in  gemelter  uuiversitet  mit  etlichen  bucheru  soll  gehabten 
werden,  .  .  .  begreyfen  lassen.  Weyl  wir  aber  mit  Ewer  lieb  hievor 
eynig  wurden ,  ane  derselbigen  E.  L.  wissen  und  nachlassunge  solch 
unser  Cartha  uit  aufszugehn  lasseu,  derhalb  übirsehicken  wir  Ewer 
lieb  solch  gegenwertig'1.  Leider  fehlt  die  ,, Carta''.  —  Georg  an  die 
theologische  Fakultät  14.  Februar  1523  Copial  139  fol.  9a.  „  .  .Was 
aber  belanget  dye  lectiones,  fso  eczliche  fsollen  nach  form  der  vor- 
dechtigen  Lere  gethan  haben,  hat  uniser  frundt  und  oheym  der 
Byschoff  zcu  Merfsburg,  wye  yr  wyst,  derhalben  bey  eyuem  yczlichen 
in  sumlerhayt  Inquisitionen)  gehalten,  dar  aufs  wyr  noch  nicht  vor- 
stendigt,  das  ymandts  in  unser  uuiversitet  den  vordampten  Opinioui- 
bus  Martini  lutters  anhenig.''  —  Georg  an  Kentmeister  und  Ordinarius 
in  Leipzig  15.  März  1523,  Loc.  9884  Leipzigische  Händel  1519 — 2ti 
fol.  134.  Die  Adressaten  sollen  der  theologischen  Fakultät  des  Her- 
zogs Befremden  ausdrücken  über  die  neuen  Schwierigkeiter.,  die  sie 
Mosellan  in  den  Weg  legt'  „das  sie  aber  Mosselanus  derhalben,  das 


30  Felician  Gefs: 

„Das  ganze  Aussehen  der  Zeit  ist  mir  zuwider", 
hatte  Mosellan  schon  im  Sommer  1521  einem  Freunde 
geschrieben ;  im  folgenden  Jahre  dachte  er  an  eine  Reise 
nach  Italien,  um  all'  die  Ärgernisse  los  zu  werden;  er 
wollte  auf  dem  Wege  Erasmus  in  Basel  aufsuchen,  den 
er  bisher  noch  nicht  von  Angesicht  kannte.  Es  kam 
nicht  dazu.  Er  blieb,  aber  nur  um  immer  trüber  und 
freudloser  der  Entwickelung  der  Dinge  zuzuschauen.  Wohl 
wies  der  Fürst  auch  jene  neuen  Verdächtigungen  und  Ein- 
wände der  theologischen  Fakultät  zurück,  und  Mosellan 
erreichte  noch  einmal  durch  seine  Mithilfe  das  vorgesteckte 
Ziel.  Aber  wenn  Georg  auf  ihr  Gutachten  über  Luthers 
Bibelübersetzung  Wert  legte,  wer  bürgte  dafür,  dafs  er 
in  Zukunft  nicht  auch  ihren  Einflüsterungen  sein  Ohr  lieh 
und  das  Studium  des  Griechischen  und  Hebräischen,  als 
angebliche  Mutter  alles  ketzerischen  Irrtums,  kurzer  Hand 
strich?  Die  bange  Sorge  vor  einer  solchen  Wendung, 
die  alle  Errungenschaften  des  letzten  Jahrzehntes  ver- 
nichtet und  Leipzig  noch  weiter  hinter  Wittenberg  zurück- 
gedrängt hätte,  verdüsterte  Mosellans  letzte  Wochen  und 
Tage  im  Frühjahr  152461). 


er  uinb  zuforderung  vorgenominer  promotion  uus  angelangt,  in  straffe 
neraen  wolten ,  ist  uns  in  keynen  weg  zuleyden,  wolt  uns  auch  an 
unser  Fürstlichen  Oberkeit  ahbruchlich  sein  .  .  .  darumb  dis  alles  zu 
hinderung  der  promovenden  unnotturfftig  wirdt  vorgewandt,  und 
sollten  die  Zeit,  do  die  jhenigen,  so  itzt  sollicitiren  Translacionem 
Erasmi  gelesen,  es  gewert  haben,  nicht  aber  derbalben  sye  itzt  in 
irem  vornemen  hindern  und  auff  halten,  So  wir  jn  auch  nicht  billichen, 
etzliche  darumb  zu  tadeln,  das  sie  zu  Übung  jrer  discipel  Comedias 
Therentionas  agiert." 

«')  Erasmus  an  Mosellan  8.  August  1522  (Weiler,  Altes  aus 
allen  Teilen  der  Geschichte  I,  17);  dazu  Erasmus  an  Auerbach 
5.  Dezember  1523  (Opera  Erasmi  S.  737).  —  „Anno  Domini  1523  Nona 
novembris  assumpti  sunt  ad  legendas  Sentencias  venerabiles  magistri 
Petrus  mosellanus"  etc.  Brieger  S.  33.  —  Sturio  an  Pirckheimcr 
20.  März  1524  (Heumann  S.220):  „Scripsit  ad  me  Mosellanus  non  mul- 
tis  elapsis  diebus  principem  suum  Georgium  stipendia  et  graecnm  et 
bebraicum  abrogasse,  persuasum  a  nostris  magistris  tali  argumenta: 
ex  linguanim  cognitionc  errorem  omnem  in  mundum  irrepsisse  professi; 
prob  Juppiter  quanta  dementia  a  Deo  principes  percussi  adeo  ut  etiam 
abiectissimorum  hominnm  servi  facti;  heu  vero  in  id  diahoh  opus 
nemo  tidelium  teudit  oculos,  nititur  enim  linguarum  Cognitionen!  oppri- 
mere,  quo  liberius  in  nos  saeuiret,  haud  nescit,  quantum  obstet  regno 
suo  linguarum  cognitio.  Oramus  nos  deum ,  ne  tale  auferat  a  nobis 
donum."  —  Melanchthon  an  Hefs,  Leipzig  19.  April  1524  (Corpus 
Eteformatorum  1,  B54):  „Mosellanum  heri  (18.  April)  amisiinus;  magnam 
eius  morte  iaetnram  res  litteraria  fecit.     Fuerunt  enim  in  illo  dotes 


Leipzig  und  Wittenberg.  81 

Man  darf  wohl  sagen,  dais  sein  Tod  Epoche  ge- 
macht hat  in  der  Geschichte  der  Leipziger  Universität. 
Nach  seinem  Hingange  verloren  die  Genossen  den  Mut 
und  legten  das  griechische  Testament  bei  Seite,  dieser 
wandte  sich  juristischen  und  jener  medizinischen  Stu- 
dien zu"'2);  die  Doktoren  der  Theologie  hatten  weiterhin 
keine  lästigen  Konkurrenten.  Aber  ihre  Bänke  füllten  sich 
deshalb  nicht,  und  der  theologische  Nachwuchs  Leipzigs 
1)1  ieb  bis  zum  Tode  Georgs  verschwindend  gering.  Zwar 
ist  Mosellans  Befürchtung  nicht  eingetroffen,  der  Unter- 
richt im  Griechischen  hat  seinen  Platz  behauptet,  der 
im  Hebräischen  unterblieb  nur  wenige  Jahre63)  —  jedoch 
davon  war  keine  Rede  mehr,  dais  man  sich  auf  diesen 
Gebieten  mit  Wittenberg  hätte  messen  dürfen.  Nach 
Mosellan  fand  sich  kein  Mann  mehr,  der  einem  Melanch- 
thon  hätte  die  Wage  halten  können,  und  selbst  Leipziger 
Bürger  scheuten  in  den  dreifsiger  Jahren  die  höheren 
Kosten  nicht,  sondern  nahmen  ihre  Söhne  von  der  hei- 
mischen Hochschule  fort  und  schickten  sie  trotz  des 
herzoglichen  Verbotes  zu  dem  Präceptor  Germaniae  in  die 
Lehre H4j.  Erst  unter  Georgs  Nachfolgern  hat  Camerarius 
eine  zweite  Blüteperiode  klassischer  Studien  heraufgeführt, 


plane  eximiae."  —  Über  Mosellans  Verhältnis  zu  Luther  vergl.  dessen 
Brief  an  Borner,  28.  Mai  1522  (Enders  III,  375.) 

6a)  Vergl.  den  Bericht  des  Bischofs  von  Merseburg  au  Georg 
Über  seine  zweite  Visitation  der  Universität,  wobei  er  hauptsächlich 
den  Magister  Hegendorf  (Brieger  S.  33)  lutherisch  gesinnt  fand, 
13.  Mai  1524,  bei  Seidemann,  Disputation  S.  139. 

fi3)  Über  den  ersten  Nachfolger  Mosellans  Ceratinus  vergl. 
aufser  zahlreichen  Stellen  in  den  Briefen  des  Erasnius,  der  ihn  em- 
pfohlen hatte,  Auerbach  an  Pirckheimer  31.  Mai  und  12.  Oktober  1525 
(Heumann  S.  213,  214).  —  Das  Hebräische  betreffend  vergl.  Leip- 
ziger Ratsarchiv  Stadtkassenrechnuiig  1525/26.  „Magistro  Andree 
delitzsch  vor  den  ersten  halben  Jars  solt,  so  zuvorn  eynem  Magistro 
von  der  hebreischen  lection  gegeben  und  yme  nu  uff  befehel  unsers 
g.  H.  zugestellt,  thut  1  Schock  15  gr."  1531/32:  „Anthouio  Marga- 
rite  Hebreo  zu  besserung  seyns  soldes  von  der  hebreischen  lection 
aufs  Beschliefs  der  Rethe  uff  difs  Jhar  gegeben  7  Schock";  ebenso 
1532/33.  In  dem  Dresdner  Aktenstücke  Loc.  9698  Zween  ermordete 
Juden,  so  im  Hölzlein  deutschen  Luppe  angebunden  todt  befunden 
1531,  linden  sich  etwa  20  hebräische  Briefe  und  daneben  die  auf  Be- 
fehl des  Herzogs  durch  den  Lektor  des  Hebräischen  gelieferten 
Übersetzungen.  —  Über  den  griechischen  und  hebräischen  Unterricht 
im  Jahre  1535  vergl.  den  interessanten  Brief  der  Universität  an 
Georg,  15.  Juni  1535,  Seidemann,  Disputation  S.  158,  der  unbedingt 
in  das  Urkundenbuch  hätte  aufgenommen  werden  müssen. 

64)  Gefs,  Klostervisitationen  S.  35. 

Neues  Archiv  t  S.  G.  u.  A.  XVI.  1.  2.  6 


82  Felician  Gefs: 

erst  unter  ihnen  und  nach  dem  Einzüge  der  Reformation 
hat  sich  Leipzig  allmählich  wieder  gehoben,  wenn  es  auch 
bis  weit  über  die  Mitte  des  Jahrhunderts  hinaus  hinter  der 
jüngeren  Schwester  zurückstehen  mnfste. 


Beilage. 

Eine  Anzahl  von  mir  benutzter  Schriftstücke  niufste  zuvor 
genauer  datiert  werden,  als  das  im  Urknndenbuche  geschehen  ist. 
So  lange  man  nur  weifs,  dafs  ein  Stück  in  die  Jahre  1502— 1587 
gehört,  weifs  man  so  gut  wie  gar  nichts  und  kann  man  an  keine 
Darstellung  auf  Grund  dieses  Stückes  denken.  Noch  eine  andere, 
unerquicklichere  und  recht  zeitraubende  Vorarbeit  machte  sich  not- 
wendig: der  Text  der  Schriftstücke  bedurfte  einer  genauen  Ver- 
gleichung  mit  der  handschriftlichen  Vorlage.  Ich  habe  mich  natürlich 
auf  Berichtigung  der  Fehler  beschränkt,  durch  die  der  Sinn  ver- 
dunkelt oder  entstellt  ist. 

Urkuiidenlmch  No.  226. 

Fehler:  S.  269,  16  statt  „steder"  lies  „sieder"  (=  seit);  271,  10 
„nicht  geneigt"  —  „mehr  geneigt" ;  271 ,  32  „nicht  augesehen"  — 
„mehr  angesehen". 

No.  227. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1502  -1537.  Der  Endtermin  ist 
jedenfalls  1527,  da  der  S.  273,  7  genannte  Dr.  Joh.  Hennigk  1527 
gestorben  ist  (Locat  10532  Leipzigische  Händel  1525—1531  fol.  27), 
der  Anfangstermin  1503,  da  die  S.  273,  6  erwähnte  „iungste  con- 
firmation"  diesem  Jahre  angehört  (vergl.  No.  237  und  238).  Das 
Stück  darf  seinem  Inhalte  nach  bald  nach  1503  angesetzt  werden. 
Man  vergl.  ihn  mit  den  Stellen,  die  in  der  An m.  40  dieses  Aufsatzes 
abgedruckt  sind. 

Fehler:  S.273,  9  „ingegebin"  —  „in(=  ihnen) gegebin"  ;  273, 16 
„vorschlimmerung"  -  -   „vorschimperung"  {—  Beschimpfung). 

No.  228. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1502—1537.  Die  Vermutung,  dafs 
sich  die  Worte  274,  32  „e.  f.  g.  reformation  für  sechzehen  iaren  ge- 
schehen" auf  No.  225  vom  8.  November  1502  beziehen,  No.  228  mit- 
bin ins  Jahr  1518/19  zu  setzen  sei,  wird  zur  Gewifsheit  bei  einem 
Vergleich  von  No.  228  mit  No.  278  (siehe  deren  Zeitbestimmung 
weiter  unten!)-,  jene  ist  lediglich  ein  Nachtrag  zu  dieser.  Man  vergl. 
S.  371,  6  „von  wegen  kurtz  der  zeyt  ....  protestation"  etc.  mit 
S.274,  21  ff,  unter  Berücksichtigung  der  hier  folgenden  Textbesserung. 
Kin  Blick  auf  die  Vorlagen  ergiebt,  dafs  beide  Stücke,  No.  228  und 
278,  von  der  gleichen  Hand  geschrieben  sind. 

Fehler:  274,  26  „wegen  den"  —  „wesenden"  (=  augenblick- 
lich amtierenden).  —  274,  33  „fruchtickliclr  —  „fursichticklich". 


Leipzig  und  Wittenberg.  RH 


No.  229. 


Zeitbestimmung:  Urkb.  1502—1537.  Beide  Termine,  sowie 
die  Charakteristik  des  Stückes  als  eines  „ Memorials  der  Artisten- 
fakultät" sind  falsch.  Es  ist  vielmehr  eine  Eingabe  von  Kollegiaten, 
die  im  consilium  facultatis  artium  sind  und  diesen  Platz  durch  „kegen- 
wertige  Reformation"  (S.  275,  9)  zu  verlieren  fürchten.  Vergleicht 
man  die  unterschriebenen  Namen  mit  den  Kollegiatenverzeichnissen 
(Zarncke,  Quellen),  so  ergeben  sich,  da  Cubito  von  1518  ab,  Greve 
bis  1521  Kollegiat  war,  die  Termine  1518  und  1521;  mit  Rücksicht 
auf  die  Worte  „kegenwertige  Reformation",  worunter  nur  die  von 
1519  gemeint  sein  kann,  ist  der  Endtermin  ins  Jahr  1519  hinaufzu- 
rücken, das  Stück  also  in  die  Jahre  1518/19  zu  setzen. 

Fehler:  Der  Sinn  ist  durch  falsche  Interpunktion  S.  275,  21 
und  22  völlig  verdunkelt ;  das  Semikolon  gehört  hinter  „wurden"  und 
mufs  gestrichen  werden  hinter  „geboret". 

No.  230. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1502 — 1537.  Der  Endtermin  ist  um 
12  Jahre  hinaufzurücken ,  da  das  Konzept  von  der  Hand  des  Cäsar 
Pflug  ist,  der  1525  starb. 

Fehler:  276,  16  „die  wir  bitten"  —  „das  (Bedenken)  wir 
bitten";  276,  24  „wie"  —  „wu"  (—wo);  276,  30  „meher  schaden  dan 
ere  dadurch  gewertig  were"  —  „meher  schaden  und  schimps,  dan 
ere  und  notz  gewertig  were";  276,  36  „Wie  aber  sulchs  von  euch 
übergangen,  wil  seiner  ff.  g.  euch  rectori  und  andern  regirern"  — 
„Wu  aber  sulchs  von  Euch  übergangen  und  sulche  conspiracion  und 
uffrur  meher  machen  und  uffruhren  wurdet,  wil  sein  ff.  g.  Euch  Er 
(=  Herr)  rectori  und  andern  regenten" ;  277,  8  „zu  erkennen"  — 
znuorkommen" ;  277,  9  „dem  bisher"  —  „bas,  den  bisher". 

No.  23t. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1502  —  1537.  Ich  nehme  die  erste 
Hälfte  des  Jahres  1511  als  Abfassungszeit  an  und  verweise  auf  die 
Ausführungen  zu  No.  252,  bei  deren  Abfassung  No.  231  zu  Rate 
gezogen  worden  ist. 

Fehler:  277,  34  „iusth"  —  „nestk";  278,  20  „gern"  —  „geen" ; 
279,  21  „die  scholares*  —  „die  scholares  jurium". 

Bemerkung:  Das  Schriftstück  ist  kein  „Bericht  der  Mitglieder 
der  Artistenfakultät"  wie  No.  226  („alle  magistri  in  und  aufserhalb 
des  raths  der  facultedt"  272,  37),  sondern  ein  Bericht  der  Fakultisten 
(„magistri  des  ratis  der  facultet"  280,14),  ein  Unterschied,  der  nicht 
übersehen  werden  darf,  will  man  überhaupt  Verständnis  für  die 
Universitätszustäiide  gewinnen. 

No.  232. 

Zeitbestimmung:  Urkb  1502 — 1537.  Beide  Termine  sind 
hinfällig,  da  der  mitunterschriebene  Magister  Koel  Aubanus  erst  1513 
Magister  geworden  und  schon  1517,  spätestens  1518  gestorben  ist 
(Günther,  Plautuserneuerungen  Leipzig  1886  S.  72  und  die  dort 
zitierte  „Declamatio  in  laudem  Gregorii  Coelii  Aubani  habita  a 
Philippo  Noveniano",  herausgegeben  von  Köhler,  Leipzig  1812). 
Das  Stück  würde  danach  1513—1518  fallen.    Doch  spricht  für  weitere 

6* 


84  Felician  Gefs: 

Einabrückung  des  Anfangstermins  auf  die  zweite  Hälfte  des  Jahres 
151  6  die  Erwähnung'  (281,  3)  des  „vorgangnen  uifrurs"  und  die 
Bemerkung  (281,  11),  es  gäbe  „den  studentibus,  das  sye  sich  yn 
buntlmufs,  uffrur  und  unfug  voreynigen  (!  so  ist  zu  leseu  statt  „ver- 
gnügen") und  wegk   zu  wenden    vorneinen,    gros  urSach der- 

halben  die  Studenten  in  argkwon  kummen,  als  sohl  man  sye  alleyn 
streifen  wollen  und  yn  yren  Privilegien  aber  gereehtikeiten  nichts 
handhaben."  Man  veVgl.  damit  den  Brief  des  Herzogs  an  den  Leip- 
ziger Amtmann  Cäsar  Pflug  vom  27.  Juli  151B  (Copial  125  fol.  86), 
worin  eines  Studentenaufruhrs  vom  20.  Juli  1516  gedacht  und  hin- 
zugefügt wird,  dafs  nach  dem  Aufruhr  „etliche  Studenten  eyn  vor- 
sammlunge  gemacht  und  mit  grosser  ungestumigkeyt  vor  den  hern 
rector  und  die  von  der  universitet  kommen,  auch  under  andern  er- 
zelet,  wo  man  ine  ire  privüegia  und  compactata  nicht  wejsen  und 
sy  bey  denselbigen  nicht  schützen  oder  hanthabeu  werde,  alfsdann 
so  heften  irer  ijc  ader  melier  zusamp  gesworn,  alzo  das  sie  under 
eyner  fahne  und  in  eynem  häufen  von  dann  ziehen  wolten."  Unsere 
Urkunde  hat  ohne  Zweifel  diesen  Fall  im  Auge;  ich  setze  sie  daher 
1516—1518. 

Fehler:  280,  27  „ergehende"  —  „reychende";  280,  33  „und 
schon"  —  „und  scheu";  281,  12  „vergnügen"  —  „voreynigen";  281,  22 
„zuvor  hören"  —  „zuvor  hüten";  281,  23  „die  studentenbueben  den 
magistris"  —  „die  Studenten  bneben  (=  neben)  den  magistris" ;  282,  18 
„vorandern"  —  „vorenden"  (=  beenden);  282,  21  „welchen  auch"  — 
„vorlihen,  auch";  283,  3  „und  gleichmessige"  —  „und  doch  gleich- 
messige"  ;  283,  28  „besatzung"  —  „besahung". 

No.  233. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1502—1537.  Ein  Vergleich  mit 
No.  333,  334,  335,  336  und  337,  die  vom  29.  August  (s.  No.  333) 
und  2.  Dezember  1522  datieren,  ergiebt  mit  Gewifsheit,  dafs  der 
Endtermin  ins  Jahr  1522  hinaufzurücken,  mit  grofser  Wahrscheinlich- 
keit, dafs  das  Stück  ins  Jahr  1522  zu  setzen  ist. 

No.  284. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1502— 1537.  Schon  Friedberg (Colleg. 
Juridic.  S.  23,  1)  machte  darauf  aufmerksam,  die  Juristen  würden 
hier  als  Hausbesitzer  vorausgesetzt  (vergl.  286,  17),  das  Stück  müsse 
daher  nach  1515  fallen.  Aber  auch  der  Endtermin  ist  unmöglich; 
denn  wenn  es  287,  33  heilst,  der  Ordinarius  sei  einer  der  drei  Bürger- 
meister, so  ist  darunter  Johann  Lindemann  zu  verstehen,  der  bis 
L519  Ordinarius  war.     Somit  fällt  das  Schriftstück  1515—1519. 

Fehler:  285,33  „liberlich"  ist  zu  streichen;  286,8  „vorsthinnes" 

—  „vorschinnes" ;  286,  10  „efliciuntur"  --  „efficiantur";  286,36  „cum 
latinitate.  So  durch"  —  „cum  latinitate,  do  durch" ;  286,  38  „mores" 
gehört  vor  „vorandirt" ;  286,  41  „On"  -  -  „die";  287,  6  „So  von"  — 
„do  von";  287,  7  „zuuor  das"  -  -  „zuuor  so  er  das";  287,  11,  „darff, 
iss"  --  „darff  iss";  287,  25  „vrawlafsen"  —  „trawlafsen"  (=  treulosen); 
288,  11  „villeicht  aufs  bofser  meynung"  —  „villeicht  nicht  aufs  bosser 
meynung";  288,  13  „sunderlich  lieber,  pest"  —  „sundirlich  sieder 
(=  seit  der)  nesten  pest" ;  289,  4  „welche  stad  pranget  mit  den  walen" 

—  „welche  stad  grantzet  mit  den  Avalen"  (gemeint  ist  Hall  bei 
Innsbruck). 


Leipzig1  lind  Wittenberg.  85 

No.  235. 

Zeitbestimmung.  Urkb.  1502  —  1537.  Aus  290,  34  „die 
nawen  Universitäten",  womit  neben  Wittenberg-  das  1506  gegründete 
Frankfurt  gemeint  ist,  ergiebt  sieb  1506  als  Anfangstermin;  aus 
einem  Vergleich  von  290,  37  ff.  mit  325,  22,  dafs  es  vor  die  in  die 
zweite  Hälfte  des  Jahres  1511  gehörige  No.  256  (s.  d.)  zu  setzen  ist. 
Somit  fällt  das  Stück  1506—1511;  vermutlich  1511. 

Fehler:  290,  21  „sie  kommen"  —  „sie  können  (—können); 
290,  27    „swnng"  „smug"  (=  Schmuck);   291,  3   „wydderfal"  — 

„mdderfal";  291,  8  „übet"  —  „über";  291,  16  „ausgeschlossen"  — 
„auffgeslossen" ;   292,  6  „dan  nntugi icher"  „dan  je  untuglicher"; 

292,  7  „erinern"  —  „erneren";  292,  25  ..gewennen  schade"  — 
„quemen  (—  käme)  schade";  292,  34  „fruchtlich"     -  „friichtbarlich"; 

292,  38    „Statut   vorfechten"    —    „Statut    unde    Zcinse    vorfechten"; 

293,  12  „eine  zeeit  an  wenig  gelde"  —  „eine  zeeit  stro  (!  —  strof, 
Strafe)  an  wenig  gelde". 

No.  250. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1504 — 1509.  Anfangs-  und  End- 
termin sind  hinfällig;  denn  der  306,  30  erwähnte  Dr.  Henning  Göde 
begann  seine  Vorlesungen  in  Wittenberg  erst  am  8.  Oktober  1510 
(vergl.  Scheurl  an  Dinstedt  27.  Juni  1510:  „nos  praepositum  nomina- 
mus  Hennigum,  quem  tarnen  andivimus  aegre  habere,  sed  expeetamus 
adventum  propediem";  8.  Oktober  1510:  „venit  et  praepositus  noster 
et  hodie  coepit  legere  ordinarie".  (Scheurls  BriefDiich  1867  S.  61 
und  62).  Ein  Vergleich  mit  No.  254  (s.  d.!),  z.  B.  von  S.  304,  32 
mit  323,  29,  ergiebt,  dafs  No.  250  bei  Abfassung  von  No.  254  vor- 
gelegen hat.  No.  250  dürfte  gleichzeitig  mit  No.  287  (s.  d.)  ein- 
gereicht worden  sein.  Ich  setze  No.  250  daher  in  die  zweite  Hälfte 
des  Jahres  1511. 


Zeitbestimmung:  Urkb.  1506—1537.  Wenn  es  309,  20  vom 
Dekan  der  medizinischen  Fakultät  heifst,  er  sei  „im  ratb,  scheppen- 
stuhl,  leybartzt  des  churfursten ,  collegiat",  so  ist  damit  Dr.  Simon 
Pistoris,  der  Ältere,  gemeint,  der  1509  Dekan  wurde.  Also  ist 
1509  der  Anfangstermin.  Als  Endtermin  ergiebt  sich  aus  308,  35 
und  317,  5  das  Jahr  1515,  da  nach  diesen  Stellen  die  Juristen  noch 
nicht  Hausbesitzer  sind  Bis  ins  Jahr  1511  aber  wird  man  den 
Endtermin  zu  rücken  haben,  wenn  man  309.  14  „ist  gescheen  difs 
jar  ....  irye  vormals  gescheen"  mit  der  Notiz  bei  Zarncke,  Quellen 
S.  882,  vergleicht.  Zu  noch  genauerer  Datierung  führt  ein  Vergleich 
von  No.  231,  252,  253,  254,  255,  256.  Es  ergiebt  sich  dabei,  dafs 
No.  231  bei  Abfassung  von  No.  252  vorgelegen,  No.  252  wieder  bei 
Abfassung  von  No.  253.  254,  255,  256  vorgelegen  hat;  da  nun  diese 
vier  letzten,  wie  wir  unter  No.  254  sehen  werden,  kurz  vor  den 
14.  Oktober  1511  fallen,  gehört  No.  252  spätestens  in  das  zweite 
Drittel  des  Jahres  1511;  alles  aber  spricht  dafür,  dafs  dies  Stück 
und  ebenso  die  ihm  kurz  vorausgehende  No.  231  nicht  in  ein  früheres 
Jahr  (1509,  1510  wären  nur  möglich)  als  1511  fällt. 

(No.  231)  278,  7       =  (No.  252)  313,  41 

278,  14  =  „        310,  1 

278,  18  --  „        312,  8 

„        278,  23  =  „        317,  3 


St;  Felician  Gefs: 

(No.  231)  278,  31  =  -  (No.  252)  317,   11 

278,  37  =  „  313,  19 

279.  1                   „  308,  8 
„        279,  5                  .,  313,  6 

279,  14  =  „        317,  19 

„        279,  21  =  ..         309,  1 

„        279,  26  „        311,  20 

(No.  252)  307,  24  =  -  (No.  253)  318,  28 

307,  32  -  ,.         318,  34 

307,  36  =  ..         319,  1 

308,  8  „        319,  3 

309,  6       -  (No.  255)  324,  10 

309,  14  ..        324,  23 

310.  22     =  (No.  256)  325,  14 

311,  20  =  ..         325,  22 

312    8     -f  •         326'  2>' 

01  ^  8     _\(No.  254)  322.  32 

312.  16     -  (No.256)  325,  26 

312,  39  =  „         325,  28 

313,  25  ==  (No.  254)  322,  16 

315'  5H}=  (No>  256)  325'  3ß 

314,  321 qor    21 

315,  llj-  d~b'  4l 

315,  15  =  „        325,  6 

316,  1  326,  5 

316,  39  ={(No#254)  322!  12 

Fehler:  308, 4  „baccalarios  gebort"—  „baccalarios  sententiarios 
gehört";  308,  11  „enger"  —  ..erger";  310,  17  „geben"  -  -  „gaben"; 
311,  1  ..scheint"  —  „sehent"  <  sehen):  313,  13  „consilium  der 
busen"  —  „asilum  der   bufen"  (=  Buben);   314,  10    „ungelectisten" 

—  „ungelertisten" ;  317.  25  „sie  scheinen  sich"  —  „sie  Schemen  sieb". 

No.  '253,  '254,  '255,  256. 

Zeitbestimmung:  ürkb.  1 506— 1 537.  Dafs  diese  vier  Stücke 
zusammengehören,  wird  auf  den  ersten  Blick  klar  und  bedarf  keines 
Beweises.  Nun  findet  sich  zu  No.  254,  oder  wenigstens  zur  ersten, 
grösseren  Hälfte  dieses  Stückes  ein  Konzept  von  Georgs  Hand 
(Loe.  10532  Leipziger  Universitäts- ,  Rats-  und  andere  Händel 
13(17-1537  fol.  265  und  236).  das  nicht  nur  für  die  Frage  nach  dem 
persönlichen  Anteil  des  Herzogs  an  den  Universitätsangelegenheiten, 
sondern  auch  für  die  nach  der  Datierung  dieses  Stückes  von  Be- 
deutung ist.  Man  vergl.  die  Stelle  S.  321,  32—38  mit  folgenden 
Sätzen  des  Konzeptes:  „dy  weil  nu  oratoria  und  poetica  orsprung 
sein  eloquencie,  so  haben  wir  vorordent,  das  esticampianus  sal  ein 
stund  haben  in  lectorio  iuristarum  umh  zwölf  ader  umb  iiij  noch 
mittag,  do  sal  her  lessen  in  poetica  ader  oratoria  und  in  dem  selben 
colegio  ein  habitacio  haben,  do  her  poeticam  und  oratoriam  resumirn 
möge;  welche  och  sust  in  oratoria  oder  poetica  vorsolte  lecciones 
haben,  dy  soln  im  lectorio  pedigoij  lesen,  welcher  och  wil  das  selbe 
resumirn,  der  sal  es  im  pedigoijö  thun  .  .  .  doch  so  soln  dy  selben 
ire  resumptiones  und  lecciones  dem  ordinario  ansagen,  wes  sy  lessen 
ader  ressumirn  wolu,   der   sal   dor  ein  seen,  das  nicht  unzuchtiges, 


Leipzig  und  Wittenberg.  87 

ader  das,  so  nur  zu  sunden  und  lossen  sitten  reicht ,  glessen  ader 
gresumirl  werd,  den  gutter  lare." 

Ästikampian,  den  No.  254  auffallender  Weise  fortläfst,  ist  nach 
einem  Beschlüsse  der  Universität  vom  i.  Oktober  1511  relegiert 
worden;  der  gerade  in  Leipzig  anwesende  Herzog  hat  sich  für  ihn 
verwendet,  die  Universität  aber  ist  am  5.  Oktober  1511  auf  ihrem  Be- 
schlüsse geblieben  und  der  Herzog  hat  ihr  nicht  weiter  dareingeredet. 
Demnach  nmfs  das  Konzept  jedenfalls  vor  den  5.  Oktober  1511  fallen. 

Nun  reden  aber  die  Protokolle  der  Universitätsversammlungen 
in  diesen  Oktobertagen  (Leipziger  Universitätsarchiv ConclusaA)  aufser 
von  Ästikampians  Sache  auch  von  einer  Reformation,  die  der  Herzog 
sucben  vorgelegt  habe.  So  heifst  es  p.  149b:  Dienstag,  14.  Oktober 
1511  „congregatio  totras  universitatis  ad  andiendum  legi  puneta  re- 
formationis  novissime  illustrissimi  prineipis".  In  dieser  Versammlung 
läl'st  sich  die  Polnische  Nation  hören,  die  einzelnen  Punkte  der  Re- 
formation seien  zu  wichtig,  als  dafs  man  sofort  eine  Antwort  geben 
könne ;  ,,duo  tarnen  puneta  videntur  maxime  statutis  et  universitati 
et  auetoritati  universitatis  contraire,  quorum  primum  est  de  supe- 
rioritate  ordinarii  et  seeundum  est  de  collegiaturis  in  collegio  prin- 
eipis solis  iurisperitis  dandis'-.  Die  hier  gerügten  Punkte  sind  die 
Hauptpunkte  von  No.  254.  Somit  ist  No.  254  (und  mit  ihr  253,  255, 
256)  am  14.  Oktober  1511  der  Universität  vorgelegt  worden. 

Fehler:  319,  38  „nach  amt  der  Statut"  —  „nach  laut  der 
Statut";  322,  14  „ann  iure"  —  „ann  ime";  323,  31  „anfehrt"  — 
„anfehet". 

No.  257. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1506—1537.  Das  Stück  ist  bald 
nach  dem  14.  Oktober  1511  anzusetzen,  da  es  No.  254  und  No.  256 
beantwortet  oder  begutachtet,  wie  bei  Vergleich  folgender  Stellen 
ersichtlich  wird : 

(No.  257)  326,  31    (No.  256)  325,  14 

326,  35  =    „    325,  22 

327,  11  =      „    325,  36 
327,  15  =    „    326,  5 
327,  18  =    „    326,  16 
327,  27  =  =  (No.  254)  322,  8 
327,  31  =     „    322,  16 
327,  35  =         322,  37 

Fehler:  327,  2  „prolirn"  —  „probirn" ; 327, 17  „wure"  —  „wurde". 

No.  258. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1506  —  1537.  Das  Stück  ist  bald 
nach  dem  14.  Oktober  1511  anzusetzen,  da  es  No.  254  beantwortet 
oder  begutachtet.    Vergl.  folgende  Stellen: 

{31Q   95 
322   37 


330,  25  = 

v> 

321,  32 

330,  32  = 

H 

327,  37 

331,  1  = 

J) 

319,  26 

331,  26  = 

M 

321,  24 

332,  7  = 

J1 

321,  39 

332,  13  - 

320,  38 

332,  16  = 

» 

322,  16 

ss  Felician  Gefs: 

No.  259. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1506—1537.  Das  Stück  gehört  in 
die  Jahre  1515—1519;  denn  aus  333,  40  geht  hervor,  dafs  die  Juristen 
Hausbesitzer  sind,  aus  333,  1,  wo  die  Hoffnung  ausgesprochen  wird, 
dafs  man  antiquas  und  novas  translationes  lesen  werde,  dafs  die  re- 
formierte Lektionsordnung  von  1519  noch  nicht  erschienen  ist  Vergl. 
Anm.  39. 

Fehler:  334,  8  „baccalauri  ender  do  arguirt"  —  „baccalaurien, 
der  do  arguirt". 

No.  260. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1506  —  1537.  Dafs  das  Stück  vor 
1515  zu  setzen  sei,  geht  aus  336,  32  „also  sali  auch  gescheen,  wenn 
das  pedagoge  dene  iuristen  übergeantwort",  dafs  es  vor  oder  spätestens 
1513  zu  setzen  sei,  geht  aus  der  Erwähnung  Kocheis  337,  5  hervor, 
der  1513  sein  Lehramt  aufgab,  um  herzoglicher  Kanzler  zu  werden. 
Wahrscheinlich  lag  es  bei  Abfassung  von  No.  254  vor  und  dürfte  in 
das  Jahr  1511  gehören. 

No.  261. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1506—1537.  Das  Stück  gehört  ans 
Ende  des  Jahres  1518  oder  an  den  Anfang  des  Jahres  1519,  da  fol- 
gendes Schreiben  des  Herzogs  vom  8.  April  1519  an  die  medizinische 
Fakultät  offenbar  die  Antwort  darauf  ist  (Loc.  10532  Leipzig,  Uni- 
versitäts-,  Rats-  und  andere  Händel  1367—1537  fol.  452b,  Konzept 
von  Kocheis  Hand):  Ihr  Lektionsverzeichnis  hat  den  Beifall  des 
Herzogs;  er  verspricht  denen,  die  fleifsig  lesen,  die  Besoldung  zu 
bessern;  „und  nachdem  unfs  ander  unser  obligenden  gescheut  halben 
itzo  kegen  Euch  kegen  Leypzigk  zu  kommen,  ganz  ungelegen,  und 
d;is  ander  euer  gesinnen,  also  was  das  lectorium,  die  liberey,  ana- 
thomia  und  anders  betreffende  ane  unser  beywesen  nicht  wol  fugklich 
magk  vorordent  werden,  wollet  mit  denselbigen  kurze  Zeyt  gedult 
tragen,  denn  so  balde  wir  kegen  leypzigk  kommen",  soll  Rat  in  diesen 
Dingen  geschaffen  werden. 


-< 


No.  262. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1506—1537.  Das  Stück  fällt  gleich 
nach  dem  14.  Oktober  1511.  Man  beachte  340,  22  (vergl.  No.  254, 
S.  321,  24),  341,  4  (vergl.  No.  255  S.  324,  26)  und  339,  16;  „Uff  be- 
hendete  e.  f.  g.  ordenungk  und  artickel  der  facultet  medicine  . .  haben 
wir  .  .  underhandelt"  etc. 

No.  275. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1509-1514.  Das  Stück  fällt  in  die 
Woche  vom  15.  bis  21.  Oktober  1511,  wie  aus  einem  Vergleich  her- 
vorgeht von  360,  33  ff  („Als  e.  f.  g.  itzt  hingst  gnedigiieh  vor- 
genomen  .  .  .  Information  und  ordenunge  zu  geben,  so  hat  man  am 
liebsten  dinstag  etzliche  artickel  derselbigen  ordenunge  in  eyner  ge- 
meynen  vorsamltmge  gelesen"  etc.)  mit  dem  Protokoll  der  Universitäts- 
versammlung  vom  Dienstag,  14.  Oktober  1511  (Universitäts- Archiv 
Conclusa  A  149b),  das  gegen  die  Superiorität  des  Ordinarius,  die 
Verleihung  der  Kollegiaturen  im  Fürstenkolleg  an  die  Juristen,  die 
Wahl  der  Exekutoren  aus  den  vier  Fakultäten  Einsprach  erhebt.  — 


Leipzig  und  Wittenberg.  89 

Der  mitunterzeichnete  Dr.  Heisenberg  war  übrigens  schon  am  4.  Sep- 
tember 1512  nicht  mehr  am  Leben  (an  diesem  Tage  beriet  die 
Universitätsversammlung  über  die  Besetzung  des  durch  seinen  Tod 
erledigten  Eanonikates  zu  Naumburg,  Universitätsarchiv  Conclusa  A 
156),  so  dafs  schon  aus  diesem  Grande  die  Zeitbestimmung  des  Urkb. 
hinfällig  ist. 

Fehler:  362,  38  „Schrintbergk"  —  „Schmitbergk". 

No.  276. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1509  —  1519.  Der  Endtermin  ist 
vielmehr  1511,  da  das  Stück  vor  No.  254  und  256  gehört,  wie  schon 
ein  Vergleich  von  364.  17  mit  322,  10  und  von  365,  16  mit  325,  21 
ergiebt. 

Fehler:  Das  Komma  364,  34  hinter  „gesellen"  ist  zu  streichen; 
es  verdunkelt  den  Sinn  des  ohnehin  schwerfälligen  Satzes  völlig. 
Der  Schreiber  will  sagen:  hat  ein  Examinator  einen  Widerwillen 
gegen  einen  Magister,  so  läfst  er  es  einen  Gesellen  dieses  Magisteis 
im  Examen  entgeltem 


"Ov 


No.  278  (vergl.  No.  228). 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1509  —  1537.  Der  370,  5  erwähnte 
Dr.  Noricus  wurde  4. November  1511  Doktor  (Za rucke,  Quellen  S.882) 
und  starb  8  Juli  1530  (Universitätsarehiv  Conclusa  A  154b:  „obiit 
vir  ille  non  incelebris  incestatus  anno  1530  ipso  die  Kiliani";  vergl. 
Urkb.  No.  362  vom  24.  Mai  1531,  wo  von  ihm  als  einem  Verstorbenen 
geredet  wird):  so  werden  die  Grenzen  1511  und  1530.  Mit  Rücksicht 
auf  die  weitere  Notiz  bei  Zarncke  (a.  a.  ().)  über  herzogliche  Un- 
gnade und  Ausschliefsung  aus  der  Fakultät  ist  der  Anfangstermin 
auf  1516  herab,  der  Endtermin  aber  ist  auf  1518  oder  Anfang  1519 
hinaufzurücken  in  Hinsicht  auf  folgenden  Brief  des  Leipziger  Amt- 
manns Cäsar  Pflug  an  Georg  vom  14.  Februar  1519  (Loa  10532 
Leipziger  Universitäts- ,  Rats-  und  andere  Händel  1367  — 1537 
fol.  461):  „Ich  vormercke,  das  der  rector  und  die  gantze  Universitet 
auserhalb  der  facultet  medicorum  E.  ff.  g.  befel  nach  Noricum  seiuen 
Stand  widergegeben  haben"  .  .  Georg  solle  doch  „den  medicis  sulche 
restitucionem  anderweit  bei  einer  grosen  pen  gebiten".  Zu  noch  ge- 
nauerer Bestimmung  dient  der  in  No.  228  —  die  lediglich  ein  An- 
hang zu  No.  278  ist  —  S.  274,  32  gebrauchte  Ausdruck  „e.  f.  g.  re- 
formation  für  sechzehen  iaren  geschehen".  Darnach  wird  No.  278  228 
mit  Sicherheit  in  das  Jahr  1518  oder  zu  Anfang  des  Jahres  1519 
gesetzt  werden  dürfen. 

No.  279. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1509—1537.  Ohne  Begründung  wird 
das  Stück  in  dieser  Zeitschrift,  Bd.  XIV  S.  11,  „um  das  Jahr  1509"  ge- 
setzt. Dafs  es  ein  Jahrzehnt  später  gehört,  geht  schon  aus  der  durch- 
gängigen Empfehlung  der  neuen  Translation  hervor  und  aus  372,  12 
„grammatica  greca  Theodori  sampt  eym  greckisch  poeten".  Das 
Stück  ist.  wie  Paulsen  (Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  67,  2) 
ganz  richtig  bemerkt,  ein  Konzept  zur  reformierten  Lektionsordnung 
von  1519,  die  sich  bei  Zarncke,  Statutenbücher  34  —  42,  findet. 
Paulsen  setzt  hinzu:  „Es  ist  nicht  unglaublich,  dafs  Hieronymus 
Einser,  Kaplan   und  Sekretär  des  Herzogs,  der  Verfasser  des  Kon- 


90  Felician  Gefs: 

zepts  ist  and  dann  vermutlich  auch  des  namenlosen  Berichts  No.  252: 
manche  kleinen  Züge  scheinen  auf  die  Identität  des  Verfassers  beider 
Stücke  zu  führen."  Hiergegen  bemerke  ich  wenigstens  soviel,  dafs 
No.  252  und  No.  279  von  verschiedener  Hand  geschrieben  sind,  keine 
von  beiden  von  der  Hand  Emsers,  die  sich  Luc.  10  299  Dr.  Martin 
Luthers  etc.  1517—1543  fol.  73  findet. 

No.  "2S(». 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1509—1537.  Das  Stück  fällt  jeden- 
falls nicht  vor  1517b  (=  Wintersemester  1517/18)  und  nicht  nach  April 
1523,  denn  15171»  wird  Magister  Wendelinus  Rau  (nicht  Ran!)  eist 
Magister  und  im  April  1523  erlangt  der  375,  22  als  Magister  bezeich- 
nete Konitz  die  Licentiatenwürde.  Folgende  Semester  dieses  Zeit- 
raumes, vi  na  Herbst  1517  bis  April  1523  (oder  1522b),  kommen  nicht 
in  Frage,  weil  in  ihnen  einer  der  in  unserem  Stück  mit  Namen  ge- 
nannten Magister  Dekan  war  (während  es  375,  18  blofs  heilst  D.  Decanus 
fac.  artium):  1517b,  1518b.  1519b,  1520a,  1522a.  Von  den  übrig- 
bleibenden Semestern  glaube  ich  1518  a  für  unser  Stück  in  Anspruch 
nehmen  zu  dürfen  mit  Rücksicht  auf  das  „nondum  eoruin  biennium 
compleverunt"  (375,  22),  das  sich  neben  Wendelinus  Rau  auch  auf 
Sebastian  Steinte  bezieht,  der  schon  1516b  Magister  wurde.  Übrigens 
ist  dieser  ohne  Zweifel  identisch  mit  dem  späteren  Prediger  zu  Joachims- 
thal (Luthers  Brief  an  ihn  vom  24.  August  1541  De  Wette  V,  391) 
und  Naumburg  (Briegers  Zeitschrift  für  Kirchengeschichte  II,  172). 

No.  283. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1510—1537.  Das  Stück  fällt  vor 
1515,  denn  die  Juristen  sind  noch  nicht  Hausbesitzer,  vergl.  383,  39 
und  384,  27;  es  fällt  nach  dem  14.  Oktober  1511.  da  bei  seiner  Ab- 
fassung' No.  254  vorgelegen  hat  (vergl.  380,  20  mit  321.  24).  Man 
wird  es  mit  Sicherheit  ans  Ende  des  Jahres  1511  setzen  dürfen. 

No.  2S7. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1511—1514.  Der  Endtermin  ist 
hinfällig,  da  Kochel  (392,  38  und  394,  9  und  15)  1513  Leipzig  ver- 
liefs  und  Kanzler  wurde.  Für  die  genauere  Bestimmung  kommen 
zwei  Stellen  in  Betracht:  392,  29  lectio  quinti,  „die  doctor  Cristoff 
seliger  gehabt  und  sich  nu  vorlediget".  Gemeint  ist  Dr.  Christoph 
Kuppener,  der  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1511  starb.  (Muther, 
Aus  dem  Universitäts-  und  Gelehrtenleben  S.  170.)  393,  23  sagt  der 
Schreiber  —  es  ist  der  Ordinarius  Lindemann  — :  „aber  got  weyfs, 
das  ich  in  meynen  ader  andern  Sachen  die  zwey  iar  nicht  X1III  tage 
von  dannen  gewest  bin".  Er  spricht  offenbar  von  der  Zeit  seines 
Ordinariates,  diese  aber  begann  im  April  1509  (vergl.  Copial  110  fol.  114, 
Mitteilung  an  die  Juristenfakultät,  dafs  der  Herzog  Lindemann  zum 
Ordinarius  ernannt  habe,  vom  12.  April  1509).  Ich  setze  das  Schrift- 
stück in  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  1511,  aber  vor  den  14.  Oktober 
1511,  da  es  offenbar,  wie  No.  250  (vergl.  diese!),  bei  Abfassung  von 
254  vorgelegen  hat, 

No.  295. 

Fehler:  404,  9  „yin"  —  „eyrn"  (=  einem)-,  404,34  „beruem" 
—  „bewern"  (—  bewähren);  405,  8  „neuen  collegiaten"  —  „neun 
collegiaten" ;  405,  22  „welchs  man  vorgeldunge"  —  „welchs  man  in 
vorgeldunge". 


Leipzig  und  Wittenberg.  91 

No.  '297. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1514  —  1537.  Der  Endtermin  ist 
1519,  denn  in  diesem  Jahre  wurde  Pistoris  Ordinarius,  das  Stück 
aber  führt  eine  andere,  nicht  näher  bezeichnete  Person  (es  ist  Linde- 
mann) als  Ordinarius  an. 

No.  298. 

Z eitbes  tim in  u n g :  Urkb.  1 515—1 5 1 7.  1  )ie Eingabe,  die  übrigens 
keineswegs  von  der  Artistenfakultät,  sondern  lediglich  von  15  Magistern, 
nieist  Nichtfakultisten,  stammt  und  von  Helt  von  Forchheim  aufgesetzt 
ist  —  trägt  das  Datum  XTI  martii.  Dem  März  1517  kann  sie  nicht 
angehören,  denn  damals  verliefe  Crocus  Leipzig,  aber  nicht  um  nach 
Böhmen,  sondern  um  nach  England  überzusiedeln  (vergl.  die  Briefe 
von  Emser,  Ocbsenfart  und  Mosellan  an  Erasmus  vom  15.,  18.  und 
24.  März  1517,  die  Crocus  überbrachte,  Erasmi  opera  III,  1592  und 
1596);  dem  März  1515  kann  sie  schwerlich  angehören,  da  sie  erkennen 
läfst,  dais  Crocus,  der  1515  erst  nach  Leipzig  kam,  dort  bereits  eine 
fruchtbare  Lehrthätigkeit  entfaltet  hatte.  Für  den  12.  März  1516 
aber  sprechen  folgende  Angaben:  1.  Leipziger  Ratsarchiv,  Stadtkassen- 
rechnungen für  1516:  da  Herzog  Georg  dem  Crocus  80  Gulden  für 
dies  Jahr  zugesagt  habe,  das  Geld  aber  allein  nicht  zahlen,  sondern 
von  Universität  und  Stadt  unterstützt  sein  wolle,  so  habe  diese 
20  Gulden  gegeben.  2.  Beschlufs  der  Artistenfakultät  vom  16.  April 
1516  (nicht  1515,  wie  Böhme,  der  den  Beschlufs  S.  187  abdruckt,  S.  175 
annimmt),  dem  Crocus  auf  Wunsch  des  Herzogs  10  Gulden  fürs  Jahr 
zu  geben.  3.  Brief  Mosellans  an  Mutian,  Leipzig,  25.  Mai  1516 
(K  r  au  s  e  S.  606) :  „Tu  nostris  hiis  nundinis  vemis  heros  quidam  Boemns 
itop  nofa'XpriuaTioy  per  suos  legatos  nie  ad  se  vocavit,  proposito 
etiam  centum  aureorum  salario,  et  cum  tempus  iam  statutum  appe- 
teret,  quo  mittendus  erat,  qui  nie  aveheret  currus,  ecce  ad  me  adierunt, 
qui  et  heroa  e  vivis  excessisse  nunciabant  et  universam  Boemiam  se- 
ditionum  procellis  fluctuare.  Qnare  consilium  non  esse,  me  eo  ut 
conferrem."  Man  wird  in  der  Annahme  nicht  fehl  gehen,  dafs  Mo- 
sellan als  Ersatzmann  für  Crocus  von  dem  böhmischen  Herren  aus- 
ersehen worden  war. 

Fehler:  407,  2  „avelli  praesentem  quam  absenti"  —  „avelli 
praesentem  dux  magnificentissimus',  quam  absenti";  407,  16  „Lau- 
banus" —  „Aubanus";  407,  19  „Vurilius  ("■?)"  —  „Vuerlerus". 

No.  29». 

Fehler:  408,  26  „der  lange  Sachssbider  weyfs  yre  namen. 
Solchs"  —  „der  lange  Sachsse,  der  weyfs  yre  namen  und  kennet  yr 
werk.     Solchs". 

No.  302. 

Fehler:  415,  19  „punctation"  — „permutation" ;  415,  25  „die 
mit  iren  artihus  institutis"  —  „die  mit  iren  actibus  in  Servitute". 


No.  306. 

Fehler:   419,  25    „gebieten"    —    „gelieten" ;   419,  29    „streb- 
same" —  „erbsame"  (=  ehrsame;. 


92  Felician  Gefs: 

No.  311. 

Fehler:    424.  37   „galante"  —  „gelarte";   425,   27   „zustchach" 
—  „zuschaden". 

No.  314. 

Fehler:  429,  14  „tzwe"  —  „tzw"  (=  zu);  429,  15  „in  irem 
besten"  —  „in  irem  lesen";  429,  17  „gradus"  -  -  „gradui". 

No.  31«. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1519  —  1526.  Das  Stück  gehört  in 
den  August  (nach  dem  17.)  1521,  wie  aus  dem  Beschlüsse  des  Leip- 
ziger Rates  (Leipziger  Katsarchiv  I,  25  b)  vom  Sonnabend  nach 
Assumtionis  Maria  (—  17.  August)  1521  hervorgeht,  in  der  Sache 
Veit  Wiedemanns  und  des  Studenten,  .,so  yme  in  seynem  hause  ge- 
stolen  und  in  des  Bischoffs  zu  Merfsburg  gefengkuis  sitzt",  dem  Herzog 
Georg  zu  beliebten. 

Fehler:  430,  33  „befordern"  —  „erfordern";  431,  18  „bat" 
„bitt";    431,  26   „angelaste"    —  „angelassen";  432,  35   „keynen" 


-  „eynen" 


No.  321. 


Fehler:  439,  9   „Pachewel"  —  „Pachelbel" ;  439,  11   „Heyen- 
dorffinus"  —  „Heoendorffinus". 


■'S' 


No.  328. 

An  Stelle  dieses  Stückes,  das  lediglich  von  der  erfolgten  Über- 
sendung eines  dem  Inhalt  nach  nicht  einmal  charakterisierten  Berichtes 
an  den  Herzog  berichtet,  wäre  doch  zweckmäi'siger  dieser  Bericht 
selbst  zum  Abdruck  gebracht  worden.  Er  findet  sich  zwei  Seiten 
vorher  im  selben  Aktenstück  (Loc.  9884  „Leipziyische  Händel"  1519 
bis  1526)  und  ist  vom  31.  Oktober  1521. 

No.  333. 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1522.  Folgende  nähere  Zeitangabe 
ist  am  Schlufs  des  Stückes  von  der  Hand  des  Kanzlers  Kochel  quer 
geschrieben :  „Doctores  facultatis  iuridice.  Vnderricht  der  promocion 
halben,  meyn  gn.  hern  Herzogk  Georgen  von  allen  faculteten  zn 
Leipzigk  Überantwort  freitagk  nach  augustini  anno  xxij"  —  29.  August 
1522.  —  Warum  das  Urkb.  nur  diesen  Bericht  der  Juristen  und  nicht 
auch  den  der  Artisten  (28.  August  1522)  und  den  der  Theologen  über 
die  Promotion  bringt,  ist  nicht  einzusehen;  beide  finden  sich  im 
gleichen  Aktenstück,  wie  der  der  Juristen,  fol.  132  und  124,  und 
spielen  in  sehr  bemerkenswerter  Weise  auf  die  religiöse  Bewegung  an. 

Fehler:  447,  25  „annehmen  ....  zugehen"  —  „annehmen, 
Spröde  (=  spröde)  zugehen". 

No.  33!). 

Zeitbestimmung:  Urkb.  1523  —  1542.  Beide  Termine  sind 
unmöglich,  da  der  Adressat  des  Briefes  schon  seit  1539,  der  Schreiber 
gar  seit  1523  nicht  mehr  lebt.  Das  Stück  mufs  nicht  nur  vor  1523, 
sondern  auch  vor  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  1515  fallen,  denn 
späterhin  ist  der  Adressat  nicht  mehr  „in  Frifsland  erblicher  Guber- 


Leipzig  und  Wittenberg.  98 

nator  des  reychs";  es  mufs  sogar  vor  den  4.  November  1511  fallen, 
denn  an  diesem  Tage  wurde  Auerbach,  von  dem  es  45K,  35  heilst 
„iczunder  licenciat  wurden",  Dr.  med.  (Zarncke,  Quellen  S.  882); 
es  kann  in  kein  früheres,  als  in  das  Jahr  150!»  fallen,  denn  in  diesem 
wurde  der  Schreiber  Dekan  und  als  solchen  giebt  er  sich  45(j,  7  und 
457,  3.  Darnach  werden  die  Grenzen  1509  und  4.  November  1511. 
Eine  genauere  Bestimmung  ergiebt  sich  bei  Vergleich  von  455,  41 
mit  folgendem  Beschlufs  des  Leipziger  Rates  (Leipziger  Ratsarchiv  I, 
25a,  fol.  73b)  vom  4.  April  1511:  „Doctor  Conradus  hat  iijc  fl  uffs 
Rathhaus  geleget  uff  leipzins  und  von  stunt  vorstorben  und  kein 
tzins  gehaben,  darumb  wil  der  Rath  seiner  seien  und  allen  glaubigen 
seien  zu  trost  ein  spende  geben  und  in  des  raths  todtbuch  schreiben 
und  mit  andern  rathhern  vor  sein  sele  bitten."  Man  darf  annehmen, 
dafs  dieser  Beschlufs  sehr  bald  nach  dem  Tode  des  Doktors  erfolgt, 
unser  Stück  also  in  die  Zeit  vom  März_bis  Oktober  1511  zu  setzen  ist. 

No.  398. 

Fehler:  520,  27  „auch  von  nothen  seyn,  wye  in"  —  ,,auch  von 
nothen  seyn  wyl  in";  521,  8  „weys"  —  „weyb" ;  522,  22  „gytribe  (?)" 
—  „gynhe"  (=  gienge). 

No.  504. 

Dieses  Testament  ist  nicht  vom  21.  Mai  1554,  sondern  vom 
3.  Juni  1504:  actum  feria  secunda  post  trinitatis  anno  domini  mille- 
simo  quingentesimo  quarto".  Seelmessen  in  Leipzig  zur  Zeit  des 
Kurfürsten  August  —  das  heifst  doch  der  Leichtgläubigkeit  der  Re- 
formationshistoriker zu  viel  zumuten! 


III. 
Geschichte  der  Burg  Recheiiberg. 

Von 
Georg  Pilk. 


Im  obersten,  tief  eingeschnittenen  und  engen  Thale 
der  Freiberger  Mulde  liegt  der  Flecken  Rechenberg. 
Über  seinen  zu  beiden  Seiten  des  Baches  erbauten  Wohn- 
häusern thront  ein  senkrecht  aufragender  und  gleich  einem 
Vorgebirge  ins  Thal  herausspringender  Felsen.  Derselbe 
trug  ehemals  eine  vielgenannte  Burg.  Lange  schon  ist 
der  kühne  Bau  zerfallen,  sein  Mauerwerk  fast  spurlos 
hinweggetilgt  und  auch  sein  Andenken  in  der  Erinnerung 
der  umwohnenden  Bevölkerung  beinahe  verweht. 

Die  Burg  Rechen b er g  wurde  wahrscheinlich  gegen 
Ende  des  13.  oder  zu  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  er- 
baut. Zweck  ihrer  Anlage  war  der  Schutz  jener  im 
späteren  Mittelalter  stark  begangenen  Freiberg -Duxer 
Strafse,  welche  daselbst  vorüberführte  und  anfänglich 
unterhalb  der  Riesenburg,  später  aber  bei  Klostergrab 
in  das  Ossegger  Thal  mündete1).  Die  hier  errichtete 
Feste  war  sehr  klein.  Sie  bestand  nur  aus  einem  einzigen 
starken  Turme  mit  jedenfalls  sehr  geringen  Anhängseln, 
so  dals  der  Verfasser  einer  späteren  Urkunde  fast  im 
Zweifel  war,  ob  dem  kleinen  Felsenneste  der  Name  einer 


')  Drei  Urkunden  des  königl.  Hauptstaatsarchivs  gedenken  der- 
selben: Orig.  No.  289.'5  d.  d.  25.  August  1341:  „Nos  —  Johannes  — 
ßoemie  rex  —  ßorsoni  de  Risenburch  et  heredibus  suis  —  indul- 
genius  — ,  quod  ipsi  stratam  de  Mysna  versus  Boeniiain  ante  castrum 
Ossec  vulgariter  dictum  Risenburch  tendentem  trans  villam  dictam 
Grab  —  transtulerunt"  ...  —  Orig.  No.  4242  und  4241  d.  d.  12./13.  Juli 
1378:  „. . . .  die  strazze,  die  gen  Rechenberg  geet" 


Geschichte  der  Burg  Recheiiberg'.  95 

Burg-  oder  einer  blolsen  Befestigung  zukäme2).  Als  un- 
mittelbare oder  mittelbare  Urheber  des  Schlosses  Rechen- 
berg dürfen  die  böhmischen  Magnaten  von  Riesenburg, 
zu  deren  ausgedehnten  Besitzungen  jener  Punkt  zählte, 
angenommen  werden.  Das  schon  im  13.  Jahrhunderte  vor- 
kommende und  noch  gegenwärtig  blühende  Geschlecht 
derer  von  Rechenberg  steht  mit  diesem  Orte  in  keinem 
Zusammenhange,  da  dessen  Herkunft  von  einem  gleich- 
namigen schlesischen  Dorfe  im  Goldberg-Hainauer  Kreise 
abzuleiten  ist. 

Durch  die  gesamte  ältere  Geschichte  der  sächsisch- 
böhmischen  Grenzländereien  zieht  sich  wie  ein  leitender 
Faden  das  Bestreben  der  Meilsner  Markgrafen  nach 
Ausdehnung  und  Vergrößerung  ihres  Besitzstandes  nach 
Böhmen  hinein.  So  auch  hier.  Schon  Markgraf  Friedrich 
der  Ernsthafte  (1324—49)  suchte  das  wichtige  Strafsen- 
Sperrfort  Rechenberg  unter  seine  Botmäisigkeit  zu  bringen. 
Damit  er  oder  seine  Nachfolger  später  gerechtfertigtere 
Ansprüche  darauf  erheben  könnten,  bot  er  Bor  so  II. 
von  Riesenburg  die  Summe  von  50  Schock  Groschen, 
falls  dieser  das  zu  Böhmen  gehörige  Schlols  aus  des 
Markgrafen  Händen  sich  zu  Lehen  reichen  Heise.  Wenn 
der  Inhaber  dieser  Besitzung  auf  solche  Weise  die  meiis- 
nischen  Fürsten  in  Bezug  auf  Rechenberg  als  seine  Lehns- 
herren und  sich  selber  als  deren  Vasallen  anerkannte, 
niulste  es  den  Markgrafen  später  leichter  fallen,  Rechen- 
berg als  Zubehör  ihres  Landes  in  Anspruch  zu  nehmen. 
Borso  IL  scheint  auch  darauf  eingegangen  zu  sein. 

Von  denen  von  Riesenburg  gelangte  Rechenberg, 
vielleicht  durch  Heirat,  auf  kürzere  Zeit  an  den  Burg- 
grafen Mein  her  IV.  von  Meifsen.  Diesen  belehnte 
damit  im  Jahre  1340  ebenfalls  das  markgräflich  meils- 
nische  Haus,  wobei  sich  letzteres  das  sogenannte  Öffnungs- 
recht an  dem  Schlosse  vorbehielt3). 

Nicht  lange  darnach  gehörte  Rechenberg  wieder  zur 
Herrschaft  Riesenburg,  welche  mittlerweile  an  Borso's  IL 
Söhne  namens  Slauko  und  Borso  HL  übergegangen 
war.  Genannte  beiden  Brüder  wurden  von  seifen  Mark- 
graf Friedrichs  des  Strengen  wiederum  bewogen,  Rechen- 
berg von    der   meilsnischen   Lehnskurie   in   Empfang    zu 


")  Cod.  Sax.  II.  3,  1H1 :  super  allodio  tum  ceterisque  bonis 

castri  sive  fortalitii  Rechenberg-"  .... 

3)  Hauptstaatsaivhiv  Wittenberger  Inventarium  Bl.  64 


Qfi  Georg  Pilk: 

nehmen.  Sie  willigten  darein,  vielleicht  in  Befürchtung- 
gewisser  Nachteile  im  Weigerungsfalle,  obgleich  sie  wußten, 
daß  ihrem  verstorbenen  Vater  die  für  das  gleiche  Ent- 
gegenkommen seiner  Zeit  in  Aussicht  gestellte  Belohnung 
vorenthalten  worden  war.  In  einem  Revers  vom  28.  Februar 
1350  erklärten  sie,  dals  ihnen  Rechenberg  vom  Mark- 
grafen Friedrich  geliehen  worden  sei,  und  versprachen, 
die  Burg  bei  einer  etwaigen  Veräufserung  zuvörderst  ihm 
oder  seinen  Nachfolgern  zur  Erwerbung  anzubieten,  und, 
wofern  das  markgräfliche  Haus  von  dem  Vorkaufsrechte 
keinen  Gebrauch  mache,  dieselbe  alsdann  nur  an  meils- 
nische  ünterthanen  zu  überlassen.  Zugleich  verzichteten 
die  Gebrüder  von  Riesenburg  auf  ihre  Ansprüche  an  die 
ihrem  seligen  Vater  einst  verheifsenen,  jedoch  noch  nicht 
zur  Auszahlung  gelangten  50  Schock  Groschen4).  An 
ebendemselben  Tage  verlieh  der  Markgraf  der  Gemahlin 
Borso's  II.  von  Riesenburg,  Sofia,  Rechenberg  als  Leib- 
gedinge, in  dessen  Niefsbrauch  sie  nach  dem  Tode  ihres 
Gatten  gelangen  sollte5). 

Die  bisher  geschilderten  Bemühungen  der  Wettiner, 
Rechenberg  als  einen  von  ihnen  lehnsabhängigen  Ort  zu 
kennzeichnen,  hatten  deshalb  keinen  Erfolg,  und  die 
Markgrafen  konnten  vorläufig  ihre  Prätension  nicht  aus- 
nützen, weil  man  in  Böhmen  sich  wohl  bewufst  war,  dals 
die  Burg  ein  Zubehör  der  böhmischen  Krone  bildete. 
Diese  Ansicht  gelangte  zum  Ausdruck  in  der  am  25.  No- 
vember 1372  zwischen  Kaiser  Karl  IV.  und  König  Wenzel 
einerseits  mit  den  Markgrafen  Friedrich,  Balthasar  und 
Wilhelm  von  Meifsen  andererseits  geschlossenen  Erb- 
einigung, deren  Wortlaut  Rechenberg  als  böhmisches 
Lehen  bezeichnet6). 

Festere  Rechtsunterlagen  für  die  Lehnshoheit  über 
Rechenberg  erwarb  Markgraf  Wilhelm  erst  am  4.  Februar 
1398,  als  er  die  gesamte  Herrschaft  Riesenburg,  mit  der- 
selben also  auch  Rechenberg,  für  40000  Mark  lötigen 
Silbers  von  Borso  III.  von  Riesenburg  wiederkäuflich  an 
sich  brachte7).  Unter  der  „ehrbaren  Mannschaft",  die 
der  Verkäufer  dem  Markgrafen  überwies,  befand  sich 
auch  S  ebnitz  Kundige  auf  Rechenbergs).    Dieser  Burg- 

')  Märcker,  Burggraftum  Meifseu  S.  479 fg. 

5)  Ebendas.  S.  75  Anmerk.  J  9. 

•)  Hauptstaatsarchiv  Orig.  No.  4036. 

7)  Ehendas.  Cop.  30  Bl.  119b  fg.,  desgl.  Cop.  1316  Bl.  78. 

8)  Ebenda«.  Cop.  1316  Bl.  140 b:  „Dis  ist  die  erbar  mauscbaft, 


Geschichte  der  Burg-  Rechenberg.  07 

herr,  der  Rechenberg  demnach  als  Aftervasall  des  Herrn 
von  Riesenburg  inne  gehabt  hatte,  entstammte  einer 
meißnischen  Adelsfamilie,  welche  in  Dresden  und  dessen 
Umgegend  begütert  war9).  Sebnitz  Kundige  verkaufte 
Rechenberg  im  Jahre  1400  an  den  Burggrafen  M ein- 
her VI.  von  Meifsen.  Markgraf  Wilhelm  der  Einäugige 
belehnte  den  letzteren  laut  eines  Reverses  vom  27.  Juli  1400 
im  nämlichen  Jahre  damit  unter  dem  Vorbehalte,  die 
Burg  im  Kriegsfalle  militärisch  besetzen  zu  dürfen10)  oder, 
wie  ein  Kopialvermerk  etwas  abweichend  besagt,  dals  der 
Burggraf  dem  Fürsten  treulich  in  allen  Streitigkeiten 
und  Nöten  mit  dem  Schlosse  Rechenberg  dienen  sollte, 
dals  endlich  auch  des  Burggrafen  Besitznachfolger  Rechen- 
berg von  dem  Markgrafen  oder  dessen  Erben  zu  Lehen 
nehmen  und  in  gleicher  Weise  damit  dienstpflichtig  sein 
sollten11). 

Zur  Zeit  Friedrichs  des  Streitbaren  (f  1428)  hausten 
auf  Rechenberg  die  von  Schön berg  und  nach  denselben 
die  von  Gorenzk.  Friedrich  der  Sanftmütige  sagt  näm- 
lich in  einer  Urkunde  von  1449,  dafs  letztere  Familie 
den  Rechenberg  schon  von  seinen  Voreltern  zu  Lehen 
innegehabt  hätte,  und  einer  von  Gorenzk  bezeichnet  in 
einem  später  zu  besprechenden  Schriftstücke  wiederum 
die  Schönberge  als  Besitzvorgänger  seines  Geschlechts12). 


die  er  Borsse  von  Resinburg  an  myn  heren  Wilhelm  marcgraffen  zu 

Missen  gewiest   hat: Item   Zebenicz  Kundige  hat  zu  lehene 

Rechenberg  das  huß  mit  aller  zugehorunge" 

9)  Richter,  Verfassungs-  und  Verwaltung^  -  Geschichte  von 
Dresden  1,  18,  413.  II,  221.  III,  39.  —  Über  Berg  und  Thal,  Jahrg. 
1891,  S.  199  fg.  —  „Sebenitz  Kundige"  wird  nochmals  als  Gewährsbürge 
erwähnt  am  2.  Februar  1406.  Grund  mann,  Cod.  diplom.  episcop. 
Misn.  (Mscpt.)  V,  1259. 

10)  Märcker  a.  a.  0.  S.  519. 

")  Hauptstaatsarchiv  Cop.  30  Bl.  139 :  „Rechenberg.  Dominus  con- 
tulit  nohili  domiuo  Meynhero  burcgravio  Missnensi  et  suis  heredibus 
feodalibus  castrum  dictum  Rechenberg  emptum  a  Sebenicze  Kuudigen 
cum  omnibus  suis  iuribus  aquis  silvis  neinoribus  et  pertinenciis,  sicud 
idem  Sebenicz  hucusque  possedit,  pfeodi  (sie!)  titulo  possidendum, 
sie  quod  idem  buregravius  et  sui  heredes  domino  fideliter  in  omnibus 
suis  litigiis  et  necessitatibus  serviant  contra  quoseunque  neminem 
exceptum  et  quod  dominus  ad  dictum  castrum  inteimittatur;  eciam 
si  buregravius  vel  sui  heredes  predicti  castrum  predictum  vendere 
voluerint,  tunc  is,  qui  dictum  castrum  emeret,  deberet  castrum  pre- 
dictum a  domino  et  suis  heredibus  reeipere  in  feodum  et  domino  et 
suis  heredibus  de  ipso  castro  et  talia  facere  servicia,  sicud  idem 
buregravius  fecit  et  consuevit  facere.  Datum  Grymme  anno  domini 
m^  cccc^.tt 

12)  Ebeudas.  Cop. 43  Bl.  191b  fg.  —  W.  A.  Örter:  Rechenberg  Bl.  1. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XVI.  1.2.  7 


08  Georg  Pilk : 

Während  der  unter  ersterem  Fürsten  ausgebrochenen 
Hussitenkriege  spielte  die  Burg  liechenberg  eine  nicht 
unwichtige  Rolle.  Die  sächsischen  Herrscher  konnten, 
ungehindert  und  gedeckt  durch  die  Feste,  ihre  Truppen 
über  den  dort  vorüberlaufenden  Pals  nach  Böhmen  führen, 
so  u.  a.  im  Winter  1423  eine  Abteilung  Dresdner  Schützen 
nach  Dux1:3).  Auch  das  grolse  Meilsner  Heer,  das  die 
Kurfürstin  Katharina  1426  bei  Freiberg  sammelte  und 
nach  Böhmen  entsendete,  dürfte  hier  das  Gebirge  über- 
schritten haben.  Ob  dann  im  weiteren  Verlaufe  jenes 
Krieges  liechenberg  in  die  Hände  einer  Hussitenschar 
tiel  und  diese  von  Dresdner  Kriegern  darin  belagert 
wurde,  oder  ob  die  Burg  unbezwungen  blieb  und  nur 
mit  frischen  Streitkräften  seitens  der  Stadt  Dresden  ver- 
sehen wurde,  bleibt  ungewifs.  Möglicherweise  konnte 
auch  der  Schloisherr  durch  feindseliges  Verhalten  Anlaß 
zum  Einschreiten  gegen  ihn  gegeben  haben.  Sicher  ist, 
dais  Dresden  im  Jahre  1431  eine  Heerfahrt  nach  liechen- 
berg unternahm.  Die  Kosten  für  dieselbe  verzeichnen 
die  dasigen  Ratsrechnungen11). 

Schon  vor  1440  war  ein  Michel  von  Goren zk 
Besitzer  des  Schlosses  Rechenberg.  Er  wurde  samt  seinen 
Brüdern  Wolf  und  Tietze  von  Gorenzk  am  19.  August 
1440  von  Kurfürst  Friedrich  dem  Sanftmütigen  und  Herzog 
Wilhelm  III.  damit  neubelehnt15).  „Michele  von  Gorenczk 
zcum  Rechenberge  gesessen"  lieh  seinen  Landesherren 
am  19.  August  1440  vierhundert  rhein.  Gulden  auf  zwei 
Jahre  gegen  eine  jährliche  Verzinsung  von  40  Gulden, 
was  dem  damals  üblichen  zehnprozentigen  Zinsfulse  ent- 
sprach. Für  die  Rückerstattung  des  Kapitals  nach  aus- 
bedungener   halbjähriger    Kündigung    leistete    die    Stadt 


1!J)  Ratsarchiv  Dresden.  A.  XVb  3.  Bl.  24b:  „Item  v.  gr.  vor 
eynen  slitten,  den  di  gesellen  zcu  liechenberg  kouften,  do  se  keyn 
Toczczaw  czogen."  (Vergl.  Neubert,  Dresdner  Sehnt  zengesell- 
schaften  S.  6.) 

")  Bbendas.  Bl.  256h:  „Distributa  in  die  herfard  keyn  Etechen- 
berge.  Primo  Ofenbruche  vj  gr.  /cu  zcernnge;  item  Pesschil  x  gr. 
Furluthen:  Mertin,  der  im  stalle  was,  x  gr.,  Math,  von  Strenlin  x  gr., 
Schotheis  x  gr.,  Gobi!  x  gr.;  item  eyme,  der  mittefur,  ij  gr.  zcu 
sclmii;  item  ij  gr.  vor  strenge,  item  Könige  ij  gülden  vor  dorre 
vissche,  item  A.pnewicz  wybe  vj  gr.;  item  \m  selbir,  alze  her  weder 
qwam,  j  gülden*,  item  xxx  gr.  vor  eyne  halbe  tonne  kese;  item  Clemens, 
der  mitte  was,  vj  gr.';  item  demselben  dornach  v  gr.  von  geheise; 
item  vmhe  eynen  scneffil  salcz  xij  gr." 

,6)  Hauptstaatsarchiv  Cop.  40  Bl.  120.  —  Seidemann,  Über- 
lieferungen etc.  S.  15. 


Geschichte  der  Burg-  Rechenberg.  90 

Dresden  mittelst  Anhängung  ihres  Siegels  an  den  Schuld- 
brief Bürgschaft1'').  Drei  Jahre  später,  am  25.  August 
1443,  wurden  Veronika,  der  Gemahlin  Wolfs  von  Gorenzk, 
200  Schock  Groschen  „uf  dem  Rechenberge"  und  anderen 
Gütern  verschrieben.  Die  betreffende,  ihr  für  den  Todes- 
fall ihres  „ehelichen  Wirtes"  zugesicherte  Summe  bildete 
das  Kapital  einer  Leibrente,  vor  dessen  Erlegung  sie  die 
Nutznießung  der  Güter  nicht  abzutreten  hatte.  Zu  Vor- 
mündern, welche,  wie  üblich,  die  Witwe  in  ihren  E echten 
schützen  sollten,  wurden  ihr  Friedrich  von  der  Öls- 
nitz,  Hans  von  Karas  zu  Eeinhardsgrimma  und 
Hans  von  Staupitz  beigegeben17).  Wolf  von  Gorenzk 
hinterließ  bei  seinem  um  1449  erfolgten  Ableben  einen 
unmündigen  Sohn  namens  Hans.  Zu  des  letzteren  Gunsten 
beschlossen  die  herzoglichen  Eäte  Hans  von  Maltitz  und 
Heinrich  von  Bünau,  sein  väterliches  Erbe  Rechenberg 
von  seiner  Mutter  ablösen  zu  lassen.  Tietzke  von  Gorenzk, 
der  Oheim  des  jungen  Mündels,  erklärte  sich  bereit  zur 
Zahlung  von  160  Schock  Groschen  an  seine  Schwägerin 
Veronika  für  deren  Eücktritt.  Dafür  wollte  er  die  Burg 
selber  in  Lehen  nehmen  und  seinem  Neffen  das  Eecht 
der  gesamten  Hand  daran  bewilligen.  Die  Witwe  war 
damit  einverstanden.  In  Gegenwart  ihrer  Vormünder 
leistete  sie  „mit  lachendem  Munde",  wie  die  alte  Rechts- 
formel  besagt,  Verzicht  auf  ihre  Ansprüche  und  lieferte 
ihren  Leibgedingebrief  aus.  So  erhielt  nunmehr  Tietze 
von  Gorenzk  die  Burg  Eechenberg  samt  dem  „Städtlein 
darunter  und  dem  Dorie  Nassaw"  vom  Kurfürsten  Fried- 
rich 1449  verliehen.  Dem  jungen  Hans  von  Gorenzk 
wurde  dabei  noch  das  Recht  zugebilligt,  dals  er  nach 
erlangter  Volljährigkeit  das  Schlots  Rechenberg  für  die 
gleiche  Summe  von  160  Schock  Groschen  von  seinem 
Oheim  zurückkaufen  dürfte,  welcher  es  ihm  dann  unver- 
züglich einräumen  und  nur  die  Gesamtlehen  daran  be- 
halten sollte1*).  Diese  Urkunde  ist  die  älteste  derjenigen, 
die  den  Flecken  Rechenberg  als  ein  „Städtlein"  bezeichnen. 
Noch  1451  war  Tietze  (Dietrich)  von  Gorenzk  zu  Rechen- 
berg  gesessen.  Am  15.  Oktober  dieses  Jahres  liefs  der- 
selbe seiner  Gattin  Agnes  die  Summe  von  200  Schock 
Groschen  versichern.     Solche   sollte  ihr    „zeu  einer  abe- 


lfi)  Hauptstaatsarchiv  Cop.  12  Bl.  ß. 
17)  Ebeudas.  Cop.  42  Bl.  225  b. 
1S)  Ebendas.  Cop.  43.  Bl.  191  b  fg. 


100  Georg  Pilk: 

legung",  falls  er  vor  ihr  und  ohne  Leibeslehnserben  sterben 
würde,  von  dem  nachmaligen  Inhaber  der  Burg  Rechen- 
berg auf  einem  Zahlungstermine  in  Dresden  ausgehändigt 
werden.  Bei  Hinterlassung  von  Kindern  sollte  die  Witwe 
die  200  Schock  nicht  verlangen,  so  lange  sie  bei  denselben 
im  Schlosse  wohnen  bliebe;  falls  sie  aber  von  ihnen  ziehen 
und  „ihren  Witwenstuhl  verrücken"  (d.  h.  sich  wieder 
verheiraten)  würde,  sollten  die  Kinder  ihr  jene  Summe 
zahlen19). 

In  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  bildete  Rechen - 
berg  einen  Gegenstand  der  Streitigkeiten  zwischen  Sachsen 
und  Böhmen.  Georg  Podiebrad  hatte  die  alten  Ansprüche 
der  böhmischen  Krone  auf  die  jetzt  in  Sachsens  Händen 
befindliche  Burg  hervorgesucht  und  geltend  gemacht. 
Gegenüber  seiner  Forderung,  diesen  und  andere  „ent- 
fremdete" Orte  an  Böhmen  zurückzugeben,  drangen  die 
sächsischen  Diplomaten  mit  Darlegung  ihrer  Rechtstitel20) 
nicht  durch.  Der  den  langdauernden  Zerwürfnissen  ein 
Ende  machende  Vertrag  zu  Eger  vom  25.  April  1459  be- 
liels  Rechenberg  bei  Sachsen,  jedoch  in  der  Eigenschaft 
eines  böhmischen  Lehens.  Als  solches  wurde  es  allen 
folgenden  Beherrschern  dieses  Gebietes  von  den  Königen 
von  Böhmen  gereicht  und  in  jedem  Lehnbriefe  derselben 
speziell  mit  aufgeführt,  bis  das  im  Jahre  1806  zum  König- 
reiche erhobene  Sachsen  der  böhmischen  Lehnsunterthänig- 
keit  entbunden  ward. 

Tietze  von  Gorenzk  besals,  wie  es  scheint,  keine 
männliche  Nachkommenschaft,  denn  der  sogenannte  An- 
fall an  seiner  Burg  war  dem  Burggrafen  Hart  mann 
von  Kirchberg  zugestanden  worden.  Von  letzterem 
erkaufte  dieses  Recht  Hans  We  ig  hart,  der  darauf 
samt  seinen  Söhnen  Franz.  Heinrich,  Krieg  und  Hans 
die  Eventualbelehnung  erhielt21).  Tietze  von  Gorenzk 
erachtete  es  für  angezeigt,  noch  vor  seinem  Ableben  das 
Schlots  Rechenberg  zu  veräußern.  Von  ihm  erstand  es 
der  genannte  Hans  Weighart  am  2.  Oktober  1463  fin- 
den Breis  von  400  Schock  G  röschen.  Die  Kaufsverhand- 
luugen  zwischen  beiden  Kontrahenten  hatten  Nickel  von 
Schönberg,  Hofmeister  der  Herzogin,  Nickel  von  Pflugk 


,n)  Haupt  Staatsarchiv  Cop.  14  J',1.  214 

20)  Bachmann,  Briefe  und  Akten  (Fontes  rerum  Austriacarum 
II,  44)  S.  2  f. 

-')  Hauptstaatsarchiv  Cop.  45  BL  166b. 


Geschichte  der  Burg  Rechenherg.  101 

zu  Knauthain  und  Bernhard  von  Schönberg  auf  Purschen- 
stein  geführt,  Hans  Weighart,  welchem  unter  Mitbelehn- 
schaft  seiner  bereits  namhaft  gemachten  Söhne  das  Schlofs 
Rechenberg  mit  dem  Städtchen  und  den  Dörfern  „Nassaw" 
und  „Nyder-Rechenbergk,  an  dem  böhmischen  Walde  ge- 
legen", vom  Kurfürsten  Friedrich  am  22.  Mai  14G4  ver- 
liehen wurde,  war  einer  begüterten  Bürgerfamilie  ent- 
sprossen, der  schon  1349  der  sogenannte  Turmhof  vor 
Freiberg  gehörte.  Daselbst  war  auch  Hans  Weighart, 
ehe  er  Rechenberg  erwarb,  seishaft.  Er  und  seine  Söhne 
pflogen  gern  ritterlicher  Beschäftigungen.  So  befand  sich 
Hans  Weighart  (unbestimmt,  ob  Vater  oder  Sohn)  im 
Jahre  1464  mit  Wolf  von  Theler  auf  einem  Zuge  von 
Freiberg  nach  Rostock,  wohin  er  dem  Könige  Christian  I. 
von  Dänemark  zu  dessen  Kriege  gegen  Schweden  300  Tra- 
banten und  10  Reisige  als  Hilfstruppen  zuführte,  welche 
der  dänische  Kanzler  und  Gesandte  Daniel  Kepke  in 
Sachsen  angeworben  hatte--). 

Die  Urkunde2")  über  den  Besitz  Wechsel  der  Burg 
Rechenberg  ist  deshalb  interessant,  weil  sie  die  Einkünfte 
des  Schlotsherrn  aus  Zöllen  und  Erbzinsen  seiner  Unter- 
sassen verzeichnet  und  daraus  sämtliche  Pertinenzen  für 
jenen  Zeitpunkt  erkennen  läfst.  Unter  denen  von  Gorenzk 
mufste  jeder  am  Rechenberge  vorübergehende  Fußgänger 
einen  Heller,  jeder  Reiter  zwei  Heller  und  jeder  Wagen 
vier  Heller  Strafsenzoll  dem  Burgherrn  entrichten.  Die 
Erbzinsen  der  Unterthanen  bestanden  u.  a.  in  Forellen, 
von  denen  jährlich  17  Schock  eingesalzene  und  darüber 
zwischen  Pfingsten  und  Michaelis  alle  Freitage  10  Stück 
grüne  als  Fastenspeise  auf  die  Burg  abgeliefert  wurden, 
ferner  in  110  Stück  Eichhörnchen,  die  einen  Leckerbissen 
der  ritterlichen  Tafel  bildeten,  und  in  12  Stein  Pech. 
(Dieser  Forellenzins  aus  dem  Gebiete  der  Weifseritz  und 
Mulde  gehörte  noch  1398  zur  Riesenburg,  wohin  ihn 
damals  ein  Fischer  aus  Klostergrab  abzuführen  hatte24].) 
Die  Art  dieser  Erbzinsen  erscheint  dem  rauhen  Gebirgs- 
klima, das  nur  spärliches  Getreide  zur  Reife  kommen 
läfst,  recht  wohl  angepafst.     Obedienzdörfer  von  Rechen- 


22)  Hauptstaatsarchiv  Orig.  No.  7814  a. 

-3)  Ebendas.  W.  A.  Örter,  Rechenherg,  Bl.  1. 

24)  Ebendas.  Cop.  1316  Bl.  141  f. :  „Item  der  fischer  in  dem  Grabe 
gibt  zu  czinse  xv  schock  faren  von  der  Wistricz  vnd  der  Moldaw 
obenthalben  Rechenherg;  derselb  gibt  alle  fritage  von  sent  Jörgen 
tage  biß  uf  Michael  xij  faren." 


102  Georg  Pilk: 

berg  waren  Clausnitz,  Kämmerswalde  und  Nassau. 
Die  Bewohner  <Uis  Städtchens  Rechenberg  waren  frei- 
angesessen   und   ihrem  Herrn    nur  zur  Leistung  einiger 

Erntedienste -■"')  sowie  zur  Abgabe  eines  Scheffels  von 
jedem  Fuder  Salz  verpflichtet,  das  bei  ihm  zum  Klein- 
verschleils  gelangte.  Der  Wochenmarkt,  welcher  seit  der 
von  Schönberg  Zeiten  und  länger  allsonntäglich  in  Rechen- 
berg abgehalten  wurde,  trug  dem  Schlofsherrn  nichts  ein, 
da  derselbe  ein  sogenannter  freier  Markt  war,  die  dort- 
hin geführten  Waren  mithin  keinen  Zoll-  und  Geleits- 
gebühren unterlagen.  Der  Bing  Rechenberg  standen 
weiter  zu  die  Einnahmen  von  einem  Wegezoll  im  Dorfe 
Nassau,  welcher  dort  erhoben  wurde,  wenn  dies  nicht 
bereits  in  Rechenberg  geschehen  war.  Erwähntes  Dorf 
war  übrigens  mit  dem  Privileg  begnadet,  dafs  sich  in 
demselben  Handwerker  verschiedener  Art  freizügig  nieder- 
lassen durften'-0).  Einige  Sägewerke  („brethmöl")  an 
den  benachbarten  Gewässern  zinsten  ebenfalls  aufs  Schlots 
Rechenberg.  Wenn  der  Erbherr  deren  Gefälle  nicht 
annehmen  wollte,  so  konnte  er  den  Schneidemüllern  Holz 
dafür  ablassen'27). 

Die  mit  solchen  Einkünften  und  Gerechtigkeiten  aus- 
gestattete kleine  Herrschaft  hatte  Hans  Weighart  er- 
worben. Er  war  dabei  aber  wohl  ein  wenig  über  seine 
Kaufkraft  hinausgegangen,  da  er  überdies  den  Freiberger 
Turmhof  und  das  Gut  Lichtenberg  im  Besitz  behielt.  So 
kam  es  denn,  dals  er  bald  Anleihen  aufnehmen  mulste. 
Mit  Bewilligung  der  Herzöge  verkaufte  er  am  11.  Sep- 
tember 1464  dem  Meifsner  Domkapitel  G  Schock  Groschen 
Zins  auf  Lichtenberg  und  im  nämlichen  Jahre  an  das- 
selbe geistliche  Stift  weitere  12  Schock  Groschen  auf 
das  Schlots  Rechenberg28).  Infolge  letzterer  Zinsver- 
pfändung wurde  die  Burg  mit  einer  Schuld  in  Höhe  von 
;il(i  Schock  Groschen  belastet. 

Als  Besitzer  von  Rechenberg  war  Hans  Weighart 
in  ein  Dienstverhältnis  zum  herzoglichen  Hofe  getreten. 
Die  Landesherren  selber  bezeichnen  ihn  demgemäß  als 
ihren  „Hofdiener"  in  einem  Schreiben  s.  d.  an  Johann  von 


""')  daz  sy  kraut  stoßen  vml  hacken  vnde  flachs  geten 

viiil  daz  hew  yn  dy  schober  aufrechen"  . . . 

-")  n .    .  .  daz  dorynne  wonen  mögen  sneider,  becker,  schuster"  etc. 

27)  „....  ab  eynner  dy  zeinae  nicht  haben  wil  von  en,  so  mag 
her  en  klotczerbawme  vorkauffen." 

28)  Cod.  Sax.  II.  3,  157.  161. 


Geschichte  der  Burg  Rechenberg.  103 

Wrsessewitz  Ileburczki,  Hauptmann  zu  Teplitz,  welchem 
empfohlen  wurde,  für  Weigharts  Sicherheit  bei  einer 
bevorstehenden  Reise  desselben  nach  Teplitz  Sorge  zu 
tragen-11). 

Der  Inhaber  einer  so  nahe  der  Grenze  Böhmens  ge- 
legenen Burg  wie  Rechenberg  mufste  selbstverständlich  in 
mancherlei  Beziehungen  zu  seinen  jenseitigen  Nachbarn  tre- 
ten. Diese  konnten  nicht  immer  freundschaftlicher  Art  sein. 
Folgenschwer  gestaltete  sich  ein  Zwist  der  Rechenberger 
Weigharte  mit  dem  Freiherrn  Heinrich  von  Raben- 
stein auf  Riesenburg.  Mit  letzterem  „Sachsenhasser", 
an  dessen  Behausung  selten  ein  Begüterter  unberaubt 
vorüberziehen  konnte,  lebte  Hans  Weighart  bis  zum 
Jahre  1473  in  Frieden.  Noch  vor  Johannis  genannten 
Jahres  besuchte  er  den  von  Rabenstein  und  verabschiedete 
sich  von  ihm  freundschaftlich.  Nicht  lange  darnach  aber 
erregte  ein  Streich  des  gewaltthätigen  Nachbars  seinen 
Zorn.  Man  erwartete  auf  dem  Rechenberge  einen  Ver- 
wandten, Hans  Weigharts  Vetter,  der  im  Dienste  des 
deutschen  Ritterordens  in  Preufsen  stand.  Diesen  hatte 
Weighart  zu  sich  gebeten.  (Die  Worte  „um  meines 
Soldes  halben"  lassen  vermuten,  dafs  Weighart  selber 
einst  in  Preufsen  gedient  und  von  dort  noch  Sold  zu 
fordern  hatte.)  Dem  Herannahenden  lauerten  Riesen- 
burger  Knechte  auf  sächsischem  Gebiete  an  der  zum 
Rechenberge  gehörigen  Strafse  auf  und  raubten  ihn  aus. 
Der  alte  Weighart  war  an  jenem  Tage  gerade  abwesend. 
Als  nun  etliche  Befreundete30)  zu  seinem  Sohne  kamen  und 
das  Vorgefallene  anzeigten,  liefs  der  letztere  die  Straßen- 
räuber ungesäumt  verfolgen.  Man  ereilte  sie  und  griff 
sie  an.  In  dem  Kampfe  wurde  der  Vetter  aus  Preufsen 
erschossen  und  etliche  Rechenberger,  darunter  Weigharts 
eigener  Diener,  schwer  verwundet,  jedoch  auch  zwei  der 
Landplacker  als  Gefangene  eingebracht.  Nach  seiner 
Rückkehr  richtete  nun  Hans  Weighart  eine  schriftliche 
Anfrage31)  an  den  von  Rabenstein,  warum  er  dies,  ent- 


29)  Hauptstaatsarchiv  W.  A.  Böhm.  Sach.  Befehdungen  Bl.  312. 

a0)  Als  solche  nennt  ein  Schreiben  Kaspars  von  Schönberg  d.  d. 
Frauenstein  d.  24.  Juni  (1473)  ,,  Petter  Lisnick,  Jorge  Tawer  und 
Frederich  Czeren".    Ebendas.  W.  A.  Befehdungen  I.  Bl.  220. 

3I)  „ als  .   synt  yn  dy  awern  vorgeczogen  vnd  den  weit 

vorhawen  vnd  yn  berobet  vnd  daz  seyne  genommen  uff  meyner  strofsen 

vnd  yn  meyner  gnedigen  hern  lande "    Hauptstaatsarchiv  W.  A. 

Böhm.  Sach.  Grafen-  und  Herren-Sachen  Bl.  146. 


10|  Georo-  Pilk: 

gegen    dem  bisherigen    freundnachbarlichen  Verhältnisse 

heider,  habe  geschehen  lassen.  Dals  er  der  Anstifter  des 
Überfalls  gewesen  sei.  hätten  seine  eigenen  in  Gefangen- 
schaft geratenen  Knechte  ausgesagt.  Hierauf  entschul- 
digte sich  Rabenstein  am  2G.  Juni  1473  damit,  dals  ihm 
Weigharts  Vetter  als  ein  anderer  bezeignet  worden  sei. 
Wäre  ihm  dessen  Verwandtschaft  mit  Weighart  bekannt 
gewesen  oder  hätte  sich  der  Beraubte  darauf  berufen, 
so  würde  ihm  Geleit  gegeben  worden  sein.  Wie  die 
Sachen  aber  nunmehr  lägen,  seien  sie  ihm  leid,  und  er 
bitte  in  Rücksicht  auf  seine  gute  Nachbarschaft,  welche 
er  beteuerte,  um  Freilassung  seiner  beiden  Angehörigen"-). 
Diesem  Verlangen  entsprach  der  Burgherr  von  Rechen- 
berg vorläufig  nicht,  sondern  meldete  das  Ereignis  seinen 
Fürsten.  An  letztere  wendete  sich  auch  Heinrich  von 
Rabenstein  schon  am  30.  Juni  desselben  Jahres.  Er  recht- 
fertigte seine  That  mit  dem  Vorgeben,  der  Verwandte 
Weigharts  sei  ihm  als  Ausländer  und  „Abgönner"  (Feind) 
namens  Meifsner  genannt  worden.  Zugleich  erbot  er 
sich,  Genugthimng  zu  leisten  sowie  einem  nach  Rechen- 
berg anzuberaumenden  Verhandlungstage  persönlich  an- 
wohnen zu  wollen88).  Als  auch  letzterer  Wunsch  keine 
Berücksichtigung  fand,  fühlte  der  Herr  von  der  Riesen- 
burg den  Boden  unter  seinen  Fülsen  heifs  werden.  Hatte 
er  doch  durch  zahlreiche  Feindseligkeilen  und  Übelthaten 
den  Zorn  der  Sachsenherzöge  bereits  auf  sich  geladen, 
so  dafs  ein  geringfügigerer  Anlafs  eine  für  ihn  verhängnis- 
volle Katastrophe  herbeiführen  konnte.  Die  Thatsachen 
lagen  auch  wirklich  so.  Die  sächsische  Regierung  plante 
eine  exemplarische  Bestrafung  des  raublustigen  Ritters. 
Da  suchte  Rabenstein  zunächst  den  Rechenberger  Weighart 
als  Fürsprecher  zu  gewinnen.  In  einem  freundlichen 
Schreiben  bat  er  diesen  um  Verwendung  bei  den  Her- 
zögen und  erinnerte  ihn  daran,  dals  er  seiner  Zeit  doch 
gern  bereit  zur  Schadenersatzleistung  gewesen  sei,  als 
Rechenbergische  Unterthanen  bei  einem  Getreidetransport 
aus  Böhmen  von  seinen  Leuten  angefallen  und  beraubt 
worden  waren.  Einen  letzten  Begütigungsversuch  machte 
Heinrich  von  Rabenstein,  indem  er  den  Abt  des  Klosters 
Ossegg  in  Begleitung  eines  von  Küchenmeister  per- 
sönlich  zu   Weighart   auf  den  Reehenberg  sandte.    Der 


32)  Hauptstaatsarchiv  El.  L48. 

33)  Ebemlas.  Bl.  149  und  267. 


Geschichte  der  Burg  Rechenberg  105 

geistliche  Herr  erhielt  dort  den  Bescheid,  dafs  die  Her- 
zöge die  fernere  gefängliche  Verwahrung  der  beiden 
Riesenburger  befohlen  hätten,  eine  Losgabe  derselben 
also  nicht  erfolgen  könne.  Bei  diesen  Worten,  aus  denen 
die  Ungnade  der  Fürsten  unschwer  erkennbar  war,  zeigte 
der  Abt  eine  sichtliche  Bestürzung;  „wen  her  gar  ser 
erschrockenn  ist  awer  gnoden  abegunst  vnd  ist  gancz 
fege  vor  awer  gnodenn",  berichtete  Weighart  nach  Dres- 
den154). Kurfürst  Ernst  und  Herzog  Albrecht  erklärten 
dem  von  Rabenstein  am  1.  Oktober  1473  die  Fehde, 
welche  für  den  Ritter  mit  dem  Verluste  seiner  Herrschaft 
Riesenburg  endigte. 

In  ebendemselben  Jahre  beherbergte  das  Burgverliefs 
des  Rechenbergs  einen  hohen  Gefangenen.  Hans  Weighart 
nahm  bei  Gelegenheit  eines  Fehdezuges,  den  Burggraf 
Heinrich  II.  von  Meifsen  gegen  Sachsen  ausführte, 
den  letzteren,  wie  es  scheint  durch  Verrat,  gefangen 
und  führte  ihn  zunächst  nach  der  Feste  Schellenberg. 
Von  da  wurde  „der  Alte  von  Plauen"  nach  Rechenberg 
gebracht.  Dieser  Fang  kam  den  sächsischen  Fürsten  sehr 
gelegen;  war  doch  der  Burggraf  ihr  unversöhnlichster 
Feind.  Es  scheint  sogar,  als  ob  die  Herzöge  mit  im 
Einverständnisse  gewesen  seien,  obgleich  der  Anschein 
gewahrt  blieb,  dafs  Weighart  nur  in  einer  Privatfehde 
gehandelt  habe.  Im  Turme  der  Burg  Rechenberg  sals 
nun  der  stolze  Dynast,  „des  heiligen  römischen  Reichs 
Fürst  und  Burggraf  zu  Meiisen",  als  armer  Gefangener 
eines  wehrhaften  Bürgerlichen,  und  seinem  Sohne  sollen 
bei  der  Nachricht  von  des  greisen  Vaters  Schicksal  die 
Augen  übergegangen  sein.  Durch  des  letzteren  Drohung, 
der  Kurfürst  möge  sich  vorsehen,  er  werde  seinen  Vater 
nicht  im  Stiche  lassen,  wurde  das  Handeln  Weigharts 
und  des  sächsischen  Hofes  nicht  beeinflußt.  Drei  Jahre 
mulste  Burggraf  Heinrich  unfreiwillig  ausharren.  Ver- 
geblich bemühte  sich  die  gramgebeugte  Gemahlin  um 
seine  Freilassung.  Die  Burggräfin  Anna  gewann  u.  a. 
den  Markgrafen  von  Brandenburg,  die  Herzöge  von 
Baiern  und  den  Bischof  von  Eichstädt  zu  Fürsprechern 
beim  Kurfürsten  Ernst,  jedoch  nichts  wollte  fruchten. 
Zahlreiche  bittere  Vorwürfe  über  seine  That  trafen  Hans 
Weighart  von  Fürsten  und  Städten  wie  von  den  Burg- 
gräflichen,  welche   ihn  beschuldigten,   dafs   er  mit   dem 


üi 


)  Hauptstaatsarchiv  Bl.  159. 


106  Georg  Pilk: 


Alten  an  einem  Tische  gegessen  und  ihn  dann  unrecht- 
licher  Weise  gefangen  habe,  obwohl  er  nicht  sein  Feind 
war.  Den  Fürsten  und  Städten  gegenüber  wollte  sich 
Weighart  rechtfertigen.  Er  erbat  sich  vom  Hofmarschall 
Hugold  von  Schleinitz  den  Wortlaut  eines  dahingehenden 
Verantwortungsschreibens.  Am  15.  Februar  1476  nahmen 
die  Herzöge  den  Gefangenen  in  eignen  Gewahrsani  und 
gaben  ihn  fünf  Tage  später  gegen  außerordentlich  harte 
Bedingungen  frei.  Das  wortbrüchige  Verhalten  des  Alten 
von  Plauen  nach  Erledigung  von  seiner  Haft  gehört  nicht 
mehr  #  in  den  Rahmen  unserer  Darstellung1"'). 

Über  die  Familie  der  Weigharts  haben  wir  hier  auch 
nur  insoweit  zu  berichten,  als  sie  mit  der  Geschichte  von 
Rechenberg  im  Zusammenhange  stand.  1481  war  Hans 
Weighart  der  Ältere  schon  gestorben  und  der  Rechenberg 
im  Besitze  seiner  Söhne  Heinrich  und  Hans  Weighart. 
Über  dieselben  führte  1481  der  böhmische  Ritter  Benisch 
von  der  Weitmühl  Klage,  dafs  sie  einen  Knecht  des  „Stras- 
guten"  aus  seinem  Amte  Kuttenberg  gefangen  und  dem- 
selben Rots  und  Barschaft  abgenommen  hätten.  Der 
Knecht  war  angeblich  wegen  eines  Diebes,  der  ihn  be- 
stohlen,  nach  Rechenberg  getrabt.  Die  Verwendungen 
des  von  der  Weitmühl  bei  den  Rechenberger  Herren 
blieben  erfolglos.  Die  Weigharts  lehnten  die  Freigabe 
des  Gefangenen  unter  Berufung  auf  einen  Befehl  ihrer 
Landesherren  ab,  und  Benisch  von  der  Weitmühl  be- 
schwerte sich  nun  über  sie  und  ihren  „Eigenwillen,  den 
sie  fort  und  fort  brauchen",  beim  sächsischen  Hofe.  Da 
er  aber  inzwischen  bereits  eigenmächtig  Repressalien  an 
den  Untersassen  der  Burg  Rechenberg  angewendet  hatte, 
schrieben  ihm  die  Herzöge  am  23.  März  1481  in  aus- 
nehmend kaltem  Tone,  dals  ihm  ihre  Meinung  in  dieser 
Sache,  „dorumbe  ir  den  gemelten  Weichharte  armen 
luthe  habt  kommern  lassen",  durch  ihre  Räte  auf  einem 
Tage  zu  Brüx  solle  mitgeteilt  werden36). 

Bei  der  Länderteilung  vom  2G.  August  1485  kamen 
die  Gebrüder  Hans  und  Heinrich  Weighart  mit  ihrer 
Burg  Rechenberg  unter  die  alleinige  Landeshoheit  Herzog 
Albrechts.   Sie  waren  beide  ohne  männliche  Nachkominen- 


;;v)  Märcker,  Burygraftum  Meifsen  S.  'Mut'.  —  Schmidt,  Burg- 
graf Heinrich  [V.  von   Meilen  S.  27. 

''■i   Bauptstaatsarehiv  WA.  Böhm.  Sach.  Graten-  und  Herren 
Sachen  Bl.  267,  268. 


G-eschichte  der  Burg'  Rechenberg.  107 

schaft.  Ihre  Lehen  nmlsten  deshalb  nach  ihrem  Tode 
voraussichtlich  dem  Fürsten  anheimfallen.  Dieser  ver- 
schrieb am  29.  April  1488  den  künftigen  Besitz  Rechen- 
bergs sowie  des  Turmhofes  zu  Freiberg  vermittelst  einer 
Anfallsbelehimng  seinem  Rate  Kaspar  von  Schönberg 
auf  Purschenstein,  wofür  letzterer  ein  Jahr  nach  er- 
folgter Übernahme  dieser  Güter  1000  rhein.  Gulden  an 
die  herzogliche  Kammer  zahlen  sollte:!T).  Im  Jahre  1500 
schwebten  zwischen  den  beiden  Brüdern  Weighart  ge- 
wisse Streitigkeiten ,  mit  deren  Schlichtung  Heinrich  von 
Eiusiedel  und  Siegmund  von  Maltitz  seitens  des  Herzogs 
beauftragt  wurden.  Hans  Weighart  der  Jüngere  wird 
von  da  ab  nicht  mehr  erwähnt;  Heinrich  aber  war  1501 
ohne  Leibeslehnserben  verstorben.  Seine  Witwe,  der  kein 
Leibgedinge  ausgesetzt  worden  war,  schied  mit  leeren 
Händen  von  den  Gütern  ihres  Gatten,  welche  nunmehr 
Kaspar  von  Schönberg  eigentümlich  übernahm.  Letzterer 
erhielt  am  26.  Februar  1501  neben  seinen  anderen  Be- 
sitzungen auch  das  Schlots  Rechenberg  vom  Herzoge 
Georg  zu  Lehn  gereicht38). 

Nach  diesem  Wechsel  der  Inhaber  blieb  die  Burg 
Rechenberg  nahezu  l1/.2  Jahrhunderte  in  den  Händen  der 
Schönberge/59). 

Unter  Heinrich  von  Schönberg  zerstörte  am 
2.  Dezember  1586  eine  Feuersbrunst,  verursacht  durch 
das  unvorsichtige  Gebaren  einer  Magd  mit  einem  Leucht- 
span, die  Burg.  Wiederhergestellt  gelangte  Rechenberg 
1647  als  ein  Zubehör  der  Herrschaft  Frauenstein  von 
den  in  Konkurs  geratenen  Schönbergen  durch  Kauf  an 
Kurfürst  Johann  Georg  I.  von  Sachsen,  der  hier 
1656  eine  grofse  Hofjagd  abhielt  und  bei  dieser  Gelegen- 
heit  den  Ortsbewohnern   einen   Jahrmarkt  bewilligte40). 

Das  Schlots  des  nunmehr  in  ein  Kammergut  ver- 
wandelten Ortes  fiel  bald  darauf  der  Verödung  anheim. 
Den  Zeitpunkt,  da  Rechenberg  zur  Ruine  wurde,  ver- 
mögen wir  nur  annähernd  zu  bestimmen.  Der  Topograph 
Schiffner  behauptet,  dats  die  Burg  noch  1763  Dach  und 
Fach  gehabt  hätte,  während  Leonhardi  1790  nur  noch 
einen    verfallenen   Turm    wahrnimmt.      Gegenüber    einer 


37)  Ebenda».  Orig.  No.  8735b;  vergl.  Bahn,  Frauenstein  S.  38  fg. 

38)  Hauptstaatsarchiv   Cop.   106,    Bl.  151,  275b,    :^44.  —   Orig. 
No.  9403b. 

39)  Fraustadt,  Geschichte  der  Herren  von  Schönberg  Ib. 

40)  Bahn,  Frauenstein  S.  39-44,  161,  173. 


los  Georg  Pilk:  Geschichte  der  Burg  Rechenherg. 

weiteren  Notiz  Schiffners,  nach  welcher  man  die  letzten 
Reste  erst  1840  geflissentlich  beseitigt  habe,  sagt  Schu- 
mann, dals  das  Mauerwerk  bereits  1821  vollständig  ver- 
sehwunden gewesen  sei.  Eine  im  Königl.  Kupferstich- 
kabinett  zu  Dresden  aufbewahrte,  von  Wizani  dem 
-lungeren  gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  aufgenommene 
und  gestochene  Ansicht  von  Rechenberg  zeigt  die  Bing 
schon  vom  Dache  entblöfst  und  überhaupt  in  vorge- 
schrittenem Verfall,  lälst  jedoch  noch  einige  lose  auf- 
liegende, hervorstehende  Teile  der  obersten  Bodenbalken- 
lage des  Turmes  erkennen.  Nach  dem  Gesträuch  zu 
urteilen,  welches  damals  bereits  aus  dem  Gemäuer,  selbst 
auf  der  höchsten  Stelle  des  Turmes,  heraus  wucherte, 
muiste  der  Bau  schon  längere  Zeit  verlassen  gestanden 
haben. 

Aus  der  Tradition  ist  für  die  Geschichte  Rechenbergs 
nichts  Brauchbares  zu  schöpfen.  Die  noch  zu  Anfang 
des  vorigen  Jahrhunderts  im  Volksmunde  lebende  Über- 
lieferung, dals  Rechenberg  seinen  Namen  erhalten  habe 
von  einer  Gesellschaft  von  Landplackern ,  die  daselbst 
die  Beute  geteilt  und  mit  einander  abgerechnet,  wäh- 
rend sie  auf  dem  Frauenstein  ihre  Frauen,  auf  dem 
Purschenstein  ihre  Burschen  oder  Knechte  und  zu  Pfaff- 
roda  ihre  Pfaffen  untergebracht  hätten,  ist  eine  jener 
naiven  Spielereien  der  Volksetymologie,  die  in  Sachsen 
(vergl.  „O-Schatz",  „Budy-ßyn",  „Irr-Gersdorf")  mehrfach 
vorkommen. 


IV. 

Die  älteste  venetianische  Bergordnung 
und  das  sächsische  Bergrecht. 

Von 

Otto  Opet. 


Der  moderne  Bergbau  ist  zum  grofsen  Teil  deutscher 
Kulturarbeit  zu  verdaukeil.  Allerdings  hatte  schon  das 
Altertum  auf  diesem  Gebiet  bedeutende  Leistungen  auf- 
zuweisen, wie  die  athenischen  Goldbergwerke  in  Laurion, 
der  phönizische  Silberbergbau  in  Spanien  und  die  Kupfer- 
gewinnung in  Italien  darthun,  und  es  hatte  sich,  wie 
wir  aus  den  leider  nur  spärlich  erhaltenen  Bruchstücken 
römischer  Berggesetzgebung  schliefsen  dürfen,  auch  ein 
fein  durchdachtes  System  eines  eigenen  Bergrechts  zu 
bilden  begonnen1).  Gerade  hier  scheint  aber  die  Völker- 
wanderung ihre  zerstörendsten  Wirkungen  ausgeübt  zu 
haben;  in  dem  neu  gestalteten  Europa,  dessen  politische 
Herren  jetzt  überall  germanische  Völkerschaften  waren, 
zeigt,  sich  keine  Erinnerung  an  die  frühere  Bergtechnik, 
das  frühere  Bergrecht.  Das  erste  Jahrtausend  christlicher 
Zeitrechnung  weiis  überhaupt  nichts  mehr  von  den  Stätten, 
an  denen  einst  ein  blühender  Bergbau  betrieben  wurde; 
neue  Gebiete  treten  dafür  ein,  der  Mönch  Otfried  von 
Weifsenburg  besingt  die  Goldgewinnung  der  Mainlande2), 
der  Betrieb  der  Goldwäscherei  am  Rhein  erscheint  be- 
deutend genug,  um  darauf  gewagte  Spekulationsgeschäfte 


')  Wilma  uns  in  der  Zeitschrift  für  Bergrecht  XIX. 
-)  Evangelienharmonie  1,  1,  137—144. 


1  |()  Otto  Opet: 

zu  gründen8),  sagenhaft  taucht  bereits  unter  den  Ottonen 
die  Nachricht  vom  Erzreicht  um  des  Harzgebirges  auf). 
Jahrhunderte  später  erwacht  auch  in  den  alten  Kultur- 
stätten von  neuem  der  Betrieb  des  Bergbaues;  im  13.  Jahr- 
hundert wird  diese  Industrie  wieder  lebhaft  in  Oberitalien 
gepflegt,  wo  Trient  und  Massa  zu  Zentren  für  Silber-  und 
Kupfergewinnung  erwachsen5).  Hier  bietet  sich  aber  das 
auffallende  Schauspiel,  dals  der  Bergbau  ausschließlich 
in  Händen  von  Deutschen  ruht,  dals  die  verachteten  Bar- 
baren sich  zu  Lehrmeistern  für  die  einheimische  Bevölkerung 
aufgeschwungen  haben.  Ein  Blick  in  jene  alten  Berg- 
ordnungen überzeugt  uns,  dals  in  ihnen  deutsches  Leben 
pulsiert.  Allerdings  ist  die  Sprache  die  lateinische,  aber 
durchsetzt  von  Worten  deutschen  Ursprungs  und  von  Aus- 
drücken, die  sich  offensichtlich  als  wörtliche  Übersetzungen 
deutscher  Redewendungen  erweisen6).  Inhaltlich  haben  wir 
es  aber  mit  rein  deutschen  Rechtsanschauungen  zu  thun,  die 
in  nur  wenig  Punkten  vom  römischen  Einfluß  betroffen  sind. 

Die  Thätigkeit  des  deutschen  Bergmanns  beschränkte 
sich  aber  nicht  darauf,  seine  Kunst  in  Gegenden,  in  denen 
sie  früher  heimisch  gewesen,  auszuüben;  er  erschloß  auch 
im  entlegenen  Ungarn,  in  den  rohen  Slavenländern  neue 
Kunde.  Namentlich  zwei  deutsche  Stämme,  Franken  und 
Sachsen,  beteiligten  sich  an  dieser  Kulturarbeit,  letztere 
mit  solcher  Ausdauer,  dals  die  Stammesbezeichnung 
„Sachsen"  in  Ungarn  mit  dem  Begriff'  „Bergmann"  zu- 
sammenschmolz7). 

Während  in  den  letztgenannten  Ländern  allmählich 
auch  die  einheimische  Bevölkerung  sich  mit  der  Bergbau- 
kunst  vertraut  machte,  blieb  in  Italien  die  Präponderanz 
der  Deutschen  auf  diesem  Gebiet  völlig  unverändert.    Noch 


*tn 


am  Ausgang  des  15.  Jahrhunderts  erscheinen  sie  als  die 


3)  Responsum  des  Elieser  b.  Natan,  Eben  Baeser  S.  53  c,  No.  290, 
das  in  der  demnächst  erscheinendes  Responsensammlung  der  II ist. 
Komm.  f.  Gesch.  d.  Juden  in  Deutschland  veröffentlicht  werden  wird. 

l)  F.  J.F.Meyer,  Versuch  einer  Geschichte  der  Bergwerks- 
verfassung und  der  Bergrechte  des  Harzes  im  Mittelalter  (ISIH 

■'•)  v.  Speltes,  Tyroliselie  r.eiiiwerksyeschichte  (1765)  S.  260. 
—  Bonaini,  Ajchivio  Storico  [taliano  Appendix  VI11,  634. 

'■)  Opet,  Das  Gewerkschaftsrecht  nach  den  deutschen  Berg- 
rechtsquellen  des  Mittelalters:  in  der  Zeitsehritt  für  Bergrecht 
XXXIV.  228. 

7)  Ermisch,  Das  sächsische  Bergrecht  des  Mittelalters  (1*87) 
S.  XV,  Ami).  I. 


Die  älteste  venetianische  Bergordnung'.  11] 

ausschliefslich  zur  Erzgewinnung  befähigten  Personen8). 

Aber  die  Deutschen  hatten  sich  nicht  nur  die  Technik 
zu  bewahren  gewufst;  merkwürdig  ist,  dais  auch  die  recht- 
liche Seite  des  Bergbaus,  dais  auch  das  Bergrecht  selbst 
am  Ende  des  Mittelalters  seinen  deutschen  Charakter  bei- 
behielt, dais  selbst  damals  kein  Versuch  gemacht  wurde, 
die  Normen  des  römischen  Rechts,  das  sonst  alle  Rechts- 
beziehungen seinem  Geist  unterzuordnen  suchte,  auch  für 
das  Bergrecht  anwendbar  zu  machen. 

Den  überzeugendsten  Beweis  von  der  urwüchsigen 
Kraft  deutscher  Rechtsideen,  denen  zur  freien  Selbst- 
entfaltung Raum  gelassen  war,  ohne  sie,  wie  leider  in  zahl- 
reichen Rechtsmaterien  geschehen,  gewaltsam  in  fremde 
Denkformen  zu  pressen,  bietet  die  venetianische  Berg- 
gesetzgebung, die  bis  zum  Untergang  der  alten  Republik 
deutsche  Bergrechtsnormen  adoptiert  hatte,  die  am  13.  Mai 
1488")  als  „Capitoli  ed  ordini  minerarii  stabilito  dal  Con- 
siglio  dei  Dieci"  mit  Gesetzeskraft  bekleidet  wurden.  Die 
Veranlassung  zu  dieser  Rezeption  von  deutschem  Recht 
bildete  ein  dem  Rat  der  Zehn  von  dem  egregius  miles  Antonio 
di  Cavalli  überreichtes  Memoire,  in  welchem  er  der  Republik 
die  Einführung  des  in  Deutschland  herrschenden  Berg- 
rechts empfahl,  da  sie  erst  dann  zu  einer  wirklichen  Nutz- 
ziehung der  in  der  terra  ferma  gelegenen  Bergwerke 
gelangen  werde1").  Als  Anlage  war  dem  Memoire  ein 
Entwurf  aus  40  Kapiteln  beigefügt,  die  trotz  der  lateinischen 
Überschrift  „Ordines  minerarum  in  Germania"  in  italie- 
nischer Sprache  abgefaßt  sind11). 

Das  mir  hier  zu  Gebote  stehende  Material  läist  mich 
keine  Feststellung  nach  der  Richtung  hin  treffen,  ob  die 
von  den  Zehn  erlassenen  Capitoli  sich  überall  wörtlich 
mit  dem  Entwurf  des  Cavalli  decken.  Für  das  deutsche 
Bergrecht  ist  dies  jedoch  auch  nur  von  sekundärem  Inter- 
esse; volle  Aufmerksamkeit  verdient  dagegen  ein  anderer 
Punkt,  ob  nämlich  Cavallis  Angabe,  dais  sein  Entwurf 
deutsches  Bergrecht  enthalte,  auf  Wahrheit  beruht  und, 
falls  dies  zutrifft,  aus  welchen  Quellen  er  seine  Zusammen- 
stellung angefertigt  hat. 

Cavalli  versichert  nicht  nur  in  dem  Memoire,  dais 


8)  La  prima  legge  sulle  miniere  emanata  dalla  repubblica  di 
Ycnezia  (S.  A.  ans  der  ßivista  dei  Comnni  ltaliani  1SH4)  S.  5f. 

°)  Die  Angabe  „1498"  in  meinem  Gewerkschaftsreebt  S.  232 
beruht  auf  einem  Druckfehler. 

w)  Rivista  S.  8  f.  J1)  Ebenda  S.  11  f. 


112  Otto  Opet: 

er  die  Normen  aus  der  deutschen  in  „latinische  Sprache" 
übersetzt  habe  (facti  tradur  de  todesco  in  lengua  latina); 
ihr  Eingang  selbst  belehrt  uns,  dafs  sie  aufgestellt  seien, 
„per  obviar  a  molti  inconvenienti  et  scandali  che  ogni  zorno 
occorreva  per  le  buxe  et  minere  de  Alemagna  tra  coloro 
che  cava  et  lavora  dicte  buxe  et  minere".  Cp.  9  spricht 
von  dem  in  Deutschland  Kreuzer  genannten  Geld  (in 
Alemagna  se  page  per  ogni  investitura  tre  craici);  als 
deutsche  Sitte  führt  Cp.  39  die  Gewohnheit  an,  nach  Aus- 
beutung einer  Metallader  den  daran  beteiligten  Arbeitern 
eine  Mahlzeit  zu  geben.  (Et  quando  se  parte  la  vena  l'e 
usanza  in  Alemagna  de  dar  uno  pasto  a  tutti  i  lavorenti 
che  hanno  lavorado  et  cavado  dicta  vena  de  la  buxa), 
das  letzte  Cp.  betont  noch  einmal,  dafs  die  vorhergehen- 
den Bestimmungen  die  wichtigsten  in  Deutschland  geltenden 
Bergrechtsnormen  enthielten.  (Molti  altri  capituli  sono 
stä,  de  tempo  in  tempo,  facti  in  Alemagna,  da  circa  anni 
octanta  in  qua  che  in  quel  paexe  simel  cosse  sono  stä 
prencipiade;  ma  el  summario  de  la  conclusion  de  quelli 
se  contien  ne  li  soprascripti  Capitoli).  Machen  schon 
diese  wiederholten  Erwähnungen  Deutschlands  die  Angabe 
des  Cavalli  höchst  wahrscheinlich,  so  fehlt  es  nicht  an 
weiteren  Umständen,  die  den  deutschen  Charakter  des 
Entwurfs  auiser  allen  Zweifel  stellen. 

Die  Befugnis  zum  Betrieb  des  Bergbaus  wird  nach 
Cp.  3  in  der  echt  germanischen  Form  der  Belehnung  er- 
teilt. Der  Zusatz  von  einem  Tage  zu  den  sonst  giltigen 
Auflässigkeitsfristen  in  Cp.  8  erinnert  an  die  im  deutschen 
Recht  ebenfalls  dem  einen  Tag,  der  an  die  sonst  fest- 
stehenden Fristen  angeschlossen  wird,  beigelegte  Be- 
deutung12). Der  erste  Finder  erscheint  mit  Vorrechten 
ausgestattet,  die  wiederum  in  den  deutschen  Bergrechten 
ihr  Analogen  besitzen  1S).  Die  Ausmessung  des  Gruben- 
feldes,  die  zwischen  den  einzelnen  Gruben  notwendigen 
Zwischenräume,  die  Ausdehnung  bis  in  die  ewige  Teufe 
(usque  ad  intinitum)  entsprechen  den  bekannten  Regeln 
heimischer  Bergordnungen1*).  Mit  der  Sorgfalt,  mit  der 
die  Staatsbehörden  in  deutschen  Ländern  über  die  Sicher- 
heit der  beim  Bergbau  beschäftigten  Arbeiter  zu  wachen 
pflegten,  stimmen  diejenigen  Kapitel  überein,  die  ins  einzelne 
gehende  Anordnungen   über   die   Ausstattung  der  Berg- 


")  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  366. 
13j  Cp.  10.        ")  Cp.  21. 


Die  älteste  venetianische  .Bergordnung.  113 

werke  enthalten1"')  oder  dem  Arbeiter  eine  Garantie  für 
richtigen  Empfang  des  verdienten  Lohnes  gewähren16). 
Zu  dieser  Klasse  von  Anordnungen  gehört  auch  das  strenge 
Verbot  des  Trucksystems17),  leider  aufs  neue  die  traurige 
Wahrheit  bestätigend,  dais  gewilse  Mißbrauche  selbst 
durch  Jahrhunderte  lange  Aufstellung  entgegengesetzter 
Gesetzgebungen  nicht  aus  der  Welt  zu  schaffen  sind. 

Die  erste  Frage  können  wir  hiernach  zweifellos  be- 
jahend beantworten:  Cavallis  Entwurf  ruht  auf  deutscher 
Grundlage  und  kann  unbedenklich  als  Quelle  des  deutschen 
Bergrechts  benutzt  werden.  Nicht  so  einfach  wird  sich 
jedoch  die  zweite  Frage  lösen,  durch  die  wir  über  Cavallis 
Quellen  Aufschlufs  zu  gewinnen  versuchen  wollen.  Lassen 
wir  auch  hier  dem  Autor  zunächst  selbst  das  Wort.  Nach 
der  Einleitung  könnte  man  beinah  vermuten,  dafs  der 
Entwurf  Übersetzung  einer  ganz  bestimmten  Bergordnung 
sei;  denn  um  Zwistigkeiten  vorzubeugen,  „fu  posto  li  ordeni, 
in  li  infrascripti  capituli  contegnudi".  Die  Fortsetzung  be- 
hauptet dann,  diese  bestimmten  Vorschriften  seien  darauf 
von  allen  Herren,  in  deren  Gebiet  Bergwerke  betrieben 
würden,  angenommen  worden.  (I  quali  per  esser  stä  da 
tutti  i  signori  laudati  et  approvadi,  sono  stä  universalmente 
da  tutti,  et  in  cadauno  luogo,  che  se  lavora  minere,  ob- 
servadi,  et  per  i  quali  ognuno  stä  contento  et  vive  in  paxe, 
et  redunda  in  grandissima  utilitä  de  tutti  Signori  in  el 
dominio  di  quali  se  lavorano  tal  cosse.)  Hier  befindet  sich 
Cavalli  jedoch  zweifellos  im  Unrecht.  So  wenig  wie  heut, 
hat  es  während  des  Mittelalters  jemals  eine  ganz  Deutsch- 
land umfassende  Bergordnuug  gegeben.  Allerdings  hat 
mitunter  eine  Übertragung  von  Bergrechtsnormen  statt- 
gefunden, wie  auch  Stadtrechte  durch  Bewidmung  eine 
ihr  ursprüngliches  Gebiet  überragende  Geltung  erhielten. 
Aber  niemals  hat  sich  daraus  ein  einheitliches  deutsches 
Weichbild-  oder  Bergrecht  gebildet,  —  Cavalli  widerlegt 
seine  Behauptung  übrigens  gleich  im  ersten  Kapitel  aufs 
entschiedenste.  Als  Minimalzahl  für  die  Mitglieder  einer 
Gewerkschaft  giebt  er  hier  drei  an  (che  una  compagnia 
non  possi  esser  meno  de  tre  persone),  während  keine 
andere  deutsche  Bergordnung  eine  Bestimmung  enthält, 
eine   wie   groise   Mitgliederzahl   Voraussetzung    für   die 


»)  Cp.  31.  16)  Cp.  34. 

17 )  Cp.  39.    Vergl.  Sc  km  oller  im  Jahrbuch  für  Gesetzgebung, 
Verwaltung  und  Volkswirthschaft  im  deutschen  Reich  XV,  1013. 

Neues  Archiv   f.   S.  G.  u.  A.     XVI.  1.  2  8 


114  (  m"  0Pet: 

Existenz  einer  Gewerkschaft  bilde  ls).  Offenbar  hat  Cavalli 
sich  hier  durch  die  bekannte  Segel  des  römischen  Rechts 
zur  Aufstellung  eines  Satzes  verleiten  lassen,  den  er  mit 
Unrecht  als  einen  gemeindeutschen  bezeichnet.  Seiner 
eingangs  gemachten  Angabe,  dals  sein  Entwurf  Über- 
setzung einer  bestimmten  Bergordnung  sei,  tritt  Cavalli 
im  letzten  Kapitel  selbst  entgegen,  indem  er  seine  Zu- 
sammenstellung nur  als  Zusammenfassung  der  wichtigsten 
ungefähr  seit  80  Jahren  in  Deutschland  erlassenen  Berg- 
rechtsnormen bezeichnet. 

Diese  Notiz  giebt  uns  einen  Fingerzeig,  welche  Quellen 
wir  für  unsere  Untersuchung  heranzuziehen  halten.  Es 
scheiden  nämlich  von  der  Vergleichung  alle  vor  dem 
15.  Jahrhundert  zurückliegenden  Bergordnungen  aus,  also 
nicht  nur  die  fragmentarischen  Trienter  und  Steier- 
märkischen  Quellen,  sundein  auch  die  älteren  Freiberger 
Ordnungen,  vor  allem  aber  die  grofsen  Massanischen  und 
böhmischen  Gesetzgebungen.  Es  dürfte  kein  Zufall  sein7 
dals  Cavalli  seinen  Entwurf  nur  aus  Quellen  der  vorauf- 
gehenden 80  Jahre  zusammenstellte;  genau  80  Jahre 
vorher,  1408,  war  in  Baiern  der  Schladminger  Bergbrief 
erlassen  worden,  ein  Werk  des  Bergrichters  Ecklzain, 
dem  sich  mit  geringen  Änderungen  beinah  sämtliche 
späteren  süddeutschen  Bergordnungen  anschlössen1'').  Dem 
großen  Gebiet  dieses  Schladminger  Bergbriefs  trat  erst 
in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  eine  andere 
Gruppe  von  Bergordnungen  gegenüber,  den  sächsischen 
Landen  angehörig  und  ihre  Entstehung  dem  neuen  Auf- 
schwung des  Bergbaus  in  Freiberg  i.  S.,  Schneeberg  u.  s.  w. 
verdankend.  Die  wesentlichste  Verschiedenheit  beider 
Gruppen  hatte  sich  darin  ausgeprägt,  dals  die  sächsischen 
Bergordnungen,  allerdings  mit  einigem  Schwanken,  stark 
das  Direktionsprinzip  betonten,  d.  h.  den  Abbau  nur  auf 
Grund  obrigkeitlicher  von  Fall  zu  Fall  erlassenen  An- 
weisungen gestatteten,  während  die  süddeutschen  Beeilte 
die  Einmischung  der  Staatsgewalt  in  den  Betrieb  des 
Bergbaus  auf  ein  äufserst  enges  Gebiet  beschränkten'20). 
Gerade  über  diesen  Punkt  ist  aber  der  Entwurf  ziem- 
lich schweigsam.  Er  giebt  zwar  einige  allgemeine  Vor- 
schriften über  den  Abbau21),  paralysiert  aber  jeden  Schluß, 


1  i  Mein  Gewerksckaftsrechl  S.  317. 

'»)  Bischoff  in  der  Zeitschrift  für  Bergrecht  XXXIII,  207 f. 
>)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  341.  21)  Cp.  1,  5. 


20 


Die  älteste  venetianische  Bergordnuiig.  115 

der  etwa  schon  hieraus  auf  eine  strenge  obrigkeitliche 
Mitwirkung  gezogen  werden  könnte,  durch  eine  andere 
Satzung,  die  den  Gewerkschaften  das  beliebige  Betreten 
ihrer  Gruben  gestattet22). 

Größeren  Aufschluß!  gewährt  dagegen  Cavallis  Zu- 
sammenstellung über  das  Gewerkschaftsrecht.  Allerdings 
unterscheiden  sich  die -beiden  Gruppen  deutscher  Berg- 
ordnungen in  dessen  Auffassung  nicht  nach  so  prinzipiellen 
Gesichtspunkten;  es  fehlt  aber  nicht  an  Einzelheiten,  die 
nur  der  einen  oder  der  andern  Gruppe  eigentümlich,  und 
aus  deren  Vorhandensein  oder  Mangeln  bei  Cavalli  sich 
dennoch  ergeben  würde,  aus  welchem  Material  er  seine 
angeblich  allgemein  giltigen  Bergrechtsnormen  geschupft 
hat.  Es  empfiehlt  sich  zu  diesem  Zweck,  eine  systematische 
Darstellung  des  Gewerkschaftsrechts  nach  den  Grund- 
sätzen des  italienischen  Entwurfs  zu  geben,  unter  steter 
Berücksichtigung,  ob  sich  für  die  einzelnen  Sätze  in  den 
beiden  deutschen  Rechtsgebieten  Parallelen  finden.  Um 
damit  gleichzeitig  die  Lücke  auszufüllen,  die  ich  in  einer 
früheren  Arbeit  über  das  Gewerkschaftsrecht  durch 
Nichtverwertung  dieser  venetiauischen  Bergordnung  lassen 
mußte23),  werde  ich  mich  der  dort  angewendeten  Dar- 
stellungsweise anschließen. 

Über  die  Begründung  der  Gewerkschaft  enthält 
Cavallis  Entwurf  keine  Angaben;  augenscheinlich  er- 
blickte er  in  ihr  eine  nur  in  wenigen  besonders  hervor- 
zuhebenden Punkten  von  der  römischen  Sozietätsform  ab- 
weichende Vereinigung,  für  deren  Existentwerden  der 
blolse  Konsens  der  Mitglieder  ausreichte.  Als  Bezeich- 
nung der  Gewerkschaft  kennt  Cavalli  nur  das  farblose 
compagnia21),  in  seiner  deutschen  Form  „Gesellschaft" 
in  beiden  Bergrechtsgebieten  nachweisbar25).  Für  den 
Gewerken  finden  sich  die  beiden  Ausdrücke  compagno26) 
und  patron27),  letzteres  meist,  um  den  Gewerken  als  Arbeit- 
geber zu  bezeichnen  und  m.  W.  ohne  Analogem  in  deutschen 
Quellen.     Dagegen    kehrt    compagno    in    der   genau  ent- 


--)  Cp.  22. 

2a)  Es  handelt  sich  um  den  Aiitn.  6  zitierten  Aufsatz.  -  -  Die 
Anra.  8  erwähnte  Schrift  verdanke  ich  der  Liebenswürdigkeit  des 
Herrn  Professors  Dr.  A.  Teichmann  in  Basel. 

«)  Cp.  1  f.  25)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  240. 

»)  Cp.  6. 

■»)  Cp.  3,  14,  17. 

8* 


11t]  Otto  Opet: 

sprechenden  Übersetzung  „Geselle"  in  sämtlichen  Berg- 
rechten wieder28). 

Süddeutsche  und  sächsische  Bergordnungen  lassen  die 
Gewerken  in  zwei  Klassen  zerfallen,  danach  geschieden, 
ob  ihr  Anteilsrecht  in  der  Gewerkschaft  ipso  iure  oder 
durch  besonderen  Rechtsakt  erworben  wird29);  dem 
italienischen  Entwurf  scheint  dieser  Gegensatz  unbekannt, 
wie  sein  völliges  Schweigen  über  diese  Verhältnisse  be- 
weist. Einen  Fall  des  gesetzlichen  Mitbaurechts  lehnt  er 
sogar  ausdrücklich  ab.  Während  die  süddeutsche  Gruppe 
den  Gewerken  eines  schon  bestehenden  Bergwerks  an  dem 
von  seinem  Arbeiter  gemachten  Fund  ein  Mitbaurecht 
einräumt/10),  lälst  Cavalli  die  Anrechte  aus  dem  Fund 
in  toto  entweder  auf  den  Gewerken  übergehen  oder,  wenn 
es  sich  um  Erschließung  eines  Bergwerks  an  einem  arbeits- 
freien Tag  handelt,  allein  für  den  Finder  entstehen 81). 

Unbekannt  sind  auch  dem  Entwurf  die  Schranken, 
welche  deutsche  Beiordnungen  gegen  den  Eintritt  ge- 
wisser Personenklassen  in  die  Gewerkschaft  aufrichteten32). 
Ob  der  Hüttenbetrieb  davon  ausschloß,  ist  für  das  ältere 
sächsische  Recht  nicht  ganz  zweifellos83).  Aus  Cavallis 
Angaben,  der  das  Waldwerk  ebenfalls  erwähnt34),  ist 
jedenfalls  nichts  zugunsten  dieser  Ansicht  zu  entnehmen. 

Keine  Notiz  bringt  der  Entwurf  über  den  Eintritt 
in  die  Gewerkschaft,  wohl  aus  dem  schon  betonten  Grund, 
dafs  Cavalli  eben  die  gewöhnlichen  Regeln  des  römischen 
Sozietätsrechts  hierfür  als  malsgebend  ansah.  Ebenso 
mangelt  jede  Bestimmung  über  die  rechtliche  Natur  der 
dem  Gewerken  an  seinem  Bergteil  zustehenden  Befugnis. 

Ausführlicher  sind  die  Bestimmungen  über  .die  mit 
dem  Bergteil  vornehmbaren  Rechtsgeschäfte.  Überein- 
stimmend mit  den  deutschen  Bergrechten  erscheint  die 
Veräußerung  des  Teils  durch  jede  Art  von  Rechts- 
geschäft zulässig35).  Als  unumgängliche  Voraussetzung 
wird  aber  dabei  Wissen  und  Willen  sämtlicher  Gewerken 

2S)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  241.  2n)  Ebenda. 

*>)  Ebenda  S.  245. 

31)  Cp.  17:  Se  algun  veramente  mercenario  de  alguna  coinpaguia 
volendo  experimentar  la  fortuna,  sia  cernidor,  lavorador,  o  l'araeio, 
troverä  alguna  rainera,  ovver  vena,  tutto  quelle,  i  troverä  sia  di 
patroni  suo,  nun  intendando  questo  i  di  de  festa,  in  li  quali  li 
mercenarij  sono  in  sua  libertä,  perche  i  non  livra  soldo. 

82)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  2471'. 

33)  Ebenda  S.  251.  »*)  Cp.  32. 

35)  Cp.  30:  Se  alguno  vorrä  vender,  o  per  altro  modo  alienar. 


Die  älteste  venetianische  Bergordnnng.  117 

erfordert86),  eine  Bestimmung,  durch  die  sich  der  Entwurf 
mit  allen  deutschen  Beiordnungen  in  Widerspruch  setzt, 
in  denen  die  Teil  Veräußerung  niemals  von  Zustimmung 
der  Gewerkschaft  abhängig  gemacht  wird37).  Ein  gleicher 
Widerspruch  begegnete  uns  bereits  im  ersten  Kapitel  des 
Entwurfs,  worin  gleichfalls  ein  undeutsches  Erfordernis, 
die  Minimalzahl  von  Mitgliedern  für  den  Gewerkschafts- 
begriff, aufgestellt  ist.  Wir  werden  wohl  nicht  fehlgehen, 
wenn  wir  auch  diese  neue  Abweichung  aus  einer  Reminis- 
cenz  an  das  römische  Recht  erklären,  das  sich  gegen  die 
Aufnahme  neuer  Genossen  in  die  Sozietät  ohne  die  Zu- 
stimmung sämtlicher  übrigen  Mitglieder  ausspricht38). 

Die  Rechtsgeschäfte  über  Bergteile  muteten  öffentlich 
in  Gegenwart  des  Bergrichters  (zudexe)  vor  sich  gehen, 
der  durch  seinen  geschworenen  Schreiber  eine  Urkunde 
über  sie  aufnehmen  liefs3!>).  Ob  diese,  wie  in  deutschen 
Bergordnungen40),  dem  Erwerber  übergeben  wurde,  ist 
aus  dem  Wortlaut  des  Entwurfs  nicht  ersichtlich.  Viel- 
leicht wurde  sie  in  das  Bergbuch  geheftet,  dessen  Einsicht- 
nahme dem  Anteilsbesitzer  und  dem  eventuellen  Erwerber 
offen  stand41).  Der  Zusammenhang  ergiebt,  dafs  andere 
Personen  von  der  Kenntnisnahme  ausgeschlossen  waren, 
ein  die  Publizität  äufserst  beschränkender  Standpunkt, 
den  auch  die  Gruppe  der  süddeutschen  Rechte  teilt. 
Freieren  Grundsätzen  huldigte  dagegen  das  sächsische 
Recht,  allerdings  auch  erst  nach  einigem  Schwanken42). 

Prozesse  um  Bergteile  werden  in  Cp.  29  als  durchaus 
üblich  vorausgesetzt,  das  für  die  in  einem  solchen  Fall 
mögliche  Appellation  vom  Bergrichter  an  den  Bergherrn 


86)  Cp.  7:  Che  uno,  senza  consentimento  di  compagni,  non  possa 
commetter  ad  altri  la  Separation,  zoe  la  purgation  de  le  vene,  ne 
la  parte  de  la  buxa  possi  consignar  ad  altri  extranei  senza  licentia 
et  saputa  de  tutti  i  compagni. 

37)  Mein  Uewerkschaftsrecht  S.  246,  308. 

3S)  L.  19-23  D  pro  socio  17,2 

39)  Cp.  30:  Se  algnno  vorrä  vender,  o  per  altro  modo  alienar, 
la  parte  ch'  el  havesse  in  nna  o  piu  buxe,  sia  tegnudo  el  comprador 
et  el  vendedor  farlo  in  presentia  del  Zndexe,  el  qnal  debia  far  notar 
tal  vendeda,  overo  alienation,  al  sno  scrivan  zurado,  distincta  et  ordi- 
natamente,  per  seder  Ute  ed  ad  perpetuam  rei  memoriam. 

40)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  304. 

41)  Cp.  35:  Se  algnno  se  vorrä  iuformar  dal  zudexe,  per  el  libro 
de  la  investixon,  per  conseiarse,  s'  el  die  comprar  le  raxon  d'altri  o 
non,  ch'  el  Zudexe  sia  tenuto  mostrarge  le  raxon  de  colui  che  vol 
vender:  azö  el  comprador  possi,  cum  sincero  animo  comprar. 

42)  Vergl.  Anm.  40. 


I  |s  Otto  Opet: 

(Signor)  eine  ausführliche  Instruktion  enthält.  Die  Be- 
stimmung des  Cp.  3G,  das  die  hierbei  ergangenen  Urteile 
in  einem  besonderen  Buch  zu  sammeln  heilst  l:!),  um 
Präjudikate  für  die  Zukunft  zu  besitzen,  ist  allerdings  in 
deutschen  Bergordnungen  nicht  nachweisbar.  Dafs jedoch 
thatsächlich  der  gleiche  Brauch  herrschte,  beweisen  die 
umfangreichen  Freiberger  und  Iglauer  Bergurteilsbücher. 

Der  Standpunkt  des  älteren  Bergrechts,  das  den 
Gewerken  mit  dem  Arbeiter  identifiziert  hatte"),  ist 
bei  Cavalli  bereits  völlig  überwunden,  die  Gewerk- 
schaft ausschließlich  zur  Unternehmergenossenschafl  ge- 
worden, deren  Mitglieder  nur  zur  Zubufsleistung,  die 
sich  wesentlich  als  Lohnzahlung  an  die  Arbeiter46)  und 
Honorierung  der  Bergbeamten46)  dokumentiert,  verpflichtet 
sind.  Die  Feststellung  des  Zubufsbetrages  erfolgt  all- 
monatlich17), eine  Frist,  die  vereinzelt  in  der  süddeutschen 
Gruppe  vorkommt,  während  das  sächsische  Recht  dieser 
Periode  nach  mannigfachen  Zwischenstufen  zu  einem 
vierteljährlichen  Turnus  gelangt  war48).  Die  Höhe  des 
den  einzelnen  Gewerken  treffenden  Beitrages  zu  den 
Kosten  des  Bergbaus  setzt  im  (Javalli'sehen  Entwurf  der 
Herglicht  er  gemeinsam  mit  den  Geschworenen  fest,  also, 
wie  im  späteren  sächsischen  Recht,  ein  obrigkeitlicher 
Beamter.  Ob  ihm  auch  die  Einziehung  oblag  oder  hier- 
für besondere  Beamte  bestellt  waren,  muls  beim  Schweigen 
des  Entwurfs  unentschieden  bleiben. 

Als  Verlustgründe  des  Gewerkenrechts  kennt  der 
Entwurf  nur  Weigerung  der  Lohnzahlung  an  einen  Ar- 
beiter und  Betrug  gegen  einen  Mitgewerken.  Im  ersten 
Fall  geht  der  Gewerkenteil  auf  den  nicht  entlohnten 
Arbeiter  über40),  eine  Norm,  die  auch  in  zahlreichen  süd- 


is)  Totti  acti  che  poträ  occorrer  per  differentie  de  qneste  minere 
sia  tegnudi  in  nno  libro  particiliar,  et  cusi  le  difnnition  et  summe  de 
cssa  differentie,  et  questo  perche,  in  ogni  evento,  Le  differentie  et  lite 
imssano  esser  dih'nide  de  similibus  ad  similia. 

"I  Mein  ttewerksrhaftsrechl  S.  312.  IB)  Cp.  34 

"•»  Rivista  S.  29. 

,7)  Cp.  33:  Item  ch'  et  zndexe  cum  i  sno  deputadi,  una 
volta  al  mexe;  sia  tegnudo,  sotto  debito  de  sagramento,  de  far  cum  i 
suo  zuradi  !••  raxon  de  le  bnxe  a  cadauno,  si  che  ognuno  sappia  la 
portion  sua  de  la  spexa  li  haverä  toccado  in  dicto  mexe,  de  le  qua! 
tutte  cosse  se  debia  tenir  diligente  scriptura. 

ta)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  318. 

u')  Cp.  3:  Item  che  uno  non  possi  tegnir  le  fadighe  de 
ano  altro  piü  de  zomi  15,  i  qnali  passati,  nonpagando  la  sua  mer- 
cede,  el  mercenario  possi  domandar  le  raxon  al  patron  in  quella  bnxa, 


Die  älteste  venetianisclie  Bergordnung.  119 

deutschen  Bergordnungen  aufgestellt  ist5").  Im  säch- 
sischen Rechtsgebiet  galt  sie  thatsächlich  ebenfalls,  hat 
aber  in  den  Bergrechten  selbst  keine  Aufnahme  gefunden51). 
—  Lälst  sich  der  Gewerke  dagegen  gegen  seine  Genossen 
einen  Betrug  zu  Schulden  kommen,  so  verliert  er  seinen 
Anteil  an  diese5-).  Dieser  zweite  Verlustgrund  wieder- 
holt sich  nur  m  süddeutschen  Quellen,  wo  er  ausnahmslos 
auf  den  Einfluß  des  Schladminger  Bergbriefs  zurückgeht53). 
Unerwähnt  läfst  der  Entwurf  das  Retardatsyerfahren 
wegen  versessener  Zubufse,  ein  auffälliges  Übersehen 
einer  gerade  damals  zur  vollen  Entwicklung  gelangten 
Institution. 

In  der  Gewerkschaftsversammlung  entschied  die  ab- 
solute, nach  Bergteilen,  nicht  nach  Köpfen  berechnete 
Mehrheit51).  Der  vom  Entwurf  vertretene  Abstimmungs- 
modus  entspricht  dem  im  15.  Jahrhundert  in  beiden  Berg- 
rechtsgebieten üblichen,  neben  dem  sich  freilich  für  gewisse 
Fälle  abweichende,  eine  qualifizierte  Mehrheit  verlangende 
Gestaltungen  erhalten  hatten55). 

Inwieweit  die  Gewerkschaft  in  der  Direktion  des 
Bergbaus  obrigkeitlichen  Schranken  unterlag,  lälst  sich, 
wie  bereits  erwähnt,  aus  dem  Inhalt  des  Entwurfs  ohne 
weiteres  nicht  mit  Sicherheit  feststellen.  Dafs  sie  dem 
Bergrichter  von  Unglücksfällen,  die  eine  zeitweise  Unter- 
brechung des  Betriebs  herbeiführten,  Nachricht  geben 
sollte56),  ist  für  diese  Frage  unerheblich,  da  jene  Meldung 
keinen  Eingriff  der  Behörde  veranlassen,  sondern  nur  die 
Folgen  einer  etwaigen  Auflässigkeit  verhindern  sollte. 

Gewerkschaftliche  Beamte  werden  im  Entwurf 
nirgends  erwähnt;  überall   erscheint  vielmehr  der  obrig- 


mediante  la  justicia,  la  quäl  se  la  domanderä  al  zudexe  el  sia  obb- 
ligado  esso  zudexe  nou  solum  investirlo  roa  etiam  defenderlo;  et 
cadauna  buxa  per  zorui,  15.  possi  da  la  raxou  esser  defexa. 

r,°)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  328.  5l)  Ebenda  S.  329. 

■"'-)  Cp.  6 :  Se  alguno  ingannerä  algun  suo  compagno  owero  torrä 
piu  utilitä  de  quello  i  tocherä  per  la  portion  et  caratada  sua,  le  raxon 
sue  vegni  ne  i  suo  compagni,  sei  serä  provado  esser  cusi  la  veritä. 

B3)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  331. 

54)  Cp.  14:  Item  s'  el  nascerä  alguna  differentia  tra  la  com- 
pagnia,  ovver  patroni  de  uua  buxa  ch'  el  se  debia  star  a  quello 
dirä  et  delibererä  la  mazor  parte  de  essi  patroni  circa  el  seguir  de 
lavorar  o  non  lavorar  (dechiai-ando ,  che  la  mazor  parte  se  intenda 
non  per  el  numero  di  homeni  de  essa  compagnia,  ma  per  el  numero 
dele  portion). 

M)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  338. 

56)  Cp.  18. 


120  Otto  Opel 

keitliche  Bergrichter  im  ausschließlichen  Besitz  aller 
Funktionen,  die  in  den  süddeutschen  Quellen  den  gewerk- 
schaftlichen Beamten  allein  oder  gemeinsam  mit  denen  des 
Leiheherrn  obliegen.  Untergeordnet  sind  ihm  die  Ge- 
schworenen, die,  obwohl  es  nicht  ausdrücklich  gesagl  ist, 
gleichfalls  obrigkeitlichen  Charakter  tragen,  da  sie  die 
Belehnung  gemeinsam  mit  dem  Bergrichter  zu  erteilen 
haben r>7).  Die  gleiche  Eigenschaft  wohnt  auch  dem 
Grubenschreiber  bei 5S),  dessen  Stellung  als  leiheherrlicher 
Beamter  sich  aus  seinem  obrigkeitlichen  Gehaltsbezug 
ergiebt51').  Dafs  dies  Honorar  schließlich  von  der  Gewerk- 
schaft bei  der  Zubuise  an  den  Staat  zurückerstattet 
werden  muls,  ist  für  das  öffentlich-rechtliche  Verhältnis 
der  Bergbeamten  ohne  Bedeutung;  denn  nach  den  klaren 
Worten  der  dem  ersten  zudexe  erteilten  Instruktion  ist 
der  Anspruch  auf  Gehalt  ein  den  Bergbeamten  unmittel- 
bar gegen  den  Staat  zustehender. 

Das  Fehlen  rein  gewerkschaftlicher  Beamter  entspricht 
dem  Bild,  das  wir  uns  von  dem  auf  sächsischen  Gruben 
gegen  Ausgang  des  Mittelalters  betriebenen  Bergbau  zu 
machen  haben.  Als  Gewerkschaftsvorstand  erscheint  hier 
der  Schichtmeister,  mit  wenigen  Ausnahmen  ein  Beamter 
von  regalem  Charakter00);  zur  gleichen  Klasse  sind  Gruben- 
schreiber(il)  und  Steiger02)  zu  zählen;  höchstens  die  Wahl 
der  Hutleute,  denen  die  Aufsicht  des  über  Tag  befind- 
lichen Grubenmaterials  oblag,  war  dem  Belieben  der 
Gewerkschaft  überlassen.  Der  Entwurf,  der  mehrfach 
Bestimmungen  über  das  Grubenmaterial  enthält0"),  be- 
schäftigt sich  mit  dieser  untergeordneten  Beamtenart 
überhaupt  nicht. 

Erlöschen  der  an  die  Gewerkschaft  verliehenen  Bau- 
befugnis  wird  durch  Nicht -Bauhafthaltung  der  Grube 
veranlaßt04).  Wie  in  den  übrigen  deutschen  Bergrechten 
ist  die  zur  Konstatierung  erforderliche  Frist  mit  dem 
Zusatz  eines  Tages  kombiniert.  Eine  nur  dem  säch- 
sischen Recht  eigene  Bestimmung,  die  denjenigen  Ge- 
werken,  die  mit  ihrem  Widerspruch  gegen  Einstellung  des 
Betriebes  in  der  Gewerkschaftsversammlung  unterlegen 
waren,  die  Berechtigung  einräumt,  an  einer  auf  demselben 
Territorium    neugegründeten     Gewerkschaft    sich     ohne 

ß7)  Cp.  9.  ß8)  Cp.  30. 

r'9)  Rivista  S.  29.  '")  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  3<>o. 

"')  Ebenda  S.  362.  02)  Ebenda  S.  364 

63)  Cp.  8,  19,  31.  °4)  Cp.  8. 


Die  älteste  venetianische  Bergordnung.  121 

weiteres  zu  beteiligen,  kehrt  Cp.  14  des  Entwurfs  wieder05), 
so  dais  sich  danach  meine  frühere  Annahme66),  es  handle 
sich  hier  um  einen  ganz  singulären  Rechtssatz,  korrigiert. 
Ebenso  hat  der  Entwurf  die  in  der  sächsischen  Praxis 
häufig  den  durch  höhere  Gewalt  am  Betrieb  behinderten 
Gewerkschaften  gewährte  Nachfristerteilung67)  als  ge- 
setzliche Regel  aufgenommen68). 

Für  das  Gewerkschaftsrecht  gleichgültig,  m.  W.  auch 
ohne  Analoga  in  deutschen  Rechtsquellen  sind  noch  einige 
äußerst  grausame  Strafbestimmungen,  die  sich  gegen  Ver- 
kauf nicht  verzehnteten  Erzes,  Aufserachtlassung  der  für 
Feuerarbeiten  erforderlichen  Sorgfalt,  Verheimlichung  von 
Neufunden  und  Störung  des  Bergbaus  wenden69).  Auch 
hier  kommt  jedoch  ein  starker  Einfluis  der  Regierung  auf 
den  Bergbau  darin  zum  Ausdruck,  dafs  selbst  in  dem  zu- 
letzt genannten  Fall,  der  an  sich  doch  nur  das  Interesse 
der  in  ihrer  Thätigkeit  gehinderten  Gewerkschaft  berühren 
würde,  ein  obrigkeitliches  Einschreiten  von  Amtswegen 
angedroht  wird. 

Suchen  wir  nunmehr  unsere  zweite  Frage  zu  er- 
ledigen, für  deren  Beantwortung  jetzt  genügendes  Material 
zu  Gebote  stehen  dürfte.  Cavallis  Quellen  sind  danach 
nicht  einheitlicher  Natur  gewesen.  Sehen  wir  von  den 
sporadischen  Spuren  römischrechtlicher  Beeinflussung  ab 
und  lassen  wir  auch  die  ihrem  Ursprung  nach  dunklen 
Strafbestimmungen  bei  Seite,  so  bleibt  noch  ein  Bestand 
von  Rechtssätzen  übrig,  die  teilweise  in  beiden  deutschen 
Bergrechtsgebieten  übereinstimmend  nachweisbar  sind, 
teilweise  jedoch  nur  in  der  süddeutschen  bezw.  der  säch- 
sischen Gruppe  vorkommen,  so  jedoch,  dafs  der  sächsische 
Anteil  überwiegt.  Während  Cavalli  dem  süddeutschen 
Recht  nur  zwei  Spezialbestimmungen  des  Gewerkschafts- 
rechts entnommen  hat,  finden  wir  bei  ihm,  was  von 
prinzipieller  Wichtigkeit,  das  System  des  sächsischen 
regalistischen  Beamtentums  wieder,  damit  aber  auch,  wie 


65)  (Fortsetzung  von  Anm.  54)  ...  et  se  quelli  o  quello  de  la 
menor  parte  volesse  ch'  el  se  lavorasse,  in  questo  caxo  vada  a  noti- 
licarlo  al  zudexe  deputado  et  fazane  far  nota  ne  li  libri  antentici, 
come  per  lui  el  vuol  lavorar :  et  cascadi  i  sopra  dicti  de  le  suo  raxon 
per  noii  haver  voluto  lavorar  come  sarä  investida  alguna  altra  persona, 
questo  tal,  che  averä  facto  far  nota  de  voler  lavorar,  se  intenda  restar 
su  le  sue  raxon. 

«)  Mein  Gewerkschaftsrecht  S.  367,  Anm.  10. 

«7)  Ebenda  S.  368.  •*)  Cp.  18,  23. 

69)  Cp.  11,  15,  28,  27. 


[22  Otto  Opet:   Die  älteste  venetianiscbe  Bergordnung. 

wir  unbedenklich  hieraus  zu  folgern  befugt  sind,  auch  das 
sächsische  Direktionssystem.  Denn  dafs  gegenüber  einem 
ausschliefslich  staatlichen  Beamtentum  von  einem  will- 
kürlichen Alibau  durch  die  Gewerkschaften  keine  Rede 
sein  kann,  bedarf  wohl,  obgleich  der  Entwurf  über  die 
Betriebsweise  keine  ausdrücklichen  Bestimmungen  enthält, 
keiner  besonderen  Begründung. 

Cavallis  Entwurf  besitzt  also  keinen  einheitlichen 
Charakter;  er  ist  ein  Kompromifs  zwischen  beiden  Berg- 
rechtsgruppen, das  jedoch  seine  wesentlichsten  Züge  der 
am  Ausgang  des  Mittelalters  neu  erstarkenden  und  für 
die  Fortentwicklung-  des  Bergrechts  am  bedeutungsvollsten 
gewordenen  sächsischen  Gesetzgebung  entlehnt, 

Spätere  Jahrhunderte  haben  freilich  die  in  letzterer 
durchgeführte  Bevormundung  des  Bergbaus  durch  den 
Staat  als  lästige  Fessel  empfunden,  deren  allmähliche 
Abstreifung  den  Inhalt  der  jüngsten  Vergangenheit  in 
der  Bergrechtsgeschichte  bildet.  Für  die  hier  fragliche 
Periode  traf  diese  Erwägung  jedoch  nicht  zu.  Wer  die 
Berichte  des  Freiberger  ürkundenbuchs  über  den  Stand 
des  Bergbaus  um  die  glitte  des  15.  Jahrhunderts  einsieht, 
der  wird  leicht  die  Überzeugung  gewinnen,  dafs  einem 
Mangel  an  Thatkraft.  einer  Unordentlichkeit  des  Betriebes, 
wie  sie  sich  damals  im  Kreis  der  Gewerkschaften  und 
Einzelabbauer  zeigten,  nur  durch  energisches  Einschreiten 
des  Staats,  vor  allem  durch  Einsetzung  eines  staatlichen 
Beamtentums  abgeholfen  werden  konnte.  Mit  richtigem 
Blick  hat  Cavalli  sich  bei  Abfassung  seines  Entwurfs 
diesen  Grundsätzen  des  sächsischen  Bergrechts  an- 
geschlossen. 


V. 

Stadtmarken  der  Zinngiefser  von  Dresden, 
Leipzig  und  Chemnitz. 

Von 

K.  Berliner. 


In  einer  kleinen  Abhandlung  über  sächsische  Zinn- 
marken1) habe  ich  das  Entstehen  der  Zinnmarken  und 
zwar  des  Dreimarkensystems  im  ehemaligen  Kurfürstentum 
Sachsen  nachzuweisen  versucht.  Ich  hatte,  dabei  ge- 
funden, dais  das  Bedürfnis,  bei  einer  minder  feinhaltigen 
Zinn  wäre,  jederzeit  den  Verfertiger  feststellen  und  zur 
Verantwortung  ziehen  zu  können,  zuerst  zu  der  Be- 
stimmung geführt  hatte,  dais  jede  Arbeit  mit  dem  Zeichen 
des  Verfertigers,  mit  der  Meistermarke  versehen  sein 
müsse.  Diese  einfache  Markierung  mochte  genügen,  so 
lange  es  sich  um  die  Erzeugnisse  einer  Stadt  oder  eines 
kleinen  Kreises  handelte.  Als  aber  allmählich  mit  dem 
wachsenden  Handelsverkehr  das  Überführen  der  Zinn- 
waren nach  anderen  Landesteilen  häufiger  wurde,  scheinen 
recht  viele  Unzuträglichkeiten  dadurch  entstanden  zu 
sein,  dafs  man  wegen  der  häufigen  Wiederholung  gleicher 
oder  ähnlicher  Meistermarken  den  Verfertiger  nicht  aus- 
findig zu  machen  vermochte.  Diese  Schwierigkeit  wurde 
nun  an  der  am  2.  August  1614  vom  Kurfürsten  Johann 
Georg  I.  bestätigten  Innungsordnung  durch  die  Bestim- 
mung, von  nun  an  neben  dem  Meister-  auch  das  Stadt- 
zeichen in  die  Ware  einzuschlagen,  beseitigt. 

Diese  Innungsordnung,   welche  laut  landesherrlicher 


')  Kmistgewerbeblatt  A.  F.  III.  133  ff. 


]■>  |  K.  Beding: 

Verfügung-  für  das  ganze  Kurfürstentum  Sachsen  Gültig- 
keil erhielt,  war  besonders  auf  das  Betreiben  der  Leipziger 
Zinngiefser  erlassen  worden,  die  in  einer  Eingabe  vom 
Juni  desselben  Jahres  den  Kurfürsten  gebeten  hatten, 
dafs  in  der  „Zinn  Proba  eine  allgemeyne  durchgehende 
gleichheitt  im  Churfürstenthumb  erhaltenn,  die  einge- 
schlichen mifsbreuche  abgeschafft,  der  Störerey  dadurch 
allerhandt  betrugk  bifshero  geursachet  wordenn  gewehret" 
werden  möchte. 

Es  ist  nun  sehr  wahrscheinlich,  wenn  es  auch  nicht 
ausdrücklich  betont  wird,  dafs  von  Leipzig  aus  gleich- 
zeitig vorgeschlagen  wurde,  dafs,  um  Betrügereien  mög- 
lichst vorzubeugen,  neben  der  Meister-  auch  die  Stadt- 
marke angewandt  werden  sollte.  Dies  scheint  um  so 
eher  möglich,  als  diese  Art  der  Markierung  in  Leipzig- 
schön  lange  bekannt  war.  Laut  einer  vom  23.  November 
1446  datierten  städtischen  Verfügung  für  die  Zinngiefser 
Leipzigs  findet  sich  folgende  Bestimmung:  .  .  .  „vnd  waz 
sie  (die  Zinngiefser)  von  den  alden  kannen,  schusseln, 
tellern  adir  andern  czenwerck  eynen  machen,  daz  sullen 
sie  mit  der  stad  Schilde  addir  czeichen  alleyne  mercken 
vnde  czeichen ;  was  sie  abir  von  nuwens  vnd  czum  eilfften 
eynem  addir  uff  den  kouff  machen  wurden,  daz  sullen  sie 
mit  irem  vnd  der  stad  czeichen  mercken2)". 

Aus  dieser  Bestimmung  geht  also  hervor,  dafs  der 
Leipziger  Zinngiefser  schon  von  144G  an  jede  neue  Ware, 
mochte  er  sie  nun  auf  Bestellung  oder  auf  Vorrat  an- 
fertigen, „czum  eilfften"  machen  (d.  h.  wohl  soviel  wie: 
in  11  Teilen  dieser  Waren  müssen  10  Teile  Zinn  und 
1  Teil  Blei  enthalten  sein)  und  mit  der  Stadt-  und 
Meistermarke  stempeln  mufste,  während  er  bei  derjenigen 
Ware,  die  man  ihm  zum  Umschmelzen  gegeben  hatte, 
die  Stadtmarke  allein  anwenden  sollte. 

Zu  der  Stadtmarke  ist  nun  für  gewöhnlich  das 
Wappen  der  Stadt,  in  welcher  die  Ware  gefertigt  wurde, 
genommen  worden,  freilich  in  einigen  Fällen  das  verkürzte 
Stadtwappen,  wie  es  die  winzigen  Gröfsenverhältnisse 
der  Zinnmarken  bedingten.  Diese  Verkürzungen,  sowie 
sonstige  aus  irgendwelchen  Gründen  unternommenen  Ver- 
änderungen  der  Stadtwappen   bieten  heutzutage   bei  der 


2)  Urkundenl) lieh  dir  Stadt  Leipzig  I  (('od.  dipl.  Sax.  res'.  H,  8), 
No.  244.  Auf  diese  Notiz  hat  mich  Dr.  Kroker,  Leipzig,  aufmerk- 
sam gemacht. 


Stadtmarken  der  ZinugieJser. 


125 


Bestimmung-  von  Zinnarbeiten  häutig  genug  Schwierig- 
keiten. So  habe  ich  mich  bereits  vor  J  ahren  im  Vereine 
mit  dem  bekannten  Leipziger  Zinnsammler  Dr.  Demiani 
bemüht,  den  Entstehungsort  einer  in  mehreren  Exem- 
plaren vorkommenden  zinnernen  Prunkschale  zu  ergrün- 
den. Die  darauf  befindliche  Stadtmarke  konnte  nicht  ge- 
deutet werden,  ja  Heraldiker  vom  Fach  behaupteten, 
dai's  die  hier  im  Schildeshaupt  vorkommende  Figur  un- 
heraldisch sei. 

Als  nun  vor  einiger  Zeit  vom  Kunstgewerbemuseum 
zu  Dresden  ein  vorzüglich  erhaltenes  Exemplar  dieser 
Schale  erworben  wurde,  kam  bei  mir  die  Frage  nach  dem 
Entstehungsorte  wieder  in  Fluis.  Da  die  Untersuchung 
diesmal  -  wenigstens  meiner  Meinung  nach  —  zum  Ab- 
schluß gelangte,  so  möchte  ich  das  Resultat  derselben 
in  Folgendem  mitteilen.  Fig.  1.  Fig.  2. 

Die  Prunkschale,  die  in 
der  Gewerbehalle  1887  Taf.  37 
und  Kunstgewerbeblatt  (N. 
F.  I,  S.  30)  abgebildet  ist, 
stammt  aus  der  z  weiten  Hälfte 
des  17.  Jahrhunderts,  sie  ist 
26  cm  im  Durchmesser  grols, 
aus  einer  Messingform  gegossen  und  zeigt  im  leicht  aufgetrie- 
benen Mittel  in  rundem,  von  einem  Lorbeerkranze  verziertem 
Medaillon  das  kleine  kursächsische  Wappen.  Der  breite, 
auf  die  napfförmige  Vertiefung  wagerecht  gestellte  Rand 
ist  mit  einem  kräftigen  Ornamente  von  vortrefflicher 
Zeichnung  verziert,  das  wohl  deutschen  Ursprungs  ist, 
aber  doch  den  Einflute  französischer  Kunst  zur  Zeit 
Ludwig  XIV.  deutlich  erkennen  läfst.  Dasselbe  setzt 
sich  zusammen  aus  4  langovalen  Kartuschen,  in  welchen 
sich  die  allegorischen  Gestalten  der  Gerechtigkeit  und 
des  Glückes,  ferner  der  doppelköpfige  gekrönte  Reichs- 
adler und  ein  Greif  befinden,  und  weist  im  übrigen  reiches 
Ranken-  und  Volutenwerk  mit  dazwischen  gestellten 
kleinen  Vögeln  und  Hirschen  auf. 

Alle  mir  bekannten  Exemplare  haben  die  gleiche  oben 
Fig.  1  abgebildete  Stadtmarke,  während  als  Meistermarken 
drei  verschiedene  auftreten.  Fig.  2  findet  sich  auf  den 
Exemplaren  des  Kunstgewerbemuseums  zu  Dresden,  des 
Museums  schlesischer  Altertümer  zu  Breslau  und  der 
Deutschen  Gesellschaft  zu  Leipzig.  Dagegen  zeigen  die 
Exemplare   in   den  Kunstgewerbemuseen  zu  Berlin  und 


[26  K.  Beding: 

zu  Leipzig  und  in  der  Sammlung  des  Dr.  Demiani  einen 
nach  rückwärts  blickenden  Hirsch  und  die  Aufschrift 
H  G  K  92.  Endlich  hat  das  Exemplar  in  der  Sammlung 
Zöllner  zu  Leipzig  das  Zeichen  Fig.  2,  doch  mit  dem 
Unterschiede,  dals  sich  hier  die  Zahlen  92  statt  08 
vorfinden. 

Das  Dreimarkensystem  im  Vereine  mit  dem  kur- 
sächsischen Wappen  weist  auf  sächsischen  Ursprung. 
Die  erste  Meistermarke  steht  hiermit  auch  vollkommen 
im  Einklänge.  08  bedeutet  1708  und  zwar  das  Jahr,  in 
dem  zum  dritten  Male  die  kursächsische  Zinngiefser- 
ordnung  geändert  worden  ist.  92  läist  sich  nun  aber 
auf  ein  solches  Jahr  nicht  zurückführen,  da  die  beiden 
anderen  Veränderungen  161)3  bez.  1614  und  1674  statt- 
fanden. Ich  weils  mir  hier  nur  damit  zu  helfen,  dals 
ich  1692  als  das  Jahr  einer  lokalen  städtischen  Be- 
stimmung annehme.  Für  die  Zusammengehörigkeit  scheint 
auch  der  Umstand  zu  sprechen,  dals  die  erste  Marke  mit 
beiden  Jahreszahlen  vorkommt. 

Die  auf  allen  Exemplaren  gleiche  Stadtmarke  läist 
sich  nun  nicht  ohne  weiteres  mit  dem  Wappen  irgend 
einer  sächsischen  Stadt  in  Verbindung  bringen.  Drei 
dieser  Schalen  befinden  sich  seit  ■  wenn  ich  recht  be- 
richtet bin  erdenklich  langer  Zeit  in  Leipzig,  und 
auch  das  Dresdner  Exemplar  ist  von  einem  Leipziger 
Händler  gekauft  worden,  aber  deshalb  diese  Marke  mit 
dem  Leipziger  Stadtwappen  in  Verbindung  zu  bringen, 
schien  mir  zu  gewagt,  bis  ich  durch  Zufall  bei  einem 
hiesigen  Händler  einen  einfachen  flachen  Zinnteller  fand. 
der  neben  der  fraglichen  Stadtmarke  den  voll  aus- 
geschriebenen Namen  Leipzig  eingestempelt  zeigte.  Es 
ist  dies  eine  Art  der  Markierung,  die  Mitte  unseres 
Jahrhunderts  aufkam  und  häutig  neben  der  alten  gehand- 
habt wurde.  Nun  war  es  mir  aber  zur  Grewifsheil  ge- 
worden, Leipzig  und  kein»'  andere  Stadt  sei  der  Ent- 
stehungsort der  fraglichen  Prunkschale  gewesen. 

Bestärkt  wurde  ich  in  dieser  Ansicht  noch  dadurch. 
dals  C.  G-urtitt  in  dem  vor  kurzem  erschienenen  Hefte  XVI 
des  [nventarisationswerkes  des  Königreichs  Sachsens  von 
den  in  der  Amtshauptmannschafl  Leipzig  Land  vor- 
kommenden Zinnarbeiten  nicht  weniger  als  20  —  und 
zwar  bei  weitem  die  überwiegende  Anzahl  —  mit  der 
bewulsten  Stadtmarke  anführt.  Denn  dankenswerter 
Weise  sind  hier  zum  erstenmale   im  sächsischen   Inven- 


Stadtmarken  der  Zinngiefser.  127 

tarisationswerke  die  Zinnmarken  mit  abgebildet.  Es  lälst 
sich  wohl  ohne  weiteres  annehmen,  dals  die  in  der  Um- 
gegend von  Leipzig  liegenden  Dörfer  auch  vorzugsweise 
von  Leipzigs  Zinngiefsern  versorgt  worden  sind.  Hierzu 
kommt  noch,  dafs  in  dem  Zinnkruge  der  Kirche  zu  Sehlis, 
in  dem  Taufbecken  der  Kirche  zu  Rebbach  und  in  einer 
Flasche  der  Kirche  zu  preiskau  die  Meistermarke  Fig.  2 
ohne  08  und  endlich  auf  einer  Kanne  in  der  Kirche  zu 
Hirschfeld  die  Zahl  92  auf  der  Meistermarke  vorkommt, 
eine  Zahl,  die  ich  somit  als  (1692)  Jahr  einer  lokalen 
Leipziger  Verordnung  deute. 

Wie  nun  aber  Leipzig  zu  dieser  vom  Stadtwappen 
abweichenden  Stadtmarke  gekommen  ist,  darüber  möchte 
ich  folgende  Vermutung  aufstellen. 

Im  Jahre  1614  entstand  an  Stelle  der  bis  dahin  be- 
stehenden einzelnen  lokalen  Zinngielserordnungen  eine 
solche,  die  für  das  ganze  Kurfürstentum  Sachsen  Gültig- 
keit erhielt,  Es  hatte  sich  mithin  das  Bedürfnis  heraus- 
gestellt, nicht  mehr  allein  innerhalb  der  einzelnen  Ort- 
schaften, sondern  im  ganzen  Lande  die  nötige  Kontrolle 
über  die  Zinngiefser  ausüben  zu  können.  Ich  habe  oben 
angedeutet,  dals  sich  allmählich  bei  den  vielen  gleichen 
und  ähnlichen  Meistermarken  neben  derselben  die  An- 
bringung der  Stadtmarke  nötig  machte.  Durch  die  Stadt- 
marke konnte  man  den  Verfertiger  auf  einen  Ort  zurück- 
führen und  hier  nun  leicht  aus  der  verhältnismäßig 
geringen  Anzahl  der  Meister  herausfinden.  Denn  das 
ganze  Kurfürstentum  war  1614  in  5  Kreise  eingeteilt 
worden,  deren  Centren,  die  Kreisstädte,  Dresden,  Leipzig, 
Wittenberg,  Schneeberg  und  Langensalza,  auf  einer  Zinn- 
tafel die  sämtlichen  Meisterstempel  ihres  Bezirkes  ein- 
geprägt besalsen.  Schwierigkeiten  entstanden  aber  auch 
hier  wieder  bei  den  wachsenden  Handelsbeziehungen, 
wenn  die  Stadtmarken  sich  derartig  ähnlich  sahen,  dals 
sie  nicht  auseinanderzuhalten  waren.  Dies  war  aber 
der  Fall  bei  den  beiden  bedeutendsten  Kreisstädten,  bei 
den  beiden  seit  alters  her  mit  einander  rivalisierenden 
Schwesterstädten,  Dresden  und  Leipzig.  Beiden  Stadt- 
wappen liegt  der  alte  Schild  der  Wettiner  zu  Grunde. 
Derselbe  ist  längsgeteilt  und  zeigt  den  schwarzen  Löwen 
auf  goldenem  Grunde  (Meiisen)  und  die  beiden  Lands- 
bergerpfähle  im  goldenen  Felde  blau.  Dies  Wappen  wird, 
richtig  in  den  Farben,  von  Leipzig  geführt,  während  das 
Dresdner  Wappen  statt  der  blauen  schwarze  Pfähle  zeigt. 


{28  k    Helling:   Stadtmarken  der  Zinngiefser. 

Ein  ganz  ähnliches  Stadtwappen  wie  Leipzig  hat  Chemnitz, 
nur  ist  hier  rechts  und  links  gegeneinander  vertauscht. 
Wenn  man  sich  nun  aber  diese  äufserst  ähnlichen  Wappen 
in  die  winzigen  Zinnmarken,  bei  denen  von  einem  Tingieren 
nie  die  Hede  gewesen  ist,  übersetzt,  so  wird  man  wohl 
eine  häufige  Verwechselung  und  daraus  entstehende 
Streitigkeiten  begreiflich  finden.  Um  diesen  Übelstand 
zu  beseitigen,  ist  man  nun  —  meiner  Meinung  nach  — 
darauf  gekommen,  den  Zinngielsern  von  Dresden,  der 
kurfürstlichen  Residenz,  das  mit  dem  Herrscherhause  eng 
zusammenhängende  Stadtwappen  zu  lassen,  die  beiden 
andern  Stadtmarken  aber  zu  ändern. 

Was  nun  Chemnitz  anlangt,  so  ist  man  durch  die 
noch  heute  im  Besitze  der  Dresdner  Zinngiefserinnung 
befindliche  Markentafel,  welche  im  Jahre  1708  angelegt 
zu  sein  scheint,  vollkommen  unterrichtet3).  Als  Stadt- 
marke  für  Chemnitz  findet  sich  auf  dieser  Tafel  nur  der 
Löwe  angegeben.  Man  würde  es  hier  also  einfach  mit 
einem  verkürzten  Stadtwappen  zu  thun  haben,  ein  Vor- 
gang, den  man  auch  an  andern  Orten  verfolgen  kann. 

Die  Leipziger  Zinngielser  haben  aber  ihre  Zinnmarke 
in  folgender  Weise  abgeändert.  Sie  teilen  den  Schild 
durch  eine  im  oberen  Drittel  befindliche  Linie,  behalten 
im  unteren  Felde  die  landsberger  Pfähle,  während  sie  in 
das  Schildeshaupt  die  heraldisch  nicht  zu  deutende  Figur 
setzen. 


:!)  Diese  Tafel  wird  in  dem  nächstens  erscheinenden  Werke  über 
Zinnarlieiten  von  Dr.  Demiani  abgebildet  werden. 


VI. 

Kleinere  Mitteilungen. 

1.  Zur  Geschichte  der  Dresdner  Thietmarhandschrift. 

Von  Ludwig  Schmidt. 

Die  Königl.  öffentliche  Bibliothek  zu  Dresden  be- 
wahrt bekanntlich  unter  der  Signatur  R.  147  den  eigen- 
händigen Codex  der  Chronik  Thietmars  von  Merseburg, 
über  dessen  Schicksale  nur  wenig  bekannt  ist.  Es  dürfte 
daher  die  Mitteilung  des  nachstehenden  Reskriptes  Kur- 
fürst Augusts  von  Sachsen  vom  17.  April  1563,  welches 
auch  sonst  für  die  sächsische  Gelehrtengeschichte  von 
Interesse  ist,  nicht  unwillkommen  sein.  Es  befindet  sich 
im  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  Cop.  321  fol.  70  f. 

Ann  die  Merseburgisch  regiruug. 

Wir  geben  euch  gnedigster  meinung  zu  erkennen,  das  wir  vor- 
ordent  haben,  das  buch,  so  etwo  D.  Georgius  Agricola  seliger  von 
der  itzigen  hertzogen  zu  Saxen  ankunfft  unnd  allderselben  vorfaren 
loblichen  thaten  auff  unsers  geliebten  hern  brudern  churfurst  Moritz 
seliger  gedechtnus  anschaffen  zu  schreiben  angefangenn,  durch  ma- 
gistnun  Georgium  Fabritium  rectorn  unser  furstenschulen  zu  Meissen 
vollent  zu  continuiren,  darzu  er  dann  etzlicher  alten  glaubwürdigen 
croniken  und  historienschreiber ,  sonderlich  cronicam  Ditmari  wohl 
bedurffte.  Xu  seind  wir  berichtet,  das  berurte  chronica  etwo  in  der 
liberei  zu  Merseburg  gewesen;  derhalben  begeren  wir  gnedig,  ir 
wollet  euch  bei  dem  thumbcappittel  daselbst  erkundigen  unnd,  wo 
die  noch  vorhanden,  alsdan  sie  von  unserntwegen  gnedigst  ersuchen, 
das  sie  uns  dieselbig  ein  zeit  lang  wolten  volgenn  lassen,  damitt 
sich  gedachter  Fabritius  der  notturfft  nach  darinnen  zu  ersehen,  und 
auff  den  fall  wollet  die  cronica  der  stad  sindico  zu  Merseburg  Ernst 
Brotauff  zustellen,  der  hat  von  uns  befelch,  die  furder  Fabritio  zu- 
zuschickenn.  Do  aber  die  cronica  in  der  liberei  nicht  fanden  wurde, 
alsdan  wollet  das  cappittel  von  unserntwegen  vermögen,  das  sie  ann 
den  rath  zu  Aldenburg  schreiben  oder,  do  sie  sich  des  waigern. 
solchs   für  euch   aus  unseriu  befelch  thun,  das  sie  bei  her  Georgen 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  1.  2.  9 


130  Kleinere  Mitteilungen. 

Spalatini  seligen  erben  erkundigen,  ob  solche  cronica  nicht  nach 
seinem  absterben  bei  iine  fanden;  dan  wir  seint  berichtet,  das  das 
eappittd  zu  Merseburg  ime  dieselbige  geliehen,  als  er  eine  cronica 
wider  hertzog  Heinrichen  zu  Braunseliwig  geschrieben:  wo  nun  die 
cronica  muh  daselbst  were,  die  widerumb  abfordern  und  euch  ob- 
berurter  massen  damit  vorhaltenn.  Neben  dem  begeren  wir  auch 
unnd  befehlen  euch  hirmit  — ,  ir  wollet  alle  bucher,  so  noch  in  dem 
closter  sancti  Petri  für  Merseburg  vorhanden,  inventiren  unnd  die 
bucher  uffs  schloß  bringen  und  in  einem  gemach  vorwahren.  Das 
inventarium  wollet  Brodauff  lassen  ersehen  unnd,  do  er  befinden 
wir.let,  das  etzliche  bucher  zu  obgedachtem  werck  dinstlich,  ime  die 
uii: eii  einer  recognition  guthwillig  lassen  volgen,  das  er  die  furder 
Fabritio  zufertige.  Wan  dan  solch  werck  volendet,  wollen  wir  doran 
sein,  das  die  bucher  wider  an  gehörende  orth  sollen  geschafft  werden.  — 
Datum  Dresden  den  17.  april  [1563]. 

Was  wir  hiernach  und  nach  anderen  Quellen  über 
die  Geschichte  der  Handschrift  wissen,  ist  folgendes: 

Dieselbe  war  von  Bischof  Wernher  von  Merseburg 
(1061  —  1091)  dem  Kloster  St.  Peter  zu  Merseburg  ge- 
schenkt worden1).  Von  diesem  wurde  sie  um  1539  für 
die  Bearbeitung  der  Streitschrift  gegen  Herzog  Heinrich 
den  Jüngeren  von  Braunschweig2)  an  Spalatin  geschickt, 
der  sie  wiederum  Melanchthon  in  Wittenberg  mitteilte"). 
Dais  sie  von  Spalatin  wieder  zurückgegeben  worden  war, 
ersehen  wir  aus  Brotuffs  „Chronica  aller  Bischoffe  zu 
Marsburg",  Buch  II  c.  7,  welcher  in  der  vom  21.  Oktober 
1556  datierten  Ausgabe  bemerkt:  „Das  rechte  Original 
vnd  exemplar  hat  das  Closter  Sanct  Petri  vor  Marsburg", 
während  die  Ausgabe  vom  1 3.  Juni  1557  hierzu  die  Worte 
hinzufügt:  „Dem  Herrn  Sigismundo  Dechande  zu  Mars- 
burg geliehen".  Der  Codex  war  also  in  der  dazwischen 
liegenden  Zeit  vom  Kloster  wieder  ausgeliehen  worden 
und  zwar  nicht,  wie  Lappenberg4)  und  Kurze  a.  a.  O. 
meinen,  an  den  1544  verstorbenen  Merseburger  Bischof 


t)  Vergl.  Thietm.  ed.  Kurze  p.  XIII. 

-)  Chronica  vnd  Herkomen  der  Churfürst  ...  zu  Sachssen  jegen 
Hertzog  Heinrichs  zu  Braunschweig  .  .  .  Herkomen  etc.  (Wittenberg 
1541). 

3)  Dafs  dies  der  Sachverhalt  und  dafs  Spalatin  die  Handschrift 
nicht  durch  die  Bemühungen  Melanchthons  erhielt,  wie  Seelheim, 
(jfeorg  Spalatin,  als  sächsischer  Historiograph  S.  37,  angiebt,  zeigt 
der  ßrief  Melanchthons  an  Spalatin  d.  d.  1539  Dez.  2,  Corpus 
reform.  III,  844  No.  1883 :  Quod  inspiciendum  mihi  dedisti  Historicum 
Mersliurgeiisem  gratiam  tibi  habeo.  Main  humanitate  tua  delector  etc. 
(vergl.  See  1  heim  a.  a.  0.,  der  diesen  Brief  als  von  Spalatin  an 
Melanchthon  geschrieben  bezeichnet).  Eram  tibi  codicem  nuper  hie 
redditurus  ac  niane  iusseram,  ut  tibi  portaretur.     Sed  tu  iam  abieras. 

')  Mon.  Germ.  SS.  III,  729. 


Kleinere  Mitteilungen.  131 

Sigismund  von  Lindenau,  sondern  an  den  gleichnamigen 
Dechanten,  der  1545  von  Luther  in  Merseburg  getraut 
wurde5).  Hieraufhat  denselben  Fabricius  erhalten;  dafs 
dies  wirklich  der  Fall,  ersehen  wir  aus  öfteren  An- 
führungen der  Chronik  in  seinen  Schriften  zur  sächsischen 
Geschichte.  Wahrscheinlich  ist  dann  die  Handschrift  an  Kur- 
fürst August  abgegeben  worden,  der  sie  an  Petrus  Albinus 
nach  Wittenberg  schickte  und  diesem  auftrug6),  in  Ge- 
meinschaft mit  Reiner  Reineccius  eine  Ausgabe  zu  ver- 
anstalten7). Diese  Arbeit  übernahm  aber  Reineccius 
allein  und  vollendete  sie  am  18.  Dezember  1574  zu  Witten- 
berg, wie  er  selbst  am  Schlüsse  der  Handschrift  be- 
merkte8). Die  Ausgabe  selbst  erschien  1580  in  Frank- 
furt a.  M.,  als  Reineccius  bereits  Wittenberg  verlassen  hatte 
und  Professor  in  Frankfurt  a.  0.  geworden  war.  Offenbar 
hing  dieser  Auftrag  des  Kurfürsten  mit  der  1574  erfolgten 
Ernennung  des  Reineccius  zum  sächsischen  Histoiiographen 
in  Wittenberg  zusammen.  Nach  der  Rückgabe  wird  der 
Codex  in  Dresden  geblieben  und  ins  geheime*  Archiv  ge- 
langt sein"),  wenigstens  war  er  zu  Anfang  des  17.  Jahr- 
hunderts bestimmt  dort10).  Vom  Archiv  wurde  er  dann 
im  Jahre  1832  neben  anderen  Handschriften  der  Königl. 
öffentlichen  Bibliothek  überwiesen. 

2.    Der  Begräbnistag  des  Markgrafen  Georg  von 

Meifsen. 

Von  P.  Mitzschke. 

Im  XV.  Bande  dieser  Zeitschrift  S.  324  f.  werden 
die  Gründe  angeführt,  die  gegen  das  angenommene  Todes- 
jahr 1402  des  Markgrafen  Georg  sprechen  und  vielmehr 


B)  Vergl.  Fraustadt,  Die  Einführung  der  Reformation  im 
Hochstift  Merseburg  S.  182,  235. 

c)  Von  der  Hand  des  Petrus  Albinus  rührt  die  Bemerkung  über 
die  Eigenhändigkeit  der  Handschrift  auf  dem  Schmutzblatt  her,  vergl. 
Lappenberg  a.  a.  0. 

7)  Vergl.  Ditinari  chron.  ed.  Reineccius,  prooemium  (p.  2). 

s)  Fol.  193:  18.  Decemb.  1574  Viteb.  (wohl  zweifellos  Autograph 
des  Reineccius).  Vergl.  auch  Ursinus  in  der  Einleitung  zu  seiner 
Übersetzung  der  Chronik,  S.  XVI. 

9)  Die  kurfürstliche  Bibliothek  wurde  erst  1586  vom  Schlofs 
Annaburg  nach  Dresden  gebracht.  In  älteren  Bibliothekskatalogen 
ist  die  Handschrift  nicht  verzeichnet. 

10)  Vergl.  Mader  in  der  Vorrede  zu  seiner  Ausgabe  des  Dit- 
mar  (Helmstädt  1667)  S.  5. 

9* 


132  Kleinere  Mitteilungen. 

1401  dafür  setzen.  Ein  urkundlicher  Beleg  für  den  Be- 
gräbnistag des  Markgrafen  findet  sich  im  S.-Ernesti- 
nischen  Gesamtarchiv  zu  Weimar.  Das  Kopialbuch  B.  2 
dieses  Archivs,  enthaltend  Aufzeichnungen  und  Auszüge 
über  Handlungen  der  askanischen  Kurfürsten  von  Sachsen 
aus  den  Jahren  1388  bis  zum  Aussterben  des  Hauses, 
1  uingt  auf  Fol.  43a  folgenden  gleichzeitigen  Eintrag: 

Anno  domini  etc.  quadringentesimo  secundo,  des  nian- 
tags  uach  sand  Anthonii  tage  hat  grave  Heinrich  von  Swarcz- 
burg  von  uns  Rudolfen  etc.  emphangen  lechstete  mit  allen  zuge- 
horungen,  und  ist  gesehen  zur  Pforten,  als  man  niarkgrave 
Georgen  den  jungen  hern  begink. 

Eine  andere  unmittelbar  folgende  Aufzeichnung  in 
dem  Buche  wiederholt  diese  Datierung  in  der  abgekürzten 
Form:  „In  demselben  jare,  tage  und  stete,  als  oben  ge- 
schoben steet." 

Hiernach  ist  nicht  zu  zweifeln,  dafs  Georg  am 
23.  Januar  1402  in  Pforte  beigesetzt  worden  ist. 
Die  unbestimmtere  Angabe  in  Sixtus  Brauns  Naumburger 
Annalen  „nach  Antonii"  erklärt  sich  dadurch,  dafs  die 
Quelle  des  Annalisten,  nämlich  die  alten  Xauinburger 
Stadtrechnungen,  in  der  Bezeichnung  der  Wochentage 
häufig  sehr  unleserlich  gehalten  ist;  daher  finden  sich  in 
dem  Buche  zahlreiche  Fälle  ähnlicher  unbestimmter  Tages- 
bezeichnungen. Die  Angabe  des  Johannes  Tylich,  dals 
die  Leichenfeier  am  Mittwoch  nach  Luciä  1401,  also  am 
14.  Dezember  stattgefunden  habe,  ist  damit  allerdings 
nicht  zu  vereinigen.  Vielleicht  hat  der  Chronist  das  Datum 
der  vorläufigen  Totenfeier  in  Koburg  mit  dem  der  wirk- 
lichen Beisetzung  in  Pforte  verwechselt. 

3.  Zu  Mardochais,  Rabbis  de  Nelle,  angeblicher  Prophe- 
zeiung an  Kurfürst  August  zu  Sachsen  (1575). 

Mitgeteilt  von  Theodor  Distel. 

In  von  Webers  Archive  für  die  Sächsische  Ge- 
schichte Band  VII  (1809),  225  flg.,  handelt  der  Heraus- 
geber jener  Zeitschrift  über  „einige,  Sachsen  betreffende 
Prophezeiungen",  unter  denen  er  auch  die  angeblich  von 
Mardochaj,  Rabbi  de  Nelle1)  herrührende,  in  verschiedenen, 

')  Mau  vergl.  die  Beilädt'  zu  „Magica"  146,  100  der  Königlichen 
öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden,  wonach  er  auch  den  Namen 
„Simson"  führt,  und  von  Weber  a.  a.  U.  S.  243  ltg. 


Kleinere  Mitteilungen.  133 

mehr  oder  weniger  von  einander  abweichenden  Abschriften 
verbreitete  Prophezeiung'  mitteilt  und  bespricht  (S.  232 flg.). 
Auf  der  königlichen  öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden 
fand  ich  nun  kürzlich  einen  Druck  aus  der  Zeit  um  die 
Wende  des  vorigen  und  dieses  Jahrhunderts  (Ephem.  hist. 
278  No.  1),  über  den  ein  Wort  gerade  hier  am  Platze 
sein  dürfte.  Derselbe  scheint  mit  den  „cabbalistischen 
Betrachtungen  von  Mardochai,  Rabbi  de  Nelle,  vom 
Jahre  1575",  welche  wir  in  dem  Buche:  Gallerie  alter 
und  neuer  Propheten  und  ihrer  Ausleger  bis  auf  die 
Superintendenten  Ziehe  und  Typke  (1800)  S.  104  ab- 
gedruckt finden,  im  unmittelbaren  Zusammenhange  zu 
stehen.  Er  trägt  den  Titel:  Sachsens  goldenes  Zeit- 
alter, nach  einer  Prophezeiung  des  Jahres  1575 
vorher  verkündet,  umtatst  zwei  Quartblätter  und  trägt 
weder  Jahr  noch  den  Namen  des  Herausgebers,  bez. 
Druckers. 

Zu  Anfange  der  Schrift  heifst  es:  „Diese  gegen- 
wärtige Prophezeiung  ist  von  dem  Verfasser  Mardochäus 
Rabbi  de  Nelle  in  ein  Buch  geschrieben  worden,  welches 
sich  dermalen  in  der  Bibliothek  zu  Nöhdnitz  befindet. 
Die  Anmerkungen  sind  von  des  Kurfürsten  Augusti  eigener 
Hand  an  den  Rand  geschrieben." 

Demnach  wäre  Nöthnitz  bei  Dresden,  d.  i.  die  seit 
1754  an  Kursachsen  verkaufte  Gräflich-Bünausche  Biblio- 
thek der  bisher  sonst  noch  nicht  genannte  Aufbewahrungs- 
ort des  Originalschriftstückes  gewesen.  Auf  der  könig- 
lichen öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden  befindet  sich 
freilich  das  Schriftstück  nicht,  auch  nicht  etwa  noch,  wie 
mir  Herr  Rudolf  Carl  Freiherr  von  Finck,  der  gegen- 
wärtige Besitzer  des  Rittergutes  Nöthnitz,  gütigst  mit- 
geteilt hat,  am  früheren  Platze. 

Das  hier  in  Betracht  kommende  Exemplar  der  Prophe- 
zeiung trägt  am  Ende  ein  genaues  Datum  ihres  an- 
geblichen Entstehens:  Geschrieben  am  Tage  der  Be- 
kehrung Pauli  (25.  Januar)  anno  1575.  Der  Inhalt  der 
„Prophezeiung"  zeigt  übrigens  deutlich,  dafs  die  That- 
sachen  zu  ihr  längst  vorlagen,  als  sie  eine  fälschende 
Hand  (in  der  zweiten  Hälfte)2)  des  vorigen  Jahrhunderts 
niederschrieb. 


2)  Nach  Absterben  des  Königs  August  II.;  man  vergl.  Katalog  der 
Handschriften  der  königlichen  öffentlichen  Bibliothek  zu  Dresden  II 
(1883),  36  bez.  1764-1777;  von  Weber  a.  a.  0.  S.  248  a.  E. 


[3  |  Kleinere  Mitteilungen. 

4.   Zum  Nossener  Kirchenbaue. 

Mitgeteilt  von  Theodor  Distel. 

Am  27.  Oktober  1719  brannte  bei  einer  größeren 
Feuersbrunst,  welche  den  Ort  heimsuchte,  auch  die  Stadt- 
kirche zu  Nossen,  ein  Werk  des  Freiberger  Steinmetzen 
Andreas  Lorenz  aus  dem  Jahre  1565,  ab1).  Als  dieselbe 
wieder  aufgebaut  wurde,  erging  unterm  .'}.  November  1728 
ein  Reskript  betreffs  der  Amts-Emporkirche  des  Inhalts, 
dafs  die  kostbare,  auf  136  Thaler  veranschlagte  Her- 
stellung bedenklich  falle. 

Kein  Geringerer,  als  der  kurfürstlich  sächsische  Ober- 
landbaumeister Matth.  Dan.  Pöppelmann  fertigte  Anfang 
1734  einen  billigeren  Rifs  an;  der  betreffende  Bauanschlag 
der  Werkleute  lautete  nur  auf  53  Thaler  —  Gr.  4  Pfg. 
und  2  Brettbäume. 

Als  Tischler  fungiert  dabei  August  Schneider,  der 
Rifs  liegt  bei  dem  Anschlage2).  In  einem  die  Approbation 
des  beiliegenden  Planes  nachsuchenden  Schreiben  heisst 
es,  dafs  der  Nossener  Pastor :!),  der  gern  die  dem  Amte 
vorbehaltenen  Stände  gleich  anderen  verbaut  und  gleich 
sähe,  dagegen  sein  werde. 


5.    Eine  Flugschrift  über  das  Anrecht  König  Fried- 
richs II.  von  Preui'sen  auf  Böhmen. 

Von  Walther  Schultz e. 

In  Bd.  XIV  S.  342  weist  Th.  Distel  auf  folgende  Flug- 
schrift aus  dem  siebenjährigen  Kriege  hin:  „Kurzer  doch1 


Gründlicher  Beweis ,  ||  dals 
König!.  Majest,  in  Preussen ! 


_  das  Königreich  Böhmen    Sr. 

zustehe".  Die  v.  Ponickau'sche 
Bibliothek  in  Halle  a.  d.  S.  besitzt  von  diesem  Druck  drei 
Exemplare,  und  auf  einem  derselben  befindet  sich  auch  von 
alter  Hand  folgende  Notiz,  die  über  den  Verfasser  Aus- 


')  Man  vergl.  meine  Mitteilungen  in  der  Zeitschrift  für  Museo- 
logie  und  Antiquitätenkunde  u.  s.  w.  V  (1882),  164.  Die  Steine 
dazu  lieferten  die  Ruinen  des  Klosters  Altenzelle.  Eine  eiserne 
Thüre  für  die  Sakristei  und  eine  Glocke  kam  ebendaher  1568:  K.  S. 
Hauptstaatsarchiv,  Kopial  848  Bl.  339;  über  Holz  zu  den  Kirchen- 
thüren  ebendort  Bl.  339  b. 

2)  K.  S.  Hauptstaatsarchiv:  Loc.  34  978*  No.  91. 

:!)  Nach  Kreyfsigs  Album  der  evangelisch-lutherischen  Geist- 
lichen im  Königreiche  Sachsen  u.  s  w.  (1888)  S.  364  hatte  damals 
Karl  Christoph  Zandt  diese  Stelle  innc. 


Kleinere  Mitteilungen.  135 

kunft  giebt:  „Von  Prof.  Carach  jun.  zu  Halle,  und 
wurde  den  16.  Januar  1757  auf  öffentlichen  Markt 
zu  Drefsden  auf  K.  Preufs.  Befehl  durch  den 
Scharff-Richter  verbrant."  Gemeint  ist  damit  Johann 
Philipp  von  Carrach,  der  1730  geboren,  1752  außer- 
ordentlicher Professor  des  Rechts  in  Halle  wurde;  1758 
wurde  er  zum  ordentlichen  Professor  in  Duisburg  ernannt, 
konnte  aber  diese  Stellung  des  Krieges  wegen  erst  1764 
antreten ;  bis  dahin  lebte  er  in  Breslau.  Von  Friedrich  II. 
wurde  er  geadelt.  1768  wurde  er  als  Professor  nach 
Kiel  berufen,  doch  schon  1769  entlassen;  er  ging  nach 
Wien,  trat  nun  zum  Katholizismus  über  und  war  publi- 
zistisch gegen  den  Berliner  Hof  thätig.  Im  Anfang  des 
siebenjährigen  Krieges  hatte  er  umgekehrt  in  Friedrichs 
Diensten  die  Feder  geführt,  insbesondere  mehrere  Schriften 
in  der  bekannten  Polemik  wegen  der  Verhängung  der 
Reichsacht  über  Friedrich  verfafst.  Der  „Kurze  doch 
gründliche  Beweis"  wird  nirgends  unter  seinen  Werken 
aufgeführt,  trotzdem  liegt  meines  Erachtens  kein  Grund 
vor,  an  der  Richtigkeit  der  handschriftlichen  Eintragung 
auf  unserem  Exemplar  zu  zweifeln:  einmal  pafst  die 
Broschüre  trefflich  zu  dem,  was  wir  sonst  von  diesem 
charakterlosen  Publizisten  wissen,  sodann  bemerkt  Weid- 
lich, Biographische  Nachrichten  von  den  jetzt  lebenden 
Rechts- Gelehrten  in  Teutschland,  Bd.  I  S.  112,  ausdrück- 
lich, dafs  er  aufser  den  von  ihm  genannten  Arbeiten  noch 
„mehrere  Schriften  ohne  Namen,  besonders  im  siebenjähri- 
gen Kriege,  verfertiget  haben  solle".  —  Übrigens  dürfte  der 
„Kurze  doch  gründliche  Beweis"  nicht  gar  so  selten  sein, 
wie  a.  a.  0.  angenommen  wird;  abgesehen  von  den  drei 
Exemplaren  der  v.  Ponickau'schen  Bibliothek,  besitzt  auch 
die  königliche  Bibliothek  zu  Berlin  zwei  verschiedene 
Ausgaben,  da  Baumgart,  Die  Literatur  des  In-  und  Aus- 
landes über  Friedrich  den  Grofsen,  dessen  Angaben  aus- 
schliefslich  auf  dem  Bestand  dieser  Bibliothek  beruhen, 
auf  S.  148  —  irrtümlich  zum  Jahre  1758  —  dieselben 
verzeichnet. 

6.    Der  älteste  kursächsische  Bifoliothekskatalog  aus 

dem  Jahre  1437. 

Von  Woldemar  Lippert. 

Die  älteste  Archivregistrande,  die  über  die  Bestände 
des    alten    kurfürstlich    sächsischen    Archivs    Aufschlufs 


]36  Kleinere  Mitteilungen. 

giebt .  ist  ein  in  Schweinsleder  gebundener  Papierkodex 
von  114  Blatt  in  Folio,  betitelt  auf  der  Vorderschale 
„Registratura  etlicher  brive,  so  etwan  zu  Meyssen  im 
gewelbe  gelegen  und  darnach  gein  Leiptzk  gefurt.  Re- 
gistrata  per  M.  Rotleben,  Cnntz  Rumpf  anno  1508",  auf 
der  Rückschale  „Ordu  litterarum" ;  derselbe  liegt  im 
Locat  23  (XVI-  Abteil.  No.  122).  Auf  den  Innenseiten 
der  Deckelschalen  sind  einige  chronikalische  Notizen  ein- 
getragen, die  ich  in  dieser  Zeitschrift  XV,  318  flg.  ver- 
öffentlicht habe.  Der  Band  selbst  enthält  Inventare  aus 
der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  über  die  in  Meifsen 
befindlichen,  die  aus  Weida  gebrachten  Urkunden  etc.  Bl.  59 
beginnt  das  Inventar  der  Wittenberger  Archivalien;  am 
Kopfe  jeder  Seite  von  59-72  ist  ausdrücklich  „Wittin- 
berg"  beigeschrieben.  Dieses  Inventar  stammt  aus  dem 
Jahre  1437,  wie  eine  gleichzeitige  Notiz  fol.  59  angiebt: 
„1437  feria  quarta  post  Simonis  et  Jude  (30.  Oktober) 
visa  et  in  hunc  ordinem  reducta  etc."  Am  Schlufs  dieser 
Listen  von  Urkunden  folgt  fol.  70b  — 72  der  im  Folgenden 
abgedruckte  Katalog  der  kurfürstlichen  Bibliothek  in 
Wittenberg  von  derselben  Hand,  wie  die  übrigen  Auf- 
zeichnungen. 

Ohne  hier  in  Spezialuntersuchungen  eintreten  zu 
wollen,  die  bibliothekarischen  Fachleuten  überlassen  blei- 
ben mögen,  sei  nur  kurz  auf  den  reichhaltigen,  inter- 
essanten Inhalt  hingewiesen. 

Von  historischen  Schriften  sind  zu  nennen  eine 
Sachsenchronik  No.  6,  eine  Papstchronik  28,  zwei  andere 
Chroniken  8  und  IG,  eine  Geschichte  der  Eroberung  des 
heiligen  Landes  durch  den  Sultan  von  Ägypten  25. 

Rechtsgeschichl  liehen  Charakt  eis:  ein  Sachsen- 
spiegel 17. 

Geographischen  Charakters:  eine  Reisebeschrei- 
bung oder  ein  Abenteuerbuch  des  Otto  von  Dyme- 
ringen  7. 

Hagiograpliisclien  Charakters:  ein  Leben  des 
heiligen  Wenzel  20,  ein  Heiligenpassional  14,  eincJMartyrer- 
legende  31. 

Theologischen  Charakters:  eine  deutsche  Bibel  18, 
ein  deutscher  Psalter  5;  ferner  wohl  noch  1,  2,  10,  13. 

Germanistischen  Charakters:  eine  deutsche 
historia  Trojana  (liet  von  Troye?)  15,  Alexanderbuch  19, 
Rosengarten  26,  Wigalois  27  (ob  ein  Tristan  11?),  ein 
Lebensspiegel  mit  höfischen  Lehren  30,  wohl  auch  9. 


o 


Kleinere  Mitteilungen.  137 

Von  Autoren  sind  zwei  mit  Namen  als  Verfasser 
von  glossierten1)  „dictamina"  genannt:  Hermann  von 
derDahme  3  (vergl.  auch  4)  und  Rudolf  Brinkind  12. 
Bei  verschiedenen  läfst  sich  erkennen,  dais  sie  in  Versen 
geschrieben  waren,  so  3,  9,  11,  12,  14,  22,  24,  26,  27. 

["'her  das  Äuisere  der  Bücher  erfahren  wir  wenig; 
manche  sind  nur  als  .über,  manche  als  Bücher  grolsen 
Formats  (über  magnus),  manche  kleinen  Formats  (libellus) 
bezeichnet;  nur  bei  einem,  30,  ist  ein  silberner,  d.  h.  wohl 
silberbeschlagener  Einband  erwähnt, 

Als  Aufbewahrungsort  dienten  nicht  Bücherschränke 
mit  Fächern  oder  Repositurgestelle,  sondern  zwei  Kästen, 
wie  solche  in  gleicher  Weise  zur  Aufbewahrung  der  Ur- 
kunden und  Kopialbücher  Verwendung  fanden,  denn  auch 
bei  diesen  finden  wir  mehrfach  Kästen,  Laden  erwähnt, 
die  verschliefsbar  waren  und  ein  besonderes  Zeichen  auf- 
gemalt trugen,  so  fol.  40  „una  parva  scatula",  fol.  42  „due 
eiste  .. .  recluse",  fol.  45  „im  grofsen  kästen  an  der  wand", 
fol.  52b,  101, 104  „in  scatula",  fol.  105b  „in  eyner  swartzen 
laden  mit  eym  sulchen  zeeichen  .  .  .";  vereinzelt  kommt 
vor  fol.  54b  „in  eym  cleynen  liderinn  sacke",  fol.  58  „in 
eym  langen  lynen  sacke". 

Libroruni  ordo  in  Witteinberg-  etc. 

In  cista,  sieud  intratur  cappella  ad  manum  dexteram, 

infrascripti  continentur  libri. 

1.  Primo  mangnus  (!)  über,  qui  ineipit  „Ich  sage  dir  lob  Jbesu 
Crist"  etc.,  et  ünitur  „Dy  nymant  ane  dich  und  ane  got  zeu 
gebin  bat",  cum  notis. 

>.  Item  über  mangnus,  qui  ineipit  „Alpha  et  Ü.  Got  reyne"  etc., 
et  finitur  „Und  weren  synes  trostes  gerende"  etc.,  cum  notis. 

3.  Item  alius  über,  qui  ineipit  „Ir  Cnsten  alle  schreyet"  etc.,  et 
finitur  „Wann  du  verloren  were"  etc.,  et  est  dietamen  Hermann 
von  der  Dhame,  cum  notis. 

4.  Item  alius  über  mangnus,  qui  ineipit  „Do  ere  ires  hoves  erst  be- 
gan"  etc..  et  finitur  „Sus  leret  Herman  von  der  Dhame",  cum 
notis. 

5.  Item  alius  über  mangnus,  qui  ineipit  „Saüch  man"  etc.,  et  est 
psalterium  vulgare,  et  finitur  „Wir  biten  dich  mildeclichen 
mere"  etc. 

6.  Item  alius  über  mangnus,  qui  ineipit  „Wir  wollen  nu  schriben 
von  den  Sachsen"  etc.,  et  finitur  „Von  gots  burt  ubir  MOC  und 
XXIX2)  yare"8). 

2)  Auch  sonst  sind  mehrfach   „uotae",   also  wohl  Glossen,   er- 
wähnt, so  1,  2,  10. 

")  Erst  war  „XXX"  geschrieben. 

3)  Diese  Handschrift  war  eine  Hs.  der  Sächsischen  Weltchronik, 
die    mit   dem  Anhang  I  von  der  Sachsen  Herkunft  begann  (vergl. 


138  Kleinere  Mitteilungen. 

7.  Item  alius  liber  ritter  Johann  des  grosen  lantferers,  qui  incipit 
„Ich  Otte  von  Dymeringen"  etc.  et  finitor  „Do  habe  ich  von  ge- 
schriben.  do  ich  von  Hispanien  lande  sprach". 

8.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „In  den  gecziten  Karls  des  koniges" 
etc.,  et  finitor  „Do  gebot  Gerhard  den  dryen"  etc. 

9.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Is  ist  ein  dingk,  das  wol  geczympt"  etc., 
et  finitor  „Ein  wunder  wirdt  in  allen  lande"  etc.,  et  vocatur  „Disses 
buch  heiset  Truwere". 

10.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Dyne  wesinde  gotheit  so  stad"  etc., 
et  finitur  „Wann  der  Jude  beiden  keczczer  ist"  etc.,  cum  notis. 

1 1.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Vernemit  alle,  ich  wil  uch  sagen"  etc., 
et  finitor  „Dem  waren  wigand",  et  est  dictamen  Tristran. 

12.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Ein  man  sal  sunder  lagen"  etc.,  et 
finitor  „Myn  dangken  hat  er  auch  verschult"  etc  ,  et  est  dictamen 
Rudolf  ii  Brinkind. 

13.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Dat  dy  hemelische  vater"  etc.,  et 
finitur  „Das  ist  stete  an  alle  missewant." 

Socunda  cista. 

Item  in  alia  cista  ex  oposito  (!)  hostii  (!)  infrascripti 

continentur  libri. 

14.  Primo  liber  mangnus,  qui  incipit  „0  starcker  got  Adonay"  etc., 
et  finitur  „Do  wolde  ich  wesin  in  dir  lesin",  et  est  passionale 
sanctorum. 

15.  Item  alius  liber  mangnus,  qui  incipit  „Do  Troya  dy  mere"  etc., 
et  finitur  „Das  were   ein  teil  zu  frue",  et  est  historia  Troyana. 

16.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Nu  vernemit  alle  gemeyne"  etc.,  et 
finitur  „Disser  hern  orloug  und  ere"  etc.,  et  est  Cronica4). 

17.  Item  alius  liber  mangnus.  qui  incipit  „Hir  begynnet  der  hern 
geburt  von  dem  lande"  etc.,  et  finitur  „Wer  zcu  allen  dingen 
gerne  sprichet  recht"  etc.,  et  est  speculum  Saxonicum. 

18.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Richer  got,  herre,  voit  hymmelischer 
herschaft"  etc.,  et  finitur  „In  Jherusalem  nach  wünsche  gar"  et 
est  biblia  in  vulgari 

19.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Über  alle  dinck  hastu  gewalt"  etc., 
et  finitur  „Als  mich  got  gelart",  et  est  liber  regis  Allexandri. 


Mon.  Germ.  Deutsche  Chroniken  II,  I.  Sachs.  Weltchronik,  her.  von 
Ludw.  Weiland  S.  259:  „We  willet  nu  scriven  von  den  Sassen,  we 
se  here  to  lande  komen  sin")  und  mit  der  Zeittafel  beim  Jahre  1229 
aufhörte  (vergl.  a.  a.  0.  S.  279  „von  goddes  bord  over  1200  onde 
29  jar  ward  Jerusalem  dem  keiser  Vrederike  weder  geven").  Viel- 
leicht ist  es  die  von  Weiland  Vorwort  S.  7  als  No.  24  bezeichnete 
Hs.  der  herzoglichen  Bibliothek  zu  Gotha  aus  dem  13.  Jahrhundert, 
denn  diese  beginnt  und  endet  thatsächlich  mit  den  bezeichneten 
Stücken,  und  die  alte  Wittenberger  Bibliothek  ist  wohl  mit  den 
Ernestinern  nach  Thüringen  gekommen.  In  der  That  ist  diese  Hand- 
schrift, die  als  Buch  grofsen  Formats  (liber  magnus)  bezeichnet  ist, 
ein  Foliant. 

4)  Von  anderer  Hand  des  15.  Jahrhunderts  ist  dazugeschrieben 
„Kristanus  Kune  dixit  hone  librum  quondam  domine  ducisse  obtulisse, 
dumodo  fuit  schosserus  in  Wittinberg",  und  an  den  Rand  ist  zum 
besonderen  Hinweis  eine  Hand  gezeichnet. 


Kleinere  Mitteilungen.  139 

20.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Was  der  synne  kan  ingegissen"  etc., 
et  finitnr  „Kind  tustu  das,  dir  mag  misselingen"  etc.,  et  est  vita 
sancti  Wenczeslai. 

81.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Dy  bete  mynnen  ys  benan"  etc.,  et 
finitur  „Hetten  es  nit  gut  seilen  jegiu  wind"  etc. 

22.  Item  alius  liber.  qui  incipit  „Ein  gülden  vaß  gecziret",  et  iinitur 
„Mit  unser  sele  müsse  riehen"  etc. 

23.  Item  alius  liber,  qui  incipit  ..In  nomine  patris  et  filii  et  Spiritus 
sancti  amen.  Wir  sollen  disses  buches  begynne"  etc.,  et  finitur 
„Das  er  das  wider  thun  wolle,  so  sal  er"  etc. 

24.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Nu  vernemit  mir  alle  bisundern"  etc., 
et  finitur  „Synnet  was  er  wunders  begynnet"  etc. 

25.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Auwe,  der  leiden  mere"  etc.,  et 
finitur  „Regni  autem  nostri  nono  deeimo",  et  est  historia  Soldani 
de  straffe  commissa  in  Anackers5)  in  Christianos. 

26.  Item  alius  liber,  qui  incipit  „Also  der  summer  grünet"  etc.,  et 
finitur  „Zcu  dem  fronen  hymmelrich"  et  intitulatur  „der  Rosen- 
garte". 

27.  Item  alius  libellus,  qui  incipit  „Also  ichs  nu  vernomen  ban",  et 
finitur  „Du  vil  reyne  magetu",  et  intitulatur  „Wygoleis". 

28.  Item  alius  libellus,  qui  incipit  „Fugetus  (!)  der  ander  was  ge- 
born"  etc.,  et  finitur  „Clemens  der  fünfte  was  geborn"  etc. 

29.  Item  alius  libellus,  qui  incipit  „Mit  angist  und  mit  jamer"  etc , 
et  finitur  „Des  abindes  nach"  etc. 

30.  Item  alius  libellus,  qui  incipit  „Diß  buch  ist  von  hübschen  synnen" 
etc.,  et  finitur  „Sy  komen  auch  wol  an  dy  wibe",  et  habet  cooper- 
turam  aureain. 

31.  Item  alius  libellus,  qui  incipit  „Wann  ys  sich  wol  fuget  und 
nuteze  ist"  etc.,  et  finitur  „Verretheniß  irslagen  und  tat  auch 
vil  zeeichen"  etc. 


7.  Briefbeförderimg  des  Kurfürsten  von  Sachsen  1449. 

Von  Woldemar  Lippert. 

Schon  im  Mittelalter  war  bei  der  kurfürstlich  säch- 
sischen Post  das  Verfahren  üblich,  dafs  die  der  Beför- 
derung von  staatlichen  Schreiben  dienenden  Gegenstände 
das  landesherrliche  Wappen  trugen,  um  sie  nebst  ihrem 
Inhalt  dadurch  vor  etwaigen  Angriffen  zu  sichern.  Wir 
erfahren  dies  aus  einer  Stelle  eines  Schreibens  von  1449 
an  den  Kurfürsten  Friedrich  II.  (den  Sanftmütigen)  von 
Sachsen.  Er  war  wegen  des  von  beiden  Seiten  erstreb- 
ten Besitzes  der  Niederlausitz  mit  Kurfürst  Friedrich  II. 
von  Brandenburg  verfeindet1)  und  hatte  im  Jahre  1449 


5)  Anackers  ist  Accon,  gemeint  ist  also  wohl  die  Eroberung  durch 
den  Sultan  Kilawun  von  Ägypten  1291. 

')  Näheres  über  diese  niederlausitzer  Verhältnisse  s.  Lippert, 
Wettiner  und  Witteisbacher  sowie  die  Niederlausitz  im  14.  Jahr- 
hundert S.  178  fg. 


]40  Kleinere  Mitteilungen. 

zur  Vertretung  seiner  Interessen  den  Reinprecht.  von  Ebers- 
dorf nach  Brandenburg'  und  in  die  Lausitz  geschickt.  Da 
aber  die  Stimmung  teilweise  Sachsen  ungünstig  war  und 
der  Gesandte  deshalb  Sorge  trug,  dafs  die  mit  seinem 
Kurfürsten  gewechselten  Briefschaften  in  fremde  Hände 
fielen  oder  der  Bote  selbst  gefährdet  sei,  wenn  er  offen 
als  kursächsischer  Briefbote  kenntlich  wäre,  liefs  Ebers- 
dorf wegen  des  sächsischen  Wappens,  das  aulsen  auf  der 
zur  Aufbewahrung  der  Briefe  dienenden  Büchse  angebracht 
war,  diese  Büchse  beiseite  legen  und  den  Boten  als  seinen 
eigenen  gehen. 

Das  Schreiben  ist  der  Korrespondenz  zwischen  Ebers- 
dorf und  dem  Kurfürsten  im  Kgl.  S.  Haupt  Staatsarchiv, 
Wittenberger  Archiv,  Niederlausitzer  Sachen  entnommen, 
\vn  es  fol.  88  unter  der  Aufschrift  „Er  Reinprecht  an 
unsern  hern  von  Sachsen"  eingetragen  ist. 

[Luckau]  !>.  Februar  H49. 

Hochgeborner  forste  ....  Als  mir  uwer  gnade  geschriben  hat, 
hau  ich  will  vernomen  und  thu  uwer  gnaden  wissen,  das  mich  der  böte 
nicht  zeu  Berlin  ankörnen  ist .  sunder  hie  zeu  Luckaw,  dorumh  ich 
faste  mit  dem  rate  umli  ein  gleite  ern  Nickeln  von  Polenczk  ge- 
worben und  uff  das  höchste  versucht,  sie  wollen  sein  geinwiß  ge- 
leiten noch  ufnemen  in  ire  stad.  So  habe  ich  das  den  probst  von 
Wittemberg  zeu  ym  geschickt,  an  ym  zeu  verholende,  was  sein  gud- 
diincken  ist,  mich  das  durch  yn  berichten,  [ch  habe  auch  den  herren 
prelaten  mannen  und  steten  geschriben,  sie  uff  das  fließigeste  er- 
manet  und  gebeten,  uf  mitwoche  zeu  abinde  noch  den  sontag  Exurge 
sich  wollen  zeu  mir  fugen,  myner  gnedigen  herren  meynunge  schrifft- 
lich  und  muntlich  an  sie  zeu  Illingen  und  habe  dem  meisten  teil  den 
trefflichsten  mit  uwer  gnade  boten  gesand  die  brüte.  Auch  gnediger 
Lber  herre,  als  uwer  gnade  berurt  uwer  rethe  so  na  bestellen  nach 
mynera  gutduncken,  mein  ich,  ab  ich  irer  uffsulch  tau  bedurffen  wurde. 
das  will  ich  uwern  gnaden  underdes  noch  wo!  zen  verstehn  geben.  Audi 
habe  ich  uwer  gnade  boten  geheischen,  er  solle  dy  buchse  uwer  gnade 
wapen  in  der  bothschaffl  abelegen,  sunder  sich  uff  mich  zeihen  solle. 
Was  ich  uwern  gnaden  in  den  und  andern  saehen  dinen  sal,  thu  ich 
gerne  und  bitte  uwer  [gnade]  uff  myn  neste  schriffl  und  gutduncken 
und  was  ich  uffs  leezte  hesliß  für  mich  ueme,  das  verdyue  ich  aber 
gerne.  Geben  am  sontag  Circumdederunl  under  mynem  secret  am 
WAX  jare. 

ßeinprechl  von  Ebirstorff 
uwer  gnaden  williger. 


Litteratur. 


Die  slavischen  Siedelungen  im  Königreich  Sachsen  mit  Erklärung 
ihrer  Namen.  Von  Gustav  Hey.  Dresden,  W.  Baensch.  1893. 
V,  335  SS.     8°. 

Über  die  slavischen  Ortsnamen  des  Königreichs  Sachsen  ist 
schon  öfters  geschrieben  worden,  doch  erstreckten  sich  die  dies- 
bezüglichen Arbeiten  bisher  immer  nur  auf  einzelne  Teile  des  Landes, 
wie  z.  B.  die  Festschrift  von  J.  E.  Schmaler  (1867)  auf  die  Ober- 
lausitz und  die  Programme  von  R.  Immisch  (1866.  1874)  auf  das 
Erzgebirge  und  die  südliche  Oberlausitz.  Das  vorliegende  Buch 
bietet  die  erste  zusammenfassende  Bearbeitung  des  umfänglichen 
Stoffes.  Zur  Lösung  einer  so  schwierigen  Aufgabe  war  wohl  nie- 
mand besser  befähigt  als  der  Verfasser,  der  schon  seit  Jahrzehnten 
unermüdlich  auf  diesem  Gebiete  gearbeitet  hat;  davon  zeugen 
neben  Aufsätzen  in  den  „Mittheilungen  des  Vereins  für  Geschichte 
Meifsens"  1884  und  im  „Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte" 
Bd.  XI  seine  Schriften:  „Die  Ortsnamen  der  Döbeluer  Gegend" 
1875  —  „Die  slavischen  Ortsnamen  des  Königreichs  Sachsen"  1883  — 
„Die  slavischen  Ortsnamen  von  Lauenburg'.  In  den  «Slavischen 
Siedelungen  im  Königreich  Sachsen"  bietet  uns  Prof.  Hey  nunmehr 
ein  auf  gründlichen  Studien  füfsendes,  einheitliches  Werk,  das  nicht 
allein  von  seinem  unermüdlichen  Fleifs  und  unablässigen  Forschungs- 
trieb ,  sondern  auch  von  seinem  feinsinnigen  Verständnis  für  die 
mannigfaltigen  Kulturverhältnisse  der  alten  sorbischen  Bewohner 
unseres  sächsischen  Vaterlandes  rühmlichst  Zeugnis  giebt.  —  Das 
Werk  zerfällt  in  zwei  Teile.  Der  kürzere  allgemeine  Teil  enthält 
nach  einem  Vorwort  über  Entstehung  und  Zweck  des  Buches  eine 
geschichtliche  Einleitung,  eine  Aufzählung  der  Quellen  und  Hülfs- 
mittel,  sprachliche  Vorbemerkungen,  die  Grundsätze  des  Verfassers 
für  die  Namendeutuug  und  eine  Übersicht  über  die  Bildung  der 
slavischen  O.-N.  Der  besondere  Teil  umfafst  die  Deutung  I.  der 
Ortsnamen  aus  Personennamen  und  II.  der  Ortsnamen  aus 
Appellativen.  Anhangsweise  werden  einige  uichtslavische, 
doch  fremdklingende  O.-N.  besprochen  und  den  Schlufs  bildet  ein 
alphabetisches  Namenverzeichnis  aller  im  Buche  erklärten 
sächsischen  Orts-,  Flur-,  Flufs-  und  Bergnamen.  Dr.  Hey  hat  sich 
nämlich,  was  wir  gleich  hier  anerkennend  hervorheben  möchten,  nicht 
auf  die  Erklärung  der  slavischen  Benennungen  der  gegenwärtigen 
Ortschaften  beschränkt,  sondern  die  zahlreichen  Namen  der  wüsten 
Marken,  der  Flur-  und  Waldstücke,  sowie  der  Gewässer  und  Berge 
in  den  Bereich  seiner  Untersuchung  mit  hineingezogen. 


]42  Litteratur. 

Die  höchst  interessante  geschichtliche  Einleitung  ist  mit  großer 
Sachkenntnis  und  gewissenhafter  Benutzung  der  einschlägigen  Quellen- 
schriften geschrieben  und  bildet  mit  ihrer  besonnenen  und  anschau- 
lichen Darstellung  der  Kulturverhältnisse  der  alten  Sorben  unstreitig 
die  Glanzpartie  des  ganzen  Buches.  —  In  den  sprachlichen  Vor- 
bemerkungen werden  die  kennzeichnenden  Merkmale  der  altwendischen 
(besser  altsorbischen)  Sprache  richtig  dargelegt.  Nur  ist  zu  be- 
merken, dafs  die  Nasalvokale  a,  und  e  bereits  im  Altsorbischen  durch- 
weg in  n  und  ja  (e)  sich  aufgelöst  hatten  und  dafs  also  die  wenigen 
O.-N.  mit  scheinbar  erhaltenem  Nasalvokal  (Borenthin,  Borintizi, 
Prossentin,  Willintin,  Tallintitz,  Scuntiza*))  anders  zu  erklären 
sind;  ferner  ist  dem  Altsorbischen,  wenigstens  bis  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts,  das  prothetische  w  bez.  h  bei  den  vokalisch  an- 
lautenden Worten2)  und  der  Wandel  der  Tennis  t  in  die  Spirans  c 
noch  fremd,  worauf  natürlich  bei  der  Deutung  der  O.-N.  Rücksicht  zu 
nehmen  ist.  Zu  diesen  Untersuchungen  bedarf  es  also  notwendig 
einer  ins  Einzelne  gehenden  Lautlehre  des  Altsorbischen  und  wo- 
möglich zugleich  einer  Feststellung  der  Zeit  des  Wandels  der  ein- 
zelnen sorbischen  Laute  an  der  Hand  der  Urkunden.  —  Die  Hey- 
schen  Grundsätze  für  die  Namendeutung  wird  jeder  Ortsnamen- 
forscher durchaus  billigen,  und  die  sehr  zahlreichen  Suffixa,  mit  denen 
im  Slavischen  die  O.-N.  gebildet  werden,  sind  recht  übersichtlich  zu- 
sammengestellt, so  dafs  auch  Fernerstehenden  ein  genügender  Einblick 
in  dieses  interessante  Gebiet  der  Namenbildung  gewährt  wird.  Nur 
hätte  noch  die  Bemerkung  hinzugefügt  werden  können,  dafs  nicht 
selten  im  Laufe  der  Zeit  ein  Wechsel  einzelner  Suffixe  (besonders 
von  -ici,  -ov,  -in  mit  -ica,  -ova  (-ava),  -ina  und  umgekehrt)  ein- 
getreten ist. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  Deutungen  der  Ortsnamen  selbst. 
Das  Hauptverdienst  liegt  hier  jedenfalls  in  der  sorgfältigen  und 
möglichst  vollständigen  Sammlung  der  urkundlichen  Formen.  Von 
den  sorbischen  O.-N.  selber  sind  dem  Verfasser  doch  noch  einige 
wenige  entgangen,  wie  z.  B.  Burgk  bei  Dresden  (sorb.  B6rk  =  altsl. 
borlkü,  cf.  S.  222)  und  Ober-  und  Nieder- Kaina  bei  Bautzen 
(sorb.  Kina  ==  Kyjina,  cf.  S.  256).  Hinsichtlich  der  Erklärungen  wird 
wohl  kein  nur  einigermaßen  billig  denkender  Beurteiler  verlangen, 
dafs  bei  der  nach  Tausenden  zählenden  Masse  der  O.-N.  alle  richtig 
erklärt  sein  müfsten;  das  ist  bei  einem  so  schwierigen  und  spröden 
Stoffe  geradezu  ein  Ding  der  Unmöglichkeit,  Doch  muß  man  dem 
Verfasser  die  richtige  Befolgung  des  Miklosich'schen  Prinzips, 
sowie  die  gröfste  Umsicht  bei  seinen  Deutungen  unumwunden  znge- 
gestehen.  Hinter  den  Hunderten  der  Erklärungen  birgt  sich  ein 
redlich  Teil  Geistesarbeit.  Auch  geht  Verfasser  klugerweise  nicht 
darauf  aus,  überall  eine  bestimmte  Deutung  zu  statuieren,  sondern 
in  vielen  Fällen,  namentlich  wenn  die  urkundlichen  Belege  mangeln, 
spricht  er  vorsichtig  nur  Vermutungen  aus  und  regt  so  zu  weiteren 
Forschungen  an.  Wenig  glücklich  jedoch  möchten  wir  den  Gedanken 
nennen,  dafs  alle  die  von  ihm  aus  den  O.-N.  erschlossenen  P.-N. 
schon  dem  sorbischen  Kinde  beigelegt  sein  mußten.     Dabei  hat  er 


')  Bei  allen  finden  sich  und  zwar  häufiger  Formen  ohne  den 
Nasal  in  den  Urkunden. 

2)  Vergl.  S.  141  ff.  Wadewitz,  Wagelwitz,  Wachtnitz, 
Wanscha  —  S.  197  f.  Wanden,  Wntzsckwitz,    Wunschwitz. 


Litteratur.  143 

manchen  recht  wenig  wahrscheinlichen ,  ja  komischen  und  un- 
ästhetischen P.-N.  entdeckt,  den  die  alten  Sorben  ihren  Kindern 
sicher  im  Ernste  nicht  fürs  Lehen  mitgegeben  haben  dürften.  So 
konstruiert  er  z.  B.  zum  O.-N.  Zochau  (S.  57)  den  P.-N.  Cach, 
Coch  (Kotwater,  Drecktreter)  statt  Codi,  Czoch  (Czeche,  Böhme);  zu 
Zescha  (S.  63)  Czec  (infans  mingens!)  st.  See  (Schnitter);  zu  Grödel 
(S.  84)  Gredel  (Haspel  --=  sehr  lebhaftes  Kind)  st.  yrodilo  (Städtchen, 
Bürgel);  zu  Kuppritz  (S.  104)  Koprc  (Burzier:  Kind,  das  gern  sich 
überburzelt)  st.  Kopirica  (Dill);  zu  Podehritz  und  Pödehcitz  (S.  147) 
Podel  (Kind,  das  sich  oft  verunreinigt)  st,  podol  (Thal);  zu  Zschirla 
(S.  166)  Srla  (qui  cacat),  statt  an  einen  mit  ser  bez.  sir  (v.  Miklosiek, 
Bildung  der  Ortsnamen  aus  Personennamen  S.  58;  64)  gebildeten 
P.-N.  und  O.-N.  zu  denken.  Die  von  mohru  (nass)  gebildeten  O.-N. 
(S.  133)  stammen  sicher  nicht  von  dem  „bettnässenden"  Gründer, 
sondern  jedenfalls  von  dem  nassen  Grunde,  auf  dem  die  Orte  erbaut 
sind.  Komische  und  unästhetische  Ortsbenennungen,  wie  z.  B. 
Zasrjew  (deutsch  hingegen:  Rosendorf)  bei  Senfteuberg  und  Njeradk 
(deutsch  hingegen:  Neu-Oppitz)  bei  Bautzen  sind  recht  wohl  als 
Spott-  und  Schimpfnamen,  keineswegs  aber  als  Ruf-  und  Personen- 
namen denkbar.  —  Von  sonstigen  mifsglückten  Erklärungen  möchte 
ich  hier  noch  einige  besonders  bemerkenswerte  hervorheben,  von 
denen  die  meisten  auf  Unkenntnis  der  Lage  oder  anderer  Verhältnisse 
der  betreffenden  Orte  beruhen.  Bukecy ,  deutsch  Hochkirch  (S.  56) 
geht  nicht  auf  altsl.  buka  (Lärm),  sondern  auf  buk  (Buche)  zurück, 
mag  es  nun  ursprünglich  Bukovici  (die  Familie  des  Buk)  oder  viel- 
mehr Bukovica  (Buchenhain)  gelautet  haben.  —  Putzkau  (S.  59), 
wendisiert  Pöckoioy  ist  als  notorisch  deutsche  Kolonie  als  die  Aue 
(das  Dorf)  des  Buzeco  (Buzico)  zu  erklären;  die  beiden  wendischen 
Dörfchen  am  Fusse  des  Valtenberges,  die  mit  der  Zeit  von  Putzkau 
absorbiert  wurden,  hiefsen  Wehritz  (P.-N.  Wera,  cf.  S.  202)  und 
Anerwitz  (P.-N.  Ur,  cf.  S.  198).  —  Bochlitz  (S.  84)  kann  von 
yrochadlenc  (leiriges,  ningelndes  Kind)  schon  wegen  des  in  den 
Urkunden  fehlenden  y  des  Anlauts  nicht  abgeleitet  werden,  sondern 
ist  auf  asorb.  roclüy  =  obsorb.  rycbJy  (schnell,  flink)  v.  Wurzel  ruch 
(bewegen)  zurückzuführen.  Dieser  bekannte  Burgwartssitz  an  der 
Zwickauer  Mulde  bekam  seinen  Namen  von  dein  Flusse,  der  ur- 
sprünglich bei  den  Sorben  Rochüca  bez.  Bychlica  (schnellfliefsendes 
Wasser)  hiefs,  im  Gegensatz  zur  Freiberger  Mulde  =  altsorb.  Modln 
bez.  per  metathesin  Molda  (das  tote,  d.  h.  langsam  strömende  Wasser); 
später  ging  der  Name  Mulde  auch  auf  die  erstere  über  infolge  der 
nach  ihrer  Vereinigung  von  Anfang  an  gebrauchten  Benennung 
Modla  (Mulde).  —  Krönen  (S.  104)  geht  nicht  auf  Krönica  (Kronen- 
kind), sondern  auf  altsorb.  Krynica  (Quelle,  Quellgebiet)  zurück, 
worauf  schon  die  deutsche  Form  des  O.-N.  Krünitz,  Krinitz  hin- 
weist. —  Die  S.  116  zu  Wurzel  lek  (erschrecken)  gestellten  O.-N. 
sind  gleich  dem  sorb.  P.-N.  Loch  (Lochecy)  alle  von  dem  Volksnamen 
Lechii  =  sorb.  Ljach,  Lech,  Lioch  (der  Leche  d.  i.  Pole)  abzuleiten; 
vergl.  Czech,  Czoch,  Coch  (Czeche,  Böhme).  —  Löbschütz,  urk.  Lubiziz, 
Lubueschewitz  etc.  (S.  122)  gehört  nicht  zu  czech.  lup  (Klaps),  sondern 
zu  luby  (lieb,  wert).  —  Loßnitz  bei  Freiberg  (S.  122)  kommt  nicht 
von  los  (Elentier),  sondern  erwiesenermafsen  von  dem  Bache  (Münz- 
bach),  an  dem  es  liegt  und  der  ursprünglich  laut  Urkunden  Lößnitz, 
Leßnitz  =  altsorb.  lesnica  (Waldbach)  hiefs.  Loßnitz  wird  nur  aus 
rein  administrativen  Gründen  von  dem  damit  zusammenhängenden 
Lößnitz  (cf.  S.  260)  formell  so  geschieden,  weil  sich  der  Ursprung- 


|  |  |  Litteratur. 

lieh  eine  Ort  später  in  zwei  besondere  Gemeinden  trennte.  —  Bei 
Salya,  obsorb.  Zathow  (S.  128)  kann  ich  weder  Scbmalers  (vom  P.-N. 
Zaioh,  Grund)  noch  Heys  (von  Zaleg,  Lügner)  Erklärung  billigen; 
schon  die  Lage  des  Ortes  weist  aui'  asorb.  Zal(u)gov(a)  —  obsorb. 
Zaf(u)how  (das  Dorf  hinter  dem  tug,  d.  i.  Wiesenbruch,  Grassumpf) 
bin.  —  Schmölln  (S.  170)  bei  Bischofswerda  geht  wie  alle  die  zahl- 
reichen Schmölln,  Schmälen,  Schmollen,  Smolin  etc.  auf  Smolnja 
bez.  Smolno  (Pechhütte,  Teerbude)  zurück;  die  heutige  obsorb. 
Form  Smjelna  bez.  Smilnja  ist  eine  falsche  Uninennung  nach  dem 
vulgärdeutschen  Schmeln;  die  Dorfbach  von  Schmölln  heilst  noch  heute 
bei  den  dortigen  Wenden  Stnolica  (cf.  Czasopis  Macicy  Serbskeje, 
Jahrg.  1887,  S.19)  d.  i.  Pechhüttenbach,  Teerbach.  —  Tolkewitz  (S.  190) 
bei  Dresden  sl  ammt  nicht  von  altwend.  Tolk  (Bälger),  sondern  von  doik 
=  dolüku (kleines  Thal);  das  Dorf  liegt  nämlich  nach  Mitteilung  von  A 
Jentsch  in  Dresden  an  einem  toten  Eibbette,  das  noch  heute  „das 
Grandel"  genannt  und  von  einem  Bächlein,  dem  Poppen  (d.  h. 
Pfaffen)-graben  durchzogen  wird;  also  ist  Tolkewitz  entweder  == 
Dolkovici  (die  Anwohner  am  Gründel)  oder  =  Dolkovica  (=  Bach  im 
(iiiindel  bez.  Ansiedlung  am  Gründelbach).  —  Die  beiden  Nöthnitz 
iS  195)  >in<l  mit  Nucknitz  (S.  271)  zusammenzunehmen  und  als  Nutnica 
(Viehhof)  zu  erklären.  —  Lastau  (S.  206)  bei  Colditz  (urkundlich 
Löstatauua,  Zlostatawa,s\i&teT  Lostawe)  wird  schwerlich  auf  asl.  vlasti 
(asorb.  vlosti)  Vaterland  zurückzuführen  sein,  da  sich  doch  wohl  sonst 
in  einer  der  sehr  alten  Urkunden  das  spirantische  v  vorbilden  würde. 
Ich  möchte  es  als  Lososi-stav,  gen.  Lososi-stava  „Dorf  über  dem 
Lachswehr :t  erklären  und  ableiten  von  tososi  (Lachs)  und  stavu 
(Damm,  Wehr).  Die  Mulde  war  erwiesenermaßen  in  alter  Zeit  sehr 
lachsreich.  -  Wurschen  (S.  209)  bei  Bautzen  (stirb.  Worcyn)  und 
Würzen  a.  d.  Mulde  sind  jedenfalls  nicht  zu  trennen  und  beide  zum 
Stamm  asorb.  rort  —  asl.  mit  (drehen,  wenden)  zu  stellen.  —  Oybin 
bez.  Oyivin  (S.  285)  ist  sicherlich  nicht  mit  asl.  golqbi  =  asorb. 
golubi  stammverwandt,  weil  dann  die  Urkunden  schlechterdings  eine 
Form  wie  Golubin,  Golbcn  bieten  müfsteu;  cf.  Golben  bei  Zeitz 
(mkmvM.  Golob'niti)um\<hi!ben  bei  Cottbus;  es  hängt  mit  on  (=  ovi-ca, 
Schaf),  Adj.  oivni  zusammen;  also  Ovinja  (sc.  gora)  =  Schafberg. 
-  Lissahora  (S.  237)  bei  Königswartha  (obsorb.  Lisa  hora)  ist  nicht 
als  „Fuchsberg"  (=  USca  hora),  sondern  als  „Kahlenberg"  (v.  lichü, 
lisi,  kahl)  zu  deuten.  —  Gröditz  bei  Großenhain  (S.  239)  ist  ebenso 
wie  Gröditz  bei  Weifsenberg  mit  asorb.  grodiste  (obsorb.  hrodzisco) 
=  grofse  Burg  zu  erklären.  —  Meißen,  wend.  Mimo  statt  Mizno 
(S.  267)  von  mjeza  (Grenze:  also  Grenzheim)  abzuleiten,  ist  verfehlt; 
Thietniar  von  Merseburg  hat  jedenfalls  recht ,  wenn  er  den  Namen 
auf  das  Flüfschen  Meiße  (asorb.  Miza  =  Sprudel-  bez.  Quell-bach;  cf. 
Miklosich,  Btym.  Wörterb.  d.  slav.  Sprachen  p.  209  Wz.  miz)  zurück- 
führt. Man  darf  solche  bestimmte  Angaben  der  Chronisten  nicht  ohne 
Grund  über  Bord  werfen.  —  Der  Name  der  Milzener  (S.  267),  obsorb. 
Milcan,  plur.  MilZenjo),  hat  mit  poln.  miel  (sandiger  Ort)  nichts  zu 
schaffen  und  ein  obsorb.  mjel  giebt  es  überhaupl  nicht.  Das  alte 
Milzenerland  ist  nämlich  gar  nicht  sandig,  sondern  ein  fruchtbares 
Ackerland,  das  kaum  der  gesegneten  Lommatzscher  Pflege  nachsteht. 
[ch  leite  es  mn  Milk,  der  Koseform  zu  Miliduch  (bekannter  sorbischer 
Fürst  gerade  jener  Gegend)  her;  also  sind  Milcane  die  Ihiterthauen 
des  Miliduch  und  Milska,  asorb.  Miftciskn  (sc.  zemja)  ist  das  Land 
des  Miliduch.  — -  Sebnitz  (S.  309)  stellt  der  Verfasser  mit  Miklosich, 


Litteratur.  145 

Slavische  Ortsnamen  ans  Appellativen  II,  \22  zu  zaba  (Frosch):  beide 
aus  Unbekanntschaft  mit  der  Örtlichkeit.  Der  Ortsname  stammt 
zwar  vom  Flufsnamen,  aber  dieser  lautet  asorb.  zebnica,  d.  i.  Finken- 
bach von  zeba  (obsorb.  zyba)  Finke;  vergl.  die  „Finkengüter" 
daselbst;  Finken  giebt  es  um  Sebnitz  noch  heute  auffallend  viel.  — 
Otterschütz  (S.  316)  heifst  im  Wendischen  noch  heute  Otruzica  (Kratz- 
beerenort) von  ostruga  (rubus  fruticosus) ;  also  nicht  „Otternwinkel". 

Abgesehen  von  diesen  und  anderen  mifslungenen  Deutungen 
bildet  das  Heysche  Werk  unstreitig  einen  wertvollen  Beitrag  einer- 
seits zur  Kulturgeschichte  unseres  sächsischen  Vaterlandes  und 
anderseits  zur  slavischen  Ortsnamenforschung.  Augenscheinlich  ist 
der  Verfasser  aufs  gewissenhafteste  bestrebt,  die  Wahrheit  zu  er- 
gründen und  das  Dunkel,  das  insbesondere  noch  über  der  Sorbenzeit 
unserer  Heimat  lagert,  nach  Möglichkeit  aufzuhellen.  So  durfte 
er  mit  Recht  (S.  31)  von  sich  sagen,  dafs  seine  Arbeit  dasselbe  schöne 
Ziel  verfolge,  das  mit  der  Ergründung  der  reinen  Wahrheit  und 
Thatsächlichkeit  die  GeschichtsAvissenschaft  überhaupt  sich  gestellt 
hat.  Und  so  möge  es  denn  allen  Freunden  vaterländischer  Geschichte 
und  Altertumsforschung  hiermit  aufs  Wärmste  empfohlen  sein. 

Freiberg  i.  S.  Ernst  Mucke. 

Wettiner  und  Wittelsbacker  sowie  die  Mederlausitz  im  XIV.  Jahr- 
hundert. Ein  Beitrag  zur  deutschen  Reichs-  und  Territorial- 
geschichte von  Dr.  Woldemar  Lippert,  königl.  Staatsarchivar, 
Dresden.     Wilhelm  Baensch.     1894.     XVI,  314  SS.    8°. 

Über  die  Geschichte  der  Niederlausitz,  dieses  von  den  Wettinern 
frühzeitig  besessenen,  mehrmals  wieder  erlangten  und  immer  aufs 
neue  verlorenen  Landes,  giebt  es  noch  kein  zusammenfassendes,  den 
wissenschaftlichen  Anforderungen  der  Gegenwart  entsprechendes 
Werk.  Ganz  besonders  verwickelt  ist  die  Geschichte  der  Nieder- 
lausitz im  14.  Jahrhundert,  wo  sie  fast  ununterbrochen  das  vielbe- 
gehrte Streitobjekt  der  Nachbarstaaten  und  deren  Dynastien  bildete. 
Noch  waren  bisher  die  politischen  Beziehungen  dieser  Staaten  unter 
einander  und  zur  Niederlausitz  keineswegs  vollständig  bekannt.  Der 
Verfasser  des  vorliegenden  Buches  hat  sich  daher  ein  entschiedenes 
Verdienst  erworben,  indem  er  diese  Beziehungen  auf  Grnnd  um- 
fassender archivalischer  Studien  imd  gewissenhafter  Benutzung  der 
gesamten  einschlagenden  Litteratur  zum  ersten  Mal  klargelegt  und 
festgestellt  hat. 

Wir  würden  den  uus  hier  gestatteten  Raum  weit  überschreiten 
müssen,  wollten  wir  über  alle  die  verschiedenen  Besitzwechsel,  welche 
das  Land  von  1301—1368  erfuhr,  und  über  die  Ursachen  und  Modali- 
täten derselben  ausführlich  berichten.  Wir  beschränken  uns  darauf, 
wenigstens  diejenigen  politischen  Verhältnisse  hervorzuheben,  durch 
welche  die  Wettinischen  Fürsten  während  dieser  Zeit  mehrmals  in 
den  Besitz  desselben  gelangten. 

Bis  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  gehörte  die  Niederlausitz  den 
Wettinern  als  eins  ihrer  ältesten  Erblande.  Da  veranlafsten  die 
tramigen  Zerwürfnisse  zwischen  Landgraf  Albrecht  von  Thüringen 
und  seinen  Söhnen,  den  Markgrafen  Friedrich  dem  Freidigen  und 
Diezmann  von  Meifsen,  die  letzteren,  an  dem  Erzbistum  Magdeburg 
einen  Rückhalt  gegen  ihren  Vater  zu  suchen.  Sie  trugen  daher  1301 
demselben  ihr  Erbland  Niederlausitz  gegen  eine  Summe  von  6000  Mark 
Silber  zu  Lehn  auf,  um  es  sofort  als  Lehn  wieder  zurückzuerhalten. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  1.  2.  10 


146  Litteratur. 

Schon  L304  aber  verkaufte  Die/mann  dieses  sein  Land  an  die  Mark- 
grafen Otto  und  Hermann  von  Brandenbarg  aus  dem  Hause  Askanien. 
Als  um  1319  mit  dem  Tode  Waidemars  des  Grofsen  der  mächtige 
Staat  Brandenburg  plötzlich  auseinander  fiel,  setzte  sich  Herzog 
Rudolf  von  Sachsen- Wittenberg  in  den  Besitz  nicht  nur  von  Branden- 
burg, sondern  auch  von  dem  größten  Teile  der  Niederlausitz,  während 
der  östliche  Teil  (Sorau  etc.)  dem  Herzog  Heinrich  von  .lauer  hul- 
digte. Da  änderte  der  Sieg  Ludwigs  des  Baiern  bei  Mühldorf  (1322) 
über  seinen  Gegenkönig  Friedrich  von  Österreich  plötzlich  die  poli- 
tische  Lage  von  ganz  Deutschland.  Ludwig-,  jetzt  alleiniger  König, 
belehnte  (1323)  seinen  eigenen,  erst  achtjährigen  Sohn  Ludwig  mit 
den  Marken  Brandenburg  und  Niederlausitz,  verlobte  seine  Tochter 
mit  dem  jungen  Markgrafen  Friedrich  dem  Ernsten  von  Meifsen  und 
übertrug  diesem  seinem  Schwiegersohne  den  Schutz  der  Niederlausitz, 
sowie  zur  Sicherstellung  für  alle  ihm  hieraus  erwachsenden  Kosten 
die  Pfandschaft  über  dieses  Land.  Allein  als  er  sich  bald  darauf 
mit  Herzog  Rudolf  von  Sachsen  aussöhnte,  sah  er  sich  (um  1328) 
genötigt,  die  Niederlausitz  diesem  für  eine  ihm  schuldige  Summe 
von  16000  Mark  Silber  anderweit  zu  verpfänden;  Markgraf  Ludwig 
löste  sie  1339  wieder  ein.  Der  Tod  König  Ludwigs  des  Baiern  (1347) 
gestaltete  die  politischen  Verhältnisse  von  ganz  Deutschland  aber- 
mals um.  Jetzt  war  der  junge  König  Karl  IV.  von  Böhmen  alleiniger 
König  in  Deutschland.  Früher  treue  Bundesgenossen  der  Witteis- 
bacher, waren  die  Luxemburger  in  Böhmen  inzwischen  mit  denselben 
zerfallen,  und  so  benutzte  Karl  IV.  das  Wiedererscheinen  des  sogen, 
falschen  Waklemar  (1348),  um  diesen  aufs  neue  mit  Brandenburg  zu 
belehnen,  die  Niederlausitz  aber  sich  von  ihm  erblich  abtreten  zu 
lassen.  Die  von  .den  Witteisbachern  zu  Stande  gebrachte  Wahl 
Günthers  von  Schwarzburg'  zum  Gegenkönige  schuf  ihm  aber  neue 
Sorgen  und  liefs  ihn  einen  Ausgleich  mit  den  Gegnern  herbeiwünschen. 
Dieser  erfolgte  auf  einem  Fürstentage  zu  Bautzen  (1350),  wo  ein 
Fürstengericht  Waldemar  jetzt  für  unecht  erklärte  und  dem  Könige 
anempfahl,  Markgraf  Ludwig  den  älteren  abermals  mit  Brandenburg 
und  der  Niederlausitz  zu  beiebnen,  was  auch  sofort  geschah.  Infolge 
der  bisherigen  Kriege  war  Markgraf  Ludwig  tief  in  Schulden  ge- 
rathen  und  sah  sich  deshalb  veranlagst,  die  Niederlausitz  (1353)  an 
seinen  Neffen  Friedrich  den  Strengen  von  Meifsen  um  21000  Mark 
Silber  wiederkäuflich  zu  verkaufen.  Wohl  durften  jetzt  die  Wettiner 
hoffen,  dies  alte  Stammland  ihrer  Familie  auf  die  Dauer  zu  behalten. 
Allein  Karl  IV.  suchte  die  politische  Lage  zur  Ausbreitung  seines 
böhmischen  Reiches  auszunutzen.  Er  liefs  sich  (1363)  von  den 
Brüdern  des  kinderlos  verstorbenen  Markgrafen  Ludwig  des  älteren. 
nämlich  Ludwig  dem  Römer  und  Otto,  die  Berechtigung  erteilen,  an 
ihrer  Stelle  die  Niederlausitz  von  den  Meiisner  Markgrafen  wieder 
einzulösen,  was  auch  (13(i4)  durch  Baarzahlung  von  21000  Mark 
Silber  und  L0OO0  Schuck  breiter  Groschen  erfolgte.  Seit  der  eben- 
falls kinderlos  gebliebene  Otto  von  Brandenburg  (1367)  die  Nieder- 
lausitz an  Böhmen  verkaufen  mufste,  blieb  sie  fortan  in  böhmischem 
Besitze. 

Selbst  aus  vorstehendem,  absichtlich  möglichst  kurz  gehaltenem  Re- 
ferate wird  man  ermessen  können,  welche  Schwierigkeiten  dem  Verfasser 
die  endgütige  Feststellung  all  dieser  verwickelten  Verhältnisse  be- 
reiten mufste.  -  Ausführliche  Anmerkungen  erläutern  die  im  Texte 
nur  kurz  dargelegten  Thatsacben.  Ein  Exkurs  über  die  Landvögte 
der   Niederlausitz    eröffnet  Einblicke   auch   in   die   Verwaltung   des 


Litteratur.  147 

Landes,  und  ein  Urkundenbuch  von  143  meist  bisher  noch  nicht  ver- 
öffentlichten Urkunden,  bez.  Regesten  giebt  die  urkundlichen  Belege 
für  die  gewonnenen  historischen  Resultate.  —  Die  Ausstattung  des 
Buches  entspricht  der  gewohnten  Eleganz  und  Sorgfalt  der  Hof- 
verlagsbuchhandlung  von  Wilhelm  Baensch. 

Dresden.  Hermann  K  not  he. 


Deutsche  Reicbsgescliiclite  im  Zeitalter  Friedrich  III.  und  Max  I. 

Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  österreichischen  Staaten- 
geschichte. Von  Dr.  Adolf  Backmann,  Professor  der  österreichischen 
Geschichte  an  der  deutschen  Universität  zu  Prag.  Zweiter  Band. 
Leipzig,  Veit  &  Comp.    1894.    XII,  768  SS.  8°. 

Für  die  Geschichte  Sachsens  während  der  gemeinsamen  Regierung 
des  Kurfürsten  Ernst  und  des  Herzogs  Albrecht,  also  in  den  letzten 
Jahrzehnten  vor  der  verhängnisvollen  Landesteilung  von  1485,  ist 
seit  dem  für  seine  Zeit  sehr  verdienstvollen,  aber  gegemvärtig  nicht 
mehr  genügenden  Werke  v.  Laugenns  über  Albrecht  aufserordentlich 
wenig  gethan  worden,  obwohl  das  aus  dem  alten  Wittenberger  Archiv 
stammende,  jetzt  in  den  Archiven  zu  Weimar  und  Dresden  befindliche 
Quellenmaterial,  namentlich  der  Briefwechsel  der  genannten  Fürsten 
unter  einander  und  mit  ibrein  Oheim  Herzog  Wilhelm,  überaus  reich- 
haltig ist.  Eine  volle  Klarheit  über  die  sächsische  Politik  jener 
interessanten  Zeit,  in  der  die  Ideen  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit 
mit  einander  rangen,  wird  sich  wohl  erst  dann  gewinnen  lassen, 
wenn  die  I.  Abteilung  des  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae  jene 
Quellen  gesammelt  und  allgemein  zugänglich  gemacht  hat.  Nun  ist 
zwar,  wie  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  teilweise  bekannt  sein  wird, 
in  den  letzten  Jahren  mit  der  Bearbeitung  der  Urkunden  und  Akten 
für  die  politische  Geschichte  Sachsens  im  letzten  Jahrhundert  des 
Mittelalters  (1381—1485)  der  Anfang  gemacht  worden  und  die  ersten 
Bände  werden  in  nicht  ferner  Zeit  erscheinen;  aber  bei  der  Fülle 
des  Materials  und  der  Schwierigkeit,  dasselbe  im  Rahmen  eines 
Urkuudenbuches  zu  publizieren,  wird  es  wohl  noch  eine  geraume 
Weile  dauern,  bis  das  Werk  zu  den  Zeiten  Ernsts  und  Albrechts 
vorgerückt  sein  wird.  So  müssen  wir  einstweilen  jeden  Beitrag  zur 
Aufhellung  dieser  Zeit  mit  lebhaftem  Dank  begrüfsen. 

Aus  diesem  Grunde  haben  wir  seiner  Zeit  (V,  155)  auf  den 
ersten  Band  von  Bachmanns  grofsem  Werke  hingewiesen.  Nach  zehn 
Jahren  ist  ihm  ein  zweiter  gefolgt,  der  die  Jahre  1467  bis  1486 
umfafst;  auch  er  gewährt  manche  Ausbeute  für  die  sächsische  Ge- 
schichte dieser  Zeit. 

Allerdings  spielte  die  Politik  der  Wettiner  auch  in  diesem  Jahr- 
zehnte eine  im  ganzen  recht  bescheidene  Rolle.  Neben  Kaiser  Fried- 
rich III.,  der  in  der  Darstellung  unserem  Verfasser  in  einem  weit 
günstigeren  Lichte  erscheint  als  in  den  bisherigen  landläufigen  Dar- 
stellungen, sind  im  Osten  König  Matthias  von  Ungarn,  im  Westen  Herzog 
Karl  von  Burguud  die  Persönlichkeiten,  welche  vor  allem  die  Aufmerk- 
samkeit auf  sich  ziehen.  Die  Wettiner  interessierte  vorzugsweise  der 
östliche  Schauplatz,  der  Kampf  um  die  Krone  Böhmens,  der  die 
letzten  Jahre  Georg  Podiebrads  ausfüllte  und  nach  seinem  Tode 
noch  lange  fortdauerte.  In  den  ersten  beiden  Bänden  dieser  Zeit- 
schrift haben  wir  die  Beziehungen  der  sächsischen  Fürsten  zu  König 
Georg  einer  eingehenden  Darstellung  unterzogen;    sie  ergab,   dafs 

10* 


148  Litteratur. 

Ernst  und  Albrecht  vou  allen  deutschen  Fürsten  diejenigen  sind,  die 
am  längsten  an  dem  mit  Kirche  und  Kaiser  zerfallenen  Könige  fest- 
gehalten halien,  dal's  aber  freilich  die  Möglichkeit,  anders  als  ver- 
mittelnd für  ihn  aufzutreten,  mit  jedem  Jahre  geringer  wurde. 
Bachmann  kommt  in  seiner  Darstellung,  die  auf  dem  nämlichen 
Material  fufst,  in  der  Hauptsache  zu  denselben  Ergehnissen.  In  die 
tieferen  politischen  Absichten,  die  diesem  lavierenden  Verhalten  der 
sächsischen  Herzöge  zu  Grunde  liegt,  läfst  die  interessante  Episode 
einen  Einblick  thun,  die  sich  an  den  Tod  Georgs  (22.  März  1471) 
anschlofs:  die  Bewerbung  Herzog  Albrechts  um  die  böhmische  Königs- 
kronc  und  sein  Zug  nach  Prag  (Ende  April  bis  Ende  Juni  1471). 
Indes  der  kühne  Versuch,  sich  zwischen  den  angarischen  und  den 
böhmischen  Prätendenten  hineinzuschieben  und  durch  die  Erwerbung 
der  Wenzelskrone  der  Geschichte  Sachsens  eine  neue  Wendung  zu 
geben,  die  von  den  größten  Folgen  hätte  sein  können,  mifslang  sehr 
schnell,  da  weder  die  katholischen  noch  die  utraquistischen  Elemente 
des  Landes  dem  Fürsten,  den  seine  vermittelnde  Richtung  eigentlich 
beiden  hätte  empfehlen  müssen,  rechtes  Vertrauen  entgegenbrachten; 
mit  der  Wahl  Wladislaws  am  27.  Mai  1471  waren  Albrechts  Hoff- 
nungen vernichtet.  Was  Bachmann  über  diese  Verhältnisse  mitteilt, 
ist  wohl  für  uns  das  Wichtigste  in  seinem  Buche.  Zwar  erfahren 
wir  noch  mancherlei  über  die  spätere  Politik  der  sächsischen  Herzöge 
den  uugarischen  und  polnischen  Herrschern  gegenüber,  allein  nur 
beiläufig;  die  Versuche  der  Wettiuer  in  Schlesien  festen  Fufs  zu 
fassen  (Erwerbung  von  Sagan  1472)  werden  nur  flüchtig  berührt. 
Ebenso  werden  zwar  manche  schätzenswerte  Einzelheiten  über  die 
Reichspolitik  der  sächsischen  Fürsten,  über  ihre  Beziehungen  zu  den 
Nachbarn,  insbesondere  zu  Brandenburg,  über  ihre  Differenzen  mit  dem 
Oheim  Wilhelm  mitgeteilt;  aber  auf  Grund  derselben  eine  klare 
Gesamtanschauung  der  wettinischen  Politik  damaliger  Zeit  zu  ge- 
winnen, ist.  sehr  schwer,  und  jedenfalls  würde  der  Versuch,  einen 
derartigen  Überblick  an  dieser  Stelle  zu  geben,  weit  über  deu  Rahmen 
einer  Besprechung  hinausgehen  müssen.  Persönlich  tritt  eigentlich 
nur  einmal  noch  einer  unserer  Fürsten  hervor:  ich  meine  die  Anteil- 
nahme des  Herzogs  Albrecht  an  dem  Reichskriege  gegen  Karl  von 
Burgund  und  an  dem  Entsatz  von  Neufs  (1474/75);  wesentlich  Neues 
war  darüber  jedoch  nicht  zu  berichten. 

Wenn  somit  die  Ausbeute,  die  Bachmanns  Werke  speziell  für 
die  sächsische  Geschichte  bietet,  nicht  allzu  ergiebig  ist,  so  ist  dem 
Verfasser  daraus  natürlich  kein  Vorwurf  zu  machen.  Seine  Aufgabe 
war  eiue  Darstellung  der  Reichsgeschichte,  und  diese  Aufgabe,  für 
die  ihm  nur  wenig  Vorarbeiten  vorlagen,  hat  er  trotz  der  entgegen- 
stehenden Schwierigkeiten  auf  Grund  sorgsamster  Quellenforschung, 
für  die  seine  auch  an  dieser  Stelle  (I,  203.  VIII,  154.  XIV,  346) 
besprochenen  archivalischen  Publikationen  das  beste  Zeugnis  ablegen, 
in  vortrefflicher  Weise  gelöst. 

Dresden.  Er  misch. 

Friedrich  der  Weise  und  die  Schlol'skirche  zu  Wittenberg.  Fest- 
schrift zur  Einweihung  der  Wittenberger  Schlofskircbe  am  Tage 
des  Reformationsfestes  den  31.  Oktober  1892  von  D.  Julius 
Köstlin.  Wittenberg,  R.  Herroses  Verlag.  1892.  111  SS.  4°. 
Vorliegende  Schrift  wurde  den  geladenen  Gästen  als  Festgrufs 

bei  der  Einweihung  der  Wittenberger  Schlofskircbe  überreicht.     Sie 


Litteratur.  149 

hat  neben  dieser  zeitgeschichtlichen  eine  l)leiliende  wissenschaftliche 
Bedeutung,  indem  sie  die  Geschichte  des  altehrwürdigen,  jetzt  in 
neuem  Glänze  erstandenen  Gotteshauses  im  Zusammenhange  mit  der 
Entwickelung  der  Kirche  des  ausgehenden  Mittelalters  und  der  Re- 
formation zur  Darstellung  bringt.  Wie  Friedrich  der  Weise  ein 
echtes  Bild  deutscher  mittelalterlicher  Frömmigkeit  war,  so  wurde 
durch  ihn  das  von  ihm  neu  erbaute  und  reich  bedachte  Gotteshaus 
mit  seiner  Fülle  von  Reliquien  ein  charakteristisches  Muster  für  den 
Heiligenkultus  jener  Zeit.  Besonders  wichtig  aber  sind  die  Aus- 
führungen über  die  Reformationszeit.  Hervorgehoben  sei  die  Be- 
deutung der  Schlofskirche  für  die  Entwickelung  des  protestantischen 
Gottesdienstes,  sowie  die  Bemerkungen  über  die  Kirchenpolitik  des 
Kurfürsten  Friedrich  des  Weisen.  In  einer  Selbstanzeige  in  den 
„Theologischen  .Studien  und  Kritiken"  (1893,  S.  603-614)  hat  der 
Verfasser  einzelne  Punkte  wissenschaftlich  begründet  und  auf  un- 
gelöste Probleme  hingewiesen,  z.  B.  in  Betreff  der  Erwerbung  des 
heiligen  Dorns.  Ich  mache  hierzu  auf  eine  Überlieferung  aus  dem 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  aufmerksam,  die  in  dem  sogenannten 
„Sächsischen  Stammbuche"  enthalten  ist,  Dort  steht  unter  dem  Bilde 
des  Herzogs  Rudolf  II.  der  Vers :  „Den  ich  gen  Wittenberg  da 
bracht  —  Mit  anderm  Heilthumb  gar  viel  mehr  —  In  Gotts  und  aller 
Heilgen  Ehr  —  Den  Stifft  ich  davon  erst  fundirt  —  Friedrich  der 
drit  ihn  hat  complirt."  Vergl.  W.  Lippert  in  dieser  Zeitschrift  XII 
(1891),  75.  Schliesslich  sei  noch  folgendes  Schreiben  des  Kurfürsten 
Friedrich  an  Herzog  Georg  beigefügt,  das  sich  im  hiesigen  König- 
lichen Hauptstaatsarchive  (Loc.  8980.  Den  Bau  der  Stiffts  -  Kirche 
zu  Wittenberg  bei.  1513)  befindet: 

Unnser  freundlich  dinst,  und  was  wir  liebs  und  guts  vermögen 
allezceit  zuvor,  Hochgebornner  fürst,  lieber  vetter.  Nachdem  sich 
Euer  lieb  jungst,  aus  aigner  bewegnus  gegen  unns  erboten,  das  sie 
in  irem  ambt  Rochlitz  verfügen  wollte,  dormit  unns  noch  etlich  fuder 
Pflastersteine,  der  wir  in  unnsre  Stiftskirchen,  aller  gots  heiligen  zu 
Wittenberg  bedurfftig,  daselbs  von  Rochlitz,  bis  gein  Eylenburg 
durch  ire  ambtsverwante  gefurt  wurden,  als  sein  wir  der  freuntlichen 
Zuversicht,  Ewer  lieb  werde,  irem  erbieten  nach,  die  verfugung  ge- 
tan und  solchs  zu  besehe rn  verordent  haben.  Wo  es  aber  bisher 
verhüben,  bitten  wir  freuntlich,  Euer  lieb  wollen  solchs,  nach  irem 
gefallen,  und  sovil  ir  in  dem  leidelich,  nochmals  verordnen,  unnd  die 
belonung  durch  vorhittnng  aller  lieben  heiligen,  dagegen,  von  got  dem 
almechtigen  nemen.  So  wollen  wirs  umb  Euer  lieb  freuntlich  zu- 
vordinen  geneigt  erfunden  werden.  Datum  zu  Weymar  am  freitag 
nach  Sand  Veitstag.     Anno  domini  etc.  xiij. 

Von  gots  gnaden  Fridrich,  Hertzog  zu  Sachßen,  des  heiligen 
Ro.  Reichs  Ertzmarschall  und  Churfurst,  Landgraf  in  Doringen 
und  Marggraf  zu  Meyssenn. 

Anerkennung  verdient  die  vornehme  Ausstattung  dieser  Fest- 
schrift, die  aus  der  Offizin  von  W.  Drugulin  in  Leipzig  hervor- 
gegangen ist.  Von  den  prächtigen  Abbildungen  seien  erwähnt 
Friedrich  der  Weise  nach  Dürers  Kupferstich  vom  Jahre  1524  und 
Martin  Luther  im  Jahre  1525  nach  dem  Gemälde  Kranachs  in  der 
Lutherhalle  zu  Wittenberg. 

Dresden.  Georg  Müller. 


150  Litteratur. 

Viiorum  clarornm  saecull  XVI  et  XVII  epistolae  seleetae.  E  co- 

dicibus  mannscriptis  Gottingensibus  edidit  et  adnotationibua  instruxit 
Ernestus  Weber.     Lipsiae,  B.  G.  Teubuer.    1894.    X,  195  SS.    8°. 

Diese  der  „bibliotheca  scriptorum  latinorum  recentioris  aetatis 
Teubneriana"  angehörende  Sammlung  von  Briefen  berühmter  Männer 
des  16.  und  L7.  Jahrhunderts  enthält  unter  anderem  auch  1*3  an  Wolf 
Meurer  gerichtete  Briefe,  der,  1513  zu  Altenberg  geboren,  als  Rektor 
der  Nikolaischule  (1535—1540)  und  später  als  Lehrer  und  Rektor 
il">n  tsj  au  der  Universität  zu  Leipzig  bekannl  geworden  ist.  Acht 
dieser  Briefe  hat  Georg  Agricola  zu  Chemnitz,  der  bekannte  Miheralog, 
vier  Georg  Fabricius,  vier  Esrom  Rüdiuger  und  einen  Adam  Siber 
geschrieben  Den  Inhalt  dieser  Briete  bilden  die  wissenschaftlichen 
Studien  dieser  .Männer,  ihre  Sorge  um  ihre  Schüler  und  die  Ereig- 
nisse ihrer  Umgebung,  wie  wenn  Fabricius  am  27.  Februar  1553  mit- 
teilt, dafs  2000  Mensehen  in  Meifsen  an  der  Pesl  gestorben  sind, 
„offenbar  eine  grofse  Menge  im  kleinen  Städtchen1*,  oder  wie  wenn 
er  unter  dem  30.  April  1553  schreibt,  dafs  einer  seiner  Kollegen 
100  Thaler  von  seinem  Fürsten  erhalten  habe. 

So  interessant  diese  Lebensäufserungen  berühmter  Männer  auch 
sind,  so  würde  es  doch  nicht  unbedenklich  sein,  wenn  in  der  Ver- 
öffentlichung auch  so  unbedeutender  Sachen,  wie  die  Nummern  3,  8,  17 
sind,  fortgefahren  würde.  Die  Briefsammlungen  unserer  Humanisten 
würden  dann  zwar  vollständiger,  aber  auch  auf  Kosten  viel  wichtigerer 
Dinge  zu  teuer. 

Ausführliche  Anmerkungen  und  ein  Verzeichnis  der  in  den  Briefen 
berührten  Eigennamen  erleichtern  die  Benutzung.  Die  Nachweise 
über  die  erwähnten  Personen  und  Sachen  werden  vielen  sehr  will- 
kommen sein.  Matth  Marcus  Dabercusius  (vergl.  S.  147)  war  1540 
Ins  1543  Rektor  des  Schneeberger  Lyceums,  worüber  auf  meinen 
„Gang  durch  die  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums"  (Festschrift 
zur  Einweihung  des  neuen  Gymnasialgebäudes,  Schneeberg  1*!»] ,  S.  I  V  i 
Bezug  genommen  werden  konnte.  Über  Adam  Siber  war  S.  148  vor 
allem  auf  Kirchners  Biographie  zu  verweisen. 

Schneeberg.  Eduard  Heydenreich. 

Hans  Georg  von  Arnim.  Lebensbild  eines  protestantischen  Feld- 
herrn und  Staatsmannes  aus  der  Zeit  des  dreißigjährigen  Krieges. 
Von  Dr.  Georg  Inner.  Mit  einem  Bildnis  Hans  Georgs  von 
Arnim.     Leipzig,  S.  Hirzel.    1894.     XII,  397  SS.  8°. 

Zur  Abfassung  einer  Arnim  -  Biographie  erschien  niemand  be- 
rufener als  Tmier,  der  durch  den  ganzen  Verlauf  seiner  Studien  auf 
diesen  protestantischen  Feldherrn  und  Staatsmann  hingewiesen  worden 
war.  Man  durfte  dem  Erscheinen  seiner  neuen  Veröffentlichung  mit 
Spannung  entgegensehen,  weil  er  sich  mit  dem  in  seinen  „Verhand- 
lungen" abgedruckten  Materiale  nicht  begnügt,  sondern  neuerdings 
Forschungen  in  verschiedenen  deutschen  und  fremden  Archiven  an- 
gestellt hatte  und  weil  besonders  in  dem  3.  Bande  seiner  „Verhand- 
lungen" gegen  früher  eine  günstige  Wandelung  in  dem  Erfassen  und 
Verarbeiten  des  Stoffes,  sachlicheres  Urteil,  gerechtere  Würdigung 
der  in  Betracht  kommenden  Persönlichkeiten  zu  bemerken  war.  Ein 
Teil  dieser  Erwartungen  hat  sich  erfüllt.  Es  linden  sich  in  seinem 
„Arnim"  einzelne  gut  durchgeführte  Abschnitte,  z.  B.  die  Verhand- 
lungen  über  die   Heirat  Gustav  Adolfs,   neue  Mitteilungen  über  die 


LitteratuT.  151 

Belagerung-  Stralsunds,  die  Schilderang  der  Raudnitzer  Zusammen- 
kunft, die  Kapitel:  Arnim  und  das  Ende  Waldsteins,  Arnim  und 
Baner  in  Schlesien  u.  a.  Für  die  Gesamtheit  des  Buches  läfst  sich 
indes  dieses  günstige  Urteil  aus  zwei  Gründen  nicht  festhalten;  es 
wimmelt  von  Flüchtigkeiten  und  Irrtümern,  und  sein  Verfasser  wirft 
sich  zu  einem  so  unbedingten  Lobredner  seines  Helden  auf,  dafs  er 
seihst  die  gewaltsamsten  Verdrehungen  der  Thatsachen  nicht  scheut. 
Zur  Begründung  dieses  Ausspruchs  wird  hier  (abgesehen  von  Druck- 
fehlern Und  ungenauen  Bücherzitaten  in  den  Noten)  nur  folgendes 
angeführt. 

Die  Berechnung  von  Arnims  Gehurtsjahr  (2)  führt  nicht  auf 
1583,  wie  Inner  will,  sondern  auf  das  Jahr  vorher;  die  Angabe 
Thurns  darüber  (365)  ist  zu  allgemein  und  heweist  nichts.  Nicht 
nach  zehn  (42),  sondern  nach  zwölf  Jahren  kehrte  Arnim  1637  nach 
Schweden  zurück.  Die  Liebenwalder  Schanze  wurde  nicht  am  1.  August 
16<!7,  sondern  am  29.  Juli  von  Arnim  erohert  (v.  Webers  Arch.  f.  d. 
Sachs.  Gesch.  VIII,  392).  Schiammersdorf  verläfst  die  Insel  Poel  nicht 
vier  (67),  sondern  sechs  Wochen  nach  dem  20.  Oktober.  Mitzlaff 
biegt  nach  seiner  Flucht  aus  Kosel  zunächst  nach  Süden,  nicht  nach 
Norden  (62)  ab,  das  dänische  Heer  wird  weit  von  Friedeberg,  bei 
Granow,  nicht  zwischen  Friedeberg  und  Landsberg  von  Pechmann 
zersprengt.  Von  den  „aus  der  Neumark  verzweiflungsvoll  nach- 
drängenden Dänen"  zu  sprechen  (63),  ist  arge  Übertreibung.  Ein- 
mal wehrten  dem  die  Kaiserlichen,  dann  eilten  die  Dänen  nach  Nord- 
westen, nach  Pommern  zu;  auch  Markgraf  Sigismund  ist  der  Meinung, 
dafs  dem  linken  Üderufer  keine  Gefahr  von  ihnen  drohe  (Opel  III, 
243).  Statt:  Zur  selben  Zeit,  als  Schlick  die  dänische  Hauptarmee 
in  Jütland  schlug,  mufs  es  (Schlick  berichtet  vom  4.  Oktober)  heifsen 
„in  Holstein",  denn  Schlicks  Sieg  bei  Aalborg  fand  um  den  20.  Oktober 
statt.  Der  erste  Angriff  der  Kaiserlichen  vor  Breitenfeld  „scheint" 
nicht  durch  Pappenheim  erfolgt  zu  sein  (141),  sondern  erfolgte  wirk- 
lich durch  diesen  General.  Fürstenbergs  Vorgehen  gegen  die  Sachsen 
begann  zwischen  2  und  3  Uhr,  nicht  um  12;  die  Behauptung  „in 
diesem  kritischen  Augenblicke  warf  sich  Hörn  auf  die  Fürsten- 
bergschen  Regimenter"  vermag  man  nicht  eher  zu  glauben,  als  bis 
Inner  nachgewiesen  haben  wird,  was  aus  den  dazwischen  steheuden 
13  Infanterieregimentern  Tillys  geworden  ist.  Nicht  Franz  Albrecht 
von  Sachsen-Lauenburg  (210),  sondern  dessen  Bruder  Julius  Heinrich 
wurde  Arnims  Nachfolger  in  Polen,  wie  115  richtig  steht.  Wie 
kommt  der  Verfasser  zu  dem  unerwiesenen  Ausspruche  (188),  Branden- 
burg habe  1632  „nicht  mit  Unrecht"  Annexionsgelüste  Sachsens  auf 
Schlesien  befürchtet?  Aus  der  unbestimmten  Aufserung  Waldsteins 
zu  Bubna,  Sachsen  müsse  Geld  schwitzen  und  heimgesucht  werden, 
zieht  Inner  (226)  viel  zu  weit  gehende  Schlüsse;  auch  ist  gegen 
seine  wiederholt  auftauchende  Ansicht  zu  betonen,  dafs  Oxenstierna 
diese  Aufserung  nicht  provoziert,  sondern  nur  entgegengenommen 
hat.  „Der  wilde  Tschernembl"  und  das  Wort:  Fernandole,  willst 
Du  unterschreiben?  (228)  sind  ganz  und  gar  unhistorisch  (Gindely, 
30 jähriger  Krieg  II,  77).  Arnims  Brief  vom  19.  Oktober  1633 
wurde  nicht  an  Bernhard  (253),  sondern  an  Wilhelm  von  Weimar 
gerichtet.  Ganz  verunglückt  ist  die  Beschreibung  der  Schlacht  bei 
Lindenbusch  (287V  Die  erste  Entscheidung  fiel  nicht  auf  dem  linken, 
sondern  auf  dem  rechten  Flügel  der  Kaiserlichen.  Das  Ausschlag- 
gebende, dafs  Arnim  einige  Regimenter  von  seinem  rechten  Flügel 
an  der  Infanterie  seines  Centrums  vorbei  an  den  linken  zog  und  dafs 


152  Litteratnr. 

der  rechte  kaiserliche  Flügel  nach  der  Flucht  seiner  Reiter  im  zweiten 
Treffen  dieser  Übermacht  nicht  widerstehen  konnte,  hat  Trmer  nicht 
erkannt.  „Ein  letzter  kühner  Reiterangriff  auf  den  rechten  kaiser- 
lichen Flügel"  (288)  hat  überhaupt  nicht  stattgefunden.  Inner  ttber- 
schätzl  die  Bedeutung  von  Arnims  Sieg,  wenn  er  ihn  über  den 
Gustav  Adolfs  bei  Lützen  stellt  (vergl.  dazu  Schles.  Zeitschr.  XXIIT, 
."{15  flg.;  sehen  Liegnitz  mufste  von  Arnim  umgangen  werden,  und 
Glogau  geriet,  während  er  auf  Breslau  zog,  wieder  in  den  Besitz 
des  Feindes.)  Von  geringem  militärischen  Verständnis  zeugt  die 
Versicherung,  dafs  die  Kaiserlichen  bei  Lindenbusch  4000,  die  Sachsen 
400  Tote  verloren  haben  sollen.  Der  „Feldmarschall  Colloredo"  (300) 
ist  nicht  Hieronymus,  sondern  sein  Bruder  Rudolf.  Wenn  Ferdinand  IL 
im  Juni  1635  Arnims  Entlassung  ans  sächsischen  Diensten  fordert, 
ja  sich  seiner  Person  bemächtigen  will  (316),  kann  er  nicht  gleich- 
zeitig den  Wunsch  aussprechen,  Arnim  noch  ferner  an  der  Spitze  der 
sächsischen  Armee  zu  sehen  (322).  Herzog  Franz  Albrecht  war 
bekanntlich  sehr  reich,  schreibt  Inner  .564.  Dann  mufs  er  es  erst 
später  geworden  sein.  In  den  mehr  als  100  ungedruckten  Briefen 
von  ihm,  die  ich  aus  den  Jahren  1625—1629  aufgefunden  habe,  er- 
scheint er  in  ewiger  Geldverlegenheit.  Görzenich  wurde  nicht  1628, 
sondern  am  12.  Oktober  1627  .„geköpft".  Dieser  Ausdruck  erinnert 
an  andere,  vielleicht  mit  der  Übernahme  seines  neuen  Amtes  zu  ent- 
schuldigende stilistische  Flüchtigkeiten  und  sonderbare  Äufserungen 
des  Verfassers.  Arnim  wird  (2)  als  der  5.  Sohn  von  13  Geschwistern 
des  Landvogts  Bernd  (nämlich  des  Vaters)  geboren;  über  Gustav 
Adolfs  Reise  nach  Berlin  (26)  ist  man  „selten  gut  unterrichtet". 
Seite  30  steht:  Am  folgenden  Tage,  am  Montag  am  29.  Juni.  34: 
Fürschrift  (analog  wie  Fürsprache),  52:  unter  den  Fufs  gegeben. 
Der  kurze  Feldzug  Waldsteins  in  <  »berschlesien  erscheint  dem  Ver- 
lasser „denkwürdig"  (49),  Thurn  soll  1633  „eine  grofse  Vergangen- 
heit gehabt  haben"  (252),  der  Krieg  bis  1635  „um  grofse  ideale  Ziele" 
geführt  worden  sein  (324). 

Indes,  viel  mehr  als  diese  Versehen  fällt  die  Grundanschauung 
Irmers,  sein  Bestreben  alles  und  jedes  aus  Arnims  heben  zu  be- 
schönigen und  das  nicht  zu  billigende  Verfahren  auf,  das  er  dabei 
anwendet.  Wer  nicht  mit  ihm  übereinstimmt,  ist  vorschnell  und 
parteiisch  in  seinem  Urteile  (Vorwort),  kritiklos  (182),  ein  gewissen- 
loser Agitator,  der  bei  der  urteilslosen  Menge  Glauben  findet  (251), 
ein  lokalpatriotischer,  ungerechter  und  vorurteilsvoller  Beurteiler, 
wie  Kuck  (68);  Grünhagen  wird  zwar  noch  ein  verdienstvoller  Fers,  her 
genannt,  bekommt  aber  auch  seinen  Teil  ab  (291).  Nach  Inner  (62) 
wurden  die  protestantischen  Obersten  unter  Waldstein,  ohne  dafs 
sie  eine  Ahnung  davon  hatten,  zu  Werkzeugen,  um  die  Gegen- 
reformation in  Deutschland  durchzuführen.  Darunter  befand  sich 
derselbe  kluge  Arnim,  der  sich  1631  vor  seinem  Einmärsche  nach 
Böhmen  eine  ihn  entlastende  Urkunde  seines  Kurfürsten  ausstellen 
litis  (145),  den  die  Herzogin  von  Pommern  1632  einen  witzigen  und 
listigen  Kopf  nannte  (165),  der  hei  seinem  geheimen  Briefwechsel 
mit  Sparre  die  Vorsicht  selber  war  (168),  der  sich  vor  seinen  letzten 
Verhandlungen  mit  AValdstein  abermals  eine  sächsische  Versicherung 
ausbedang,  weil  ihm  „bei  dieser  Sache  nicht  ganz  wohl  war".  Nur 
Gt  wissensbedeuken  wegen  des  Restitutionsediktes  (116)  leiteten  ihn 
bei  seinem  Austritte  aus  dem  kaiserlichen  Dienste;  von  Arnims  Be- 
fürchtungen wegen  der  Boitzenburger  Klostergüter  (Ranke,  Wallen- 
stein   171)  weifs   Inner  nichts.     Wie   er   in  dem  die  kaiserlich   ge- 


Litteratnr  153 

sinnten  Stralsunder  verdächtigenden  Schreiben  Sattlers  (91)  eine 
Rechtfertigung  des  Mißtrauens  herausfinden  kann,  das  Arnim  gegen 
die  Stadt  hegte,  ist  unerfindlich.  Nichl  der  Herzog- von  Pommern 
bat  sich  nach  dem  Verfasser  (72)  zn  beklagen,  dafs  sogleich  gegen 
den  Wortlaut  der  von  Arnim  zustande  gebrachten  Franzburger  Kon- 
vention von  den  Kaiserlichen  im  Lande  geplündert  und  Rügen  be- 
setzl  wird,  sondern  Arnim,  nach  dessen  Ausdruck  das,  was  die 
Soldaten  rauhten,  höchstens  alter  Plunder  war.  An  der  Falschheit, 
mit  der  Arnim  als  Vertreter  Waldsteins  in  Mecklenburg  verfährt, 
mit  der  er  anfangs  September  1628  den  pommerschen  Gesandten  Ab- 
führung der  kaiserlichen  Truppen  in  Aussicht  stellt  (97).  nimmt  der 
Verfasser  keinen  Anstofs.  Den  Diplomatenklatsch,  dafs  Herzog 
Franz  Albrecht  das  sächsische  Heer  an  Frankreich  habe  ausliefern 
und  sein  bares  Vermögen  von  einer  Million  Reichsthalern  (!)  eben- 
dabin habe  flüchten  wollen,  glaubt  Inner  und  nennt  ihn  einen  „teuf- 
lischen" Plan  (226)  trotz  des  Herzogs  eigner  überzeugender  Gegen- 
versicherung  (über  seinen  Charakter  Ranke,  W.  385)  und  obwohl 
Kurfürst  Johann  Georg  dies  Gerücht  als  ein  aus  persönlichen  Zwistig- 
keiten  hervorgegangenes  Geschwätz  bezeichnet  hat;  das  aber  läfst 
er  weg,  was  Ruppa  über  Arnim  bemerkt,  es  sei  dessen  Brauch  gern 
zu  leugnen,  was  er  vorher  gesagt  oder  gethan  habe.  Von  einem  fin- 
den September  1633  geplanten  Zurückziehen  beider  Armeen  bis  an 
die  seh  lesische  Grenze  (245)  steht  in  der  ihrer  ganzen  Be- 
schaffenheit nach  glaubhaften  Aussage  Franz  Albrechts  kein  Wort, 
hals  der  Plan  sonst  nicht  erwähnt  wird,  macht  diese  Aussage  allein 
nicht  unglaubwürdig:  auch  hätten  die  Schlesier  dabei  durchaus  nicht 
geopfert  werden  müssen.  Durch  seinen  Abzug  aus  Schlesien  anfangs 
Oktober  1633  hat  Arnim  gewifs  einen  strategischen  Fehler  begangen 
(derselben  Ansicht  ist  Wittich,  Hist,  Zeitschr.  72,  389);  Thurn  war 
sicher  nicht  „der  einzige  Schuldige"  (252).  Er  hatte  zwar  Arnim 
zugestimmt,  aber  wie  durfte  dieser  Schlesien  verlassen,  wenn  er 
Thurn  nicht  streng  befehlen  konnte,  was  zu  thuu  war,  wie  durfte 
er  Franz  Albrecht  gleichzeitig  Urlaub  erteilen?  Tägliehsbeck  hat  an 
Arnims  Strategie  allerdings  nichts  auszusetzen  (253),  aber  nur  negativ: 
er  schweigt  sich  völlig  aus,  ja  die  Note  auf  S.  29  mit  dem  Hinweise 
auf  Arnims  Gefügigkeit  klingt  doch  wie  ein  leiser  Tadel.  Grünhagen 
hat  mit  seinen  Vorwürfen  ganz  recht,  denn  Arnim  ist  es  gewesen, 
der,  obwohl  er  wissen  mufste,  dafs  auf  seinen  Kurfürsten  in  diesem 
Punkte  kein  rechter  Verlafs  war,  die  Schlesier  durch  sein  heftiges 
Zureden  ins  Elend  gestürzt  hat  (Arnim  gesteht  es  S.  318  selbst  zu). 
Wer  den  Wert  von  Irmers  Phrase  (289):  Die  Schlesier  begrüßten 
Arnim  zum  zweiten  Male  als  ihren  Erretter,  bis  auf  den  Grund  er- 
fassen will,  mag  Bogen  L  bis  P  der  sehr  wertvollen  gleichzeitigen 
schlesischen  Flugschrift  „Loci  communes"  nachlesen.  Seite  378  be- 
hauptet Inner,  Arnims  politisches  Ideal  sei  eiu  deutsches  protestan- 
tisches Kaisertum  (daran  hat  er  gewifs  nicht  ein  einziges  Mal  in 
seinem  Lehen  gedacht!)  auf  den  Trümmern  des  alteu  heiligen  römischen 
Reichs  deutscher  Nation  gewesen;  im  blanken  Gegensatz  dazu  läfst 
er  im  April  1632  seinen  Helden  schreiben  (171),  er  halte  die  bis- 
herige Reichsverfassung  für  so  kräftig,  so  weise  und  so  reiflich  er- 
wogen, dafs  menschlicher  Verstand  nichts  Besseres  erfinden  würde. 
Wo  es  nur  angeht,  bürdet  Irmer  Fehler,  die  Arnims  Ruhm 
irgeudwie  verkleinem  könnten,  schleunigst  einem  anderen  auf;  be- 
sonders schlecht  kommt  der  Kurfürst  von  Sachsen  dabei  fort.  Er 
wirft  ihm  Vergeben    und  Unterlassungssünden  vor  (159,  301),   die 


154  Litteratur. 

bei  anderen  Fürsten  der  Zeit  ebenso  üblicb  waren,  oder  er  macht  ihn 
für  Beschuldigungen  verantwortlich  (215),  die  unsicher  sind  und  von 
unfreundlich  gesinnter  Seite  stammen.  Was  ein  gewissenhafter 
Forscher  (Opel)  in  dieser  Zeitschrift  VIII,  28  zugunsten  Johann 
Georgs  mitgeteilt  hat,  ist  ihm  entgangen.  Arnim  führt  zumeist  die 
Verhandlungen  mit  Sparre,  und  dem  Kurfürsten  wird  von  Inner  die 
Schuld  heigemessen  (209  >.  Inner  gesteht  zu  (210),  dafs  Franz 
Albrechts  Ernennung  zum  sächsischen  Feldmarschall  auf  Arnims 
Empfehlung  zurückzuführen  war.  nennt  das  aber  nicht  einen  Fehler 
Arnims,  sondern  der  Bächsischen  Politik.  Er  verschweigt  (213),  dafs 
Arnim  gegen  Hoe  schliefslich  seine  Zufriedenheit  auch  mit  Thurns 
Ernennung  aussprach  (Inner.  Verh.  II,  86).  Hei  Breitenfeld,  wo  es 
beinahe  übel  ablief,  hat  natürlich  nicht  Arnim,  sondern  der  Kurfürst 
den  Oberbefehl  über  die  Sachsen  geführt  (141 ).  Sich  selbst  korrigiert 
der  Verfasser  ungern.  Nach  233  gab  Arnim  die  erste  Anregung  zu 
den  neuen  Verhandlungen  im  .luli  1633.  nach  „Verhandl."  11.  LV 
aber  Waldstein ;  ebenda  I ,  XXXIX  und  öfters  spricht  sich  Inner 
noch  tadelnd  über  Arnim  aus,  in  seiner  neuen  Arbeit  so  gut  wie 
niemals,  macht  jedoch  nicht  auf  diesen  Widerspruch  aufmerksam. 
Täglichsbeck  soll  die  Gehässigkeit  der  Droysenschen  Darstellung 
gegen  Arnim  hervorgehoben  haben  (189);  ich  fand  trotz  alles 
Suchens  nichts  darüber.  Oxenstierna  soll  1633  in  Berlin  Arnim  das 
Zeugnis  eines  klugen  und  ehrlichen  Mannes  gegeben  haben  (183); 
schlägt  man  die  Citate  dafür  nach  (Inner,  Verhandl.  II,  40  und  322), 
so  steht  davon  nicht  nur  nichts,  sondern  genau  das  Gegenteil  darin ; 
der  schwedische  Kanzler  aufseile,  Arnim  sei  so  gar  tectus  und  irresolut, 
das  gröfste  Unglück  sei,  dafs  der  Kurfürst  von  Sachsen  an  den 
von  Arnim  geraten  wäre!  Ein  anderes  Mal  (45)  verschwelet  [rmer 
aus  den  von  ihm  benutzten  dänischen  Protokollen  (Beweis  Opel  III,  241) 
die  Nachricht,  dafs  Arnim  im  Januar  1627  Christian  IV.  seine 
Dienste  angeboten  hat,  und  wieder  steht  bei  ihm  oben  im  Texte  bei- 
nahe das  Gegenteil  von  dem,  was  die  Belagstelle  enthält.  Opel  nennt 
1.  c.  Arnim  völlig  charakterlos;  dieser  märkische  Patriot  habe 
seine  durch  die  Unterhandlungen  mit  den  dänischen  Politiken]  ge- 
wonnene Kenntnis  von  der  sehr  mitslichen  Lage  Christians  IV. 
schleunigst  Aidlingen  zukommen  lassen.  Und  wen  nennt  er  als 
Quelle  V  —  G.  Inner,  Hans  Georg  von  Arnim  als  kaiserlicher  Oberst, 
1877,  Diss.  S.  5! 

Jedem  anderen  möchte  es  nicht  leicht  geworden  sein,  immer 
Worte  der  Entschuldigung  für  Arnims  Thun  und  Lassen  zu  ünden, 
denn  dieser  sehr  begabte  Mann  war  zugleich  überaus  eitel  und 
empfindlich.  Wiederholt  und  selbst  in  kritischen  Momenten,  wo  Aus- 
harren und  Treue  geboten  war  (191).  forderte  er  seinen  Abschied; 
manchmal  blieb  er  auch,  wenn  ihm  Beförderungen  in  Aussicht  ge- 
stellt wurden  (72,  196).  Er  war  von  einer  Unbeständigkeit  ohne 
gleichen.  Im  August  1628  bittet  er  Oxenstierna  um  vertrauliche  Be- 
sprechungen, und  zwei  Monate  darauf  erklärt  er  sich  bereit,  den 
Oberbefehl  über  die  kaiserlichen  liilfstruppen  inPolen  gegen  Schweden 
zu  übernehmen  (104).  Bis  tief  in  den  Mai  1631  hinein  eifert  er 
gegen  eine  Verbindung  Sachsens  mit  Schweden  und  ist  dann  im 
Handumdrehen  dafür  (127).  Vierzehn  Tage  nach  Gustav  Adolfs 
Siege  bei  Breitenfeld  steht  er  mit  Dänemark  (144)  und  gleichzeitig 
mit  Waldstein  (148)  in  Verbindung  und  unterhandelt  ein  Vierteljahr 
danach  zum  Nachteile  Schwedens  mit  dein  Friedländer  (157).  Im 
Juni  1635  will   er  nicht  mit  dem  Kaiser,   dem   Verfolger  der  Christ- 


Litteratur.  155 

liehen  Kirche,  fechten  (316),  ein  Jahr  später  nicht  zn  Oxenstierna 
reisen,  weil  er  die  Empfindlichkeit  Ferdinands  II.  fürchtet  (335). 
Sein  eigner  Landesherr  tränt  ibm  Pläne  auf  die  Überrumpelung 
Königsbergs  zn  (108),  seine  Gefangennahme  wird  als  eine  zwischen 
ihm  und  Schweden  abgekartete  Sache  hingestellt  (345).  Zuletzt  ist 
er  gleichzeitig  mit  den  Höfen  von  Wien ,  Berlin  und  Dresden  zer- 
fallen (328)  und  sinkt  zu  einem  von  allen  Parteien  mit  Mifstrauen 
betrachteten  Projektenmacher  herab.  Seine  ruhelose  Vielgeschäftig- 
keit, sein  unbezähmbarer  Vermittlungsdrang  verliert  sich  am  Ende 
in  ein  wirres  Getriebe  politischer  Pläne  und  militärischer  Anschläge 
(362).  Es  ist  wahrlich  „tragisch  und  ein  eigentümliches  Verhängnis", 
dafs  Arnim  Mitte  Januar  fb37  Berlin  nicht  zn  verlassen  Avagt,  weil 
er  weder  schwedischen ,  noch  kaiserlichen  Soldaten  in  die  Hände 
fallen  will,  dafs  sich  nach  seiner  Gefangennahme  kaum  eine  Hand 
für  ihn  rührt,  mit  Ausnahme  der  des  Herzogs  Franz  Albrecht,  den 
er  nicht  immer  freundlich  behandelt  hatte.  Was  aber  andere  mit 
Unzuverlässigkeit  und  Achselträgerei  bezeichnen  würden,  heifst  bei 
Inner  „furchtlose  Charakterfestigkeit"  (373).  Er  nennt  seinen  proteus- 
artigen,  in  den  Farben  aller  Parteien  schillernden  Helden  „eine 
schlichte  Persönlichkeit"  (Vorwort).  Mit  unglaublicher  Leichtigkeit 
gleitet  er  meist  über  die  Widersprüche  und  sprunghaften  Wandlungen 
in  Arnims  politischem  Verhalten  hinweg  und  sucht  sie  mit  vielen 
Worten  immer  von  Fall  zu  Fall  in  ein  günstiges  Licht  zu  stellen. 
Inner  erfafst  die  Verhältnisse  zu  wenig  im  ganzen,  er  bleibt  zu  sehr 
auf  der  Oberfläche.  So  gelangt  er  z.  B.  nicht  zu  der  Erkenntnis, 
dafs  zwischen  Arnim  und  Gustav  Adolf  ein  tiefer,  bei  jeder  Bewegung 
beider  Männer  sich  erneuernder  (10,  34,  42)  innerlicher  Gegensatz 
besteht,  und  weist,  obwohl  er  Hunderte  von  Briefen  Arnims  gelesen 
hat,  nicht  einmal  auf  dessen  Gewandtheit  im  Gebrauche  der  Mutter- 
sprache hin,  die  der  vielgerühmten  stilistischen  Fertigkeit  Aldringens 
weit  überlegen  war.  Aus  dieser  Unlust  in  die  Tiefe  zu  gehen,  er- 
klärt sich  wohl  auch,  warum  er  so  häufig  Spezialuntersuchungen 
(z.  B.  auch  über  die  Schlacht  bei  Lindenbusch)  wünscht,  statt  solche 
selber  zu  liefern.  Alles  in  allem  beweist  Irmers  Buch,  wohin  ein 
begabter  Historiker  gerät,  wenn  er  nicht  auch  im  Kleinen  gewissen- 
haft arbeitet  und  wenn  er  seine  Arbeit  lediglich  der  Verherrlichung 
gleichviel  welcher  Persönlichkeit  widmet. 

Breslau.  J.  Krebs. 


Der  niedersächsisch-dänische  Krieg  von  Julius  Otto  Opel.  3.  Band 
Der  dänische  Krieg  von  1627  bis  zum  Frieden  von  Lübeck  (1629). 
Magdeburg,    Fabersche    Buchdruckerei  (A.  und  R.  Faber).     1894. 
4  Bll.,  749  SS     8°. 

Mit  dem  vorliegenden  Bande  erreicht  das  umfassend  angelegte, 
ein  schönes  Zeugnis  deutschen  Gelehrte nfleifses  bildende  Werk  nach 
langer  Pause  seinen  Ahschlufs.  Der  Grund  für  die  Unterbrechung 
in  seinem  Erscheinen  liegt  offenbar  mit  darin,  dafs  die  inner-  und 
aufserdeutschen  Archive,  vornehmlich  die  dänischen  Akten,  von  dem 
Verfasser  wiederholt  gründlich  durchforscht  worden  sind.  Durch 
diese  erweiterte  Quellenheranziehung'  und  das  Auffinden  von  seltenen 
gleichzeitigen  Druckschriften  ist  es  ihm  gelungen,  trotz  des  von 
seiten  der  dänischen  Historiker  in  den  letzten  Jahren  über  die 
Regierung   Christians   TV.   zum   Druck    beförderten   umfangreichen 


156  Litteratur. 

Aktenmaterials  eine  Fülle  neuer  und  wichtiger  Mitteilungen  zu  ver- 
öffentlichen. Wie  leider  für  sehr  viele  Jahre  des  30jährigen  Krieges, 
mangelte  es  an  genügenden  Vorarbeiten  über  den  verlauf  der  mili- 
tärischen Ereignisse  auch  für  die  Zeit  von  1627  bis  1629",  <  »pel  sah 
sich  deshalb  genötigt,  der  Landesgeschichte  einen  gröfseren  Raum 
zu  widmen  und  den  (lang  des  Krieges  vielfach  seihst  zuerst  nach 
den  Akten  zu  schildern.  In  welchem  Mafse  seine,  namentlich 
auch  nach  der  kritischen  Seite  hin,  wertvollen  und  musterhaften 
Forschungen  unser  Wissen  bereichert  haben,  kann  hier,  wo  Referent 
sich  auf  Sachsens  Politik  beschränken  mufs,  nicht  erschöpfend  dar- 
gelegt werden.  Am  Anfange  des  .Jahres  Wil'i  nahm  Kursachsen 
noch  eine  achtunggebietende  Stellung  ehr,  der  Kaiser  verschonte  es 
um  diese  Zeit  „aus  einer  gewissen  furchtsamen  Zurückhaltung"  mit 
Einquartierung  (15).  In  den  Herbstmonaten  von  1626  rufen  die 
Herzöge  von  Braunschweig,  Holstein  und  Lüneburg,  sowie  der 
Dänenkönig  seine  Verwendung  an  (70),  später  verwahrt  sich  Johann 
Georg  mit  kräftigen  Worten  gegen  die  Überschwemmung  der  kleinen 
mitteldeutschen  Staaten  mit  kaiserlicher  Soldateska,  weil  es  dabei 
„den  Anschein  gewinne,  als  wolle  man  die  Stände  unter  eine  immer- 
währende Kontribution  bringen"  (670).  Die  brandenburgischen  Staats- 
männer sehen  manchmal  mit  Mifstrauen  auf  den  sächsischen  Nachbar 
1 1  und  stehen  andererseits  in  starkem  Abhängigkeitsverhältnis  zn 
ihm  (243).  Von  besonderer  Bedeutung  für  die  Geschichte  Sachsens 
und  zum  ersten  Male  genau  und  ausführlich  nach  den  sächsischen 
Quellen  erzählt,  ist  das  Verhalten  Johann  Georgs  bei  der  Berufung 
und  dem  Verlaufe  des  Mühlhausener  Kurfürstentages  von  1627 
(374  f.).  Wie  richtig  der  Dresdener  Hof  die  einflufsreiche  Stellung 
Waldsteins  erkannt  und  wie  wenig  Treu  und  Glauben  er  dem  ver- 
schlagenen Manne  zugetraut  hat,  beweist  die  Vorstellung  des  Kur- 
fürsten an  seinen  Agenten  Lebzelter,  dafs  der  General  die  von 
ihm  ausgestofsenen  Schmähungen  der  Bürger  von  Halle  einfach 
ableugnen  könne  (13).  Das  Auftreten  des  Herzogs  von  Friedland 
gegen  Sachsen  war  höhnend  und  rücksichtslos.  Tm  November  1627 
liefs  er  Truppen  in  den  obersächsischen  Kreis  (442),  im  Februar  des 
nächsten  Jahres  vier  Regimenter  in  die  an  Sachsen  verpfändete 
Lausitz  einrücken  (459),  und  der  Kaiser  billigte  diese  Anordnung 
trotz  aller  Proteste  Johann  Georgs  (591),  so  dafs  sich  der  Kurfürsl 
energisch  weigerte,  an  einem  zur  Ordnung  der  Nachfolge  im  Reiche 
geplanten  Kollegialtage  teilzunehmen  (665).  Es  war  ihm  bei  seiner 
schwieriger  gewordenen  Stellung  zu  Ferdinand  IT.  ganz  lieb,  dafs 
dieser,  im  Gegensatz  zu  den  übertriebenen  Hoffnungen  Christians  IV., 
seine  Vermittelung  bei  den  Lübecker  Verhandlungen  nicht  anrief, 
und  vielleicht  lehnte  er  es  auch  aus  diesem  Grunde  direkt  ab,  für 
seinen  künftigen  Schwiegersohn,  den  Herzog  von  Holstein,  Ver- 
wendung heim  Kaiser  einzulegen  (697).  In  den  ersten  Friedens- 
bedingungen der  katholischen  Feldherren  für  den  dänischen  König 
wurde  diesem  zugemutet,  Jütland  dem  Kurfürsten,  'der  dafür  die 
Lausitzen  herausgeben  sollte,  einzuräumen;  Sachsen  sollte  Jütland 
so  lange  behalten,  bis  sein  Anspruch  an  den  Kaiser  aus  den  Ein- 
künften dieses  Landes  befriedigt  oder  bis  ihm  von  Dänemark  ander- 
weitige Genugthuung  zu  teil  geworden  sei  (718).  Schliefslich  mögen 
hier  noch  zwei  Ergänzungen  Platz  finden.  Aus  der  von  Opel  nicht 
angeführten,  im  39.  Bande  der  Denkschriften  der  Kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  in  Wien  publizierten  Abhandlung  Gindelys  über  die 
maritimen  Pläne  der  Habsburger  erfahren  wir,  dafs  der  im  April  1628 


Litteratur.  157 

geschlossene  Hansatag  das  im  Juni  ablaufende  Bündnis  mit  den 
Holländern  nicht  wieder  zu  erneuern  und  dem  Kaiser,  falls  dieser 
den  Krieg  gegen  Christian  IV.  zur  See  fortsetzen  werde,  mit  „100 
oder  10  Schiffen"  beizustehen  versprach,  weil  die  Hansa  doch  mit 
den  Dänen  brechen  müfste.  Der  diese  Worte  enthaltende  Brief 
Schwarzenbergs  an  Khevenhiller  läfst  Opels  498  Note  1  geäufserten 
Zweifel  an  dieser  Thatsache  nicht  mehr  berechtigt  erscheinen.  Zu 
der  336  ausgesprochenen  Vermutung,  Schlick  habe  mit  den  bei 
Aalborg  entwaffneten  dänischen  Reitern  nichts  zu  schaffen  haben 
und  sie  nicht  unter  seine  Truppen  aufnehmen  wollen,  ist  zu  be- 
merken, dafs  sowohl  die  bei  Oldenburg  wie  die  bei  Aalborg  ge- 
fangenen Dänen  sofort  und  in  erheblicher  Zahl  unter  die  Kaiserlichen 
eingereiht  wurden.  Die  Kompagnie  des  Oberstlieutenants  Melchior 
von  Hatzfeldt  war  mit  72  Mann  über  Schlesiens  Grenze  geritten, 
in  Holstein  und  Jutland  erhielt  sie  einen  Zuwachs  von  42  dänischen 
Heitern;  ähnlich  ging  es  bei  den  übrigen  Kompagnien  des  alt- 
sächsischen Kürassierregiments  zu.  Ein  Register  wäre  für  die  drei 
stattlichen  Bände  sehr  erwünscht  gewesen. 

Breslau.  Julius  Krebs. 


Zur  Geschichte  der  kursächsischeu  Politik  heim  Ausbruche  des 
österreichischen  Erbfolgestreites.  Von  Carl  Hübner.  (Leipziger 
lnaugural-Dissertation.)  Leipzig-Reudnitz,  Oswald  Schmidt.  1892. 
114  SS.  8°. 

In  der  Einleitung  zeigt  Hübner,  wie  Sachsen  trotz  wieder- 
holter Anerkennung  der  pragmatischen  Sanktion  (1719  anläfslich  der 
Vermählung  des  Kurprinzen  Friedrich  August  mit  der  Erzherzogin 
Maria  Josepha,  1733  beim  Vertrag  mit  Karl  VI.  zur  Erlangung 
von  Hilfe  für  die  polnische  Thronbewerbung)  stets  den  Hinter- 
gedanken bewahrte,  gegebenenfalls  sich  an  die  Verzichtleistung  der 
Kurprinzessin  nicht  gebunden  zu  erachten ,  sondern  auf  Grund  der 
Erbfolgeordnung  von  1703  die  ihr  als  der  ältesten  Tochter  Josephs  I. 
zugedachten  Rechte  geltend  zu  machen.  Infolge  der  militärischen 
Schwäche  und  finanziellen  Schwierigkeiten  vermochte  Sachsen  aber 
nicht  selbständig  aufzutreten,  und  das  Schaukelspiel  von  Verhand- 
lungen auf  mehreren  Seiten  zugleich  trug  keineswegs  dazu  bei,  die 
Stellung  Sachsens,  das  sich  so  für  alle  Eventualitäten  einen  Auswreg 
offen  halten  wollte,  zu  bessern.  Praktisch  unhaltbar  von  vornherein 
war  der  mehrfach  betonte  Standpunkt,  gegen  Österreich  auftreten 
und  doch  gleichzeitig  die  pragmatische  Sanktion  aufrecht  erhalten 
zu  wollen,  um  nicht  durch  Zerstückelung  der  Erbschaft  die  etwaigen 
Rechte  der  eigenen  Königin  zu  schädigen.  Wir  sehen,  wie  im 
November  1740  Geneigtheit  besteht,  es  mit  Osterreich  zu  halten, 
falls  sich  von  ihm  Vorteile  erlangen  liefsen;  da  aber  Maria  Theresia 
dazu  nicht  zu  bewegen  war,  auch  Sachsens  begründeter  Einspruch 
gegen  die  Ernennung  des  Groi'sherzogs  von  Toskana  zum  Mitregenten 
und  Führer  der  böhmischen  Kurstimme  uubeachtet  blieb,  trat  bald 
eine  Spannung  ein,  die  auch  durch  den  im  Dezember  1740  von  der 
Kaiserinwitwe  Amalie  geförderten,  erfolglosen  Heiratsplan  zwischen 
dem  Kurprinzen  Friedrich  Christian  und  Maria  Theresias  Schwester 
Maria  Anna  nicht  behoben  wurde  Im  Dezember  näherte  man  sich 
Preufsen  und  die  Verhandlungen  schienen  den  besten  Verlauf  nehmen 
zu    wollen,    nur  verlangte  Friedrich  IL,    Sachsen   solle    entschieden 


I  :>s  Litteratur. 

Farbe  bekennen,  wogegen  er  sicli  ebenso  bestimmt  zur  Mitverfechtung 
der  sächsischen  Ansprüche  verpflichten  wollte.  Khevenhüllers  Sendung 
nach  Dresden  Ende  Dezember  und  besonders  der  Einflufs  der  Königin 
Maria  Josepha  und  des  königlichen  Beichtvaters  Guarini  bewogen 
jedoch  Brühl  im  Januar  1741  zu  einer  Schwenkung,  und  als  er  bei 
abermaligem  Mangel  genügenden  Entgegenkommens  österreichischer- 
seits  wiederum  nach  Preufsen  hin  zu  lavieren  gedachte,  fand  er  bei 
Friedrich  keine  Geneigtheit,  sich  mit  dem  unzuverlässigen  Nachbar 
einzulassen.  —  Besonders  schädlich  wurde  den  sächsischen  Inter- 
essen  die  Unentschlossenheit  gegenüber  Frankreich;  denn  während 
Frankreich,  trotz  mancher  Neigung  zur  Unterstützung  Baierns,  an- 
fangs zwischen  Sachsen  und  Baiern  schwankte  und  Kardinal  Fleury 
den  sächsischen  Gesandten  Poniatowski  und  Fritsch  mit  Wohlwollen 
begegnete,  trug  gerade  deren  fortgesetztes,  peinliches  Verbleiben 
ohne  Instruktion  und  das  unwürdige  Hinhalten  dazu  bei,  Frankreichs 
Entscheidung  trotz  aller  Bemühungen  des  eifrigen  Vertreters ,  den 
Sachsens  Interessen  heim  Hofe  zu  Versailles  am  Marschall  Moritz 
besafsen,  und  trotz  der  Unterstützung  Spaniens,  zu  Gunsten  der 
bairischen  Bestrebungen  um  die  Kaiserkrone  ausfallen  zu  lassen.  - 
Dasselbe  unerfreuliche  Bild  bieten  die  Verhandlungen  im  Januar  mit 
Baiern.  Dies  zeigte  grofses  Entgegenkommen  und  bei  dem  Einver- 
ständnis mit  Frankreich,  dem  eine  Einigung  zwischen  beiden  und 
gemeinsames  Vorgehen  mit  ihnen  besonders  erwünscht  gewesen  wäre, 
bei  der  gleichen  Haltung  Spaniens  und  der  Wahrscheinlichkeit,  auch 
die  von  Baiern  bereits  angestrebte  Verbindung  mit  Preufsen  zu  be- 
werkstelligen, bot  dieses  Vorgehen  die  denkbar  geringsten  Gefahren 
bei  Verhältnis mäfsig  ansehnlichen  Vorteilen;  doch  Brühl  kam  nicht 
zum  nötigen  Entschlüsse,  weil  er  Baiern  den  Mitvorteil  mißgönnte. 
Den  unerquicklichsten  Eindruck  gewähren  die  Verhandlungen 
mit  Rufsland,  auf  dessen  Hilfe  Sachsens  Haupthoflhung  beruhte,  die 
mir  Biroris  Sturz  zusammenbrach,  so  sehr  sich  auch  Sachsen  be- 
mühte, von  der  neuen  Regentschaft  die  Fortführung  des  bisherigen 
Verhältnisses  und  Anerkennung  des  geheimen  Vertrages  von  17:59 
zu  erwirken.  —  Den  Schlufs  bildet  die  Darstellung  der  englischen 
Beziehungen,  und  hier  traf  man  bei  der  gleichen  Situation  Hannovers 
gegenüber  Preufsen  und  Georgs  IL  dadurch  bedingter  Abneigung 
gegen  seinen  Neffen  Friedrich  II.  auf  Gesinnungsverwandtschaft  und 
trat  in  nähere  Verhandlungen  zur  Erzielung  des  von  Georg  ge- 
planten grofsen  Konzerts,  das  auf  Zerstückelung  Preufsens  hinstrebte 
und  Sachsen  die  ersehnte  Vergrößerung  bringen  sollte.  Da  die  Arbeit 
im  Beginn  dieses  Getriebes  bei  der  Sendung  des  englischen  Gesandten 
Villers  nach  Dresden  abbricht,  vermifst  man  einen  eigentlichen  Ahschlufs. 
Hübner  hat  sich  bemüht,  besonders  aus  Dresdner  archivalischem 
Material  unter  fleifsiger  Beiziehung  der  Litteratur  ein  Bild  der  ver- 
schlungenen Beziehungen  zu  entwerten:  durch  die  Menge  neuer 
Aufschlüsse,  die,  ohne  die  bisherige  Auffassung  im  wesentlichen  zu 
beeinflussen,  die  Kenntnis  dieser  Vorgänge  doch  in  manchen  Punkten 
berichtigen  und  in  vieler  Hinsicht  ergänzen  und  ihr  schärfere  Be- 
leuchtung zuführen,  hat  die  Arbeit  ihren  Wert.  Anzuerkennen  ist 
auch  tlie  Unbefangenheit,  mit  der  der  Verfasser  seinem  mehrfach 
heiklen  Gegenstand  gerecht  geworden  ist;  denn  das  Bild,  das  hier 
im  Einzelnen  von  Brühls  Politik  entworfen  wird,  ist  trotz  (oder 
richtiger,  gerade  weil)  es  vorwiegend  aus  sächsischem  Material  selbst 
aufgebaut  ist,  wenig  erfreulich.  Brühl  vergafs  die  alte  Spruch- 
weisheit,  dals    der  Sperling  in  der  Hand   besser  ist,  als  die  Taube 


Litteratur.  159 

auf  dein  Dache.  Während  ihm  ein  entsprechender  Machtzuwachs, 
•i.  B.  durch  angrenzende  Teile  Böhmens  von  den  meisten  in  Frage 
kommenden  Mächten  (Prenfsen,  Baiern,  Frankreich,,  Spanien)  bereit- 
willig' zugestanden  worden  wäre  und  damit  von  Österreich  zu  er- 
zwingen war,  ging  man  nicht  darauf  ein,  weil  man  die  Ansprüche 
auf  die  ganze  Erbschaft  nicht  einengen  wollte,  andererseits  auch 
einen  Landerwerb  nach  anderer  Richtung  hin  (in  Schlesien  zur  Ver- 
bindung mit  Polen  oder  auf  Kosten  Preufsens  in  der  Lausitz,  Magde- 
burg) vorzog;  doch  es  bewahrheitete  sich  auch  hier:  „Qui  trop  ein- 
brasse, mal  etreint". 

Dresden.  Lippert. 

Karl  August  als  Chef  des  6.  Preufslschen  Kürassier  -Regiments 
1787 — 1794.  Von  P.  von  Bojanoivski.  Mit  einer  Silhouette  des 
Herzogs.     Weimar,  Hermann  Böhlau.    1894.    VII,  147  SS.    8°. 

Die  kleine  Schrift  bildet  einen  interessanten  Beitrag  zur  Ge- 
schichte eines  iu  vielen  Beziehungen  hochbedeutenden  Fürsten,  des 
auf  dem  Titelblatt  des  Buches  nur  mit  seinen  Vornamen  bezeichneten, 
nachmaligen  Grofsherzogs  von  Sachsen -Weimar,  Karl  August,  des 
genialen  Freundes  von  Goethe. 

Schon  früh  die  Notwendigkeit  einer  Beform  der  Reichsverfassung 
erkennend,  trat  er  1787  in  den  preufsischen  Heeresdienst.  Friedrich 
Wilhelm  II.  ernannte  ihn  zum  Generalmajor  und  Chef  des  in  Aschers- 
leben garnisonierenden  6.  Kürassier -Regiments;  1790  wurde  er  In- 
spekteur der  Magdeburgischen  Kavallerie -Inspektion  und  1792/93 
nahm  er  mit  seinem  Regiment  an  dem  Feldzug  am  Rhein  teil,  wie 
auch  weiteren  Kreisen  aus  Goethes  Schilderungen  der  Ereignisse 
jener  Zeit  bekannt  ist.  Karl  August  ist  später  noch  zweimal  mit 
in  den  Krieg  gezogen:  1806  konnte  er  mit  der  in  anderer  Richtung 
in  Marsch  gesetzten  und  von  ihm  befehligten  Avantgarde  nicht 
rechtzeitig  bei  Auerstädt  eintreffen,  1814  führte  er  als  russischer 
General  ein  Armeekorps  in  den  Niederlanden;  dem  preufsischen  Heere 
hat  er  bis  zu  seinem  Tode  als  Chef  des  8.  Kürassier- Regiments  angehört. 

Die  Beziehungen,  welche  sich  1787  bis  1794  zwischen  Karl 
August  und  seinem  Regiment  entwickelt  hatten,  waren  die  denkbar 
günstigsten.  Göthe  gedenkt  der  Trennung  derselben  mit  den  Worten: 
„Das  Wehklagen  des  Regiments  war  grofs  durch  alle  Stufen,  sie 
verloren  Anführer,  Fürsten,  Ratgeber,  Wohlthäter  und  Vater  zugleich." 
Die  Art,  in  welcher  1793  der  Krieg  am  Rhein  geführt  wurde,  ver- 
bunden mit  dem  Gefühl  der  Verpflichtungen,  die  er  seinem  Lande 
gegenüber  zu  erfüllen  hatte,  verleideten  dem  Herzog  die  erst  gehabte 
Absicht,  auch  am  Feldzuge  1794  teilzunehmen.  Er  hat  sich  aber 
bei  jeder  Gelegenheit  als  tüchtiger  und  tapferer  Soldat  und  treu 
Mirgender  Vorgesetzter  bewiesen.  Aufser  den  Mitteilungen  über  des 
Herzogs  persönliche  Erlebnisse  bringt  das  Buch  in  dem  Anhange 
mancherlei,  was  besondere  Beachtung  verdienen  dürfte  —  die  ab- 
fällige Beurteilung  einer  Kabinetsordre  Friedrich  Wilhelms  III.  vom 
7.  März  1803,  betreffend  die  Beförderung  der  Offiziere  mit  übler 
Führung,  die  der  Handschriftensammlung  der  grofsherzoglichen  Biblio- 
thek zu  Weimar  entnommenen  Entwürfe  eines  ausgewiesenen  fran- 
zösischen Offiziers  für  den  Einmarsch  in  Frankreich  und  den  Abdruck 
einer  handschriftlichen  Rangliste  von  1788  „derer  Offiziere  des  k. 
preufsischen  herzogl.  Weimarischen  Kürassier-Regiments". 

Dresden.  Exner. 


IGO  Litteratuf. 

üie  Anteilnahme  der  Königlich  Sächsischen  Armee  am  Feld- 
zuge gegen  Österreich  und  die  kriegerischen  Ereignisse  in 
Sachsen  im  Jahre  1S01).  Nach  amtlichen  Unterlagen  bearbeitet 
von  Moritz  Exner,  Oberstleutnant  z.  D.  nnd  Vorstand  des  König- 
lich Sächsischen  Kriegs- Archivs.  Dresden,  Wilhelm  Baensch,  1894. 
135  SS.     8°.     6  Pläne. 

Die  nationale  Einigung  Deutschlands  hat  unter  anderem  den 
Vorteil  gebracht,  dafs  man  die  hinter  uns  liegenden  Zeiten,  in  denen 
das  Vaterland  noch  gespalten  war,  Deutsche  noch  gegen  Deutsche 
das  Schwert  zogen,  unbefangen  und  freimütig  schildern  kann.  Wenn 
jetzt  der  preufsische  grofse  Generalstab  die  Geschichte  der  schlesi- 
sischen  Kriege  schreibt  und  Roon  sich  in  seinen  Denkwürdigkeiten 
schinft'  über  das  kaiserliche  Heer  äufsert,  wird  dies  sicher  nichts  an 
der  gegenseitigen  Zuneigung  der  Völker  Deutschlands  und  Öster- 
reichs ändern.  Die  Darstellung  jener  Zeiten  hat  aber  den  hohen 
Wert ,  dafs  sie  uns  schwierige  Lagen ,  politische  Krisen  und  eigen- 
ii  t  ige  Verhältnisse  vor  Augen  führt  und  dabei  namentlich  der  Armee 
klar  macht,  dafs  sie  stets  ihrem  Eide  und  ihren  Pflichten  treu  bleiben 
mul's  und  nur  dem  Gebote  ihres  Kriegsherrn,  was  dieser  auch  an- 
befiehlt, zu  folgen  hat.  Treues  Festhalten  in  unglücklichen  Stunden 
ist  oft  ruhmreicher  gewesen  als  siegreicher  Erfolg. 

Da  einerseits  sich  nicht  selten  das  geflügelte  Wort  „L'histoire 
est  une  fable  convemie"  bewahrheitet,  andererseits  die  Geschichte  in 
jedem  Geiste  sich  anders  wiederspiegelt,  ist  eine  geschichtliche  Dar- 
stellung nur  dann  von  Wert,  wenn  sie  aus  den  ursprünglichen  Quellen 
schöpft.  Dies  ist  bei  dem  uns  vorliegenden  Werke  in  hohem  Grade  der 
Fall.  Nach  den  besten  amtlichen  Unterlagen  beider  Parteien  schildert 
der  Verfasser  klar  und  fesselnd  die  Anteilnahme  des  sächsischen 
Armeekorps  am  Feldzug  von  1809  gegen  Österreich  und  die  kriegeri- 
schen Ereignisse  in  Sachsen  im  Jahre  1809. 

Im  ersten  Abschnitt  folgt  einer  Charakteristik  der  sächsischen 
Armee  die  Darstellung  der  Mobilmachung,  der  Versammlung  und 
des  Marsches  derselben  an  die  Donau.  Die  besprochene  kriegerische 
Thätigkeit  nmfafst  die  Gefechte  an  der  oberen  Donau,  den  Marsch 
nach  Wien,  die  entscheidende  Schlacht  bei  Wagram  und  die  Ver- 
folgungsgefechte. Den  Abschlufs  der  Ereignisse  bildet  der  Rück- 
marsch  nach  Sachsen.  Der  zweite  Abschnitt  beschreibt  die  Organi- 
sation der  sächsischen  Landesverteidigung  während  der  Aliwesenheit 
der  mobilen  Armee,  den  Einfall  des  Herzogs  von  Braunschweig  und 
seiner  Mannen,  sowie  des  österreichischen  Korps  des  Generals  am  Ende 
in  Sachsen  und  die  Operationen  gegen  diese  Abteilungen  seitens 
sächsischer  Truppen  und  des  heranrückenden  Königs  von  Westfalen. 
Anlagen  mit  vielfachen  interessanten  Einzelheiten  und  Kartenskizzen 
vervollständigen  das  vorzüglich  ausgestattete  Werk.  Die  Ansicht 
des  nach  der  Natur  gezeichneten  Dorfeingangs  von  Wagram  ver- 
anschaulicht eine  Stätte,  wo  viel  sächsisches  Blut  geflossen  ist.  I  >as 
Buch  sei  jedem  Sachsen,  sei  jedem  Soldaten  warm  empfohlen. 

Dresden.  von  Schimpff. 

Historische  Untersuchungen.  Ernst  Förstemann  zum  fünfzig- 
jährigen Doktorjubiläum  gewidmet  von  der  historischen  Gesell- 
schaft zu  Dresden.   Leipzig,  Teubner.  1894.   VI,  142  SS.  8°. 

Die  historische  Gesellschaft  zu  Dresden,  von  Ernst  Förste- 
mann  L870  gegründet   und  lange  Jahre    hindurch  geleitet,    welche 


Litteratur.  161 

in  der  Zahl  ihrer  Mitglieder  Spezialkenner  und  -forscher  aus  den 
verschiedensten  Gebieten  der  Geschichtswissenschaft  vereinigt,  hat 
ihrem  als  idealstem  Hüter  und  Verwalter  öffentlicher  Bücherschätze 
und  als  ausgezeichneten,  liebenswürdigen  Gelehrten  in  den  weitesten 
Kreisen  hochverehrten  Gründer  zu  seinem  fünfzigjährigen  Doktor- 
jubiläum einen  bunten  Straufs  von  kleinen  historischen  Untersuchungen 
dargebracht,  auch  dabei  über  die  eigene  Vereinsthätigkeit  in  Gestalt 
eines  von  Gustav  Diestel  zusammengestellten  Jahrbuches  berichtet. 
Hier  kann  nur  der  Inhalt  der  auf  sächsische  Geschichte  bezüglichen 
Arbeiten  kurz  angedeutet  werden. 

Die  Abhandlung  von  Woldemar  Lippert  „Über  das  Geschütz- 
wesen der  Wettiner  im  14.  Jahrhundert"  (8.80 — 93)  giebt  in  ihrem 
ersten  Abschnitt  „Aus  der  Zeit  der  Bailisten"  den  Wortlaut  der  im 
Dresdner  Hauptstaatsarchiv  enthaltenen  ältesten  landesherrlichen 
Büchsenmeisterbestallungen,  denen  noch  Regesten  einiger  anderer 
angeschlossen  sind.  Die  Einnahmen  und  Pflichten  des  Schützen- 
meisters werden  erörtert;  wir  sehen,  dafs  von  einer  einheitlichen 
Organisation  des  Geschützwesens,  wie  in  Frankreich,  wo  demselben 
ein  Oberschützenmeister,  grand  maitre  des  arbaletriers,  schon  in  der 
Mitte  des  14.  Jahrhunderts  vorstand,  in  unseren  Landen  noch  nicht 
die  Rede  ist.  In  einem  zweiten  Abschnitt  handelt  Lippert  von  der 
Einführung  der  Feuerwaffen  und  speziell  von  Johann  Schuftel,  „dem 
ersten  Artilleristen  oder  besser  Artillerieoffizier  in  wettinischen 
Diensten".  Am  Schlufs  werden  aus  dem  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden 
einige  Bestallungen  von  Büchsenmeistern  und  die  älteste  Original- 
bestallung eines  Geschützgiefsers  vom  11.  Dezember  1449  mit- 
geteilt r). 

Unter  Benutzung  ungedruckter  Akten  des  Hauptstaatsarchives 
in  Dresden  entrollt  Georg  Müller  S.  105-117  ein  Lebensbild  von 
„Johann  Erhard  Kapp  als  Professor  an  der  Universität  Leipzig". 
Im  Besitze  ausgedehnter  Sprachkenntnisse  war  dieser  ein  fruchtbarer 
Schriftsteller,  insbesondere  auf  dem  Gebiete  derüniversitäts-,  Gelehrten- 
und  Kirchengeschichte.  Bei  der  studierenden  Jugend  aller  Fakultäten 
wollte  er  Begeisterung  wecken  für  die  Wissenschaften,  und  mit  der 
schöngeistigen  Bildung  sollte  die  Charaktererziehung  Hand  in  Hand 
gehen.  Aus  seinen  eigenen  beweglichen  Worten  lernen  wir  seine 
bedrängte  finanzielle  Lage  kennen.  Nicht  weniger  als  sechsmal  war 
er  Rektor  der  Universität,  so  auch  1746,  wo  er  Lessing  immatriku- 
lierte. S.  111  ff.  ist  als  Beilage  ein  von  ihm  1728  verfafster  Bericht 
abgedruckt,  in  welchem  er  nicht  nur  ein  Bild  seiner  Wirksamkeit 
entwirft,  sondern  auch  seine  Grundsätze  über  Unterricht  und  Erziehung 
auf  der  Universität  entwickelt. 

S.  118  — 127  handelt  Paul  Rachel  über  die  Belagerung  von 
Danzig  1807  nach  Aufzeichnungen  eines  sächsischen  Reiters.  Unter 
den  Truppen,  die  damals  Danzig  belagert  haben,  erscheinen  auch 
zum  ersten  Male  Sachsen  auf  französischer  Seite,  eine  Folge  davon, 
dafs  das  Königreich  Sachsen  zum  Rheinbund  getreten  war.  Über  die 
Erlebnisse  dieser  sächsischen  Truppe  berichtete  Rachels  Grofsvater 
mütterlicherseits,  Karl  Gottfried  Grohmann,  der  damals  Fourier  bei 
den  Chevauxlegers    vom  Regiment  Johann   war  und  1853  als  Hof- 


])  Weitere  Urkunden,  dai unter  eine  Bestallung  des  Büchsen- 
giefsers  Mertiu  zu  Gotha  vom  15.  Juni  1388,  giebt  Lippert  in  der 
Zeitschrift  des  Vereins  f.  thüring.  Geschichte  XVII  (N.  F.  IX), 
365-370. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  1.  2.  11 


162  Litteratur. 

sekretäv  des  Königs  Friedrich  Allgast  II.  gestorben  ist.  Dieses 
Kriegsjournal  zeichnet  mit  grofser  Genauigkeit  alles  Wichtige  auf. 
was  der  niederschreibende  Fourier  erlebte  oder  erfahren  konnte. 
Einige  wenige  kleine  Züge  sind  wohl  eine  Bereicherung  für  die 
Einzelgeschichte  jener  Zeit,  in  der  Deutsche  unter  französischer 
Führung  gegen  Deutsche  stritten. 

Schneeberg.  Eduard  Heydenreich. 

Das  Kreuzkantorat  zu  Dresden.  Nach  archivalischen  Quellen  be- 
arbeitet von  Dr.  Karl  Held.  Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel.  1894. 
172  SS.  8°.  (Sonderabdruck  aus  der  Vierteljahrsschrift  für  Musik- 
wissenschaft 1894,     Heft  3.) 

Das  Dresdner  Kreuzkantorat  ist  eine  Institution,  die  nicht  nur 
für  Kirche  und  Schule,  sondern  auch  lür  die  Entwiekelung  des  ge- 
samten musikalischen  Lebens  Sachsens  und  seiner  Residenz  von 
grofser  Bedeutung  ist.  Dennoch  war  bisher  nur  wenig  über  die  Ge- 
schichte dieses  Kantorates  bekannt;  auch  die  alten  Programme  der 
Kreuzschule  enthalten  nur  einige  dürre  und  zum  Teil  falsche  Angaben. 
Daher  hat  sich  Held  ein  entschiedenes  Verdienst  erworben,  indem 
er  mit  einem  wahren  Bienenfleifs  allerhand  zerstreute  Nachrichten, 
namentlich  aus  den  Akten  des  Dresdner  Ratsarchives  und  des  Königl. 
Sachs.  Hauptstaatsarchives  zusammenbrachte  und  unter  umfassender 
Benutzung  der  vorhandenen  Litteratur  über  die  Geschichte  Dresdens 
und  seiner  Musik  zu  einem  hochinteressanten  und  durchaus  zuver- 
lässigen Gesamtbilde  vereinigte. 

Zwar  blieb  die  Versorgung  des  Gottesdienstes  Jahrhunderte 
lang  bis  zur  Reformation  der  eigentliche  Zweck  der  Kreuzschule, 
und  es  mufste  für  eine  solche  Anstalt  das  Amt  eines  Kantors,  der 
unter  anderem  den  Gesangsunterricht  und  den  gesanglichen  Teil  des 
Gottesdienstes  zu  leiten  hatte,  von  besonderer  Wichtigkeit  sein. 
Dennoch  reden  die  Akten  erst  seit  1542  von  einem  „Kantor"  in  solchem 
Sinne.  Dieser  hatte  von  vornherein  die  dritte  Stelle  im  Lehrerkollegium 
inne  und  behauptete  sie  fast  durchgängig  bis  zum  Jahre  1H25,  wo 
das  Kantorat  auf  Ratsbeschlufs  um  eine  Stelle  herabgesetzt  wurde. 
Drei  Kantoren  wirkten  so  als  Quarti,  bis  .1.  Z.  Grundig  im  Jahre 
1715  als  ordentlicher  Kantor  Collega  quintus  wurde,  nachdem  er 
vorher  viele  Jahre  Sextus  und. .als  solcher  seit  1713  Substitut  des 
Kantors  Petritz  gewesen  war.  Über  ein  Jahrhundert,  bis  1822,  blieb 
das  Kantorat  auf  dieser  Stufe.  Dann  aber  sank  es  wieder  um  eine 
solche.  Beim  Abgang  von  Julius  Otto  wurde  es  aufserhalb  des 
Kollegiums  gestellt. 

Die  finanzielle  Lage  des  Kantors  war  keineswegs  glänzend. 
Wiederholt  blieben  die  Kantoren  nur  kurze  Zeit  in  diesem  Amte  und 
gingen  bald  in  lohnendere  Stellen  über;  so  wurde  Andreas  Petermann 
Präceptor  der  Knaben  bei  der  kurfürstlichen  Kapelle,  Johannes  Seiner 
dagegen  Pfarrer  von  Leubnitz,  der  schwer  verschuldete  Sebaldus 
liaumann  aber  „Gastwirt  zum  Güldenen  Löwen".  Trotz  aller  Not 
jedoch  und  Sorge  um  das  tägliche  Brot  hat  eine  ganze  Reihe  hoch- 
hedeutender  Musiker  den  Kreuzchor  zu  grofsen  Ehren  gebracht, 
Über  sie  alle  gielt  Held  sehr  ausführliche  Nachrichten,  sucht  auch 
ihre  musikalischen  Kompositionen  zu  charakterisieren  und  so  voll- 
ständig als  möglich  aufzuzählen.  So  ist  Job.  Zach.  Grundigs 
Kantorat  (1713—1720)  unter  anderem  deshalb  bemerkenswert  ge- 
worden, weil  im  Jahre  1717  die  grofse  italienische  Oper  in  Dresden 


Litteratur.  163 

gegründet  und  die  Ausführung  der  Chöre  in  derselben  den  Alumnen  der 
Kreuzschule  übertragen  wurde.  Ein  Jahrhundert  lang  lag  ihnen  diese 
Verpflichtung  ob,  bis  endlich  Carl  Maria  von  Weber  im  Jahre  1817 
einen  eigenen  Theaterchor  bildete.  Aus  der  ehrwürdigen  Genossen- 
schaft der  Dresdner  Kreuzkantoren  seien  hier  nur  noch  hervorgehoben 
Gottfried  August  Hoinilius  (1755—1785),  dessen  Kompositionen  noch 
heutzutage  bei  den  Aufführungen  des  Kreuzchores  in  den  Sonnabend- 
Vespern  eine  bevorzugte  Stellung  einnehmen,  ferner  Christian  Theodor 
Weinlig  (1814—1817),  dessen  Kompositionen  noch  in  den  letzten 
Jahren  vom  Leipziger  Thomanerchor  öfter  mit  Erfolg  aufgeführt  wurden 
und  zu  dessen  dankbaren  Schülern  kein  geringerer  als  Richard  Wagner 
gehörte,  und  Ernst  Julius  Otto  (1828  — 1875),  einer  der  besten  und 
fruchtbarsten  Komponisten  des  deutschen  Männergesanges,  der  durch 
seine  patriotischen  Gesänge,  wie  z.  B.  durch  das  allbeliebte  „Das 
treue  deutsche  Herz",  nicht  wenig  zur  Hebung  des  deutschen  National- 
bewufstseins  beigetragen  bat. 

Die  städtischen  Archive  bergen  über  die  Geschichte  der  Kan- 
torate  und  musikalischen  Ämter  im  Lande  einen  reichen,  zumeist 
noch  ungehobenen  Stoff.  Die  Verlagsbuchhandlung,  die  Hehls  Arbeit, 
ihrem  gediegenen  Werte  entsprechend,  vorzüglich  ausgestattet  hat, 
würde  ihren  vielfachen  Verdiensten  um  die  Musikgeschichte  ein 
weiteres  hinzufügen,  wenn  sie  Arbeiten,  welche  diese  ungehobenen 
Schätze  verwerten  und  denen  Helds  Kreuzkantorat  als  Muster  dienen 
kann,  veranlassen  und  unterstützen  wollte. 

Schneeberg.  Eduard  Heydenreich. 

Das  Landschulweseii  auf  den  Zittauer  Dörfern  bis  zur  Eröffnung 
des  Zittauer  Seminars  im  Jahre  1811.  Von  Dr.  Paul  Goldberg, 
Lehrer  am  Wettiner  Gymnasium  zu  Dresden.  Leipzig,  Gustav 
Fock  (Komin.).     1894.     122  SS.     8°. 

Mit  Freuden  haben  wir  diesen  ersten  Beitrag  zur  Geschichte  des 
oberlausitziscben  Landschulwesens  zu  begrüfsen,  der  uns  viele  inter- 
essante Blicke  in  die  Zustände  der  alten  Dorfschule  des  Zittauer 
Gebietes  thun  läfst.  Ein  glücklicher  Zufall  hat  es  übrigens  gewollt, 
dafs  zu  gleicher  Zeit  ganz  derselbe  Gegenstand  von  Prof.  Dr.  Knothe, 
dem  erfahrensten  Kenner  der  oberlausitzischen  Geschichte,  behandelt 
worden  ist  (Neues  Lausitz.  Mag.  LXX,  1894),  eine  Arbeit,  die  schon  wegen 
der  überall  das  Wichtige  scharf  hervorhebenden  Kürze  meines  Erachtens 
vor  der  Abhandlung  Goldbergs  den  Vorzug  verdient.  Dieser  hat  ja 
sehr  fleifsig  den  Stoff  aus  allen  möglichen  Dorfakten,  Schulordnungen 
und  anderen  Quellen  zusammengetragen,  aber  gegenüber  der  grofsen 
Menge  desselben,  namentlich  für  die  Zeit  des  18.  Jahrhunderts,  nicht 
die  nötige  Entsagung  zu  üben  gewufst.  Auch  die  Partien,  die  die 
ältesten  Zeiten  behandeln,  befriedigen  nicht  recht.  Zuzugeben  ist  ja, 
dafs  die  lausitzische  Schulgeschichte,  je  weiter  man  zurückgeht,  desto 
mehr  Rätsel  zu  lösen  aufgiebt.  Um  so  gröfsere  Vorsicht  ist  geboten, 
um  so  mehr  mufs  man,  um  Dunkles  zu  erklären,  auf  die  ganzen  gleich- 
zeitigen Verhältnisse  Rücksicht  nehmen.  Goldberg  wirft  z.  B.  der 
katholischen  Kirche  vor,  sie  habe  vor  der  Reformation  die  „grofse 
Masse  des  Volkes  in  unerhörter  Weise  in  Unwissenheit  gelassen  und 
vernachlässigt".  Dies  klingt  sehr  hart,  ist  aber  nicht  einmal  richtig, 
denn  erstens  sagt  Goldberg  kurz  vorher  selbst,  dafs  .ein  geregelter 
Volksunterricht  schon  deshalb  unmöglich  war,  weil  das  Volk  weder  ge- 
druckte Bücher  noch  Schreibmaterial  hatte",  und  zweitens  bedenkt 

11* 


164  Litteratur. 

er  nicht,  dafs  im  Mittelalter  der  Bildungsdrang  auf  dem  Lande  noch 
viel  geringer  war  als  in  der  Stadt.  Mit  dem  Mafsstabe  von  heute 
darf  man  eben  nicht  messen,  wie  das  Goldberg  oft  thut.  —  Eine 
andere  Frage  ist  es.  ob  Groldberg  und  auch  Knothe  recht  haben  mit 
der  Behauptung,  die  Volksschule  sei  ganz  ausschließlich  ein  Kind 
der  Reformation.  Man  kann  sehr  wohl  die  Verdienste  der  Refor- 
matoren anerkennen,  braucht  aber  dabei  doch  nicht  zu  leugnen,  dafs 
die  Keime  in  der  vorreformatorischen  Zeit  liegen.  Goldberg  giebl 
die  Existenz  der  mittelalterlichen  Pfarrschulen  zu,  kommt  auch  bei 
der  Betrachtung  des  Unterrichts  in  den  Schulen  vor  und  nach  der 
Reformation  (16.  Jahrhundert)  zu  dem  Ergebnisse,  dafs  er  in  der 
Hauptsache  gleich  war,  zieht  nun  aber  nicht  den  nötigen  Schluß 
daraus,  sondern  bemüht  sich  vergebens  darzulegen,  dafs  jene  zwar 
der  Konfession  nach  verschiedenen,  in  den  Unterrichtsgegenständeu 
aber  übereinstimmenden  Schulen  weit  von  einander  verschieden  gewesen 
seien.  Dafs  übrigens  kein  geringerer  als  Karl  der  Urofse  mit  der  Er- 
richtung der  von  Goldberg  so  verachteten  Pfarrschulen  (in  der  Stadt 
und  auf  dem  Lande)  schliefslich  dasselbe  erstrebte,  was  seit  der  Re- 
formation und  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  die  Volksschule 
erreicht  hat,  dürfte  bekannt  sein,  ebenso  bekannt  auch,  dafs  man  in 
den  folgenden  Jahrhunderten  des  grofsen  Kaisers  Verordnungen  immer 
wieder  einschärfte.  Meines  Erachtens  wäre  es  dann  auch  richtiger 
gewesen,  wenn  Goldberg  die  Pfarrschule  in  Stadt  und  Dorf  auf  eine 
Stufe  gesetzt  (wie  es  um  die  oberlausitzischeu  Stadtschulen  jener 
Zeit  bestellt  war,  habe  ich  in  den  N.  Jahrb.  f.  Ph.  u.  P.  1891  ge- 
zeigt) und  von  dieser  Grundlage  aus  dargethan  hätte,  dafs  die  alte 
Pfarrschule  in  der  Stadt  zum  Gymnasium  wurde,  während  die  auf 
dem  Lande  sich  bei  anderen  Bedingungen  auch  in  anderer  Richtung 
zur  Dorf-  oder  Volksschule  entwickelte.  Soll  übrigens  der  Satz  S.  20: 
„ausgeprägte  Volksschulen,  wo  alle  Kinder  regelmäfsigen  Unterricht 
erhalten  hätten"  eine  Definition  des  Begriffes  Volksschule  sein?  - 
Trotz  der  Ausstellungen,  die  ich  hier  und  da  noch  vermehren  könnte, 
möchte  ich  nicht  schliefsen,  ohne  dem  Verfasser  für  seine  Bemühungen 
zu  danken  und  den  Wunsch  auszusprechen,  dafs  er  sich  mehr  und 
mehr  in  die  Geschichte  des  oberlausitzischen  Schulwesens  einarbeiten 
und  uns  noch  mit  mancher  Abhandlung  darüber  beschenken  möge. 

Dresden.  Hey  den. 

Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.  Herausgegeben  im 
Auftrage  der  Gesellschaft  für  sächsische  Kirchengeschichte  von 
Franz  Dibelius  und  Theodor  Brieger.  Achtes  Heft.  Leipzig, 
A.  Barth.     1893.     348  SS.     8°. 

In  dem  vorliegenden  stattlichen  Hefte  giebt  der  Mitherausgeber, 
D.  Franz  Dibelius,  eine  Zusammenstellung  von  Bemerkungen,  d.h. 
Verbesserungen  zum  Verzeichnis  der  Liederdichter  im  sächsischen 
Landesgesangbuche.  Von  den  11  Nummern  sei  erwähnt  das  Lied 
„Das  alte  Jahr  vergangen  ist",  das  nicht  Johann  Steuerlein  zuzu- 
schreiben ist.  Er  war  eher  der  Komponist,  als  der  Dichter  irgend 
welcher  Verse  des  Liedes,  das  im  Dresdner  Gesangbuch  von  1589 
mit  sechs  Zeilen  auftritt,  in  der  Ausgabe  von  1656  zu  sechs  Versen 
angewachsen  ist.  Franz  Blanckmeister  bietet  „Aus  dem  Leben 
D.  Valentin  Ernst  Löschers"  eine  Reihe  charakteristischer  Züge, 
die  die  vielseitige  Wirksamkeit  des  gefeierten  Theologen  in  Dresden 
darstellen.     Die    Mitteilungen     beruhen    auf    Studien    im    hiesigen 


Litteratur.  165 

Königlichen  Hauptstaatsarchive.  Aus  diesem  stammt  z.  B  Löschers 
Bericht  über  die  Ermordung  des  Diakonus  an  der  Kreuzkirche,  Mag. 
Hermann  Joachim  Hahn,  die  in  Dresden  eine  mächtige  Volks- 
bewegung hervorrief.  Den  Hauptteil  des  Heftes  (S.  1—329)  bildet  eine 
Arbeit  von  Beinhold  Hofmann,  „Die  Reformationsgeschichte 
der  Stadt  Birna",  die  auch  als  Sonderabdruck  erschienen  ist. 
Wenn  man  die  Schriften  der  Reformatoren  liest,  tritt  auf  Schritt 
und  Tritt  die  Bedeutung  Pirnas  entgegen.  Es  kommt  dies  daher, 
dafs  die  Stadt  auch  in  der  landesherrlichen  Verwaltung  eine  grofse 
Rolle  spielte  und  dafs  der  erste  Superintendent,  Mag.  Anton  Lauter- 
bach, ein  tüchtiger  Theologe  und  Verwaltungsmann,  mit  den  Witten- 
bergern freundschaftliche  Beziehungen  unterhielt  Seine  Bedeutung 
tritt  auch  in  dem  von  ihm  verfafsten  Codex  Lauterbach  hervor,  der, 
modern  ausgedrückt,  eine  Art  Verwaltungsbericht  enthält.  Verfasser 
hat  dieses  wertvolle,  früher  im  Pirnaer  Ratsarchiv  befindliche,  dann 
von  Professor  Dr.  Freiherr  von  der  Ropp  bei  einem  hiesigen  Antiquar 
gefundene  Aktenstück  trefflich  ausgenutzt.  Aufserdem  fafste  er  in 
dem  Buche  die  Ergebnisse  langjähriger,  sorgfältiger  Studien  im 
hiesigen  Hauptstaatsarchive,  sowie  in  den  Urkundensammlungen  des 
Pirnaer  Rats,  Amtsgerichts  und  der  Kirche  zusammen.  Von  den 
19  Abschnitten  behandeln  neun  die  Ein-  und  Durchführung  der  Re- 
formation unter  steter  Berücksichtigung  des  mittelalterlichen  und 
zeitgeschichtlichen  Hintergrundes.  Aufserdem  werden  die  ver- 
schiedenen Seiten  des  kirchlichen  Lebens,  Gottesdienst,  Kirchenbau, 
geistliches  Vermögen,  Gemeindezustände  eingehend  besprochen. 
Aber  die  Arbeit  fuhrt  auch  weiter.  Über  die  Verfassung  und  Ver- 
waltungsgeschichte der  sächsischen  Landeskirche  finden  sieb  zahl- 
reiche Nachrichten.  Von  benachbarten  Städten  wird  naturgemäfs 
Dresden  eingehend  berücksichtigt.  Zahlreiche  Mitteilungen  im  Texte 
und  in  den  Anmerkungen  beziehen  sich  auf  den  herzoglichen  und 
kurfürstlichen  Hof,  den  Superintendenten  Daniel  Greyser,  die  krypto- 
kalvinistische  Bewegung,  die  musikalischen  Verhältnisse  (kurfürst- 
liche Kapelle  und  Kantorei)  u.  a.  m.  —  Ich  füge  hinzu,  dafs  ein 
Bautzner  Rechnungsbündel  in  eine  Urkunde  eingeheftet  ist,  in 
welcher  „Dominus  Michael  Risch,  ingenuarum  artium  magister  et 
sacre  theologie  licentiatus,  possessor  perpetui  benefitii  ad  altare 
sanete  trinitatis  in  ecclesia  saneti  Nicolai  extra  muros"  erwähnt 
wird.  Auch  nennt  sie  „dominos  Fabianum  Borchardi,  Nicolaum 
Rosick,  in  supradicto  opido  Pirnis  vicarios  perpetuos  et  Bartolomeum 
Lauterbach,  ingenuarum  artium  baccalaureum ,  consulatus  ejusdem 
opidi  scribam"  und  einen  verstorbenen  Simon  Kranach.  Aus  Lauter- 
bachs Bücherei  befindet  sich  in  der  Jenaer  Universitätsbibliothek 
0.  Peucers  „Commonefactio  de  Periculis  horum  temporum,  proposita 
scholasticis  Academiae  Vuitebergensis"  (Wittenb.  1565)  mit  des  Ver- 
fassers Widmung  „Reverendo  Viro  D.Magistro  Antonio  Lauterbach". 
In  demselben  Bande  widmet  V.  Strigel  „Dauielis  Prophetae  scriptum" 
(Lips.  1565)  „D.  Johanni  Schulteto  senatori  Pirnensi". 

Dresden.  Georg  Müller. 

Zur  ältesten  Geschichte  und  ehegerichtlichen  Praxis  des  Leipziger 
Konsistoriums.  VonDr.jur.  etphil.  H.  Oeffcken.  Separat-Abdruck 
aus  der  Deutschen  Zeitschrift  für  Kirchenrecht.    IV  (1894)  S.  7—67. 

Mit  Recht  hebt  der  Verfasser  hervor,  dafs,  während  das  Witten- 
berger Konsistorium   sich  neuerdings  mehrfach  eingehender  Behand- 


166  Litteratur. 

lung  zu  erfreuen  hatte,  äie  Geschichte  des  leipziger  Konsistoriums 
bisher  sehr  vernachlässigt  und  die  vorhandene  Litteratur  zum  grofsen 
Teil  in  Anmerkungen  und  Parenthesen  niedergelegt  sei.  Auch  in 
dem  Urteile  ist  dem  Verfasser  beizupflichten,  das  er  über  die  Dis- 
crepanz  der  entgegenstehenden  Anschauungen  fällt:  „Dieselbe  gieht 
sich  jedoch  nicht  etwa  in  einer  Kontroverse  mit  (.1  runden  und  Gegen- 
gründen  kund,  vielmehr  entscheidet  sich  jeder  Autor,  je  nach  der 
Quelle,  welcher  er  folgt,  für  die  eine  oder  andere  Ansicht,  augen- 
scheinlich ohne  von  den  abweichenden  Meinungen  überhaupt  Kenntnis 
zu  haben."  Dafs  aber  das  Leipziger  Konsistorium  in  hohem  Grade 
Beachtung  verdient,  ergieht  sich  aus  der  geschichtlichen  Darstellung, 
wie  den  rechtlichen  Ausführungen  des  Verfassers.  Stand  doch  die 
Leipziger  Praxis  eine  Zeit  lang  selbständig  da  im  Gegensatze  zu 
der  der  beiden  anderen  Konsistorien.  Sie  wurde  sogar  auch  aufser- 
halb  Sachsens  malsgebend;  so  in  der  Goslarer  Kirchenordnung  von 
1555  und  in  der  Mecklenburger  vom  Jahre  1570.  Die  Arbeit  zerfällt 
in  zwei  Teile:  im  ersten  giebt  der  Verfasser  einen  Überblick  über 
die  Entstehungsgeschichte  des  Leipziger  Konsistoriums.  Hier  ist 
auf  S.  18  als  Gründungstag  der  9.  November  1550  nachzutragen 
Der  Befehl  des  Kurfürsten  Moritz  ist  abgedruckt  in  meiner  „Ver- 
fassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der  sächsischen  Landeskirche" 
in  den  Beiträgen  zur  Sächsischen  Kirchengeschichte  IX  (1894), 
S.  1 18,  Anm.  51.  Ebenda  findet  sich  auch  S.  116,  Anm.  48  ein  herzog- 
licher Befehl  vom  Jahre  1543,  durch  welchen  ein  eherechtlicher  Fall 
„den  Vorordenten  des  Newen  Oonsistorii  zu  Leipzick"  überwiesen 
wurde.  Den  Hauptteil  der  Studie  bilden  die  auf  reichem  gedruckten 
und  animalischen  Materiale  beruhenden  kirchenrechtlichen  Ans 
führungen  über  die  Handhabung  der  Eheordnung  in  Leipzig  im 
Unterschiede  zu  Wittenberg  betreffs  der  Gradverbote,  der  Sponsalien 
und  der  Ehescheidung.  Auch  auf  diesem  Gebiet  tritt  (z.  B.  S.  25) 
der  noch  wenig  ermittelte  Anteil  der  Stände  hervor,  die  übrigens 
bereits  1579  auf  dem  Landtage  zu  Torgau  die  Forderung  stellten. 
die  .Juristen  der  drei  Konsistorien  sollten  eine  einheitliche  Ehe- 
ordnung schaffen.  Loc.  9357.  Der  Erforderten  von  der  Landschaft 
su  wohl Bl.  13. 

Dresden.  Georg  Müller. 


Übersicht 
über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 
sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde1). 


Albert i,  lt.    Was  bedeuten  die  sogenannten  Schwedensteine?  Unser 

Vogtland.    Bd.  1  (1894).    S.  268—272. 
Ashi'vazy,  Simon.     Die  letzte   polnische   Königswahl.     Inaugural- 

Dissertation.   Göttingen,  Dietrichsche  Verlagsbuchhandlung.   L894. 

2  Bll.,  158  SS.     8°. 


')  Vergl.  auch  0.  Dobenecker,  Übersicht  der  neuerdings  er- 
schienenen Litteratur  zur  thüring.  Geschichte  und  Altertumskunde, 
in:  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüring.  Geschichte  und  Altertums- 
kunde,    lid.   WT1  (N.  F.  B.  IX).     S.  389— 402.     Ferner  über  die 


Litteratur.  1  (37 

Bär,  Anton.  Der  alte  Wiesenburger  Wald  in  seinen  Beziehungen 
zur  Stadt  Kirchberg:  Glückauf!  Organ  des  Erzgebirgs Vereins. 
Jahrg.  XIV  (1894).     S.  2-8.  13  f. 

Bergmann,  Alwin.  Wo  lag  Wernten?  Über  Berg  und  Thal.  Jahrg. 
XVIII  (1895).     No.  204.    S.  121  f. 

—  Kurfürst  August  und  Kurfürstin  Anna  in  ihren  Beziehungen  zur 
prähistorischen  Forschung:  Gebirgsfreund.  Jahrg.  VI  (1894). 
S.  97-99. 

—  Geschichte  der  Oberlausitzer  Sechsstadt  Löbau  bis  zur  Teilung 
Sachsens  1815.  Bischofswerda  (Löbau,  E.  Oliva  Komm.).  1895. 
3  Bll.,  199  SS.     8°. 

Berlit,  Georg.  Rudolf  Hildebrand,  ein  Erinnerungsbild :  Neue  Jahr- 
bücher f.  klass.  Philol.  u.  Pädagogik.  Jahrg.  1894.  Heft  XII. 
S.  545 — 585. 

Berns,  J.  L.  Verslag  aangaande  een  onderzoek  naar  archiefstukken, 
belangrijk  voor  de  geschiedenis  van  Friesland,  uit  het  tijdperk  der 
saksische  hertogen.  Op  last  der  regeering  ingesteld.  's-Graven- 
hage,  Nijhoff.     1891.    71  SS.     8°. 

Beyer,  C.  Erfurt  im  Kampfe  um  seine  Selbständigkeit  gegen  die 
Wettiner  1370  — 1382:  Jahrbücher  der  kgl.  Akademie  gemein- 
nütziger Wissenschaften  zu  Erfurt.  Neue  Folge.  Heft  XX 
(1894).     S.  229-268. 

Blanckmeister,  F.  Studien  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.  1. 
Zur  Geschichte  der  kirchl.  Presse  in  Sachsen.  2.  Ein  Blick  in 
das  Pfarrhaus  des  evangelischen  Sachsenlandes.  3.  Weihnachten 
in  Sachsen:  Neues  Sachs.  Kirchenblatt.  Jahrg.  I  (1894).  Sp. 
25—28,  171-174,  229-236,  249—254. 

Böhmert,  Victor.  Eine  deutsche  Stadt  (die  sächsische  Fabrikstadt 
Rofswein)  in  ihrer  wirthschaftlichen  und  sozialen  Entwicklung 
von  1834  bis  1894.  Ein  Beitrag  zur  Kulturgeschichte.  (Separat- 
abdruck aus  der  Zeitschrift  des  Kgl.  Sachs.  Statist.  Bureaus. 
Jahrg.  XL.  1894.  Heft  I  u.  IL)  Dresden,  v.  Zahn  &  Jaensch. 
1895.     80  SS.    4°. 

v.  Boetticher,  W.  Die  wendischen  Obedienzdörfer  unter  bischöflich 
meifsnischer  und  churfürstl.  sächsischer  Herrschaft :  Neues  Lausitz. 
Magazin.  Bd.  LXX  (1894).     S.  172—187. 

Brande7iburg ,  Erich.  Die  Gefangennahme  Herzog  Heinrichs  von 
Braunschweig  durch  den  Schmalkaldischen  Bund  (1545).  Habili- 
tationsschrift.    Leipzig,  Fock.  1894.     74  SS.     8°. 

Braß,  P.  Geschichte  der  Kirchgemeinde  Leipzig -Thonberg-Neu- 
reudnitz.  Beim  25jähr.  Kirch  weihfest,  den  7.  Okt.  1894,  am 
Familienabend  im  Gasthof  vorgetragen.  Auf  Verlangen  in  Druck 
gegeben.     Leipzig  1894.     24  SS.    8°. 

Buchwald,  Georg.  Wittenberger  Ordinieitenbuch  1537 — 1560.  Leipzig, 
Wigand.     1894.    3  Bll,  141  SS.    8°. 


Litteratur  zur  Geschichte  der  Lausitz  B.  Jecht  in:  Neues  Lausitz. 
Magazin.  Bd.  LXX  (1894).  S.  281—287.  —  An  die  Herren  Verfasser, 
Verleger  und  Redakteure  richten  wir  die  Bitte,  durch  Zusendung 
der  neu  erschienenen  Publikationen  auf  dem  Gebiete  der  sächsischen 
Geschichte,  besonders  kleinerer,  die  leicht  der  Beachtung  entgehen, 
wie  Dissertationen,  Programme,  Aufsätze  in  Zeitungen  und  Zeit- 
schriften und  dergleichen,  zur  Vollständigkeit  der  bibliographischen 
Übersichten  beitragen  zu  wollen. 


168  Litteratur. 

Buchwald,  Georg.  Die  von  D.  Martin  Luther  ordinierten  sächs. 
Geistlichen:    Neues   Sächsisches   Kirchenblatt.     .Jahrg.  1    (1K94). 

Sp.  nif. 

Buddcus,  Karl  Leipziger  Ranchwarenhandel  nnd  -Industrie.  Inaug.- 
Dissertation.    Leipzig-Keudnitz.    1891.    74  SS.    8°. 

Burkhardt.  Die  Brüdergemeine.  Erster  Theil.  Entstehung  and  ge- 
sell ichtl.  Entwicklung  der  Brüdergemeine.  Gnadau,  Unitäts- 
Buchhandlung.    1893.    216  SS.    8°. 

Distd.  TU.  War  Christian  Renters  Graf  Ehrenfried  wirklich  Graf? 
Berichte  der  K.  S.  Gesellsch.  d.  Wissensch.     1895.    S.  203  f. 

—  Sechs  Leipziger  Schöppennrtel  in  einer  Ehebruchssache  nach 
Freiberg  1608/9:  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Strafrechtswissenschaft.  XV 
(1895).     S.  562—568. 

—  Oeffentliche  Degradation  eines  K.  S.  Geistlichen:  Deutsche  Zeit- 
schrift f.  Kirchenrecht  III  (1895).     S.  325—328. 

—  Harte  Strafe  für  eine  Unterlassungssünde  des  Leipziger  Geist- 
lichen Aug.  Peter  Hesse  1589:  ebenda  S.  331  f. 

—  Zur  Geschichte  des  Pennalismus  auf  St.  Afra,  eine  Episode  aus 
dem  Leben  Ernst  Robert  Osterlohs:  Leipz.  Tagebl  1894.  No.  461. 
S.  6511  f.  (vergl.  No.  476  S.  6731  und  No.  485  S.  6846). 

—  1841  gerichtlich  abgegebene  Zeugenaussagen  über  Schiller  in 
Gohlis  (1785):  ebenda  No.  482  S.  6809  und  Neueste  Leipz.  Nachr. 
1894.     No  313  Beibl.  2  S.  1. 

—  Jagdarie  f.  Knrf.  Friedrich  August  I.  zu  Sachsen  (1718):  Dresdn. 
Anz.  1894.     No.  350.     S.  56. 

Dobenecker,  Otto.  Regesta  diplomatica  neenon  epistolaria  historiae 
Tburingiae.  Erster  Halbband  (c.  500—1120).  Namens  des  Ver- 
eins für  thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde  bearbeitet 
und  herausgegeben.     Jena,  G.  Fischer.     1895.     240  SS.     I". 

—  Der  Sturz  des  Markgrafen  Poppo  von  der  Sorbenmark:  Zeitschr. 
des  Vereins  für  Thüring.  Geschichte  und  Altertumskunde.  Bd. 
XVII     -  N.  F.  Bd.  IX  (1894).     S.  370-374.    389. 

Doehler,  G.  Unser  Riedel:  Vogtland.  Jahrg.  I.  Heft  9  (1894). 
S.  353—363. 

(Dost,  G.)  Dem  Andenken  weiland  Sr.  Durchlaucht  des  Fürsten 
Otto  Friedrich  von  Schönburg- Waidenburg  gewidmet.  (Waiden- 
burg, E.  Kästner.     1894.)    23  SS.     8°. 

E.  Ein  Urteil  über  Bautzen  vor  50  Jahren  (1847):  Wöchentl.  Bei- 
lage zu  den  Bautzner  Nachrichten.     1894.     No  23. 

Eitner.  Adolf  Traugott  v.  Gersdorff:  Neues  Lausitz.  Magazin. 
Bd.  LXX  (1894).     S.  164. 

Enkel,  Herrn.  Geschichte  des  unter  dem  Protektorat  Ihrer  Majestät 
der  Königin  Carola  stehenden  Sächsischen  Pestalozzi -Vereins. 
Festschrift  zur  Erinnerung  an  das  50jährige  Bestehen  des  Ver- 
eins. Im  Auftrage  des  Vorstandes  bearbeitet.  Leipzig,  Klinkhardt. 
1894.     140  SS.     8°. 

Fabian,  Ernst.  Die  Anfänge  des  Zwickauer  Volksschulwesens: 
Festschrift  für  die  Teilnehmer  an  der  X.  Generalversammlung  des 
Allgem.  Sächs.  Lehrervereins,  herausycyvhen  von  dem  pädagog. 
Vereine  (Bezirks -Lehrerverein)  zu  Zwickau  (1894).     S.  81  —  108. 

Feyerabend ,  L.  Beziehungen  der  Oberlausitz  zum  Süden  in  vor- 
geschichtlicher Zeit :  Jahreshefte  der  Gesellschaft  für  Anthropologie 
und  Urgeschichte  der  Oberlausitz.    Heft  III  (1893).    S.  179-185. 

—  Königswartha  subterranea:  ebenda  S.  186—189.  Heft  IV  (1894). 
S.  239—258. 


Litteratnr.  1  BO 

Fischer,  Emil.     Lebensbild   eines    Vogtländers   (Hofrat   Prüf.   Dr. 
Liebe):  Unser  Vogtland.     Jahrg.  I  (1894).     S   93-102. 

—  Die  beiden  letzten  Besuche  bei  K.  Th.  Liehe:  ebenda  S.  165—168. 

—  S.  a.  Virchoiv. 

v.  Flanß,  K.    Die   auf  deutschen  Fufs    errichteten  Regimenter  der 
polnischen  Krön -Armee  in  Westpreufsen  von  1717  —  1772:   Zeit- 
schrift   des  histor.  Vereins  für  den  Reg. -Bezirk  Marienwerder. 
Heft  32  (1894).     S.  1—127. 
Fleischer.    Mitteilungen  aus  Falkensteins  kirchlicher  Vergangenheit. 
Aus  Anlafs  des  25jähr.  Bestehens  unserer  Kreuzkirche  an  ihrem 
Weihetage  der  Gemeinde  dargeboten.   Falkenstein,  Cl.  Tischendorf 
(Komm.).     1894.     39  SS.    8°. 
Förstcmann,  Joseph.     Urkundenbuch   der  Stadt  Leipzig.     Im  Auf- 
trage    der    Kgl.     Sächsischen     Staatsregierung    herausgegeben. 
III.  Band.      (A.  u.  d.  T. :    Codex   diplomaticus    Saxoniae   regiae. 
Im  Auftr.   u.  s.  w.   herausgegeben  von  Otto   Posse    und   Hubert 
Ermisch.     Zweiter  Haupttheil.  X.  Band)     Leipzig,    Giesecke  & 
Devrient.     1894.    XII,  423  SS.     4°. 
Francke,    Th.     Die   alten  Zwickauer  Kirchenbücher:    Neues  Sachs. 

Kirchenblatt.    Jahrg.  II  (1895).     Sp.  9-12,  29-32. 
Freytag,  Ernst  Richard.     Der    grofse   Stadtbrand   von  Auerbach. 
Ein  Gedenkblatt  zum  9.  Oktober  1834:   Unser  Vogtland.     Bd.  I 
(1894).     S.  286-290. 
Geffcken,  H.    Zur  ältesten  Geschichte  und  ehegerichtlichen  Praxis 
des  Leipziger  Konsistoriums:  Deutsche   Zeitschrift   für  Kirchen- 
recht.   Bd.  IV  (1894).    S.  7-67. 
Geiger,  Ludiv.     Böttigers   Berufung  nach   Berlin:  Euphorion,  Zeit- 
schrift für  Literaturgesch.    Bd.  I  (1894).     S.  350—365. 
v.  Geldern -Crispendorjf,    Conrad.    Volkslieder  aus  der  Herrschaft 

Burgk:  Unser  Vogtland.    Bd.  I  (1894).     S.  235-241. 
Goldberg,  Paul.    Das  Landschulwesen  auf  den  Zittauer  Dörfern  bis 
zur  Eröffnung  des  Zittauer  Seminars  im  Jahre  1811.     Leipzig, 
Fock  (Komm.).     1894.     122  SS.     8°. 
Göpel.    Das  Mylauer  Kaiserschlofs:   Unser  Vogtland.    Bd.  I  (1894). 

S.  223—233. 
Grüner,  0.    Weitere  Beiträge  zur  Erforschung  volksthümlicher  Bau- 
weise.   Nebst  einer  einleitenden  Betrachtung  über  die  Ursachen 
ihres   Verschwindens  in  unseren  Dörfern.     Mit  27  Abbildungen 
nach  Originalzeichnungen  des  Verfassers.    Leipzig,  Felix.     1894. 
47  SS.     8°. 
Hartmann.    Eine  poetische  Darstellung  des  Bautzner  Schiefsfestes 
aus  älterer  Zeit:  Wöchentl.  Beigabe  zu  den  Bautzner  Nachrichten. 
1894.     No.  32. 
v.  Hfausen].    Das  königl.  sächs.  Infanterieregiment  vac.  von  Rechten 
im  Feldzug  1812  in  Rufsland:  Wissenschaftl.  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.     1894.     No.  106,  107.     S.  421— 423,  425-428. 
Held,  Karl.     Das  Kreuzkantorat  zu  Dresden     Nach  archivalischen 
Quellen    bearbeitet:    Vierteljahrsschrift    für    Musikwissenschaft. 
Jahrg.  X  (1894).     S.  239—410.     (Auch  separat  erschienen.) 
Herrmann,   Wilh.    Geschichte  der  Burg  Rohnau  im  Mittelalter  und 
ihre  Zerstörung  durch  die  Sechsstädte  im  Jahre  1399:   Gebirgs- 
freund.     Jahrg.  VI  (1894).     S.  259  f.,  267-269,  280-282. 
Hinke,  0.     Der   deutsche   Oberlausitzer   nach   seiner   Sprache   und 
Kleidung,  seinen    Sitten   und    Festen:   ebenda    S.  25  —  27,    55  f., 
62-64,  77—79. 


170  Litteratur. 

Hofmini»  ,  Reinhohl.  (I »'schichte  der  Stadt  Glauchau:  Festschrift 
zum  13.  sächs.  Feuerwehrtage  zu  Glauchau    (1894).    S.  7 — 30. 

—  Feuerpolizei  und  Feuerlöschwesen  der  Stadt  Glauchau  in  alter 
Zeit :  ebenda  S.  37—54 

—  Grolse  Brände  in  der  Stadt  Glauchau:  ebenda  S.  55 — 58. 
Holder- Egger,  Osio.    Studien   zu  Thüringischen  Geschichtsquellen 

I:  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichts- 
kunde.    Bd.  XX  (1895).     S.  373-421. 

Jacobi,  H.  Ein  erzgebirgiscb.es  Gelehrten-Jubiläum  [Georg  Agricola] : 
Glückauf.     Jahrg.  XIV  (1894).     S.  41-45,  53— 56,  72-74. 

Immich,  Max.  Die  Stärke  des  Finckschen  Armeekorps  hei  Maxen: 
Forschungen  zur  Brandenburg,  u.  Preufs.  Geschichte.  Jahrg.  Vll 
(1894).     S.  548—556. 

Jentsch.  Burgstädtel :  Über  Berg  und  Thal.  Jahrg.  XYIi  (1894).  S.89. 

Ende,  B.  Heinrich  von  Kleist  in  Dresden:  Dresdner  Anzeiger. 
1894.     No.  291.     S.  27.     No.  292.     S.  24  f. 

—  Der  Kantor  Christoph  Demant  in  Zittau :  Neues  Lausitzisches 
Magazin.     Bd.  LXX  (1894).     S.  253-261. 

Kiistner,  Emil.  Rochlitz  und  seine  Umgehung.  Beiträge  für  den 
Unterricht  in  der  Heimatskunde.  Mit  einer  Karte.  Beilage  zum 
Programm  der  Realschule  Rochlitz.     Jahrg.  1891.    37  SS.     8°. 

Kaufmann,  Georg.  Zur  Gründung  der  Wittenberger  Universität: 
Deutsche  Zeitschr.  f.  Geschichtswissenschaft.  Bd.  XI  (1894). 
S.  114-143. 

Kaulisch,  Emil.  Bericht  über  den  Stand  und  die  Verwaltung  der 
Gemeindeangelegenheiten  der  Stadt  Nerchau  für  die  Jahre  18v»<) 
bis  1893.  Historisch  -  statistische  Beschreibung  der  Stadt.  Auf 
Grund  amtlicher  Unterlagen  herausgegeben.  Mit  Ansicht,  dem 
Siegelbild  und  den  Farben  der  Stadt  Nerchau.  Nerchau ,  Druck 
von  Noack  &  Heinemann.     1894.     VI,  125  SS.     8°. 

[Kistnejr.  Der  Reichenthurm  zu  Bautzen:  Wöchentl.  Beilage  zu  den 
Bautzner  Nachrichten.     1893     No.  45. 

Kittel,  Fr.  Agricola,  ein  Glauchauer:  Festschrift  zum  13.  sächs. 
Feuerwehrtage  zu  Glauchau  (1894).     S.  31—36. 

Klotz,  H.  Ein  Bergmannslied  aus  der  Reformationszeit:  Neues 
Sächs.  Kirchenblatt.     Jahrg.  I  (1894).     Sp.  105  f. 

—  Ein  Zwickauer  Handwerksmeister  von  1632  über  Gustav  Adolf: 
ebenda  Sp.  193  f. 

Knothe,  Herrn.  Das  Schulwesen  auf  den  Dörfern  des  Weichbildes 
Zittau  bis  zum  Erlais  des  Elementar- Volksschulgesetzes  von  1H35: 
Neues  Lausitz.  Magazin.     Bd.  LXX  (1894).     S.  188—221. 

—  Die  Belustigungen  der  Bürger  in  den  Sechsstädten  der  Ober- 
lausitz während  des  Mittelalters:  Germania,  illustrirte  Monats- 
schrift für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.  Jahrg.  I  (1894).  No.  2. 
S.  61-65. 

Kofel,  Heinrich.  Chronik  der  Buchbinder -Innung  zu  Leipzig  1544 
bis  1894.  Zum  350jährigen  Jubiläum  zusammengestellt.  Leipzig, 
Verlag  der  Buchbinder-Innung.    1894     VIII,  63  SS.    8°. 

Könler,  Joh.  Aug.  Ernst  Der  Topasfelsen  Sclineckenstein:  Unser 
Vogtland.     Jahrg.  I  (1894).     S.  174-186. 

v.  Koppen,  Fedor.  König  Albert  und  das  Haus  Wettin.  Illustr. 
von  Rieh.  Knötel.  Leipzig,  Geibel  &  Brockhaus.  1895. 
148  SS.     8°. 

Korscheit,  G.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Webindustrie  der  sächs. 
Oberlausitz :  Gebirgsfreund.  .) ahrg.  VI  ( I «94).  S.  19  f. ,  31  f.,  43  -45. 


Litteratnr.  171 

Korscheit,  G.  Sitten  und  Gebräuche  in  der  Oberlausitz  in  früherer 
Zeit:  ebenda  S.  207—209,  221—224,  232 f.,  245-247,  254-256. 

Krämer,  K.  Aus  dem  Wanderbuche  eines  fahrenden  Schülers 
(Michael  Frank,  ehemals  Pfarrer  in  Eteibersdorf) :  Gebirgsfreund. 
Jahrg.  V  (1893).     S.  253-255,  267—269. 

—  Unsere  Bilder  [Das  Gebäude  der  Stadtbibliothek  in  Zittau] :  ebenda 
Jahrg.  VI  (1894).     S.  125  f. 

Kretschmar,  K.  A.  Löbau  als  Bade-  und  Kurort:  Gebirgsfreund. 
Jahrg.  V  (1893).     S.  198-201,  207—210,  218-220. 

Kretzschmar,  G.  Die  Altväter-Brücke  bei  Freiberg:  Jahrbuch  f.  d. 
Berg-  und  Hüttenwesen  im  Königreich  Sachsen  auf  das  Jahr 
1894.     S.  1—27. 

Kriele,  Marlin.  Die  Regulierung  der  Eibschiffahrt  1819  — 1821. 
(Abhandlungen  aus  dem  staatswissenschaftlichen  Seminar  zu  Strafs- 
burg. Heft  XIII.)  Strafsburg ,  Karl  J.  Trübner.  1894.  XV, 
187  SS.    8°. 

Krohn.  Das  Zittauer  Hungertuch:  Neues  Sachs.  Kirchenblatt. 
Jahrg.  I  (1894).     Sp.  145  - 148. 

Kroker.  Mefs-Sehenswürdigkeiten  in  früherer  Zeit:  Zeitschrift  des 
Leipziger  Mefsverbandes.    No.  10  (1895).     S.  108-111. 

Krnschtvitz,  P.  Vertrau  auf  Gott.  [Lebensbild  des  Färbers  Hopfe 
in  Bernstadt] :  Gebirgsfreund.    Jahrg.  V  (1893).     S.  257-260. 

—  Priesterleiden  im  30jähr.  Kriege.  [Mag.  Tieleraann  Bulius  zu 
Schönau  a.  d.  E.]:  ebenda  Jahrg.  VI  (1894).     S.  15  f. 

—  Ein  Wort  über  Wappenkunde  und  die  Siegel  der  Brüdergemeine 
Herrnhut:  ebenda  S.  21  f. 

—  Vorreformatorische  Passions-  und  Ostergebräuche  in  Oberlausitzer 
Städten :  ebenda  S.  49. 

—  Andreas  Nitsche  auf  Mengelsdorf,  kursächs.  Hofrat:  ebenda 
S.  157  f. 

KfruschJwßtzJ.  Johann  Gottfried  Hopfes,  des  Bernstädter  Färber- 
meisters und  Mandelherrn,  merkwürdige  Lebensführung  und  seine 
Geschäftsbeziehungen  zu  Herrnhut:  Bautzner  Nachrichten.  1893. 
No.  269. 

Lahmer,  Bob.  Grenzverkehr  (zwischen  Böhmen  und  der  Oberlausitz) 
während  der  Pestzeit  1680:  Mittheil,  des  Nordböhm.  Excursions- 
clubs.     Jahrg.  XVII  (1894).     S.  63  f. 

Lanier,  Liuhv.  Die  Landwirtschaft  im  Erzgebirge  im  letzten  Viertel 
des  vorigen  Jahrhunderts:  Glückauf.  Jahrg.  XIV  (1894).  S.  15 
bis  18,  25—30,  37—41,  49-53,  75  f.,  85  f. 

—  Christian  Lehmann  und  seine  Werke:  ebenda  S.  133  —  138. 

Laue,  M.  Sachsen  und  Thüringen:  Jahresberichte  der  Geschichts- 
wissenschaft im  Auftrage  der  Historischen  Gesellschaft  zu  Berlin 
herausgegeben  von  J.  Jastrow.  Jahrg.  XVI.  1893.  (Berlin 
Gärtner  1895.)    IL  S.  313-351. 

Lehnert,  M.  Georg  Voigt  geb.  am  3.  April  1827,  gest.  am  18.  August 
1891:  Biograph.  Jahrbuch  für  Altertumskunde.  Bd.  XVII  (Bei- 
blatt zum  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  klass.  Altertums- 
wissenschaft, Bd.  LXXIX,  1894).     S.  43-68. 

Leuß.  Die  Schlacht  bei  Borodino  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Teilnahme  sächsischer  Truppen:  Wissenschaftl.  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.     1894.     No.  111.    S.  441—443. 

Lippert,  Wohl.  Zur  Geschichte  von  Forst  im  14.  Jahrhundert: 
Niederlausitzer  Mittheilungen  Bd.  III  (1894).     S.  378-383. 

—  Schützenmeister   und  Geschützgiefser   der  Wettiner  im  14.  Jahr- 


172  Litteratur. 

hundert:    Zeitschrift   des  Vereins    für    Tbürini;.  Geschichte    und 

Altertumskunde.     Bd.  XV11  ==  N.  F.  Bd.    IX  (1894).     S.  365 

bis  369. 
Lippold,  Adolf.     Vor   hundert   Jahren.      Leipziger   Mefsbilder    mit 

Originalzeichnungen:    Zeitschrift    des    Leipziger    Meisverbandes. 

Xu.  9  (1894).     S.  93-96. 
Lungioitz,  Herrn.     Zur  Geschichte  des  Wiesenbades  im  Erzgebirge: 

Glückauf.    Jahrg.  XIV  (1894).    S.  81-81. 

—  Der  Greifenstein:  Annaberger  Wochenblatt.     1894.     No.  111. 
Markgraf,  Richard.     Zur  Geschichte   der  Juden  auf  den  Messen  in 

Leipzig   von  1664-1839.    Ein  Beitrag   zur  Geschichte  Leipzigs. 

(Inaug. -Dissertation  der  philos.  Fakultät  der  Universität  Rostock 

vorgelegt.)    Bischofswerda,  Friedr.  May.    1894.    .93  SS.    8°. 
Martin,  M.     Kulturgeschichtliches    aus    Sachsen:    Über    Berg   und 

Thal.     Jahrg.  X  VIII  (1895).     No.  24.     S.  122  f. 
Meiche,  A.     Die  Urbevölkerung   der   sächsischen  Schweiz:    ebenda 

No.  1.    S.  112— IM. 

—  Sebnitzer  Feuerchronik.  Ein  Vortrag  gehalten  im  hiesigen  Ge- 
werbeverein am  Vorabende  des  40.  Jahrestages  des  „Großen 
Feuers"  vom  15.  September  1854.  Sebnitz,  C.  E.  Böhme.  1891. 
34  SS.     8°. 

Meyer,  Christian.  Zur  Biographie  des  Herzogs  Albrecht  von  Sachsen- 
Teschen:  Wissenschaft!.  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1895. 
No.  25.     S.  97—99. 

v.  Minckmtz,  August.  Die  ersten  kursächsischen  Leibwachen  zu 
Rofs  und  zu  Fufs  und  ihre  Geschichte.  Aus  dem  Nachlaß  des 
Oberhofmeisters  A.  v.  M.  herausgegeben  durch  Georg  v.  Schimpft'. 
Dresden,  W.  Baensch.    1894.    3  Bll.     125  SS.    8°. 

Mitzschke,  Paul.  Urkundenbuch  von  Stadt  und  Kloster  Bürgel. 
Teil  1: 1133—1454.  (A.  u.  d.  T.:  Thüringisch-sächsische  Geschichts- 
bibliothek Bd.  III.)  Gotha,  F.  A.  Perthes.  1895.  XXXVIII. 
568  SS.     8°. 

Molwitz,  G.  Jubiläums-Bericht  der  evangelisch-lutherischen  Diako- 
nissen-Anstalt zu  Dresden.  Dresden,  Selbstverlag  der  Diakonissen- 
Anstalt.     1894.     335  SS.     4°. 

Montanus,  Phüolithus.  Gottfried  August  Homilius.  Ein  Gedächtnis- 
blatt zum  2.  Februar:  Wissenschaft!.  Beilage  der  Leipziger 
Zeitung.     1895.     No.  13.     S.  49  f. 

Morawek,  C.  Zittauer  Kunstdenkmäler.  (Das  eiserne  Geländer  auf 
dem  südlichen  Johannisturm):  Gebirgsfreund.  Jahrg.  VI  (1894). 
S.  257-259. 

Müller,  Georg.  Die  preußische  Nation  an  der  Universität  Leipzig: 
Nene  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik.  Bd.  CXLTX  CL 
(1894).     S.  858  -372. 

Müller,  Joh.  Geschichte  von  Liebenau  und  Lauenstein  1000—1539: 
Kirchl.  Bericht  auf  die  Jahre   1891—1893.     S.  3— M 

v.  Mülverstedt,  G.  A.  Die  v.  Kolowas-Kolbitz  in  der  Überlausitz: 
Neues  Lausitzisches  Magazin.     Bd.  LXX  (1894).     S.  287  f. 

Mutschink,  Joh.  Tr.  Geschichte  der  wendischen  Sprache  und  Natio- 
nalität: Gebirgsfreund.     Jahrg.  VI  (1894).     S.  1X2  —  185. 

Needon,  R.  Flufsnamen  in  Sachsen:  Wissenschaft!.  Beilage  der 
Leipziger  Zeitung.     1894.     No.  113.     S.  449-451. 

Opel,  Jul.  Otto.  Der  niedersächsisch -dänische  Krieg  von  1627  bis 
zum  Frieden  von  Lübeck  (1629).  Magdeburg.  Fabersche  Buch- 
druckerei (A.  und  R.  Faber).     1894.     4  Bll..  749  SS.     8°. 


Litteratür.  173 

v.  Petersdorff,  Herrn.    Genera]  Johann  Adolph  Freiherr  v.  Thielmann. 

Ein  Charakterhild  aus  der  napoleonischen  Zeit.   Leipzig,  8.  Hirzel. 

1894     XIV,  435  SS.     8°. 
Pfau,  W.  Clemens.    Das    gotische  Steinmetzzeichen.     Mit  2  Tafeln. 

(A.  u.  (1.  T.:  Beiträge  zur  Kunstgeschichte.    Neue  Folge  XXII.) 

Leipzig,  E.  A.  Seemann.     1895.     75  SS.     8°. 
[Polster.]    Nachrichten  über   die   Kirchgemeinde  Reichenbach   bei 

Königsbrück  aus  alter  und  neuer  Zeit.  Kamenz.  1895.  24  SS.  8°. 
Richter,  Bernh.  Fr dr.     Sethus  Calvisius:  Leipziger  Tageblatt.    1894. 

No.  600.     S.  8489. 
Richter,  P.  E.    Litteratür  der  Landes-  und  Volkskunde  des  König- 
reichs Sachsen.     Herausgegeben   für   den  Verein    für   Erdkunde. 

Nachtrag  2.  Dresden,  A.  Huhle  (Komm.).  1894.  30  SS.  8°. 
Riedel,  L.  Mein  Lebenslauf :  Unser  Vogtland.  Bd.  1(1894).  S.  348-353. 
Hocke,  P.    Ein  Urteil  über  die  Leipziger  Messen  aus  dem  Jahre  1806: 

Zeitschrift  des  Leipziger  Messverbandes.  No.  2  (1894).  S.  I  't  f. 
Sauppe.     Oybinische  Plauderei.     Petrus  Zwicker,   Rektor  in  Zittau, 

Colestiner  und  Ketzerrichter:  Zittauer  Nachrichten.   1894.  No.  I  i  1 

bis  177.     S.  1490,  1493,  1502  u.  1507. 

—  Alte  Zittauer  Geschichten  I.  II:  ebenda  1893.  No.  205.  S.  1705. 
1S94.     No.  125,  127,  128.     S.  1104,  1118,  1123. 

Schevffler.  Der  Zug  der  österreichischen  Geistlichen  nach  und  aus 
Sachsen  (Fortsetzung) :  Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  die  Geschichte 
des  Protestantismus  in  Oesterreich.  Jahrg.  XV  (1894).  S.  157—186. 

v.  Schimpft',  Georg.  1813.  Napoleon  in  Sachsen.  Nach  des  Kaisers 
Korrespondenz  bearbeitet.  Dresden,  W.  Baensch.  1894.  3  B1I. 
278  SS.     8°. 

/Schlie,  Friedrich./  Altmeifsen  in  Schwerin.  Erste  und  zweite 
Ausstellung  altsächsischer  Porzellane  im  Grofsherzogl.  Museum. 
1893.  Schwerin,  Ed.  Herbergers  Buchdruckerei.  19  SS.  und  16  SS.  8°. 

—  Iterum  iterumque  Nicolas  Knüpfer:  Leipziger  Tageblatt.  1895. 
No  41.     S.  541  (vergl.  No.  13.     S.  171). 

Schmidt.   Vom  Dom  zu  Meifsen:  Neues  Sachs.  Kirchenblatt.  Jahrg.  II 

(1895).     No  6.     Sp.  93-96,  107—110. 
Schmidt,   Berth.     Die  Zerstörung   der    Stadt  Gera   im   sächsischen 

Bruderkriege   am   15.  Oktober  1450:    Zeitschrift  des  Vereins   für 

Thüringische  Geschichte  und  Altertumskunde.    Bd.  XVII  =  N.  F. 

Bd.  IX  (1894).     S.  295-361. 

—  Name  und  Begriff  des  Vogtlandes:  Unser  Vogtland.  Jahrg.  I 
(1894).     S.  172—174. 

Schönherr,  C.  A.  Chronik  der  Bergstadt  Brand  nebst  ihrer  Um- 
gegend. I. :  Nach  urkundlichen  Quellen  bearbeitet  und  heraus- 
gegeben.    Brand,  R.  Pönisch.     1894.     3  Bll.,  488  SS.     8°. 

Senf.  Archäologisches  aus  der  Oberlausitz:  Jahreshefte  der  Gesell- 
schaft für  Anthropologie  und  Urgeschichte  der  Oberlausitz.  Heft  III 
(1893).     S.  190-195. 

Tille,  Armin.  Das  Reformationsjubiläum  von  1617:  Wissenschaftl. 
Beilage  der  Leipz.  Zeitung.     1894.    No.  130.     S.  517  f. 

Treusch  von  Buttlar,  Kurt.  Zur  Kapitulation  von  Maxen:  For- 
schungen zur  Brandenburg,  und  Preufs.  Geschichte.  Jahrg.  VII 
(1894).     S.  217—220. 

v.  Tümpling,  Wolf.  Geschichte  des  Geschlechtes  von  Tüinpling. 
Dritter  (Schlufs-)  Band.  Geschichte  der  1822  bezw.  1867  im  Mann- 
stamm erloschenen  Häuser  Posewitz  und  Gasekirchen  (Tümpling). 
Mit  Urkunden-Anhang,  Bildnissen,  anderen  Kunstbeilagen,  Nach- 


1 74  Litteratnr. 

trägen  und  Berichtigungen  zu  den  drei  Bänden,  zwei  Siegeltafeln, 
zwei  Bandschriftentafeln,  General  -  Register  für  die  drei  Bände 
und  dem  Stammbaum  von  der  Theilung  in  Linien  an.  Weimar, 
Böhlau.     1894.     VI,  386  u.  42  SS.,  84  B1L    8°. 

Turba,  Gustav.  Zur  Verhaftung  des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen 
L547:  23. 'Jahresbericht  über  die  k.  k.  Oberrealschule  in  dem 
IL  Bezirke  von  Wien.     1894.     S.  3-32. 

Ullrich,  l'aul  Wilh.  Die,  Anfänge  der  Universität  Leipzig.  I.  Pei- 
sonenverzeichnife  1409b— 1419a.  Aus  den  ältesten  Matrikeln  der 
Universität  zusammengestellt.  Leipzig,  M.  Spirgatis.  1895.  XV, 
118  SS.     8°. 

Voigt,  Friedr.  Alb.  Die  Besitzer  der  Herrschaft  Droyfsig  von  An- 
fang des  15.  bis  zu  Ausgang  des  19.  Jahrhunderts  (Schlafe):  Viertel- 
jahrsschrift für  Wappen-,  Siegel-  u.  Familienkunde.  .Jahrg.  XXII 
(1894).     S.  1  —  14. 

Völkel,  August.  Wie  die  Herrschaft  Plauen  an  das  Haus  Wettin 
kam:  Unser  Vogtland.     Jahrg.  I  (1894).     S.  187—192. 

Vollhardt,  R.  Die  Musikschätze  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek: 
Neues  Sachs.  Kirchenblatt     Jahrg.  II  (1895).     Sp.  79  f. 

Weinhold.  Kurt  Bernhardi  [zuletzt  Rektor  der  Fürstenschule  zu 
Grimma]:  Biograph.  Jahrbuch  für  Altertumskunde.  Bd.  XVII 
(Beiblatt  zum  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  klass. 
Altertumswissenschaft  Bd.  LXXIX,  1894).     S.  72-77. 

W (einhold),  C.  E.  Zur  Geschichte  von  Alt-Chemnitz:  Chemnitzer 
Tageblatt.     1894.     No.  236.    4.  Beilage. 

Wiehert,  Ernst.  Zwei  Hochmeister  Deutschen  Ordens  aus  dem 
Vogtlande:  Unser  Vogtland.     Bd.  I  (1894).     S.  135— 139. 

Witkowsky,  G.  Der  Leipziger  Studentenaufruhr  von  1768:  Goethe- 
Jahrbuch.     Bd.  XV  (1894).     S.  206—215. 

Wustmann,  G.  Der  angebliche  Leipziger  Maler  Nicolaus  Knüpfer: 
Leipziger  Tageblatt.  1895.  No.  24.  S.  313  (vergl.  No.  43.  S.  567). 
Bachs  Grab:  Grenzboten.  Jahrg.  LIII  (1894).  No.  42.    S.  117— 126. 

Wuttke,  Robert.  Tabellen  zu  den  Vorträgen  über  Sächsische  Finanz- 
Geschichte,  gehalten  iu  der  Gehe-Stiftung  im  Winter  1894  (Als 
Manuscript  gedruckt.)     Dresden  1894.     2  BU.,  31  SS.     8°. 

Frhr.  v.  Zedtwitz,  Arthur.  [Die  Wappen  der  im  Königreich  Sachsen 
blühenden  Adelsfamilien:  Fürsten  und  Grafen  v.  Schönburg  — 
v.  Seelhorst]:  Dresdner  Residenz -Kalender  für  1895  (Dresden, 
Warnatz  &   Lehmann).     S.  177—187.     Mit  6  Tafeln. 

Zschommler,  Max.  Julius  Mosen  in  Markneukirchen:  Unser  Vogt- 
land.    Bd.  I  (1894).     S.  215—222. 

Hunte  Bilder  aus  dem  Sachsenlande.  Für  Jugend  und  Volk.  Heraus- 
gegeben vom  Sächsischen  Pestalozzi -Verein.  Mit  zahlreichen 
Abbildungen.  Bd.  I  (I.  verb.  u.  venu.  And.),  II  (2.  unv.  Aufl.). 
Leipzig,  Julius  Klinkhardt  (Komm.).  1895.  VIII,  400  SS.  VI  11. 
504  SS.    8°. 

Carl  August  Erbgrofeherzog  von  Sachsen.  Ein  Lebensbild.  Weimar, 
H.  Böhlau.     L895.     64  SS.     8°. 

Der  Dom  zu  Meifsen:  Sachs.  Kirchen-  u.  Schulblatt,  1894.  No.  20. 
Sp.  193-201. 

Die  Edlen  Herren  von  lleburg  in  Meifsen.  Zusammenstellung  der 
Stammfolge  1156  —  1344  in  Regestenform  auf  Grund  des  „Diplo- 
matarium  1  leburgense "  von  G.  A.  von  Mülverstedt  (Magdeburg 
1877):  Viertel  jahrsschrift  für  Wappen-,  Siegel-  und  Familienkunde. 
Jahrg.  XXII  (1894).     8  55     115. 


Litteratur.  175 

Die  Gubener  Garnison  von  1744—1784  und  Beiträge  zu  einem  Offizier- 
Register  (nach  Angaben  des  Stadtkirchenbuches) :  Niederlausitz. 
Mittheil.    Bd.  IL     Heft  4  (1892).     S.  323—325. 

Die  Gubener  Garnison  1700—1744  und  von  1785  bis  zum  Ende  der 
sächsischen  Landeshoheit  (nach  Angaben  des  Stadtkirchenbuches) : 
ebenda  Heft  6  (1892).     S.  442—448 

Sammlung  Otto  Merseburger,  umfassend  Münzen  und  Medaillen  von 
Sachsen.  Albertinische  und  Ernestinische  Linie.  Zu  den  bei- 
gesetzten Preisen  zu  beziehen  von  Zschiesche  &  Köder,  Leipzig, 
Münzenhandlung.  Mit  zwei  Tafeln.  Leipzig,  Zschiesche  &  Köder. 
1894.     VIII,  198  SS.     8°. 

Unsere  Matthäikirche  in  4  Jahrhunderten.  1494—1894.  Ein  Denk- 
und  Jubelbüchlein  zur  Feier  ihres  400jährigen  Jubiläums  (18.  Nov. 
1894).     Leipzig,  A.  Deichert  Nachf.     1894.     44  SS.     8°. 

Zur  Geschichte  des  Klosters  Remse:  Schönburger  Tageblatt.  1894  No.  68. 

Zur  Charakteristik  des  Prinzenräubers  Kunz  von  Kaufungen:  ebenda 
No.  73. 

Die  Schönburge  auf  Schlofs  Crimmitschau:  ebenda  No.  102. 


Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.  Herausgegeben  im 
Auftrage  der  Gesellschaft  für  sächs.  Kirchengeschichte  von  Franz 
Dibelius  und  Theodor  Brieger.  Neuntes  Heft.  Leipzig,  Barth. 
1894.     272  SS.     8°. 

Inhalt :  G  e  o  r g  M  ü  1 1  e  r ,  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte 
der  sächsischen  Landeskirche.  Neun  Vorträge  in  der  Gehestiftung 
zu  Dresden  im  Herbste  1893  gehalten.  Mit  Anmerkungen  und 
Beilagen.     I.  Teil. 

Dresdner  Geschichtsblätter.  Herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.  Jahrg.  III  (1894).  No.  3,  4.  Jahrg.  IV  (1895). 
No.  1.     Dresden,  W.  Baensch.    4°. 

Inhalt:  F.  Blan ckm eiste r ,  Theodor  Körners  Vorfahren. 
Reinh.    Kade,    Das    erste   Dresdner    lutherische    Gesangbuch. 

0.  Richter,  Ursprung  der  Sachsenhymne.  Ders. ,  Ausreifser 
im  Hussitenkriege  1438.  Ders.,  Meifsner  Weinhandel  1583.  — 
G.  Beutel,  Das  Prinzliche  Grundstück  an  der  Zinzendorfstrafse 
(mit  Zugrundlegung  eines  handschriftl.  Aufsatzes  des  f  Oberhof- 
meisters A.  vonMinckwitz).  0.  R[ichter],  Ein  Bildnis Canalettos. 
Ders.,  Eine  Wette  im  Jahre  1560.  Zudrang  zum  Rechtsstudium 
vor  100  Jahren.  —  Franz  Schnorr  von  Carolsfeld,  Aus 
Julius  Schnorrs  Tagebüchern.  0.  Richter,  Eine  Abbildung  des 
Barfüfserklosters. 

Mittheilungen  der  Deutschen  Gesellschaft  zur  Erforschung  vater- 
ländischer Sprache  und  Alterthümer  in  Leipzig.   Neunter  Band. 

1.  Heft.     Leipzig  (K.  W.  Hiersemann).     1894.     101  SS.     8°. 
Inhalt:   0.  Günther,  Zur  Geschichte   des  Leipziger  Musen- 
krieges  im   Jahre   1768.     Ders.,    Aus  Gottscheds  Briefwechsel. 
G.  Buchwald,   Simon  Wilde    aus  Zwickau,    ein  Wittenberger 
Studentenleben  zur  Zeit  der  Reformation. 

Mitteilungen  des  Altertumsvereins  für  Zwickau  und  Umgegend. 
Heft  IV.  Zwickau,  Druck  von  R.  Zückler.  1894.  XIX,  134  SS.  8°. 
Inhalt:  K.  See  1  ig  er,  Zur  ältesten  Geschichte  der  Stadt  Zwickau. 
Rieh  Beck,  Aus  dem  Leben  Joachim  Fellers  (nach  handschrift- 
lichen Quellen  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek).  M.  Schilling, 
Die  Bedeutung  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek   für  die  poli- 


l?(i  Litteratur. 

tische  Geschichte.  H.  Klotz,  Die  Zwickauer  Annalen  des 
Matthäus  Winter.  E.  Fabian,  Hexenprozesse  in  Zwickau  und 
Umgegend.  Ders.,  Fahrende  Ärzte  und  Kurpfuscher  in  Zwickau 
und  Umgegend. 

Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Meißen,  Des 
3.  Bandes  4.  Heft  ^Schluß).  Meißen,  Louis  Mosche  (Komm.). 
1894.     S.  333-470.    XXXVIII  SS.     8°. 

Inhalt:  Paul  Markus,  Meifsen  wählend  der  Napoleonischen 
Kriege  (Forts.).  W.  L  oose,  Die  älteren  Meißner  Zunftordnungen. 
2.  Die  Schneider.  H.  Nitzsche,  Geschichte  des  Volksschul- 
wesens der  Stadt  Meißen.  W.  Loose,  Afranisches.  Lehensläufe 
verdienter  Meißner:  Markus,  Superintendent  Christoph  Haymann. 
Leicht,  Der  Stadtschreiber  Georg  Gotthelf  Welck  und  Freiherr 
Carl  Wolfgang  Maximilian  von  Welck,  Kreisamtmann  zu  Meißen. 

Mitteilungen  vom  Freiherger  Altertumsverein  mit  Bildern  aus  Frei- 
bergs Vergangenheit.  Herausgegeben  von  Heinr.  Gerlach.  30.  Hefl 
1893.  Freiberg  i.  S.,  Gerlachsche  Buchdruckerei.  1894.  118  SS.  8°. 
Inhalt:  Reinhard  Kade,  Geschichte  des  Freibeiger  Buch- 
drucks. R.  Rauschenbach,  Die  Jungfrauenschule  zu  Freiberg. 
Th.  Distel,  Zur  Geschichte  des  Moritzmonuments  und  seiner 
Instandhaltung  1571.  Ders.,  Bericht  des  Freiberger  Rats  an 
die  Landesregierung  über  die  Opfer  der  Pest  1572.  Ders.,  Tu- 
mult in  Freiberg  den  25.  Jan.  1664.  Ders  ,  Tröstung  einer 
Mörderin  wegen  einer  1710  zuerkannten  „nicht  unerträglichen" 
Strafe.  Ders.,  Schreiben  des  Freiberger  Geliert  v.  J.  1747. 
Ders.,  Tragikomisches  Bittgesuch  eines  Freibergers  vom  Jahre 
1789.  Reinh.  Kade,  Die  Orgel  der  Frauenkirche  zu  Dresden. 
Max  Richter,  Persönliche  Beziehungen  zwischen  den  Nachbar- 
städten Frankenherg  und  Freiberg.  E.  Heydenreich,  Eine 
verschollene  Schrift  des  Freiberger  Konrektors  Moritz  Döring, 
des  Dichters  des  Bergmannsgrußes.  Blitzschlag  in  das  Erbische  Thor. 

Schönburgische  Geschichtsblätter.  Vierteljahrsschrift  zur  Erforschung 
und  Pflege  der  Geschichte  im  Gebiete  der  Schönburgischen  Receß- 
und  Lehnsherrschaften.  Heft  I,  IL  Waidenburg,  E.  Kästner. 
1894/1895.     S.  1-120.    8°. 

Inhalt:  Ein  Wohlthäter  der  Schönburgischen  Lande  [Otto  Victor 
Fürst  von  Schönburg -Waldenburg].  R,  R.,  Zur  Geschichte  der 
Meeraner  Industrie.  R.  Needon,  Die  Isenburg,  ein  noch  ungelöstes 
Räthsel.  Turnvater  Jahn  in  Waidenburg;  nach  Aufzeichnungen 
eines  Zeitgenossen.  H.  Colditz,  Die  Gründung  der  Stadt 
Lichtenstein.  Reinh.  Hof  mann,  Stadt  und  Herrschaft  Glauchau 
um  das  Jahr  1663  und  die  Türkengefahr.  Aus  unserer  Zeit.  — 
Bienengräber,  Im  September  1830.  Ein  Bild  aus  der  Meeraner 
Vergangenheit  R.  Hofmann,  Zur  Geschichte  der  Töpferei  in 
Alt  Stadt  -Waidenburg.  H.  Colditz,  Kriegsereignisse  in  und  um 
Lichtenstein.  R.  Hofmann,  Innungsbrief  des  Schuhmacher  zu 
Waidenburg  vom  Jahre  1549.  Eine  Lehrerstelle  vor  200  Jahren. 
Th.  Schön,  Fürsorge  der  Herren  von  Schönburg  für  ihre  durch 
Einquartierung  fremder  Truppen  schwer  geplagten  Unterthanen. 
Ders.,  Eine  durch  einen  Herrn  von  Schönburg  vermittelte  Heirat 
eines  Vorfahren  des  deutschen  Kaisers.  Th.  Distel,  Allerlei 
Findlinge.     Aus  unserer  Zeit. 


Inhalt. 


.Seite 

I.  Eine  mailändisch- thüringische  Heiratsgeschichte 
aus  der  Zeit  König  Wenzels.     Von   Professor 

Dr.  Karl  Wenck  in  Marburg  a./L 1 

II.  Leipzig  und  Wittenberg.  Ein  Beitrag  zur  säch- 
sischen Reformationsgeschichte.  Von  Professor 
Dr.  Felician  Gels  in  Dresden .43 

III.  Geschichte  der  Burg  Rechenberg.  Von  Bürger- 
schullehrer Dr.  Georg  Pilk  in  Dresden.    .    .     .    i)4 

IV.  Die  älteste  venetianische  Bergordnung  und  das 
sächsische  Bergrecht.  Von  Privatdozent  Dr.  Otto 
Opet  in  Bern 109 

V.  Stadtmarken  der  Zinngielser  von  Dresden,  Leipzig 
und  Chemnitz.  Von  Direktorialassistent  Dr.  K. 
Berling  in  Dresden 123 

VI.  Kleinere  Mitteilungen 129 

1.  Zur  Geschichte  der  Dresdner  Thietmarhand- 
schrift.  Von  J)r.  Ludwig  .Schmidt,  Custos  an  der 
k.  öffentl.  Bibliothek  in  Dresden.  S.  129.  2,  Der 
Begräbnistag  des  Markgrafen  Georg  von  Meißen. 
Von  Archivar  Dr.  P.  Mitzschke  in  Weimar.  S.  131. 
3.  Zu  Mardochais,  Rabbis  de  Nelle,  angeblicher 
Prophezeiung  an  Kurfürst  August  zu  Sachsen 
(1575).  Von  Archivrat  Dr.  Theodor  Distel  in 
Dresden.  S.  132.  4.  Zum  Nossener  Kirchenbaue. 
Von  demselben.  S.  134.  5.  Eine  Flugschrift  über 
das  Anrecht  König  Friedrichs  II.  vonPreufsen  auf 
Böhmen.  Von  Dr.  Walther  Schultze  in  Halle  a./S. 
S.  134.  6.  Der  älteste  kursächsische  Bibliotheks- 
katalog aus  dem  Jahre  1437.  Von  Staatsarchivar 
Dr.  Woldemar  Lippert  in  Dresden.  S.  135.  7.  Brief- 
beförderung des  Kurfürsten  von  Sachsen  1449.  Von 
demselben.     S.  139. 

Litterat  ur 141 


Redakteur:  Dr.  Hubert  Brmiseb.  —   Bucbdruckerei  der  Verlagshandlang. 


Neues  Archiv 

für 


Sächsische  Geschichte 

und 

Altertumskunde. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Hubert  Ermisch, 

K  Archivrat. 


Sechzehnter  Band.    Drittes  und  viertes  Heft. 


Dresden  1895. 
Wilhelm  Baensch,  Verlagsbuchhandlung. 


Das  Neue  Archiv  für  Sächsische  Geschichte 
und  Altertumskunde, 

welches  im  Auftrage  der  Königlichen  Staatsregierung  und 
des  Königlichen  Altertumsvereins  herausgegeben  wird,  er- 
scheint in  halbjährlichen  Doppelheften,  von  denen  je  zwei 
einen  Band  von  ungefähr  22  Bogen  bilden.  Der  Preis  des 
Jahrganges  —  zu  welchen  auch  die  früheren  Bände  durch 
jede  Buchhandlung  zu  beziehen  sind  —  beträgt  6  Mark. 
Einzelne  Hefte  werden  nicht  abgegeben. 

Manuskripte  —  die  deutlich  geschrieben  und  mit 
breitem  Rande  versehen  sein  müssen  —  werden  mit 
50  Mark  für  den  gedruckten  Bogen  honoriert. 

Alle  Zusendungen  sind  dem  Herausgeber  —  Dresden, 
Königliches  Hauptstaatsarchiv  —  direkt  oder  durch  die 
Verlagsbuchhandlung  zu  übermitteln. 


VII. 

Koiirad  Rott  und  die  Thüringische  Gesell- 
schaft. 

Von 

Konrad  Haebler. 


Bei  den  Akten  des  Königl.  Sachs.  Hauptstaatsarchives, 
welche  von  den  geschäftlichen  Unternehmungen  des  Kur- 
fürsten August  handeln,  befindet  sich  der  folgende  an 
seinen  Kammersekretär  Hans  Jenitz  gerichtete,  höchst 
charakteristische  Brief: 

„Lieber  getreuer.  Deine  erinnerung  des  Pipers  vnd 
Canöls  halben  habe  Ich  nichts  anders  dan  treulich  vnd 
wol  gemeint  verstanden.  —  Souil  nun  dieselbige  handlung 
anlanget,  were  Ich  gerne  langst  dauon  gewesenn,  dieweil 
Ich  sehe,  das  Ich  zum  Pfeffersack  nicht  geboren,  Vnnd 
vom  anfangk  bifs  Itzo  kein  glück  darbey  gespuert,  habe 
mich  auch  kegen  Bernstein  seinen  selbst  Vorschlag  nach 
dahin  erkleret,  das  Ich  jedes  Pfundt  Gerbulirtten  Piper 
vmb  12  gr.  vnnd  jdes  Pfd.  vngerbulirtten  vmb  11  gr.,  den 
Canöl  aber  vmb  24  gr.  hinlassen  wollte.  Do  Ich  aber 
eine  entliche  vnd  schlifsliche  antwortt  gewarttet,  Ist  es 
auf  eine  sundere  handelungk  verschoben  wordenn,  vnnd 
stehet  jtzo  nach  meiner  erklerung  gleich  so  weitleufftig 
als  für;  Wie  lustig  mich  das  machet,  das  man  mir  nun 
viel  Märckte  hero  allemal  darfur,  vnd  jm  anfange  der- 
selbigen  gute  hofnung  gemacht,  vnd  meine  erklerung  ge- 
meiniglich duppelt  gefordertt,  vnd  mich  allein  aulsgehört, 
auf  ein  anders  gefraget,  vnd  vf  ein  anders  geschlossen, 
das  kanstu  leichtlich  ahn  fingern  abrechnen.  Weil  Ich 
mich  dan  nuhmer  altt,  verdrossen  vnd  faul  mache,  vnd 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  3.  4.  1^ 


I  7  8  Konrad  Haebler : 

die  zeit,  so  mir  Gott  ferner  zuleben  vergönnet,  gerne  mit 
ruhe  zubringen  wollte,  80  habe  Ich  ernstlich  bei  mir  be- 
schlossen, mich  aller  hendel  abzuthun,  vnd  zu  eussern, 
Es  geschehe  nun  solches  mit  meinem  Nutz  oder  schaden, 
das  stelle  Ich  eben  dahin,  vnnd  will  die  vbrige  zeit  meines 
lebens  mit  solcherm  verdriislich  hendeln  nicht  zubringen, 
Sondern  Gott  vnnd  meinen  frommen  Vnderthanen  dienen 
vnd  fürstehen,  So  lange  mir  Gott  genade  vnd  sterck 
darzu  verleihet,  Amen.  Vnd  habe  Dir  auf  Deine  Treu- 
herzige erinnerungk  mein  gemüet  Deine  Sachen  Deiner 
gelegenheit  auch  zurichtten,  nicht  bergen  wollen.  Was 
Ich  fortthin  beim  Specerej  vnd  kupffer  handel  zu  thun 
gedencke,  vnd  gelten  mir  Acher,  Braunschweiger,  Nürm- 
berger  vnd  Auglsburger,  darmit  zuhandeln,  gleich,  denn 
Ich  habe  den  köpf  gestreckt,  vnd  wil  der  falschen  hendel 
lois  sein.    Datum  Annenburgk  den  14.  Octobris  ao.  1580. 

Augustus  Churfürst  &c." 

Mit  diesem  Schreiben  fand  eine  kurze,  aber  höchst 
bedeutungsvolle  Episode  seiner  Regierung  ihren  Abschluß, 
die  dem  Kurfürsten  während  einer  Reihe  von  Jahren 
grofse  Hoffnungen  erweckt,  und  schwere  Enttäuschungen 
eingetragen  hatte1). 

Es  war  im  Jahre  1576  gewesen,  dals  der  Kurfürst 
und  in  seinem  Namen  Hans  Harrer,  sein  außerordentlich 
rühriger  und  selbst  in  allerlei  Handelsgeschäften  thä- 
tiger  Kammermeister'2),  den  Hieronymus  Kramer  nach 
Lissabon  abgeordnet  hatten,  um  dort  allerlei  geschäftliche 
Angelegenheiten  zu  erledigen.  Man  hoffte  dort  Absatz- 
gebiete sich  zu  eröffnen  für  die  von  der  Meifsner  Gesell- 
schaft hergestellten  Kupfer,  für  die  neuen  auf  dem  Werke 
am  Schneeberg  hergestellten  Saffalor-Farben ,  vor  allem 
aber  sollte  Kramer  darnach  streben,  dem  Kurfürsten  die 
Möglichkeit    des    direkten    Bezuges    von    Droguen    und 


l)  Der  Pfefferhandel  des  Kurfürsten  August  ist  zweimal  von 
Joh.  Falcke  (in  einem  Aufsatz  in  Webers  Archiv  für  sächs.  Ge- 
schichte Bd.  V  und  in  seiner  Geschichte  des  Kurfürsten  August) 
behandelt  worden;  allein  da  er  lediglich  die  sächsischen  Akten  ge- 
kannt und  auch  diese  nicht  in  vollem  Umfange  zu  Rate  gezogen  hat, 
ist  ihm  der  eigentliche  Charakter  der  Kottschen  Beziehungen  zur 
Thüringischen  Gesellschaft  gar  nicht  zum  Bewufstsein  gekommen. 
Die  Thatsachen,  soweit  dieselben  von  Falcke  eingehend  und  richtig 
dargestellt  sind,  habe  ich  nur  so  weit  wiederholt,  als  zum  Verständnis 
des  Aufsatzes  unerläfslich  schien. 

a)  Vergl.  Georg  Müller  in  dieser  Zeitschrift  XV,  63  ff. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft,  179 

Spezereien  zu  verschaffen,  sei  es  von  Lissabon  aus,  sei 
es  dais  man  sie  selbst  aus  dem  fernen  Indien  holen  sollte. 
Mehr  noch  als  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  befand 
sich  dieser  einträgliche  Zweig  des  Welthandels  fast  aus- 
schließlich in  den  Händen  der  deutschen  Grolskaufherren, 
die  dabei  allerdings  zu  Zeiten  den  wildesten  Spekulationen 
sich  hingaben,  gemeiniglich  aber  noch  immer  Gewinne 
von  100%  und  mehr  erzielten.  Bis  dahin  hatte  das 
Kurfürstentum  Sachsen  seinen  Bedarf  an  diesen  Artikeln 
vorwiegend  von  Nürnberg  und  Frankfurt  aus  gedeckt; 
der  Kurfürst,  der  den  wirtschaftlichen  Angelegenheiten 
ein  lebhaftes  Interesse  und  weitgehendes  Verständnis 
entgegenbrachte,  wollte  nunmehr  zunächst  probeweise 
seinen  eigenen  Bedarf  durch  direkten  Einkauf  decken, 
dann  aber  auch  Erkundigungen  einziehen,  ob  und  wie 
weit  sich  auf  diesem  Gebiete  ein  gewinnbringender 
Handel  würde  eröffnen  lassen.  Zu  diesem  Zwecke  war 
Hieronymus  Kramer  über  Hamburg  und  Antwerpen  nach 
Lissabon  abgeordnet  worden  und  dort  im  Juni  1576  ein- 
getroffen. 

Es  konnte  Kramer  nicht  schwer  fallen,  zu  ermitteln, 
wer  unter  den  zur  Zeit  in  Lissabon  vertretenen  deutschen 
Kaufherren  am  meisten  seine  Zwecke  zu  fördern  im- 
stande war,  und  so  bat  er  schon  in  den  Briefen,  die  seine 
glückliche  Ankunft  in  Lissabon  anzeigten,  um  Empfehlungs- 
schreiben an  Herrn  Nathanael  Jung,  den  Vorsteher  der 
portugiesischen  Niederlage  des  Herrn  Konrad  Rott,  Rats- 
herrn und  Grofskaufmanns  zu  Augsburg.  Das  Haus  des 
Konrad  Rott  stand  damals  auf  seinem  Höhepunkte.  Rott 
selbst  war  ein  Mann  in  seinen  besten  Jahren.  Er  wird 
um  1530  als  Sohn  des  Hans  Konrad  Rott  und  der  Helena 
Baumgartnerin  geboren  sein  und  war  fast  mit  allen 
Gröfsen  des  Augsburger  Handels,  besonders  aber  mit 
dem  Hause  der  Welser  mehrfach  verschwägert.  Schon 
von  seiner  Jugend  au  war  er  vorwiegend  in  Spanien  und 
Portugal  erst  für  das  väterliche,  dann  für  das  eigene 
Geschäft  thätig  gewesen;  in  Lissabon  begegnen  wir  ihm 
1559,  dann  1563  einmal  in  Rom,  darnach  aber  wieder 
auf  der  iberischen  Halbinsel,  wo  er  sich  besonders  be- 
strebte, Lieferungen  von  deutschen,  nord-  und  ostländischen 
Waren  für  die  Könige  von  Spanien  und  Portugal  zu  er- 
langen. Vor  wenigen  Monaten  war  ihm  nun  in  dieser 
Beziehung  eine  Spekulation  geglückt,  die  durch  ihre 
Großartigkeit   Aufsehen    erregt    und    seinen  Namen   zu 

12* 


180  Konrad  Haebler: 

einem    der   bekanntesten   unter    den    Handelsherren    der 
portugiesischen  Hauptstadt  gemacht  hatte. 

Das  hauptsächlichste  Erträgnis  des  weiten  portu- 
giesischen Kolonialreiches  in  Indien  bildeten  die  kost- 
baren Gewürze,  vor  allem  der  Pfeffer,  welchen  die  all- 
jährlich im  März  von  Lissabon  auslautenden  königlichen 
Schiffe  im  August  des  folgenden  Jahres  aus  G-oa,  Cochin, 
Cananor  und  anderen  indischen  Märkten  zurückzubringen 
pflegten.  Dieser  Handel  war  ein  ausschließliches  Vor- 
recht der  Krone,  nur  die  königlichen  Beamten  besorgten 
in  Indien  den  Einkauf,  der  gesamte  Ertrag  wanderte  in 
das  Stapelhaus  zu  Lissabon,  und  nur  der  König  konnte 
zu  den  von  ihm  selbst  festgesetzten  Preisen  die  kostbaren 
Waren  weiter  verkaufen.  Zu  verschiedenen  Zeiten  war 
dies  auf  verschiedene  Weise  geschehen;  um  1575  aber 
war  es  üblich,  dals  eine  Anzahl  der  reichsten  Handels- 
herren des  In-  und  Auslandes  sich  zusammenthaten  zu 
zwei  Gesellschaften,  deren  eine  von  dem  König  das  Recht 
erwarb,  den  Einkauf  des  Pfeffers  in  Indien  und  seine 
Verfrachtung  nach  Lissabon  zu  besorgen,  wofür  die  Hälfte 
des  Pfeffers  ihr  Eigentum  wurde,  die  andere  Hälfte  aber 
dem  Könige  zufiel,  während  die  andere  Gesellschaft  den 
ganzen  Pfeffer  zu  bestimmtem  Preise  dem  Könige,  meist 
natürlich  gegen  Vorausbezahlung  des  grölsten  Teiles  seines 
Wertes,  wieder  abnahm  und  dafür  das  ausschließliche 
Recht  erlangte,  denselben  in  alle  Welt  hinaus  weiter 
zu  verkaufen.  Die  beiden  Kontrakte,  durch  welche  der 
König  von  Portugal  die  Geschäfte  den  beiden  Gesell- 
schaften überliels,  nannte  man  den  Kontrakt  von  Indien 
und  den  Kontrakt  von  Europa,  und  diesen  letzteren  hatte 
zu  nicht  geringem  Erstaunen  der  gesamten  Handelswelt 
Konrad  Rott  in  den  letzten  Monaten  des  Vorjahres  von 
dem  Könige  Sebastian  von  Portugal  auf  die  nächsten 
fünf  Jahre  gepachtet.  Wohl  kannte  man  Konrad  Rott 
als  einen  Kaufmann  von  kühnem  Unternehmungsgeiste 
und  außerordentlicher  Geschäftserfahrung,  allein  dieser 
Spekulation  hielt  ihn  niemand  für  gewachsen.  Sonst  hatten 
immer  mindestens  zwei  bis  drei  große  Handelsfirmen  sich 
zu  dem  Kontrakte  zusammengethan,  Firmen,  wie  die 
Welser  und  Imhof  hatten  es  nicht  gewagt,  den  Kontrakt 
zu  übernehmen;  kein  Geringerer  als  König  Philipp  H. 
von  Spanien  hatte  sich  bei  seinem  königlichen  Neffen  um 
diesen  Kontrakt  beworben,  einen  Kontrakt,  der  in  den 
5  Jahren  mehr  als  3  Millionen  Dukaten  erforderte,   und 


Conrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  181 

diesen  Kontrakt  hatte  Konrad  Rott  für  sich  allein,  ohne 
einen  Gesellschafter,  in  seine  Gewalt  gebracht.  Als  das 
Gerücht  zuerst  an  den  Börsen  sich  verbreitete,  wollte 
niemand  recht  daran  glauben.  Bald  hiefs  es,  er  solle  die 
Welser,  bald  die  Fugger  oder  Imhof,  bald  den  Johann 
von  Pelcken  hinter  sich  haben,  einen  reichen  Österling 
von  Danzig  und  alten  Portugeser  (d.  h.  lange  schon  in 
Lissabon  Ansässigen),  aber  alle  lehnten  sie  jede  Be- 
teiligung ab,  und  es  blieb  dabei,  dafö  Rott  und  nur  Rott 
den  Kontrakt  gemacht  hatte ::).  Freilich  waren  die  Be- 
dingungen derart,  dafs  er  schon  reich  dabei  werden  konnte, 
vorausgesetzt,  dais  er  es  aushielt. 

Rott  verpflichtete  sich  im  ersten  Jahre  12000  und 
in  jedem  folgenden  20000  Zentner  (quintal)  Pfeffer  zum 
Preise  von  34  Dukaten  für  den  Zentner  dem  Könige 
abzukaufen.  Von  der  Kaufsumme  mufste  er  allerdings 
ein  paarmal  hunderttausend  Dukaten  zu  mäfsigem  Zinse 
vorausbezahlen,  die  ihm  erst  im  letzten  Jahre  des  Kon- 
trakts wieder  gutgethan  wurden ;  er  durfte  aber  auch  ein 
volles  Fünftel  des  Kaufpreises  dem  Könige  in  alten  portu- 
giesischen Schuldbriefen  erlegen,  die  zur  Zeit  von  ihren 
Besitzern  zu  weniger  als  dem  halben  Werte  zu  haben 
waren,  auch  sollte  er  einen  Teil  der  Zahlung  in  Theer, 
Tauwerk  und  anderen  zum  Schiffsbau  nötigen  Artikeln 
liefern,  die  man  in  Lissabon  aus  Ostland  zu  beziehen 
pflegte.  Die  grofsen  Handelsherren  meinten,  der  Kontrakt 
sei  gar  nicht  so  übel,  wenn  er  nur  erst  das  erste  Jahr 
überwunden  habe,  welches  die  bedeutendsten  Zahlungen 
erforderte  und  doch  nur  die  geringsten  Erträge  gewährte. 

Rott  selbst  war  zunächst  voller  Zuversicht.  Un- 
mittelbar nach  dem  Abschlufs  in  Lissabon  kam  er  nach 
Madrid  —  angeblich  um  mit  den  Fugger  wegen  der 
Überlassung  ihrer  portugiesischen  Schuldtitel  zu  unter- 
handeln, thatsächlich  aber  weit  mehr,  um  sich  durch  einen 
Wechselvertrag  mit  dem  Könige  von  Spanien,  der  sich 
damals  infolge  der  gewaltsamen  Abrechnung  mit  seinen 
Gläubigern  in  arger  Verlegenheit  wegen  der  Rimessen 
nach  den  Niederlanden  befand,  die  ersten  100000  Dukaten 
für  seine  Anzahlungen  zu  sichern  —  und  trat  dort  auf, 
als   ob  er  Herr  auf  allen  Plätzen   der  Christenheit  sei. 


:i)  Vergl.  darüber  die  Korrespondenz  des  Fuggerischen  Agenten 
Thomas  Müller.  Fürstl.  &  Gräfl.  Fuggersches  Archiv  (in  Augs- 
burg) 2,  5,  13. 


182  Konrad  Haebler: 

Allein  diese  zuversichtliche  Stimmuno-  konnte  nicht  lange 
vorhalten.  Die  Räte  Philipps  II.,  von  den  Fuggerschen 
Agenten  beraten,  trauten  dem  großsprecherischen  und 
leichtfertigen  Auftreten  Rotts  nicht  und  machten  ihre 
Geschäfte  lieber  mit  den  Fugger  selbst.  Auch  diese 
zeigten  sich  gegen  Rott  äufserst  zurückhaltend,  obwohl 
sie  ihm  ein  nicht  unbeträchtliches  Konto  eröffneten.  Seine 
Gegner  und  Neider  aber  ergriffen  die  Gelegenheit  und 
streuten  in  Lissabon  aus,  Rott  werde  nicht  einmal  die 
erste  Zahlung  zu  leisten  imstande  sein,  so  dafs  die  portu- 
giesischen Beamten  Sorge  trugen,  ihm -die  bedungenen 
Lieferungen  von  Pfeffer  und  Gewürzen  anzuvertrauen. 
So  mufste  sich  Rott  schon  im  März  1576  entschließen, 
auf  den  Alleinbesitz  des  Kontraktes  zu  verzichten.  Er 
hatte  sich  die  gröfste  Mühe  gegeben,  Deutsche  als  Partner 
zu  erlangen.  König  Sebastian  hatte  wiederholt  erklärt, 
dafs  er  am  liebsten  nur  Deutschen,  wegen  ihrer  Zuver- 
lässigkeit, Teil  an  dem  Kontrakte  gewähren  wolle,  und 
Rott  hatte  es  sich  angelegen  sein  lassen,  das  unter  seinen 
Landsleuten  zu  verbreiten ;  aber  bei  diesen  stand  er  selbst 
zu  wenig  in  dem  Ruf  dieser  auszeichnenden  Eigenschaften, 
um  die  Teilhaberschaft  an  seinen  Unternehmungen  be- 
sonders verlockend  erscheinen  zu  lassen.  So  mufste  er, 
nachdem  er  eine  Zeit  lang  durch  Schleuderverkäufe  ver- 
geblich versucht  hatte,  über  die  ersten  Geldverlegenheiten 
hinauszukommen,  sich  doch  entschließen,  die  Unterstützung- 
fremden  Kapitales  iu  Anspruch  zu  nehmen,  und  so  trat  er 
im  April  1  576  dem  Giacomo  dei  Bardi  und  seinen  Mitver- 
wandten drei  Achtel  seines  Kontraktes  ab.  Nach  aufsen  hin 
wurde  das  mit  der  Begründung  bemäntelt,  es  sei  ihm  nur 
darum  zu  thun  gewesen,  „die  heillosen  Juden"  -  -  nämlich 
seine  Neider  —  zur  Ruhe  zu  bringen;  in  Wirklichkeit 
gewann  erst  durch  diesen  Rückhalt  sein  Unternehmen 
einen  festen  Grund  und  diejenige  Stetigkeit,  welche  die 
Voraussetzung  einer  gewinnbringenden  Thätigkeit  waren. 
So  weit  waren  die  Verhältnisse  gediehen,  als  Hierony- 
mus  Kramer  in  Lissabon  anlangte  und  die  Unterstützung 
des  Rottschen  Hauses  bei  dessen  Vorsteher,  dem  Herrn 
Nathanael  Jung,  nachsuchte.  Sie  wurde  ihm  selbstver- 
ständlich auf  das  Bereitwilligste  gewährt.  Kramer  scheint 
sich  anfänglich  mit  grofsen  Plänen  getragen  zu  haben; 
es  ist  wiederholt  davon  die  Rede,  dals  er  selbst  oder 
weiterhin  ein  anderer  an  seiner  Stelle  eine  Reise  nach 
Ostindien  im  Auftrage  des  Kurfürsten  und  seines  Kammer- 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft,  183 

ineisters  machen  sollte.  Allein  von  solchen  Gedanken 
scheint  er,  an  Ort  und  Stelle,  bald  zurückgekommen  zu 
sein.  Während  er  mit  Eifer  und  Gewissenhaftigkeit  die 
direkten  Aufträge  seines  Herrn  nicht  nur  in  Lissabon, 
sondern  auch  in  Sevilla  ausführte,  die  erworbenen  Gegen- 
stände, von  eingehenden  Informationen  begleitet,  nach 
Hamburg  an  Johann  Wichmann,  den  Agenten  des  Kammer- 
meisters, abgehen  liels,  machte  er  allerlei  Bedenken  gegen 
die  Reise  nach  Indien  geltend.  Vor  allem  ist  es  sein 
protestantisches  Bekenntnis,  durch  welches  er  Schwierig- 
keiten befürchtet,  und  bei  der  strengen  Kontrole,  welcher 
die  Passagiere  der  Indienflotten  unterworfen  wurden, 
konnte  er  thatsächlich  eines  Verbotes  seiner  Reise  ge- 
wärtig sein.  Auch  die  Rottischen  werden  ihn  kaum  dazu 
ermutigt  haben.  Es  ist  zwar  nicht  nachzuweisen,  dals 
dieselben  schon  damals  sich  mit  dem  Gedanken  getragen 
hätten,  den  kurfürstlichen  Unternehmungsgeist  sich  zu 
nutze  zu  machen,  sicherlich  aber  konnten  sie  kein  Inter- 
esse daran  haben,  sich  in  einer  so  mächtigen  und  einflufs- 
reichen  Persönlichkeit  einen  Geschäftskonkurrenten  er- 
wachsen zu  sehen.  So  erwiesen  sie  sich  denn  auf  das 
höchste  entgegenkommend  in  allem,  was  sie  für  Kramer 
und  dessen  Auftraggeber  thun  konnten  —  sie  übernahmen 
z.  B.  die  Übermittelung  des  Geldes  zu  dessen  Besorgungen 
von  Sachsen  nach  Lissabon,  ohne  die  mindeste  Provision 
zu  beanspruchen  — ,  aber  für  eine  Reise  nach  Indien 
scheinen  sie  ihm  keinerlei  Förderung  in  Aussicht  gestellt 
zu  haben. 

Hieronymus  Kramer  blieb  noch  bis  in  den  Juni  des 
folgenden  Jahres  in  Lissabon.  Neben  Gewürzen  sind  es 
vor  allem  Perlen  und  Edelsteine,  die  er  im  Auftrage  mehr 
noch  der  Kurfürstin  als  des  Kurfürsten  dort  erwirbt. 
Einmal  verrechnet  er  die  beträchtliche  Summe  von 
2272  Dukaten,  die  er  zum  Ankauf  von  Smaragden, 
Rubinen,  Diamanten  und  anderem  edlen  Gestein  ver- 
wendet hat4);  ein  anderes  Mal  wird  eines  Wechsels  über 
3583  V2  fl.  gedacht,  die  er  ebenfalls  in  der  Hauptsache 
für  Besorgungen  aufgewendet  hatte5).  Zu  der  indischen 
Reise  aber  verrieten  seine  Briefe  eine  unverkennbare 
Unlust,  und  so  wurde  er  denn  im  Sommer  1577  zur  Rück- 


4)  Loc.  7410.     Schriften  betr.    die    Meifsn.    und    Thür.  Gesell- 
schaft Bl.  3. 

5)  Cop.  37«  B  Bl.  66  v. 


184  Konracl  Haebler: 

kehr  ermächtigt,  Die  unerledigten  Aufträge  durfte  er 
in  den  Händen  der  Rottischen  zurücklassen,  die  dadurch 
in  fortdauernden  Beziehungen  zu  dem  Kurfürsten  und 
seinem  Kammermeister  blieben. 

Die  nächsten  Jahre  waren  für  Rott  außerordentlich 
günstig.  Zwar  wenn  wir  den  Fuggerischen  Agenten 
Glauben  schenken  dürfen,  so  war  der  Rottsche  Geschäfts- 
betrieb auch  damals  ein  sehr  „seltsamer".  Wir  sehen, 
wie  die  Fuggerischen,  auf  Befehl,  den  sie  aus  Augsburg 
bekommen,  den  Rottischen  nur  mit  äufserster  Vorsicht  in 
ihren  Wechselgeschäften  dienen,  uud  sie  erklären  mehr 
als  einmal,  dals  es  gut  sei,  so  wenig  wie  möglich  mit 
Rott  und  seinen  Leuten  zu  thun  zu  haben.  Allein  da 
spielt  wohl  eine  gewisse  persönliche  Abneigung  hinein, 
die  schliefslich  in  beiden  Handelskontoren  unverkennbar 
ist.  In  Portugal  und  bei  den  dort  verkehrenden  fremden 
Kaufleuten  genofs  Konrad  Rott  jedenfalls  ein  grofses 
Ansehen  und  aufserordentliches  Vertrauen,  welches  von 
Jahr  zu  Jahr  anwuchs.  Eine  besonders  günstige  Kon- 
junktur bot  sich  ihm  durch  die  kriegerischen  Pläne  des 
jungen  Königs  Sebastian.  Schon  ein  Paragraph  seines 
Vertrages  verpflichtete  ihn  ja  zu  jährlichen  nicht  unbe- 
trächtlichen Lieferungen  an  Schiffs-  und  Kriegsbedarf; 
aber  während  der  Vorbereitungen  zu  dem  afrikanischen 
Feldzuge,  der  bei  Mazar-el-Kebir  ein  so  trauriges  Ende 
nahm ,  reichten  diese  Vorräte  bei  weitem  nicht  aus ,  und 
Rott  genofs  in  so  hohem  Grade  das  Vertrauen  des  Königs, 
dals  ihm  vor  allen  anderen  der  Löwenanteil  an  den  Auf- 
trägen der  Regierung  zufiel6).  Der  Gebrauch,  den  er 
davon  machte,  ist  einer  der  besten  Züge,  den  wir  von 
Rott  zu  berichten  haben.  Er  beruft  sich  bei  einer  späteren 
Gelegenheit  darauf,  dafs  er  diese  ganzen  Aufträge  zum 
besten  seines  Vaterlandes  und  für  dessen  Industrie  ver- 
wendet habe.  Es  wäre  ihm  ein  leichtes  gewesen,  schreibt 
er,  den  bedeutenden  Bedarf  an  blanken  und  an  Feuer- 
waffen, an  Zelten  und  an  anderer  Kriegsrüstung  im  Aus- 
lande aufzukaufen;  ja  es  seien  zum  Teil  diese  Artikel  der 
Regierung  etwas  theuerer  zu  stehen  gekommen  durch  ihn, 
aber   er   habe    es    eben   durchgesetzt,  dals  er  alles  aus 


6)  Vergl.  Rotte  Angaben  darüber  in :  Gespräch  so  der  Pasquinus 
mit  dem  Marpborio  auf  dem  Kapitol  zu  Rom  .  .  .  gehabt  (o.  O.  1580). 
Forderungen  Rotts  aus  diesen  Geschäften  werden  noch  nach  dem 
Bankerott  erwähnt.  Acta  priora  Fugger  contra  Rotten  curatores. 
Fugger-Archiv  2,  5,  1. 


Koiirad  Rott  und  die  Thttringische  Gesellschaft.  185 

Deutschland  beziehen  und  seinen  Landsleuten  diesen  Ge- 
winn zu  anderen  verschaffen  durfte.  Allerdings  griff  der 
König  bei  der  schnell  anwachsenden  Geldnot  in  den 
Pfefferkontrakt  ein  und  warf  eine  Anzahl  Tausend 
Zentner  zu  Schleuderpreisen  auf  den  Markt;  aber  Rott 
wurde  'dafür  natürlich  durch  Gewährung  anderer  Vor- 
teile entschädigt,  die  nach  seinen  eigenen  späteren  Äuße- 
rungen den  Verlust  vollkommen  aufwogen.  Noch  glänzen- 
der aber  gestalteten  sich  Rotts  Verhältnisse  nach  König 
Sebastians  Tode,  als  König  Heinrich  die  Regierung  über- 
nahm. 

Nach  einer  alten  Unsitte  verloren  mit  dem  Tode  des 
Königs  auch  alle  in  seinem  Namen  geschlossenen  Ab- 
machungen ihre  Giltigkeit.  So  wurde  denn  auch  Rotts 
Kontrakt  hinfällig,  bevor  die  bedungene  Frist  abgelaufen 
war.  Dies  scheinbare  Unglück  sollte  aber  durchaus  nicht 
zu  seinen  Ungunsten  enden.  Rott  mufs  sich  doch  in  den 
Beziehungen  zur  portugiesischen  Regierung  geschickt  und 
gewissenhaft  benommen  haben,  denn  König  Heinrich  be- 
rief ihn  unmittelbar  nach  der  Thronbesteigung  zu  sich 
und  bestätigte  ihm  nicht  nur  seinen  früheren  Vertrag, 
sondern  trug  ihm  sogar  zwei  neue  an:  der  eine  übertrug 
ihm  den  Vertrieb  des  Pfeffers  in  Europa  auf  weitere  drei 
Jahre  nach  dem  Ablauf  seines  bisherigen  Kontraktes, 
der  andere  brachte  auch  den  Gewürzeinkauf  in  Indien  in 
seine  Hände,  so  dafs  Rott  für  die  nächsten  fünf  Jahre 
alleiniger  und  fast  unbeschränkter  Herr  des  ganzen  Ge- 
würzmarktes der  AVeit  wurde.  So  wenigstens  erfaßte  er 
selbst  die  Sache;  denn  während  bisher  die  contractadores 
de  India  sich  nur  zum  Aufkauf  von  20000  Zentner  Pfeffer 
verpflichtet  hatten  und  die  Mehrproduktion  immer  wieder 
auf  dem  alten  Handelswege  über  Alexandria  nach  Venedig 
abgeflossen  war,  übernahm  es  Rott,  jährlich  30000  Zentner 
aufzukaufen,  eine  Summe,  die  kaum  jemals  wirklich  in 
einem  Jahre  zu  Markt  gekommen  war,  ausdrücklich  in 
der  Absicht,  dadurch  den  arabisch- venetianischen  Handel 
vollständig  abzusperren.  Gleichzeitig  erhielt  er  vertrags- 
weise das  Recht  zur  Einführung  von  jährlich  1000  Zentner 
Canel  und  als  Gnadenbeweis  die  Erlaubnis  zur  freien 
Einfuhr  von  300  Zentner  Gewürznelken.  Die  Haupt- 
gefahr dieses  Vertrages  lag  in  seiner  Großartigkeit,  denn 
er  erforderte,  ganz  abgesehen  von  den  Geldgeschäften 
mit  der  portugiesischen  Regierung,  die  Auslage  von  zwei 
vollen  Jahresquoten  in  Indien,  ehe  der  erste  Sack  Pfeffer 


18f5  Conrad  Eaebler: 

in  Lissabon  auf  den  Markt  gebracht  werden  konnte 
Darüber,  dafs  er  dies  Geschäft  allein  nicht  durchzuführen 
imstande  sei,  täuschte  sich  auch  Rott,  trotz  seines  an 
Leichtsinn  streifenden  Sanguinismus,  nicht,  vielmehr  suchte 
er  von  vornherein  fremdes  Kapital  in  das  Unternehmen 
hineinzuziehen,  aber  in  einer  solchen  Weise,  dafs  ihm 
selbst  möglichst  ungehindert  die  Leitung  des  Ganzen 
blieb.  Die  portugiesische  Regierung  unterstützte  ihn  in 
letzterer  Richtung  dadurch,  dafs  sie  erklärte,  die  Verträge 
würden  ausschließlich  mit  Konrad  Rott  beschlossen  und 
auf  seinen  und  seiner  Söhne  Namen  in  die  königlichen 
Bücher  eingetragen.  Auch  sollte  Rott  allein  in  Lissabon 
das  gesamte  Unternehmen  vertreten  und  seine  Teilhaber 
darauf  angewiesen  sein,  nur  mit  ihm  und  niemals  direkt 
mit  der  Regierung  zu  verhandeln.  Um  aber  auch  den 
anderen  Zweck,  den  Zufluls  fremden  Kapitals,  zu  erlangen, 
hatte  Rott  den  gesamten  Geldwert,  den  seine  Verträge 
repräsentierten,  in  dreifsig  Teile  geteilt.  Von  diesen  be- 
hielt er  zwölf  ein  halb  Teil  für  sich  selbst,  um  sich  die 
ausschlaggebende  Stimme  zu  sichern.  Von  dem  Reste 
aber  trat  er  zehn  Teile  an  die  Portugiesen  und  sieben 
ein  halb  Teil  an  die  Italiener  ab7)  und  räumte  ihnen 
neben  den  entsprechenden  Anteilen  am  Gewinn  auch  noch 
die  Rechte  ein,  dafs  in  der  Niederlassung,  die  Rott  zum 
Gewürzeinkauf  in  Cochin  errichtete,  neben  einem  deutschen 
Leiter  —  als  erster  wurde  Hans  Hartmann  Hyrus  er- 
nannt, der  vorher  in  dem  Comptoir  zu  Lissabon  beschäftigt, 
aber  schon  in  Rotts  Diensten  nach  Indien  gegangen  war  — 
ein  Portugiese  als  Kassierer  und  ein  Italiener  als  Buch- 
halter angestellt  werden  sollten. 

Allein  auch  so  noch  ging  das  Unternehmen  weit  über 
Rotts  Kräfte.  Man  bewunderte  wohl  seine  Kühnheit, 
man  beneidete  ihn  um  die  augenblicklichen  Erfolge,  allein 
man  traute  ihm  keineswegs  zu,  dais  er  die  Sache  zu  einem 
glücklichen  Ende  führen  werde,  vor  allem  deshalb,  weil 
er  zwar  grofs  war  im  Organisieren  auch  der  gewaltigsten 
Unternehmungen,  aber  unsicher  und  schwach,  wo  es  galt 
in  ruhiger,  ausdauernder  Energie  die  grofsen  Unter- 
nehmungen im  einzelnen  auszubauen.  Trotz  der  blenden- 
den Resultate  hielten  besonders  seine  deutschen  Lands- 


")  Nachträglich  fand  eine  Ausgleichung  des  italienischen  und 
portugiesischen  Anteils  statt,  so  dafs  jede  Nation  gleichen  Anteil 
erhielt.     Loc.  7411.     Port.  Handlungen  Bl.  354 ff. 


Konrad  Rott  and  die  Thüringische  Gesellschaft.  187 

lente  noch  immer  mit  ihrem  Gelde  zurück  und  gewährten 
ihm  nur  geringfügigen  Kredit.  Aus  dieser  zweifelhaften 
Lage  rettete  sich  Rott  mit  einem  Schlage  durch  einen 
Zug,  der  seinem  kühnen  Unternehmungsgeist  alle  Ehre 
machte. 

Seit  Hieronymus  Krämer  nach  Deutschland  zurück- 
gekehrt war,  hatte  Rott  wiederholt  Veranlassung  gehabt, 
dem  Kurfürsten  August  und  der  Kurfürstin  Anna  durch 
Ausführung  ihrer  Besorgungen  auf  den  spanischen  und 
portugiesischen  Märkten  gefällig  zu  sein,  und  dadurch 
war  er  mit  dem  Hofe  und  auch  mit  dem  kurfürstlichen 
Kammermeister  Harrer,  der  übrigens  mit  einem  von  Rotts 
Vettern,  dem  Georg  Rott,  verschwägert  war,  in  fort- 
dauernden Beziehungen  geblieben.  Diese  benutzte  er 
jetzt,  um  zunächst  dem  Kammermeister  Harrer  einen 
Anteil  an  dem  Pfefferhandel  anzubieten.  Seine  Vorschläge, 
von  denen  gleich  weiter  die  Rede  sein  wird,  waren  auch 
diesmal  wieder  von  phänomenaler  Kühnheit;  sie  sollten 
nichts  geringeres  als  eine  vollkommene  Umgestaltung  des 
mitteldeutschen  Handels  herbeiführen  und  natürlich  Schätze 
an  Gewinn  abwerfen.  Harrer  erklärte  zwar  schon  nach 
den  ersten  Eröffnungen,  dafs  die  Sache  für  ihn  zu  grofs- 
artig  sei;  er  that  aber  einen,  vielleicht  von  Anfang  an 
verabredeten  folgenschweren  weiteren  Schritt  in  der  An- 
gelegenheit: er  unterbreitete  sie  seinem  kurfürstlichen 
Herrn,  der  gerade  damals  in  vielfache  Handelssachen 
verwickelt  war,  und  suchte  dessen  Interesse  für  das 
Unternehmen  zu  gewinnen.  In  seiner  ursprünglichen  Ge- 
stalt ging  Rotts  Plan  nur  dahin,  in  sächsischen  Landen 
einen  neuen  Markt  für  die  Gewürze  für  Mitteldeutsch- 
land zu  schaffen,  den  er  ausschliefslich  mit  den  Erträg- 
nissen seines  indischen  Kontraktes  versorgen  wollte.  Seine 
sächsischen  Partner  sollten  sich  nur  verpflichten,  eine 
bestimmte  gröisere  Masse  von  Gewürzen  zu  festbestimmten 
Preisen  gegen  sofortige  Baarzahlung  zu  übernehmen,  den 
weiteren  Vertrieb  wollte  er  ihnen  vollständig  überlassen, 
auch  sich  verpflichten,  auf  keinem  deutschen  Markte 
weiter  Gewürze  zum  Verkauf  zu  bringen.  Das  sollte 
seine  Rache  sein  an  den  grofsen  Nürnberger,  Augsburger 
und  Frankfurter  Handelshäusern,  die  ihm  fortdauernd  jede 
Unterstützung  verweigert  hatten.  Als  Stapelplatz  hatte 
er  Torgau  ins  Auge  gefalst,  vor  allem  aus  dem  Grunde, 
damit  die  kostbare  Ladung  ausschliefslich  auf  dem  Wasser- 
wege befördert  werden  könne,  der  billiger  und  weniger 


188  Konrad  Haebler: 

durch  Zollschranken  belästigt  seis).  Das  Projekt  war  in 
dieser  Form  allerdings  noch  ziemlich  vage,  trotzdem  liels 
sich  nicht  verkennen,  dals  hier  zu  bedeutenden  Geschäften 
Gelegenheit  geboten  war.  Für  Kurfürst  August  fiel 
neben  der  Aussicht  auf  den  beträchtlichen  Handelsgewinn 
vor  allem  noch  der  Umstand  schwer  in  die  Wagschale, 
dals  das  Unternehmen,  wenn  es  gelang,  die  Vorherrschaft 
der  süddeutschen  Handelsstädte  durchbrechen  und  damit 
dem  eigenen  Lande  erhöhtes  Ansehen  und  groise  Vorteile 
verschaffen  mutete.  Er  scheint  denn  auch  mit  seiner 
Entscheidung  nicht  lange  gezögert  zu  haben.  Auf  Rotts 
Vorschläge,  die  an  Harrer  in  einem  Briefe  vom  14.  Januar 
1579  übermittelt  wurden,  erfolgte  am  15.  Februar  die 
Antwort,  die  Rott  zu  persönlichen  Verhandlungen  nach 
Torgau  berief. 

Am  11.  März  traten  in  Torgau  zusammen:  von  Bern- 
stein, Hans  Jenitz  und  Hans  Harrer  als  Abgeordnete  des 
Kurfürsten,  eine  Abordnung  der  Kaufmannschaft  von 
Leipzig  und  Konrad  Rott,  der  schon  zuvor  mit  Harrer 
allein  verhandelt  zu  haben  scheint.  Rott  trat  zuerst  wieder 
mit  seinem  obenerwähnten  Projekte  hervor:  er  wollte 
8000  Zentner  Pfeffer  zu  4128Ö0  Gulden,  800  Zentner 
Negel  zu  149  0G6  Gulden,  600  Zentner  Canel  zu 
103200  Gulden,  500  Zentner  Nuls  zu  78833  Gulden, 
200  Zentner  Macis  zu  51600  Gulden  und  800  Zentner 
Ingwer  für  28666  Gulden,  also  insgesamt  Gewürze  im 
Werte  von  947790  Gulden  von  Lissabon  oder  mit  15"/,, 
Vergütung  für  Fracht  und  Versicherung  bis  Hamburg 
liefern,  wenn  man  ihm  für  die  sogenannten  kleinen  Ge- 
würze (alles  mit  Ausnahme  des  Pfeffers)  die  halbe  Ein- 
kaufssumme vorschieisen,  den  Pfeffer  aber  nach  Ankunft 
in  Hamburg  baar  bezahlen  wollte.  Er  war  bereit,  sich 
an  dem  Verkaufsgeschäfte  zur  Hälfte  zu  beteiligen,  aber 
nur,  wenn  man  ihm  für  die  gelieferten  Gewürze  den 
Taxpreis  vorschußweise  auch  für  seinen  Halbteil  bezahlen 
würde.  Er  berechnete,  dals  auf  diese  Weise  ein  voraus- 
zuzahlendes Betriebskapital  von  236535  Gulden  von 
seiten  seiner  Partner  aufzubringen  sein  würde,  während 
er,  auiser  dem  gleichen  Kapital  auch  noch  den  Pfeffer 
bis  Hamburg  lieferte,  ehe  er  ihm  bezahlt  wurde.  In  einem 
zweiten  Vorschlage,  der  aber  ganz  auf  derselben  Basis  be- 


s)   Loc.  7411.    Port,  Handlungen  Bl.  -1  ff.  u.  ih.  Handlung  u.  Kon- 
trakt Bl.  2«  ff. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  189 

ruht,  reduzierte  er  das  Gesamtkapital  auf  857131  Gulden, 
indem  er  einen  Teil  der  Gewürze  zu  billigeren  Preisen 
zu  liefern  versprach.  Aber  auch  so  fanden  seine  Vor- 
schläge keine  Annahme.  Vor  allem  waren  es  die  Ver- 
treter der  Leipziger  Handelsschaft,  welche  weitläufige  Be- 
denken erhoben  und  damit  die  Verhandlungen  aufhielten ; 
doch  waren  auch  die  kurfürstlichen  Abgeordneten  wenig 
geneigt,  die  Vorschläge  in  ihrem  ganzen  Umfange  zu 
acceptieren.  Dagegen  scheinen  sie  allerdings  von  vorn- 
herein entschlossen  gewesen  zu  sein,  den  Teil,  der  sich 
auf  das  Pfeffergeschäft  bezog,  anzunehmen. 

Das  war  denn  auch  endlich  das  einzige  Resultat. 
Die  Beteiligung  der  Leipziger  scheiterte  vorläufig  daran, 
dafs  Rott  seine  Gewürzlieferungen  nicht  durch  Safran 
vervollständigen  konnte;  wenn  aber  dieses  zu  jener  Zeit 
außerordentlich  stark  verwendete  Gewürz  nach  wie  vor 
in  Nürnberg  gekauft  werden  müsse,  argumentierten  die 
Leipziger,  so  würden  auch  die  anderen  Gewürze,  da  man 
kein  Monopol  dafür  besäfse,  nach  wie  vor  dort  ihren 
Absatz  behalten.  Da  sie  nur  ganz  allgemein  gehaltene 
Vollmachten  besafsen,  demnach  auf  Einzelheiten  sich  ein- 
zulassen nicht  ermächtigt  waren,  scheinen  sie  am  15.  März 
von  den  Verhandlungen  zurückgetreten  zu  sein ,  mit  der 
Voraussetzung  jedoch,  dafs  dieselben  später  in  Leipzig 
wieder  aufgenommen  werden  sollten.  Das  Pfeffergeschäft 
aber  wollten  die  kurfürstlichen  Räte  sich  jedenfalls  nicht 
entgehen  lassen  und  setzten  deshalb  die  Verhandlungen 
auch  nach  der  Abreise  der  Leipziger  fort.  Über  die 
wesentlichen  Punkte  wurde  man  ziemlich  schnell  einig, 
nur  der  Preis,  zu  welchem  Rott  den  Pfeffer  liefern  sollte, 
machte  einige  Schwierigkeiten.  Im  ersten  Entwurf  hatte 
er  36  Dukaten  für  den  Zentner  begehrt,  im  zweiten  war 
er  auf  32  Dukaten  heruntergegangen,  aber  auch  das 
erschien  den  Kurfürstlichen  noch  zu  hoch.  Rott  behauptete 
dagegen  unter  diesen  Preis  nicht  herabgehen  zu  können ; 
ja  er  erbot  sich,  das  ganze  Geschäft  lieber  allein  zu 
machen  und  aufser  5°/0  Zinsen  jährlich  noch  60000  Gulden 
an  den  Kurfürsten  zu  zahlen,  wenn  dieser  ihm  nur  für 
jeden  Zentner  Pfeffer,  den  er  nach  Leipzig  lieferte, 
36  Dukaten  vorschieben  würde.  Obgleich  dabei  der  wunde 
Punkt  in  der  Rottischen  Unternehmung,  der  Mangel  des 
unbedingt  nötigen  Betriebskapitales,  sehr  deutlich  durch- 
schimmerte, verfehlte  dieses  Anerbieten  doch  nicht,  Ein- 
druck  auf  die   Unterhändler   zu   machen,    und   als   Rott 


[90  Konrad  Haeliler: 

ziemlich  überzeugend  nachwies,  dafs  man  mit  diesen 
Preisen  noch  immer  ohne  Schwierigkeiten  einen  Gewinn 
von  30°/0  werde  erzielen  können,  so  erfolgte  denn  auch 
darüber  eine  Verständigung. 

Am  17.  März  war  man  so  weit  gediehen,  dafs  es 
sich  nur  noch  darum  handelte,  die  Formen  für  das  ge- 
schäftliche Unternehmen  zu  finden.  Kurfürst  August  war 
bereit,  den  Geschäftsvertrag  mit  Rott  abzuschließen,  ja 
er  hätte  es  wohl  auch  unbedenklich  mit  offener  Nennung 
seines  Namens  gethan,  wenn  nicht  seine  Berater  bei  der 
monopolistischen  Tendenz  des  Unternehmens  Unzuträg- 
lichkeiten davon  befürchtet  hätten.  Er  erklärte  sich 
deshalb  denn  auch  einverstanden,  dafs  man  den  Schein 
einer  kaufmännischen  Handelsgesellschaft  vorschützen 
sollte,  nur  als  seine  Räte  vorschlugen,  dieselbe  die  „Dres- 
dener" Gesellschaft  zu  nennen,  fand  er  diesen  Namen 
unzweckmässig,  da  Dresden  als  Handelsplatz  zu  geringen 
Ruf  besäfse,  um  ein  Welthandels-Unternehmen  mit  seinem 
Namen  einzuführen;  lieber  möge  man,  da  eine  Leipziger 
Gesellschaft  noch  immer  für  den  Handel  mit  den  anderen 
Gewürzen  erhofft  wurde,  die  Pfeffer -Handelsgesellschaft 
die  Erfürtische  oder  Thüringische  nennen.  Für  letzteren 
Namen  entschieden  sich  die  Unterhändler  und  Kurfürst 
August  gab  dazu  am  25.  März  1579  seine  Zustimmung9). 
Schon  am  18.  hatte  er  erneut  die  drei  Unterhändler 
Bernstein,  Jenitz  und  Harrer  nicht  nur  zum  Abschluß 
des  Vertrages  in  seinem  Namen  bevollmächtigt,  sondern 
ihnen  auch  dauernd  die  Leitung  aller  aus  diesem  Ver- 
trage entstehenden  Geschäfte  übertragen  und  gewährte 
ihnen  in  Anerkennung  der  guten  Dienste,  die  er  von 
ihnen  erwartete,  r4  des  aus  allen  diesen  Geschäften  zu 
erzielenden  Gewinnes.  Dagegen  stellten  am  selben  Tage 
die  drei  Unterhändler  einen  Revers  aus,  worin  sie  er- 
klären, dafs  alles,  was  sie  mit  Konrad  Rott  abmachen, 
durchaus  nur  im  Namen  und  Auftrage  ihres  kurfürst- 
lichen Herrn  geschehe  und  dafs  ihnen  daran  kein 
weiteres  Recht  zustehe,  als  was  er  ihnen  gnädig  daran 
einzuräumen  für  gut  befinde. 

Nunmehr  erhielten  die  Abmachungen  die  vertrags- 
mäfsige  Form  und  wurden  am  21.  März  von  beiden  Teilen 
unterzeichnet.  Darin  verpflichtet  sich  Rott  jährlich 
8000  Zentner  Pfeffer  zu   liefern,   und   zwar  nicht  nach 


'->)  Hauptstaatsarchiv  Cop.  448  Bl.  94. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  191 

Torgau  oder  einem  andern  am  Wasser  gelegenen  Platze, 
wie  er  anfangs  begehrte,  sondern  nach  Leipzig;  darauf 
bestand  der  Kurfürst  mit  der  ausgesprochenen  Absicht, 
dem  seit  einiger  Zeit  darniederliegenden  Leipziger  Handel 
dadurch  zu  Hilfe  zu  kommen.  Man  erhoffte  mit  Recht 
einen  grofsen  Aufschwung  der  Geschäfte,  denn  Rott  sollte 
nicht  nur  in  Deutschland,  sondern  auch  in  Antwerpen 
seine  bisherigen  Niederlagen  aufheben  und  allen  Pfeffer, 
der  ihm  aus  seinen  portugiesischen  Verträgen  zustand, 
nach  Leipzig  wenden,  sobald  der  Absatz  eines  solchen 
Quantums  sich  als  möglich  herausstellte.  Sollte  dies  nicht 
der  Fall  sein,  dann  sollte  er  allerdings  das  Lager  in 
Leipzig  nicht  mit  mehr  als  den  bedungenen  8000  Zentnern 
belasten,  durfte  aber  den  Überschuß  nur  in  Lissabon, 
und  zu  höheren  Preisen,  als  die  der  Thüringischen  Ge- 
sellschaft bestellten,  losschlagen.  Auch  übernahm  er  für 
sich  und  seine  Teilhaber  au  den  portugiesischen  Verträgen 
die  Verbindlichkeit,  die  Absatzgebiete  der  Parteien  so 
zu  begrenzen,  dafs  den  Portugiesen  Spanien,  Portugal, 
Frankreich  und  England,  den  Italienern  Italien  mit 
allen  seinen  Inseln,  ihm  selbst  und  der  Thüringischen 
Gesellschaft  aber  Deutschland,  die  Niederlande,  Ostland 
und  Polen  zur  Ausbeute  überlassen  wurden.  Und  zwar 
sollte  jede  Partei  für  jeden  Zentner,  den  sie  außerhalb 
ihrer  Handelssphäre  verkaufte,  der  geschädigten  Partei 
10  Dukaten  Strafe  zahlen.  Der  Pfefferhandel  in  Leipzig 
war  in  folgender  Weise  gedacht:  Rott  lieferte  die  rohe 
Ware,  wie  sie  aus  dem  Indienhause  zu  Lissabon  kam,  auf 
seine  ausschließliche  Gefahr  bis  in  die  zu  errichtenden 
Handelsgewölbe  der  Gesellschaft  in  Leipzig  und  trug 
alle  bis  dahin  erwachsenden  Kosten  an  Fracht,  Zoll  und 
Versicherung  allein.  Erst  in  Leipzig  übernahmen  Harrer 
und  Genossen  die  Hälfte  des  Pfeffers  —  die  andere 
Hälfte  blieb  als  Geschäftseinlage  Rotts  Eigentum  —  zum 
Preise  von  50  Gulden  Rheinischer  Währung  für  den 
Zentner.  Der  Preis  setzt  sich  zusammen  aus  45  Gulden 
18  Groschen  2  Pfennige  für  den  Pfeffer  und  4  Gulden 
2  Groschen  10  Pfennige  an  Unkosten,  die  getrennt  zu 
buchen  sind,  da  Rott  für  seine  Einlage  die  Unkosten 
selbst  trägt  und  dieselbe  zum  Nettopreise  der  Gesell- 
schaft überlässt.  Von  dem  Erlös  werden  zunächst  5°/0 
Verzinsung  des  im  Lager  steckenden  Kapitals  jedem  zur 
Hälfte  zugesprochen,  dann  die  Auslagen  der  Gesell- 
schaft   gedeckt    und    der    verbleibende    Gewinn    geteilt. 


192  Konrad  Haebler: 

Die  Thüringische  Gesellschaft  verpflichtet  sich  aber 
für  allen  den  Pfeffer,  der  bis  zu  einer  der  Leipziger 
Messen  eingeliefert  ist,  dem  Rott  den  Nettopreis  vorzu- 
schieben; sollten  weitere  Pfeffersendungen  von  Lissabon 
unterwegs  sein,  ohne  zur  Messe  zurecht  zu  kommen,  so 
sollte  er  auch  darauf  30  Gulden  pro  Zentner  zuvor  er- 
halten, das  Kapital  aber,  bis  zum  Verkauf,  mit  5%  ver- 
zinsen, auch  sollten  erst  diese  Verläge  vom  Erlös  zurück- 
gezahlt werden,  ehe  Rott  seine  Zinsen  und  Gewinnanteile 
ausgezahlt  erhielt.  Um  das  Geschäft  zu  beginnen,  wird 
er  bis  zu  Ablauf  der  Ostermesse  1400  Zentner  Pfeffer 
liefern,  für  deren  vorläufige  Unterbringung  die  Thürin- 
gische Gesellschaft  Sorge  trägt. 

Diese  letzte  Bestimmung  war  in  dem  ganzen  Ver- 
trage der  springende  Punkt.  Denn  während  die  kur- 
fürstlichen Räte  in  dem  Glauben,  ein  glänzendes  Ge- 
schäft eingeleitet  zu  haben,  den  Vertragsschluss  durch 
ein  großartiges  Gelage  feierten,  waren  sie  im  Grunde 
genommen  gewaltig  von  Rott  düpiert  worden.  Der  Welt- 
markt war  durch  gute  Ernten  und  durch  gewaltsame  Ver- 
käufe, die  König  Sebastian  in  seiner  Geldnot  abgeschlossen, 
so  mit  Pfeffer  überschwemmt,  dafs  Rott  für  seinen  An- 
teil einen  baldigen  Absatz  nicht  mehr  finden  konnte. 
Diesen  bedurfte  er  aber,  um  für  die  Fortsetzung  des 
Handels  seinen  Anteil  der  Einlage  zu  beschaffen.  Die 
Thüringische  Gesellschaft  nahm  ihm  nun  sein  Pfefferlager 
ab  gegen  baar,  und  zwar  zahlten  sie  ihm  in  der  nächsten 
Messe  allein  67105  Gulden,  eine  Summe,  die.  seinem 
mäfsigen  Kredite  bedeutend  zu  Hilfe  kam.  Überdies 
wufste  er  es  den  Teilhabern  einleuchtend  machen,  dafs 
man,  um  weiteres  Sinken  der  Pfefferpreise  zu  hindern 
und  da  seine  Ernten  erst  allmählich  eintreffen  konnten, 
auf  andern  Plätzen  den  Pfeffer  aufkaufen  müsse,  um  den 
Kaufmann  zu  zwingen,  seinen  Bedarf  in  Leipzig  zu  decken, 
ein  Vorgehen,  dessen  Vorteile  wiederum  unmittelbar  nur 
Rott,  dem  Hauptverkäufer  des  Pfeffers,  zu  Gute  kamen. 
In  vollem  Umfange  konnte  freilich  damals  noch  niemand 
die  Absichten  Rotts  erkennen,  vielleicht  täuschte  er  sich 
sogar  damals  selbst  noch  einigermaßen  über  seine  Aus- 
sichten; denn  wenn  es  gelang  dem  Unternehmen  die  ge- 
plante Ausdehnung  und  feste  Gestalt  zu  geben,  so  konnte 
es  allerdings  ein  zwar  mit  allen  Merkmalen  der  verpönten 
Monopole  belastetes,  aber  doch  sehr  einträgliches  Ge- 
schäft werden.     Es  fragte  sich  nur,  ob  Rott  die  Macht, 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  193 

ja  ob  er  auch  nur  den  guten  Willen  besais,  neben  den 
unmittelbaren  eigenen  Vorteilen  auch  die  entfernteren 
seiner  Teilhaber  wahrzunehmen. 

In  Sachsen  wiegte  man  sich  wenigstens  vorläufig  in 
den  rosigsten  Täuschungen,  und  die  Wirkungen  des  Ver- 
trags nach  aulsen  hin  waren  ganz  dazu  angethan,  die- 
selben zu  befördern.    Der  Vertrag  mit  dem  Kurfürsten 

—  denn  dafs  dieser  hinter  der  Thüringischen  Gesellschaft 
steckte,  wird  Rott  gewils  selbst  mit  Geschick  zu  ver- 
breiten gewufst  haben  —  befestigte  unmittelbar  Rotts 
bereits  sehr  schwankenden  Kredit,  ja,  mehr  als  das:  die 
Nürnberger,  die  bereits  auf  den  Zusammenbruch  von 
Rotts  portugiesischer  Pfefferpacht  gerechnet  hatten,  ge- 
rieten in  helle  Wut,  als  diese  nun  nicht  nur  befestigt, 
sondern  der  ganze  Pfefferhandel  von  ihrer  Stadt  unwieder- 
bringlich abgelenkt  erschien.  Wenn  auch  einzelne  Firmen 
sich  den  Anschein  gaben,  die  veränderten  Verhältnisse 
anzuerkennen  und  ihre  Konjunkturen  darnach  einzurichten 

—  durch  Sixt  Adelgais  erboten  sich  Nürnberger  Kauf- 
herren, von  der  Thüringischen  Gesellschaft  die  Versor- 
gung der  Rhein-  und  Donauländer  zu  pachten10)  — ,  so 
war  dies  doch  wohl  nur  ein  Vorwand,  um  die  Gefühle 
des  Neides  und  der  Feindseligkeit  zu  verdecken,  mit 
denen  Rotts  Erfolg  sie  erfüllte.  Nur  einer  gönnte  ihm 
dieselben  in  vollem  Umfange  und  wufste  sich  auch  selbst 
noch  einen  Anteil  daran  zu  sichern,  das  war  Hans  Harrer. 

Während  die  Thüringische  Gesellschaft  alle  Ge- 
schäfte mit  Rott  gegen  bares  Geld  abschlofs,  verschaffte 
Harrer  sich  durch  persönliche  Abmachungen  mit  Rott 
einen  Absatz  für  seinen  Handel  mit  allerlei  Waren.  Er 
hatte  einen  Anteil  an  der  Ausbeute  der  Mansfelder 
Kupferbergwerke  in  seine  Hände  gebracht,  und  dazu 
auch  andere  —  darunter  auch  die  Grünthaler  —  Kupfer 
aufgekauft;  dafür  sollte  ihm  nun  Rott  einen  Absatz  im 
Süden  eröffnen,  denn  dort  wurde  Kupfer  seit  langer  Zeit 
aus  dem  Norden  bezogen,  und  Rott  selbst  hatte  solches 
schon  nach  Spanien  wie  nach  Portugal  verhandelt.  Als 
Zahlung  für  das  Kupfer  sollte  Rott  wiederum  von  Lissa- 
bon brasilischen  Zucker  zurückschicken,  und  damit  wollte 
Harrer  den  schon  einmal  mißglückten  Versuch  des 
Betriebs  einer  Zuckersiederei  in  Sachsen  erneuern. 
Auch  hierin  durfte   er  von  Rott   sachverständigen  Rat 


I0)  Loc.  7411.     Port.  Handlungen.  Bl.  304  f. 

Neues  Archiv  f.  Ö.  G.  u.  A.  XVI.  3.  4.  13 


1 !  1 1  Konrad  Haebler : 

erwarten,  hatten  doch  die  Rottischen  im  Jahre  1563  in 
Augsburg  die  erste  Zuckersiederei  auf  deutschem  Boden 
angelegt,  und  Konrad  Rott  selbst  hatte  damals  den  Ein- 
kauf des  Zuckerrohrs  und  Saftes  unter  sich  gehabt. 
Schon  im  April  gingen  die  ersten,  allerdings  noch  gering- 
fügigen Kupfersendungen  die  Elbe  hinunter  und  über 
Hamburg  nach  Lissabon,  während  Rott  im  Juni  sich 
rühmt,  seine  Leute  mit  dem  Ankauf  von  Brasilzucker 
im  Werte  von  8000  Gulden  beauftragt  zu  haben.  Ob 
er  freilich  hierin  aufrichtig  war,  ist  sehr  zu  bezweifeln, 
denn  Harrer  hat  niemals  von  dem  Zucker  etwas  zu 
sehen  bekommen11). 

Mit  den  Pfefferlieferungen  aber  machte  Rott  Ernst. 
Schon  am  4.  April  kamen  die  ersten  Säcke  davon  in 
Leipzig  an  und  wurden  bis  zur  Fertigstellung  der  im 
Gewandhause  vorgesehenen  Geschäftsräume  in  den  Ge- 
wölben der  Pleiisenburg  aufgespeichert.  Bis  zum  16.  Mai 
waren  897 12  Zentner  Pfeffer  und  507  72  Zentner  Canel 
dortselbst  angelangt12).  Daneben  aber  war  Rott  eifrigst 
bemüht,  die  bei  der  Thüringischen  Gesellschaft  errun- 
genen Erfolge  weiter  auszubauen.  Schon  in  Torgau  hatte 
er  zwei  weitere  Projekte  vorgebracht,  in  denen  er  unter 
dem  Deckmantel  der  Förderung  allgemeiner  Interessen 
seine  eigenen  Vorteile  geschickt  zu  fördern  verstand. 
Das  eine  betraf  die  Errichtung  einer  Wechselbank  in 
Leipzig,  um  durch  dieselbe  der  internationalen  Gestal- 
tung des  Gewürzhandels  zu  Hilfe  zu  kommen.  Er  schlug 
vor,  Harrer  oder  der  Kurfürst  sollten  50000  Gulden  zu 
diesem  Zwecke  dort  deponieren,  er  selbst  wolle  gegen  2% 
Provision  die  Versicherung  übernehmen,  wenn  man  nicht 
vorzöge,  das  Geschäft  ebenfalls  gemeinsam  zu  machen. 
Jedenfalls  aber  wolle  er  die  Verwechselung  nach  Spanien 
und  Italien  besorgen.  Vorwiegend  war  es  ihm  dabei 
gewiis  darum  zu  thun,  die  50000  Gulden  in  seine  Hände 
zu  bekommen,  was  ihm  aber  nicht  gelungen  ist.  —  Nicht 
minder  geschickt  war  das  andere  Projekt  ersonnen. 
Man  weife,  wie  unzufrieden  Kurfürst  August  mit  den  da- 
maligen Einrichtungen  der  Post  war,  eine  Unzufrieden- 
heit, die  allerdings  von  der  Gesamtheit  der  Handelswelt 
geteilt   wurde.     Rott  erbot  sich  nun,  auf  seine   Kosten 


")  Hauptstaatsarchiv  Loc.  7411.     Port.  Handlungen,  Bl.  64,  86, 
135  ff.,  348.  —  Fugger- Archiv  2,  5,  13.   Müller  an  Fugger  15.  Juli  1575. 
12)  Loc.  7411.    Port.  Handlungen  Bl.  42  ff. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  195 

eine  neue  Post  zwischen  den  sächsischen  und  oberdeut- 
schen Städten  und  von  da  nach  Italien  und  Spanien 
einzurichten,  wenn  ihm  nur  der  Kurfürst  die  kaiserliche 
Genehmigung-  erwirken  wolle.  Er  ist  wirklich  in  dieser 
Angelegenheit  im  April  am  kaiserlichen  Hofe  in  Prag 
gewesen  und  hat  mindestens  zum  Scheine  die  Verhand- 
lungen darüber  noch  lange  fortgesetzt.  Im  Oktober  be- 
hauptet er,  es  sei  nur  noch  eine  einzige  Stimme  im  kaiser- 
lichen Rate  dagegen  und  er  habe  die  bestimmte  Zusicherung 
der  baldigen  Genehmigung  erhalten.  Einen  Erfolg  haben 
auch  hierin  weder  seine  Bemühungen  noch  die  wieder- 
holten kurfürstlichen  Empfehlungsschreiben  erzielt13). 

Womit  aber  Rott  nach  dem  Torgauer  Vertrage  zu- 
nächst vor  allem  seine  Teilhaber  in  Atem  erhielt,  das 
war  die  Angelegenheit  der  kleinen  Gewürze.  Schon  auf 
der  Rückreise  von  Torgau  hatte  er  in  Leipzig  noch  ein- 
mal Halt  gemacht  und  in  erneuten  Verhandlungen  sich 
bemüht,  die  dortige  Kaufmannschaft  für  das  Projekt  einer 
Handelsgesellschaft  zum  Vertriebe  der  Droguen  und  kleinen 
Gewürze  zu  gewinnen.  Er  stiefs  damit  keineswegs  auf 
einen  geschlossenen  Widerspruch,  allein  ebensowenig  wollte 
es  ihm  gelingen,  die  vielen  verschiedenen  Ansichten,  die 
dort  laut  wurden,  unter  einen  Hut  zu  bringen.  Er  er- 
klärte deshalb  bald  darauf  an  Harrer  und  die  Thüringische 
Gesellschaft,  dafs  er  mit  den  Leipzigern  nicht  weiter  zu 
unterhandeln  imstande  sei,  und  forderte  sie  auf,  ihrerseits 
die  Sache  in  die  Hand  zu  nehmen  und  eventuell  mit  den 
Leipziger  Geschäftsleuten  über  deren  Beteiligung  sich  zu 
einigen.  Er  konnte  aber  selbst  auch  damals  noch  keines- 
wegs einen  bestimmten  überzeugenden  Plan  vorlegen, 
sondern  er  machte  nur  eine  Reihe  unterschiedlicher,  ziem- 
lich vager  Vorschläge,  an  denen  nur  das  eine  bezeichnende 
Merkmal  mit  groiser  Beständigkeit  wiederkehrte:  die 
Forderung,  ihm  eine  beträchtliche  Summe  zur  Einleitung 
des  Geschäftes  anzuvertrauen.  Damit  wollte  er  dann 
entweder  vom  Könige  von  Portugal  den  Droguenvertrieb 
für  Europa  für  ein  paar  Jahre  pachten  und  die  Sache 
ähnlich  wie  den  Pfefferhandel  einrichten,  oder  aber  er 
wrollte  auch  hier  den  Einkauf  in  Indien  in  seine  Gewalt 
bringen  und  damit  für  seine  Teilhaber  ein  Weltmonopol 
der  Gewürze  schaffen14). 

13)  Loc.  7411.      Port.  Handlungen  Bl.  56,  304  und  ebd.  Hand- 
lung und  Kontrakt  Bl.  98. 

u)  Loc.  7411.     Port.  Handlungen  BL  85  ff.,  118 ff. 

13* 


19G  Konrad  HaetnVr 

Die  Denkschrift,  mit  welcher  das  Projekt  dem  Kur- 
fürsten von  den  Herren  der  Thüringer  Gesellschaft  unter- 
breitet wurde,  läfst  nicht  verkennen,  daß  sie  dem  Grund- 
gedanken, der  Ablenkung  des  Gewürzhandels  nach  Leipzig, 
sehr  wohlwollend  gegenüberstanden ;  sie  konnten  aber  doch 
nicht  umhin,  den  hochfliegenden  Plänen  Rotts  ein  wenig 
die  Flügel  zu  beschneiden.  Die  Erfahrung  der  letzten 
Jahrzehnte  mit  Preisschwankungen  von  400  °/0  in  wenigen 
Wochen  hatte  gezeigt,  wie  außerordentlich  der  Handel 
mit  Droguen  von  der  Spekulation  abhängig  war;  auf  so 
unsicherem  Gebiete  große  Kapitalanlagen  auf  Jahre  vor- 
aus zu  bewilligen,  erschien  ihnen  mit  Recht  bedenklich. 
Sie  schlugen  allerdings  direkt  nur  ein  Geschäft  nach  Art 
des  Pfeft'ervertrages  vor,  worin  Rott  Auslagen  und 
Risiko  bis  zur  Lieferung  nach  Leipzig  tragen  sollte, 
allein  sie  ließen  nicht  undeutlich  durchblicken,  daß  man 
sich  auch  zu  einer  Beteiligung  an  der  Kapitalisierung 
des  Unternehmens  schließlich  wohl  werde  bereit  finden 
lassen,  und  diesen  Punkt  ergriff  Rott  natürlich  mit  be- 
sonderem Eifer. 

Über  diesen  Verhandlungen  gingen  die  Monate  April 
und  Mai  1579  dahin;  daneben  kaufte  Rott  in  Nürnberg, 
in  Frankfurt,  in  Venedig  größere  Quantitäten  von  Pfeffer 
auf,  dirigierte  ihn  an  die  Gesellschaft  nach  Leipzig,  ver- 
fehlte aber  natürlich  auch  nicht,  die  Wechsel  über  die 
Kaufsummen  der  Thüringischen  Gesellschaft  zur  Be- 
zahlung einzusenden.  Obwohl  er  so  an  80000  Gulden 
noch  auf  der  Ostermesse  erhob,  fand  doch  niemand  etwas 
Arges  dabei;  der  Pfeffer  der  nach  Leipzig  gelangte, 
bildete  ja  ein  wertvolles  Faustpfand:  so  öffnete  denn 
Kurfürst  August  seinen  Schatz  und  zahlte.  Die  ersten 
Mißhelligkeiten  stellten  sich  darüber  ein,  dafs  die  Ver- 
träge, die  Rott  mit  seinen  Teilhabern  in  Lissabon  be- 
schlossen hatte  und  die  er  auf  das  Drängen  der  Thürin- 
gischen Gesellschaft  endlich  vorlegte,  in  ihrem  Inhalte 
durchaus  unvereinbar  waren  mit  dem  in  Torgau  ge- 
schlossenen Vertrage.  Dazu  kam,  dais  der  Abschluß 
mit  der  Thüringischen  Gesellschaft  zwar  auf  allen  Messen 
lautes  Geschrei  hervorrief  und  heftiger  Anfeindung  be- 
gegnete, der  Pfeffer  aber  nach  wie  vor  zu  abnorm  billigen 
Preisen  und  in  großen  Massen  gehandelt  wurde.  Wenn 
man  sich  auch  über  die  letzteren  Umstände  leichtlich 
durch  die  Hoffnung  auf  eine  bessere  Zukunft  hinweg- 
setzte,  so  bedurften  doch  die  Widersprüche  in  den  Ver- 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft,  107 

trägen  einer  gründlichen  Aufklärung-.  Rott  war  auch 
sofort  bereit,  dieselbe  in  einer  neuen  persönlichen  Zu- 
sammenkunft zu  geben,  gewiis  nicht  zum  mindesten  in 
der  Hoffnung,  seine  weiteren  Projekte  dabei  zu  fördern. 
Am  29.  Juni  traf  er  wieder  in  Dresden  ein  und  scheint 
denn  auch  ohne  sonderliche  Mühe  die  Zweifel  seiner 
Partner  beseitigt  zu  haben,  indem  er  erklärte,  die  Ver- 
träge in  Portugal  seien  gleichzeitig  mit  den  Torgauer 
Abmachungen  beschlossen,  es  sei  daher  nicht  möglich 
gewesen,  sich  wegen  vollkommener  Übereinstimmung  zu 
verständigen;  er  werde  aber  die  Durchführung  im  Sinne  des 
Torgauer  Gesellschaftsvertrages  sofort  in  Angriff  nehmen. 
Weit  mehr  Zeit  verwendete  Rott  darauf,  den  Herren  der 
Thüringischen  Gesellschaft  den  Droguen  -  Handelsplan 
mundgerecht  zu  machen.  In  dem  Berichte,  der  über  die 
Verhandlungen  an  den  Kurfürsten  erstattet  wurde,  ist 
nur  im  Eingange  flüchtig  von  der  Ratifikation  des  alten 
Vertrages  die  Rede,  dann  aber  wird  weitläufig  über  die 
Aussichten  des  anderen  Handelsgeschäftes  berichtet.  Rott 
zeigte  sich  sehr  unterrichtet  über  die  Heimatsländer  jeder 
Art  von  Spezerei,  er  zählte  die  portugiesischen  Handels- 
faktoreien in  Indien  auf  und  verfehlte  natürlich  dabei  nicht 
in  sehr  ruhmrediger  Weise  seiner  eigenen  Niederlassung 
in  Goa  zu  gedenken15).  Dann  empfahl  er  unbedingt, 
das  ganze  Gewürzgeschäft  in  Indien  und  in  Europa  in 
eigenen  Händen  zu  monopolisieren;  seine  Partner  im 
Pfefferhandel  würden  sich  zuversichtlich  gern  in  dem- 
selben Verhältnisse  am  Gewürzgeschäft  beteiligen  und 
der  König  von  Portugal  werde  mit  einer  stattlichen  Ver- 
ehrung zu  einem  so  vorteilhaften  Vertrage  jedenfalls 
nicht  kargen.  Auch  die  Finanzfrage  stellte  er  in  der 
verlockendsten  Weise  dar:  die  12/o0  seines  Anteils  würden 
allerdings  etwa  400000  Thaler  jährlich  kosten,  allein 
man  werde  vom  König  von  Portugal  leicht  die  günstigsten 
Zahlungs-,  und  durch  seine  Leute  in  Indien  zweifellos  die 
billigsten  Einkaufsbedingungen  erlangen.  Einen  Effekt 
könne  das  Geschäft  allerdings  erst  binnen  zwei  Jahren 
erzielen,  da  die  nächsten  Schiffe  nach  Indien  erst  im 
März  1580  abgehen,  im  September  nach  Indien  gelangen, 
dort  im  Frühjahr  abfahren  und  im  August  1581  zurück- 
kehren; bis  dahin  könne  man  aber  durch  Aufkäufe  den 
Handel  in  Aufschwung  bringen  und  in  die  neuen  Bahnen 


15)  Loc.  7411.     Port.  Handlungen  Bl.  47 f. 


108  Konrad  HaeMer: 

lenken.  Er  begehrte  auch  vorläufig-  gar  keine  Kapital- 
beteiligung, vielmehr  möge  die  Thüringische  Gesellschaft 
erst  ein  halbes  Jahr  nach  Lieferung  der  Gewürze  zahlen; 
nur  als  Darlehn  möge  ihm  der  Kurfürst  in  Anbetracht 
der  grofsen  Auslagen,  die  das  Geschäft  ihm  verursachte, 
150  000  Thaler  zu  mälsigem  Zinse  vorstrecken  lassen16). 
Kaum  hörte  er  im  Laufe  der  Unterhandlungen,  dais 
der  Kurfürst  im  Begriff  stehe,  eine  Zusammenkunft  mit 
seinem  Schwager,  dem  Könige  von  Dänemark,  abzuhalten, 
so  war  er  auch  schon  mit  einem  neuen  Projekte  bei  der 
Hand,  um  auch  diesen  in  den  Kreis  seiner  Unterneh- 
mungen hineinzuziehen.  Der  Pfeffer-  und  Gewürzhandel, 
so  erklärte  er,  würde  ihn  im  Laufe  der  nächsten  Jahre 
nötigen,  sehr  bedeutende  Quantitäten  und  Werte  über  See 
zu  führen,  denn  er  beabsichtige,  alles  von  Lissabon  zu 
Schiff  nach  Hamburg  zu  transportieren.  Zu  diesem  Zwecke 
bat  er,  möge  der  Kurfürst  dem  Könige  von  Dänemark 
den  Vorschlag  unterbreiten,  diesen  Seetransport  zu  über- 
nehmen. Dänemark  sei  reich  an  Schiffen  und  tüchtigen 
Seeleuten,  und  diesen  wolle  er  einen  gesicherten  und 
lohnenden  Verdienst  verschaffen.  Er  schätzte  den  Import 
nach  Hamburg  auf  jährlich  800  000  Thaler;  wenn  nun 
der  König  Fracht  und  Versicherung  für  5  °/0  übernehme, 
so  würden  damit  jährlich  40  000  Thaler  zu  verdienen  sein, 
und  es  stünde  ganz  in  der  Macht  des  Königs,  ob  er  dazu 
drei  grofse  oder  eine  gröfsere  Anzahl  kleinere  Schiffe  be- 
schäftigen wolle,  je  nach  der  Gefahr,  die  er  mit  dem 
einzelnen  Schiffe  zu  übernehmen  sich  getraue.  Übrigens 
sei  er,  Rott,  auch  bereit,  die  Schifte  gegen  die  feste 
Summe  von  40000  Thaler  zu  mieten,  wenn  nur  der  König 
eine  billige  Entschädigung  für  etwaige  Verluste  nach  den 
Frachtbriefen  versprechen  wolle.  Die  Schiffe  könnten 
dann,  mit  Artikeln  des  Nordens  und  Ostens  befrachtet, 
im  August  von  Hamburg  abgehen,  im  Dezember  in  Lissa- 
bon sein;  dort  wolle  er  gern  den  Vertrieb  der  Waren  in 
Kommission  nehmen ;  Mitte  Februar  könne  dann  der  Rück- 
weg angetreten  werden,  und  im  April  würden  die  Schiffe 
noch  zeitig  genug  zurückkehren,  um  in  der  nordischen 
Sommerschifffahrt  einen  zweiten  Verdienst  zu  erwerben17). 
Die  Angelegenheit  wurde  gleich  noch  in  die  Form  eines 
Vertrages    gebracht    und   Kurfürst   August    hat    diesen 


I6)  Loc.  7111.     Pmt.  Ilandlnmri'ii  Bl.  98—101. 
")  Ib.  Bl.  107  ff. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  199 

wirklich  dem  König  von  Dänemark  übermittelt.  Das 
Interessanteste  daran  ist  jedenfalls  der  klare  Blick,  mit 
dem  Rott  die  notwendige  Entwickelung  voraussah,  zu 
welcher  der  deutsch-spanische  Seehandel  durch  den  Gang 
der  Ereignisse  gedrängt  wurde.  Ganz  wie  er  es  hier 
entwickelt,  hat  sich  Hamburg  in  den  nächsten  Jahrzehnten 
fast  ausschlieislich  des  spanischen  Handels  bemächtigt, 
der  in  Antwerpen  nicht  mehr  einen  festen  Stützpunkt 
finden  konnte ;  vorübergehend  hat  sogar  Dänemark  durch 
Errichtung  eines  hispanischen  Convois  sich  zum  Herrn 
und  Beschützer  dieses  Handels  aufgeworfen. 

In  seinem  eigenen  Geschäfte  freilich  mufs  Rott  diesen 
weiten  Blick  weniger  bethätigt  haben  oder  doch  nicht 
imstande  gewesen  sein,  seinen  umfassenden  Entwürfen  Ge- 
stalt und  Leben  einzuhauchen.  Eine  traurige  Illustration 
zu  seinen  kühnen  Plänen  bildet  die  damalige  Lage  seines 
Geschäftes,  die  wir  aus  anderen  Quellen  kennen  lernen. 
In  eben  diesen  Tagen  schrieb  ihm  der  Vorsteher  seines 
Hauptkontors  in  Augsburg,  Ulrich  Hörwart,  dafs  ein 
Wechsel  aus  Madrid  eingegangen  sei,  den  er  nicht  be- 
zahlen und  für  den  er  auch  keine  Deckung  finden  könne. 
Bereits  seit  Monaten,  ich  glaube  schon  vor  Abschlufs 
des  Torgauer  Vertrages,  kämpfte  Rott  gegen  die  Not- 
wendigkeit, seinen  Bankerott  zu  erklären,  und  zwar  nicht 
als  ein  redlicher  Mann  durch  gewissenhafte  Geschäfts- 
abwickelung, sondern  wie  ein  leichtfertiger  Spieler  durch 
die  schwindelhaftesten  Geschäfte,  die,  wenn  sie  ihm  in 
einem  Augenblicke  über  den  Berg  halfen,  ihn  rettungslos 
im  nächsten  in  den  Abgrund  ziehen  mufsten.  In  welchem 
geringen  Ansehen  sein  portugiesisches  Geschäft  bei  den 
deutschen  Häusern  auf  der  Pyrenäenhalbinsel  stand,  habe 
ich  schon  oben  erwähnt.  Schmutziger  Geiz,  unordentliche 
Wirtschaft  und  eine  geradezu  gemeine  Gesinnung  wird 
ihm  von  den  verschiedensten  Seiten  vorgeworfen.  Die 
Fugger  hatten  ihm  60  000  Gulden  geborgt  und  waren 
nie  zu  bewegen,  ihm  einen  gröfseren  Kredit  einzuräumen; 
welche  Bewandtnis  es  damit  hat,  dals  Rott  sich,  eben  in 
dieser  Zeit,  erbot,  mit  der  Handschrift  der  Fugger  dem 
Gerüchte  entgegenzutreten,  dafs  er  ihnen  Geld  schulde, 
vermag  ich  nicht  zu  ergründen.  In  ihrer  Unwahrheit 
spricht  die  Behauptung  durchaus  nicht  zu  Rotts  Gunsten. 
Nicht  minder  tief  steckte  er  bei  den  Imhofs  in  der  Schuld, 
und  nur  indem  er  ihnen  alle  erdenklichen  Sicherheiten 
aushändigte  und  alle  ihre  Forderungen  gewährte,  konnte 


200  Konrad  Haebler: 

er  von  ihnen  immer  von  neuem  Verlängerung  und  Aus- 
dehnung seiner  Verbindlichkeiten  erlangen.  Er  hat  sich 
später  bitter  beklagt,  dafs  die  Imhofs  als  Halsabschneider 
an  ihm  gehandelt  hätten,  und  es  läfst  sich  nicht  leugnen, 
dafs  sie  ihm  außerordentlich  drückende  Bedingungen  auf- 
erlegt haben.  Sie  hatten  aber  doch  dafür  wohl  eine  ge- 
wisse Entschuldigung,  da  niemand  so  gut  wissen  konnte, 
als  sie,  auf  welcher  wankenden  Grundlage  das  ganze 
Gebäude  der  Rottischen  Handlung  stand.  Auch  sonst 
war  er  vielen  Gläubigern  stattliche  Summen  schuldig, 
vor  allem  —  ein  wenig  ehrenhafter  Zug  -  -  hatte  er  alle 
Mitglieder  seiner  Familie  unter  schwindelhaften  An- 
erbietungen vermocht,  ihm  ihr  Geld  anzuvertrauen,  das 
so  gut  wie  alles  übrige  in  dem  Danaidenfässe  seiner 
Handlung  zerrann.  Unter  diesen  Umständen  hält  es 
schwer,  in  den  Vorschlägen  und  Plänen,  die  Rott  zu 
machen  nicht  müde  wurde,  etwas  anderes  zu  erblicken,  als 
den  Versuch,  auf  eine  oder  die  andere  Weise  sich  immer 
noch  einmal  ein  Darlelm,  und  damit  einen  Aufschub  für 
den  unvermeidlichen  Zusammenbruch  zu  verschaffen ls). 
Zu  einem  unmittelbaren  Resultate  führten  auch  die 
Verhandlungen  im  Juli  nicht,  obwohl  sie  sich  über  mehrere 
Wochen  ausdehnten.  Dennoch  kam  Rott  seinem  Ziele 
um  einen  guten  Schritt  näher.  Im  Prinzip  erklärte  sich 
die  Thüringer  Gesellschaft  auch  mit  dem  Projekte  des 
Droguenhandels  einverstanden;  nur  über  die  Modalitäten 
gelangte  man  noch  nicht  zum  Entschlufs.  Wiederum  waren 
Vertreter  des  Leipziger  Handelsstandes  berufen;  und 
wenn  der  Stand  als  solcher  auch  bei  seiner  Ablehnung 
beharrte,  so  erklärten  sich  doch  einzelne  Kaufherren  in 
solchem  Umfange  zu  einer  Beteiligung  bereit,  dafs  ein 
Zustandekommen  des  Unternehmens  in  der  Form  zu 
hoffen  war,  dafs,  wenn  Rott  die  Hälfte  des  Geschäfts 
übernahm,  wie  im  Pfefferhandel,  die  Thüringische  Ge- 
sellschaft ein  weiteres  Viertel  und  die  Leipziger  den  Rest 
einsehiefsen  sollten.  Unter  solcher  Beteiligung  wollte 
man  zunächst  einen  Versuch  mit  dem  Handel  bis  zur 
Höhe  von  120000  Thalern  machen,  nach  dessen  Ausfall 
würde  sich  dann  die  Entscheidung  über  die  Bildung  einer 
neuen  Gesellschaft  richten.  Rott  wäre  wohl  auch  darauf 
eingegangen,  wenn  er  nur  möglichst  bald  das  zum  Ankauf 


ie)  Vergl.  die  Aktori  über  Rotts  Bankerott  im  Stadtarchiv  zu 
Augsburg,  ad  a.  1580. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  201 

bestimmte  Geld  in  seine  Hände  bekommen  hätte ;  er  erbot 
sich,  dasselbe  gegen  8%  Spesen  nach  Lissabon  zu  ver- 
wechseln und  zu  versichern,  und  forderte  seine  Partner 
auf,  so  bald  als  möglich  im  Namen  der  neuen  Gesellschaft 
zwei  Mann  abzuordnen,  die  ihm  dort  bei  Einkauf  und 
Verfrachtung  der  Spezereien  behilflich  sein  und  das 
Interesse  der  Gesellschaft  wahrnehmen  sollten.  Aui'ser- 
dem  aber  sandte  er  wiederholt  brieflich  und  durch  eigene 
Boten  dringende  Bitten  um  das  beantragte  Darlehn  von 
150  000  Thalern.  Ja,  als  es  ihm  Harrer  im  Namen  der 
Thüringischen  Gesellschaft  endgültig  hatte  abschlagen 
müssen,  wandte  er  sich  mit  der  gleichen  Bitte  direkt  an 
den  Kurfürsten.  Allein,  obwohl  dieser  anfänglich  nicht 
ganz  abgeneigt  war,  seine  Bitte  zu  bewilligen,  erfolgte 
doch  auch  von  dieser  Seite  ein  abschlägiger  Bescheid,  als 
Kurfürst  August  erfuhr,  in  welchem  Sinne  die  Thüringische 
Gesellschaft  geantwortet  hatte. 

Über  diese  wiederholten  Abweisungen  verlor  endlich 
auch  Rott  sein  zuversichtliches  und  stets  gleichmütiges 
Auftreten.  Hatten  schon  seine  ewigen  dringlichen  Bitten 
um  Geld  die  Teilhaber  der  Thüringischen  Gesellschaft 
stutzig  gemacht,  so  drohte  jetzt  ein  offener  Konflikt  aus- 
zubrechen, als  Rott  sich  erlaubte,  am  29.  August  einen 
sehr  rücksichtslosen  Brief  an  Harrer  und  die  Thüringische 
Gesellschaft  zu  schreiben1").  Er  erklärte  darin,  dafs  er 
nunmehr  überhaupt  nichts  mehr  mit  dem  Droguenhandel 
zu  thun  haben  möge.  Während  er  bisher  stets  in  Aus- 
sicht gestellt  hatte,  demnächst  selbst  in  dieser  Angelegen- 
heit nach  Lissabon  zu  reisen,  meinte  er  jetzt,  die  Einlage, 
welche  die  Gesellschaft  leisten  wolle,  sei  so  geringfügig, 
dais  sie  die  weite  Reise  nicht  lohne;  sie  möchten  nur 
ihre  Abgeordneten  ruhig  daheim  lassen  und  das  bischen 
Spezerei  direkt  von  ihm  oder  durch  ihn  kaufen.  Kurz, 
er  liefs  seinem  Unmute  in  solcher  Weise  die  Zügel 
schiefsen,  dafs  die  Herren  der  Thüringischen  Gesellschaft 
nahe  daran  waren,  ihm  jede  Erweiterung  ihrer  geschäft- 
lichen Beziehungen  abzuschlagen.  Rotts  Rücksichtslosig- 
keit war  um  so  unkluger,  als  gerade  in  diesen  Tagen  die 
Thüringische  Gesellschaft  den  endgiltigen  Entschlufs  ge- 
faist  hatte,  an  dem  Spezereihandel  auch  ohne  alle  Bei- 
hilfe von  anderer  Seite  sich  zu  beteiligen.  Der  Brief, 
welcher  Rott  benachrichtigte,  dafs  ihm  zu  diesem  Zwecke 


10)  Loc.  7411.     Port.  Handlungen  Bl.  247. 


202  Konrad  Haebler: 

60  000  Gulden  auf  die  Frankfurter  Herbstmesse  ange- 
wiesen seien  und  dals  Harrers  Schwager,  Dr.  Michael 
Funk,  Mitte  September  in  Augsburg  eintreffen  werde, 
um  Rott  zur  Einleitung  des  neuen  Geschäftes  nach  Lissa- 
bon zu  begleiten,  kreuzte  sich  gerade  mit  jener  wenig 
verbindlichen  Absage  Rotts.  Er  beeilte  sich  denn  nun 
auch  aufserordentlich ,  den  peinlichen  Eindruck  dieses 
Briefes  zu  verwischen.  Unmittelbar  nach  Empfang  von 
Harrers  Ankündigung  ist  er  sofort  wieder  zu  dem  Ge- 
schäfte bereit.  Seinen  unfreundlichen  Brief  entschuldigt 
er  damit,  dafs  er  geglaubt  habe,  man  wollte  von  ihm  eine 
Geschäftseinlage,  wie  sie  die  Thüringische  Gesellschaft 
gab,  hier  in  barem  Gelde  beanspruchen,  und  dazu  sei  er 
im  Augenblick  wirklich  nicht  imstande  gewesen.  In 
Lissabon  aber  könne  er  bereitwilligst  seinen  Anteil  an 
Gewürzen  der  Unternehmung  zur  Verfügung  stellen,  um 
so  mehr,  als  ihm  eben  die  Nachricht  zugegangen  sei  von 
der  glücklichen  Ankunft  dreier  reich  mit  Gewürzen  be- 
ladener  Schiffe  in  Lissabon,  von  deren  Ladung  er  die 
ihm  zustellenden  5000  Zentner  Pfeffer  unmittelbar  nach 
Leipzig  überzuführen  beabsichtige. 

Es  scheint  ihm  gelungen  zu  sein,  damit  noch  einmal  die 
Bedenken  der  Thüringischen  Gesellschaft  zu  zerstreuen. 
Nicht  nur  60  000  Gulden  im  Namen  der  Thüringischen 
Gesellschaft  wurden  ihm  auf  der  Frankfurter  Herbst- 
messe ausgezahlt,  sondern  Harrer  gab  ihm  auf  vielfaches 
Drängen  noch  persönlich  einen  Wechsel  auf  die  Leipziger 
Fastenmesse  von  40000  Gulden  mit  der  Erlaubnis,  ihn 
in  Frankfurt  weiter  zu  begeben.  Und  wenn  wir  uns  die 
Instruktion  näher  ansehen,  mit  welcher  Dr.  Funk  um 
die  Mitte  September  nach  Augsburg  abgefertigt  wurde, 
so  kann  man  nicht  daran  zweifeln,  dals  die  Thüringische 
Gesellschaft  noch  ganz  im  Fahrwasser  der  Rottischen 
Projekte  dahinfuhr.  Allerdings  wurde  betont,  dals  Funk 
vorläufig  zu  keinerlei  Abschlüssen  im  Namen  der  Gesell- 
schaft ermächtigt  sei:  er  sollte  nur  sich  informieren,  bei 
allen  Handlungen  als  Zeuge  zugegen  sein,  sich  mit  den  Ge- 
schäften vertraut  machen.  Dennoch  nahm  die  Thüringische 
Gesellschaft  die  unmittelbare  Verwirklichung  der  Rott- 
schen  Pläne  über  den  Spezereihandel  als  so  selbstver- 
ständlich an,  dals  sie  Funk  beauftragte,  bei  den  bezüg- 
lichen Verhandlungen  zwischen  Rott  und  dem  Könige  als 
Zeuge  zu  fungieren  und  Abschriften  der  alten  und  neuen 
Verträge  für  die  Gesellschaft  sich  zu  verschaffen. 


Konrad  Rott  uud  die  Tliünni>isclic;  Gesellschaft.  203 

Dr.  Funk  brach  am  2.  September  von  Dresden  auf. 
Ihn  begleitete  ein  Sohn  des  Kammermeisters  Harrer,  der 
sich  schon  bei  Gelegenheit  der  früheren  Verhandlungen 
auf  drei  Jahre  zu  dem  Geschäfte  Rotts  in  Lissabon  als 
Handlungsdiener  verschrieben  hatte  und  nunmehr  mit 
Funk  gemeinsam  die  Reise  dahin  unternehmen  wollte. 
Als  sie  aber  am  22.  September  in  Augsburg  ankamen, 
fanden  sie  zur  Weiterreise  noch  nichts  vorbereitet.  Rott 
wollte  nicht  eher  nach  Portugal  aufbrechen,  als  bis  er 
mit  dem  Generalvertreter  seiner  italienischen  Teilhaber, 
dem  Giovambattista  Rovelasca,  eine  Zusammenkunft  ge- 
halten habe,  von  der  in  seinen  Briefen  schon  seit  Wochen 
die  Rede  war,  ohne  dafs  ein  Termin  dafür  bestimmt 
worden  wäre.  Unterdessen  unterhielt  er  Harrer  durch 
Auseinandersetzungen  darüber,  wie  er  dessen  Sohn  nicht 
nur  zu  einem  tüchtigen  Geschäftsmann,  sondern  gleich- 
zeitig zu  einem  feinen  Herrn  machen  wollte.  Den  jungen 
Harrer  brachte  er  in  die  Gesellschaft  der  ziemlich  gleich- 
alterigen  Söhne  seiner  Vettern  Georg  und  Erasmus,  und 
den  Dr.  Funk  überliefs  er  den  Angestellten  seines  Ge- 
schäfts, besonders  dem  mit  den  letzten  Schiffen  aus  Indien 
zurückgekehrten  Hans  Hartmann  Hyrus,  den  er,  wenn 
es  zweckmäßig  befunden  wurde,  auch  an  die  Thüringische 
Gesellschaft  zu  weiterer  Auskunft  abordnen  wollte.  Rott 
ahnte  wohl  kaum,  welchen  scharfen  Beobachter,  welch 
strengen  Beurteiler  er  an  seiner  Seite  hatte. 

Für  Dr.  Funk  bedurfte  es  nur  weniger  Tage,  um  sich 
ein  annähernd  richtiges  Urteil  nicht  nur  über  Rott  und 
das  Personal  seiner  Handlung,  sondern  beinah  über  die 
ganze  Lage  seines  Geschäftes  zu  bilden.  Obwohl  Rotts 
Leute,  offenbar  auf  höhere  Anweisung,  ihm  nur  sehr  all- 
gemein gehaltene  Auskunft  und  auch  diese  nur  in  den 
rosigsten  Färbungen  erteilten,  so  erhaschte  er  doch  oft 
genug  Worte  und  Sätze,  die  ihm  mehr  verrieten,  als  man 
ihm  mitzuteilen  für  gut  befand.  Schon  in  seinen  ersten 
Briefen  schreibt  er,  in  dem  Kontor  sei  nur  ein  einziger 
zuverlässiger  Beamter,  das  sei  der  Leiter  des  Ganzen. 
Ulrich  Hörwart;  die  anderen  seien  grofssprecherische  und 
leichtsinnige  junge  Leute,  nicht  zum  mindesten  jener 
Hyrus,  der  einen  durchaus  nicht  Vertrauen  erweckenden 
Eindruck  mache.  Das  Ansehen  des  Rottischen  Hauses 
sei  keineswegs  ein  bedeutendes;  die  Geschäfte  mit  der 
Thüringischen  Gesellschaft  hätten  allerdings  erheblich 
dazu   beigetragen,    es    zu    kräftigen,    aber   Rott    selbst 


2(H  Konrad  Haebler: 

stehe  durchaus  nicht  in  dem  Rufe  eines  gewissenhaften 
Geschäftsmannes.  Bald  hatte  er  Gelegenheit,  sich  per- 
sönlich davon  zu  überzeugen,  inwiefern  das  Renommee 
Rotts  begründet  war.  Er  entdeckte  nämlich  durch  die 
Fahrlässigkeit  von  Rotts  Leuten,  dafs  dieser  mehrfach 
in  direktem  Widerspruche  zu  den  Bestimmungen  des 
Torgauer  Vertrages  Handelsgeschäfte  gemacht  hatte.  So 
verkaufte  Rott  in  Antwerpen,  wo  er  doch  vertragsmäfsig 
keine  Geschäfte  mehr  machen  durfte,  120  Sack,  in  Köln 
115  Sack  Pfeffer  auf  eigene  Faust,  statt  sie  nach  Leipzig 
zu  senden,  und  überdies  an  oberdeutsche  Handelsherren, 
mit  denen  er  doch  auch  nur  durch  die  Thüringische  Ge- 
sellschaft hätte  handeln  dürfen.  Außerdem  kam  Funk 
dahinter,  dafs  Rott  auf  Kredit  von  seinen  auswärtigen 
Partnern  von  deren  Pfefferquoten  aufkaufte  und  nach 
Leipzig  sandte,  nur  weil  er  allein  von  der  Thüringischen 
Gesellschaft  für  jedes  Quantum  sofort  bare  Zahlung  er- 
hielt. Ja,  er  glaubte,  dem  Rott  direkte  und  absichtliche 
Täuschung  seiner  Thüringischen  Gesellschafter  nachweisen 
zu  können,  denn  während  er  diese  durch  die  Nachricht,  dafs 
Pfeffer  auf  dem  Weltmarkte  knapp  zu  werden  beginne,  zum 
Zurückhalten  mit  ihren  Vorräten  und  zu  weiteren  Auf- 
käufen ermunterte,  fand  Funk  aus  Rotts  eigener  Ge- 
schäftskorrespondenz die  Nachricht  von  Venedig  heraus, 
dafs  dort  zwei  Schiffe  von  Alexandria  mit  20000  Zentnern 
Pfeffer  erwartet  würden,  eine  Nachricht,  die  Rott  auf 
Harrers  besorgte  Anfrage  unbedingt  in  Abrede  stellte-0). 
Dabei  liefen  von  den  Messen  des  Herbstes  recht  be- 
unruhigende Gerüchte  ein.  Die  Einteilung  der  Provinzen 
für  den  Gewürzhandel,  eine  der  wesentlichsten  Voraus- 
setzungen für  das  Aufblühen  des  Leipziger  Handels- 
geschäftes, wurde  nicht  nur  von  den  neidischen  Frank- 
furtern und  Nürnbergern,  sondern  von  Rotts  eigenen 
Geschäftsfreunden  aus  Italien  und  Portugal  für  undurch- 
führbar erklärt;  Rott  selbst  mufste  eingestehen,  dais 
dieser  Paragraph  zwischen  seinen  auswärtigen  Teilhabern 
und  ihm  noch  nicht  definitiv  geregelt  war;  er  vertröstete 
dafür  wieder  auf  die  Ankunft  Rovelascas,  aber  Woche 
auf  Woche  verging,  ohne  dafs  dieser  sich  blicken  liefs. 
Zu  alledem  gingen  böse  Gerüchte  um  von  bedeutenden 
Verbindlichkeiten,  die  Rott  eingegangen  sei,  ohne  sie 
halten    zu   können,   Gerüchte,   die   diesem  selbst  so  be- 


w)  Loc.  741 J.     Port,  Handlungen  ßl.  296ff.,  37^  ff. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  205 

denklich  erschienen,  dals  er  sich  erbot,  in  persönlichen 
Verhandlungen  mit  der  Thüringischen  Gesellschaft  Wider- 
legung und  Beruhigung  zu  schaffen.  Funk  fand  alles  in 
der  Rottschen  Handlung  so  wenig  aussichtsvoll,  dals 
er  schon  von  Augsburg  aus  sich  erbot,  lieber  für  die 
Thüringische  Gesellschaft  direkt  nach  Indien  zu  gehen 
und  dort  Verbindungen  anzuknüpfen.  Das  Bedenken, 
Rott  werde  einen  solchen  Schritt  als  ein  Zeichen  des 
Mißtrauens  übel  vermerken,  widerlegte  er  damit,  dals  er 
durchaus  nicht  beabsichtige,  mit  Rotts  Hilfe  über  Lissa- 
bon dorthin  zu  gelangen;  dies  würde  ihm  allerdings  wohl 
nicht  gelingen,  denn  die  Rottischen  seien  solch  „wider- 
liches Gesindel",  dals  sie  ihn  wohl  selbst  bei  der  In- 
cmisition  verraten  würden ;  er  habe  aber  durch  eingezogene 
Erkundigungen  einen  anderen  kürzeren  und  sicheren  Weg- 
erfahren,  auf  dem  er  zum  besten  der  Thüringischen 
Gesellschaft  die  Reise  zu  wagen  bereit  sei.  Kurfürst 
August,  dem  fortdauernd  über  alle  Wendungen  des  Ge- 
schäfts Mitteilung  gemacht  wurde,  hat  einmal  seine  Ein- 
willigung gegeben,  dafs  die  Thüringische  Gesellschaft  die 
Hälfte  der  Kosten  von  Dr.  Funks  Indienreise  übernehmen 
solle,  bald  darauf  aber  wurde  Dr.  Funk  angewiesen,  vor- 
läufig die  Reise  nach  Lissabon  auszuführen  und  von  dort 
zunächst  wieder  nach  Leipzig  zurückzukehren. 

Immer  scheint  aber  auch  Dr.  Funk  die  geschäftlichen 
Aussichten  nicht  so  schwarz  aufgeiäfst  zu  haben.  Ulrich 
Kraft  nämlich  erzählt  uns  in  seinen  so  interessanten 
Denkwürdigkeiten21),  dafs  ihm  von  dem  Kammermeister 
des  Kurfürsten  August,  als  dieser  mit  seinem  Sohne  auf 
der  Reise  nach  Lissabon  eine  Zeit  lang  zu  Augsburg 
im  Rottischen  Hause  verweilte,  der  Antrag  gemacht 
worden  sei,  sich  für  den  zwischen  Rott  und  dem  Kur- 
fürsten schwebenden  Gewürzhandel  in  Lissabon  gebrauchen 
zu  lassen,  einen  Antrag,  den  er  nur  mit  Rücksicht  auf 
seine  schwankende  Gesundheit  ablehnte.  Hier  haben 
wir  es  offenbar  mit  einer  Verwechselung  zu  thun,  denn 
alle  Einzelheiten  passen  so  genau  zu  Dr.  Funks  Aufent- 
halt bei  Rott,  dafs  wohl  dieser,  der  ja  in  Harrers  Namen 
die  Anträge  an  Kraft  gestellt  haben  wird,  unter  dem 
dort  erwähnten  Kammermeister  zu  verstehen  ist. 

Schließlich  merkte  wohl  auch  Rott,  dafs  Funks  An- 
wesenheit in  Augsburg  seinen  Beziehungen  zur  Thürin- 


-1)  Bibliothek  des  lit.  Vereins  LXI,  368  f. 


206  Konrad  Eaebler: 

gischen  Gesellschaft  nicht  eben  förderlich  war,  und  suchte 
sich  seiner  zu  entledigen.  Wenn  er  auch  für  seine  Per- 
son noch  immer  die  Abreise  nach  Lissabon  von  Rovelascas 
Ankunft  abhängig  machte,  so  gab  er  sich  doch  den  An- 
schein, als  wenn  dieselbe  so  unmittelbar  bevorstünde, 
<lals  Funk  mit  dem  jungen  Harrer  in  Begleitung  des 
Hans  Hartmann  Hyrus  immer  vorausreisen  und  nach 
einem  Abstecher  über  Paris  in  Südfrankreich  mit  ihm 
zusammentreffen  sollte.  Am  23.  November  meldete  er 
nach  Dresden,  dafs  am  vorhergehenden  Nachmittage  die 
drei  ihre  Reise  angetreten  hätten.  Wir  erfahren  über 
dieselbe  fast  gar  nichts  weiter.  Die  Reisenden  scheinen 
glücklich  nach  Paris  gelangt,  und  nach  einiger  Zeit  weiter- 
gereist zu  sein.  Nach  Lissabon  kam  aber  nur  Hyrus. 
Funk  und  Harrer  sollen  bei  einer  Vergnügungsfahrt  auf 
dem  Meere,  die  sie  von  Bayonne  oder  S.  Sebastian  aus 
unternahmen,  ertrunken  sein. 

Unterdes  war  der  Pfefferhandel  in  der  Art  fort- 
gegangen, dafs  Rott  Ware  nach  Leipzig  geliefert  und 
das  Geld  empfangen,  dagegen  von  der  Eröffnung  des 
Verkaufes  in  Anbetracht  der  niedrigen  Preise  noch  immer 
abgeraten  hatte.  Schon  im  Juni  war  Melchior  Männlich 
als  Vorstand  der  Leipziger  Niederlage  von  Rott  und 
der  Thüringischen  Gesellschaft  angestellt  worden ;  ersterer 
versprach  ihm  weiterhin  noch  einen  Buchhalter,  Adam 
Hartlieb,  und  als  Kassierer  Paul  Grofs  zuzugesellen, 
während  die  Thüringische  Gesellschaft  den  Jörg  Schöller 
in  gleicher  Eigenschaft  in  Pflicht  nahm.  Die  Umbauten 
im  Gewandhause  waren  im  Oktober  zu  Ende  geführt, 
und  die  Thüringische  Gesellschaft,  die  ungeduldig  darauf 
wartete,  das  Geschäft  zu  eröffnen,  um  endlich  wieder 
zu  ihren  Auslagen  zu  gelangen,  erliels  dringende  Schreiben 
an  Rott,  er  solle  einen  Bevollmächtigten  senden,  damit 
der  vorläufig  ohne  Kontrole  in  der  Pleifsenburg  auf- 
gestapelte Pfeffer  nunmehr  der  Gesellschaft  unter  ge- 
nauer Nachwägung  übergeben  und  in  deren  Haus  über- 
führt werden  könne.  Aber  auch  dazu  fand  Rott  lange 
keine  Zeit,  dagegen  suchte  er  seine  Partner  bei  guter 
Stimmung  zu  erhalten,  indem  er  immer  neue  Geschäfte 
mit  ihnen  anknüpfte.  König  Heinrich  von  Portugal  hatte 
im  Laufe  des  Sommers  sowohl  eine  Anzahl  Büchsenläufe, 
als  auch  gröfsere  Quantitäten  an  Getreide,  Roggen  und 
Weizen,  bei  Rott  bestellt  und  diese  Aufträge  suchte  er 
mit  Hilfe  der  Thüringischen  Gesellschaft  oder  durch  Ver- 


Eonrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  20' 


mittelung  des  Kurfürsten  August  zur  Ausführung  zu 
bringen,  gewifs  hauptsächlich  damit  er  nicht  zu  sofortiger 
Baarzahlung  genötigt  werde.  Kurfürst  August  über- 
liefs  ihm  denn  auch  6000  Büchsenrohre,  die  er  nach  der 
ersten  Abmachung  durch  ebensoviel  neue  wieder  ersetzen 
sollte;  später  wurde  der  Kaufpreis  auf  den  Pfefferhandel 
überwiesen.  Auch  einen  Teil  des  Getreides  gestattete 
der  Kurfürst  in  Sachsen  aufzukaufen,  bewilligte  für  solches 
aus  Böhmen  freies  Geleit  und  verwendete  sich  für  die 
Ergänzung  des  Auftrages  beim  Könige  von  Dänemark. 
Der  Winter  scheint  aber  hereingebrochen  zu  sein,  ehe 
die  Ladung  in  Emden  auf  die  Schiffe  gelangte. 

Die  Pause,  welche  die  Jahreszeit  der  Schifffahrt  auf- 
erlegte, brachte  dann  auch  in  die  Beziehungen  Rotts  zur 
Thüringischen  Gesellschaft  größere  Ruhe.  Vor  dem  Schlüsse 
des  Jahres  konnte  noch  der  Pfeffer  der  Gesellschaft  in 
Leipzig  übergeben  werden,  aber  Rott,  der  in  der  ersten 
Zeit  so  schnell  bereit  gewesen  war,  nach  Dresden  oder 
Leipzig  zu  kommen,  hielt  sich  jetzt  ferne  und  gab  auch 
brieflich  kaum  Antwort  auf  die  Klagen  seiner  Gesell- 
schafter. Rovelasca,  dessen  Ankunft  so  oft  als  bevor- 
stehend angezeigt  war,  wollte  nämlich  noch  immer  nicht 
erscheinen,  und  unter  diesem  Vorwande  verzögerte  Rott 
von  Woche  zu  Woche  seine  Abreise.  Aber  nicht  nur 
das,  auch  die  definitive  Regelung  des  Pfeffer  Welthandels, 
die  Einteilung  der  Handelsprovinzen  harrte  aus  demselben 
Grunde  zum  grofsen  Verdrufs  der  Thüringischen  Gesell- 
schaft noch  immer  ihrer  Erledigung.  Auch  sonst  erfüllte 
Rott  den  Vertrag  nicht  pünktlich;  trotz  der  mehrfach 
bewirkten  Aufkäufe  erreichte  der  Pfeffervorrat  nicht  die 
vertragsmäßige  Menge  von  1400  Zentnern,  und  über  die 
Frage  des  Geschäftsbetriebs  hatte  Rott  sich  ebenso  wenig 
bestimmt  erklärt.  Kurz  die  Thüringische  Gesellschaft 
sah  mit  sehr  gemischten  Empfindungen  der  Entwickelung 
der  Dinge  entgegen,  und  hatte  schon  einen  guten  Teil 
des  anfänglich  fast  unbegrenzten  Vertrauens  zu  Rott  ver- 
loren. Aus  diesem  Grunde  wurden  jetzt,  freilich  etwas 
spät,  an  auswärtigen  Handelsplätzen  Erkundigungen  über 
Rott  eingezogen.  Das  erfahren  wir  durch  einen  Brief 
des  bekannten  Humanisten  Hubertus  Languetus,  der  am 
26.  Februar  1580  aus  Antwerpen  nicht  eben  viel  Tröst- 
liches   zu    berichten   wufste22).     Er   legte    zunächst    in 


92)  Loc.  7411.    Handlung-  und  Kontrakt  Bl.  126. 


208  Konvart  Haebler: 

vollem  Umfange  die  Schwierigkeiten  dar,  die  Rott  ans 
der  Übernahme  der  portugiesischen  Kontrakte  erwachsen 
mufsten,  besonders  auch  deshalb,  weil  er  unbedachtsam 
abgeschlossen  und  seinen  Vorteil  nicht  genügend  wahr- 
genommen hätte.  Die  Vergesellschaftung  des  Handels  mit 
Italienern  und  Portugiesen  wurde  seinem  Berichte  nach 
dem  Rott  vom  Könige  auferlegt,  da  es  sich  für  Rott 
sehr  bald  als  unmöglich  herausstellte,  allein  die  Verträge 
zu  erfüllen.  Seine  Lissaboner  Gesellschafter  aber  wären 
mit  ihm  nicht  weniger  unzufrieden  als  die  Thüringische 
Gesellschaft,  denn  auch  dort  befände  sich  Rott  in  be- 
ständiger Geldnot  und  schädige  durch  Anleihen  zu  un- 
verhältnismälsig  hohen  Zinsen  das  Ansehen  des  ganzen 
Unternehmens. 

Unter  solchen  Umständen  fand  sich  die  Thüringische 
Gesellschaft  selbstverständlich  zur  äufsersten  Vorsicht 
veranlaßt.  Das  Herannahen  der  Leipziger  Ostermesse 
nötigte  im  März  zu  den  ersten  Entschlielsungen.  Rott 
hatte  wiederum  geraten,  von  der  Eröffnung  des  Handels 
noch  abzusehen,  und  wenn  auch  Kurfürst  August  nicht 
umhin  konnte,  seinem  Unmute  darüber  Luft  zu  machen, 
dafs  das  Unternehmen  beständig  Geld  verschlinge  und 
noch  immer  keine  Aussicht  auf  Gewinn  eröffne,  so  wies  er 
doch  seine  Bevollmächtigten  an,  dem  Rate  Rotts  zu  folgen. 
Anders  stellte  er  sich  aber  zu  der  Frage  neuer  Zahlungen. 
Harrer  eröffnete  dem  Kurfürsten,  dafs,  wenn  Rott  den  Ver- 
trag 1580  erfülle,  man  400000  Thaler  im  Laufe  des  Jahres 
brauchen  werde,  die  vom  Kupferhandel  oder  anderen 
Geschäften  nicht  verfügbar  und  nur  durch  Kündigung 
bei  den  „der  Landschaft  verordneten  Obereinnehmern" 
flüssig  zu  machen  sein  würden.  Davon  aber  wollte  nun 
der  sparsame  Kurfürst  nicht  gerne  etwas  wissen.  Aller- 
dings fand  er,  trotz  mehrfacher  Vertragsverletzungen  von 
Seiten  Rotts,  zu  einer  Aufkündigung  des  Vertrages  keine 
rechte  Veranlassung,  denn  Rott  hatte  sich  noch  stets  mit 
scheinbar  triftigen  Gründen  zu  entschuldigen  gewufst  und 
Abhülfe  für  die  Zukunft  in  Aussicht  gestellt.  Allein 
ihm  weitere  Summen  anzuvertrauen,  trug  er  lebhafte  Be- 
denken. Auf  jeden  Fall  müsse  Konrad  Rott  auf  die 
Leipziger  Messe  zu  einer  persönlichen  Zusammenkunft 
mit  der  Thüringischen  Gesellschaft  vorgeladen  werden. 
Bei  der  Gelegenheit  möge  er  sich  dann  über  die  Ent- 
schädigung wegen  der  bisherigen  Benachteiligungen  er- 
klären, und  vor  allem  müsse  er  dort  unbedingte  Sicherheit 


Conrad  Rott  und  rtio  Thüringische  Gesellschaft.  209 

für  die  Einhaltung-  der  Provinzeneinteilung  gewähren,  ehe 
man  ihm  neue  Vorschüsse,  sei  es  in  Geld,  sei  es  in  Ge- 
treide oder  anderen  Waren  bewilligen  könne.  Noch  immer 
war  man  weit  entfernt,  einen  jähen  Zusammenbrach  zu  er- 
warten. Auf  der  Frankfurter  Fastenmesse  erhielten  Rotts 
Leute  nicht  nur  40000 .  Gulden  für  gelieferten  Pfeifer, 
sondern  als  Hieronymus  Frasi,  Rotts  dortiger  Vertreter, 
einen  ungedeckten  Vorschuls  von  5500  Gulden  erbat, 
um  den  durch  allerlei  Gerüchte  erschütterten  Kredit  auf- 
recht zu  erhalten,  wurden  ihm  auch  diese  bis  zur  Oster- 
messe in  Leipzig  dargeliehen.  Man  war  so  wenig  auf 
die  wirkliche  Lage  der  Dinge  vorbereitet,  dafs  selbst  die 
Nachricht  von  Rotts  plötzlicher  Abreise  nach  Portugal 
bei  der  Thüringischen  Gesellschaft  Glauben  fand. 

Die  erste  Kunde  davon  hatte  ein  Brief  des  Hierony- 
mus Frasi  gebracht,  der  von  den  Geschäften  auf  der 
Frankfurter  Fastenmesse  handelte,  eine  Bilanz  der  Ge- 
sellschafter gegen  Rott  erbat  und  beiläufig  erwähnte, 
Rott  sei  am  28.  März  abgereist,  um  erst  einen  seiner 
Schwäger  in  der  Schweiz  zu  besuchen  und  dann  nach 
Lissabon  weiterzureisen.  Ähnlich  meldete  Hans  Wolf 
Rotteubeck  aus  Nürnberg,  dafs  Rott  verreist  und  die 
Leitung  des  Geschäftes  seinem  Vetter  Erasmus  Rott  und 
dem  Ulrich  Hör  wart  übertragen  habe.  Selbst  Rotts 
Sohn  wufste  nichts  weiter  als  die  Abreise  seines  Vaters 
in  Geschäften  zu  vermelden.  So  traf  am  18.  April  die 
Nachricht  von  Rotts  angeblichem  Tode  die  Thüringische 
Gesellschaft  noch  ohne  alles  Arg.  Die  Anordnung  des 
Augsburger  Rates,  der  einen  Arzt  und  einen  reitenden 
Boten  nach  der  Schweiz  schickte,  wurde  so  erklärt,  als 
ob  man  fürchte,  Rott  sei  vergiftet  worden.  Selbst  die 
Nachricht  von  der  eigentümlichen  Art  seiner  Abreise 
—  Rott  sollte  den  ganzen  Tag  wortlos  umher  gelaufen 
sein  und  seine  Absicht  zu  verreisen  nur  dadurch  bekannt 
gegeben  haben,  dafs  er  sie  auf  sein  Pult  schrieb  —  er- 
weckte kaum  ernstere  Befürchtungen.  Allerdings  suchte 
Harrer  die  Thüringische  Gesellschaft  zu  decken,  indem 
er  einen  Boten  nach  Hamburg,  Bremen  und  Emden,  und 
einen  anderen  nach  Köln,  Antwerpen  und  Seeland  ab- 
fertigte, um  dort  Arrest  auf  Rotts  Eigentum  zu  legen; 
allein  er  dachte  so  wenig  an  einen  Zusammenbruch,  dafs 
er  an  Rotts  Sohn  das  Ansuchen  richtete,  den  Vertrag 
mit  der  Thüringischen  Gesellschaft  zu  halten  und  fort- 
zusetzen. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  3.  4  14 


OJO  Konrad  Haebler: 

In  Augsburg  wufste  man  freilich  weit  besser,  was 
man  von  Rotts  Verschwinden  zu  halten  hatte.  Am  Morgen 
nach  Rotts  Abreise  hatte  Ulrich  Hörwart  den  folgenden 
Zettel  auf  seinem  Pulte  gefunden:  „Wollet  zu  beden 
Herrn  Stadtpflegern  ghen  vnd  Ir  Gr.  u.  Hm.  anzaigen, 
wahin  Ich  verrukht  seye  Hab  es  von  wegen  der  weiber 
nit  dürften  offenbar  lassen  werden.  Bit  Sy  gantz  fraint- 
lich  sy  wollen  mir's  zue  vnglimpfen  nit  vftnemen,  will 
mich  auch  bald  fürdern  vnd  widerstöllen.  Ebenmässiger 
gestalt  den  Herrn  Gehaimen  jedem  insonderhait  vnd 
meine  schlissel  last  mihr  mein  blieben  dem  Hu.  Hans 
Welser  bringen,  darmit  sy  die  einemen  In  Ir  Verwarung 
behalten"  -:!).  Von  diesem  Augenblicke  an  übernahmen 
die  Stadtpfleger  die  Verwaltung  der  Rottschen  Masse 
und  Hörwart  wurde  von  ihnen  in  Pflicht  genommen. 
Das  war  schon  geschehen,  als  von  Frasi  die  Abrechnung 
über  die  letzten  von  der  Thüringischen  Gesellschaft  ge- 
leisteten Unterstützungen  anlangten,  die  die  Lage  der 
Masse  ja  wesentlich  verbesserten,  dagegen  allerdings 
eine  Einmischung  des  Kurfürsten  in  die  Abwickelung 
des  Bankerotts  erwarten  lieisen.  Hier  fand  natürlich  auch 
die  Nachricht  von  Rotts  Ende  eine  wesentlich  andere 
Beurteilung,  besonders  auch  infolge  der  absonderlichen  Art, 
wie  sie  dem  Rate  zuging. 

Am  Ostertage  lieferte  ein  Bote  ein  Schreiben  ab 
mit  folgender  Überschrift:  „Laus  deo  adj  den  Donners- 
tag in  der  nacht  vor  dem  heil.  Fest  Ostern  Im  Dorf  so 
genant  wird  zum  Polnstein  nit  weit  von  Chur.  Marx 
Wolfmüller  des  Herrn  Conrat  Roten  seligen  Contor  Jung 
an  Anthon  Christian  Rehlinger  und  Marx  Fugger  Statt- 
pfleger. Citissime,  citissime,  citissime".  Dies  Schreiben 
enthielt  die  Mitteilung,  dafs  Rott  am  Montag  vor  Ostern 
mit  dem  Burschen  aufgebrochen,  und  was  die  Pferde 
laufen  konnten  in  der  Richtung  auf  Mailand  davon  ge- 
ritten sei,  um  über  Genua  nach  Spanien  und  Portugal 
zu  reisen.  Am  Gründonnerstag  aber  sei  er  hier  ernstlich 
erkrankt,  und  nachdem  er  dem  Burschen  seinen  letzten 
Willen  diktiert,  um  Mitternacht  verschieden.  In  dieser 
letztwilligen  Verfügung-')  giebt  Rott,  nachdem  er  die 
Fürsorge  für  Weib  und  Kind  dem  Ulrich  Hörwart,  Hans 
Jakob  Rembold,  Mathäus  Welser  und  Hans  Lukas  Welser 
übertragen,    zunächst  einen  Überblick   über   den   Stand 


28)  Stadtarchiv  Augsburg.  ")  Ebenda. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  211 

seines  Geschäftes.  Er  betont,  dais  eine  endgiltige  Rege- 
lung- nicht  möglich  sein  werde,  bevor  die  Indienschiffe 
im  August  nach  Lissabon  zurückkehren  würden,  und  auch 
dann  würde  die  Regelung  sprach-  und  geschäftserfahrener 
Dolmetscher  bedürfen ,  wozu  er  in  erster  Linie  den 
Hieronymus  Rem  vorschlägt.  Seine  Aktiva  schätzte 
Rott,  ohne  die  Grundstücke  in  und  bei  Augsburg,  auf 
ca.  650000  Gulden;  diese  setzten  sich  aber  fast  durch- 
weg aus  unsicheren  Posten  zusammen.  Seinen  Anteil 
an  der  kommenden  Flotte  stellt  er  mit  214000  Gulden 
ein,  weitere  100000  sind  Aufsenstände  in  Lissabon,  fast 
ebensoviel  rechnet  er  für  zwei  grofse  Diamanten,  die 
aber  an  Imhof  verpfändet  waren.  Seinen  einzigen  freien 
Besitz  bildeten  3000  Zentner  Pfeffer,  die  noch  für  ihn 
in  Lissabon  lagern  sollten  und  die  er  sehr  hoch,  mit 
150000  Gulden,  einschätzt.  Nach  seiner  Darstellung 
betrugen  die  Passiva  nur  etwa  325000  Gulden;  aber  es 
lohnt  wohl,  sich  dieselben  etwas  näher  anzusehen.  Sein 
Hauptgläubiger  war  Karl  Imhof,  resp.  die  Firma  Hierony- 
mus Imhofs  sei.  Erben,  denen  er  zugiebt  144000  Gulden 
schuldig  zu  sein,  wofür  er  ihnen  aber  nicht  nur  die  beiden 
grofsen  Diamanten,  sondern  überdies  noch  2000  Zentner 
von  dem  im  August  erwarteten  Pfeffer  als  Sicherheit 
verschrieben  hatte.  Über  seine  Beziehungen  zu  Karl 
Imhof  sagt  Rott  in  den  Erläuterungen  zu  seiner  Bilanz: 

„Dargegen  aber  kann  ich  nit  verhalten  die  grofse  jämerliche 
schniderei,  dergleichen  zuvor  nie  erhört  worden,  so  er  mit  mir  geüeht, 
die  Ich  nit  allein  passieren  hah  müssen,  sonder  mich  genöt  ver- 
schreibung  zuverfertigen  vmb  Sachen,  die  Ich  nie  endtpfangen  noch 
gesehen ;  wie  dann  seine  2  Brüder  dessen  werden  zeugnus  wissen  zu 
geben,  dafs  er  mir  nit  allein  verdorben  Canel,  so  er  an  verlegner 
hailosen  waren  angestochen,  vnder  den  guten  verrechnet,  vnd  von 
stund  an  den  Canelkauf,  so  bis  in  100000  fl.  belaufen  thut,  vbersetzt, 
vnnd  von  stund  an  10%  aufs  gelt  geschlagen,  sondern  auch  alle 
2—3  monat  aberait,  Interesse  auf  Interesse  cargiert;  vber  das  hat  er 
in  verkauffang  des  pippers  in  "Venedig  mich  vmb  27%  vernachteilt, 
wie  es  denn  dem  Raimund  Imhof,  so  zur  selben  zeit  in  Venedig  ge- 
west,  wol  bewufst;  zu  dem  hab  ich  müssen  passieren  20  000  fl.  das 
er  allein  sich  gegen  den  Herrn  Fugger  neben  mir  vmb  diesen 
Spanischen  Wechsel  verschreiben.  In  Summa  Ich  hab  jm  gutgehaissen 
alles,  dann  ich  nie  im  sinn  gehabt  etwas  zu  halten,  defswegen  mein 
will  vnd  mainung  ist,  man  Jme  für  solliches  sein  jemerliche  wucher- 
liche conträct  laut  seiner  Contj  hieneben  60  000  fl.  abzuziehen,  darmit 
er  des  parfufs  geen  nach  dem  hailigen  berg  vberhebt  sey  vnd  mag 
wol  leiden,  ob  er  selber  will,  das  man  jme  von  anfang  von  jeder  post 
10  %  des  Jars  contiren  vnd  des  wechslen  sambt  den  nebenconträcten 
vnd  vbersetzung  aufslafs;  wirt  man  finden,  das  er  mich  mit  dem 
Canel  den  er  merteils  vmb  24  einthon  vnd  mir  vmb  31  verrechnet, 

II* 


)]o  Conrad  Haebler: 

meiner  jmmer  zwej  vnd  ain  halbes  Jar  genossen  90  000  h.  vnd  beger 
änderst  nit,  wie  gemelt  als  seine  selb  bruder  zu  Richter." 

Diese  Auslassungen  sind  bezeichnend  für  den  Cha- 
rakter des  ganzen  sogenannten  Testamentes  des  Konrad 
Rott;  sie  werden  noch  bezeichnender,  wenn  man  sie  mit 
den  bei  den  Akten  befindlichen  Rechnungen  Imhofs  ver- 
gleicht. Nach  diesen  nämlich  betrug  Rotts  Schuld  nicht 
144000  Gulden,  sondern  über  275  000  Gulden,  und  zwar 
seit  dem  August  1579,  ohne  dafs  Rott  weder  Zinsen  noch 
die  versprochenen  Abzahlungen  geleistet  hätte.  Rotts 
Behauptung  über  wucherische  Behandlung  findet  allerdings 
auch  in  diesen  Rechnungen  ihre  Bestätigung,  was  das 
vierteljährliche  Abrechnen  und  Zins  auf  Zins  schlagen 
anlangt ;  es  findet  sich  sogar  eine  Notiz  von  Marx  Fugger 
bei  den  Akten,  aus  der  hervorgeht,  dafs  die  Verwalter 
der  Masse  Rotts  Vorschlag  über  die  mit  Imhof  vorzu- 
nehmende Abrechnung  in  Betracht  gezogen  haben.  Aber 
auch  so  bleibt  Rotts  gewissenlose  Handlungsweise  unver- 
kennbar. Die  frivole  Bemerkung,  dais  er  nie  beabsichtigt 
habe,  seinen  Verpflichtungen  nachzukommen,  findet  sich 
noch  einmal  in  dem  Abschnitt  über  die  Schuld  an  seinen 
Vetter  Erasmus  Rott.  Dieser,  sowie  sein  Bruder  Nicolaus 
scheinen  sich  allerdings  Rotts  Leichtsinn  zu  Nutze  ge- 
macht zu  halten;  Nicolaus  hätte  nach  Konrad  Rotts  An- 
gaben allein  in  Geschenken  17  000  Gulden  erpreist;  Eras- 
mus hätte  sich  einen  Schuldschein  über  60000  Gulden 
ausstellen  lassen,  während  Rott  meint,  ihm  bei  genauer 
Abrechnung  nur  etwa  18000  Gulden  schuldig  zu  sein. 
Dagegen  hatte  sich  Erasmus  sowohl  gegen  die  Fugger, 
wie  gegen  Imhof  mit  für  seinen  Vetter  verbürgt  und  lief 
nunmehr  Gefahr,  durch  dessen  Bankerott  alles  zu  ver- 
lieren. Er  gehörte  deshalb  auch  zu  denen,  die  am  lautesten 
gegen  Rott  schrieen,  den  er,  wie  er  sagte,  wegen  seiner 
unwürdigen  Handlungsweise  nicht  mehr  Vetter  nennen 
könne.  Im  Grunde  aber  scheint  Erasmus  Rott,  der  in 
allen  Unternehmungen  seines  Vetters  mit  beteiligt  war, 
eine  sehr  ähnliche  Natur  gewesen  zu  sein,  wie  Konrad 
Rott.  Sein  erster  Gedanke  bei  der  Nachricht  von  Rotts 
Tode  war  der,  so  schnell  als  möglich  sich  nach  Lissabon 
zu  verfügen ,  um  dort  an  des  Verstorbenen  Stelle  in  den 
Pfefferkontrakt  einzutreten.  Daran  wurde  er  allerdings 
durch  die  anderen  Gläubiger  verhindert.  Imhof  erwirkte, 
auf  Grund  der  Mitverschreibung  des  Erasmus  auf  Konrad 
Rotts  Wechseln  einen  Haftbefehl  gegen  ihn,  der  erst  nach 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  213 

der  Regelung  der  Masse  aufgehoben  wurde,  nachdem  der 
Pfefferkontrakt  in  feste  Hände  gelangt  war.  Trotzdem 
hat  Erasmus  1582  noch  eine  Klage  gegen  Imhof  des- 
wegen in  Lissabon  anhängig  gemacht,  wie  es  scheint  aber 
ohne  Erfolg25). 

Auch  der  Thüringischen  Gesellschaft  gedenkt  Rott 
in  seinem  Testamente,  doch  zählt  er  sie  nicht  unter  seinen 
Gläubigern  auf,  sondern  meint,  mit  ihr  glatt  zu  stehen: 
auch  ein  Beweis  seiner  Leichtfertigkeit,  denn  er  schuldete 
ihr  nach  Abschätzung  von  sächsischer  Seite  nicht  weniger 
als  120  000  Gulden!  Dagegen  empfiehlt  er  seinen  Testa- 
mentsvollstreckern, den  Pfefferkontrakt,  dessen  Verfall 
ihm  offenbar  Sorge  machte,  der  Thüringischen  Gesellschaft 
anzubieten.  Er  konnte  freilich  nicht  wissen,  welchen 
verhängnisvollen  Einflufs  sein  Verschwinden  dort  ausgeübt 
hatte.  Der  Kammermeister  Harrer,  der  der  eifrigste 
Fürsprecher  des  Pfeffergeschäftes  mit  Rott  gewesen  war, 
der  ihm  persönlich  nicht  nur  seinen  Sohn,  sondern  auch 
den  gröfsten  Teil  seines  Vermögens  anvertraut  hatte,  über- 
lebte den  Zusammenbruch  nicht.  Obwohl  sonst  ein  Lebe- 
mann, der  sich  die  Sorgen  nicht  über  den  Kopf  wachsen 
liefs,  war  er  doch  nicht  gewissenlos  genug,  dem  Beispiele 
dessen  zu  folgen,  den  er  in  seinen  geschäftlichen  Unter- 
nehmungen sich  allerdings  zum  Vorbilde  erwählt  zu  haben 
schien.  Während  Rott  durch  das  ausgesprengte  Gerücht 
von  seinem  Tode  nur  den  Schimpf  seines  Bankerotts  zu 
verdecken  suchte,  glaubte  Harrer,  sein  geschäftliches 
Unglück,  das  aber  noch  nicht  einmal  seinen  Bankerott 
herbeiführte,  nicht  überleben  zu  können  und  gab  sich 
freiwillig  selbst  den  Tod.  Damit  aber  fiel  die  treibende 
Kraft  hinweg  in  den  Unternehmungen  der  Thüringischen 
Gesellschaft,  und  an  eine  Übernahme  des  ganzen  Pfeffer- 
handels durch  dieselbe  war  nicht  mehr  zu  denken. 

Die  Kunde  von  Konrad  Rotts  Ende  stiefs  in  Augs- 
burg sehr  bald  auf  begründete  Zweifel.  Es  stellte  sich 
nämlich  heraus,  dafs  manche  Angaben  des  angeblichen 
Testamentes  über  die  Vorgänge  bei  und  nach  Rotts  Tode 
erlogen  waren  und  weitere  Nachforschungen  an  Ort  und 
Stelle  ergaben,  dafs  Rott  sicher  nicht  in  der  Nacht  zum 
Charfreitag  gestorben  war,  denn  er  hatte  am  Ostertage 
in  Gesellschaft  seines  Gastwirtes  Jost  Fritsche,  Wirt  zur 
Glocke  in  Walenstadt,  die  dortige  Kirche  besucht  und  war 


m)  Akten  im  Stadt-Archiv  Augsburg  ad  a.  1592. 


:^14  Konrad  Haebler: 

am  nächsten  Tage  mit  seinem  Burschen  gesund  und  munter 
weitergereist.  Eine  gleiche  Kunde  lief  aus  Baltzers,  drei 
Meilen  von  Chur,  ein,  so  dafs  auch  Rotts  Angehörige  an 
seinen  Tod  nicht  länger  glauben  konnten  und  die  Trauer- 
kleider wieder  ablegten.  Dadurch  entstand  nun  eine 
rechtliche  Schwierigkeit.  War  Rott  gestorben,  so  hatten 
für  seine  unmündigen  Kinder  die  von  ihm  letztwillig  er- 
nannten Beschützer  in  den  Angelegenheiten  der  Geschäfts- 
regelung ein  gewichtiges  Wort  mitzusprechen,  während, 
wenn  er  nur  als  Bankerottem1  flüchtig  war,  die  Ordnung 
der  Geschäfte  weiter  den  Ratspflegern  und  den  durch 
diese  ernannten  Massenverwaltern  zustand.  Solange  man 
Sicheres  nicht  wufste,  half  sich  der  Rat  zu  Augsburg 
damit,  dals  er  die  von  Rott  ernannten  Vormünder  zwar 
anerkannte,  gleichwohl  aber  die  Ratspfleger  beauftragte, 
die  Liquidation  der  Masse  in  der  begonnenen  Weise  fort- 
zusetzen. Wenn  die  Thüringische  Gesellschaft  gehofft 
hatte,  die  Geschäfte  mit  Rotts  Söhnen  weiter  zu  führen, 
so  wurde  sie  jedenfalls  bald  enttäuscht.  Harrers  in  diesem 
Sinne  an  den  jungen  Rott  gerichteter  Brief  wurde  von 
Hörwart  den  Vormündern  übergeben,  von  diesen  aber  bei 
Seite  gelegt,  bis  man  über  Rotts  Schicksal  sichere  Kunde 
haben  werde.  Dagegen  gelang  es  der  Thüringischen  Ge- 
sellschaft, auch  aufser  dem  in  Leipzig  lagernden  Pfeffer, 
Pfänder  für  ihre  Forderungen  an  Rott  zu  schaffen.  So- 
wohl in  Antwerpen  wie  in  Rouen  war  Pfeffer,  welcher 
dem  Konrad  Rott  zustand,  für  die  Thüringische  Gesell- 
schaft mit  Arrest  belegt  worden,  sodafs  es  die  Verwalter 
der  Masse  in  ihrem  eigenen  Interesse  nicht  mehr  umgehen 
konnten,  die  Ansprüche  der  Thüringischen  Gesellschaft 
mit  in  Betracht  zu  ziehen.  Das  wurde  um  so  bedeutungs- 
voller, als  nach  nicht  gar  langer  Zeit  Rott  neue  Lebens- 
zeichen von  sich  gab  und  damit  die  Legende  von  seinem 
Tode  selbst  aus  der  Welt  schaffte. 

Das  erste  war  eine  kleine  Flugschrift,  die  ohne  An- 
gabe des  Druckortes  um  die  Mitte  des  Jahres  erschien 
unter  dem  Titel:  „Gesprech,  so  Pasquinus  mit  dem 
Marphorio  zu  Rom  vff  primo  July  defs  1580.  Jars  gehabt 
vber  der  handlung  vom  Herrn  Conrad  Rothen  aufs  dem 
Italienischen  ins  hohe  Deutsch  mit  fleifs  tranfsferirt."  In 
diesem  Libell  wird  mit  grofsem  Geschick  und  mit  einer 
so  eingehenden  Kenntnis  der  gesamten  Lage  die  Ver- 
teidigung des  Konrad  Rott  unternommen,  dafs  man  ihn 
als  Verfasser  vermuten  müfste,  auch  wenn  er  sich  nicht 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  215 

durch  seine  bekannte  Ruhmredigkeit  und  durch  die  wieder- 
holten Anklänge  an  sein  sogenanntes  Testament  als  solcher 
verriete.  Hier  schiebt  er  die  Schuld  an  dem  Bankerott 
auf  die  politischen  Verhältnisse  in  Portugal,  wo  im  Februar 
1580  König  Heinrich  gestorben  war  und  der  Ausbruch 
eines  Successionskrieges  bevorstand.  Schon  seit  dem  Ab- 
schluß des  Vertrages  mit  der  Thüringischen  Gesellschaft 
bildete  die  Entwickelung,  welche  die  portugiesische  Thron- 
folgesache nehmen  würde,  den  Gegenstand  lebhafter  Be- 
sorgnis, der  aber  Rott  stets  mit  den  sanguinischsten  Auf- 
fassungen entgegentrat.  Um  so  befremdender  mufs  es 
wirken,  wenn  er  jetzt  sich  den  Anschein  giebt,  als  habe 
er  sich  deswegen  tot  sagen  lassen,  damit  er  dem  Dilemma 
entgehe,  der  revolutionären  Regierung  in  Lissabon  Waffen 
gegen  Philipp  II.  liefern  zu  müssen,  was  er  persönlich  den 
Regenten  kaum  hätte  abschlagen  können,  während  seine 
Erben  nicht  dieselben  Verpflichtungen  der  portugiesischen 
Regierung  gegenüber  hätten.  Diese  Auffassung  wird  Rott 
wahrscheinlich  mit  Erfolg  vor  Philipp  II.  zur  Geltung  ge- 
bracht haben,  denn  dieser  hat  ihn  unmittelbar  nach  dem 
Bankerott  als  obersten  Fischmeister  in  seine  Dienste  ge- 
nommen und  ihm  weiterhin  das  Konsulat  für  die  Deutschen 
in  Lissabon  übertragen,  welches  Rott  bis  zu  seinem  im 
Jahr  1605  erfolgten  Tode  ausgeübt  hat26).  Nach  dieser 
captatio  benevolentiae  nach  der  Seite  des  Königs  von 
Spanien  fährt  dann  Rott  in  seiner  Flugschrift  fort,  sich 
seiner  Verdienste  um  die  kommerziellen  und  kommunalen 
Angelegenheiten  seiner  Vaterstadt  zu  berühmen.  Dafs  er 
dabei  seinen  Plan,  den  Gewürzhandel  den  Süddeutschen 
zu  entziehen  und  in  Leipzig  zu  monopolisieren,  nicht  er- 
wähnen konnte,  ist  einleuchtend.  Der  Thüringischen  Ge- 
sellschaft gedenkt  er  wieder  nur  flüchtig,  um  zu  erklären, 
dafs  er  auch  diesen  Vertrag  nur  deshalb  nicht  habe  er- 
füllen können,  weil  er  die  Person,  die  ihn  daran  ver- 
hinderte, nur  vor  dem  König  von  Portugal  hätte  belangen 
können.  Hier  giebt  er  wenigstens  zu,  dals  er,  wenn  auch 
nicht  der  Thüringischen  Gesellschaft,  so  doch  dem  Kammer- 
meister Harrer  persönlich  noch  „eine  Summe  Geldes  pro 
rest"  schuldig  bleibe.  Im  Übrigen  aber  widmet  er  sich 
und   seiner  Handlung   die  unbegrenzteste   Anerkennung, 

26)  Ein  Vergleich  der  Unterschrift  des  Konsuls  Corrado  Rott 
(Stadtarchiv  Danzig)  mit  den  eigenhändigen  Briefen  Rotts  im  K.  S. 
Hauptstaatsarchiv  beseitigt  jeden  Zweifel,  dafs  der  Konsul  mit  dem 
Kaufmann  identisch  ist. 


216  Konrad  Haebler: 

stellt  auch  hier  die  finanzielle  Lage  als  durchaus  günstig 
dar,  und  gipfelt  schließlich  in  der  Behauptung:  „vnd 
seines  gleichen  ist  nie  gewesen,  der  in  grossen,  wichtigen 
sachen  so  grols  hertz  gehapt,  als  eben  er." 

Auf  die  Herren  Eatspfleger  zu  Augsburg  verfehlte 
diese  Broschüre  vollkommen  ihren  Eindruck;  sie  liefsen 
sich  in  ihrer  wesentlich  abweichenden  Beurteilung  Rotts 
und  seines  Handels  durchaus  nicht  irre  machen,  und  als 
er  sich  im  August  erbot,  sich  persönlich  in  Augsburg  zu 
stellen,  wenn  man  ihm  sicheres  Geleit  versprechen  wolle, 
wurde  dieses  Anerbieten  einfach  von  der  Hand  gewiesen. 
Darauf  mag  Rott  wohl  dann  nach  Spanien  gegangen  und 
in  König  Philipps  Dienste  getreten  sein. 

Unterdessen  hatte  der  Rat  zu  Augsburg  den  Konrad 
Maier-7),  Raimund  Imhof  und  den  Schwager  Rotts,  Hans 
Lukas  Welser  mit  der  Verwaltung  der  Rottschen  Kon- 
kursmasse beauftragt  und  ihnen  auf  die  Reklamation  der 
Thüringischen  Gesellschaft  den  Hieronymus  Rem  und 
Hans  Hörwart  als  Vertreter  der  Ansprüche  der  letzteren 
beigeordnet.  Allein  es  stellte  sich  bald  heraus,  dnls  die 
Anordnung  der  Sache  wenig  förderlich  war.  Unter  den 
Augsburger  Handelsherren  fanden  sich  nämlich  sehr  bald 
einige,  die  geneigt  waren,  von  den  Rottschen  Kontrakten 
in  Portugal  zu  retten,  was  irgend  möglich  war;  dagegen 
hatte  begreiflicher  Weise  niemand  unter  ihnen  Lust. 
den  Thüringischen  Gesellschaftsvertrag  wieder  aufleben 
zu  lassen,  dessen  Spitze  ja  gerade  gegen  die  oberdeutschen 
Handelsherren  gerichtet  war.  So  erklärten  denn  schon 
am  19.  Juli  die  Vertreter  der  sächsischen  Partei,  dafs  es 
unmöglich  sei,  eine  Vereinigung  der  Ansprüche  aller 
Gläubiger  herbeizuführen,  und  baten,  da  die  anderen 
Verwalter  der  Masse  mit  ihnen  nicht  verhandeln  zu 
können  erklärten,  um  Enthebung  von  ihrem  undankbaren 
Auftrag28).  So  blieb  der  Thüringischen  Gesellschaft,  in 
welcher  nach  Harrers  Tode  Georg  Hermann  an  dessen 
Stelle  ernannt  worden  war,  nichts  weiter  übrig,  als  ihre 
Ansprüche  an  die  Masse,  für  welche  sie  übrigens  durch 
Pfänder  ausreichend  gesichert  war,  selbständig  zu  ver- 
fechten. Kurfürst  August  scheint  es  zunächst  damit 
weiter  nicht  eilig  gehabt  zu  haben.    Auf  die  Frankfurter 


27)  Später  tritt  an  dessen  Stelle  "Melchior  Hainhofer.   Loa  7411. 
Handlung  fol.  L83. 

2S)  Stadtarchiv  Augsburg. 


Konrad  Rott  und  die  Thüringische  Gesellschaft.  21? 

Herbstmesse  des  Jahres  1580  wurde  im  Auftrage  der 
Gesellschaft  Melchior  Männlich  abgeordnet,  und  der 
konnte  sehr  bald  die  Nachricht  an  seinen  Auftraggeber 
gelangen  lassen,  dals  ihm  von  verschiedenen  Seiten  An- 
gebote auf  die  zu  Leipzig  lagernden  Gewürze  gemacht 
worden  seien.  Allerdings  waren  die  Preise,  soweit  ihm 
überhaupt  solche  gestellt  wurden,  so  niedrig,  dafs  die 
Gesellschaft  für  ihre  an  Rott  gezahlten  Auslagen  noch 
nicht  einmal  voll  entschädigt  worden  wäre.  Deshalb  be- 
fahl ihm  auch  der  Kurfürst  auf  Bernsteins  Rat,  sich 
nach  keiner  Richtung  zu  binden,  sondern  die  Fortsetzung 
der  Verhandlungen  auf  die  Leipziger  Michaelismesse 
zu  vertagen.  Allein  auch  auf  dieser  kam  man  nicht  viel 
weiter,  da  die  fremden  Händler  meinten,  die  Thüringische 
Gesellschaft  werde  ihr  Lager  um  jeden  Preis  räumen 
müssen ,  und  in  Folge  davon  keine  anständigen  Preise 
bezahlen  wollten.  Dieses  fortwährenden  Feilschens  und 
Marktens  wurde  endlich  der  Kurfürst  überdrüssig.  Schon 
am  14.  Oktober  erklärte  er  deshalb  in  dem  als  Einlei- 
tung angefühlten  Schreiben,  dals  er  mit  den  Handels- 
angelegenheiten nichts  weiter  zu  thun  haben  wolle,  und 
am  15.  Januar  1581  wies  er  den  aus  den  Vorräten  der 
Thüringischen  Gesellschaft  zu  erzielenden  Erlös  zum 
Besten  der  Hospitäler  des  Kurfürstentums  an,  um  damit 
demonstrativ  jedes  eigene  Interesse  an  der  ferneren  Ent- 
wickelung  der  Angelegenheit  abzulehnen.  Die  Regelung 
derselben  liefs  denn  nun  auch  nicht  mehr  lange  auf  sich 
warten.  Sie  wurde  wesentlich  erleichtert  dadurch,  dafs 
mittlerweile  aus  Rotts  Gläubigern  eine  neue  Gesellschaft 
zur  Fortführung  des  Pfefferhandels  sich  gebildet  hatte. 
In  Lissabon  hatten  sich  die  königlichen  Beamten  die 
gröfste  Mühe  gegeben,  eine  solche  Lösung  herbeizuführen, 
ja  man  behauptete,  wenn  Rott,  statt  sich  tot  zu  melden, 
selbst  nach  Lissabon  gegangen  wäre,  so  würde  man  ihm, 
trotz  des  schlechten  Rufes,  den  er  um  seines  Geizes 
und  seiner  beständigen  Geldnot  willen  genofs,  doch  alle 
denkbaren  Erleichterungen  bewilligt  haben,  um  nur  den 
Fortbestand  des  Kontraktes  zu  sichern.  Aus  diesem 
Grunde  konnte  ja  auch  Erasmus  Rott  gegen  die  Imhof 
klagbar  werden,  dafs  nur  deren  Haftbefehl  gegen  ihn 
den  Verfall  des  Kontraktes  bewirkt  habe.  So  war  also 
der  Boden  vorzüglich  vorbereitet,  um  einer  neuen  Pfeffer- 
gesellschaft die  Anfänge  zu  erleichtern.  Giovanni  Battista 
Rovelasca,    der    Leiter    der    Geschäfte    des    Mailänder 


218         Konr.  Haebler:  Konr.  Rott  u.  d.  Thür.  Gesellschaft. 

Hauses  der  Litta,  war  ja  schon  an  dem  Rottschen  Handel 
hervorragend  beteiligt  gewesen;  er  scheint  die  Seele  des 
neuen  Unternehmens  geworden  zu  sein,  zu  welchem  er 
sich  die  Beihülfe  der  bedeutensten  Geldmacht  der  da- 
maligen Zeit,  der  Fugger,  zu  sichern  wufste2").  Rovelasca 
erwarb  zum  Preise  von  130000  Dukaten  von  den  Kura- 
toren der  Rottschen  Masse  alle  dessen  Anrechte  an  den 
Pfeiferhandel,  den  er  mit  Fugger  zusammen,  aber  mit 
keinem  sonderlichen  Erfolge  bis  zum  Jahre  1591  fort- 
gesetzt hat.  Im  Interesse  dieser  Gesellschaft  lag  es  nun 
natürlich  auch,  die  noch  vorhandenen  Gewürzvorräte 
nicht  in  die  .Hände  mifsgünstiger  Konkurrenten  gelangen 
zu  lassen.  Überdies  waren  wohl  auch  die  geldmächtigen 
Fugger  unter  allen  Handelsherren  diejenigen,  welche  der 
Thüringischen  Gesellschaft  die  günstigsten  Bedingungen 
bieten  konnten.  Sie  scheinen  sehr  bald  mit  derselben 
einig  geworden  zu  sein  und  haben  für  194611  Gulden, 
zahlbar  in  vier  vierteljährlichen  Terminen,  die  in  Leipzig 
lagernden  Vorräte  gekauft. 

So  endeten  die  Unternehmungen  der  Thüringischen 
Gesellschaft;  ihr  Mifserfolg  war  allerdings  zum  Teil  wohl 
in  der  ungenügenden  Vorbereitung  des  ganzen  Geschäftes 
begründet,  das  von  Rott  wahrscheinlich  von  vornherein 
nicht  ernst  und  gewissenhaft  in  Angriff  genommen  wurde; 
dennoch  hätte  dasselbe  grofse  Wandlungen  im  Gange 
des  Welthandels  herbeiführen,  den  sächsischen  Landen 
und  besonders  den  Leipziger  Messen  außerordentliche 
Vorteile  bringen  können,  hätte  Rott  nicht  ebenso  leicht- 
fertig, wie  er  es  begonnen,  das  Unternehmen  wieder  im 
Stich  gelassen.  Rott  fesselt  unser  Interesse  durch  die 
Grofsartigkeit  seiner  Pläne,  durch  die  außerordentliche 
Kühnheit,  mit  der  er  fort  und  fort  neue  Aufgaben  erfafst 
und  in  den  Bereich  seiner  Unternehmungen  hineinzieht; 
allein  er  ist  dennoch  nicht  eigentlich  ein  großartiger  Kauf- 
herr, sondern  mehr  nur  ein  Beispiel  der  wilden  Spekulation, 
zu  welcher  die  Handelswelt  des  16.  Jahrhunderts  durch 
die  aller  Orten  bestehenden  Monopole  verführt  wurde, 
gegen  die  Kaiser  und  Reich  seit  Jahrzehnten  ankämpften, 
ohne  ihnen  doch  ernstlich  beikommen  zu  können. 

:')  VefgL  F.  Dobel,  Über  einen  Pfefferhandel  der  Fugger 
und  Welser  1586—1591.  In:  Zeitschrift  des  bist.  Ver.  f.  Schwaben 
und  Neuburg  XIII,  125  ff. 


VIII. 

Arnold  von  Westfalen  und  die  Rocklitzer 
Kunigundenkirche. 

Von 
W.  C.  Pfau. 


Steche,  der  verdienstvolle  Forscher  auf  dem  Gebiet 
der  sächsischen  Baukunst,  behandelt  im  14.  Heft  des  um- 
fassenden Werkes  „Beschreibende  Darstellung  der  älteren 
Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Königreichs  Sachsen"  die 
Amtshauptmannschaft  Rochlitz.  Leider  gehört  gerade  die 
Untersuchung  über  dieses  baugeschichtlich  so  wichtige 
Gebiet  unter  die  letzten  Forschungen  des  gründlichen 
Gelehrten.  Als  er  in  der  ßochlitzer  Gegend  thätig  war, 
kämpfte  er  schon  mit  jener  tückischen  Krankheit,  die 
seine  letzten  Lebensjahre  so  sehr  verbitterte  und  ihn 
schliefslich  viel  zu  früh  seinem  Wirkungskreise  entrifs. 
Dieses  lange  Leiden  ist  wohl  der  Grund,  dafs  Steche  in 
dem  genannten  14.  Heft  nicht  immer  seine  sonstige  gründ- 
liche Genauigkeit  beibehalten  hat.  Es  finden  sich  hier 
ziemlich  viel  thatsächlich  falsche  Angaben;  gar  manches 
ist  unberücksichtigt  und  unerwähnt  geblieben,  was  einer 
Buchung  durchaus  bedurft  hätte,  und  mehrfach  erscheinen 
Urteile  als  übereilt,  zum  mindestens  als  recht  schwach 
begründet.  Als  ein  solches  Urteil  müssen  wir  das  hin- 
stellen, welches  Steche  über  die  Rochlitzer  Kunigunden- 
kirche gefällt  hat.  Nach  seiner  Untersuchung  soll  die 
Kunigundenkirche  in  ihrem  gotischen  Bestand  ein  einheit- 
licher Bau  sein,  der  von  einem  Werkmeister  Arnold  von 
Westfalen  geschaffen  und  1476  beendet  worden  wäre. 


220  W.  C  Pfau: 

Diese  Ansicht  kann  unsers  Erachtens  nach  unmöglich 

richtig  sein.  Vielmehr  sind  Schiff  und  Chor  zwei  ganz 
verschiedene  Bauten,  die  unmöglich  zu  gleicher  Zeit  nach 
dem  Entwurf  eines  und  desselben  Meisters  entstanden  sein 
können. 

Ein  altes  verlorenes  Rochlitzer  Stadtbuch,  auf  welches 
die  Chronisten  zurückgehen,  berichtet,  der  Chor  wäre 
1417  erbaut.  Das  Schiff  trägt  auf  einem  Schlufsstein  die 
Jahreszahl  1476.  Diese  beiden  Angaben  kennt  Steche 
auch;  jedoch  sagt  er,  die  Architektur  des  Chores  wider- 
spräche der  Angabe  jenes  Buches.  Der  Chor  w7äre  1417 
vielleicht  gegründet,  aber  erst  1471  —  seiner  Architektur 
nach  —  erbaut  worden.  Da  es  sich  hier  in  Bezug  auf 
den  Chorbau  um  Widerlegung  einer  urkundlichen  Zeit- 
angabe handelt,  so  wäre  es  doch  sehr  wünschenswert 
gewesen,  dals  Steche  genau  dargelegt  hätte,  inwiefern 
die  Architektur  nicht  der  Zeit  um  1417  entspricht,  um 
so  mehr,  da  zwischen  1417  und  1471  nur  wenige  Jahr- 
zehnte liegen,  die  für  die  Entwicklung  der  Gotik  nicht 
einmal  besonders  auffällige  Neuerscheinungen  bringen.  Eine 
solche  Erörterung  hat  Steche  vollständig  unterlassen. 

Unserer  Ansicht  nach  mufs  der  Chor  offenbar  älter 
sein  als  das  Schiff,  denn  der  erstere  ist  viel  edler  ge- 
halten als  das  letztere,  welches  den  Verfall  der  Kunst 
z.  T.  ziemlich  auffällig  zeigt,  Überdies  ist  am  Schiff  das 
Hauptmotiv  der  wichtigsten  Verzierungen  der  Eselsrücken, 
dieses  Kennzeichen  der  Spätgotik;  am  Chor  hingegen 
treffen  wir  denselben  kein  einziges  Mal  an.  Die  Bogen 
über  der  Sakristei  und  dem  Sakramentshäuschen,  die 
beide  an  der  Chorwand  angebracht  sind,  können  in  ihrer 
merkwürdig  geknickten  Form  nicht  als  wirkliche  Esels- 
rücken gelten.     (Abbildung:  Steche  S.  69.) 

Dafs  Chor  und  Schiff  nicht  gleichzeitig  von  denselben 
Bauleuten  geschaffen  sind,  beweisen  recht  deutlich  die 
Steinmetzzeichen.  Diesen  Punkt  hat  Steche  offenbar 
ganz  unberücksichtigt  gelassen.  Das  Schiff  ist  reich  an 
Zeichen,  der  Chor  aber  auffällig  arm.  Viele  Zeichen  des 
Schiffes  wiederholen  sich  an  allen  seinen  Teilen.  Wir 
haben  aber  nicht  ein  einziges  im  Chor  angetroffen,  welches 
sich  auch  im  Schiff  belegen  Heise.  Also  mufs  der  Chor 
andere  Erbauer  als  das  Schiff  gehabt  haben.  Die  Zeichen 
des  Schiffes  kommen  zum  guten  Teil  auch  am  Chor  der 
Müttweidaer  Kirche  vor,  der  nach  Steche  auch  von  Arnold 
von    Westfalen    erbaut    worden    sein    soll.     Wie    Steche 


Arnold  von  Westfalen  u.  die  Rochlitzer  Kunigundenkirche.     221 

nicht  näher  angiebt,  inwiefern  die  Architektur  des 
Chors  nicht  der  Zeit  um  1417  entspricht,  so  erläutert  er 
auch  nicht,  inwiefern  Schiff  und  Chor  durchaus  als  ein 
einheitlicher  Bau  zu  gelten  haben.  Wenn  beide  Teile 
im  Inneren  gleiche  Höhe,  im  Äufseren  dasselbe  Sockel-, 
Fenster-  und  Dachgesims  haben,  so  können  wir  doch 
noch  lange  nicht  von  einer  Gleichheit  reden.  Wenn  ein 
Baumeister  an  einen  vorhandenen  gotischen  Chor,  der 
erst  kurz  zuvor  entstanden  ist,  ein  Schiff  anbauen  soll, 
so  ist  es  doch  recht  naheliegend,  dafs  er  die  vorhandenen 
Gesimse  weiter  führt  und  den  Neubau  in  Bezug  auf  die 
Höhe  dem  vorgefundenen  Bestand  anpalst,  da  sonst  eine 
vollständige  Disharmonie  eintreten  würde.  Im  Übrigen 
zeigt  der  Chor  eine  ganz  andere  Architektur  als  das 
Schiff,  sowohl  im  Inneren  als  im  Äufseren. 

Das  Innere.  Dasselbe  ist  schmucklich  einfacher 
gehalten,  als  das  Äufsere;  deshalb  tritt  hier  auch  die 
Verschiedenheit  der  Bauteile  weniger  stark  hervor.  Die 
Hippen  des  Chorgewölbes  zeigen  in  der  Profilierung 
Birnstab,  Kehle,  Platte.  Das  Schiff  behält  zwar  dieses 
Motiv  auch  bei,  behandelt  es  aber  anders,  indem  es 
das  Hauptgewicht  auf  die  Kehle  legt,  während  im  Chor 
mehr  der  Birnstab  hervortritt,  Deshalb  wirken  die 
Rippen  im  Schiff  magerer,  die  im  Chor  voller,  runder. 
Wenn  beide  Gewölbe  gleiche  Schöpfer  hätten,  könnte 
man  die  verschiedene  Behandlung  schwer  begreifen.  Der 
Gesamteindruck  des  Chorgewölbes  ist  ein  schön  harmo- 
nischer; beim  Schiff  (Steche  S.  60)  macht  sich  besonders 
im  westlichen  Teil  eine  recht  häfsliche  Verzerrung  merk- 
lich. Ganz  auffallend  ist  die  Verteilung  der  Schlußsteine: 
das  Schiff  zeigt  einen  ausgesprochenen  Reichtum  der- 
selben, der  Chor  besitzt  gar  keinen.  (Bei  der  Mittweidaer 
Kirche  haben  wir  auch  Schlußsteine  im  Chor.)  Dem 
Erbauer  des  Rochlitzer  Chores  war  die  Verwendung  der 
Schlufssteine  auch  geläufig;  er  brachte  sie  aber  nur  in 
dem  seitlichen  Anbau,  der  Sakristei,  an.  Doch  unter- 
scheiden sich  diese  Schlufssteine  wieder  wesentlich  von 
denen  des  Schiffes.  In  der  Sakristei  haben  alle  acht 
reich  mit  edler  Bildhauerarbeit  geschmückten  Steine  eine 
kreisrunde  Grundform ;  die  Schlulssteine  des  Schiffes  haben 
alle  möglichen  Grundformen  (Tartschen,  Pässe  und  ähn- 
liche Motive)  —  kein  einziger  ist  aber  kreisrund.  Über- 
dies entbehren  diese  alle  eines  wirklich  künstlerischen 
Schmuckes,  viele  siud  ganz  leer.    Das  Chorgewölbe  be- 


222  W.C.Pfau: 

sitzt  eine  kreisförmige  Öffnung,  einen  Schlufsring,  das 
Schiff'  nicht.  Der  Schluisring  fehlt  in  Steches  Grundrils, 
S.  60,  während  er  ihn  bei  der  Rochlitzer  Petrikirche, 
S.  59,  angiebt.  Überhaupt  hat  dieser  Grundrils  der 
Kunigundenkirche  mehrere  bedauerliche  Irrtümer.  Die 
Schlulssteine  macht  Steche  in  falscher  Anordnung  nam- 
haft und  erklärt  sie  teilweise  nicht  richtig. 

Im  Chor  setzen  sich  die  Gewölbrippen  alle  als  Dienste 
bis  zum  Fenstergesims  fort;  diese  Dienste  zeigen  deshalb 
dasselbe  Hauptmotiv  wie  die  zugehörigen  Hippen,  den 
Birnstab.  Ganz  anders  verhält  sich  in  dieser  Beziehung 
das  Schiff.  Hier  setzt  sich  keine  einzige  Rippe  fort;  sie 
laufen  sich  alle  tot,  sei  es  beim  Berühren  der  Wandfläche 
oder  beim  Ansatz  am  Pfeilerkopf.  Es  erweckt  eine  ganz 
falsche  Vorstellung,  wenn  Steche,  S.  68,  sagt:  „Die  Rippen 
der  Gewölbe  des  Schiffes —  setzen  sich  als  drei- 
seitige Dienstbündel  auf  den  Fufsboden."  Die  berührten 
Bündel  kommen  weder  bei  allen  Schiffsrippen  vor,  noch 
sind  sie  wirkliche  „Dienstbündel";  die  Rippen  finden 
an  ihnen  keinen  wirklichen  Untersatz.  An  ihrem  Kopf 
zwischen  den  Gliedern  laufen  sich  die  Rippen  einfach 
tot,  so  dais  diese  Bündel  mehr  als  Wandpfeiler  funk- 
tionieren, die  teilweise  ausgeprägten  Sockel  haben.  Sie 
bestehen  in  der  Hauptsache  aus  einem  dreifachen  Rund- 
stab, weisen  aber  nie  den  Birnstab  der  Rippen  —  wie 
die  Chordienste  stets  —  auf. 

Nach  Steches  Grundrifs  sieht  die  Kirche  einheitlicher 
aus,  weil  er  alle  Hauptfenster  als  dreipfostig  aufzeichnet. 
Das  ist  ein  recht  bedauerliches  Versehen:  Alle  Fenster 
des  Chores  sind  nur  zweipfostig,  während  die  fünf  Haupt- 
fenster des  Schiffes  dreipfostig  sind  und  alte  und  junge 
Pfosten  unterscheiden.  Dais  die  Chorfenster  nur  zwei- 
pfostig sind,  geht  schon  aus  Steches  Abbildungen,  S.  66, 67, 
hervor.  Das  östliche  seitliche  Schifffenster  giebt  Steche 
als  pfostenlos  an;  in  Natur  zeigt  es  zwei  Pfosten.  Am 
Mittweidaer  Chor  kommen  auch  dreipfostige  Fenster  vor.  — 

Der  Kunigundenchor  hat  im  Innern  ein  mit  Bild- 
hauerarbeit  reich  geschmücktes  Fenstergesims,  welches 
das  Schiff  aber  nicht  weiter  führt.  Deshalb  können  sich 
im  letzteren  auch  die  Pfeilerbündel  ungehindert  vom  Fufs- 
boden bis  zum  Gewölbe  erstrecken. 

Das  Aufs  er  e.  Sämtliche  Fenster  des  Schiffes  sind 
durch  einen  mit  Krabben  besetzten  Eselsrücken  bekrönt, 
von  welchem  Schmuck  die  Chorfenster  keine  Spur  zeigen. 


Arnold  von  Westfalen  u.  die  Rochlitzer  Kimignndenkirche.     223 

Die  äufsere  Laibung  der  Schiifsfenster  ist  reicher  ge- 
gliedert, als  die  der  Chorfenster,  besonders  fehlt  letzteren 
der  kräftige  Birnstab. 

Am  stärksten  tritt  der  Unterschied  zwischen  Chor 
und  Schiff  bei  einer  Vergleichung  der  Strebepfeiler  her- 
vor. Sämtliche  Chorpfeiler  sind  unter  sich  vollständig 
gleichmäßig,  gleich  künstlerisch  gebildet.  Die  Strebe- 
pfeiler am  Schiff  zeigen  unter  einander  in  künstlerischer 
Beziehung  einen  gewissen  Unterschied.  In  ihrem  Auf- 
bau bilden  die  Chorpfeiler  eine  selbständige  Gruppe,  die 
sich  scharf  von  sämtlichen  Schiffspfeilern  abliebt.  Wenn- 
gleich die  nördlichen  Schiffspfeiler  im  Aufbau  eine  ge- 
wisse Ähnlichkeit  mit  den  Chorpfeilern  haben,  so  unter- 
scheiden sie  sich  doch  wieder  ganz  wesentlich  in  der 
Giebelbildung,  im  Hauptschmuckmotiv,  in  der  Höhe.  Am 
stärksten  weichen  die  südlichen  Schiffspfeiler  von  den 
Chorpfeilern  ab.  Die  Mittweidaer  Chorpfeiler  sind  hin- 
gegen den  Rochlitzer  Schiffspfeilern  ganz  ähnlich,  be- 
sonders in  den  Eselsrückenverzierungen. 

An  der  Kunigundenkirche  sind  sämtliche  Strebe- 
pfeiler des  Chores  niedriger,  als  die  des  Schiffs;  denn 
letztere  erreichen  mit  der  Schräge  das  Dachgesims  des 
Gebäudes,  was  bei  den  Chorpfeilern  nie  der  Fall  ist. 

Die  Giebel  der  Chorpfeiler  haben  alle  gleiches  An- 
sehen, welchem  wir  am  Schiff  nicht  wieder  begegnen. 
Die  Kreuzblumen  auf  den  Chorpfeilern  sind  kompakter 
und  nicht  so  weit  aufgeblüht,  wie  diejenigen  des  Schiffes, 
welche  sich  stark  in  die  Breite  geben.  Ebenso  ist  der 
Stiel  bei  ersteren  mehr  rundlich,  während  derselbe  bei 
jenen  von  mit  Krabben  besetzten  Fialen  gebildet  wird. 
Überhaupt  verwendet  das  Chor  die  Kriechblumen  viel 
sparsamer,  als  das  Schiff.  Die  Chorpfeiler  weisen  nur  den 
Spitzbogen  auf,  an  den  Schiffspfeilern  herrscht  durchaus 
der  Eselsrücken  vor.  Die  Chorpfeiler  haben  im  obersten 
Absatz  gar  keine  Mafswerksverzierung,  welche  die  sämt- 
lichen Schiffspfeiler  an  dieser  Stelle  zeigen.  Sämtliche 
Chorpfeiler  besitzen  im  Mafswerk  ein  sehr  edles  Lilien- 
motiv, welches  an  keinem  Schiffspfeiler  wiederkehrt.  Jeder 
Chorpfeiler  hat  am  Fenstergesims  prächtigen  phantasti- 
schen Figurenschmuck  und  im  mittleren  Absatz  eine 
schöne  wasserspeierartige  Verzierung,  Meisterwerke,  die 
an  den  Schiffspfeilern  vollständig  fehlen.  Die  Chorpfeiler 
wirken  schlanker,  als  die  z.  T.  sogar  ziemlich  massigen 
Strebepfeiler  des  Schiffes.    Das  Mafswerk  der  Chorpfeiler 


■!>\  W.C.Pf  an: 

ist  edler  und  kunstreicher,  als  am  Schilt',  ein  Umstand, 
den  auch  Steche  erwähnt.  Sämtliche  Bildhauerarbeiten 
am  Chor  sind  ausgezeichnet  gearbeitet,  während  am 
Schiff  sogar  plumpe  Formen  mit  unterlaufen. 

Steche  legt  besonders  auf  das  Lilienmotiv  groisen 
Wert,  welches  er  für  Arnolds  Bauten  geradezu  als 
charakteristisch  anzusehen  scheint.  Das  Kumgunden- 
schiff  aber,  welches  doch  für  Arnold  hauptsächlich  in 
Frage  käme,  ist  gerade  an  dieser  Zier  auffallend  arm, 
während  das  Chor  dafür  eine  ganz  ausgesprochene  Vor- 
liebe zeigt.  Am  Schiff  finden  wir  das  Motiv  verwendet 
an  einem  Fries  über  dem  Südportal,  vergl.  Steche,  Bei- 
lage VII.  Die  ganze  Manier  des  Frieses  sieht  aus,  als 
wenn  er  gar  nicht  recht  an  das  Schiff  gehörte  oder  als 
wenn  er  der  eigenen  Erfindungsgabe  des  Meisters  vom 
Schiff  gar  nicht  entsprungen  wäre.  Steche  sagt  selbst 
S.  64,  dafs  dieses  Fries  „seltsam  in  Widerspruch"  stünde 
mit  anderer  Architektur  des  Schiffes.  Diese  auffällige 
Merkwürdigkeit  hat  wTohl  ihren  Grund  darin,  dafs  der 
spätere  Meister  des  Schiffes  in  diesem  Fries  edle  Motive 
des  älteren  Chores  einmal  nachzubilden  suchte.  Ganz 
ist  ihm  dies  freilich  nicht  gelungen,  denn  die  Lilien  über 
dem  Portal  sind  denen  der  Chorpfeiler  künstlerisch  nicht 
gleichwertig.  Die  letzteren  sind  etwas  langgestreckter; 
ihre  Blätter  alle  sind  gleichmäßig  edel  durchgebildet. 
Bei  den  Schiffslilien  sehen  die  Seitenblätter  etwas  mager, 
dürftig,  mehr  hakenförmig  aus,  während  das  Mittelblatt 
auffallend  kräftig  gebildet  ist.  Selbst  dieses  Fries  zeigt, 
dafs  der  Schöpfer  desselben  nicht  denselben  feinen  Formen- 
sinn hatte,  wie  der  Meister  des  Chores,  welch  letzterer 
bei  all  seiner  Einfachheit  edler  und  ruhiger  wirkt,  als 
das  reich  geschmückte  Schiff.  — 

Auf  Grund  der  ausgeführten  Erörterungen  kann  man 
unmöglich  Steches  Urteil  beistimmen.  Der  gotische  Be- 
stand der  Kunigundenkirche  ist  nicht  einheitlich:  Chor 
und  Schiff  sind  zu  verschiedenen  Zeiten  entstanden;  die 
urkundliche  Angabe,  dais  das  Chor  1417  erbaut  wurde, 
ist  nicht  zu  bezweifeln.  Es  käme  also  Arnold  von  West- 
falen nur  für  das  Sqhiff  in  Betracht.  Welche  Gewähr 
haben  wir  aber  dafür,  dafs  dieser  gewaltige  Werkmeister 
wirklick  an  der  Kunigundenkirche  überhaupt  thätig  war? 
Im  Grunde  genommen  so  gut  wie  gar  keine! 

Zweifellos  waren  die  meisten  der  Arbeiter,  die  das 
Rochlitzer  Schiff  bauten,  auch  am  Chor  der  Mittweidaer 


Arnold  von  Westfalen  u.  die  Rochlitzer  Kunigundenkirche.     225 

Kirche  thätig;  das  ergiebt  die  Architektur  und  die  Be- 
trachtung der  Steinmetzzeichen.  Steche  schreibt  den 
Chor  Arnold  von  Westfalen  zu  und  also  auch  die  Roch- 
litzer Kunigundenkirche;  es  könnte  aber  überhaupt  nur 
das  Kunigundenschiff  für  den  namhaften  Meister  in  Frage 
kommen.  Das  Mittweidaer  Chor  wurde  nach  einem  Stadt- 
buch 1473  erbaut.  147i  empfahl  Hugold  von  Schleinitz 
auf  Kriebstein  seinen  Werkmeister  Ornald  dem  Mitt- 
weidaer Rat  für  die  beabsichtigte  Wölbung  der  Pfarr- 
kirche. Steche  sagt  nun  ohne  weitere  Begründung  S.  22: 
„Unter  Ornald  ist  zweifellos  Arnold  von  Westfalen  zu 
verstehen."  Wir  hätten  allerdings  für  eine  so  wichtige 
Behauptung  gern  einen  einleuchtenden  Grund  gehört!  — 
Es  läfst  sich  aber  auch  gar  nicht  beweisen,  dafs  der 
Mittweidaische  Rat  den  „Arnold"  (Ornald)  wirklich  an- 
gestellt hat;  das  wäre  doch  die  Hauptsache.  Steche 
fährt  zwar  fort,  dafs  „der  Chorbau"  von  Arnold  herrühre, 
bestätige  „dessen  Durchführung".  —  Also  müfste  doch 
der  gesamte  „Chorbau"  von  Arnold  herrühren;  das  oben 
erwähnte  Empfehlungsschreiben  spricht  aber  doch  nur 
vom  „Wölben"  des  Chores.  (Vergl.  S.  22.)  Die  Um- 
fassung des  Chores  müfste  also,  ehe  Arnold  überhaupt 
empfohlen  wurde,  schon  fertig  sein.  Übrigens  sagt  Steche 
selbst,  dafs  die  Errichtung  des  Chores  bereits  im  Jahre 
1443  begonnen  worden  sei.  Das  ist  doch  ein  vollständiger 
Widerspruch.  Wie  soll  man  so  an  eine  „Durchführung" 
des  Chorbaues  in  Arnoldscher  Manier  glauben  können? 

„Meister  Arnolt"  war  auch  in  Rochsburg  thätig. 
Ist  das  denn  aber  wirklich  Arnold  von  Westfalen?  Der 
Name  an  und  für  sich  beweist  doch  nichts,  da  er  ziem- 
lich häufig  vorkommt;  die  Hauptsache  ist  und  bleibt  die 
charakteristische  Herkunftsbezeichnung.  Auch  bei  Be- 
schreibung des  Rochsburger  Schlosses  vergifst  Steche 
wieder  einen  Grund  anzugeben,  weshalb  er  diesen  „Arnolt" 
mit  „Arnold  von  Westfalen"  identifiziert. 

Arnold  von  Westfalen  ist  der  nachgewiesene  Erbauer 
der  Albrechtsburg  in  Meiisen.  Selbst  wenn  wir  ihn  auch 
für  die  Schlösser  Kriebstein  und  Rochsburg  gelten  lassen, 
so  gewinnen  wir  schwerlich  einen  sicheren  Anhaltspunkt 
für  die  Meisterfrage  des  Rochlitzer  Schiffes  und  des 
Mittweidaischen  Chors.  Die  erwähnten  Burgen  sind  nüch- 
tern, so  gut  wie  ganz  frei  von  bildhauerischer  Zierde. 
Da  die  betreffenden  Kirchen  gerade  ihren  Haupt  wert  in 
ihrem  bildhauerischen   Schmuck   haben,    so   müfste  doch 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XVI.  3   4.  15 


226  W.C.Pfau: 

erst  nachgewiesen  werden,  ob  diese  Verzierungen  im 
Arnoldschen  Stil  gehalten  sind,  ob  sie  seiner  Erfindung 
entsprungen  sind.  Das  können  wir  aber  nicht,  Überdies 
stimmen  die  Steinmetzzeichen  in  Rochsburg  und  Krieb- 
stein  durchaus  nicht  zu  Rochlitz  und  Mittweida.  Wir 
unsererseits  können  deshalb  nur  sagen,  dafs  Arnold  von 
Westfalens  Thätigkeit  an  der  Rochlitzer  Kunigunden- 
kirche  und  der  Mittweidaischen  Kirche  durchaus  noch 
nicht  überzeugend  nachgewiesen  ist.  —  Wir  können  nur 
behaupten,  dals  am  Mittweidaer  Chor  und  am  Rochlitzer 
Kunigundenschiff  dieselben  dem  Namen  nach  leider  un- 
bekannten Meister  wirkten.  Wir  haben  sogar  einen  ge- 
wissen Zweifel,  ob  wir  für  diese  Bauten  einen  Werk- 
meister überhaupt  annehmen  dürfen.  In  Mittweida  finden 
sich  mehrere  plastische  Meisterschilde ;  also  waren  mehrere 
Meister  thätig.  Da  diese  Schilde  durch  ihre  Form  und 
durch  ihre  Lage  keinen  Hinweis  geben,  dals  von  diesen 
Meistern  einer  eine  hervorragende  Stellung  als  Werk- 
meister eingenommen  hätte,  so  scheinen  diese  Meister 
alle  gleichberechtigt  gewesen  zu  sein.  Dann  wäre  die 
Kirche  in  ihrem  Chorbau  einheitlich  von  mehreren  Meistern 
ohne  Werkmeister  geschaffen  worden.  Dann  können  wir 
aber  auch  besser  verstehen,  dals  das  Stadtbuch  in  Mitt- 
weida nur  das  Erbauungsjahr  1473  bucht,  ohne  den  Er- 
bauer namhaft  zu  machen.  Wenn  es  blols  ein  Meistor 
gewesen  wäre,  dürften  wir  dessen  Namen  eher  erwarten, 
als  wenn  es  eine  Gemeinschaft  mehrerer  Meister  gewesen 
wäre. 

Am  Kunigundenschiff  finden  sich  keine  plastischen 
Meisterzeichen.  Allein  dafs  verschiedene  Meister  thätig 
waren ,  ergiebt  die  verschiedene  Behandlung  der  Schiffs- 
verzierungen. Das  giebt  auch  Steche  an.  An  diesem 
Schiff  vermiist  man  sogar  die  beaufsichtigende  Oberleitung 
eines  Werkmeisters,  besonders  wenn  man  den  östlichen 
Strebepfeiler  neben  dem  Südportal  bedenkt,  abgebildet 
S.  63.  Im  Vergleich  mit  den  übrigen  Pfeilern  besitzt 
dieser  geradezu  häusliche,  kürbisartige  Krabben,  und  das 
Halsglied  der  Kreuzblumen  im  zweiten  Absatz  ist  so 
unschön  und  alle  Harmonie  störend,  dals  ein  Werkmeister 
solche  Arbeit  wohl   schwerlich  zugelassen  haben  würde. 

Es  ist  demnach  gar  nicht  unmöglich,  dals  das  Kuni- 
gundenschiff überhaupt  keinen  leitenden  Werkmeister  ge- 
habt hat.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dafs  mehrere 
Meister  zusammen   einen   Bauplan,  eine  Visierung,   ent- 


Arnold  von  Westfalen  u.  die  Roclilitzer  Kunigundenkirche.     227 

worfen    haben,    nach   denen    sie    dann    gemeinschaftlich, 
jeder  nach  seinem  Können,  arbeiteten. 

Wir  hätten  schließlich  noch  zu  fragen,  ob  eine  der- 
artige Ballführung  in  der  Gotik  überhaupt  möglich  war; 
wir  finden  Aufschlafs  darüber  in  den  Hüttenordnungen. 

Die  Strafsburger  Haupthüttenordnung  vom  Jahre 
1459  sagt  Art.  9:  „Es  sollent  auch  nit  zwey  Meister 
ein  werk  oder  einen  gebeue  gemein  mit  einander  haben; 
es  wer  den,  dafs  es  ein  kleiner  gebeue  were,  der  in 
jorsfryst  ein  ende  näme  ungeverlich;  den  mag  man  wol 
gemeyn  haben  mit  dem,  der  ein  mytbruder  ist".  Also 
bei  kleineren  Bauten  war  ein  gemeinschaftliches  Arbeiten 
mehrerer  Meister,  von  denen  keiner  als  Werkmeister,  als 
vorgesetzter  Obermeister,  galt,  wohl  gestattet.  Da  das 
Gebot  in  die  Ordnung  aufgenommen  ist,  mag  wohl  eine 
solche  Meistergemeinschaft  auch  bei  grofsen  Bauten  vor- 
gekommen sein.  Überdies  sagt  der  Artikel  nicht  einmal, 
dafs  im  Übertretungsfalle  die  Meister  zu  bestrafen  wären, 
wie  das  bei  andern  Artikeln  oft  der  Fall  ist;  man  scheint 
es  also  mit  dem  Gebot  nicht  sehr  streng  genommen  zu 
haben.  Das  liegt  in  der  Natur  der  Sache.  Wer  wollte 
denn  dafür  bürgen,  dafs  ein  Bau,  der  ursprünglich  nur 
für  ein  Jahr  berechnet  sein  sollte,  nach  dieser  Frist 
wirklich  fertig  war!  Witterungsverhältnisse ,  Arbeiter- 
mangel, neue  Wünsche  der  Bauherren  konnten  sehr  leicht 
eine  Bauverschleppung  herbeiführen.  Wenn  der  Bau  nach 
einem  Jahr  nicht  fertig  war,  so  konnten  die  ihn  aus- 
führenden Meister  leicht  Entschuldigungsgründe  finden. 
Die  angegebene  Baufrist  des  Artikels  soll  wohl  nur  einen 
Anhalt  bieten,  was  unter  einem  kleinen  Bau  zu  verstehen 
war.  Freilich  ist  diese  Zeitdauer  ein  recht  fragwürdiger 
Mafsstab;  besser  wäre  die  Angabe  einer  ungefähren 
Arbeiterzahl  gewesen.  Ob  dieser  Artikel  überhaupt  be- 
achtet worden  ist,  bleibt  fraglich;  denn  die  Ordnung 
stellt  in  der  Einleitung  die  Befolgung  aller  Artikel  im 
Grunde  genommen  frei,  da  sie  erlaubt,  alle  Artikel  zu 
ändern:  „wer  es,  dafs  ettelicher  artikel  in  dieser  ordnunge 
zu  schwer  und  zu  herte,  oder  ettelicher  zu  lychte  und 
zu  mylte  werent;  do  mögent  die,  die  in  dieser  ordenung 
sint,  mit  dem  merenteyl  soliche  Artikel  myltern,  mynren 
oder  meren,  je  noch  der  zitt  und  des  lands  notdurflft 
und  nach  den  laiffen."  Uns  genügt  das  Ergebnis,  dafs 
überhaupt  Bauten  gemeinschaftlich  von  Meistern,  von 
denen  keiner  eine  hervorragende  Rolle  spielte,  ausgeführt 

15* 


228  W.C.Pfau:  Arnold  von Westf.  u.  d.  Rochlitzer  Kunigundenkirche. 

wurden.  Die  im  Artikel  enthaltene  Beschränkung  scheint 
für  Sachsen  nicht  gegolten  zu  haben;  denn  dieses  Land 
besais  seit  1462  die  Rochlitzer  Ordnung  als  Sondergesetz, 
welches  einen  solchen  Artikel  wie  den  angeführten  über- 
haupt nicht  kennt.  Da  übrigens  weder  das  Kunigunden- 
schiff  noch  der  Mittweidaer  Chor  grofse  Bauten  sind,  so 
erscheint  die  Vermutung,  dals  diese  Werke  vielleicht  gar 
keinen  leitenden  Werkmeister  gehabt  haben,  auf  Grund 
unserer  mehrfachen  Ausführungen  gar  nicht  unwahr- 
scheinlich. 


IX. 

Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger 

Lyceums. 

Von 

Eduard  Heydenreich. 


Das  Lyceum  der  Stadt  Schneeberg,  welches  „als 
Pflegstätte  humanistischer  Gelehrsamkeit  im  westlichen 
Obererzgebirge  mehrfach  Zeiten  grofser  Blüte  gehabt, 
immer  aber  redlich  zu  dem  kulturellen  Aufschwung  unseres 
Vaterlandes  beigetragen  hat"1),  gehört  zu  den  bedeut- 
samsten Lehranstalten  des  Landes.  Im  15.  Jahrhundert 
gegründet,  ist  es  erst  1835  der  grofsen  finanziellen  Be- 
drängnis der  Stadt  Schneeberg  zum  Opfer  gefallen,  die 
durch  wiederholte  gewaltige  Feuersbrünste  und  Kriegs- 
unfälle schwer  geschädigt  war  und  ihre  mit  rührender 
Liebe  gepflegte  lateinische  Schule  den  gesteigerten  An- 
forderungen der  Staatsregierung  gegenüber  nicht  länger 
halten  konnte.  Schon  Albinus  rühmte  das  Schneeberger 
Lyceum  mit  den  Worten:  „die  Schule  allhier  ist  wohl 
bestellet  gewesen  und  in  derselben  die  Fundamente  der 
christlichen  Religion  und  freien  Künste  sammt  den  Sprachen, 
mit  denen  man  sich  zu  den  höheren  Studiis  der  Schulen 
vorbereiten  mufs,  fleifsig  und  treulich  getrieben,  die 
Schüler  in  guter  Disciplin  gehalten  und  daher  auch  für- 
nehme und  gelehrte  Leute  gezogen  worden".  Und  noch 
kurze  Zeit   vor  seiner  Einziehung    schrieb    sein  Lokal- 


!)  Worte  des  Herrn  Bürgermeisters  Dr.  von  Woydt  zu  Schnee- 
berg bei  der  Eröffnung  des  dortigen  Königl.  Gymnasiums,  welches 
das  Erbe  des  Lyceums  1888  übernahm.  Vergl  B e  r nh ar di  im  Jahres- 
bericht des  Gymnasiums  zu  Schneeberg  1889,  S.  6. 


230  Eduard  Beydenreich : 

inspektor  Oberpfarrer  Wahl  am  6.  November  1816:  „Wenn 
sich  bey  allen  Stürmen  der  Zeit  und  bey  den  traurigen 
Veränderungen,  welche  so  manche  ähnliche  Anstalt  im 
Laufe  der  Zeit  erfahren  hat,  die  hiesige  lateinische  Schule 
noch  immer  in  einem  vorzüglich  guten  Ruf  und  Flor  er- 
halten hat,  so  verdankt  sie  dies  nächst  Gott  unter  andern 
auch  dem  Umstände,  dafs,  wie  gering  dotiert  auch  die 
Lehrerstellen  sind,  doch  diese  noch  immer  mit  gelehrten 
und  tüchtigen  Männern  besetzt  waren"-).  So  mag  es 
denn  dem  Verfasser  dieser  Mitteilungen  vergönnt  sein, 
einiges  von  dem,  was  seines  kulturgeschichtlichen  Inhaltes 
wegen  auf  allgemeineres  Interesse  Anspruch  zu  erheben 
geeignet  erscheint,  aus  der  Geschichte  des  Schneeberger 
Lyceums  zusammenzustellen"). 

Die  Abhängigkeit  des  Lyceums  von  der  Kirche 
zeigt  sich  zunächst  in  den  Pflichten,  weiche  die  einzelnen 
Lehrer  in  der  Kirche  zu  erfüllen  haben.  Aus  dem  Rechen- 
schaftsbericht über  die  Leitung  der  Schule  zu  Schneeberg, 
welchen  der  Rektor  Paul  Obermeier  (1555—1575)  1564 
dem  Pfarrer  Job.  Schleifer  erstattete4),  erfahren  wir, 
wie  die  Schule  dafür  sorgte,  dafs  die  Schüler  am  Sonn- 
tage den  Predigten  und  gottesdienstlichen  Handlungen 
überhaupt  beiwohnten.    Von  den  älteren  Schülern  wurde 


2)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  III  13. 

3)  Die  hauptsächlichsten  Quellen  für  die  Geschichte  des  Schnee- 
berger Lyceums  sind  das  Schneeberger  Ratsarchiv,  das  Schneeberger 
Ephoralarchiv  und  das  Pfarrarchiv  daselbst,  welche  zu  benutzen  dem 
Verfasser  durch  die  Güte  der  Herren  Bürgermeister  Dr.  von  Woydt 
und  Superintendent  Lic.  theol.  Noth  vergönnt  war.  Dazu  kommen 
die  Programme  des  Schneeberger  Lyceums ,  die  jetzt  im  Königl. 
Gymnasium  aufgestellt  sind,  sowie  die  Chronisten  A 1  b  i  n  u  s ,  M  e  1  z  e  r 
und  Lehmann.  Einzelne  Teile  der  Schulgeschichte  sind  an  folgenden 
(  hten  behandelt:  Gdfr.  Ludovici,  Historia  gymnasiorum  celebriorum 
V  (1718),  93ff;  M.  C  H.  Tromler,  Analecta  quaedam  litteraria 
historiae  Lycei  Nivemontani  inservientia  (1786);  Theod.  Stade,  Ge- 
schichte des  Lyceums  zu  Schneeberg  I  (1877);  Blanckmeister, 
Sh-zgebirgischer'  Volksfreund  1888,  S.  107  ff. ;  Wind  haus,  Mitteilungen 
der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  I,  3 
(1891)  und  meine  Mitteilungen  in  der  Festschrift  des  Königl.  Gym- 
nasiums mit  Realklassen  zu  Schneeberg  1891,  S.  [II ff.  40 ff.,  sowie 
in  dieser  Zeitschrift  XIII  (1892),  91  ff.  Die  Fortsetzung  von  Trom- 
ler's  Analecta,  welche  nach  Irmisch,  In  memoriam  Carol.  Henr. 
Tromleri,  Scbneeberg  1791,  pag.  VIII  und  Stade  a.  a.  Ü.  S.  3  i.  J. 
1787  erschien,  ist  dem  Verfasser  trotz  mehrjährigen  Snchens  un- 
erreichbar geblieben. 

*)  Ratio  administrationis  scholae  Snebergensis  exhibita  D.  Pastori 
.lobanni  Sleiffer.  Anno  1564  Mensc  Septembri.  Vergl.  Wind- 
li  aus  a.  a.  ( ). 


Aus  der  Geschichte  <les  Sc.lniiM'beryvr  Lyceums.  231 

sogar  verlangt,  dals  sie  auch  die  Predigten  hörten,  die 
an  den  Wochentagen  gehalten  wurden.  Dem  Abend- 
gottesdienst an  Wochentagen  und  ebenso  dem  Frühgottes- 
dienst am  Sonntag  wohnten  die  Sekundaner,  Tertianer 
und  Quartaner  bei,  aber  in  zwei  Chöre  geteilt,  von  denen 
die  ersten  in  der  einen  Woche  der  Kantor,  den  zweiten 
in  der  anderen  Woche  Schulkollege  ßeutner  leitete.  Zum 
Abendgottesdienst  am  Samstag  und  Sonntag  mufste  da- 
gegen der  ganze  Schülercötus  unter  Aufsicht  eines  Lehrers 
erscheinen.  Der  Vormittagspredigt  am  Sonntag  und  den 
ihr  voraufgehenden  wie  nachfolgenden  Gesängen  wohnten 
alle  Lehrer  bei.  Wenn  im  Winter  von  den  Schülern  die 
ganz  kleinen  und  wegen  nicht  genügend  warmer  Kleidung 
auch  andere  vor  der  Predigt  die  —  noch  heute  eisige  — 
Kirche  verliefsen,  begleiteten  sie  abwechselnd  ihre  Lehrer 
in  die  Schule  und  lielsen  sie  das  Evangelium  in  der 
deutschen  Übersetzung  von  Luther  oder  Matthesius  lesen. 
Beim  Nachmittagsgottesdienst  am  Sonntag,  in  welchem 
den  Knaben  der  Katechismus  ausgelegt  wurde,  war  der 
Rektor  zugegen;  im  Falle  seiner  Verhinderung  liefs  er 
sich  durch  einen  seiner  Amtsgenossen  vertreten.  Dem 
Gottesdienst  am  Mittwoch  wohnte  der  Rektor  und  der 
Kantor  bei,  dem  Gottesdienst  am  Freitag  der  Rektor 
und  ßeutner.  Doch  ging  der  letztere  manchmal  nach 
Schluls  der  Gesänge  weg,  um  seinen  Unterricht  in  der 
Schule  zu  erteilen. 

„Von  denen  anständigen  Sitten  in  der  Kirchen" 
handelten  die  Schulgesetze  des  18.  Jahrhunderts  in  10 
Paragraphen  ausführlich5):  1.  Wenn  man  aus  der  Schule 
in  die  Kirche  gehen  mufs,  so  sollen  alle  und  jede  Schüler 
zu  rechter  Zeit  in  der  Schule  sich  einfinden  und  hernach 
paarweise  auf  Befehl  ihres  praeceptoris  bescheidentlich, 
still  und  ohne  Tumult  in  die  Kirche  gehen.  3.  Unter  dem 
Singen  sollen  sie  ...  dem,  so  anfängt  zu  singen,  zwar  mit 
völliger  und  allgemeiner  Stimme  mitsingen  helfen,  ihm 
aber  weder  vor-  noch  nachsingen.  6.  Bei  Nennung  des 
Namens  Jesu  Christi  und  wenn  vor  dem  Altar  das  Gloria 
gesungen  wird,  oder  auch  bei  Konsekrirung  des  heiligen 
Abendmahles  des  hochtheuren  Blutes  Jesu  Christi  Meldung 
geschieht,  sollen  sie,  wenn  sie  stehen,  ihre  Kniee  beugen, 
wenn  sie  aber  sitzen,  ihr  Haupt  entblöfsen  (sie  trugen 
Baretts).     7.  In   den  Kirchen   geziemet  ihnen  nicht   zu 


5)  Blauckmeister  a.  a.  0.  S.  289. 


232  Eduard  Heydenreieli: 

schlafen  noch  weltliche  Bücher  zu  lesen.  9.  In  den  Kirchen 
sollen  sie  nichts  zerbrechen  oder  zerreißen,  auch  nirgends 
wo  etw7as  anschreiben,  anmalen,  noch  anheften.  Leider 
wurden  die  „anständigen  Sitten  in  der  Kirchen"  nicht 
immer  innegehalten.  Besonders  den  Organisten  Lunke 
ärgerten  die  Lyceisten  gewaltig,  wie  denn  dieser  in  einer 
entrüstungsreichen  Eingabe  an  den  Oberpfarrer  Grundig 
im  Jahre  1751  sich  beschwerte,  „dais  die  hiesigen  Schüler 
bey  der  lateinischen  Schule  fast  allermeist  Grofs  und 
Klein  keine  Zucht,  Pietät  und  Mores  besitzen,  vielmehr 
aber  anstatt  dessen  Brutalität,  Frechheit,  Frevel,  Kühn- 
heit, Grobheit  und  Unvorstand,  ja  unverschämte  Leicht- 
fertigkeiten, schändliches  Pofsentreiben  mit  lautem  Reden, 
tückischen  Gelächter  und  Vettiren,  garstigen  unanständigen 
Geberden,  prostitutiones  ausüben,  Ärgernis  geben  vnd  die 
Andacht  stöhren".  „Man  bedencke  nur",  heilst  es  u.  a. 
in  der  langatmigen  Anklageschrift"),  „die  Bofsheit,  die 
der  Schüler  der  lange  Schmidt  seinen  Muthwillen,  seine 
Courage  andern  Zur  Lust,  zum  Zusammenlaufen ,  Zum 
Gelächter  und  mir  zur  Prostitution,  am  Kirmfsfest  1750 
ausübte,  mir  zur  linken  Hand  an  das  Orgelwerck  mit 
garstigen  Minen  und  sauerstellenden  Geberden  das  Licht 
vertrat  und  auch  in  meinem  officio  hinderte,  auch  zu 
mehreren  Gelächter  zu  denen  andern  sagte:  er  möchte 
stehen  wo  er  wolle,  nachhero  aber  nebst  denen  andern 
sich  aus  der  Predigt  machte,  und  in  das  Branntwein-Haufs 
begeben  haben  soll".  Die  weiter  gerügten  Unflätereien 
sind  derart,  dals  wir  sie  an  dieser  Stelle  nicht  wieder- 
geben können. 

Wie  sehr  die  Kirchenbehörde  darauf  hielt,  dals  der 
Kirchenbesuch  regelmäßig  erfolgte,  ersieht  man  aus  einer 
Beschwerdeschrift  des  Oberpfarrers  und  Schulinspektors 
Joh.  Joach.  Thönicker  vom  15.  April  1711:  Nachdem 
dieser  nach  seinem  „Ambte  und  Gewilsen  bey  Visitirung 
der  lateinischen  Schulen  allhier  dann  und  wann,  ein  und 
anders  wohlmeinend  erinnert",  stellt  er  an  die  Spitze 
einer  Reihe  von  „Gravamina  etlicher  Herren  Schul 
Collegen" 7)  folgende  No.  1 :  „Hat  sich  H.  M.  Doppert  Rektor 
zwar  anno  1704  eigenhändig  erkläret,  dafs  er  sich  von 
der  deduction  der  Jugend  aufs  der  Schule  in  die  Kirche 
zum  Mittwochs  Examine  nicht  gänzlich  ausschliesen,  viel 


ß)  Alis  einem  Aktenstück  auf  der  Superintemlentur  in  Schneeberg. 
7)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  III  a  3. 


Aus  der  Geschichte  dos  Sclmeeberger  Lyceums.  233 

weniger  aber  das  sogenannte  onus  statt  seiner  aufzunehmen, 
die  anderen  HH.  Schul  Collegen  bemühen  wollen,  sondtern 
die  Jugend  wo  nicht  eigener  Person  oder  durch  einen 
Schüler  oder  primaner  begleiten  lassen  wollen.  Es  ge- 
schieht aber  keines  von  beyden,  sondern  die  Knaben  gehen 
alleine,  und  treiben  auf  der  Kirche  undt  auf  der  Gassen 
allen  Muthwillen".  Noch  im  19.  Jahrhundert  war  die 
Meinung  der  Inspektion:  „Kein  Schüler,  der  sich  in  der 
Stadt  befindet,  darf  die  Kirche  versäumen,  und  von  den 
Lehrern  läfst  sich  wohl,  ohne  dringende  Abhaltung  zu 
haben,  das  Nämliche  erwarten"8). 

Bei  der  Stellung  der  Schule  zur  Kirche  ist  es  ferner 
charakteristisch,  dafs  jene  verbunden  ist,  dieser  einen 
guten  Sängerchor  zur  Verfügung  zu  stellen.  Es  war 
ganz  der  Wirklichkeit  entsprechend,  was  am  29.  Mai  1651 
der  Konrektor  List,  der  Kantor  Ziegler  und  der  Baccal. 
Eckstein  an  den  Rat  zu  Schneeberg  berichteten,  „dafs  die 
Cantorey  vnndt  der  Chorus  Musicus  meistenteils  durch 
die  Alumnos  auf  der  Schuel  bestellet  worden,  wie  auch 
nothwendig  vnndt  bey  Verlust  ihres  Beneficii  demselben 
habe  bey  wohnen  müssen".  Bei  allen  Causalien  mufste 
der  Chor  zur  Hand  sein,  was  vielfache  Störungen  im 
Unterrichte  zur  notwendigen  Folge  hatte.  Dabei  bestanden 
alte  Sitten,  auf  deren  Beibehaltung  der  Überpfarrer  hielt. 
So  war  es  „ein  altes  Herkommen,  wenn  ein  ganz  funus, 
dals  solches  bevor  geläutet  wird,  Pastori  vom  Tertio 
Scholae  durch  einen  Schüler  gemeldet  werde,  wo  die 
Schule  mit  dem  Creuz  wartten  wolle  und  ob  etwa  vorhero 
eine  Tauffe  sey"0).  Zu  den  alten  Sitten,  die  der  Chor 
zu  leisten  hatte,  gehörte  auch  das  Schulsingen  auf  der 
Strafse,  oder,  wie  es  in  der  erwähnten  Eingabe  vom 
29.  Mai  1651  heilst,  „die  gewöhnlich  Music  vor  der  löblichen 
Bürgerschaft  bewohnung".  Diese  Sitte  war  in  diesem 
Jahre  nicht  befolgt  worden  und  die  genannten  Schul- 
männer liefsen  es  sich  angelegen  sein,  den  Schein  der 
Pflichtversäumnis  zu  entfernen.  Nicht  aus  Fahrlässigkeit 
sei  es  geschehen,  sondern  aus  Mangel  an  Sängern.  Denn  1. 
hätten  sich  die  Sclmeeberger  Bürgerssöhne  „des  wöchent- 
lichen Umbsingens  gänzlichen  entschlagen,  vorwendent, 
es  were  ihnen,  weil  hierdurch  sie  an  ihren  Studieren  Ver- 
säumung litten,  von  ihren  Eltern  anbefohlen".  Hierdurch 
sei  die  Zahl  der  Tenoristen   und  Altisten  ziemlich  ge- 


8)  Schneeberger  Ratsarchiv  ü  III  15.         °j  Ebeudas.  G  III  1. 


234  Eduard  Heydenreich: 

schwäch!  worden.  Ferner  seien  2.  „zwar  etzliche  Knaben, 
so  den  Bals  vnndt  Tenor  bey  wohnen  kirnten,  anhero  ge- 
langet, vnndt  mit  Hospitiis  versehen  worden,  nachdem  sie 
aber  allen  mnthwillen  vndt  Bofsheit  bey  Tag  vndt  Nacht 
vorübet,  vnndt  derentwegen  Ambts  und  Gewilsen  halber 
von  uns  ernstlich  sowohl  verbauter  als  realiter  abgestraffet 
worden,  sindt  sie  als  böfse  Buben  und  die  keiner  Zucht 
untergeben  sein  wollen,  ohne  gebührenten  Abschied  mit 
bölsem  Nachklangk  wiedemmb  darvon  gelaufen".  Dazu 
seien  noch  Zöglinge  mit  guten  Stimmen  nach  der  Uni- 
versität abgegangen  und  ferner  hätten  „Scabies  vnndt 
andere  Leibesbeschwerungen"  unter  den  Knaben  gewütet. 
Aufserdem  forderten  fremde  Eltern  während  der  Feier- 
tage ihre  Kinder  meist  nach  Hause  „und  viel  mahl  3, 
4  und  mehr  Wochen  bey  sich  behalten,  dadurch  denn 
umb  diese  Zeit  die  Anzahl  der  Knaben  in  der  Schuel  u. 
Cantorey  sehr  verringert  werden  mufs".  Die  Schulkollegen 
mochten  nicht  nur  der  nächsten  vorgesetzten  Behörde 
wegen  jeden  Verdacht  einer  Vernachlässigung  von  sich 
abweisen,  sondern  auch  den  musikalischen  Kreisen  der 
Stadt  gegenüber.  War  doch  1626  eine  Cantorey-Gesell- 
schaft  von  Schneeberg  gegründet  worden10)  „zu  keinem 
anderen  Ende,  denn  Gott  dem  Allmächtigen  zu  Ehren 
und  zu  Beförderung  und  zu  Erhaltung  des  Chori  Musici 
und  christlicher  Kirche  Ceremonien  mit  Figuralgesang 
und  damit  junge  Bürger  und  Gesellen  desto  mehr  Lust 
und  Gefallen  zur  Musica  haben,  dieselbe  lernen  und  lieben 
mögen";  sie  hatte  sich  grofsen  Zudranges  aus  den  besten 
Kreisen  der  Stadt  zu  erfreuen  gehabt;  und  wenn  sie  da- 
mals auch,  schwer  geschädigt  durch  den  30jährigen  Krieg 
und  durch  Streitigkeiten  zwischen  den  Mitgliedern,  dar- 
niederlag, so  hat  es  doch  offenbar  damals,  als  jene  Gesell- 
schaft noch  bestand11),  ein  lebhaftes  Interesse  für  Musik 
in  Schneeberg  gegeben,  und  man  hielt  also  darauf,  dals 
das  herkömmliche  Umsingen  der  Schüler  ordentlich  von 
statten  gehe. 

Ein  grofser  Streit  erhob  sich  im  18.  Jahrhundert 
über  die  Reihenfolge  dieser  Einrichtung  auf  den  Strafsen. 
Der  Oberpfarrer  Thönicker  verlangte,  der  Anfang  solle 
vor  der  Pfarre  geschehen.  Dem  aber  wurde  entgegen- 
gehalten, dem  Herkommen  entspräche  es,  von  der  alten 

l0)  Aus  einem  Aktenstück  des  Schneeberger  Katsarchivs. 
")  Jacobi,  Her..  Schneeberg.     Ein  Gedenkblatt  zur  400jähr. 
Jubelfeier  (Schneeberg  1881),  S.  99. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums.  ;i:;.") 

Schule  anzufangen.  „Es  haben  aber  die  Schul-Collegen 
und  Chorus  Musici,  von  bisheriger  Observanz  ihres  dar- 
unter verlierenden  Intereise  halber,  indem  diese  Neuerung 
andere  vor  eine  Beschimpfung-  annehmen,  und  das  biisher 
gegebene  accidens  wo  nicht  gar  einsiechen  doch  mercklich 
verringern  dürften,  nicht  abweichen,  sondern  dabey  ge- 
schützet seyn  wollen1'2)." 

Die  Choristen  durften  sich  nicht  auf  Schneeberg  be- 
schränken, sondern  mulsten  auch  im  benachbarten  Schlema 
ihren  Umzug  halten.  Mit  Recht  fragte  Rektor  Voigtländer 
(1820—1828)  in  einer  Reihe  eingehender  Reformvorschläge: 
„Wie  ist  dem  grofsen  Übelstande  abzuhelfen,  dals  unsere 
Choristen  des  Winters  Mittwoch  um  10  Uhr  genötigt 
sind  zu  singen  und  deshalb  die  Schule  zu  versäumen,  und 
eine  Abteilung  derselben  das  ganze  Jahr  hindurch  Sonn- 
abends wegen  des  Schlemsingens  nicht  in  die  Schule 
kommt?  Ist  es  recht  zu  dulden,  dafs  den  Schülern  so 
viel  Zeit  durch  das  Chor  geraubt  wird?  Wäre  dem  Übel 
nicht  dadurch  etwas  abzuhelfen,  dafs  die  Schüler  nur 
abwechselnd  die  eine  Woche  vor  allen  ihren  bisherigen 
Häusern  singen,  dann  aber  wieder  die  andere  Woche 
(etwa  Mittwochs  am  Nachmittage)  ganz  langsam  durch 
die  Strafsen  singend  zögen  (etwa  mit  einem  Chorale)? 
Würde  dies  nicht  ebenso  grofsen  Eindruck  machen?  Es 
thut  ja  dies  auch  das  Thomanerchor  in  Leipzig."  Treffend 
bemerkte  Oberpfarrer  Wahl  in  seinem  „Gutachten  über 
die  Vorschläge  des  Herrn  Rektors  M.  Voigtländers  zum 
Besten  des  Lycei"  hierüber:  „dals  diese  Idee  ausgeführt 
werden  möge,  ist  allerdings  gar  sehr  zu  wünschen,  und 
würde  der  Stadt  Ehre  und  den  Schülern  Nutzen  und 
Segen  bringen" 18). 

Der  Stellung  des  Lyceums  zur  Kirche  und  der  herr- 
schenden Stellung,  welche  die  Theologie  in  den  Wissen- 
schaften der  früheren  Jahrhunderte  einnahm,  entsprach 
es,  dafs  dem  Religionsunterricht  ein  sehr  breiter  Raum 
verstattet  war.  Denn  erstens  war,  wie  Obermeier  a.  a.  0. 
berichtet,  der  Beschäftigung  mit  der  Religion  in  allen 
Klassen  der  ganze  Samstagvormittag  gewidmet,  an  dem 
teils  der  Katechismus  geübt,  teils  die  Evangelien  durch- 
genommen wurden.  Die  untersten  Klassen  lasen  den 
deutschen,   die  Quartaner  den  lateinischen  Katechismus 


12)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  111  a  3. 

13)  Ebendas.  G  III  15. 


236  Eduard  Heydenreich: 

Luthers,  die  Tertianer  und  Sekundaner  die  Katechesis 
des  Chytraeus.  Die  Evangelien  wurden  den  untersten  in 
deutscher,  den  Quartanern  in  lateinischer,  den  oberen  in 
griechischer  Sprache  vorgelegt.  Zweitens  verwandten  die 
Schüler  von  Quarta  an  abwärts  auch  den  Mittwoch  auf 
das  Lesen  des  deutschen  Katechismus.  Während  dessen 
wurden  in  den  oberen  Klassen  schwierige  schriftliche  Ar- 
beiten korrigiert.  Drittens  wurden  die  beiden  untersten 
Klassen, „die  sechste  und  siebente,  noch  durch  eine  be- 
sondere Übung  an  jedem  Tage  zur  Erlernung  des  Katechis- 
mus angeleitet.  In  der  letzen  Stunde  nämlich,  nachdem 
sie  zwei  lateinische  Wörter  mit  der  deutschen  Bedeutung 
gelernt  hatten,  prägte  der  Lehrer  dieser  Klassen  den 
ganz  Kleinen,  für  welche  ein  fortwährendes  Hersagen  des 
ganzen  Katechismus  wenig  Nutzen  bot,  nur  einen  kleinen 
Teil  dieser  Unterweisung  ein,  den  er  ihnen  so  lange  vor- 
sprach, bis  sie  ihn  im  Gedächtnis  behalten  und  allein, 
ohne  dafs  ihnen  die  Worte  vorgesprochen  wurden,  aufsagen 
konnten,  ungefähr  in  der  Art,  wie  in  der  Nachbarschaft 
allgemein  fromme  Pfarrer  in  der  Kirche  den  Knaben  und 
Mädchen  die  einzelnen  Hauptstücke  des  Katechismus  vor- 
sprechen liefsen. 

Die  Schule  stand,  den  Anschauungen  jener  Tage  ent- 
sprechend, in  allen  Instanzen  unter  theologischer 
Oberleitung.  Die  nächst  vorgesetzte  Inspektion  bestand 
aus  dem  Oberpfarrer  und  zwei  Ratsmitgliedern.  Die  An- 
stellung der  Lehrer  hing  von  einer  Prüfung  bei  dem 
Konsistorium  in  Leipzig  ab,  die  vermittelnde  Instanz 
zwischen  der  Schneeberger  Inspektion  und  dem  Leipziger 
Konsistorium  bildete  die  Superintendentur  zu  Zwickau. 
Zeitweilig  erfolgte  auch  eine  Visitation  von  auswärts.  So 
war  1781,  29.  Oktober  bis  2.  November  der  Ephorus 
M.  Schlesier  aus  Zwickau  in  Schneeberg  „nebst  dem 
Kreifsamte  Sehwarzenberg  als  commissarii  den  dermaligen 
statum  piarum  causarum  zu  untersuchen".  Der  Ephorus 
besuchte  in  diesen  Tagen  die  Schule  zwei  Mal.  Die 
Scholaren  brachten  ihm  abends  darauf  eine  Nachtmusik. 
Die  visitierenden  Herren  unterliefsen  nicht  „sowohl  den 
Docenten  als  Discenten  gute  und  heilsame  Erinnerungen 
zu  geben,  die,  weil  sie  mit  einer  liebreichen  Herablassung 
geschehen  und  aus  wahrer  Liebe  für  das  Beste  unserer 
Schule,  mit  Vergnügen  aufgenommen  wurden"14).     Man 


")  Pfarrarchiv  Sclmeeberg  Lit.  S.  No.  10. 


Aus  der  Geschichte  <les  Sclmeeberger  Lyceums.  237 

mufs  es  einzelnen  Pfarrern  zu  Schneeberg  nachrühmen, 
dals  sie  nicht  nur  mit  wirklichem  Interesse  und  ein- 
gehendem Verständnis  ihre  Inspektion  übten,  sondern  auch 
durch  eigene  Beteiligung  am  Unterricht  und  durch  hilfs- 
bereites Eingehen  auf  berechtigte  Wünsche  von  Lehrern 
und  Schülern  sich  ein  vollverdientes  Ehrengedächtnis  ge- 
stiftet haben.  In  dieser  Beziehung  sind  besonders  die 
Oberpfarrer  Hahn,  Wahl,  welcher  vom  Archidiakonus 
Voigtländer  unterstützt  wurde,  und  Hey  mann  rühmend 
zu  erwähnen.  Ihre  zahlreichen  schriftlichen  Gutachten 
und  Berichte,  die  noch  heute  bei  den  Akten  der  Schnee- 
berger  Archive  liegen,  erweisen,  dals  hier  die  rechten 
Männer  an  der  rechten  Stelle  waren.  Rektor  Voigtländer 
fühlte  sich  gedrungen,  1821  öffentlich  im  Osterprogramme 
des  Lyceums  „zwei  verehrten  und  verdienten  Männern, 
dem  Herrn  Oberpfarrer  Wahl  und  Archidiakonus  Voigt- 
länder unseren  wärmsten  Dank  abzustatten  für  die  edle 
und  ganz  uneigennützige  Bereitwilligkeit,  vermöge  welcher 
sie  den  eignen,  schon  genug  gehäuften  Amtsgeschäften 
auch  noch  thätiges  Mitwirken  für  das  Wohl  unserer  Schule 
hinzu  gesetzt  haben,  indem  sie,  wie  bisher,  einige  Gegen- 
stände des  Unterrichts,  die  ihren  Händen  gewifs  am 
besten  anvertraut  werden  konnten,  zu  übernehmen  die 
Güte  haben  werden".  1834  aber  rief  Rektor  Raschig  in 
dem  letzten  Programm,  welches  das  Lyceum  überhaupt 
veröffentlicht  hat,  dem  Oberpfarrer  Heymann,  der  als 
erster  Prediger  an  die  Frauenkirche  zu  Dresden  berufen 
wurde,  öffentlich  den  herzlichsten  Dank  der  Schule  nach 
„sowohl  für  den  Eifer,  mit  welchem  er  im  Allgemeinen 
stets  auf  das  Wohl  und  glückliche  Gedeihen  unseres  Ly- 
ceums bedacht  war,  als  für  die  besondere  Unterstützung, 
die  er  uns  während  der  ganzen  10  Jahre  seines  Hierseins 
zu  Teil  werden  liels,  indem  er  über  einen  der  wichtigsten 
Gegenstände  des  öffentlichen  Unterrichtes  wöchentliche 
Vorträge  übernommen  hatte".  Auch  in  diesem  Jahre 
unterstützte  Archidiakonus  M.  Voigtländer  das  Lyceum, 
indem  er  wöchentliche  Lektionen  in  den  oberen  Klassen 
hielt.  Es  war  dies  eine  um  so  gröfsere  Aufopferung  von 
seiner  Seite,  als  er  durch  die  Vakanz  der  Oberpfarrer- 
Stelle  schon  einen  bedeutenden  Zuwachs  von  Geschäften 
erhalten  hatte. 

Nicht  immer  war  das  Verhältnis  zwischen  Schule 
und  Inspektion  ein  so  gutes.  Es  kam  vor,  dals  nament- 
lich wegen  Auszahlung  der  Gelder  aus  dem  Gotteskasten 


238  Eduard  Heydenreich : 

zwischen  dem  Pfarrer,  der  zugleich  Kastenvorstelier  war, 
und  den  Schulkollegen  „allerhand  Irrungen,  Mißverstände 
und  weit  ausstehende  Inconvenientien  sich  haben  ereignen 
und  erhalten  wollen,  welche  dann,  wie  in  einer  jeden 
Republica  an  ihrem  Selbsten  hochschädlich,  alfs  auch  in 
dieser  hierarchia  bey  Gemeiner  Stadt  und  Bürgerschafft 
ziemlich  ergerlich  und  dem  gemeinen  wesen,  wie  auch  zu- 
förderst dem  Gotteskasten  schädlich,  auch  dahero  dessen 
vor  äugen  schwebender  Ruin  zu  besorgen  gewesen".  Bei 
der  scMiefslichen  Beilegung  eines  derartigen  Mißverhält- 
nisses mufsten  1641  Kirchen-  und  Schuldiener  feierlich 
versprechen,  „dafs  sie  soviel  möglich  sich  alles  affectuosen 
Invectirens  auf  der  Kanzel  gänzlich  enthalten,  ihre  Straff- 
Predigten  mit  gebührend  theologischer  Sanfftmut  tem- 
periren"  etc.15). 

Weniger  glücklich  war  in  seinem  Inspektionsamte  Ober- 
pfarrer Thönicker.  Es  mochte  allerdings  wohl  nicht  alles 
ganz  richtig  im  Lyceum  zugehen.  Denn  schwerlich  würde 
sonst  Thönicker  z.  B.  Klage  führen,  dafs  mehrere  Lehrer 
die  Stunden  nicht  voll  hielten,  auch  „Zeitungen  in  der 
Lection"  lasen,  auf  die  Jugend  fluchten  und  mit  dem 
Buche  „öffters  unbarmherziger  Weise  vor  die  Köpffe 
schlugen,  so  ich  H.  Schreiber  erinnert,  der  aber  vorgeben, 
es  schade  nichts"16);  und  der  Bericht,  den  Thönicker 
3.  Dezember  1725  abfafste,  läfst  allerdings  auf  „Hochmut, 
Ungehorsam  und  Rohheit  der  Schüler"  schliefsen17).  Doch 
mochte  die  Art,  wie  Thönicker  in  Äußerlichkeiten  einem 
so  ausgezeichneten  Rektor  wie  Doppert  gegenüber  verfuhr, 
auch  der  Besserung  bedürfen.  So  eiferte  Thönicker  gegen 
die  Haarbeutel  der  Schüler:  „die  Zöpffe  vnd  Säcke  wären 
eine  verpönte  Sache",  worüber  „Herrn  M.  Jo.  Dopperto 
weitberühmten  Polyhistori  und  wohl  -meritirten  Rectori 
in  Schneeberg"  dessen  „ergebenster  Diener  Hippius"  aus 
Annaberg  am  3.  Oktober  1725  schreibt:  „Es  wundert  den 
Herrn  Oberhoff  Prediger  gar  sehr,  dals  eine  Sache,  die 
nicht  sowohl  zur  Hoffarth  als  vielmehr  zur  Reinlichkeit 
und  die  Haare  desto  besser  in  Zaum  oder  in  Ordnung  zu 
halten,  wil  improbiret  werden.  Haar  Beutel  tragen  ist 
jetzo  consuetudo  omnis  hominum  generis.  Es  tragen  solche 
studiosi  theologiae,  Schüler,  ja  andre  honnette  Leute,  die 


1B)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  IIT  1. 

,y)  Ebendas.  G  III  a  3. 

n)  Pfarrarehiv  Schneeberg  Lit.  S.  No.  3. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums.  239 

groise  Augen  würden  anffthun,  wenn  man  ihnen  defswegen 
levitatem  animi  beymessen  wolle.  Es  würde  deiswegen 
der  Herr  Pastor  befser  thun,  wenn  er  statt  der  Haar 
Beutel  eine  andere  feine  theologische  materie  aufführte 
n.  wülste  nicht,  Avie  er  sich  verantworten  wollte,  wenn 
er  deswegen  Rechenschaft  geben  solte".  Jedenfalls 
lag  ein  Zwiespalt  zwischen  den  Schulkollegen  und  dem 
Oberpfarrer  vor.  „Die weil  aber",  schreibt  dieser,  „in- 
sonderheit der  Rector  H.  M.  Doppert,  der  Tertius  H.  M. 
Trommler  und  der  Quartus  H.  Schreiber  dadurch  auf  mir 
erzürnet  worden  sind,  dals  sie  mir  auf  allerley  Arth  tort 
zu  thun  und  mich  in  meinem  Ambte  zu  kräncken  suchen, 
wie  anders  zu  geschweigen  beyliegende  Schimpffzuschrift 
beweiset,  woraus  denn  lauter  Unordnung  und  endlich 
Verachtung  meines  Ambts  bey  der  Jugend  entsteht"  18). 
Insbesondere  erregten  die  Kleidungsvorschriften  der  Geist- 
lichen Mifshelligkeiten.  Thünicker  hatte  auf  Anordnung 
der  Zwickauer  Superintendentur  1705  „denen  sämbtl.  H. 
Schul  Collegen  schrifftl.  notifiziert  unndt  angedeutet,  sich 
gleich  ihrer  Vorfahren  der  Überschläge  undt  Mäntel  in 
der  Schule  undt  auff  der  Gassen  zu  gebrauchen,  nicht 
aber  in  Roben  und  Degen  auff  die  Gasse  und  in  die 
Lectiones  zu  gehen,  weil  sie,  wie  Dns.  Ephorus  schreibet, 
nicht  ad  militiam  sed  clericorum  ordinem  gehören.  Allein 
dessen  ungeachtet,  gehet  H.  M.  Trommler  u.  H.  Schreiber 
nicht  nur  bey  öffentl.  lectionen  in  der  Schule  ohne  Mantel 
herumb,  sondern  dieser  kömbt  gar  in  Robe  in  die  Schule 
ohne  Krauise  undt  Überschlag,  ja  aufser  der  Schule  wird 
man  sie  niemahls  anders  alfs  in  Roben  gehen  sehen". 
Der  Rektor  ging  in  der  Opposition  gegen  die  Mantel- 
vorschriften seinen  Kollegen  voran.  Er  hatte  zwar  1709 
versprochen  bei  einem  „Actus  solennis"  in  der  Schule 
wolle  er  im  Mantel  erscheinen,  doch  that  er  es  „weder 
beim  examine  publico  noch  peroriren".  Die  Ansichten 
über  das  Manteltragen  waren  allerdings  damals  in  den 
maisgebenden  Kreisen  Schneebergs  wunderlich19).  „AVeil 
von  geraumer  Zeit  her",  so  kündete  die  „Mantel Verordnung", 
„einige  Schüler  sich  herausgenommen  haben,  ohne  Mantel  zu 
gehen,  als  wäre  der  Mantel  eine  Schande,  so  sollt  ihr 
wissen,  dafs  von  den  urältesten  Zeiten  her  bei  denen  ge- 
sitteten Völkern  der  Mantel  das  Unterscheidungszeichen 


18)  Schneeherger  Ratsarchiv  <IA  III  a  'A. 
w)  Blanckmeister  S.  320. 


i40  Eduard  Heydenreich: 

gewesen,  woran  man  Leute  von  guter  Herkunft  und  Auf- 
führung erkennen  und  sie  von  den  schlechten  und  geringen 
unterscheiden  konnte.  Ja  er  war  sogar  in  denen  alten 
Zeiten  sowie  auch  noch  heutzutage  ein  Stück  von  der 
königlichen  Pracht  und  Ehren.  Die  Philosophen  trugen 
ihn,  dais  sie  gleich  von  denen  konnten  erkannt  werden, 
die  die  Wissenschaft  liebten.  Knechte  durften  ihn  nicht 
tragen.  Auch  zu  unseren  Zeiten  ist  der  Mantel  nicht 
allein  erlaubt,  sondern  nur  Personen  von  vorzüglicher 
Würde,  als  auf  Universitäten  den  Doctoribus  theologiae 
und  in  Kirchen  und  Schulen  denen  öffentlichen  Lehrern. 
An  dieser  vorzüglichen  Ehre  sollten  nach  dem  Willen 
unserer  Vorfahren  auch  die  Schüler  theil  haben,  damit 
sie  unterschieden  wären  von  denen  Schustern, 
Schneidern,  Kaufmanns-  und  anderen  Hand  werks- 
jungen,  deren  Schurzfell  oder  Schürze,  darinnen 
sie  gehen,  von  einer  weit  geringeren  Lebensart 
zeiget.  So  soll  denn  dem,  der  den  Mantel  umzuthun 
unterläßt,  von  Stund  an  zur  Strafe  und  Beschimpfung 
der  Mantel  auf  eine  Zeit  lang  untersagt  sein,  sodafs  er 
in  der  Kirche  unter  seinen  Mitschülern  ohne  Mantel 
sitzen  soll  wie  ein  Quartaner,  damit  jedermann  sehen  soll, 
das  sei  ein  solcher,  der  der  Ehre  nicht  würdig  sein  wolle, 
welche  die  Vorfahren  denen  Schülern  eingeräumt."  Die 
so  eifrig  aufgedrungenen  Mäntel  waren  nicht  einmal  kleid- 
sam. „Wie  unsere  Schüler  jetzt  im  Chor  und  bei  der 
Leiche  gehen",  bemerkt  Rektor  Voigtländer  in  seinen 
Reformvorschlägen,  „giebt  die  Procefsion  ein  häusliches, 
anstößiges  Ansehen" ;  und  die  Oberbehörde  bemerkte 
hierzu:  „Die  Mäntel  sind  nicht  nöthig,  die  dem  Schüler 
einen  Aufwand  verursachen  und,  wenn  sie  alt  werden, 
keine  Zierden  mehr  sind!" 

Bei  der  untergeordneten  Stellung  des  Schulmannes 
war  es  kein  Wunder,  dafs  die  Rektoren  auch  des  Schnee- 
berger  Lyceums  wiederholt  in  das  geistliche  Amt  über- 
gingen :  M.  Rudel  aus  Zwickau,  der  um  1 500  Rektor  des 
Lyceums  war,  starb  um  1550  als  Pfarrer  in  Schwarzen- 
berg.  Sein  Nachfolger  Wolfg.  Fufs,  Augenzeuge  der 
großen  Wasserflut  von  1511,  ging  1523  als  Pfarrer  nach 
Borna,  1526  nach  Coltlitz,  1529  nach  Leisnig,  1539  nach 
Chemnitz,  wo  er  als  Superintendent  1551  starb.  Hiero- 
nymus  Weller  (Rektor  um  1526),  der  Freund  und  lang- 
jährige Hausgenosse  Luthers,  starb  als  erster  und  einziger 
Professor   der  Theologie  in  Freiberg  1572,   Hieronymus 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums.  241 

Noppius  (Nobbe,  Rektor  um  1540)  als  Superintendent  in 
Regensburg,  Joh.  Förster  (Rektor  1601 — 1603)  alsGeneral- 
superintendent  in  Eisleben  1613,  Joh.  Fuchs  (Rektor 
1655—1677)  als  Pfarrer  von  Oberschleraa  1679,  Michael 
Hertz  (Rektor  1678—1685)  als  Pastor  zu  Bockau  1703, 
Joh.  Bonitz  (Rektor  1693—1698)  als  Pastor  in  Auerbach 
1718,  Urban  Gttfr.  Sieber  (Rektor  1698—1703)  als  Pfarrer 
zu  St.  Thomä  in  Leipzig  1741. 

Übrigens  achteten  nicht  nur  die  Theologen,  sondern 
auch  die  der  Inspektion  angehörigen  Ratsmitglieder  gar 
sehr  darauf,  dals  ihnen  von  den  Schullehrern  jederzeit 
mit  der  gebührenden  Hochachtung  begegnet  wurde,  Dies 
zeigte  sich  z.  B.  recht  deutlich,  nachdem  der  Rat  zur  Ab- 
stellung von  allerhand  Unfug  beim  Gregoriusfest  den 
Tertius  Stumpf  angewiesen  hatte,  die  kleinen,  nicht  zum 
Chor  gehörigen  Schüler  paarweise  zu  führen.  Darüber 
dafs  solches  ihm  „angesonnen"  werde,  richtete  der  genannte 
Schulmann  am  11.  April  1789  ein  Schreiben  an  den  Pastor 
Primarius  Trommler,  in  welchem  er  nicht  nur  darauf  hin- 
wies, dafs  die  verlangte  Dienstleistung  seit  mehr  als 
20  Jahren  nicht  mehr  verlangt  worden  sei,  sondern  auch 
durchblicken  liefs,  dals  es  Sache  der  städtischen  Polizei 
gewesen  wäre,  die  allerdings  eingerissenen  Ungehörigkeiten 
auf  der  Stralse  abzustellen.  „Es  ist  leider",  schreibt 
Stumpf,  „in  der  Schule  schon  das  Verderben  der  guten 
Sitten  unter  der  Jugend  so  weit  gekommen,  dafs  weder 
Vermahnen  noch  Strafen  mehr  fruchten  will.  Was  solte 
ich  alter  Mann  denn  an  dem  Tage  thun  können,  der  so- 
zusagen recht  geflissentlich  zum  Tage  einer  allgemeinen 
Ausgelassenheit  bestimmt  zu  seyn  scheint?  Wenn  eine 
Policey  Aufsicht  hierinnen  nichts  anders  verfügen  kan, 
oder  mag,  so  wird  das  Herumführen  die  vermeyntliche 
Sittlichkeit  jetzo  so  wenig  bewürcken,  als  es  vor  langen 
Jahren  schon  nicht  mehr  möglich  gewesen.  Und  über 
dieses  scheint  man  auf  mein  hohes  Alter  keine  Rücksicht 
zu  nehmen,  sondern  es  mehr  durch  neue  Lasten  gänzlich 
entkräften  zu  wollen.  Ich  will  aber  hierüber  weiter 
nichts  sagen  als  nur  soviel,  dals  zu  einem  äußerst  er- 
mattenden Herumziehen  durch  die  Gassen  der  Stadt,  um 
ein  paar  Groschen  zu  gewinnen,  die  laut  der  Vocation 
Pars  Salarii  heifsen,  meine  Kräffte  nicht  mehr  hinreichend 
sind".  Aber  dieses  Schreiben  wurde  ihm  vom  Rat  sehr 
übel  genommen  und  trug  ihm  eine  tüchtige  Nase  ein. 
Der  Rat  stellte  sich  ganz  richtig  auf  den  Standpunkt, 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  3.  4.  16 


242  Eduard  Heydenreich : 

dafs  es  Sache  der  Schule  sei,  eingerissene  Ungehörigkeiten 
der  Schüler  auf  den  Straisen  abzustellen,  „dahero  es  ge- 
dachten Herrn  Stumpfen  wohl  nicht  geziemet,  in  anzüg- 
lichen Ausfällen  wider  die  uns,  dem  Rathe,  obliegende 
Policey-Verwaltung  hervorzutreten,  wir  vielmehr  ihm  als 
einem  alten  Schulmanne  so  viele  Mäisigung  und  Billigkeit 
Beherzigung  zugetrauet  hätten,  bey  dieser  Sache  nicht 
unbemerckt  zu  lassen,  dafs  wenigstens  unsre  Intention, 
dergleichen  Unfug,  soviel  sich  nur  immer  thun  lassen  will, 
abzustellen,  den  Beyfall  wohldenckender  Personen  ver- 
diene." Der  Rat  schärfte  die  verlangte  Dienstleistung 
aufs  Neue  ein  und  drohte  für  den  Fall  der  Weigerung 
mit  einem  Bericht  an  das  Konsistorium,  „wie  ohnehin 
wegen  des  grölstentheiligen  Inhaltes  seines  Schreibens 
nicht  unterlassen  werden  kan."  Auch  nahm  es  der  Rat 
sehr  übel,  dafs  Stumpf  sein  Schreiben  lediglich  an  den 
Oberpfarrer  und  nicht  auch  an  die  zur  Inspektion  ge- 
hörenden Ratsmitglieder  gerichtet  hatte,  und  schrieb  daher 
dem  Oberpfarrer  16.  April  1789:  „Da  die  an  den  Herrn 
Tertius  Jon.  Christ.  Stumpfen  unterm  8.  huius  ergangene 
Intimation  von  Eu.  HochErwürden  und  uns  zugleich  als 
Inspectoribus  scholae  vollzogen  gewesen;  so  ist  es  aller- 
dings eine  Hintansetzung  unsrer,  dafs  er  sein  Schreiben, 
so  sehr  auch  dessen  Inhalt  auf  spöttlichen  Ausdrücken 
wider  eine  an  sich  löbliche  Anordnung  und  wider  obrig- 
keitliche Policey  Verwaltung  abgezweckt  ist,  an  uns  mit 
zu  richten  für  unnötig  angesehen,  und  dargegen  erst  Eu. 
Hochwürden  die  Mühwaltung  angemuthet,  uns  solches 
Schreiben  zu  communiciren.  Es  ist  dieses  allerdings  eine 
Benehmung,  die  deutlich  zu  erkennen  giebt,  dafs  sich  der 
Herr  Tertius  Stumpf  über  die  Verbindlichkeit  erhaben 
zu  seyn  dünckt,  uns  die  schuldige  Achtung  zu  beweisen, 
weshalb  wir  uns  das  gebührende  weiter  vorzukehren  vor- 
behalten20)." 

Im  Mittelpunkte  des  Unterrichtes  stand  während 
der  ganzen  langen  Zeit,  in  der  das  Lyceum  existierte,  die 
Erlernung  der  lateinischen  Sprache  mit  dem  Ziele, 
dafs  dieselbe  mündlich  und  schriftlich  gut  gehandhabt 
würde.  Wie  wir  aus  dem  mehrfach  erwähnten  Berichte 
des  Rektors  Obermeier  ersehen,  machte  es  die  Anstalt 
allen  Schülern  der  oberen  Klassen  zur  strengsten  Pflicht, 
mit   ihren   Mitgliedern   nur   lateinisch    zu   reden.     Wer 


20)  Schnecheryer  Ratsarchiv  G  I  i  I  a  '■>. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeherger  Lyceums.  243 

wegen  Deutschsprechens  zur  Anzeige  kam,  erhielt  zur 
Zeit,  wo  die  Schülervergehen  bestraft  wurden,  Schläge 
auf  die  Hände  und,  falls  er  nicht  selbst  andere  zur  An- 
zeige brachte,  Rutenstreiche23).  Alle  Wochen  wurde  ein 
Diktat  zu  schriftlichen  lateinischen  Übersetzungen  gegeben. 
Den  Quartanern  wurden  hauptsächlich  die  grammatischen 
Fehler,  Barbarismen  und  Solöcismen  angestrichen,  den 
Tertianern  auch  die  Redewendungen,  die  ungewöhnlich 
oder  nicht  gut  lateinisch  waren;  bei  den  Sekundanern 
wurden  aufserdem  auch  harte  Wortstellungen,  unklare 
und  gesuchte  Ausdrücke  und  Ähnliches  gerügt,  wovon  bei 
schwächeren  Schülern  keine  Notiz  genommen  wurde.  Wie 
verschieden  war  doch  das  damalige  Schulleben  von  dem 
eines  modernen  Gymnasiums.  Gegenwärtig  eine  neun- 
klassige  Anstalt,  in  deren  unterste  Klasse  die  Schüler  nach 
erworbener  Lese-  und  Schreibefertigkeit  aufgenommen 
werden;  damals  eine  siebenklassige  Schule,  in  deren 
untersten  Klassen  erst  Lesen  und  Schreiben  gelernt 
werden  mufste.  Gegenwärtig  eine  Fülle  realer  Fächer 
und  ein  Lehrerkollegium  von  etwa  20  Personen;  damals 
ein  wissenschaftlicher  Unterricht,  der  sich  fast  nur  auf 
Latein,  Griechisch  und  Religion  beschränkte  und  von  vier 
Personen  bewältigt  wurde.  Gegenwärtig  ein  altsprach- 
licher Unterricht  mit  weit  ausgedehnter  Lektüre  und 
hauptsächlicher  Betonung  der  inhaltlichen  Seite  der  Lit- 
teratur,  aber  unter  wesentlicher  Kürzung  der  Sprach- 
und  Schreibübungen;  damals  ein  beschränkter  Kreis  von 
Schulschriftstellern,  aber  dafür  ein  Überwiegen  aller  solcher 
Übungen,  welche  auf  die  praktische  Anwendung  der  la- 
teinischen Sprache  in  Rede  und  Schrift  berechnet  sind. 
Dafs  die  Anstalt  bis  in  die  letzten  Zeiten  ihres  Be- 
stehens ihren  humanistischen  Grundcharakter  wahrte,  ob- 
wohl man  seit  Rektor  Schaarschmidt  (1797—1813)  der 
deutschen  Sprache  und  den  Realien  Verständnis  entgegen- 
brachte und  Raum  im  Stundenpläne  anwies,  erhellt  aufser 
aus  anderen  auch  aus  den  Bestimmungen  der  Maturitäts- 
prüfung. Diese  wurde  auf  Anregung  des  Rektor  Frotscher 
(1819—1820)  eingeführt.  Zur  unbedingten  Reife  für  die 
Universitätsstudien  wurde  in  erster  Linie  für  erforderlich 


21)  Mandamus  sedulo  omnibus  qui  in  superioribus  ordinibus 
versantur,  ut  cum  discipulis  loquantur  latine.  Qui  vero  gerinanici 
sermonis  notati  sunt,  suo  tempore,  cum  delicta  scholastica  cognoscuntur, 
piagas  in  manibus  accipiunt  et  nisi  ipsi  alios  notaverint,  virgis  cae- 
duntur. 

16* 


044  Eduard  Heydenreich: 

gehalten:  in  der  lateinischen  Sprache  den  Cicero,  Livius, 
Virgil,  Horaz  im  Ganzen  mit  Leichtigkeit  zu  verstehen 
(wozu  die  Sicherheit  der  Quantität  und  der  Metra  mit- 
gerechnet wurde);  den  eignen  lateinischen  Ausdruck  ohne 
grammatische  Fehler  und  grobe  Germanismen  in  seiner 
Gewalt  zu  haben,  nicht  allein  schriftlich,  sondern  auch 
über  angemessene  Gegenstände  mündlich.  Aufser  gewissen 
Leistungen  im  Deutschen  und  Hebräischen  wurden  in 
jener  Prüfungsordnung  nur  noch  griechische  Kenntnisse 
erfordert:  der  Examinand  mufste  die  attische  Prosa,  auch 
den  leichteren  Dialog  des  Sophokles  und  Euripides  nebst 
dem  Homer  verstehen  und  eine  Übersetzung  aus  dem 
Deutschen  ins  Griechische  ohne  grammatische  Verstölse 
abzufassen  im  stände  sein.  Von  einer  Prüfung  in  den 
Realfächern  sah  man  völlig  ab.  Wie  wenig  auf  Mathe- 
matik, dieses  gefürchtetste  Fach  des  gegenwärtigen  Ab- 
iturientenexamens, Wert  gelegt  wurde,  erhellt  aus  dem 
Gutachten  des  Oberpfarrers  Wahl  vom  12.  März  1822. 
Rektor  Voigtländer  hatte  in  seinen  Reformvorschlägen  auch 
angefragt,  ob  künftighin  eine  Prüfung  über  mathematische 
Gegenstände  zur  Abgangsprüfung  hinzukommen  sollte, 
„wenn  die  Mathematik  öffentlich  gelehrt  wird".  Darauf 
antwortete  Wahl :  „Mathematik  kann,  wenn  sie  getrieben 
worden,  wohl  mit  als  Gegenstand  des  Abiturientenexamens 
angesehen  werden.  Doch  als  entscheidend  für  oder  gegen 
die  akademische  Reife  würde  ich  sie  nicht  ansehen." 

Unter  den  Rektoren  und  Lehrern  der  Anstalt  be- 
gegnen wir  eine  stattliche  Reihe  hochberühmter  Namen. 
„Gleichwie  aber  die  Rectores  angemerckter  malsen  die 
Schulen  mit  berühmt  machen;  also  müssen  denn  auch  zu- 
förderst die  hiesigen  Rectores  und,  wie  sie  anfänglich 
geheissen,  die  moderatores  der  Schulen  billig  gerühmet, 
und  nahmentlich  zum  Gedächtnils  das  in  Segen  bleibet, 
genennet  werden-2)."  Von  den  oben  bereits  angeführten, 
die  ins  geistliche  Amt  übergingen,  möchte  Verfasser  hier 
absehen,  ebenso  von  denen,  welche  etwas  Hervorragendes, 
soweit  wir  wissen,  nicht  geleistet  haben. 

Thomas  Poepel,  ein  Schneeberger  Stadtkind,  geb. 
1497,  war  der  Sohn  eines  der  ersten  Bergleute  auf 
St.  Georg.  Er  wird  als  ein  guter  Komponist  gerühmt 
und  schrieb  auch  eine  Abhandlung  „Von  den  vornehmsten 


22)  Melzer,  Erneuerte  Stadt  u.  Berg  Chronica  der  Freven  Berg- 
Stadt  Schneeberg  (1716),  S.  340. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeherger  Lyceums.  245 

Artikeln  der  christlichen  Lehre",  die  jedoch  nie  im  Druck 
erschien.  Das  Schulmeisteramt  verwaltete  er  etwa  1520 
bis  1525.  „Seine  Religiosität  und  Gottesfurcht",  erzählt 
Melzer,  „erscheinet  daher,  dafs  er  mit  Hintansetzung  der 
päbstischen  Satzungen  am  ersten  an  einem  Freytag  Fleisch 
gegessen  hat:  Und  obwohl  dieselbe  durch  die  Carolstadische 
Lehre  gekräncket  worden,  dafs  er  A.  1522  in  Thal  sich 
begeben  und  den  Haspel  gezogen,  so  ist  er  doch  bald 
wiederkommen."  Nach  seiner  Rückkehr  von  Joachims- 
thal machte  er  sich  um  seine  Vaterstadt  dadurch  verdient, 
dafs  er  zu  öffentlichen  Ämtern  herangezogen  beim  Bau 
der  Mühlen,  der  Kirche  und  des  Flofsgrabens  mit  Rat 
und  That  half.  Alle  ehrenvollen  Anerbietungen,  die  ihm 
von  anderen  Städten  gemacht  wurden  (er  sollte  u.  a. 
Bergschreiber  in  Joachimsthal  werden),  wies  er  aus  Liebe 
zu  seiner  Vaterstadt  zurück.     Er  starb  1573. 

Ambrosius  Franz  aus  Großenhain,  anfangs  Bac- 
calaureus,  dann  1533  —  1535  Rektor.  Georg  Fabricius 
berichtet  in  den  Annalen  der  Stadt  Meilsen,  dafs  ihn  der 
Dekan  Joh.  Heinig  auf  seine  Kosten  in  Leipzig  habe 
studieren  lassen.  Er  verliefs  das  Schulamt,  bekleidete 
mehrmals  die  Stelle  eines  Bergschreibers  und  viermal  das 
Richteramt.  Er  verfafste  Schneeberger  Annalen,  die 
Albinus  fleifsig  benutzte,  unter  dem  Titel:  „Anfang  des 
weitberühmten  Bergwercks  Schneeberg,  Wesens  und  Re- 
giments, Nahmen  der  Regenten,  beyde  in  Gerichten  und 
Bergwercken,  und  was  sich  ungefehrlich  bey  ihnen  bifs 
zur  Zeit  verloffen  und  zugetragen,  soviel  aus  Bericht  und 
gutem  Gedächtniis  ehrlicher  alter  Leut  und  aus  beglaubten 
alten  Schriften  hat  können  zusammengeklaubt  werden 
durch  Ambrosium  Frantz". 

Johannes  Rivius,  Rektor  1535 — 1537,  ein  Westfale 
aus  der  niederländischen  Humanistenschule,  förderte  in 
hohem  Mafse  die  innere  Reorganisation  des  Lyceums,  wie 
er  überhaupt  einer  der  tüchtigsten  Schulmänner  Sachsens 
war23).  Unter  ihm  legte  Caspar  Eberhard,  welcher  später 
als  Baccalaureus  an  der  Schule  wirkte  (gestorben  als  Doktor 
der  Theologie,  Professor  und  Pastor  zu  Wittenberg),  den 
Grund   für  seine   umfassende  Kenntnis  der  griechischen 


23)  Vita  Joannis  Rivii  descripta  a  Geo.  Fabricio  im  Meifsner 
Progr.  v.  1843.  Ludovici  V,  124ff.  Jahn,  Versuch  einer  Lebens- 
beschreibung des  Johann  Rivius  (Baireuth  1792).  Herzog,  Ge- 
schichte des  Zwickauer  Gymnasiums  S.  86  f.  G.  Müller,  Allg. 
Deutsche  Biographie  XXVIII,  709  ff. 


•>.|i;  Eduard  Heydenreich: 

Sprache,  welche  es  ihm  ermöglichte,  mit  seinen  Schulen] 
in  Joachimsthal  und  Gottesgab  den  Ajax  des  Sophokles  und 
die  Nubes  des  Aristophanes  in  der  Ursprache  aufzuführen 24). 

Mathias  Marcus  Dabercusius  (Rektor  1540  bis 
1543),  ein  Rheinländer;  „der  war",  erzählt  Heizer,  „zu 
St.  Annaberg  und  anderen  Orthen  vorgedachten  Rivii 
Collega  gewesen,  da  er  als  ein  Extraordinarius  die  grie- 
chische Sprache  gelehret,  kam  aber  mit  Rath  desselben 
A.  1540  hieher  auffn  Schneeberg".  Er  war  einer  der 
Wiederhersteller  der  Wissenschaften  in  Sachsen  und  ein 
ausgezeichneter  Philolog.  Albinus  rechnet  ihn  unter  die 
gelehrtesten  und  namhaftesten  Männer,  die  der  Jugend 
löblich  gedient  und  trefflichen  Nutzen  gestiftet  haben25). 

Christoph  Baldauff  (Rektor  1543  —  1554).  Er 
ging  von  Schneeberg  als  Rektor  nach  Schulpforta.  1557 
übernahm  er  das  Rektorat  in  Zwickau,  rnufste  jedoch 
auf  kurfürstlichen  Befehl  im  nächsten  Jahre  wieder  in 
seine  Stellung  nach  Schulpforta  zurückkehren,  wo  er  1579 
emeritiert  wurde.  Er  starb  zu  Naumburg  an  einem  Tage 
mit  seiner  Frau  1580,  „nachdem",  wie  Melzer26)  sagt,  „von 
ihm  eingetroffen  Andreae  Catonis  Distichon: 

Gymnasii  Rector  sit  semper  fortis  ut  Hector 
Sicut  Hiob  patiens,  utque  Sibylla  sciens." 

1554  führte  Baldauff  in  Schneeberg  die  „Promotion"  ein, 
„dazu  die  fürnehmen  Leuthe  alhie  geladen  werden,  da 
der  Schulmeister  oder  ein  ander  erstlich  eine  Oration 
helt,  hernach  denjenigen  Knaben,  so  dasselbe  Ihar  aber 
wolstudiret  vnnd  fortgesetzt  worden,  schöne  Kreuze  aus- 
geteilet  vnnd  zugleichen  vmb  mehrer  fleis  angereizet  und 
durch  den  Pfarherr  und  Schulmeister  vermahnet  werden." 
Paul  Obermeier,  ein  geborener  Schneeberger,  war 
als  Baccalaureus  an  der  Schule  zu  Annaberg  thätig  und 


-')  Dan.  Traug.  Müller,  De  vita  Casp.  Eberhardii  commentatio 
VII  (Progr.  Schneeberg  1754)  p.  539.  Casp.  Eberhard  schenkte  später 
der  Schneeberger  Schulbibliothek  ein  Buch,  in  welches  er  unter 
anderen  folgende  Distichen  eingetragen  hatte: 

Ambrosius  ludi  curam  Franciscus  agebat, 
Quem  veneror  digno  gratus  amore  l'atrem. 
Pectus  et  excoluit  sacra  mihi  Bivius  arte, 
<  'uius  ut  a  rivo  fluxit  ab  ore  sonus. 

M)  Ludovici  V,  142ff.  Müller,  Geschichte  der  Landesschule 
zu  Meifsen  (Leipzig  1789)  II,  174 ff.  Fromm,  Allg.  Deutsche  Bio- 
graphie IV,  (iR.'i. 

26)  Melzer,  Erneuerte  Chronik  von  Schneeberg  S.  345. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums.  247 

wurde  im  Jahre  1555  zur  Leitung  des  Lyceums  seiner 
Vaterstadt  berufen.  Im  Jahre  1560  vertauschte  er  diese 
Stelle  mit  der  eines  Rektors  der  Schule  zu  Marienberg, 
aber  schon  im  folgenden  Jahre  kehrte  er  in  seine  Vater- 
stadt zurück,  um  die  Leitung  der  Schneeberger  Schule 
von  neuem  zu  übernehmen.  1575  wurde  er  Rektor  in 
Zwickau,  wo  er  1598  starb.  Er  wird  gerühmt  als  ein 
Mann  von  seltener  Gelehrsamkeit,  als  ein  gründlicher 
Kenner  sowohl  der  lateinischen  wie  der  griechischen 
Sprache  und  Litteratur,  als  ein  erfahrener  und  erfolg- 
reich wirkender  Pädagoge  und  tüchtiger  Leiter  der  Schule, 
der  sich  bis  in  sein  hohes  Alter  die  körperliche  und 
geistige  Frische  bewahrt  habe.  Der  Schülercötus  des 
Schneeberger  Lyceums  belief  sich  unter  seinem  Rektorat 
auf  330  Köpfe.  Über  dem  Eingang  zur  Schule  stand 
folgendes  Epigramm  von  Obermeier: 

Saxoniae  dux  Augustus  Septemvir  in  Aula 

Hospitium  Musas  jussit  babere  suas. 
Huc  ades  ingeniöse  pner,  studioque  fideli 

Discite  literulas  cum  pietate  bonas. 
Hoc  deus,  hoc  genitor  tuus,  hoc  Respublica  suadet 

Augusti  pietas  postulat  ipsa  Ducis27). 

Abraham  Schade,  geb.  zu  Senftenberg,  ging  1564 
nach  Leipzig,  wurde  1573  Konrektor  an  der  Thomas- 
schule daselbst,  1588  Tertius  an  der  Fürstenschule  zu 
Meifsen.  Wegen  Verbreitung  calvinischer  Grundsätze 
wurde  er  1592  seines  Amtes  entsetzt.  Später  wurde  er 
jedoch  Rektor  an  der  dortigen  Stadtschule,  seit  8.  November 
1598  bis  Anfang  1601  in  Schneeberg.  Von  hier  kam  er 
in  gleicher  Eigenschaft  nach  Eger,  wurde  dann  Tertius 
in  Bautzen,  hierauf  Rektor  in  Speyer.  Von  dort  berief 
man  ihn  1615  wieder  als  Rektor  nach  Bautzen.  1617 
legte  er  sein  Amt  nieder28). 

Johannes  Zechendorff,  1580  zu  Löfsnitz  geboren, 
erst  Konrektor  und  von  1617  an  Rektor  in  Schneeberg, 
„ein  hochgelehrter  Fortpflanzer  der  orientalischen  Sprachen, 
ein  weitberühmter  Philologus  und  Polyhistor,  wie  auch 
ein  wohlverdienter  Mann  umb  die  Jugend"29);  er  ver- 
schaffte neben  dem  Unterrichte  im  Hebräischen  auch  dem 
in  der  syrischen,   chaldäischen   und   arabischen   Sprache 


")  Windhaus  a.  a.  O.  S.  197  f.     Stade  a.  a.  0.  S.  9. 
2S)  Stade  a.  a.  0.  S.  15.   Ludovici  V,  154  f.   Müller,  Gesch. 
der  Landesschule  zu  Meifsen  II,  220  ff. 
-9)  Melzer  a.  a.  0.  S.  349. 


248  Eduard  Heydenreich: 

Eingang.  Auch  legte  er  die  Matrikel  des  Schneeberger 
Lyceums  an30).  Auf  Empfehlung  der  kurfürstlichen  Visi- 
tatoren  wurde  er  in  das  Rektorat  zu  Zwickau  berufen, 
das  er  44  Jahre  hindurch  verwaltete.  Gleichwie  ehemals 
dem  Melanchthon  zu  Ehren  „Parentalia  anniversaria" 
gehalten  wurden,  so  wurde  auch  nach  seinem  Tode  all- 
jährlich sein  Gedächtnis  „mit  einem  Carmine  celebriret" 
(Melzer  a.  a.  S.  449). 

Jon.  Doppert  war  zu  Frankfurt  a.  M.  1674  geboren 
und  hatte  in  Leipzig  und  Wittenberg  studiert.  Auf  Schurz- 
fleisch'  Empfehlung  erhielt  er  eine  Hauslehrerstelle  in 
Dresden  und  hatte  in  den  vornehmen  Kreisen  der  Residenz 
Gelegenheit,  weltmännische  Manieren  sich  anzueignen. 
1703  wurde  ihm  das  Schneeberger  Rektorat  übertragen, 
das  er  bis  1735,  d.  h.  länger  als  irgend  ein  anderer  Leiter 
des  Lyceums,  verwaltet  hat.  Er  hatte  in  dieser  Zeit 
wiederholt  mit  äulserer  Not  zu  kämpfen.  Am  5.  Juni 
1708  sah  er  sich  genötigt,  beim  Rat  um  Zulage  einzu- 
kommen; „die  elenden  Zeiten",  heilst  es  in  dem  Be- 
werbungsschreiben, „die  Versteigerung  binnen  einiger 
Jahre  der  nothürfftigen  Victualien  als  auch  die  berüchtigten 
Sumptus  zu  den  studiis  elegantioribus ,  die  nach  fa^on 
des  jetzigen  saeculi  mit  einem  geringen  apparatu  nicht 
können  noch  mögen  fourniret  werden,  veranlassen  mich 
zu  diesem  honesto  petito"31).  Das  Gesuch  wurde  be- 
willigt. 1719  am  10.  Sonntag  nach  Trinitatis  wurde  das 
Schulhaus  bei  dem  grofsen  Stadtbrand  mit  dem  gröfsten 
Teil  der  Stadt  eingeäschert;  1719—23  mulste  Doppert 
zur  Miete  wohnen.  Erst  1723,  19.  Januar,  konnte  der 
Einzug,  zu  dem  Doppert  ein  16  Quartseiten  langes  ge- 
lehrtes Programm  schrieb32),  in  das  neue  Schulgebäude 
stattfinden.  Es  mag  kulturhistorisch  nicht  uninteressant 
sein,  den  Verlauf  eines  solchen  Festes  des  vorigen  Jahr- 
hunderts kennen  zu  lernen.  Wie  das  vom  Stadtschreiber 
Schnorr  ausgefertigte  Protokoll33)  angiebt,  „sind  die 
Schüler  und  H.  Praeceptores  aus  dem  bisher  zur  Schule 
gebrauchten  Bürger  Haufse  Vormittags  umb  9  Uhr  Paar 

30)  Ludovi  ci  V,  66  ff.,  bes.  167,  92. 

81)  Schneeberger  Ratsarchiv  (i  J I J  8. 

**)  Memoriam  lycei  quod  Sneebergae  floret  saecularem  et  sinml 
solemnia  ob  novum  scholae  aedificium  per  flaminam  devastatnm  .  .  loco 
consueto  celebranda  proponit  et  ad  sacra  haec  praesentia  sua  collu- 
stranda .  .  invitat  M.  Joannes  Doppertus,  rector  Ivcei  Sneeb.  Litteris 
Puldianis.     1723.    4°. 

88)  Schneeberger  Ratsarchiv  (J  III  10. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums.  249 

und  Paar  in  das  neue  Schul  Hauis  eingezogen.  2)  haben 
die  Inspectores  Scholae,  auch  andere  Auditores  vom 
Rathe,  Litterati  und  sonst  viel  Leute  sich  allda  einge- 
funden, da  3)  der  Anfang  mit  singen  und  zwar  von  den 
Choralist en  figuraliter  iedoch  ohne  Instrumental- Music, 
das  Veni  Sancte  Spiritus  mit  dazwischen  von  denen 
Discantisten  intonirten  Choral:  Komm  Heil.  Geist  Herr 
Gott  etc.  gesungen,  4)  von  einem  Schul -Knaben  das 
ordentliche  und  gewöhnl.  Schul-Gebeth  von  dem  Catheder 
Knieend  gebethet,  darauff  5)  Von  dem  Oberpfarrer  tit. 
H.  K.  Thönnicker  der  Vortrag  latinis  und  Delitzsch  mit 
Danken,  guten  Wünschen  und  Vermalmen  ad  docentes  et 
discentes  gethan,  und  dem  Herrn  Rectori  der  Schlüfsel 
zur  Haufsthüre  der  Schule  extradiret,  6)  Von  H.  Stadt- 
richter L.  Bormann  als  Mit-Inspectore  Scholae  eine  schöne 
lateinische  Rede  ufn  Catheder  gehalten,  hernach  7)  der 
III.  Psalm  Lateinisch  musiciret,  ferner  8)  H.  Conrectore 
Hoffmann  eine  lateinische  Oration  ufn  Catheder  memoriter 
gehalten,  nach  dieser  9)  der  101.  Ps.  lateinisch  musiciret 
und  in  Auditorio  Primario  mit  dem  Dankliede  Nun  danket 
alle  Gott  beschlofsen.  Übrigen  aber  auch  endlich  10)  auft' 
der  Gasse  vor  der  Thüre  des  Schul  Haufses  auff  Ver- 
ordnung das  Lied:  Nun  lob  meine  Seele  den  Herrn  pp. 
von  den  Choralisten  choraliter  gesungen." 

Von  Dopperts  Thätigkeit  kann  man  sich  einen  Begriff' 
machen,  wenn  man  erwägt,  dafs  von  ihm  noch  drei  starke 
Bände  Schulschriften  sich  erhalten  haben.  Allerhand 
philologische  und  theologische  Gegenstände  werden  hier 
abgehandelt.  Nicht  nur  bei  den  Schulprüflingen,  sondern 
überhaupt  bei  den  mannigfachsten  Anlässen  sehen  wir 
den  federgewandten  Rektor  eine  Druckschrift  veröffent- 
lichen: wenn  die  Schule  irgend  eine  Feier  veranstaltet34), 
wenn  Kollegen  oder  Geistliche  an  einen  anderen  Ort 
übersiedeln,  wenn  Männern,  die  irgend  ein  Verdienst  um 
das  Lyceum  sich  erworben  haben,  irgend  ein   freudiges 


M)  So  erschien  1709  ein  gelehrtes  Programm  von  8  Folioseiten 
unter  dem  Titel  „Christi  <r«r»7poj  theophaniam  IV  scholae  nostrae 
alumni  .  .  celebrabunt  quorum  nomine  solemnitatem  venerandi  lycei 
ephoris  .  .  indicit  M.  Joannes  Doppertus  .  .  Praelio  Henrici  Fuldae", 
als  die  Erscheinung  Christi  durch  eine  lateinische  und  zwei  grie- 
chische Schülerdeklamationen  gefeiert  und  zugleich  das  Gedächtnis 
„Burchardi  Praetoris  quondam  nostri  et  Evergetae  Musarum  nostrarum 
singularis"  begangen  werden  sollte.  Vergl.  Pfarrarchiv  Schneeberg 
„Acta,  das  Burckhardsche  Stipendium  und  andere  Stipendien  u.  dergl. 
betr."     Ergangen  1651  sq.     Lit.  S.  No.  1. 


2öO  Eduard  Heydonreich: 

oder  trauriges  Ereignis  begegnet 8d),  wenn  dem  Rektor  in 
einer  benachbarten  Stadt  etwas  Neues  zustöist,  bei  Ver- 
lobungen, Hochzeiten  und  Todesfällen36). 

Als  Jo.  Geo.  von  Ponickau  in  Schneeberg  erschien, 
begrüfste  ihn  Doppert  1718  im  Namen  des  „ordo  sacer 
et  musarum  chorus"  und  beglückwünschte  ihn  durch  eine 
andere  Gratulationsschrift,  als  derselbe  das  Amt  eines 
Vorstehers  des  erzgebirgischen  Bergbaues  1721  über- 
tragen erhielt.  Das  Erscheinen  Friedrich  Augusts  II. 
1708  in  Schneeberg  bot  erst  recht  Anlals,  eine  Be- 
grülsungsschrift  abzufassen,  die  auch  huldreich  ange- 
nommen wurde,  und  die  als  ein  echtes  Beispiel  jener 
panegyristischen  Begrüisungslitteratur  bezeichnet  werden 
kann.  Als  nach  dem  grolsen  Stadtbrand  von  1719  der 
Rat  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.  Geld  zum  Wiederaufbau 
der  Schule  gespendet  hatte,  dankte  ihm  Doppert  in  einem 
solennen  Dank,  der  bei  Christ.  Kanngiefser  gedruckt 
wurde37).  Die  Jubelfeier  der  Eeformation  1717  veran- 
lagte ihn  zu  einem  „Monumentum  sacris  Lutheranae 
ecclesiae  saecularibus   dicatum   a   schola  Sneebergensi". 

35)  So  beglückwünschte  er  Christian  Melzer  in  Wolkenstein  zu 
seiner  Schneeberger  Chronik  1716  mit  den  Worten:  „Venerandi 
Melzeri  calainus  depangit  novara  montium  soliolem  et  ex  ipso  obli- 
vionis  antro  nobilem  suisque  argenti  venis  turgidum  extrahit  locuni, 
urbem  iam  ultra  duo  saecula  principihus  Vittikindeis  caram  ac  ob 
salutaria  instituta  cum  in  curia  tum  in  Sacris  inter  Saxonas  passim 
celebratam  aperit  Melzeriana  industria"  u.  s.  f.  Als  Beispiele  für 
solche  Aufmerksamkeiten,  die  Doppert  bei  traurigen  Anlässen  er- 
zeigte, können  dienen  die  Druckschriften:  Monumentum  piis  manibus 
nobilis  pudicissimaeque  feminae  Susannae  ortu  Schreiberiae  coniugis 
carissimae  nobilissimi  domini  Christiani  Friderici  Coithii  incluti 
domini  ofrlcinae  rei  ferrariae  et  vitrioli  in  Breitenhof  et  senatoris 
civitatis  Sneeb.  prudentissimi  evergetae  scholae  nostrae  singularis  .  . 
(■rectum  a  M.  Jo.  Dopperto  .  .  Schneebergae  Litteris  Fuldianis  (1734) 
und  die  aus  derselben  Druckerei  1730  hervorgegangene:  Inter  exe- 
quiarum  solemnia  matronae  nobilissimae  ac  exempli  rarissimi  Kuni- 
gundae  Sophiae  ex  prisca  Mathaeorum  stirpe  ortae  coniugis  perdilectae 
viri  maxime  reverendi  dn.  Joan.  Joach.  Thoennikeri,  s.  theol.  lic,  . . 
scholaeque  nostrae  ephori  praecipui  . .  offert  hoc  pietatis  in  defunctam 
monumentum  manibusque  consecrat  beatis  M.  J.  Doppertus,  rector 
schob  Sneeb.  Diese  und  die  im  Folgenden  angeführten  Programme 
und  kleinen  Schriften  .sämtlich  in  der  Schneeberger  Gymnasialbibliothek. 

30)  Ihres  biographischen  Inhaltes  wegen  seien  hervorgehoben 
die  Gedächtnisschriften  auf  die  Schneeberger  Bürgermeister  Salomon 
Friedrich  Fischer  1718  und  Jo.  Hnr.  von  Ryssel  1726. 

37)  Solemnis  eaque  devota  gratiarum  actio  perillustri  eminenti 
ac  splendidissimo  Lnclyti  senatus  liberae  et  perantiquae  reipublicae 
Francofurdiensis  ad  Moenum  collegio  .  .  persoluta  .  .  a.  .  .  Joa. 
Dopperto  . .  (1720). 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeherger  Lyceums.  .'.'il 

Insbesondere  pflegte  Doppert  jedem  einzelnen  der  zur 
Universität  abgehenden  Schüler  eine  besonders  für  ihn 
verfalste,  gedruckte  Glückwunschschrift,  die  zugleich  als 
Empfehlungsschreiben  dienen  konnte,  einzuhändigen ;  diese 
Art  von  Dopperts  Schriftstellern  verdient  ebenso  durch 
die  elegante  Abwechselung  des  sprachlichen  Ausdruckes 
unsere  Bewunderung,  als  sie  durch  eingestreute  Mit- 
teilungen über  den  Studiengang  der  Abiturienten  unser 
Interesse  erweckt:'sj.  Mit  derselben  Eleganz  widmete  er 
denjenigen  seiner  Schüler,  welche  die  philosophische 
Magisterwürde  erworben,  Glückwunschschreiben  und  liefe 
diese  drucken89).  Es  kam  auch  vor,  dafs  der  Rektor 
sich  mit  seinen  Kollegen  oder  mit  Freunden  des  jungen 
Magisters  zu  einem  gemeinsamen  Glückwunsch  verband: 
In  dem  Glückwunsch  für  Chr.  Fr.  Fischer40),  der  vier 
Folioseiten  füllte,  kommt  erst  eine  „allocutio  M.  Joannis 
Dopperti,  Rect.  Scholae  Sneeb.",  die  auch  über  die  Uni- 
versität sstudien  Fischers  Mitteilungen  enthält,  und  dann 
folgen  lateinische  Verse  dreier  Schulkollegen  und  eines 
Schneeberger  Arztes.    Auch  Ausgaben  von  Schriftsteller- 

3S)  Vergl.  z.  B.  aus  dem  Jahre  1722:  Abitum  ad  musas  Lip- 
sienses  felicein  prosperumque  Christ.  Frid.  Klopffero  Sneebergensi 
hucusque  auditori  suo  perindustrio  precatus  M.  Jo.  Doppertus,  rector 
scholae  Sneeb.  Sneebergae,  litteris  Christian!  Henr.  Kanugiesseri.  - 
Discessum  ad  Parnassum  Sateae  vicinum  faustum  fortunatumque 
Gottualdo  Bauero,  Zschorlav.  ad  Sneebergam  auditori  suo  hucusque 
multis  noniinibus  approbato  ex  intimo  mentis  recessu  vovet  M.  Joannes 
Doppertus  etc.  —  Hoc  propter  commendandi  munus  viatico  iter  ad 
Misniae  Athenas  Lipsiam  Jo.  Friderici  Steinbach,  Aurobaeensis 
inter  Variscos.  .  .  singulari  inductus  amore  remuneratur  M.  Joa. 
Doppertus,  rector  schob  Sneeb.     Impressit  Henricus  Fulda. 

39)  Z.  B.  Hoc  voto  nova  honoris  ornameuta  a  patribus  acade- 
miae  Lipsiensis  in  ..  dominum  Christianum  Nathanaelem  Hoch- 
muthium  Zschorlaviensem  ad  Sneebergam  quondam  auditorem  suum 
iucundum  die  XI.  Febr.  a.  Dionys.  1723  collata  mactat  M.  Jo.  Dop- 
pertus, rector  lycei  Sneeb.  Sneebergae  Litteris  Chr.  Hnr.  Kanngiesseri. 
—  Summos  in  philosophia  honores  ab  amplissimo  sapientum' ordine  in 
inclyta  Lipsiensium  academia  die  XL  Febr.  a.  Dionys.  1723  in  .  . 
dorn.  Joa.  Beni.  Seydelium  Hobensteina  Schoenburg.  quondam 
auditorem  suuin  perdüectum  publica  auctoritate  collatos  faustos  pro- 
sperosque  esse  iubet  u.  s.  w.  —  Supremos  in  philosophia  honores 
\  itembergae  Saxonum  XVI.  Kai.  Nov.  anni  Dionysiani  1724  in  .  . 
Jo.  Frider.  Steinbachium  Aurob.  Variscum  auditorem  antea  suum 
perindustrium  casumque  solemni  patrum  suffragatione  collatos  faustos 
felicesque  proclamat . .  Impressit  Henr.  Fulda. 

40)  Ad  nobilem  omnique  doctrinarum  apparatu  effulgentem 
dominum  Christ.  Frid.  Fischerum  Sneeberga  Misnicum  die  XII.  Febr. 
a,  Dion.  1722  in  solenni  panegyri  magistrum  artium  Lipsiae  renuu- 
ciatum  praeceptores  et  amici.    Sneebergae.  Litteris  Fuldianis. 


252  Eduard  Heydenreich: 

texten  schrieb  Doppert  für  den  Gebrauch  an  seiner 
Schule,  so  edierte  er  eine  Rede  des  Aurelius  Brandolinus 
über  die  Tugenden  Jesu  Christi  und  eine  Rede  des  Jo. 
Chrysostomus  zum  Lobe  des  Apostels  Paulus. 

Bei  den  grofsen  Verdiensten  Dopperts  wird  man  sich 
nicht  wundern,  dals  er  auch  dem  Schneeberger  Rat 
gegenüber  gelegentlich  sehr  energisch  auftrat.  Als  ohne 
sein  Mitwissen  vom  Rat  ein  Heizer  für  die  Schule  be- 
stellt worden  war,  erachtete  er  dies  für  „einen  nicht 
geringen  despect"  seiner  eignen  Person,  wies  darauf  hin, 
dals  er  „ohne  Vorwifsen  vndt  Consens  eines  HochEdl. 
Consistorii  in  Leipzigk  den  gemachten  Rathschluls  nicht 
sollen  vndt  dörffen  annehmen",  und  schickte  dem  Rat  nicht 
weniger  als  13  gravamina  in  dieser  Sache:  den  Verdacht, 
als  sei  mit  dem  Holz  nicht  genug  gespart  worden,  weise 
er  entschieden  von  sich  ab;  „werde",  schreibt  er  unter 
No.  6,  „in  Ansehung  meiner  privatoeconomie  nimmermehr 
frembden  Leuthen  die  Schlüfsel  Zum  Haufs  gestatten, 
Zumahle  solchen  Personen,  die  mir  von  gar  vielen  Leuthen 
gar  übel  recommendiret  werden."  „Weiln  frembde  Leuthe 
nach  dem  Einheizen  davon  gehen  und  also  Niemandt  sich 
ferner  des  Feuers  annimmt,  ja  wohl  gar  durch  eine  heim- 
liche picanderie  der  Magd  sich  köndte  was  anders  er- 
eignen, und  sowohl  mir  alfs  der  gantzen  Stadt  hierdurch 
ein  grofses  Unglück  zuwachsen"  u.  s.  w.  Schliefslich  thut 
er  das  Stärkste,  was  er  überhaupt  thun  konnte,  indem 
er  das  Schreiben  mit  folgender  No.  13  schliefst:  „Be- 
schwerr  mich  hiermit  solenniter  über  H.  Heinrich  von 
Ryfsel,  dafs  er  wieder  alle  vorher  gegangene  protestationes 
sowohl  an  seine  Hochehrwürden  Hn.  Superintendenten  in 
Zwickau  alis  auch  an  HochEdl.  Consistorium  in  Leipzig  sich 
zu  zweyen  mahlen  verweigentlich  unterstanden  mir  den 
neuen  Thürmer  über  den  Halls  zu  schicken  undt  mich 
also  hierdurch  noch  veranlafset  mit  hintansezung  aller 
hohen  H.  Interessenten  immediate  an  Se.  Majestät 
den  König  Selbsten  zu  appelliren"41). 

Als  Doppert  sein  Ende  nahen  fühlte,  vermachte  ei- 
serne ganze  Habe,  insbesondere  seine  Bibliothek,  auf  deren 
Vermehrung  er  beständig  bedacht  gewesen  war,  seiner 
geliebten  Schule.  Hatten  sich  doch  seine  Anverwandten 
in  der  langen  Zeit  seiner  Schneeberger  Wirksamkeit  gar 
nicht    um    ihn   gekümmert.     In    seinem   Testamente   be- 


4I)  Schneeberger  Ratsarehiv  G  III  lJ. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeherger  Lyceums.  253 

stimmte  er,  dafs  seine  Bibliothek  „ins  Geld  versetzet  u. 
verkaufet"  werde;  es  solle  das  hieraus  gewonnene  Kapital 
sicher  ausgeliehen  werden,  „damit  auch  zuförderst  denen 
Herren  Schul  Collegen  iedesmahl  vor  andern  iedoch  gegen 
genügsame  Sicherheit  gedienet,  die  darvon  gefallende 
Zinlsen  alljährl.  zu  Johannis  als  an  meinen  Nahmens  Tage 
u.  zwart  drey  Viertheil  dem  wohlbesagten  hielsigen  Schul- 
Collegio  nach  Anzahl  derer  jedesmahligen  Herren  Collegen 
keinen  ausgeschlofsen,  sondern  soviel  als  den  anderen  ge- 
rechnet, das  übrige  vierte  Theil  aber  zur  Chor  Buchfsen 
gegeben  u.  bey  der  nachfolgenden  Distribution  unter  die 
armen  Choralisten  nach  eingeführter  Proportion  mit  ver- 
theilet  u.  von  allerseits  meiner  als  Fundatoris  u.  eines 
Schulfreundes  in  Guten  gedacht  werden  solle" 42).  Dopperts 
Bibliothek  wurde  an  die  Fürstenschule  Grimma  für 
500  Thaler  verkauft.  Der  Gesamterlös  der  Hinterlassen- 
schaft berechnete  sich  auf  1128  Thaler.  Die  Doppertsche 
Stiftung  bestand  bis  zur  Auflösung  des  Lyceums. 

Als  Doppert  „praecipua  cum  laude"  32  Jahre  lang  das 
Lyceum  geleitet  hatte,  starb  er.  „Als  der  Wohlseelige",  be- 
zeugt ihm  sein  Beichtvater  Archidiakonus  Schindler,  „zwei 
Tage  vor  seinem  Ende  das  heil.  Abendmahl  empfangen 
hatte,  so  sagte  er:  der  ihm  hierbey  erteilte  Trost  sey  ihm 
recht  ins  meditullium  animae  hineingedrungen"43).  Von 
der  Hochachtung,  die  er  durch  sein  langes,  treues  Wirken 
sich  erworben,  zeugen  die  Trauergedichte43),  welche  die 
Kollegen  und  vorgesetzten  Behörden  anläfslich  seines  Todes 
drucken  liefsen.  Der  Konrektor  Hoffmann  charakterisierte 
seinen  verstorbenen  Rektor  also: 

Theologus  cecidit,  cecidit  celehris  Polyhistor, 

Musarum  cecidit  non  leve  delicium. 
Is  vir  qui  propter  divinas  pectore  dotes 

Perpetuo  Lachesis  stamine  dignus  erat. 
In  quo  vis  erat  ingenii,  rarissima  mentis 

Ac  acies  magni  judiciique  vigor: 
Dexteritas  verum  tradendi,  lactea  fandi 

Ubertas,  in  quo  lectio  grandis  erat. 
Antiquae  virtutis  honos,  Meique  corona, 

Justitiae  cultor,  fraudis  &  ultor  erat 
Officiis  verae  fidei  pietatis  &  almae 

In  quo  foecundis  fructibus  arsit  amor. 


Et  sie  Doppertus  decus  artis  grande  scholaeque 
Nostrae  dulcis  amor  mortuus  ante  diem. 


")  Ebendas.  G  II  38. 

43)  Schneebeiger  Gyranasialbibliothek  Gesch.  387  c,  No.  58,  59. 


254  Eduard  Heydenreich: 

Der  letzte  Schneeberger  Rektor,  der  ganz  in  der 
alten,  humanistisch -theologischen  Weise  ohne  Eingehen 
auf  die  realen  Fächer  die  Schule  leitete,  war,  soweit  wir 
sehen,  M.  Joh.  Gottfr.  Reusmann.  Liels  er  doch  einmal 
einen  Abiturienten  beim  Validiktionsaktus  „über  den  eitlen 
Versuch  derjenigen"  sprechen,  „welche  die  humanistischen 
Studien  schwächen  und  neue  einführen  wollen."  Er  war 
1730  in  Schleiz  geboren,  wo  sein  Vater  „ansehnl.  Bürger 
und  Buchbinder"  war.  Auf  der  Stadtschule  seiner  Vater- 
stadt vorgebildet,  wurde  er  auf  der  Thomasschule  und 
der  Universität  Leipzig  ein  Schüler  Ernestis.  1767  hei- 
ratete er  eine  Tochter  des  churf.  sächs.  Kornschreibers 
Spangenberg,  aus  welcher  Ehe  3  Söhne  hervorgingen44). 
Über  seine  Wahl  zum  Schneeberger  Rektorat  sind  wir 
durch  einen  sehr  ausführlichen  Bericht45)  des  Schnee- 
berger Oberpfarrers  Halm  unterrichtet.  Es  hat  ein  all- 
gemeines Interesse  aus  diesem  Berichte  zu  ersehen,  in 
welcher  Weise  im  vorigen  Jahrhundert  ein  Rektor- 
wechsel  von  statten  ging.  Deshalb  soll  hier  ein  Auszug 
aus  den  Aufzeichnungen  Hahns  gegeben  werden. 

Der  „zeitherige  fast  in  die  25  Jahr  bestverdiente 
Rector  unserer  lateinischen  Stadtschule,  Herr  Daniel 
Traugott  Müller"  hatte  einen  Ruf  in  das  Rektorat  der 
Kreuzschule  erhalten  und  angenommen46).  In  dem  bei 
Gelegenheit  seines  letzten  Schneeberger  Schulexamens 
geschriebenen  letzten  Programm,  dem  17.  über  die  Lyceums- 
bibliothek47),  hat  er  „sein  zeitheriges  Amt  behörig  re- 
signiret"  und  ist  darauf  „vermittelst  einer  am  1.  Tage  des 
Examinis  bey  dessen  Eröfnung  gehaltenen  lateinischen 
Rede  de  rectore  orthodoxo"  und  durch  eine  vom  Ober- 
pfarrer Hahn  „nach  beendigten  examine  gehaltenen  teut- 
schen  Rede  über  die  Worte  des  Psalmisten:  Thue  ein 
Zeichen  an  mir,  dafs  es  mir  wohlgehe,  in  dem  Auditorio 
Cl.  I   in  Beyseyn  deren   Hh.  Inspectorum  Auditorum    u. 


4l)  Pfarrarchiv  Schneeberg  R  2,  Blatt  451.. 

4r')  Ephoral-Archiv  Schneeberg  Loa  I.     Schneeberg.     No.  11. 

40)  Urbach,  Chronik  der  Kreuzschule,  S.  7. 

47)  Schwenke,  Adrefsbuch  der  deutschen  Bibliotheken  18(13, 
S.  321.  Darnach  ist  die  Festschrift  des  Königl.  Gymnasiums  in 
Schneeberg  1891,  S.  VII  zu  verbessern.  Zu  der  bei  Schwenke  an- 
geführten Litteratur  über  die  Schneeberger  Lyceumsbibliothek  kommt 
noch  hinzu:  Wahl,  Neueste  Nachrichten  von  dem  Zustande  der 
Schulbibliothek  zu  Schneeberg.  Einladungsschrift  zur  Einweisung 
des  Herrn  M.  F.  A.  Bornemann  in  das  Rectorat  zu  Schneeberg  1815 
16  SS.  8°. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lycemns.  255 

Schulen  aller  Classen  honorifice  und  beweglich  dimittiret 
worden".  Von  einer  Ratsdeputation  wurde  „besagten 
bestverdienten  Hn.  Rectori  das  Abschieds  -  Compliment 
gemacht",  von  dem  Sängerchor  der  Schule  am  Abend  eine 
Cantate,  am  andern  Tag  aber  10  Uhr  Vorm.  „bey  Ver- 
sammlung der  gantzen  Schule  vor  der  Schul  Wohnung 
einige  Lieder  und  Arien"  gesungen.  Die  Schüler  der 
oberen  Klassen  gaben  zu  Pferde  ihrem  scheidenden  Rektor 
das  Geleite.  Während  die  Kollegen  sich  in  die  Vikarierung 
der  von  Müller  gegebenen  Unterrichtsstunden  teilten,  zog 
man  Erkundigungen  betreffs  der  Neuwahl  ein.  Für  wie 
hochwichtig  Rat  und  Bürgerschaft  eine  solche  Wahl 
hielten,  erhellt  aus  dem  Kirchengebet,  welches  von  der 
Kanzel  verlesen  wurde:  „Herr,  der  du  Weifsheit  und  Er- 
kenntnis und  selbst  den  allerbesten  Rath  giebst, 
zeige  du  denen  um  das  Heil  und  Wohl  unserer  lieben 
Schule  redlichst  und  eyfrigst  besorgten  Vätern  u.  Herren 
Patronen  u.  Herren  Vorstehern  selber  durch  deinen  Trieb 
und  Zeitung  einen  würdigen  Mann  an,  welcher  mit  Gaben 
des  Geistes  und  besonders  mit  der  Furcht  des  Herrn, 
mit  nöthigen  und  gründlich  erlernten,  aber  auch  nutz- 
barlich  hinwiderum  vorzutragenden  Schulwissenschafften 
ausgerüstet,  welcher  mit  der  ädlen  Gemüts  Art  eine  gegen 
seine  Mitarbeiter  an  der  Schule  sowohl  als  auch  gegen 
die  zahlreichen  Kinder,  die  ihm  anvertraut  werden,  mit 
Friedfertigkeit  und  Leutseligkeit  gewürzte  Ernsthaftig- 
keit zu  haben  ausgezeichnet  ist  und  welcher  ein  Fürbild 
und  Exempel  der  Fremden  und  Lernenden  werden  mag." 
In  einem  ausführlichen  schriftlichen  votum  informativum 
charakterisierte  nunmehr  Oberpfarrer  Hahn  die  7  Be- 
werber. Hierbei  fiel  für  Reusmann  besonders  ins  Gewicht, 
dafs  ihn  Professor  Ernesti  in  Leipzig  auch  „wegen  der 
Gemüts-  und  Lebens-Art,  auf  welche  bey  einem  Schul- 
lehrer so  viel  ankommt",  empfohlen  hatte.  Vor  der 
eigentlichen  Wahl  auf  dem  Rathaus  hielt  der  Oberpfarrer 
eine  feierliche  Ansprache  über  Jes.  49,  23.  Reusmann 
wurde  einstimmig  gewählt.  Nachdem  er  von  den  Pri- 
manern zu  Pferde  eingeholt  und  bei  seiner  Ankunft  in 
Schneeberg  laut  Ratsbeschlusses  mit  Suppe,  Braten  und 
kleinen  Fischen  (Forellen)  bewirtet  war,  wurde  er  vor- 
läufig an  3.  Juli  1765  vom  Oberpfarrer  in  Gegenwart  der 
Spitzen  der  Stadt  dem  Schülercötus  vorgestellt.  Nach  dem 
gewöhnlichen  Morgengebet  hielt  Hahn  eine  deutsche  An- 
sprache über  Ps.  122,  9  und  der  primus  scholae  Schnorr  eine 


256  Eduard  Heydonreich: 

kleine  lateinische  Rede,  in  der  er  den  Rektor  bewillkomm- 
nete und  ihm  im  Namen  der  Mitschüler  Gehorsam  gelobte, 
worauf  Reusmann  lateinisch  antwortete  und  sogleich  die 
„erste  theologische  Lektion  anfing".  Zur  „solennen  Ein- 
weisung" am  13.  September  wurden  durch  kirchliche  Ab- 
kündigung Rat,  Ministerium,  literati  und  Eltern  „mit 
Hochachtung  und  Liebe  eingeladen".  Der  feierliche  Akt 
fand  im  Auditorium  der  1.  Klasse  statt  und  begann  unter 
Beteiligung  zahlreicher  Gäste  mit  dem  Gesang  Veni 
sancte  Spiritus  und  darauf  folgendem  deutschen  Gesang 
der  beiden  letzten  Verse  dieses  Liedes ,  „wobey  die  In- 
strumente miteinfielen";  darauf  führte  Kantor  Hoffmann 
eine  Musik  auf.  Hierauf  folgte  die  Einweisungsrede  des 
Oberpfarrers  und  die  Antrittsrede  Reusmanns,  der  sich 
darüber  verbreitete  vitam  scholasticam  non  esse  miserri- 
mam,  sed  felicissimam  vitae  conditionem.  Zwischen  den 
nun  folgenden  zwei  Schüleransprachen  führten  „die  Herren 
Musici  eine  kurze  Instrumental -Musik"  auf.  Das  Lied 
„Ach  bleib  mit  deiner  Gnade"  bildete  den  Schluts  des 
feierlichen  Actus.  Die  Schüler  brachten  dem  Rektor 
abends  eine  Musikaufführung  dar. 

Der  neue  Rektor  war  ein  auf  philologischem  und 
theologischem  Gebiet  sehr  bewanderter  Gelehrter.  Noch 
sind  44  lateinische  Abhandlungen  von  ihm  erhalten,  in 
denen  sprachliche,  exegetische,  dogmatische  und  geschicht- 
liche Gegenstände  erörtert  werden.  Die  Schule  war  gut 
besucht:  1787  safsen  in  Prima  35,  in  Sekunda  28  Schüler. 
Über  das  Schulleben  unter  Reusmanns  Leitung  sind  wir 
besonders  gut  unterrichtet.  1769  wurden  die  Schulgesetze 
lateinisch  und  deutsch  (typis  Fuldianis)  gedruckt  unter 
dem  Titel:  „Disciplina  scholae  Schneebergensis,  legibus 
descripta  ac  typis  repetita" 4S).  „Diejenigen,  die  in  diese 
Schule  des  Lernens  wegen  geschickt  werden",  heifst  es 
hier  (S.  3),  „die  sollen  wohl  bedencken,  dafs  sie  nicht  etwa 
in  einem  gemeinen  Haulse  sich  befinden,  darinnen  sie  ihre 
wilde  Ungezogenheit,  Frevel  und  Ruchlosigkeit  ungestrafft 
auslassen  können,  sondern  sollen  es  halten  für  ein  der 
Ehre  Gottes  gewidmetes  Heiligthum,  von  welchen  alle 
garstige  und  lasterhafte  Menschen  entfernt  seyn  und 
nicht  zugelassen  werden  sollen "...  „Dahero  (S.  5)  ist 
die  erste  und  führnehmste  Pflicht  eines  Schülers,   die  er 


48)  Ein  Exemplar  hat  sich  erhalten  im  Pfarrarchiv  Schneeberg 
Lit.  S.  Xo.  7. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums.  25? 

genau  beobachten  soll,  diese,  dals  er  zu  gesetzter  Zeit, 
und  mit  aller  Anständigkeit  da  sey,  und  mit  einem  reinen 
und  heiligen  Hertze  das  Gebet  abwarte.  Wird  er  dar- 
wider  handeln,  so  soll  er  das  erstemal  eine  Stunde  lang 
knien,  und  eine  Abbitte  thun.  Geschähe  es  noch  einmal, 
so  soll  er  zwar  seine  Strafe  noch  einmahl  bekommen, 
zugleich  aber  auch  noch  an  Gelde  gestrafft  werden. 
Geschieht  es  zum  drittenmahl,  so  soll  er,  und  zwar  ein 
Primaner,  ins  Carcer  gesteckt,  ein  jeder  anderer  aber 
mit  einem  Strohcrantz  öffentlich  zur  Schande  ausgestellt 
werden."  „Derjenige  (S.  15),  der  sich  auf  dem  Marckte, 
oder  in  einer  andern  Gasse  ungezogen  aufführet,  sodafs 
er  die  Vorübergehenden  schabernackt,  mit  Steinen  oder 
Schnee  wirfft,  oder  sich  gar  mit  einen  herumschlägt,  den 
soll  der  Stadt  Knecht  wegnehmen  und  ihn  zur  Abstrafung 
an  gehörigen  Ort  führen"  u.  s.  w.  Eine  Neubearbeitung 
der  Schulgesetze,  zu  der  Reusmann  ein  ausführliches  Gut- 
achten eingab,  erfolgte  unter  Leitung  des  Oberpfarrers 
Hahn.  Die  sehr  umständlichen  Vorbereitungen  gelangten 
am  13.  Juli  1774  zum  Ziel.  An  diesem  Tage  wurde  die 
neue  Ordnung  in  der  Schule  vorgelesen  und  ein  „Extract 
daraus  an  einer  Tafel  affigiret."  Was  heutzutage  in 
Gesetzen  und  Verordnungen  verfügt  wird,  war  in  reicher 
Fülle  in  dieser  höchst  umfangreichen  Schulordnung  ver- 
einigt, die  nicht  nur  die  Pflichten  der  Schüler,  sondern 
auch  die  des  Rektors  und  der  Lehrer  erörtert  und  die 
für  die  Geschichte  der  pädagogischen  Methoden  sehr 
lehrreich  ist.  Hier  können  nur  wenige  Proben  Platz 
finden:  „Die  Schüler  sollen  nicht  auf  die  Dörffer  laufen 
oder  zu  Bier  gehen."  „Die  Schüler  Schmause  wie  auch 
alle  nächtliche  Zusammenkünfte  sollen  gänzlich  abge- 
schaffet  werden."  „Wenn  die  anbefohlenen  Schulpredigten 
gehalten  werden,  werden  die  Herren  Praeceptores  sich 
gefallen  lafsen  mit  ihren  Schüler  processionaliter  unter 
dem  Liede  Komm  heiliger  Geist  Herre  pp.  aus  der  la- 
teinischen Schule  in  die  Kirche  zu  gehen."  „Die  Extranei 
haben  sich  vor  denen  Choralisten  nicht  die  geringste 
Freyheit,  wie  bisanhero  von  einigen  geschehen,  heraus- 
zunehmen49)." 

Es  war  damals  eine  grofse  Klage  unter  den  Schul- 
kollegen, clafs  die  Winkelschulen  gar  zu  sehr  eingerissen, 
„wie    auch    die    Haufs  Informatores    mit    ihren    Scholis 


i9)  Pfarrarchiv  Schneeberg-  Lit.  S.  No.  6. 

.Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XVI.  3.  4.  17 


o,-)N  Eduard  Heydenreich: 

collectis  geduldet  und  gesteuert  werden."  „So  lange 
Schneeberg  existiret,  ist  dergl.  Elend  bey  hiesiger  Schule 
an  Numero  jeder  Classe  und  die  dargegen  eingewurzelte 
Unordnung  mit  Winckel-Schulen  und  deren  elenden  Schul- 
hältern  gar  nicht  erhöret  worden."  Eine  Konsistorial- 
verordnung  vom  9.  Juli  1773  verbot  daher  das  Winkel- 
schulwesen und  gab  auf:  „Ihr  wollet  diejenigen,  so  ihre 
Kinder  in  dergl.  verbotene  Schulen  geschickt,  zur  Ver- 
gütung des  vermeldeten  Schul  Collegen  zur  Ungebühr  ent- 
zogenen Schul  Geldes  behörig  anhalten50)." 

Das  jährliche  Gregoriusfest,  das  anderwärts  um  diese 
Zeit  bereits  vielfach  abgeschafft  war51),  artete  auch  in 
Schneeberg  aus.  Schon  1783  sah  sich  der  Oberpfarrer 
Tromler  veranlagt,  die  Schüler  zu  ermahnen,  „dafs  sie 
bey  dem  nach  Ostern  gefälligen  Gregoriusfeste,  so  leider 
ein  nothwendiges  Übel  sey,  alle  schändliche  Verkleidungen, 
und  unanständiges  Betragen  vermeiden  möchten52)."  Das 
Übel  wurde  immer  schlimmer.  Es  kamen  bei  den  dra- 
matisch-musikalischen Aufführungen  dieses  Festes  „viele 
besonders  für  anwesende  Fremde  ärgerliche,  ja  sogar 
obscene  Begünstigungen  und  Ungebührniise"  vor.  Deshalb 
wurden  Inspektionswegen  die  Schüler  1789  „ernstlich  an- 
gewiesen und  bedeutet:  1)  sich  auf  keine  lüderliche, 
schändliche  und  irgends  eine  Person  vorstellende  Weise 
zu  verkleiden,  2)  keine  Larven  noch  Mascken  an  sich  zu 
nehmen,  3)  keine  Hanswurste,  Efsenkehrer,  sogenannte 
verwirrte  Studenten,  oder  Schulmeister  .  .  vorzustellen, 
vielmehr  sich  anständig,  sauber  und  erbar  zu  bekleiden, 
4)  keine  Trommeln  zu  führen,  noch  weniger  dergleichen 
zu  schlagen,  5)  sich  der  Pferde  und  des  Reitens  gänzlich 
zu  enthalten,  6)  keinen  Comoedien  ähnlichen  Auffzug  auf 
dem  Marckte  noch  sonst  an  einem  Orte  der  Stadt  vorzu- 
nehmen, 7)  keine  Schrancken  irgendswo  hierzu  zu  schlagen, 
8)  alles  öffentlichen  Gelages  sich  zu  enthalten,  9)  die 
Schul  Tafeln  und  Bäncke  aus  der  Schule  nicht  zu  schleppen, 
10)  die  mitunter  vorgekommenen  schändlichen  Betteleyen 
in  Häuisern  zu  unterlassen,  11)  schlechterdings  keine 
Pritsche  zu  führen,  noch  zu  klazschen,  auch  12)  des  so 
äuserst  widerlichen  und  milstönigen  Blasens  sich  gänzlich 


60)  Ebenda  No.  7. 

M)  Eckstein,  Die  Feier  des  Gregoriusfest.es  am  Gymnasium 
zu  Zittau.     (Progr.  Zittau  1888.)     S.  18. 

''2)  Pfarrarchiv  Schneeberg  Lit.  S.  No.  10. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeberger  Lyceums.  259 

zu  enthalten  und  überhaupt  sich  dabey  so  zu  betragen, 
wie  es  einer  wohl  gesitteten  Schul  Jugend  wohl  anstehet 
und  gebühret."  Im  Falle  einzelne  Schüler  diese  Vor- 
schriften übertreten  würden,  werde  man  genötigt  sein, 
„von  Seiten  der  Stadt -Obrigkeitlichen  Policey  andere 
Maalsregeln  zu  ergreifen."  Die  Aufsicht  über  die  kleinen 
nicht  zum  Chor  gehörenden  Schüler  wurde  dem  Tertius 
Stumpf  übertragen  (s.  o.)58). 

Die  finanzielle  Lage  des  Lehrerkollegiums  in  jener 
Zeit  war  eine  bedrängte.  Schon  während  des  siebenjährigen 
Krieges  mufste  es  die  Besoldung  in  schlechter  Münze  an- 
nehmen. Schließlich  blieb  der  Gehalt  Wochen  lang  ganz 
aus.  Auch  kein  Holz  wurde  mehr  geliefert.  So  gerieten 
die  Lehrer  „in  die  elendsten  Umstände54)."  Die  Lage 
wurde  immer  bedenklicher,  da  zwei  Einnahmequellen,  die 
Schülerzahl  und  das  Brauwesen,  zurückgingen.  Zwar 
rühmt  Christ.  Lehmann55):  „Das  Schneebergische  Bier 
kühlet,  laxiret  und  kan  sich  mit  einem  guten  starcken 
Wein  eher  als  das  Annabergische  comportiren."  Dennoch 
klagte  Reusmann  und  Kollegen  1766,  4.  Februar  dem 
Rat:  „Nun  kömmt  die  Zeit  immer  näher  herbey,  da 
auch  das  bifsgen  Brauwesen  vollends  aufhören  wird,  wie 
soll  uns  alfsdann  geholfen  werden,  wenn  auch  diese  kleine 
Revenue  wider  wegfällt?"56)  Hatte  doch  allein  der  Kantor 
104  Thlr.  9  Gr.  6  Pf.  rückständigen  Gehalts  zu  fordern, 
eine  für  damalige  Verhältnisse  erschreckend  hohe  Summe. 
Der  Oberpfarrer  sah  sich  denn  schliefslich  gezwungen, 
den  Vätern  der  Stadt  „mit  einer  Beschwehrden  an  einen 
höheren  Orte"  zu  drohen. 

Die  Liebe,  welche  Reusmann  bei  seinen  Schülern 
erntete,  überdauerte  seinen  1796  erfolgten  Tod  lange. 
1823  wurden  bei  der  Säkularfeier  des  Lyceums  „dem 
Andenken  unsrer  vollendeten  beiden  Jugendlehrer  Reus- 
mann und  Haas"  folgende  Verse  gewidmet: 

Ehre  den  Toden !    Sie  führten  uns  ein  in  die  Hallen  der  Weisheit, 
tränkten  den  dürstenden  Geist  aus  dem  geheiligten  Quell. 

Selbst  verschieden  im  Sinn  und  Weg,  doch  Beide  durchdrungen 
von  der  Grösse  des  Ziels,  welchen  sie  einst  sich  geweiht, 

Suchten  sie  für  dies  grosse  Ziel  auch  uns  zu  gewinnen, 
leiteten  würdig  und  ernst  uns  auf  der  herrlichen  Bahn. 


53)  Schneeberger  Katsarchiv  G  III  a  5. 
M)  Ebenda  G  II  64. 

w)  Lehmann,  Chr.,  Historischer  Schauplatz  derer  Merkwürdig- 
keiten in  dem  Meifsnischen  Ober-Erzgebirge  (1699)  II,  2r>4. 
5e)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  II  64. 

17* 


oßo  Eduard  Eeydenreich : 

Theure  Lehrer!   es  schallt  an  diesem  seltenen  Feste 

Euch  noch  der  innigste  Dank  aus  der  begeisterten  Brust. 

Heimgegangen  schon  längst  seid  ihr  zu  höheren  Welten, 
doch  in  Eurer  Saat  lebt  noch  lange  Ihr  fort57). 

Unter  den  „gelehrten  und  würdigen  Subjecten",  deren 
Berufung  sich  die  Oberbehörden  auch  nach  dem  Tode 
des  wackeren  Johann  Friedrich  Schaarschmidtr,s)  (179? 
bis  1813)  „bei  Besetzung  vacanter  Stellen  bei  der  hiesigen 
lateinischen  Stadtschule  immer  haben  angelegen  sein 
lassen",  verdient  den  Ehrenplatz  Mag.  Johann  Gottlob 
August  Voigtländer  (1820—1828).  Als  der  Sohn  des 
Schneeberger  Diakonus  und  nachherigen  Archidiakonus 
M.  Joh.  Hnr.  G.  Voigtländer  hatte  er  im  Elternhause  und 
auf  der  Schule  seiner  Heimat  eine  so  vortreffliche  Er- 
ziehung genossen,  dals  er  in  dem  jugendlichen  Alter  von 
20  Jahren  zum  Rektor  des  Lyceums  gewählt  wurde.  Mit 
der  Kraft  und  Geschicklichkeit  eines  im  Alter  ergrauten 
Meisters  stand  er  der  Anstalt  vor  und  wulste  sie  zu 
hoher  Blüte  zu  bringen.  Seine  Lehrgabe  und  seine  ganze 
Persönlichkeit  muls  eine  ausgezeichnete  gewesen  sein. 
.Der  später  als  Rektor  hochberühmt  geAvordene  Friedrich 
Kraner,  welcher  seine  gymnasiale  Ausbildung  dem  Schnee- 
berger  Lyceum  verdankte,  hob  die  „scholastica  gravitas 
et  severitas"  hervor,  welche  diesen  „trefflichen  Lehrer" 
ausgezeichnet  und  ihm  die  Achtung  und  Liebe  der  ihm 
anvertrauten    Jugend    erworben    habe59).      Noch    heute 


B7)  Voigtländer,  Aug.,  Beschreibung  des  am  23.  Juli  1823  in 
Schneeberg  gefeierten  Schuljubelfestes  S.  41. 

os)  Über  diesen  genüge  es  auf  die  Festschrift  des  Kgl.  Gym- 
nasiums  zu  Schneeberg  1891  S.  VII  zu  verweisen.  Zu  der  dort  ge- 
gebenen Darlegung  mögen  hier  nur  die  deutsch  geschriebenen 
Programme  nachgetragen  werden,  durch  die  er  weite  Kreise  für 
l>:'i'l;igogische  Fragen  zu  interessieren  suchte  und  die  sämtlich  in  der 
Schneeberger  Gymnasialbibliothek  vorhanden  sind:  „Was  mufs  die 
öffentliche  Schule  zu  Schneeherg  seyn  und. .leisten,  um  ihre  Bestim- 
mung zu  erfüllen?"  (1797.)  —  „Was  haben  Altern  zu  thun,  wenn  ihre 
Kinder  die  Schule  mit  erwünschtem  Nutzen  besuchen  sollen?"  (1799.) 

—  „Ist  die  jetzt  herrschende  Abneigung  der  Jugend  vor  dem  Studiren 
ein  Zeichen  besserer  Zeiten  ?"  (1801.)  —  „Kann  eine  Anstalt  zur 
Bildung  der  Jugend  und  besonders  eine  gelehrte  Schule  eine  zweck- 
mäßige Bibliothek  ohne  Nachtheil  entbehren?"  (1803.)  —  „Versuch 
einer  kurzen  Geschichte  der  mit  den  gelehrten  Schulen  des  evange- 
lischen Deutschlands  gewöhnlich   verbundenen   Singechören. "  (1807.) 

—  „Bedarf  Deutschland  noch  lateinischer  Schulen?"  (1809.)  —  „Soll 
die  Jugend  der  Gelehrtenschulen  noch  zur  Kirche  angehalten  werden? 
Und  Avie?"  (1811.) 

s»)  Palm,  Friedrich  Kraner  S.  5. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeherger  Lyceuins.  2Q] 

sprechen  seine  Schüler  mit  der  denkbar  höchsten  An- 
erkennung' von  ihrem  Schneeberger  Rektor.  Außerdem 
stand  Voigtländer,  unter  welchem  übrigens  eine  bauliche 
Erneuerung  des  Lyceums  vorgenommen  wurde00),  auch 
im  Rufe  tiefer  Gelehrsamkeit.  Neben  einer  wertvollen 
Ausgabe  der  Totengespräche  des  Lucian  lieferte  er  eine 
neue  Bearbeitung  des  grofsen  lateinischen  Lexikons  von 
Forcellini.  Von  seinem  Organisationstalent  und  seiner 
Opferfreudigkeit  zeugen  seine  Reformvorschläge,  auf  die 
Verfasser  oben  bereits  wiederholt  hingewiesen  hat.  Voigt- 
länder schlug  u.  a.  vor,  die  Prima  in  eine  Oberprima 
(„Selekta")  und  Unterprima  (Prima)  zu  teilen,  wie  es 
jetzt  in  Sachsen  allgemein  gesetzlich  eingeführt  ist.  Es 
war  ganz  richtig,  was  er  bemerkt:  „der  Rektor  macht 
sich  durch  diese  neue  Einrichtung  nicht  etwa  sein  Amt 
leichter,  sondern  schwerer  wegen  der  vielen  Correkturen 
wöchentlich;  er  thut  dies  aber  gern,  denn  er  weifs,  dafs 
es  dadurch  auch  fruchtbarer  wird."  Ferner  schlug  er 
vor,  die  Abiturientenprüfungen  weiter  auszudehnen,  wo- 
durch er  ebenfalls  mehr  Arbeit  erhalten  mufste.  „Es 
muis  Zeit  genug  daseyn  zu  einer  kleinen  lateinischen 
Anrede  des  Rectors  und  namentlich  zu  einer  lateinischen 
Disputation.  Nichts  wünschen  wir  mehr,  als  dafs  die 
Behörden  der  Schule  dem  dieser  Anstrengung  sich  gern 
unterziehenden  Rector  nicht  nur  diese  Zeitfrist  ergönnen, 
sondern  auch  die  den  Schülern  vorzüglich  feierlichen 
Stunden  durch  Frequenz  noch  feierlicher  machen  möchten." 
Auch  das  Wohl  seiner  Lehrer  lag  ihm  am  Herzen.  Vor 
Verleumdung  unverständiger  Eltern  suchte  er  sie  dadurch 
zu  schützen,  dals  er  die  Inspektion  ersuchte,  derartige 
Klagen  nicht  eher  anzuhören,  bevor  nicht  der  Rektor  in 
Kenntnis  gesetzt  wäre,  „der  doch  erst  den  Weg  der  Güte 
versuchen,  freilich  aber  bei  wirklichen  Vergehungen  seiner 
Collegen  auch  den  Rechtsgang  nicht  hemmen  würde." 
Zumeist  würde  dadurch  die  Ungerechtigkeit  der  Klage 
an  den  Tag  kommen  und  den  Lehrern  allerhand  Unan- 
nehmlichkeiten erspart  werden.  „Dagegen  unterwirft  sich 
der  Rector  gern  gleich  dem  unparteiischen  Ausspruch  der 
nächsten  Behörde,  der  Local-Inspection   oder  auch   der 


m)  Das  bezeugt  die  im  Erdgeschofs  desjenigen  Teiles  des  jetzigen 
Bürgerschulgebäudes,  in  den  1746  das  Lyceum  einzog,  angebrachte 
Gedenktafel.  Auf  dieser  steht  in  Uncialschrift  folgendes:  Aedes 
Lycei  Schneebergensis  beneficio  alumnorum  liberalitate  fautorum 
restauratae  exornatae  MDCCCXXIIL 


262  Eduard  Heydenreich: 

höheren,  wenn  er  nur  auf  der  anderen  Seite  seine  Herren 
Collegen  wenigem  Verdrießlichkeiten  ausgesetzt  sieht01)." 
Der  „große  und  sehr  achtungswerte  Eifer"  seines  „für 
sein  Fach  glühenden  Herzens"  wurde  auch  vom  Schnee- 
berger  Ratdankbar  anerkannt0-).  Erstarb  am  14.  Dezember 
1828,  kaum  29  Jahre  alt.  Die  Liebe  seiner  Schüler,  die 
der  treffliche  Mann  im  reichsten  Mafse  sich  erworben, 
gab  sich  noch  1885  öffentlich  kund,  als  auf  Anregung 
der  Herren  Oberkonsistorialrat  Dr.  Franz  in  Dresden 
und  Bürgermeister  Clauls  in  Freiberg  sich  eine  Anzahl 
Schüler  des  vor  50  Jahren  eingezogenen  Lyceums  zu 
einer  sinnigen  Erinnerungsfeier  versammelten.  Damals 
gingen  dieselben  auch  auf  den  Friedhof.  Hier  ver- 
sammelten sie  sich  um  das  Grab  des  Rektors  Voigt- 
länder. „Es  war  ein  ergreifender  Anblick,  die  ergrauten 
Männer  an  dem  blumengeschmückten  Hügel  ihres  ehe- 
maligen geliebten  Lehrers  stehen  und  den  gemütreichen, 
pietätvollen  Worten  lauschen  zu  sehen,  mit  welchen 
wiederum  Herr  Dr.  Franz  das  Andenken  des  längst  Ent- 
schlafenen feierte 68). " 

Eine  ungewöhnlich  grolse  Zahl  schwerer  äulserer 
Bedrängnisse  hat  im  Laufe  der  Jahrhunderte  das 
Lyceum  zu  bestehen  gehabt.  Sechsmal  mufste  das  alte 
Lyceumsgebäude  neu  aufgeführt  werden,  dreimal  wurde 
Haus  und  Gerät  Lehrern  und  Schülern  durch  Feuer  ver- 
wüstet; drei  gewaltige  langandauernde  Kriege,  unter 
denen  die  durch  keine  Befestigungsmauern  geschützte 
Stadt  schwer  litt,  hat  die  Schule  erlebt.  Die  traurigste 
Periode,  welche  über  das  Lyceum  hereinbrach,  war  die 
Zeit  von  1620—1650.  Am  10.  Juli  1623  hat  das  Schul- 
haus, welches  ehemals  von  den  Fundgrübnern  an  Kurfürst 
Johann  Friedrich  verkauft  und  auf  dessen  Befehl  um- 
gebaut, dann  aber  der  Stadt  geschenkt  worden  war,  „der 
Allerhöchste  und  Gerechte  Gott  vormittels  eines  vom 
Himmel  herab  erfolgten  Donnerschlags  und  Wetterstrahls 
angezündet  und  in  die  Asche  gelegt",  „also  dafs  dem 
Rektor  so  seine  Wohnung  uf  dieser  Schuel  gehabt, 
aller  sein  Vorrath  an  Kleidern  und  einer  ansehnlichen 
Liberey,  inmatsen  der  armen  frömbden  Schulknaben  so  uf 
der  Schule  gewohnet,  ihre  Kleiderlein  und  Bücherlein  in 


"')  Sebneebergcr  Ratsarchiv  G  III  15. 

fl2)  Ebenda  G  FIT  1 1.  Bl.  63. 

6S)  Erzgebirgischer  Volksfreund  1888,  S.  367. 


Aus  der  Geschichte  des  Srlmeeberger  Lyceums.  263 

Feuer  aufgeflogen"04).  Man  hat  zwar  darauf  „unter- 
schiedene mahl  deliberation  gehalten",  auf  welche  Weise 
man  das  abgebrannte  „Fürstenhaus",  wie  man  jenes 
Schulhaus  nannte,  wieder  aufbauen  könnte;  doch  haben 
es  die  „darauff  erfolgte  böse  elende  verderbliche  Zeiten, 
feindliche  Einfälle  und  Kriegsbeschwerungen  nicht  zu- 
lassen wollen".  Fünfzig  Jahre  lag  das  Schulgebäude 
seit  jenem  Schreckenstag  in  Schutt  und  Asche.  Erst 
1673  wurde  der  Platz  bebaut  und  daselbst  —  ein  Brau- 
haus errichtet.  Auch  in  dem  Funk'schen  Hause,  das 
der  Rat  für  2000  fl.  zu  kaufen  sich  entschloß,  wollten 
sich  keine  glücklichen  Verhältnisse  entwickeln.  Die 
kriegerischen  Einfälle  der  kaiserlichen  Generale  Holke 
1632  und  Hatzfeld  1633,  sowie  der  des  schwedischen 
Generals  Königsmark  1640  und  die  um  dieselbe  Zeit 
wütende  Pest  brachten  unsägliches  Elend  über  Schnee- 
berg. Diese  tieftraurigen  Zeiten,  welche  die  Ziffer  der 
Bevölkerung  von  3500  auf  2000,  die  der  bewohnten 
Häuser  von  600  auf  100  verminderten,  richteten  die 
Schule  so  arg  zu,  dafs,  wie  der  Rat  dem  Superintendenten 
Stepner  in  Zwickau  am  29.  Mai  1651  schrieb65),  „niemand 
bifshero  darinnen  sich  aufhalten  können."  Die  Furcht 
vor  dem  Hungertod  veranlafste  „die  Einmischung  der 
Schulbedienten  in  die  bürgerliche  Nahrung  durch  Brauen, 
Schenken  und  Gästesetzen."  Die  Schule  wurde  in  einem 
Schreiben  des  Rates  an  das  Konsistorium  zu  Leipzig  als 
„gänzlich  ruinirt"  bezeichnet.  Besonders  schwer  hatte 
der  Rektor  Kerl  zu  leiden.  „In  was  Noth  und  Elend", 
schreibt  er  am  21.  April  164266),  „ich  armer  Mann  biels 
anhero  gestecket,  das  weils  niemand  besser  als  ich:  in 
was  Armut  ich  durch  den  Abbrand  unserer  Schuelen  ge- 
rathen,  &  hat  zwar  der  H.  Gevatter  auch  gesehen  und  ist 
Einem  Ehrenrechten  Wohlweifsen  Rath  wohl  bewufst, 
welcher  dem  H.  Doctor  Wolfrum  und  mir  in  toto  con- 
sessu  senatorio  100  R  zu  einem  anfang  einer  neien 
Bibliotheca  sancte  promittiret  und  zugesaget,  aber  itzo 
gantz  in  Vorgefsenheit  will  gestellet  werden.  Wie  ich 
armer  man  von  den  feinden  aufsgeblindert  worden,  dafs 
muls  vnfser  Sacristei  bezeigen:  Ja  wie  kümmerlich  und 
elend  ich  mich  itzo  mitt  den  meinen  in  diefser  geschwin- 


fil)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  III  5,  Bl.  10  and  G  III  l,   Hl.  12. 
m)  Ebenda  G  III  3. 
m)  Ebenda  G  III  1. 


264  Eduard  Heydenreich: 

den  Zeit,  da  alles  auf  das  Höchste  gestiegen,  und  fast 
umb  den  dritten  Pfennig  muis  erkauftet  werden,  behelffen 
mufs,  das  erfahr  ich  armer  Mann  teglich."  Auch  in  den 
folgenden  Zeiten  brachen  allerhand  Unglücksfälle  über 
Schneeberg  herein.  Es  seien  hier  nur  die  entsetzliche 
Hungersnot  von  177267)  und  der  grolse  Stadtbrand  vom 
13.  August  1719  erwähnt.  Die  Vernichtung  der  „vielen 
theils  kostbaren  geistlichen  und  Communalgebäude,  die 
ehedessen  von  hiesigen  ungemein  reichen  Bergsegen 
etabliret  worden",  darunter  auch  des  Schulgebäudes,  war 
um  so  verhängnisvoller,  als  der  Bergsegen  immer  mehr 
versiegte.  Die  Zahl  der  vom  Brandunglück  direkt  Be- 
troffenen dürfte  rund  2500  betragen  haben68),  und  diese 
hatten  meist  nur  das  nackte  Leben  retten  können.  Der 
Rat  mufste  dem  Kurfürsten  Friedrich  August  I.  schreiben, 
dais,  „wenn  der  ärgste  barbarische  Feind  darin  gesenget, 
gebrennet,  ausgeplündert  hätte,  er  es  nicht  ärger  machen 
noch  alles  totaliter  ruiniren  können,  als  die  Stadt  durch 
sothane  ungewöhnlich  wüthende  und  rasende  Feuerflamme 
zugerichtet  worden69)." 

Durch  all  dies  Unglück  auf  das  allerschwerste  ge- 
schädigt, vermochte  der  Rat  beim  besten  Willen  nicht, 
den  sich  immer  mehr  steigernden  Anforderungen  des 
höheren  Schulwesens  gerecht  zu  werden.  So  waren  keine 
Mittel  vorhanden,  den  im  19.  Jahrhundert  immer  breiteren 
Raum  im  Unterrichtsplan  beanspruchenden  Realfächern 
Sammlungen  an  naturwissenschaftlichen,  geographischen 
und  geschichtlichen  Gegenständen  und  Abbildungen  zur 
Verfügung  stellen  zu  können.  Zwar  suchte  hier  der 
Idealismus  von  Privatpersonen  helfend  einzugreifen.  Auf 
Anregung  des  Diakonus  M.  Hahn  (seit  1800  in  Schnee- 
berg) wurde  1802  die  „Anlegung  eines  öffentlichen,  allen 
Einwohnern  der  Stadt  zugänglichen  Museums"  ins  Auge 
gefafst,  dieses  sollte  alles  enthalten,  „was  zur  Anschaulich- 
keit des  Unterrichtes,  namentlich  in  der  Naturlehre  und 
Naturgeschichte  und  den  damit  verbundenen  Wissen- 
schaften nöthig  ist."  Es  bildete  sich  eine  „Pädagogische 
Gesellschaft"  aus  dem  grölsten  Teil  des  Magistrates,  des 


67)  Vergl.    den   anschaulichen   Bericht    eines  Augenzeugen  in: 
Lehmann,  Chronik  der  freien  Bergstadt  Schneeberg  III,  95. 

68)  Buch  he  im  im  Erzgebirgischen  Volksfreund  1895,  No.  25. 
m)  Vergl.  den  Bericht  des  Rates   unterm  22.  August   an   den 

König  und   Kurfürsten  Friedrich  August  I.   im   Kgl.  Sachs.  Haupt- 
staatsarchiv zu  Dresden  9909  s.  t.  „Brand  von  Schneeberg  1719." 


A.us  der  Geschichte  dos  Nclinorbergor  Lyceums.  :2(>r> 

Offizierskorps,  Bergamtes,  der  Lehrerschaft  und  des  Kauf- 
mannsstandes; eine  „"Weibliche  Bildungsgesellschaft" 
schlofs  sich  an.  Das  Unternehmen  schien  sich  glücklich 
entwickeln  zu  können,  als  Hahn,  der  1804  nach  Gera 
als  Superintendent  und  Konsistorialrat  berufen  worden 
war,  in  Begleitung  des  Grafen  Heinrich  XLVIII.  von 
Reuls  zum  Stiftungsfest  1.  August  1805  in  Schneeberg  er- 
schien und  dem  Museum  ein  Geschenk  des  Erzherzogs 
Karl  von  Österreich  überbrachte.  Aber  die  Napoleonischen 
Kriege  erstickten  das  Unternehmen70).  Aus  der  finan- 
ziellen Notlage  der  Stadt  ergab  sich  auch,  dals  sie  ge- 
zwungen war,  „das  so  ganz  mit  den  erforderlichen  vielen 
Kenntnissen  und  Bemühungen  in  gar  keinem  Verhältnisse 
stehende  geringe  Einkommen  der  Lehrer",  wie  es  die 
Vertreter  der  Stadt  durch  den  Mund  des  Landtags- 
deputierten Job.  Leb.  Schnorr  11.  März  1824  selbst 
nannten,  in  seiner  Geringfügigkeit  zu  belassen  und 
höchstens  vom  Staat  eine  Unterstützung  zur  Aufbesserung 
zu  erhoffen,  wodurch  freilich  „der  Verlust  mehrerer  ihrer 
guten  und  achtungswerthen  Lehrer"  die  Folge  war,  „welche 
bisher  immer  wegen  des  kärglichen  Dienstgehaltes  in 
anderen  Orten  bessere  und  einträglichere  Stellen  zu  suchen 
und  anzunehmen  genöthigt  worden  sind71)."  Nur  nach 
langem  Zögern  und  oft  höchst  unerquicklichen  Verhand- 
lungen konnte  sich  der  Rat  zur  Anstellung  neuer  Hilfs- 
kräfte entschließen ,  als  deren  letzte  „dem  verehrungs- 
würdigen Senior  unseres  Collegiums,  dem  Cantor  L.  G. 
Thomas  in  der  Person  des  Herrn  M.  K.  F.  G.  Meutzner 
ein  Hülfslehrer  adjungirt"  wurde72);  Meutzner  verdankte 
diese  seine  Berufung  dem  Zeugnisse  des  hochberühmten 
Leipziger  Philologen  Gottfried  Hermann,  welches  noch 
heute  bei  den  Ratsakten  liegt73).  Aus  alledem  aber 
ergab  sich  eine  grofse  Anzahl  höchst  beklagenswerter 
Mißstände,  die  notwendiger  Weise  zu  unliebsamen  Vor- 
stellungen der  vorgesetzten  Behörden  führen  mußten74). 
Diese  Zustände  waren  auf  die  Dauer  um  so  unhaltbarer, 
als   auch  das  Bürgerschulwesen  Schneebergs  unter  den 


70)  Näheres  üher  diese  kulturhistorisch  interessante  Museums- 
angelegenheit bei  Jacobi,  Schneeberg,  Ein  Gedenkblatt  zur  400jäh- 
rigen  Jubelfeier ,  S.  39  ff. 

71)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  III  14. 

72)  Raschig  im  Schneeberger  Programm  von  1833,  8.  16. 

73)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  III  16.  Bl.  155. 
T4)  Ebenda  G  III  16. 


266  Eduard  Heydenreich: 

finanziellen  Bedrängnissen  der  Stadt  damals  tief  dar- 
niederlag und  einer  gründlichen  Reform  dringend  be- 
durfte; wurde  doch  der  Elementarunterricht  für  1163 
Schulkinder  nur  von  4  Lehrern  versorgt  und  jeder  von 
ihnen  arbeitete  nicht  nur  räumlich,  sondern  auch  hin- 
sichtlich des  Lehrplanes  in  völliger  Vereinzelung.  Als 
daher  die  Regierung  dem  Gedanken  näher  trat,  einige 
Lyceen  des  Erzgebirges  als  entbehrlich  einzuziehen,  dafür 
aber  die  übrigen  Gelehrtenschulen  des  Landes  um  so 
nachdrücklicher  zu  unterstützen75),  scheiterten  die  wieder- 
holten Gesuche  des  Rates  an  das  Kultusministerium, 
dasselbe  wolle  die  projektierte  „Kreisschule"  nach  Schnee- 
berg verlegen,  wofür  der  Rat  auf  sein  Kollaturrecht  ver- 
zichten zu  wollen  erklärte,  an  dem  Mangel  einer  gut 
geordneten  Bürgerschule.  Die  Reform  des  Elementar- 
unterrichtes war  unab weislich.  Da  aber  Fonds  nicht 
vorhanden  waren  und  Mittel  zur  Erhaltung  des  Lyceums 
durch  Anlagen  hätten  aufgebracht  werden  müssen,  so  er- 
klärte nach  einer  einsichts-  und  wehmutsvollen  Darlegung 
des  Bürgermeisters  Schill  der  grofse  Bürgerausschuls 
am  30.  Dezember  1834  es  für  unmöglich,  die  nötigen 
finanziellen  Opfer  für  das  Lyceum  zu  bringen76).  So 
wurde  es  1835  aufgelöst  und  in  eine  den  Bedürfnissen 
Schneebergs  entsprechende  Bürgerschule  mit  einem  (1870 
wieder  eingezogenen)  Progymnasium  umgewandelt.  Der 
Elementarunterricht  hob  sich  rasch  unter  dieser  segens- 
reichen Neugestaltung  und  ist  gegenwärtig  zu  hoher 
Blüte  gelangt77).  Als  aber  die  Zeit  der  schweren  finan- 
ziellen Bedrängnisse  von  der  Stadt  überwunden  war. 
zeitigte  die  Liebe  zu  den  humanistischen  Studien,  wie  sie 
im  Lyceum  so  lange  treu  gepflegt  worden  waren,  hoch- 
achtbare Ergebnisse.  Die  Stadt  Schneeberg,  von  dem 
Wunsche  nach  Errichtung  eines  königlichen  Gymnasiums 
beseelt,  verpflichtete  sich,  zum  Baue  eines  Gymnasial- 
gebäudes den  Bauplatz,  60000  Mark  aus  städtischen 
Mitteln  und  aulserdem  die  von  einem  angesehenen  Bürger 


76)  Vergl.  Raschig-,  Die  Nothwendigkeit  einer  Radicalreform 
dn-  Ki/.gehirgischeu  Lyceen.  Schneeberg  1831.  —  Scholze,  Hu- 
manismus und  Realismus  im  höheren  Schulwesen  Sachsens  während 
der  Jahre  1831—1851.     Progr.   Plauen  1894. 

76)  Schneeherger  Ratsarchiv  S.  VII  11. 

77)  Müller,  E.  M.,  Kurzer  geschichtlicher  Überblick  über  das 
Schulwesen  der  Stadt  Sclineeberg  in  den  Jahren  1838—45.  Progr. 
der  Bürgerschule  Schneeberg  1845.  Bang,  Bericht  über  die 
Bürger-  und  Fortbildungsschule  zu  Schneeberg  1893. 


Aus  der  Geschichte  des  Schneeherger  Lyceums.  H\", 

schon  vor  Jahren  in  hochherziger  Liberalität  für  diesen 
Zweck  angebotene  Summe  von  100  000  Mark  beizutragen, 
sodann  städtische  Stipendienfonds  im  Gesamtbetrage  von 
rund  25  000  Mark  dem  Gymnasium  zuzuwenden  und  dem- 
selben sämtliche  Lehrmittelsammlungen  der  Realschule, 
darunter  die  äußerst  wertvolle  naturwissenschaftliche 
Sammlung,  sowie  die  stattliche  Bibliothek  des  alten 
Lyceums  zu  überlassen.  Daraufhin  wurde  das  Schnee- 
berger  Gymnasium,  dessen  Zöglinge  zunächst  in  den 
Räumen  der  Realschule  Unterkunft  fanden,  gegründet; 
und  so  konnte  1891  die  achte  Stätte  humanistischer  Stu- 
dien in  Schneeberg,  das  neue  Gymnasialgebäude,  wo  auch 
die  wertvollsten  Handschriften  und  Bücher  des  alten 
Lyceums  Aufstellung  gefunden  haben,  durch  Se.  Excellenz 
Staatsmimster  Dr.  von  Gerber  feierlich  eröffnet  werden78). 
Trotz  aller  schweren  Bedrängnisse,  von  denen  das 
Lyceum  heimgesucht  wurde,  waren  die  vorgesetzten  Be- 
hörden, Rektoren  und  Lehrer  um  das  Wohl  der  Anstalt 
treulich  besorgt.  Sie  wollten  „auf  die  Schuel  als  ein 
Seminarium  Ecclesiae  et  Reipublicae  ein  wachen tes  aug 
haben,  dieselbe  bauen  vnndt  pflantzen,  damit  reiche  fruchte 
Gott  zu  Ehren,  der  christlichen  Kirchen  oder  dem  ge- 
meinen Regiment  zu  nutz  einmahl  mögen  gesamlet  wer- 
den79)." So  stand  denn  auch  Schneeberg  in  dem  Rufe, 
„dafs  daselbsten  gute  disciplina  und  Justitia  administriret . . 
und  vornehme  gelehrte  Leute  daselbsten  erzogen  worden80)." 
Zu  den  Schülern  des  Lyceums,  „die  wegen  ihres 
Verstandes  und  anderer  guter  Qvalitäten  sich  im  Ruhm 
und  Ehre  gesetzet81)/'  gehörten  außer  den  bereits  ge- 
nannten in  der  früheren  Periode  Ambrosius  Lobwasser, 
Prof.  jur.  und  herzoglicher  Rat  zu  Königsberg,  der  Psalmen- 
Übersetzer  der  deutsch -reformierten  Gemeinde,  sowie 
Andreas  Mensel,  Oberpfarrer  und  Prof.  theol.  in  Frank- 
furt a.  0.,  Mitverfasser  der  Konkordienformel;  ferner  in 
neuerer  Zeit  Dr.  Bonitz,  Superintendent  in  Langensalza; 
M.  Oesfeld,  Pastor  in  Altstadt- Waidenburg;  C.  F.  Schaar- 
schmidt,  Sohn  des  erwähnten  Schneeberger  Rektors,  ein 


7S)  Vergl.  die  Berichte  der  Rektoren  Bernhardi  und  Gilbert 
des  Schneeberger  Gymnasiums  in  den  Osterprogrammen  der  Anstalt 
und  den  letzteren  in  der  Festschrift  zur  Einweihung  des  neuen 
Schulgebäudes  S.  IX  f. 

79)  Schneeberger  Ratsarchiv  G  III  1. 

s")  Melzer,  Erneuerte  Chronik  von  Schneebertr  S.  589  f. 

81)  Melzer  ao.  S.  588. 


268     K<1.  llcvdenreich:  Aus  der  Geschichte  des  Schueeherger  Lyceums. 

Lyceist,  der  16'  2 jährig  eine  lateinische  Abhandlung- über 
den  Nutzen  einer  gut  eingerichteten  Herodotlektüre  in 
Druck  gab  und  später  Geheimer  Rat  im  Königlichen  Mini- 
sterium des  Innern  wurde ;  und  Bezirksschulinspektor  Schul- 
rat Müller  von  Schvvarzenberg,  welcher  bei  der  Einweihung 
des  neuen  Gymnasialgebäudes  in  Schneeberg  des  alten 
Lyceums  in  Liebe  und  Treue  gedachte.  Eine  lange  Reihe 
dankbarer  Schüler  war  es,  welche  1823  zur  Säkularfeier 
von  fern  und  nah  zusammenkamen  und  ein  freudig  dank- 
bares Wiedersehen  feierten,  gedenkend  der  artes,  die  da 
molliunt  animum  et  mores: 

Has  Lyceum  aluit 

niveo  quod  monte, 
iam  per  secla  floruit 

ex  perenni  fönte, 
fovit  semper  juvenes 
reddidit  incolumes 

tanquam  alma  mater82). 


82)  Aus  einem  Pestgedicht  des  Archidiakonus  Voigtländer   bei 
Rektor  Voigtländer,  Beschreibung  des  Schuljubelfestes  8.  42. 


X. 

Vertriebene  und  bedrängte  Protestanten  in 
Leipzig  unter  dem  Schutze  Johann  Georg  I. 

Nach  urkundlichen  Quellen  bearbeitet 

von 
Richard  Schmertosch. 


Schon  mehrfach  ist  darauf  hingewiesen  worden,  dafs 
zur  Zeit  des  dreilsigj  ährigen  Krieges  die  erschreckende 
Abnahme  der  Bevölkerung  in  Kursachsen  sich  einiger- 
mafsen  ergänzte  durch  die  Aufnahme  vertriebener  Pro- 
testanten aus  den  österreichischen  Erblanden,  die  um  ihres 
Glaubens  willen  Haus  und  Hof  verlassen  mufsten.  Vor 
allem  ergofs  sich  aus  Böhmen  ein  starker  Auswanderungs- 
strom in  die  Eibstädte  und  in  die  Grenzgebiete  der  Lausitz 
und  des  Erzgebirges1).  Konnte  in  jener  Zeit  nicht  auch 
die  starkbefestigte  und  auf  alten  Handels  wegen  leicht 
erreichbare  Universitäts-  und  Handelsstadt  Leipzig  vielen 
Flüchtlingen  einen  anziehenden  Zufluchtsort  gewähren? 
Zumal  für  Böhmen  lag  dieser  Gedanke  wegen  der  engen 
Handelsverbindung  dieses  Landes  mit  Leipzig  nahe 
genug.  Daher  hegte  auch  1620  nach  Niederwerfung 
des  böhmischen  Aufstandes  der  Kaiser  Ferdinand  IL 
den  Argwohn,  dals  seine  Unterthanen  in  Böhmen   „ihre 


')  Chr.  A.  Pescheck,  Die  böhmischen  Exulanten  in  Sachsen 
(1857).  Bernh.  Wolf,  Einwanderung  böhmischer  Protestanten  in  das 
obere  Erzgebirge,  in  den  Mitt.  d.  Ver.  f.  Gesch.  v.  Annaberg  1891 
bis  1892.  Gr.  Freytag,  Bilder  aus  der  deutschen  Vergangenheit 
III,  240. 


270  Richard  Schmertosch: 

Guter  und  Fahrnisse  in  die  kurfürstliche  Gewerb-  und 
Handels  Stadt  Leipzig  geflüchtet  und  in  Verwahrung 
gebracht"  hätten2). 

In  der  That  läist  sich  eine  Einwanderung  vertriebener 
Protestanten  in  jener  Zeit  auch  in  Leipzig  nachweisen1''). 
Neben  einigen  Akten  des  Dresdner  Hauptstaatsarchivs 
geben  hierüber  besonders  die  Stadtbücher,  die  Bürger-  und 
Sterbelisten  im  Leipziger  Ratsarchive  sowie  einige  ab- 
schriftlich erhaltene  Kirchenbücher  auf  der  dortigen  Stadt- 
bibliothek näheren  Aufschlufs. 

Aus  Steiermark,  wo  schon  um  die  Wende  des  sech- 
zehnten Jahrhunderts  sogar  hervorragende  Gelehrte,  wie 
der  später  so  berühmte  Astronom  Johann  Kepler,  aus- 
wandern muisten,  weil  sie  sich  nicht  gutwillig  einem  harten 
Glaubenszwange  fügen  wollten,  sind  auch  nach  Leipzig- 
einige  Familien  gewandert.  Wenigstens  erlangten  hier  in 
den  Jahren  1619  Johann  Jakob  Reuter,  Medicinae  Doctor 
aus  Graz,  und  1622  Johann  Schelf ler,  „I.  Utr.  Doctor 
Steuermerker",  und  Johann  Rupert  Sulzberger,  Medicinae 
Doctor  aus  Graz,  das  Bürgerrecht4).  Bei  allen  dreien 
ist  ausdrücklich  bemerkt,  dafs  sie  wegen  der  in  ihrer 
„Patria  verenderten  Religion  und  eingesalzten  Papistischen 
Übrigkeit"  ihre  Geburtsbriefe  bei  Ablegung  des  Bürger- 
eides nicht  hätten  vorlegen  können.  Sulzberger  kaufte 
1621  auf  der  Katharinenstralse  ein  Haus.  Bereits  1620 
war  er  Licenciat  der  medizinischen  Fakultät  geworden, 
wirkte  segensreich  als  akademischer  Lehrer  und  starb 
als  „kurfürstlich  sächsischer  Oberlandesmedicus5)."  Sein 
Bruder,  der  ebenfalls  in  Graz  geborene  Notar  Sigismund 
Friedrich  Sulzberger  wurde  erst  1638  Bürger,  als  er 
Leipziger  Ratsmitglied  wurde.  Früher  war  er  Syndikus 
der  Stiftsregierung  zu  Merseburg,  dann  Schösser  im  Frei- 
burger Kreise  und  im  Amte  Rochlitz  gewesen.  Er  starb 
1650  im  Alter  von  53  Jahren  als  kurfürstlich  sächsischer 


s  • 


-)  Schreiben  des  Kaisers  an  den  Kurfürsten  Johann  Geor 
HStA.  (Dresdner  Hauptstaatsarchiv)  Loc.  10331.  1.  Beb.  Kiimehmmig 
dererienigen  n.  s.  w.  Bl.  1.  Allerdings  waren  die  Nachforschungen 
des  Leipziger  Rates  ergebnislos:  ebenda  Bl.  22. 

8)  Die  Angaben  Peschecks  S.  60  sind  ganz  im  vollständig. 

4)  LRA.  (Leipziger  Katsarchiv)  XXXI V,  5  ( Bürge rrechts- 
protocoll  zu  Leipzig  de  Anno  1612  —  1666)  Bl.  59,  76,  77. 

5)  LRA.  Bartheis  Häuserchronik  II,  238b.  L.  Rb.  (Leipz. 
Ratsbuch)  1629  Bl.  228  L.  R.-Bibl.  Traub.  b.  d.  Kirche  zu  St.  Nie. 
1641.  Vogel,  Leipz.  Annal.  S.  375. 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     271 

Protonotarius    am    Oberhofgerichte    und    Baumeister    in 
Leipzig6). 

Als  der  Kaiser  Ferdinand  II.  nach  Niederwerfung 
seiner  Gegner  in  Böhmen  die  katholische  Reaktion,  die 
er  in  Steiermark  mit  so  gutem  Erfolge  durchgeführt  hatte, 
auch  auf  die  habsburgischen  Lande  übertrug,  da  wendeten 
sich  wiederum  zahlreiche  Flüchtlinge  nach  Leipzig. 

Aus  Niederösterreich  kam  ein  auch  politisch  hervor- 
ragender Mann,  der  Freiherr  Andreas  Thanrädl7).  Er 
war  der  entschiedenste  Vertreter  der  protestantischen 
Stände  seiner  Heimat  gewesen  und  mufste  unter  den 
ersten  beim  Beginne  der  Gegenreformation  das  Land  ver- 
lassen. Im  Dresdner  Hauptstaatsarchive  ist  sein  damals 
an  den  sächsischen  Kurfürsten  gerichtetes  Gesuch  um 
Aufnahme  in  Sachsen  erhalten  und  giebt  so  recht  ein 
Bild  von  der  Art  jener  Religionsverfolgung,  durch  die 
viele  Tausende  von  ihrem  Besitz  in  das  bittere  Elend 
getrieben  wurden.  Er  schreibt  unter  dem  20.  März  1623 s) 
von  Leipzig  aus: 

Durchlauchtigster  Churfürst  .... 

Der  liebliche  Geruch  des  Churfürstlichen  Sächsischen  Evan- 
gelischen Rautenstockes  reitzet  vnd  beweget  viel  bedrengte  vnd  not- 
leidende Personen,  dafs  zu  E.  Churf.  Durchl.  Sie  ihre  Vnterthänigste 
Zuflucht  nehmen:  Vnd  bin  daher  auch  Ich  verursacht  worden  bey 
E.  Churf.  Durchl.  mich  gehorsambist  vnd  vnterthänigst  anzumelden, 
derselben  darbey  zu  klagen,  dafs  ich  zwar  in  Osterreich  eine  geraume 
Zeit  dreyen  Römischen  Keysern,  als  ein  Vnwürdiger  Rath  gedienet, 
auch  sonsten  in  allen  occasionen  meiner  Obrigkeit  mit  schuldigsten 
respect  dermafsen  begegnet ,  dafs  Ich  mit  reinem  Gewissen  bezeugen 
kan,  mir  niemals  einiger  böser  Gedanken  wider  dieselbe  eingekommen, 
Viel  weniger  ichtwas  nachtheiliges  Wider  Sie  von  mir  furgenommen 
sey9).  Ich  habe  aber  auch  nichts  desto  weniger  bey  meinem  Gott, 
vnd  der  Evangelischen  Lutherischen  Lehr  standhafft  zu  verbleiben, 
vnd  die  Ehre  Gottes  allem  andern  weit  für  zu  ziehen,  mich  schuldig 
erachtet:  Vnd  weil  daher  die  Jesuiten  vnd  ihr  Anhang  einen  grausamen 


6)  LRA.  Bürgerlisten  v.  J.  1638.  Sterbelisten  v.  J.  1650. 
Stepner,  Inscriptiones  Lipsienses  n.  177. 

7)  Gindely,  Der  dreifsigjähr.  Krieg  I,  1,  427-,  I,  2,  76  u.  195; 
I,  3,  79  u.  190,  nennt  ihn  Thonradl,  J.  T.  J.  v.  Könneritz  in  v.  Webers 
Archiv  f.  sächs.  Gesch. V,  195,  Thonradl  oder  Tanradel,  und  Kneschke, 
Deutsches  Adelslexikon  9,  181.  Thanraedl. 

8)  HStA.  a.  a.  0.  Bl.  19i. 

°)  Bekanntlich  existierte  später  das  Gerücht,  dafs  Thanrädl  1619, 
als  Tburn  vor  Wien  stand,  den  König  Ferdinand  an  den  Knöpfen 
seines  Wamses  gefafst  und  zur  Nachgiebigkeit  gegen  die  Forderungen 
der  Protestanten  habe  zwingen  wollen.  Die  Worte  dieses  Schrift- 
stückes sprechen  deutlich  genug  dagegen.  Auch  Gindely  erklärt  es 
als  eine  „unbegründete  Sage",     a.  a.  O.  I,  2,  76. 


272  Richard  Schmertosch: 

Hais  auff  mich  geworfen,  haben  sie  mir  vber  alle  salva  guardia,  vber 
alle  Afsecurationes  der  Keyserl.  Majt.  vnd  Ertzhertzogs  Leopoldi 
HochfürstL  Durchl.  ohn  einige  meine  Schuld  (da  Ich  die  Zeit  meines 
Lebens  nie  des  geringsten  bin  beklaget,  weniger  vberfuhret,  am  aller- 
wenigsten zu  einiger  Straft'  verurtheilt  worden)  durch  den  Übristen 
Palvi  ein  Bad  bestellt,  dafs  er  vnter  dem  Schein,  als  ob  er  meine 
II lirschaft  auff  Keyserlichen  Befehlich  schützen  solle,  dieselbe  gantz 
vnd  gantz  mit  allen  dem,  was  von  ansehnlichen  mobilien  vorhanden 
gewesen,  geplündert,  vnd  mich  in  solche  armuth  gestürtzet,  dafs  Ich 
fast  von  der  löblichen  Evangelischen  Landschafft  provision  allein  habe 
mich  ein  Zeitlang  behelft'en  müssen.  Ja  endlichen  weil  es  ausbrach, 
dafs  die  Jesuitisch  Practic  von  meiner  Bestendigkeit  in  der  Evan- 
gelischen Religion  herrüren  thete,  gezwungen  worden,  mich  mit  meiner 
Gemahlin  vnd  vuerzogenen  Kindern,  gar  hinweg  zu  machen,  vnd 
mit  der  Flucht  zu  salviren:  Hab  Ich  änderst  nicht  erwarten  wollen, 
dafs  man  mir  selber  Gewalt  anthue,  oder  meine  Kinder  mir  nehme, 
vnd,  wie  itzo  brauchlich  ist,  dem  Bapatumb  in  Rachen  stecken  thete. 
Wann  dann  Gott  der  Herr  in  E.  Churf.  Durchl.  Landen  das  Licht 
seines  heiligen  Evangelii  hell  scheinen  vnd  brennen  lefst,  Ich  auch 
nichts  mehr  hab  auff  Erden,  sondern  billich  meine  gantze  Frewd 
Gottes  wort  seyn  lasse ,  So  bitte  E.  Churf.  durchl.  Ich  hiemit  vnter- 
thänigst,  Sie  geruhen  gnedigst  mir  zu  vergönnen,  dafs  vnter  dero 
Churfürstlichen  gnedigsten  Protection,  Ich  mit  meiner  Gemahlin  vnd 
Kindern  entweder  zu  Wittenberg  (alda  wir  Vns  sonsten  itz  befinden) 
zu  Torgaw  oder  Leipzig  aufhalten  mögen :  Sind  wir  erbötig,  Vns  still 
vnd  gehorsambist  zu  bezeigen,  Vnsers  Gottesdienstes  zu  warten  für 
E.  Churf.  Durchl.  vnd  dero  gantzen  hochlöbichsten  Haufses  Wolffärt 
Tag  vnd  Nacht  den  Allerhöchsten  anzuruffen,  vnd  Vnsers  itzigen 
Elends  aufsschlag  von  dem  gnedigen  Gott  mit  Gedult  zu  erwarten. 
Euer  Churf.  Durchl.  zu  gnedigster  resolution  Mich  vuterthänigst 
empfelend.  Datum  Leipzig,  den  20.  Martii  1623.  Ewer  Churf.  Durchl. 
vnterthänigster  gehorsamster  Knecht  Andr.  Thanrädl  freiherr  zu 
Dernberg  vndt  Rechberg. 

Der  Kurfürst  gestattete  ihm  denn  auch  sich  mit  den 
Seinigen,  jedoch  eingezogen  und  mit  wenig  Leuten,  eine 
Zeit  lang  in  Leipzig  aufzuhalten10).  Doch  sollte  Thanrädls 
Leipziger  Aufenthalt  nicht  von  langer  Dauer  sein.  Am 
16.  Februar  1625  wurde,  wie  die  Sterbelisten  berichten, 
„der  wohlgeborne  und  edle  Herr  Andreas  Dohnradell 
Freiherr  auf  Ternbergk  und  Richbergk,  Herr  zu  Ober- 
Gassing,  Römischer  Kaiserlicher  Majestät  hiebevor  gewe- 
sener Rat  und  Beisitzer  des  Niederösterreichischen 
Landrats",  aus  einem  Hause  in  der  Grimmischen  Gasse, 
das  damals  dem  Stadtrichter  M.  Johann  Seidel  gehörte11), 
zur  letzten  Ruhestätte  geleitet. 

I0)  HStA.  a.  a.  0.  Bl.  193.  Johann  Georg  schrieb  damals  aus- 
drücklich an  den  Leipziger  Rat,  dafs  er  „dergleichen  Personen,  welche 
der  Religion  halben  an  andern  Orten  nicht  geduldet  werden  wollen, 
mit  der  Einnehmung  gnedigst  zu  erscheinen  geneigt"  sei. 

n)  Es  war  dies  das  Haus  an  der  südwestlichen  Ecke  der  Ritter- 
strasse.     LRA.  Bartheis  Häuserchronik  T,  192. 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     273 

Auch  sonst  linden  sich  Spuren  vertriebener  Öster- 
reicher in  Leipzig.  Ein  aus  Ketz  vertriebener  Pfarrer 
Johann  Edeler  wurde  1 634  hier  in  der  Nikolaikirche  mit 
einer  Leipziger  Bürgerswitwe  getraut;  ein  in  den  Sterbe- 
listen als  Exulant  verzeichneter  Student  Michael  Mark 
aus  Österreich  starb  im  Pestjahre  1632 12). 

Weit  zahlreicher  aber  kamen  Flüchtlinge  aus  dem 
Kursachsen  so  benachbarten  Böhmen;  stand  doch  Leipzig 
seit  alters  her  durch  seine  Universität  und  seinen  Handel 
in  engster  Verbindung  mit  diesem  Lande.  Geistliche, 
Lehrer  und  Ärzte,  die  ihre  akademische  Ausbildung  wohl 
meist  in  Leipzig  erhalten  hatten,  fanden  in  Böhmen,  als 
hier  das  Luthertum  noch  an  Boden  gewann,  Anstellung 
und  Beschäftigung13);  aber  auch  das  vor  dem  Kriege  in 
Handel  und  Gewerbthätigkeit  frisch  aufstrebende  Bürger- 
tum Böhmens  stand  in  nicht  unbedeutender  Verbindung 
mit  der  wichtigsten  Handelsstadt  des  protestantischen 
Nachbarlandes;  deshalb  ist  es  ganz  natürlich,  dals  viele 
um  ihres  lutherischen  Glaubens  willen  aus  Böhmen  Ver- 
triebene hier  zunächst  Schutz  und  Unterkunft  suchten. 
Wie  1625  die  beiden  aus  Prag  vertriebenen  Pfarrer 
Siegmund  Schererz  und  Fabian  Natus  hier  Schutz  gesucht 
und  gefunden  hatten,  so  mögen  noch  viele  andere  hierher 
geflüchtet   sein14).    Besonders  stark  ist  die  Zahl  derer, 


12)  In  den  Bürgerlisten  finden  sich  noch  folgende  Namen:  Sixt, 
Stillingk,  Thammüller,  Pauchmann,  Penigker,  Teuffenwieser. 

13)  1611  waren  nach  Pescheck  (Geschichte  der  Gegenref.  in 
Böhmen  I,  227  ff.)  acht  Lehrer  an  das  neugegründete  lutherische 
Gymnasium  der  Altstadt  Prag  aus  Leipzig  berufen  worden.  Als 
1622  der  in  der  Geschichte  Sachsens  so  übel  berüchtigte  Hofprediger 
Hoe  von  Hoenegg  sich  bitter  bei  der  böhmischen  Statthalterschaft 
über  die  Sperrung  der  lutherischen  Kirchen  in  Prag  beklagte,  er- 
wähnte er  ausdrücklich,  dafs  dort  Kirchen  „und  Schuldienste  mit 
solchen  Personen  bestellet  worden,  die  entweder  in  Ihrer  Kurfürst- 
lichen Gnaden  Landen  gedient  haben  oder  doch  darinn  geboren  und 
erzogen  worden".     Londorp  I,  1052. 

n)  Pescheck,  Die  böhm.  Exul.  S.  60.  Im  Tranbuche  der 
Leipziger  Nikolaikirche  wird  1629  ein  M.  Michael  Alexander  aus 
Graupnitz  in  Böhmen  als  Exulant  erwähnt.  Über  den  Aufenthalt 
eines  aus  Rakonitz  vertriebenen  Bektors  vergl.  Beck,  Tobias 
Hauschkon,  in  den  Beitr.  z.  sächs.  Kirchengesch.  Heft  7.  1638 
starb  in  Leipzig  Engelhard  von  Steinbach ,  ein  Angehöriger  einer 
böhmischen  Adelsfamilie,  die  sich  nach  Annaberg  geflüchtet  hatte 
(B.Wolf,  Einwanderung  S.  29  ff.).  Laut  Leipziger  Batsbucli  vom 
Jahre  1639  lieh  in  diesem  Jahre  Günther  von  Bünau  aus  dem  Hause 
Tetschen  zweitausend  Reichsthaler  auf  ein  Leipziger  Haus  (L.  Rh. 
1639  Bl.  96)  und  1642  gab  Christoph  Schultz  Wosetzky,   da    er  in 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  n.  A.    XVI.  3.  4.  18 


2?4  Richard  Schmertosch: 

die  sich  1627  aus  Böhmens  Hauptstadt  Prag  nach  Leipzig- 
wendeten. Als  in  diesem  Jahre  durch  das  Edikt  Kaiser 
Ferdinands,  gegeben  in  Wien  „am  Sanibstag  der  Ge- 
dächtnuis  des  Heiligen  Ignatii",  die  vollständige  Aus- 
rottung des  Luthertums  in  Böhmen  angeordnet  worden 
war,  bat  in  Leipzig  ein  Wundarzt  Andreas  Stegmann,  der, 
wegen  seines  Glaubens  aus  seiner  Stellung  als  „Chirurgus 
des  Königreichs  Böheimb"  entlassen,  aus  Prag  und  aus 
Böhmen  hatte  weichen  müssen,  den  Kurfürsten  um  Auf- 
nahme in  sächsische  Dienste,  in  denen  er  schon  früher 
gestanden  hatte.  Seine  Bitte  wurde  ihm  gewärht  und  er 
liels  sich  in  Dresden  nieder10).  Ebenfalls  von  Leipzig  aus 
schickte  damals  ein  reicher  Handelsherr  und  vornehmer 
Bürger  der  Altstadt  Prag,  Martin  Schmertosch  von 
Riesenthal,  ein  Gesuch  an  den  Kurfürsten,  in  dem  er 
bat,  ihm  nebst  seiner  Mutter,  Geschwistern  und  Kindern 
in  Kursachsen  „eine  Zeit  lang,  bis  Gott  der  Allmächtige 
Änderung  oder  Linderung  schaifen  möchte",  eine  Zufluchts- 
stätte zu  eröffnen,  da  er  „mit  anderen  ehrlichen  Leuten, 
so  der  wahren  lutherischen  Religion  zugethan  und  ver- 
wandt seien,  seinen  Stab  weiter  zu  setzen,  das  Königreich 
Böhmen  zu  meiden  und  Schutz  und  Zuflucht  bei  ihren 
Religions-Verwandten,  sonderlichen  aber  Ihrer  Ohurfürstl. 
Durchl.  als  treuen  Beschützern  derselben  zu  suchen  ge- 
nothdränget   worden1")."     Martin    Schmertosch   wendete 


Böhmen  „itzo  nicht  seyn  könte  vnd  sich  in  der  Churfürstlichen 
Handels  Stadt  Leiptzig  wesentlich  enthalte",  einem  katholischen 
Böhmen  den  Auftrag,  für  ihn  eine  Schuldsumme,  die  auf  „den 
Tirtzschkischen  Gütern"  stand,  einzuziehen  (L.  Eb.  J6-l^  Bl.  23). 

16)  HStA.  Loc.  L0331,  Ander  Buch  Bl.  27,  32. 

1(J)  Ebenda  Bl.  6.  Auf  dies  Gesuch  wurde  der  Verfasser  durch 
Herrn  Oberlehrer  Dr.  Wolf  in  Annaberg  aufmerksam  gemacht.  — 
l!ci  seinen  vertriebenen  Landsleuten  stand  Martin  Schmertosch  in 
grofsem  Ansehen.  In  ein  um  1630  in  Pirna  angelegtes  Wappenbuch 
der  böhmischen  Exulanten,  das  sich  gegenwärtig  im  Kirchenarchiv 
zu  Striesen  befindet,  hat  auch  er,  wie  viel  vornehme  Exulanten  aus 
Böhmen,  zugleich  mit  einer  Geldspende  seinen  Namen  eingezeichnet. 
1633  stellte  ihm  in  Liegnitz  als  seinem  „besonders  Lieben"  der  durch 
den  böhmischen  Aufstand  so  bekannte  Graf  Heinrich  Matthias  von 
Tburn  als  „Commandant  General"  in  Schlesien  einen  Pafs  aus,  der 
„allen  Königl.  Schwed.  hohen  und  niederen  Kriegsofhciren ,  auch 
dem  Sodatesca  zu  Rofs  und  Fufs  unter  seinem  Commando  in 
Schlesien"  anbefahl,  sowie  „die  Chursächsischen,  und  Churbranden- 
burg.,  ingleichen  alle  andern  Königl.  Schwed.  Officirer  und  Soldaten, 
wie  auch  alle  Beamte  in  Städten,  Märkten  und  Flecken  und  sonst 
iedermänniglich"  dienstfreundlich  ersuchte,  Martin  Schmertosch  von 
Kiesenthal  „sammt  bei  sich  habenden  Kindern  und  Gesinde,  Pferden, 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig-  unter  Johann  Georg- I.     275 

sich  zunächst  nach  Torgau,  kehrte  aber  nach  der  Schlacht 
bei  Breitenfeld  unter  dem  Schutze  der  sächsischen  Waffen 
auf  kurze  Zeit  in  die  Heimat  zurück.  Da  er  hierbei  von 
seinem  zurückgelassenen  Vermögen  und  seinen  Häusern 
in  Prag  Besitz  ergriffen  hatte,  wurde  er  1634  durch  die 
friedländische  Konfiskation  seines  Vermögens  für  ver- 
lustig erklärt17).  —  Seinen  Aufenthalt  nahm  er  seit  jener 
Zeit  wesentlich  in  Leipzig,  wo  er  sich  des  besonderen 
Schutzes  der  kurfürstlichen  Regierung  erfreute.  Als  1635 
seine  jüngste  Tochter  Ludomilla,  die  mit  freiem  Geleit, 
das  man  ihr  ausdrücklich  bei  den  Landoffizieren  und  dem 
Statthalter  der  Krone  Böhmen  ausgewirkt  hatte,  nach 
dem  Tode  ihrer  Großeltern  an  der  Rückkehr  von  Prag 
nach  Leipzig  gehindert  wurde ,  fürchtete  der  Vater  wohl 
mit  Recht,  daß  seine  Tochter  „zum  Abfall  und  Heiratung 
einer  der  Pabstischen  Religion  zugethanen  Person  ge- 
nötigt werden"  solle;  er  wendete  sich  deshalb  an  den 
Kurfürsten  mit  der  Bitte  um  seine  Fürsprache  bei  der 
böhmischen  Statthalterschaft18).  In  der  That  wurde 
Ludomilla  von  der  Gewissensbedrängnis  und  der  ver- 
halsten Heirat  befreit.  Sie  starb  1661  in  Leipzig  unver- 
mählt10). Zweimal  verwendete  sich  auch  der  Kurfürst 
für  Rückgabe  des  der  Familie  entrissenen  Vermögens. 
Das  erste  Mal  1638  berief  er  sich  auf  die  Artikel  des 
Prager  Friedensschlusses  und  bat  die  Statthalter  in 
Böhmen,  demgemäß  Martin  Schmertosch  mit  der  unver- 
schuldeten Konfiskation  zu  verschonen.    Das  zweite  Mal 


Wüsten  und  allen  Sachen"  überall  ungehindert  passieren  zu  lassen. 
Interesse  bietet  dieser  Pafs  auch  deshalb,  weil  darin  der  Graf  Thurn 
Freiherr  zu  Yalsassina  und  Creuz,  Herr  auf  Welisch,  Winteritz, 
Göttnig  und  Lofsdorf  genannt  wird,  also  Herr  auf  Besitzungen,  nach 
denen  Gindely  (I,  1,  91)  vergebens  forschte  (HStA.  a.  a.  0.  Bl.  15). 
—  Erhalten  ist  auch  in  einem  Striesener  Kirchenbuche  vom  Jahre 
1650  ein  Dankschreiben  in  böhmischer  Sprache  an  den  „wohlgebornen 
Herrn  Martin  Schmertosch  von  Riesenthal."  In  demselben  dankt 
ihm  die  damals  neubegründete  böhmische  Gemeinde  in  Dresden  für 
Übersendung  eines  von  einem  schwedischen  Oberst  gestifteten  Altar- 
kelchs  und  bittet  ihn,  in  Leipzig  der  armen  Landsleute  nicht  zu  ver- 
gessen (Striesener  Kirchenb.  1650  Bl.  23). 

17)  Th.  v.  Bilek,  Dejiny  Konfiskaci  v  Cechach  pro  R.  1618. 
II,  820,  984  fr. 

18)  HStA.  Loc.  10332,  Beb.  4,  Bl.  11. 

1!))  Unter  den  wenigen  Familienerbstücken,  die  sie  in  den  letzten 
Jahren  ihres  Lebens  sorgsam  gehütet  hatte,  befanden  sich  neben  den 
Bildern  ihrer  Grofseltern  und  ihres  Vaters  auch  „ein  Bild  in  Wachs 
der  König  in  Schweden"  und  „ein  gestücktes  Bild  neulichst  ver- 
storbene  Churfürstin    in    Sachsen".      LRA.  Tit.  LIX,  401 ,  Bl.  47 ff. 

18* 


276  Richard  Schmertosch: 

1650  empfahl  er  seinen  Schützling  direkt  der  kaiserlichen 
Gnade  und  bat,  demselben,  da  er  ,,sich  sonsten  die  ganze 
Zeit  seiner  Aufenthaltung  in  Leipzig  inhalts  Ratszeugnis 
aller  unverweislichen  Gebühr  bezeiget,  zu  seiner  recht- 
mäßigen Befugnis  ohne  Weitläufigkeit  zu  verhelfen"20). 
Beide  Schreiben,  sowie  auch  die  späteren  Gesuche  der 
Familie    blieben    ohne    Erfolg'21).      Schmertosch    wurde 

1651  „auf  Churfürstl.  Durchl.  zu  Sachs,  gnädigste  Per- 
mission" Bürger  in  Leipzig  und  kaufte  mit  dem  geringen 
Überreste  seines  Vermögens  ein  Haus  in  der  Katharinen- 
straise2'2). 

Schon  Pescheck  erwähnt  als  Exulanten  in  Leipzig 
den  kaiserlichen  Hofapotheker  Martin  Schörckel,  der  die 
Salomoapotheke  erwarb23)  und  die  Brüder  David  und 
Daniel  Lehmann,  die  in  der  Hallischen  Gasse  und  im 
Brühl  sich  ankauften24).  Auch  sie,  sowie  ein  Schuh- 
macher, Georg  Heydorn,  kamen  aus  Prag,  wurden  aber 
schon  1628  Leipziger  Bürger. 

Nächst  der  Landeshauptstadt  Böhmens  war  schon 
früh  Stadt  und  Kreis  Eger  durch  Handelsstraßen  mit 
Leipzig  verbunden.  Ja,  Leipzig  hatte,  seitdem  1564  in 
Eger  die  augsburgische  Konfession  durch  den  sächsischen 
Kurfürsten  August  eingeführt  war25),  durch  seine  Uni- 
versität nicht  unbedeutenden  Einflufs  in  jenen  Gegenden 


20)  HStA.  Genealogica  „Riesenthal"  Loc.  11351. 

21)  In  seinem  1649  verfafsten  Testamente,  das  sich  im  Leipziger 
Ratsarchive  befindet  (Test.  v.  J.  1654,  V,  77),  hofft  M.  Seh.  noch,  dafs, 
„was  anbelanget  liegende  bewegliche  vnd  imbewegliche  Gründe  so- 
wohl an  Schulden  und  Erbschaften  im  Königreich  Beheim,  Ihre  Rom. 
Kai:  Maje.  gegen  seine  armen  Unterthanen  Ihr  Herz  wenden"  werde. 
Diese  Hoffnung  blieb  unerfüllt.  Als  1661  der  Vormund  zweier 
unmündiger  Söhne  des  Vertriebenen  bei  der  Leipziger  Universität 
anfragte,  ob  es  rätlich  sei,  in  betreff  der  Erbschaften  in  Böhmen 
einen  Prozefs  anzustrengen,  riet  man  ihm  ab,  weil  die  Schulden, 
Güter  und  Immobilien  von  der  kaiserlichen  Majestät  eingezogen  seien 
und  trotz  Aufwendung  grofser  Unkosten  bis  dato  nirgends  etwas 
hinzuzubringen  gewesen  sei  (LRA.  Tit.  LIX,  401,  Bl.  75 ff). 

22)  LRA.  Bürgerreehtsprot.  1639-1682,  Bl.  69.  Barthel  H,  161. 

23)  Vergl.  über  ihn  des  Verfassers  Artikel :  Ein  böhm.  Exul.  in 
Leipzig  z.  Z.  d.  dreifsigj.  Krieges  in  der  Wissensch.  Beil.  d.  Leipz. 
Zeitung  1894,  No.  102. 

24)  LRA.  Barthel  II,  128b,  130,  108. 

BB)  Er  hatte  zur  ersten  evangelischen  Predigt  einen  lutherischen 
Prediger  „auf  etlich  Monat  hergeliehen",  HStA.  Loc.  8752,  Intercess. 
1635  und  1636,  Bl.  55.  Es  war  dies  Augusts  Stipendiar,  der  Magister 
Hieronymus  Thilesius.  Vergl.  H.  Gradl  in  den  Jahrb.  d.  Ges.  f.  d. 
Gesch.  d.  Prot,  in  Österreich  XI,  188  ff. 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     21  ? 

erlangt.  War  doch  die  Besetzung  der  lutherischen  Pfarr- 
stellen  wohl  meist  von  Leipzig  aus  erfolgt!  Noch  nach 
dem  westfälischen  Friedensschlüsse  beschwerte  sich  das 
Leipziger  Konsistorium  bei  seinem  Kurfürsten  über  die 
Katholisierung  der  über  100  Jahre  lang  zu  Kursachsen 
eingepfarrten  böhmischen  Grenzdörfer  Ottengrün,  Förders- 
reuth  und  Fleifsen,  sowie  des  Grenzstädtchens  Asch,  das 
„mit  seinen  zugehörigen  dreien  Pfarrern  alhie  bei  Ihrer  Churf. 
Durchl.  Consistorio  die  Ordination  und  Confirmation  bis- 
hero  gesuchet  und  recht  empfangen"  habe26).  —  Schon 
1635  finden  wir  die  egerischen  Exulanten  in  Leipzig  ver- 
treten27). Ihr  früherer  Diakonus  M.  Ägidius  Brandner, 
der  kursächsischer  Feldprediger  geworden  war,  über- 
reichte nämlich  hier  dem  Kurfürsten  ein  Bittschreiben, 
in  dem  die  Exulanten  denselben  um  seine  Verwendung 
für  Wiedererlangung  der  ihnen  1629  entrissenen  Religions- 
freiheit und  Aufhebung  der  vom  Kaiser  über  sie  ver- 
hängten Güterkoniiskationen  baten.  In  diesem  Gesuche 
erinnern  sie  an  die  alte  Reichsunmittelbarkeit  der  Stadt 
Eger'2S),  an  die  Zusicherung  freier  Religionsübung  durch 
Kaiser  Maximilian  IL  und  endlich  an  die  Versprechungen, 
die  ihnen  der  Kurfürst  Johann  Georg  selbst  nach  ihrer 
freiwilligen  Unterwerfung  1620  und  1621  als  kaiserlicher 
Kiiegskommissar  gemacht  habe.  Zwar  wären  sie  1631 
mit  den  kursächsischen  Truppen  in  die  Heimat  zurück- 
gekehrt, hätten  aber  nicht  Besitz  von  ihren  Gütern  er- 
griffen, sondern  hätten  nach  kurzem  Aufenthalte  die  Stadt 
wieder  verlassen.  —  Hierauf  antwortete  der  Kurfürst  aus- 
weichend, er  glaube  nicht,  dafs  das  erbetene  Intercessions- 
schreiben  beim  Kaiser  den  gewünschten  Erfolg  haben 
würde;  er  wolle  aber  mit  dem  noch  in  Leipzig  zu  er- 
wartenden kaiserlichen  Gesandten,  mit  welchem  „man 
noch  wegen  etlicher  sonderlichen  Ort,  quoad  Religionis 
exercitium,  zu  tractirn  hätte",  auch  über  die  Stadt  Eger 


26)  HStA.  Loc.  10332.  5.  Bch.  Bl.  108  ff.  Für  Asch  und  Fleifsen 
war  in  der  That  die  kurfürstliche  Verwendung  von  Erfolg.  Beide 
Orte  sind  die  einzigen  evangelischen  Kirchengemeinden  im  Westen 
der  österreichischen  Lande,  in  denen  sich  die  evangelische  Lehre  im 
17.  Jahrhundert  forterhielt.    Vergl.  Gradl  a  a.  0.  S.  165. 

27)  Sie  selbst  hatten  sich  meist  nach  Wunsiedel  unter  den  Schutz 
des  Markgrafen  Christian  von  Brandenburg  geflüchtet.  Ihre  Zahl 
wird  auf  600  angegeben.     HStA.  Loc.  8752  a.  a.  0. 

28)  1315  war  Eger  von  Ludwig  dem  Baiern  für  20000  Mark 
Silber  mit  dem  ausdrücklichen  Vorbehalt  der  Wiedereinlösung  an  die 
Krone  Böhmen  verpfändet  worden.     (HStA.  a.  a.  0.) 


278  Richard  Schmertosch : 

und  deren  Exulanten  verhandeln.  Da  aber  die  kurfürst- 
liche Verwendung  erfolglos  blieb,  oder  wenigstens  auf 
sich  warten  liefs,  reiste  1636  ein  vornehmer  Mann  aus 
ihrer  Mitte,  Wolf  Adam  Pachelbl,  selbst  nach  Leipzig. 
Dieser  war  vor  1629  Ratsmitglied  in  Eger  und  bei  dem 
Einfalle  der  Sachsen  in  Böhmen  im  Jahre  1631  kur- 
sächsischer  Kriegskommissar  im  Egerer  und  Ellbogener 
Kreise  gewesen'29).  Doch  fand  er  in  Leipzig  den  Kur- 
fürsten, der  damals  Vorbereitungen  zum  Kampfe  gegen 
die  Schweden  traf,  nicht  mehr  vor.  Er  gab  deshalb  im 
Januar  1636  einem  Advokaten,  Dr.  Meyer,  den  Auftrag, 
den  kursächsischen  Geheimrat  Dr.  Johann  Timäus  in 
Wittenberg  zur  Abfassung  des  gewünschten  Intercessions- 
schreibens  an  den  Kaiser  zu  veranlassen  und  es  dem 
Kurfürsten  zur  Unterschrift  zu  unterbreiten.  Die  kur- 
fürstliche Intercession  erfolgte  denn  auch  wirklich  am 
16.  Mai  von  Grofsen-Saaz  aus.  Doch  fruchtete  sie  nichts 
bei  der  Unduldsamkeit  des  bigotten  kaiserlichen  Hofes; 
ebensowenig  halfen  den  aus  Eger  Vertriebenen  die  zu 
Gunsten  des  Kaisers  so  dehnbaren  Amnestiebestimmungen 
des  Prager  Friedens80). 

Vergeblich  blieben  auch  alle  Bemühungen  der  egerischen 
Exulanten,  durch  den  westfälischen  Friedensschluß  das 
Verlorene  wiederzuerlangen81).  Wieder  ist  es  Leipzig, 
wo  ein  als  Nürnberger  Handelsmann  reich  gewordener 
Exulant  aus  Eger,  Johann  Riedel,  der  später  in  Leipzig 
starb32),  keine  Mühen  und  Kosten  scheute,  um  bei  den 
Friedensunterhandlungen  seiner  Vaterstadt  die  Religions- 
freiheit wieder  zu  verschaffen.  Hatte  er  doch  sogar  bei 
der  1647  erfolgten  Besetzung  Egers  durch  die  Schweden, 
die  von  diesen  eingesetzten  protestantischen  Geistlichen 
aus  eigenen  Mitteln  besoldet88)! 


29)  Über  ihn  vergl.  Th.  Bilek  in  den  Mitt.  d.  Ver.  f.  Gesell,  d. 
Deutschen  in  Böhmen  XXIII,  392,  395  f. 

*)  HStA.  a.  a.  0.     Londorp  IV,  470,  568. 

31)  Ein  kurfürstl.  Intercessionsschreihen  für  Eger  vom  Jahre 
1649  findet  sich  HStA.  Loc.  8750,  Intercessionales  de  annis  L638 
usque  1651,  Bl.  108. 

32)  Stepner  n.  139. 

:1;)  Sachs.  Curiositäten-Cabinet  vom  Jahre  1762.  S.  57ff. 
Pescheok  a.a.O.  L640  wurde  der  .luwelicr  (Jeorg  Opitz  aus  Ky-cr 
Leipziger  Bürger.  Er  vermittelte  1650  die  Übersendung  von  lOOThalern, 
die  der  Administrator  von  Magdeburg,  Prinz  August  von  Sachsen, 
der  Exulantengemeinde  in  Dresden  spendete.  (Striesener  Kirchen- 
archiv N  12  A  2a  Bl.  27  f.)    Pe  sc  heck  (S.  26  Anm.)  las  Opinger  für 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig-  unter  Johann  Georg  I.     279 

Aber  nicht  nur  die  österreichischen  Erzherzogtümer 
und  das  Königreich  Böhmen,  auch  die  übrigen  Besitzungen 
des  Hauses  Habsburg  entsandten  glaubenstreue  Pro- 
testanten nach  Leipzig.  In  den  Bürgerlisten  lassen  sich 
noch  Mähren,  Tirol,  die  Landgrafschaft  Vorarlberg  und 
vor  allem  die  schlesischen  Herzogtümer  als  Heimat  neu- 
aufgenommener Bürger .  erweisen.  Gerade  Schlesien  hatte 
trotz  des  Dresdner  Vertrages  vom  Jahre  16^1,  der  dem 
Lande  freie  Religionsübung  zusicherte,  entsetzlich  unter 
der  Gegenreformation  leiden  müssen.  Bitter  beschwerten 
sich  in  Osnabrück  1646  die  evangelischen  Stände  Schlesiens, 
die  fürchten  mufsten,  durch  den  Friedensschluß  auch  noch 
den  letzten  Eest  von  Religionsfreiheit  zu  verlieren,  über 
die  ihnen  angethane  Vergewaltigung.  Auf  ganz  unerhörte 
Weise  habe  man  mit  Hilfe  des  Lichtensteiner  Regiments, 
das  sie  selber  hätten  besolden  müssen,  die  Reformation 
in  den  Fürstentümern  Grofs-Glogau,  Schweidnitz,  Jauer 
und  Münsterberg  begonnen  und  sie  teils  durch  grolse  Marter, 
Qual  und  Peinigung,  teils  durch  Furcht,  Angst  und 
Schrecken,  teils  auch  wegen  des  Unverstandes  und  der 
Unwissenheit  der  Leute  durchgeführt.  Trotzdem  hätten 
viele  ihren  erzwungenen  Übertritt  bereut  und  seien 
schließlich  lieber  ins  Exil  gewandert.  Nur  kurze  Hilfe 
habe  die  sächsische  Armee  gebracht;  nach  dem  Prager 
Frieden,  der  auf  des  Kurfürsten  Vermittelung  nur  einigen 
Teilen  Schlesiens  Glaubensfreiheit  zusicherte,  habe  der 
Gewissenszwang  von  neuem  begonnen.  Die  einzige  ihnen 
gegönnte  Wohlthat,  die  der  Auswanderung,  habe  man 
ihnen  durch  harte  Bedingungen,  wie  Erlegung  von  hohem 
Abfahrtsgeld,  Zurücklassung  aller  unmündigen  Kinder, 
Erlegung  von  Auferziehungsgeld  für  diese  und  anderes 
mehr  beinah  unannehmbar  gemacht34). 

Opitz.  Aufser  den  bereits  Genannten  linden  sich  in  den  Leipziger 
Bürgerlisten  noch  folgende  Namen  von  Leuten,  die  aus  Böhmen 
stammten:  Schmidt,  Saudisch,  Rudell,  Schultze,  Schepke,  Rost, 
Jäckell,  Betzold,  Teigler,  Hütter,  Petrens,  Härtung,  Vater,  Hertel, 
Wildtmeister,  Fischer,  Kleinau,  Steiniger,  Ilke  und  Teubner. 

u)  Londorp  VI,  61  ff.  Aus  Schlesien  stammten  in  den  Jahren 
1627—1657  nach  den  Bürgerlisten  folgende  Leipziger  Bürger:  Arnold, 
Buhl,  Trapus,  Stenzel,  Schmidt,  Nitzschke,  Leupold,  Conrad,  Schneider, 
Fülleborn,  Philippi,  Klein,  Schüpel,  Heinicke,  Blümich,  Teubell, 
Seyfert,  Treibisius,  Heinz,  Heinze,  Liebichen,  Bühlmann,  Prietz. 
Davon  stammt  allerdings  ein  nicht  unbedeutender  Teil  aus  Breslau, 
das  nicht  so  sehr  von  der  Gegenreformation  zu  leiden  hatte.  —  Aus 
Mähren  kamen  nach  Leipzig  und  wurden  Bürger:  Linerdt,  Gschiepler, 
Gabriel;  aus  Tirol  Höltzel;  aus  Vorarlberg  Dollinger. 


280  Richard  Schmertosch: 

Doch  waren  es  die  Besitzungen  des  Hauses  Habs- 
burg  nicht  allein,  in  denen  damals  die  Gegenreformation 
wütete,  auch  auf  anderen  deutschen  Gegenden  lastete  ein 
harter  Glaubensdruck86).  Schwer  zu  hülsen  hatten  die 
Länder  des  unglücklichen  Friedrich  von  der  Pfalz  für 
den  Ehrgeiz  ihres  Fürsten.  In  der  Rheinpfalz  wurden 
schon  zu  Anfang  des  Krieges  die  protestantischen  Geist- 
lichen vertrieben  und  die  Unterthanen  zum  Katholicismus 
gezwungen36).  Auch  in  der  Oberpfalz  betrieb  1(>28  der 
Pfalzgraf  Wolfgang  Wilhelm  von  Neuburg,  der  bereits 
in  seinen  neugewonnenen  Ländern  Jülich  und  Berg  die 
Gegenreformation  durchgeführt  hatte"7),  die  Ausrottung 
des  Luthertums  mit  vieler  Gewalt.  Die  Kirchen-  und 
Schuldiener  wurden  vertrieben  und  die  Protestanten  durch 
Einquartierung  von  Soldaten  zum  Übertritt  oder  zur  Aus- 
wanderung gezwungen88).  Ähnlich  hausten  im  folgenden 
Jahre  ligistische  Reiter  in  dem  Gebiete  der  freien  Reichs- 
stadt Nürnberg39).  Am  schlimmsten  aber  ging  es  den 
süddeutschen  Protestanten  nach  der  Schlacht  bei  Nörd- 
lingen.  Schutzlos  war  vor  allem  Pranken,  wo  sich  der 
jugendlich  kühne  Vorkämpfer  des  Protestantismus  Bern- 
hard von  Weimar  ein  eigenes  Herzogtum  erobert  hatte, 
der  katholischen  Reaktion  preisgegeben.  —  In  jener  Zeit 
erfolgte  ein  ganz  bedeutender  Zuzug  aus  jenen  Gegenden 
nach  Leipzig.  Ganz  auffällig  wächst  in  den  Totenlisten 
die  Zahl  der  Gestorbenen  aus  der  Oberpfalz,  dem  nürn- 
berger Gebiet,  Ansbach-Baireuth  und  dem  übrigen  Franken. 
Meist  Frauen  und  Kinder  waren  es,  die  den  Mühsalen 
der  Flucht  im  Lazarett  erlagen.     Auch  sonst  noch  läfst 


35)  1634  konnte  sich  der  Klipper  Joseph  Sallmever  aus  München 
wegen  der  Gefahr  für  seine  evangelische  .Religion  hei  Erlangung  des 
Bürgerrechts  keinen  Geburtsschein  aus  seiner  Heimat  verschaffen. 
Ähnliches  wird  in  demselben  Jahre  von  dem  Gürtler  Veit  Hopff  aus 
dem  Erzbistum  Salzburg  in  den  Bürgerlisten  berichtet. 

36J  Vergl.  das  Intercessionsschreiben  König  Jakobs  von  England 
für  die  Stadt  Frankenthal.     Londorp  I,  1121. 

37)  Wahrscheinlich  hatten  sich  infolgedessen  aus  .Jülich  der 
Kaufmann  Heinrich  Blot,  der  Weinschenk  Hans  Rothrumpf  und  der 
Handelsmann  Thomas  Braunigk  nach  Leipzig  gewendet.  Der  erste 
starb  hier  1621,  die  beiden  andern  wurden  16:22  Bürger.  Aus  der 
herrischen  Hauptstadt  Lennep  stammte  der  reiche  Tnchhändler 
Johann  von  der  Burgk,  der  1668  als  Leipziger  Ratsmitglied  und 
Besitzer  des  Rittergutes  Stötteritz  starb  (Stepner  n.  1495). 

38)  Londorp  VI,  471,  474.  Walch,  Geschichte  d.  luth.  Relig. 
S.  522. 

39)  K.  v.  Murr,  Nürnberger  Amialen  S.  31.  Londorp  VI,  454 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     281 

sich  seit  1634  der  Aufenthalt  geflüchteter  Familien,  die  nicht 
zum  wenigsten  aus  Nürnberg  kamen,  in  Leipzig  nachweisen40) . 
Wie  die  Stadt  Nürnberg,  der  starke  Ringmauern 
allein  Schutz  gegen  die  Übermacht  der  Katholiken  boten, 
so  kamen  auch  die  übrigen  süddeutschen  Reichsstädte  in 
die  Gefahr,  die  ihnen  im  Augsburger  Religionsfrieden  so 
hochbeteuerte  Religionsfreiheit  zu  verlieren.  Seit  1628 
drohte  diese  Gefahr  der  freien  Reichsstadt  Lindau  am 
Bodensee.  Eine  Bewegung  in  der  Bürgerschaft  zu  Gunsten 
eines  protestantischen  Predigers  hatte  der  kaiserlichen 
Regierung  einen  erwünschten  Anlafs  gegeben,  in  die  Stadt 
eine  österreichische  Besatzung  zu  legen,  die  darin  bis 
zum  Friedensschlüsse  verblieb.  Durch  die  kaiserlichen 
Bevollmächtigten,  den  Bischof  von  Constanz  und  den 
Grafen  von  Montfort,  wurde  die  Bürgerschaft  entwaffnet 
und  die  reichsstädtische  Verwaltung  übernommen.  Zu 
gleicher  Zeit  wurde  der  Stadt  ihr  Gebiet  abgesprochen, 
dasselbe  gewaltsam  reformiert  und  der  Stadt  selbst  die 
Aufnahme  Katholischer  zu  Bürgern  anbefohlen41).  Kräftig 
unterstützt  wurde  diese  Reaktion  durch  die  in  Lindau 
selbst  sefshafte  Fürstäbtissin  des  freiweltlichen  Damen- 
stiftes Lindau.  Sie  selbst  brachte  zwei  Jesuiten  in  die 
Stadt;  auch  die  Kapuziner,  die  früher  ausgewandert 
waren,  wurden  zurückgerufen42).  In  dieser  bedrängnis- 
vollen Zeit  wanderten  protestantische  Familien  aus.  — . 
In  Leipzig  finden  wir  den  reichen  Lindauer  Handelsherrn 
Andreas  Egger,  der  mit  der  angesehenen  Leipziger  Fa- 
milie Scherl  verschwägert  war.  Seit  1639  wurde  er 
wiederholt  vom  Rate  „zum  Bürgerrecht  erfordert",  weigerte 
sich  aber  beständig  es  anzunehmen,  weil  er  gesonnen  sei 
„sich  wiederumb  in  sein  Vaterland  zu  begeben."  Erst 
1653,  nachdem  er  schon  in  Leipzig  Grundbesitz  erworben 
hatte,  wurde  er  Bürger43).    Ein  anderer  Lindauer,    der 


40)  Vergl.  die  Kirchenbücher  der  Thomas-  nnd  Nikolaikirche 
auf  der  Leipz.  Ratsbibliothek  1635—1636. 

4|)  G.  Reinwald,  Die  Reichsstadt  Lindau  und  ihre  Nachbarn. 
HStA.Loc.9215  Die  kaiserliche  Einquartierung  in  Bregenz  und  Lindau. 

42)  Ebenda  Loc.  7394  Churfürstentag  zu  Nürnberg  1640  B1.318  ff. 
und  Loc.  10156  Die  Restitution,  so  vermöge  des  allgemeinen  Reichs- 
friedens 1651—1657. 

43)  L.  Rb.  1641  Bl.  93  u.  öfter.  Barth el  II,  158,  216.  Stepner 
n.  1140.  In  Lindau  mufste  1628  auf  kaiserlichen  Befehl  eines  „ge- 
wesenen Bürgers  Andreae  Eggers  Behausung  und  Gut  daselbst  in 
der  Insel  gelegen"  den  Kapuzinern  zur  Erbauung  eines  Klosters 
käuflich  überlassen  werden.     HStA.  Loc.  7394  a.  a.  0.  Bl.  406  f. 


232  Richard  Schmertosch: 

Kramer  Hans  Jacob  Jäger,  nahm  ebenfalls  nach  längerem 
Weigern  erst  1645  das  Leipziger  Bürgerrecht  an  und 
kaufte  bald  darauf  zwei  Häuser  in  der  Grimmischen 
Gasse44).  Gar  erst  1648  erlegte  der  Handelsmann 
Emanuel  Eekold  aus  vornehmem  Lindauer  Geschlecht10) 
„für  bisher  vertagtes  Schutzgeld  und  das  Bürgerrecht " 
60  Reichsthaler  und  ersuchte  den  Rat  ihn  mit  Vormund- 
schaften und  Einquartierungen  zu  verschonen,  weil  er 
viel  Kinder  hätte  und  ein  alter  Mann  wäre.  Auch  er 
war  vermögend  und  erwarb  Haus  und  Hof  in  derKatha- 
rinenstralse.  Zugleich  kaufte  er  einen  Schwibbogen  als 
Erbbegräbnis  auf  dem  Leipziger  Friedhofe,  wo  er  zwei 
Jahre  darauf  fern  von  der  Heimat  beerdigt  wurde.  Seinen 
Grabstein  zierte  der  Bibelspruch:  Ist  Gott  für  uns,  wer 
mag  wider  uns  sein46)? 

Kamen  so  schon  aus  Lindau  Flüchtlinge  nach  Leipzig, 
wie  grofs  mufste  erst  die  Zahl  derer  sein,  die  aus  Augs- 
burg sich  hierhin  wendeten,  das  doch  von  allen  süd- 
deutschen Reichsstädten  am  meisten  durch  die  Gegen- 
reformation zu  leiden  hatte?  Als  unter  dem  nichtigen 
Vorwande,  Augsburg  habe  bei  der  Errichtung  des  Re- 
ligionsfriedens unter  der  Gerichtsbarkeit  des  Bischofs 
von  Augsburg  gestanden,  die  Stadt  zur  Nachtzeit  besetzt 
worden  war  und  die  Evangelischen  auf  alle  Weise  be- 
drängt   wurden47),    begann    auch    hier    trotz    aller   Er- 


")  Barthel  I,  176  f. 

'"')  Ein  Aniadeus  Eggolt  war  1649  Bürgermeister  von  Lindau. 
Londorp  VI,  531.  Unter  seiner  Regierung  wurden  dieser  Reichs- 
stadt die  vom  Haus  Österreich  ihr  entrissenen  Rechte  zurückgegeben. 
Ebenda  454,  525  ff. 

16)  LRA.  XXXIV,  5.  li.  Rh.  1652  El.  54  u.  243.  Barthel  II, 
L67.     Stepner  n.  1008. 

41)  Über  diese  Besetzung  berichtet  ein  Schreiben  aus  Augsburg 
an  den  sächsischen  Kurfürsten  vom  10.  August  1629  folgendes: 
„Nachdem  das  Bischof  liehe  Volck  bey  Nachts  Zeitten  (wie  mau  dar- 
tiir  helt  nahmt  bey  1000  Mann)  inn  die  Stadt  gelafsen,  die  Thor. 
Thüren  vnd  fürnembsten  gaJaen  damit  besetzt,  vnd  vier  vnd  zwantzig 
Gralgen  hin  vnd  her  inn  der  Stadt  aufgerichtet  worden,  hatt  man 
nochmahls  ernstlich  befohlen,  sieh  allen  Zusammenkunnften  Bey  Leib 
vnd  Lebensstraf  gentzlichen  zu  enthalten.  Wie  dann  die  ga&en  bey 
Tau'  vnd  Nacht  stank  beritten,  vnd  da  mau  nur  zwey  oder  drey 
Personen  bey  sammen  findet,  dieselbenn  von  einander  geiagt  vnd  inn 
die  1 1  au fser  geschafft  worden.  Es  seind  albereit  viel  Ehrliche  Leuthe 
■  im/,  vnvcrsehuldter  weise,  vnd  nur  aufs  bloisem  Argwohn  gefäng- 
lich eingezogen,  ihnen  wie  den  gröfsten  Vbelthätern  die  Hände  ge- 
bunden  vnd  in  die  Elisen  geschlagen  wordenn."  Dann  heilst  es 
weiter:    ..Sollten  wir  aber  Ja  wider  alles  verhoffen   die  Emigration 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  anter  Johann  Georg-  I.     :>s';} 

schwerungen  durch  kaiserliche  Edikte  die  Auswanderung 
der  Protestanten.  Wohl  nicht  zufällig-  erwarben  1629 
zwei  Handelsleute  aus  Augsburg,  Johann  und  Baptista 
Garben,  ein  Haus  in  Leipzig18).  1631  richtete  der  Augs- 
burger Exulant  David  Grüner  ein  Schreiben  folgenden 
Inhalts  an  den  sächsischen  Kurfürsten:  Er  habe  als  ein 
sechzigjähriger  Mann  um  Gottes  Wortes  und  der  Augs- 
burger Konfession  willen  mit  Weib  und  Kind  seine 
Heimatsstadt  verlassen,  habe  seine  geringe  Hab  und 
Güter  allda  mit  grolsem  Verluste  veräufsern  müssen  und 
sich  nach  Leipzig  einen  so  weiten  Weg  mit  Aufwendung 
grofsen  Fuhrlohns  und  Zehrungsunkosten  begeben.  Trotz- 
dem wolle  man  ihn  hier,  obgleich  er  nur  durch  W  echsel- 
schliefsen  an  den  Messen  sich  etwas  zu  verdienen  suche, 
zur  Annahme  des  Bürgerrechts  oder  zur  Erlegung  von 
Schutzgeld  zwingen.  Er  bittet  ihn  mit  beiden  zu  ver- 
schonen, da  er  „schlechtes  Vermögens"  sei  und  bisher 
alle  ihm  auferlegten  Lasten  willig  getragen  habe49).  In 
demselben  Jahre  erschien  auf  dem  Leipziger  Fürstentage 
als  Vertreter  der  Protestanten  in  Augsburg  Dr.  Johann 
Ulrich  Kechlinger.  Er  stammte  aus  einer  hochangesehenen 
evangelischen  Patrizierfamilie  Augsburgs  und  war  als 
Anwalt  aufs  eifrigste  für  seine  in  seiner  Vaterstadt  unter- 
drückten Glaubensgenossen  thätig50).  Schon  1629  hatte 
er  mit  anderen  Abgeordneten  der  evangelischen  Rats- 
verwandten  den  Kurfürsten  in  Dresden  um  seine  Für- 
sprache beim  Kaiser  gebeten,  im  März  des  nächsten 
Jahres  war  er  im  Auftrage  der  evangelischen  Bürger- 
schaft Augsburgs    an    den    kaiserlichen    Hof   geschickt 


ann  die  Hand  nehmen  müfsen,  vnd  vnser  liebes  Vaterland  verlafsen, 
So  wifsen  wir  vns  auch  im  gantzen  .Römischen  Reich  vnter  keine 
andere  protection  als  vnter  Ihr.  Churf.  Durchl.  zu  begeben,  vnd  hoffen 
es  werde  vnter  dem  Hochlobl.  Rauttenkrantz  das  liebe  Wortt  Gottes 
ferner  grünen  vnd  blühen."  HStA.  Loc.  10150  Erstes  Buch,  Refor- 
mation in  der  Stadt  Augsburg. 

4S)  Bart  hei  I,  159. 

40)  HStA.  Loc.  10331.  3.  Bch.  Bl.  455. 

50)  Vogel,  Annal.  S.  416  nennt  ihn  Rehlinger.  Rechlinger 
unterschreibt  er  sich  selbst  in  den  Akten  des  Dresdner  Staatsarchivs. 
Ein  Bürgermeister  Wolf  Rehlinger  hatte  1534  die  Reformation  in 
Augsburg  durchgeführt.  (Ranke,  Deutsche  Geschichte  III,  487.) 
1629  wird  ein  Bernhard  Rehlinger  als  Stadtpfieger,  ein  Karl  Reh- 
linger als  unterer  Schulherr  und  ein  Sebastian  Christoph  Rehlinger 
als  Bürgermeister  von  Augsburg  erwähnt.  HStA.  Loc.  10  150  a.  a.  0. 
1650  wird  die  Familie  ausdrücklich  unter  den  zu  restituierenden  Evan- 
gelischen in  den  Reichstagsakten  genannt.     Londorp  VI,  588. 


■>s\  Richard  Schmertosch: 

worden,  und  am  Ende  dieses  Jahres  weilte  er  schon 
wieder  in  Sachsen.  Hier  erhielt  er  zu  Annaburg  vom 
Kurfürsten  die  Zusage,  dafs  er  keine  Gelegenheit  vorüber- 
gehen lassen  werde,  wo  er  „zu  Verhütung  der  Evan- 
gelischen Stände  äußersten  Ruin,  unverletzten  Gewissens, 
Ehre  und  Namens  ichtwas  werde  cooperiren  und  ver- 
richten können",  allerdings  mit  dem  wenig  ermutigenden 
Zusätze:  „so  gegen  Gott,  der  werthen  Posterität,  aller- 
höchstgedachter  Ihrer  Kai.  Mt.  als  dem  Oberhaupt  und 
sonst  nach  Ausweisung  des  heiligen  Reichs  Constitutionen 
und  Satzungen  zu  verantworten  sein  wird51)."  Wohl  auf 
Rechlingers  Bemühungen  hin  wird  in  der  Protestations- 
schrift  der  in  Leipzig  versammelten  evangelischen  Reich  s- 
stände  der  evangelischen  Bürgerschaft  zu  Augsburg  aus- 
drücklich gedacht  und  vom  Kaiser  neben  der  Zurücknahme 
des  Restitutionsediktes  auch  die  Wiedereinsetzung  der- 
selben in  Kirchen,  Schulen  und  alles  andere,  so  ihr  ent- 
zogen sei,  verlangt52).  Doch  blieb  auch  dies  Schreiben, 
wie  drei  von  Johann  Georg  schon  vorher  für  Augsburg 
eingeschickte  Intercessionen,  ganz  ohne  Erfolg,  ja  Fer- 
dinand II.,  der  noch  auf  der  Höhe  seiner  Macht  stand, 
dekretierte  wie  zum  Hohn  für  die  in  Leipzig  protestie- 
renden Reichsstände  gerade  jetzt  die  Absetzung  der 
unkatholischen  Ratsmitglieder  der  freien.  Reichsstadt 
Augsburg515).  Erst  das  Erscheinen  des  thatkräftigen 
Schwedenkönigs  Gustav  Adolf  in  Süddeutschland  sollte 
den  Protestanten  Augsburgs  die  heifsersehnte  Hilfe 
bringen. 

Um  so  schlimmer  wurde  ihre  Lage  im  Jahre  1(535, 
als  die  Kaiserlichen  nach  längerer  Belagerung,  während 
Hunger  und  Pest  schrecklich  in  der  Stadt  wüteten,  sie 
von  neuem  besetzten.  Wieder  wurden  die  Kirchen  und 
Schulen  der  Evangelischen  sowie  die  Hospital-,  Blattern-, 
Siech-,  Findel-  und  Waisenhäuser,  die  meist  durch  pro- 
testantische Stiftungen  gegründet  waren,  den  Katholiken 
übergeben,  der  protestantische  Rat  wurde  ganz,  die 
evangelischen  Prediger  bis  auf  zwei  abgeschafft,  die  nun 
den  Gottesdienst  unter  freiem  Himmel  halten  muteten. 
Die  protestantische  Bürgerschaft  aber  wurde  durch  Kon- 
tributionen und  Einquartierung  so  arg  gequält,  dals  ganze 


51)  HStA.  Loc.  10151  Ander  Buch  Augspurgischer  Sachen. 
r>2)  London»  IV.  137. 
5S)  Ebenda  219. 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     285 

Haushaltungen  verlassen  wurden.  Rechlinger  ist  wiederum 
der  Abgesandte,  der  am  Dresdner  Hofe  die  traurige  Lage 
seiner  Glaubensgenossen  in  düstern  Farben  schildert 54). 
Obwohl  man,  wahrscheinlich  wegen  der  beträchtlichen 
Abnahme  der  Bevölkerung55),  diesmal  den  Abzug  der 
Evangelischen  zu  hindern  suchte,  scheinen  doch  wieder 
einige  nach  Leipzig  geflüchtet  zu  sein.  Als  hier  in  den 
vierziger  Jahren  der  Augsburger  Johann  Philipp  Schöller, 
der  sich  schon  1636  in  Leipzig  vermählt  hatte,  ver- 
schiedene Male  vom  Leipziger  Rate  zur  Annahme  des 
Bürgerrechtes  aufgefordert  wurde,  entschuldigte  er  sich, 
dafs  er  sich  nur  als  Exulant  in  dem  lutherischen  Sachsen 
aufhalte  und  noch  auf  Rückkehr  in  die  Heimat  hoffe56). 
Noch  1648  bat  er  wenigstens  um  Frist  bis  nach  dem 
Friedensschlüsse.  Erst  als  ihm  hierauf  der  Rat  ernstlich 
mit  Ausweisung  aus  der  Stadt  drohte,  wenn  er  binnen 
sechs  Wochen  nicht  Bürger  geworden  sei,  leistete  er  am 
20.  Mai  den  Bürgereid.  So  wurde  er  an  Leipzig  ge- 
fesselt, während  bald  darauf  in  Augsburg  trotz  der  ent- 
schiedenen Weigerung  des  katholischen  Rates  die  Evan- 
gelischen dem  westfälischen  Friedensschlüsse  gemäfs  in 
ihre  Rechte  wiedereingesetzt  wurden57).  Ein  Jahr  vorher 
war  in  Leipzig  der  Spielmann  Georg  Pötz  Bürger  ge- 
worden. Vor  dem  Rate  hatte  er  hierbei  ausgesagt,  sein 
Geburtsbrief  liege  in  Augsburg  in  der  Kirche,  er  könne 
ihn  nicht  eher  erlangen,  es  werde  denn  der  Rat  daselbst 
wieder  halb  lutherisch.  Gestorben  sind  in  Leipzig 
1631—37  vierzehn  Augsburger  beiderlei  Geschlechts. 

War  nicht  so  Leipzig  in  der  That  „des  Landes  bestes 
Asylum  und  armer  Verjagter,  Dürftiger  und  Kranker 
Apothek  und  Brotkammer''58)?  Gewifs  war  die  Zahl 
derer,  die  während  des  Krieges  in  Leipzig  Schutz  suchten 

w)  HStA.  Loc.  10151  Augspurgische  Confessions  Verwandte 
Bürger  zu  Augspurg  ao.  1635—41.  Ein  Schreiben  an  den  Kurfürsten 
schliefst  mit  den  verzweiflungsvollen  Worten:  „Gott  komme  uns  zu 
Hülfe  entweder  mit  einem  selig  Abstündlein  oder  mit  dem  lieben 
jüngsten  Tag." 

55)  Am  23.  September  1635  schreibt  der  kurfürstliche  Agent 
am  Wiener  Hofe  Friedrich  Lebzelter  seinem  Kurfürsten:  man  habe 
ihm  mitgeteilt,  dafs  von  90000  Seelen,  die  vor  wenig  Jahren  und, 
ehe  der  Krieg  nach  Augsburg  gekommen,  dort  vorhanden  gewesen, 
nicht  18000  mehr  da  seien.  HStA.  Loc.  8239  Friedrich  Lebzelters 
Berichte  von  Wien  1626-1636  Bl.  177  ff. 

56)  LRA.     Bürgerrechtsprot.  1639—1682  Bl.  7  ff. 

57)  Londorp  VI,  378,  450,  478  ff. 

58)  Grofse,  Geschichte  Leipzigs  II,  256. 


286  Richard  Schmertosch: 

und  fanden,  nicht  unbedeutend,  und  nicht  unwahrscheinlich 
ist  die  Angabe  des  Leipziger  Chronisten  Vogel,  dals  am 
13.  Juni  1637  allein  831  Personen,  welche  von  Haus  und 
Hof  vertrieben  waren,  darunter  300  Kranke,  auf  dem 
Leipziger  Friedhofe  unter  dem  Schwibbogen  sich  auf- 
hielten. Sicher  stammten  sie  nicht  blofs  aus  der  Land- 
bevölkerung der  Leipziger  Umgegend.  Trotz  alledem  ist 
die  Zahl  der  vertriebenen  Protestanten,  die  nach  Leipzig 
kamen  und  dort  ansässig  wurden,  gering  im  Vergleich 
mit  der  grofsen  Menge  von  Exulanten,  die  zu  derselben 
Zeit  andere  sächsische  Städte  zum  teil  für  immer  auf- 
nahmen59). Der  Grund  hierzu  ist,  abgesehen  davon,  dals 
die  zahlreichen  böhmischen  Exulanten  sich  am  liebsten 
in  der  Nähe  der  Grenzen  ihrer  Heimat  aufhielten,  haupt- 
sächlich in  den  unheilvollen  Kriegsstürmen  zu  suchen,  die 
besonders  seit  1631  über  das  weite  Völkerschlachtfeld  bei 
Leipzig  und  über  die  Stadt  selbst  dahinbrausten.  Fünf 
Belagerungen  durch  die  Kaiserlichen  und  die  Schweden, 
die  den  Handel  störten  und  den  Meisverkehr  hemmten60), 
Teuerung  und  die  Pest61),  die  entsetzlichste  Begleiterin 
des  Krieges,  machten  Leipzig  zu  keinem  anziehenden 
Aufenthaltsort.  Dazu  kamen  schwerlastende  Einquartie- 
rungen und  harte  Kontributionen,  die  unter  den  verschie- 
densten Namen  von  der  Bürgerschaft  erpreist  wurden62). 
Ja,  die  Kriegsnot  zwang  sogar  dazu,  die  Bürger  zur 
Verteidigung  der  Stadt  in  Fähnlein  einzureihen63).  Kein 
Wunder,  wenn  infolge  dieser  Kriegsdrangsale  1632  nur 
12,  1637  nur  21,  1643  nur  19  Bürger  wurden  und  1644 


59)  1629  befanden  sich  in  Dresden  58  Exulanten,  in  Freiberg 
518  und  in  Pirna  2123!  1636  waren  642  fremde  Leute  aus  Böhmen, 
Mähren  und  Osterreich  in  Dresden,  davon  waren  1637  allein  90 
Bürger  geworden.  Vergl.  die  Exulantenlisten  HStA.  Loc.  10  331, 
2.  u.  3.  Beb..,  Loc.  10  332,  4  Beb. 

00)  Hasse,  Geschichte  der  Leipziger  Messen  S.  109  ff. 

01)  Nach  Vogel  starben  1634  1390,  163*3  innerhalb  dreier  Monate 
2500  Personen.  Vergl.  auch  K  napp ,  Ältere  Nachrichten  über  Leipzigs 
Bevölkerung  1595— 1849  in:  Mitt,  d.  Statist.  Bureau  d.  Stadt  Leipzig 
VI,  1872. 

02)  „Courtesie-,  Disactions-  oder  Contributionsgelder"  mnfsten 
1632  und  1633  an  die  kaiserlichen  Generäle  Wallenstein  und  Holcke 
(L.  Rb.  1637  Bl.  3),  Rantion,  Contribution,  Servisgelder,  Schanz-  und 
Baukosten  1643  an  Torstenson  gezahlt  werden.  Vom  5.  Dezember  L642 
bis  Ende  des  Jahres  1643  hatten  die  Schweden  allein  211719  Thlr.  er- 
preßt. HStA.  Loc.  9261.  Differentien  zw.  dem  Bat  und  der  Bürger 
schafi  zu   Leipzig  Bl.  154. 

,,:;)  L.  St.  Bill.  Leichenpredigt-Saml.  H.  Sax.  350e.  1195. 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     287 

überhaupt  niemand  mehr  das  Bürgerrecht  annehmen 
wollte!  Sicher  hat  dies  alles  viel  Fremde  von  Leipzig 
ferngehalten  oder  gar  bald  wieder  aus  der  Stadt  ver- 
scheucht. Im  März  1635  schrieb  der  Prager  Exulant 
Martin  Schmertosch  nach  Dresden  an  den  ihm  persönlich 
bekannten  früheren  Agenten  des  Kurfürsten  in  Prag- 
Friedrich  Lebzelter,  dafs  man  trotz  eines  kurfürstlichen 
Befehls  an  den  Rat,  sich  „gegen  ihn  der  Gebühr  zu  be- 
zeigen", ihn  mit  schweren  Kontributionen  ärger  als  die 
Bürgerschaft  plage;  so  habe  er  jetzt  aufs  neue  innerhalb 
14  Tagen  über  40  "Reichsthaler  erlegen  müssen  ohne  alle 
Ursache,  nur  blofs  dafs  er  sein  Feuer  halte.  Ja,  man 
habe  ihm  sogar  auf  dem  Rathause  angedroht,  falls  er  es 
nicht  erlege,  ihn  zu  arretieren  und  in  seine  Stube  Tri- 
buliersoldaten  zu  legen.  Schon  beinah  500  Reichsthaler 
habe  die  Not  von  ihm  ausgepreist.  Nur  an  den  Messen 
wolle  er  Handel  treiben64),  sonst  aber  von  seinem  Gelde 
zehren.  Die  Leipziger  wülsten  auch  sehr  wohl,  dafs 
zwischen  den  Märkten  gar  nichts  zu  thun  sei;  es  wäre 
nur  Hals  und  Neid,  dafs  sie  ihn  gern  aus  der  Stadt  haben 
und  treiben  wollten.  Lebzelter  möge  ihm  sicher  glauben, 
wenn  er  nicht  seine  alte  Mutter  bei  sich  hätte,  die  er 
wegen  ihrer  grofsen  Schwachheit  nicht  fortbringen  könne, 
würde  er,  ohne  den  Kurfürsten  weiter  zu  belästigen,  sich 
von  selbst  bei  Sonnenschein  anderswohin  begeben65). 

Dem  Rate  der  Stadt  lag  selbstverständlich  viel  daran, 
die  gewerbfleifsigen  und  teilweise  auch  wohlhabenden 
Exulanten  ganz  an  Leipzig  zu  fesseln,  zumal  da  der  Krieg 
und  die  Seuchen  die  Stadtbevölkerung  gewaltig  lichteten. 
Er  berief  sich  hierbei  auf  eine  Bestimmung  des  Kurfürsten 
Moritz,  dafs  „diejenigen,  so  sich  beweiben,  mieten  und 
Hantierung  treiben,  das  Bürgerrecht  gewinnen"  sollten. 
Auch  hatte  man  sich  bereits  1630  vom  Kurfürsten  Johann 
Georg  das  Recht  bestätigen  lassen,  denjenigen,  die  ihre 
Habe  nach  Leipzig  geflüchtet  und  sich  in  Bürgershäusern 
eingemietet  hätten,  während  des  Krieges  gleiche  Bürden 
und  Lasten,  wie  den  Bürgern,  auferlegen  zu  können66). 


c4)  In  der  Leipziger  Kramerordnung  war  Fremden  der  Handel 
aufserhalb  der  Märkte  streng  verboten.  Vergl.  Biedermann,  Gesch. 
d.  Leipz.  Krameriunung  S.  18. 

°5)  Die  Kramerinnung  hatte  sich  wiederholt  über  ihn  beschwert. 
LEA.  Rh.  v.  J.  1633  Bl.  29,  H.StA.  Loc.  10332.  4  Bch.  Bl.  8,  13  f. 

ß6)  LRA.  Bürgerrechtsprot.  1639— 1R82.  Bl.  15.  HStA.  a.  a.  0. 
Bl.  8. 


•jsx  Richard  Schmertosch: 

Leicht  gelang  es  deshalb  Handwerker,  die  in  der  alten  Hei- 
mat nichts  mehr  zu  erhoffen  hatten  und  in  Leipzig  neue  Er- 
werbsquellen fanden,  zum  Bürgerrecht  heranzuziehen.  So 
wurde  die  Kürschnerzunft  nicht  unwesentlich  durch  Böhmen, 
Mährer  und  Schlesier  verstärkt.  Zu  den  Hauptvertretern 
des  Kürschnerhandwerks  in  Leipzig  zählt  in  jener  Zeit 
das  Prager  Brüderpaar  Lehmann ;  David  Lehmann  starb 
1649  als  des  Kürschnerhandwerks  Obermeister.  Daneben 
lassen  sich  aber  auch  Schuhmacher,  Sattler,  Orgel-  und 
Instrumentenmacher,  Bäcker,  Schlosser,  Schmiede,  Rot- 
gieiser,  Hufschmiede,  Büchsenmacher,  Schneider,  Sporer, 
Zuckerbäcker,  Barbiere,  Schleifer,  Seiler,  Weilskittel  und 
Hutmacher  anführen,  die  aus  katholischen  Gegenden  da- 
mals nach  Leipzig  wanderten. 

Schwerer  wurde  es  dem  Rate  vertriebene  Handels- 
leute, die  Leipzig  hauptsächlich  seiner  Messen  wegen  als 
Zufluchtsort  gewählt  hatten,  zur  Annahme  des  Bürger- 
rechts zu  bewegen.  Wohl  mancher  von  ihnen  nährte  die 
Hoffnung  auf  Rückkehr  in  die  alte  Heimat  und  auf 
Wiedereinsetzung  in  den  verlassenen  Besitz.  Zwar 
wurden  sie  wohl  auf  kurfürstlichen  Befehl  zunächst  mit 
dem  Bürgerrechte  verschont,  doch  mufsten  sie  ein  Schutz- 
geld erlegen.  1639  erklärte  der  Rat,  alle  Fremden,  „so 
nicht  passieren  und  keine  erhebliche  Ursach  anführen, 
sollen  leiden,  dafs  ihnen  Feuer  und  Rauch  aufgeloset 
werde."  Außerdem  wurde  bei  denen,  die,  ohne  Bürger 
zu  werden ,  sich  längere  Zeit  schon  in  Leipzig  aufgehalten 
hatten,  streng  auf  Entrichtung  von  Schutzgeld  gesehen. 
1640  mulste  ein  Sohn  Martin  Schmertoschs  für  seinen 
Vater  200  Reichsthaler,  der  Augsburger  Schöller  für 
jedes  der  drei  Jahre,  in  denen  er  verheiratet  gewesen 
sei,  80  Thaler  und  für  das  Jahr  1640  100  Thaler  er- 
legen, hingegen  bezahlte  Georg  Opitz  aus  Eger  für  vier 
Jahre  nur  120  Thaler.  Doch  wurde  er  in  demselben 
Jahre  Bürger,  jene  blieben  in  ihrer  Stellung  als  Schutz- 
verwandte des  Rates07).  Da  drängte  1642  der  Kurfürst, 
der  selbst  seit  dem  Prager  Friedensschlüsse  die  Exulanten 
in  seine  Unterthanenpflicht  zu  ziehen  suchte68),  den  Rat 
zu  energischerem  Vorgehen  durch  folgendes  Mandat: 


67)  LRA.  Biirgerrechtsprot.  1(339-108^  Bl.  5  ff . 

ö8)  Vergl.  seine  Erlasse  an  die  Ilätc  von  Pirna,  Freiberg,  Anna- 
berg, Marienberg,  Dresden  und  an  den  Schösser  von  Wolkenstein 
aus  dem  Jahre  1637:  HStA.   Loc  in.i.ii    l    Hch.  Bl.  95  ff. 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     289 

Lieben  getreue,  Wir  seind  berichtet  als  solten  bey  euch  sich  viel 
enthalten  vnd  niederthun  auch  zum  theil  Weiber  nehmen,  vnd  ihre 
Nahrung  in  vnserer  Stadt  Leipzig  treiben,  die  doch  noch  zur  Zeit 
weder  Vns  noch  euch  verwandt  seyn  oder  einige  Pflicht  abgeleget, 
Wenn  wir  dann  bey  diesen  gefehrlichen  vnd  besorglichen  Leuffen 
solchem  nachzusehen  erheblich  bedenken  tragen,  Als  begehren  Wir 
hiemit  befehlende  ihr  wollet  darauff  gut  achtung  geben  vnd  euere 
Bürgers  Söhne  vnd  andere,,  die  selbst  Haufs  halten,  Häufser  haben 
oder  sich  beweiben  vnd  sonderlich  die  ihre  Handtierung  vnd  Gewerb 
bey  euch  treiben,  förderlichst  vnd  do  es  nöthig  durch  gebürende 
Zwangsmittel  zum  Bürgerrecht  fordern  vnd  sie  die  gewöhnliche  Pflicht 
ablegen  lafsen.  Doran  geschieht  vnsere  meinung,  Datum  Drefsden  den 
6.  Marty  Anno  1642  Johann  Jorge  Ohurfürst60). 

Bekannt  gegeben  wurde  es  der  Bürgerschaft  am 
29.  März.  Doch  hatte  es  zunächst  wenig  Erfolg;  denn 
noch  in  demselben  Jahre  drängte  die  Belagerung  und 
Eroberung  Leipzigs  durch  Torstenson  diese  Angelegenheit 
völlig  in  den  Hintergrund  und  gab  nun  sogar  Leipziger 
Bürgerssöhnen  Anlafs,  wegen  der  feindlichen  Besatzung 
in  der  Stadt  Gewissens  halber  und  als  zu  gefährlich  den 
Eid  zu  verweigern,  der  sie  verpflichtete  „des  Kurfürsten, 
des  Rats  und  der  Stadt  Leipzig  Gefahr,  Schaden  und 
Nachteil  nach  bestem  Vermögen  zu  warnen,  zu  melden 
und  zu  offenbaren70)."  Erst  spät  gelang  es,  jene  wohl- 
habenden Kauf  leute  aus  Augsburg,  Lindau  und  Prag  zur 
Annahme  des  Bürgerrechts  zu  bewegen. 

Immerhin  ist  in  dem  Vorgehen  des  Rates  gegen  diese 
um  ihres  Glaubens  willen  heimatlosen  Leute  eine  gewisse 
Milde  und  Nachsicht  nicht  zu  verkennen,  die  sicher  nicht 
allein  durch  eigenes  christliches  Mitleid  veranlagst  wurde ; 
die  Stellungnahme  der  kursächsischen  Regierung  zu  der 
katholischen  Reaktion  ist  es,  die  hier  maisgebend  hervor- 
tritt. Hatte  doch  der  Kurfürst  selbst,  entschieden  gegen 
seinen  Willen,  durch  seine  habsburgische  Politik  im  Anfang 
des  Krieges  die  Verfolgung  seiner  eigenen  Glaubens- 
genossen mit  heraufbeschworen.  Als  er  sich  dadurch  in 
seinem  Gewissen  bedrückt  fühlte,  war  es  bereits  zu  spät. 
Alle  seine  Vorstellungen,  selbst  die  Erinnerung  an  die 
Thatkraft  seines  grolsen  Vorfahren  Moritz  verhallten  ein- 
druckslos  am  kaiserlichen  Hofe71).    Vergebens  hatte    er 


69)  LRÄ.  In  dem  Bürgerrechtsprotokoll  1639—1682  eingeheftet 
zwischen  Bl.  78  und  79. 

70)  LRA.  a.  a.  0.  Bl.  27. 

71)  Am  24.  Dezember  1630  schreibt  er  an  den  Kaiser  über 
Augsburg:  Es  ist  „beredt  vnd  offenbahr,  das,  als  die  Evangelischen 
Prediger  aufs  der  Stadt  Augspurg  vertrieben  worden,  Mein  in  Gott 
ruhender  Anherr,   weilandt  Churfürst  Moritz  zu  Sachsen  löblichen 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.    XVI.  3.  4.  19 


•>«)()  Richard  Schmertosch: 

1631  die  böhmischen  Exulanten  augsburgischer  Konfession 
in  Leipzig  vertröstet,  „sie  sollten  ihre  Sachen  dem  lieben 
Gott  und  der  Zeit  befehlen,  wenn  der  Allmächtige  andern 
des  heiligen  Römischen  Reichs  evangelischen  Bedrängten 
verhelfen  würde,  solle  auch  ihnen  geholfen  sein"72);  ver- 
gebens hatte  er  bei  den  Prager  Friedensverhandlungen 
dringend  verlangt,  dais  in  den  kaiserlichen  Ländern  freie 
Ausübung  der  ungeänderten  augsburgischen  Konfession  in 
gleicher  Gestalt  wie  im  Jahre  1612  künftig  frei  und  un- 
gehindert zugelassen  werde;  vergebens  hatten  sich  die  kur- 
sächsischen Gesandten  wiederholt  bei  den  Verhandlungen 
zu  Osnabrück  für  die  Evangelischen  dieser  Länder  ver- 
wendet. Der  Kurfürst  war  eben  nicht  der  Mann 
danach,  der  seinen  Vorstellungen  den  nötigen  Nachdruck 
verleihen  konnte.  Er  sollte  die  Gegenreformation  in  den 
österreichischen  Landen,  die  das  Glaubensband,  das  diese 
Länder  mit  dem  lutherischen  Sachsen  verknüpfte,  grausam 
zerrifs,  nicht  rückgängig  machen.  Kaum  haben  seine  und 
der  Krone  Schweden  energischeren  Bemühungen  es  ver- 
mocht, in  Schlesien  wenigstens  den  Herzogtümern  Brieg, 
Liegnitz,  Münsterberg  und  Oels,  sowie  der  Stadt  Breslau 
freie  Religionsübung  zu  verschaffen78).  Günstiger  ge- 
stalteten sich  die  Verhältnisse  für  die  süddeutschen  Reichs- 
städte. Wurden  doch  durch  den  westfälischen  Frieden 
die  evangelischen  Gemeinden  zu  Dinkelsbühl,  Augsburg, 
Kauf  heuern,  Biberach,  Lindau  und  Ravensburg  in  ihre 
vollen  Rechte  wieder  eingesetzt71).  Nicht  zum  wenigsten 
verdanken  sie  dies  dem  sächsischen  Kurfürsten,  der  in 
ihren  Augen  die  ererbte  Stellung  eines  Beschützers  des 
Protestantismus  auch  ferner  noch  behielt.  So  bedankte 
sich  1654  das  evangelische  Ministerium  zu  Augsburg  bei 
ihm,  dafs  er  bei  den  Verhandlungen  zu  Osnabrück  die 
Sache  der  Augsburger  Konfessions -Verwandten  für  seine 
selbsteigene  Sache  erklärt  und  durch  seinen  Abgesandten 
Dr.  Johann  Leuber   energisch   habe   vertreten  lassen 7r'). 


Andenckens,  solche  Ao.  1552  völlig  wiederum!)  restituirt  vnd  ein- 
gesetzet  das  Interim  gantzlich  alda  abgeschafft  vnd  fürdan  darauff 
vnii  solcher  Zeit  das  Exercitium  Augustanae  Confessionis  in  angeregter 
Stadt  frey  vnd  öffentlich  geübt,  gebraucht  vnd  getrieben  worden". 
HStA.  Loc.  10151,  Ander  Buch  Augsp.  Sach. 

72)  HStA.  Loc.  10332,  4.  Beb.  Bl.  316. 

™)  Londorp  IV,  461.     VI,  49  ff.,  391,  410. 

74)  Ebenda    154.  486  ff. 

76)  HStA.  Loc.  10151  der  Evang.  Rath  zu  Augspurg  contra 
ihre  Cathol.  Collegeu  1654-1656. 


Vertriebene  Protestanten  in  Leipzig  unter  Johann  Georg  I.     291 

Doch  beruht  das  Hauptverdienst  Johann  Georgs  um  den 
evangelischen  Glauben  zweifellos  darin,  dafs  er  den 
Märtyrern  des  Augsburger  Glaubensbekenntnisses  eine 
sichere  Freistätte  in  seinem  Lande  eröffnete  und  ihnen 
hier  wenigstens  in  vollem  Mafse  seinen  Schutz  angedeihen 
liefs.  Auch  Leipzig  hat  sich  damals  den  Euhm  erworben, 
zu  den  Orten  zu  gehören,  die,  nach  einem  Ausspruche 
Dresdner  Oberkonsistoriums,  durch  göttlichen  Ratschlufs 
verordnet  waren,  um  den  bedrängten  Evangelischen,  die 
sonder  allen  Zweifel  aus  rein  inbrünstiger  Liebe  zu 
Gott  und  seinem  allein  seligmachenden  Wort  den  Verlust 
ihrer  zeitlichen  Leibesgüter  mit  ewiger  Seelenwohlfahrt 
ersetzen  wollten,  Schirm  und  Schutz  zu  bieten70). 


7(i)  HStA.   Loc.   10331,  Ander  Buch,  Bl.  13ff.:    Schreiben   des 
Oberkonsistoriums  vom  1.  September  1627  an  den  Kurfürsten. 


19* 


XI. 

Dr.  med.  Heinrich  Erndel, 

Stadtphysikus  zu  Dresden. 

Von 

Eugen  Sachs. 


Am  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  in  dem  auch  Deutsch- 
land viel  von  der  Pest  heimgesucht  wurde,  waren  alle 
Arzte  so  fest  im  Bann  der  Humoralpathologie,  d.i.  der 
Lehre  der  Erkrankung  durch  schlechte  Säfte,  dais  es  zu 
verwundern  ist,  wenn  der  Begriff  der  Ansteckungs- 
krankheiten dennoch  aufrecht  erhalten  wurde.  Ereilich 
sprachen  die  Thatsachen  so  deutlich  für  die  Ansteckung, 
dafs  selbst  jeder  Laie  den  Verkehr  mit  Kranken  und 
Krankenpflegern  ängstlich  mied.  Die  Ärzte  nun  erklärten 
sich  die  Ansteckung  dadurch,  dais  sie  Giftstoffe  in  der 
Luft  annahmen,  die  von  den  Kranken  ausgeströmt  seien. 
Diese  würden  vom  gesunden  Körper  eingeathmet  und 
wirkten  dann  zerstörend  auf  die  Säfte.  Aus  der  That- 
sache,  dais  Leute,  die  um  Pestkranke  gewesen,  nicht 
mehr  erkrankten,  sobald  sie  sechs  Wochen  abgesperrt  und 
gesund  geblieben  waren,  folgerte  man  allgemein,  dais  für 
Menschen  ein  Absperren  und  für  Waren  ein  Lüften  von 
sechs  Wochen  völlig  genüge,  um  alle  vorhandenen  Keime 
zum  Ausbruch  zu  bringen  oder  zu  vernichten.  Infolge- 
dessen ordneten  die  Eegierungen  damals  sechswöchent- 
liche  Quarantäne  an  der  Grenze  an.  Allüberall  begnügten 
sich  die  Ärzte  der  Verwaltung  dieses  Vorgehen  als  den 
sichersten  und  völlig  ausreichenden  Weg  gegen  die  Pest- 
Einschleppung  zu  empfehlen.  Nur  einen  Mann  fand  ich 
in  jener  Zeit,  der   viel  genauere  Vorschriften  über  die 


Dr.  med.  Heinrich  Erndel.  993 

Desinfektion  gab  und  dessen  Ansichten  über  die  Gefahr 
und  die  Möglichkeit  der  Ansteckung  ganz  von  denen 
seiner  Zeitgenossen  abwichen,  das  war  Dr.  Heinrich  Erndel, 
Physikus  der  Residenzstadt  Dresden.  Bei  Bearbeitung 
der  Akten  über  die  Pest  im  Jahre  1680,  die  ich  im 
Königl.  Sächsischen  Hauptstaatsarchiv  durchsehen  durfte, 
fiel  er  mir  als  kenntnisreicher  und  besonnener  Sachver- 
ständiger so  sehr  auf,  dafs  ich  mich  veranlaßt  sah,  so 
viel  als  möglich  über  den  Mann  und  sein  Wirken  zu 
sammeln.  Freilich  ist  trotz  fleißigen  Aktenstudiums  manche 
Lücke  in  seinem  Leben  noch  vorhanden,  die  dazwischen- 
liegende Zeit  von  über  200  Jahren  mufs  sie  entschuldigen ; 
aber  es  ist  doch  so  mancherlei  von  ihm  und  über  ihn  ge- 
funden worden,  dafs  sich  immerhin  ein  Lebensbild  gestalten 
läßt,  das  auch  allgemeines  Interesse  erwecken  dürfte.  — 
Heinrich  Erndel  wurde  als  zweiter  und  jüngster  Sohn 
des  Leibmedikus  Dr.  H.  Erndel  am  17.  Juni  1638  in 
Dresden  geboren.  Er  besuchte  mit  seinem  Bruder  Christian, 
der  Jurist  war,  Ostern  1654  die  Universität  Leipzig  und 
von  Michaelis  1657  ab  die  Akademie  Altorf.  Dort  wurde 
er  am  28.  Juni  1659  zum  Doktor  der  Medizin  promoviert. 
Er  praktizierte  als  Stadtarzt,  bis  er  am  16.  September 
1666  zum  Stadtphysikus  ernannt  wurde.  Die  Urkunde, 
durch  welche  dieses  geschah,  befindet  sich  im  städtischen 
Archiv  und  ist  gleichlautend  mit  den  Anstellungsdekreten 
seiner  Vorgänger  und  Nachfolger  im  ganzen  17.  Jahr- 
hundert. Da  dieselbe  recht  instruktiv  für  die  ganze 
Stellung  des  Physikus  ist,  habe  ich  sie  im  Anhang  voll- 
ständig mitgeteilt.  Aus  ihr  ergiebt  sich  auch,  dafs  dem 
Rate  der  Stadt  als  Hauptsache  bei  der  Anstellung  die 
Fähigkeit  Kranke  zu  behandeln  galt,  alle  amtliche  Thätig- 
keit  war  mehr  oder  weniger  Nebensache.  Doch  Dr.  Erndel 
machte  aus  seinem  Amte  etwas.  Neben  seiner  Thätigkeit 
als  Arzt  am  Lazarett  oder  Stadtkrankenhaus,  an  den 
Armenhospitälern,  dem  Waisen-  und  Findelhaus,  der 
Kreuzschule  und  den  Gefängnissen  revidierte  er  jährlich 
zweimal  die  Apotheken,  prüfte  die  sich  zur  Praxis..mel- 
denden,  auf  auswärtigen  Akademien  promovierten  Ärzte 
ebenso  wie  die  Hebammen  und  wachte  darüber,  daß  die 
Wundärzte  und  Kurpfuscher  keine  inneren  Krankheiten 
behandelten.  Er  führte  Aufsicht  darüber,  dafs  in  der 
ärztlichen  Zunft  keine  Vergehen  vorkamen ,  und  gab 
Gutachten  ab,  wenn  vom  Rate  irgend  etwas  getadelt 
wurde.     Aber   die   Büttelstellung  paßte  dem   zweifellos 


204  Eugen  Sachs: 

hochbegabten  und  fleiisigen  Manne  nicht.  Schon  1672, 
als  an  eine  Pest  noch  nicht  gedacht  wurde,  beklagte  er 
die  schlechten  Brunnenverhältnisse  der  Stadt  und  wies 
in  seiner  Eingabe  auf  die  Gefahr  hin,  die  die  Einwohner 
liefen,  wenn  eine  Belagerung  oder  gar  eine  Seuche  die 
Stadt  treffen  sollte.  Der  Rat  ordnete  eine  Brunnen- 
zählung  an  und  Dr.  Erndel  untersuchte  das  Wasser.  Das 
Ergebnis  war  so  ungünstig,  dafs  über  70  Brunnen  ge- 
schlossen werden  muisten  und  auf  der  Festung  neue 
Brunnen  zu  graben  waren,  sonst  wäre  die  Besatzung 
eines  Tages  ohne  Wasser  gewesen.  Eine  derartige  Thätig- 
keit  eines  Bezirksarztes  wird  vor  1672  nirgends  in  den 
Akten  verzeichnet  oder  erwähnt. 

Einzig  aber  war  seine  Thätigkeit  in  den  Jahren 
1679  und  1680.  als  in  Ungarn  während  des  Feldzuges 
die  Bubonenpest  wütete.  Der  ausgezeichnete  Nachrichten- 
dienst, den  die  sächsische  Regierung  damals  unterhielt, 
setzte  sie  in  den  Stand,  sehr  genaue  Nachrichten  über 
Entstehen,  Verbreiten  und  Aufhören  der  Erkrankungen 
zu  erhalten.  Aber  die  Kundschafter  waren  keine  Sach- 
verständigen, die  alles  das,  was  Dr.  Erndel  wissen  wollte, 
klar  hätten  darlegen  können.  Auf  sein  in  diesem  Sinne 
gestelltes  Ansuchen  wurden  von  der  Stadt  die  Mittel 
bereit  gestellt,  um  nach  dem  benachbarten,  bereits  infi- 
zierten Prag  einen  Licentiaten  der  Medizin,  Namens 
Laurentius  Theil,  als  sachverständigen  Kundschafter  zu 
senden.  Die  von  Dr.  Erndel  ihm  gegebenen  Instruktionen, 
die  äulserst  knapp  und  verständig  sind,  lauten:  1.  Ob 
einige  an  der  Pest  zu  Prag  gestorben  und  wie  viele? 
2.  Ob  dergleichen  Personen  noch  vorhanden,  die  an  der 
Pest  krank  wären?  3.  In  den  Lazaretten  und  Hospi- 
tälern deswegen  Nachricht  einzuziehen ;  desgleichen  in  den 
Apotheken  nachzusehen,  ob  Antiloimica  (Mittel  gegen  die 
Pest)  verschrieben  oder  gebraucht  würden?  4.  Sich  mit 
den  medicis  practicis  bekannt  zu  machen  und  wegen  der 
grassierenden  Krankheiten  nachzufragen.  5.  Was  eigent- 
lich das  genus  morbi  und  dessen  Ausgang  sei?  6.  Was 
vor  remedia  darwider  gebraucht  würden?  7.  Ob  einige 
Pestordnung  in  Prag  gemacht?  — 

So  kurz  und  klar,  wie  die  Fragen,  sind  die  Ant- 
worten nicht  ausgefallen.  Das  Wichtigste  davon  ist,  dais 
auch  in  Prag  Antiloimica  den  Ärzten  nicht  bekannt  sind. 
Die  Bubonen  werden  operiert,  und  ehe  es  so  weit  ist, 
nmls  der  Patient  viel  schwitzen  und  laxieren.     Was  die 


Dr.  med.  Heinrich  Erndel.  295 

Pestordnung  betrifft,  so  ist  die  unterdessen  von  Dr.  Ernde] 
verfafste  wesentlich  klarer  und  verständnisvoller  als  die 
von  Prag  gesandte,  die  der  schon  ein  Jahr  älteren  Wiener 
Pestordnung  fast  wörtlich  nachgebildet  ist. 

Unterdessen  war  nämlich  das  Gesuch  des  Dr.  Erndel, 
der  den  langen  Instanzenweg  bei  etwa  eingeschleppter 
Pest  durch  die  gewöhnlichen  Verwaltungsorgane  für  ge- 
fährlich hielt  und  für  die  Augenblicksgefahr  eine  besondere, 
mit  grosser  Macht  ausgestattete  Kommission  sachver- 
ständiger Beamter  und  Ärzte  als  geeignet  vorschlug,  von 
der  kurfürstlichen  Regierung  erwogen  und  angenommen 
worden.  Es  wurde  eine  Sanitätskommission  ernannt, 
deren  Zusammensetzung  nicht  ganz  nach  dem  Sinn  des 
Anregers  war.  Aufser  dem  Vorsitzenden,  der  ein  Mit- 
glied des  Ministeriums  sein  mufste,  waren  noch  vier  Hof- 
räte und  Überamtsleute,  drei  Militärs  zur  Kommission 
zugezogen  neben  einem  Abgesandten  des  Rates  der  Stadt 
Dresden  und  drei  Ärzten.  Der  Vorsitzende,  der  Vize- 
kanzler von  Üppel,  bekam  für  seine  neue  Thätigkeit  monatlich 
20  Thaler  extra.  Die  Mitglieder  erhielten  13  Thaler  monat- 
lich besondere  Vergütung.  Die  militärischen  Beisitzer  waren 
der  Festungskommandant  von  Schönberg,  der  Kommandant 
von  Alt- Dresden  von  Volkersam  und  ein  Artillerieoberst 
von  Kiengel,  die  ärztlichen  Beisitzer  waren  die  beiden 
Leibmedici  Dr.  Birnbaum  und  Dr.  Borzo  und  der  Vater 
der  ganzen  Kommission,  unser  Dr.  Erndel  selbst.  Er  er- 
hielt auch  sofort  den  Auftrag  das  erste  Arbeitsprogramm 
der  Sanitätskommission  zu  entwerfen.  Er  stellte  folgende 
23  einzelne  Punkte  auf:  1.  Wie  die  churfürstlichen  Lande 
und  Residenz  vor  dem  Contagio  zu  bewahren?  2.  Ob 
alle  und  jede  Lande  und  Städte,  so  mit  der  Pest  inficiert 
und  gleich  wohl  noch  reine  Luft  haben,  zu  bannisieren? 
3.  Ob  ein  Unterschied  unter  reisenden  Personen  zu  halten, 
und  wie  weit  deren  Pässen  zu  trauen  ?  4.  Ob  aller  Handel 
und  Wandel  mit  den  Benachbarten  zu  sperren?  5.  Ob 
ein  Unterschied  unter  den  Waaren  zu  halten:  dafs  die 
notwendigen  admittieret,  die  unnöthigen  aber  abgewiesen 
werden?  6.  Rohe  Leder,  Unschlitt,  Federn,  Betten,  Haare 
und  Perücken,  auch  Hanf  und  dergleichen  neben  allerhand 
Kleidung  zu  verbieten.  7.  Deswegen  an  den  Grenzen 
gewisse  Inspectores  zu  bestellen,  die  ankommenden  Waaren 
zu  visitieren.  8.  Auf  was  Wege  die  Ohurfürstliche  Re- 
sidenz mit  genugsam  Proviant  und  anderen  Notwendig- 
keiten zu  versorgen?    9.  Die  Lazarethe  mit  genügsamen 


29ß  Engen  Sachs: 

Seelensorgern,  Medicis,  Chirurgis,  Krankenwärtern  und 
Lebensmitteln  zu  versehen.  10.  Ob  bei  entstehender  Pest 
nicht  rathsam  sei,  dais  in  den  Vorstädten  ein  corpus 
pharm aceuticum  aufgerichtet,  aus  welchem  sich  nicht  allein 
das  Lazareth,  sondern  auch  andere  Kranke  des  Nachts 
mit  Bedürfendem  versorgen  könnten?  Und  wie  solches 
Werk  einzurichten,  dais  es  den  Stadt apotheken  und  deren 
Privilegiis  nicht  nachtheilig  sein  könnte?  11.  Ob  nicht 
auf  dergleichen  Fall  ein  medicus  und  chirurgus  dahin  zu 
ordnen?  12.  Ob  nicht  ein  sonderlicher  Pestilenzpfarrer 
zu  bestellen?  13.  Ob  bei  Pestilenzzeiten  Trödelmarkt, 
gemeine  Badestube,  Trinkhäuser,  Branntweinladen  und 
dergleichen  unnütze  Zusammenkünfte  geduldet?  14.  Ein 
allgemein  Pestregiment  aufzusetzen,  danach  sich  Kranke 
und  Gesunde  zu  achten.  15.  Ob  ein  Hauswirth  seine 
inficierten  Miethleute  und  Gesinde  mit  gutem  Gewissen 
aus  dem  Hause  schaffen  könnte?  16.  Wie  dergleichen 
Leute  zu  versorgen  und  wohin  sie  zu  verweisen?  17.  Wie 
allerhand  öffentlicher  Kaub  und  Bestellung  der  inficierten 
Häuser  zu  verhüten?  18.  Einen  Modum  zu  finden,  wie 
unmündige  Kinder  und  Waisen  bei  ihrer  an  der  Pest 
verstorbenen  Eltern  Verlassenschaft  bleiben  könnten. 
19.  Ob  es  rathsam  sei,  Häuser  und  Gassen,  darinnen  die 
Contagion  eingerissen,  gänzlich  zu  verschliefsen  ?  20.  Wie 
die  Einwohner  derselben  mit  Victualien  zu  versorgen 
seien?  21.  Ob  in  diesem  Falle  zwischen  den  peste  infectis 
und  den  febri  petechiali  laborantibus  ein  Unterschied  zu 
machen  sei?  22.  Ob  die  umwohnenden  Personen  aus  und 
an  andere  Orte  zu  weisen?  23.  Wie  es  mit  verstorbenen 
Personen,  Betten,  Kleidung  und  Geräthen  zu  halten? 

In  diesen  23  Fragen  und  Bemerkungen  ist  ziemlich 
alles  enthalten,  was  zum  Arbeitsgebiet  einer  solchen 
Sanitätskommission  gehört.  Die  Kommission  wurde  noch 
vor  der  ersten  ordentlichen  Sitzung  durch  zwei  Theologen 
verstärkt  und  dadurch  das  ersprießliche  Arbeiten  Dr. 
Erndels  gelähmt.  Schon  in  der  ersten  Sitzung  entstand 
zwischen  ihm  und  den  Theologen  ein  Streit  über  die  Be- 
handlung der  Pestleichen.  Er  verlangte  Vergraben  der- 
selben außerhalb  der  Stadt  sechs  Fufs  tief  eingebettet 
in  einer  Schicht  ungelöschten  Kalks;  die  Herren  Theo- 
logen aber  beriefen  sich  auf  irgend  ein  gelehrtes  Wort, 
wonach  Leichen,  seien  sie  gestorben  an  was  es  wolle, 
niemandem  schädlich  seien.  Durch  die  Hofräte  wurde 
Erndel  überstimmt,  nur  die  Militärs  standen  auf  seiner 


Dr.  med.  Heinrich  Erndel.  297 

Seite.  Dieses  Erlebnis  entmutigte  ihn  nicht.  Noch  an 
demselben  Tage  gab  er  ein  umfängliches  Gutachten  über 
die  Vorkehrungen  gegen  die  Pest  an  den  Rat  der  Stadt 
ab.  Darin  verlangte  er  die  Anstellung  eines  besonderen 
Pestarztes,  weil  er  mit  der  Fürsorge  für  die  Gesamtheit 
der  Bürger  beschäftigt  nicht  jedem  Kranken  sofort  zu 
Dienste  sein  könne. 

Es  wurde  auch  sofort  ein  Pestarzt  mit  50  Thaler 
monatlichem  Gehalt  und  freier  Wohnung  angestellt 
und  zwar  Dr.  Troppaninger,  der  schon  in  der  Stadt 
praktizierte. 

Erndels  hochinteressantes  Gutachten  selbst  bestand 
aus  12  Punkten  und  lautete: 

1.  Weil  vermittelst  der  Luft  alles  und  jedes  Contagium  fort- 
gebracht wird,  so  ist  nöthig  selbige  rein  zu  halten  und  von  allen 
faulen  Dämpfen  zu  befreien,  weswegen  nicht  allein  allerhand  Äser, 
Misthaufen  und  dergleichen  Unreinigkeiten  von  den  Gassen  zu  schaffen, 
sondern  auch  die  Schleusen  und  Wassergänge  zu  räumen,  um  den 
davon  entstehenden  Gestank  zu  verhindern.  Dabei  vornehmlich  allen 
Hauswirthen  zukäme,  ihre  in  Häusern  habende  Mistgruben  zum 
öfteren  ausführen  zu  lassen.  Und  ist  absonderlich  zu  erinnern,  dafs 
bei  dieser  Eesidenz  eine  höchst  schädliche  Sache  eingerissen,  indem 
nehmlich  bei  hellem  Tage  und  warmem  Wetter  die  Latrinen  geräumt 
werden,  welches  zu  öfteren  wohl  bis  an  den  dritten  Tag  liegen  bleibt 
und  nicht  geringe  Ursache  zu  allerhand  Infection  geben  kann. 

2.  So  ferner,  Avelches  Gott  in  Gnaden  verhüte,  die  Pest  auch 
diese  und  benachbarte  Städte  betreffen  sollte,  so  wären  vor  allen 
Dingen  die  überflüfsigen  Pferde,  Rindviehe  und  Schweine  (davon 
viel  Mist  und  Gestank  verursacht  wird)  bei  Zeiten  aus  der  Stadt 
zu  schaffen. 

3.  Nachdem  vom  Kornbranntweinbrennen,  ingleichen  vom  Stärke- 
machen viel  Gestank  entsteht,  als  wäre  solches  entweder  gar  abzu- 
schaffen oder  behutsam  damit  zu  verfahren,  welches  auch  bei  Seifen- 
siedern, Lichtziehern  und  Ledergerbern  zu  beobachten  ist. 

4.  Weil  die  Pest  nicht  allein  in  der  Luft  und  deren  Vergiftung 
beruht,  sondern  auch  meistenteils  per  contagium  verursacht  wird,  so 
wäre  wohl  dahin  zu  sehen,  dafs  allerhand  herrenlos  Gesinde  und 
Bettler,  welche  ohne  Consideration  hin-  und  herlaufen  und  ansteckende 
Krankheiten  forttragen  können,  aus  der  Stadt,  jedoch  mit  Bescheiden- 
heit und  Beobachtung  der  christlichen  Liebe,  zu  weisen  und  allda 
zu  versorgen. 

5.  Es  ist  auch  durch  Gottes  Gnade  diese  Residenz  sammt  derer 
Vorstädte  sehr  volkreich,  dafs  solcher  Gestalt  einig  Contagium  um  so 
viel  desto  mehr  wüthen  könnte,  wäre  derohalben  zu  bedenken,  ob 
S.  Churf.  Durch,  hohe  Ministri  dahin  zu  disponieren  wären,  dafs  die- 
jenigen Diener,  welche  keine  notwendige  Verrichtungen  haben,  aus  den 
Häusern  geschafft  würden. 

6.  Tngleichen  wäre  allen  denjenigen,  welche  Landgüter  und 
Weinbergshäuser  hahen,  zu  rathen,  bei  Zeiten  ihre  Familien  dahin  zu 
senden,  damit  die  Stadt  von  überflüssigen  Leuten  befreit  und  also 
das  Contagium  verhütet  werde. 


208  Eugen  Sachs: 

,  Weil  zur  Zeit  der  Int'eetioii  die  Zuführe  der  Victualien  und 
Brennholzes  von  allem  und  jedem  Orte  ohne  unterschied  anzunehmen 
bedenklich  ist,  auch  zu  befürchten,  dais  solche  Zuführe  des  Proviants, 
wie  alle  andere  Handlung,  in  Stocken  gerathen  möchten,  als  wäre  zu 
bedenken,  auf  was  "Weise  beiden  zu  helfen. 

8  Nachdem  die  Inwohner  dieser  Churf.  Residenz  füglich  in 
3  Classes  als  Hofleute,  Soldaten  und  Bürgerschaft  abgeteilt  werden 
kann,  diese  •'!  (Masses  aber  von  einem  einzigen  Medico  jetziger  Zeit 
nicht  versorg!  werden  könnten:  als  wäre  die  Frage,  ob  die  ersten 
zwei  Classes  an  ihre  allhereits  bestellten  .Medieos  zu  weisen,  oder 
aber  dem  Stadt- Physico  etliche  Assistenten  zugeordnet  würden,  damit 
in  diesem  Fall  kein  Mangel  zur  Zeit  der  Noth  vorfallen  möchte. 

9.  Desgleichen  auch  bei  dem  Pestilenzbarbier  zu  beobachten. 
zumahl  da  der  jetzige  Alters  halber  und  anderer  Beschwerung  wegen 
keine  grofsen  Dienste  thün  könnte. 

10.  Wären  die  Herren  Apotheker  an  ihre  Pflicht  zu  erinnern 
und  zu  vermahnen  die  Officinen  mit  tüchtigen  und  genügsamen  Ge- 
sellen zu  vereiden,  welche  letzteren  billich  vereidet  werden  sollten, 
damit  im  Nothfall  nicht  allerhand  Unordnung  erfolge  und  quid  pro 
quo  gegeben  würde. 

11.  Sollte  das  Lazareth  und  andere  Hospitäler  solcher  gestalt 
versorgt  werden,  dafs  die  armen  Kranken  keinen  Abgang  an  not- 
wendiger Wartung  und  Unterhalt  leiden  müfsten,  absonderlieh  wäre 
ein  unter  Vorrath  Brennholz  dahin  zu  schaffen,  nicht  allein  die  Zimmer 
damit  zu  beizen,  sondern  auch  stets  gute  Feuer  auf  den  öffentlichen 
Plätzen  zu  halten:  teils  die  Luft  rein  zu  halten,  teils  allerhand 
Geräthe,  Kleidungsstücke  und  Bettstroh  der  Verstorbenen  zu  ver- 
brennen. 

L2.  Wäre  auf  genügsame  Leute  zu  denken,  welche  nicht  allein 
im  Lazarett  sondern  auch  in  Privathäusern  den  Inficierten  und 
Kranken  beispringen  und  Wartung  leisten  könnten.  Damit  auch 
diese  desto  fleißiger  ihrem  Amte  nachkämen,  könnte  man  gewissen- 
hafte und  beherzte  Bürger  verordnen,  auf  solche  Krankenwärter 
Achtung  zu  gehen  und  sie  zur  Gebühr  anzuhalten. 

Dies  ist  für  jetzt  zu  erinnern  gewesen,  der  Allerhöchste  gebe 
Gnade,  dafs  es  genauerer  und  mehrer  Verfassung  nicht  bedürfe. 

Dresden,  am  10.  September  1679.        Heinrich  Erndel 

Dr.  und  Pbysicus  Ordinarius 
allhier. 

Diese  herrlichen  Vorschläge  hat  der  Mann  allein 
ausgearbeitet  zu  einer  Zeit,  als  über  die  Pest  nur  ver- 
worrene Nachrichten,  namentlich  in  ärztlicher  Beziehung, 
zu  erlangen  waren.  Auf  die  Anfrage  des  Rats  zu  Dresden 
gab  er  alle  möglichen  brauchbaren  Mittel  nebst  Gebrauchs- 
anweisungen an,  die  in  dem  von  ihm  vorgeschlagenen 
corpus  pharmaceuticum  untergebracht  werden  sollten.  Auf 
die  Einzelheiten  einzugehen,  würde  zu  weit  führen,  in 
den  Hauptsachen  waren  es  vier  verschiedene  Gruppen 
und  zwar:  I.  abführende,  II.  schweifstreibende  Mittel, 
III.   Zugpflaster  und  IV.   Räucherpulver   und  Raucher- 


]  >r.  med.  Heinrich  Brndel.  299 

essig.  Die  Droguen  selbst  kommen  meist  heute  noch,  wenn 
auch  in  etwas  geänderter  Form,  zur  Anwendung.  Auf 
Katzenaugen,  Schlangenköpfe,  Biberfett  und  ähnliche 
Dinge,  die  in  der  damaligen  Zeit  so  vielerlei  heilen  soll- 
ten, nimmt  er  keinerlei  Beziehung,  welcher  Umstand  sehr 
zu  gunsten  seines  therapeutischen  Scharfsinnes  spricht. 
Nach  diesen  umfassenden  Arbeiten  entwirft  er  ohne  Ver- 
zug eine  Pestordnung,  die  in  dem  Sanitätskollegium  be- 
raten und  ohne  sonderliche  Änderung  angenommen  wird. 
Die  kurfürstliche  Regierung  läfst  dieselbe  sofort  drucken 
und  veröffentlicht  sie  dadurch,  dafs  sie  sie  an  allen 
geeigneten  Stellen  des  Landes  von  amts wegen  anschlagen 
läfst  und  an  sämtliche  Nachbarregierungen  versendet. 
Die  Pestordnung,  die  die  bereits  früher  ausgesprochenen 
Ansichten  Dr.  Erndels  in  sehr  knapper  Form  wiedergiebt, 
bestand  aus  14  Punkten,  die  den  Verkehr  der  Personen 
aas  Kontagionsgegenden  betreffen,  aus  15  Punkten,  die 
die  bei  Pest  im  Lande  zu  treffenden  Maisnahmen  enthalten, 
aus  weiteren  22  Punkten,  die  die  an  infizierten  Orten  zu 
beobachtenden  Vorschriften  behandeln,  und  schliefslich 
aus  12  Punkten,  die  die  Desinfektion  nach  Ablauf  der 
Pest  genau  bis  ins  Einzelne  vorschreiben.  Nachdem  er 
sowohl  bei  der  Regierung,  als  auch  bei  der  Bevölkerung  für 
völlige  Aufklärung  gesorgt  hat,  übt  er  seine  ihm  unter- 
stellten Leute  ein  und  wartet  ab  in  der  Hoffnung,  die 
Stadt  werde  von  der  Pest  verschont  bleiben. 

Da  starb  plötzlich  im  Januar  1680  ein  Schneider  mit 
roten  Flecken  am  ganzen  Körper.  Dr.  Erndel  sezierte 
ihn  selbst,  fand  aber  keine  Pest,  sondern  nur  Zeichen, 
die  für  Scharlach  sprachen.  Der  Rat  fragte  nun  an,  was 
er  mit  den  Stoffen  gemacht  habe,  die  der  Schneider  zu- 
letzt in  Arbeit  gehabt  habe.  Er  antwortete,  die  seien 
selbstverständlich  ebenso  wie  das  gesamte  Bettzeug  so- 
fort verbrannt  worden,  da  ein  Abwaschen  mit  Lauge 
nicht  angebracht  wäre,  vielmehr  nur  bei  Geräten  aus- 
geführt werden  könnte.  So  weitausschauend  war  der 
damalige  Sachverständige  der  Dresdner  Gesundheitspolizei. 
Am  19.  März  starb  plötzlich  ein  Landkutscher,  namens 
Leschkin.  Die  Umwohnenden  fragten  sofort  bei  der  Re- 
gierung an,  ob  Pest  die  Todesursache  war.  Das  Sanitäts- 
kollegium riet  der  Regierung,  ganz  entgegen  der  Meinung 
des  Dr.  Erndel,  der  durchaus  für  Veröffentlichung  der 
vollen  Wahrheit  eintrat,  alles  zu  leugnen.  Es  erschien 
deshalb  folgender  Erlais: 


300  Eugen  Sachs: 

„Liebe  Getreuen.  Demnach  wir  anter  andern  aus  eurem  wegen 
des  vorm  Pimischen  Thore  allhier  verstorbenen  Landkutschers  Michael 
Leschkens  vom  19.  dieses  eingesandten  gehorsamsten  Bericht  wahr- 
genommen, was  mafsen  der  gedachte  Patient  von  einem  unerfahrenen 
Practico  und  ungeschickten  Chirurgo  curiret  worden,  welche  Unserer 
Leib-  und  I  [off-  Medicorum  darüber  erforderten  Gutachten  nach  des 
Kranken  Zustandt  zuvor  nicht  genugsam  exploriret  und  in  der  Cur 
allenthalben  gröblich  verstofsen  haben,  alfs  begehren  wir  hiermit.  Ihr 
wollet  diesem  und  dergleichen  hierzu  untüchtigen  Leuten  alles  Curirens 
(mafsen  sicli  in  wohlhestelten  Policeyen  ohne  dis  gebührt)  gänzlich 
müfsig  zu  gehen  bey  nahmhaffter  straffe  aufferlegen,  hingegen  aber 
mit  Zuziehung  des  Physici  ordinarii  einen  oder  mehr  geschickte 
Medicos  und  Chirurgos  pestilentiales  bestellen  und  eure  untergebene 
Bürger  an  dieselbe  verweisen." 

Dieser  Erlafs  kam  den  22.  März  an  den  Rat  zu 
Dresden.  Dr.  Erndel  hatte  aber  schon  das  Haus  schliefen 
und  die  Angehörigen  des  Leschkin  ins  Lazarett  schaffen 
lassen.  Schritte  gegen  den  Kollegen  und  den  Chirurgen, 
die  ganz  sachgemäß  verfahren,  liefs  er  gar  nicht  einleiten. 
Aber  unter  den  Bericht  des  angestellten  Pestbarbiers, 
den  dieser  an  die  Regierung  über  den  kurz  darauf  er- 
folgten Tod  der  Frau  des  Leschkin  einsandte,  schrieb  er 
folgendes: 

„Obzwar  bei  der  verstorbenen  Leschkin  keine  Flecke  oder  Beulen 
von  dem  Lazarethbarbier  befunden  worden,  so  ist  doch  kein  Zweifel, 
es  sei  bei  ihr  gleich  ihrem  Manne  einige  malignitas  pestilentialis 
gewesen,  welches  theils  aus  dem  jehlig  erfolgten  Tode,  theils  aus  des 
Kindes  Krankheit,  dem  in  der  Schofs  eine  hitzige  Beule  ungefähren 
sein  soll,  zu  schliefsen  ist." 

Hierauf  erfolgte  von  der  Regierung  keine  Bekannt- 
machung, sondern  vielmehr  das  Ersuchen,  nichts  hiervon 
in  die  Öffentlichkeit  zu  bringen.  Der  Besuch  des  Pest- 
lazaretts wird  allen  nicht  Beteiligten,  auch  dem  Physikus, 
untersagt.  Er  verlangte  deshalb  täglichen  schriftlichen 
Bericht  über  den  Gesundheitszustand  der  etwa  20  Per- 
sonen, die  dort  untergebracht  waren.  Acht  Tage  lang 
wurde  täglich  berichtet,  dafs  alles  im  Lazarett  wohlauf 
sei.  Diesem  immerwährenden  guten  Bericht  traute  er 
aber  nicht,  sondern  nach  acht  Tagen  entschloß  er  sich 
trotz  des  Verbots  zur  Revision  und  fand,  dats  über  die 
Hälfte  der  Untergebrachten  bereits  an  der  Pest  gestorben 
waren.  Trotzdem  der  Pestbarbier  stets  an  den  Sekretär 
des  Lazaretts  die  richtige  Meldung  abgegeben,  hatte  dieser 
aus  Faulheit  dieselbe  einfach  nicht  weiter  befördert. 
Dr.  Erndel  eilte  zum  Kurfürsten.  Dieser  schickte  den 
Fälscher  sofort,  ins  Gefängnis  und  verordnete  seine  Ab- 
urtheilung    beim    Schöppenstuhl    zu   Leipzig,    aber    dem 


Dr.  med.  Heinrich  Erndel.  301 

Dr.  Erndel  verbot  er  jede  Mitteilung  darüber  an  Rat 
und  Bürgerschaft.  Er  muiste  gegen  seinen  Willen  ge- 
horchen, da  ihm  sonst  Gefängnis  drohte.  Am  20.  April 
ging  der  Maurer  Reichel  krank  von  der  Arbeit  und  starb 
noch  selbigen  Tages.  Als  dies  Dr.  Erndel  gemeldet  wurde, 
wollte  er  sofort  die  Leiche  sehen,  doch  diese  war  bereits 
mit  allen  kirchlichen  Ceremonien  begraben  worden.  Den 
nächsten  Tag  starben  zwei  Kinder  des  Reichel,  bei  denen 
der  Pestbarbier  Bubonen  konstatierte.  Sofort  wurde  die 
bereits  erkrankte  Frau  nebst  dem  letzten  Kinde  ins 
Hospital  geschafft.  Das  Kind  starb  bereits  auf  dem  Wege 
dorthin.  Auch  alle  Anverwandten,  die  um  die  Kranken 
und  Toten  gewesen  waren,  mufsten  auf  Befehl  des  Physikus 
ins  Lazarett  und  sämtliche  Häuser  wurden  geschlossen 
und  der  Verstorbenen  Betten  verbrannt.  Nun  endlich 
drang  Dr.  Erndels  Meinung  auch  bei  der  Regierung  durch, 
clafs  es  besser  sei,  nichts  zu  verheimlichen,  denn  das  Ge- 
rücht mache  jede  Kleinigkeit  gleich  riesengrofs.  Der 
Rat  zu  Dresden  erliels  auf  Erndels  Drängen  ein  Markt- 
verbot folgenden  Inhalts: 

„Inmafsen  dann  unter  andern  auch  wir  heutiges  Tages  den  sämmt- 
lichen  Trödelweibern,  so  auf  dem  hiesigen  Neumarkte  zu  gewissen 
Tagen  bishero  wöchentlich  öffentlichen  Markt  zu  halten  gewohnt 
gewesen,  ernstlich  und  bei  Strafe  unfehlbarlicher  Abnahme  gebiethen 
lafsen,  dergleichen  Feilhabens  an  Kleidern,  Geräthe,  Bettzeuges  und 
anderer  solcher  Mobilien  sich  hinfüro  gänzlich  zu  enthalten;  selbigen 
auch  vor  jetzo  bis  auf  fernere  Verordnung  ein  mehreres  nichts  als 
Bücher  und  Eisenwerk  verstattet  und  nachgelassen." 

Auch  liefs  Erndel  vom  Rate  den  Bürgern  durch 
Anschlag  empfehlen,  am  nächsten  Bufstag  zu  Hause  Bulse 
zu  thun  und  nicht  in  die  Kirche  zu  laufen,  um  so  die 
Gefahr,  die  mit  einer  grofsen  Menschenansammlung  ver- 
knüpft ist,  zu  beseitigen.  Darüber  entbrannte  der  Zorn 
der  Geistlichen.  Von  der  Kanzel  herab  schimpften  diese 
auf  die  Ärzte,  die  den  Menschen  aus  unnötiger  Angst 
vor  der  Pest  alle  Freuden  verleiden,  und  behaupteten, 
es  gäbe  überhaupt  keine  Pest,  die  Ärzte  gäben  harmlose 
Fieber  nur  dafür  aus,  um  ihr  Ansehen  zu  heben  und 
Geld  zu  verdienen. 

Erndel  liefs  sich  aber  dadurch  in  seiner  für  das 
Allgemeinwohl  so  nützlichen  Arbeit  nicht  beirren.  Da 
das  Lazarett  als  Krankenhaus  und  Beobachtungshaus 
zugleich  viel  zu  klein  war,  auch  eine  Trennung  der 
Kranken  von  den  nur  Verdächtigen  notwendig  erschien, 


302  Eugen  Sachs: 

veranlagte  Erndel  den  Rat,  das  Döringsche  Schänkhaus 
vor  Lobt  au  zu  kaufen  und  als  Beobachtungsstation  oder 
Probierhaus  zu  benutzen.  Er  richtete  tägliche  Pestilenz- 
konferenzen mit  den  Ärzten  und  Ratsbeamten  auf  dem 
Rathause  ein.  Er  arbeitete  fast  übermenschlich.  Auf 
sein  Betreiben  bat  der  Rat  zu  Dresden,  der  Kurfürst 
möge  verordnen,  date  Leute  überall  angestellt  würden, 
die  alles  das,  was  die  Pestkranken  unter  sich  und  neben 
sich  gehabt  haben,  sogleich  verbrennen  muteten;  die  Bitte 
wurde  sofort  erfüllt.  Im  Laufe  der  Epidemie  kam 
Dr.  Erndel  dann  in  betreff  der  Betten  vom  Verbrennen 
ab,  weil  die  Federn  nur  angekohlt  in  die  Luft  flögen 
und  deshalb  sehr  schaden  könnten;  er  liete  sie  im 
heifsen  Wasser  sieden  und  waschen,  dann  verwandte 
er  sie  im  Lazarett  bei  Pestkranken,  um  dieselben 
leichter  in  Sehweite  zu  bringen.  Nach  dem  Erlöschen 
der  Epidemie  sollten  sie  schließlich  tief  in  die  Erde 
vergraben  werden. 

Von  den  noch  nicht  40000  Einwohnern  der  Residenz 
starben  bis  zum  9.  November  1680  vom  März  ab  etwa 
8000  Personen,  das  ist  der  fünfte  Teil.  Es  ist  das  Jahr 
1680  das  grötete  relative  Sterbejahr  für  Dresden  über- 
haupt. 

Nachdem  vier  Wochen  kein  Todesfall  an  Pest  und 
keine  neue  Erkrankung  mehr  vorgekommen,  erhielt  Erndel 
endlich  im  Dezember  Urlaub.  Da  sein  Assistent,  der 
früher  schon  erwähnte  Licentiat  Laurentius  Theil,  an  der 
Pest  selbst  gestorben  war,  übergab  er  die  Aufsicht  über 
die  Desinfektion  der  immer  auf  sechs  Wochen  geschlos- 
senen von  der  Infektion  heimgesuchten  Häuser  dem  Pest- 
arzt Dr.  Troppaninger  und  reiste  zu  seiner  Schwester 
nach  Dippoldiswalde.  Am  Sonntag  vor  der  Kirche  wurde 
er  von  den  am  Kirchplatz  plaudernden  Honoratioren  des 
Städtchens  über  die  Pest  gefragt.  Wenn  auch  jetzt  die 
Residenz  pestfrei  sei,  antwortete  er,  so  können  doch 
im  Sommer,  wo  die  Natur  mehr  Kraft  besäfte,  die  in 
Kleidern  und  Betten  sitzenden  Gifte  von  neuem  zur 
Gefahr  werden.  Ein  Freiberger  Bürger  hatte  diese 
Worte  mit  angehört  und  sie  sofort  nach  seiner  Heimats- 
stadt berichtet.  Die  nächste  Folge  war  die,  dals  die 
Stadt  Freiberg  wieder  sämtlichen  Handel  und  Wandel 
mit  der  Residenz  sperrte.  Als  nun  Dr.  Erndel  zurück- 
kehren wollte,  mutete  er  auf  Rat  seiner  Freunde  in  der 
Lötenitz  halt   machen,   denn   der  Dresdner  Pöbel  harrte 


Dr.  med.  Heinrich  Einfiel.  303 

seiner  am  Thor,  um  ihm  einen  Empfang-  mit  Steinen  und 
ähnlichen  Begrüfsungsobjekten  zu  bereiten.  Er  bat  den 
Kurfürsten  um  Hilfe,  indem  er  versicherte,  stets  nur  die 
volle  Wahrheit  gesagt  zu  haben.  Der  Kurfürst  sandte 
ihm  ein  Fähnlein  Reiter,  unter  deren  Schutz  er  seine 
Wohnung  glücklich  erreichte.  Die  darauffolgende  Unter- 
suchung ergab,  wie  es  auch  heute  noch  oft  bei  Volks- 
aufläufen zu  geschehen  pflegt,  dals  niemand  gehetzt  haben 
wollte  und  die  Viertelsmeister  und  anderen  Skandal- 
macher überhaupt  nichts  gethan  hatten. 

Diese  häfslichen  Beschimpfungen,  die  er  nach  nun- 
mehr behobener  Gefahr  des  öfteren  infolge  des  Unver- 
standes der  Bevölkerung  dulden  mußte,  mögen  ihn  ver- 
anlaßt haben,  die  Physikusstelle  zu  kündigen.  Er  blieb 
in  der  Stadt  als  praktischer  Arzt  und  unterstüzte  seinen 
Amtsnachfolger  bei  der  im  Frühjahr  1681  wiederkehren- 
den kleinen  Epidemie  von  400  Fällen  eifrigst.  Sein 
Nachfolger  wurde  der  Meißner  Physikus  Dr.  Pollmar, 
nachdem  die  Ärzte  Dresdens  B.  Wiegner,  Chrahmer, 
Schumann,  Dornblüth,  Göppert  abgelehnt  hatten,  wahr- 
scheinlich abgeschreckt  durch  die  ihnen  bekannte  über- 
menschliche Arbeitslast.  1684  wurde  er  nach  dem  Tode 
des  Dr.  Borzo  Leibarzt  des  Kurfürsten,  zusammen  mit 
Dr.  Birnbaum  und  Dr.  Morgenstern.  Als  Leibarzt  machte 
er  viele  Reisen,  so  mit  dem  Kronprinzen  1685  nach 
Frankreich,  1686  nach  Spanien,  England,  Holstein,  mit 
Johann  Georg  III.  1687  nach  Holland.  Er  begleitete  ihn 
1689  in  den  Feldzug  und  zur  Belagerung  von  Mainz. 
1691  wurde  er  an  sein  Sterbelager  nach  Tübingen  be- 
rufen. Die  letzte  Zeit  litt  er  an  Podagra,  Chiragra 
und  Ischias,  was  teils  ererbt,  teils  durch  die  vielen  Reisen 
erworben  war.  1691  wurde  er  wiederum  vom  neuen 
Kurfürsten  als  Leibarzt  bestätigt.  1693  prüfte  er  mit 
seinem  Amtsgenossen  Martinus  Schurig  den  in  Dresden 
Einlals  begehrenden  Okulisten  und  Steinschneider  Andreas 
Eisenbarth.  Das  Ergebnis  der  Prüfung  ist  bereits 
abgedruckt  in  Otto  Richters  trefflicher  Verwaltungs- 
geschichte  der  Stadt  Dresden  (I,  168);  die  von  Eisen- 
barth eingereichten  Zeugnisse  befinden  sich  im  städtischen 
Archiv  unter  F  XVII  5. 

Erndel  starb  am  13.  September  1693  und  hinterließ 
zwei  Söhne  und  fünf  Töchter,  tief  betrauert  von  seinen 
Mitbürgern,  ohne  aber  in  einem  gröfseren  Werke  seine 
Kenntnisse  niedergelegt  zu  haben.     Nur   in   der  Praxis 


30  I  Eugen  Sachs: 

hat  er  gewirkt,  und  nur  seine  der  Regierung  und  dem 
Stadtrat  gemachten  Eingaben  geben  Auskunft  über  seinen 
wissenschaftlichen  Weitblick  und  die  ganze  Summe  seines 
theoretischen  Wissens,  durch  das  er  allen  seinen  Zeit- 
genossen weit  überlegen  war. 


Anhang. 

Bestallungsurkunde  des  Dr.  H.  Erndel  als  Stadtphysikus 
d.  d.  28.  Sept.  1666. 

(Archiv  der  Stadt  Dresden  F  XVI,  1,  Bl.  199  ff-) 

Wir  Bürgermeister  und  Rath  der  Stadt  Dresden  hiemit  uhr- 
kunden  und  bekennen,  demnach  wir  erwogen,  dafs  zu  einer  wohl- 
gefaßeten  Polizei  neben  andern  zu  erhaltung  guter  gesundtheit  und 
Verhütung  allerhand  Krankheiten  nechst  Gott  auch  gelehrter  und 
getreuer  Medicorum  guter  Rath  und  Fleifs  erfordert  wird,  Inmafsen 
dann  bei  dieser  Churf.  Sächfs:  Residenz  und  Haupt-  Vestung  von  alters 
hero  in  und  alle  Zeit  dergleichen  Hochgelarte  Medici  in  Bestellung 
gehalten  und  besoldet  worden,  dafs  mit  gnädigstem  Vorwifsen  des 
Durchlauchtigsten  Fürsten  und  Herrn,  Herrn  .Jobami  Georg  des 
Andern,  Herzogens  zu  Sachsen  ....  Wir  den  Edlen,  Grofsacht- 
baren  und  Hochgelarten  Herrn  Heinrich  Eradln,  der  Medicin  Doctorn, 
zu  Onserm  Stadt  Medice»  und  Physico  ordinario  heute  acto  angenommen 
and  Unfs  mit  Ihme  nachfolgender  Bestallung  verglichen  haben,  dafs 
derselbe  in  allerley  vorfallenden  Kranckheiten  bei  allen  und  Jeden 
dieser  Stadt  Innwohnern,  wie  auch  bey  Unfs,  Unsern  angehörigen, 
sowohl  bey  denen  im  Lazarethe  als  hin:  und  wieder  in  den  Hospitälern 
Im  tindtlichen  Persohnen,  Ingleichen  Unsern  bestalten  Dienern,  so  Ihn 
darumb  ersuchen  und  anlangen  weiden,  sich  willig  und  gerne,  auch 
ohne  allen  Verzugk  gebrauchen  lafsen,  denenselben  mit  Rath  und 
That,  und  zwart  denen  Vermögenden  umb  billiche  danckbahre  Ver- 
gleichung,  denen  unvermögenden  aber  aus  Christlicher  Liehe  und 
Barmherzigkeit  ohne  entgeldt  und  umbsonst  beywohnen  und  Ihnen 
solchen  mittheilen,  darneben  auch  die  Apotheken,  so  offfc  es  nöthig, 
visit  ii  tu.  dafs  mit  den  Recepten  recht  umhgegangen,  auch  ein  hillicher 
Tax  gehalten  werde,  beobachten.  Ingleichen  denen  Besichtigungen 
und  Sectionibus  der  entleibten  Cörper  als  bestalter  Phvsicus  mit 
heywohnen,  und  in  allen  fällen  als  einem  Üeifsigen,  getreuen,  sorg- 
fältigen und  vorsichtigen  JMedico  gebühret,  und  wo  zu  Ihme  seine 
zur  Zeit  seiner  promotion  geleistete  Eydespflicht  verbindet,  bey  dieser 
Vestungsstadt  und  gemeine  sich  erzeigen  und  vorhalten  solle  und 
wolle,  Über  dieses  und  hiernebenst  ist  mehrgemeltcm  Herrn  Doctori 
auch  frey  gelafsen,  zu  gesunden  Zeiten  allhier  in:  und  uinb  die 
Vestung,  so  wohl  zu  Alten  Drefsden  seine  praxin  medicam  nicht 
alleine  zu  exerciren,  sondern  auch,  wann  keine  contagiosi  morbi  bey 
dieser  Stadt  und  Vestung  im  schwänge  gehen  und  es  derer  patienten 


Dr.  med.  Heinrich  Erndel.  805 

halber,  die  Er  in  oder  bey  der  Stadt,  so  wohl  auch  sonsten  zu  Alten 
Drefsden  in  der  Cura  hat,  füglich  und  ohne  nachtheil  geschehen  kau, 
seine  Praxin  auch  aufm  Lande  zu  treiben  und  zu  üben,  zu  welchem 
Ende  Ihme  denn  nach  gelegenheit  auf  zwey,  drey  oder  zum  meisten  vier 
tage,  iedoch  mit  vorbewust  des  iedesmahls  regierenden  Herrn  Bürger- 
meisters auszureisen  erlaubet  und  vergönnet  werden  solle ,  Insonder- 
heit aber  hat  mehrgedachter  Herr  Doctor  Erndtl  krafft  dieses  ver- 
williget und  zugesaget,  in  Sterbensgefahr,  und  wenn  Pestilenzialische 
Fieber  oder  andere  dergleichen  anfällige  Krankheiten  in:  und  umb 
die  Stadt  und  Vestung  so  wohl  auch  in  dem  Lazarethe,  als  andern 
obgedachten  örthern  einschleichen  und  grafsiren  solten  oder  möchten  | : 
welches  doch  der  barmherzige  Gott  gnädiglich  verhüten  wolle  :  j  von 
einem  Medicum  ordinarium  sich  gleichfalls  auch  bei  armen  und 
reichen  gebrauchen  zu  lassen  und  nach  gelegenheit  der  gefährlichen 
Kranckkeiten  seinem  besten  Vermögen  und  Verstände  nach,  und  do 
es  die  nothurff  erfordern  solte,  mit  Rath  der  Churf:  Sächfs:  und 
anderer  Herrn  Medicorum  dienliche  Arzneyen,  Regiment  und  Ordt- 
nungen,  wie  man  sich  in  gemein  beedes  zur  Verwahrung  oder  prae- 
servation,  sowohl  auch  im  fall  der  noth  zur  Cur  gebrauchen,  und  in 
den  Apotheken  alliier  umb  billiche  gleichmefsige  Bezahlung  erlangen 
möge,  Den  Einwohnern,  gemeinem  Manne,  und  sonderlich  denen,  so 
sich  Unvermögens  halber  bey  denen  Herren  Medicis  nicht  alle  Wege 
Ratlis  zu  erholen,  zu  nuze  und  tröste  zu  machen  und  anzuordnen, 
auch  zur  selben  Zeit  des  ausreisens  sich  gänzlich  zu  enthalten  und 
sonsten  allen  müglichen  Fleifs,  wie  einem  getreuen  Medico  gebühret, 
anzuwenden,  Jedoch  soll  ermelter  Herr  Doctor  nicht  verbunden  noch 
schuldig  sein,  wann  entweder  Pestis  oder  eine  andere  dergleichen 
gefährliche  Kranckheit  regieret,  zu  denen  Patienten  selbsten  in  die 
Häuser,  so  albereit  inficiret,  und  man  defsen  gewifs<  versichert ,  in 
eigener  Persohn  zu  gehen,  sondern  es  sollen  dazu  ein  sonderlicher 
Barbierer  und  andere  Persohnen,  die  sich  bei  Ihme  Raths  erholen 
können,  verordnet  werden.  Wann  nun  itztgedachter  Barbier  und 
andere  dazu  geordnete  von  den  Inficirten  Patienten  zum  Herrn  Doctori 
vor  seine  Wohnung  kommen  oder  schicken  würden,  Soll  Er  dieselben 
williglich  und  nothdürfftiglich  hören,  sich  des  Patienten  Zustandt 
eigentlich  und  umbständlich  mit  fleifs  erkundigen,  Ihme  auch  durch 
füglichste  angeordnete  mittel  seinen  treuen  Rath  und  verstendiges 
gutachten  zu  ertheilem  schuldigk  sein.  Hergegen  haben  mit  Höchst- 
gedachtes Unsers  gnädigsten  Churfürsten  und  Herrn  aus  dem  Laza- 
reth  Kasten  gnädigst  bewilligter  Hülffe  wir  mehrerwehnten  Herrn 
Doct:  Erndtl  vom  Tage  Michaelis  des  itztlaufenden  1666  sten  Jahres 
an  zu  rechnen  Jährlichen  Achtzigk  Gulden  am  golde,  so  Ihme 
quartaliter  aus  der  Lazareth  Cafsa  gegeben  werden  sollen,  zur  Be- 
soldung versprochen  und  verwilliget,  wollen  Ihm  darneben  auch  mit 
der  gewöhnlichen  freyhen  Wohnung,  so  zu  seiner  Bestallung  geordnet 
und  Ihme  nach  seinem  nuzen  zu  gebrauchen  frey  stehet,  versorgen, 
so  wohl  zwölff  thaler  zu  Holze  aus  Unser  Cammer  Jährlichen 
reichen  lafsen.  Wann  sich's  aber  Göttlicher  Verhängnus  nach  begeben 
sollte,  dafs  Sterbensgefahr  einfallen  und  andere  Leuthe  sein  des 
Herrn  Doctoris  Cur  sich  zu  gebrauchen  abscheu  oder  bedencken  tragen 
möchten,  und  Er  also  seine  andere  Praxin  eine  Zeit  lang  nicht 
exerciren  könte ,  auf  denselben  fall  soll  Ihme  wöchentlich  zweene  Tbl. 
über  seine  ordinarbesoldung  zu  Zulage,  halb  aufsm  Lazareth  Kasten 
und  die  andere  helfte  von  uns,  dem  Rathe,  gegeben  werden.  Wie 
denn   auch  in   keinen  Zweifel  gestellet  wird,  dafs  vielbesagter  Herr 

Neues    Archiv    f.   S.   G.  II.    A.      XVI.   3.  4.  20 


306  Eugen  Sachs:  Dr.  mcil   Beinrieb  Erndel. 

Doctor  derer  Leuthe,  so  bey  gefährlichen  Zeiten  einen  Scheu  für 
llinif  baben  möchten  und  Ihn  sonderlich  nicht  hegehren  oder  er- 
fordern laisen,  sich  eine  Zeit  lang-  zu  eusern  und  zu  enthalten,  auch 
sonsten  gute  bescheidenheit,  so  wohl  gegen  Unis,  dem  Käthe,  und 
männiglich  zu  gebrauchen  wifsen  wenle.  Do  auch  oft  envehnter  Herr 
Doctor  bey  solcher  Bestallung  länger  zu  verbleiben  nicht  gesinnet, 
Soll  Er  schuldig  sein,  Unfs  die  Aufkündigung  Ein  halbes  Jahr  zu- 
vor zu  thun,  damit  man  sich  bey  Zeiten  in  andere  Wege  versehen 
könne,  welches  wir  Unfs  gleichsfalls  vorbehalten  haben  wollen,  Alles 
trewlich  und  sonder  gefehrde,  Zu  Uhrkund  haben  wir  diese  Be- 
stallung gezwiefacht  zu  pappier  bringen  lafsen,  Solche  auch  mit  ge- 
meiner Stadt  Innsiegel  und  der  Herr  Doctor  mit  seinem  gewöhn- 
lichen Pezschafft  wifsendtlich  beeräfftiget ,  auch  mit  eigner  Handt 
unterzeichnet.     So  geschehen  in  Drefsden  am  28  Septembris  1666. 

Heinrich  Erndl  medicinae  Doctor. 
Burgemeister  undt  llath  der  Stadt  Drefsden. 


XII. 

Kleinere  Mitteilungen. 

1.    Nachträge  zum  Urkundenlmch  des  Klosters 

Nimbschen1). 

Von  Ludw.  Schmidt. 

Die  beiden  im  Nachstehenden  abgedruckten  Urkunden 
sind  nur  in  dem  in  der  K.  K.  Hofbibliothek  zu  Wien 
befindlichen,  aus  dem  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
stammenden  Formelbuch  Cod.  Pal.  636  (fol.  16b  fg.),  aus 
welchem  die  Urkunde  No.  12  a  (S.  380)  bereits  mitgeteilt 
worden  ist,  erhalten  und  von  mir  anfänglich  übersehen 
worden,  so  dafs  eine  Berücksichtigung  derselben  auch  in 
den  Nachträgen  nicht  mehr  stattfinden  konnte.  Wenn 
dieselben  auch  —  allerdings  an  ziemlich  verborgener  Stelle 
(Geschichtsblätter  für  Stadt  und  Land  Magdeburg  12 
[1877],  S.  17  fg.)  und  nicht  ganz  korrekt  -  •  schon  ver- 
öffentlicht sind,  so  erscheint  doch  ein  wiederholter  Ab- 
druck der  Vollständigkeit  halber  in  dieser  Zeitschrift, 
welche  sich  in  dankenswerter  Weise  zur  Ergänzung  des 
grofsen  sächsischen  Urkundenwerkes  zur  Verfügung  ge- 
stellt hat,  wünschenswert.  Die  angegebene  Datierung 
von  No.  1  ergiebt  sich  daraus,  dafs  Friedrich  I.  von  1265 
Dezember  12  bis  ca.  1283  Bischof  von  Merseburg  war. 
Zu  No.  2  ist  zu  bemerken,  dafs  die  Markgräfin  Helene 
(Elena),  Gemahlin  Dietrichs  von  Landsberg  (f  8.  Februar 
1285),  mit  diesem  seit  1268  vermählt  war.  Der  hier  er- 
wähnte Scholastikus  von  Zeitz  ist  wohl  identisch  mit  dem 
1296  urkundlich  vorkommenden  Zeitzer  Domherrn  Johannes 


')  Codex  diplom.  Saxon.  reg.  IT,  15,  173  ff. 

20' 


308  Kleinere  Mitteilungen. 

de  Jhericho  (Berth.  Schmidt,  Urkundenbuch  der  Vögte 
von  Weida  1,  No.  312). 

No.  1. 

Bischof  Friedrich  I  von  Merseburg  bedroht  einen  mit  der  Ent- 
richtung des  dem  Nonnenkloster  in  Grimma  zustehenden  Zinses 
säumigen  Pfarrer  mit  Amtsentsetzxing.     [Zicischen   1265  Dez,  12 

und  ca.  1283. / 

FrpdericuaJ  dei  gracia  Meraeburgenaia  episcopus  diacreto  viro 
n et üii  ecclosie  in  tali  loco  salutem  cum  aftectu.  Quia  prepositi  do- 
minarum  in  Grimmia  frequenter  pulsamur  querimoniia  pro  eo,  quod 
iriisuin  ipsis  dominabus  debitum  non  solvitis  temporibus  constitutis, 
sie  duximua  providendum,  quod  quandoeunque  post  atatutum  vobis 
terminum  predictum  censnm  non  solveritis.  extunc  ab  ingreaau  ecclesie 
et  ab  exaeeucione  officii  vos  auapendimus  in  biis  scripös. 

No.  2. 

Die  Markgräfin   Helene   von   Landsberg  beauftragt   den  genannten 

Scholastikus  zu  Zeitz,  das  Kloster  rar  den  I  Vergriffen  eines  Klerikers 

zu  schützen.    {Zwischen  1268  und  1285  Februar  8.J 

Eflena]  dei  gracia  marchionissa  de  Landesberch  yiro  preclaro 
donis  gratuitis  eloquencie  insignito  domino  scolastico  in  Cice  dicto 
de  Jercbov  .salutem  cum  bone  voluntatis  affectiv  Cum  apea  bominem 
in  se  confidentem  quasi  quodam  nutrimento  refieere  videatur ,  hanc 
in  pressuris  angustie  nunquam  deseruit,  licet  voltum  quendam  pre- 
tendat  fallacem,  amicabiliter  pusillanimes  consolatur.  Summam  hnius 
proverbii  non  ab  re  vobis  proposuimns,  quod  E.  clericus  Nuenbur- 
genaia  dyocesis  nititur  armari  allegacionis  garrula  pugionc  contra 
dominas  \\eo  et  nobis  dileetas  sanctimoniales  in  Grimmia,  surripere 
grangias  earum  cum  ceteris  bonis,  quas  longo  tempore,  sicut  domino 
raarchioni  constat  seniori  et  nobis  simul  cum  aliis.  quas  nominale 
tedioaum  est,  possederunt  titulo  libertatis,  et  licet  crebris  infesta- 
cionibua  eaa  infeatare  non  cea8et,  tarnen  sole  spei  noa  ona  cum  eia 
innitimur,  sperantes  divino  auxilio  vestroque  consilio  evadere  minas 
et  iniuriaa,  quas  contra  eas  pretendit  et  quod  perfrui  debeant  pristina 
übertäte.  Cum  ergo  lepor  veatre  faeundie  et  miri  ut  intelleximus 
adinvencio  consilii  noverit  non  aolum  cauaaa  intricatas  evolvere, 
verum  eciam  evolutaa  quasi  aub  tumulo  sepelire,  ideirco  yeatram 
prudenciam  nee  non  morum  honeatatein,  de  qua  multum  audivimus  et 
confidimuael  preaumimua  confidenter,  habere  cupimua  exoratam,  quatinua 
dei  amore  et  noatri  cauaa  propiciua  iudex  sitis  in  cauai8,  quaa  E. 
clericua  contra  dietas  dominas  ventilal  iam  predictua  et  nullam  in- 
iuriam  aeu  gravamen  fieri  permittatia  viamque  nuncio  noatro  detis, 
qualiter  agat  seu  reapondeat,  ut  ab  ineuraibua  predicti  clerici  se  de- 
fendat,  et  boc  scitote,  si  feceritis,  gratum  habebimu8  et  perpetuo 
penea  voa  studebimus  promereri.  Neu  enim  permittemua,  quod  E. 
predictua  sive  aliquia  deatruat  locum  a  domini  noatri  marchionia 
predeceaaoribua  et  aliorum  elemosinis  solleinpniter  preconatruetum. 

Wichtig  ist,  dals  hier  (No.  1)  eines  prepositus  Er- 
wähnung geschieht,  der  unter  dieser  Bezeichnung  urkundlich 
nicht  weiter  vorkommt.    Wirkliche  Pröpste  mit  den  ihnen 


Kleinere  Mitteilungen.  309 

zustehenden  weitgehenden  Kompetenzen  wie  in  anderen 
Nonnenklöstern,  z.  B.  in  Meilsen  und  Mühlberg  (vergl. 
Seeliger  in  den  Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte 
der  Stadt  Meifsen  II,  44 ff.),  hat  es  in  Nimbschen  nie 
gegeben;  als  Verwalter  der  äufseren  Geschäfte  finden 
wir  hier  seit  dem  15.  Jahrhundert  Vorsteher,  die  wahr- 
scheinlich mit  den  seit  1322  urkundlich  vorkommenden 
Hofmeistern  oder  magistri  curie  (Hans  von  Nabeticz 
heilst  No.  415  Vorsteher,  No.  416  Hofmeister)  identisch 
sind,  aber  schon  nach  der  Art,  wie  in  den  Urkunden  ihre 
Stellung  gegenüber  Äbtissin  und  Konvent  gekennzeichnet 
ist  (vergl.  z.  B.  No.  413,  415,  416),  niemals  die  Rolle  der 
Pröpste  gespielt  haben  können.  Einige  derselben  waren 
wohl  Laienbrüder,  andere  geistlichen  Standes,  dagegen 
werden  Hans  von  Nabeticz  (Nabilticz)  und  Hans  Alffelt 
in  No.  41 3  unter  den  weltlichen  Personen  aufgeführt,  wie 
denn  auch  die  Nachfolger  des  Albrecht  Schober  zu  diesen 
zu  zählen  sind,  während  Pröpste  sonst  nur  Kleriker 
sein  konnten.  Die  Bezeichnung  Probst  (neben  Vorsteher) 
führt  zuerst  der  dem  geistlichen  Stande  angehörende  A. 
Schober,  aber  wohl  nur  infolge  seiner  früheren  Stellung; 
unpassend  wird  der  ehemalige  Schösser  Johann  Gora  als 
Vorsteher  in  No.  480  und  485  Anm.  (was  noch  im  Register 
nachzutragen)  ebenfalls  Propst  genannt.  Hiernach  ist  die 
Anmerkung  zu  No.  428  zu  ergänzen  bez.  zu  berichtigen. 
Auiserdem  mögen  hier  noch  einige  kleinere  Nach- 
träge und  Verbesserungen  Platz  finden.  Vorsteher  (Hof- 
meister) im  Kloster  war  1467  Albrecht  Gernhardt, 
wie  wir  aus  der  Aufzeichnung  über  die  Klage  desselben 
gegen  den  Rat  zu  Oschatz  wegen  Vorenthaltung  von 
Zinsen,  die  der  Klosterjungfrau  Ilise  von  Gera  (vergl. 
No.  413)  zu  entrichten  waren,  ersehen  (Oschatzer  Stadt- 
buch von  1466  — 1500  Dep.  Hauptstaatsarchiv  Dresden 
fol.  lb).  —  Die  1479  zum  letzten  Male  als  solche  er- 
wähnte Äbtissin  Dorothea  Beherfs  erscheint  in  der  Spezial- 
rechnung  der  Äbtissin  Ursula  von  Lausigk  auf  1484/85 
(vergl.  No.  409  Anm.)  als  „aide  frauwe";  sie  bezog  hier- 
nach an  Leibzinsen  zu  Walpurgis  und  Johannis  zusammen 
4  ß.  20  gr.,  zu  Michaelis  und  Weihnachten  3  ß.  Eben- 
daselbst werden  aufgeführt  Ursula  Hertewygils  (1  ß.  20  gr. 
Leibzinsen  Walp.),  Barbara  Kanytz  (21  gr.  Walp.),  Anna 
Hochenist   (3  ß.  Mich.),   Anna  und  Katherina2)  Kanytz 


2)  Koramt  sonst  urkundlich  nicht  vor. 


310  Kleinere  Mitteilungen. 

(zusammen  1  ß.  34  gr.  Mich.).  —  Der  in  No.  41 3  unter 
den  Zeugen  genannte  Nicolaus  schriber  zcu  Grymme  war 
ohne  Zweifel  Mühlschreiber  des  Klosters  Altzelle  in  Grimma 
(vergl.  auch  Beyer,  Altzelle  702  No.  773)  und  ist  dem- 
gemäß im  Register  s.  v.  Grimma,  Mühlen  (Ober-  und 
Niedermühle)  einzustellen.  —  Die  in  No.  455  an  39.  Stelle 
erwähnte  Margaretha  Grolsin  ist,  wie  schon  im  Register 
richtig  gestellt,  nicht  irrtümlich  ein  zweites  Mal  genannt, 
sondern  verschieden  von  der  an  9.  Stelle  genannten 
Klosterjungfrau  gleichen  Namens;  jene  hatte  sich  noch 
zwischen  1536  und  1539  verheiratet  und  wird  1544  als 
Tochter  Hanns  Groises  bezeichnet  (Lorenz,  Grimma 
1117),  während  letztere  bereits  1470  von  ihrem  Vater 
Friedrich  Große  ausgesteuert  wurde  (No.  421). 

•2.    Zu  Hortleders  Geschichtswerk. 

Von  Anton  Chroust. 

Das  im  folgenden  mitgeteilte  Schreiben  F.  Hortleders, 
des  Verfassers  der  „Handlungen  und  Ausschreiben  . .  .  von 
den  Ursachen  des  Deutschen  Kriegs  Kaiser  Karls  V.  etc.", 
entstammt  dem  gräflich  Dohna'schen  Archiv  zu  Schlobitten 
in  Ostpreußen,  über  das  ich  an  anderer  Stelle  berichten 
werde.  Offenbar  gehört  das  Schreiben  einem  umfang- 
reicheren Briefwechsel  an,  den  der  gelehrte  Geschichts- 
schreiber am  Weimarschen  Hofe  mit  Christoph  Freiherrn 
und  Burggrafen  zu  Donna  (1583-1637),  dem  Neffen  des 
berühmten  Fabian  des  Älteren  von  Dohna,  geführt  hat; 
leider  habe  ich  von  diesem  Briefwechsel  bisher  keine 
weitere  Spur  finden  können,  auch  das  von  mir  mitgeteilte 
Schreiben  ist  nur  in  Abschrift  erhalten. 

Über  Hortleder  brauche  ich  nichts  weiteres  zu  sagen ; 
über  den  Empfänger  des  Briefes  möge  die  Bemerkung 
genügen,  dals  Christoph  von  Dohna  im  Jahre  1615  als 
pfälzischer  und  anhaltischer  Eat  an  den  Höfen  des  Kur- 
fürsten Friedrich  V.  von  der  Pfalz  und  des  Fürsten 
Christian  von  Anhalt,  der  damals  als  kurpfälzischer  Statt- 
halter zu  Amberg  residierte,  eine  Vertrauensstellung  ein- 
nahm, vor  allem  aber  zu  letzterem  in  freundschaftlichen 
Beziehungen  gestanden  hat. 

Christoph  von  Donnas  Interessen  gingen  jedoch  über 
die  eines  Diplomaten  und  Staatsmannes  weit  hinaus. 
Die  Teilnahme  an  den  religiösen  Fragen  war  bei  ihm,  der 


Kleinere  Mitteilungen.  311 

gleich  seinem  Oheim  und  seinen  Brüdern  sich  früh  schon 
dem  reformierten  Bekenntnisse  angeschlossen  hatte,  nicht 
geringer  als  die  an  wissenschaftlichen  Dingen,  vor  allen  an 
den  Werken  der  Geschichtschreibung.  Christoph  selbst  war 
Schriftsteller  und  hatte  1614  einen  verdeutschten  Caesar 
anonym  erscheinen  lassen;  als  Geschichtsschreiber  be- 
währte er  sich  selbst  in  seiner  Autobiographie,  von  der 
J.  Voigt  einen  Auszug  geliefert,  auf  den  ich  wegen  der 
sonstigen  Lebensumstände  Christophs  verweise1). 

Die  nahen  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zwischen 
den  Häusern  Anhalt  und  Weimar  werden  den  fürstlichen 
Rat  und  den  herzoglichen  Präzeptor  wohl  zuerst  zusammen- 
geführt haben,  gemeinsame  Neigung  für  geschichtliche  Stu- 
dien und  Gemeinsamkeit  der  politischen  Anschauungen 
haben  mit  der  Zeit  die  Bekanntschaft  vertieft.  Christoph 
von  Dohna  steuerte,  wie  dies  auch  Ludwig  Camerarius 
that,  Mitteilungen  aus  Akten  oder  Abschriften  von  solchen, 
wahrscheinlich  aus  dem  Archiv  der  Amberger  Regierung, 
zu  Hortleders  Geschichtswerk  bei,  ganz  so,  wie  er  und 
seine  Brüder  auch  den  Präsidenten  de  Thou  in  seinen 
Arbeiten  unterstützten. 

Für  die  Geschichte  des  Hortleder'schen  Werkes,  des 
„Urkundenbuchs  zu  Sleidan",  ist  der  folgende  Brief  nicht 
ohne  Interesse.  Hortleder  geht,  nachdem  der  grössere 
Teil  seines  Werkes  oder  besser  gesagt  des  ersten  Bandes 
fertig  ist,  auf  die  Suche  nach  einem  Verleger.  Goldast 
hat  für  ihn  mit  den  Frankfurter  Verlegern  verhandelt 
und  sogar  das  Honorar  schon  ausbedungen,  aber  diese 
sind  infolge  der  jüngsten  Frankfurter  Ereignisse  vor- 
sichtig geworden  und  fordern  die  Ausbringung  eines  kaiser- 
lichen oder  mindestens  eines  kursächsischen  Privilegs  für 
das  Buch.  Hortleder  macht  sich  keine  Hoffnung,  diese 
Bedingung  erfüllen  zu  können  und  sucht  nun  mit  Hilfe 
Christophs  von  Dohna  in  der  Oberen  oder  in  der  Kur- 
pfalz  einen  Verleger  zu  finden,  für  den  er  mit  Hilfe 
Christians  von  Anhalt  ein  kurpfälzisches  Privileg  zu  er- 
wirken hofft.  —  Hortleder  oder  vielmehr  der  Frankfurter 
Verleger  hat  sich  aber  später  doch  eines  anderen  be- 
sonnen, beide  Bände  seines  Werkes  sind  dann  doch  bei 
Ruland  in  Frankfurt  a.  M.  erschienen,  ohne  dais  irgend 
ein  Privileg  ausgewirkt  worden  wäre. 


')  Historisches  Taschenbuch,  111.  Folge,  IV  (1853),  1  ff. 


312  Kleinere  Mitteilungen. 

Dürfte  es  schon  nicht  ohne  Interesse  sein  zu  sehen, 
wie  sich  vor  drei  Jahrhunderten  die  Verhandlungen  zwischen 
Verfasser  und  Verleger  gestalteten,  so  ist  noch  bemerkens- 
werter, was  Hortleder  von  der  aktuellen  Bedeutung  seines 
Werkes  und  von  dem  Nutzen,  den  die  protestantische 
Union  davon  haben  werde,  für  eine  Meinung  hatte  und  wie 
grofs  das  Interesse  der  Unionsfürsten,  die  in  dem  schmal- 
kaldischen  Bund  ihr  Vorbild  sahen,  an  dessen  Geschichte 
war.  Was  Hortleder  in  seinem  Briefe  über  die  von  ihm 
vorgenommene  Unterdrückung  von  „Famosschriften"  mit 
Rücksicht  auf  Kursachsen,  Hessen-Kassel  und  Braun- 
schweig sagt,  hat  er  in  der  Vorrede  des  ersten  Bandes 
mit  weiterer  Ausführung  wiederholt.  Er  scheint  aber 
mit  dieser  Redigierung  seines  Stoffes,  die  er  unbefangen 
eingestellt,  doch  nicht  weit  genug  gegangen  zu  sein,  denn 
gleich  nach  Erscheinen  des  ersten  Bandes  hat  Herzog 
Friedrich  Ulrich  von  Braunschweig  beim  Rat  der  Stadt 
Frankfurt  wie  bei  Herzog  Johann  Ernst  von  Sachsen- 
Weimar  die  Konfiskation  des  Buches  begehrt,  das  alte 
geschlichtete  Händel  zwischen  fürstlichen  Häusern  wieder 
hervorzerre  (vergl.  Electa  iuris  publici  VI,  46);  dem  Be- 
gehren wurde  übrigens  nicht  willfahrt. 

Das  andere  Buch  „De  secretiore  causa  belli  Ger- 
mania etc.",  dessen  Hortleder  in  seinem  Briefe  gedenkt, 
ist  wohl  der  zweite  Band  seines  grolsen  Werkes,  der 
dann  1618  mit  dem  Titel  „Von  Rechtmäßigkeit,  Anfang, 
Fort-  und  endlichen  Aufsgang  des  teutschen  Kriegs  etc." 
wieder  bei  Ruland  erschienen  ist. 


F.  Hortleder  an  Christoph   von    Dohna. 

Salntem  et  officia. 

Binae  Tuae  literae  mihi  recte  traditae  sunt  suo  quoque  tempore, 
I  In  istophore  lectissime  atque  amicissime,  Ex  utrisque  vero  praestitam 
mihi  fidem  et  in  indagandis  rebus  Palatinos  adhibitam  summam  in- 
dustriam  cum  singulari  prudentia  conhmctam  abunde  perspexi.  Ac 
enitar  non  modo  pro  me  .sedulo,  ut  quovis  studiorum  genere  Tuam 
li;inc  ynavam  operam  compensare  possim,  sed  etiam  ill.mae  meae  eandem 
praedicabo  spei  bonae  plenus,  si  quando  Celsdo  ipsius  Tibi  ornamento 
ac  emolumento  <sse  poterit,  eam  utilitatibus  Tuis  non  defuturam. 
\ir  vero  ist,  ut  in  hac  re  ullam  amplius  operam  adhibeas;  sunt 
enim  res  quam  plurimae,  quae  privata  diligentia,  quanta  quanta  illa 
sit,  erui  mm  poasunt,  cui  et  haue  nostram  lubens  aceenseo.  Et  erit 
consultius,  aliqnando  huius  rei  gratia  ipsum  metropolis  electoralis 
praesidem  ac   vicarium   summum  Christianum  Anhalt inum  recta  via 


Kleinere  Mitteihmgen.  313 

adire  missis  ambasibus.    Domino  domino  Casparo2)  fratri  meam  etiam 
vicissim  operam  et  omnia  amicitiae  ofh'cia  delata  cupio. 

Verum  audi,  amicissime  Christophore ,  quid  Te  rursus  velim: 
Nobilissimam  partem  inei  operis,  quae  est  „de  causis  belli  Germanici", 
iam  ante  tempus  satis  spatiosum  penitus  äbsolvi  eamque  per  Goldastum 
hibliopolis  Francfurtensibus  Petro  Kopfio,  qui  per  annos  aliquot  id 
opus  anibierat,  Rulando,  Aubriis  et  aliis  obtuli,  traditionell!  bis  prae- 
teritis  nundinis  promisi.  Quid  vero  illi?  Opus  ipsum  minime  quidem 
sibi  displicere.inquiunt,  autori  mihi  bonorarium  sat  amphmi  offerunt 
et  (si  Goldasto  rides  adbibenda  est)  pro  singulis  foliis  dimidium 
Rbenanum  aut  eo  amplius  non  renuunt,  sed  conditiones  adiiciunt 
mihi  penitus  impossibiles  et  intolerabiles,  unam  ut  ipsis  Privilegium 
caesarenm  impetrem,  alteram,  aut  si  id  iieri  non  possit,  saltem 
electorale  Saxonieum,  tertiana  ut  omnia  mea  ipsis  pignori  opponam, 
si  ob  hoc  opus  editum  aliquid  damni  a  Caesare  vel  ullo  principe 
patiantur,  a  Moguntino  praesertim,  in  cuius  manu  ac  potestate  nunc 
sint  res  Francfurtanae  publicae  ac  privatae.  Jam  etsi  ipsis  sanctissime 
affirmaverim  atque  etiam  multis  clarissime  demonstraverim,  in  hoc 
opere  ne  verbulum  quidem  aut  literam  ullam  reperiri,  quae  Caesarem 
aut  ullum  principem  offendere  possit  aut,  si  reperiatur  ulla,  quam 
ego  non  paratus  sim  e  medio  tollere,  nihil  tarnen  proficio. 

Laterem  lavo,  stat  Ulis  pro  ratione  voluntas.  Quapropter  dis- 
trahere  cum  illis,  non  contrahere  negotium  omnino  constitui  et  cum 
in  Palatinatu  Ambergae,  Heidelbergae,  Neostadii  chartam  non  minus 
nitidam  et  typum  nihilo  deteriorem  reperiri  sciam,  cum  aliquo  pala- 
tinorum  bibliopolaruin  contractum  inire  eique  opus  impensis  suis 
excudendum  committere. 

Ad  quod  me  hae  quoque  rationes  invitant:  1.  Quia  si  ullum  nspiam 
opus  est,  quod  bodiernae  unionis  principibus  ac  statibus  magnopere 
sit  profuturum,  id  hoc  certe  opus  est.  2.  Quia  a  miütis  magnisque 
de  unione  principibus  hactenus  a  me  non  semel  desideratum ;  iam 
enim  ante  multos  annos  Christianus  Anhaltinus  ad  ill.mam  nostram, 
sororem  suam,  scripsit,  delineationem  quandam  et  summam  operis 
sibi  mitti  petiit,  deinde  institutum  clementissime  collaudavit  datis- 
que  ad  me  literis  opem  suam  obtulit,  postea  cum  ante  annum  huc 
transiret,  denuo  sermonem  meum  contulit,  ut  editionem  maturarem, 
clementissime  monuit;  idem  Augustus  Anhaltinus  semel  iterumque 
fecit  aut,  si  protrahenda  longius  esset  editio,  in  usum  suum  totum 
librum  5.  7.  et  8.  describi  postulavit;  idem  quoque  per  cancellarium 
Fabrum  Wirtembergicus,  idem  per  consiliarium  praecipuum  et  intimum 
Lüschwitium  marggravius8)  fecit.  3.  Quia  serenissimo  electori  palatino 
ipsi  per  Goldastum  est  iamdudum  commendatum.  4.  Quia  a  consi- 
liario  interiore  Heidelbergensi  Ludovico  Camerario  aliquot  scriptis 
liberaliter  auctura  et  ornatum. 

Age  ergo,  ornatissime  Christophore,  vel  Ambergae  vel  Heidel- 
bergae vel  Neostadii  vel  etiam  Noribergae  mihi  virum  aliquem 
honestum  bibliopolam  quaere,  qui  suis  impensis  opus  meum  edi  curare 
velit.  Is,  si  ab  electore  palatino  Privilegium  sibi  impetrari  postulabit, 
plane  nullus  dubito,  quin  facillimo  negotio  per  Christianum  Anhal- 
tinum  id  impetraturus  sim;  atque  honorarium  quod  attinet,  bis  con- 
ditionibus    cum    eo    transacturum    me   promitto:     1.   Si  mihi  itidem, 


2)  Soll  wohl    heifsen   „Achatio",  wenigstens    kann   nur  Achaz 
von  Dohna  gemeint  sein. 

3)  Gemeint  ist  Markgraf  Joachim  Ernst  von  Ansbach. 


,;i  |  Kleinere  Mitteilungen. 

pro  foliis  singulis  dimidium  Rhenanura,  spondeat,  quod  Francofurtenses 
min  detrectavere ,  et  Goldastus  a  Rulando  accepit  pro  I'olitieis  suis 
imperialibus ,  latinis  et  germanicis;  2.  aut  si  id  spondere  nolit.  m 
nun  sä  Item  dimidium  thalernm,  utque  explicatius  dicam,  duodenoa 
dumtaxat  grossos  solvat  in  folia  singula;  '6.  ut,  cum  opus  exenden- 
dum  traditur,  thaleros  centenos  annumeret,  reliquum  intra  annum 
solvat.  Ego  vicissim  promitto  quiequid  exemplarium  ill.»,is  meis 
aliisque  prineipibus,  patronis  et  amicis  a  me  exhibeudum  erit, 
id  ab  eo  me  sumturum  ea  lege,  ut  de  summa  mihi  debita  eorum 
pretium  dece[d]at  et  is  mihi  exemplaria  eodem  pretio  vendat,  quo 
venditurus  est  bibliopolis  uostris  aliquid  ab  eo  mutuo  sumeutibus. 
Quis  operi  titulus  praefigendus  sit,  qualis  index  praemittendus, 
iuneta  his  litteris  descriptio  [fehlt]  docebit,  cuius  copiam  omnibus, 
quicumque  eam  desideraturi  sunt,  maxime  vero  bibliopolis  in  Vestris 
uris  facere  poteris.  Quod  si  quem  vero  in  descriptione  ea  scripta 
adversaria  Saxonis,  landgravii  ac  Brunsvicensis  oi'fensura  sunt,  veluti 
replicae,  duplicae,  triplicae,  quadruplicae,  quae  ut  famosa  omnes  historiae 
damnant,  is  sciat,  me  id  omne,  quiequid  in  istis  scriptis  famosi  et 
iniuriosi  fuit,  sustulisse  et  scripta  ea  omnia  de  novo  describi  fecisse 
non  sine  ingenti  labore  meo  et  sumtibus  nostrae  ill.,,iaf>,  sie  ut  nihil 
nisi  res  ipsa  et  quiequid  publice  privatimque  profuturum  est,  sine  ulla 
verborum  contumelia  bodie  in  iis  appareat. 

Praeter  hoc  opus  autem  et  ea  omnia,  quae  nominatim  expri- 
muntur  in  supradicto  et  his  literis  adiuneto  indice,  adhuc  aliud 
opus  habeo,  quod  et  ipsum  non  minus  ac  prius  illud  magnitudine 
sua  Goldasti  „Imperialia  politica  latina"  exaequabit,  inseriptum: 
„De  secretiore  causa  belli  Gennanici  et  ipsius  etiam  belli  initio, 
progressu,  exitu."  Id  quoque  intra  annum  habiturum  enm  conditioni- 
bus  tolerabilibus  spondeo,  quieunque  illud  exeudendum  suseipiet; 
ac  titulos  formavi  sine  ulla  adiectione  notarum  tomi  L.  tomi  II. 
hoc  consilio,  ut  separatim  vendi  possint,  cum  id  contento  facillime 
patiantur  ac  ne  emtores  absterreat  magnitudo  pretii,  si  non  ven- 
derentur  singuli  et  saltem  coniuneti.  —  In  bac  re  si  quid,  ami- 
cissime  Christophore ,  per  te  aliosve  effeceris,  non  sinam  abire  offi- 
cium Tuum  irremuneratum,  sed  de  primitiis  statim  honorarii  mei  ita 
me  erga  Te  exhibebo  gratum,  ut  sentire  possis,  Tua  opera  mihi  nihil 
gratius  aeeeptiusve  aeeidere  potuisse.     Nunc  ad  alia. 

Omnes  illae  disputationes ,  quae  a  Te  desideratae  ac  huic  ta- 
bellario  afferendae  mandatae  sunt,  cum  aliis  id  genus  non  paucis 
prodibunt  in  unum  volumen  redactum,  quod  collectorem  habet  Aru- 
maeum,typographumRauchmauliividuam  ac  heredes.  Igitur  operae  pre- 
tium mm  duxi  eas  sigillatim  colligere  sed  ad  viduam  praedietam  misi,  an 
fere  absolutum  volumen  illud  esse  rogavi;  respondit  illa  ad  proximum 
iliem  Veneris  hac  ipsa  septimana  absolutum  iri.  Quem  diem  an 
tabellarius  Tuns  exspeetaturus  esset,  cum  rogarem,  ille  negavit. 
Uxori  tarnen  meae,  cum  heri  sera  huc  rediiem,  mandavi,  ut  si  prnetei- 
opinionem  suam  tabellarius  Tuns  rediret  serius,  exemplar  aliquod 
iura  mitteret;  si  vero  citius  quam  in  typographia  volumen  absolutum 
esset,  de  rei  statu  eum  commonefaceret,  ut  responsum  certum  ad  Te 
adferre  posset;  cui  voluntati  meae  eam  morem  gesturam  non  dubito. 
Huswedelium  uostrum,  amicum  raeum  veterem  virumque  sane  quam 
doctissimum,  ex  foro  et  aula  rediisse  in  academiam,  mihi  quidem 
lectu  et  auditu  novuin  fuit.  Precor  tarnen,  ut  quam  felicissime  ei 
cedat  hoc  consilium  ac  si  qua  in  re  unquam  commodis  ipsius  inser- 
vire  potero,  Studium  promitto. 


Kleinere  Mitteilungen.  315 

Te  vero,  mi  iucundissirae  Ohristophore ,  diutissime  valere  ;ic 
reipublicae  perennare,  a  meis  vero  omnibus,  praesertim  Friderico 
Bomano  filio  salvere  iubeo.  Scribebam  Vimariae  septembris  die  18. 
a.  1615. 

Tui  amantissimus 

F.  Hortlederus ')• 

3.  Die  Grands  Mousquetaires. 

Aus  dem  Nachlasse  von  A.  v.  Minckwitz. 

Kurfürst   Johann    Georg  IV.   gab    am   22.  Oktober 

1691  dem  Geheimen  Kriegsratskollegium  zu  erkennen: 
„Wir  sind  entschlossen  zu  Unserer  Leib -Garde  und  zur 
Aufnahme  des  Adels  hiesiger  Lande  eine  Compagnie  zu 
Pferde,  unter  dem  Namen  einer  Compagnie  Grands  Mousque- 
taires,  aus  jungen  Leuten  zu  errichten,  welche  in  aller- 
hand Kriegs -Exercitiis  unterrichtet  werden  sollen  und 
haben  Wir  den  Freiherrn  Johann  Georg  von  Meuisbach 
beauftragt,  solche  Compagnie  zu  richten." 

Der  Erlais  dieses  Befehls  fällt  in  die  Zeit,  wo  der 
Kurfürst  auch  eine  Kompagnie  Cadets  zu  errichten  be- 
absichtigte. Während  letztere  bestimmt  war,  der  Aus- 
bildung von  Infanterieoffizieren  zu  dienen,  sollten  in  der 
Kompagnie  der  Grands  Mousquetaires  die  jungen  Edel- 
leute  zum  Eintritt  in  die  Kavallerieregimenter  vor- 
bereitet werden.  In  der  Proposition  an  die  Stände  im 
Jahre  1692  findet  sich  die  Anforderung  von  50000  Gulden 
zu  Errichtung  der  Kompagnie  Grands  Mousquetaires  und 
der  Kompagnie  Cadets  gleichzeitig  gestellt.  Trotzdem 
dafs  die  Stände  nur  die  Hälfte  dieser  Summe  bewilligten, 
nahm  die  Errichtung  der  beiden  Kompagnien  ihren  Fort- 
gang, jedoch  verzögerte  sie  sich,  was  die  Grands  Mousque- 
taires anbetrifft,  bis  zum  Frühjahr,  und  erst  am  9.  März 

1692  erhielt  dieselbe  die  Stadt  Eilenburg  zum  Sammel- 
platz angewiesen. 

Die  Kompagnie  marschierte  im  Juni  1692  nach  Dresden, 
wo  der  Magistrat  Befehl  erhielt,  die  Grands  Mousque- 
taires, welche  Logiamenter  und  Stallung  selbst  zu  be- 
zahlen hatten,  in  Alt-Dresden,  der  jetzigen  Neustadt,  in 
einer  Gasse  oder  doch  so  nahe  beisammen  als  möglich 
unterzubringen. 


4)  Schlob.  Archiv,  fasc.  23/3.  Cop. 


316  Kleinere  Mitteilungen 

Die  erste  Musterung  fand  in  Gegenwart  des  Kur- 
fürsten am  8.  August  1692  auf  der  Östrawiese  statt;  hier 
schworen  die  Grands  Mousquetaires  zum  Fähndel. 

Bei  dieser  Gelegenheit  war  der  Etat  der  Kompagnie: 

s  tab : 

L50  Thlr.  Obrist  Johann  Georg  Freiherr  von  Meuszbach, 

100  „  Major  Johann  Wilhelm  Graf  Ronow, 

20  „  L  Quartiermeister, 

L5  ..  1  Peldscheer, 

(>(i  „  ii  Eautbois, 

32  „  4  Tambours, 

LO  ..  I  Fahnenschmied, 

H)  „  1   Fahnensattler. 

Prima   plana: 

70  ..  Kapitän  Christian  Ernst  Trützschler, 

70  „  „        Georg  Friedrich  von  Hopfgarten, 

.">()  .,  Lieutenant  Georg  Christoph  von  üeitzenstein, 

50  „  „  Bodo  Dietrich  von  Alvcnsleben, 

10  „  Fähnrich  Adolf  Wilh.  Freiherr  von  Stubenliri-. 

.'.">  „  Wachtmeister  Hans  Heinrich  von  der  Mosel, 

25  ..  „  Georg  Wilhelm  Trützschler, 

10«  6  Korporale  (ELölbel  von  Geilsing,  Raab,  Neerhoff, 
Kötteritz,  Arnstadt,  Langenhagen), 

1200  ..  Kid  Grands  Mousquetaires. 


2035  Thlr.  monatlich. 

Hierüber:    33  Thlr.  8  Groschen  ein  Fechtmeister, 
20      „    —         ,,         ein  üprachmeister. 
35      „    —        „         ein  Tanzmeister. 

Die  Mousquetaires  waren  sämtlich  junge  Edelleute. 
Vertreten  waren  unter  anderen  die  Namen:  Miltitz, 
Carlowitz,  Schönfeld,  Schönfels,  Metzradt,  Köckritz,  Zedt- 
witz,  Bünau,  Boxberg,  Zezschwitz,  Ponickau,  Beulwitz, 
Polenz,  Watzdorf,  Uechtritz,  Brandenstein,  Ende,  Seebach, 
Helldortf,  Dallwitz,  Gersdorff,  Haugwitz,  Kospoth  etc. 

Einige  Tage  nach  der  Musterung  liefe  der  Kurfürst 
die  Grands  Mousquetaires,  und  denselben  Tag  auch  die 
Kadettenkompagnie  auf  der  Alt-Dresdner  Wiese  vor  sich 
exerzieren. 

Die  vorhandenen  Nachrichten  geben  keine  Auskunft 
darüber,  ob  die  bei  Errichtung  des  Korps  getroifene  Be- 
st immung,  dais  die  Offiziere  der  Kavallerie  aus  den  Grands 
Mousquetaires  hervorgehen  sollten,  überhaupt  in  Kraft 
getreten  ist.  Jedenfalls  hat  dieselbe  nicht  lange  Geltung 
behalten,  und  höchst  wahrscheinlich  war  diese  Absicht 


Kleinere  Mitteilungen.  817 

schon  aufgegeben,  als  der  Kurfürst  im  Frühjahr  1693 
anbefahl,  die  Grands  Mousquetaires  in  eine  Kompagnie 
Dragons  de  Garde  du  Corps  umzuwandeln,  welche  am 
1.  November  1693  in  die  Grenadiers  ä  cheval  umformiert 
und  im  Oktober  1694  wieder  aufgelöst  wurden. 


Mit  dem  Wirklichen  Geheimen  Rat,  Generallieutenant 
bei  der  Kavallerie  und  Obristen  über  ein  Regiment  Küras- 
siere, Karl  Gustav  Lewenhaupt,  Grafen  von  .Falkenstein, 
wurde  am  22.  März  1699  eine  Kapitulation  zu  Errichtung 
eines  Korps  von  Grands  Mousquetaires  abgeschlossen. 

Von  dieser  Kapitulation  übersendete  der  König  von 
Warschau  aus  dem  Statthalter  Fürsten  Fürstenberg  Ab- 
schrift, unter  dem  Hinzufügen:  „Fürst  Fürstenberg  hat 
von  dem  Vorhaben  dem  Grafen  Friesen  Nachricht  zu 
ertheilen,  damit  Unfs  zu  sonderbarem  Gefallen  er  dem 
Grafen  Lewenhaupt  nach  Vermögen  an  Hand  stehen  und 
behilflich  sein  möge  zur  Beibringung  braver  tüchtiger 
Offiziere  und  Leute." 

In  näherer  Ausführung  der  in  der  Kapitulation  ge- 
troffenen Bestimmungen  erhielten  die  Grands  Mousque- 
taires an  Gewehr  und  Equipage :  die  Flinte,  die  Pistolen, 
den  Degen,  das  Degengehenk,  die  Echabraque  nebst 
Kappen,  den  Rock,  das  Kamisol,  die  Hosen,  den  Mantel, 
den  Hut  nebst  Hutschnur  und  einer  weifsen  Feder,  die 
Handschuhe,  die  Strümpfe ;  zu  bezahlen  hatten  die  Grands 
Mousquetaires  in  den  ihnen  gemachten  Abrechnungen: 
das  Pferd,  den  Sattel  nebst  Pistolenhalftern,  die  Steig- 
bügel, die  Steigriemen,  den  Flintenriemen  und  den  Flinten- 
schuh, das  teutsche  Reitzeug  mit  Stangen,  die  Trense 
mit  Gebits,  die  Pferdedecke,  die  Stiefeletten,  das  Zelt. 

Über  die  Farbe  der  Montur,  welche  die  Grands 
Mousquetaires  trugen,  ist  keine  andere  Nachricht  auf- 
behalten, als  dafs  dieselben  gelegentlich  des  Königs  graue 
Musketierer  genannt  werden. 

Die  Grands  Mousquetaires  garnisonierten  in  Warschau 
und  im  'Monat  August  1699  erhielt  der  General  Graf 
Lewenhaupt  Auftrag,  das  Haus  in  der  Krakauer  Vor- 
stadt, das  zuvor  dem  Herrn  Podstolli  gehört,  umbauen  und 
zum  Hotel  der  Grands  Mousquetaires  einrichten  zu  lassen. 

Das  Hotel  war  im  April  1701  der  Schauplatz  einer 
Meuterei  gegen  den  General  Grafen  Lewenhaupt,  wobei 
als  Rädelsführer   der  Sous- Brigadier   Mr.  de  Rochefort 


318  Kleinere  Mitteilungen. 


auftrat.  Eines  Morgens  erschien  nämlich  der  General  im 
Hotel,  um  den  Grands  Mousquetaires  in  einer  Anrede 
das  Mißvergnügen  des  Königs  über  die  mit  Gewehr  und 
Equipage  geschehene  Desertion  von  zehn  der  Ihrigen 
auszudrücken.  Im  Weggehen  befahl  der  General,  sämt- 
liches Gewehr  im  großen  Saal  des  Hotels  zusammenzu- 
bringen und  daselbst  aufzubewahren.  Die  Grands  Mousque- 
taires sahen  dies  jedoch  als  eine  Entwaffnung  an,  und 
beim  Ablösen  der  Wache  verweigerten  die  aufziehenden 
Grands  Mousquetaires  das  Gewehr  zu  ergreifen,  bis  vom 
Könige,  in  dessen  Auftrage  ihnen  das  Gewehr  durch  den 
General  genommen  worden,  der  Befehl  erginge,  es  wieder 
aufzunehmen.  Am  folgenden  Tage  standen  jedoch  die 
Grands  Mousquetaires  nach  einem  durch  den  General 
Lewenhaupt  im  Namen  des  Königs  dreimal  erfolgten  An- 
ruf von  ihrer  Auflehnung  ab,  der  Sous-Brigadier  Mr.  de 
Kochefort  bat  um  Pardon,  und  man  erfährt  nicht,  welche 
weitere  Folgen  der  Vorfall  nach  sich  gezogen  hat. 

Nach  einer  Ordre  vom  18.  Mai  1700  sollten  wie  bei 
der  Garde  zu  Pferd  so  auch  bei  den  Grands  Mousque- 
taires die  Offiziere  den  Rang  haben:  der  Oberst  als 
Generalmajor,  der  Obristlieutenant  und  der  Major  als 
Obrist,  der  Rittmeister  als  Obristlieutenant,  der  Lieutenant 
als  Major,  der  Kornet  als  Kapitän. 

Im  Frühjahr  1700  war  der  Etat  des  Korps  der 
Grands  Mousquetaires: 

Stab: 

Colonel:  Le  General  Comte  Lewenhaupt, 

Lieut.-Colonels:   Le  Comte  Bethune,  Maurice  Comte  Lewenhaupt, 

Major:  Otto  Wrangel.    Cornet:  Mr.  de  Lütticau. 

Adjutant:  Mr.  Surlande. 

1  Qnartier-Maitre,  1  Auditeur,  1  Chirurgien,  1  Chapellain,  1  Tim- 
ballier, (i  Hautbois  (2  Bassons,  3  Hautbois,  1  Lattallie).  1  Sellier, 
1  Marechal,  1  Profous. 

Drei  Kompagnien: 

Capitaines:  Mr.  Lubienski,  Mr.  de  Malerarques,  Mr.  Walmotte  de 

Baudwen. 
Lieutenants:  Mr.  de  la  Costi,  Mr.  de  Fierville,  Mr.  de  Foyssar. 
Marechaux    des    logis:    Mr.    Dademas    Bousquet,    Mr.    de    Janus, 

Mr.  Bonafons. 
Brigadiers:  Mr.  de  la  Haie,  Mr.  Marats,  Mr.  la  Fernere, 
i»  Nous-  Brigadiers,  6  Tambours,  150  Grands  Mousquetaires. 

Unter  den  Grands  Mousquetaires  erscheinen  aufser 
den  Deutschen  (Schleinitz,  Seidlitz,  Wessenberg,   Man- 


Kleinere  Mitteihmgen.  319 

teuffei,  Tiesenhausen ,  Uexkül,  Korff,  Medem,  Brunnow, 
Kettler  etc.)  vorzugsweise  Franzosen  (Calverac,  Les- 
pinasse, Lavalette,  Chambon,  La  Bravere,  Dampierre, 
Bariset,  Layard  etc.)  und  einige  Polen  (Dombrowski, 
Litiski,  Binienski,  Zapandowski  etc.). 

Selten  übrigens  erreichte  das  Korps  den  Sollbestand, 
im  Juni  1701  waren  nur  80  Mousquetaires  vorhanden, 
worauf  der  König  diese  Garde  unter  Beibehält  des  Stabes 
auf  eine  Kompagnie  reduzieren  liefe.  Diese  in  drei  Bri- 
gaden eingeteilte  Kompagnie  sollte  der  Baron  Malerarques 
befehligen,  allein  bereits  im  August  wurden  die  Grands 
Mousquetaires,  gleich  den  Grenadiers  ä  cheval  und  den 
Carabiniers  der  Garde  du  Corps  einverleibt. 


Zu  den  Vorbereitungen,  welche  der  König  für  das 
im  Frühjahr  1730  bei  Zeithain  abzuhaltende  Campement 
traf,  gehörte  auch  die  Errichtung  eines  Korps  von  Grands 
Mousquetaires  unter  Kommando  des  Generalmajors  der 
Kavallerie  bei  der  sächsischen  Armee  Jacob  Alexander 
Fürst  Lubomirski  Graf  von  Wisnitz  und  Jaroslaw,  der 
Krone  Polen  Schwertträger,  auch  Generalmajor  bei  der 
königlich  polnischen  Kronarmee  und  Obrist  über  ein 
Regiment  Dragoner,  Ritter  des  Weifsen  Adlerordens. 

Das  Korps  bestand  nach  dem  am  20.  Januar  1730 
vom  König  unterzeichneten  Etat  aufser  dem  Stabe  aus 
einer  Kompagnie  polnischer  junger  Edelleute  und  einer 
Sachsen  -Weimarschen  Kadettenkompagnie  und  hatte 
folgenden  Etat: 

Stab: 
150  Thlr.  —  Gr.1)  der  Kommandant  Generalmajor  Fürst  Lubomirski 


40      „ 

— 

« 

der  Adjutant,    Christoph  Heinrich  Titzthum  von 
Eckstädt,  Major, 

30      „ 

— 

« 

der  Oberquartiermeister  Eschenbach, 

12      „ 

— 

fl 

der  Auditeur  Leiteritz, 

5     „ 

12 

w 

1  Fourier, 

5      . 

12 

1) 

1  Feldscheer, 

7      „ 

— 

*1 

1  Pauker, 

48      „ 

— 

« 

8  Hautbois  ä  6  Thlr., 

20      „ 

— 

n 

4  Tambours  ä  5  Thlr., 

5      „ 

— 

j) 

1  Schmied, 

5      „ 

— 

j) 

1  Sattler, 

5      „ 

— 

« 

1  Profos. 

333  Thlr 

.  — 

Gr. 

22  Köpfe. 

a)  Diese  und  die  folgenden  Zahlen  beziehen  sich  auf  den  monat- 
lichen Sold. 


•]2()  Kleinere  Mitteilungen. 

Die  erste   Kompagnie: 

90  Tlilr.  Kapitän  Wocislaus  Potocki,  Obrist, 

60     ..      Lieutenant  Caspar  Franz  von  Pirch,  Obristlieutenant, 

45     .     Souslieutenant  Tobias  Adrian  von  Rotenberg,  Major, 

:so     „     Fähnrich  Otto  Christoph  von  Sacken,  Kapitän, 

60     „        i  Sergeanten,  Goluchowski  und  Jackowski,  als  Kapitäns, 

30     ,,       1  Fahnenjanker,  von  Budberg,  als  Kapitän. 

60     „        I   Korporale,  Tempski,  Kowalski,  Siemanowski,  Zbyewski, 

als  Lieutenants, 
iso     „     60  Grands  Mousquetaires. 

S5Ö  Thlr771   Köpfe! 

Die  zweite  Kompagnie: 

90  Thlr.  Kapitän  von  Buttler,  Obrist. 

60      „      Lieutenant  von  Comanstein,  Obristlieuteuant, 

45     „     Souslieutenant  von  Aschersleben,  Major, 

30     „     Fähnrich  von  Wuthenan,  Kapitän, 

60     „       2  Sergeanten,  von  Passer,  von  Göchhausen,  als  Kapitäns. 

30      „        1  Fahnenjunker,  von  Franquinet,  als  Kapitän, 

60     „       4  Korporale,  von  Seebach,  von  Feilitzsch,  von  Wallenfels, 

von  Boxberg,  als  Lieutenants, 
480      „      60  Grands  Mousquetaires. 

856  Thlr.  71  Köpfe" 

Also  erforderte  der  Unterhalt  des  Korps  monatlich 
im  Ganzen  2043  Thaler. 

Hierüber  wurde  auf  je  zwei  Grands  Mousquetaires 
ein  Sattelknecht  zur  Wartung  der  Pferde  unterhalten, 
der  Betrag  für  diesen  Aufwand  jedoch  vom  Traktament 
der  Grands  Mousquetaires  abgezogen2). 

Die  polnische  Kompagnie  kam  im  Januar  aus  Warschau 
nach  Dresden  und  wurde  in  der  Ritterakademie  einquar- 
tiert, während  die  Sachsen -Weimarsche  Kompagnie  erst 
kurz  vor  dem  Zeithainer  Campement  eintraf. 

Was  die  Montur  betrifft,  so  trugen  die  Grands  Mous- 
quetaires paille  Westen  und  rote  Röcke  oder  en  parade 
statt  der  letzteren  rote  Superwesten,  in  welchen  auf  Brust 
und  Rücken  das  Motto:  Jehovah  (vexillum  meum)  in 
hebräischen  Buchstaben  mit  Silber  eingestickt  war8). 

Ebenso  zeigte  die  rotseidene  Estandarte  das  in  Silber 
eingestickte  Jehovah. 

Montur  und  Wehrgehenke  waren  reich  mit  Silber 
bordiert. 


-)  Wenn  das  Korps  marschierte,  formierten  die  rot  mit  gelb 
montierten  Sattelknechte  eine  geschlossene  Abteilung. 

8)  Ähnliche  Superwesten  trug  die  Chevaliersgarde,  doch  waren 
dieselben  blau,  mit  dem  in  Gold  eingestickten  Jehovah. 


Kleinere  Mitteilungen.  H2\ 

Die  Grands  Mousquetaires  rückten  am  15.  Mai  in 
das  Zeithainer  Campement,  nach  dessen  Beendigung  die 
Sachsen -Weimarsche  Kompagnie  nach  Weimar  zurück- 
kehrte, wodurch  deren  Beziehungen  zu  dem  Korps  der 
Grands  Mousquetaires  sich  vollständig  lösten. 

Die  polnische  Kompagnie,  welche  unter  Erhöhung 
des  Etats  der  Kompagnie  auf  80  Grands  Mousquetaires 
das  Korps  nun  allein  darstellte,  traf  am  9.  Juli  aus  dem 
Campement  wieder  in  Dresden  ein  und  bezog  in  der 
Neustadt  an  der  Elbe  anderweit  ein  Campement,  in 
welchem  dieselbe  mehrere  Wochen  stehen  blieb. 

Am  4.  August  liefs  der  König  die  Grands  Mous- 
quetaires auf  der  grofsen  Wiese  bei  Friedrichstadt  die 
Revue  passieren,  wobei  dieselben,  wie  ein  Augenzeuge 
versichert,  auf  ihren  munteren  Pferden  treffliche  Parade 
machten. 

Am  folgenden  Tage  marschierte  sodann  das  Korps 
nach  Warschau  ab  und  wurde  hier  erst  seiner  eigent- 
lichen Bestimmung,  der  Ausbildung  der  jungen  Leute  für 
den  Offiziersstand,  zugeführt4). 

In  dem  königlichen  Lustschlosse  Marieville  bei 
Warschau,  welches  man  zu  ihrer  Aufnahme  hergerichtet 
hatte,  wohnten  die  Grands  Mousquetaires  beisammen  unter 
der  Aufsicht  ihrer  Offiziere. 

Täglich  fanden  des  Morgens  und  des  Nachmittags 
Paraden  statt,  nach  deren  Beendigung  die  jungen  Leute 
sich  zu  ihren  Unterrichtsstunden  in  der  Geschichte,  der 
Moral,  der  fremden  Sprachen  und  anderen  Wissen- 
schaften, sowie  zu  den  Übungen  in  den  ritterlichen 
Exerzitien,  des  Tanzens,  Fechtens  und  Reitens  zu  be- 
geben hatten5). 


4)  Um  die  Mittel  zum  Unterhalt  des  Korps  der  Grand  Mous- 
quetaires aufzubringen,  geschah  der  seltsame  Vorschlag:  in  Polen, 
Litthauen  und  Kurland  den  Protestanten,  den  griechischen  und 
russischen  Beligionsvervvandten,  auch  den  Manisten,  freie  Religions- 
ühung  zu  verstatten,  unter  der  Bedingung,  dafs  ein  jeder,  sowohl 
der  Edelmann,  wie  der  Bürger  und  Bauer,  von  1000  Gulden  Ver- 
mögen jährlich  1  Gulden  zur  Kasse  der  Grands  Mousquetaires  ein- 
zahle. Dagegen  sollte  auch  Mchtkatholiken  der  Eintritt  in  das 
Korps  gestattet  sein,  jedoch  nur  zum  vierten  Teil. 

5)  In  dem  Projet  concernant  l'instraction  de  Messieurs  les 
Grands  Mousquetaires  du  Roi  war  den  Lehrern  grofse  Umsicht  im 
Verkehr  mit  den  jungen  Leuten  zur  Pflicht  gemacht.  Unter  anderem 
ist  gesagt:  ils  prendront  garde  de  ne  point  sortir  de  la  gravi  te,  qui 
leur   convient  dans  les   entretiens  familiers   et  les  liaisons   d'amitie, 

Neues  Archiv*  f.  S.  (J.  u.  A.    XVI.  3.  4.  ~1 


',)•>■>  kleinere  Mitteilungen. 

Abends  nach  dem  Zapfenstreich,  im  Winter  um 
8  Uhr,  im  Sommer  um  10  Uhr,  muiste  jeder  Grand 
Mousquetaire  sich  auf  seinem  Zimmer  befinden  und  war 
es  streng  verpönt,  Tabak  zu  rauchen,  um  Geld  zu  spielen, 
sich  zu  streiten  und  zu  schlagen,  oder  anderen  Unfug  zu 
treiben. 

Ein  Korporal  und  5  Grands  Mousquetaires  bezogen 
täglich  die  Estandarten-  und  Paukenwacht  beim  Kom- 
mandanten des  Korps.  Das  Exerzieren  wurde  fleiisig 
geübt,  und  bei  besonderen  Gelegenheiten  rückten  die 
Grands  Mousquetaires  nebst  anderen  Truppenteilen  mit 
aus,  wie  unter  anderem  bei  der  Feier  des  Erohnleich- 
namsfestes  zu  Warschau  im  Jahre  1732.  Auch  nahmen 
im  Monat  August  die  Grands  Mousquetaires  Teil  an  dem 
Campement  der  polnischen  Armee  am  Kaninchenberge 
bei  Czernichow0). 

Wenige  Monate  nach  diesem  Campement  verschied 
zu  Warschau  König  August  IL,  und  die  politischen 
Wirren,  welche  infolge  der  neuen  Königswahl  eintraten, 
führten  allmählich  zur  Auflösung  des  Korps  der  Grands 
Mousquetaires. 

Nachdem  ein  grofser  Teil  derselben  seine  Entlassung 
genommen  hatte,  liefs  der  am  5.  Oktober  als  August  III. 
zum  König  von  Polen  erwählte  Kurfürst  Friedrich  August 
die  wenigen  übrig  bleibenden  Grands  Mousquetaires  nach 
Dresden  kommen;  dieselben  traten  in  die  Verpflegung  aus 
der  sächsischen  Kriegskasse. 


qu'ils  pourraient  conti  acter  avec  eux.  Und  an  anderer  Stelle:  les 
Maitres  auront  soin  de  ne  leur  rien  enseigner,  qui  ne  tende  ä  les 
editier  et  ä  les  instruire.  Les  grands  exemples,  les  traits  choisis  de 
l'histoire,  les  reflexions  morales  et  autres  belles  maximes,  qu'ils  leur 
citeront,  concluront  toujours  ä  leur  reraettre  devant  les  yeux,  ce  qu'ils 
sont  nes  et  consequeraent,  ce  qu'ils  doivent  au  Roi,  ä  la  Patrie  et 
ä  eux  memes.  —  Widerspenstigkeit  der  jungen  Leute  sollten  die 
Lehrer  mit  aller  erdenklichen  Geduld  ertragen,  ehe  sie  zu  dem 
Äußersten  schritten,  Klage  bei  den  Vorgesetzten  zu  führen. 

Die  Grands  Mousquetaires  ihrerseits  waren  bei  Strafe  der 
Cassation  angewiesen,  sich  in  den  Stunden  fleifsig  und  sittsam  zu 
erweisen  und  die  Lehrer  nicht  zu  beleidigen. 

'')  Zu  diesem  Campement,  welches  für  die  polnische  Armee  das 
Pendant  zu  dem  Zeiiliainer  Campement  bildete,  waren  die  polnischen 
Magnaten  in  grol'ser  Anzahl  als  Gäste  des  Königs  geladen. 

Besonderes  Interesse  gewährten  unter  den  vorgenommenen 
Übungen  die  von  neun  polnischen  Ulanenkompagnien  ausgeführten 
Exercices  lanciers,  nach  deren  Beendigung  der  König  einen  Offizier 
und  einen  Reiter  im  Kürafs  nach  seinem  Pavillon  kommen  liefs,  um 
dieselben  den  Anwesenden  zu  zeigen. 


Kleinere  Mitteilungen.  323 

Nach  dem  Etat  aus  dem  Anfange  des  Jahres  1734 
gehörten  damals  zum  Korps  der  Grands  Mousquetaires: 

der  Kommandant:  Generalmajor  Fürst  Lubomirski, 

der  Lieutenant:  Obristlieutenant  von  Pirch,  welcher  im  Februar 

als  Obristlieutenant  zum  Dragoner-Regiment  Chevalier 

de  Saxe  versetzt  wurde, 
der  Adjutant:  Obristlieutenant  Vitzthum  von  Eckstädt,  welcher 

sodann  zu  den  neu  errichteten  Chevauxlegers  kam, 
der  Fähnrich:  Major  von  Sacken, 

2  Sergeanten:  die  Kapitäne  Goluchowski  und  von  Budberg, 
1  Fahnenjunker:  Kapitän  Siemanowski, 
4  Korporale;    die    Lieutenants    Zbyewski,    von    Powisch,   von 

Buttler  und  Krzypanowski, 
15  Grands  Mousquetaires:  fast  durchgehends  Deutsche  und  Kur- 

länder  (Medem,  Korff,  Sacken,  Brincken,  Vietinghoff  etc.). 

Binnen  kurzer  Frist  rückten  jedoch  nach  und  nach 
die  noch  vorhandenen  Unteroffiziere  und  Grands  Mous- 
quetaires als  Offiziere  bei  den  Regimentern  ein  und  in 
einer  Verordnung  an  das  Geheime  Kriegsrats-Kollegium 
vom  24.  Dezember  1735  ist  von  den  Grands  Mousquetaires 
nur  noch  als  von  einem  nicht  mehr  bestehenden  Korps 
die  Rede,  indem  es  daselbst  heifst:  dem  Generalmajor 
Fürsten  Lubomirski  sind  diejenigen  150  Thaler  monatlich, 
ingleichen  dem  Major  von  Sacken  diejenigen  40  Thaler 
monatlich,  welche  sie  bisher,  wegen  ihrer,  bei  dem  ehe- 
maligen Korps  der  Grands  Mousquetaires  gehabten  Plätze 
aus  der  General-Kriegskasse  extraordinarie  zu  geniefsen 
gehabt,  fortzureichen  und  im  Verpflegungs-Reglement  des 
Militäretats  mit  anzusetzen. 


21* 


Litteratur. 


Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae.  Im  Auftrage  der  Königl. 
Sachs.  Staatsregierung  herausgegeben  von  Otto  Posse  und  Hubert 
Ermisch.  Zweiter  Haupttheil.  X.  Band.  —  Urkundenbach  der 
Stadt  Leipzig.  III.  Band.  Herausgegeben  von  Joseph  Forste- 
mann.    Leipzig,  Giesecke  &  Devrient.    1894.    XII  und  422  SS.  4°. 

Den  beiden  ersten  von  dem  im  Jahre  1875  verstorbenen  Archi- 
var von  Posern-Klett  bearbeiteten,  1868  und  1870  erschienenen  Bänden 
des  Leipziger  Urkundenbuches,  welche  die  Urkunden  zur  Geschichte 
der  Stadt  und  des  Augustiner -Chorherrenstifts  zu  St.  Thomas  ent- 
hielten, ist  nunmehr  nach  25  Jahren  der  sehnlichst  erwartete  ab- 
schließende dritte  Band  gefolgt.  Derselbe  bringt  die  Urkunden  der 
drei  noch  ausstellenden  Klöster,  der  Benediktiner-Nonnen  zu  St.  Georg, 
der  Dominikaner  zu  St,  Pauli  und  der  Franziskaner  (Barfüfser), 
Nachträge  zu  allen  drei  Bänden  sowie  ein  ausführliches  Gesamt- 
register zu  denselben,  und  reiht  sich  seinen  Vorläufern  würdig  an. 
Der  Herausgeber  war  durch  seine  amtliche  Thätigkeit  an  der  Uni- 
versitätsbibliothek Jahre  lang  so  in  Anspruch  genommen,  dafs  er 
wenig  Mufsestunden  zur  Ausführung  dieser  Arbeit  fand;  es  kamen 
aber  auch  noch  andere  Umstände  hinzu,  welche  die  Vollendung  der- 
selben verzögerten.  Obwohl  bereits  Vorarbeiten  für  diesen  Band  von 
der  Hand  des  früheren  Bearbeiters  vorlagen,  so  stellte  sich  doch,  da 
inzwischen  für  den  Codex  dipl.  Sax.  neue  (übrigens  sehr  nötige) 
Editionsprinzipien  aufgestellt  worden  wraren,  die  Notwendigkeit  heraus, 
die  bereits  vorhandenen  Urkundenabschriften  einer  nochmaligen  Ver- 
gleichung  mit  den  Originalen  und  Durcharbeitung  zu  unterziehen, 
was  sich  bei  dem  damaligen  verwahrlosten  Zustande  des  Leipziger 
Katsarchivs,  aus  dem  das  Meiste  entnommen  war,  als  höchst  zeit- 
raubend erwies.  Einer  weiteren  langwierigen  Arbeit  unterzog  sich 
Förstemann ,  indem  er  die  Einbanddeckel  sämtlicher  Handschriften 
und  zahlreicher  alter  Drucke  der  Universitätsbibliothek  auf  eingeklebte 
Urkunden  hin  untersuchte,  eine  Mühe,  die  in  der  That  durch  manchen 
wichtigen  Fund  belohnt  wurde.  Ganz  besonders  schwierig  und  mühe- 
voll aber  war  die  Anfertigung  des  Registers  über  alle  drei  Bände, 
wodurch  überhaupt  das  ganze  Leipziger  Urkundenbuch  erst  wirklich 
nutzbar  gemacht  wird.  Dasselbe  umfafst  nicht  weniger  als  100  eng- 
gedruckte  Quartseiten  und  ist  mit  einer  erstaunlichen  Sorgfalt  und 
bis  ins  Einzelnste  gehenden  Genauigkeit  gemacht,  so  dafs  wir  es 
getrost  als  Muster  für  alle  später  erscheinenden  Bände  des  Codex 
dipl.  Sax.  hinstellen  können.  Nur  derjenige,  welcher  selbst  in  der 
Lage  war,  einer  ähnlichen  Arbeit  sich  unterziehen  zu  müssen,  ver- 


Litteratnr.  325 

mag  die  Bedeutung  einer  solchen  Leistung  mit  dem  richtigen  Mafs- 
stabe  zu  messen. 

Von  den  im  vorliegenden  Bande  mitgeteilten  400  Urkunden 
war  bisher  nur  etwa  der  zehnte  Teil  gedruckt;  es  ist  also  ein  statt- 
licher Prozentsatz  völlig  neuen  Materiales  geboten.  Von  weiter- 
gehendem Interesse  sind  namentlich  die  hier  abgedruckten  Urkunden 
zur  Geschichte  der  Auflösung  der  drei  Klöster  nach  der  Einführung 
der  Reformation;  auch  über  Tetzel  und  die  Stellung  des  Herzogs 
Georg  ihm  gegenüber  finden  sich  bisher  unbekannte  Nachrichten 
(No.  289  —  291).  Dazu  enthalten  die  Anmerkungen  eine  staunens- 
werte Fülle  von  erläuternden  und  der  Ergänzung  dienenden  Notizen 
aus  den  Stadtrechnungen,  der  Universitätsmatrikel  und  anderen  Quellen, 
deren  Beschaffung  einen  gewaltigen  Aufwand  von  Fleifs  zur  Voraus- 
setzung hat.  Dafs  No.  34  bereits  in  den  Geschichtsblättern  für  Stadt 
und  Land  Magdeburg  (12,  31  f.)  gedruckt  ist,  hat  Förstemann  über- 
sehen; die  Abschrift  gehört  auch  nicht,  wie  angegeben,  dem  sech- 
zehnten, sondern  dem  Ende  des  dreizehnten  Jahrhunderts  an.  Manche 
Mitteilungen  hätten  wohl  ohne  Schaden  und  zum  Nutzen  der  Über- 
sichtlichkeit wesentlich  kürzer  gefafst  werden  können ;  so  hätte  es 
z.  B.  völlig  genügt,  wenn  die  Urkunden  No.  209  —  211,  deren  Abdruck 
2Va  Seiten  in  Anspruch  nimmt,  in  kurzen  Regesten  in  der  An- 
merkung zu  No.  205  aufgeführt  wurden.  Ebenso  wäre  manche  nichts- 
sagende, hier  vollständig  abgedruckte  Formel  besser  ganz  ausgelassen 
worden.  Im  Regest  zu  No.  2  und  4  ist  das  urkundliche  apnd  Ra- 
vennam  und  apud  Veronam  durch  „bei  Ravenna"  und  ,,bei  Verona" 
wiedergegeben  worden,  was  leicht  zu  Mifsverständnissen  führen  kann 
und  mir  nicht  empfehlenswert  erscheint.  Der  Gebrauch  von  apud  in 
der  Datierungsformel  ist  sehr  schwankend.  Es  ist  nicht  zu  be- 
streiten, dafs  durch  diese  dem  Ausstellungsort  vorangesetzte  Prä- 
position vielfach  ausdrücklich  ein  Schlofs  oder  Burg  neben  demselben 
bezeichnet  werden  soll;  so  sind  die  apud  Grimme  datierten  mark- 
gräflichen Urkunden  ohne  Zweifel  auf  dem  an  die  Stadt  anstofsenden 
Schlosse  ausgestellt1).  Doch  wird  oft,  auch  wo  unzweifelhaft  nur  das 
Schlofs  in  Frage  kommt,  der  einfache  Ortsname  gesetzt,  wie  dies 
ja  auch  heutiger  Anschauung  entspricht.  Dafs  apud  indessen  auch 
vielfach  nichts  anderes  als  „in",  „zu"  bedeutet,  dafür  lassen  sich 
zahlreiche  Beispiele  anführen,  unter  denen  wir  ein  besonders  lehr- 
reiches hervorheben  wollen.  Zahlreiche  Urkunden  Heinrichs  des 
Erlauchten  sind  ausgestellt  apud  Tarantum  (abwechselnd  mit  Tarant 
ohne  Beisatz),  worunter  nur  das  Schlofs  verstanden  werden  kann 
(vergl.  auch  Cod.  dipl.  Sax.  II,  12  No.  31:  Datum  apud  castriun 
nostrum  Tharant),  da  es  damals  einen  Ort  Tharandt  überhaupt  noch 
nicht  gab.  Vergl.  im  Übrigen  auch  Brinckmeier,  Glossar,  dipl.  s.  v. 
apud.  —  Unter  den  Nachträgen  zum  ersten  Bande  wären  auch  Mit- 
teilungen aus  den  älteren  Stadtrechnungen,  namentlich  den  Wachs- 
tafeln erwünscht  gewesen.  Es  bleibt  also  in  dieser  Hinsicht  für 
einen  zweiten  Band  der  von  G.  Wustmann  herausgegebenen  Quellen 
zur  Geschichte  Leipzigs  noch  reicher  Stoff  übrig.  Die  unter  No.  396 
abgedruckte  Willkür  über  die  Gerade  läfst  sich  noch  genauer  „vor 
1395"  datieren,   da  dieselbe  in  der  Grimmaischen  Willkür  von  1395' 


')  Die  Lage  des  innerhalb  der  Ringmauern  befindlichen,  aber 
abseits  von  den  übrigen  Häusern  der  Stadt  gelegenen  Nonnen- 
klosters wird  bezeichnet  apud  civitatem  Grimme,  mehrfach  sogar 
prope  Grimme. 


326  Litteratur. 

Februar  16  (jetzt  neu  gedruckt  Cod.  dipl.  Sax.  11,  15  No.  60)  an- 
gezogen ist.  —  Im  Vor hc  rieht  durfte  bei  der  Anführung  der  be- 
nutzten Ratsbücher  ein  Hinweis  auf  die  ausführliche  Beschreibung 
derselben,  welche  Ermisch  in  dieser  Zeitschrift  X,  177  ff.  gegeben 
hat,  nicht  fehlen.  Sehr  zu  bedauern  ist.  dafs  dem  Baude  keine 
Tafeln  mit  Abbildungen  der  Siegel  der  Konvente  und  Vorsteher  der 
drei  Klöster  beigegeben  sind;  auch  Beschreibungen  derselben  fehlen 
ganz.  Bei  dieser  Gelegenheit  hätte  auch  das  im  ersten  Bande  nicht 
abgebildete  kleine  Stadtsiegel,  welches  sieb  an  einer  Urkunde  von 
l:;."v4  (Orig.  Hauptstaatsarchiv  Dresden  No.  335»),  jetzt  gedruckt  Cod. 
dipl.  Sax.  II,  15  No.  339)  befindet,  reproduziert  werden  müssen. 

Zum  Schlufs  nun  noch  eine  Bemerkung  allgemeiner  Natur.  Der 
vorliegende  Band  kostet  im  Buchhandel  20  Mark,  die  bisher  er- 
schienenen Bände  des  Codex  dipl.  Sax.  reg.,  zusammen  416,  20  Mark. 
Dies  ist  ein  so  hoher  Preis,  dafs  nur  grölsere  Bibliotheken  die  An- 
schaffung sich  gestatten  können.  "Wenn  ich  seiner  Zeit  (Wissen- 
schaftliche Beilage  zur  Leipziger  Zeitung  1893  No.  10)  den  Mangel 
an  Interesse  für  sächsische  Geschichte  in  unserem  engeren  Vater- 
lande beklagt  habe,  so  ist  nicht  zum  geringsten  Teile  der  Umstand 
schuld,  dafs  dieses  Werk  wohl  meist  in  den  Schul-  und  Vereins- 
bibliotheken fehlt,  der  Privatmann  aber  in  der  Regel  nicht  in  der 
Lage  sich  befindet,  ein  Kapital  für  eine  Urkundensammlung  auszu- 
geben. Die  scharfen,  aber  treffenden  Bemerkungen  Heinrich  Wuttkes 
über  diesen  Mifsstand  (Schriften  des  Vereins  für  die  Geschichte 
Leipzigs  1  [1872],  104)  haben  noch  heute  volle  Giltigkeit. 

Dresden.  Ludw.  Schmidt. 


Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der  sächsischen  Landes- 
kirche. Neun  Vorträge  in  der  Gehestiftung  zu  Dresden  im  Herbste 
1893  gehalten  von  Prof.  Dr.  Georg  Müller,  Oberlehrer  am  Wet- 
tiner  Gymnasium  zu  Dresden.  Mit  Anmerkungen  und  Beilagen. 
Erster  Teil.  (A.  u.  d.  T. :  Beiträge  zur  sächsischen  Kirchengeschichte, 
herausgegeben  von  Dibelius  und  Brieger.  Neuntes  Heft.)  Leipzig, 
Barth.    1894.     2  Bll.     272  SS.    8°. 

Der  Verfasser,  der  sich  schon  seit  Jahren,  wie  auch  diese  Blätter 
mehrfach  bezeugen,  mit  sächsischer  Kirchengeschichte  beschäftigt 
bat.  war  einer  Aufforderung,  in  der  zu  Dresden  bestehenden  „Gehe- 
stiftung" einen  Cyklus  von  Vorträgen  über  „Verfassungs-  und  Ver- 
waltungsgeschichte der  sächsischen  Landeskirche"  zu  halten,  um  so 
lieber  nachgekommen,  als  er,  und  zwar  mit  Recht,  hoffen  durfte, 
denjenigen  seiner  Zuhörer,  welche  irgend  an  der  Verwaltung  der 
Kirche  beteiligt  seien,  durch  Darlegung  von  dem  Entwicklungsgange 
des  gesamten  sächsischen  Kirchenwesens  bis  auf  die  Gegenwart 
praktisch  nützlich  zu  werden,  in  allen  Zuhörern  aber  das  kirchliche 
Interesse  anzuregen  und  zu  fördern.  Diese  Vorträge,  jedenfalls  noch 
erweitert  und  mit  litterarischem  Nachweis  reich  ausgestattet,  werden 
jetzt  durch  Abdruck  in  den  „Beiträgen  zur  sächsischen  Kirchen- 
geschichte" auch  noch  einem  grösseren  Publikum  zugänglich  gemacht, 
und  zwar  enthält  das  vorliegende  Heft  die  ersten  fünf  jener  neun 
Vorträge. 

In  Vortrag  II  behandelt  der  Verfasser  die  Entstehung  und  all- 
mähliche  Entwicklung    des    „landesherrlichen    Kirchenregi- 


Litteratur.  327 

ments"  in  Sachsen,  welche  vorbildlich  geworden  ist  für  die  ge- 
samte evangelische  Kirche  Deutschlands,  da  Sachsen  ja  die  Wiege 
der  Reformation  war.  Anknüpfend  an  die  schon  im  späteren  Mittel- 
alter sich  geltend  machenden  Anschauungen,  dafs  die  Landesherren 
als  „Notbischöfe"  und  als  „die  vornehmsten  Glieder  der  Kirche"  zu 
betrachten  seien,  welche,  als  solche  „das  weltliche  Schwert"  zu 
führen  haben,  hielten  sich  die  Wettiner  Fürsten,  von  den  Reforma- 
toren selbst  dazu  angefeuert,  für  verpflichtet,  ihr  Schutzrecht  über 
die  Kirche  in  ihren  Ländern  dadurch  zu  üben,  dafs  sie  bei  der  ab- 
soluten Unthätigkeit  der  Bischöfe  und  des  gesamten  Klerus  die 
bessernde  Hand  selbst  anlegten  an  die  Schäden,  an  denen  allgemein 
zugestandener  Weise  die  Kirche  allenthalben  litt.  Die  rechtliche 
Begründung  dieses  landesherrlichen  Einschreitens  übernahmen  die 
theologisierenden  Juristen  und  erörterten  nun  weitläufig  die  Vorzüge 
des  sogenannten  „Episkopal-"  oder  „Territorial-  und  Kollegialsystems", 
desgleichen  das  Recht  der  Fürsten  circa  Sacra  oder  auch  in  Sacra. 
Jn  Kursachsen  ging  die  landesherrliche  Kirchengewalt  nach  dem 
Übertritt  Augusts  des  Starken  zum  Katholizismus  über  auf  „die  in 
evangelicis  beauftragten  Minister"  und  wurde  je  länger  je  mehr  be- 
einflufst  auch  durch  die  Landstände,  welche  für  die  finanziellen  Be- 
dürfnisse der  Kirche  mit  aufzukommen  hatten.  —  Auch  in  Betreff  der 
die  Kirche  verwaltenden  „Behörden"  (Vortrag  III)  knüpfte  man 
überall  an  die  bestehenden  Verhältnisse  an,  behielt  fast  überall  die 
bisherigen  Parochien,  ja  sogar  die  ehemaligen  erzpriesterlichen 
Sprengel  (sedes)  bei,  nur  dafs  in  den  letzteren  die  Aufsicht  über  den 
Klerus  und  das  kirchliche  Wesen  jetzt  „Superintendenten"  übertragen 
wurde,  die  ihren  Amtssitz  an  denjenigen  Orten  angewiesen  erhielten, 
wo  sich  auch  die  weltliche  Verwaltung  des  „Amtmanns"  befand. 
Von  dem  Versuche,  auch  „Generalsuperintendenten"  einzusetzen,  sah 
man  alsbald  wieder  ab  und  schuf  in  den  einzelnen  Landesteilen 
„Konsistorien",  über  welche  später  noch  ein  „Oberkonsistorium"  ge- 
stellt wurde.  Seit  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  ging  die  Entschei- 
dung wichtiger  kirchlicher  Angelegenheiten  an  die  schon  erwähnten 
„in  evangelicis  beauftragten  Minister",  seit  1873  aber  an  „das  evan- 
gelische Landeskonsistorium"  über.  —  Der  uns  zugemessene  Raum 
verhindert  uns,  auch  auf  die  höchst  interessanten  Ausführungen  des 
IV.  und  V.  Vortrags  über  die  „Kirchenvisitationen  und 
Kirchenordnungen"  und  über  alle  die  Veranstaltungen,  welche 
die  Erhaltung  des  „unverfälschten  Luthertums"  zum  Zwecke 
hatten  (Konkordienformel ,  Religionseid,  Zensur),  ausführlich  ein- 
zugehen. 

Obgleich  dem  Verfasser  für  seine  Darstellungen  eine  fast  über- 
reiche Litteratur  zu  Gebote  stand,  die  er  gewissenhaft  benutzt  hat, 
so  begnügte  er  sich  doch  keineswegs  mit  derselben,  sondern  bringt, 
zumal  aus  den  zahlreichen  Aktenbänden  des  Dresdner  Hauptstaats- 
archivs, unendlich  viel  neues  Material  bei,  durch  welches  bisher  schon 
Bekanntes  vervollständigt  und  die  einzelnen  Mafsnahmen  der  Re- 
gierung veranschaulicht,  erläutert,  gerechtfertigt  werden.  Hierbei 
übt  er  die  oft  recht  schwere  Selbstbeschränkung,  selbst  von  den 
mühsam  aufgefundenen  neuen  Thatsachen  nur  soviel  mitzuteilen,  als 
zur  Aufhellung  bisher  minder  klarer  Verhältnisse  nötig  ist.  —  Wir 
freuen  uns,  seiner  Zeit  auch  über  die  noch  übrigen  vier  Vorträge  be- 
richten zu  können. 

Dresden.  Hermann  Knothe. 


,ijs  Litteratur. 

Versuch  einer  Geschichte  «1er  Meil'snischen  Lande  in  den  ältesten 
Zeiten.  Von  P.  Frdr.  Karl  Reichardt.  Beilage  zum  52.  Bericht 
über  das  Kgl.  Realgymnasium  nebst  Progymnasium  zu  Annaberg. 

1895.     28  SS.    4°. 

Reichardt  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  über  obigen  hoch- 
wichtigen Stoff  die  bisherigen  zahlreichen  Spezialforschungen  kritisch 
zusammenzufassen.  Mit  anerkennenswerter  Vorsicht  verneint  er  die 
Frage  nach  keltischer  und  finnischer  Urbevölkerung,  wofür  weder  ernste 
sprachliche  Gründe,  noch  genügend  erkennbare  Sagenbeziehungen  vor- 
handen sind,  und  entscheidet  sich  (S.  4)  nach  den  frühsten  Gräber- 
funden für  Germanen.  Es  waren  Hermunduren-,  dafs  sie  aber  an- 
fangs östlich  der  Elbe  aufgetreten  wären,  ist  mir  unsicher.  Um 
dies  zu  beweisen  genügt  nicht  Reichardts  Bemerkung,  dafs,  falls 
die  Elbe  zwichen  Semnonen  (rechts)  und  Hermunduren  (links)  fliefse, 
Velleius  Paterculus  „wahrscheinlich  interfluit  [statt  praeterfluit:  Albis 
Semnonum  Hermundurorumque  fines  praeterfluit]  geschrieben  haben 
würde",  weil  das  bei  Tacitus  so  vorkomme  (S.  5);  sondern  Keiehardt 
hätte  den  negativen  Beweis  erbringen  müssen,  dafs  „praeterfluere", 
und  zwar  gerade  in  augusteischer  Zeit,  niemals  „vorüberfliefsen"  im 
Sinne  von  „dazwischenhinfliefsen"  bedeuten  könne.  Andernfalls  wird 
man  die  Annahme  vorziehen  müssen,  dafs  die  Hermunduren  auch 
schon  zu  Augustus  und  Tiberius  Zeit  links  der  Elbe  safsen,  wo  wir 
sie  in  sonstigen  Quellen  linden;  auch  müfstc  jene  Westwärtsbewegung, 
wenn  sie  durch  den  Cimbernvorstofs  verursacht  sein  soll,  wenigstens 
im  1.  .Jahrhundert  vor  Chr.  erfolgt  sein  und  wir  würden  nicht  V,  Jahr- 
hunderte später,  zu  Velleius  Zeiten,  wie  Reichardt  meint,  die  Her- 
munduren noch  östlich  der  Elbe  finden.  Zu  Kirchhofs  Behauptung 
über  die  völlige  Identität  der  Hermunduren  und  Thüringer  vergl 
Zeitschr.  d.  Ver.  f.  Thüiing.  Gesch.  XII  (1H841,  97  f.,  betreffs  der  Vor- 
gänge im  thüringischen  Königshause  vor  dem  Untergange  des  Reiches 
ebenda  XI  (1883),  275  f.,  286  f.,  und  betreffs  der  Vernichtungsschlacht 
bei  Runibergun  XV  (1891),  337  f.,  bes.  379,  383  f.  Reichardt  handelt 
dann  über  die  Besitznahme  und  Besiedlung  durch  die  Sorben,  wobei  er 
sich  gegen  Schurz'  Behauptungen  und  kühne  Konstruktionen  von  einer 
dichteren  Besiedlung  des  Erzgebirges  und  Bergbaubetrieb  durch  die 
Slaven  erklärt  (S.  16),  da  nach  Heys  Forschungen  das  Erzgebirge 
nur  dünne  slavische  Bevölkerung  besafs.  In  gleicher  Weise  tritt  er 
auch  der  besonders  von  Platner  vertretenen  Ansicht  entgegen  (8.  20), 
dafs  unter  den  Slaven  nicht  unbeträchtliche  Reste  von  Germanen 
weiter  bestanden;  die  aus  wenigen  geographischen  Namen  (Nimbschen, 
Nehmitz  s.  v.  a.  -Siedlung  der  Deutschen,  Hwerenofelda  oder  Guerena- 
veldo,  Miriquidui)  beigebrachten  Gründe  gedingt  es  ihm  auch  mit  grofser 
Wahrscheinlichkeit  zu  widerlegen.  In  der  Ansetzung  des  Hwerena- 
felds  (vergl.  dazu  auch  noch  Gröfsler,  N.  Mitth.  aus  dem  Gebiete 
hist.-antiquar.  Forschungen  XVI,  409)  nicht  auf  das  östliche  Saale- 
ufer, sondern  auf  das  linke  westliche  (S.  2.'5),  kann  ich  ihm  nicht  bei- 
stimmen. Ob  in  dem  Chron.  Moissiacense  („ipse  [Karolus]  movit 
exercitum  suum  ultra  Sala  super  Hwerenaveldo")  das  „super"  be- 
deutet „nach  dem  Hwer..  gegen  das  Hwer.",  oder  „über  das  Hwer. 
hinaus",  ist  für  die  Lage  gleich;  jedenfalls  kam  in  der  Marsch- 
richtung erst  die  Saale,  dann  Hwerenaveldo.  Man  darf  also 
nicht  --  die  Stellung,  wie  Reichardt,  umdrehend  —  übersetzen:  „er 
führte  sein  Heer  über  Hwer.  hinaus  und  über  die  Saale",  sondern 
„Über  die  Saale  nach  Hwer."  (bez.  über  Hwer.  hinaus).  —  Angenehm 


Litteratur.  329 

berühit  es,  dafs  Reichardt,  der  fast  durchweg  mit  vielumstrittenen 
Fragen  zu  tliuu  hat,  in  dem  oft  schroff  sich  widerstreitenden  An- 
sichtengewirr sich  bestrebt  hat,  unbefangen  prüfend  sich  ein  Urteil 
zu  bilden  und  es  auch  in  sachlicher,  von  Polemik  möglichst  freige- 
haltener Weise  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Die  Schrift  kann  also  ihre 
Bestimmung,  einen  zusammenfassenden  Überblick  zu  geben,  trotz 
einiger  in  Einzelheiten  zu  machenden  Ausstellungen  recht  wohl 
erfüllen. 

Dresden.  W.  Lippert. 


Die  Gefangennahme  Herzog  Heinrichs  von  Brnunsehweig  durch 
den  schmalkaldischen  Bund  (1575).    Von  Dr.  Erich  Brandenburg. 

Leipzig,  Eock.    1894.    74  SS.    8°. 

Verfasser,  der  an  einer  ausführlichen  Biographie  des  Kurfürsten 
Moritz  arbeitet,  hat  sich  gerade  den  braunschweigischen  Feldzug 
offenbar  deshalb  zur  Vorstudie  gewählt,  weil  derselbe  sowohl  für 
den  politischen  Entwickelungsgang  des  Albertiners  als  auch  für  den 
Verlauf  des  schmalkaldischen  Krieges  mafsgebende  Bedeutung  er- 
langt hat.  Der  Sachverhalt  ist  ein  ziemlich  verwickelter  und  es  ist 
mir  fraglich,  ob  das  Dunkel  überhaupt  völlig  aufgeklärt  werden 
kann,  da  es  sich  gröfstenteils  um  mündliche  Verhandlungen,  die  erst 
später  und  in  verschiedenen  stark  von  einander  abweichenden  Dar- 
stellungen schriftlich  fixiert  wurden,  und  um  eine  so  schwer  erkenn- 
bare Persönlichkeit  wie  Moritz  handelt.  Doch  möchte  ich  mit  dieser 
mir  durch  die  Beschaffenheit  des  Quellenmaterials  aufgezwungenen 
Reserve  eher  für  Brandenburg  als  für  die  von  ihm  bekämpften  Aus- 
führungen Ifsleibs  mich  aussprechen.  Aber  bei  aller  Anerkennung 
der  klaren  Darstellung  und  der  logischen  und  vorsichtigen  Scblufs- 
folgerungen  Brandenburgs  halte  ich  sein  herbes  Urteil  über  Ifsleib 
für  ungerechtfertigt.  Wenn  letzterer  sich  zur  Aufgabe  macht,  die 
fast  unübersehbaren  Akten  des  Dresdner  Archivs  durchzuarbeiten 
und  die  Gelehrten  mit  ihrem  Inhalt  vertraut  zu  machen,  so  finde  ich 
es  ganz  natürlich,  dafs  derartige  Skizzen  schwerfälliger  und  weit- 
läufiger ausfallen  als  kritische  Untersuchungen  einzelner  interessanter 
Episoden.  Aber  damit  ist  noch  lange  nicht  gesagt,  dafs  solche 
Studien  „nur  eine  Aneinanderreihung  von  Exzerpten,  aber  keine 
Untersuchung"  sind,  dafs  sie  „eine  eingehende  kritische  Durch- 
arbeitung ganz  vermissen  lassen/'  Wenn  ifsleibs  Arbeiten  wirklich 
so  vollkommen  dieser  letzteren  Eigenschaft  entbehrten,  so  würden 
sie  nicht  für  den  Geschichtsforscher  jener  Periode  die  wertvolle  ur- 
kundliche Grundlage  bilden,  als  welche  sie  wohl  allgemein  anerkannt 
werden;  denn  dann  würde  es  bei  der  grofsen  Masse  der  handschrift- 
lichen Schätze  nicht  möglich  gewesen  sein,  derartig  wesentliches  von 
unwesentlichem  zu  scheiden. 

Der  Hauptunterschied  zwischen  Ifsleib  und  Brandenburg  ist 
folgender:  Nach  ersterem  erscheint  Moritz  als  das  willenlose  Werk- 
zeug Philipps  von  Hessen,  welcher  den  Herzog  von  Braunschweig 
während  des  noch  unentschiedenen  Kampfes  in  sein  Lager  gelockt 
und  dort  gefangen  genommen  hat.  Diese  Annahme  stützt  sich  auf 
einen  offiziellen  sächsischen  Bericht,  in  welchem  Moritz  den  Land- 
grafen von  Hessen  zur  Freilassung  Heinrichs  auffordert,  weil  er  in 
den  der  Gefangennahme  vorausgehenden  Verhandlungen  dem  Braun- 


330  Litteratur. 

Schweiger  mit  Philipps  Ermächtigung  ein  besseres  Schicksal  in  Aus- 
sicht gestellt,  habe.  Demgegenüber  weist  Brandenhurg  darauf  hin, 
dafs  die  betreffende  Stelle  dieses  Aktenstücks  erst  nachträglich  hinein- 
korrigiert und  absichtlich  unklar  gehalten  ist,  und  dais  der  ganze 
Bericht  nicht  so  grofse  Glaubwürdigkeit  verdient,  wie  zwei  parallele 
hessische   1  »arstellungen. 

Der  Sachverhalt  stellt  sich  nach  Brandenburgs  Ausführungen, 
die  sich  auf  eine  kritische  Erörterung  aller  vorliegenden  (Quellen 
aufbauen,  folgendermaßen:  Nach  dem  Rücktritt  des  älteren  Karlowitz 
batte  die  Politik  des  jungen  Sachsenherzogs  einen  schwankenden 
Charakter  angenommen.  In  der  Meinung,  dafs  Herzog  Heinrich  den 
Krieg  in  Feindesland  tragen  und  nach  Hessen  einfallen  würde,  ver- 
sprach Moritz  seinem  Schwiegervater  Beistand  gegen  etwaige  An- 
griffe und  zog  anfang  Oktober  mit  einem  Heerhaufen  nach  Thüringen. 
Wider  Erwarten  der  Gegner  hatte  jedoch  Heinrich  sich  auf  die 
Wiedereinnahme  seines  Stammlandes  beschränkt,  so  dafs  Moritz  sich 
vor  die  Alternative  gestellt  sah,  entweder  umzukehren  oder  als 
Alliierter  des  schmalkaldischen  Bundes  gegen  den  Braunschweiger, 
mit  dem  er  bisher  nicht  die  mindeste  Differenz  gehabt,  zu  fechten. 
In  dieser  unangenehmen  Lage  verfiel  er  auf  die  Idee,  zwischen  den 
streitenden  Parteien  eine  Vermittelung  zu  versuchen.  Heinrich,  sich 
seiner  schwierigen  militärischen  und  finanziellen  Lage  bewufst,  war 
zum  Vergleich  bereit,  Philipp,  der  überdies  vom  schmalkaldischen 
Bunde  hierzu  nicht  ermächtigt  war,  prinzipiell  zum  Kampfe  ent- 
schlossen, jedoch  mit  Rücksicht  auf  Moritz  geneigt,  statt  eine  An- 
näherung abzulehnen,  dem  Braunschweiger  unannehmbare  Offerten 
zu  machen;  besonders  verlangte  der  Landgraf,  dafs  sich  Heinrich 
seinem  Schwiegersohn  als  Gefangener  stellen  sollte.  Obgleich  Moritz 
die  Ansieht  Philipps  kannte,  täuschte  er  Heinrieh  über  die  wahre 
Sachlage  hinweg;  er  schwächte  die  gestellten  Friedensbedingungen 
zum  Teil  ab  und  schilderte  Philipp  als  zur  Verständigung  geneigt. 
Anfänglich  erhielt  Moritz  dadurch  etwas  Luft,  dafs  Heinrich  auch 
diese  modifizierten  Forderungen  ablehnte.  Als  dessen  Obersten  aber 
auf  der  Annahme  der  Bedingungen  bestanden,  berichtete  Moritz  im 
persönlichen  Gespräche  dem  Braunschweiger,  dafs  jetzt  Philipp  nicht 
mehr  bei  seinen  früheren  Wünschen  stehen  bleibe,  sondern  Heinrichs 
Ergebung  verlange.  Als  er  ihm  Philipps  Forderung  als  harmlos 
hinstellte  und  seine  Verwendung  für  Heinrich  versprach,  lief«  sich 
der  Braunschweiger  überreden,  in  das  Bundeslager  mit  Moritz  hinüber- 
zureiten. 

I  >as  ist  ungefähr  der  Inhalt  der  Ausführungen  Brandenburgs. 
Hiernach  wäre  Moritz  nicht  der  Betrogene,  sondern  der  Betrüger 
gewesen;  seine  Haltung  wäre  seiner  unsicheren  Lage  entsprungen 
und  diese  wieder  hätte  in  der  Halbheit  und  Unsicherheit  seines 
Standpunktes  sowie  in  der  noch  mangelnden  politischen  Reife  ihre 
Ursache  gehabt.  Diese  Charakterisierung  des  Herzogs  Moritz  ist 
keineswegs  einwandfrei.  Zunächst  ist  das  unbestimmte,  schwankende, 
nach  beiden  Seiten  spähende  Wesen  ein  Zug,  der  durchaus  nicht  bloß 
in  der  Jugend  des  Herzogs,  sondern  in  hohem  Mafse  auch  in  seiner 
späteren  Laufbahn  hervortritt,  und  gerade  diese  Eigenschaft  macht 
sowohl  in  den  letzten  Jahren  als  auch  in  der  vorliegenden  Frage 
die  Erörterung  der  letzten  Ziele  des  Albertiners  so  schwierig. 
Dann  aber  scheint  mir  die  Situation,  in  welche  sieh  Moritz  durch 
seinen  Zu:;'  nach  Thüringen  begeben  hatte,  durchaus  nicht  so  prekär 
gewesen    zu    sein,    dafs    er  nur  mit  Hilfe  solcher  Kunstgriffe    sich 


Litteratur.  331 

herauszuwinden  genötigt  war;  wenn  er  fest  entschlossen  gewesen 
wäre,  sich  auf  die  Verteidigung  hessischen  Gebiets  zu  beschränken, 
so  wäre  es  auch  einem  minder  geschickten  Diplomaten  gelungen,  sich 
in  der  öffentlichen  Meinung  reinzuwaschen.  Viel  natürlicher  ist  die 
Annahme,  dafs  Moritz  durch  seine  anfängliche  Beteiligung  und  dann 
durch  seine  Vermittelungsversuche  das  Spiel  in  die  Hand  bekommen 
und  sich  beide  Parteien  verpflichten  wollte,  um  je  nach  der  Ent- 
wicklung der  Dinge  sich  auf  diese  oder  jene  Seite  zu  schlagen. 
Dabei  deuten  einige  Anzeichen  darauf  hin,  dafs  Moritz  gehofft  hat, 
bei  dieser  Gelegenheit  den  Landgrafen  von  Hessen  mit  dem  schnial- 
kaldischen  Bunde,  besonders  dem  Kurfürsten  Johann  Friedrich,  zu 
entzweien.  Durch  ein  solches  Motiv  würde  sich  wenigstens  die  sub- 
tile Unterscheidung  zwischen  Philipp,  dem  Mitglied  der  Erbeinung, 
und  Philipp  dem  Bundesfeldherrn  viel  besser  erklären  lassen, 
als  durch  die  von  Brandenburg  angenommene  politische  Naive- 
tät  des  Sachsenherzogs,  welche,  man  mag  über  Moritz'  Begabung 
urteilen  wie  man  will,  sonst  nicht  gerade  als  eiue  Eigenschaft  dieses 
Mannes  zu  bezeichnen  ist. 

Freiburg  i.  B.  Gustav  Wolf. 


Deutsche  Geschichte   im   Zeitalter   der  Gegenreformation    und 
des  dreißigjährigen  Krieges   (1555—1648).     Von  Moriz  Ritter. 

2.  Band:  1586— 1618.     Stuttgart,    Cotta,   1895.    X  und  482  SS.  8". 

Mit  dem  zweiten  Teile  seiner  Deutschen  Geschichte  ist  Ritter  an 
die  Schwelle  des  grofsen  Krieges  gelangt,  und  so  haben  wir  zum 
ersten  Male  aus  der  Feder  eines  unserer  tüchtigsten  Reformations- 
historiker in  zwei  mäfsig  starken  Bänden  eine  knappe  zusammen- 
fassende Darstellung  eines  bisher  äufserst  stiefmütterlich  behandelten 
Zeitraums  erhalten.  Und  doch  ist  es  nicht  die  glückliche  Kodifikation 
des  in  zahlreichen  Monographieen  verstreuten  Stoffes,  was  die 
Hauptbedeutung  des  Werkes  ausmacht;  vielmehr  wünschen  und  hoffen 
wir,  dafs  Ritters  Deutsche  Geschichte  eine  vielseitigere  und  vertieftere 
Auffassung  der  damaligen  Persönlichkeiten  und  Verhältnisse  zur 
Folge  haben  wird. 

Die  Entwicklung,  welche  die  Geschichtsschreibung  der  deutschen 
Gegenreformation  in  den  letzten  60  Jahren  genommen  hat,  ist  einer 
gerechten  Verteilung  von  Licht  und  Schatten,  einer  genügenden 
gleichmäfsigen  Würdigung  aller  in  Betracht  kommender  Faktoren 
ungünstig  gewesen.  Als  Ranke  seine  Abhandlung  „Zur  Deutschen 
Geschichte"  schrieb,  teilte  er  die  Zeit  zwischen  dem  Augsburger 
Religionsfrieden  und  dem  dreifsigj  ährigen  Kriege  in  zwei  nur  lose 
zusammenhängende  Abschnitte  „Über  die  Zeiten  Ferdinands  1.  und 
Maximilians  IL"  und  „Von  der  Wahl  Rudolfs  IL  bis  zur  Wahl 
Ferdinands  IL";  in  jenem  legte  er  das  Hauptgewicht  auf  die  nach 
dem  Augsburger  Religionsfrieden  eingetretene  Beruhigung  Deutsch- 
lands, schilderte  die  persönlichen  Beziehungen  der  Fürsten,  insbesondere 
Ferdinands,  und  hob  hervor,  wie  die  Österreicher  Katholiken  und 
Protestanten  zur  Erfüllung  gemeinschaftlicher  Aufgaben  zu  einen 
suchten;  im  zweiten  Teile  dagegen  zeigte  Ranke  an  der  Hand  der 
einzelnen  Reichstage  die  erneute  Zuspitzung  der  konfessionellen 
Gegensätze  und  zuletzt  die  Vorbereitung  des  grofsen  Entscheidungs- 
kampfes.    Man  hätte  erwarten  dürfen,   dafs   die  späteren  Historiker 


332  Litteratur. 

auf  Grund  der  deutschen  Archive  Rankes  Ansichten  weiter  ausgebaut, 
dafs  sie  die  irenischen  Tendenzen  der  Habsburger  und  der  konser- 
vativen Elemente  weiter  verfolgt,  dafs  sie  ihre  Hindernisse  und  ihre 
erst  wachsenden  und  dann  immer  unbefriedigenderen  Resultate  in  den 
Kreis  ihrer  Forschungen  gezogen  hätten.  Aber  leider  haben  sie  einen 
anderen  Weg  eingeschlagen  und  teils  infolge  ihres  persönlichen  Stand- 
punktes, teils  wegen  ihrer  archivalischen  Unterlagen  vielfach  Leute 
und  Dinge  in  den  Vordergrund  gerückt,  die  hinter  den  wirklich 
maisgebenden  an  praktischer  Bedeutung  weit  zurückstanden,  ob- 
gleich sie  vielleicht  menschlich  ein  gröfseres  Interesse  einzuflößen 
vermochten. 

Wie  einseitig  die  handschriftlichen  Quellen  benutzt  worden  sind, 
lehrt  ein  flüchtiger  Überblick  über  die  Verwertung  der  wichtigsten 
Archive.  Der  Vatikan  ist  erst  seit  kurzer  Zeit  zugänglich  und  kommt 
für  uns  nicht  in  Betracht.  Das  Wiener  Archiv  ist  von  Bucholtz  für 
die  Zeit  Ferdinands  I.  nur  sehr  unvollkommen,  für  die  spätere  Zeit 
in  umfassenderen  Werken  fast  noch  gar  nicht  ausgebeutet;  dabei  ist 
bisher  so  gut  wie  unberücksichtigt  geblieben,  dafs  auch  andere  öster- 
reichische Archive,  wie  Graz,  Innsbruck  etc.,  noch  wertvolles  Material 
bergen  dürften...  Erst  mit  Matthias  setzen  dann  wieder  Gindelys 
Arbeiten  ein.  Über  das  Schicksal  der  Akten  der  geistlichen  Kur- 
fürsten wissen  wir  noch  zu  wenig,  als  dafs  ich  sie  hier  genauer  in 
Betracht  ziehen  dürfte;  jedenfalls  sind  sie  auch  da,  wo  sie  gut  er- 
halten sind,  fast  gar  nicht  benutzt.  Ebenso  mangelt  es  an  einer 
auch  nur  einigermafsen  intensiven  Verarbeitung  der  anderen  geist- 
lichen Archivalien,  obgleich  einige  Bischofskanzleien,  wie  die  von 
\Yiirzburg,  Bamberg  etc.,  gut  erhalten  sein  dürften.  Was  die  welt- 
lichen katholischen  Fürsten  betrifft,  so  klafft  uns  in  der  Ausnutzung 
der  bairischen  Akten  eine  grofse  Lücke  entgegen;  Druffel  schliefst 
mit  1555  und  Stieves  Arbeiten  setzen  erst  mit  dem  letzten  Dezennium 
des  Jahrhunderts  ein.  Auch  die  Korrespondenz  des  bekannten  Herzogs 
Heinrich  von  Braunschweig  liegt  noch  brach.  Von  den  Akten  der 
weltlichen  Kurfürsten  sind  bisher  nur  die  pfälzischen  systematisch 
verwertet;  in  Dresden  und  Berlin  liegen  eine  unübersehbare  Masse 
sächsischer  und  brandenburgischer  Briefe,  aber  ihre  bisherige  Ver- 
wertung ist  gleich  Null.  Aus  der  Reihe  der  vielen  protestantischen 
Fürstentümer  haben  nur  zwei  eine  eingehendere  Berücksichtigung 
erfahren:  das  Stuttgarter  Archiv  ist  —  überdies  höchst  mangelhaft  — 
von  Kugler  in  seiner  Biographie  Herzog  Christofs  und  das  Mar- 
burger gleichfalls  nur  oberflächlich  von  Neudecker  und  Heppe  heran- 
gezogen worden.  Bndlich  die  reichsstädtischen  Schätze,  unter  denen 
namentlich  die  Frankfurter,  Strafeburger,  Nürnberger  und  Augs- 
liurgcr  reiche  Aufschlüsse  geben  könnten,  sind  bisher  fast  ganz 
vernachlässigt. 

Aus  dieser  kurzen  Übersicht  geht  hervor,  dafs  unsere  heutigen 
Anschauungen  hauptsächlich  auf  den  kurpfälzischen,  hessischen  und 
württembergischen  Akten  beruhen,  während  für  den  gröfsten  Teil  der 
Gegenreformation  bis  vor  ganz  kurzer  Zeit  sowohl  die  katholischen 
als  auch  die  Korrespondenzen  der  kursächsischen  Partei  nur  in  klei- 
neren Monographieen  und  ergänzungsweise,  niemals  aber  systematisch 
in  gröfeeren  Werken  verwendet  worden  sind.  Diese  Thatsache  hat 
für  die  Beurteilung  der  ganzen  Periode  zwei  wichtige  Folgen  gehabt. 
Erstens  hal  man  sich,  da  in  den  pfälzischen  und  hessischen  Briefen 
immer  die  Furcht  vor  katholischen  Angriffen  und  die  Notwendigkeit 


Litteratur.  333 


einer  geschlossenen  protestantischen  Unionspolitik  geäussert  wird, 
mehr  und  mehr  daran  gewöhnt,  die  Gegenreformation  als  einen  ein- 
heitlichen Abschnitt,  als  die  Vorbereitung  des  dreißigjährigen  Krieges 
aufzufassen.  Zweitens  aber  wird  gegenwärtig  die  pfälzische  Politik 
ganz  allgemein  zu  günstig  beurteilt,  während  die  brandenburgisch- 
sächsische,  deren  positive  Ziele  infolge  der  mangelhaften  Benutzung 
der  betreffenden  Quellen  nicht  genügend  gewürdigt  werden,  deren 
negative  Abneigung  gegen  eine  umfassende  protestantische  Aktion 
aber  aus  den  pfälzisch -hessischen  Briefen  auf  Schritt  und  Tritt 
hervorgeht,  für  eine  schwächliche,  engherzige,  den  allgemein  evange- 
lischen Interessen  nicht  entsprechende  gilt. 

Niemand  wird  erwarten,  dafs  dieser  Zustand  durch  Ritters  Werk 
mit  einem  Schlage  geändert  worden  ist  weder  nach  der  Seite  der 
Quellenbenutzung,  noch  nach  der  einer  veränderten  Auffassung,  welche 
sich  erst  aus  einem  intensiveren  Studium  der  sächsischen,  branden- 
burgischen u.  a.  Akten  ergeben  müfste;  insbesondere  hält  Ritter,  wie 
namentlich  aus  den  ersten  Zeilen  des  zweiten  Bandes  hervorgeht,  an 
der  Einheitlichkeit  der  Gegenreformation  fest.  Aber  er  hat  doch 
nach  beiden  erwähnten  Richtungen  eine  Umkehr  angebahnt,  welche, 
wenn  der  neue  Weg  weiter  verfolgt  wird,  allmählich  zu  einem  Wechsel 
der  Ansichten  und  zu  der  von  uns  oben  vermifsten  Weiterverfolgung 
der  Rankeschen  Gesichtspunkte  führen  dürfte. 

Zunächst  hat  Ritter,  obgleich  er  die  weit  verzweigte  gedruckte 
Litteratur  wie  kaum  ein  anderer  beherrscht  und  in  ausgedehntem 
Mafse  heranzog,  es  doch  für  nötig  gehalten,  archivalische  Forschungen 
anzustellen.  Selbstverständlich  konnten  dieselben  bei  einem  zusammen- 
fassenden Werke  nicht  den  Umfang  annehmen,  wie  bei  Monographieen 
oder  Publikationen,  aber  sie  gewähren  doch  künftigen  Forschern 
manche  wertvolle  Hinweise  und  sie  kommen  namentlich  jener  bisher 
arg  vernachlässigten  sächsisch  -  brandenburgischen  Gruppe  zu  gute. 
Ferner  aber,  was  das  Hauptverdienst  des  Werkes  ist,  bemüht  sich 
Ritter  unbefangener  als  sein  Vorgänger  die  verschiedenen  Parteien 
und  Verhältnisse  zu  würdigen,  sie  mehr  wie  früher  aus  sich  selbst 
heraus  zu  erklären  und  nicht  nach  später  eingetretenen,  damals  jedoch 
nicht  vorauszusehenden  Ereignissen  zu  beurteilen. 

Das  Bild,  welches  sich  aus  Ritters  Deutscher  Geschichte  nun- 
mehr ergiebt,  ist  dieses :  Die  frühere  Auffassung,  dafs  vom  Abschlufs 
des  Religionsfriedens  an  bis  zum  Kriegsausbruch  die  Gegensätze  sich 
immer  mehr  zugespitzt  hätten,  dafs  also  die  historische  Entwicklung 
der  Verhältnisse  eine  einheitliche  gewesen  sei,  mufs  aufgegeben 
werden.  Wenn  Ritter  aus  seinen  neuen  Forschungen  eine  derartige 
Konsequenz  noch  nicht  zieht,  so  drängt  sie  sich  doch  jedem  unbe- 
fangenen Leser  seines  Werkes  von  selbst  auf.  Diese  Sachlage  tritt 
bereits  in  den  Persönlichkeiten  und  Richtungen  zu  Tage,  welche  sich 
in  der  für  die  Reichspolitik  mafsgebenden  Stellung  ablösen.  In  den 
ersten  Jahrzehnten  nach  1555  steht  Kurfürst  August  von  Sachsen 
im  Vordergrunde  der  deutschen  Fürsten.  Wie  er  seine  Autorität 
geltend  machte,  habe  ich  bereits  bei  der  Besprechung  des  ersten 
Bandes  von  Ritters  Geschichte  hervorgehoben-,  sein  Ziel  war:  den 
Gang  der  komplizierten  Reichsmaschine  vor  jeden  Störungen  zu 
sichern,  die  konfessionellen  Konflikte  zu  vermeiden,  ein  Zusammen- 
gehen von  Katholiken  und  Protestanten  in  politischen  Dingen  zu 
ermöglichen.  Aus  Ritters  Darstellung  ersieht  man,  wie  grofse  Er- 
folge diese  Anschauungsweise,  welcher  sich  die  Kaiser  Ferdinand 
und  Maximilian,   Kurfürst  Daniel  von  Mainz  und   so   viele    andere 


334  Litter  atnr. 

angesehene  Männer  anschlössen,  erzielt  hat.  Bis  zum  Jahre  1576 
wurde  die  Behandlung  der  weltlichen  Fragen  immer  sachlicher,  mehr 
und  mehr  traten  auf  den  Reichstagen  die  erregten  religiösen  Dehatten 
zurück.  War  es  nach  der  Entwicklung  dieser  zwanzig  Jahre  nicht 
möglich,  dafs  die  religiösen  Gegensätze  noch  weiter  abgeschwächt 
wurden,  dafs  auch  die  strittigen  Bestimmungen  des  Augsburger 
Religionsfriedens  bei  dem  starken  Übergewicht  der  ruhebedürftigen 
konservativen  Elemente  erledigt  wurden  je  nach  Sachlage  der  ein- 
zelnen konkreten  Fälle?  Jedenfalls  fehlte  es  damals  nicht  an  Staats- 
männern, welche  einen  derartigen  Verlauf  erwarteten  und  gerade 
diese  Perspektive  hat  die  Abneigung  der  kursächsischen  Partei  gegen 
die  pfälzisch-hessische  Unionspolitik  beeinflufst. 

Da,  mit  dem  Ende  Maximilians  IL  tritt  ein  plötzlicher  Um- 
schwung ein;  an  die  Stelle  der  bisher  wahrnehmbaren  Einschläferung 
der  kirchlichen  Gegensätze  tritt  eine  erneute  Verschärfung.  Von  jetzt 
ab  treibt  die  Entwicklung  unaufhörlich  der  Auflösung  der  Reichs- 
verfassung  und  einer  kriegerischen  Auseinandersetzung  der  wider- 
sprechenden Ansichten  und  Bedürfnisse  zu.  War  früher  Kursachsen 
das  Zünglein  an  der  Waage  gewesen,  so  sehen  wir  jetzt  die  fried- 
liche Mittelpartei  immer  schwächer  und  ohnmächtiger  werden;  die 
Unionspolitik  der  Pfälzer  macht  auch  in  den  Reihen  derer  Propaganda, 
denen  unmittelbar  nach  dem  Religionsfrieden  Neigung  und  Interessen 
ihre  Stellung  im  kursächsischen  Lager  angewiesen  hätten;  unter 
Krells  Leitung  lenkte  sogar  der  Kurstaat  selbst  vorübergehend  in 
das  Fahrwasser  der  Entschiedenen  ein.  Die  Beschwichtigungsver- 
suche des  Kurfürsten  Scbweikhard  von  Mainz  und  des  Bischofs 
Klesl  erscheinen  als  vergebliche  Anstrengungen,  gegen  den  Strom 
zu  schwimmen.  An  die  Stelle  der  Dresdner  Politiker  treten  jetzt 
andere  Protagonisten,  die  Pfälzer  und  ihre  Gesinnungsgenossen 
einerseits,  Ferdinand  IL  und  Maximilian  von  Baiern  andererseits, 
die  durch  die  wachsende  Spannung  immer  mehr  erforderten  Männer 
der  That. 

Konnte  früher  die  Antipathie  der  Dresdner  Politiker  gegen  eine 
entschiedene  protestantische  Aktion  ihre  Rechtfertigung  im  allgemeinen 
Ruhebedürfnis,  im  gesättigten  und  gesicherten  Zustande  des  Kur- 
staates und  in  der  fortdauernden  Abnahme  der  konfessionellen  Span- 
nung finden,  so  wurde  die  der  Bequemlichkeit,  Ängstlichkeit  und 
Tradition  entspringende  Fortsetzung  dieses  Verhaltens  den  ver- 
änderten Umständen  wenig  gerecht.  Es  war  für  den  deutschen 
Protestantismus  verhängnisvoll,  dafs  gerade  gleichzeitig  mit  denselben 
der  Sturz  Crackows  erfolgte  und  die  neuen  Minister  schon  infolge 
ihres  Gegensatzes  zu  den  Kryptokalvinisten  und  den  reformierten 
l'lilzern  nmsomehr  an  der  Freundschaft  mit  dem  Kaiserhofe  und  den 
angesehenen  katholischen  Reichsfürsten  festhalten  mufsten.  Diese 
Rücksicht  verschuldete  in  der  Magdeburger,  Kölner,  Strafsburger  und 
anderen  Fragen  Niederlagen  des  Protestantismus,  welche  in  Sachsen 
aus  politischen  Gründen,  zumal  aus  Eifersucht  gegen  das  Branden- 
burgisehe  Kurhaus,  nicht  als  solche  empfunden  wurden,  infolge  der 
gesteigerten  Gefahr  einer  katholischen  Reaktion  jedoch  auch  für  die 
AI  bertiner  durchaus  nicht  gleichgiltig  waren;  denn  auch  für  diese 
drohten  hinsichtlich  der  Stifter  Naumburg,  Merseburg  und  MeiJsen 
bei  etwaigen  Fortschritten  der  Katholiken  territoriale  Einbufsen. 

lütter  scheut  vor  einer  scharfen  Kritik  der  späteren  kursäch- 
sischen Staatsmänner  nicht  zurück;  den  Administrator  Friedrich 
Wilhelm  nennt  er  „unselbständig",  den  Systemwechsel  gegenüber  der 


Litter  atür.  335 

vorausgehenden  Aera  Krell  einen  „brutalen",  der  neuen  Regierung 
spricht  er  die  Kraft  ab,  „in  den  grofsen  Konflikten  der  Zeit  die 
eigenen  Interessen  zu  fördern  und  gelegentlich  die  streitenden  Par- 
teien von  Extremen  zurückzuhalten."  Christian  IL  bezeichnet  er  als 
„einen  Landesherrn,  der  in  den  Geschäften  noch  um  einen  Grad  un- 
selbständiger war  als  sein  Vater",  dessen  Theologen  und  Staats- 
männern die  Feindschaft  gegen  den  Kalvinismus  gemeinsam  war; 
Johann  Georg  wird  als  seinem  Bruder  geistesverwandt  geschildert. 
In  der  That  der  Mangel  an  Initiative  und  die  Unselbständigkeit  ist 
ein  den  späteren  sächsischen  Kegenten  und  Staatsmännern  anhaftender 
Charakterzug.  Kurfürst  August  hatte  es  nicht  nur  verstanden,  sein 
Land  zu  reorganisieren  und  die  Finanzen  zu  ordnen,  sondern  auch 
in  der  Reichspolitik  bis  an  sein  Ende  das  Gewicht  seiner  Persönlich- 
keit in  die  "Wagschale  zu  werfen;  wie  hatte  er  1575  durch  sein  Auf- 
treten die  Wahl  Rudolfs  IL  gesichert,  1576  stürmischen  Szenen  auf 
dem  Reichstage  vorgebeugt,  1582  gelegentlich  des  Magdeburger 
Sessionsstreits  eine  ausschlaggebende  Rolle  gespielt!  Gewifs,  die 
Verschärfung  der  konfessionellen  Gegensätze,  das  immer  radikalere 
Hervorkehren  der  beiderseitigen  Extreme  hätte  auch  bei  einem 
längeren  Leben  Augusts  die  Bedeutung  seines  Vermittleramts  und 
damit  das  kursächsische  Ansehen  gemindert.  Aber  das  bezeichnende 
für  die  Nachfolger  war,  dafs  sie  nicht  einmal  den  Versuch  machten, 
ernstlich  in  die  Fufstapfen  Augusts  zu  treten.  Und  doch  hätten  sie, 
wenn  sie  nicht  den  veränderten  Zeitinteressen  Rechnung  tragen  und 
Arm  in  Arm  mit  den  Pfälzern  den  Anhängern  der  alten  Lehre 
rücksichtslos  entgegentreten  wollten,  desto  energischer  für  einen 
friedlichen  Ausgleich  sich  bemühen  müssen !  Doch  von  einem  solchen 
eigenen  Bestreben,  der  Verschärfung  der  Konflikte  vorzubeugen,  war 
nicht  die  Rede;  man  liefs  sich  bald  nach  der  einen,  bald  nach  der 
anderen  Seite  ziehen  und  verdarb  auf  diese  Weise  einmal  die  Erfolge, 
welche  ein  geschlossenes  Auftreten  der  Protestanten  hätte  erzielen 
können,  das  andere  Mal  die  vonFremden  ausgehenden  Beschwichtigungs- 
versuche. Durch  die  Schuld  Friedrich  Wilhelms  trennten  sich  1594 
die  Protestanten  offen  in  zwei  Parteien  und  untergruben  damit  ihre 
bei  den  Gegnern  gewahrte  Autorität;  als  dagegen  1601  die  pfälzische 
Partei  dem  Deputationstage  nicht  mehr  beiwohnen  wollte  und  damit 
ein  letztes  Mittel  der  "Wiederherstellung  des  gestörten  Reichsprozefs- 
rechts  von  der  Hand  wies,  mufsten  die  Katholiken  in  die  Sprengung 
der  ganzen  Institution  willigen,  weil  sie  nicht  einmal  von  Kursachsen 
eine  Weiterführung  der  Geschäfte  erwarten  durften.  Noch  eklatanter 
trat  die  Halbheit  und  Unsicherheit  der  Kursachsen  auf  dem  Reichs- 
tage von  1608  hervor;  erst  schlössen  sie  sich  der  Weigerung  der 
Pfälzer,  an  weiteren  Verhandlungen  teilzunehmen,  nicht  an  und  dann 
wollten  sie  doch  nicht  mit  den  Katholiken  allein  die  Beratungen 
fortsetzen,  als  die  Pfälzer  bei  ihrer  Abstinenz  beharrten.  Demselben 
Schwanken  begegnen  wir  im  Jülicher  Erbfolgestreit  und  bei  der  Wahl 
Ferdinands  IL,  gegen  welche  Johann  Georg,  sei  es,  dafs  er  sich  von 
rein  protestantischen  Gesichtspunkten,  sei  es,  dafs  er  vom  Wunsche 
nach  möglichster  Erhaltung  des  Friedens  leiten  liefs,  sehr  entschieden 
hätte  Stellung  nehmen  müssen. 

Das  Schlufsurteil  über  die  Politik  Friedrich  Wilhelms,  Christians  IL 
und  Johann  Georgs  I.  kann  kein  anderes  sein,  als  dafs  sie  durch  ihr 
Verhalten  den  Ausbruch  des  dreifsigj ährigen  Krieges  beschleunigt 
haben.  Einerseits  haben  sie  durch  ihren  schroffen  Gegensatz  zu  den 
Pfälzern  die  Kluft  innerhalb  des  deutschen  Protestantismus  erweitert 


336  Litteratur. 

und  dadurch  die  Anhänger  der  alten  Lehre  zu  immer  kühneren  An- 
sprüchen und  bestimmterem  Auftreten  ermuntert.  Andererseits  haben 
sie  es  an  jener  positiven  Bethätigung  ihrer  auf  Ausgleich  und  Ver- 
mittelnng  gerichteten  Wünsche  fehlen  lassen  und  durch  diesen  Mangel 
die  wachsende  Verschärfung  der  Gegensätze  verschuldet. 

Freiburg  i.  Br.  Gustav  Wolf. 


Zur  Biographie  von  Christian  Thomasius,  Festschrift  zur  zweiten 
Säkularfeier  dei-Friedrichs-Universität  zu  Halle.  Von  Prof.  Dr. Ernst 
Landsberg.     Bonn,  Friedrich  Cohen.     1894.    36  SS.    4°. 

Der  eigentliche  Gründer  der  Halle'schen  Universität,  Christian 
Thomasius,  hat  in  der  vorliegenden  Schrift  endlich  aus  dem  K.  S. 
Hauptstaatsarchive  die  Würdigung  gefunden,  die  ihm  schon  in 
der  Zeitschrift  für  die  gesamte  Strafrechtswissenschaft  X  (1890), 
440  f.  gewünscht  worden  war.  Der  Verfasser  rühmt  zunächst,  dafs 
ihn  eine  „sorgfältig  zusammengestellte  Katalognotiz,  welche  alle 
auf  Thomasius  bezüglichen  Akten  nach  Standort  und  Folio  angab, 
gefördert"  hat.  „Es  blieb  mir'',  fügt  er  hinzu,  ..nur  übrig,  aufzu- 
schlagen tind  auszubeuten."  Mit  Thomasius'  Flucht  aus  Leipzig 
(LS.  März  1690)  zog  „die  geistige  wie  gleichzeitig  die  politische 
Suprematie  über  Norddeutschland  von  Kursachsen  nach  Kurbranden- 
burg". Dieses  gewichtige  Wort  eröffnet  die  Abhandlung.  Ihr  Ver- 
fasser, Rechtsprofessor  in  Bonn,  ist  schon  durch  die  Fortsetzung  der 
von  Stintzing'schen  Geschichte  der  deutschen  Rechtswissenschaft 
vorteilhaft  bekannt.  —  Die  vorliegende  Schrift  zerfällt  in  folgende 
Abschnitte:  1.  Erste  Anstellungsversuche  im  Leipziger  ßchöppenstuhl, 
>.  Verfahren  gegen  Thomasius  bis  zum  10.  März  lti90,  3.  der  Haft- 
befehl (der  schwerlich  ergangen  ist;  Thomasius  sogenannte  Flucht 
war  vielmehr  nur  ein  allerdings  wohl  aufgenötigter  Wegzug),  4.  die 
Aufnahme  in  Brandenburg,  5.  weitere  Verfolgung  in  Kursachsen, 
(i.  der  Umschwung,  Berufungen  nach  Leipzig  (hier  wären  die  in  der 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Politik  V  [1888],  642f.  über  die  Cossell 
gemachten  Mitteilungen  zu  berühren  gewesen)  und  7.  Briefwechsel 
mit  dem  Herzoge  zu  Zeitz. 

Ein  Anhang  giebt  schließlich  die  „Tabelle  der  Briefe  zwischen 
Herzog  Moritz  Wilhelm  und  Thomasius". 

Nach  einem  neuen  Funde  (K.  S.  I  lauptstaatsarehiv  Loc.  800)  Ge- 
dichte etc.  nenne  ich  dem  verdienstvollen  Verfasser  noch  ein  Kuriosum, 
das  meines  Erachtens  von  Thomasius'  Hand  herrührt:  „Compromiss 
und  darauf  eingeholtes  Urtel  in  puncto  einer  streitigen  Schmiedeesse, 
über  der  Tafel  bei  der  Schmied- Augspurgischen  Brautsuppe  in  Weifsen- 
fels,  den  10.  September  1679  eröffnet."  Wie  ich  aus  dem  Kirchenbuche 
zu  Weilsenfeis  erfahren  habe,  wurde  tags  zuvor  Philipp  Adolf  Schmidt, 
fürstl.  sächs.-magdeb.  Amtsvogt,  mit  Jungfrau Euphrosyne  Elisabeth, 
weil.  Angspurgers  gewesenen  fürstl.  sächs.-magdeb.  Amtsvogts  hinter- 
lassenen  Tochter,  getraut.  —  Neuerdings  sind  mir  ferner  noch  Schreiben 
von  Thomasius  aus  dem  Jahre  1709,  betreffend  das  Hans  seiner  Frau 
am  Markte  in  Leipzig  (ebendaselbst  Loc.  2264  Peter  Eohmanns  Haus- 
bau betr.)  vorgekommen. 

Dresden.  Theodor  Distel. 


Litteratur.  337 

Geschichte   der  Obcrlausitzer  Sechsstadt  Löbau  bis  zur  Teilung 

Sachsens  1815.  Von  Alwin  Bergmann.    Bischofswerda.    (In  Kom- 
mission von  E.  Oliva  in  Löbau.)    1895.    3  Ell.    199  SS.    8°. 

Während  es  über  die  Geschichte  der  übrigen  Sechsstädte  der 
Oberlausitz  längst  schon  gedruckte  Werke,  freilich  von  mehr  oder 
minder  wissenschaftlichem  Werte,  giebt,  hatte  Löbau  eine  eigene 
Stadtgeschichte  noch  nicht  •  aufzuweisen.  Diesem  für  die  Freunde 
Oberlausitzer  Geschichtswissenschaft  oftmals  fühlbaren  Mangel  wird 
durch  das  vorliegende  Buch  in  durchaus  gründlicher  und  den  An- 
forderungen der  Gegenwart  entsprechender  Weise  abgeholfen.  Mancher- 
lei Vorarbeiten,  wie  das  „Urkundenbuch  der  Stadt  Löbau",  „Die 
Dörfer  des  Weichbilds  Löbau",  „Das  Franziskanerkloster  zu  Löbau", 
und  der  Umstand,  dafs  sich  gegenwärtig  das  gesamte  Stadtarchiv 
von  Löbau  als  Depositum  im  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  befindet, 
haben  dem  in  Dresden  lebenden  Verfasser  seine  Arbeit  vielfach  er- 
leichtert. Aber  auch  aus  weiteren  ungedruckten  Quellen,  dem  Gerichts- 
archive, den  Ratsrechnungen  und  Bügebüchern,  auch  Chroniken  und 
Annalen  von  Löbau  hat  derselbe,  zumal  für  die  inneren  Verhältnisse 
der  Stadt,  viel  neues  Material  beigebracht,  sowie  die  Litteratur  über 
die  Geschichte  der  Oberlausitz  gewissenhaft  benutzt.  Wir  hätten 
gewünscht,  dafs  er  sich  über  all  diese  Verhältnisse  in  dem  überdies 
nur  ganz  kurzen  „Vorwort"  im  Zusammenhang  verbreitet  hätte.  Er 
behandelt  den  reichhaltigen  Stoff  in  XI  Abschnitten,  nämlich  die 
Aussetzung  der  Stadt,  die  Verfassung  und  Verwaltung  derselben 
nebst  ihren  verschiedenen  Privilegien  und  Willküren,  Beamten  und 
Handwerken,  ferner  die  Rechtspflege  in  der  Stadt  und  auf  den 
zahlreichen  Weichbildsdörfern,  die  Drangsale  in  den  Hussiten- 
kriegen, das  Kircheiiwesen  in  der  Stadt  selbst  und  auf  deren 
Filialen  nebst  den  einzelnen  Geistlichen,  das  Franziskanerkloster, 
den  Pönfall,  soweit  Löbau  von  ihm  betroffen  ward,  das  Schulwesen, 
sowohl  zur  Zeit  der  früheren  Stadtschule  als  des  späteren  Lyceums, 
das  gewerbliche  Leben,  endlich  die  Schicksale  im  30jährigen  und 
in  den  späteren  Kriegen  bis  1815.  Den  Schlufs  bilden  neun,  wenn 
auch  zum  Teil  schon  bekannte,  doch  noch  nicht  gedruckte  Ur- 
kunden. —  Wir  freuen  uns  der  Schrift  als  einer  fleifsigen  und 
den  Stoff  erschöpfenden  Arbeit. 

Wir  tragen  den  darin  aufgeführten  Geistlichen  aus  vor- 
reformatorischer  Zeit  noch  einige  nach.  1407  den  6.  Juli  erhielt 
Magister  Johannes  Naz,  utriusque  juris  doctor,  olim  plebanus 
ecclesiae  in  Lubawia  Misnensis  diocesis,  der  mit  einem  gewissen 
Petrus  aus  Görlitz  seine  Stelle  vertauscht  hatte,  von  der  erzbischöf- 
lichen Behörde  zu  Prag  das  Anstelluugsdekret  zu  dem  Altare  der 
Apostel  Petrus  und  Paulus  in  der  neuen  Kirche  des  Leichnams  Christi 
und  der  heil.  Barbara  in  Montibus  Chutni,  d.  h.  zu  Kuttenberg  (Emier, 
Lib.  confirm.  Prag.  VI,  225).  —  1512  wird  Georg  Lob be  als  „Altarist 
an  der  Kapelle  der  heil.  Jungfrau  aufserhalb  der  Stadtmauern"  von 
Löbau  erwähnt  (Giesing,  Gesch.  der  Stadtbibliothek  zu  Löbau,  Pro- 
gramm vom  Jahre  1893.  Auch  Dietmann,  Oberlaus.  Priesterschaft, 
S.  739,  kennt  denselben).  —  1541  klagte  Jakob  Runge,  Kaplan  zu 
Löbau  („Liebaw"),  dem  Rate  zu  Görlitz,  dafs  er  durch  eine  Feuers- 
brunst all  seine  Kleider  verloren  habe  (Laus.  Monatsschrift  1802,  I. 
177).  —  Die  einstige  Orgel  in  der  Klosterkirche  war  dieselbe, 
welche    früher    die    Cölestiner    auf   dem    Königstein    besessen    und 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.     XVI.  3.  4.  22 


338  Litteratnr. 

welche,  nachdem  das  dortige  Kloster  eingegangen  war,  die  Franzis- 
kaner zu  Löban  sich  von  Herzog  Georg  von  Sachsen  (1518)  er- 
beten hatten  (Oberlaus.  Kirchengalerie  S.  147.  Laus.  Magazin  1843, 
S.  171). 

Dresden.  Hermann  Knothe. 


Das   gotische   Steinmetzzeichen.     Von   W.   Clemens   Pfau.     Mit 

zwei  Tafeln.     (A.  u.  d.  T.:  Beiträge  zur  Kunstgeschichte.     Neue 
Folge  XXII.)    Leipzig,  E.  A.  Seemann.    1895.    76  SS.  8". 

Pfau  stellte  sich  die  Aufgabe,  die  Steinmetzordnungen  des 
Mittelalters  kritisch  zu  behandeln  und  durch  philologische  Erklärung 
der  Wortbedeutung,  sowie  genaues  Erläutern  den  Inhalt  jeder  einzelnen 
Bestimmung,  sowie  durch  Vergleich  dieser  unter  einander  die  bis- 
herige Auffassung  des  Ordnungswesens  richtig  zu  stellen. 

Leider  ist  ihm  dabei  ein  Teil  der  Litteratnr  entgangen: 
namentlich  Neuwirths  für  die  Feststellung  des  Wortlautes  der 
Ordnungen  so  wichtigen  Satzungen  des  Regensburger  Steinmetzentages 
im  Jahre  1459  (Wien  1888).  Neuwirth  bietet  uns  in  Klagenfurt  ge- 
fundene Steinmetzordnungen  von  1628,  1(547  und  1739,  meines  Er- 
messens nachträgliche  Redaktionen  der  Regensburger  von  1459,  die 
sich  namentlich  durch  übersichtlichere  Anordnung  des  Stoffes  aus- 
zeichnen. Ferner  wäre  wohl  gut  gewesen,  die  im  Repertorium  für 
Kunstwissenschaft  veröffentlichten  Erfurter  Ordnungen  von  1423, 
um  1500,  1547  und  1588  heranzuziehen,  endlich  die  Trierische  von 
1397,   welche  A.  Reichensberger   in   seinen  „Vermischten   Schriften" 

herausgab. 

Zunächst  beweist  Pfau,  dafs  die  Lehrlinge  vom  Meister,  nicht 
aber,  wie  man  bisher  allgemein  glaubte,  vom  Bandwerk  aufgenommen 
worden  seien.  Dies  ist  zutreffend  für  die  von  ihm  benutzten  Urkunden, 
aber  nicht  ganz  richtig  für  die  zünftische  Regelung  des  Lehrwesens 
in  Erfurt,  wo  es  schon  1423  heifst:  „wann  man  cynen  (Diener  oder 
Lehrknecht)  uff  nempt  czu  leinen  adir  ledigk  saget,  wann  er  us  ge- 
lerned  had,  das  sal  allis  gescheen  mit  e.yns  hantwerges  willen  und 
wissen,  das  man  weifs,  wer  eyn  diener  adir  eyn  leerknecbt  were  adir 
us  gelernt  bette."  Auch  der  zweiten  Darlegung  Pfaus,  wonach  die 
Lossprechung  und  Aufnahme  des  Gesellen  lediglich  durch  die  Meister 
geschehen  sei,  widerspricht  die  Erfurter  Ordnung  vom  Anfange  des 
16.  Jahrhunderts :  „Auch  sal  er  (derjenige  der  in  die  Zunft  und  das 
Handwerk  will)  bewiefsen,  wy  und  wo  er  sein  hantwerg  erlernt  habe 
auch  syne  lernejare  und  zciet  ufsgestanden,  sich  auch  sampt  synem 
Ehwiebe,  ab  er  das  bette,  fromelich,  getruwelich,  erbarlich  gehalten.1' 
Wenn  also  Pfau  sagt:  „Der  Ausgelernt»  beweist  seine  Gesellenschaft 
bei  einer  fremden  Hütte  nicht  durch  Papiere,  sondern  durch  seine 
Kenntnisse,"  so  ist  auch  dies  für  die  Erfurter  Zunft  nur  bedingungs- 
weise richtig.  Wenn  ferner  Pfau  erklärt:  „Bei  der  ausgeprägten 
Freizügigkeit  dieser  Bauleute  sind  feste  Körperschaften  (Zünfte) 
unmöglich",  so  ist  seine  Ansicht  durch  das  thatsäehliche  Bestehen  einer 
solchen  Zunft,  eben  in  Erfurt,  widerlegt. 

Sind  somit  eine  Reihe  von  Vorbedingungen  der  Pfau  sehen 
Schrift  wenigstens  hinsichtlich  ihrer  Allgemeingültigkeit  anfechtbar, 
so  ist  doch  das  Ganze  eine  sehr  beachtenswerte.  Arbeit.  Plan  stöfst 
vielleicht  nach  dem,  was  in  den  letzten  Jahren  über  das  Hüttenwesen 


Litteratm-.  339 

geschrieben  wurde,  gelegentlich  offene  Thüren  ein.  Aber  man  mufs 
anerkennen,  dafs  er  das,  was  er  zu  beweisen  trachtet,  selbständig 
und  zwar  auf  Grund  einer  sehr  scharfen  Denkarbeit  fand.  Nament- 
lich ist  seine  Abfertigung  der  phantastischen  Zeichentheorie  Rzihas 
so  gründlich,  dafs  diese  wohl  endgültig  zu  den  Akten  gelegt 
werden  wird. 

Die  Hauptleistung  Pfaus  scheint  mir  die  Erklärung  der  in  der 
Rochlitzer  Ordnung  vorkommenden  innungs-technischen  Ausdrücke 
und  Gebräuche.  Dafs  das  „Schenken"  des  Zeichens  an  den  Lehrling 
ein  von  diesem  vorzugsweise  für  die  Gesellen  der  Hütte  zu  gebendes 
Gastmahl  sei,  von  welchem  auch  die  Erfurter  Ordnung  von  1423 
spricht,  dafs  der  Meister  dem  Lehrlinge  das  Zeichen  gab  und  es  ein- 
behalten  konnte,  bis  dieser  den  Verpflichtungen  gegen  ihn  völlig  nach- 
gekommen sei,  dafs  das  Zeichen  nicht  verkauft  werden  darf,  dafs  es 
demnach  ein  Ehrenzeichen  war,  durch  welches  der  Meister  dem 
Lehrling  das  Zeugnis  als  einem  in  der  Kunst  Erfahrenen  gab ,  dafs 
aber  nicht  nur  der  Lehrling  vom  Meister  ein  Zeichen  erhielt,  sondern 
andere  Meister  und  Gesellen  ein  solches  gegen  bestimmte  Leistungen 
erhalten  konnten,  dafs  es  also  auch  Meister  und  Gesellen  gab,  die 
kein  Zeichen  hatten,  dafs  endlich  die  Zeichen  auch  nicht  „Garantie- 
marken" für  gute  Arbeit,  sondern  vom  Gesellen  als  Künstlermarke 
vor  der  Abnahme  des  Steines  durch  den  Polier,  also  vor  der  Prüfung 
eingemeifselt  wurden  —  all  dies  sind  neue,  aber  sicher  erwiesene 
Thatsachen.  Das  Zeichen  ist  nach  Pfaus  klarer  Darlegung  eine  Art 
Wappen  und  demnach  im  heraldischen  Sinne  zu  verstehen.  Pfau 
stimmt  daher  auch  Klemms  Theorie  von  den  „Zeichensippen"  willig 
zu,  dafs  nämlich  der  Meister  seinen  Schülern  in  der  Regel  ein  dem 
seinigen  verwandtes  und  daher  diesen  als  seinen  künstlerischen  Nach- 
kommen kennzeichnendes  gab,  mithin  aus  der  Ähnlichkeit  der  Zeichen 
auf  eine  künstlerische  Gemeinschaft  ihrer  Besitzer  geschlossen  werden 
könne. 

Mit  den  Ergebnissen  seiner  Arbeit  fällt  viel,  ja  fast  alles  zu- 
sammen, was  bisher  mit  mehr  Begeisterung  als  Scharfsinn  von 
der  Herrlichkeit  mittelalterlichen  Steinmetzenwesens  gesagt  wurde. 
Meine  schon  öfter  ausgesprochene  Ansicht,  dafs  die  „Ordnungen" 
kein  Beweis  von  Ordnung,  sondern  von  Unordnung  seien,  meist  ver- 
fehlte Versuche,  das  zerfahrene  Hüttenwesen  in  bessere  Gleise  zu 
bringen,  findet  eine  neue  Bestätigung. 

Pfau  weist  sehr  richtig  darauf  hin,  dafs  nur  die  von  ihm  be- 
handelte sogenannte  Rochlitzer  Ordnung  ausführlich  das  Zeichen- 
wesen behandle.  Wie  die  Frage  in  anderen  Ländern  und  zu 
anderen  Zeiten  behandelt  wurde,  darüber  giebt  sie  freilich  keinen 
sicheren  Aufschlufs.  Die  Vergleichung  mit  der  Erfurter  Ordnung 
beweist,  wie  heikel  jedes  Generalisieren  in  Fragen  mittelalterlichen 
Gewerbewesens  ist. 

Pfaus  Art  der  Beweisführung  ist  aufserordentlich  übersichtlich, 
das  ganze  Buch  in  seiner  Art  ein  kleines  Meisterstück.  Denn  seine 
Schwächen  beruhen  nicht  auf  Fehlern  des  Autors,  sondern  auf  den 
Verhältnissen,  in  welchen  dieser,  fern  von  litterarischen  Hilfsmitteln, 
seine  Arbeit  abschlofs. 

Dresden.  Cornelius  Gurlitt. 


22* 


340  Litteratur. 

Übersicht 

über  neuerdings  erschienene  Schriften  und  Aufsätze  zur 

sächsischen  Geschichte  und  Altertumskunde l). 


Ahrens,  Hermann.  Die  Wettiner  und  Kaiser  Karl  IV.  Ein  Bei- 
trag zur  Geschichte  der  Wettinischen  Politik  in  den  Jahren 
l.iiU  — 1379.  (A.  u.  d.  T.:  Leipziger  Studien  aus  dem  Gebiet 
der  Geschichte.  Herausgegeben  von  K.  Lamprecht  und  K  Marcks. 
Bd.  I.  Heft  2.)  Leipzig,  Duncker  &  Humblot.  1895.  XI, 
103  SS.    8°. 

Altendorff,  H.  Das  Reithaus  in  Wechselburg:  Vereinigtes  Wochen- 
blatt für  Bochlitz  u.  s.  w.     1895.  No.  97  (2  Beilage). 

Bauch,  G.  Biographische  Beiträge  zur  Schulgeschichte  des  XVI. 
Jahrhunderts  [u.  a.  aus  Eisenach,  Freiberg  i.  S.  —  Joh.  Ragius 
Aesticarapianus — , Großenhain  —  Matthaeus  Lupinus  Calidomius  — , 
Wittenberg,  Zittau]:  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschichte.    Jahrg.  V  (1895).  S.  1—26. 

Bfaumgärtel].  Zwei  Dresdner  Dichter  (Schutt  und  Marshall ) : 
Wöchentl.  Beilage  zu  den  Bautzner  Nachrichten.    1895.    No.  16. 

Baumgärtel.  Beiträge  zur  Geschichte  des  Bautzner  Gewerbslebens: 
ebenda.  No.  20-27. 

Benndorf,  Kurt.  Sethus  Calvisius  als  Musiktheoretiker:  Vierteljahrs- 
schrift für  Musikwissenschaft.    Jahrg.  X  (1894).    S.  411-470. 

Blanckmeister,  F.  Clemens  Lessing,  Pfarrer  in  Einsiedel  bei  Chem- 
nitz. Urkundliche  Mitteilungen  über  Gotthold  Ephraim  Lessings 
ältesten  Ahnen:    Pfarrhaus.    Jahrg.  11  (1895).     No.  6.  S.  81— 87. 

—  Studien  zur  sächsischen  Kirchengeschichte.  4.  Geschichte  des 
protestantischen  Bewußtseins  in  Sachsen.  5.  Das  Superintendenten- 
amt in  Sachsen:  Neues  Sächsisches  Kirchenblatt.  Jahrg.  II  (1895). 
S.  154  f.,  170  f.,  464—466. 

[Brüter,  E.  M.J  Geschichte  der  inneru  und  äußern  Entwicklung 
des  Ostern  1895  nach  Bochlitz  zu  verlegenden  Seminars  II  zu 
Grimma.  (Beigeheftet:  F.  A.  Püschmann,  Verzeichnis  sämtlicher 
Zöglinge  des  König!  Seminars  II  zu  Grimma.)  Grimma,  Druck 
von  Bode.     1895.     106  SS.  und  34  SS.     8°. 

Collmann,  K.  Die  Teilnahme  der  Herren  Beufs  am  Schmalkaldischen 
Kriege,  ihre  Ächtung  und  Wiedereinsetzung:  Unser  Vogtland. 
Bd.  II  (1895).     S.  11-23,  61-69. 

D.,  K.  Peter  Apianus.  Ein  Gedenkblatt  zur  ersten  Säcularfeier 
seiner  Geburt:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung. 
1895.    No.  47.     S.  185-188. 


])  Vergl.  auch  O.  Do  beneck  er,  Übersicht  der  neuerdings  er- 
schienenen Litteratur  zur  thüring.  Geschichte  und  Altertumskunde, 
in:  Zeitschrift  des  Vereins  für  Thüring.  Geschichte  und  Altertums- 
kunde XVII  (N.  F.  Bd.  IX),  S.  740  —  752.  —  Wir  wiederholen 
unsere  Bitte  an  die  Herren  Verfasser,  Verleger  und  Redakteure,  durch 
Zusendung  der  neu  erscheinenden  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
sächsischen  Geschichte,  insbesondere  kleinerer  (Dissertationen,  Pro- 
gramme, .Aufsätze  in  Zeitungen  und  Zeitschriften),  zur  Vollständigkeit 
unserer  Übersichten  beitragen  zu  wollen. 


Litteratur.  341 

Distel,  TL  Zur  Mündigkeit  in  Sachsen  a.  L.  (1537,  1541):  Zeitschrift 
der  Savignystiftung   für   Rechtsgeschichte.    XVI  (1895).    S.  216. 

—  Gereimtes  Bittgesuch  des  kursächsischen  Hofmalers  Gahriel  Donat : 
Dresdner  Anzeiger.    1895.   No.  139.    S.  38. 

—  Das  Grab  der  Neuberin  bei  Dresden:  ebenda.  No.  181.  S.  3. 
No.  184.     S.  23. 

—  Zum  Schlosse  Augustusburg :  Augustusburger  Wochenblatt.  1895. 
No.  47.    S.  7. 

—  Zur  Brunft  des  Edelwildes  in  Kursachsen  (Kreis  Neustadt)  1712: 
Weidmann.  Bd.  XXVI  (1895).     S.  270. 

Dittrich,  Max.  Zum  Regimentsfest  der  104  er.  I.  Prinz  Friedrich 
August  und  sein  sächsisches  Infanterie-Regiment  No.  104.  II.  Das 
Regiment  des  Prinzen  Friedrich  August  1870/71:  Zwickauer 
Wochenblatt.     1895.    No.  120  (2.  Beilage),  121  (4.  Beilage). 

Doehler,  Gottfr.  Ein  Erforscher  des  Vogtlands  [Job.  Aug.  Ernst 
Köhler] :  Mein  Vogtland.     Bd.  I  (1895).     S.  478—483. 

Endler,  Herrn.  _  Geschichtliche  Nachrichten  über  Lengefeld  und 
Rauenstein  mit  kurzem  Hinweis  auf  die  höchst  romantische  Lage 
und  Umgebung  Rauensteins.  Lengefeld,  Herrn.  Richter.  1893. 
20  SS.     8°. 

Ermisch,  H.  Die  Wachstafeln  des  Pfarrers  Hermann  Westfal  im 
Stadtarchiv  zu  Delitzsch:  Neue  Mitteilungen  a.  d.  Gebiete  histor.- 
antiquar.  Forschungen.    Bd.  XIX  (1895).    S.  203  —  225. 

Fischer,  Karl.  Die  Stifter  Magdeburg  und  Halberstadt  im  Schmal- 
kaldischen Kriege.  (Inaugural-Dissertation.)  Berlin  1895.  64  SS.  8°. 

Freytag,  Ernst  Rieh.  Der  Waffenruhm  der  Ahnen  des  sächsischen 
Königshauses:  Der  Kamerad.    Jahrg.  33  (1895).    No.  16.    S.  1— 3. 

—  Kursachsen  in  der  volkstümlichen  Literatur  des  siebenjährigen 
Krieges:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1895. 
No.  56.     S.  221-223. 

Frhr.  von  Friesen,  Ernst.  Stammbaum  der  Herren,  Freiherren  und 
Grafen  von  Friesen.     Dresden  1894.     1  Bl.  qu.-fol. 

Geißler,  E.  Zur  Geschichte  des  Schlosses  und  der  Stadt  Hartenstein : 
Glück  auf!  Organ  des  Erzgebirgsvereins.  Jahrg.  XV  (1895). 
No.  7  f.     S.  90— 93,  110-  113. 

Goldberg,  P.  Die  Grofsschönauer  Volksschule  bis  zum  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts.  [Separatabdruck  aus  dem  Grofsschönauer  Tage- 
blatt.]    Grofsschönau  (1895).     28  SS.     8°. 

Gurlitt,  C.  Beschreibende  Darstellung  der  älteren  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Königreichs  Sachsen.  Auf  Kosten  der  Königl. 
Staatsregierung  herausgegeben  vom  Königl.  Sächsischen  Alter- 
thumsverein.  Siebzehntes  Heft:  Stadt  Leipzig  (I.  Teil).  Dresden, 
C.  C.  Meinhold  &  Söhne.     1895.     256  SS.     8°. 

Hartenstein.  Notizen  über  Wilhelm  Gottheit  Lohrmann,  einen 
Dresdner  Geodäten,  Meteorologen  und  Astronomen:  Beilage  zum 
V.  Jahresbericht  der  städtischen  Realschule  zu  Dresden-Johann- 
stadt.    Dresden  1895.     54  SS.    4°. 

Heidrich,  H.  Bilder  aus  der  südlichen  Oberlausitz.  Eine  Heimats- 
kunde von  Zittau  und  Umgebung.  Zittau,  W.  Böhm.  1894. 
VIII,  84  SS.    8°. 

Hiller,  Geo.  Geschichte  des  Dorfes  Dittelsdorf  in  der  sächsischen 
Oberlausitz.     Zittau,  Druck  von  W.  Böhm.     1895.     80  SS.    8°. 

Hinke,  Osk.  Die  Bierfehde  zwischen  Zittau  und  Hirschfelde:  Ge- 
birgsfreund.  Jahrg.  VII  (1895).  No.  8-10.  S.  87— 90,  100— 102, 
112—115. 


342  Litteratur. 

His,  Wilh.  Johann  Sebastian  Bach.  Forschungen  über  dessen  Grab- 
stätte, Gebeine  and  Antlitz.  Bericht  an  den  Rath  der  Stadt 
Leipzig,  im  Auftrage  einer  Commission  erstattet.  Nebsl  Schlufs- 
Urtheil  der  Commission.  Mil  einem  Situationsplan  and  9  Tafeln. 
Leipzig,  F.  C.  W.  Vogel.     1895.    24  SS.    4°. 

Holder-Egger,  Osw.  Studien  zu  Thüringischen  Geschichtsquellen 
II.  III:  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  alten'  deutsche  Ge- 
schichtskunde  Bd.  XX  (1895).  S.  569  —  637.  Bd.  XXI  (1895). 
S.  2:55  —  297. 

Holzhaus,  A.  Ein  Berg-  und  Edelmann  [Friedr.  Wilh.  Heinrich  von 
Trebra]:  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1895. 
No.  40.     S.  157— Kit  >. 

Jdhnel,  C.  Johann  (IV.)  von  Wartenberg  auf  Tetschen:  Mittheilungen 
des  Nordböhmischen  Excursions  -  Clubs.  Jahrg.  XVII 1  (1895). 
S.  155  —  158. 

Jeep,  Ernst.  Eine  kritische  Studie  über  die  Schlachten  bei  Mollwitz 
und  Bohenfriedberg.     Berlin,  Liebel.    1895. 

Jentsch.  Zu  Gamighübel,  Gamig,  Gamrich:  Über  Berg  und  Thal. 
Jahr»-.  18  (1895)!     No.  6.     S.  155  f. 

—  Der  Lilienstein:  ebenda  S.  156. 

Judeich,  F.  Zur  Geschichte  der  Forstakademie  Tharandt.  Tharandter 
forstliches  Jahrbuch  Bd.  41  (1891).     S.  .'5-132. 

Knothe,  Herrn.  Die  Überlausitzer  auf  Universitäten  während  des 
Mittelalters  und  bis  zum  .fahre  1550:  Neues  Lausitz.  Magazin. 
Bd.  LXX1   (1895).     S.  133—174. 

v.  Köckritz,  Diepold.  Geschichte  des  Geschlechtes  von  Köckritz  von 
1209 — 1512  und  der  Schlesischen  Linie  bis  in  die  Neuzeit.  Nach 
urkundlichen  Quellen  zusammengestellt.  Mit  :>1  Lichtdrucken, 
zwei  Stammtafeln,  einer  Ahnentafel,  einer  Siegeltafel  und  einer 
Besitz-Karte.  Breslau,  Josef  Max.  1895.  XVIII,  438,  55  und 
XXVI  SS.     8". 

Köhler.  Die  Berg-,  Knapp-  und  Brüderschaft  zu  Jöhstadt:  Glückauf! 
Organ  des  Krzgcbirgsvereins.    Jahrg.  XV  (1895).    No.  1.    S.  Kit'. 

(Köhler,  J.  A.  E.)  Dr.  Job.  Aug.  Ernst  Köhler.  Ein  Lehensbild: 
Unser  Vogtland.    Bd.  I  (1895).     S.  470— 178. 

Korschell-,  <i.  Geschichte  der  Ortsherrschaften  von  Eörnitz:  Neues 
Lmsitz.  Magazin.     Bd.  LXXI  (1895).     S.  los     126. 

Kötzschke,  Paul  Rieh  Das  Unternehmerthum  in  der  ostdeutschen 
Colonisation  des   Mittelalters.     Bautzen    1894.     IV,   74  SS.    8°. 

Krebs,  Kurt.  Eaugold  von  Einsiede!  auf  Gnandstein,  der  erste 
Lutheraner  seines  Geschlechts.  (A.  u.  d.  T. :  'Beiträge  und  Ur- 
kunden zur  Deutschen  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation.  1.) 
Leipzig,   Kofsber»-.     1895.     VIII,  129  SS.     8°. 

Kr'öber,  F.  E.  Beiträge  zur  Heimathskunde.  Oberpfannenstiel  Berns- 
bacher Antheils:  Auerthal-Zeitung.     1894.     No.  121. 

(Lamprecht,  C.J  Dem  Andenken  weiland  Sr.  Durchlaucht  des  Fürsten 
Otto  Friedrich  von  Schönburg-Waidenburg  gewidmet.  (Waiden- 
burg,  E.  Kästner.     1894.)     2:;  SS.     «".') 

Lauterlein,  Max.  Chronik  der  Parochie  Königswalde  mit  Hartmanns- 
dorf im  Königreich  Sachsen.  Zumeist  nach  dem  dortigen  Pfarr- 
archiv zusammengestellt,   Werdau  (A-Thümmler).  1895.  GISS.  8°. 

(Liebscher,  Edgar.)  Ein  Beitrag  zur  Geschiebte  der  Leinweberei 
zu  Sebnitz:  Grenzblatt.     1894.    No.  29    35. 


')  S.  168  ist  als  Verfasser  irrtümlich  G.  Dost  genannt, 


Litteratur.  343 

Lilie,  Moritz.  Zur  Geschichte  des  sächsischen  Weinbaues:  Wissen- 
schaftliche Beilage  der  Leipz.  Zeitung-.    1895.  No.  26.   S.  101—104. 

—  Fürst  Blücher  und  die  sächsische  Garde:  ebenda.  No.  75. 
S.  297—299. 

—  Ein  Volks-  und  Jugendfreund.  Zum  100 jährigen  Geburtstag 
Gustav  Nieritz:  ebenda.     No.  77.     S.  305  f. 

läppert,  Wohl.  Wettiner  und  Witteisbacher  sowie  die  Niederlausitz 
im  XIV.  Jahrhundert.  Ein  Beitrag  zur  deutschen  Reichs-  und 
Territorialgeschichte.  Dresden,  W.  Baensch.  1894.  XVI, 
314  SS.    8°. 

—  Das  älteste  Geschützwesen  der  Wettiner:  Wissenschaftliche  Bei- 
lage der  Leipziger  Zeitung.     1895.    No.  46.     S.  182—184. 

Lippold,  A.  Vor  hundert  Jahren.  Leipziger  Meisbilder  mit  Original- 
zeichnungen III— VI:  Zeitschrift  des  Leipziger  Mefsverbandes. 
Heft  11,  12  (1895).     S.  126—129,  141—144. 

Loeschc,  Georg.  Johannes  Mathesius.  Ein  Lebens-  und  Sittenbild 
aus  der  Reformationszeit.  2  Bde.  Gotha,  Fr.  A.  Perthes.  1895. 
XXI,  639  und  IV,  467  SS.     8°. 

Lungwitz,  Herrn.  Die  grol'se  Glocke  in  Geyer:  Glückauf!  Organ 
des  Erzgebirgsvereins.     Jahrg.  XV  (1895).     S.  93—95. 

Lobe,  Rud.  Nachrichten  über  die  ältesten  Einkünfte  und  Rechte  der 
dem  Kloster  Eisenberg  incorporierten  Marienkirche  zu  Zwickau: 
Mitteilungen  des  Geschichts-  und  Altertumsforschenden  Vereins 
zu  Eisenberg.     Heft  10  (1895).     S.  36—40. 

Lohn-Siegel,  Anna.  Aus  meinem  Tagebuche  vom  Dresdener  Hof- 
theater :  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung.  1895. 
No.  33  f.     S.  129— 135. 

v.  Mansberg,  Rieh.  Frhr.  Unsere  Nachbarn  jenseits  des  Erzgebirges: 
ebenda.     No.  59,  65,  68.     S.  233— 236,  257— 260,  269-272. 

Martin.  Die  Diakonissenanstalt  zu  Wechselburg:  Rochlitzer  Diözesan- 
Bote.     Jahrg.  IV  (1895).     No.  1.     S.  1-4. 

Meyer,  Paul.  Samuel  Pufendorf.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  seines 
Lebens.  Abhandlung  zum  Jahresbericht  der  Fürsten-  und  Landes- 
schnle  zu  Grimma  über  das  Schuljahr  1894—1895.  Grimma  1895. 
31  SS.     4°. 

(Michael,  A.  und  Th.)  Familienbuch.  Chronik  der  Familie  C.  G. 
Michael  aus  Oberfriedersdorf  bei  Neusalza  in  der  sächsischen 
Oberlausitz.  2.  Ausgabe.  Als  Manuscript  gedruckt.  Zittau  1894. 
38  SS.    8°. 

Mirus,  Karl  Adolf.  Peter  Apian :  Ueber  Land  und  Meer.  1895. 
S.  639. 

Möbius,  Hugo.  Für  unsere  Mufsestunden  XIV  [Kloster  Altzelle; 
Friedrich  der  Freidige] :  Sächsische  Schulzeitung.  1895.  No.  10—12. 
S.  123—125,  137—139,  149-152. 

Moschkau,  Alfred.  Ritterburg  und  Kloster  Oybin  im  Zittauer  Ge- 
birge. Deren  Beschreibung,  Geschichte  und  Sagen  nebst  Führer 
durch  die  Umgebung  Oybins  (Töpfer,  Hochwaid  und  Lausche). 
11.  Auflage.  Mit  Illustrationen.  Oybin,  Verlag  des  „Oybin- 
Museum"  (1895.)     40  SS.     8°. 

—  Aus  der  Südlausitz  Gauen.  Ein  Beitrag  für  Sachsens  Jagd- 
geschichte: Der  Weidmann.  Bd.  XXVI  (1894/95).  S  1  f.,  13  f., 
23  f.,  33-35,  67—69,  85-87,  93-95,  1011,  125  f.,  133  f. 

Mutschink,  Joh.  TV.  Die  litterarischen  Bestrebungen  der  Wenden 
in  der  sächsischen  und  preufsischen  Lausitz:  Gebirgsfreund. 
Jahrg.  VII  (1895).     No.  14.     S.  157  f. 


344  Litteratnr. 

Needon,  R.  Heidenschanzen  in  Sachsen:  Wissenschaftliche  Beilage 
der  Leipziger  Zeitung.    1895.    No.  57.    S.  225— 228. 

Paulus,  R.  Zur  Biographie  Tetzels:  Historisches  Jahrbuch  der 
Görres-Gesellschaft.    Bd.  XYI  (1895).    S.  37— 69. 

(Pfau,W.  C)  Beiträge  zur  Geschichte  der  Rochlitzer  Gegend :  Ver- 
einigtes Wochenblatt  für  Roehlitz,  Geringswalde  u.  s.  w.  1895. 
No.  48—50,  52—58,  60  (Kirchenrechnung  Ohergräfenhain  1560), 
62,  63  (Ergänzungen  zur  Geschichte  'Irr  Rathendorfer  Kirche), 
68,  69,  70—71  (Kloster  Geringswalde),  80,  83 f.,  86  f.,  89— 91,  93, 
(t5  f.  (80— 96:  Rochlitzer  Gerichtsfälle  1560-1620),  99  (Meister 
Arnold  in  Kriebstein). 

—  Die  Rochlitzer  Steinmetzen:  Repertorium  für  Kunstwissenschaft. 
Bd.  XVIII  (1895).     S.  161—179. 

Pilk,  G.  Elbegold:  Über  Berg  und  Thal.  Jahrg.  XV11I  (1895). 
No.  5.     S.  143—145.     (vergl.  No.  6.     S.  151). 

—  Liebethal:  ebenda  No.  7.     S.  159—164. 

Reichardt,  P.  Friedr.  Karl.  Versuch  einer  Geschichte  der  Meifs- 
nischen  Lande  in  den  ältesten  Zeiten:  Beilage  zum  52.  Bericht 
über  das  Königl.  Realgymnasium  nebst  Progymnasium  zu  Anna- 
berg.    1895.     28  SS.     4°. 

Rommel,  Otto.  Geschichte  der  Sächsischen  Zeitungsmarke  3  Pfennige 
rot.     Leipzig,  Ernst  Heitmann.     1894.     48  SS.     8°. 

Rühle,  Carl.  Zur  50jährigen  Jubelfeier  der  deutsch-katholischen 
Gemeinde  zu  Leipzig.  Kurzer  geschichtlicher  Abrifs,  als  Festgabe 
nach  den  von  Job.  Chr.  Schauwecker  gemachten  Archivauszügen 
sowie  eigenen  Erfahrungen  und  Erlebnissen  vertatst.  Leipzig, 
C.  Rühle.     1895.    III,  36  SS.    8°. 

Seheuffler.  Bautzen  und  seine  Kirchen.  4.  Die  St.  Michaeliskirche: 
Kleine  Chronik  der  evangelisch  -  lutherischen  Diakonissenanstalt 
in  Dresden.  Jahrg.  20  (1895).  1.  Vierteljahr.  S.  4  f.  2.  Viertel- 
jahr. S.  4— 6. 

Schmidt.  Vom  Dom  zu  Meifsen  (Schlufs):  Neues  Sächsisches  Kirchen- 
blatt.    Jahrg.  II  (1895).     S.  138-142.     (Vergl.  S.  454  f.) 

Schmidt,  Ludwig.  Urkundenbuch  der  Stadt  Grimma  und  des  Klosters 
Nimbschen.  Im  Auftrage  der  Kgl.  Sächsischen  Staatsregiernng 
herausgegeben.  (A.  u.  d.  T. :  Codex  diplomaticus  Saxoniae  regiae. 
Im  Auftr.  u.  s.  w.  herausgegeben  von  Otto  Posse  und  Hubert 
Klinisch.  Zweiter  Haupttheil.  XV.  Bd.)  Leipzig,  Giesecke  & 
Devrient,    1895.     XXIV,  439  SS.    4°. 

Schuberth,  G.  Über  die  Rödcrbetten  oberhalb  Crofsenhain:  (irofsen- 
hainer  Tageblatt,     1895.     No.  113-118. 

Schurig,  E.  Feldwebel  a.  D.  Friedrich  Schurig.  Ein  Veteranen- 
Lebensbild.  Nach  Tagebüchern,  Briefen  und  mündlichen  Mit- 
teilungen bearbeitet.  Dresden,  Expedition  des  Kamerad  (F.  li. 
Staub).     1894.     54  SS.    8°. 

See/ iij,  Th.  Ein  Wort  zu  den  Gemeindespiefsen  aus  den  Dresdner 
lleidedürfern:  Über  Berg  und  Thal,  Jahrg.  XV1I1  (1895).  No.  8. 
S.  172  f. 

Stoy,  Franz  Adolf.  Geschichte  der  Stadt  Sehirgiswalde.  Schirgis- 
walde  (Selbstverlag).     1895.     88  SS.     8°. 

Struck,  Walter.  Das  Bündnifs  Wilhelms  von  Weimar  mit  Gustav  Adolf. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  dreifsigj ährigen  Krieges".  Stral- 
sund, K.Regierungs-Buchdruckerei.  1895.  158undLXXlXSS.  8°. 

Theile,  F.  Aus  alter  und  neuer  Zeit.  Localgeschichtliche  Monats- 
beilage   zum    Local- Anzeiger   für   das    Lockwitz-,    Poisen-    und 


Litteratur.  345 

Müglitzthal  und  die  südlichen  Vororte  Dresdens.  No.  29—40. 
1894 — 1895.   [Inhalt:  Der  Maiaufstand  in  Dresden.   Fortsetzung-.] 

Uhle,  P.  Festrede,  gehalten  am  Vorabend  des  750jährigen  Stadt- 
jubiläums Leim  Festkommers  in  der  „Linde":  Bericht  über  die 
Verwaltung  und  den  Stand  der  Gemeindeangelegenheiten  der 
Fabrik-  und  Handelsstadt  Chemnitz  für  das  Jahr  1894.  (Chemnitz, 
Pickenhahn  &  Sohn.)    S.  253-258. 

--  Der  Überfall  des  Schlosses  Chemnitz  (Oktober  1634):  ebenda 
S.  259-261. 

VflüeJ,  P.  Ein  Armbrust-  und  Büchsenschiefsen  in  Dresden  1678: 
Chemnitzer  Tageblatt.     1895.     No.  162.     S.  18. 

Uhlirz,  Karl.  Zur  Beurteilung  der  Balle  Johann  XIII.  für  Meißen: 
Mitteilungen  des  Instituts  für  österreichische  Geschichtsforschung. 
Bd.  XVI  (1895).     S.  508-518. 

Vater,  Oskar.  Die  Sächsischen  Herrscher.  Ihre  Familien  und  Ver- 
wandten. Rudolstadt  a.  d.  Saale.  1895.  VI,  47  SS.  qu.-fol. 
5  Stammtafeln. 

v.  d.  Vehle,  Alfred.  Adrienue  Lecouvreur  und  Moritz  von  Sachsen : 
Nord  und  Süd.     Bd.  69  (1894).     S.  209-221. 

Virchow,  Rud.  und  Ludw.  Feyerabend.  Die  Robrechtsche  Schenkung. 
1.  Der  arabische  Hacksilberfund  von  Meschwitz  bei  Bautzen: 
Jahreshefte  der  Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Urgeschichte 
der  Oberlausitz.     Heft  IV  (1894).    S.  219—228. 

Vö/kel,  A.  Die  Kreuzsteine  zu  Oelsnitz  i.  V.:  Mein  Vogtland. 
Bd.  I  (1895).     S.  485—487. 

Wach.  Festbericht  bei  der  Jubelfeier  des  25  jährigen  Bestehens  des 
Vereins  für  Innere  Mission  in  Leipzig,  erstattet  am  2.  Dezember 
1894  in  der  Thomaskirche      (Leipzig  1895.)    27  SS.     8°. 

WancJcel,  Otto,  und  Cornel.  Gurlitt.  Die  Albrechtsburg  zu  Meifsen. 
Unter  Benutzung  amtlicher  Quellen  herausgegeben.  Dresden, 
Wilhelm  Baensch.     1895.     40  SS.  fol.  und  18  Tafeln  qu.-fol. 

Weinhold,  E.  Weihnachtsspiele  im  Erzgebirge:  Glückauf!  Organ 
des   Erzgebirgsvereins.      Jahrg.   XV   (1895).     No.   1.     S.  2—10. 

—  Scharfenstein:  ebenda.    No.  7.    S.  85— 90. 

( Weite J     Weistropp:   Über  Berg  und  Thal.    Jahrg.  XVIII  (1895). 

No.  205.     S.  127  f. 
( Wiedetnann.)    Ein  herzoglich-württembergisches  Palais  in  Dresden: 

Dresdner  Anzeiger.     1895.     No.  23.     S.  26. 
Wustmann,  G.     Urkundliche  Beiträge  zur  frühesten  Geschichte  der 

Nicolaischule :   Jahresbericht  des  Nikolaigynmasiums  in  Leipzig. 

Leipzig  1895.     XIV  SS.     4°.     . 

—  Die  Auffindung  der  Gebeine  Johann  Sebastian  Bachs:  Grenzboten. 
1895.     No.  22.     S.  415-425. 

Zingg ,  Adrian.  Landschaftsstudien  aus  der  weiteren  Umgebung 
Dresdens,  nach  den  im  Besitz  Sr.  Königlichen  Hoheit  des  Prinzen 
Georg  Herzog  zu  Sachsen  befindlichen  Skizzenbüchern  des  Malers 
photographisch  in  Originalgröfse  vervielfältigt  von  Stengel  & 
Markert,  Dresden.  Beilage  zu  der  Monatsschrift  des  Gebirgs- 
vereins  für  die  Sächsische  Schweiz  Über  Berg  und  Thal. 
Dresden  1894—96.     8  Bll.     4°. 

Zöllner,  W.  Beiträge  zur  älteren  Topographie  und  Statistik  von 
Chemnitz :  Bericht  über  die  Verwaltung  und  den  Stand  der 
Gemeindeangelegenheiten  der  Fabrik-  und  Handelsstadt  Chem- 
nitz auf  das  Jahr  1894.  (Chemnitz,  Pickenhahn  &  Sohn.)  S.  233 
bis  252. 


•>li;  Litteratur. 

Zschommler,   Max.     Ein  Doppelgestirn    der  Wissenschaft  uns  dein 

V Üand  |A.  Kr.  Zürner  und  Bd.  Fr.  PöppigJ:  Unser  Vogtland. 

Bd.  II  (189:.).    S.  75-82. 

Aus  dem  Niedersteinbacher  lTarrarchiv  I:  Rochhtzcr  Diöcesan-Bote. 
.Jiihrg.  IV  (1895).     No.  2.     S.  6 f. 

Der  zweite  Schlesische  Krieg  1744  —  1715.  Herausgegeben  vom 
Großen  |  teneralstabe,  Abteil,  für  Kriegsgeschichte.  Bd.  I :  Böhmen 
I",  ll.  Mit  19  Karten,  Plänen  und  Skizzen.  Bd.  II:  Hohenfriede- 
berg.  Mit  14  Plänen  und  Skizzen.  (A.  n.  d.  T.:  Die  Krieg«- 
Friedrichs  des  Grofsen.  Zweiter  Teil.)  I'.etlin,  Mittler  und  Sohn. 
1895.     X,  272  und   151;  VIII,  244  u.  29  SS.     8°. 


Aus  dem  Zioönitzthale.  (Herausgegeben  von  Löscher.)  Beiträge  zur 

Geschichte  von  Zwönitz  und  Umgegend.  Herausgegeben  vom 
Erzgebirg- Zweigverein  Zwönitz.  Zwönitz,  Druck  von  Bernhard 
Ott.     No.  1.     Februar  1895.     20  SS.     8°. 

Inhalt:  Die  Urkunden  unseres  Kirchturmknopfes.  Der  grofse 
Brand  von  1687  und  der  Neubau  der  Kirche  nach  dem  gleich- 
zeitigen Bericht  des  Diakonus  Groschupff.  Die  Hungersnot  in 
dm  Jahren  1771  und  1772. 
Dresdner  GescMchtsOlättcr.  Herausgegeben  vom  Verein  für  Ge- 
schichte Dresdens.  Jahrg.  IV  (1895).  No.  2,  3.  Dresden, 
W.  Baensch. 

Inhalt:  Oberbürgermeister  Dr.  Stübel  f.  Georg  Muller, 
Ein  Brief  D.  Peter  Eyssenbergs  an  den  Bischof  Johann  NIM. 
von  Meifsen.  W.  v.  Se'idlitz,  Die  Schicksale  der  Dresdner  Ge- 
mäldegalerie während  des  siebenjährigen  Krieges.  W.  Frhr.  von 
Biedermann,  Eine  Dresdner  Liebhaberbühne  vor  hundert  Jahren. 
Aus  Julius  Schnorrs  Tagebüchern  II.  Georg  Müller,  Zur 
Geschichte  der  Dresdner  Kirchenbücher. 
Mitteihuiqcn  des  Vereins  für  Chemnitzer  Geschichte.  VT1I.  Jahr- 
buch für  1891—94.  Chemnitz,  0.  Mays  Buchhandlung  (Komm.). 
1895      15s  SS.     8W. 

Inhalt:  Kirchner,  Zwei  Chemnitzer  Schulordnungen.  A. 
Lauckner,  Zur  Erinnerung  an  das  Kriegsjahr  1644.  Uhle, 
Chemnitz  im  Freiheitskrieg  1813.  Nekrologe. 
Quellen  zur  Geschichte  Leipzigs.  Veröffentlichungen  aus  dem  Archiv 
und  der  Bibliothek  der  Stadt  Leipzig.  Eerausgegeben  von 
Gustav  Wustmann.  Bd.  II.  Mit  7  Abbildungen.  Gedruckt  aut 
Kosten  der  Stiftung  für  die  Stadt  Leipzig.  Leipzig,  Duncker 
&  Humldot.     IS!).",.     V,  5  IS  SS.     8°. 

Inhalt:  G.  Wust  mann ,  Das  älteste  Leipziger  Urtchdenbuch 
1390—1480.  Derselbe,  Urkunden  und  Aktenstücke  zur  Geschichte 
des  Leipziger  Rats  (Anhang:  Der  Bürgermeister  Romanus). 
E.  Kroker,  Heinrich  Gramer  von  Claufsbruch,  ein  Leipziger 
Handelsherr  des  16.  Jahrhunderts.  Derselbe,  Leipzig  im  sieben- 
jährigen Kriege.  G.  Wustmann,  Kleine  Mitteilungen.  (Luthers 
Becher.  Lotter  und  Pfeffinger.  Ein  Procefs  Octavio  Piccolomims. 
Der  Stifter  der  Fraternität.  Apels.  Garten.  Zur  Geschichte  der 
Leipziger  Schauspielhäuser.  Herzog  Carl  von  Würtemberg  in 
Leipzig.    Das  Denkmal  des  Bürgermeisters  Müller.    Ein  Künstler- 


Litteratar.  347 

streit.  Das  Schillerhaus  in  Gohlis.  Fürst  Bismarcks  Leipziger 
Vorfahren.  Der  Tauchische  Jahrmarkt). 
Schönburgische  Geschichtsblätter.  Vierteljahrsschrift  zur  Erforschung 
und  Pflege  der  Geschichte  im  Gebiete  der  Schönburgischen  Recefs- 
und  Lehnsherrschaften.  Jahrg.  I.  Heft  3,  4.  Waidenburg,  E. 
Kästner.     1895.     S.  121—256.     8°. 

Inhalt:  Fr.  Kittel,  Dr.  Rudelbach.  C.  H.  Kannegiefser, 
Der  Übergang  der  Grafschaft  Hartenstein  an  das  Haus  Schön- 
burg. R.  Hofmann,  Zur  Geschichte  der  Töpferei  in  Altstadt- 
Waidenburg  (II).  G.Dost,  Zwei  alte  Heilquellen  im  sächsischen 
Erzgebirge.  Th.  Schön,  Kriegsthaten  eines  Herrn  von  Schön- 
burg im  15.  Jahrhundert.  Ein  Bild  aus  dunkler  Zeit.  Distel, 
Allerlei  Findlinge.  Aus  unserer  Zeit.  —  G.  Dost,  Die  wüsten 
Marken  im  Schönburgischen.  Thomas,  Waidenburg  im  sieben- 
jährigen Kriege.  Fr.  Kittel,  Das  Leuschnerhaus  in  Glauchau. 
R.Hof  mann,  Zur  Geschichte  der  Töpferei  in  Altstadt-Waiden- 
burg (III).  Th.  Schön,  Die  Theilnahme  der  Herren  von  Schön- 
burg am  Hussitenkriege.  Derselbe,  Leistung  von  Türkenhilfe 
seitens  des  Hauses  Schönburg.  Glauchau  der  Geburtsort  von 
Samuel  Pufendorfs  Vorfahren.    Aus  unserer  Zeit. 


Kegister. 


Agricola,  Georg  129. 

Alltinus,  Peter  131. 

Albrecht  (d.  Beherzte),  Hz.  v. 
Sachsen  102  ff. 

Alffelt,  Hans,  Vorsteher  des  Kl. 
Nimbschen  309. 

v.  Allenbluraen,  Joh.,  Kanimer- 
meister  16. 

Altenberg  129. 

Altzelle,  Kloster  48.  134.  310. 

Alveld,  Lector  des  Franzisk.-Kl. 
Leipzig  75. 

v.  Alveusleben,  BodoDietr.,  Lieute- 
nant 316. 

Amberg  313. 

Anhalt  s.  Christian. 

Anna,  Kurfürstin  v.  Sachsen  183. 
187. 

—  Gen.  Landgraf  Friedr.  d.  Friedf. 
v.  Thüringen  35. 

—  Gem.  Heinrichs  IL  Burggrafen 
v.  Meifsen  105. 

Ansbach-Baireuth  280. 

Aristoteles  63  ff. 

v.  Arnstadt,    Dietr.,    Dekan  des 

Severistifts  z.  Erfurt  16. 
v.  Arnstadt,  Korporal  316. 
Arumaeus  314. 
Asch  277. 

v.  Aschersleben,  Major  320. 
Asticampian  54  ff.  86  f. 
Aubanus,  Coelius,  Hag.  56.  83. 
Auerbach,    Prof.    d.  Medizin    in 

Leipzig  71.  93. 
Augsburg  179.  194.   202  ff.  282  ff. 

29«. 
August,  Kurfürst  v.Sachsen  129  ff. 

133.  177.  ff.  276. 

—  Prinz  v.  Sachsen,  Administrat. 
v.  Magdeburg  278. 


August  IL  u.  III.,  Könige  v.  Polen, 
s.  Friedrich  August. 

Baiern  s.  Ernst,  Stephan. 

Baldauff,  Chrph.,  Rektor  in  Schnee- 
berg 246. 

Balthasar,  Lgf.  v.  Thüringen  12  f. 
23  f.  27.  96. 

de  Bardi,  Giacomo   182. 

Beherfs,  Dorothea,  Äbtissin  zu 
Nimbschen  309. 

Berg  280. 

v.  Bernstein  177.  188.  190.  217. 

Bethune,  Graf,  Obristlieut.  318 

Beutner,  Lehrer  in  Schneeb.  231. 

de  Biassono,  Curello  37. 

—  Paganino  15.  33. 
Birnbaum,  Dr.,  Leibmedicus  295. 

303. 

Böhmen  269  ff.  s.  a.  Georg. 

Bonafous,  Marechal  de  logis  318. 

Bonifaz  IX.,  Papst  13. 

Bonitz,  Job.,  Bektor  in  Schnee- 
berg 241. 

—  Superintendent  in  Langen- 
salza 267. 

Boppard  24. 

Borzo,  Dr.,  Leibmedicus  295. 

Böschenstein,.Joh  ,  Prof.  in  Witten- 
berg 61. 

Bousquet,  Dademas,  Marechal  de 
logis  318. 

v.  Boxberg,  Lieutenant  320. 

Brandenburgs.  Christian,  Joachim, 
Joachim.,  Ernst. 

Brandner,  Ägidius,  Feldprediger 
277. 

Braunschweig  s.  Friedr.  Ulrich. 

v.  Breitenbach,  Georg,  Prof.  juris 
in  Leipzig  71. 


Register. 


349 


v.  Budberg,  Kapitän  320.  323. 
v.  Bünau ,  Günther ,  a.  d.  Hause 
Tetschen  273. 

—  Heinrich  99. 

von  dem  Busche,  Hermann  55. 
v.  Buttler,  Oberst  320. 

—  Lieutenant  323. 

Camerarius,  Joachim  56.  81. 

—  Ludw.  311.  313. 
Carlstadt,  Prof  in  Wittenberg  67. 
Oarrara  s.  Franz. 

di  Cavalli,  Antonio  111  ff. 
Cellarius,  Joh.,   Prof.  in  Leipzig 

61  f. 
Ceratinus,  Prof.  in  Leipzig  81. 
Chemnitz,  Wappen  128. 
Christian,  Fürst  v.  Anhalt  310  ff. 

—  Markgraf  v.  Brandenburg  277. 

—  1 ,  König  v.  Dänemark  101. 
Clausnitz  bei  Freiberg  102 
Clemens  VII.,  Papst  4.  10. 

v.  Comanstein,  Obristlieut.  320. 
de  la  Costi,  Lieutenant  318. 
Creutziger,  Caspar  56. 
Crocus,  Rieh.  55.  57ff.  74.  91. 
Czernichow  322. 

Dabercusius ,  Mathias  Marcus, 
Rektor  in  Schneeberg  246. 

Dänemark  198  f.  207.  s.  Christian, 
Erich. 

Delitzsch,  Andr.,  Prof.  i.  Leipz.  81. 

v.  Dohna,  Achaz,  Frhr.  u.  Burg- 
graf 313. 

—  Christof,  Frhr.  u.  Burggf.  310  ff. 

—  Fabian,  Frhr.  u.  Burggraf  310. 
Doppert,  H.  M  ,  Rektor  in  Schnee- 
berg 232.  238  f.  248  ff. 

Dreiskau  bei  Ölzschau  127. 
Dresden  98  f.  127  f.  190.  286.  292  ff. 

315.  321  f. 
Dungersheim   v.  Ochsenfart,  Dr. 

59.  73. 
Dux  98. 

Eck,  Prof.  in  Ingolstadt  67  ff'. 
Eckold,  Emanuel,  in  Leipzig  282. 
Eckstein,  Baccalaur.  in  Schneeberg 

233. 
Edeler,'  Joh.,  Pfarrer  273. 
Edmund,  Graf  v.  Kent  37  f. 
Eger  276  ff. 

—  Vertrag  (1459)  100. 
Egger,  Andr.,  in  Leipzig  281. 


Eilenburg  315. 
v.  Einsiedel,  Heinrich  107. 
Eisenbarth,  Andr.,  Okulist  U.Stein- 
schneider 303. 
Elisabeth,  Herzogin  v.  Görlitz  13. 

—  Burggräfin  v.  Nürnberg  15. 
Emser,  Hieron.  74.  89  f. 
England    s.   Heinrich,    Johanna, 

Richard. 
Erasmus  55.  59  f.  72  ff. 
Erfurt  12.  14.  50  f. 
Erich,  König  v.  Dänemark  30. 
Erndel,  Heinr.,  Dr.  med.,  Stadt- 

physikus  zu  Dresden  292  ff. 
Ernst,  Kurf.  v.  Sachsen  102  ff. 

—  Herzog  v.  Baiern  28. 
Eschenbach ,  Oberquartiermeister 

319. 

Faber,  Kanzler  313. 

v.  Feilitzsch,  Lieutenant  320. 

Ferdinand  IL,  Kaiser  269 ff. 

la  Ferriere,  Brigadier  308. 

de  Fierville,  Lieutenant  318. 

Fischer,  Salomon  Friedr.,  Bürger- 
meister in  Schneeberg  250. 

Fleifsen  i.  Böhmen  277. 

Florenz  9  ff.  24  f.  29. 

Forchheim  24. 

Förderreuth  i.  Böhmen  277. 

Förster,  Joh.,  Rektor  in  Schnee- 
berg 241. 

de  Foyssac,  Lieutenant  318. 

Franck  77  f. 

Frankfurt  a.  M.   178.  250.  311  ff. 

Frankfurt  a.O.,  Univers.  47f.  52. 85. 

Frankreich  4 ff.  s.  a.  Isabella,  Karl. 

v.  Franquinet,  Kapitän  320. 

Franz  v.  Carrara,  Herr  v.  Padua  9. 

Franz,  Dr.,  Oberkonsistoriair.  262. 

—  Ambrosius,  Rektor  in  Schnee- 
berg 245. 

Frasi,  Hieron.,  in  Frankfurt  a.  M. 
209. 

Freiberg  98.  101.  114.  286.  302. 

Friedrich  (d.  Friedfertige),  Land- 
graf v. Thüringen  12f.  Uff.  95. 

—  (d.  Strenge),  Mkgf.  v.  Meifsen 
12.  95  f. 

—  (d.  Streitbare),  Mkgf.  v.  Meifsen 
14  f.  96  ff. 

—  (d .  Sanftmütige),  Kurf.v.  Sachs. 
97  f.  101. 

—  (d.  Weise),  Kurf.  v.  Sachsen 
43.  47.  58.  67.  72  f. 


:;;,(> 


Register. 


Friedrich  VI.,   Burggf.  v.  Nürn- 
berg L5.  23. 

—  [.,  Bisch,  v.  Merseburg  30";  f 
Friedrich  August  I.,Kurf  v.Sachs. 

(August  11.,  König  v.  Polen) 
264.  317ff. 

—  II.,  Kurf.  v.Sachsen (Aug.  III., 
König  v.  Polen)  250.  322ff. 

Friedrich  Ulrich,   Hz.  v.  Braun- 
schweig ;U:i. 
Friesen,  Graf  517. 
Frotscher,  Rektor  in  Schneeb.  243. 
Fuchs,  Joh  ,  RektinSchneeb.  241. 
Fugger  I81ff.   199.  212.  218. 

—  Marx  210.  212. 
Funk,  Michael,  Dr.  202ff. 
Fürstenberg,  Fürst  317. 

Fuis,  Wolfg.,  Rekt.  in  Schneeberg, 
dann  Superint.  in  Chemnitz  240. 

Garben,  Joh.  u.Bapt.,i.Leipzig283. 
( renua  1 1. 

Georg,  Markgraf  v  Meifsen  15. 
Hz.  v.  Sachsen  44f.  48ff.  107. 

—  (Podiebrad),  Kg.v.  Böhmen  100. 
v.  Gera,  Ilse,   Klostorjungfrau  in 

Nimbschen  :>o9. 
Gernhardt,  Albr.,   Vorsteher  des 

Klosters  in  Nimbschen  .'»09. 
v.  Göchhausen,  Kapitän  320. 
( rode,  1  leimig,  Prof.  in  Wittenberg 

50.  85. 
Goldast  311.  313. 
Goluchowski,  Kapitän  320.  323. 
(iura,  Joh.,   Propst  des  Klosters 

Nimbschen  309. 
v.  Gorenczk,  die  97.  101. 

—  Agnes  99. 

—  Hans  99. 

—  Michel  98. 

-  Tietze  98  ff. 

—  Veronika  99. 

—  Wolf  !>s  f. 
Görlitz  s.  Elisabeth. 

Griiner.  David,  in  Leipzig  283. 

Grimma  253.  308.  310. 

i  Irofeenhain   l">. 

Grossin,  Mari;-.  310. 

Grundig,  Oberpf.  in  Schneeberg 

232. 
Giünthaler  Kupferbergwerke  193. 
Gustav  Adolf,  Kg.v.  Schweden  284. 

Hahn,  Oberpfarrer  in  Schnceberg 
237.  254ff. 


Hahn,  Diakonus,  später  Superint. 

in  Gera  264f. 
de  la  Haie,  Brigadier  318. 
Hamburg  198  f. 
Harrer,    Hans,   Kammermeister 

178  ff.  213. 
Hatzfeld,  kais.  General  263. 
Heidelberg  313. 
Heinrich,  Graf  v.  Derby  (Heinr.IV. 

Kg.v.  Engl.)  17  ff.  29  f.  32  f.  37  ff. 

—  II.  (v.  Plauen),  Burggraf  v. 
Meifscn  105. 

—  Kg.  v.  Portugal  185.  206.215. 
Helene,  Markgrätin  v.  Landsberg 

307  f. 
Heltv.  Forchheim,  Magister 56.  ül 
Hennigk,  Job.,  Dr.  82. 
Hermann,  Georg  216. 

—  Gottfried  265. 
Hertewvgil's,   Ursula,  Äbtissin  zu 

Nimbschen  309. 

Hertz,  Mich.,  Rektor  in  Schnee- 
berg 241. 

Hessen  s.  Margarete. 

Heymann,  Oberpfarrer  in  Schnee- 
berg 237. 

Hirschfeld  bei  Leipzig  127.  _ 

Hochenist,  Anna,  Äbtissin  z.Nimb- 
schen  309. 

Hoc  v.  Hoenegg  273. 

Hoffmann,  Konrektor  in  Schnee- 
berg  253. 

Holke,  kais.  General  263.  286. 

v.  Hopfgarten,  Georg  Frdr.,  Ka- 
pitän :>!<>. 

Eortleder,  F.  310ff. 

Hinwart.    Hans  21(3. 

—  Ulrich  199.  203.  209f.  214. 
v.  Hütten,  Ulrich  56f.  73. 
Buttich  54. 

llvrus,  Hans  Hart  mann  186.  203. 
'  206 

Jackowski,  Kapitän  320. 
Jäger,  HansJacob,  in  Leipzig  282. 
de  Janus,  Marechal  de  logis  318. 
Jenitz,    Hans,    Kammersekretär 

177.    ISS.    190. 
de  Jericho,  Joh.,  Domherr  zu  Zeitz 

307  f. 
Imhof  180.  L99£  217. 

—  Karl  2  IL  ff. 

—  Raimund  216. 

Joachim  [.,  K ml.  v.  Branden- 
burg 17  f. 


Register. 


351 


Joachim    Ernst,     Markgraf    von 

Brandenburg-Ansbach  313. 
Jobst,  Markgraf  v.Mähren  13  f.  26. 
Johann,  Herzog  von  Ghent  17. 

—  Erzbisch,  v.  Mainz  14.  26. 
Johann  Ernst,  Herz.  v.  Sachsen- 
Weimar  312. 

Johann    Friedrich,    Kurfürst    v. 

Sachsen  262. 
Johann  Georg  L,  Kurf.  v.  Sachsen 

107.  123.  269  ff. 

—  —  IL,  Kurf.  v.  Sachsen  304. 

III ,  Kurf.  v.  Sachsen  303. 

IV.,  Kurf.  v.  Sachsen  315. 

Johanna,  Gem.  K.  Heinrichs  IV. 

v.  England  29 f. 

—  I.,  Königin  v.  Neapel  4 f. 
Isahella,  Königin  v.  Frankreich  10. 
Jülich  280. 

Jung,  Nathanael  179.  182. 

Kämmerswalde  ..bei  Freiherr  102. 
Kanytz,  Anna,  Äbtissin  v.  Nimb- 
schen  309. 

—  Barbara,  dgl.  309. 

—  Katharina,  dgl.  309. 

v.  Karas,  Hans,   zu  Reinhardts- 

grimma  99. 
Karl  IV.,  Kaiser  96. 

—  v.  Durazzo  4  ff. 

—  VI,  Kg.  v.  Frankreich  10 f. 

—  Erzhzg.  v.  Österreich  265. 
Katharina,  Gem.  Kurf.  Friedr.  d. 

Streitb.  v.  Sachsen  98. 

Kent  s.  Edmund,  Thomas. 

Kepke,  Daniel,  dän.  Kanzler  101. 

Kerl,  Rektor  in  Schneeberg  263. 

v.  Kirchberg,  Hartmann,  Burg- 
graf 100. 

v.  Klengel,  Obrist  295. 

Klostergrab  94.  101. 

Kochel,  Kanzler  90.  92. 

Kölbel  v.  Geifsing,  Korporal  316. 

Königsmark,  schwed.  General  263. 

Konitz,  Mag.  90. 

Kopf,  Petr.,  Buchhändler  in  Frank- 
furt a.  M.  313. 

v.  Kötteritz,  Korporal  316. 

Kowalski,  Lieutenant  320. 

Kraft,  Ulrich  205. 

Kramer,  Hieron.  178  f.  182  f. 

Kraner,  Friedr.,  Rektor  260. 

Kriebstein  225  f. 

Krzypanowski,  Lieutenant  323. 

v.  Küchenmeister  101. 


Kundige,  Sebnitz  96  f. 
Kuppener,  Christof,  Dr.  90. 

Landsberg  s.  Helene. 
Langenhagen,  Korporal  316. 
Languetus,  Hubertus  .207. 
v.  Lausigk,  Ursula,   Äbtissin  zu 

Nimbschen  309. 
Lebzelter,    Friedr.,     Agent    des 

Kurf.  Joh.  Georg  285.  287. 
Le  Fevre,   angiovin.  Kanzler  in 

Avignon  <>. 
Lehmann,    David   u.   Daniel,    in 

Leipzig  276.  288. 
Leipzig  124  ff.  188  ff.  2<i9ff. 

—  Konsistorium  236. 

—  Universität  43  ff. 
Leiteritz,  Auditeur  319. 
Lemberger,  Magister  54  f. 
Leuber,  Joh.,  sächs.  Abgesandter 

in  Osnabrück  290. 
Lewenhaupt,   Karl  Gustav,  Graf 
v.   Falkenstein,    Wirkl.    Geh. 
Ratu.  Generallieutenant  317  f. 

—  Moritz,  Obristlieutenant  318. 
Lichtenberg  bei  Freiberg  102. 
Lindau  am  Bodensee  281  f.  290. 
Lindemann,    Joh.,    Ordinär,    der 

Jur.-Fakult.  u.  Bürgermeister 

in  Leipzig  84.  90  f. 
Lissabon  178  ff. 

List,  Konrektorin  Schneeberg  233. 
Lobwasser,  Ainbros.,  Professor  in 

Königsberg  267. 
Lubienski,  Kapitän  318. 
Lubomirski,  Fürst  Jakob  Alexand., 

Graf  von  Wisnitz  u.  Jaroslaw, 

Generalmajor  etc.  319.  323. 
Ludwig  I.  v.  Anjou  5  f. 

-  IL  sein  Sohn  5 f.  8. 

-  v.  Orleans  10.  13.  23.  28. 
Lüschwitz,  Geh.  Rat  313. 
Luther,  Martin,  58  f.  61  ff.  69  ff. 
v.  Lüttichau,  Cornet  318. 

Magdeburg,  Erzbiscb.  48. 
Mähren  279.  s.  a.  Jobst. 
Maier,  Konrad  216. 
Mailand  s.  Visconti. 
Mainz,  Erzbisch.  313. 
de  Malerarques,  Kapitän  318f. 
v.  Maltitz,  Hans  99. 

—  Sigmund  107. 
Männlich,  Melchior  206.  217. 
Mansfelder  Kupferbergwerke  193. 


:;:,•> 


Register. 


Marats,   Brigadier  .'518. 

M  argarete,  Prinzessin  v.Hessen  13. 

Margarita,  Ant.,  Lehrer  des  He- 
bräischen in  Leipzig  81. 

Maria,  Gem.  Ludwigs  1.  v.  Neapel 
6.  8. 

Maria,  Tochter  des  Herzogs  v. 
Berry  19. 

Mark,  Michael  273. 

Maximilian  1L}  Kaiser  277. 

v.  Meckau,  Bisch,  v.  Brixen  65. 

Meder,  Jodocus,  v.  Windheim, 
Lieutenant  76. 

MeinhcrIV.,Burggf.v.Mcifsen  95. 

—  VI.,  Burggf.  v.  Meifsen  97. 
Meisenberg,  Dr.  89. 

Meifsen,  Markgrafen  s.  Friedrich, 
(Jeorg,  Wilhelm. 

—  Burggrafen  s.  Anna,  Heinrich, 
Meinher. 

-  Domkapitel  102. 
Melanchthon,  Phil.  58.  61. 
Melierstadt,  Dr.  43.  47. 
Melzer,  Christian  250. 
Merseburg,   Bischof  68 f.   79.  81. 

s.  a.  Friedrich. 
Mensel,    Andr.,    Oberpfarrer   in 

Frankfurt  a.  0.  267. 
v.  Meufshach,  Jon.  Georg,  Frhr., 

Oberst  315f. 
Meutzner,  K.  F.  G.,  Hilfslehrer  in 

Schneeberg  265. 
Mittweida  220  ff. 

Morgenstern,  Dr.,  Leibmedic.  303. 
Moritz,  Kurf.  v.  Sachsen  287.  289. 
v.  d.  Mosel,  Hans  Heinr.,  Wacht- 
meister 316. 
Mosellanus  (Schadig),  Petr.  56 ff. 

71  ff.  91. 
Müller,  Bezirksschulinspekteur  n. 

Schulrat  in  Scbwarzenberg  268. 

-  Dan.Traug.,  Rektor  in  Schnee- 
l)erg  254  f. 

Mutianus  55.  57.  76. 

v.  Nabeticz,  Hans,  Vorsteher  des 

Kl.  Nimhschen  309. 
Nassau    bei    Dippoldiswalde    99. 

mif. 
Natus,  Fabian,  Pfarrer  273. 
Neapel   I  s.  Johanna,  Maria. 
v.  Neerhoff,  Korporal  316. 
Neustadt  a.  H.  313. 
Niederösterreicli   271. 
Nimbschcn,  Kloster  307ff. 


Nobbe  (Noppius),  Hieron.,  Rektor 

in  Schneeberg  241. 
v.  Norfolk,  Herzog  18. 
Noricus,  Dr.  89. 
Nürnberg  178 ff.  280f.   313.   s.  a. 

Elisabeth,  Friedrich. 

Oberlausitz  I3f. 

Oberineier,  Paul,  Rektor i.  Schnee- 
berg 23o.  235.  246f. 

Ochsenfart  s.  Dungersheim. 

v.  d.  Ölsnitz,  Fr.  99. 

( rpitz,  Georg,  aus  Eger  278.  288. 

v.  Oppel,  Vizekanzler  295. 

Oschatz  309. 

Ösfeld,  Pastor  in  Altstadt -Wai- 
denburg 267. 

Ossegg,  Kl.  94.  104  f. 

Österreich  s.  Karl,  Wilhelm. 

Ottengrün  277. 

Pachelbl,WolfAdam,  aus  Eger  278. 

Parthenius  60. 

v.  Passer,  Kapitän  320. 

v.  Pelcken,  .loh.  181. 

Petrarka  40. 

Pfalz  280.   s.  a.   Stephan,  Wolf- 

gang  Wilhelm. 
Pflug,  (  'aesar,  A  mtinann  in  Leipzig 

83  f.  89. 

—  Nickel,  zu  Knauthain   100. 
Philipp  IL,  Kg.  v.  Span.  I80f.  215f. 
v.  Pirch.  Casp.  Franz,  Oberstlieut. 

320.  '323. 
Pirna  286. 
Pistoris,  Job.,.. Mag.  45. 

—  Siniiin  (1.  Ä.,  Prof.  d.  Med.  in 
Leipzig  85. 

Ordinär,  d.  Juristen -Fakult. 

in  Leipzig  70.  91. 

Polen  s.  Friedrich  August. 

Poliander,  Job..  Schulmeister  zu 
St.  Thomas  in  Leipzig  75.  77. 

Polhnar,  Dr.,  Stadtphysikus  zu 
Dresden  303. 

v.  Ponickau,  Jon.  Georg  250. 

Poepel,  Thomas,  Rektor  in  Schnee- 
berg 244. 

Portugal     I78ff.    s.   a.  Heinrich, 

Sebastian. 

Potocki,  Wocislaw,  Obrist  320. 
Pötz,  Georg,  in  Leipzig  285. 
v.  Powisch,   Lieutenant  323. 
Prachtbeck,  Paul,  Licentia  74. 


Register. 


353 


Prag  274  ff.  294. 

Procop,  Markgraf  v.  Mähren  14. 

v.  Raab,  Korporal  316. 

v.  Rabenstein,  Heinr.  Frhr.,  auf 
Riesenberg  103  ff. 

Rasebig,  Rektori.  Schneeberg  237. 

Ran,  Wendelinus,  Mag.  90. 

Rauchmaul,  Wwe.,  Verlagsbuch- 
handlung 314. 

Rechenberg  94  ff. 

Rehbacb  bei  Knautbain  127. 

Rehlinger  (Rechlinger) ,  Anton 
Christian,  in  Augsburg  210. 

—  Joh.Ulr.,  Dr.,  i.  Augsburg  283  ff. 
v.  Reitzenstein,  Georg  Christoph, 

Lieutenant  316. 

Rem,  Hieronymus  211.  216. 

Rembold,  Hans  Jakob,  in  Augs- 
burg 210. 

ReuchÜn  55.  58. 

Reusch,  Magister  55.   77. 

Reusmann,  .Toh.  Gottfr.,  Rektor 
in  Schneeberg  254ff. 

Reuter,  Job.  Jakob,  Dr.  med.  270. 

Richard  IL,  Kg. v.England  17ff.  37. 

Riedel,  Johann  279. 

Riesenburg,  Schlofs  u.  Herrschaft 
94ff.  101. 

v.  Riesenburg,  Borso  II.  u.  III.  94  ff. 

—  Slauko  95  f. 

—  Sofia  96. 

Rivius,  Job.,  Rektor  in  Schnee- 
berg 245. 

de  Rochefort,  Sous-Brigadier  317  f. 

Rochlitz,  Kunigundenkirche  219  ff. 

Rochsburg  225  f. 

Ronow.Graf ,  Job.  Willi.,  Major  316. 

Rostock  101. 

v.  Rotenberg,     Tobias     Adrian, 

Oberstlieutenant  320. 
Rott,  Erasmus  203.  209.  21 2  f.  217. 

—  Georg  203. 

—  Konrad  177  ff. 

—  Nicolaus  212. 
Rottenbeck,  Hans  Wolf,  in  Nürn- 
berg 209. 

Rovelasca,  Giovambattista  203  ff. 
217. 

Rudel,  Rektor  in  Schneeberg  u. 
Pfarrer  in  Schwarzenberg  240. 

Riüand,  Buchhändler  in  Frank- 
furt a.  M.  311  ff. 

Ruprecht  (v.  d.  Pfalz),  König  9. 
14.  25  f.  29.  37. 

Neues  Archiv  f.  S.  G.  u.  A.  XVI.  3.  4. 


v.  Ryssel,   Job.   Heinr.,   Bürger- 
meister in  Schneeberg  250.  252. 

Sachsen  s.  Albrecht,  Anna,  August, 
Ernst,  Friedrich,  Friedr.  Aug., 
Georg,  Job.  Friedr.,  Joh.  Georg, 
Katharina,  Moritz,  Wilhelm, 
Zdena. 

Sachsen -Weimar  s.  Johann  Ernst. 

v.  Sacken,  Otto  Chrph. ,  Major 
320.  323. 

Scaliger  9. 

Schaarschmidt,  C.  F.,  Geh.  Rat 
267  f. 

—  Joh.  Frdr.,  Rektor  in  Schnee- 
berg  243.  260. 

Schade,  Abrah.,  Rektor  in  Schnee- 
berg 247. 

Scheffler,  Job.,  Dr.  jur.  270. 

Schellenberg  105. 

Scbererz,  Sigm.,  Pfarrer  273. 

Scheurl,  Prof.  in  Wittenberg 47. 51. 

Schindler,  Archidiak.  in  Schnee- 
berg 253. 

Schladminger  Bergbrief  114. 

Schleiffer,  Joh.,  Pfarrer  in  Schnee- 
berg 230. 

v.  Schleinitz,  Heinrich,  Dr.  71. 

—  Hugold  106.  225. 
Schlema  235. 
Schlesien  279.  290. 
Schlesier,Ephorus  in  Zwickau  236. 
Schmertosch,  Martin,  von  Riesen- 
thal 274  ff.  287  f. 

Schneeberg  114.  178.  229  ff. 
Schober,    Albr  ,    Propst  des  Kl. 

Nimbschen  309. 
Schöller,  Phil.,  in  Leipzig  285.  288. 
v.  Schönberg,  die  97.  102. 

—  Andreas,  Kommandant  von 
Dresden  295. 

—  Bernhard,  a.  Purschenstein  101. 

—  Heinrich  107. 

—  Kaspar,  auf  Purschenstein  107. 

—  Nickel,  Hofmeister  der  Her- 
zogin 100. 

Schörckel,  Martin,  Hofapotheker 

276. 
Schreiber,  Quartus  in  Schneeberg 

238  f. 
Schurig,  Martin,  Leibmedicus  303. 
Schweden,  s.  Gustav  Adolf. 
Sebastian,  Kg.  v.  Portugal  180  ff. 
v.  Seebach,  Lieutenant  320. 
Sehlis  bei  Leipzig  127. 

23 


:;:,! 


Register. 


Sieber,  l  Irban  ( lottfr.,  Rektor  in 

Schneeberg  241. 
Siemanowski,  Lieutenant  320.  323. 
Spalatin,  Georg,  57  f. 
Spanien  s.  Philipp, 
v.  Staupitz,  Haus  99. 

—  .lob.,  Dr.  43. 

Stegmann,   Audi'. ,    Wundarzt   in 

Leipzig  274. 
Steiermark  270f. 
Steinbach,  Engelhard  273. 
Stephan,  Hz.  v.  Baiern  23. 

—  Pfalzgraf  37. 

Stepner,  Superintendenti.Zwickau 
263. 

Steude,  Seb.,  Mag.  90. 

v.  Stubenberg,  Adolf  Willi.,  Fähn- 
rich 316. 

Stumpf,  Tertins  in  Schneeberg 
241  f. 

Sulzherger,  Job.  Rupert,  Dr.  med. 
270. 

—  Sigism.  Friedr.,  Protonotar  am 
Oberhofgericht  270. 

Surlande,  Adjutant  318. 

Tempski,  Lieutenant  320. 

Thanrädl,  Andreas,  Freiherr  271  f. 

Theil,  Laur.,  Lic.  med.  302. 

v.  Theler,  Wolf  101. 

Thomas,  Graf  v.  Kent  37. 

Thomas,  L.  Gr.,  Kantor  in  Schnee- 
berg 265. 

Tliönicker,  Joh.Joach., Oberpfarrer 
in  Schneeberg  232.  234.  238  f. 
242.  249 f. 

Thüringen  s.  Anna,  Balthasar, 
Friedrich. 

Thüringische  Gesellschaft  177  ff. 

v.  Thurn,  Graf  Heinr.  Matthias 
274  f. 

Timäus,  Job.,  Geh.  Rat  279. 

Tirol  279. 

Torgau  187  f.  191. 

Torstenson  286.  289. 

Trommler,  Oberpfarrer  in  Schnee- 
berg 241  f.  258. 

—  Tertius  in  Schneeberg  239. 
Troppaninger,  Dr.,  Arzt  in  Drcs- 

den  297.  302. 
Trützschler,  Christian  Ernst,  Ka- 
pitän 316. 

—  Georg  Wilh.,  Wachtmstr.  316. 

Urhan  IV.,  Papst  4f. 


Velius,  Caspar  ürsinus  55. 

Venedig  I09ff. 

Visconti,  Anglesia  1  l  ff.  33f. 

—  Bernabö,  Hz.  v.  .Mailand  3ff. 
39ff. 

—  Elisabeth  28. 

—  Gabriel  20f. 

—  Galeazzo  5. 

—  Gian    Galeazzo    III..    Hz.   v. 
Mailand  3ff. 

—  Katharina,  Gem.  d.  Galeazzo 
6.  9.  20.  30ft.  37.  -11. 

—  Lucia  3  ff. 

—  Matteo  5. 

—  Regina    (Beatrice),    Gem.    d. 
Bernabö  40ff. 

—  Uberto,  Bürger  zu  Mailand  31. 

—  Valentina  10.  23.  28. 
Vitzthum    v.    Ecksriidt,    Chrph. 

Heinr.,  Major  319.  323. 
Voigtländer,    Job.    Gottl.    Aug., 
Rektor    in    Schneeberg    235. 
237.  240.  244.  260  ff. 

—  Job.  Heinr.  G.,  Archidiakonus 
in  Schneeberg  237.  260. 

v.    Volkersam,    Kommandant    v. 

Alten-Dresden  295. 
Vorarlberg  279. 

Wahl,  Oberpfarrer  in  Schneeberg 

230.  235.  237.  244.  254. 
v.  Wallenfels,  Lieutenant  320. 
Wallenstein  286. 

Walmotte  deBaudwen,  Kapit.  318. 
Warschau  317.  320ff. 
Weighart,  Franz  100. 

—  Hans  d.  Ä.  100 ff. 

—  Hans  d.  J.  100.  106f. 

—  Heinrich  100.  106  f. 

—  Krieg  100. 

v.  d.  Weitmüh],  Benisch  106. 
Weller,  Hieron.  240. 
Welser  179ff. 

—  Hans  210. 

—  Hans  Lucas  210.  216. 

—  Mathäus  210. 

Wenzel  Konigllff.24f.29.32.96. 
Werler,  Veit,  Mag.  56. 
v.  Westfalen,  Arnold  219ff. 
Wichmann,  Job.,  in  Hamburg  183. 
Wilhelm  L,  Mkgr.  v.  Meifsen  1 2  ff. 
24.  26.  96 f. 

—  II.,  Mkgr.  v.  Meifsen  15. 

—  III.,  Hzg.  v.  Sachsen  98. 

—  Hz.  v.  Österreich  25. 


Register. 


355 


Wlmpina,  Theologe   17. 
Wittenberg',  Universität  -43 ff. 
v.  Witzleben,  Friedrich  16.  22. 
Wizani  d.  J.,  Kupferstecher  108. 
Wolfgang     Wilhelm,     Pfalzgraf 

v.  Neuburg  280. 
Wrangel,  Otto,  Major  318. 
v.    Wrsessewitz,  Joh.,   Hauptin. 

z.  Teplitz  103. 
Wüstenfelder,    Rektor    d.   Univ. 

Leipzig  70    75. 
v.  Wuthenau,  Kapitän  320. 


Zbyewski,  Lieutenant  320.  323. 
Zdena,   Herzogin  v.  Sachsen  45. 
Zecheudorff,     Joh.,     Rektor     in 

Schneeberg  247. 
Zeithain,  Campement  319  ff. 
Ziegler,    Kantor    in    Schneeberg 

233. 
Zinna,  Kloster  48. 
Zwickau,   Superintendentur  23(3. 

239. 


•_':; 


Saxonica 

der 

Verlagsbuchhandlung  von  Wilhelm  Baensch 

in  Dresden. 

September  1895. 

♦ 

Die  mit  f  bezeichneten  Werke  sind  in  Fraktur-,  alle  anderen 

in  Antiquaschrift  gedruckt;    die  mit  '  angeführten  werden 

in  kurzer  Zeit  erscheinen. 


Beschorner,  Rechtsanwalt  und  Hofrat  (f).  Aus  meiner  Anwalts- 
Praxis.    M.  1,—. 

fliock  von  Wülflngen,  Major  z.  1).  Die  geschmähten  Kadetten- 
Korps.     M.  -,75. 

t  von  Itroizeni,  Oberst  und  Chef  des  K.  S.  Generalstabes.  Die 
Schlacht  der  Zukunft.     M.  — ,75. 

t  Chronik  des  Sächsischen  Königshauses  und  seiner  Residenz« 
Stadt.    M.  150,—. 

Drechsler,  Adolph,  Dr.,  k.  sächs.  Hofrat,  Ergebnisse  von  fünfzig- 
jährigen Beobachtungen  der  Witterung-  zu  Dresden  1828  bis 
1878.    M.  10,—. 

—  Witterungsverlauf  zu  Dresden  1870  bis  1885.    M.  5,—. 

—  beide  Abteilungen  18^8  bis  1885  in  einem  Bande  M.  15,—. 
Ermisch,  H.,  Dr.phil.,  k.  sächs.  Archivrat.    Das  alte  Archivgebäude 

am  Tasehenlierg  in  Dresden,  ein  Erinnerungsblatt  mit  fünf  Ab- 
bildungen auf  vier  Blatl  Lichtdruck.  Geb.  M.3,— .,  brosch.  M. 2, — . 

—  Die  sächsische  Geschichtsforschung  in  den  letzten  dreifsig  Jahren. 
M.  1,—. 

—  Studien  zur  Geschichte  der  sächsisch-böhmischen  Beziehungen  in 
dm  Jahren  1464  bis  1471.    M.  3,—. 

"J'Exner,  k.  .sächs.  Oberstlieutenant  und  Vorstand  des  k.  sächs. 
Kriegs-Archivs.  Die  Anteilnahme  der  Königlich  Sächsischen 
Armee  am  Feldzuge  gegen  Österreich  und  die  kriegerischen 
Ereignisse  in  Sachsen  im  Jahre  1809;  mit  achl  Karten  und 
einer  Skizze.    Geh.  M.  5,—,  brosch.  M.  4,—. 


t  von  Falkenstein,  Freiherr  Dr.  Paul  (f),  Je.  sächs.  Staatsminister 
a.  D.  und  Minister  des  Königlichen  Hauses.  König-  Johann 
von  Sachsen,  ein  Charakterbild  mit  drei  Kupferstichen  von  Pro- 
fessor Bürckner  und  acht  Beilagen.  Geb.  M.  10,—,  brosch. 
M.  8,50,  Volksausgabe  M.  1,50. 

Fernspreckeinricbtung  in  Dresden.  Aufgestellt  von  der  Kaiser- 
lichen Ober-1'ost-Direction  Dresden.     M.  —,75. 

f  von  Friesen,  Richard  (f),  Freiherr,  k.  sächs.  Staats-  und  Finanz- 
minister. Erinnerungen  aus  meinem  Leben.  II.  Auflage,  zwei 
Bände.    Geb.  M.  18—,  brosch.  M.  15,—. 

t  Gebauer,  Heinrick,  Oberlehrer  an  der  öffentlichen  Handelslehr- 
anstalt der  Kaufmannschaft  zu  Dresden.  Die  Volkswirtschaft 
im  Königreiche  Sachsen.  Historisch,  geographisch  und  statistisch 
dargestellt.    Drei  Bände.     Geb.  M.  36,—,  brosch.  M.  30,—. 

f  Gcschicbtsblätter,  Dresdner,  herausgeg.  im  Auftrag  des  Vereins 
für  Geschichte  Dresdens  durch  Dr.  O.  Richter,  Ratsarchivar. 
Jahrgang  I  bis  III  je  M.  3,—,  Mappe  M.  1,50. 

Enthält  folgende  gröfsere  Aufsätze. 
Beutel,  Georg,  Dr.,  Archiv-Assistent.  —  Merkwürdige  Häuser. 

III.  Kreuzstrasse  Nr.  10.     II,  4. 
von  Biedermann,  Freiherr,   W.,  —  Göthe  in  Dresden.     I,  3. 
Blanckmeister,  Fr.,  Pastor.  —  Die  Dresdner  Kirchenbücher.  II,  2. 

—  Zinzendorf  in  Dresden.    I,  2. 

Ermisch,  Tl.,  Dr.  phil.,  k.  sächs.  Archivrat  am  k.  Hauptstaats- 
archiv Dresden.  —  Das  älteste  Dresdner  Stadtbuch.     I,  4. 

von  Friesen,  Freiherr,  Generalmajor.  —  Die  Friesen  als  Haus- 
besitzer in  Dresden.    III,  2. 

—  Zu  dem  Briefe  des  Generals  von  Thielmann  an  den  Hofrat 
Böttiger  1811.    II,  3. 

von  Göphardt,  A.  L.,  Oberjustizrat.  —  Die  letzte  des  altsächsi- 
schen Geschlechtes  von  der  Sahla.     II,  3. 

Kade,  R.,  Dr.  phil.,  Gymnasial  -  Oberlehrer.  —  Kurfürst  Moritz 
und  die  Musik.    I,  3. 

—  Kurfürst  Moritz  in  der  Kunst.    II,  1. 

Lippert,  Woldemar,  Dr.,  Staatsarchivar  am  k.  Hauptstaatsarchiv 

Dresden.    —   Historische  Ausflüge  in  Dresdens   Umgebung. 

I.  Die  Zschoner  Mühle.     II.  Die  Meixmühle.     I,  4. 
Meltzer,    0.,   Rektor,    Dr.    —   Gereimte    Selbstbiographie    des 

Diakonus  M.  Christian  Richter  1645-1725.     III,  1. 
Müller,   Georg,   Professor  Dr.  —  Der  Ponickausche  Garten  im 

Jahre  1574.     II,  3. 

—  Andreas  Morgenroth,  kurfürstl.  Buchdrucker  1578— 1586.  111,2. 

—  Die  Einrichtung  einer  Eilpostverbindung  Berlin  -  Dresden- 
Prag  -  Regensburg  1653.    II,  3. 


Müller,  Georg,  Professor  Dr.  —  Bans  Jenitz,  Geheim- Sekretär 
des  Kurfürsten  Augast.     II.   I. 

—  Schnelligkeit  der  sächsischen  Eilpost  1571.     II.   I. 
Rachel,    Paul,  Dr.,  Oberlehrer.  —  Ein  Brief  des  Generals  von 

Thielmann  an  Eofrat  Böttiger  1811.    II,  2. 

—  Das  Dresdner  Landwehr-Bataillon  L813/14.     I,  2. 
Richter,  0.,  Dr.,  Ratsarchivar.  —  Aufzeichnungen  über  die  Ein- 
führung der  Reformation  in  Dresden.    I,  3. 

—  Pas  Wassertrinken.    II,  1. 

—  Der  Abschiedsbrief  des  letzten  mittelalterlichen  Pfarrers  von 
Dresden.     I,  1. 

—  Der  erste  Dresdner  Buchhändler.    I,  3. 

—  Der  Frauenkirchhof.  Dresdens  älteste  Begräbnisstätte.  111,2. 

—  Der  hölzerne  Esel.    II,  1. 

—  Die  ältesten  Innungsordnungen  der  Dresdner  Schuhmacher 
und  Schneider.    11,  2. 

—  Die  ersten  Anzeichen  der  lutherischen  Bewegung  in  Dresden. 
II,  3. 

—  Die  Stadtgrenze  bei  Räcknitz.    I,  2. 

—  Dresdens  Strafsen  und  Plätze.    I,  1. 

—  Ein  Mahnbrief  des  Rates  zu  Dresden  an  Herzog  Heinrich  151  7. 
II,  1. 

—  Ein  Priestermord  1513.    II,  2. 

—  Ein  Vierteljahrhundert  unseres  Vereinslebens.    III,  2. 

—  Elisa  von  der  Recke  im  Wonnemonat  des  Jahres  1790.   III,  l. 

—  Gräber  in  der  Sophienkirche.    II,  4. 

—  Merkwürdige  Häuser.  I.  Altmarkt  Nr.  15  (Goldner  Ring).  I,  I. 

—  Merkwürdige  Häuser.    II.  Altmarkt  Nr.  10  (Marienapotheke). 

—  Sammlungen  für  Abgebrannte.    II,  4. 

—  Tierhetze  auf  dein  Altmarkt.     H,  2. 

—  Über  die  altniederländischenBilderteppiche  in  der  k.  Gemälde- 
galerie.   II,  1. 

Urbach,    'Theodor,   Dr.,  Professor  am  Gymnasium  zum  heiligen 
Kreuz.   —    Das  geistige  Leben  Dresdens   am  Ausgange   des 
18.  Jahrhunderts.    II,  1. 
Wuttke,  K.  —  Ein  Standrecht  in  Dresden  während  des  dreifsig- 
j ährigen  Krieges.    III,  1. 
t  Haan,   Dr.   theol.,   k.   sächs.   Kirchenrat,    Superintendent   emer. 
Die  Episkopal-,  Konsistorial-  und  Diözesan-Verfassung  im  ehe- 
maligen   Kurfürstentum     und    jetzigen    Königreiche    Sachsen, 
kirchenstatistisch  dargestellt.     M.  :!,— . 
fHaebler,  Konrad,   Dr.  phil.    Maria  Josepha  Amalia,   Eerzogin 
zu  Sachsen,  Königin  von  Spanien.     Ein  Lebensbild  mil   Porträt 
und  facsimilierter  Unterschrift.    Geb.  M.  5,25,  brosch.  31.  4,—. 


f  Hassel,  Dr.phil.,  Geheimer  Regierungsrat,  Direktor  des  k.  sächs. 
Hauptstaatsarchivs  und  Graf  Yitztlmm  von  Eckstädt,  Major 
im  K.  8.  Generalstab.  Zur  Geschichte  des  Türkenkrieges  im 
Jahre  1683.  Die  Beteiligung  der  kursächsischen  Truppen  an 
demselben.    M.  4, — . 

Heller,  F.  H.,  Dr.  Die  Handelswege  Inner -Deutschlands  im  15., 
16.  und  17.  Jahrhundert  und  ihre  Beziehungen  zu  Leipzig-. 
Mit  einer  Karte.     M.  2,—. 

fHey,  Gustav,  Dr.,  Professor  am  Realgymnasium  zu  Döbeln. 
Die  slavischen  Siedelungen  im  Königreich  Sachsen  mit  Erklärung 
ihrer  Namen.    Geb.  M.  7.50,  brosch.  M.  6,—. 

f  Invaliditäts  -  und  Altersversicherung.  Amtsblatt  der  Ver- 
sicherungsanstalt für  das  Königreich  Sachsen.  Jahrgang  I — IV. 
I— III  ä  M.  3 ,— ,  IV  M.  1.50. 

fKlenck,  von,  Major  a.D.  Kriegs-Tagebuch  1870/71  der  1.  Es- 
kadron des  Königlich  Sächsischen  Garde -Reiter -Regiments. 
Geb.  M.  5,—.  brosch.  M  4,—. 

t  von  Larisch,  Je.  sächs.  Hofrat.  Oberst  von  Larisch,  ein  Zeit- und 
Lebensbild  aus  den  Freiheitskriegen.  Mit  einem  Porträt.  Gel). 
M.  5,50,  brosch.  M.  4,50. 

Lippert,  Woldemar,  Dr.,  k.  sächs.  Staatsarchivar.  Die  Wettiner 
und  Witteisbacher  sowie  die  Niederlausitz  im  14.  Jahrhundert. 
M.  6,—. 

t  Loinmatzsch,  Hauptmann  ä  la  suite  des  2.  Grenadier-Regiments 
Nr.  101  „Kaiser  Wilhelm,  König  von  Preussen",  Kompagnie- 
führer an  der  Unteroffiziervorschule.  Leitfaden  der  sächsischen 
Geschichte,  bestimmt  zum  Unterricht  an  der  Königlichen  Unter- 
oftizierschule  und  Unteroffiziervorschule  zu  Marienberg.  Geb. 
M.  1,50,  brosch.  M.  1, — ,  oder  in  vier  Lieferungen  zu  je 
M.  —,80. 

—  Georg,  Dr.  Die  Bewegung  des  Bevölkerungsstandes  im  König- 
reiche Sachsen,  während  der  Jahre  1871—1890  und  deren  haupt- 
sächlichste Ursachen.     Nebst  4  Karten  M.  4,— . 

f  von  Minckwitz,  A.,  Oberhofmeister  a.  D.,  k.  sächs.  Wirklicher 
Geheimer  Bat  (f).  Geschichte  von  Pillnitz  vom  Jahre  1403  an- 
Aus  den  hinterlassenen  Papieren  bearbeitet  durch  von  Baensch. 
Nebst  sechs  Abbildungen  und  einem  grofsen  Blatt  in  Licht- 
druck.    Geb.  M.  5,— ,  brosch.  M.  4,— . 

—  Die  ersten  kurfürstlich  sächsischen  Leibwachen  zu  Rofs  und 
zu  Fufs.  Aus  den  hinterlassenen  Papieren  bearbeitet  durch 
von  Schimpff,  k.  sächs.  Oberst  z.  D.   Geb.  M.  5, — ,  brosch.  M.  4, — . 

f  Mitteilungen  des  Königlich  Sächsischen  Vereins  für  Erforschung 
und  Erhaltung  vaterländischer  Altertümer.  Heft  1  bis  30.  Voll- 
ständig M.  60,—.    Einzelne  Hefte  soweit  noch  vorrätig  ä  M.  2, — . 


f  Mitteilungen  des  Vereins   für  Geschichte   Dresdens.     Befl    l 

bis  II  je  M.  1,— . 

ETefl   I:    Dresdner  Chronik  vom  1.  Juli  bis  31.  Dezember  1&69. 

Heft  II:    Hantzsch,  A. ,  Geschichte  der  Neustädter  Realschule. 

Il.n  Hl:  Hantzsch,  A.,  Geschichte  des  Dorfes  Plauen  bei 
I  Dresden. 

Heft  IV:  Richter,  0.,  Der  Bufsprediger  Johannes  von  Capi- 
strano  in  Dresden  und  diu  Nachbarstädten  1452.  -  Derselbe, 
Kin  Brief  Melanchthons.  —  Derselbe,  Dresdner  Strafienszenen 
vom  Jahre  1552.—  Widemann,  F.,  Alt-Dresden  und  dessen 
Brand  1685.  —  Gurlitt,  C,  Eine  Quelle  zur  Baugeschichte 
Dresdens.  —  Hantzsch,  A.,  Die  Spiegelschleife  bei  Dresden. 

—  Mcltzer,  ().,  Eine  Ordnung  für  das  Alumnat  der  Kreuz- 
schule  aus  der  /.weiten  Hälfte  des  Ki.  Jahrhunderts.  — 
Derselbe,  Über  dramatische  Aufführungen  au  der  Kreuz- 
schule. 

Heft    V    und    VT:     Heinze,    A.,    Dresden    im    siebenjährigen 

Kriege. 

Heft  YID  Meltzcr,  O.,  Die  Kreuzschule  zu  Dresden  bis  zur 
Einführung  der  Reformation  (1539). 

Heft  VIII:  Neidhardt,  A.,  Der  Nachlaß  des  kursächsischen 
Premierministers  Reichsgrafen  Eeinrich  von  Brühl.  — 
Hantzsch,  A.,  Geschichte  des  Dresdner  Christmarktes.  — 
Derselbe,  Der  Ileisewitziscbe  Garten  in  Plauen  bei  Dresden. 

—  Richter,  O.,  „Verehrungen"  des  Rates  zu  Dresden  an 
hohe  Beamte  1680-1718.  —  Müller,  G.,  Die  Geistlichkeit 
der  Superintendentur  Dresden  im  Jahre  1578. 

Heft  IX:  Nenbert,  H.  M.,  Zur  Entstehung  der  Dresdner  Vor- 
städte. —  Pietsch,  K.  H.,  Beiträge  zur  Dresdner  Häuser- 
geschichte: A.  Das  Burglehn;  B.  Der  Tasebenberg.  — 
Knothe,  H.,  Das  Augustinerkloster  zu  Alt -Dresden  und 
seine  Besitzungen  in  der  Oberlausitz.  —  Kaue,  R.,  Eine 
Dresdner  Familienchronik  1542—1597.  —  Müller,  G.,  Eine 
Instruktion  für  die  Verwaltung  des  „Gemeinen  Kastens"  in 
Alt  -  Dresden. 

Heft  X:  Buchivald,  G.,  Dresdner  Briefe  1625  bis  1670.  Ein 
Bild  aus  dem  Dresdner  Leben  im  17.  Jahrhundert.  —  Beutel, 
G.,  Aus  den  Reisetagebüchern  almosensammelnder  Dresdner 
Bürger  nach  dem  Brande  von  Alten-Dresden  im  .Jahre  1685 

llett  XT:  von  Friesen,  E.  G.  M.,  Freiherr,  Dresden  im 
Kriegsjahr  1809. 


Fortsetzung  folgt. 


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